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Full text of "Münchener medizinische Wochenschrift"

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UNIVERSITY  OF  ILLINOIS 
LIBRARY 


Class 

6  \0*  5 


Book  Volume 

HU. 


Ja  09-20M 


*  * 


J 


t  • 


MÜNCHENER 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


HERAUSGEGEBEN 


0. ).  Angerer,  Ch.  Baumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  W.  *.  Leube.  G.  Merkel,  J.  i.  Michel,  F.  Penzoldt,  H. ».  Ranke.  F. ».  Winckel, 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München. 


* 


REDIG1RT 


HOFRATH  D*  BERNHARD  SPATZ 

PRAKT.  ARZT. 


XLIX.  JAHRGANG. 

1  \  V\'g ^  <2  (Auly  -  Jtc) 


MÜNCHEN 

VERLAG  VON  J.  F.  LEHMANN 


1902.  o/> 


fHe  Münch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöchentl. 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest. -Ungarn  vierteljährl.  6  Jt, 
ins  Ausland  8.—  Jl.  Einzelne  No.  80 


MÜNCHENER 


Eilsendungen  sind  zu  adressiren:  F'ür  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  lleustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  C,  Gerhardt,  \7,  v.  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Berlin.  Würzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen.  München.  München. 


No.  26.  1.  Juli  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  2U. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen.  Poliklinik  in  Heidelberg. 

Direktor :  Ilofrat  Prof.  Dr.  V  i  e  r  o  r  d  t.) 

Die  Heilstättenbehandlung  der  Tuberkulose.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Hammer. 

Mit  grosser  und  bewunderswerter  Energie  ist  der  Kampf 
gegen  die  mörderische  und  verheerende  Volkskrankheit,  gegen 
die  Tuberkulose,  aufgenommen  worden.  Vorbereitet  und  ein¬ 
geleitet  von  den  Aerzten  nach  langjähriger  und  sorgfältiger 
Arbeit  und  Forschung  bezüglich  der  Aetiologie,  Pathologie  und 
Therapie  der  Tuberkulose,  speziell  der  Lungentuberkulose,  be¬ 
teiligten  sich  an  ihm  alle  Stände  und  Gesellschaftsklassen,  der 
Staat  und  die  Städte,  die  Arbeitgeber  wie  auch  die  Vertreter  der 
Arbeiter,  nicht  in  letzter  Linie  auch  die  private  Wohltätigkeit. 
Durch  das  von  vornherein  zielbewusste  Zusammenwirken  aller 
dieser  Faktoren,  vor  allen  Dingen  aber  Dank  der  noch  vom 
ersten  Kanzler  inaugurierten  sozialen  Gesetzgebung,  die  die  Ver¬ 
wendung  der  für  die  Invalidenversicherung  gesammelten  Gelder 
für  Heilzwecke  der  Tuberkulose  zuliess,  ist  es  möglich  geworden, 
in  einer  unverhältnismässig  kurzen  Zeit,  in  kaum  7  Jahren 
seit  Gründung  des  deutschen  Zentralkomitees  zur  Errichtung  von 
Heilstätten  für  Lungenkranke,  ein  wirklich  staunenswertes  Re¬ 
sultat  zu  erzielen.  Fs  sind  jetzt  neben  ca.  20  Privatanstalten, 
die  ebenfalls  versicherte  Lungenkranke  aufnehmen,  schätzungs¬ 
weise  ca.  60  Volksheilstätten  im  Betriebe  und  die  Errichtung 
weiterer  Heilstätten  ist  geplant;  mit  Beginn  des  neuen  Jahr¬ 
hunderts  sollte  es  möglich  sein,  all j  ährlich  mindestens  20  000 
versicherte  Kranke  einer  dreimonatlichen  Kur  zu  unterziehen : 
sicherlich  Zahlen,  die  einen  schlagenden  Beweis  liefern  für  die 
Grossartigkeit  und  Energie,  mit  welcher  der  aufgenommene 
Kampf  in  allen  Teilen  und  Gauen  Deutschlands  geführt  wird. 

Wir  sind  aber  noch  weit  entfernt  vom  Siege. 

Nach  einer  ungefähren  Berechnung  Dettweilers  leiden 
im  Deutschen  Reiche  zu  jeder  Stunde  etwa  1  200  000  Menschen 
an  Tuberkulose,  eine  Zahl,  die  sicher  eher  zu  niedrig  als  zu 
hoch  gegriffen  erscheint;  es  sterben  im  Deutschen  Reiche  jähr¬ 
lich  nach  dem  Durchschnitt  der  4  Jahre  1894 — 1897  87  600 
Menschen  im  Alter  von  15 — 60  Jahren  allein  an  Lungen  tuber¬ 
kulöse,  mit  anderen  Worten  2,95  auf  1000  Lebende  dieser  Alters¬ 
klasse  bei  einer  Gesammtsterblichkeit  von  9,1  (Köhler:  Tuber¬ 
kulosekongress,  Berlin  1899). 

Bei  Betrachtung  dieser  Zahlen  wird  ohne  weiteres  klar,  dass 
das  bisher  Geschaffene  noch  bei  weitem  nicht  genügt,  dass  es 
notwendig  ist,  auf  dem  neuen  Weg  mit  aller  Energie  fort¬ 
zuschreiten. 

Aber  nicht  in  der  kraftvollen  Fortführung  dieser  modernen 
therapeutischen  Bestrebungen  allein  liegt  das  für  die  Zukunft 
Notwendige.  Mindestens  ebenso  wichtig  erscheint  die  Forde¬ 
rung,  dass  auf  alle  Weise  ein  richtiges  und  unbefangenes  Urteil 
über  den  Wert  dieser  mit  enormen  Kosten  verknüpften  thera¬ 
peutischen  Bewegung  erstrebt  werden  muss.  Dies  ist 
der  Punkt,  an  dem  vor  allen  Dingen  und  allein  die 
Tätigkeit  der  Aerzte  einsetzen  muss.  Nur  durch  ein 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Medizinischen  Verein  Heidelberg. 

No.  26. 


fruchtbringendes  Zusammenwirken  aller  Aerzte,  sowohl  der¬ 
jenigen,  die  zu  Leitern  der  Heilstätten  berufen  sind, 
als  auch  derer,  die  die  Auswahl  der  für  die  Heilstätten  geeigneten 
Krankheitsfälle  treffen  sollen,  ist  zu  hoffen,  dass  die  noch  offene 
Frage,  ob  denn  auch  wirklich  diese  Heilstättenbehandlung  der 
Arbeitertuberkulose,  deren  Inszenierung  durch  die  langjährige 
Erfahrung  in  der  Behandlung  der  Tuberkulose  der  besseren 
Stände  wohl  begründet  war,  den  kühnen  Erwartungen  und  dem 
gemachten  Aufwand  entsprechend  sich  dauernd  bewähren  und 
somit  einen  bemerkenswerthen  Fortschritt  in  dem  Kampf  gegen 
die  Tuberkulose  bilden  wird,  auf  schnellstem  Wege  einer  ent¬ 
scheidenden  Lösung  zugeführt  wird.  Vielleicht  wird  das  Urteil 
dieser  an  der  grossen  Aufgabe  gleichmässig  beteiligten  Aerzte 
von  einander  abweichen,  da  die  Verhältnisse,  unter  welchen  die 
Kranken  dem  Arzte  gegenübertreten,  ausserordentlich  ver¬ 
schieden  sind,  so  dass  erst  im  Ausgleich  dieses  Urtheils  sieh  ein 
endgültiger  und  bleibender  Wert  ergeben  wird. 

Gestatten  Sie  mir  nun  zunächst,  über  die  Kranken,  die  von 
hier  aus  im  Laufe  der  letzten  Jahre  in  eine  Heilanstalt  ein¬ 
gewiesen  wurden,  zu  berichten;  zu  diesem  Zwecke  muss  ich  Ihre 
Aufmerksamkeit  für  das  Anhören  einiger  statistischer  Daten 
erbitten. 

Von  der  hiesigen  Ortskrankenkasse  sind  seit  dem  Jahre 
1898  ’)  für  127  tuberkulös  Erkrankte  139  Heilverfahren  be¬ 
antragt  worden;  die  grössere  Anzahl  von  Heilverfahren  erklärt 
sich  dadurch,  dass  für  12  Kranke  2  mal  Anträge  zur  Ausführung 
eines  Heilverfahrens  gestellt  wurden.  Unter  diesen  127  tuber¬ 
kulös  Erkrankten  sind  95  männlichen  und  32  weiblichen  Ge¬ 
schlechts.  Die  Berufsarten  sind  sehr  mannigfache;  die  Ver¬ 
teilung  der  Kranken  auf  die  verschiedenen  Berufsarten  ist  aus 
folgender  Zusammenstellung  ersichtlich. 


Berufsarten 

Ibilstätten- 

Knr 

Keine  Heil¬ 
stättenkur 

männliche  Kranke 

Maler,  Tüncher,  Flaschner,  Spängler,  Schrift- 

setzer,  Lackierer  . 

8 

7 

Schmied,  Schlosser,  Mechaniker,  Monteur  .  . 

3 

11 

Stuhlmacher,  Schreiner,  Kunstschreiner  .  .  . 

6 

2 

Bürstenmacher . 

1 

1 

Gipser  . 

2 

1 

Steinhauer,  Steinbrecher . 

— 

2 

Maurer . 

3 

3 

Zigarrenarbeiter . 

1 

1 

Brauer,  Bierkutscher,  Küfer . 

6 

— 

Tagner  . 

3 

5 

Diverse  Berufsarten  (=  Kaufmann,  Kellner, 
Buchbinder,  Zimmermann,  Packer,  Gepäck¬ 
träger,  Dienstknecht,  Hausbursch,  Glaser, 

11 

Bureauarbeiter,  Posamentier . 

18 

51 

44 

Für  die  weiblichen  Kranken  spielt  danach  mit  Ausnahme 
von  5,  von  denen  4  in  der  Zigarrenindustrie  beschäftigt  waren, 

’)  Vereinzelte  Heilverfahren  sind  schon  früher  eingeleitet,  aber 
nicht  genauer  kontrolliert  worden. 


1 


1  ÜÖ2 


MÜENCJIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


Berufsarten 

I 

11 

weibliche  Franko 

Näherin,  Kleidermacherin . 

2 

5 

Verkäuferin,  Buffetfräulein,  Kellnerin,  Buch¬ 
halterin,  Wäschebeschliesserin . 

9 

3 

Auslauferin,  Blumenbinderin,  Zeitungsträgerin 

1 

2 

Zigarrenarbeiterin . 

3 

1 

Dienstmädchen  . 

5 

— 

Formerin  . 

1 

— 

21 

11 

in  Summa 

72 

55 

und  1  als  Formerin  in  einer  Ofenfabrik  mit  Blei  zu  thun  hatte, 
die  direkte  berufliche  Schädigung  keine  grosse  Rolle.  Die 
Chlorose,  die  eine  recht  häufige  Erkrankung  der  oben  angegebenen 
weiblichen  Berufsarten,  wie  Dienstmädchen,  Verkäuferinnen, 
Näherinnen,  Kellnerinnen  etc.  darstellt,  darf  wohl  nicht  mit  Un¬ 
recht  in  vielen  dieser  Fälle  als  disponierendes  Moment  heran¬ 
gezogen  werden. 

Dagegen  finden  sich  bei  dem  männlichen  Material  eine  ganze 
Reihe  als  schädlich  bekannter  Berufsarten  verzeichnet,  wie 
Zigarrenindustrie,  Schlosser,  Eisendreher,  Schmied,  Steinhauer, 
Schriftsetzer,  Buchdrucker,  Lackierer,  Maler,  Maurer,  Gipser, 
Schreiner,  Bürstenmacher  etc.  Werden  die  verschiedenen  Staub- 
schädlichkeiten  berücksichtigt,  so  ergibt  sich,  dass  metallischem 
Staub  ausgesetzt  waren :  30  Patienten  =  23,6  Proz.,  minerali¬ 
schem  Staub  11  =  8,6  Proz.,  vegetabilischem  Staub  14  =  11  Proz., 
animalischem  Staub  5  =  3,94  Proz.,  Staubgemischen  9  =  7,1  Proz. 

Den  Gefahren  einer  Bleiintoxikation  waren  15  ausgesetzt 
—  12,6  Proz. 

Bei  6  Kranken  lag  infolge  ihres  Berufs  Abusus  alcoholicus 
vor  (=  4,7  Proz.),  darunter  2  Bierfuhrleute,  bei  denen  als  einzige 
Schädlichkeit  der  Alkohol  selbst  zutrifft,  die  gleichzeitige  Schäd¬ 
lichkeit  der  Beschäftigung  in  unhygienischen  Räumen  etc.  in 
Wegfall  kommt. 

Als  Anstalten,  die  zur  Aufnahme  dienten,  sind  zu  nennen: 
Nordrach,  Schömberg,  Hornberg,  Forbach,  Bonndorf,  Säckingen, 
Friedrichsheim,  sämtlich  im  Schwarzwald  gelegen,  neuerdings 
auch  Sandbach  im  hessischen  Odenwald. 

Von  der  Landesversicherung  Baden  wurden  genehmigt 
90  Heilverfahren,  welche  bei  79  Kranken  zur  Ausführung  kamen. 
11  von  diesen  Kranken  wurden  eines  wiederholten  Heilverfahrens 
teilhaftig.  In  7  Fällen  musste  das  Heilverfahren  vor  Ablauf  von 
4  Wochen  beendigt  werden;  in  3  Fällen,  weil  die  Patienten  sich 
als  zu  schwerkrank  und  ungeeignet  für  eine  Kur  erwiesen  und 
sofort  zurückgeschickt  werden  mussten;  in  4  Fällen,  weil  die 
Kranken  sich  nicht  in  die  Anstaltsordnung  zu  fügen  wussten. 
Diese  Fälle  sind  deswegen  für  die  Statistik  der  durch¬ 
geführten  Heilverfahren  nicht  berücksichtigt,  finden  dagegen 
Verwertung  in  den  später  zu  besprechenden  Fällen  der  abgelehn¬ 
ten  Heilverfahren. 

Die  Beobachtung-szeit  der  Kranken  erstreckt  sich  bis  zum 
1.  I.  1902. 

Die  durchschnittliche  Kurdauer  beträgt  80  Tage  und 
schwankt  zwischen  80  bis  zu  180  Tagen. 

Ueberhaupt  ein  Erfolg2)  wurde  erzielt  in  61  Fällen  =  74Proz. 

Ein  voller  Erfolg  wurde  in  29  Fällen  erzielt  ==  35  Proz.,  d.  h. 
29  Patienten  haben  ihre  volle  Erwerbsfähigkeit  erlangt  und  bis¬ 
her  behalten. 

Die  längste  Arbeitszeit  dieser  Patienten  beträgt  bis  jetzt 
2  Jahre  6  Monate,  die  durchschnittliche  1  Jahr  1%  Monat. 

Ein  mittlerer  Erfolg  wurde  erzielt  in  32  Fällen  =  38,6  Proz., 
d.  h.  diese  Patienten  waren  nur  im  stände,  leichte  Arbeit  zu  ver¬ 
richten  oder  sie  erreichten  zwar  zunächst  ihre  volle  Erwerbsfähig¬ 
keit,  erkrankten  aber  bald  wieder. 

2)  Wenn  von  Erfolgen  gesprochen  wird,  so  ist  nur  der  wirt¬ 
schaftliche  Erfolg  bezüglich  der  Besserung  resp.  Wiederherstellung 
der  Arbeitsfähigkeit  gemeint  in  derselben  Weise,  wie  es  fast  in 
sämtlichen  Statistiken  der  Volkssanatorien  geschieht;  die  Aen- 
deruug  des  objektiven  Lungenbefundes,  die  Besserung  oder  Ver¬ 
schlechterung  desselben,  konnte  hier  zunächst  nicht  berücksichtigt 
werden,  sondern  muss  einer  gesonderten  Bearbeitung  Vorbehalten 
bleiben. 


Die  längste  Arbeitszeit  dieser  Patienten  dauerte  2  Jahre 
8  Monate,  die  durchschnittliche  nur  1%  Monat. 

Nur  4  von  diesen  Kranken  haben  bis  jetzt  ohne  weitere 
Unterbrechung  leichte  Arbeit  verrichten  können.  Die  übrigen 
sind  sämtlich  wiedererkrankt,  haben  sich  entweder  einem  neuen 
Heilverfahren 

(und  zwar  10,  wovon: 

1  Heilverfahren  noch  nicht  erledigt  ist, 

3  noch  einen  vollen, 

4  einen  mittleren  Erfolg  erzielt  haben,  von  denen  einer  be¬ 

reits  wieder  und  zwar  dauernd  arbeitsunfähig  ist, 

2  ohne  jeden  Erfolg  waren. 

Bei  2  Wiedererkrankten  sind  noch  neue  Anträge  gestellt,  die 
noch  ihrer  Erledigung  harren. 

Bei  2  waren  nachträglich  eingeleitete  Tuberkulinkuren  von 
Erfolg, 

o  sind  dauernd  arbeitsunfähig, 

7  sind  gestorben.) 

oder  nachträglich  einer  Tuberkulinkur  unterzogen  oder  sind 
dauernd  arbeitsunfähig  geblieben  oder  gestorben. 

Ohne  jeden  Erfolg  waren  22  Heilverfahren  =  22,5  Proz. 
Von  diesen  sind  bereits  13  gestorben,  die  übrigen  sind  dauernd 
arbeitsunfähig  oder  befinden  sich  im  Endstadium. 

Insgesamt  sind  von  sämtlichen  Kranken,  die  sich  einer  Kur 
unterzogen  haben,  22  gestorben  =  27,5  Proz. 

Es  wird  von  Interesse  sein,  dem  eben  besprochenen  Kranken¬ 
material  dasjenige  gegenüber  zu  stellen,  welches  ebenfalls  ein¬ 
gegeben  war  für  eine  Kur,  bei  dem  aber  aus  irgend  welchen 
Gründen  ein  Heilverfahren  nicht  zu  stände  kam.  Mit  aufgeführt 
unter  diesem  Material  sind  die  schon  oben  erwähnten  7  Fälle, 
bei  denen  ein  Heilverfahren  zwar  eingeleitet,  aber  schon  vor  Ab¬ 
lauf  von  4  Wochen  beendigt  werden  musste. 

Eine  kurze  Betrachtung  der  Gründe,  die  das  beantragte  Heil¬ 
verfahren  nicht  zu  stände  kommen  Hessen,  ergibt,  dass  14  An¬ 
träge  von  der  Versicherung  abgelehnt  wurden,  meistens  des¬ 
wegen,  weil  dem  begutachtenden  Arzte  die  Fälle  als  zu  schwer 
und  aussichtslos  erschienen  oder  (ausnahmsweise)  weil  dem  Ge¬ 
setz  nach  die  Einleitung  einer  Kur  nicht  berechtigt  war.  Einige¬ 
male  sind  die  Gründe  der  Ablehnung  überhaupt  nicht  bekannt 
gegeben. 

9  Patienten  hielten  sich,  als  der  Abruf  in  die  Heilanstalt 
kam,  für  gesund  und  betrachteten  die  Kur  als  unnötig;  5  ver¬ 
weigerten  die  Kur  ohne  weitere  Motivierung,  7  wegen  häuslicher 
Verhältnisse;  2  waren  inzwischen  abgereist  und  2  fürchteten  die 
Winterkur. 

Besonders  im  Anfang  machte  sich  der  Misstand  geltend,  dass 
die  Patienten  häufig  recht  lange  warten  mussten,  des  öfteren 
3  Monate,  bis  sie  zur  Kur  abgerufen  wurden,  so  dass  dieser  Um¬ 
stand  wiederholt  die  Ursache  für  das  Nichtzustandekommen 
einer  Kur  wurde.  Neuerdings  ist  dies  besser  geworden  und 
besonders  seit  der  Eröffnung  von  Friedrichsheim  brauchen  die 
männlichen  Kranken  selbst  im  Sommer  zur  Zeit  des  grösseren 
Andrangs  durchschnittlich  nicht  länger  als  4  Wochen  zu  warten. 

Wird  nun  bei  der  Beurteilung  des  Gesundheitszustandes 
dieser  Fälle,  die  eine  Heilstättenkur  nicht  durchgemacht  haben, 
sondern  nur  mehr  oder  weniger  lange  Zeit  behandelt  und  aut' 
die  Art  ihres  Leidens  und  die  Wichtigkeit  einer  entsprechenden 
Lebensweise  aufmerksam  gemacht  worden  waren,  der  gleiche 
Masstab  angelegt  wie  bei  denjenigen,  die  eine  Kur  durchgemacht 
haben,  so  ergibt  sich,  dass  von  den  55  Fällen  38  einen  Erfolg 
aufzuweisen  hatten  —  69  Proz. 

Es  bedarf  an  sich  keiner  besonderen  Hervorhebung,  sondern 
nur  hier  in  Zusammenhang  mit  den  relativ  günstigen  Erfolgen 
der  nicht  klimatisch  behandelten  Fälle  mag  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  die  Tuberkulösen  während  der  ambulatorischen  Be¬ 
handlung  mit  besonderer  Sorgfalt  immer  und  immer  wieder  auf 
die  enorme  Bedeutung  der  allgemeinen  hygienischen  Lebensweise 
aufmerksam  gemacht  werden  und  der  schon  längst  gewonnene 
Eindruck,  dass  diese  Methode  der  Belehrung  und  Aufklärung  des 
einzelnen,  abgesehen  von  nicht  zu  vermeidenden  Misserfolgen  im 
ganzen  bei  der  hiesigen  Bevölkerung  auf  einen  günstigen  Boden 
fällt,  wird  durch  die  folgenden  Zahlen  entschieden  bestätigt. 

Einen  vollen  wirtschaftlichen  Erfolg  hatten  29  aufzuweisen 
=  52,7  Proz. 

Die  längste  Arbeitsdauer  beträgt  3  Jahre  10  Monate,  die 
durchschnittliche  1  Jahr  8%  Monat. 


1.  Juli  1902. 


1089 


MUENCI IENER  MEDICI N I SCHE  W O CI IENSCHRI  FT. 


Ei  lieh  hilttlefeil  Erfolg  liattell  9  Zu  verzeichnen  =  16,6  Proz. 

Die  längste  Arb'eitsdäiier  beträgt  3  Juln'e,  die  durchschnitt¬ 
liche  9Vs  Monate. 

Von  diesen  9  sind  jetzt  noch  3  für  leichte  Arbeit  tauglich, 

1  ist  dauernd  arbeitsunfähig,  3  haben  später  nach  wiederholter 
Eingabe  noch  eine  Ivur  durchgemacht,  von  welchen  2  noch  voll 
erwerbsfähig  geworden  sind,  während  der  dritte  gestorben  ist; 

2  sind  schliesslich  gestorben,  nachdem  sie  eine  Zeit  lang  leichte 
Arbeit  hatten  verrichten  können. 

Gar  nicht  arbeitsfähig  wurden  17  =  30,9  Proz. 

ImGanzen  sind  von  diesen  SSFällen  18  gestoi’ben=32,7Proz. 
(gegenüber  27,5  Proz.). 

Das  Material  ist  in  ganz  objektiver  Weise  gegenüber¬ 
gestellt  worden,  zunächst  in  der  ausgesprochenen  Ab¬ 
sicht  und  sicheren  Annahme,  so  in  klarer  und  überzeugender 
Weise  die  günstige  Wirkung  der  Anstaltsbehandlung  zu  de¬ 
monstrieren. 

Das  Resultat  dieses  Vergleichs  ruft  —  das  lässt  sich  nicht 
leugnen  —  eine  gewisse  Enttäuschung  hervor. 

Bezüglich  überhaupt  eines  Erfolges  stehen  74  Proz.  der  in 
Heilstätten  Behandelten  gegenüber  69  Proz.  der  nicht  Behan- 
deleten,  eine  wohl  als  irrelevant  zu  bezeichnende  Differenz. 

Bezüglich  eines  vollen  Erfolges  stehen  35  Proz.  der  Be¬ 
handelten  gegenüber  52,7  Proz.  der  nicht  Behandelten  und  be¬ 
züglich  eines  mittleren  Erfolge«  38,6  Proz.  gegenüber  16,6  Proz., 
soda ss  infolge  des  hohen  Prozentsatzes  des  vollen  Erfolges  der 
nicht  in  der  Heilstätte  Behandelten  der  gesamte  wirtschaftliche 
Erfolg  bei  diesen  sogar  ein  grösserer  ist.  Dies  Verhältnis  kommt 
auch  wieder  ZUm  Ausdruck  in  der  Arbeitsdauer,  denn  bei  den 
nicht  behandelten  Fällen  mit  vollem  wirtschaftlichen  Erfolg  be¬ 
tragt  die  längste  Arbeitsdauer  3  Jahre  10  Monate  gegenüber 
2  Jahren  6  Monaten  der  behandelten  Fälle  und  die  durchschnitt¬ 
liche  Arbeitsdauer  1  Jahr  8%  Monat  gegenüber  1  Jahr  lVs  Monat; 
üild  bei  den  Fällen  mit  mittlerem  Erfolg  beträgt  bei  den  nicht 
Behandelten  die  längste  Arbeitszeit  3  Jahre  gegenüber  2  Jahren 
8  Monaten  der  Behandelten  und  die  durchschnittliche  Arbeits¬ 
dauer  9  Vs  Monat  gegenüber  lVs  Monat. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  ergibt  sich  der  merkwürdige 
Schluss,  dass  die  Heilstättenbehandlung  keine 
nennenswerten  Resultate  gezeitigt  hat. 

Es  liegt  der  Einwand  nahe,  dass  das  Kranken¬ 
material  bezüglich  der  Schwere  der  Erkrankung  ein 
sehr  verschiedenes  gewesen  sei  in  dem  Sinne  eben,  dass  gerade 
das  leichter  erkrankte  Material  sich  häufiger  der  Durchführung 
einer  Kur  entzogen  habe.  Das  K  ranken  material  ist  daraufhin 
in  objektiver  Weise  geprüft  worden,  soweit  dies  eben  möglich  ist, 
und  hat  sich  als  ein  im  wesentlichen  gleichartiges  ergeben.  Es 
soll  aber  trotzdem  gern  zugegeben  werden,  dass  unter  dem  Ma¬ 
terial,  an  dem  eine  Kur  nicht  zur  Durchführung  kam,  eine  Reihe 
leichterer  Fälle  gewesen  ist.  Dieses  Zugeständnis  findet  eine 
Stütze  darin,  dass  sich  einige  der  für  eine  Kur  eingegebenen 
Kranken  für  gesund  hielten,  als  der  Abruf  kam. 

Dieser  immerhin  mögliche  Vorteil  wird  aber  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  dadurch  kompensiert,  dass  sich  auch  viele  ganz 
besonders  schwere  Fälle,  die  gerade  wegen  ihrer-  Schwere  von 
vornherein  abgelehnt  wurden  oder  nach  kürzester  Frist  wegen 
Aussichtslosigkeit  bezüglich  eines  Heilerfolges  zurückgeschickt 
wurden,  darunter  befanden. 

Es  scheint  deswegen  ein  Vergleich  dieses  Materials  wohl  ge¬ 
stattet.  Die  Berechtigung  aber,  Schlussfolgerungen  von  irgend 
welcher  Tragweite  daran  zu  knüpfen,  soll  zunächst  nicht  ab¬ 
geleitet  werden.  Die  Tatsache  der  hier  mitgeteilten  Beob¬ 
achtungen  lässt  sich  jedoch  nicht  einfach  übersehen  und  ver¬ 
dient  entschieden  Beachtung.  Selbst  wenn  angenommen  wird, 
dass  das  Material,  welches  sich  keiner  Heilstättenkur  unterzog, 
durchweg  ein  leichter  erkranktes  war,  bleibt  es  auffallend,  dass 
die  Differenzen  in  den  wirtschaftlichen  Er¬ 
folgen  keine  beredtere  Sprache  führen  zu 
Gunsten  der  Heilstätte  nbehandlung. 

Der  eine  Schluss  ist  in  Anbetracht  der  relativ  günstigen 
Resultate  der  nicht  in  der  Heilstätte  behandelten  Fälle  vielleicht 
erlaubt,  dass  die  Arbeitertuberkulose  ein  ausserordentlich  gün¬ 
stiges  Objekt  für  die  Behandlung  bildet,  eine  im  übrigen  wohl 
allgemein  anerkannte  Ansicht,  die  bestätigt  wird  durch  den 


hohen  Prozentsatz  geheilter  Tuberkulosen,  die  sich  auf  dem 
Sektionstisch  finden. 

Nach  einer  Statistik 


logischen  Institut  fand  sich 


aus  dem  Leipziger  patho- 
unter  3067  in  den  Jahren  1895 


bis  1897  ausgeführten  Sektionen  in  41,86  Proz.  ein  tuberkulöser 
Lungenbefund. 

Während  in  27,7  Proz.  vorgeschrittene  Lungentuberkulose 
bestand,  war  dieselbe  in  11,97  Proz.  vernarbt  und  in  2,8  Proz. 
latent  im  initialen  Stadium. 


Bei  826  Sektionen  Verunglückter  oder  plötzlich  an  akuten 
Krankheiten  Verstorbener  wurde  in  20,7  Proz.  Lungentuber¬ 
kulose  nachgewiesen;  davon  befanden  sich  105  Fälle  im  ver¬ 
narbten,  also  geheilten  Zustande,  in  31  Fällen  war  vorgeschrit¬ 
tene,  in  35  Fällen  beginnende  Lungentuberkulose  vorhanden. 

Diesen  Tatsachen  entspricht  auch  die  jedem  Praktiker  be¬ 
kannte  Erfahrung,  dass  gerade  unter  der  Arbeiterbevölkerung 
ein  Spitzenkatarrh  unter  ganz  indifferenter  Behandlung,  allein 
dadurch,  dass  der  Patient  eine  Zeitlang  die  Arbeit  aussetzt,  die 
staubigen  Fabrikräume  meidet  und  somit  vorübergehend  unter 
etwas  günstigeren  hygienischen  Bedingungen  lebt,  recht  häufig 
in  kurzer,  oft  in  sehr  kurzer  Zeit  ausheilt.  Derartige  schnelle 
Heilungen  scheinen,  wenn  deren  Vorkommen  bei  der  Tuberkulose 
der  besseren  Stände  auch  nicht  bestritten  werden  soll,  viel  häu¬ 
figer  bei  der  Arbeitertuberkulose  beobachtet  zu  werden  und 
diese  Erscheinung  ist  wohl  selbstverständlich  bei  der  Ver¬ 
schiedenheit  des  Materials.  Auf  der  einen  Seite  der  von  Jugend 
auf  an  körperliche  Tätigkeit  gewöhnte,  abgehärtete,  den  Witte¬ 
rungseinflüssen  trotzende  Arbeiter,  auf  der  anderen  Seite  der 
von  Jugend  auf  mit  Komfort  umgebene,  unter  guten  hygieni¬ 
schen  Bedingungen  aufgewachsene,  an  körperliche  Arbeit  wenig 
gewöhnte,  oft  verweichlichte  Patient  der  besseren  Stände. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  gleichen  Mittel  auf  dies  ver¬ 
schiedene  Material  verschieden  wirken  müssen,  und  es  erscheint 
plausibel,  dass  ein  gleiches  Resultat  bei  dem  Arbeiter  mit  seinem 
abgehärteten  Körper  mit  einfacheren  Mitteln  zu  erzielen  sein 
wird  als  bei  dem  Patienten  der  besseren  Stände.  Zweifellos  wird 
auch  für  den  Arbeiter  ein  solcher  — -  man  möchte  sagen  —  TTeber- 
fluss  an  Ernährung  und  allgemeiner  Hygiene,  wie  er  in  den 
nach  den  neuesten  hygienischen  Anforderungen  erbauten  Heil¬ 
stätten  sich  bietet,  von  grossem  Nutzen  sein,  aber  es  darf  nicht 
vergessen  werden,  dass  er  unbedingt  wieder  zurück  muss  in  seine 
früheren,  oft  mangelhaften  Verhältnisse,  in  seine  enge  Wohnung, 
die  oft  nicht  den  geringsten  Anforderungen  an  Hygiene,  an  Luft 
und  Licht  genügt,  er  muss  zurück  in  staubige  Werkstätten  und 
nluss  sich  wieder  begnügen  mit  einfacherer,  oft  schmaler  Kost. 

Die  Befürchtung,  dass  die  Heilstättenkuren,  solange  nicht 
gleichzeitig  auch  die  häuslichen,  sozialen  Verhätnisse  der  Ar¬ 
beiter,  vor  allen  Dingen  die  Wohnungsbedingungen,  wesentlich 
gebessert  sind,  keine  erheblichen  Dauerresultate  erzielen  werden, 
erscheint  nur  allzu  begründet. 

Gerade  in  Bezug  auf  die  Körpergewichtszunahme  sind  auch, 
dem  Gesagten  entsprechend,  die  Erfolge  der  Kuren  von  einer 
ausserordentlichen  Konstanz.  Es  kommt  nach  unseren  Auf¬ 
zeichnungen  kaum  vor,  dass  ein  Patient  die  Anstalt  ohne  zuzu¬ 
nehmen  verlässt;  Zunahme  von  20 — 30  Pfund  in  relativ  kurzer 
Zeit  sind  keine  Seltenheiten.  Es  ist  dies  nur  natürlich  bei  der 
guten  und  reichlichen  Ernährung  und  der  gleichzeitigen  Liege¬ 
kur.  So  wünschenswert  eine  derartige  Zunahme  und  die  meist 
damit  verknüpfte  Besserung  des  Allgemeinbefindens  —  die  Bes¬ 
serung  des  objektiven  Lungenbefundes  hält  damit  übrigens  durch¬ 
aus  nicht  immer  gleichen  Schritt  —  an  sich  ist,  so  pflegt  dieses 
gute  Resultat  doch  nicht  vorzuhalten;  es  ist  eine  recht  häufige 
Beobachtung,  dass  die  Patienten,  zurückgekehrt  in  ihre  heimat¬ 
lichen,  mangelhaften  Verhältnisse  sehr  bald  erheblich  wieder 
abnehmen,  ein  Vorgang,  der  in  vielen  Fällen  aucli  nicht  ohne 
Rückwirkung  auf  den  lokalen  Prozess  bleiben  wird.  Es  drängt 
sich  notwendigerweise  die  Frage  auf,  ob  nicht  gerade  bei  der 
Behandlung  der  Arbeitertuberkulose  die  strenge  Durchführung 
der  Liegekur  in  Verbindung  mit  der  Ueberernährung  weniger 
angezeigt  erscheint,  ob  nicht  für  den  an  körperliche  Arbeit  ge¬ 
wöhnten  Patienten  ein  richtiges  Mass  zwischen  Ruhe  und  Be¬ 
wegung  oder  auch  Arbeit  unter  günstigen  hygienischen  Beding¬ 
ungen,  vorausgesetzt,  dass  nicht  besondere  Kontraindikationen 
bestehen,  bei  guter,  hauptsächlich  qualitativ  veränderter,  aber 

1* 


MITENCI IENEß  M ED I CJ N I SCH E  WOCI I ENSOI 1  RIFT. 


No.  20. 


0S4 


nicht  überreichlicher  Ernährung  die  zweckmässigere  Kur  dar- 
s  teilt. 

Es  scheint  daher  der  Vorschlag,  in  möglichst  unmittelbarer 
Nähe  des  Aufenthaltsortes  der  Erkrankten  in  einfacherer  Weise 
und  mit  geringeren  Mitteln  Heimstätten  für  Tuberkulöse  oder, 
wie  man  sie  nun  nennen  will,  Anstalten  eventuell  nach  Art  der 
Ferienkolonien  in  klimatisch  günstig  gelegenen  Orten  zu  schaffen, 
wohl  beachtenswert. 

Die  Kuren  in  diesen  Anstalten,  die  ein  wesentlich  ein¬ 
facheres  Aufnahmeverfahren  als  die  eigentlichen  Heilstätten 
haben  müssten,  werden  für  die  leichteren  Fälle  wohl  geeignet 
sein,  die  Heilstättenkur  zu  ersetzen,  so  dass  die  Heilstätten  mehr 
für  die  schwereren  Fälle  und  solche,  bei  denen  durch  die  ein¬ 
fachere  Kur  ein  Resultat  nicht  erzielt  wird,  reserviert  bleiben 
können. 

Verschiedene  Leiter  von  Volksheilstätten  haben  sich  in  Wort 
und  Schrift  darüber  ausgelassen,  dass  das  in  die  Heilstätten 
eingewiesene  Material  sich  vielfach  in  einem  für  eine  aussichts¬ 
volle  Behandlung  zu  späten  und  schweren  Stadium  befinde. 

Eine  Prüfung  des  von  hier  eingewiesenen  Materials  ergibt 
im  allgemeinen  wohl  die  Richtigkeit  der  aufgestellten  Behaup¬ 
tung.  Besonders  in  der  ersten  Zeit,  als  die  Volksheilstätten  noch 
weniger  populär  waren,  sind  denselben  wohl  nicht  gerade  selten 
zu  schwere  und  ungeeignete  Fälle  zugeführt  worden.  Es  muss¬ 
ten  auch  über  die  richtige  Auswahl  der  für  die  Anstaltsbehand¬ 
lung  geeigneten  Fälle  erst  Erfahrungen  gesammelt  werden. 

Heber  die  Schwierigkeit,  gerade  die  in  den  ersten  Stadien 
sich  befindenden  Kranken,  zumal  wenn  sie  für  eine  Familie  zu 
sorgen  haben  und  sich  noch  voll  erwerbsfähig  fühlen,  wenn  sie 
eventuell  eine  guten  Verdienst  gewährende  Stellung  aufgeben 
sollen,  oder  dieselbe  sogar  zu  verlieren  fürchten  müssen,  von  der 
Notwendigkeit  einer  dreimonatlichen  Anstaltskur  fern  von  der 
Heimat  zu  überzeugen,  ist  schon  des  öfteren  verhandelt  wor¬ 
den.  Sie  besteht  tatsächlich  und  ist  in  der  ersten  Zeit  der  neuen 
Bewegung  wohl  die  Hauptursache  gewesen,  warum  das  Material 
zum  Teil  ein  für  eine  aussichtsvolle  Kur  ungünstiges  war.  Ver¬ 
einzelt  ist  es  auch  vorgekommen,  dass  der  Zustand  der  Erkran¬ 
kung,  der  zur  Zeit  der  Eingabe  für  eine  Kur  noch  ein  relativ 
leichter  war,  sich  während  der  Warteseit  bis  zu  3  Monaten  so 
verschlechterte,  dass  zur  Zeit  des  Abrufs  die  Aussicht  auf  eine 
erfolgreiche  Kur  nur  noch  eine  geringe  war. 

In  letzter  Zeit  wird  offenbar  aus  diesem  Grunde  auch  ver¬ 
langt,  dass  von  dem  einweisenden  Arzt,  vor  der  definitiven  Ab¬ 
reise  des  Kranken  noch  einmal  die  Notwendigkeit  der  Kur,  wie 
die  Möglichkeit  oder  Wahrscheinlichkeit  eines  Heilerfolges  be¬ 
stätigt  werden  muss. 

Es  scheint  übrigens,  dass  neuerdings  ein  grösseres  Verständ¬ 
nis  für  die  Notwendigkeit  und  Wichtigkeit  einer  möglichst  früh¬ 
zeitigen  Kur  auch  in  Arbeiterkreisen  allmählich  Platz  greift. 

Ganz  ausgeschlossen  erscheint  es,  soleheKranke,  bei  denen  eine 
exakte  Diagnose  noch  nicht  gestellt  werden  kann,  sondern  höch¬ 
stens  eine  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  möglich  ist,  bei  denen 
also  der  denkbar  beste  Heilerfolg  zu  erwarten  ist,  zu  einer  Kur  zu 
bewegen. 

Oft  fehlen  objektive  physikalische  Erscheinungen  oder  Aus¬ 
wurf  mit  positivem  Bazillenbefund  und  nur  auf  Grund  von  All- 
gemcinerseheinungen  oder  subjektiven  Beschwerden  lässt  sich  das 
Vorhandensein  einer  latenten  Tuberkulose  vermuten. 

Solchen  zweifelhaften  Fällen  gegenüber  ist  die  Lage  oft 
schwierig. 

Den  Kranken  direkt  als  tuberkulös  zu  bezeichnen  erscheint 
nicht  gerechtfertigt  oder  bei  der  grossen  Furcht  vor  Tuberku¬ 
lose  sogar  als  inhuman. 

Die  Notwendigkeit  einer  durchschnittlich  3  Monate  dauern¬ 
den  Anstaltskur  nur  aus  Gründen  der  Möglichkeit  oder  der  mehr 
oder  weniger  grossen  Wahrscheinlichkeit  des  Vorhandenseins 
einer  Krankheit,  gewissermassen  nur  als  prophylaktische  Mass- 
regel,  leuchtet  dem  Arbeiter  nicht  ein;  es  ist  notwendig  ihm 
etwas  Bestimmtes,  Positives  zu  sagen. 

So  erheben  sich  oft  nicht  geringe  Schwierigkeiten  gerade 
für  die  frühzeitige  und  deswegen  aussichtsvollste  Durchführung 
einer  Kur  und  die  Aufstellung  des  Satzes,  dass  diese  Schwierig¬ 
keiten  um  so  grösser  werden,  je  geringer  die  Erkrankung  ist, 
hat  Berechtigung. 


Aus  dem  Gesagten  geht  die  grosse  Bedeutung  der  exakten 
Frühdiagnose  der  Lungentuberkulose  für  die  der  sozialen  Gesetz¬ 
gebung  unterstehenden  Kranken  hervor. 

Die  frühzeitige  sichere  Diagnose  der  Lungentuberkulose  zu 
einer  Zeit,  in  welcher  physikalische  Erscheinungen  noch  fehlen, 
Bazillen  noch  nicht  nachzuweisen  sind,  stösst  nur  allzuhäufig  auf 
die  grössten  Schwierigkeiten  und  auch  alle  die  vielen,  besonders 
in  neuerer  Zeit  als  Frühsymptome  beschriebenen  Erscheinungen, 
wie  z.  B.,  um  nur  einige  anzuführen,  das  M  u  r  a  t  sehe  Symptom, 
das  Empfinden  der  Vibration  der  Stimme  auf  der  kranken  Seite 
durch  den  Patienten  selbst  oder  die  Rötung  des  Zahnfleisch¬ 
saumes  und  die  Erweiterung  der  Pupille  auf  der  kranken  Seite 
oder  Temperatursteigerungen,  besonders  nach  Körperbewegung, 
können  keinen  sicheren  Schlusstein  für  die  Diagnose  bilden. 

Auch  die  Röntgenuntersuchung,  die  von  einigen  Autoren 
als  sehr  wertvoll  für  die  Frühdiagnose  bezeichnet  wird,  muss  in 
den  frühesten  Stadien  versagen  und  gibt  in  der  Regel  erst  Re¬ 
sultate,  wenn  bereits  physikalisch  nachweisbare  Veränderungen 
vorhanden  sind;  ausserdem  ist  eine  derartige  Untersuchung  viel 
zu  umständlich  und  zeitraubend,  als  dass  sie  für  die  Frühdiagnose 
bei  den  Heilstättenaspiranten  eine  allgemeinere  Verwendung  fin¬ 
den  könnte. 

Ebenso  ist  die  Methode  der  Agglutination  vorläufig  für  die 
Diagnose,  besonders  für  die  Frühdiagnose,  nicht  brauchbar;  sie 
hat  schon  wegen  ihrer  Umständlichkeit  und  des  dazu  notwendi¬ 
gen  Apparates  wenig  Aussicht,  in  umfangreicherer  Weise  zur 
Anwendung  zu  kommen. 

Der  Wunsch,  ein  unfehlbares  Mittel  zur  Frühdiagnose  der 
Tuberkulose  zu  haben,  ist  durch  die  Volksheilstättenbewegung 
wieder  ein  sehr  lebhafter  geworden  und  steht  im  Vordergrund 
des  Interesses. 

Das  Koch  sehe  Tuberkulin  hat  sich  als  diagnostisches 
Mittel  in  der  tierärztlichen  Praxis  zur  Ausmerzung  des  tuberku¬ 
lösen  Rindviehs  entschieden  bewährt.  In  97  Proz.  haben  die 
Sektionen  den  positiven  Ausfall  der  Reaktion  bestätigt  und  es 
liegt  nahe  anzunehmen,  dass  in  den  fehlenden  3  Proz.  die  Tuber¬ 
kulose  einen  so  versteckten  Sitz  hatte,  dass  sie  bei  der  Sektion 
übersehen  werden  konnte.  Wenn  aber  die  Tuberkulose  des 
Rindes  und  der  Menschen  als  identisch  aufzufassen  ist,  so  ist 
nicht-  einzusehen,  warum  nicht  die  diagnostische  Tuberkulin¬ 
injektion  in  entsprechend  modifizierter  Form  beim  Menschen  das 
gleiche  Resultat  zeitigen  sollte. 

Tatsächlich  wird  der  diagnostischen  Tuberkulininjektion,  die 
sich  von  vorneherein,  auch  nach  dem  jähen  Zusammenbruch  der 
therapeutischen  Tuberkulinbestrebungen,  einer  gewissen  Wert¬ 
schätzung  erfreute,  heute  von  vielen  Aerzten  eine  grosse  Bedeu¬ 
tung  für  die  frühzeitige  Diagnose  der  Tuberkulose  zuerkannt. 
So  bezeichnet  B  ä  u  m  1  e  r  die  diagnostische  Tuberkulininjektion 
als  eine  grosse  Errungenschaft,  v.  D  ö  n  i  t  z  nennt  das  Tuberku¬ 
lin  das  feinste  Reagens  auf  Tuberkulose,  empfohlen  wird  sie  von 
Petruschky,  Maragliano,  Treupel,  B.  Fr  ä  nkel 
u.  a.,  von  letzterem  besonders  auch  für  Heilstättenaspiranten. 

Von  verschiedenen  Seiten  werden  Bedenken  gegen  die  all¬ 
gemeinere  Anwendung  der  diagnostischen  Tuberkulininjektion 
geltend  gemacht,  in  erster  Linie,  weil  sie  mit  Gefahren  ver¬ 
knüpft  sein  soll.  Die  Möglichkeit,  dass  durch  eine  diagnostische 
Injektion  eine  latente  Tuberkulose  wieder  angefacht  werden  und 
im  unmittelbaren  Anschluss  zu  einer  Generalisation  mit  letalem 
Ausgang  führen  kann,  scheint  mit  dem  Wesen  der  Reaktion  wohl 
vereinbar  zu  sein.  Aber  derartige  Beobachtungen  über  Ver¬ 
allgemeinerung  der  Tuberkulose  im  Anschluss  an  Tuberkulin¬ 
injektionen  stammen  aus  der  ersten  Zeit  der  Tuberkulinanwen¬ 
dung,  als  dasselbe  zu  therapeutischen  Zwecken  Verwendung  fand. 
Neuerdings  sind  wenigstens  solche  Ereignisse  im  Anschluss  an 
die  vorsichtige  Anwendung  des  Tuberkulins  zu  diagnostischen 
Zwecken  nicht  bekannt  geworden.  Stets  wird  es  in  solchen 
Fällen  nicht  leicht  sein,  mit  Sicherheit  das  Tuberkulin  als  Ur¬ 
sache  einer  etwaigen  Verallgemeinerung  anzuschuldigen.  Jeder 
Mensch,  der  Träger  einer  latenten  Tuberkulose  ist,  lebt,  wenn 
man  so  will,  auf  einem  Vulkan,  und  plötzlich  und  schein¬ 
bar  ohne  äussere  Ursache  kann  es  zu  einer  Verallgemeinerung 
mit  letalem  Ausgang  kommen. 

Sehr  treffend  ist  von  Strauss  die  Anwendung  der  Nar¬ 
kose,  speziell  der  Chloroformnarkose  der  diagnostischen  Tuberku- 


1.  Juli  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


lininjektion  gegenübergestellt.  Die  Gefahren  der  ersteren  über¬ 
wiegen  sicherlich,  soweit  sich  aus  der  Literatur  übersehen  lässt, 
diejenigen  der  vorsichtigen  diagnostischen  Tuberkulininjektion 
und  doch  findet  die  erste  selbst  bei  vielen  geringfügigen  Ein¬ 
griffen  —  oder  auch  nur  zu  diagnostischen  Zwecken  die  aus¬ 
gedehnteste  Verwendung.  Die  Ursache,  die  den  Anlass  für  die 
Anwendung  einer  Narkose  gab,  ist  nicht  selten  eine  gering¬ 
fügige;  die  frühzeitige  Diagnose  einer  Tuberkulose  dagegen  darf 
wohl  stets  die  grösste  Bedeutung  beanspruchen. 

Dass  gelegentlich  eine  Reaktion  auch  bei  anderen  Krank¬ 
heiten  aufgetreten  ist,  z.  B.  bei  Lepra,  Syphilis,  Karzinom  kann 
den  Wert  dieser  diagnostischen  Methode  zunächst  nicht  er¬ 
schüttern,  da  derartige  Vorkommnisse  im  Verhältnis  zu  der  Zahl 
der  Injektionen  ausserordentlich  seltene  gewesen  sind. 

Wenn  sich  die  ambulatorische  Anwendung  der  diagnosti¬ 
schen  Injektion,  wie  Fraenkel  meint,  verbieten  würde,  so 
würde  dieselbe  dadurch  eine  grosse  Einschränkung  erfahren 
müssen  und  vor  allen  Dingen  würde  sie  nicht  den  Heilstätten¬ 
aspiranten  zu  Gute  kommen  können,  solange  nicht  ausreichende 
Gelegenheit  zur  Aufnahme  solcher  Patienten  gegeben  ist. 

Nach  unseren  bisherigen  Beobachtungen  lässt  sich  die 
Methode  bei  genügender  Vorsicht  und  Vertrautheit  sehr  wohl 
ambulatorisch  verwenden  und  sie  scheint  dazu  berufen,  gerade 
für  die  Auswahl  geeigneten  Heilstättenmaterials  ein  unentbehr¬ 
liches  Hilfsmittel  zu  bilden. 

Die  Erfahrungen  hinsichtlich  der  diagnostischen  Injektion, 
besonders  in  Bezug  auf  die  Gefährlichkeit  und  auf  ihre  Unfehl¬ 
barkeit  können  jedoch  noch  nicht  als  abgeschlossen  betrachtet 
werden,  und  es  erscheint  wünschenswert  und  notwendig,  sie 
weiterhin  kritisch  zu  prüfen. 

In  den  vorher  mitgeteilten  statistischen  Angaben  konnte  nur 
der  wirtschaftliche  Heilerfolg,  d.  h.  die  Besserung  resp.  Wieder¬ 
herstellung  der  Arbeitsfähigkeit  berücksichtigt  werden  und  die 
Berechnungen  bezüglich  des  Dauererfolges  sind  in  ähnlicher 
Weise  angestellt,  wie  es  in  den  Mitteilungen  der  Volkssanatorien 
üblich  ist. 

Aus  derartigen  Berechnungen  lässt  sich  aber  nur  sehr  schwer 
ein  deutliches  und  klares  Bild  gewinnen  von  dem  wirklichen 
Wert  der  Kur. 

Es  heisst  in  den  Statistiken,  so  und  so  viel  Prozent,  event. 
ausgerechnet  auf  die  einzelnen  Stadien,  haben  ihre  volle  oder 
mittlere  Erwerbsfähigkeit  erlangt  etc.  und  der  Leser  steht  un¬ 
willkürlich  immer  unter  dem  Eindruck,  dass  diese  volle  Erwerbs¬ 
fähigkeit  einzig  die  Wirkung  der  Kur. 

Wenn  die  Heilstätten  nur  ein  solches  Material,  wie  es  den 
Wünschen  ihrer  Leiter  entsprechen  würde,  geschickt  bekämen,  so 
würden  die  Patienten  der  Heilstätten  in  vielen  Fällen  auch  vor 
der  Kur  voll  erwerbsfähig  sein;  tatsächlich  werden  sie  ja  auch 
nicht  selten  von  der  Arbeit  zur  Kur  abgerufen.  Die  Erlangung 
der  vollen  und  teilweisen  Erwerbsfähigkeit  kann  also  keineswegs 
immer  als  ein  Ausdruck  für  die  Wirkung  der  Kur  betrachtet 
werden. 

Erst  die  Statistik  über  die  erzielten  Dauererfolge  kann 
wenigstens  einen  gewissen  Werth  beanspruchen. 

Der  grösste  Wert  ist  aber  nur  bedingt  zu  legen  auf  die  Ver¬ 
änderung  und  Besserung  des  objektiven  Lungenbefundes  und 
zwar  nicht  nur  im  Anschluss  an  die  Kur  direkt  —  darüber  geben 
ja  die  Sanatorien  in  zuverlässigster  Weise  Auskunft  — ,  sondern 
vor  allen  Dingen  auch  nach  der  Kur. 

Eine  Statistik,  die  neben  dem  Allgemeinzustand  in  der 
Hauptsache  die  Dauerresultate  des  objektiven  Lungenbefundes 
berücksichtigt,  wird  in  einwandsfreister  Weise  einen  Schluss 
über  die  Bedeutung  der  Heilstättentherapie  zulassen.  Aber  die 
ärztliche  Beobachtung  und  Untersuchung  der  Kranken  nach  der 
Entlassung  aus  der  Kur  stösst  aus  den  verschiedensten  Gründen 
auf  grosse  Schwierigkeiten.  Desswegen  konnte  vorläufig  wenig¬ 
stens  auch  das  der  heutigen  Mitteilung  zu  Grunde  gelegte 
Material  leider  nur  in  der  bisher  üblichen  Weise  verarbeitet 
werden.  Die  Schwierigkeiten  sind  jedoch  keine  unüberwind¬ 
lichen,  sondern  mit  Hilfe  der  Behörden  und  Aerzte  wird  sich 
auch  eine  dauernde  Kontrolle  des  objektiven  Lungenbefundes 
des  Heilstättenmaterials  nach  der  Entlassung  ermöglichen 
lassen;  die  Anregung  dazu  und  die  Organisierung  dieser  in  regel- 
No.  26. 


1085 


mässigen  Zwischenräumen  vorzunehmenden  Untersuchungen 
müsste  natürlich  von  den  zuständigen  Invaliditätsversicherungen 
ausgehen,  die  das  grösste  Interesse  daran  haben,  möglichst  bald 
ein  sicheres  Urteil  über  den  Wert  dieses  mit  enormen  Kosten 
verbundenen  Kampfes  gegen  die  Volksseuche  zu  gewinnen. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Basel. 

(Direktor :  Prof.  Dr.  v.  Ilerf  f .) 

Zur  klinischen  Bedeutung  der  Retroflexio  uteri 

mobilis.*) 

Von  Dr.  E.  W  ormser, 

gew.  Assistenzarzt  der  geburtsh.-gynäkol.  Poliklinik. 

M.  II. !  Unsere  Kenntniss  von  der  richtigen  Lage  des  Uterus 
beruht  bekanntlich  auf  den  grundlegenden  Untersuchungen  von 
B.  S.  Schultz  e.  Seine  Lehre,  laut  welcher  jede  Abweichung 
von  der  als  normal  erkannten  Anteversio-Flexio  —  abgesehen  von 
den  durch  die  verschiedenen  Füllungszustände  von  Blase  und 
j  Rektum  bedingten  —  eine  krankhafte  Regelwidrigkeit  darstelle 
und  desshalb  unter  allen  Umständen  beseitigt  werden  müsse, 
hat  lange  Zeit  unbeschränkte  Geltung  gehabt.  Eben  in  diese 
Zeit  fällt  auch  die  rapide  Entwicklung  der  operativen  Gynä¬ 
kologie.  Was  ist  da  natürlicher,  als  dass  sich  die  messerlustigen 
Frauenärzte  der  vielen  retroflektirten  Uteri  angenommen  haben, 
um  sie  aus  ihrer  ja  total  verkehrten  Lage  um  jeden  Preis  zu  be¬ 
freien  und  sie  dafür  in  der  als  besser  erkannten  Stellung  dauernd 
zu  fixiren?  Wie  viel  Unheil  dadurch  gestiftet  worden  ist,  lehren 
die  Statistiken  der  bei  Schwangerschaft  im  vaginofixirten  Uterus 
aufgetretenen  Komplikationen,  die  Serien  von  Kaiserschnitten, 
von  Perforationen,  von  sonst  mit  grossem  Schaden  für  Mutter 
und  Kind  verlaufenen  Geburten  nach  derartigen  Operationen. 
Man  ist  denn  auch  bald  davon  zurückgekommen,  eine  so  starre 
Fixation  nach  vorne  anzustreben;  man  begnügte  sich  mit  weniger 
energischen  Lageverbesserungen,  und,  trotzdem  schon  eine  statt¬ 
liche  Reihe  von  Operationsverfahren  zur  Beseitigung  der  Retro- 
flexion  angegeben  worden  sind,  vergeht  doch  wohl  kein  Jahr,  in 
welchem  nicht  ein  oder  zwei  neue  Vorschläge  zu  demselben 
Zwecke  gemacht  werden.  Dass  daneben  die  Pessartherapie  in 
ergiebigster  Weise  ausgebildet  und  gepflegt  wurde,  bedarf  kaum 
der  Erwähnung. 

Allmählich  hat  man  aber  doch  angefangen,  an  der  Richtig¬ 
keit  der  geltenden  Anschauungen  zu  zweifehl,  namentlich  ge¬ 
stützt  auf  nicht  seltene  Misserfolge  der  Therapie  in  dem  Sinne, 
dass  wohl  die  Retroflexion,  sei  es  durch  die  Operation  oder  das 
Pessar  dauernd  beseitigt  war,  nicht  aber  zugleich  die  Be¬ 
schwerden  der  Patientin.  Unter  dem  Eindruck  solcher  Er¬ 
fahrungen  bildeten  sich  dann  zwei  gegensätzliche  Richtungen 
unter  den  Gynäkologen  aus.  Die  Einen  erklärten  nach  wie  vor 
alle  subjektiven  Symptome  durch  die  Retroflexion  als  solche  oder 
durch  unmittelbare  Folgezustände  derselben;  die  Anderen  hielten 
die  Lageveränderung  nur  für  eine  zufällige  Komplikation  anderer 
krankhafter  Veränderungen,  die  Schuld  sein  sollten  an  den  Be¬ 
schwerden  (chronische  Endometritis,  Metritis,  Para-  und  Peri¬ 
metritis  etc.).  Dass  dieser  Streit  auch  heute  noch  andauert, 
lehrt  jede  Verhandlung  über  Retroflexion  in  gelehrten  Gesell¬ 
schaften  und  er  ist  besonders  deutlich  zum  Ausdruck  gelangt 
in  der  Diskussion  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  im 
Jahre  1897.  Da  haben  Autoren,  die  über  ein  grosses  Material 
und  reiche  Erfahrung  verfügen,  wie  Olshausen,  Fritsch, 
Löhlein,  Küstner  etc.  diametral  entgegengesetzte  An¬ 
sichten  geäussert  über  Symptome,  von  denen  man  annehmen 
sollte,  dass  sie  leicht  und  einwandsfrei  festgestellt  werden 
könnten,  wie  profuse  Menses,  Fluor,  Dysmennorrhoe.  Diese  auf¬ 
fällige  Erscheinung  erklärt  sich  wohl  nur  dadurch,  dass  wir  in 
der  Medizin  eben  sehr  viel  auf  die  subjektive  Beurtheilung  der 
Dinge  angewiesen  sind,  wobei  der  persönliche  Standpunkt,  Tem¬ 
perament,  Liebhaberei  etc.  eine  gegenüber  den  exakten  Wissen¬ 
schaften  viel  zu  grosse  Rolle  spielen. 

Versuchen  wir  es  nun,  in  möglichst  objektiver  Weise  die 
Symptome  zu  studiren,  welche  der  Retroflexion  gewöhnlich  zu 
Lasten  geschrieben  werden,  und  sehen  wir,  in  wie  weit  dieser 
Kausalzusammenhang  thatsächlich  vorhanden,  resp.  bewiesen 

*)  Nach  einem  am  3.  April  in  der  Basler  medizinischen  Gesell¬ 
schaft  gehaltenen  Vortrag. 


2 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


oder  nur  angenommen,  theoretisch  koustruirt  ist.  Wir  folgen 
hier  den  trefflichen  Ausführungen  von  Heinricius  '),  dessen 
Arbeit  uns  auch  zu  den  vorliegenden  Untersuchungen  an¬ 
geregt  hat. 

Unter  den  „Retroflexionsbeschwerden“  figuriren  an  erster 
Stelle  die  Kreuz  -  und  Rückenschmerzen,  die  vielfach 
als  pathognomonisch  für  Rückwärtslagerung  gelten.  Thatsäch- 
lich  hört  man  diese  Klage  aber  von  fast  allen  Pat.  mit 
Unterleibsleiden;  auch  kommen  derartige  Beschwerden  vor  bei 
einer  Reihe  von  anderen  Erkrankungen  (Nephritis,  Pyelitis, 
Obstipation,  Enteroptose,  Affektionen  des  Rektums  '*),  des 
Rückenmarkes  und  der  Wirbelsäule  und  —  last  but  not  least!  — 
bei  Hysterie  und  Neurasthenie).  Eine  grosse  Zahl  von  Patien¬ 
tinnen  mit  Retroflexion  hat  dagegen  k  e  i  n  Kreuzweh.  Der  Be¬ 
weis  für  den  Kausalnexus  zwischen  der  Lageveränderung  und 
dem  Symptom  „Kreuzschmerzen“  ist  also  nicht  erbracht. 

Eine  Reihe  von  Symptomen  werden  indirekt  der  Retro¬ 
flexion  zugeschrieben  durch  die  Annahme,  dass  diese  letz¬ 
tere  durch  Verschlechterung  der  Zirkulationsverhältnisse 
eine  venöse  Stase  bedinge;  es  sind  dies  die  chro¬ 
nische  Metritis  und  Endometritis  mit  ihren 
Erscheinungen :  Menorrhagien,  Fluor,  Schmerzen,  Schwere  und 
Völle  im  Leibe,  Drang  nach  unten.  Nun  ist  aber  noch  nie  be¬ 
wiesen  worden,  dass  die  Zirkulation  im  retroflektirten  Uterus 
eine  gehemmte  sei;  es  ist  dies  im  Gegentheil  aus  anatomischen 
Gründen  schon  a  priori  sehr  unwahrscheinlich.  Bei  einer  akuten 
Retroflexio  liesse  sich  die  Sache  allenfalls  noch  denken;  die  Rück¬ 
wärtslagerung  ist  aber  ein  entweder  —  und  zwar  meist  —  an¬ 
geborener  oder  langsam  erworbener  Zustand.  Dies  wird  u.  a. 
bewiesen  durch  eine  von  LIeinricius  zitirte  grosse  Statistik 
Sali  n’s.  Dieser  letztere  Autor  konnte  unter  10 — 11  000  Pat. 
nur  12  mal  konstatiren,  dass  ein  im  nicht  graviden  Zustand  ante- 
flektirter  Uterus  nach  der  Geburt  retroflektirt  lag;  9  mal  war 
das  Umgekehrte  der  Fall.  13  mal  trat  die  erstere  Veränderung 
ohne  Partus  oder  dergl.  ein,  9  mal  die  letztere.  Unter  6522  Pat. 
hatten  einen  retroflektirten  Uterus  1192  =  18,2  Proz.  Von  den 
6522  Pat.  waren  Nulliparae  3260,  Parae  3262;  unter  den  ersteren 
fand  sich  Retroflexion  in  18,2  Proz.,  unter  den  letzteren  in 
18,3  Proz.  der  Fälle.  Diese  auffallende  Uebereinstimmung  be¬ 
weist,  dass  die  Geburt  keinen  wesentlichen  Faktor  in  der  Aetio- 
logie  der  Retroflexio  darstellen  kann,  so  dass  der  oben  ausgespro¬ 
chene  Satz,  die  Rückwärtsknickung  sei  meist  angeboren,  erfolge  aber 
jedenfalls  nur  selten  akut,  durch  diese  Zahlen  eine  wesentliche 
Stütze  erfährt.  Bei  einer  chronischen  Entstehung  der  Lage¬ 
veränderung  und  noch  viel  mehr  bei  angeboren  retroflektirtem 
Organ  hat  die  Zirkulation  in  dem  reich  verzweigten  Venennetz 
alle  Zeit,  sich  in  richtiger  Weise  zu  etabliren,  sich  den  ver¬ 
änderten  Verhältnissen  anzupassen,  so  dass  die  Möglichkeit  einer 
venösen  Stase  sehr  ferne  liegt.  Aber  nicht  nur  aprioristische 
und  anatomische  Gründe  sprechen  gegen  diese  Annahme,  sondern 
auch  die  klinischen  Thatsachen.  Die  meisten  retroflektirten 
Uteri  zeigen  absolut  keine  Zeichen  der  Kongestion.  Endometritis 
und  Metritis  kommen  aber  anderseits  sehr  häufig  bei  tadellos 
anteflektirtem  Uterus  vor,  wo  Zirkulationsfehler  nicht  heran¬ 
gezogen  werden  können.  Die  Ursache  der  Endometrits  und 
Metritis  ist  im  ante-  wie  im  retroflektirten  Uterus  wohl  sicher 
dieselbe  • —  die  Infektion.  Es  ist  somit  auch  für  die  aus  der 
„Stase“  erklärten  Symptome  wahrscheinlich  gemacht,  dass  sie 
ganz  unabhängig  sind  von  der  Lagerung  der  Gebärmutter.  Was 
speziell  noch  die  Symptome  „Schwere  und  Völle  im  Leib  und 
Drang  nach  unten“  betrifft,  so  beruhen  dieselben  meistens  auf 
einer  Komplikation,  und  zwar  hauptsächlich  auf  einem  oft  nur  ge¬ 
ringen  und  desshalb  vielfach  vernachlässigten  Descensus  der 
Vagina  oder  des  Uterus.  Das  Einlegen  eines  Pessars  hilft  in 
solchen  Fällen  nicht  durch  die  Sicherung  der  Lagekorrektur  — 
denn  oft  bleiben  die  Beschwerden  gehoben,  trotzdem  der  Uterus 
wieder  nach  hinten  gesunken  ist  — ,  sondern  durch  die  Stütze, 
welche  der  Ring  dem  Scheidenrohr,  der  Gebärmutter  und  dem 
ganzen  Beckenboden  verleiht. 


‘)  Heinricius:  Ueber  die  pathologische  Bedeutung  der 
Retroversio-flexio  uteri.  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  LXIII,  1901,  p.  516. 

’*)  E.  H.  Freeland:  On  baekaclie  as  a  Symptom  of  rectal 
disorder.  The  Lancet  1900^  I,  p.  1128. 


Eine  weitere  Reihe  von  Störungen,  für  welche  die  Retro¬ 
flexio  verantwortlich  gemacht  wird,  bezieht  sich  auf  die  Funktion 
des  Uterus  als  Organ  für  die  Fortpflanzung.  Die  rückwärts  ge¬ 
lagerte  Gebärmutter  soll  einerseits  die  Konzeption  erschweren, 
sogar  Sterilität  bedingen,  andererseits  das  Eintreten  eines 
Abortes  begünstigen.  Für  beide  Beschuldigungen  fehlt  ein 
zahlenmässiger  Beweis.  Gegen  die  erstere  spricht  die  alltägliche 
Erfahrung,  dass  Frauen  mit  chronisch  retroflektirtem  Uterus 
zahlreiche  Schwangerschaften  durchmachen  können;  jedenfalls 
beruht  die  Sterilität  nur  selten  auf  der  Retroflexio  als  solcher, 
sondern  wohl  eher  auf  den  in  solchen  Fällen  meist  vorhandenen 
infantilen  Verhältnissen  des  ganzen  Genitaltraktes.  Uebrigens 
braucht  es  da  keiner  eingreifenden  Therapie;  ich  habe  in  zwei 
Fällen  Gravidität  eintreten  sehen  nach  einfacher  Belehrung 
bezüglich  der  Lagerung  während  und  nach  der  Cohabitation.  Die 
Richtung  resp.  Krümmung  des  Vaginalrohres,  die  geringe  Aus¬ 
bildung  und  Weite  der  Scheidengewölbe,  welche  ihre  Funktion 
als  Receptaculum  seminis  behindert  resp.  illusorisch  macht, 
scheinen  an  der  Sterilität  viel  eher  Schuld  zu  sein  als  die  Retro¬ 
flexion.  Wird  durch  Erhöhung  des  Kreuzes  oder  durch  Seiten- 
resp.  Bauchlage  ein  sofortiges  Wiederabfliessen  der  ergossenen 
Spermaflüssigkeit  verhindert,  so  bildet  der  rückwärts  gelagerte 
Uterus  kein  Hinderniss  mehr  für  die  Konzeption. 

Was  die  grössere  Häufigkeit  des  Abortusim  retroflektirten 
Uterus  betrifft,  so  ist  zuzugeben,  dass  in  denjenigen  Fällen,  wo 
Inkarzeration  eintritt,  der  Abort  eine  nicht  seltene  Selbst¬ 
heilung  der  Natur  darstellt.  Die  Inkarzeration  ist  aber  bei  der 
Retroflexio  uteri  gravidi  die  Ausnahme,  Spontanaufrichtung  die 
Regel.  Dies  wird  ohne  Weiteres  klar,  wenn  man  bedenkt,  wie 
viel  Retroflexionen  man  zu  sehen  bekommt,  wie  viele  von 
diesen  Frauen  gravid  werden  und  wie  selten  sie  wegen  Abort 
oder  Inkarzerationserscheinungen  unsere  Hilfe  in  Anspruch  neh¬ 
men.  Immerhin  ist  dieser  Punkt  gewiss  im  Auge  zu  behalten, 
wenn  auch  statistisch  noch  nicht  genügend  sicher  bewiesen  ist, 
dass  Frauen  mit  retroflektirtem  Uterus  einen  grösseren  Prozent¬ 
satz  von  Aborten  aufweisen,  als  solche  mit  Anteflexion. 

Ebenso  wenig  sichergestellt  ist  der  Zusammenhang  zwischen 
Dysmenorrhoe  und  Retroflexion.  Wie  die  Sterilität,  so  finden 
sich  Molimina  menstrualia  nicht  selten  bei  infantilem  Habitus 
der  Genitalien  und  überhaupt  wohl  sicher  ebenso  häufig  im  ante- 
fiektirten  wie  retroflektirten  Zustande  des  Uterus;  sehr  oft  ist 
sie  auch  ein  Zeichen  nervöser  resp.  neuropathischer  Konstitution. 

Eine  weitere  Symptomenreihe  der  Retroflexio  uteri  betrifft 
die  sog.  Druckerscheinungen.  Nun  ist  es  aber  schon 
a  priori  unwahrscheinlich,  dass  von  der  Gebärmutter  überhaupt 
ein  nennenswerther  Druck  ausgeübt  wird,  wenn  man  bedenkt, 
dass  viel  grössere  Tumoren  im  kleinen  Becken  sitzen  können, 
ohne  dergleichen  zu  verursachen.  Druck  auf  den  Mastdarm  soll 
Obstipation,  Druck  der  Cervix  auf  den  Blasenhals  Urinbeschwer¬ 
den  und  Druck  auf  die  Nerven  (den  Plexus  haemorrhoidalis) 
Neuralgien  und  Paresen  erzeugen.  Alle  diese  Symptome  sind  bei 
Retroflexio  selten  und  jedenfalls  nicht  häufiger  als  bei  anteflek¬ 
tirtem  Uterus;  es  gilt  dafür  also  das  schon  bei  der  „Stase“  Gesagte; 
wie  diese,  so  lassen  sich  auch  alle  „Druckerscheinungen“  auf 
andere  Ursachen  zurückführen  und  können  dementsprechend  bei 
geeigneter  Behandlung  auch  ausheilen,  ohne  dass  die  Lage  des 
Uterus  korrigirt  wird.  Also  auch  hier  wieder  derselbe  Mangel 
eines  Kausalzusammenhangs  zwischen  den  betreffenden  Be¬ 
schwerden  and  der  Retroflexion. 

Schliesslich  hat  man  unter  der  Rubrik  „konsensuell  e“ 
oder  „R  eflexsymptome“  eine  Reihe  von  Störungen  aller 
Art  in  den  verschiedensten  Organen  zusammengefasst  und  eben¬ 
falls  die  Retroflexion  dafür  verantwortlich  gemacht.  Neuere 
Untersuchungen,  auf  die  wir  unten  noch  näher  eingehen  werden, 
sprechen  aber  immer  mehr  dafür,  dass  diese  Gruppe  von  Er¬ 
scheinungen  mit  der  Lage  des  Uterus  nicht  das  Geringste  zu 
thun  hat,  sondern  der  Ausdruck  ist  einer  Hysterie  oder  Neur¬ 
asthenie  oder,  in  seltenen  Fällen,  beruht  auf  einer  Erkrankung 
der  betreffenden  Organe  selbst. 

Aus  dieser  kurzen,  kritischen  Uebersicht  geht  jedenfalls  so¬ 
viel  mit  Sicherheit  hervor,  dass  keine  genügenden  Beweise  für 
die  alte  Anschauung  bestehen,  derzufolge  die  Retroflexion  als 
solche  Schuld  sein  soll  an  all’  den  erwähnten  objektiven  und  sub¬ 
jektiven  Symptomen,  dass  wenigstens  in  einer  Reihe  von  Fällen, 


1.  Juli  1902. 


M.UEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1087 


wenn  nicht  in  der  grossen  Mehrzahl  derselben,  die  Erscheinungen 
auf  eine  andere  Ursache  zurückzuführen  sind. 

Es  lag  nun  nahe,  die  Frage  auch  noch  von  einer  anderen 
Seite  aus  in  Angriff  zu  nehmen,  sie  auf  dem  Wege  der  Sta¬ 
tist  i  k  zu  beleuchten. 

Allen  früheren  statistischen  Bearbeitungen  unseres  Gegen¬ 
standes  haftet  der  Mangel  an,  dass  sie  nur  über  die  Beschwerden 
der  mit  Retroflexion  behafteten  Frauen  Angaben  enthalten,  nicht 
aber  auch  über  die  zur  selben  Zeit  untersuchten  übrigen  Patien¬ 
tinnen  des  betreffenden  Autors,  welche  dieselben  oder  ähnliche 
Beschwerden  klagten  wie  die  ersteren,  dabei  aber  einen  in  Ante- 
versio-flexio  befindlichen  Uterus  aufwiesen;  d.  h.  die  Statistik 
gab  z.  B.  an:  Von  100  Frauen  hatten  30  einen  retroflektirten 
Uterus;  von  diesen  30  waren  nur  10  beschwerdefrei,  ergo:  macht 
die  Retroflexion  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  Symptome.  Nichts 
steht  aber  darüber  zu  lesen,  wie  denn  die  übrigen  70  Patientinnen, 
deren  Uterus  anteflektirt  war,  sich  in  Bezug  auf  Störungen  ver¬ 
hielten.  Der  aus  einer  solchen  Statistik  gezogene  Schluss  war 
also  unrichtig.  Diesem  Mangel  haben  Kroenig  und 
Feuchtwanger')  in  einer  vor  3  Jahren  erschienenen  Arbeit 
abgeholfen.  Sie  haben  136  Frauen,  welche  poliklinisch  entbunden 
und  zur  Kontrole  längere  Zeit  (meist  über  10  Monate)  nach  der  Ge¬ 
burt  bestellt  worden  waren,  untersucht  und  dabei  103  Ante- 
flexionen  und  33  Retroflexionen  gefunden.  Diese  136  Frauen 
waren  ausschliesslich  „reine  Fälle“,  da  alle  Patientinnen  mit 
Para-  oder  Perimetritis,  Adnexerkrankungen,  Prolaps,  sowie  die 
mit  einem  graviden  oder  einem  in  Mittelstellung  befindlichen 
Uterus  ausgeschaltet  wurden.  Von  den  103  Frauen  mit  ante- 
flektirtem  Uterus  hatten  Beschwerden  45;  von  den  33  anderen  13; 
das  Prozentverhältniss  für  beide  Kategorien  ist  fast  genau  das¬ 
selbe:  in  der  ersten  43,6  Proz.,  in  der  zweiten  39,3  Proz. ;  die  ge¬ 
ringe  Differenz  ist  dabei  noch  zuungunsten  der  Anteflexion.  Wenn 
man  aus  diesen  kleinen  Zahlen  überhaupt  einen  Schluss  ziehen 
darf,  so  ist  es  der,  dass  jedenfalls  die  Patientinnen  mit  retro- 
llektirtem  Uterus  nicht  öfters  Beschwerden  haben,  als  die¬ 
jenigen  mit  Anteflexion.  Diese  Beschwerden  waren  aber  in  beiden 
Fällen  identisch ;  sie  können  also  nicht  wohl  von  der  Retroflexion 
herrühren,  sondern  müssen  eine  gemeinsame  Ursache  haben. 

Da  die  Genitalien  sonst  absolut  normal  waren,  so  musste 
diese  Ursache  ausserhalb  derselben  gesucht  werden,  und  sie  wurde 
denn  auch  gefunden  in  einer  Alteration  des  Nervensystems,  die 
in  einer  Anzahl  genau  daraufhin  untersuchter  Fälle  die  Dia¬ 
gnose  Hysterie  mit  Sicherheit  zu  stellen  erlaubte.  Und  zwar 
wurden  in  der  Reihe  der  Anteflexionen  25  Frauen  mit 
Beschwerden  untersucht,  von  denen  15  deutliche  Zeichen  der 
Hysterie  darboten,  während  unter  46  Frauen  mit  Beschwerden 
bei  retroflektirtem  Uterus  22  sichere  Fälle  von  Hysterie 
oder  Neurasthenie  sich  fanden. 

Auß  dieser  Statistik  geht  also  wohl  soviel  hervor,  dass  unter 
dem  Material  des  Gynäkologen  eine  grosse  Zahl  von  Patientinnen 
sich  befinden,  welche  „Retroflexionsbesch werden“  klagen,  trotz¬ 
dem  bei  vielen  derselben  der  Uterus  vorne  liegt;  die  Ursache  der 
Beschwerden  ist  in  diesen  Fällen  nicht  die  ja  ganz  normale  Lage 
des  Uterus,  sondern  die  Hysterie,  die  also  wohl  auch  Schuld  sein 
wird  an  den  Beschwerden  mit  retroflektirtem  Uterus. 

Sehr  werthvoll  ist  auch  eine  Statistik  von  Schröder  "*), 
der  411  Patientinnen  verschiedener  Königsberger  Kliniken  unter¬ 
sucht  und  dabei  gefunden  hat,  dass  von  303  Frauen  ohne  „Becken¬ 
symptome“  26  Proz.  und  von  108  Frauen  mit  „Beckensymptomen“ 
36  Proz.  einen  nach  rückwärts  gelagerten  Uterus  aufwiesen,  wo¬ 
bei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  die  Beschwerden  immer  durch 
Erfragen  festgestellt  wurden. 

Ein  weiterer  Beweis  dafür,  dass  die  Klagen  bei  Retroflexion 
eigentlich  gar  nicht  auf  der  Lageanomalie  beruhen,  liegt  in  der 
Thatsache,  dass  nach  Pessar-  oder  operativer  Therapie  das  ortho¬ 
pädische  Resultat  sehr  oft  vorzüglich,  das  funktionelle  aber 
schlecht  ist,  d.  h.  dass  die  Patientinnen  sich  nicht  besser  fühlen, 
trotzdem  der  Uterus  tadellos  anteflektirt  liegt. 

2)  Kroenig  und  Feuchtwange  r:  Zur  klinischen  Be¬ 
deutung  der  Retroversio-flexio  uteri  mobilis.  Monatssehr.  f.  Geb. 
u.  Gyn.,  Bd.  X,  p.  695. 

2*)  E.  S  e  h  röde  r:  üeber  die  Häufigkeit  der  Retroversio-flexio 
uteri  bei  Frauen  ohne  Genitalsymptome.  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u. 
Gynäkol.  Bd.  43,  II.  3. 


Schon  frühere  Statistiken  hatten  auf  diesen  Punkt  hinge¬ 
wiesen  (1  reudenberg3)  aus  der  Lauda  u’ sehen,  Knorre4) 
aus  der  K  ü  s  t  n  e  r* sehen  Klinik) ;  K  r  ö  n  i  g  und  F  eucht- 
w  a  n  g  e  r  haben  dann  ebenfalls  ihr  Augenmerk  darauf  gerichtet, 
aber  allerdings  nur  ein  kleines  Material  zu  ihrer  Verfügung  ge¬ 
habt.  Auch  sie  fanden  einerseits  Fälle,  wo  trotz  tadelloser  Lago 
des  Uterus,  also  orthopädisch  gutem  Resultat,  die  Beschwerden 
gar  nicht  verschwanden  oder  nach  vorübergehender  Besserung 
wiederkehrten  —  wobei  die  Kontroluntersuchung  eine  andauernd 
normale  Lage  des  Uterus  feststellen  konnte  — ,  andererseits  Fälle, 
bei  denen  alle  Beschwerden  dauernd  wegblieben,  trotzdem  sofort 
oder  nach  kurzer  Zeit  ein  Rezidiv  der  Retroflexion  eintrat.  Na¬ 
türlich  hatten  sie  auch  Fälle,  wo  das  orthopädische  und  das  funk¬ 
tionelle  Resultat  mit  einander  übereinstimmten,  d.  h.  wo  beide 
gut  oder  beide  schlecht  waren;  das  Wesentliche  ist  aber,  dass 
eben  sehr  oft  die  Beschwerden  unabhängig  sind  von  der  Lage  des 
Organs.  Dieselben  Erfahrungen  wurden  auch  bei  der  Pessar¬ 
behandlung  gemacht. 

Am  meisten  zu  denken  gaben  wohl  von  jeher  diejenigen 
Frauen,  die  sich  geheilt  fühlten,  trotzdem  das  orthopädische  Re¬ 
sultat  schlecht  war,  d.  li.  beim  Austritt  aus  der  Klinik  oder  später 
ein  Rezidiv  der  Retroflexio  konstatirt  wurde.  Dazu  kamen  Be¬ 
obachtungen,  wie  die  von  L  ö  h  1  e  i  n  5)  mitgetheilte,  wo  ein 
21  jähriges,  seit  Jahren  wegen  Retroflexio  behandeltes  Mädchen 
ganz  glücklich  war  über  die  Beseitigung  aller  ihrer  Beschwerden 
durch  die  Alexander -  Adam  s’sche  Operation,  trotzdem  der 
operirende  Assistenzarzt  clie  Ligg.  rot.  überhaupt  nicht  auf¬ 
gefunden  hatte !  —  oder  die  von  Kroenig-F  euclitwanger 
berichtete,  wo  bei  einer  z.  Th.  fixirten  Retroflexio  die  einfache 
Narkosenuntersuchung,  in  welcher  die  versuchte  Reposition  nicht 
gelungen  war,  genügte,  um  alle  Beschwerden  zu  beseitigen. 
Musste  man  da  nicht  unwillkürlich  an  Suggestion  denken  ? 
Auf  Suggestion  beruhen  doch  wohl  auch  die  Wunderkuren  mit 
Pessarien,  die  berichtet  wurden  und  oft  noch  werden:  Die 
Kranken  können  nicht  gehen,  werden  im  Tragsessel  zum  Arzt 
gebracht;  nach  Einlegen  eines  Pessars  spaziren  sie  ohne  jede 
Hilfe  gesund  nach  Hause.  Heinricius  zitirt  folgende  Stellen 
aus  dem  Lehrbuche  von  Braun  aus  dem  Jahre  1881:  Eine 
Dame  konnte  sich  jahrelang  wegen  Retroflexion  des  Uterus  nur 
auf  Krücken  und  Stock  bewegen  und  musste  die  grösste  Zeit 
des  Tages  liegend  zubringen.  Sie  wurde  nach  Aufrichtung  des 
Uterus  von  einem  hochgradigen  Hysterismus  befreit,  konnte 
wieder  ohne  Schmerzempfindung  frei  gehen,  Treppen  steigen, 
tanzen,  wurde  nach  14  jährigem  Intervall  wieder  schwanger.  — 
Eine  andere  Dame  wurde  bei  jeder  Defäkation  von  den  heftigsten 
Magenkrämpfen  befallen  und  konnte  nicht  gehen.  Am  nächsten 
Tage,  nach  Aufrichtung  des  Uterus  und  Einlegen  eines  Pessars, 
konnte  sie  nicht  nur  gehen,  sondern  Stunden  lang  Schlittschuh 
laufen ! 

Die  Suggestion  spielt  in  all’  diesen  Fällen,  die  wohl  jedem 
Praktiker  aus  eigener  Erfahrung  bekannt  sind,  eine  ausserordent¬ 
lich  grosse  Rolle,  und  dass  sie  ein  so  wichtiges  Moment  darstellt, 
beruht  eben  auf  der  nervösen,  leicht  suggestiblen  Konstitution 
der  betreffenden  Patientinnen. 

(Schluss  folgt.) 

Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Leipzig. 

Ueber  einige  seltenere  Fälle  von  Migräne  *) 

Von  Privatdozent  Dr.  Pässler,  1.  Assistenten  der  Klinik. 

Während  wir  im  alltäglichen  Leben  Migränekranken  ausser¬ 
ordentlich  häufig  begegnen,  sind  sie  im  Sprechzimmer  des  Arztes 
schon  seltener,  noch  seltener  führt  die  Krankheit  ihren  Träger 
in’s  Krankenhaus.  Die  Gründe  liegen  auf  der  Hand.  Nur 
wesentliche  Aenderungen  im  Befinden  führen  den  Migräne¬ 
kranken  zum  Arzt,  für  gewöhnlich  behandelt  er  sich  selbst.  Das 
Krankenhaus  wird  wohl  meist  nur  in  besonders  schweren  Fällen 
aufgesucht. 

3)  Freudenberg:  Zur  Symptomatologie  und  Therapie  der 
Retx-oflexio  uteri.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1897. 

4)  Knorre:  Ueber  Vaginafixatio  uteri..  Centralbl.  f.  Gyn. 
1893.  (In  der  Tabelle  befinden  sich  eine  ganze  Anzahl  von  Fällen 
mit  der  Bemerkung:  Operatives  Resultat  gut,  Allgemeinbefinden 
nicht  gebessert-) 

*)  Zum  Tlieil  nach  einer  Mittheilung  in  der  medizinischen 
Gesellschaft  zu  Leipzig.  Sitzung  vom  22.  IV.  02. 


2* 


No.  26. 


1085 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Im  Folgenden  möchte  ich  einige  Beobachtungen  aus 
der  medizinischen  Klinik  mittheilen,  die  mir  von 
grösserem  Interesse  zu  sein  scheinen. 

1.  Fall.  Der  intelligente  23 jährige  Patient  litt  als  5 jähr. 
Kind  an  Diphtherie,  später  war  er  bis  zu  seiner  jetzigen  Er¬ 
krankung  stets  gesund.  Kopfschmerzen  waren  ihm  völlig  un¬ 
bekannt.  Mit  21  Jahren  war  er  Soldat  geworden  und  hatte 
2  Jahre  ohne  irgend  welche  Beschwerden  gedient.  Seit  seiner 
Entlassung  geht  er  seinem  Berufe  als  Bautechniker  nach. 

Von  den  Familienmitgliedern  leidet  die  Mutter  des  Pat. 
an  seltenen,  sehr  leichten  M  i  g  r  ä  n  e  a  n  f  ä  1 1  e  n. 
Sonst  ist  von  Nervenkrankheiten  der  Verwandten  nichts  nach¬ 
zuweisen. 

Am  12.  XII.  01  stürzte  Patient  mit  dem  Fahr¬ 
rad.  Er  fiel  auf’s  Gesicht  und  schlug  sich  dabei  2  Zähne  aus. 
Ausserdem  erlitt  er  nur  noch  kleine  Quetschungen  und  Abschür¬ 
fungen  am  Rumpf;  das  Schädeldach  wurde  bei  dem  Falle  nicht 
direkt  betroffen.  Pat.  war  nach  dem  Unfall  nicht  bewusstlos,  er 
konnte  seine  Arbeit  bald  fortsetzen.  In  den  nächsten  Wochen 
traten,  angeblich  zum  ersten  Male  im  Leben,  leichte  Kopf¬ 
schmerzen  auf,  die  bald  mehr  links,  bald  mehr  rechts  lokali- 
sirt  waren,  durch  Lesen  oder  Zeichnen  schlimmer  wurden.  Im 
Ganzen  war  die  Störung  jedoch  unbedeutend.  Vor  dem  Beginn 
des  Kopfschmerzes  bestand  Druckgefühl  in  den  Augen;  irgend 
welche  andere  Erscheinungen,  wie  Flimmern,  Uebelkeit,  waren 
dabei  nicht  vorhanden. 

Am  2.  II.  02,  ca..  7  Wochen  nac  h  dem  Unfal  1,  stellten 
sich  bei  dem  Kranken  ganz  neue  Erscheinungen  ein, 
die  in  den  nächsten  Wochen  jeden  3.  bis  höchstens 
5.  Tag  wieder  kehrte  n  und  dadurch  den  Patienten  für  eine 
geregelte  Arbeit  vollkommen  untauglich  machten.  Es  traten  eigen¬ 
artige  Anfälle  auf,  deren  Ablauf  sich  fast  jedesmal  mit  gi'osser 
Treue  genau  wiederholte.  Die  vom  Patienten  darüber  gemachten 
sehr  präzisen  Angaben  konnte  ich  später  zum  grössten  Theile 
durch  eigene  Beobachtung  bestätigen. 

Der  Beginn  dieser  Anfälle  bestand  in  der  Regel  aus  einem 
nicht  eigentlich  schmerzhaften  Spannungsgefühl  im  rechten  Fuss. 
Ebendort  entstand  bald  darauf  Kribbeln  und  Kitzeln,  das  ganz 
besonders  stark  bei  Berührungen  der  betroffenen  Hautstellen  em¬ 
pfunden  wurde.  Dieses  Gefühl  ging  langsam  auf  den  Unter¬ 
schenkel  über,  kroch  von  hier  über  den  Oberschenkel,  den  Rumpf, 
in  den  Arm  und  in  die  Hand,  von  der  Schulter  auch  weiter  auf  den 
Hals.  Dabei  blieben  die  Parästhesien  an  jedem  Korperabsclinitt 
nur  einige  Minuten  bestehen,  so  dass  sie  z.  B.  im  Bein  schon  wieder 
erloschen,  wenn  sie  in  der  Brustgegend  angelangt  waren.  Die 
Gefühlsstörung  blieb  immer  streng  einseitig. 

ln  dem  Glied,  welches  von  den  Parästhesien  befallen  war, 
empfand  der  Kranke  jeweilig  eine  lähmungsartige  Schwäche. 
War  die  Gefühlsstörung  z.  B.  im  Bein,  so  meinte  er,  überhaupt 
nicht  stehen  oder  gar  gehen  zu  können.  In  Wirklichkeit  war  eine 
objektive  Störung  nicht  nachzuweisen.  Der  Patient  ging  nach 
Aufforderung  ganz  sicher,  konnte  auch  z.  B.  ohne  Schwierigkeiten 
auf  einem  Bein  stehen.  Während  die  Parästhesien  in  der  Hand 
waren,  gab  Patient  an,  schlecht  schreiben  zu  können.  In  der  j 
That,  ist  die  Schrift  unbeholfen:  wohl  weniger  in  Folge  einer 
Störung  der  Motilität,  als  deshalb,  weil  die  parästhe tischen  Finger 
den  Griffel  schlecht  halten  können. 

Die  objektive  Prüfung  der  Sensibilität  ergab  eine  deutlich 
nachweisbare  Hypalgesie  in  den  befallenen  Gebieten,  die  Be¬ 
rührungsempfindung  war  überall  für  feinste  Reize  erhalten. 

Etwa  15  Minuten  nach  Auftreten  der  ersten  Erscheinungen 
schritten  die  Parästhesien  vom  Hals  auf  die  rechte  Gesichtshälfte 
fort,  auch  hier  genau  bis  in  die  Mittellinie  reichend.  Nach  der 
äusseren  Wange  folgt  die  Wangenschleimhaut,  dann  das  rechts¬ 
seitige  Zahnfleisch,  dann  die  Zunge.  Die  letztere  wird  dabei  nor¬ 
mal  bewegt,  gerade  hervorgestreckt,  Berührung  wird  auf  beiden 
Zungenhälften  gleiclnnässig  empfunden.  Von  der  Zunge  ging  das 
Kribbeln  auf  den  Schlund  über  und  stieg  dann  innerlich  bis  in 
die  Magengegend,  hinab.  Hier  bestanden  noch  längere  Zeit  un¬ 
angenehme  Empfindungen  fort  —  als  ob  sich  die  Eingeweide  im 
Leibe  bewegten.  In  den  verschiedenen  Anfällen  nach  verschieden 
langer  Zeit,  durchschnittlich  nach  y> — ly2  Stunden,  ging  diese  Em¬ 
pfindung  in  Uebelkeit  über,  die  schliesslich  zu  heftigem  Erbrechen 
führte. 

Nachdem  die  Zunge  schon  wieder  kurze  Zeit  frei  von  Par¬ 
ästhesien  war.  entstand  in  den  meisten  Anfällen  eine  vorüber¬ 
gehende  Sprachstörung.  Der  Kranke  bringt  nur  1 — 2  Worte  richtig 
hintereinander  hervor,  dann  verspricht  er  sich,  sagt  ein  falsches 
Wort  oder  sucht  nach  dem  Wort,  ,,das  ihm  auf  der  Zunge  liegt, 
das  er  aber  nicht  findet“.  Nach  durchschnittlich  y>  Stunde  ist  die 
Sprache  wieder  vollkommen  normal. 

Das  Erbrochene  (in  dem  von  mir  am  genauesten  beobachteten 
Anfall  3y>  Stunden  nach  Beginn  der  Parästhesien  im  rechten 
Fuss)  bestand  zunächst  aus  Speisemassen,  dann  aus  dünnem 
Schleim:  es  enthielt  keine  Galle,  auch  keine  freie  HCl. 

Mit  dem  Erbrechen  traten  Kopfschmerzen,  und  gleichzeitig 
Flimmern  in  den  Augen  auf.  Das  Flimmern  besteht  aus  hellen, 
im  Gesichtsfeld  sich  hin-  und  herbewegenden  Streifen,  die  bei 
geschlossenen  Augen  verschwinden  sollen.  Patient  kann  in  dieser 
Zeit  nicht  lesen,  er  erkennt  einzelne  Buchstaben,  nachher  be¬ 


wege  sich  jedoch  die  Schrift  vor  den  Augen.  Die  Intensität  des 
Flimmerns  vermindert  sich  bald  nach  seinem  Auftreten  wieder, 
soll  aber  in  geringem  Grade  oft  während  des  ganzen  Anfalls  fort- 
bestelien,  manchmal  bis  zum  folgenden  Tag.  Gleichzeitig  mit  dem 
Flimmern  ist  ferner  Thränenfluss  aufgetreten,  der  ebenso  wie 
jenes  im  Beginn  am  stärksten  ist,  das  Flimmern  aber  schliesslich 
noch  überdauert.  In  manchen  Anfällen  wurde  der  Kranke  durch 
eine  bedeutende  Ueberemfindliclikeit  gegen  Licht,  sowie  auch 
gegen  Geräusche  gestört,  die  ebenfalls  ziemlich  lange  anzuhalten 
pflegte.  Objektiv  ist  an  den  Augen  in  dieser  Zeit  ausser  dem 
Thränenfluss  nichts  Abnormes  nachweisbar.  Auch  das  ophthalmo¬ 
skopische  Bild  bot  mir  durchaus  normalen  Befund,  doch  muss  ich 
bemerken,  dass  ich  keine  Gelegenheit  hatte,  meinen  Befund 
während  eines  Anfalls  vom  Augenarzt  kontroliren  zu  lassen. 

Die  mit  dem  Erbrechen  einsetzenden  Kopfschmerzen  waren 
ziemlich  heftig,  meist  beiderseits  vorhanden,  aber  links  viel  stär¬ 
ker  als  rechts.  Der  Hauptschmerz  befand  sich  also  auf  der  den 
Parästhesien  gegenüberliegenden  Seite.  Nach  24  oder  mehr  Stun¬ 
den  verlieren  sich  die  Kopfschmerzen  allmählich.  So  lange  sie 
anhalten,  besteht  Appetitlosigkeit.  Ein  Versuch,  etwas  zu  ge¬ 
messen,  ruft  meist  sofort  wieder  Erbrechen  hervor. 

Abweichungen  von  dem  geschilderten  Typus  der  Anfälle  sollen 
vor  der  Aufnahme  in’s  Krankenhaus  fast  gar  nicht  vorgekommen 
sein.  Nur  einmal  begannen  die  Parästhesien  statt  im  rechten  im 
linken  Fuss,  hörten  dann  in  der  Hüftgegend  auf.  und  traten  nun, 
wie  gewöhnlich,  ihre  Wanderung  vom  rechten  Fuss  aus  durch  die 
ganze  rechte  Körperhälfte  an. 

Am  20.  II.  02  wurde  der  Patient  in  die  Klinik  aufgenommen. 
Am  24.  II.  stellte  sich  ein  Anfall  ein,  welcher  in  allen  Punkten 
den  vom  Patienten  gemachten  Angaben  entsprach.  Seitdem  wur¬ 
den  die  Anfälle  zunehmend  seltener,  um  für  die  Dauer  der  Be¬ 
obachtung  bald  ganz  zu  verschwinden. 

Der  zweite  in  der  Klinik  beobachtete  Anfall  (2.  III.)  bot  einige 
Abweichungen  von  dem  gewöhnlichen  Verlauf.  Die  Gefühls¬ 
störung  begann  im  1  i  n  k  e  n  F  u  s  s,  und  verlief  diesmal,  genau 
wie  sonst  rechts,  über  den  ganzen  Körper  bis  zum  Gesicht.  Nach¬ 
dem  sie  hier  erloschen,  begann  sie  eine  halbe  Stunde  später  noch 
einmal  im  linken  Fuss  und  lief  wieder  bis  zum  Gesicht.  Wieder 
ca.  y.  Stunde  später  trat  sie  im  rechten  Fuss  auf  und  nahm  dann 
den  sonst  gewohnten  Verlauf..  Diesmal  war  das  Flimmern,  das 
sonst  erst  mit  den  Kopfschmerzen  aufzutreten  und  sehr  lange  an¬ 
zuhalten  pflegte,  schon  mit  dem  Beginn  der  Parästhesien  er¬ 
schienen  und  bald  wieder  verschwunden.  Es  betraf  nach  den  An¬ 
gaben  des  Patienten  beide  Augen  und  beide  Gesichtsfeldhälften 
gleichmässig.  Die  aphatische  Sprachstörung  wurde  in  diesem  An¬ 
fall  vermisst.  Die  Kopfschmerze  n  waren  diesmal  rechts 
s  t  ii  rker  als  lin  k  s.  Nachdem  Anfangs  das  Gesicht  des  Kran¬ 
ken  eine  auffallende  Blässe  gezeigt  hatte,  trat  bald  nach  dem 
Einsetzen  der  Kopfschmerzen  eine  starke  Röthung  des  Gesichts 
auf.  Die  Haut  desselben  fühlte  sich  sehr  heiss  an,  ohne  zu 
schwitzen.  Die  Pupillen,  welche  ausserhalb  des  Anfalls  gleich 
weit  waren,  zeigten  jetzt  eine  geringe,  aber  deutliche  Differenz, 
und  zwar  war  die  rechte  weiter  als  die  linke.  Beide  reagirten 
gleichzeitig  auf  Lichteinfall  und  Konvergenz.  Einen  Unterschied 
in  der  Grösse  der  Lidspalte  habe  ich  nicht  bemerkt. 

Seit  Mitte  März  bestanden  noch  kurze  Zeit  hin  und  wieder 
einmal  leichte  Kofschmerzen  ohne  die  charakteristischen  Eigen- 
thrimlichkeiten  des  Migräneanfalls.  Seitdem  sind  bis  jetzt  keiner¬ 
lei  Beschwerden  wieder  aufgetreten. 

Bemerkt  sei  noch,  dass  die  Untersuchung  des  Kranken  ausser¬ 
halb  der  Anfälle  durchweg  normale  Befunde  ergab.  Weder  am 
Nervensystem  noch  an  den  inneren  Organen  Hessen  sich  Ver¬ 
änderungen  nach  weisen.  Insbesondere  fehlten  auch  alle  hyste¬ 
rischen  Stigmata. 

Die  Behandlung  bestand  aus  allgemein  diätetischen  Maass¬ 
regeln.  absoluter  Fernhaltung  aller  unnöthigen  Reize  und  ganz 
leichten  hydrotherapeutischen  Maassnahmen. 

Zusammenfassung:  Ein  sonst  gesunder  junger  Mann, 
dessen  Mutter  an  Migräne  leidet,  bekam  unmittelbar  nach 
einem  Sturz  zuerst  einige  Wochen  hindurch  häuftge,  aber 
ganz  leichte,  kaum  charakteristische  Migräneanfälle.  So¬ 
dann  stellten  sich  plötzlich  ohne  jeden  Uebergang  voll¬ 
ständige  Anfälle  schwerer  Art  ein.  Dieselben  be¬ 
standen  aus  einer  sensorischen  Aura,  die  von  einer 
mitunter  noch  in  den  eigentlichen  Anfall  hineinragenden 
visuellen  Aura  gefolgt  oder  seltener  begleitet  war.  Auf 
die  sensorische  Aura  folgte  eine  aphatische  Sprach¬ 
störung.  Sodann  begann  der  eigentliche  hemikranische  An¬ 
fall  mit  Uebelkeit  und  Erbrechen  reichlicher  Mengen 
salzsäurefreier  Flüssigkeit.  Gleichzeitig  traten  die  allmählich  zu¬ 
nehmenden  Kopfschmerzen  auf,  die  zwar  stets  beiderseits 
vorhanden,  aber  auf  der  der  vorausgegangenen 
Aura  gegenüberliegenden  Seite  heftiger  waren. 
Nicht  bei  allen  Anfällen  traten  hierzu  noch  vasomotorische 
Störungen,  bestehend  in  einer  auf  den  Kopf  beschränkten 
anfänglichen  Gefässverengerung,  späteren  starken  Erweiterung 
ohne  Schweisssekretion.  Neben  der  Gefässerweiterung  sah  man 


1.  Juli  1902. 


1089 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


in  einem  Anfalle  die  Pupille  auf  der  stärker  von 
Kopfschmerz  betroffenen  rechten  Seite  deut¬ 
lich  weiter  als  die  linke.  Die  Reaktion  auf  Licht  und 
auf  Konvergenz  war  beiderseits  gut  zu  erhalten. 

2.  Fal  1.  H.  E.,  31  jähriges  Dienstmädchen,  aufgenommen 
21.  IY.  98.  Der  Vater  der  Patientin  hat  viel  an  Kopfschmerzen  ge¬ 
litten.  Sonst  ist  aus  der  Familienanamnese  nichts  von  Belang  be¬ 
kannt.  Seit  dem  15.  Lebensjahre  leidet  die  Kranke  an  heftigen 
anfallsweise  auf  tretenden  Kopfschmerzen.  Patientin  steht  meist 
Morgens  mit  bohrendem  Schmerz  in  einer  Schläfengegend  und 
Brechreiz  auf,  in  dem  anfänglich  blassen,  später  stark  gerötheten 
Gesicht  besteht  lebhaftes  Hitzegefühl.  In  der  Stirn  Gefühl  von 
Schwere,  Druck  in  der  Augengegend,  Photophobie,  Thränen- 
träufeln.  Während  des  Anfalls  häufiges  Erbrechen  galliger 
Flüssigkeit;  starker  Durst  bei  vollkommenem  Appetitmangel. 
Grosse  Abgeschlagenheit. 

Die  objektive  Untersuchung  der  inneren  Organe  und  des 
Nervensystems  ausserhalb  der  Anfälle  ergibt  absolut  nichts  Be¬ 
sonderes. 

Die  in  der  Klinik  beobachteten  Anfälle  waren  zum  Theil  von 
vasomotorischen  Symptomen  begleitet,  bestehend  in 
anfänglichem  Erblassen,  späterem  Erröthen  des  ganzen  Gesichts. 
In  diesen  Anfällen  waren  die  Pupillen  beider¬ 
seits  abnorm  vpit  und  reagirten  nicht  auf 
Lichteinfall.  Mit  Ablauf  der  Kopfschmerzen  waren  sie 
Avieder  enger,  die  Reaktion  auf  Licht  wurde  wieder  normal.  Die 
Pupillenveränderung  trat  bei  den  zur  Beobach¬ 
tung  gekommenen  Anfällen  nicht  auf,  wenn  die 
vasomotorischen  Störungen  in  dem  Symptomenkom- 
plex  fehlten. 

3.  F  a  1 1.  F.  F.,  38  jähriger  Maler,  aufgenommen  18. 1.  97. 

Anamnese:  Ueber  die  Eltern  des  Patienten  ist  nichts  be¬ 
kannt,  als  dass  beide  gestorben  sind.  Lieber  Migräne  und  Nei’ven- 
krankheiten  in  der  Familie  ist  nichts  zu  erfahren.  Patient  selbst 
hat  früher  Adel  mit  Bleifarben  gearbeitet.  Als  junger  Mann  hat  er 
sich  einer  Operation  am  Auge  (wohl  Schieioperation)  unterzogen. 
1893  liess  er  sich  ganz  kurz  wegen  einer  leichten  Bleikolik  be¬ 
handeln.  Anfang  1895  erkrankte  F.  an  einem  Nervenleiden,  ähn¬ 
lich  seinem  jetzigen,  angeblich  ebenfalls  eine  Folge  der  Bleiver¬ 
giftung.  Nach  4  monatlicher  Behandlung  hat  er  vorübergehend 
gearbeitet,  musste  aber  im  November  1896  wieder  auf  hören,  weil 
sich  die  Beschwerden  verschlimmerten. 

Patient  klagte  über  sehr  häufig  auftretende  Schmerzen,  als 
ob  ihm  eine  eiserne  Platte  auf  dem  Kopf  läge.  Gleichzeitig  könne 
er  nicht  sicher  stehen,  es  bestehe  eine  Art  ScliAvindel  mit  Angst¬ 
gefühl,  Schwarzwerden  vor  den  Augen.  Nach  Arerschiedenen 
Kuren  sucht  der  Kranke  auf  den  Rath  des  Arztes  das  Kranken¬ 
haus  auf. 

19.  I.  97.  Status  praesens  (Prof.  R  o  m  b  erg):  Kaum 
mittelgrosser,  mässig  kräftig  gebauter,  spärlich  genährter  Mensch 
von  blasser  Hautfarbe,  nicht  fiebernd.  Intelligenz  völlig  normal. 
Knöcherner  Schädel,  Wirbelsäule  ohne  Besonderheiten.  Augen: 
Leichter  Strabismus  convergens  links,  kein  Nystagmus,  Pupillen 
gleichweit,  reagiren  prompt  auf  Licht  und  Akkommodation.  — 
Gehör  normal.  Zunge  feucht,  ganz  unbedeutend  belegt;  kein 
Blei  sau  m,  Rachenorgane  o.  B.  Submaxillardrüse  nicht  in- 
filtrirt,  auch  sonst  keine  Drüsenschwellungen,  keinerlei  Zeichen 
von  Lues. 

Die  Untersuchung  der  Brustorgane  ergibt  durchaus  normale 
Verhältnisse,  insbesondere  keinen  Anhalt  für  die  Annahme  einer 
chronischen  Bleiintoxikation.  Herz  und  Nieren  sind  gesund,  die 
Arterien  nur  wenig  sklerotisch.  Die  Milz  ist  vergrössert. 

Nervensystem:  Die  auffallendste  Erscheinung  von 
Seiten  des  Nervensystems  ist  eine  grosse  Unsicherheit 
des  Ganges;  sie  ist  zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden  stark 
heiwortretend,  besonders  stark  wird  sie,  wenn  die 
nachher  zu  erwähnenden  Kopfschmerzen  auf¬ 
trete  n.  Patient  zeigt  dann  beim  Gehen  ausserordentlich  hoch¬ 
gradige  Schwankungen  des  ganzen  Rumpfes;  er  kann  sich  nur  un¬ 
sicher  auf  den  Füssen  halten  und  kommt  oft  in  die  Gefahr,  zu 
fallen.  Der  Gang  in  einer  bestimmten  Richtung  ist  dadurch 
ausserordentlich  erschwert.  Die  Abweichungen  erfolgen  nicht 
nach  einer  Richtung.  Beim  Schliessen  der  Augen  wird  die  Un¬ 
sicherheit  stärker,  und  Patient  vermag  dann  auch  mit  gespreizten 
Beinen  nicht  sicher  zu  stehen.  Die  Bewegungen  der  Beine  sind 
dabei  nicht  im  Geringsten  ataktisch.  Der  Gang  geschieht  mit 
steif  gehaltenen  Knien  und  wenig  vom  Fussboden  erhobenen 
Sohlen,  er  zeigt  im  ganzen  Habitus  Aehnlichkeit  mit  dem  spasti¬ 
schen  Gang.  Die  ganze  Art  der  Schwankung  er¬ 
innert  am  meisten  an  cerebellare  Ataxie. 

In  den  zAvischen  den  anfallsweise  auftretenden  Kopfschmerzen 
liegenden  schmerzfreien  Intervallen  ist  Patient  im  Stande,  lang¬ 
sam  ohne  jede  Schwankung  zu  gehen.  Bei  schnellem  Gehen  und 
bei  geschlossenen  Augen  treten  sie  aber  auch  dann  hervor. 

Bei  sehr  starker  willkürlicher  Anspannung  der  Muskulatur 
sieht  man  einen  leichten  Tremor,  der  sich  nicht  sicher  vom 
Zittern  normaler  Menschen  bei  stärkerer  Muskelanstrengung 
unterscheidet.  Paresen,  skandirende  Sprache  und  dergl.  ist  nicht 
vorhanden. 

No.  26. 


Sensibilität:  Hier  tritt  der  anfallsweise  Kopfschmerz 
in  den  Vordergrund.  Er  tritt  fast  täglich  meist  im  Laufe  des 
Nachmittags  auf  und  nimmt  dann  bis  in  die  späten  Abendstunden 
zu,  um  allmählich  wieder  abzuklingen  und  in  den  Morgenstunden 
zu  verschwinden.  Der  Schmerz  beginnt  nach  den  Schilderungen 
des  Patienten  im  Hinterkopf,  breitet  sich  allmählich  oberhalb  des 
linken  Ohres  nach  vorn  aus  und  wird  dann  besonders  heftig  in  der 
Schläfengegend.  Die  linke  Gesichtshälfte  ist  dabei  stark  geröthet 
und  fühlt  sich  lebhaft  warm  an.  Der  linke  N.  supra-  und  infra- 
orbitalis,  zygomatieus,  temporalis  und  occipitalis  major  sind  hoch¬ 
gradig  druckempfindlich,  während  die  übrigen  Trigeminusdruck¬ 
punkte  nicht  schmerzhaft  sind.  Auch  die  ganze  linke  Schädel¬ 
hälfte  erscheint  hyperästhetisch:  leichtes  Beklopfen  wird  schon 
als  Schmerz  empfunden. 

Im  Uebrigen  ist  die  Sensibilität  normal.  Leichte  Berührungen 
mit  dem  Haarpinsel  werden  genau  empfunden  und  lokalisirt, 
Kopf  und  Spitze  der  Nadel,  Wärme  und  Kälte  gut  unterschieden. 
Schmerzempfindung  und  Empfindung  bei  Bewegung  sind  voll¬ 
ständig  normal;  auch  im  Bereich  der  schmerzhaften  Zone  findet 
sich  keinerlei  Abweichung. 

Reflexe:  Patellarreflexe  enorm  gesteigert,  vollständiger 
Patellarklonus  mit  Uebergreifen  auf  die  andere  Seite;  auch  beim 
Beklopfen  des  unteren  Endes  des  M.  quadriceps  Zuckung.  Dorsal- 
klonus.  Fusssohlen-  und  Kremasterreflex  sehr  lebhaft.  Bauch¬ 
deckenreflex  vorhanden.  Sehnen-  und  Periostreflexe  an  den  Armen 
ziemlich  lebhaft.  Gaumensegel-  und  Rachenreflexe  vorhanden, 
ebenso  Konjunktival-  und  Kornealreflexe. 

Krankheitsverlauf:  Eine  mehr  allgemein-diätetische 
Behandlung  war  Anfangs  erfolglos.  Erst  nachdem  Patient  täglich 
3 — 4  Stunden  vor  dem  voraussichtlichen  Beginn  der  Kopfschmerzen 
eine  Dosis  von  0,5  Chinin,  mur.  nahm,  trat  entschieden  Besserung 
ein.  Nach  konsequent  durchgeführter,  mehrwöchentlicher  Chinin¬ 
behandlung  hörten  die  heftigen  Kopfschmerzen  und  gleichzeitig 
die  übrigen  Erscheinungen,  das  Schwindelgefühl  und  der  tau¬ 
melnde  Gang  auf.  Die  vorher  stark  erhöhten  Reflexe  wurden 
normal.  Patient  blieb  dann  noch  einige  Zeit  als  Rekonvaleszent 
in  der  Klinik,  ohne  auch  nach  Fortlassen  des  Chinins,  von  Neuem 
Anfälle  zu  bekommen. 

Zusammenfassung:  Bei  einem  38jährigen  früheren 
Bleiarbeiter,  der  nur  ganz  vorübergehend  einmal  an  leichter  Blei¬ 
kolik  gelitten  hatte,  jetzt  keine  auf  Bleiintoxikation  mehr  hin¬ 
weisenden  Erscheinungen  bot  (Fehlen  des  Bleisaums),  waren  seit 
2  Jahren  schwere  nervöse  Symptome  auf  getreten.  Sie  bestan¬ 
den  aus  sehr  häufigen  Migräneanfällen,  die  regel¬ 
mässig  die  linke  Seite  einnahmen,  vom  Hinterkopf  aus¬ 
gingen,  und  von  eigenthümlichen  Störungen  der 
Motilität  begleitet  waren,  die  ausgesprochen  das  Sym- 
ptomenbild  der  cerebellaren  Ataxie  boten.  Zu  einer  Zeit, 
wo  die  Migräneanfälle  fast  täglich  auftraten,  fehlte  die  Be¬ 
wegungsstörung  auch  in  den  Zwischenpausen  zwischen  den  ein¬ 
zelnen  Schmerzattacken  nicht  ganz,  dagegen  verlor  sie  sich  sofort, 
als  unter  dem  Einflüsse  von  Chinin  und  der  Krankenhausbehand¬ 
lung  die  Migräneanfälle  schwanden.  Mit  dem  Anfalle  verbanden 
sich  regelmässig  vasomotorische  Symptome  in  Ge¬ 
stalt  von  Gefässerweiterung  auf  der  befallenen  Seite.  Während 
der  Periode  der  gehäuften  Anfälle  waren  die  Sehnenreflexe 
hochgradig  gesteigert. 

Unter  den  3  hier  beschriebenen  Fällen  zeichnet  sich  der 
erste  durch  seine  Entstehungsgeschichte  vor  den  bei¬ 
den  übrigen  aus.  Ueber  die  Aetiologie  der  Migräne  wissen  wir 
bekanntlich  sehr  wenig.  Nach  den  Darlegungen  von  M  o  eb  i  u  s 
u.  A.  spielt  die  Vererbung,  und  zwar  die  gleichartige  Vererbung 
bei  der  Entstehung  der  Migräne  die  Hauptrolle;  ja  es  erscheint 
sogar  zweifelhaft,  ob  die  Krankheit  überhaupt  bei  einem  In¬ 
dividuum  entsteht,  welchem  die  Anlage  zur  Erkrankung,  die 
„spezifisch  migränöse  Abweichung  des  Zentralnervensystems“, 
nicht  angeboren  ist.  Haben  die  Kranken  diesen  Zu¬ 
stand  ererbt,  so  können  die  mannigfaltigsten 
Schädigungen  des  Gesammtorganismus  oder 
des  Zentralnervensystems  das  Auftreten  von 
Anfällen  auslöse  n.  Unter  diesen  Gelegen¬ 
heitsursachen  findet  man  das  Trauma  auf¬ 
fallendselten.  Moebius  (1.  c.)  sah  nur  einen  einzigen 
Fall,  in  dem  die  Migräne  auf  einen  Unfall  zurückgeführt  wurde. 
Vererbung  war  gerade  hier  nicht  nachweisbar. 

Bei  unserem  erblich  belasteten  Patienten  waren  un¬ 
mittelbar  nach  dem  Sturze  vom  Fahrrad,  angeblich 
zum  ersten  Male  im  Leben,  Kopfschmerzen  aufgetreten, 
die  wohl  schon  als  leichte  Migräneanfälle  gedeutet  werden  dürfen. 
Wenige  Wochen  später  setzten  ohne  Uebergang  die  gehäuften 

3 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


1000 


schweren  und  vollständigen  Anfälle  ein  und  sind  dann  bei  ge¬ 
eigneter  Behandlung  rasch  wieder  —  bis  jetzt  spurlos  —  ver¬ 
schwunden.  Ich  möchte  dieses  Verhalten  wegen  seiner  prak¬ 
tischen  Bedeutung  besonders  betonen.  Wir  dürften,  wenn  im 
vorliegenden  Falle  eine  Entscheidung  getroffen  werden  müsste, 
ob  die  Migräne  als  Unfallfolge  anzusehen  sei,  dem  Erkrankten 
den  Anspruch  auf  Entschädigung  sicher  nicht  absprechen,  trotz¬ 
dem  wir  annehmen  müssen,  dass  bei  ihm  die  spezifische  migrä- 
nöse  Veränderung  des  Zentralnervensystems  ererbt  ist. 

„V  ollständige  Migräneanfäll  e“,  wie  sie  hier 
nach  dem  Trauma  beobachtet  wurden,  sind  im  V  erhält  n  iss 
zu  der  grossen  Zahl  von  Migränekranken  ge¬ 
wiss  sehr  selten.  Wenn  L  i  v  e  i  n  g  ‘)  unter  60  Fällen  15 
mit  Sprachstörung  und  12  mit  sensorischer  Aura  zählt,  so  handelt 
es  sich  um  ausgewählte  Fälle.  M  o  e  b  i  u  s  (1.  c.)  fand  unter 
130  Migränekranken  seiner  Beobachtung  nur  4  mit  sensorischer 
Aura,  3  mit  Aphasie.  Auch  diese  Zahlen  geben  —  was 
M  o  e  b  i  u  s  übrigens  gar  nicht  voraussetzt  —  aus  den  Eingangs 
erörterten  Gründen  gewiss  nicht  entfernt  das  richtige  Verhält  - 
niss  an  zwischen  dem  Vorkommen  der  selteneren  Begleiterschei¬ 
nungen  und  der  Gesammtzahl  von  Migränepatienten  überhaupt. 
Unter  den  in  der  medizinischen  Klinik  seit  14  Jahren  behandelten 
Fällen  von  Migräne  war  der  hier  geschilderte  der  einzige,  bei  dem 
vollständige  Anfälle  beobachtet  worden  sind. 

Noch  weniger  genügend  als  über  die  Häufigkeit  der  voll¬ 
ständigen  Anfälle  sind  wir  über  das  Vorko  m  m  e  n  von 
Pupillenveränderungen  bei  Migräneanfällen 
unterrichtet,  wie  sie  unsere  beiden  ersten  Fälle  darboten. 

Im  ersten  Falle  dürfen  wir  wohl  die  Pupille  der  stärker  er¬ 
krankten  Seite  als  die  veränderte  ansehen.  Wir  würden  es  also 
mit  einer  Pupillenverengerung  zu  thun  haben.  Die  Er¬ 
klärung  bietet  beträchtliche  Schwierigkeiten.  Die  Annahme 
M  o  e  b  i  u  s,  dass  eine  besonders  häufig  bei  nervösen  Menschen 
sich  findende  dauernde  geringe  Pupillendifferenz  bei  allerlei 
Krankheitszuständen  grösser  werde,  und  dass  dadurch  mitunter 
einseitige  Pupillenverengerung  bei  Migräne  vorgetäuscht  werden 
könne,  trifft  für  unseren  Fall  nicht  zu.  Der  Kranke  hatte  ausser¬ 
halb  der  Anfälle  völlig  gleichweite  Pupillen.  S  c  li  w  a  r  z  ")  be¬ 
merkt  ganz  allgemein,  dass  bei  der  „paralytischen  Form  der 
Migräne“  Verengerung  der  Pupillen  mit  nur  leicht  verringerter 
Beweglichkeit  gefunden  wird.  Nähere  Angaben  über  spezielle  Be¬ 
obachtungen  fehlen.  Schwarz  nimmt  also  hier  ohne  Weiteres 
einen  Zusammenhang  der  Pupillenveränderung  mit  der  Gefäss- 
erweiterung  im  Gesicht,  resp.  mit  der  früher  als  Ursache  des 
Migräneanfalles  angesehenen  Sympathikusbetheiligung  an.  So 
naheliegend  diese  Erklärung  für  unseren  Fall  ist,  so  steht  ihr 
doch  das  Bedenken  gegenüber,  dass  die  Rötliung  der  Haut  wie 
gewöhnlich  beide  Gesichtshälften  gleichmässig  betraf,  während 
die  Pupillen  Verengerung  nur  auf  der  Seite  der  stärkeren  Kopf¬ 
schmerzen  zu  finden  war.  Will  man  nicht,  trotz  der  beiderseits 
gleichen  Gefässerweiterung,  eine  stärkere  Beeinträchtigung  des 
rechten  N.  sympathicus  annehmen,  so  müsste  man  auf  die  auch 
von  Moebius  für  solche  Fälle  ausgesprochene  Vermuthung 
zurückgreifen,  dass  der  Schmerz  in  der  Augengegend  als  solcher 
die  Pupillenveränderung  hervorruft,  ebenso  wie  auch  andere 
schmerzhafte  Erkrankungen  am  Auge  oder  in  dessen  Umgebung 
das  Sehloch  verengern.  In  der  kasuistischen  Literatur  der  Oph¬ 
thalmologen  habe  ich  gleiche  Fälle  nicht  gefunden. 

In  dem  zweiten  oben  beschriebenen  Falle  fand  sich  beider¬ 
seitige  Pupillenerweiterung  mit  Aufhebung 
der  Lichtreaktion.  Nach  Schwarz  (1.  c.)  sieht  man 
das  Phänomen  bei  „spastischer  Migräne“,  also  hei  denjenigen 
Migräneanfällen,  welche  mit  Erblassen  des  Gesichts  einhergehen; 
doch  fehlen  auch  hierfür  kasuistische  Beispiele  in  der  mir  be¬ 
kannten  Literatur.  Bei  unserer  Kranken  wurde  in  der  That  im 
Beginn  des  Anfalles  Gefässverengerung  beobachtet,  die  aber  bald 
von  Gefässerweiterung  gefolgt  wurde,  während  die  normale  Grösse 
und  Beweglichkeit  der  Pupillen  erst  nach  Ablauf  des  ganzen  An¬ 
teils  wieder  konstatirt  werden  konnte.  Dass  trotzdem  die  Fünk- 
tionsstörung  im  Sympathikus  zu  den  Pupillenerscheinungen  in 

')  Liveing:  On  megrim,  sick-headache  and  some  allied 
disorders,  London  1873.  Cit.  bei  Moebius:  Die  Migräne.  Noth- 
nagel’s  Handbuch.  XII,  TTI,  Wien  1894. 

■)  Schwarz:  Die  Bedeutung  der  Augenstörungen  für  die 
Diagnose  der  Hirn-  und  Rückenmarkskrankheiten.  Berlin  1898. 


Beziehung  stand,  wird  dadurch  wahrscheinlich,  dass  die  letzteren 
in  solchen  Anfällen  fehlten,  wo  auch  das  anfängliche  Erblassen 
und  das  nachfolgende  Rothwerden  des  Gesichts  vermisst  wurden. 
Die  Erklärung  ist  aber  auch  hier  keine  einfache. 

Von  besonderem  Interesse  ist  das  Verhältniss  der 
Lokalisation  der  Aura  zum  Auftreten  der 
aphatischen  Störung.  Liveing  beobachtete  die 
Aphasie  unter  12  Fällen  von  sensorischer  Aura  7  mal  nach  rechts¬ 
seitigen,  4  mal  nach  doppelseitigen  Parästhesien.  Moebius  sah 
bei  einer  Kranken  mit  einem  bald  von  rechts,  bald  von  links 
auftretenden  Flimmerskotom  die  Sprachstörung  nur  dann,  wenn 
das  Skotom  von  rechts  her  kam.  Auch  bei  meinem  Kranken 
handelte  es  sieh  in  der  Regel  um  eine  rechtsseitige 
sensorische  Aura.  Dann  machte  sich  bald  dem 
Patienten  selbst  die  Sprachstörung  bemerk - 
b  a  r.  In  dem  einen  der  im  Krankenhaus  beobachteten  Anfälle, 
wo  die  Parästhesien  zuerst  2  mal  die  ganze  linke  Körperhälfte 
durchliefen,  der  Kopfschmerz  nachher  rechts  stärker  war,  hatte 
sich  die  Aphasie  214  Stunden  nach  Beginn  der  Störungen  noch 
nicht  gezeigt,  während  sie  sonst  stets  fast  unmittelbar  nach  dem 
Aufhören  der  Parästhesien  in  der  Zunge  auftrat.  Nachher  ist 
der  Kranke  etwas  eingeschlafen. 

Jedenfalls  bestätigen  diese  lokalen  Beziehungen  die  An¬ 
nahme,  dass  es  sich  bei  der  im  Migräneanfall  auftretenden 
Aphasie  um  eine  Störung  handelt,  welche  im  Sprach- 
zent  r  u  m  ahläuft. 

Fast  einzig  in  der  Literatur  steht  die  eigen thümliche 
Gleichgewichtsstörung  da,  wie  sie  im  3.  Falle  vor¬ 
handen  war.  In  der  mir  bekannten  Literatur  beschreibt  nur 
Oppenheim11)  eine  analoge  Beobachtung.  Der  Kranke 
Oppenheim’s  taumelte  im  Migräneanfall  wie  ein  Be¬ 
trunkener.  Gehen  und  Stehen  waren  überaus  unsicher.  Dabei 
bestand  heftiger  Schwindel  und  die  Empfindung,  als  sei  der 
Körper  oder  einzelne  Theile  desselben  verdoppelt.  Die  Gleich¬ 
gewichtsstörung  setzte  hier  jedesmal  mit  dem  Anfall  ein,  um 
ebenso  mit  demselben  zu  schwinden.  Oppen  hei  m  deutet 
die  Störung  als  Kleinhirnerscheinungen  und 
möchte  die  Krankheit  als  Ilemicrania  cerebellaris  be¬ 
zeichnen.  Wenn  die  Gleichgewichststörung  in  unserem  Falle 
vorübergehend  auch  in  der  kopfschmerzfreien  Zeit  angedeutet 
vorhanden  war,  so  ist  das  wohl  auf  die  damals  vorhandene  grosse 
Häufung'  der  Anfälle  zu  beziehen.  Bemerkenwerth  ist,  dass  die 
Kopfschmerzen  dieses  Kranken  stets  vom  Hinterkopf  ihren  Aus¬ 
gang  nahmen. 

Auf  die  Natur  der  migränösen  Veränderung  des  Zentral¬ 
nervensystems  und  das  Zustandekommen  der  Migräneanfälle 
einzugehen  ist  hier  nicht  der  Ort.  M  o  e  b  i  u  s  hat  in  seiner 
Monographie  die  grossen  Schwierigkeiten  einer  hefifiedigenden 
theoretischen  Erklärung  der  interessanten  Krankheit  eingehend 
dargelegt.  Wir  sind  darnach  zunächst  vor  Allem  darauf  an¬ 
gewiesen,  weiteres  klinisches  Material  zu  beschaffen.  Einen  Bei¬ 
trag  hierzu  soll  die  vorstehende  Mittheilung  liefern. 


Aus  der  II.  mediz.  Klinik  (Hofrath  Neusser)  in  Wien. 

Ueber  die  Isoagglutinine  im  Serum  gesunder  und 

kranker  Menschen. 

Von  Dr.  Alfred  v.  Decastello  und  Dr.  Adriano  S  t  u  r  1  i. 

Landsteiner  [1]  und  S  h  a  1 1  o  k  [2]  haben  zu  gleicher 
Zeit  unabhängig  von  einander  darauf  hingewiesen,  dass  dem  Blut¬ 
serum  mancher  Menschen  die  Fähigkeit  innewohnt,  die  rothen 
Blutkörperchen  anderer  Personen  zu  verklumpen,  dass  diese 
Sera  somit  nach  E  h  r  1  i  c  h’s  Bezeichnung  Isoagglutinine  ent¬ 
halten.  Natürlich  wendete  sich  die  Aufmerksamkeit  der  Unter¬ 
sucher  sogleich  der  Frage  zu,  ob  das  Auftreten  dieser  Eigenschaft 
mit  bestimmten  Krankheitszuständen  Zusammenhänge;  hatte 
doch  von  den  genannten  Autoren  selbst  Landsteiner  an¬ 
gegeben,  die  Erscheinung  besonders  ausgeprägt  bei  schweren 
Krankheiten  gefunden  zu  haben,  während  Shattok  sie  direkt 
als  Eigenthümlichkeit  des  Fieberblutes  auffasste  und  mit  der  er¬ 
höhten  Geldrollenbildung  in  Zusammenhang  brachte. 

In  der  That  gewannen  auch  Donath  [3],  Ascoli  [4], 
Camus  und  P  a  g  n  i  e  z  [5] ,  Eisenberg  [6]  aus  ihren. 

3)  Oppenheim:  Nervenkrankheiten  1898. 


1.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1091 


Untersuchungen  den  Eindruck,  dass  die  Erscheinung  bei  An¬ 
ämien,  Kachexien,  Eieber  (bei  Tuberkulose)  deutlicher  aus¬ 
gesprochen  sei,  heben  aber  särmnitlich  die  Inkonstanz  derselben 
hervor.  Nur  Lo  Monaco  und  P  a  n  i  c  h  i  [7]  und  in  Be¬ 
stätigung  ihrer  Befunde  G  rixoni  [8]  betrachten  die  Iso¬ 
agglutination  als  charakteristisches  Symptom  des  Malariablutes, 
während  Grünbaum  [9]  angibt,  dass  das  Blutserum  bei  ver¬ 
schiedenen  Infektionskranken  die  Eigenschaft  gewinnt,  das  Blut 
Gesunder  und  an  anderen  Krankheiten  Leidender  zu  agglutiniren, 
nicht  aber  das  von  Personen,  die  von  derselben  Krankheit  befallen 
sind.  Die  Beziehung  der  agglutinirenden  Fähigkeit  des  Blutes 
zu  Krankheitszuständen  wurde  jedoch  sehr  in  Frage  gestellt  durch 
die  Arbeit  Halban’s  [10],  welcher  dieselbe  Eigenschaft  auch 
bei  einer  Reihe  von  Neugeborenen  (resp.  Plazenten)  antraf. 
H  a  1  b  a  n  und  vor  ihm  schon  A  s  c  o  1  i  wiesen  auf  die  Thatsache 
hin,  dass  manche  Sera  nur  in  bestimmten  Blutproben  Aggluti¬ 
nation  hervorrufen,  bei  anderen  Fällen  aber  nicht.  Diese  mannig¬ 
fachen  Widersprüche  erhielten  eine  wesentliche  Klärung,  durch 
Landsteiner  [11],  dem  es  gelang,  in  jedem  Serum  aggluti- 
nirende  Fähigkeit  nachzuweisen,  indem  er  dasselbe  auf  eine  Reihe 
von  Blutproben  einwirken  liess.  Gleichzeitig  ergaben  seine  Ta¬ 
bellen,  dass  hier  eine  merkwürdige  Gesetzmässigkeit  herrsche,  in¬ 
dem  sich  die  untersuchten  Blutsorten  in  3  Gruppen  theilen 
Hessen,  die  Landsteiner  mit  folgenden  Worten  charak- 
terisirt:  „In  einer  Anzahl  von  Fällen  (Gruppe  A)  reagirte  das 
Serum  auf  die  Körperchen  einer  anderen  Gruppe  (B),  nicht  aber 
auf  die  Gruppe  A,  während  wieder  die  Körperchen  der  Gruppe  A 
vom  Serum  B  in  gleicher  Weise  beeinflusst  werden.  In  der 
3.  Gruppe  (C)  agglutinirt  das  Serum  die  Körperchen  von  A  und 
B,  während  die  Körperchen  C  durch  die  Sera  A  und  B  nicht  be¬ 
einflusst  werden. 

Man  kann  der  üblichen  Ausdrucksweise  zu  Folge  sagen,  dass 
in  diesen  Fällen  zum  Mindesten  zwei  verschiedene  Arten  von 
Agglutininen  vorhanden  sind,  die  einen  in  A,  die  anderen  in  B, 
beide  zusammen  in  C.  Die  Körperchen  sind  für  die  Agglutinine, 
die  sich  im  selben  Serum  befinden,  naturgemäss  als  unempfindlich 
anzusehen.“ 

Es  war  nun  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit,  einerseits  behufs 
Untersuchung  der  allgemeinen  Giltigkeit  dieses  typischen  Ver¬ 
haltens  weitere  gesunde  Individuen  daraufhin  zu  prüfen,  anderer¬ 
seits  diese  Verhältnisse  an  einer  grösseren  Reihe  von  Krankheits¬ 
fällen  zu  untersuchen.  Die  Proben  wurden  im  hängenden 
Tropfen  angestellt,  indem  eine  Oese  des  Serums  mit  der  gleichen 
Menge  einer  5  proz.  Aufschwemmung  der  Blutkörperchen  in 
0,85  proz.  Kochsalzlösung  gemischt  wurde.  Manchmal  brachten 
wir  auch  entsprechend  kleine  Mengen  von  gewaschenem,  abzentri- 
fugii'tem  Blutkörperchenbrei  in  das  Serum  ein,  um  die  Ver¬ 
dünnung  des  letzteren  zu  vermeiden. 

In  den  positiven  Fällen  tritt  die  Agglutination  meist  mit 
grosser  Schnelligkeit  und  Deutlichkeit  ein:  Schon  in  wenigen 
Sekunden  sind  die  Blutkörperchen  zu  grösseren  und  kleineren 
dichten  Klumpen  zusammengeballt.  Auch  bei  schwach  wir¬ 
kenden  Seris  wird  das  Phänomen  im  Verlauf  weniger  Minuten 
sichtbar. 

Durch  Erschütterung,  Schwenken  etc.  des  Präparates  wird 
die  Reaktion  beschleunigt,  resp.  ausgelöst,  da  die  Blutkörperchen 
auf  diese  Weise  miteinander  erst  in  Kontakt  kommen.  Wir 
haben  ursprünglich  gleich  den  anderen  Untersuchern  die  Proben 
stundenlang  weiterbeobachtet,  überzeugten  uns  aber  bald,  dass, 
wenn  bei  unverdünnten  Seris  die  Agglutination  nicht  schon  in 
den  ersten  Minuten  auftrat,  später  niemals  mehr  ein  positiver 
Ausfall  zu  verzeichnen  war.  Wird  dagegen  das  Serum,  etwa 
zur  Auswerthung  der  Kraft,  verdünnt,  so  dauert  es  bisweilen 
allerdings  14 — Vz  Stunde  bis  zum  Eintritt  der  Agglutination. 
Offenbar  ist  (beim  Erwachsenen)  die  agglutinirende  Substanz, 
wenn  überhaupt  vorhanden,  stets  in  genügend  grosser  Menge  an¬ 
wesend,  um  eine  prompte  Reaktion  auszulösen. 

Wir  müssen  hier  einen  Umstand  betonen,  der  anfänglich 
uns  selbst,  wohl  auch  frühere  Untersucher,  zu  Irrthümern  geführt 
hat.  Es  ist  dies  die  Erscheinung  mehr  oder  minder  aus¬ 
gesprochener  Geldrollenbildung,  die  bei  schwächerer  Vergrösse- 
rung  Agglutination  Vortäuschen  kann  und  thatsächlich  von 
Shattok,  Ascoli,  Eisenberg  mit  der  Agglutination  zu¬ 
sammengeworfen  wurde.  Wie  schon  Ascoli  betont,  sind  zum 


Zustandekommen  der  Geldrollenbildung  2  Dinge  erforderlich: 
einerseits  die  unveränderte  Dellenform  der  Blutkörperchen, 
andererseits  ein  entsprechendes  Medium;  denn  in  isotonischer 
Kochsalzlösung  zeigen  auch  die  besterhaltenen  Blutscheiben 
niemals  Rollenbildung.  Dieses  Medium,  welches  das  Aneinander- 
kleben  ermöglicht,  ist  das  Serum.  Wir  haben  uns  nun  durch  viele 
Versuche  überzeugt,  dass  gut  erhaltenen  Erythroeyten  gegen¬ 
über  jedem  Serum  diese  Eigenschaft  zukommt.  Doch  bestehen 
zwischen  den  einzelnen  Seris  graduelle  Differenzen. 

So  zeigte  das  Serum  mehrerer  Chlorosen,  deren  Blutpräparat 
geringe  Geldrollenbildung  aufwies,  auch  mit  verschiedenen  Blut¬ 
aufschwemmungen  die  Erscheinung  nur  in  ganz  geringem  Grade, 
ebenso  das  Serum  einer  hydrämisclien  Nephritis.  Dagegen  er¬ 
zeugte  das  Serum  einer  perniziösen  Anämie  in  den  Aufschwem¬ 
mungen  lebhafte  Rollenbildung,  obwohl  im  nativen  Präparat  nichts 
davon  zu  sehen  war.  Letzteres  war  jedenfalls  bedingt  durch  die 
starke  Poikilocytose,  während  die  hier  in  Betracht  kommende 
Eigenschaft  des  Serums  erhalten  geblieben  war. 

Bei  partieller  Deformirung  der  Erythroeyten  in  der  Koch¬ 
salzlösung  entstehen  statt  der  regelmässigen  Rollen  hie  und  da 
auch  einzelne  Häufchen,  so  dass  die  Aehnlichkeit  mit  der  echten 
Agglutination  auch  bei  stärkerer  Vergrösserung  besteht.  Prüft 
man  aber  dieselbe  Aufschwemmung  mit  dem  gleichen  Serum 
etwa  1 — 2  Tage  später  nach,  wenn  die  Quellung  oder  Stechapfel¬ 
form  der  Erythroeyten  noch  weiter  fortgeschritten  ist,  so  erhält 
man  keine  Spur  von  Häufchenbildung  mehr. 

Im  Gegensatz  dazu  ist  die  echte  Agglutination  von  der  Form 
der  Blutscheiben  gänzlich  unabhängig  und  tritt  in  älteren  Auf¬ 
schwemmungen  mit  derselben  Promptheit  ein  wie  in  ganz 
frischen.  Auch  müsste  man,  wenn  die  Rollenbildung  identisch 
wäre  mit  schwacher  Agglutination,  bei  Verdünnung  eines  ver¬ 
klumpenden  Serums  schliesslich  zur  Rollenbildung  gelangen,  was 
nicht  der  Fäll  ist.  Beraubt  man  ein  Serum  auf  später  zu  er¬ 
wähnende  Weise  vollständig  seiner  Agglutinationskraft,  so  bleibt 
nichtsdestoweniger  die  Fähigkeit,  in  jeder  frischen  Blutauf¬ 
schwemmung  Rollenbildung  zu  bewirken,  erhalten.  Diese  beiden 
Phänomene  sind  also  entschieden  von  einander  zu  trennen. 

Eine  zweite  Fehlerquelle  bildet  die  bakterielle  Infektion  der 
Blutaufschwemmungen.  Wir  wissen  durch  die  Arbeiten  von 
Kraus  und  C  1  a  i  r  m  o  n  t  [12],  dass  manche  Bakteriengifte  die 
Fähigkeit  haben,  Erythroeyten  zu  agglutiniren  und  zu  lösen.  Es 
sind  daher  ältere  Blutaufschwemmungen  vor  der  Verwendung 
daraufhin  zu  untersuchen,  ob  sie  nicht  in  Folge  von  Bakterien¬ 
wirkung  schon  spontan  Häufchenbildung  zeigen. 

Bei  unseren  eigenen  Untersuchungen  gingen  wir  zunächst  so 
vor,  dass  wir  die  zu  prüfenden  Sera  auf  12  verschiedene  Blut¬ 
proben  (von  Gesunden  und  Kranken)  einwirken  Hessen.  Wir  ge¬ 
langten  so  zu  folgender  Tabelle,  in  welcher  das  Plus  den  posi¬ 
tiven  Ausfall  bezeichnet. 


Tabelle  I. 


Blutaufschwemmung 

von: 

Serum  von : 

Gruppe  C  (=  A+B) 

Gruppe 

A 

Gr 

B 

Dr.  Dec. 

Wärterin 

R. 

Wärterin 

.  F. 

Dr.  St. 

Dr.  Fl. 

Dr.  Klf. 

Typhus  1 

Typhus  2 

Haemo¬ 

philie 

S 

C=> 

CO 

&o 

3 

■q- 

■>-> 

1 — 

PQ 

-F 

Dr.  D. 

O 

O 

O 

O 

+ 

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4- 

4- 

4- 

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4- 

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ii 

Dr.  J. 

O 

O 

O 

O 

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4- 

4- 

4- 

+ 

4- 

4" 

4- 

II 

O 

Wärterin  R. 

O 

o 

O 

O 

+ 

4- 

4- 

+ 

+ 

4- 

4- 

4- 

Jh 

& 

Wärterin  F. 

O 

o 

O 

O 

4- 

4- 

4- 

4- 

+ 

4- 

4- 

4- 

Dr.  St 

O 

o 

O 

O 

o 

o 

o 

O 

o 

o 

4- 

4- 

«1 

Dr.  Fl. 

O 

o 

O 

O 

o 

o 

o 

O 

0 

o 

4- 

4- 

D 

d 

Dr.  Klf. 

O 

o 

O 

O 

0 

o 

0 

O 

o 

0 

4- 

4- 

PH 

3 

Typhus  No.  1 

O 

o 

O 

O 

o 

o 

0 

O 

o 

o 

4" 

4- 

6 

Typhus  No.  2 

O 

0 

O 

O 

o 

o 

0 

O 

o 

o 

4- 

4- 

Haemophilie 

O 

o 

O 

O 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

4- 

4- 

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Dr.  M. 

O 

o 

O 

O 

4- 

4- 

4- 

4- 

4- 

4- 

o 

o 

*-< 

o 

Typhus  No.  3 

O 

o 

O 

O 

4- 

4- 

+ 

4- 

+ 

4- 

o 

o 

u  s 

w. 

Wie  ersichtlich,  stimmt  diese  Tabelle  mit  der  Land- 
steine  Eschen  vollständig  überein,  indem  eine  Sonderung  so¬ 
wohl  der  Sera  als  der  Blutkörperchen  in  3  Gruppen  hervortritt. 
Auf  diese  Weise  prüften  wir  zunächst  die  Sera  von  50  Fällen 

3* 


1092 


Ho.  26. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


(Gesunden  und  Kranken)  mit  denselben  Blutaufschwemniungen. 
Später  verwendeten  wir,  da  das  Resultat  stets  das  gleiche  blieb, 
nur  6  Testblutsorten,  je  2  aus  jeder  Gruppe,  wobei  wir  die  be¬ 
treffenden  Repräsentanten  häufig  wechselten.  Im  Ganzen  ge¬ 
langten  174  Fälle  zur  Untersuchung  und  zwar 
8  Neugeborene  (Plazentarblut), 

11  Kinder  bis  zu  6  Monaten, 

21  Kinder  von  Vz — 14  Jahren, 

134  Erwachsene. 

Sehen  wir  zunächst  von  den  Plazenten  und  ganz  jungen 
Kindern  ab,  deren  Verhalten  später  eingehend  zu  besprechen  ist, 
so  ergab  die  Untersuchung  bei  sämmtlichen  155  Personen  im 
Alter  von  mehr  als  6  Monaten,  mit  Ausnahme  von  4  Fällen, 
das  Vorhandensein  von  agglutinirenden  Substanzen  im  Serum, 
sowie  die  strikte  Sonderung  in  3  Gruppen :  Serum  A  agglutinirt 
Blut  B,  umgekehrt  Serum  B  das  Blut  A;  Serum  C  agglutinirt 
sowohl  Blut  A  als  Blut  B,  dagegen  wird  das  Blut  C  weder  von 
Serum  A  noch  B  beeinflusst.  Die  4  Ausnahmen  von  dieser  Regel 
verhielten  sich  so,  dass  das  Serum  auf  kein  einziges  Probeblut 
einwirkte,  also  gar  kein  Agglutinin  enthielt,  während  die  Erythro- 
cyten  von  jedem  anderen  Serum  agglutinirt  wurden,  also  nicht 
wie  bei  den  übrigen  Personen,  zumindestens  gegen  einen  Serum¬ 
typus  widerstandsfähig  waren. 

Von  diesen  155  Fällen  entfielen  34  (mit  einer  Ausnahme) 
auf  derzeit  Gesunde  und  121  (mit  3  Ausnahmen)  auf  Kranke. 
Es  besteht  somit  keine  Beziehung  zwischen 
dem  Agglutinationstypus  eines  Blutes  und 
krankhaften  Zuständen. 

Wir  hatten  auch  bei  sämmtlichen  untersuchten  gesunden  In¬ 
dividuen  die  genaue  Anamnese  in  Bezug  auf  überstandene  Krank¬ 
heiten,  besonders  infektiöse,  erhoben  und  auch  hier  nicht  die  ge¬ 
ringste  Uebereinstimmung  in  Bezug  auf  die  Typen  erhalten. 

Es  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  dass  Krankheiten,  beson¬ 
ders  solche,  welche  den  Eiweissgehalt  des  Serums  alteriren,  auf 
die  Intensität  der  agglutinirenden  Kraft  einwirken  können.  Ein¬ 
gehende  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  haben  wir  noch 
nicht  vorgenommen. 

Die  oben  charakterisirten  3  Serum-  (und  Blutkörperchen-) 
Typen  sind  nicht  gleich  häufig. 


Tabellen 

enthaltend  121  Krankheitsfälle,  davon  21  Kinder  im  Alter  von 
1/2 — 14  Jahren  und  100  Erwachsene. 


Anzahl 

Diagnose 

Typus  des 
Serums 

Anzahl  || 

Diagnose 

Typus  des 
Serums 

A  | 

B 

C 

A 

B 

C 

8 

Croup.  Pneumonie 

2 

2 

4 

2 

Icterus  catarrh.  .  . 

2 

3 

Bronchit.  febril.  .  . 

2 

— 

1 

1 

Enterit.  infekt.  .  . 

— 

— 

1 

5 

Typhus  abdom.  .  . 

2 

1 

2 

2 

Perityphlitis  .... 

1 

1 

- 

1 

Rhemnat.artic.acut. 

1 

- 

- 

1 

Cirrhos.  hepat.  al- 

<D 

K 

pulmon . 

4 

4 

3 

coholica  c.  ictero 

- 

- 

1 

O 

peritonei  .... 

- 

- 

4 

1 

-  cholelithias.  cum 

20 

intestini  .... 

- 

- 

2 

ictero  . 

1 

— 

— 

<D 

& 

meningitis  .  .  . 

- 

1 

- 

1 

Lues  hepat.  c.  ne- 

P 

H 

Skrophulose  .  . 

- 

- 

2 

phrit.  chron.  in- 

7 

Chlorose  . 

1 

3 

3 

terstit . 

1 

_ 

4 

Perniziöse  Anaemie 

1 

3 

1 

Ecchinococc.  hepat. 

1 

_ 

_ 

1 

dto. 

ohne  Ty 

pus 

1 

Nephr  acut . 

- 

1 

— 

6 

Leukämie(myelog.) 

4 

1 

1 

8 

Nephr.  chron.  .  .  . 

2 

3 

3 

2 

Pseudoleukämie  . 

1 

- 

1 

2 

Pyelitis . 

1 

— 

1 

1 

Hämophilie  .... 

1 

- 

- 

1 

Erythromelalgie  .  . 

- 

- 

1 

2 

Purpura  simpl.  .  . 

2 

- 

- 

1 

Ischias  . 

— 

— 

1 

I  ventric . 

3 

1 

3 

1 

Tabes  . 

1 

10 

o 

j  intestin . 

2 

2 

Chorea . 

1 

1 

J3 

uteri . 

1 

_ 

1 

Basedow  .  .  . 

1 

1 

Lymphosarkom. 

1 

Syringomyelie  .  .  . 

1 

— 

abdom . 

- 

- 

1 

1 

Hemiplegie  .... 

ohne  Typus 

5 

Vitium  cordis  .  .  . 

4 

- 

1 

1 

Contractur.  manu« 

1 

— 

— 

1 

Myokarditis  .... 

- 

- 

1 

2 

Hysterie . 

2 

— 

— 

1 

Asthma  bronch.  .  . 

- 

1 

- 

3 

Rachitis . 

1 

1 

1 

1 

Ulcus  ventric.  .  .  . 

- 

- 

1 

2 

Prurigo . 

2 

— 

_ 

1 

dto. 

ohne  Typus 

1 

Eczema . 

1 

- 

- 

2 

Atoma  ventric.  .  . 

i 

— 

i 

Summe 

48 

23 

47 

2 

Enteroptose  .  .  .  . 

1 

1 

Von  34  gesunden  Erwachsenen  entfielen: 

10  auf  den  Typus  A 
4  B 

19  »  »  »  C 

und  1  Fall  (eine  20  jährige  stillende  Frau)  verhielt  sich  in  der 
oben  geschilderten  Weise  atypisch.  Der  Antheil  der  pathologi¬ 
schen  Fälle  an  diesen  3  Gruppen  ist  aus  folgender  Zusammen¬ 
stellung  ersichtlich: 

(Siehe  Tabelle  II.) 

Von  121  Kranken  entfielen  somit: 

48  auf  den  Typus  A 

23  „  „  „  B 

47  „  „  „  C 

3  Fälle  enthielten  im  Serum  kein  Agglutinin  und  die  Blut¬ 
körperchen  wurden  von  jedem  Serum  agglutinirt.  Es  zeigt  sich 
also,  dass  der  eine  der  beiden  einfachen  Typen  (B)  weitaus  sel¬ 
tener  anzutreffen  ist,  als  die  andern  beiden  (A  und  C),  ferner, 
dass  Kranke  ganz  dasselbe  Verhalten  zeigen  wie  Gesunde  und 
dass  dort,  wo  mehrere  Fälle  ein  und  derselben  Krankheit  zur 
Beobachtung  kamen,  sich  fast  immer  alle  3  Typen  vorfanden. 
Die  Ausnahmen  bestanden  nur  im  Nichtvorhandensein  von  Ag¬ 
glutinin  ‘). 

Es  wird  sich  aus  diesen  Thatsachen  schwerlich  ein  anderer 
Schluss  ziehen  lassen,  als  der,  dass  im  menschlichen  Serum  2  Iso- 
agglutinine  Vorkommen,  in  manchen  Seris  getrennt,  in  manchen 
nebeneinander,  eine  Deutung,  die  auch  Landsteiner  am 
wahrscheinlichsten  schien,  obwohl,  wie  er  sagt,  „die  Behauptung 
des  Vorkommens  von  wenigen  verschiedenen  Agglutininen  recht 
merkwürdig  klingt“.  In  der  That  wäre  auch  das  Vorkommen 
einer  einzigen  oder  sehr  zahlreicher  agglutinirender  Substanzen 
viel  weniger  merkwürdig,  als  gerade  von  zweien.  Und  doch  wird 
man  nicht  umhin  können,  diese  Annahme  zu  machen.  Abge¬ 
sehen  von  dem  geschilderten  gesetzmässigen  Verhalten  sprechen 
auch  folgende  Thatsachen  dafür: 

Versetzt  man  ein  Serum  der  Gruppe  A  mit  Blutkörperchen 
der  Gruppe  B  in  hinreichender  Menge  und  zentrifugirt  nach 
einiger  Zeit  ab,  so  hat  das  Serum  A  nicht  nur  die  Fähigkeit 
verloren,  frische  Blutkörperchen  derselben  Person  aus  der 
Gruppe  B,  sondern  überhaupt  jedes  Blut  dieser  Gruppe  zu  ag- 
glutiniren.  Dasselbe  gilt  umgekehrt  für  ein  Serum  der  Gruppe  B 
und  das  Blut  A.  Bringt  man  aber  ein  Serum  C  mit  einem 
Blut  A  zusammen,  so  geht  nur  die  Agglutinationsfähigkeit  für 
diese  Gruppe  verloren,  nicht  aber  für  die  Gruppe  B  (dasselbe 
gilt  mutatis  mutandis  für  B).  Mischt  man  Serum  A  und 
Serum  B,  so  agglutinirt  die  Mischung  die  Blutkörperchen  von 
A  und  B,  mischt  man  Serum  C  mit  Serum  A  und  B,  so  bleibt 
die  Wirkung,  wie  zu  erwarten,  die  gleiche  wie  bei  O  allein. 

Wenn  nun  somit  auch  kaum  an  der  Thatsache  zu  zweifeln 
ist,  dass  man  es  hier  mit  zwei  verschiedenen  Agglutininen  zu 
thun  hat,  so  müssen  dieselben  doch  andererseits  offenbar  zwei 
chemisch  sehr  nahe  verwandte,  analog  gebaute  Körper  sein,  denn 
sie  verhalten  sich  in  ihren  Wirkungen  wie  Pendants.  Dies  legt 
den  Gedanken  nahe,  ob  es  sich  hier  nicht  tun  chemische  Ver¬ 
wandtschaft  im  Sinne  von  Iso-  oder  Polymerie  handelt,  etwa  wie 
von  zwei  Substanzen  gleicher  Molekularformel  die  eine  rechts- 
die  andere  linksdrehend  sein  kann.  Es  liesse  sich  so  mit  Be¬ 
rücksichtigung  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  der  einzelnen 
Typen  annehmen,  dass  das  Agglutinin  der  Gruppe  A  die  Grund¬ 
substanz  darstellt,  welche  aber  sehr  oft  gemeinsam  mit  der  che¬ 
mischen  Modifikation  auftritt  (Doppeltypus  C),  während  in  we¬ 
niger  häufigen  Fällen  die  Modifikation  allein  erscheint  (GruppeB). 

In  Bezug  auf  die  Intensität  der  Wirkung  bestehen  zwischen 
den  einzelnen  Seris  Unterschiede,  ebenso  in  der  Resistenzfähig¬ 
keit  der  Blutkörperchen  gegenüber  verschiedenen  Seris. 

So  ergeben  sich  z.  B.  für  ein  Serum  vom  Doppeltypus  bei 
Verdünnung  mittels  physiologischer  Kochsalzlösung  folgende 
Grenzwerthe  für  verschiedene  Blutkörperchenaufschwemmungei). 

Dr.  Kl ,  Typhus  No.  1,  Haemophilie  .  10 
Dr.  M.,  Morb.  Basedowii . 15 


9  Während  der  Indrucklegung  dieser  Arbeit  hatten  wir  Ge¬ 
legenheit,  2  Fälle  von  frischer  Malaria  (tertiana)  zu  untersuchen, 
und  fanden  im  Gegensatz  zu  den  Angaben  von  L  o  Monaco- 
Panichi  und  von  Grixoni  auch  hier  vollständig  typisches 
Verhalten  des  Serums  (Typus  C  und  B). 


1.  Juli  1902. 


MÜEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Typhus  No.  2  .  . . 20 

Dr.  St,  Dr.  Fl.,  Dr.  Kfd . 25 

Dr.  S . 30 


Einige  dieser  Personen  wurden  nach  3  Monaten  mit  dem¬ 
selben  Serum  nachgeprüft  und  ergaben  dieselben  Werthe. 

In  Bezug  auf  die  Sera  konstatirten  wir  niemals  mehr  Ag¬ 
glutination  bei  Verdünnungen  von  über  35. 

Auch  A  s  c  o  1  i  und  Eisenberg  fanden  als  gewöhnliche 
Grenze  der  Wirksamkeit  20 — 30  fache  Verdünnung,  die  Intensität 
der  Isoagglutinine  bewegt  sich  also  etwa  in  derselben  Breite  wie 
jene  der  bei  Gesunden  auf  tretenden  Agglutinine  für  den  Typhus¬ 
bazillus. 

Ihrer  chemischen  Konstitution  nach  scheinen  die  Agglu¬ 
tinine  zu  den  Globulinen  zu  gehören,  wenigstens  wurde 
für  die  Bakterienagglutinine  von  W  i  d  a  1  und  S  i  c  c  a  r  d, 
sowie  von  Pick  [13],  für  die  (Hetero-)  Hämagglutinine 
von  Landsteiner  gezeigt,  dass  sie  durch  globulin¬ 
fällende  Substanzen  aus  dem  Serum  ausgeschieden  wer¬ 
den.  Für  die  Isoagglutinine  konnten  wir  denselben 
Nachweis  erbringen:  versetzt  man  ein  Serum  mit  der  gleichen 
Menge  gesättigter  Ammonsulfatlösung  und  filtrirt,  so  zeigt  das 
Filtrat  keinerlei  hämagglutinirende  Eigenschaft,  während  der  in 
physiologischer  Kochsalzlösung  aufgelöste  Filterrückstand  ent¬ 
sprechend  dem  Typus  des  Serums  agglutinirt '). 

Durch  halbstündiges  Erhitzen  auf  56  0  werden  die  Isoagglu¬ 
tinine  nicht  wie  die  Hämolysine  inaktivirt,  doch  müssen  wir 
hervorheben,  dass  sie  dadurch  in  ihrer  Wirksamkeit  bedeutend 
beeinträchtigt  werden.  Monatelanges  Aufbewahren  (in  zuge¬ 
schmolzenen  Glasröhren)  beeinflusst  sie  nicht. 

Betreffs  der  Beziehung  der  Isohämagglutinine  zu  den 
spezifischen  Bakterienagglutininen  betont  A  s  c  o  1  i,  keinen 
Parallelismus  zwischen  beiden  gefunden  zu  haben.  Wir 
verfuhren  zur  Prüfung  dieser  Frage  so,  dass  wir  die 
Agglutinationskraft  des  Blutes  mehrerer  Typhusrekonvaleszenten 
für  den  Typhusbazillus  bestimmten  und  nun  diesem  Serum  durch 
Versetzen  mit  Blutkörperchen  die  hämagglutinirende  Fähigkeit 
nahmen.  Die  darauf  neuerlich  angestellte  Grub  er-  Widal’sche 
Probe  ergab  keinen  Unterschied  in  der  Agglutinationskraft  für 
die  Bazillen. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  zur  Besprechung  der  Verhältnisse, 
welche  wir  bei  der  Untersuchung  des  Blutes  ganz  junger  In¬ 
dividuen  antrafen. 

Die  Möglichkeit,  diese  Untersuchungen  vornehmen  zu  kön¬ 
nen,  verdanken  wir  der  liebenswürdigen  Erlaubniss  der  Herren 
Professoren  Piskatschek  und  M  o  n  t  i,  sowie  von  Herrn 
Primarius  Dr.  R  i  e  t  h  e  r,  wofür  wir  den  genannten  Herren  auch 
an  dieser  Stelle  unseren  Dank  aussprechen  möchten. 

Verhalten  des  Blutes  bei  Neugeborenen  und  Kindern  unter¬ 
halb  eines  halben  Jahres. 

Tabelle  III. 


(Gegenüberstellung  des  mütterlichen  und  kindlichen  [Placentarjblutes.) 


|  Nummer  [| 

Name 

von 

Mutter 

u. 

Kind 

Serum  der  Mutter 

einwirkend  auf  die  Blutauf¬ 
schwemmung  von 

Serum  des  Kindes  (Piacenta) 

einwirkend  auf  die  Blutauf¬ 
schwemmung  von 

truppe  A 

Gruppe  B 

Gruppe  C 

Typ.  des 
mütterl. 
Blutes 

Grnppe  A 

Gruppe  1! 

Gruppe C 

Typus 
d.  kindl 
Blutes 

1 

Wein. 

+ 

O 

O 

B 

+ 

O 

O 

B 

2 

Mar. 

4" 

schwacli 

4~ 

deutlich 

O 

C 

O 

4- 

o 

A 

3 

Gresb. 

4" 

+ 

O 

C 

+ 

+ 

o 

C 

4 

Bres. 

+ 

4* 

O 

G 

+ 

O 

o 

B 

5 

Burk. 

O 

4- 

O 

A 

o 

+ 

o 

A 

6 

Solta 

+ 

o 

o 

B 

7 

— 

nicht  untersucht 

0 

o 

o 

■ — 

8 

— 

0 

o 

o 

— 

")  Man  könnte  sich  auf  diese  Weise  bei  Prüfung  einer  grös¬ 
seren  Reihe  von  Blutsorteu  zur  Feststellung  des  Blutkörper¬ 
chentypus  einfach  dreier  Stammlösungen  der  agglutinirenden  Sub¬ 
stanz  der  einzelnen  Sei’umtypen  bedienen,  indem  die  Aminon- 
sulfatniedersehläge  in  physiologischer  Kochsalzlösung  wieder  auf¬ 
gelöst  werden. 

No.  26. 


1093 


Es  enthielt  somit  das  Blut  von  Neugeborenen  unter  8  Fällen 
2  mal  keine  Agglutinine,  6  mal  zeigte  es  solche  mit  demselben 
typischen  Verhalten  wie  bei  Erwachsenen.  Doch  war  die  Inten¬ 
sität  der  Agglutination  entschieden  viel  geringer  als  sie  meist  im 
Blute  der  Erwachsenen  ist  und  trat  bei  1  und  2  erst  nach  etwa 
10  Minuten  auf.  Die  Blutkörperchen  des  Kindes  zeigten  das 
dem  Serum typus  entsprechende  Verhalten,  indem  sie  bei  Fall  1, 
3,  5  von  dem  betreffenden  Mutterserum  nicht  agglutinirt  wurden, 
während  bei  Fall  4,  dem  Typus  entsprechend,  Agglutination  ein¬ 
trat.  Dagegen  verhielt  sich  Fall  2  scheinbar  unregelmässig,  in¬ 
dem  das  Kinderblut  (Typus  A)  vom  Mutterserum  (Typus  C)  nicht 
agglutinirt  wurde. 

Eine  zweite  Serie  von  11  Kindern  im  Alter  von  7  Tagen  bis 
zu  4  Monaten  ergab  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  atypisches  Ver¬ 
halten. 

Tabelle  IV. 


11  Kinder  im  Alter  von  7  Tagen  bis  4  Monaten.  Einwirkung  des 
kindlichen  Serums  auf  Blutaufschwemmungen  der  3  Gruppen. 


No. 

Geschlecht 

des 

Kindes 

Alter  des 
Kindes 

Blutaufschwemmung 

Typus 
des  kindl. 
Serums 

A 

B 

c 

1 

cf 

4  Mon.  10  Tg. 

O 

o 

0 

— 

2 

u 

1  Mon.  4  Tg. 

+ 

o 

o 

B 

3 

9 

3  Mon.  5  Tg. 

0 

0 

0 

— 

4 

cf 

3  Mon.  — 

o 

o 

0 

— 

5 

9 

3  Mon.  — 

4 

0 

o 

B 

6 

cf 

2  Mon.  25  Tg. 

o 

0 

0 

— 

7 

9 

2  Mon.  5  Tg. 

+ 

+ 

o 

C 

8 

9 

1  Mon.  21  Tg 

0 

0 

o 

— 

9 

cf 

1  Mon.  — 

o 

o 

o 

— 

10 

9 

-  16  Tg. 

+ 

+ 

0 

c 

11 

cf 

7  Tg. 

o 

o 

0 

— 

Unter  diesen  11  Kindern  wiesen  also  nur  4  Agglutinine  in 
ihrem  Serum  auf. 

Um  das  Verhalten  der  Erythrocyten  zu  bestimmen,  wurden 
Blutkörperchenaufschwemmungen  sämmtlicher  Kinder  mit  ver¬ 
schiedenen  Seris  von  Kindern  und  Erwachsenen  zusammenge¬ 
bracht.  Es  ergab  sich  so  die  folgende  Tabelle: 

Tabelle  V. 


Blutaufschwemmung  von  Kind 


Serum: 

No.l 

2 

3 

4 

b 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

Gruppe 

A 

1.  Dr.  Stur. 

2.  Dr.  Flechs. 

O 

o 

o 

4- 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

B 

1.  Dr.  Kl. 

2.  Chorea 

3.  Kind  No.  2 

Tab.  IV 

4- 

o 

+ 

+ 

o 

o 

o 

+ 

+ 

o 

o 

C 

1  Dr.  Dec. 

2.  Ca  ventr. 

3.  Kind  Tab  .IVA«  6 

4.  „  „  IVA«  9 

+ 

o 

4- 

4- 

o 

o 

o 

4- 

+ 

o 

o 

Sera 

ohne 

Typus 

Tab.  IV 

Kind  No.  3,  4,  5,  7 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

o 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  der  Tabellen  III,  I\  und  V  zu¬ 
sammen,  so  lassen  sich  unter  den  zur  Untersuchung  gelangten 
Kindern  folgende  Gruppen  unterscheiden: 

1.  Ein  Blut  (Tab.  V,  No.  4),  dessen  Serum  gar  keine  agglu- 
tinirende  Fähigkeit  besass,  dessen  Blutkörperchen  jedoch  von 
den  Seris  jedes  der  3  Typen  agglutinirt  wurden.  Dieses  Kind 
verhielt  sich  somit  ebenso  wie  die  4  Erwachsenen  (s.  oben),  bei 
denen  sich  im  Serum  kein  Agglutinin  vorfand. 

*)  Anmerkung:  Bei  Fall  7  und  8  aus  Tabelle  111  wurde 
nur  das  Verhalten  des  Serums,  nicht  aber  das  der  Blutkörperchen 
geprüft;  es  ist  daher  nicht  zu  sagen,  ob  diese  Sera  zu  Gruppe  1 
oder  2  gehörten. 


4 


1094 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  W OCHER  SCHRIFT. 


2.  6  Fälle,  bei  welchen  das  Serum  keine  Blutsorte  aggluti- 
nirte,  bei  welchen  jedoch  die  Blutkörperchen  den  verschiedenen 
typisch  wirkenden  Seris  gegenüber  das  gewöhnliche  gesetzmässige 
Verhalten  zeigten:  Die  Blutkörperchen  von  No.l,  3,  8,  9  (Tab. IV) 
werden  von  allen  Seris  vom  Typus  B  und  C  agglutinirt,  jene  von 
No.  6  und  11  (Tab.  IV)  von  keinem  Serum;  erstere  würden  also 
dem  Typus  A,  letztere  dem  Typus  C  entsprechen. 

3.  3  Fälle,  bei  welchen  das  Serum  einen  der  einfachen  Typen, 
die  Blutkörperchen  aber  den  Doppeltypus  darboten.  Bei  No.  2 
aus  Tabelle  111  gehörte  das  Serum  in  die  Gruppe  A,  die  Blut¬ 
körperchen  wurden  aber  vom  Mutterserum  (C)  nicht  agglutinirt, 
bei  No.  2  aus  Tabelle  IV  agglutinirte  das  Serum  die  Gruppe  A, 
hat  also  den  Typus  B,  die  Blutkörperchen  aber  verhalten  sich 
gegen  jedes  Serum  widerstandsfähig,  sind  also  zu  Typus  C  zu 
rechnen.  Das  Gleiche  gilt  für  No.  5  (Tab.  IV). 

4.  Endlich  eine  Reihe  von  Fällen,  deren  Blut  sich  sowohl 
in  Bezug  auf  Serum  als  auf  die  Blutkörperchen  vollständig  in  die 
bei  älteren  Individuen  gütigen  Gruppen  einreihen  liess,  nur  dass 
die  agglutinirende  Kraft  des  Serums  meist  deutlich  geringer  war 
als  bei  Erwachsenen. 

Es  ergibt  sich  somit,  dass  bei  ganz  jugendlichen  Individuen 
die  Verhältnisse  durchaus  nicht  so  einfach  und  klar  liegen  wie 
bei  älteren.  Man  blickt  hier  offenbar  in  den  Entwicklungs¬ 
prozess,  der  später  zu  stationären  Verhältnissen  führt.  Wollte 
man  an  der  Hand  der  4  auf  gestellten  Gruppen  diesem  Werde¬ 
gang  folgen,  so  möchte  es  scheinen,  dass  der  ursprüngliche  Zu¬ 
stand  jedes  Blutes  der  von  Gruppe  1  ist,  wobei  man  im  Serum 
kein  Agglutinin  findet,  und  wo  die  Blutkörperchen  von  jedem 
Agglutinin  enthaltenden  Serum  beeinflusst  werden,  somit  keine 
spezifische  Widerstandsfähigkeit  besitzen.  (Wie  wir  zeigten, 
findet  sich  dieser  Zustand  in  seltenen  Fällen  auch  bei  Erwach¬ 
senen.)  Da  nun  die  meisten  Individuen  zur  Zeit  der  Geburt 
resp.  in  den  ersten  Lebensjahren  schon  eine  typische  Resistenz 
der  rothen  Blutkörperchen  gegen  bestimmte  Sera  erkennen  lassen, 
im  Serum  aber  kein  Agglutinin  besitzen,  so  würde  daraus  folgen, 
dass  dem  Auftreten  der  Agglutinine  eine  Differenzirung  der 
Erythrocyten  vorausgeht,  dies  somit  der  primäre  Vorgang  sei 
(Gruppe  II),  Erst  zum  Schluss  käme  es  zur  Entwicklung  der 
Agglutinine  im  Serum  (Gruppe  III  und  IV).  Doch  hat  diese 
Anschauung  Vieles  gegen  sich,  denn  einmal  besteht  ja  die  an¬ 
genommene  primäre  Differenzirung  gerade  in  einer  spezifischen 
Unempfindlichkeit  gegen  gewisse  Agglutinine  und  es  erscheint 
uns  widersinnig,  das  Auftreten  dieser  Eigenschaft  der  Entwick¬ 
lung  der  agglutinirenden  Substanz  vorausgehen  zu  lassen,  und 
dann  gibt  diese  Annahme  keine  Erklärung,  wieso  die  Erythro¬ 
cyten  gerade  gegen  das  Agglutinin  des  eigenen  Blutes  resistent, 
gegen  ein  anderes  aber  empfindlich  sind.  Wir  wollen  versuchen, 
in  Folgendem  eine  mögliche  Erklärung  zu  geben,  welche  diesen 
Einwänden  gerecht  wird:  Die  Gruppe  1  dürfte,  wie  gesagt,  dem 
fötalen  Urzustand  jedes  Blutes  entsprechen.  Später  tritt,  meist 
schon  vor  der  Geburt,  manchmal  in  den  ersten  Lebensjahren,  im 
Serum  eine  Substanz  mit  hämagglutinirender  Eigenschaft  auf 
(ebenso  wie  daselbst  Bakterienagg'lutinine  unbekannter  Pro¬ 
venienz  entstehen).  Es  ist  nun  anzunehmen,  dass  dieselbe  ihre 
Wirksamkeit  zunächst  auf  die  Erythrocyten  derselben  Person  ent¬ 
falten  wird.  Da  die  Entwicklung  einer  solchen  Substanz  wohl  nicht 
plötzlich,  sprungweise,  sondern  nur  allmählich  erfolgen  dürfte, 
so  kann  man  sich  vorstellen,  dass  in  den  agglutinirenden  Blut¬ 
körperchen  nach  und  nach  ein  Zustand  von  gesteigerter  Resistenz, 
von  Immunität,  gegenüber  diesem  Agglutinin  auftritt.  Solche 
Erfahrungen  liegen  ja  bei  Hämolysinen  vor.  So  fanden  Glay 
und  Cannes  [14],  Kossel[15]  und  T  s  c  h  i  s  t  o  v  i  t  c  h  [16], 
dass  man  bei  Kaninchen  durch  fortgesetzte  Injektionen  des  An¬ 
fangs  stark  hämolytisch  wirkenden  Aalserums  nicht  nur  im 
Serum  einen  Antikörper  erzeugen  kann,  sondern  dass  die  Erythro¬ 
cyten  selbst  erhöhte  Resistenz,  ja  sogar  totale  Unempfindlichkeit 
(Glay  und  Cannes)  gegen  das  Hämolysin  gewinnen.  Da 
man  nun  bei  einer  solchen  Immunisirung  einen  Verbrauch  der 
wirksamen  Substanz,  in  unserem  Falle  des  Agglutinins  voraus¬ 
setzen  muss  (vielleicht  eine  Bindung  an  die  Erythrocyten),  so 
liesse  sich  verstehen,  dass  man  in  diesem  Stadium  des  Prozesses 
bereits  eine  Resistenz  der  Erythrocyten  gegen  Agglutinin  findet, 
während  im  Serum  letztere  noch  nicht  nachweisbar  ist.  Es  ist 
eben  sämmtliches  produzirtes  Agglutinin  an  die  Erythrocyten  ge- 


No.  26. 


j  bunden  resp.  zu  deren  Immunisirung  aufgebraucht  worden.  Ist 
letztere  einmal  so  weit  fortgaschritten,  dass  die  agglutinirende 
Substanz  an  den  rothen  Blutkörperchen  wenig  oder  gar  keine 
Angriffspunkte  mehr  findet,  oder  ist  ihre  Produktion  eine  reichere 
geworden,  so  wird  sie  nunmehr  frei  im  Serum  auftreten  und 
damit  ist  nun  auch  der  Typus  des  Serums  ausgesprochen.  Die 
Entstehung  des  doppelten  Typus  müsste  man  sich  so  vorstellen, 
dass  im  Serum  beide  agglutinirenden  Körper  auftreten.  (Wir 
haben  schon  früher  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  es  sich 
hier  um  einen  Körper  handelt,  der  von  einer  chemischen  Modi¬ 
fikation  begleitet  ist,  vielleicht  ein  Fall  von  Isomerie.)  Die  Blut¬ 
körperchen  werden  gegen  diese  beiden  Substanzen  immunisirt.  Das 
Auftreten  dieser  beiden  Agglutinine  braucht  nicht  gleichzeitig  zu 
erfolgen,  oder  es  könnte  das  eine  in  grösserer  Menge  auftreten 
als  das  andere,  so  dass  in  einem  bestimmten  Zeitpunkt  die  Blut¬ 
körperchen  bereits  gegen  beide  Substanzen  unempfindlich  sind, 
während  im  Serum  nur  die  eine  nachweisbar  ist.  Es  zeigt  dann 
das  Blut  den  Doppeltypus,  das  Serum  einen  einfachen  Typus 
(Tab.  III  No.  2,  Tab.  IV  No.  2  und  No.  5). 

Wir  hatten  Gelegenheit,  4  Kinder  der  Tabelle  IV  nach 
17  Tagen  nochmals  zu  untersuchen:  bei  No.  4,  5  und  8  war  der 
Befund  der  gleiche;  bei  No.  2  hatten  jetzt  die  Blutkörperchen  den 
Typus  A  (früher  C),  das  Serum  zeigte  kein  Agglutinin  (früher 
Typus  B).  Es  scheint  somit,  dass  in  den  ersten  Lebensmonaten 
mitunter  auch  wieder  Itiickbildung  eines  der  Agglutinine  (hier 
Körper  B)  erfolgen  kann. 

Die  Frage,  auf  welche  Weise  die  Agglutinine  in  das  Serum 
gelangen,  müssen  wir  freilich  unbeantwortet  lassen. 

Dass  man  Krankheitsprozesse  als  solche  nicht  zur  Erklärung 
heranziehen  kann,  wurde  gezeigt.  Die  Meinung  A  s  c  o  1  i’s  und 
Eise  über  g’s,  das  Phänomen  würde  durch  den  pathologischen 
Blutzerfall  hervorgerufen,  müsste  man  wegen  des  Vorkommens 
bei  Neugeborenen  auf  den  physiologischen  Blutzerfall  über¬ 
tragen. 

Doch  stehen  dieser  Annahme  verschiedene  Bedenken  gegen¬ 
über,  auf  die  zum  Theil  schon  II  a  1  b  a  n  und  Landsteiner 
hingewiesen  haben. 

So  müsste  man  entsprechend  dem  Doppelcharakter  der  ag¬ 
glutinirenden  Substanz  eine  primäre  Differenzirung  der  Erythro¬ 
cyten  in  2  resp.  3  Typen  annehmen. 

Es  wäre  ferner  schwer  einzusehen,  wieso  Fälle  möglich  sind, 
wo  die  Agglutinine  bei  älteren  Personen  vollständig  fehlen  und 
wieso  überhaupt  nicht  bei  jeder  Spezies  Isoagglutinine  auftreten. 
Wir  konnten  wenigstens  bei  Hunden,  Meerschweinchen  und  Ka¬ 
ninchen  keine  nachweisen. 

Freilich  müssen  wir  hier  gemäss  unserer  oben  auseinander- 
gesetzten  Anschauung  über  das  Auftreten  einer  Selbstimmuni- 
sirung  der  Erythrocyten  durch  die  Isoagglutinine  zugeben,  dass  der 
Nachweis  von  isoagglutinirenden  Substanzen  im  Blute  einer  Spe¬ 
zies  abhängig  sein  muss  vom  Vorhandensein  von  mindestens  zwei 
verschiedenen  solchen  Körpern.  Denn  ist  bei  allen  Individuen 
der  Spezies  nur  ein  und  dasselbe  Agglutinin  vorhanden,  so  könnte, 
die  Immunisirung  der  Erythrocyten  zugegeben,  kein  Serum  auf 
das  Blut  eines  anderen  Vertreters  derselben  Art  einwirken,  da 
dessen  Blutkörperchen  ja  gegen  dasselbe  Agglutinin  ebenfalls  re¬ 
sistent  sind.  Der  Nachweis  wäre  höchstens  möglich  bei  Prüfung 
von  Blut  ganz  junger  Individuen  mittels  Serum  von  älteren. 

Endlich  wäre  doch  zu  erwarten,  dass  durch  den  Zerfall  von 
Zellen  nicht  nur  Agglutinine,  sondern  auch  Hämolysine,  und 
zwar  mit  demselben  typischen  Verhalten  wie  erstere,  entstünden. 
Dem  ist  aber  nicht  so.  Ebenso  wie  Eisenberg  konnten  auch 
wir  (bei  der  Beobachtung  im  hängenden  Tropfen)  niemals  eine 
ausgesprochene  hämolytische  Wirkung  eines  Serums  erkennen. 

Wir  möchten  uns  also  der  Meinung,  die  Isoagglutinine  ent¬ 
stünden  durch  den  normalen  Blutzerfall,  nicht  anschliessen s). 
Es  erscheint  uns  vielmehr,  gleich  H  a  1  b  a  n,  naheliegender,  diese 
Körper  mit  anderen  im  normalen  Serum  enthaltenen  Aggluti- 
ninen  (für  verschiedene  Bakterien,  sowie  für  die  Blutkörperchen 
anderer  Spezias  etc.)  in  nächste  Beziehung  zu  bringen.  Wir 
haben  schon  darauf  hingewiesen,  dass  ihre  Intensität  etwa  die 
gleiche  ist. 

Es  sei  noch  hervorgehoben,  dass  wir  während  einer  etwa 
4  monatlichen  Beobachtungszeit  bei  zahlreichen  Nachuntersuch¬ 
ungen  bei  Erwachsenen  niemals  eine  Aenderung  des  Bluttypus 
gesehen  haben. 

s)  Audi  K  r  a  u  s  und  Ludwig  [17]  gelangen  in  einer  eben 
erschienenen  Arbeit  (Wiener  klin.  Wochenschr.,  No.  15)  auf  experi¬ 
mentellem  Weg  zu  dem  gleichen  Schluss. 


1.  Juli  1902. 


MUEN  CIIENER  MED  IC  INI  SC  ILE  WOCIIENSCIIRI  FT. 


Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  lassen  sieh  in  folgen¬ 
den  Sätzen  zusammenfassen : 

1.  Bei  der  weitaus  überwiegenden  Mehrzahl  von  gesunden 
und  kranken  Personen  im  Alter  von  mehr  als  6  Monaten  ent¬ 
hält  das  Serum  Isohämagglutinine.  (Unter  155  untersuchten 
Personen  fanden  sich  4  Ausnahmen  =  2,5  Proz.) 

2.  Das  von  Landsteiner  beschriebene  typische  Verhalten 
von  Serum  und  Blutkörperchen  ist  sowohl  bei  Gesunden  als 
Kranken  regelmässig  und  in  gleicher  Weise  nachweisbar. 

3.  Ausnahmen  bestehen  nur  im  gänzlichen  Fehlen  der  Iso- 
agglutinine  und  der  spezifischen  Unempfindlichkeit  der  Erythro- 
cyten. 

4.  Der  Isoagglutination  kommt  keinerlei  diagnostische  Be¬ 
deutung  zu. 

5.  Bei  Neugeborenen  und  Kindern  unter  6  Monaten  zeigen 
sich  sehr  oft  scheinbare  Abweichungen  vom  typischen  Verhalten, 
die  sich  durch  die  Annahme  erklären  lassen,  dass  die  Agglutinine 
primär  im  Serum  auftreten  und  sekundär  eine  Veränderung 
(Immunisirung)  der  rothen  Blutkörperchen  bewirken. 

6.  Der  physiologische  und  pathologische  Blutzerfall  dürfte 
nicht  als  Ursache  des  Auftretens  der  Isoagglutinine  anzusehen 
sein. 

7.  Die  Geldrollenbildung  hat  mit  der  Wirkung  der  Isoagglu- 
l  inine  nichts  zu  tliun. 

Wien,  April  1902. 

Litera  t  u  r. 

1.  K.  La  ud  steiner:  Zur  Kenntniss  der  antifermentativen, 
lytischen  und  agglutinirenden  Wirkungen  des  Blutserums  und  der 
Lymphe.  Centralbl.  f.  Bakt.,  Bd.  XXVII,  p.  361.  —  2.  ghattock: 
Journ.  of  Fatli.  and  Baet.  1900.  —  3.  Donath:  Wiener  klin. 
Wochenschr.  1900,  p.  497.  —  4.  A  s  c  o  1  i:  Münch,  med.  Woclienschr. 
1901.  ]).  1239.  —  5.  Camus  und  Pagniez:  Compt.  rend.  de  la 
soc.  de  Biologie  1901,  ]).  242.  —  0.  Eisenberg:  Wiener  klin. 
Wochenschr.  1901,  p.  1020.  —  7.  Lo  Monaco-Panichi:  lien 
die.  delle  B.  Acead.  dei  Lincei,  1(5.  Dez.  1900.  Bef.  in  Centralbl.  f. 
allg.  Path.  u.  patli.  Anat.  1901,  XII,  p.  33S.  —  8.  Grixoni:  Gaz. 
degli  osped.  1901.  No.  57.  Bef.  in  Centralbl.  f.  inn.  Med.  1901, 
p.  934.  —  9.  Grünbau  m:  British  med.  Journ.  1900,  p.  1089.  — 
10.  H  a  1  b  a  n :  Wiener  klin.  Wochenschr.  1900,  No.  24.  —  11.  Land¬ 
steiner:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1901,  No.  4(5,  pag.  1132.  — • 
12.  Kraus  und  Clairmont:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1900, 
ibid.  1901,  No.  13.  —  Pick:  Hofmeisters  Beitr.  z.  ehern.  Phys.  u. 
Fatli.  1901  u.  1902.  —  14.  Glay  et  Cannes:  Semaiue  medicale  1898, 
No.  7.  —  15.  Kos  sei:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1898,  No.  7.  — 
1(5.  Tschistovitch:  Annal.  de  l’institut  Pasteur  1899,  No.  5. 
—  17.  Kraus  und  Ludwig:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1902, 
No.  15. 

Ueber  Wanderherz. 

Von  Dr.  med.  Leusser  in  Bad  Kissingen. 

Ich  möchte  in  nachstehenden  Zeilen  das  Interesse  der  Herren 
Kollegen  auf  eine  unter  gewissen  Verhältnissen  eintretende  Ver¬ 
lagerung  des  Herzens  hinlenken,  die  bisher  in  der  Literatur  nur 
vereinzelte  Erwähnung  und  Beachtung  gefunden  hat,  aber  doch 
nicht  so  selten  ist  und  häufig  Veranlassung  zu  recht  unan¬ 
genehmen  und  quälenden  Symptomen  geben  kann.  Man  hat 
diesen  Zustand  mit  verschiedenen  Namen  belegt  und  als 
Wanderherz,  bewegliches  Herz,  abnorme  Be¬ 
weglichkeit  des  Herzens,  allzu  bewegliches 
Herz,  Kardioptose  beschrieben. 

Es  wird  nicht  überflüssig  erscheinen,  gleich  hier  zu  be¬ 
merken,  dass  es  sich  hiebei  nicht  um  organische  Veränderungen 
des  Herzens  oder  um  Verlagerungen  des  letzteren  in  Folge  von 
perikardialem  Exsudat,  Pneumothorax,  Schrumpfung  und  In¬ 
filtration  der  Lungen,  pleuritischem  Exsudat,  Ascites  und  Tu¬ 
moren  handelt,  sondern  dass  das  Herz  zumeist  an  sich  voll¬ 
kommen  gesund  ist,  aber  bei  bestimmter  Körperlage  eine  mehr 
weniger  hochgradige  Beweglichkeit  aufweist. 

Dem  diagnostischen  Scharfblick  Bamberge  r’s  war  dies 
schon  nicht  entgangen :  Er  sagt  S.  51  seines  Lehrbuches  über 
Krankheiten  des  Herzens :  „Endlich  ist  noch  zu  erwähnen,  dass 
das  Herz  einen  gewissen  Grad  von  seitlicher  Verschiebbarkeit  be¬ 
sitzt  ;  bei  vielen  Menschen  wenigstens  kann  man  durch  die  linke 
Seitenlage  die  Herzspitze  um  ein  nicht  unbeträchtliches  nach 
links  verschieben;  bei  mir  selbst  beträgt  diese  Verschiebbarkeit 
sogar  volle  2“,  in  der  Regel  aber  ist  sie  viel  geringer“.  Und  ! 


1095 


Gerhardt')  fand  bei  diesbezüglichen  Untersuchungen,  dass 
bei  linker  Seitenlage  der  Spitzenstoss  um  114 — 7,  im  Mittel  aus 
16  Fällen  um  314  cm  weiter  nach  aussen  trat,  als  er  vorher  zu 
fühlen  war. 

In  der  Literatur  fand  ich  erst  aus  dem  Jahre  1887  wieder 
eine  Arbeit  Cherchewsk  y’s ")  über  diesen  Gegenstand,  der 
sich  im  Jahre  1888  ein  Vortrag  Rumpfs1 2 *)  gelegentlich  des 
7.  Kongresses  für  innere  Medizin,  „Ueber  Wanderherz“,  anschloss. 
Im  Jahre  1889  veröffentlichte  hierüber  Pick4)  seine  Beobach¬ 
tungen,  dann  folgten  1899  Hoffman  n’s  5 * * * 9),  1900  R  u  m  m  o’s  °) 
und  1901  S  c  h  m  i  d  t’s  ‘)  Arbeiten  über  dasselbe  Thema. 

Angeregt  durch  einen  Kollegen,  der  an  sich  selbst  eine  be¬ 
deutende  Verschiebung  des  Spitzenstosses  bei  linker  Seitenlage 
konstatirt  hatte  und  wegen  nervöser  Herzsymptome  in  meine  Be¬ 
handlung  trat,  richtete  ich  meine  besondere  Aufmerksamkeit  auf 
diese  Anomalie  und  begegnete  unter  etwa  400  Fällen 
6  hochgradigen  Verschiebungen  des  Herzens  bei  linker  Seitenlage 
im  Zusammenhänge  mit  nervösen  Herzsymptomen. 

Die  Untersuchungen  wurden  in  aufrechter  Körperstellung, 
auch  mit  Vorneüberbeugen  des  Körpers,  dann  in  Rückenlage  und 
in  linker  Seitenlage  vorgenommen.  Selbstverständlich  habe  ich 
hei  meinen  Beobachtungen  darauf  besonders  Bedacht  genommen, 
jegliche  organische  Erkrankung  des  Herzens  und  seine  Lagever¬ 
änderung  durch  Affektionen  der  Nachbarorgane,  wie  des 
Knochenskelets  auszuschliessen.  Maassgebend  für  die  Diagnose 
erschien  mir  neben  der  Dämpfungsfigur  des  Herzens  hauptsäch¬ 
lich  das  Verhalten  des  Spitzenstosses  in  den  verschiedenen  Kör¬ 
perlagen.  Ich  finde  auch  bei  Hoff  mann  (1.  c.)  angegeben, 
dass  die  Konstatirung  des  Spitzenstosses  das  Sicherste  für  die 
Diagnose  ist  und  stimme  ihm  bei,  dass  er  wegen  der  eventuellen 
Kompression  der  Lunge  bei  linker  Seitenlage  und  der  Schwierig¬ 
keit  der  Untersuchung  die  Perkussion  für  weniger  sicher  hält. 
Trotzdem  habe  ich  letztere  nicht  vernachlässigt  und  in  den  von 
mir  beobachteten  Fällen  konstatiren  können,  dass  die  Herz¬ 
dämpfung  sich  in  Form  eines  Dreiecks  nach  aussen  und  oben 
verschob,  dessen  iiussere  Spitze  mit  dem  Spitzenstosse  zusammen¬ 
fiel.  Verschiebungen  des  Herzens  um  1 — 2  cm  habe  ich  nicht  in 
den  Kreis  meiner  Beobachtungen  gezogen.  Denn  alle  Autoren 
stimmen  darin  überein,  dass  solche  geringfügige  Verschiebungen 
noch  dem  Normalen  zuzurechnen  sind  und  nicht  selten  bei  voll¬ 
kommen  gesunden  Menschen  Vorkommen.  Es  wird  in  derartigen 
Fällen  wohl  auch  nie  zu  Erscheinungen  kommen,  die  sich  auf. die 
geringe  Lageveränderung  zurückführen  lassen.  So  konnte 
Pick  (1.  c.)  unter  1000  untersuchten  Fällen  in  etwa  6  Proz. 
eine  Verschiebung  des  Spitzenstosses  um  IV» — 2  cm  nacliweisen. 
Oherchewsky  berichtet  (1.  c.),  dass  er  bei  ganz  Gesunden 
eine  Verschiebung  bis  zu  3  cm  gesehen  hat,  die  er  noch  für 
normal  hält.  R  ump  f  (1.  c.)  hat  eine  mit  linker  Seitenlage  ein¬ 
hergehende  Seitwärtsbewegung  des  Spitzenstosses  um  3  cm  nur 
ganz  vereinzelt,  und  eine  solche  von  2  cm  bei  Gesunden  auch 
nur  in  geringer  Zahl  beobachtet.  Beträgt  aber  die  Verschiebbar¬ 
keit  des  Spitzenstosses  bei  linker  Seitenlage  mehr  als  3  cm  und 
bestehen  zugleich  die  im  Nachfolgenden  geschilderten  Erschei¬ 
nungen  von  Seiten  des  Herzens,  so  darf  man  wohl  von  einer 
Anomalie  in  der  Statik  des  Herzens  sprechen  und  vielleicht  mit 
Recht  die  bestehenden  Beschwerden  auf  erstere  zurückführen. 

B  e  o  b  a  e  h  t  ungen: 

1.  C.,  31  Jahre  alt,  klagt  über  Anfälle  von  nervösem  Herz¬ 
klopfen  mit  leichtem  Bekleminungsgefülil.  Erscheinungen,  die  be¬ 
sonders  nach  Tisch,  wenn  Patient  schlafen  will,  auftreten.  Er 
kann  nicht  auf  der  linken  Seite  liegen,  auch  rechts  nicht  gut;  die 
Rückenlage  ist  ihm  die  bequemste.  Im  Uebrigen  fühlt  sich  Patient 
gesund.  Appetit  und  Schlaf  sind  gut.  Obstipation. 


9  Gerhardt:  Der  Stand  des  Diaphragmas.  Tübingen  18(50. 
S.  31. 

2)  Oherchewsky:  La  mobilite  du  coeur  et  sa  valeur  dia- 
gnostique.  Gaz.  med.,  Paris  1887. 

9  It  u  m  p  f :  Ueber  Wanderherz.  Verhandlungen  des  7.  Kon¬ 
gresses  f.  innere  Medizin  1888,  S.  221. 

4)  Pick:  Ueber  das  bewegliche  Herz.  Wiener  klin.  Woclien- 

schr.  1889,  S.  747. 

9  H  offmann:  Verhandlungen  des  16.  Kongresses  f.  innere 

Medizin  1897,  und  Wiener  med.  Wochenschr.  1899,  No.  12. 

9  B  u  m  m  o:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  V.  228. 

9  Schmi  d  t:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901,  No.  16,  S.  242. 

4* 


1090 


No.  2(5. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Befund:  Kräftiger  Mann  mit  gesunden  Lungen.  Herzgrenzen 
nornnil,  Herztöne  rein;  Spitzenstoss  kräftig,  im  5.  Interkostal- 
raum,  ist  bei  der  Untersuchung  im  Stehen  und  in  Rückenlage  2  cm 
innerhalb  der  Mammilla  zu  fühlen.  Bei  linker  Seitenlage  tritt  er 
aber  deutlich  fühlbar  um  ebensoviel  nach  aussen  von  der  Mammilla 
und  verschwindet  an  der  früheren  Stelle,  die  er  erst  wieder  bei 
Rückenlage  einnimmt.  Leber  nicht  vergrössert,  Magenthiitigkeit 
normal.  Periphere  Arterien  ohne  Veränderung.  Puls  regelmässig, 
kräftig,  (18  Schläge  p.  M.  Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

2.  .T.,  41  Jahre  alt,  massiger  Trinker  und  Raucher,  leidet  seit 
seiner  Jugend  an  Herzklopfen,  ist  sehr  leicht  erregbar,  ermüdet 
rasch,  schläft  schlecht.  Im  Jahre  1899  während  des  Essens  eine 
Attaque  von  Herzklopfen,  Angstgefühl  mit  Ohnmachtsanfällen 
und  Erblassen  der  Haut,  Schwindel,  Dyspnoe.  Appetit  miissig, 
Stuhl  gut.  Patient  —  Arzt  —  fühlt  deutlich  die  Verrückung  des 
Herzschocks  nach  aussen  bei  linker  Seitenlage. 

Befund:  Mittelkräftiger  Mann  mit  lebhaften,  unruhigen  Be¬ 
wegungen  zeigt  deutlich  das  Bild  des  Neurasthenikers.  Die 
Lunge  und  die  übrigen  Organe  sind  gesund.  Herzgrenzen  normal, 
Herztöne  rein.  Spitzenstoss  im  Stehen  und  Liegen  auf  dem  Rücken 
etwas  innerhalb  der  Mammilla  zu  fühlen,  rückt  bei  linker  Seiten¬ 
lage  sofort  um  mehr  als  3  cm  nach  aussen  von  der  Mammilla. 
Wird  die  Rückenlage  wieder  eingenommen,  tritt  auch  der  Spitzen¬ 
stoss  wieder  an  seine  frühere  Stelle.  Fühlbare  Arterien  nicht 
atlieromatös.  Puls  liegend  72,  stehend  92.  Urin  frei  von  Zucker 
und  Eiweiss. 

3.  Frau  IL,  41  Jahre  alt,  bekam  vor  17  Jahren  zum  ersten  Mal 
in  Folge  von  psychischer  Aufregung  Krämpfe.  Vor  8  Jahren 
zweimal  wegen  Bleichsucht  in  Schwalbach.  Gegenwärtig  während 
der  Nacht  und  manchmal  auch  bei  Tage  Aussetzen  des  Pulses, 
Schmerzen  in  der  Herzgegend  (die  Anfälle  dauern  oft  3  Stunden 
lang).  Das  Liegen  auf  der  linken  Seite  ruft  sofort  diese  Erschei¬ 
nungen  hervor  und  ist  desshalb  nicht  möglich.  Appetit  gut.  Darm 
träge. 

Befund:  Ziemlich  kräftige  Dame  von  etwas  blasser  Gesichts¬ 
farbe.  aber  guter  Konstitution  und  lebhaften  Temperaments. 
Lungen  gesund,  Herzgrenzen  normal,  Herztöne  rein.  Spitzen¬ 
stoss  bei  Rückenlage  und  im  Stehen  innerhalb  der  Mammillarlinie, 
tritt  bei  linker  Seitenlage  in  die  vordere  Axillarlinie,  von  der  er  bei 
Rückenlage  wieder  an  die  frühere  Stelle  zurückkehrt.  Die  übrigen 
Organe  zeigen  keine  Anomalien.  Puls  liegend  78,  stehend  92. 
Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

4.  Z.,  51  Jahre,  leidet  seit  seinem  16.  Lebensjahre  an  Herz¬ 
klopfen  mit  rascher  Ermüdung.  Später  traten  dazu  Angstgefühl, 
hypochondrische  Verstimmung,  leichte  Erregbarkeit,  die  bis  heute 
andauern.  Treppen-  und  Bergsteigen  strengt  an.  Kein  Schwindel, 
keine  Ohnmacht.  Appetit  und  Verdauung  sehr  gut,  Schlaf  ebenso, 
muss  sich  aber  rechts  oder  auf  den  Rücken  legen.  Nach  Tisch 
leicht  Herzklopfen.  Massiger  Trinker  und  Raucher. 

Befund:  Gesund  aussehender,  kräftiger  Mann  mit  gesunden 
Lungen.  Herzgrenzen  normal,  Herztöne  rein,  Herzthätigkeit  be¬ 
schleunigt,  manchmal  aussetzend.  Spitzenstoss  an  normaler  Stelle, 
rückt  bei  linker  Seitenlage  sofort  in  die  vordere  Axillarlinie.  Leber 
normal.  Puls  stehend  und  liegend  100. 

5.  B..  49  Jahre.  Vor  14  Jahren  Pneumonie  mit  Pleuritis  serosa. 
Vor  5  Jahren  Influenza,  ebenso  1901.  klagt  jetzt  über  Herzschwäche 
mit  intermittirendem  Puls.  Kein  Husten.  Patient  —  Arzt  —  fühlt 
seit  lange  bei  linker  Seitenlage  den  Spitzenstoss  in  der  vorderen 
Axillarlinie,  besonders  auch  bei  Linksliegen  mit  angefülltem 
Magen.  Das  Intermittiren  tritt  besonders  Früh  und  nach  dem 
Essen  auf.  Appetit  mässig,  Verdauung  sehr  unregelmässig,  Schlaf 
sehr  gut.  Abnahme  in  den  letzten  Monaten  15 — 20  Pfd.  Der  Puls 
soll  manchmal  bis  auf  48  Schläge  p.  AI.  verlangsamt  gewesen  sein. 

Befund:  Magerer  Mann.  Ueber  der  linken  Lunge  hinten  oben 
kleinblasiges  Rasselgeräusch.  Residuen  der  ehemaligen  Pleu¬ 
ritis,  Retraktionen,  Schrumpfungen  nicht  nachweisbar.  Herz¬ 
töne  rein.  Herzthätigkeit  beschleunigt,  manchmal  aussetzend. 
Spitzenstoss  an  normaler  Stelle,  rückt  bei  linker  Seitenlage  in  die 
vordere  Axillarlinie.  Leber  und  Magen  leicht  druckempfindlich. 
Milz  nicht  vergrössert.  Puls  liegend  76,  stehend  100  Schläge  p.  M. 
Urin:  Spez.  Gewicht  1020,  frei  von  Zucker  und  Eiweiss. 

6.  C..  39 y2  Jahre,  hatte  im  Jahre  1S87  Lungenentzündung, 
mehrere  Male  Influenza,  zuletzt  Ende  Dezember  1900  Magen-  und 
Darmstörungen.  Seit  der  letzten  Influenza  angeblich  Herzerschei¬ 
nungen:  Herzklopfen,  Schwindel,  2  mal  kollapsartige  Zustände  (Be¬ 
klemmung.  Schmerzen  und  Stiche  in  der  Herzgegend.  Kurzathmig- 
keit.  besonders  bei  physischer  Anstrengung  und  psychischer  Altera¬ 
tion.  Schwächegefühl,  Pulsverlangsamung  bis  zu  53  Schläge  p.  M.). 
Für  gewöhnlich  keine  Beklemmung,  keine  Arrhythmie.  Leichte 
Erregbarkeit  des  Herzens  besteht  schon  seit  langen  Jahren. 
Schlafen  auf  der  linken  Seite  nicht  möglich.  Im  Allgemeinen 
Schlaf  gut.  Appetit  ebenso,  nur  bei  Aufregungen  nervöses  Auf- 
stossen  und  Blähungen. 

Befund:  Kräftiger,  blasser  Mann  mit  gesunden  Lungen.  Herz¬ 
grenzen  normal.  Herztöne  rein.  Spitzenstoss  im  Stehen  und  in 
Rückenlage  an  normaler  Stelle,  verschiebt  sich  bei  linker  Seiten¬ 
lage  sofort  bis  zur  vorderen  Axillarlinie  und  verschwindet  an  der 
früheren  Stelle,  an  die  er  bei  Rückenlage  wieder  zurückgeht.  Milz 
und  Leber  normal.  Unterleib  nicht  druckempfindlich. 

Gerhardt  (1.  c.)  wie  auch  Rumpf  (1.  c.)  berichten,  dass 
ebenso  wie  bei  Linkslage  auch  bei  Rechtslage  eine  Verschiebung 
des  Herzens  zu  Stande  kommt,  die  jedoch  nicht  so  ausgesprochen, 


wie  links  ist  und  nach  Gerhardt  nur  bei  Kindern  und  gesunden 
jungen  Männern  die  Grösse  der  linksseitigen  Verschiebung 
tibertrifft.  Die  Perkussionsverhältnisse  sind  hier  wegen  des 
Sternums  etwas  schwierige  und  verlangen  ein  sehr  gewandtes 
und  geübtes  Ohr,  um  Täuschungen  auszusclili essen.  Ich  habe 
darum  weniger  Gewicht  auf  den  Nachweis  einer  Verschiebung 
des  Herzens  nach  rechts  bei  rechter  Seitenlage  in  meinen  Be¬ 
obachtungen  gelegt  und  mich,  wie  bereits  oben  erwähnt,  zur 
Sicherstellung  der  Diagnose  vor  Allem  auf  das  Verhalten  des 
Spitzenstosses  in  Rücken-  und  linker  Seitenlage  verlassen,  sobald 
die  Perkussion  des  Herzens  in  aufrechter  und  horizontaler  Lage 
vollkommen  normale  Verhältnisse  ergeben  hatte.  In  den  meisten 
Fällen  gibt  der  Spitzenstoss  bei  rechter  Seitenlage  keine  Auf¬ 
klärung  über  die  Verschiebung  des  Herzens  nach  rechts,  weil  er 
in  der  Regel  bei  Einnahme  dieser  Stellung  verschwindet,  und  die 
genaue  und  vollkommen  sichere  Bestimmung  der  rechten  Herz¬ 
grenze  bei  Rechtslage  durch  Perkussion  ist,  wie  gesagt,  sehr  er¬ 
schwert  wegen  des  Sternums.  Die  Verschiebung  des  Herzens 
nach  rechts  scheint  auch  nur  in  ganz  seltenen  Fällen  Be¬ 
schwerden  hervorzurufen,  während  diese  bei  linksseitiger  Ver¬ 
schiebung  in  beträchtlicher  Ausdehnung  sehr  hervorstechende 
sein  können.  So  wurde  in  den  meisten  Fällen  meiner  Beobach¬ 
tungen  linke  Seitenlage  absolut  nicht  vertragen  (Gleiches  be¬ 
richtet  von  seinen  Kranken  Pick8 *)  und  Rumpf0),  während 
rechte  Seitenlage  fast  stets  ohne  Belästigung  eingenommen 
werden  konnte. 

Ueber  die  Ursache  der  Verschieblichkeit  des  Herzens  hat 
man  verschiedene  Hypothesen  aufgestellt.  Für  Verlagerungen 
geringeren  Grades  nimmt  Bamberger10)  an,  dass  die  Lunge, 
vorausgesetzt,  dass  keine  Adhäsionen  vorhanden  sind,  durch  das 
Gewicht  des  Herzens  von  der  Brustwand  weggedrückt  wird.  Für 
ausgedehntere  Verschiebungen  aber  ist  diese  Annahme  nicht  mehr 
hinreichend.  Und  so  glaubt  Clierchewsky  (1.  c.)  für  das 
Zustandekommen  der  stärkeren  Verschieblichkeit  des  Herzens 
eine  abnorme  Schlaffheit  der  Gefässe  verantwortlich  machen  zu 
müssen.  Rumpf  (1.  c.)  sieht  in  beträchtlicher  Abmagerung,  wie 
sie  besonders  bei  energischen  Entfettungskuren  beobachtet  wird 
und  dem  damit  einhergehenden  Verluste  perikardialen  und 
abdominellen  Fettes  eine  wesentliche  Ursache  der  abnormen  Be¬ 
weglichkeit  des  Herzens.  Von  5  Fällen  sah  er  3  mal  direkt 
nach  einer  Entfettungskur  und  1  mal  im  Anschluss  an  ander¬ 
weitig  bedingte  hochgradige  Abmagerung  die  abnorme  Verschieb¬ 
lichkeit  des  Herzens  mit  ihren  Symptomen  auf  treten.  Besonders 
instinktiv  hierfür  erscheint  die  von  genanntem  Autor  sehr  aus¬ 
führlich  geschilderte  Krankengeschichte  eines  30  jährigen  Bier¬ 
brauers,  der  nach  einer  sehr  energischen  Entfettungskur  von 
239  Pfund  auf  153  Pfund  innerhalb  1  Jahres  herabgekommen 
war  und  nach  Erlangung  eines  Körpergewichtes  von  über 
200  Pfund  nicht  nur  alle  sehr  ausgesprochenen  Symptome,  son¬ 
dern  zugleich  auch  die  ganz  enorme  Verschieblichkeit  des 
Herzens  mit  der  Rückkehr  des  ehemals  sehr  reichlichen  Ab¬ 
dominalhöhlenfettes  wieder  verloren  hatte.  Es  würde  zu  weit 
führen,  diesen  Fall  in  extenso  hier  wiederzugeben;  wer  sich  für 
denselben  interessirt,  möge  ihn  im  Original  nachlesen. 

Auch  bei  mehreren  Fällen  von  weitvorgeschrittener  Lungen¬ 
tuberkulose  mit  bedeutenden  Gewichtsverlusten  und  einem  Falle 
von  progressiver  Muskelatrophie,  die  zu  hochgradigem  Schwund 
des  Fettgewebes  geführt  hatte,  konnte  Rumpf  eine  ganz  be¬ 
trächtliche  Verschiebung  des  Spitzenstosses  und  der  Dämpfungs¬ 
figur  des  Herzens  konstatiren  und  findet  hierin  eine  weitere 
Stütze  für  seine  Annahme  der  Entstehung  des  allzubeweglichen 
Herzens. 

II  o  f  f  m  a  n  n  (1.  c.)  glaubt,  dass  es  sich  bei  der  abnormen 
Beweglichkeit  des  Herzens  um  erworbene  Verhältnisse  entweder 
sekundärer  Natur  (die  leichte  Anspruchsfähigkeit  des  Organs 
führt  zu  stärkerer  Reaktion  und  dauernder  Dehnung  der  Gefässe) 
oder  primärer  Natur  (die  bei  nervöser  Erki*ankung  alterirte 
Ernährung  der  Gefässe  ruft  eine  abnorme  Dehnung  der  grossen 
Gefässe  hervor)  handelt. 


8)  1.  c.  S.  771. 

D)  1.  c.  S.  228. 

10)  1.  c.  S.  51. 


1.  J  uli  1902. 


MUENCHENEH  MED1C1NISCI3 E  WO( UIENS01IR1FT. 


Tv  u  m  m  o  nimmt  an,  dass  in  Folge  einer  primären  Locke¬ 
rung  der  Aufhängebänder  des  Herzens  letzteres  aus  seiner  nor¬ 
malen  Lage  auf  das  Diaphragma  herabsinkt.  Diese  „K  a  r  d  i  o  - 
p  t  o  s  e“  könne  eine  partielle  oder  totale  sein;  bei  letzterer  liege  das 
Ilerz  vollkommen  auf  dem  Zwerchfell  auf  und  neige  sich  zugleich 
nach  der  linken  Seite.  Das  Herabsinken  des  Herzens  bedinge 
aber  eine  Erweiterung  der  Aorta  und  besonders  des  Arcus  aortae. 
Doch  habe  diese  Erscheinung  nichts  zu  thun  mit  der  Visceral- 
ptose,  ebensowenig  mit  der  Arteriosklerose.  Nach  seinen  Be¬ 
obachtungen  trete  sie  schon  in  jugendlichem  Alter  auf  und  werde 
begünstigt  durch  einen  langen  Thorax,  schwache  Muskeln,  ge¬ 
ringes  Fettpolster  und  gracilen  Knochenbau. 

In  meinen  Beobachtungen  hatte  ich  fast  durchweg  mit  schon 
von  Haus  aus  mehr  weniger  nervösen  Patienten  zu  thun.  Die 
nervösen  Herzbeschwerden  —  jegliche  andere  frühere  organische 
Erkrankung  des  Herzens  wurde  von  allen  Patienten  in  Abrede 
gestellt  und  konnte  auch  objektiv  nicht  nachgewiesen  werden  — 
machten  sich  bei  den  Meisten  schon  seit  lange,  ja  in  frühester 
Jugend  bereits,  bemerkbar.  Besonders  Fall  3  legt  mir  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  bei  der  Entstehung  der  Verschiebbarkeit 
des  Herzens  zum  Mindesten  eine  erbliche  Disposition  eine  Rolle 
spielt.  Zufällig  hatte  ich  nämlich  auch  den  Vater  der  dorten 
erwähnten  Patientin  in  Behandlung.  Derselbe  litt  an  starken 
neurasthenischen  und  neuralgischen  Beschwerden  und  ausserdem 
noch  an  einer  ausgebreiteten  Arteriosklerose.  Beim  Liegen  auf 
dem  Rücken  und  im  Stehen  war  der  Spitzenstoss  innerhalb  der 
Mammilla  hebend  und  etwas  verbreitert  zu  fühlen.  Die  Herz¬ 
grenzen  waren  normal.  Puls  liegend  72,  stehend  84.  Bei  linker 
Seitenlage  rückte  der  Spitzenstoss  3  cm  nach  auswärts  von  der 
Mammilla  und  verschwand  an  der  früheren  Stelle.  Sollte  man 
hier  nicht  an  eine  Vererbung  von  Vater  auf  Tochter  denken 
dürfen?  Ich  habe  diesen  letzteren  Fall  nicht  unter  meine  Be¬ 
obachtungen  aufgenommen  und  erwähne  ihn  hier  nur  gelegent¬ 
lich  des  Aetiologienachweises  des  allzu  beweglichen  Herzens 
nebenbei.  Ferner  wird  mir  von  dem  Kollegen,  den  der  Fall  6 
betrifft,  angegeben,  dass  sowohl  sein  Vater,  als  auch  ein  Onkel 
und  2  Brüder  an  ganz  ähnlichen  Erscheinungen  litten,  wie  er. 
Diese  Angabe  ist  freilich  etwas  vage  und  ich  weiss  auch  nicht, 
ob  der  Kollege  seine  Familienangehörigen  eingehend  auf  die  in 
Rede  stehende  Anomalie  untersuchte,  ich  möchte  es  fast  be¬ 
zweifeln.  Immerhin  aber  glaubte  ich,  diese  Angaben  aus  dem 
Munde  des  Kollegen  notiren  zu  müssen.  Wenn  sie  auch  nicht 
direkt  für  eine  familiäre  Aflfektion  bezüglich  der  leichten  Ver¬ 
schiebbarkeit  des  Herzens  sprechen,  so  sagen  sie  uns  doch  immer¬ 
hin,  dass  gleiche  nervöse  Herzsymptome  bei  verschiedenen 
Familienmitgliedern  bestehen,  die  die  Vermuthung  einer  gleichen 
Ursache  nahe  legen. 

Nur  in  Fall  5  konnte  ich  mit  dem  Auftreten  der  Herzerschei¬ 
nungen  zugleich  auch  eine  Abmagerung  von  15 — 20  Pfund  kon- 
statiren.  Es  ist  immerhin  denkbar,  dass  dadurch  die  Verschieb¬ 
barkeit  des  Herzens  begünstigt  und  unterstützt  wurde.  Allein 
durch  das  Schwinden  des  Fettpolsters  wurde  sie  sicherlich 
nicht  hervorgerufen,  denn  Pat.  gibt  an,  dassi  er  schon  seit 
lange  den  Herzschock  bei  Linkslage  in  der  vorderen  Axillarlinie 
fühlte. 

Recht  auffallend  in  meiner  kleinen  Beobachtungsreihe  ist 
gewiss  der  Umstand,  dass  fast  alle  Kranke  das  Stigma  der  Neur¬ 
asthenie  an  der  Stirne  trugen.  Auch  H  o  f  f  m  a  n  n  gibt  an, 
dass  gerade  bei  Neurasthenikern  eine  auffallende  Beweglichkeit 
des  Herzens  zur  Beobachtung  komme.  Ich  wage  bei  meinen 
wenigen  Fällen  nicht  zu  entscheiden,  ob  die  Neurasthenie  oder 
die  abnorme  Beweglichkeit  des  Herzens  das  Primäre  ist;  das 
kann  erst  durch  eine  grössere  Reihe  von  Beobachtungen  und 
Untersuchungen  in  sehr  frühem  Alter  genau  festgestellt  werden. 

Fast  in  allen  von  mir  beobachteten  Fällen  kehrt  als  kon¬ 
stantes,  auch  von  anderen  Autoren  angegebenes  Symptom  bei  der 
leichten  Verschiebbarkeit  des  Herzens  immer  wieder  das  Un¬ 
vermögen,  auf  der  linken  Seite  zu  liegen,  wieder. 
Ja,  es  treten  sogar  in  besonders  schweren  Fällen  (Rumpf) 
direkt  mit  linker  Seitenlage  Athemnoth  und  Beklemmung  auf. 
Weitere  von  mir  registrirte  und  auch  anderweitig  beobachtete 
Symptome  sind  diejenigen  der  Neurasthenia  cordis  in  ver¬ 
schiedenen  Abstufungen.  Sie  bestehen  in  Herzklopfen,  Angst- 

No.  26. 


1097 

gefühl,  leichterer  oder  stärkerer  Beklemmung,  Schwerathmigkeit 
und  Athemnoth,  Schwindel,  Ohnmachtsanwandlung,  Schmerzen 
und  Stiche  in  der  Herzgegend,  Unregelmässigkeit,  Beschleuni¬ 
gung  oder  Verlangsamung  des  Pulses,  leichte  Erregbarkeit  des 
Herzens,  rasche  Ermüdung.  Alle  diese  Symptome  schwinden  in 
der  Regel  rasch,  wenn  ruhige  Rückenlage  eingenommen  wird. 
Appetit  und  Schlaf  beim  Liegen  auf  der  rechten  Seite  oder  dein 
Rücken  werden  meist  als  gut  bezeichnet.  In  Fall  5  und  6  meiner 
Beobachtungen  waren  auch  gleichzeitig  Magen-  und  Dann- 
störungen  und  in  ersterem  beginnende  Phthise  vorhanden.  Ich 
verkenne  nicht,  dass  die  Erscheinungen  von  Seiten  des  Herzens 
auf  reflektorischem  Wege  auch  von  diesen  Affektionen,  wenig¬ 
stens  zum  Theil,  ausgelöst  werden  konnten.  In  Fall  6  bestanden 
sie  aber  noch  ebenso  fort,  obwohl  bereits  die  Magen-Darm¬ 
störungen  beseitigt  waren;  ebenso  war  dies  in  Beobachtung  1  der 
Fall,  wo  Obstipation  leichteren  Grades  da  war. 

Zur  Sicherstellung  der  Diagnose  ist  es  nothwendig,  die 
Untersuchung  des  Herzens  zuerst  in  aufrechter  Stellung,  event. 
noch  mit  Vornüberbeugen  des  Körpers,  in  Rückenlage  und  Seiten¬ 
lage  nach  links,  vorzunehmen.  Auch  mit  der  Untersuchung  in 
rechter  Seitenlage  kann  ein  Versuch  gemacht  werden,  doch  wird 
diese  nicht  immer  unzweideutige  genaue  Aufschlüsse  geben 
können  aus  Gründen,  die  bereits  oben  erörtert  wurden.  Es  ist 
selbstverständlich,  dass  zur  Erlangung  der  richtigen  Diagnose 
alle  organischen  Erkrankungen  des  Herzens,  wie  Hypertrophie, 
und  Dilatation,  Herzinsuffizienz  in  Folge  von  Myokarditis, 
Arteriosklerose  u.  a.,  perikardiales  Exsudat,  sowie  Affektionen 
der  Nachbarorgane,  Schrumpfungen  und  Infiltrationen  an¬ 
grenzender  Lungentheile,  Pleuritis,  Tumoren  der  Brust-  und 
Bauchhöhle,  Ascites  u.  dergl.  mit  Sicherheit  ausgeschlossen 
werden  müssen. 

Wenn  die  Dämpfungsfigur  des  Herzens 
bei  aufrechter  Körperstellung  und  Rücken¬ 
lage  vollkommen  normal  ist,  sich  dann  die 
Linkslage  zugleich  mit  einem  deutlich  nach¬ 
weisbaren  lufthaltigen  Schallbezirk  zwi¬ 
schen  Sternum  und  der  früheren  Herzdämpf- 
u  n  g  und  mit  dem  gleichzeitigen  Verschiebe  n 
des  vorher  an  normaler  Stelle  innerhalb  der 
Mammilla  befindlichen  Herzschocks  um 
einige  Centimeter  nach  aussen  von  der  Mam¬ 
milla  verrückt  und  nach  Einnahme,  der 
Rückenlage  und  der  aufrechten  Körper- 
•ste'llung  die  früheren  normalen  Verhältnisse 
in  Herzdämpfung  und  Spitzenstoss  wieder 
zurückkehren,  so  darf  wohl  eine  Volums¬ 
zunahme  des  Herzens,  die  die  Herzdämpfung 
bei  Linkslage  Vortäuschen  könnte,  als  nicht 
bestehend  betrachtet  und  die  Diagnose 
„W  an  der  herz“  als  sichergestellt  angesehen 
werden. 

Ein  perikardiales  Exsudat  wird  sich  ausschliessen  lassen, 
wenn  1.  der  Spitzenstoss  gleich  kräftig  und  deutlich,  wie  an  der 
früheren  normalen  Stelle,  und  am  äussersten  Punkt  der  bei 
Linkslage  veränderten  Dämpfungsfigur  nachweisbar  ist  und 
2.  die  Herzdämpfung  auch  beim  Stehen  und  Vornüberbeugen 
keine  Vergrösserung  erfährt  (Gerhardt). 

Es  wird  ausserdem  in  den  meisten  Fällen  nicht  schwer  sein, 
differentialdiagnostisch  eine  Lageveränderung  des  Herzens  in 
Folge  von  anderen,  oben  bereits  mehrfach  berührten  Affektionen 
der  Nachbarorgane  auszuschliessen.  Bezüglich  der  hierbei  in 
Frage  kommenden  Merkmale  verweise  ich  auf  die  Lehrbücher. 

Die  Prognose  des  allzu  beweglichen  oder  Wanderherzens  ist 
selbstverständlich  keine  ungünstige  quoad  vitam.  Immerhin 
kann  dasselbe  aber  fiir’s  ganze  Leben  zur  Qual  werden  und  das 
Gefühl  vollkommener  Gesundheit  nicht  aufkommen  lassen. 

Hinsichlich  der  Therapie  ist  nun  in  dem  eklatanten  Falle 
von  Rumpf  ein  deutlicher  Fingerzeig  gegeben.  Energische 
Entfettungskuren  sind  zu  vermeiden  und  wo  es  bereits  in  Folge 
dieser  zu  einem  Wanderherzen  gekommen  ist,  wird  es  unsere 
Aufgabe  sein,  durch  Wiederersetzen  des  geschwundenen  peri¬ 
kardialen  und  abdominellen  Fettansatzes  die  früheren  Gewichts¬ 
verhältnisse  zurückzuführen.  Handelt  es  sich  aber  um  allgemeine 

K 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHEN  SCHRIET. 


No.  26. 


100S 


neurasthenische  Zustände,  so  ist  durch  ein  diätetisch-physi¬ 
kalisches  Regime  gegen  diese  vorzugehen  und  darauf  Bedacht 
zu  nehmen,  dass  die  erhöhte  Reizbarkeit  des  Herzens  eine  Herab¬ 
minderung  erfährt.  Es  wird  in  solchen  Fällen  neben  der 
physischen  auch  die  psychische  Diätetik  berücksichtigt  werden 
müssen.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  auch  auf  Affektionen 
des  Darmes  und  Magens  die  besondere  Aufmerksamkeit  bei  der¬ 
artigen  Patienten  zu  richten  ist.  Sie  werden  bei  der  leichten  Ver¬ 
schiebbarkeit  des  Herzens  um  so  eher  unter  reflektorischen  Ein¬ 
flüssen  von  diesen  Organen  her  zu  leiden  haben.  Jede  Ueber- 
fiillung  des  Magens  und  Darmes,  jede  Verdauungsstörung  wird 
auch  zu  Störungen  von  Seiten  des  Herzens  führen.  Auch  eine 
sitzende  Lebensweise  wirkt  sehr  ungünstig  auf  .  diese  Patienten 
ein. 

Ebenso  wie  bei  nervösen  Herzstörungen  aus  anderen  Ur¬ 
sachen,  habe  ich  auch  bei  diesen  Kranken  neben  einem  zweck¬ 
mässigen  diätetischen  Regime  und  nach  dem  eventuellen  Ge¬ 
brauch  kleiner  Dosen  Rakoczy’s  kohlensaure  Soolbäder  von 
allmählich  kühlerer  Temperatur  hier  nehmen  lassen  und  mög¬ 
lichste  körperliche  und  geistige  Ruhe,  nur  unterbrochen  von 
leichten  gymnastischen  Uebungen  oder  nicht  anstrengenden 
Spaziergängen  verordnet.  Ich  habe  auf  diese  Weise  bei  einigen 
Patienten  meiner  Beobachtungsreihe  ganz  gute  Erfolge  erzielt 
und  mit  dem  Besserwerden  der  allgemeinen  neurasthenischen 
Symptome  auch  ein  Wenigerwerden  der  quälenden  Erscheinungen 
von  Seiten  des  sich  verlagernden  Herzens  beobachtet.  Sehr  oft 
werden  Kranke  dieser  Art  von  dem  steten  Gedanken  gepeinigt, 
dass  sie  an  einem  schweren  Herzfehler,  Myokarditis  u.  dgl.  litten 
und  werden  damit  immer  reizbarer  und  kränker.  Gelingt  es 
einem,  den  Patienten  davon  zu  überzeugen,  dass  die  Affektion 
völlig  gefahrlos  und  die  quälenden  Symptome  nur  von  der  Lage¬ 
anomalie  des  Herzens  ausgelöst  würden,  so  kann  man  damit  allein 
schon,  wie  ich  es  in  ein  paar  Fällen  gesehen  habe,  eine  bedeutende 
Umstimmung  zum  Bessern  erzielen. 

Prothesen  irgend  welcher  Art  zur  Festhaltung  des  Herzens 
in  seiner  normalen  Lage  zu  konstruiren  und  anzulegen,  halte 
ich  für  vollkommen  verfehlt  und  sogar  unter  Umständen  für 
gefährlich.  Sie  beengen  den  Brustraum  ohne  anders  als  höch¬ 
stens  vorübergehend  suggestiv  auf  den  Patienten  zu  wirken. 

Von  den  für  die  eben  beschriebene  Affektion  oder  Anomalie 
angegebenen  Benennungen  möchten  mir  der  Kürze  wegen  die¬ 
jenigen  von  „Wanderherz“  oder  „Kardioptose“  am  meisten  Zu¬ 
sagen.  Ich  weiss  wohl,  dass  sie  auch  nicht  vollkommen  deckend 
sind,  aber  wir  werden  dabei  an  ähnliche  in  der  medizinischen 
Terminologie  schon  vorhandene  Bezeichnungen,  wie  Wander¬ 
niere,  Wandermilz  u.  s.  w.,  erinnert  und  wissen  dann  sofort,  dass 
es  sich  ebenso  wie  bei  diesen  um  eine  die  Norm  überschreitende 
Beweglichkeit  und  Verschiebbarkeit  des  Organs  handelt. 


Zur  Pathogenese  des  akuten  Gelenkrheumatismus 

Von  Dr.  Kollmann  in  Weilheim. 

Ueber  die  Ursachen  und  die  Entstehung  des  akuten  Gelenk¬ 
rheumatismus  hat  sich  bereits  eine  umfangreiche  Literatur  an¬ 
gesammelt,  ohne  jedoch  bis  jetzt  sichere  Aufschlüsse  über  Aetio- 
logie  und  Pathogenese  gebracht  zu  haben. 

So  viel  darf  ja  wohl  schon  jetzt  angenommen  werden,  dass 
es  sich  beim  akuten  Gelenkrheumatismus  um  eine  Infektions¬ 
krankheit  handelt,  und  es  wird  in  der  That  diese  Ansicht  auch 
von  allen  Autoren,  mit  ganz  verschwindenden  Ausnahmen,  ge- 
theilt.  Anders  aber  steht  es  schon  mit  der  Frage  nach  der  Natur 
des  Infektionserregers.  Mit  Sicherheit  konnte  bis  jetzt  noch  kein 
M  ikroorganismus  für  seine  Entstehung  verantwortlich  gemacht 
werden  und  namentlich  die  eine  Zeit  lang  viel  genannten  Sta¬ 
phylokokken  und  Streptokokken  haben  sehr  an  ihrer  Bedeutung 
eingebüsst.  Wenn  auch  nicht  in  Abrede  gestellt  werden  kann, 
dass  sie  öfters  bei  sogen,  akuten  Gelenkrheumatismen  gefunden 
werden,  so  muss  man  doch  andererseits  in  Erwägung  ziehen, 
dass  Gelenkrheumatismen,  bei  denen  sie  im  menschlichen  Körper 
gefunden  wurden  und  künstliche  Infektionsversuche  mit  diesen 
Keimen  bei  Thieren  mehr  das  Bild  einer  septischen  Infektion 
mit  multiplen  Gelenkschwellungen,  als  das  eines  typischen  Ge¬ 
lenkrheumatismus  zeigen.  Ja,  es  erscheint  sogar  fraglich,  ob 
die  hypothetischen  Erreger  des  akuten  Gelenkrheumatismus  in 


der  Weise,  wie  wir  es  sonst  von  Bakterien  gewohnt  sind,  für  die 
Entstehung  des  akuten  Gelenkrheumatismus  verantwortlich  ge¬ 
macht  werden  können,  oder  ob  es  sich  nicht  um  durch  ihn  ver¬ 
ursachte  besondere  toxische  Momente  handelt,  durch  die  die  Er¬ 
krankung  herbeigeführt  würde.  Wenigstens  spräche  in  diesem 
Sinne  die  Thatsache,  dass  durch  Einführung  von  Pferdeblut¬ 
serum  in  den  menschlichen  Körper  das  Bild  eines  akuten  Ge¬ 
lenkrheumatismus  erzeugt  werden  kann. 

Noch  unklarer  als  über  die  Natur  des  Krankheitseri’egers 
sind  wir  über  die  Wege,  auf  denen  derselbe  in  den  menschlichen 
Organismus  dringt  und  über  die  Hilfsursachen,  die  die  Krank¬ 
heitserscheinungen  auslösen. 

Wie  bei  den  meisten  Infektionskrankheiten  wurde  auch  beim 
akuten  Gelenkrheumatismus  die  Verschiedenheit  der  Grund¬ 
wasserstände  zur  Erklärung  der  Infektion  herbeigezogen.  Nach 
Newsholme  soll  Sinken  des  Grundwasserstandes  Wuche¬ 
rung  des  „tellurischen  Kontagiums“  des  Gelenkrheumatis¬ 
mus  bedingen ;  auch  P  r  i  b  r  a  m  fand,  dass  bei  niedrigem  Grund¬ 
wasserstand  der  akute  Gelenkrheumatismus  sich  am  weitesten 
ausbreitete  und  Noessl  in  München  kam  zu  ähnlicher  Fest¬ 
stellung.  D  a  1 1  o  n  führt  die  Erkrankung  auf  Kloakenmiasmen 
zurück,  eine  Ansicht,  die  meines  Wissens  durch  weitere  Unter¬ 
suchungen  noch  nicht  gestützt  ist.  Auch  Vererbung  spielt  beim 
Entstehen  der  Polyarthritis  rheumatica  eine  gewisse  Rolle,  doch 
nicht  oder  wenigstens  nur  sehr  selten  in  dem  Sinne,  dass  es  sich 
um  direkte  hereditäre  Uebertragmig  handelt,  sondern  dadurch, 
dass  eine  ererbte  Disposition  die  Infektion  erleichtert. 

Kältewirkung  kann  natürlich,  sobald  wir  uns  auf  den  infek¬ 
tiösen  Standpunkt  stellen,  ebenso  wie  die  übrigen  meteoro¬ 
logischen  Faktoren  oder  wie  Beschäftigung,  Ueberanstrengung 
u.  s.  w.  nur  als  Gelegenheitsursache  wirken. 

Dagegen  bleibt  noch  ein  Punkt  zu  erörtern  übrig,  das  ist  die 
direkte  Ansteckungsfähigkeit  des  akuten  Gelenkrheumatismus, 
sei  es  durch  direkte  Uebertragung  von  Person  zu  Person  oder 
durch  einen  Zwischenträger. 

Die  Fälle,  die  dafür  zu  sprechen  scheinen,  sind  nur  wenige; 
vor  Allem  kommen  in  Betracht  die  von  Schäfer  und  P  o  c  o  k. 

Schäfer  beschreibt  einen  Fall,  in  dem  ein  Kind  einer  an 
Polyarthritis  rheumatica  erkrankten  Frau  am  3.  Tage  nach  der 
Geburt  ebenfalls  an  typischem  akutem  Gelenkrheumatismus  er¬ 
krankte. 

Im  Falle  von  P  o  c  o  k  erkrankte  das  Kind  12  Stunden  nach 
der  Geburt  an  akutem  Gelenkrheumatismus,  an  dem  auch  schon 
seine  Mutter  im  letzten  Monate  ihrer  Schwangerschaft  gelitten 
hatte. 

In  beiden  Fällen  besteht  wohl  kein  Zweifel,  dass  es  sich  um 
eine  intrauterine  Infektion  gehandelt  hat.  Weniger  klar  liegen 
die  Verhältnisse  bei  den  Fällen,  die  als  beweisend  für  die  Ueber- 
tragbarkeit  des  akuten  Gelenkrheumatismus  von  Person  zu  Person 
bei  Erwachsenen  gelten  sollen.  Fiessinger  glaubt  auf  das 
Bestehen  einer  solchen  Möglichkeit  daraus  schliessen  zu  können, 
dass  er  seit  einer  Reihe  von  Jahren  die  Hälfte  aller  Erkrankungen 
in  nur  10  von  500  Häusern  eines  Ortes  konstatiren  konnte. 

Auch  Edlefsen  erwähnt  ein  mehrfaches  Vorkommen  von 
Gelenkrheumatismus  in  einzelnen  Häusern  Kiels  und  zwar  nicht, 
•wie  man  vielleicht  anzunehmen  geneigt  wäre,  in  Miethskasernen, 
sondern  in  kleinen  und  noch  dazu  älteren  Häusern  und  zwar  fand 
er  von  728  Fällen:  100  mal  2  Fälle  im  gleichen  Hause,  27  mal 
3  Fälle  im  gleichen  Hause,  je  5  mal  4  und  5  Fälle  im  gleichen 
Hause  und  je  1  mal  6  und  7  Fälle  im  gleichen  Hause.  Edlefsen 
selbst  macht  übrigens  nicht  Kontagiosität,  sondern  Bodenverhält¬ 
nisse  für  diese  Erscheinung  verantwortlich. 

F  e  t  k  a  m  p  sah,  dass  in  einem  Saale,  in  dem  ein  an  Gelenk¬ 
rheumatismus  leidender  Kranker  lag,  fast  gleichzeitig  6  andere 
Kranke  von  diesem  Heiden  befallen  wurden,  neigt  sich  jedoch  auch 
zur  Ansicht,  dass  weniger  Ansteckung  als  der  Einfluss  meteoro¬ 
logischer  Verhältnisse  zur  Erklärung  herbeigezogen  werden 
müsse. 

Beweisender  als  diese  soeben  angeführten  Fälle  erscheinen 
mir  die  folgenden.  Ueber  den  einen  berichtet  Thoresen.  Nach 
ihm  war  ein  2y3  Jahre  alter  Knabe  an  Gelenkrheumatismus  er¬ 
krankt.  Bald  darauf  befiel  diese  Krankheit  auch  seinen  Vater, 
der  übrigens  schon  seit  einigen  Jahren  an  Gelenkrheumatismus 
gelitten  hatte  und  der  mit  dem  Sohne  in  einem  Bette  schlief. 

Auch  Mantle  führt  2  ähnliche  Fälle  an:  In  dem  einen  hatte 
ein  junger  Mann  seine  an  Gelenkrheumatismus  leidende  Geliebte 
besucht  und  wurde  kurz  darauf  von  der  gleichen  Krankheit  be¬ 
fallen.  In  dem  anderen  Falle  wurden  ein  Vater  und  seine  2  Söhne, 
die  auf  einer  vereinsamten  Farm  wohnten,  kurz  nacheinander  von 
Gelenkrheumatismus  ergriffen. 

Diesen  wenigen  in  der  Literatur  verzeiohneten  Fällen  möchte 
ich  einen  von  mir  selbst  beobachteten  anreihen: 


MÜENGHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


i.  Juli  19Ö2. 


Ein  29  Jahre  alter  Stationsdiener,  der  schon  vor  mehreren 
Jahren  einen  akuten  Gelenkrheumatismus  durchgemacht  hatte, 
erkrankte  am  29.  November  1901  unter  fieberhaften  Erscheinungen 
mit  Angina  und  gleichzeitiger,  entzündlicher,  sehr  schmerzhafter 
Schwellung  des  Kniegelenks  und  starker,  auch  späterhin  an¬ 
haltender  Schweissekretion.  Nach  einigen  Tagen  ging  unter 
Salizylbehandlung  die  Schwellung  des  Kniegelenkes  zurück,  aber 
dafür  wurde  unter  gleichen  Symptomen  das  linke  Handgelenk 
befallen.  So  ging  der  Prozess,  zu  dem  sich  auch  noch  eine  Ent¬ 
zündung  der  Mitralklappe  gesellt  hatte,  der  Reihe  nach  auf  das 
rechte  Knie-  und  Handgelenk  und  auf  die  beiden  Fussgelenke 
über.  Erst  gegen  Anfang  Januar  wurden  sämmtliche  Gelenke 
dauernd  frei  und  allmählich  wieder  funktionsfähig.  Es  war  also 
das  typische  Bild  eines  akuten  Gelenkrheumatismus  gegeben. 

Noch  während  der  junge  Mann  nicht  vollständig  genesen  war, 
erkrankte  am  27.  Dezember  1901  seine  Mutter  ebenfalls  unter 
Fiebererscheinungen  mit  heftigen  Schmerzen  im  rechten  Knie¬ 
gelenke,  das  rasch  entzündlich  anschwoll.  Daneben  bestand  eben¬ 
falls  heftiger  Schweissausbruch.  Auch  die  Frau  wurde  mit  Salizyl 
behandelt.  Nach  3  Tagen  war  das  Kniegelenk  abgeschwollen, 
dafür  aber  das  rechte  Hand-  und  Ellenbogengelenk  in  der  gleichen 
Weise  befallen.  Noch  während  diese  Gelenke  nicht  völlig  abge¬ 
schwollen  waren,  sprang  am  5.  Januar  1902  der  Prozess  auf  das 
rechte  Fussgelenk  über.  Am  10.  Januar  waren  sämmtliche  Ge¬ 
lenke  wieder  abgeschwollen  und  schmerzfrei  und  nach  wenigen 
weiteren  Tagen  auch  die  normale  Beweglichkeit  wieder  hergestellt. 
Die  Frau,  die  54  Jahre  alt  ist,  hatte  früher  nie  einen  Gelenkrheuma¬ 
tismus  oder  eine  ihm  ähnliche  Erkrankung  durchgemacht.  Auch 
weiss  sie  sich  nicht  zu  erinnern,  dass  in  ihrer  Aszendenz  bereits 
Fälle  von  Gelenkrheumatismus,  Veitstanz  oder  Endokarditis 
vorgekommen  sind. 

Was  nun  den  etwaigen  ursächlichen  Zusammenhang  beider 
Fälle  betrifft,  so  kann  zu  dessen  Klärung  vielleicht  der  Umstand 
beitragen,  dass  die  Mutter  während  der  Nacht  als  Bedeckung  die 
wollenen  Decken  zu  benützen  pflegte,  in  denen  der  Sohn  unter 
Tags  geschwitzt  hatte  und  zwar  ohne  dieselben  erst  zu  reinigen 
oder  zu  lüften. 

Es  bleibt  nun  die  Frage  zu  erörtern:  dürfen  wir  in  dem  oben 
angeführten  Falle  wirklich  eine  Uebertragung  der  Infektion  von 
Person  zu  Person,  vielleicht  durch  die  mit  dem  Schweisse  des 
Kranken  beschmutzten  Decken  als  Zwischenträger  annehmen 
oder  nicht. 

Pribram  macht  gegen  alle  Fälle,  in  denen  mehrere  An¬ 
gehörige  eines  Hausstandes  kurz  nacheinander  erkranken,  zwei 
Einwände:  einmal  die  entschieden  vorhandene  erbliche  Ver¬ 
anlagung  und  dann  die  Thatsache  des  vorwaltenden  Ergriffen¬ 
seins  einzelner  Häuser  und  Wohnungen  als  Brutstätten  der 
Krankheit.  Was  nun  den  ersten  Einwand  —  die  erbliche  Ver¬ 
anlagung  —  betrifft,  so  kan»  ja  ihr  Einfluss  auf  das  Zustande¬ 
kommen  des  Gelenkrheumatismus  sicher  nicht  abgeleugnet  wer¬ 
den,  aber  er  besteht,  wie  auch  Pribram  selbst  zugibt,  nur 
in  der  Schaffung  einer  Disposition.  Dass  nun  aber  neben  dieser 
ererbten  Disposition  auch  noch  eine  eigene  Infektionsquelle  vor¬ 
handen  sein  muss,  ist  ja  klar,  und  ich  sehe  nicht  ein,  warum  diese 
nicht  auch  in  der  Person  von  Angehörigen  soll  liegen  können. 
Man  darf  ja  nur  einen  Vergleich  mit  Tuberkulose  ziehen,  bei  der 
auch  die  ererbte  Disposition  von  so  hoher  Bedeutung  für  das  Zu¬ 
standekommen  einer  phthisischen  Erkrankung  ist,  bei  der  aber, 
besonders  nach  den  Untersuchungen  von  Flügge  und 
Neisser  über  die  Tröpfcheninfektion,  kein  Zweifel  sein  kann, 
dass  tuberkulöse  Eltern  auch  eine  direkte  Ansteckungsgefahr  für 
ihre  Kinder  bilden.  In  unserem  speziellen  Falle  lässt  sich  übri¬ 
gens  eine  derartige  erbliche  Anlage  nicht  einmal  nachweisen,  weil 
ja  weder  die  Mutter  noch  sonstige  Verwandte  an  Gelenkrheuma¬ 
tismus  oder  einer  ihm  entsprechenden  Erkrankung  gelitten 
hatten,  sondern  im  Gegentheil  die  Mutter  erst  nach  dem  Sohne 
erkrankte.  Eine  vererbte  Disposition  aber  daraus  abzuleiten, 
nur  weil  die  Mutter  ebenfalls,  wenn  auch  erst  mit  54  Jahren  und 
nach  Erkrankung  des  Sohnes,  von  Gelenkrheumatismus  befallen 
wurde,  erscheint  doch  viel  gezwungener,  als  die  Annahme  einer 
direkten  Ansteckungsmöglichkeit.  Allerdings  bleibt  auch,  diese 
letzte  Annahme  theoretisch.  Allein  sie  wird  doch  wahrscheinlich, 
wenn  wir  das  rasche  Aufeinanderfolgen  der  Fälle  und  die  übrigen 
Begleitumstände  im  Auge  behalten.  Auffallend  mag  es  immer¬ 
hin  sein,  dass  ähnliche  Fälle,  bei  der  Pläufigkeit  des  akuten  Ge¬ 
lenkrheumatismus  nicht  öfter  zur  Beobachtung  kommen.  Doch 
ist  dabei  für’s  Erste  zu  bedenken,  dass  Uebertragung  der  Krank¬ 
heit  von  Person  zu  Person  ja  nicht  die  einzige  Infektionsquelle 
sein  muss,  Für’s  Zweite  aber  kopimt  in  Betracht,  dass  die 


iÖ9ö 

Arbeiten,  die  die  Pathogenese  des  akuten  Gelenkrheumatismus  be¬ 
handeln,  zum  grössten  Theile  sich  auf  klinisches  Material  stützen. 
Und  gerade  dieses  ist,  wenn  mein  Fall  als  beweiskräftig  angesehen 
werden  kann,  zur  Entscheidung  der  schwebenden  Frage  nur 
theilweise  geeignet,  weil  naturgemäss  in  der  Klinik  so  grobe  Ver¬ 
fehlungen  gegen  die  Reinlichkeit,  wie  in  dem  von  mir  ange¬ 
führten  Falle,  nicht  Vorkommen  können.  Und  gerade  länger 
dauernder  Kontakt  mit  von  Schweiss  beschmutzter  Wäsche 
scheint  für  das  Zustandekommen  einer  Infektion  durch  direkte 
Uebertragung  nothwendig.  Uebereinstimmen  würde  mit  dieser 
Anschauung  auch  die  Thatsache,  dass  in  dem  von  Thoresen 
erwähnten  Falle  Vater  und  Sohn  die  gleiche  Bettwäsche  be¬ 
nützten  und  dass  auch  die  beiden  Fälle  von  M  a  n  1 1  e  innigeren 
Kontakt  der  Erkrankten  wahrscheinlich  machen.  Ja,  sogar  eine 
Aeusserung  Pribram’s  selbst  möchte  ich  in  meinem  Sinne  ver- 
werthen :  Pribram  sagt,  nachdem  er  angeführt  hat,  dass  er 
Erkrankungen,  die  auf  Ansteckung  schliessen  Hessen,  in  seiner 
Klinik  nie  gesehen  hat:  „Und  wenn  wir  dergleichen  (d.  h.  Fälle, 
die  auf  Ansteckung  schliessen  Hessen)  in  der  Privatpraxis  einige 
Male  beobachtet  haben,  so  können  dafür  ganz  wohl  theils  blut- 
verwandtschaftliche  Verhältnisse,  theils  möglicher  Weise  lokale, 
der  Wohnung  anhaftende  Einflüsse  auf  kommen,  da  wir  doch  in 
der  Privatpraxis  niemals  andere  Leute  als  die  nächsten  Ange¬ 
hörigen  der  Kranken  gleichzeitig  oder  in  rascher  Folge  erkranken 
sehen,  dagegen  nicht  deren  Pflegerinnen  und  Dienstleute“.  Diese 
Erfahrung  Hesse  sich  nun  recht  gut  mit  meiner  Anschauung  in 
Einklang  bringen,  da  sie  ja  auch  den  Unterschied  zwischen 
klinischem  und  privatem  Material  betont  und  da  ausserdem  für 
gewöhnlich  eben  nur  die  nächsten  Verwandten  in  so  enge  Be¬ 
ziehung  zu  dem  Erkrankten  treten,  wie  ich  es  für  das  Zustande¬ 
kommen  einer  Kontaktinfektion  für  nothwendig  halte. 

Der  zweite  Einwand  P  r  i  b  r  a  m’s  weist  auf  die  Möglichkeit 
einer  durch  lokale  Verhältnisse  bedingten  Infektionsmöglichkeit 
hin.  Allein  die  bisherigen  Untersuchungen  haben  solche  lokale 
Schädlichkeiten,  bis  jetzt  noch  nicht  nachzuweisen  vermocht,  son¬ 
dern  sich  ebenfalls  nur  auf  dem  Gebiete  der  Hypothese  bewegt. 
Ja,  selbst  die  Grundwasser-  bezw.  Bodendurchfeuchtungstheorie, 
die  anscheinend  viele  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  kann  so¬ 
gar  ihren  Anhängern  nicht  vollständig  genügen.  Ueberdies  steht 
dieser  Ansicht  auch  eine  zweite  gegenüber,  die  im  Gegensatz  zu 
der  von  ersterer  geforderten  Bodentrockenheit  Feuchtigkeit  als 
ursächlich  für  den  Gelenkrheumatismus  ansehuldigt..  Allein 
selbst  wenn  wir  uns  auf  dem  Boden  dieser  Theorien  stellen,  so 
können  wir  sie  auf  unseren  speziellen  Fall  nicht  einmal  an¬ 
wenden.  Denn  die  Bodendurchfeuchtungstheorie  kann  doch  nur 
zur  Erklärung  von  Fällen,  die  in  gehäufter  Form  auftreten, 
berangezogen  werden.  Es  sind  mir  aber  ausser  den  zwei  er¬ 
wähnten  Fällen  gerade  in  dieser  Zeit  keine  weiteren  Fälle  und 
namentlich  nicht  in  der  nächsten  Umgebung  des  betroffenen 
Hauses  zur  Ivenntniss  gekommen.  Auch  in  dem  befallenen  Hause 
selbst  wurde,  soweit  ich  es  zurückverfolgen  konnte  (das  ist  inner¬ 
halb  5  Jahren),  ein  weiterer  Fall  von  Gelenkrheumatismus  nicht 
konstatirt.  Auch  von  den  übrigen  Inwohnern  des  Hauses1,  die 
durch  ihre  Beschäftigung  sogar  für  den  Gelenkrheumatismus 
disponirt  wären,  wurde  Niemand  von  der  Krankheit  befallen. 

Das  Resume  meiner  Ausführungen  möchte  ich  zum  Schlüsse 
kurz  dahin  zusammenfassen,  dass  ich  den  von  mir  erwähnten  Fall 
für  sich  allein  zwar  nicht  für  vollkommen  beweiskräftig  für  die 
Theorie  von  der  Möglichkeit  einer  Uebertragung  des  akuten  Ge¬ 
lenkrheumatismus  von  Person  zu  Person  halte,  dass  aber  im 
Zusammenhalte  mit  den  Fällen  von  Thoresen  und  M  a  n  1 1  e 
diese  Theorie  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt  und  vielleicht  durch 
weitere  Untersuchungen,  namentlich  an  nicht  klinischem  Ma¬ 
teriale,  zur  Gewissheit  erhoben  werden  kann.  Der  einzige  In¬ 
fektionsmodus  wird  diese  Art  der  Infektion  wohl  flicht  sein; 
ja  es  ist  im  Gegen  theile  sogar  wahrscheinlich,  dass  für  die  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  andere,  zur  Zeit  noch  nicht  bekannte  Faktoren 
verantwortlich  gemacht  werden  müssen. 

Zitirte  Literatur: 

Schäfer:  Berl.  klm.  Wochenschr.  1880.  —  Pocok:  The 
Lancet  1882.  —  Fetkamp:  Weekblad  van  het  nederl.  tijds.  v. 
Geneeskunde  1887.  —  Fiessinger:  Gazette  medical  de  Paris 
1892.  —  Mantle:  British  medical  Journal  1887.  —  Thoresen: 
Norsk  Magazin  för  Lägevidensk.  1880.  —  Pribram:  Der  akute 

5* 


1100 


Alf  KOCHEN  KR 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT . 


3$o.  26. 


Gelenkrheumatismus  in  Nothnagel's  spezieller  Pathologie  und  The¬ 
rapie  (enthält  ein  ausführliches  Literaturverzeichnisse —  Flügge: 
Zeitsehr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  27.  —  N  e  i  s  s  e  r:  Zeit¬ 
schrift  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  25.  —  Edlefsen:  Ver- 
handl.  d.  Kongr.  f.  inn.  Med.  1885.  —  Noessl:  Annalen  d.  stiidt. 
Krankenhauses  München  1892.  —  Newsholme:  The  Lancet 
1S95.  —  Dalton:  British  med.  Journal  1S90. 


Aus  dem  analytischen  Laboratorium  des  städt.  Krankenhauses  zu 

Leipzig. 

Eiweiss-  und  Zuckerreaktion  am  Krankenbette. 


Von  Dr.  Stich. 


Die  mit  Aufkochen  des  Harns  verbundenen  Reaktionen  sind 
dem  praktischen  Arzte  am  Krankenbett  unbequem,  so  dass  er 
sich  die  Proben  meist  nach  der  Wohnung  schicken  lässt. 

Einfach  gestalten  sie  sich  an  jedem  Platze  mit  Benutzung  des 
hier  abgebildeten  kleinen  Etui. 


Es  enthält  2  Reagensgläser: 

Das  eine  mit  den  Reagentien,  F  e  h  1  i  n  g’scher  Lösung  (oder 
Nylande  r’s  Reagens)  und  Säuresublimat  ( l  Weinsäure, 
2  Sublimat)  in  einer  durch  Glaswand  getrennten  Röhre; 

das  andere  mit  einem  Behälter  für  Hartspiritus  und  einem 
Glastrichterchen. 

Zum  Gebrauch  wird  ein  Spirituswürfel  auf  dem  Deckel  des 
Etui  angebrannt.  Für  die  Eiweissabscheidung  ist  nur  eine  Spur 
von  Säuresublimat  zuzugeben.  Die  Zuckerprobe  kann  annähernd 
quantitativ  mit  Benutzung  der  Kubikcentimetertheilung  ausge¬ 
führt  werden.  2  ccm  Fehling  reduziren  1  ccm  Zuckerharn  mit 
1  Proz.  Das  kleine  Vademecum  wurde  von  Dr.  Grübler  &  Co., 
Leipzig,  in  den  Handel  gebracht.  D.  Ii.  G.  M.  156  700. 


Zur  Frage  der  Selbstinfektion  in  der  Geburtshilfe. 

Von  Prof.  Dr.  K  r  ö  n  i  g. 

In  seinem  Artikel  „Zur  Verhütung  des  Kindbettfiebers“  hat 
Hof  m  e  j*e  r ')  von  Neuem  aus  seinem  klinischen  Materiale  den 
Beweis  zu  erbringen  versucht,  dass  die  in  der  Scheide  der  Hoch¬ 
schwangeren  lebenden  Bakterien  eine  relativ  grosse  Gefahr  für 
die  Gebärenden  und  Wöchnerinnen  in  sich  schliessen,  und  dass  es 
daher  Pflicht  des  Geburtshelfers  ist,  mit  den  ihm  zur  Verfügung 
stehenden  Mitteln  diese  Bakterien  möglichst  unschädlich  zu 
machen. 

Auf  Grund  mehrjähriger  bakteriologischer  Untersuchungen 
glaubte  ich  mich  zu  folgenden  Schlüssen  berechtigt:  Die  in  der 
Scheide  der  Hochschwangeren  lebenden  Bakterien,  welche  sich  in 
Reinkulturen  züchten  lassen,  sind  zu  einem  grossen  Theil  Mikro¬ 


organismen,  welche  nur  bei  Sauerstoffabschluss  wachsen,  also  obli¬ 
gat  anaerobe  Bakterien.  Unter  diesen  obligat  anaeroben  Bak¬ 
terien  befinden  sich  bakterioskopiscli  die  verschiedensten  Formen. 
Langstäbchen,  Kurzstäbchen,  Kommabakterien,  Kokkenformen, 
welch’  letztere  sich  zum  Theil  in  Reihen  anordnen  nach  Form  des 
Streptococcus  pyogenes  puerperalis.  Eine  eigens  von  Menge  und 
mir  darauf  gerichtete  experimentelle  Arbeit,  den  in  der  Scheide  vor¬ 
kommenden  obligat  anaeroben  Streptococcus  durch  allmähliche 
Gewöhnung  an  den  Sauerstoff  der  Luft  umzuzüchten,  blieb  trotz 
verschiedenster  Methoden  erfolglos,  so  dass  wir  bis  heute  daran 
festlialten  müssen,  dass  dieser  obligat  anaerobe  Streptokokkus  im 
Scheidensekret  nichts  Gemeinsames  hat  mit  dem  Streptococcus 
pyogenes  des  Puerperalfiebers,  welcher  bekanntlich  fakultativ 
anaerob  ist  und  auch  bei  Sauerstoffzutritt  üppiges  Wachsthum 
zeigt. 

Ein  Theil  der  Bakterien  in  der  Scheide  zeigt,  nicht  eine  so 
intensive  Sauerstoffflucht,  sondern  wächst  schon  bei  Zusatz  re- 
duzirender  Substanzen  zum  Agarnährboden,  z.  B.  Traubenzucker, 
Indigo  etc.,  bei  Stichkulturen  bis  fast  an  die  Oberfläche  des  Nähr¬ 
bodens  heran.  Zu  dieser  Gruppe  gehört  auch  ein  von  D  ö  d  e  r  1  e  i  n 
zuerst  im  Scheidensekret  beschriebenes  Stäbchenbakterium. 

Schliesslich  zeigte  die  bakteriologische  Untersuchung,  dass  das 
gewöhnliche  Plattenverfahren  mit  schwach  alkalisch  reagirendem 
Agar  gewissermaassen  als  ein  elektives  Verfahren  für  die  Bak¬ 
terien  des  Scheidensekrets  betrachtet  werden  kann,  indem  das 
Wachsthum  von  Kolonien  mit  Ausnahme  einiger  Hefearten  etc. 
fast  stets  auf  der  Agargussplatte  ausbleibt.  Hiermit  war  inso¬ 
fern  ein  wichtiges  Moment  gefunden,  als  dadurch  das  Vorhanden¬ 
sein  der  gewöhnlichen  Eiterbakterien  im  Scheidensekret  des 
Stapliylococcus  pyogenes  aureus,  albus,  des  Streptococcus  pyo¬ 
genes  puerperalis  etc.  ziemlich  sicher  ausgeschlossen  werden 
konnte,  weil  diese  Bakterien  ja  auf  dem  gewöhnlichen  Agarnähr¬ 
boden  im  Plattenverfahren  üppige  Kolonien  aufschiessen  lassen. 

Es  war  nur  eine  logische  Konsequenz  dieser  Untersuchungen, 
anzunehmen,  dass  der  Scheidenschleimhaut  oder  dem  Sekret  als 
solchen  eine  Eigenschaft  innewohnen  müsste,  diese  Bakterien  zu 
vernichten  oder  in  kurzer  Zeit  zu  eliminiren;  denn  da  bei  der 
Ivohabitation,  bei  sonstigen  Manipulationen  das  gewöhnliche  Haut¬ 
bakterium,  der  Stapliylococcus  pyogenes  albns,  oft  genug  in  den 
Scheidenkanal  eingeführt  wird,  so  muss  bei  seinem  konstanten 
Verschwinden  im  Scheidensekret  diesem  eine  bakterizide  Eigen¬ 
schaft  zukommen.  Dies  konnte  ausserdem  durch  eine  grössere 
Versuchsreihe  von  Menge  und  mir  bewiesen  werden.  Ueber  die 
Natur  dieser  Kräfte  konnten  nur  Vermuthungen  geäussert  werden. 

So  viel  über  die  Resultate  der  bakteriologischen  Unter¬ 
suchungen.  Die  Resultate  der  Nachuntersucher  sind  zum  Theil 
mit  unseren  Resultaten  übereinstimmend,  zum  Theil  wider¬ 
sprechend.  Es  kann  dies  bei  der  Schwierigkeit  der  Materie  nicht 
Wunder  nehmen,  und  bedauern  wir  es  am  meisten,  dass  nicht  in 
umfassender  Weise  noch  einmal  unsere  Arbeit  von  einem 
Nachuntersucher  aufgegriffen  ist.  Die  Wenigsten  haben  sich  der 
so  mühevollen,  aber  hier  unbedingt  nothwendigen  anaeroben 
Kulturmethode  bedient. 

Aus  unseren  bakteriologischen  Untersuchungen  mussten  wir 
den  Schluss  ziehen,  dass  die  Scheidenbakterien  keine  Gefahr  für 
die  Wöchnerin  bedeuten,  soweit  die  Infektion  der  puerperalen 
Wunden  mit  dem  Streptococcus  pyogenes  puerperalis,  dem  Sta- 
pliylococeus  pyogenes  aureus,  albus  und  dem  Bacterium  coli  com¬ 
mune  in  Frage  kommt,  weil  diese  Bakterien  nicht  im  Scheiden¬ 
sekret  normaler  Weile  vorhanden  sind. 

Für  die  saprogene  Infektion  im  Wochenbett  musste  ich 
diese  Frage  in  suspenso  lassen,  weil  es  mir  nicht  gelungen  war, 
überall  mit  Sicherheit  einen  kulturellen  Unterschied  zu  finden 
zwischen  den  anaeroben  Saprophyten  des  Scheidensekrets  und  den 
anaeroben  saprogenen  Bakterien  des  Puerperalfiebers.  Leider 
haben  bisher  weitere  bakteriologische  Untersuchungen  von  anderer 
Seite  hier  nicht  fördernd  gewirkt,  weil,  wie  schon  erwähnt,  die 
wenigsten  Untersucher  sich  des  so  mühevollen  anaeroben  Kultur¬ 
verfahrens  bedient  haben. 

Die  klinischen  Untersuchungen  können  selbstverständ¬ 
lich  nur  darauf  hinauszielen,  den  Verlauf  des  Wochenbettes  von 
Gebärenden,  bei  denen  durch  antiseptische  Scheideuspüluugen  der 
Versuch  gemacht  ist,  die  Bakterien  des  Scheidensekrets  möglichst 
unschädlich  zu  machen,  zu  vergleichen  mit  dem  Wochenbetts¬ 
verlauf  der  Gebärenden,  bei  denen  keine  Maassnahmen  gegen 
die  Bakterien  des  Scheidensekrets  getroffen  sind. 

Bei  diesen  Versuchen  muss  man  sich  zunächst  darüber  klar 
sein,  dass  auf  den  Wochenbettsverlauf  verschiedenste  Faktoren, 
Häufigkeit  der  inneren  Untersuchungen,  Art  der  Geburtsleitung  etc., 
von  Einfluss  sind,  so  dass  zu  den  in  Frage  stehenden  Unter¬ 
suchungen  nur  diejenigen  Fälle  herangezogen  werden  dürfen, 
bei  welchen  möglichst  alle  Faktoren  die  gleichen  sind,  und 
nur  der  eine  differente  Faktor:  die  Unterlassung  oder  Befolgung 
antiseptischer  Scheidenspülungen  bei  der  Geburt,  in  die  Versuchs¬ 
serien  eingesetzt  ist.  Wenn  Hofmeier  seine  zweifels¬ 
ohne  günstige  puerperale  Morbiditätsstatistik  ausschliesslich 
oder  vornehmlich  dem  einen  Faktor,  nämlich  der  von  ihm  ge¬ 
übten  antiseptischen  Scheidenspülung  intra  partum,  zuschreiben 
will,  so  liegt  dazu  meines  Erachtens  keine  Berechtigung  vor.  Zwei 
verschiedene  Kliniken  in  verschiedenen  Städten  können  bei  der  so 
grossen  Anzahl  von  Faktoren,  welche  für  den  Woehenbettsverlauf 


')  Diese  Wochensclir.  No.  18,  Mai  3902,  S.  737. 


1.  Juli  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCH 


1101 


bestimmend,  sind,  nicht  zum  Vergleich  herangezogen  werden, 
sondern  hier  sind  nur  Versuchsserien  beweisend,  welche  gleich¬ 
zeitig  an  einer  Klinik  ausgeführt  sind,  und  zwar  so,  dass  bei 
jeder  zweiten  Gebärenden  die  Scheidenspülungen  unterbleiben, 
während  sie  bei  den  anderen  ausgeführt  werden;  alle  anderen  Be¬ 
dingungen  müssen  die  gleichen  sein. 

Die  Zweite  l'sclie  Klinik  hat,  glaube  ich,  diese  Forderung  in 
sehr  grossen  Versuchsserien  erfüllt,  indem  bei  jeder  zweiten  Ge¬ 
bärenden,  wie  sie  auf  den  Kreisssaal  kamen,  die  Scheidenspülung 
genau  nach  den  Vorschriften  von  Hofmeier  ausgeführt  wurde, 
während  sie  bei  den  anderen  unterlassen  wurde.  Die  Zahlen  haben 
jetzt  eine  derartige  Grösse  erreicht,  dass  nach  dem  Gesetz  der 
grossen  Zahlen,  wie  ich  -)  nacliweisen  konnte,  auch  in  Zukunft 
eine  wesentliche  Verschiebung  der  Morbiditätsziffern  unmöglich 
mehr  eintreten  kann.  Ich  glaube,  dass  gegen  die  Beweiskraft 
dieser  Resultate  kein  Einwand  mehr  möglich  ist,  wir  müssten  denn 
die  Gesetze  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  umstossen. 

Diese  Versuche  haben  mit  Sicherheit  ergeben,  dass  die 
antiseptischen  Scheidenspülungen  bei  den  Gebärenden,  nach 
den  Vorschriften  Hof  meier’s  ausgeführt,  zum  Mindesten  eine 
unnöthige  Belastung  des  aseptischen  Apparates  bedeuten. 

Es  würde  der  Streit  meines  Erachtens  sofort  aus  der  Welt 
geschafft  sein,  wenn  auch  Hof  meier  sich  entschliessen  würde, 
endlich  in  seiner  Klinik  die  gleichen  Versuchsserien  auszuführen. 
Natürlich  müssen  die  beiden  Versuchsserien  gleichzeitig  an¬ 
gestellt  werden;  etwaiges  Zurückgreifen  auf  die  Morbiditäts¬ 
statistiken  vergangener  Jahre  ist,  wie  Jeder  zugeben  wird,  nicht 
angängig,  weil  früher  vielleicht  ganz  andere  Faktoren  bei  der 
Geburtsleitung  ausserdem  noch  in  Frage  gekommen  sind.  Ich 
möchte  also  hier  noch  einmal  den  Wunsch  wiederholen,  dass  II  o  f  - 
m  e  i  e  r  sich  zu  diesen  Versuchen  entschliesst.  Das  Resultat 
k  a  n  n  nicht  anders  ausfallen,  als  dass  auch  in  seinen  Morbiditäts¬ 
ziffern  die  Unnöthigkeit  der  Scheidenspülungen  klar  zum  Aus¬ 
druck  kommt. 

Einen  zweiten  klinischen  Beweis  für  die  Unschädlichkeit  der 
Scheidenbakterien  für  die  puerperale  Infektion  glaubte  ich  darin 
zu  erblicken,  dass  der  EinÜuss  des  Touchirens  auch  bei  nicht 
desinfizirter  Scheide  sich  in  keiner  Weise  auf  den  Verlauf  des 
Wochenbettes  geltend  macht.  Ich  gestehe  offen,  dass  ich  der  Be¬ 
weiskraft  dieser  Versuche  ebenfalls  keinen  so  besonderen  Werth 
beigelegt  habe,  ich  habe  sie  nur  desswegen  erwähnt,  weil  alle 
früheren  Anhänger  der  Lehre  von  der  Infektionsmöglichkeit  der 
puerperalen  Wunden  durch  die  Scheidenbakterien  die  Gefahr  der 
inneren  Untersuchung  so  sehr  betonen.  Ich  erwähnte  schon  in 
einem  früheren  Aufsatz  u.  a.  die  Aeusserung  Kaltenbach’s,  dass 
den  „Kundigen  schaudert,  wenn  er  bedenkt,  wie  bei  der  inneren 
Untersuchung  die  so  gefährlichen  Scheidenkeime  in  den  Cervical- 
kanal  und  höhere  Tlieile  des  Geburtskanals  verschleppt  werden“. 
II  ofmei’er  will  die  Gefahr  des  Touchirens  hier  nicht  anerkennen, 
da  er  mit  einem  gewissen  Rechte  behauptet,  dass  bei  dem  be¬ 
ständigen  Kontakt  der  Cervix  mit  dem  Scheidensekret  auch  ohne 
mechanischen  Transport  die  Bakterien  in  höhere  Theile  des  Ge¬ 
burtskanals  intra  partum  und  in  puerperio  einwandern  können. 
Ich  gebe  ihm  dies  vollständig  zu  und  habe  auch  hauptsächlich  nur 
desswegen  die  von  Hofmeier  erwähnten  Versuche  Stiche  r’s 
aus  der  Breslauer  Klinik  angeführt,  um  zu  zeigen,  dass  es  auch 
bei  nichtdesinüzirter  Scheide  ganz  gleichgiltig  ist,  ob  man  toucliirt 
oder  nicht  toucliirt,  wenn  man  nur  die  Hände  mit  Gummihand¬ 
schuhen  wirklich  keimfrei  macht. 

H  ofmeier  hat  in  seinem  letzten  Aufsatz  von  Neuem  die 
tieberhaf  teil  Wochenbetten  bei  Frauen,  bei  welchen  keine  innere 
Untersuchung  intra  partum  vorgenommen  worden  ist,  als  Beweis 
heranziehen  wollen  für  die  Gefährlichkeit  der  Scheidenbakterien. 
Er  wendet  sich  ziemlich  scharf  gegen  meine  Annahme,  dass  Bak¬ 
terien  vom  Scheiden  eingang  aus  in  höhere  Theile  des  Geburts¬ 
kanals  auf  wandern  können;  er  nennt  dies  „eine  durch  nichts  be¬ 
wiesene  Behauptung“.  Ich  glaube,  dass  Hofmeier  diesen 
Ausspruch  kaum  aufrecht  erhalten  kann;  wir  sehen  bei  jeder 
infizirten  Wöchnerin,  wie  die  Bakterien  von  tieferen  Theilen  des 
Geburtskanals  in  höhere  spontan  aufsteigen.  Er  selbst  gibt  ja  zu, 
dass  die  von  ihm  theoretisch  angenommenen  infektiösen  Scheiden¬ 
bakterien  ohne  den  toucliirenden  Finger  in  den  Cervicalkanal,  in 
die  Uterushöhle  einwandern  können.  Jede  bakterioskopische  Unter¬ 
suchung  eines  puerperal  infizirten  Uterus  zeigt  uns,  wie  die  in¬ 
fektiösen  Keime  bis  an  die  äussersten  Tubenecken  heraufwandern. 
Also  zunächst  gehört  ein  Aufwärtswandern  von  Keimen  aus 
tieferen  Theilen  des  Geburtskanals  in  höhere  nicht  zu  den  Selten¬ 
heiten,  sondern  ist  das  Gewöhnliche  bei  infizirten  Wöchne¬ 
rinnen. 

Gegen  das  Auf  wandern  vom  Scheiden  eingang  durch  das 
Scheidenrohr  bis  in  die  Gebärmutterhöhle  hat  Hofmeier  die 
von  mir  behauptete  bakterizide  Kraft  des  Scheidensekrets  in’s 
Feld  führen  wollen.  Hofmeier  hat  beim  Studium  meiner  Ar¬ 
beiten  nicht  beachtet,  dass  ich  die  bakterizide  Kraft  des  Scheiden¬ 
sekrets  nur  für  die  Hochschwangere  annehme,  dagegen 
deutlich  an  mehreren  Stellen  erklärt  habe,  dass  in  den  ersten 


lagen  des  Früh  Wochenbetts  die  bakterizide  Kraft  auf¬ 
hört,  ja  dass  die  Scheidenlochien  in  den  ersten  Tagen  des  Wochen¬ 
betts  einen  günstigen  Nährboden  für  das  Aszendiren  der  Keime 
darstellen.  Ich  konnte  dies  direkt  bakteriologisch  beweisen  und 
verweise  in  Bezug  auf  die  Einzelheiten  auf  meine  Arbeit  „Bak¬ 
teriologie  des  weiblichen  Genitalkanals“4 5).  Folgerichtig  muss  ich 
daher  auch  eine  Gefahr  für  die  Wöchnerin  schon  darin  erblicken, 
dass  beim  Dammschutz  etc.  die  äussere  n  Geschlechtstheile 
und  der  Scheideneingang  mit  den  Händen  der  geburtsleitenden 
Personen  in  Berührung  kommen;  es  kann  dies  schon  zu  einer  In¬ 
fektion  genügen.  Desswegen  habe  ich  in  meinem  von  II  ofmeier 
herangezogenen  Aufsatz  an  S  t  i  c  h  e  r  zu  meiner  eigenen  Orien- 
tirnng  die  Frage  gerichtet,  ob  in  seinen  Versuchen  in  der  Breslauer 
Klinik  auch  beim  Dammschutzverfahren  von  Seiten  der  Heb¬ 
ammen  und  der  sonstigen  geburtsleitenden  Personen  ebenfalls 
Gummihandschuhe,  wie  beim  Touchiren,  verwendet  worden  sind. 
Diese  Frage  ist  meines  Erachtens  keineswegs  eine  mtissige;  denn 
wie  die  Mehrzahl  der  Untersucher  wohl  heute  zugeben  wird,  ist 
auf  keine  andere  Weise  eine  wirkliche  Keimfreiheit  der  Hände 
der  geburtsleitenden  Personen  zu  erzielen,  weder  durch  Alkohol, 
noch  durch  Sublimat. 


Wenn  wir  uns  über  die  Häufigkeit  der  autogenen  Infektion 
orientiren  wollen,  so  dürfen  wir  meines  Erachtens  nur  diejenigen 
Gebärenden  zur  Beobachtung  heranziehen,  bei  welchen  jede  Be¬ 
rührung  nicht  bloss  der  inneren,  sondern  auch  der  äusseren 
Genitalien  von  Seiten  der  geburtsleitenden  Personen  ausgeschlossen 
ist.  Dies  war  der  Grund,  weswegen  ich  meinen  früheren  Chef, 
Herrn  Geheimrath  Zweifel,  bat.  eine  Versuchsserie  ein¬ 
zuschalten,  bei  welcher  Gebärende  ohne  jede  Hilfeleistung,  also 
auch  ohne  jeden  Kontakt  der  Hände  der  geburtsleitenden  Personen 
mit  den  äusseren  Geschlechtstheilen  niederkommen.  Leider  ist  ja 
die  Zahl  der  so  behandelten  Wöchnerinnen  eine  ausserordentlich 
kleine  bisher  geblieben;  es  ist  dies  auch  wohl  dadurch  bedingt  — 
was  auf  den  ersten  Blick  etwas  wunderbar  erscheinen  möchte  — 
dass  es  einer  ganz  intensiven  Arbeitsleistung  des  geburtsleitenden 
Assistenten  bedarf,  um  diese  Versuche  wirklich  so  exakt  durch¬ 
zuführen,  dass  sie  eine  beweisende  Kraft  beanspruchen  dürfen. 
Von  97  Frauen,  bei  denen  jede  Bertihung  von  Seiten  der  geburts¬ 
leitenden  Personen,  selbstverständlich  auch  jede  Desinfektion  der 
äusseren  und  der  inneren  Genitalien  unterblieb,  erkrankten,  wie 
ich  der  Arbeit  v.  Scanzoni’s 3),  welcher  das  Material  zusammen¬ 
stellte,  entnehme,  im  Ganzen  13  fieberhaft.  Von  diesen  13  fieber¬ 
haften  Erkrankungen  wird  auch  Hof  meier  selbst  bei  strengster 
Kritik  in  2  Fällen  das  Fieber  wohl  auf  extragenitale  Erkrankung 
zurückführen;  in  dem  einen  Fall  trat  die  Patientin  als  Schwangere 
schon  mit  einer  linksseitigen  Pleuritis  in  die  Klinik  ein,  sie  wurde 
am  25.  Tage  des  Wochenbetts  auf  die  innere  Abtheilung  verlegt 
und  ist  hier  wegen  Pleuritis  weiter  behandelt  worden.  Die  zweite 
wurde  am  10.  Tage  des  Wochenbetts  entlassen,  trat  später  wegen 
Schmerzen  mit  dem  Zeichen  einer  typischen  gonorrhoischen  Knie¬ 
gelenkentzündung  wieder  ein.  Unter  den  übrigen  11  Fällen  kamen 
allerdings  Temperatursteigeningen  bis  39,  ja  39,8 0  C.  vor. 
Die  Leichtigkeit  der  Erkrankungen  geht  aber  schon  daraus  hervor, 
dass  unter  diesen  11  Fällen  nur  5  über  den  10.  Tag  hinaus  in  der 
Anstalt  blieben.  Die  längste  Verpflegungszeit  betrug  21  Tage; 
liier  bestand  eine  doppelseitige  Mastitis  mit  starker  Schwellung, 
besonders  der  linken  Achseldrüsen. 

Hofmeier  betont,  dass  die  Leipziger  Klinik  die  Antwort 
schuldig  bliebe,  wodurch  diese  Temperatursteigerungen  bedingt 
wären,  und  ob  sie  nicht  einer  puerperalen  Infektion  ihren  Ursprung 
verdankten.  Ich  könnte  den  Spiess  umdrehen  und  ebensogut 
II  o  f  m  e  i  e  r  vorwerfen,  dass  er  uns  bei  seinen  Temperatursteige¬ 
rungen  ebenfalls  die  Antwort  schuldig  bleibt,  ob  die  Temperatur¬ 
steigerungen,  welche  er  in  seiner  Klinik  beobachtete,  wirklich  in¬ 
fizirten  puerperalen  Wunden  ihren  Ursprung  verdanken,  weil  auch 
er  bei  seinen  Wöchnerinnen  keine  bakteriologischen  Unter¬ 
suchungen  des  Lochiensekrets  vorgenommen  hat.  Insofern  ist  die 
Leipziger  Klinik  noch  besser  daran,  als  die  Klinik  unter  H  of¬ 
meier,  weil  von  mir  ans  früheren  Jahren  wenigstens  der  Nach¬ 
weis  bakteriologisch  erbracht  werden  konnte,  dass  in  einer  Serie 
von  274  fiebernden  Wöchnerinnen  nur  bei  einem  gewissen  Theil  eine 
puerperale  Infektion  des  hier  wesentlich  in  Betracht  kommenden 
puerperalen  Endometriums  vorlag.  Ich  konnte  bei  einer  grossen 
Zahl  dieser  Wöchnerinnen  eine  Keimfreiheit  der  Lochien  bei  be¬ 
stehendem  Fieber  feststellen,  und  damit  wenigstens  den  Wahr¬ 
scheinlichkeitsbeweis  erbringen,  dass  das  Fieber  im  Wochenbett 
zu  einem  bestimmten  Theil  extragenitalen  Erkrankungen  seinen 
Ursprung  verdankte. 

Es  ist  auch  verfehlt,  jedes  Fieber  im  Wochenbett  auf 
eine  Infektion  puerperaler  Wunden  zurückzuführen.  Wie  will 
sonst  Hofmeier  die  Fieberfälle  seiner  Klinik  erklären  i  H  o  f  - 
meier  glaubt  durch  seine  Scheidenspülungen  die  gefährlichen 
Scheidenkeime  unschädlich  zu  machen;  er  glaubt,  durch  seine  Des¬ 
infektion  die  Gefahr  der  toucliirenden  Finger  auszuschalten;  nun, 
dann  müsste  eigentlich  die  Morbidität  im  Wochenbett  in  seinei 
Klinik  nicht  mehr  16  Proz.,  sondern  0  Froz.  betragen;  anders  kann 


-)  Br  etschneide  r:  Klinische  Versuche  über  den  Einfluss 
der  Scheidenspülungen  während  der  Geburt  auf  den  Wochenbetts¬ 
verlauf.  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  63,  H.  1  u.  2.  —  K  rö  nig:  Beiwort  zu 
dem  Aufsatz  von  Br  etschneide  r. 

No.  26. 


4)  C.  Menge  und  B.  Krönig:  Bakteriologie  des  weiblichen 
Genitalkanals.  Leipzig  1897.  Verlag  von  A.  Georgi. 

5)  v.  Scanzoni:  Ueber  den  Wochenbettsverlauf  bei  pra- 
zipitirten  Geburten.  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  63,  II.  1,  S.  81  ft. 

6 


llUi 


No.  2ö. 


M U E.NCI  1  EN E R  M EDK’IN ISC'llE  WOCH E N SC II R L ET.  ; , 


ich  mir  wenigstens,  wenn  Hofmeier  nicht  eine  Anzahl  Fielt  er¬ 
fülle  extragenitalen  Erkrankungen  zuschreibt,  seinen  Gedanken- 
gang  nicht  erkliiren.  Eine  Deutung,  dass  ein  Theil  der  Fieber- 
Rille  im  Wochenbett  extra  genitalen  Erkrankungen  zuzuschreiben 
ist,  ist  nicht,  wie  il  of  m  eie  r  annimnit,  eine  gezwungene,  sondern 
ist  zum  grossen  Tin  il  durch  bakteriologische  Untersuchungen,  so 
weit  es  überhaupt  möglich  ist,  b  e  w  i  e  s  e  n. 

llofmeier  selbst  erkennt  im  Anfang  seines  Aufsatzes  die 
Eedeutung  der  e  x  t  r  ;t  genitalen  Erkrankungen  für  Fiebersieige- 
rungen  im  Wochenbett  an,  denn  er  erklärt  auf  Seite  1,  dass  inner 
seinen  ld-t  gestörten  Wochenbetten  27  waren,  bei  denen  sich  eine 
Affektion  des  Genitaltraktus  mit  Sicherheit  ausschliessen  liess, 
darunter  19  Fälle  von  Mastitis.  Diese  Zahlen  schwanken 
in  den  verschiedenen  Tausenden  nicht  unerheblich,  und  er 
selbst  gibt  an,  dass  oft  bei  4(1,  ja  50  Fällen  bei  der  Fiebernden 
extra  genitale  Erkrankungen  angenommen  werden  'mussten,  also 
kein  kleiner  Prozentsatz.  Hof  meier  gibt  ferner  an,  dass  unter 
seinen  restirenden  187  Wöchnerinnen  53  waren,  bei  denen  eine  Er¬ 
krankung  als  von  den  Genitalien  ausgehend  von  ihm  wohl  an¬ 
genommen  wurde,  ohne  dass  im  Peinigen  auch  nur  der  geringste 
objektive  Befund  hierfür  nachweisbar  gewesen  wäre.  AN  ir  sehen 
also,  dass  auch  11  o  f  m  e  i  e  r  den  accideutellen  extragenitalen 
Erkrankungen  keineswegs  eine  so  geringe  Holle  für  das  Fieber 
zuschreibt, 

Ich  erkläre  aber  ausdrücklich,  dass  ich  nicht  etwa  die 
11  Fieberfälle  unter  den  97  AVochnerinnen  nun  alle  durch  extra¬ 
genitale  Erkrankungen  bedingt  ansehe,  sondern  ich  könnte  mir 
schon  vorstellen,  dass  auch  puerperale  infektiöse  Erkrankungen 
hier  vorliegen. 

llofmeier  führt  bei  dieser  Gelegenheit  aus,  dass  Jeder, 
der  meine  früheren  Arbeiten  über  dieselbe  Frage  gelesen  hätte, 
unschwer  erkenne,  (lass  ich  in  mehreren  Punkten  hier  einen  un¬ 
verhüllten  üückzug  angetreten  hätte.  Er  setzt  einen  Satz  von 
mir  gesperrt:  „Ich  bin  keineswegs  der  Ansicht,  dass  nicht  auch 
(dne  puerperale  Infektion  ohne  jedes  Zutliun  der  geburtsleiten¬ 
den  Personen  entstehen  kann",  und  hält  diesen  Satz  mit  meinen 
früheren  Anschauungen  unvereinbar.  Ich  darf  liier  vielleicht  aus 
meiner  ersten  ausführlichen  Monographie  „lieber  Selbstinfektion; 
Bakteriologie  des  weiblichen  Genitalkanals"  pag.  871  zwei  Sätze 
anführen: 

„Meine  Ansicht  über  die  Autoinfektion  des  Genitalschlauclirs 
der  Wöchnerinnen  möchte  ich  zur  Zeit  dahin  zusammenfassen: 

1.  Eine  autogene  Infektion  mit  endogenen  Bakterien  der 
Scheide  ist  für  den  Streptococcus  pyogenes,  den  Staphylococcus 
pyogenes  aureus,  das  Baeterium  coli  nicht  anzunehmen,  da  diese 
pathogenen  Bakterien  uachgewiesenermaassen  nicht  als  Sapro- 
pliyten  in  der  Scheide  leben  können. 

Bi  i  der  Infektion  mit  pathogenen  anaeroben  Bakterien  ist 
diese  Art  der  Infektion  vorläufig  nicht  sicher  zu  verneinen,  weil  es 
nicht  gelungen  ist,  für  die  verschiedenen  pathogenen  anaeroben 
Bakterien  den  sicheren  kulturellen  Unterschied  von  den  in  der 
Scheide  der  Schwangeren  normal  vorkommenden  sapropliytisch 
lebenden  anaercbin  Bakterien  zu  erbringen. 

2.  Eine  autogene  Infektion  mit  den  endogenen  Bakterien  der 
intakten  Haut  ist  für  alle  puerperalen  Prozesse  möglich;  ein 
sicherer  Beweis  kann  nur  erbracht  werden  durch  die  Untersuch¬ 
ung  des.  Keimgehaltes  des  Genitaltraktus  von  AVochnerinnen, 
welche  nach  einer  Sturzgeburt  ganz  entbunden  in  die  Klinik  ein¬ 
getreten  und  bei  denen  auch  in  den  ersten  AVoclienbettstagen  jede 
Berührung  von  Seiten  des  geburtshelfenden  Personals  sicher  aus¬ 
geschlossen  ist." 

Ich  glaube,  dass  diese  Ansicht  von  meiner  bisherigen  nicht 
abweicht.  Nur  insofern  kann  ich  heute  weitergehen  als  früher, 
als  die  klinischen  Versuche  dafür  sprechen,  dass  auch  eine  In¬ 
fektion  mit  den  obligat  anaeroben  Saprophyten  der  Scheide  wohl 
ziemlich  sicher  zu  verneinen  ist,  und  ferner,  dass  eine  autogene 
Infektion  mit  endogenen  Bakterien  der  intakten  Haut  wohl  mög¬ 
lich  ist,  aber  wenn  sie  eintritt,  keine  schwere  Infektion  hervor¬ 
ruft  wegen  der  schon  einmal  aufgestellten  Ansicht  von  der  Ab¬ 
schwächung  der  Airulenz  pathogener  infektiöser  Bakterien  bei 
längerer  sapropliytisclier  Eebensweise;  eine  Ansicht,  die  sich  mit 
den  Lehren  der  Bakteriologie  wenigstens  bei  einer  grossen  Anzahl 
von  Bakterien  (ich  nehme  ausdrücklich  den  Anthrax  aus)  wohl 
vereinen  lässt. 

Es  ist,  wenn  man  der  kleinen  Serie  der  97  AVochenbetten  eine 
allgemein  gütige  Bedeutung  zuschreiben  kann,  m.  E.  auch  kaum 
anders  das  merkwürdige  Resultat  zu  erklären,  dass  bei  Nicht  - 
desinfektion  der  inneren  Genitalien,  bei  N  i  c  li  t  desinfektion  der 
äusseren  Genitalien  nur  bei  ausschliesslicher  Fernhaltung  der 
Ilände  der  geburtsleitenden  Personen  von  den  Gesclilechtstheilen 
der  Frau  der  Wochenbettverlauf  so  sehr  viel  günstiger  ist  als  un'ter 
den  gewöhnlichen  A'erhiiltnissen  selbst  bei  der  intensivsten  äus¬ 
seren  und  inneren  Desinfektion  nach  der  II  o  f  m  e  i  e  r’ sehen  Me¬ 
thode.  Ich  kann  diese  Resultate  nicht  vereinbaren  mit  der  An¬ 
nahme  einer  vorliegenden  Infektionsgefahr  des  Scheidensekretes 
der  Gebärenden. 

Ich  erkläre  ausdrücklich,  dass  ich  leider  ausser  Stande  bin, 
diese  letzten  A' ersuche  weiter  fortzuführen,  da  mir  kein  Material 
mehr  zur  Verfügung  steht,  sonst  wäre  ich  der  Erste,  der  die  so 
wichtigen  AAhehenbett beobacht ungen  bei  nichtberülirten  Gebären¬ 
den,  gleichgiltig  wie  sie  später  ausfallen,  fortsetzen  würde.  Die 


Fälle,  welche  llofmeier  zum  Beweis  der  autogenen  Infektion 
in  seinem  Artikel  angeführt  hat,  von  AValtliard,  Albert  etc., 
kann  ich  für  die  Frage  der  autogenen  Infektion  nicht  als  beweis¬ 
kräftig  anerkennen,  weil  hier  meistens  ein  Kontakt  der  iiuss  e  r  e  n 
Geschlichtstheile  durch  geburtsleitende  Personen  nachträglich 
noch  stattgefunden  hat. 


Entgegnung  auf  den  Aufsatz  des  Herrn  Professor 
Hofmeier:  „Zur  Verhütung  des  Kindbettfiebers“.*) 

Von  Dr.  Carl  v.  Scanzon  i. 

In  oben  bezeichnetem  Aufsätze  hat  Herr  Prof.  Hof  m  ei  er 
einige  kritische  Bemerkungen  über  meine  Mittheilung  im  Arcli.  f. 
Gynakol.  ‘)  gebracht,  die  mich  veranlassen,  ein  paar  Worte  der 
Entgegnung  zu  bringen. 

Die  Aufgabe,  die  wir  uns  seiner  Zeit  gestellt  hatten,  lautete  da¬ 
hin:  ist  es  möglich  nachzuweisen,  dass,  wenn  wir  die  Hände  ge¬ 
bürt  siebender  Personen  nicht  nur  während  der  Geburt,  sondern 
auch  im  Wochenbett  möglichst  ferne  von  den  Genitalien  der  Frauen 
halten,  eine  Besserung  der  Morbiditäts Verhältnisse  eintritt V 

AVir  führten  nun  112  Geburten  in  diesem  Sinne  durch,  wobei 
ich  auf  die  Art  und  AA’eise,  wie  dies  geschah,  auf  die  oben  erwähnte 
Arbeit  verweise,  und  fanden,  dass  wir  eine  Morbidität  von 
11,5  Froz.  erhielten.  Des  AVeiteren  zogen  wir  noch  jene  Fälle 
von  präzipitirten  Geburten  heran,  bei  denen  keine  Hilfeleistung 
und  Berührung  der  Genitalien  von  Seite  der  Aerzte  oder  Heb¬ 
ammen  bei  der  Geburt  nachgewiesen  werden  konnte  (die  AA'ochen- 
pflege  war  natürlich  in  der  sonst  üblichen  W  eise  geliandhabt  wor¬ 
den),  und  bekamen  21, ti  Proz.  fieberhafte  puerperale  Erkrankungen. 

Herr  II  o  f  meie  r  findet  nun  diese  Zahlen  immer  noch  sehr 
hoch  und  nicht  beweisend  für  eine  günstige  Beeinflussung  der 
Morbidität.  AA'enn  man  nun  allerdings  die  ausserordentlich  gün¬ 
stigen  Krankheitsprozente  der  Würzburger  Klinik  mit  durch¬ 
schnittlich  10,7  Proz.  hiermit  vergleicht,  so  ist  ja  dieser  Schluss 
gewiss  berechtigt,  leider  sind  dieselben,  wie  ich  in  meiner  Zu¬ 
sammenstellung  auch  anführte,  an  der  Leipziger  Klinik  nicht  so 
glänzend,  indem  wir  durchschnittlich  27  Proz.  aufzuweisen  haben, 
worauf  leider  Herr  Hofmeier  nicht  hinwies.  AVenn  also  die 
Morbidität  von  27  Proz.  auf  21, (i  resp.  11,5  Proz.  bei  diesen  Ge¬ 
burten  gesunken  ist,  so  glaube  ich,  sind  wir  doch  berechtigt  von 
einer  Besserung  zu  sprechen,  besonders  in  Berücksichtigung  der 
letzten  Zahl,  die  eine  Differenz  von  15,5  Proz.  ergibt. 

Ich  habe  des  Weiteren  gesagt,  dass  die  beobachteten  Er¬ 
krankungen  nur  leichteren  Charakter  trugen.  Herr  Hof  meier 
findet  dies  nicht,  indem  er  meint,  dass  bei  den  präzipitirten  Ge¬ 
burten  Achselhöhlentemperaturen  von  89  und  40°  beobachtet  wur- 
den,  bei  längstem  Anstaltsauf  enthalt  von  17  und  48  Tagen,  und 
dass  selbst  bei  den  sogen,  „unberührt“  in  der  Klinik  Entbundenen 
Analtemperaturen  von  89  bis  39,9°  verzeichnet  wurden.  Ich  kann 
ja  nun  nicht  jeden  der  fraglichen  Fälle  hier  einzeln  durchsprechen, 
nur  auf  2  von  den  priizipitirt  Entbundenen  möchte  ich  etwas  näher 
('ingehen.  Jene  Frau  mit  43  Tagen  Anstaltsaufenthalt  habe  ich 
ausdrücklich  als  schwerer  erkrankt  bezeichnet,  und  noch  hinzu¬ 
gefügt,  dass  es  fraglich  sei,  ob  diese,  da  sie  bereits  fiebernd  (38,5 'j 
m  die  Klinik  kam,  und  die  Entbindung  ausserdem  noch  unter  be¬ 
sonders  erschwerenden  Umständen  erfolgte,  überhaupt  in  die 
Statistik  aufzuuelimen  sei.  Der  zweite  Fall  hatte  allerdings  eine 
(»malige  Temperatursteigerung,  wobei  2  mal  40,0°,  2  mal  39,5,  je 
1  mal  39.1  resp.  89,0  beobachtet  wurde  (Subinvolutio  uteri,  riechen¬ 
der  Ausfluss,  Magenkatarrh?).  Ich  gebe  nun  gerne  zu,  dass  dieser 
Fall  vielleicht  nicht  so  einfach  war,  trotzdem  aus  dem  Protokoll 
weitere  ernste  Symptome  nicht  zu  entnehmen  waren,  für  alle 
übrigen  aber  (vergl.  die  Originalmittheilung)  möchte  ich  daran  fest- 
lialten,  dass  ihre  Erkrankungen  nur  leichte  waren,  denn  aus  1  bis 
8  resp.  4  maligen  Temperatursteigerungen  wird  wohl  kein  Mensch 
scliliessen  wollen,  dass  schwere  Erkrankungen  Vorlagen,  selbst 
wenn  hiebei  39 u  und  höher  erreicht  wurde.  Zu  denken  müssen 
diese  Temperaturen  ja  jedem  Arzt  geben,  aber  ich  glaube,  dass 
solche  Patientinnen  selbst  ungläubig  lächeln  würden,  wenn  man 
ihnen  nach  überstandenem  Wochenbett  sagen  wollte:  „Frau,  Sie 
waren  schwer  krank“. 

Herr  Hof  meie  r  hat  mir  nun  ferner  noch  vorgeworfen,  dass 
wenn  ich  auf  Grund  unserer  Beobachtungen  doch  einmal  an  der 
Asepsis  der  Scheide  resp.  Ungefälii  lichkeit  der  Scheidenkeime  fest- 
halte,  ich  mich  vollständig  ausgeschwiegen  hätte,  woher  ich  mir 
dann  das  Zustandekommen  der  fieberhaften  puerperalen  Erkran¬ 
kungen  erkläre.  Dazu  will  ich  nur  bemerken,  dass  ich  meine  Auf¬ 
gabe  damit  erfüllt  glaubte,  dass  ich  darauf  hinwies,  dass  bei  den 
beobachteten  Geburten  wirklich  eine  A'erminderung  der  Morbidi¬ 
tät  zu  konstatiren  war,  und  ich  glaubte  desslialb  auch  weiter 
nicht  auf  alle  zur  Zeit  gangbaren  diesbezüglichen  A'ermuthungen 
eingelien  zu  müssen,  da  ich  ja  doch  kein  weiteres  Material  zur 
Klärung  dieser  Fragen  zur  Verfügung  hatte.  Herr  Hof  meier 
ist  uns  übrigens  auch  in  seiner  neuesten  Publikation  die  Antwort 


*)  Vergl.  diese  NA'ochenschrift  No.  18,  1902. 

‘)  „Feber  den  AA'ochenbettsverlauf  bei  präzipitirten  Geburten 
und  solchen  Geburten,  bei  denen  keine  Hilfeleistung  von  Seiten 
geburtsleitender  Personen  stattfand.“  Arcli.  f.  Gynäkol.  Bd.  <>8, 
II.  1  u.  2. 


1.  Juli  1902. 


1103 


MEENCHENER  M EDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


auf  die  Frage  nach  diesem  „-woher“  schuldig’  geblieben.  Vielleicht 
wird  es  ihm  aber  möglich  sein,  nach  dem  nächsten  Tausend  seiner 
Geburten  einen  Beitrag  hiezu  zu  liefern,  wenn  er  bei  weiterer  Zu¬ 
nahme  der  Feberfüllung  seiner  Klinik,  was  er  ja  selbst  schon  mit 
Misstrauen  betrachtet,  und  bei  weiterer  intensiverer  Inanspruch¬ 
nahme  seines  Pflegepersonals  auf  20  Proz.  Morbidität  angelangt 
sein  wird,  was  ja  nicht  unmöglich  erscheint,  da  er  von  seiner 
Durchschnittsmorbidität  von  10,7  Proz.  auf  10,4  Proz.  bei  seinem 
letzten  Tausend  bereits  emporgeschnellt  ist. 


Die  Pocken  in  London  und  die  engl.  Impfgesetzgebung.*) 

Von  Dr.  O  p  p  e  in  Dresden. 

M.  II.!  Wenn  ich  es  wage,  Ihre  Aufmerksamkeit,  für  eine 
halbe  Stunde  auf  ein  uns  räumlich  recht  fern  liegendes  Gebiet  zu 
lenken,  so  ermuthigt  mich  dazu  einerseits  das  allgemeine  Interesse, 
das  v  ir  Aerzte  den  epidemischen  Krankheiten  entgegenbringen, 
andererseits  aber  die  besondere  Antheilnahme  an  der  Schutz¬ 
impfung  und  ihren  Beziehungen  zu  den  Pockenepidemien  der  Ver¬ 
gangenheit  und  Gegenwart.  Wie  die  medizinische  Wissenschaft 
trotz  ihrer  phänomenalen  Fortschritte,  die  sie  im  vergangenen  Jahr¬ 
hundert  gezeitigt,  auf  allen  ihren  Spezialgebieten  von  Laien,  leider 
allerdings  auch  von  verständnislosen  Aerzten  angefeindet  worden 
ist,  so  ist  es  der  Schutzimpfung  ganz  besonders  ergangen.  Ihre 
fabelhaften  Erfolge  sind  nicht  im  Stande  gewesen,  ihr  die  wohl¬ 
verdiente  widerspruchslose  Anerkennung  zu  verschaffen,  und 
allenthalben  wird  sie  von  ihren  Gegnern  geschmäht  und  ange¬ 
griffen.  Die  Waffen,  deren  sich  ihre  Widersacher  bedienen,  sind 
freilich  nicht  die  saubersten  —  das  Gebahren  dieser  Leute  ist 
Ihnen  zu  bekannt,  als  dass  ich  an  dieser  Stelle  darauf  einzugehen 
nötliig  liiitle  —  umsomehr  ist  es  aber  nötliig,  dass  die  Aerzte,  als 
die  berufenen  Vertlieidiger  der  Schutzimpfung  wachsam  ihr  Auge 
auf  jede  Pockenepidemie  gerichtet  halten,  um  auf  Grund  objektiver 
Beobachtung  und  parteiloser  Statistik  jene  Angriffe  mit  Erfolg  zu- 
riiekweisen  zu  können. 

M.  II. !  Bei  uns  in  Deutschland  sind  nur  noch  die  älteren 
Generationen  der  Aerzte  mit  der  Variola  als  einer  Volkskrankheit 
bekannt;  die  jüngeren  kennen  sie  zum  Tlieil  vielleicht  von  den 
einzelnen  abortiven  Fällen  her,  die  hier  und  da  vorgekommen  sind, 
aber  die  meisten  von  ihnen  verdanken  ihre  Bekanntschaft  mit  der¬ 
selben  lediglich  ihrem  Lehrbuch  der  inneren  Medizin. 

Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  im  Ausland:  Nicht  nur  in 
aussereuronäisehen  Ländern,  wie  in  den  als  Handelsplätzen  bedeut¬ 
samen  Häfen  Ostasiens  und  Indiens,  auch  im  kultivirten  Europa 
erscheint  diese  furchtbare  Krankheit  immer  wieder  und  drückt 
ihnen  Opfern,  soweit  sie  überhaupt  am  Leben  bleiben,  ihr  ent¬ 
stellendes  Mal  auf.  So  ist  sie  in  diesem  und  in  dem  vergangenen 
Jahre  in  Italien  und  den  Niederlanden  aufgetreten;  in  Paris  er¬ 
krankt*!)  im  1.  Halbjahr  1901  1998  Personen  an  den  Blattern,  und 
274  von  ihnen  starben.  In  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord¬ 
amerika.  deren  Kultur  heute  der  europäischen  kaum  noch  nacli- 
steht.  waren  laut  amtlicher  Bekanntmachung  in  den  Marine  Hos¬ 
pital  Service  Reports  am  10.  Februar  d.  J.  12  120  Personen  wegen 
Pocken  in  Behandlung.  Am  schlimmsten  heimgesucht  ist  aber  zur 
Zeit  London,  wo  die  Pocken  seit  '•’•/>  Jahren  in  bedenklicher  Weise 
hausen.  Von  deutscher  Seite  ist  ihrem  Auftreten  auffallend  ge¬ 
ringes  Interesse  entgegengebracht  worden;  monatelang  haben 
unsere  medizinischen  Zeitschriften  vollständiges  Schweigen  be¬ 
wahrt  und  auch  jetzt  noch  finden  Sie  weiter  nichts  als  kurze, 
trocken  gehaltene  Berichte  von  wenigen  Zeilen  in  den  eiuschlagen¬ 
den  Blättern. 

M.  H. !  Kurze  Zeit  ist  erst  verflossen,  seitdem  die  medizinische 
Welt  die  Hundertjahrfeier  der  Schutzimpfung  begangen,  und  dass 
England,  das  Vaterland  Jenne  r’s,  gerade  jetzt  eine  intensive 
Pockenepidemie  erleidet,  ist  eine  eigenthümliche  Fügung  des 
Schicksals.  Es  liegt  nahe,  diese  jüngste  Epidemie  mit  der  im  Jahn« 
1898  erfolgten  Aufhebung  des  allgemeinen  Impfzwanges  in  Eng¬ 
land  in  Verbindung  zu  bringen,  und  zu  diesem  Zwecke  hatte  ich 
mich  mit  ihren  Einzelheiten  etwas  näher  bekannt  gemacht,  aber 
ich  muss  schon  hier  erwähnen,  dass  ein  schlagender  Beweis  mit 
dem  bis  heute  vorliegenden  ungenauen  statistischen  Material  noch 
nicht  geführt  werden  kann.  Immerhin  lohnt  es  sieh,  der  An¬ 
gelegenheit  etwas  Interesse  zu  widmen. 

London  hat  seit  Einführung  des  Impfzwanges  im  Jahre  1887 
5  Epidemien  (1871/72,  1877/78,  1881,  1884/85,  1893)  erlebt,  ist  aber 
auch  in  den  Zwischenzeiten  nicht  frei  von  Pocken  geblieben.  Die 
besten  Jahre  waren  1889  und  1898  mit  je  5  Aufnahmen  in  die 
Pockenspitäler.  Auch  im  Jahre  1901  kamen  zunächst  nur  verein¬ 
zelte  Fälle  vor,  monatlich  1 — 5,  bis  im  August  die  Seuche  in 
mehreren  Stadttlieilen  Fuss  fasste  und  bald  bedenkliche  Verbrei¬ 
tung  erfuhr.  Bei  wöchentlichen  Zugängen  von  120  bis  170  Pocken¬ 
kranken  belief  sich  der  Bestand  derselben  am  Ende  des  Jahres  auf 
nicht  ganz  000;  gestorben  waren  bis  dahin  247.  Ende  März  lagen 
1526  Kranke  in  den  Pockenspitälern  und  von  den  säinmtliclien  seit 
August  an  Pocken  erkrankten  5841  Menschen  waren  bis  836 
=  14,3  Proz.,  nach  anderen  Angaben  sogar  24  Proz.  gestorben. 
Die  täglichen  Zugänge  betragen  auch  jetzt  noch  immer  50 — 90, 
die  wöchentlichen  Todesfälle  60 — 70. 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil¬ 
kunde  in  Dresden. 


M.  H.!  Diese  Zahlen  ve ranlass ten  natürlich  die  Gesundheits¬ 
behörden,'  den  Kampf  gegen  das  unheimliche  Gespenst  mit  allen 
Mitteln  aufzunehmen;  bis  jetzt  ist  der  Erfolg  aber  gleich  null,  weil 
das  englische  Tmpfgesetz  vom  12.  August  1898.  das  einen  verhnng- 
nissvollen  Rückschritt  gegenüber  dem  vorher  bestehenden  be¬ 
deutet,  zu  Zeiten  der  Gefahr  vollständig  im  Stich  lässt.  Dem  Wort¬ 
laut  nach  besteht  der  Impfzwang  zwar  auch  jetzt  noch  in  England, 
seine Durchführung  ist  aber  derartig  erschwert  ja  zum  Theil  selbst 
unmöglich  gemacht,  dass  man  ruhig  von  einer  Aufhebung  des¬ 
selben  reden  kann.  Sie  gestatten  mir,  die  charakteristischen  Punkte 
der  heute  geltenden  Impfgesetzgebung  kurz  zu  berühren,  und  Sie 
werden  sich  der  Feherzeugung  nicht  verschlissen  können,  dass 
dieselbe  ganz  ungenügend  ist  und  die  segenspendende  Einrichtung 
der  Schutzimpfung  zu  einer  Farce  herabdrückt.  Man  gewinnt  den 
Eindruck,  dass  nif-ht  objektiv  urtheilenden  Politikern  und  Männern 
der  Wissenschaft,  sondern  .einem  Chor  fanatischer  Impfgegner 
dieses  Gesetz  seine  Entstehung  verdankt. 

Wie  eben  erwähnt,  ist  der  Impfzwang  im  Prinzip  zwar  bei¬ 
behalten,  ja  durch  Erhöhung  des  impfpflieiitigen  Alters  von  3  auf 
6  Monate  wohl  sogar  verbessert  worden;  die  Impflinge  brauchen 
aber  nicht  zu  einem  öffentlichen  Impftermine  gebracht  zu  werden, 
sondern  es  muss  auf  Verlangen  der  Distriktsimpfarzt  die  Impfung 
in  der  Wohnung  derselben  vornehmen.  Ist  ein  Kind  im  Alter  von 
4  Monaten  noch  nicht  geimpft,  so  soll  dieser  nach  vorausgegangener 
24  ständiger  Anmeldung  die  Impfung  in  der  Wohnung  des  Kindes 
anbieten.  Wenn  man  sich  vorstellt,  wie  viel  Zeit  für  eine  ge¬ 
wissenhafte  Ausführung  gerade  dieser  Vorschrift  erforderlich  ist. 
wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  was  dem  Impfarzt  dabei  vor  den 
Thiiren  eines  Impfgegners  passiven  kann,  so  sieht  man  eben  ein, 
dass  dieser  Paragraph  weiter  keinen  Zweck  hat,  als  dem  Impf¬ 
zwang  ein  Hinderniss  entgegenzusetzen.  Noch  -wirksamer  in 
diesem  Sinne  ist  freilich  der  folgende  Absatz,  der  als  sogen.  Ge¬ 
wissensklausel  auch  bei  uns  in  Deutschland  bekannt  geworden  ist 
und  berechtigtes  Kopfschütteln  erregt  hat.  Er  lautet: 

„Straffrei  bleibt  trotz  Impf  Verweigerung,  wer  innerhalb  4  Mo¬ 
naten  nach  der  Geburt  eines  Kindes  an  Gerichts-  oder  Magistrats¬ 
stelle  versichert,  dass  er  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  die 
Impfung  für  seinem  Kind  nachtheilig  hält  und  ein  Zeugniss  hie¬ 
rüber  rechtzeitig  dem  Impfamt  einreicht.“ 

Es  hat  also  jeder  Mensch,  der  Vater  oder  Vormund  eines 
Säuglings  ist,  ohne  Rücksicht  auf  seinen  Bildungsgrad  und  seine 
sonstige  Befähigung  das  Recht,  auf  Grund  seiner  rein  subjektiven 
Auffassung  sein  Kind  der  Impfung  zu  entziehen;  denn  eine  objek¬ 
tive  Würdigung  der  Impffrage  darf  man  wohl  nur  bei  den  wenig¬ 
sten  Menschen  voraussetzen. 

Dass  bei  diesem  Regime  Strafen  wegen  Impfhinterziehung 
noch  Vorkommen,  möchte  wunderbar  erscheinen,  muss  aber  doch 
der  Fall  sein,  denn  der  folgende  Absatz  des  Gesetzes  spricht  aus, 
dass  solche  Strafen  in  Bezug  auf  ein  und  dasselbe  Kind  nur  ein¬ 
mal  verhängt  werden  können.  Dieselbe  Frage  hat  übrigens  auch 
bei  uns  in  Deutschland  gespielt,  ist  aber  zum  Glück  im  entgegen¬ 
gesetzten  Sinne  entschieden  worden  (Landgericht  Magdeburg, 
23.  November  1880).  Das  Prinzip  nur  einmaliger  Bestrafung  bei 
fortgesetzter  Impfverweigerung  bedeutet  in  der  Praxis  weiter 
nichts  als  einen  Loskauf  vom  Impfzwang  und  ist  vom  sittlichen 
Standpunkt  aus  noch  viel  verwerflicher  als  die  Gewissensklausel. 

M.  H.!  Wie  war  es  möglich,  dass  ein  derartiges  Gesetz  Billi¬ 
gung  finden  konnte  bei  einem  Volke,  das  sieh  den  übrigen  For¬ 
derungen  der  Hygiene  sehr  zugänglich  erwiesen  hat?  Man  kann 
sich  diesen  Rückschritt,  der  ganz  allgemein  mit  Befriedigung  auf¬ 
genommen  worden  sein  muss  — -  dafür  spricht  der  Umstand,  dass 
unmittelbar  nach  seinem  Inkrafttreten  innerhalb  5  Monaten 
230  000  Kinder,  d.  i.  mehr  als  ein  Viertel  aller  in  einem  Jahre 
Geborenen,  auf  Grund  der  Gewissensklausel  von  der  Impfung 
befreit  wurden  — nur  dadurch  erklären,  dass  das  ursprüngliche 
Impfgesetz  und  seine  Ausführung  mangelhaft  gewesen  sind.  Tliat- 
sächlicli  finden  sich  auch  Mängel  —  so  das  frühe  Alter  von  3  Mo¬ 
naten,  in  welchem  die  Kinder  zu  impfen  waren,  die  Verwendung 
menschlicher  Lymphe,  deren  Gefahren  nicht  abzuleugnen  sind, 
und  das  vollständige  Fehlen  der  Revaccination.  deren  Nothwendig- 
keit  uns  längst  bekannt  ist.  Man  hat  in  England  die  Dauer  des 
Impfschutzes  weit  überschätzt,  wenn  man  die  einmalige  Impfung 
für  genügend  hielt.  Nichts  schadet  aber  erfahrungsgemäss  einer 
guten  Sache  mehr  als  die  Uebertreibung  ihrer  Leistungsfähigkeit 
—  unausbleiblich  ist  dann  der  Rückschlag,  der  das  allzugrosse 
Vertrauen  in  Misstrauen  verwandelt  und  in  der  grossen  Masse 
die  Anhänger  derselben  zu  Zweiflern  und  Gegnern  macht.  Schliess¬ 
lich  kann  auch  den  englischen  Aerzten  der  Vorwurf  nicht  er¬ 
spart  werden,  dass  sie  bei  der  Impfung  nicht  immer  die  Sachlich¬ 
keit  und  Sorgsamkeit  an  den  Tag  gelegt,  die  erforderlich  gewesen 
wäre.  Es  hat  die  englische  Kommission  zur  Prüfung  der  Impf¬ 
frage,  die  von  1889  bis  1896  Erhebungen  über  angebliche  Impf¬ 
schäden  angestellt  hat,  laut  Veröffentlichung  des  Kaiserlichen  Ge¬ 
sundheitsamtes  gefunden,  dass  von  425  behaupteten  Fällen  in  41 
die  nothwendigen  Vorsichtsmaassregeln  bei  der  Impfung  ausser 
Acht  gelassen  worden  waren.  Diese  fallen  natürlich  den  Aerzten 
und  dem  von  ihnen  begründeten  und  vertheidigten  Impfzwang 
zur  Last  und  haben  zweifellos  viel  zur  Aufhebung  desselben  bei- 
getra  gen. 

Auch  heute  noch  herrscht  in  England  eine  gewisse  Kritik¬ 
losigkeit  in  der  Beurtheilung  des  Impfwesens  und  der  Pocken¬ 
infektion.  So  tauchen  immer  wieder  Berichte  über  Impftetanus 

6* 


ilu-l 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHEN SCHRIFT. 


Nt 


«•iuf,  von  (lenen  keiner  einer  strengen  Kritik  Stand  halten  kann. 
Nicht  ein  einziges  Mal  ist  nachgewiesen,  (lass  die  Lymphe  der 
Träger  der  Tetanusinfektion  gewesen  ist,  sondern  jedes  Mal  bewies 
der  ungestörte  Verlauf  der  Schutzpocken  bei  den  geimpften  an¬ 
deren  Personen,  dass  die  Infektion  eine  andere  Quelle  gehabt 
haben  musste. 

Ein  anderes  Beispiel  ist  das  folgende:  In  der  No.  2  vom 
22.  Februar  der  Lancet  sucht  ein  Dr.  Th  res  h,  medical  ofticer 
von  Essex,  zu  beweisen,  dass  von  den  in  der  Themse  verankerten 
I'ockenscliiffen  ein  gegenüber  nahe  dem  Vf  er  gelegenes  Dörfchen 
Namens  Purfleet  auf  dem  Wege  der  Luft  intizirt  worden  sei;  die 
Absperrung  der  Schiffe  sei  eine  vollkommene  und  die  herrschende 
Windrichtung  habe  in  der  kritischen  Zeit  von  diesen  nach  dem 
Dorfe  geführt  —  ergo  habe  der  Wind  die  Krankheit  übertragen. 
Ganz  abgesehen  davon,  dass  die  beschuldigte  Windrichtung  (SW) 
keineswegs  eine  ausschliessliche  gewesen  ist,  hat  der  Verfasser, 
ein  beamteter  Arzt,,  eine  andere  Infektionsmöglichkeit  ganz  un¬ 
beachtet  gelassen:  Sieht  man  sich  nämlich  eine  Karte  des  unteren 
Themselaufes  an,  so  findet  man.  dass  der  genannte  Ort  Station 
der  von  London  nach  Tilbury  führenden  Eisenbahn  ist.  und  dass 
andere  Eisenbahnstationen  erst  in  dreifacher  Entfernung  wieder 
zu  erreichen  sind.  Da  nun  der  Besuch  Angehöriger  auf  den 
Pocken  schiffen  ebenso  wie  in  den  Spitälern  an  Land  nicht  ver¬ 
weigert  wird,  so  muss  sich  ganz  selbstverständlich  ein  mehr  oder 
minder  reger  Verkehr  zwischen  Bahnhof  und  Pockenschiffen  ent¬ 
wickelt  haben,  der  viel  ungezwungener  als  Verbreiter  der  Krank¬ 
heit  herangezogen  werden  kann  als  die  Luft. 

Ich  komme  damit  auf’s  Gebiet  der  Prophylaxe,  deren 
schwächsten  Punkt  der  mangelhafte  Impfschutz  des  Volkes  dar¬ 
stellt.  Nicht  minder  beachtlich  ist  aber  die  ungenügende  Isolirung 
der  Pockenspitäler,  zu  denen  die  Angehörigen  der  Kranken  Zutritt 
erhalten,  gleichviel  ob  sie  geimpft  sind  oder  nicht.  Die  hierfür 
geltenden  Bestimmungen  atlimen  eine  eigenthiimliche  Naivität, 
so  dass  ich  mir  es  nicht  versagen  kann,  sie  Ihnen  kurz  zu  be¬ 
richten.  Sie  finden  sich  in  einem  Sitzungsbericht  des  englischen 
Unterhauses,  in  welchem  der  Präsident  of  the  Local  Government 
Board  am  1.  Februar  d.  .Ts.  interpellirt  wurde.  Veranlassung  war 
die  Erkrankung  und  der  Tod  einer  Frau  «aus  Rugby,  die  sich  beim 
Besuch  ihres  sch  werk  ranken  Sohnes  auf  einem  der  Pockenschiffe 
intizirt  hatte.  Die  Bestimmungen  lauten:  ,. Zugelassen  werden  An¬ 
gehörige  nur  zu  Schwerkranken,  deren  Ableben  zu  erwarten  ist. 
Die  Besucher  erhalten  bei  ihrer  Ankunft  eine  leichte  Mahlzeit, 
damit  sie  körperlich  widerstandsfähiger  werden.  Alsdann  fragt 
man  sie  nach  der  früheren  Impfung  aus  und  fordert  sie  dringend 
auf,  sich  wieder  impfen  zu  lassen.  Ablehnung  hindert  jedoch  nicht 
den  Besuch.  Nunmehr  betreten  sie,  in  Mantel  und  Mütze  gehüllt, 
für  einige  Minuten  den  Krankensaal,  dürfen  aber  keinen  Patienten 
noch  dessen  Bett  berühren  und  waschen  sich  nach  dem  Heraus¬ 
treten  Gesicht  und  Hände.“  M.  1L!  Dass  ein  gut  genährter  Körper 
ceteris  p.aribus  einer  Infektion  schwerer  unterliegt  als  einer  von 
mangelhaftem  Ernährungszustand,  ist  ja  richtig.  Dass  aber  eine 
einzige  unmittelbar  vor  der  Infektionsgelegenheit  (überdies  noch 
im  Pockenschiff  selbst!)  verabreichte  Mahlzeit  in  diesem  Sinne 
wirken  soll,  wer  mag  das  glauben? 

Naturgemäss  haben  sich,  besonders  unter  den  Aerzten,  Stim¬ 
men  erhoben,  die  den  Zutritt  zu  den  Spitälern  von  einer  vorher 
erfolgten  Impfung  bezw.  Wiederimpfung  abhängig  gemacht  wissen 
wollten,  aber  diese  Stimmen  der  Vernunft  drangen  nicht  durch. 
So  endet  am  25.  Januar  1902  ein  Meeting  des  Londoner  Metropoli¬ 
tan  Asylurn  Board,  einer  Art  Krankenpflegeamtes,  mit  folgendem 
Bericht  der  Krankenhauskommission:  ,.Die  Kommission  hält  es 
nicht  für  möglich,  dass  der  Besuch  eines  Pockenkranken  im 
Hospital  nur  unter  der  Bedingung  gestattet  werde,  dass  der  Be¬ 
suchende  sich  vorher  impfen  lässt“. 

Dieser  Satz  wird  als  Resolution  angenommen,  nachdem  ein 
Antrag,  die  Vaccination  als  Eintrittsbedingung  zu  fordern,  abge¬ 
lehnt  worden  war,  da,  wie  der  Vorsitzende  bezeichnend  sagt,  ein 
derartiges  Verfahren  nimmermehr  im  Lande  geduldet  werden 
würde. 

M.  H.!  Die  Tliatsaclie,  dass  London  unter  dem  30  jährigen 
Regime  des  absoluten  Impfzwanges  5  Pockenepidemien  eriebt  hat, 
scheint  im  ersten  Augenblick  den  Werth  desselben  bedenklich 
herabzusetzen.  Erwägt  man  aber  die  Schwierigkeit,  welche  seiner 
Durchführung  bei  der  Grösse  der  Stadt  erwuchs,  berücksichtigt 
man,  dass  die  gesammte  Bevölkerung  bis  auf  wenige  Ausnahmen 
nie  wieder  geimpft  wurde  und  demgemäss  schon  vom  2.  Dezennium 
ihres  Lebens  ab  nicht  mehr  immun  war,  so  findet  man  schon  in 
diesen  beiden  Momenten  eine  Erklärung  für  die  Entwicklung 
dieser  5  Epidemien.  Der  Boden  war  aber  für  dieselben  noch  besser 
vorbereitet  durch  den  unglaublichen  Schlendrian,  mit  dem  der 
Imf zwang  durchgeführt  wurde,  und  durch  die  unaufhörlichen 
Zwistigkeiten  zwischen  den  am  Impfgeschäft  betheiligten  Amts¬ 
personen  und  Behörden.  So  hatten  z.  B.  in  Leicester  die  Guardians 
ni  tlu*  poor,  eine  mit  Armen-  und  Krankenpflege  betraute  Behörde, 
die  sich  nicht  selten  in  Gegensätzen  zu  Regierung  und  Magistrat 
zu  gefallen  scheint,  im  Jahre  1890  einen  Impfgegner  zum  Vacci¬ 
nation  ofticer  gewählt.  Die  Regierung  verweigerte  indessen  seine 
Bestätigung  und  setzte  die  Wahl  einer  anderen  Persönlichkeit 
durch,  der  aber  von  jenen  Guardians  die  grössten  Schwierigkeiten 
in  Ausübung  ihres  Amtes,  besonders  in  der  Vollstreckung  von 
Strafen  wegen  Impfhinterziehung,  gemacht  wurden. 


In  einer  kleinen  Stadt  Cornwalls,  Ulster,  hatte  der  Magistrat 
unter  dem  Eindruck  der  benachbarten  Epidemie  seinen  Bürgern 
unentgeltliche  Impfung  angeboten,  oliue  dass  dieses  Entgegen¬ 
kommen  entsprechend  benutzt  worden  wäre.  Als  Ursache  wurde 
schliesslich  festgestellt,  dass  die  Guardians,  die  hier  nicht  minder 
als  in  Leicester  impfgegnerisch  gesinnt  waren,  in  der  Stadt  das 
Gerücht  verbreiteten,  jeder  derart  unentgeltlich  Geimpfte  käme 
auf  die  Armenliste. 

Unter  solchen  Verhältnissen  konnte  es  nicht  ausbleiben.  dass 
Impfhinterziehungen  an  der  Tagesordnung  waren;  1890  beliefen 
sie  sich  nach  einer  Angabe  in  den  Veröffentlichungen  des  Deut¬ 
schen  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  (1900,  S.  400)  auf  25  Proz. 
der  in  einem  Jahre  Geborenen.  Berechnet  man  sich  aus  diesen 
Thatsaclien  den  Grad  der  Immunität,  den  England  in  Wirklichkeit 
besessen,  so  kommt  man  auf  ein  höchst  minimales  Ergebniss. 
Jährlich  wurden  etwa  000  000 — 700  000  Kinder  geimpft,  die  nach 
unserer  deutschen  Auffassung  10  Jahre  immun  blieben,  so  dass 
die  Gesammtzahl  der  Immunisirten  ohne  Berücksichtigung  der 
grossen  Abgänge  durch  Tod  und  Auswanderung  nie  mehr  als  0  bis 
7  Millionen  betragen  haben  kann.  Wenn  nun  auch  diese  Zahl 
nach  Einführung  der  Gewissensklausel  sich  bereits  verringert  hat 
und  sich  in  Zukunft  noch  mehr  verringern  wird,  so  ist  sie  auch 
schon  während  des  noch  bestehenden  Impfzwanges  absolut  und 
relativ  zu  niedrig  gewesen,  so  dass  die  Beseitigung  des  letzteren 
eigentlich  keine  Neuerung  war,  sondern  nur  eine  Sanktioninmg 
längst  bestehender  Verhältnisse  bedeutete.  Aus  demselben  Grunde 
wird  leider  auch  eine  genaue  Statistik  später  keine  scharfe  Grenze 
im  Immunverhältniss  Englands  vor  und  nach  dem  12.  August 
1S98  feststellen  können,  eine  Thatsache,  die  wir  im  Hinblick  auf 
die  Lehren,  die  man  daraus  ziehen  könnte,  recht  bedauern  müssen. 
Aber  die  beste  Belehrung  gibt  uns  nicht  die  Statistik,  sondern  die 
Praxis,  aus  welcher  der  Einsichtige  willig  seine  Erfahrung  sam¬ 
melt,  während  der  Uebelwollende  auch  durch  die  beste  Statistik 
nicht  zu  belehren  ist.  Gewisse  Resultate  liegen  aber  auch  schon 
heute  vor.  Nach  einer  Angabe  der  Zeitschrift  für  Medizimnlbeamte 
vom  1.  April  d.  .T.  vertheilen  sich  die  Todesfälle  der  Londoner 
Pockenepidemie  derart,  dass  von  den  Geimpften  14,21  Proz.,  von 
den  Nichtgeimpften  50,52  Proz.  gestorben  sind.  Nach  einer  eng¬ 
lischen  Statistik,  die  allerdings  nur  bis  Ende  Dezember  v.  «T.  reicht, 
ist  das  Verhältniss  noch  wesentlich  besser  für  die  Geimpften,  von 
denen  das  Alter  bis  zu  10  Jahren  0  Proz.  und  zwischen  10  und 
20  Jahren  2,01  Proz.  aufweist,  während  ganz  entsprechend  dem 
Abklingen  des  Impfschutzes  in  späteren  Dezennien  zwischen  “0 
und  70  Jahi-en  die  Mortalität  wieder  30  Proz.  beträgt. 

Trotzdem  haben  Unterhaus  und  Regierung  einen  neuerdings 
eingebracliten  Antrag  auf  Aufhebung  der  Gewissensklausel  ab¬ 
gelehnt. 

Wir  deutschen  Aerzte  müssen  die  Londoner  Epidemie,  so 
schwer  sie  die  Betheiligten  selbst  trifft,  mit  einer  gewissen  Genug- 
thuung  begriissen,  weil  sie  schliesslich  doch  die  Schutzimpfung 
dort  wieder  zum  wohlverdienten  Ansehen  bringen  und  hoffentlich 
auch  bei  uns  dazu  beitragen  wird,  den  unaufhörlich  andringendeu 
Impfgegnern  die  Waffen  aus  der  Hand  reissen. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Festschrift  zur  Feier  des  50jährigen  Bestehens  des  ärzt¬ 
lichen  Vereines  Nürnberg.  1852 — 1902.  Nürnberg,  k.  b.  Hof¬ 
buchdruckerei  G.  P.  J.  Bielin  g-Dietz.  1902. 

Es  ist  aus  der  Geschichte  des  ärztlichen  Vereinswesens  in 
Deutschland  bekannt,  dass  erst  mit  dem  Beginne  des  19.  Jahr¬ 
hunderts  die  deutschen  Aerzte  in  grösserem  Maassstabe  begannen, 
sich  in  Vereinen  zusammenzuscliliessen,  und  speziell  Mittel¬ 
franken  hatte  schon  1808  in  der  physikalisch-medizinischen  So¬ 
zietät  in  Erlangen  ein  solches  wissenschaftliches  Zentrum  ge¬ 
wonnen.  Während  um  das  „tolle  Jahr  48“  herum  eine  ganze 
Reihe  der  inzwischen  gegründeten  ärztlichen  Vereine  eines  mehr 
oder  minder  gewaltsamen  Todes  starben,  sehen  wir  in  Mittel¬ 
franken  im  Jahre  1852  einen  neuen  ärztlichen  Verein  in’s  Lieben 
treten,  jenen  zu  Nürnberg,  eben  den,  dessen  50  jähriges  Bestehen 
die  vorliegende  Festschrift  feiert. 

Von  den  13  Aerzten,  welche  an  der  konstituirenden  Ver¬ 
sammlung  vor  50  Jahren  Theil  nahmen,  lebt  noch  Einer,  der 
Nestor  der  Nürnberger  Aerzte:  Herr  Ilofrath  Dr.  Julius  Cnopf, 
und  dieser  nämliche  Tauf  zeuge  unseres  heutigen  Geburtstags¬ 
kindes  hat  nun  auch  die  an  erster  Stelle  der  Festschrift  stehende 
Geschichte  des  Vereines  verfasst,  in  welcher  er  die  damalige 
Situation  .der  mittelfränkisehen  und  insbesondere  Nürnberger 
Aerzte,  die  Erwartungen,  welche  an  die  Gründung  des  Neulings 
geknüpft  wurden,  seine  Ziele  und  Aussichten  in  höchst  anschau¬ 
licher  und  interessanter  Weise  schildert,  lebendig  und  echt,  wie 
es  eben  nur  ein  Mitarbeiter  und  Mitkämpfer  kann.  Dass 
wissenschaftlicher  Geit  und  Schaffensfreudigkeit  allezeit  in  den 


1.  Juli  1902. 


1105 


11 U E NCHENER  M E D LCI N 1 


Reihen  des  Nürnberger  Vereines  gelebt  hat,  wie  das  Vorwort  mit 
gerechtem  Stolze  sagt,  geht  aus  dem  in  der  Vereinsgeschichte 
niedergelegten  Material,  das  für  die  Geschichte  des  deutschen 
Aerztestandes  im  19.  Jahrhundert  eine  Fülle  unschätzbarer  Mit¬ 
theilungen  in  sich  schliesst,  auf  das  Glänzendste  hervor.  Wer 
aber  die  heutige  Festschrift  zur  Hand  nimmt,  wird  gestehen, 
dass  diese  alte  Devise  des  Nürnberger  Vereines  mit  ungeschwäch¬ 
ter  Kraft  weiter  wirkt.  Von  den  107  derzeitigen  Mitgliedern 
haben  36  Arbeiten  beigesteuert.  Dieselben  sind  —  und  das  er¬ 
füllt  uns  Aerzte  alle  mit  Stolz  —  neuerdings  ein  glänzendes 
Zeugniss  dafür,  wie  intensiv  und  mit  welchem  Erfolge  die  deut¬ 
schen  Aerzte  bei  der  Arbeit  sind,  sich  und  die  Wissenschaft,  der 
sie  dienen,  weiter  zu  führen.  Sie  wollen  das  nicht  den  Uni¬ 
versitäten  überlassen,  sondern  beanspruchen  ihr  Theil  an  dieser 
Aufgabe  ohne  Rast.  Der  Nürnberger  Verein  steht  da  als  ein 
typisches  Beispiel  dafür,  dass  die  deutschen  Aerzte  aller  Zeiten¬ 
missgunst  zum  Trotz  nicht  ablassen,  den  Kern  und  das  Wesen 
ihres  Berufes  nicht  in  krämerhafter  Gewinnsucht,  sondern  in 
dessen  wissenschaftlichem  Geiste  zu  erblicken.  Alle  diese  Ar¬ 
beiten  sind  der  praktischen  ärztlichen  Thätigkeit  entsprungen, 
entstammen  unmittelbar  dem  Leben  und  sind  wieder  dafür  be¬ 
stimmt,  die  ferner  liegende  Theorie  den  Universitäten  über¬ 
lassend.  Ueberblickt.  man  sie  als  Ganzes,  so  erscheinen  die  Ar¬ 
beiten  in  typischer  Weise  als  eine  Zusammenfassung  dessen,  was 
die  praktischen  Aerzte  ihrerseits  zum  Ausbau  der  medizinischen 
Wissenschaft  beizutragen  im  Stande  sind.  Es  ist  dies  Gebiet 
eines  von  grösster  Vielseitigkeit  und  dem  ausserordentlichsten 
praktischen  Werthe.  Das  haben  die  Aerzte  Nürnbergs,  dessen 
Regsamkeit  im  Allgemeinen  ja  sehr  wohl  mit  jener  Hamburgs 
verglichen  werden  darf,  also  unsere  bayerischen  Hamburger  Kol¬ 
legen,  für  Jeden  bewiesen,  der  nur  einen  Blick  in  ihre  Festschrift 
thun  will! 

Aus  dem  so  reichen  Inhalte  derselben  kann  natürlich  hier 
nur  Kurzes  angeführt  werden.  Abgesehen  von  der  historischen 
Einleitung,  deren  ich  oben  schon  Erwähnung  that,  bietet  die 
Festschrift  noch  eine  weitere  Studie  historischen  Charakters 
dar,  nämlich  „die  Universität  Altdorf  und  ihre  medizinische 
Fakultät“  von  R.  Landau  in  Nürnberg,  ein  sehr  interessanter 
Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Universitäten.  An  der 
Spitze  der  fachwissenschaftlichen  Beiträge  aber  steht  ein  Auf¬ 
satz  von  v.  Ziemssen:  „Zur  Phototherapie“,  wohl  die  letzte 
wissenschaftliche  Publikation  des  uns  jüngst  durch  den  Tod  ent¬ 
rissenen  Gelehrten,  der  Ehrenmitglied  des  Nürnberger  Vereines 
gewesen  war  und  jederzeit  enge  Fühlung  mit  demselben  be¬ 
wahrt  hatte,  v.  Ziemssen  theilt  die  günstigen  Erfolge  der 
Lichttheräpie  bei  2  Kranken  mit  Mycosis  fungoides  und  mit 
Favus  mit,  modern  wie  immer  fussend  auf  den  allerjüngsten  Ver¬ 
öffentlichungen  betreff  der  Finsentherapie.  Julius  Cnopf,  der 
Historiograph  des  Vereines,  hat,  ein  Zeichen  seiner  jugendlichen 
Schaffensfreude,  auch  noch  einen  medizinischen  Beitrag  ge¬ 
liefert:  „Die  spontane  Ruptur  des  Herzens“.  Die  durch  die  Ab¬ 
bildung  des  Präparates  illustrirte  Mittheilung  ist  besonders  da¬ 
durch  bemerkenswert!!,  dass  sie  sich  auf  ein  10  jähriges  Kind  be¬ 
zieht.  K.  B  auer,  Leiter  der  Heilstätte  Engel thal,  schrieb  über 
die  Temperaturbestimmungen  bei  Kranken  in  Lungenheilstätten 
und  befürwortet  eine  2  stündige  Messung  von  früh  Morgens  bis 
8  Uhr  Abends,  und  zwar  wird  dieselbe  unter  der  Zunge  vor¬ 
genommen.  G.  Burgl  steuerte  eine  gerichtsärztliche  Studie 
bei :  „Die  hysterische  Lügenhaftigkeit  vor  dem  Strafrichter“, 
worin  er  ausführt,  dass  die  Hysterischen  unaufhörlich  lügen, 
weil  sie  gar  nicht  anders  können;  das  Charakteristische  der 
hysterischen  Lügen  liegt  in  ihrer  Massenhaftigkeit,  sowie  schein¬ 
baren  Motivlosigkeit.  R.  Cnopf  behandelt  in  seinem  Beitrag 
die  Therapie  der  kindlichen  Nabelhernie  und  bezeichnet  als 
zweckmässig  einen  Verband  mit  einer  Pelotte,  welche  mit  Zink¬ 
oxyd-Guttaperchapilastermull  befestigt  wird,  noch  überdies  fest¬ 
gehalten  durch  ein  Zinkoxydheftpflaster.  Besonders  hat  Verf. 
mich  dem  Vorschläge  von  L  u  t  o  n  Einspritzungen  in  die  Um¬ 
gebung  des  Nabels  gemacht,  mit  einer  Lösung  von  Natr.  phos- 
phorie.  5,0,  Natr.  sulfuric.  10,0  auf  100  Wasser.  Die  über  13  Fälle 
mitgetheilten  Erfolge  sind  sehr  günstige.  Dann  folgt  eine  grös¬ 
sere  Statistik  von  E.  Epstein  über  133  Fälle  tertiärer  Haut¬ 
syphilis,  kasuistische  Beiträge  von  F.  v.  F  o  r  s  t  e  r  und  F.  G  i  u  - 
1  i  n  i,  beide  aus  der  Ophthalmologie,  im  Anschluss  dann  eine 


SCH E  WOCHENSCHRIFT. 

Mittheilung  von  W.  Glauning  über  Pankreaskarzinome.  An¬ 
der  hygienischen  Studie  von  F.  Goldschmidt  über  die 
Sterblichkeit  in  Nürnberg  unter  dem  Einflüsse  hygienischer 
Maassnahmen  ist  zu  ersehen,  dass  die  Kindersterblichkeit  auch 
in  Nürnberg  eine  ausserordentliche  hohe  ist,  sogar  in  den  letzten 
5  Jahren  noch  zugenommen  hat.  Die  Ursache  hievon  liegt  nicht 
klar  zu  Tage.  Hinsichtlich  der  Diphtherie  ist  das  Verhältnis 
der  Erkrankten  zu  den  Verstorbenen  das  gleiche  wie  früher  ge¬ 
blieben.  Im  Allgemeinen  ist  aber  aus  der  generellen  Abnahme 
der  Sterblichkeit  der  klare  Beweis  zu  führen,  wie  segensreich  sich 
die  Durchführung  der  hygienischen  Maassregeln  betreff  der 
Volksgesundheit  gestaltet.  E.  Kiefer  zeigt  in  seiner  Studie 
über  die  erbliche  Belastung  eines  Falles  von  multipler  Neuritis, 
wie  die  ganze  Frage  der  Erblichkeit  nur  durch  das  eingehendste 
Studium  jedes  einzelnen  Falles  weitergeführt  werden  kann.  Die 
umfangreiche  Arbeit  von  K.  Koch  über  76  in  den  letzten 
4  Jahren  von  ihm  operirte  Fälle  von  Blinddarmentzündung  (da¬ 
runter  2  Aktinomykosen)  legt  an  der  Hand  dieses  gut  beobach¬ 
teten  Materials  ausführlich  die  Indikationen  für  chirurgisches 
Eingreifen  bei  dem  so  verschiedenen  Charakter  dieser  Fälle  dar. 
Im  Allgemeinen  erheischt  die  sogen.  Appendicitis  propria  ex- 
spektatives  Verhalten,  die  eitrige  Periappendicitis  aber  opera¬ 
tiven  Eingriff,  wobei  man  im  Allgemeinen  nicht  von  dem  Ge¬ 
danken  ausgehen  darf,  dem  Kranken  die  Operation  ersparen  zu 
wollen.  Gerade  bei  den  schweren  Fällen  der  letzten  Kategorie 
ist  das  während  der  ersten  Tage  oft  eingehaltene  konservative 
Verhalten  gewöhnlich  vom  Uebel. 

8  Arbeiten  der  Festschrift  entstammen  dem  Nürnberger 
neuen  Krankenhause,  auf  dessen  prachtvolle  —  im  hygienischen 
Sinne  gesprochen  —  Einrichtung  die  Nürnberger  allen  Grund 
haben,  stolz  zu  sein.  In  seinen  Ausführungen  über  die  weibliche 
Krankenpflege  bekennt  sich  der  so  erfahrene  Leiter  des  Kranken¬ 
hauses,  Med.-Rath  Merkel,  unbedingt  zu  der  Anschauung,  dass 
die  Krankenpflege  im  weitesten  Umfange  weiblichen  Händen 
anvertraut  werden  muss.  In  seinem  Beitrag:  „Ueber  die  Schmerz¬ 
betäubung  für  Operationen“  erörtert  Goeschel  die  verschie¬ 
denen  Arten  der  Narkosen,  sowie  die  Technik  in  einzelnen 
Punkten,  um  zu  dem  Schlüsse  zu  kommen,  dass  über  die  Art 
der  zweckmässigsten  Narkose  die  Akten  noch  nicht  geschlossen 
seien.  Aus  den  Mittheilungen  von  F  raenkel  über  100  Fälle 
von  Radikaloperation  des  Leistenbruches  nach  der  Methode  von 
B  a  s  s  i  n  i  geht  hervor,  dass  die  letztere  sehr  gute  Resultate  gab, 
indem  von  85  Kranken,  bei  denen  die  Operation  im  Ganzen 
100  mal  ausgeführt  wurde,  keiner  starb  und  auch  der  Dauer- 
eflfekt  befriedigte,  v.  Ebner  berichtet  über  die  an  431  Chlorosen 
gemachten  Beobachtungen  und  führt  besonders  aus,  dass  die 
schon  früher  von  Merkel  ausgesprochene  Anschauung,  dass 
die  Rechtsverbreiterung  des  Herzens  bei  Bleichsüchtigen  nur  eine 
scheinbare  und  im  Wesentlichen  durch  Retraktion  der  Lungen¬ 
ränder  zu  erklären  sei,  durch  die  Untersuchungen  mittels  des 
Orthodiagraphen  Bestätigung  erfahren  habe.  Merkel  gibt 
hiezu  Bemerkungen  über  die  Therapie  der  Chlorose.  F.  Merkel 
berichtet  über  seine  Erfahrungen  bei  Zangengeburten  in  der 
Privatpraxis,  von  denen  er  sämmtliche  200  mit  dem  Prager 
Zangenmodell  ausgeführt  hat.  S.  Merkel  bringt  Nürnberger 
hygienische  Aus-  und  Umblicke,  J.  Neuberger  klinische  Bei¬ 
träge  zur  paraurethralen  und  präputialen  Gonorrhoe,  W.  Olil- 
m  ii  1 1  e  r  eine  hygienische  Studie  über  die  Selbstreinigung  der 
Flüsse,  Arbeiten,  auf  welche  alle  an  dieser  Stelle,  wie  auf  ver¬ 
schiedene  andere,  mehr  kasuistischen  Charakters,  nicht  einge¬ 
gangen  werden  kann.  P  o  r  t,  der  Aeltere,  äussert  sich  zur  mecha¬ 
nischen  Therapie  beim  Gelenkrheumatismus  und  empfiehlt  die 
Fixirung  in  Schwebeschienen  aus  Eisen,  Port,  der  Jüngere, 
gibt  eine  Uebersicht  über  die  Behandlung  der  Gelenktuberkulose 
und  stellt  die  Indikationen  für  das  konservative  und  nicht  ab¬ 
wartende  Vorgehen  auf,  v.  Rad  theilt  2  Fälle  von  Tabes  bei 
Kindern  mit,  das  eine  Kind  war  10  Jahre  alt,  das  andere  erst  7; 
letzteres  bot  noch  nicht  so  ausgesprochen  das  Symptomenbild  der 
Krankheit  dar  wie  ersteres.  A.  Reizen  stein  berichtet  über 
seine  Erfahrungen  betreff  der  Besichtigung  der  Speiseröhre  vom 
Munde  und  vom  Magen  aus,  L,  Rosenfeld  gibt  eine  sehr 
eingehende  Statistik  der  von  ihm  behandelten  Deformitäten,  die 
sich  auf  2046  Fälle  beziehen,  Hofrath  Schilling  schildert 
Fälle,  wo  ein  sogen,  septisches  Exanthem  zur  Beobachtung  kam, 


1106 


No.  26. 


MUENGIIENER  MEDICINISCII E  WOCHENSCHRIFT. 


dessen  dermatologische  Charaktere  er  des  Näheren,  erörtert, 
P.  S  o  li  u  b  e  r  t  veröffentlicht  unter  Beigabe  zahlreicher  Tabellen 
die  Resultate  der  Taubstummenuntersuchungen  an  den  An¬ 
stalten  in  Nürnberg,  Zell  und  Altdorf,  an  denen,  fussend  auf  den 
bekannten  Untersuchungen  von  B  e  z  o  1  d,  nunmehr  auch  Hör¬ 
klassen  eingerichtet  worden  sind,  deren  so  segensreiche  Wirkung 
auch  aus  dieser  Statistik  hervorgeht.  M.  Simon  hat  einen 
Beitrag  über  vaginale  Myomoperationen  geliefert.  Stepp  ver- 
theidigt  in  seinem  Auf satze  über  die  Behandlung  des  chronischen 
Magengeschwürs  die  Wirksamkeit  der  von  ihm  gehandhabten 
Therapie  (neben  entsprechender  Diät  Darreichung  von  Wismuth 
unter  Beifügung  von  Chloroform  durch  mehrere  Wochen  hin¬ 
durch),  Stich  berichtet  schliesslich  über  3  Fälle  von  Fett- 
gewebsnekrose  und  Ilämorrhagie  des  Pankreas. 

Der  so  reiche  Inhalt  der  Festschrift  konnte  nur  in  sehr 
dürftigen  Strichen  skizzirt  werden.  Allein  schon  diese  kurze 
Uebersicht  dürfte  ausreichen,  um  zu  zeigen,  dass  wissenschaft¬ 
licher  Geist  t hatsächlich  im  Nürnberger  Verein  nach  wie  vor 
seine  bleibende  Stätte  gefunden  hat.  Für  den  Nürnberger  Ver¬ 
ein  schöpfen  wir  hieraus  die  frohe  Zuversicht,  dass  er  sein  erstes 
Säkulum  in  unverwüstlicher  Frische  erreichen  wird,  für  uns 
Aerzte  aber,  im  Hinblick  auf  das  von  unseren  Nürnberger  Kol¬ 
legen  für  die  Wissenschaft  und  die  Allgemeinheit  Geleistete, 
die  uns  erhebende  Beruhigung: 

’lctTQOS  J’CtO  ävrjQ  TloWivV  (tvTÜ'ZlOS  uXXa  v. 

Grass  m  a  n  n  -  München. 

David  v.  Hansemann:  Die  mikroskopische  Diagnose 
der  bösartigen  Geschwülste.  2.  Aufl.  Berlin  1902.  Verlag  von 
August  Hirschwald.  Mit  106  Figuren  im  Text. 

I  eher  die  erste  Auflage  des  hier  vorliegenden  Buches  wurde 
seiner  Zeit  in  dieser  Wochenschrift  ausführlich  Bericht  erstattet 
(No.  25,  Jahrgang  1897),  so  dass  hier,  was  die  Anlage  und  den 
allgemeinen  Charakter  desselben  betrifft,  darauf  verwiesen  werden 
kann.  Jedenfalls  ist  die  Thatsache,  dass  in  verhältnissmässig 
kurzer  Zeit  eine  neue  Auflage  nöthig  wurde,  nicht  bloss  wie  Ver¬ 
fasser  hervorhebt,  dem  zunehmenden  Interesse  für  das  Studium 
der  bösartigen  Geschwülste,  sondern  nicht  minder  auch  der  Güte 
und  Originalität  des  Werkes  selbst  zuzuschreiben.  Wie  in  der 
äusseren  Ausstattung,  so  hat  das  letztere  auch  nach  seinem 
inneren  Gehalt  in  der  neuen  Auflage  noch  eine  wesentliche 
weitere  Verbesserung  erfahren.  Wenn  es  auch,  was  gewiss  nur 
als  'S  orzug  betrachtet  werden  darf,  überall  die  eigene,  subjektive 
Ansicht  des  Verfassers  zur  Grundlage  hat,  so  ist  gerade  in  der 
Diskussion  über  einzelne  strittige  Punkte  eine  Darstellung  ge¬ 
geben,  welche  den  Leser  nach  allen  Richtungen  hin  vollkommen 
Orient  irt.  Entsprechend  der  ausführlichen  Berücksichtigung  der 
neuesten  Errungenschaften  der  Geschwulstpathologie  hat  das 
Werk  auch  eine  Zunahme  von  11  auf  15  Kapitel  erfahren.  Neu 
hinzugekommen  ist  ein  Kapitel  über  die  Mischgeschwülste  und 
die  Che  trionepitheliome.  Ausserdem  sei  hier  besonders  auf  die 
neue  Bearbeitung  der  Frage  der  Anaplasie,  der  Ein- 
t h  e  i  1  u  n  g  der  Geschwülste,  die  Darstellung  der  Endo¬ 
thel  i  o  m  e,  der  Aetiologie  der  bösartigen  Tumoren  hin¬ 
gewiesen.  Auch  die  Abbildunge  n  sind  vielfach  vermehrt, 
zum  Theil  auch  durch  neue  ersetzt  worden. 

Die  neue  Auflage  wird  noch  mehr  wie  die  erste  allen  Denen 
ein  werthvoller  Führer  sein,  welche  nicht  bloss  eine  mechanische 
Diagnosenstellung,  d.  h.  Namengebung  der  einzelnen  Geschwulst¬ 
formen,  sondern  eine  Anleitung  zum  tieferen  Studium  und  zum 
Verständniss  der  Morphologie  der  Geschwülste  erstreben. 

Schmaus  -  München. 

Leitfaden  für  den  geburtshilflichen  Operationskurs  von 
Dr.  Albert  Döderlein.  5.  verbesserte  Auflage.  Mit  149  Ab¬ 
bildungen.  Leipzig,  Georg  Thieme,  1902.  VIII  und  190  S. 
Preis  4  Mark. 

Der  D.’sche  Leitfaden  dürfte  der  heutigen  ärztlichen  Genera¬ 
tion  wohl  fast  durchweg  bekannt  sein  und  bedarf  keiner  be¬ 
sonderen  Empfehlung.  Für  seine  Verbreitung  und  Nützlichkeit 
spricht  allein  die  Thatsache,  dass  in  9  Jahren  5  Auflagen  er¬ 
forderlich  wurden.  Das  Buch  hat  seinen  Zweck,  ein  Taschenbuch 
für  den  geburtshilflichen  Operationskurs  und  ein  Vademecum 
für  den  angehenden  Geburtshelfer  zu  sein,  vollauf  erfüllt.  Aber 


auch  der  erfahrene  Praktiker  nimmt  D.’s  Leitfaden  gern  wieder 
zur  Hand,  um  sich  unmittelbar  vor  Operationen  rasch  und 
gründlich  über  Einzelheiten  zu  orientiren.  Hierzu  sind  die  klare, 
präzise  Darstellung  und  die  zahlreichen  trefflichen  Illustrationen, 
die  von  98  in  der  1.  Auflage  jetzt  auf  149  gestiegen  sind,  in  be¬ 
sonderem  Maasse  geeignet.  Ist  das  Buch  auch  in  erster  Linie 
für  Schüler  geschrieben,  so  wird  doch  auch  jeder  beschäftigte 
Praktiker  und  besonders  der  Landarzt,  der  stets  auf  sich  allein 
angewiesen  ist,  den  Leitfaden  gern  als  Repetitorium  für  das  Er¬ 
lernte  zu  Rathe  ziehen.  Die  zahlreichen  Abbildungen,  besonders 
in  den  Kapiteln  über  die  Wendung  und  Zange,  sind  als  vorzüg¬ 
lich  zu  bezeichnen  und  allein  schon  geeignet,  die  Lehre  dieser 
Operationen  einzuüben  und  wieder  im  Gedäehtniss  aufzufrischen. 

Wir  können  das  Buch  jedem  Studirenden  und  Praktiker 
dringend  zur  Anschaffung  empfehlen.  Es  bildet  eine  erwünschte 
Ergänzung  für  jedes  Lehrbuch  der  Geburtshilfe. 

J  affe-  Hamburg. 

.  •V.v-  I 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie. 

Bd.  VI,  Heft  1.  1902. 

Heft  I.  D  H.  S  c  li  a  p  e  r  -  Berlin:  Die  Krankenkost  und  die 
Küche  der  Charite.  (Mit  0  Abbildungen.) 

Angabe  der  üblichen  Diiitformen  und  Beschreibung  der  mit 
den  modernsten  Einrichtungen  ausgestatteten  Zentralküche,  in 
welcher  für  ca.  1700  Personen  die  Speisen  zubereitet  werden. 

2)  P.  K  o  u  i  n  d  j  y  -  Paris:  Die  Extensionsmethode  und  ihre 
Anwendung  hei  der  Behandlung  der  Nervenkrankheiten.  (Mit 
4  Abbildungen.)  I.  Theil.  (Hospice  de  la  Salpetriere.  Oblique 
des  maladies  nerveuses  du  Professeur  Raymond.) 

3)  W.  C  r  o  n  h  e  i  m  und  Erich  Müller:  Versuche  über  den 
Stoff-  und  Kraftwechsel  des  Säuglings,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  organisch  gebundenen  Phosphors.  1.  Theil.  (Aus 
dem  thierphysiologischen  Laboratorium  der  landwirthschaftlichen 
Hochschule  zu  Berlin.  Direktor:  Prof.  Zuntz.) 

41  P.  F.  R  i  c  li  t  e  r  -  Berlin:  Klinik  und  physikalische 
Chemie. 

Die  neueren  Lehren  der  Chemie  von  der  molekularen  Kon¬ 
zentration.  dem  osmotischen  Drucke  und  der  elektrolytischen  Dis¬ 
soziation  von  Lösungen  gewinnen  nach  zwei  Richtungen  hin  einen 
Einfluss  auf  die  Medizin,  erstens  dadurch,  dass  Lösungen  auf  den 
Organismus  wirken,  zweitens  im  Organismus  ein  Austausch  von 
Lösungen  statthat.  Während  gerade  in  der  Diagnostik  der  Nieren¬ 
erkrankungen  uns  ein  Studium  dieser  Verhältnisse  bereits  un¬ 
bestreitbare  Resultate  ergab,  eröffnet  sich  hinsichtlich  der  Resorp¬ 
tion  vom  Magendarmkanal  aus,  des  feineren  Stoffwechsels,  des 
Einflusses  der  Trink-  und  Bäderkuren,  der  Licht-  und  Elektro¬ 
therapie  noch  ein  weites  Arbeitsfeld. 

Heft  2.  1)  Karl  G  r  u  b  e  -  Neuenahr:  Ueber  den  Einfluss  des 

Fettes  auf  die  Aceton-  und  Säureausscheidung  beim  Diabetiker. 

Im  Gegensätze  zu  der  früher  bestehenden  Ansicht,  dass 
Aceton  ein  Zerfallsprodukt  des  Eiweisses  sei,  sprechen  neuere 
Untersuchungen  dafür,  dass  das  Fett  als  die  Quelle  desselben  an¬ 
zusprechen  ist. 

Ernährungsbeobachtungen  bei  Diabetikern  ergaben  nun,  dass 
die  Aceton-,  Acetessigsäure-  und  Oxybuttersäureausscheidung  so¬ 
wohl  bei  der  leichten  wie  bei  der  schweren  Form  der  Zuckerharn¬ 
ruhr  durch  den  Fettgehalt  der  Nahrung  im  positiven  Sinne  beein¬ 
flusst  wird.  Dies  gilt  vor  Allem  von  der  Butter,  während  dem 
Schweinefette  hinsichtlich  der  Ausscheidung  dieser  Körper  keine 
Bedeutung  zukommt.  Von  diesen  Erfahrungen  ausgehend,  wirft 
Gr.  die  Frage  auf,  ob  bei  Diabetes  nicht  auch  der  Fettkonsum 
eingeschränkt  werden  soll,  glaubt  dieselbe  aber  aus  Gründen  einer 
den  Körperbestand  ermöglichenden  Ernährung  vorläufig  in  der 
Regel  verneinen  zu  müssen. 

2)  P.  K  o  u  i  u  d  j  y  -  Paris:  Die  Extensionsmethode  und  ihre 
Anwendung  bei  der  Behandlung  der  Nervenkrankheiten. 

( 1  lospice  de  la  Salpetriere.  Clinique  des  maladies  nerveuses  du 
Professeur  Raymond.)  (Schluss.) 

Während  die  Suspension  eine  Zeit  lang  im  Uebermaasse  zur 
Anwendung  kam,  ist  ihr  Ansehen  gegenwärtig  derartig  gesunken, 
dass  Verf.  es  für  berechtigt  hält,  auf  die  ihr  gebührende  Stelle 
in  der  Therapie  Nervenkranker  im  Allgemeinen  und  der  Tabes 
dorsalis  im  Besonderen  hinzuweisen. 

Er  empfiehlt  den  Gebrauch  eines  Extensionsstuhls  (vertikaler 
Zug  im  Sitzen)  und  Extensionsbrettes  (Zug  im  Liegen  auf  einer 
schiefen  Ebene). 

Hinsichtlich  theoretischer  Erklärung  der  Wirkung  gehen  die 
Ansichten  auseinander.  Nach  Thierexperimenten  Ossankof  f’s 
soll  die  Suspension  zunächst  eine  Anämie  und  dann  eine  Hyper¬ 
ämie  dos  Zentralnervensystems  zu  Stande  bringen.  Eigene  Mes¬ 
sungen  der  Wirbelsäule  vor  und  nach  der  Suspension  ergaben  eine 
durchschnittliche  Verlängerung  des  Körpers  um  1 — 2  cm  durch 
das  Extensionsverfahren. 

Die  Mehrzahl  moderner  Neurologen  erkennt  die  Suspension 
als  einen  positiven  Heilfaktor  der  tabischen  Symptome,  vor  Allem 


1.  Juli  1902. 


1107 


M  U  EN(  TI  I  ENEK  M  E I )  1  CI  N  L 


der  lanzinirenden  Schmerzen,  des  11  o  m  b  e  r  g’sclien  Phänomens 
und  der  Koordinationsstörungen  an. 

Bei  Kranken  mit  Störungen  des  Zirkulations-  und  Uespira- 
tionsaparates,  Apoplektikern,  Anämischen  und  Fettleibigen  darf 
das  Verfahren  nur  mit  Vorsicht  angewendet  werden. 

3)  W.  C  r  o  n  li  e  i  m  und  Erich  M  ii  1  1  e  r:  Versuche  über  den 
Stoff-  und  Kraftwechsel  des  Säuglings,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  organisch  gebundenen  Phosphors.  (Aus  dem 
thierphysiologischen  Laboratorium  der  landwirthschaf  fliehen 
Hochschule  zu  Berlin.  Direktor:  Prof.  Zu  ntz.)  (Schluss.) 

Neueren  Arbeiten  gemäss  soll  gerade  denjenigen  Eiweiss¬ 
körpern  und  dem  Fette,  welche  Phosphor  in  organischer  Form 
gebunden  enthalten,  ein  besonderer  Nälirwertli  zukommen. 

Die  Yerf.  haben  nun  bei  Säuglingen  und  einem  älteren  Kinde 
den  Einfluss  phosphorhaltigen  Fettes,  das  sie  in  Form  lecithin¬ 
reichen  trockenen  Eidotters  gaben,  auf  den  Körperansatz  studirt 
und  im  Anschluss  daran  auch  einzelne  Lecithinfütterungsver¬ 
suche  bei  jungen  filieren  angestellt. 

Die  wichtigsten  Ergebnisse  ihrer  Untersuchungen  sind,  dass 
die  Darreichung  von  Eidotter  die  Assimilation  des  Eiweiss  deut¬ 
lichbegünstigte.  1  >as  Wachsthum  der  stickstoffhaltigen  Gewebe  wird 
ein  wesentlich  grösseres  bei  gleicher  Zufuhr  von  Eiweiss  und  Ge- 
sainmtnahrung,  wenn  ein  Theil  des  Phosphors  in  Form  von  Ei¬ 
dotter  zugeführt  wird.  Es  empfiehlt  sich  also  bei  Ernährung  des 
Kindes  frühzeitig  die  Verwendung  von  Eidotter. 

Aus  der  Phosphorbilanz  ist  ersichtlich,  dass  beim  Säuglinge 
mehr  Phosphor  angesetzt  wird,  als  zur  Knochen-,  Fleisch-  und 
Blutbildung  notliwendig  ist.  Es  müssen  also  die  phosphorreichen 
Gewebe,  Nervenmark  und  kernhaltige  Drüsen  am  Stoffansatze  des 
ersten  Lebensjahres  erheblich  betheiligt  sein. 

Sterilisirte  Milch  zeigte  sich  als  minderwertliig,  insoferne  sie 
weder  allein,  noch  in  Verbindung  mit  massigen  Mengen  Eidotters 
oder  reichlicher  Zufuhr  von  die  Knochenbildung  befördernden  Mi- 
neralbestandtheilen  einen  befriedigenden  Kalkansatz  zu  Stande 
brachte. 

4)  Paul  Lazarus:  Zur  Frage  der  hemiplegischen  Kon¬ 
traktur.  Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  des  Herrn  Privat¬ 
dozenten  Dr.  Ludwig  Mann,  betreffend  meinen  Aufsatz  auf 
S.  .".">0,  Bd.  V  dieser  Zeitschrift.  (Aus  der  I.  medizinischen  Klinik 
Berlin.  Direktor:  Geh.-Kath  v.  Leyden.) 

M.  W  asser  m  a  n  n  -  München. 

Centralblatt  für  innere  Metlicin.  1902.  No.  25. 

T  ollens:  Zur  Verwertbarkeit  des  Gärtner  sehen  Hamo- 
photographen  im  Vergleich  zum  F  leischi-Miescher- 
schen  Hämoglobinometer.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in 
Breslau.) 

Auf  Grund  von  etwa  120  vergleichenden  Bestimmungen  ge¬ 
langte  der  Verfasser  zu  dem  Ergebnis,  dass  der  G  ä  r  t  n  e  r  sehe 
Hämopliotograph  annähernd  dasselbe  leistet,  wie  das  Fleisclil- 
Miesche  r  sehe  Hämoglobinometer,  dass  aber  bei  ersterem  die 
Fehlerquellen  erheblich  grösser  sind  wie  beim  Fleischl-Miescher. 
Wo  deshalb  das  kostspielige  Hämoglobinometer  nicht  zur  Ver¬ 
fügung  steht,  mag  das  G  ii  r  t  n  e  r  sehe  Instrument  ohne  Bedenken 
Anwendung  finden.  Al'.  Zinn-  Berlin. 

Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  23  u.  24. 

No.  23.  C.  Nieoladoni:  Horizontale  Gastroduodeno- 
stemie. 

Bei  einem  Fall  von  Besectio  pylori  wegen  Karzinom  mit 
grosser  Ausdehnung  über  die  kleine  Kurvatur,  bei  dem  nach  der 
Okklusionsnaht  der  Magen  mit  einem  ca.  <S  cm  langen  schmalen 
Zipfel  nach  rechts  abschloss,  sah  sich  N.  genötigt  das  Duodenum 
anstatt  vertikal  zur  Okklusionsnaht  horizontal  einzunähen  und 
rühmt  diese  Modifikation  als  leicht  und  bequem.  N.  glaubt,  dass 
auch  für  jede  Kocher  sehe  Gastroduodenostomie  diese  Lage  der 
Naht  mit  Vorteil  anzuwenden  ist. 

No.  24.  C.  S  p  r  i  n  g  e  r  -  Prag:  Ein  neuer  Deckverband. 

Um  die  Nachteile  des  Anklebens  der  Gaze  zu  vermeiden  und 
das  nicht  sterilisierbare  Silk  für  diesen  Zweck  durch  steriles 
Material  zu  ersetzen,  empfiehlt  Spr.  das  Paraffin,  indem  er  in 
einem  flachen,  mit  Deckel  versehenen  Gefäss  eine  Wassermenge  von 

;; _ 4  ccm  Tiefe  auf  100  0  C.  erhitzt  und  ein  kleines  Stück  Paraffin 

hineinwirft,  das  Wasser  10  Minuten  kochen  lässt.  A\  ird  dann  das 
Gefäss  in  kaltes  Wasser  gestellt,  so  bildet  sich  bald  ein  Häutchen 
von  Paraffin,  das  man  in  jeder  Form  schneiden  und  biegen  und 
mit  ausgeglühten  Nadeln  nach  Wunsch  durchlöchern  kann  (um 
für  freien  Sekretabfluss  zu  sorgen).  Dasselbe  klebt  nicht  an,  wird 
beim  Verbandwechsel  leicht  mit  der  darüber  gelegten  Gazeschicht 
abgehoben,  reizt  nicht  und  imprägniert  nicht  die  Gaze,  sondern 
lässt  diese  trocken  und  aufsaugungsfähig.  Auch  der  Lichtdurch¬ 
lässigkeit  möchte  Spr.  speziell  gegenüber  dem  Silk  einen  Vorzug 
vindizieren.  Sehr. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  34.  Bd.,  1.  bis  2.  Heft. 

Mitteilungen  aus  dem  Adele  Brödy-Kinderspital  der  Fester 
israelitischen  Iteligionsgemeinde  zu  Ofen-Pest. 

-i.  Grosz:  Das  Adele  Brödy-Kinderspital  der  Pester  israe¬ 
litischen  Beligionsgemeinde  zu  Ofen-Pest. 


SCHE  W O CHENS 0 1 1 R I  ET. 


Beschreibung  dos  Krankenhauses,  seiner  Einrichtung.  Or¬ 
ganisation  und  Wirksamkeit. 

.1.  Grosz:  lieber  Alkoholismus  im  Kindesalter. 

Yerf.  wendet  sich  gegen  den  Alkoholgenuss  der  Kinder,  sei 
es  als  Genuss-  oder  „Stärkungs“-M ittel  und  bespricht  die  deletären 
Folgen.  Die  akute  Alkoholintoxikation  iiussert  sieh  bei  Kindern, 
abweichend  von  Erwachsenen,  oft  in  Form  von  Konvulsionen; 
die  Schädlichkeiten  der  chronischen  Form  betreffen  besonders  das 
Nervensystem  und  die  Leber;  1  eigene  Fälle  von  Leberzirrhose 
zwischen  (i  und  13  Jahren. 

C.  Beck  und  .1.  G  rösz:  Ueber  Lichen  scrophulosorum  und 
dessen  Beziehungen  zu  den  „Tüberculides  cataneas  Darier“. 

Beschreibung  eines  Falles  mit  mikroskopischem  Befund;  die 
Affektion  stellt  in  engem  Konnex  mit  der  Tuberkulose,  wird  aber 
nicht  lokal  durch  Bazillen  verursacht;  dagegen  ist  eine  Toxin¬ 
wirkung  ätiologisch  wahrscheinlich. 

J.  Grösz:  Ein  Fall  von  funktioneller  Bulbärparalyse. 
(Bulbärparalyse  ohne  anatomischen  Befund  —  Oppenheim; 
asthenische  Bulbärparalyse  —  Strümpell.) 

Krankheitsgesehichte  eines  seltenen  Falles,  der  ganz  unter 
dem  Bilde  der  Bulbärparalyse  verlief,  mit  Sprachstörung,  Unfähig¬ 
keit  zu  schlucken,  Parese  der  Extremitäten  etc.  Das  auffallendste 
war  der  rasche  Verlauf;  denn  die  Affektion  trat  akut  auf  und  das 
Kind,  welches  bei  der  Aufnahme  ins  Spital  einen  schwerkranken 
Eindruck  machte,  war  in  ca.  3  Wochen  geheilt;  dir*  Heilung  wurde 
auch  späterhin  kontrolliert.  Eine  organische  Bulbärparalyse  war 
jedenfalls  auszuschliessan,  aber  auch  sonst  war  ätiologisch  nichts 
auffindbar,  sodass  das  Wesen  solcher  Fälle  dunkel  bleibt. 

.1.  G  rösz:  Ueber  die  Behandlung  unserer  Scharfachfälle. 

Bringt  nichts  Neues. 

II.  Köder:  Der  heutige  Stand  der  Gafrierpunktsbestim- 
mung  von  Blut  und  Harn  und  ihre  allgemeine  klinische  Be¬ 
deutung  für  die  Frage  der  Niereninsuffizienz.  (Aus  dem  Kaiser 
und  Kaiserin  Friedrichs-Kinderkrankenhause  zu  Berlin.) 

Ausführliche  Besprechung  dieser  modernen  Methode,  der  Er¬ 
wägungen,  aus  denen  sie  hervorgegangen  ist,  ihrer  bisherigen 
Leistungen  und  was  man  mit  der  Zeit  noch  davon  erwarten  kann. 
Die  Arbeit  ist  zur  Orientierung  auf  diesem  neuen  Gebiet  sehr  ge¬ 
eignet,  kann  aller  in  kurzem  Auszug  nicht  wiedergegeben  werden. 

Prof.  Kra  b  1  e  r  -  Greifswald:  Uebersicht  der  Vertretung  der 
Pädiatrie  an  den  deutschen  Universitäten  nach  dem  Univer¬ 
sitätskalender  für  das  Wintersemester  1901/02. 

Aus  Anlass  der  neuen  Prüfungsordnung  für  Mediziner,"  welche 
auch  ein  halbjähriges  Praktikum  in  Kinderkrankheiten  verlangt, 
gibt  Verf.  die  im  Titel  genannte  Uebersicht.  Es  geht  daraus  her¬ 
vor,  dass  die  Kinderheilkunde  in  Deutschland  noch  recht  massig 
vertreten  ist,  so  haben  z.  B.  4  deutsche  Universitäten  weder  In¬ 
stitute  noch  Vorlesungen  für  Pädiatrie,  G  Universitäten  zwar  Vor¬ 
lesungen,  aber  keinerlei  Institut. 

Referate.  Lichten  stein  -  München. 

Archiv  für  Verdauungskrankheiten  mit  Einschluss  der 
Stoffwechselpathologie  und  der  Diätetik.  Herausgegeben  von 
Dr.  J.  B  o  a  s  -  Berlin.  Band  VIII.  Heft  1  u.  2. 

Vorliegendes  Doppelheft,  das  vom  Herausgeber  E.  v.  Leyden 
zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet  ist,  enthält  an  erster  Stelle 
aus  Boas’  Feder  eine  Würdigung  der  Verdienste  des  Jubilars 
um  die  Diättherapie  und  bringt  uns  als  schlagendsten  Beweis  für 
diese  aus  E.  v.  Leydens  Handbuch  der  Ernähnmgstlierapie  eine 
Reihe  der  markantesten  Sätze  und  Aphorismen,  die  uns  ein  deut¬ 
liches  Bild  seines  Wirkens  auf  diesem  Gebiete  zu  gehen  vermögen. 

1)  Knud  F  a  b  e  r  -  Kopenhagen:  Ueber  Darmdyspepsie. 

Professor  F  a  b  e  r,  der  unter  Darmdyspepsie  diejenigen  dys¬ 
peptischen  Symptome  verstanden  wissen  will,  deren  Ursache  man 
in  den  kränklichen  Verhältnissen  des  Darmkanals  selbst  und  nicht 
des  Magens  suchen  muss,  weist  in  vorliegender  Arbeit  das  Vor¬ 
handensein  eines  derartigen  Symptomenkomplexes  an  der  Hand 
einer  Reihe  von  Krankengeschichten  überzeugend  nach  und  be¬ 
stätigt  somit  auf’s  Neue  Trousseau’s  schon  vor  40  Jahren 
erfolgte  Behauptung,  dass  ungefähr  die  Hälfte  aller  Fälle  von 
Gastralgie  und  Dyspepsie  in  Wirklichkeit  auf  Leiden  des  Darms 
zurückzuführen  sei.  Die  Patienten  hatten  in  allen  Fällen  kürzer 
oder  länger  an  Obstipation  gelitten,  die  sie  entweder  ganz  vernach¬ 
lässigt  oder  mit  den  verschiedensten  Laxantien  behandelt  hatten. 
Nachdem  die  Obstipation  eine  gewisse  Zeit  beschwerdelos  bestanden, 
stellten  sieh  allmählich  die  dyspeptischen  Symptome  ein,  diese 
waren  in  allen  Fällen  deutlich  ausgesprochen  und  bestanden  in 
Kardialgie,  Aufstossen,  Anorexie,  l’ebelkeit  und  Erbrechen,  gleich¬ 
zeitig  litten  die  Paiient  n  auch  an  schweren  nervösen  Symptomen, 
Kopfschmerzen,  Depression,  Schlaflosigkeit,  Arbeitsunlust,  und 
Schwindel.  Die  häufigste  Beobachtung  ist  wohl  die  normaler  Se- 
kretionsv erhältnisse  des  Magens,  doch  trifft  man  nicht  selten  auch 
Patienten  mit  Darmdyspepsie  und  von  der  Norm  abweichender 
Magenfunktion,  nämlich  mit  bestehender  Hyperazidität.  \  on 
Bedeutung  für  F  ä  b  e  r’s  Auffassung  der  Dyspepsie  als  direkte 
Folge  der  Darmstörung  ist.  es,  dass  genau  dieselben  Symptome 
auch  unter  Verhältnissen  entstellen,  wo  wir  bestimmt  wissen,  dass 
die  Ursache  der  Krankln-it  im  Darm  zu  suchen;  dies  ist  der  Fall 
hei  denjenigen  Patienten,  die  an  Tünien  leiden.  Bezüglich  der 


1108 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


Frage,  wie  die  Störungen  im  Darm  diese  Symptome  liervorrufeu 
können,  sind  zwei  Erklärungen  naheliegend,  entweder  nehmen  wir 
eine  im  Darmkanal  entstehende  Vergiftung  an  oder  die  Symptome 
entstehen  direkt  durch  Heizung  des  Nervensystems  als  eine  Art 
Hollexwirkung.  Detztere  Annahme  ist  Fabel-  die  wahrschein¬ 
liche,  besonders  bezüglich  des  Hauptsymptoms  der  Kardialgie. 
Auch  die  oben  erwähnte  Hyperazidität  findet  auf  diese  Weise  eine 
ungezwungene  Erklärung,  haben  doch  verschiedene  Autoren  eine 
Aziditätssteigerung  auf  reflektorischem  Wege  beobachtet.  Bei  der 
Behandlung  der  Darmdyspepsie  ist  nach  Lage  der  Sache  das 
Hauptaugenmerk  auf  die  Heilung  des  Darmleidens  zu  richten; 
meist  wird  dies  ja  wohl  gleichbedeutend  sein  mit  der  Beseitigung 
der  Ursache  des  ganzen  Krankheitsbildes  der  Obstipation,  häufig 
jedoch  erfordert  eben  die  vorhandene  Dyspepsie  verschiedene 
Rücksichten  und  macht  dann  eine  Modifikation  der  Antiobstipa¬ 
tionsdiät  noth  wendig. 

2)  J.  B  o  a  s  -  Berlin  und  A.  Kachmann-  Hamburg:  Weitere 
Beiträge  zur  Lehre  von  den  okkulten  Magenblutungen. 

Nach  den  Mageninhaltsuntersuchungen,  die  beide  Autoren  in 
257  Fällen  der  verschiedensten  Magen-  und  zum  Theil  auch  Darm¬ 
krankheiten  mit  der  Webe  r’schen  Modifikation  der  van  Deen- 
schen  Blutprobe  anstellten,  kommen  okkulte  Blutungen  unter  drei 
Bedingungen  vor.  Einmal  bei  Geschwüren,  sodann  bei  Geschwulst¬ 
bildungen,  wobei  die  Erfahrungen  von  Boas  und  Kachmann 
sich  ausschliesslich  auf  das  Karzinom  beziehen,  ferner  bei  schweren 
motorischen  Störungen  gutartigen  Charakters,  sowohl  bei  dauern¬ 
den  wie  bei  periodischen.  Die  Verfasser  sagen  nun  selbst,  dass 
dem  Nachweis  einer  okkulten  Blutung  allein  im  Mageninhalt  oder 
in  den  Fäzes  eine  ausschlaggebende  Holle  nicht  zukommt,  immer¬ 
hin  aber  ist  er  neben  anderen  klinischen  Symptomen  als  ein  werth¬ 
volles  unterstützendes  Zeichen  zu  betrachten,  zumal  beim  Ent¬ 
scheid  der  Frage  nach  dem  Vorhandensein  eines  Karzinoms.  Wäh¬ 
rend  nämlich  bei  gutartigen  motorischen  Störungen  mit  dem  An¬ 
steigen  der  motorischen  Kraft  vorhandene  Blutungen  nachliessen 
und  schliesslich  ganz  schwanden,  war  beim  Magenkarzinom,  auch 
wenn  die  Hückstände  geringer  wurden,  die  Blutprobe  stets  mehr 
oder  weniger  stark  positiv.  Ferner  ist  zu  beachten,  dass,  wenn 
bei  fehlendem  Salzsäurebefund  und  gut  erhaltener  Motilität  ok¬ 
kulte  Magenblutungen  oder  Blut  in  den  Fäzes  konstant  fehlen, 
dies  in  zweifelhaften  Fällen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  gegen 
das  Vorliegen  eines  Karzinoms  spricht. 

3)  John  H  e  m  m  e  t  e  r  -  Baltimore:  Beiträge  zur  Antiperi¬ 
staltik  des  Darmes  (6  r  ü  t  z  n  e  r). 

Für  die  bekannte  Thatsaclie,  dass  Nährklysmen  nach  ihrer 
Einführung  in  das  normale  Itektum  und  Kolon  verdaut  und  re- 
sorbirt  werden,  hat  Grützner  in  der  Deutschen  med.  Wochen¬ 
sehr.  1894,  No.  48  eine  stichhaltige  Erklärung  zu  geben  versucht, 
durch  die  schon  von  Nothnagel  1884  beobachtete  antiperistal¬ 
tische  Bewegung  des  Darmes.  Die  Resultate  der  von  Ilem- 
m  eter  und  seinen  Schülern  an  sich  und  an  Thieren  angestellten 
Versuche  lauten  nun  dahin,  dass  wohl  eine  randständige  Bewegung 
kleiner  Tlieilclien  vom  Rektum  zum  Magen  hin  statthat  und  dass 
diese  Bewegung  unterstützt  wird,  wenn  die  Theilclien  (Stärke¬ 
körner,  Bismuth,  Sägespähne  etc.)  in  physiologischer  Na  Cl-Lösung 
suspendirt  eingespritzt  werden,  während  sie  behindert  oder  gänz¬ 
lich  aufgehoben  wird,  wenn  schwache  KCl-  oder  HCl-Lösungen  zur 
Anwendung  kommen.  Dieses,  wie  Sektionen  und  Gefrierschnitte 
ergaben,  randständige  Aufwärtswandern  der  Theilchen  geht  gleich¬ 
zeitig  mit  dem  zentralen  Abwärtssteigen  der  Fäkalmassen  vor  sich, 
Avie  mit  Hilfe  der  X-Strahlen  nach  Bismutheinläufen  an  einer 
Katze  deutlich  zu  beobachten  war.  Diese  randständige  Antiperi- 
stalti)  kann  jedoch  Ingesta  nicht  in  Massen  vorwärts  bewegen, 
Avesshalb  sie  auch  nicht  als  eine  Erklärung  für  die  Verdauung 
der  Nährklysmen  angeführt  werden  kann. 

4)  Korn- Berlin:  Ueber  Heteroehylie.  (Aus  Dr.  Boas’ 
Klinik.) 

Unter  Heteroehylie  verstehen  wir  nach  Hemm  et  er  einen 
plötzlich  Avecliselnden  Zustand  .der  Sekretion  des  Magens,  wobei 
unter  gleichen  Verhältnissen  innerhalb  kurzer  Zeit  Anazidität, 
normale  Azidität  und  selbst  Hyperazidität  beobachtet  Averden. 
Der  Hauptsache  nach  finden  sich  diese  SchAvankungen  bei  ner¬ 
vösen  Erkrankungen  des  Magens,  Avie  auch  in  vorliegender  Arbeit 
7  der  von  Korn  veröffentlichten  11  Fälle  als  reine  Neurosen  sich 
erklären  lassen.  Doch  auch  in  den  4  übrigen  Fällen,  in  welchen 
zwar  organische  Erkrankungen  nachAveisbar  waren,  wird  man 
nervöse  Einflüsse  für  diesen  Wechsel  der  Sekretion  geltend  machen 
müssen  und  mit  Boas  einfach  eine  Kombination  nervöser  und 
organischer  Magenerkrankung  anzunehmen  haben. 

5)  Franz  J  u  n  g  -  Washington:  Die  Häufigkeit  und  Erblich¬ 
keit  von  Magendarmbefunden  in  Familien. 

ln  seiner  Arbeit  über  obiges  Thema  versucht  Jung  auf  Grund 
eines  Avährend  der  letzten  3  Jahre  gesammelten  Untersuchungs- 
materials  der  Frage,  wie  sich  die  Magenuntersuchungen  blutsver- 
Avandter  Personen  verhalten,  näherzutreten.  Abgesehen  davon, 
dass  statistischen  Berechnungen  eines  Einzelnen  doch  immer  nur 
ein  sehr  bedingter  Werth  zukommt,  leidet  Jun  g’s  Arbeit  auch 
darunter,  dass,  in  Folge  einer  bei  der  Statistik  der  Hyperchlor- 
hydric  eingeschlichenen  Fehlerquelle,  die  Schlussfolgerung,  die 
Superazidität  trete  am  häufigsten  bei  mehreren  Familienmitglie¬ 
dern  zugleich  auf,  nicht  zutrifft,  sondern,  dass  auch  hier  die 


Enteroptose  an  der  Spitze  steht,  ebenso  Avie  bezüglich  der  Häufig¬ 
keit  ihres  Auftretens  überhaupt  bei  blutsverwandten  Personen. 

0)  H.  1 1  1  o  av  a  y  -  New-Yorlc:  Hyperazidität  (Superazidität, 
Hyperchlorhydria,  Superaciditas  chlorhydrica),  eine  klinische 
Studie. 

An  einer  Zusammenstellung  von  über  100  Fällen  zeigt  1 1 1  o  - 
aa-  a  y,  dass  weder  allein  der  Naclnveis  der  totalen  Azidität,  noch 
der  der  freien  Salzsäure,  noch  der  ihres  Verhältnisses  zu  einander 
genügt,  um  darauf  die  Diagnose  Hyperazidität  aufzubauen,  hierzu 
ist  noch  das  Vorhandensein  anderer  Symptome  gemeinschaftlich 
mit  diesen  notlnvendig.  Diese  Symptome  hält  Verfasser  für  hin¬ 
reichend  charakteristisch,  um  bei  der  Zusammenstellung  mit  den 
Ergebnissen  der  chemischen  Untersuchung  des  Mageninhalts  den 
richtigen  Schluss  ziehen  zu  lassen.  Er  bezeichnet  als  solche: 
ziemlich  gute  Ernährung  trotz  oft  jahrelanger  Krankheitsdauer, 
das  Vorhandensein  meist  guten  Appetits,  nur  vereinzeltes  Er¬ 
brechen,  Fehlen  heftigerer  Empfindlichkeit  im  Epigastrium  bei 
der  äusseren  Magenuntersuchung.  Was  die  Untersuchung  des 
Mageninhaltes  selbst  anlangt,  so  Avollen  Strauss  und  auch 
S  c  h  ii  1  e  r  spezielle  Eigenthümlielikeiten  gefunden  haben,  näm¬ 
lich  stets  bedeutend  grössere  Menge  des  Ausgeheberten  und  dessen 
auffallende  Dünnliüssigkeit,  ferner  sein  geringeres  spezifisches  Ge¬ 
wicht  und  seinen  abnormen  Reichthum  an  Amidulin.  IlloAvay 
konnte  nur  die  letzten  beiden  Momente  bestätigt  finden;  jedenfalls 
aber  müssen  auch  sie  noch  Aveiter  geprüft  und  studirt  Averden.  Bei 
den  subjektiven  Symptomen  steht  an  erster  Stelle  der  Magen¬ 
schmerz  bezAV.  die  Gastralgie.  Der  Schmerz  ist  nicht  ein  beständi¬ 
ger,  er  hängt  ab  von  der  Zeit  der  Nahrungsaufnahme,  und  von  der 
Art  und  Menge  der  Nahrung.  Blosses  Brennen  im  Magen  kann 
auch  bei  Nacht  sich  einstellen,  während  eigentliche  Schmerzen 
Nachts  fehlen.  Stärkere  Paroxysmen  von  Gastralgie  stellen  sich 
nur  äusserst  selten  nach  jeder  Mahlzeit  ein,  sonstige  Sensationen 
im  Magen  bieten  nichts  speziell  für  Hyperazidität  Charakte¬ 
ristisches.  Erwähnenswert!!  ist  noch,  dass  Endstationen  fast  ganz 
fehlen.  Bei  der  Aetiologie  wendet  sich  1 1 1  o  av  a  y  gegen  die  Auf¬ 
fassung,  die  Hyperazidität  schlankweg  als  eine  Neurose  zu  er¬ 
klären,  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  hält  er  vielmehr  greifbare  Ur¬ 
sachen  für  gegeben.  Diese  sind  Verstopfung,  Alkohol  und  Nikotin, 
schliesslich  auch  sclnver  verdauliche  Speisen.  Bei  der  Therapie 
folgt  Verfasser  dem  Grundsatz,  bei  jeder  Mahlzeit  stickstoffhaltige 
Nahrungsmittel  und  zwar  als  Hauptnahrung  zu  geben  und  die 
anderen  Speisen  nur  als  Zugabe;  denn  die  Kohlehydrate  stimu- 
liren  zwar  die  Sekretion  des  Magensaftes,  besitzen  aber  nicht  die 
Fähigkeit,  eine  genügende  Menge  Salzsäure  zu  binden,  so  dass 
viel  davon  frei  im  Magen  verbleibt.  Zum  Schluss  gibt  Illo- 
av  a  y  noch  ausführliche  Diätvorschriften,  die  aber,  da  auf  rein 
amerikanische  Verhältnisse  zugeschnitten,  für  uns  nur  bedingten 
Werth  besitzen,  immerhin  aber  doch  auch  für  uns  Beherzigens- 
werthes  enthalten. 

7)  N.  Gerry  Morgan-NeAV-York:  Zucker,  als  solcher,  in  der 
Diät  der  Dyspeptiker. 

Angeregt  durch  verschiedene  Arbeiten  über  den  Einfluss 
grösserer  oder  geringerer  Zuckermengen  auf  die  Leistungsfähig¬ 
keit  der  betreffenden  Personen,  kam  Verfasser  der  Gedanke,  auch 
den  Einfluss  des  Zuckers  auf  die  Verdauung  zu  prüfen,  und  zwar 
soAvolil  bei  gesunden  Individuen,  als  auch  bei  solchen  mit  gastri¬ 
schen  Störungen.  Die  erhaltenen  Resultate  Avaren  folgende:  Die 
Wirkung  auf  den  Appetit  ist  keine  bestimmte.  Vermehrte  Zucker¬ 
zufuhr  scheint  Gälirung  im  Magen  zu  verhindern,  was  sich  aus 
dem  Nachlassen  des  Aufstossens  ergibt;  Aelmliches  gilt  vom  Sod¬ 
brennen.  Die  Darmthätigkeit  wird  eine  regere,  die  Urinmenge 
nimmt  zu,  ebenso  ist  eine  Vermehrung  des  Harnstoffes  zu  be¬ 
obachten.  Was  speziell  die  Einwirkung  auf  die  Säureverhältnisse 
des  Magens  betrifft,  so  erscheint  es  Avahrscheinlich,  dass  im  ge¬ 
sunden  Avie  im  hyperaziden  Magen  durch  Hinzufügen  oder  Ent¬ 
ziehen  des  Zuckers  in  der  Diät  der  Totalgehalt  an  Säure  und  die 
freie  HCl  beliebig  vermehrt  oder  vermindert  werden  kann.  In  all’ 
diesen  Fällen  besteht  augenscheinlich  auch  eine  verminderte 
Thätigkeit  der  Enzyme  des  Magensaftes.  A.  Jorda  n. 

Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  psychisch¬ 
gerichtliche  Medicin.  59.  Bd.  2.  u.  3.  Heft. 

1)  Mönkemöller:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Geschichte 
der  Irrenbehandlung  im  18.  Jahrhundert. 

Schildert  nach  den  Akten  das  behördliche  Verfahren  bei  der 
Erkrankung  eines  Beamten,  der  nach  M.  an  persekutorisclier 
Paranoia  mit  querulirendem  Charakter  litt.  Unter  anderem  Aver¬ 
den  mehrere  alte  ärztliche  Gutachten  und  das  Ergebniss  einer 
Konferenz  von  5  Geistlichen  mit  dem  Kranken  mitgeteilt. 

2)  Nit  sc  he:  Ueber  Gedächtnissstörung  in  2  Fällen  von 
organischer  Gehirnkrankheit. 

Ein  Paralytiker  und  ein  Himluetiker  wurden  nach  einem  der 
neueren  Verfahren  —  mit  systematisirtem  Fragebogen  —  unter¬ 
sucht.  Jener  zeigte  früh  eine  ziemlich  gleichmässige  Herabsetzung 
der  Aufmerksamkeit,  der  Merkfähigkeit  und  des  Reproduktions¬ 
vermögens.  Bei  der  Hirnlues  war  die  Merkfähigkeit  am  stärksten 
gestört. 

3)  Rudolph:  Ueber  eine  Form  von  Zwangshandlung. 

Beobachtete,  dass  bei  einigen  degenerativen  Patienten  die 

Neigung  bestand,  alle  Gegenstände,  mit  denen  sie  zu  thun  haben, 


1.  Juli  1902. 


MÜEN CHElSTER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1109 


z  w  e  i  m  a  1  zu  berühren.  Insbesondere  bei  einer  belasteten 
Familie  zeigten  3  Glieder,  von  denen  2  noch  schwer  hysterisch 
waren,  derartige  und  verwandte  Zwangssymptome. 

4)  Linke:  Noch  einmal  der  Affekt  der  Paranoia. 

Kurzer,  polemisch-kritischer  Beitrag. 

5)  Siefert:  lieber  chronische  Manie. 

Kasuistischer  Beitrag. 

6)  Hoppe:  Ein  Fall  von  Querulantenwahnsinn. 

Darstellung  eines  begutachteten  Falls,  bei  dem  auch  andere 

Beate,  die  nicht  mit  dem  Wahnsystem  zusammenhingen,  vor¬ 
kamen. 

7)  Risch:  Zur  Kasuistik  der  Aphasie  mit  Agraphie  und 
Alexie. 

Optische  und  taktile  Perzeptionen  wurden  schlecht,  Sinues- 
eindrücke,  die  aus  eigenen  Bewegungen  stammen,  überhaupt  nicht 
behalten.  Die  Reproduktion  geometrischer  Figuren  war  sehr  un¬ 
zureichend.  Spontansprechen  war  völlig  aufgehoben,  Nach¬ 
sprechen  einzelner  Worte  beschränkt  möglich.  Wortverständnis 
war  erhalten.  Manchmal  wurden  Silben  durcheinander  geworfen. 
Spontan  konnte  Patient  nur  die  Zahlen  1 — 5  sprechen,  doch  bloss 
unter  Zuhilfenahme  der  taktilen  und  optischen  Partialvor¬ 
stellungen.  Spontan-  und  Diktatschreiben,  Lesen  und  Lesever- 
ständnis  waren  aufgehoben.  Der  Kranke  wurde  nach  dem 
Riege  r’sclien  Schema  untersucht.  Es  wurde  ein  Krankheitsherd 
in  der  Insel  angenommen,  der  auf  die  Leitungsbahnen  übergreift, 
die  zum  Lesezentrum  führen.  W  e  y  g  a  n  d  t  -  Wiirzburg. 

Archiv  für  Hygiene.  43.  Bd.  1.  Heft.  1902. 

1)  Stanislaus  E  p  s  t  e  i  n  -  Prag:  Untersuchungen  über  die 
Reifung  von  Weichkäsen. 

Unter  den  aus  verschiedenen  W  e  i  c  h  k  ä  s  e  n  isolierten  Bak¬ 
terien  und  daraus  hergestellten  Reinkulturen  fanden  sieh  besonders 
2  wichtige  Bakterienarten.  Einmal  eine  peptonisierende  Art 
—  Tyrotlirix  —  und  dann  Säurebil  d  n  e  r.  Bei  den  praktischen 
Versuchen  über  die  Herstellung  dieser  Käse  gelang  es  weder  mit 
der  einen,  noch  mit  der  anderen  Reinkultur  allein  den  Geschmack 
und  den  charakteristischen  Geruch  des  Kiises  hervorzubringen. 
Dagegen  konnte  Epstein  zeigen,  dass  zur  Herstellung  eines 
W  e  i  c  h  k  iises  das  Zusammenwirken  von  2  Ra  k  t  e  r  i  e  n  - 
arten  unerlässlich  ist.  Im  Innern  des  Käses  üben  die 
M  i  1  c  h  s  ii  u  r  e  b  a  k  t  e  r  i  e  n  eine  vorbereitende  Wirkung  aus, 
während  die  für  Weichkäse  charakteristische  Reifung  von  der 
Oberfläche  nach  dem  Innern  schichtweise  fortschreitet. 

2)  H.  Wolpert  -  Berlin:  Ueber  den  Einfluss  des  Windes  auf 
die  Atmungsgrösse  des  Menschen. 

Die  Untersuchungen  wurden  an  nackten  und  bekleide¬ 
ten  Personen  im  Respirationsapparat  ausgeführt,  in 
welchem  sie  je  y2  Stunde  verblieben.  Die  Resultate  seiner  Ver¬ 
suche  fasst  Wolpert  folgendermassen  zusammen: 

1.  Gibt  sich  die  Wirkung  des  Windes  durch,  wenn  auch  gering- 
gradigste  Kältesymptome  zu  erkennen,  so  sind  Atmungsgrösse  so¬ 
wohl,  wie  Kohlensäurebildung  nebst  Sauerstoffverbrauch,  auch  die 
Wasserdampfabgabe  aus  Respiration  bedeutend  höher  als  bej 
Windstille. 

2.  Unter  mittleren  Verhältnissen,  wo  man  bewegte  und  un¬ 
bewegte  Luft  unterschiedslos  für  die  Wärmeempfindung  hinnimmt, 
werden  Atmungsgrösse  und  Kohlensäurebildung  durch  den  Wind 
nicht  beeinflusst,  die  Wasserdampf abgabe  jedoch  bedeutend  durch 
den  Wind  herabgesetzt. 

3.  Bei  höheren  Temperaturen,  etwa  30  °,  wo  bewegte  Luft  als 
Annehmlichkeit  empfunden  wird,  ist  die  Atmungsgrösse  durch  den 
Wind  gesteigert,  die  Kohlensäurebildung  etwas  herabgesetzt,  eben¬ 
so  die  Wasserdampfabgabe  und  zwar  bedeutend  durch  den  Wind. 

4.  Ist  die  Luft  wärmer  als  der  Körper,  dann  sind  Atmungs¬ 
grösse,  auch  Kohlensäurebildung  in  bewegter  Luft  höher  als  in 
ruhender  Luft,  die  Wasserdampf  abgabe  in  bewegter  Luft  be¬ 
deutend  höher  als  in  ruhender  Luft. 

3)  A.  P  e  1 1  e  r  s  o  o  n  -  Upsala:  Ueber  die  bakterizide  Wir¬ 
kung  von  Blutserum  und  Blutplasma. 

Während  das  Blutserum  auf  seine  bakteriziden  Eigen- 
s  c  h  a  f  t,  e  n  nach  allen  Richtungen  hin  untersucht  ist,  finden  wir 
verliältnissmässig  wenige  Angaben  über  die  bakteriziden  Eigen¬ 
schaften  des  Blutplasmas.  Wenn  man  auch  annehmen  kann, 
dass  sich  die  Verhältnisse  zwischen  beiden  ähnlich  verhalten  wür¬ 
den,  so  hatte  doch  Gengon  behauptet,  dass  das  Plasma 
des  kreisenden  Blutes  keine  Alexine  enthielte.  Die  Unter¬ 
suchungen  des  Verfassers  am  Hund  und  am  Kaninchen  zeigen 
aber,  dass  sich  die  Sache  anders  verhält:  Auch  das  Plasma 
enthält  A  1  e  x  i  n  e.  Die  Menge  des  Alexins  kann  dadurch 
v  e  r  grössert  werden,  dass  Alexin  aus  den  Leukocyten  austritt, 
sie  kann  verkleinert  werden,  wenn  der  Faserstoff  Alexin  ab¬ 
sorbiert.  Im  Blut  mancher  Tiere  erscheint  die  Abgabe  von  Alexin 
seitens  der  Leukocyten  ausserhalb  des  Körpers  gewöhnlich  so 
klein  zu  sein,  dass  das  Serum  an  bakterizider  Wir¬ 
kung  dem  Plasma  nachsteht.  Das  in  gewöhnlicher 
Weise  entstandene  Serum  soll,  um  dem  normalen  Plasma  an  bak¬ 
terizider  Wirkung  zu  entsprechen,  sobald  als  möglich  dem  Blut¬ 
gerinnsel  entnommen  werden.  R.  O.  Neumann  -  Kiel, 


Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  Bd.  31.  Heft  14  u.  15,  1902. 

No.  14.  1)  K  r  a  u  s  e  -  Breslau:  Ueber  durch  Pressung  ge¬ 

wonnenen  Zellsaft  des  Bacillus  pyocyaneus. 

Analog  den  von  B  u  ebne  r  und  H  a  h  n  gewonnenen  Zell¬ 
säften  aus  Hefen,  benutzte  Krause  Pyocyaneus- 
k  u  1 1  u  r  e  n,  welche  er  bei  100 — 150  Atmosphärendruck  auspresste. 
Von  ca.  50  Petrischalen-Oberflächenkulturen  er¬ 
hielt  er  ungefähr  y2 — 2  ccm  Pressaft.  Mikroskopisch  Hessen  sich 
noch  einige  Stäbchen  färberisch  erkennen,  auch  in  der  Kultur  ge¬ 
lang  es,  Kolonien  zur  Entwicklung  zu  bringen.  Die  Virulenz  der 
Bakterien  hatte  nicht  gelitten. 

Der  Pressaft  selbst  war  ausserordentlich  reaktionsfähig. 
1  Tropfen  genügte,  um  Gelatine  sofort  aufzulösen.  Wasser¬ 
stoffsuperoxyd  wurde  vom  Pyocyaneuspressaft  sofort  zer¬ 
setzt.  Durch  Eintrocknen  bei  37  0  konnte  ein  Pulver  erzielt 
werden,  welches  die  Eigenschaften  des  Pressaftes  bis  zu  5  Monaten 
erhielt. 

Mit  unfiltriertem  Pressaft  gingen  M  ä  u  s  e,  auch  mit  sehr  ge¬ 
ringen  Mengen  bereits  zu  Grunde.  Meerschweinchen  und  Kanin¬ 
chen  vertrugen  erheblich  mehr.  Kaninc  li  e  n,  welche  mit  liocli- 
virulentem  Milzbrand  infiziert  waren,  konnten  mit  Injek¬ 
tionen  von  3  ccm  Pressaft  am  Leben  erhalten  werden.  Die  Ver¬ 
suche,  Meerschweinchen,  welche  mit  T  y  phus  infiziert 
waren,  zu  retten,  missglückten. 

Bei  Versuchen,  die  Verfasser  über  den  Druck  auf  Bakterien 
ausführte,  zeigte  sich,  dass  selbst  ein  Atmosphärendruck  von 
400 — 500  Atmosphären  bei  den  verschiedenen  Bakterien  weder 
nennenswertke  Aenderungen  in  den  biologischen  Eigenschaften, 
noch  in  der  Virulenz  hervor  brachte. 

2)  Thal  m  a  n  n  -  Leipzig:  Zur  Biologie  der  Gonokokken. 

Gegenüber  den  Veröffentlichungen  von  W  i  1  d  b  o  1  z,  welcher 

gefunden  hatte,  dass  Gonokokken  auf  seru  m  freie  m  Agar 
gut  wachsen  sollten,  teilt  Thalmann  mit,  dass  er  bereits  die¬ 
selben  Angaben  früher  schon  gemacht  habe.  Es  komme  dabei  nur 
auf  die  Einhaltung  einer  bestimmten  Reaktion  an.  Der  Gono¬ 
kokkus  wächst  weder  auf  lackmusarmem,  noch  auf  lackmus- 
neutralem  Substrat.  Wird  der  Nährboden  leicht  a  1  k  a  1  i  s  c  h 
(gegen  Lackmus),  so  beginnt  das  Wachsthum,  steigt  bei  weiterem 
Zusatz  von  Lauge  allmählich  zum  Optimum  und  fällt  dann  wieder 
bis  Null,  ehe  der  Nährboden  gegen  Phenolphthalein  neutral  wird. 

I  )ie  Brauchbarkeit  dieses  Nährbodens  hat  durch  S  t  r  ö  h  m  b  e  r  g  s 
Nachuntersuchungen  seine  Bestätigung  gefunden. 

3)  P  r  e  1 1  n  e  r  -  Prag:  Die  Widerstandsfähigkeit  der  Büffel 
gegen  die  experimentelle  Tuberkulose. 

Verfasser  hatte  bereits  in  einer  früheren  Arbeit  mitgeteilt, 
dass  er  bei  den  Büffeln  eine  ausgesprochene,  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Tuberkulose  gefunden  habe.  Bei  weiteren  Untersuchungen, 
die  an  Büffelkälbern  angestellt  worden,  bestätigte  sich  dies.  Die 
Büffelkälber  erhielten  mehrfach  Injektionen  von  tuberkulösem 
Material,  in  einem  Falle  käsige  Hefde  einer  tuberkulösen,  ver¬ 
endeten  Kuh  und  im  anderen  Falle  Reinkulturen  von  Tuberkulose. 
Während  die  Kontrolltiere  (Ziegen  und  Meerschweinchen)  der  In¬ 
fektion  erlagen,  konnte  bei  den  geschlachteten  Büffeln  nur  eine 
Lokalinfektion  konstatiert  werden.  Diese  Immunität  benutzte 
P  riet  tu  er  bereits,  um  aus  Büffelblut  ein  Serum  gegen  Tuber¬ 
kulose  herzustellen.  Er  hat  54  Versuche  an  Meerschweinchen  und 
3  Versuche  an  Affen  ausgeführt,  welche  günstig  ansgefallen  sein 
sollen. 

4)  Giuseppe  Zirolia  -  Rom :  Der  Pestbazillus  im  Organis¬ 
mus  der  Flöhe. 

Die  Thatsaclie,  dass  Flöh  e,  welche  sich  mit  Blut  vollgesogen 
haben,  einen  Teil  desselben  wieder  von  sich  geben,  liess  die  Mög¬ 
lichkeit  bestehen,  dass  Pestbazillen  auf  diese  Weise  übertragen 
werden  könnten.  Bei  dem  Experiment,  welches  er  bei  Mäusen 
anstellte,  welche  im  Blut  Pestbazillen  enthielten,  zeigte  sich,  dass 
Flöhe,  die  an  den  Mäusen  sogen,  alsbald  auf  die  Oberfläche  der 
Haut  Pestbazilleu  abgaben.  Die  Flöhe  behalten  in  ihrem  Innern 
die  Pestbazillen  lebendig  und  virulent.  Auch  bei  Hunger  bleiben 
doch  dieselben  7 — 8  Tage  im  Darmkanal  am  Leben  und  vermehren 
sich  sogar.  Die  Fäkalien  der  Flöhe  und  die  toten  Kadaver  ent¬ 
halten  ebenfalls  Pestbazillen. 

5)  Iv  ö  r  m  ö  c  z  i  -  Ofen-Pest:  Durch  Streptokokkeninfektion 
verursachte  Polymyositis  (Polymyositis  streptomycotica). 

Ohne  jede  Ursache  erkrankte  ein  23  jähriger  Mensch  an 
P  y  ä  m  i  e.  Im  Blut  zirkulierten  Streptokokken.  Nur  an  den 
Muskeln  waren  mikroskopisch  xvahrnehmbare  Veränderungen  zu 
beobachten.  Trotz  des  14  tägigen  Bestehens  war  aber  keine  Eite¬ 
rung  zu  konstatieren. 

6)  Neelow  -  Kiew :  Zur  Frage  der  Durchgängigkeit  der 
Plazenta  für  Mikroorganismen  und  ihrer  phagocytären  Fähig¬ 
keit. 

Als  Versuchstiere  wurden  schwangere  Kaninchen  gewählt, 
denen  Heubazillussporen  in  die  Ohrvene  gespritzt  wurden. 
Nach  2—0  Tagen  wurden  die  Versuchstiere  getötet  und  aus  den 
Organen  und  der  Plazenta  Kulturen  auf  Agar  angelegt.  Unter 
30  Kulturen  aus  Plazenta  blieben  19  steril.  Von  den  übrigen 

II  Fällen  wuchsen  nur  1  mal  30  Kolonien.  Verf.  zieht  aus  seinen 
Untersuchungen  den  Schluss,  dass  nicht  pathogene  Balt- 


MÜENCIiENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


iiiö 


terien  nicht  durch  die  Plazenta  hindurchgehen 
und  dass  sich  die  phagocytäre  Fähigkeit  der 
Plazenta  als  sehr  gering  erwies. 

7)  Schumburg  -  Hannover:  Die  Beziehungen  der  Babes- 
Ernst  sehen  Körperchen  zu  der  Virulenz  der  Bakterien. 

An  150  verschiedenen  eitrigen  Sekreten  wurde 
zunächst  die  Anwesenheit  von  Mikroorganismen  konstatiert  und 
darauf  die  Darstellung  der  Babes-Ernst  sehen  Körperchen 
versucht.  Letztere  sollten,  wie  M  a  r  x  und  W  o  i  t  e  mehrfach 
angaben,  mit  der  Virulenz  der  Organismen  im  Zusammenhang 
stehen.  Schumburg  konnte  jedoch  zeigen,  dass  dies  nicht 
der  Fall  ist,  jedenfalls  das  Auftreten  und  die  Menge  Babes- 
E  rnst  scher  Körperchen  mit  der  Schwere  des  klinischen  Verlaufs 
nicht  immer  Hand  in  Hand  geht. 

8)  Onorato  -  Genua:  Der  Widerstand  des  Influenzabazillus 
gegen  physische  und  chemische  Mittel. 

Der  Influenzabazillus  wird  bei  58 — GO 0  in  15  bis 
20  Minuten,  bei  —  15 0  in  2 — 2*4  Stunden  abgetötet.  Das  direkte 
Sonnenlicht  vernichtet  ihn  i  n  4  Stunden.  Im  Vakuum 
getrocknet  verliert  er  nach  %  Stunde  die  Fähigkeit,  sich  zu 
vermehren,  bei  37°  in  iya  Stunden,  bei  20°  in  2 ya  Stunden.  Von 
chemischen  Mitteln  hemmen  seine  Entwicklung:  3  proz.  Borsäure 
in  2  Minuten,  1  proz.  Kaliumchlorat  in  10  Sekunden,  1  proz.  Karbol¬ 
säure  in  5  Sekunden,  3  prom.  Salizylsäure  in  5  Sekunden,  1  prom. 
Argent.  nitr.,  0,5  pröm.  Sublimat  und  50  proz.  Alkohol  ebenfalls 
in  5  Sekunden.  Er  wird  abgetötet  von:  2  proz.  Karbolsäure,  1  proz. 
Lysol,  1  proz.  Resorcin,  0,5  prom.  Sublimat,  5  proz.  Salzsäure, 
5  proz.  Salpetersäure,  3  proz.  Schwefelsäure,  2  proz.  Aetzkali, 
75  proz.  Alkohol. 

9)  P  r  e  i  s  i  c  h  und  Heim-  Ofen-Pest:  Ueber  das  Wesen  der 
Tuberkulinreaktion. 

Das  Ergebnis  dieser  Studie  ist  die  Ansicht  der  Verfasser,  dass 
das  Tuberkulin  für  die  Tuberkulose  zwar  ein  sicheres  diagnosti¬ 
sches  Mittel  ist,  aber  sein  Wert  für  eine  differenzielle  Diagnostik 
viel  geringer  ist.  Handelt  es  sich  darum,  bei  einem  Tiere  nach¬ 
zuweisen,  ob  Tuberkulose  vorliegt  oder  nicht,  so  lässt  das  Tuber¬ 
kulin  nie  im  Stich,  aber  ob  beim  Menschen  in  fraglichen  Fällen 
Tuberkulose  oder  ein  ähnlicher  Prozess  vorhanden  ist,  ist  nur  mit 
grosser  Vorsicht  zu  beantworten.  Jedenfalls  muss  die  zu  unter¬ 
suchende  Person  tagelang  vor  der  Tuberkulininjektion  ohne  Tem¬ 
peratursteigerung  gewesen  sein  und  keine  wirksamen  Medikamente 
eingenommen  haben. 

10)  Fermi  und  Cano  B  r  u  s  c  o  -  Sassari:  Prophylaktische 
Versuche  gegen  die  Malaria,  angestellt  auf  den  k.  sardinischen 
Eisenbahnen. 

Sowohl  in  der  Provinz  Sassari  wie  in  der  Provinz 
C  a  g  1  i  a  r  i  wurden  Fenster  und  Schornsteine  mit  Drahtnetzen 
versehen,  um  die  Mücken  nicht  hereinzulassen.  Die  Einwohner 
der  Bahnwärterhäuschen  und  Stationen  waren  verpflichtet,  nur  aus 
dem  Hause  herauszutreten,  wenn  sie  mit  Kapuze  und  Hand¬ 
schuhen  angezogen  waren.  Von  sämtlichen  38  Individuen,  welche 
geschützt  worden  waren,  erkrankte  kein  einziges  an  Malaria,  wäh¬ 
rend  die  Kontrollbewohner  in  einem  ungeschützten  Bahnwärter¬ 
haus  alle  erkrankten. 

No.  15.  1)  A.  Meyer-  Marburg:  Kurze  Mitteilung  über  die 

Begeisselung  der  Bakterien. 

Es  gelang  E 1 1  i  s  bei  einer  Reihe  Mikrokokke  n, 
Streptokokken  und  Sarcinen  Geisseln  zu  färben,  welche 
allerdings  nur  in  gewissem  Eutwicklungsstadium  vorhanden  sein 
sollen.  Ob  pathogene  Streptokokken  ebenfalls  begeisselt  sein 
können,  steht  noch  aus. 

2)  Cohn-Halle:  Untersuchungen  über  eine  neue  tierpatho¬ 
gene  Hefeart  (Hefeklein). 

Die  Hefe  fand  sich  meist  in  Kugelgestalt  mit  färbbarer 
Kapsel,  besonders  im  Tierkörper.  Sie  wächst  auf  allen  Nährböden, 
besonders  auf  zuckerhaltigen  und  auf  Bierwürze.  Das  Wachs- 
t  u  m  ist  aber  verhältnismässig  langsam.  Sporen  konnten  nicht 
beobachtet  werden.  Zucker  wird  nicht  vergohren.  Die  Hefe  zeigte 
sich  pathogen  für  Mäuse,  Meerschweinchen,  Kanin¬ 
chen,  Hunde  und  Schweine.  Tauben  und  Ratten  waren 
unempfänglich.  Wenn  die  Infektion  auch  langsam  fortschritt,  so 
genügte  doch  bei  Mäusen  schon  1  Millionstel  Oese  Reinkultui’. 
Ganz  besonders  wurden  die  Lungen  in  Mitleidenschaft  gezogen. 
Aus  den  einzelnen  Organen  liess  sich  die  Hefe  wieder  rein  züchten. 
Bei  Meerschweinchen  und  Kaninchen  entstanden 
hämatogene  Schleimhautentzündungen  und  ausserdem  konnte  eine 
Lokalisation  der  Hefe  im  Gehirn  und  Rückenmark  nachgewiesen 
werden.  Bei  Fütterungsversuchen  gelang  es  nur  Mäuse  zu  tödten. 

3)  P  r  e  i  s  i  c  h  -  Ofen-Pest:  Der  Einfluss  ausschliesslicher 
Fleischnahrung  auf  die  Impftuberkulose  der  Hühner. 

Im  allgemeinen  scheint  es,  als  ob  die  Fleischnahrung 
die  Entwicklung  der  Impftuberkulose  günstig  beeinflusste. 
Allerdings  ist  dabei  dem  Fleische  keine  spezifische  Wirkung  zu¬ 
zuschreiben,  denn  das  Fleisch  wirkt  nicht  in  jedem  Falle,  selbst 
wenn  die  äusseren  Verhältnisse  und  die  Art  der  Infektion  die 
gleichen  sind;  zweitens  werden  lange  Zeit  mit  Fleisch  genährte 
Hühner  ebenso  tuberkulös,  wie  dieKontrollhühner;  drittens  konnten 
kurze  Zeit  hindurch  mit  Fleisch  genährte  Hühner  der  Infektion 
besser  widerstehen. 


Ko.  23. 


4)  De  II  a  a  n  -  Weltevreden  (Java):  Bösartige  Schimmel¬ 
krankheit  des  Pferdes  (Hyphomycosis  destruens  equi). 

Die  Krankheit  äussert  sich  dadurch,  dass  sie  die  Schleim¬ 
haut  und  Haut  des  M  u  n  d  e  s,  der  Lippen  und  Nase  befällt. 
Wird  sie  sich  selbst  überlassen,  so  geht  sie  auch  auf  Knochen¬ 
gewebe  über  und  zerstört  dasselbe.  In  der  Mundhöhle  geht  der 
Prozess  am  schnellsten  vor  sich.  Diagnostisch  wichtig  sind  die 
Stecknadel-  bis  eigrosseu  Pfropfe,  die  im  Gewebe  entstehen. 
Sie  bestehen  aus  reinem  Mycel  eines  unbekannten  Schimmels, 
der  sich  auf  Agar  züchten  liess.  Reinkulturen,  auf  Pferde  ver- 
impft,  brachten  jedoch  bis  jetzt  die  Krankheit  nicht  wieder  hervor. 
Die  beste  Therapie  ist  eine  Radikaloperation  der  erkrankten  Haut- 
und  Knocheupartien. 

5)  Tsuzuki  -  Tokio:  Ueber  die  Ergebnisse  meiner  Malaria¬ 
forschung  in  Hokkoido  (Japan). 

Auf  der  Insel  Hokkoido,  wo  mehrere  Militärkolonien  sich 
befiuden,  gelang  es  dem  Verfasser,  sowohl  Anopheles  wie 
C  ulexarten  zu  linden,  welche  die  dort  herrschenden  Malaria¬ 
epidemien  veranlassten.  Besonders  stark  tritt  sie  in  Fuk  a  w  a  y  a 
auf,  ist  aber  ausschliesslich  gutartiges  Tertianafieber.  Da  die 
grossen  Reisfelder  unmöglich  trocken  gelegt  werden  können,  so 
ist  man  auf  die  Anwendung  von  Petroleum  oder  Chrysan¬ 
themum  angewiesen.  Ausserdem  werden  prophylaktisch  Mos¬ 
kitonetze  und  Chinin  benützt. 

6)  v.  L  i  n  s  t  o  w  -  Göttingen :  Zwei  neue  Parasiten  des 
Menschen. 

Von  den  neuen  Parasiten  ist  die  eine  eine  Taenienart, 
die  andere  Physaloptera  caucasica  n.  sp. 

7)  L  ü  h  e  -  Königsberg:  Ueber  Geltung  und  Bedeutung  der 
Gattungsnamen  Eimeria  und  Coccidium. 

8)  E  i  s  e  n  b  e  r  g  -  Krakau:  Untersuchungen  über  spezifische 
Präzipitationsvorgänge. 

9)  B  o  n  o  m  e  -  Padua:  Ueber  die  Erzeugung  der  Toxoide  aus 
den  Kulturen  des  Tetanusbazillus. 

10)  Land  steiner  und  Cal  ov-  Wien:  Zur  Kenntnis  der 
Reaktionen  des  normalen  Pferdeserums. 

Allgemein  wird  meist  angenommen,  dass  in  den  Präzipitinen 
ein  einfaches  Mittel  gefunden  sei,  die  verschiedenen  Eiweisskörper 
mit  Sicherheit  zu  erkennen  und  selbst  von  sehr  nahe  verwandten 
Stoffen  zu  unterscheiden.  Nach  den  Untersuchungen  von  Ober- 
m  a  y  e  r  und  Pick  und  neuerdings  vom  Verfasser  ist  die 
sogen,  biologische  Reaktion  zur  Identifizierung  von  Eiweisskörpern 
nicht  ohne  weiteres  anwendbar.  Die  Versuche,  die  mit  Pferde¬ 
serum  angestellt  wurden,  ergeben,  dass  keine  Ueberimpfung 
zwischen  den  präzipitablen  Substanzen  und  den  bekannten  Eiweiss¬ 
körpern  des  Blutserums  besteht.  Ausserdem  zeigt  sich,  dass 
mehrere  präzipitable  Stoffe  im  Serum  existieren,  die  wenigstens, 
so  wie  sie  im  Serum  vorhanden  sind,  verschiedene  Fällbarkeit 
durch  Ammonsulfat  besitzen. 

11)  T  a  v  e  r  n  i  -  Rom :  Die  Pyocyanase  Emmerichs  und 
L  ö  w  s  bei  dem  experimentelleu  Milzbrand. 

Es  werden  durch  die  Versuche  des  Verfassers,  welcher  an 
Meerschweinchen  und  Kaninchen,  die  mit  Milzbrand  geimpft 
waren,  die  Wirkung  der  Pyocyanase  zu  ermitteln  versuchte, 
die  von  Emmerich  und  L  ö  w  gefundenen  Tatsachen  bestätigt 
und  gezeigt,  dass  in  der  Tat  der  Pyocyanase  ein  erheb¬ 
licher  Heileffekt  gegen  Milzbrandinfektion 
inuewohnt. 

12)  I  s  h  i  g  a  m  i  -  Osaka:  Ueber  die  Kultur  des  Vaccine-  resp. 
V  ariolaerregers. 

Gleichwie  so  vielen  anderen  Forschern  gelang  es  auch  dem 
Verfasser  nicht,  aus  den  Lymphpusteln  einen  spezifischen  B  a  - 
z  i  1 1  u  s  zu  züchten.  Dagegen  fand  er  in  Variola-Vaccine-  und 
humanisierter  Lymphe  eine  bestimmte  Art  von  Protozoen,  die 
den  von  Guarnieri  und  L.  Pfeiffer  beschriebenen  ähnlich 
waren.  Auch  in  Vaccine-  und  Variolakrusten  kamen  diese  Or¬ 
ganismen  häufig  vor.  In  der  Eruptionszeit  beobachtet  man  sie 
ebenfalls  im  Blut  und  den  verschiedenen  Organen  der  geimpften 
Tiere.  Die  Vermehrung  der  Protozoen  geschieht  anfänglich  durch 
Teilung,  später  bildet  sich  eine  Cyste,  ans  deren  Inhalt  durch  Tei¬ 
lung  zahlreiche  Sporozoiten  hervorgehen.  Der  Organismus  ist 
züchtbar  auf  einem  Nährboden,  der  zum  grössten 
Teil  aus  Epithelzellen  noch  nicht  geimpfter 
Tiere  besteht.  Bei  Kälbern  treten  nach  Impfung  mit  Rein¬ 
kulturen  am  3.  oder  4.  Tage  Impfblasen  auf,  welche  mit  Fieber 
begleitet  sind.  Aus  den  Impfblasen  können  wiederum  die  Orga¬ 
nismen  gezüchtet  werden.  Durch  die  Impfung  der  Reinkulturen 
wird  Schutzimpfung  erzeugt. 

Die  Form  und  Eigenschaften  dieses  Parasiten  sind  denen  des 
Mikrosporädium  bombycis  ähnlich. 

13)  G  a  b  r  i  t  s  c  h  e  w  s  k  y  -  Moskau:  Beiträge  zu  bakterio¬ 

logischen  Untersuchungsmethoden.  I.  Ueber  den  Einfluss  hoher 
Temperaturen  auf  die  Färbbarkeit  der  Bakterien.  II.  Ein  neues 
Thermostatsystem.  R.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902  No.  25 

1)  R.  Pfeiffer  und  E.  Friedberger  -  Königsberg  i.  Pr. : 
Ueber  das  Wesen  der  Bakterien  Virulenz  nach  Untersuchungen 
an  Choleravibrionen. 


1.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1111 


Die  in  dem  Artikel  mitgeteilten  Untersuchungen  führten  zu 
folgenden  Schlüssen:  Bei  den  Cholera  Vibrionen  unterscheiden  sich 
virulente  und  avirulente  Stämme  durch  die  Anzahl  oder  den  Grad 
der  Affinität  ihrer  haptophoren  Gruppen.  Die  virulenten  Stämme 
besitzen  eine  mindestens  5 — 10  mal  grössere  Affinität  als  die 
avirulenten.  Der  immunisierende  Effekt  durch  die  Impfung  mit 
Choleravibrionen  ist  aus  dem  gleichen  Grunde  abhängig  von  der 
Höhe  der  Virulenz  der  verimpften  Kultur.  Analoge  Verhältnisse 
sind  für  Typhus-  und  Pestbazillen  vorauszusetzen.  Das  Wesen  der 
Virulenz  beruht  für  die  angeführten  Bakterienspezies  auf  ihrem 
Bindungsvermögen  gegenüber  den  zu  ihnen  passenden  Ambocep- 
toren. 

2)  P.  Ehrlich  und  H.  T.  M  a  r  s  c  h  a  1 1  -  Frankfurt  a.  M.: 
Ueber  die  komplementophilen  Gruppen  der  Amboceptoren. 

Der  Artikel  eignet  sich  nicht  für  einen  kurzen  Auszug. 

3)  J.  B  r  u  i  n  i  n  g  -  Leiden:  Zur  Frage  der  alimentären  Gly- 
kosurie  bei  Leberkranken. 

21  Fälle  von  Leberkranken  kamen  zur  Untersuchung.  Von 

12  Fällen,  welche  mit  Bezug  auf  Lävulose  untersucht  wurden, 
ergab  sich  bei  10  ein  positives  Resultat.  Von  11  Fällen  von  Leber- 
cirrhose  zeigten  10  nach  Darreichung  von  Lävulose  Lävulosurie. 
Bei  15  Fällen  wurde  Dextrose  gegeben,  wobei  für  13  das  Ergebnis 
negativ  war.  In  15  Fällen  wurde  Saccharose  verabreicht  und  bei 

13  derselben  dann  Dextrose  im  Harn  ausgeschieden.  Leberkranke 
sind  also  gegen  Lävulose  intolerant,  sodass,  wie  schon  Strauss 
ausgesprochen  hat,  die  Lävulosurie  ein  diagnostisches  Zeichen  für 
Lebererkrankung  darstellt.  Es  ist  möglich,  dass  das  Verhalten  der 
verschiedenen  Zuckerarten  bei  der  Einführung  sogar  ein  diffe¬ 
rentialdiagnostisches  Mittel  für  die  Erkennung  der  Art  der  Leber¬ 
krankheit  darstellen  wird. 

4)  P.  Strassmann-Berlin:  Die  operative  Entfernung 
der  Eileiterschwangerschaft  von  der  Scheide  her.  (Schluss  folgt.» 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  25. 

1)  E.  R  i  e  g  1  e  r  -  Jassy:  Eine  neue  gasometrische  Bestim¬ 
mungsmethode  der  Chlorwasserstoffsäure  im  Magensafte. 

Die  Methode  hat  den  Vorteil  gegenüber  der  für  den  Kliniker 
ziemlich  umständlichen,  von  S  j  o  q  v  i  s  t  angegebenen,  die  Menge 
des  gebildeten  Clilorbaryums  sehr  genau  und  rasch  auf  gasvolume- 
trischem  AVege  zu  bestimmen. 

Das  Prinzip  ist  folgendes: 

1.  Behandelt  man  Chlorbary umlösung  mit  Jodsäure,  so  bildet 
sich  Chlorwasserstoffsäure,  und  es  scheidet  sich  unlösliches 
Baryumjodat  aus. 

2.  Baryumjodat,  mit  einer  Lösung  von  Hydrazinsulfat  zu¬ 
sammengebracht,  entwickelt  Stickstoff. 

Man  kann  demnach  aus  dem  Volumen  des  in  einer  Gasmess¬ 
röhre  aufgesammelten  Stickstoffs  das  Gewicht  des  demselben  ent¬ 
sprechenden  Clilorbaryums  resp.  der  Chlorwasserstoffsäure  be¬ 
rechnen.  Der  Apparat,  welchen  Ii.  zu  dieser  Bestimmungsmethode 
benützt,  ist  der  bekannte  Knop-Wagner sehe  Azotometer 
oder  der  von  ihm  zur  Harnstoffbestimmung  angegebene,  welchen 
man  mittels  Kautschuckschlauches  mit  dem  Entwicklungsgefäss 
des  Knop-Wagner  sehen  Azotometers  in  Verbindung  bringt. 

Auf  die  näheren  Details  des  Verfahrens,  sowie  auf  die  ziy 
Erleichterung  der  Rechnung  zusammengestellte  Tabelle  muss  auf 
den  Originalartikel  verwiesen  werden. 

2)  L  ä  m  m  e  r  h  i  r  t  -  Leipzig:  Zur  Kasuistik  der  Angina 
Vincenti  sive  diphtheroides. 

Das  Abweichende  dieses  Falles  von  der  Norm  liegt  darin, 
dass  nur  eine  Tonsille  von  der  Erkrankung  ergriffen  wurde  und 
dass  die  rapide  Gewebsnekrose  es  gar  nicht  zur  Membranbildung 
kommen  liess.  Als  ätiologisches  Moment  für  die  Ansiedelung  der 
Bakterien  und  für  die  einseitige  Erkrankung  könnte  man  vielleicht 
ein  Trauma  bei  der  Nahrungsaufnahme  annehmen,  das  nur  die 
eine  Tonsille  betroffen  hat.  Aus  der  Anamnese  liess  sich  nichts 
Stichhaltiges  hiefür  erfahren. 

3)  B  ü  s  i  n  g  -  Bremen:  Ein  Fall  von  langdauernder  Aus¬ 
scheidung  von  Typhusbazillen  mit  dem  Urin. 

Kasuistische  Mitteilung,  welche  vom  allgemein  hygienischen 
Standpunkte  aus  nicht  ohne  Interesse  ist. 

4)  A.  Rosenbaum  -  Berlin:  Ueber  Atonie  des  Magens  und 
ihr  Verhältnis  zur  motorischen  Insuffizienz. 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

6)  A.  Schönwerth  -  München:  Ueber  subkutane  Milz¬ 
rupturen. 

Der  mitgeteilte  Fall  betraf  einen  jungen  kräftigen  Mann,  bei 
welchem  sich  im  Anschluss  an  einen  gegen  den  Unterleib  ge¬ 
richteten  Hufschlag  binnen  kurzer  Zeit  das  Bild  einer  schweren 
Anämie  einstellte,  so  dass  über  die  Diagnose  einer  inneren  Blutung 
kein  Zweifel  mehr  bestehen  konnte.  Sowohl  wegen  der  Art  der 
Verletzung,  als  besonders  in  Anbetracht  der  begleitenden  Um¬ 
stände  hat  der  Fall  Anspruch  auf  Interesse. 

7)  W.  S  t  o.o  d  -  Barmen:  Künstliche  Reifung  des  grauen 
Stars  in  geschlossener  Kapsel  nach  Förster. 

Nach  einem  auf  der  72.  Naturforscherversammlung  in  Aachen 
am  20.  September  1900  gehaltenen  Vortrag. 

8)  S  i  1  b  e  r  s  t  e  i  n  -  Berlin:  Beitrag  zur  Heilserumbehand¬ 
lung  der  Diphtherie.  M.  L. 


Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  32.  Jahrg.  No.  12. 

Sahli:  Zur  chirurgischen  Behandlung  des  Magen¬ 

geschwürs. 

Nach  einer  vortrefflichen  Einleitung  über  chirurgische  und 
intern-medizinische  Publizistik  AViederholung  der  auf  dem  dies¬ 
jährigen  Kongress  für  innere  Medizin  vertretenen  Thesen,  welche 
eine  Einschränkung  der  chirurgischen  Behaudluug  des  Magen¬ 
geschwürs  fordern. 

D  u  b  o  i  s  -  Bern:  Radikuläre  Lähmung  im  Bereich  der 
Sakralwurzeln. 

Unter  Hinweis  auf  einen  1888  beschriebenen  Fall  von  „apo- 
plektischem  Einsetzen  neuritischer  Lähmungen“  (durch  Plexus¬ 
blutung)  beschreibt  Verfasser  eine  ebenfalls  rasch  aufgetretene 
Lähmung  im  Bereich  der  Sakralwurzeln,  die  (ohne  Sektion)  auf 
eine  Blutung  in  der  Rückgratshöhle  zurückzuführen  ist.  Ischias 
ist  vielfach  nicht  Neuritis  nervi  ischiadici,  sondern  beruht  auf  Er¬ 
krankung  am  Conus  terminalis.  (3  Fig.) 

Richard  Zollikofer-  St.  Gallen:  Ueber  den  Befund  von 
protagonhaltigen  Körnern  bei  Probepunktionen  des  Thorax  und 
über  das  Vorkommen  derselben  in  Tumoren  und  anderen  Affek¬ 
tionen  der  Lunge.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Bern,  Prof. 
S  a  h  1  i.) 

Bei  Punktion  und  Sektion  eines  Lungensarkoms  fanden  sich 
(nicht  in  den  übrigen  Geschwulstherden)  zahlreiche,  Myelinkörnern 
entsprechende,  doch  viel  grössere  Körper,  die  sich  als  Protagon 
(dieses  gibt  bei  Aufkochen  mit  Wasser  sofort  wieder  Myelinformen) 
erwiesen,  also  identisch  mit  dem  Myelin  des  Sputum  sind.  Ver¬ 
fasser  fand  solche  Körperchen  bei  Sektion  verschiedener,  doch 
nicht  aller  malignen  Lungentumoren,  auch  in  Fällen  von  Tuberku¬ 
lose  und  Pneumonie.  Myelinkörper  können  zur  Identifizierung 
eines  pathologischen  Gewebes  sowohl  im  Thorax  als  auch  in  der 
Lunge  (durch  Punktion)  dienen.  Dr.  Pischinger. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  25.  1)  R.  S  c  h  m  i  d  t  -  Wien:  Zur  Diagnostik  des  Nieren¬ 
infarktes. 

A^erfasser  gibt  die  Krankengeschichte  eines  45  jährigen,  an 
Insuffizienz  und  Stenose  der  Mitralis  leidenden  Patienten,  bei 
welchem  zunächst  eine  Embolisierung  beider  Nierenarterien, 
schliesslich  auch  eine  solche  der  liuken  Art.  foss.  Sylvii,  sowie 
eine  solche  der  Art.  cubital.  der  linken  Seite  auftrat.  Diese  Dia¬ 
gnose  wurde  durch  die  Sektion  bestätigt.  In  der  Epikrise  bespricht 
S.  eingehend  die  Symptomatologie  des  Niereninfarktes,  besonders 
die  dabei  gelegentlich  auftretenden  akuten  Blasenstörungen,  welche 
unter  dem  Bilde  der  Retentio  oder  Incontinentia  urinae  verlaufen. 
Postembolisch  findet  sich  auch  Polyurie.  Bei  Niereninfarkt  tritt 
selten  Haematurie  ein,  dagegen  ist  häufig  eine  unter  Schmerzen 
einsetzende  und  rasch  zurückgehende  Serum-  und  Nuklealbumi- 
nurie.  Plötzlich  einsetzendes  Erbrechen  ist  bei  Herzkranken  nicht 
selten  das  erste  Anzeichen  des  Niereninfarktes.  Temperatur¬ 
steigerung  im  Laufe  der  letzteren  kann  aseptisch  bedingt  sein, 
eventuell  durch  Resorption  nekrotischer  Gewebspartien.  Bei  Ver¬ 
dacht  auf  Niereninfarkt  ist  auf  das  Verhalten  der  Sensibilität  im 
Bereiche  des  Plexus  ileohypogastricus  zu  achten. 

2)  K.  B  ü  d  i  n  g  e  r:  Eine  Methode  des  Ersatzes  von  Lid¬ 
defekten. 

B.  beschreibt  2  Fälle,  in  welchen  er  den  Ersatz  in  der  Weise 
vorgenommen  hat,  dass  2  Lappen  gebildet  werden,  von  denen  der 
eine,  welcher  die  fehlende  Lidhaut  ersetzen  soll,  aus  der  Haut  der 
Schläfengegend  oder  der  Wange  gebildet  wird,  während  der  zweite, 
welcher  den  verloren  gegangenen  Teil  des  Tarsus  samt  der  Kon- 
junktiva  ersetzen  kann,  aus  der  Ohrmuschel  exzidiert  wird,  am 
Besten  unterhalb  des  Helix.  Er  soll  jedocli  nur  aus  der  vorderen 
Hautbedeckung  der  Ohrmuschel  und  dem  Knorpel  bestehen. 

3)  J.  S  c  h  e  i  d  1  -  Baden  bei  Wien:  Zur  Kasuistik  der  Schädel¬ 
verletzungen. 

Durch  Hufschlag  hatte  ein  Offizier  eine  Zertrümmerung  des 
linken  Scheitelbeines  erlitten,  wobei  auch  eine  ausgedehnte  Ge¬ 
hirnverletzung  eingetreten  war.  Trotz  bedeutenden  Hirnprolapses 
und  wahrscheinlicher  Eröffnung  eines  Seitenventrikels  erfolgte 
durch  operativen  Eingriff  Heilung. 

4)  Wagner  v.  J  a  u  r  e  g  g:  Zur  Behandlung  des  endemi¬ 
schen  Kretinismus. 

Gegenüber  Scholz-  Graz,  der  bei  Darreichung  von  Schild¬ 
drüsenpräparaten  keine  Besserung  seiner  Kranken  gesehen  hatte, 
weist  Verfasser  auf  seine  eigenen  günstigen  Erfolge  hin.  Er 
konnte  während  der  Dauer  der  Behandlung  eine  Steigerung  des 
Längenwachstums  bei  seinen  Kretins  konstatieren,  sowie  auch 
einen  unverkennbar  günstigen  Einfluss  auf  das  psychische  Be¬ 
finden. 

5)  L.  Harm  er- Wien:  Ueber  Lymph-  und  Hämangiome 
des  Kehlkopfes  und  entzündliche  Vorgänge  in  denselben. 

Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  kommt  Verfasser  zu  dem 
Schlüsse,  dass  die  genannten  Hämangiome  sehr  selten  Vor¬ 
kommen,  die  Lymphangiome  aber  noch  rarer  sind.  Beide  Ge¬ 
schwulstformen  sind  angeboren  und  kongenital  angelegt.  AVie 
die  Lymphangiome  des  Mundes,  haben  auch  jene  des  Kehlkopfes 
eine  grosse  Neigung  zur  Entzündung  und  regressiven  Veräncle- 


t  112 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


rangen.  Dieselben  kommen  meist  durch  oberflächliche  Läsionen 
und  Eindringen  von  Bakterien  zustande.  Die  Diagnose  ist  sehr 
schwierig  und  gelingt  nur  mit  einiger  Sicherheit,  wenn  an  der 
Oberfläche  mit  Lymphe  gefüllte  Bläschen  wahrgenommen  werden 
können.  Prognostisch  kommt  in  Betracht,  dass  derartige  Ge¬ 
schwülste  lange  Zeit  kein  oder  nur  ein  ganz  geringes  Wachstum 
zeigen.  Die  Therapie  kann  nur  in  der  Entfernung  der  Geschwulst 
oder  vielleicht  noch  der  Ignipunktur  bestehen,  nur  bei  kleinen 
Gesell  wülstchen  in  der  Elektrolyse.  G  rass  m  a  n  n  -  München. 

Wiener  medicinische  Presse. 

No.  24.  F.  Alt- Wien:  Ein  geheilter  Fall  von  otitischer 
Sinus-  und  Jugularisthrombose  mit  metastatischem  Lungen¬ 
abszess. 

Ligatur  der  Vena  jugularis  1  cm  über  der  Vena  subclavia, 
Spaltung  und  Ausräumung  des  Sin.  lateralis.  Am  Tage  darauf 
wurde  ein  metastatischer  Herd  in  dem  Unterlappen  der  rechten 
Lunge  nachgewiesen.  Die  erhoffte  Spontanentleerung  des  Ab¬ 
szesses  durch  die  Bronchien  blieb  aus.  Nach  Kippenresektion  und 
Vernähung  von  Lunge  und  Pleura  Eröffnung  und  Entleerung  des 
kleinapfelgrossen  Abszesses.  Heilung. 

J.  F  r  i  t  s  c  h  -  Wien:  Therapeutische  Notitz  über  Hedonal. 

F.  rühmt  das  Hedonal  als  sehr  brauchbares  Schlafmittel  ohne 
schädliche  Nebenwirkung  (Durchschnittsgabe  1,5  g)  zumal  bei  ein¬ 
facher  Schlaflosigkeit  von  Neurasthenikern. 

No.  25.  L.  Hof  baue  r:  Zur  Frage  des  Resorptionsmecha- 
nismus. 

H.  berichtet  über  seine  Versuche  zur  Lösung  der  Frage: 
Müssen  die  per  os  eingebracliten  Substanzen  wasserlöslich  sein, 
um  vom  Darm  aus  resorbiert  zu  werden?  Muss  daher  Fett  vor 
seiner  Aufnahme  in  wasserlöslichem  Zustand,  d.  h.  verseift  sein? 
H.  bediente  sich  hierzu  des  Alkannarotes  als  Indikator,  welches 
in  Wasser  unlöslich  ist  und  bei  Gegenwart  geringster  Mengen  von 
Alkalien  in  eine  blaue  Farbe  übergeht,  und  konnte  in  den  Cliylus- 
gefässen  massenhaft  rotgefärbte,  also  nicht  verseifte  Fettröpfchen 
nachweisen.  Die  Beweiskraft  seiner  Versuche  hält  er  den  Ein- 
wänden  Pflügers  gegenüber  aufrecht. 

No.  24 — 25.  E.  F  u  c  li  s  i  g  -  Wien:  Die  typischen  Riss¬ 

frakturen  des  Fersenbeines. 

Mit  Hilfe  der  Radiographie  ist  erwiesen  worden,  dass  die 
früher  vielfach  angenommene,  dann  eine  Zeitlang  bestrittene  Riss¬ 
fraktur  des  Calcaneus  tatsächlich  nicht  selten  zustande  kommt. 
Eine  ganz  sichere  Diagnose  ist  auch  nur  auf  diesem  Wege  mög¬ 
lich  und  Verfasser  bringt  für  4  eigene  Fälle  charakteristische 
Radiogramme  bei.  Bezüglich  des  Entstehungsmechanismus 
haben  Güssen  bau  er  und  Maydl  Recht,  es  handelt  sich  um 
eine  übermässige  Kontraktur  der  Wadenmuskel  und  die  meist 
durch  einen  Fall  vermehrte  Wirkung  des  Körpergewichtes.  Bei 
erheblicher  Dislokation  ist  die  Freilegung  der  Bruchstelle  und 
direkte  Knochennaht  das  rationelle  Verfahren. 

Wiener  medicinische  Wochenschrift. 

No.  24.  O.  Burwinkel-Nauheim:  Chronische  Herz-  und 
Lungenleiden  in  ihren  Wechselbeziehungen. 

Die  in  dem  grossentheils  referirenden  Aufsatz  niedergelegten 
eigenen  Erfahrungen  des  Verfassers  bestätigen  die  Seltenheit  der 
Kombination  von  Lungentuberkulose  mit  Herzklappenfehlern,  mit 
Gicht  und  mit  Arteriosklerose  höheren  Grades.  In  Bezug  auf  das 
Verhältniss  zwischen  Emphysem  und  Arteriosklerose  hält  Ver¬ 
fasser  das  Emphysem  für  eine  häufige  Ursache  der  Arteriosklerose 
und  zwar  durch  Verlangsamung  des  Blutstromes  in  den  Gefässen 
und  Veränderung  der  Blutqualität. 

No.  25.  v.  Dräsche-  Wien:  Die  Tuberkulose.  I.  Heredität. 

D.  kritisiert  die  gebräuchlichen  Statistiken  über  die  Heredität 
bei  Tuberkulose  nach  verschiedenen  Richtungen  als  unzulänglich. 
Eigene  Erhebungen  an  1000  Kranken  bestätigen  die  starke  Be¬ 
lastung  von  väterlicher  Seite.  52,5  Proz.  väterliche,  31,4  mütter¬ 
liche,  10,0  beiderseitige  Belastung.  Ferner  ergaben  sie  die  grosse 
Sterblichkeit  von  Abkömmlingen  tuberkulöser  Eltern  im  Kindes¬ 
alter,  weiter  das  Vorkommen  der  Tuberkulose  bei  nur  3  Proz. 
der  Kinder  nicht  tuberkulöser  Eltern.  Die  starke  Heredität  väter¬ 
licherseits  legt  dem  Verfasser  den  Vergleich  mit  der  hereditären 
Lues  nahe  und  den  Gedanken,  dass  möglicherweise  mit  dem  Sperma 
neben  den  Bazillen  noch  ein  anderes  uns  noch  unbekanntes  in¬ 
fektiöses  Agens  übertragen  werde. 

No.  23 — 25.  E.  H  e  r  z  -  Itzeszow:  Ein  Fall  von  rudimentärer 
Entwicklung  der  Vagina  und  des  Uterus  (Uterus  unicornis 
sinister). 

Der  Fall  bietet  das  Bemerkenswertlie,  dass  es  auf  operativ- 
mechanischem  Wege  gelang,  an  Stelle  der  ganz  unwegsamen 
Vagina  ein  bis  zum  Oriflcium  uteri  reichendes  Vaginalrohr  zu 
bahnen,  und  dass  sich  alsbald  die  Menses,  das  erstemal  mit 
Hämatokolpos,  einstellten  und  damit  die  subjektiven  Beschwerden 
des  20  jährigen  Mädchens  schwanden.  Bezüglich  der  Kohabita- 
tions-  und  Befruchtungsmöglichkeit  stellt  II.  die  Prognose  sogar 
ziemlich  günstig. 

No.  21  25.  M.  K  u  n  z  -  Mühlhausen  i.  E.:  Zur  Blinden¬ 

physiologie  (das  Sinnenvikariat). 

Im  wesentlichen  referiert  Verfasser  über  die  von  Professor 
Griesbach  augestellten  Versuche,  bestätigt  aber  auch  durch 


eigene  Erfahrung  als  Blindenlehrer,  dass  der  althergebrachte  und 
weitverbreitete  Glaube,  wonach  der  Verlust  eines  Sinnes  eine  be¬ 
sondere  Schärfe  der  anderen  oder  eines  anderen  im  Gefolge  habe, 
durchaus  nicht  zutreffend  ist.  Speziell  gilt  das  von  dem  viel¬ 
gerühmten  Tastsinn  der  Blinden  und  sind  z.  B.  für  das  Tasten  der 
Blindenschrift  ziemlich  grobe  Typen  und  nach  des  Verfassers  Er¬ 
fahrung  sogar  ein  abgestumpftes  Tastgefühl  (Scliwielenbilduug) 
erforderlich.  Im  allgemeinen  kann  eher  behauptet  werden,  dass 
bei  Blinden  auch  die  anderen  Sinne  hinter  dem  Durchschnitt  der 
Leistungsfähigkeit  Gesunder  zurückstehen. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  22 — 23.  L.  It.  v.  Iv  o  r  c  z  y  n  s  k  i  -  Krakau:  Einige  Be¬ 
merkungen  zur  Pathogenese  der  Aortasklerose. 

Zwei  genau  beschriebene  Fälle,  von  denen  der  eine  zur  Ob¬ 
duktion  gelangte,  gaben  dem  Verfasser  nicht  nur  die  Anhalts¬ 
punkte  zu  einer  Diagnose  der  Aortaerkrankung  in  vivo,  sondern 
zur  Annahme  eines  infektiösen  Ursprunges,  in  Uebereinstimmung 
mit  der  Auffassung  G  1  u  z  i  n  s  k  i’s. 

No.  25.  H.  Frey -Wien:  Zur  Technik  der  Lokalanästhesie 
bei  Extraktionen  von  Ohrpolypen. 

Die  bis  vor  kurzem  gebräuchliche  äussere  Anwendung  von 
5 — 10 proz.  Kokainlösung  gab  ganz  ungenügende  Resultate;  für 
kleine  Polypen  ist  das  von  Politzer  geübte  Bestreuen  mit 
Kokain  in  Substanz  zweckmässig:  die  B  onai  n  sehe  Lösung 
(Acid.  carbol.  cone.  2,0,  Menthol  und  Cocain,  mur.  äa  0,5)  genügt 
nur  für  die  Vornahme  von  Parazentesen.  Sehr  gut  hat  sich  da¬ 
gegen  in  10  Fällen  die  Injektion  von  yz — 1  ccm  einer  5  proz. 
Kokainlösung  in  die  Polypen  selbst  bewährt. 

No.  23 — 25.  K.  Ullmann  -  Wien:  Zur  klinisch-thera¬ 

peutischen  Verwertbarkeit  konstanter  Wärme. 

Verfasser  hat  einen  „Hydro  thermoregulator“  konstruiert, 
welcher  Apparat  dazu  dient,  ein  gewisses  Quantum  Wasser  auf 
beliebiger  Temperatur  zu  erhalten  und  in  fortgesetzten  Kreislauf 
zu  versetzen.  Die  Applikation  der  Wärme  geschieht  durch 
„Thermoden“,  welche  nach  dem  Prinzip  der  Leiter  sehen 
Röhren  aus  Metall  oder  Hartgummi  hergestellt  und  den  einzelnen 
Körperstellen  angepasst  sind.  Nach  U.s  Erfahrungen  übt  die 
Wärme  —  bis  zu  44  0  C.  —  auf  die  Reinigung  speziell  venerischer 
Geschwüre,  auf  Prostatitis  und  Epididymitis,  wo  sie  der  Kälte 
durchaus  vorzuziehen  sein  soll,  einen  günstigen  Einfluss  aus. 
Ebenso  bei  gonorrhoischen  Gelenkentzündungen,  chronischen  Ex¬ 
sudaten.  Auch  für  akute  Eiterungsprozesse  und  Exsudate  ver¬ 
spricht  sich  Verfasser  gute  Erfolge. 

No.  24 — 25.  L.  IT  a  r  m  e  r  -  Wien:  Zur  Aetiologie  der  Zungen-, 
Gaumen-,  Kehlkopf-  und  Nackenmuskellähmung. 

Obiger  Symptomenkomplex  ergibt  in  nicht  zu  seltenen  Fällen 
ein  Krankheitsbild,  dessen  Aetiologie  oft  ganz  im  Dunklen  bleibt. 
Im  vorliegenden  Fall  der  Chiari  sehen  Klinik  handelt  es  sich 
um  Einbettung  und  Kompression  der  Nerven  in  einem  karzinoma- 
tösen  Drüsentumor  am  Halse  und  so  mag  auch  sonst  öfter  keine 
medulläre  Erkrankung,  sondern  ein  die  peripheren  Nerven  be¬ 
treffender  Krankheitsprozess  die  Grundlage  bilden. 

Prager  medicinische  Wochenschrift. 

No.  24.  H.  Chiari -Prag:  Ueber  Morbus  Bantii. 

Nach  einem  literarischen  Ueberblick  spricht  sich  Cli.  dahin 
aus,  dass  eine  schärfere  Begrenzung  des  Begriffes  der  Bant  i’- 
sclien  Krankheit  nothwendig  sei,  und  es  zur  Zeit  noch  nicht  aus¬ 
gemacht  erscheine,  dass  sie  sich  von  der  Anaemia  splenica  adul¬ 
torum,  welche  sehr  oft  mit  geringer  Hepatitis  interstitialis  ver¬ 
knüpft  ist,  anders  als  durch  die  stärkere  Entwicklung  dieser  Hepa¬ 
titis  unterscheide.  Nach  seinen  eigenen  Beobachtungen  haben  sich 
anfänglich  als  Morbus  Bantii  angesehene  Fälle  immer  mit 
grösserer  Wahrscheinlichkeit  anders  deuten  lassen.  Die  Schwierig¬ 
keit  der  Diagnose  zeigen  4  genauer  beschriebene  Fälle,  von  denen 
einer  gewiss,  die  anderen  sehr  wahrscheinlich  auf  Lues  hereditaria 
tarda  zurückzuführen  waren.  Bergeat  -  München. 

Rumänische  Literatur. 

A.  Urecliia:  Untersuchungen  über  den  Alkoholismus  in 
Rumänien.  (Spitalul  1902,  No.  8.) 

Verfasser  gelangt  nach  statistischen  Studien  zum  Schlüsse, 
dass  die  Durchschnittsziffer  für  Rumänien  an  konsumiertem,  ab¬ 
solutem  Alkohol  9,2  L.  pro  Kopf  und  Jahr  betrage,  wodurch  das 
Land  diesbezüglich  in  der  Stufenleiter  zwischen  England  und  der 
Schweiz  zu  stehen  käme.  Hauptsächlich  ist  der  Alkoholismus 
unter  der  Stadtbevölkerung  verbreitet;  der  Städter  trinkt  fast 
4  mal  so  viel  Wein,  Bier  und  Schnaps  als  der  Bauer. 

Schund  a:  Beiträge  zur  Behandlung  der  apoplektiformen 
und  epileptiformen  Anfälle  infolge  von  Paralysis  generalis. 
(Ibidem.) 

Diese  Anfälle  sind  im  allgemeinen  Folge  einer  Hirnkongestion. 
Namentlich  sind  es  die  apoplektiformen  Anfälle,  welche  nach  der 
Ansicht  Obregias  auf  einer  vasomotorischen  Parese  und  kon¬ 
sekutiven  Hyperämie  der  Hirnzentren  beruhen.  Die  Pseudo- 
epilepsie  der  Paralytiker  hält  Verfasser  für  Folgen  einer  Auto¬ 
intoxikation,  denn  oft  sind  es  gastro-intestinale.  Störungen,  Alkohol- 


missbrauch  u.  ii.,  wodurch  die  Anfälle  hervorgerufen  werden.  Dem¬ 
gemäss  ist  die  empfohlene  Behandlung  hauptsächlich  eine  dekon- 
gestive  und  laxative:  blutige  Schröpf  köpfe  auf  Nacken  und  Rücken, 
saiine  Abführmittel,  warme  Fussbäder,  Eisblase  auf  den  Kopf  etc. 
Auf  diese  Weise  kann  man  oft  drohenden  Anfällen  in  wirksamer 
Weise  Vorbeugen.  Während  des  Anfalles  wird  am  besten  Chloral 
und  Brom  in  Klysma  verabreicht. 

M.  Mirinescu:  Die  Serotherapie  der  Diphtherie.  (Ibid.) 

In  der  Krankenhausabteilung  des  Verfassers,  mit  einer  jähr¬ 
lichen  Frequenz  von  über  GOÖ  Diphtheriekranken,  war  die  Mor- 
talität  in  den  Jahren  vor  der  Einführung  des  Serums  42 — 45  Proz. 
und  ist  jetzt  auf  14  Proz.  gesunken. 

C  o  s  m  a:  Einige  Worte  über  die  interne  Anwendung  des 
Methylum  salicylicum.  (Ibid.) 

Das  Präparat  gibt  bei  Rheumatismus  und  verschiedenen 
Neuralgien  viel  bessere  Resultate,  als  das  Salizylsäure  Natrium  und 
kann  bis  zu  8  g  täglich,  am  besten  in  Mixtura  gummosa,  ver¬ 
abreicht  werden. 

N.  Manolescu:  Conjunctivitis  granulosa.  (Spitalul  1902, 
No.  9—10.) 

Die  beste  Behandlungsmethode  des  Trachoms  ist  nach  M.s 
Meinung  die  Bürstung  der  Konjunktiva.  Dieselbe  wird  mit 
schmalen,  zahnbürstenähnlichen,  steifhaarigen  Bürstclien  vor¬ 
genommen  und  hierbei  der  Bulbus  mit  einer  Pinzette  fixirt.  Die 
hierdurch  erzielte  Entfernung  der  kranken  Teile,  die  starke  Blu- 
tung  und  nachfolgende  Entzündung,  welche  bakterizid  wirken, 
bilden  die  Hauptmomente  dieser"  Methode  und  nur  ganz  veraltete, 
mit  starker  Hypertrophie  und  Sklerosierung  einhergehende  Fälle 
zeigen  nach  derselben  mitunter  Rezidive. 

Gli.  Pro  ca:  Das  Wasser  von  Bragadiru.  (Ibid.) 

Trotz  der  10  Millionen  Bei,  welche  von  der  Bukarester  Ge¬ 
meindeverwaltung  bisnun  für  Wasserversorgung  ausgegeben 
wurden,  besitzt  die  Hauptstadt  noch  immer  kein  tadelloses  Trink¬ 
wasser.  Die  frühere  Wasserleitung  von  Bacu  lieferte  etwa 
20  Mill.  KM.  filtriertes  Wasser  täglich,  während  Bukarest  min¬ 
destens  die  doppelte  Menge  benötigt;  es  wurde  daher  nichtfiltriertes 
Flusswasser  mit  eingeleitet,  wodurch  im  Jahre  1897  eine  heftige 
Typhusepidemie  hervorgerufen  wurde.  Das  jetzige,  bei  Bragadiru 
durch  Tiefbohrungen  gewonnene  Trinkwasser,  ist  zwar  vom  bak¬ 
teriologischen  Standpunkte  sehr  gut,  doch  für  gewisse  wirtschaft¬ 
liche  Zwecke  zu  hart  (18,6  deutsche  Härtegrade),  so  dass  wieder, 
während  der  Morgenstunden,  von  dem  früher  benützten  Wasser 
eingeleitet  wird,  was  eine  ernste  Gefahr  für  die  hygienischen  Ver¬ 
hältnisse  der  Stadt  bedeutet. 

A.  Theohari:  Der  feine  Bau  der  Magenzellen  bei  ex¬ 
perimenteller  Hypopepsie  und  Hyperchlorhydrie.  (Ibid.) 

Nach  mehrfachen  Experimenten  an  Hunden  ist  T.  zu  fol¬ 
genden  Schlüssen  gelangt.  Bei  experimenteller  Hypochlorhydrie 
und  Hypopepsie  bereiten  die  Hauptzellen  der  Magendrüsen  kein 
Pepsinogen  mehr;  chemisch  wird  dieser  Zustand  durch  eine  Ver¬ 
minderung  des  organischen  Chlors  gekennzeichnet.  Bei  experi¬ 
menteller  Hyperchlorhydrie  bestehen  histologische  Zeichen  von 
Zellreizung,  doch  ohne  numerische  oder  bauliche  Veränderungen- 
derselben.  Diese  Veränderungen  bedingen  noch  keine  Gastritis: 
das  interstitielle  Gewebe  ist  normal,  das  cytoplastische  Netzwerk 
ist  erhalten  und  infolgedessen  kann  von  einer  Zellendegeneration 
nicht  die  Rede  sein.  Diese  Veränderungen  bilden  das  histologische, 
oder  richtiger  cytologische  Substrat  der  Dyspepsie,  also  der  funk¬ 
tionellen,  sekretorischen,  gastrischen  Störungen. 

Cosma:  Vergleichende  klinische  Studie  über  einige  diure- 
tisclie  Medikamente.  (Ibid.) 

C.  empfiehlt  folgende  diuretisehe  Pulver:  Rp.  Pulv.  folior. 
Digital,  et  Scillae  ää  1,0,  Kalii  nitriei  4.0.  M.  f.  p.  Div.  in  dos  aeq. 
No.  X.  S.  5  Pulver  täglich.  Dieselben  sollen  energischer  und 
nachhaltiger  wirken,  als  die  sonst  üblichen  harntreibenden  Mittel: 
Diuretin,  Laktose,  Strontium  lacticum,  Koffein  und  Theobromin. 

•T.  Butza:  Ein  neues,  praktisches  Mittel  zur  Unterschei¬ 
dung  des  Menschenblutes  vom  Blute  der  anderen  Tiere.  (Ibid.) 

Zentrifugirtes,  menschliches  Pleuraexsudat  wird  in  Mengen 
von  je  10 — 20  ccm  während  5 — 0  Tagen  einem  Kaninchen  intra- 
peritoneal  eingespritzt.  Das  Blutserum  dieses  Tieres  gewinnt 
infolgedessen  spezifische,  antihämatisehe  Eigenschaften  für  das 
menschliche  Blut  und  kann  zum  Nachweise  desselben  benützt 
werden.  Löst  man  z.  B.  einen  menschlichen  Blutfleck  in  6  ccm 
physiologischer  Kochsalzlösung  auf  und  f ii  gt  %  ccm  von  obigem 
Kaninchenserum  hinzu,  so  bildet  sich  in  der  Flüssigkeit  innerhalb 
10 — 15  Minuten  und  schon  bei  gewöhnlicher  Zimmertemperatur 
eine  Trübung  und  später  ein  Niederschlag,  welcher  noch  deut¬ 
licher  wird,  wenn  man  die  Eprouvette  einer  Temperatur  von 
37 0  C.  aussetzt.  Diese  Reaktion  wird  nur  von  menschlichem 
Blute  gegeben.  Dr.  E.  Toff-Braila. 


Vereins-  und  Congressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  18.  J  u  n  i  1902. 

Tagesordnung : 

Herr  Oppenheim  und  Herr  J  o  1 1  y ;  Vorstellung  eines 
Falles  von  operativ  behandeltem  Rückenmarkstumor  (mit 
Demonstration  am  Projektionsapparat). 

Herr  Oppenheim  berichtet  zunächst  über  die  Kranken¬ 
geschichte. 

Ein  junge  Dame,  die  früher  gesund  gewesen,  klagte  seit 
August  v.  J.  über  Schmerzen  in  der  rechten  Hypo- 
chondriumgegend.  Es  bestand  damals,  wie  der  die  Kranke 
behandelnde  Arzt,  ihr  Onkel,  feststellte,  eine  massige  links¬ 
gerichtete  Skoliose.  Orthopädie  empfohlen,  aber  Pat.  ging  zu¬ 
nächst  in  andere  Behandlung  über.  Im  September  traten  die 
ersten  Lähmungserscheinungen  im  rechten,  bald  dar¬ 
auf  auch  im  linken  Bein  auf.  Nun  konstatierte  der  zuerst  be¬ 
handelnde  Arzt,  zu  dem  Pat.  zurückgekehrt  war,  eine  Reihe  von 
Symptomen,  auf  Grund  deren  er  ein  Rückenmarksleide n 
annahm  und  an  O.  überwies.  Vortragender  konstatierte  damals: 
Schmerzen  im  rechten  Hypochondrium  von  Rippenbogen  bis 
Nabelhöhe,  Steifigkeit  und  Schwäche  in  den  Beinen,  besonders 
rechts;  Blase  und  Mastdarm  normal  funktionierend,  doch  soll  einige 
Zeit  vorher  vorübergehend  Incontinentia  alvi  bestanden  haben. 
Massige  Skoliose.  Keine  Druckempfindlichkeit  an  den  Wirbeln. 
Gang  schleppend;  Steigerung  aller  Reflexe;  Klonus;  Babinsky- 
sclies  Phänomen;  Bauchdeckenreflex  rechts  fehlend. 

Anamnestisch  noch  in  Erfahrung  gebracht,  dass  Tat.  ein  Jahr 
vor  Beginn  ihres  Leidens  einen  Sturz  vom  Rade  erlitten  hatte,  je¬ 
doch  ohne  erhebliche  Verletzung. 

Auf  Grund  dieser  Erscheinungen  wird  von  O.  die  Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose  T  u  m  o  r  i  n  n  e  r  halb  des  Wirbel- 
k  a  n  a  1  s  gestellt  und  zur  klinischen  Beobachtung  geraten. 
Pat.  geht  deshalb  für  einige  Zeit  nach  Haus  Schönow,  wo  sich  die 
Erscheinungen  allmählich  steigerten. 

Am  25.  II.  d.  J.  stellte  sich  Pat.  wieder  vor  und  O.  konstatierte 
erhebliche  Steigerung  aller  Symptome,  in  den  Beinen  und  am 
Abdomen  starke  Abstumpfung  aller  Gefühlsqualitäten.  Herr 
Joll  y,  der  gleich  anfangs  Pat.  ebenfalls  gesehen  und  noch  einige 
diagnostische  Bedenken  gehegt  hatte,  schloss  sich  jetzt  der  Auf¬ 
fassung  O.s  an  und  es  wurde  nunmehr  Pat.  zwecks  even¬ 
tueller  Operation  in  ein  Sanatorium  gebracht.  Röntgen¬ 
durchleuchtung  ergab  keinen  weiteren  Aufschluss;  ebenso  ver¬ 
lief  eine  Tuberkulininjektion  negativ. 

Eine  am  19.  IV.  von  Sonnenburg,  Oppenhei  m  und 
J  o  1 1  y  vorgenommene  genaue  Untersuchung  ergab  Schmerzen  in 
der  9.,  10.  und  11.  Dorsalwurzelzone,  die  zeitweise  sehr  heftig 
waren;  in  dieser  Region  Sensibilität  für  alle  Reize  erloschen;  elek¬ 
trische  Prüfung  der  Bauchmuskeln  an  dieser  Stelle  zeigte  partielle 
Entartungsreaktion.  Gang  schleppend,  schlürfend;  spastische 
Paraparese  der  Beine.  Sehr  erhebliche  Beeinträchtigung  der 
aktiven  Beweglichkeit.  Auch  in  den  Beinen  starke  Gefühlsstörung, 
insbesondere  auch  des  Lagegefühls.  Auch  jetzt  keine  Druck¬ 
empfindlichkeit  der  Wirbelsäule. 

Es  sprach  nunmehr  alles  für  eine  Neubildung  und,  wenn  auch 
das  Fehlen  der  Druckempfindlichkeit  auffallend  war,  so>  sprach 
doch  der  Beginn  der  Erscheinungen  mit  Wurzelsymptomen  dafür, 
dass  der  Tumor  nicht  vom  Rückenmark,  sondern  von  seiner  Um¬ 
hüllung  ausginge.  Es.w  u  r  d  e  d  r  ingend  zur  Operation 
gerathen  und  dieselbe  von  Sonnenburg  aus- 
g  e  f  ii  li  r  t. 

Als  Sitz  des  Tumors  war  die  9.  Dorsalwurzelzone  angenommen 
und  daher  der  8.  und  9.  Wirbelbogen  entfernt.  Sogleich  wölbt  sich 
die  Dura  vor  und  nach  ihrer  Eröffnung  präsentierte  sich  die  Ge¬ 
schwulst,  welche  leicht  auszulösen  war.  Sie  sass  zwischen 
Dura  und  Pia  und  hatte  das  Rückenmark  stark  komprimiert. 
Glatter  Wundverlauf.  Pat.  ist  jetzt,  nach  einigen 
Wochen,  genesen,  geht  wieder  frei  und  sicher  umher  und 
zeigt  jetzt  mit  Ausnahme  einer  mässigen  Erhöhung  der  Sehnen¬ 
phänomene  und  leichter  Störung  der  Lageempfindung  normales 
Verhalten.  Auch  die  Skoliose  ist  verschwunden.  Da  die  Ge¬ 
schwulst  völlig  gutartiger  Natur  ist,  so  ist  ein  Rück¬ 
fall  nicht  zu  befürchten  und  Pat.  als  geheilt  zu  betrachten. 

Kurzer  Ueberblick  über  die  Literatur  und  Hinweis  darauf, 
dass  die  bei  Pat.  anfangs  versuchte  Extensionsbehandlung  eine 
schnelle  Verschlechterung  zur  Folge  gehabt  hat. 

Herr  J  o  1  1  y:  Derselbe  demonstriert  zunächst  den  3  cm  langen, 
zylindrischen  Tumor,  der  mikroskopisch  sich  als  reines  Fibrom 
erweist  und  von  der  Arachnoides  ausgegangen  zu  sein  scheint. 
Nervenfasern  sind  bis  jetzt  nicht  darin  gefunden,  doch  wäre  dies 
und  damit  ein  Ausgang  von  den  Wurzelscheiden  noch  möglich. 

Bezüglich  der  Diagnose  erwähnt  J.  noch,  dass  er  sich  an¬ 
fangs  deshalb  zurückhaltend  verhalten  habe,  weil  das  vorange¬ 
gangene  Trauma,  und  die  Lokalisation  des  Schmerzes  an  der  da¬ 
durch  getroffenen  Stelle  einerseits  eine  funktionelle  Erkrankung, 
andererseits  die  Möglichkeit  einer  Wirbelaffektion  (Tuberkulose) 


No.  26. 


1114 


M  lTEN(  ’ 1 1  EN E R  II  ED T CINLSCIIE  WOOH ENSCII  IM  KT. 


nahclegeu  musste.  Ob  der  Sitz  des  Tumors  intra-  oder  extradural 
sei.  lasse  sich  niemals  mit  Sicherheit  entscheiden;  im  vorliegenden 
Falle  war  aber  trotz  dieser  Unsicherheit  die  Indikation  zum  Ein¬ 
griff  eine  dringende. 

Diskussion:  Herr  Hahn:  Berichtet  über  einige  Fälle 
zum  Beweise  der  Schwierigkeiten,  welche  die  Diagnose  hier  bieten 
kann.  Er  habe  6  mal  diese  Operation  ausgeführt.  In  allen  war 
die  S  e  g  m  e  n  t  d  i  a  g  n  o  s  e  richtig  gestellt,  doch  fand  sich  nicht 
immer  der  Tumor,  und  es  sei  in  keinem  Falle  mit  Sicherheit  zu 
sagen,  um  welche  Art  von  Erkrankung  es  sich  handle. 

In  2  Fällen  nahm  F  ü  r  bringe  r  einen  Tumor  an,  die  Opera- 
tion  ergab  E  c  h  i  n  o  k  o  k  k  e  n.  Der  eine  geheilt,  der  andere 
wegen  zu  grosser  Ausdehnung  letal  verlaufen. 

Tn  einem  3.  Fall  mit  erheblicher  Schmerzhaftigkeit  des  Wir¬ 
bels.  Tumor  angenommen,  aber  nur  eine  unerhebliche  Exostose  ge¬ 
funden.  Geheilt. 

In  2  Fällen  fand  sich  gar  kein  Tumor,  sondern  einmal 
S  y  ringomyeli  e,  einmal  Erweic  h  u  n  g. 

Im  letzten  Fall  war  10  Jahre  vorher  ein  Messerstich  in 
die  Wirbelsäule  erfolgt.  In  der  Zwischenzeit  war  Pat.  gesund, 
dann  zuletzt  Tumorerscheinungen.  Operation  —  es  fand  sich  eine 
Verdickung  und  Erhöhung,  aber  es  gelang  nicht  einen  Fremd¬ 
körper  zu  entfernen.  Auch  nicht  in  der  2.  Sitzung.  Tod.  Sek¬ 
tion  deckte  eine  2  cm  lange  Messerspitze  im 
10.  Brustwirbelkörper  auf,  die  in  den  K  a  n  a  1 
h  i  n  e  i  n  r  a  g  t  e. 

Tn  einem  letzten  Falle  hatte  sich  ein  .Talir  nach  einer 
Stru  m  aope  r  a.  t  i  o  n  eine  Metastase  der  Struma  in  einem 
Wirbelkörper  gebildet.  Nicht  operiert. 

Herr  Senator  berichtet  über  einen  Fall,  wo  ein  Jahr  zuvor 
eine  Brustoperation  (Karzinom?)  vorgenommen  und  dann  bei  der 
00  jährigen  Frau  eine  Paraplegie  der  Beine  aufgetreten  war.  Tod 
im  Marasmus.  Sektionsbefund:  Extradurales  Sarkom. 

Herr  liemak:  Bericht  über  einen  Fall,  der  beweist,  dass 
die  V  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  g  e  n  über  alles  E  r  w  a  rten  ausge¬ 
dehnt  sein  und  jede  Operationsmöglichkeit 
vereiteln  k  ö  n  n  e  n.  Es  war  ein  Tumor  der  Cauda  equina 
bezw.  der  entsprechenden  Wurzeln  angenommen  und  bei  der  von 
Krause  ausgeführten  Operation  ein  so  ausgedehnter  Tumor  ge¬ 
funden  worden,  dass  nach  Wegnahme  mehrerer  Wirbel  die  Opera¬ 
tion  unterbrochen  werden  musste.  Pat.  starb  in  der  folgenden 
Nacht.  Hiezu  gibt  Herr  Krause  einige  erläuternde  Be¬ 
merkungen. 

Herr  Oppenheim:  Es  sei  zweifellos,  dass  mit  der  häufi¬ 
geren  Ausführung  genannter  Operation  noch  mannigfache  Ent¬ 
täuschungen  kommen  werden.  Herr  Hahn  habe  ihn  nicht  ver¬ 
standen.  er  habe  das  Fehlen  des  Druckschmerzes  nicht  als  charak¬ 
teristisch  für  den  Tumor  hingestellt,  sondern  im  Gegenteil  diesen 
Schmerz  als  das  Gewöhnliche.  Hans  K  o  h  n. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Beiächt.) 

Sitzung  vom  16.  Juni  1902. 

Demonstration; 

Herr  Bendix:  Botriocephalus  latus  von  einem  5  jährigen 
Kinde.  Klinisch:  Anämie,  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  des 
Blutes. 

Tagesordnung : 

Herr  Citron:  Zur  Technik  der  mechanischen  Behand¬ 
lung  des  Hydrops. 

16  jährige  Patientin;  März  11)00  Oedeme;  2  Monate  darauf  Ei- 
weiss;  Beginn  seiner  Behandlung  Oktober:  damals  hochgradige 
Oedeme.  Hydrothorax,  Aszites:  Urin  spärlich,  sehr  eiweissreich; 
viel  Zylinder;  Somnolenz.  Medikamente  und  Skarifikation  erfolg¬ 
los;  nunmehr  Anwendung  des  kürzlich  von  Miura  empfohlenen 
kleinen  Apparates,  den  er  mit  einem  Aspirationsapparat  in  Ver¬ 
bindung  setzte.  Guter  Erfolg.  Im  Laufe  mehrerer  Monate  im 
Ganzen  30  Inzisionen  und  70  Aspirationen.  Schwinden  der  Oedeme 
und  Besserung  des  Allgemeinbefindens.  Jetzt  relatives  Wohl¬ 
befinden. 

Disluissi  o  n:  Herr  F  ii  r  b  r  i  n  g  e  r:  Er  habe  Patientin  in 
ihrer  schlechtesten  Zeit  gesehen  und  damals  kaum  an  Besserung 
geglaubt.  Der  vom  Vortragenden  konstruierte  Apparat  sei  sehr 
sinnreich,  aber  auch  etwas  kompliziert. 

Herr  Litten:  Die  Skarifikation  sei  die  wirksamste  Methode. 
Die  Gefahr  dabei  sehr  gering,  nur  werde  die  Haut  zuweilen  durch 
die  lange  nachsickernde  Flüssigkeit  mazeriert. 

Herr  Fuchs  erwähnt  einen  schweren,  durch  Skarifikation 
nach  erfolgloser  medikamentöser  Behandlung  noch  günstig  be¬ 
einflussten  Fall  (Aorteninsuffizienz). 

Herr  Citron:  Er  habe  sein  Verfahren  durchaus  nicht  als 
ein  den  altbewährten  vorzuziehendes  hinstellen  wollen. 

Herr  Hugo  Neumann:  Bemerkungen  über  die  Bar- 
1  o  w  sehe  Krankheit. 

Die  frühere  Ansicht  vom  Zusammenhang  zwischen  Rachitis 
und  Ba  r  1  o  w  scher  Krankheit  werde  jetzt  allgemein  als  statisti¬ 
scher  Fehlschluss  betrachtet.  Er  selbst  habe  unter  18  Fällen  nur 


4  rachitische  Kinder.  Dagegen  sei  der  Einfluss  der  Er- 
n  ä  h  ru  ng  auf  die  B.sche  Krankheit  zweifellos  und  hier  sei  die 
Zubereitung  der  M  i  1  c  h  wiederum  von  grösserer  Bedeutung,  als 
die  früher  angeschuldigten  Kindermehle.  Nach  den  vorliegenden 
Erfahrungen  sei  die  Ueberhitzung  der  Milch  von  be¬ 
sonderer  Bedeutung. 

Vortragender  hat  in  den  letzten  2  Jahren  15  Fälle  obiger 
Krankheit  gesehen,  die  ihre  Milch  alle  aus  einer  und  derselben 
Molkerei  bezogen,  welche  die  Milch  einem  längeren  Pasteuri- 
siru  n  g  s  v  e  r  f  a  h  r  e  n  unterwerfen.  Bei  den  meisten  dieser 
Kinder  kam  etwa  7 — 8  Monate  nach  Einsetzen  dieser  Ernährung 
die  Krankheit  zum  Ausbruch. 

Die  Frage,  in  welcher  Weise  die  Ueberhitzung  der  Milch 
schädlich  wirke,  kann  zunächst  dahin  beantwortet  werden,  dass 
entweder  eine  Zerstörung  von  Eiweiss  oder  die  Bildung  von 
toxischen  Stoffen  stattfindet.  Zur  Klarlegung  der  ersteren 
Eventualität  hat  Vortragender  Gefrierpunkts  bestim- 
m  u  n  g  und  die  des  osmotischen  Druckes  herangezogen, 
jedoch  keine  Differenzen  gegen  die  Norm  gefunden.  Auch  fand 
sich  weiterhin  keine  Störung  des  Phosphorstoffwech¬ 
sels;  ebenso  ergab  sich  die  Belanglosigkeit  des  Phosphors 
d  a  r  a.  u  s,  dass  seine  medikamentöse  Zufuhr  die  Entwicklung  der 
Krankheit  nicht  hemmen  konnte;  das  gleiche  gilt  vom  Eisen; 
der  Gehalt  der  Milch  an  solchem  wurde  durch  Kochen  nicht  be¬ 
einflusst..  Vortragender  nimmt  darum  die  zweite  Möglichkeit  an, 
die  Bildung  toxischer  Substanzen  durch  das  Kochen. 
Dafür  spricht  auch,  dass  die  Kinder  oft,  trotz  offenbaren 
Hungers,  starken  Widerwillen  gegen  gekochte  Milch  zeigen. 

Die  Ansicht  amerikanischer  Autoren,  dass  die  Barlow- 
sclie  Krankheit  Folge  einer  Autointoxikation  sei,  sei  unhaltbar, 
da  die  Krankheit  auch  bei  einwandsfreier  Milch  zur  Entwicklung 
komme. 

Mit  Rücksicht  auf  seine  Ansicht  von  der  Entstehung  der 
genannten  Krankheit  schlägt  Vortragender  vor,  die  Milch  nicht 
zu  koch  e  n,  sondern  im  K  r  o  b  a  k  sehen  M  i  1  c  h  k  o  eher  bei 
65  11  zu  sterilisieren.  Die  Darreichung  roher  Milch  scheint  ihm 
doch  zu  gewagt. 

Von  den  Symptomen  der  Krankheit  erwähnt  Vortragender 
nur  die  D  u  r  c  h  f  ä  1 1  e,  welche  durch  antiskorbutische 
Diät  am  besten  beeinflusst  werde  und  die  Nierenaffek- 
t  i  o  n  e  n,  welche  manchmal  das  einzige  Symptom  bilden. 

Diskussion:  Herr  Kobrak  erläutert  seinen  Milcli- 
koeher. 

Herr  Cassel:  Er  habe  IG  Fälle  beobachtet;  alle  Kinder 
waren  künstlich  genährt  und  bei  allen  war  die  Milch  über  20  Mi- 
nuten  gekocht.  Von  den  Symptomen  erwähnt  er  die  Fieberanfälle 
und  Nierenblutungen,  welche  in  der  Tat  manchmal  allein  auf  die 
Krankheit  hinwiesen.  Die  Prognose  sei  günstig.  Er 
gibt  Milch,  welche  nur  bis  zum  Aufkochen  erhitzt  ist,  manchmal 
müsse  man  aber  zu  roher  Milch  greifen.  Wenn  sich  dabei  aus¬ 
nahmsweise  Durchfälle  einstellten,  dann  habe  er  auf  die  Mutter¬ 
milch  zurückgegriffen. 

Herr  A.  Baginsky:  In  Frankreich  werde  fast  ausschliess¬ 
lich  sterilisierte  Milch  verabreicht,  ohne  dass  dort  Barl  ow  sehe 
Krankheit  auftrete,  oder  doch  nur  ausnahmsweise.  Das  Sterili¬ 
sieren  kann  also  nicht  die  einzige  Ursache  sein.  Zur  Annahme  von 
Toxinen  seien  Tierversuche  nötig.  Unter  den  Symptomen  macht 
er  noch  auf  starke  Orbitalblutungen  aufmerksam. 

Herr  Jakob  fordert  Herrn  Neu  mann  auf.  den  Namen 
der  betreffenden  Molkerei  bekannt  zu  geben,  damit  derselben  vor¬ 
geschrieben  werde,  ihren  Präparaten  die  Bemerkung  anzuhängen, 
dass  dieselben  bereits  steril  und  weiteres  längeres  Kochen  un- 
nötliig  ist. 

Herr  N  e  u  m  a  n  n  gibt  dieser  Anregung  nicht  statt  und  über¬ 
lässt  es  der  Molkerei,  die  notwendigen  Schlüsse  zu  ziehen.  Herrn 
Baginsky  gegenüber  bemerkt  er.  dass  er  die  Sterilisierung 
nicht  als  einzige  Ursache,  sondern  nur  als  hauptsächliche  be¬ 
zeichnet  habe.  Hans  K  o  li  n. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  April  1902. 

Herr  W.  Oppe:  Die  jetzige  Pockenepidemie  in  London 
und  die  englische  Impfgesetzgebung. 

(Der  Vortrag  ist  ausführlich  unter  den  Originalien  dieser 
Nummer  abgedruckt.) 

Diskussion:  Herr  Me  inert  ist  verwundert,  dass  der 
Herr  Vortragende  eine  Ausbreitung  einer  Pockenepidemie  durch 
die  Luft  leugnet.  Er  glaubt  in  früheren  Epidemien  in  Dresden 


1.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1115 


Beispiele  gesehen  zu  haben,  die  für  diese  Art  der  Verbreitung 
sprechen. 

Herr  O  p  p  e  Hält  eine  definitive  Entscheidung  dieser  Frage 
so  lange  für  recht  schwierig,  als  der  Pockenerreger  nicht  bekannt 
ist.  Gegen  die  Uebertragung  durch  die  Luft  scheine  ihm  schon 
der  Umstand  zu  sprechen,  dass  die  Weiterverbreitung  auch  ent¬ 
gegengesetzt  der  herrschenden  Windrichtung  statt  fand. 

Herr  Me  inert  hält  seine  Ansicht  durch  dieses  Argument 
nicht  für  entkräftet,  denn  bei  einer  Epidemie,  die  über  G  oder 
mehr  Monate  währt,  könne  von  einer  herrschenden  Windrichtung 
nicht  wohl  mehr  die  Rede  sein. 

Herr  Ohalybaeus  hält  —  ganz  allgemein  gesprochen  — 
eine  Infektion  mit  Pocken  durch  Inhalation  ebenfalls  für  möglich, 
nur  frage  sich,  wie  weit  das  Kontagium  durch  die  Luft  getragen 
werden  könne.  Wissenschaftliche  Feststellungen  fehlen  bisher 
über  diesen  Punkt. 

Herr  Buschbeck  macht  auf  die  Strenge  des  französisch m 
Impfgesetzes  aufmerksam,  in  dem  die  1.  Impfung  im  1.  und  die 
llevaccination  nicht  nur  im  11.,  sondern  auch  im  21.  Jahr  verfügt 
wird;  dasselbe  geht  also  noch  weiter  wie  unser  deutsches  Impf¬ 
gesetz. 

Herr  Fiedle  r  hält  eine  Ausbreitung  der  Pocken  durch  die 
Luft  ebenfalls  für  möglich  und  hat  1880  in  der  Dresdener  Pocken¬ 
epidemie,  wo  die  Pionierkaserne  als  Pockenlazareth  eingerichtet 
war,  in  deren  Umgebung  ein  gehäuftes  Auftreten  von  Pockenfälien 
in  sehr  eklatanter  Weise  beobachten  können.  Nur  in  einem 
kleinen  Theil  der  Fälle  waren  damals  andere  Wege  der  Ueber- 
tragung  aufzufinden  und  ohne  die  Annahme  einer  Verbreitung 
durch  die  Im  ft  die  meisten  Infektionen  nicht  zu  erklären. 

Herr  G.  Sehmorl  hält  nach  den  modernen  Anschauungen 
vier  Mikroparasitologie  eine  Uebertragung  des  Pockenkontagiums 
durch  die  Luft,  zum  Wenigsten  über  weite  Strecken,  nicht  für 
möglich.  Handelt  es  sich  dagegen  um  eine  Verbreitung  auf  ganz 
kleine  Entfernungen,  d.  li.  die  nächste  Umgebung  des  Kranken,  so 
wären  Vorgänge  analog  der  von  F  1  ü  g  g  e  für  Tuoerkulose  nach¬ 
gewiesenen  Tröpfchenübertragung  denkbar.  Er  betont  weiter, 
dass  mit  der  Grösse  der  Entfernung  die  Möglichkeit  einer  Ueoer- 
tragung  durch  zwei  Momente  rasch  verringert  werden  muss,  ein¬ 
mal  die  Austrocknung,  welche  vermuthlich  abschwächend  auf  die 
Virulenz  des  allerdings  noch  hypothetischen  Pockenerregers  wirken 
wird,  und  zweitens  die  rasch  zunehmende  Verdünnung  des  Kon- 
tagiums  im  Umkreis  des  betreffenden  Herdes.  Es  sei  auch  daran 
zu  erinnern,  dass  die  Wege,  auf  denen  das  Kontagium  weiter  ge¬ 
tragen  werden  kann,  so  vielfache  und  oft  so  verschlungene  sind, 
dass  man  das  Fehlen  des  Nachweises  dieses  Weges  noch  nicht  als 
Beweis  gegen  seine  Möglichkeit  ansehen  kann. 

Herr  M  a  r  t  i  n  i  spricht  sich  ebenfalls  für  die  Möglichkeit 
einer  Weiterverbreitung  der  Pocken  durch  die  Luft  aus;  er  konnte 
wiederholt  bei  einer  Kette  von  einander  folgenden  Infektionen 
eine  allmähliche  Abnahme  der  Schwere  der  einzelnen  Fälle  beob¬ 
achten. 

Herr  Clialy  baeus  hebt  hervor,  dass  die  Eintrocknung  das  Gift 
der  Pocken  nicht  abtödtet,  ja  nicht  einmal  abzuschwächen  imstande 
ist,  es  vielmehr  zu  konserviren  scheint,  denn  bei  der  früher  vor 
Einführung  der  Vaccination  üblichen  Variolation  wurden  einge¬ 
trocknete  Schorfe,  die  jahrelang  aufbewahrt  werden  konnten,  mit 
positivem  Erfolge  vielfach  verwendet.  Er  erhebt  weiter  Ein¬ 
wendungen  gegen  die  von  Herrn  Schmorl  geschilderte  Ver¬ 
dünnung  des  Kontagiums  in  der  Luft. 

Herr  E  rdmann  erinnert  an  einen  früheren  Vortrag  des 
Herrn  Warnatz  in  dieser  Gesellschaft,  der  sich  mit  der  Ueber¬ 
tragung  der  Pocken  durch  eingetrocknete  Schorfe  (nach  eigenen 
Versuchen)  beschäftigte. 

Herr  Fiedle  r  glaubt  aus  den  Worten  des  Herrn  Schmorl 
zu  entnehmen,  dass  er  z.  B.  eine  Infektion  bei  dem  Betreten  eines 
Pockenkrankenzimmers  für  unmöglich  hält. 

Herr  G.  Schmorl  berichtigt  zunächst  diese  Ansicht  und 
liebt  hervor,  dass  unsere  prophylaktischen  hygienischen  Maass¬ 
nahmen  gegen  die  Pocken,  jede  Absperrung  ja  dann  überflüssig 
wäre,  wenn  die  Uebertragung  durch  die  Luft  eine  so  grosse  Rolle 
spiele,  wie  offenbar  von  mehreren  Rednern  angenommen  würde. 
Er  definirt  nochmals,  was  man  unter  Verdünnung  des  Kontagiums 
im  epidemiologischen  Sinne  zu  verstehen  habe. 

Herr  O  p  p  e  betont,  dass  2  km  weite  Entfernung  in  dem  Falle 
der  vermeintlichen  Uebertragung  durch  die  Luft  in  England  Vor¬ 
gelegen  hätte,  gewiss  eine  so  grosse  Strecke,  dass  diese  Möglich¬ 
keit  von  vornherein  auszuschliessen  sei.  Er  formulirt  seine  An¬ 
sicht  dahin,  dass  ein  strikter  Beweis  der  Ausbreitung  einer  Epi¬ 
demie  durch  die  Luft  auch  durch  die  in  der  Diskussion  heran¬ 
gezogenen  Fälle  nicht  erbracht  sei  und  eine  anderweite  Ueber¬ 
tragung  nach  seiner  Meinung  jedenfalls  als  die  näher  liegende 
festzuhalten  sei. 

Herr  Osterloh:  1.  Ueber  Uterusruptur. 

Am  1.  Dezember  1900  hielt  in  unserer  Gesellschaft  Herr 
Dr.  Klien  einen  Vortrag  über  die  Behandlung  der  unkompli- 
zirten  Uterusruptur  sub  partu,  operativ  oder  konservativ?  Auf 
Grund  seiner  ausserordentlich  fleissigen  Zusammenstellung  aller 
seit  dem  Jahre  1S80  veröffentlichten  Fälle  (gegen  800),  von  denen 
er  347  verwerthen  konnte,  kam  Klien  zu  dem  Schlüsse,  dass 
die  Drainage  der  Rissstelle  mit  Gummirohr  oder  Jodoformdocht 
die  absolut  geringste  Mortalität  (17  Proz.),  die  Tamponade  da¬ 
gegen  mit  Gaze  eine  sehr  viel  höhere  (52  Proz.)  hatte.  Die 


operativ  behandelten  Fälle  dagegen  hatten  in  den  letzten 
10  Jahren  eine  Mortalität  von  37,5  Proz.  Die  Aussichten  aut 
Erfolg  bei  der  operativen  Behandlung  hängen  besonders  davon 
ab,  ob  die  Operation  innerhalb  der  ersten  2  Stunden  nach  der 
Ruptur  und  ob  sie  an  Ort  und  Stelle  vorgenommen  werden  kann. 
In  diesen  Fällen  verbessert  sich  die  Aussicht  ausserordentlich. 
Erwähnt  sei  noch,  dass  73  rein  exspektativ  behandelte  Fälle,  d.  h. 
die  man  nach  der  Entbindung  örtlich  unbehandelt  liegen  liess, 
sämmtlieh  starben.  Klien  empfiehlt  sonach  für  Uterusruptur 
ohne  Verblutungsgefahr  die  Drainage  mit  Gummirohr,  bei 
schweren  Blutungen  aber  die  Köliotomie. 

Die  weiteren  Ausführungen  sind  in  den  beiden  Veröffent¬ 
lichungen  K 1  i  e  n’s,  Therapeutische  Monatshefte  1901,  S.  235 
und  Arch.  f.  Gynäkologie  1901,  62.  Bd.,  S.  193,  nachzulesen. 

Während  ich  bisher  eigene  Erfahrungen  über  Uterusruptur 
intra  partum  nicht  gemacht  hatte,  gab  mir  das  vergangene  Jahr 
Gelegenheit  3  Fälle  zu  beobachten.  Alle  3  hatten  das  Gemein¬ 
same,  dass  ich  bei  der  Entstehung  der  Zerreissung  nicht  zugegen 
war,  dass  ich  die  ersten  entscheidenden  Hilfeleistungen  nicht  aus¬ 
zuführen,  wohl  aber  die  Nachbehandlung  zu  leiten  hatte. 

Der  erste  Fall  passirte  in  der  Privatklinik  des  Herrn 
Dr.  Me  inert,  der  mir,  weil  er  für  mehrere  Tage  verreisen 
musste,  14  Stunden  nach  der  Entbindung  die  Nachbehandlung  an¬ 
vertraute  und  mir  heute  die  Verwerthung  des  Falles  giitigst  ge¬ 
stattet  hat.  Der  zweite  fand  auf  meiner  Abtheilung  im  Stadt¬ 
krankenhause  statt.  Hier  traf  mein  Assistenzarzt,  Herr  Dr.  G  e  i  t  - 
ner,  nach  der  Uterusruptur  die  entscheidenden  Maassnahmen, 
da  ich  erst  2  Stunden  nach  der  Verletzung  in  das  Stadtkrankenhaus 
kommen  konnte,  und  der  dritte  Fall  wurde  aus  W.  mehr  als 
48  Stunden  nach  der  Entbindung  per  Wagen  auf  meine  Abtheilung 
gebracht. 

1.  (Dr.  Meiner  t’s  Fall.)  Frau  LI.,  Ende  der  30  er  Jahre. 
7  Kinder,  von  denen  das  erste  mit  der  Zange,  die  anderen  G  nornud 
geboren  waren.  Letzte  Menses  Anfang  Juli  1900.  Kinds¬ 
bewegungen  im  November  1900.  Seit  4  Wochen  Anschwellung  der 
Beine.  In  die  Klinik  aufgenommen  am  G.  April  1901.  Starke  Aus¬ 
dehnung  des  Leibes  durch  Hydramnios.  Kleine  Theile  rechts  oben, 
Kopf  links  über  dem  Beckeneingang.  Wehenbeginn  seit  einigen 
Tagen.  In  Narkose  leichte  Dehnung  des  bequem  für  2  Finger 
durchgängigen  Muttermundes.  Sprengung  der  Blase,  enormes 
Fruchtwasser,  leichte  Wendung  auf  beide  Füsse;  Lösung  der  Arme 
macht  grössere  Schwierigkeiten,  so  dass  über  5  Minuten  vergehen 
bis  das  Kind  bis  zum  Halse  entwickelt  ist.  Nach  vielen  vergeb¬ 
lichen  Versuchen  (Veit-'Smellie)  passirt  der  Kopf  unerwartet 
schnell  den  Beckenausgang.  Die  Nabelschnur  war  schon  lange 
pulslos.  Sehr  viel  Fruchtwasser  mit  Blut.  Nachgeburt  manuell 
entfernt.  Die  ausserordentlich  starke  Blutung  steht  auch  nach 
Heisswasserausspülung  nicht.  Die  in  die  Gebärmutter  eingeführte 
Hand  gelangt  durch  einen  dieselbe  bequem  passiren  lassenden 
Riss  der  linken  Uteruswand  in  die  Bauchhöhle  und  vermag  den 
Uterus  von  der  Bauchhöhle  zu  umfassen.  Der  Riss  durchsetzt  die 
Wand  schräg  und  seine  Ränder  legen  sich  nach  dem  Zurückziehen 
der  Hand  gut  aneinander.  Es  wird  angenommen,  dass  der  Riss 
entstanden  ist  bei  der  durch  starken  Druck  seitens  der  Hebamme 
auf  den  mit  Fruchtwasser  erfüllten  Uterus  unterstützten  Ent¬ 
wickelung  des  Kopfes.  Während  ein  Riss  in  der  rechten  Cervix- 
waud  durch  2  Nähte  geschlossen  wird,  wird  der  Riss  links,  der  von 
der  Cervix  beginnt  und  sich  in  den  oben  geschilderten  fortsetzt, 
mit  Jodoformgaze  ausgestopft,  ebenso  die  Gebärmutterhöhle  und 
die  Scheide,  so  dass  über  6  m  Gaze  verwendet  werden. 

7.  April.  Die  Blutung  steht.  Es  entwickelt  sich  Meteorismus. 
Puls  120 — 130.  Temperaturen  dauernd  subfebril.  Grosse  Unruhe. 
Da  Eisblase  nicht  vertragen  wird,  Priessnitz.  Kleine  Dosen 
Morphium. 

8.  April.  Grosse  Unruhe,  häufiges  Erbrechen.  Abends  Ent¬ 
fernung  eines  Stückes  Gaze.  Magenausspülung.  Keine  Bläh¬ 
ungen,  keine  Darmbewegungen;  Einlauf  mit  Kamillenthee  er¬ 
folglos. 

9.  April.  Von  jetzt  täglich  mehrere  Magenausspülungen.  Der 
Leib  weicher.  Entfernung  von  4  m  Gaze.  Erbrechen  hält  an. 

10.  April.  Stuhlgang  auf  Einlauf  mit  Kamillenthee  und 
Terpentinöl.  Abgang  von  Blähungen.  Allgemeinbefinden  bessert 
sich.  Rest  der  Gaze  entfernt. 

11.  April.  Das  Erbrechen  hat  sich  nicht  wiederholt.  Von  da 
ab  zögernde  Herstellung,  durch  die  Entwickelung  eines  para- 
metritischen  Exsudates  aufgehalten.  Die  Magenausspülungen 
wurden  noch  mehrere  Tage  fortgesetzt,  weil  sie  der  Kranken 
ausserordentlich  wohlthätig  waren.  Am  11.  Mai  konnte  die  Frau 
aus  der  Klinik  entlassen  werden. 

2.  Frau  B.,  35  Jahre  alt.  4  Kinder  geboren,  1  schwer,  aber 
spontan,  2.  bis  4.  durch  Wendung  und  Extraktion.  3  Kinder  leben. 
Plattes  Becken.  Conjug.  extr.  1G%  cm.  Wehenbeginn  3.  Juni, 
Nachts  11  Uhr.  Aufgenommen  in  das  Stadtkrankenhaus  4.  Juni. 
Früh  3  Uhr.  2.  Schädellage.  Von  Mittag  ab  kräftige  Wehen. 
Nachmittags  5  Uhr  Kopf  beweglich  über  Beckeneingang.  Mutter¬ 
mund  handtellergross.  %7  Uhr  Kopf  in’s  Becken  getreten.  Kein 
Kontraktionsring.  Keine  Spannung  der  Lig.  rotunda.  %8  Uhr 
Blasensprung,  wenig  Fruchtwasser.  y29  Uhr  plötzliches  Aufhören 
der  Wehen,  starke  Blutung.  Bei  der  Untersuchung  findet  sich  der 
Uterus  nach  rechts  gesunken;  links  von  ihm  sind  die  kleinen 
Theile  direkt  unter  den  dünnen  Bauchdecken  zu  fühlen.  Grosse 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


1116 


Ermattung  der  Kreissenden.  Leichte  Narkose.  Scheide  voller 
Blutgerinnsel.  Kopf,  aus  dem  Becken  gewichen,  liegt  auf  der 
rechten  Seite.  Links  kommt  die  Hand  direkt  durch  einen  Riss 
in  der  Uteruswand  in  die  Bauchhöhle,  erfasst  die  daselbst  liegenden 
Küsse  des  Kindes,  an  denen  das  ausgetragene  Iviud  leicht  extrahirt 
wird.  Hie  Plazenta  folgt  leicht  auf  Druck  des  rechtsliegenden 
Uterus.  Straffe  Tamponade  des  Risses,  des  Uterus  und  der  Scheide 
mit  .Jodoformgaze.  Druckverband  auf  den  Leih.  Ergotin.  Koch¬ 
salzinfusion.  Eisblase  auf  den  Leib.  2  Stunden  später  konstatirt 
Dr.  Osterloh,  dass  die  Blutung  steht. 

5.  Juni  fühlt  man  links  neben  dem  Uterus  eine  Anschwellung 
(Hämatom).  Am  7.,  8.  und  9.  Juni  stückweise  Entfernung  der 
Gaze.  Die  Rekonvaleszenz  verläuft  unter  massigen  Temperatur- 
steigerungen  so,  dass  die  Frau  am  15.  Juli  gesund  entlassen  werden 
kann.  Von  der  Verletzung  ist  nichts  mehr  zu  spüren,  nur  eine 
massige  Verdickung  am  linken  Lig.  lat.  ist  von  dem  Hämatom 
zurückgeblieben. 

Ohne  weitgehende  Schlussfolgerungen  aus  diesen  beiden 
Fällen  zu  ziehen,  zeigen  dieselben,  dass,  wenn  in  einem  Falle  von 
Uterusruptur  unter  Wahrung  strengster  Reinlichkeit  gearbeitet 
worden  ist,  eine  Behandlungsweise,  die  jeder  Geburtshelfer  mit 
Assistenz  der  Hebamme  ausführen  kann,  guten  Erfolg  haben 
kann.  Es  ist  dies  um  so  bedeutungsvoller,  als  im  Falle  einer 
Zerreissung  der  Gebärmutter  ausserhalb  der  Klinik  die  operative 
Behandlung  durch  Köliotomie  auf  grosse  Schwierigkeiten  stossen 
dürfte.  E  eberstürzte  Vorbereitung  zur  Operation,  mangelhafte 
Assistenz  u.  s.  w.  werden  den  Erfolg  des  Eingriffs  schwer  ge¬ 
fährden.  Andererseits  aber  werden  wiederum,  wie  ja  Klien 
ganz  richtig  festgestellt,  durch  den  Transport  der  Verletzten  und 
den  damit  zusammenhängenden  Zeitverlust  neue  Gefahren  ver¬ 
anlasst. 

3.  35  jährige  Arbeitersfrau,  Mutter  von  4  Kindern,  in  W.  In 
der  Nacht  vom  28.  bis  29.  Juni  1901  Armvorfall,  plötzliches  Auf¬ 
hören  der  Wehen  und  heftiger  Schmerz  im  Leib.  Wendung  und 
Extraktion. 

Am  1.  Juli  Vormittags  in’s  Stadtkrankenhaus  gebracht.  Ganz 
elender  Allgemeinzustand.  Fortwährendes  Erbrechen  und  zahl¬ 
reiche  Durchfälle.  Meteorismus.  Leib  sehr  schmerzhaft.  Die 
Scheide  ist  unverletzt;  vorsichtige  Untersuchung  lässt  einen  Riss 
in  der  Cervix  fühlen.  Jauchender,  blutig-schleimiger  Ausfluss. 

Die  Peritonitis  führte  unter  schnell  sich  entwickelnden 
Kollapserscheinungen  am  4.  Juli  Früh  0  Uhr  zum  Tode. 

Sektionsbericht:  Allgemeine  Peritonitis.  Grosse  septische  Milz; 
im  rechten  Parametrium  ausgedehnter  Bluterguss.  An  der  Vorder¬ 
seite  des  Uterus  breiter  Riss  zwischen  Uterus  und  Blase. 

Hier  hatte,  obgleich  die  Gebärmutterverletzung  schon  in  der 
Wohnung  der  Frau  diagnostizirt  worden  war,  irgend  eine  spe¬ 
zielle  Behandlung  überhaupt  nicht  stattgefunden  und  als  sie 
auf  die  Abtheilung  des  Krankenhauses  kam,  schloss  der  ausser¬ 
ordentlich  schwere  Krankheitszustand  jede  aktivere  Hilfeleistung 
aus.  Muthmaasslich  hatte  schon  während  der  Entbindung  eine 
Infektion  stattgefunden. 

Diskussion:  Herr  Leopold  hält  die  Fälle  desshalb  für 
lehrreich,  weil  sie  den  hohen  Werth  der  Tamponade  in  frischen 
Fällen  beweisen  und  schliesst  sich  nach  seinen  Erfahrungen  dieser 
Ansicht  an.  Für  Pi*aktiker,  denen  das  Missgeschick  selbst  passirt, 
und  die  sofort  eingreifen  können,  ist  diese  Lehre  wichtig.  Die 
gute  Prognose  hängt  aber  auch  weiter  von  der  Grösse  des  Risses 
ab,  bei  grossen  Rissen  bleibt  in  Folge  unvermeidlicher  Zerreissung 
grösserer  Gefässe  die  Laparotomie  das  alleinige  Mittel.  Feste  Kom¬ 
pression  von  aussen  durch  Bandagirung  des  Abdomen  muss  mit  der 
Tamponade  Hand  in  Hand  gehen. 

Herr  Haupt  erwähnt  einen  Fall  seiner  Erfahrung  (vor 
20  Jahren  beobachtet),  in  dem  er,  da  ganz  ohne  Hilfsmittel,  gar 
nichts  gemacht  hat,  und  der,  ohne  dass  auch  nur  eine  Blutung  ein¬ 
trat,  ohne  Fieber  vollkommen  reaktionslos  verlief,  so  dass  später 
kaum  noch  etwas  von  dem  Risse  nachzuweisen  war. 

Herr  Geitner  fügt  zu  den  Ausführungen  des  Herrn  Vor¬ 
tragenden,  dass  er  in  dem  berichteten  Fall,  als  er  die  Tamponade 
ausführte,  Alles  auch  zu  einer  event.  nothwendigen  Laparotomie 
vorbereitet  hatte. 

2.  Tetanus  im  Wochenbett. 

Anna  D.,  Hausmädchen  und  Kellnerin  in  einem  Garten¬ 
restaurant,  24  Jahre  alt.  Mutter  eines  Kindes,  abortirte  am 
4.  Juli  1901  nach  3  monatlicher  Schwangerschaft.  Von  einem  Kol¬ 
legen  wurde  die  Gebärmutter  ausgeräumt.  Es  traten  Schüttel¬ 
fröste  und  Fieber  auf. 

Am  13.  Juli  (9.  Tag)  auf  genommen,  macht  die  D.  einen  schwer¬ 
kranken  Eindruck.  Im  Unterleib  findet  sich  nur  das  rechte  Para¬ 
metrium  infiltrirt;  der  Leib  ist  straff  gespaunt,  aber  nicht  nieteor 
ristiseli.  40,0°.  132  Puls.  Klagen  über  Nacken-  und  Rücken¬ 

sehmerzen. 

Diagnose:  Sepsis  puerp.  post  abortum. 

Intravenöse  Injektion  von  Collargol. 

14.  Juli  Temperatur  abgefallen.  Scliluekbesch werden.  Schmer¬ 
zen  beim  Oeffnen  des  Mundes. 

15.  VII.  Patientin  bringt  heute  die  Zähne  nicht  mehr  aus¬ 
einander.  Nackenmuskulatur  steif;  sie  verzieht  das  Gesicht 


krampfhaft  (Risus  sardonicus);  spricht  nur  mit  den  Lippen.  Bei 
Prüfung  der  Patellarreflexe  treten  Krämpfe  der  Beinmuskeln  ein. 
wonach  das  Bein  eine  Zeit  lang  steif  bleibt. 

Diagnose:  Tetanus  puerp.  Chloral  per  rectum. 

10.  Juli.  Die  Steifheit  hat  sich  über  die  ganze  Rücken¬ 
muskulatur  verbreitet.  Die  Halsmuskeln,  besonders  die  Sterno- 
cleidomast.,  sind  tonisch  kontrahirt.  Der  rechte  Arm  wird  zeit¬ 
weise  von  tonischen  Krämpfen  befallen.  Die  Kranke  gibt  an,  An¬ 
fälle  von  schmerzhaften  Kontraktionen  der  Rückenmuskeln  zu 
fühlen.  Der  Leib  ist  bretthart.  Bei  Ansprechen,  Thüröffnen  u.  s.  w. 
treten  die  schmerzhaften  Kontraktionen  auf.  Ernährung  sehr 
schwierig. 

Behandlung:  10.  Juli  10  ccm  flüssiges  B  e  li  r  i  n  g'sclies 
Antitoxin  subkutan.  (Kontrolnummer  48,  gepr.  28.  Jan.  1901.) 
4  ccm  mit  40  ccm  0,4  proz.  Karbolsäurelösung  in  die  Vagina  ge¬ 
spritzt,  fliesst  aber  sofort  ab. 

17.  Juli  2.  Injektion  mit  20  ccm. 

18.  Juli  3.  Injektion  mit  20  ccm.  Kontrolnummer  50,  gepr. 
11.  Juni  1901. 

19.  Juli  4.  Injektion  mit  20  ccm.  Ausserdem  Chloral  per  rectum. 

Der  nächste  Erfolg  war,  dass  keine  Verschlimmerung  mehr 

eintrat  und  dass  nach  und  nach  die  Zwischenräume  zwischen  den 
einzelnen  Muskelkrampfanfällen  grösser  wurden.  Stuhlgang  er¬ 
folgte  und  die  Ernährung  erleichterte  sich.  Immerhin  traten  bis 
zum  1.  August  immer  wieder  Kontraktionen  der  verschiedenen 
Muskelgruppen  auf  und  die  Steifigkeit  der  Rücken-  und  Beiu- 
muskulatur  verlor  sich  nur  nach  und  nach.  Ausserdem  hatte  sich 
rechts  ein  parametrisches  Exsudat  entwickelt. 

Die  Behandlung  bestand  nach  Aufhören  der  Antitoxinein¬ 
spritzungen  in  Dareichung  von  Chloral  und  Morphium  abwech¬ 
selnd.  Vom  1.  August  an  traten  dazu  regelmässige  warme  Voll¬ 
bäder.  Am  14.  Sept.  geht  die  D.  völlig  geheilt  ab. 

Die  ausserordentlich  grosse  Gefahr  des  Tetanus  puerperalis 
ist  so  bekannt,  dass  sich  die  Mittheilung  eine  genesenden  Falles 
wohl  rechtfertigt.  Hervorzuheben  ist,  dass  auch  in  diesem  Falle 
die  ersten  Erscheinungen  des  Trismus  sich  am  9.  Tage  zeigten, 
wie  dies  auch  z.  B.  bei  Kentmann  (Monatsschr.  f.  Geburtsli. 
1900,  Bd.  11,  S.  527)  war;  zweitens  hinsichtlich  der  Aetiologie, 
dass  die  I).  in  einem  Gartenrestaurant  thätig  war;  drittens,  dass 
die  Silberinjektion  die  Temperatur  herabsetzte  und  dass  an¬ 
scheinend  eine  doppelte  Infektion  vorlag,  die  septische,  die  zum 
Ausbruch  der  Parametritis  führte,  und  die  tetanische. 

Die  beiden  ersten  Dosen  Antitoxin  lieferte  die  hiesige  thier¬ 
ärztliche  Hochschule,  die  3.  und  4.  wurden  telegraphisch  direkt 
von  Höchst  bezogen. 

Die  erwähnte  Einspritzung  in  die  Scheide  ist  Höchster  Vor¬ 
schrift  bei  puerperalem  Tetanus;  ihre  Wirkung  erschien  wegen 
sofortigen  Abflusses  so  illusorisch,  dass  sie  nicht  wiederholt 
wurde. 

Diskussion:  Herr  Meinert  hat  vor  vielen  Jahren  in 
seiner  Klinik  einmal  eine  Tetanusepidemie  von  3  Fällen  erlebt 
(der  erste  war  ein  puerperaler,  dessen  Entstehung  durch  die  An¬ 
gabe  erklärt  wurde,  dass  die  Frau  von  dem  Ehemann  mit  dem 
Stiefelabsatz  in  die  Vulva  gestossen  worden  war.  Die  Fälle  sind 
im  Archiv  für  Gynäkologie  veröffentlicht  worden.  (Meinert: 
Die  gynäkologischen  Fälle  von  Wundstarrkrampf.  Arcli.  f.  Gyn. 
Bd.  44,  II.  3.) 

(Schluss  folgt.) 


Verein  der  Äerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  12.  F  ebruar  1902. 

Vorsitzender :  Herr  C.  Fraenkel. 

Herr  Disselhorst:  Die  Frage  nach  der  Identität  der 
Menschen-  und  Thiertuberkulose.  (Der  Vortrag  erscheint  aus¬ 
führlich  in  nächster  Nummer.) 

Besprechun g.  Herr  Deetz  bemerkt,  dass  die  meisten 
der  von  Herrn  Disselhorst  erwähnten  Uebertragungsver- 
suche  aus  der  Zeit  vor  Einführung  des  Tuberkulins  stammen,  also 
sich  immer  der  Einwand  erheben  lasse,  dass  die  betreffenden  Ver- 
suchsthiere  bereits  vorher  tuberkulös  waren.  Er  weist  speziell 
auf  die  neueren  Versuche  von  M.  P.  Ravenei  hin.  Schickt  man 
die  vom  Menschen  gewonnenen  Kulturen  durch  irgend  ein  Zwi¬ 
schenthier,  wie  Kaninchen,  Meerschweinchen  oder  Ziegen,  und  ver 
impft  dann  die  aus  diesen  letzteren  gewonnenen  Kulturen  auf 
Rinder,  so  haben  die  neueren  Versuche  meist  zu  positiven  Resul¬ 
taten  geführt.  Er  hoffe,  demnächst  über  derartige  positive  Ver¬ 
suche  berichten  zu  können. 

Hinsichtlich  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  der  primären 
Darmtuberkulose  beim  Menschen  gehen  die  Angaben  so  weit  aus¬ 
einander,  dass  die  Unterschiede  kaum  anders  als  aus  der  von  vorn¬ 
herein  abweichenden  Auffassung  und  Stellungnahme  des  Beob¬ 
achters  selbst  erklärt  werden  können.  Präzision  des  Begriffes 
„primäre  Danntuberkulose“.  Die  Häufigkeit  der  Tuberkulose  bc 
treffend,  ergänzt  Deetz  die  N  a  eg  e  1  i’schen  Zahlen  durch  Ziffern 
aus  dem  Dresdener  Friedrichstädter  Krankeuliause.  Es  fand  sich 


1.  Juli  1902. 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


im  verflossenen  Jahre  bei  1200  Sektionen  in  92  Proz.  aller  Leichen 
Tuberkulose  (Kinder  unter  1  Jahre  nicht  mitgerechnet). 

Herr  Pott  bemerkt,  dass  nach  seinen  Erfahrungen  der 
Prozentsatz  der  Fälle  von  Darmtuberkulose  bei 
Kindern  in  der  That  ein  recht  geringfügige  r  sei  und 
auch  gewesen  sei  schon  zu  einer  Zeit,  wo  man  vom  Tuberkel¬ 
bazillus  noch  nichts  gewusst  und  die  Milch  vor  dem  Gebrauch 
nicht  abgekocht  habe. 

Herr  C.  Fraenkel  erwähnt  zunächst,  dass  die  Verschieden¬ 
heit  der  menschlichen  und  der  Rinderbazillen  nicht  erst  durch  den 
bekannten  Vortrag  von  Koch  behauptet  und  zur  Diskussion  ge¬ 
stellt  worden  sei.  Schon  vorher  hätten  vielmehr  einige  ameri¬ 
kanische  Forscher,  wie  namentlich  Smith,  Dinwiddie  und 
R  a  v  e  n  e  1,  auf  Grund  eingehender  Versuche  diese  Anschauung 
vertreten  und  R  a  v  e  n  e  1  z.  B.  betone  in  einer  sehr  bemerkens- 
werthen  Veröffentlichung,  dass  die  Rinderbazillen  durch 
ihre  morphologischen,  kulturellen  und  patho¬ 
genen  Eigenschaften  von  den  Tuberkelbazillen 
des  Menschen  ab  wichen:  sie  seien  meist  dicker  u  n  d 
kürze  r,  liessen  sich  viel  schwerer  auf  unseren  künstlichen 
Nährböden,  meist  nur  auf  erstarrtem  Hundeserum  züchten, 
bildeten  auch  hier  nur  einen  ganz  dünnen  und  spärlichen  Rasen 
und  besässen  vor  allen  Dingen  für  sämmtliche  Versuchsthiere 
(Rinder,  Pferde,  Ziegen,  Schafe,  Hunde  u.  s.  f.)  eine  viel  grös¬ 
sere  Virulenz  und  Bösartigkeit  als  die  menschlichen,  die  sich  auf 
die  meisten  der  genannten  Spezies  überhaupt  nicht  oder  doch  nur 
bei  Verwendung  sehr  grosser  Mengen  übertragen  liessen.  Auch 
Baum  garten  habe  diesen  Unterschied  schon  bei  einem  Ex¬ 
periment  an  2  Kälbern  festgestellt,  das  freilich  wenig  beachtet 
und  eigentlich  erst  jetzt  wieder  der  Vergessenheit  entrissen 
worden  sei. 

Immerhin  habe  .  die  ganze  Frage  aktuelle  Bedeutung  erst 
durch  die  Mittheilung  von  Koch  gewonnen,  namentlich  daKocli 
an  seine  wissenschaftlichen  Behauptungen  auch  praktisch 
wichtige  Folgerungen  knüpfte.  Bei  der  Beurtheilung  der  Koch- 
schen  Angaben  werde  man  freilich  gerade  diese  beiden  Seiten  der 
Frage  zunächst  auseinander  halten  müssen,  und  die  meisten  wei¬ 
teren  Stimmen  zur  Sache  in  der  Fachpresse  wie  in  den  Tages¬ 
blättern  hätten  durch  Nichtbeachtung  dieser  Forderung  mehr  zur 
Verwirrung  alsf'zur  Klärung  der  ganzen  Angelegenheit  beigetragen. 
Koch  habe  seine  Annahme  von  der  V  erschiedenartig- 
k  e  i  t  der  beiden  Bakterien  wesentlich  auf  2  That  Sachen  ge¬ 
stützt:  erstens  darauf,  dass  eine  Verimpfung  der  Men¬ 
schenbazillen  auf  das  Rind  in  der  Regel  nicht 
gelinge,  desshalb  auch  das  umgekehrte  Verhältniss 
wahrscheinlich  sei,  und  zweitens  darauf,  dass  die  Seltenheit 
der  Darmtuberkulose  beim  Menschen,  namentlich 
bei  Kindern,  ebenfalls  im  letzteren  Sinne  spreche. 

Diese  Thatsachen  sowohl,  wie  auch  die  aus  ihnen  abgeleiteten 
Schlüsse  seien  nun  von  verschiedenen  Seiten  bestritten  worden. 
Man  habe  behauptet,  dass  die  menschlichen  Bazillen  doch  auf 
das  Rind  Überträgen  werden  könnten.  Indessen  liegt  eine 
sichere  und  einwandfreie  Beobachtung  dieser  Alt  bisher  nicht  vor; 
auch  den  vom  Herrn  Vortragenden  des  Genaueren  berichteten  Ex¬ 
perimenten  von  Arloing  u.  A.  könne  eine  entscheidende  Be¬ 
deutung  nicht  beigemessen  werden,  da  sie  fast  sämmtlich  unter' 
Vernachlässigung  der  einfachsten  Vorsichtsmaassregeln  ausge¬ 
führt  seien.  Wenn  Arloing  z.  B.  den  Thieren  grosse  Mengen 
von  Bazillen  in  die  Blutbahn  spritze  und  die  darauf  eintretende 
Bildung  von  Knötchen  und  den  nachfolgenden  Tod  als  eine  ge¬ 
lungene  Infektion  ansehe,  so  müsse  doch  hervorgehoben  werden, 
dass  damit  gar  nichts  bewiesen  sei,  da  man  genau  den  gleichen 
Effekt  selbst  mit  abgetödteten  Kulturen  jederzeit  zu  er¬ 
zielen  vermöge,  wie  schon  vor  Jahren  zuerst  Prudden  und 
Hodenpyl  gezeigt,  jüngst  auch  wieder  in  Fr.’s  Laboratorium 
Engelhardt  in  demnächst  zu  veröffentlichenden  Versuchen  be¬ 
stätigt  habe.  Auch  dürfe  man  nicht  vergessen,  dass  Koch 
keineswegs  die  Möglichkeit  einer  Uebertragung  mensch¬ 
licher  Bazillen  auf  das  Thier  völlig  geleugnet,  vielmehr  nur  her¬ 
vorgehoben  habe,  dass  unter  denselben  Bedingungen  die  mensch¬ 
lichen  Bazillen  für  das  Rind  unvergleichlich  viel  weniger  gefährlich 
als  die  Perlsuchtbazillen  und  eben  desshalb  von  den  letzteren  ver¬ 
schieden  seien.  Das  sei  inzwischen  z.  B.  auch  durch  Versuche  dar- 
gethan  worden,  die  Karlinski  in  Bosnien  ausgeführt  und 
jüngst  mitgetheilt  hat. 

Namentlich  sei  aber  nun  die  Koc  h’sche  Annahme  an- 
gefochten  worden,  dass,  weil  die  Mensehenbazillen  für 
das  Rind  unschädlich  seien,  nun  auch  die  Rinderbazillen 
für  den  Menschen  unschädlich  sein  sollten.  An  sich  brauchen, 
wie  wir  aus  anderen  bakteriologischen  Erfahrungen  wissen, 
solche  wechselseitige  Beziehungen  zwischen  zwei  Bakterien-  oder 
Thierarten  durchaus  nicht  zu  bestehen,  und  ferner  komme  z.  B. 
R  a  v  e  n  e  1  auf  Grund  seiner  Befunde  gerade  zu  der  Anschauung, 
dass  der  Rinderbazillus,  der  für  alle  geprüften 
Versuchsthiere  viel  pathogener  als  der  mensch¬ 
liche,  eben  desshalb  auch  für  den  Menschen  be¬ 
sonders  gefährlich  erscheine.  Unter  diesen  Um¬ 
ständen  sei  gewiss  von  den  Anhängern  der  Koc  h’schen  Theorie 
grosses  Gewicht  auf  die  vom  Vortragenden  erwähnten  Experi¬ 
mente  zu  legen,  die  Baumgarten  mitgetheilt  habe,  und  die  die 
Unwirksamkeit  der  Perlsuchtbazillen  für  den  Menschen  erwiesen 


1117 


hatten.  1  reilich  könnte  man  ja  auch  einem  solchen  Ergebniss 
gegeniibei  noch  daran  erinnern,  dass  beim  Menschen,  wenig¬ 
stens  beim  erwachsenen,  eine  subkutane  Ver¬ 
impfung  der  menschlichen  Bazillen  gleich¬ 
falls  meist  ohne  weitere  Folgen  bleibe  oder  doch 
nur  örtliche  Veränderungen  liervorrufe,  wie  namentlich  das  Ver¬ 
halten  der  sogen.  Leichentuberkel  zeige. 

Derartige  subkutane  Uebertragungen  der  Rin¬ 
dertuberkulose  aut  den  Menschen,  nicht  absicht¬ 
liche  und  künstliche,  sondern  natürliche  und  unfreiwillige 
seien  dann,  wie  schon  Herr  Disselhorst  erwähnt,  in  der 
Literatur  auch  schon  mehrfach  beschrieben  und  neuerdings  be¬ 
greiflicher  Weise  mit  erhöhtem  Interesse  betrachtet  worden.  So 
sei  berichtet,  dass  Fleischer  an  Tuberkulose  der  Finger  erkrankt, 
die  sie  sich  beim  Schlachten  perlsüchtiger  Tliiere  zugezogen,  dass 
durch  Benutzung  von  Milch  zu  Stichelungen  der  Haut  behufs  Ent 
fernung  von  Tätowirungen  bei  einem  Menschen  ein  Lupus  der 
betreffenden  Partie  erzeugt  sei  u.  s.  f.  ln  allen  diesen  Fällen  liegt 
aber  die  Möglichkeit  vor,  dass  die  betreffenden  Individuen  die 
Wunden  auch  mit  den  Bazillen  der  menschlichen  Tuber¬ 
kulose  infizirt  und  verunreinigt  haben,  und  erst  wenn  es  gelinge, 
aus  solchen  Affektionen  wieder  Mikroorganismen  mit  den  charakte¬ 
ristischen  Merkmalen  der  Perlsuchtbazillen  zu  gewinnen,  könne 
man  von  einem  sicheren  Ergebniss  sprechen. 

Koch  verwerthe  nun  für  seine  Ansicht  von  der  Harmlosig¬ 
keit  der  Rinderbazillen  für  den  Menschen  namentlich  die  Selten¬ 
heit  der  Intestinaltuberkulose.  In  der  That  werde 
das  von  den  meisten  Sachverständigen  bestätigt;  ebenso  wie  heute 
Pott,  habe  jüngst  Biedert  hervorgehoben,  dass  in  der  Zeit 
vor  der  Entdeckung  des  Tuberkelbazillus  und  der  Sterilisirung  der 
Milch  in  Gegenden,  wo  der  Milchgenuss  sehr  verbreitet,  wie  in 
Oberbayern,  die  Tuberkulose  der  Menschen  sogar  recht  selten  ge¬ 
wesen  sei.  Vielleicht  habe  dort  freilich  auch  das  Rindvieh  nicht 
an  Perlsucht  gelitten.  Immerhin  hätten  sich  nun  Stimmen  er¬ 
hoben  in  England,  in  Amerika  und  bei  uns  —  so  z.  B.  Heller  in 
Kiel  — ,  die  der  Darmtuberkulose  bei  Kindern  eine  keineswegs  zu 
unterschätzende  Rolle  zugesprochen;  sie  gelange  nur  sehr  oft 
zur  Heilung  und  fände  daher  in  den  Sterblichkeitslisten  und 
den  Protokollen  der  Pathologen  keinen  Platz.  Dass  sie  nicht  noch 
häufiger  vorkomme,  sei  ferner  zum  Theil  darauf  zurückzuführen, 
dass  nach  neueren  Erhebungen  nur  euter tuberkulöse 
Kühe  Bazillen  mit  der  Milch  absondern  und  endlich  müsse  noch 
damit  gerechnet  werden,  wie  Herr  Disselhorst  schon  als 
Einwand  von  Seiten  A  r  1  o  i  n  g’s  hervorgehoben,  dass  die  Bazillen 
nicht  auf  der  Schleimhaut  des  Darms  oder  in  den 
mesenterialen  Drüsen  die  ersten  Veränderungen  hervor¬ 
riefen,  sondern  unter  Ueberspringung  dieser  Gebiete  in  anderen 
Bezirken  ihren  primären  Sitz  aufschlügen.  Jedoch  werde  diese 
Möglichkeit  von  den  namhaftesten  Autoritäten,  so  z.  B.  von 
Baumgarten,  auf  das  nachdrücklichste  bestritten. 

Ueberblicke  man  alle  diese  Thatsachen,  so  könne  man  nicht 
darüber  im  Zweifel  sein,  dass  eine  sichere  Entscheidung 
der  ganzen  Frage  zur  Zeit  noch  unmöglich  sei,  vielmehr 
zuvor  weitere  Versuche  und  Erhebungen  angestellt 
werden  müssten.  Diese  Versuche  hätten  einmal,  wie  das  ja  auch 
Arloing  gefordert,  genauer  die  verschiedene  Em¬ 
pfänglichkeit  der  einzelnen  Rinderrassen  für 
die  Menschenbazillen  und  ferner  die  verschiedene  Viru¬ 
lenz  der  einzelnen  Stämme  dieser  letzteren  zu  prüfen. 
Indessen  sei  doch  zu  bemerken,  dass  die  Thierärzte,  die  bisher 
zu  Wort  gekommen,  Differenzen  in  der  Empfänglichkeit  der  Rinder 
durchaus  geleugnet,  und  man  werde  ferner  bei  einem  so  aus¬ 
gezeichneten  Forscher,  wie  Koch,  von  vornherein  annehmen 
können,  dass  er  mögliche  Abweichungen  in  der  Infektiosität  seiner 
Kulturen  ebenfalls  bereits  berücksichtigt  habe.  Zudem  möchte 
Vortragender  (Fraenkel)  die  Gelegenheit  benutzen,  um  mit- 
zutheilen,  dass  er  bei  seinen  eigenen,  sehr  aus¬ 
gedehnten  vergleichenden  Prüfungen  der  Viru¬ 
lenz  frischer  Stämme  von  menschlicher  Tuber¬ 
kulose,  entgegen  anderweitigen  Angaben  und  entgegen  auch 
der  Annahme  z.  B.  von  Arloing,  irgendwelche  erheb- 
lichenUnterschiedederWirksamkeitüberhaupt 
nicht  beobachtet  habe;  nur  bei  lange  fortgesetzter  Züch¬ 
tung  auf  unseren  künstlichen  Nährböden  tritt  eine  allmähliche  Ab¬ 
schwächung  hervor. 

Wünschenwerth  seien  dagegen  weitere  Versuche  über  den 
Erfolg  der  Uebertragung  auf  den  verschiedenen  Infek¬ 
tionswegen.  Vielleicht  sei  es  zweckmässig,  einmal  kurz  zu¬ 
sammenzufassen,  was  wir  bisher  hierüber  wissen  und  was  wir 
noch  von  der  weiteren  Forschung  erwarten  können  und  müssen. 

Bei  der  subkutanen  Impfung  sind  die  Menschen¬ 
bazillen  für  den  Menschen  (Leichentuberkel)  und  das 
Rind  (die  Resultate  von  It  a  v  e  n  e  1,  Koch,  Karlinski 
u.  s.  f.)  verhältnissmässig  unschädlich,  die  Rinder¬ 
bazillen  desgleichen  für  den  Menschen  (Tuberkulose  der 
Schlächter,  Versuche  von  Baumgarten),  dagegen  höchst 
v  i  rulent  für  das  Rind. 

Bei  der  Inhalation  erweisen  sich  die  Menschen- 
baziilen  für  den  Menschen  als  ungemein  gefährlich 
(häufigste  Art  der  natürlichen  Uebertragung).  Für  das  Rind 
nach  Koch  dagegen  wenig  wirksam;  doch  ist  von  anderer  Seite 


1118 


MÜENCILENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


<S  c  h  w  a  b  e)  jüngst  behauptet,  dass  die  menschliche  Lungen¬ 
tuberkulose  durch  Einatkmung  auf  das  Rind  übergehen  könne, 
und  es  seien  daher  weitere  Inhalationsversuche 
wohl  am  Platze,  wenn  auch  natürlich  die  praktische  Be¬ 
deutung  dieses  Infektionsmodus  keine  sehr  erhebliche  sei.  L>ie 
Uebertragbarkeit  der  Binder  bazillen  umgekehrt  auf  den 
Menschen  durch  Einathmung  sei  bisher  nicht  beobachtet,  auch 
kaum  genauer  festzustellen;  für  das  Kind  scheine  die  Ansteckung 
von  Thier  zu  Thier  durch  Inhalation  die  wichtigste  Art 
d  e  r  n  a  t  tt  r  1  i  c  h  e  n  U  e  b  e  r  t  ragung  zu  sein,  indessen  wäre 
es  erwünscht,  wenn  gerade  nach  dieser  Kichtung  hin  auch  noch 
w  eitere  Versuche  unternommen  würden. 

Von  besonderer  Bedeutung  für  die  Verhältnisse  der  Praxis 
sei  endlich  die  Fütterun  g.  Dass  die  Menschen  bazillen  für 
den  Menschen  auf  diesem  Wege  nicht  so  gefährlich, 
wie  auf  dem  der  Einathmung,  gehe  wohl  aus  der  Thatsache  hervor, 
dass  Die  Darmtuberkulose  bei  Schwindsüchtigen  zwar  oft,  aber 
doch  durchaus  nicht  immer  gefunden  werde,  während  ohne 
Zweifel  jeder  Phthisiker  mit  Auswurf  auch  stets  Bazillen  herunter¬ 
schlucke..  Auf  das  Kind  seien  die  Menschen  bazillen  nach 
II  ii  v  e  n  e  1,  Koch  u.  s.  w.  durch  Fütterung  nicht  über - 
t  r  a  g  b  a  r.  Das  Gleiche  soll  nach  Karlinski  aber  auch 
für  die  Kinder  bazillen  gelten,  und  wenn  diese  Behaup¬ 
tung  richtig,  so  mahne  sie  uns  natürlich  auch  zu  grosser  Vorsicht 
in  der  Beurtheilung  und  Verwerthung  der  Seltenheit  des  Vor¬ 
kommens  der  Darmtuberkulose  beim  Menschen  nach  Genuss  von 
Milch  perlsüchtiger  Thiere.  Gerade  hier  seien  daher  weitere  Ver¬ 
suche  und  Ermittelungen  durchaus  erforderlich,  am  Thiere 
Experimente  mit  Bazillen  der  verschiedenen 
II  e  r  k  u  n  f  t,  beim  Menschen  ausgedehnte  Erheb¬ 
ungen  über  die  Häufigkeit  der  Darmerkran¬ 
kungen  namentlich  bei  Kindern,  sowie  Prüfung  der  hier  ge¬ 
fundenen  Tuberkelbazillen  auf  ihre  Zugehörigkeit  zu  der  einen 
oder  anderen  Gruppe. 

Würde  so  die  Ivoc  h’sche  Behauptung  und  Anschauung  be¬ 
stätigt,  so  sei  das  in  wissenschaftlicher  und  prak¬ 
tischer  Hinsicht  von  Bedeutung.  In  wissenschaftlicher,  weil 
wir  dann  Menschenbazillen  und  Kinderbazillen  in  der  That  als 
zwei  verschiedene  Arten  auffassen  müssten.  Freilich 
habe  man  gerade  an  dieser  Bezeichnung  vielfach  Anstoss  ge¬ 
nommen  und  betont,  es  handle  sich  nicht  um  Arten,  sondern  nur 
um  Kassen  oder  Standortsvarietäten  u.  s.  f.  Das  sei 
indessen  eine  Frage  von  ganz  untergeordneter  B  e  - 
d  e  u  tung  oder  doch  nur  von  gewissermaassen  botanischem 
Interesse.  Für  den  Arzt  und  besonders  den  Hygieniker 
komme  nur  in  Betracht,  ob  eben  die  einen  zur  Zeit  mit  den 
anderen  identisch,  ob  unter  natürlichen  Verhält¬ 
nissen  eine  Uebert  ragung  möglich  sei  von  Rind 
auf  Mensch  oder  von  Mensch  auf  Kind  und  ent¬ 
sprechende  Schutzmaassregeln  nöthig  erscheinen.  Dess- 
halb  seien  auch  die  von  verschiedenen  Seiten  geforderten  und 
bereits  unternommenen  Experimente  zur  Umzüchtung  von  Men¬ 
schen-  in  Kinderbazillen  durch  allmähliche  Anpassung  an  den 
Körper  der  letzteren  in  Kollodiumsäckchen  nach  Nocard  —  von 
Kavenel  schon  ohne  Erfolg  versucht  —  oder  durch  successive 
Uebertragung  und  Anpassung  auf  zuerst  empfängliche,  dann  weni¬ 
ger  empfängliche  Thiere  und  endlich  das  Rind  gewiss  nicht  ohne 
Werth,  aber  doch  für  die  praktische  Seite  der  Frage  fast  ganz 
ohne  Bedeutung. 

Gerade  auf  diese  lege  K  o  c  h  das  Schwergewicht,  indem  er 
behaupte,  der  Rinderbaziilus  und  also  z.  B.  M  i  1  c  h  und  Fleisch 
kranker  Thiere  seien  für  den  Menschen  unschädlich.  Aber  wenn 
das  nun  auch  wirklich  der  Fall,  so  könne  er  (F  raenkel)  doch 
dem  Vortragenden  nicht  in  der  Auffassung  beipflichten,  dass 
dadurch  ein  wesentlicher  Umschwung  in  der  Ver- 
werthung  der  genannten  thierischen  Produkte  und  also  auf  dem 
Gebiete  der  Ernährungshygiene  herbeigeführt  werden  würde.  Das 
Fleisch  tuberkulöser  Kinder  erfahre  jetzt  schon  eine  so  milde 
und  schonende  Behandlung,  dass  hier  zu  thun  fast  nichts  mehr 
übrig  bleibt,  imd  die  Milch  werde  man  nach  wie  vor 
aufkochen  und  erhitzen  müssen,  mit  Rücksicht  auf  die  sonsti¬ 
gen  Schädlinge,  die  in  ihr  Vorkommen  und  mit  ihr  übertragen  wer¬ 
den  können.  Hier  sei  also  vor  einer  Ueberschätzung  der  K  o  c  h’- 
schen  Befunde  zu  warnen;  nichtsdestoweniger  werde  man  die 
weitere  Entwicklung  der  ganzen  Frage  gewiss  mit  gespannter 
Aufmerksamkeit  verfolgen  müssen. 

Herr  Nebelt  hau  betont,  dass  gegenüber  der  Verbreitung 
der  Tuberkulose  von  Mensch  zu  Mensch  die  vom  Thier  auf  den 
Menschen  weit  zurücktritt. 

Was  die  hier  besprochenen  verschiedenen  Infektionswege  in 
ihrer  Bedeutung  anlangt,  so  muss  man  besonders  im  kindlichen 
Alter  an  eine  Aufnahme  der  Bazillen  vom  Darmkanal  aus  denken, 
so  auch  in  Fällen  von  miliarer  Tuberkulose,  bei  denen  sich  eine 
Tuberkulose  der  Mesenterialdrüsen  flndet.  Sind  gleichzeitig  Darm¬ 
geschwüre  vorhanden,  so  liegen  die  Verhältnisse  klar;  fehlen 
solche,  so  ist  die  Deutung  schwieriger.  Beiläufig  bemerkt  der  Vor¬ 
tragende,  dass  er  sich  in  eigenen  Versuchen  an  Hunden  davon  hat 
überzeugen  können,  dass  selbst  nach  Einbringung  sehr  grosser 
Mengen  von  Tuberkelbazillen  in  ein  ausgeschaltetes  und  einge¬ 
schlossenes  Darmstück  die  Schleimhaut  des  Darmes  selbst  nicht 
zu  erkranken  braucht. 


Ausser  dem  Darm  kommen  noch  namentlich  als  Eingangs¬ 
pforten  die  Tonsillen  in  Betracht.  Zum  Studium  dieser  Verhält¬ 
nisse  ist  das  kindliche  Alter  besonders  geeignet. 

Herr  Lange  bittet  um  Auskunft  über  die  jetzige  Art  der  Be¬ 
handlung  des  Fleisches  von  tuberkulösen  Thieren. 

Herr  Disselhorst  erwidert,  dass  die  erkrankten  inneren 
Organe  vernichtet  werden,  das  Fleisch  dagegen  bei  gutem  Er¬ 
nährungszustand  des  betreffenden  Thieres  in  den  freien  Verkehr 
gelangt,  bei  abgemagerten  Stücken  indessen  auf  die  Freibank  ver¬ 
wiesen  und  hier,  unter  Umständen  nach  vorheriger  Kochung  im 
Dampfapparat,  zu  einem  geringeren  Preise  verkauft  wird.  Findet 
sich  generalisirte  Tuberkulose  oder  auch  nur  Tuberkulose  in  Brust.- 
und  Bauchhöhle  zugleich,  so  wird  der  Kadaver  vernichtet. 

Herr  Braunschweig  stellt  eine  Kranke  vor,  bei  welcher 
ein  Orbitalsarkom  vermittelst  temporärer  Resektion  der  lateralen 
Orbitalwand  entfernt  wurde.  Bemerkenswerth  ist,  dass  der  Ex¬ 
ophthalmus  schon  vor  ca.  einem  Jahre  auf  trat  und  bis  Anfang 
Dezember  ständig  zunahm;  dann  verminderte  er  sich  auf  grosse 
Dosen  Jodkali  so  auffallend  und  rasch,  dass  an  die  spezifische 
Natur  der  Erkrankung  um  so  eher  gedacht  wurde  —  trotzdem 
sonstige  Zeichen  von  Lues  fehlten  —  als  die  Untersuchung  in  Nar¬ 
kose  absolut  nichts  ergeben  hatte.  Gegen  Weihnachten  nahm  die 
Vortreibung  des  Augapfels  zu,  leichte  Insuffizienz  der  Lider,  Rei¬ 
zung  und  Schmerz  im  Augapfel,  sowie  ausstrahlende  Kopfschmer¬ 
zen  stellten  sich  ein,  und  es  musste  an  die  Beseitigung  des  Tumors 
gegangen  werden;  ein  solcher  war  mit  Sicherheit  anzunehmen  und 
zwar  an  der  inneren  Seite  der  Spitze  des  Orbitaltrichters,  trotzdem 
auch  eine  zweite  Untersuchung  in  Narkose  keinen  positiven  Be¬ 
fund  ergab.  Die  Ursache  stellte  sich  bei  der  Operation  heraus: 
Es  handelte  sich  um  eine  ausserordentlich  Aveielie  eingekapselte 
Geschwulst  von  beträchtlicher,  schätzungsweise  mehr  als  Wall- 
nussgrösse,  welche  selbst  dann  noch  nicht  vom  Orbitalgewebe  zu 
unterscheiden  war,  als  der  palpirende  Finger  sie  unmittelbar  be¬ 
rührte,  und  die  erst  durch  die  direkte  Besichtigung  sicher  als 
Geschwulst  zu  erkennen  war.  Die  stumpfe  Ausschälung  gelang 
ziemlich  leicht,  doch  wurde,  da  der  Sack  platzte,  mit  scharfem 
Löffel  gründlich,  d.  h.  so  lange  sich  noch  verdächtige  Brockel 
zeigten,  die  ganze  Höhle  ausgeräumt.  Die  Heilung  verlief  ohne 
irgend  welchen  ZAvischenfall  und  ergab  eine  völlig  normale  Lage 
des  Augapfels,  dessen  Beweglichkeit  fast  gar  nicht  gelitten  hatte. 
Trotz  einer  deutlichen  konsekutiven  Abblassung  des  Sehnerven, 
welche  sich  später  entwickelte,  blieb  das  Sehvermögen  gut,  was 
um  so  wichtiger  war,  als  es  sich  um  das  einzig  gut  sehende  Auge 
der  Patientin  handelte.  Unangenehm  war  die  komplete  Ptosis, 
welche  sich  erst  ca.  t)  Wochen  später  zu  A’ermindern  begann  und 
jetzt  (Anfang  Juni)  ganz  erheblich  gebessert  ist. 

Die  Geschwulst  erwies  sich  (Herr  Geheimrath  Eberth)  als 
Kundzellensarkom.  Ein  Rezidiv  ist  bis  jetzt,  5  Monate  nach  der 
Operation,  nicht  aufgetreten. 

Herr  A.  Tschermak:  Ueber  das  zweiäugige  Sehen  der 
Wirbelthiere. 

Bei  den  Wirbelthieren  lassen  sich  nach  Abtrennung  des  Ge- 
sichtsschädels  vom  ITirnschädel  und  nach  Freilegung  der  Hinter¬ 
fläche  der  Bulbi  die  durchscheinenden  N e tzhautb i Idchen  einer 
Lichtquelle  in  beiden  Augen  beobachten.  Die  Sicherung  der 
postmortalen  Augenstellung,  die  keine  augenfälligen  Differenzen 
von  *dcr  vitalen  zeigte,  gelingt  am  besten  durch  Frierenlassen. 
Es  wurde  auf  diese  Weise  das  Bestehen  eines  binokularen  Ge¬ 
sichtsraumes  von  bestimmtem  Ausmaasse  und  bestimmter  Lage 
zum  Kopfe  auch  bei  Thieren  mit  erheblich  divergirenden  Augen¬ 
achsen  (Kaninchen,  Ratte,  Huhn,  Taube,  Frosch,  Karpfen)  er¬ 
wiesen:  dasselbe  erscheint  demnach  unabhängig  von  dem  Ver¬ 
halten  der  Optikusfasern  im  Chiasma.  Die  Pickhöhe  bei  Huhn 
und  Taube  entspricht  einer  Distanz  deutlicher  Abbildung  in 
beiden  Augen.  Die  sensorische  Verknüpfung  der  nach  hinten 
aussen  und  unten  gelegenen  Bin  okular  bezirke  dürfte  bei  den 
Thieren  mit  erheblich  divergirenden  Augenachsen  der  Netzhaut¬ 
korrespondenz  beim  [Menschen  und  bei  den  Thieren  mit  ange- 
nähert  parallelen  Augenachsen  (in  Grundstellung)  analog  sein. 
Nur  fällt  bei  jenen  Thieren  der  hintere  Augenpol,  die  eventuelle 
Fovea  centralis,  nicht  mit  dem  Mittelpunkte  des  Binokular¬ 
bezirkes  zusammen,  sondern  gehört  dem  relativ  grossen  Unokular¬ 
bezirke  an,  entbehrt  also  einer  Korrespondente  im  anderen  Auge. 
Bei  dieser  Voraussetzung  würden  die  bezeichneten  Thiere  die 
Dinge  angenähert  am  „richtigen  Orte“  sehen;  eine  Beziehung, 
ein  Wettstreit  der  beiden  hinteren  Augenpole  untereinander 
oder  dieser  Partie,  der  ev.  Fovea  centralis,  mit  dem  Mittelpunkte 
des  Binokularbezirkes,  der  ev.  Fovea  temporalis  (Vögel),  ist  nicht 
anzunehmen. 

Besprechung:  Herr  Fries  richtet  an  den  Vortragenden 
die  Frage,  auf  welche  Gruppen  von  Fischen  er  seine  Unter¬ 
suchungen  ausgedehnt  habe.  Bei  dem  Hammerhai  z.  B.,  bei  wel¬ 
chem  die  Augen  am  Aussenende  der  ausgedehnten  seitlichen  Kopf¬ 
lappen  liegen,  sei  es  doch  mindestens  zAveifelhaft,  ob  ein  binoku- 


1.  Juli  1902. 


1119 


MUENCIIEJST E R  MEDICINISCHE  WO  CIIENS  CIIRI  FT. 


lares  Sehen  möglich.  Mit  der  Behauptung-,  dass  letzteres  für  alle 
Tliiere  zutreffe,  müsse  man  doch  wohl  vorsichtig  sein. 

Herr  Tscherma k  erwidert,  dass  er  unter  den  Fischen 
meist  Karpfen  benutzt  habe.  Im  üebrigen  könne  man  doch  nicht 
nach  dem  blossen  Aeusseren  der  Tliiere  urtheilen;  besondere  Bre¬ 
chungsverhältnisse,  selbst  Schiefstellung  der  Linse,  könnten  noch 
ein  binokulares  Sehen  ermöglichen,  wo  man  das  zunächst  gar 
nicht  erwarten  würde. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg, 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Juni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Lenhar  t  z. 

I.  Demonstrationen: 

1.  Herr  Grube  demonstriert  einen  grossen  Uterus  myoma- 
tosus,  den  er  durch  den  vorderen  Scheidenbauchschnitt  mittels 
Morcellement  glücklich  entfernt  hat,  obwohl  die  Grösse  der  Ge¬ 
schwulst  diese  Operationsmethode  kaum  zuliess. 

2)  Herr  Fraenkel  zeigt  die  Organe  eines  37  jährigen 
Mannes,  der  an  Perforativperitonitis  zu  Grunde  ging.  Die  Bauch¬ 
fellinfektion  war  durch  Platzen  einzelner  kleiner  Abszesse  im 
rechten  Leberlappen  erfolgt.  Die  Quelle  der  Leberinfektion  war 
in  einer  vor  10  Jahren  beobachteten  W  u  r  m  fortsatzerkr  a.  n  - 
kung  zu  suchen.  Im  Appendix  findet  sich  eine  derbe,  striktu- 
rierende  Narbe,  vor  welcher  das  Lumen  erweitert,  die  Wandung 
hypertroph  und  in  der  Schleimhaut  ein  flacher  Substanzverlust 
vorhanden  war.  Dass  es  nach  einem  so  langen,  anscheinend  völlig 
normalen  Befinden  zu  deletären  Erkrankungen  kommen  kann, 
muss  eine  weitere  Mahnung  sein,  einen  einmal  erkrankten  Wurm¬ 
fortsatz  baldmöglichst  zu  exstirpieren. 

3.  Herr  Kiessling:  Organe  eines  Falles  von  tuberkulöser 
Meningitis  mit  dichten  diffusen  Hirnhämorrhagien  und 
Chorioidealblutungen. 

4.  Herr  Eieck  demonstriert  zwei  tuberkulöse  Tuben, 
welche  die  Form  der  Salpingitis  nodosa  zeig-en  und  von  einem 
20jälirigen,  sonst  kräftigen,  aber  erblich  belasteten  und  3  mal 
an  Pleuritis  erkrankten  Mädchen  stammen.  Auch  das  Endo¬ 
metrium  war  tuberkulös  erkrankt  (mikroskopisch:  Riesenzellen, 
Tuberkelbazillen  im  Schnitt).  Den  idealen  Weg  für  solche  Fälle 
bildet  die  Kolpotomia  anterior,  wodurch  gleichzeitig  die  etwa  vor¬ 
handene  Retroflexio  uteri  fixata  durch  hohe  Vaginifixur  in  voll¬ 
kommenster  Weise  beseitigt  werden  kann,  wie  es  auch  in  diesem 
Falle  geschah.  Es  genügt,  die  Tuben,  die  für  gewöhnlich  den  pri¬ 
mären  Sitz  der  Unterleibstuberkulose  beim  Weibe  abgeben,  zu 
entfernen.  Die  Uterustuberkulose  heilt  dann  resp.  ist  durch  eine 
medikamentöse  Therapie  zur  Heilung  zu  bringen.  So  behält  die 
Pat.  ihren  Geschlechtscharakter,  ihre  Menstruation  und  Ovulation, 
kann  aber,  was  nur  zu  wünschen  ist,  nicht  mehr  konzipieren  und 
ist  ohne  sichtbare  Narbe  in  schonendster  Weise  von  ihrem  ernsten 
Leiden  befreit. 

5)  Herr  Lenhar  tz  demonstriert  eine  grössere  Anzahl  (8) 
von  operativ  geheilten  Lungenbrandkranken.  Er  erörtert  seine 
Technik,  die  in  zweizeitigem  Vorgehen  und  in  möglichst  breiter' 
Eröffnung  der  Gangränhöhle  besteht.  Er  verfügt  zurzeit  über 
33  Operationen  mit  der  günstigen  Heilungsziffer  von  21.  Die 
Todesfälle  betreffen  4  Fälle,  in  denen  es  sich  um  multiple  Brand¬ 
herde  handelte,  2  mal  kam  es  zu  Empyem:  die  übrigen  Todes¬ 
fälle  sind  auf  Tuberkulose  in  3  Fällen,  Erysipel,  Macies,  Alcoliolis- 
mus  chronicus  in  je  1  Falle  zu  beziehen.  Demonstration  der  Fieber- 
und  Sputumkurven  unter  Erwähnung  verschiedener  Details  der 
Krankengeschichten. 

IT.  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Buch¬ 
holz:  Ueber  die  schnell  verlaufenden  Erkrankungen  der  De¬ 
mentia  paralytica. 

Herren  Troemne  r,  K  a  e  s,  B  uchliol  z. 

III.  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Engels: 

Ueber  Entstehung  und  Behandlung  des  Plattfusses. 

Herr  D  e  u  t  s  c  li  I  ä  n  d  e  r  weist  hin  auf  die  Inkongruenz  des 
anatomischen  Befundes  beim  Plattfuss  und  der  klinischen  Sym¬ 
ptome.  Er  erwähnt  das  symptomlose  Vorhandensein  desselben 
bei  gewissen  Volkstypen  und  Gewerben  (Küstenbevölkerung).  Die 
Beschwerden  des  Plattfusses  sind  als  sekundäre  aufzufassen;  Pe¬ 
riost,  Muskulatur  und  der  Bandapparat  erkranken,  daher  auch 
Massage  und  Gymnastik  nützlich  und  zu  empfehlen.  Für  die 
Behandlung  des  kontrakten  Plattfusses  empfiehlt  er  neben  Bett¬ 
ruhe  Hochlagerung  und  feuchten  Verband  an  die  Bier  sehe  Stau¬ 
ung.  Prophylaktisch  ist  die  Modetorheit  der  hohen  Absätze  zu 
beachten. 

Herr  K  ii  m  mell  weist  auf  die  diagnostischen  Schwierig¬ 
keiten  bei  der  Erkennung  des  Pes  valgus  hin.  Knickfussbeschwer- 
den  haben  in  England  sogar  zur  Aufstellung  des  gesonderten 
Krankheitsbildes  der  Mortons  disease  geführt. 

Herr  Hasebröck  sieht  im  Kniekfuss  eine  Affektion  im 
Lisfranc-  und  Chopart  sehen  Gelenk  und  beschuldigt  für 
das  Zustandekommen:  häufige  leichte  Traumen,  habituelles  Um¬ 
kippen,  Gicht,  Alter,  Neurosen.  Er  erörtert  sodann  noch  einzelne 
Momente,  wie  die  Versteifung  im  Lisfranc  sehen  Gelenk,  die 


Plantarknickung  und  Pronation  des  Vorderfusses,  die  Ballen¬ 
beschwerden  unter  dem  Fuss  etc.  und  befürwortet  die  Verwendung 
von  Zelluloidsohlen. 

Herr  Kawka  erwähnt  den  rachitischen  Plattfuss,  der  bei 
entsprechender  Behandlung  der  Rachitis  spontan  heilt. 

Herr  Engels  resümiert  in  seinem  Schlusswort  die  Ergeb¬ 
nisse  der  Diskussion.  Von  Massage  und  Gymnastik  verspricht  er 
sich  nicht  viel.  Wichtig  ist  bei  der  Behandlung  das  Verbot 
längeren  Stehens.  Hingegen  sieht  man  von  vorübergehender  stär¬ 
kerer  Beanspruchung  des  Fusses,  dessen  Muskulatur  dadurch  ge- 
kräftigt  wird,  häufig  nur  Gutes.  Hauptsächlich  rät  er,  im  einzel¬ 
nen  Fall  zu  individualisieren  und  die  Plattfussbeschwerden  in 
zweckentsprechender  Weise  orthopädisch  zu  heben  und  die  Be¬ 
handlung  nicht  auf  den  Schuhmacher  abzuwälzen.  W  e  r  n  e  r. 


Biologische  Abtheilung  desärztlichen-Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  April  1902. 

Vorsitzender:  Herr  E.  Frankel. 

Schriftführer :  Herr  Moltrecht. 

I.  Demonstrationen: 

1.  Herr  Unna  stellt  einen  Fall  von  Xanthom  „en  tumeur“ 
vor,  eine  sehr  seltene  Hauterkrankung,  deren  Kenntnis«  wir 
Chambard,  Besnier  und  Thibierge  verdanken.  Im 
Gegensatz  zu  dem  häufiger  vorkommenden  Xanthoma  tuberosum, 
welches  hauptsächlich  bei  Glykosurischen  beobachtet  wird,  im 
mittleren  Lebensalter  auftritt,  u.  a.  viele  kleine,  derbe,  rundliche, 
z.  Th.  konfluirende  Knoten  aufweist,  befällt  das  t  u  m  orartige 
Xantlio  m  jugendliche  Personen  und  tritt  in  einzelnen  stark 
protuberirenden  Knoten  auf.  die  sich  in  der  Breite  und  Höhe  lang¬ 
sam  und  oft  bedeutend  vergrössern.  Auch  bei  ihnen  besteht  eine 
Fettdegeneration  in  der  Cutis  wie  bei  den  anderen  Xanthomen. 
Der  vorliegende  Fall  hat  Aelmlichkeit  mit  dem  im  internationalen 
Atlas  von  Thibierge  publizirten,  was  die  Farbe  und  Grösse 
der  Tumoren  anlangt.  Es  handelt  sich  um  ein  1  jähriges,  sonst 
gesundes  Kind  gesunder  Eltern,  welches  seit  dem  2.  Monat  mit 
der  Affektion  behaftet  ist.  Die  Knoten  traten  zuerst  am  be¬ 
haarten  Kopf  auf,  wo  sie  auch  jetzt  am  zahlreichsten  und  grössten 
(markstückgross)  sind,  haben  eine  theils  gelbliche,  theils  röthlieli- 
bräunliche  Farbe  (Cafe  au  lait.  Nussfarbe),  sind  in  der  Mitte  tlieil- 
weise  etwas  eingesunken  und  dunkler  gefärbt  und  haben  einen 
steil  wallartig  abfallenden  Rand  und  eine  weiche  Konsistenz.  Am 
Rumpf  und  den  oberen  Extremitäten  sind  einige  Knoten  zerstreut, 
an  den  unteren  Extremitäten  nur  sehr  wenige. 

2.  Herr  Molt  recht  demonstrirt  2  Fälle  von  multiplen 
Exostosen  der  Trachea.  (Wird  an  anderer  Stelle  veröffentlicht.) 

3.  Herr  Roosen  -Runge:  Mittheilung  eines  Falles  von 
Diphtheriebazillensepsis.  (Wird  in  extenso  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  erscheinen.) 

Diskussion:  Herr  Schottmüller  hat  vor  einigen 
Jahren  einen  Fall  von  durch  Diphtheriebazillen  verursachte  Ent- 
biudungssepsis  gesehen.  Im  Blut,  und  im  Uterussekret  fanden 
sich  reichliche  Mengen  von  Diphtheriebazillen. 

Herr  E.  Fraenkel:  Es  empfiehlt  sich,  zum  Nachweis  der 
Bakterien  in  den  Schnitten  noch  andere  als  die  Gram’scho 
Methode  zu  benutzen,  da  durch  diese  doch  manche  eventuell  vor¬ 
handene  Bakterien  entfärbt  werden.  Das  Vorkommen  der  Diph¬ 
theriebazillen  auf  den  Herzklappen  beweist  nichts,  denn  die  im 
Blute  kreisenden  Bakterien  könnten  sich  an  den  vorhandenen 
rauhen  Stellen  leicht  niedergeschlagen  haben. 

Herr  Roosen -Runge  hat  ausser  der  Gram’sclien  Fär¬ 
bung  auch  das  polychrome  Methylenblau  angewandt. 

II.  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Del- 

banco:  Zur  Pathologie  des  elastischen  Gewebes. 

Herr  U  n  n  a  stimmt  mit  dem  Vortragenden  in  den  meisten 
Punkten  völlig  überein:  dem  Vorkommen  von  elastischen  Faser¬ 
fragmenten  in  Riesenzellen,  den  Veränderungen  der  elastischen 
Fasern  in  demselben  und  dem  verschiedenen  Aussehen  solcher, 
Elastinreste  enthaltenden  Riesenzellen.  Nur  in  2  Punkten  ist 
Herr  TJ  n  n  a  etwas  abweichender  Ansicht.  Er  hat  zuerst  die 
später  auch  von  .Tadassohn  gestützte  These  ausgesprochen, 
dass  von  einem  Phagocytismus  der  elastinhaltigen  Riesenzellen 
nicht  gut  die  Rede  sein  könne,  dass  man  sich  vielmehr  wundern 
müsse,  wie  lange  die  Elastinreste  in  den  Riesenzellen  konservirt 
bleiben.  Diese  These  stützt  sich  auf  die  allgemeine  Erfahrung, 
dass  ein  vollko  m  m  euer  Sc  h  w  und  des  E  1  a  s  t  i  n  s 
eines  der  ersten  Symptome  der  tuberkulösen 
Vergiftung  des  Gewebes  ist.  Diese  Thatsache  ist  auch 
unter  Weiger  t’s  Leitung  von  W  e  c  h  sberg  neuerdings  be¬ 
sonders  hervorgehoben.  Schon  in  de  n  j  üngste  n,  aus  Plasma¬ 
zellen  bestehenden  L  u  p  u  s  k  n  ö  tchen  ist  das  Collagen  bis  auf 
das  sogen.  Reticulum  rarefizirt  und  das  E  1  a  s  t  i  n  voll- 
k  o  in  m  en  g  e  s  c  li  w  ü  n  d  e n;  soweit  die  Plasmazellen  reichen, 
hört  das  Elastin,  wie  abgebrochen,  plötzlich  auf.  Dieses  gilt  ins¬ 
besondere  für  die  gut  umschriebenen  Knötchen  des  Lupus  circum- 
scriptüs,  welche  in  einer  späteren  Periode  besonders  reich  an 
Riesenzellen  sind;  das  Elastin  ist  aber  schon  geschwunden,  ehe 
eine  Riesenzelle  sich  gebildet  hat.  In  den  Fällen  von  diffusem 


1120 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  26. 


Lupus,  wo  (las  Gefässbindegewebe  überall  zwischen  die  Plasmom- 
herde  hineinreicht  und  noch  öfter  später  beim  Durchwachsen  der 
Plasmomlierde  mit  neu  sich  bildendem  Lupusfibrom,  da  kommt  es 
öfter  zu  einer  (Koexistenz  von  vereinzelten,  spärlichen,  groben 
Elastinfasern  und  Riesenzellen.  Immerhin  sind  das  Ausnahme¬ 
fälle;  die  meisten  Lupusfälle  verlaufen,  ohne  dass  es  zu  elastin- 
haltigen  Kiesenzellen  kommt. 

Nach  dem  Gesagten  hat  Herr  U  n  n  a.  auch  Bedenken,  für 
diese  Fälle  den  Ausdruck:  Fremdkörper  riesenzellen 
zu  gebrauchen,  obwohl  sich  die  Riesenzellen  ganz  so  um  die 
elastischen  Fasern  herumlegen,  auf  ihnen  reiten,  sie  umwachsen 
und  allmählich  zerstören,  als  ob  es  Fremdkörper  wären.  Herr 
TT  n  n  a  ist  mit  Weigert  der  Ansicht,  dass  die  tuberkulösen 
Kiesenzellen  neben  einer  proliferativen,  lebendigen  Kemzone  eine 
gelähmte,  vergiftete,  nekrobiotische  Protoplasmazone  aufweisen, 
die  hin  und  wieder  auch  Tuberkelbazillen  enthält.  Die  gewöhn¬ 
lichen  Fremdkörperriesenzellen  enthalten  eine  solche  vergiftete 
Zone  wohl  nicht  und  weisen  auch  meistens  ein  besser  tingibles 
Protoplasma  auf.  Es  erscheint  Herrn  TT  n  n  a  wahrscheinlich,  dass 
die  elastinhaltigen  Kiesenzellen  gewöhnliche  vergiftete  Lupus¬ 
riesenzellen  sind,  in  welche  die  Elastinreste  zufällig  gerade  so  ein- 
gesehlossen  sind,  wie  andere  Zellen-  und  Kernreste,  die  man  öfters 
findet.  Es  wäre  zu  untersuchen,  ob  man  mittels 
geeigneter  Färbemethoden,  t  u  b  e  r  k  u  1  i  n  ver¬ 
giftete  und  gewöhnliche  Fremdkörperriesen- 
zellen  unterscheiden  könnt  e.  Erst  wenn  dieses 
glücken  würde,  stände  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  es  sich  im 
Lupus  um  zwei  verschiedene  Typen  von  Riesenzellen  handelt, 
in  Aussicht. 

Herr  P  a  p  penhei  m  gibt  eine  Arbeit  aus  dem  Institut  von 
F  o  ä  herum,  in  dem  ähnliche  konzentrische  Schichtung  beschrieben 
wird,  wie  Herr  Delbanco  sie  geschildert  hat.  hält  aber  die  in 
.  dieser  Arbeit  beschriebenen  Gebilde  nicht  für  elastische  Fasern, 
sondern  für  nekrotische  Stellen  im  Protoplasma.  Er  glaubt,  dass 
die  grossen  Wanderzellen  aus  Endotlielien  entstehen  können. 

Herr  Fraenkel  weist  darauf  hin.  dass  Riesenzellen  vom 
Typus  der  L  a.  n  g  han  s’schen  auch  bei  sicher  nicht  tuberkidösen 
Erkrankungen  angetroffen  werden,  speziell  in  syphilitischen  (.gum¬ 
mösen)  Produkten;  er  hat  in  gummösen  Herden  des  Hodens 
wiederholt  Kiesenzellen  vom  Charakter  der  L  a  n  g  h  a  n  s’schen 
gesehen  und  weicht  in  dieser  Beziehung  von  Baum  garten  ab, 
welcher  in  solchen  Fällen  die  Hodenaffektion  für  tuberkulös  auf¬ 
zufassen  geneigt  ist.  Nach  seinen  Erfahrungen  liegen  dabei  aber 
die  Riesenzellen  regellos  zerstreut  in  dem  die  gummösen  Produkte 
zusammensetzenden  granulationsartigen  Gewebe,  während  sie  bei 
tuberkulösen  Erkrankungen  innerhalb  der  mehr  oder  weniger 
scharf  begrenzten  knötchenartigen  Krankheitsherde  gefunden  wer¬ 
den.  Die  Riesenzellen  in  tuberkulösen  Produkten  sind,  wie  wohl 
ziemlich  allgemein  angenommen  wird,  als  durch  das  Eindringen 
der  Tuberkelbazillen  in  fixe  Gewebszellen  bedingt  anzusehen  und 
somit  als  Fremdkörperriesenzellen  aufzufassen;  vielleicht  aber 
gelingt  es.  wie  Herr  TT  n  n  a  meint,  später  einmal  durch  bestimmte 
Färbungsmethoden  die  tuberkulösen  Riesenzellen  von  anderen 
ähnlichen,  durch  todte  Fremdkörper  erzeugten,  zu  unterscheiden. 

Herr  TT  n  n  a  hat  Riesenzellen  bei  der  Syphilis  noch  häufiger 
gefunden  als  bei  Tuberkulose.  Er  kennt  kein  Syphilid  ohne  Riesen¬ 
zellen.  und  gerade  zum  Studium  der  Riesenzellen  eignen  sich  die 
Syphilide  gut.  Die  Diagnose  auf  Syphilis  oder  Tuberkulose  lässt 
sich  auf  Grund  des  Riesenzellenbefundes  nicht  stellen. 

Herr  P  a  p  p  e  n  h  e  i  m  fragt  Herrn  Fraenkel,  ob  er  glaubt, 
dass  der  todte  Körper  durch  die  schon  vorhandene  Riesenzelle  um¬ 
flossen  werde,  oder  ob  er  die  Ursache  sei  zur  Bildung  einer  Riesen¬ 
zelle. 

Herr  Fraenkel  glaubt  das  letztere. 

Herr  Delbanco  (Schlusswort):  Auch  nach  seinen  Er¬ 
fahrungen  —  die  Frage  wollte  er  in  seinem  Vortrag  nicht  be¬ 
rühren  —  sei  die  Lang  h  a  n  s’sche  Riesenzelle  in  dem  syphi¬ 
litischen  Granulationsgewebe  etwas  sehr  häufiges.  Mit  Herrn 
Privatdozent  Buri  in  Basel  arbeite  er  zur  Zeit  über  die  Histo¬ 
logie  der  syphilitischen  Papel  der  Haut,  in  welcher  die  gi’osse  Zahl 
der  Riesenzellen  imponire.  Analog  den  Untersuchungen  über 
syphilitische  Granulationsgeschwülste  der  inneren  Nase  (Ma¬ 
li  a.  s  s  e)  seien  auch  die  Syphilome  des  Kehlkopfes  reich  an  Riesen¬ 
zellen.  Die  Lagerung  und  Vertheilung  der  Riesenzellen,  die  Ver¬ 
hältnisse  des  elastischen  Gewebes  lehnen  fast  schon  die  Diagnose 
der  Tuberkulose  in  solchen  Fällen  ab. 

Der  abweichende  Standpunkt  des  Herrn  Unna  gegenüber 
dem  Vorgetragenen  sei  dahin  zu  präzisiren.  dass  die  elastischen 
Fasern  nicht  den  Anlass  zur  Riesenzellbildung  geben;  die  Riesen- 
zellcn  bilden  sich  nach  TT  n  n  a  unabhängig  von  den  elastischen 
Fasern,  trotz  der  elastischen  Fasern.  Die  Riesen¬ 
zellen.  über  deren  Bildung  bei  der  Tuberkulose  TT  n  n  a  zu  be¬ 
sonderen  Anschauungen  gelangt  sei.  umscliliessen  einfach  die  ge¬ 
rade  im  Wege  liegenden  Fasern.  Redner  möchte  demgegenüber 
betonen,  dass  elastische  Fasern  in  Riesenzellen  ja  bei  ganz  ver¬ 
schiedenen  Affektionen  beobachtet  werden,  für  welche  die  von 
Unna  bei  der  Tuberkulose  entwickelte  Genese  der  Riesenzellen 
natürlich  nicht  übernommen  werden  könne.  Da  muss  für  die  A\if- 
fassung  des  immer  wiederkehrenden  Bildes  eine  gemeinsame 
Grundlage  angenommen  werden.  Eine  solche  liegt,  in  der  An¬ 
nahme  einer  Fremdkürperwirkung  sehr  nahe.  Herr  Fraenkel 


stimme  mit  Redner  überein,  dass  die  elastische  Fasern  tragenden 
Riesenzellen  als  Fremdkörperriesenzellen  zu  bezeichnen  seien. 
Herr  Unna  mache  aufmerksam  auf  das  lange  Erhaltenbleiben 
der  Fasern  in  den  Riesenzellen  beim  Lupus.  Das  spräche  nach 
U  n  n  a.  und  II  o  n  a  gegen  die  ,, Fremdkörperriesenzelle“,  welche 
phagoeytäre  Kraft  besitze.  An  die  spezifische  Thätigkeit  von 
Zellen  bestimmte  Forderungen  zu  stellen,  müsse  nach  Redners 
Ansicht  abgelehnt  werden.  Ueberdies  sei  nicht  zu  vergessen,  dass 
die  Fremdkörperriesenzelle  im  tuberkulösen  Gewebe  auch  unter 
der  Giftwirkung  der  Tuberkelbazillen  stehe,  darum  in  ihrer  „auf¬ 
lösenden  Kraft“  sehr  wohl  geschwächt  sein  könne.  Redner  kommt 
darauf  hinaus,  dass  vorderhand  zweierlei  Riesenzellarten  beim 
Lupus  zu  trennen  seien,  die  echte  L  a  n  g  h  a  n  s’sche  Zelle  und 
die  elastische  Fasern  einschliessende  Riesenzelle,  welche  beim 
Lupus  allerdings  auch  die  wandständige  Anordnung  der  Kerne 
zeige.  Die  Fremdkörperriesenzelle  finde  sich  vornehmlich  ausser¬ 
halb  des  eigentlichen  tuberkulösen  Gewebes  dicht  an  den  gröberen 
Resten  des  elastischen  Gewebes.  Die  von  Herrn  Pappenheim 
erwähnte  Arbeit  von  Sprecher  sei  ihm  noch  nicht  bekannt  ge¬ 
wesen.  Vorderhand  verstehe  er  sie  nicht,  da  eine  genaue  Färbung 
der  elastischen  Fasern  die  Herkunft  der  „Einschlüsse“  sicher 
stelle.  D.  geht  zum  Schluss  noch  einmal  auf  die  von  ihm  an¬ 
genommene  Art  der  Quellung  der  elastischen  Fasern  ein.  Die 
starke  Lichtbrechung  der  geschichteten  Einschlüsse,  vor  Allem  die 
Deutlichkeit  der  einzelnen  Schichten  mache  von  vornherein  eine 
Salzimprägnation  der  Fasern  wahrscheinlich,  welche  nachgewiesen 
zu  haben  Ron  a’s  Verdienst  bleibt. 

III.  Herr  Luce  hält  seinen  Vortrag  über  den  Adam- 
S  t  o  k  e  s’schen  Symptomenkomplex.  (Der  Vortrag  wird  in  der 
nächsten  Sitzung  vollendet  werden.) 

Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  17.  April  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Unverricht. 

Herr  Buttenberg  demonstrirt  2  Präparate  der  seltenen 
interstitiellen  Schwangerschaft  aus  der  Tliorn’schen  Klinik. 
Im  ersten  Fall  hatte  das  Ei  das  linke  Horn  langsam  auseinander¬ 
getrieben  und  sich  frei  in  der  Bauchhöhle  bis  zum  4.  Monat  ent- 
wickelt,  in  dem  zweiten  war  die  Entwicklung  nach  dem  Isthmus 
zu  erfolgt,  die  Wand  war  im  Begriff  zu  rupturiren.  Beide  Fälle 
werden  ausführlich  an  anderer  Stelle  publizirt. 

Herr  Unverricht  demonstrirt  die  Bruchstücke  von 
2  gläsernen  Tripperspritzen  und  einem  Flaschenhalse,  die  von 
einem  seiner  Kranken  in  selbstmörderischer  Absicht  verschluckt 
worden  sind.  Es  handelte  sich  um  einen  Untersuchungs¬ 
gefangenen.  der  schon  früher  einmal  versucht  hatte,  sich  die  Puls¬ 
adern  zu  durchsclineiden.  Bei  dem  Fehlen  aller  Beschwerden 
glaubte  man  Anfangs,  dass  es  sich  nur  um  vorgespiegelte  Angaben 
handelte.  Es  wurde  eine  Kartoffelkur  eingeleitet  und  auch  sonst 
eine  viel  Kotli  gebende  Nahrung  zugeführt.  Unter  scharfer  Kon- 
trole  entleerte  der  Mann  in  4  Stuhlgängen  die  von  Kotli  allseitig 
umhüllten  gläsernen  Bruchstücke,  welche  weder  vorher,  noch  bei 
der  Defäkation  die  geringsten  Schmerzen  hervorriefen. 

Herr  Siedentopf  demonstrirt: 

1.  2  Fälle  von  Uterus  bicornis  unicollis.  Zuvor  wirft  der¬ 
selbe  einen  kurzen  Rückblick  auf  die  Entwicklung  des  Uterus  aus 
dem  Geschlechtsstrang  und  den  beiden  Plicae  urogenitales  und  er¬ 
läutert.  wie  durch  das  Eintreten  eines  Entwicklungshindernisses 
in  der  Vereinigung  der  beiden  Hälften  des  Geschlechtsstranges  und 
darüber  hinaus  der  beiden  Plicae  urogenitales  die  verschiedenen 
Formen  der  Doppelbildungen  des  Uterus  zu  Stande  kommen. 

Das  erste  Präparat  stammt  von  einer  20  jährigen  Frau,  die 
vom  20.  Jahre  an  3 — 4  wöchentlich  menstruirt  war,  die  Blutungen 
waren  stark,  dauerten  8  Tage  und  gingen  mit  sehr  heftigen  Leib¬ 
schmerzen  einher.  Bald  dauerten  die  Schmerzen  auch  in  den  Inter¬ 
vallen  zwischen  den  Menstruationen  an  und  die  Patientin  wurde 
arbeitsunfähig. 

Die  Untersuchung  stellte  eine  so  aiisgedehnte  Verwachsung 
des  Uterus  mit  seiner  Umgebung  fest,  dass  sich  der  Uteruskörper 
nicht  davon  differenziren  liess,  die  Sonde  führte  über  dem  Cervi- 
kalkanal  nach  links.  Nach  erfolgloser  konservativer  Behandlung 
wurde  die  Laparotomie  gemacht  und  dabei  eine  innige  Verwach¬ 
sung  des  Netzes  mit  der  Bauchwand  und  ausgedehnte  Verwach¬ 
sungen  mehrerer  Dünndarmschlingen  mit  dem  Uterus  und  den 
Adnexen  gefunden.  Erst  nach  zeitraubender  Lösung  und  Ver¬ 
sorgung  der  Dünndarmschlingen  kam  in  steiler  Beckenhochlage¬ 
rung  der  Uterus  zu  Gesicht.  Derselbe  bestand  aus  2  vollkommen 
von  einander  getrennten  Körpern  und  einem  Halse,  die  Tuben 
und  Ovarien  waren  rudimentäre  Gebilde.  Die  Tuben  waren  1  cm 
lang,  streichholzdick  und  hatten  beide  ein  normales  Fimbrienende. 
Das  eine  Ovarium  war  so  gross  wie  eine  Erbse,  das  andere  wie 
eine  kleine  JCirsche.  In  Anbetracht  der  ausgedehnten  Verwach¬ 
sungen  und  der  Verkümmerung  der  Adnexe  führte  S.  die  Exstir¬ 
pation  des  Uterus  mit  beiden  Anhängen  aus.  An  dem  exstirpirten 
Organ  wurde  sodann  in  dem  rechten  Hom  eine  mit  normaler 
Schleimhaut  ausgekleidete  Uterushöhle  ohne  Ausführungsgang  ge¬ 
funden,  dieselbe  war  mit  etwas  seröser  Flüssigkeit  angefüllt.  Die 
Patientin  hat  eine  ungestörte  Heilung  dimchgemacht  und  ist  jetzt, 


1.  Juli  1902. 


1121 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCIIENSCIIRI  FT. 


5  Monate  nach  der  Operation,  beschwerdefrei  und  zeigt  keine  Aus¬ 
fallserscheinungen. 

Das  zweite  Präparat  wurde  von  einem  25  jährigen  jungen 
Mädchen  gewonnen.  Menses  vom  17.  Jahre  an,  stets  mit  heftigen 
Krämpfen,  seit  2  Jahren  dauernd  Schmerzen  in  der  linken  Seite. 
Befund:  Links  neben  dem  Uterus  ein  faustgrosser  Tumor,  rechts 
gesunde  Adnexe  und  ein  kleiner  walzenförmiger  Körper,  der  für 
ein  subseröses  Myom  gehalten  wird.  Von  dem  linken  Tumor  ist 
der  Uteruskörper  nicht  abzugrenzen.  Sondirung  unterlassen. 
Laparotomie:  Linksseitige  Tuboovarialcyste  mit  bedeutender 
Hypertrophie  der  Tubenwand  und  dünnwandiger  Ovarialcyste. 
Fimbrienende  der  Tube  in  der  Ovarialcyste.  Der  Uterus  entpuppt 
sich  als  ein  Uterus  bicornis  unicollis,  dessen  linkes  Horn  wie  ein 
normaler  Uteruskörper  entwickelt  ist,  während  das  rechte  ein 
kleiner  walzenförmiger  Strang  von  ca.  1  cm  Durchmesser  ist.  Da 
nur  in  der  linken  Seite  Schmerzen  bestanden  hatten,  wird  der 
Missbildung  des  Uterus  weiter  keine  Bedeutung  beigelegt  und 
nur  die  Tubo-Ovarialcyste  entfernt.  2  Menstruationen  verliefen 
ohne  Schmerzen,  dann  kehrten  die  alten  Beschwerden  wieder.  Die 
Sondirung  des  Uterus  ergibt,  dass  zwischen  Cervix  und  dem  kräf¬ 
tig  entwickelten  linken  Horn  keine  Kommunikation  auffindbar  ist, 
wohl  aber  zwischen  Cervix  und  dem  rudimentären  rechten  Horn. 
Zweite  Laparotomie,  da  der  vaginale  Weg  durch  Verwachsungen 
des  Uterus  erschwert  ist,  und  Exstirpation  des  demonstrirten 
linken  Hornes.  Dasselbe  besitzt  eine  grosse,  geschlossene  und  mit 
Blut  angefüllte  Höhlenhämatometra.  Glatte  Heilung.  Patientin 
ist  jetzt  beschwerdefrei.  Menses  heute,  2  Monate  post  operat., 
noch  nicht  wieder  eingetreten. 

2.  demonstrirt  S.  ein  kindskopfgrosses,  weiches  Karzinom  der 
rechten  Niere  von  einer  35  jährigen  Frau.  Vor  der  Operation  war 
in  Folge  der  Grösse  des  Tumors  bei  einer  kleinen,  zarten  Frau 
nicht  festzustellen,  ob  der  Tumor  von  der  Niere  oder  vom  Ovarium 
ausging.  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  wurde  das  viszerale 
Blatt  des  Peritoneums  gespalten,  der  Tumor  ausgeschält,  der  Stiel 
versorgt,  der  Schnitt  im  hinteren  Blatt  des  Bauchfells  durch  eine 
Tabaksbeutelnaht  bis  auf  eine  fingerdicke  Oeffnung  zusammen¬ 
gezogen,  der  Rand  an  die  Bauchwunde  genäht  und  die  Wundhöhle 
drainirt.  Die  Heilung  verlief  ohne  Störung.  Einen  ganz  gleichen 
Fall  hat  S.  in  derselben  Weise  vor  1  Jahre  operirt,  die  Kranke  ist 
noch  rezidivfrei. 

3.  demonstrirt  S.  ein  9  Monate  lang  in  utero  nach  Beendigung 
seines  Wachsthums  zurückgehaltenes  Myxom  der  Chorionzotten. 

Der  Fall  wird  im  Centralblatt  für  Gynäkologie  veröffentlicht 
werden. 

4.  berichtet  S.  über  eine  glücklich  verlaufene  Ovariotomie 
bei  einer  08  jährigen  Frau,  die  selbst  kaum  100  Pfund  wog  und  ein 
Ovarialkystom  von  24  Pfund  Gewicht  hatte.  Der  Inhalt  bestand 
aus  einer  so  zähen  Gallerte,  dass  der  Tumor  in  toto  entfernt  werden 
musste. 

Herr  Sendler  stellt  eine  47 jährige  Kranke  vor,  der  vor 
ungefähr  4  Wochen  eine  kopfgrosse  maligne  Geschwulst  der 
rechten  Niere  durch  Nephrektomie  mittels  grossen,  extraperi¬ 
tonealen  Flankenschnitts  entfernt  worden  ist.  Der  Vortragende 
bespricht  die  Vortheile  dieses  von  der  übergrossen  Mehrzahl  de? 
Chirurgen  angenommenen  Schnittes,  der  auch  im  vorliegenden 
Falle  eine  grosse  Uebersichtliclikeit  gewährte,  gegenüber  der  trans¬ 
peritonealen  Methode.  Bei  der  Entwicklung  des  Stiels  riss  die* 
Geschwulst  theilweise  ab  und  es  zeigte  sich,  dass  Tumormassen 
in  die  Vena  renalis  hineingewachsen  waren  und  diese  thrombosirt 
hatten.  Bei  der  Entfernung  dieser  Geschwulstmassen  riss  die 
Vena  cava  an  der  Einmündungsstelle  der  Vena  renalis  ein.  so  dass 
sofort  das  ganze  Operationsfeld  mit  dunkelrothen  Blutmassen 
überschwemmt  war.  Indessen  gelang  es  leicht,  das  Loch  in  der 
Cava  mit  langen  Klemmen  zu  verschliessen  und  seitlich  zu  ligiren. 
Die  Fäden  wurden  lang  gelassen  und  zum  hintern  Wundwinke] 
hinausgeleitet.  Anstandslose  Heilung  ohne  Zwischenfall.  Das 
gewonnene  Präparat  der  Niere  wird  vorgelegt. 

Soda nn  bespricht  Herr  Sendler  das  Zusammentreffen  von 
Gallensteinleiden  mit  anderen  Erkrankungen  der  Unterleibs¬ 
organe,  besonders  beim  Weibe,  und  demonstrirt  die  steinkranke 
Gallenblase,  den  erkrankten  Wurmfortzatz  und  das  kleincystisch 
degenerirte  Ovarium  einer  42  jährigen  Frau,  welche  der  Patientin 
in  einer  Sitzung  entfernt  worden  sind.  Glatte  Primärheilung. 
Entlassung  3  Wochen  nach  der  Operation. 

Hierauf  hält  Herr  Sendler  den  angekündigten  Vortrag: 

Ueber  den  Zeitpunkt  der  Operation  bei  Perityphlitis. 

Er  führt  zunächst  aus,  dass  sich  allgemein  bindende,  sche¬ 
matische  Vorschriften  hier  nicht  geben  lassen.  Entscheidend 
wird  für  den  Chirurgen  im  Wesentlichen  seine  eigene  Erfahrung 
in  jedem  einzelnen  Ealle  sein  müssen.  Die  umstrittenste  Kontro¬ 
verse  zwischen  den  Chirurgen  und  den  Internen  nicht  nur,  son¬ 
dern  auch  immer  noch  zwischen  den  Chirurgen  seihst,  dreht  sich 
um  die  eigentlicheFrüh  op  era  t  ion,  d.  h.  um  die  Opera¬ 
tion  innerhalb  der  ersten  12  bis  24  Stunden,  auch  beim  ersten  An¬ 
fall,  welche  von  einer  Gruppe  von  Chirurgen  gefordert  wird, 
während  die  Mehrzahl  in  Würdigung  der  Thatsache,  dass  eine  ge¬ 
wisse  Zahl  von  Erkrankungen  des  Wurmf ortsatzes  nach  dem 
ersten  Anfall  ausheilt,  zunächst  ein  abwartendes  Verfahren  für 


zulässig  hält,  aber  allerdings  verlangt,  dass  bei  einer  Erkran¬ 
kung  von  so  hervorragend  chirurgischem  Charakter  der  operative 
Eingriff  von  vorneherein  in’s  Auge  gefasst  wird,  da  jederzeit  Ver¬ 
hältnisse  eintreten  können,  welche  denselben  verlangen. 

Unbedingt  erheischt  die  sofortige  Operation  die  vom  Wurm¬ 
fortsätze  ausgehende  akute  Perforationsperitonitis. 
Wie  hei  anderen  Perforationsperitonitiden  kommt  man  auch 
hier  mit  dem  Eingriff  häufig  zu  spät  und  der  Kranke  erliegt 
rasch  der  peritonealen  Sepsis,  zuweilen  aber  sind  doch  schöne  Er¬ 
folge  zu  erzielen.  So  war  Vortragender  unter  anderem  in  der 
Lage,  bei  einem  jungen  Herrn  bereits  3  Stunden  nach  der  unter 
Schüttelfrost  erfolgten  Perforation  die  Laparotomie  zu  machen, 
den  in  die  freie  Bauchhöhle  perforirten  Wurmfortsatz  zu  exstir- 
piren  und  rasche,  glatte  Heilung  zu  erreichen.  Die  Möglich¬ 
keit  aber  eines  solchen  Ereignisses  auch  im  ersten  Anfall  beweist 
die  Richtigkeit  des  oben  Gesagten. 

Ferner  ist  zu  operiren  bei  jeder  nachgewiesenen 
Eiterung,  auch  bei  der  ersten  Attacke.  Wenn  möglich,  soll 
der  Eingriff  vor  Eintritt  peritonitischer  Reizung  ausgeführt  wer¬ 
den,  sonst  nach  Ablauf  derselben,  da  dann  die  Gefahr  des  Ueber- 
greifens  auf  gesunde  Theile  der  Bauchhöhle  durch  die  Bildung 
von  Verklebungen  eine  geringere  wird.  Solche  Kranke  sind  aber 
auf  das  Genaueste  zu  beobachten.  So  lange  das  Allgemein¬ 
befinden  befriedigend,  der  Puls  gut  ist  und  die  lokalen  Erschei¬ 
nungen  nicht  zunehmen,  mag  abgewartet  werden;  treten  aber  be¬ 
drohliche  Erscheinungen  auf :  erneutes  Erbrechen,  Anstieg  der 
Temperatur,  kleiner,  beschleunigter  Puls,  verfallener  Gesichts¬ 
ausdruck,  dann  ist  sofort  zu  operiren. 

Im  Allgemeinen  kommt  hier  auf  die  Temperatur  weniger 
an,  als  auf  den  Puls,  und  ganz  besonders  ominös  hat  sich  dem 
Vortragenden  in  solchen  Fällen  das  Auftreten  eines  kleinen, 
raschen  Pulses  bei  niedriger  Körpertemperatur  erwiesen.  Dass 
manche  dieser  Fälle  auch  ohne  Operation  die  Gefahr  überstehen, 
beweist  nichts  gegen  die  Richtigkeit  der  Indikation,  denn  Nie¬ 
mand  kann  den  Ausgang  garantiren  und  man  spielt  ein  gefähr¬ 
liches  Spiel  mit  Leben  und  Gesundheit  seiner  Kranken,  wenn  man 
dem  Eiter  keinen  Abfluss  verschafft. 

Das  Gesagte  gilt  nicht  nur  für  die  um  den  Wurmfortsatz 
lokalisirte  Eiterung,  sondern  auch  in  gleichem  Maasse  für  die 
progrediente  fibrinös-eitrige  Peritonitis, 
den  retroperitonealen  Abszess  und  die  retro- 
peritoneale  Phlegmone  und  den  Beckenabszess. 
Alle  diese  Fälle  sind  operativ  zu  behandeln,  sobald  die  Diagnose 
gestellt  ist. 

Auseinander  gehen  die  Ansichten  der  Chirurgen  nur  über  die 
Frage,  ob  bei  akuter  Eiterung  jedesmal  die  Entfernung  des 
Wurmfortsatzes  erzwungen  werden  soll.  Einer  extremen  Gruppe 
steht  auch  hier  eine  grosse  Zahl  von  Chirurgen  gegenüber,  zu 
denen  sich  auch  der  Vortragende  zählt,  welche  der  Meinung  sind, 
dass  bei  den  eitrigen  Formen  der  Perityphlitis  die  Aufgabe  zu¬ 
nächst  darin  besteht,  dem  Eiter  einen  Ausweg  zu  verschaffen 
und  damit  der  Gefahr  einer  fortschreitenden  Peritonitis  zu 
steuern.  Kann  man  den  Appendix  ohne  zu  grosse  Schwierig¬ 
keit  erreichen,  so  soll  man  ihn  natürlich  entfernen,  weil  man  auf 
diese  Weise  gründliche  Arbeit  macht,  das  wühlende  Suchen  nach 
ihm  ist  und  bleibt  aber  höchst  gefährlich  und  ist  daher  zu  unter¬ 
lassen.  Vortragender  hat  sich  aus  diesen  Gründen  bisher  auch 
nicht  entschliessen  können,  von  vornherein  die  freie  Bauchhöhle 
zu  eröffnen  und  von  hier  aus  auf  den  Erkrankungsherd  vorzu¬ 
gehen. 

Zum  Schluss  bespricht  S.  die  Behandlung  der  rezidi- 
v  i  r  e  n  d  e  n  Formen  der  Perityphlitis.  Diese  stellen 
Scheinheilungen  dar  und  sind  sämmtlich  zu  operiren,  gleichgiltig, 
ob  ein  Exsudat  zurückgeblieben  ist  oder  nicht.  Wenn  möglich,  ist 
die  Operation  in  das  freie  Intervall  zu  verlegen,  gemacht  muss 
sie  aber  werden,  sobald  nur  ein  einziger  Rückfall  eingetreten  ist, 
denn  Niemand  kann  vorher  sagen,  was  der  nächste  Anfall  bringt, 
und  erst  mit  der  Entfernung  des  Wurmfortsatzes  ist  der  Kranke 
über  die  Gefahr  gestellt.  Auf  die  Ausführung  der  Operation  ist 
umsomehr  zu  dringen,  als  sich  dieselbe  im  freien  Intervall  als  fast 
gefahrlos  erwiesen  hat. 

Diskussion:  Herr  Siedentopf  bezweifelt  die  Richtig¬ 
keit  der  Diagnose  im  zweiten  Buttenber g’schen  Fall. 

Herr  Habs  stimmt  Sendler  bezüglich  der  Indikations¬ 
stellung  bei,  nur  glaubt  er,  dass  man  beim  ersten  Anfalle  mit  der 
Operation  etwas  freigebiger  werden  müsse.  Er  selbst  habe 


1122 


No.  26. 


MUENCHENER  M EDICINISCI IE  WOCHENSCHRIFT. 


w  iederholt  Fälle  letaler  Peritonitis  gesehen  bei  einer  bis  dahin 
latent  verlaufenen  Perityphlitis,  so  dass  also  hier  der  erste  kli¬ 
nische  Anfall  sofort  zur  Perforationsperitonitis  führte. 

Bezüglich  der  Operationstechnik  verfährt  H.  bei  der  Operation 
im  Anfall  sowohl  wie  bei  der  Operation  im  Intervall  derart,  dass 
er  mittels  eines  ausgiebigen  Schrägschnittes,  der  von  der  Spitze 
der  XI.  Rippe  nach  vorn  innen  unten  verläuft  und  die  einzelnen 
Schichten  der  Bauchwand  in  verschiedener  Höhe  durchtrennt,  alle¬ 
mal  die  Peritonealhöhle  breit  eröffnet,  und  —  unter  Schutz  der 
Bauchhöhle  mittels  steriler  Kompressen  —  in  allen  Fällen  die  Ent¬ 
fernung  des  Wunmf ortsatzes  forcirte. 

Die  Bauchdeckenwunde  wurde  exakt  durch  Naht  jeder  ein¬ 
zelnen  Schicht  geschlossen,  nur  in  seltenen  Fällen  wurde  durch 
einen  in  der  Lumbalgegend  angelegten  Knopflochschnitt  mittels 
Gazestreifen  drainirt.  Sämmtliche  Fälle  kamen  zur  Genesung  und 
in  fast  allen  heilte  die  Bauchdeckenwunde  per  primam.  Von  den 
wegen  diffuser  Peritonitis  Operirten  genas  nur  ein  verschwindender 
Tlieil,  die  meisten  kamen  zum  Exitus. 

Herr  Tscli  m  a  r  k  e  sehliesst  sich  im  Allgemeinen  dem  Vor¬ 
tragenden  an,  vertritt  aber  in  längerer  Ausführung  den  Stand¬ 
punkt  Sonnenbur g’s,  dass  man  zur  Beantwortung  der  Frage 
nach  dem  Zeitpunkt  der  Operation  doch  bemüht  sein  muss,  die 
verschiedenen  Formen  der  Appendicitis  zu  unterscheiden.  So  er¬ 
fordere  die  Appendicitis  gangraenosa  einen  sofortigen  Eingriff, 
während  man  beim  Empyem  oder  der  A.  perforativa  häufig  die 
ersten  stürmischen  Allgemeinerscheinungen  abwarten  darf,  natür¬ 
lich  unter  sorgfältiger  Ivontrole  der  Temperatur  und  des  Pulses. 
Die  Schwierigkeit  beruhe  nur  darin,  die  einzelnen  Formen  von 
einander  auch  klinisch  zu  trennen  und  zu  erkennen.  Auch  bei  der 
allgemeinen  eitrigen  Peritonitis  mit  Neigung  zu  Abkapselungen 
und  Verklebungen  und  bei  der  progredienten  serösen  und  puru¬ 
lenten  Form  sind  operative  Eingriffe  indizirt  und  häufig  von  Erfolg 
gekrönt,  während  man  bei  der  schweren,  mit  Sepsis  verbundenen 
Peritonitis  meist  zu  spät  kommt.  T.  bespricht  die  einzelnen 
Formen  der  Appendicitis,  auch  die  A.  Simplex  vom  anatomischen 
und  klinischen  Standpunkte  aus.  Die  Exstirpation  im  Intervall 
soll  nicht  zu  lange  aufgeschoben  werden.  Auch  auf  die  inter¬ 
essante  Lehre  D  ieulaf  oy’s  von  der  ..cavitö  close“  und  der  ver¬ 
schiedenen  Virulenz  der  Bakterien  geht  er  näher  ein  und  kommt 
zum  Schluss  auf  die  Statistik  der  Internen  und  der  Chirurgen  zu 
sprechen,  ihre  Fehlerquellen  und  die  Möglichkeit,  beide  mit 
einander  zu  vergleichen,  da  das  Material  ein  zu  verschiedenes  sei. 
Es  komme  z.  B.  nicht  allzuselten  vor,  dass  ein  und  derselbe  Fall 
auf  einer  inneren  Abtheilung  mehrere  Male  als  geheilt  geführt  wird 
und  so  die  Statistik  dort  verbessert,  während  er  bei  einem  weiteren 
Anfall  an  Peritonitis  erkrankt,  auf  die  chirurgische  Abtheilung 
kommt,  hier  stirbt  und  so  die  Statistik  dieser  verschlechtert. 

Was  die  Technik  anbelangt,  so  ziehe  er  den  Sonnenburg- 
sclien  Flankenschnitt  vor,  nähe  so  gut  wie  nie  die  Wunde  zu,  da 
häufig  die  Naht  hinterher  doch  wieder  gelöst  wei’den  muss.  Das 
Suchen  nach  dem  Processus  vermiformis  ist  aufgegeben  worden. 
Freilich  bleibt  so  die  Gefahr  eines  Rezidives  bestehen  und  es  wird 
zuweilen  ein  Abszess  übersehen,  der  bei  Lösung  des  Wurmfort¬ 
satzes  an  den  Tag  gekommen  wäre. 

Herr  Rudolph:  Die  Operation  halte  ich  nach  den  Er¬ 
fahrungen.  die  ich  als  Assistent  und  auch  in  der  Privatpraxis  ge¬ 
wonnen  habe,  nur  selten  für  indizirt.  Erst  wenn  alle  Hilfsmittel 
der  inneren  Therapie  verwandt  worden  sind  und  keinen  Nutzen 
gebracht  haben,  ist  ein  operativer  Eingriff  in  Betracht  zu  ziehen. 
Häufige  Rezidive  sind  hier  auch  kein  Grund  zur  Operation.  Ich 
habe  einen  Herrn  in  meiner  Klientel,  der  5  mal  Blinddarmentzün¬ 
dung  hatte.  Jetzt  ist  er  ganz  gesund,  seit  3  Jahren  hat  er  keinen 
Anfall  mehr  gehabt.  Viele  Paratyphlitiden  sind  infektiöser  Natur, 
vielleicht  die  meisten.  Ein  Fremdkörper  wird  verhältnissmässig 
selten  gefunden.  Zweifellos  besteht  z.  B.  ein  Zusammenhang 
zwischen  Paratyphlitis  und  Angina  tonsillaris.  Solche  Fälle,  die 
im  Gefolge  von  akuten  Infektionskrankheiten  auftreten,  scheinen 
mir,  wenn  sie  auch  noch  so  schwer  einsetzen,  prognostisch  durch¬ 
aus  günstig  zu  sein.  Ich  selbst  kann  über  zwei  Fälle  von  Para¬ 
typhlitis  berichten  nach  Angina.  Der  eine  betrifft  einen  Herrn, 
der  8  Tage  an  einer  heftigen  Angina  litt  und  dann  eine  sehr 
schwere  Paratyphlitis  bekam.  Es  entwickelte  sich  ein  so  grosses 
Exsudat,  wie  ich  es  noch  nicht  gesehen  habe,  kindskopfgross. 
Dabei  bestand  14  Tage  lang  hohes  Fieber.  Der  hinzugezogene 
Chirurg  verlangte  bei  mehreren  Konsultationen  Operation,  ich  war 
für  konservative  Behandlung.  Und  ohne  Operation  hörte  das 
Fieber  auf  und  das  Exsudat  wurde  resorbirt,  ohne  dass  auch  nur 
die  geringste  Verdickung  zurückblieb.  Freilich  vergingen  zwei 
Monate,  bis  völlige  Resorption  erfolgt  war.  Ein  Rezidiv  ist  nicht 
wieder  auf  getreten;  der  Fall  liegt  5  Jahre  zurück.  Ferner  habe 
ich  bei  einem  Mädchen  unter  10  Jahren  zweimal  nach  Angina 
Paratyphlitis  beobachtet.  Im  Anschluss  an  Influenza  habe  ich 
Paratyphlitis  noch  nicht  gesehen,  nach  französischen  Autoren  soll 
sie  gerade  nach  dieser  Infektionskrankheit  ziemlich  häufig  sein. 
Bis  jetzt  habe  ich  erst  einen  Fall  von  Blinddarmentzündung 
operiren  lassen.  Einer  ist  mir  gestorben,  ein  Kind  mit  bereits 
schwerer  allgemeiner  Peritonitis  am  zweiten  Behandlungstage. 

Herr  Unver  rieht  vertritt  vom  Standpunkt  der  inneren 
Medizin  eine  mehr  konservative  Behandlung  der  Blinddarm¬ 
entzündung.  Die  Typhlitis  sei  keine  so  schlimme  Erkrankung,  wie 
es  von  chirurgischer  Seite  gewöhnlich  behauptet  werde.  In  die 


chirurgischen  Kliniken  komme  ein  ganz  anderes  Material,  wie  es 
die  praktischen  Aerzte  zur  Behandlung  bekämen,  und  man  könne 
desslialb  sehr  leicht  zu  einer  pessimistischen  Auffassung  kommen. 

B  a  h  r  d  t  habe  gegen  50  Fälle  hintereinander  ohne  tödtlichen  Aus¬ 
gang  behandelt,  und  mit  ähnlichen  Zahlen  würden  wohl  viele 
Aerzte  aufwarten  können.  Gewisse  Fälle  aber,  welche  von  vorn¬ 
herein  einen  foudroyanten  Verlauf  nehmen,  seien  gewöhnlich  auch 
von  den  Chirurgen  nicht  zu  retten,  und  es  werde  sich,  selbst  wenn 
alle  Fälle  sofort  nach  gestellter  Diagnose  operirt  würden,  die 
Mortalität  nie  auf  0  Proz.  herunterdrücken  lassen.  Die  Diagnose 
sei  in  einzelnen  Fällen  keineswegs  so  einfach,  insbesondere  soweit 
es  sich  um  die  Frage  eines  komplizirenden  Abszesses  oder  einer 
Peritonitis  handele.  Manchmal  -werde  die  richtige  Diagnose  gar 
nicht  gestellt.  U.  beleuchtet  dies  durch  einen  Fall,  welcher  von 
hervorragender  Seite  behandelt  wurde  und  sich  später  als  Blind¬ 
darmerkrankung  entpuppte.  Der  Eiter  werde  gelegentlich  nicht 
gefunden,  wenn  er  an  atypischen  Stellen  sitze,  oder  es  werde  ein 
Abszess  entleert,  während  andere  bereits  in  der  Lebergegend  oder 
sonstwo  sich  gebildet  hätten.  In  einem  Falle  fand  sich  als  Ur¬ 
sache  einer  Abszessbildung  gar  keine  Wurmfortsatzerkrankung, 
sondern  ein  Blinddarmgeschwür,  das  dem  chirurgischen  Eingriffe 
gar  nicht  zugänglich  gewesen  wäre. 

In  einem  anderen  Falle  traten  nach  der  Operation,  die  von 
berufenster  Seite  gemacht  worden  war,  beständige  Rezidive  ein. 
Es  war  hier  also  gerade  durch  die  chirurgische  Behandlung  eine 
einfache  Blinddarmentzündung  in  die  rezidivirende  Form  über¬ 
geführt  worden,  natürlich  nicht  vom  Wurmfortsatz  ausgehend, 
sondern  durch  andere  Ursachen  bedingt. 

Bei  einer  Patientin  mit  rezidivirender  Typhlitis  fand  sich*  der 
Wurmfortsatz  ganz  intakt.  Die  wiederholte  Kothstagnation  in  der 
Blinddarmgegend  mit  Schmerzhaftigkeit  und  den  übrigen  Erschei¬ 
nungen  der  Typhlitis  war  hier  wahrscheinlich  bedingt  durch  die 
peritonitischen  Verwachsungen,  welche  sich  um  den  Blinddarm 
primär  gebildet  hatten.  Ob  diese  nach  einer  Operation  sich 
immer  günstiger  gestalteten,  lasse  er  dahingestellt. 

Alles  in  Allem  komme  er  zu  dem  Ergebnisse,  dass  eine  sche¬ 
matische  Regel  für  die  Indikation  zum  operativen  Eingriffe  sich 
bis  jetzt  noch  nicht  aufstellen  lasse.  Man  werde  weiter  in  jedem 
einzelnen  Falle  alle  Verhältnisse  erwägen  müssen  und  danach 
sein  Handeln  einrichten.  Den  Vorwurf,  dass,  wenn  man  bei  wohl¬ 
begründeter  Berücksichtigung  aller  Momente  eine  Operation  für 
überflüssig  halte,  dabei  mit  dem  Leben  seiner  Kranken  va  banque 
spiele,  könne  man  als  durch  nichts  begründet  wohl  ohne  Weiteres 
von  der  Hand  weisen. 

Herr  Pendler  spricht  zum  Schlüsse  seine  Befriedigung 
darüber  aus,  dass  er  sich  mit  seinen  chirurgischen  Fachgenossen 
bezüglich  der  meisten  wesentlichen  Punkte  in  so  erfreulichem 
Einvernehmen  befindet  und  dass  seine  Ausführungen  der  Anlass 
einer  so  angeregten  Aussprache  geworden  sind.  Auf  die  Patho¬ 
genese  und  pathologische  Anatomie  der  Perityphlitis,  sowie  auf  die 
operative  Technik  ist  er  absichtlich  nicht  näher  eingegangen  und 
auch  die  Diagnose  hat  er  nur,  soweit  unbedingt  nöthig,  berück¬ 
sichtigt,  weile  diese  Dinge,  streng  genommen,  nicht  in  die  Er¬ 
örterung  des  Themas  gehörten. 

Die  abweichenden  Ansichten  der  Herren  Internen  haben  ihn 
sehr  interessirt,  aber  allerdings  in  keinem  Punkte  überzeugt.  Wenn 
einer  der  Herren  Redner  gesagt  hat,  dass  ihm  von  allen  seinen 
Perityphlitiskranken  nur  ein  Einziger  gestorben  sei  und  dass  er 
nur  einen  hätte  operiren  lassen,  und  wenn  er  dadurch  die  Un¬ 
gefährlichkeit  des  Leidens  beweisen  will,  so  ist  S.  in  der  Lage, 
zu  erwidern,  dass  er  selbst,  wie  die  Mehrzahl  der  Aerzte  noch  am 
Anfang  der  80  er  Jahre  auf  einem  ähnlichen  Standpunkt  gestanden 
hat,  d.  li.  zu  einer  Zeit,  wo  unsere  Kenntniss  der  Pathologie  der 
Perityphlitis  noch  eine  äusserst  ungenügende  und  unsere  Anschau¬ 
ungen  in  vieler  Beziehung  thatsäehlich  falsche  waren.  Desslialb 
wurden  damals  die  Erfolge  auch  vielfach  unrichtig  gebucht  und 
die  Peritonitiden,  an  denen  die  Menschen  starben,  nicht  der  Peri¬ 
typhlitis  zur  Last  geschrieben,  weil  man  den  Zusammenhang  nicht 
erkannte.  Heute  ist  das  anders  geworden  und  heute  wissen  wir. 
dass  wir  es  mit  einer  ausserordentlich  gefährlichen  und  tückischen 
Krankheit  zu  thun  haben,  die  wir  in  keinem  Falle  leicht  nehmen 
dürfen. 

Wenn  dann  von  anderer  Seite  die  Schwierigkeit  der  Diagnose 
in  manchen  schweren  Fällen  gegen  die  Operation  in’s  Feld  geführt 
ist  und  damit  die  Unsicherheit  der  operativen  Indikation  bewiesen 
werden  soll,  so  ist  darauf  zu  sagen,  dass  den  Herren  Internen  die 
Deutung  dunkler  Krankheitsbilder,  der  sogen,  larvirten  Formen 
häufig  weniger  schwer  erscheinen  würde,  wenn  sie  sich  ent- 
schliessen  wollten,  die  Ergebnisse  chirurgischer  Forschung  und  die 
chirurgische  Literatur  etwas  eingehender  zu  berücksichtigen,  als 
das  bisher  im  Allgemeinen  leider  der  Fall  gewesen  ist,  denn  durch 
die  Chirurgie  ist  überhaupt  erst  Klarheit  in  diese  Verhältnisse 
gebracht  worden. 

Dass  die  Gefahr  mit  der  Zahl  der  Rezidive  abnehmen  soll, 
wie  behauptet  worden  ist,  ist  durch  nichts  bewiesen,  und  jeden¬ 
falls  wird  den  Kranken  durch  das  Auftreten  immer  neuer  Anfälle 
das  Leben  verbittert.  Es  muss  daran  festgehalten  werden,  dass 
Niemand  wissen  kann,  welche  Gefahr  der  nächste  Anfall  her- 
beiführt,  und  desshalb  muss  auch  auf  der  unbedingten  Forderung 
der  Operation  bei  den  rezidivirenden  Formen  bestanden  werden, 


1.  Juli  1902. 


1123 


MUENCIlENEß  MEDICI  NI  8CIIE  WOCHENSCHRIFT. 


zumal  da  dieselbe  in  der  U eberzahl  der  Fälle  sich  als  ungefährlich 
erwiesen  hat. 

Auf  die  sonstigen  Einwürfe  einzugehen,  muss  sich  8.  ver¬ 
sagen,  da  er  nur  bereits  Gesagtes  wiederholen  müsste. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  17.  April  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Groldschmidt. 

Herr  Hahn  berichtet  über  einen  Fall  von  Aneurysma  vari- 
cosum  der  Vena  saphena  magna  und  bespricht  dann  die  chirur¬ 
gische  Behandlung  der  erweiterten  Venen  der  unteren  Extremi¬ 
täten. 

Herr  Göschei  berichtet  über  einen  Fall  von  Inkarzeration 
des  schwangeren  Uterus  in  einem  Mesenterialschlitz  mit  ileus- 
artigen  Erscheinungen. 

Die  Patientin  war  eine  kräftige,  bisher  immer  gesunde 
Arbeitersfrau  von  42  Jahren,  die  früher  5  mal  entbunden  hatte, 
zum  letzten  Mal  vor  9  Jahren.  Bei  den  Entbindungen  war  nie 
eine  Störung  eingetreten.  Die  Frau  hatte  ihre  Menses  zum  letzten 
Mal  Mitte  Oktober  1901,  glaubte  etwa  3 — 4  Monate  schwanger  zu 
sein. 

Sie  erkrankte  am  6.  Februar  d.  J.  plötzlich  mit  Frösteln,  all¬ 
gemeinem  Unbehagen,  Schmerz  im  Leib  und  Kreuz.  Anfangs 
noch  mehrmals  Stuhl.  Die  Patientin  versuchte  trotz  ihrer  Er¬ 
krankung  noch  einige  Tage  ihre  Hausarbeit  nothdürftig  zu  ver¬ 
richten  und  liess  erst  am  10.  Februar  ihren  Arzt,  Herrn  Hofrat 
Stich,  rufen.  Dieser  konstatierte  allgemeine  Druckempfindlich- 
keit  des  Bauches,  besonders  aber  in  der  Coekuingegend,  Meteoris¬ 
mus,  leichte  Fieberbewegungen.  Ich  sah  die  Patientin  am 
13.  Februar,  eine  Woche  nach  dem  Beginn  der  Erkrankung. 
Status:  Patientin  blass,  verfallen,  Puls  weich,  etwas  beschleunigt, 
etwas  erhöhte  Temperatur.  Patientin  hatte  an  diesem  Tage  mehr¬ 
mals  gallige  Flüssigkeit  erbrochen,  hatte  Aufstossen  und  Uebel- 
keit,  mehrere  Tage  Stuhlverhaltung,  es  gingen  keine  Flatus  ab. 
Leib  gleichmässig  stark  aufgetrieben,  doch  in  den  seitlichen  Par¬ 
tien  noch  etwas  ein  drück  bar.  In  der  rechten  Bauchhälfte  zwischen 
Nabel  und  Rippenbogen  fühlte  man  zwischen  den  geblähten  Darm¬ 
schlingen  das  Segment  eines  rundlichen  Körpers  von  etwa  10  bis 
15  cm  Durchmesser.  Der  Leib  überall  etwas  druckempfindlich, 
aber  weitaus  am  schmerzhaftesten  bei  Berührung  dieses  rund¬ 
lichen  Körpers.  In  Folge  der  hochgradigen  Blähung  des  Darms 
konnte  der  Zusammenhang  der  Geschwulst  mit  den  Organen  der 
Bauchhöhle  nicht  festgestellt  werden.  Die  rechte  Fossa  iliaca 
war  frei.  Die  Untersuchung  per  vaginam  ergab  eine  verlängerte, 
sehr  weiche  Cervix,  etwas  geöffnetes  Orif.  ext.  Das  Vaginal¬ 
gewölbe  durchweg  herabgetrieben  infolge  des  Meteorismus,  eine 
höher  hinauf  reichende  Betastung  des  unteren  Uterinsegments 
war  nicht  möglich.  Das  Rektum  leer.  Die  Perkussion  ergab 
einen  beträchtlichen  Hochstand  des  Zwerchfells,  mit  Ausnahme 
des  Tumorsegments  überall  lauten  tympanitischen  Schall.  Der 
Vortragende  bespricht  eingehend  die  für  die  Diagnose  des  Falles 
wichtigen  Ei’scheinungen. 

Die  Diagnose  wurde  gestellt  auf  Peritonitis,  wahrscheinlich 
ausgehend  von  dem  im  Bauch  gefühlten  Tumor,  dessen  Deutung 
verschiedene  Möglichkeiten  zuliess.  Es  kam  hauptsächlich  in 
Frage  der  schwangere  Uterus  oder  ein  Ovarientumor  mit  Stiel¬ 
drehung  oder  irgend  eine  Einklemmung.  Ob  das  Erbrechen  rein 
peritonitische  Erscheinung  war  oder  durch  eine  Verlegung  des 
Darmlumens  hervorgerufen  wurde,  musste  ebenfalls  zweifelhaft 
bleiben. 

Zur  Klärung  der  Diagnose  und  eventuellen  Beseitigung  der 
Ursache  der  Peritonitis  war  die  Laparotomie  nöthig.  Der  Zustand 
der  Patientin  schien  diese  Operation  noch  zu  gestatten,  ohne 
chirurgischen  Eingriff  aber  war  das  Leben  für  verloren  zu  halten. 

Die  Operation  wurde  in  der  Aethernarkose  gemacht.  Der 
Befund  nach  Eröffnung  des  Bauches  und  Zurückschieben  der  vor¬ 
quellenden,  stark  geblähten  Darmschlingen  war  folgender:  Der 
Tumor  war  der  Fundus  des  schwangeren  Uterus,  bedeckt  mit 
fibrinösen  Auflagerungen  und  mit  dem  Netz  verklebt.  Quer  über 
die  Vorderseite  des  Isthmus  uteri  verlief  eine  stark  gespannte 
Dünndarmschlinge.  Diese  wurde  mit  Mühe  heraufgeholt  und  über 
den  Fundus  uteri  hinweggeschoben.  Es  zeigte  sich  nun  ein  Schlitz 
im  Dünndarmmesenterium,  der  vom  Dannansatz  bis  zur  Wurzel 
reichte,  glatte,  mit  Peritoneum  überkleidete,  etwas  verdickte 
Ränder  hatte.  Durch  diesen  Schlitz  war  der  Körper  des  schwan¬ 
geren  Uterus  hindurchgetreten. 

Der  Schlitz  bildete  eine  Alt  Schlinge  um  den  Uterus  und 
klemmte  ihn  ein.  Der  Darm  war  durch  die  Anspannung  und  Ab¬ 
knickung  unwegsam  geworden.  Es  war  aber  nicht  nur  der  zen¬ 
trale  Abschnitts  des  Darms  gebläht,  sondern  infolge  der  Peritonitis 
auch  teilweise  der  distale,  besonders  das  Querkolon.  Die  Darm¬ 
serosa  und  das  Netz  zeigte  vielfache  Ekchymosen.  Ein  Flüssig¬ 
keitserguss  fehlte. 

Der  Mesenterialschlitz  wurde  vernäht,  der  Darm  und  der 
Uterus  in  die  Bauchhöhle  mühsam  zurückgeschoben,  die  Bauch¬ 
wunde  mit  durchgreifenden  Nähten  geschlossen. 

Der  Verlauf  nach  der  Operation  wurde  durch  die  nur  all¬ 
mählich  ausheilende  Peritonitis  und  durch  das  Eintreten  der  Früh¬ 


geburt  eines  ca.  (j  monatlichen  Fötus  gestört,  dann  aber  genas  die 
I  atientin  und  konnte  mit  festgeschlossener  Bauchwunde  und 
normaler  Darmfunktion  am  8.  März  geheilt  entlassen  werden, 
also  3  Wochen  nach  der  Operation.  Einige  Wochen  darauf  hat  sicli 
die  Patientin  wieder  vorgestellt.  Der  einzige  Umstand,  der  jetzt 
noch  an  die  iiberstandene  Gefahr  erinnerte,  war  der  noch  nicht 
vollständig  zurückgebildete  Uterus,  dessen  Fundus  noch  etwa 
handbreit  über  der  Symphyse  zu  fühlen  war. 

Der  Vortragende  spricht  sich  weiter  dahin  aus,  dass  es  sich 
in  dem  geschilderten  Fall  um  einen  kongenitalen  Mesenterial¬ 
schlitz  gehandelt  hat,  erwähnt  aus  der  Literatur  eine  Anzahl  von 
Fällen,  bei  denen  ein  Mesenterialschlitz  zu  Darmeinklemmung  ge¬ 
führt  hat,  demonstriert  das  Präparat  eines  sulchen,  welches  sich 
in  der  anatomischen  Sammlung  des  Nürnberger  Krankenhauses 
befindet  und  erklärt,  dass  er  weder  in  der  chirurgischen,  noch  in 
der  gynäkologischen  Literatur  einen  weiteren  Fall  von  Einklem¬ 
mung  des  schwangeren  Uterus  in  einem  Mesenterialschlitz  ge¬ 
funden  hat. 

Sitzung  vom  1.  Mai  1902. 

Voristzender :  Herr  S.  Merkel. 

Herr  W.  Müller  stellt  einen  Fall  von  Erythema  exsuda¬ 
tivum  multiforme  vor. 

Herr  Heuberger  stellt  vor: 

a)  einen  Fall  von  Favus; 

b)  einen  Fall  von  Pagets  Disease  am  Penis. 

Herr  Port  bringt  kleinere  kasuistische  Mitteilungen. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Sitzung  vom  18.  Juni  1902. 

Nach  Erledigung  des  Einlaufes  und  geschäftlicher  Mittei¬ 
lungen,  in  deren  Rahmen  Herr  Hofrat  Hellermann  dem 
jüngst  verstorbenen  Ehrenmitgliede  des  Vereins,  Herrn  Dr.  Ber- 
line  r,  einen  warmen  Nachruf  widmete,  sprach  Herr  Professor 
v.  Bauer  über:  Die  Aufgaben  der  Krankenhaus¬ 
ärzte  gegenüber  den  Anforderungen  der  neuen 
P  r  ü  f  uugsordnun  g.  Eingangs  wies  Redner  darauf  hin,  dass 
bis  1872  in  Bayern  ähnliche  Prüfungsvorschriften  bestanden  haben, 
wie  wir  sie  jetzt  wieder  bekommen,  namentlich  hatten  wir  in 
Bayern  bis  dahin  die  Einrichtung  des  praktischen  Jahres.  Wie 
soll  nun  letzteres  zum  Heil  und  Segen  der  angehenden  Aerzte  ver¬ 
wendet  werden?  Früher  bestand  die  Bestimmung,  dass  die¬ 
jenigen,  welche  mit  der  ersten  Note  absolviert  hatten,  nach  freier 
Wahl  das  Jahr  bei  einem  praktischen  Arzte  oder  Amtsärzte  an 
einem  von  ihnen  selbst  gewählten  Orte  zubringen  konnten,  wäh¬ 
rend  die  übrigen  das  praktische  Jahr  in  einer  Universitätsstadt 
durchzumachen  hatten.  Einen  ähnlichen  Modus  jetzt  wieder  ein¬ 
führen  zu  wollen,  wärt?  antediluvianisch.  Es  ist  unbestreitbar, 
dass  die  Verbringung  des  praktischen  Jahres  bei  einem  tüchtigen 
praktischen  Arzte  auf  dem  Lande  einen  Gewinn  für  den  jungen 
Arzt  bedeuten  kann.  Doch  müsste  ersterer  auf  der  Höhe  stehen. 
Im  allgemeinen  wird  es  nicht  zutreffen,  dass  der  junge  Prak¬ 
tikant  dort  eine  weitergehende  Fortbildung  in  den  feineren  Unter¬ 
suchungsmethoden  erhält,  wie  man  dies  fordern  müsste,  denn  der 
praktische  Arzt  auf  dem  Lande  hat  hierzu  schon  nicht  die  Zeit, 
nicht  die  Hilfsmittel  und  meist  auch  nicht  die  Befähigung.  Sollen 
grössere,  nicht  in  Universitätsstädten  gelegene  Krankenanstalten 
herangezogen  werden?  Es  ist  klar,  dass  an  solchen  im  allgemeinen 
die  Hilfsmittel  der  Unterweisung  vorliegen,  doch  müssen  die  be¬ 
treffenden  Oberärzte  die  Verpflichtung  auf  sich  nehmen,  die  Prak¬ 
tikanten  nicht  nur  nebenher  laufen  zu  lassen,  sondern  sich  ihrer 
wirklich  anzunehmen.  Es  soll  eine  genaue  Benennung  derjenigen 
Anstalten  vorgenommen  werden,  welche  zur  Aufnahme  von  Prak¬ 
tikanten  berechtigt  sein  sollen.  Wenn  Rumpf  in  seinen  Thesen 
für  den  diesjährigen  deutschen  Aerztetag  verlangt,  dass  die  Prak¬ 
tikanten  nicht  ohne  weiteres  an  die  Stelle  von  Krankenhaus¬ 
assistenten  treten  sollen,  so  stimmt  Redner  mit  ihm  hierin  völlig 
überein.  Auch  die  Volontärärzte  sollen  nicht  durch  die  Prak¬ 
tikanten  ersetzt  werden. 

Das  jetzige  Institut  der  Koassistenten  muss  aufhören  und 
werden  im  allgemeinen  die  Praktikanten  die  Funktionen  der  bis¬ 
herigen  Koassistenten  zu  übernehmen  haben.  In  der  praktischen 
Durchbildung  der  letzteren  ist  jede  Einseitigkeit  zu  vermeiden; 
auch  für  jene,  welche  Beruf  für  die  akademische  Laufbahn  in  sich 
zu  spüren  glauben,  ist  praktische  Beschäftigung  in  allen  Fächern 
anzustreben.  Die  Praktikanten  sind  nach  Meinung  des  Redners 
auf  der  Abteilung  jeder  einzelnen  Sparte  etwa  ein  Vierteljahr  zu 
beschäftigen.  Während  des  praktischen  Jahres  hat  der  Praktikant 
gerade  auch  in  den  Nebenfächern  möglichst  eingehende  Studien 
zu  machen  und  Erfahrungen  zu  sammeln.  Eine  gewisse  Zahl  von 
praktischen  Kursen  müssen  für  die  Praktikanten  obligatorisch  ge¬ 
macht  werden.  Stramme  dienstliche  Disziplin  erscheint  auch  für 
die  Praktikanten  —  wie  überhaupt  im  ärztlichen  Berufe  —  vom 
ersten  Tage  an  nötig.  Auch  poliklinische  Uebungen  sollen  ebenso 
wie  die  praktischen  Kurse  zwangsweise  vorgeschrieben  werden. 
Die  Krankenhäuser  ausserha  lb  der  Universitätsstädte  sollen  nur  eine 
beschränkte  Zahl  von  Praktikanten  bekommen,  dafür  können  die 


1124 


MÜENCI1ENER  MEDlCINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  26. 


letzteren  dann  von  den  Oberärzten  umsomehr  herangezogen  werden. 
Redner  möchte  nicht  verschweigen,  dass  sich  bei  der  Durch¬ 
führung  des  praktischen  Jahres  eine  Reihe  von  Schwierigkeiten 
zeigen.  Z.  B.  scheint  kein  Mittel  jenen  Praktikanten  gegenüber 
vorhanden  zu  sein,  welche  ihren  Verpflichtungen  nicht  nach- 
kommen.  Den  Abteilungsvorständen  soll  die  Befugnis  eingeräumt 
werden,  solche  Elemente  ihres  Weges  ziehen  zu  lassen.  Was  den 
Punkt  betrifft,  den  Praktikanten  eigene  Vorlesungen  über  Standes¬ 
ehre  und  Standespflichten  zu  halten,  so  äussert.  sich  v.  B.  ab¬ 
lehnend.  Wer  soll  solche  Kurse  halten?  Ein  Aesthetiker  oder  ein 
Kollege  aus  der  Praxis?  Redner  hat  den  innigen  Wunsch,  den 
jungen  Aerzten  gerade  in  dieser  Richtung  recht  stramme  Be¬ 
griffe  beizubringen,  aber  das  meiste  wird  hier  durch  persönliches 
gutes  Beispiel  erreicht.  Redner  wollte  durch  seine  Ausführungen 
nur  die  Anregung  geben,  sich  über  die  ganze  Frage  innerhalb  des 
Bezirksvereines  auszusprechen,  damit  daraus  dann  auch  Material 
für  den  Aerztetag  gewonnen  werden  kann. 

An  die  vorstehend  kurz  skizzierten  Darlegungen  v.  B.s  schloss 
sich  eine  lebhafte  Debatte,  in  der  einerseits  die  Meinung  zum  Aus¬ 
druck  kam,  dass  aus  dem  praktischen  Jahr  in  Wirklichkeit  ein 
fünftes  Jahr  theoretischen  Studiums  werden  würde,  sodann  der 
Wunsch  ausgesprochen  wurde,  den  Praktikanten  auch  ein  gewisses 
Muss  von  Verantwortung  zu  übertragen,  da  ohne  eine  solche  eine 
wirksame  Vorbereitung  für  die  Praxis  nicht  denkbar  erscheine, 
andererseits  besonders  auch  betont  wurde,  dass  es  zu  bedauern 
und  ungerecht  sei,  wenn  die  Ableistung  des  zweiten  Halbjahres 
als  einjährig-freiwilliger  Arzt  gar  nicht  in  das  praktische  Jahr 
eingerechnet  werden  dürfe.  Vom  Vorsitzenden  wurde  auch  hervor¬ 
gehoben,  dass  gerade  auch  die  Beschäftigung  der  Praktikanten  bei 
einem  beschäftigten  Praktiker  den  angehenden  Aerzten  die  reich¬ 
lichste  Gelegenheit  liefere,  Dinge  kennen  zu  lernen,  welche  im 
Krankenhause  nicht  in  dem  Masse  an  den  Praktikanten  heran¬ 
treten,  z.  B.  die  Kassengesetzgebung,  das  Gutachtenwesen,  das 
Verhalten  bei  Konsilien.  In  seinem  Schlusswort  führte  der  Re¬ 
ferent  aus,  dass  aus  dem  praktischen  Jahre  sich  für  die  Oberärzte 
der  Krankenhäuser  grosse  Mühen  und  Verantwortung  ergäben. 
Aber  eine  strikte  Schulung  in  einer  gut  geleiteten  Kranken¬ 
abteilung  gibt  für  die  Praktikanten  eine  Basis,  auf  welcher  sie 
Weiterarbeiten  können.  Der  Verkehr  mit  den  Kranken  muss  im 
Leben  gelernt  werden,  die  Routine  gibt  überhaupt  nicht  den  Aus¬ 
schlag.  sondern  immer  machen  die  Kenntnisse  den  Einfluss  und 
die  Stellung  des  einzelnen  Arztes  aus. 

Die  beiden  Vorträge  über  ärztliches  Genossenschaftswesen  und 
die  Revision  des  Krankenversicherungsgesetzes  kamen  wegen  der 
vorgerückten  Zeit  nicht  mehr  zur  Erledigung. 

Grassmann  -  München. 


Verein  Nürnberger  Spezialärzte. 

Seit  unserem  ersten  Berichte  (cf.  Münch,  med.  Wochensclir. 
1901,  No.  26)  hat  der  Verein  mehrere,  zumeist  gut  besuchte 
Sitzungen  abgehalten.  In  der  Vereinssitzung  vom  23.  Oktober 
referirte  Herr  v.  Rad  über  ,,D  i  e  neue  Prüfungsord- 
n  u  n  g“.  In  der  dem  Referate  folgenden  ausgiebigen  Diskussion 
wurde  besonders  der  Nutzen  des  „Annuum  practic-um“  für  eine 
künftige  Ausbildung  der  Aerzte  und  der  damit  verbundene  Fort¬ 
schritt  in  der  Entwicklung  des  Spezialistentums  hervorgehoben, 
da  durch  diese  Einrichtung  und  die  dadurch  zu  schaffende  Be¬ 
reicherung  der  Kenntnisse  der  Aerzte  dem  Pseudospezialistentum 
wirksamer  begegnet  werden  könne.  Ferner  besprach  Herr  Neu- 
lterger  die  Broschüre  von  Dr.  F.  Grimm:  „Misstände  der 
Aerzteversorgung  bei  den  gesetzlichen  Krankenkassen  in  Deutsch¬ 
land“,  kritisirte  den  vom  Verfasser  als  „subjektive  Betrach¬ 
tungen“  bezeichneten  Inhalt  der  Schrift  in  ungünstigem  Sinne, 
tadelte  die  oft  unmotivirten  Angriffe  auf  die  Aerzte  und  wider¬ 
legte  die  gegen  die  freie  Arztwahl  angeführten  Argumente  des 
Autors. 

Die  Sitzung  vom  6.  Februar  1902  brachte  eiu  Referat  von 
Herrn  F.  G  i  u  1  i  n  i  über  „D  ie  neue  bayerische  Ge¬ 
bührenordnung“.  Da  sich  im  Verlaufe  der  dem  Vortrage 
folgenden  Debatte  Unklarheiten  bezüglich  der  Honorierung  der 
Gutachten  bei  den  Gerichtsbehörden  und  den  Berufsgenossen¬ 
schaften  ergaben,  wurde  zur  Klärung  und  Bearbeitung  dieser 
Frage  eine  aus  den  Herren  F.  G  i  u  1  i  n  i,  Leonhard  Rosenfeld 
und  Schubert  bestehende  Kommission  gewählt.  Weiterhin 
sprach  Herr  Neuburge  r  über  „w  irtscliaftliche 
Fragen“.  Der  Vortrag  führte  zwei  wichtige  Beschlüsse  herbei; 
einmal  sollen  die  Mitglieder  des  Vereins  eine  schwarze  Liste  von 
säumigen  oder  nicht  zahlenden  Patienten  aufstellen  und  eventuell 
im  Rechtsschutzverein,  zur  Herbeiführung  günstigerer  Verhält¬ 
nisse  in  demselben,  eine  ausserordentliche  Generalversammlung 
einberufen  und  dann  soll  bei  den  von  den  Stadtärzten  behandelten 
Kranken  die  freie  Arztwahl  unter  den  Spezialärzten  eingeführt 
werden.  Der  letztere  Beschluss  war  um  so  zeitgemässer,  als  die 
Vermutung  bestand  —  sie  erwies  sich  später  als  Tatsache  — , 
dass  der  Stadtmagistrat  bei  obiger  Kategorie  (Schutzmannschaft 
und  deren  Angehörige)  Spezialärzte  für  Augen-  und  Ohrenkrank¬ 
heiten  aufstellen  wollte.  Auf  Grund  dieses  Beschlusses  fanden 
schriftliche  Verhandlungen  mit  dem  Magistrat  statt,  mit  dem  Er¬ 
gebnisse,  dass  der  Stadtmagistrat  die  freie  Arztwahl  unter  den 


Spezialärzten  —  in  erster  Linie  kommen  allerdings  nur  die  Augen- 
und  Ohrenärzte  in  Betracht  —  gewährte  und  der  Verein  auf  die 
Honorierung  nach  den  Sätzen  der  Gemeindekrankenkasse  au 
Stelle  der  ursprünglich  geplanten  Vergütung  der  ärztlichen  Leist¬ 
ung  nach  der  Mindesttaxe  einging. 

In  der  Sitzung  vom  9.  Mai  erstattete  Herr  Leonhard  Rosen- 
f  e  1  d  das  im  Aufträge  der  Kommission  ausgearbeitete  Referat 
über  „D  i  e  Honorärf  rage  als  Sachverständiger 
u  n  d  Gutachte  r“.  Die  Kommission  gelangte  zu  folgendem 
Resuine: 

„In  der  Tätigkeit  als  Sachverständiger  vor  Gericht,  welche 
durch  Reichsgesetz  vom  30.  Juni  18TS  geregelt  ist,  ist  darauf  hin¬ 
zuweisen,  dass  der  Arzt  auf  Grund  des  §  13  der  Gebührenordnung 
für  Zeugen  und  Sachverständige  berechtigt  ist,  nach  der  all¬ 
gemeinen  ärztlichen  Taxe,  namentlich  für  Voruntersuchungen  und 
vor  der  Vernehmung  gemachte  Gutachten,  zu  liquidieren. 

Aerztliche  Amtsgeschäfte,  zu  welchen  ein  Privatarzt  berufen 
wird,  werden  nach  §  12  der  bayerischen  Gebührenordnung  vom 
17.  Oktober  1901  auch  weiterhin  noch  nach  den  Bestimmungen  der 
Verordnung  vom  20.  Dezember  1875  vergütet. 

Bezüglich  der  Tätigkeit  des  Arztes  als  Gutachter  für  Be¬ 
rufsgenossenschaften  muss  darauf  hingewiesen  werden,  dass  alle 
die  von  Berufsgenossenschaften  eingeforderten  Gutachten  eigent¬ 
lich  als  begründete  Gutachten  aufzufassen  sind  und  demnach 
nach  der  bayerischen  Gebührenordnung  vom  17.  Oktober  1901  von 
jetzt  ab  mit  9 — 30  M.  zu  liquidieren  sind.  Bei  ganz  einfachen  For¬ 
mularen,  wie  sie  teilweise  bei  den  Revisionsgutachten  vorliegen, 
schlägt  die  Kommission  vor,  aus  Billigkeitsgründen  unter  Um¬ 
ständen  nur  5  M.  zu  liquidieren.“ 

Der  Berichterstatter,  Herr  R  o  s  e  n  f  e  1  d,  soll  nach  noch¬ 
maliger  Durcharbeitung  das  Referat  publizieren,  um  es  auf  diese 
Weise  der  Allgemeinheit  der  Aerzte  zugänglich  zu  machen. 

Herr  Neuberger  sprach  sodann  über  ,,ä  rztliche 
Rechtsschutzverein  e“,  eine  bereits  in  der  Sitzung  vom 
6.  Februar  erörterte  Frage,  die  auch  in  einer  weiteren  Sitzung  des 
Vereins  zur  Bildung  einer  Kommission  (Paul  Giulini,  Aug. 
B  e  c  k  h,  Bauer,  Epstein,  Neuberger,  Port)  geführt 
hatte.  Der  Vortrag  behandelte  insbesondere  die  Entwicklungs¬ 
geschichte  der  ärztlichen  Rec-htsschutzvereine  in  Deutschland  und 
deren  Erfolge  und  ergab  folgende  Schlussätze: 

Aerztliche  Rechtsschutzvereine  sollen  als  wichtiges  wirtschaft¬ 
liches  Hilfsmittel  über  ganz  Deutschland,  sowohl  in  Stadt.,  als  auch 
auf  dem  Lande,  ausgedehnt  und  über  deren  Ergebnisse  alljährlich 
in  Standes-  und  Tageszeitungen  referiert  werden.  Eine  Reform 
des  ärztlichen  Rechtsschutzvereins  Nürnberg  ist  notliwendig 
(Herabsetzung  des  Jahresbeitrages,  %  jährliche  hektographierte 
Ergänzungen  zur  schwarzen  Liste  etc.)  und  der  Beitritt  möglichst 
sämtlicher  Mitglieder  des  Spezialistenvereins  zum  Rechtsschutz¬ 
verein  erwünscht. 

Auch  dieses  Referat  soll  im  Druck  erscheinen  und  dann  zur 
weiteren  Erörterung  gelangen. 

Sodann  fand  die  diesjährige  Generalversammlung  statt,  in  der 
Herr  H  i  n  t  n  e  r  den  Kassenbericht  erstattete  und  die  Neuwahl 
der  Vorstandschaft  (dieselbe  hatte  beantragt,  dass  die  Zahl  der 
Vorstandsmitglieder  von  3  auf  5  vermehrt  würde)  vorgenommen 
wurde.  Durch  Akklamation  wurden  gewählt:  Herr  F.  Giulini 
als  erster  Vorsitzender,  Herr  Neuberger  als  zweiter  Vor¬ 
sitzender,  Herr  Hintner  als  erster  Schriftführer,  Herr  Ottmar 
Müller  als  zweiter  Schriftführer,  Herr  Flat  a  u  als  Kassier. 
Zum  Schlüsse  teilte  der  Vorsitzende  mit,  dass  im  Monate  Juni  eine 
gemütliche  kollegiale  Zusammenkunft  im  Garten  des  Doktor¬ 
zwingers  stattfinden  solle.  N. 


Aus  der  Sektion  Mittelfranken  des  Leipziger  Verbandes. 

Am  30.  April  fand  in  Nürnberg  im  Hotel  Kaiserhof  eine  zahl¬ 
reich  besuchte  Versammlung  der  Nürnberger  Mitglieder  des  L.  V. 
statt.  Den  Vorsitz  führte  der  Vertrauensmann  des  L.  V.  für  Mittel¬ 
franken,  Herr  Neuberger,  welcher  die  erschienenen  Kollegen  und 
besonders  den  zweiten  Vorsitzenden  des  ärztlichen  Bezirksvereins, 
Herrn  Hofrat  E  m  m  e  r  i  c  h,  begriisste  und  hervorhob,  dass  die 
Vorstandschaft  des  L.  V.  in  Nürnberg  schon  längst  die  Einberufung 
einer  allgemeinen  Mitgliederversammlung  gewünscht  habe,  aber 
erst  jetzt  durch  die  vom  L.  V.  an  die  Mitglieder  ergangene  Auf¬ 
forderung  zur  Mitarbeit  an  der  Statistik  die  Ausführung  er¬ 
möglicht  worden  sei. 

Ueber  Punkt  1  der  Tagesordnung:  „Bericht  über  die 
Erfolge  der  bisherigen  Agitation  in  Nürnberg, 
Mittelfranken  und  Bayern“  referiert  Herr  Neu¬ 
berger,  dessen  Ausführungen,  kurz  zusammengefasst,  wie  folgt 
lauten:  Dem  L.  V.  sind  in  Nürnberg  fast  sämtliche  Kollegen  bei¬ 
getreten  (130).  Dieser  Erfolg  ist  teils  dem  Opfersinn  und  der  kol¬ 
legialen  Denkweise  der  Nürnberger  Kollegen,  teils  der  Tätigkeit 
der  Vorstandschaft  zuzuschreiben.  Die  Vorstandschaft,  welche 
aus  den  Herren  Neuberger  (Vertrauensmann),  Seiler  (Stell¬ 
vertreter  des  Vertrauensmannes),  Bernett  (Kassier),  Ale¬ 
xander  und  Ranninger  (Schriftführer),  B  e  r  t  ho  1  d,  Hint¬ 
ner,  Krapf,  Neuburge  r,  R  ii  li  1  (Obmänner)  besteht,  hat 
mehrfache  Sitzungen  abgehalten,  die  sich  vorzugsweise  mit  der 
Agitation  für  den  L.  V.  beschäftigten.  Es  gelang,  als  weitere  Ob- 


1.  Juli 


1902. 


M  UENCTT  EN  ER  MEDICI  NI  SCIIE  WOCIIENSCI IRIFT. 


1125 


männer  die  Herren  D  ö  r  f  1  e  r  für  den  Bezirksverein  siidwest- 
liches  Franken,  IM  a  a  r  für  Ansbacli,  Keichold  für  Lauf-Hers- 
bruck  zu  gewinnen,  die  ihrerseits  mit  bestem  Erfolge  in  ihren 
Vereinen  für  den  L.  V.  wirkten.  Ein  nicht  hoch  genug  zu  veran¬ 
schlagender  Faktor  war,  dass  Herr  Hofrat  M  a  yer  -  Fürth,  als 
Obmann  von  Fürth  aufgestellt,  von  der  Vorstandschaft  des  L.  V. 
(Mittelfranken)  auf  Antrag  des  Referenten  in  einer  Sitzung, 
der  auch  die  auswärtigen  Obmänner  beiwohnten,  zum  Ver¬ 
trauensmann  von  Mittelf  r  a  n  k  e  n  gewählt  wurde  und 
die  Wahl  annahm.  Zu  gleicher  Zeit  wurde  bei  der  Leipziger  Vor¬ 
standschaft  des  L.  V.  der  Antrag  für  die  diesjährige  Generalver¬ 
sammlung  gestellt,  dass  in  Bezirken  mit  mehr  als  100  Mitgliedern 
mehr  als  1  Vertrauensmann  aufgestellt  werden  soll  und  kann. 
Für  Mittelfranken  sind  also  Herr  Hofrat  Mayer  und  der  Re¬ 
ferent  die  beiden  Vertrauensmänner,  wozu  von  der  Leipziger 
Vorstandschaft  bereits  die  Genehmigung  erteilt  worden  ist.  Von 
den  übrigen  Bezirksvereinen  Mittelfrankens,  an  die  sich  die  Vor¬ 
standschaft  schriftlich  gewendet  hat,  haben  Eichstätt  und  Rothen¬ 
burg  o/T.  noch  nichts  verlauten  lassen,  in  Erlangen  ist  ein  Antrag, 
der  Bezirksverein  möge  in  toto  dem  L.  V.  beitreten,  abgelehnt 
worden,  im  Bezirksverein  nordwestliches  Franken  sind  nach  einem 
Referate  des  Herrn  Klein-  Windsheim  die  meisten  Kollegen  dem 
L.  V.  beigetreten.  Der  im  Erlanger  Bezirksverein  gestellte  Antrag 
kann,  so  ideal  er  für  den  L.  V.  wäre,  nicht  gutgeheissen  werden, 
da  nicht  jedes  Mitglied  eines  Bezirksvereins  ein  jährliches  Opfer 
von  20  M.  bringen  kann. 

Auch  in  Oberfranken,  Oberpfalz  und  Unterfranken  wurde  die 
Agitation  eingeleitet.  Herr  Dörfler-  Regensburg  hat  die  Stel¬ 
lung  eines  Vertrauensmannes  für  die  Oberpfalz  angenommen  und 
in  Oberfranken  haben  die  Herren  Scheiding  -  Hof  und  Ober- 
arzi  Jungengel  -  Bamberg  sich  der  Sache  des  L.  V.  mit  Eifer 
und  Energie  angenommen.  Bezüglich  Unterfranken  sind  die  Ver¬ 
handlungen  noch  nicht  zum  Abschluss  gelangt. 

Aus  dem  übrigen  Bayern  ist  besonders  der  Tätigkeit  K  reck  es - 
München  zu  gedenken,  der  kürzlich  im  Augsburger  Bezirksverein 
über  den  L.  V.  referiert  und  dort  eine  grosse  Zahl  von  Mitgliedern 
gewonnen  hat,  obwohl  ursprünglich  der  Augsburger  Bezirksverein 
den  Bestrebungen  des  L.  V.  nicht  sympathisch  gegenüberstand. 
Der  Appell  Krecke  s,  dass  in  Zukunft  die  persönliche  Agitation 
vom  Kollegen  zum  Kollegen  rege  betrieben  werden  müsse,  hat  die 
Vorstandschaft  veranlasst,  Herrn  Dörfler-  Weissenburg  und 
den  Referenten  mit  der  Abfassung  eines  für  diesen  Zweck 
zu  verwendenden  Aufrufs  zu  betrauen,  der  sämtlichen  Mitgliedern 
zur  Verwertung  zugeschickt  werden  soll.  Dann  gelingt  es  hoffent¬ 
lich  auch,  alle  noch  Fernstehenden  heranzuziehen!  Zunächst 
müssen  auch  die  Universitätsprofessoren  gewonnen  werden,  dann 
sämtliche  jungen  Kollegen.  Der  Geschäftsausschuss  des  Deut¬ 
schen  Aerztevereinsbundes -müsse  in  corpore  dem  L.  V.  beitreten 
und  nach  jeder  Richtung  hin  für  den  L.  V.  eintreten,  da  nunmehr 
die  Situation  völlig  geklärt  ist. 

Was  Nürnberg  speziell  betrifft,  so  ist  die  Gründung  eines  Lese¬ 
zimmers  für  Standeszeitschriften  in  Aussicht  genommen;  auch 
wird  bei  der  Vorstandschaft  des  Bezirksvereins  der  Antrag  ge¬ 
stellt  Averden,  häufigere  Sitzungen  abzuhalten,  in  denen  allgemeine 
Referate  über  Standesfragen  etc.  gebracht  werden  sollen.  Ur¬ 
sprünglich  sollten  diese  Anträge  vom  L.  V.  Nürnberg  ausgehen, 
auf  Antrag  des  Herrn  Hofrat  Mayer  ist  aber  der  Beschluss  ge¬ 
fasst  worden,  diese  im  Rahmen  des  Bezirksvereins  einzugliedern. 

In  der  Diskussion  begrüsste  Herr  Hofrat  E  m  m  e  r  i  c  h  mit 
Freuden  den  Gedanken  der  persönlichen  Agitation  und  stellte 
seine  Tätigkeit  nach  dieser  Richtung  zur  Verfügung. 

Ueber  Punkt  2  der  Tagesordnung:  „Vorläufiger  Kas¬ 
senbericht“  berichtete  Herr  Bernett,  dass  die  meisten 
Beiträge  bereits  erhoben  wären  und  von  Nürnberg  aus  ca.  2500  M. 
an  den  L.  V.  nach  Leipzig  bereits  abgeführt  seien. 

Sodann  besprach  Herr  Frankenburger:  „Die  vom 
Leipziger  Verband  ausgehende  Statisti  k“.  Der 
Redner  zollt  der  Vorstandschaft  des  L.  V.  volle  Anerkennung  für 
ihre  Tätigkeit  und  ihr  Wirken,  glaubt  aber  nicht,  dass  durch  diese 
Statistik  etwas  Nennenswertes  zu  erzielen  sei.  Im  Teil  I  der  Sta¬ 
tistik  vermisst  er  die  sehr  wichtige  Frage,  ob  der  betreffende  Kol¬ 
lege  ledig  oder  verheiratet  sei;  der  Teil  II  hat  für  die  Nürnberger 
Mitglieder  des  L.  V.  durchaus  gleichmässige  Geltung,  ist  auch  be¬ 
reits  genau  bearbeitet  dem  Generalsekretär  des  Aerztevereins¬ 
bundes  vom  Redner  im  Namen  des  ärztlichen  Bezirksvereins  zur 
kritischen  Verwertung  eingesandt  worden.  Der  Referent  ist 
dafür,  dass  jedes  Nürnberger  Mitglied  den  Teil  I  der  Statistik  aus¬ 
füllen.  bei  Teil  II  aber  bemerken  soll,  dass  derselbe  bereits  nach 
einheitlichem  statistischen  Gesichtspunkte  bearbeitet  dem  Aerzte^ 
Vereinsbunde  übergeben  sei. 

Es  wird  der  Beschluss  gefasst,  an  die  der  Sitzung  nicht  bei¬ 
wohnenden  Mitglieder  eine  diesbezügliche  Aufforderung  schrift¬ 
lich  zu  erlassen. 

Der  letzte  Gegenstand  der  Tagesordnung  betraf:  „Vor¬ 
schläge  zur  Generalversammlung  in  Königs- 
b  e  r  g“,  worüber  Herr  Seiler  Bericht  erstattet. 

Derselbe  verliest  aus  den  den  Mitgliedern  früher  zugegangenen 
„Mitteilungen  aus  dem  L.  V.“  die  Sätze,  welche  sich  mit  der  Ab¬ 
sicht  der  Vorstandschaft,  ein  eigenes  Organ  zu  gründen,  beschäf¬ 
tigten,  und  begründet  die  Stellungnahme,  welche  die  hiesige  Voi*- 


standschaft  hierzu  eingenommen  hat.  Die  letztere  ist  nicht  für 
ein  ständiges  Organ,  da  dasselbe  viel  Geld  kosten  dürfte  und 
anderen  Standesblättern  namentlich  hinsichtlich  der  Inserate  even¬ 
tuell  Konkurrenz  machen  würde,  hingegen  sind  zwanglos  erschei¬ 
nende  Mitteilungen  zur  Agitation  zu  begrüssen.  Die  Versamm¬ 
lung  bekennt  sich  gleichfalls  zu  dieser  Anschauung.  Es  werden 
dann  noch  einige  Vorschläge  kundgegeben;  so  glaubt  Herr  Heinr. 
Koch,  dass  eine  Herabsetzung  des  Jahresbeitrages  für  die  Aus¬ 
breitung  des  L.  V.  erforderlich  sei,  und  Herr  F  r  a  nkenb  u  r  g  e  r, 
dass  die  engere  Vorstandschaft  nicht  ausschliesslich  in  Leipzig 
ihr  Domizil  haben  dürfe.  Beide  Vorschläge  sollen  eventuell  für 
die  nächstjährige  Generalversammlung  ausführlicher  erörtert 
werden. 

Der  Vorsitzende  seliliesst  sodann  die  Sitzung  mit  der  Sitte  an 
die  Teilnehmer,  auch  fernerhin  für  den  L.  V.  tatkräftigst  agitieren 
zu  wollen. 


Auswärtige  Briefe. 

Pariser  Briefe. 

Pari  s,  26.  Juni  1902. 

Dr.  Garnaults  Selbstimpfimg  mit  Rindertuberkulose 
und  seine  Angriffe  auf  Prof.  R.  Koch.  —  Krebsschäden  im 
ärztlichen  Stand  in  Frankreich. 

In  der  Absicht,  den  Beweis  zu  liefern,  dass  - —  entgegen  Prof. 
Kochs  Meinung  —  die  Binder  tuberkulöse  mit  der  mensch¬ 
lichen  Tuberkulose  identisch  und  auf  Menschen  übertragbar  ist, 
hat  (17.  J uni)  ein  Pariser  Oto-Laryngologe,  Dr.  Garnault 
—  ein  noch  junger,  gesunder  und  kräftig  gebautei’,  wohlhabender 
Mann  —  an  sich  eine  Impfung  mit  perlsüchtigem  Material  in 
Anwesenheit  der  Doktoren  Marcel  Baudouin,  Barlerin 
und  Demeurisse,  als  Zeugen,  voi’genommen.  Einige  Tage 
darauf  erschien  von  demselben  Garnault  ein  ziemlich  dickes 
Buch  (1100  Seiten  in  8  0  mit  Abbildungen) :  „Leprofesseur 
Ivocb  et  le  peril  de  la  tuberculose  bovin  e“,  in 
welchem  sich  der  Verfasser  ebenso  empörende,  wie  absurde  An¬ 
griffe  auf  Prof.  Koch  erlaubt.  Folgendes  steht,  unter  anderem, 
in  der  V orrede  geschrieben : 

„Die  teilweise  negativen  Resultate  der  Koch  sehen  Ver¬ 
suche  (es  handelt  sich  hier  um  Verimpfungsversuche  mensch¬ 
licher  Tuberkulose  an  Kühen)  sind  absichtlich,  mit  Vorbedacht, 
erhalten  worden  (ont  ete  premedites  et  voulus),  da  dafür  aus¬ 
schliesslich  abgescliwäche  Kulturen  in  Anwendung  kamen.  Da¬ 
raus  die  Schlüsse  zu  ziehen,  die  er  gezogen,  war  Prof.  Koch 
logischerweise  nicht  berechtigt.  Würden  Kochs  Ratschläge 
befolgt,  so  würden  sie  nicht  ixur  kolossales  Unheil  für  die  Land- 
*  Wirtschaft  anstiften,  sondern  auch  eine  beträchtliche  Zunahme 
der  menschlichen  Sterblichkeit  durch  Infektion  mit  Rindertuber¬ 
kulose  nacb  sich  ziehen.  Hingegen  könnte  diese  Mortalität,  sowie 
die  Rindertuberkulose  selbst  durch  gehörige  Massnahmen  be¬ 
kämpft  und  vermindert,  ja  sogar,  vielleicht,  ausgerottet  werden. 
Es  ist  immöglich,  das  Benehmen  Prof.  Koclis  und  seine  lo¬ 
gischen  Irrtümer  —  welche  Prof.  Adam  schon  als  „fast  ver¬ 
brecherische“  bezeichnet  hat  —  wissenschaftlichen  Motiven  zuzu¬ 
schreiben.  Das  Benehmen  Prof.  Kochs  in  der  Frage  des  thera¬ 
peutischen  Wertes  des  Tuberkulins  —  wo  er  die  öffentliche  Mei¬ 
nung  aus  gewinnsüchtigen  Absichten  fortwährend  irreleiteto 
(oü  il  a  constamment  trompe  l’opinion  dans  un  but  de  lucre)  und 
enorme  Benefizia  erhielt,  indem  er  den  vorzeitigen  Tod  sehr  vieler 
auf  sein  Wort  und  seine  Autorität  vertrauender  Kranken  ver¬ 
ursachte  —  mit  seinem  gegenwärtigen  Benehmen  verglichen, 
scheint  durch  nichts  anderes  als  durch  persönliche  Interessen 
bedingt  zu  sein  (semble  exiger  surtout,  en  dehors  de  tout  autre 
explication  possible  de  sa  conduite,  qu’on  en  rapporte  Foriginc  a 
des  motifs  Interesses).“ 

Wie  bekannt,  hatte  sich  Dr.  Garnault  schon  auf  dem 
Londoner  Kongress  dem  Prof.  K  o  c  h  zu  Impfungsversuchen  mit 
Rindertuberkulose  offeriert,  ein  Vorschlag,  welchen  Prof.  Koch 
aus  leicht  einzusehenden  Rücksichten  ablelmle. 

Nun  hat  jetzt  Garnault  einen  solchen  Versuch  selbst 
unternommen.  Auf  eiixe  von  Epidermis  (durch  ein  Ve  :kator) 
entblösste  Stelle  von  12  qmm,  an  der  vorderen  Fläche  des  Unter¬ 
arms,  10  cm  unterhalb  der  Ellenbeuge  liegend,  hat  er,  mit  Ililfe 
eines  Bandes,  während  zweier  Stunden  eine  Schicht  fein  zer¬ 
riebenes  Impfmaterial  appliziert.  Dasselbe  stammte  aus  einer 
tuberkulösen  subdiaphragmalen  Drüse,  welche  einer  perlsüch- 


1126 


Ko.  26. 


M t T E NOiiKK ER  M E I )ICI N I  SO L 1 E  W 001 1 EN SCI i R l El’. 


tigen  Kuh  unter  allen  aseptischen  Kautelen  entnommen  worden 
war.  Die  Impfung  selbst  wurde  auch  aseptisch  ausgeführt.  Vor 
der  Uebertragung  des  Impfmaterials  hatte  Ga  mault  die  kleine 
oberflächliche  Wunde  an  seinem  Arm  mit  einem  durch  die 
Flamme  gezogenen  Skalpel  leicht  geschabt  und  dann  abgewartet, 
bis  die  dadurch  bedingte  Blutung  stand,  um  einem  lebensgefähr¬ 
lichen  Eindringen  von  Tuberkelbazillen  direkt  ins  Blut  durch 
die  offenstehenden  Gefässe  vorzubeugen.  Ein  Teil  der  für  die 
Impfung  angewandten  Drüse  wird  zur  bakteriologischen  Unter¬ 
suchung  und  zu  Impfversuchen  an  Meerschweinchen  benutzt. 

Im  Falle  eines  negativen  Resultats  wird  natürlich  dieser  Ver¬ 
such  nichts  beweisen  können.  Aber  dann  hat  Garnault  die 
Absicht,  sich  mit  perlsüchtigem  Material  in  irgend  ein  Gelenk 
oder  in  eine  Sehnenscheide  zu  impfen. 

Aber  auch  im  positiven  Fall  wird  die  Bedeutung  dieses  Ex¬ 
perimentes  eine  beschränkte  bleiben.  Es  wird  nur  der  Beweis 
erbracht,  dass  die  Rindertuberkulose  auf  den  Menschen  bei  lang- 
dauernder  und  sozusagen  gewaltsamer  Berührung  übertragbar 
ist,  ein  Schluss,  welchen  schon  einige  klinische  Beobachtungen 
(die  letzte  von  P.  Krause  in  dieser  Wochenschrift  —  No.  25, 
S.  1035  —  soeben  mitgeteilt)  uns  zu  ziehen  berechtigen.  Es  wird 
aber  dadurch  die  Frage  über  die  Unschädlichkeit  bezw.  Schäd¬ 
lichkeit  des  Genusses  von  Fleisch  und  Milch  perlsüchtiger  Rinder 
nicht  entschieden. 

Nichtsdestoweniger  ist  Garnaults  kecker  Autoinokulations¬ 
versuch  von  einer  nicht  zu  unterschätzenden  wissenschaftlichen 
Bedeutung.  Was  aber  die  rohen  Angriffe  gegen  Prof.  Koch  be¬ 
trifft,  so  kann  nur  wiederholt  werden,  dass  sie  ebenso  empörend 
wie  absurd  sind.  Man  könnte  mit  dem  gleichen  Recht,  d.  h.  Un¬ 
recht,  dieselben  Anschuldigungen  gegen  jeden  Arzt,  sei  er  die 
grösste  wissenschaftliche  Zelebrität  oder  ein  bescheidener  Prak¬ 
tiker,  erheben.  E  r  rare  h  u  m  a  n  u  m  e  s  t.  Theoretischen  und 
praktischen  Irrtümern  kann  niemand  entgehen.  Falsche  Dia¬ 
gnosen,  unpassende  Behandlungen,  unglückliche,  sogar  irrtüm¬ 
lich  angewandte  Operationen  gibt  es  viele  und  für  solche  Irr- 
tümer  werden  oft  beträchtliche  Honorare  gereicht. 

Prof.  Koch  hat  sich  geirrt,  wenn  er  glaubte,  das  Tuber¬ 
kulin  könne  die  Schwindsucht  heilen;  er  hat  sich  aber  nicht  ge- 
irrt  in  der  Annahme,  dasselbe  sei  für  die  Tuberkulose  ein  ent¬ 
scheidendes  diagnostisches  Mittel.  Er  hat  sich  auch  nicht  geirrt, 
als  er  die  Tuberkelbazillen,  die  Cholerabazillen  u.  dergl.  mehr 
entdeckte.  Etwas  hat  dieser  Mann  doch  geleistet!  Ihn  für  ein 
Ungeheuer  zu  halten,  welches  die  Absicht  hat,  das  arme  Menschen¬ 
geschlecht  mit  Tuberkulose  zu  infizieren,  um  Millionen  davon  zu 
ernten,  dessen  ist  nur  eine  boshaft-kranke  Phantasie  fähig.  Ob 
aber  Prof.  Koch  sich  irrt,  indem  er  den  Genuss  von  Fleisch 
und  Milch  perlsüchtiger  Rinder  für  den  Menschen  als  unschäd¬ 
lich  betrachtet  —  dafür  muss  noch  der  Beweis  erbracht  werden. 
Jedenfalls  ist  nicht  klar,  was  für  einen  materiellen  Nutzen  Prof. 
Koch  aus  dieser  Meinung  ziehen  könnte.  Werden  ihm  viel¬ 
leicht  von  den  Viehhändlern,  Schlächtern  und  Metzgern  Pro¬ 
zente  vom  Verkauf  tuberkulösen  Fleisches  abgezahlt?  Wenn  er 
aber  entgegengesetzter  Meinung  wäre,  könnte  er  Prozente  vom 
Verkauf  sterilisierter  Milch  abheben.  Es  wäre  noch  vorteilhafter. 
Prof.  K  och  hat  sich  verrechnet ! 

Traurig  ist  es  noch,  dass  solche  Angriffe  aus  einem  Land 
stammen,  wo  die  Gewinnsucht  in  medizinischen  Kreisen  und 
die  Missachtung  der  Grundsätze  der  Deontologie  auf  das  äusserste 
getrieben  sind  und  solche  Formen  annehmen,  die  die  Kritik 
geradezu  herausfordern.  Hierher  gehört  die  in  Frankreich  so 
weit  und  breit  geübte  „D  ichotomi  e“,  d.  h.  die  Teilung  der 
Honorare  zwischen  Chirurgen  und  den  Aerzten,  welche  ersteren 
Kranke  zur  Vornahme  von  Operationen  zuführen;  die  unver¬ 
schämte,  nicht  nur  von  Charlatanen  allein,  sondern  auch  von 
eminenten  Fachmännern  geübte  Reklame  (die  bekannten  kine- 
ma (»graphischen  Vorstellungen  des  Chirurgen  Doyen);  das 
Erzwingen  übermässiger  Honorare  (der  jüngste  Prozess  des  Chir¬ 
urgen  A 1  b  a  r  r  a  n,  welcher  für  eine  an  der  Frau  eines  kleinen 
Händlers  unternommene  Laparotomie  6000  Franken  verlangte); 
die  beständigen  Fälschungen  seitens  der  Examinatoren  bei  medi¬ 
zinischen  Prüfungen  (dieser  Tage  noch  haben  Prof.  A.  R  o  b  i  n 
und  Dr.  II  ucha  r  d  gegen  eine  solche  Fälschung  offiziellen  Pro¬ 
test  erhoben) ;  das  Benehmen  vieler  Professoren,  welche,  von  ihrer 
Praxis  völlig  in  Anspruch  genommen  oder  im  süssen  Genuss  ihrer 


(durch  Heirat)  erworbenen  Millionen,  keine  Vorträge  halten  und 
nicht  einmal  im  Spital  erscheinen,  ein  Umstand,  der  den  jetzigen 
Dekan  der  medizinischen  Fakultät,  Prof.  Debove,  gezwungen 
hat,  die  betreffenden  wie  kleine  Schulbuben  zu  einer  besseren 
Aufführung  zu  ermahnen,  etc.  etc. 

Anstatt  sich  in  chauvinistische  und  unbegründete  Aeusse- 
rungen  gegen  fremde  Gelehrte  einzulassen,  wäre  es  besser,  sich 
mit  der  Säuberung  des  eigenen  Augiasstalles  etwas  zu  beschäf¬ 
tigen.  L. 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Bayerischer  Landtag. 

Die  zuerst  von  der  Kammer  der  Abgeordneten  mit  einer  ge¬ 
ringen  Majorität  abgelelmte  Forderung  von  464  000  M.  für  den 
Neubau  einer  k.  Zentralimpfanstalt  in  Mii  n  c  li  e  u 
wurde,  nachdem  die  Kammer  der  Reichsräte  das  Regierungs- 
postulat  wieder  hergestellt  hatte,  nunmehr  auch  seitens  der  erst¬ 
genannten  Kammer  genehmigt. 

Die  in  No.  41  und  42  des  vorigen  Jahres  mitgeteilten  Neu¬ 
forderungen  für  die  medizinischen  Fakultäten  wurden  einschliess¬ 
lich  einer  Nachforderung  von  je  14  850  M.  für  die  beiden  Etats¬ 
jahre  1902  und  1903  behufs  Anschluss  der  Universität  Erlangen 
an  das  städtische  Elektrizitätswerk  zunächst  vom  Finanzaus¬ 
schüsse  der  Abgeordnetenkammer  bewilligt  und  werden  voraus¬ 
sichtlich  auch  im  Plenum  Annahme  finden.  So  erfreulich  dies  ist, 
darf  doch  auch  nicht  vergessen  werden,  dass  bei  Aufstellung  des 
Etats  bereits  an  die  äusserst  zulässige  Grenze  gegangen  wurde. 

Das  Unzureichende  der  in  Aussicht  genommenen  Mitttel  ward 
namentlich  anerkannt  für  die  Polikliniken  im  Reisingeriä- 
num  z  München.  Jede  derselben  bekommt  einen  Zuschuss, 
der  aber  lange  nicht  ausreicht,  die  tagtäglich  bemerkbaren  Miss- 
stände  für  die  Kranken,  Dozenten  und  Studierenden  auch  nur 
einigermassen  zu  lindern,  geschweige  denn  zu  beseitigen.  Hierzu 
bedarf  es.  da  auch  ein  Erweiterungsbau  nicht  genug  Raum  für 
7  grosse  Polikliniken  schaffen  kann,  eines  Neubaues  auf  einen! 
grösseren  Terrain.  Durch  Beschränkung  des  Zuganges  von  Kraiiken 
oder  eine  Art  Auslese  die  Verhältnisse  zu  sanieren,  ein  solcher 
Versuch  scheint  am  wenigsten  geeignet,  wenn  auch  unter  dem 
heutigen  Massenandrang  der  Unterrichtszweck  leidet  und  eine  Ge¬ 
wöhnung  der  Studierenden  an  eine  oberflächliche  Behandlung 
leicht  sich  einschleichen  könnte.  Non  multa,  sed  multum!  Bis 
jetzt  bedeutet  es  bei  dem  langsamen  Gang  der  Dinge  schon  viel, 
dass  wenigstens  das  Vorliegen  von  Misständen  im  Reisingerianum 
im  Finanzausschüsse  unwidersprochen  blieb  und  anerkannt  wurde; 
dann  werden  wohl  bald  auch  die  Mittel  zur  Abhilfe  bereit  ge¬ 
stellt  werden. 

Bezüglich  der  sozialen  Bedeutung  der  Polikliniken,  die  in 
erster  Linie  Unterrichtszwecken  dienen  und  durch  die  kostenlose 
Erteilung  ärztlichen  Rates  in  zweiter  Linie  auch  Wohlthätigkeits- 
anstalten  darstellen,  meinte  der  Abg.  Dr.  H  e  i  m,  dass  hier  nicht 
nach  Reich  und  Arm  ausgeschieden  werden  dürfe  und  dass  Leute 
aus  dem  Mittelstände  nur  durch  die  Poliklinik  zu  einer  spezia- 
listisclien  Behandlung  gelangen  könnten,  weil  sonst  der  Spezialist 
zu  viel  koste.  Zu  dem  Zwecke  sind  die  Polikliniken  keinesfalls 
da,  dass  vermögenden  Leuten  unentgeltliche  ärztliche  Behandlung 
gewährt  wird,  und  der  ärztliche  Stand  verlangt,  nachdem  er  von 
jeher  alle  humanen  Bestrebungen  eifrig  unterstützt,  mit  Recht, 
dass  einem  Missbrauch  derselben  vorgebeugt  werde.  Dass  dem 
Mittelstände  Spezialisten  wegen  des  hohen  Honorars  unzugänglich 
seien,  ist  in  dieser  Verallgemeinerung  eine  unbewiesene  Behaup¬ 
tung,  und  soviel  Berichterstatter  aus  Erfahrung  weiss,  reichen  die 
Honoraransprüche  der  Spezialisten  noch  lange  nicht  an  die  vieler 
Kurpfuscher  heran.  # 

Während  Preussen  die  Absolventen  der  Realgymnasien  nun¬ 
mehr  auch  zum  juristischen  Studium  zugelassen  hat,  zögert  man 
damit  in  Bayern  und  vorläufig  haben  die  zuständigen  Ministerien 
die  Frage  in  negativem  Sinne  entschieden.  Keinesfalls  kann 
Bayern  auf  dem  Isolierschemel  bleiben  und  der  jetzige  Zustand 
wird  nicht  lange  haltbar  sein,  dass  die  Absolventen  norddeutscher 
Realgymnasien  und  Oberrealschulen  in  Bayern  zum  juristischen 
Studium  anstandslos  zugelassen  werden,  die  von  bayerischen  Gym¬ 
nasien  kommenden  aber  nur  mit  der  kleinen  Matrikel.  Der  Kultus¬ 
minister  rühmte  sich,  die  Zulassung  der  Realgymnasiasten  zum 
medizinischen  Studium  zuerst  befürwortet  zu  haben;  warum  bleibt 
er  nun  auf  dem  kaum  betretenen  Wege  stehen  und  gibt  nicht  freie 
Bahn  für  alle  Fächer?  Im  Finanzausschüsse  äusserten  sich  die 
einzelnen  Abgeordneten  teils  zurückhaltend,  teils  vorwärtsschie¬ 
bend;  einer  realistischen  Vorbildung  der  Juristen,  namentlich  der 
Verwaltungsbeamten,  wurde  von  fachmännischer  Seite  sogar  der 
Vorzug  vor  der  humanistischen  eingeräumt. 

Begrüssenswert  erscheint  die  Anregung  des  Referenten  für 
den  Kultusetat,  Abg.  Dr.  Schädler,  Professoren  und  Leiter 
von  Anstalten  in  einem  bestimmten  Lebensalter,  etwa  mit  dem 
70.  Jahre,  zu  pensionieren.  Während  in  Oesterreich  Professoren 
mit  65  Jahren  in  den  Ruhestand  treten  können  und  mit  70  Jahren 


1.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1127 


dies  müssen,  bestehen  in  Deutschland  keine  Altersgrenzen  und  in 
Payern  würde  es  zu  einer  Festlegung  solcher  einer  Abänderung 
der  verfassungsmässigen  Dienstespragmatik  bedürfen.  Jedenfalls 
sollte  diese  Anregung  im  Auge  behalten  werden.  Dass  manche 
Autoritäten  über  das  70.  Lebensjahr  hinaus  ihre  körperliche  und 
geistige  Mistigkeit  sich  erhalten  haben,  bildet  die  Minderzahl  und 
diesen  einzelnen  mag  die  unfreiwillige  Niederlegung  ihres  Lehr¬ 
amtes  ein  schweres  Opfer  sein;  weit  häufiger  ist  der  Fall,  dass 
einerseits  aus  Mangel  an  Selbsterkenntnis  und  Selbstkritik,  an¬ 
dererseits  aus  Rücksicht  auf  frühere  verdienstvolle  Leistungen 
ältere  Professoren  viel  zu  lange  mitgeschleppt  werden,  zum  Scha¬ 
den  der  Fakultät  und  der  studierenden  Jugend. 

Wie  alljährlich  bei  einer  bestimmten  Entwicklung  der  Vege¬ 
tation  empfindsame  Naturen  vom  Heufieber  befallen  werden,  tritt 
bei  der  Beratung  des  Kultusetats  in  den  letzten  Jahren  regelmässig 
eine  Hyperästhesie  des  Nervus  olfactorius  confessionalis  ein;  die 
Tagespresse  benennt  die  Reflexbewegung  vulgär  „Konfessions¬ 
schnüffelei“.  Dass  dabei  besonders  die*  Universitätslehrer  in  die 
Nase  stechen,  entspricht  ihrer  hervorragenden  Bedeutung.  Es 
wurde  daher  jeder  Universitätslehrer  bis  herab  zum  Privatdozenten 
auf  seinen  Taufschein  geprüft  und  das  Ergebnis  in  einer  amtlichen 
Konfessionsstatistik  niedergelegt.  Für  die  medizinische  Fakultät 
ergab  sich  dabei  folgendes  Verhältnis,  das  wir  mitteilen,  nachdem 
soviel  Mühe  dafür  auf  gewendet  worden  ist. 


München 

Würzbur 

g 

Erlangen 

kathol. 

protest. 

israel. 

C3 

GG 

S 

Toxpota 

protest. 

israel. 

3 

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kathol. 

protest. 

israel. 

3 

3 

N 

( Irdentl.  Professoren 

G 

5 

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2 

9 

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11 

2 

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1 

9 

Ausserordentl.  Profess. 

. 

IÜ 

12 

2o 

G 

5 

— 

11 

_ 

5 

— 

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Privatdozenten  .  .  . 

17 

10 

27 

5 

7 

— 

12 

i 

4 

— 

5 

Summa 

39 

‘,7 

— 

GG 

13 

21 

— 

34 

3 

15 

1 

19 

Im  Uebrigen  ist  jedem  Arzt  diese  Konfessionsstatistik  gleicli- 
giltig,  da  die  ärztliche  Wissenschaft  und  Kunst  nach  konfessio¬ 
nellen  Gesichtspunkten  weder  gelehrt  noch  ausgeübt  wird  und  das 
ärztliche  Gewerbe  an  gewaltsam  aufgerichteten  konfessionellen 
»Schranken  keine  Grenzen  findet. 

Münchener  Kellnerinnen  petitionierten  um  eine  Standesord- 
nung  für  das  k.  Hofbräuhaus,  damit  die  Jüngerinnen  der  Hebe 
auch  etwas  Gehalt  bekämen  und  nicht  bloss  von  Trinkgeldern 
leben  müssten.  Fast  einen  ganzen  Tag  lang  beschäftigte  sich  die 
Kammer  der  Abgeordneten  mit  dieser  Staatsfrage.  Von  der  ärzt¬ 
lichen  »Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  hat  man  seit  Anfang 
des  Jahres  nichts  mehr  gehört.  Versunken  und  vergessen  —  das 
ist  des  Sängers  Fluch!  Dr.  Karl  Becker. 

Therapeutische  Notizen. 

Die  Malariabehandlung  des  Krebses  ist  bekannt¬ 
lich  von  Löffler  empfohlen  auf  Grund  der  angeblichen  That- 
, Sache,  dass  das  Karzinom  in  den  Tropen  so  gut  wie  gar  nicht  vor¬ 
komme.  A.  E.  Neu  m  a  n  n  weist  nun  darauf  hin  (Ther.  Monats¬ 
hefte  5,  1902),  dass  viele  Beobachtungen  über  Krebs  in  den  Tropen 
vorliegen,  zumal  der  Leberkrebs  ist  eine  häufige  Erkrankung  der 
Eingeborenen.  N.  warnt  davor,  die  Krebskranken  einem  von  vorn¬ 
herein  aussichtslosen  Behandlungsversuche  zu  unterwerfen.  Kr. 

Die  Erfolge  des  Dlpntherieserums  werden  von 
Ivassowitz  -  Wien  einer  erneuten  scharfen  Kritik  unterzogen 
(Ther.  Monatsh.  5,  1902).  Er  weist  nach,  dass  die  Mortalität  der 
Diphtherie  trotz  der  Einführung  der  Serumbehandlung  keineswegs 
in  dem  Maasse  gesunken  ist,  wie  man  zu  erwarten  berechtigt  wäre, 
ln  Petersburg  gab  es  vor  der  Serumbehandlung  auf  10  000  Ein¬ 
wohner  5,4  Todesfälle,  nach  Einführung  der  Serumbehandlung 
12,1  Todesfälle,  die  durchschnittliche  jährliche  Todesziffer  betrug 
ror  1895  522,  nach  1895  1272. 

Aus  der  de  Maurans’schen Statistik  ergibt  sich  für33grössere 
Städte  ein  bedeutender  Anstieg  der  Diphtheriemortalität  in  der 
Serumperiode,  so  besonders  in  Bukarest,  Birmingham,  Dublin, 
Liverpool,  Stockholm. 

Was  den  von  den  Serumfreunden  behaupteten  Mortalitäts¬ 
abfall  in  den  Kinderspitälern  anbetrifft,  so  glaubt  K.  nachweisen 
zu  können,  dass  auch  dieser  in  Wirklichkeit  nicht  besteht.  Im 
Grazer  Kinderspital  stieg  die  Mortalitätsziffer  von  höchstens  17 
bis  zu  37;  in  Strassburg  starben  in  den  4  Jahren  vor  der  Serum¬ 
einführung  210,  in  den  4  ersten  Serumjahren  205  Kinder,  das  Ver 
hältniss  der  nach  Operation  Gestorbenen  war  141:140. 

Für  diejenigen  Spitäler  und  Städte,  die  nach  S  i  e  g  e  r  t  und 
Müller  ein  Fallen  der  Mortalitätskurve  aufweisen,  zeigt  K., 
dass  dieser  Abfall  schon  vor  der  Serumeinführung  begonnen  hat; 
in  manchen  Städten  ist  die  Mortalitätskurve  dann  sogar  wieder 
gestiegen. 

K.  bittet  das  Reichsgesundheitsamt  um  die  alljährliche  Zu¬ 
sammenstellung  und  Veröffentlichung  der  absoluten  Diphtherie¬ 
mortalität  in  allen  Ländern  und  Städten,  wo  das  Serum  zur  Ver¬ 
wendung  kommt.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  1.  Juli  1902. 

—  Die  Beratung  des  Kultusetats  in  der  bayerischen  Ab¬ 
geordnetenkammer  hat  eine  Reihe  interessanter  Momente  gebracht 
über  die  in  unserer  Parlamentschronik  berichtet  werden  wird 
Das  bedeutsamste  Ereignis  ist  der  mit  51  meist  schwarzen  gegen 
41  meist  liberalen  Stimmen  gefasste  Beschluss,  es  sei  die  Staats¬ 
regierung  zu  ersuchen,  in  den  nächsten  Etat  eine  Position  für  Er¬ 
richtung  eines  Lehrstuhls  f  ü  r  II  omüopathie  au  der 
Universität  München  oder  an  einer  anderen  bayerischen  Uni¬ 
versität  vorzusehen.  Ein  ähnlicher  Beschluss  ist  iii  der  Württem¬ 
berg!  sehen  Kammer  wiederholt  gefasst  worden,  dort  aber  an  der 
festen  Haltung  der  Regierung  stets  gescheitert.  Der  bayerische 
Kultusminister  dagegen  hat  trotz  der  bereits  vorliegenden  einstim¬ 
migen  ablehnenden  Gutachten  der  drei  medizinischen  Fakultäten 
des  Landes  erklärt,  die  Sache  in  erneute  Erwägung  ziehen  zu 
wollen.  Man  kann  dem  Resultat  dieser  Erwägung  nur  mit 
grösstem  Misstrauen  und  Unbehagen  entgegensehen.  Bei  der  der¬ 
zeitigen  Einflusslosigkeit  der  Fakultäten  auf  ihre  eigensten  An¬ 
gelegenheiten  und  gegenüber  dem  übermächtigen  Einfluss  der 
ultramontanen  Partei  unseres  Landtags  im  Kultusministerium 
muss  man  auf  Alles  gefasst  sein. 

— -  ln  Pose  n  hat  die  von  den  Polen  majorisirte  Orts¬ 
krankenkasse  vier  ältere  deutsche  Kassenärzte  entlassen 
und  an  ihre  »Stelle  polnische  Aerzte  gesetzt.  Die  Med.  Reform 
knüpft  an  diese  Mittheilung  den  berechtigten  Hinweis,  wie  allent¬ 
halben  im  Deutschen  Reiche  das  System  der  fixirten  Kassenärzte 
zur  Unterdrückung  der  politischen  Betätigung  der  Aerzte  führt. 
Ein  politisch  hervortretender  Arzt  hat  stets  den  Verlust  seiner 
Kassenarztstelle  zu  befürchten,  wenn  die  Machthaber  der  Kasse 
seine  politischen  Gegner  sind  und  er  wird  daher,  wenn  er  nicht 
sonst  wirtschaftlich  unabhängig  gestellt  ist,  in  den  meisten  Fällen 
auf  die  Vertretung  einer  politischen  Ueberzeugung  verzichten. 
Das  ist  ein  für  die  Aerzte  unwürdiger,  für  den  »Staat  aber,  dem 
die  politische  Unterstützung  eines  intelligenten  und  in  seiner  über¬ 
wiegenden  Mehrheit  staatserhaltenden  »Standes  entgeht,  ein  gewiss 
unerwünschter  Zustand.  Unter  den  Gründen,  die  für  die  gesetz¬ 
liche  Einführung  der  freien  Arztwahl,  oder  doch  für  »Schaffung 
einer  unabhängigeren  Stellung  der  Aerzte  bei  den  Kassen  ins  Feld 
geführt  werden,  dürfte  keiner  berechtigter  sein,  als  die  Erwägung, 
dass  ein  unabhängiger  Aerztestand  auch  eine  politische  Notwendig¬ 
keit  ist. 

—  Nach  der  Bekanntmachung  des  Reichskanzlers  vom  18.  Juni 
1902  treten  mit  Wirkung  vom  1.  Oktober  an  in  der  Eisenbahn¬ 
verkehrsordnung  Aenderungen  in  Kraft,  welche  die  Beförde- 
r  u  n  g  von  Leichen  vereinfachen  und  verbilligen  und  damit 
namentlich  auch  die  Transporte  an  Leichenverbrennungsanstalten 
erleichtern.  Als  Regel  gilt  auch  jetzt  noch,  dass  die  Leiche  von 
einer  Person  begleitet  sein  muss,  die  eine  Fahrkarte  zu  lösen  und 
denselben  Zug  zu  benützen  hat,  mit  dem  die  Leiche  befördert  wird. 
Jedoch  bedarf  es  einer  Begleitung  nicht,  wenn  als  Bestimmungsort 
eine  Eisenbahnstation  bezeichnet  ist  und  der  Absender  bei  der 
Aufgabestation  das  schriftliche  oder  telegraphische  Versprechen 
des  Empfängers  hinterlegt,  dass  dieser  die  Sendung  sofort  nach 
Empfang  der  bahnseitigen  Benachrichtigung  von  ihrem  Eintreffen 
abholen  lassen  werde.  Bei  Sendungen  an  Leichenverbrennungs¬ 
anstalten  und  an  Beerdigungsinstitute  genügt  es,  wenn  diese  eine 
derartige  Verpflichtung  gegenüber  der  Eisenbahn  in  allgemeiner 
Form  übernommen  haben. 

—  Ueber  die  innere  Einrichtung  der  für  die  preussischen 
Staatsbahnen  in  Bestellung  gegebenen  Aerztewagen  schreibt 
Dr.  Brälimer  in  der  Aerztl.  Sachverst.-Ztg.:  Die  Wagen,  für 
deren  Herstellung  die  Eisenbahndirektionen  breite  Durchgangs¬ 
wagen  IV.  Klasse,  wie  sie  bei  der  Armee  für  den  Verwundeten¬ 
transport  eingerichtet  sind,  aus  ihren  Beständen  zu  ihrer  Ver¬ 
fügung  stellen  sollen,  haben  folgende  Einrichtung:  Der  Wagen  be¬ 
steht  aus  zwei  ungleichen,  durch  eine  Bretterwand  getheilten  Ab¬ 
theilungen,  voix  denen  die  eine  als  Verbands-  und  Operationsraum, 
die  zweite,  doppelt  so  grosse,  als  Lagerraum  für  8  Verwundete 
und  gleichzeitig  Sitz  raum  für  4  Leichtvei-letzte  dienen  soll.  Zur 
Heizung  sind  bestimmt  die  Röhren  der  Dampfheizung  des  Zuges 
und  ein  Gasofen.  Für  die  Lüftung  ist  durch  Oberlichtaufbauten, 
Klappen  und  die  nach  hinten  geöffnete  Thür  gut  gesorgt.  Be- 
leuchtxxng  erfolgt  bei  Tage  durch  Oberlicht,  in  der  Dunkelheit 
durch  Gas  oder  Acetylen.  Für  warmes  und  kaltes  Wasser  ist  in 
genügender  Weise  gesorgt,  ln  der  ersten  Abteilung  befindet  sich 
ein  Torfmullkloset.  Für  den  grösseren  Wagenabteil  sind  8  Trag- 
bahren  (preussisclies  Anmeemodell)  mit  je  2  Gurten  zum  Fest- 
sclxnallen,  sowie  4  bequeme  Stühle  für  solche  Verletzte,  die  sitzen 
können,  vorgesehen;  ausserdem  wollene  Decken  in  genügender  An¬ 
zahl.  In  dem  ärztlichen  Abteil  befindet  sich  zunächst  ein  Opera- 
tionstiscli  voix  1,70  m  Länge  und  (*,70  m  Breite  mit  verstellbarem 
Kopfteil  liehst  Kopfrolle,  ausserdem  2  Schemel  und  2  Sessel  mit 
durchbrochenen  Ilolzsitz  und  Anstrich  von  Emaillack  für  die 
Aerzte,  eine  Waseh  verricht ung  mit  Abflussrohr,  ein  Gaskocher 
liebst  Topf,  wie  ein  Eiskasten,  endlich  der  Instrumenten-  und  Ver¬ 
bandschrank.  Der  Inhalt  dieses  Schrankes  entspricht  im  wesent¬ 
lichen  dem  Inhalt  der  grossen,  auf  allen  Eisenbahnstationen  vor¬ 
handenen  Rettungskästen  —  ausgenommen,  dass  einzelne  Gegen¬ 
stände,  den  veränderten  Verhältnissen  entsprechend,  in  doppelter 
oder  dreifacher  Menge  vorhanden  sind.  So  befinden  sich  z.  B.  in 


1128 


MHENCHENEE  MEDICINTSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


jedem  Schrank  3  ärztliche  Verbandst;! sehen  mit  demselben  Inhalt. 
Von  der  Einfügung  grösserer  Instrumente  zu  Amputationen  u.  s.  w. 
hat  man  mit  Recht  abgesehen.  Eine  sorgfältige  Orientierung  und 
Berechnung  hat  ergeben,  dass  von  jeder  Unfallstelle  der  preussi- 
sclien  Staatsbahnen  in  längstens  1 — ll/>  Stunde  ein  Krankenhaus 
mit  allen  erforderlichen  Utensilien  zu  erreichen  ist.  Um  bis  dahin 
alles  ärztlich  Gebotene  zu  tun,  gefährliche  Blutungen  u.  s.  w.  zu 
verhindern,  und  den  Verwundeten  transportfähig  zu  machen,  sind 
alle  Mittel  vorhanden.  Insbesondere  wird  der  Transport  dadurch, 
dass  die  Tragbahre  sich  gleichzeitig  als  Bett  passend  und  bequem 
in  den  Wagen  hineinschieben  lässt,  erleichtert  und  für  den  Ver¬ 
wundeten  unschädlich  gemacht.  Die  77  Wagen  werden  in  ge¬ 
eigneter  Verteilung  Tag  und  Nacht  bei'eit  stehen,  um  ohne  weitere 
Vorbereitungen  sofort  der  Lokomotive  folgen  zu  können.  Der 
Wagen  untersteht  der  Aufsicht  des  zugehörigen  Bahnarztes,  der 
mit  einer  Dienstanweisung  versehen,  die  Oberaufsicht  ausübt.  Für 
die  tägliche  Aufsicht,  Reinigung,  Ergänzung  u.  s.  w.  wird  ein  be¬ 
sonderer  Beamter  angestellt. 

—  Die  diesjährige  Versammlung  der  Ophthalmolo  gi¬ 
schen  Gesellschaft  findet  vom  4. — 6.  August  in  Heidelberg 
statt. 

—  Wie  sehr  das  Interesse  an  der  Heilstättenbehandlung  der 
Tuberkulose  in  allen  zivilisierten  Ländern  erstarkt  ist,  beweisen 
die  jetzt  bereits  in  verschiedenen  Sprachen  vorliegenden  Werke, 
deren  Zweck  es  ist,  den  gegenwärtigen  Stand  der  Frage  zu  kenn¬ 
zeichnen  und  festzustellen,  was  in  den  einzelnen  Ländern  für  die 
Durchführung  der  Aufgabe  bereits  geschehen  ist.  Zu  den  besten 
Werken  dieser  Art  geholt  dasjenige  des  Prof.  V.  Gozzolino 
in  Neapel :  La  cura  del  tubercolotico  polmonare 
nel  sanatorio,  considerato  anche  come  questione 
sociale  (Turin,  R  o  s  e  n  b  u  r  g  &  S  e  1 1  i  e  r,  Preis  IG  Lire). 
In  einem  stattlichen  Bande  wird  hier  die  ganze  Tuberkulosefrage, 
ihre  soziale  Bedeutung,  Pathologie,  Behandlung  etc.,  besonders 
aber  die  Behandlung  in  Sanatorien  und  der  Bau,  die  Einrichtung 
und  der  Betrieb  der  Sanatorien  unter  Beigabe  zahlreicher  Pläne 
und  Abbildungen  ausführlich  besprochen.  Die  deutschen  Sana¬ 
torien  und  Heilstätten  werden  dabei  besonders  eingehend  berück¬ 
sichtigt.  Das  Werk  verdient  die  sorgfältige  Beachtung  aller,  die 
sich  für  die  Heilstättenbehandlung  der  Tuberkulose  interessieren. 

—  Der  Unterstützungsverein  der  Kuranstalt 
Neu  wittelsbach,  der  die  Sammlung  von  Geldern  bezweckt, 
um  minderbemittelten  Kranken  der  gebildeten  Stände  die  Anstalts¬ 
behandlung  zu  ermöglichen,  veröffentlicht  seinen  2.  Rechenschafts¬ 
bericht.  Es  wurden  während  des  Berichtsjahres  18  Kranke  mit 
508  Verpflegstagen,  und  zwar  14  Kranke  mit  448  Verpflegs¬ 
tagen  auf  ganzen  und  4  Kranke  mit  GO  Verpfiegs  tagen 
auf  halben  Freiplätzen,  verpflegt.  Der  vom  Verein  für  den  ganzen 
Freiplatz  vergütete  Verpflegssatz  (M.  5.50  im  Tag)  bleibt  wesent¬ 
lich  (fast  um  die  Hälfte)  hinter  dem  Durchschnitt  der  Selbstkosten 
der  Kuranstalt  zurück.  Zu  ähnlichen  Bedingungen  hat  sich  auch 
Herr  Dr.  Stammler  in  Brunnthal  bei’eit  erklärt,  Ki-anke  bei 
sich  axxfzxxnehmen.  Die  Einnahmen  des  Vereins  erreichten  im 
Bei'iclxtsjahre  die  beträchtliche  Höhe  von  M.  2812  an  jährlichen 
und  M.  3065  an  einmaligen  Beitxügen,  wählend  das  Gesamtvei-- 
mögen  am  Ende  des  Jahres  14  047  M.  betlügt.  Dem  sehr  segens¬ 
reich  wirkenden  Verein  ist  auch  in  der  Zukunft  die  xegste  Teil¬ 
nahme  zu  wünschen. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  6.  bis  einschl.  12.  Juni  7  neue 
Erkrankungen  (und  1  Todesfall).  — -  Britisch-Ostinuien.  In  der 
Präsidentschaft  Bombay  während  der  am  30.  Mai  endenden 
Woche  G15  Ei'krankungen  (und  485  Todesfälle).  —  Cochinchina. 
Während  des  Monats  April  sind  in  Hanoi  mehx*ere  Pestfälle  vor¬ 
gekommen,  die  zu  behördlichen  Vorsiclitsmassregeln  Anlass 
gaben.  Für  jede  getödtete  Ratte  wurden  4  Cents  gezahlt,  was 
zur  Folge  hatte,  dass  in  der  Zeit  vom  24.  bis  30.  April  etwa  G000 
solcher  Thiei’e  eingeliefert  wurden.  —  Kapland.  Während  der 
beitlen  am  10.  und  17.  Mai  abgelaufenen  Wochen  im  ganzen  3  Neu- 
erkrankungen  und  3  Todesfälle  in  Poi-t  Elizabeth.  —  Queensland. 
Während  der  am  10.  Mai  abgelaufenen  Woche  in  Bi’isbane  9  neue 
Pestei-krankungen  und  4  Todesfälle. 

—  Pocken.  Grossbritannien.  Vom  3.  (10.)  bis  einschl.  9. 
(IG.)  Juni  wurden  in  London  nebst  Vorstädten  191  (112)  neue 
Pockenfälle  nachgewiesen.  Die  Zahl  der  seit  Beginn  der  Seuche 
festgestellten  Erkrankungen  betnxg  am  12.  Juni  insgesammt  9098; 
davon  haben  1536  einen  tödtliclien  Verlauf  genommen. 

—  In  der  24.  Jatmeswoche,  vom  8.  bis  14.  Juni  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Heidelberg  mit  29,9,  die  geringste  Schöneberg  mit 
7,3  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Diphtherie  und  Croup  in 
Elberfeld. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Habilitiert:  Dr.  Rudolf  Jürgens,  Kustos  am 
pathologischen  Institut,  mit  einer  Antrittsvorlesung  über  Hämor- 
rliagie  des  Gehirns  und  der  Hirnhäute  xind  Di-,  med.  et  phil.  Adolf 
Magnus-Lev  y,  fiiiher  in  Stra.ssbui-g,  mit  einer  Vorlesung  über 
den  Enei-gieumsatz  in  Krankheiten. 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  B.  Der  Direktor  der  psychiatrischen  Klinik, 
Prof.  Dr.  Hermann  Emminghaus,  ist  auf  sein  Ansuchen 
wegen  leidender  Gesundheit  in  den  Ruhestand  versetzt  worden. 


Strassburg.  Der  ausserordentliche  Prof.  Dr.  Hoch  o 
hat  einen  Ruf  als  ordentlicher  Professor  und  Diivktor  der  psychia¬ 
trischen  Klinik  nach  Freiburg,  als  Nachfolger  des  in  den  Ruhe¬ 
stand  getretenen  Prof.  E  m  m  i  n  g  h  a  u  s,  angenommen. 

Bordea  u  x.  Der  Professor  der  Physik  Di-.  Bergoni  e 
wurde  zum  Professor  der  biologischen  Physik  und  medizinischen 
Elektrizitätslehre  ernannt. 

London.  Major  Ronald  Ross  wird  die  ihm  übertragene 
Stelle  am  Jenner  Institut  in  London  nicht  antreten. 

(Todesfälle.) 

Dr.  D  li  e  i  1 1  y,  früher  Professor  der  medizinischen  Pathologie 
zu  Amiens. 

Di*.  F.  Nawrotsk  y,  Professor  der  Physiologie  an  der  me¬ 
dizinischen  Fakultät  zu  Warschau. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Vei’zogen:  Augenarzt  Dr.  Karl  Hu  brich  von  Fürth  nach 
Nürnberg. 


Korrespondenz. 

An  die  Herren  Fabrik- Vertrauensärzte! 

Für  eine  Studie:  „Arzt  und  Gewerbeaufsicht“  möchte  ich  gern 
die  Erfahrungen  derjenigen  Herren  Kollegen  verwerten,  welchen 
auf  Grund  gesetzlicher  Vorschiift  die  einmalige  bezw.  periodische 
Untersuchxxng  der  Arbeiter  in  Bleifarben-  und  Bleizuckerfabriken, 
Quecksilberspiegelbelegen  ,  Phosphoiztindlxolzfabriken  ,  Anlagen 
zur  Herstellung  elektrischer  Akkumulatoren  aus  Blei  oder  Blei- 
verbindxmgen,  zur  Herstellxxng  von  Alkalichromaten,  in  Zink¬ 
hütten,  in  Walz-  und  Hammerwerken,  Glashütten,  Steinkohlen-, 
Zink-  und  Bleierzbergwerken  u.  dergl.  übertragen  ist. 

Ich  bitte  die  Hei*i*en  Kollegen  mir  gefälligst  umgehend  ihre 
Adresse  mitteilen  und  möglichst  alles  einschlägige  Material  zur 
Verfügung  stellen  zu  wollen. 

B  e  r  1  i  n,  den  2G.  Juni  1902. 

Prof.  Di-.  Th.  Sommerfeld, 
Wilsnack ersti-.  52. 


Herr  Pi-of.  H.  Freu  n  d  -  Strassburg  ersucht  uns  um  Auf¬ 
nahme  nachstehender  Berichti  g  u  n  g:  In  dem  in  No.  23  dieser 
Wochenschrrift  veröffentlichten  Refei*at  meines  Vortrages  „Ueber 
moderne  Prolapsopei-ationen“  hat  der  Hei-r  Referent  3  verschiedene 
Operationen  zu  einer  einzigen  zusammengefasst.  Ich  sprach  in 
Soden : 

1.  Ueber  eine  von  mir  als  Kolpocystopexie  bezeiclinete  Opera¬ 
tion,  die  im  Ablösen  der  Harnblase,  Fixieren  dei'selben  im  para- 
kolpalen  Bindegewebe  und  Verkürzen  der  Scheide  besteht. 

2.  Ueber  Modifikationen  der  W.  A.  Freund  sehen  Einnähung 
des  Fundus  uteri  in  die  Scheide. 

3.  Ueber  die  Behandlung  mächtiger  Eventrationen  durch 
Laparotomie,  Ventrofixatio  uteri  und  Ausschalten  des  Douglas  da- 
durch,  dass  die  über  das  kleine  Becken  hinübergezogene  Flexura 
sigm.  i-echts  vom  Bauchschnitt  an  das  parietale  Peritoneum  an- 
genälit  wird. 

Das  wesentliche  dieser  Angaben  findet  sich  im  Centi-albl.  für 
Gynäkol.  1901,  No.  18. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheitenfür  München 

in  der  24.  Jahreswoche  vom  8.  bis  14.  Juni  1902. 

Beteiligte  Aerzte  141.  —  Brechdurchfall  17  (11*),  Diphtherie  u. 
Kroup  5  (8),  Erysipelas  8  (7),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  (1),  Kindbettfieber  1  ( — ),  Meningitis  cerebrospin.  1 
Morbilli  22  (28),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  3  (1),  Parotitis 
epidem.  6  (5),  Pneumonia  crouposa  7  (15),  Pyämie,  Septikämie 

—  (— ),  Rheumatismus  art.  ac.  17  (25),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 
Scarlatina  7  (7),  Tussis  convulsiva  23  (35),  Typhus  abdominalis 

—  (4),  Varicellen  11  (4),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  4  (3), 

Summa  128  (151).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  24.  Jahreswoche  vom  8.  bis  14.  Juni  1902. 

Bevölkerungazahl ;  499  932. 

Todesursachen  :  Masern  1  (4*),  Scharlach  —  ( — ),  Diphtherie 
u.  Kroup  2  (2),  Rotlauf  —  (1),  Kindbettfieber  1  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  3  (3),  Brechdurchfall  3  (6),  Unterleib-Typhus  1  (2), 
Keuchhusten  1  (3),  Kroupöse  Lungenentzündung  2  (3),  Tuberkulose 
a)  der  Lunge  26  (24),  b)  der  übrigen  Organe  7  (11),  Akuter  Gelenk- 
rlieumatismus  —  (1) ,  Andere  übertragbare  Krankheiten  4  (4), 
Unglücksfälle  4  (2),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch  fremde  Hand  1  (1), 
Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  222  (210),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  22,8  (21,6)  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  14,5  (13,7). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVonvoche. 


Verlag  vou  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Münch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöohentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi.  u.  Oest.-Ungarn  vierteljährl.  6  M., 
ins  Ausland  8.—  M..  Einzelne  No.  80  -4- 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ-BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  C.  Gerhardt,  W.  v.  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H.  v.  Banke,  F.  v.  Winckel, 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Berlin.  Würzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen.  München.  München. 


No.  27.  8.  Juli  1902, 


Redaktion :  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Ans  der  medizinischen  Klinik  zn  Heidelberg. 

(Dir. :  Geh.  Rath  Prof.  Dr.  E  r  b.) 

Wi dal’ sehe  Serumreaktion  bei  Weil’ scher 

Krankheit. 

Von  Dr.  Theodor  Eckardt,  Assistenten  der  Klinik. 

Als  Weil  im  Jahre  1886  Mittheilungen  brachte  über  einige 
ihm  vorgekommene  Krankheitsfälle,  die  sein  ganz  besonderes 
Interesse  erweckt  hatten,  nnd  die  er  bis  dahin  in  ähnlicher  Weise 
nicht  beschrieben  fand,  und  als  er  dieselben  im  Deutschen 
Archiv  für  klinische  Medizin  veröffentlichte  unter  dem  Titel: 
„lieber  eine  eigenthiimliche,  mit  Milztumor,  Ikterus  und 
Nephritis  einhergehende  akute  Infektionskrankheit“,  kamen  bald, 
nachdem  einmal  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Symptomen- 
komplex  gelenkt  war,  von  verschiedenen  Seiten  bestätigende  Mit¬ 
theilungen  über  ähnliche  Beobachtungen.  Etwas  wesentlich 
Neues  hatten  sie  dem  Symptomenkomplex  nicht  hinzuzufügen, 
die  Hauptcharakteristika  dieser  neuen  nach  Weil  „W  e  i  l’sche 
Krankheit“  benannten  Krankheitsform  sind  auch  heute  noch 
akute  Erkrankung,  Fieber,  oft  mit  initialem  Schüttelfrost,  rasch 
bis  zum  verschieden  hohen  Eastigium  ansteigend,  lytischer  Ab¬ 
fall  desselben  nach  kurzdauernder  AJcme,  Leber-  und  Milz¬ 
schwellung,  Ikterus  verschiedenen  Grades,  gutartige  hämor¬ 
rhagische  Nephritis.  Daneben  besteht  in  der  Regel  starkes 
Krankheitsgefühl,  bestehen  oft  Gehirnerscheinungen  in  wech¬ 
selnder  Intensität,  meistens  auch  solche  seitens  des  Darmkanals, 
bestehen  Glieder-,  besonders  Wadenschmerzen,  öfters  Nasenbluten. 
Die  Rezidive,  die  bei  Weil  in  3,  oder  wenn  man  will  in  allen 
4  Fällen  vorkamen,  haben  sich  später  als  nicht  absolut  zum 
Krankheitsbild  gehörig  herausgestellt.  Was  die  Aetiologie  dieser 
neuen  Krankheitsform  betrifft,  so  ist  die  Frage  nach  derselben 
bis  heute  noch  nicht  sicher  gelöst.  J  ä  g  e  r  (Zeitschr.  f .  Hygiene, 
Bd.  XII)  beschuldigt  allgemein  eine  unter  dem  Namen  Proteus 
zusammengefasste  pleomorphe  Bakteriengruppe,  während  Banti 
(Deutsche  med.  Wochenschr.  1895,  No.  31)  für  einen  einzigen 
speziellen  Fall  von  Ikterus  infektiosus  levis  einen  bestimmten 
„Bacillus  icterogenes  capsulatus“  verantwortlich  macht,  der  aber 
nach  Jäger  (ebenfalls  Deutsche  med.  Wochenschr.  1895)  eben 
auch  nur  der  oben  erwähnten  Proteusgruppe  zuzurechnen  ist. 
Weitere  ätiologische  Mittheilungen  sind  mir  nicht  bekannt,  wohl 
aber  haben  mehrere  Forscher  angegeben,  dass  sie  nichts  haben 
bakteriologisch  im  Blut  nachweisen  können. 

Es  ist  nun  heute  weder  meine  Absicht,  die  Statistik  der 
W  e  i  Eschen  Krankheit  zu  vermehren,  noch  auch  in  das  Dunkel 
der  Aetiologie  derselben  klares  Lieht  bringen  zu  wollen,  ich 
möchte  vielmehr  nur  eine  Beobachtung  veröffentlichen  und  der 
Nachprüfung  empfehlen,  die  ich  bei  einem  resp.  zwei  Patienten 
mit  W  e  i  Tscher  Krankheit  zu  machen  Gelegenheit  hatte. 

Am  2.  Februar  1902  wurde  uns  in  die  Klinik  ein  22  jähriger 
Metzger  L.  M.  eingeliefert,  der  seit  6  Tagen  damals  erkrankt  war 
und  bis  dahin  in  poliklinischer  Behandlung  gestanden  hatte,  und 
dessen  poliklinische  Diagnose  lautete:  Ikterus  iufectiosus,  Weil- 
sehe  Krankheit'.  Die  Aufnahme  der  Anamnese  ergab:  Eltern  und 
.Geschwister  gesund,  Familienanamnese  ohne  Belang.  Patient 
selbst  war  eigentlich  immer  gesund,  litt  nur  in  der  Schulzeit  öfters 
au  halbseitigen,  oft  mit  Erbrechen  einhergehenden,  migräne- 

No.  27. 


artigen  Kopfschmerzen,  sowie  manchmal  an  Nasenbluten.  Sonst 
war  er  nie  ernstlich  krank.  Am  27.  Januar  1902  erkrankte  er 
plötzlich,  nachdem  er  sich  den  ganzen  Tag  nicht  recht  wohl  ge¬ 
fühlt  hatte,  am  Abend  mit  mehrfachen  Schüttelfrösten,  ausge¬ 
sprochenem  Krankheitsgefühl,  Hitze  und  Fieber.  Dabei  kein  Er¬ 
brechen,  keine  besonderen  Kopfschmerzen,  keine  lokalisirbaren 
Beschwerden,  nur  allgemeine  Prostration  und  Appetitlosigkeit.  Am 
folgenden  Tage  ebenfalls  noch  Fieber,  massig  hoch,  Krankheits¬ 
gefühl  wie  Tags  zuvor,  andauernde  Appetitlosigkeit,  Stuhlver¬ 
haltung,  starke  Wadenselnnerzen.  Patient  hatte  nun  unter  gleich- 
bleibenden  Allgemeinerscheinungen,  aber  zurückgehendem  Fieber 
3  Tage  Stuhlverhaltung,  von  da  an  regelmässigen,  zunächst  normal 
aussehenden  Stuhl,  der  aber  vom  4.  Krankheitstage  an  anfing, 
heller  zu  werden,  am  gleichen  Tage  fiel  ihm  auch  eine  dunklere 
Färbung  des  Urins  auf,  während  er  eine  beginnende  Gelbfärbung 
der  Haut  erst  noch  einen  Tag  später  an  sich  bemerkte.  Die 
letzten  2  Tage  zuvor  habe  ein  leichter  schmerzhafter  Druck  iu  der 
Lebergegend  bestanden.  Da  vom  4.  Krankbeitstage  an  öfters 
starkes  Nasenbluten  auftrat,  besonders  des  Nachts,  so  dass  Pat. 
plötzlich  in  Folge  dessen  erwachte  und  dann  auch  anscheinend 
verschlucktes  Blut  erbrechen  musste,  der  übrige  Gesammteindruck 
der  Krankheit  andauernd  ziemlich  schwer  erschien,  so  wurde 
Patient  am  7.  Krankheitstage  uns  in  die  Klinik  überwiesen.  Poli¬ 
klinisch  war  schon  am  4.  Krankheitstage  akute  hämorrhagische 
Nephritis  festgestellt  worden.  Als  Grund  seiner  Krankheit  machte 
Pat.  ausser  der  zugegebenen  Möglichkeit  von  Erkältungsschädlich- 
keiten  die  Angabe,  dass  sein  jetziger  Stubenkollege  erst  wenige 
Tage  bei  ihm  sei,  nachdem  er  kurz  zuvor  eine  ähnliche,  ebenfalls 
mit  Gelbsucht  und  Fieber  verlaufene  Krankheit  überstanden  ge¬ 
habt  hätte.  Auf  meine  Anfrage  bei  dem  behandelnden  Kollegen 
von  der  Poliklinik  erfuhr  ich,  dass  der  erwähnte  Zimmergenosse 
unseres  jetzigen  Patienten  von  Mitte  Dezember  1901  bis  gegen 
Ende  Januar  1902  an  einer  in  allen  Erscheinungen  identischen 
und  in  ganz  analoger  Weise  verlaufenen,  ebenfalls  als  Weil- 
sche  Krankheit  gedeuteten  Erkrankung  poliklinisch  behandelt 
worden  war  und  seit  Ende  Januar  hei  noch  leichtestem  Ikterus 
und  geringer  Albuminurie,  aber  sonstigem  Wohlbefinden  die  Ar¬ 
beit  wieder  aufgenommen  habe.  Unser  Patient  gab  speziell  an, 
nie  unmässig  gelebt  zu  haben,  weder  im  Essen  noch  im  Trinkeu, 
kein  rohes  oder  verdorbenes  Fleisch  genossen,  keinen  Abusus  iu 
Tabak  getrieben  zu  haben.  Auch  war  er  nie  geschlechtlich  in- 
fizirt. 

Der  aufgenommene  Status  ergab  nun  Folgendes:  Mittel¬ 
grosser,  normal  gebauter  Mann  in  herabgekonnnenem  Ernährungs¬ 
zustand.  Gesichtsausdruck  leidend,  Gesichtszüge  etwas  verzerrt. 
Augen  tiefliegend,  Sklerae  ikterisch.  Farbe  der  Haut  und  der 
Mundschleimhaut  ebenfalls  deutlich  gelb.  Patient  klagt  über  hef¬ 
tige  Wadensehmerzen,  die  ihn  zeitweise  zu  lautem  Jammern  ver¬ 
anlassen,  ist  indessen  vollständig  bei  Besinnung,  macht  aber  im 
Ganzen  einen  verfallenen,  schwerkranken  Eindruck.  Die  Zunge 
ist  trocken,  stark  belegt,  auch  die  Rachenschleimhaut  trocken  und 
glänzend,  dabei  etwas  injizirt,  an  hinterer  Rachenwand  befinden 
sich  kurze  Streifen  angetrockneten  Blutes.  Die  Lymphdrüseu 
bieten  nichts  Besonderes  dar.  Der  Thorax  ist  normal  gebaut,  im 
Ganzen  gut  gewölbt,  nur  die  Oberschlüsselbeingruben  sind  leicht 
eingesunken.  Seine  Ausdehnung  ist  symmetrisch.  Die  Lungen 
geben  perkutorisch  und  auskultatorisch  normale  Verhältnisse.  Die 
Herzgrenzen  reichen  von  der  III. — VI.  Rippe,  vom  linken  Steinal- 
rand  bis  zur  linkeu  Mammillarlinie.  Der  Spitzenstoss  befindet  sieh 
im  V.  Interkostalraum  in  der  Mammillarlinie.  Die  Herztöne  sind 
rein,  die  Herzaktion  regelmässig.  Der  Puls  ist  mittelkräftig, 
regelmässig,  ohne  besonderen  Charakter.  Die  Pulszahl  72  pro 
Minute.  Das  Abdomen  ist  etwas  flach,  sonst  gut  gefüllt,  gibt 
überall  normalen  Schall.  In  der  Lebergegend  besteht  eine 
geringe  Druckempfindlichkeit,  sonst  im  Abdomen  keine  auffallende 
Schmerzhaftigkeit,  vor  Allem  kein  Ileocökalschmerz.  Wohl  aber 
lässt  sich  etwas  Ileocökalgurren  erzeugen.  Auf  der  BauchhauL 
zeiprt  sich  nichts  Besonderes.  Itie  Leber  ist  etwas  vergiösseit, 
sie  überschreitet  den  Rippenbogen  nach  unten  in  der  Mammillar¬ 
linie  ihr  Rand  ist  palpabel,  die  ganze  Leber  ist  eine  Spur  druck- 

I 


MUENCHENEE  MEDlClNISClIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21 


1130 


empfindlich.  Iu  der  Gallenblasengegend  ist  nichts  Sicheres  zu 
fühlen.  Der  Magen  lässt  perkutorisch  und  palpatorisch  nichts 
Abnormes  oder  Auffälliges  erkennen.  Die  Milz  ist  erheblich  ver- 
grössert,  ihr  vorderer  Rand  schneidet  mit  dem  Rippenrand  ab, 
sie  ist  deutlich  palpabel.  Messung  der  Milzdämpfung  ergibt  lti  cm 
Länge  bei  10  cm  Breite.  Die  Extremitäten  sind  frei  von  Oedemen, 
auffallend  nur  die  Druckempfindlichkeit  der  Waden.  Was  das 
Nervensystem  betrifft,  so  ist,  wie  erwähnt,  das  Sensorium  frei, 
die  Pupillen  sind  gleich  weit  und  reagiren,  Motilität,  Sensibilität 
und  Reflexe  sind  normal,  nur  die  Sehnenreflexe  etwas  schwach. 
Die  Körpertemperatur  ist  normal.  Der  Urin  ist  dunkel,  sauer, 
hat  ein  spezifisches  Gewicht  von  1010,  enthält  Albuinen  und 
Gallenfarbstoff,  keinen  Zucker.  Mikroskopisch  finden  sich  Leukocy  teil 
und  Erythrocyten  in  massiger  Zahl,  Fettkörnchenzellen,  hyaline, 
Leukocyten-  und granulirte  Zylinder,  etwas  Detritus.  Alles  leicht  gallig 
gefärbt.  —  Dies  war  der  bei  der  Aufnahme  erhobene  Befund  und 
fassen  wir  denselben  nochmals  kurz  zusammen,  so  finden  wir  bei 
einem  einen  schwerkranken  Eindruck  machenden  Patienten  Ik¬ 
terus,  leichten  Lebertumor,  Milztumor,  hämorrhagische  Nephritis, 
etwas  Cökalgurren,  stark  druckempfindliche  Waden,  stark  belegte 
Zunge,  trockenen,  mit  angetrocknetem  Blute  besetzten  Rachen, 
normale  Temperatur,  normalen  Puls,  normalen  Herz-  und  Lungen¬ 
befund.  Dabei  hören  wir  aber  aus  der  Krankheitsgeschichte,  dass 
Patient  akut  erkrankt  war  mit  initialem  Schüttelfrost  und  Fieber, 
dass  das  Fieber  nach  kurzdauernder  Akme  lytisch  abflel,  dass 
Patient  von  vornherein  einen  schwerkranken  Eindruck  machte 
und  dass  im  Verlaufe  der  Krankheit  öfters  Nasenbluten  vorhanden 
war.  Will  man  den  Krankheitsfall  unter  eine  der  bekannten 
Krankheitsformen  rubriziren,  so  passt  er  eigentlich  nur  in  die 
Rubrik  des  Ikterus  infectiosus,  der  W  e  i  l'schen  Krankheit,  und 
dieser  haben  wir  den  Fall  auch  zurechnen  zu  müssen  geglaubt. 
Dabei  war  es  interessant,  zu  erfahren,  dass  unser  Patient  wenige 
Tage  vor  Beginn  seiner  Erkrankung  einen  neuen  Stubengenossen 
erhalten  hatte,  der  eben  erst  aus  ärztlicher  (poliklinischer)  Be¬ 
handlung  entlassen  war  und  dessen  Diagnose  ebenfalls  gelautet 
hatte:  Ikterus  infectiosus  (W  e  i  l’sche  Krankheit). 

Aus  dem  weiteren  Verlaufe  unseres  Falles  ist  nun  nichts  Be¬ 
sonderes  mehr  erwähnenswerth,  Patient  fühlte  sich  subjektiv 
schon  am  zweiten  Tage  bei  uns  viel  besser,  machte  jedoch  eine 
längerdauernde,  aber  ungestörte  Rekonvaleszenz  durch.  Der  Milz¬ 
tumor  nahm  nur  langsam  ab,  um  erst  Mitte  Februar  normal  zu 
werden  und  von  da  an  normal  zu  bleiben,  der  Ikterus  überdauerte 
denselben  noch  um  einige  Tage,  bevor  er  deutlich  anfing  abzu¬ 
nehmen,  er  verschwand  erst  Anfang  März  und  die  Nephritis  be¬ 
stand,  allerdings  in  geringem  Grade,  fast  die  ganze  Zeit  seines 
Spitalaufenthaltes  hindurch.  Erst  zur  Zeit  der  Entlassung  ver¬ 
schwanden  schliesslich  auch  Zylinder  und  zellige  Elemente  aus 
dem  Urin,  nachdem  schon  eine  Woche  zuvor  kein  Eiweiss  mehr 
nachzuweisen  gewesen  war.  Der  Stuhl  war  in  den  ersten  Tagen 
bei  uns  bei  unserem  Patienten  leicht  diarrhoisch,  sowie  entspre¬ 
chend  dem  Verhalten  des  Ikterus  mehr  oder  weniger  entfärbt, 
dann  wurde  derselbe  fester  (nach  4  Tagen),  von  da  an  aber  bald 
ziemlich  regelmässig,  um  späterhin  bei  Verabreichung  von  Karls¬ 
bader  Salz  wieder  etwas  Neigung  zu  dünnerer  Beschaffenheit  zu 
zeigen.  Der  Grad  seiner  Färbung  entsprach  dabei  immer  ziem¬ 
lich  genau  dem  Verhalten  der  Gelbsucht..  Der  Puls  war  immer 
langsam  und  regelmässig,  ging  mit  dem  Grade  des  Ikterus  vorüber¬ 
gehend  bis  auf  48  herunter  und  hob  sich  mit  dem  Nachlass  des¬ 
selben  wieder  bis  auf  die  normale  Zahl.  Späterhin,  als  Patient 
anfing,  aufzustehen,  stieg  die  Pulsfrequenz  auf  90  und  9G  Schläge 
in  der  Minute.  Von  Dikrotie  habe  ich  nichts  notirt.  Fieber -«be¬ 
stand,  abgesehen  von  leichten  Steigerungen  bis  37,3  in  den  ersten 
Tagen,  die  ganze  Zeit  hindurch  nicht,  vor  Allem  kam  kein  Rezidiv 
vor.  lleocökalgurren  konnte  noch  öfters  etwas  hervorgerufen 
werden.  Das  Körpergewicht  hob  sich,  nachdem  es  bis  Mitte  Fe¬ 
bruar  kontinuirlich  gesunken  war,  von  da  an  rasch  und  konstant 
und  Patient  verliess  das  Spital  mit  2 y2  Pfund  Mehrgewicht  als 
bei  der  Aufnahme.  Im  Ganzen  machte  er  aber  doch  damals  noch 
einen  recht  mitgenommenen  Eindruck,  er  hatte  sich  von  der  über¬ 
standenen  Krankheit  trotz  Gewichtszunahme  nicht  sonderlich  er¬ 
holt,  wobei  allerdings  berücksichtigt  werden  muss,  dass  sein  Auf¬ 
nahmegewicht  jedenfalls  schon  beträchtlich  unter  dem  Werthe 
seines  Normalgewichtes  gelegen  haben  wird.  Unsere  Therapie 
iiatte,  nachdem  wir  bei  der  Aufnahme  wegen  des  verfallenen  Aus¬ 
sehens  des  Patienten  eine  Kochsalzinfusion  gemacht  hatten,  die 
dem  Patienten  sehr  gut  bekam,  vornehmlich  bestanden  in  Pflege 
und  Diät,  innerlich  gaben  wir  Phosphorsäure  und  späterhin  Karls¬ 
bader  Salz,  zuletzt  auch  einige  Kaltwasserklystiere.  Am  8.  März 
1902  verliess  Patient  das  Krankenhaus,  objektiv  gesund,  aber,  wie 
gesagt,  nicht  allzu  kräftig,  er  wollte  sich  zu  Hause  noch  weiter¬ 
hin  etwas  erholen. 

Was  nun  den  Fall  bemerkenswert!!  macht  und  wesswegen  ich 
ihn  veröffentliche,  ist  Folgendes:  Auf  Veranlassung  meines 
Chefs,  Herrn  Geh.  Rath  E  r  b,  machte  ich  am  4.  Tage  seines 
Spitalaufenthaltes,  am  10.  Tage  seiner  Krankheit,  bei  dem  Pa¬ 
tienten  die  W  i  d  a  l’sche  Serumprobe,  und  siehe,  sie  fiel  positiv 
aus,  sie  war  sogar  so  stark  positiv,  wie  man  sie  nicht  immer  bei 
Typhus  abdominalis  findet.  Die  Verdünnungen  1:10,  1:50  und 
1:100  waren  schon  nach  14  Stunde  agglutinirt,  die  Verdünnung 


1 : 1000  zeigte  nach  2  Stunden  ausgedehnte  Agglutination.  Dies 
war  natürlich  sehr  auffallend;  ich  wiederholte  daher  2  Tage 
später  nochmals  die  W  i  d  a  l’sche  Serumreaktion  auch  diesmal 
mit  dem  gleichen  positiven  Effekt,  wie  das  erste  Mal.  Da  meines 
Wissens  bei  W  e  i  l’scher  Krankheit  eine  W  i  d  a  l’sche  Probe  bis 
jetzt  noch  nicht  gemacht,  resp.  deren  Resultat  noch  nicht  ver¬ 
öffentlicht  war,  beschloss  ich,  diese  Beobachtung  weiter  zu  ver¬ 
folgen,  und  Dank  dem  Entgegenkommen  meines  poliklinischen 
Kollegen  Dr.  Rockenbach  konnte  ich  einige  Tage  später 
von  F.  K.,  dem  Stuben-  und  Arbeitskollegen  unseres  Patienten, 
der  ja  kurz  zuvor  unter  poliklinischer  Behandlung  eine  gleiche 
akute,  als  W  e  i  l’sche  gedeutete  Krankheit  überstanden  hatte, 
ebenfalls  Blut  entnehmen  zur  Vornahme  der  Reaktion  bei  ihm. 
Auch  bei  ihm  fiel  dieselbe  positiv  aus,  wenn  auch  nicht  ganz  so 
stark  wie  bei  unserem  Patienten,  sie  erstreckte  sich  aber  doch 
auch  bis  zur  Verdünnung  1:1000.  Die  Verdünnung  1:10  war 
sofort,  1:50  nach  %  Stunden,  1:100  nach  1  Vz  Stunden  voll¬ 
kommen  agglutinirt,  die  Verdünnung  1:1000  theilweise  nach 
2  Stunden,  jedenfalls  die  Reaktion  entschieden  als  positiv  zu 
bezeichnen.  Dass  in  der  gleichen  Zeitdauer  meine  Typhus¬ 
bouillonkultur  allein  im  hängenden  Tropfen  keine  Veränderungen 
aufwies,  brauche  ich  wohl  nicht  hinzuzufügen. 

Wir  hatten  also  jetzt  bei  2  Patienten  mit  W  e  i  l’scher  Krank¬ 
heit,  von  denen  der  eine  mit  Ikterus,  leichter  Leberschwellung, 
Milztumor  und  hämorrhagischer  Nephritis  noch  bei  uns  lag,  der 
andere  zur  Zeit  vollkommen  geheilt  und  arbeitsfähig  war,  speziell 
auch  nicht  das  Geringste  mehr  von  Ikterus  darbot,  eine  stark 
positive  Reaktion  des  Blutserums  auf  Typhusbazillen  erhalten. 
Ohne  natürlich  daraus  einen  Schluss  zu  ziehen,  kam  mir  doch 
der  Gedanke,  ob  bei  diesem  augenfälligen  Befunde  nicht  am  Ende 
je  ein  Fall  von  Abortivtyphus  vorliege,  und  dann,  ob  vielleicht 
die  Komplikation  mit  Ikterus  ganz  im  Beginn  von  einem  gewissen 
Einfluss  auf  die  Abkürzung  dieser  Fälle  gewesen  sein  könnte. 
Ikterus  ist  eine  sehr  seltene  Komplikation  des  Ileotyphus; 
Lieber  m  eiste  r  erwähnt  in  seiner  Arbeit  über  Abdominal¬ 
typhus  (Ziemssen’s  Handbuch  der  spez.  Pathol.  u.  Therap., 
Bd.  II,  1),  dass  unter  1420  Fällen  des  Baseler  Spitals  nur  26  mal 
Ikterus  notirt  sei  und  dass  auch  Griesinger  unter  600  Er¬ 
krankungen  nur  10  mal  Ikteius  beobachtet  habe,  und  Oursch- 
m  a  n  n  bestätigt  in  seiner  neuesten  Arbeit  über  den  gleichen 
Gegenstand  (Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Tlierap.,  Bd.  III,  1) 
diese  Angaben,  wobei  er  in  diesen  seltenen  Fällen  von  Typhus 
mit  Ikterus  besonders  die  Cholelithiasis  als  ätiologisches  Moment 
des  letzteren  verantwortlich  machen  zu  dürfen  glaubt.  Grie¬ 
singer  selbst  hatte  in  seinem  Werke  „Infektionskrankheiten“ 
(Virchow’s  Handbuch  der  spez.  Pathol.  u.  Therap.,  Bd.  II,  2, 
1.  Aufl.)  bei  Abtheilung  Typhus  auf  S.  150  geschrieben :  „Ikterus 
ist  im  Ileotyphus  sehr  selten;  wenn  er  vorkommt,  scheint  er 
immer  katarrhalischer  Natur  zu  sein  —  es  fehlt  ganz  an  ana¬ 
tomischen  Untersuchungen,  selbst  an  genauen  Angaben  über  die 
Beschaffenheit  der  Stühle  —  und  findet  sich  vorzüglich  im  Be¬ 
ginn  der  Krankheit  neben  ungewöhnlich  starken  gastrischen 
Störungen.  Es  kommen  Epidemien  vor,  wo  diese  Komplikation 
häufiger  auftritt,  und  derlei  Epidemien  scheinen  früher  noch 
öfter  beobachtet  worden  zu  sein;  denn  manche  der  Seuchen 
„biliöser  Fieber“  mit  Ikterus,  denen  man  beim  Studium  der 
älteren  Epidemien  begegnet,  sind  offenbar  Ileotyphus  gewesen. 
Zur  Vermeidung  bedeutender  diagnostischer  Irrthümer  genügt 
es,  dass  man  die  Möglichkeit  dieser  Komplikation  beim  Typhus 
kennt ;  auf  die  Prognose  scheint  sie  keinen  besonderen  Einfluss 
zu  haben.“  In  der  zweiten  Auflage  seines  Werkes  erweitert 
Griesinger  obige  Ausführung,  er  erwähnt  auch  andere 
Ikterusformen,  darunter  in  der  zweiten  Periode  des  Typhus  sogar 
solche  mit  oft  tödtlichem  Ausgang  bei  grosser  Prostration, 
schweren  Nervenerscheinungen,  akuter  Nephritis  und  Ekchy- 
mosen.  Fiedler  endlich  (Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  1887/88, 
Bd.  42,  S.  287)  führt,  wenn  er  auch  das  Vorkommen  von  Ikterus 
bei  Abdominaltyphus  nicht  für  unerhört  selten  hält,  doch  den 
nie  fehlenden  Ikterus  bei  W  e  i  l’scher  Krankheit  u.  a.  direkt  als 
ein  gegen  die  Deutung  dieser  Krankheit  als  Abortivtyphus 
sprechendes  Moment  an.  Wenn  also  Ikterus  im  Verlaufe  eines 
Abdominaltyphus  einerseits  sehr  selten  zu  sein  scheint,  so  hat  er 
augenscheinlich  andererseits  auch  in  der  Regel  keinen  besonderen 
Einfluss  auf  den  weiteren  Verlauf  dieser  Fälle  ausgeübt,  wenig¬ 
stens  finden  sich  darüber  keine  beweisenden  Angaben.  Trotzdem 


1131 


8.  Juli  1902.  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


möchte  ich  heute  versuchen,  darzuthun,  dass  eine  Beeinflussung 
eines  eben  beginnenden  Typhus  durch  einen  gleichzeitig  ein¬ 
setzenden  Ikterus  als  möglich  denkbar  wäre,  jedenfalls  eine  solche 
nicht  kurzer  Hand  zurückgewiesen  werden  kann.  Schon  im  Jahre 
1897  hat  Grünbaum  in  seiner  Arbeit  „Heber  den  Gebrauch 
der  agglutinirenden  Wirkung  von  menschlichem  Serum  für  die 
Diagnose  des  Abdominaltyphus“  (Münch,  med.  Wochensclir.  1897) 
erwähnt,  dass  das  Blutserum  bei  Gelbsucht  eine  auffallend 
intensive  agglutinirende  Wirkung  auf  Typhusbazillen  habe,  und 
eigene  Untersuchungen  haben  mir  diese  Thatsaclie  voll  und  ganz 
bestätigt.  Während  Grünbaum  aber  nur  in  bis  16  facher 
Verdünnung  positive  Resultate  bei  allen  darauf  untersuchten 
Fällen  bekam,  bekam  ich  bei  meinen  bis  jetzt  auf  Zahl  8  ge¬ 
stiegenen  Untersuchungen  höhere  Agglutinationswerthe,  meist 
einen  positiven  Ausfall  noch  in  einer  Verdünnung  1:100  bei 
einer  Zeitdauer  des  Versuchs  von  Vz — 2  Stunden.  In  einem  Falle 
war  die  Reaktion  sogar  schwach  positiv  nach  dieser  Zeit  bei  Ver¬ 
dünnung  1 : 1000,  und  nur  ein  Fäll  gab  mir  eine  nur  schwach 
positive  Wirkung  bei  zweistündiger  Versuchsdauer  in  blosser 
Verdünnung  1:  50.  Letzterer  Versuch  war  bei  einem  karzinoma- 
tösen  Ikterischen  (durch  Operation  bestätigt)  unternommen,  der 
in  seinem  Ernährungszustände  herabgekommen  war,  die  übrigen 
Untersuchungen  erstreckten  sich  grösstentheils  auf  Ikterus  in 
Folge  Cholelithiasis ;  nur  1  Fall  von  Ikterus  catarrhalis  stand 
mir  zur  Verfügung.  In  keinem  einzigen  dieser  Fälle  konnte 
anamnestisch  etwas,  was  für  früher  überstandenen  Typhus  ge¬ 
sprochen  hätte,  herausgebracht  werden.  Nach  völlig  ab¬ 
gelaufenem  Ikterus  Untersuchungen  vorzunehmen,  war  mir  bis 
heute,  ausgenommen  unsere  beiden  Fälle,  mit  W  e  i  l’scher 
Krankheit,  worauf  ich  zurückkommen  werde,  nicht  möglich,  die 
obigen  Patienten  zeigten  beim  Verlassen  des  Krankenhauses 
noch  immer  leichten  Ikterus  oder  befinden  sich  zur  Zeit  noch  bei 
uns.  Diese  Untersuchungen  wären  also  noch  nachzuholen ;  soviel 
ist  mir  aber  doch  aufgefallen,  dass  in  den  stärksten  und 
frischesten  Fällen  von  Ikterus  bei  gutem  Allgemeinzustand  das 
Blutserum  die  grösste  agglutinirende  Eigenschaft  zeigte.  Wo¬ 
rauf  die  verschiedengradige  Agglutinationsfähigkeit  des  ikte¬ 
rischen  Blutes  beruht,  ist  mir  jetzt  allerdings  nicht  klar,  dazu 
bedarf  es  weiterer  Untersuchungen,  die  Verhältnisse  liegen  dabei 
nicht  so  einfach.  Weder  Leichengalle,  noch  Galle  aus  einer 
Gallenblasenfistel  übten  einen  nennenswerthen  Einfluss  auf 
Typhusbazillen  aus,  dieselben  waren  nach  2  Stunden  noch  ebenso 
mobil  wie  zu  Anfang;  aber  doch  beweist  dies  noch  nichts  gegen 
die  Annahme  einer  Wirkung  der  ikterischen  Eigenschaft  dieser 
Blutsera,  denn  der  Uebertritt  von  Galle  in’s  Blut  ist  ja  sicher 
Anlass  zu  Spaltungen,  neuen  Bindungen  und  Verbindungen 
zwischen  beiden,  ja  könnte  ganz  gut  auch  Veranlassung  werden 
zur  Bildung  von  Schutzstoffen.  Ganz  interessant  ist  jedenfalls 
der  oben  erwähnte  Fall  einer  wegen  Gallensteinen  operirten  Pa¬ 
tientin  mit  einer  Gallenblasenfistel,  bei  welcher,  während  die  reine 
Galle  aus  ihrer  Fistel  nicht  agglutinirte,  doch  das  Serum,  obwohl 
die  Patientin  ihres  Wissens  nie  einen  Typhus  durchgemacht 
hatte,  noch  in  Verdünnung  1:100  einen  entschieden  als  positiv 
zu  bezeichnenden  agglutinirenden  Einfluss  auf  Typhusbazillen 
ausübte.  Anerkennt  man  aber,  dass  das  Blutserum  bei  Ikterischen 
eine  mehr  oder  weniger  agglutinirende  Eigenschaft  auf  Typhus¬ 
bazillen  annimmt,  so  ist  es  kein  grosser  Schritt  weiter,  auch  die 
Vermuthung  zuzulassen,  dass  diese  agglutinirende  Eigenschaft 
auch  im  menschlichen  Organismus  vor  sich  gehe,  dass  also  nun 
auch  in  die  Blutbahn  hineingelangende  oder  soeben  eingedrungene 
Typhusbazillen  agglutinirt  und  abgetödtet  werden  und  dass  auch 
eine  von  solchem  Blute  durchflossene  Darmschleimhaut  wohl 
weniger  Tendenz  habe,  zu  erkranken.  Und  wenn  auch  der  Ikterus 
erst  am  3.  oder  4.  Tage  der  Erkrankung  deutlich  in  Erscheinung 
tritt,  was  ja  für  unsere  Patienten  und  die  meisten  Fälle  Weil- 
scher  Krankheit  zutrifft,  so  ist  es  wohl  nicht  zu  kühn,  daraus  die 
Annahme  herzuleiten,  dass  er  schon  beim  Einsetzen  der  ersten 
Krankheitserscheinungen  begonnen  habe,  sich  zn  entwickeln, 
dass  also  sehr  wohl  vom  ersten  Krankheitstage  an  schon  eine 
Einwirkung  des  Blutserums  auf  eventuelle  Typhusbazillen  in 
obigem  Sinne  möglich  gewesen  sei.  In  weitere  theoretische  Spe¬ 
kulationen  mich  einzulassen,  muss  ich  mir  versagen.  Wohin 
obige  Ausführungen  zielen,  ist  wohl  klar;  es  handelt  sich  um 
die  Deutung  unserer  beiden  als  W  e  i  l’sche  Krankheit  ange¬ 
sehenen  Fälle  angesichts  der  auffallenden  Agglutinationsfähig¬ 


keit  ihres  Blutserums.  Dass  bei  einer  Auffassung  derselben  als 
Abortivtyphen  mit  Ikterus  und  Nephritis  vor  Allem  der  Ikterus 
keine  Erklärung  gefunden  hätte,  sondern  dass  für  diesen  andere 
Gründe  gesucht  werden  müssten,  wie  etwa  bestimmte  Lokalisation 
der  Krankheitserreger,  Mischinfektion,  Aufnahme  toxischer  Pro¬ 
dukte  etc.,  verhehle  ich  mir  nicht,  ebenso  wenig  dass  man  ein¬ 
wenden  könnte,  die  Frage  eines  Typhus  abdominalis  brauche  ja 
überhaupt  nicht  herangezogen  zu  werden,  wenn  nicht  sonst  vieles 
Andere  an  einen  solchen  denken  lasse,  indem  doch  der  Umstand, 
dass  das  Blutserum  bei  Ikterischen  einen  agglutinirenden  Ein¬ 
fluss  auf  Typhusbazillen  annehme,  wenn  er  allgemein  zutreffen 
sollte,  allgemein  genügen  könne  zur  Erklärung  obiger  Beob¬ 
achtung.  Aber  einmal  habe  ich  bis  jetzt  keine  so  starke  Agglu¬ 
tination  bei  einfach  Ikterischen  beobachtet  wie  in  den  beiden 
Fällen  W  e  i  l’scher  Krankheit,  wo  doch  der  Versuch  noch  deutlich 
positiv  ausfiel  bei  der  Verdünnung  1:1000,  und  dann  ferner 
hatte  ja  der  zweite  Patient  bei  der  Vornahme  der  Serumprobe 
gar  keinen  Ikterus  mehr.  Auch  bei  unserem  Kranken,  kann  ich 
gleich  hinzufügen,  behielt  das  Blutserum  seine  agglutinirende 
Eigenschaft,  selbst  nachdem  der  Ikterus  schon  abgelaufen  war, 
denn  eine  am  Tage  der  Entlassung  des  Patienten  veranstaltete 
diesbezügliche  Untersuchung  wurde  ebenso  positiv  wie  die  beiden 
ersten  Male.  Und  diese  letztere  Thatsaclie,  dass  bei  beiden 
Kranken  die  agglutinirende  Eigenschaft  des  Blutserums  den 
Ikterus  überdauerte,  ist  doch  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Mo¬ 
ment,  sie  weist  uns  für  unsere  beiden,  klinisch  als  W  e  i  l’sche 
Krankheit  imponirenden  Fälle  doch  sehr  auf  Typhen  hin.  Wie 
sich  in  dieser  Beziehung  weitere  Fälle  W  e  i  l’scher  Krankheit 
verhalten,  muss  die  Zukunft  entscheiden;  ich  möchte  nun  nur 
noch  kurz  die  Frage  berühren,  ob  bei  unserem  Patienten  und 
überhaupt  im  Bilde  der  W  e  i  l’schen  Krankheit  Züge  des  Ab¬ 
dominaltyphus  Vorkommen.  Diese  beiden  Fragen  lassen  sich  zu¬ 
sammen  und  kurz  beantworten  und  doch  wohl  nur  in  bejahendem 
Sinne.  Schon  Weil  hat  in  seiner  Originalmittheilung  1886 
(1.  c.  S.  231)  ausgesprochen,  dass  es  sehr  wohl  möglich  sei,  dass 
es  sich  in  seinen  Fällen  um  Abdominaltyphus  mit  Ikterus  und 
Nephritis  gehandelt  haben  könne  und  dass  ebenso  wenig  bewiesen 
wie  widerlegt  werden  könne,  dass  keine  Abortivtyphen  vor¬ 
lägen.  Fiedler  hat  im  folgenden  J ahre  (1.  c.  S.  287)  unter 
voller  Anerkennung,  dass  es  sich  nur  entweder  um  einen  Morbus 
sui  generis  oder  eine  besondere  Art  von  Typhus  abdominalis  ab- 
ortivus  handeln  könne,  diesen  Gegenbeweis,  dass  die  W  e  i  l’sche 
Krankheit  nicht  eine  besondere  Form  von  Abortivtyphus  dar¬ 
stelle,  angetreten,  hat  ihn  auch  mit  einer  grossen  Reihe  von 
Gründen  unterstützt,  gelungen  ist  ihm  aber  der  Beweis  nicht 
und  wird  auch  nicht  gelingen,  so  lange  nicht  das  sichere  ätio¬ 
logische  Moment  für  die  W  e  i  l’sche  Krankheit  selbst  unzweifel¬ 
haft  aufgefunden  ist.  Entkräften  kann  man  F  i  e  d  1  e  r’s  Gründe 
nicht,  aber  er  hat  auch  die  Punkte,  die  Weil  für  die  Möglich¬ 
keit  des  Vorliegens  von  Abortivtyphen  anführt,  durchaus  nicht 
widerlegt,  und  diese  letzteren  Punkte  lassen  sich  noch  um  einige 
vermehren.  Sehr  wohl  könnte  der  akute  Beginn  und  die  Art 
des  Ablaufs,  der  ganze  schwere  Gesammteindru^k,  die  Trocken¬ 
heit  der  Schleimhäute,  der  oft  staffelförmige  Fieberabfall,  ja 
die  ganze  Temperaturkurve  einem  abortiven  Typhus  abdominalis 
entsprechen,  gar  nicht  zu  reden  von  dem  in  den  allermeisten 
Fällen  nachgewiesenen  Milztumor,  den  zerebralen,  gastrischen 
und  intestinalen  Erscheinungen,  den  Rückfällen.  Selbst  Roseola 
wurde  beobachtet.  Auch  einem  in  der  ersten  Krankheitswoche 
auftretenden  wiederholten  Nasenbluten  hat  man  früher  oft  einen 
gewissen  differentialdiagnostischen  Werth  für  Typhus  beigelegt. 
Endlich  sind  die  oft  lange  dauernde  Rekonvaleszenz,  die  nur 
langsame  Wiedergewinnung  der  Kräfte  und  die  zuweilen  bedeu¬ 
tende  Gewichtsabnahme  bei  einer  Reihe  von  Fällen  W  e  i  l’scher 
Krankheit  doch  auch  Faktoren,  denen  wir  gleich  regelmässig  nur 
bei  ausgeprägten  Fällen  von  Typhus  abdominalis  begegnen.  Nur 
der  konstant  vorhandene  Ikterus  und  die  ausgeprägte  Nephritis 
passen,  wie  gesagt,  nicht  zum  sonstigen  Bilde  des  Abortivtyphus, 
aber  warum  nicht  dafür  nach  anderen  Gründen  suchen,  wenn 
das  Uebrige  stimmen  kann.  Vielleicht  kommen  wir  so  einen 
Schritt  weiter,  nachdem  wir  sonst  heute  noch  auf  dem  gleichen 
Standpunkt  stehen,  den  schon  Weil  1886  bei  der  ersten  Ver¬ 
öffentlichung  über  diesen  Gegenstand  eingenommen  hat,  dass 
wir  nämlich  weder  beweisen  noch  widerlegen  können,  dass  keine 
Abortivtyphen  vorliegen.  Jedenfalls  ist  Typhus  abdominalis 

1* 


1 132 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


überall  da  endemisch,  wo  Fälle  W  e  i  l’scher  Krankheit  beob¬ 
achtet  wurden,  und  die  H  a  a  s’schen  Mittheilungen  (Prager  med. 
Wochensehr.  1887,  No.  39  u.  40)  von  einem  gesteigerten  Vor¬ 
kommen  von  Erkrankungen  unter  dem  W  e  i  l’schen  Symptomen- 
komplex  gleichzeitig  mit  dem  Anschwellen  einer  Typhusepidemie 
und  einer  gesteigerten  Zahl  gewöhnlicher  Abortivtyphen  sind 
doch  zu  interessant,  als  dass  sie  gänzlich  ausser  Acht  gelassen 
werden  dürften.  Auch  W  e  i  s  s  beobachtete  nach  Fiedler 
ein  kumulirtes  Auftreten.  Dass  in  den  mitgetheilten  Sektions¬ 
berichten,  von  denen  man  aber  bei  einzelnen  sehr  im  Zweifel 
sein  muss,  ob  die  zu  Grunde  liegende  Krankheit  wirklich  die  sog. 
W  e  i  fische  war,  die  charakteristischen  makroskopischen  Darm¬ 
veränderungen  des  Typhus  abdominalis  vermisst  wurden,  bildet 
keinen  strikten  Gegenbeweis  gegen  die  Möglichkeit,  dass  dennoch 
Abortivtyphen  vorliegen,  denn  dieses  Fehlen  jener  könnte 
sehr  wohl  seine  Erklärung  finden  in  dem  abortiven  Ablaufe  der 
Krankheit,  da  es  doch  keinem  Zweifel  unterliegen  kann,  dass 
ausser  der  gewöhnlichen  Reihenfolge  der  Darm  Veränderungen, 
wie  markige  Infiltration,  Verschorfung,  Geschwürsbildung  etc., 
in  den  ersten  Stadien  auch  eine  Restitutio  ad  integrum  eintreten 
kann.  Wollten  wir  auch  heranziehen,  was  Griesinger 
schreibt  über  den  Leichenbefund  beim  biliösen  Typhoid  (Vir- 
chow’s  Ilandb.  d.  spez.  Path.  u.  Ther.,  1.  Aufl.,  II.,  2.,  S.  213), 
für  dessen  Identität  mit  W  e  i  l’scher  Krankheit  Fiedler  in 
seiner  zweiten  Arbeit  über  die  letztere  (Deutsch.  Arch.  f.  klin. 
Med.  1892,  Bd.  50)  sich  ja  sehr  ausspricht,  so  konnte  dies  nur 
eine  Stütze  sein  für  obige  Ausführungen,  denn  Griesinger 
schreibt  (1.  c.  S.  215)  am  Schlüsse  resümirend  Folgendes  :  „Für 
die  pathologische  Gesammtauffassung  des  biliösen  Typhoids  ist  die 
eigenthümliche  Infiltration  der  M  a  1  p  i  g  h  fischen  Milzbläschen 
das  Wichtigste.  Mit  ihr  schliesst  sich  die  Krankheit  unmittelbar 
an  den  Ileotyphus  an,  wo  die  anatomisch-physiologisch  identi¬ 
schen  Apparate,  die  Follikel  der  Peyer’schen  Drüsen,  infil- 
trirt  werden.  Ueberhaupt  bietet  der  Prozess  auch  sonst,  in  der 
häufigen  und  starken  Miterkrankung  der  Mesenterial-  und  son¬ 
stigen  abdominalen  Lymphdrüsen  und  dem  nicht  seltenen  Vor¬ 
kommen  des  Larynxgeschwiirs  mancherlei  nahe  Analogien  mit 
dem  Ileotyphus.“ 

Ich  will  und  muss  mich  mit  diesen  Ausführungen  begnügen; 
dieselben  sollen  und  können  ja,  wie  schon  Anfangs  gesagt,  nichts 
Abschliessendes  enthalten,  ihr  Hauptzweck  soll  nur  sein,  die 
Beobachtung  einer  ganz  auffallend  stark  agglutinirenden  Wir¬ 
kung  des  Blutserums  bei  zwei  klinisch  als  W  e  i  fische  Krankheit 
imponirenden  und  ganz  im  Charakter  dieser  Erkrankung  ver¬ 
laufenden  Fällen  und  zwar  sowohl  während  ihrer  Dauer  als  auch 
nach  ihrem  Ablauf  bekannt  zu  geben,  der  Nachprüfung  und  wei¬ 
terem  Nachdenken  zu  empfehlen. 

Zum  Schluss  ist  es  mir  noch  eine  angenehme  Pflicht,  meinem 
verehrten  Lehrer  und  Chef,  Herrn  Geh. -Rath  E  r  b,  für  die  An¬ 
regung  zu  dieser  Arbeit  und  sein  Interesse  an  derselben  meinen 
verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig. 

Ueber  den  Intentionskrampf  der  Sprache,  die  sogen. 

Aphthongie.*) 

Von  Dr.  H.  Steiner t,  Assistenten  der  Klinik. 

Eine  in  ihrer  Eigenart  recht  interessante,  nicht  häufige  und 
wenig  bekannte  Sprachstörung  rechtfertig!  die  Mitteilung  fol¬ 
gender  Krankengeschichte.  Ich  schicke  die  allgemeinen  Daten 
voraus. 

Der  44  jährige  Uhrmacher  W.  K.  weiss  über  seine  Familie 
nichts  Bestimmtes  anzugeben.  Im  .Jahre  187G  hat.  ihm  ein  Unter¬ 
schenkel  Avegen  „Knoclienfrasses“  amputiert  werden  müssen.  Im 
Jahre  1901  ist  IC.  wegen  linksseitigen  Pleuraempyems  in  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  behandelt  und  durch  Heberdrainage  völlig  ge¬ 
heilt  worden.  Nach  seiner  Entlassung  im  September  hat  er  einen 
aussichtsarmen  Kampf  zur  Verbesserung  seiner  traurigen  sozialen 
Verhältnisse  führen  müssen.  W  ährend  dieser  Zeit  ist 
eine  Art  von  Stottern,  wie  er  sich  ausdrückt,  zu  m 
ersten  Male  bei  i  h  in  auf  getreten.  'Wenn  er  Ruhe 
hatte,  schwand  es,  wenn  er  zu  sorgen  hatte,  kam  es  Avieder.  Auf 
dem  Bahnhofe  hat  ihn  einmal  ein  Weinkrampf  befallen.  Weiter 
klagt  Pat.,  dass  er  gedankenschAvach  geworden  sei. 


*)  Nach  einem  am  11.  III.  1902  in  der  Medizinischen  Gesell¬ 
schaft  zu  Leipzig  gehaltenen  Vortrage. 


Vom  22.  I.  bis  14.  III.  1902  Avurde  er  wiederum  in  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  beobachtet.  Die  inneren  Organe  des  gut  ge¬ 
nährten  Kranken  sind  frei  von  envähnenswerten  Anomalien.  Da¬ 
gegen  ist  er  sehr  gedächtnisschwach,  Aveiss  Aveder  Datum  noch 
Wochentag,  schAvankt  sogar,  ob  wir  Januar  oder  Februar  schreiben. 
Er  lässt  alle  Dinge  aus  Vergesslichkeit  herumliegen,  vergisst 
kleine  Aufträge  sehr  rasch.  Seine  gemütliche  Erregbarkeit  ist 
gering,  seine  Stimmung  überschreitet  trotz  allem  Anlasse  zu 
schwerer  Sorge  kaum  die  Gleichgewichtslage.  Die  rechte  Pupille 
ist,  wie  schon  im  Vorjahre  konstatiert  wurde,  Aveiter  als  die  linke, 
die  Mimik  ist  äusserst  träge,  der  Gesichtsausdruck  stereotyp. 
Andere  Zeichen  einer  organischen  Nervenkrankheit  fehlen.  Da¬ 
gegen  bietet  Pat.  pathognomonisclie  Symptome  der  Hysterie.  Bei 
raschem,  brüsken  Druck  in  die  rechte  sog.  0\'ariegegend  und  in 
die  rechte  Inguinalbeuge  schreit  er  auf,  wirft  sich  auf  die  rechte 
Seite,  atmet  schwer,  die  Gesichts,-  Hals-  und  Brusthaut  rötet  sich, 
es  tritt  ein  mittelgrosschlägiger  Schütteltremor  aller  4  Extremi¬ 
täten  ein.  Der  Zustand  löst  sich  erst  nach  Aussetzen  des  Druckes. 
Aehnliche  Anfälle  eines  tremorartigen  klonischen  Krampfes  des 
ganzen  Körpers  traten  auch  spontan  auf.  Auch  ein  typischer 
Weinkrampf  wurde  bei  dem  Pat.  beobachtet.  Einmal  klagte  er 
über  Kältegefühl  in  der  rechten  Gesichtshälfte:  Es  fand  sich  eine 
vorübergehnde  Hypästhesie  für  feine  Berührungen  in  dieser  Haut¬ 
region.  Weitere  hysterische  Stigmata  Avaren  nicht  nachzuweisen. 

Die  Sprachstörung  nun  äusserte  sich  in 
folgender  Weise:  Wenn  der  Kranke  sprechen  wollte,  so 
Avurde  die  Ausführung  dieser  Absicht  meist  durch  den  Eintritt 
eines  eigentümlichen  Krampfes  völlig  verhindert,  nach  dessen 
Ablauf  erst  der  Sprechakt  vonstatten  ging.  Der  Kranke  ver¬ 
mochte  zuerst  nicht  einen  Laut  hervorzubringen,  ja  nicht  einmal 
die  zur  Bildung  desselben  nötigen  Bewegungen  zu  beginnen.  An 
ihre  Stelle  traten  in  regelmässigem  Zusammenspiel  bestimmte, 
völlig  andere,  selbständige,  un willkürliche  Kontraktionen,  be¬ 
sonders  in  Muskelgruppen,  die  bei  dem  Sprechakt  unmittelbar 
oder  mittelbar  beteiligt  sind.  Pat.  entblösste  die  Zähne,  leicht 
durch  Zurückziehen  der  Lippen,  zog  die  Brauen  hoch,  öffnete 
die  Augen  Aveit,  seltener  kniff  er  sie  zu,  die  Bulbi  drehte  er  nach 
einer  Seite  oder  nach  oben.  Der  Kopf  wurde  stark  gegen  die 
Brust  gebeugt,  auch  leicht  gedreht,  Avobei  die  .  Sternokleido- 
mastoidei  sich  aufs  äusserste  spannten,  die  Muskulatur  des 
Mundbodens  wurde  bretthart  und  zeigte  häufig  ein  klonisches 
Aufundniederstedgen,  Aviihrend  der  Kehlkopf  sich  ebenfalls  hob 
und  senkte.  Das  Platysma  spannte  sich  an,  der  Omohyoideus 
sprang  einigemal  in  kurzablaufenden  klonischen  Kontraktionen 
vor.  Durch  eine  Zahnlücke  des  Kranken  liess  sich  beobachten, 
wie  die  Zunge  sich  bald  drehte,  bald  an  die  Zähne  oder  den 
harten  Gaumen  presste,  bald  kräftig  ins  Innere  der  Mundhöhle 
zurückgezogen  wurde.  Der  Kranke  gab  in  der  anfallsfreien  Zeit 
an,  dass  es  ihm  oft  die  Zunge  nach  hinten  ziehe  und  dadurch 
den  Atem  versetze.  Auch  schnalzende  Laute  beAviesen  hie  und 
da  die  Beteiligung  der  Zunge  an  dem  Krampfvorgange.  Sie  liess 
sich  auch  gut  demonstrieren,  wenn  der  Pat.  bei  passiv  durchs 
Heister  sehe  Spekulum  geöffnetem  Munde  die  Sprech¬ 
in  tention  fasste.  An  der  Atembehinderung  Avährend  des  Anfalles 
war  übrigens  auch  die  Spannung  der  eigentlichen  Atemmusku¬ 
latur  beteiligt,  die  Atmung  war  während  des  Anfalles  regelmässig 
sistiert,  die  Atempause  wurde  höchstens  durch  vereinzelte  kurze 
Atemzüge  unterbrochen. 

In  besonders  schweren  Fällen  ergriff  der  Krampfzustand 
fast  die  gesamte  Körpermuskulatur,  jeder  Muskel  Avar  gespannt, 
die  Fäuste  geballt,  die  Arme  und  Beine  machten  kurze,  atypische 
Bewegungen. 

Diese'  Schilderung  versucht  zugleich  zu  zeigen,  in  welcher 
Reihenfolge  etwa  der  Krampf  die  verschiedenen  Muskelgruppen 
befiel.  Der  Grad  der  Generalisation  dieses  Krampfes  war  nun 
ebenso  wechselnd  Avie  seine  Dauer.  Breitete  er  sich  weit  aus, 
dauerte  er  eine  Minute  oder  länger,  so  explodierte  der  Kranke 
am  Ende  oft  mit  der  tadellosen  Aussprache  eines  ganzen  Satzes. 
Der  Krampf  schien  eine  geAvisse  Erschöpfbarkeit  zu  zeigen. 
Nach  schweren  und  gehäuften  Anfällen  Avurde  vielfach  eine 
längere  Weile  ohne  Beschwerde  gesprochen.  In  anderen  Fällen 
folgten  sich  leichteste,  nur  sekundenlange,  manchmal  fast  nur 
in  momentaner  I  Unterbrechung  der  Atmung  bestehende  Krampf - 
zustände  so  rasch,  dass  der  Satz,  den  der  Kranke  sprach,  in 
lauter  einzelne,  durch  ganz  kurze  Krampfpausen  getrennte 
Silben  zerhackt  Avurde.  Dann  hatte  die  Affektion  eine  entschie¬ 
dene,  wenn  auch  nur  äusserliche  Aehnlichkeit  mit  dem  Stottern. 
Dieser  zweite  Typus  konnte  durch  viele  Stunden  festgehalten 


8.  Juli  1902. 


werden.  Zwischen  den  Extremen  kamen  in  raschem  Wechsel 
alle  Uebergänge  vor. 

Die  Intention  des  Spontan-  und  des  Nachsprechens  wirkte  in 
gleicher  Weise  krampfauslösend.  Gab  man  dem  Pat.  ein  Wort 
auf,  das,  wie  „Paul“,  mit  einem  harten,  einen  energischen  Im¬ 
puls  erfordernden  Buchstaben  beginnt,  so  zeigte  sich  vielfach 
ein  ausgedehnterer  Krampf,  als  wenn  etwa  „Birne“  gesagt  werden 
sollte.  Das  Singen  fiel  dem  Kranken  nicht  leichter  als  das 
Sprechen. 

Der  charakteristische  Gesichtsausdruck  während  des 
Krampfs  ist  auf  den  beigegebenen  Momentbildern  gut  zu  er¬ 
kennen.  Links  oben  sieht  man  das  Gesicht  K.s  in  Ruhe. 


Die  wichtigsten  Züge,  die  den  Symptomen- 
komplex  dieses  Krampf  Vorgangs  als  durchajus 
eigenartig-  kennzeichnen,  sind  folgende.  Der 
Krampf  tritt  nie  spontan  auf,  er  befällt  niemals  nur  einzelne,  be¬ 
stimmte  Muskeln.  Es  handelt  sich  vielmehr  um  einen  Be¬ 
wegungsvorgang  von  typischem  Ablauf,  in  dessen  jeder  Phase 1 
zahlreiche  Muskeln  koordina torisch  Zusammenwirken.  Von  dem 
isolierten  Muskelkrampf  hebt  sich  unser  Fall  somit  scharf  ab. 

Die  Neigung  zur  Generalisation,  zum  Ergreifen  immer 
weiterer  Muskelgruppen  fügt  zu  der  schon  oben  genannten  eine 
weitere  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Mitbewegungen  begleiteten 
Stottern.  Dass  diese  nur  eine  äusserliche  bleibt,  zeigt  uns  der 
folgende,  der  charakteristischste  Zug  unserer  Krampfform. 

Es  handelt  sich  um  einen  exquisiten  Intentionskrampf. 
Wenn  der  Kranke  sprechen  will,  ehe  er  noch  in  die  Bildung  des 
ersten  Lautes  cintritt,  wird  er  von  dem  Krampfe  befallen,  der 
bald  leicht,  bald  schwer,  bald  mehr,  bald  minder  sich  ausbreitend, 
aber  doch  immer  in  derselben  Form  sich  abspielt. 

Ganz  anders  beim  Stotternden.  Bei  ihm  tritt  der  Krampf 
erst  auf,  wenn  die  Artikulation  des  Lautes  bereits  begonnen  hat, 
er  unterbricht  zeitweise  den  Artikulationsvorgang  und  verzögert 
nicht  sein  Eintreten,  sondern  seine  normale  Abwicklung.  Die 
Form  des  Krampfes  ist  wiederum  im  Gegensatz  zu  unserem  Falle 
eine  je  nach  dem  auszusprechenden  Buchstaben  wechselnde,  sic 
schliesst  sich  bekanntlich  dem  eben  ablaufenden  Lautbildungs¬ 
prozess  eng  an  und  ist  demnach  in  ihren  wesentlichen  Teilen 
eine  ganz  andere,  wenn  vielleicht  p  oder  a,  als  wenn  t  oder  w  ge¬ 
sprochen  werden. 

Nebenbei  sei  erwähnt,  dass  der  Stotternde  beim  p  weniger 
Beschwerden  zu  haben  pflegt  als  beim  b.  Unseren  Kranken 
brachte  die  Absicht,  die  zu  einem  p  nüthige  grössere  Energie  auf¬ 
zubringen,  auch  zu  stärkerem  Krämpfen. 

No.  27. 


1133 


Auch  den  Beschäftigungsneurosen  gegenüber  darf  für  den 
Intentionskrampf  wohl  eine  selbständige  Stellung  in  Anspruch 
genommen  werden. 

Der  koordinatorische  Intentionskrampf  der  Sprache  —  die 
Bezeichnung  artikulatorischer  Zungenkrampf  [Bernhardt1)] 
ist  besonders  wegen  der  Differentialdiagnose  gegen  Stottern 
missverständlich  —  ist  denn  auch  als  Symptomenkomplex  sui 
generis  in  die  Literatur  übergegangen  und  von  Eleury2)  als 
Aphthongie  bezeichnet  worden.  Was  an  Tatsachenmaterial  sich 
findet,  ist  äusserst  spärlich.  Bernhardt  (1.  c.)  hat  die  Orte 
angeführt.  Die  deutsche  Literatur,  soweit  sie  leicht  zugänglich 
ist,  enthält  ausserhalb  der  Lehrbücher  so  gut  wie  nichts.  Sie 
pflegen  die  Aphthongie  unter  den  Krämpfen  des  Ilypoglossus- 
gebiets  abzuhandeln.  Dass  diese  nicht  im  Vordergründe  des  Bildes 
zu  stehen  brauchen,  zeigt  unser  Fall.  Bei  dem  Patienten  S  a  r  - 
b  6  s  s)  hat  es  sich,  soweit  man  nach  dem  Referat  urteilen  kann, 
nicht  um  Aphthongie,  sondern  um  Stottern  mit  ausgedehnten 
Mitbewegungen  gehandelt. 

Aetiolo  gisch  hat  man  in  den  Fällen  der  Literatur  auf 
Kummer  und  Sorgen  vielfach  hingewiesen.  Bei  unserem  Kran¬ 
ken  ist  an  die  allerdings  wohl  nur  äusserlieh  empfundene  Un¬ 
ruhe  zu  erinnern,  die  ihm  seine  traurige  soziale  Lage  bereitete. 
Die  Hysterie  ist  vielleicht  nur  als  ein  der  Aphthongie  bei  geordne¬ 
tes  Leiden  anzusprechen.  Wenigstens  ist  meines  Wissens  die 
Aphthongie  bisher  als  Teilerscheinung  der  Hysterie  nicht  be¬ 
obachtet  worden.  Dass  eine  fortschreitende  geistige  Schwäche 
bei  unserem  Kranken  den  Mutterboden  für  beide  Affektionen  ab¬ 
gegeben  hat,  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  „Reflexursachen“ 
im  Bereich  des  Schlundes  liess  unser  Patient  nicht  erkennen. 

In  der  Ruhe  der  Krankenhausbehandlung  schwanden  die 
Krampferscheinungen  bis  auf  einen  geringen  Rest.  Als  mit 
der  Entlassung  die  Unbilden  des  Lebens  von  neuem  drohten, 
kehrte  der  Krampf  mit  alter  Heftigkeit  wieder.  Die  Suggestion 
kann  von  hervorragendem  Einflüsse  auf  die  Krampf erschei- 
nungen  sein.  In  einem  früher  in  der  Poliklinik  des  Herrn 
Prof.  Seeligmüller  zu  Halle  beobachteten  Falle  eines 
jungen  Landwirts J)  konnte  Verfasser  häufig  einen  frappanten, 
leider  nicht  nachhaltigen  Erfolg  einer  stabilen  Anodengalvani¬ 
sation  der  Wirbelsäule  beobachten.  Eine  organische  Wirkung 
darf  in  diesem  Falle  der  Behandlungsmethode  wohl  nicht  zu¬ 
geschrieben  werden. 


Aus  der  Klinik  des  Geh.  Ilofraths  Prof.  Dr.  Scliinzinger 
im  St.  Josefs-Krankenliause  Freiburg  i/B. 

Morphin-Scopolamin-Narkose. 

Von  Dr.  B.  Kor  ff. 

In  No.  29  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1901  machte  ich 
Mittheilungen  über  eine  ursprünglich  von  Dr.  Schneider- 
lin  in  No.  10  der  Aerztl.  Mittheil,  aus  u.  für  Baden,  31.  Mai 
1900,  angegebenen  Narkose  für  operative  Eingriffe,  die  Narkose 
mit  Morplnn-Scopolamin  hydrobrom.  Merck.  Weitere  Versuche, 
die  bei  der  ungenauen  wechselnden  Dosirung  des  vielleicht  aueli 
nicht  immer  ganz  konstanten  Präparates  anderen  Versuchern 
zweifelhafte  Resultate  ergaben,  haben  zu  einer  Diskreditirung  der 
kaum  eingeführten  Methode  geführt.  Nach  meiner  Ansicht  und 
nach  den  Resultaten,  die  wir  mit  der  Narkose  gewonnen  haben, 
mit  Unrecht.  Ich  will,  wie  schon  früher,  statt  langer  Er¬ 
wägungen  Resultate  sprechen  lassen.  Vorher  einige  Bemer¬ 
kungen.  Erwähnen  will  ich  zunächst,  dass  nach  Erkundigungen, 
die  bei  der  das  Präparat  herstellenden  Firma  Merck  eingezogen 

’)  Erkrankungen  der  peripheren  Nerven,  Bd.  II,  1897,  pag.  78 
u.  82. 

'-)  Gaz.  liebd.  1805,  No.  15.  Zit.  bei  Bernhard  t. 

*)  Demonstration  in  der  Sitzung  der  neurologischen  Sektion 
des  k.  Ungar.  Aerztevereins  in  Ofen-Pest  vom  4.  Nov.  1890.  Ref. 
Neurol.  Zentralbl.  1897,  p.  138. 

‘)  Bei  diesem  Kranken,  dessen  Vater  durch  eine  eigentümlich 
stockende  Sprache  und  Schielen  stuf  fiel,  bestand  die  Aphthongie 
seit  einer  mit  Krämpfen  verlaufenen  Krankheit  des  4.  Lebens¬ 
jahres.  Seit  dieser  Aff'ektion  war  Pat.  in  der  geistigen  Entwick¬ 
lung  zurückgeblieben.  Er  schielte,  hatte  stark  geschlängelte, 
sichtbar  pulsierende  Temporalarterien,  einen  Arcus  corneae,  wie  er 
sich  bei  Greisen  findet,  und  hypertrophische  Gaumenmandeln. 
Psychische  Erregung  erschwerte  das  Sprechen;  Vorlesen  und 
Singen  fielen  leichter  als  Spontansprechen. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


wurden,  seit  meiner  Veröffentlichung  keine  Arbeit  über  das  Sco- 
polainin  erschienen  ist,  die  der  Wirkungsweise  des  Präparates 
etwas  Neues  hinzugefügt.  Was  bisher  über  das  Scopolamin  be¬ 
kannt  wurde,  kam  wesentlich  von  Augen-  und  Irrenärzten.  Und 
doch  dürften  die  folgenden  Veröffentlichungen  dazu  drängen, 
das  Präparat  auf  seine  physiologischen  Wirkungen  und  seine 
Eigenschaften  genauer  zu  untersuchen,  da  Mancher  sich  dadurch, 
dass  unsere  Ivenntniss  über  das  Scopolamin  so  gering  ist,  ab¬ 
halten  lässt,  Versuche  damit  anzustellen.  Immerhin  ist  diese  Er¬ 
wägung  grösstentheils  hinfällig,  da  die  von  uns  angewandte 
Menge  die  von  irrenärztlicher  Seite  empfohlene  Dosis  (0,002  Sco¬ 
polamin  als  Einzeldosis  — •  Beler-Szalay)  nicht  erreicht. 
Zudem  wirken  Scopolamin  und  Morphin,  wie  früher  hervor¬ 
gehoben,  als  Antagonisten.  Die  Vorsichtsmaassregel,  zwecks 
Narkose  lieber  geringere  Dosen  anzuwenden  und,  wenn  keine 
genügende  Wirkung  eintrat,  Chloroform  weiterzugeben,  wenig 
zwar,  schätzungsweise  oft  nur  1/s  bis  1/10  der  sonst  gebrauchten 
Menge,  machte  die  Methode  auch  nicht  gerade  handlicher.  Wie 
meine  weiteren  Ausführungen  darlegen,  sind  wir  in  den  zuletzt 
operirten  Fällen  nicht  mehr  zur  Anwendung  von  Chloroform  ge¬ 
schritten,  seitdem  wir  eine  bestimmte  Grenze  der  Dosirung  ein¬ 
gehalten  haben.  Sollte  es  aber  auch  einmal  ausnahmsweise  nöthig 
werden,  Chloroform  nachzugeben,  so  hat  sich  auch  bei  den  seit 
der  letzten  Veröffentlichung  operirten  Fällen  kein  Nachtheil  für 
die  Patienten  ergeben.  Ungünstige  Resultate  sind  in  bisher 
130  Fällen  nie  auf  getreten.  Die  Nebenerscheinungen  an  den 
Augen  und  am  Gefässapparat  gingen  bald  ohne  Störungen  vor¬ 
über.  Es  zeigte  sich  bei  sonst  ruhiger  Herzaktion  eine  starke  Ge- 
fässerweiterung  im  Karotidengebiet.  Stärkere  Blutungen  und 
Erweiterungen  in  anderen  Gefässgebieten  sind,  namentlich  auch 
bei  Bauchoperationen,  nicht  aufgetreten.  Bei  Kropfoperationen 
würden  wir  es  nicht  mehr  anwenden.  Dieselben  machen  wir  ohne 
allgemeine  Narkose.  Am  wohlthuendsten  trat  das  Fehlen  aller 
Übeln  Nachwirkungen,  anderen  Narkosen  gegenüber,  hervor.  An 
Stelle  der  Malaise,  des  starken  Brechreizes,  des  Brechens  und 
Würgens,  der  Schmerzen,  eine  wohlthuende  Ruhe,  ein  oft  viele 
Stunden  ausgedehnter  tiefer  Schlaf.  Wie  oft  ist  namentlich  bei 
Operationen  an  Brust-  und  Bauchhöhle  durch  Brechen  und 
Würgen  schwere  Schädigung  entstanden  und  der  Patient  durch 
Nachblutungen,  Zerren  und  Durchschneiden  der  Suturen  ernst¬ 
lich  gefährdet  worden.  Dieser  Umstand  sollte  namentlich  auch 
die  Gynäkologen  veranlassen,  der  Narkose  näherzutreten  und  die¬ 
selbe  auf  ihren  Werth  zu  untersuchen.  Ein  Uebelstand  war  bis¬ 
her  die  ungewisse  Dosirung.  Ich  bin  nach  vielem  Probiren  zu 
einer  Anwendungsweise  und  Dosirung  übergegangen,  die  ich 
vorderhand  als  die  beste  bezeichne,  jedenfalls  als  eine  bezeichnen 
kann,  die  uns  brillante  Resultate  ergeben  hat.  4  Stunden  vor 
der  Operation  wird,  nachdem  Va  Stunde  vorher  ein  flüssiges  Früh¬ 
stück  gereicht,  eine  erste  Einspritzung  gemacht  von  0,01  Mor¬ 
phin  und  0,0012  Scopolamin;  nach  2  Stunden  eine  zweite, 
%  Stunde  vor  der  Operation  eine  dritte  Injektion  gleicher  Stärke. 
Bei  einigen  Operationen,  wie  Herniotomien  etc.,  kürzerer  Dauer 
wurde  die  erste  Injektion  2  Stunden,  die  zweite  V2  Stunde  vor 
der  Operation  gemacht.  Auf  Zurücksinken  der  Zunge  muss,  wie 
schon  früher  betont,  als  Athmungshindemiss  geachtet  werden. 
Einmal  trat  bei  sehr  heruntergekommener  Patientin  nach  der 
ersten  Injektion  Herzschwäche  auf.  2  Kamphorinjektionen  ge¬ 
nügten,  es  wurde  mit  der  zweiten  und  dritten  Injektion  wie  ge¬ 
wöhnlich  fortgefahren,  ohne  dass  weitere  bedrohliche  Erschei¬ 
nungen  auf  traten.  Der  Assistent,  der  ausschliesslich  der  Narkose 
vorsteht,  wird  frei,  ein  nicht  zu  unterschätzender  Umstand.  Ich 
lasse  nun  die  kurze  Beschreibung  der  letzten  15  Fälle  folgen, 
die  nach  dieser  Methode  ohne  Chloroform  und  Aether  operirt 
wurden.  Ein  ungünstiger  Fall  ist  uns  nicht  vorgekommen.  In 
zwei  Fällen  waren  die  Patienten  früher  wegen  anderer  Erkran¬ 
kungen  chloroformirt  worden,  beide  Patienten  hatten  schwer 
unter  der  Nachwirkung  zu  leiden  gehabt,  mehrtägiges  Uebel- 
befinden  und  Erbrechen.  Diese  sowohl  wie  alle  anderen  äusserten 
sich  höchst  günstig  über  die  Methode.  Eiweiss  oder  Zucker¬ 
ausscheidungen  sind  nach  der  Anwendung  nicht  beobachtet 
worden. 

Maria  St,  23  Jahre.  Op.  15.  X.  1901.  Hernia  inguin.  ext.  sin. 
Vor  einem  halben  Jahre  auswärts  operirt,  Hernia  wiedergekehrt. 
Radikaloperatiou  nach  B  a  s  s  i  n  i.  2  Injektionen.  Lokal  Aether- 


spray.  Nach  3  Stunden  Schlaf,  Nahrungsaufnahme.  Heilung  p.  p. 

Frau  Anna  M.,  24  Jahre.  Op.  11.  111.  1902.  Entfernung  eines 
hühnereigrossen  Packetes  tuberkulöser  Drüsen  reg.  inguinal,  dextr. 
I*at.,  die  einestheils  sehr  schmerzempfindlich,  auf  der  anderen  Seite 
grosse  Angst  vor  Chloroform  hatte,  verweigerte  auf  das  Be¬ 
stimmteste  jede  Aether-  oder  Chloroformnarkose.  2  Injektionen 
und  lokal  Aetherspray  genügten,  die  nicht  ganz  einfach  zu  lösende 
Geschwulst  zu  entfernen.  5  Stunden  Schlaf,  Nahrungsaufnahme, 
kein  Erbrechen.  Heilung  p.  p. 

Schwester  Pli.,  25  Jahre.  Hernia  inguinal,  ext.  sin.  Op. 
IS.  V.  1902  mit  Verlagerung  nach  Kocher.  3  Injektionen.  Hei¬ 
lung  p.  p.  Kein  Erbrechen. 

Luise  W.,  39  Jahre.  Op.  11.  III.  Hernia  ventralis  regiou. 
iliac.  dextr.  Pat.  hatte  vor  16  Jahren  wegen  Knochenneubildung 
an  der  Innenseite  der  rechten  Darmbeinschaufel  eine  grössere 
Operation  durchgemacht.  Die  Operation  gelang  gut,  später  bildete 
sich  durch  Zerrung  und  Nachgeben  der  Bauchwand  eine  Hernie, 
die  der  Pat.  grosse  Beschwerden  und  Schmerzen  macht.  Bei  der 
Operation  zeigten  sich  starke  Netzverwachsungen.  Abtragen  der 
adhärenten  Netzpartien,  Anfrischung  der  Ränder.  Zur  Sicherung 
der  stark  gespannten  Naht  Anlegen  von  3  Silberdrathsuturen. 
Bei  dieser  Operation  kam  es  wesentlich  darauf  an,  dass  Erbrechen 
nach  der  Operation  vermieden  wurde,  da  sonst  grosse  Gefahr  be¬ 
stand,  dass  die  Nähte  bei  starkem  Druck  der  Bauchpresse  durch- 
reissen  würden,  da  der  rechte  Pfeiler  der  Wunde  direkt  an  die 
Darmbeinschaufel  grenzte  und  aus  altem  Narbengewebe  bestand. 
Tadelloser  Verlauf  nach  der  Operation.  4  Stunden  fesfer  Schlaf, 
kein  Erbrechen,  während  bei  der  früheren  Operation  unter  Chloro¬ 
form  starke  Brechbeschwerden  aufgetreten  waren.  3  Injektionen. 

Viktor  T.,  28  Jahre.  Op.  4.  IV.  1902.  Appendizitis.  Ein  An¬ 
fall  vor  10  Jahren,  ein  zweiter  vor  4  Wochen.  Direkt  nach  voll¬ 
ständigem  Ablauf  dieses  Operation.  Appendix  nach  hinten  oben 
durch  alte  Verwachsungen  fest  verlöthet.  In  einer  Tasche  einer 
Verwachsung  2  bohnengrosse  Kothsteine.  3  Injektionen.  Etwas 
Brechneigung  vorübergehend  am  2.  Tage.  Tadelloser  Verlauf. 
Heilung  per  primam. 

Weibl.  Patient,  24  Jahre.  Vor  9  Monaten  schwere  Perityphlitis 
acutissima,  ausser  dem  Hospital  inzidirt  wegen  Indicatio  vitalis, 
c*a.  1  Liter  Eiter  entfernt.  Die  Wunde  schien  sich  zu  schliessen, 
doch  bald  neue  Abszedirung,  abermalige  Eröffnung,  im  Laufe  der 
nächsten  Monate  zahlreiche  Senkungsabszesse  und  metastatische 
Abszesse  bis  zum  Schafte  des  Oberschenkels.  Nachdem  sich  Pa¬ 
tientin  einigermaassen  erholt,  Appendizitisoperation.  Die  Appendix, 
die  erst  nach  Lösung  zahlreicher  Verwachsungen  auf  dem  Becken¬ 
boden  befestigt  gefunden  wurde,  und  zwar  an  einer  Stelle,  bis  zu 
der  man  von  der  Mitte  des  Oberschenkels  herauf  eine  biegsame 
Sonde  fuhren  konnte,  wurde  entfernt.  Von  da  schnelle  Heilung 
und  Erholung.  3  Injektionen  von  Morphin  Scopolamin  gut  ver¬ 
tragen,  nach  einigen  Stunden  Nahrungsaufnahme  möglich,  wäh¬ 
rend  vorher  bei  Chloroformnarkosen  tagelang  Erbrechen  und 
Uebelbefinden  bestand. 

Frau  M.,  23  Jahre.  Op.  11.  III.  Karies  des  Sternum  und  Zer¬ 
störung  des  Knorpelansatzes  dreier  Rippen.  Spaltung  der  Haut 
und  des  Periostes  über  der  ganzen  Ausdehnung  des  Sternum. 
Entfernung  mit  Meissei  und  scharfem  Löffel  aller  krankhaften 
Prozesse.  3  Injektionen  von  Morphin  Scopolamin.  Pat.  wacht 
schmerzfrei  nach  4  Stunden  auf,  kann  bald  flüssige  Nahrung 
nehmen,  kein  Erbrechen.  Heilung  per  primam. 

Franz  K.,  19  Jahre.  Op.  1.  III.  Itesectio  cubiti  dextr.  mit 
K  o  e  h  e  r's  Schnitt  wegen  ausgebreiteter  Tuberkulose  des  Ge¬ 
lenkes.  Tuberkulose  des  Metatarsophalangealgelenkes  der  grossen 
Zehe,  Entfernung  der  erkrankten  Gelenkenden.  3  Injektionen. 
Sehr  heruntergekommener  junger  Mann.  Eingriff  gut  ertragen, 
schläft  0  Stunden  nach  der  Operation,  erwacht  ohne  Schmerzen, 
nimmt  am  gleichen  Abend  Nahrung  (Suppe).  Kein  Erbrechen. 
Heilung. 

Hermine  H.,  16  Jahre.  Op.  1.  II.  Hernia  inguinal,  dextr. 
Operation  nach  K  oclie  r’s  Verlagerungsmethode.  2  Injektionen, 
lokal  Aetherspray.  Pat.  wacht  3  Stunden  nach  der  Operation  auf, 
kein  Erbrechen,  nimmt  am  gleichen  Tage  Kaffee  und  Stippe.  Hei¬ 
lung  per  primam. 

Otto  B.,  23  Jahre.  Op.  21.  I.  Hernia  epigastrica  r.  vom 
Rectusrand.  2  Injektionen,  lokal  Aetherspray.  2  Stunden  Schlaf, 
dann  Nahrungsaufnahme.  Heilung  per  primam  in  8  Tagen. 

Balbina  R.,  60  Jahre,  verheil1.  Tumor  alb.  genu.  Sir  Benj. 
Br  o  dies  Ostilis  artieularis  superficialis  periplieric.  Pat.  durch 
Schmerzen  sehr  heruntergebracht.  Amputatio  femoris  im  unteren 
Drittel  nach  Teale-Bruns.  Selbst  beim  Durchschneiden  des 
Iscliiadikus  keine  Zeichen  von  Schmerzempfindlichkeit.  3  Injek¬ 
tionen.  8  Stunden  Schlaf,  seit  Langem  der  erste  ungestörte,  dann 
Nahrungsaufnahme.  Heilung  per  primam.  Nach  10  Tagen  ge¬ 
heilt  aus  dem  Bett. 

Frau  Dr.  Oh.,  32  Jahre.  Op.  23.  V.  Appendizitis."  Vor  2  Jahren 
erster  schwerer  Anfall,  seither  3  leichtere.  3  Injektionen.  Heilung 
per  primam,  nach  14  Tagen  ausser  Bett.  Keine  Brechneigung. 

Schwester  C.,  35  Jahre.  Op.  13.  III.  Caries  oss.  sacri  et  oss. 
iliaci  sin.  Abstemmen  der  kariösen  Stellen.  Entfernung  eines 
wallnussgrossen  Sequesters.  Resektion  des  kariösen  Steissbeines. 
3  Injektionen.  Der  grosse  Eingriff  wurde  ohne  Schmerzensäusse- 
rungen  gut  ertragen. 


8.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


1135 


Marie  B„  35  Jahre.  Op.  20.  III.  Spondylitis  tuberculosa. 
l’soasabszess.  2  Injektionen.  Eingriff  und  Narkose  gut  vertragen, 
noch  in  Behandlung. 


Ueber  physiologische  Funktionen  von  Tumoren.1) 

Von  Dr.  Eugen  A  1  b  v  echt  in  München. 

M.  II.!  Die  onk( »logische  Forschung  hat  in  den  letzten 
Jahren  vornehmlich  Fragen  der  Histiogenese  und  Aetiologie  der 
Tumoren  behandelt.  Im  engeren  Kreise  der  Pathologen  voji 
Fach  war  es  besonders  die  originelle  These  Ribbert’s  von  der 
primären  passiven  Absprengung  der  Epithelien  aus  ihrem  Ver¬ 
bände  als  dem  ersten  Akte  in  der  krebsigen  Wucherung,  welche 
lebhafte  Diskussion  hervorrief,  und  welcher  namentlich  von 
II  auser  entschieden  entgegengetreten  wurde.  Jedenfalls  hat 
die  dadurch  angeregte  Erörterung  manche  Begriffe  schärfer  de- 
finiren  gelehrt  als  vorher,  manche  neue  Tliatsache  zu  Tage  ge¬ 
fördert  und  altbekannte  in  einem  anderen  Lichte  erscheinen 
lassen;  aber  die  Kernfrage,  jene  nach  der  eigentlichen  Ursache 
und  dem  Wesen  der  sonderartigen  Veränderung  des  wu¬ 
chernden  Epithels  hat  sie  ebenso  ungelöst  gelassen  wie  die  ältere 
Ansicht  von  der  primären  „malignen  Degeneration“  des  Epithels. 
Gegenwärtig  steht,  wie  Sie  wissen,  hier  wieder  Meinung  gegen 
Meinung;  während  Bibbert  daran  festhält,  dass  die  Annahme 
einer  Wachsthumssteigerung  der  Geschwulstzellen  entbehrlich, 
das  Wesentliche  ihre  Abtrennung  und  ihr  Weiterwachsthum  un¬ 
abhängig  von  dem  Einfluss  des  organischen  Ganzen  sei,  scheint 
■die  Mehrzahl  der  Forscher  mit  Hauser  daran  festzuhalten, 
dass  das  Wesentliche  der  karzinomatösen  Epithelveränderung  in 
der  Einbusse  an  physiologischer  Funktion  und  der  gleichzeitigen 
dauernden  Steigerung  des  Assimilations-  und  Proliferationsver¬ 
mögens  liegt. 

Nicht  besser  als  mit  dieser  mehr  theoretischen  steht  cs 
augenblicklich  mit  jener  zweiten,  praktisch  so  bedeutsamen  und 
desshalb  von  allen  Seiten  in  Angriff  genommenen  Frage:  in 
welcher  Richtung  die  eben  genannte  Causa  specifica  des  Kar¬ 
zinoms,  der  malignen  Tumoren  überhaupt  zu  suchen  ist;  ob  in 
Analogie  mit  den  Infektionskrankheiten  in  irgendwelchen  or- 
ganisirten  parasitären  Gebilden  oder  in  eigenartigen  Kom¬ 
binationen  von  inneren  Ursachen  des  betreffenden  Körpers  selbst, 
in  besonderen  Anlagen,  Anordnungen  von  Zellen,  deren  schlum¬ 
mernde  oder  gehemmte  Wachsthumstendenzen  nur  durch  irgend¬ 
welchen,  nicht  eigentlich  spezifischen,  Reiz,  durch  irgendwelche 
äussere  oder  innere  Veranlassung  ausgelöst  werden  mögen. 

Im  Allgemeinen  hat  es  gegenwärtig  den  Anschein,  als  ob 
die  Situation  nicht  unwesentlich  zu  Gunsten  der  parasitären 
Theorie  verschoben  sei.  Immerhin  scheint  mir  der  Grund  dafür 
eher  in  einer  Art  von  allgemeiner  Stimmung  der  Zeit  und  Rich¬ 
tung  der  Forschung,  mehr  in  einer  Art  von  Antizipation  eines 
lebhaften  und  dringenden  Wunsches  gelegen  zu  sein,  als  in 
einem  wirklichen  Zuwachs  der  logischen  oder  thatsächlichen  Be¬ 
weisgründe  für  diese  Annahme. 

Es  wäre  gewiss  für  die  Praxis  von  unschätzbarer  Bedeutung 
und  für  die  Theorie  eine  angenehme  Lösung  des  gordischen 
Knotens,  wenn  ein  oder  eine  Anzahl  von  parasitischen  Klein¬ 
wesen  als  Ursache  für  maligne  Tumoren,  speziell  für  das  Kar¬ 
zinom,  erwiesen  würden.  Aber  trotzdem,  und  gerade  wegen  der 
Bedeutsamkeit  der  Sache,  werden  wir  uns  doppelt  davor  zu  hüten 
haben,  den  Wunsch  zum  Vater  des  Gedankens  werden  zu  lassen 
und  die  zahlreichen  und  zum  Tlieil  schwerwiegenden  Bedenken, 
welche  einer  parasitären  Theorie  der  malignen  Geschwülste  ent¬ 
gegenstehen,  so  ohne  Weiteres  bei  Seite  zu  schieben.  Es  ist  viel¬ 
leicht  gerade  jetzt,  wo  die  Erörterung  wieder  in  ein  ruhigeres 
Fahrwasser  eingelaufen  ist,  der  günstigste  Zeitpunkt,  alle  diese 
Gegengründe  wieder  einmal  ernstlich  zu  erwägen  und  vielleicht 
weiter  zu  verfolgen;  und  ich  denke  bei  gegebener  Gelegenheit  in 
einer  kritischen  Revue  die  Gründe  pro  et  contra  Karzinom  - 
Parasiten  Ihnen  vorzuführen  —  unter  der  Voraussetzung  natür¬ 
lich,  dass  bis  dahin  nicht  etwa  der  Parasit  entdeckt  worden  sein 
sollte. 

Unter  den  vielen  bekannten  Thatsachen  aus  der  Geschwulst¬ 
lehre,  welche  es  unwahrscheinlich  machen,  dass  ein  Parasit  analog 
demjenigen  irgend  einer  der  bekannten  .Infektionen  als  Erreger 
maligner  Tumoren  gefunden  werden  wird,  ist  mir  eine  Reihe 
von  Gründen  immer  sehr  schwerwiegend  erschienen:  das  sind  die 

*)  Vorgetragen  in  der  Sitzung  der  Gesellschaft  für  Morpho¬ 
logie  und  Physiologie  in  München  vom  5.  November  1901. 


morphologischen  und  physiologischen  B  e  z  i  e  hungen  de  r 
in  alignen  zu  den  so  g.  benigne  n,  der  hetero- 
logen  zu  den  homologen  Geschwülsten  und  dieser 
wieder  zu  den  Prozessen  der  einfachen  Hyperplasie.  Ich 
bitte  Sie,  hier  etwa  an  die  Formenreihe  zu  denken, 
welche  die  Gastritis  oder  Endometritis  glandularis  mit 
den  Drüsenpolypen  des  Magens  oder  Uterus,  diese  wieder  etwa 
mit  dem  malignen  Adenom  oder,  um  mit  Kaufma  n  n  zu 
sprechen,  mit  dem  hochadenomatösen  Karzinom  und  dem  eigent¬ 
lichen  Adenokarzinom  dieser  Organe  verbindet;  oder  vielleicht 
an  jene  Zusammenhänge,  an  welche  man  sofort  erinnert  wird, 
wenn  man  im  Zusammenhänge  die  Namen  Narbe,  Narben- 
keloid,  Fibrom,  Fibrosarkom,  Spindelzellensarkom  ausspricht, 
und  was  dergleichen  Beispiele  mehr  sind.  Es  gibt  sowohl  unter 
den  histioiden  wie  organoiden  Geschwülsten  Fälle,  in  welchen 
einzig  und  allein  der  Nachweis  der  Malignität,  d.  h.  ent¬ 
weder  des  zerstörenden  Vorwachsens  in  die  Umgebung  oder  Me¬ 
tastasenbildung,  die  Diagnose  sichert;  streng  genommen  eigent¬ 
lich  nur  die  erstere,  da  auch  z.  B.  Chondrome  gelegentlich  Meta¬ 
stasen  machen.  Was  hat  in  diesem  Falle  die  Umwandlung  aus 
der  relativ  harmlosen,  noch  typisch  gebauten  und  nur  in  ihrer 
Proliferationstendenz  gesteigerten  Geschwulst  zu  der  unaufhalt¬ 
sam  vordringenden  malignen  Geschwulst  gemacht,  deren  Zellen 
ausser  der  gewöhnlichen,  aber  durchaus  nicht  immer  vorhandenen 
Vergrösserung  im  Ganzen,  Chromatinvermehrung  der  Kerne 
und  den  Zeichen  regelmässiger  und  unregelmässiger  Theilung 
uns  vielleicht  noch  keinerlei  Besonderheiten  aufweisen? 

Ich  will  noch  an  etwas  Weiteres  erinnern.  Dass  in  den 
Zellformen  aller  Geschwülste  Uebergänge  zu  den  normalen 
Zellen  der  Organe  gefunden  werden,  versteht  sich  nach  unseren 
heutigen  Kenntnissen  von  der  Spezifizität  und  den  Stamm¬ 
bäumen  der  Organzellen  fast  von  selbst  und  gilt  natürlich  für 
maligne  Tumoren  ebenso  wie  für  Produkte  infektiöser  Er¬ 
krankungen.  Was  die  Tumoren  so  eigenartig  abgliedert  gegen¬ 
über  etwa  den  infektiösen  Granulomen,  ist  der  Umstand,  dass 
wir  in  ihnen,  und  zumal  im  Karzinome,  durchweg  Bildungen 
vorliegen  haben,  in  welchen  Avir  in  gleichviel  Avie  weit  ver¬ 
zerrter  Form  physiologische  Bildungen  wieder  erkennen  — 
sei  es  nun  mehr  solche  bestimmter  Gewebe  wie  bei  den  Ge¬ 
schwülsten  der  Bindesubstanzgruppe,  seien  es  eigentliche  „organ¬ 
artige“  Gebilde  wie  bei  den  epithelialen  Tumoren.  Der  Satz 
V  i  r  c  h  o  w’s,  dass  auch  die  heterologen  Gewebe  physiologische 
Typen  haben,  gilt  nicht  nur  für  die  Zellformen,  sondern  auch 
für  die  Art  der  Zusammenordnung,  der  Architektonik  der  Neo¬ 
formationen  :  hier  ist  es  z.  B.  das  gef ässführende  Bindegewebe 
in  allen  seinen  Schattirungen  vom  kernreichsten,  dem  embryo¬ 
nalen  ähnlichen  GeAvebe  bis  zum  kernarmen  sklerotischen  Fibrom, 
dort  vielleicht  die  drüsenartige  Bildung  mit  immer  neuer  Ent- 
Avicklung  eines  Bindegewebsstratums  und  drüsenartiger  Ilohl- 
räume,  Avelchc  uns  an  den  Ausgangspunkt  und  die  Struktur  des 
Mutterbodens  gemahnen.  Während  wir  bei  allen  Reaktionen 
auf  infektiöse  Einflüsse  es  immer  mit  Variationen  des  Grund¬ 
schemas  der  „Entzündung“  und  Regeneration  zu  thun  haben, 
liegen  in  allen  Tumoren  sensu  strenuo  Variationen  jenes  Bid- 
dungsvermögens  Aror,  welches  wir  im  embryonalen  Aufbau 
der  Organe  bewundern.  Ich  frage:  Wo  ist  zu  solchen  Bil¬ 
dungen  eine  erklärende  Analogie  in  der  Lehre  der  thierischcn 
Infektionen?  Man  könnte  höchstens  gewisse  Bildungen  bei  den 
Pflanzen  heranziehen  wollen,  etwa  die  eigenartigen  Gewebs- 
bildungen  bei  den  Gallen,  Avelche  Küster  u.  A.  untersucht 
haben.  Aber  deren  allerdings  höchst  merkAvürdige  Zellen-  und 
Gewebsbildungen  kommen  hier  schon  desshalb  nicht  in  Betracht, 
weil  sie  keinerlei  malignen  Charakter  tragen. 

Wir  wollen  uns  heute  bei  dieser  Seite  der  Frage  nicht 
1  länger  aufhalten,  da  ich,  Avie  gesagt,  darauf  zurückzukommen 
hoffe.  Ich  habe  vor,  jetzt,  im  ersten  Theile  meines  eigentlichen 
Vortrages,  zwei  Beispiele  wenigstens  kurz  zu  besprechen,  welche 
nach  der  physiologisch-funktionellen  Seite  hin  zu  der  beregten 
Frage  in  engem  Zusammenhänge  stehen. 

Zunächst  ein  paar  Worte  über  ein  Beispiel,  welches  Ihnen 
Allen  bekannt  sein  dürfte.  Genau  gezählt  3  Beispiele:  von 
Heller,  J  u  n  g  m  a  n  n,  Schmidt  ist  je  ein  Fall  beschrieben 
Avorden,  in  welchem  die  Metastasen  von  Leberzellkarzinomen  in 
der  Lunge  Galle  sezernirten.  Wir  finden  die  Thatsache  häufig 
registrirt,  ohne  dass  doch  der  Werth  darauf  gelegt  wird,  Avelcher 
ihr  meiner  Ansicht  nach  zukommt.  Zunächst,  um  das  nebenbei 

2* 


1 1 3G 


Ml  TEN  CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nu.  27. 


zu  bemerken,  erscheint  os  mir  allgemein  physiologisch  von 
grossem  Interesse,  dass  Leberzellen,  aus  dem  Verbände  des  Or¬ 
gans,  jedenfalls  also  auch  aus  dessen  nervösem  Apparat  völlig 
losgelöst.,  im  Stande  sind,  Galle,  anscheinend  normale  Galle  zu 
produziren.  Daraus  geht  ohne  Weiteres  hervor,  dass  auch  für 
die  normale  Thätigkeit  der  Leber  die  Nothwendigkeit 
einer  Annahme  eigener  sekretorischer  Nerven  nicht  besteht,  und 
dass  dazu  die  Beziehungen  der  Parenchymzellen  zum  Gefäss- 
sy.sl.em  ausreichen.  Diese  Folgerung  erscheint  mir  angesichts 
«ler  Schwierigkeiten  einer  experimentellen  Untersuchung  dieser 
Frage  von  nicht  geringer  Wichtigkeit.  Noch  interessanter  ist 
dieses  eigenartige  Verhalten  für  die  pathologisch-physiologische 
IVberlegung.  Für  gewöhnlich  ist  man  ja,  wie  Sie  wissen,  für 
die  eigenartige  Umänderung  der  Zellen  maligner  Tumoren  mit 
umschreibenden  Ausdrücken,  wie  Entdifferpnzirung,  Rückkehr 
zum  embryonalen  Zustand,  Anaplasie,  eventuell  auch  Kata- 
plasie  u.s.w.,  schnell  zur  Hand.  In  der  vorhin  angeführten  De¬ 
finition  H  a  u  s  e  r’s  ist  der  Wegfall  der  Funktion  eigens  hervor¬ 
gehoben.  Alle  diese  Ausdrücke  umschreiben,  wie  A  s  c  h  o  f  f 
kürzlich  sehr  richtig  bemerkte,  nur  die  Frage,  geben  nicht  etwa 
irgendwelche  Erklärung  oder  Lösung.  Aber  hier,  im  Falle  des 
Gallosezorniren ;  seitens  des  Leberkarzinoms,  fehlt  doch  offenbar 
dicEntdiffercnzirung,wenn  nicht  ganz,  so  doch  zu  einem  sehr  weiten 
Grade:  hier  liegen  Zellen  vor,  welche  trotz  ihres  Error  loci,  an 
den  man  sie  sich  auch  einmal  durch  irgendwelchen  unglücklichen 
Zufall  (Ruptur  einer  Vena  centralis  oder  Aehnliches)  verschleppt 
denken  könnte  —  welche  trotz  ihrer  Verirrung  in  ein  anderes 
Organ  redlich  nach  wie  vor  aus  Bestandteilen  der  umspülenden 
Blutflüssigkeit  Galle  sezerniren,  also  vermutlich  rothe  Blut¬ 
körperchen  einschmelzen  und  auch  die  übrigen  komplizirten 
Theilaufgaben  der  Gallebereitung  im  Ganzen  gut  erfüllen,  welche 
vielleicht  nur  desshalb,  weil  Gallengänge  fehlen,  nicht  dazu 
kommen,  an  dem  neuen  Orte  für  den  Organismus  nützlich  zu 
werden. 

Ich  habe  das  Beispiel  zuerst  gewählt,  weil  es  besonders  frap¬ 
pant  ist ;  aber  Sie  brauchen  nur  z.  B.  zu  denken  an  Schleim¬ 
hautkarzinome  des  Darmes  oder  der  Bronchien,  deren  Metastasen 
im  Gehirn  aus  Becherzellen  Schleim  sezerniren,  oder  an  Platten¬ 
epithelkarzinome  in  der  Niere,  welche  typische  Riffe,  Zell¬ 
brücken  ausbilden,  wie  in  der  Epidermis,  wo  sie  die  schützende 
Decke  bildeten,  an  metastatische  Schilddrüsenkarzinome,  welche 
Colloi'd  in  der  Lunge  erzeugen,  oder  an  Periostsarkome,  welche 
dauernd  Knochen  in  der  Art  eines  Callus  bilden  können  u.  s.  w., 
um  zu  sehen,  dass  solche  und  ähnliche  Beispiele  nicht  ganz  so 
selten  sind  als  es  zuerst  scheinen  mag. 

Immerhin  kann  man  hier  bemerken,  dass  es  sich  schliess¬ 
lich  um  Beibehaltung,  gewissermaassen  mechanische  Repetition 
ererbter  oder  eingelernter  Zellthätigkeiten  handle,  neben  welcher 
die  Malignität,  die  schrankenlose  Proliferation,  zur  Geltung  ge¬ 
kommen;  dass  von  einer  Funktion  im  eigentlichen  Sinne  einer 
„Leistung  für  das  Ganze“  demnach  wohl  nur  im  Falle  der  Leber¬ 
zellen  und  der  Schilddrüsenmetastasen  die  Rede  sein  könne.  Ich 
bin  aber  in  der  Lage,  Ihnen  einen  Tumor  in  Bildern  und  Prä¬ 
paraten  vorzulegen,  welcher  in  dieser  Hinsicht  wohl  einwandfrei 
gedeutet,  werden  kann  und  einen  interessanten  Beleg  dafür 
bietet,  wie  bei  ausgesprochener  Malignität  doch  physiologische 
Funktionen  noch  vorhanden  sein  können. 

Es  handelt  sich  um  ein  Endotheliom  der  Dura 
in  a  t  e  r,  welches  als  seltene  Metastase  in  die  Blase  einen  Ab¬ 
leger  entsendete.  Die  genaue  Beschreibung  des  Falles,  der  dia¬ 
gnostischen  und  anderweitigen  Besonderheiten  ist  in  einer  von 
meinem  früheren  Koassistenten,  Herrn  Dr.  L  i  n  d  n  e  r,  ver¬ 
fassten  Dissertation, 'welche  im  Druck  sich  befindet1),  enthalten. 
Ich  erwähne  hier  nur  die  für  meinen  Zweck  belangreichen  Mo¬ 
mente. 

Der  Duratumor  hatte  während  des  Lebens  keinerlei  charak¬ 
teristische  Erscheinungen  gemacht,  obwohl  er  bereits  die  Hirn¬ 
rinde  an  einer  Stelle  invadirt  und  eine  oberflächliche  Erweichung 
dortselbst  erzeugt  hatte;  der  Blasentumor  war  diagnostizirt  und 
hatte  zu  Hydronephrose  geführt. 

Der  mikroskopische  Befund  war  bereits  durch  den  histio- 
logischen  Aufbau  interessant.  Es  lagen  in  beiden  Tumoren 
gleichmässig  alveolar  und  netzförmig  gebaute,  sehr  zellreiche 

’)  Inzwischen  erschienen  in  der  Prager  Zeitschr.  f.  Heilk.. 
patli.-anat.  Abth.,  1902,  H.  IV. 


Geschwulstmassen  vor,  welche  stellenweise  grosse,  an  anderen 
Stellen  zahlreiche  kleine,  mit  Blut  oder  homogener  Masse  ge¬ 
füllte  Räume  enthielten,  deren  Auskleidung  t-heils  von  den 
typischen,  häufig  senkrecht  gestellten  und  epithelartig  geformten 
Tumorzellen,  theils,  mitten  unter  letzteren,  von  charakteristischen 
flachen  Endotlielien,  im  direkten  Anschluss  an  Tumorzeih  n,  ge¬ 
bildet.  wurde.  Nach  dem  Bilde,  wie  ich  es  Ihnen  hier  vorzeige, 
schien  es  keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  dass  ein  Endotheliom, 
und  zwar  ein  Hämangio-Endotheliom,  vorliege;  in  Anbetracht 
der  Lage  des  Hauptherdes  in  der  Dura  vermuthete  ich,  dass  es 
sich  vielleicht  um  Absprengung  eines  Herdes  vasoformativer 
Zellen  aus  dem  Mesencbymblastem  der  Hirnhäute  handle.  Ich 
war  nun  sehr  angenehm  überrascht,  als  die  genaue  Untersuchung 
sowohl  in  dem  Blasen-  als  im  Duratumor  an  vielen  Stellen  in 
den  erwähnten  Hohlräumen  förmliche  Nester  von  theils  kern¬ 
haltigen  rothen  Blutkörperchen,  theils  von  Erythroblasten  zeigte. 
Die  Formen  der  Kerne  waren  sehr  vielfach  atypisch,  viel  reich¬ 
licher,  als  man  solche  sonst  im  Knochenmark  zu  finden  pflegt, 
besonders  waren  Sprossungen  und  Zerschniirungen  häufig;  aber 
doch  waren  mir  alle  Formen  bereits  auch  vom  normalen  In¬ 
dividuum  bekannt  und  sehr  viele  wichen  in  nichts  von  dem 
gewöhnlichen  Bau  der  Erythroblasten  ab.  Die  betreffenden 
Inseln  standen  im  freien  Zusammenhänge  mit  den  übrigen 
Bluträumen ;  die  kernhaltigen  Rothen  und  was  eventuell  aus 
ihnen  hervorging,  konnten  also  in  die  Blutbahn  gelangen. 

Die  nächste  Frage  war:  Woher  stammen  diese  Zellen? 

Ein  primärer  Knochenmarkstumor  war  nach  dem  Bau  der 
Durageschwulst  mit  grosser  Sicherheit  auszuschliessen ;  die 
Untersuchung  der  Wirbel  hatte  nichts  Derartiges  ergeben.  Ich 
dachte  weiter  an  eine  etwaige  allgemeine  Ueberchwemmung  des 
Blutes  mit  kernhaltigen  Rothen,  wie  sie  bei  verschiedenen  Blut¬ 
erkrankungen,  auch  bei  Kachexien  gelegentlich  vorkommt.  Nichts 
davon  wurde  gefunden;  die  Milz  zeigte  keine  Erythroblasten 
oder  kernhaltige  Erythroeyten  (Erythrocytoden  Pappenheim): 
in  allen  untersuchten  Organen  enthielten  die  Gefässe  gewöhn¬ 
liches  Blut,  ohne  kernhaltige  Erythroeyten.  Die  kernhaltigen 
Erythroeyten  mussten  also  in  den  Tumorknoten  selbst  gebildet 
sein;  und  da  für  die  Annahme  einer  etwaigen  Einschleppung 
von  Erythroblasten  keinerlei  Anhaltspunkt  besteht,  andererseits 
gerade  nur  in  den  beiden  örtlich  getrennten  Tumoren  die  gleichen 
Bildungen  auf  gefunden  wurden;  und  da  schliesslich,  last  not  least, 
unter  den  hämoglobinfreien  Erythroblasten  sich  viele  befanden, 
welche  von  den  kleineren  Tumorzellen  in  ihrer  Nähe  nicht  unter¬ 
scheidbar  waren,  so  darf  man  als  Ort  der  Blutkörperchenbildung 
wohl  das  Neoplasma,  als  Mutterzellen  die  Zellen  —  oder  sagen 
wir  vorsichtiger:  Zellen  —  des  Endothelioms  ansehen.  Der  Fall 
steht,  soweit  ich  die  Literatur  kenne,  in  dieser  Hinsicht  einzig 
in  der  Pathologie  der  Tumoren  da.  Dagegen  hat  kürzlich  Borst 
ein  Sarkom  des  Stirnbeins  beschrieben,  welches  sowohl  osteoide 
Substanz  als  Marksubstanz  produzirte,  wo  also  offenbar  vom 
Knochenmarksgewebe  aus  in  dem  Tumor  die  Bildung  der  spe¬ 
ziellen  Produkte  des  Knochenmarks  weiter  stattfand.  Ich  muss 
gestehen,  dass  ich  nach  der  Beschreibung  von  Borst  allerdings 
nicht  ganz  sicher  bin,  ob  es  sich  nicht  doch  nur  um  Inseln 
versprengten  Knochenmarks  in  dem  verhältnissmässig  kleinen 
im  Stirnbein  sitzenden  Sarkom  gehandelt  hat,  was  natürlich  die 
Deutung  ändern  würde. 

Für  unseren  Fall  scheint  mir  unter  Beziehung  auf  die,  wie 
gesagt.,  schon  vorher  ziemlich  gut  begründete  Hypothese  der  Ent¬ 
stehung  des  Tumors  aus  vasoformativen  Zellen  und  nunmehr  in 
Erinnerung  an  einen  bekannten  Vorgang  der  frühesten  embryo¬ 
nalen  Entwicklung  die  weitere  Spezifikation  der  Annahme  ge¬ 
rechtfertigt  —  hypothetisch  natürlich  — ,  dass  jene  vasoforma¬ 
tiven  Zellen  entweder  in  gerader  Linie  abstammten  oder,  wenn 
man  das  lieber  will,  wieder  zurückgekehrt  waren  zu  jenem  Typus 
der  gefässbildenden  Zellen,  welche  gleichzeitig  Mutterzellen  von 
Blutkörperchen  darstellen :  wie  dies  bekanntlich  seitens  der  ur¬ 
sprünglichen  Endothelröhren  des  Embryo  nach  der  heute  wohl 
überwi egenden  Annahme  der  Fall  ist. 

In  Summa:  Wir  haben  es  mit  einem  Tumor  zu  thun,  welcher 
nach  seinem  ganzen  Bau  und  Verhalten  als  maligner  anzu¬ 
sehen  ist;  welcher  sicher  in  seiner  Weise  ausser  den  mechanischen 
auch  chemische  Schädigungen  für  den  Organismus  brachte; 
welcher  aber,  gewissermaassen  in  Erinnerung  an  die  Aufgaben, 
denen  er  entwachsen  war,  dem  Organismus  das  Blut,  welches  er 
ihm  abzapfte,  auch  wieder  zu  ersetzen  trachtete.  Ich  habe  schon 


8.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1137 


darauf  hingewiesen,  dass  freie  Kommunikation  der  Blutzellinseln 
mit  den  Gefässräumen  bestand,  sowie  dass  in  den  Kapillaren  der 
Tumoren  sich  Erythrocyten  fanden;  die  Integrität  des  Gewebes 
erwies,  dass  auch  die  Zirkulation,  wenn  auch  natürlich  verlang¬ 
samt,  doch  erhalten  war.  Somit  müssen  auch  von  den  gebilde¬ 
tem  Zellen  Exemplare  in’s  Blut  abgeschwemmt  worden  sein,  und 
wenn  sie  genügend  lebenskräftig  und  hämoglobinhaltig  waren, 
ist  nicht  einzusehen,  wesshalb  sie  im  Blute  nicht  ebenso  ihre  Auf¬ 
gabe  erfüllt  haben  sollten,  als  etwa  die  kernhaltigen  oder  die 
abnorm  geformten  rothen  Blutkörperchen  bei  perniziöser  Anämie. 
Man  könnte  also  in  etwas  paradoxer  Wendung  geradezu  von  der 
rudimentären  Bildung  eines  hämatopöetischen  Organs  aus  einem 
malignen  Tumor  sprechen. 

M.  H. !  Ich  bin  überzeugt,  dass  wir  bei  genauerem  Zusehen 
ähnliche  Beispiele  auch  unter  den  bösartigen  Tumoren  in  nicht 
allzu  geringer  Menge  finden  werden.  Wir  werden,  wie  mir 
scheint,  gerade  durch  solche  Fälle  besonders  intensiv  darauf  hin¬ 
gewiesen,  die  Lehre  von  den  malignen  Geschwülsten  nicht  als  ein 
getrenntes,  abgesondertes  U ntersuchu ngsgebiot,  sonders  als  ein 
besonderes  Kapitel  der  Theilerkrankungcn  in  dem  lebenden  Gan 
zen  zu  behandeln,  und  die  unzähligen  Brücken  und  Fäden,  welche 
zum  Physiologischen  hinüberführen,  nie  aus  dem  Auge  zu  lassen. 
Man  hat  ja  gewiss  für  gewöhnlich  recht,  wenn  man  die  Zellen 
maligner  Geschwülste  als  etwas  Parasitäres,  dem  Organismus 
eo  ipso  Feindliches  und  Schädliches  betrachtet;  aber  man  sieht 
aus  solchen  Beispielen,  dass  auch  diese  Eigenschaften  nicht  etwa 
prinzipieller,  sondern  occasioneller  Natur  sind.  In  letzter  Instanz 
sind  und  bleiben  eben  auch  die  Zellen  aller  Tumoren,  gleichviel 
ob  man  sie  nun  aus  fertigen  Organzelltypen  oder  aus  undifferen- 
zirten  Resten  embryonaler  Anlagen  hervorgehen  lässt,  doch 
somatische  Zollen  mit  den  Entwicklungs-  und  Funktionsmöglich¬ 
keiten  ihres  Mutterbodens,  nur  unter  mehr  oder  weniger  weit¬ 
gehender  Veränderung,  Steigerung  oder  Abschwächung  einzelner 
dieser  Fähigkeiten,  vor  Allem  der  Assimilations-  und  Ver¬ 
mehrungsfähigkeit.  In  den  meisten  Fällen  wird  die  in’s  Abnorme 
gesteigerte  Fähigkeit  der  Assimilation  und  Vermehrung  in 
malignen  Geschwülsten  sich  nur  auf  Kosten  der  Ausbildung 
anderer,  gerade  der  im  engeren  Sinne  physiologischen,  durch  die 
Arbeitstheilung  der  Organe  und  Gewebe  bedingten  Qualitäten 
der  Zellen  entwickeln  können.  Denn  die  Zelle  stellt  ebenso  wie 
die  Organe  und  der  Organismus  im  Ganzen  schliesslich  ein  be¬ 
grenztes  System  von  Aktualitäten  und  Potenzen  dar,  innerhalb 
dessen  eine  erhöhte  einseitige  Beanspruchung  und  Ausbildung 
gewisser  Thätigkeiten  von  einem  bestimmten  Punkt  ab  noth- 
wendig  durch  Hemmung  und  Rückbildung  anderer  Funktionen 
wett  gemacht  werden  muss.  Aber  bei  diesen  Unterschieden 
zwischen  pathologischer  und  normaler  Zelle  handelt  es  sich,  wie 
gerade  die  angeführten  Beispiele  besonders  klar  beweisen,  immer 
nur  um  eine  Art  von  labiler  Gleic  liu  n  g,  welche  bald  mehr 
zu  Gunsten  der  Organfunktion,  bald  mehr  zu  Gunsten  der,  wenn 
ich  so  sagen  soll,  „parasitären“  und  autonomen  Eigenschaften 
der  betreffenden  Zellen  schwankt. 

(Schluss  folgt.) 

Aus  der  Poliklinik  für  Kinderkrankheiten  im  Reisingerianum. 

(Prof.  Dr.  C.  S  e  i  t  z.) 

Ueber  Juckausschläge  im  Kindesalter. 

Von  Dr.  F.  Sichert, 

Facharzt  für  Haut-  und  Harnleiden,  Volontär  an  der  Poliklinik. 

Wenn  Kolkott  Fox  sich  in  seinem  Artikel  „Heber  Urtikaria 
im  Säuglings-  und  Kindesalter“  (Monatsh.  f.  prakt.  Dermatol. 
1890,  Bd.  10)  darüber  beklagt,  dass  diesen  Erkrankungen  bis  jetzt 
noch  nicht  die  genügende  Aufmerksamkeit  entsprechend  ihrer 
Häufigkeit  und  entsprechend  den  diagnostischen  Schwierigkeiten, 
die  sie  des  öfteren  bieten,  geschenkt  worden  sei,  so  hat  sich  in 
den  reichlich  10  Jahren,  die  seit  dieser  Veröffentlichung  ver¬ 
gangen  sind,  wenig  zum  Besseren  verändert. 

Es  handelt  sich  um  eine  Erkrankung,  die  den  Kinderärzten 
meist  bekannter  ist,  als  den  Dermatologen,  da  ihr  reichlichstes 
Auftreten  in  die  ersten  Kinderjahre  fällt.  Im  Volke  ist  der 
Ausschlag  bekannt  unter  dem  Namen  Juckblattern,  Zahnpocken 
und  anderen.  Die  Dermatologen  wünschten  den  Ausschlag 
immer  einer  schon  bestehenden  Gruppe  von  Erkrankungen  unter¬ 
zuordnen,  aber  schon  die  Verschiedenheiten,  die  darin  bestehen, 
weisen  darauf  hin,  dass  die  Gruppe  von  Hautausschlägen,  die 

No.  27. 


wir  hier  vor  Augen  haben,  sich  nicht  völlig  dem  Schema  des 
einen  oder  anderen  Systems  beugen  wollte.  Einmal  findet  man 
unsere  Erkrankung  zur  Urtikaria  gerechnet,  ein  anderes  Mal 
zum  Erythema  exsudat.  multiforme,  wieder  ein  anderes  Mal  zur 
Prurigo. 

Bei  der  grossen  Verschiedenheit  der  Beschreibung  darf  man 
vermuthen,  dass  die  Erkrankung,  soweit  die  Autoren  nicht  über¬ 
haupt  andersartiges  vor  Augen  hatten,  nach  Ort  und  Zeit  in  ver¬ 
schiedenen  Formen  auf  tritt,  um  so  mehr,  da  sie  schon  an  einem 
Orte  in  den  verschiedensten  Formen  nach  Aussehen  und  Ver¬ 
lauf  sich  dem  Arzte  zeigt. 

In  den  Lehrbüchern  finden  wir  für  die  Erkrankung  in  Folge 
dessen  die  verschiedensten  Namen:  Urticaria  papulosa,  Lichen 
urticatus,  Strophulus,  Lichen  strophulus,  Varicella  pruriginosa, 
Prurigo  infantilis  u.  a. 

Das  einzige  allgemein  zugegebene  und  in  allen  Fällen  auf¬ 
zufindende  Charakteristikum  ist  der  schubweise  Verlauf.  Tn  ein¬ 
zelnen  Schüben  treten  die  P r i m ä ref fl or eszen zen  auf,  und  während 
sie  noch  bestehen  oder  bereits  im  Verschwinden  begriffen  sind, 
treten  an  derselben  Körperregion  zwischen  den  alten  neue 
Efflorcszenzen  auf,  oder  sie  erscheinen  an  ganz  anderen  Stellen. 

Die  subjektiven  Symptome  bringen  bereits  Verwirrung  in 
das  Bild.  Während  Bohn  von  seinem  Strophulus  schreibt: 
Subjektive  Symptome  scheinen  von  ihnen  (den  Knötchen)  nicht 
auszugehen,  das  Jucken,  wenn  vorhanden,  muss  allem  Anscheine 
nach  schwach  sein.  So  werden  nur  die  Mütter  und  die  Aerzte 
von  dem  Ausschlage  behelligt“;  wissen  andere  Autoren  von  star¬ 
kem  Juckreiz  und  starker  Behelligung  der  Kinder  und  ihrer 
Umgebung  durch  diesen  Ausschlag  zu  erzählen. 

Und  in  der  That  bekommt  man  von  den  Müttern  die  ver¬ 
schiedensten  Angaben.  Während  man  einmal  bei  der  Unter¬ 
suchung  als  Nebenbefund  auf  einen  Strophulus  stösst,  auf  dessen 
Anwesenheit  die  Mutter  zum  ersten  Male  aufmerksam  wird,  ist 
ein  solcher  ein  anderes  Mal  die  Ursache,  die  die  Mutter  zum  Arzte 
treibt,  weil  das  Kind  so  sehr  unter  dem  Jucken  leidet.  Meist 
hört  man  dann,  dass  das  Jucken  unter  Tags  ebenso  stark  wäre 
wie  Nachts.  Im  Allgemeinen  ist  es  aber  doch  selten,  dass  die 
Nachtruhe  des  Kindes  gestört  wird.  Mitunter  soll  gleich  nach 
dem  Zubettebringen  des  Kindes  das  Jucken  am  stärksten  sein, 
so  dass  man  nach  der  Anamnese  eher  eine  Krätze  zu  finden  er¬ 
warten  würde. 

Die  Lokalisation  des  Ausschlages  ist  eine  sehr  verschiedene. 
Mitunter  ist  der  ganze  Körper  befallen,  doch  lassen  sich  gewisse 
Lieblingssitze,  die  bevorzugt  werden,  aufzählen.  Es  sind  die 
Streckseiten  der  Extremitäten,  die  Weichen  und  besonders  gerne 
die  Gesässbacken.  Ein  nicht  seltener  Sitz  sind  auch  die  Fuss- 
sohlen  und  die  äussere  Malleolargegend. 

Als  Einzeleffloreszenzen  findet  man  Makulae,  die  nicht  über 
die  normale  Haut  erhaben  sind,  meist  ungefähr  linsen-  bis 
erbsengross,  von  ziemlich  dunkelrother  Farbe,  von  ovaler  Form, 
aber  nicht  scharf  begrenzt,  sondern  ohne  deutliche  Grenze  in 
die  normale  Hautfarbe  übergehend. 

Des  Weiteren  findet  man  flache  Papeln,  hellroth  gefärbt,  mit 
regelmässig  begrenztem  entzündlichen  Hof,  ihre  Grösse  ist  meist 
geringer,  linsen-  bis  erbsengross,  als  man  sie  bei  der  Urtikaria  zu 
finden  gewohnt  ist.  Doch  finden'  sich  unter  Effioreszenzen 
anderer  Art  gemischt  häufig  auch  grosse  Quaddeln  mit  hellem, 
anämischem  Zentrum,  wie  bei  Urtikaria. 

Als  dritte  Form,  die  wir  bei  den  Einzeleffloreszenzen  vor¬ 
finden  können,  sind  Knötchen  zu  nennen.  Sie  sind  es,  die  in 
die  Bezeichnung  der  Erkrankung  den  Namen  Lichen  herein¬ 
gebracht  haben. 

Ich  lasse  hier  die  Beschreibung,  die  Bohn  (Handbuch  der 
Kinderkrankheiten)  von  dem  Ausschlage  gibt,  folgen: 

..Er  bestellt,  bei  seiner  Eruption  aus  griesskorn-  bis  steck¬ 
nadelkopfgrossen.  kugligen  Knötclien  von  dunkelrother  Farbe, 
welche  dem  Finger  eine  härtliche  Resistenz  bieten,  manche  mit 
zentraler  Depression  und  dem  Porus  eines  Haarbalges  versehen. 
Sie  sitzen,  einzeln  oder  zu  mehreren  vereinigt,  auf  diffusen  rothen 
Höfen.  Die  Knötchen  stehen  mehrere  Tage  ziemlich  unverändert; 
dann  beginnen  sie  sich  zu  entfärben,  werden  heller,  gelblich-blass, 
weisser  als  die  Haut,  besitzen  oft  einen  wächsernen  Glanz  oder 
sehen  Bläschen  ähnlich.  Gleichzeitig  erblasst  auch  die  hyper- 
ämiselie  Unterlage,  auf  der  sie  sitzen,  und  man  findet  nun  die 
kleinen  Gebilde  auf  normaler  Haut.  Sie  vertrocknen  allmählich 
und  schilfern  zuletzt  ab.  Bei  wiederholten  Nachschüben  trifft  man 

8 


1 1  38 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


die  verschiedene«  Phasen  gleichzeitig  auf  demselben  Uliede.  Eine 
Umwandlung  der  Knötchen  zu  Vesikelu,  Pusteln  u.  dgl.  oder 
Schorf-  und  Krustenbildung  kommt  niemals  vor.“ 

Es  besteht  noch  ein  Streit  über  das  Vorkommen  von  Bläs¬ 
chen  bei  der  in  Frage  stehenden  Erkrankung.  Den  Angaben 
R  o  li  n’s  stehen  andere  gegenüber,  die  solche  beobachtet  haben. 
-I  arisch  schreibt  z.  B. :  „Bei  Hintanhaltung  mechanischer 
Läsionen  kommt  es  gelegentlich  in  der  Mitte  der  Effloreszenzen 
zur  zirkumskripten  Abhebung  der  Epidermis  und  oft  zu  tief 
sitzenden,  prall  gespannten,  dem  tastenden  Finger  härtlich  er¬ 
scheinenden  Bläschen“. 

Auch  der  Ausdruck  Varicella  pruriginosa  der  englischen 
Autoren  würde  sich  nicht  verstehen  lassen,  wenn  diese  nicht 
Bläschen  gesehen  hätten. 

Am  häutigsten  traf  ich  die  Bläschen  an  den  Fusssohlen; 
aber  ich  sah  sie  auch  an  anderen  Körperstellen. 

Es  muss  aber  zugegeben  werden,  dass  man  häutig  auf  das 
blosse  Ansehen  hin  einer  Täuschung  unterliegt. 

Besonders  eine  Form  der  Strophuluseffloreszenz  täuschte 
mich  des  Oefteren,  bei  der  auf  einer  papulösen  Erhabenheit 
eine  perlenartige,  derbe  Halbkugel  sitzt,  die  von  der  Entfernung 
einem  Bläschen  mit  einem  Thautropfen  als  Inhalt  gleicht. 

Zur  Diagnose  ist  es  also  nöthig,  dies  Bläschen  mit  einer 
Nadel  vorsichtig  anzustechen,  um  sich  vom  flüssigen  Inhalt  zu 
überzeugen. 

Die  Vielgestaltigkeit  der  Ei uzelef floreszenzen  erklärt  hin¬ 
reichend  die  verschiedenen  Anschauungen  über  die  Zugehörigkeit 
unserer  Erkrankung,  sie  erklärt,  wie  so  es  kommen  kann,  dass 
jeder  Dermatologe  eine  Urtikaria  und  ein  Erythema  multiforme 
als  zwei  verschiedene  Erkrankungen  erklären  wird,  aber  doch 
mitunter  sich  vor  Fälle  gestellt  sehen  wird,  die  er  weder  der  einen 
Erkrankung  noch  der  anderen  ohne  Vorbehalt  zurechnen  kann. 

Es  fragt  sich  nun,  ist  es  überhaupt  berechtigt,  eine  einheit¬ 
liche  Erkrankung  anzunehmen,  die  es  nur  der  Vielgestaltigkeit 
ihres  Erscheinungsbildes  verdankt,  dass  sie  von  den  Beobachtern 
in  der  verschiedensten  Wredse  beurtheilt  wurde. 

Wir  dürfen  aber  verschiedenartige  äussere  Erscheinungen 
als  im  Wesen  gleichartige  betrachten,  wenn  sie  häufig  zusammen 
Vorkommen  oder  sich  gegenseitig  vertreten  können  und  wenn  der 
Verlauf  der  Erkrankung  ein  ziemlich  gleichartiger  ist. 

Wir  sehen  nun  häufig  bei  einem  Kinde  zu  gleicher  Zeit  eine 
Eruption  von  Knötchen  an  einer  Körperstelle,  während  an  einer 
anderen  flache  Papeln  und  Quaddeln  aufgeschossen  sind.  Oder 
wir  sehen  an  ein  und  derselben  Erkrankungszone  derbe  Stropliu- 
lusknötehen  und  Makeln  und  Papeln  untermischt,  wobei  mit  Vor¬ 
liebe  eine  Anordnung  zu  beobachten  ist,  dass  die  Knötchen  sich 
mehr  zentral,  die  Papeln  sich  mehr  an  der  Peripherie  finden. 

Der  einheitliche  Verlauf,  den  ich  vorhin  schubweise  nannte, 
der  in  Worten  schwer  zu  charakterisiren  ist,  aber  jedem  Arzte 
ohne  Weiteres  klar  vor  Augen  steht,  würde  eine  Abtrennung  von 
der  Urtikaria  schwer  erlauben,  wenn  nicht  eine  Erscheinung 
gegeben  wäre,  das  ist  die  vergleichsweise  Beständigkeit  der 
Strophuluseffloreszenz  gegenüber  der  Urtikariaquaddel. 

J  arisch  schreibt  darüber : 

„Unterscheidet  sich  diese  Urtikaria  von  der  gewöhnlichen 
schon  durch  die  Form  der-  Effloreszenzen,  so  differirt  sie  auch 
durch  den  Verlauf  der  letzteren,  insoferne  die  Knötchen  der  flüch¬ 
tigen  Natur  ermangeln,  vielmehr  erst  im  Laufe  von  mehreren 
Tagen  zur  Rückbildung  gelangen,  indem  sie  allmählich  ihres 
hyperämischen  Grundes  verlustig  werden,  abflachen  und  meist 
nach  zirka  ein-  bis  zweiwöchentlichem  Bestände  verschwinden 
und  sich  in  dieser  Beziehung  jener  höchst  seltenen  Form  der  Ur¬ 
tikaria  nähern,  bei  welcher  die  typischen  Quaddeln  Tage  und 
selbst  Wochen  hindurch  fortbestehen  (Urticaria  perstans,  Pick).“ 

Es  gibt  nun  gewisse  Fälle  von  Strophulus,  bei  denen  man 
geneigt  wäre,  sie  lieber  dem  Erythema  exsudativ,  multiforme  zu¬ 
zuzählen.  Das  ist  nicht  wunderbar,  da  Urtikaria  und  Erythema 
multiforme  exsudativ,  vielleicht  ebenfalls  einer  einheitlichen 
Gruppe  von  Hauterkrankungen  zugehören.  Gibt  doch  J  arisch 
an,  dass  er  die  Urtikaria  nur  aus  Rücksicht  auf  den  allgemeinen 
Gebrauch  getrennt  von  den  polymorphen  exsudativen  Erythemen 
besprochen. 

Nun  nimmt  aber  der  Stropliulus  eine  Mittelstellung  zwischen 
beiden  Erkrankungen  ein  und  es  ist  daraus  erklärlich,  dass  es  Fälle 
dieser  Erkrankung  geben  wird,  die  mehr  nach  der  einen  oder 
mehr  nach  der  anderen  Seite  neigen. 


Zur  Unterscheidung  wird  heranzuziehen  sein  die  Lokali¬ 
sation.  Während  das  Erythema  exsudativ,  selten  sich  am 
Stamme  ansiedelt,  ist  das  beim  Stropliulus  häufig  der  Fall.  Sollte 
sich  der  Stropliulus  ausschliesslich  an  den  Extremitäten  zeigen, 
so  kann  das  beim  Stropliulus  stärkere  Jucken  zur  Unterscheidung 
dienen;  endlich  werden  die  Handrücken  und  Fussriicken  im 
Verhältniss  weniger  als  Ober-  und  Unterarm  bezw.  Fuss  befallen 
sein.  Wenn  der  Stropliulus  Hände  und  Füsse  ergreift,  so  hält  er 
sich  an  die  Fusssohlen  oder  an  die  Uebergangsstellen  von  der 
Handfläche  zum  Handrücken.  An  den  Flächen  der  Hand  habe 
ich,  im  Gegensatz  zu  den  Fusssohlen,  niemals  Strophulus- 
knötchen  gefunden. 

Endlich  kommt  ein  peripheres  Weiterwachsen  der  Einzel- 
effloreszenz  beim  Stropliulus  nicht  vor. 

Im  Gegensatz  zu  den  Angaben  englischer  Autoren,  habe  ich 
einen  Uebergang  des  Stropliulus  in  Prurigo  niemals  beobachten 
können. 

Differentialdiagnostisch  können  ja  nur  beginnende  Fälle  von 
Prurigo  in  Frage  kommen.  Bei  Prurigo  finden  sich,  neben  den 
Papeln  und  Knötchen,  die  ohne  Weiteres  auch  beim  Stropliulus 
Vorkommen  können,  doch  auch  kleinere,  griesartige,  stecknadel¬ 
knopfgrosse  Knötchen,  die  einen  Anhalt  zur  Diagnose  geben 
und  zum  mindesten  den  Arzt  vorsichtig  machen.  Der  weitere 
Verlauf  wird  einen  Verdacht  dann  bestätigen;  denn,  wenn  der 
Stropliulus  auch  manche  Kinder  durch  Jahre  begleitet,  so  sind 
die  freien  Perioden  doch  länger  und  gründlicher  als  es  l>ei  der 
Prurigo  der  Fall  ist,  welche  auch  in  ihren  leichten  Zeiten  die 
Kinder  niemals  ganz  von  der  Erkrankung  befreit  sein  lässt. 

Vor  einer  Verwechslung  mit  Insektenstichen  wird  der  allen- 
fallsige  Nachweis  des  Stichkanals  schützen. 

Die  Dauer  der  Erkrankung  ist  eine  äusserst  verschiedene. 
Manche  Kinder  bekommen  einmal  einen  Anfall,  der  mit  dem 
Abstossen  der  Effloreszenzen  abgelaufen  ist,  wieder  andere  haben 
Wochen  und  Monate  lang  damit  zu  thun.  Meist  verhält  sich  die 
Sache  dann  so,  dass  die  Kinder  zu  bestimmten  Jahreszeiten  von 
der  Erkrankung  gequält,  zu  anderen  wieder  frei  von  ihr  sind. 
Das  kann  sich  bei  manchen  Kindern  bis  in  das  6.  und  7.  Jahr  hin¬ 
ziehen. 

Am  häufigsten  tritt  die  Erkrankung  vom  Ende  des  1.  bis 
zum  3.  Lebensjahre  auf. 

Es  kommen  während  des  ganzen  Jahres  Fälle  unserer  Er¬ 
krankung  zur  Vorstellung,  ein  gewisse  Häufung  derselben  lässt 
sieh  aber  im  1.  und  2.  und  7.  und  8.  Monat  wahrnehmen.  Stärkere 
Anfälle  sind  nicht  selten  von  leichten  Temperatursteigerungen 
begleitet. 

Eine  Ursache  für  die  Erkrankung  lässt  sich  häufig  nicht  an¬ 
führen. 

Sehr  oft  ist  man  geneigt,  eine  konstitutionelle  Anomalie  zu 
beschuldigen.  Es  sind  besonders  häufig  anämische  Kinder,  die 
mehr  Fett  als  Muskeln  haben,  mit  schwammigem  Unterhaut¬ 
zellgewebe.  Es  sind  das  Kinder,  die  selbst  für  einen  Rubens 
zu  dick  wären  und  deren  Mütter  meist  selbst  das  Gefühl  haben, 
dass  die  Schwere  und  Dicke  des  Kindes  nicht  einem  ebenso  guten 
Ernährungszustände  entspricht.  Wenn  ich  bei  Erwachsenen  den¬ 
selben  Befund,  wie  bei  diesen  Kindern  erheben  würde,  so  würde 
ich  vorerst  eine  Entwässerungstherapie  einleiten. 

In  anderen  Fällen  wird  man  mit  mehr  oder  weniger  Wahr¬ 
scheinlichkeit  eine  Stuhlverstopfung  oder*  bestimmte  Nahrungs¬ 
stoffe.  im  Verdachte  haben. 

In  einem  Falle  hörten  bei  einem  2  jährigen  Mädchen  hart¬ 
näckige  Anfälle  von  Strophulus  auf,  sowie  die,  natürlich  ohne 
Wissen  des  Arztes  verabreichten  Speisen,  die  Leber  enthielten, 
entzogen  worden  waren. 

Solche  Befunde  würden  nahe  legen,  als  Ursache  der  Erkran¬ 
kung  irgend  einen  im  Blutkreisläufe  befindlichen  schädlichen 
Stoff  zu  beschuldigen;  sei  es  nun  ein  von  aussen  durch  den  Mund 
eingeführter  Stoff,  oder  seien  es  abnorme  Zei’setzungsprodukte, 
die  aus  dem  Darme  stammen,  oder  es  könnte  sich  endlich  auch, 
wenn  wir  mehr  an  rheumatische  Erkrankung  denken  wollen,  um 
Stoffwechselprodukte  handeln,  die  von  Bakterien  stammen. 

Nun  aber  wird  man,  ohne  dem  Aetiologiebedürfnisse  der 
Laien  zu  weit  entgegen  zu  kommen,  doch  einen  Zusammenhang 
des  Strophulus  mit  der  Zahnung  nicht  ganz  leugnen  können.  Es 
wird  natürlich  nothwendig  sein,  bevor  man  zu  den  vielbeschuldig- 


8.  Juii  190$. 


MÜENCHEftER  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT*. 


ton  Zähnen  seine  Zuflucht  nimmt,  alle  anderen  Ursachen  pein- 
lichst  auszuschliessen.  Wenn  das  aber  geschehen  ist,  so  bleiben 
einige  Fälle  übrig,  bei  denen  Kinder  kurz  vor  und  während  des 
Durchbruches  von  Zähnen  Anfälle  von  Strophulus  bekommen. 
Meist  handelt  es  sich  dabei  um  Kinder,  die  zu  dieser  Zeit  auch 
noch  weitere  Zeichen  stärkerer  Reizbarkeit  zeigen. 

Bei  diesen  Fällen  wird  man  nur  schwer  die  Blutbahn  als 
Trägerin  der  Schädigung  bezeichnen  können  und  man  wird  an 
irgend  welche  nervöse  und  reflektorische  Vorgänge  denken 
müssen,  ohne  dadurch  freilich  für  das  Verständnis«  viel  ge¬ 
wonnen  zu  haben. 

Es  bedarf  nach  dem  Vorgebrachten  keiner  weiteren  An¬ 
führung  der  Gründe,  die  mich  bestimmen,  die  beschriebenen 
Krankheitsformen  als  eine  Gruppe  für  sich  aufzufassen,  die 
weder  dem  Erythema  multiforme  noch  der  Urtikaria  vorbehalts¬ 
los  unterzuordnen  ist,  als  wäre  sie  nur  eine  Unterform,  eine 
andere  Erscheinungsform  dieser  Erkrankungen. 

Ich  habe  schon  des  Oefteren  den  Namen  Strophulus  für  diese 
Erkrankung  gebraucht.  Es  wird  sich  vielleicht  empfehlen,  den 
Namen  beizubehalten,  denn  er  hat  das  älteste  Anrecht;  meines 
Wissens  hat  W  i  1 1  a  n  zum  ersten  Mal  den  Namen  für  diese  Er¬ 
krankung  geprägt;  weiterhin  ist  der  genannte  Ausschlag  unter 
diesem  Namen  bei  den  Kinderärzten,  die  ihn  ja  doch  am  häufig¬ 
sten  zu  Gesicht  bekommen,  am  bekanntesten. 

Es  macht  sich  nun,  wie  auch  anderwärts  in  der  Dermatologie, 
ein  Bedürfniss  nach  einer  gewissen  Mannigfaltigkeit  in  der 
Namengebung  geltend,  um  sowohl  der  Vielheit  der  Erscheinungs¬ 
formen  als  auch  dem  Unterschied  der  Anschauungen  gerecht  zu 
werden. 

Es  Hessen  sich  im  Strophulus  verschiedene  Erscheinungs¬ 
arten  nach  Grxxppen  zusammenstellen,  freilich  ohne  dass  mau 
dabei  aus  dem  Bewusstsein  verlieren  darf,  dass  die  Uebergänge 
zwischeix  den  einzelnen  Gruppen  fliessiende  sind. 

Unter  dem  Namen  Lichen  uxf.icatus,  Urticaria  papulosa 
Hessen  sich  die  Formen  zxxsaxximenfassen,  bei  denen  die  Papelix 
und  Quaddeln  im  Vordergrand  des  Bildes  stehen,  während  Licheix 
strophulus  xxiehr  die  Formen  bezeichnen  köixnte,  bei  denen  die 
charakteristischen  halbkugeligen,  derben  Ivixötchen  und  derb- 
wandigen  Bläschen  in  Erscheinung  treten. 

Es  gibt  nxxn  gewisse  Fonnen  von  Ekzem,  von  denen  ich 
zweifle,  ob  sie  nicht  auch  dem  Strophulxis  nahe  stehen. 

Man  findet  sie  auch  sein*  häufig  bei  anämischen  Kindern 
von  der  Beschaffenheit,  wie  sie  oben  beschrieben  wurde.  Das 
schubweise  Auftreten  ist  ebenfalls  charakteristisch.  Es  besteht 
starkes  Jucken  und  es  bilden  sich  plötzlich  ungefähr  markstjiek- 
g rosse  Flächen,  in  denen  die  Haut  ekzematös  verändert  ist. 

Der  häufigste  Sitz  sind  die  Innenflächen  der  Unterarme  und 
die  Brust  über  dem  Sternum. 

Der  Ausschlag  besteht  meist  aus  dichtgedrängt  stehenden, 
kleinsten  Papelchen,  die  spitz  und  kegelförmig  zulaufen  und 
auf  der  Höhe  entweder  ein  kleinstes  Schüppchen  tragen  oder 
nässen.  Der  Grund  auf  dem  die  Papelchen  stehen  ist  geröthet. 

Die  einzelnen  Flächen  heilen  unter  Puder  oder  Lassar  rasch 
ab,  jedoch  treten  häufig  immer  wieder  Nachschübe  auf. 

Das  leidigste  Kapitel  ist  die  Therapie  des  Strophulus.  Ein 
sicher  wirkendes  äusseres  Mittel  haben  wir  nicht. 

Im  Allgemeinen  wurde  die  Regel  befolgt,  bei  akutem  Ver¬ 
lauf  und  stai'ker  Reizbarkeit  Puder  oder  spirituöse  Betupfungen, 
auch  Essigwaschungen  zu  veroi*dnen.  Mitxmter  waren  die  Mütter 
sehr  zufrieden,  häufig  Hess  sich  aber  kein  Einfluss  bemerken. 

Bei  chronisch  verlaufenden  Fällen  mit  wenig  gereizter  Haut 
thut  oft  W  ilkinso  n’sche  Salbe  gute  Dienste,  die  auch  auf 
die  Kratzeffekte  heilend  einwirkte.  Waren  in  Folge  des  Kratzens 
stärkere  Eiterungen  inid  impetiginöise  Erkrankungen  da,  so 
wurde  das  Unguent  hydrarg.  rubrum  sulfurat.  zur  Anwendung 
gebracht. 

Dankbarer  waren  eine  Aenderung  der  Lebensweise  und  ge¬ 
naue  Diätvorschriften. 

Von  internen  Mitteln  wurde  das  Ichthyol  in  verschiedenen 
Formen  verordnet.  Seine  Wirksamkeit  ist  keine  sichere,  doch 
gibt  es  eine  Anzahl  Fälle,  bei  denen  mit  den  Ichthyolgaben  die 
Anfälle  verschwanden. 

Ursprünglich  wurden  in  der  Poliklinik  Ichthalbinpxilver 
0,5  3  mal  täglich  gegeben,  nachdem  uns  aber  dieses  Mittel  durch 


1139 


die  Fabrik  nicht  weiter  zur  Verfügung  gestellt  wurde,  gaben  wir 
Ichthyol-  und  F  orrichthyoltabletten,  die  wir  von  der  Ichthyol¬ 
gesellschaft,  Cordes,  Herrmann  &  Comp.,  zum  Geschenk  be¬ 
kommen  hatten. 

Wir  haben  mit  diesen  Mitteln  theilweise  schöne  Erfolge  ge¬ 
sehen,  theilweise  Hessen  sie  uns  im  Stich. 

Auch  bei  den  vorhin  genannten  Formen  von  Ekzem  habe  ich 
sie  mehrmals  mit  Erfolg  verordnet. 

In  einigen  sehr  hartnäckigen  Fällen  nahmen  wir  xuxsere  Zu¬ 
flucht  zum  Arsenik,  ohne  jemals  eine  Besserang  zu  erzielen. 

Zum  Schlüsse  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht,  meinem  ver¬ 
ehrten  Chef,  Herrn  Prof.  Dr.  Carl  S  e  i  t  z,  für  die  Ueberlassung 
das  Materials  und  für  die  Anregung  zu  der  Arbeit  meinen  besten 
Dank  auszusprechen. 


Die  Frage  nach  der  Identität  der  Menschen-  und 
Thiertuberkulose.*) 

Voix  Prof.  Dr.  Disselhorst  in  Halle  a.  S. 

M.  H. !  Wie  in  unser  Aller  Erinnerung  ist,  hat  Robert 
Koch  bei  seiner  berühmten  Veröffentlichung  über  die  Ent- 
stehungsursache  der  Tixberkulose  im  Jahre  1881  die  Identität 
a  1  1er  Tuberkuloseformen,  insbesondere  die  der  Menschen-  und 
Rindertuberkulose  betont,  axxs  dem  Grunde,  weil  der  Entstehung 
beider  der  gleiche  Krankheitserreger  zu  Gi-unde  liege.  Einzelne 
Beobachtungen  indessen,  auf  welche  bereits  mehrere  Forscher 
hingewiesen  hatten,  wie  z.  B.  die  verschiedene  Beschaffeixheit  der 
tuberkulösen  Veränderungen  beim  Menschen  und  beim  Rinde  und 
das  Fehlen  sicher  festgestellter  Uebertragungen  der  Tuberkulose 
vom  Menschen  auf  das  Thier  und  umgekehrt,  machten  es  zweifel¬ 
haft,  ob  die  oben  mitgetheilte  Amiahme  zutreffend  sei.  Nun  ist 
K  o  c  h,  wie  Ihnen  bekannt,  im  vorigen  Sommer  auf  dem  Londoner 
Kongress  mit  der  überraschenden  Behauptung  hervorgetreten,  die 
seine  früheren  Angaben  zum  Theil  hinfällig  macht,  nämlich 
dass  die  Tuberkulose  des  Menschen  und  verschiedener  Thiere, 
insbesondere  des  Rindes,  nicht  identische  Krankheiten  seien.  Zu 
dieser  Aixsehauung  gelangte  er  aber  nicht  durch  theoretischo 
Reflexionen,  sondern  auf  Grund  einer  Anzahl  von  bedeutungs- 
vollen  Vei’suclien,  die  er  mit  Prof.  Schütz  an  der  thierärzt- 
lichen  Hochschule  gemeinsam  anstellte. 

Das  von  beiden  benutzte  Infektionsmaterial,  mit  welchem  zu¬ 
nächst.  die  Rinder  geimpft  wurden,  bestand  theils  aus  Sputum 
von  tuberkulösen  Menschen,  theils  aus  Reinkulturen,  welche  aus 
tuberkulösen  Organen  von  Menschen,  bezw.  Rindera  gewonnen 
waren.  Sputum  und  Kulturen  wurden  den  Thieren  entweder 
mit  sterilisirter  Milch  oder  mit  sterilisirtem  Wasser  vermischt 
nach  deix  verschiedensten  Methoden  beigebracht:  durch  Inhala¬ 
tion,  Eiixspritzung  unter  die  Haut,  ixi  die  Bauchhöhle,  in  die 
vordere  Augenkammer  und  in  eine  Vene.  Es  braucht  nicht  be¬ 
sonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass  man  nur  junge  und  ge¬ 
sunde  Thiere  zu  den  Versuchen  venvendete.  Um  den  Verdacht 
einer  schon  vorhandenen  Tuberkulose  axxszuschliessen,  wurden 
die  grösseren  Rinder  zunächst  mit  Tuberkulin  behandelt,  die 
mit  Bazillen  der  menschlichen  Tuberkulose  infxzirten  Thiere 
ausserdem  streng  getrennt  von  denexx,  welche  mit  Bazillen  der 
Rindertuberkulose  behandelt  wurden,  Eine  entsprechende  Tren- 
nixng  fand  axicli  unter  dem  Wartepersonal  statt. 

Die  Resultate  waren  folgende: 

I.  Kälber. 

6  verschiedene  Fütterungsversuche  exgaben  mit  Sicher¬ 
heit,  dass  man  nicht  im  Stande  war,  Kälber  durch  Ver- 
fiitterung  von  menschlichem  tuberkulösen  Material,  selbst  wenn 
letzteres  in  grosser  Menge  und  7  Monate  lang  täglich  ver¬ 
abreicht  wird,  tuberkulös  zu  machen. 

Die  Injektionsversuche  ergaben,  dass  es  xxicht  möglich 
war,  bei  subkutaner  Injektion  von  Bazillen  der  menschlichen 
Tubei-kulose  bei  3  Kälbern  eine  Ausbreitung  der  Tuberkulose 
hervoi’zu rufen,  trotzdem  die  Thiere  7 — 8  Monate  lang  beobachtet 
wurden,  und  die  Bazillen  an  der  Injektionsstelle  sich  lebend  er- 
haltexi  hatten. 

*)  Vortrag,’  gehalten  im  Aerztevei’ein  zu  Halle  am  12.  Fe¬ 
bruar  1902. 


3* 


1140 


Ganz  anders  dagegen  verhielten  sich  die  mit  Bazillen  der 
Rindertuberkulose  subkutan  infizirten  3  Kälber ;  denn 
dieselben  erkrankten  innerhalb  kurzer  Zeit  an  allgemeiner  Tuber¬ 
kulose,  und  gingen  in  Folge  dessen  das  eine  am  49.,  das  zweite 
am  77.  Tage  zu  Grunde,  während  das  dritte  am  100.  Tage  schwer¬ 
krank  getödtet  wurde. 

Hieraus  geht  nach  Koch  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die 
Bazillen  der  menschlichen  Tuberkulose  vollkommen  unschädlich 
für  das  Rind  sind,  dass  dagegen  diePerlsuchtbazillen  bei  letzterem 
innerhalb  kurzer  Zeit  die  schwersten  Veränderungen  hervor- 
rufen  und  den  Tod  veranlassen  können. 

Die  intraabdominale  Injektion  mit  Bazillen  der  mensch¬ 
lichen  Tuberkulose  ergab  bei  3  Versuchskälbern  ein  durch¬ 
aus  negatives  Resultat,  die  Thiere  blieben  gesund;  die  gleiche 
Injektion  mit  Perlsuchtbazillen  dagegen  zeitigte  inner¬ 
halb  kurzer  Zeit  eine  Serosatuberkulose. 

Während  es  unmöglich  war,  drei  Kälber  durch  intravenöse 
Injektion  der  menschlichen  Tuberkulose  zu  infiziren,  gingen  von 
2  Kälbern,  welchen  dieselbe  Dosis  von  Bazillen  der  Rinder¬ 
tuberkulose  in  die  Vene  gespritzt  wurde,  das  erste  schon  nach 
26  Tagen  in  Folge  von  Miliartuberkulose  zu  Grunde,  während 
das  andere  an  allgemeiner  Tuberkulose  sämmtlicher  Organe 
schwer  erkrankte,  so  dass  es  getödtet  werden  musste. 

Fs  wurden  endlich  noch  4  Inhalatiönsversuche  gemacht, 
welche  ergaben,  dass  man  nur  in  einem  Falle  im  Stande  war, 
durch  Inhalation  von  Bazillen  der  menschlichen  Tuberkulose 
einen  kleinen  abgekapselten  tuberkulösen  Prozess  in  den  Lungen 
hervorzurufen,  während  die  übrigen  3  Kälber,  von  welchen  2 
die  ungeheure  Menge  von  je  4  g  Bazillen  der  menschlichen 
Tuberkulose  eingeathmet  hatten,  vollkommen  gesund  blieben. 

Schlussergeb  n  iss. 

Die  Versuche  ergaben  Folgendes: 

1.  Das  Rind  ist  für  den  Bazillus  der  menschlichen  Tuber¬ 
kulose  nicht  empfänglich,  während  der  Perlsuchtbazillus  für  das¬ 
selbe  eine  grosse  Virulenz  besitzt. 

2.  Man  kann  geradezu  die  Reaktion  des  Rindes  zur  Unter¬ 
scheidung  zwischen  Menschen-  und  Rindertuberkulose  benützen. 

3.  Das  mit  Bazillen  der  menschlichen  Tuberkulose  subkutan 
injizirte  Kalb  zeigt  weder  Veränderungen  des  Allgemeinbefindens, 
noch  nennenswerthe  örtliche  Erscheinungen,  insbesondere 
keine  oder  rasch  vorübergehende  unbedeutende  Schwellung  der 
benachbarten  Lymphdrüsen. 

4.  Bei  dem  mit  Perlsuchtbazillen  infizirten  Kalbe 
tritt  erst  nach  7 — 10  Tagen  ein  fieberhaftes  Ansteigen  der 
Körpertemperatur  ein;  von  dieser  Zeit  ab  aber  besteht  andauernd 
Fieber.  Die  Injektionsstelle  schwillt  sammt  der  Umgebung  und 
den  benachbarten  Lymphdrüsen  bedeutend  an;  letztere  erreichen 
schon  nach  10  Tagen  das  Doppelte  ihrer  Grösse.  Eiterung  an 
der  Injektionsstelle  und  Durchbruch  durch  die  Haut.  Dabei  Ver¬ 
minderung  der  Fresslust,  öfteres  Husten,  allmähliche  Erschwer- 
niss  und  Beschleungung  der  Athmung.  Meistens  verenden  die 
Thiere  schon  nach  wenigen  Wochen  an  Perlsucht. 

Schweine. 

Es  wurden  nur  durchaus  gesunde,  V4  Jahr  alte  Schweine, 
an  denen  zuvor  die  Tuberkulinprobe  gemacht  wurde,  zu  den  Ver¬ 
suchen  benutzt. 

Endergebniss: 

Die  Fütterungsversuche,  sowie  die  subkutanen,  intraabdomi¬ 
nalen  und  intravenösen  Injektionen  mit  Bazillen  der  mensch¬ 
lichen  Tuberkulose  einerseits  und  mit  denen  der  Rindertuber¬ 
kulose  andererseits  haben  gezeigt,  dass  auch  das  Schwein  für  die 
Bazillen  der  menschlichen  Tuberkulose  nicht  empfänglich  war, 
dass  sich  dagegen  die  Bazillen  der  Rinder  tuberkulöse  inner¬ 
halb  kurzer  Zeit  über  den  ganzen  Körper  verbreiteten  und  zu 
allgemeiner  Tuberkulose  führten.  (Hier  kommt  aber  ein  Aus¬ 
nahmefall  in  Frage,  bei  welchem  Granulationen  in  der  Lunge 
und  kleine  Tuberkeln  in  einer  Lymphdrüse  gefunden  wurden.) 

Schafe. 

Die  in  derselben  Weise  wie  beim  Rinde  und  Schweine  an- 
gestellton  Versuche  ergaben,  dass  Schafe  ebenso  wie  Schweine 
und  Kälber  nach  Infektion  mit  Bazillen  der  menschlichen  Tuber¬ 


No.  27. 


kulose  nicht  erkranken,  dass  aber  nach  Infektion  mit  Bazillen 
der  P  erlsucht  eine  Erkrankung  an  Tuberkulose  bei  Schafen 
eintritt,  welche  der  bei  Kälbern  ähnlich  ist.  Nur  scheint  die 
Ausbreitung  der  Tuberkulose  bei  Iv  ä  Iber  n  schneller  zu  er¬ 
folgen  als  bei  Schafen. 

Kritische  Bemerkungen. 

Gegen  diese  Resultate  K  o  c  h’s  und  ihre  kritische  Ver- 
werthung,  insbesondere  in  Bezug  auf  die  Seuchentilgung  und 
sanitärpolizeilichen  Konsequenzen,  haben  sich  indessen  in  neuerer 
Zeit  gewichtige  Stimmen  erhoben;  insbesondere  hat  Professor 
A  r  1  o  i  n  g  in  Lyon  gegen  die  Schlussfolgerungen  Koc  h’s  er¬ 
hebliche  Bedenken  geltend  gemacht. 

So  betonen  A  r  1  o  i  n  g  und  Nocard,  dass  nicht  alle  jene 
Versuche  Chauveau’s,  von  welchen  sogleich  die  Rede  sein 
wird,  in  dem  von  K  o  c  h  angegebenen  negativen  Sinne  ausge¬ 
fallen  sind.  Chauveau  konnte  nämlich  in  den  Jahren  1870, 
1872  und  1891  Kälber  sowohl  durch  Verf ütterung  als  auch  durch 
intravenöse  Injektion  mit  frischen  und  käsigen  Massen  der 
menschlichen  Tuberkulose  tuberkulös  infiziren.  Dasselbe  gelang 
K  1  e  b  s,  Kitt,  Bollinger,  und  Cro  okshank  und  Tho¬ 
mas  s  e  n  vermochten  gleichfalls  auf  3  Fälle  gelungener  In¬ 
fektion  hei  Kälbern  hinzuweisen. 

Bezüglich  der  Infektion  von  Schweinen  ergaben  die 
Versuche  K  o  c  h’s  selbst,  dass  nach  Verf  ütterung  von  mensch¬ 
lichem  Sputum  tuberkulöse  Knötchen  in  den  Halsdrüsen  und 
Granulationen  in  der  Lunge  vorkamen.  Wenn  auch  die  Gering¬ 
fügigkeit  der  tuberkulösen  Infektion  bei  diesem  Thiere  zu¬ 
gestanden  werden  muss,  so  bedeuten  sie  doch  den  negativen  Re¬ 
sultaten  beim  Kalbe  gegenüber  immerhin  eine  tuberkulöse  In¬ 
fektion  ! 

Von  sehr  wesentlicher  Bedeutung  ist  aber  die  Thatsache, 
dass  das  dem  M  enschen  entnommene  tuberkulöse  Ma¬ 
terial  durchaus  nicht  immer  die  gleiche  Virulenz  besitzt;  und 
dasselbe  gilt  auch  für  die  Kulturen.  Es  kann  das  Tuberkelgift 
im  menschlichen  Körper  verschiedene  Aktivitätsgrade  besitzen, 
und  diese  zu  entdecken,  gestattet  die  mehr  oder  weniger  deut¬ 
liche  Empfänglichkeit  verschiedener  Thierspezies;  so  z.  B.  kann 
ein  vor  oder  nach  seinem  Eintritt  in  den  menschlichen  Körper 
abgeschwächtes  Virus  einen  Theil  der  verlorenen  Aktivität 
wiedergewinnen  durch  wiederholte  Passagen  durch  das  Meer¬ 
schweinchen.  Auch  andere  Thatsachen  beweisen,  dass  der  Ba¬ 
zillus  der  menschlichen  Tuberkulose  ausserhalb  des  Organismus 
eine  Abschwächung  seiner  Virulenz  erleidet  oder  erleiden  kann. 
Das  hat  auch  II  u  e  p  p  e  neuerdings  besonders  hervorgehoben. 
Arloing  nimmt  desshalb  an,  dass  Koch  seine  Versuche  mit 
Varietäten  vornahm,  deren  Virulenz  abgeschwächt  war;  denn 
er  selbst  habe  humane  Bazillen  besessen,  mit  welchen  er  Thiere 
infizirte,  die  nach  Koch  nur  mit  den  Bazillen  der  Rindertuber¬ 
kulose  hätten  tuberkulös  werden  können. 

Oer  K  o  e  h’schen  Behauptung  entgegen  können  aber  auch 
Ziege  und  Esel  mit  Reinkulturen  von  menschlicher  Tuber¬ 
kulose  infizirt  werden;  denn  sowohl  Arloing  selbst,  als  auch 
schon  früher  Chauveau,  Johne,  Stockmann  und 
Gallier  konnten  Esel  mit  menschlicher  Tuberkulose  infiziren! 
Arloing  injizirte  1896  3  Eseln  eine  sehr  virulente  Kultur 
in  die  Vene;  bei  allen  dreien  kam  es  zu  tuberkulösen  Verände¬ 
rungen  an  den  Organen  der  Brusthöhle;  die  Lymphdrüsen  waren 
dabei  nicht  geschwollen,  nur  eine  einzelne  Bronchialdrüse  ent¬ 
hielt  vereinzelte  kleine  Tuberkel.  Dabei  ist  aber  sehr  heachtens- 
werth,  dass  die  durch  intravenöse  Injektion  hervorgerufene 
Lungentuberkulose  beim  Esel  spontan  zu  heilen  scheint. 

Fernere  Versuche  ergaben  bei  7  auf  die  gleiche  Art  behan¬ 
delten  Ziegen  tuberkulöse  Eruptionen  in  der  Lunge,  welche 
durch  Sektion  verifizirt  wurden. 

A  r  1  o  i  n  g  hat  somit  nachgewiesen,  dass  es  in  Reinkulturen 
erhaltene  Bazillen  humanen  Ursprungs  gibt,  welche  Ziege  und 
Esel  durch  intravenöse  Injektion  sehr  wohl  infiziren  können, 
so  dass  durch  sie  bei  einzelnen  dieser  Thiere  schwere  Erkrankung 
und  selbst  der  Tod  veranlasst  wird.  Dieselben  Bazillen  rufen 
bei  subkutaner  Anwendung  beim  Rinde  indessen  ausschliess¬ 
lich  lokale  Erscheinungen  hervor. 

Es  haben  diese  Versuche  somit  ebensoviel  positive  Resul¬ 
tate  verzeichnen  lassen,  welche  sich  den  negativen  Koc  h’s  ent- 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT^. 


8.  Juli  1902. 


gegensteilen.  Daher  reicht  das  von  Koch  bisher  angeführte 
Kriterium  nach  der  Meinung  Arloing’s  nicht  aus,  um  die 
generelle  Verschiedenheit  der  humanen  und  bovinen  Tuber¬ 
kulose  auszusprechen.  Besonders  ist  zu  betonen,  dass  die  V  i  r  u  - 
lenz  der  Tuberkelbazillen  sich  häufig  verändert,  selbst  bei  einer 
und  derselben  Thierspezies,  da  sie  sich  durch  eine  Reihe  von 
successiven  Transmissionen  den  einzelnen  lebenden  Medien 
adaptirt. 

Hierzu  kommen  Beobachtungen  direkter  Infektion  von 
Thieren  auf  den  Menschen: 

Schon  Nocard  und  Bang  haben  bemerkt,  dass  es  zweifel¬ 
los  Fälle  von  zufälliger  Inokulation  beim  Menschen  gibt,  welche 
hinreichend  beweiskräftig  sind.  Koch  legt  den  Hauptwerth 
auf  die  Möglichkeit  einer  Ansteckung  in  Folge  von  Ingestion; 
Nocard  betont,  dass  auch  in  der  That  authentische  Fälle  von 
Infektion  in  Folge  des  Genusses  von  Milch  von  an  Eutertuber¬ 
kulose  erkrankten  Kühen  bestehen. 

Koch  seinerseits  will  den  alimentären  Ursprung  der  Tuber¬ 
kulose  jedoch  nur  in  den  Fällen  anerkennen,  bei  welchen  der 
Darm  zuerst  erkrankte;  ja  die  Infektion  müsse  auf  den  Darm 
lokalisirt  sein  und  bleiben;  und  auch  dann,  wenn  der  alimentäre 
Ursprung  zweifellos  sei,  sei  noch  nicht  erwiesen,  dass  die  In¬ 
fektion  in  jedem  Falle  der  Rindertuberkulose  zugeschrieben  wer¬ 
den  müsse. 

A  r  1  o  i  n  g  dagegen  findet  dieses  Kriterium  zu  weit  gehend; 
es  sei,  so  betont  er,  nicht  erwiesen,  dass  in  den  vielen,  von 
Bagin  ski  und  Biedert  erforschten  Fällen  von  Kinder- 
tuberkulose,  wobei  die  Läsionen  gleichzeitig  Darm,  Lunge  und 
Bronchialdrüsen  ergriffen  hatten,  nicht  einige  mit  Darmtuber¬ 
kulose  angefangen  hätten.  Die  Krankheit  schreitet  mitunter  so 
schnell  vor,  dass  es  unmöglich  ist,  die  primären  Läsionen  zu  be¬ 
zeichnen.  Vor  Allem  müsse  hervorgehoben  werden,  dass  tuber¬ 
kulöse  Läsionen  an  den  Elektionsstellen  auftreten  können,  ohne 
dass  das  Virus  irgendwelche  Spuren  an  der  Eintrittpforte  zurück¬ 
lässt.  Arloing  glaubt  beispielsweise  an  die  Möglichkeit  einer 
Lungentuberkulose  alimentären  Ursprungs  ohne  Darmläsion! 
Ferner  beobachtete  er  bei  sehr  zahlreichen  und  verschiedenen 
Versuchen  viscerale  Tuberkulisationen,  ohne  tuberkulöse  Aus¬ 
saat  an  der  Eingangspforte,  und  endlich  muss  auf  die  Möglich¬ 
keit  hingewiesen  werden,  dass  eine  Infektion  schon  in  den  ersten 
Verdauungswegen  erfolgt,  ohne  dass  eine  intestinale  Läsion  sich 
anschliesist,  während  eine  Lungentuberkulose  entstehen  kann,  die 
dann  immerhin  alimentären  Ursprunges  ist. 

Hiernach  kann  nach  A  r  1  o  i  n  g  u.  A.  nicht  zugegeben  wer¬ 
den,  dass  Koch  schon  jetzt  in  der  Lage  sei,  sich  mit  Sicher¬ 
heit  über  die  Frage  der  Empfänglichkeit  des  Menschen  für  die 
Tuberkulose  des  Rindes  auszusprechen.  K  o  c  li  wagt  auch  nicht, 
die  Möglichkeit  der  Infektion  durch  Milch  oder  Fleisch  tuber¬ 
kulöser  Thiere  ganz  abzuweisen;  er  spricht  mit  Bestimmtheit 
nur  von  der  Seltenheit  dieser  Infektion;  dies  wird  aber  heut¬ 
zutage  allgemein  zugegeben. 

Wir  dürfen  also  zur  Zeit  noch  nicht  von  einer  endgiltigen 
Regelung  dieser  für  die  Seuchentilgung  und  für  die  sanitäre 
Wohlfahrt  so  bedeutungsvollen  Frage  reden.  Bisher  wurde  ja, 
wie  bekannt,  die  Verbreitung  der  Tuberkulose  durch  Fleisch  und 
Milch  als  eine  der  Hauptverbreitungsursachen  derselben  über¬ 
haupt  betrachtet.  Wenn  nun  die  oben  besprochenen  Erfahrungen 
Koc  h’s  sich  als  einwandfrei  wahr  erwiesen,  so  bedürften  wir 
hinfiiro  der  sanitärpolizeilichen  Maassregeln  für  den  Vertrieb 
von  Fleisch  und  Milch  tuberkulöser  Thiere  nicht  mehr.  So  lange 
aber  diese  Fragen  noch  schweben,  wird  man  ein  Anhänger  jener 
Maassregeln  bleiben  müssen,  selbst  in  dem  Bewusstsein,  dass  die 
Hauptforderung  der  humanen  Tuberkulose  der  tuberkulöse  Mensch 
selbst  ist.  So  reduzirt  aber  die  Infektion  von  Thier  auf  Mensch 
sein  möge,  immer  muss  gegen  sie  Schutz  gesucht  werden,  denn 
der  infizirte  Mensch  wird  wiederum  ein  gefährlicher  Weiterver¬ 
breiter  der  Seuche. 


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Lieber  die  Natur  der  zur  Heilung  führenden  regres¬ 
siven  und  produktiven  Gewebsveränderungen, 

welche  der  Lupus,  das  Ulcus  rodens  und  der  Naevus  vasculosus 
planus  unter  dem  Einfluss  der  1  i  ns  en’ sehen  Lichtbehandlung 

erleiden.  *) 

Von  Dr.  med.  et  phil.  Arnold  Sack, 
leitender  Arzt  am  Heidelberger  Sanatorium  für  Hautkranke. 

In  meiner  ersten,  in  dieser  Wochenschrift1)  erschienenen, 
zusammenfassenden  Arbeit  über  das  Wesen  und  die  Fortschritte 
der  Finse  n’schen  Lichtbehandlung  berührte  ich  neben  den 
theoretischen  Voraussetzungen  physikalischen  und  biologischen 
Charakters  hauptsächlich  nur  die  klinische  Seite  dieses 
therapeutisch  so  wirksamen  Verfahrens,  während  ich  die  h  i  s  to- 
logischen  Veränderungen,  welche  sich  im  Gewebe  der  be¬ 
handelten  Hautherde  unter  dem  Einfluss  des  konzentrirten  elek¬ 
trischen  Bogenlichtes  abspielen,  nur  insoweit  berücksichtigt  habe, 
als  es  zum  Verständniss  der  klinisch  wahrnehmbaren  Heilungs¬ 
vorgänge  auf  die  Haut  unbedingt  nöthig  ist.  Nun  ist  aber  die 
Frage  nach  dem  „Wie“,  nach  der  Biomechanik  des  ganzen  Pro¬ 
zesses,  der  die  komplizirte  Struktur  eines  lupösen  Granuloms, 
eines  Hautkankroids  u.  s.  w.  durch  eine  Reihe  von  regressiven 
Zwischenstufen  hindurch  schliesslich  der  Heilung  entgegenführt, 
welche  mit  der  Bildung  einer  zarten  anämischen  Hautnarbe 
gleichbedeutend  ist,  eine  so  interessante,  dass  sie  wohl  vei’dient, 
auch  ausserhalb  des  Rahmens  technisch-klinischer  Betrachtung 
für  sich  allein  erörtert  zu  werden. 

Wie  erspriesslich  die  Arbeiten  der  Kopenhagener  Forscher 
für  die  wissenschaftliche  Begründung  und  für  die  technische 
Ausgestaltung  der  Finse  n’schen  Methoden  auch  gewesen  sind, 
für  die  Erkenntniss  der  eigentlichen  histo  - pathologi¬ 
schen  Vorgänge,  welche  in  der  endgiltigen  Heilung  der 
eminent  chronischen  einschlägigen  Hautaffektionen  gipfeln,  ist 
von  dieser  Seite  bis  jetzt  noch  so  gut  wie  gar  nichts  geschehen. 
In  dem  mustergilt ig  eingerichteten  Lichtinstitut  des  Herrn  Prof. 
F  insen  ging  man  neben  den  exakten  physikalischen,  physio¬ 
logischen,  biologischen  und  bakteriologischen  Forschungen  in  den 
letzten  Jahren  vornehmlich  nur  den  praktischen  Heilzwecken 
nach,  denn  für  diese  Zwecke  war  dieses  Institut,  Dank  der 
Munifizenz  echter  Menschenfreunde,  schliesslich  gegründet. 
Pathologische  Arbeiten  feineren  Kalibers  nahm  man  dort  nicht 
gern  auf.  Nicht  einmal  das  Wesen  der  Wirkung  des  elektrischen 
Lichtes  auf  die  gesunde  Haut  wurde  dort  histologisch  studirt. 
Wie  also  die  eigentliche  „photochemische  Entzün¬ 
dung“  im  Mikroskop  aussieht,  in  wieweit  sie  sich  von  jeder 
anderen  durch  thermische,  chemische  oder  pathogene  Reize  allein 
bedingten  Entzündung  etwa  unterscheidet,  darüber  konnte  man 
weder  von  F  i  n  s  e  n  noch  von  seinen  Schülern  etwas  Genaueres 
erfahren. 

Der  Erste,  der  die  Reaktion  der  gesunden  Haut  auf  das 
elektrische  Bogenlicht  histologisch  studirt  hat,  war  Möller2) 
in  Stockholm.  Nach  diesem  Autor  vollziehen  sich  die  ersten 
Veränderungen  in  den  Blutgefässen  der  Haut,  welche  auch 
makroskopisch  eine  gewisse  Erweiterung  zeigen.  Gleichzeitig 
bemerkt  man  ein  leichtes  Oedem  und  Parakeratose  des  Epithels. 
Bei  intensiverer  Bestrahlung  tritt  eine  sero-fibrinöse  Exsudation, 
begleitet  von  kleinzelliger  Infiltration  unter  Beimengung  von 
rothen  Blutkörperchen,  auf.  Diese  Veränderungen  gehen  mehr 
oder  minder  tief  in’s  Corium  hinein.  Bei  höheren  Graden  der  Ex¬ 
sudation  können  auch  schwerere  Gewebsstörungen,  wie  Quellung 
und  Homogenisirung  des  Kollagengerüstes,  Quellung,  Infiltration 
und  schliesslich  blasige  Abhebung  des  Epithels,  namentlich  auf 
der  Grenze  zwischen  dem  Stratum  granulosum  und  dem  Stratum 
corneum  beobachtet  werden.  Bei  sehr  starker  Belichtung  hat 
Möller  auch  Thrombenbildung  in  den  Gef ässen  gesehen. 

Die  ersten  Arbeiten  dagegen  über  die  histologischen  Gewebs¬ 
veränderungen  bei  pathologischen  Prozessen  der  Haut  ver- 

*)'  Vortrag,  gehalten  im  Naturh.-medic.  Verein  zu  Heidelberg. 

9  A.  Sack:  Ueber  das  Wesen  und  die  Fortschritte  der 
F  i  n  s  e  n’schen  Lichtbehandlung.  Münch,  med.  Wochenschr.  1902, 
No.  13—14. 

2)  M  ö  1 1  e  r:  Der  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Haut  in  ge¬ 
sundem  und  krankhaftem  Zustande.  Bibliotheca  Medica,  Abth.  D, 
II.  Heft  8.  Stuttgart  1900. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


danken  wir  russischen  Forschern.  Ein  besonderes  Verdienst  hat 
sich  darin  das  Lichtinstitut  der  chirurgischen  Klinik  des  Prof. 
Welj  aminow  in  Petersburg  erworben.  Unter  der  Leitung 
Dr.  S  e  r  a  p  i  n’s  hat  dort  Dr.  Glebowsky  seine  ersten  um¬ 
fassenden  Untersuchungen  angestellt.  In  seiner  ausgezeichneten 
Monographie 3)  hat  Glebowsky  werthvolle  Aufschlüsse  ge¬ 
geben  über  die  Reihenfolge  der  z.  Th.  produktiven,  z.  Th.  re- 
gressiv-degenerativen  Veränderungen  der  Lupuselemente  bei  der 
Einsenbestrahlung.  Es  sollen  hier  zunächst  die  akuten  Er¬ 
scheinungen,  mit  denen  das  Lupusgewebe  auf  eine  einmalige 
Bestrahlung  von  üblicher  Dauer  reagirt,  kurz  angedeutet  und 
dann  die  im  Laufe  der  weiteren  Behandlung  aufeinander  fol¬ 
genden  chronischen  Umwandlungen  der  Lupomzellen  aus¬ 
führlich  erörtert  werden. 

Die  akute  Reaktion  erkennt  man  nach  24  Stunden :  a)  als 
Blutüberfüllung  und  Erweiterung  der  Gefässe  mit  Quellung 
und  Wucherung  ihrer  Endothelien,  b)  als  vermehrten  Austritt 
der  Leukoeyten  um  dieselben  und  c)  als  Erweiterung  der  Binde- 
gewebsspalten  —  mit  einem  Worte:  als  eine  Entzündung  mässigen 
Grades,  zu  der  sich  aber  —  wie  es  scheint,  eine  spezifische  Erschei¬ 
nung  —  die  Degeneration  der  Riesenzellen  in  Form  von  deut¬ 
licher  Vacuolenbildung  in  ihrem  Protoplasma  hinzugesellt. 
Diese  entzündlich  degenerativen  Erscheinungen  schreiten  bis 
zum  4.  Tage  fort  und  werden  auch  von  nekrobiotischem  Zerfall 
der  Kerne  und  von  fettiger  Degeneration  des  Plasmas  der  sog. 
epitheloiden,  vornehmlich  aber  der  Riesenzellen  begleitet.  Wäh¬ 
rend  nach  dem  4.  Tag  ein  allmählicher  Stillstand  in  das  Gewebe 
der  Lederhaut  kommt,  beginnt  in  der  Epidermis  nunmehr  die 
fettige  Entartung  und  stärkere  Abschuppung.  Doch  ist  nach 
7 — 12  Tagen  Alles  zur  Norm  wieder  zurückgekehrt  bis  auf  eine 
stärkere  Gefässbildung  in  dem  Gewebe.  Soweit  die  akute  Re¬ 
aktion. 

Die  chronische  Reaktion  dagegen  bei  wiederholter  Bestrah¬ 
lung  geht  auf  das  Ausstossen  der  Lupomknötchen  aus  den  oberen 
Schichten  desCoriums  hinaus.  Diese  Befreiung  geschieht  auch  mit 
Hilfe  degenerativer  Prozesse  und  zwar  in  folgender  Weise.  Zu¬ 
nächst  verfallen  die  Riesen  zellen  der  fettigen  Degeneration 
des  Plasmas  unter  Bildung  von  mehr  oder  minder  grossen  Hohl¬ 
räumen  (Vacuolen).  In  ihrem  Innern  finden  sich  körnige  Ge¬ 
bilde  ohne  deutliche  Eett-  oder  Glykogenreaktion,  die  wohl  beson¬ 
dere  Zwischenstufen  des  Zelleneiweisses  darstellen  und  nach  und 
nach  zu  Vakuolen  resorbirt  werden.  Aber  auch  ihre  Kerne  zer¬ 
fallen  sichtlich  durch  Pyknose  und  Chromatolyse,  bis  schliesslich 
die  Riesenzellen  auf  diese  Weise  nach  mehreren  Sitzungen  aus 
dem  mikroskopischen  Bilde  für  immer  verschwinden.  Parallel 
damit  vollziehen  sich  schwerwiegende  Umwandlungen  der 
sogen,  epitheloiden  Elemente,  bei  denen  der  de- 
generative  Charakter  schon  weniger,  der  produktive  dagegen 
sehr  deutlich  in  den  Vordergrund  tritt.  Schon  bei  der  akuten, 
einmaligen  Reaktion  sahen  wir  die  Degenerationsvorgänge  in 
ihnen  im  Verhältniss  zu  den  anderen  morphologischen  Elementen 
des  Luporns  nur  sehr  schwach  ausgeprägt.  Im  Laufe  der  Behand¬ 
lung  ändert  sich  dieses  Verhältniss  auch  nicht  mehr;  dagegen 
gehen  die  Epitheloiden  progressive  Metamorphosen  ein. 
Die  im  Mikroskop  zu  beobachtenden  Umwandlungen  derselben 
berechtigen  zu  der  Annahme,  dass  ihnen  am  Aufbau  der  späteren 
Lupusnarbe  ein  wesentlicher  Antheil  zukommt,  indem  sich  diese 
Zellen  bezw.  ihre  Kerne  oval  und  spindelförmig  verlängern  und 
umlagern  und  schliesslich  in  Bindegewebsfasern  übergehen. 

Von  dem  dritten  integrirenden  Bestandteil  des  Lupusknöt¬ 
chens  —  von  den  lymphoiden  Elementen  desselben  —  be¬ 
richtet  uns  Glebowsky,  dass  sie  z.  Th.  zu  Grunde  gehen, 
z.  Th.  aber  proliferative  Veränderungen  eingehen.  Jene  nach 
Serapin’s  Ansicht  aus  den  Leukoeyten  des  Blutes  hervor¬ 
gegangenen  Elemente,  welche  dem  Untergang  geweiht  sind, 
unterliegen  einer  fortschreitenden  fettigen  Degeneration;  diese 
aktiven  Elemente  dagegen,  die  Glebowsky  (bezw.  S  e  r  a  p  i  n) 

*)  A.  Glebowsky:  Zur  Frage  der  Wirkung  des  konzen- 
trirten  Bogenlichtes  auf  den  Lupus.  St.  Petersburg  1901.  (Russisch.) 
-Mit  vielen  Abbildungen  und  Tafeln.  168  S.  —  Vergl.  auch  den 
von  Dr.  Serapin  auf  dem  VII.  Kongress  d.  Deutsch,  dermatol. 
Gesellsch.  zu  Breslau,  Mai  1901,  erstatteten  Bericht  über  die 
G  lebowsk  y’sehen  Befunde.  Verhandl.  S.  500—507  und  Taf.  XI 
bis  XIV. 


von  den  fixen  Bindegewebszellen  ableitet,  zeigen  keine  Degene¬ 
rationserscheinungen.  Nach  Art  der  Epitheloiden  gehen  sie  viel¬ 
mehr  in  ovale  und  spindelförmige  Zellen  über,  die  durch  Faser¬ 
erzeugung  an  der  Bildung  des  Narbengewebes  theilnehmen,  ja  zu¬ 
sammen  mit  fibroplastisch  aktiven  Epitheloiden  das  eigentliche 
Narbengewebe  bilden. 

Interessant  ist  es,  dass  die  sehr  reichlich  entwickelten  Blut¬ 
gefässe,  die  für  das  Vorsichgehen  aller  dieser  Prozesse  unent¬ 
behrlich  sind,  zunächst  keine  Rückbildung  zeigen  und  erst  am 
Schluss  des  Vernarbungsprozesses  mit  der  Bildung  einer  zellen¬ 
armen  Narbe  durch  Endovasculitis  zu  obliteriren  anfangen 
und  schliesslich  verschwinden. 

Alles  zusammen  —  der  Schwund  der  weniger  standhaften 
Lupomelemeinte  (wie  der  Riesenzellen  und  eines  Theiles  der 
Lymphocyten)  sowohl,  wie  die  Proliferation  der  standhafteren 
Elemente  (der  Epitheloiden  und  des  anderen  Theils  der 
Lymphocyten),  dann  aber  die  Rückbildung  der  gewucherten  Binde¬ 
gewebszellen  zu  Fibrillen  —  bildet  im  Verein  mit  desquami- 
render  und  obliterirender  Endothelproliferation  der  Blutgefässe 
das  Wesen  jener  „photochemischen  Entzündung“  bei  Finsen¬ 
behandlung,  welche,  von  den  oberen  Schichten  des  Coriums  aus¬ 
gehend,  sich  allmählich  über  seine  ganze  Dicke  ausbreitet  und 
endlich  in  die  kosmetisch  tadellose  zellenarme  und  weiche  Narbe 
übergeht. 

Aus  diesen  Beobachtungen  Glebowsky’s  ergeben  sich 
viele  interessante  Gesichtspunkte  für  die  weitere  Verfolgung 
der  Frage  der  Lupomrückbildung  vom  Standpunkte  der  Plasma¬ 
zellentheorie.  Weiteren  Arbeiten  bleiben  hier  wichtige  histo¬ 
logische  Aufschlüsse  unter  Zuhilfenahme  feinerer  Färbungs- 
me  (Loden  Vorbehalten. 

Während  in  den  Arbeiten  von  S  e  r  a  p  i  n  und  Glebowsky 
keine  Antwort  auf  die  Frage  enthalten  ist,  wie  die  Vakuolisirung 
der  Riesenzellen,  die,  wie  anzunehmen  ist,  ein  charakteristisches 
Merkmal  der  photochemischen  Entzündung  des  lupösen  Gewebes 
darstellt,  vor  sich  geht  und  durch  welche  Faktoren  diese  und 
der  Schwund  der  übrigen  Elemente  bedingt  wird,  hat  Pilnow4) 
in  der  allerletzten  Zeit  versucht,  eine  Erklärung  dafür  zu  geben, 
indem  er  auf  Grund  seiner  histologischen  Beobachtungen,  in 
denen  er  übrigens  auf  die  Arbeiten  Glebowsky’s  merk¬ 
würdiger  Weise  keinen  Bezug  nimmt,  die  Behauptung  aufstellt, 
dass  es  die  aus  den  photochemisch  gereizten  Blutgefässen  aus- 
gewanderten  Leukoeyten  sind,  welche  in  die  Riesenzellen  (und 
auch  andere  Zellen  nach  P  i  1  n  o  w)  eindringen  und  dort  durch 
eine  Art  Phagocytose  das  Plasma  unter  Bildung  von  Ilohlräumen 
(Vakuolen)  vernichten.  Es  sei  mir  gestattet,  die  betreffende 
Stelle  hier  ausführlicher  wiederzugeben:  Man  begegnet,  sagt 
Pilnow,  Riesenzellen,  die  keine  Leukoeyten  enthalten,  dafür 
aber  von  solchen  haufenweise  umlagert  sind,  wobei  einige  von 
diesen  im  Momente  des  Eindringens  in  die  Riesenzelle  ertappt 
werden,  indem  ein  Theil  des  weissen  Blutkörperchens  noch  ausser¬ 
halb  der  Zelle,  der  andere  Theil  dagegen  in  dieselbe  schon  ein¬ 
bezogen  ist.  Dort,  wo  sie  schon  eingedrungen  sind,  sieht  man 
im  Protoplasma  der  Riesenzelle  einen  hellen,  ringförmigen  Hohl¬ 
raum  um  sie  herum,  der  schliesslich  zu  einem  runden  grossen 
Hohlraum  wird.  Solcher  gibt  es  4 — 5  in  einer  Riesenzelle,  so 
dass  ihr  Protoplasma  schwammiges  Aussehen  bekommt.  Einige 
von  den  Vakuolen  nehmen  den  grössten  Theil  der  Zelle  ein. 
Gieiehzeitig  zerfallen  aber  auch  die  Riesenzellkerne  durch 
Chromatolyse  und  geben  ähnlichen  Vakuolen,  wie  den  oben  be¬ 
schriebenen,  Platz.  Auf  diese  Weise  löst  sich  allmählich  die 
ganze  Riesenzelle  unter  der  von  Pilnow  behaupteten  destruk¬ 
tiven  Mini  rarbeit  der  eingewanderten  Leukoeyten  auf. 

Wie  schon  Glebowsky,  beobachtete  Pilnow  die  Va¬ 
kuolenbildung  auch  in  den  tieferen  Schichten  des  Rete  Malpighi 
und  —  im  Gegensatz  zu  jenem  —  auch  in  den  Epitheloiden. 
Auch  hier  glaubt  er  die  Resorption  im  Plasma  auf  die  einge¬ 
wanderten  Leukoeyten  zurückführen  zu  müssen,  die  er  in  ihnen 

4)  M.  Pilnow  (aus  dem  Laboratorium  von  Prof.  Gay  in 
Kasan):  Ueber  liistopathologische  Veränderungen  des  Lupus  vul¬ 
garis  unter  der  F  i  n  s  e  n’schen  Behandlung.  Vortrag,  gehalten 
am  4.  März  d.  J.  in  der  medizinischen  Gesellschaft  der  Universität 
Kasan.  Vorläufige  Mittheilung  in  der  russischen  medizinischen 
Wochenschrift  ..Iiusskij  Wratsch“,  No.  15,  1902,  p.  579.  (Vergl.  ein 
kurzes  Referat  von  mir  darüber  in  der  „Deutsch,  med.  Wochen¬ 
schrift“,  No.  20.) 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


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gesehen  hat.  Die  Lymphocyten  dagegen  lässt  er  durch  Chromato- 
lyse  der  Kerne  zu  Grunde  gehen. 

Diese  interessanten  Veränderungen,  die  er  auf  die  Phago- 
cytosre  der  unter  dem  photochemischen  Reiz  emigrirten  Leuko- 
cyten  zurückführt,  im  Verein  mit  einer  eigenthümlichen  serösen 
Durchtränkung  und  mit  Leukocyten-  und Eosinophileninfiltration 
des  Lupusgewebes  beschreibt  Pilnow  als  das  Wesen  der  photo¬ 
chemischen  Reaktion. 

Die  Bestätigung  dieser  Befunde  bleibt  abzuwarten.  Vor 
Allem  muss  noch  der  Nachweis  geführt  werden,  dass  es  wirklich 
eingewanderte  Leukocyten  und  nicht  die  degenerirenden  Kerne 
der  Riesenzellen  und  sonstiger  Zellen  selbst  sind,  um  die  sich  die 
Hohlräume  bilden.  Die  degenerirenden  Zellkerne  sind  im  Ge¬ 
webe  mitunter  leicht  mit  Leukocyten  zu  verwechseln.  Mit 
diesem  Nachweis  fällt  und  steht  die  schöne  Phagocytentheorie 
dieses  Beobachters 5  6). 

Wie  für  den  Lupus,  so  waren  auch  für  das  Ulcus 
r  o  d  ens  die  russischen  Arbeiten  bis  jetzt  die  einzigen,  die  sich 
mit  der  Histopathologie  der  Finsenreaktion  beschäftigten.  Aus 
demselben  Laboratorium  von  Weljaminow  kam  vor  Kurzem 
eine  andere  ausführliche  Arbeit  von  Gerschuny6)  heraus.  Um 
die  Resultate  dieses  Autors  richtig  zu  würdigen,  muss  hervor¬ 
gehoben  werden,  dass  er  mit  v.  V  o  1  k  m  a  n  n,  König, 
Braun  u.  A.  geneigt  ist,  im  Ulcus  rodens  weniger  eine  wahrhaft 
karzinomatöse  Neubildung  der  Haut,  als  vielmehr  ein  exulzerirtes 
Endotheliom,  also  ein  Gebilde  mesodermalen  Ursprungs  mit  nur 
sekundären  Epithelveränderungen  proliferativen  Charakters 
zu  sehen.  Man  mag  in  dieser  noch  wenig  geklärten  Frage  von  der 
wahren  Natur  des  Ulcus  rodens  oder  des  „Jaco  b’schen  Haut¬ 
karzinoms“  einen  von  Gerschuny  abweichenden  Standpunkt 
einnehmen,  immerhin  muss  zugegeben  werden,  dass  ein  guter 
Theil  der  TJlcera  rodentia  durch  seinen  klinischen  Verlauf,  seine 
Zugänglichkeit  für  die  konservative  Therapie,  seine  relative  Be- 
nignität  und  den  Mangel  jeglicher  Drüsenmetastasen  von  den 
typisch  karzinomatösen  Bildungen  in  der  Haut  wesentlich  ver¬ 
schieden  ist.  Dazu  kommt  der  von  v.  Volk  mann,  Pagen¬ 
stecher,  König,  Braun,  Madelung  und  Ger¬ 
schuny  erhobene  histologische  Befund,  der  mit  grosser  Wahr¬ 
scheinlichkeit  für  den  primär-endotheliomatösen  Charakter 
dieser  Hautgeschwüre  spricht.  Gibt  man  also  die  Wahrschein¬ 
lichkeit  zu,  dass  man  im  Ulcus  rodens  eine  relativ  benigne  Neu¬ 
bildung  bindegewebigen  Charakters  hat,  die  von  den  Endothelien 
der  Bindegewebsspalten  ausgeht,  so  wird  man  auch  als  Chirurg 
gegen  die  Ausdehnung  des  konservativen  Finsen’schen  Ver¬ 
fahrens  auch  auf  die  Behandlung  dieser  „Pseudokarzinome“ 
nichts  Wesentliches  einzuwenden  haben,  zumal  als  nach  verschie¬ 
denen  Publikationen,  speziell  von  Finsen  u.  A.,  der  Prozent¬ 
satz  der  Heilungen  (ca.  50  Proz.)  bis  jetzt  kein  geringer  war. 
Auch  ich  konnte  mich  u.  A.  von  der  heilenden  Kraft  dieses  Ver¬ 
fahrens  bei  meinen  Fällen  überzeugen.  Gerschuny  selbst 
konstatirt  eine  gewisse,  wenn  auch  nicht  durchgreifende  Analogie 
zwischen  den  histologischen  Bildern  der  akuten  wie  chro¬ 
nischen  Lupus-  und  der  Ulcus  rodens-Reaktion.  Bei  der 
a  k  u  t  e  n  fallen  hauptsächlich  die  gewöhnlichen  entzündlichen 
Erscheinungen  auf,  die  sich  in  den  oberen  Cutisschichten  ab¬ 
spielen  und  neben  der  starken  Erweiterung  und  Hyperämie  der 
Blutgefässe  sowohl  wie  ödematöser  Durchtränkung  des  Gewebes 
(Erweiterung  der  Saftspalten)  in  rundzelliger  Infiltration  um  die 
Gefässe  bestehen,  während  das  Rete  Malpighi  auch  ein  leichtes 
Oedem  mit  Vacuolisirung  der  Zellen  und  Abschuppung  des 
Stratum  corneum  zeigt.  Die  Hyperplasie  der  Endothelien  an 
den  Knäuel-  und  Talgdrüsen  ist  nebensächlich. 

Die  chronische  Reaktion  dagegen  bei  fortgesetzter  Be¬ 
handlung  lässt  auch  hier  die  Umlagerung  und  Umwandlung  der 
rundzeiligen  Elemente  zu  spindelförmigen  und  verzweigten 
Zellen  mit  nachträglicher  Umwandlung  derselben  zu  Binde- 
gewebsfibrillen  erkennen.  Mit  dem  fortschreitenden  Schwund 

5)  Ich  habe  mich  inzwischen  aus  den  mir  von  Herrn  Prof.  Gay 

in  liebenswürdigster  Weise  überlassenen  P  i  1  n  o  w’schen  Prä¬ 
paraten  überzeugen  können,  dass  seine  Behauptungen  wirklich  auf 
Thatsachen  beruhen. 

°)  B.  Gerschuny:  Zur  Frage  des  Ulcus  rodens  und  der 
Einwirkung  des  konzentrirten  elektrischen  Bogenliehtes  (nach 
Finsen)  auf  dasselbe.  (Russisch.)  St.  Petersburg  1901.  Mit 
mehreren  Tafeln.  79  S. 


der  Infilträtzellen  und  dem  Erstarken  der  jungen  Bindegewebs¬ 
zellen  und  Fibrillen  zieht  sich  das  ursprünglich  gewucherte  Epi¬ 
thel  unter  fortschreitender  Vakuolisirung,  Schrumpfung  und 
sonstiger  Degeneration  immer  mehr  zurück  und  zusammen.  Die 
im  Gewebe  der  Cutis  versprengten  Epithelzüge  werden  von  dem 
neuen  zellenreichen  Bindegewebe  umwachsen  und  gewisser- 
maassen  erdrückt,  bis  sie  durch  Atrophie  völlig  zu  Grunde  gehen. 
Die  das  eigentliche  Stroma  des  Ulcus  ausmachenden  endothelialen 
Elemente  dagegen  verschwinden  nach  und  nach,  indem  sie  neue 
Fibroblasten  bilden,  aus  denen  wiederum  junge  Bindegewebs- 
fibrillen  entstehen ;  denn  mit  der  progressiven  Abnahme  der 
Endothelzellen  der  Neubildung  geht  die  fortschreitende  Zu¬ 
nahme  der  Fibroblasten,  ohne  erkennbare  degene- 
rative  Zwischenstufen,  vor  sich.  Die  in  Frage  kom¬ 
menden  Fibroblasten,  die  von  den  Endothelien  geliefert  werden, 
haben  sternförmiges  Aussehen.  Ihre  Ausläufer  gehen  unbemerkt 
in  die  Collagenfasern  über. 

Das  Endresultat  aller  dieser  Umwandlungen  ist  ein  festes 
Narbengewebe,  dessen  derbe  Faserzüge  die  zwischen  ihnen  lie¬ 
genden  Blutgefässe  zur  Obliteration  bringen.  Ob  dabei  desquama¬ 
tive  Prozesse  im  Innern  derselben  in  Frage  kommen,  erwähnt 
Gerschuny  nicht. 

Aber  auch  über  den  Naevus  vasculosus  planus 
oder  die  einfache  Teleangiektasie  der  Haut  verdanken 
wir  einige  Aufschlüsse  derselben  Weljamino  w’schen  Klinik, 
aus  der  G  1  e  b  o  w  s  k  y 7)  vor  einigen  W ochen  eine  kurze  dies¬ 
bezügliche  Arbeit  gebracht  hat.  Wie  ich  in  meiner  ersten  Ver¬ 
öffentlichung  erwähnt  habe,  hat  Finsen  in  vielen  Fällen  dieser 
hartnäckigen  Hautanomalie  Heilerfolge  erreicht.  Auch  in  Peters¬ 
burg  waren  die  Resultate  nicht  minder  günstig.  Anatomisch 
bildet  das  Wesen  des  Rückbildungsprozesses,  der  hier  zur  Hei¬ 
lung  führt,  nach  den  histologischen  Untersuchungen  von  Gle- 
b  o  w  s  k  y,  die  noch  nicht  ganz  abgeschlossen  sind,  eine  starke 
Hyperämie  bis  zur  Blutstase  und  die  Peri-  und  Endovasculitis 
an  den  Blutgefässen.  Durch  die  entzündlichen  Zellenmäntel,  die 
sich  um  dieselben  bilden  (Perivasculitis),  erleiden  die  Gefässe 
schon  eine  erhebliche  Kompression.  Durch  die  parallel  einher¬ 
gehende  Wucherung  der  Gefässendotlielien  (Endovasculitis)  führt 
diese  Kompression  schliesslich  zur  Thrombose  bezw.  zur  voll¬ 
ständigen  Verödung  der  Gefässe.  Nach  der  vollzogenen  Oblitera¬ 
tion  organisiren  sich  die  Thromben  sehr  rasch  durch  die  pro¬ 
liferative  Thätigkeit  der  Gefässendothelien,  während  in  dem 
Bindegewebe  selbst  von  seinen  Zellen  neue  Faserzüge  ausgehen. 
Zuletzt  entsteht  auf  diese  Weise  ein  festes,  aus  Collagen  ohne 
Beimengung  von  jungem  Elastin  bestehendes  Corium. 

Lassen  sich  nun  aus  diesen  Befunden  Folgerungen  ziehen  für 
die  Theorie  der  Lichtwirkung  auf  die  Haut  ?  Ich  glaube,  dass 
es  bis  zu  einem  gewissen  Grade  schon  zulässig  ist,  wenn  auch 
zugestanden  werden  muss,  dass  weitere  und  zahlreichere  Beob¬ 
achtungen  dazu  gehören,  um  diesen  Folgerungen  eine  absolute 
Beweiskraft  zu  verschaffen. 

Aus  diesen  Befunden  lernen  wir: 

1.  Dass  der  erste  Angriffspunkt  für  die  Lichtwirkung  die 
Blutgefässe  sind,  an  deren  Wandungen  die  ersten  Ver¬ 
änderungen,  wie  Endothelquellung  und  Wucherung,  zu  erkennen 
sind.  Am  einfachsten  tritt  dieses  Verhalten  bei  unkomplizirten 
Angiomen  der  Haut  in  Erscheinung  (Endovasculitis  mit 
schliesslicher  Obliteration  der  Gefässe).  Es  kommt  aber  auch 
in  der  komplizirten  Struktur  eines  Lupusherdes  noch  deutlich 
genug  zur  Geltung. 

2.  Dass  der  ganze  Prozess  mit  Verbrennung  und 
Verätzung  des  kranken  Gewebes  nichts  zu 
thun  ha  t,  wie  es  von  mancher  Seite  fälschlich  beobachtet 
wurde.  Schon  das  späte  Auftreten  der  Lichtreaktion,  aus  der 
von  vornherein  die  Wärmestrahlen  zum  allergrössten  Theil  eli- 
minirt  sind,  sowohl  wie  der  ganze  klinische  Verlauf  sprechen 

T)  A.  Glebowsky:  Zur  Frage  der  Wirkung  des  konzen¬ 
trirten  elektrischen  Bogenlichtes  (nach  Finsen)  auf  die  Blut- 
mäler  (Naevus  vasculosus  planus.  Angioma  Simplex,  Teleangi¬ 
ektasie).  Mit  Tafeln.  (Aus  den  „Arbeiten  des  medizinischen  Licht¬ 
institutes  der  Chirurg.  Klinik  von  Prof.  Weljamino  w“. 
[Russisch.]  März  1902.) 


4* 


1144 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


gegen  diese  unrichtige  Annahme.  Vor  Allem  spricht  aber  im 
histologischen  Bild  das  Fehlen  der  jede  Verbrennung  und  Aetz- 
ung  begleitenden  Koagulation  mekrose  dagegen.  Die  regressiven 
Veränderungen  zellularen  Charakters,  die  hier  auftreten 
und  z.  Th.  nekrobiotiseher  Art  sind,  sind  rein  e  1  e  k  t  i  v,  indem 
sie  nur  bestimmte  und  zwar  weniger  standhafte  Elemente  des 
kranken  Gewebes  befallen,  während  die  anderen  Elemente 
innerhalb  und  ausserhalb  des  kranken  Herdes  gerade 
zur  aktiven  Thätigkeit  angeregt  („inzitirt“)  werden.  Somit  geht 
diesen  Veränderungen  jede  nekrotisirende  oder  zerstörende  Rolle 
ab,  die  den  Brenn-  oder  Aetzprozessen  bei  Lupus  u.  A.  dagegen 
innewohnt. 

3.  Dass  die  chemischen  Lichtreize,  welche  hier  die  kranke 
Haut  treffen,  vermöge  ihrer  verhältnissmässig  geringen  In¬ 
tensität,  die  weit  davon  entfernt  war,  das  Zellleben  gänzlich  zu 
zerstören,  in  den  Zellen  im  Gegen theil  solche  Bedingungen 
schaffen,  welche  den  noch  nicht  ganz  kranken  Zellen  die  Möglich¬ 
keit  geben,  sich  selbst  wieder  zu  erholen  und  auch  über  die  kran¬ 
ken  Zellen  zu  siegen.  Die  Schwächung  der  pathologischen  Haut¬ 
elemente  auf  der  einen,  die  Stärkung  der  standhaften,  noch  ge¬ 
sunden  Elemente  im  Inneren  des  Herdes  und  in  seiner  „Grenz¬ 
schicht“  auf  der  anderen  Seite  —  sind  die  beiden  biochemischen 
Produkte  der  Finsenbehandlung,  welche  demnach  wohl  den 
Namen  der  zellular  therapeutischen,  die  ihr  G.  Müller8)  bei¬ 
gelegt  hat,  wohl  verdient.  Damit  stimmt  es  auch  überein,  dass 
die  Methode,  wie  schon  erwähnt,  rein  e  1  e  k  t  i  v  wirkt,  indem  sie 
nur  gewisse  zellige  Elemente  allmählig  zur  Resorption  bringt, 
die  anderen  dagegen  zu  fixen  Bindegewebsbestandtheilen  erhebt, 
wodurch  die  eigentliche  Heilung  hervorgebracht  wird. 

Wie  ganz  anders  muss  die  Heilung  hier  vor  sich  gehen,  wo 
unter  dem  Einfluss  der  in  den  Grenzen  eines  noch  physio¬ 
logischen  Reizes  befindlichen  chemischen  Lichtwirkung  die 
Lebensenergie  der  geschwächten  Gewebszellen  zu  aktiver  Thätig¬ 
keit  und  Ausstossung  der  kranken  Einlagerungen  angefacht  wird, 
im  Vergleich  mit  jenen  rein  passiven  Methoden,  wo  das  Gesunde 
mit  dem  Kranken  zugleich  durch  Thermokauter  und  Aetzstab 
unwiderruflich  zerstört  wird  und  damit  den  noch  standhaften 
Elementen  die  Möglichkeit  entzogen  wird,  sich  durch  eigene  pro¬ 
duktive  Lebensthätigkcit  des  inneren  Feindes  zu  erwehren. 

Was  die  andere  wichtige  Frage  anlangt,  ob  die  Finsenbehand¬ 
lung  durch  baktericide  oder  durch  photochemisch-entzündliche 
Eigenschaften  wirkt,  so  scheint  mir  aus  den  histologischen  Be¬ 
funden  hervorzugehen,  dass  die  letzteren  eine  überaus  wichtigere 
Rolle  dabei  spielen,  als  die  bakterizide  Kraft  allein.  Immerhin 
ist  dadurch  die  indirekte  bakterizide  Einwirkung  gewiss  nicht 
ausgeschlossen.  Schon  die  im  Beginn  der  Behandlung  auf¬ 
tretende  vakuolisirende  Degeneration  der  Riesenzellen,  in  denen 
die  Tuberkelbazillen  zu  vermuthen  sind,  muss  zum  Untergang 
dieser  führen.  Inwieweit  für  die  Erklärung  dieses  Bakterien¬ 
todes  die  Phagocytentheorie  von  P  i  1  n  o  w  herangezogen  werden 
darf,  bleibt  noch  dahingestellt.  P  i  1  n  o  w  selbst  hat  diese  Kon¬ 
sequenz  noch  nicht  gezogen.  Vielleicht  geben  uns  weitere 
Arbeiten  näheren  Aufschluss  darüber. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Basel 
(Direktor :  Prof.  Dr.  v.  Herf  f). 

Zur  klinischen  Bedeutung  der  Retroflexio  uteri 

mobilis. 

Von  Dr.  E.  Wormser, 

gew.  Assistenzarzt  der  geburtsh.-gynäkol.  Poliklinik. 

(Schluss.) 

Ich  habe  während  des  Jahres  1901/02  reichlich  Gelegenheit 
gehabt,  mich  von  der  Richtigkeit  des  eben  skizzirten  Stand¬ 
punktes  zu  überzeugen,  indem  sich  unter  dem  Material  der 
gynäkologischen  Poliklinik  etwas  über  100  Fälle  von  unkom- 
plizirter,  also  „reiner“  mobiler  Retroflexion  des  nicht  gra¬ 
viden  Uterus  befanden.  Von  diesen  waren  absolut  beschwerde¬ 
frei  36,  also  über  ein  Drittel;  diese  Frauen  kamen  theils  zur 
Kontrole  nach  Geburt,  Abort  oder  Operation  resp.  Behandlung, 
theils  zur  Untersuchung  auf  Gravidität  oder  wegen  Affektionen 
der  äusseren  Genitalien  oder  aus  sonstigen  Ursachen.  Ueber 

8)  G.  J.  Müller:  Artikel „Aktinotherapie“  im  Lolmstein’schen 
Medizinalkalender  für  1902.  Verlag  von  O.  Coblentz. 


Kreuzschmerzen  allein  oder  verbunden  mit  anderen  Beschwerden 
klagten  32;  in  einem  Theil  dieser  Fälle  habe  ich  Pessare  ein¬ 
gelegt  und  dabei  die  schon  oben  erwähnte  Erfahrung  bestätigen 
können,  dass  eine  Anzahl  von  Frauen  trotz  guter  Lage  des  Uterus 
im  Pessar  sich  nicht  erleichtert  fühlten;  andere  kamen  zum 
Ringwechsel,  ganz  beschwerdefrei :  der  Uterus  lag  retroflektirt ; 
in  noch  anderen  Fällen  stimmten  das  orthopädische  und  funktio¬ 
nelle  Resultat  mit  einander  überein.  Einer  Anzahl  dieser  Frauen 
habe  ich  kein  Pessar  eingelegt;  ich  habe  ihnen  gesagt,  die  Be¬ 
schwerden  kämen  nicht  vom  Unterleibe,  sondern  von  den  Nerven 
her,  habeBäder,  kalte  Waschungen,  Tct.  valerianae  oder  je  nach  be¬ 
stehenden  anderen  Beschwerden  (Obstipation  etc.)  dementspre¬ 
chend  ein  Mittel  verschrieben  und  sehr  schöne  Resultate  erzielt. 
Das  letzte  Drittel  meiner  Patientinnen  kam  aus  den  verschie¬ 
densten  Gründen;  sie  klagten  über  verstärkte,  unregelmässige 
Blutungen,  Dysmenorrhoe,  Fluor,  Schmerzen  im  Leib,  in  den 
Lenden,  im  Rücken,  Kopfweh,  Schwindel,  Magenschmerzen, 
Stuhlbeschwerden,  Ischias  etc.  Auch  hier  hat  sich  dieselbe  Er¬ 
fahrung  bestätigt,  dass  eben  in  der  Mehrzahl  dieser  Fälle 
ein  nachweisbarer  Zusammenhang  zwischen  den  Symptomen, 
worüber  geklagt  wurde,  und  der  Lage  des  Uterus  nicht  bestand. 
Eine  Beobachtung  habe  ich  aber  mit  grosser  Evidenz  machen 
können  und  die  betrifft  den  grossen  Einfluss  der 
Suggestion  und  Autosuggestion.  Einige  Beispiele, 
die  ich  leicht  vermehren  könnte,  mögen  dies  verdeutlichen: 

Eine  36  jährige  Hausfrau,  Mutter  von  3  Kindern,  deren 
jüngstes  8  Jahre  alt  ist,  steht  seit  Nov.  1899  in  poliklinischer  Be¬ 
handlung  wegen  Kreuzschmerzen,  Müdigkeit,  Schwäche  in  den 
Beinen  etc.  Die  erste  Untersuchung  hatte  eine  Retroflexion  er¬ 
geben,  die  durch  verschiedene  Pessarien  zu  heben  versucht  worden 
war.  Manchmal  hatte  sie  nun  Beschwerden,  trotzdem  der  Uterus 
vorne  lag,  manchmal  umgekehrt  keine  oder  wenigstens  keine 
Kreuzschmerzen,  währenddem  sich  der  Uterus  im  Pessar  nach 
hinten  umgelegt  hatte.  Im  Juni  1901  sah  ich  die  Patientin  und 
stellte  die  Diagnose  Neurasthenie.  Die  Behandlung  war  nun  zu¬ 
nächst  eine  psychische,  indem  ich  der  Patientin  Hauptaugenmerk 
vom  Unterleib  weg  auf  den  Zustand  ihrer  Nerven  richtete  und  ihr 
desshalb  kalte  Waschungen,  Spazieren  im  Freien,  gute  Ernährung 
anrieth;  wegen  eines  leichten  Descensus  vaginae  legte  ich  ein 
kleines  Hodgepessar  ein,  das  keine  Beschwerden  verursacht.  Seit¬ 
her  kommt  Patientin  alle  2—3  Monate  zum  Ringwechsel,  Avobei 
der  Uterus  stets  ganz  retroflektirt  angetroffen  wird;  dabei  fühlt 
sie  sich  aber  vollkommen  wohl,  ist  arbeitsfähig  und  arbeitskräftig 
und  klagt  namentlich  nie  mehr  über  Kreuzweh. 

Eine  47  jährige  Hausfrau,  ebenfalls  seit  2  Jahren  in  Behand¬ 
lung  wregen  Retroflexion,  zeigt  in  gleicher  Weise  ein  wechselndes 
Verhalten  in  ihren  Beschwerden,  ohne  dass  dieselben  mit  der 
Stellung  des  Uterus  zusammenfallen  würden.  Am  15.  April  1901 
kam  sie  wieder  zum  Ringwechsel  und  fühlte  sich  dann  ganz  wohl, 
bis  sie  Anfangs  Juli  bei  der  täglichen  Scheidenausspülung  den 
Eindruck  hatte,  das  Rohr  stosse  an,  gehe  nicht  mehr  so  tief  in 
die  Scheide  herein  wie  sonst,  woraus  sie  schloss,  der  Ring  sei  ge¬ 
rutscht  und  der  Uterus  habe  sich  wieder  umgelegt;  nun  fühlt  sie 
wieder  Kreuzschmerzen,  Müdigkeit,  Scliwrere  in  den  Beinen  etc., 
Beschwerden,  die  nicht  verschwinden  wollen;  sie  kommt  desshalb 
früher  als  gewöhnlich  zum  Ringwechsel  und  siehe  da,  das  Pessar 
liegt  absolut  korrekt  in  der  Scheide  und  der  Uterus  ist  tadellos 
anteflektirt!  Die  einfache  Vorstellung,  die  Gebärmutter  habe  sich 
wieder  nach  hinten  gelegt,  hat  also  genügt,  um  die  typischen 
Retroflexionsbeschwerdeu  trotz  schönster  Anteversion  zu  erzeugen! 

Einen  ganz  analogen  Fall  habe  ich  erst  vor  Kurzem  erlebt:  Die 
Patientin  trug  ihr  Pessar  zu  ihrer  Zufriedenheit  seit  mehreren  Mo¬ 
naten  bei  regelmässigem  Wechsel,  wobei  stets  der  Uterus  vorne 
lag.  Eines  schönen  Tags  hat  sie  bei  der  in  Folge  Obstipation  etwas 
mühsamen  Defäkation  plötzlich  das  Gefühl,  der  Ring  sei  heraus¬ 
gerutscht  und  in  der  Tiefe  verschwwinden;  von  diesem  Augen¬ 
blicke  an  Kreuz-  und  etwas  Leibschmerzen  etc.,  so  dass  sie  schon 
nach  wenigen  Tagen  in  die  Poliklinik  kommt,  um  ganz  verschämt 
ihr  Missgeschick  zu  erzählen.  Wie  gross  war  aber  mein  und  auch 
der  Patientin  Erstaunen,  als  ich  bei  der  Untersuchung  den  Ring 
absolut  richtig  an  seinem  riatze  und  den  Uterus  anteflektirt  fand! 

Auf  ganz  dieselbe  Weise  lässt  sich  gewiss  die  Mehrzahl  der¬ 
jenigen  Fälle  erklären,  wo  die  Schmerzen  zuerst  auftreten  im 
Anschluss  an  einen  Fall,  eine  körperliche  Ueberanstrengung, 
eine  unhygienische  Maassregel  etc.,  während  Alles  dafür  spricht, 
dass  die  Retroflexion  nicht  erst  bei  diesem  betreffenden  Anlass 
akut  aufgetreten  ist,  sondern  schon  seit  Jahren,  wenn  nicht  an¬ 
geboren,  bestand.  Es  hat  diese  Thatsache  ein  gewisses  forenses 
Interesse  dadurch,  dass  nicht  so  sehr  selten  in  industriellen  Be¬ 
trieben  mit  weiblicher  Arbeiterschaft  derartige  Fälle  Vorkommen 
und  zu  Entschädigungsforderungen  Veranlassung  geben  mögen, 
da  es  sich  um  einen  Unfall  handle,  was  natürlich  noch  viel  we¬ 
niger  zutrifft  als  bei  der  bekannten  Unfallshernie. 


8.  Juli  1902. 


MÜENCllENER  MEbiCitflSCtife  WOCHENSCHRIFT'. 


Mit  dieser  meiner  Auffassung'  von  der  klinischen  Dignität 
der  Retroflexio  uteri  stimmen  nun  auch  die  Resultate  überein, 
die  ich  nach  Alexander-Adam  s’scher  Operation  zu  sehen 
Gelegenheit  hatte.  Obschon  alle  Operirten  zur  Nachuntersuch¬ 
ung  bestellt  werden,  kommen  natürlich  nur  eine  Anzahl  derselben 
wieder  und  ich  will  gerne  zugeben,  dass  speziell  diejenigen  wieder¬ 
kehren,  die  mit  dem  Erfolg  der  Operation  nicht  zufrieden  sind. 
Immerhin  ist  das  Yerhältniss  der  Unzufriedenen  unter  den 
„Alexandrirten“  viel  grösser  als  bei  jeder  anderen  Operation, 
z.  B.  wegen  Prolaps  u.  dergl.,  und,  was  das  Charakteristische  ist, 
diese  Patientinnen  sind  unzufrieden,  trotzdem  der  objektiv  fest¬ 
stellbare  Effekt,  das  orthopädische  Resultat  ein  vorzügliches  ist. 
Es  haben  sich  im  Laufe  des  Jahres  21  Patientinnen  nach  Ale¬ 
xanderoperation  in  der  Poliklinik  gezeigt;  bei  einer  derselben, 
die  auswärts  operirt  worden  war,  lag  der  Uterus  ganz  retroflektirt ; 
sie  hatte  sehr  starke  Beschwerden  und  wurde  desshalb  zur  noch¬ 
maligen  Operation  auf  die  gynäkologische  Station  aufgenommen, 
dort  ventrofixirt  und  ohne  Beschwerden  vor  Kurzem  erst  ent¬ 
lassen.  Die  20  übrigen  Frauen  waren  hier  operirt  worden  und 
bei  allen  war  das  orthopädische  Resultat  ein  denkbar  gutes,  d.  h. 
der  Uterus  hatte  die  nach  Verkürzung  der  Ligg.  rot.  charakte¬ 
ristische  Lage,  die  eine  Art  Suspension  darstellt ;  immerhin  war 
er  vollständig  antevertirt,  oft  auch  anteflektirt  und  dabei  recht 
exkursionsfähig.  Von  diesen  20  Frauen  waren  nun  aber  nur  5 
bei  der  Nachuntersuchung  2  bis  24  Monate  nach  der  Operation 
absolut  beschwerdefrei ;  die  anderen  hatten  mehr  oder  weniger 
ihre  früheren  oder  ähnliche  Beschwerden  wieder,  wenn  auch  viel¬ 
fach  nicht  in  dem  Maasse  wie  vorher:  Kreuzschmerzen,  Leib-, 
Magen-  und  Rückenschmerzen  etc.,  so  dass  man  wohl  in  vielen 
Fällen  von  Besserung,  aber  nicht  von  Heilung  in  funktioneller 
Hinsicht  sprechen  kann;  und  seitdem  ich  darauf  achte,  fand  ich 
auch  bei  den  meisten  dieser  Unzufriedenen  die  Zeichen  der 
Neurasthenie  oder  II  y  s  t  e  r  i  e. 

Dies  meine  persönlichen  Erfahrungen.  Ich  möchte  nun 
nicht  so  weit  gehen,  zu  behaupten,  dass  in  jedem  Fall  von  in- 
komplizirter  Retroflexion  mit  Beschwerden  nur  ein  Nervenleiden 
und  sonst  nichts  vorhanden  sei.  Heinricius  aus  Helsing- 
fors,  der  mit  grosser  Energie  und  an  Hand  reicher  Erfahrung 
denselben  Standpunkt  vertritt  wie  wir,  hat  mit  Recht  darauf 
hingewiesen,  dass  hinter  dem  Uterus  leicht  veränderte  Organe 
liegen  können,  die  sich  palpatorisch  nicht  als  krankhaft  nach- 
weisen  lassen  und  doch  durch  den  Druck  des  auf  ihnen  lastenden 
Uteruskörpers  zu  schmerzhaften  Sensationen  Veranlassung  geben 
können.  Dies  dürfte  z.  B.  in  einem  Theil  derjenigen  Fälle  zu¬ 
treffen,  wo  die  Aufrichtung  des  Uterus  die  Beschwerden  heljt, 
während  sofort,  nachdem  der  Uterus  wieder  nach  hinten  gefallen 
ist,  auch  die  Beschwerden  wieder  auftreten.  Doch  muss  man 
auch  in  diesen  Fällen  in  der  Beurtheilung  sehr  vorsichtig  sein, 
da  wiederum  die  Autosuggestion  nur  schwer  auszuschliessen  ist. 
Auch  andere  Organerkrankungen  mögen  hie  und  da  zu  einem 
ähnlichen  Sj^mptomenkomplex  Veranlassung  geben,  wie  hoch¬ 
gradige  Anämie,  Chlorose,  Schwächezustände  nach  Ablauf 
schwerer  Infektionskrankheiten  etc.  Doch  treten  diese  Möglich¬ 
keiten  gegenüber  der  Affektion  des  Nervensystems  ganz  in  den 
Hintergrund.  Und  schliesslich  will  ich  nicht  bestreiten,  dass  in 
einer  Anzahl  von  Fällen  ausser  der  Retroflexion  gar  nichts  ge¬ 
funden  werden  kann,  was  die  Symptome  erklären  könnte,  weder 
ein  Nervenleiden  noch  eine  andere  allgemeine  oder  lokale  Stö¬ 
rung.  Diese  Fälle  bilden  aber  gewiss  die  kleine  Minderzahl  und 
werden  nur  desshalb  noch  für  häufiger  gehalten,  als  sie  es  that- 
sächlich  sind,  weil  die  Retroflexion  sehr  leicht,  die  erwähnten 
anderen  Zustände  oft  nur  sehr  schwer  zu  erkennen  sind. 

Dies  führt  uns  zur  Besprechung  eines  wichtigen  Punktes, 
nämlich  der  Diagnose  des  Nervenleidens  in  unseren  Fällen.  Der 
einzig  richtige  und  sichere  Weg  wäre  ja  unstreitig  eine  genaue 
neurologische  Untersuchung,  Prüfung  der  Motilität  und  Sensi¬ 
bilität  in  ihren  verschiedenen  Qualitäten,  der  elektrischen  Reiz¬ 
barkeit,  der  Reflexe,  der  Sinnesorgane  etc.  Dies  ist  nun  aller¬ 
dings  dem  Praktiker  in  der  Sprechstunde  nicht  gut  möglich,  da 
bekanntlich  ein  derartiger  Status  auch  den  geübten  Spezialisten 
Vz — 1  Stunde  lang  beschäftigen  würde.  Es  ist  aber  auch  für 
den  erstrebten  Zweck  gar  nicht  nÖthig,  da  es  weniger  darauf 
ankommt,  eine  neurologisch  einwandfreie  und  exakte  Diagnose 
zu  stellen,  als  vielmehr  genügende  Anhaltspunkte  dafür  zu  ge¬ 
winnen,  dass  die  Patientin  eine  „nervöse  Konstitution“  oder  ein- 

No.  27. 


1145 

zelne  Zeichen  der  funktionellen  Neurosen  direkt  darbietet.  In 
dieser  Beziehung  ist  schon  die  Anamnese  sehr  werthvoll.  Die 
Beschwerden  betreff  en  die  verschiedensten  Körperregionen,  drehen 
sich  um  die  verschiedenartigsten  Schmerzqualitäten ;  meist  lauten 
die  Klagen  auf  Kopfweh,  Schwindel,  Appetitlosigkeit,  Globus, 
Herzklopfen,  Schmerzen  zwischen  den  Schulterblättern,  im 
Rücken,  im  Kreuz,  allgemeines  Müdigkeits-  und  Schwächegefühl 
etc.,  Beschwerden,  denen  oft  die  Superlative  in  der  Quantität 
beigelegt  werden  („furchtbares  Kopfweh“,  „schreckliche  Kreuz¬ 
schmerzen“  etc.).  Ergibt  die  Untersuchung  des  ganzen  Menschen 
sodann  kein  nachweisbares  Substrat  für  all’  diese  Klagen,  ausser 
einer  unkomplizirten,  mobilen  Retroversio-flexio  uteri,  kein 
Herz-,  Lungen-  und  Nierenleiden,  keine  hochgradige  Anämie 
und  Chlorose,  keine  wesentliche  Störung  des  Verdauungskanals 
etc.,  so  ist  der  Verdacht  auf  Nervosität  resp.  funktionelle  Neu¬ 
rose  gestattet.  Zur  Eeststellung  der  Hysterie  gehören  bekannt¬ 
lich  die  Stigmata,  die  aber  nicht  immer  leicht  und  rasch  zu 
finden  sind;  für  die  Neurasthenie  ist  der  objektive  Beweis  noch 
schwieriger  zu  erbringen.  Man  muss  sich  demnach  mit 
einzelnen  Hinweisen  begnügen.  In  dieser  Hinsicht  ist  das 
äusserst  einfach  feststellbare  Fehlen  des  Konjunk¬ 
tiv  a  1  -  und  des  Rachenreflexes  von  grossem 
Werth,  wenn  es  auch  kein  absolut  pathognomonisches  Sym¬ 
ptom  darstellt 6).  Auch  die  Druckempfindlichkeit  der 
Processus  spinosi  der  Wirbelsäule  ist  leicht  zu  prüfen, 
ebenso  wie  Hyperästhesien  der  Bauchdecken  (durch  Kneifen). 
W  i  n  d  s  c  h  e  i  d  )  gibt  als  charakteristisch  für  Hysterie 
und  mit  wenigen  Griffen  prüfbar  an:  die  Aufhebung  des  Kon- 
junktival-  und  die  Steigerung  des  Patellarreflexes,  sowie  das  Be¬ 
stehen  hysterogener  Zonen  in  der  Gegend  der  untersten  Rippen, 
in  der  Mitte  des  Unterleibes  und  in  der  Schenkelbeuge.  Bei 
Neurasthenischen  finden  sich  diese  letzteren  Symptome  jedoch 
nicht.  Aus  den  genannten  anamnestischen  und  objektiven  Hin¬ 
weisen  setzt  sich  also  in  den  gewöhnlichen  Fällen  die  Diagnose 
zusammen.  Aber  wenn  auch  die  Neurose  nicht  sichergestellt  sein 
sollte,  so  ist  es  doch  gerechtfertigt,  ihr  Vorhandensein  vorläufig 
und  bis  auf  Weiteres  anzunehmen,  falls  eben  ausser  der  mobilen 
Retroflexion  keine  Veränderung  im  Becken  nachgewiesen  werden 
kann,  und  zwar  ist  dies  meines  Erachtens  im  Interesse  der 
Patienten  bezüglich  der  Therapie  nicht  nur  erlaubt,  sondern 
geradezu  geboten. 

In  dieser  Hinsicht  möchte  ich  vor  Allem  betonen,  wie  ausser¬ 
ordentlich  wichtig  es  wäre,  der  Patientin  nichts  von  ihrer  Retro¬ 
flexion  zu  sagen,  um  nicht  die  in  therapeutischer  Hinsicht  ja  so 
werthvolle  Suggestibilität  dieser  Kranken  in  schädlicher  Weise 
zu  beeinflussen.  Wir  haben  gesehen,  dass  die  meisten  Frauen, 
die  mit  Beschwerden  zum  Arzte  kommen  und  bei  welchen  sich, 
ausser  der  mobilen  Retroflexion,  keine  pathologischen  Verände¬ 
rungen  an  den  Genitalien  etc.  finden,  dass  diese  Frauen,  wenn 
nicht  immer  als  hysterisch  oder  neurasthenisch,  so  doch  als  neuro- 
pathisch  veranlagt  angesehen  werden  müssen.  Wird  nun  einer 
solchen  Patientin  gesagt,  die  Lage  ihrer  Gebärmutter  sei  keine 
normale,  so  hat  man  damit  ihre  Aufmerksamkeit  auf  ein  Organ 
gelenkt,  das  schon  an  und  für  sich  in  der  Psyche  jeder  Frau 
einen  besonders  wichtigen  und  exponirten  Platz  einnimmt;  man 
suggerirt  ihr  also  gew i sserm a aasen  ein  Unterleibsleiden,  und  eben¬ 
so  leicht  als  dies  erreicht  wird,  ebenso  schwer  ist  es,  diese  Ueber- 
zeugung  wieder  aus  der  Patientin  heraus  zu  bringen;  manchmal 
gelingt  es  durch  ein  Pessar  oder  durch  eine  Operation,  manchmal 
aber  auch  nicht,  wie  die  oben  mitgetheilten  Statistiken  lehren. 
Würde  man  aber  der  Patientin  nichts  von  ihrer  Retroflexion  ge¬ 
sagt  haben,  sondern  im  Gegen  theil  —  wie  dies  ja  thatsächlicli  zu¬ 
trifft,  da  diese  Anomalie  eben  meist  nur  anatomisches  Interesse 
hat  — ,  dass  im  Unterleib  Alles  in  Ordnung  sei  und  dass  die 
Beschwerden  herrühren  von  einer  gesteigerten  Erregbarkeit  ihres 
Nervensystems,  so  wäre  sie  durch  diesen  Bescheid  sehr  beruhigt, 
da  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Patientinnen  die  Diagnose 
„Nervosität“  nichts  Beängstigendes  hat,  im  Gegensatz  zu  Allem, 
was  die  Genitalsphäre  betrifft.  Diese  „Nervosität“  lässt  sich  dann 
auch  direkt,  durch  Hydrotherapie  etc.  viel  besser  und  sicherer 


8)  Nach  Engelhardt  (lieber  Pharynxreflexe  bei  Normalen 
und  Hysterischen,  Diss.  Bonn  1893)  fehlt  der  Baclienreflex  auch 
bei  ca.  25  Proz.  gesunder  Individuen. 

7)  Centralbl.  f.  Gyn.  1901,  p.  1319. 

5 


1146 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


lieben,  als  auf  dem  Umwege  einer  Pessar-  oder  operativen  Be¬ 
handlung-  der  im  Krankheitsbilde  ganz  unwichtigen  Lageverände¬ 
rung  des  Uterus.  Aber  ehe  man  von  einem  Arzt  verlangen  kann, 
dass  er  dies  tliue,  dass  er  der  Patientin  den  Befund  einer  retro- 
flektirten  Gebärmutter  verschweige,  muss  derselbe  die  Gewissheit 
haben,  dass  nicht  sein  Kollege,  den  die  Patientin  nach  ihm  auf¬ 
sucht  —  wie  dies  ja  zuweilen  vorkommt!  —  sich  triumphirend 
dieses  vermeintlichen  Missgriffes  bediene,  um  der  Kranken  zu  be¬ 
weisen,  wie  falsch  und  verkehrt  sie  bisher  behandelt  worden  sei. 
Dies  ist  natürlich  noch  ein  pium  desiderium;  aber  der  Zweck 
dieses  Vortrages  ist  erfüllt,  wenn  er  zur  Verbreitung  der  Ueber- 
zeugung  nur  ein  wenig  beiträgt,  dass  nicht  jede  Retroflexio  uteri 
einer  Behandlung  bedürfe,  ja  dass  sie  in  den  seltensten  Fällen 
einer  direkten  Behandlung  bedarf,  und  dass  man  speziell  bei  ner¬ 
vösen  Individuen  äusserst  vorsichtig  sein  soll,  die  Beschwerden, 
die  meist  auf  neuropathischer  Basis  beruhen,  auf  die  Lagever- 
änderung  des  Uterus  zu  schieben.  Und  desshalb  ist  auch  meine 
oben  aufgestellte  Forderung  berechtigt,  von  einer  lokalen  Thera¬ 
pie  auch  in  denjenigen  Fällen  vorerst  abzusehen,  in  welchen  die 
Neurose  nicht  sicher  feststellbar  ist;  denn  einerseits  kann  sie 
trotzdem  vorhanden  sein,  so  dass  die  Lokalbehandlung  nicht  viel 
nützen,  wohl  aber  autosuggestiv  schädlich  wirken  wird;  oder  sie 
ist  1  hatsächlich  nicht  da,  dann  ist  mit  der  allgemeinen  Therapie 
auf  jeden  Fall  nichts  geschadet. 

Ich  würde  in  dieser  Beziehung  noch  weiter  gehen  als 
W  a  1  t  h  a  r  d  s),  der  im  Ganzen  unseren  Standpunkt  theilt,  der 
aber  bei  Frauen,  welche  geboren  haben,  doch  zuerst  die  Reposition 
des  Uterus  vornimmt  und  durch  ein  „Probepessar“  festhält.  Denn 
erstens  weckt  man  damit  die  Aufmerksamkeit  der  Patientin, 
was,  wie  gesagt,  schädlich  sein  kann,  und  zweitens  lässt  sich  dann 
doch  nicht  entscheiden,  ob  ein  eventueller  Erfolg  auf  der  Kor¬ 
rektur  der  Lage  oder  aber  auf  Suggestion  beruht.  Ich  würde 
desshalb  einer  Patientin  —  vorausgesetzt  natürlich,  dass  sie  nicht 
schon  vorher  über  die  Lage  ihres  Uterus  unterrichtet  worden 
ist  —  nicht  sagen,  es  sei  damit  etwas  nicht  in  Ordnung,  son¬ 
dern  zunächst  ausser  der  sehr  wichtigen  psychischen  Beeinflus¬ 
sung,  eine  allgemein  roborirende  und  antinervöse  Therapie  ein- 
schlagen,  auch  wenn  keine  deutlichen  Zeichen  der  Hysterie  oder 
Neurasthenie  nachweisbar  wären.  Damit  ist,  wie  gesagt,  nichts 
geschadet,  was  nicht  behauptet  werden  kann,  wenn  man  gleich 
die  Aufmerksamkeit  der  Patientin  auf  ihre  Gebärmutter  lenkt 
und  die  doch  sicher  lästige  Pessarbehandlung  anfängt,  deren  Er¬ 
folge  unsicher,  deren  Ende  meist  gar  nicht  abzusehen  ist.  Und 
wie  peinlich  es  ist,  wenn  eine  Patientin,  der  man  zur  Operation 
gerathen  hat,  nachher  gar  nicht  oder  nur  wenig  gebessert  wieder¬ 
kehrt,  hat  wohl  jeder  Operateur  schon  erfahren;  ob  es  da  nicht 
gerathener  ist,  die  Wasser-  und  Badekuren  und  den  ganzen  Appa¬ 
rat  der  antinervösen  Behandlung  vor  anstatt  nach  der  Opera¬ 
tion  anzuwenden? 

Nur  wenn  eben  diese  Therapie  der  Nervosität,  trotz  gründ¬ 
licher  und  sachgemässer,  durch  vernünftige  psychische  Ein¬ 
wirkung  kräftig  unterstützter  Durchführung  keinen  Effekt 
haben  sollte,  dürfte  es  an  der  Zeit  sein,  die  Lagekorrektur  zu  ver¬ 
suchen.  Es  muss  aber  auch  in  diesem  Fall  sehr  vorsichtig  vor¬ 
gegangen  werden,  indem  man  z.  B.  der  Patientin  sagt,  es  sei  eine 
leichte  Scheidensenkung  vorhanden,  die  bei  den  meisten  Frauen 
keine  Beschwerden  mache,  die  aber  bei  ihr  doch  vielleicht  zum 
Theil  an  den  Erscheinungen  schuld  sei,  wesshalb  probeweise  ein 
Ring  eingelegt  werde.  Dadurch  wird  der  Sache  ein  harmloser  An¬ 
strich  gegeben,  die  Suggestion  also  möglichst  ausgeschaltet,  durch 
Vermeidung  des  ominösen  Wortes  „Gebärmutter“  die  Phantasie 
der  Patientin  weniger  angeregt,  und  man  hat  dabei  ein  Mittel, 
zu  beurtheilen,  was  von  den  Symptomen  der  Reflexion  direkt  oder 
indirekt  (durch  Druck  auf  hypersensible  Stellen)  zuzuschreiben 
ist  und  was  nicht.  Natürlich  muss  das  Pessar  so  gewählt  werden, 
dass  es  selbst  keine  Beschwerden  verursacht;  es  darf  alo  haupt¬ 
sächlich  nicht  zu  gross  sein. 

Dann  wird  man  nach  kurzer  Zeit  klar  sehen,  das  Pessar 
als  nutzlos  wieder  weglassen  oder  im  Gegentheil  beibehalten  resp. 
durch  eine  Operation  entbehrlich  machen. 


*)  Walthard:  lieber  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
Neurasthenie  und  Itetroflexio  uteri  mobilis.  Korr.-Bl.  f.  Schweizer 
Aerzte  1900,  p.  573. 


No.  27. 


Nur  eines  möchte  ich  noch  erwähnen,  dass  man  nämlich  jede 
Frau  mit  Retroflexion  zur  Untersuchung  bestellen  muss  im  2. 
oder  3.  Monat  einer  eventuell  eintretenden  Gravidität,  falls  man 
es  nicht  will  darauf  ankommen  lassen,  ob  —  wie  ja  meistens  — 
Selbstauflichtung  des  Uterus  erfolgt  oder  ob  lnkarzeration  oder 
Abort  eintritt.  Das  beste  ist  es  wohl,  im  2.  oder  3.  Monat  den 
Uterus  manuell  aufzurichten,  was  meist  sehr  leicht  gelingt,  und 
dann  bis  zum  5.  Monat  ein  Pessar  tragen  zu  lassen,  das  nachher 
wieder  entfernt  werden  kann.  Diese  kleine  Episode  wird  ohne 
merkliche  psychische  Alteration  der  Patientin  vor  sich  gehen 
können. 

Die  vorstehenden  Ausführungen  möchte  ich  in  folgenden 
Schlusssätzen  zusammenfassen : 

1.  Die  unkomplizirte,  mobile  Retroflexion 
macht  bei  absolut  gesun d  e  n  F  rauen  i n  d  e  r 
M  e  li  r  z  a  h  1  der  I  ä  1  1  e  keine  B  e  s  c  h  werde  n, 
b  r  a  u  c  h  t  desshalb  auch  keinerlei  Be  h  a  n  d  1  u  n  g, 
ausser  etwa  im  Fall  von  Graviditä  t. 

2.  I)  i  e  B  e  s  c  li  w  erden,  welche  von  F  raue  n  m  i  t 
mobiler  Retroflexion  geklagt  werden,  haben  in  der 
ü  berwiege  n  d  en  Mehrheit  der  Fälle  zweierlei 
Ursachen:  entweder  rühren  sie  von  Kompli¬ 
kationen  her,  die  oft  nicht  leicht  nachweis¬ 
bar  sin  d,  oder  sie  bilden  den  Ausdruck  eine  r. 
mehr  weniger  deutlich  ausgeprägten  Störung 
des  Nervensystems.  In  beiden  Fällen  ist  die 
Retroflexio  als  solche  an  den  S  y  m  p  t  o  m  e  n  u  n  - 
schuldig.  Die  Behandlung  ha  t  d  e  m  n  ach  i  h  r 
Hauptaugenmerk  auf  Heilung  der  K  o  m  pli- 
k  a  t  i  o  n  resp.  der  Nervosität  zu  richten;  erst 
w  e  n  n  diese  T  h  e  r  a  p  i  e  fehlschlagen  sollt  e,  i  s  t 
der  Versuch  einer  Lagekorrektur  zu  unter- 
n  e  h  m  e  n. 

Nachschrift  bei  der  Korrektur:  In  einer  soeben 
erschienenen  Arbeit  von  Theilhaber  (Der  Zusammenhang 
von  Nervenerkrankungen  mit  Störungen  in  den  weiblichen  Ge¬ 
schlechtsorganen.  Samml.  zwangloser  Abliandl.  a.  d.  Gebiete  d. 
Frauenheilk.  u.  Geburtsh.,  Bd.  1 V,  II.  6)  weist  der  Autor  darauf 
hin,  dass  er  seit  9  Jahren  und  zwar  als  Erster  den  hier  ver¬ 
tretenen  Standpunkt  eingenommen  und  dass  er  unter  mehr  als 
1000  Patientinnen  mit  Retroflexio  uteri  keinen  einzigen  Fall  von 
Reflexneurose  gesehen  hat. 


Uebsr  Kehlkopftuberkulose.*) 

Von  Dr.  Hans  Naumann,  Arzt  in  Bad  Reinerz  (Schlesien). 

Die  von  Dr.  Ii.  Frey  tag  in  der  Münch,  med.  Woclien- 
schr.  1902,  No.  19  gemachten  Ausführungen  fordern  zu  einigen 
Bemerkungen  heraus,  die  sich  tlieils  auf  die  prognostische  Beur- 
theilung  solcher  Fälle,  tlieils  auch  auf  das  therapeutische  Vor¬ 
gehen  beziehen. 

Hinsichtlich  der  Prognose  zeugen  die  Darlegungen  des  Ver¬ 
fassers  von  einer  vielleicht  doch  gar  zu  (lüstern  Auffassung  der 
Sachlage.  Wenn  er  auch  Heilungen  und  sogar  Spontanheilungen 
tuberkulöser  Prozesse  im  Kehlkopfe  zugibt,  so  hält  er  solche 
Fälle  doch  für  ausserordentlich  selten  und  glaubt,  dass  in  der 
grossen  Mehrzahl  das  Auftreten  einer  Larynxkomplikation  den 
Anfang  vom  Ende  darstelle. 

Ohne  dass  der  Ernst  solcher  Komplikation  verkannt  wird, 
muss  doch  darauf  hingewiesen  werden,  dass  eine  gewisse  Anzahl 
von  Larynxtuberkulosen  —  und  ihre  Zahl  ist  vielleicht  grösser,  als 
wir  es  bisher  glauben  —  in  allen  Stadien  zur  völligen  Ausheilung 
gelangt.  Freilich  sind  das  Fälle,  die  mehr  den  praktischen 
Aerzten  als  den  Spezialisten  bekannt  sind,  denn  ganz  natur- 
gemäss  gehen  diesen  Letzteren  verhältnissmässig  viel  mehr  vor¬ 
geschrittene  Fälle  zu.  Hieraus  ergeben  sich  wohl  auch  die  pessi¬ 
mistischen  Auffassungen  Freytag's.  Ich  persönlich  kenne  aus 
der  eigenen  Praxis  mehrere  Fälle  von  Heilungen  von  Kehlkopf¬ 
tuberkulose,  und  zwar  sowohl  von  Infiltrationen  wie  ulzerösen 
Prozessen.  Heilungen,  die  von  hervorragenden  Spezialitäten  be¬ 
stätigt,  seit  Jahren  andauern  —  in  einem  Falle  trotz  Fortbestehens 
der  primären  Lungern1  rkrankung. 

Dass  diese  Fälle  sämmtlicli  ohne  eine  aktive  Behandlung 
geheilt,  sind,  wird  Mancher  vielleicht  nur  einen  glücklichen  Zufall 
oder  eine  Spontanheilung  nennen.  Ich  habe  mich  des  Eindruckes 
nicht  erwehren  können,  dass  die  Heilung  in  diesen  Fällen  ledig¬ 
lich  der  konsequenten  Durchführung  des  auferlegten  Sprechver¬ 
bots  verdankt  wurde.  Auf  diese  Schweigebehandlung,  die  in  F.’s 


*)  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  „Ueber  Kehlkopftuber¬ 
kulose“  von  Dr.  It.  Frey  tag  in  Magdeburg  in  No.  19  d.  W. 


8.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Darlegungen  in  zwei  Worten  1)  abgemacht  wird,  lege  ich  darum 
den  Hauptna chdruck  und  glaube  mit  vielen  anderen  Aerzten.  das-; 
in  der  Durchsetzung  des  Schweigens  die  Basis  der  ganzen 
Larynxbehandlung  bei  Tuberkulose  gelegen  ist.  Natürlich  setzt 
dieses  woclien-  und  monatelange  Stillschweigen  eine  hervor¬ 
ragende  Willensstärke  von  Seiten  der  Patienten  voraus;  diese  zu 
heben,  immer  und  immer  wieder  auf's  Neue  durch  eindringliche 
Zusprache  auf  den  Patienten  sie  zu  vermehren  und  zu  kräftigen, 
das  ist  die  Aufgabe  des  Arztes,  hier  gerade  kann  er  zeigen,  wie 
gross  seine  Fähigkeit,  psychisch  zu  beeinflussen,  ist.  Vielleicht 
wird  die  Autorität  des  Spezialarztes  in  manchem  Falle  einen  inten¬ 
siveren  Einfluss  auszuüben  im  Stande  sein,  als  die  Zuspraehe  des 
Hausarztes.  Aber  von  wem  es  auch  immer  sei.  unter  allen  Um¬ 
ständen  muss  dem  Kranken  mit  allen  Mitteln  der  Ueberredungs- 
und  ITeberzeugungskunst  klar  gemacht  werden,  dass  von  seinem 
eigenen  Verhalten  seine  Wiederherstellung  zum  grössten  Theile 
abhängig  sei.  dass  sein  fester  Wille,  dass  seine  Energie,  das 
Schweigen  durchzuführen,  die  Grundbedingung  für  die  Genesung 
schaffe,  dass  im  Schweigen  das  A  und  O  der  ganzen  Behandlung 
liegt.  Seine  ganze  Dialektik  muss  man  da  aufwenden,  um  dem 
Patienten  klar  zu  machen,  dass  entzündete  Theile  nur  durch  Ruhe 
ausheilen  können,  kurz,  man  wird  gar  nicht  beredt  genug  sein 
können,  um  die  unerlässliche  Vorbedingung  der  Ruhigstellung  des 
Kehlkopfes  zu  erreichen.  Das  Schweigeverbot  schliesst  selbst¬ 
verständlich  auch  das  Verbot  des  Flüsterns  in  sich.  Das  Zu¬ 
geständnis  der  Flüstersprache  halte  ich  für  verhängnisvoll;  ab¬ 
gesehen  davon,  dass  man  mit  dieser  Konzession  schon  das  halbe 
Terrain  verloren  hat,  möchte  ich  behaupten,  dass  das  Flüstern 
fast  noch  anstrengender  ist,  als  die  natürliche  Phonation.  Sich 
durch  Flüstern  verständlich  zu  machen  erfordert,  wie  das  Jeder 
an  sich  selbst  feststellen  kann,  ganz  erhebliche  Anstrengungen 
von  Seiten  des  gesummten  Respirationsapparates.  Dass  die 
Schweigekur  auch  für  die  erkrankte  Lunge  von  Vortheil  ist,  sei 
nur  nebenher  erwähnt;  ebenso,  dass  der  Werth  der  ..Luftruhekur“ 
auf  den  Liegehallen  durch  das  laute  Flandern  und  Gelächter  oft 
recht  beeinträchtigt  wird. 

Mit  dieser  Schweigekur,  die  —  eine  blosse  Schonungskur  — 
in  manchen  Fällen  nicht  genügt  oder  nicht  schnell  genug  zum 
Ziele  führt,  wird  sich  in  einer  grösseren  Zahl  von  Fällen  eine 
aktive  Behandlung  des  erkrankten  Larynx  verbinden.  Was  diese 
anlangt,  so  wird  wohl  Jeder  sich  den  F  r  e  y  t  a  g' sehen  Dar¬ 
legungen  anschliessen.  ln  keinem  Falle  aber  darf  diese  Heil¬ 
methode,  seien  es  nun  Insufflationen,  Pinselungen  oder  chirurgische 
Eingriffe,  das  Schweigen  als  Heilfaktor  in  den  Hintergrund 
drängen,  immer  muss  dem  Patienten  der  Werth  gerade  dieses 
Theiles  der  Kur  auf's  Neue  eindringlich  zum  Bewusstsein  gebracht 
werden. 

Den  oft  gemachten  Einwand,  dass  die  Auferlegung  absoluten 
Schweigens  die  Kranken  psychisch  deprimire  und  dadurch 
schädige,  halte  ich  für  gänzlich  hinfällig.  Die  grössere  Chance 
auf  Heilung,  die  man  dem  Patienten  in  Aussicht  stellen  kann,  wird 
der  durch  die  Unannehmlichkeit  des  Scliweigenmüssens  erzeugten 
seelischen  Depression  sicherlich  das  Gleichgewicht  halten.  Hier 
ist  eben  die  Stelle,  avo  wir  zeigen  können,  wie  weit  unsere  Fähig¬ 
keit,  Menschen  zu  beeinflussen  geht;  hier  können  auch  die  Anstalts¬ 
ärzte  ihre  Qualifikation,  auf  Menschen  erziehlich  einzuwirken, 
erweisen  und  praktisch  betliätigen. 


Bemerkung  zu  Dr.  Büdingen:  „Der  Thoraxdruck¬ 
messer  und  eine  neue  Lungenprobe“. 

Von  Dr.  P  1  a  c  z  e  k. 

Als  ich  vor  kurzem  in  dieser  Wochenschrift  für  gerichtlich-medi¬ 
zinische  Zwecke  eine  neue  „Lungenprobe“  empfahl  und  die  Fach¬ 
kollegen  um  deren  Erprobung  bat,  dachte  ich  nicht  an  eine  „Nach¬ 
prüfung“,  wie  sie  Dr.  B  ü  d  inge  n  in  No.  22  dieser  Wochenschrift 
für  angebracht  hielt.  Da  es  meinem  Geschmack  nicht  entspricht, 
dem  Herrn  Kollegen  in  seiner  Stilart  zu  folgen,  beschränke  ich 
mich  auf  folgende  Feststellung: 

„Die  Verwertung  des  Thoraxinnendruekes  bei  Neugeborenen 
für  gerichtlich-medizinische  Zwecke,  speziell  zur  Mitentscheidung 
der  Frage,  ob  ein  Neugeborenes  geatmet  hat  oder  nicht,  ist  neu. 
Alt  dagegen  und  schon  seit  Donders  feststehend  ist  die  Kennt¬ 
nis,  dass  im  Brustkorb  ein  negativer  Druck  herrscht,  wenn  die 
Lungen  geatmet  haben.  Diese  Tatsache  ist  zu  klinischen  und 
anderen  Zwecken,  an  Lebenden  und  Leichen,  und  mit  dem  ver¬ 
schiedensten  Instrumentarium  studiert.“ 

Hätte  Dr.  Büdingen  weniger  flüchtig  gelesen,  so  hätte  er 
seinen  Aufsatz  erspart.  Nicht  unerwähnt  soll  aber  hier  der  Schluss¬ 
passus  seiner  Arbeit  bleiben,  in  welchem  er  erzählt,  dass  meine 
Arbeit  im  „Tag“  enthusiastisch  anerkannt  wurde.  Das  ist  mir 
allerdings  neu,  denn  ich  lese  diese  Zeitung  nicht,  ja  kenne  sie  nur 
aus  den  übergrossen  Reklamen,  die  zeitweilig  hier  ihr  Erscheinen 
ankündigten.  Sollte  Dr.  B  ii  d  ingens  Angabe  zutreffen,  so  würde 
sie  beweisen,  dass  der  „Tag“  die  leidige  Gepflogenheit  der  anderen 
Berliner  Tagespresse  angenommen  hat  und  seinen  Lesern  medi- 

9  „Dass  man  den  Kranken  möglichst  Stillschweigen  auferlegt 
und  geeignete  diätetische  Vorschriften  (breiige  Nahrung  etc.)  gibt, 
versteht  sich  von  selbst.“ 


1147 


zinische  Referate  auftischt.  Bekanntlich  hat  man  öfters  versucht, 
diesem  Unfug  zu  steuern,  doch  ohne  Erfolg.  Was  aber  gibt  Herrn 
Dr.  Büdingen  das  Recht,  mich  oder  meine  „Freunde“  mit  sol¬ 
chem  Elaborat  in  Beziehung  zu  bringen?  Hält  er  solche  Insinuation 
mit  kollegialen  Umgangs!' oymen  für  vereinbar?  Meinen  kollegialen 
Gewohnheiten  entspräche  es  nicht. 


Studium  und  Beruf  des  Arztes. 

Ansprache  an  die  Studierenden  bei  Uebernahme  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  in  Greifswald. 

Von  Professor  Friedrich  Moritz. 

M.  II.!  Die  erste  Vorlcsungsstunde  in  einem  Semester  regt 
an  sich  schon  zu  einer  allgemeineren  Betrachtung  an.  Bei 
mir  ist  das  heute  um  so  mehr  der  Fall,  als  ich,  bisher  Ihnen 
völlig  fremd,  überhaupt  zum  erstenmale  als  Lehrer  vor  Sie  hin¬ 
trete.  Ich  will  daher  versuchen,  eine  Einführung  zu  gewinnen, 
die  nicht  nur  mit  dem  Wissensgebiet,  das  uns  beschäftigen  wird, 
zusammenhängt,  sondern  zugleich  eine  gewisse  persönliche  Fär¬ 
bung  hat,  indem  ich  Ihnen  in  den  Grundlinien  meine  Auf¬ 
fassung  des  Studiums  und  des  Berufes,  dem  Sie  sich  gewidmet 
haben,  skizziere. 

Es  gibt  mehrere  Gesichtspunkte,  von  denen  aus  man  die 
Medizin  betrachten  kann.  Zunächst  den  einer  reinen  W  issen- 
scliaft. 

Als  Wissenschaft  ist  die  Medizin  ein  Teil  der  Biologie,  der 
Lehre  von  der  belebten  Natur.  Der  Kernpunkt  aller  Biologie, 
das  Problem  des  Lebens,  ist  uns  zwar  noch  ein  dunkles  Rätsel. 
Aber  wir  haben  doch  die  sichere  Erkenntnis  gewonnen,  dass 
dieselben  Naturgesetze  physikalischer  und  chemischer  Art,  die 
in  der  unbelebten  Natur  walten,  auch  für  den  belebten  Organis¬ 
mus  Geltung  haben.  Hiermit  sind  wir  in  der  Biologie  auf  festen 
Boden  gekommen.  Soweit  es  uns  gelingt,  Erscheinungen  des 
lebenden  Organismus  ar\f  physikalische  und  chemische  Vorgänge 
zurückzuführen,  die  wir  als  solche  oder  wenigstens  in  strengen 
Analogien  auch  ausserhalb  des  Organismus,  im  Experiment,  ver¬ 
folgen  und  studieren  können,  soweit  befinden  wir  uns  auf  dem 
Gebiete  exakter  Wissenschaft. 

Freilich  hat  es  der  Biologe  mit  einem  ausserordentlich  ver¬ 
wickelten  Mechanismus  zu  tun,  an  dem  die  physikalischen  und 
chemischen  Prozesse  sich  abspielen,  er  findet  eine  unendlich  viel 
grössere  Mannigfaltigkeit  gleichzeitig  nebeneinander  bestehender 
Vorgänge  vor,  als  sie  der  Experimentator  auf  rein  physikalischem' 
oder  chemischem  Gebiete  zu  gewärtigen  hat,  der  sich  stets  mög¬ 
lichst  einfache  Verhältnisse  zu  schaffen  sucht.  Diese  Kom- 
plizirtheit  der  Bedingungen  bringt  es  mit  sich,  dass  bei  der  Er¬ 
klärung  biologischer  Erscheinungen  anfangs  häufig  Irrtümer 
unterlaufen.  Die  Schlussfolgerungen  sind  oft  verfrüht,  indem  sie 
gezogen  werden,  ehe  alle  influierenden  Bedingungen  bekannt  sind. 
Nichtsdestoweniger  lässt  sich  aber,  wenn  der  Irrtum  erkannt  wurde, 
die  richtige  oder  der  Wahrheit  wenigstens  ein  erhebliches  Stück 
näher  kommende  Erklärung  wieder  auf  physikalische  oder  che¬ 
mische  Gesichtspunkte  gründen.  Auf  diese  Weise  bildet  die 
exakt  naturwissenschaftliche  Betrachtungsweise  in  der  Biologie 
und  somit  auch  in  der  Medizin  ein  heuristisches  Prinzip  aller¬ 
ersten  Ranges. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  m.  II.,  wie  wichtig  es  für 
die  wissenschaftliche  Ausbildung  des  Arztes  ist,  dass  er  über  ge¬ 
diegene  physikalische  und  chemische  Kenntnisse  verfügt. 
Physik  und  Chemie  sind  i  m  Studien  plane  des 
Mediziners  keine  Nebenfächer,  es  sind  grund¬ 
legende  II  a  u  p  t  f  ii  c  h  e  r. 

Die  Disziplin,  in  der  Ihnen  die  Bedeutung  der  reinen  Natui’- 
wissenschaften  für  die  Medizin  am  deutlichsten  entgegentritt, 
ist  die  Physiologie.  Aber  im  Grunde  ist  es  durchaus  dasselbe 
auch  mit  der  Pathologie.  Hat  es  sich  doch  herausgestellt,  dass 
die  Krankheiten  als  solche  keineswegs  eine  Art  fremder  Ein¬ 
dringlinge  in  den  Organismus  sind,  sondern  dass  die  patho¬ 
logischen  Erscheinungen  eigentlich  nur  physiologischen  Vor¬ 
gängen  entsprechen,  welche  durch  abnorme  Bedingungen  in 
abnorme  Bahnen  gedrängt  wurden.  Es  kann  somit  alles,  was 
von  den  Beziehungen  der  Physiologie  zu  den  exakten  Natur¬ 
wissenschaften  gilt,  auch  auf  die  Pathologie  übertragen  werden. 

5* 


1148 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Nennt  man  doch,  die  allgemeine  klinische  Pathologie  heute  viel¬ 
fach  geradezu  pathologische  Physiologie. 

Physiologie  wie  Pathologie  sind  nicht  denkbar  ohne  das 
solide  morphologische  Fundament  der  normalen  bezw.  patho¬ 
logischen  Anatomie.  Schon  die  gröbere  Anatomie 
eröffnet  uns  nicht  nur  für  die  äusseren  mechanischen 
Funktionen  des  Organismus,  vor  allem  für  die  Wirkung 
der  Muskeln  und  Gelenke ,  sondern  vielfach  auch  für 
dessen  inneres  Getriebe  das  Verständnis,  indem  die 
Architektur  der  Organe,  ihre  gegenseitige  Verbindung  und  ihre 
topographischen  Beziehungen  zu  einander  auf  die  Art  ihrer 
Tätigkeit  und  die  Möglichkeit  ihrer  gegenseitigen  Beein¬ 
flussung  Schlüsse  zulassen.  In  noch  höherem  Masse  gilt  dies  von 
der  Histologie,  wenn  wir  freilich  auch  noch  sehr  weit  davon 
entfernt  sind,  die  ganze  Bedeutung  der  wunderbar  feinen  und  kom¬ 
plizierten  Strukturen  zu  begreifen,  die  uns  das  Mikroskop  ent¬ 
hüllt.  Besonders  augenfällig  ist  die  Förderung,  welche  die  kli¬ 
nische  Medizin  speziell  der  pathologischen  Anatomie  ver¬ 
dankt.  Indem  dieselbe  uns  das  materielle  Substrat  der  Krankheits¬ 
erscheinungen  kennen  lehrte,  hat  sie  uns  nicht  nur  mit  einer 
sehr  grossen  Zahl  theoretisch  neuer  und  wertvoller  Gesichts¬ 
punkte  beschenkt,  sie  hat  vor  allem  auch  unsere  Diagnostik  in 
strenge  Zucht  genommen  und  uns  in  therapeutischer  Hinsicht 
kritisch  und  bescheiden  gemacht. 

Die  bisher  genannten  Disziplinen,  m.  H.,  nicht  nur 
Chemie  und  Physik,  sondern  auch  normale  und  patho¬ 
logische  Anatomie  und  normale  und  pathologische  Physiologie, 
können  als  exakte  Wissenschaften  bezeichnet  werden.  Sie 
schreiten  Schritt  für  Schritt  nach  strengen  Methoden  in  stetiger 
enger  Fühlung  mit  dem  bereits  gesicherten  Terrain  voran  und 
sind  vermöge  ihres  fest  gefügten  logischen  Baues  und  der  Un- 
umstösslichkeit  ihrer  gesicherten  Resultate  in  erster  Linie  ge¬ 
eignet,  den  jungen  Mediziner  zu  fesseln  und  zu  begeistern.  Mit 
Recht  gelten  sie  ihm  als  ein  sicheres  Unterpfand  für  einen 
künftigen  Siegeslauf  der  Medizin.  Aber,  m.  H.,  wenn  Sie  auch 
die  besten  Chemiker  und  Physiker  und  die  beschlagensten  Ana¬ 
tomen  und  Physiologen  in  normalen  wie  in  pathologischen  Dingen 
sind,  wenn  Sie  alles,  was  wir  sonst  an  Experimentalwissenschaften 
besitzen,  in  sich  aufgenommen  haben,  wie  viel  fehlt  Ihnen  dann 
doch  noch  zu  einem  Arzt! 

Die  Medizin  ist,  auch  als  Theorie,  noch  nicht  an  dem  Ziele 
angelangt,  schon  in  ihrem  ganzen  Umfange  exakte  Wissenschaft 
zu  sein.  Und  vor  allem  hat  die  praktische  Medizin  noch  mit 
einem  grossen  Material  rein  empirischen  Wissens, 
mit  vielen  einzelnen,  isoliert  dastehenden,  nicht  in  eine  Erkennt- 
nissreihe  logisch  und  notwendig  sich  einfügenden  Tatsachen  zu 
tun,  die  Sie  als  solche  kennen  lernen  müssen.  Vor  allem  müssen 
Sie  sich  mit  den  unendlich  verschiedenen  Erscheinung^-  und 
Verlaufsformen,  welche  die  Krankheiten,  sowie  unsere  thera¬ 
peutischen  Massnahmen  am  Menschen  aufweisen,  vertraut 
machen,  Sie  müssen  sich  mit  der  vielfach  rein  beschreibenden 
Disziplin  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie 
beschäftigen. 

Diesen  Teil  der  Medizin  können  Sie  nun  nur  an  der  Hand 
beständiger  Demonstrationen  erlernen.  Die  Stätte  dafür  ist  die 
Klinik.  Hier  tritt  Ihnen  zuei’st  das  eigentliche  Objekt  der 
Medizin,  der  lebende  Mensch,  entgegen.  Alsbald  erhalten 
Sie  hier  den  Eindruck  von  der  ausserordentlichen  Kompliziertheit 
dieses  Organismus.  Wie  verschieden  kann  er  auf  dieselbe  Schäd¬ 
lichkeit  reagieren !  Bei  relativ  einförmigem  pathologisch-ana¬ 
tomischem  Befunde,  welche  Fülle  oft  der  klinischen  Symptome, 
welche  Summe  von  Erscheinungen,  die  wir  im  Verhalten  der 
Respirations-  und  Herztätigkeit,  des  Sensoriums,  des  gesamten 
Nervensystems,  des  Chemismus  des  Körpers  u.  a.  m.  konstatieren 
können.  Aber  dieser  wunderbare  Organismus  ist  uns  nun  nicht 
mehr  nur  ein  passives  Objekt  wissenschaftlicher  Betrachtung, 
er  macht  gebieterisch  Ansprüche  praktischer  Natur  geltend,  die 
an  sich  mit  der  biologischen  Wissenschaft  nichts  zu  tun 
haben,  die  Forderung  nämlich  nach  Heilung, 
nach  Linderung  seiner  Schmerzen  und  Ge¬ 
brochen.  Zu  diesem  Endzwecke  der  „Heilkunde“  müssen  nun 
alle  tauglich  erscheinenden  Mittel  herangezogen  werden,  das 
geläuterte  Edelmetall  exakt  wissenschaftlicher  Errungenschaften 
ebenso,  wie  das  noch  mit  Schlacken  behaftete  rein  em¬ 


pirische  Wissen.  Mit  beiden  hat  also  die  Klinik  zu 
rechnen.  Die  Unzulänglichkeit  unseres  therapeutischen  Ver¬ 
mögens,  insbesondere  unseres  wissenschaftlich  fest  fundierten, 
gegenüber  der  Zahl  und  Grösse  der  von  der  praktischen  Medizin 
geheischten  Aufgaben  macht  sich  jedem  Arzt  drückend  fühlbar 
und  gerade  der  hochstehende  Arzt  hat  am  empfindlichsten  unter 
dem  Zwiespalt  zwischen  einem  wissenschaftlich  geschärften  Ge¬ 
wissen  und  der  Nötigung  zu  einem  vielfach  rein  erfahrungsmäs- 
sigen  oder  gar  nur  traditionellen,  in  seiner  Wirksamkeit  nicht 
unanfechtbaren  Handeln  zu  leiden.  Den  richtigen  Pfad  hier 
zwischen  therapeutischem  Nihilismus  auf  der  einen  und  kritik¬ 
loser  Polypragmasie  auf  der  andern  Seite  zu  finden,  ist  nicht 
leicht.  Sie  müssen  sich  ihn  nach  Kräften  mit  der  Leuchte  wissen¬ 
schaftlichen  Denkens  zu  erhellen  suchen  und  diese  besondere  Art 
praktischen  und  doch  wissenschaftlichen  Vorgehens  muss  Ihnen 
die  Klinik  ebenfalls  übermitteln. 

Doch  wiederum,  m.  H.,  wenn  Sie  neben  einer  gründlichen 
wissenschaftlichen  Durchbildung  sich  auch  den  fleissigsten  Be¬ 
such  der  Klinik  haben  angelegen  sein  lasssen,  Ihre  ärztliche  Aus¬ 
bildung  ist  damit  immer  noch  nicht  vollendet.  Eine  neue  Seite 
der  Medizin  erhebt  noch  Ansprüche  an  Sie,  die  rein 
technische,  aber  darum  nicht  minder  wich¬ 
tige  Seite,  das,  was  an  der  Medizin  nicht  Wissen, 
sondern  K  önne  n  oder ,  wie  man  gerne  auch  sagt, 
„Kunst“  ist.  Da  braucht  es  einer  sorgfältigen  Schärfung 
unserer  Sinne,  vor  allem  des  Auges,  des  Ohres  und  der  fühlenden 
Hand,  um  die  oft  unscheinbaren  Krankheitszeichen  aufdecken  zu 
können.  Fundamentale  diagnostische  Methoden,  wie  die  Auskul¬ 
tation  und  Perkussion,  erheischen  die  Erlernung  einer  besonderen 
Technik  und  auch  zu  zahlreichen  sonstigen  diagnostischen  und 
vor  allem  zu  den  meisten  therapeutischen  Massnahmen  ist  eine 
solche  nötig.  Diese  Schulung  Ihrer  Sinne  und  Ihres  manuellen 
Geschickes,  Fähigkeiten,  die  durch  eine  gewisse  natürliche  Be¬ 
gabung  unterstützt  sein  sollten,  wird  Ihnen  in  eigenen  prak¬ 
tischen  Hebungen  geboten.  Sie  müssen  dieselben  um  so  fleissiger 
ausnützen,  als  sie  fast  die  einzige  Gelegenheit  zu  sein  pflegen, 
bei  der  Sie  w'ährend  Ihrer  Studienzeit  in  nähere,  selbständigere 
Berührung  mit  den  Kranken  kommen.  Es  ist  eine  wenig  er¬ 
freuliche  Erscheinung,  dass  die  Zahl  der  solche  Kurse  regel¬ 
mässig  besuchenden  Studierenden  nicht  selten  erheblich  hinter 
der  Zahl  derer  zurückbleibt,  welche  die  Kurse  belegt  haben.  Eine 
zu  Ihrer  praktischen  Ausbildung  ganz  vorzügliche  Einrichtung 
sind  auch  die  Koassistenten-  oder  Famuli-Stellen,  die  Ihnen  ja 
leider  nur  in  beschränkter  Zahl  zugänglich  gemacht  werden 
können.  Um  solche  Stellen  sollte  ein  reger  Wettbewerb  bei  Ihnen 
bestehen.  Gewähren  sie  doch  dem,  der  sie  gewissenhaft  ausnützt, 
zweifellos  einen  ausserordentlichen  Vorsprung  für  diePraxis.  Auch 
das  neuerdings  in  die  Studienordnung  auf  genommene  „praktische 
Jahr“  wird  wesentlich  dazu  beitragen,  Ihre  technische  Ausbildung 
zu  vervollkommnen. 

Es  gibt  nun  aber  noch  eine  andere  „Kunst“,  m.  H.,  deren 
Sie  als  Aerzte  bedürfen,  eine  Kunst  psychischer  Art.  Sie 
müssen  es  verstehen,  auf  den  Willen  des  Kran¬ 
ken  zu  wirke  n,  um  erst  dadurch  vollen  Einfluss  auf  sein 
ganzes  körperliches  und  geistiges  Verhalten  zu  gewinnen.  Sie 
sind  bei  dem  innigen  Ineinandergreifen  psychischer  und  soma¬ 
tischer  Vorgänge  oft  genötigt,  die  Seele  des  Kranken 
nicht  weniger  als  seinen  Körper  in  Behänd- 
1  u  n  g  z  u  n  e  h  nx  e  n,  erzieheifisch  auf  ihn  zu  wirken,  den 
Verzagten  zu  heben,  den  Unglücklichen  zu  trösten,  den  Leicht¬ 
sinnigen  zu  dämpfen,  den  Oberflächlichen  auf  edlere  Ziele  hin¬ 
zuweisen  u.  a.  m. 

Je  feiner  organisiert  das  Gemütsleben  des  Kranken  ist,  um 
so  wichtiger  wird  in  der  Regel  diese  Aufgabe  und  sie  wird 
um  so  schwieriger,  je  energischer  und  intellektuell  höherstehend 
der  Patient  ist.  Die  Fähigkeiten  zu  dieser  psychischen  Kunst 
können  in  den  Hörsälen  allein  nicht  erworben  werden.  Es  ist 
hier  Takt,  Feinfühligkeit,  Bildung  und  Energie  von  seiten 
des  Arztes  nötig,  es  bedarf  allgemeiner  Menschenkenntnis  und 
des  Vermögens,  sich  in  die  verschiedenartigsten  seelischen  Zu¬ 
stände  hineinzu  versetzen,  der  charakterlichen,  intellektuellen 
und  sozialen  Individualität  des  einzelnen  Rechnung  zu  tragen. 

Die  Kranken  sind  im  allgemeinen  geneigt,  dem  Arzte  rück¬ 
haltlosen  Einblick  in  ihr  körperliches  und  geistiges  Leben  zu  ge- 


8.  Juli  1902. 


1149 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


statten.  Dieser  ganz  ausnah  ms  weisen  Yer-  | 
trauensstellung  müssen  Sie  sich  auf  das  pein¬ 
lichste  würdig  zu  erweisen  bestrebt  sein.  Der 
Kranke  muss  Ihrer  absoluten  Diskretion  sicher  sein  können. 
Wahren  Sie  auch  möglichst  Ihrer  Klientel  gegenüber  eine  gewisse 
Grenze  der  Intimität  und  Vertraulichkeit.  Der  Arzt  sollte,  bild¬ 
lich  gesprochen,  dem  Patienten  nie  im  Schlafrock  gegenüber¬ 
treten. 

Und  nun  noch  eines,  m.  H. !  Lassen  Sie  es  den 
Kranken  und  dessen  Angehörigen  nicht  vermissen,  dass 
Sie  menschlich  mit  ihm  fühlen  können. 
Unser  Beruf,  der  uns  täglich  mit  Krankheit  und  Tod, 
Unglück  und  Elend  in  Berührung  bringt,  stumpft  uns 
ja  bald  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ab.  Wäre  dem  nicht  so, 
so  würden  wir  uns  seelisch  aufreiben.  Aber  diese  Abstumpfung 
darf  nicht  bis  zur  Unfähigkeit  zum  Mitleid,  nicht  bis  zur  Ge¬ 
fühllosigkeit  gehen,  die  vom  Kranken  und  seiner  Umgebung  als 
abstossend,  unter  Umständen  sogar  als  brutal  empfunden  würde. 

Lassen  Sie  mich,  m.  II.,  Ihnen  zum  Schluss  nun  nur  noch 
ein  Wort  über  Ihr  späteres  Verhalten  zu  Ihren  Kollegen  sagen. 
Ich  kann  es  Urnen  nicht  genug  ans  LIerz  legen :  Achten 
Sie  den  Stand,  dem  Sie  an  gehören,  in  denen, 
die  ihn  mit  Ihnen  teilen.  Inkollegiales  Verhalten, 
skrupellose  Konkurrenz  haben  unserem  Stand  in  der  O Öf¬ 
fentlichkeit  schon  unendlich  viel  geschadet.  Halten  Sie 
zusammen  mit  Ihren  Kollegen  in  den  Standesvereinen. 
Sie  werden  aus  deren  Verhandlungen  Gewinn  für  Ihre 
Fortbildung  ziehen  und  in  denselben  den  notwendigen  Rückhalt 
gegen  zahlreiche  Faktoren  finden,  die  zurzeit  die  materiellen 
Grundlagen  unseres  Standes  gefährden.  Die  Aerzteschaft  hat, 
wie  Sie  noch  erfahren  werden,  heutzutage  einen  harten  Lohn¬ 
kampf  zu  bestehen.  Es  sind  unhaltbare  Zustände,  wenn  die  Ent¬ 
lohnung  des  Arztes  für  einen  Krankenbesuch  bei  vielen  der  ge¬ 
setzlichen  Krankenkassen  niedriger  ausfällt  nicht  nur  als  die  ge¬ 
setzlich  festgelegte  Minimaltaxe,  sondern  niedriger  als  die  For¬ 
derung,  die  ein  Dienstmann  nur  für  die  Zurücklegung  der  Weg¬ 
strecke  beanspruchen  würde.  In  diesem  Kampfe,  der  mit  dem 
materiellen  Wolde  schliesslich  auch  um  die  ethischen  Güter  des 
Standes  geht,  sollten  Sie  Schulter  an  Schulter  stehen.  Die  ärzt¬ 
liche  Tätigkeit  darf  gerade  auch  im  Interesse  der  Kranken  nicht 
zu  einem  Massenbetrieb  mit  Schleuderpreisen  herabsinken.  Un¬ 
sere  heutigen  Kassenverhältnisse  bewegen  sich  vielfach  nach 
dieser  Richtung  hin. 

Sie  sehen,  m.  II.,  es  sind  grosse  und  schwierige  Aufgaben, 
die  Ihr  Beruf  an  Sie  stellt.  Der  Arzt,  wie  er  sein  soll,  muss  nicht 
nur  fachlich  sehr  viel  gelernt  haben,  er  soll  auch  ein  Mann  von 
nicht  gewöhnlicher  Bildung  des  Geistes  und  Gemütes  sein,  fähig, 
Menschen  aus  den  verschiedensten  Gesellschaftskreisen  in  phy¬ 
sischen  und  psychischen  Nöten  mit  Rat  zur  Seite  zu  stehen.  Ge¬ 
lingt  es  Ihnen  aber,  ein  solcher  Arzt  zu  werden,  so  werden  Sie  auch 
mit  freudigem  Stolz  erkennen,  dass  Sie  so  manches  Gute  zu  wirken 
im  Stande  sind  und  dass  Sie  in  der  Wertschätzung,  die  Ihnen 
der  geistig  hochstehende  Teil  Ihrer  Klientel  entgegenbringt,  auch 
des  Dankes  nicht  entbehren.  Ich  wünsche  Ihnen  allen,  dass  Sie 
diese  edlen  Freuden  unseres  Standes  in  der  Stellung  eines 
„II  ausarztes“  gemessen  mögen,  dem  die  Familie  nach  alter, 
guter  Sitte  die  Geschicke  ganzer  Generationen  anvertraut.  Das 
ist  die  ideale  ärztliche  Position,  in  der  allein  Sie  einer  der  wich¬ 
tigsten  Aufgaben  der  praktischen  Medizin,  der  Prophylaxe,  ge¬ 
recht  werden  können  und  in  der  Sie  auch  keine  Gefahr  laufen, 
falschem  Spezialistentum  zu  verfallen.  Aber  bei  allen  Er¬ 
folgen,  m.  H.,  die  ich  für  Sie  erhoffe,  viele  Mühseligkeiten  und 
Enttäuschungen  werden  Ihnen  in  der  Praxis  nicht  erspart  bleiben. 
Diesen  gegenüber  werden  Sie  die  beste  Er¬ 
frischung  und  Erholung  finden,  wenn  Sie  sich, 
ganz  unabhängig  von  praktischen  Fragen,  die 
Liebe  zu  unserer  schönen  Wissenschaft,  ein 
offenes  Auge  für  den  regen,  stetigen  Fort¬ 
schritt  der  Erkenntnis  zu  wahren  vermöge n. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

M.  R  u  b  n  e  r :  Beiträge  zur  Ernährung  im  Knabenalter 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Fettsucht.  Berlin  1902, 
A.  Hirschwald. 

Zur  Erklärung  der  Entstehung  der  Fettsucht  in  den  Fällen, 
bei  welchen  die  Nahrungsaufnahme  nicht  augenfällig  eine 
abundante  ist,  werden  vielfach  Veränderungen  des  Stoff-  und 
Kraftwechsels  angenommen.  Die  Einen  suchen  den  Grund  in 
einer  spezifischen  Erniedrigung  der  Leistungen  der  Zellen,  dio 
Anderen  in  einer  funktionellen  Erniedrigung  der  Leistungen  des 
Körpers  durch  Ausfall  von  Muskelbewegungen.  Mit  exakten, 
alle  wichtigeren  Faktoren  berücksichtigenden  Untersuchungen 
an  einem  fetten  und  an  einem  nicht  fetten  Knaben  tritt  R.  an 
diese  Fragen  heran.  Das  Resultat  ist,  dass  er  bei  seinem  fetten 
Knaben  ebenso  wie  bei  einem  anderweitig  untersuchten  fetten 
Manne  beim  Vergleich  mit  gleich  grossen  und  in  gleichen  Er¬ 
nährungsverhältnissen  befindlichen  gesunden  Personen  keine 
Verminderung,  ja  sogar  eher  eine  Vermehrung  der  Wärmeproduk¬ 
tion  nachweisen  konnte.  Bei  Berechnung  der  Wärmebildung 
auf  1  Kilo  Lebendgewicht  erhält  man  allerdings  für  den  mageren 
Knaben  52,0  Kalorien  pro  Kilo,  für  den  fetten  nur  43,6  Kalorien. 
Allein  aus  diesen  Zahlen  kann  man  keinen  geringeren  Umsatz 
beim  Fetten  entnehmen.  Denn  im  Kilo  des  Fetten  ist  viel 
weniger  lebendes  Eiweiss  enthalten  als  im  Körperkilo  des  Ma¬ 
geren,  und  insbesondere,  was  R.  naclidrücklichst  betont,  ist  die 
Oberflächenentwicklung  eine  durchaus  verschiedene.  Bei  Be¬ 
rechnung  auf  1  Quadratmeter  Oberfläche  erhält  R.  für  den  Ma¬ 
geren  1290,  für  den  Fetten  1321  Kalorien.  Zum  Zustandekommen 
des  überreichlichen  Fettansatzes  wirken  verschiedene  Faktoren, 
vorzüglich  zu  geringe  Bewegung  und  unzweckmässige  Nahrungs¬ 
mischung,  mit.  Beim  Fettsüchtigen  liess  sich  eine  schlechtere 
Ausnützung  hauptsächlich  des  Stickstoffes  nachweisen. 

Durch  frühere  Untersuchungen  hat  R.  bekanntlich  nach¬ 
gewiesen,  dass  der  Energieumsatz  hauptsächlich  von  der  Grösse 
der  Oberfläche  des  Organismus  abhängig  ist.  Nebenbei  spielen 
noch  andere  Umstände  (Arbeitsleistung,  Nahrungszufuhr,  Er¬ 
nährungszustand,  Wachsthum  etc.)  eine  Rolle.  Neuerdings  wollen 
nun  Sonden  und  Tigersted  t  im  Gegensatz  zu  R.  in  Re¬ 
spirationsversuchen  bei  jugendlichen  Individuen  eine  grössere 
Kalorienproduktion  als  bei  älteren,  bezogen  auf  die  Oberflächen¬ 
einheit,  gefunden  haben.  R.  weist  eingehend  nach,  dass  die  An¬ 
traben  von  S.  und  T.  unrichtig  sind  und  dass  die  Fehler  zum 
Theil  in  den  Versuchsbedingungen,  zum  Theil  in  der  Betrachtung 
liegen. 

Bezüglich  der  Wasserdampfausscheidung  bestehen  beträcht¬ 
liche  Unterschiede  zwischen  dem  Mageren  und  dem  Fetten.  Die 
Arbeit  steigert  beim  Normalen  nicht  immer  die  Wasserdampf¬ 
ausscheidung.  A"on  besonderer  Bedeutung  ist  hier  die  Luft¬ 
temperatur.  Beim  Fetten  tritt  nun  schon  eine  starke  Vermehrung 
der  Wasserdampf abgabe  auf  bei  einer  Temperatur  (20 "),  wo  sic 
beim  Mageren  noch  fehlt.  Bei  36  0  ist  die  Arbeitsfähigkeit  des 
Fetten  schon  an  ihrer  Grenze:  die  Bluttemperatur  steigt  und 
der  Wasserverlust  nimmt  ausserordentlich  zu.  Besonders  em¬ 
pfindlich  ist  der  Fette  gegen  Feuchtigkeit  der  Luft.  Beim  Ge¬ 
sunden  ist  die  Wasserdampfabgabe  in  feuchter  Luft  mehr  oder 
minder  herabgesetzt,  beim  Fetten  aber  zeigt  sich  eine  Zunahme 
der  Wasserdampfabgabe.  Schon  in  der  Ruhe  geratli  der  Fette 
bei  30  0  in  feuchter  Luft  in  sehr  starke  Transspiration. 

F.  V  o  i  t  -  München. 

W.  Ebstein:  Vererbbare  zelluläre  Stoffwechselkrank¬ 
heiten.  Stuttgart,  F.  E  n  k  e,  1902.  Preis  3  M. 

In  sechs,  Franz  König  zum  70.  Geburtstag  gewid¬ 
meten,  Briefen  legt  Ebstein  seine  Anschauungen  über 
das  Wesen  der  Fettleibigkeit,  der  Gicht  und  der  Zuckerharnruhr 
dar,  welche  er  als  zusammengehörige,  durch  Störungen  der  I  ätig- 
keit  des  lebenden  Eiweissmoleküls  hervorgerufene  Krankheiten 
auffasst.  Die  Hypothesen  Ebsteins  gipfeln  darin,  dass  es 
sich  bei  der  Fettleibigkeit  um  eine  Erkrankung  des  Protoplasmas, 
dessen  Oxydationsfähigkeit  dabei  abgenommen  hat,  handelt,  bei 
der  Gicht  um-  eine  Erkrankung  des  Zellkerns,  welcher  eine  ge¬ 
steigerte  Harnsäure-  resp.  Xanthinkörperproduktion  auf  weist, 
beim  Diabetes  mellitus  schliesslich  wiederum  um  eine  Schädigung 


1150 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


des  Protoplasmas,  speziell  der  inneren  Atmung',  was  sicli  durch 
verminderte  Kohlensäureausscheidung  kund  gibt.  Jeder  "wird 
mit  Interesse  die  Ausführungen  Ebsteins  lesen;  ob  sieh  aber 
jemand  durch  dieselben  zu  den  Anschauungen  des  Autors  wird 
bekehren  lassen,  bezweifle  ich.  Die  positiven  Grundlagen,  auf 
welchen  die  Sätze  sich  aufbauen,  sind  doch  noch  zu  wenig  feste: 
Wir  wissen  nichts  Sicheres  von  einer  Herabsetzung  der  Oxy¬ 
dationsfähigkeit  der  Zellen  bei  der  Adipositas  (cfr.  Rubner: 
Beiträge  zur  Ernährung  im  Knabenalter,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Fettsucht ;  Berlin,  Hirsch  w  a  1  d,  1902),  die  ver¬ 
minderte  CO  .-Ausscheidung  beim  Diabetes  existiert  nicht,  und 
über  den  Einfang  der  Xanthinkörperproduktion  bei  der  Gicht 
sind  unsere  Kenntnisse  noch  durchaus  unzulängliche. 

Die  Anschauungen  des  Referenten  weichen  in  mancher  Be¬ 
ziehung  von  denjenigen  Ebsteins  ab.  Aber  auch  wer  auf 
( inem  anderen  Standpunkt  als  E  b  s  t  ei  n  steht,  wird  mit  Nutzen 
die  Schrift  lesen  und  genug  des  Interessanten  aus  ihr  schöpfen. 

F.  V  o  i  t  -  München. 

H.  C.  Hamburger:  Osmotischer  Druck  und  Ionen¬ 
lehre  in  den  medizinischen  Wissenschaften,  zugleich  Lehrbuch 
physikalisch-chemischer  Methoden.  Bd.  I  (539  S.).  Wiesbaden, 
J.  F.  Bergma  n  n,  1902. 

Mit  diesem  Werk  ist  der  Groninger  Physiologe,  dem  wir 
eine  Reihe  werthvoller  physikalisch-chemischer  Arbeiten  über  das 
Blut  verdanken,  einem  wahren  Bedürfniss  entgegengekommen. 
In  den  ersten  Kapiteln  gibt  er  eine  Uebersicht  der  grundlegenden 
Theorien  und  der  Untersuchungsmethoden  nach  dem  heutigen 
Stande  der  Wissenschaft.  Dann  folgt,  in  historisch-kritischer 
Darstellung,  die  Anwendung  derselben  auf  die  Physiologie  und 
Pathologie  des  Blutes  mit  zahlreichen  noch  unveröffentlichten 
eigenen  Untersuchungen,  ln  meisterhafter  Weise  hat  es  Ham- 
b  u  r  g  e  r  verstanden,  das  ausgedehnte  Gebiet  so  zu  bearbeiten, 
dass  jede  einzelne  Frage  für  sich  in  objektiv-kritischer  Weise  ge¬ 
sichtet  und  für  den  Leser,  der  sich  rasch  zu  orientiren  wünscht, 
in  zusammenfassender  Weise  beantwortet  ist.  Es  ist  über¬ 
raschend,  wie  die  wichtigsten  Fragen  der  physiologischen  und 
klinischen  Hämatologie  unter  dem  Einfluss  der  physikalischen 
Chemie  in  neue  Beleuchtung  gerückt  sind:  Volumen,  Form  und 
Zusammensetzung  der  rothen  und  weissen  Blutkörperchen, 
Kohlensäuregehalt  und  Alkaleszenz  des  Serums,  Hämatolyse  und 
selbst  das  bakterizide  Vermögen  des  Blutes  wird  in  Mitleiden¬ 
schaft  gezogen,  und  es  ist  ein  grosses  Verdienst  Hamburge  Fs, 
die  weitzerstreute  Literatur  gesammelt  und  in  gesichteter  Form 
zugänglich  gemacht  zu  haben.  Sehr  werthvoll  ist  auch  die  Auf¬ 
nahme  aller  für  den  Laboratoriumsgebrauch  wichtigen  Zahlen 
in  1  a bellenform.  Das  Buch  wird  Allen,  die  sich  mit  diesen 
I  ragen  beschäftigen,  unentbehrlich  sein.  Ein  zweiter  Band,  wel¬ 
cher  die  Anwendung  der  Ionenlehre  auf  Physiologie  und  Patho¬ 
logie  der  Lymphe,  der  Resorption,  der  Nierenthätigkeit  und  auf 
pharmakologische  und  bakteriologische  Gebiete  enthalten  soll, 
wird  baldigst  in  Aussicht  gestellt.  H  i  s  -  Dresden. 


Dr.  Raimund  Mayr:  Das  Töchterlein,  sein  Leben,  seine 
Erziehung,  seine  Kleidung.  München  1902. 

Es  ist  ein  populär-hygienischer  Vortrag,  den  M.  am  26.  III. 
1902  im  Bayerischen  Hebammenverein  gehalten  hat.  An  die 
Hebammen  wendet  er  sich  wesentlich  mit  seinen  Bestrebungen, 
sie  sucht  er  zu  überzeugen  und  für  seine  Pläne  zu  gewinnen,  weil 
ihre  Berufstätigkeit  alle  gesellschaftlichen  Klassen  umfasst,  und 
ihr  Rat  oft  genug  begehrt  und  befolgt  wird.  In  fesselnder  Weise 
schildert  er  die  Erziehung  und  Pflege  des  Kindes  von  der  Geburt 
an  und  gibt  zahlreiche  Winke,  wie  man  namentlich  mit  Bezug 
auf  Ernährung  und  Kleidung  der  Kinder  den  hygienischen  An¬ 
forderungen  gerecht  werden  kann.  Wenn  man  bedenkt,  wie  oft 
gerade  in  diesen  letzten  Dingen  von  den  jungen  Müttern  ge¬ 
sündigt  wird,  so  wird  man  es  dem  Verfasser  Dank  wissen,  dass 
er  durch  Drucklegung  seinen  Vortrag  weiteren  Kreisen  zugäng¬ 
lich  gemacht  hat.  Max  II  e  n  k  e  1  -  Berlin. 


Neueste  Journalliteratur. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  63.  Bd.,  5.  u.  6.  Heft. 

Mai  1902.  Leipz:g,  Vogel. 

10)  S.  Hahn:  lieber  Rückenmarkscliirurgie.  (Chirurg.  Ab¬ 
teilung  Friedrichshain.) 

II.  berichtet  zunächst  über  4  operativ  behandelte  Wirbel¬ 
frakturen  mit  Paraplegie.  Bei  allen  handelte  es  sich  um  schwere 
Verletzungen,  bei  8  bestanden  Frakturen  mehrerer  Bogen  und 
Wirbel  zugleich.  Die  Operation  wurde  ausgefükrt  nach  3,  0, 
9  Tagen  und  nach  9  Wochen.  Ein  Kranker  starb  14  Tage  nach 
der  Operation,  bei  3  wurden  die  Folgen  der  Operation  gut  über¬ 
standen,  ohne  dass  eine  wesentliche  Besserung  der  Lälimungs- 
erseheinungen  nachzuweisen  gewiesen  wäre,  nur  bei  einem  Patien¬ 
ten  besserte  sich  die  Blasen-  und  Mastdarmlähmung;  aber  auch 
dieser  Patient  ist  1  Jahr  nach  der  Verletzung  gestorben. 

H.s  Bat  ist:  So  früh  wie  möglich  operieren  bei  Bogenfrak¬ 
turen;  bei  Durchquetselnmgen  nach  Körperfrakturen  mit  Luxa¬ 
tionen  gar  nicht;  bei  Kompressionsfrakturen  (Gibbus),  wenn  inner¬ 
halb  einer  Beilie  von  Monaten  keine  Besserung  eintritt. 

II.  berichtet  des  weiteren  über  einige  anatomische  Präparate 
und  über  2  sehr  interessante  Stichverletzungen.  Bei  der  zweiten 
derselben  wurde  ein  operativer  Eingriff  vorgenommen,  aber  erst 
bei  der  Sektion  konnte  das  abgebrochene  Messerstück  entfernt 
werden. 

5  Operationen  wurden  vorgenommen  bei  Erkrankungen,  die 
unter  den  Erscheinungen  der  Bückenmarkskompression  verlaufen 
waren  (2  mal  Echinokokkus,  1  mal  Exostose,  1  mal  Syringomyelie 
mit  Gliombildung,  1  mal  Erweichung).  Die  Segmentdiagnose  war 
in  allen  Fällen  richtig  gestellt  worden.  2  Fälle,  ein  Echino¬ 
kokkusfall  und  die  Exostose  wurden  geheilt. 

Von  43  t  on  II.  zusammengestellten  Fällen  wurden  24  geheilt, 
IS  sind  gestorben,  einer  blieb  ungeliebt. 

17)  Perez:  Die  Influenza  in  chirurgischer  Beziehung. 
(Chirurg.  Klinik  Bonn.) 

P.  weist  in  vorliegender  Arbeit  die  pathologische  Bedeutung 
des  Bazillus  Pfeiffer  in  experimenteller  und  klinischer  Beziehung 
für  eine  grosse  Reihe  von  Krankheiten  nach.  Zunächst  für  die 
Entzündungen  der  Nasen-,  Mund-,  Larynx-  und  Pharynxschleim¬ 
haut.  Am  Knochensystem  kann  die  Influenza  eine  einfache  Osteo¬ 
periostitis  und  eine  eitrige  akute  Osteoperiostitis  hervorrufen. 
Viele  Influenzaperiostitiden  werden  nach  I’.  übersehen  und  als  ein¬ 
fache  schematische  Erkrankungen  betrachtet.  Auch  viele  Gelenk¬ 
erkrankungen  sind  häufiger  durch  den  Bazillus  Pfeiffer  bedingt, 
als  man  nach  den  Mitteilungen  in  der  Literatur  annehmen  sollte. 
Die  Influenza  hat  mit  dem  Gelenkrheumatismus  in  vielen  Punkten 
eine  ganz  ausserordentliche  Aeliulichkeit.  Von  grosser  Bedeutung 
isl  nach  den  Experimenten  des  Verfassers  der  Influenzabazillus  für 
die  Erkrankungen  des  Gehörorgans. 

18)  E.  Payr:  Ueber  Verwendung  von  Magnesium  zur  Be¬ 
handlung  von  Blutgefässerkrankungen.  (Chirurg.  Klinik  Graz.) 

r.  hat  auf  Rat  von  Nicola doni  in  einem  Falle  von  Tumor 
cavernosus  am  Kinn  eine  Anzahl  von  Magnesiumpfeilen  von  einem 
Loch  aus  nach  allen  Richtungen  in  die  Geschwulst  eingestochen 
und  damit  ein  vollständiges  Verschwinden  des  Tumors  herbei¬ 
geführt.  r.  möchte  dies  Verfahren  für  alle  diejenigen  Fälle  von 
Angiom  empfehlen,  bei  denen  die  Exstirpation,  Ignipunktur  und 
Elektrolyse  auf  Schwierigkeiten  stossen.  Durch  das  Magnesium¬ 
metall  werden  in  den  mit  Blut  gefüllten  Hohlräumen  Gerinnungs¬ 
vorgänge  erzeugt. 

19)  E.  Payr:  Zur  Verwendung  der  Quetschmethoden  in  der 
Darmchirurgie.  (Chirurg.  Klinik  Graz.) 

P.  hat  schon  wiederholt  bei  Abquetschung  des  Wurmfort¬ 
satzes  beobachtet,  dass  die  ganze  Appendixwand  von  der  Quetsche 
durchtrennt  wurde,  und  nach  der  Abnahme  nur  einige  Gewebs- 
fasern  anstatt  der  erwarteten  Serosamanchette  übrig  waren.  In 
vorliegender  Arbeit  berichtet  I’.  über  einen  Fall  von  Bruchein¬ 
klemmung,  bei  dem  der  Enterotrib  die  Darmwand  ganz  durch¬ 
quetschte  und  Darminhalt  aus  der  Quetschfurche  austrat.  Dar¬ 
nach  scheint,  dass  bei  Stauung  und  Entzündungszuständen  am 
Darm  die  Anwendung  des  M  i  k  u  1  i  c  z  sehen  Enterotribs  Ein¬ 
schränkungen  zu  erfahren  hat.  Auch  hatte  sich  an  der  Sclinür- 
furche  ein  Hämatom  ausgebildet,  zum  Zeichen,  dass  auch  die  Blu¬ 
tung  in  sclc lau  Fällen  nicht  exakt  gestillt  wird. ' 

20)  G  rase  r:  Walter  v.  H  e  i  n  e  k  e. 

Ein  Nekrolog. 

21)  W.  v.  N  o  o  r  d  e  n  -  München:  Schulterverrenkung  mit 
Abreissen  der  Arteria  thoracica  longa  von  der  Achselarterie. 

Bei  einer  70  .jährigen  Dame  entstand  gleichzeitig  mit  einer 
Luxation  des  rechten  Humerus  ein  hochgradiger  Bluterguss  in  der 
rechten  Axilla.  Tod  nach  2  Stunden.  Bei  der  Sektion  fand  sich 
die  Arteria  thoracica  longa  zu  etwa  2  Dritteln  von  der  Stamm¬ 
arterie  abgerissen.  Die  Adventitia  und  Media  waren  voneinander 
auf  geblättert,  die  Intima  einwärts  gekräuselt,  mit  kleinem  Saum  in 
der  Arterienwunde  flottirend.  Mikroskopisch  hatte  dieselbe  die 
Zeichen  des  beginnenden  Atheroms. 

In  der  Literatur  fand  Verfasser  5  ähnliche  Fälle.  Die  Be¬ 
handlung  würde  in  Unterbindung  der  Axillaris  zu  bestehen  haben. 

22)  ,T  acobsthal:  Beiträge  zur  Statistik  der  operativ 
behandelten  Aneurysmen.  (Chirurg.  Klinik  Göttingen.) 

Den  Anlass  zu  der  Arbeit  gab  ein  operativ  behandelter  Fall 
von  Aneurysma  der  Arteria  anonyma.  Es  wurden  die  rechte 
Karotis  und  Subklavia  gleichzeitig  unterbunden.  Ein  Nachlass 


MÜENCHENER  MEDICTELSCHE  WO CTIEK SCHRIEB. 


1151 


8.  Juli  1902. 


des  Wachstums  der  Geschwulst  trat  nicht  ein.  Der  Patient  starb 
51  Tage  post  opera tionem  an  zunehmender  Schwäche.  Keine 
Sektion. 

Aus  der  Zeit,  nach  der  letzten  grossen  Statistik  durch  P  o  i  v  e  t 
hat  Verfasser  28  operativ  behandelte  Fälle  zusannnengestellt,  von 
denen  18  die  gleichzeitige  Unterbindung  der  rechten  Karotis  und 
Subklavia  betrafen.  5  Todesfälle,  13  Besserungen,  keine  Heilung, 
10  ungebessert.  Bei  Poivet  finden  sich  7  Heilungen,  von  denen 
3  anatomisch  sichergestellt  sind. 

Zum  Vergleich  hat  dann  .1.  28  mit  internen  Mitteln  behandelte 
Fälle  zusammengestellt  (Einführung  von  Stahlnadeln,  Filipuuktur, 
subkutane  Gelatineinjektionen,  indifferente  Behandlung).  Von 
diesen  ist  einer  (Filipuuktur)  geheilt,  15  gebessert.  Die  Resultate 
sind  also  im  wesentlichen  die  gleichen  wie  die  der  operativen  Be¬ 
handlung.  Vielleicht  sind  der  Operation  mehr  schwere  Fälle  unter¬ 
worfen. 

Dreimal  wurden  infolge  der  Karotisunterbindung  Gehirn¬ 
störungen  beobachtet,  2  mal  mit  tätlichem  Ausgang. 

23)  K  u  li  n  -  Königsberg:  Der  Mechanismus  der  Fractura 
radii  typica.  K  reck  e. 

Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  47.  Band 
2.  Heft.  —  Stuttgart,  F.  Enke.  I9u2. 

1)  M.  II  e  li  k  e  1  -  Berlin:  Blutungen  nach  der  Geburt  und 
ihre  Behandlung. 

Nach  kurzer  Besprechung  der  an  der  k.  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  in  Berlin  üblichen  Methoden  zur  Behandlung  der  Blutungen 
post  partum  empfiehlt  II.  ein  neues  Verfahren,  das  er  zunächst 
bei  Cervixrissen  mit  Erfolg  ausführte.  Es  ist  dies  die  beider¬ 
seitige  Abkle  m  m  u  li  g  der  Aa.  uterinae  mit  M  u  z  e  u  x- 
Ilakenzangen.  Die  Technik  ist  dabei  sehr  einfach.  Nach  Ein¬ 
stellung  der  Portio  werden  die  Mutternnindslippen  gefasst  und 
zuerst  nach  der  dem  Cervix  riss  entgegengesetzten  Seite  stark  ge¬ 
zogen.  Hierauf  wird  ein  2.  Muzeux  „ohne  Rücksicht  auf  Blase 
und  Ureter"  an  das  betr.  Parainetrium  gelegt  und  geschlossen. 
In  der  gleichen  Weise  wird  hierauf  das  andere  Parainetrium  ab- 
geklemmt.  Entfernung  der  Zangen  nach  12 — 24  Stunden.  Das 
Verfahren  hat  sich  auch  bei  Atonia  Uteri  bewährt,  so  dass  H. 
hierbei  auf  die  Tamponade  zu  Gunsten  seines  Verfahrens  ver¬ 
zichten  will. 

Nachteile  für  Blase  und  Ureter  glaubt  H.  nicht  befürchten 
zu  müssen,  trotzdem  er  selbst  2  mal  Blut  im  Urin  fand. 

2)  O.  v.  F  r  a  n  q  u  ö  -  Würzburg:  Carcino-Sarco-Endothelioma 
tubae. 

Das  gleichzeitige  Vorkommen  von  karzinomatösen,  sarkoma- 
tösen  und  endotlieliomatösen  Partien  in  einem  Tumor  wird  von 
manchen  Autoren,  wie  v.  K  a  h  1  d  e  n,  K  a  u  f  m  a  n  n  u.  a.,  ge¬ 
leugnet,  von  v.  F.  jedoch  in  einem  selbst  beobachteten  Falle  genau 
beschrieben.  An  dem  vorliegenden  Präparat  liess  sich  die  gleich¬ 
zeitige  maligne  Degeneration  einerseits  des  Tubenepithels,  anderer¬ 
seits  des  Blutgefässendothels  vom  ersten  Anbeginn  ab  nachweisen. 
Durch  seine  Beobachtung  hält  v.  F.  das  gleichzeitige  Vorkommen 
maligner  Entartung  an  den  3  verschiedenen  Bestandteilen  eines 
Organs  für  erwiesen.  Das  Karzinom  entstand  aus  dem  Ober- 
Üächenepithel,  das  Sarkom  aus  Elementen  der  Tubenwamlung. 
v.  F.  hält  seinen  Fall  überhaupt  für  den  ersten  sicheren  von  Car- 
einosarcoma  tubae,  für  den  dritten  von  primärem  Tubensarkom. 

3)  F.  A  li  1  f  e  1  d  -  Marburg:  Verblutung  im  Anschluss  an  die 
Geburt. 

Es  handelte  sich  um  eine  29  jähr.  Multipara,  die  3  mal  ab¬ 
ortiert  und  nie  ausgetragen  hatte.  Nach  der  Geburt  des  4.  Kindes, 
das  in  der  Eiliautkopf kappe  zur  Welt  kam,  trat  eine  unstillbare 
Nachblutung  ein,  die  trotz  Massage,  heissen  Irrigationen  und  Tam¬ 
ponade  zum  Verblutungstode  führte.  Ein  Cervixriss  bestand  nicht. 
Als  einzige  Ursache  der  Verblutung  fand  A.  eine  eigentümliche 
Blutbeschaffenheit,  nämlich  Fehlen  von  Fibrinogen  und  geringen 
Gehalt  organischer  Substanz,  wodurch  die  Thrombose  der  Uterin- 
gefässe  verhindert  wurde  und  die  Zirkulation  nach  der  Uterin¬ 
höhle  fortbestand. 

4)  F.  A  li  1  f  e  1  d  -  Marburg:  Wie  stellt  sich  das  Zahlen¬ 
verhältnis  der  eineiigen  Zwillinge  zu  den  zweieiigen? 

Kritik  einer  Arbeit  von  Wein  b  e  r  g  über  Mehrlingsgeburten 
(cf.  diese  Wochensclir.  1902,  No.  19,  p.  802),  der  wesentlich  höhere 
Zahlen  für  eineiige  Zwillinge  gefunden  hatte  als  A.,  nämlich 
21,2  Proz.  statt  15,5  Proz.  Zu  kurzem  Referat  ungeeignet. 

5)  F.  A  h  1  f  e  1  d  -  Marburg:  Zur  Prophylaxe  der  puerperalen 
Mastitis. 

A.  empfiehlt  zur  Verhütung  der  Brustdrüseneiterung  den  Ge¬ 
brauch  einer  10  proz.  alkoholischen  Tanninlösung.  Jeden  2.  Tag 
wird  der  Warzenhof  und  die  Warze  der  Schwangeren  erst  mit 
Wasser  abgewaschen,  dann  abgetrocknet  und  mit  der  Tannin- 
Alkohollösung  mittels  Watte  betupft.  Bei  dieser  Behandlung  ist 
in  2  Jahren  kein  Fall  von  Mastitis  puerperalis  mehr  eingetreten. 

6)  F.  A  h  1  f  e  1  d  -  Marburg:  Partielle  Kontraktionen  des 
schwangeren  Uterus,  Myome  vortäuschend. 

Isolierte  Kontraktionen  des  schwangeren  Uterus  hatte  A. 
bisher  nur  in  den  ersten  Monaten  beobachtet.  Bei  einer  41  jähr. 
VIII.  Para  fand  das  Phänomen  statt  und  wurde  für  ein  Myom 
gehalten.  Die  Frau  starb  an  Verblutung  infolge  von  Placenta 
praevia  und  einem  inneren  Riss  in  der  Gegend  des  inneren  Mutter¬ 


mundes.  Die  Sektion  ergab  keine  Spur  von  Myom;  es  hatten  also 
partielle  Kontraktionen  des  Uterus  letzteres  vorgetiiusclit. 

7)  M.  IV  a  1 1  h  a  r  d  -  Bern :  Die  bakteriotoxische  Endo¬ 
metritis. 

W.  teilt  die  Endometritiden  bakteriellen  Ursprungs  in 
2  Gruppen  ein: 

1.  Infektiöse  E  n  d  o  m  e  t  r  i  t  i  d  e  n,  deren  Erreger  in 
Epithel  und  Stroma  eindringon  und  sich  im  Gewebe  ihres  Wirtes 
vermehren. 

Als  solche  Erreger  fungieren  die  infektiösen  Streptokokken, 
Staphylokokken,  Kolibazillen  und  Anaeroben,  sowie  Gonokokken 
und  Tuberkelbazillen. 

2.  Bakteriotoxische  Endometritiden,  deren  Er- 
reder  im  Uterussekret  und  Uterusinhalt  vegetieren  und  nicht  in 
die  Gewebe  ihres  Wirtes  einwandern.  Hierher  gehören  die  sapro- 
phytischen  Streptokokken,  Staphylokokken,  Kolibazillen,  An¬ 
aeroben  und  die  echten  bakteriotoxiscli  wirkenden  Sapropliyten, 
wie  z.  B.  die  Proteusformen. 

Da  diese  Erreger  sich  im  Vaginalsekret  jeder  Schwangeren 
finden  und  im  Puerperium  in  den  Uterus  gelangen  können,  so  er¬ 
klärt  es  sich,  dass  auch  bei  sorgfältigster  Asepsis  die  Morbidität 
des  Wochenbetts  nicht  ganz  verschwinden  kann,  wobei  allerdings 
tröstlich  ist,  dass  diese  Infektionen  meist  milde  und  oft  ganz 
symptomlos  verlaufen. 

8)  K.  H  o  1  z  a  p  f  e  1  -  Kiel:  1.  Was  ist  zu  verstehen  unter 
Modus  Bandelocque,  Schul tze,  DuncanP 

2.  Kritik  der  Arbeit  Levys:  „Beiträge  zum  Mechanismus 
der  Plazentarlösung“  im  Bd.  XIA'I  dieser  Zeitschrift. 

K.  vergleicht  zunächst  die  Lehren  Bändel  o  c  q  e  s, 
Schnitzes  und  D  uncans  nach  den  Originalarbeiten,  erklärt 
die  Widersprüche  in  ihren  Angaben  daraus,  dass  sie  den  Austritt 
der  Plazenta  zu  verschiedenen  Geburtsabschnitten  vielleicht  beob¬ 
achtet  haben,  und  wünscht  die  Bezeichnungen  Modus  Baude- 
1  o  c  q  u  e  u.  s.  w.  am  liebsten  ganz  vermieden  zu  sehen. 

Der  2.  Teil  ist  eine  Kritik  der  Arbeit  Levys,  dem  er  un¬ 
richtige  Auffassung  der  Begriffe  Modus  Schnitze  und  Modus 
Du  n  ca  n  vorwirft.  H.  verwirft,  m.  E.  mit  Recht,  die  an  der 
Stuttgarter  Hebammenschule  vorgetragene  Lehre,  jeden  Uterus 
sofort  post  partum  zu  reiben  und  die  Plazenta  nach  y2  Stunde 
auszudrücken.  Durch  das  frühzeitige  Reiben  kommt  es  ent¬ 
schieden  häufiger  zu  Blutungen  und  leichter  zu  Retention  von  Ei- 
liaut-  und  Zottenresten.  Solange  es  nicht  erheblich  blutet,  soll 
man  den  natürlichen  Lösungsprozess  der  Plazenta  durch  Reiben 
des  Uterus  nicht  stören. 

Schliesslich  moniert  H.  die  Bestimmung  des  Plazeutarsitzes 
aus  der  Lage  des  Eiliautrisses,  was  zu  grossen  Irrtümern  führen 
kann. 

9)  G.  .T.  W  y  clig'el-  Leiden:  Untersuchungen  über  das  Pig¬ 
ment  der  Haut  und  den  Urin  während  der  Schwangerschaft. 

In  der  vorliegenden,  wesentlich  chemischen  Arbeit  versucht 
W.  die  E  h  r  1  i  c  li  sehen  Theorien  auf  die  Schwangerschaft  zu 
übertragen.  Er  untersuchte  hierzu  die  Ursachen  der  vermehrten 
Pigmentation  und  den  Eisengehalt  des  Urins  und  fand  folgendes: 

Die  Ursachen  der  physiologischen  Pigmenthypertrophie  sind 
uns  völlig  unbekannt.  Dagegen  lässt  sich  sicher  behaupten,  dass 
das  Pigment  Eisen  enthält.  Dieses  Eisen  kann  nur  vom  Hämo¬ 
globin  herstammen,  und  da  dieses  in  den  Erytlirocyteu  sehr  fest 
gebunden  ist  und  diese  in  W.s  Präparaten  ihre  normale  Farbe 
zeigten,  so  kann  das  Eisen  nur  aus  seiner  Lösung  im  Serum  des 
zirkulierenden  Blutes  herstammen.  Hieraus  ist  zu  entnehmen, 
dass  das  Discoplasma  (der  eine  Bestandteil  der  roten  Blutkörper¬ 
chen)  in  den  Erytlirocyteu  in  der  Schwangerschaft  zerstört  wird. 
I  )ureh  die  vermehrte  Pigmentbildung  wird  also  ein  Teil  des  frei¬ 
gewordenen  Hämoglobins  ausgeschieden.  —  Der  Urin  der 
Schwangeren  enthält  mehr  Eisen  als  solcher  von  nicht  Schwange¬ 
ren  unter  gleichen  Ernährungsbedingungen.  Auch  dieses  Eisen 
kann  natürlich  nur  vom  Hämoglobin  herrühren. 

J0)  Constantin  J.  B  u  c  u  r  a  -  Wien:  Anatomischer  Befund 
eines  wegen  Prolaps  nach  Wertheim  operierten  Falles. 

B.  hat  im  vorigen  Jahre  über  10  Fälle  berichtet,  in  denen 
die  W  ert  heim  sehe  Prolapsoperation  (Annäliung  des  Uterus  an 
die  angefrischte  vordere  Vaginalwand)  ausgeführt  worden  war 
(cf.  das  Referat  in  diesem  Blatt  1901,  No.  34,  p.  1357).  Ein  neuer, 
anfangs  geheilter  Fall  derselben  Art  starb  einige  Wochen  später 
an  Nephritis  und  Herzmuskelentartung.  B.  beschreibt  nun  das 
hierbei  gewonnene  anatomische  Präparat.  Aus  dem  histologischen 
Befunde  sei  besonders  hervorgehoben,  dass  die  in  die  Vagina 
sehende  Uterusfläche  vollkommen  mit  mehrschichtigem  Platte  n- 
ep.it  liel  überkleidet  war,  das  sich  vom  Epithel  der  Scheide  in 
keiner  Weise  unterschied  und  kontinuirlioh  von  der  Seheiden- 
sehleimliaut  auf  die  Uterusserosa  hinüberzog. 

J  a  f  f  6  -  Hamburg. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  25  u.  26. 

No.  25.  1)  W.  Tliomass  -  Brandenburg  a/H.:  Ein  Fall  von 
echtem  Fibrom  der  Vulva. 

Der  pllaumengrosse  Tumor,  dessen  Trägerin  ein  17  jähriges 
Mädchen  war,  sass  an  der  Vulva  zwischen  Orific.  uretlirae,  kleinen 
Labien  und  unterstem  Tlieil  der  vorderen  Vaginalwand.  Ex¬ 
stirpation  mit  Messer  und  Selieere;  Heilung.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  ergab  ein  zellreiches  Fibrom. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2?; 


•Ji  M  i  c  li  i  n  -  Charkow:  Zur  Frage  der  operativen  Behand¬ 
lung  der  myomatösen  schwangeren  Gebärmutter. 

35  jährige  Frau,  im  5.  Monat  gravida,  hatte  oberhalb  des  Oriflc. 
int.  uteri  einen  Tumor,  desgleichen  einen  im  Fundus;  daneben  be¬ 
stand  Nephritis.  INI.  nahm  an,  dass  der  Tumor  in  der  Cervix  die 
Geburt  per  vias  naturales  unmöglich  machen  würde;  die  Nephritis 
bestimmte  ihn,  nicht  das  Ende  der  Gravidität  abzuwarten.  Daher 
supravagiuale  Amputation  des  ganzen  Uterus;  Heilung.  Der 
Fundustumor  war  ein  einfaches  Myom,  der  untere  ein  „Myo- 
sarkoma  myxomatodes  lymphangiektaticum  papilliferum“. 

3)  C.  v.  P  a  u  e  r  -  Ofen-Pest:  Ein  Fall  von  Uterus  duplex 
separatus. 

Der  Fall  betraf  eine  18  jährige  Virgo,  die  wegen  heftiger  Men¬ 
st  rualkoliken  und  eines  Tumors  in  der  linken  Bauchhälfte  zur 
Laparotomie  kam.  Hierbei  fand  sich  ausser  einem  normalen 
rechtsseitigen  Uterus  ein  zweiter  Uterus  auf  der  linken  Seite,  der 
nur  durch  einen  Bindegewebsstrang  an  die  Vagina  tixirt  war,  aber 
nicht  mit  ihr  kommunizierte.  Es  fand  sich  in  diesem  Uterus  Blut, 
also  Hämatometra;  daneben  bestand  auch  linksseitig  Hämato- 
salpinx.  Beide  Tumoren  wurden  exstirpiert,  worauf  ungestörte 
Heilung  eintrat. 

Aus  der  Literatur,  die  P.  zusammenstellt,  ergibt  sich,  dass  eine 
so  starke  Entwicklung  des  rudimentären  Uterus  bisher  nicht  be¬ 
schrieben  worden  ist. 

Xo.  26.  3)  A.  Död  erlein  -  Tübingen:  Ueber  abdominelle 

Exstirpation  des  karzinomatösen  Uterus  nach  Wertheim. 

D.  berichtet  zunächst  über  seine  Karzinomoperierten  aus  den 
letzten  4 y2  Jahren.  Er  hatte  nur  84  Proz.  primäre  Heilungsresul¬ 
tate,  während  16  Proz.  starben.  Ganz  rezidivfrei  sind  bis  jetzt 
38  geblieben,  darunter  15  Proz.  länger  als  3  Jahre.  Nach  Wert- 
h  e  i  m  operiert  D.  seit  etwa  Jahresfrist,  zuerst  nur  sehr  ungünstige 
8  Fälle,  von  denen  3  sofort  starben,  seit  Januar  d.  .T.  alle  Karzinom¬ 
fälle,  im  ganzen  26  Fälle.  Von  diesen  sind  6  gestorben,  20  zunächst 
noch  am  Leben.  Als  Vorzüge  des  Verfahrens  lobt  D.  die  U eber¬ 
sicht  lichkeit  des  Operationsgebietes  in  steilster  Beckenliochlage- 
rung,  die  Ausdehnung  der  Exstirpationsmöglichkeit  von  Geweben 
und  Drüsen  und  seine  Leistungsfähigkeit  bei  Entfernung  von  Kar¬ 
zinomrezidiven. 

2)  A.  Catterina-  Camerino:  Ueber  die  Hysterokata- 
phraxis. 

Ein  neues  Verfahren  zur  Fixation  des  prolabierten  Uterus. 
Ohne  Abbildungen  nicht  verständlich,  daher  im  Original  nach¬ 
zusehen.  Jaf  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  55.  Bd.  Heft  5  u.  6. 

23)  Aus  Prof.  Ganghof  ners  Kinderklinik  in  Prag: 

1.  Ganghof nev:  Ueber  das  Verhältnis  von  Intubation 
und  Tracheotomie  bei  der  Behandlung  der  diphtheritischen 
Larynxstenose. 

Auf  Grund  seiner  reichen  Erfahlirang  sehliesst  der  um  die 
Einführung  der  Intubation  in  Europa  hochverdiente  Autor,  dass 
die  Intubation  bei  weitem  in  den  meisten  Fällen  ausreicht, 
während  die  Tracheotomie  überall  da  geübt  werden  soll,  wo  der 
bestmögliche  Erfolg  mit  der  Intubation  nicht  zu  erreichen  ist. 
Aus  grossen  Massenstatistiken  lässt  sich  der  Wert  beider  Ver¬ 
fahren  deshalb  nicht  genügend  erschliessen,  weil  diese  eine  Be¬ 
rücksichtigung  des  Alters,  des  Genius  epidemieus  und  anderer  für 
den  Einzelfall  bestimmender  Momente  nicht  erlauben.  (Also  auch 
bei  Ganghofner  heisst  es:  Tracheotomie  und  Intubation,  nicht 
Tracheotomie  oder  Intubation.  Ref.) 

2.  Joseph  Langer:  Zur  Beurteilung  der  Eiweissbefunde 
im  Harn  diphtheriekranker  Kinder. 

L.  fand,  dass  bei  den  gewöhnlichen  Eiweissproben  mit  Ferro- 
cyankali-Essigsäure  oder  mit  Essbaclis  Reagens  die  im  kon¬ 
zentrierten  Morgenharn  Diphtheriekranker  sehr  reichlichen  Ui’ate 
eine  scheinbar  grosse  Eiweissmenge  Vortäuschen  können.  Die 
Urate  fallen  meist  schon  beim  Säurezusatz  allein  aus,  auch  auf 
anorganische  Säuren.  Eine  derartige  Uratvermelirung  ist  also 
wohl  zu  berücksichtigen,  um  so  mehr,  als  sie  bei  Diphtherie 
häufiger  zu  sein  scheint,  als  bei  anderen  fieberhaften  Krankheiten. 

3.  Ritter  v.  Rittershain:  Erfahrungen  über  die  in 
den  letzten  4  Jahren  beobachteten  Serumexantheme. 

Zur  Beobachtung  kamen  allgemeine  Urtikariaexantheme, 
diffuse,  scharlachähnliche,  morbillenähnliche  und  polymorphe, 
schliesslich  multiforme  exsudative  Exantheme.  Nur  die  Diffe- 
rentialdiagnose  zwischen  echtem  Scharlach  und  scharlachähn¬ 
lichem  Exanthem  kann  gelegentlich  grosse  Schwierigkeiten  be¬ 
reiten.  Auch  R.  v.  R.  konstatiert  das  immer  seltenere  Auftreten 
der  Serumexantheme,  die  von  22  Proz.  im  Jahre  1S97  auf  6,45  Proz. 
in  3901  zurück  gingen. 

24)  Scherer-  Prag:  Die  P  a  r  r  o  t  sehen  Pseudoparalysen 
bei  angeborener  Syphilis.  (Vortrag,  gehalten  in  der  III.  Ver¬ 
sammlung  böhmischer  Naturforscher  und  Aerzte  in  Prag  1901.) 

Wo  Knochenveränderungen  im  Sinne  P  a  r  r  o  t  s  fehlen,  wo 
Zentralnervensystem  und  periphere  Nerven  vollkommen  intakt 
sind,  scheint  es  sich  um  eine  Schädigung  des  Zentralnervensystems 
durch  luetische  Toxine  oder  Toxine  komplizierender  Septikämie 
zu  handeln.  Verfasser  fand  zweimal  Streptokokken  im  Marke,  den 
Spinalganglien  und  allen  Organen. 

25)  Kramsztyk:  Ueber  Vergiftung  mit  Natronlauge  bei 
Kindern. 

Beobachtung  von  32  Fällen  der  Warschauer  Kinderklinik  und 
Vorschläge  zur  Verhütung  derselben. 


26)  Axel  Johannessen:  Uebersicht  aus  der  nordischen 
pädiatrischen  Literatur. 

Eine  sehr  vollkommene  Mitteilung  der  schwedischen  und  nor¬ 
wegischen  neuesten  pädiatrischen  Arbeiten,  deren  regelmässige 
Wiederkehr  dem  Jahrbuch  eine  noch  allgemeinere  Beachtung 
sichern  dürfte. 

27)  IT.  B  r  ü  n  i  n  g  -  Leipzig:  Zur  Kasuistik  der  Tumoren  im 

4.  Ventrikel.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Leipzig.) 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

28)  Geissler:  Ueber  variköse  Erweiterung  der  Hirnsinus 
bei  einem  Kinde  mit  kongenitalem  Defekte  im  Herzventrikel¬ 
septum.  (Aus  der  med.  Universitäts-Poliklinik  in  Leipzig.) 

Muss  im  Original  nachgelesen  werden. 

29)  C.  Hartung:  Zusammensetzung  und  Nährwert  der 
Backhausmilch. 

Gebührende  Zurückweisung  der  gänzlich  unberechtigten,  un¬ 
sinnigen  Reklame,  mit  der  die  Backhauskindermilch  als  der 
Frauenmilch  gleichwertig,  wenn  möglich  sogar  überlegen  an¬ 
gepriesen  wird.  „Das  Verdienst  von  B.  besteht  in  der  milchtech¬ 
nischen  Verbesserung  der  bereits  früher  in  anderer  Form  peptoni- 
sierten  Kindermilch.  Die  II.  und  III.  Sorte  B.  bietet  nichts  Neues.“ 

Die  B. -Milch  kann  selbstverständlich  so  wenig  als  Ersatz  der 
Frauenmilch  dienen,  wie  jede  künstliche  Nahrung  ganz  allgemein, 
und  die  viel  billigere  Heubne  r  sehe  Mischung  oder  das  im  Hause 
dargestellte  Biedert  sehe  Rahmgemenge  mit  seinen  5  Ab¬ 
stufungen  leistet  mindestens  ebensoviel. 

(Eine  eingehende  chemische  Untersuchung,  wie  diejenige 
Hartuugs  ist  gewiss  sehr  verdienstvoll,  sollte  aber  kaum 
nötig  sein,  um  die  heute  ganz  gewöhnliche  Reklame,  dass  jedes 
erste  beste  Ersatzmittel  für  die  natürliche  Säuglingsnahrung  der 
Frauenmilch  gleichkommt,  zu  widerlegen.  Die  Aerztewelt  selbst 
sollte  derartige  Reklameartikel  prinzipiell  ablehnen.  Ref.) 

30)  S  z  o  n  t  a  g  h  -  Ofen-Pest:  Beiträge  zur  skarlatinösen 
Gelenkentzündung. 

35  recht  interessante  Beobachtungen.  Dass  die  allgemeine  An¬ 
gabe  über  den  angeblichen  Eintritt  der  Gelenkaffektiou  gewöhnlich 
bis  zum  Beginn  der  3.  Woche  nicht  zutrifft,  zeigt  sich  auch  bei  S. 
Bakteriologische  Untersuchungen  werden  leider  vermisst.  Die 
Nephritis  wurde  in  keinem  Falle  vermisst. 

31)  Bjoerksten:  Ein  Fall  von  kongenitaler  Dilatation 
des  Kolon  bei  einem  Kinde. 

Vereinsbericht.  Literaturbericht.  Besprechungen. 

S  i  e  g  e  r  t  -  Strassburg. 

Arbeiten  aus  dem  kaiserlichen  Gesundheitsamte.  19.  Bd., 
1.  Heft. 

3)  E.  Rost:  Ueber  die  Wirkungen  der  Borsäure  und  des 
Borax  auf  den  tierischen  und  menschlichen  Körper,  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  ihrer  Verwendung  zum  Konservieren 
von  Nahrungsmitteln. 

2)  M.  Rubner:  Ueber  die  Wirkung  der  Borsäure  auf  den 
Stoffwechsel  des  Menschen. 

3)  R.  O.  Ne  u  man  n:  Ueber  den  Einfluss  des  Borax  auf  den 
Stoffwechsel  des  Menschen. 

4)  A.  H  e  f  f  t  e  r:  Ueber  den  Einfluss  der  Borsäure  auf  die 
Ausnutzung  der  Nahrung. 

5)  G.  Sonntag:  Ueber  die  quantitative  Untersuchung  des 
Ablaufes  der  Borsäureausscheidung  aus  dem  menschlichen 
Körper. 

6)  A.  Weitzel:  Ueber  die  Labgerinnung  der  Kuhmilch 
unter  dem  Einfluss  von  Borpräparaten  und  anderen  chemischen 
Stoffen. 

7)  E.  Polenske:  Ueber  den  Borsäuregehalt  von  frischen 
und  geräucherten  Schweineschinken. 

Das  vorliegende  Heft  der  Arbeiten  aus  dem  Kais.  Gesund¬ 
heitsamt  umfasst  eine  Reihe  von  wichtigen  Untersuchungen  über 
B  orsii  u  r  e  und  Bora  x,  welche  gerade  jetzt,  wo  es  sich  bei  der 
Frage  der  Nahrungsmittelkonservierung  um  das  F  ii  r  u  n  d 
W  i  d  er  der  Bor  p  r  ä  p  a  rate  handelt,  von  ganz  besonderem 
Interesse  sind. 

Bekanntlich  werden  eine  Menge  Nahrungsmittel  —  Schinken, 
Lachsschinken,  Speck,  Cervelatwurst,  Blutwurst,  Brühwürstchen, 
Frankfurter  Würstchen,  Fische,  Kaviar,  Muscheln,  Milch,  Butter, 
Margarine,  Eiweiss  und  Eigelb  —  mit  Bors  ä  u  r  e  oder  Borax 
behandelt  und  zwar  zum  Teil  in  ganz  erheblichen  Mengen.  So 
wurden  z.  B.  in  amerikanischem  Trockenpöckelrindfieiscli  bis  über 
3  Proz.  Borax  gefunden.  Es  ist  demnach  möglich,  dass  auch 
unter  normalen  Verhältnissen  eine  Aufnahme  von  einigen  Gramm 
Borsäure  pro  Tag  stattfinden  kann.  Selbsverständlich  sind  der¬ 
artige  Mengen  eines  nicht  indifferenten  Salzes  für  den  Organismus 
nicht  gleichgültig  und  so  lassen  sich  auch  in  der  Literatur  eine 
Reihe  Angaben  finden,  die  tliese  Tatsache  bestätigen.  So  hat 
z.  B.  C.  Gerhardt  neuerdings  Dosen  von  1  g  Borax  3  mal  täg¬ 
lich  bei  Entfettungskuren  nicht  indifferent  gefunden.  Nichtsdesto¬ 
weniger  sind  nicht  .alle  Forscher  derselben  Meinung  und  auch  die 
tägliche  Erfahrung  scheint  dagegen  zu  sprechen. 

Um  diese  Frage  zu  klären,  sind  im  K.  G.-A.  seit  mehreren 
Jahren  Untersuchungen  im  Gange,  durch  welche  die  Wirkung  der 
Borpräparate  auf  den  Organismus  einwandfrei  festgestellt  wurde. 

Die  Experimente  erstreckten  sich  nicht  nur  auf  Tiere,  sondern 
es  wurden  auch  eine  Anzahl  Versuche  am  Menschen  ausgeführt, 
wobei  die  Wirkung  auf  die  V  e  r  d  a  u  u  n  g  s  s  ii  f  t  e,  die  Magen¬ 
schlei  m  h  a  u  t,  den  D  a  r  m,  sowie  der  Einfluss  auf  den 


8.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1153 


Stoffwechsel  und  auf  die  Ausnützung  de  r  N  ahrung 
ins  Auge  gefasst  wurde.  Auch  wurde  die  Ausscheidung 
der  Borate  aus  dein  Körper  und  die  Wirkung  der¬ 
selben  bei  Zusatz  zur  Milch  genau  ermittelt. 

Ohne  auf  die  ausführlichen  und  auf  breitester  Basis  ange¬ 
legten  Versuche  hier  genauer  eingehen  zu  können,  seien  nur  im 
folgenden  die  Hauptergebnisse  mitgeteilt. 

Die  Erfahrungen,  welche  man  beim  Tierexpex’iment  und  beim 
Menschen  über  die  örtliche  Wirkung  der  Borsäu  re  und  des 
Borax  gemacht  hat,  sprechen  dafiii-,  dass  nur  bei  sehr  gros¬ 
sen  Gaben  in  starker  Konzentration  eine  Reizwir¬ 
kung  auf  die  Schleimhäute  des  Magens  ausgeübt  wird.  Bedeu¬ 
tender  ist  sie  fi'eilich  bei  Aufnahme  der  Borpräparate  im  Hunger¬ 
zustande.  Dabei  wirkt  Borax  intensiver  wie  Borsäure. 

Rost  teilt  mit,  dass  ein  Hund  von  17  Kilo  wiederholt  nach 
G  g  Borsäure  erbrach,  ein  anderer  bei’eits  nach  Gaben  von  2  g. 
Noch  empfindlicher  sind  Katze  n.  Subjektive  Beschwerden  stell¬ 
ten  sich  gelegentlich  eines  Menschen  Versuches  bei  Ein¬ 
atmen  von  3  g  Borsäure  ein,  welche  sich  in  wiederholtem  Auf- 
stossen  und  Uebelkeit  äusserten.  Entzündungen  des  Magens  und 
des  Darmes  verursachen  nur  ganz  gi-osse  Doseix;  selbst  subkutane 
Injektionen  bringen  keine  nennenwerten  lokalen  Reizungen  hervor. 

Dagegen  ei’gaben  Experimente,  dass  sowohl  bei  innerlicher 
wie  bei  subkutaner  Darreichung  von  Borpräparaten  Diarrhöen 
auf  traten. 

Als  Eigentümlichkeit  der  Borpräparate  wurde  ferner  die 
Herabsetzung  der  Ausnützbarkeit  der  Eiweiss- 
n  a  li  r  ung  i  m  Dar  m  erkannt.  Ausser  durch  die  ausführlichen 
Versuche  von  Förster  und  Schlenker  am  Menschen,  hat 
sich  auch  durch  neue  Versuche,  die  R  o  s  t  an  2  Männern  und  einem 
Hund  anstellte,  auf  indirektem  Wege  ergeben,  dass  die  Bor- 
s  ä  u  r  e  in  der  Tat  eine  die  Resorption  verzögernde 
W  irkung  auf  die  stickstoffhaltigen  Bestandteile  der  Nahrung 
ausübt.  Es  wurde  dies  in  der  Weise  festgestellt,  dass  die  stünd¬ 
lich  ausgeschiedene  Stickstoffmenge  nach  der  Aufnahme  eines 
Frühstücks  in  Vergleich  gesetzt  wurde  zur  Stickstoffmenge,  die 
nach  einem  Frühstück  mit  Borsäurebeigabe  abge¬ 
geben  wurde  und  ausserdem  durch  die  Beobachtung  der  Tem- 
peraturkurve  nach  der  boi’haltigen  Nahrung. 

In  direkte  r  Weise  finden  wir  die  Versuche  über  die  Aus- 
n  u  t  z  u  n  g  der  Nahrung  nach  Borsäure  von  Hef  f  ter 
an  sich  selbst  ausgeführt.  Er  genoss  nach  20  stiindiger  Nahrungs¬ 
verweigerung  2  Tage  lang  nur  Eier  und  Milch,  worauf  eine 
20  stündige  Hungerperiode  folgte.  Solcher  Versuche  machte  er  4, 
bei  zweien  wurden  1 — 2  g  Borsäure  gereicht.  Auch  er  bestätigte 
die  Forste  r  sehen  Befunde,  nach  welchen  schon  kleine  Mengen 
(0,5  g)  die  Vermehrung  des  Kotes  begünstigen  und  damit  eine 
V  er  schlechter ung  der  Ausnutzung  herbeiführen 
k  iinne  n. 

Sehr  bemerkenswert  sind  die  Resultate  über  den  Einfluss  der 
Borpräparate  auf  den  Eiweisstoffwechsel.  Da  auch  hie¬ 
rüber  keine  Uebereiustimmung  in  der  Literatur  herrscht,  so  wurden 
von  Rost  zunächst  an  wachsenden  und  und  an  ausgewachsenen 
Hunden,  später  in  7  Versuchen  an  5  Personen  Stoffwechsel¬ 
versuche  mit  Borsäure  ausgeführt.  Uebereinstimmend 
wurde  bei  Mensch  und  Tier  gefunden,  dass  eine  spezifische 
Borwirkung  auf  den  Eiweissumsatz  nicht  be¬ 
steht.  Ein  beim  Hunde  beobachteter  Eiweisszerfall 
war  das  Resultat  von  sehr  grossen  Gaben.  Aber  der  Ei¬ 
weisszerfall  wurde  nur  dann  gesteigert,  wenn  die  gi'ossen  Mengen, 
entspi’echend  den  Neuti’alsalzen  (Kochsalz  und  Salpeter)  xxnd  den 
alkalisch  reagierenden  Alkalisalzen,  infolge  Salzwirkung  den  Kör¬ 
per  entwässerten.  Wenn  dagegen  genügend  Wasser  gleichzeitig 
gereicht  wurde,  so  konnte  bei  gi-ossen  Boi*gaben  sogar  eine  ge¬ 
ringe  Herabsetzung  des  Eiweissverbrauchs  konstatiert  wei’den. 

Beim  Menschen  zeigt  sich  diese  verminderte  Eiweisszer¬ 
setzung,  wie  aus  dexxx  oben  angeführten  Stoffwechsel  versuch  von 
R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  hervorgeht,  bereits  bei  3  g  Bor  a  x,  also  bei 
relativ  kleinen  Mengen. 

Ausserordentlich  bedeutungsvoll  ist  aber 
in  allen  7  Versuchen  mit  Borsäure  und  Borax 
die  ermittelte  Tatsache,  dass  diese  Präparate 
bei  längerdauernder  Einnahme  das  Körperge¬ 
wicht  zum  Abfall  bringen,  der  bisweilen  einen 
jähen  Absturz  erfährt.  So  sank  bei  N  e  u  m  a  n  n  das 
Gewicht  in  den  ersten  7  Tagen  des  Versuchs  uni  1200  g  und  bei 
der  Versuchspei’son  W.  und  S.  in  den  R  o  s  t  sehen  Experimenten 
plötzlich  um  800  g  am  1.  Tag  und  bei  A.  um  1480  g  an  2  Tagen. 
Durch  die  bei  Genuss  von  Borpräparaten  bedingte  Diurese  lässt 
sich  dieser  Gewichtsabfall  nicht  allein  erklären  und  so  muss  mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit  als  Ursache  dieser  Ei’sclieinuiig  eine 
gesteigerte  Inanspruchnahme  des  Fettes  ange¬ 
nommen  werden. 

Diese  Annahme  liess  sich  aber  nur  ganz  sicherstellen,  wenn 
der  Gesamtstoffwechsel  von  den  Versuchspersonen  fest- 
gestellt  wurde,  und  so  hat  R  u  b  n  e  r  an  2  Männern,  die  auch  Rost 
als  Versuchsobjekte  dienten,  im  Respirationsapparat  die  biesbezüg- 
lichen  Expei'imente  angestellt.  Die  Männer  wurden  mit  einer 
gleiclimässigen  Kost  gefüttert  und  verblieben  8  Tage  im  Respira¬ 
tionskasten  mit  Ausnahme  von  2  Stunden  am  Tage. 

In  beiden  Fällen  war  der  Energieverbrauch 
in  der  Borperiode  gesteigert  und  zwar  in  einem 
Falle  erhielt  er  einen  Zuwachs  voix  21,7  Proz.  Es 
ergaben  also  die  Vei*suche  latente  Veränderungen  i  o 


den  Ernährungsvorgängen  nach  Borsäurege¬ 
nuss,  die  wir  auch  durch  den  gewöhnlichen  Stick¬ 
stoffwechselversuch  und  empirische  Beobach¬ 
tung  nicht  zu  ermitteln  im  stände  sind.  Rubner 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  ein  derartiger  Mehrver¬ 
brauch  von  Energie  und  ein  solch  erhöhter  Umsatz  der  N-f  leien 
Stoffe  unzweifelhaft  unter  den  Begriff  einer  gesundheit¬ 
lichen  Schädigung  fällt,  da  der  Fettbestand  eines  Organis¬ 
mus  eine  grosse  Bedeutung  für  die  Erhaltung  des  Lebens  darstellt. 

Die  Ausscheidung  des  Borax  und  der  Bor¬ 
säure  aus  dem  Organismus  geht  nur  recht  lang¬ 
sam  von  statten.  Während  N  e  u  m  a  n  n  nach  mehrfacher 
Boraxaufnahme  denselben  im  Harn  noch  nach  18  Tagen  nacli- 
weisen  konnte,  zeigte  Sonnta  g  durch  exakte  quantitative  Unter- 
suckxmgen,  dass  nach  einmaliger  Aufnahme  von  3  g  Borsäure 
der  Körper  erst  nach  5,  8  oder  9  Tagen  gänzlich  von  Borsäure  be- 
freit  war.  Die  Hauptmenge  der  Borsäure  wird  in  den  ersten 
12  Stunden  bis  zu  50  Proz.  abgestossen,  zur  Entfernung  der  letzten 
Hälfte  siixd  dagegen  viele  Tage  —  ungefähr  die  8  fache  Zeit  — 
nötig.  Quantitativ  genau  kann  man  die  Ausscheidung  bis  zum 
5.  Tage  vei'folgen. 

Der  Einfluss  der  Borate  auf  die  Milch  ergab 
nach  Weitzels  systematischen  Untersuchungen, 
dass  die  hemmende  Wirkung  des  Borax  sich  schon  in  sehr  kleinen 
Mengen  geltend  macht  xmd  dass  Konzentrationen  von  1 — 2  g  auf 
1  Liter  die  Milch  für  die  Labgerinnung  so  gxxt  wie  untauglich 
machen  würden.  Hiernach  muss  der  Zusatz  von 
Borax  zu  Milch,  diesem  wichtigen  Kinder- 
nahrungsmittel,  hygienisch  als  höchst  bedenk¬ 
lich  angesehen  werden. 

Aus  R  o  s  t  s  Untersuchungen  geht  endlich  noch  hervor,  dass 
der  Tod  an  Borvergiftung  durch  aufsteigende  zentrale  Lähmung 
lierbeigefühi’t  wird,  zu  der  Wärmeverlust  infolge  schwerster  Diai*- 
rlioe  unterstützend  treten  kann. 

Die  Borsäure  und  der  Borax  unterscheiden  sich  nur  dort  voix- 
einander,  wo  sie  ihre  verschiedene  Reaktion  auf  die  Schleimhäute 
entfalten  können,  sonst  sind  ihre  Wirkungen  und  ihre  Auf¬ 
saugungsfähigkeit  iix  den  Organen  des  Körpers  dieselben,  ebenso 
zeigt  die  Ausscheidung  durch  die  Haut  und  Niexen  keine  Unter¬ 
schiede. 

Hieraus  geht  hervor,  dass  der  Borax  und  die  Borsäxxre,  sofern 
sie  Mengen  von  einigen  Bruchteilen  eines  Grammes  übei’steigeix, 
keineswegs  indifferente  Stoffe  sind. 

Die  Wir  k  u  u  g  de  r  Harnve  r  m  eliung,  die 
schwere  E  n  t  f  e  r  n  u  ix  g  a  ns  de  m  Organismus,  das 
Entstehen  von  Hautausschlägen  nach  inner¬ 
licher  Darrei  c  li  xx  n  g,  die  entstehenden  D  i  a  r  - 
r  h  ö  e  n,  die  m  a  ix  g  e  1  li  a  f  t  e  A  u  s  n  xi  t  z  xi  n  g  der  mit  Bor- 
präpa  raten  versetzten  Nahrungsmittel,  die  V  er¬ 
find  e  r  xx  xx  g  der  Milch  bei  Zusatz  von  Boraten, 
der  Fettverlust  u  n  d  die  Gewichtsabnah  m  e  und 
endlich  die  Tatsache,  dass  e  i  ix  z  e  1  n  e  dieser  Wir- 
k  u  xi  gen  unbemerkt  im  Körper  vor  sich  gehe  n 
können,  zeigt,  dass  vor  der  B  e  n  xx  t  z  xx  n  g  der  Bor- 
Präparate  gewarnt  werden  muss  und  es  ist  daher 
vom  Standpunkt  der  Pharmakologie  und  öffent¬ 
lichen  Gesundheitspflege  die  Verwendung  von 
Borpräparaten  zur  Nahrungsmittelkonser¬ 
vierung  zu  untersagen.  R.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  26 

1)  W.  v.  O  e  1 1  i  li  g  e  li  -  Berlin:  Die  Behandlung  des  an¬ 
geborenen  Klumpfusses  beim  Säugling.  (Fortsetzung  folgt.) 

2)  A.  Rosenberg:  Nebennierenextrakt  in  der  Rhino- 
Lai’yngologie. 

R.  hat  das  von  ihm  benutzte  Extrakt  aus  Ochsennebexxnieie 
sich  selbst  hergestellt  und  der  Haltbarkeit  wegen  mit  etwas  Kar¬ 
bolsäure  versetzt  und  verwendet  dasselbe,  indem  er  es  mittels 
Wattebausches  in  die  Nase  einführt.  Die  beinahe  sofoi't  ein- 
txetende  Wirkung  besteht  in  einer  hochgradigen  Anämisirung  der 
Schleimhaut,  die  fast  vollkommen  weiss  wii-d  und  dabei  ganz  ab¬ 
schwillt,  so  dass  ein  Einblick  auch  an  Stellen  stattfinden  kann,  wo 
dies  vorher  nicht  möglich  war.  Wird  in  diesem  Stadium  noch 
Kokain  angewandt,  so  können  die  voi’zunelxxxienden  Operationen 
fast  ohne  jeden  Blutvei-lust  ausgeführt  werden.  Bei  allen  akuten 
Schwellungszuständen  entfaltet  das  Mittel  einexx  guten  Effekt,  hin¬ 
sichtlich  des  Heufiebers  spricht  sich  Verfasser  leserviert  axis. 
Stärkere  Nachblutungen  nach  Operationen,  axxch  solchen  am  Sep¬ 
tum,  hat  R.  nicht  gesehen.  Uebrigens  vermag  das  Adrenalin  Blu¬ 
tungen  ganz  prompt  zu  stillen.  Iixx  Larynx  bringt  es  ebenso  eine 
momentane  Absckwellung  der  Stimmbänder  hervor,  so  dass  Heisei’- 
keit  wenigstens  für  kurze  Zeit  behoben  werden  kann.  Die  Wir¬ 
kung  der  innerlichen  Dai’reichung,  im  Tag  etwa  4  mal  0,3  g  ist  eine 
viel  geringere  und  xxnsicherere. 

3)  S.  G  o  1 1  s  c  li  a  1  k  -  Berlin:  Ueber  das  Folliculoma  malig- 
num  ovarii. 

Vergl.  den  Bericht  hierüber  S.  1007  der  Münch,  med. 
Woclienschr.  1902. 

4)  B  e  r  d  i  n  g  -  Königsberg:  Zur  Frage  der  Harnsäui’e- 

bestimmung. 

Verfasser  kritisiert  die  kürzlich  von  J.  Ruhemann  an¬ 
gegebene  Methode  der  Harnsäxirebestimmung  sehr  ungünstig,  da 
ihre  Resultate  mit  jener  von  Ludwig-Salkowski,  welche  be- 


1154 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


kauntlich  als  zuverlässig  anerkannt  ist,  weit  abweichen.  B.  ver¬ 
tritt  übrigens  die  Anschauung,  dass  die  Ilamsäurebestimmung 
heute  noch  praktisch  ohne  jeden  Wert  ist. 

5)  F.  F  r  o  m  m  e  r  -  Berlin:  Ein  neues  Instrument  zum  Nähen 
der  Fisteln  und  Wunden  in  beschränkten  Hohlräumen. 

Das  im  Original  abgebildete  Instrument  besteht  im  Wesent¬ 
lichen  aus  einer  an  einem  Führungsstab  beweglich  angebrachten, 
rückwärts  gerichteten  Nadel,  die  eine  feste  und  beliebige  Stellung 
durch  Drehen  der  am  unteren  Teile  des  Gerätes  sich  befindenden 
Schraube  erreicht;  jede  Stellung  der  Nadel  wird  an  einer  doi’t  be¬ 
findlichen  Skalenscheibe  sichtbar  gemacht.  Die  Nadel  ist  besonders 
gut  brauchbar  bei  Vernähung  von  Blasenscheidenfisteln. 

6)  F.  Strassmann  -  Berlin:  Die  operative  Entfernung  der 
Eileiterschwangerschaft  von  der  Scheide  her. 

Ist  bereits  S.  545  der  Münch,  med.  Wochensehr.  1902  be¬ 
sprochen.  Grass  mann  -  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  26.  1)  A.  G  hon  -Wien:  Ueber  Meningitis  bei  der  In¬ 

fluenzaerkrankung.  (Schluss  folgt.) 

2)  E.  W  i  e  n  e  r  -  Wien:  Ueber  das  Verhalten  der  roten  Blut¬ 
körperchen  bei  höheren  Temperaturen. 

Verfasser  macht  darauf  aufmerksam,  dass  manche  bei  der 
Hämolyse  hervortretenden  Erscheinungen  wahrscheinlich  nicht 
allein  von  dem  einwirkenden  Serum  abhängen,  sondern  auch  von 
physikalischen  Einflüssen,,  welche  das  Blutkörperchen  treffen.  Es 
kann  z.  B.,  wie  W.  durch  seine  Untersuchungen  an  verschiedenen 
Tierblutarten  nachweisen  konnte,  das  Endosoma  aus  dem  Stroma 
herausgedängt  werden  und  letzteres  dann  als  Blutkörperchen¬ 
schatten  Zurückbleiben.  Dies  tritt  z.  B.  bei  der  Einwirkung 
höherer  Temperaturen  ein.  Eine  wichtige  Rolle  spielt  auch  die 
Isotonie  der  verwendeten  Kochsalzlösung,  Avelche  nicht  nur  bei 
den  verschiedenen  Tierarten,  sondern  auch  innerhalb  derselben 
Tierart  bei  den  verschiedenen  Individuen  schwankt.  Die  roten 
Blutkörperchen  erleiden  bei  der  Einwirkung  höherer  Temperaturen 
schon  eine  physikalische  Veränderung  ihres  Inhaltes.  Das  Stroma 
erweist  sich  als  der  thermostabilere  Tlieil  des  Blutkörperchens. 

3)  K.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Wien:  Ueber  6  Fälle  von  Pityriasis 
lichenoides  chronica. 

Das  Alter  seiner  6  Patienten  schwankt  zwischen  13  und 
45  Jahren;  für  die  Aetiologie  der  seltenen  Krankheitsform  konnte 
Verfasser  aus  seinen  Beobachtungen  keinen  Anhaltspunkt  ge¬ 
winnen,  da  sie  sonst  ganz  gesund  waren.  Zu  bemerken  ist  be¬ 
sonders,  dass  das  polymorphe  Exanthem  Monate  und  .Talire  hin¬ 
durch  dauert,  was  besonders  gegenüber  Syphilis  in  Betracht 
kommt.  Von  Psoriasis  ist  die  Affektion  schwer  zu  scheiden.  Hin- 
sichlich  der  klinischen  Charakteristika  muss  auf  die  Originalarbeit 
verwiesen  werden 

4i  L.  M  e  r  k  -  Graz:  Zur  Frage  der  Vaccina  generalisata  vera. 

Unter  Rücksichtnahme  auf  die  einschlägige  Literatur  schildert 
Verfasser  einen  Fall,  in  welchem  bei  einem  22  jährigen  Menschen 
am  5.  Tage  nach  der  Impfung  zunächst  eine  Gruppe  von  Bläschen 
auf  der  linken  Brust  sich  zeigte.  Pusteln  bildeten  sich  auch  in  der 
Augenbrauengegend  und  am  Hodensack,  hier  in  grösserer  Zahl. 
Die  primäre  Impfstelle  zeigte  normale  Verhältnisse,  auch  war  die 
übrige  Haut  des  Körpers  völlig  rein.  Nach  ca.  2  Wochen  war  die 
Affektion  schon  völlig  abgeheilt.  Grassmann  -  München. 

Englische  Literatur. 

A.  R  u  f  f  e  r  und  M.  Crendiropoulo:  Ein  Beitrag  zum 
Studium  der  agglutinirenden  Substanzen  und  ihrer  Bildung  im 
Blute.  (Brit.  Med.  Journ.,  5.  April  1902.) 

Auf  Grund  sorgfältiger  Untersuchungen,  deren  Einzelheiten 
im  Originale  nachzulesen  sind,  kommen  die  Verfasser  zu  folgen¬ 
den  Schlüssen:  Befreit  man  Kulturen  von  Bakterien  durch  irgend 
eine  Methode  von  den  Bakterien,  so  hat  der  Rückstand  eine  ge¬ 
länge  agglutinirende  Wirkung  auf  diese  Bakterien;  das  Alter  der 
Kultur  und  die  Art  des  Kulturmittels  spielen  hierbei  eine  grosse 
Rolle.  Die  rothen  Blutkörperchen  immunisirter  oder  nicht  im- 
munisirter  Thiere  enthalten  keine  Spur  von  agglutinirenden  Sub¬ 
stanzen,  diese  finden  sich  dagegen  besonders  in  den  polynukleären 
Leukocyten  nicht  immunisirter  Thiere  und  besitzen  diese  meist 
(>ine  grössere  agglutinirende  Kraft  als  das  Serum.  In  immuni- 
sirten  Thieren  findet  sich  die  agglutinirende  Substanz  ebenfalls  in 
den  polynukleären  Leukocyten  und  ist  es  ziemlich  sicher,  dass 
diese  nicht  nur  die  Träger,  sondern  auch  die  Erzeuger  dieser  Stoffe 
sind,  von  ihnen  aus  treten  sie  allmählich  in  das  Serum  über;  die 
Bildung  spezifischer  agglutinirender  Substanzen  ist  bald  nach  der 
Impfung  begleitet  von  der  Bildung  von  agglutinirenden  Substanzen 
für  andere  Mikroben,  doch  hört  letzteres  bald  wieder  auf.  während 
die  Bildung  spezifischer  Substanzen  viel  länger  anhält. 

Leonard  Rogers:  Der  diagnostische  Werth  der  Blutunter¬ 
suchung  bei  Typhus  und  tropischen  Malariaformen.  (Ibid.) 

Auch  diese  Arbeit  verdient  eine  genauere  Durchsicht,  als  im 
Referate  gegeben  werden  kann.  Eine  Vermehrung  der  Lympho- 
cyten  auf  40  Proz.  oder  darüber  spricht  für  Typhus,  wenn  die 
grossen  mononukleären  Leukocyten  nicht  gleichzeitig  vermehrt 
sind.  Sind  die  letzteren  auf  12  Proz.  und  darüber  vermehrt  (be¬ 
sonders  während  der  Fieberremissionen),  so  spricht  dies  für 
Malaria  auch  bei  Fehlen  von  Malariaparasiten.  Die  Anwesenheit 


von  Myelocyten  in  der  Menge  von  1—5  Proz.  spricht  für  Malaria. 
Starke  Anämie  und  Verminderung  der  rothen  Blutkörperchen 
unter  3  Millionen  wird  fast  nur  bei  Malaria  gefunden;  starke  Ver¬ 
minderung  der  Leukocyten  (unter  2000  im  Kubikzentimeter)  wird 
viel  häufiger  bei  Malaria  beobachtet  als  bei  Typhus,  auch  geht  bei 
Malaria  das  Verhältniss  der  Blutkörperchen  zu  einander  oft  unter 
1:2000.  Starke  Leukocytose  mit  80  Proz.  polynukleären  Zellen 
spricht  für  das  Vorhandensein  eines  Abszesses. 

A.  E.  W  right:  Resultat  der  Inokulationen  gegen  Typhus 
beim  5.  Bataillon  des  Manchester-Regiments  in  Südafrika. 
(Ibid.) 

547  Personen  wurden  nicht  geimpft,  von  ihnen  erkrankten  an 
Typhus  23  (4,2  Proz.),  es  starben  7  (1,3  Proz.).  Von  200  Geimpften 
erkrankten  3  (1,5  Proz.),  von  diesen  starb  Niemand  (OProz.).  Auf  die 
Erkrankungsfälle  berechnet  starben  von  der  ersten  Gruppe  1  auf 
3,3,  von  der  zweiten  0  auf  3,0.  Die  Anfälle  bei  den  Ungeimpften 
sollen  sehr  schwer,  bei  den  geimpften  sehr  leicht  verlaufen  sein. 

Mayo  Robson:  Ueber  die  Zerreissung  der  Semilunarknor- 
pel  und  über  Operationen  wegen  freier  Körper  im  Kniegelenk. 
(Ibid.,  12.  April  1902.) 

Robson  weist  darauf  hin,  dass  die  Verletzung  der  Semi¬ 
lunarknorpel  „internal  derangement  of  the  knee  joint“  besonders 
häufig  bei  Grubenarbeitern  vorkommt,  die  beruflich  lange  Zeit  das 
Knie  in  stark  gebeugter  Stellung  halten  müssen;  wird  nun  das 
steifgewordene  Gelenk  plötzlich  gestreckt,  so  kann  der  Zwischen- 
knorpel  leicht  zwischen  die  Gelenkenden  gerathen  und  hier  wie 
eine  Nuss  in  einem  Knacker  zerquetscht  werden;  viele  dieser  Fälle 
rezidiviren  auch  bei  sorgfältigster  konservativer  Behandlung 
immer  wieder  und  müssen  operirt  werden.  Verf.  suchte  früher 
den  zerrissenen  und  dislozirten  Knorpel  zu  nähen  und  au  richtiger 
Stelle  zu  befestigen,  hat  dies  aber  als  nutzlos  aufgegeben  und  ent¬ 
fernt  seit  einer  Reihe  von  Jahi’en  einfach  das  abgelöste  Knorpel¬ 
stück.  Im  Ganzen  hat  Verf.  21  mal  wegen  Zerreissung  des  Knor¬ 
pels  (meist  des  inneren),  4  mal  wegen  totaler  Abreissung  desselben 
operirt,  1  mal  waren  beide  Knorpel  dislozirt;  alle  diese  Fälle,  so¬ 
wie  8  andere,  in  denen  freie  Körper  aus  dem  Gelenk  entfernt 
wurden,  wurden  geheilt.  Genaue  Krankengeschichten  sind  beige¬ 
geben.  Verf.  empfiehlt  dringend,  bei  der  Operation  das  eröffnete 
Gelenk  nicht  mit  dem  Finger,  sondeni  nur  mit  sterilen  Instru¬ 
menten  zu  berühren. 

John  Williamson  Pugh:  Die  Behandlung  des  Ulcus  rodens 
mit  Röntgenstrahlen.  (Ibid.) 

Krankengeschichten  und  Abbildungen  von  4  Fällen,  die  in 
kurzer  Zeit  durch  Bestrahlung  zur  Ueberhäutung  gebracht  wurden. 
Die  3  ersten  Fälle  sind  seit  einem  Jahre  geheilt  und  wohl,  beim 
vierten  ist  keine  Zeit  angegeben. 

Balmano  Squire:  Ein  Fall  von  kompleter  Kahlköpfigkeit 
in  Folge  von  Alopecia  areata.  (Ibid.) 

Der  Fall  ist  interessant,  weil  es  gelang,  durch  sehr  lange  fort¬ 
gesetzte  Behandlung  wenigstens  theilweise  neue  Behaarung  zu  er¬ 
zielen.  Es  wurde  über  1  Jahr  lang  jeden  Abend  der  8.  Theil  des 
Kopfes  mit  folgender  Salbe  eingerieben:  Hydrargyr.  jod.  rubr.  2,0, 
Vaseline  30,0.  Erst  nach  6  Monaten  begannen  die  ersten  Haare  zu 
wachsen.  Die  Behandlung  ist  schmerzhaft. 

Marmaduke  Sh  ei  Id:  Eine  Reihe  von  äusseren  Operationen 
am  Larynx.  (Ibid.,  19.  April  1902.) 

Verf.  gibt  9  Krankengeschichten  von  Fällen,  bei  denen  durch 
Thyrotomie  Geschwülste  des  Larynx  entfernt  wurden.  Genaue 
Beschreibung  der  Operation  und  Nachbehandlung,  die  aber  nicht 
viel  Neues  bringen. 

Herbert  Tilley:  Bemerkungen  über  35  Fälle  chronischer 
Eiterung  der  Kieferhöhle.  (Ibid.) 

Da  die  Fälle  alle  aus  der  Privatpraxis  stammen,  so  hatte  Verf. 
gute  Gelegenheit,  sie  längere  Zeit  hindurch  zu  beobachten;  er  em¬ 
pfiehlt  dringend,  in  jedem  Falle  zuerst  einen  Versuch  mit  der  ein¬ 
fachen  Punktion  vom  Alveolus  aus  zu  machen  und  den  grösseren 
Eingriff  der  Aufmeisselung  nur  dann  auszuführen,  wenn  der  an¬ 
dere  Versuch  fehlgeschlagen  ist. 

E.  H.  Embley:  Die  Ursache  des  Todes  während  der 
Chloroformnarkose.  (Ibid.,  5.,  12.,  19.  April  1902.) 

Auf  Grund  dieser  äusserst  sorgfältigen  Arbeit  kommt  Verf.  zu 
wesentlich  anderen  Schlüssen  als  Mitglieder  der  Hyderabadkommis¬ 
sion.  Er  stellt  erstens  fest,  dass  der  Herzmuskel  äusserst  empfindlich 
gegen  Chloroform  ist;  ferner  weist  er  nach,  dass  die  Erregbarkeit  des 
Vagus  während  der  Chloroformdarreichung  und  besonders  im  Be¬ 
ginn  derselben  wesentlich  erhöht  ist,  und  zwar  wirkt  das  Chloro¬ 
form  direkt  auf  das  Vaguszentrum.  Die  Vagushemmung  wirkt 
bedeutend  ungünstiger  auf  ein  Herz,  dessen  spontane  Erregbar¬ 
keit.  durch  Chloroformwirkung  bereits  abgeschwächt  ist.  Das 
vasomotorische  System  im  Mark  und  Gehirn  wird  eine  Zeit  lang 
durch  Chloroform  erregt;  der  Fall  des  Blutdrucks  beruht  auf 
Lähmung  der  Herzmuskelzellen.  Die  Athmung  wird  ungünstig 
beeinflusst  durch  das  Sinken  des  Blutdrucks  und  die  Wiederher¬ 
stellung  der  Athmung  hängt  davon  ab,  ob  es  gelingt,  den  Blut¬ 
druck  wieder  zu  heben.  Im  Anfang  der  Narkose  tritt  Aufhören 
der  Athmung  ebenso  häufig  vor  wie  nach  Auf  hören  der  Ilerz- 
thätigkeit  auf.  Da  die  Hemmung  des  Vaguszentrums  während 
der  Narkose  durch  schlechte  Athmung  leichter  herbeigeführt  wird, 
andererseits  aber  die  Athmung  durch  Fallen  des  Blutdrucks 
(Herzlähmung)  ungünstig  beeinflusst  wird,  so  kann  sich  leicht  ein 
Circulus  vitiosus  ausbilden.  Zu  viel  Chloroform  setzt  die  Vagus¬ 
hemmung  in  Thätigkeit,  der  Blutdruck  sinkt  und  die  hierdurch 


8.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1155 


bedingte  Athemlähmung  steigert  nocli  die  Vagushemmung.  Es 
ergibt  sieh  hieraus  die  praktische  Folgerung,  im  Beginn  der  Nar¬ 
kose  (wo  das  Vaguszentrum  leichter  erregbar  ist)  nur  sehr  geringe 
Mengen  von  Chloroform  zu  geben,  also  langsam  die  Narkose  zu 
beginnen.  Die  sehr  sorgfältige  Arbeit  verdient  ein  genaueres  Stu¬ 
dium. 

Sydney  C  o  r  n  i  s  h:  Das  Haarseil  bei  Migräne. 

Ein  25  jähr.  Arbeiter  litt  seit  vielen  Jahren  an  schwerer  Mi¬ 
gräne  mit  Erbrechen,  die  Anfälle  waren  zuletzt  so  schwer,  dass 
Patient  mehrfach  einen  Selbstmordversuch  unternahm.  Ein  länge¬ 
rer  Aufenthalt  im  Spital  und  auf  dem  Lande  brachte  keine  Besse¬ 
rung,  seit  4  Monaten  trägt  er  im  Nacken  ein  Haarseil  und  ist 
völlig  frei  von  Beschwerden. 

T.  E.  Watson:  Das  Haarseil  bei  der  Behandlung  der 
Migräne.  (Ibid.) 

Auch  Watson  hat  mit  der  Anwendung  des  Haarseils  am 
Nacken  bei  einem  Kranken,  der  an  sehr  hartnäckiger  Migräne  litt, 
einen  raschen  (das  Haarseil  wurde  3  Wochen  lang  getragen)  und 
anhaltenden  Erfolg  erzielt. 

Reginald  Harri  so  n:  Ueber  Litholapaxie  bei  Hunden. 
(Ibid.,  26.  April  1902.) 

Der  bekannte  Urologe  gibt  in  diesem  kurzen  Aufsatz  seine 
Erfahrungen  wieder,  die  er  in  der  Behandlung  des  Blasensteines 
bei  Hunden  gemacht  hat.  Er  hat  auch  hier  den  suprapubischen 
Schnitt  aufgegeben  und  ist  zur  unblutigen  Operation,  zur  Lithola¬ 
paxie,  übergegangen;  dieselbe  lässt  sich  leicht  ohne  Narkose  in 
wenigen  Minuten  ausführen.  Anhangsweise  spricht  er  auch  noch 
über  Nephrolithotomien  bei  Hunden.  (So  interessant  diese  Ope¬ 
rationen  zu  Uebungszwecken  sind,  so  möchte  Bef.  im  Allgemeinen 
es  vorziehen,  seine  Thierliebe  dadurch  zu  bethiitigen,  dass  ein 
schwerkrankes  Thier  getödtet  wird;  es  ist  das  einer  der  wenigen 
Vorzüge,  den  es  vor  dem  Menschengeschlechte  voraus  hat.) 

J.  McKean  Harrison:  Zwei  Fälle  von  akutem  Darm¬ 
verschluss,  die  durch  Verabreichung  von  Quecksilber  erfolgreich 
behandelt  wurden.  (Ibid.) 

Ein  60  jähr.  Mann  fiel  am  14.  September  die  Treppe  hinunter. 
Während  der  nächsten  Tage  zunehmende  Auftreibung  des  Leibes, 
Erbrechen,  Singultus  und  völlige  Verstopfung.  Da  eine  Operation 
verweigert  wurde,  so  gab  Verf.  am  9.  Tage  ein  halbes  Pfund 
Quecksilber  innerlich,  gefolgt  von  0,06  Opium  alle  4  Stunden.  Am 
folgenden  Tage,  wohl  in  Folge  des  Opiums,  besseres  Befinden, 
2  Tage  darauf  Stuhlgang,  nun  täglich  Darmentleerungen,  ohne 
Abgang  von  Quecksilber.  Am  7.  Tage  nach  der  Aufnahme  des 
Quecksilbers  stand  der  Kranke  zum  ersten  Male  wieder  auf,  am 
10.  Tage  entleerte  er  das  Quecksilber.  Darnach  völliges  Wohlsein 
für  fast  3  Monate,  dann  Hemiplegie  und  Tod.  (Es  wird  nicht  an¬ 
gegeben,  ob  der  Darm  auch  für  Gase  gesperrt  war,  auch  scheint 
kein  Kotherbrechen  aufgetreten  zu  sein.  Ref.) 

Ein  80  jähr.  Mann  erkrankte  plötzlich  mit  Erbrechen  und 
Leibschmerzen,  es  trat  Verstopfung  auf  und  es  gingen  auch  keine 
Winde  mehr  ab,  der  Bauch  wurde  rasch  aufgetrieben  und  Pat. 
erbrach  häutig.  Am  2.  Krankheitstage  Erbrechen  von  etwa 
300  ccm  Blut.  Da  der  Kranke  rasch  verfiel,  so  erhielt  er  am 
4.  Krankheitstage  ein  halbes  Pfund  Quecksilber,  gefolgt  von 
Opium,  Am  folgenden  Morgen  Stuhlgang  und  darnach  Besserung; 
das  Quecksilber  ging  in  2  Portionen  am  11.  resp.  12.  Tage  nach 
der  Aufnahme  ab.  In  keinem  der  beiden  Fälle  traten  nach*  der 
Aufnahme  irgend  welche  Schmerzen  auf,  auch  folgte  kein  Mer¬ 
kurialismus.  (Ref.  sah  vor  11  Jahren  zusammen  mit  Dr.  G  e  1  p  k  e 
in  Liestal  2  ähnliche  Fälle,  bei  denen  offenbar  ein  völliger  Darm¬ 
verschluss  bestand  und  in  welchen  Quecksilber  Heilung  brachte; 
in  einem  der  Fälle  blieb  aber  das  Quecksilber  viele  Monate  lang 
im  Körper,  ging  nur  ganz  allmählich  ab  und  erzeugte  schwere 
Merkurialsymptome.) 

Killick  Millard:  Die  angenommene  Ansteckungsfähigkeit 
der  Schuppen  bei  Scharlachrekonvaleszenten.  (Lancet,  5.  April 
1902.) 

Unter  dem  Publikum,  wie  unter  den  Aerzten  herrscht  vielfach 
die  Meinung,  dass  die  Schuppen  der  Scharlachkranken  die  Träger 
und  Verbreiter  der  Krankheitskeime  sind,  und  es  hat  sich  dess- 
halb  der  Gebrauch  ausgebildet,  derartige  Rekonvaleszenten  so 
lange  als  ansteckungsfähig  zu  betrachten  und  zu  isoliren,  als  noch 
Schuppung  vorhanden  ist.  Dies  führt  aber  nach  Verf.’s  Meinung 
zu  ganz  überflüssiger  Verlängerung  des  Hospitalaufenthaltes  (in 
England  werden  ansteckende  Kranke,  sobald  sie  im  eigenen  Hause 
nicht  mit  Sicherheit  gut  isolirt  werden  können,  zwangsweise  in  die 
sog.  Feverhospitals  gebracht.  Ref.).  Er  hat  nun  eine  Umfrage 
bei  einer  Anzahl  von  Oberärzten  an  Fieberhospitälern  gehalten 
und  hat  von  16  Aerzten  (von  21  Anfragen)  bestätigt  erhalten, 
dass  die  Schuppung  an  sich  gar  nichts  mit  der  Ansteckungsfähig¬ 
keit  des  betreffenden  Kranken  zu  thun  hat.  Ist  derselbe  noch 
infektiös,  so  können  seine  Schuppen  ebenso  gut  wie  von  ihm  be¬ 
nützte  Kleider  u.  dgl.  mehr  die  Ansteckung  vermitteln,  ist  aber 
die  ansteckende  Periode  schon  abgelaufen,  so  sind  auch  die 
Schuppen  nicht  mehr  gefährlich.  Liegt  also  sonst  kein  Grund  vor, 
den  Kranken  für  ansteckend  zu  halten  (pathologische  Sekrete), 
so  kann  man  ihn,  selbst  wenn  er  schuppt,  ruhig  nach  4  Wochen 
entlassen;  Verf.  hat  dies  bei  190  Kranken  gethan  und  hat  trotz 
sorgfältiger  Weiterbeobachtung  sich  nicht  davon  überzeugen 
können,  dass  diese  Kranken  die  Krankheit  nach  ihrer  Entlassung 
weiter  verbreitet  hätten. 

William  Stuart- Low:  Die  topische  Anwendung  des 


Mucins  bei  gewissen  Krankheiten  der  Nase,  des  Halses  und  des 
Ohres.  (Ibid.) 

Verf.,  der  schon  früher  (Lancet,  S.  Sept.  1900  u.  12.  Okt.  1901) 
warm  für  die  Verwendung  des  Mucins  bei  schmerzhaften  Affek¬ 
tionen  des  Magen-  und  Darmkanals  eingetreten  ist,  empfiehlt  das¬ 
selbe  jetzt  bei  allen  trockenen  Katarrhen  der  Luftwege  und  des 
Ohres.  Er  verwendet  Tabletten  (Burroughs  &  Wellcome),  die  je 
0,3  Mucin  und  Natr.  bicarb.  und  0,1  Menthol  enthalten;  diese 
werden  in  je  15,0  sterilen  Wassers  und  Kalkwassers  gelöst  und 
2  mal  täglich  auf  die  betreffenden  Schleimhäute  gesprayt,  bei 
trockenen  Katarrhen  des  Mittelohres  applizirt  er  das  Mittel  durch 
die  Tuba  Eustacliii.  Verf.  will  besonders  auch  bei  hartnäckiger 
Rhinitis  und  Pharyngitis  atrophicans  rasche  Erfolge  erzielt  haben, 
der  üble  Geruch  verschwindet  bei  regelmässiger  Anwendung  bald. 

Montague  D.  Makuna:  Antistreptokokkenserum  bei  Puer¬ 
peralfieber.  (Ibid.) 

Verf.  injizirte  in  einem  Falle  von  Puerperalfieber  5  mal  je 
10  ccm  Serum  (Parkes,  Davis  &  Co.).  Seiner  Meinung  nach  war 
der  Erfolg  ein  merkbarer  und  hat  die  spezifische  Behandlung  auf 
jeden  Fall  die  Krankheitsdauer  beträchtlich  abgekürzt,  vielleicht 
sogar  der  Frau  das  Leben  gerettet. 

Stanley  Green:  Die  Verwendung  des  Adrenalins  in  der 
Augen-,  Nasen-  und  Ohrenpraxis.  (Brit.  Med.  Joürn.,  10.  Mai 
1902.) 

Die  Einführung  eines  genau  dosirbaren  Präparates  hat  die 
Verwendung  des  Nebennierenextraktes  viel  sicherer  und  leichter 
gemacht.  Das  Präparat,  Adrenalinchlorid,  kommt  in  Verdünnung 
von  1:1000  in  den  Handel.  Für  das  Auge  sind  Lösungen  von 
1:10  000,  für  die  Nase  und  das  Ohr  solche  von  1:5000  zu  verwenden. 
Verf.  verwendet  es  fast  gar  nicht  mehr  bei  Operationen,  da  die 
Nachblutung  nach  der  blutleeren  Operation  sehr  störend  und 
selbst  gefährlich  sein  kann.  Sehr  gute  Erfolge  hatte  er  dagegen 
bei  entzündlichen  Erkrankungen  der  Konjunktiva  und  Kornea,  des 
Trommelfells  und  des  Mittelohres,  sowie  besonders  auch  bei 
Schwellungen  und  Hypertrophien  der  Naseuschleimhaut.  Bei 
Schnupfen  und  Heufieber  wirkt  es  wie  ein  Spezifikum.  Eine  An¬ 
zahl  von  Krankengeschichten  erläutern  das  Gesagte.  Bei  Ge¬ 
schwüren  der  Hornhaut  ist  das  Mittel  nicht  angezeigt. 

H.  li.  Clarke  und  R.  S.  Nichol:  Ein  Fall  von  ungewöhn¬ 
lich  langem  Stillen.  (Ibid.) 

Der  Fall  verdient  als  Kuriosum  kurz  erwähnt  zu  werden.  Die 
kräftige  47  jähr.  Mutter  stillte  ihr  Kind  5  Jahre  und  2  Monate, 
3y2  Jahre  lang  hatte  das  Kind  nur  Muttermilch,  während  der 
letzten  2  Jahre  etwas  andere  Nahrung  ausserdem.  Die  Milch  der 
Mutter  enthielt  ungefähr  ebenso  viel  Fett  wie  Kuhmilch.  Mutter 
und  Kind  waren  gesund. 

Rickman  J.  Godlee:  Beitrag  zur  Kenntniss  des  tropischen 
Leberabszesses.  (Lancet,  24.  Mai  1902.) 

Diese  Abszesse  führen  fast  immer  zu  einer  Perityphlitis  (meist 
lokalen  Peritonitis),  bestehende  Verwachsungen  führen  zu  Stö¬ 
rungen  der  Magen-  und  Darmthätigkeit,  ja  zu  völligem  Verschluss 
der  Gallengänge  und  den  Symptomen  des  chronischen  Choledochus- 
verschlusses.  Sehr  wichtig  ist  es,  womöglich  schon  vor  der  Ope¬ 
ration  festzustellen,  ob  die  Pleurablätter  verwachsen  sind;  dies 
ist  aber  nicht  immer  möglich  und  so  ist  es  in  jedem  Falle  besser, 
durch  Vernähung  derselben  einer  Infektion  der  Pleurahöhle  voi’zu- 
beugen.  Häufig  bilden  sich  Abszesse  in  der  Lunge,  die  glatt  aus¬ 
heilen,  wenn  sie  frühzeitig  erkannt  und  entleert  werden.  Bleiben 
sie  unerkannt,  so  senkt  sich  der  Eiter  oft,  macht  lange  Gänge 
und  zerstört  beträchtliche  Theile  der  Lunge.  Zur  Heilung  dieser 
Abszesse  sind  ausgedehnte  Operationen  und  langdauernde  Drai¬ 
nage  nöthig,  sie  führen  übrigens  gelegentlich  zu  metastatischen 
Abszessen  im  Gehirn.  Die  tropischen  Leberabszesse  finden  sich 
meist  in  der  Einzahl,  entstehen  oft  sehr  schleichend  und  enthalten 
dann  meist  Amöben,  daneben  gibt  es  akut  verlaufende  multiple 
Abszesse  mit  Eiterbakterien  und  Kolibazillen,  auch  wird  zuweilen 
ein  bisher  chronischer  Abszess  vom  Darm  aus  sekundär  infizirt 
und  verläuft  dann  akut.  Die  meisten  Abszesse  liegen  im  rechten 
Leberlappen  und  so  beginnt  Verf.  die  Operation  gewöhnlich  mit 
einer  Inzision  in  der  Axillarlinie,  bei  der  die  Pleura  meist  geschont 
werden  kann;  Abszesse  im  linken  Lappen  müssen  vom  Epigastrium 
aus  geöffnet  werden.  Verf.  spricht  dann  noch  über  das  Verfahren 
von  M  anso  n,  das  zweif  ellos  gute  Resultate  gegeben  hat  und 
darin  besteht,  dass  ein  Troikart  durch  alle  Schichten  von  aussen 
eingestochen  und  durch  die  Kanüle  ein  dickes  Drain  eingeführt 
wird.  In  Europa  und  in  Krankenhäusern  überhaupt  empfiehlt 
sich  entschieden  mehr  das  offene  Verfahren,  da  man  dabei  die  Ver¬ 
hältnisse  besser  übersieht.  Verf.  gibt  zum  Schluss  10  Kranken¬ 
geschichten  zur  Erläuterung  des  Gesagten. 

II.  Challice  Croucli  und  Ed  red  M.  Corner:  Ist  Chloro¬ 
form  gefährlicher  als  Aether?  (Ibid.) 

Die  Verf.  haben  im  Jahre  1900  im  St.  Thomas-Hospitale 
3000  Narkosen  gemacht  und  die  Fälle  genau  nachbeobachtet.  Bei 
2400  Aethernarkosen  kam  es  10  mal  zu  Lungenkomplikationen,  die 
unzweifelhaft  auf  das  Anästhetikum  zurückzuführen  waren,  1  Fall 
endete  tödtlich,  die  Chloroformnarkosen  verliefen  ohne  unan¬ 
genehme  Zwischenfälle.  Die  Verf.  glauben,  dass,  wenn  man  alle 
Fälle  von  Pneumonie  und  Bronchitis  in  Betracht  zieht,  die  Anwen¬ 
dung  des  Aethers  mindestens  ebenso  grosse  Gefahren  darbietet, 
wie  die  des  Chloroforms. 


1156 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Arthur  E.  J.  Barke  r:  Maschinengarn  als  Nähmaterial. 

Verf.  verwendet  seit  längerer  Zeit  zu  allen  Operationen  nur 
noch  den  gewöhnlichen  Zwirn,  der  für  Nähmaschinen  gebraucht 
wird,  als  Unterbindung»-  und  Nahtmaterial.  No.  40  dient  zur 
Unterbindung  grosser  Gefässe  und  zur  Naht  der  Bauchdecken, 
No.  00  für  kleinere  Gefässe  und  No.  90  zur  Darmnaht.  Der  Faden 
wird  1  Stunde  lang  in  Wasser  gekocht  und  in  Alkohol  aufgehoben, 
er  ist  sehr  stark  und  quillt  nicht  auf.  Verfasser  hält  ihn  für  das 
beste  und  billigste  Material,  das  er  bis  jetzt  versucht  hat. 

James  Cantlie:  Die  Symptome,  Pathologie  und  Therapie 
der  Pest.  (Indian  Medical  Record  No.  13,  1902.) 

Wir  übergehen  die  beiden  ersten  Abschnitte  der  Arbeit,  die 
nichts  Neues  bieten  und  bemerken  nur,  dass  der  vielerfahrene  Ver¬ 
fasser  das  II  a  f  f  k  i  n  e’sche  Prophylaktikum  als  ein  ziemlich 
sicher  gegen  die  Pest  schützendes  Mittel  ansieht  und  die  gesetz¬ 
liche  Schutzimpfung  verlangt  für  alle  Personen,  die  voraussichtlich 
mit  Pestkranken  oder  verseuchten  Wohnungen  und  Kleidungs¬ 
stücken  in  Berührung  kommen.  Dem  Yersin-Calmette’- 
sclien  Heilserum  spricht  er  dagegen  jeden  Werth  ab.  Das  Pro¬ 
phylaktikum  von  H  a  f  f  k  i  n  e  reduzirt  die  Gefahr  der  Ansteckung 
um  50,  die  der  Mortalität  um  80  Proz. 

Godfrey  Gumpel:  Die  Pest  in  Indien.  (Indian  Dancet 
No.  9  u.  10,  1902.) 

Verfasser  verbreitet  sich  zuerst  über  die  von  anderer  Seite 
zur  Prophylaxe  der  Pest  vorgeschlagenen  Mittel  und  Wege  und 
sucht  nachzuweisen,  dass  gründliche  hygienische  Verbesserungen 
sowie  prophylaktische  Impfungen  sowohl  am  Widerstande  der 
Eingeborenen,  wie  an  den  grossen  Kosten  scheitern;  er  selbst 
glaubt,  dass  ein  hoher  Kochsalzgehalt  des  menschlichen  Körpers 
das  beste  Schutzmittel  gegen  Pest  und  andere  Krankheiten  ist, 
leider  gemessen  nun  die  Eingeborenen  wegen  der  hohen  Salzsteuer 
wenig  Salz;  das  Nähere  über  diese  Theorie  muss  im  Originale 
nachgelesen  werden. 

R.  Walker:  Eine  neue  Behandlungsmethode  der  Pest. 
(Ibid.  No.  9  und  11,  1902.) 

Die  Begründung  dieser  Methode,  die  auf  ziemlich  unbe¬ 
wiesenen  Theorien  zu  stehen  scheint,  muss  im  Originale  nach- 
gelesen  werden.  Die  Behandlung  selbst  besteht  in  der  Ver¬ 
abreichung  grosser  Dosen  von  Chlorcalcium,  Zinksulphat  und  be¬ 
sonders  reinen  Harnstoffes. 

Herbert  W.  Alling  ham:  Ueber  das  „internal  derange- 
ment“  des  Kniegelenks.  (Lancet,  15.  März  1902.) 

Verfasser  hat  im  Ganzen  59  Fälle  von  Verletzung  des  Semi¬ 
lunarknorpels  operirt,  doch  hält  er  die  Operation  nur  in  den  Fällen 
für  angezeigt,  in  welchen  konservative  Behandlung  nicht  zum 
Ziele  gefühlt  hat.  Gleich  nach  der  Verletzung  soll  das  Knie  für 
mehrere  Wochen  ruhig  gestellt  werden  und  später  soll  Massage 
versucht  werden.  Hilft  diese  Behandlung  nicht  oder  treten  immer 
wieder  Rezidive  ein,  so  kommt  nur  noch  die  Operation  in  Frage. 
Diese  hat  meist  in  der  Entfernung  des  zerrissenen  oder  dislozirteu 
Semilunarknorpels  zu  bestehen,  da  Vernähen  desselben  nur  selten 
möglich,  die  Entfernung  aber  von  keinen  üblen  Folgen  begleitet 
istist.  Die  59  Krankengeschichten  sind  beigegeben. 

R.  G.  McHerron:  Suppressio  urinae  nach  der  Geburt. 
(Journ.  of  Obst,  and  Gynaecol.,  April  1902.) 

Den  wenigen  in  der  Literatur  niedergelegten  Fällen  dieser  Art, 
bei  denen  bald  nach  der  Entbindung  die  Harnausscheidung  völlig 
auf  hörte,  kann  Verfasser  3  eigene  beifügen.  Die  Kranken¬ 
geschichten  dieser  Fälle,  sowie  die  einschlägige  Literatur  sind  im 
Originale  nachzulesen.  Therapeutisch  bewährten  sich  am  meisten 
Kochsalzeingiessungen  in  das  Rektum. 

Harvey  Littlejolin:  Latente  Pneumonie.  (Edinburgh 
Med.  Journ.,  April  1902.) 

Verfasser  hat  innerhalb  von  13  Jahren  33  Fälle  sezirt,  die  an 
Pneumonie  gestorben  waren,  ohne  dass  die  Krankheit  während  des 
Lebens  vermuthet  worden  wäre.  Obwohl  die  befallene  Lunge 
meist  schon  im  Stadium  der  grauen  Hepatisation  gefunden  wurde, 
hatten  weder  die  Kranken  noch  ihre  Umgebung  etwas  von  der 
schweren  Krankheit  geahnt,  der  Kranke  war  vielmehr  scheinbar 
im  besten  Wohlsein,  wurde  plötzlich  krank  und  starb  meist  schon 
2  bis  3  Stunden  später.  In  25  Fällen  handelte  es  sich  um  schwere 
Trinker,  G  mal  blieb  die  Frage  des  Alkoholismus  unentschieden, 
von  sicher  bewiesener  Mässigkeit  war  nur  einer  der  33  Fälle  ge¬ 
wesen.  Die  latente  Pneumonie  hat  ein  beträchtliches  forensisches 
Interesse,  da  diese  Säufer  oft  Streitigkeiten  haben,  geschlagen 
Averden  und  bald  nachher  sterben;  man  sollte,  falls  es  sich  um 
scheinbar  leichte  Verletzungen  handelt,  immer  sein  Augenmerk  auf 
den  Zustand  der  Lungen  richten. 

Arbuthnot  L  a  n  e:  Beiträge  zur  operativen  Behandlung  der 
Brüche  am  Ellenbogen.  (Ibid.) 

Verfasser  sucht  an  der  Hand  seiner  Fälle  nachzuweisen,  dass 
es  in  jedem  Falle  von  Fraktur  am  Ellenbogen  besser  ist,  sofort  zu 
operiren  und  die  Fragmente  in  richtiger  Stellung  mit  Draht  oder 
Schrauben  zu  fixiren,  als  zu  Scliienenverbändeu  etc.  zu  greifen. 
lLane  empfiehlt  übrigens  die  Naht  jetzt  so  ziemlich  für  alle 
Frakturen,  eine  Empfehlung,  die  hoffentlich  nur  von  wenigen 
Chirurgen  befolgt  wird.  Referent  bedauert,  dass  die  Röntgen¬ 
strahlen,  die  ja  gerade  in  der  Beurtheilung  der  Knochenbrüche  so 
viel  Gutes  geleistet  haben,  offenbar  die  Köpfe  mancher  Chirurgen 
so  verwirrt  haben,  dass  diese  Herren  die  klinische  Beobachtung  des 


Falles  ganz  ausser  Acht  lassen  und  lediglich  auf  Grund  von  Rönt¬ 
genbildern  Behandlungsmethoden  empfehlen,  die  durch  gar  nichts 
berechtigt  sind.  Wir  haben  seit  Jahren  mit  den  unblutigen  Metho¬ 
den  so  gute  Erfolge  erzielt,  die  Kranken  haben  so  gut  arbeiten 
können  [speziell  wenn  keine  Entschädigungsansprüche  in  Betracht 
kamen],  dass  es  uns  ganz  einerlei  sein  kann,  ob  das  Röntgenbild 
eine  Abweichung  von  der  Norm  zeigt,  wenn  nur  der  Fall  für  alle 
praktischen  Zwecke  geheilt  ist.  Jede  unkomplizirte  Fraktur  aber 
zu  operiren,  würden  wir  für  ein  grosses  Unglück  ansehen.  Ref.) 

John  Brownlee:  Die  Antitoxinbehandlung  der  Diphtherie 
im  Glasgow  Fever  Hospital  Belvidere  während  eines  Zeitraums 
von  6y2  Jahren.  (Glasgow  Med.  Journ.,  April  1902.) 

Dem  obigen  Titel  kann  im  Referate  nicht  viel  hinzugefügt  wer¬ 
den,  da  die  Arbeit  naturgemäss  eine  rein  statistische  ist.  Erwähnt 
sei  nur,  dass  Verfasser  ein  warmer  Anhänger  einer  möglichst  früh¬ 
zeitigen  und  energischen  spezifischen  Behandlung  ist. 

George  Crile:  Experimentelle  und  klinische  Erfahrungen 
über  die  temporäre  Abklemmung  der  Karotiden.  (Annales  of 
Surgery,  April  1902.) 

Nachdem  Verfasser  die  an  Thiereu  erhaltenen  Resultate  der 
Abklemmung  der  Karotiden  geschildert  hat,  beschreibt  er  18  Fälle 
von  Operationen  an  Menschen,  bei  denen  mittels  einer  abgebildeten 
Klammer  eine  oder  beide  Karotiden  während  der  Dauer  der  Opera¬ 
tion  abgeklemmt  und  das  Operationsfeld  dadurch  blutleer  gemacht 
worden  war.  10  mal  wurden  beide,  5  mal  eine  Carotis  communis 
abgeklemmt,  in  3  Fällen  wurde  nur  eine  Carotis  externa  abge¬ 
klemmt.  Das  Alter  der  von  1897 — 1901  operirten  Kranken 
schwankte  zwischen  7  Monaten  und  69  Jahren.  Kein  Todesfall 
trat  in  Folge  der  Abklemmung  auf,  die  Zirkulation  stellte  sich  in 
allen  Fällen  sofort  nach  Abnahme  der  Klemme  wieder  her;  auch 
trat  später  keine  nachweisbare  Schädigung  der  Gefässe  oder  der 
Zirkulation  auf.  Hirnsymptome  wurden  weder  während  der  Ope¬ 
ration  noch  später  beobachtet.  Wurden  beide  Karotiden  abge¬ 
klemmt,  so  brauchte  man  weniger  von  dem  zur  Narkose  verwende¬ 
ten  Anästlietikum.  Die  Athmung  wurde  bei  Abklemmung  beider 
Karotiden  zuweilen  behindert,  doch  genügte  es  stets,  eine  oder 
beide  Karotiden  wieder  aus  den  Klemmen  zu  lösen,  um  die  Ath¬ 
mung  wieder  herzustellen.  Die  Operationszeit  wurde  sehr  abge¬ 
kürzt,  da  das  Operationsfeld  blutleer  war;  ein  weiterer  Vortheil 
bei  den  Operationen  im  Munde  war,  dass  kein  Blut  in  die  Luftwege 
einfiiessen  konnte.  Die  Klammern  lassen  sich  durch  sehr  kleine 
Schnitte  in  wenigen  Minuten  anlegen. 

Parker  Sy  ms:  Ueber  perineale  Prostatektomie.  (Ibid.) 

Verfasser  führt  in  die  Blase  ein  Instrument  ein,  das  aus  einem 
vorne  mit  einem  Gummiballon  versehenen  Schlauche  besteht.  Nach 
Auftreibung  des  Ballons  zieht  man  an  dem  Schlauche  und  drückt 
hierdurch  die  Blase  nach  unten  und  fixirt  sie.  Die  Prostata  wird 
dann  vom  Damm  aus  enukleirt.  Von  13  Operirten  wurden  alle 
geheilt  und  mit  normaler  Harnfunktion  entlassen.  Gelegentlich 
bildete  sich  für  wenige  Wochen  eine  Inkontinenz  aus,  die  dann 
wieder  verschwand. 

A.  Newsholme:  Ueber  eine  Epidemie  von  Anginen  und 
Skarlatina  durch  infizirte  Milch.  (Journal  of  Hygiene,  April  1902.) 

Verfasser  sucht  auf  Grund  dieser  sorgfältigen  Arbeit  nach¬ 
zuweisen,  dass  Milch  das  Scharlachgift  zuweilen  in  so  abge¬ 
schwächter  Form  enthält,  dass  an  Stelle  einer  typischen  Scarla- 
tina  nur  noch  atypische,  fieberhafte  Anginen  epidemisch  auftreten. 
Diese  Fälle  sind  sehr  gefährlich,  da  sie  leicht  übersehen  werden 
und  sie  wieder  als  Zentren  für  neue  Scharlachfälle  dienen  können. 
Verfasser  plädirt  dafür,  dass  alle  Anginen  der  Anzeigepflicht  unter¬ 
liegen  sollen. 

’C.  F.  Marshall:  Syphilis  d’emblee.  (Treatment,  April 
1902.) 

Unter  Syphilis  d’emblee  versteht  man  eine  Syphilis,  bei  der 
es  nie  zur  Bildung  eines  Schankers  gekommen  ist.  Verfasser 
glaubt,  dass  es  solche  Fälle  gibt,  obwohl  viele  Autoren  ihr  Vor¬ 
kommen  ableugnen.  Er  selbst  glaubt  einen  einschlägigen  Fall  be¬ 
obachtet  zu  haben,  doch  scheint  dem  Ref.  der  Fall  wenig  be- 
weisend,  da  Verfasser  seinen  Kranken  nicht  von  Anfang  an  sah 
und  da  der  Kranke  an  einem  nicht  näher  definirten  Ausfluss  der 
Harnröhre  litt,  Endoskopie  aber  ebenso  wenig  wie  Untersuchung 
auf  Gonokokken  vorgenommen  wurden. 

J.  P.  z  u  m  Busch-  London. 

Vereins-  und  Congressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

.  (Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  25.  Juni  1902. 

Herr  De  la  Camp:  Familiäres  Vorkommen  von  ange¬ 
borenen  Herzfehlern.  (Mit  Krankendemonstration.) 

Vortr.  demonstriert  3  Geschwister,  bei  welchen  sämtlich  ein 
angeborener  Herzfehler  (wahrscheinlich  offener  Ductus  Botalli) 
anzunehmen  ist.  Die  Eltern  sind  gesund,  Lues  nicht  nachzuweisen. 
Sämtliche  Kinder  waren  rhachitiscli.  Er  zeigt  ausserdem  noch¬ 
mals  die  vor  einigen  Jahren  von  Zinn  demonstrierte  Patientin  mit 
demselben  Leiden,  wahrscheinlich  kombiniert  mit  anderen  Herz¬ 
anomalien.  Die  Kinder  sind  auch  sonst  in  der  Entwicklung  ge- 


8.  Juli  1902. 


M (JEN CIIENER  M F  DI  CI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


stört,  das  eine  leidet  an  epileptiformeu  Krämpfen,  das  zweite  ist 

imbezill. 

Herr  Brat:  Ueber  die  Wirkung-  von  Eiweisskörpern  auf 
die  Blutgerinnung.  (Schluss.) 

Vortragender  hat  untersucht,  ob  die  Gelatosen  in  gleicher 
Weise,  wie  die  wegen  ihres  Tetanusbazillengehaltes  nicht  ge¬ 
fahrlose  Gelatine  auf  die  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  wirke. 
Als  Vergleichsobjekte  hat  B.  herangezogen:  Antipepton,  Trypton 
und  Sornatose. 

Die  bekannte  Wirkung  von  Peptoninjektionen  bestünde  in 
der  Aufhebung  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes,  bei  welcher 
es  zur  Senkung  der  Blutkörperchen  in  einem  flüssig  bleibenden 
Plasma  komme,  eventuell  erstarre  das  Plasma  nachträglich  über 
den  Blutkörperchen.  In  manchen  Versuchen  habe  eine  ausge¬ 
sprochene  Senkung  der  Blutkörperchen  nicht  stattgefunden,  son¬ 
dern  es  sei  zu  einer  gleichmässigen  Koagulation  gekommen, 
welche  dann  aber  im  Gegensatz  zur  normalen  Gerinnung  bestehen 
blieb.  Bei  dieser  kommt  es,  wie  bekannt,  nach  vorangegangener 
Koagulation  zur  Bildung  eines  im  Serum  schwimmenden  Blut¬ 
kuchens. 

Die  Vergleichsversuche  ergaben  die  Resultate,  dass  keiner  der 
erwähnten  Stoffe  eine  antagonistische  Wirkung  gegenüber  der 
Peptonwii-kung  entfaltet,  dass  alle  im  Gegenteil  in  gleichem 
Sinne  wirkten.  Es  sei  auch  nicht  möglich,  irgend  einen  Zeit¬ 
punkt  festzustellen,  auch  bei  Anwendung  kleinster  Dosen,  in 
welchen  eventuell  durch  feinere  Vorgänge  im  Organismus,  wie 
dieselben  z.  B.  bei  der  Antitoxinwirkung  stattflnden,  eine  Ueber- 
kompensation  der  blutgerinnungshemmenden  Wirkung  einer  der 
erwähnten  Substanzen  erzeugt  wurde.  Speziell  gelang  es  B. 
nachzuweisen,  dass  auch  durch  die  Gelatine  die  oben  für  die 
Peptonwirkung  festgestellten  Erscheinungen  bewirkt  werden 
konnten ;  ebenso  aber  auch  durch  die  Gelatose,  Gluton,  deren 
sich  der  Vortragende  zu  seinen  Versuchen  bediente. 

Wenn  nun  zwar  nachgewiesen  sei,  dass  die  Gelatosen  ebenso 
wirken  wie  die  Gelatine,  so  sei  trotzdem  die  Frage  berechtigt, 
oh  diese  Körper  überhaupt,  speziell  auch  die  Gelatine,  da  sie  doch 
die  Blutgerinnungszeit  verlängern,  zu  therapeutischen  Zwecken 
bei  Blutungen  oder  vielmehr  zur  Erzeugung  von  Thrombenbil¬ 
dung  angewendet  werden  dürfen.  In  der  tatsächlichen  Wirkung 
einerseits  und  erwünschten  Wirkung  andererseits  bestünde 
scheinbar  ein  unlöslicher  Widerspruch. 

B.  geht  nun  auf  2  Beobachtungen  ein,  welche  er  bei  der  Ein¬ 
wirkung  dieser  Körper  auf  die  Gerinnbarkeit  festgestellt  hat; 
das  ist  erstens  die  Senkung  der  Blutkörperchen  und  zweitens 
die  Agglutination  derselben.  Die  Senkung  der  Blutkörperchen 
in  durch  Natronoxalat  flüssig  gehaltenem  Blut  hat  eine  ein¬ 
gehende  Beobachtung  durch  Birnacki  erfahren,  welcher  zu 
dem  Resultat  gekommen  ist,  dass  die  Senkung  abhängig  von 
dem  Eibrinogengehalt  des  Plasmas  ist  und  dass  der  letztere  um 
so  grösser  ist,  je  schneller  die  Senkung-  der  Blutkörperchen  vor 
sich  geht.  Auch  für  das  Peptonblut  kann  nach  den  von  B.  analog 
Birnacki  angestellten  Versuchen  eine  Vermehrung  des 
Fibrinogens  im  Plasma  angenommen  werden. 

Die  zweite  Beobachtung  war  eine  Eigentümlichkeit  des  nach 
der  Injektion  entnommenen  Blutes,  welche  darin  bestand,  dass 
sich  die  Blutkörperchen  in  Häufchen  ballten;  dieses  konnte  in 
dünnster  Schicht  an  der  Wand  des  Reagensglases  oder  auf 
Objektträgern  direkt  beobachtet  werden.  B.  wies  nach,  dass  das 
Plasma  des  unveränderten  Blutes  imstande  war,  die  Blut¬ 
körperchen  desselben  Tieres  zu  agglutinieren  (während  das 
Serum  des  vor  der  Injektion  entnommenen  Blutes  die  eigenen 
Blutkörperchen  natürlich  nicht  agglutinierte).  Auch  aus  diesen 
Vorgängen  müsse  man  auf  primäre,  chemische  Veränderung  der 
Blutkörperchen  schliessen,  welche  zu  der  physikalischen  Erschei¬ 
nung  der  Agglutination  führten  und  welche  auch  in  der  chemi¬ 
schen  Beschaffenheit  des  Plasmas  zum  Ausdruck  kommen  müsse. 
Es  sei  nun  nachgewiesen,  dass  die  agglutinierende  Kraft  einer 
Flüssigkeit  mit  ihrem  Gehalt  an  Globulinen  zunehme.  Demnach 
geht  aus  den  Versuchen  hervor,  dass  es  durch  Injektion  der  er¬ 
wähnten  Eiweisskörper  gelingt,  die  Globuline  im  Plasma,  speziell 
auch  das  Fibrinogen  zu  vermehren.  Zieht  man  noch  fernerhin 
in  Betracht,  dass  Alexander  Schmidt  nachgewiesen  hat,  dass 
gerade  ein  Zellenbestandteil  der  roten  Blutkör¬ 
perchen,  das  Oytoglobulin,  imstande  sei,  einerseits  die  Blut¬ 


ilS? 


gerinnungszeit  zu  verlängern,  andererseits  jedoch  den  Fibrinogen¬ 
gehalt  zu  vermehren,  so  sei  damit  der  scheinbare  Widerspruch 
gelöst,  der  darin  bestehe,  wenn  man  die  erwähnten  Körper,  welche 
die  Blutgerinnungszeit  verlängern,  trotzdem  zur  Bildung  von 
Thromben  und  zur  Ablagerung  von  Fibrinschwarten  thera¬ 
peutisch  verwertet. 

B.  hat  nun  in  drei  Versuchen  an  lebenden  Tieren  unter  Ivon- 
trollversuchen  nachgewiesen,  dass  eine  wesentlich  stärkere 
Thrombenbildung  stattfindet  bei  injizierten  Tieren;  und  zwar 
sowohl  an  Stellen,  wo  die  Intima  verletzt  wurde,  als  auch  an 
nicht  verletzten  Stellen.  Zwei  Momente  kommen  für  die  Beur¬ 
teilung  dieser  Versuche  in  Betracht  : 

1.  Die  Organisation  eines  Thrombus  von  der  Gefässwand 
aus  und 

2.  die  Bildung  von  Fibrin. 

Die  Organisation  von  der  Gefässwand  aus  kann  nur  dort 
stattfinden,  wo  sich  der  Thrombus  an  die  Gefässwand  anlehnt. 
Da  das  Koagulum  nach  Injektion  von  Eiweisskörpern  sich  nicht 
kontrahiert,  muss  in  diesen  Fällen  eine  umfangreichere  Organi¬ 
sation  eines  Thrombus  stattfinden.  Die  Tatsache,  dass  an  den 
nicht  verletzten  Stellen  der  Carotis  sich  nur  bei  den  injizierten 
Tieren  Thromben  vorfanden,  beweist  die  Richtigkeit  der  An¬ 
schauung,  dass  durch  Injektion  obiger  Eiweisskörper  die  che¬ 
misch  veränderten  Blutkörperchen  eine  Vermehrung  des  Ma¬ 
terials  zur  Thrombenbildung  des  Fibrins  bedingen,  resp.  das¬ 
selbe  liefern. 


Vortragender  wendet  sich,  nachdem  er  diese  Fragen  all¬ 
gemein  pathologischer  Natur  erörtert  hat,  zum  Schluss  der  prak¬ 
tischen  Seite  zu  und  macht  darauf  aufmerksam,  dass  man  bei 
der  Anwendung  der  obigen  Substanzen  an  die  toxikologische 
Wirkung,  welche  aufzuklären  er  sich  bemüht  habe,  denken  muss, 
und  rät  bei  Anwendung  von  Gelatosen  zur  vorsichtigen 
Dosierung,  um  konstatieren  zu  können,  ob  der  Heileffekt  ohne 
schädigende  Nebenwirkungen  erzielt  werden  kann. 

Herr  Karewski:  Ueber  diffuse  adhäsive  Peritonitis 
infolge  von  Appendizitis. 

Vortragender  bespricht  seine  auf  diesem  Gebiete  gemachten 
vielfältigen  Beobachtungen,  welche  ihn  zu  dem  Schlüsse  führten, 
bei  Appendizitis  möglichst  bald  nach  dem  Anfalle  zu  operieren. 

ITans  K  ohn. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  23.  Juni  1902. 

Herr  P.  Jakob  berichtet,  dass  die  von  Herrn  II.  N  e  u  - 
m  a  n  n  in  der  vorletzten  Sitzung  erwähnte  Molkerei  diejenige  von 
Bolle  sei,  wie  er  mitzuteilen  von  letzterer  ermächtigt  worden. 
Er  habe  mit  den  Leitern  dieser  Anstalt  die  Angelegenheit  be¬ 
sprochen  und  es  sei  vereinbart  worden,  dass  die  Bolle  sehe  Mol¬ 
kerei  das  bisher  geübte  Pasteurisierungsverfahren  auch  fernerhin 
beibehalten  und  Zirkulare  an  ihre  Kunden  verschicken  solle  des 
Inhalts,  dass  die  Milch  bereits  sterilisiert  sei  und  daher  ein 
kuzes  Aufkochen  derselben  genüge. 

Herr  G  u  t  m  a  n  n  berichtet,  dass  in  dem  von  ihm  kürzlich 
demonstrierten  Falle  von  Tuberkulose  der  Nebennieren  sich  in 
Schuittpräparaten  reichlich  Tuberkelbazillen  gefunden  haben. 

Herr  Westen  hoffe  r  berichtet  dazu  über  einen  ähnlichen 
Fall,  der  einen  Soldaten  betraf,  der  bis  wenige  Wochen  vor  seinem 
Tode  anscheinend  gesund  war  und  Dienst  tat,  obgleich,  wie  die 
Sektion  ergab,  die  Affektion  der  Nebenniere  eine  längere  Dauer 
der  Erkrankung  zur  Voraussetzung  hatte. 

Tagesordnung : 

Herr  Waldeyer:  Neuere  Forschungen  über  Spermien 
und  Befruchtung. 

Vortr.  hebt  einige  wesentliche  Punkte  aus  den  neueren  For¬ 
schungsresultaten  auf  diesem  Gebiete  heraus  und  illustriert  die¬ 
selben  durch  Zeichnungen,  ohne  deren  Hilfe  eine  kurze  Wieder¬ 
gabe  des  Inhaltes  dieses  interessanten  Werkchens  dem  Leser  je¬ 
doch  nur  schwer  verständlich  wäre.  Hans  Ivohn. 


Gesellschaft  der  Charite-Aerzte  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  26.  Ju  n  i  1902. 

1.  Herr  de  la  Camp  demonstriert  ein  12 jähriges  Mädchen 
mit  angeborenem  Herzfehler  und  dessen  5  Geschwister,  mit 
scheinbar  dem  gleichen  Fehler.  Bei  dem  Mädchen  w-eist  die  Ver¬ 
breiterung  des  Herzens  nach  rechts,  eine  bandförmige  Dämpfung, 


1158 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  27, 


die  der  Herzdämpfung  längs  des  linken  Sternalrandes  aufsitzt, 
ein  lautes  systolisches  Geräusch  und  Schwirren  über  der  Pul- 
monalis  mit  akzentuiertem  zweiten  Pulmonalton  auf  ein  Offen- 
bleiben  des  Ductus  Botalli  hin.  Das  Röntgenbild  zeigt 
an  dieser  Stelle  einen  pulsierenden  Schatten.  Bei  den  5  Ge¬ 
schwistern  ähnliche,  wenn  auch  weniger  deutliche  Symptome, 
akzentuierter  2.  Pulmonalton,  zeitweise  hörbare  systolische  Ge¬ 
räusche  und  ein  Schatten  im  Röntgenbilde  an  dieser  Stelle. 

Sämtliche  Kinder  haben  Rliachitis  überstanden,  Alkoholismus 
und  Lues  sind  bei  den  Eltern  nicht  nachgewiesen. 

2.  Herr  Grawitz  demonstriert  einen  39 jährigen  Mann,  bei 
dom  sich  seit  10  Jahren  im  Anschluss  an  eine  Lungenentzündung 
starke  Varikositäten  an  beiden  Beinen  und  in  der  Unterbauch¬ 
gegend  entwickelt  haben.  In  den  ausserordentlich  erweiterten 
Venen  strömt  das  Blut  von  unten  nach  oben.  Es  wird  eine 
Thrombose  im  untersten  Teil  der  Vena  cava  in¬ 
ferior  angenommen. 

Diskussion:  Herr  H  o  f  f  m  a  n  n  berichtet  über  einen 
ähnlichen  Fall,  bei  dem  von  chirurgischer  Seite  in  unrichtiger  Auf¬ 
fassung  der  Verhältnisse  eine  Ausschälung  der  erwei¬ 
terten  Venen  gemacht  wurde. 

3.  Herr  Dorendorf  demonstriert  einen  Kranken  mit 
doppelseitiger  Postikuslähmung,  bei  dem  die  Tracheotomie  not¬ 
wendig  wurde.  Wegen  der  seit  längerer  Zeit  bestehenden  Schwäche 
der  Beine  mit  gesteigerten  Reflexen,  einer  linksseitigen  Zungen¬ 
atrophie  und  Zwangslachen  wird  eine  multiple  Sklerose 
angenommen.  Bei  der  Einatmung  werden  die  Stimmlippen 
einander  genähert,  obgleich  eine  Ansaugung  ausgeschlossen  ist, 
und  daher  muss  eine  gleichzeitige  Innervation  der  Ad- 
d  u  k  t  o  re  n  angenommen  werden. 

Im  Anschluss  hieran  berichtet  er  über  einen  Fall  von  Tabes 
mit  Postikuslähmung  und  dadurch  notwendig  gewordener  Tra¬ 
cheotomie  mit  den  gleichen  Bewegungen  der  Stimmlippen. 

Diskussion:  Herr  Senator  stellt  in  dem  vorgestellten 
Falle  die  Diagnose  auf  progressive  Bulbär paralyse. 

4.  Herr  Stuertz  demonstriert  einen  Kranken  mit  Chylurie. 
Der  Patient  hat  das  Leiden  vor  7  Jahren  in  Australien  erworben. 
Nach  Ausweis  der  cystoskopisehen  Untersuchung  entstammte  der 
milchige  Urin  dem  linken  Nierenbecken.  In  dem  Urin  gelang  der 
Nachweis  von  Wurmeiern,  und  zwar  von  Eustrongylus 
gigas  und  einem  nicht  näher  erkannten  Wurm.  Bemerkenswert 
ist  an  dem  Falle,  dass  die  äusserst  seltene  Ursache  des  Leidens, 
der  Parasitismus,  bei  Lebzeiten  entdeckt  wurde,  was  bisher  nur 
einmal  bei  diesem  Wurm  gelungen  sein  soll. 

Diskussion:  Herr  TJ  m  b  e  r  hat  den  Urin  chemisch  unter¬ 
sucht  und  weist  darauf  hin,  dass  der  geringe  Fettgehalt,  von  0,G 
pro  Mille  die  milchige  Trübung  nicht  erklärt,  sondern  dass  der 
Lecithingehalt  dafür  verantwortlich  zu  machen  ist,  ähnlich 
wie  wir  das  durch  neuere  Untersuchungen  vom  milchigen  Aszites 
wissen. 

5.  Herr  Umber:  Zur  Chemie  und  Biologie  der  Eiweiss¬ 
körper. 

Yortr.  hat  bei  Kaninchen  durch  Einspritzen  von  Eiweiss¬ 
substanzen  die  Bildung  von  Präzipitinen  in  dem  Blutserum 
hervorgerufen  und  mitersucht,  inwieweit  es  gelingt,  nach 
Einverleibung  reiner  Eiweisskörper  spezifi¬ 
sche  fällende  Substanzen  für  die  einzelnen 
chemisch  differenten  Eiweisskörper  zu  er¬ 
halten  und  dadurch  für  die  Trennung  der  einzelnen  Eiweiss¬ 
substanzen  von  einander  Anhaltspunkte  zu  gewinnen.  Die  Unter¬ 
suchungen  wurden  mit  den  isolierten  Eiweisskörpern  des  Eier¬ 
klars,  nämlich  mit  krystallinischem  Albumin  und  Globulin,  an¬ 
gestellt.  Dabei  gelang  es  ihm  einmal,  den  grössten  Teil  des  Eier¬ 
globulins  krystallinisch  zu  erhalten  in  Form  grosser  aus  lauter 
kleinen  Nadeln  zusammengesetzter  Globuliten,  die  demonstriert 
werden. 

Vortr.  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  Präzipitine, 
die  im  Tierkörper  nach  der  Vorbehandlung 
mit  den  beiden  reinen  Eiweisskörpern  ent¬ 
stehen,  nicht  spezifisch  sind  für  die  chemi¬ 
sche  Art  des  zur  Vorbehandlung  verwandten 
Ei  weisskörpers,  sondern  nur  für  die  Tier¬ 
spezies,  die  ihn  geliefert  hat.  Durch  Isolierung  und 
Prüfung  der  einzelnen  Eiweisskörper  des  wirksamen  Serums  hat 
sich  ferner  herausgestellt,  dass  das  fällende  Prinzip,  sowie  das 
gefällte  Prinzip  mit  gewissen  Ammonsulfatfraktionen,  näm¬ 
lich  den  durch  Ualbsättigung  abgeschiedenen,  vornehmlich  den 
Globulinen,  ausgesalzen  wird. 

K.  Brandenburg-  Berlin. 


Altonaer  Aerztiicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  5.  März  1902. 

Vorsitzender :  Herr  H  e  n  o  p. 

Schriftführer:  Herr  F  eigner. 

Herr  König:  1.  38jähr.  Patientin,  im  Jahre  1899  wegen 
schwerer  syphilitischer  Mastdarmstriktur,  die  sich  durch  Dila¬ 
tation  nicht  beheben  liess,  operiert:  Exzision  des  ca.  10  cm  langen 
kallösen  Teils,  Darmvereinigung  mit  Schonung  des  Analteils.  Im 
Dezember  1901  Wiederaufnahme.  Reichliche  fortwährende  Schleim¬ 
absonderung,  Inkontinenz,  fortwähi-ende  Beschmutzung,  Fisteln 
im  hinteren  Schnitt,  sehr  starke  Schmerzen,  Mastdarm  verengt, 
hart,  aber  noch  keine  Stenosenerscheinungen;  Arbeitsunfähigkeit. 
Am  8.  I.  wurde  ein  Anus  arteficialis  angelegt,  nach 
W  i  t  z  e  1  (neuerdings  von  W  i  e  s  i  n  g  e  r  warm  empfohlen)  von 
einem  Bauchschnitt  am  lateralen  1.  Rektusrand  die  Flexur  auf¬ 
gesucht,  zweiter  Schnitt  2  Finger  breit  aussen  unten  von  der  Spina 
ant.  sup.  sin.,  der  Darm  von  jener  Stelle  unter  den  Muskeln  durch 
zur  äusseren  Wunde  herausgezogen.  Die  Darmöffnuug  liegt  jetzt 
aussen  von  der  Spina  auf  dem  Darmbein,  lässt  sich  leicht  durch 
eine  Gummipelotte  verschliessen,  die  an  einer  einfachen  Bauch¬ 
bandage  gehalten  dem  Knochen  sicher  a  u  f  1  i  e  g  t  und 
auch  durch  Bewegungen  nicht  verschoben  wird.  Unteres  Darm¬ 
ende  wird  ausgespült,  die  Sekretion  ist  gering,  Sckmei’zen  nicht 
vorhanden,  Pat.  ist  zufrieden.  Der  Anus  muss  ein  dauernder  sein. 

2.  44  jälir.  Patient,  in  den  80  er  Jahren  Gonorrhoe.  Anfang 
November  1901  Urinbeschwerden,  die  schliesslich  Katheteiismus 
nötig  machten.  Am  22.  XI.  Aufnahme  mit  fluktuierender,  phleg¬ 
monöser  Schwellung  vom  Mons  veneris  um  die  Peniswurzel 
beiderseits  zum  Skrotum  und  Perineum.  Penis  und  Skrotum 
ödematös.  Urin  eitrig,  stark  ammoniakalisch,  Katheter  geht  glatt 
durch. 

Inzision  am  Mons  veneris  und  am  Perineum  entleert  sehr  viel 
stinkenden  Eiter,  Urethra  zeigt  Perforation.  Tamponade,  Verweil¬ 
katheter,  Blasenspülung. 

Eiterung  wird  geringer,  Urin  klarer.  Bei  Weglassen  des  Ka¬ 
theters  entleert  er  sich  durch  die  Fistel.  Am  5.  XII.  macht  sich 
Inkontinenz  des  Mastdarms  gegen  dünnen  Stuhl  be¬ 
merkbar:  Flatus  gehen  durch  die  Wunde  am  Perineum  ab! 
In  Narkose  werden  Ulzerationen  in  der  Sphinktergegend  neben 
haknenkammartigen  Gebilden  festgestellt,  noch  einige  Geschwüre 
höher  oben  an  der  Vorderwand.  Charakter  nicht  sicher.  Die  Ge¬ 
schwüre  werden  nach  Dehnung  des  Sphinkter  mit  dem  Paquelin 
verscliorft.  Am  28.  I.  tritt  Kontinenz,  später  scheinbar  Heilung 
ein.  Da  die  Urinfistel  sich  nicht  schliesst,  erfolgt  am 

23.  I.  Operation  zur  Freilegung  derselben  in  der  grossen  Granu- 
lationskölile:  es  besteht  eine  Ulzeration  der  Harnröhrenwand  au 
der  Pars  bulbosa  und  etwas  nach  vorn  längsgestellt,  seitlich.  Das 
die  1  cm  lange  Perforation  enthaltende  Harnröhrenstück  wird 
resezirt,  die  Granulationshöhlen  angekratzt.  2  kleinere  Fistel¬ 
öffnungen  weiter  vorn,  ebenfalls  seitlich,  werden  übernäht.  In¬ 
filtriertes  Gewebe  der  Umgebung  mit  Eiterlierdchen  wird  entfernt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  e  x  - 
zidierten  Ulzeration  der  Harnröhre  ergibt  Tuberkulose. 

Die  Naht  hat  nicht  sicher  gehalten,  es  läuft  heute  noch  Urin 
(klar)  durch  die  Perinealwunde,  die  jedoch  gut  granuliert.  Eine 
Verengerung  besteht  nicht. 

Weitere  Zeichen  von  Tuberkulose  im  Körper  bestehen  nicht, 
auch  nicht  an  den  Genitalien.  Es  handelt  sich  also  um  eine  Tuber¬ 
kulose,  die  wahrscheinlich  in  der  Form  von  Mastdarmgeschwüren 
begonnen  hat,  die  Umgebung  infiltrierte,  die  Harnröhre  ulzerierte. 
Dann  -wurde  wohl  diese  Oeffnung  infiziert,  es  kam  zu  jauchiger 
periurethraler  Phlegmone. 

Die  Prognose  für  die  Ausheilung  ist  natürlich  zweifelhaft. 

Herr  B  u  s  a  1 1  a:  Entfernung  des  Os  cuboides,  Teil  des  Navi- 
culare,  Metatarsalköpfchen,  III.  Cuneiforme  wegen  Tuberkulose, 
Verschluss  der  grossen  Knochenhöhle  durch  einen  Hautknochen¬ 
lappen  vom  Calcaneus,  Die  sehr  tiefe  und  grosse  Knochenhöhle 
hat  sich  bei  dem  22  jährigen  Patienten  durch  Einheilen  des  Cal- 
caneuslappens  schön  geschlossen,  das  Knochenstück  hat  sich  schon 
gehoben,  so  dass  ein  allmählicher  Ausgleich  der  Niveaudifferenz 
zu  erwarten  steht. 

Herr  König:  22 j ähr.  Patientin.  Seit  4  Jahren  an  Magen¬ 
krämpfen  leidend,  selten  mit  Erbrechen.  Am  25.  XII.  1901  Partus. 
Pat.  stand  am  5.  Tage  auf,  war  zunächst  wohl.  Nach  3  Wocheu 
treten  plötzlich  heftige  Leibschmerzen  auf,  der  Leib  ist  hoch  auf¬ 
getrieben,  Stuhl  und  Winde  gehen  nicht  ab,  Erbrechen  während 
einer  ganzen  Nacht  und  der  Hälfte  des  nächsten  Tages;  Pat.  fühlt 
sich  schwer  krank.  Nach  Nachlass  der  schwersten  Erscheinungen 
(Behandlung  3  Wochen)  macht  sich  allmählich  eine  Geschwulst 
in  der  linken  Oberbauchseite  geltend,  welche  stark  empfindlich  ist. 

Bei  der  Aufnahme,  die  wegen  erneuter  Schmerzen  Mitte  Fe¬ 
bruar  stattfand,  ist  leichte  Temperaturerhöhung  vorhanden,  all¬ 
gemeine  Untersuchung  ergibt  nichts  Besonderes,  Urin  ist  frei  von 
Eiweiss  und  Zucker.  Der  Bauch  ist  unregelmässig  aufgetrieben, 
am  stärksten  am  linken  Rektus  oberhalb  Nabelhöhe.  Die  Re¬ 
sistenz  reicht  links  etwa  bis  zur  Axillarlinie,  rechts  bis  zum 
Aussenrand  des  rechten  Rektus,  geht  herunter  bis  über  den  Nabel. 


8.  Juli  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1159 


Mau  hat  das  Gefühl  eiues  cystiseheu  Gebildes,  dessen  Grenzen 
jedoch  sehr  wenig  ausgeprägt  sind.  Oberfläche  im  Ganzen  glatt, 
doch  reihen  sich  rechts  unten  ein  paar  deutliche  Knollen  an. 
Verschieblichkeit  ist  nicht  vorhanden.  Perkussionsschall  über 
einem  kleinen  Teil  gedämpft,  das  Colon  descendens  geht  vor  der 
Geschwulst  her,  der  Magen  liegt  aufwärts.  Bin  Zusammenhang 
mit  den  Beckenorganen  war  in  keiner  Weise  zu  konstatieren. 

Die  Entwicklung  eines  intraperitonealen  Abszesses  im  An¬ 
schluss  an  die  Entbindung  war  wenig  wahrscheinlich  bei  den 
völlig  normalen  Verhältnissen  im  Becken.  Der  Gedanke  an  eine 
etwas  verlagerte  hydronephrotische  und  dann  vereiterte  Niere 
wurde  wegen  des  völlig  normalen  Urinbefundes  auf  gegeben.  Eine 
teils  cystische,  teils  knollige,  durch  die  Gravidität  zu  raschem 
Wachstum  gekommene  Geschwulst  des  Netzes  hätte  gedämpften 
Schall  in  grösserer  Ausdehnung  gegeben.  Eine  cystische  Bildung, 
die  sich  hinter  den  Därmen  entwickelte,  konnte  auf  Mesen¬ 
terialcysten  und  Pankreaserkrankung  bezogen 
werden.  An  diese  3  letzten  Dinge  wurde  vorwiegend  gedacht, 
als  am 

21.  II.  der  Bauchschnitt  in  der  Mittellinie  ausgeführt  wurde. 
Spärliche  Flüssigkeit,  grosser  Saftreichtum  aller  Organe  und  des 
Fettgewebes.  In  diesem,  im  Netz  (weiter  im  Mesokolon),  Anden 
sich  zahlreiche  Fettnekrosen.  Der  Magen  ist  breit  ausgespannt 
und  in  dieser  Stellung  fixiert,  am  unteren  Rand  rechts  grosse  saft¬ 
reiche  Lymphdrüsen.  Tumor  als  unbestimmte  breite  Resistenz 
hinter  dem  Magen  zu  fühlen.  Nach  Hinaufschlägen  des  Netzes 
Yorbuchtung  des  Mesokolon  nach  unten,  auch  hier  Fettnekrosen 
und  starke  Rötung  der  Dünndarmschlingen.  Eingehen  durch  das 
kleine  Netz  unmöglich  wegen  Quellung  und  Retraktion.  Nach 
sorgfältigem  Abschluss  der  Bauchhöhle  durch  Gaze  wird  die  Vor- 
buchtung  am  Mesokolon  punktiert  und  eine  grau  rötliche,  mit 
vielen  Bröckeln  versetzte  Flüssigkeit  von  alkalischer  Reaktion 
ohne  Geruch  gewonnen.  Durch  die  Punktionsöffnung,  welche 
durch  einen  Schnitt  erweitert  wird,  stürzt  eine  ungeheure  Masse 
dieser  Flüssigkeit  nach,  in  der  weiche  Fetzen  und  Brockel  schwim¬ 
men.  —  Mikroskopisch  erweisen  sich  alle  diese  Teile  als  nekrotische 
Fettmassen,  in  der  Flüssigkeit  findet  sich  Detritus,  Fettkörnchen, 
Reste  von  Blutungen,  Blutkrystalle,  alte  Blutkörperchen,  wenig 
Eiterkörperchen. 

Es  trat  schwere  Asphyxie  durch  Erbrechen  grosser  Mengen 
z.  T.  galligen  Inhalts  auf.  Der  Magen  bleibt  in  seiner  durch  Ad¬ 
häsionen  fixierten  Ausbreitung.  Die  Höhle  geht  nach  oben  und 
links,  gegen  die  Wirbelsäule.  Man  fühlt  in  der  Tiefe  eine  höckerige 
Masse.  Die  Schnittränder  werden  an  das  Bauchfell  herangenäht, 
ein  Teil  der  Wunde  offen  gelassen,  mit  Vioformgaze  tamponiert, 
die  Höhle  tamponiert,  am  Tag  darauf  drainiert.  Am  2.  Tage 
wird  eine  Heberdrainage  angelegt,  durch  die  grosse  Mengen  der 
gleichen  Flüssigkeit  mit  nekrotischen  Bröckeln  entleert  werden. 
—  Die  Flüssigkeit,  mit  Amylum  versetzt,  im  Brutschrank  auf¬ 
bewahrt,  gibt  die  Zuckerproben. 

Die  vorgestellte  Patientin  hat  alles  gut  überstanden;  ein 
Drainrohr  führt  in  den  Gang,  welcher  sich  zumal  nach  links  weit¬ 
hin  bis  in  die  Nierengegend  erstreckt. 

Die.  akute,  ileusartige  Entstehung  der  Krankheit  bei  einer 
an  Magenkrämpfen  leidenden  Frau,  die  Entwicklung  des  Ergusses 
oberhalb  des  Mesocolon  transversum  an  der  Wirbelsäule,  die  Art 
des  Ergusses,  der  Gehalt  an  alten  Blutresten  und  Nekrosen,  die 
saccharifizierende  Eigenschaft  der  Flüssigkeit,  die  multiplen  Ne¬ 
krosen  im  Fettgewebe  rechtfertigen  die  Annahme  einer  akuten 
Erkrankung  des  Pankreas  mit  Blutungen  und  mit  Ne¬ 
krose.  Der  Beginn  der  Erkrankung  ist  geradezu  typisch;  die 
Ausbreitung  des  Ergusses,  welche  hier  nach  unten  ins  Mesokolon 
erfolgte,  kann  auch  nach  vorn  oder  oben  gehen,  dann  kommt  der 
Sack  oberhalb  oder  unterhalb  vom  Magen  zur  Erscheinung.  Die 
Senkung  nach  der  linken  Nierengegend  ist  vielfach,  zumal  auch 
von  Körte,  betont  worden.  Da  hier  eine  ausgedehnte  Pankreas¬ 
nekrose  nicht  vorliegt,  so  ist  auch  das  Auftreten  von  Zucker  im 
Urin  weder  jetzt  noch  später  zu  erwarten. 

Der  Vortragende  bespricht  das  Krankheitsbild  der  akuten 
Pankreatitis  und  die  bisher  mit  der  Operation  erzielten  Hei¬ 
lungen. 

Herr  Pilsky:  Demonstration  einer  geheilten  Patientin,  an 
welcher  P.  mit  bestem  Erfolg  die  Exstirpation  des  karzinoma- 
tösen  Uterus  mittels  der  Mackenrodt  sehen  Methode  aus¬ 
geführt  hat  (Vgl.  Protokoll  der  letzten  Sitzung  des  Altonaer  ärzt¬ 
lichen  Vereins.) 

Herr  K  ö  n  i  g:  1.  12  jähr.  Knabe,  am  9.  II.  Abends  Verletzung 
der  rechten  Oberbauchseite  in  der  vorderen  Axillarlinie  durch 
Auffallen  auf  die  Spitzen  eines  Eisengitters.  Erbrechen,  Schmer¬ 
zen,  Schock.  Abdomen  gespannt,  überall  schmerzempfindlich,  auf¬ 
getrieben,  besonders  die  rechte  Seite,  wo  nur  eine  Leberdämpfung 
von  einer  Fingerbreite  nachzu weisen  ist  (1  Stunde  nach  der  Ver¬ 
letzung.)  Erweiterung  der  Wunde,  welche  nur  bis  a  n  das  Peri¬ 
toneum  reicht,  Tamponade  mit  Vioformgaze1)-  6  Stunden 
nach  der  Verletzung:  Zunahme  der  Erscheinungen:  Bauch 


*)  Dies  Präparat,  besonders  von  Schmieden  aus  der 
Schede  sehen  Klinik  empfohlen,  wird  bei  uns  fast  durchweg  als 
Ersatz  der  Jodoformgaze  benutzt.  Es  ist  geruchlos,  und  kann 
vor  jedem  Gebrauch  sterilisiert  werden.  Vergl. 
Schmieden:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  Bd.  (31,  p.  552. 


hart,  empfindlich,  Leberdämpfung  verschwunden,  Atmung 
kostal,  Puls  120,  klein,  Gesicht  ängstlich.  -  ■  Laparo¬ 
tomie  am  äusseren  r.  Rektusrand:  Klares  peritouitisches 
Exsudat;  am  Peritoneum  zeigt  sich  gegenüber  der  Stelle,  welche 
aussen  die  Wunde  trägt,  Rötung,  Blutaustritte,  Fibrinbelag. 
D  ä r m  e  nicht  verletzt,  aber  in  der  ganzen  rechten  Ober¬ 
bauchseite  gebläht,  entferntere  Schlingen  kontrahiert. 
Tamponade,  Verschluss  der  Wunde  bis  auf  diese  Stelle,  ln  den 
ersten  Tagen  Puls  und  Temperatur  erhöht,  auch  entleert  sich  noch 
Exsudat.  Vom  4.  Tag  an  versiegt  dies,  die  Heilung  verläuft  glatt. 

K.  betont,  dass  die  von  der  Kontusion  betroffenen  Dann¬ 
schlingen  offenbar  alsbald  (1  Stunde)  nach  der  Verletzung  er¬ 
weitert  und  nicht  kontrahiert  waren.  Diese  Lähmung  des  Darms 
kann  noch  nicht  Folge  einer  Peritonitis  sein.  Die  Laparotomie 
wurde  durch  die  klinischen  Erscheinungen  wegen  Verdacht  innerer 
Kontusion  bedingt. 

2.  Alter  Mann  in  den  60  er  Jahren  erhält  am  11.  XII.  einen 
heftigen  Stoss  gegen  die  rechte  Unterbauchseite.  Sofort  Schmer¬ 
zen  in  einer  schon  vorher  bestandenen  rechtsseitigen  Inguinal¬ 
hernie  und  Einklemmungssymptome.  Gegen  den  Willen  des 
Arztes  Behandlung  im  Hause.  Erst  Besserung,  dann  nach  5  Tagen 
starke  Verschlimmerung:  Erbrechen,  Darmlähmung,  Schmerz¬ 
haftigkeit,  Auftreibung  des  Leibes  und  der  (irreponiblen)  Hernie. 
Aufnahme  ins  Krankenhaus.  Prall  gespannter,  empfindlicher 
Leistenbruch,  Auftreibung  des  Leibes,  lokale  Geschwulst  oberhalb 
der  Hernie,  gurkenförmig,  leicht  gedämpft,  empfindlich  —  etwa 
in  der  Verlängerung  der  Hernie  aufwärts. 

Die  Operation  eröffnet  einen  grossen,  intraabdominal  ab¬ 
gesackten  Abszess,  der  mit  dem  im  übrigen  leeren 
B  ruchsac  k  k  o  m  m  uniziert  und  nach  unten  in  den 
Douglas,  aufwärts  nach  der  Leber  geht.  Eine  D  a  r  m  s  c  h  1  i  n  g  e 
hat  eine  kleine,  durch  Schleimhautektropion  fast  verschlossene 
Perforation  (Dünndarm).  Abtragung  des  Bruchsackes,  Ver- 
näliung  der  Fistel,  Tamponade  mit  Vioformgaze.  Verlauf:  viel¬ 
fache  Eiterentleerung,  Platzen  der  Fistel.  S  Tage  Wasserbettbehand¬ 
lung,  Reinigung  der  Wunde,  erneuter,  diesmal  erfolgreicher  Ver¬ 
schluss  der  Fistel  durch  quere  Uebernähung.  Am  28.  II.  völlige 
Heilung  per  granulationem. 

K.  weist  darauf  hin,  dass  trotz  der  offenen  Leistenhernie  das 
schwere  Trauma  keine  Inkarzeration  erzeugte,  deren  Diagnose 
nahe  lag,  während  der  Darm  so  gequetscht  war,  dass  nachträglich 
Perforation  zustande  kam.  Der  abgekapselte  Abszess  ist  kein  sein- 
häufiger  Ausgang.  Die  weitere  Folge  ist,  nach  P  e  t  r  y,  in  der 
Regel  Spätperforation  in  die  Bauchhöhle.  Es  kann  der  Eiter  sich 
in  den  Darm  wieder  entleeren,  und  endlich  auf  die  Haut:  es  ent¬ 
stellt  eine  Kotfistel.  K.  konnte  eine  solche  des  S  romanum  durch 
Laparotomie  und  Resektion  des  perforierten  Stücks  vor  einigen 
Jahren  zur  Heilung  bringen. 

Ausser  diesen  traumatischen  Fisteln  hatte  K.  im  letzten  Jahr 
Gelegenheit  noch  4  Darmfisteln  zu  behandeln,  eine  im  Brucli- 
sack  einer  früher  wegen  gangränösen  Bruches  operirten  Frau,  drei 
bei  Appendizitiskranken,  welche  im  akuten  Anfall  operirt  waren. 
Alle  wurden  geheilt,  drei  durch  Uebernähung,  meist  nach  Reini¬ 
gung  im  Wasserbett.  Eine  hochgelegene  Dünndarmschlinge  musste 
nach  Laparotomie  reseziert  werden.  Auch  diese  Kranke  genas. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  April  1902. 

(Schluss.) 

H  err  F.  Weindler:  Die  Therapie  des  Uteruskarzinoms. 

Von  jener  Zeit  an,  wo  unter  der  Aegide  V  i  r  c  h  o  w’s  der 
Beweis  geliefert  worden  ist,  dass 

1.  das  Karzinom  in  seinen  Anfangsstadien  eine  rein  lokale 
Neubildung  ist,  die  erst  bei  weiterem  Wachsthum  das 
Lymphgefässystem  ergreift  und  dass 

2.  durch  gründliche  Entfernung  des  primären  Erkrankungs¬ 
herdes  die  Krankheit  unter  Umständen  dauernd  geheilt 
werden  kann, 

ist  ein  rascher  und  systematischer  Entwicklungsgang  in  der 
rationellen,  radikalen  Behandlung  des  Uteruskarzinoms  unver¬ 
kennbar,  und  zwar  von  der  Amputatio  portionis  vaginalis  zur 
Amputatio  cervicis  uteri  supravag'inalis,  Exstirpatio  uteri  vagi¬ 
nalis,  Exstirpatio  uteri  sacralis,  Exstirpatio  uteri  abdominalis, 
Amputatio  corporis  uteri  abdominalis,  Operatio  radicalis  ab¬ 
dominalis. 

Wie  der  letzte  Kongress  in  Giessen  gezeigt  hat,  vollzieht  sich 
der  Fortschritt  in  der  Behandlung  des  Carcin.  uteri  in  ganz 
extremen  Richtungen :  Schröder,  Hofmeier,  Winter 
sprechen  wieder  für  die  kleinste  Operation,  die  supravaginale 
Amputation ;  Mackenrodt,  Rumpf,  Ries,  Wert  heim 
u.  a.  gehen  im  radikalen  Operieren  immer  weiter  vorwärts.  An 
den  drei  Formen  des  Uteruskarzinoms  (Portio-,  Collum-  und 


1160 


MUENCHENER  MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


( 'orpuskarzinom)  sollen  diese  neueren  Bestrebungen  näher  dar¬ 
gelegt  und  besonders  ihre  Berechtigung  kritisiert  werden. 

a)  Portio  k  arzino  m :  Kurze  Skizzierung  der  anatomi¬ 
schen  Verhältnisse  und  der  Diagnose.  Die  Therapie  anlangend 
handelt  es  sich  hier  um  die  eine  Kardinalfrage:  Genügt  für  die  auf 
die  Portio  beschränkten  Karzinome  eine  supravaginale  Amputation 
oder  soll  der  Uterus  total  entfernt  werden?  Die  grosse  Mehrzahl 
der  Gynäkologen  ist.  entsprechend  der  modernen  radikalen  Rich¬ 
tung,  zur  Totalexstirpation  und  zwar  zur  vaginalen  übergegangen. 
Ist  denn  aber  nicht  gerade  durch  neueste  Arbeiten  die  Berech¬ 
tigung  der  partiellen  Methode  bei  beginnendem  Portiokarzinom  so¬ 
wohl  anatomisch  wie  klinisch  erwiesen  worden  ?  Anatomisch 
durch  Puppel  und  FranquÄ,  welche  zeigen,  dass  sich  bei  be¬ 
ginnendem  Portiokarzinom  keine  Herde  in  höheren  Partien  der 
Cervix  oder  im  Uteruskörper  vorfinden,  und  klinisch  durch 
Schröder,  welcher  zuerst  die  supravaginale  Amputation  ge¬ 
macht  hat.  Die  Schüler  Schröders  haben  gezeigt,  dass 
27,0  I’roz.  aller  Fälle  nach  5  Jahren  vollständig  rezidivfrei  blieben. 
Bei  genauerem  Zusehen  reduziert  sich  jedoch  die  Berechtigung  der 
Vornahme  der  partiellen  Operation  auf  eine  äusserst  beschränkte 
Anzahl  von  Fällen.  Denn,  wie  selten  kommt  dem  Arzt  die  ganz 
beginnende  Form  des  Portiokarzinoms,  so  wie  es  Puppel  und 
Franquö  meinen,  unter  die  Hände!  Frommei  findet  unter 
100  Krebsoperationen  kaum  einen  Fall,  welcher  sich  für  die  par¬ 
tielle  Operation  geeignet  hätte.  Weiterhin  sind  die  Untersuchungen 
von  Mackenrodt,  S  e  e  1  i  g.  L  e  o  p  o  1  d  von  massgebender  Be¬ 
deutung,  welche  nachgewiesen  haben,  dass  selbst  bei  beginnendem 
Portiokarzinom  Vorpostenketten  weit  vom  Primärherd  abliegen 
können,  d.  h.  feinste  Karzinom  strahlen  auf  dem  Wege  der  Lymph- 
bahn  bis  in  das  Corpus  uteri  oder  tief  in  die  Parametrien  hinein 
vorgedrungen  sind.  Einen  weiteren  Beleg  für  die  Unzulänglich¬ 
keit  der  partiellen  Operation  liefern  jene  von  Zweifel, 
P  f  a  n  n  e  n  s  t  i  e  1,  Rüge,  S  t  r  a  t  z  und  Abel  beschriebenen 
Fälle  von  sogen.  Doppelkarzinom,  d.  li.  isolierte,  unabhängig  von¬ 
einander  bestehende  Herde  des  unteren  und  oberen  Uterus- 
abschnittes.  Pfannenstiel  (..Heilerfolge  bei  Karzinom  des 
Uterus“)  hat  Recht,  wenn  er  behauptet,  dass  die  Entfernung  des 
ganzen  Uterus  gerade  in  denjenigen  Fällen,  die  sich  für  die  Teil¬ 
operation  eignen  sollen,  ein  ganz  ungefährlicher  Eingriff  ist,  wel¬ 
cher  kaum  eine  höhere  Mortalitätsziffer  haben  dürfte  als  die  Teil¬ 
operation.  Sollte  es  da  nicht  unsere  Pflicht  sein,  eher  des  Guten 
zu  viel  zu  tun,  als  zu  wenig?  Als  Ausnahme  oder  Notoperation 
(bei  Vitium  eordis,  Nephritis,  grössere  Adnextumoren,  frische  Ex¬ 
sudate)  wird  die  partielle  Methode  nie  von  der  Bildfläche  ver¬ 
schwinden,  jedoch  wegen  der  Seltenheit  dieser  Operation  verliert 
sie  ihre  praktische  Bedeutung.  Die  totale  Entfernung  des  Uterus 
bleibt  im  Allgemeinen  der  sichere  Weg.  ein  Portiokarzinom  zu 
heilen. 

b)  Kollumkarzinom:  Zunächst  kurze  anatomische  und 
diagnostische  Mittheilungen.  Von  einer  partiellen  Methode  kann 
bei  diesen  Formen  keine  Rede  sein.  Die  Totalexstirpation,  per 
vaginam  oder  laparotomiam.  ist  hier  das  allein  in  Betracht 
kommende  Verfahren.  Die  Frage,  ob  wir  den  karzinomatösrm 
Uterus  von  der  Bauchhöhle  oder  von  der  Scheide  entfernen  sollen, 
ist  seit  dem  Jahre  1878.  wo  Freund  die  abdominelle  und 
C  z  e  r  n  y  die  vaginale  Methode  in  die  Praxis  eingeführt  haben,  in 
ganz  wechselnder  Weise  besprochen  werden.  Als  oberster  Grund¬ 
satz  hat  zu  gelten,  dass  überall  da,  wo  das  Karzinom  unzweifel¬ 
haft  die  Grenzen  des  Uterus  und  der  Vagina  überschritten  hat, 
die  Parametrien  bereits  deutlich  infiltriert  erscheinen,  die  Aussicht 
auf  radikale  Heilung  bei  jeder  der  beiden  Methoden  eine  sehr  ge¬ 
ringe  ist.  Die  abdominelle  Methode  in  ihrer  neuesten  Form  (z.  B. 
die  Versuche  von  Werthei  m,  IM  a  c  k  e  n  r  o  d  t)  soll  den  karzi- 
nomatösen  Uterus  im  Gesunden  entfernen,  d.  h.  im  Zusammenhang 
mit  dem  infizierten  umgebenden  Beckenbindegewebe  und  Drüsen, 
um  das  Auftreten  von  Rezidiven  auszuschliessen.  Ein  Ausräumen 
der  Lymphdrüsen  im  Becken  ist  bei  ihrer  grossen  Anzahl  fast  un¬ 
möglich.  Zudem  weist  die  abdominelle  Operationsweise,  im  Gegen¬ 
satz  zu  der  vaginalen  Exstirpation,  eine  unverhältnissmässig  hohe 
primäre  Mortalität  auf  (3  bis  4  mehr  als  die  'vaginale  Methode). 
W  e  r  t  li  e  i  m  hat  38,9  Proz.  Anfangsmortalität.  Und  dabei  die 
enorme  Zahl  von  Nebenverletzungen  an  Blase  und  Ureteren!  Zu 
bedenken  ist  weiterhin,  dass  wir  bis  jetzt  bezüglich  der  Dauer¬ 
erfolge  noch  keine  Sicherheit  haben.  So  lange  wir  nicht  durch  auf¬ 
fallend*'  Verbesserungen  der  Enderfolge  für  den  Wert  der  abdomi¬ 
nellen  Methode  sichere  Beweise  haben,  wird  für  die  auf  den  Uterus 
beschränkten  Karzinome  die  vaginale  Totalexstirpation  vorgezogen 
werden.  Auch  nicht  in  der  Erweiterung  unserer  Op.'rationsweisien 
und  in  dem  Radikalismus  einiger  weniger  Operateure  dürfte  das 
Heil  für  <li*'  Zukunft  liegen,  sondern  in  dem  frühzeitigen  Operiren. 
Es  müssen  Mittel  und  Wege  gefunden  werden,  um  so  früh  wie 
möglich  das  Karzinom  unter  unsere  Hände  zu  bekommen. 

c)  Korpuskarzinom:  Kurze  anatomische  und  dia¬ 
gnostische  Angaben.  Die  vaginale  Totalexstirpation  gibt  gerade 
für  die  Korpuskarzinome  die  beste  Prognose  (Rezidivfreiheit  nach 
3 jähriger  Beobachtungszeit  100  Proz.:  nach  5 jähriger  Beobach¬ 
tungszeit  00.7  Proz.).  Die  abdominelle  Hysterektomie  soll  bei  ab¬ 
soluter  Iudikation  ausgeführt  werden,  d.  h.  bei  Unmöglichkeit 
vaginaler  Durchführung,  z.  B.  Karzinom  und  grossen  Myomen  oder 


Ovarialkystomen.  Ist  die  karzinomatöse  Infiltration  schon  so  weit 
ins  Beckenbindegewebe  vorgedrungen,  dass  die  vaginale  Methode 
nicht  mehr  ausführbar  ist.  dann  ist  von  einer  Radikalheilung 
überhaupt  nichts  mehr  zu  erhoffen,  und  daher  auch  die  abdominelle 
Methode  aussichtslos.  Hier  tritt  die  palliative  Behandlung  in  ihre 
Rechte,  die  sehr  gute  Resultate  aufzuweisen  hat  und  für  welche 
00  Proz.  unheilbarer  Fälle  übrig  bleibt.  Wenn  auch  die  grosse  Zahl 
der  konservativen  Behandlungsweisen  unsere  Ohnmacht  dieser  Er¬ 
krankung  gegenüber  kundtut,  so  haben  wir  hier  ein  dankbares 
Feld  unserer  praktischen  Tätigkeit.  Die  lästigen  Symptome  *1*".' 
Blutung  und  Jauchung  werden  am  ehesten  in  Schranken  gehalten 
durch  gründliche  Auskratzung  und  Verschorfung  mit  dem  Paquelin 
in  Narkose  und  weiterer  Nachbehandlung  mit  konzentrierter  Säure. 

Diskussion:  Herr  Leopold  glaubt  aus  den  Aus¬ 
führungen  des  Herrn  Vortragenden  den  Punkt  nochmals  hervor¬ 
heben  zu  müssen,  dass  der  Wunsch  in  der  gynäkologischen  Aerzte- 
welt  immer  allgemeiner  und  drängender  werde,  die  Karzinom¬ 
kranken  so  früh  wie  irgend  möglich  der  ärztlichen  Hilfe  zu¬ 
zuführen.  50 — 00  Proz.  der  von  ihm  selbst  früh  Operirten  hat  er 
bis  5  Jahre  rezidivfrei  gesehen,  in  seltenen  Fällen  habe  er  aller¬ 
dings  noch  G — 7  Jahre  nach  der  Operation  ein  Rezidiv  eintreten 
sehen,  aber  schon  diese  Zahlen  beweisen  die  ausserordentliche  Be¬ 
deutung  der  Frühdiagnose  und  Frühoperation. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  19.  F  ebruar  1902. 

Vorsitzender :  Herr  C.  F  r  a  e  n  k  e  1. 

Herr  Sobernheim:  Ueber  ein  neues  Verfahren  der 
Schutzimpfung  gegen  Milzbrand. 

Mit  Unterstützung  des  Iv.  Preuss.  Landwirtschaftsministe- 
riums  und  der  Landwirtschaftskammer  für  die  Provinz  Sachsen 
hat  der  Vortragende  im  Laufe  der  letzten  2  Jahre  die  Wirk¬ 
samkeit  des  Milzbrands erums  sowohl  im  Laboratoriums¬ 
versuch,  wie  unter  praktischen  Verhältnissen  einer  eingehenden 
Prüfung  unterworfen  und  dabei  überaus  günstige  Ergebnisse 
gewonnen.  Das  Serum  wurde  teils  für  sich  allein  zu  rein 
passiver  Immunisierun  g  benutzt,  teils  in  der  bereits  bei 
früherer  Gelegenheit  (Berl.  klin.  Wochensohr.,  1899,  No.  13  und 
Zeitsehr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankh.,  Bd.  31,  p.  89)  be¬ 
schriebenen  Form  der  kombinierten  Anwendung 
gleichzeitig  mit  gewissen  Mengen  einer  leicht  abgeschwächten 
Milzbrandkultur  injiziert.  Das  Serum  wurde  von  Pferden,  Rin¬ 
dern  und  Schafen  gewonnen. 

Es  zeigte  sich,  dass  geringe  Serummengen  (10  cm)  schon 
ausreichten,  um  Schafe  und  Rinder  gegen  die  Infektion  mit 
hochvirulenten  Milzbrandbakterien  (Kultur  oder  Blut)  sicher  zu 
schützen.  Durch  einen  Versuch  an  Schafen  konnte  weiterhin 
festgestellt  werden,  dass  die  vorbehandelten  Tiere  nicht  nur  gegen 
Impfmilzbrand,  sondern  in  gleicher  Weise  auch  gegen  die  Ver- 
fütterung  von  Milzbrandsporen  Immunität  erworben  hatten. 
Auch  eine  gewisse  Heilkraft  schien  dem  Serum  zuzukommen, 
indem  es  gelang,  bereits  infizierte  Tiere  (Schafe)  nachträglich 
durch  Seruminjektion  zu  retten  bezw.  deren  Tod  sehr  erheblich 
zu  verzögern. 

Praktische  Erf  ahrunge  n  wurden  in  grösserem 
Umfange,  namentlich  in  der  Provinz  Pommern,  gesammelt.  Die 
Zahl  der  ausgeführten  Impfungen  betrug  ca.  2700.  Die 
Impfungen  wurden  ausschliesslich  an  Rindern  vorgenommen. 
Anfänglich  wurde  die  reine  Serumimmunisierung,  später  nur 
noch  die  kombinierte  Form  angewendet.  Impf  Verluste  waren 
niemals  zu  verzeichnen,  sämtliche  Tiere  vertrugen  den  Eingriff 
ohne  nennenswerte  örtliche  oder  allgemeine  Erscheinungen. 

Der  Erfolg  war  durchweg  ein  äusserst  günstiger.  Ueberall 
dort,  wo  der  Milzbrand  schon  längere  Zeit 
herrschte  oder  plötzlich  ausgebrochen  war, 
konnte  er  durch  die  Impfung  sofort  zum  Still¬ 
stand  gebracht  werden.  Auch  erkrankte  Tiere  gelang 
es  durch  Injektion  grösserer  Serummengen  vom  Tode  zu  retten. 
Der  Impfschutz  erwies  sich  als  beständig  und  hielt  während  der 
Dauer  der  bisherigen  Beobachtungszeit,  9  Monate,  an. 

Das  Milzbrandserum,  und  zwar  besonders  in  der  Form  der 
kombinierten  Anwendung  von  Serum  und  Kultur,  dii rfte  somit 
wohl  als  Schutzimpfungsmethode  zur  Bekämpfung  des  Milz¬ 
brandes  ernsthafte  Berücksichtigrung  beanspruchen. 

Besprech  u  n  g:  Herr  F  r  aenkel  bemerkt,  dass  das  vom 
Vortragenden  beschriebene  Verfahren  ohne  Zweifel  grosse  prak¬ 
tische  Bedeutung  besitze  und  wegen  seiner  Vorzüge  vor  der 


8.  Juli  1902. 


MIT  EN  CHEN  KR  M  EDICINTSCHE  WOCHENSCHlil  FT. 


11 01 


I'astour  sclien  Methode  die  letztere  voraussichtlich  verdrängen 
werde.  Aber  auch  in  theoretischer  Beziehung  sei  die  neue 
Art  der  Schutzimpfung  von  hohem  Interesse,,  da  es  sich  im  (legen¬ 
salz  zu  denjenigen  Affektionen,  bei  denen  die  Anwendung  des 
Serums  bisher  von  Erfolg  gekrönt  und  welche  toxischer  Natur 
seien,  hier  um  ein  Leiden  handle,  das  gerade  umgekehrt  als  Para¬ 
digma.  eines  septikämisclien  und  infektiösen  Uebels  an¬ 
zusehen  sei. 

In  diesem  Zusammenhänge  möchte  F.  an  den  Vortragenden 
die  Frage  richten,  wie  er  sich  in  letzter  Linie  die  Wirkung 
seines  Serums  vorstelle.  Lege  er  demselben  antitoxisohe 
oder  bakterizide  Eigenschaften  bei?  Die  Antwort  sei  frei¬ 
lich  wohl  eine  schwierige,  da  wir  ja  trotz  aller  einschlägigen  Ver¬ 
suche  bisher  etwas  Genaueres  über  die  Gifte  der  Milzbrandbazillen 
nicht  wissen  und  sie  weder  den  Toxalbuminen,  den  Erzeugern  der 
Antitoxine,  noch  den  Proteinen,  den  Erzeugern  der  bakteriziden 
Stoffe,  zuweisen  können.  Vielleicht  aber  habe  der  Vortragende 
wenigstens  festgestellt,  w  a  s  de  n  n  nun  eigen  tlic  li  a  u  s 
den  Bazille  n  w  e  r  d  e,  die  in  den  Körper  der  immunisierten 
Tiere  gelangen. 

Herr  So  b  er  n  hei  m  erwidert,  dass  sich  nach  seinen  Be¬ 
obachtungen  in  der  Tat  eine  ganz  bestimmte  Auskunft  über  diese 
Punkte  nicht  geben  lasse;  da  ein  speziüsclies  Milzbrandgift  bisher 
unbekannt,  könne  man  auch  über  antitoxische  Wirkungen 
nichts  aussagen.  Andererseits  seien  antibakterielle  Ein- 
liiisse  (Agglutination,  Bakteriolyse  etc.)  spezifischer  Art  ebenso¬ 
wenig  nachweisbar;  trotzdem  glaube  er  im  wesentlichen  an  einen 
b  a  k  t  e  r  i  z  i  d  e  n  Einfluss  seines  Serums.  Treffe  das  zu.  so  er¬ 
gebe  sich  die' interessante  Folgerung,  dass  hier,  ähnlich  wie  wohl 
bei  der  Rinderpest,  ein  bakterizides  Serum  auch  heilend  wirke. 

Herr  E  b  o  r  t  h  möchte  erfahren,  ob  die  Bazillen  durch  Serum 
nicht  vielleicht  nur  in  eine  Art  Scheintod  versetzt  werden  und 
nachher  wieder  aufleben. 

Herr  Sobernheim  spricht  sich  dahin  aus,  dass  die  Bazillen 
durch  das  Serum  zwar  zuerst  vielleicht  nur  in  ihrer  Vermehrung 
gehindert,  dann  aber  von  den  bakteriziden  Körpersäften  wie  be¬ 
liebige  Saprophyten  vernichtet  werden. 

Herr  Eberth  bittet  um  Auskunft,  ob  denn  die  Bazillen  im 
Körper  des  immunisierten  Tieres  Veränderungen  ihrer  Gestalt  er¬ 
fahren. 

Herr  Sobernheim  erwidert,  dass  das  in  der  Tat  der  Fall; 
die  Stäbchen  quellen  auf  und  werden  aufgefasert,  doch  handle  es 
sich  dabei  kaum  um  eine  spezifische  Wirkung  des  Milzbrand¬ 
serums.  Die  gleiche  Erscheinung  könne  man  unter  Umständen 
auch  unter  dem  Einfluss  normalen  Rinder-  oder  Kaninchenserums 
im  Reagensglase  beobachten. 

Herr  Fraenkel:  Wie  denkt  sich  der  Vortragende  die  prak¬ 
tische  Anwendung  seiner  Methode?  Soll  den  Tieren  ein  Gemisch 
von  Serum  und  lebender  Kultur  oder  beides  getrennt  eingespritzt 
werden? 

Herr  Sobernheim  rät  von  der  Benutzung  eines  Ge¬ 
misches  ab,  da  ein  solches  sich  namentlich  auch  für  die  Praxis 
nicht  haltbar  hersteilen  lasse.  Es  soll  eine  getrennte  Injektion 
an  verschiedenen  Körperstellen  vorgenommen  werden. 

Herr  Fuld  wirft  die  Frage  auf,  ob  die  Bazillen  im  Reagens¬ 
glas  bei  Berührung  mit  dem  Serum  Veränderungen,  namentlich 
eine  Abschwächung  ihrer  Virulenz  erleiden. 

Herr  Sobernheim:  Ueber  diesen  Punkt  liegen  wohl  nur 
Versuche  von  französischer  Seite  vor,  die  zu  negativen  Ergebnissen 
geführt  haben. 

Herr  Fraenkel  ist  der  Meinung,  dass  es  sich  doch  em¬ 
pfehlen  würde,  dieser  Seite  der  Frage  noch  einmal  näher  zu  treten. 
Habe  der  Vortragende  genauere  Kenntnisse  über  die  Häufigkeit 
des  Milzbrandes  bei  uns  und  über  den  Umfang,  in  dem  bisher  die 
Pasteursche  Methode  in  Deutschland  angewandt  wurde? 
Seines  (F.s)  Wissens  vertreibe  das  Pasteurinstitut  in  Stuttgart 
jährlich  Impfstoff  für  etwa  40  000  Tiere. 

Herr  Sobe  r  nhei  m:  Die  statistischen  Erhebungen  über  die 
Häufigkeit  und  Verbreitung  des  Milzbrandes  sind  bei  uns  sehr  un¬ 
sicher,  da  der  Meldepflicht  nur  sehr  unvollkommen  genügt  und 
eine  Entschädigung  für  Verluste  in  den  meisten  Provinzen  nicht 
gewährt  wird,  also  der  Landwirt  kein  Interesse  an  der  Meldung 
hat.  Der  Milzbrand  sei  sicherlich  weit  mehr  verbreitet,  als  man 
auf  Grund  der  zahlenmässigen  Angaben  gewöhnlich  glaube. 

Herr  Ri  sei:  Wie  steht  es  mit  dem  Milzbrand  jetzt  auf  der 
früher  in  diesem  Zusammenhänge  viel  genannten  Domäne 
Packisch? 

Herr  Sobe  r  nhei  m:  Der  Milzbrand  ist  dort  so  gut  wie  er¬ 
loschen. 

Herr  Fraenkel:  Glaubt  der  Vortragende,  dass  die  An 
Wendung  seines  Serums  auch  für  den  M  ensche  n  in  Betracht 
komme?  Man  müsse  doch  z.  B.  daran  denken,  ob  es  sich  nicht 
empfehlen  würde,  Arbeiter  in  besonders  gefährdeten  Betrieben, 
wie  den  Pinsel-  und  Bürstenfabriken,  mit  Serum  zu  impfen,  falls 
der  so  gewonnene  Schutz  nicht  allzu  rasch  wieder  verloren  gehe. 

Herr  Sobernheim:  Sollte  das  Serum  zu  Immuni¬ 
sierungszwecke  n  Verwendung  finden,  so  müsste  man  vor¬ 
aussichtlich  die  Impfungen  in  gewissen  Zwischenräumen  wieder¬ 
holen.  Ueber  die  Heilkraft  des  Serums  sind  zahlreiche  Unter¬ 
suchungen  in  Italien  angestellt  worden.  wo  inan  Hunderte  von 


Menschen  mit  Milzbrandserum  geimpft  hat,  ohne  dass  sich  jedoch 
schon  jetzt  etwas  Bestimmtes  über  den  Erfolg  sagen  lasse.  Die 
Prognose  der  Milzbranderkrankung  an  sich  sei  eben  eine  zu  wech¬ 
selnde. 

Herr  G  r  u  n  e  r  t  fragt,  ob  für  das  Auftreten  des  Milzbrandes 
unter  dem  Vieh  die  Art  der  Fütterung,  ob  Weidegang  oder  Stall¬ 
wirtschaft,  von  Einfluss  sei. 

Herr  Sobernheim  erwidert,  dass  die  Tiere  sich  meist  auf 
der  Weide  anstecken,  dass  aber  auch  Stallepidemien  im  Winter 
gar  nicht  selten  beobachtet  werden. 

Herr  Fries  möchte  erfahren,  warum  der  Vortragende  für 
die  auf  natürlichem  Wege  erkrankten  und  mit  Serum  geheilten 
Tiere  ein  nachträglich  kombinierte  Impfung  (Serum  und  Kultur) 
empfiehlt.  Man  müsste  sich  zunächst  doch  vorstellen,  dass  die 
auf  natürlichem  Wege  erfolgte  Infektion  hier  die  Einimpfung  der 
Kultur  überflüssig  mache. 

Herr  S  oberheim  beantwortet  die  Frage  dahin,  er  müsse 
sich  nicht  deutlich  ausgedrückt  haben;  er  empfehle  diese  Nach¬ 
impfung  nur  für  solche  Fälle,  in  denen  bei  g  esunde  n,  aber 
gefährdeten  Tieren  zunächst  eine  reine  Serumimmunisierung  zu 
p  rophylak  tische  n  Zwecken  vorgenommen  worden  war. 
Die  kombinierte  Impfung  gewähre  längeren  Schutz. 

Herr  L  ö  h  1  e  i  n :  Zur  Kenntnis  der  Streptothrixpyämie. 

Der  Vortragende  berichtet  an  der  Hand  von  Präparaten  und 
Kulturen  über  einen  im  Juni  1901  im  pathologischen  Institut  zu 
Halle  zur  Beobachtung  gekommenen  Fall,  den  er  gemeinsam  mit 
Dr.  E  n  g  e  1  h  a  r  d  t  untersucht  hat.1) 

Bei  der  Sektion  des  22  jährigen  Mannes  (die  klinische  Dia¬ 
gnose  war  auf  Miliartuberkulose  gestellt  worden)  fanden  sich 
zwei  je  hühnereigrosse  Gangränhöhlen  im  Parenchym  des  rechten 
Leberlappens,  dicht  unter  der  Oberfläche  gelegen;  ferner  voll¬ 
kommene  Verwachsung  der  Pleurablätter  recliterseits,  m  u  1 1  i  p  1  e 
Abszesse  von  Erbsen-  bis  Ilaselnnssgrösse  in  den  Unterlappen 
beider  L  u  n  g  e  n,  im  H  erzfleisch,  in  der  Milz,  ganz  beson¬ 
ders  zahlreiche  Abszesse  im  Gehi  r  n. 

Im  Inhalt  der  Herde  in  der  Leber  wie  im  Eiter  der  Abszesse 
Hessen  sich  in  Ausstrich-  und  in  Schnittpräparaten  feine  homogene 
Fäden  nacliweisen,  die  sich  nach  G  ram  färbten;  die  gleichen  Ge¬ 
bilde  wurden  in  Gelassen  (besonders  reichlich  in  mittleren  und 
kleineren  Arterien  und  in  Kapillaren  des  Gehirns)  gefunden. 

Aus  einem  frisch  eröffneten  Abszess  im  Herzmuskel  gelang 
die  Züchtung  eines  Fadenpilzes,  der  morphologisch  mit  den  in 
Schnitten  gesehenen  Gebilden  übereinstimmt,  und  der  nach  seinen 
genauer  erörterten  Eigenschaften  zur  Gattung  Streptothrix  zu 
rechnen  ist. 

ln  seinem  kulturellen  Verhalten  stimmt  der  Mikroorganis¬ 
mus  fast  vollkommen  mit  dem  von  Hesse  (in  einem  Falle  von 
Aktinomykose)  beobachteten  überein;  er  ist  wie  dieser  und  die 
beim  Menschen  von  Almquist,  Scheele  und  P  e  - 
truschky,  Garten  beobachteten  zur  Gruppe  der  „Strepto¬ 
thrix  alba“  (Possi -Doria)  zu  rechnen,  deren  Mitglieder,  mehr 
oder  weniger  streng  aerob,  besser  bei  Körperwärme  als  bei 
niederen  Temperaturen  wachsen,  meist  weissgefärbte  Kolonien 
auf  festen  und  in  flüssigen  K ährböden  bilden  und  die  Fähigkeit 

besitzen,  Gelatine  langsam  zu  verflüssigen. 

Besprechung:  Herr  Schmidt-Ri  m  p  1  e  r  wünscht  zu 
erfahren,  ob  der  in  den  Konkrementen  des  Tränenkanals  wieder¬ 
holentlieh  gefundene  und  als  Kladotlirix  bezeiclinete  Pilz  botanisch 
auch  zu  den  Streptotliricheen  gehöre. 

Herr  Grunert  wirft  die  gleiche  Frage  für  den  von  Coz- 
z  o  1  i  n  o  als  Pseudoaktinomyees  beschriebenen  Filz  auf. 

Herr  L  ö  h  1  e  i  n  bejaht  erstere,  verneint  letztere  Frage.  Dem 
Cozzolino  sehen  Fadenpilz  fehlt  das  charakteristische  Merkmal 
der  echten  Vorzweigungen. 

Herr  F  raenkel  hat  zuerst  Zweifel  gehegt,  ob  der  vom  Vor¬ 
tragenden  gefundene  Pilz  wirklich  als  der  Erreger  der  betreffenden 
Affektion  anzusehen  sei,  da  er  sich  nur  auf  einem  einzigen  Röhr¬ 
chen  entwickelt  halte.  Indessen  sprächen  doch  die  Tierversuche 
und  die  sonstigen  Tatsachen  sehr  für  diese  Annahme. 

Es  könne  kaum  noch  bezweifelt  werden,  dass  die  Angehörigen 
der  Gruppe  Streptothrix  weit  häufiger  Vorkommen  und  eine  be¬ 
deutendere  Rolle  spielen,  als  man  das  früher  geglaubt.  Der  sicher»' 
Nachweis  dieser  Mikroorganismen  und  die  Identifizierung  der  ein¬ 
zelnen  Arten  stosse  nur  auf  erhebliche  Schwierigkeiten,  da  sie 
durch  eine  grosse  morphologische  und  kulturelle  Vielförmigkeit 
und  Beweglichkeit  ausgezeichnet  seien  und  auch  ihr»'  pathogenen 
Eigenschaften  starken  Schwankungen  unterliegen.  So  treten  sie 
im  mikroskopischen  Ausstriche  aus  dem  betreffenden  Gewebssalt 
u.  s.  f.  oft  als  kurze  diphtheriebazillenähnliche  Stäbchen  oder  gar 
als  Kokken  auf  und  werden  desshalb  verkannt;  bei  der  nach¬ 
folgenden  gewöhnlichen  Kultur  aber  versagen  sie  entweder  über¬ 
haupt,  weil  manche  Arten  anaerober  Natur  sind,  oder  sie  wachsen 

so  langsam,  dass  sie  überwuchert  werden  und  also  ebenfalls  der 

_  H  *|1  q- 

J)  Engelha  r  d  t  und  L  ö  h  1  e  i  n  werden  an  anderer  Stelle 
ausführliche  Mitteilungen  über  ihre  Untersuchungen  machen. 


11  (»2 


No.  27. 


Al  I T  EN( 1 1 1  EN  ER  M  E  Df  Ol  N  ISO!  I E  WOOHENS(  T  I  RI  FT. 


Feststellung  entgehen.  Auch  sei,  wie  schon  angedeutet,  dieselbe 
Art  oft  bald  virulent,  bald  unschädlich,  bald  mehr  nach  der 
aeroben,  bald  nach  der  anaeroben  Seite  veranlagt.  Man  müsse 
wohl  die  Methodik  ändern,  um  hier  häufiger  zum  Ziele  zu  kommen, 
die  anaeroben  Verfahren,  saure  Nährböden  benutzen  u.  s.  w. 

Herr  Eberth  hebt  hervor,  dass  der  Vortragende  hier  nach 
dem  pathologischen  Befunde  mit  Recht  von  einer  Streptothrix- 
pyä  m  io  gesprochen  habe.  Auffällig  sei  es,  dass  diese  Affektion 
trotz  der  Häufigkeit  und  weiten  Verbreitung  der  Streptotricheen 
so  selten  auftrete.  Er  wünscht  genaue  Auskunft  über  das  Er¬ 
gebnis  der  Tierversuche  zu  erhalten. 

Herr  Eöli  lein  erwidert,  dass  die  Tierversuche  noch  nicht 
ganz  abgeschlossen  und  eindeutig  seien.  Eine  pathogene  Wirkung 
für  Kaninchen  sei  ohne  Frage  vorhanden,  aber  ein  sicherer  Auf¬ 
schluss  müsse  noch  von  dem  Ausfall  einiger  weiterer  Experimente 
erwartet  werden. 


Biologische  Abtheilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Mai  1902. 

Vorsitzender :  Herr  N  o  c  li  t. 

Schriftführer:  Herr  0«t  t  o. 

Herr  Roosen-Eunge  demonstriert  ein  Präparat  von 
Blasentuberkulose,  ausgehend  von  linksseitiger  Nieren-  und 
Uretertuberkulose;  dasselbe  wurde  gewonnen  bei  der  Sektion  eines 
12  jährigen  Mädchens,  das  im  St.  Georger  Krankenhaus  an  tuber¬ 
kulöser  Meningitis  zu  Grunde  ging.  Das  Präparat  ist  interessant, 
weil  Blasentuberkulose  beim  weiblichen  Geschlecht,  zumal  bei 
Kindern,  zu  den  Seltenheiten  gehört,  dann  aber,  weil  in  diesem 
Falle  die  sekundäre  Natur  der  Blasentuberkulose  deutlich  zu  Tage 
tritt.  Die  Nieren-  und  Ureteraffektion  und  eine  tiefe,  schmierig 
belegte  TTlzeration  an  der  Mündung  des  Ureters  sind  unzweifelhaft 
älter  als  die  flachen,  frischen  Epitheldefekte  der  Blasenschleim¬ 
haut.  Die  rechte  Niere  war  frei,  deshalb  wäre  in  diesem  Falle,  da 
sich  sonst  ausser  der  Meningitis  von  Tuberkulose  im  Körper  nichts 
fand,  durch  rechtzeitige  Exstirpation  des  kranken  Organs  eine 
dauernde  Heilung  möglich  gewesen. 

Herr  Wiesinger  demonstriert  ein  grosses  Myom  (17  Pfd. 
schwer),  welches,  vom  Fundus  uteri  ausgehend,  mit  dem  Uterus 
und  Adnexen  in  toto  entfernt  worden  ist.  Bei  der  Laparotomie 
zeigte  sich  der  Leib  mit  etwa  2  Litern  flüssigen,  dunklen  Blutes  er¬ 
füllt.  Die  Eierstöcke,  besonders  der  linke,  stark  hämorrhagisch 
infarciert,  ebenso  die  Tuben  und  die  Uterussubstanz.  Die  Tuben 
und  die  Schleimhaut  des  Uterus  sind  mit  geronnenem  Blute  belegt. 
Es  muss  daher  eine  ganz  bedeutende  Behinderung  des  venösen 
Rückflusses  bestanden  haben,  mag  diese  nun  durch  eine  Knickung 
durch  die  darüber  lastende  Geschwulst  oder  durch  eine  leichte 
Torsion  hervorgerufen  worden  sein.  Eine  Störung  des  arteriellen 
Blutzuflusses  wie  bei  Strangulation  bestand  jedenfalls  nicht. 

Das  Präparat  stammt  von  einer  40  jährigen  Frau,  die  seit 
Jahren  bei  normaler  Menstruation  einen  sehr  starken  Leib  gehabt 
hatte.  Einige  Tage  vor  der  Operation  hatte  sie  Schmerzen  im 
Leibe  bekommen,  war  schwach,  elend  und  sehr  kurzluftig  ge¬ 
worden.  Puls  frequent,  Aussehen  etwa  wie  bei  geplatzter  Extra¬ 
uterinschwangerschaft.  Der  Verlauf  nach  der  Operation  war,  ab¬ 
gesehen  von  anfänglichen  Kollapszuständen  und  beginnendem 
Lungenödem,  ein  ganz  normaler. 

Herr  L  u  c  e  beendet  seinen  Vortrag :  Zur  Klinik  und  patho¬ 
logischen  Anatomie  des  Adams-Stokes  sehen  Symptomen- 
komplexes.  (Der  Vortrag  wird  ausführlich  anderweitig  ver¬ 
öffentlicht.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  13.  J  a  n  u  a  r  1902. 

Vo  rsitzender:  Herr  Hochhaus.  Scliriftf. :  Herr  Schulte. 

Herr  Pincus:  lieber  Catarrhus  vernalis  conjunctivae. 

P.  demonstriert  einen  Fall  von  Cat  a  r  r  hus  vernali  s, 
sowie  einen  Fall  von  Trachom.  Ersterer  sieht  einem  Trachom 
ausserordentlich  ähnlich,  jedoch  lassen  bei  genauerer  Betrachtung 
die  konsistenten,  gröberen,  schollenartigen  Wucherungen,  welche 
die  ganze  Bindehaut  des  oberen  Lides,  namentlich  die  des  Tarsus 
bedecken  und  sich  in  typischer  Weise  pflasterartig  aneinander 
legen,  den  Fall  als  Catarrhus  vernalis  erkennen.  Dazu  kommt  die 
bekannte  Beschaffenheit  des  Epithels,  welche  die  ganze  Bindehaut 
der  Lider,  auch  an  den  nicht  von  den  Wucherungen  betroffenen 
Stellen,  wie  mit  Milch  übergossen  erscheinen  lässt,  sowie  die 
Anamnese,  welche  in  der  bekannten  Weise  den  Beginn  der  Be¬ 
schwerden  im  Frühjahr,  ihr  Anschwellen  mit  zunehmender  Tem¬ 
peratur  und  ihr  völliges  Verschwinden  mit  Eintreten  der  kalten 
Jahreszeit  ergibt.  Die  Conjunctiva  bulbi  und  die  Hornhaut  sind 
bisher  frei  geblieben.  Zum  Vergleich  demonstriert  P.  einen  Fall 
von  Trachom  mit  ungewöhnlich  stark  entwickelten,  grossen, 
sulzigen  Einlagerungen  ohne  jede  Reizung  und  ohne  Affektion 


der  Hornhaut.  Beide  Fälle  betreffen  Kinder,  der  erstere  einen 
10  jährigen  Knaben,  der  zweite  ein  8  jähriges  Mädchen,  in  dessen 
Familie  übrigens  auch  sonst  Trachom  vorkommt.  Beide  wurden 
bei  Gelegenheit  einer  Schuluntersuchung  in  derselben  Schule  auf¬ 
gefunden.  Der  Vortragende  geht  mit  einigen  Worten  auf  seine 
im  Verlaufe  mehrerer  Jahre  bei  d  e  u  Schulunter¬ 
suchungen  gemachten  Erfahrungen  ein.  Er  hat 
hierbei  eine  merkbare  Abnahme  der  Trachomzahlen  konstatiert, 
die  er  jedoch  bei  vorurteilsfreier  Betrachtung  einfach  darauf  zu¬ 
rückführt,  dass  er  mit  zunehmender  Erfahrung  in  der  Diagnose: 
Trachom  immer  zurückhaltender  geworden  ist;  mancher  darauf 
verdächtige  Fall  erwies  sich  bei  der  Untersuchung  im  nächsten 
Jahre  als  geheilt,  ohne  dass  irgend  welche  Behandlung  stattgefun¬ 
den  hatte,  war  also  nur  ein  harmloser  Follikularkatarrli  gewesen. 
Wirkliche  Trachome  sind  in  den  Kölner  Schulen  (wenigstens  in 
den  von  dem  Vortragenden  untersuchten)  ausserordentlich  selten; 
in  den  meisten  fand  er  gar  keinen,  in  den  anderen  auch  nur  ganz 
vereinzelte  Fälle. 

Sitzung  vom  24.  Februa  r  1902. 

Vorsitzender :  Herr  II  o  c  h  h  a  u  s.  Schriftf. :  Herr  Schult  e. 

Herr  Frank:  Ueber  Gynatresien. 

Einleitend  erinnert  F  r  a  n  k  an  den  80.  Geburtstag  v.  K  u  s  s- 
m  a  u  1  s  und  freut  sich,  über  ein  Thema  sprechen  zu  dürfen, 
bei  dessen  Bearbeitung  gerade  Kussmaul  Bahnbrechendes  ge¬ 
leistet  hat,  da  er  der  Erste  war,  welcher  die  Gynatresien  als 
Hemmungsbildungen  in  einem  bestimmten  embryonalen  Stadium 
auffasste,  während  man  früher  nur  den  anatomischen  Stand¬ 
punkt  berücksichtigte.  Frank  hebt  dann  besonders  die  Ver¬ 
dienste  von  L  e  T  o  r  t,  Fürst,  Förster,  Rokitans  k  y 
hervor. 

Um  das  anatomisch-physiologische  Verhältnis  klar  zu 
machen,  gibt  F  rank  an  der  Hand  von  Tafeln  einen  kurzen 
Ueberblick  über  die  embryonale  Entwicklung  des  uropoetischen 
Systems,  indem  er  sich  dabei  besonders  an  die  Arbeiten  von 
N  a  g  e  1  anlehnt. 

Von  den  Hemmungsbildungen  interessieren  ihn  heute  nur  die¬ 
jenigen,  welche  für  den  praktischen  Arzt  eine  Bedeutung  haben, 
nämlich  diejenigen,  bei  welchen  es  über  dem  Verschluss 
zu  einer  Blutausscheidung  kommt  und  welche  beseitigt  werden 
müssen.  Bei  Unterleibsbeschwerden  zur  Zeit  der  Pubertät  soll 
man  immer  an  Verseldiessungen  denken,  weil  es  darauf  an¬ 
kommt,  dass  der  Fehler  so  früh  wie  möglich  entdeckt  wird.  Wird 
der  Fehler  übersehen,  so  sind  die  Folgen  unberechenbar  (Ilämato- 
metra,  Hämatosalpinx,  peritoneale  Verwachsungen,  Beratung, 
Verjauchung,  tödliche  Peritonitis). 

Aber  auch  nach  Erkennen  einer  Gynatresie  ist  bei  Aus¬ 
führung  der  Operation  die  grösste  Vorsicht  geboten.  In  vielen 
Fällen  werden  die  Tubensäcke  übersehen,  welche  dann  nach  Er¬ 
öffnen  des  Verschlusses  platzen  oder  verjauchen. 

Hie  erste  Frage  bei  einer  Gynatresie  soll  sein:  Sind  Tuben¬ 
säcke  vorhanden?  Sind  dieselben  da,  so  muss  sich  die  operative 
Therapie  zunächst  auf  diese  richten,  und  der  Weg,  welchen 
Kehrer  zuerst  angegeben,  eingeschlagen  werden,  nämlich  per 
Laparotomie  den  Sack  zu  entfernen;  dabei  sofort  zu  kastrieren, 
sucht  F  r  a  n  k  zu  vermeiden.  Sein  Streben  ist,  die  sichtbare  Men¬ 
struation  in  Gang  zu  bringen,  Eierstocksgewebe  zu  erhalten 
und  die  Verbindung  des  Cavum  uteri  mit  der  normalen  oder 
künstlich  angelegten  Scheide  herzustellen. 

Ist  es  unmöglich,  bei  Fehlen  der  Scheide  eine  neue  Scheide 
zu  bilden,  so  empfiehlt  es  sich,  den  Uteruskanal  in  den  Mast¬ 
darm,  die  Blase,  oder  durch  die  Bauchdecken  nach  Aussen  zu 
leiten. 

Man  hat  versucht,  von  unten  die  Scheide  zu  bilden.  Ist  der 
Versuch  fehlgeschlagen,  so  hat  man  kastriert,  die  Tuben  ent¬ 
fernt  und  den  Hämatometrasack  an  die  Bauchwand  angenäht 
und  eröffnet.  Frank  hat  durch  kombinierte  Art,  teils  von 
oben,  teils  von  unten  eine  Scheide  hergestellt. 

Der  Fall  war  kurz  folgender: 

24  jährige  Dame.  Vom  13.  Jahre  an  bekam  sie  Beschwerden 
von  Seiten  der  Uuterleibsorgane  und  war  in  den  Händen  ver 
scliiedeuer  Aerzte.  Erst  im  19.  Jahre  wird  ein  Frauenarzt  kon¬ 
sultiert.  welcher  Fehlen  der  Scheide  und  der  inneren  Genitalien 
konstatiert. 

Bei  der  Untersuchung  fehlte  die  Scheide  vollständig.  Die 
ganze  Unterbauchgegend  auf  Druck  schmerzhaft,  auf  der  inneren 
Seite  des  linken  Darmbeins  ein  faustgrosser  ovaler  Tumor. 


8.  Juli  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCRE  WOCHENSCHRIFT 


1163 


Bei  der  Operation  zeigte  sich  die  Diagnose  bestätigt.  Links¬ 
seitige  Hämatosalpinx  und  dabei  eine  Hämatometra  des  linken 
Uterushornes  von  ca.  Gänseeigrösse. 

Die  Hämatosalpinx  wird  in  der  Sitzung  demonstriert.  Der¬ 
selbe  ist  deshalb  von  besonderem  Interesse,  als  das  Ostiurn 
nterinum  vollständig  verschlossen.  liier  besteht  ein  bindegewebi¬ 
ger  Strang.  Auch  bei  sorgfältigster  mikroskopischer  Unter¬ 
suchung  nichts  von  Epithelien  zu  entdecken.  Es  handelte  sich  um 
einen  angeborenen  Verschluss  der  Tube  und  in  diesem  Falle 
konnte  die  Entstehung  der  Hämatosalpinx  durch  Reflux  vom 
Uterus  her  nicht  erklärt  werden.  Eine  Vagina  wurde  gebildet, 
indem  von  aussen  zwischen  Blase  und  Rektum,  so  weit  wie  mög¬ 
lich  vorgedrungen  war;  der  obere  Tlieil  der  Scheide  wurde  gebildet, 
indem  von  der  Bauchhöhle  aus  zwischen  Blase  und  Hämatometra 
dein  von  unten  hergestellten  Teil  der  Scheide  entgegengearbeitet 
wurde.  Die  Schleimhaut  der  Scheide  wurde  aus  Vorhofsselileiin- 
haut  gebildet. 

Anschliessend  an  diesen  Fall  verbreitet  sich  F  rank  über 
die  Beteiligung  der  Tubenschleimhaut  bei  den  Perioden.  Er 
gehört  zu  denjenigen,  welche  eine  Blutausscheidung  auf  der 
Tubenschleimhaut  bei  der  Periode  für  wahrscheinlich  halten. 

Er  führt  zum  Belege  für  seine  Ansicht  zwei  Fälle  an,  bei 
welchen  die  gesunde  Tube  nach  der  Laparotomie  in  die  Bauch¬ 
wunde  einheilte  und  es  zu  einer  Bauchdeckentubenfistel  kam. 
Bei  der  Periode  kam  es  jedesmal  zu  einer  Blutausscheidung  aus 
der  Fistel,  welche  während  der  ganzen  Periode  anhielt. 

Herr  Frank  demonstriert  am  Schlüsse  seines  Vortrages  zwei 
interessante  Präparate.  Das  eine  stellt  eine  ausgetragene  Gravidi¬ 
tät  in  einem  rudimentären  Nebenhorne  des  Uterus  dar,  das  andere 
einen  Uterus  didelphys  bei  einem  neugeborenen  Kinde. 

Herr  G  o  1  d  b  e  r  g :  Cystoskopische  Erfahrungen.  (Der 
Vortrag  erscheint  unter  den  Originalien  dieser  Wochenschrift.) 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  Mai  1902. 

V orsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Hahn  demonstriert: 

a)  Einen  5  jährigen  Knaben,  bei  dem  wegen  Lupus  eines 
Fingers  ein  Krausescher  Lappen  auf  den  Defekt,  der  über 
2  Gelenke  hinweggeht,  gesetzt  wurde.  Tadellose  Funktion  des 
Fingers.  Eine  zweite  Lupusstelle  an  der  Regio  temporalis  wurde 
nach  Exzision  durch  Naht  versorgt.  Demonstration  der  hierzu¬ 
gehörigen  anatomischen  und  mikroskopischen  Präparate. 

b)  Einige  Präparate  maligner  Geschwülste,  darunter  ein  von 
der  linken  Ohrmuschel  ausgehendes  Karzinom  des  Schädels,  das 
in  das  Felsenbein  perforiert  ist  (Fazialislähmung)  und  sich  nach 
dem  Scheitel-  und  Hinterhauptsbein  in  der  Grosse  eines  Hand¬ 
tellers  erstreckte.  Exzision  des  ulzerirten  Tumors,  Trepanation 
des  Proc.  mastoideus  und  Felsenbeins  und  des  anliegenden  Schädel¬ 
daches.  Pat,  70  jährig,  starb  nach  11  Tagen  an  Entkräftung. 

c)  Photographische  Aufnahmen  von  tertiärluetischen  Unter- 
schenkeigeschwüren  mit  Sitz  in  der  Wade,  das  grösste  Gesell vs  üi 
war  handtellergross.  Die  von  anderer  Seite  auf  Tuberkulose  ge¬ 
stellte  Diagnose  widerlegte  ausser  dem  Vorhandensein  einer  alten 
Ulcusnarbe  im  Sulcus  praeputialis  der  Erfolg  der  antiluetischen 
Behandlung.  Vortragender  bespricht  die  Kennzeichen  der 
luetischen  Unterschenkelgeschwüre. 

d)  Präparate  von  Smegmolithen  bei  23  jährigem  Manne.  (Er¬ 
scheint  ausführlich.) 

Herr  Friedrich  Merkel  trägt  eine  Reihe  von  Kranken¬ 
geschichten  vor  und  demonstriert  die  zugehörigen,  durch  Operation 
gewonnenen  Präparate: 

1.  R.,  53  jährige  Dame,  seit  3  Jahren  in  der  Menopause,  Nulli- 
para,  28  Jahre  verheirathet,  früher  angeblich  nicht  krank,  litt  nur 
vor  3  Jahren  an  Störungen  der  Menses,  die  bald  schwanden; 
machte  eine  Hochzeit  (20.  IV.  02)  mit,  tanzte  auf  derselben  sehr 
viel  und  erkrankte  Tags  darauf  mit  Beschwerden  beim  Wasser¬ 
lassen,  Stuhlverhaltung,  Brechreiz,  Leibschmerzen.  Nach 
24  Stunden  gerufen,  fand  ich  die  Dame  hochfiebernd,  24.  IV . : 
38,0  bis  39,3.  Leib  auf  getrieben,  tympanitisch;  Ileocoekalgegend 
kolossal  druckempfindlich,  vom  Typhlon  einwärts  eine  länglich 
dem  aufsteigenden  Aste  des  Kolon  parallel  laufende  Dämpfung. 
Per  vaginam  und  per  rectum  nichts  Abnormes  zu  fühlen.  Line 
kombinierte  Untersuchung  war  wiegen  Fettleibigkeit  einerseits  und 
Tympanitis  mit  Schmerzhaftigkeit  andererseits  nicht  möglich. 
25.  IV.:  Morgens  39,3,  Puls  100,  Nachm.  39,6,  Puls  106,  Allgemein¬ 
befinden  und  Aussehen  entschieden  schlechter. 

Nach  Lage  der  Dinge  stellte  ich  die  Diagnose  auf  Perityphlitis 
und  riet  nach  38  stündiger  Beobachtung  zur  sofortigen  Operation. 
Dieselbe  wurde  auch  bereits  am  25.  IV.  Abends  y2 6  Uhr  vor- 
genommen.  Grosser  Flankenschnitt,  der  Dämpfung  entsprechend. 
Nach  mühsamem  Suchen  Eröffnung  des  Peritoneums;  zwischen 
Colon  ascendens  und  einer  Dünndarmschlinge,  die  verklebt  waren 
und  getrennt  wurden,  Eindringen  in  die  Tiefe.  Blosslegen  eines 
Gebildes  von  Darmdicke,  grünblauschwarz  verfärbt.  Beim  Ab¬ 


lösen  von  den  allseitig  verklebten  Darmschlingen  platzt  der  Tumor 
und  entleert  eine  kotigriechende,  jauchige,  braune  Flüssigkeit,  die 
schleunigst  auf  getupft  wird;  nach  oben  zu  lässt  sich  zunächst  ein 
kolbig  verdicktes  Ende  des  Tumors  auslösen;  nach  abwärts  prä¬ 
sentiert  sich  darauf,  völlig  unversehrt,  ein  kleiner  Wurmfortsatz 
und  hinter  diesem  geht  der  völlig  ausgelöste,  fast  18  cm  lange 
Tumor  auf  die  Uterusecke  über.  Es  hatte  sich  also  um  einen  lange 
Zeit  latent  bestehenden,  plötzlich  verjauchten  Pyosalpinx  der 
rechten  Seite  gehandelt.  Abbinden  desselben.  Mikulicztampon, 
Naht  der  oberen  Hälfte  der  Wunde.  In  den  nächsten  Tagen  all¬ 
mählich  Temperaturabfall,  zunehmende  Besserung.  Heilung  durch 
ein  prävesikales  Exsudat  verzögert. 

2.  P.,  55  Jahre  alte  III.  Para.  Bauchumfang  102  cm;  Leib  seit 
y2  Jahr  rasch  gewachsen,  rapide  allgemeine  Abmagerung,  rechts¬ 
seitige  Lungenspitzentuberkulose.  Differentialdiagnose  zwischen 
Bauchfelltuberkulose  mit  Aszites  und  Ovarialtumor  besprochen. 
Ovariotomie,  Cyste  mit  12  Liter  Inhalt  entfernt;  glatter  Verlauf. 

3.  N.,  32  Jahre  alte  HI.  Para,  seit  2  Jahren  zerrende  Schmer¬ 
zen  in  der  Blinddarmgegend;  Untersuchung  ergibt:  Rechts  orange¬ 
grosses  Ovariäldermoid  an  sehr  langem  Stiel,  um  die  Achse  ge¬ 
dreht;  links  kleinere  Cyste;  doppelseitige  Ovariotomie,  Heilung. 

4.  E.,  43  Jahre,  V.  Para,  Blutungen  seit  %  Jahren,  Unter¬ 
suchung  ergibt  sehr  grossen,  retroflektirten  Uterus,  das  kleine 
Becken  ausfüllend;  Portio  direkt  hinter  der  Symphyse  stehend; 
im  Muttermund,  der  offen  steht,  ein  kleines  Myom  zu  fühlen. 
Vaginale  Totalexstirpation  des  total  mit  Myomen  durchsetzten 
Uterus  nach  D  ö  d  e  r  1  e  i  n;  glatte  Heilung. 

5.  G.,  42  jährige  II.  Para,  blutet  seit  7  Monaten,  ist  seit 
y2  Jahre  bettlägerig.  Verdacht  auf  Myome  in  dem  erheblich  ver- 
g-rösserten  Uterus,  an  der  linken  Uteruskantenmitte  im  Para- 
metrium  geringe  Verdickung.  Nach  Umschneiden  der  Portio  und 
Herabziehen  zeigen  sich  mehrere  kleine  bis  kirschkerngrosse 
Myome.  Daher  vaginale  Totalexstirpation  mit  Morcellement. 
Glatter  Verlauf,  langsame  Erholung  (exquisites  Myomherz). 

6.  N.,  41  jährige  II.  Para,  leidet  seit  3  Jahren  an  zunehmenden 
Uterusblutungen;  Untersuchung  ergibt:  mit  Myomen  durchsetzter 
Uterus  und  linksseitiger  intraligamentärer  Ovarialtumor.  Laparo¬ 
tomie.  Entfernung  des  Ovarialtumors  nach  Entfernung  der 
Verwachsungen  mit  dem  S  romanum,  supravaginale  Amputation 
des  Uterus  und  Entfernung  einer  rechtsseitigen  wallnussgrossen 
Ovarialeyste.  Vollständige  Uebersäumung  mit  Peritoneum,  retro- 
peritoneale  Versorgung,  glatte  Heilung. 

7.  L.,  55  jährige  II.  Para,  blutet  seit  2  Jahren  in  steigendem 
Masse.  Vor  4  Jahren  war  ein  nussgrosser  Cervicalpolyp  entfernt, 
vor  2  Jahren  von  anderer  Seite  eine  Prolapsoperation  gemacht 
worden;  Untersuchung  ergab:  Uterus  mit  Myomen  durchsetzt, 
linksseitlich  bis  über  den  Nabel  reichend,  nach  unten  das  kleine 
Becken  völlig  ausfüllend,  ein  elastischer  Tumor,  Portio  nach  rechts 
seitlich  verdrängt  und  hinter  der  Symphyse  stehend.  Laparotomie: 
Es  zeigt  sich  zunächst  der  linksseitige  grosse  Tumor  aus  2  Teilen 
bestehend.  Die  oberhalb  des  Beckens  gelegene  Hälfte  ist  ein 
kindskopf  grosses,  cystisclies,  der  linken  Uteruskante  auf  sitzendes, 
intraligamentär  entwickeltes  Myom;  dasselbe  wird  enukleiert, 
Stiel  abgebunden,  dann  der  kleinfaustgrosse  myomatöse  Uterus 
supravaginal  entfernt,  zugleich  mit  dem  kleincystisclien  rechten 
Ovarium.  Schliesslich  wird  aus  dem  Douglas  das  kindskopfgrosse, 
entartete  linke  Ovarium  (Dermoid)  herausgeholt  und  entfernt. 
Iletroperitoneale  Stielversorgung.  Uebernähen  der  Ligaturstümpfe 
mit  Peritoneum;  glatte  Heilung. 

Herr  Port  berichtet  über  einen  letal  verlaufenen  Fall  von 
Sarkom  der  Leber  bei  einem  Kinde  von  6  Jahren. 

Sitzung  vom  6.  Juni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Epstein  stellt  einen  Fall  von  multipler  Neuro¬ 
fibromatose  vor. 

Herr  Neuburger  stellt  ein  Mädchen  vor,  bei  welchem 
durch  ein  traumatisch  entstandenes  Iriskolobom  (Steinwurf,  per- 
forirende  Wunde  in  der  Ciliarkörpergegend,  linsengrosser  Iris¬ 
vorfall,  Abtragung  desselben,  reizlose  Heilung  mit  querovaler 
Pupille)  hindurch  sehr  schön  die  Zonula fasern  in  situ  mit 
dem  Lupenspiegel  zu  sehen  sind.  Durch  unregelmässige 
Strahlenbrechung  am  Linsenrand  besteht  ferner  m  onoculare 
Diplopie. 

Herr  Hauenschild  spricht  über  einen  Fall  von 
urämischer  Amaurose.  (Der  Vortrag  erscheint  in  extenso.) 

Herr  Heinrich  Koch  demonstriert  das  Präparat  einer 
Hydronephrose  infolge  von  Prostatahypertroph  io. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Officielles  Protokoll.) 

Sitzung'  vom  15.  Mai  1902. 

Herr  Steinhardt  stellt  zwei  Knaben  (Brüder)  vor,  welche 
das  typische  Bild  der  Pseudohypertrophie  der  Muskeln  (Dys¬ 
trophia  musculorum  progressiva  Erb)  aufweisen. 

Der  ältere  derselben,  7y8  Jahre  alt,  hat  früher  ganz  gut  laufen 
können,  ist  auch  nie  nennenswert  krank  gewesen;  nur  bemerkten 
die  Eltern  seit  einiger  Zeit  eine  eigentkiimlieke  Aenderung  des 


1164 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  27. 


Ganges.  Aetiologiscli  lässt  sich  kein  Anhaltspunkt  finden;  ebenso 
fehlt  hereditäre  Belastung. 

An  dein  entkleideten  Knaben,  der  eine  seinem  Alter  ent¬ 
sprechende  Körpergrösse  besitzt,  fällt  vor  allem  ein  Missverhältnis 
zwischen  dem  Umfang  beider  Oberschenkel  und  Waden  einerseits 
und  der  oberen  Extremitäten  andererseits  auf:  während  bei  ersteren 
die  Muskulatur  ganz  mächtig  entwickelt  zu  sein  scheint  und  prall 
hervortritt,  wie  wenn  sie  einem  kleinen  Athleten  angehörte,  ist 
bei  letzteren,  besonders  an  den  Oberarmen  und  Schultern,  eher 
Atrophie  vorhanden,  wenn  auch  nicht  sehr  ausgeprägt;  bei  der 
Palpation  erweisen  sich  die  Waden  als  nicht  so  derb  und  hart, 
wie  man  nach  dem  ungewöhnlichen  Volumen  erwartet.  Die  Hal¬ 
tung  des  Knaben  zeigt  die  Eigentümlichkeit,  dass  der  Bauch  weit 
vorgestreckt  ist  bei  rückwärts  gebeugtem  Oberkörper  —  starke 
Lordose  der  Lendenwirbelsäule,  die  sich  aber  beim  Sitzen  fast 
vollständig  ausgleicht;  sicht-  oder  fühlbare  Veränderungen  der 
langen  Kückenmuskeln  sind  nicht  vorhanden.  Der  Gang  ist 
watschelnd,  breitbeinig,  erinnert  an  den  Gang  der  angeborenen 
doppelseitigen  Hüftgelenksluxation.  Sehr  typisch  ausgeprägt  ist 
die  Art  und  Weise,  Avie  sich  der  kleine  Patient  vom  Boden  erhebt, 
„an  sich  selbst  hinauf  kletternd“  (Arergl.  die  bekannte  Abbildung  in 
S  t  r  Ii  mpells  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie). 
Aus  dem  weiteren  Befund  verdient  noch  Erwähnung,  dass  die 
Sensibilität  intakt  ist,  Blase  und  Mastdarm  normal  funktionieren, 
die  Sehnenreflexe  nicht  auszulösen  sind;  die  Intelligenz  ist  sehr  be¬ 
deutend  zurückgeblieben.  Eine  elektrische  Prüfung  musste  aus 
äusseren  Gründen  unterbleiben,  doch  ist  ein  Zweifel  an  der  Dia¬ 
gnose  unmöglich. 

Der  4y3  jährige  Bruder  zeigt  ganz  die  gleichen  Symptome  in 
Haltung,  Gang  und  Auf  stehen  vom  Boden;  noch  wenig  aber  doch 
schon  deutlich  ausgeprägt  ist  die  Pseudohypertrophie  der  Muskeln 
an  den  unteren  Extremitäten.  Intelligenz  dem  Alter  entsprechend. 

2  Schwestern  im  Alter  von  13  und  10  Jahren  sind  körperlich 
und  geistig  normal;  bei  2  jüngeren  Brüdern,  2  Jahre,  bezw.  wenige 
Monate  alt,  lässt  sich  naturgemäss  von  einer  event.  Entstehung 
des  Leidens  noch  nichts  feststellen. 

Im  Anschluss  an  die  Demonstration  erörtert  Vortragender  die 
wichtigsten  differential-diagnostischen  Momente  zwischen  der 
spinalen  und  rein  myopathischen  Muskelatrophie. 

Herr  Steinhardt  berichtet  Aveiter  über  einen  Fall  von 
Hernia  ventraiis  lateralis  congenita  bei  einem  4  Wochen  alten 
Knaben;  die  Sektion  ergab  vollständiges  Fehlen  der 
M  u  s  c  u  1  i  o  b  1  i  q  u.  a  b  d  o  m.  e  x  t.  und  int.,  sowie  des 
M.  transversus  a  b  d.  an  der  betreffenden  Stelle  der  seit¬ 
lichen  Bauchwand.  Der  Fall  wird  anderwärts  ausführlich  be¬ 
schrieben  werden. 

Herr  Heinlein  teilt  die  Krankengeschichte  und  den  Sek¬ 
tionsbefund  eines  bei  einem  3  Tage  alten  Knaben  beobachteten 
I\Tabelstrangbruches  mit.  Es  war  hier  —  zum  Teil  wohl  infolge  un¬ 
zweckmässiger  äusserliclier  Applikationen  auf  das  die  Bruchsack- 
liülle  bildende  Amnion  durch  die  Angehörigen  —  zu  einer  Ent¬ 
zündung  im  Bruchsack,  so  dass  dessen  Inhalt  nicht  mehr  reponiert 
Averden  konnte,  gekommen.  Die  örtliche  Peritonitis,  rasch  zu  einer 
diffusen  ausartend,  endete  das  Leben  innerhalb  einiger  Stunden 
nach  Beginn  der  stürmischen  Erscheinungen.  Vorausgeschickt 
wurde  eine  eingehende  Schilderung  der  entAvicklungsgeschicht- 
lichen  Einzelheiten  der  Bildung  der  embryonalen  Bauchwand,  die 
anatomischen  Unterschiede  des  als  wahre  Hemmungsbildung  an¬ 
zusprechenden  Nabelstrangbruches  gegenüber  dem  im  extra¬ 
uterinen  Leben  entstehenden  Nabelbruch  hervorgehoben.  Die  in 
dem  geschilderten  Falle  bestehende  allgemeine  Bauchfellentzün¬ 
dung  Avar  bestimmend  für  die  Unterlassung  eines  operativen  Ein¬ 
griffes.  Das  sehr  instruktive  Präparat  —  der  Nabelstrangbruchsack 
mit  angrenzenden  und  entfernteren  Komponenten  der  Bauchwand, 
Urach us,  Nabelgefässen,  Harnblase  —  Avird  vorgelegt. 

Herr  Heinlein  demonstriert  nochmals  genau  das  in  der 
Sitzung  vom  2U.  III.  bereits  vorgelegte  Präparat  von  Fractura 
colli  femoris.  Dasselbe  stammt  von  einem  8ü  jährigen  ehemaligen 
Maler,  welcher,  an  einer  Herzruptur  plötzlich  verstorben,  vor 
5  Jahren  von  einem  Radfahrer  umgerannt  Avorden  Avar  und  dabei 
einen  rechtsseitigen  Schenkelhalsbruch  erlitten  hatte.  Der  Bruch 
Avar  anderwärts  behandelt,  die  Beinfunktion  niemals  mehr  Avieder 
hergestellt  worden.  Patient  konnte  nicht  mehr  auf  dem  r.  Beine 
allein  stehen  und  sich  nur  mit  Hilfe  von  Krücken  mühselig  eine 
ganz  kurze  Strecke  vom  Platze  beAvegen.  Das  gewonnene,  nach 
verschiedenen  Seiten  sehr  merkwürdige  Leichenpräparat  der 
Bruchgegend  Avird  vorgelegt.  Der  Trochanter  major  ist  um  reich¬ 
lich  3  cm  nach  aufwärts  gerückt.  Der  Bruch  des  anatomischen 
Halses  war  nicht  mehr  zur  Vereinigung  gekommen;  der  ab¬ 
gebrochene  Gelenkkopf  zeigt  annähernd  normale  Konfiguration, 
stellt  ein  etAva  3  cm  hohes  Spliäroid  dar,  dessen  konvexe  Ober¬ 
fläche  mit  zahlreichen  flachen,  rundlich  beetartigen,  milcliweissen 
Knorpelwuchcrungen  besetzt  ist;  die  Bruchfläche  an  dem  Gelenk¬ 
kopf  erscheint  als  eine  gegen  den  Mittelpunkt  sich  gleichmässig 
wenig  vertiefende,  ziemlich  regelmässige  plane  Fläche,  Avelche 
ebenfalls  einige  Knorpehvucherungen  von  gleicher  Beschaffenheit 
erkennen  lässt,  ZAvischen  denen  die  Bruchfläche  mit  dünn  binde¬ 
gewebigen,  glatten  Auflagerungen  überzogen  ist.  Die  offenbar  an 
mehreren  Stellen  stark  und  unregelmässig  zerrissen  gewesene 
Gelenkkapsel  erscheint  sehr  stark  erweitert,  buchtlg  und  reichlich 
mit  zottigen  Wucherungen,  welche  an  einzelnen  Stellen  durch 


I  zarte,  schmale,  bindegewebig-sehnige  Brücken  mit  einander  ver¬ 
bunden  sind,  besetzt.  Die  gleiche  Beschaffenheit  Avie  die  Gelenk - 
kopfbruchfläche,  zeigt  die  distale  Bruchfläche  unterhalb  des 
Trochanter  major.  Diese  letztere  Bruchfläche  gehört  bereits  dem 
Bereich  des  Oberschenkelknochen  s  c  li  a  f  t  e  s  an,  so  dass  man  zu 
der  Annahme  gedrängt  wird,  der  zwischen  den  jetzt  sich  dar¬ 
stellenden  Bruchflächen  früher  vorhandene  Knochenabschnitt, 
welcher  dem  chirurgischen  Hals  entsprach,  wäre  entAveder  dem 
völligen  SchAA'und  anheimgefallen,  oder  es  hätte  sich  um  einen 
Komminutivbruch  des  letzteren  gehandelt,  dessen  Komponenten 
der  Einschmelzung  und  völligen  Resorption  unterlägen. 

Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Sitzung  vom  2Ö.  Juni  11)02. 

In  dem  ersten  der  beiden  auf  der  Tagesordnung  stehenden 
Vorträge  A’erbreitete  sich  Herr  Dr.  K  a  s  1 1  über  „ärztliches  Ge¬ 
nossenschaftswesen“.  Wie  erinnerlich,  hat  Kos  enberg  -  Leipzig 
kürzlich  im  ärztlichen  Vereinsblatt  der  Schaffung  einer  grossen 
ärztlichen  Genossenschaft  das  Wort  geredet,  welche  die  Kranken-, 
Unfall-,  Haftpflicht-,  WittAven-  und  Waisenversicherung  für  Aerzte 
in  ein  grosses  Unternehmen  zusammenfassen  soll,  um  auf  diese 
Weise  dem  deutschen  Aerztestande  selbst  den  Gewinn  zuzuführen, 
welchen  jetzt  die  verschiedenen  deutschen  und  auch  ausländischen 
Versicherungsgesellschaften  für  sich  erreichen.  Redner  begrüsste 
zwar  den  Gedanken  ärztlicher  Genossenschaften  an  sich  sym¬ 
pathisch,  da  dieselben  auch  ein  Glied  in  der  Kette  der  Einigungs¬ 
bestrebungen  innerhalb  der  deutschen  AerzteSchaft  darstellen, 
übte  aber  an  dem  K  o  s  e  n  b  e  r  g  sehen  Plane  scharfe  Kritik,  da 
derselbe  mit  zu  grossen  Rückzahlungen  bei  relativ  kleinen  Bei¬ 
trägen  rechnet,  einen  zu  grossen  Verwaltungsapparat  erfordert 
und  vor  allem  zur  Voraussetzung  hat,  dass  alle  deutschen  Aerzte 
sich  dem  Unternehmen  anschliessen,  während  irgend  ein  ZAvang 
zum  Beitritt  ja  gar  nicht  ausgeübt  werden  kann  und  andererseits 
durchaus  nicht  erwartet  werden  kann,  dass  die  deutschen  Aerzte 
alle  gerade  in  dieser  Frage  unter  einen  Hut  gebracht  werden 
könnten.  Redner  glaubt,  dass  eine  genossenschaftliche  Haft¬ 
pflichtversicherung  am  ehesten  Aussicht  auf  Verwirklichung  böte, 
da  das  Interesse  hiefiir  am  verbreitetsten  sei.  Er  kam  zu  dem  An¬ 
trag,  dass  die  Delegierten  zum  deutschen  Aerztetag  dahin  instruiert 
werden  sollten,  dass  der  Aerztevereinsbund  die  Gründung  einer 
genossenschaftlichen  Haftpflichtversicherung  in  die  Hand  nehmen 
solle,  eine  Anregung,  Avelche  von  der  Versammlung  denn  auch  an¬ 
genommen  wurde. 

In  einem  umfangreichen  Referat:  Zur  Revision  des  Kranken¬ 
versicherungsgesetzes  legte  sodann  Herr  L  u  k  a  s  dem  Vereine 
eine  Reihe  A'on  Vorschlägen  A'or,  Avelche  bei  der  Abänderung  des 
Gesetzes  von  ärztlicher  Seite  gewünscht  Averden.  Dieselben  be¬ 
ziehen  sich  auf  den  Umfang  der  Versicherung,  d.  h.  den  Kreis  der 
VersicherungspliieliUgen  und  -Berechtigten,  auf  Einzelheiten  in  der 
Gewährung  der  Krankenunterstützung,  auf  die  Stellung  der  Aerzte 
im  Krankenversicherungsgesetze,  endlich  auf  die  Organisation  der 
Krankenkassen.  Es  kann  hier  auf  das  Einzelne  nicht  eingegangen 
werden;  das  Ganze  der  Anträge  stellt  jedoch  eine  präzise  Formu¬ 
lierung  dessen  vor,  Avas  wir  Aerzte  nach  den  schlimmen  Er¬ 
fahrungen  seit  Einführung  der  Krankenversicherung  einer  Neu¬ 
gestaltung  für  ganz  dringend  bedürftig  halten  müssen.  In  den  Be¬ 
richten  über  die  Verhandlungen  des  deutschen  Aerztetages  Avird 
diese  Materie  Avolil  eine  grössere  Rolle  spielen.  Die  Versammlung 
nahm  die  von  Herrn  L  u  k  a  s  eingebracliten  Vorschläge  en  bloc  an. 

Grassm  a  11 11  -  München. 

Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Wie  n,  4.  Juli  1902. 

Ferien.  —  Exstirpation  der  ganzen  Zunge  und  des 
Zungengrundes.  —  Salbenbehandlung  des  Lupus  vulgaris.  — 
Entfernung  der  Epiglottis  samt  aryepiglottischen  Falten.  — 
Rezidivierende  schwere  Anämie.  —  Infantile  Tabes  mit 
gastrischen  Krisen. 

Nun  hat  auch  die  Gesellschaft  der  Aerzte  ihre  gastfreund¬ 
lichen  Pforten  geschlossen  und  damit  ist  die  öffentliche  Kund¬ 
gebung  klinischer  Beobachtungen  und  Studien  in  unseren  ärzt¬ 
lichen  Gesllschaften  für  Wochen  hinaus  sistiert.  Auch  die 
Aerztekammcrn  und  die  zahlreichen  Bezirksvereine,  in  welchen 
jahrüber  über  sozialärztliche  Interessen  so  wacker  und  leider 
auch  so  fruchtlos  verhandelt  wird,  haben  ihre  Tätigkeit  einge¬ 
stellt  und  wollen  dieselbe  erst  im  Herbste  wieder  aufnehmen. 
Pns  selbst  erübrigt  noch,  aus  den  wissenschaftlichen  Verhand¬ 
lungen  der  letzten  Wochen  einiges  Bemerkenswerte  nachzu¬ 
tragen. 

Da  ist  vorerst  eine  Operation  des  Regierungsrat  Dr.  G  e  r  - 
suny  erwähnenswert.  Er  hatte  einen  44 jährigen  Mann  wegen 


8.  Juli  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1165 


Karzinoms  der  Zunge  schon  2  mal  operiert,  hatte  erst  eine  Keil- 
(»xzision  des  an  der  Zungenspitze  sitzenden  Neoplasmas  gemacht 
und  später  —  wegen  Rezidive  —  fast  die  ganze  Zunge  und  einen 
Teil  des  Mundbodens  entfernt.  Trotzdem  erfolgte  abermals  ein 
lokales  Rezidiv  ohne  Drüsenmetastasen.  Der  ganze  Boden  der 
Mundhöhle  war  in  ein  zerklüftetes,  höchst  übelriechendes  Krebs- 
gescliwür  verwandelt,  dessen  hintere  Grenze  dicht  an  der  Epi¬ 
glottis  war;  auch  der  Alveolarfortsatz  des  Unterkiefers  war  von 
der  Ulzera tion  ergriffen.  Nun  wurden  die  Weichteile  des  Kinnes, 
die  Unterlippe  und  die  Backen  vom  Unterkiefer  abpräpariert, 
ebenso  nach  abwärts  bis  zum  Zungenbeine  die  erkrankten  Teile 
blossgelegt  und  entfernt,  der  ganze  Kiefer  bis  auf  einen  Teil  der 
aufsteigenden  Aeste  beseitigt.  Nach  der  Operation,  welche  vor 
7  Wochen  stattfand,  sah  man  durch  die  Mundspalte  hinten  die 
Epiglottis  frei  über  das  Zungenbein  emporragen;  den  Boden  der 
Mundhöhle  bildete  jetzt  nur  die  Haut  der  Submaxillargegend. 
Einige  Tage  lang  wurde  der  Operierte  mit  der  Scblundsonde  er¬ 
nährt,  bald  aber  erlernte  er  wieder  das  Trinken,  ja  auch  das 
Schlucken  von  breiigen  Nahrungsmitteln.  Sein  Ernährungs¬ 
zustand  Hat  sich  seither  wesentlich  gebessert.  Man  hat  nun  ver¬ 
sucht,  seine  Kinngegend  durch  Paraffineinspritzungen  starrer 
zu  machen;  um  ein  weiteres  Zurücktreten  zu  verhindern,  eine 
Prothese  füllt  den  muldenförmigen  Mundbogen  aus,  er  soll  eine 
künstliche  Zunge  aus  Weichgummi  erhalten.  Inzwischen  spricht 
der  Operierte  schon  jetzt  recht  verständlich,  wiewohl  er  einzelne 
Laute  nicht  hervorbringen  kann,  er  leidet  aber  noch  daran,  dass 
ihm  zuweilen  beim  Sprechen  etwas  Speichel  aus  dem  Munde 
läuft.  Dieser  Eingriff  ist  wohl  in  technischer  Hinsicht  ein  recht 
schwieriger. 

Da  man'  in  letzter  Zeit  so  viel  über  Heilresultate  bei  Lupus 
vulgaris  nach  Röntgenbestrahlungen  liest  und  hört,  hielt  es  Pro¬ 
fessor  E  h  r  m  a  n  n  einmal  wieder  für  angezeigt,  einen  Fall  von 
ausgebreitetem  Lupus  beider  Backen,  der  Nase,  des  Ohres,  der 
Ober-  und'  Unterlippe  vorzustellen,  welchen  er  durch  Salben¬ 
behandlung  geheilt  hat.  Der  Mann  ist  Bauarbeiter  und  nur  im 
Sommer  beschäftigt;  die  Behandlung  fand  also  bloss  in  den 
Wintermonaten  der  Jahre  1892 — 1896  statt.  Jetzt  stellte  er  sich 
wegen  eines  anderen  Leidens  ein.  E  h  r  m  a  n  n  applizierte  eine 
33  proz.  Resorzinpaste,  2  mal  täglich,  welche  die  lupösen  Massen 
zunächst  in  ihren  oberen  Schichten  zu  einer  weissgrauen  morti- 
fizierten  Masse  verwandelte,  die  mit  Leinen  leicht  abgerieben 
werden  kann.  Geht  dann  die  Mortifikation  der  Knötchen  mehr 
in  die  Tiefe,  so  kami  man  sie  mit  dem  scharfen  Löffel  leicht  ent¬ 
fernen.  Die  Mortifikation  und  die  Auslöffelung  sind  völlig 
schmerzlos  (Vorzug  vor  anderen  Aetzpasten).  Von  Zeit  zu  Zeit 
lässt  man  unter  Borsalben  die  Ueberhäutung  eintreten,  um  sich 
auf  diese  Weise  von  dem  Fortschritte  der  Behandlung  zu  über¬ 
zeugen.  Der  vorgestellte  Mann  liess  erkennen,  dass  vom  Lupus 
(seit  1896)  bloss  zwei  kaum  linsengrosse  Knötchen  vorhanden 
sind,  dass  dagegen  die  grosse  Narbe  weich,  weiss,  den  Mund  nicht 
st  ringierend,  dass  mithin  der  Effekt  ein  vorzüglicher  ist.  Das 
kleine  Rezidiv  wird  bald  beseitigt  werden.  Die  Methode  kann 
von  jedem  Arzte  ohne  grossen  Apparat  angewendet  werden. 

Den  ersten  Fall  von  Genesung  eines  Menschen,  dem  —  wegen 
Karzinoms  —  die  Epiglottis  samt  den  anliegenden  Teilen 
der  aryepiglottisclien  Falten  und  des  grössten  Teiles  des 
Zungengrundes  entfernt  wurde,  konnte  Primararzt  Dr.  B  ii  - 
dinger  jüngst  der  Gesellschaft  der  Aerzte  vorstellen.  Der 
Mann  war  schon  sehr  herabgekommen  und  Dr.  Hein  dl,  der 
ihn  zuerst  behandelte,  entfernte  vom  Munde  aus  einen  grossen 
Teil  der  karzinomatösen  Epiglottis,  so  dass  der  Mann  wieder 
schlucken  konnte,  wodurch  seiii  Ernährungszustand  ein  guter 
wurde.  Diesen  Umstand  hält  Büdinger  als  für  den  Ausgang 
sehr  günstig.  Bei  der  Operation  wurde  nach  tiefer  Tracheo¬ 
tomie  und  Einführung  einer  Tamponkanüle  die  Pliaryngotomia 
subhyoidea  ausgeführt,  zunächst  die  Epiglottis  samt  Ansätzen, 
dann  nach  medianer  Spaltung  des  Zungenbeines  ein  über  finger¬ 
breites  Stück  des  Zungengrundes  exstirpirt.  Naht  der  Zungen¬ 
wunde  an  das  Zungenbein,  Einlegen  eines  Schlauches  durch  die 
Nase  in  den  Magen.  Naht  nur  an  den  lateralen  Wundwinkeln, 
um  den  Sekreten  leichtesten  Abfluss  zu  verschaffen.  Ersatz  der 
Kanüle  durch  eine  gewöhnliche.  Der  Operierte  stand  am 
nächsten  Tage  auf,  das  Rohr  wurde  am  4.,  die  Kanüle  am 
8.  Tag  entfernt,  die  Heilung  dauerte  2  Monate.  Büdinger 


bespricht  schliesslich,  wie  der  Operierte  isst  und  wie  er 
spricht,  und  erwähnt,  dass  dessen  Stimme  angeblich  eine 
höhere  geworden  sei.  —  In  der  Diskussion  berichtet  Professor 
v.  Eiseisberg  über  seine  diesbezüglichen  Erfahrungen. 

In  der  Gesellschaft  für  innere  Medizin  stellte  Assistent 
Dr.  Robert  Breuer  einen  seltenen  Fall  von  rezidivierender 
schwerer  Anämie  vor.  Der  42  Jahre  alte  Kranke  hatte  1888  eine 
fieberhafte  Erkrankung  durchgemacht  (Malaria?),  litt  im  Jahre 
1896,  als  er  zum  ersten  Male  auf  die  Klinik  Nothnagels 
kam,  an  Schwindel,  Uebelkeiten,  Schwäche  und  hochgradiger 
Blässe.  Der  Blutbefund  war  der  einer  schweren  Anämie.  Systo¬ 
lisches  Geräusch  am  Herzen,  Milztumor.  Im  Stuhl  und  Urin 
nichts  Besonderes,  speziell  keine  Darmparasiten.  Nach  Eisen- 
und  Arsenmedikation  auffallende  Besserung  des  Allgemein¬ 
befindens  und  des  Blutbefundes.  Ein  ähnlicher  Anfall  schwerer 
Anämie  ohne  erkennbare  Ursache  hat  sich  nun  in  den  letzten 
3lA>  Jahren  bereits  siebenmal  wiederholt.  In  Pausen  von 
ca.  Vs  Jahre  tritt  der  Kranke  mit  den  oben  geschilderten  Sym¬ 
ptomen  in  die  Klinik  ein,  um  nach  6 — 10  Wochen  in  sehr  gutem 
Zustande  und  arbeitsfähig  entlassen  zu  werden.  Eine  Ursache 
für  diese  Anämie  hat  sich  auch  bei  dauernder  genauester  Unter¬ 
suchung  nicht  auffinden  lassen,  nur  hat  der  Blutbefund  eine 
Aendcrung  erfahren.  Darnach  handelt  es  sich  zweifellos  um  eine, 
schwere  primäreAnämie  von  dem  Charakter  derjenigen,  die  in  der 
Regel  mit  progressiv  perniziösem  Verlaufe  vorkommt.  Dass  in 
Fällen  schwerer  primärer  Anämie  sich  Remissionen,  ja  selbst 
scheinbare  Heilungen  ereignen  können,  ist  ja  allgemein  bekannt; 
dagegen  dürfte  ein  Fall,  wie  der  vorgestellte,  mit  so  häufigen 
Relapsen  und  fast  vollständigen  Remissionen  innerhalb  kürzer 
Zeit  wohl  zu  den  grössten  Seltenheiten  gehören. 

Sodann  stellte  Dr.  Kaufmann  einen  Fall  von  infantiler 
Tabes  mit  gastrischen  Krisen  vor.  Der  10  jährige  Knabe  hat  in 
seinem  5.  Lebensjahre  die  Masern  überstanden  und  soll  sonst 
vollkommen  gesund  gewesen  sein.  Vor  3  Jahren  wurde  Incon¬ 
tinentia  urinae  in  der  Form  von  Enuresis  noturna  beobachtet, 
welche  noch  besteht,  seit  einem  Jahre  leidet  er  an  Magen¬ 
beschwerden.  Anfallsweise,  früher  seltener,  in  den  letzten 
Monaten  häufiger  und  stärker,  tritt  Erbrechen  auf.  Alle  3  bis 
4  Wochen  stellen  sich  plötzlich  ohne  Gelegenheitsursache  Uebel- 
keit,  Druck  in  der  Magengegend,  Erbrechen  ein,  welche  2 — 3  Tage 
dauern.  Er  bricht  in  einem  fort,  und  zwar  bitter  schmeckende, 
grünlich  gefärbte,  schleimige  Flüssigkeit.  Ist  der  Anfall  vor¬ 
über,  so  ist  der  Junge  wieder  vollkommen  gesund,  hat  Appetit 
und  kann  alles  ohne  irgend  welche  Magenbeschwerden  essen. 
Auf  die  Tabes  weisen  folgende  Erscheinungen:  vollkommene 
Lichtstarre  der  Pupillen,  träge  und  unvollkommene  Reaktion  der 
Pupillen  auf  Akkommodation ;  es  besteht  eine  Andeutung  von 
Romberg,  die  Patellarreflexe  fehlen  auf  beiden  Beinen  voll¬ 
kommen.  Der  Kranke  ist  schwächlich,  mager,  in  seiner  Ent¬ 
wicklung  zurückgeblieben.  Er  ist  wohl  etwas  schüchtern,  ist  aber 
von  normaler  Intelligenz,  kommt  in  der  Schule  gut  vorwärts. 
Der  Vortragende  scliliesst  das  Bestehen  von  Paralyse  und  Pseudo¬ 
tabes  (Kalischer)  aus  und  weist  auf  die  Publikation  von  Ider- 
sohn  mit  6  sichergestellten  Fällen  hin,  in  welchen  -  Avie  in 
diesem  Falle  —  die  Inkontinentia  urinae  das  erste  Symptom 
oder  eines  der  ersten  Symptome  darstellt  und  dass  ferner  in  allen 
Fällen  neben  der  Lichtstarre  der  Pupillen  auch  Akkommodations¬ 
starre  besteht.  Tn  einem  Falle  von  Didynski  wird  übrigens 
wiederholtes  Erbrechen  angegeben.  Das  Bestehen  von  tabischen 
Krisen  bei  einem  10  jährigen  Knaben  dürfte  aber  wohl  zu  den 
grössten  Seltenheiten  gehören.  Tn  einem  von  Professor 
Neusser  beobachteten  Falle  hat  sich  die  Tabes  auf  dem  Boden 
hereditärer  Lues  entwickelt,  beim  demonstrierten  Knaben  sind 
sichere  Zeichen  hereditärer  oder  acquirierter  Lues  nicht  vor¬ 
handen. 


Römische  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

R  o  m,  20.  Juni  1902. 

Zum  Schlüsse  des  scholastischen  Jahres. 

Der  Tag  der  letzten  Vorlesung  in  diesem  Universitätsjahr 
war  gekommen.  B,ei  uns  ist  bekanntlich  die  Einteilung  der  Uni- 
versitätsstudieii  eine  andere  als  in  Deutschland;  statt  der  zwei 


1166 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Semester  haben  wir  das  sogen,  „anno  scolastico“  (scholastisches 
Jahr),  welches  im  Oktober  beginnt  und  am  15.  Juni  endet, 
Während  der  Sommermonate  bleiben  die  Hörsäle  geschlossen  und 
die  Kranken  werden  aus  der  Klinik  entlassen,  bczw.  in  das  an 
dieselbe  anstossende  Krankenhaus,  welches  das  ganze  Jahr  ge¬ 
öffnet  ist,  übergesiedelt.  In  Deutschland  bleiben  statt  dessen 
auch  die  Kliniken  immer  besetzt  und  bildet,  soviel  ich  weiss,  nur 
die  Universität  Strassburg  eine  Ausnahme.  Ich  halte  unser 
System  für  sehr  gut,  da  während  der  Sommerferien  auf  diese 
Weise  alle  nötigen  Ausbesserungen,  Veränderungen  und  „Gross¬ 
reinemachen“  in  den  Kliniken  bequem  ausgeführt  werden  können. 
Nur  die  Laboratorien  und  Bibliotheken  bleiben  geöffnet,  so  dass 
die  Fleissigen,  die  sich  auch  durch  die  Hochsommerglut  nicht 
stören  lassen  und  auf  den  Landaufenthalt  verzichten,  auch 
während  dieser  Zeit  ihrer  Arbeitswut  fröhnen  können.  Aber  die 
meisten  Professoren,  Assistenten  und  Studenten  ziehen  es  doch 
vor,  einig'e  Wochen  frische  Luft  zu  schöpfen  und  an  der  See,  oder 
in  den  Bergen  etc.  neue  Kräfte  für  das  kommende  Arbeitsjahr  zu 
sammeln.  Einige  benützen  die  Zeit  auch  zur  Vollendung  be¬ 
sonderer  Arbeiten  oder  zu  Reisen  ins  Ausland,  um  sich  dort 
weiterzubilden  und  zu  vervollkommnen.  Zur  letzten  Vorlesung 
hatte  sich,  wie  gewöhnlich  eine  besonders  grosse  Anzahl  von  Stu¬ 
dierenden  und  Aerzten  im  Hörsaal  eingefunden,  um  dem  der¬ 
zeitigen  stellvertretenden  Leiter  der  medizinischen  Klinik,  Prof. 
Rosson  i,  zu  huldigen,  der  sich  als  bescheidener,  aber  tüchtiger 
Lehrer  die  Liebe  und  Verehrung  der  Studenten  in  besonderem 
Masse  zu  erwerben  verstand.  Einer  der  Studenten  gab  dieser  Ver¬ 
ehrung  auch  sehr  beredten  Ausdruck  und  sprach  in  seinem  und 
seiner  Komilitonen  Namen  dem  Herrn  Professor  den  wärmsten 
Dank  aus.  Prof.  R  o  s  s  o  n  i  antwortete  in  väterlicher,  liebens¬ 
würdiger  Weise  und  gab  seinen  Hörern,  bald  jungen  Aerzten, 
auch  einige  beherzenswerte  Winke  für  ihr  künftiges  Leben.  Die 
meisten  würden  doch  als  einfache  medici  condotti  (Gemeinde¬ 
ärzte)  hinausziehen  müssen  und  hätten  die  Wissenschaft  zu  ver¬ 
treten  inmitten  einer  Bevölkerung,  die  noch  sehr  von  veralteten 
Vorurteilen  und  Irrtümern  erfüllt  sei.  LIeil  sei  diesen  neuen 
Kämpfern  der  modernen  Kultur! 

Prof.  Rosson  i  besprach  dann  einen  sehr  interessanten 
Fall  von  Osteom  alacia  bei  einem  jungen  Mädchen  mit 
spezieller  Lokalisation  an  der  Wirbelsäule,  welcher  das  ganze  Bild 
des  Morbus  Pott  aufwies.  Er  hatte  aber  kaum  einige  Mi¬ 
nuten  gesprochen,  als  uns  die  Freude  und  Ehre  eines  zur  Zeit 
leider  seltenen  Besuches  zu  Teil  wurde.  Se.  Exz.  Prof.  B  a  c  - 
cell  i  war  in  unserer  Mitte  erschienen,  um  auch  seinerseits  den 
Studenten  ein  Lebewohl  zu  sagen.  Von  ungeheuerem  Juhel  em¬ 
pfangen,  begann  er,  klassisch  wie  immer  zu  seinen  Jüngern  zu 
sprechen.  Seine  Rede  enthielt  so  wichtige  Leitworte  für  jeden 
jungen  Arzt,  dass  ich  glaube,  sie  hier  im  Auszug  wiedergeben  zu 
sollen.  „Sie  werden,  nun  bald  diese  Klinik  verlassen  und  nicht 
nur  in  direkte  Berührung  mit  den  Kranken  kommen,  sondern 
auch  nach  eigenem  Ermessen  zu  handeln  und  die  ganze  Verant¬ 
wortung  dafür  zu  tragen  haben.  Sie  sind  jung,  voll  Mut  und 
Hoffnung,  aber  vergessen  Sie  nie,  dass  Ihre  Handlungsweise  eine 
sehr  vorsichtige  sein  muss.  Immer  wieder  abwägen  und  nach- 
denken,  hundertmal  naelidenken  und  dann  erst  handeln.  Ich 
bitte  Sie,  seien  Sie  vorsichtig !  Tota  medicina  pru- 
dentia  est.  Sie  werden  leichten  und  schweren  Diagnosen, 
bezw.  leichten  und  schweren  Behandlungen  gegenüber  stehen, 
aber  suchen  Sie  immer,  die  Diagnose  so  sicher  als  möglich  zu 
stellen  und  dann :  in  certis  fortiter!  Sie  sollen  stets  alle 
Hilfsmittel  heranziehen,  die  klinischen  Erfahrungen  und  das 
Laboratorium  sollen  Ihnen  helfen.  Sie  sollen  in  allem  peinlich 
genau  sein  und  nie  vergessen,  dass  die  Diagnose  „suprema  ratio“ 
der  Behandlung  ist.  Suchen  Sie  deshalb  immer  und  immer 
wieder  die  medizinische  Wahrheit,  d.  h.  die  richtige  Diagnose. 
Und  wenn  Sie  dies  tun  werden,  wenn  Sie  keine,  auch  noch  so 
winzige,  unscheinbare  Aeusserung  übersehen,  dann  werden  Sie 
so  wenig  als  möglich  irren.  Irren  werden  Sie  immer,  denn  kein 
Mensch  ist  unfehlbar,  am  wenigsten  die  Aerzte;  der  Tüchtigste 
ist  jener,  der  am  wenigsten  irrt.  Wenn  Sie  aber  einen  Fehler  be¬ 
gangen  haben,  dann  haben  Sie  auch  den  Mut,  ihn  eiuzugestehen 
und  nachzuforschen,  wodurch  er  entstanden  ist,  damit  Sie  selbst 
und  die  andern  Nutzen  davon  haben;  denn  manchmal  bringt  ein 
gründlich  erforschter  Fehler  der  Wissenschaft  mehr  Nutzen,  als 


zehn  glänzende  Diagnosen.  Verwenden  Sie  wenige  Arzneien, 
wenige,  gut  studierte  Arzneien  gelten  mehr,  als  eine  Masse  nicht 
gründlich  erkannter.  Seien  Sie  misstrauisch  gegen  die  Flut 
der  neuen  und  neuesten  Medikamente,  von  denen  viele  wie  Ein¬ 
tagsfliegen  kommen  und  verschwinden.  Suchen  Sie  vor  allem 
die  Prophylaxis  immer  mehr  bekannt  zu  machen  und  aus¬ 
zubreiten  und  seien  Sie  nicht  bloss  Rezeptenschreiber,  sondern 
stets  und  hauptsächlich  Hygienisten.  Schätzen  Sie  die  natür¬ 
lichen  Kräfte  und  sorgen  Sie,  dass  dieselben  in  voller  Wirksam¬ 
keit  dem  Kranken  helfen  können.  Seien  Sie  minister 
natu  r  a  e  und  beschränken  Sie  nie  die  vis  medicatrix 
der  Natur.  Erinnern  Sie  sich  auch,  dass  Sie  nicht  nur  Aerzte, 
sondern  Menschen  sind,  und  stellen  Sie  nicht  nur  Ihr  Gehirn, 
sondern  auch  Ihr  Herz  in  den  Dienst  der  Leidenden,  denn  es 
gibt  Krankheiten,  die  ein  freundlicher,  mitfühlender  Arzt  am 
besten  heilt.  Halten  Sie  sich  stets  vor  Augen,  dass  Ihre  Mission 
unter  den  Menschen  eine  sehr  grosse  und  erhabene  ist.  Ver¬ 
gessen  Sie  auch  nie,  dass  Sie  an  mir  stets  einen  Freund  haben, 
und  dass  Sie  in  meiner  Klinik  immer  Rat  und  Hilfe  finden.“ 

Ich  war  seltsam  bewegt,  als  ich  die  Klinik  verliess.  An  der 
Engelsburg  und  dem  alten  Tiber  dahinschreitend,  durchzogen  die 
merkwürdigsten  Erinnerungen  mein  Gemüt.  Ich  sah  den  Kon¬ 
trast  zwischen  dem  Alten  und  Neuen,  die  beiden  Kulturen  des 
Mittelalters  und  der  Neuzeit;  die  letztere  so  ganz  Arbeit  und 
Wissenschaft.  Nirgends  fühlt  man  diesen  Kontrast  so  sehr,  als 
hier  in  Rom,  wo  eine  neue,  zielbewusste,  lebenskräftige  Genera¬ 
tion  inmitten  des  Moders  und  der  Vorurteile  der  älteren  Zeit  sich 
ihr  Hauptquartier  bereitet.  Der  Meister  hatte  Recht,  der  Jungen, 
die  hinausziehen,  harrt  noch  eine  grosse  Aufgabe.  Mögen  sie 
derselben  gerecht  werden  als  Pioniere  einer  neuen,  besseren  Zeit 
und  einer  besseren  Kultur.  In  Gedanken  sandte  ich  ihnen,  den 
jungen  Kollegen,  auch  meine  innigsten  Wünsche.  Und  dann 
gedachte  ich  auch  der  Freunde  in  Deutschland,  die  uns  auf 
diesem  Wege  vorangeschritten  sind,  und  die  am  Schicksal  unseres 
teuren  Italiens  den  wärmsten  Anteil  nehmen  und  sich  unserer 
Fortschritte  freuen  und  ich  grüsste  auch  sie  zum  Jahresschluss 
aus  Herzensgrund. 

Heil  Deutschland,  Heil  Italien  immerdar. 

Dr.  Giovanni  G  a  1 1  i. 


Verschiedenes. 

Eine  Adresse  an  Professor  Moritz. 

Die  beiden  grossen  ärztlichen  Korporationen  Münchens,  der 
Aerztliche  Verein  und  der  Aerztliclie  Bezirksverein,  haben  an 
Herrn  Professor  Moritz,  der  durch  seine  Uebersiedelung  nach 
Greifswald  während  der  vergangenen  Osterferien  München  plötz¬ 
lich  entrissen  wurde,  nachstehende  Adresse  gerichtet: 

IM  ii  n  c  li  e  n,  20.  Juni  1902. 

Hochverehrter  Herr  Professor! 

Zu  Ihrer  Berufung  als  ordentlicher  Professor  und  Direktor 
der  medizinischen  Klinik  in  Greifswald  spricht  Ihnen  die  Vor¬ 
standschaft  des  ärztlichen  Bezirksvereines  und  des  ärztlichen 
Vereines  München  die  herzlichsten  Glückwünsche  aus. 

Mögen  Sie  in  Ihrer  neuen  verantwortungsvollen  Stellung 
volle  Befriedigung  und  die  verdiente  Anerkennung  finden!  Ihre 
hervorragende  Bedeutung  als  Forscher  und  Lehrer,  Ihr  freund¬ 
schaftliches  Verhält.niss  zu  den  Studierenden  der  Medizin.  Ihre 
kollegialen  Beziehungen  zu  den  Aerzten  und  Ihre  eifrige  Teil¬ 
nahme  an  allen  ärztlichen  Vereinsbestrebungen  wird  Ihnen, 
daran  zweifeln  wir  nicht,  auch  an  Ihrer  jetzigen  Wirkungsstätte 
allseitige  Sympathien  sichern. 

Für  die  beiden  grossen  Münchener  ärztlichen  Vereine  be¬ 
deutet  Ihre  Berufung  einen  schweren  Verlust.  Sie  haben  jeder¬ 
zeit  die  besten  Beziehungen  zu  den  Kollegen  unterhalten,  haben 
sich  mit  grossem  Eifer  an  der  Pflege  wissenschaftlichen 
Strebens  beteiligt  und  sind  auch  bei  jeder  Gelegenheit  wann 
und  entschieden  für  die  ethischen  und  wirtschaftlichen  Inter¬ 
essen  des  ärztlichen  Standes  eingetreten. 

Gerade  bei  Ihrer  starken  Inanspruchnahme  als  Universitäts¬ 
lehrer  müssen  wir  dies  doppelt  anerkennen,  und  war  wünschen, 
dass  überall  und  allezeit  in  akademischen  Kreisen  ein  so  reges 
werktätiges  Interesse  den  ärztlichen  Vereinsbestrebungen  ent¬ 
gegengebracht  werde,  wie  dies  von  Ihrer  Seite  geschah. 
Nehmen  Sie  hierfür  unseren  vollen  aufrichtigen  Dank  ent¬ 
gegen  ! 

Wie  wir  Ihrem  Wirken  in  den  beiden  ärztlichen  Vereinen 
ein  getreues  Gedenken  bewahren  werden,  wünschen  wir  nur, 
dass  auch  Sie  gerne  an  Ihren  Münchener  Aufenthalt  zurück- 


8.  Juli  1902. 


MÜENcHENER  MEDlCiNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1167 


denken  und  eine  dauernde  geistige  Verbindung  mit  uns  unter¬ 
halten.  Ein  äusseres  Zeichen  derselben  sei  Ihnen  das  bei¬ 
liegende  Diplom,  das  Ihre  Ernennung  zum  korrespondierenden 
Mitglied  des  ärztlichen  Vereines  München  enthält. 

Mit  ausgezeichneter  Hochachtung  und  in  aufrichtiger  Verehrung! 

Der  ärztliche  Verein  München. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  München. 

Folgen  die  Unterschriften. 

Wir  freuen  uns  der  ungewöhnlichen  aber  wohlverdienten 
Ehrung,  welche  Herrn  Professor  Moritz  durch  diese  Adresse 
von  den  Münchener  Aerzten,  die  in  den  gezeichneten  Vereinen 
fast  vollzählig  vertreten  sind,  bereitet  wird.  Es  trifft  sich  zu¬ 
fällig,  dass  wir  in  unserer  heutigen  Nummer  auch  die  Antritts¬ 
vorlesung,  die  Prof.  Moritz  bei  Uebernalmie  der  Klinik  in 
Greifswald  gehalten  hat,  zum  Abdruck  bringen  können.  Die 
Adresse  der  Münchener  Aerzte  liefert  den  Beweis,  dass  die  schönen 
Grundsätze,  die  Prof.  Moritz  dort  seinen  Schülern  für  ihr 
künftiges  ärztliches  Leben  ans  Herz  legt,  nicht  leere  Worte  sind, 
sondern  dass  er  während  seines  langjährigen  Wirkens  in  München 
stets  selbst  nach  ihnen  gehandelt  hat.  Welches  höhere  Lob 
könnte  einem  Lehrer  der  Jugend  gespendet  werden V  Möge  die 
Anerkennung  und  Hochachtung  seiner  Münchener  Kollegen,  wie 
sie  in  der  Adresse  sich  aussprechen,  Herrn  Prof.  Moritz  eine 
Genugtuung  und  eine  dauernde  liebe  Erinnerung  an  seine  Mün¬ 
chener  Tätigkeit  sein. 

Therapeutische  Notizen. 

Leder  mann  -  Berlin  hat  das  fabrikmässig  hergestellte 
20 proz.  Bromocoll-ßesorbin  in  einer  grösseren  Versuchs¬ 
reihe  von  Pruritus  nervosus  jeder  Art  mit  Erfolg  angewendet.  Es 
handelte  sich  meist  um  Fälle  von  lokalem  Pruritus  am  Anus,  der 
Vulva  und  anderen  Stellen,  bei  denen  schon  alle  möglichen  Mittel 
erfolglos  angewendet  waren.  Bei  Pruritus  ani  wurden  gleichzeitig 
Bromoeollzäpfchen  (Bromocoll  1,0,  Butyr.  Cacao  2,0)  gegeben. 
Auch  bei  Lichen  Simplex  chronicus  Vidal,  bei  Lichen  ruber  planus 
universalis,  in  mehreren  Fällen  von  Urtikaria  sowie  von  sebor¬ 
rhoischem  und  chronischem  Ekzem  schwand  der  Juckreiz  duich 
das  Bromocoll-llesorbin  teils  vorübergehend,  teils  dauernd.  Das¬ 
selbe  ist  daher  als  ein  brauchbares  und  der  weiteren  Anwendung 
werthes  Mittel  zur  Bekämpfung  des  Juckreizes  bei  nervösen  und 
chronisch-entzündlichen  Hautaffektionen  zu  bezeichnen.  (Fort¬ 
schritte  der  Medizin  1902,  No.  14.)  E-  S. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  8.  Juli  1902. 

—  Die  tiefgehende  Erbitterung,  die  seit  geraumer  Zeit  in  den 
gebildeten  Kreisen  Bayerns,  besonders  aber  in  akademischen 
Kreisen  gegen  den  derzeitigen  Kultusminister  \ .  L  a  n  d  - 
mann  herrscht  und  die  bereits  in  einem  seitens  der  liberalen 
Landtagsfraktion  in  aller  Form  abgegebenen  Misstrauensvotum 
ihren  Ausdruck  gefunden  hat,  hat  sich  zu  einer  akuten  Krisis  zu¬ 
gespitzt  infolge  eines  aus  der  Tagespresse  als  bekannt  oraus- 
zusetzenden  Vorgangs,  wobei  der  Minister  dem  Senat  der  Uni¬ 
versität  Würzburg  statt  ihn  gegen  einseitige  Angriffe  zu  ver¬ 
teidigen,  in  öffentlicher  Kammersitzung  Befangenheit  und  Mangel 
an  Objektivität  vorwart’.  Rektor  und  Senat  der  Universität  \\  ürz- 
burg,  darunter  auch  die  Vertreter  der  medizinischen  Fakultät, 
v.  Fr  ey,  Hofmeier  und  Stöhr,  haben  Protest  gegen  diese  An¬ 
klagen  erhoben  und  ihre  Aemter  im  Senat  niedergelegt.  Die  übrigen 
Professoren  der  Alma  Julia  (mit  einigen  wenigen  Ausnahmen) 
haben  zu  diesem  Schritte  öffentlich  ihre  Zustimmung  aus¬ 
gesprochen.  Der  Ausgang  dieses  Kampfes  kann  nicht  zweifelhaft 
sein.  Wenn  alle  Beteiligten  einmütig  zusammenstehen  und  an 
ihrer  Pflicht  und  ihrem  gegebenen  Worte  festlialten,  wenn  ins¬ 
besondere  auch  den  Würzburger  Professoren  die  moralische  und 
praktische  Unterstützung  ihrer  Münchener  und  Erlanger 
Kollegen  nicht  fehlt,  dann  wird  diesem  gewaltigen  Ansturm 
gegenüber  selbst  ein  so  festgegründeter  Ministerstuhl  wie  der  des 
Herrn  v.  Landmann  nicht  bestehen  können.  W enn  dieser  Er¬ 
folg  erreicht  wird,  dann  werden  die  bayerischen  Professoren  sich 
ein  unvergängliches  Verdienst  um  das  arg  gefährdete  Geistesleben 
des  Landes  erworben  haben.  Wir  sind  überzeugt,  dass  mit  allen 
Gebildeten,  soweit  sie  nicht  durch  einen  besonderen  Partei¬ 
standpunkt  daran  verhindert  werden,  nicht  nur  Bayerns, 
sondern  weit  über  dessen  Grenzpfähle  hinaus,  auch  die 
Aerzte,  denen  als  nächste  Tat  dieses  Ministeriums  eine 
homöopathische  Professur  an  einer  bayerischen  Universi¬ 
tät  droht,  sich  freudig  auf  die  Seite  der  Würzburger  Universi¬ 
tät  stellen  werden  und  in  dieser  Ueberzeugung  sprechen  wir  hier 
den  Würzburger  Herren,  die  ohne  Rücksicht  auf  persönliche  Inter¬ 
essen  in  den  Kampf  um  ideale  Güter  eingetreten  sind,  Dank  und 
Anerkennung  aus  und  die  Zuversicht,  dass  sie  ihre  gute  Sache 
siegreich  durchführen  werden.  Q.  d.  b.  v. 

—  Der  30.  deutsche  Aerztetag,  der  am  4.  und  5.  ds. 
in  Königsberg  stattfand,  ist  vor  allem  bemerkenswert  durch  seine 
Frequenz.  Trotz  der  ausserordentlichen  Entfernung  war  derselbe 
mit  1G3  Delegirten  stärker  beschickt  als  irgend  einer  seiner  Vor¬ 
gänger.  Die  steigende  Frequenz  der  Aerztetage,  noch  dazu  unter 
so  erschwerenden  Umständen,  ist  gewiss  der  beste  Beweis  für  das 


zunehmende  Interesse,  das  die  deutschen  Aerzte  au  ihren  An¬ 
gelegenheiten  nehmen.  Die  Verhandlungen  sind  unter  lebhaften 
Diskussionen,  aber  dank  der  eminent  umsichtigen  und  energischen 
Leitung  durch  den  Vorsitzenden  Löbker,  glatt  und  geordnet 
verlaufen.  Eine  etwas  erregte  Erörterung  fand  schon  der  erste 
zur  Beratung  stehende  Gegenstand,  der  zum  Zwecke  der  Er¬ 
langung  der  Rechte  einer  juristischen  Person  ausgearbeitete  Ent¬ 
wurf  einer  Aenderung  der  Satzungen.  Besonders  die  Bestimmung, 
dass  in  Zukunft  nicht  die  Vereine  oder  deren  Mitglieder,  sondern 
die  Delegierten  den  Aerztevereinsbund  bilden  sollen,  wurde  heftig 
bekämpft.  Man  einigte  sich  dahin,  dass  man  auf  Abänderungen 
einzelner  Bestimmungen  verzichtete,  der  Geschäftsausschuss  je¬ 
doch  angewiesen  wurde,  die  bis  1.  November  1.  J.  ihm  zugehenden 
Anträge  der  Vereine  nach  Möglichkeit  zu  berücksichtigen.  Wohl 
mit  Recht  wurde  (von  Becker-  München)  darauf  hingewiesen, 
dass  nach  dem  Gesetze  die  Satzungen  eines  eingetragenen  Vereins 
in  allen  einzelnen  Paragraphen  von  der  Generalversammlung  ge¬ 
nehmigt  sein  müssen.  Hiernach  wäre  es  nicht  zu  umgehen,  dass 
die  Frage  nochmals  auf  die  Tagesordnung  des  nächsten  Aerzte- 
tages  zu  setzen  wäre.  Ein  nach  Form  und  Inhalt  glänzendes 
Referat  erstattete  Prof.  R  u  m  p  f  -  Bonn  über  die  Aufgaben  der 
Krankenhausärzte  gegenüber  den  Anforderungen  der  neuen  Prü¬ 
fungsordnung  (praktisches  Jahr).  Unbeschadet  einiger  Meinungs¬ 
verschiedenheiten  in  Einzelheiten  kann  man  sagen,  dass,  wenn  die 
Krankenhausärzte  ihre  Aufgabe  im  Geiste  des  It  u  m  p  f  sehen 
Referates  auffassen  werden,  die  Einrichtung  des  praktischen 
Jahres  sich  als  eine  segensreiche  erweisen  wird.  Der  Natur  der 
Sache  nach  nahm  unter  den  Beratungsgegenständen  der  Bericht 
der  Kommission  zur  Revision  des  Krankenversicherungsgesetzes 
das  grösste  Interesse  und  den  breitesten  Raum  für  sich  in  An¬ 
spruch.  Der  von  den  Herren  M  ayer-  Fürth  und  Höher- 
Augsburg  bearbeitete,  im  Druck  vorgelegte  Bericht  erregte  durch 
seine  fleissige  und  gründliche  Arbeit  allgemeinen  Beifall.  Kollege 
Mayer  hat  sicli  überdies  durch  seine,  Kürze  mit  Sachlichkeit  und 
liebenswürdigen  Humor  mit  Schlagfertigkeit  in  glücklichster 
Weise  verbindende  Art  als  der  weitaus  erfolgreichste  Debatter 
des  Aerztetages  erwiesen,  der  stets  nicht  nur  die  Lacher,  sondern 
auch  die  Stimmer  auf  seiner  Seite  hatte.  Auch  der  Bericht  der 
Kommission  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  wurde  im 
Wesentlichen  nach  den  Anträgen  der  Kommission  erledigt.  Die 
übrigen  Punkte  der  Tagesordnung,  darunter  die  so  aktuelle  Frage 
des  ärztlichen  Unterstützungswesens  in  Deutschland  mussten  in 
Folge  der  Anforderungen,  welche  das  Vergnügungsprogramm  an 
die  Zeit  stellte,  zurückgesetzt  werden.  Wir  verkennen  nicht  die 
Notwendigkeit,  auch  für  das  persönliche  Bekanntwerden  der  Dele¬ 
gierten  auf  den  Aerztetagen  durch  gesellige  Veranstaltungen  Sorge 
zu  tragen,  möchten  jedoch  mit  Rücksicht  darauf,  dass  es  sich  hier 
um  Delegationen  handelt,  die  ihren  Auftraggebern  Rechenschaft 
schuldig  sind  über  die  getane  Arbeit,  möglichste  Zurückhaltung 
nahelegen.  Das  hindert  uns  natürlich  nicht,  mit  lebhaftestem  Danke 
die  gastfreundliche  Aufnahme,  welche  die  Stadt  Königsberg  und 
die  ostpreussischen  Aerzte  dem  Aerztetage  bereiteten,  anzu¬ 
erkennen.  Unser  ausführlicher  Bericht  folgt  in  nächster  Nummer. 

—  Der  Direktor  der  Medizinalabteilung  im  preussischen  Kul¬ 
tusministerium,  Dr.  Foerste  r,  hat  dem  Apotheker-Kammer¬ 
ausschuss  eine  Regierungsvorlage  über  Gewä  li  rung  ei  n  e  r 
ermässigten  Taxe  an  Krankenkassen  übergeben. 
Der  Apotheker-Kammerausschuss  wird  den  Entwurf  den  einzelnen 
Kammern  unterbreiten,  damit  diese  darüber  beraten.  Die  Ergeb¬ 
nisse  der  Besprechung  sollen  bis  Mitte  August  dem  Kammeraus- 
schusse  mitgeteilt  werden.  Welche  Stellungnahme  zu  der  Vorlage 
seitens  der  Apotheken  zu  erwarten  ist,  geht  aus  folgendem  Be¬ 
schluss  des  Kreises  Potsdam  des  Deutschen  Apothekervereins  her¬ 
vor:  „Die  Versammlung  spricht  sich  grundsätzlich  gegen  jeden 
Rabatt  auf  die  Arzneitaxe  aus,  da  diese  die  amtlich  festgesetzten, 
niedrigsten  Preise  enthält,  welche  zur  Lebensfähigkeit  der  Apo¬ 
theken  erforderlich  sind.  Wird  aber  seitens  der  Regierung  ein 
Rabatt  vorgeschrieben,  so  muss  seitens  der  Apotheker  verlangt 
werden,  dass  gleichzeitig  mit  dieser  Bestimmung  angeordnet  wird, 
a)  dass  dieser  Rabatt  als  Maximalrabatt  zu  gelten  hat,  b)  dass 
alle  Arzneimittel  für  Kassenmitglieder  aus  den  Apotheken  bezogen 
werden,  c)  dass  ein  Boykott  einzelner  Apotheken  unmöglich  ge¬ 
macht  wird.“ 

—  Das  Komitee  zur  Veranstaltung  ärztlicher 
Studienreisen  in  Bade-  und  Kurorte  schreibt :  Das 
vorläufige  detaillierte  Programm  der  diesjährigen  ärztlichen 
Studienreise  ist  fertig  gestellt  und  von  dem  Generalsekretär  Herrn 
Dr.  W.  H.  Gilbert-  Baden-Baden  oder  dem  I.  Schriftführer, 
Herrn  Dr.  P.  M  e  i  s  s  n  e  r  -  Berlin,  Kurfürstenstrasse  81,  kosten¬ 
los  zu  erhalten.  Dasselbe  bietet  eine  reiche  Fülle  von  Einzel¬ 
demonstrationen,  wissenschaftlichen  Sitzungen  und  Besichti¬ 
gungen.  Daneben  ist  für  das  leibliche  Wohl  der  Teilnehmer  in 
mehr  wie  ausreichender  Weise  gesorgt  und  es  wird  jedem  nach 
Kenntnissnahme  des  Programms  erstaunlich  erscheinen,  wieviel 
für  den  geringen  Preis  von  M.  150. —  geboten  werden  kann.  Die 
offizielle  Aufforderung  zur  Teilnahme  geschieht  in  der  zwischen 
dem  L  und  15.  Juli  a.  c.  erfolgenden  Versendung  des  Programms 
der  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte.  Die  Zahl 
der  Meldungen  ist  schon  jetzt  eine  erhebliche  und  wir  machen 
nochmals  darauf  aufmerksam,  dass  die  Teilnehmerzahl  auf  400 
beschränkt  ist,  so  dass  frühzeitige  Anmeldung  am  Platze  sein 
dürfte. 

—  An  der  Universität  Erlangen  finden  in  diesem  Jahre  Ferien¬ 
kurse  für  Aerzte  statt,  welche  am  11.  September  beginnen  und 


MtTEN CIIENER  MEDiCINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 7. 


1168 


ea.  6  Wochen  dauern.  Näheres  ist  aus  dem  Inserat  in  dieser 
Nummer  zu  ersehen. 

Der  Geh.  Medizinalrat  Dr.  Günther,  Präsident  dies 
sächsischen  Landesmedizinalkollegiums,  tritt  mit  Ende  dieses 
Monats  nach  50  jähriger  Wirksamkeit  in  den  Ruhestand. 

—  Die  Schule  für  Tropenmedizin  in  Liverpool 
wird  in  diesem  Jahre  ihre  achte  Expedition  nach  Westafrika  ent¬ 
senden,  die  sich  mit  besonderen  Studien  über  das  Vorkommen  von 
Trypanosoma  im  menschlichen  Blute  beschäftigen  soll. 

—  Pest.  Italien.  An  Bord  des  mit  700  Passagieren  am 
2.!.  Juni  von  Buenos  Aires  eingetroffenen  Dampfers  ,,Duca  de 
Galliern“  sind  in  Genua  2  Pestfälle  festgestellt  worden.  Der 
Dampfer  wurde  mit  allen  Passagieren  nach  Asinara  auf  Sardinien 
gesandt.  —  Aegypten.  Vom  13.  bis  einschl.  19.  Juni  wurden  4  neue 
Erkrankungen  (und  1  Todesfall)  an  der  Pest  angezeigt,  davon  3  in 
Alexandrien,  1  in  Tukli.  —  Britiscli-Ostindien.  ln  der  Präsident¬ 
schaft  Bombay  kamen  während  der  am  (5.  Juni  endenden  Woche 
074  Erkrankungen  (und  504  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  Anzeige, 
davon  124  (115)  in  der  Stadt  Bombay  und  84  (09)  in  Stadt  und  Hafen 
Karachi.  Der  Hafen  von  Mangalore  ist  regierungsseitig  unter  dem 
9.  Mai  für  pestverseucht  erklärt.  —  Madagaskar,  ln  der  Zeit  vom 
19.  Mai  bis  14.  Juni  sind  zu  Majunga  insgesamt  85  Personen,  da¬ 
runter  2  Europäer,  an  der  Pest  gestorben.  —  Kapland.  Vom  17. 
bis  24.  Mai  sind  in  Port  Elizabeth  2  neue  Pesterkrankungen  fest¬ 
gestellt,  ausserdem  wurde  ein  der  Pest  erlegener  Eingeborener 
tot  aufgefunden.  —  Queensland.  Den  amtlichen  Ausweisen  zu¬ 
folge  sind  vom  27.  April  bis  10.  Mai  18  Erkrankungen  und  6  Todes¬ 
fälle  an  der  Pest,  sämtlich  in  Brisbane,  vorgekommen.  —  West¬ 
australien.  Bis  zum  23.  Mai  waren  in  Freeinantle  2  Personen  an 
erwiesener  Pest  erkrankt;  der  eine  Pestkranke  war  am  22.  Mai 
uach  etwa  5  tägigem  Leiden  gestorben.  —  In  Kalkutta  sind  in  der 
Woche  vom  18.  bis  24.  Mai  205  Personen  an  der  Pest  gestorben. 

—  Pocken.  Grossbritannien.  In  Birmingham  sind  in  letzter 
Zeit  die  Pocken  ebenfalls  häufiger  aufgetreten;  bis  zum  19.  Juni 
waren  dort  47  Personen  erkrankt  und  davon  3  gestorben.  Auch 
in  der  Umgegend  der  Stadt  sind  vereinzelte  Pockenfälle  beobachtet. 

—  In  der  25.  Jahreswoche,  vom  15.  bis  20.  Juni  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  München-Gladbach  mit  28,9,  die  geringste  Hagen  mit  7,4 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Königshütte;  an  Masern 
in  Bamberg,  Mainz. 

—  Unter  dem  Titel  „American  Gynecology“  erscheint 
vom  1.  ds.  Mts.  ab  in  New  York  eine  neue  gynäkologische  Zeit¬ 
schrift  unter  Redaktion  der  Herren  Bovöe,  Je  wett,  Noble, 
Peterson  und  Williams. 


(Hochschulnachrichten.) 

Kiel:  An  hiesiger  Universität  habilitierte  sich  Oberstabsarzt 
Dr.  Reinhold  Rüge  für  historisch-geographische  Medizin.  Seine 
Antrittsvorlesung  handelte  über  Malaria  und  Syphilis. 

München.  Von  der  medizinischen  Fakultät  wurde  anläss¬ 
lich  des  Stiftungsfestes  der  Universität  nachstehende  Preisaufgabe 
gestellt:  „Deskriptiv-topographische  Bearbeitung  der  Lymplibahnen 
des  Dickdarms  mit  Hilfe  der  modernen  Untersuchungsmethoden“. 
Die  für  das  Jahr  1901/02  gestellte  Preisaufgabe:  „Experimentell¬ 
anatomische  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  der  hinteren 
Rückenmarkswurzeln  zu  den  Spinalganglien“,  die  keine  Bearbei¬ 
tung  gefunden  hat,  wurde  wiederholt. 

\\  iirzl)  u  r  g.  Dr.  R o  s  t  o  s  k  i,  erster  Assistent  an  der  medi¬ 
zinischen  Klinik,  habilitirte  sich  mit  einer  Probevorlesung  über  den 


innere  Medizin. 


zum 

Uni- 

Pro¬ 


gegenwärtigen  Stand  der  Serumdiagnostik  für 
Die  Habilitationsschrift  ist  betitelt:  Zur  Kenntnis  der  Präzipitine. 

Barcelona.  Dr.  M.  V  a  1 1  e  j  o  y  L  o  b  6  n  wurde  zum 
Professor  der  medizinischen  Klinik  ernannt. 

Graz.  Der  Privatdozent  Dr.  Erwin  Payr  wurde 
ausserordentlichen  Professor  für  Chirurgie  an  der  hiesigen 
versität  ernannt., 

Grenada.  Dr.  J.  Pa  re  ja  y  .Garrido  wurde  zum 
fessor  der  chirurgischen  Klinik  ernannt. 

M  a  d  r  i  d.  Dr.  S.  Recasens  Gerol  wurde  zum  Professor 
der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  ernannt. 

Marseille.  Professor  Dr.  Cousin  wurde  zum  Professor 
der  operativen  Medizin,  Dr.  Delanglade  zum  Professor  der 
externen  Pathologie,  Dr.  O  d  d  o  zum  Professor  der  internen  und 
der  allgemeinen  Pathologie  ernannt. 

(Todesfälle.) 

ln  Erlangen  starb  am  4.  Juli  der  ausserordentliche  Professor 
der  Ohrenheilkunde,  Dr.  Wilhelm  Kiesselbach,  02  Jahre  alt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Befördert:  der  Unterarzt  Dr.  Maximilian  Bickel  im  8  Inf - 
Reg.  zum  Assistenzarzt.  Zu  Assistenzärzten  in  der  Reserve  die 
Unterärzte  Julius  Bing-  Nürnberg,  Friedrich  Richter-  Hof 
Wilhelm  Engelmann- 1  München,  Dr.  Theodor  Zimmer- 
m  a  n  n  -  Mindelheim,  Leonhard  Geissend  örfer-  Augsbur«- 
Dr.  Karl  Merkel -I  München,  Dr.  Gustav  Büllmann- 
\\  uizburg.  Dr.  Hermann  B  o  r  1 1  s  c  h  e  1  1  e  r  -  Ludwigshafen  Dr 
Siegfried  P  f  i  f  f  e  r  1  i  n  g  -  I  München.  Alfons  S  t  a  if ^e  r  Nü nn 
bor?>  •1:lk,’h  H  i  1  z  -  Augsburg,  Paul  Eo  s  en  thal-  Bamberg;  Dr. 


August  Bolzano-  Würzburg  und  Dr.  Josef  N  i  r  s  c  h  1  - 1  Mün¬ 
chen. 

Abschied  bewilligt:  von  der  Landwehr  1.  Aufgebots  den 
Stabsärzten  Dr.  Adam  B  a  r  a  b  o  -  Nürnberg,  Theodor  Lie¬ 
sch  i  n  g  -  Gunzenhausen  und  Dr.  Franz  Z  e  i  1 1  e  r  -  Straubing, 
dem  Oberarzt  Dr.  Friedrich  Moritz- 1  München,  sämtlichen  mit 
der  Erlaubnis  zum  Tragen  der  Uniform  mit  den  für  Verabschiedete 
vorgeschriebenen  Abzeichen;  dann  von  der  Reserve  dem  Ober¬ 
arzt  Dr.  Alexander  Göscliel  -  Ansbach;  von  der  Landwehr 
1.  Aufgebots  den  Oberärzten  Dr.  Hermann  Laue-I  München  und 
Dr.  Karl  S  c  li  m  i  1 1  -  Aschaffenburg;  von  der  Landwehr  2.  Auf¬ 
gebots  dem  Stabsarzt  Dr.  Alwin  B  a  u  d  1  e  r  -  Bamberg,  den  Ober¬ 
ärzten  Dr.  Leo  Leistikow  -  Aschaffenburg  und  Dr.  Oskar 
Lauer-  Ansbach. 

Auszeichnung:  das  Offizierskreuz  des  Militärverdienstordens 
dem  Oberstabsarzt  Dr.  1 1  b  e  r  g,  Leibarzt  Seiner  Majestät  des 
Deutschen  Kaisers,  Königs  von  Preussen. 

Ernannt:  Seitens  des  Generalstabsarztes  der  Armee  wurden 
zu  Unterärzten  ernannt  und  mit  Wahrnehmung  offener  Assistenz¬ 
arzt  stellen  beauftragt:  die  einjährig-freiwilligen  Aerzte  Heinrich 
S  c  h  m  i  1 1  des  2.  Fuss-Art.-Reg.  im  17.  Inf.-Reg.  und  Dr.  Ludwig 
E  nders  des  4.  Ohev.-Reg.  im  2.  Ulanen-Reg. 


Korrespondenz. 

Aufruf  an  die  deutschen  Otologen. 

Im  Aufträge  des  stellvertretenden  1.  Vorsitzenden  der 
(4.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  Herrn 
Dr.  Herrmann  in  Karlsbad,  benachrichtige  ich  meine  Herren 
Kollegen,  dass  bisher  nur  wenige  otologische  Vorträge  angekiiudigt 
sind.  Es  ist  dringend  zu  wünschen,  dass  noch  weitere  Vorträge 
angemeldet  werden  (an  den  Einführenden,  Herrn  Dr.  Hni- 
1 1 1  s  c  hk  a  -  Neudeck  bei  Karlsbad),  welche  jedoch  nicht  mehr  in 
der  zweiten  Einladung  aufgenommen  werden  können,  dagegen  im 
lageblatt  zum  Abdruck  gelangen  werden.  Gleichzeitig  mache  ich 
diejenigen,  denen  dies  noch  nicht  bekannt  ist,  darauf  aufmerksam, 
dass  in  Karlsbad  diesmal  eine  Trennung  der  laryngologischen  und 
otologischen  Abteilung  stattfindet.  A.  Lucae.  * 


Amtlicher  Erlass. 

(Bayern.) 

Bekanntmachung. 

Die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  im  Jahre  1903  betr. 

K.  Staatsministerium  des  Innern. 

Nach  Massgabe  der  §§  1  und  2  der  K.  Allerhöchsten  Verord¬ 
nung  vom  0.  Februar  1S7G,  die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staats¬ 
dienst  betreffend,  wird  für  das  Jahr  1903  eine  Prüfung  für  den 
ärztlichen  Staatsdienst  abgelialten  werden. 

Die  Gesuche  um  Zulassung  zu  derselben  sind  unter  Vorlage 
der  Originale  des  Approbationszeugnisses  und  des  Doktor- 
diploms  der  medizinischen  Fakultät  einer  Universität  des  Deutschen 
Reiches  bei  Vermeidung  des  Ausschlusses  von  der  Prüfung  spä¬ 
testens  bis  30.  September  1.  J.  bei  jener  Kreisregierung,  Kammer 
des  Innern,  einzureiclien,  in  deren  Bezirk  der  dermalige  Wohn¬ 
sitz  des  Gesuchstellers  sich  befindet. 

Im  Gesuche  ist  zugleich  die  Adresse  für  die  seinerzeitige  Zu¬ 
stellung  des  Zulassungsdekretes  genau  anzugeben 

München,  den  20.  Juni  1902. 

Dr.  Frhr.  v.  Feilitzsch. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheitenfur  München 

in  der  25.  Jahreswoche  vom  15.  bis  21.  Juni  1902. 

-  Bet®ü^Je  Aerzte  143.  —  Brechdurchfall  18  (17*),  Diphtherie  u. 
Kroup  6  (•->),  Erysipelas  8  (8),  Intennittens,  Neuralgia  interm. 
7r  u'ir  r~  ^  Meningitis  cerebrospin  —  (— ), 

Morbilli  35  (22) ,  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  1  (3),  Parotitiß 
epidem.  3  (6),  Pneumonia  crouposa  13  (7),  Pyämie,  Septikämie 
1  (-),  Rheumatismus  art.  ac.  18  (17),  Ruhr  (Dysenteria)  1  (-), 
Scariatma  6  (7),  Tussis  convulsiva  38  (23),  Typhus  abdominalis 
1  (  ),  Varicellen  7  (11),  Variola,  Vanolois  —  (— ),  Influenza  3  (3), 
Summa  lo7  (128).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  25.  Jahreswoche  vom  15.  bis  21.  Juni  1902. 
Bevölkerungszahl:  499  932. 

Todesursachen  :  Masern  2  (1*),  Scharlach  1  (—)  Diohtheris 
m  Kroup  2  (2)  Rotlauf  -  (-),  Kindbettfieber  -(I)  BlutvergSung 
(Pyämie  u.s.  w.)  -  (3),  Brechdurebfaü  4(3),  Unterleib-Typhus  -  (1* 
Keuchhusten  1  (l).  K>oupöse  Lungenentzündung  1  (2),  Tuberkulose 
a)  der  Lunge  34  (26),  b)  der  übrigen  Organe  9  (7),  Akuter  Gelenk- 
rheamatiBmus  —  Andere  übertragbare  Krankheiten  2  (4), 
Unglucksfälle  1  (4),  Selbstmord  2  (3),  Tod  durch  fremde  Hand  1  (1), 

,  ^lGe8a™!S  Ser  Svterbefälle  215  (222),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  22,1  (22,8)  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  13,5  (14,5). 

*)  Die  oittgoklanimerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Die  Münch  Med.  Wochensctir.  erscheint  wöchenü.  f"|  T"\T/^i  TTTB'\TTiIT~)  Zusendungen  sind  zu  adresslren  :  Für  die  Redaktion 

ln  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen.  IVI  I  I  [V  I  ,  J— I  H,  H,  l'v  Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh- 

Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Ungarn  vierteljährl.  6  JC,  -i-  s  v_/  J-  x.  J— i-i.  l  J— i  mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 

ins  Ausland  8. —  JC.  Einzelne  No.  80  •$.  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


H  erausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Boilinger,  H.  Curschmann,  C,  Gerhardt.  W.  v.  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 

München.  Freiburg  i.  B  München.  Leipzig.  Berlin.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin  Erlangen.  München.  München. 


No.  28.  15.  Juli  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  II.  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Berlin. 

(Direktor:  Geh.  Rath  Prof.  Dr.  Gerhardt.) 

Ueber  autolytische  Vorgänge  in  Exsudaten. 

Von  Dr.  F.  Umber,  Assistenten  der  Klinik. 

Die  Bedeutung  der  verschiedenen  genuinen  Eiweisskörper 
für  den  Organismus,  sowie  die  Art  ihrer  intermediären  Abbau¬ 
stufen  heim  normalen  Eiweisszerfall  bedarf  in  vieler  Beziehung 
noch  der  Aufklärung.  Die  Untersuchungen  der  stickstoffhaltigen 
Stoffwechselendprodukte  im  Urin,  auf  die  in  den  letzten  Jahr¬ 
zehnten  so  viel  Mühe  und  Arbeit  verwandt  worden  ist,  und  die 
auch  an  sich  manches  interessante  und  klinisch  wichtige  Resultat 
gebracht  haben,  lassen  uns  doch  da  im  Stich,  wo  wir  Aufschluss 
haben  wollen  über  die  Art  und  Weise,  wie  der  Körper  sein  Ei¬ 
weissmolekül  verarbeitet,  über  die  Wege  des  Zerfalls,  die  dabei 
beschriften  werden.  Wenn  wir  hier  klarer  sehen  wollen,  müssen 
wir  uns  schon  daran  begeben,  in  die  intermediären  Vorgänge 
im  Organismus  und  in  den  Organen  selbst  Einblick  zu  gewinnen. 

Ein  in  dieser  Hinsicht  nicht  undankbares  Untersuchungs¬ 
material  stellen  aber  sicherlich  die  eiweissreichen  Exsudate  der 
Leibeshöhle  dar,  wie  sie  zur  Untersuchung  kommen  bei  entzünd¬ 
lichen  Vorgängen  des  Peritoneums  oder  beim  Wachsen  von 
Tumoren  im  Leibe,  die  die  peritoneale  Ueberkleidung  zu  aus¬ 
giebiger  Zellvermehrung  anregen.  Unter  diesen  Umständen  wird 
wenigstens  ein  Teil  der  dabei  auftretenden  Aufbau-  und  Zerfalls¬ 
produkte  der  Eiweisskörper  in  der  serösen  Leibeshöhle  wie  _  in 
einem  sterilen  intermediären  Reservoir  aufgestapelt  und  der 
systematischen  Untersuchung  zugänglich  werden.  In  dieser  Ab¬ 
sicht  habe  ich  im  Laufe  des  Winters  ausgedehnte  Unter¬ 
suchungen  an  mehreren  Serien  von  Exsudatflüssigkeiten  vor¬ 
genommen,  die  hauptsächlich  von  zwei  klinischen  Fällen  stamm¬ 
ten.  Beide  Male  handelte  es  sich  um  Kranke  der  F rauenabteilung, 
die  Tumoren  im  Leibe  hatten  und  die  sich  die  ansammelnden, 
sehr  eiweissreichen  Bauchexsudate  in  regelmässigen  Zwischen¬ 
räumen  auf  der  Abteilung  punktieren  liessen.  Der  eine  der 
beiden  Fälle  kam  zur  Obduktion  und  es  wurden  grosse,  kontinuir- 
lich  von  Serosa  überkleidete  Tumoren,  zum  Teil  von  cystiscker 
Natur  und  fraglichem  karzinomatösen  Charakter  gefunden. 
Von  dieser  Kranken  habe  ich  S  Exsudate  in  Untersuchung  ge¬ 
nommen,  während  von  einer  zweiten  Kranken,  welche  Tumoren 
von  vermutlich  tuberkulöser  Natur  im  Leihe  hatte  und  gleich¬ 
falls  regelmässig  punktiert  wurde,  4  gleichfalls  sehr  eiweissreiche 
Exsudatflüssigkeiten  vorgenommen  wurden.  Sie  wurden  alle 
nach  jeder  Punktion  sofort  frisch  verarbeitet.  Die  ausführlichen 
Resultate  meiner  Untersuchungen  mit  genaueren  analytischen 
bezw.  elementaranalytischen  Daten  habe  ich  an  anderer  Stelle 
niedergelegt.  Hier  will  ich  nur  zunächst  ganz  kurz  hervorheben, 
welche  genuinen  Eiweisskörper,  sowie  welche  intermediäre  Stufen 
des  Eiweisszerfalles  sich  auf  diesem  Wege  gewinnen  liessen.  Dass 
sich  unter  den  genuinen  Eiweisskörpern  der  eiweissreichen  Ex¬ 
sudate  Albumin  und  Globulin  nachweisen  liess,  entspricht  be¬ 
kannten  Tatsachen.  Was  sich  als  neu  und  bemerkenswert  heraus¬ 
stellte  ist,  dass  bei  wiederholter  Ansammlung  der  Flüssigkeit  in 
den  Leibeshöhlen  die  Albuminkomponente  prozentisch  viel 
schneller  absinkt  wie  die  Globulinkomponente,  und  dass  demzu- 
No.  28. 


folge  der  Prozentsatz  der  globulinartigen  Eiweisskörper,  zu  dem 
auch  das  in  minimalen  Spuren  nachweisbare  Fibrinogen  zu 
rechnen  ist,  in  der  Gesamtmenge  progressiv  ansteigt.  Analoge 
Verhältnisse  hat  übrigens  Burckhardt  seinerzeit  im 
Miescher  sehen  Laboratorium  am  Blutplasma  hungernder 
Tiere  gefunden. 

Diesen  bisher  bekannten  genuinen  Eiweisskörpern  eiweiss¬ 
reicher  Exsudate  gesellt  sich  ein  weiterer  eigenartiger  Ei¬ 
weisskörper  hinzu,  auf  dessen  Vorkommen  und  genauere  Zu¬ 
sammensetzung  man  seither  noch  nicht  geachtet  hat.  Derselbe 
nimmt  nach  seinen  Eigenschaften  und  Elementaranalysen  eine 
Mittelstellung  zwischen  den  eigentlichen  Mucinen  und  den  ge¬ 
wöhnlichen  Eiweisskörpern  ein.  Den  ersteren,  den  Mucinen,  ist 
er  nahe  verwandt,  indem  er  durch  schwache  Essigsäure  aus  den 
ursprünglichen  Exsudaten  gefällt  werden  kann  und  in  neu¬ 
traler,  selbst  eben  schwach  saurer  Lösung  in  der  Siedehitze  nicht 
gerinnt,  dagegen  unterscheidet  er  sich  in  seiner  Elementaranalyse, 
vornehmlich  seinem  Stickstoffgehalt  (N  =  14,37 — 14,91  Proz.) 
und  seinem  minimalen  Gehalt  an  reduzierender  Substanz  recht 
erheblich  von  den  echten  Mucinen.  Unter  Anwendung  von 
Optimumbestimmungen,  wie  sie  P.  Müller  zur  Spaltung  seiner 
Mucine  benutzt  bat,  gelang  es  nicht  einmal,  eine  sichtliche  Re¬ 
duktion  von  P  e  h  1  i  n  g  scher  Lösung  durch  die  Spaltflüssigkeit 
nachzuweisen,  und  nur  durch  die  Babo  - Meissner  sehe  Mo¬ 
difikation  der  Reduktionsprobe  (Nachweis  der  Kupferoxydul¬ 
verbindungen  durch  Salzsäure  und  Ferricyankalium)  oder  durch 
Salzsäure  und  Rhodankalium  war  überhaupt  eine  geringe  Menge 
reduzierender  Substanz  nachzuweisen.  Beim  Spalten  des  Eiweiss¬ 
körpers  mit  Orcinsalzsäure  und  Extraktion  mit  Amylalkohol 
lässt  sich  ein  deutlicher  Absorptionsstreifen  im  Rotgelb  des 
Spektrums,  sowie  eine  mehr  gleichmässige  Verdunkelung  weiter 
nach  links  im  Rot  feststellen.  Ob  diese  Reaktion  nur  durch  die 
Gegenwart  von  Pentosen  oder  aber  auch  von  Glykuronsäurekom- 
plexen  in  dem  Eiweisskörper  verursacht  wird,  lässt  sich  in  An¬ 
betracht  der  minimalen  Spuren  nicht  mit  Sicherheit  feststellen. 
Es  sei  nur  darauf  hingewiesen,  dass  Schmiedeberg  im 
Chondromucin  und  Levene  im  Sehnenmucin  das  Vorkommen 
von  Chondroitinschwefelsäure  nachgewiesen  haben,  aus  welcher 
Substanz  sich  Chondrosin,  eine  Anhydro-chitosamin-glykuron- 
säure  nach  Untersuchungen  im  Schmiedeberg  sehen  Labo¬ 
ratorium,  isolieren  lässt.  Freilich  ist  neuerdings  die  Existenz 
dieses  Komplexes  wenigstens  für  die  Ovarialmukoide  in  Zweifel 
gezogen  worden  (Neuberg  und  Heyman  n). 

Der  Eiweisskörper  ist  phosphorfrei,  enthält  aber  ziemlich 
reichlich  teils  nichtoxydierten,  teils  oxydierten  Schwefel,  im 
ganzen  1,3 — 1,6  Proz. 

In  Exsudaten  ist  ein  derartiger  Eiweisskörper  noch  nicht 
dargestellt  worden.  P  a  j  k  u  1 1,  ein  Schüler  IL  a  m  m  a  r  - 
s  t  e  n  s,  scheint  ihm  auf  der  Spur  gewesen  zu  sein,  soweit  sich 
aus  dem  Referat  des  letzteren  Autors  über  die  in  schwedischer 
Sprache  geschriebene  Originalarbeit  entnehmen  lässt.  P  a  j  k  u  1 1 
hat  darnach  „in  vielen  Fällen“  von  Transsudaten  das  Auftreten 
einer  durch  Essigsäure  fällbaren  Substanz  beobachten  können, 
„die  keine  zu  der  Mucingruppe  gehörende  Substanz  ist“.  Der 
Autor  sah  sie.  vielmehr  nach  ihrem  Verhalten  zur  Pepsinsalzsäure 
für  ein  Nukleoalbumin  an.  Möglicherweise  handelte  es  sich  also 

1 


1170 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  28. 


hier  um  die  von  uns  dargestellte  Substanz,  deren  eigentliches  | 
Wesen  jedoch  mangels  eingehenderer  analytischer  Untersuchungen 
offenbar  verkannt  wurde.  Unter  den  zahlreichen  Mueinen  und 
muciniihnlichen  Körpern,  wie  sie  von  einer  nicht  geringen  Zahl 
von  Autoren  bearbeitet  wurden,  findet  unser  Eiweisskörper  kein 
Analogon.  Nur  Salkowski  hat  vor  Jahren  einen  ähnlichen 
Körper  aus  dem  entzündlichen  Synovialerguss  eines  Hüftgelenkes 
isoliert,  den  er  seiner  eigenartigen  Beschaffenheit  halber  Syn- 
o  v  i  n  nennt,  und  der  mit  dem  unsrigen  anscheinend  völlig- 
identisch  war.  Derartige  Proteide  scheinen  aber  nur  da  vor¬ 
zukommen,  wo  die  Endothelauskleidung  seröser  Höhlen  in  Ent¬ 
zündung  oder  Umbildungsvorgängen  begriffen  ist,  weshalb  wir 
auch  vorschlagen,  sie  unter  dem  Namen  Serosamucine  ) 
zusammenzufassen.  Die  Identität  dieser  Serosamucine  mit  dem 
Synovin  wird  vielleicht  durch  die  entwicklungsgeschichtliche 
Verwandtschaft  ihrer  Mutterböden  erklärt.  Da  wo  Ergüsse  in  den 
Leibeshöhlen  nur  transsudativer  Natur  sind,  also  das  Serosa- 
endothel  nur  eine  passive  Rolle  spielt,  habe  ich  seinen  Nachweis 
vergeblich  versucht.  Deshalb  halte  ich  es  für  möglich,  dass  dieses 
Serosamucin,  dessen  Gegenwart  leicht  durch  die  flockige  Fällung 
bei  Essigsäurezusatz  zu  dem  genuinen  Exsudat  zu  erweisen  ist, 
eine  pathognomonische  Bedeutung  erlangt  zur  Beurteilung  der 
Frage,  ob  ein  Erguss  exsudativer  oder  transsudativer  Natur  ist, 
was  ja  bekanntlich  aus  dem  spezifischen  Gewicht  und  dem  Ei¬ 
weissgehalt  allein  nicht  immer  hervorgeht. 

In  den  frisch  entnommenen  Exsudaten  Hessen  sich  aus  dem 
enteiweissten  Filtrat  regelmässig  primäre  und  gewisse  se¬ 
kundäre  Albumosen  darstellen,  von  letzteren  diejenige, 
die  durch  %  Sättigung  mit  Ammonsulfat  ausgesalzen  und  als 
Deuteroalbumose  A  bezeichnet  wird,  sowie  die  durch  Ammon¬ 
sulfatsättigung  bei  neutraler  Reaktion  isolierbare  Deuteroalbu¬ 
mose  B.  Sie  unterscheiden  sich  in  keiner  Weise  von  den  Albu¬ 
mosen  gewöhnlicher  Art,  weder  in  ihrem  chemischen  Verhalten, 
noch  ihren  Gruppenreaktionen,  höchstens  dass  sie  verhältnis¬ 
mässig  schwefelreich  sind,  ähnlich  wie  dies  von  den  Albumosen 
des  Serumalbumins  bekannt  ist.  Die  Deuteroalbumose  C, 
sowie  die  eigentlichen  P  eptone  fehlen  konstant. 

Neben  den  erwähnten  Albumosen  liess  sich  auch  das  Ham¬ 
marsten  sehe  M  u  c  o  i  d,  aber  nur  in  ganz  geringen  Mengen, 
darstellen,  wie  es  ja  auch  Hammarsten  selbst  im  Aszites 
exsudativer  Natur  gleichfalls  nur  in  „wesentlich“  geringeren 
Mengen  als  aus  Transsudaten  zu  isolieren  vermochte.  Der  vom 
selben  Autor  mit  gewissem  Vorbehalt  als  Mucinalbumose  be¬ 
schriebene  Körper  stellt  zweifellos  einen  Teil  der  isolierbaren 
Albumosen  dar  und  wir  vermochten  daraus  solche  primären  und 
sekundären  Charakters  abzuscheiden. 

Von  Monaminosäuren  waren  in  den  erwähnten  Ex¬ 
sudaten  stets,  wenn  auch  in  geringen  Mengen,  Leucin  und 
Tyrosin  zu  gewinnen,  neben  minimalen  Spuren  von  P  u  r  i  n  - 
basen.  * 

Wenn  Diarni  nosäuren  überhaupt  in  frischen  Ex¬ 
sudaten  auftreten,  so  handelt  es  sich  —  wie  aus  den  minimalen 
mit  Phosphorwolframsäure  fällbaren  Stickstoffmengen  zu  ent¬ 
nehmen  ist  —  doch  jedenfalls  nur  um  so  geringe  Spuren,  dass 
an  eine  Isolierung  einzelner  Ilexonbasen  nicht  zu  denken  ist. 

Dass  die  isolierten  Zerfallsprodukte  wirklich  intermediärer 
Natur  waren,  geht  daraus  hervor,  das  der  gleichzeitige  Urin 
durchaus  nur  die  gewöhnlichen  Stoffwechselprodukte  und  nichts 
von  Albumosen,  Peptonen  oder  Monaminosäuren  enthielt.  Wir 
dürfen  also  jene  isolierten  Zerfallsstufen  des  Eiweisses  als  Zeugen 
dafür  aufrufen,  dass  der  Abbau  des  Eiweissmolekiiles  auch  unter 
normalen  Umständen  im  lebenden  Körper  allemal  über  dieselben 
Stufen  geht,  wie  wir  sie  bei  unseren  künstlichen  fermentativen 
oder  chemischen  Eiweisspaltungen  auftreten  sehen. 

Damit  stehen  auch  die  Resultate,  die  uns  die  Unter¬ 
suchungen  der  letzten  Jahrzehnte  über  die  Vorgänge  der  Auto¬ 
digestion  der  Organe  gebracht  haben,  in  vollem  Einklang.  Sie 
gehen  bekanntlich  aus  von  den  grundlegenden  Beobachtungen 
Salkowslcis  von  dem  postmortalen  fermentativen  Zerfall  der 
Eiweisskörper  in  Leber  und  Muskel. 

’)  Die  ausführliche  Publikation  und  Mitteilung  der  analytischen 
Daten  dieses  Körpers  wird  an  anderem  Orte  erfolgen. 


Erweiterte  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  haben  ge¬ 
zeigt,  dass  vornehmlich  unter  Bedingungen  abnorm  gesteigerter 
Ei  Weisszersetzung  im  Körper,  wie  in  der  Leber  bei  Phosphor¬ 
vergiftung  (J  akob  y),  bei  krebsigem  Zerfall  der  Gewebe 
(Petry)  oder  bei  Lösungsvorgängen  pneumonischer  Infiltrate 
(F.  Müller  und  O.  Simon)  sich  gewisse  Eiweisszerfallspro¬ 
dukte  unschwer  in  beträchtlicherem  Umfang  isolieren  lassen,  wie 
sie  auch  bei  digestiver  Spaltung  zu  fassen  sind.  Verhältniss- 
mässig  leicht  gelingt  die  Darstellung  solcher  Spaltprodukte,  wenn 
man  diese  Zerfallsvorgänge  an  den  Organen  post  mortem  bei 
Bruttemperatur,  unter  Ausschluss  von  Bakterien-  und  Zell¬ 
wirkung,  durch  Chloroform-  oder  Toluolzusatz  weitererhält.  Da¬ 
bei  kommt  eine  gewisse  Anhäufung  der  entstehenden  Produkte 
in  vitro  der  Untersuchung  zu  statten.  Im  lebenden  Körper,  der 
unter  den  Gesetzen  derartig  krankhaft  gesteigerten  Eiweiss¬ 
zerfalles  steht,  wird  die  Gewinnung  der  dabei  entstehenden 
Lösungsprodukte  im  Allgemeinen  dadurch  sehr  erschwert,  dass 
dieselben  eben  ununterbrochen  weitergespült  werden,  in  dem 
Masse,  als  sie  entstehen.  Nur  Momente,  die  auch  intra  vitam 
eine  Ansammlung,  eine  Aufstapelung  derselben  am  Orte  ihrer 
Entstehung  ermöglichen,  setzen  uns  in  die  Lage,  auch  intra  Cor¬ 
pus  das  Entstehen  dieses  löslichen  Autodigestionsprodukts  wenig¬ 
stens  teilweise  zu  beobachten. 

Dass  auch  in  normalen  Organen,  die  nicht  unter  den  Zeichen 
abnorm  gesteigerten  Eiweisszerfalles  stehen,  bei  postmortaler 
Autodigestion  gewisse  Abbauprodukte  des  Eiweisses  auftreten, 
die  mit  Sicherheit  Sprengungen  des  Moleküles  im  Sinne  be¬ 
kannter  Fermentspaltungen  erweisen,  haben  Untersuchungen  von 
LI  e  d  i  n  und  Roland  an  der  Milz,  Nieren,  Lymphdrüsen,  von 
J  akob  y  an  der  normalen  Lunge  von  Kutscher  an  der 
Thymus  und  von  Salkowski  an  der  Galle  gezeigt,  und  wir 
haben  bereits  gewisse  Anhaltspunkte  dafür,  dass  auch  für  den 
Zerfall  im  normalen  Organismus  ähnliche  Zerfallsgesetze  gelten. 
Ich  erinnere  nur  an  die  Versuche  Jacobys  in  denen  er  nach 
Unterbindungen  gewisser  Gefässbezirke  in  der  lebenden  Leber 
in  denselben  Leucin  und  Tyrosin  nachweisen  konnte.  Auch 
F.  Mülle  r  kommt  bereits  auf  Grund  seiner  vortrefflichen  Stu¬ 
dien  über  die  Lösungsvorgänge  bei  der  Pneumonie  zu  der  Vor¬ 
stellung,  dass  auch  im  Stoffwechsel  des  lebenden  Körpers  das  Ei- 
weissmolekül  zu  denselben  intermediären  und  Endprodukten  ge¬ 
spalten  werde  wie  bei  der  künstlichen  Aufspaltung.  Durch 
unsere  Ergebnisse  bei  der  Untersuchung  eiweissreicher  frisch¬ 
gewonnener  Exsudate  der  Leibeshöhlen,  in  denen  also  die  Pro¬ 
dukte  des  intermediären  Eiweisszerfalles  gewissermassen  wie  in 
einem  sterilen  Reservoir  intra  vitam  aufgefangen  und  dank  der 
dabei  nur  in  erheblich  verlangsamtem  Masse  zur  Geltung  kom¬ 
menden  Resorptionsvorgänge  aufgestapelt  worden  sind,  erhalten 
diese  Vorstellungen  eine  wichtige  Stütze. 

Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  können  wir  gewisse  Anhalts¬ 
punkte  dafür  gewinnen,  welcher  Natur  die  eiweissabbauenden 
Kräfte  in  unseren  Exsudaten  sind?  Wenn  hier  ähnliche  Momente 
eine  Rolle  spielen,  wie  bei  den  erwähnten  autodigestiven  Vor¬ 
gängen  an  den  Organen,  dann  müssen  die  Zerfallsvorgänge  au 
diesen  eiweissreichen  Exsudaten  auch  fortdauern,  nachdem  sie 
den  lebenden  Körper  verlassen  haben !  Es  gelang  nun 
auch  tatsächlich  in  den  unter  völlig  sterilen 
Kautelen  entnommenen  ei  weissreichen  Ex¬ 
sudaten  im  Brutschrank  unter  Toluolzusatz 
eine  Fortdauer  des  Eiweisszerfalles  nachzu¬ 
weisen. 

Die  Versuchsanordnung  war  folgende:  Bei  der  unter  asep¬ 
tischen  Kautelen  unternommenen  Bauchpunktion  wurde  1  Liter 
Exsudat  direkt  aus  dem  Troikart  in  dampf  sterilisierte,  mit 
sterilem  Wattepfropf  verschlossene  Kolben  einlaufen  gelassen, 
reichlich  Toluol  zugesetzt,  durchgeschüttelt  und  sodann  die  Kol¬ 
ben  mehrere  Tage  in  den  Brutschrank  gestellt.  In  dieser  Flüssig¬ 
keit,  die  sich  allemal  in  eine  weisse  Milch  verwandelte,  wurden 
dann  in  je  25  ccm  direkte  Gesamtstickstoffbestimmungen  vor- 
genommen,  Stickstoffbestimmungen  im  subtil  enteiweissten  Fil¬ 
trat  und  Ammoniakbestimmungen  nach  S  c  h  1  ö  s  i  n  g.  Von 
sämtlichen  Bestimmungen  wurden  gleichzeitige  Kontrollbestim- 
mungen  gemacht.  Die  dabei  erhaltenen  Resultate  wurden  mit 
den  in  genau  derselben  Weise  ausgeführten  Bestimmungen  in 
frischen  Exsudatportionen  vor  der  Autodigestion  in  Vergleich 


.5.  Juli  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1171 


gesetzt.  Der  TJebersichtlichkeit  halber  stelle  ich  die  Resultate 
tabellarisch  zusammen :  | 


100  ccm  Exsudat  von  Fall  1. 


I 

II*) 

III 

IV 

V 

Gesamt  -N 

koa- 

gulables 

Eiweiss 

gelöster  N 

Ammoniak- 

N 

Proz.  des 
Ammoniak- 
N  vom 
Oes  amt-  N 

g 

g 

g 

g 

Vor  der  Auto- 

digestion  .  .  . 

0,495 

2,77 

0,0515 

0,0085 

1,13 

Nach  der  Auto- 

digestion  .  .  . 

0,494 

2,71 

0,0590 

0,0142 

2,4 

100  ccm  Exsudat  von  Fall  2. 


Gesamt-N 

koa- 

gulables 

Eiweiss 

gelöster  N 

Ammoui  ik- 
N 

p-  07.  des 
Ammoniak- 
N  vom 
Gesamt-N 

g 

g 

g 

g 

Vor  der  Auto- 

digestion  .  . 

0,857 

5,137 

0,0352 

0,0234 

2,25 

Nach  der  Auto- 

digestion  .  .  . 

0,857 

5,037 

0,0515 

0,0418 

4,i  2 

Diese  Tabellen  sprechen  mit  bemerkenswerter  Deutlichkeit 
aus,  dass  bei  der  Autodigestion  der  Exsudatflüssigkeiten  zunächst 
der  Gesamtstickstoff  völlig  unverändert  bleibt.  Hingegen  zeigen 
die  koagulierbaren  Eiweisskörper  allemal  eine 
deutliche  Abnahme  bei  entsprechender  Zu¬ 
nahme  des  gelösten  nichtkoagulierbaren 
Stickstoffs.  Erstere  setzen  sich  nach  unseren  eingangs  kurz 
erwähnten  Untersuchungen  zusammen  aus  Serumglobulin, 
Serumalbumin,  Spuren  von  Fibrinogen  und  Serosamucin.  Letz¬ 
teres  ist  zwar  in  reiner  Lösung  in  der  Siedehitze  nicht  gerinn¬ 
bar,  wird  aber  beim  Kochen  in  Gegenwart  anderer  Eiweisskörper 
—  gerade  wie  das  Synovin  —  mitgefällt,  ist  also  in  der  Berech¬ 
nung  der  koagulablen  Eiweisskörper  mit  zu  veranschlagen.  Zu 
den  gelösten,  d.  h.  nicht  koagulablen  stickstoffhaltigen  Sub¬ 
stanzen  gehören,  wie  wir  sahen,  in  erster  Linie  primäre  und  ge¬ 
wisse  sekundäre  Albumosen,  Leucin  und  Tyrosin.  Diese  Abbau¬ 
produkte  des  Eiweisses  nehmen  also  bei  der  Autodigestion  der 
Exsudatflüssigkeiten  zu,  wobei  die  Yer  m  ehrung  des  Am¬ 
moniaks  tick  Stoffs,  der  einen  Bruchteil  dieses  gelösten 
Sticktoffs  darstellt,  besonders  in  die  Augen  springt.  Dieselbe 
muss  natürlich  auf  Kosten  des  festgebundenen  Stickstoffes  ein¬ 
hergehen.  Der  Ammoniak  steigt,  wie  aus  unseren  Ta¬ 
bellen  ersichtlich  ist,  in  seinem  prozentischen  Ver¬ 
hältnis  zum  Gesamt  - N  fast  auf  das  doppelte. 
Das  entspricht  den  Beobachtungen,  die  auch  J  akoby  bei 
der  Autolyse  der  Leber,  sowie  Salkowski  bei  der  Auto¬ 
digestion  der  Galle  gemacht  haben.  Aus  der  Art  der  Versuchs¬ 
anordnung  geht  hervor,  dass  diese  postmortalen  Lösungsvorgänge 
der  genuinen  Eiweisskörper  der  Exsudates  auf  der  Wirkung  von 
Fermenten  beruhen  müssen,  die  in  löslicher  Form  in  den  Ex¬ 
sudaten  wirksam  sind.  Ob  wir  auf  die  Tätigkeit  derartiger  Fer¬ 
mente  die  Entstehung  der  gesamten  löslichen  Spaltprodukte 
der  Eiweisskörper  in  den  Exsudaten  intra  vitam  zurückführen 
dürfen  oder  ob  ein  Teil  derselben  auch  das  Produkt  aktiver 
Zellarbeit  ist,  ist  damit  nicht  unbedingt  erwiesen.  Jedoch  fragt 
es  sich,  ob  wir  überhaupt  einen  tiefergreifenden  Unterschied 
zwischen  Zellwirkung  und  Fermentwirkung  machen  dürfen !  Er¬ 
innern  wir  uns  der  jüngsten  Ausführungen  Hofmeisters 
über  die  chemischen  Kräfte  in  der  Zelle,  in  denen  er  betont,  dass 
wir  nicht  weniger  als  10  verschiedene  Fermente  aus  der  Leber¬ 
zelle  darzustellen  vermögen! 

In  den  vorliegenden  Untersuchungen  spielen  die  primären 
albumosenartigen  Zerfallsstufen  quantitativ  durchaus  eine  be¬ 
herrschende  Rolle  unter  den  löslichen  Zerfallsprodukten,  während 
z.  B.  F.  Mülle r,  J  akoby  u.  a.  vorwiegend  tiefere  Stadien 
des  Zerfalles  isolierten,  und  ich  meine,  man  kann  sich  des  Ein- 


*)  Rubrik:  koagulables  Eiweiss  ist  berechnet  ans  der 
Multiplikation  der  Differenz  von  Gesaint-N  und  gelöstem  N  mit 
dem  Faktor  6,25. 


drucks  nicht  erwehren,  dass  bei  dem  Abbau  des  Eiweissmolekiiles 
im  Körper  ein  gewisses  gesetzmässiges,  stufenweises  Ineinander¬ 
greifen  einer  sozusagen  fraktionierten  Fermentwirkung  eine 
Rolle  spielen  muss,  wie  wir  sie  auch  im  Darmkanal  in  der  Reihe 
Pepsin,  Trypsin,  Erepsin  (C  o  h  n  h  e  i  in)  heute  kennen. 

Aus  der  II.  internen  Klinik  der  Königl.  ung.  Universität  zu 
Ofen-Pest  (Direktor:  Kgl.  Hofrath  Prof.  Carl  v.  Ketly). 

Ueber  die  Serumdiagnose  der  Tuberkulose. 

Von  Dr.  F  ranz  v.  Gebhardt  und  Dr.  Arpädv.  Torday. 

Bei  der  Therapie  der  Tuberkulose  weist  die  klimatisch¬ 
hygienische  Heilmethode  noch  immer  die  grössten  Erfolge  auf; 
nach  Friedrich  v.  Koränyi  beträgt  die  Zahl  der  geheilten 
Fälle  25  bis  30  Proz.  Der  Grund,  warum  die  Zahl  der  geheilten 
Fälle  doch  verhältnismässig  so  niedrig  ist,  liegt  darin,  dass  das 
klimatisch-hygienische  Heilverfahren  nicht  überall  anwendbar 
ist,  und  zwar  einerseits  aus  pekuniären  Gründen,  andererseits, 
weil  der  Arzt  die  Tuberkulose  oft  erst  in  einem  Stadium  zur  Be¬ 
handlung  bekommt,  wo  die  pathologischen  Veränderungen  der 
Lunge  schon  zu  sehr  vorgeschritten  sind.  Ein  anderesmal  meldet 
sich  der  Kranke  zwar  früh  genug,  und  einzelne  Frühsymptome  — 
Blutarmut,  Herzsensationen,  Verdauungsstörungen  etc.  —  sind 
zeitig  genug  konstatierbar;  Tuberkulose  kann  aber  wegen  Mangel 
physikalischer  Erscheinungen  nicht  angenommen  werden. 

Der  Nachweis  der  Koch  sehen  Bazillen  im  Sputum  ist  der¬ 
zeit  auch  nur  das  einzig  sichere  Zeichen  der  tuberkulösen  Er¬ 
krankung  der  Lunge;  wie  oft  uns  aber  die  auch  in  dieser  Rich¬ 
tung  vorgenommene  wiederholte  und  gewissenhafte  Unter¬ 
suchung,  trotz  dem  Vorhandensein  physikalischer  Symptome, 
im  Stiche  lässt,  ist  allgemein  bekannt.  Da  die  Therapie  nur  dann 
von  Erfolg  gekrönt  sein  kann,  wenn  die  Tuberkulose  auch  früh 
genug  erkannt  wird,  und  da  wir  heute  noch  keine  sichere  Methode 
besitzen,  um  dies  zu  erreichen,  so  ist  in  dieser  Richtung  jedes 
Experiment  und  jede  Forschung  gerechtfertigt  und  willkommen. 
Seit  der  Entdeckung  R.  Kochs  wurde  das  Tuberkulin  öfters 
zu  diagnostischen  Zwecken  verwendet,  man  spritzte  /4 — Ms — 1  mg 
unter  die  Haut,  worauf  sich  bei  dem  tuberkulösen  Kranken 
Fieber,  vermehrte  Bronchialsekretion  und  Verbreitung 
der  Dämpfungsstellen  als  Reaktion  cinstellte.  Weil  das  Fieber 
sich  auch  bei  auf  Tuberkulose  Verdächtigen  einstellte,  bei  denen 
man  physikalische  Symptome  nicht  nachweisen  konnte,  glaubte 
man,  dass  durch  die  subkutane  Injizierung  des  Tuber¬ 
kulins  die  Frage  der  Diagnose  der  schleichenden  Tuberkulose 
erledigt  sei.  Aber  wie  es  sich  bei  späteren  Forschungen  heraus¬ 
stellte,  kann  die  Reaktion  auch  bei  anderen  Krankheitszuständen 
und  bei  ganz  gesunden  Personen  auf  treten;  einige  machen  sogar 
auf  ihre  schädlichen  Folgen  aufmerksam. 

Der  VI.  internationale  ärztliche  Kongress  sagt  zwar,  dass 
man  sich  gegen  den  allgemeinen  Gebrauch  des  Tuberkulins  nicht 
verwahren  kann,  doch  scheint  es  nicht  ausgeschlossen  zu  sein 
und  ist  nicht  erwiesen,  dass  der  Gebrauch  des  Tuberkulins  für 
den  Kranken  so  ganz  ohne  Gefahr  wäre,  und  lässt  es  einerseits 
die  ärztliche  Gewissenhaftigkeit,  anderseits  in  der  Praxis  die 
Furchtsamkeit  des  Kranken  nicht  zu,  das  Tuberkulin  zur  früh¬ 
zeitigen  Diagnose  der  Tuberkulose  allgemein  anzuwenden. 

Com  bemale  und  Mouton  spritzten  ein  künstlich  her- 
gestelltes  Serum  —  Natrium  phosphoricum  und  Kochsalzlösung 
—  dem  Tuberkuloseverdächtigen  unter  die  Haut  und  gewahrten, 
dass  bei  Tuberkulose  eine  Temperaturerhöhung  erfolgte,  welche 
bei  Gesunden  oder  mit  anderen  Krankheiten  Behafteten  nicht 
vorkommt.  Kontrollierende  Versuche  wurden  in  dieser  Richtung 
bis  dato  nicht  vorgenommen. 

Eine  andere  Methode  ist  die  Serumdiagnose  der 
Tuberkulose. 

S.  A  r  1  o  i  n  g  [1]  hat  nämlich  im  Jahre  1898  nachgewiesen, 
dass  im  Blute  Tuberkulöser  sich  ein  Stoff  befindet,  welcher 
K  o  c  h  sehe  Bazillen  zuagglutinieren  vermag.  Seine  Ver¬ 
suche  stellte  er  mit  der  homogenen  Bouillon-Glyzerinkultur  an. 
Diese  wurde  von  ihm  so  hergestellt,  dass  er  den  Auswurf  tuber¬ 
kulöser  Personen  in  die  Schenkel  von  Meerschweinchen  injizierte, 
in  einigen  Wochen  das  Tier  schlachtete  und  aus  den  tuberkulösen 
Drüsen  Strichkulturen  auf  Kartoffeln  anlegte.  Wurden  die  Kar¬ 
toffeln  bei  38  0  gehalten,  so  erschienen  die  Kolonien  in  der  Form 

1* 


1172 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  28. 


von  ziegelroten  Knötchen.  Von  diesen  impfte  dann  Arloing 
in  6  proz.  Bouillon  glyzerin;  die  auf  diese  Art  hergestellten 
Kulturen  bewahrte  er  durch  tägliches  Schütteln  vor  Trübung 
und  so  wurden  die  Kulturen  zu  homogenen. 

Arloing  [2]  impfte  anfangs  Tiere  mit  Tuberkulin  oder 
Tbc. -Kulturen  und  beobachtete  so,  dass  das  Blutserum  eines 
solchen  Tieres  die  Bazillen  der  homogenen  Kultur  auch  bei 
stärkerer  Verdünnung  agglutiniert,  als  dasjenige  eines  gesunden 
Tieres,  weiterhin,  dass  diese  Agglutinierungsfähigkeit  auch  auf 
die  Wirkung  chemischer  Stoffe  —  Guajakol,  Kreosot,  Eukalyptol, 
Sublimat  —  eintritt,  obzwar  mit  geringerer  Energie. 

Später  setzte  er  seine  Versuche  mit  menschlichem  Serum 
fort  und  fand,  dass  das  Blut  mit  frischer  Tuberkulose  behafteter 
Menschen  eine  ebensolche  agglutinierende  Wirkung  besitzt,  als 
dasjenige  von  mit  Tuberkulin  oder  tuberkulöser  Kultur  ge¬ 
impften  Tieren. 

Nach  Arloing  ist  die  Agglutinierungsfähigkeit  keine 
spezifische  Eigenschaft  in  der  Diagnose  der  Tuberkulose,  ist  aber 
bei  verdächtigen  Fällen  trotzdem  verwendbar.  Die  Ausführung 
geschieht  folgendermassen :  Das  aseptisch  von  der  Fingerspitze 
der  zu  Untersuchenden  gewonnene  Blut  wird  in  Reagensgläsern 
von  5 — 6  cm  Länge  und  0,5  cm  Durchmesser  gesammelt,  diese 
werden  schräg  aufgestellt  und  nun  abgewartet,  bis  sich  das  Serum 
an  der  Oberfläche  sammelt;  wenn  dies  nicht  bald  eintritt,  nimmt 
man  den  Zentrifugierapparat  in  Anspruch.  Nunmehr  wird  mittels 
einer  Pipette  Arloing  sehe  Homogenkultur  in  4  kleine  Rea¬ 
gensgläschen  getropft;  diese  werden  nebeneinander  gestellt,  dann 
mittels  einer  anderen  Pipette  reines,  durchsichtiges  Blutserum 
aufgesaugt  und  aus  derselben  tropfenweise  in  die  Reagens¬ 
gläschen  gebracht,  so  dass  auf  5 — 10 — 20  Tropfen  homogener 
Kultur  ein  Tropfen  des  Blutserums  kommt;  in  dem  4.  Reagens- 
glas  bleibt  die  reine  Kultur  zum  Vergleichen. 

Die  Reaktion  ist  positiv,  wenn  im  Reagensglas 
makroskopisch  sichtbare  Trübung  eintritt,  welche  sich  in 
kurzer  Zeit  zu  Boden  setzt,  während  sich  der  obere  Teil  aufhellt 
(Klarifikation),  oder  wenn  man  bei  mikroskopischer  Untersuchung 
eines  Tropfens  des  Inhaltes  die  Koch  sehen  Bazillen  agglutiniert 
vorfindet. 

NegativistdieReaktion,  wenn  eine  makroskopische 
Trübung  nicht  eintritt  und  die  Bazillen  im  Verlaufe  von 
5  Stunden  nicht  agglutinieren. 

Man  muss  homogene  Kulturen  von  gleichem  Alter  und  Viru¬ 
lenz  nehmen.  Arloing  nahm  aus  einer  1  monatlichen  Kultur 
1--2  Oesen  und  hielt  das  Bouillonglyzerin  durch  8 — 12  Tage 
auf  38—39°  C.  Weiterhin  müssen  Bazillen  in  genügender  Zahl 
vorhanden  sein  und  es  muss  stets  von  der  Oberfläche  der  homo¬ 
genen  Kultur  genommen  werden,  denn  am  Grunde  sind  gewöhn¬ 
lich  schon  trübe  Knoten  angesammelt. 

Arloing  und  C  o  u  r  m  o  n  t  [3]  machten  Versuche  in 
352  Fällen. 

1.  Von  diesen  litten  191  Kranke  an  klinisch  konstatierter 
Tuberkulose,  positiv  war  die  Reaktion  in  168  Fällen  (87,9  Proz.), 
negativ  war  sie  bei  23  Fällen  (12,1  Proz.). 

2.  Es  wurden  130  klinisch  nicht  konstatierte  tuberkulöse  In¬ 
dividuen  untersucht,  von  diesen  war  die  Reaktion  positiv  in 
45  Fällen  (34,6  Proz.),  negativ  in  85  Fällen  (64,4  Proz.). 

3.  Scheinbar  gesunde  Personen  wurden  in  41  Fällen  unter¬ 
sucht,  von  diesen  war  dieReaktion  positiv  in  11  Fällen  (26,8 Proz.), 
negativ  in  30  Fällen  (73,2  Proz.). 

Dass  bei  den  klinisch  erwiesenen  Tuberkulösen  in  12,1  Proz. 
der  Fälle  die  Reaktion  negativ  war,  kommt  daher,  dass  in  dieser 
Nummer  auch  die  schweren  Fälle  inbegriffen  sind,  bei  welchen 
die  Reaktion  regelmässig  nicht  eintritt.  Die  beginnenden  Fälle 
und  diejenigen  mittleren  Grades  geben  die  Reaktion  gewöhnlich, 
die  schweren  Fälle  aber  nicht. 

Nach  Arloing  kann  aus  der  Reaktion  auch  die  Prognose 
bestimmt  werden,  denn  die  sich  bessernden  schweren  Fälle  geben 
die  Reaktion  wieder. 

Bei  den  klinisch  nicht  tuberkulösen  Kranken  war  die  Re¬ 
aktion  in  34,6  Proz.  der  Fälle  positiv;  diese  grosse  Zahl  zeigt 
die  Fälle  der  schleichenden  Tuberkulose  an,  bei  welchen  die  Ob¬ 
duktion  sehr  oft  die  Richtigkeit  der  Annahme  bestätigte. 

Schliesslich  gaben  die  anscheinend  gesunden  Personen  in 
26,8  Proz.  der  Fälle  positive  Reaktion;  dies  würde  der  Reaktion 


in  praxi  den  grössten  Wert  sichern,  denn  sie  würde  uns  ermög¬ 
lichen,  nach  der  Herkunft  der  schleichenden  Tuberkulose  zu 
forschen  und  die  betreffenden  Personen  früh  in  Behandlung  zu 
nehmen  und  so  die  schnelle  Ausbreitung  der  Krankheit  zu  ver¬ 
hindern. 

Diese  durch  Arloing  [4]  auf  dem  Kongresse  in  Mont¬ 
pellier  (1898)  vorgetragene  neue  Methode  erweckte  überall  leicht¬ 
verständliches  lebhaftes  Interesse  und  eiferte  die  Gelehrten  zu 
neueren  Untersuchungen  an. 

Gelobt  wurde  die  Methode  durch  M  o  n  g  o  u  r  und 
Buard  [5],  Rothamel  [6],  Dubard  [7],  Ferre  und 
Mosny  [8],  es  beschäftigten  sich  mit  ihr  Knopf  [9], 
Ferran  [10],  F  raenkel  [11]  und  vom  chirurgischen  Stand¬ 
punkte  Clement  [12] .  B  e  n  d  i  x  [13]  untersuchte  auf  der 
Klinik  v.  Leydens  in  Berlin  das  Blutserum  von  40  Personen 
mit  den  A  r  1  o  i  n  g  sehen  Homogenkulturen;  39  unter  ihnen’ 
waren  tuberkulös  und  in  28  Fällen  trat  positive  Reaktion  ein. 
Dies  wurde  durch  die  Untersuchung  des  Auswurfes  in  allen 
Fällen  bestätigt;  daraus  folgert  er  dann,  dass  das  Verfahren  zur 
rechtzeitigen  Erkenntnis  und  Andeutung  der  Tuberkulose  ge¬ 
eignet  sei.  Beck  und  Rabinowitsch  [14]  untersuchten 
die  agglutinierende  Fähigkeit  des  Blutserums  von  73  Individuen 
und  zwar  mit  Arloing  sehen  Homogenkulturen.  Nach  diesen 
Autoren  besitzt  die  homogene  Kultur  nicht  dieselben  Eigen¬ 
schaften  wie  der  gewöhnliche  Koch  sehe  Bazillus,  er  bildet  näm¬ 
lich  auf  Agar  einen  schmutzigen  Belag,  das  6  proz. 
Bouillonglyzerin  wird  von  ihm  schnell  getrübt,  er  vermehrt  sich 
schnell  auch  in  nicht  glyzerinhaltiger  Bouillon  und  sogar  die 
Virulenz  der  Kultur  ist  kleiner.  Während  der  Agglutination  bil¬ 
den  die  Bazillen  zwar  Knoten,  aber  einige  bleiben 
trotzdem  vereinzelt  stehen.  Nebenbei  bekamen  Beck 
und  Rabinowitsch  zwar  positive  Reaktion  bei  beginnender 
Tuberkulose,  diese  positive  Reaktion  zeigte  sich 
aber  auch  bei  ganz  anderen  Erkrankungen 
(Pneumonie,  Bronchitis,  Rheumatismen). 

Durch  Arloing  und  Courmont  [15]  wird  anerkannt, 
dass  die  homogene  Kultur  einigermaassen  von  der  Kultur  der 
normalen  Tuberkulosebazillen  abweicht  und  sie  betrachten  jene 
als  eine  Varietät  der  Kultur  der  Tuberkulosebazillen. 

Jedoch  in  Tiere  eingeimpft  gewinnt  sie  nach  und  nach  ihre 
ganze  Virulenz  zurück  und  gedeiht  wieder  fernerhin  ganz  in  der 
Weise,  wie  der  gewöhnliche  Koch  sehe  Bazillus. 

Sie  behaupten,  dass  es  von  Beck  und  Rabinowitsch 
ein  Fehler  gewesen  sei,  zuerst  die  Tuberkulinreaktion 
bei  Kranken  anzuwenden  und  erst  dann  die  Serumdiagnose, 
denn  nach  Arloing  konnte  dies  ihre  Resultate  beeinflussen. 

Wir  befassen  uns  auch  schon  seit  einem  Jahre  mit  der  Serum¬ 
diagnose.  Während  dieser  Zeit  untersuchten  wir  im  ganzen  das 
Blutserum  von  176  Personen  mit  der  homogenen  Kultur 
Arloing  s.  Wir  bezogen  die  homogene  Kultur  direkt  vom  Er¬ 
finder  und  erhielten  durch  Weiterimpfung  in  6  proz.  Bouillon¬ 
glyzerin  unsere  homogenen  Kulturen. 

In  unseren  Fällen  war  die  Tuberkulose  bei  75  In¬ 
dividuen  klinisch  erwiesen.  Von  diesen  war  die  Re¬ 
aktion  56 mal  (=74,7  Proz.)  positiv,  19mal  negativ  (=25,3  Proz.); 
nicht  tuberkulöse  Fälle  hatten  wir  96,  deren  Blut¬ 
serum  in  35  Fällen  positive  (=34,5  Proz.),  in  61  Fällen  negative 
(=  64,5  Proz.)  Reaktion  ergab. 

Ganz  gesunde  Personen,  bei  denen  gar  kein  Uehel  konstatier¬ 
bar  war,  untersuchten  wir  nur  in  5  Fällen,  von  denen  in  3  Fällen 
ebenfalls  positive  Reaktion  erfolgte. 

Im  Laufe  dieser  Versuche  überzeugten  wir  uns,  dass  die  Er¬ 
zeugung  und  das  im  stände  halten  der  homogenen  Kultur  mit 
Schwierigkeiten  verbunden  ist. 

Die  Geduld  wird  oft  auf  harte  Probe  gestellt,  wenn  die  schon 
beinahe  durchsichtige  Kultur  auf  einmal  trübe  und  zu  weiterem 
Experimentieren  unbrauchbar  wird.  Wir  müssen  aber  kon¬ 
statieren,  dass  in  jenen  Fällen,  wo  wir  die  Reaktion  als  positiv 
bezei ebneten,  dieselbe  mikroskopisch  ganz  in  derselben  Weise  ver¬ 
lief,  wie  es  die  Erfinder  beschrieben,  aber  unter  dem  Mikroskope 
fanden  wir  trotzdem  einige  vereinzelt 
stehende,  nichtagglutinierteBazillen.  Bei  den 
klinisch  als  tuberkulös  erwiesenen  Kranken 
bekamen  wir  in  25,3  Proz.  der  Fälle  negative  Reaktion,  obzwar 


15.  Juli  1902. 


an  vorgeschrittener  Tuberkulose  nur  3  litten,  bei  den  anderen  in 
diese  Kategorie  eingereihten  75  Fällen  konnten  wir  die  Anfangs¬ 
symptome  der  Tuberkulose  konstatieren.  Zwar  untersuchten  wir 
nicht  in  sämtlichen  Fällen  das  Sputum,  weil  die  Kranken 
a  m  b  u  1  a  n  t  waren,  als  wir  uns  aber  später,  als  der  Prozess  vor¬ 
geschritten  war,  von  der  Richtigkeit  der  Diagnose  überzeugten, 
blieb  die  Reaktion  immer  noch  negativ. 

Bei  den  klinisch  nicht  tuberkulösen  Fällen 
bekamen  wir  bei  34,5  Proz.  positive  Reaktion.  Wenn  wir  auch 
annehmen,  dass  unter  diesen  Fällen  viele  latente  Tuberkulose 
waren,  so  ist  es  doch  auffallend,  dass  in  dieser  Kategorie  die 
positiven  Reaktionen  sich  auf  solche  Kranke  beziehen,  welche 
meistens  über  subjektive  Beschwerden  klagten,  welche  mit  der 
Tuberkulöse  gleichzeitig  sehr  selten  auftreten  (Carcinoma  ventri- 
culi,  Morb.  Basedowii,  Leukämie  etc.). 

Zweifellos  ist,  dass  die  positive  Reaktion  öfters  auch  bei 
Fällen  von  beginnender  Tuberkulose  nicht  zu  be¬ 
kommen  und  andererseits  gibt  auch  das  Serum 
scheinbar  gesunder  Individuen  und  solcher, 
die  an  a  n  dere  n  Krankheiten  leide  n,  die  posi¬ 
tive  Reaktion,  wie  dies  F  raenkel  neuerdings  den 
Typhus  betreffend  auch  nachgewiesen  hat.  Vielleicht  wird 
dies  durch  die  bisher  uns  unbekannte  Eigen¬ 
schaft  des  die  Agglutination  verursachenden 
Stoffes  hervorgebracht.  Dass  die  Agglutination  auch 
bei  positiver  Reaktion  nicht  immer  vollkommen  ist,  das  wissen 
wir.  Es  ist  möglich,  dass  ein  anderer  Faktor,  wie  ihn  A  r  1  o  i  n  g 
für  das  Tuberkulin  schon  bestimmte,  den  aggluti- 
nirenden  Stoff  des  Blutserums  beeinflusst.  Allerdings  sollte  man 
untersuchen,  ob  nicht  gewisse  Zustände  des  Blutes,  Erkrankungen 
desselben,  die  Reaktion  beeinflussen  können.  Das  Blutserum 
eines  Leukämikers  muss  ja  unbedingt  von  anderer 
chemischer  Zusammensetzung  sein,  als  das  eines  Karzinomatösen, 
und  trotzdem  bekommen  wir  bei  beiden  positive  Re¬ 
aktion. 

Wir  müssen  betonen,  dass  sich  unsere  Ansichten  nur  auf 
die  von  uns  kultivierten  Arloingschen  homo¬ 
genen  Kulturen  beziehen.  Denn  es  ist  möglich,  dass 
man  andere  Resultate  bekommt,  wenn  man  immer  mit  originalen 
Kulturen  arbeitet.  Es  ist  eben  der  grösste  Fehler,  dass  die 
Autoren  nicht  immer  mit  derselben,  ständigen  homo¬ 
genen  Kultur  arbeiten,  welche,  wenn  sie  auch  Koch  sehe 
Bazillen  enthält,  doch  sich  nicht  immer  so  verhält,  wie  die  Kul¬ 
turen  echter  Koch  scher  Bazillen.  Vielleicht  beruhen  die  auf 
die  Rechnung  der  Serumdiagnose  geschriebenen,  abweichenden 
Resultate  auf  diesem  Umstand.  Nach  unserer  Meinung  wäre  d'i  e 
Vereint  achun  g  d  e  r  M  ethode,  mit  welcher  A  r  1  o  i  n  g 
und  Cour  m  ont  die  Wissenschaft  zweifelsohne  um  viele 
Schritte  vorwärts  gebracht  haben,  die  erste  A  u  f  g  a  b  e,  um 
sie  in  praxi  leichter  ausführen  zu  können. 

Das  oben  Gesagte  zusammenfassend,  können  wir  behaupten: 

1.  Das  Blutserum  der  an  erwiesener  Tuber¬ 
kulose  Leidenden  hat  unsere  homogenen  Kul¬ 
turen,  zwar  nicht  in  allen  Fällen,  aber  d  o  c  h 
meistens  agglutinier  t.. 

2.  Diese  Agglutination  ist  aber  für  die 
Tuberkulose  nicht  von  spezifischer  Bedeu- 
t  u  n  g,  denn  sowohl  das  Blutseru  m  d  e  r  a  n 
anderen  Krankheiten  Leidenden  als  dasjenige 
gesunder  Individuen  gibt  auch  positive  Re¬ 
aktion. 

Literatu  r: 

1.  S.  Arloing:  Agglutination  du  bacille  de  la  tuberculose 
vraie.  Compt.  rendus,  Paris  1898.  —  2.  8.  Arloing:  Apposition 
dans  le  serum  sanguin,  sous  rintlueuce  de  produits  chimiques, 
d’une  matiere  capable  d’agglutiner  le  bacille  de  la  tuberculose 
vraie.  C.  R.  de  l’Acad.  de  scienc.  Paris  31.  mal  1898.  —  3.  S.  Ar¬ 
loing  et  Paul  Courmont:  De  l’obtention  des  cultures  du  ba¬ 
cille  de  Koch  les  plus  propeces  ä  belüde  du  phenomeue  de  l’agglu- 
tination  par  le  serum  sanguin  des  tuberculeux  C.  R.  de  l’acad.  des 
scienc.  19.  sept.  1898.  —  4.  S.  A  r  1  o  i  u  g:  Agglutination  du  bacille 
de  Koch  par  le  serum  sanguin  des  tuberculeux.  Congr.  de  med. 
interne  Montpellier  1898.  —  5.  Mongour  et  Buard:  Soc.  de 
biol.  17.  juin  et  20.  dec.  1899,  Journ.  de  med.  de  Bordeaux  17.  dec. 
1898  et  9.  juillet  1899.  —  6.  Bothamel:  Agglutination  du  bacille 
de  la  tuberculose  primfipalement  ehez  les  tuberculeux  cachectiques, 
Thöse  de  Bordeaux  1899.  —  7.  Duba  r  d,  cit.  de  Arloing  et  Cour- 

No.  28. 


1173 


mont:  Extrait  de  la  Gazette  des  höpitaux  du  1.  dec.  1900.  _ 

8.  F  e  r  r  e  et  Mosny:  Congr.  intern  de  Paris  1900.  —  9.  K  n  opf: 
Early  recognition  of  pulmonary  tuberculosis.  Journ.  of  the  Arner. 
med.  Assoc.  1899.  —  10.  Ferrari  (de  Barcelona),  cit.  de  Arloing 
et  Courmont.  -11.  Fraenkel:  Hygien.  Rundschau,  10.  Juli  1900. 
—  12.  Clement:  Contribution  ä  1‘etude  du  sero-diagnostic  de  la 
tuberculose  son  application  aux  cas  de  tuberculose  chirurgicale. 
These  de  Lyon  1900.  —  13.  Bend  ix:  Serodiagnose  der  Tuber¬ 
kulose.  Deutsche  med.  Wochensehr.  1900,  224.  —  14.  Beck  und 
Rabino  witsch:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  25.  — 
15.  Arloing  et  Cour  mont:  Sur  la  valeur  de  la  sero-reaction 
pour  le  diagnostic  precoce  de  la  tuberculose.  Presse  med.  1900, 
73.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  48. 


Zur  spezifischen  Behandlung  der  Tuberkulose.*) 

Von  Sanitätsrat  Dr.  Hager  in  Magdeburg  N. 

M.  H.!  Den  medizinischen  Forschungen  und  Entdeckungen 
der  letzten  Jahrzehnte  gelang  es  nicht  nur,  eine  Reihe  von  früher 
bekannten  Infektionskrankheiten  auf  eine  ätiologisch  sichere  Rasis 
zu  stellen,  sondern  auch  eine  Reihe  anderer  Krankheiten,  wie 
z.  B.  Pneumonie  und  Tuberkulose,  erst  als  Infektionskrankheiten 
zu  erkennen. 

Diese  Entdeckungen,  welche  wir  der  Bakteriologie  verdanken, 
hatten  im  Gegensatz  zu  früheren  Fortschritten  im  Erkennen  des 
Wesens  der  Krankheiten  für  den  Praktiker  den  einen  Vorzug,  dass 
sie  ihn  nicht  vollständig  wehrlos  den  Krankheiten  wie  einer  vis 
major  gegenüberstellten. 

Die  Virchow  sehe  Zellularpathologie,  so  berechtigte  An¬ 
erkennung  derselben  zu  ihrer  Zeit  und  bis  heute  geworden,  war 
nicht  geeignet,  den  praktischen  Arzt  zum  Kampfe  gegen  die 
Krankheiten  zu  ermutigen;  höchstens  konnte  die  Prophylaxe  in 
einigen  wenigen  Fällen  von  ihr  Vorteil  ziehen. 

Der  neueren  bakteriologischen  Forschung  aber  gelang  es,  nicht 
nur  der  Prophylaxis  eine  weit  breitere  und  zuverlässigere  Stütze 
zu  bieten,  sondern  auch  die  Therapie  in  wesentlicher  und  rationeller 
Weise  zu  bereichern  und  zwar  so,  wie  man  es  früher  in  der  Medizin 
nicht  gekannt  hatte. 

Noch  heute  vor  drei  Jahrzehnten  hätte  ein  Arzt,  welcher  sich 
unterfing,  ein  sicheres  Spezifikum  gegen  Diphtherie,  Typhus,  Pneu¬ 
monie  oder  Tuberkulose  zu  suchen,  unter  seinen  Kollegen  be¬ 
rechtigtes  Kopfschütteln  hervorgerufen.  Heute  haben  wir  gegen 
die  eiue  dieser  Infektionskrankheiten,  gegen  die  Diphtherie,  ein 
nach  der  Ansicht  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Aerzte  allen 
Anforderungen  entsprechendes  spezifisches  Heilmittel,  und  die 
nahe  Aussicht,  gegen  die  andei-en  solche  Heilmittel  zu  finden, 
wenigstens  aber  ist  das  Suchen  nach  solchen  Heilmitteln  überall 
als  berechtigt  anerkannt. 

Unter  einem  spezifischen  Heilverfahren  im  Sinne  der  Bakterio¬ 
logie  versteht  man  ein  solches,  welches  die  natürlichen  Kräfte 
und  Bedingungen,  durch  welche  in  einer  Infektionskrankheit  Ge¬ 
nesung  und  oft  ein  gewisser  Schutz  gegen  Wiedererkrankung  ein- 
tritt,  erforscht  hat  und  dann  beim  erkrankten  Menschen  diese 
Kräfte  und  Bedingungen  nachahmt  und  anwendet;  hier  handelt 
es  sich  also  im  Gegensatz  zu  dem  heute  oft  missbräuchlich  an¬ 
gewandten  Ausdruck  um  ein  wahres  Naturheilverfahren. 

In  einer  Erörterung  über  das  Thema  „Immunität“,  mit  welcher 
mich  vor  einigen  Jahren  der  Vorstand  unserer  Gesellschaft  betraut 
hatte,  sahen  wir,  wie  viel  Arbeit  vieler  Forscher  nötig  gewesen, 
um  das  Zustandekommen  des  Heilungs-  und  Immunisierungs¬ 
vorganges  bei  Infektionskrankheiten  unserem  Verständnis  näher 
zu  rücken  und  wie  verschieden  sich  bei  gewissen  gemeinsamen 
Merkmalen  doch  im  einzelnen  bei  den  einzelnen  Infektionskrank¬ 
heiten  die  Schutzvorrichtungen  des  Körpers  und  die  schützenden 
Produkte  verhalten. 

Bisher  scheinen  es  von  den  bakteriologisch  sicher  erforschten 
Infektionskrankheiten  die  akuten,  schnell  verlaufenden  und  töt- 
licli  endenden  zu  sein,  bei  welchen  der  Infektionsvorgang  und  die 
Infektionsheilung  sich  am  sichersten  erforschen  und  sich  am  zu¬ 
verlässigsten  nachahmen  lässt.  Neben  der  Diphtherie,  gegen 
welche  wir  ein  allgemein  anerkanntes  spezifisches  Heilverfahren 
besitzen,  erfreuen  sich  noch  einer  allmählich  zunehmenden  Aner¬ 
kennung  das  spezifische  Heilverfahren  gegen  Tetanus,  dann  in 
absteigender  Linie  das  von  dem  Italiener  Sclavo  entdeckte 
gegen  Milzbrand,  das  P  a  n  e  sehe  gegen  Pneumonie,  ferner  das 
gegen  Typhus,  Pest,  Gelbfieber  (?)  (Sanarelli).  Leider  hat  sich 
gegen  Streptokokkeninfektion  bisher  kein  spezifisches  Heilver¬ 
fahren  bewährt.  Zugleich  mit  dem  Heilverfahren  gegen  die  ge¬ 
nannten  Krankheiten  hatte  man  die  Möglichkeit,  Nichterkrankten 
einen  Schutz  zu  gewähren,  sie  gegen  die  Krankheit  zu  immuni¬ 
sieren. 

Alle  diese  genannten  Heil-  und  Schutzverfahren  gingen  bis¬ 
her  von  der  Behrin  g’  sehen  Entdeckung  aus,  dass  im  Blutstrom 
des  Menschen  und  des  Tieres,  Avelches  eine  Infektionskrankheit 
glücklich  überstellt,  Schutzstoffe  sich  erzeugen  und  ansammeln, 
welche  die  pathogenen,  in  den  Körper  gelangten  Keime  vernichten 
oder  wenigstens  sie  und  ihre  deletären  Produkte  unschädlich 
machen,  und  ferner,  dass  man  auf  dem  Wege  des  Experimentes 
diese  Schutzstoffe  bei  Tieren  erzeugen  und  sie  darstellen  und 
sammeln  kann. 

*)  Nach  einem  in  der  Magdeburger  med.  Gesellschaft  ge¬ 
haltenen  Vortrage. 


MÜENcHENER  MEDIClNISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2 


MHENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


1174 


Diese  Schutzstoffe  sind  nicht  rein  darzustellen,  sie  befinden 
sich  im  Blutplasma,  dem  Blutserum,  scheinen  gebunden  au  einen 
Eiweisskörper  des  Blutserums,  an  das  Serumglobulin. 

Es  lag  nahe,  dass  bei  dieser  immerhin  merkwürdigen  Ent¬ 
deckung  gewisse  Zweifler  und  Kritiker  —  au  solchen  fehlt  es 
ja  zum  Glück  in  der  Medizin  nicht  —  eine  Rückkehr  und  Umkehr' 
von  der  anerkannten  Zellularpathologie  zur  alten  Humoralpatho- 
logie  weissagten  und  eine  Zeit  voraussagten,  in  welcher  man  alles 
Heil  von  den  Körpersäften  und  den  Körperausscheidungen  er¬ 
warten  würde.  Indessen  fügen  sich  die  neu  gefundenen  Tat¬ 
sachen  sehr  gut  in  die  uns  allen  durch  Virchow  geläufige 
Wahrheit  ein,  dass  das  Leben  des  Menschen,  die  Gesundheit  und 
die  Krankheit,  auf  der  Leistungsfähigkeit  und  Gesundheit  der  Zelle 
beruht.  Zellen  sind  es,  welche  im  Blutstrom  und  in  den  Körper¬ 
säften  kreisend,  die  Verteidigung  gegen  alle  fremden,  in  den 
Körper  eindringenden,  ihn  krankmachenden  Keime  übernehmen, 
und  Zellen  sind  es,  welche  die  zum  Ueberstehen  einer  Infektion 
und  zur  Immunisierung  gegen  eine  Infektion  notliwendigen,  im 
Serum  des  Blutes  abgesonderten  Schutzstoffe  erzeugen. 

Diese  Zellen  wiederum  werden  erzeugt  in  den  Lymphdrüsen, 
in  der  Milz,  im  Knochenmark.  Hier  bilden  sie  sich  und  vermehren 
sie  sich,  und  vermöge  einer  besonderen  Art  von  Empfindlichkeit 
und  Beweglichkeit,  welche  wir  als  Chemotropismus  oder  Chemo¬ 
taxis  kennen  gelernt  haben,  begeben  sie  sich  an  den  Punkt  des 
Körpers,  wo  eine  Verteidigung  nötig  ist. 

Diese  Zellen,  auch  Pliagocyten  genannt,  wiewohl  dieser  Aus¬ 
druck  keineswegs  ihre  Tätigkeit  beim  Infektionsprozesse  er¬ 
schöpfend  bezeichnet,  sind  im  Blute  die  weissen  Blutkörperchen, 
die  Leukoeyten.  Von  ihnen,  die  man  früher  für  gleichwertig  hielt, 
unterscheidet  man  heute  bestimmt  dreierlei  Varietäten:  1.  die 
polynukleären,  die  vielkernig  erscheinenden,  2.  die  Lymphocyten, 
3.  die  mononukleären  Leukoeyten. 

Die  Lymphocyten  haben  keine  phagocytiscken  Eigenschaften, 
sie  erlangen  dieselbe  nur  durch  Umwandlung  in  mononukleäre 
Leukoeyten. 

Von  den  drei  genannten  Gebilden  sind  es  die  polynukleären 
und  die  mononukleären,  welchen  die  Haupttätigkeit  bei  Infek¬ 
tionen  obliegt;  die  Lymphocyten  betheiligen  sich  nur  insofern,  als 
aus  ihnen  die  mononukleären  Leukoeyten  hervorgehen. 

Nach  den  neuesten  Forschungen,  auf  die  wir  hier  nicht  ein- 
gehen  können,  ist  Grund  zu  der  Annahme  vorhanden,  dass  sich  diese 
Leukoeyten  je  nach  den  Infektionen  in  verschiedener  Weise  be¬ 
teiligen.  So  glaubt  W  i  d  a  1  gefunden  zu  haben,  dass  die  eigent¬ 
lichen  Agenten  der  Verteidigung  bei  akuten  Mikrobenkrankheiten 
die  polynukleären  Leukoeyten  sind,  welche,  wie  erwähnt,  %  der 
ganzen  im  Blute  kreisenden  Leukoeyten  sind,  während  die  mono¬ 
nukleären  Leukoeyten  speziell  gegen  die  Mikroben  chemischer 
Affektionen  den  Kampf  zu  führen  haben  und  ihnen  ausserdem  die 
Beseitigung  alles  dessen  obliegt,  was  der  Atrophie  oder  der  De¬ 
generation  im  Kreislauf  anheimfällt. 

In  funktioneller  Beziehung  darf  man  noch  mit  Ehrlich 
diesen  Zellen  sekretorische  Eigenschaften  wie  den  Drüsenzellen 
zusprechen,  welche  sich  in  verschiedener  Weise  äussern  können, 
je  nachdem  sie  mit  Mikroorganismen  oder  den  Stoffwechselpro¬ 
dukten  derselben  in  Berührung  kommen. 

Ich  führe  Ihnen  diese  zum  Teil  noch  hypothetischen  Funde 
und  Anschaungen  deshalb  an,  weil  sie  beweisen,  dass  es  immer 
Körperzellen  sind,  von  denen  die  Schutzstoffe  bei  Infektionskrank¬ 
heiten  abliängen  und  ferner,  weil  sie  uns  erklären  können,  dass 
für  die  einzelnen  Infektionen  das  Schutzverfahren  ein  verschiedenes 
sein  kann  und  dass  sich  für  Heilung  wie  Immunisierung  vielleicht 
sobald  kein  allgemeines  Gesetz  aufstellen  lässt. 

Wenden  wir  uns  nun  nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen 
zu  dem  Infektionsvorgang  bei  derjenigen  Krankheit,  über  deren 
Therapie  wir  heute  handeln  wollen,  so  ist  derselbe  noch  vielfach 
für  uns  in  Dunkel  gehüllt,  namentlich  aber  die  allerersten  Stadien 
desselben  und  der  eigentliche  Heilungsvorgang.  Wir  müssen  uns 
hier  ausser  an  das  Tierexperiment  an  mehr  oder  weniger  be¬ 
gründete  Hypothesen  halten. 

Nicht  leicht  wird  man  sich  denken  können,  dass  wir  in  irgend 
einem  Falle  beim  Menschen  jemals  genau  den  Zeitpunkt  bestimmen 
können,  wo  der  erste  Tuberkelbazillus  resp.  die  erste  Tuberkel¬ 
bazillenaussaat  haftet  und  ihr  verderbliches  Werk  beginnt.  Ex¬ 
perimente  am  Menschen  (auch  unbeabsichtigte)  sind  hier  nicht  ge¬ 
macht  (wie  etwa  bei  der  Lepra),  aber  länger  und  symptomloser, 
als  bei  irgend  einer  der  uns  bisher  bekannten  Infektionskrankheiten 
erscheint  hier  die  Latenz  des  Infektionserregers. 

Dreifach,  so  nehmen  wir  an,  ist  die  Eintrittspforte:  Der  Pilz 
kann  in  den  Körper  eindringen  auf  dem  kutanen  Wege,  auf  dem 
Wege  der  Inhaltion  und  auf  dem  Wege  der  Verdauungsorgane. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  von  den  vielen,  vielen  tausenden 
Tuberkelbazillen,  welche  an  den  Menschen  auf  seinem  Lebens¬ 
wege  herantreten,  nur  in  sehr  seltenen  Fällen  einige  haften  und 
dass  von  denjenigen,  welche  haften,  auch  nur  ein  begünstigter 
Teil  zu  weiterer  Entwicklung  kommt.  Sucht  man  experimentell 
einen  günstigen  Infektionsmodus  nachzuahmen,  impft  man  Koch¬ 
sehe  Bazillen  in  die  vordere  Augenkammer  von  Kaninchen  ein, 
oder  subkutan,  intraperitoneal,  intramuskulär,  intratracheal,  so 
hat  man  die  am  besten  zu  verfolgenden  Resultate  mit  der  ersten 
Methode.  Die  in  der  vorderen  Kammer  deponierten  Tuberkel¬ 
bazillen  pflanzen  sich  auf  den  Epithelzellen  der  Iris  ein  und  ver¬ 
breiten  sich  dann  auf  dem  Lymph-  und  Blutwege  im  Körper  weiter 
auf  andere  Epithelzellen  und  auch  in  die  Zwischenzellensubstanz. 
Sie  liegen  hier,  wie  innerhalb  der  Zellen,  meist  zu  zwei  und  zwei, 


manchmal  auch  in  Form  von  Kreuzen  oder  kleinen  Sternen.  Zu¬ 
nächst  zeigt  sich  für  längere  Zeit  an  den  von  der  Invasion  be¬ 
troffenen  Zellen  keinerlei  Veränderung,  so  wenig  am  Kern  als  am 
Protoplasma.  Die  erste  Veränderung,  sowohl  an  den  Endothel¬ 
zellen  der  Gefässe,  als  an  den  Epithel-  und  Bindegewebszellen, 
besteht  in  Kernbewegung  und  Kernteilung,  und  hier  ist  gleich 
bemerkenswert:  Es  entsteht  eine  solche  nicht  nur  in  den  be¬ 
fallenen  Zellen,  sondern  auch  in  den  nicht  befallenen  Zellen  der 
Nachbarschaft;  es  entsteht  eine  Epithelzellenneubildung,  epi- 
tlieloide  tuberkulöse  Zellenneubildung,  die  fortschreitend  zum 
Tuberculum  miliare  führt.  Wir  sehen  hier  also  eine  gewisse  Art 
von  Fernwirkung,  vielleicht  bedingt  durch  Stoffwechselprodukte 
des  Infektionsträgers.  In  einer  vorgeschrittenen  Periode  des 
Tuberkels,  vielleicht  schon  in  der  beginnenden  Abschwächung  der 
Proliferation,  finden  wir  die  typischen  Riesenzellen,  ln  dieser 
Entwicklungsphase  sehen  wir  nun  ein  zweites  wichtiges  Phänomen. 
Rings  um  die  Tuberkel  finden  wir  eine  dichte  Ansammlung  von 
lymplioiden  Elementen,  von  kleinen  mononukleüren,  später  auch 
von  typischen  Lymphocyten,  welche  gleichsam  herangelockt  den 
Tuberkel  belagern,  auch  in  ihn  eindringen,  seine  Nekrose  und  Ver¬ 
käsung  begünstigen.  Es  ist  auf  diese  Weise  die  Möglichkeit  vor¬ 
handen,  dass  die  neugebildeten  Zellen  mit  den  in  ihnen  weilenden 
Infektionsträgern  in  vielen  Fällen  unschädlich  gemacht  werden 
und  dass  so  in  den  ersten  Lympliwegen  der  Angriff  siegreich  ab¬ 
geschlagen  wird,  weil  die  schützenden  Leukoeyten  ihre  Schuldig¬ 
keit  tun. 

Tun  sie  dieselbe  nicht,  ist  das  Individuum  der  Infektions¬ 
möglichkeit  vielleicht  in  zu  breiter  und  ungünstiger  Weise  aus¬ 
gesetzt  gewesen,  oder  handelt  es  sich,  worauf  Bau  m  g  arte  n 
mehr  Gewicht  legen  möchte,  um  eine  zu  hohe  Virulenz  der  Tu¬ 
berkelbazillen.  so  entwickeln  sich  dieselben  weiter,  sie  vermehren 
sich  in  den  Lympliwegen,  führen  zu  Anschwellung  der  Lymph¬ 
drüsen,  denen  es  dann  oft  noch  gelingt,  für  lange  Zeit  der  Weiter¬ 
entwicklung  ein  Ziel  zu  setzen. 

Gelangen  die  Pilze,  sei  es  auf  dem  Wege  des  Lymph-  und 
Blutstromes,  sei  es  auch  durch  Einatmung,  an  ihre  Prädilektions¬ 
stellen  und  entwickeln  sich  hier  weiter,  so  kann,  nachdem  es  oft 
auch  noch  zu  einer  Vergesellschaftung  der  Tilze  mit  den  im 
Körper  immer  kampfbereiten  pyogenen  Infektionsträgern  ge¬ 
kommen  ist,  bei  Kindern  z.  B.  eine  Knochen-  oder  Gelenkanschwel¬ 
lung  und  bei  Erwachsenen  eine  Dämpfung  in  der  Lungenspitze, 
mit  Blutarmuth,  unbedeutendem  Husten,  als  erstes  alarmierendes 
Zeichen  auftreten.  Man  spricht  dann  von  beginnender  Tuber¬ 
kulose;  aber  wie  weit  liegt  der  eigentliche  Anfang  der  Krankheit 
zurück?  Von  all’  den  Vorstadien,  in  welchen  es  zu  alarmierenden 
Symptomen  nicht  gekommen  ist,  legen  die  zahlreichen  Obduktions¬ 
befunde  von  geheilten  Tuberkelinsulten  Zeugnis  ab,  welche  im 
Leben  keine  Symptome  gemacht  haben.  Zählt  man  zu  diesen  Be¬ 
funden  diejenigen  hinzu,  welche  konstatiert  wurden  bei  der 
Autopsie  solcher  Individuen,  welche  im  Leben  Symptome  geboten 
haben,  aber  geheilt  sind,  häufig  ohne,  oft  aber  auch  nur  durch 
hygienische  Behandlung,  so  dürfen  wir  behaupten,  dass  etwa  Vi 
aller  Leichen  die  Zeichen  einer  unwirksam  gewordenen  Tuberkel¬ 
bazilleninvasion  bietet,  also  die  Zeichen  einer  geheilten  Tuber¬ 
kulose.  Wir  dürfen  sagen:  von  allen  Infektionskrankheiten, 
welche  wir  kennen,  ist  die  Heilungsziffer  bei  keiner  grösser,  keine 
Krankheit  ist  in  gleichem  Masse  spontan,  d.  li.  durch  die  natür¬ 
lichen  Kräfte,  heilbar  wie  die  Tuberkulose. 

Können  wir  sagen,  wie  diese  Heilung  zu  stände  kommt  und 
weshalb  sie  in  anderen  Fällen  unterbleibt? 

Der  hypothetische  Vorgang  ist  folgender: 

Gelangen  Tuberkelbazillen  an  irgend  einer  Stelle  des  Körpers 
zur  Haftung,  zur  Entwicklung  und  Vermehrung,  so  kommt  es 
ebensogut  wie  in  Tuberkelbazillenkulturen  zur  Absonderung  gif¬ 
tiger  Stoffwechselprodukte  derselben,  der  Tuberkelbazillentoxine. 
Gelangen  diese  in  den  Blut-  oder  Lymphstrom,  so  wirken  sie  dort 
chemotaktisch  auf  die  Leukoeyten.  welche  sie  gleichsam  zum 
Kampfe  aufrufen  gegen  die  Eindringlinge. 

Dass  die  Stoff  Wechselprodukte  des  Tuberkelbazillus  in  hohem 
Grade  chemotaktisch  sind,  ist  bekannt,  aber  nicht  alle  Autoren 
schreiben  dieser  Eigenschaft  die  gleiche  Wichtigkeit  und  Haupt¬ 
aufgabe  bei  einer  Einleitung  des  Kampfes  gegen  die  Eindringlinge 
zu.  Alle  aber  stimmen  darin  überein,  dass  die  Aufforderung  zur 
Abwehr  und  zum  Kampfe  an  die  schützenden  Leukoeyten  von  den 
Stoffwechselprodukten  des  Tuberkelbazillus  ausgeht.  Bouclia  r  d 
nimmt  an,  dass  die  bazillären  Sekrete  komplizierterer  Art  sind:  es 
soll  darin  Stoffe  geben,  welche  den  Durchtritt  der  Leukoeyten 
durch  die  Gefässwand  hervorrufen,  daneben  auch  solche,  welche 
diesen  Durchtritt  hindern,  endlich  auch  solche,  welche  eine  im¬ 
munisierende  Eigenschaft  haben. 

Durch  das  Eintreten  der  schützenden  Leukoeyten  in  den 
Kampf  mit  den  Infektionsträgern,  welcher  nicht  immer  sym- 
ptomenlos  verläuft,  tritt  ein  vorläufiger  Stillstand  ein,  der  oft  zu 
einem  definitiven  werden  kann.  Dieser  Stillstand  wird  dadurch 
bewirkt,  dass  es  seitens  der  Leukoeyten  zur  Absonderung  von 
Stoffen  kommt,  welche  die  Entwicklung  der  Tuberkelbazillen  hin¬ 
dern  und  die  von  ihnen  produzierten  Gifte  unschädlich  machen, 
zur  Absonderung  von  Tuberkelbazillenantitoxinen. 

Wird  der  Stillstand  ein  definitiver,  so  ist  die  Anhäufung  der 
im  Säftestrom  des  Individuums  gebildeten  Tuberkelantitoxine  (‘ine 
so  reichliche,  dass  auch  ein  neuer  Schub  wieder  entwicklungsfähig 
gewordener  Tuberkelbazilen  abgewehrt,  sowie  auch  eine  neue 
an  das  Individuum  herantretende  Infektion  überwunden  wird, 
diesmal  ohne  dass  es  zu  sichtbaren  Symptomen  ausser  etwa  einer 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1175 


Leukocytose  zu  kommen  braucht  Der  Körper  des  Individuums 
hat  sich  zu  einer  Immunität  gegen  die  Infektionsträger  durch¬ 
gerungen  und  die  Zeugen  dieses  stillen,  unbeobachteten,  tausend¬ 
fältig  durchkämpften  Kampfes  sind  obsolet  gewordene  verkalkte 
und  verkleidete  Tuberkelresiduen  meist  an  den  Prädilektionsstellen 
der  Tuberkulosekrankheit,  oft  mit  noch  lebensfähigen  aber  gut  ab¬ 
gekapselten  Infektionsträgern,  meist  ohne  dieselben. 

Wir  zeichneten  in  Vorstehendem  das  Schema  des  Tuberkel- 
bazillen-Infektionsvorganges  und,  Avie  erwähnt,  sind  die  einzelnen 
Pliaseu  dieses  Kampfes  hypothetisch.  Manchem  von  Ihnen  möchte 
aber  diese  ganze  Ausführung  mehr  unbewiesen  und  mehr  als  Hypo¬ 
these  erscheinen,  als  sie  es  in  Wirklichkeit  ist,  und  es  liegt  uns 
mm  ob,  einige  Daten  dafür  beizubringen,  dass  im  ganzen  so  und 
nicht  anders  der  Infektionsvorgang  verlaufen  muss. 

Es  war  im  August  des  Jahres  1890,  als  der  Entdecker  des 
Tuberkelbazillus  die  erste  Mitteilung  über  die  mit  einem  Stoff¬ 
wechselprodukt  des  Tuberkelbazillus  erlangten  Resultate  machte, 
allerdings  ohne  dass  er  damals  die  Gewinnung  dieses  Mittels  und 
seine  Darstellung  bekannt  gab. 

Vielen  von  Ihnen  dürften  die  damaligen  Ausführungen  noch 
bekannt  sein;  ich  will  sie  hier  kurz  skizzieren.  Koch  erwähnte, 
wie  eine  grosse  Anzahl  von  Mitteln  ausserhalb  des  Körpers  selbst 
in  starken  Verdünnungen  im  stände  sei,  den  Tuberkelbazillus  zu 
töten;  aber  alle  diese  Mittel  Hessen  im  Stiche,  sobald  sie  bei  tuber¬ 
kulösen  Tieren  versucht  würden.  Nichtsdestoweniger  aber  habe 
er  das  Suchen  nach  einem  spezifischen  Mittel  nicht  aufgegeben  und 
er  erfreue  sich  in  dieser  Richtung  seiner  Bemühungen  auch  der 
Zustimmung  namhafter  Autoritäten,  wie  z.  B.  u.  a.  B  i  1 1  r  o  t  li  s, 
welche  der  Ansicht  seien,  dass  es  ein  spezifisches  Mittel  gegen 
die  Krankheit  geben  müsse.  Von  einem  solchen  Mittel  sei  viel¬ 
leicht  nicht  zu  verlangen,  dass  es  den  Tuberkelbazillus  wie  die 
desinfizierenden  Mittel  ausserhalb  des  Körpers  direkt  töte,  sondern 
nur,  dass  es  sie  unschädlich  mache,  ihr  Wachstum  und  ihre  Ver¬ 
mehrung  verhindere. 

Schliesslich  habe  er  Substanzen  gefunden  und  er  könne  über 
dieselben  nur  soviel  mitteilen,  dass  Tiere,  welche,  wie  Meer¬ 
schweinchen,  für  Tuberkulose  ausserordentlich  empfänglich  seien, 
wenn  man  sie  der  Wirkung  einer  solchen  Substanz  aussetzt,  auf 
eine  Impfung  mit  tuberkulösem  Gift  nicht  mehr  reagieren  und 
dass  ferner  bei  Meerschweinchen,  welche  schon  in  hohem  Grade 
an  allgemeiner  Tuberkulose  erkrankt  sind,  der  Krankheitsprozess 
vollkommen  zum  Stillstand  gebracht  werden  kann,  ohne  dass  der 
Körper  von  dem  Mittel  etwa  anderweitig  nachteilig  beeinflusst 
wird. 

3  Monate  nachher,  im  November  1890,  erschien  dann  in  einer 
Extraausgabe  der  Deutsch,  med.  Woclienschr.  der  Artikel:  „Weitere 
Mitteilungen  über  ein  Heilmittel  gegen  Tuberkulose“,  derselbe, 
welcher  die  einer  ruhigen  Beobachtung  und  Erforschung  des 
Mittels  wenig  günstige  Sensation  der  ganzen  Aerztewelt  und  der 
Presse  der  ganzen  Welt  entfachte,  und  dann  ferner  am  15.  Januar 
1891  die  zweite  Veröffentlichung  Kochs  ..Fortsetzung  der  Mit¬ 
teilungen  über  ein  Heilmittel  gegen  die  Tuberkulose“,  in  welcher 
bekannt  gegeben  wurde,  dass  es  sich  um  ein  Stoffwechselprodukt 
der  Tuberkelbazillen  in  Glyzerinextrakt  aus  abgetöteten  Rein¬ 
kulturen  des  Tuberkelbazillus  handle. 

Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  solche  Stoffwechselprodukte 
Stillstand  und  Heilung  zu  bewirken  im  stände  sind,  konnte  der 
Autor  selbst  vielleicht  damals  noch  keine  sichere  Meinung  halten. 
Dies  erste  Stoffwechselprodukt,  von  Koch  Tuberkulin  genannt, 
sollte  weniger  immunisierende  Eigenschaften  haben  als  ein  später 
dargestelltes  zweites  Produkt  Tuberkulin  Ii. 

Schon  die  nächste  Zeit  brachte,  allerdings  zunächst  nicht  in 
Bezug  auf  Tuberkulose,  weitere  Aufschlüsse  über  die  Wirkungs¬ 
weise  der  Stoffwechselprodukte  der  Bazillen  überhaupt  und  über 
die  Erzeugung  von  Antitoxinen.  Sie  erinnern  sich,  wie  damals, 
als  die  aufgeregten  Wogen  der  Tuberkulinerwartungen  langsam 
abtlachten,  anscheinend  zu  einer  hoffnungslosen  Ebbe,  sich  eine 
neue  Flut  erhob,  ein  gewaltiger  Ansturm  von  Hoffnungen  auf  ein 
neues  Heilmittel,  diesmal  gefunden  von  einem  Schüler  Kochs 
und  vom  Meister  selbst  bestätigt,  geltend  der  Heilung  einer  akuten 
Krankheit,  die  der  Schrecken  des  Kindesalters  war,  der  Diphtherie. 
Hier  fehlte  es  im  Gegensatz  zu  dem  Bekanntwerden  des  Tuber¬ 
kulins  nicht  an  einer  weitgehenden  Skepsis  und  schon  weissagten 
eine  ganze  Anzahl  besonnener  Autoren  auch  diesem  Mittel,  dem 
B  e  h  r  i  n  g  sehen  Diplitherieantitoxin.  dasselbe  Schicksal  wie  dem 
Tuberkulin.  Aber  es  handelte  sich  liier  um  eine  akute,  schnell 
verlaufende  Infektionskrankheit.  Erfolg  wie  Misserfolg  war 
schnell  ersichtlich:  dies  Mittel  bestand  die  Prüfung  glänzend  und 
die  dissentierenden  Urteile  werden  heute  kaum  der  Beantwortung 
für  wert  gehalten.  Hier  also  war  der  Beweis  geliefert,  dass  durch 
die  Stoffwechselprodukte  eines  Bazillus  Schutzstoffe  im  Blute  sich 
bilden,  deren  Ansammlung,  ohne  das  Versuchstier  zu  schädigen, 
zu  einer  ausserordentlichen  Höhe  getrieben  werden  kann. 

In  rascher  Folge  gelang  es  nun  bei  den  verschiedensten  akuten 
Infektionskrankheiten,  solche  Schutzstoffe  im  Blutserum  nachzu¬ 
weisen  und  auch  zu  verwenden;  in  die  Praxis  sind,  wie  erwähnt, 
ausser  dem  Tetanusheilserum  die  meisten  derselben  bisher  noch 
nicht  eingeführt. 

Ueber  Antitoxine  im  Blutserum  bei  Tuberkulose  berichtete 
als  einer  der  ersten  Maragliano,  Kliniker  an  der  Universität 
zu  Genua,  über  dessen  Arbeiten  ich  Ihnen  im  Jahre  1897  berichten 
durfte. 

Diese  Angaben  M.s  von  Tuberkelantitoxinen  im  Blute  sind  von 
einer  ganzen  Reihe  von  Forschern  bestätigt,  v.  Behring  fand 


neuerdings,  dass  tuberkulöse  Rinder  durch  vorsichtig  fortgesetzte 
Tuberkelgiftinjektionen  geheilt  werden  können  und  dass  dann 
ihr  Blutserum  antitoxisch  wirkt  gegen  Tuberkulose. 

Max  G  r  u  ber  -  Wien  (Münch,  med.  Wochensehr.  1901,  No.  47) 
benutzt  diesen  Fund  Behrings  dazu,  um  die  Theorie  der  Proto¬ 
plasmaseitenketten.  der  haptoplioren  und  toxoplioren  Toxin¬ 
elemente,  welche  von  Ehrlich  aufgestellt  ist,  zu  erschüttern. 
„Nicht  diejenigen  Zellen,  welche  das  Toxin  binden“,  so  meint  er, 
„spielen  bei  der  Antitoxinbereituug  eine  Rolle,  sondern  es  muss 
sich  um  ganz  verschiedene  Zellenapparate  bei  Toxinbindung  und 
Antitoxinbildung  handeln.“ 

Er  sagt  in  Bezug  auf  den  Bell  rin  g  sehen  Fund:  „Es  ist 
in  diesen  Fällen  meines  Erachtens  undenkbar,  dass  das  schon  er¬ 
krankte  und  durch  das  Tuberkelgift  schwer  erkrankte  Gewebe 
durch  noch  vermehrte  Giftzufuhr  gebessert  und  zur  Gegengiftpro¬ 
duktion  angeregt  wird.“  Dagegen  wird  der  Vorgang  gerade  bei 
der  Tuberkulose  verständlich,  wenn  man  annimmt,  dass  der  para- 
sitierende  Tuberkelbazillus  selbst  zu  wenig  Gift  bildet,  als  dass 
genügende  Mengen  davon  in  die  antitoxinbildenden  Organe  ge¬ 
langen  würden,  um  hier  die  Antitoxinbildung  in  Gang  zu  bringen; 
dass  dies  aber  dann  geschieht,  wenn  von  aussen  grössere  Mengen 
von  fertigem  Gift  ins  Blut  gebracht  werden,  worauf  dann  das  in 
den  antitoxinbildenden  Organen  erzeugte  Gegengift  dem  erkrankten 
Gewebe  zu  geführt  wird  und  das  hier  entstehende  Gift  bindet. 

Wie  sich  die  gerade  in  neuerer  Zeit  immer  mehr  kompli¬ 
zierte  viel  diskutierte  Frage  der  Antitoxinbildung  bei  Infektions¬ 
krankheiten  auch  lösen  mag,  soviel  steht  nach  der  gemeinsamen 
Forschung  aller  Autoren  fest,  dass  es  bestimmte  Zellen  sind, 
welche  das  Toxin  der  Infektionserreger  binden  und  welche  Anti¬ 
toxin  erzeugen,  und  ebenso,  dass  die  Antitoxinerzeugung  durch 
das  in  dem  Blute  kreisende  Toxin  geweckt  wird,  und  ferner,  dass 
das  Schicksal  des  von  der  Infektion  befallenen  Organismus  von 
der  Leistungsfähigkeit  dieses  Antitoxinerzeugungsmechanismus 
abhängt. 

Dafür,  dass  sich  im  Blute  Tuberkulöser  bestimmte  Verände¬ 
rungen  finden,  welche  als  Abwehrbestrebungen  aufgefasst  werden 
'  müssen,  sprechen  die  Untersuchungsresultate  aller  neueren  For¬ 
scher:  ich  brauche  nur  an  einige  derselben  zu  erinnern.  Ehrlich 
konnte  im  Blute  wie  auch  im  Auswurf  Tuberkulöser  gewisse 
eosinophile  Zellen  naclnveisen.  Er  fasste  dieselben  als  eine  Ab¬ 
wehrbestrebung  des  Körpers  gegen  die  tuberkulöse  Infektion  auf, 
bewirkt  durch  chemotaktische  Wirkung  der  Tuberkeltoxine.  Das 
Auftreten  der  eosinophilen  Zellen  im  Sputum  soll  dem  Auftreten 
der  Tuberkelbazillen  im  Sputum  vorhergehen. 

A  r  1  o  i  n  g  und  Cour  m  o  n  t  gelang  es,  festzustellen,  dass 
es  auch  bei  tuberkulösen  Kranken  wie  z.  B.  beim  Typhus  eine 
Serumreaktion  und  Serumdiagnose  gibt.  Diese  Reaktion  in  Form 
von  Agglutination  erfolgt  bei  lebenden  Koch  sehen  Bazillen  wie 
bei  abgestorbenen,  bei  letzteren  nur  erheblich  langsamer.  Dieser 
Serumreaktion  soll  eine  prognostische  Bedeutung  beiwohnen. 

M  i  r  c  o  1  i  machte  auf  dem  letzten  italienischen  Kongress 
für  innere  Medizin  in  Pisa  auf  gewisse  hämolytische  Substanzen 
im  Blute  Tuberkulöser  aufmerksam:  die  Blutungen  bei  Tuber¬ 
kulösen  sollen  sich  durch  diesen  Befund  erklären  und  die  Bildung 
dieser  hämolytischen  Substanzen  soll  mit  der  Bildung  von  Schutz¬ 
stoffen  gegen  Tuberkulose  in  einem  gewissen  Zusammenhang 
stehen. 

Bei  weitem  die  wichtigste  Entdeckung  aber  enthält  die 
neueste  Veröffentlichung  Koch  s,  welche  wir  in  der  Deutsch,  med. 
Woclienschr.  1901,  No.  48,  finden. 

Koch  gelang  es,  eine  längere  Zeit  haltbare  Testlösung  aus 
getrockneten  Tuberkelbazillenkulturen  des  Neutuberkulins  herzu¬ 
stellen.  vermöge  deren  man  das  dem  zu  untersuchenden  Individuum 
!  mittels  Schröpfkopfes  entzogene  Blut  auf  seine  Agglutinatious- 
fähigkeit  prüfen  kann.  Er  glaubt  das  Agglutinationsvermögen, 
weil  sich  mit  demselben  antitoxische  und  bakterizide  Eigenschaften 
des  Blutes  verbinden,  als  einen  Ausdruck  der  Immuuisation  be¬ 
trachten  zu  können.  Nachdem  es  ihm  bei  Tierversuchen  gelungen 
war,  die  Agglutinationsfähigkeit  des  Blutes  zu  steigern  und  so 
Schutzstoff e  im  Blute  und  eine  immunisierende  Eigenschaft  des 
Blutes  zu  erzeugen,  erreichte  er  auch  durch  Tuberkulininjektionen 
beim  Menschen  ein  erhöhtes  Agglutinationsvermögen.  Dass  diese 
Erhöhung  mit  der  Bildung  von  Schutzstoffen  und  mit  zunehmender 
Immunisierung  verbunden  war,  zeigte  sich  deutlich  an  der  Besse¬ 
rung  des  Allgemeinbefindens.  Appetit  und  Körpergewicht  nahmen 
wieder  zu,  die  Naclitscliweisse  hörten  auf,  Rasselgeräusche  wie 
Auswurf  nahmen  ab;  bei  einigen  verschwanden  Sputum  und 
Tuberkelbazillen  gänzlich.  Am  auffallendsten  aber  war  das  Ver¬ 
halten  der  Temperatur:  bei  Fieberfreien  nach  dem  Ablauf  der 
Reaktion  niemals  eine  Steigerung,  bei  früher  Fiebernden  zuerst 
vorübergehend  3 — 4  Tage  nach  der  Reaktion  ein  Abfall,  mit  zu¬ 
nehmender  Immunisierung  ständige  Entfieberung.  Bei  dieser  Art 
der  Behandlung  bildete  also  das  Fieber  keine  Kontraindikation 
mehr  wie  bei  der  Anwendung  des  alten  Tuberkulins. 

Wir  haben  also  hier  eine  kontrollierbare 
physiologische  Grundlage  für  die  Anwendung 
des  Tuberkulins  und  für  die  Entstehung  von 
Antituberkulosekörpern  im  Blute. 

Auf  der  gleichen  Anschauung  beruht,  wie  erwähnt,  das  Heil¬ 
verfahren  M  araglianos  gegen  Tuberkulose,  welches  in  Italien 
und  neuerdings  auch  im  Auslande  viele  zustimmende  Urteile  ge¬ 
funden  hat.  Seine  Theorie  ist  folgende:  Die  von  den  Tuberkel¬ 
bazillen  in  den  Kreislauf  gelangenden  toxischen  Produkte  geben 
zu  einer  Bildung  xron  Antitoxinen  Veranlassung;  diese  Antitoxine 

2* 


1176 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28, 


sind  im  Blute  nachzuweisen,  sowohl  durch  das  Agglutinationsver- 
falirou,  als  auch  durch  eine  hemmende  Wirkung,  welche  sie  auf 
das  Wachstum  von  Tuberkellmzillen  in  Kulturen  iiussern.  Iläutig 
aber  ist  der  von  den  Stoffweehselprodukten  der  Tuberkelbazillen 
ausgeiibte  Heiz  zur  Bildung  von  Antitoxinen  ein  zu  geringer;  man 
kann  ihn  steigern  dadurch,  dass  man  Tuberkulin  injiziert;  in  diesem 
Falle  kann  das  Plus  genügen,  um  zur  wirksamen  Absonderung  von 
Antitoxinen  Veranlassung  zu  geben  und  eine  methodische  An¬ 
wendung  dieser  Tuberkulininjektionen  kann  auf  diese  Weise  zur 
Heilung  der  Tuberkulose  führen,  wenn  die  Antitoxinbildung  eine 
genügende  ist. 

ln  vielen  Fällen  aber  von  Tuberkulose  ist  der  Organismus 
der  Kranken  nicht  im  Stande  selber  in  genügender  Weise  die  Bil¬ 
dung  von  Antitoxinen  zu  besorgen;  zu  diesem  Zwecke  hat  man 
eine  Anleihe  zu  machen;  man  nimmt  dazu  das  Serum  von  Tieren, 
bei  welchen  man  durch  geeignete  Vorbehandlung  ein  an  solchen 
Antitoxinen  reiches  Blutserum  erzeugt  hat.  Die  wiederholte  und 
lange  fortgesetzte  Injektion  solchen  Serums  hat  den  Vorteil,  den 
Kranken  gegen  die  toxische  Wirkung  seiner  Tuberkelbazillen  zu 
schützen  und  allmählich  in  dem  so  geschützten  Organismus  die 
Bildung  von  neuen  Antitoxinen,  zu  welcher  er  sich  vorher  untaug¬ 
lich  erwies,  hervorzurufen.  Auch  diese  letztere  Tatsache  will 
M.  durch  Blutuntersuchungen  bewiesen  haben.  Sie  sehen,  dies 
Verfahren  ist  durchaus  ähnlich  dem  Diphtherieserumheilverfahren, 
nur  dass  es  sich  nicht  um  nur  eine  1  oder  2  malige  Anwendung 
handelt.  In  der  That  behauptet  denn  auch  M.,  dass  beide  In¬ 
fektionen  in  Bezug  auf  Infektionsmodus  wie  Infekvionsheilung  die 
gleichen  Bedingungen  zeigen,  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass 
»'S  sich  in  dem  einen  Falle  um  eine  akute,  in  dem  anderen  um  eine 
chronische,  schwerer  und  in  langwierigerer  Weise  der  Heilung  zu¬ 
gängige  Infektion  handle. 

Die  Wirkung  des  Serums  zeige  sich  am  besten  daran,  dass  bei 
gleichzeitiger  Einspritzung  mit  »1er  Tuberkulindose,  welche  sonst 
eine  Reaktion  beim  Tuberkulösen  hervorrufe,  diese  Reaktion 
prompt  ausbleibe  und  überhaupt  nichts  wahrzunehmen  sei. 

Die  Gegner  des  M. sehen  Verfahrens  betonen,  soweit  ich  mich 
darüber  habe  unterrichten  können,  dass  das  von  ihm  gewonnene 
Serum  zu  schwach  an  Antitoxinen  sei,  um  Heilwirkungen  zustande 
zu  bringen;  dass  es  »vine  Immunisierung  gegen  das  Tuberkulin  zu 
bewirken  imstande  sei,  geben  sie  zu. 

(Schluss  folgt.) 


Ueber  eiweissfreies  Diphtherieantitoxin. 

Von  Dr.  Pro  scher  in  Darmstadt. 

Die  chemische  Natur  der  bakteriellen  Antitoxine  ist  trotz 
zahlreicher  Arbeiten  der  letzten  Jahre  nicht  weiter  aufgeklärt 
worden.  Bis  jetzt  musste  die  Frage,  ob  es  sich  um  Eiweiss¬ 
körper  handle  oder  nicht,  offen  gelassen  werden.  Das 
Haupthindernis,  an  dem  sämtliche  Versuche,  die  auf  die  Iso¬ 
lierung  der  Antitoxine  hinausliefen,  scheiterten,  was  das,  dass 
es  bis  jetzt  auf  keine  Weise  gelang,  die  Eiweisskörper,  die  den 
Antitoxinen  anhaften,  so  zu  entfernen,  dass  die  Integrität  der¬ 
selben  vollkommen  gewahrt  blieb.  Obwohl  gewisse  Momente 
dagegen  sprachen,  dass  wir  in  den  Antitoxinen  sogen,  labile  Ei¬ 
weisskörper  vor  uns  haben,  ist  denselben  keine  weitere  Be¬ 
achtung  geschenkt  worden.  Nach  zahlreichen  Versuchen  ist  es 
mir  nun  gelungen,  das  Diphtherieantitoxin  von  sämtlichen  Ei¬ 
weisskörpern  zu  befreien,  ohne  dass  es  seine  gif t bindenden  Eigen¬ 
schaften  verloren  hätte.  Die  Methodik,  deren  ich  mich  bedient 
habe,  werde  ich  demnächst  in  den  Beitr.  z.  ehern.  Physiol.  u. 
Pathol.  eingehend  beschreiben.  Ich  habe  dieselbe  auch  auf  andere 
bakterielle  Antitoxine  mit  gleichem  Erfolg  übertragen.  Der 
Zweck  dieser  Mitteilung  ist  der,  mir  dieses  Arbeitsgebiet  zu 
wahren.  Im  folgenden  gebe  ich  die  Reaktionen  des  eiweissfreien 
Antitoxins  zum  Vergleich  mit  dem  ei  weisshaltigen  und  die  Re¬ 
sultate  der  Tierversuche  kurz  wieder.  Als  Ausgangsmaterial 
dienten  10  ccm  400  faches  Diphtherieserum. 

Ant:toxin  eiweisshaltig.  Antitoxin  eiweissfrei. 

Biuret-Reaktion. 

starke  Violettfärbung.  rein  blaue  Lösung,  Lösung  ent¬ 
hält  pro  Kubikzentimeter  380  J.E. 

Millonsclie  Reaktion, 
purpurrote  Färbung.  negativ. 

Adamkiew iczsche  Reaktion. 

Rotfärbung.  negativ. 

Xanthoprotein  - Reaktion, 
starke  Gelbfär’.  ung  negativ. 

Ferrozy  ankalium  und  Essigsäure, 
starker  voluminöser  Niederschlag.  keine  Trübung. 

Gerbsäure. 

starker  voluminöser  Niederschlag.  keine  Trübung. 


Pikrinsäure. 

starker  gelber  Niederschlag.  keine  Trübung. 

Sublimat. 

starker  weisser  Niederschlag.  keine  Trübung. 

Platinchlorid. 

starker  Niederschlag.  keine  Trübung. 

Verhalten  bei  der  Dialyse, 
dialysiert  nicht  dialysiert  nicht. 

Stärke  des  Serums. 

400  J.E.  pro  Kubikzentimeter.  380  J.E.  pro  Kubikzentimeter. 

Tierversuche. 

Meerschweinchen  von  280  g  Ge-  Meerschweinchen  von  280  g  Ge¬ 
wicht  erhält  1  J.E.  -f-  0,23  ccm  wicht  erhält  1  J.E.  -j-  0,23  ccm 
Testgift.  Tier  bleibt  am  Leben.  Testgift.  Tier  bleibt  am  Leben. 

Meerschweinchen  von  280  g 
Gewicht  erhält  0,23  ccm  Test¬ 
gift,  tot  nach  20  Stunden. 

Wie  aus  den  angeführten  Reaktionen  ersichtlich  ist,  gibt  das 
eiweissfreie  Antitoxin  selbst  auf  die  empfindlichste  Eiweiss¬ 
probe  keine  Reaktion  mehr.  Es  ist  mit  grösster  Wahrscheinlich¬ 
keit  anzunehmen,  dass  wir  in  den  Antitoxinen  eine  neue  Klasse 
von  Körpern  vor  uns  haben,  die  uns  nach  ihren  chemischen  und 
physikalischen  Eigenschaften  vollkommen  unbekannt  sind.  Wei¬ 
tere  Untersuchungen,  die  bereits  im  Gange  sind,  müssen  lehren, 
ob  wir  in  dem  gereinigten  Antitoxin  dasselbe  schon  in  chemisch 
reiner  Form  vor  uns  haben,  oder  ob  noch  andere  indifferente 
kolloidale  Körper  beigemengt  sind.  Mit  der  technischen  Ver¬ 
vollkommnung  der  Methode  bin  ich  zur  Zeit  noch  beschäftigt, 
und  dürfte  es  wahrscheinlich  sein,  dass  es  gelingt,  das  eiweiss¬ 
freie  Diphtherieantitoxin  anstatt  des  Serum  für  therapeutische 
Zwecke  zu  verwenden.  Es  wäre  dann  das  Ideal  der  Diphtherie¬ 
behandlung  erreicht  und  kann  man  die  Stärke  des  Antitoxins 
auf  10  000  und  mehr  Immunitätseinheiten  pro  Kubikzentimeter 
steigern.  Die  chemische  Konstitution  der  Antitoxine  dürfte  nach 
den  bis  jetzt  vorliegenden  Erfahrungen  eine  bedeutend  ein¬ 
fachere  sein,  als  die  der  Eiweisskörper,  und  steht  es  zu  er¬ 
warten,  dass  wir  über  den  molekulären  Bau  derselben  in  nicht 
allzu  ferner  Zeit  Aufschluss  erlangen. 

Cystoskopische  Erfahrungen.*) 

Von  Dr.  Bert  hold  G  o  1  d  b  e  r  g, 

Spezialarzt  für  Harnkrankheiten,  Badearzt  in  Bad  Wildungen. 

Cystoskopische  Erfahrungen  setzen  zweierlei  voraus. 

Einmal  muss  man  recht  viele  Blasenbesichtigungen  vor¬ 
genommen  haben,  zum  anderen  muss  man  recht  viele  auch  der 
selteneren  Blasenerkrankungen  beobachtet  und  behandelt 
haben. 

Uebt  ein  Arzt  seine  Praxis  in  einem  Landstrich,  in  welchem 
Harnsteine  iiusserst  selten  sind,  so  wird  er  trotz  guter  Uebung 
in  der  allgemeinen  eystoskopischen  Technik  nicht  zu  einer  rich¬ 
tigen  Mittellinie  in  der  Würdigung  dieser  Untersuchungsmethode 
bei  Blasensteinen  gelangen  können.  Auf  der  anderen  Seite  wird 
ein  Spezialist  mit  grossem  barnchirurgischem  Material,  wenn  er 
nur  selten  das  Cystoskop  zur  Hand  nimmt,  in  eine  Unterschätz¬ 
ung  der  Bedeutung  dieses  Instrumentes  für  Diagnostik  und 
Therapie  verfallen. 

Da  nun  des  Verfasser  „Geburt“  als  Urologe  in  die  Aera 
der  Cystoskopie  fiel,  da  ihm  als  Arzt  an  einem  internationalen 
Sammelpunkt  der  Blasenkranken  (wie  es  Wildungen  ist  und 
immer  mehl*  zu  werden  verspricht)  auch  ausreichendes  Kranken- 
material  nicht  gefehlt  hat,  so  darf  er  wohl  heute,  nachdem  er 
bereits  vor  8  Jahren  (26.  November  1894,  s.  Deutsche  Medizinal¬ 
zeitung  1895,  No.  14)  sich  „über  Cystoskopie“  geäussert  hat, 
wieder  das  Wort  zu  dieser  Frage  nehmen. 

1.  Die  Cystoskopie  bei  Prostatahypertrophie. 

Ich  habe  bisher  200 — 300  Patienten  mit  Prostatahyper¬ 
trophie  beobachtet  und  behandelt.  Die  Zahl  der  Blasenbesicht  i- 
gungen,  welche  ich  bei  Prostatikern,  insofern  dieselben  eine 
andere  Erkrankung  der  Ilarnwege  nicht  hatten,  vornahm,  ist 
aber  nur  etwa  10  Proz.  dieser  Gesammtzahl. 

*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  im  Allgemeinen  ärztlichen 
Verein  Köln  a.  Rh.  am  24.  Februar  1902. 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1177 


Denn  um  eine  Prostatahypertrophie  zu  diagnostiziren,  be¬ 
darf  es  im  Allgemeinen  der  Blasenbesichtigung  nicht.  So  lange 
Erscheinungen  der  gestörten  Blasenthätigkeit  ihn  nicht  belästi¬ 
gen,  pflegt  der  Prostatiker  den  Arzt  nicht  aufzusuchen;  wird  er 
von  solchen  befallen,  so  sind  sie  so  charakteristisch,  dass  sie  zu¬ 
sammen  mit  dem  Befund  der  rektoabdominalen  Palpation  und 
dem  Ergebniss  des  (sterilen !)  Katheterismus  die  Diagnose 
sichern. 

Dennoch  ist  es  nothwendig,  gerade  auf  die  Technik  der 
Prostatikercystoskopie  ausführlicher  einzugehen.  Denn  sehr  viele 
Patienten,  welche  wegen  anderer  Harnkrankheit  cystoskopirt  wer¬ 
den  müssen,  haben  nebenbei  eine  hypertrophische  Prostata ; 
die  Schwierigkeiten  aber,  welche  diese  hypertrophische  Prostata 
der  Einführbarkeit  und  Bewegungsfreiheit  des  Cystoskops 
schafft,  sind  meines  Erachtens  am  häufigsten  die  Ursache  des 
Fiaskos  einer  Cystoskopie. 

Wenn  auch  die  Mercierkrümmung  des  Cystoskops  für  die 
gewöhnlichen  leichteren  Deviationen  und  Deformationen  der 
Urethra  prostatica  durch  Prostatahypertrophie  hinreicht,  so  er¬ 
möglicht  sie  doch  nicht  eine  glatte  Passage  des  schwerer  ver¬ 
änderten  Prostatakanals. 

a)  Die  \  erlängerung  der  Urethra  prostatica  kann  bei 
gleichzeitiger  gleichmässiger  Erweiterung  die  Durchführung  des 
Schnabels  nicht  hochgradig  erschweren.  Man  senkt  den  Griff 
ganz  allmählich,  indem  man  dem  Widerstand,  welchen  der 
Schnabel  an  der  oberen  Wand  der  tiefen  Harnröhre  findet,  gänzlich 
nachgibt,  untei  keinen  Umständen  darf  man  hierbei  irgendwelche 
Kiaft  anwenden.  Die  stärkste  Senkung  des  Griffs  darf  aber  erst 
dann  erfolgen,  wenn  man  fühlt,  dass  die  Spitze  des  Cystoskops 
frei  beweglich  geworden  ist. 

b)  Weitere  Schwierigkeiten  ergeben  sich  für  die  glatte  Ein¬ 
führung  des  Cystoskops,  wenn  die  Drostata  breit  und  hoch  gegen 
die  hintere  Zirkumferenz  des  Orificium  uretlirovesicale  zu  sich  in 
die  Blase  hineinwölbt.  Da  die  vordere  Zirkumferenz  des  Orificium 
tiefer  liegt,  und  die  vordere  Hälfte  der  prostatischen  Harnröhre 
kürzer,  so  ist  der  Cystoskopschnabel  bereits  in  dem  v  o  r  dem 
Prostatawulst  gelegenen  Harnblasenabschnitt  angelangt;  man 
sieht  schon  den  vorderen  oberen  Theil  der  Harnblase  und  glaubt 
das  Cystoskop  ganz  eingeführt  zu  haben;  nun  will  man  nach 
unten  hinten  drehen;  das  ist  unmöglich,  man  berührt  mit  der 
Lampe  den  Wulst;  erst  nachdem  man  mit  nach  vorn  oben  ge¬ 
richtetem  Prisma  das  Cystoskop  noch  eine  gute  Strecke  hat  hinauf¬ 
gleiten  lassen,  ist  eine  Drehung  möglich;  und  erst  jetzt  kann  man 
den  hinteren  unteren  Theil  der  Blase,  den  Fundus  und  den  Re- 
cessus  retroprostaticus  besichtigen. 

c)  Soweit  ist  ja  nun  die  Einführung  des  Cystoskops  gerade 
nicht  unmöglich,  wenngleich  man  wohl  bedenken  wolle,  dass  es 
nicht  bloss  wie  beim  evacuatorischen  Katheterismus  darauf  an¬ 
kommt,  das  Instrument  hineinzubringen,  sondern  ohne  jede 
Blutung  hineinzubringen;  und  wie  leicht  blutet  eine  hyper¬ 
trophische  Prostata  selbst  bei  zarter  Berührung!  Kommt  aber 
zu  der  Verlängerung  der  Urethra  prostatica,  zu  der  Zweitheilung 
der  Blase  durch  die  von  hinten  unten  hineingewachsene  Prostata 
noch  eine  dritte  Form  Veränderung,  so  kann  die  Einführung  des 
starren  kurzschnabeligen  Cystoskops  geradezu  unmöglich  werden. 
Wächst  nämlich  die  Prostata  ungleichmässig  von  der  rechten  oder 
linken  Seite  her  in  die  Harnröhre  hinein,  so  zwar,  dass  deren 
Achse  mehrfach  aus  der  Sagittalen  herausgedrängt  wird,  so  ist  es 
vollständig  ausgeschlossen,  ohne  stärkere  Blutung  ein  metallenes, 
unbiegsames,  winkliges  Instrument  durch  die  dergestalt  ge¬ 
schlängelte  Urethra  prostatica  hindurch  in  die  Blase  hinein¬ 
zubringen. 

Alle  Erschwerungen  der  Introduktion  des  Cystoskops  sind 
auch  Erschwerungen  der  freien  Beweglichkeit  des  in  der  Blase 
bereits  befindlichen  Cystoskops.  Die  Senkung  des  Schnabels 
nach  hinten  unten,  um  ausreichend  nahe  den  retroprostatischen 
Blasengrund  zu  sehen,  ist  nicht  selten  unmöglich;  die  seitlichen 
Drehungen  sind  oft  erst  nach  ganz  tiefem  Einschieben  nach 
allen  Richtungen  möglich. 

Man  hat  nun  auch  verschiedene  Formen  von  Cystoskopen  an¬ 
gegeben,  welche  die  Cystoskopie  bei  Prostatahypertrophie  in 
etwas  erleichtern. 

1.  Das  Nitz  e’sche  Cystoskop  No.  III  trägt  den  Spiegel,  bezw. 
das  Fenster  des  Prismas  nicht,  wie  die  anderen,  an  der  konkaven, 
sondern  an  der  konvexen  Seite;  hierdurch  ist  es  möglich,  in  Folge 
der  optischen  Anordnung  von  Prisma  und  Objektiven,  die  ganze 
Zirkumferenz  des  Orificium  uretlirovesicale  in  natürlicher  Grösse 
zu  sehen. 

2.  Cystoskope  mit  längerem  Schaft;  das  gewöhnliche  ist  23  cm 
lang,  die  Urethra  eines  Prostatikers  insgesammt  kann  bis  zu  30  cm 
und  mehr  messen. 

3.  Die  verschiedenen  Arten  der  Cystoskope  mit  Spülkanal  er¬ 
möglichen,  das  bei  der  Einführung  blutbeschmutzte  Prisma  rein- 

No.  28. 


gSe?enD?cke.V°rtheil  Wini  abei'  aufSew°gen  durch  die  noch 

Schiff  mfrf'inhnoi  ejUeU  m<rtaUeneu  Katheter  so  konstruirt,  dass 
,„^aft  Vn.d.  Schnabel  von  einander  abgeschraubt  werden  können, 
d  zugleich  den  langen  Schenkel  als  Kanal  für  ein  gerades  nicht 
winkeliges  Cystoskop  konstruirt,  so  lässt  sich  einigS  Schwierig- 
Leiten  der  Einführung  dadurch  abhelfen,  dass  man  die  kurzen 
Schenkel  den  verschiedenen  Formen  der  prostatischen  Urethren 
entsprechend  baut.  Dem  Vortheil  der  leichteren  Einführung  steht 

dei'vJaclltheil  der  Unmöglichkeit  der  Annäherung 
«in  alle  Stellen  der  Blase  entgegen. 

Bald  mit  diesem,  bald  mit  jenem  Instrument  wird  man  besser 
fahren ;  die  Hauptsache  aber  ist  und  bleibt,  dass  man  v  o  r  dem 
Versuch  der  Cystoskopie  sieh  alle  Aufschlüsse  über  die  Form  der 
prostatischen  Harnröhre  verschafft  hat,  welche  man  mit  den 
anderen  nicht  instrumenteilen  und  instrumenteilen  Unter¬ 
suchungsmethoden  erlangen  kann.  Nur  dann  kann  man  hoffen, 
durch  die  Cystoskopie  mehr  Aufschlüsse  zu  erhalten,  als  durch 
die  übrigen  Mittel  der  Diagnostik. 


Im  Wesentlichen  ist  bei  unkomplizirter  Prostatahyper- 
trophie  die  Besichtigung  angezeigt  bei  der  Erwägung  einer 
Operation.  Ob  eine  totale  oder  partielle  Exstirpation  der  Pro¬ 
stata  von  aussen  oder  ob  die  galvanokaustische  Inzision  von  innen 
vorzuziehen  ist,  ob  bei  der  Prostatektomie  der  suprasymphysäre 
oder  der  perineorektale  Weg  bessere  Chancen  bietet,  lässt  sich 
nur  durch  die  Erschöpfung  aller  diagnostischer  Hilfsquellen 
eruiren.  Bei  der  örtlichen  Untersuchung  ist  ausser  der  Bougie 
a  boule,  der  Metallsonde  mit  Mercier-  und  Thompsonkrümmung 
das  Cystoskop  unerlässlich,  ehe  über  diese  Fragen  ein  Urtheil 
gefallt  werden  kann.  Entschied  man  sich  für  die  Galvano¬ 
kaustik  nach  Bottini-F  reudenberg,  so  kann  wiederum 
nur  durch  die  Kombination  der  anderen  instrumenteilen  Unter¬ 
suchungen  mit  der  Cystoskopie  festgestellt  werden,  wie  viele, 
wie  lange,  wie  gerichtete  Inzisionen  nothwendig-  sind;  ohne  dies 
kann  es  sich  ereignen,  dass  man  Inzisionen  macht,  wo  keinerlei 
Raumbeschränkung  vorliegt,  und  dass  man  Inzisionen  unterlässt 
an  Stellen,  wo  mächtige  Wülste  den  Blaseneingang  verband  - 
kadiren.  Leider  werden  die  schwersten  Formveränderungen  des 
Blasen  eingangs  durch  die  hypertrophische  Prostata,  welche  am 
ehesten  der  Operation  bedürften,  am  ehesten  auch  die  Cysto¬ 
skopie  unmöglich  machen.  Man  wolle  bei  dieser  Frage  nie  ver¬ 
gessen,  dass  eine  absolute  Indikation  zur  Radikaloperation 
der  unkomplizirten  Prostatahypertrophie  äusserst  selten  vorliegt. 
(Es  wurden  Bilder  und  Zeichnungen  von  Befunden  bei  Prostata¬ 
hypertrophie  demonstrirt.) 


2.  Die  Cystoskopie  bei  Cystitis,  speziell  bei  der  tuberkulösen 

Cystitis. 

Will  man  aus  dem  Fehlen  des  glänzenden  weissrosa  Farben¬ 
tons,  aus  dem  Fehlen  der  deutlichen  Gefässzeichnung  im  cysto- 
skopischen  Bilde  den  Schluss  ziehen,  dass  es  sich  um  eine  ent¬ 
zündliche  Trübung  handele,  so  muss  man  sicher  sein,  dass  die 
Besichtigung  technisch  ganz  exakt  ist.  Nachlass  der  Glühstärke 
des  Lämpchens,  allzugrosse  Entfernung  des  Prismas  vom  Objekt, 
in  Folge  Vermehrung  der  Blasenfüllung  durch  Polyurie  bei  dem 
Eingriff,  Wiederverunreinigung  des  Blaseninhaltes  durch  Eiter 
oder  Blut  im  Laufe  der  Besichtigung  sind  oft  genug  die  Er¬ 
klärung  einer  Trübung. 

Solche  Irrthümer  haben  nicht  viel  zu  sagen,  denn  es  wird 
ja  wohl  kaum  Jemand  auf  den  Gedanken  kommen,  eine  Cystitis 
lediglich  durch  Cystoskopie  erkennen  zu  wollen,  die  man  nicht 
schon  auf  anderem  Wege  cliagnostizirt  hätte. 

Die  Cystoskopie  hat  nach  meiner  Erfahrung  nicht  aufge¬ 
deckt,  dass  wir  früher  zu  wenig  Cystitiden  diagnostizirt 
hätten;  denn  wenn  wir  jene  oben  geschilderten  Veränderungen 
bei  einer  Person  finden,  deren  Katheterharn  keine  Eiterzellen 
führt,  so  würden  wir  zunächst  eine  technische  Unkorrektheit  der 
Cystoskopie  annehmen  müssen  ;  ich  setze  bei  dieser  Bemerkung 
voraus,  dass  man  die  rein  epitheliale  Desquamation 
der  Blasenschleimhaut,  welche  ich  in  Steinblasen  und 
nach  Einwirkung  von  starken  Lösungen  von  Kalium  permangani- 
cum,  von  Protargol,  von  Ichthargan  auf  gesunde  Blasenschleim¬ 
haut  gesehen  habe,  n  i  c  h  t  „Cystitis“  nennt.  Die  Leukocyten- 
produktion  ist  ein ,  weit  feineres  Reagens  der  Cystitis,  als  die 
cystoskopiseh  sichtbaren  Veränderungen. 


3 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Umgekehrt  hat  die  Cystoskopie  sehr  wohl  die  Aufklärung  ge¬ 
bracht,  dass  wir  bisher  zu  viel  Cystitiden  diagnostizirt  haben. 

Auf  die  durch  unzureichende  Untersuchung  herbeigeführten 
Fehldiagnosen  will  ich  nicht  eingehen. 

Aber  es  kann  sich  ereignen,  dass  man  die  klassische  Trias 
von  Symptomen:  Pollakiurie,  Dysurie,  Pyurie  vor  sich  hat,  dass 
man  objektiv  die  Provenienz  des  Eiters  aus  der  Blase  mit 
Katheter  feststellt  und  trotzdem  besteht  keine  Cystitis. 

1.  Der  Eiter  kommt  von  oben  in  die  Blase,  durch  Pyelitis 
oder  Pyelonephritis;  reflektorisch  entsteht  Dysurie;  die  Pollaki- 
urie  entsteht  zum  Theil  durch  die  bei  Pyelitis  häufige  Ver¬ 
mehrung  der  Harnmenge;  örtliche  Erscheinungen  fehlen  von 
Seiten  der  Nierengegend:  was  liegt  da  näher  als  die  Annahme 
einer  Cystitis !  Die  Cystoskopie,  welche  uns  die  gesammte  Blasen¬ 
schleimhaut  in  ungetrübtestem  Glanze  zeigt,  gewährt  raschen 
und  endgültigen  Aufschluss.  In  seinen  „experimentellen  und 
klinischen  Untersuchungen  über  die  Urininfektion  hat  Rov¬ 
sing  auf  diese  Thatsache  mit  grossem,  vielleicht  etwas  zu 

grossem  Nachdruck  hingewiesen. 

2.  Die  Eiterzellen,  welche  man  aus  der  Blase  herauslässt, 
können  aber  auch  statt  „deszendirt“  in  sie  „aszendirt  sein.  Aus 
den  Gängen  der  Prostata  in  die  Urethra  prostatica  sich  drängen¬ 
des  eiterhaltiges  Sekret  regurgitirt  in  einzelnen  Fallen  m  die 
Blase,  und  bewirkt  so  Pyurie,  die  auch  dem  Katheterharn  nicht 
fehlt;  Pollakiurie  und  Dysurie  sind  in  solchen  Fällen  das  eine 
Mal  von  der  Urethra  prostatica  her  ausgelöst,  das  andere  Mal 
rein  neurasthenischen  Ursprungs.  Wenn  auch  dem  erfahrenen 
Kenner  die  Gesundheit  der  Blase  selbst  hier  aus  einer  Einzel¬ 
analyse  aller  objektiven  Symptome  bei  längerer  Beobachtung  klar 
wird,  ist  doch  für  eine  rasche  Diagnose  die  Cystoskopie  das 
beste  Hilfsmittel. 

Chronische  Cystitis  ist  für  die  cystoskopische  Erfahrung 
deswegen  von  grosser  Bedeutung,  weil  sie  Bilder  liefern  kann, 
die  grosse  Aehnlichkeit  mit  infiltrirenden  Geschwülsten  bieten. 
Sie  erschwert  als  Komplikation  in  hohem  Grade  die  Erkenntniss 
anderweitiger  Erkrankungen  der  Harnblase  im  Cystoskop. 

Von  besonderen  Formen  der  Cystitis  möchte  ich  liier  nui 
die  tuberkulöse  mit  Rücksicht  auf  die  Cystoskopie  be¬ 
sprechen. 

Ich  habe  ungefähr  60  Uro  tuberkulösen  beobachtet  und  be¬ 
handelt,  meist  lange  Zeit  hindurch;  von  diesen  habe  ich  nur 
7  cystoskopirt.  Die  Diagnose  der  Tuberkulose  an  sich  lässt  sich 
in  den  meisten  Fällen  aus  der  klinischen  Würdigung  der  Ge- 
sammtsymptomatologie  stellen,  vorausgesetzt,  dass  man  die  Sym¬ 
ptomatologie  der  anderen  Harnkrankheiten  genau  kennt;  dazu 
kommt  der  Tuberkelbazillenbefund  —  ich  habe  bei  sterilem 
Katheterismus  und  Untersuchung  der  letzten  aus  dem  Katheter 
austropfenden  dickeren  Partikel  doch  in  der  Mehrzahl  der  ver¬ 
dächtigen  Fälle  Tuberkelbazillen  nachweisen  können.  Auch  in 
den  7  vorgedachten  Fällen  hatte  die  Cystoskopie  nicht  den  Zweck, 
die  Diagnose  „Tuberkulose^  an  sich  zu  stellen,  sondern  ihien 
Sitz  —  ob  Blase,  ob  Niere,  welche  Niere  —  zu  stellen;  4  mal  er¬ 
wies  sie  die  Blase  gesund  und  eine  Niere  als  Ursprungsherd, 

3  mal  die  Blase  erkrankt. 

Was  die  Technik  und  die  Prognose  der  Cystoskopie  bei 
Urotuberkulose  angeht,  so  ist  es  meines  Erachtens  erforderlich, 
zwischen  weit  entwickelten  Zuständen  und  Frühformen,  bei  letz¬ 
teren  zwischen  den  genitovesikalen  und  den  renovesikalen 
Formen  einen  Unterschied  zu  machen.  Bei  Nierentuberkulosen 
erfolgt  die  Propagntion  auf  die  Blase  so,  dass  sie  Anfangs  nur 
kleine,  bei  Katheterisirung  der  Blase  vermeidbare  Partien  be¬ 
trifft.  Man  wird  also  bei  deszendirender  Tuberkulose  das  Cysto¬ 
skop  durch  gesunde  Theilc  einführen  und  mit  erkrankten  Theilen 
auch  nicht  in  Berührung  bringen;  cs  wird  auch  aus  der  Blasen¬ 
füllung,  wenn  man  sie  nur  der  vorhandenen  Kapazität  anpasst, 
ein  Schaden  nicht  erwachsen ;  endlich  wird  man  die  Gefahr  einer 
Sekundärinfektion,  da  es  sich  um  einen  einmaligen  Eingriff  han¬ 
delt,  erfolgreich  bekämpfen  können.  In  der  That  habe  ich  dem¬ 
nach  von  reinen  Cystoskopien  bei  früher  Renovesikaltuberku- 
lose  keinerlei  Schaden  den  Kranken  erwachsen  sehen.  Bei  genito- 
vcsikaler  Tuberkulose  dagegen  ist  das  Mittelglied  zwischen  Geni¬ 
talien  und  Harnreservoir  die  Gegend  der  Urethra  prostatica 
(Prostata  selbst,  Ductus  ejaculatorii)  und  des  Blaseneingangs. 


Es  ist  also  nicht  möglich,  ohne  Kontakt  mit  den  tuberku¬ 
lösen  Theilen  zu  operiren;  es  werden  sogar  meistens  die  Ver¬ 
änderungen  in  der  Urethra  prostatica  solche  sein,  dass  sie  eine 
unblutige  Passage  des  Cystoskops  äusserst  schwierig  machen 
(vergl.  oben  bei  Prostatahypertrophie) ;  bei  der  grossen  Empfind¬ 
lichkeit  dieser  meist  schwer  leidenden  Kranken,  bei  der  grossen 
Empfänglichkeit  etwa  gesetzter  W  unden  für  Weiterimpfung  dei 
Tuberkulose,  bei  der  Disposition  der  Tuberkulösen  zum  Ivatheter- 
fieber  würde  man  also  hier  von  der  Cystoskopie  nur  in  dem  Falle 
Gebrauch  machen,  dass  sie  therapeutisch  vervverthbare  ^unum¬ 
gänglich  erforderliche  Aufschlüsse  gäbe.  Ein  solcher  Fall  ist 
mir  nicht  vorgekommen,  wird  auch  sehr  selten  sein ,  Sitz  und 
Ausbreitung  sind  palpatoriscli  abdominal  ausreichend  festzu¬ 
stellen;  Operationsindikationen  werden  auch  nicht  durch  die  Art 
und  den  Umfang  der  intravesikalen  Ausbreitung,  sondern  durch 
andere  Momente  gegeben,  auf  die  ich  hier  nicht  eingehen  kann. 

Weit  gediehene  Tuberkulosen,  gleichviel  welchen  Ursprungs, 

kontraindiziren  die  Cystoskopie.  _ 

Die  —  durchaus  exzeptionellen  —  rein  primären  V  esi- 
ealtuberkel  können  unter  Umständen  anders  als  durch  Cysto¬ 
skopie  nicht  erkannt  werden  [Asch1),  Blank")]. 

3.  Die  Cystoskopie  bei  Blasensteinen. 

Seit  meiner  Publikation  „über  Lithotripsie“  (vergl. 

I  diese  Wochenschrift  1901,  No.  52)  habe  ich  wiederum  eine  Reihe 
von  Blasensteinen  zu  behandeln  gehabt,  welche  dazu  beitrugen, 
meine  Erfahrung  über  den  Werth  der  Cystoskopie  bei  Blasen¬ 
steinen  zu  klären.  Im  Ganzen  zähle  ich  jetzt  nahezu  30  ein¬ 
schlägige  Fälle.  _  . 

Die  Ansichten  über  die  Nothwendigkeit  der  Blasenbesichti- 
gung  zur  Erkennung  von  Steinen,  und  über  die  Nothwendigkeit 
der  Blasenbesichtigung  vo*  Operation  von  Steinen  gehen  recht 
weit  auseinander.  Anfänger,  entzückt  von  der  wunderschönen 
Klarheit  des  Bildes  von  Steinen  in  normaler  Blase  bei  normalen 
Harn  wegen,  möchten  Jeden  für  einen  l  hören  halten,  der  einen 
Menschen  uncystoskopirt  lithotripsirt ;  Meister  der  Urologie  aber, 
wie  G  u  y  o  n,  D  i  1 1  e  1,  T  h  o  m  p  s  o  n,  haben  ohne  Zweifel  in  der 
antecystoskopischen  und  in  der  cystoskopischen  Aera  zahlreiche 
Patienten  mit  glänzendstem  Erfolge  ohne  vorgängige  Besichti¬ 
gung  von  ihren  Steinen  befreit. 

Wie  sich  in  der  Praxis  die  Sache  stellt,  wird  am  besten 
durch  einen  Bericht  über  die  Cystoskopie  in  meinen  letzten 
4  Fällen  veranschaulicht. 

Bei  dem  ersten  Patienten  war  die  Diagnose  mit  der  Stein¬ 
sonde  leicht  zu  stellen.  Da  Patient  drängte,  beschloss  ich,  sogleich 
zu  lithotripsiren.  Die  erste  Sitzung  führte  aber  nicht  zum  end- 
giltigen  Erfolg,  weil  der  äusserst  aufgeregte  Patient  nicht  narkoti- 
sirt  war;  es  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  das  Fassen 
und  Zerbrechen  des  Steines  sogleich  gelungen  sein  würde,  wenn 
man  durch  Besichtigung  über  Form  und  Lage  sich  vorher  ge¬ 
nauer  orientirt  hätte.  . 

Der  zweite  Patient  hatte  einen  ausserordentlich  grossen  Stein 
und  eine  vesical-,  urethral-,  rectalwärts  bedeutend  vergrösserte, 
mit  zirkumskripten  vesikalen  Prominenzen  versehene  und  zu  alle¬ 
dem  noch  derzeit  kongestionirte  Prostata.  All’  das  war  ohne 
Cystoskopie  erkennbar;  die  Auffälligkeit  des  Sitzes  an  der  vorderen 
oberen  Zirkumferenz  des  Blasenhalses  veranlasste  mich  jedoch  zu 
einer  Blasenbesichtigung.  Nun,  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  es 
blutete  etwas  aus  der  Urethra  prostatica;  so  konnte  ich  sehen,  dass 
ein  grosser  Stein  vorhanden,  mehr  nicht;  das  hatte  ich  aber  vorher 
auch  schon  gewusst.  Die  Litholapaxie  gelang  aber  dennoch. 

Der  dritte  Patient  hatte  einen  sehr  kleinen  Uratstein  im 
Fundus  vesicae;  der  Stein  wurde  in  einer  Sitzung  Anfangs  von  der 
Steinsonde  entdeckt,  nachher  nicht  wiedergef unden;  auch  hier  ver¬ 
eitelte  eine  Prostatahypertrophie  und  -Kongestion  Detailstudien  bei 
der  Besichtigung;  ti'otzdem  litholapaxirte  ich  den  noch  dazu  dia¬ 
betischen  Kranken  mit  bestem  Erfolg  in  einer  Sitzung. 

Beim  vierten,  einem  jungen  kräftigen  Manne,  ohne  andere 
Komplikation  als  Cystitis-  mässigen  Grades,  war  die  Cystoskopie 
insofern  von  Werth  für  die  Operation,  als  sie  neben  dem  Stein 
im  Fundus  eine  diffuse  Inkrustation  der  rechten  Seiten-  und 
Vorderwand  zeigte,  die  ich  in  solcher  Ausdehnung  nach  der  Son- 
dirung  doch  nicht  erwartet  hatte.  Litliolapaxirt  habe  ich  in  zwei 
Sitzungen,  volle  Heilung  in  1—2  Wochen  erzielt. 

Sie  sehen  also,  das  eine  Mal  war  es  gut,  zu  cystoskopiren, 
das  andere  Mal  ist  es  nutzlos  gewesen;  es  ist  keineswegs  an¬ 
gängig,  die  Cystoskopie  als  eine  Conditio  sine  qua  non  aller 

J)  Berliner  kliu.  Wochensclir.  1900. 

~)  Monatsber.  ü.  d.  G.  a.  d.  G.  d.  Kr.  des  Harn-  u.  Sexualapp. 


15.  Juli  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


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Steinoperationen  zu  erklären;  man  muss  von  Fall  zu  Fall  ent¬ 
scheiden  und  wird  zuweilen  mit  der  Unterlassung  dieser  Unter¬ 
suchungsmethode  dem  Steinkranken  einen  besseren  Dienst  er¬ 
weisen,  als  mit  der  Ausführung-,  insbesondere  bei  primären 
Steinen  in  noch  aseptischen  Harnorganen. 

Man  kann  mit  der  Besichtigung  feststellen,  1.  wie  viel  Steine 
vorhanden  sind,  2.  wie  gross  der  oder  die  Steine  sind,  3.  welche 
Form  sie  haben,  4.  welche  Lage  sie  haben,  5.  die  Kompli¬ 
kationen. 

Man  kann  3.  und  5.  mit  Sicherheit  nur  durch  Be¬ 
sichtigung  feststellen ;  Zahl,  Grösse  und  Lage  bestimmt  mit  einer 
nicht  grösseren  Sicherheit,  aber  in  einer  für  die  Operation 
besser  verwerthbaren  Weise  der  Litho  trip  tor. 

Man  kann  mit  der  Besichtigung  nicht  feststellen,  ob  ein 
Stein  zerbrechlich  ist ;  darüber  entscheidet  lediglich  der  Ver¬ 
such  des  Zerbrechens;  die  Wahl  zwischen  Lithotomie  und 
Lithotripsie  hängt  von  der  Würdigung  aller  örtlichen  und  all¬ 
gemeinen  Erscheinungen  ab,  nicht  von  dem  Ergebniss  einer 
Methode  örtlicher  Untersuchung. 

4.  Die  Cystoskopie  bei  Blasengeschwülsten. 

Die  Zahl  der  von  mir  behandelten  Blasengeschwülste  betrug 
zur  Zeit  meiner  gleichbetitelten  kurzen  Mittheilung  im  Zentralbl. 
f.  Chir.  21;  seitdem  sind  2  neue  hinzugekommen.  33  Blasen¬ 
besichtigungen  habe  ich  bei  16  dieser  Patienten  vorgenommen; 
bei  7  unterblieb  die  Cystoskopie,  weil  bei  bereits  gestellter  Dia¬ 
gnose  und  nicht  beabsichtigter  Operation  ein  derzeitiger  Nutzen 
des  Eingriffes  für  den  Patienten  nicht  ersichtlich  war. 

Die  Technik  der  Geschwulstbesichtigung  wird  zum  Theil 
beherrscht  von  der  Geschwulstblutung ;  sie  wird  zum  Theil  ausser¬ 
ordentlich  erschwert  durch  hinzugetretene  Cystitis. 

Wenn  es  auch  im  Allgemeinen  ratlisam  ist,  die  Beendigung 
einer  Geschwulstblutung  abzuwarten,  weil  ohne  Blutung  die  Be¬ 
sichtigung  weit  leichter,  ihre  Ergebnisse  weit  zweifelsfreier  sind; 
so  lässt  sich  in  der  Praxis  dieser  Forderung  doch  nicht  immer 
Genüge  leisten.  Die  Patienten  mit  gutartigen  Blasen¬ 
geschwülsten  sind  von  auswärts  eben  wegen  der  Blutung  zur 
Diagnosenstellung  hergeschickt  worden;  so  lange  es  blutet,  sind 
sie  auch  ärztlicher  Intervention  recht  zugängig;  hat  die  Blutung, 
und  damit  ihr  subjektives  Krankheitsgefühl,  auf  gehört,  und  dazu, 
wie  so  oft,  für  lange  Zeit,  so  denken  sie  nicht  daran,  sich  dem 
gefürchteten  Eingriff  ohne  Noth,  wie  sie  meinen,  auszusetzen. 
Handelt  es  sich  aber  um  klinisch  bösartige  Geschwülste,  ist  be¬ 
reits  eine  Harninfektion  hinzugetreten,  so  hat  man  manchmal 
gut  warten ;  durch  die  Infektion  verliert  zuweilen  die  Geschwülst- 
blutung  ihren  intermittirenden,  spontanen  Typus ;  sie  erklärt 
sich  in  Permanenz,  und  man  würde  mit  längerer  Verzögerung  der 
exakten  Diagnose  die  beste  Zeit  zur  Operation  vielleicht  ver¬ 
passen. 

Und  so  bin  ich  recht  oft  in  der  Lage  gewesen,  eine  Cysto¬ 
skopie  bei  vermutheter  Geschwulst  zur  Zeit  einer  Hämaturie  vor¬ 
nehmen  zu  müssen;  Die  Diagnose  konnte  aber  trotzdem  auf 
Grund  der  Besichtigung  gestellt  werden. 

Ist  die  Blutung  eine  geringe  urethrale,  so  wird  man,  wenn 
einmal  das  Cystoskop  liegt  und  durch  Anreiben  am  Orificium 
urethrovesicale  etwas  gereinigt  oder,  bei  Gebrauch  von  Spiil- 
cystoskopen,  abgespült  wurde,  kaum  in  der  Besichtigung  viel  ge¬ 
stört  werden.  Schwere  Blutungen  aus  einer  kongestionirten  oder 
verletzten  Urethra  prostatica  freilich  werden  eine  erfolgreiche 
Cystoskopie  bei  Blasengeschwülsten  vereiteln;  man  muss  dann 
8 — 14  Tage  bis  zur  Abschwellung  der  Prostata  mit  der  Wieder¬ 
holung  warten.  Diese  urethralen  Blutungen  sind  accidentell  und 
haben  mit  der  Geschwulst  an  sich  nichts  zu  thun. 

Die  eigentliche  Geschwulstblutung  ist  nach  ihrer  Art  und 
Stärke  von  sehr  verschiedener  Bedeutung  für  die  Besichtigung. 

Führt  sie  in  akuter  Weise  zur  Bildung  zahlreicher  Gerinnsel, 
erschwert  sie  durch  Gerinnselbildung  die  Harnentleerung,  hat  sie 
gar  zur  Harnverhaltung  geführt,  so  hat  man  mit  der  Hämostase 
genug  zu  thun  und  kann  nicht  an  Cystoskopie  denken  wollen. 

Ist  die  Blutung  derart,  dass  sich  keine  Gerinnsel  bilden,  aber 
immerhin  eine  tiefrothe  und  trübe  Beschaffenheit  des  Harns 
resultirt,  so  kann  man  die  unten  zu  schildernde  Spülung  immer¬ 
hin  versuchen,  und  wird  bei  glatter  Passage  der  Urethra  und 
schnellem,  ebenso  sicherem  wie  schonendem  Operiren  oft  eine 


vorübergehende  Klärung,  wenn  auch  nicht  Entfärbung  des 
Blaseninhalts  erreichen;  diesen  Augenblick  muss  man  benutzen, 
um  sich  zu  orientiren. 

Ist  die  Blutung  gering,  so  zwar,  dass  der  Urin  hellroth  die 
Blase  verlässt,  so  hat  das  nun  zu  schildernde  Vorgehen  mich  kein 
einziges  Mal  im  Stich  gelassen. 

Man  führt  einen  mit  2  Augen  versehenen  elastischen 
Meroierkatheter  nicht  zu  harten  Materials  (Charriere  14 — 16) 
nach  gründlicher  Spülung  der  Urethra  ein,  ohne  dass  Patient 
vorher  urinirt.  Man  hält  mehrere  vorher  mit  klarer  Bor¬ 
lösung  fertig  gefüllte  150—200  ccm  Handdruckspritzen  feinsten 
Stempelgangs  bereit.  Ehe  aller  Urin  aus  dem  Katheter  abge- 
dossen  ist,  injizii*t  man  eine  hinter  dem  von  der  Blase  tolerirten 
Quantum  (das  ist  aus  der  Menge  des  maximal  auf  einmal  ent¬ 
leerten  Spontanurins  festzustellen)  etwas  zurückbleibende  Menge 
Borlösung.  Gleich  viel  lässt  man  nun  immer  abfliessen,  so  dass 
die  Blase  nie  ganz  entleert  wird.  Durch  schnellen  Wechsel  der 
Flüssigkeit  geling-t  es  nun  in  einer  Zeit,  die  nicht  zur  erneuten 
Trübung  genügendes  Blut  liefert,  die  Mischung  zwischen  Urin, 
klarer  Borlösung  und  Blutstropfen  so  zu  gestalten,  dass  sie  für 
die  Besichtigung  durchsichtig  genug  wird.  Ist  man  so  weit,  so 
entfernt  man  so  schnell  wie  möglich  den  Katheter  und  führt  so 
schnell  wie  möglich  das  bereit  gehaltene  Cystoskop  ein;  über  die 
Passage  muss  man  vollkommen  orientirt  sein;  denn  jeder  Augen¬ 
blick  ist  kostbar.  Um  ganz  sicher  zu  gehen,  kann  man  dann  noch 
statt  des  gewöhnlichen  Cystoskops  (mit  welchem  ich  allerdings 
bei  dieser  Art  des  Vorgehens  meistens  auskam)  ein  Spülcystoskop 
benutzen,  aber  nicht  ein  sogen.  Kathetercystoskop  (Katheter, 
durch  welchen  das  Cystoskop  eingeschoben  wird),  sondern  das 
Nitz  e’sche  Irrigationscystoskop  mit  festliegendem,  besonderem 
Spülkanal.  Bei  dem  Kathetercystoskop  führt  nämlich  die  zu 
schnelle  Entleerung  der  Blase  durch  den  weiten  Kanal  zu 
schnellen  Druckschwankungen,  die  nicht  ganz  vermeidbare  Er¬ 
schütterung  beim  Herausnehmen  des  Spülmandrins  und  Ein¬ 
führen  des  Lichtmandrins  zur  mechanischer!.  Reizung  der  Blase; 
beides  begünstigt  die  Blutung.  Bei  dem  Irrigationscystoskop  ist 
der  Spülkanal  zwar  eng,  aber  man  will  ja  hier  nur  Flüssigkeit 
wechseln,  nicht  feste  Partikel  herausspülen;  die  Hauptsache 
bleibt  immer  die  vorbereitende  Katheterspülung,  das  Spülcysto¬ 
skop  soll  nur  nachhelfen. 

Auf  einem  ganz  anderen  Gebiete  liegt  die  Erschwerung  der 
Technik  durch  komplizirende  chronische  Cystitis.  Hier  sind  es 
„optische  Täuschungen“,  w-elche  sehr  leicht  zu  diagnostischen 
Irrungen  führen.  Ist  doch  der  optische  Eindruck  einer  theils 
produktiv  proliferativen,  theils  regressiv  exulzerativen  schweren, 
chronischen  Cystitis  nicht  so  sehr  verschieden  von  dem  eines  in- 
filtrirenden,  nur  sehr  wenig  vortretenden,  hie  und  da  ulzerirten 
Karzinoms.  So  habe  ich  bei  einem  70  jährigen  kachektisehen 
Patienten,  den  ich  vorher  zu  untersuchen  und  zu  beobachten 
nicht  Gelegenheit  hatte,  bei  dem  aber  eine  Intumeszenz  der 
Blase  palpatorisch  festgestellt  war,  cystoskopisch  einen  Tumor 
zu  sehen  vermeint;  die  Sektion  des  an  Embolie  von  einer  Ober¬ 
schenkelvenenthrombose  aus  gestorbenen  Mannes  wies  aber  nur 
eine  schwere  Cystitis  und  ein  Divertikel  auf.  Bei  sorgfältigster 
Berücksichtigung  der  Palpation,  der  Anamnese,  des  Allgemein¬ 
zustandes  (Unterscheidung  karzinomatöser  Kachexie  von  Uro¬ 
sepsis,  oder  chronischer  „kleiner“  Urämie!)  wird  eine  Einschrän¬ 
kung  solcher  Fehldiagnosen  erreichbar  sein.  Sie  lehren  uns,  dass 
wnr  bei  komplizirten  Aufgaben  urologiseher  Diagnostik  nicht 
Alles  auf  eine  Karte  setzen  dürfen,  selbst  wenn  diese  Karte  so 
sehr  „Trumpf“  ist,  wie  die  Cystoskopie. 

Im  Ueb rigen  ist  sie  in  der  That  für  die  Tumordiagnostik 
souverän. 

Dass  eine  Blasengeschwulst  cystoskopisch  nicht  erkennbar 
ist,  kann  seine  Ursache  darin  haben,  dass  sie  nicht  in’s  Blasen¬ 
innere  vorragt,  oder  darin,  dass  die  Cystoskopie  unmöglich  ist. 

Die  intramuskulären  infiltrirenden  Blasengeschwülste,  welche 
nicht  von  der  Schleimhaut  ausgehen,  und  Anfangs,  ohne  die 
Schleimhaut  überhaupt  zu  betheiligen,  wachsen,  erzeugen  dem  zu 
Folge  Anfangs  keine  intravesikalen  Veränderungen;  cysto 
skopisch  kann  man  sie  also  in  Anfangsstadien  nicht  dia- 
gTiostiziren ;  später  treten  aber  doch  deutliche  Buckel  i  n  der 
Blase  auf.  Diese  Geschwülste  sind  enorm  selten ;  Englisch 

3* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


1180 

hat  sie  kürzlich  genau  beschrieben;  ich  habe  einen  derartigen 
Fall  nicht  beobachtet. 

Die  andere  Ursache  für  die  Unmöglichkeit  cystoskopischer 
Erkenntniss  eines  Tumors  liegt  in  der  Unmöglichkeit  der  Cysto- 
skopie.  Es  handelt  sich  aber  hier  nach  meiner  Erfahrung  nur 
um  ein  „noch  nicht“  oder  ein  „nicht  mehr“.  „Noch  nicht“,  weil  es 
zu  stark  blutet,  weil  akute  Cystitis  besteht  oder  Aehnl. :  nun, 
man  wartet  die  Beendigung  dieser  vorübergehenden 
Hindernisse  ab.  „Nicht  mehr“,  weil  das  Wachsthum  der  Ge¬ 
schwulst  die  Passage  der  Urethra,  oder  die  Anfüllung  des  Cavmn 
vesicae  mit  ausreichender  Menge  unmöglich  macht.  Es  ist  Auf¬ 
gabe  des  Arztes,  es  zu  diesem  „nicht  mehr“  nicht  kommen  zu 
lassen,  sondern  jeden  Kranken,  bei  dem  auch  nur  der  leiseste 
Verdacht  auf  Tumor  besteht,  sofort  bei  der  ersten  Konsultation 
zur  Cystoskopie  zu  bewegen.  Es  dürfte  eine  ausserordentliche 
Seltenheit  sein,  dass  die  Cystoskopie  unmöglich  ist,  wenn  der 
Patient  zum  ersten  Mal  ärztlichen  Rath  nachsucht ;  denn 
unter  meinen  23  zum  Theil  nach  vielfachen  ander¬ 
weitigen  Konsultationen  in  meine  Behandlung  gelangten 
Patienten  war  nur  eine  r,  bei  dem  ich  die  Cystoskopie  für 
nicht  möglich  ansah. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Blasengeschwülsten  —  die  Cysto¬ 
skopie  als  Eintheilungsprinzip  genommen  —  bilden  solche  deren 
Existenz  zwar  ohne  Besichtigung  feststeht,  deren  Details  aber 
nur  durch  Besichtigung  erkennbar  sind. 

Unmittelbar  vor  der  Exstirpation  einer  cystoskopisch  von 
mir  auf  der  linken  Seitenwand  zwischen  Orificium  urethrae  und 
Ureter  sinister  lokalisirten  Geschwulst  fand  der  mitbehandelnde 
Arzt  durch  rectoabdominale  Palpation  den  Sitz  rechterseits.  Da 
Untersuch  er  in  Abdominalpalpation  sehr  geübt,  der  ganz  magere 
Patient  narkotisirt,  und  Därme  und  Blase  entleert  waren,  konnten 
bessere  Bedingungen  für  ein  richtiges  Palpationsresultat  gar 
nicht  Vorkommen;  die  operative  Autopsie  bewies  aber,  dass  die 
Cystoskopie  Recht  hatte. 

Die  Unterlassung  der  Besichtigung  kann  dazu  führen,  dass 
man  in  einen  an  der  oberen  Wand  anhaftenden  Tumor  bei  dem 
üblichen  Blasenschnitt  mitten  hineinschneidet,  mit  dem  Ergeb- 
niss  einer  profusen  Blutung  und  einer  enormen  Erschwerung 
glücklicher  Operation ;  denn  w  o  der  Tumor  inserirt,  kann  man 
nicht  fühlen,  wenn  man  seine  Existenz  auch  ganz  sicher  durch 
Palpation  erwiesen  hat. 

Endlich  eine  dritte  Gruppe  bilden  die  ohne  Besichtigung 
nicht  zu  diagnostizirenden  Geschwülste.  Zu  dieser  Gruppe  ge¬ 
hören  ca.  25  Proz.  meiner  Fälle;  mehrfach  konnten  wir  uns  bei 
der  Operation  von  der  Richtigkeit  der  Behauptung  überzeugen, 
dass  man  die  vorliegende  Affektion  weder  extravesikal  noch 
intravesikal  palpatorisch  mit  Sicherheit  hätte  konstatiren  können. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dass  alle  Blasengeschwülste  —  von 
den  oben  erwähnten,  nicht  primär  intravesikalen  abgesehen  — 
zu  einer  Zeit  erkannt  würden,  in  welcher  sie  noch  zu  dieser 
3.  Gruppe  —  nur  cystoskopisch  erkennbar  —  gehören. 

Denn  die  Frühdiagnose  ist  die  Voraussetzung  für  Fort¬ 
schritte  bei  der  Heilung  bösartiger  Blasengeschwülste. 

Für  die  Blasengeschwülste  ohne  Komplikation  gilt  in  der 
That,  was  kürzlich  ein  amerikanischer  Urologe  erklärte:  Das 
erste  Instrument,  welches  man  zur  Diagnose  in  die  Blase  ein¬ 
führt,  soll  das  Cystoskop  sein.  Ein  Urologe  aber,  der  bei  allen 
Blasenkrankheiten  mit  dem  Cystoskop  den  Angriff  eröffnet, 
dessen  erster  instrumenteller  Eingriff  immer  die  Cysto¬ 
skopie  wäre,  ist  ebenso  schlecht  berathen,  wie  ein  Urologe  ohne 
Cystoskop. 


Ueber  die  Heilungsvorgänge  bei  der  operativen 
Behandiung  der  Bauchfell-  und  Nierentuberkulose.*) 

Von  Dr.  Weisswange  in  Dresden. 

Seitdem  im  Jahre  1884  König  über  4  Fälle  referirte,  bei 
denen  er  nicht  genau  zu  diagnostizirende  Tumoren  im  Unterleib 
operirtc,  und  berichtete,  dass  die  als  Tuberkulose  erkannten 
Fälle  ausheilten,  ist  die  operative  Behandlung  der  Bauchfell¬ 
tuberkulose  in  den  Mittelpunkt  unseres  therapeutischen  Interesses 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil¬ 
kunde  zu  Dresden  am  12.  April  1902. 


getreten.  In  den  nächsten  Jahren  schwoll  die  Literatur  über 
operative  Behandlung  der  Bauehfelltuberkulose  gewaltig  an  und 
die  Operation  gewann  immer  grössere  Anhänger. 

1890  berichtet  Koni  g  über  131  Fälle,  die  in  der  Zwischen¬ 
zeit  und  früher  durch  den  einfachen  Bauchschnitt  behandelt 
worden  waren.  Die  Zahl  der  über  2  Jahre  lang  nach  der  Opera¬ 
tion  gesund  Gebliebenen  betrug  24  Proz.  der  Operirten,  65  Proz. 
waren  geheilt,  aber  weniger  als  2  Jahre  beobachtet.  Unter  den 
Ersteren  waren  Heilungen  in  der  Dauer  von  25,  15  und  13  Jahren. 
Man  hatte  sich  bemüht,  die  vor  Koni  g’s  Veröffentlichung 
Operirten  aufzusuchen. 

1892  stellte  L  i  n  d  n  e  r  250  Beobachtungen  zusammen. 

1893  E  ö  h  n  s  c  li  358  mit  70  Proz.  Heilungen,  darunter 
15  Proz.  länger  als  2  Jahre.  Es  folgte  eine  grössere  Statistik 
von  253  Fällen,  die  von  den  Mitgliedern  der  italienischen  Gesell¬ 
schaft  für  Chirurgie  laparotomirt  wurden  und  1896  von 
Margarucci  veröffentlicht  wurden  mit  85,4  Heilungen. 

Von  da  an  wächst  die  Kasuistik  so  an,  dass  sie  keine  Zu¬ 
sammenstellung  mehr  erfahren  hat,  andrerseits  wird  die  Heilung 
als  so  feststehende  Thatsache  betrachtet,  dass  die  Veröffent¬ 
lichung  der  Fälle  nicht  mehr  für  nothwendig  erachtet  wird. 

W  i  n  c  k  e  1  konnte  1897  auf  dem  12.  internationalen  Kon¬ 
gress  in  Moskau  aussprechen: 

„Die  tuberkulöse  Peritonitis  ist  in  allen  ihren  Formen  durch 
die  abdominale  Köliotomie  heilbar.“  Er  fügt  hinzu:  Die  bisher 
beobachteten,  sein-  günstigen  Resultate  der  operativen  Eingriffe, 
70 — 80  Proz.  Heilungen,  sind  nicht  einwandfrei.  Der  grösste 
Theil  ist  zu  kurz  beobachtet  worden.  Klinische  und  anatomische 
Heilung  sind  nicht  gleichbedeutend.  Sicherlich  sind  viele,  nicht 
tuberkulöse  Fälle  unter  den  „Geheilten“.  Sieht  man  die  Litera¬ 
tur  durch,  so  findet  man  allerdings,  dass  eine  grosse  Anzahl  der 
veröffentlichten  Fälle  nicht  beweiskräftig  sind,  da  diese  zu  kurze 
Zeit  nach  der  Operation  als  geheilt  erklärt  wurden.  Daher  hat 
die  Forderung,  nur  diejenigen  Fälle  als  geheilt  zu  bezeichnen,  die 
2  Jahre  gesund  geblieben  sind,  wohl  ihre  Berechtigung. 

Selbstverständlich  versuchte  man  auch,  die  wunderbaren 
Heilungsvorgänge  zu  erklären,  aber  zu  einem  definitiven  Ab¬ 
schluss  ist  man  noch  nicht  gekommen,  auch  W  i  n  c  k  e  1  blieb 
eine  vollständige  Erklärung  für  den  Heilungsvorgang  schuldig. 

Bei  der  grossen  Anzahl  von  Veröffentlichungen  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  operativen  Behandlung  der  Bauchfelltuberkulose  möchte 
es  vielleicht  anmaassend  erscheinen,  den  Gegenstand  in  dieser 
Gesellschaft  nochmals  zur  Sprache  zu  bringen.  Ich  glaube  je¬ 
doch,  dass  die  Fälle,  über  die  ich  mir  Ihnen  zu  berichten  ge¬ 
statte,  wegen  einiger  Komplikationen,  die  vielleicht  ein  Licht 
auf  die  Heilungsvorgänge  zu  werfen  geeignet  sind,  einiges  Inter¬ 
esse  bieten  dürften. 

Von  einer  grossen  Anzahl  von  Beobachtungen  von  Bauch¬ 
felltuberkulose,  die  ich  in  den  letzten  5  Jahren  als  chirurgischer 
Assistenzarzt  und  später  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  und 
deren  theilweise  Behandlung  und  weitere  Beobachtung  mir  durch 
die  Güte  meines  früheren  Chefs,  des  Herrn  Prof,  de  Ruyter 
in  Berlin,  ermöglicht  wurde,  gestatte  ich  mir  nur  auf  einige 
etwas  näher  einzugehen.  Es  sind  dies  solche  Fälle,  wo  durch 
die  Operation  auch  anderweitige  Tuberkulose  des  Körpers  in 
wunderbarer  Weise  beeinflusst  wurde. 

Um  mir  ein  Bild  von  dem  Heilungsverlauf  zu  machen,  theilto 
ich  die  zur  Beobachtung  gekommenen  Fälle  ein: 

I.  in  solche,  die  spontan  ausheilten, 

II.  in  solche,  die  durch  die  Laparotomie  ausheilten, 

III.  in  solche,  die  durch  die  Laparotomie  ausheilten  und  bei 
denen  durch  die  Operation  auch  anderweite,  tuberkulöse  Herde 
im  Körper  ausheilten  oder  auffällig  günstig  beeinflusst  wurden, 
in  solche,  die  auch  durch  Laparotomie  nicht  ausheilten. 

Nur  aus  der  3.  Gruppe  gestatte  ich  mir  zunächst  einige 
Krankengeschichten  zu  berichten.  Vorausschicken  möchte  ich 
noch,  dass  in  sämmtlichen  Fällen  die  Diagose  nicht  nur  klinisch, 
sondern  auch  mikroskopisch  und  bakteriologisch  sicher  gestellt 
ist  sämmtliche  Fälle  sind  8,  6,  5,  3,  einige  wenigstens  2  Jahre 
geheilt  und  genügen  dem  von  König  geforderten  Maassstab 
einer  LIeilungsdauer  von  2  Jahren  als  Norm,  von  der  ab  man 
einen  Fall  als  geheilt  bezeichnen  darf. 

Der  erste  Fall  betrifft  ein  5  jähriges  Mädchen.  Es  erkrankte 
im  März  1894  mit  einer  Anschwellung  des  linken  Zeigefingers,  die 


15.  .Till!  1902. 


MUEN OTIENER  MEHICTNTSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


aber  keine  weitere  Beachtung  fand.  Nach  einiger  Zeit  fiel  eine 
nicht  unerhebliche  Anschwellung  des  Leibes  auf.  ohne  dass  das 
Kind  über  Schmerzen  klagte.  Bei  der  Aufnahme  in  die  Klinik 
fand  sich  folgender  Befund:  Sehr  mageres  Kind  mit  trommelartig 
aufgetriebenem  Leib  und  ausgesprochenem  Aszites,  einer  Spina 
ventosa  der  2.  Phalanx  des  linken  Zeigefingers  und  einer  Ver¬ 
dickung  des  rechten  Unterkiefers  iron  der  Grösse  eines  halben 
Taubeneies,  die  als  tuberkulöse  Knochenerkrankung  angesprochen 
wird.  Bei  der  vorgenommenen  Laparotomie,  die  in  einfacher  In¬ 
zision  in  Medianlinie  bestand,  entleeren  sich  2—3  Liter  rein  se¬ 
röser  Flüssigkeit.  Das  Peritoneum  viscerale  und  parietale  findet 
sich  übersät  von  unzähligen  miliaren  Tuberkeln.  Die  Wunde  wird 
in  der  ganzen  Ausdehnung  geschlossen.  Schon  nach  wenigen 
Tagen  macht  sich  eine  auffällige  Verkleinerung  der  Auftreibung 
am  Unterkiefer,  sowie  auch  der  Geschwulst  am  Finger  geltend. 
Als  das  Kind  auf  Wunsch  die  Klinik  verlässt,  ist  die  Bauchwunde 
geheilt,  die  Schwellung'  am  Kiefer  fast  ganz  verschwunden,  die 
Auftreibung  am  Finger  geringer.  Nach  kurzer  Zeit  stellte  sich 
wieder  eine  Anschwellung  des  Leibes  mit  Aszites  ein.  die  aber 
gleich  wieder  zu  schwinden  anfing,  und  zwar  so  rapid,  dass  nach 
Messungen  von  Seiten  der  intelligenten  Eltern  täglich  eine  Ab¬ 
nahme  des  Leibesumfanges  um  5 — 6  cm  gefunden  wurde.  Zu 
gleicher  Zeit  begannen  die  1.  und  2.  Phalanx  des  rechten 
und  die  1.  Phalanx  des  linken  Zeigefingers  in  derselben  Weise 
zu  erkranken  wie  früher  die  2.  der  linken  Hand.  Es  bildete 
sich  dann  eine  Fistel,  durch  dip  sich  Eiter  entleert  haben  soll  und 
die  sich  bald  von  selbst  schloss.  Von  da  an  erholte  sich  das  Kind 
vollständig.  Ein  Jahr  nach  der  Operation  zeigte  sich  dasselbe  in 
gutem  Ernährungszustand,  fühlte  sich  sehr  wohl  und  frisch.  Weder 
am  Leibe,  noch  an  sonstigen  Organen  Hessen  sich  irgend  welche 
krankhafte  Veränderungen  wahrnehmen.  Der  Knochen  des  Unter¬ 
kiefers  war  vollständig  normal,  die  Fistelöffnung  am  linken  Finger 
gut  vernarbt.  Die  2.  und  3.  Phalanx  des  linken  Zeigefingers  etwas 
verdickt,  sonst  völlig  normal.  Der  treffliche  Gesundheitszustand 
hat  bis  jetzt  angehalten. 

Dieser  Fall  ist  bereits  im  .Tahre  189.r>  Gegenstand  einer  Disser¬ 
tation  von  K  r  a  m  e  r  gewesen. 

Der  zweite  Fall  betrifft  einen  S  jährigen  Knaben,  der  mit 
starkem  Fieber,  beiderseitigem  Lungenspitzenkatarrh,  einer  links¬ 
seitigen  Pleuritisexsudation  und  mit  einem  grossen  Exsudat  in 
der  linken  Bauchseite,  das  vom  Bippenbogen  bis  zum  Darmbein- 
kamm  reichte,  in  sehr  desolatem  Zustande  1890  aufgenommen 
wurde. 

Da  das  Fieber  bestehen  blieb,  der  Zustand  sich  verschlechterte, 
wird  14  Tage  nach  der  Aufnahme  die  Laparotomie  ausgeführt. 
Es  entleert  sich  500  ccm  klare,  gelbe  Flüssigkeit.  Das  Peritoneum 
parietale  ist  stark  verdickt  und  mit  Tuberkeln  besetzt,  die  sich 
theilweise  im  Stadium  der  Verkäsung  befinden.  Das  Peritoneum 
viscerale  zeigt  sieb  glatt  und  spiegelnd,  ist  aber  auch  mit  sub¬ 
miliaren  Knötchen  iibersät.  Im  stark  verdickten,  geschrumpften 
Netz  finden  sich  Tuberkelknoten.  Hier  wird  die  Wunde  nur  theil¬ 
weise  vernäht,  die  Bauchhöhle  drainirt.  Die  Wunde  heilte  nicht 
per  primnm.  es  bildeten  sich  grosse  Fisteln  mit  schlechten, 
schwammigen  Granulationen.  Im  Laufe  des  nächsten  halben 
Jahres  stiess  sich  das  Peritoneum  wie  eine  Schwarte  ab  und  'wir 
konnten  mehrfach  grosse,  schwartenartige  Stücke  durch  die 
Fisteln  herausziehen.  Das  Peritoneum  wurde  allmählich  glatt. 
Der  Aszites  verschwand  bald  ganz.  Auffällig  war,  dass  die 
Lungenerscheinungen  vom  Tage  der  Operation  an  zurückgingen. 
14  Tage  nach  der  erstpn  Laparotomie  wurdp  das  linksseitige 
Pleuraexsudat  punlrtirt  und  300  ccm  klare,  hellgelbe  Flüssigkeit 
durch  Aspiration  abgelassen.  Nach  2  Monaten  war  das  Fieber 
vollständig  verschwunden,  der  Knabe  nahm  an  Gewicht  zu.  die 
Lungenerscheinungen  waren  bis  auf  vereinzelte  Rasselgeräusche 
der  linken  Spitze  verschwunden.  Der  Knabe  wurde  mit  piner 
Bauchfistel  in  ein  Soolbad  entlassen.  Nach  einigen  Monat0!)  kam 
er  wieder  zur  Beobachtung  mit  3  ca.  4  cm  tiefen  Fistelgängen 
in  der  Bauchwundennarbe.  Tn  derlleocoekalgegend  fühlte  man  eine 
harte  Geschwulst,  die  ganz  allmählich  verschwand.  2  .Tahre  nach 
der  Operation  wurde  er  mit  völlig  geschlossener  Fistel  entlassen. 
Nach  ö  Jahren  sah  ich  ihn  wieder  munter  und  wohl,  nur  mit  einem 
ziemlich  grossen  Bauchbruch  belastet.  An  der  Lunge  waren  keine 
krankhaften  Erscheinungen  mehr  nachweisbar. 

Der  dritte  Fall  betrifft  ein  9  jähriges  Mädchen  mit  tuber¬ 
kulösem  Habitus.  Fieber  und  Lungenkatarrh  mit  starkem  Aszites. 
Die  Operation  wurde  1897  vorgenommen.  Das  Mädchen  hat  sich 
ausserordentlich  erholt,  ist  dick  und  blühend,  wovon  wir  uns  kürz¬ 
lich  überzeugen  konnten. 

Der  vierte  Fall  betrifft  ein  lö  jähriges  Mädchen,  ebenfalls 
mit  tuberkulösem  Habitus,  Fieber.  Lungenkatarrh  und  starkem 
Aszites.  Die  Laparotomie  wurde  1899  ausgeführt.  Peritoneum 
stark  verdickt  und  mit  Tuberkeln  iibersät,  ebenso  Därme,  einzelne 
Stränge  vorhanden.  Nach  der  Operation  erholte  sich  die  Patientin 
auffällig,  im  Juli  1901  gutes  Wohlbefinden,  frische  und  blühende 
Gesichtsfarbe. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  wenigsten  Fälle  von  Bauch¬ 
fell-  oder  FT ieren  tuberkulöse  einzig  und  allein  auf  Peritoneum 
oder  Niere  beschränkt  sind,  denn  der  Erreger  muss  auf  irgend 
einem  Wege  durch  den  Organismus  zum  Ort  seiner  Bestimmung  ^ 

No.  28. 


1181 

gekommen  sein,  nicht  ohne  wahrscheinlich  auf  diesem  Wege  hie 
und  da  Halt  gemacht  zu  haben.  Er  kann  von  Pleura,  Harm, 
Lymphdrüsen,  von  den  Geschlechtsorganen  seinen  Ursprung 
nehmen.  Es  werden  daher  hei  den  in  der  Literatur  als  geheilt 
bezeichneten  Fällen  wohl  auch  günstige  Beeinflussungen  der  pri¬ 
mären  Herde  eingetreten  sein,  aber  ich  finde  diese  auffällige 
günstige  Beeinflussung  anderer  tuberkulöser  Herde  durch  den 
operativen  Eingriff  nirgends  hervorgehoben  und  betont,  und  ich 
finde  in  der  zahlreichen  Literatur  keinen  Fall,  den  ich  in  dieser 
Beziehung  unseren  Beobachtungen  an  die  Seite  stellen  könnte. 
Ich  halte  aber  gerade  diese  Beobachtungen  für  den  Versuch 
einer  Erklärung  der  Heilungsvorgänge  für  ausserordentlich 
wichtig. 

Was  ist  nun  bei  diesen  Eingriffen  das  heilende  Agens?  Und 
wie  kann  man  sich  diese  auffällig  günstige  Beeinflussung  ent¬ 
fernt  liegender  tuberkulöser  Herde  durch  die  Operation  erklären  ? 

Wenn  man  die  Literatur  über  die  operative  Behandlung  der 
Bauchfelltuberkulose  durchsieht,  so  findet  man,  dass  die  ver¬ 
schiedensten  Theorien  zur  Erklärung  herbeigezogen  worden  sind. 
Sie  alle  hier  anzuführen,  würde  bei  der  grossen  Menge  zu  weit 
führen. 

Chemische  Reagentien  (Antiseptika  und  Jodoform),  Licht 
(L  auen  stei  n),  L  u  f  t  (N  oler,  Mosetig-Moorhof), 
andere  Bakterien,  die  bei  der  Operation  eingebracht  werden 
sollen  (Bact.  termo  —  O  a  t  a  n  i  — ,  F  e  h  1  i  n  g’s  den  Tuberkel¬ 
bazillen  antagonistische  Keime),  Entfernung  des  Exsudats  wur¬ 
den  für  das  Heilende  erklärt.  Aber  alle  diese  Theorien  konnten 
einer  scharfen  Kritik  nicht  Stand  halten  und  so  musste  auch 
v.  Winckel  zu  dem  Schluss  kommen :  eine  allseitig  befrie¬ 
digende  Erklärung  für  die  Wirkung  der  Laparotomie  bei  der 
tuberkulösen  Peritonitis  ist  noch  nicht  gefunden  worden.  Hie 
meisten  Anhänger  fand  die  Annahme,  dass  die  durch  die  Lapa¬ 
rotomie  erzeugte  Stauungshyperämie  das  heilende  Agens  sei.  So 
sagt.  Hildebrand  (Münch,  med.  Wochenschr.  1898,  No.  51 
u.  52) :  Hie  Heilung  bei  tuberkulöser  Bauchfellentzündung  wird 
hervorgerufen  weder  durch  Entfernung  des  Exsudats  (denn  auch 
die  trockene  Form  wird  Geheilt),  noch  durch  die  Antiseptica, 
noch  durch  die  bazillentödtenden  Keime,  die  bei  der  Operation 
in  die  Bauchhöhle  gelangen,  noch  durch  die  austrocknende  Wir¬ 
kung  des  Lichtes,  noch  durch  die  Luft  —  denn  auch  die  von 
N  o  1  e  r  und  Mosetig  -  Moorhof  empfohlenen  Luftein¬ 
blasungen  in  die  Bauchöhle  wirken  nur  durch  die  Hyperämie, 
die  sie  erzeugen  — ,  noch  durch  die  Exsudation,  in  der  die  Tu¬ 
berkelbazillen  degeneriren,  denn  in  vielen  Fällen  kommt  es  nicht 
zu  Verwachsungen,  wie  auch  Thierexperimente  ergeben  haben, 
sondern  durch  die  erzeugte  Stauungshyperämie.  Auch  Nassauer 
schliesst  sich  der  Ansicht  an,  dass  die  mächtige  Hyperämie,  die 
durch  die  Inzision  erzeugt  wird,  das  heilende  Agens  sei. 

Hie  zahlreichen  Thierexperimente,  die  von  Kischensky, 
Gatti  u.  A.  vorgenommen  wurden,  lieferten  zwar  ein  Bild  der 
pathologisch-anatomischen  Vorgänge  der  Heilung,  aber  eine  aus¬ 
reichende  Erklärung  dafür  blieben  die  Experimentatoren  schul¬ 
dig.  Hass  durch  die  Inzision  ein  mächtiger  Reiz  auf  das  Peri¬ 
toneum  ausgeübt  wird,  muss  Jeder  zugeben,  der  in  die  Lage  ver¬ 
setzt  war,  kurz  nach  einer  Laparotomie  aus  irgend  einem  Grunde 
die  Bauchhöhle  nochmals  öffnen  zu  müssen.  Er  wird  selbst  bei 
einfacher  Laparotomie,  wo  das  Peritoneum  verhältnissmässig 
wenig  gereizt  worden  war,  erstaunt  sein  über  die  vorhandene 
starke  Hyperämie.  Wenn  schon  im  gesunden  Peritoneum  die 
Hyperämie  eine  starke  ist,  wie  viel  stärker  müsste  sie  in  den 
Theilen  sein,  wo  schon  als  Reaktion  auf  den  krankhaften  Reiz 
eine  Hyperämie  vorhanden  ist?  Aber  geben  wir  selbst  zu,  dass 
durch  den  Bauchschnitt  die  Zirkulationsverhältnisse  günstig  be¬ 
einflusst  werden,  dass  durch  Befreiung  von  der  Stauung  die 
Lymph-  und  Blutgefässe  freier,  entlasteter  werden  und  das 
Bauchfell,  welches  sich  vergeblich  bemühte,  des  Feindes  Herr  zu 
werden,  einen  neue  n  Antrieb  bekommt,  kräftiger  wird,  um 
gegen  den  Feind  anzukämpfen,  so  würde  damit  doch  nicht  der 
merkwürdige  Einfluss  der  Inzision  auf  entferntere  erkrankte  Or¬ 
gane  erklärt  sein ;  es  würden  auch  die  Fälle  von  trockener,  tuber¬ 
kulöser  Peritonitis  nicht  erklärt  sein,  wo  keine  oder  wenigstens 
nur  eine  geringe  Stauung  besteht,  und  vor  Allem  würde  nichl 
erklärt  sein  derselbe  günstige  Einfluss  der  Operation  bei  Niere 

4 


1182 


MTTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


tuberkulöse,  für  den  ich  mir  folgende  2  Fälle  anzuführen  ge¬ 
statte  : 

Eine  44  jährige  Böttchersehefrau,  die  vor  3  Jahren  dem  Kran¬ 
kenhaus  von  einem  Kollegen  zur  Operation  zugeschickt  wurde, 
war  tuberkulös  belastet,  hatte  seit  Jahren  an  Lungenkatarrh  ge¬ 
litten  und  war  mit  Fieber,  Schüttelfrost  und  Schmerzen  in  der 
linken  Nierengegend  erkrankt.  Bei  der  Aufnahme  fand  sich 
folgender  Befund: 

Sehr  schwächliche  Frau  in  elendem  Ernährungszustand. 
Fieber  39,0,  mit  rechtsseitigem  Lungenspitzenkatarrh,  die  linke 
Nierengegend  schmerzhaft,  linke  Niere  palpabel,  abei  nicht 
wesentlich  vergrössert,  Urin  trübe,  im  Sediment  reichlich  Tuberkel¬ 
bazillen  in  Zopfform  und  Streptokokken.  Bei  der  mehrfach  vor¬ 
genommenen.  cystoskopischen  Untersuchung  finden  sich  in  der 
Blase  keine  Veränderungen,  an  der  linken  Ureterenmündung  findet 
sich  einmal  ein  flockiges,  grösseres  Gerinnsel,,  aus  beiden  Ureteren 
spritzt  bisweilen  trüber,  eitriger  Urin  aus,  links  stärker  als  rechts. 
Die  Diagnose  wird  gestellt  auf  rechtsseitigen  Lungenspitzen¬ 
katarrh,  doppelseitige  Nierentuberkulose,  links  stärker  als  rechts, 
eventuell  linksseitiger  Nierenabszess. 

Da  der  Zustand  sich  in  den  nächsten  14  Tagen  verschlimmert, 
wird  die  Freilegung  der  linken  Niere,  behufs  Spaltung  eines  even¬ 
tuellen  Abszesses  in  der  linken  Niere  beschlossen. 

Bei  der  Operation  findet  sich  eine  Hufeisenniere.  Die  links¬ 
seitige  Niere  ist  von  zahlreichen,  miliaren,  grauen  Knötchen  durch¬ 
setzt.  Es  wird  eine  Inzision  in  die  linke  Niere  vorgenommen.  Auf 
der  Schnittfläche  finden  sich  ebenfalls  zahlreiche,  grauweisse  Knöt¬ 
chen  in  der  Nierenrinde,  deren  mikroskopische  Diagnose  Tuberku¬ 
lose  ergab.  Die  Inzisionswunde  wird  tamponirt.  Vom  Tage  der 
Operation  an  beginnt  eine  auffällige  Besserung  im  Zustand  der 
Patientin:  das  Fieber  nimmt  ab.  die  Harnmenge,  die  vor  der 
Operation  500—800  betrug,  steigt  bis  3400  ccm.  Da  eine  Pyo- 
cyaneusinfektion  auftrat,  musste  Patientin  täglich  verbunden  wer¬ 
den.  Die  Wunde  heilte  durch  gute  Granulationen  zu.  Patientin 
konnte  nach  5  Wochen  mit  beginnender  Gewichtszunahme  ent¬ 
lassen  werden,  der  Lungenbefund  ergab  bedeutende  Besserung. 

Vor  wenigen  Monaten  sahen  wir  die  Kranke  in  befriedigendem 
Zustande,  vollständig  beschwerdefrei  wieder,  der  Tmngenbefund 
ergab  normales  Untersuchungsergebniss. 

Dieser  Fall  dürfte  vielleicht  insofern  noch  von  Interesse  sein, 
als  Israel  in  seiner  kürzlich  erschienen  Klinik  der  Nieren¬ 
krankheiten  sagt :  „Tn  der  ganzen  Eiteratur  findet  sich  kein  be¬ 
weisender  Fall  von  geheilter  Nierentuberkulose  durch  Nephro¬ 
tomie“  (R.  187).  Hierher  dürfte  auch  ein  mir  von  Herrn  Dr. 
Zeller  in  Perl  in  giitigst  zur  Besprechung  überlassener  Fall 
von  TTrogenitaltuberkulose  gehören,  der  seit  1898  beobachtet  wird. 

30  Jahre  alter  Patient,  seit  mehreren  Jahren  verheirathet,  ge¬ 
sunde  Kinder.  Seit  einigen  Monaten  bemerkt  er  knollige  An¬ 
schwellung  beider  Nebenhoden,  starken  Blasenkatarrh  mit  sehr 
starkem  Tenesmus  und  zunehmender  Verengerung  des  hinteren 
Harnröhrentheils. 

Die  Untersuchung  im  Oktober  1898  ergibt:  Mann  von  kräf¬ 
tiger  Konstitution,  der  sehr  stark  abgemagert  ist.  Knollige  An¬ 
schwellung  in  beiden  Nebenhoden  und  in  den  Samensträngen, 
am  stärksten  rechts,  wo  sich  Erweiterungsherde  finden. 

Urin  enthält  viel  Eiweiss  und  grosses  aus  Eiterkörperchen  be¬ 
stehendes  Sediment.  Urin  kann  nur  tropfenweise  entleert  werden 
Harnröhre  in  Pars  prostatic.  selbst  für  feinste  Sonden  undurch¬ 
gängig. 

In  Prostata  schmerzhafte,  knollige  Anschwellungen  per 
rectum  zu  fühlen. 

Diagnose:  Doppelseitige  Nebenhodentuberkulose,  doppel¬ 
seitige  Tuberkulose  beider  Vasa  deferent..  Tuberkulose  der  Blase 
und  der  Prostata.  Undurchgängige  Striktur  der  Urethra. 

Es  wird  die  Resektion  des  am  stärksten  erkrankten  rechten 
Nebenhodens  vorgenommen  und  die  Urethrotomia  externa. 

Es  gelingt,  die  Harnröhre  selbst  für  starke  Katheter  gut  durch¬ 
gängig  zu  erhalten  nach  Heilung  der  Urethrotomiewunde.  Blase 
fasst  kaum  80  ccm  Flüssigkeit. 

Die  schon  früher  beobachteten  unregelmässigen  Temperatur¬ 
steigerungen  stellen  sich  wieder  ein.  Patient  magert  mehr  und 
mehr  ab.  Klagen  über  Schmerzen  in  der  linken  Nierengegend. 
Die  linke  Niere  ist  deutlich  zu  fühlen,  erscheint  höckrig,  Palpation 
ist  schmerzhaft.  Von  der  linken  Niere  geht  ein  daumendicker 
harter  Strang  nach  dem  kleinen  Becken  (Ureter?!. 

Cystoskopie  gelingt  nicht. 

Die  Narkosenuntersuchung  ergibt  Vergrösserung  und  höckrige 
Oberfläche  der  linken  Niere.  Die  rechte  Niere  scheint  normal. 

Diagnose:  Linksseitige  Nieren  tuberkulöse. 

Exstirpation  der  linken  Niere,  die  etwa  doppelt  vergrössert 
ist.  Das  käsig-eitrig  zerfallene  Parenchym  ist  durchsetzt  mit  zahl¬ 
reichen  Abszessen  von  Wallnuss-  bis  Bohnengrössie.  Der  bis  zur 
Ria  so  mitentfernte  Ureter  stark  verdickt  durch  Hypertrophie  der 
Muskulatur. 

Glatte  Wundheilung.  Nach  der  Operation  normale  Tempera¬ 
tur.  Eiweissgehalt  des  Urins  nimmt  allmählich  ab.  Patient  erholt 
sich  auffällig,  nimmt  an  Gewicht  zu.  die  sonstigen  tuberkulösen 
Veränderungen  gehen  zurück. 


No.  28. 

Im  Jahre  1902  ist  Patient  vollständig  beschwerdefrei,  fühlt 
sich  gesund,  sieht  blühend  aus;  tuberkulöse  Erkrankungen  am 
Urogenitalapparat  sind  nicht  mehr  nachweisbar. 

Also  auch  hier  durch  den  operativen  Eingriff  auf  einen  Herd 
günstige  Beeinflussung,  ja  sogar  Heilung  entfernt  liegender 
tuberkulöser  Herde.  Wie  sollen  wir  uns  das  erklären?  Büch¬ 
ner  hat  in  seinem  Aufsatz  über  die  natürlichen  Heilkräfte  des 
Organismus  gegenüber  den  Krankheitserregern  darauf  aufmerk¬ 
sam  gemacht  und  dies  auch  experimentell  bewiesen,  dass  im 
Blutserum  flüssige  Serumstoffe,  sogen.  Alexine,  vorhanden  sind, 
chemische  Substanzen,  die  wahrscheinlich  zu  den  Eiweisskörpern 
gehören,  die  eine  starke,  bakterienfeindliche  Wirksamkeit  be¬ 
sitzen.  Er  hat  ferner  darauf  hingewiesen,  dass  die  Leukocyten 
die  TTrsprungsstätten  oder  die  Transporteure  der  Alexine  im 
Körper  sind.  Es  ist  ferner  der  Nachweis  geliefert  worden,  dass 
todte  Bakterienzellen  ein  mächtiges  Anlockungsmittel  für  Leuko¬ 
cyten  darstellen,  eine  Erscheinung,  die  hauptsächlich  auf  die 
chemotaktische  Reizwirkung  gewisser  Stoffe  aus  dem  Inneren 
der  Bakterienzellen,  die  in  Form  sogen.  Bakterienproteine  isolirt 
werden  konnten,  zu  beziehen  ist.  Es  ist  wohl  ferner  nach  den 
Forschungen  der  letzten  Jahre  als  bewiesen  anzusehen,  dass  die 
Leukocyten  in  der  That  an  der  Abwehr  der  Infektionserreger 
betheiligt  sind,  aber  nicht  durch  den  Akt  des  Auffressens  an  und 
für  sich,  wie  es  M  etschnikoff  annahm,  sondern  durch  ge¬ 
löste  Stoffe,  die  von  ihnen  ausgeschieden  werden  und  die  den 
leukocytenhaltigen  Exsudaten  ihre  bekannte  erhöhte,  bakterien¬ 
feindliche  Wirksamkeit  verleihen. 

Nehmen  wir  nun  aus  dieser  Lehre  die  Nutzanwendung  auf 
unsere  Beobachtungen,  so  könnten  wir  uns  den  Heilungsvorgang 
vielleicht  folgendermaassen  erklären:  „Durch  die  Operation  wird 
sowohl  eine  verstärkte  Blutzufuhr  resp.  Blutstauung  am  Infek¬ 
tionsorte.  hervorgerufen  als  auch  eine  vermehrte  Ansammlung 
von  Leukocyten.  Wir  erhalten  eine  mehr  oder  weniger  grosse 
Menge  leukocy tonreichen  Serums,  das  sich  den  Tuberkelbazillen 
gegenüber  bakterizid  verhält.“ 

Durch  die  Inzision  werden  nicht  nur  eine  Menge  Bazillen 
und  ihre  Stoffwechselprodukte  entfernt,  sondern  es  wird  auch 
die  bakterienfeindliche  Qualität  des  Blutes  sicherlich  gesteigert 
dadurch,  dass  denselben  mehr  Leukocyten  beigemengt  werden. 

Alle  diese  Umstände  kommen  zusammen,  um  zunächst  am 
Infektionsorte  eine  Heilung  hervorzurufen,  dann  aber  wird  auch 
das  an  bakterienfeindlichen  Stoffen  (Alexinen)  reichere  Blut  die¬ 
selben  an  entfernter  gelegene  Infektionsherde  bringen  können, 
um  auch  hier  heilend  zu  wirken. 

Betrachten  wir  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  noch  einmal 
die  Anfangs  von  mir  auf  gestellten  4  Gruppen: 

I.  Die  Fälle,  die  spontan  ausheilen,  Tn  diesen  Fällen  (und 
auch  wir  haben  eine  ganze  Reihe  solcher  beobachtet)  werden  die 
natürlichen  Schutzkräfte  des  Körpers  genügen,  um  mit  dem 
Feind  fertig  zu  werden  resp.  wird  es  gelingen,  durch  einfache 
Verfahrungsarten  eventuell  physiologisch  wirkende  Mittel,  wie 
heisse  Kompressen,  Muskelbewegung,  Massage  (auch  durch  Mas¬ 
sage  geheilte  Fälle  finden  sich  in  der  Literatur  beschrieben),  einen 
vermehrten  Blutzufluss  zu  erzielen.  Freilich  muss  auch  hier 
sorgfältig  das  richtige  Maass  abgewogen  werden,  denn  es  gibt 
zweifellos  eine  übermässige  Blutansammlung,  eine  Entzündung, 
die  den  richtigen  Grad  überschreitet  und  dann  schädlich  wirkt. 

II.  Die  Fälle,  wo  durch  die  Operation  glatte  Erfolge  erzielt 
werden.  In  diesen  Fällen  gelang  es  rechtzeitig,  den  natürlichen 
Heilbestrebungen  zu  Hilfe  zu  kommen.  Hierher  würden  auch 
die  oft  in  der  Literatur  beschriebenen  Fälle  zu  rechnen  sein, 
wo  zwar  die  Bauchfelltuberkulose  ausheilte,  die  Patienten  aber 
bald  an  Tuberkulose  anderer  Organe  zu  Grunde  gingen.  Das 
würden  nach  meiner  Theorie  solche  Fälle  sein,  wo  die  durch  die 
Operation  geschaffenen  Verhältnisse  zwar  genügten  zur  Heilung 
der  Tuberkulose  des  lokalen  Herdes,  wo  aber  die  erzeugten 
Alexine  des  Blutes  nicht  genügten,  um  an  entfernt  gelegenen 
Orten  den  Kampf  gegen  die  Infektionserreger  glücklich  zu  be¬ 
stehen. 

In  die  III.  Gruppe  würden  die  angeführten  Fälle  zu  rechnen 
sein:  Heilung  des  lokalen  Herdes  durch  Operation  und  günstige 
Beeinflussung  resp.  Ausheilung  auch  anderweiter  tuberkulöser 
Herde  im  Körper. 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN SCHRIET. 


1183 


In  die  IV.  Gruppe  würden  die  Fälle  gehören,  wo  auch  durch 
den  operativen  Eingriff  keine  Heilung  erreicht  wird.  Das  sind 
die  vorgeschrittenen  Fälle,  wo  die  erzeugte  bakterizide  Wirkung 
nicht  mehr  genügt,  um  den  Feind  zu  überwinden. 

Aus  dem  Gesagten  werden  sich  von  selbst  die  Prinzipien 
unseres  therapeutischen  Handelns  ableiten  lassen. 

Bei  geringen  Erscheinungen  werden  wir  versuchen,  durch  Er¬ 
zeugung  vermehrten  Blutzuflusses  und  roborirende  Diät  zum  Ziele 
zu  kommen.  Entschliessen  wir  uns  aber  zu  einem  operativen  Ein¬ 
griff,  so  werden  wir  der  Laparotomie  vor  der  Punktion  und  der 
neuerdings  wieder  bei  weiblichen  Patientinnen  empfohlenen 
Kolpotomie  entschieden  den  Vorzug  zu  geben  haben,  da  die 
Punktion  meines  Erachtens  nicht  zum  Ziele  führen  kann,  weil 
dadurch  nicht  genügende  Reaktion  hervorgerufen  wird.  Ich 
möchte  im  Gegentheil  zu  einem  grossen  Inzisionsschnitt  rathen, 
da  durch  einen  solchen  eine  grössere  Entlastung  der  Lymph-  und 
Blutgefässe  und  günstigere  Beeinflussung  der  Zirkulationsver¬ 
hältnisse  geschaffen  wird.  Bei  der  Laparotomie  braucht  man  sich 
durch  eine  oder  mehrfache  Erfolglosigkeit  nicht  abschrecken  zu 
lassen,  immer  wieder  zu  inzidiren,  denn  oft  kommt  man  erst 
durch  mehrfache  Inzisionen  zum  Ziel,  wovon  ich  mich  selbst 
überzeugen  konnte,  wie  auch  die  von  G  a  1  v  a  n  i  veröffentlichten 
Fälle  zeigen,  der  einmal  erst  nach  der  5.  Laparotomie  eine  Hei¬ 
lung  erreichte. 

In  dieser  Beziehung  scheint  mir  besonders  die  Beobachtung, 
die  wir  in  dem  ersten  der  angeführten  Fälle  machen  konnten, 
bemerkenswert!! .  Es  stellte  sich  da,  wie  ich  oben  erwähnte,  bald 
neuer  Aszites  ein,  der  aber  bald  wieder  verschwand  und  zwar 
so  rapid,  dass  die  Eltern  eine  tägliche  Abnahme  des  Leibes¬ 
umfanges  von  5 — 6  cm  konstatiren  konnten.  Nach  den  obigen 
Auseinandersetzungen  würde  sich  ergeben:  Die  Bakterien  ver¬ 
suchen  einen  neuen  Ansturm,  die  bakterizide  Kraft  des  Or¬ 
ganismus  ist  aber  nun  so  stark,  dass  sie  den  Kampf  mit  den 
Tubcrkelbazillen  und  ihren  Produkten  siegreich  bestehen  konnte. 
Hätte  diese  bakterizide  Kraft  nicht  ausgereicht,  so  kann  man 
sich  wohl  vorstellen,  dass  man  durch  eine  erneute  Inzision  die 
bakterizide  Kraft  hätte  vermehren  können  und  damit  neben  Ent¬ 
fernung  der  Tuberkelbazillen  und  ihrer  Produkte  einen  gün¬ 
stigen  Erfolg  hätte  erreichen  können.  Eine  Kontraindikation 
für  die  Laparotomie  dürfte  bei  der  Erfolglosigkeit  unseres  son¬ 
stigen  therapeutischen  Handelns  nur  sehr  vorgeschrittene  Ka¬ 
chexie,  sehr  vorgeschrittene  Lungentuberkulose,  ausgesprochene 
Darmtuberkulose  bilden.  Doch  wird  auch  hier  strengste  Indivi- 
dualisirung  zu  den  befriedigendsten  Erfolgen  führen.  Auch 
wenn  wir  uns  von  dieser  —  nennen  wir  sie  Alexintheorie  —  'bei 
der  Erklärung  der  Heilungsvorgänge  leiten  lassen,  so  wird  bis¬ 
weilen  die  Entscheidung  schwierig  sein,  ob  wir  unseren  Patienten 
nützen  oder  nicht.  Denn  Vieles  bleibt  auch  bei  diesem  Er¬ 
klärungsversuch  noch  dunkel. 

Es  spielen  sicherlich  auch  andere  Gesichtspunkte  noch  eine 
Rolle  bei  dem  Gelingen  oder  Misslingen  der  Operation.  So  wird 
z.  B.  auch  die  Qualität  des  Blutes  bei  verschiedenen  krankhaften 
Vorgängen  im  menschlichen  Körper  zu  untersuchen  sein.  Es 
werden  vielleicht  auch  Veränderungen  der  Zirkulation,  die  durch 
den  Krankheitsprozess  selbst  hervorgerufen  werden,  von  Wichtig¬ 
keit  sein.  Es  würde  meines  Erachtens  darauf  ankommen,  die 
Menge  der  zur  Heilung  nothwendigen  bakteriziden  Stoffe  im 
Blut  zu  bestimmen.  Gelänge  es  auf  experimentellem  Wege,  wo¬ 
ran  ich  nicht  zweifle,  uns  von  dem  Gehalt  des  Blutes  an  bakteri¬ 
ziden  Stoffen  (Alexinen)  zu  überzeugen,  so  würde  vielleicht  hierin 
ein  wichtiges  diagnostisches  Hilfsmittel  für  unser  therapeu¬ 
tisches  Handeln  zu  begrüssen  sein.  Vielleicht  würde  sich  auch 
lner  ein  gangbarer  Weg  finden  lassen  zur  Lösung  der  serothera¬ 
peutischen  Frage  der  Tuberkulose. 

Gestatten  Sie  mir  noch,  auf  gewisse  Analogien  hinzuweisen, 
die  wir  bei  anderen  tuberkulösen  Erkrankungen,  wie  z.  B.  der 
Gelenktuberkulose,  beobachten  können.  Auch  hier  ist,  abgesehen 
von  der  etwaigen  Ansicht,  dass  man  durch  Injektionen  von  Jodo¬ 
form,  Karbol,  Chlorzink  u.  s.  w.  direkte  antituberkulöse  Wir¬ 
kungen  hervorrufen  könnte,  das  therapeutische  Streben  darauf 
gerichtet  gewesen,  durch  Entfernung  des  Exsudats  (Punktion) 
und  durch  Erregung  einer  reaktiven  Entzündung  heilend  zu 
wirken. 


Bier  kam  bekanntlich  auf  Grund  der  Beobachtung  von 
Rokitansky,  dass  Stauungszustände  in  den  Lungen,  wie  sie 
bei  Kyphose  oder  Herzfehlern  beobachtet  wurden,  die  Erkrank¬ 
ungen  an  Tuberkulose  auszuschliessen  scheinen,  auf  seine  be¬ 
kannte  Behandlung  der  Gelenktuberkulose  durch  Stauungshyper¬ 
ämie. 

N  ö  t  z  e  1  kommt  nun  auf  Grund  einer  experimentellen 
Arbeit  über  die  bakterizide  Wirkung  der  Stauungshyperämie 
zu  der  Ansicht,  dass  das  heilende  Agens  in  einer  Konzentration 
der  Alexine  zu  suchen  sei.  Er  glaubt,  dass  es  möglich  ist,  durch 
experimentelle  Versuche  den  bakteriziden  Werth  des  durch  Stau¬ 
ungshyperämie  entstandenen  Transsudats  zu  präzisiren.  Er 
glaubt,  dass  sich  ein  gerades  Verhältnis  zwischen  Höhe  der 
bakteriziden  Wirkung  und  Leukocytenreichtkum  feststellen 
lassen  wird,  wie  Büchner  es  vermuthet.  Das  Ausbleiben  des 
Heilerfolges  bei  der  Behandlung  tuberkulöser  Erkrankungen 
nach  der  B  i  e  Eschen  Methode  ist  nach  N  ö  t  z  e  l’s  Ansicht  be¬ 
dingt  in  einzelnen  Fällen  durch  mangelhafte  Technik  der  Aus¬ 
führung,  in  anderen  ist  die  Ursache  des  Misserfolges  in  dem  Grad 
der  Erkrankung  zu  suchen,  die  bereits  zu  weit  vorgeschritten  ist, 
als  dass  die  erzeugte  Wirkung  zur  Heilung  genügte,  in  noch 
anderen  Fällen  glaubte  er  die  Misserfolge  darin  suchen  zu 
müssen,  dass  es  nicht  gelingt,  die  Stauungshyperämie  in  der  ge¬ 
wünschten  Form  zu  erzielen,  höchst  wahrscheinlich  in  Folge  von 
Veränderungen  der  Zirkulation,  die  erst  durch  den  Krankheits¬ 
prozess  bewirkt  werden.  Auf  ähnlichen  Prinzipien  beruht  be¬ 
kanntlich  die  Zimmtsäuretherapie  von  Länderer,  der  eine 
Anregung  zu  energischer  Leukocytose  und  damit  eine  Steigerung 
der  normalen  Heilungsbedingungen  durch  Zimmtsäureinjektionen 
bewirken  will. 

Ich  würde  mich  zu  weit  in  das  Gebiet  hypothetischer  Ver- 
mutliungen  ergehen,  wollte  ich  im  Anschluss  an  das  Gesagte 
noch  weitere  Perspektiven  verfolgen,  die  sich  aus  der  Grundlage, 
dass  das  Blut  durch  Zufuhr  bakterizider  Stoffe  heilend  zu  wirken 
vermag,  für  die  Forschung  und  für  unser  therapeutisches  Han¬ 
deln  ergeben.  Jedem,  der  sich,  mit  diesen  Dingen  beschäftigt;, 
werden  immer  neue  Räthsel  für  die  Erklärung  dieser  Vorgänge 
aufstossen. 

Bedenken  wir  aber,  dass  das  Gebiet  der  bakteriologischen 
und  chemischen  Blutforschung  noch  verhältnissmässig  jung  ist, 
dass  die  Forschungen  über  Bakteriolyse  und  Hämolyse  noch 
nicht  abgeschlossen  sind,  dass  aber  Vieles  schon  geklärt  ist  und 
manches  beginnt  Gemeingut  der  Wissenschaft  zu  werden.  Und 
so  ist  zu  hoffen,  dass  uns  dieses  Forschungsgebiet  noch  über 
manches  Aufklärung  bringen  wird,  was  jetzt  theilweise  noch 
dunkel  ist  und  unerklärt  bleiben  muss! 

Literatu  r. 

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4* 


No.  28. 


4  g  MUENüIlENEE  MEdICINISCRE  WOCHENSCHRIFT. 


tomie.  Freiburg  i.  B.  —  O  f  f  e  n  b  ä  c  h  e  r:  Peritonealtuberkulose 
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Heftige  Blutung  und  Anaemie,  verursacht  durch  einen 
prolaoirten  Mastdarmpolypen  bei  einem  10  Jahre  alten 

Knaben. 

Von  Er.  Aronheim  in  Gevelsberg. 

Am  5.  März,  Nachmittags,  wurde  ich  zu  dem  10  Jahre  alten 
Knaben  E.  8t.  gerufen.  Ich  traf  ihn  auf  dem  Soplni  liegend  an; 
Gesicht,  Lippen  und  Zahnfleisch  waren  äusserst  blass,  Respiration 
und  Pulsfrequenz  beschleunigt,  der  Gesichtsausdruck  ängstlich. 

Nach  den  Angaben  der  Mutter  war  der  bisher  noch  nicht 
ernstlich  krank  gewesene,  kräftige  Knabe  nach  dem  Mittagessen 
vollständig  gesund  in  die  Schule  gegangen  und  nach  einer  Stunde 
aufgeregt  und  blass  zurückgekehrt,  weinend  berichtend,  dass  ihm 
bei  einer  Turnübung  „etwas  Dickes“  aus  dem  After  gerutscht  sei 
und  ihn  nass  gemacht  habe,  ln  Folge  der  sofort  auf  getretenen 
Schmerzen  und  grosser  Schwäche  habe  er  die  Schule  verlassen. 

Bei  der  Besichtigung  fanden  sich  die  Glutäen,  die  Analgegend, 
die  Hinterseiten  der  Oberschenkel  bis  zu  den  Waden  mit  Blut  be¬ 
deckt;  das  untere  Drittel  des  Hemdes  war  mit  Blut  vollständig 
beschmutzt. 

Nach  Reinigung  des  Afters  bemerkte  man  einen  aus  dem¬ 
selben  hervorragenden,  wallnussgrossen,  blutenden,  gestielten 
Tumor  von  lieischartiger  Konsistenz.  Eine  Digitaluntersuchung 
ergab  die  Insertion  des  fast  bleistiftdicken  Stiels  etwa  5  cm  über 
der  Analöttnung  an  der  hinteren  Mastdarmwand.  Offenbar  han¬ 
delte  es  sich  um  einen  Mastdarmpolypen,  der  bei  der  Turnübung 
aus  dem  Rektum  herausgepresst,  wegen  seiner  Grösse  nicht  wieder 
zurücktrat,  sondern  dem  Anus  vorgelagert  blieb  und  in  Folge  der 
Einklemmung  des  Stiels,  durch  Bersten  der  oberflächlichen  ge- 
fässreichen  Schicht  zu  der  heftigen  Blutung  geführt  hatte. 

Die  Therapie  war  eine  einfache:  Möglichst  nahe  der  Insertion 
wurde  der  Stiel,  in  dem  ein  deutlich  sichtbares  Gefäss  verlief, 
abgebunden  und  unterhalb  der  Unterbindung  durchschnitten. 

Nach  einigen  Tagen  hatte  der  Knabe  sich  von  dem  starken 
Blutverlust  vollständig  ei’holt  und  konnte  die  Schule  wieder  be¬ 
suchen. 

Nach  der  mikroskopischen  Untersuchung,  die  Herr  Dr.  Neu- 
haus  in  Hagen  vornahm,  bestand  der  Tumor  aus  lockerem,  zell¬ 
reichem  Bindegewebe  mit  dazwischengelagerten  Drüsen.  Einige 
Drüsen  waren  in  schleimiger  Entartung  begriffen.  In  dem  Binde¬ 
gewebe  verliefen  mehrere  Gefässe.  Es  handelte  sich  also  um 
einen  reinen  Schleimpolypen  (polypöses  Adenom). 

Wie  mir  die  Mutter  des  Kindes  mittheilte,  hatte  der  kleine 
Patient  ihr  schon  vor  einem  Jahre  geklagt,  dass  ihm  beim  Stuhl¬ 
gänge'  eine  Geschwulst  aus  dem  After  vor-,  aber  sofort  wieder 


zurückgetreten  sei.  In  der  Annahme,  dass  der  Junge  an  Würmern 
leide,  habe  sie  ihm  desshalb  wiederholt  Wurmmittel  verabreicht. 
Blutungen  habe  sie  aber  früher  niemals  bemerkt. 

Nach  Ziegler1)  kommen  mitunter  die  polypösen  Bil¬ 
dungen  auch  ohne  voraufgegangene  Entzündung,  theils  ange¬ 
boren,  theils  erworben  vor.  Sie  schliessen  sich  in  ihrem  Bau 
durchaus  demjenigen  der  Schleimhaut  an,  nur  sind  die  Drüsen 
oft  reichlicher  und  daher  mehrfach  verzweigt  und  gewunden. 
Sie  werden  als  glanduläre  Hyperplasien  oder  als  gutartige  Ade¬ 
nome  bezeichnet.  Im  Dünndarm  kommen  sie  selten  vor,  häufiger 
dagegen  im  Rektum. 

Nach  König')  sind  diese  Polypen  des  Rektums  meist  nicht’ 
gross,  oft  weich  und  haben  Grösse  und  Gestalt  einer  Erd-  oder 
Himbeere.  Seltener  erreichen  sie  die  Grösse  eines  Taubeneies 
und  nur  in  sehr  vereinzelten  Eällen  füllen  sie  mit  ihrer  Masse 
den  ganzen  Darm  aus.  Sie  sind  verhältnissmässig  häufig  schon 
im  kindlichen  Alter  beobachtet  worden  (nach  B  o  c  k  e  y  am 
häufigsten  im  Alter  von  4—7  J  ahren 

Manche  Mastdarmpolypen  verlaufen  vollständig  symptomlos, 
andere  machen  Erscheinungen  unregelmässiger  Stuhlentleerung, 
theils  Drang  zum  Stuhl  mit  Entleerung  von  etwas  Schleim  oder 
Blut,  theils  Stuhlverhaltung.  Besonders  bei  Kindern  wird  die 
letztgenannte  Erscheinung  als  Folge  von  Schmerzen,  welche  der 
kleine  Körper  bei  der  Stuhlentleerung  hervorruft,  beobachtet. 
Die  Kleinen  halten  aber  die  Stuhlentleerung  so  lange  als  möglich 
zurück.  Ist  die  Geschwulst  prolabirt,  dann  können  durch  ober¬ 
flächliche  Erosionen  leicht  Blutungen  eintreten,  aber  selten 
werden  überhaupt  die  bei  Polypen  beobachteten  Blutungen  -er¬ 
heblich. 

Für  den  praktischen  Arzt  ist  es  daher,  wie  der  mitgetheilte 
Fall  beweist,  wo  es  durch  den  prolabirten  Polypen  zu  sehr  heftiger 
Blutung  kam,  dringend  geboten,  bei  Klagen  über  Stuhlbeschwer¬ 
den,  über  Tenesmus  (die  von  den  Eltern  meist  auf  Reizung  von 
„Würmern“  zurückgeführt  werden)  eine  Digitalexploration  des 
Rektums  auch  im  kindlichen  Alter  vorzunehmen. 


Ueber  physiologische  Funktionen  von  Tumoren. 

V on  Dr.  Eugen  Albrecht  in  München. 

(Schluss.) 

M.  H.,  ich  möchte  nun  zur  provisorischen  Abrundung  der 
kleinen  Skizze,  welche  ich  ihnen  eben  entworfen,  noch  ein  paar 
Worte  über  die  entsprechenden  Verhältnisse  bei  benignen, 
homologen  Tumoren  beifügen.  Hier  ist  ja  der  Gedanke,  dass  sie 
noch  gewisse  Funktionen,  Arbeitsleistungen  im  Dienste  des 
Ganzen  ausüben,  näher  liegend  als  bei  den  besprochenen  Kate¬ 
gorien.  Ich  brauche  nur  die  Namen  des  Lipoms,  des  Lymphoms, 
des  Myeloms  zu  nennen,  um  mehrere  Gruppen  von  Tumoren  zu 
bezeichnen,  in  welchen  sehr  häufig  die  Unterscheidung  zwischen 
einfacher  Hyperplasie  und  Tumorbildung  schwierig  ist,  und  bei 
welchen  jedenfalls  auch  die  Möglichkeit  besteht,  dass  diese  Ueber- 
produktion  auch  unter  Umständen  in  geringem  Grade  dem  Orga¬ 
nismus  zum  Nutzen  werde,  ln  vielen  Fällen  ist  durch  mehr  zu¬ 
fällige  Momente  eine  solche  Arbeitsleistung  paralysirt.  Wenn 
ein  Myom  sich  kontrahirt,  so  macht  es  eben  der  Patientin  Schmer¬ 
zen  oder  Blutung;  wenn  eine  Drüsenwucherung  die  Ausfuhr¬ 
gänge  verliert,  so  wird  sie  keine  Sekrete  mehr  abliefern  können. 
Wir  wundern  uns  auch  nicht,  wenn  z.  B.  ein  Talgdrüsen¬ 
adenom  noch  fortdauernd  Talg  produzirt,  mag  derselbe 
dann  auch  angesammelt  zur  Bildung  von  Cysten  etc.  An¬ 
lass  geben;  oder  wenn  ein  Drüsenpolyp  der  Nase,  des  Darms,  des 
Uterus  fortwährend  Schleim  sezernirt,  welcher  auch  für  die  be¬ 
treffende  Schleimhaut  von  einem  gewissen  Vortheil  ist;  wenn 
1  ein  Ovarialkystom  gewissermaassen  in  Verkennung  der  Nutz¬ 
losigkeit  seiner  Thätigkeit  fortdauernd  Kolloid  etc.  in  ge- 
i  schlossene  Hohlräume  abscheidet. 

Es  gilt  eben  hier,  wie  in  den  meisten  Gebieten  des  Orga¬ 
nischen,  die  Regel,  dass  die  Extreme  nach  Form  wie  Leistung 
sowohl  morphologisch  als  physiologisch  leicht  zu  definiren  sind ; 
aber  die  U  ebergänge  zeigen  uns  hier  wie  anderswo,  dass  die 

*)  Ziegler’s  Lehrt),  d.  allg.  u.  spez.  path.  Anat.,  S.  331  (Ge¬ 
schwülste  des  Dai’ms). 

-)  Franz  Koni  g:  Lehrt»,  d.  spez.  Chir. 

8)  s.  Artikel  „Mastdarm“  (Rektum)  S.  608,  Bd.  XII  Realency- 
klopiidie  d.  ges.  TIeilk.  von  Englisch. 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1185 


Natur  auch  da  keine  Sprünge  macht,  wo  wir  in  unseren  tastenden 
Versuchen  sie  nachzuverstehen,  solche  zu  statuiren  meinen. 

M.  H. !  Ich  möchte  Sie  nun  an  einem  neuen  Beispiel  noch 
einen  Schritt  weiter  führen.  Von  Tumoren,  welche  bei  einer  ge¬ 
wissen  geringen  Leistung  für  den  Organismus  doch  im  Wesent¬ 
lichen  sich  schädlich  erweisen,  gehe  ich  über  zu  einer  Art  von 
Geschwülsten  — ■  ich  will,  die  späteren  Erörterungen  vorweg¬ 
nehmend,  lieber  sagen:  von  geschwulstartigen  Bildungen  —  bei 
welchen  dies  letztere  Moment,  das  der  Schädigung,  anscheinend 
völlig  fehlt,  eher  eine  Steigerung  der  physiologi¬ 
schen  Funktionen  vorhanden  ist. 

Gestatten  Sie,  dass  ich  Ihnen  den  Fall  zuerst  kurz  erläutere. 

Als  Nebenbefund  bei  einer  Sektion  fand  ich  in  der  Milz 
eines  an  Peritonitis  gestorbenen  Mannes  etwa  ein  Dutzend  kleiner 
Knoten,  welche  schon  makroskopisch  sich  als  theilweise  thrombo- 
sirte  Kavernome,  theilweise  mit  gleichzeitiger  Hyperplasie  der 
an-  und  einliegenden  Follikel  diagnostiziren  liessen.  Die  Stücke 
wurden  von  meinem  Bruder  Dr.  Hans  Albrecht  genau  mikro¬ 
skopisch,  zum  Theil  in  Serie  untersucht2).  Ich  erwähne  auch 
hier  wieder  nur  dasjenige,  was  für  unser  Thema  von  Wichtigkeit 
ist.  Das  sind  folgende  3  Punkte: 

1.  Es  findet  sich  in  den  grossen  kavernösen  Räumen  durch¬ 
weg  ein  einschichtiger  Besatz  grosser  Zellen  vom  Aussehen 
hypertrophischer  Pulpazellen,  welche  grossentheils  dicht  ange¬ 
stopft  sind  mit  Pigment,  hier  und  da  Erythrocyten  enthalten, 
auch  an  der  Basis  die  bekannten  Seitenausläufer  der  Pulpazellen 
gelegentlich  erkennen  lassen.  Sieht  man  von  der  Grösse  der 
Zellen  und  der  Räume  ab,  so  lässt  sich  das  ganze  Bild  unschwer 
auf  gewöhnliche  Pulparäume  und  Zellen  zurückführen. 

2  Es  finden  sich,  aber  nur  in  ganz  spärlicher  Zahl,  direkte  | 
Uebergänge  in  die  gewöhnlichen  Pulparäume  der  Umgebung, 
welche  ziemlich  eng  sind. 

3.  Wie  mein  Bruder  auf  Serienschnitten  konstatirte,  liegen 
in  der  Peripherie  der  Tumoren  sehr  zahlreiche  Milzarterien  mit 
grossen  Follikeln;  im  Inneren,  entlang  der  Trabekel,  sehr  spär¬ 
liche  Venen. 

Mein  Bruder  gründete  darauf  die  hypothetische  Ansicht,  dass 
möglicher  Weise  die  Entstehung  des  Kavernoms  auf  ein  kongeni¬ 
tales  Missverhältniss  zwischen  der  Zahl  der  zu-  und  abführenden 
Gefässe  der  betreffenden  Pulpaabschnitte  zurückgeführt  werden 
könnte  —  eine  Annahme,  deren  genauere  Begründung  ich  mir 
ersparen  kann,  welche  aber  jedenfalls  schon  nach  dem  wenigen 
Angeführten  Vieles  für  sich  hat.  Die  Entstehung  wäre  dann  so 
zu  denken,  dass  von  Anfang  der  Zirkulation  an  in  den  betreffen¬ 
den  Abschnitten,  welche  entweder  schon  ursprünglich  oder  sekun¬ 
där.  in  Folge  der  auf  die  Umgebung  durch  die  Erweiterung  der 
Bluträume  geübten  Kompression  nur  wenige  ausgleichende  Ver¬ 
bindungen  mit  der  Umgebung  hatten,  sich  eine  dauernde  Erweite¬ 
rung  mit  entsprechender  Verlangsamung  der  Zirkulation  her¬ 
stellte.  Diese  Verlangsamung  hatte  natürlicher  Weise  eine  län¬ 
gere  Berührung  der  Blutelemente  mit  den  Wandzellen  zur  Folge, 
wodurch  besonders  deren  phagocytäre  Funktion  erleichtert  wurde, 
wenn  auch  vielleicht  in  Folge  der  Zirkulationshemmung  die  Ab¬ 
gabe  der  aufgenommenen  Zerfallsstoffe  der  Erythrocyten  etc.  ge¬ 
hemmt  waren.  Daraus  würde  sich  unschwer  die  Hypertrophie 
der  Epithelien  als  eine  funktionelle  erklären  lassen.  Dieselbe 
geht  eben  darauf  zurück,  dass  die  Zirkulationshemmung  niemals 
eigentlich  einen  schädigenden  Grad  angenommen  hat.  Wir  wer¬ 
den  auch  hypothetisch  uns  leicht  vorstellen  können,  dass  bei  einer 
derartigen  kongenitalen  Störung  der  Zirkulation  die  Verhältnisse 
auch  einmal  ungünstig  liegen  mögen:  dass  die  Zellen  in  Folge  der 
Stauung  durch  Druck  atrophiren,  oder  auch  durch  Kohlensäure¬ 
asphyxie  geschädigt  werden,  so  dass  nur  weite,  von  einem  flachen 
Endothel  und  Bindegewebe  umgrenzte  kavernöse  Räume  ent¬ 
stehen:  also  etwa  jene  Art  des  Kavernoms,  wie  wir  sie  in  der 
Leber  nicht  selten  finden. 

Jedenfalls  liegen,  wenn  wir  uns,  unabhängig  von  dieser 
Hypothese,  den  Aufbau  dieser  Kavernome  in  der  Milz  noch  ein¬ 
mal  vergegenwärtigen,  hier  ganz  eigenartige,  aus  dem  Bau  des 
Organs  sich  ergebende  Verhältnisse  vor,  welche  uns  das  Ganze 
der  Bildung  verstehen  lassen.  Während  in  einem  anderen  Organ 
eine  dauernde  Erschwerung  der  Zirkulation  und  Verlangsamung 
der  Strömung  schädlich  wirken  wird,  dürfte  das  gerade  in  der 

a)  Hans  Albrecht:  Das  Kavernom  der  Milz.  Prager  Zeit¬ 
schrift  f.  Heilk.,  path.-anat.  Abth.,  1902,  H.  IV. 

No.  28. 


Milz  nicht  der  Fall  sein,  da  für  sie  schon  eine  gewisse  Verlang¬ 
samung  der  Zirkulation  in  den  Maschen  der  Pulpa  physiologisch 
vorgesehen  ist.  Man  könnte  in  diesen  Tumoren  geradezu  einen 
Verbesserungsvorschlag  für  eine  noch  ausgiebigere  Ausnützung 
der  Funktion  der  Pulpazellen  sehen. 

Nun,  m.  H.,  ich  habe  schon  einleitend  bemerkt,  dass  ich  die 
Namen  Tumoren,  Geschwülste  nur  mit  Vorbehalt  für  diese  Art 
von  Kavernomen  anwende.  Makroskopisch  sind  es  ja  wohl  um¬ 
schriebene  knotige  Gewebsbildungen  nicht-physiologischer  Art 
und  auch  offenbar  nicht  durch  irgend  welche  Infektion  oder  durch 
ein  Trauma  mechanisch  ausgelöst.  Mikroskopisch  erweist  sich 
aber,  dass  der  Name  einer  „umschriebenen  Gewebsneubildung“ 
solchen  Formationen  nicht  zugetheilt  werden  kann:  denn  die  An¬ 
lage  war  sicher  in  der  Form,  wie  wir  sie  vorfanden,  schon  in 
embryonaler  Zeit  vorhanden,  und  seitdem  ist  eine  Neubildung 
offenbar  nicht  hinzugekommen. 

Vor  kurzer  Zeit  hat  Schmieden  ähnliche  Gedanken  für 
die  Kavernome  der  Leber  geltend  gemacht.  Er  findet  sie  ge¬ 
legentlich  schon  bei  Neugeborenen  und  beschreibt  in  einem  Falle, 
wie  vor  ihm  Pillietin2  Fällen,  Blutbildungsinseln  in  solchen 
Kavernomen.  Er  konstatirte  entgegen  anderen  Beobachtungen 
von  R  i  b  b  e  r  t,  welcher  die  Gefässe  der  Knoten  in  sich  ab¬ 
geschlossen  fand,  dass  dieselben  mindestens  vielfache  ausgiebige 
Kapillarenanastomosen  mit  der  Umgebung  eingehen;  und  er  hält 
diese  Bildungen,  die  wir  ja  bekanntlich  sehr  häufig  besonders 
beim  Rind  antreffen,  für  Hemmungsbildungen,  hervorgebracht 
durch  Störungen  in  der  embryonalen  Anlage  der  ja  ohnehin  kom- 
plizirt  genug  sich  bildenden  netzförmig-tubulösen  Drüse.  Man 
kann  auch  hier,  wenn  man  z.  B.  Schnitte  durch  die  embryonale 
Leber  vergleicht,  daran  denken,  dass  durch  primäre  Zirkulations¬ 
störungen  in  einem  umschriebenen  Gebiet,  welche  aus  nicht  näher 
bekannten  Ursachen  nicht  durch  Anastomosen  kompensirt  wer¬ 
den  können,  solche  Dauerbildungen  entstehen.  Dieselben  werden 
auch  hier  je  nachdem  als  einfache  kavernöse  Räume  mit  Endo¬ 
thelbelag,  als  kavernöse  Räume  mit  hier  und  da  eingestreuten 
Leberinseln  etc.  anzusehen  sein. 

M.  H. !  Als  ich  im  Anschluss  an  die  eben  angeführten  Er¬ 
wägungen  über  die  funktionelle  Hypertrophie  der  Pulpazellen 
der  Milzkavernome  die  Frage  der  Leberkavernome  überlegte, 
schien  mir  die  Möglichkeit  diskutabel,  ob  nicht  ähnliche  Verhält¬ 
nisse  wie  dort  auch  gelegentlich  in  der  Leber  sich  einstellen  und, 
statt  zum  Schwund  der  Leberzellen,  in  den  betreffenden  Bezirken 
zu  einer  Hypertrophie  derselben  führen  könnten.  Die  Leberzellen 
haben  ja,  abgesehen  von  ihrer  gallenbildenden  Thätigkeit,  noch 
eine  ganze  Reihe  wesentlicher  Aufgaben,  für  deren  Ausführung 
sie  rein  auf  die  Blut-  und  die  Lymphbahnen  angewiesen  sind. 
Ich  erinnere  an  die  Aufnahme,  provisorische  Anspeicherung, 
Festlegung  von  Nahrungsstoffen,  von  Fetten,  Glykogen,  vielleicht 
auch  vieler  anderer,  normaler  oder  abnormer  Weise  im  Körper 
zirkulirender  Stoffe.  Wenn  die  Zellen,  etwa  einer  Speicheldrüse 
oder  der  gewundenen  Harnkanälchen  von  ihren  Ausführgängen 
abgeschnitten  werden,  so  ist  es  mit  ihrer  Funktion  zu  Ende:  sie 
sind  völlig  einseitig  differenzirt,  auf  die  Zufuhr  ihres  Arbeits¬ 
materials  seitens  des  Bluts,  auf  die  Abfuhr  ihrer  Produkte  in  die 
Ausführungsgänge  angewiesen. 

Anders  bei  der  Leber:  auch  wenn  dieselbe  ihre  Gallepro¬ 
duktion  völlig  einstellte,  würde  sie  noch  immer  ein  wichtiges 
Glied  für  den  intermediären  Stoffwechsel  im  Körper  darstellen; 
und  so  könnte  z.  B.  die  Möglichkeit  in  Erwägung  gezogen  werden, 
dass  Leberzellen,  auch  wenn  sie  von  Gallenkapillaren  und 
grösseren  Gallengängen  völlig  abgesperrt  sind,  nicht  etwa  atro¬ 
phiren  und  untergehen,  sondern,  zumal  wenn  diese  Abtrennung 
von  früher,  etwa  embryonaler  Zeit  an  besteht,  erhalten  bleiben  und 
nunmehr  bloss  jenen  anderen  Funktionen  dienen.  Dieser  Gedanke 
bekommt  sofort  eine  greifbare  Unterlage,  wenn  man  bedenkt, 
wie  häufig  ausser  aberrirenden  Gallengängen  auch  isolirte  Leber¬ 
zellen  —  z.  B.  in  den  physiologischer  Weise  sich  zurückbildenden 
Ausläufern  des  linken  Leberlappens  —  sich  finden,  die  keinerlei 
Pigment  enthalten,  zu  zweien  oder  mehreren  zusammen  liegen 
und  völlig  gut  erhalten  aussehen. 

Eine  noch  näher  liegende  Unterstützung  dieses  Gedankens 
liegt  vielleicht  in  der  von  Schmieden  gemachten  Bemerkung 
—  ich  selber  habe  solche  Fälle  nicht  gesehen  — ,  dass  mitten  in 
seinen  Kavernomen  eingeschlossen  gelegentlich  sehr  gut  er¬ 
haltene,  geradezu  hypertrophische  Leberzellen  sich  fanden.  Er 

5 


1186 


MtiEN CIIENER  MEDlClNiSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


vermuthet  demgemäss  minderzählige  Anlage  von  Leberzellen  und 


ch  wulstartige  Fehlbildungen,  mit  erhaltener 


entsprechende  Hypertrophie  der  vorhandenen. 

Ich  komme  an  der  Hand  solcher  und  ähnlicher  Erwägungen, 
die  ich  Ihnen  nicht  alle  aufzählen  will,  zu  einer  hypothetischen 
Generalisirung  und  folgender  Formulirung  des  vorhin  ange¬ 
deuteten  Gedankens  für  die  Leber:  Wenn  aus  irgend  welchen 
lokalen  Ursachen  grössere  oder  kleinere  Komplexe  von  Leber¬ 
zellen  vom  Anfang  ihrer  Funktion  an  so  gestellt  wären,  dass  ihre 
gallebildende  Tliätigkeit  gehemmt  oder  unterdrückt  würde,  so 
müssten  daraus  Bildungen  entstehen  können,  in  welchen  diese 
von  Anfang  an  überwiegend  auf  ihre  Beziehungen  zum  Säfte¬ 
kreislauf  angewiesenen  Leberzellen,  unter  Reduktion  oder  viel¬ 
leicht  gänzlicher  Aufgebung  der  Galleproduktion,  ihre  Tliätigkeit 
als  erste  Reservoire  der  einströmenden  Nährstoffe  u.  s.  w.  in  be¬ 
sonderem  Maasse  ausbilden. 

So  weit  die  Hypothese. 

Nun  aber  existirt  eine  solche,  aus  hypertrophischen  Leber¬ 
zellen  gebildete,  geschwulstartige,  aber  von  den  Geschwülsten  der 
Leber  s.  str.  seit  den  Untersuchungen  von  Simmonds  u.  A. 
gut  abgegrenzte  Formation.  Es  ist  dies  die  sogen,  um¬ 
schriebene  knotige  Hyperplasie  der  Leber. 

Sie  können  sich  denken,  dass  ich  nunmehr  schleunig  daran 
ging,  die  Präparate  von  knotigen  Hyperplasien,  die  ich  besitze, 
durchzumustern.  Ich  fand  zwei  derselben:  in  beiden  waren  im 
ganzen  Bereich  der  Hyperplasie  keine  Gallengänge,  in  der 
Peripherie  eine  auffallende  Anzahl  grosser  Gallengänge  nach¬ 
zuweisen.  Alle  Zellen  waren  ganz  typisch  ausgebildet,  hochgradig 
fettreich.  Die  Hypothese  stimmt  also  soweit,  wie  Sie  sich  auch 
an  den  Präparaten  überzeugen  können;  und  es  bleibt  nur  zu 
untersuchen,  ob  sie  für  alle  knotigen  Hyperplasien  zutrifft  oder 
nicht.  In  den  früheren  Beschreibungen,  das  will  ich  hier  noch 
bemerken,  ist  der  Reich thum  der  Gallengänge  in  der  Umgebung 
auch  bereits  hervorgehoben,  so  von  Simmonds.  Leider  habe 
ich  noch  keine  Gelegenheit  gehabt,  gerade  diesen  jedenfalls  kaum 
zufälligen  Umstand  auf  Serienschnitten  weiter  zu  verfolgen.  Als 
eine  hypothetische  Vorstellung  —  ich  bemerke  aber,  dass  sie 
bloss  als  eine  ganz  provisorische  Hypothese  sich  gibt  und  der 
Prüfung  durch  Serienuntersuchungen  bedarf  —  könnte  für  dies 
Verhalten  vielleicht  folgende  Annahme  in  Betracht  kommen:  , 
Die  grösseren  Gallengänge  der  Peripherie  weisen  darauf  hin 
dass  hier  eine  grössere  Zahl  von  ursprünglichen  Gallenröhren  j 
relativ  nahe  zusammen  zu  liegen  kamen.  Dabei  ist  es  wohl  denk-  ^ 
bar,  dass  gerade  in  diesem  eingeschalteten  Rayon  die  Anasto-  ( 
mosen  zwischen  den  verschiedenen  Zweigästen  weniger  günstig 
situirt  waren,  als  dies  in  anderen  Partien  der  Fall  ist:  etwa 
unter  der  Voraussetzung,  dass  hier  die  Ausläufer  langer  Ver-  j 
zweigungen  in  den  Zwickel  hereinragten,  und  demgemäss  von 
Anfang  an  nur  wenige  und  unzureichende  Abfuhrwege  bei  doch  I 
gleichguter  Ernährung  vorhanden  waren  u.  s.  w.  Wie  dem  auch 
sei,  jedenfalls  besteht  die  Thatsache,  dass  in  knotigen 
Hyperplasien  der  Leber  Mangel  von  Gallengängen  mit  Hyper¬ 
trophie  und  starker  Fettinfiltration  gefunden  wurde. 

Ich  will  das  Beispiel  nicht  weiter  ausführen ;  ich 
meine,  das  Gesagte  dürfte  genügen,  um  zu  zeigen,  dass 
in  den  angeführten  Beispielen  Gebilde  vorliegen,  welche  | 
zwar  als  Tumoren  zunächst  imponiren,  aber  | 
der  gebräuchlichen  Definition  von  solchen  , 
nicht  einbezogen  werden  können.  Einfach  von 
„Hemmungsbildungen“  zu  sprechen,  scheint  wiederum  zwar 
nicht  ganz  unrichtig;  aber  dabei  wird  das  Tumorartige 
dieser  Formationen,  wie  mir  scheint,  doch  allzu  stark  in 
den  Hintergrund  geschoben.  Auch  ist  der  Begriff  der  Hemmung 
schliesslich  nicht  ohne  Weiteres  anwendbar;  es  handelt  sich  ja 
mehr  um  eine  Funktionsänderung  oder  gar  Eunktionssteigerung 
in  bestimmten  Richtungen,  entsprechend  wahrscheinlich  einer 
primären  Abnormität  im  Aufbau.  Ich  möchte  Ihnen  daher  Vor¬ 
schlägen,  diese  Arten  von  Bildungen,  welche  gewöhnlich,  wenn 
auch  mit  Vorbehalt,  unter  den  Tumoren  aufgeführt  werden, 
welche  aber  durch  die  mangelnde  Neubildung  ihrer 
Zellen,  die  mangelnde  Expansions-  oder  Zer¬ 
störungstendenz,  die  ausgeprägte  Erhaltung 
ihrer  Funktionen,  wenn  auch  gelegentlich  mit  Abände¬ 
rung,  sich  von  Tumoren  im  strengen  Sinne  unterscheiden,  mit 
einem  eigenen  Namen  zu  bezeichnen;  -und  ich  proponire 
dafür  den  zusammenfassenden  Namen  Hamartome :  g  e  - 


oder  ab  geänderter  Funktion  der  zusammen¬ 
setzenden  Zellen;  wahrscheinlich  hervorgegangen  aus  un¬ 
vollkommener  Anlage.  Der  letztere  Punkt  ist  hypothetischer 
Natur,  die  übrigen  sind  Umschreibungen  des  thatsächlichen  Be¬ 
fundes. 

Ich  bin  der  Meinung,  dass  diese  Gruppe  sich  vermuthlieh, 
sobald  man  nur  auf  Verhältnisse  der  Entstehung  und  der  Funk¬ 
tionsänderung  bezw.  -Beibehaltung  grösseres  Augenmerk  richtet, 
nicht  unbeträchtlich  wird  erweitern  lassen :  dass  vielleicht  manche 
der  bekannten  submukösen  Lipome,  viele  Nävi,  Angiome,  die 
multiplen  Lymphome  der  Milz,  manche  Myelome  u.  s.  w.  aus 
ähnlichen  „Irrungen  und  Anlagefehlern“,  sei  es  nun  in  der  An¬ 
lage  der  Lymph-  und  Blutgefässe,  sei  es  in  dem  Verhältniss  von 
Stroma-  und  Parenchymzellen,  von  sekretorischen  und  ausführen¬ 
den  Abschnitten,  hervorgehen.  Jedoch  möchte  ich  auf  diese 
Fragen  nicht  weiter  eingehen,  da  ich  positive  Anhaltspunkte  vor¬ 
läufig  hier  nicht  bringen  kann. 

Bemerken  muss  ich  noch,  dass  dieser  Erklärungsversuch  der 
Entstehung  von  M ilzeavernomen,  knotigen  Hyperplasien  der 
Leber  und  ähnlichen  Bildungen  nichts  zu  thun  hat  mit  der  viel 
genannten  Absprengung  von  Keimen,  welche  ja  auch 
nicht  selten  zu  geschwulstartigen  Bildungen  führt.  Knorpel - 
keime  in  der  Lunge,  aberrirt  von  Bronchialanlagen,  welche  En- 
chondrome  bilden,  Nebennierenkeime,  die  in  der  Niere  liegen, 
ITeterotopien  grauer  oder  weisser  Substanz  im  Hirn  und  Rücken¬ 
mark,  von  Ganglienzellen  im  Sympathikusgebiet  u.  s.  w.  sind  eben 
Absprengungen,  wirkliche  Verlagerungen  von  Zellkeimen 
aus  dem  normalen  Verband;  während  für  die  Hamartome  gerade 
die  Einordnung  an  der  entsprechenden  Stelle,  mindestens  im 
anatomischen,  zumeist  wohl  auch  im  physiologischen  Verbände 
mit  ihren  Schwesterzellen  charakteristisch  wäre.  Man  wird  gut 
thun,  vielleicht  auch  jene  Fälle,  in  welchen  solche  Abspreng¬ 
ungen  mit  Sicherheit  behauptet  werden  können,  durch  einen 
eigenen  Namen  abzugrenzen;  und  ich  schlage  für  diese  Gruppe, 
deren  wesentliches  Charakteristikum  in  der  Abtrennung 
von  Zellen  oder  Zellkomplexen  und  in  dem 
gleichfalls  gegebenen  Mangel  der  eigent¬ 
lichen  Geschwulstcharaktere  besteht,  den  Namen 
Choristome  vor,  bezw.  Chorismen,  von  ^oo/^oV,  die 
Abtrennung,  wofern  eine  geschwulstartige  Form  nicht 
vorliegt.  Analog  wären  solche  Irrungen  in  der  Anlage,  welche 
nicht  wie  die  Milzcavernome  etc.  geschwulstartiges  Aussehen 
haben,  vielleicht  als  Hamartien,  von  uuaQiia^  der  Fehler,  zu 
benennen. 

Diesen  beiden  Gruppen  würden  dann  die  progressiven 
Neubildungen  aller  Art  als  Blastome  gegenüber  stehen.  Wofern 
aus  einem  abgesprengten  Keim  sich  ein  wirklicher  Tumor  mit 
expansivem  oder  infiltrativem  Wachsthum  entwickelt,  läge  dann 
die  Entstehung  eines  Blastoms  auf  der  Basis  eines  Choristoms 
vor  u.  s.  w. 

M.  LI. !  Sie  werden  vielleicht  darüber  lächeln,  dass  ich  bei 
der  geringen  Klarheit,  welche  gerade  in  der  Geschwulstlehre 
über  die  Ursachen  der  primären  Entstehung  herrscht,  es  hier 
unternehme,  mit  ein  paar  Namen  und  hypothetischen  Erörte¬ 
rungen  Eintheilungen  zu  schaffen.  Ich  kann  dem  gegenüber¬ 
halten,  dass  die  3  Gruppen  von  Bildungen,  welche  ich  hier 
schärfer  einander  gegenüberstelle,  in  gewisser  Weise  immer 
unterschieden  worden  sind.  Man  hat  von  jeher  darüber  ge- 
zweifelt,  ob  das  Kavernom  als  Geschwulst  oder  als  Hemmungs¬ 
bildung  aufzufassen  sei,  wohin  eigentlich  die  aberrirten  Neben¬ 
nierenkeime  systematisch  zu  stellen  seien  u.  s.  w.  Und  ich  finde, 
dass  es  gerade  angesichts  der  vorhandenen  Unklarheiten  und 
Meinungsdifferenzen  nicht  ohne  Nutzen  sein  kann,  solche  bisher 
nur  empirisch  und  ungefähr  beachtete  Gesichtspunkte  in  mög¬ 
lichst  scharfer  Abgrenzung  und  Benennung  —  sie  mag  auch  ein 
oder  das  andere  Mal  allzu  scharf,  vielleicht  schematisch  sein  — 
der  Diskussion  und  weiteren  Forschung  zu  unterbreiten. 


35.  Juli  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1187 


Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Unfall-  und  Inva¬ 
lidenversicherung. 

Von  Prof.  A.  Peters  in  Rostock. 

M.  H. !  Wenn  ick  heute,  einer  ehrenvollen  Aufforderung 
des  Rostocker  Aerztevereins  entsprechend,  vom  Standpunkte  des 
Augenarztes  über  die  Erfahrungen  berichte,  die  mittlerweile  auf 
dem  Gebiete  der  sozialen  Gesetzgebung  gemacht  worden  sind,  so 
kann  es  nach  den  erschöpfenden  Referaten  der  Herren  Lech- 
ler,  Martius  und  Müller  nicht  meine  Aufgabe  sein,  noch¬ 
mals  auf  die  allgemeineren,  den  praktischen  Arzt  in  erster  Linie 
interessirenden  Gesichtspunkte  einzugehen.  Ich  hoffe  jedoch, 
dass,  wenn  es  sich  im  Folgenden  auch  um  mehr  spezialistische 
Erfahrungen  handelt,  auch  für  den  Nichtophthalmologen  hieraus 
einige  Anregungen  resultiren,  die  ihm  bei  der  Beurtkeilung  und 
Begutachtung  einschlägiger  Fälle  von  Nutzen  sein  können. 

Bevor  ich  jedoch  an  meine  eigentliche  Aufgabe  herantrete, 
halte  ich  es  nicht  für  überflüssig,  besonders  zu  betonen,  dass  für 
das  eingehende  Studium  der  hier  in  Betracht  kommenden  Ver¬ 
hältnisse  schon  eine  ganz  reichhaltige  Literatur  zu  Gebote  steht. 
Nicht  nur,  dass  in  den  Zeitschriften  über  „Unfallheilkunde“,  in 
den  Lehrbüchern  dieser  jungen,  aber  schon  sehr  entwickelten 
Disziplin,  eine  Fülle  äugen  ärztlichen  Materials  angesammelt  ist; 
nicht  nur,  dass  in  den  Entscheidungen  der  oberen  Instanzen  oph- 
thalmologische  Fälle  einen  breiten  Raum  einnehmen,  sondern  es 
findet  sich  in  unserer  Li  teratur  auch  eine  ganze  Reihe  von  Werken, 
die  sich  speziell  mit  der  Beurtheilung  und  Abmessung  der  Er¬ 
werbsfähigkeit  nach  Augenverletzungen  beschäftigen.  Von  dem 
Grundsätze  ausgehend,  dass  unterhalb  einer  gewissen  Grenze  einer 
Verminderung  der  Sehschärfe  auch  eine  Beeinträchtigung  der 
Erwerbsfähigkeit  entspricht,  hat  man  Tabellen  aufgestellt, 
welche  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Leistungsfähigkeit 
des  2.  Auges  für  jeden  nur  denkbaren  Fall  ein  Schema  an  die 
Hand  geben,  und  wenn  man  auch  zugeben  muss,  dass  derartige 
Hilfsmittel  zu  Beginn  der  Wirksamkeit  jener  Gesetzgebung 
jedem  Augenärzte  willkommen  sein  mussten,  so  darf  doch  nicht 
verschwiegen  werden,  dass  dabei  ein  Umstand  zu  wenig  Berück¬ 
sichtigung  gefunden  hat,  der  sonst  im  Berufsleben  des  Arztes 
einen  breiten  Raum  einnimmt,  nämlich  die  Nothwendigkeit,  zu 
individualisiren.  Wenn  auch  der  Versuch  gemacht  wurde,  und 
die  Praxis  sich  allmählich  auf  dem  Wege  befindet,  für  gewisse 
Berufsarten  gesonderte  Beurtheilung  Platz  greifen  zu  lassen,  so 
ist  doch  gerade  der  jenen  Tabellen  zu  Grunde  liegende  ziflfem- 
mässig  zu  erbringende  quantitative  Nachweis  der  verminderten 
Sehschärfe  geeignet,  ein  rein  schematisirendes  Vorgehen  zu 
zeitigen,  während  der  lediglich  auf  die  genaue  Kenntniss  'der 
Berufsarbeit  und  auf  Vergleiche  mit  ähnlichen  Fällen  sich 
stützende  Gutachter  bei  2  Fällen  mit  gleicher  Sehschärfe  zu  ganz 
verschiedenen  Rentensätzen  gelangen  kann.  Sieht  man  noch 
dazu  die  Berechnung  der  Erwerbsfähigkeit  in  komplizirte  For¬ 
meln,  wie  es  z.  B.  M  a  g  n  u  s  thut,  eingezwängt,  so  ist  sicherlich 
bei  vielem  Gutachtern  der  Wunsch  rege  geworden  und  berechtigt, 
auf  Grund  der  im  Laufe  der  Jahre  gewonnenen  persönlichen  Er¬ 
fahrungen  ein  wenig  mehr  Bewegungsfreiheit  zu  haben.  Auf 
diese  zahlenmässigen  Berechnungen  der  verbliebenen  Erwerbs - 
fähigkeit  näher  einzugehen,  würde  hier  zu  weit  führen.  Nur  so 
viel  sei  hervorgehoben,  dass  der  Verlust  des  Auges  bei  den  ver¬ 
schiedenen  Berufsgenossenschaften  verschieden  bewerthet  wird. 
Besonders  auffällig  tritt  dieser  Umstand  für  mich  zu  Tage,  der 
ich  früher  in  der  Nähe  einer  industriereichen  Gegend  prakti- 
zirte.  Während  dort  der  Verlust  eines  Auges  gemäss  den  seiner 
Zeit  von  Zehender  und  von  Mooren  auf  gestellten  Sätzen 
bei  Industrie-  und  anderen  Arbeitern  Anfangs  in  gleicher  Weise 
mit  33%  Proz.  bewerthet  wurde,  nahm  die  landwirthschaftliche 
Berufsgenossenschaft  bald  eine  Herabsetzung  auf  25  Proz.  vor, 
und  hier  zu  Lande  werden  dem  landwirthschaftlichen  Arbeiter 
nur  20  Proz.  zugebilligt.  Dementsprechend  hat  man  auch  die 
Sätze  zu  bemessen,  wenn  es  sich  nicht  um  Verlust,  sondern  nur 
um  Schädigung  des  Auges  handelt.  Bei  jenem  Satze  von  20  Proz. 
für  Verlust  eines  Auges  kommen  überhaupt  nur  mehr  2  Ab¬ 
stufungen  in  Frage,  15  Proz.  und  10  Proz.,  da  bekanntlich  unter 
10  Proz.  nicht  herabgegangen  werden  darf. 

Man  hat  sich  ferner  dahin  geeinigt,  eine  Erwerbsverminde¬ 
rung  nicht  anzunehmen,  wenn  bei  intaktem  2.  Auge  die  Seh¬ 


schärfe  des  verletzten  Auges  %  und  darüber  beträgt,  weil  man 
eine  solche  Sehschärfe  für  die  meisten  Berufsarten  noch  als  hin¬ 
reichend  erachtete. 

Unter  Zugrundelegung  dieser  Normen  muss  nun  entschieden 
werden,  ob  und  wie  viel  die  Erwerbsfähigkeit  im  gegebenen  Falle 
vermindert  ist.  Dabei  lässt  sich  gewiss  nicht  leugnen,  dass  diese 
bisherige  Praxis  im  Allgemeinen  eine  sehr  bequeme  genannt 
werden  muss.  Die  exakten  Methoden  der  Sehschärfenbestim¬ 
mung,  die  Sicherheit  der  Entlarvung  von  Simulation,  die  Kon- 
trole  der  Angaben  mit  Hilfe  des  Augenspiegels  setzen  uns  in  den 
Stand,  in  den  allermeisten  Fällen  die  Sehschärfe  quantitativ  zu 
bestimmen  und  so  braucht  man  nur  jene  Tabellen  in  die  Hand 
zu  nehmen,  um  aus  einer  bestimmten  Rubrik  die  Beeinträch¬ 
tigung  der  Erwerbsfähigkeit  abzulesen.  Aber  welcher  Praktiker 
hätte  es  nicht  schon  als  Hohn  empfunden,  wenn  er  10  oder 
15  Proz.  Erwerbsverminderung  festgestellt  hatte  und  sehen 
musste,  wie  der  geheilte  Patient  sich  beeilte,  an  seine  frühere 
Arbeit  zu  kommen  ?  Und  es  ist  wohl  die  Mehrzahl  dieser  Renten¬ 
empfänger,  deren  nicht  verletztes  Auge  intakt  ist,  im  Stande,  die 
frühere  Arbeit  wieder  zu  verrichten,  wenn  auch  erst  ein  kürzer 
oder  länger  dauerndes  Stadium  der  Gewöhnung  zu  überwinden 
ist.  Man  braucht  nur  zu  sehen,  wie  beim  Tagelöhner,  beim 
landwirthschaftlichen  Arbeiter  eine  in  baarem  Gelde  ausbezahlte 
Rente,  die  bekanntlich  bei  10 — 15  Proz.  nur  wenige  Mark  im 
Monat  beträgt,  als  willkommener  Zuschuss  zu  den  Haushaltungs¬ 
kosten  betrachtet  wird,  während  die  frühere  Arbeit  ebensogut 
wie  sonst  geleistet  werden  kann,  um  es  zu  begreifen,  dass  in 
vielen  Fällen  die  Arbeitgeber  bestrebt  sind,  durch  eine  geringe 
Lohnherabsetzung  die  von  der  Behörde  gewissermaasseii  er¬ 
härtete  Erwerbsverminderung  anzuerkennen,  um  damit  der  Un¬ 
fallrente  den  Charakter  einer  Prämie  für  kleine  Verletzungen  zu 
nehmen. 

Das  soeben  Gesagte  gilt  in  erster  Linie  von  den  landwirth¬ 
schaftlichen  Arbeitern,  bei  denen  die  hier  zu  Lande  ganz  beson¬ 
ders  häufigen  Hornhautverletzungen  durch  Strohhalme  etc.  mit 
nachfolgender  Eiterung  zu  gänzlichem  oder  theilweisem  Verlust 
des  Sehvermögens  führen.  Die  aus  diesen  Verletzungen  resul- 
tirenden  Hornhautflecken  sind  wohl  überhaupt  der  häufigste 
Gegenstand  augenärztlicher  Begutachtung  und  gerade  auf  diesem 
Gebiete  bedarf  es  einer  gereiften  Erfahrung,  um  den  hierbei  so 
häufigen  Versuchen  der  Simulation  und  Aggravation  erfolgreich 
begegnen  zu  können,  die  nicht  nur  bei  der  ersten  Rentenfest¬ 
setzung  sondern  ganz  besonders  häufig  in  die  Erscheinung 
tritt,  wenn  die  Frage  einer  event.  Aufhebung  der  Rente  erwogen 
wird.  Man  könnte  nur  wünschen,  dass  der  Zähigkeit,  mit  welcher 
man  bestrebt  ist,  die  Rente  festzuhalten,  einigermaassen  die  Eile 
entspräche,  bei  Hornhauteiterungen  die  so  nothwendige  ärztliche 
Hilfe  nachzusuchen. 

Gewiss  soll  nicht  geleugnet  werden,  dass  die  wohlmeinende 
Absicht  des  Unfallversicherungsgesetzes,  für  Unfallfolgen  eine 
Entschädigung  zu  gewähren,  schon  für  Tausende  von  Verletzten 
in  segensreicher  Weise  verwirklicht  wurde.  Nichtsdestoweniger 
muss  ich  mich  mit  aller  Entschiedenheit  dahin  aussprechen,  dass 
gerade  mit  Rücksicht  auf  diese  Hornhaut  Verletzungen  oder  ähn¬ 
liche  Ursachen  der  Sehschärfenverminderung  eine  Aenderung 
oder  eine  andere  Interpretation  des  Gesetzes  Platz  greifen  möge. 
Ich  scliliesse  mich  dabei  vollständig  den  Ausführungen  von 
Pfalz1)  an,  der  in  einem  sehr  lesenwerthen  Auf satze  über  reelle 
und  eventuelle  Unfallfolgen  die  Anschauung  vertritt,  dass  in 
vielen  Fällen  von  Augenverletzungen  heutzutage  eine  Rente  zu 
Unrecht  gezahlt  wird,  weil  keine  Erwerbsverminderung  vorliegt 
und  mit  Recht  auf  den  demoralisir enden  Einfluss  solcher  Renten 
hin  weist.  Wenn  dem  gegenüber  das  Gesetz  dahin  interpretirt 
wird,  was  durch  Entscheidungen  der  oberen  Instanzen  oft  genug 
wiederholt  wurde,  dass  die  Rentenfestsetzung  von  dem  Gesichts¬ 
punkte  aus  zu  verfolgen  hat,  ob  in  rein  ideellem  Sinne  eine  Beein¬ 
trächtigung  der  Erwerbsfähigkeit  vorliegt,  etwa  durch  Verminde¬ 
rung  der  Konkurrenzfähigkeit,  ganz  unbekümmert  darum,  ob 
der  frühere  Lohn  wieder  erreicht  wird  oder  nicht,  so  ist  dieser 
letztere  Umstand  an  und  für  sich  schon  geeignet,  ein  rein 
schematisirendes  Vorgehen  zu  zeitigen,  welches  dem  Empfinden 
des  ärztlichen  Praktikers  nicht  entspricht.  Noch  mehr  aber  muss 

’)  Zeitschr.  f.  Augenheilk.  Bd.  II,  S.  516. 


5* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


1188 

es  Bedenken  erregen,  dass  diese  Handhabung  des  Gesetzes  das 
Richtige  trifft,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  eine  solche  für 
Verlust  oder  Schädigung  eines  Auges  festgesetzte  Rente  definitiv 
ist,  d.  h.  keine  Erhöhung  mehr  erfahren  kann,  wenn  das  andere 
Auge  ganz  oder  theilweise,  ohne  vorausgegangenen  Unfall,  ver¬ 
loren  geht.  Wenn  auch  bei  der  Konstruktion  der  Rentenquoten 
der  Umstand  in  erster  Linie  mit  in  Rechnung  gezogen  wurde, 
dass  für  jenes  Risiko  der  späteren  Schädigung  des  anderen  Auges 
eine  gewisse  Entschädigung  zu  gewähren  sei,  muss  es  doch 
unserem  Rechtsgefühl  widerstreiten,  wenn  für  V erlust  oder 
Schädigung  eines  Auges  eine  definitive  Rente  gezahlt  wird,  die 
nicht  mehr  geändert  wird,  wenn  z.  B.  das  andere  Auge  an  spon¬ 
taner  Netzhautablösung,  Embolie,  Blutung,  Katarakt  etc.  er¬ 
blindet.  Hätte  die  Verletzung  das  erste  Auge  nicht  getroffen, 
so  wäre  bei  spontaner  Erkrankung  des  2.  Auges  die  Erblindung 
nicht  eingetreten.  Von  diesem  Leitsätze  aus  ist  die  Anschauung 
hervorgegangen,  die  ich  in  Uebereinstimmung  mit  Pfalz  seit 
langen  Jahren  meinen  Zuhörern  nicht  vorzuenthalten  pflege,  dass 
auf  der  einen  Seite  das  Gesetz  zu  viel,  auf  der  anderen  zu  wenig 
gewährt  und  ich  bin  der  Ueberzeugung,  dass,  wenn  eine  Aende- 
rung  des  Gesetzes  in  der  angedeuteten  Hinsicht  erfolgen  würde, 
die  Berufsgenossenschaften  sicherlich  keinen  Grund  hätten,  vom 
finanziellen  Standpunkte  damit  unzufrieden  zu  sein,  denn  die 
Anzahl  der  Homhautverletzungen  ist  Legion  und  die  Zahl  der 
Fälle,  wo  nach  der  Verletzung  eines  Auges  das  andere  spontan 
in  erheblichem  Maasse  erkrankt,  unverhältnissmässig  geringer. 
Aber  auch  der  Arbeiter,  und  der  soll  doch  in  erster  Linie  in  Frage 
kommen,  müsste  mit  einer  Neuerung  zufrieden  sein,  welche  ihm 
auf  der  einen  Seite  eine  Rente  versagte,  wenn  derselbe  Lohn  ver¬ 
dient  werden  kann  wie  früher,  dagegen  aber  volle  Entschädigung 
für  den  Verlust  beider  Augen  gewährt,  auch  wenn  dasi  zweite 
durch  spontane  Erkrankung  zu  Grunde  geht.  Diese  erheblich 
grössere  Rente  ist  wirklich  im  Stande,  die  Familie  vor  dem  Ver¬ 
hungern  zu  schützen,  während  die  Bagatellbeträge  der  kleinen 
Renten  viel  zu  niedrig  sind,  um  im  Falle  eines  solchen  Unglückes 
auch  nur  einigermaassen  dem  Charakter  einer  wirklichen  Für¬ 
sorge  zu  entsprechen. 

In  einem  Falle  gänzlicher  Erblindung  würde  nun  zwar  die 
Invalidenrente  bezogen  werden,  die  jedoch  viel  geringer  ist,  als 
z.  B.  der  Satz  für  völlige  Erwerbsunfähigkeit  nach  Unfall;  aber 
diese  Fälle  sind  weit  geringer  an  Zahl,  ja  überhaupt  selten 
gegenüber  denen,  wo  das  andere  Auge  durch  spontane  Erkrank¬ 
ung  keine  Erblindung,  sondern  eine  Schädigung  davonträgt, 
welche  zur  Aufgabe  des  Berufes  zwingt,  auch  wenn  die  Fähigkeit, 
noch  %  des  ortsüblichen  Tagelohnes  zu  verdienen,  erhalten  bleibt. 
Für  diese  in  der  Praxis  wohl  nicht  so  seltenen  Fälle  würde  jene 
Aenderung  in  erster  Linie  in  Frage  kommen.  Wenn  ich  somit 
für  die  Trennung  von  reellen  und  eventuellen  Unfallfolgen,  wie 
Pfalz  es  nennt,  auf’s  Entschiedenste  eintreten  möchte,  so  bin 
ich  überzeugt,  dass  viele  Augenärzte  diese  Meinung  theilen. 
Um  aber  auf  diesem  Gebiete  Erfolge  zu  erzielen,  d.  h.  eine  Aen¬ 
derung  herbeizuführen,  wären  weitere  Meinungsäusserungen  er¬ 
wünscht,  vor  Allem  aber  auch  Statistiken  seitens  der  Berufs¬ 
genossenschaft,  die  festzustellen  hätten,  eventuell  durch  Rund¬ 
frage,  wie  viele  Rentenempfänger  nach  Augenverletzungen  eine 
spontane  Verschlechterung  des  anderen  Auges  aufzuweisen 
haben. 

Nicht  zum  Mindesten  aber  wäre  der  Widerstand  zu  be¬ 
siegen,  der  diesem  Vorschläge  von  juristischer  Seite  entgegen¬ 
gebracht  wird.  Wer  sich  dafür  interessirt,  der  lese  einmal  in  der 
Zeitschrift  „Die  Arbeiterversicherung  (1901)“  die  Aufsätze  von 
Fleisch  auer  und  H  ahn  durch,  welche  sich  mit  der  aus¬ 
führlichen  Widerlegung  der  Ansichten  von  W  e  y  m  a  n  n  be¬ 
fassen,  der  als  Mitglied  des  Reichsversicherungsamtes  in  der¬ 
selben  Zeitschrift  die  Frage  in  bejahendem  Sinne  erörtert,  ob 
eine  Aenderung  des  Gesetzes  in  Bezug  auf  jene  eventuellen 
Folgen  wünschenswerth  und  möglich  sei.  Die  hierbei  von  seinen 
Gegnern  vorgebrachten  Gründe  mögen  juristisch  noch  so  stich¬ 
haltig,  noch  so  schwerwiegend  sein,  sie  können  meines  Erachtens 
dennoch  nicht  im  Wege  stehen,  wenn  es  gilt,  unsere  soziale  Ge¬ 
setzgebung  im  humanen  Sinne  weiter  auszubauen,  nachdem 
schon  längst  in  Theorie  und  Praxis  die  Handhabung  jener  Ge¬ 
setze  von  der  sonstigen  Rechtspflege  erhebliche  Abweichungen 


zeigt.  Wenn  beispeilsweise  darauf  hingewiesen  wird,  dass  der 
Abmessung  einer  Entschädigung  im  Wege  des  Zivilprozesses  bei 
Privatversicherungen  unüberwindliche  Schwierigkeiten  entgegen¬ 
stünden,  dass  es  juristisch  die  schwersten  Bedenken  habe,  wenn 
solche  eventuelle  Unfallfolgen  berücksichtigt  werden  müssten, 
so  ist  dem  entgegen  zu  halten,  dass  beim  Zivilprozess  die  Sache 
durch  Abfindung  mit  Kapital  erleichtert  wird,  dann  aber  auch 
dem  Ermessen  des  Richters  der  weiteste  Spielraum  gewährt  wird 
und  schliesslich  beim  gerichtlichen  Verfahren  meistens  solche 
Summen  gefordert  und  stellenweise  bewilligt  werden,  dass  jenes 
Risiko  ausreichende  Berücksichtigung  findet. 

Immerhin  zeigen  jene  Ausführungen  von  Fleischauer 
und  Hahn,  dass  noch  grosse  Schwierigkeiten  zu  überwinden 
sind,  bis  diese  Anschauung  in  der  Handhabung  des  Unfallver¬ 
sicherungsgesetzes  zur  Geltung  gelangen  kann. 

So  lange  diese  Aenderung  nicht  vollzogen  wird,  sind  wir  ge- 
nöthigt,  auf  der  bisherigen  Basis  weiterzuarbeiten. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  bildet  eine  Sehschärfe  von  Vz  die 
untere  Grenze  der  Entschädigungspflicht,  wie  die  jetzige  Recht¬ 
sprechung  es  als  Norm  hinstellt,  wenn  das  andere  Auge  intakt 
ist.  Da  eine  Rente  nicht  unter  10  Proz.  herabgehen  darf,  so 
resultirt  daraus,  dass  bei  einer  Sehschärfe  von  0,4  eine  Erwerbs¬ 
verminderung  von  10  Proz.  angenommen  werden  müsste.  Dabei 
macht  aber  jeder  Augenarzt  täglich  die  Erfahrung,  dass  ein  Auge, 
welches  bei  der  Fernprüfung  nur  1 — 0,4  aufweist,  im  Stande  ist, 
in  der  Nähe  die  feinste  Druckschrift  zu  lesen.  Dieses 
Missverhältniss  zwischen  den  Resultaten  der  Fern-  und 
Nabprüfung  ist  geeignet,  die  schematische  Handhabung 
jener  Tabellen  in  noch  ungünstigerem  Lichte  erscheinen 
zu  lassen,  wenn  es  auch  unstreitig  bequemer  ist,  auf 
Grund  fester  Normen  sein  Gutachten  abgeben  zu  können. 
Wer  aber  geneigt  ist,  seinem  subjektiven  Ermessen  grösseren 
Spielraum  zu  gewähren,  dem  passirt  es  leicht,  dass  er  mit  der 
Auffassung  eines  Obergutachtens  oder  der  oberen  Instanz  in 
Widerspruch  geräth,  weil  eben  in  diesen  Dingen  eine  Art  Tra¬ 
dition  und  Hebung  Platz  gegriffen  hat,  die  der  Individualität, 
sowohl  des  Arztes  wie  des  Patienten,  wenig  Raum  gibt.  Dazu 
kommt  noch,  dass  es  zu  den  unerfreulichsten  Aufgaben  des 
Arztes  gehört,  bisher  gezahlte  Renten  auf  heben  zu  lassen.  Aus 
Allem  geht  hervor,  dass  diese  Schwierigkeiten  noch  hinzu¬ 
kommen,  um  den  Wunsch  um  so  mehr  gerechtfertigt  erscheinen 
zu  lassen,  zwischen  reellen  und  eventuellen  Unfallfolgen  unter¬ 
scheiden  zu  dürfen. 

Eine  Aenderung  in  der  praktischen  Beurtheilung  dieser 
Fälle  ist  insofern  in  neuerer  Zeit  eingetreten,  als  man  sogen, 
provisorische  oder  Uebergansrenten  mehr  zur  Geltung  kommen 
lässt  auf  Grund  der  Erwägung,  dass  'an  eine  Schädigung  eines 
Auges  allmählich  Gewöhnung  erfolgt.  Für  die  uns  in  erster 
Linie  interessirenden  Hornhauttrübungen  nach  Unfällen  gilt 
dies  in  erster  Linie  und  so  hat  man  ein  Mittel  an  der  Hand, 
in  sogen.  Grenzfällen  eine  Rente  von  10  Proz.  zu  gewähren,  die 
später  in  Wegfall  kommt.  Leider  ist  es  nach  Entscheidungen  des 
Reichsversicherungsamtes  bisher  unstatthaft,  eine  höhere  ITeber- 
gangsrente  und  dauernde  Rente  in  einem  und  demselben  Gut¬ 
achten  festzusetzen.  Es  hat  das  zur  Folge,  dass  die  unerfreu¬ 
liche  Rentenkürzung  oder  -Aufhebung  später  für  sich  erfolgen 
muss,  wobei  gerade  besonders  häufig  der  demoralisirende  Ein¬ 
fluss  solcher  Renten  in  Gestalt  von  grober  Simulation  zu  be¬ 
merken  ist. 

Eine  höhere  Anfangsrente  ist  in  vielen  Fällen  unerlässlich, 
weil  die  Reizerscheinungen  nach  erfolgter  Heilung  eines  Horn- 
hautgeschwüres  noch  lange  anzudauem  pflegen  und.  sich  auch  An¬ 
fangs  eine  sehr  störende  Dispersion  des  Lichtes  bemerkbar  macht. 
Im  Allgemeinen  wird  man  in  solchen  Fällen  eine  Uebergangs- 
rente  auf  ein  Jahr  gewähren  und  es  empfiehlt  sich  nach  meiner 
Erfahrung  dabei  dringend,  den  Patienten  von  vomeherein  da¬ 
rauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  die  Rente  nur  bis  zur  er¬ 
folgten  Heilung  und  Gewöhnung  zu  zahlen  und  dementsprechend 
später  zu  kürzen  resp.  aufzuheben  sei.  Seitdem  ich  in  dieser 
Weise  verfahre,  habe  ich  in  einer  Reihe  von  Fällen  ein  Einver¬ 
ständnis  seitens  der  Patienten  erzielt,  die  sich  sonst  sicherlich 
nicht  beruhigt,  sondern  Rekurs  eingelegt  hätten. 

Ein  weiterer  Grund,  diese  Hornhauttrübungen  nicht  allzu 
tragisch  zu  nehmen,  liegt  darin,  dass  noch  bei  Y10  Sehschärfe, 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1189 


wie  Pfalz  ebenfalls  sehr  richtig  betont,  das  Tiefenschätzungs¬ 
vermögen  erhalten  zu  sein  pflegt,  und  so  hat  es  gar  keinen  Zweck, 
diesen  Punkt  in  den  Gutachten  noch  besonders  zu  betonen. 
Sollte  nach  einer  Verletzung  Doppelsehen,  eine  wirkliche  Stö¬ 
rung  des  binokularen  Einfachsehens,  auftreten,  so  ist  diesem 
Umstande  natürlich  besonders  Rechnung  zu  tragen. 

Sie  ersehen,  m.  H.,  aus  dem  Gesagten,  dass  die  bisherige 
Normirung  der  Entschädigungen  bei  Augenverletzungen,  speziell 
bei  solchen  der  Hornhaut,  doch  zu  Ausstellungen  der  verschie¬ 
densten  Art  Veranlassung  gibt  und  dass  sicherlich  Gründe  genug 
vorliegen,  diese  kleineren  Renten  zu  Gunsten  der  Anerkennung 
reeller  Unfallfolgen,  wozu  die  Spontanerkrankung  des  zweiten 
Auges  zu  rechnen  ist,  fallen  zu  lassen.  Für  die  praktische  Hand¬ 
habung  der  Neuerung  wäre  es  natürlich  ebenso  nothwendig,  die 
vorhandene  Sehschärfe  nach  Unfällen  von  Sachverständigen  fest¬ 
stellen  zu  lassen,  wie  es  bisher  geschieht,  um  bei  später  eintre¬ 
tender  Aenderung  im  Befunde  am  anderen  Auge  eine  zuver¬ 
lässige  Grundlage  für  die  Begutachtung  zu  besitzen. 

Wenden  wir  uns  nun  der  Invalidenversicherung  zu,  so  muss 
von  vorneherein  betont  werden,  dass  unsere  Erfahrungen  auf 
diesem  Gebiete  naturgemäss  nicht  so  umfangreiche  sein  können, 
weil  diese  Gesetze  später  in  Kraft  getreten  sind.  Immerhin 
lässt  sich  auch  hierbei  nicht  verkennen,  dass  die  gewiss  in  bester 
Absicht  vom  Gesetzgeber  eingeführte  untere  Grenze  von  %  Er¬ 
werbsfähigkeit,  d.  h.  die  Fähigkeit,  weniger  als  %  des  orts¬ 
üblichen  Tagelohnes  verdienen  zu  können,  ein  so  konkretes  Maass 
darstellt,  dass  wir  meistens  nicht  im  Stande  sind,  auch  nur 
schätzungsweise  das  zahlenmässig  Richtige  zu  treffen,  und  damit 
befinden  wir  Augenärzte  uns  genau  in  der  gleichen  misslichen 
Lage  wie  die  anderen  Aerzte.  Liegt  eine  Beeinträchtigung  der 
Sehschärfe  bis  zu  einem  solchen  Grade  vor,  dass  auch  grobe  Ar¬ 
beit  nicht  mehr  geleistet  werden  kann,  z.  B.  bei  einer  rasch  fort¬ 
schreitenden  Optikusatrophie,  bei  schweren  Makulaerkrankungen, 
besonders  bei  hochgradiger  Myopie,  dann  kann  die  Entscheidung 
nicht  schwer  fallen.  Schwierigkeiten  entstehen  aber,  wenn  z.  B. 
bei  einem  Veteran  der  Arbeit  beginnende  Linsentrübungen  zu 
konstatiren  sind.  Hier  ist  die  Grenze  zahlenmässig  gar  nicht 
zu  bestimmen,  wo  die  Fähigkeit  aufhört,  noch  %  des  ortsüblichen 
Tagelohns  zu  verdienen.  Die  Sehschärfe  allein  ist  dabei  nicht 
ausschlaggebend,  denn  wir  sehen  Menschen  mit  stationären 
Linsentrübungen  oder  mit  Hornhautflecken  nach  wie  vor  ar¬ 
beiten,  die  eine  gleiche  Sehschärfe  oder  noch  weniger  aufweisen. 
Ausschlaggebend  ist  hier  einzig  und  allein  die  Aenderung  des 
Sehvermögens  und  wenn  auch  in  vielen  Fällen  die  rasche  Reifung 
einer  Katarakt  die  Entscheidung  erleichert  oder  die  heutzutage 
viel  öfter  als  früher  gegebene  Möglichkeit,  unreife  Staare  zu 
operiren,  die  Frage  der  Invalidität  hinausschieben  kann,  so 
bleiben  doch  Fälle  genug  übrig,  wo  für  uns  Aerzte  allein  der 
Umstand  schwer  in’s  Gewicht  fällt,  dass  ein  alter  Arbeiter  oder 
z.  B.  eine  alte  Näherin  erklärt,  es  gehe  mit  der  Arbeit  nur  schwer 
vorwärts.  Meistens  pflegen  auch  noch  andere  körperliche  Leiden 
die  Invalidisirung  zu  erfordern  und  so  kommen  wir  Augen¬ 
ärzte  verhältnissmässig  häufig  in  die  Lage,  unseren  Befund  dem 
praktischen  Arzte  zur  Verfügung  zu  stellen,  der  ihn  im  Verein 
mit  anderen  Leiden  dazu  verwerthen  kann,  ein  solches  Gesammt- 
bild  zu  konstruiren,  dass  die  Zweifel  an  der  Erreichung  der  un¬ 
teren  Erwerbsgrenze  verschwinden. 

Nicht  selten  war  ich  in  der  Lage,  Ansprüche  abweisen  zu 
müssen,  die  lediglich  auf  sogen,  „schlechten  Augen“  basirten, 
wenn  z.  B.  hochgradige  Myopie  mit  den  üblichen  Begleiterschei¬ 
nungen,  wie  partielle  Linsentrübungen,  Glaskörpertrübungen 
oder  Aderhauterkrankungen,  vorlag.  Hier  bestimmt  das  Fehlen 
frischer  Veränderungen,  sowie  die  Feststellung  der  Thatsache, 
dass  bis  zum  Tage  der  Untersuchung  gearbeitet  wurde,  unser  ab¬ 
lehnendes  Verhalten.  Dass  man  im  Zweifelsfalle  zu  Gunsten 
des  Antragstellers  verfahren  wird,  dass  man  prophylaktischen 
Erwägungen  besonders  breiten  Raum  zu  gewähren  hat,  z.  B.,  um 
Blutungen  zu  verhüten,  ist  selbstverständlich. 

Mit  Dank  muss  ich  anerkennen,  dass  in  vielen  Fällen  meiner 
poliklinischen  Praxis  die  Versicherungsanstalt  bei  chronischen 
Augenerkrankungen,  vor  Allem  bei  den  so  chronisch  verlaufenden 
Tuberkulosen,  bereitwilligst  die  Kosten  der  Krankenhausbehand¬ 
lung  übernommen  hat,  wenn  die  Krankenkassenverpflichtung 
aufhörte. 


Damit  hätte  ich  einige  wesentliche  Punkte  hervorgehoben, 
welche  mir  im  Laufe  der  letzten  Jahre  besonders  aufgef allen 
sind,  und  ich  bitte  Sie,  im  Auge  zu  behalten,  dass  ich  allein  nicht 
im  Stande  bin,  Alles  hier  aufzuzählen,  was  an  Wünschen,  Zwei¬ 
feln  und  Erfahrungen  den  Augenarzt  beschäftigen  kann,  und 
so  muss  in  diesen  Ausführungen  mehr  Subjektives,  Erlebtes  zum 
Ausdruck  kommen. 

Aus  diesem  Grunde  möchte  ich  mir  auch  erlauben, 
noch  auf  einen  Punkt  näher  einzugehen,  der  mir  Ge¬ 
legenheit  gibt,  in  eigener  Sache  das  Wort  zu  ergreifen.  Er  be¬ 
trifft  die  Augensymptome  bei  traumatischen  Neurosen.  In 
meiner  früheren  Praxis,  durch  meine  Thätigkeit  an  dem  von 
Prof.  W  i  t  z  e  1  geleiteten  berufsgenossenschaftlichen  Rekon¬ 
valeszentenhause  habe  ich  in  der  Begutachtung  von  Unfall- 
Nervenkranken  reichliche  Erfahrungen  sammeln  können.  Be¬ 
sonders  habe  ich  mich  davon  überzeugen  können,  dass  die  kon¬ 
zentrische  Gesichtsfeldeinengung,  soweit  sie  nicht  direkt  simulirt 
wird,  ein  schätzenswerthes  und  verwerthbares  Symptom  der 
Hysterie  darstellt,  insofern,  als  es  oft  das  alleinige  Zeichen  war, 
zu  welchem  sieh  erst  später  anderweitige  Symptome  gesellten, 
welche  die  Diagnose  „traumatische  Hysterie“  ermöglichten,  wäh¬ 
rend  vorher  aus  den  vagen  Beschwerden  der  Kopfschmerzen  und 
des  Schwindels  eine  genaue  Diagnose  nicht  zu  stellen  war.  In¬ 
sofern  konnte  die  Untersuchung  des  Sehorgans,  ganz  abgesehen 
von  den  vielfachen  Störungen  des  Augenmuskelapparates,  der 
Pupillarreaktionen  etc.,  nicht  entbehrt  werden.  Ich  befinde  mich 
mit  der  Werthschätzung  des  Symptomes  der  konzentrischen  Ge¬ 
sichtsfeldeinengung  in  erfreulicher  Uebereinstimmung  mit 
Bruns2),  der  neuerdings  in  einer  vorzüglichen  Monographie  die 
traumatischen  Neurosen  bearbeitet  hat  und  Strümpell 
gegenüber  den  Werth  des  Symptoms  als  eines  objektiven  Kenn¬ 
zeichens  betont,  das  zwar  gelegentlich  simulirt  werden  kann,  im 
Allgemeinen  aber  nicht,  wie  Strümpell  meint,  im  Laufe  der 
Zeit  dem  Kranken  suggerirt  wird,  sondern  den  Werth  eines  ob¬ 
jektiven  Symptomes  ebenso  beanspruchen  muss,  wie  z.  B.  kutane 
Anästhesien.  Ich  habe  stets  in  meinen  Gutachten  zum  Ausdruck 
gebracht,  dass  eine  konzentrische  Gesichtsfeldeinengung,  die  bei 
vorher  am  Perimeter  noch  nicht  untersuchten  Patienten,  nicht 
ein,  sondern  mehrere  Male,  gefunden  wurde,  in  der  Beurtheilung 
des  Falles,  speziell  seiner  Prognose,  zur  Vorsicht  mahnen  müsse. 

Anders  steht  es  aber  mit  dem  sogen.  Verschiebungstypus  des 
Gesichtsfeldes,  einer  Erscheinung,  die  im  Wesentlichen  darin  be¬ 
steht,  dass  bei  der  zentripetalen  Einführung  des  Perimeter¬ 
objektes  und  direkter  Durchführung  nach  der  entgegengesetzten 
Seite  und  öfterem  Hin-  und  Herführen  des  Objektes  allmählich 
eine  Einengung  des  Gesichtsfeldes  zu  konstatiren  ist,  welche  zu¬ 
erst  von  Förster  in  Fällen  von  sogen.  Anaesthesia  retinae  ge¬ 
funden  wurde.  In  einer  grösseren  Arbeit  (1894)  habe  ich 3)  den 
Nachweis  geführt,  dass  dieses  Symptom  bei  Gesunden  fast  ebenso 
häufig  vorkommt  als  bei  Nervenkranken,  und  darauf  ebenso  wie 
Schmidt-Rimpler  die  Anschauung  basirt,  dass  dieser  Er¬ 
scheinung  die  Bedeutung  eines  objektiven  Kennzeichens  von 
Neurosen  abzusprechen  sei. 

Wenn  daher  Bruns  schreibt:  „Nur  nebenbei  will  ich  hier 
hervorheben,  dass  alle  die  Versuche,  speziell  die  besonders  „ob¬ 
jektiven“  Gesichtsfeldeinengungen  für  die  Diagnose  der  traii- 
mati  sehen  Neurosen  in  ihrem  Werth  herabzusetzen  dadurch,  dass 
man  nachweisen  wollte,  sie  kämen  auch  bei  Gesunden  vor,  als 
nicht  gelungen  bezeichnet  werden  müssen;  theilweise  haben  sie 
sogar  das  Gegentheil  von  dem  bewiesen,  was  sie  beweisen  wollten 
(Schmidt-Rimpler,  Peters,  V  o  ge  s)“,  so  habe  ich 
demgegenüber  zu  betonen,  dass  ich  für  meine  Person  niemals 
an  der  Objektivität  des  Symptomes  der  konzentrischen  Gesichts¬ 
feldeinengung  gezweifelt  habe,  wohl  aber  heute  noch  an  meiner 
Ansicht  festhalte,  dass  der  sogen.  Verschiebungstypus  in  dieser 
Hinsicht  ihr  nicht  an  die  Seite  gestellt  werden  darf.  Wohl  er¬ 
kenne  ich  an,  dass  diese  Erscheinung  eine  Minderleistung  des 
nervösen  Zentralapparates,  der  Psyche,  darstellt;  ich  leugne  aber, 
dass  es  eine  direkte  Ermüdungserscheinung  ist,  weil  man  durch 
Fortsetzung  des  Versuches  das  Gesichtsfeld  wieder  erweitern 


2)  Die  traumatischen  Neurosen.  Spez.  Patliol.  u.  Therapie 
von  Nothnagel,  1901. 

')  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.  1894,  Bd.  V. 


1190 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


kann,  was  mit  der  Annahme  einer  Ermüdung  schlechterdings 
unvereinbar  ist,  und  das  ebenso  häufige  Vorkommen  bei  Ge¬ 
sunden  lässt  es  mir  auch  heute  noch  rathsam  erscheinen,  von 
einer  Vervverthung  dieses  Symptome«  bei  der  Begutachtung  von 
Unfallkranken  lieber  ganz  abzusehen. 

Tm  Uebrigen  gestehe  ich  gern  zu,  dass  wir  zu  der  Zeit,  als 
die  Lehre  von  den  traumatischen  Neurosen  in  der  Entwicklung 
begriffen  war,  in  der  Bewrerthung  der  einzelnen  Symptome  viel¬ 
fach  zu  weit  gegangen  sind  insofern,  als  dadurch  öfters  die  Be- 
urtheilung  des  Gesammtbildes  in  den  Hintergrund  gedrängt 
wurde,  und  ich  habe  auch  die  Erfahrung  gemacht,  dass  Simu¬ 
lation  auf  diesem  Gebiete  wohl  seltener  ist,  als  wir  früher  ge¬ 
glaubt  haben. 

Das  eigentliche  Terrain  der  Simulation  ist  und  bleibt  die 
Herabsetzung  der  Sehschärfe  nach  direkten  Verletzungen  des 
Auges  und  wenn  auch  hierin  eine  Abnahme  zu  bemerken  ist,  so 
wird  der  Versuch  doch  noch  häufig  genug  unternommen,  so  dass 
ich  beispielsweise  zu  Beginn  meiner  hiesigen  Thätigkeit  in  der 
Lage  war,  auf  einmal  3  Simulantinnen  aus  dem  Bereiche  der 
landwirtschaftlichen  Berufsgenossenschaft  meinen  Zuhörern  zu 
demonstriren.  Diese  Simulationsversuche  würden  an  Zahl  sicher¬ 
lich  geringer  sein,  wenn  direkt  nach  dem  Unfälle,  der  ein  Auge 
betrifft,  die  Sehschärfe  des  anderen  geprüft  würde,  und  so  möchte 
ich  gerade  Ihnen,  meine  Herren  Kollegen,  die  sich  mit  all¬ 
gemeiner  Praxis  beschäftigen  und  oft  die  erste  Hilfe  leisten, 
diesen  Punkt  dringend  an’s  LIerz  legen.  Ebenso  möchte  ich 
Ihnen  gegenüber  zum  Schluss  noch  auf  Grund  langjähriger  Er¬ 
fahrung  die  Bitte  aussprechen,  bei  Hornhautverletzungen,  be¬ 
sonders  dort,  wto  komplizirende  Thränensackerkrankungen  vor¬ 
liegen,  nicht  erst  abzuwarten,  ob  eine  beginnende  Reizung  sich 
als  Infektion  zu  erkennen  gibt.  Die  Behandlung  dieser  Er¬ 
krankungen  erfordert  diagnostische  und  therapeutische  Hilfs¬ 
mittel,  die  dem  praktischen  Arzte  im  Allgemeinen  nicht  zu  Ge¬ 
bote  stehen,  und  wenn  es  irgendwo  gilt,  keine  Zeit  zu  verlieren, 
dann  ist  es  hier  der  Fall,  wo  aus  jeder  Progression  der  Geschwüre 
undurchsichtige  Narben  resultiren,  und  wenn  es  Ihnen  gelingt, 
die  Indolenz  der  arbeitenden  Bevölkerung  gegenüber  solchen  be¬ 
ginnenden  Infektionen  zu  überwinden,  so  können  alle  betheiligten 
Faktoren,  Patienten,  Aerzte  und  Berufsgenossenschaften,  Ihnen 
nur  dankbar  sein. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Lassar-Cohn:  Arbeitsmethoden  für  organisch-che¬ 
mische  Laboratorien,  ein  Handbuch  für  Chemiker,  Mediziner 
und  Pharmazeuten.  III.,  vollständig  umgearbeitete  und  ver¬ 
mehrte  Auflage.  Spezieller  Theil,  1.  und  2.  Abschnitt,  ä  7  Mark. 
Leop.  Voss,  Hamburg  und  Leipzig,  1901/2. 

Dem  im  Jahrgang  1901,  S.  1455  ausführlich  besprochenen 
„Allgemeinen  Theil“  seiner  Arbeitsmethoden  lässt  Lassar- 
Cohn  in  kurzer  Folge  Abschnitt  1  und  2  des  „Speziellen 
Theiles“  folgen.  Das  Lassar-Coh  n’sche  Handbuch  ist  in 
erster  Linie  für  den  Fachchemiker  berechnet;  es  ist  aber  gleich 
werthvoll  für  den  Mediziner,  der  organisch-chemisch  arbeiten 
will ;  für  diesen  sogar  ganz  besonders,  weil  der  Mediziner  im  All¬ 
gemeinen  noch  seltener  als  der  Fachchemiker  Gelegenheit  gehabt 
haben  wird,  alle  Methoden  organischen  Arbeitens  praktisch  zu 
üben.  Hierfür  gibt  nun  das  Lassar-Coh  n’sche  Buch  alle 
technischen  und  literarischen  Hilfsmittel.  Abschnitt  1  des  spe¬ 
ziellen  Theils  bespricht :  Azyliren,  Benzenyliren, 
Oximiren,  Alkalischmelzen,  Bromiren,  Chlo- 
riren,  Jodiren,  Fluoriren,  Austauschbarkeit 
der  Halogene;  der  2.  Abschnitt :  Darstellung  und 
Zerlegung  von  Salzen  und  Alkaloiden,  Diazo- 
tiren,  Estergewinnung  und  Aetherifizirung 
der  Phenole,  Kondensation.  Jedem  Kapitel  geht  eine 
kurze  Inhaltsangabe  voraus;  ausserdem  ist  jedes  einzelne  Kapitel 
von  einem  speziellen  Sachregister  gefolgt,  was  die  Benützung  des 
Buches  in  der  Praxis  sehr  erleichtert.  Heinz-  Erlangen. 

Professor  Dr.  Karl  B  e  c  k- New- York:  Die  Röntgenstrahlen 
im  Dienste  der  Chirurgie.  I.  Teil  (Text)  138  S.  II.  Teil  (Tafeln). 
München  1902,  Verlagsbuchhandlung  Seitz  &  Schauer. 


Der  um  die  Ausbildung  der  Lehre  von  den  Röntgenstrahlen, 
speziell  in  ihrer  Anwendung  auf  die  Chirurgie,  hochverdiente 
Verfasser  hat  im  vorliegenden  Werk  seine  reichen  Erfahrungen 
zusammengefasst  und  niedergelegt.  Dieselben  umfassen  einen 
Zeitraum  von  6  Jahren  und  sind  grösstenteils  in  den  bisherigen 
Arbeiten  des  Verfassers,  von  denen  das  Literaturverzeichnis  nicht 
weniger  als  54  aufweist,  enthalten.  Die  jetzige  Arbeit  ist  für 
Schüler  und  solche  Aerzte  bestimmt,  die  in  die  Technik  und 
Lehre  der  Röntgenuntersuchung,  soweit  das  Gebiet  der  Chirurgie 
in  Frage  kommt,  eingeführt  werden  wollen. 

Der  I.  Teil,  welcher  den  Text  enthält,  lehnt  sich  eng  an 
die  im  II.  Teil  enthaltenen  Tafeln  an.  Beide  Teile  ergänzen 
einander  und  geben  zusammen  ein  gutes  Bild  vom  jetzigen  Stande 
der  neuen  Lehre.  Nach  einer  schwungvoll  geschriebenen  Ein¬ 
leitung  über  die  Bedeutung  der  Röntgenstrahlen  für  die  Chi¬ 
rurgie  folgt  eine  Beschreibung  des  nothwendigen  Röntgen- 
armamentariums  und  der  Technik  der  Röntgenuntersuchung. 
Diesem  allgemeinen  Teil  folgt  zunächst  ein  ziemlich  ausführ¬ 
liches  Literaturverzeichnis,  das  etwa  bis  Mitte  1901  reicht.  Dann 
folgt  der  spezielle  Teil,  der  zunächst  in  topographisch-anato¬ 
mischer  Reihenfolge  Schädel,  Ilals,  Brust,  Bauch,  Becken  und 
untere  Extremitäten,  Schulter  und  obere  Extremitäten  abhandelt. 
Die  beiden  letzten  Kapitel  behandeln  die  Entzündungsprozesse 
und  Neubildungen,  sowie  die  pathologische  und  therapeutische 
Bedeutung  der  Röntgenbeleuchtung. 

Der  2.  Teil  bringt  in  65  meist  wohlgelungenen  Autotypien 
die  im  1.  Teil  besprochenen  Apparate  und  einzelnen  Körper¬ 
regionen  in  radioskopischer  Aufnahme.  Obgleich  die  Tafeln  den 
hohen  Anforderungen,  welche  wir  heute  an  die  Wiedergabe  von 
Röntgenbildern  zu  stellen  uns  gewöhnt  haben,  nicht  vollauf  ent¬ 
sprechen,  so  lassen  sie  doch  die  verschiedenen  Affektionen  fast 
durchweg  gut  erkennen  und  sind  wrohl  geeignet,  dem  Lernenden 
ein  Bild  der  Röntgenaufnahme  zu  geben.  Dass  die  Bilder  zu¬ 
weilen  etwas  gar  zu  schematisch  wiedergegeben  sind,  ist  viel¬ 
leicht  kein  zu  grosser  Nachtheil,  da  es  den  Lernenden  darüber 
aufklärt,  was  er  event.  einmal,  wenn  auch  nicht  so  deutlich  wie 
hier,  zu  sehen  sich  bemühen  soll.  Zu  solchen  Bildern  rechne  ich 
z.  B.  die  Gallensteine  Fig.  15  und  den  Blasenstein  Fig.  16;  ich 
glaube  kaum,  dass  andere  Untersucher  jemals  so  scharfe  Bilder 
dieser  Steine  zu  Gesicht  bekommen  haben. 

Als  ein  Mangel  muss  es  auch  bezeichnet  werden,  dass  das 
Werk  weder  ein  Inhaltsverzeichnis,  noch  ein  Register  hat.  Will 
der  Leser  sich  über  eine  bestimmte  Körperregion  orientieren,  so 
muss  er  sie  sich  erst  aus  dem  Text  heraussuchen. 

Abgesehen  von  diesen  kleinen  Mängeln  verdient  B.s  Werk 
uneingeschränktes  Lob  und  bietet  eine  vollkommene  Ergänzung 
zu  den  vielfachen  Bildwerken  aus  dem  Gebiete  der  Röntgen  - 
strahlcn,  welche  uns  das  letzte  Jahr  gebracht  und  die  zum  Teil 
nur  Spezialgebiete  der  Chirurgie,  zum  Teil  das  Gebiet  der 
inneren  Medizin  betrafen.  J  affe-  Hamburg. 

Dr.  Heinrich  Walther,  a.  o.  Professor  in  Giessen :  Die 
Krankheiten  der  Frauen  in  übersichtlicher  Darstellung  für 
Hebammen.  Verlag  von  E.  Staude,  Berlin  1902.  Preis 
—.60  M. 

In  schlichter,  klarer  Weise  schildert  der  Verfasser  alle  die¬ 
jenigen  Frauenkrankheiten,  deren  Symptome  den  Hebammen  be¬ 
kannt  sein  müssen,  wenn  sie  einen  guten  und  sachgemässen  Rat 
geben  sollen  —  in  die  Lage  dazu  kommen  sie  oft.  Nicht  heilen 
sollen  die  Hebammen,  wohl  aber  an  ihrem  Teil  dazu  beitragen, 
dass  die  Leiden  nicht  verschleppt,  sondern  rechtzeitig  dem 
Arzt  zur  Behandlung  überwiesen  werden.  Das  ist  die  Idee,  die 
dem  Autor  bei  der  Abfassung  seiner  kleinen  Schrift  vorgeschwebt 
hat;  und  damit  und  durch  die  Art,  wie  er  seiner  Aufgabe  gerecht 
geworden  ist,  hat  und  wird  er  sich  den  Dank  der  Aerzte,  der 
Hebammen  und  nicht  zuletzt  auch  der  leidenden  Frauen  er¬ 
werben. 

Zahlreiche  instruktive  Abbildungen  erläutern  den  Text  des 
Büchleins,  dem  wir  eine  weite  Verbreitung  in  den  Kreisen  der 
Hebammen  aus  voller  Ueberzeugung  wünschen  können. 

Max  Henkel-  Berlin. 


15.  Juli  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1191 


Dr.  Robert  Sommer,  Professor  an  der  Universität  Giessen : 
Beiträge  zur  psychiatrischen  Klinik.  I.  Band,  1.  Heft.  Mit 
30  Figuren.  Urban  &  Schwarzenberg,  Berlin  und  Wien 
1902.  64  Seiten.  Preis  2  Mark. 

Die  Beiträge  machen  sich  die  methodische  Analyse  der  bei 
den  Geisteskranken  zu  beobachtenden  Erscheinungen  zur 
Aufgabe.  Vor  Allem  wollen  sie  die  der  Messung  zugänglichen, 
oder  zugänglich  zu  machenden  Symptome  berücksichtigen,  so  die 
morphologischen  Abnormitäten,  die  motorischen  und  die  psycho¬ 
physischen  Vorgänge.  Auch  die  Ableitung  einer  wissenschaftlich 
begründeten  Behandlung  aus  der  Erkenntniss  der  inneren  Zu¬ 
stände,  die  Probleme  der  Heredität  und  Aehnliches  sollen  nicht 
vernachlässigt  werden,  Alles  unter  Betonung  der  Nothwendigkeit 
einheitlicher  Methoden,  welche  ein  vergleichbares  und  gemein¬ 
sames  Zusammenarbeiten  verschiedener,  auch  räumlich  ge¬ 
trennter  Forscher  an  den  gleichen  Fragen  gestatten. 

Im  vorliegenden  ersten  Heft  schildert  Sommer  Klinik  und 
grobe  Anatomie  eines  Kleinhirntumors,  der  diagnostizirt,  aber  bei 
der  Operation  nicht  gefunden  worden  war.  Im  Hinblick  auf  die 
Aenderung  der  Druckverhältnisse  in  der  Schädelhöhle  bei  der 
Operation  empfiehlt  Sommer,  solche  Operationen  in  zwei 
Zeiten  zu  machen:  Zunächst  die  Lumbalpunktion,  der  die  Er¬ 
öffnung  des  Schädels  folgt,  dann  die  Exstirpation  des  Tumors 
und  eine  eventuelle  Punktion  des  Ventrikels. 

Alber  verfolgt  die  Zitterbewegungen  eines  gesunden 
Menschen  unter  Alkoholwirkung  und  eines  Deliranten  mit  der 
graphischen  Methode  sehr  eingehend.  Im  letzteren  Falle  werden 
auch  die  Patellarreflexe  studirt  und  dokumentiren  ganz  parallel 
mit  den  zitternden  oder  ataktischen  Bewegungen  der  Hand  eine 
Abschwächung  des  zerebralen  Einflusses  auf  die  tiefer  lokalisirten 
Funktionen.  Die  Arbeit  bildet  indess  nur  den  Anfang  einer 
grösseren  Untersuchung  in  gleicher  Richtung. 

Der  Weg,  den  Sommer  sich  vorgenommen,  ist  ein  mühe¬ 
voller;  er  darf  aber  nicht  mehr  vernachlässigt  werden,  wenn  die 
Psychiatrie  allseitig  ausgebaut  werden  soll.  Hoffen  wir,  dass  die 
„Beiträge“  viele  verständnisvolle  und  mit  Laboratorien  aus¬ 
gerüstete  Mitarbeiter  bekommen,  die  die  Wissenschaft  dem  Ziele 
näher  bringen,  das  einem  einzelnen  Forscher  ganz  unerreichbar 
ist.  Bleuler  -  Burghölzli. 

Friedr.  Dannemann:  Grundriss  einer  Geschichte  der 
Naturwissenschaften,  zugleich  eine  Einführung  in  das  Studium 
der  grundlegenden  naturwissenschaflichen  Literatur.  I.  Bd. 

Erläuterte  Abschnitte  aus  den  Werken  hervorragender  Natur¬ 
forscher  aller  Völker  und  Zeiten.  2.  Aufl.  Mit  57  Abbildungen. 
Leipzig,  Verlag  von  Wilh.  Engelmann,  1902.  Preis  8  M. 

Dass  ein  Buch,  wie  das  vorliegende,  schon  nach  wenigen 
Jahren  —  die  erste  Auflage  erschien  1896  — eine  neue  Auflage 
erleben  konnte,  ist  ein  erfreulicher  Beweis  des  erstarkenden 
Interesses  für  die  Geschichte  unserer  Wissenschaften.  Der  Er¬ 
folg  des  Buches  ist  auch  vollauf  verdient;  denn  es  bietet  etwas, 
was  sonst  nicht  leicht  zu  finden  ist,  die  Möglichkeit,  in  die  grund¬ 
legenden  Werke  hervorragender  Männer  selbst  einzudringen, 
bahnbrechende  Arbeiten,  von  denen  jeder  gehört  hat,  die  aber  die 
Wenigsten  selbst  gelesen  haben,  durch  eigenes  Studium  in  ihren 
wichtigsten  Teilen  kennen  zu  lernen.  So  bringt  der  vorliegende 
Band  69  Abschnitte  aus  klassischen  naturwissenschaftlichen  Ab¬ 
handlungen  von  Aristoteles  bis  Heinrich  II  e  r  t  z,  darunter 
Teile  aus  den  Werken  der  Galilei,  Keppler,  Newton, 
Linne,  Kant,  Lavoisier,  Volta,  Wöhle  r,  Faraday, 
L  i  e  b  i  g,  Darwin,  Helmholt  z,  Pasteur  und  vieler 
anderer.  Kurze  erläuternde  Bemerkungen  sind  diesen  Ab¬ 
schnitten  vorausgeschickt.  Das  Werk  ist  in  hohem  Grade  ge¬ 
eignet,  zu  weiteren  geschichtlichen  Studien  anzuregen  und  es 
wäre  nur  zu  wünschen,  dass  die  Sammlung  noch  durch  weitere 
Bände  vervollständigt  würde,  wobei  dann  auch  die  grossen  Medi¬ 
ziner  zum  Worte  kommen  könnten. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie. 
Bd.  VI,  Heft  6.  1902. 

1)  Max  Schotten  us:  Ueber  die  Bedeutung  der  Darm¬ 
bakterien  für  die  Ernährung.  (Aus  dem  hygienischen  Institute 
der  Universität  Freiburg  i.  B.) 


Durch  D  u  c  1  a  u  x  wurde  experimentell  nachgewiesen,  dass 
der  Aufbau  der  organischen  Substanzen  in  den  Pflanzen  nur  bei 
Anwesenheit  von  Spaltpilzen  statttinden  kann. 

Dass  diese  Mitwirkung  von  Bakterien  auch  für  die  Ernährung 
des  tierischen  Organismus  notwendig  ist,  dafür  spricht  eine  Reihe 
von  feststehenden  biologischen  Tatsachen.  Verfasser  verfügt  über 
22  Versuche  am  Hühnchen,  die  gleichmässig  das  Resultat  ergaben, 
dass  bei  steriler  Züchtung  und  steriler  Nahrungsaufnahme  nie¬ 
mals  eine  Gewichtszunahme  eintritt;  im  Gegenteil  findet,  ähnlich 
wie  beim  Ilungerznstand,  trotz  der  meist  auffallenden  Fressgier 
der  Tiere,  eine  fortschreitende  Gewichtsabnahme  statt,  die  bis  zu 
einem  Verluste  von  32  Froz.  des  ursprünglichen  Körpergewichts 
führt.  Die  zur  gleichen  Zeit  gezüchteten  normalen  Ivontrolltiere 
liessen  dagegen  bei  gewöhnlicher  Nahrung  einen  Gewinn  von 
117  Proz.  des  ursprünglichen  Körpergewichts  erkennen. 

Nachdem  nun  durch  diese  Versuche  im  Prinzip  konstatiert  ist. 
dass  für  die  Ernährung  der  Tiere,  speziell  für  die  warmblütigen 
Wirbeltiere,  die  Tätigkeit  der  Darmbakterien  notwendig  ist,  wird 
es  sich  zum  Verständnisse  der  Physiologie  und  der  Pathologie  des 
Tractus  intestinalis  um  den  weiteren  Ausbau  dieser  biologischen 
Lehre  von  der  Ernährung  handeln. 

2)  Hans  Rüge -Berlin:  Physiologisches  über  Muskel¬ 
massage  nebst  einigen  therapeutischen  Bemerkungen.  (Mit 
3  Abbildungen.) 

Trotz  des  hohen  Alters  der  Massage  zu  Heilzwecken  ist  ihre 
wissenschaftliche  und  speziell  physiologische  Begründung  bisher 
noch  unvollkommen.  R.  studierte  den  Einfluss  der  Massage  auf 
den  Muskel,  und  zwar  verwandte  er  hierzu  teils  den  durchbluteten, 
teils  den  blutleeren  Gastroc-nemius  des  Frosches,  dessen  Muskel¬ 
zuckungen  er  nach  Einwirkung  von  elektrischen  Reizen  auf  eine 
berusste  Trommel  aufzeichnen  liess.  Zur  Beobachtung  gelangten 
die  Hubhöhen  und  der  Zuckungsverlauf  mit  und  ohne  ein¬ 
geschaltete  Massagen,  ferner  die  Wirkung  von  Pausen  und 
Massagen  bei  dem  durch  Tetanus  ermüdeten  Muskel. 

Die  Registrierung  der  Hubhöhen  ergab  kein  eindeutiges  Re¬ 
sultat;  dagegen  stellte  der  Zuckungsverlauf  beim  durchbluteten 
Muskel  fest,  dass  Massage  den  Muskel  leistungsfähiger  und  aus¬ 
dauernder,  sowie  vor  allem  flinker  zur  Arbeit  macht. 

Während  nämlich  die  Zuckung  des  Muskels  mit  zunehmender 
Ermüdung  immer  gedehnter  wird,  derselbe  sich  also  viel  lang¬ 
samer  zusammenzieht  und  wieder  ausdehnt  und  dadurch  eine 
niedere,  langhingezogene  Kontraktionskurve  erzeugt,  tritt  nach 
einer  Ruhepause,  in  viel  höherem  Grade  aber  nach  Massage  eine 
beträchtliche  Verkürzung  der  Kurve  auf.  Den  Einfluss  der 
Massage  kann  man  auch  am  ausgeruhten  Muskel  erkennen;  für 
den  ermüdeten  Muskel  leistet  die  Massage  erheblich  mehr,  als 
blosse  Ruhe;  kurze  Massage  von  3 — 5  Minuten  zeigte  häufig  eine 
grössere  Wirkung  als  Ruhepausen  von  10 — 20  Minuten.  Die 
Leistungsfähigkeit  eines  ermüdeten  Muskels  kann  nach  einer 
Massage  von  5  Minuten,  in  Kilogrammetem  ausgedrückt,  das 
Siebenfache  betragen  gegenüber  seinen  vorherigen  Leistungen. 
Zur  Erzielung  von  Tetanus  ist  nach  Massage  eines  Muskels  eine 
grössere  Reizfrequenz  notwendig,  als  vorher.  Dagegen  zeigte  der 
entblutete  Muskel  nach  Massage  eine  Abnahme  der  Arbeitsleistung 
gegenüber  einfachen  Ruhepausen. 

In  diesen  Experimenten  erblickt  Verfasser  einen  wissenschaft¬ 
lichen  Beleg  für  die  empirisch  gefundene  Zweckmässigkeit  von 
Massage  vor  Kraftübungen,  wie  Ringen,  Turnen;  vor  allem  glaubt 
er  die  Massage  der  Muskeln  für  Rekonvaleszenten  nach  langen 
Krankheiten,  insbesondere  aber  der  gesunden  Muskeln  bei  Patien¬ 
ten,  welche  in  Folge  von  Verletzungen  längere  Zeit  still  liegen 
müssen,  warm  empfehlen  zu  müssen;  ferner  dürfte  sich  dieselbe 
nach  körperlichen  Ueberanstrengungen  als  nützlich  erweisen. 

3)  Julian  M  a  r  c  u  s  e  -  Mannheim:  Der  gegenwärtige  Stand 
der  Lichttherapie. 

M.  fasst  seine  Ausführungen  folgendermassen  zusammen: 

Die  Finse  n’sche  Lupusbehandlung  ist  ein  Spezifikum,  das, 
nur  erschwert  durch  äussere  Verhältnisse,  einer  universellen  An¬ 
wendung  Hindernisse  bietet;  die  lokale  Lichtbehandlung,  abge¬ 
sehen  vom  Lupus,  ist  ein  bisher  ungelöstes  Problem,  die  allgemeine 
Bogenlichtbehandlung  eine  Methode,  die  bei  funktionellen  ner¬ 
vösen  Erkrankungen  als  psychische  Beeinflussung  heranzuziehen 
ist,  die  allgemeine  Glühlichtbeliandlimg  eine  Wärmeprozedur,  die 
nach  dem  augenblicklichen  Stand  unserer  technischen  Hilfsmittel 
als  die  beste  Massnahme  zur  Erzeugung  von  Schweiss  angesprochen 
werden  kann.  M.  Wassermann-  München. 

Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  26. 

A.  S  c  h  a  n  t  z  -  Dresden:  Zur  Operation  des  Klumpfusses. 

Wie  bekanntlich  das  Redressement  des  gewöhnlichen  ange¬ 
borenen  Klumpfusses  zweizeitig  ausgeübt  wird,  d.  h.  erst  nachdem 
die  Korrektur  der  Adduktions-  und  Rotationsstellung  des  Fusses 
erreicht  ist,  die  Achillotenotomie  ausgeführt  wird,  so  empfiehlt 
Sch.  auch  beim  paralytischen  Ivlumpfuss,  erst  den  Klumpfuss  zu 
redressieren  und  die  Sehnentransplantation  von  der  Achillessehne 
auf  die  Peroneussehne  auszuführen,  während  der  Fuss  zunächst 
in  Spitzfusstellung  bleibt,  erst  darnach  (wenn  solches  überhaupt 
sich  als  nötig  erweist)  eine  der  Methoden  zur  Verlängerung  der 
Achillessehne  auszuführen. 

Hagen-Torn-St.  Petersburg:  Statik  und  Dynamik. 
Kasuistischer  Beitrag. 


1192 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28: 


Besclireibung  eines  Falles  von  Amputation  des  Armes  und 
Beines  einer  Seite,  in  dem  Pat.  infolge  Uebung  seiner  Muskulatur 
(durch  Herumspi’ingen  auf  einem  Bein)  gerade  blieb,  d.  k.  eine 
Skoliose  sich  erst  dann  ausbildete,  als  der  Pat.  ein  künstliches 
Bein  benutzte;  doppelte  Krümmung  der  Wirbelsäule  ist  nach  H. 
in  solchen  Fällen  meist  durch  Muskelinsuffizienz  bedingt. 

P  r  z  e  wal  s  k  i  -  Charkow:  Ein  Fall  von  ausgesprochener 
Verlängerung  des  Femur  bei  einem  Erwachsenen  nach  Osteo- 
sarcoma  tibiae. 

Beschreibung  eines  Falles  von  kindskopfgrossem,  harten, 
kugelförmigen  Sarkom,  das  von  der  Diaphyse  der  Tibia  nach  vorn 
gewuchert  war  und  bei  dem  der  Oberschenkel  sich  um  3  cm,  der 
Unterschenkel  um  1  cm  gegenüber  der  anderen  Seite  verlängert 
zeigte.  Sehr. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  10.  Ed.,  3.  Heft. 
1902. 

13)  Rosenfeld:  Zur  Statistik  der  Deformitäten. 

Eine  ungemein  sorgfältige  und  interessante  Bearbeitung  eines 
eigenen  orthopädischen  Materiales  von  2000  Ifällen.  Namentlich 
wird  auch  die  Frage  der  Vererbung  von  Deformitäten  statistisch 
untersucht.  Auf  Einzelheiten  kann  hier  nicht  eingegangen  werden. 
Jedenfalls  bedarf  es  noch  weiterer  ähnlich  eingehender  Statistiken, 
um  Zufälligkeiten  auszuschliessen.  Zu  letzteren  ist  gewiss  z.  B. 
zu  rechnen,  dass  der  Ivlumpfuss  nach  R.s  Statistik  bei  beiden 
Geschlechtern  gleich  häufig  gefunden  wird. 

14)  S  c  h  u  1 1  h  e  s  s:  Zusammenhang  der  physiologischen 
Torsion  der  Wirbelsäule  mit  lateraler  Biegung  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zur  Skoliose. 

Kritik  einer  experimentellen  Arbeit  von  Lovett,  deren 
Wert  für  die  Bewegungen  der  normalen  Wirbelsäule  aner¬ 
kannt,  für  die  Skoliose  bestritten  wird. 

15)  Schulthess:  Die  Z  u  p  p  i  n  g  e  r  sehe  Skoliosen¬ 
theorie. 

Zurückweisung  der  von  Z.  aufgestellten  Theorie,  dass  das 
Primäre  bei  der  Dorsalskoliose  die  Deformierung  des  Thorax,  der 
Rippen  sei,  bedingt  durch  Druck  der  Schulbank  gegen  die  rechte 
vordere  B  nistwand. 

16)  Blencke:  Kongenitale  Verrenkung  der  Kniescheibe 
nach  oben. 

Er  berichtet  über  einen  wohl  einwandsfreien  Fall  von  an¬ 
geborenem  doppelseitigen  Hochstand  der  Patella,  bedingt  durch 
fehlerhafte  Keimanlage  oder  durch  angeborene  Erschlaffung  des 
Bandapparates.  Beschwerden  wurden  durch  diesen  Zustand  nicht 
oder  kaum  bedingt. 

17)  Karch:  Seitliche  Deviation  der  Fingerphalangen. 

Es  handelt  sich  um  eine  angeborene,  radialwärts  gerichtete 
Abknickung  der  Endphalanx  der  kleinen  Finger,  die  durch  Osteo¬ 
tomie  an  der  Mittelphalanx  beseitigt  wurde.  Eine  Untersuchung 
bei  41  weiblichen  und  41  männlichen  Personen  ergab  eine  der¬ 
artige  Abknickung  (aber  doch  wohl  nicht  kongenital?  Ref.)  bei 
11  bezw.  3  Individuen. 

18)  Bähr:  Der  Oberschenkelknochen  als  statisches  Pro¬ 
blem. 

Polemik  gegen  Ghillini  und  Canevazzi. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Ziegler’s  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie.  32.  Bd 

1.  Heft.  1902. 

1)  Karl  Sternberg:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  pathogene  Hefen.  (Aus  der  Prosektur  der  k.  k.  Kranken¬ 
anstalt  „Rudolfstiftung“  in  Wien.) 

In  der  vorliegenden  umfangreichen  Abhandlung  bringt  St.  zu¬ 
nächst  eine  Zusammenstellung  der  einschlägigen  zahlreichen  Ar¬ 
beiten  und  berichtet  dann  über  seine  eigenen  Experimente;  er  ver¬ 
wandte  zu  seinen  Injektionsversuchen  teils  Oidi umstämme,  teils 
echte  Hefen  (Blastomyceten,  Saccharomyceten).  Aus  den  Unter¬ 
suchungen  ergibt  sich,  dass  sowohl  Oidien  wie  Hefen  für  die  ver¬ 
schiedensten  Tierarten  pathogen  sein  können,  während  sie  doch 
wohl  für  den  Menschen  nur  geringe  pathologische  Bedeutung  be¬ 
sitzen.  Durch  massenhafte  Ansammlung  von  Hefen  kann  es  in 
Organen  des  Tierkörpers  zwar  zur  Bildung  von  Pseudo¬ 
tumoren  kommen,  n  i  e  aber  bilden  sich  nach  St.s  Unter¬ 
suchungen  echte  Neoplasmen,  wie  von  anderen  Autoren 
behauptet  wurde. 

2)  Ludwig  Talke:  Zur  Kenntnis  der  Lymphgefässneu- 
bildung  in  pleuritischen  Schwarten.  (Aus  der  chir.  Universitäts¬ 
klinik  zu  Königsberg  i.  P.) 

Die  vorliegende  Frage  ist  noch  wenig  diskutiert;  T.  sucht 
den  histologischen  Nachweis  neugebildeter  Lymphgefässe  an  peri¬ 
tonealen  Adhäsionen,  sowie  an  einer  durch  Verwachsung  der 
Kostal-  und  Parietalpleura  entstandenen  Schwarte  zu  erbringen. 
Er  findet  neugebildete  Lymphgefässe  in  verschiedenen  Formen; 
nämlich  als  Endothelröhrchen  mit  einfacher  Wand,  als  grössere 
Lymphgefässe  mit  zweischichtiger  Wandung,  Plexusbildung,  so¬ 
wie  Lymphspalten  im  Gewebe,  besonders  perivaskuläre  Lymph¬ 
gefässe.  Die  neugebildeten  Lymphgefässe  entstehen  wahrschein¬ 
lich  analog  den  Blutgefässen  aus  vorhandenen  Lymphgefässen. 

3)  P.  Kworostansky:  Chondrofibrom  des  Uterus.  (Aus 
der  Universitäts-Frauenklinik  in  Zürich.) 


K.  beschreibt  in  einem  Fibrom  des  Uterus  als  eigentümliche 
Elemente  Knorpel,  osteoides  Gewebe  und  Knochen. 
Aus  den  mikroskopischen  Bildern,  die  eine  sehr  eingehende  Be¬ 
sprechung  erfahren,  entnimmt  Verf.,  dass  es  sich  nicht  um  em¬ 
bryonale  Keimversprengung,  sondern  um  metaplastische 
Entstehung  jener  Gewebsarten  direkt  aus  dem  Fibromgewebe 
handle.  Ein  analoger  Fall  ist  unter  v.  Recklinghausen  be¬ 
arbeitet. 

4)  L.  Jores-Bonn:  Ueber  das  Verhalten  der  Blutgefässe 
im  Gebiet  durchschnittener  vasomotorischer  Nerven. 

Nach  der  Thoma  sehen  Theorie  führt  bekanntlich  eine 
längerdauernde  Stromverlangsamung  zur  Wucherung  der  Intima. 
J.  untersucht  nun  bei  einseitig  durchschnittenem  Halssympathikus 
vergleichend  die  beiderseitigen  Gefässe,  und  konstatiert  wohl  Er¬ 
weiterung-  des  Gefässlumens  auf  der  verletzten  Seite,  vermisst 
aber  eine  vikariierende  Intimawucherung.  Damit  ist  wieder  ein 
Einwand  gegen  die  Richtigkeit  der  Thoma  sehen  Theorie,  die 
schon  von  anderen  Seiten  stark  angegriffen  worden  ist,  gegeben. 

5)  H.  Merkel:  Kasuistischer  Beitrag  zu  den  Missbildungen 
des  männlichen  Genitalapparates.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu 
Erlangen.) 

Verf.  berichtet  über  den  Sektionsbefund  einer  einseitigen 
Hodenverdopplung;  ausgehend  von  der  Forderung,  dass 
nur  der  auatomische  Nachweis  die  Diagnose  sichert,  stellt  M. 
4  Fälle1)  von  einseitiger  Hodenverdopplung  aus  der  Literatur  zu¬ 
sammen.  Die  zweite  berichtete  Missbildung  betrifft  einen 
Pseudohermaphroditismus  masculinus  inter¬ 
nus;  bei  völlig  normalen  männlichen  äusseren  Genitalien  wurde 
ein  vollständig  ausgebildeter  Uterus  gefunden  mit  Tuben  und  Lig. 
lat.um,  in  welch  letzterem  sich  die  beiden  Hoden  (analog  der  Lage¬ 
rung  der  Ovarien)  vorfanden.  Die  ganzen  inneren  Genitalien 
—  Uterus  mit  Tuben  und  Hoden  —  lagen  als  angeborener  Skrotal- 
bruch  im  rechten  Hodensackabschnitt;  der  linke  war  leer! 

H.  Merkel-  Erlangen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  27 

1)  Ri  edel- Jena:  Die  minimale  Narkose  bei  kleineren  chi¬ 
rurgischen  Eingriffen,  speziell  bei  der  Reposition  von  Radius- 
und  Knöchelbrüchen. 

Diese  Narkosen  nimmt  R.  mittels  der  Tropf methode  vor  und 
verwendet  bei  dem  nüchternen  Patienten  binnen  2  Minuten  80  bis 
100  Tropfen  Chloroform,  wodurch  eine  für  kleinere  Eingriffe  hin¬ 
reichende  Anästhesie  erzeugt  wird,  während  der  Patient  noch  alles 
merkt,  was  mit  ihm  vorgenommen  wird.  Das  gewünschte  Stadium 
der  Analgesie  ist  erreicht,  sobald  der  Kranke  anfängt,  im  gering¬ 
sten  unregelmässig  zu  zählen.  Kropfoperationen  macht  Verf.  ohne 
allgemeine  Narkose.  Besonders  für  einen  mit  Schmerzen  ver¬ 
bundenen  Verbandwechsel  ist  die  minimale  Narkose  zu  empfehlen, 
ferner  für  Zahnextraktionen,  Furunkelinzisionen,  ganz  speziell 
aber  für  die  richtige  Reposition  der  Radius-  und  Knochenbrüche, 
in  deren  Behandlung  noch  reichlich  Fehler  gemacht  werden.  Verf. 
beschreibt  die  Art  der  von  ihm  geübten  Reposition,  sowie  die  Ver¬ 
wendung  des  von  ihm  gebrauchten  Schienenverbandes,  den  er 
nach  3  Tagen  zum  ersten  Male  abnimmt,  dann  wieder  nach 
4  Tagen;  nach  3  Wochen  wird  jeder  Verband  entfernt  und  mit  der 
Massage  begonnen.  Die  Patienten  mit  Knöchelbrüchen  lässt  R. 
8 — 12  Wochen  im  Bette  liegen. 

2)  J.  Morgen  roth  und  H.  S  a  c  h  s  -  Frankfurt  a.  M.: 
Ueber  die  Kompletierbarkeit  der  Ambozeptoren. 

Nicht  zu  kurzer  Wiedergabe  des  Inhaltes  geeignet. 

3)  G.  A  s  c  o  1  i  und  F.  F  i  g  a  r  i  -  Genua:  Ueber  Nephrolysine. 

In  dieser  Mitteilung  berichten  die  Verf.  über  die  Wirkung  der 

von  ihnen  sog.  Nephrolysine  auf  das  Zentralnervensystem,  welche 
sie  in  der  Weise  studierten,  dass  sie  Hunden  eine  Trepanatious- 
wunde  anlegten  und  mittels  langer  Nadel  das  Serum  subdural  bei¬ 
brachten.  Die  auftretenden  Erscheinungen  Avaren  teils  depres- 
sorischen,  teils  sehr  ausgesprochen  krampfartigen  Charakters,  ohne 
dass  die  genauere  Aid  der  Giftwirkung  bisher  bekannt  wäre.  Von 
Wichtigkeit  ist  besonders  die  Art  der  Einbringung  unter  die  Dura. 
Wie  schon  früher  erwähnt,  rufen  die  Nephrolysine  besonders  auch 
Nierenschädigungen  (Albuminurie),  sowie  bestimmte  Wirkungen 
auf  die  Zirkulation  hervor.  Die  am  Nervensystem  auftretenden 
Erscheinungen  können  unschwer  in  eine  gewisse  Parallele  mit  den 
urämischen  Erscheinungen  gebracht  werden  und  ist  ein  Teil  der 
klinischen  Symptome  der  chronischen  Nephritiden  mit  ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit  auf  die  Bildung  von  Autonephrolysinen  zu  be¬ 
ziehen. 

4)  K.  L  i  e  p  e  1 1  -  Berlin:  Ulnarislähmung  nach  Typhus  ab¬ 
dominalis. 

In  der  Literatur  sind  bisher  im  ganzen  16  Fälle  von  isolierter 
Ulnarislähmung  nach  Unterleibstyphus  bekannt  geworden.  In  dem 
vom  Verf.  beschriebenen  Falle  handelte  es  sich  um  einen  20jähr. 
Gärtner,  bei  dem  die  periphere  Lähmung  im  rechten  Ulnarisgebiet 
nach  einem  mittelscliAveren  Typhus  auftrat.  Eine  Heilung  ist  bis¬ 
her  noch  nicht  erfolgt,  wie  auch  bei  der  grösseren  Zahl  der  ander¬ 
weitig  beschriebenen  Fälle.  Die  Prognose  speziell  der  Ulnaris¬ 
lähmung  scheint  daher  nicht  so  günstig  zu  sein,  wie  der  übrigen 
posttyphösen  Neuritiden. 

9  Ein  5.  Fall  von  Lossen,  in  der  Festschrift  des  Dresdener 
Krankenhauses  1899  beschrieben,  ist  Verf.  entgangen! 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1193 


15.  Juli  1902. 


5)  E  u  g  c  1  m  a  u  n  -  Berlin:  Ueber  einen  doppelseitigen,  kon¬ 
genitalen  Knorpelrest  am  Halse. 

Bisher  sind  nur  3  Fälle  von  doppelseitigem  Vorkommen  dieser 
Bildung  beschrieben,  14  von  einseitigem.  Im  beschriebenen  Falle 
war  der  Träger  der  Hemmungsbildung,  welche  sich  mikroskopisch 
unzweifelhaft  als  Knorpel  darstellte,  der  dem  2.  Kiemenbogen 
entstammt,  ein  20  jälir.  russischer  (Student,  dessen  Vater  übrigens 
dieselben  Auswüchse  am  Halse  gezeigt  hatte.  Es  handelt  sich  bei 
diesen  Bildungen  nicht  allein  um  Enchondrome  im  (Sinne  V  i  r  - 
cliows,  sondern  auch  um  eine  atavistische  Erscheinung. 

6)  F.  Meyer- Berlin  und  L.  A  s  c  h  o  f  f  -  Güttingen:  Ueber 
die  Rezeptoren  der  Miiclieiweisskörper. 

Die  Verf.  haben  die  Resultate  ihrer  im  Pasteur  sehen  In¬ 
stitut  entstandenen  Untersuchungen  in  17  (Schlussätzen  nieder¬ 
gelegt,  die  sich  nicht  für  einen  kurzen  Auszug  eignen. 

7)  W.  v.  ü  e  1 1  i  n  g  e  n  -  Berlin:  Die  Behandlung  des  ange¬ 
borenen  Klumpfusses  beim  Säugling.  (Schluss  folgt.) 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  20. 

11.  Sch  ul  z- Greifswald:  Zu  Karl  Binz'  siebzigstem  Ge¬ 
burtstage. 

1)  E.  v.  K  o  zi  c  z  k  o  w  s  k  y  -  Kissingen:  Ueber  die  klinische 
Verwertbarkeit  der  Sahli  sehen  Methode  zur  Funktionsprü- 
fung  des  Magens. 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

2)  A.  Hess:  Zur  Kenntnis  der  Venenthrombose  beim  akuten 
Gelenkrheumatismus. 

Unter  eingehender  Behandlung  der  einschlägigen  Literatur 
teilt  H.  2  Fälle  mit,  welche  sich  durch  ungewöhnliche  Lokalisation 
der  Thrombose  auszeichnen;  im  ersten  Falle  war  neben  Throm¬ 
bosen  der  Extremitätenvenen  die  Vena  cava  inferior,  im  zweiten 
neben  oben  erwähnten  die  Vena  cava  superior  betroffen,  im 
2.  Falle,  der  letal  endete,  konnte  mikroskopisch  der  entzündliche 
Prozess  nachgewiesen  werden;  die  Gef äss wand  wie  das  um¬ 
gebende  Gewebe  zeigten  starke  kleinzellige  Infiltration.  Eine  Ein¬ 
wirkung  seitens  der  Blutstase  auf  die  Thrombenbildung  kann  je¬ 
doch  bei  dem  Befallensein  des  Herzens  und  der  Lungen  nicht 
negirt  werden.  Dass  die  an  und  für  sich  relativ  günstige  Prognose 
des  akuten  Gelenkrheumatismus,  der  trotz  schwerster  Kompli¬ 
kationen  von  (Seiten  des  Herzens,  der  Lungen,  Nieren  und  des 
Nervensystems  und  trotz  monatelangen  Fiebers  oft  in  wunder¬ 
barer  Weise  abheilt,  auch  durch  die  Thrombose  der  grossen  Hohl¬ 
venen  nicht  hoffnungslos  wird,  lehrt  der  erste  mitgeteilte  Fall, 
der  unter  Zurückgehen  aller  Krankheitserscheinungen  zur  voll¬ 
ständigen  Heilung  kam. 

3)  A.  Moeller-  Belzig:  Ueber  säurefeste  Bakterien. 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  am  3.  Februar  l'J02 

gehaltenne  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  W  ochenschrift 
1902,  No.  6,  pag.  255. 

4)  E.  Beck  er -Charlottenburg:  Ueber  die  durch  Triclio- 
kephalus  dispar  verursachten  Krankheitszustände. 

Kasuistische  Mitteilung  zweier  Fälle  von  Anämie,  welche 
höchst  wahrscheinlich  durch  den  Trichokeplialus  bedingt  waren. 

Aus  dem  kurzen  U eberblick  über  die  Literatur  und  den  mit¬ 
geteilten  Fällen  geht  hervor,  dass  die  Trichokephalen  im  Stande 
sind,  3  verschiedene  Krankheitszustände  hervorzurufen: 

1.  Symptome  von  seiten  des  Magendarmkanals,  starken  Dick¬ 
darmkatarrh  mit  Geschwürsbildung,  reichlichen  Diarrhöen,  Blut  im 
Stuhl,  auch  mit  peritonitischen  Erscheinungen,  Erbrechen,  leb¬ 
haften  Schmerzen  und  perityphlitische  Zustände. 

2.  Symptome  von  seiten  des  Nervensystems:  Himerscliei- 
nungen,  Kopfschmerzen,  Schwindelgefühl,  Aphonie,  Erscheinungen 
einer  Meningitis. 

3.  Symptome  von  seiten  des  Blutes:  Anämie  mit  ihren  Folge¬ 
erscheinungen,  Kopfschmerz,  Schwindel,  Herzklopfen,  Mattigkeit, 
aber  auch  Leibschmerzen  verbunden,  welch  letztere  auf  den  Ur¬ 
sprung  hinweisen  können. 

5)  A.  Winter-  Hagenau  i/Els.:  Die  Beurteilung  der  Quali¬ 
tät  der  Frauenmilch  nach  ihrem  mikroskopischen  Bilde. 

Bemerkungen  zu  dem  Aufsatz  von  Dr.  F  riedmann  in 
No.  4  dieser  Wochenschrift. 

6)  Beyer- Lome,  Togo:  Zur  Frage  der  Bekämpfung  der 
Malaria  in  unseren  westafrikanischen  Kolonien. 

7)  H.  Z  i  e  m  a  n  n:  Nachtrag  zu  dem  Aufsatz:  „Ueber  Loma- 
dera,  eine  Art  äusserst  verbreiteten  Texasfiebers  in  Venezuela“, 
in  No.  20  und  21  der  Deutsch,  med.  Wochenschr. 

8)  H.  Strebei  -  München:  Mitteilung  über  wirksame  Licht¬ 
generatoren  in  der  Therapie.  M.  Lache  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  27.  1)  G.  Gärtner-Wien:  Ueber  intravenöse  Sauer- 

stoffinfusionen.  (Schluss  folgt.) 

Bei  Hunden  hat  G.  Sauerstoffgas  in  die  V.  jug.  externa  in¬ 
fundiert  und  konnte  sich  überzeugen,  dass  reines  Sauerstoffgas 
in  grossen  Mengen  und  durch  lange  Zeit  in  das  Venensystem  eines 
Hundes  eingeleitet  werden  kann,  ohne  dass  irgend  welche  Schä¬ 
digungen  des  Tieres  auftreten.  Die  Herztätigkeit  der  Hunde  ist 
während  der  Einleitung  des  Gases  von  einem  lauten  Plätscher¬ 


geräusch  begleitet.  Der  Blutdruck  erfährt  keine  Veränderung, 
nur  bei  stürmischer  Einverleibung  tritt  eine  Senkung  ein.  Der 
eingeleitete  Sauerstoff  wird  offenbar  rasch  vom  Blute  aufgenom¬ 
men.  Aus  den  Einzelheiten  der  Versuche  ergab  sich  ferner  auch, 
dass  die  Zentren  der  Blutgefässnerven,  wie  auch  schon  früher 
angenommen  wurde,  tatsächlich  durch  Sauerstoffmangel  erregt 
werden.  Bei  Einverleibung  von  Luft  tritt  unmittelbar  nach  der 
Infusion  ein  rapides  Sinken  des  Blutdruckes  und  der  Tod  ein. 

2)  C.  P  e  z  z  o  1  i  -  Wien:  Ueber  die  Reaktion  des  Prostata- 
sekretes  bei  chronischer  Prostatitis. 

F  ürbringe  r  hat  die  Fähigkeit  des  Prostatasekretes,  das 
in  den  Spermatozoen  latente  Leben  zu  erwecken,  mit  der  sauren 
Reaktion  des  Sekretes  in  Zusammenhang  gebracht  und  Finger 
hat  festgestellt,  dass  Individuen  mit  chronischer  Prostatitis  und 
alkalischem  Sekret  im  irischen  Ejakulate  unbewegliche  oder  rasch 
absterbende  Spermatozoen  haben.  Diesen  Beobachtungen  hat 
Lohnstein  widersprochen.  P.  weist  nun  nach,  dass  die  Unter¬ 
suchungen  von  Lohnstein  keinen  Anspruch  auf  Zuverlässig¬ 
keit  haben,  da  er  bei  denselben  sich  eines  ungeeigneten  Säure¬ 
indikators,  nämlich  des  Phenolphthaleins,  bedient  hat,  das  bei 
peptonreichen  Flüssigkeiten,  wie  es  eitrige  Flüssigkeiten  und 
Sperma  darstellen,  keine  Verwendung  finden  kann.  Die  Titrierung 
muss  mit  Lakmustinktur  vorgenommen  werden,  wie  Verf.  an 
seinen  Nachuntersuchungen  dartut.  Nach  letzteren  sind  die  An¬ 
gaben  von  Finger  und  F  ürbringe  r  gegenüber  den  Lohn¬ 
st  e  i  n  sehen  vollkommen  aufrecht  zu  erhalten.  Die  alkalische 
Reaktion  des  Prostatasekretes  hat  demnach  aut  die  Beweglichkeit 
der  Spermatozoen  einen  deletären  Einfluss. 

3)  K.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Wien:  Ueber  einige  serodiagnostische 
V  ersuche. 

Verf.  hat  das  Serum  von  Kranken,  welche  an  verschiedenen 
Infektionskrankheiten  litten  (z.  B.  Pemphigus,  Erysipel,  Purpura), 
auf  seine  hämolytische  Wirkung  untersucht,  konnte  aber  keine 
positiven  Resultate  erzielen,  so  dass  ein  Behelf  für  die  Diagnose 
sich  hieraus  nicht  gewinnen  liess. 

4)  A.  Glion  -  Wien:  Ueber  die  Meningitis  bei  der  Influenza¬ 
erkrankung. 

Verf.  veröffentlicht  2  Fälle  dieser  Art,  einen  33  jähr.  Agenten 
und  ein  8  Monate  altes  Brustkind  betreffend,  mit  allen  Einzel¬ 
heiten  des  histologischen  und  bakteriologischen  Befundes.  Der 
Nachweis  der  Infiuenzabazillen  erfolgte  durch  die  Kultur;  doch  ist 
das  Kulturverfahren  nach  den  Erfahrungen  des  Verf.  nicht  immer 
zuverlässig.  Der  1.  Fall  des  Autors  stellt  sich  als  eine  von  der 
Stirnhöhle  aus  fortgeleitete  Infektion  dar,  der  2.  als  eine  meta¬ 
statische.  Die  in  der  Literatur  bisher  beschriebenen  Fälle  ähn¬ 
licher  Art  verdienen  eine  strenge  Sichtung,  so  dass  nur  wenige 
echte  Fälle  übrig  bleiben.  Es  handelt  sich  beim  Auftreten  solcher 
zerebraler  Lokalisationen  zum  Teil  um  Mischinfektionen,  zum  an¬ 
deren  Teil  um  Reininfektionen.  Von  den  12  beobachteten  und 
sichergestellten  Fällen  handelte  es  sich  8  mal  um  Kinder,  nur 
4  mal  um  Erwachsene.  Grassmann  -  München. 

Französische  Literatur. 

Moreul  und  Rieux:  Die  pathogene  Einheit  der  Dys¬ 
enterie,  Spezifität  ihres  Erregers,  Indikationen  zur  Serum¬ 
therapie.  (Revue  de  medecine,  Februar  1902.) 

ln  dieser  ausführlichen  Arbeit  beschreiben  Verfasser,  welche 
ihre  Untersuchungen  bei  Dysenterieepidemien  und  Einzelfällen  im 
französischen  Departement  Finistere  und  in  Tunis  angestellt 
haben,  als  einzigen  Erreger  der  Ruhr  einen  Bacillus  coli,  welcher 
ganz  spezifische  Färbe-  und  Kultureigentümlichkeiten  hat  und 
sowohl  bei  der  europäischen  wie  tropischen,  bei  der  endemischen 
wie  epidemischen,  bei  der  schweren  und  gutartigen  Form  als  der 
spezifische  Ruhrbazillus  anzusehen  ist.  Im  ersten  Teile  der  Arbeit 
werden  verschiedene  Typen  der  Krankheit  beschrieben  und  der 
Mikrobenassoziation  gedacht,  welche  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
jedoch  nicht  vorhanden  ist  und  nur  der  endemischen  Form,  mitt¬ 
lerer  oder  schwerer  Art,  zugehört.  Der  zweite  Teil  enthält  die 
ausführliche  Beschreibung  des  spezifischen  Erregers,  welcher  in 
seinen  äusseren  Formen  variabel  wie  der  Esche  rieh  sehe  und 
Eberthsche  Bazillus  ist,  durch  alle  Anilinfarben,  jedoch  nicht 
nach  Gram  färbbar  ist,  die  Ueberimpfungsresultate  des  Bazillus 
auf  Tiere  (Meerschweinchen,  Hunde,  Pferde)  und  dessen  Aggluti¬ 
nationsfähigkeit.  Der  dritte  Teil  der  Arbeit  beschreibt  die  Ver¬ 
suche  zur  Herstellung  eines  Heilserums  durch  Immunisierung  von 
Pferden;  nach  Ansicht  der  Verfasser  würde  sich  dieses  Serum  vor 
allem  zur  Bekämpfung  der  epidemischen  Ruhr  eignen,  es  sei  etwa 
auf  die  gleiche  Stufe  zu  stellen,  wie  das  von  Chantemesse 
hergestellte  und  so  erfolgreich  angewandte  Serum  gegen  den 
Typhus,  und  neben  dem  gewöhnlichen,  dem  subkutanen  \\  ege  der 
Einverleibung  käme  hier  auch  der  rektale  in  Betracht.  Zum 
Schlüsse  bekennen  die  beiden  Autoren,  dass  die  Beweiskette  für 
ihre  Angaben  noch  nicht  ganz  geschlossen  und  besonders  noch 
Untersuchungen  über  den  Ruhrbazillus  in  den  Ländern,  wo  die 
Krankheit  endemisch  ist  (Cochinchina)  angezeigt  seien. 

Busquet:  Beitrag  zum  Studium  der  Typhuspneumonie. 
(Ibidem.) 

Auf  Grund  von  drei  mitgeteilten  Beobachtungen,  welche 
sämtlich  junge  Leute  (Soldaten)  betrafen,  ergab  es  sich,  dass 
die  Lungenkomplikation  beim  Typhus  der  Assoziation  der  beiden 
pathogenen  Keime,  des  Eber  th  sehen  Bazillus  mit  dem  Tala- 


1194 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  28. 


mou-Fraenkel  sehen  Pneumokokkus,  zuzuschreiben  ist,  der 
Lungenpi’ozess  dabei  aber  durch  letzteren  allein  zustande  kommt. 
In  diesen  Fällen  ist  es  bald  der  eine,  bald  der  andere  Keim, 
welcher  die  primäre  Infektion  hervorruft,  d.  h.  bald  erscheint  die 
Pneumonie  am  Anfänge,  um  die  Widerstandsfähigkeit  des  Orga¬ 
nismus  zu  vernichten,  so  dass  die  sekundäre  Invasion  des 
E  b  e  r  t  h  sehen  leicht  ermöglicht  ist,  bald  ist  es  umgekehrt.  So¬ 
wohl  in  diesen  3  Fällen,  wie  in  anderen,  aus  der  Literatur  be¬ 
kannten,  zeigte  es  sich,  dass  der  erstere  Weg  meist  eine  leichtere 
Form  der  Erkrankung,  der  zweite  eine  schwerere  und  nicht  selten 
tödliche  Form  anzeigt. 

Mathis:  3  Fälle  von  Malariapolyneuritis.  (Ibidem.) 

Neben  dem  N.  isekiadieus  scheint  der  N.  cubitalis  der 
häufigste  Sitz  der  bei  Malaria  vorkommenden  Neuritis  zu  sein; 
von  40  Beobachtungen,  welche  Verfasser  aus  der  Literatur  sam¬ 
melte,  war  21  mal  der  Cubitalis  mehr  oder  weniger  befallen  und 
werden  hier  3  weitere,  selbst  beobachtete  Fälle  dieser  Art  beigefügt. 
In  einem  Falle  waren  die  Gebiete  des  N.  radialis  und  musculo- 
cutaneus  (Atrophie  des  Biceps,  Muse,  coraco-brackialis)  in  be¬ 
sonderem  Masse  befallen.  Durch  die  geeigneten  therapeutischen 
Massnahmen  (Hydrotherapie,  Elektrizität)  sind  diese  Formen  von 
Neuritis  —  die  differentialdiagnostischen  Merkmale  von  anderen 
verwandten  Krankheitstypen  hebt  M.  bei  jedem  seiner  Fälle  her¬ 
vor  —  der  Besserung  leicht  zugänglich,  wenn  auch  definitive  Hei¬ 
lung  oft  längere  Zeit  in  Anspruch  nimmt. 

Chelmonski:  Der  Zustand  des  Nervensystems  bei  den 
Phthisikern  und  sein  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Tuberkulose. 
(Revue  de  medeciue,  März  1902.) 

Bei  fast  allen  Lungenkranken  kann  man  die  Symptome  der 
Neurasthenie,  Hysterie  oder  Hysteroneurasthenie  konstatieren. 
Gewisse  Geistesstörungen,  welche  schon  seit  langem  bei  den 
meisten  Phthisikern  beobachtet  worden  sind,  haben  nach  Ch.s 
Ansicht  nichts  für  diese  Krankheit  Charakteristisches,  sondern 
stellen  nur  ein  Symptom  der  Nervenschwäche  (Neurasthenie)  dar. 
Der  Zustand  des  Nervensystems  bei  den  Phthisikern  beeinflusst 
in  ungünstiger  Weise  den  Verlauf  der  Tuberkulose.  Das  Nerven¬ 
system  muss  daher  bei  der  Behandlung  der  Lungentuberkulose 
mehr  wie  bei  jeder  anderen  chronischen  Krankheit  in  Betracht 
gezogen  werden. 

Bacaloglu:  Die  am  Krankenhause  des  Enfants  malades 
zu  Paris  von  1.  März  bis  1.  September  1900  beobachteten  Krank¬ 
heiten.  (Revue  de  medeciue,  Januar — März  1902.) 

Es  handelt  sich  hier  nur  um  die  Fälle,  welche  als  „zweifel¬ 
haft“  in  eiue  Isolierabteilung  des  grossen  Kinderspitales,  die  im 
Jahre  1890  speziell  zu  diesem  sehr  wichtigen  Zwecke  gegründet 
wurde,  gebracht  worden  sind.  Beschreibung  dieser  Abteilung, 
welche  in  keinem  grösseren  Kinderspitale  fehlen  sollte,  sta¬ 
tistische  Angaben  über  die  verschiedenen  dabei  beobachteten 
Krankheiten  mit  Einreihung  von  Einzelfällen,  die  therapeutischen 
und  hygienisch-prophylaktischen  Massnahmen.  Naturgemäss  sind 
hier  fast  alle  im  Kindesalter  vorkommenden  Krankheiten  an¬ 
geführt,  besonders  eingehend  die  Fälle  von  Masern,  Scharlach, 
Diphtherie,  von  nichtdipktheritiscker  Angina  und  die  bezügliche 
Therapie  beschrieben.  Betreffs  der  Einzelheiten  ist  die  instruktive 
Originalarbeit  einzusehen. 

T  a  v  e  1  -  Bern:  Die  Resektion  des  Nervus  pudendus  internus 
beim  Vaginismus  und  Pruritus  vulvae.  (Revue  de  Chirurgie, 
Februar  1902.) 

Die  allgemeine  topographische  Beschreibung  der  vom  N.  pud. 
intern,  versorgten  Teile,  der  Verlauf  desselben,  seine  Beziehungen 
zur  entsprechenden  Arterie  und  seine  Verzweigungen  sind  einer 
Arbeit  des  Berner  Prof.  Strasse  r  entnommen.  Die  Resektion 
dieses  Nerven  kommt  bei  allen  hartnäckigen  Fällen,  welche  ge¬ 
wöhnlich  jeder  Therapie  trotzen,  in  Betracht  und  führt  in  der 
Tat,  wie  die  von  T.  angeführten  2  Fälle  beweisen,  zur  Heilung. 
Bei  der  kompleten  oder  partiellen  Resektion  des  N.  pud.  intern, 
muss  man  in  erster  Linie  die  Durchschneidung  der  analen  Aeste 
bei  beiden  Geschlechtern  und  des  N.  dorsalis  penis  beim  Manne 
zu  vermeiden  suchen.  Das  genaue  Verständnis  des  operativen 
Eingriffes  ist  nur  vermittels  der  beigegebenen  Zeichnungen  mög¬ 
lich,  es  sei  hier  nur  angegeben,  dass  T.  die  Inzision  in  der  Länge 
von  8 — 10  cm  für  notwendig  hält  und  sie  in  der  Mitte  des  Raumes, 
welcher  das  Tuber  ossis  ischii  vom  Anus  trennt,  in  sagittaler 
Richtung  macht.  Diese  Inzision  wird  andererseits  durch  die 
Linea  interischiadica  in  2  Teile  geteilt.  Bezüglich  der  Nach¬ 
behandlung  ist  hervorzuheben,  dass  die  “Drainage  keinen  Wert  hat; 
in  den  2  von  T.  behandelten  Fällen,  wo  es  sich  um  verheii'atete 
Finnen,  eine  48jähi-ige,  die  seit  einer  Reihe  von  Jahren  an 
Pruritus  vulvae  litt,  und  eine  28  jährige  handelte,  die  lange  Zeit 
von  heftigem  Brennen  an  der  Vulva  und  beim  U linieren  geplagt 
wurde,  ist  die  Heilung  ohne  Drainage  mit  vollem  Eilolg  und  ohne 
die  geringste  Reaktion  eingetreten. 

Chai'les  Julliard:  Die  klinische  Verwendung  der  Cyto¬ 
logie,  der  Kiyoskopie  und  der  Hämatolyse  bei  serösen  Ergüssen. 
(Ibidem.) 

In  dieser  ausführlichen  Arbeit  wird  die  Verwertung  der  drei 
angeführten  LTntersuchungsxnetkoden  bei  serösen  Ergüssen  in  den 
Hodensack,  in  Gelenkhöhlen,  in  Hernien  dargestellt.  Die  Haupt¬ 
schlüsse  der  interessanten  Ex-gebnisse  J  u  1 1  i  a  r  d  s  seien  hier  an¬ 
geführt.  Der  Zelleninhalt  eines  Ergusses  ist  der  direkte  Beweis 
der  Reaktion,  welche  die  Serosa  dem  irritierenden  Agens  entgegen¬ 


gesetzt  hat,  sei  es,  dass  dasselbe  infektiösen,  toxischen  oder  trau¬ 
matischen  Urspnxngs  ist,  d.  h.  der  Zelleninhalt  steht  in  innigem 
Zusammenhang  mit  dem  mehr  oder  weniger  hohen  Grade  des 
Krankheitsprozesses  und  nicht  mit  der  Natur  seines  Ursprungs. 
Die  verschiedenen  Stadien  der  Intensität  scheinen,  von  der  schwä¬ 
cheren  zur  stärkeren  fortschreitend,  folgend eimassen  charakteri¬ 
siert  zu  sein:  1.  durch  die  Anwesenheit  von  Endotkelien,  2.  von 
Lympliocyten  und  3.  von  vielkernigen  Zellen.  Die  Ergüsse  mit  sehr 
torpidem  Verlauf  und  jene  rein  mechanischen  Ursprungs  (chro¬ 
nische  essentielle  Hydiecele,  gewisse  Formen  von  tubei’kulöser 
Arthritis  mit  sehr  langsamer  Entwicklung,  mechanischer  Hyd- 
artliros,  traumatischer  Hämarthros  und  präpatellares  Hygroma) 
sind  entweder  durch  Zelleninhalt,  welcher  ausschliesslich  oder  zum 
grössten  Teile  aus  Endothelzellen  besteht,  oder  durch  den 
Mangel  aller  figürlichen  Elemente  charakterisiert.  Die  Ergüsse 
infektiöser  Natur  mit  subakutem  oder  chronischem  Verlauf  und 
gewisse  traumatische  Ergüsse  (tuberkulöse,  traumatische  Hydro- 
cele,  tuberkulöse  Artkiätis,  blennorrliagiscker  Ilydartkros  ohne 
Fieberex-scheinungen  u.  s.  w.)  sind  durch  einen  Zelleninhalt  cha¬ 
rakterisiert,  welcher  ausschliesslich  oder  zum  grössten  Teile  aus 
Leukocyten  besteht.  Vorwiegend  vielkernige  Zellen 
kommen  vor  bei  Ergüssen  mit  akuter  Entwicklung,  bei  chronischen 
Ergüssen  im  Stadium  akuter  Exazerbation  xxnd  bei  chronischen 
Ergüssen,  welche  einem  sehr  heftigen  Trauma  ausgesetzt  waren 
(akute  gonorrhoische  Hydrocele,  akuter  oder  chronischer  Gelenk¬ 
rheumatismus,  alte  tuberkulöse  Arthritis,  chronische  Ergüsse,  die 
ein-  oder  mehrmals  schon  punktiert  worden  sind  u.  s.  w.)  Was  die 
Ivryoskopie  betritt' t,  so  sind  die  Grade  des  Gefrierpunktes  bei 
den  serösen  Ergüssen  in  die  Tunica  vaginalis,  in  die  Gelenks¬ 
höhlen  und  in  die  Hernien  so  wenig  verschieden,  dass  bezüglich 
der  Prognose  und  Diagnose  der  Affektion  verwertbare  Anhalts¬ 
punkte  nicht  zu  gewinnen  sind.  Die  Hämolysine  sind  bei 
den  Gelenksergüssen  in  den  Fällen  vorhanden,  wo  die  Natur  der 
Krankheit  eine  rein  infektiöse  und  speziell,  wo  es  sich  um  akute 
Entwicklung  handelt.  In  den  Fällen  von  traumatischem  Häm¬ 
arthros  und  ebensolchem  hämorrhagischen  IIygi*oma  präpatellare 
steht  die  hämolytische  Kraft  des  Gelenkergusses  im  umgekehrten 
Verhältnis  zix  der  Zeit,  welche  den  Augenblick  der  Untersuchung 
vom  Beginne  der  Krankheitsei’scheinungen  trennt.  Die  cyto- 
logisclxe  Untersuchung,  welche  vor  allem  von  W  i  d  a  1  gefördert 
worden  ist,  dürfte  also  nach  diesen  Befunden  die  wichtigste  der 
genannten  3  Methoden,  wenigstens  vorläufig,  sein. 

A  u  d  a  r  d  -  Paris:  Die  R  i  g  a  sehe  Krankheit.  (Revue  xnen- 
suelle  des  maladies  de  l’enfance,  Februar  1902.) 

Diese  Säuglingsaffektion,  auch  Aphthae  cachekticae,  diphtlxe- 
roide  Subglossitis  (Coinby)  u. a.  benannt,  ist  hauptsächlich  dadurch 
charakterisiert,  dass  am  Zungenbändchen  eine  mit  einem  diphtlierie- 
ähnliclien  Exsudate  bedeckte  Wucherung  eracheint  und  zwar  ohne 
dass  irgend  eine  Spur  von  Keuchhusten  vorhanden  ist.  A.  bit¬ 
spricht  die  ganze  Literatur,  welche  über  diese,  zuerst  von  Car- 
darelli  im  Jahre  1857  beschriebene  und  besonders  in  Italien 
beobachtete  Affektion  erschienen  ist,  und  teilt  einen  selbst  beob¬ 
achteten  Fall  mit.  Das  Leiden  ist  ein  solches  des  ersten  Lebens¬ 
jahres,  selten  sind  die  Fälle  über  12 — 14,  jedoch  auch  ixnter  G  Mo¬ 
naten;  beide  Geschlechter  werden  befallen,  schlechte  soziale,  hygie¬ 
nische  oder  Emährungsverhältnisse  sind  die  prädisponierenden 
Ursachen.  In  Italien  sind  es  fast  nur  die  Kinder  araier  Land- 
leute,  welche  die  Krankheit  acquirieren,  wähi*eud  sie  bei  den  Kin¬ 
dern  der  besser  situierten  Stadtbevölkerung  nur  ausnahmsweise 
vorkommt.  Lokal  scheint  mangelhafte  Reinhaltung  des  Mundes 
(von  Milch  Überresten)  zu  den  prädisponierenden  Ursachen  zu  ge- 
lxöi’en,  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  ist  aber  die  Zahneruption. 
Klinisch  muss  man  2  Aitten  untei-scheideu:  entweder  ist  die  Krank¬ 
heit  des  Bändchens  nur  eine  lokale  Affektion  oder  sie  zeigt  sich 
mit  einer  schweren  Allgemeinerkrankung  verbunden,  wobei  jedoch 
der  Belag  unter  der  Zunge  das  Hauptsymptom  bleibt.  Die  benach¬ 
barten  Drüsen  sind  nicht  entzündet,  die  funktionellen  Syinpb  me 
sind  gleich  Null  oder  wenig  ausgesprochen.  Die  Dauer  der  Krau* 
heit  ist  eine  verschiedene,  nach  Riga  14  Tage  bis  2  Monate,  nach 
Chiarello  mehrere  Tage  bis  8  Monate,  ja  kann  auf  mehr  wie 
1  Jahr  nach  P  i  a  n  e  s  e  sich  ausdehnen.  Die  Prognose  ist  eine 
günstige,  es  existiert  jedoch  eine  schwere,  meist  mit  Magendarm¬ 
katarrh  verbundene  Fonn,  bei  welcher  sie  sehr  zweifelhaft  ist. 
Die  Diagnose  der  Affektion  ist  gewöhnlich  eine  leichte:  das  Auf¬ 
treten  einer  vegetierenden,  mit  einem  weisslichen  Belag  bedeckten 
Wucherixug  am  Zungenbändchen,  kurze  Zeit  nach  dem  Ausbruch 
der  2  unteren,  mittleren  Sclineidezälme,  ist  pathognomonisch.  Die 
Behandlung  zerfällt  in  die  Prophylaxe  (Reinhaltung  des  Mundes) 
und  die  eigentliche  Therapie.  Von  den  zahlreich  empfohlenen  lo¬ 
kalen  Mitteln  empfiehlt  A.  die  Jodtinktur  und  Arg.  nitr.  am 
meisten;  falls  diese  keinen  Erfolg  geben  sollten,  muss  man  chir- 
urgisch  eingreifen:  Exzision  mit  der  gebogenen  Scheere,  gefolgt 
von  der  Kauterisation  der  Ansatzstelle  mit  dem  Glüheisen  oder 
von  einer  Vereinigungsnaht.  Bei  der  schweren  Fonn  Regelung 
der  Diät  event.  Luftveränderung.  Was  schliesslich  noch  den  histo¬ 
logischen  Befund  betrifft,  so  handelt  es  sich  nach  der  Mehrzahl 
der  Forscher  um  eine  rein  entzündliche  Hypertrophie  der  obersten 
Schleimhautschichten,  besondere  der  Papillen  und  des  Stratum 
Malpighii ;  über  den  bakteriologischen  Befund  herrscht  noch  wenig 
Klarheit.  Die  aufgeführte  Literatur  weist  fast  nur  italienische 
Autoren  auf. 


15.  J uli  1902, 


MUEN CHENER  MEDICINTSCHE  WO  CHEN  SCHRIET. 


1195 


Mario  Flamin  i,  Assistent  an  der  pädiatrischen  Klinik  zu 
Horn:  Beitrag  zum  Studium  der  medikamentösen  Milchproduk¬ 
tion;  über  Jodmilch.  (Ibidem.  März  3902.) 

Nachdem  es  erwiesen  ist.  dass  das  in  den  Organismus  ein- 
geführte  .Tod  in  die  Milch  ebenso  wie  in  den  Speichel  u.  s.  w.  über¬ 
geht.  kam  Fl.  auf  den  Gedanken,  die  Milch  als  Vehikel  des  Jods, 
therapeutisch  zu  verwenden,  wodurch  besonders  für  Säuglinge 
eine  sozusagen  natürliche  Kombination  des  Medikaments  entsteht. 
Fl.  bediente  sich  zu  seinen  Versuchen,  im  Gegensatz  zu  früheren 
Untersuchern.  welche  ausschliesslich  Jodkalium  oder  Jodnatrium 
anwandten,  des  metallischen  .Tods  und  zwar  in  öligen  Lösungen 
(5.0:100,0),  da  mit  letzterer,  ohne  das  Tier  zu  töten,  eine  viel 
grössere  Menge  in  den  Organismus  eingeführt  werden  kann  wie 
mit  der  gesättigten  Jod-.Todkalium-Lösung,  keine  lokale  Entzün¬ 
dung  an  den  Injektionsstellen  entsteht  und  die  Ausscheidung  des 
Jods  durch  den  tTrin  in  viel  weniger  tumultuarisclier  Form  sich  voll¬ 
zieht,  was  ebenso  für  die  Milchsekretion  anzunehmen  ist.  Fl.  zieht 
die  intramuskulären  Injektionen  den  subkutanen  vor,  da  sie  viel 
weniger  reizend  sind;  dieselben  müssen  derartig  ausgeführt  wer¬ 
den.  dass  der  Organismus  mit  .Tod  gesättigt  ist,  dann  nimmt  die 
ausgeschiedene  Menge  ständig  zu.  Das  Jod  findet  sich  in  der 
Milch  zum  Teile  im  Serum  gelöst,  zum  Teile  in  Verbindung  mit 
den  Eiweissubstanzen;  aber  ein  Teil  des  im  Serum  enthaltenen 
.Tods  bildet  selbst  wieder  eine  organische  Zusammensetzung,  so 
dass  anzunehmen  ist,  dass  mehr  als  die  Hälfte  des  gesamten  in 
der  Milch  enthaltenen  .Tods  eine  organische  Substanz  darstellt. 
Fügt  man  jedoch  der  Milch  direkt  Jod  hinzu,  so  ist  es  fast  voll¬ 
ständig  im  Serum  in  anorganischer  Zusammensetzung  vorhanden. 
Die  lange  fortgesetzte  Einverleibung  von  .Tod,  in  öliger  Lösung 
und  mittels  intramuskulärer  Injektionen,  verursachte  keine  schäd¬ 
liche  Veränderung  in  der  Zusammensetzung  der  Milch.  Das  so 
behandelte  Tier  geht  nicht  zu  Grunde,  zeigt  keine  Allgemein-,  noch 
lokale  Reaktion  und  erträgt  vortrefflich  das  eingeführte  Medi¬ 
kament.  Die  beigegebenen  Tabellen  fassen  übersichtlich  die  Re¬ 
sultate  bezüglich  der  auf  1  Liter  Milch  erhaltenen  .Todmenge 
u.  s.  w.  zusammen. 

R  o  c  a  z:  Akute  Lymphocythämie  mit  Hyperthropie  der 
Thymusdrüse  hei  einem  4  jährigen  Kinde.  (Ibidem.) 

Die  akute  Leukämie  ist  noch  selten  im  Kindesalter  beobachtet 
worden.  Bei  dem  4  jährigen  Kinde  begann,  wie  in  den  meisten 
Fällen,  das  Leiden  mit  einer  Angina  und  war  mit  einer  hoch¬ 
gradigen  Hypertrophie  der  Thymus  verbunden;  der  Verlauf  war  ein 
sehr  rapider.  25  Tage  nach  dem  Beginne  trat  der  Tod  ein. 

Martinez  Va  rgas,  Professor  an  der  Universität  zu  Barcelona: 
Dokumente  über  Soriano,  einen  Kinderarzt  des  16.  Jahr¬ 
hunderts.  (Annales  de  medecine  et  Chirurgie  infantiles.  Februar 
1902.) 

Ein  interessanter  Beitrag  zur  Geschichte  der  Pädiatrie. 
Soriano  war  ein  aragonesischer  Arzt,  welcher  als  einer  der 
ersten  über  Kinderkrankheiten  geschrieben  und  gar  manche  Vor¬ 
schriften  gegeben  hat.  welche  man  heutzutage  für  neu  erklärt. 
Nach  V.’s  Ansicht  stammen  überhaupt  die  wichtigsten  Werke  über 
Kinderkrankheiten  im  30.  und  17.  Jahrhundert  aus  Spanien,  zu 
einer  Zeit,  wo  dieses  Land  seine  höchste  Blüte  gehabt  und  der 
Welt  noch  Gesetze  vorgeschrieben  hat.  Aus  dem  kurzen  Auszuge, 
welchen  V.  über  dieses  Buch  von  Soriano  liefert,  sei  die  merk¬ 
würdig  genaue  Beschreibung  der  hauptsächlichsten,  bei  Kindern 
vorkommenden.  Wurmarten  (Ascaris  lumbric.,  Taenia  solium. 
Oxyuris),  der  Pädatrophie.  der  Steinkrankheit  bei  Kindern  (Harn¬ 
sand  und  Steine  in  der  Blase),  die  treffliche  Beschreibung  der 
Ranula  u.  a.  hervorgehoben. 

Alex.  M  a  rmorek:  Das  Streptokokkengift. 

Alex.  Ma  rmorek:  Die  Einheit  der  für  den  Mensclien 
pathogenen  Streptokokken.  (Annales  de  l'institut  Pasteur,  März 
1902.) 

M.s  Untersuchungen  über  die  Strentokokkentoxine  ergaben, 
dass  alle  Streptokokken  verschiedenen  Ursnrumrs  das  gleiche  Gift 
erzeugen:  dasselbe  gehört  zu  den  diastatischen  Körpern,  welche 
bei  70°  zerstört  werden.  Das  Serum,  welches  mit  dem  Toxin  des¬ 
selben  Mikroorganismus  hergestellt  wurde,  ist  gegen  die  Toxine 
eines  Streptokokkus  anderer  Abstammung  wirksam.  Das  an¬ 
gewandte  Verfahren  ermöglicht,  ein  Toxin  herzustellen,  welches 
Kaninchen  in  der  Dosis  von  0.25 — 0.5  ccm  tötet. 

Diese  Einheit  der  Toxine  ist  eines  der  Hauptargumente  M.s 
fiir  die  Einheit  aller  Streptokokken,  d.  h.  für  eine  Verschiedenheit 
der  Rassen  der  beim  Menschen  vorkommenden  Streptokokken  sei 
noch  kein  wissenschaftlicher  Beweis  erbracht.  Selbst  die  Varietät, 
welche  so  verschieden  erscheint,  der  Scharlachstreptokokkus,  bietet 
nur  eine  ouantitative  Divergenz,  sonst  aber  vollkommene  Aehnlich- 
keit  mit  den  anderen  Arten.  Wenn  die  Streptokokken  lange  Zeit 
anderen  pathogenen  Mikroorganismen  assoziiert  leben  so  ist  leicht 
zu  begreifen,  dass  sie  ihnen  äussere  Merkmale  aufprägen,  welche 
jedoch  nicht  im  Stande  sind,  ihre  innere  Zusammensetzung,  ihre 
physiologischen  Eigenschaften  zu  verändern:  diese  bleiben  die 
gleichen,  soweit  es  die  Forschung  ermitteln  konnte,  und  deshalb 
kommt  M.  zu  der  Lehre  von  der  absoluten  Einheitlichkeit  aller  für 
den  Menschen  pathogenen  Streptokokken. 

A.  Bill  et:  Beitrag  zum  Studium  der  Malaria  und  ihrer 
Plasmodien  in  Algier  (Constantine).  (Ibid.) 

B.  hat  im  Verlaufe  von  mehr  als  2  Jahren  395  I  alle  Aon 
Malaria  als  Militärarzt  beobachtet  und  folgende  Schlüsse  aus 


seinen  Studien  gezogen.  In  Algier  .gibt  es  2  Formen  von  Malaria, 
welche  2  Arten  ganz  verschiedener  Parasiten  entsprechen:  die 
Tertiana  und  die  Quartana,  welch  letztere  aber  viel  seltener  wie 
die  erstere  ist  (2,7  Proz.  in  Constantine).  Jede  dieser  Malaria¬ 
formen  bietet  einen  doppelten  klinischen  und  parasitären  Verlauf, 
nämlich  erstens  einen  Sommer-Herbst-Zyklus,  wobei  die  primären 
Erscheinungen  bei  noch  nicht  infiziert  Gewesenen  auf  treten,  der 
Fiebertypus  schlecht  ausgeprägt  ist  und  der  Parasit  durch  die 
kleinen  Amöben  (Zyklus  sexueller  Reproduktion)  dargestellt 
wird,  zweitens  einen  Winter-Friihjahrs-Zyklus  mit  sekundären 
Erscheinungen  bei  Individuen,  welche  schon  seit  einem  oder  meh¬ 
reren  Jahren  malariakrank  sind,  mit  ausgesprochenem  Typus  der 
Tertiana  oder  Quartana,  und  wobei  der  Parasit  durch  die  grosse, 
stark  pigmentierte  Amöben  form  (parasitärer  Zyklus  der  endo¬ 
genen  und  asexuellen  Vermehrung)  dargestellt  wird.  B.  stellt 
daher  den  Fundamentalsatz  auf,  dass  man  die  Malaria  in  Algier, 
wenigstens  an  der  Küste,  nicht  vor  den  letzten  Tagen  des  Monats 
Juni  acquiriert  und  zwar  sogar  an  den  notorisch  unsaubersten 
Orten. 

P.  Vigna  rd:  Untersuchungen  über  die  beste  Verbandart 
und  Wunddrainage  mit  den  verschiedenen  Arten  von  Verband¬ 
gaze.  (Bulletin  med.  1902.  No.  22.1 

Aus  den  experimentellen  und  klinischen  Untersuchungen  des 
Verfassers  geht  hervor,  dass  der  gewöhnlichen,  sterilisierten  Gaze 
vor  allen  chemisch  desinfizierten  Verbandstoffen  beim  Wund¬ 
verband  und  bei  der  Drainage  der  Vorzug  zu  geben  ist.  besonders 
wenn  es  sich  um  reichlichere  Wundsekretion  handelt. 

Debove:  Die  Morphinomanie,  Selbstbeobachtung  eines 
morphiumsiiehtigen  Kranken.  (Presse  mödicale  1902,  No.  25.) 

Sehr  lesenswerte  Beschreibung  zweier  Fälle  von  Morphium¬ 
sucht,  wovon  der  eine  von  einem  nun  geheilten  Arzte,  einer  grossen 
Autorität,  selbst  stammt;  bei  der  Art  des  Leidens  können  nur  die 
speziellen  Einzelheiten  und  die  interessante  Heilung  in  ihrem 
ganzen  Verlaufe  Interesse  bieten.  Stern-  München. 

Vereins-  und  Kongressberichte, 

30.  Deutscher  Aerztetag. 

in  Königsberg,  am  4.  und  5.  Juli  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

Hem  Deutschen  Aerztevereinsbunde  gehören  gegenwärtig 
311  Vereine  mit  18  894  Mitgliedern  •  an ;  vertreten  sind  auf.  dem 
Aerztetage  222  Vereine  durch  163  Delegierte  mit  17  095  Stimmen. 
Der  Aerztevereinsbund  bat  sich  seit  dem  vorigen  Jahre  um 
9  Vereine  und  557  Mitglieder  vermehrt.  Es  sind  auf  dem  Aerzte- 
tage  wohl  um  12  Delegierte  weniger  anwesend,  dagegen  29  Vereine 
und  622  Stimmen  mehr  vertreten. 

I.  Tn  seiner  Eröffnungsrede  gedenkt  der  Vorsitzende,  Herr 
Professor  Dr.  E  ö  b  k  er,  der  seit  dem  letzten  Aerztetage  ver 
storbenen  DDr.  Näher-  München,  P  i  z  a  -  Hamburg  und  Ge¬ 
heimrat  v.  Ziemssen  -  München  in  dankbaren,  ehrenden 
Worten.  Die  Versammlung  ehrt  das  Andenken  derselben  durch 
Erheben  von  den  Sitzen.  Gemäss  den  Beschlüssen  des  vorigen 
Aerztetages  wurde  die  Errichtung  eines  Generalsekretariates 
durchgeführt;  diese  wichtige  Stelle  versieht  seit  dem  1.  Dezember 
1901  Herr  Heinze,  den  der  Vorsitzende  in  seinem  Amte  be- 
grüsst  und  für  den  er  das  Vertrauen  und  die  Unterstützung 
der  Vereine  erbittet,  zugleich  der  13  jährigen,  erfolgreichen  und 
opferwilligen  Tätigkeit  W  a  1 1  i  c  b  s  gedenkend.  Die  deutschen 
Aerzte  stehen  fortgesetzt  im  Kampfe  um  die  Rechte  und  An¬ 
erkennung  ihres  Standes,  nur  Selbstzucht  und  Selbsthilfe  führen 
zum  Ziele.  Das  beweisen  die  Handhabung  der  Standesordnung  in 
Sachsen,  die  Vorverhandlungen  der  bayerischen  Kammer  über  die 
Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  mit  ihren  unannehmbaren 
Zumutungen  an  die  Aerzte.  In  Württemberg  liegt  ein  Gesetz¬ 
entwurf  über  die  Neuorganisation  vor,  welcher  von  den  Eorde- 
rungen  der  Aerzte  nichts  enthält.  Vor  allem  ist  Verwahrung  ein- 
zulegcn  er  egen  eine  Aeusserung  in  der  hessischen  Kammer,  dass 
die  ärztlichen  Bestrebungen  zur  Verbesserung  ihrer  Lage  eine 
absichtliche  Benachteiligung  und  Ausbeutung  der  Kassen  be¬ 
deuten.  Die  Aerzte  sind  gewohnt,  in  den  Parlamenten  schlecht 
behandelt  zu  werden  und  dort  einen  ausserordentlichen  Mangel 
an  Kenntnis  der  ärztlichen  Angelegenheiten  und  eine  nicht  ge¬ 
ringe  Missachtung  ihres  Standes  zu  finden.  Möge  man  doch, 
wenn  man  uns  schon  nicht  liebt,  das  Wort  des  Weltweisen  Jesus 
Sirach  beachten:  ..Ehre  den  Arzt  mit  gebührender  Verehrung, 
dass  du  ihn  habest  in  der  Not!“  An  die  deutschen  Aerzte  selbst 
aber  ergeht  der  dringende  Aufruf  zum  engen  Zusammenschluss. 

Herr  Oberpräsidialrat  v.  Werder  begriisst  den  Aerztetag 
Namens  des  Oberpräsidenten  Exz.  Erhm.  v.  Richthof  er. 


1196 


MTTEN OHENER  MEDICINTSCTTE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  28. 


Von  diesem  «selbst  ist  ein  liebenswürdiges  Begrüssungstclegramm 
ans  Wiesbaden  eingetroffen,  welches  zu  erwidern  der  Geschäfts¬ 
ausschuss  ermächtigt  wird. 

Herr  Oeheimrat  Dr.  Aschenborn  versichert  die  Aerzte 
des  aufrichtigen  Wohlwollens  des  Kultusministers,  zumal  in  der 
gegenwärtigen  schwersten  Krisis  des  Standes. 

Tm  Aufträge  der  medizinischen  Fakultät  spricht  Herr  Ge¬ 
heimrat  Prof.  Lichtheim  und  würdigt  die  Bedeutung  eines 
angesehenen  und  kräftigen  Aerztestandes  auch  für  die  akademi¬ 
schen  Lehrer. 

Herr  Landeshauptmann  v.  Brandt  begriisst  die  Aerzte 
auf  dem  historischen  Boden  der  Provinz. 

Herr  TT.  Bürgermeister  Kunkel  bringt  den  Willkommcns- 
gruss  der  Stadt  Königsberg,  die  es  sich  zum  besonderen  Ruhme 
anrechnet,  seit  Jahren  den  Leiter  des  hygienischen  Institutes 
der  Universität  als  ständiges  Mitglied  im  Magistrate  zu  haben. 

TT.  Der  Vorsitzende  dankt  für  diese  sympathischen  Kund¬ 
gebungen  und  bringt  unter  anderen  geschäftlichen  Mitteilungen 
zur  Kenntnis,  dass  der  Geschäftsausschuss  auf  Antrag  des  Be¬ 
zirksvereines  Nürnberg  500  M.  für  das  zu  errichtende  medico- 
historische  Kabinet  des  Germanischen  Museums  bewilligt  hat 
und  fordert  zur  regen  Unterstützung  des  Unternehmens  auf. 

Herr  Heinze  erstattet,  den  Geschäftsbericht: 

Betreffs  Gründung  einer  Auskunftsstelle  für  Aerzte,  die  sieb 
im  Auslande  niederlassen  wollen,  schweben  noch  Verhandlungen 
mit  den  Behörden.  Die  Eingabe  bezüglich  der  Honorierung  ärzt¬ 
licher  Gutachten  für  die  Militärbehörden  hat  seitens  des  Bundes¬ 
rates  noch  keine  Erledigung  gefunden. 

Das  Vereinsblatt  wird  künftig  im  Selbstverlag  des  Bundes 
erscheinen. 

Herr  Magen-  Breslau  wünscht  Abweisung  aller  nicht  ganz 
einwandsfreien  Inserate,  was  Herr  Heinze  zusagt, 

TTT.  Den  Kassenbericht  erstattet  Herr  Heinze. 

Die  Einnahmen  des  Jahres  1901  betrugen  82  038.73  M„  die 
Ausgaben  56  441.60  M.  Der  Voranschlag  für  1902  sieht 
81  090  M.  Einnahmen,  58  250  M.  Auslagen  vor. 

Herr  L  ö  w  e  n  s  t  e  i  n  -  Elberfeld  wünscht  Verbilligung  der 
Kosten  für  das  Vereinsblatt. 

Herr  Heinze:  Eine  Ersparnis®  von  2000  M.  wird  durch 
Amränderte  Postzustellung  erreicht  werden,  wenn  die  einzelnen 
Vereine  ihre  Mitgliederlisten  den  Postanstalten  einsenden. 

Auf  eine  Anfrage  des  Herrn  G  ö  t  z  -  Leipzig  gibt  Herr 
Heinze  den  Vermögensstand  mit  65  000  M.  an. 

IV.  Entwurf  einer  Aenderung  der  Satzungen  des  Deutschen 
Aerztevereinsbundes  (insoweit  sie  zum  Zweck  der  Erwerbung 
der  juristischen  Persönlichkeit  für  den  Deutschen  Aerztevereins- 
bund  erforderlich  geworden  ist).  Von  Belang  sind  für  diesen  Be¬ 
richt  nur  die  Bestimmungen,  welche  festsetzen,  wer  künftig 
Träger  der  Mitgliedschaft  des  Bundes  sein  soll.  Nach  Antrag 
des  Geschäftsausschusses  soll  §  3  der  Satzungen  betimmen:  Mit¬ 
glied  der  Aerztevereinsbundes  kann  nur  ein  Arzt  werden, 
der  zum  Delegierten  eines  vom  Aerztevereinsbunde  an¬ 
erkannten  ärztlichen  Vereines  bestellt  ist.  (Folgen  die  Be¬ 
dingungen  für  die  Anerkennung  eines  solchen  Vereines.) 

Der  Referent.  Herr  Wi  ndels  -  Berlin,  führt  aus,  dass  hei 
der  Fülle  von  Rechtsgeschäften,  welche  an  den  Aerztevereinsbund 
jetzt  mehr  und  mehr  herantreten,  die  Rechtsfähigkeit  notwendig 
geworden  sei.  Früher  ist  dieselbe  schwer  zu  erlangen  gewesen, 
das  neue  bürgerliche  Besetz  verlangt  nur  wenige  Formalitäten! 
Per  von  TT  e  i  n  z  e,  W  a  1  1  i  c  h  s  und  W  i  n  d  e.  1  s  mit  juristischem 
Beistand  ausgearbeitete  Entwurf  erfüllt  alle  Voraussetzungen. 
Ha,  in  letzter  Stunde  aber  Zweifel  geltend  gemacht  wurden,  em¬ 
pfiehlt  es  sich,  dass  die  einzelnen  Vereine  ihre  Anregungen  als 
Material  zu  einer  weiteren  Bearbeitung  einsenden. 

Vorsitzender  Herr  Rübke  r:  Die  prinzipielle  Frage,  ob  die 
Rechtsfähigkeit,  erAvorben  werden  solle  oder  nicht,  hat  der  Ge- 
sehäftsausschuss  bisher  einstimmig  bejaht,  in  manchen  Kreisen 
sind  aber  ZAveifel  aufgetreten. 

Herr  Alexander-  Berlin  b  e  a  n  t  r  a  g  t  im  Auftrag  von 
10  Berliner  Standesvereinen  die  Beschlussfassung  zu 
vertagen,  bei  der  Schwierigkeit  des  Themas  müsse  den  Ver¬ 
einen  Zeit  zur  Beratung  gegeben  werden.  Es  handle  sich  darum, 
ob  dem  nächsten  Aerztetag  eine  neue  Vorlage  zu  machen  sei  oder 
der  Geschäftsausschuss  nach  wiederholter  Beratung  die  Frage 
selbst  regeln  solle.  Er  wünsche  ersteres.  Die  Zweckmässigkeit 
der  Rechtsfähigkeit  ist  zuzugeben,  bisher  traf  die  Verantwortung 
den  einzelnen,  in  Zukunft  kann  der  Ausschuss  im  Namen  des 
Bundes  handeln.  Die  Auffassung  des  beratenden  Juristen,  dass 
die  Vereine  nicht  Mitglieder  des  Bundes  sein  können,  ist  un¬ 


haltbar.  ein  „Vereinsbund“  kann  unmöglich  aus  einzelnen  Per¬ 
sonen  bestehen,  es  gibt  schon  Vereine,  Avelche  aus  Vereinen  be¬ 
stehen.  Die  Delegierung  der  Aerzte  gelte  nur  für  den  Aerzte¬ 
tag,  für  die  übrige  Zeit  trete  ein  Vakuum  ein,  vor  dem  Redner 
einen  Horror  habe. 

Herr  II  i  r  s  c  h  f  e  1  d  -  Leipzig:  Der  Leipziger  Verband  hat 
Schule  gemacht,  er  hat  die  Rechtsfähigkeit  envorben  und  lässt 
seine  Schriften  im  Selbstverlag  erscheinen.  Den  juristischen  For¬ 
derungen  soll  durch  Annahme  des  Ausschussantrages  Rechnung 
getragen  worden. 

Herr  P  f  a  1  z  -  Düsseldorf :  Wenn  Vereine  Mitglieder  des  Bun¬ 
des  werden  sollen,  müssten  sie  selbst  erst  die  Rechtsfähigkeit  er¬ 
werben.  Die  Delegierten  sollen  ein  Dauermandat  auf  je  ein  Jahr 
erhalten. 

Herr  D  i  p  p  e  -  Leipzig  empfiehlt  den  Antrag  des  Aus¬ 
schusses,  die  Vereine  sollen  ihre  Anschauungen  kundgeben,  die 
Ausarbeitung  kann  nicht  im  rienum  geschehen. 

Herr  W  i  n  d  e  1  s  -  Berlin:  Ein  Verein  ohne  Rechtsfähigkeit  ist 
ein  wesenloses  Gebilde,  aus  solchen  lässt  sich  kein  rechtsfähiger 
Bund  zusammensetzen,  deshalb  muss  man  zu  physischen  Personen 
greifen;  die  Delegierten  bleiben  solange  Mitglieder  des  Bundes, 
bis  sie  durch  andere  ersetzt  sind. 

Herr  Henius  -  Berlin:  Nach  seinen  Informationen  brauchen 
die  einzelnen  Vereine  nicht  juristische  Personen  zu  sein.  Die  Be¬ 
schlussfassung  soll  vertagt  werden.  um  sonstige  notwendige  Sta¬ 
tutenänderungen  zugleich  vornehmen  zu  können. 

Herr  W  i  n  d  e  1  s  -  Berlin  beantragt,  den  Vereinen  den  1.  Ok¬ 
tober  d.  .T.  als  Termin  zu  setzen,  bis  zu  welchem  sie  ihre  Vorschläge 
einsenden  sollen. 

Die  Versammlung  beschliesst  mit  allen 
gegen  3  Stimmen  die  Erwerbung  der  Rechts¬ 
fähigkeit.  Zu  der  weiteren  Frage,  ob  die  Beratung  der 
notwendigen  Statutenänderungen  vertagt  oder  dem  Vorstand 
vorbehaltlich  der  Wünsche  der  Vereine  Vollmacht  zur  selbst¬ 
ständigen  Regelung  der  Fragen  gegeben  sei,  spricht: 

Herr  Bach-  Leipzig:  Es  ist  anzustreben,  dass  die  Vereine 
selbst  Mitglieder  des  Bundes  werden;  dieselben  sollen  Areranlasst 
werden,  jetzt  juristische  Personen  zu  werden,  die  weiteren  Vor¬ 
schläge  dann  im  nächsten  Jahre  vorgelegt  werden. 

Herr  Alexander-Berlin:  Der  Neuentwurf  enthält  viele 
sch werwiegende  Veränderungen,  welche  die  Vereine  nicht  bis  zum 
1.  Oktober  genügend  prüfen  können. 

Herr  P  f  a  1  z  -  Düsseldorf :  Es  handelt  sich  nur  um  formelle 
Dinge,  man  kann  den  1.  Januar  als  Termin  setzen. 

Herr  Streffer  -  Leipzig  ersucht,  behufs  baldigster  Rege¬ 
lung  an  dem  1.  Oktober  als  Termin  festzuhalten. 

Herr  M  a  g  e  n  -  Breslau  beantragt  Vertagung  bis  zum  näch¬ 
sten  Jahr.  Der  Aerztetag  kann  nicht  jetzt  Statutenänderungen 
gutheissen,  die  er  gar  nicht  kennt. 

Herr  B  e  c  k  e  r  -  München:  Es  ist  gesetzlich  unzulässig,  dem 
Ausschüsse  die  Vollmacht  zu  geben;  zur  Erlangung  der  Rechts¬ 
fähigkeit  müssen  die  von  der  Generalversammlung  beschlossenen 
Statuten  vorgelegt  werden. 

Herr  Alexander  -  Berlin  weist  im  Einzelnen  auf  die  Wich¬ 
tigkeit  der  geplanten  Statutenänderungen  und  gewisse  Mängel  des 
Entwurfes  hin,  z.  B.  bezüglich  der  TTebertragung  der  Mandate  auf 
andere  Delegierte,  der  Aufgaben  des  Aerztetages,  der  Rechnungs¬ 
prüfung.  Dringlichkeitsanträge.  Satzungsänderungen. 

Der  Vorsitzende  Herr  Löbker  betont  gegenüber  Herrn 
Becker,  dass  dessen  Bedenken  nicht  aus  den  Statuten  des 
Aerztevereinsbundes  stammen,  sondern  aus  dem  bürgerlichen  Ge¬ 
setze  abgeleitet  werden. 

Herr  Windeis-  Berlin:  Es  kann  an  dem  Entwürfe  manches 
besserungsbedürftig  sein,  aber  auch  im  nächsten  Jahr  würden  die 
gleichen  Einwände  wiederkommen.  Es  Hesse  sich  der  Termin 
auch  auf  1.  November  1902  hinausschieben. 

Herr  Becker-  München:  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  eine 
Abstimmung  auf  Grund  der  Satzungen,  wir  beantragten  die  Ein¬ 
tragung  als  rechtsfähiger  Verein  auf  Grund  des  Bürgerlichen 
Gesetzbuches. 

Herr  Löbk  er:  Die  Führung  der  Geschäfte  erfolgt  allein  auf 
Grund  der  Statuten  des  Aerztevereinsbundes. 

Bei  der  Abstimmung  wird  der  Antrag  Alexander  mit  49 
gegen  98  Stimmen  abgelehnt. 

V.  Wahl  des  Geschäftsausschusses. 

Zunächst  werden  mittels  Stimmzetteln  folgende  12  Mit¬ 
glieder  gewählt :  L  ö  b  k  e  r  mit  15  049  Stimmen,  Wallichs 
13614,  Windeis  13  357,  Leut  13324,  Hippe  12545. 
Pfeiffer  10  385,  Mayer-  Fürth  10  236,  D  e  a  h  n  a  9550, 
Lindmann  9446.  P  a  r  t  s  c  h  7861,  K  r  a  b  1  e  r  7851,  Becker- 
München  7201. 

Als  I.  Vorsitzenden  wählen  diese  12  Mitglieder  Herrn 
L  ö  b  k  e  r,  als  dessen  Stellvertreter  Herrn  L  e  n  t ;  kooptiert 
werden  in  den  Geschäftsausschuss  9  weitere  Herren,  nämlich 
R  upp,  Landsberger,  Tiedemann,  Hartmann- 
Hanau,  Sendler,  Becher  I  -  Berlin,  Bruhns,  Flor¬ 
schütz  und  F  ritsch  i. 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1197 


VI.  Aufgaben  der  Krankenhäuser  gegenüber  den  An¬ 
forderungen  der  neuen  Prüfungsordnung. 

Herr  Prof.  Dr.  Rumpf-  Bonn  führt  in  seinem  geistvollen, 
mit  grossem  Beifalle  aufgenommenen  Referate  folgendes  aus: 
Neben  den  Klagen  über  die  Ueberfüllung  des  Berufes  gehen 
durch  die  deutsche  Aerztescliaft  lebhafte  Beschwerden  über  die 
mangelhafte  Ausbildung  der  jungen  Aerzte.  Und  doch  kann 
man  heute  noch  mit  Stolz  sagen,  dass  der  tüchtige  und  gewissen¬ 
hafte  deutsche  Arzt  im  In-  und  Auslande  das  höchste  Ansehen 
geniesst,  dank  unserer  Hochschulen.  Aber  es  ist  nur  eine  Minder¬ 
zahl,  die  von  den  Lehrmitteln  den  von  Männern  wie  v.  Ziems- 
s  e  n  und  v.  Strümpell  geforderten  vollen  Gebrauch  macht. 
Bei  der  grossen  Menge  von  Studierenden  bedarf  es  ausserordent¬ 
licher  Lehrtalente;  an  die  Stelle  des  früher  geübten  langen 
Klinikbesuches  begnügen  sich  heute  viele  mit  zwei  bis  drei  Se¬ 
mestern  und  die  vielen  Spezialfächer  ziehen  von  den  Haupt¬ 
fächern  ab. 

Bei  dem  Durchschnitt  der  Studierenden  bleiben  grosse,  em¬ 
pfindliche  Lücken.  Die  Psychiatrie  scheint  ferner  auf  Kosten 
anderer  Disziplinen,  z.  B.  den  Hals-,  Ohren-,  Kinderkrankheiten, 
bevorzugt.  Eür  die  physikalische  Therapie  u.  a.  sind  die  Unter¬ 
richtsmittel  sehr  spät  und  in  ungenügender  Weise  bereitgestellt 
worden.  Die  Erwerbung  von  Kenntnissen  auf  dem  weiten  Gebiet 
der  sozialen  Gesetzgebung  und  des  Versicherungswesens  bleibt 
durchaus  dem  Privatfleiss  überlassen.  Alles  das  macht  eine  Besse¬ 
rung  notwendig.  Der  Kreis  der  Examinatoren  ist  zu  erweitern, 
das  Niveau  der  Ansprüche  im  Examen  darf  nicht,  speziell  auch 
an  den  grossen,  stark  besuchten  Universitäten,  ermässigt  werden. 
Vor  allem  ist  aber  Ziemssen  beizustimmen,  dass  die  ersten 
praktischen  Erfahrungen  unter  der  Leitung  erfahrener  Kranken¬ 
hausärzte  gewonnen,  dass  alle  Aerzte  diese  Schulung  in  Kranken¬ 
häusern  durchzumachen  haben.  Die  Aufgabe  der  leitenden  Aerzte 
dieser  Anstalten  ist  nicht  leicht,  an  kleinen  Spitälern,  wo  sie 
schlecht  honoriert  und  auf  Privatpraxis  angewiesen  sind,  ent¬ 
steht  ihrien  ein  empfindlicher  Zeitverlust,  und  es  ist  zu  fürchten, 
dass  sie  sich  mit  der  unerfreulichen  Zugabe  mit  möglichst  ge¬ 
ringer  Belastung  abzufinden  suchen.  Die  Unterbringung  der 
Praktikanten,  welche  in  der  Nähe  der  Anstalt  wohnen  und  ver¬ 
pflegt  werden  müssen,  und  auch  ihre  eingehende  Beschäftigung 
machen  Schwierigkeiten,  letztere  wird  unter  Leitung  von  Assi¬ 
stenten  stattfinden  müssen;  ob  kleine  Krankenhäuser  hierfür  ge¬ 
eignet  sind,  hängt  von  der  Tüchtigkeit  des  leitenden  Arztes  ab. 

Zunächst  wären,  eigentlich  schon  auf  der  Hochschule,  die 
so  wichtigen  Technizismen  der  Krankenpflege  zu  erlernen,  eine 
Art  von  Krankenpflegerdienst  durchzumachen,  dazu  kommt  die 
Führung  der  Krankengeschichten,  die  Untersuchung  der  Se-  und 
Lxkrete,  der  Jourdienst,  Referate.  Die  Krankenhäuser  dürfen 
nicht  aus  finanziellen  Gründen  die  notwendigen  Einrichtungen 
unterlassen,  ihr  therapeutischer  Apparat  muss,  wie  das  klinische 
Institut  in  München  oder  das  umgebaute  Eppendorfer  Kranken¬ 
haus  zeigen,  möglichst  vollständig  erhalten  werden.  Den  Prakti¬ 
kanten  müssen  Journale  zugänglich  sein,  Referats-  und  Demon- 
strationsabende  müssen  das  kritische  Denken,  die  Sicherheit  des 
Auftretens  und  der  Ausdrucksweise  schulen.  Der  Grundsatz 
salus  aegroti  prima  lex,  das  Bewusstsein  von  den  Pflichten  des 
Berufes,  muss  den  Arzt  gegen  Halbwissen  und  schwindelhafte 
Reklame  wappnen.  Die  soziale  Gesetzgebung  und  die  Stellung 
als  Gutachter  erschweren  die  Stellung  des  Arztes  vielfach,  jeder 
einzelne  muss  in  den  Stand  gesetzt  werden,  sich  die  Vertrauens¬ 
stellung  beim  Publikum  zu  erhalten,  er  muss  die  Schädigungen 
und  Versuchungen  kennen,  die  das  moderne  Krankenkassenwesen 
iür  die  ethische  Stellung  des  Arztes  mit  sich  bringt,  muss  einen 
Begriff  davon  bekommen,  wie  sehr  die  Zwietracht  unter  den 
Aerzten  ihrer  Ausbeutung  Vorschub  leistet.  Der  junge  Arzt  ist 
zum  Verkehr  in  den  ärztlichen  Vereinen  heranzuziehen,  er  soll 
sich  in  einer  den  akademischen  Ständen  angemessenen  Weise 
führen,  die  äusseren  gesellschaftlichen  Formen,  ohne  ein 
Stutzer  zu  sein,  beherrschen  lernen;  in  allen  diesem  Richtungen 
erzieherisch  vorzugehen,  ist  Aufgabe  der  mit  der  Ausbildung 
der  Praktikanten  betrauten  Aerzte. 

Referent  hat  folgende  Leitsätze  aufgestellt : 

Den  leitenden  Aerzten  der  deutschen  Krankenanstalten  ist 
durch  die  Einführung  des  praktischen  Jahres  in  die  Ausbildung 
der  Aerzte  eine  ehrenvolle,  aber  verantwortungsvolle  Aufgabe  zu 


teil  geworden.  Da  die  Ausbildung  der  Aerzte  in  dieser  Zeit  so¬ 
wohl  der  Vertiefung  und  Fortbildung  der  praktischen  Kennt¬ 
nisse  und  Fähigkeiten  als  auch  der  Einführung  in  das  Verständ¬ 
nis  der  Berufsaufgaben  und  -Pflichten  gilt,  so  dürften  folgende 
Punkte  beachtenswert  sein: 

Die  Krankenhausärzte  haben  Sorge  zu  tragen : 

1.  Dass  die  Praktikanten  nicht  an  Stelle  sonst  notwendiger 
Assistenzärzte  eingeschoben  werden,  um  nur  auf  dem  Wege  der 
Erfahrung  am  Krankenbett  und  der  gemeinschaftlichen  Visite 
ihre  Ausbildung  zu  erfahren; 

2.  dass  der  diagnostische  und  therapeutische  Apparat  der 
Krankenanstalten  sich  auf  jener  Höhe  befindet,  welcher  der  er¬ 
folgreichen  Anwendung  bei  Kranken  und  der  Ausbildung  der 
künftigen  Aerzte  entspricht  ; 

3.  dass  den  Praktikanten  Gelegenheit  gegeben  wird,  wissen¬ 
schaftlich  und  praktisch  den  Fortschritten  der  Medizin  zu 
folgen ; 

4.  dass  für  die  Praktikanten,  um  sie  mit  den  Aufgaben  und 
Pflichten  des  ärztlichen  Standes  vertraut  zu  machen,  Vorträge 
oder  Besprechungen  über  die  ärztlichen  Pflicht-  und  Sittengesetze 
eingerichtet  werden. 

Hierzu  hat  Herr  Prof.  Partsch-  Breslau  als  Ergänzung 
foglende  Thesen  eingebracht: 

a)  Das  praktische  Jahr  kann  nur  seinen  Zweck  erfüllen 
bei  genügender  praktischer  Vorbildung  des  Praktikanten.  Des¬ 
halb  ist  auch  in  Zukunft  für  die  Erweiterung  des  poliklinischen 
und  propädeutischen  Unterrichts  an  der  Universität  seitens  der 
Unterrichtsverwaltung  Sorge  zu  tragen. 

b)  Es  ist  zu  vermeiden,  dass  das  praktische  Jahr  zu  spe- 
zialistischer  Ausbildung  verwendet  wird.  Deshalb  sind  ausser 
den  3  Hauptkliniken  der  Universität  die  allgemeinen  Kranken¬ 
häuser  für  die  Ableistung  des  praktischen  Jahres  heranzuziehen. 

Herr  Partsch  kann  es  nicht  billigen,  dass  von  Seite  des 
Ministeriums  die  Zuweisung  von  Praktikanten  an  die  Kranken¬ 
häuser  wie  eine  vorteilhafte  Annehmlichkeit  hingestellt  wurde,  sie 
bleibt  vielmehr  eine  Last  für  die  leitenden  Aerzte.  Die  Unter¬ 
richtsverwaltung  bleibt  auch  allein  verantwortlich  für  die  ent¬ 
sprechende  Ausbildung  der  Aerzte  und  es  ist  schon  auf  der  Uni¬ 
versität  die  praktische  Schulung  in  jeder  Richtung  zu  fördern, 
nicht  nur  das  Auge,  sondern  vor  allem  die  Hand,  d.  h.  der  Ge¬ 
fühlsinn  ist  durch  eifrige  Uebung  zu  schärfen.  Hierfür  bietet 
die  Poliklinik  die  beste  Gelegenheit  und  die  Verwendung  zu  Lehr¬ 
zwecken  ist  das  wirksamste  Mittel  gegen  die  Ueberfüllung  der 
Polikliniken.  Es  ist  eine  möglichst  allseitige  Ausbildung  "während 
des  praktischen  Jahres  zu  erstreben  und  soll  einer  kümmerlichen 
spezialistischen  Ausbildung  nicht  Vorschub  geleistet  werden. 

Herr  Spatz-  München  wendet  sich  gegen  die  Bestimmung 
der  These  1,  dass  die  Praktikanten  keinesfalls  an  Stelle  von  Assi¬ 
stenzärzten  eingeschoben  -werden  dürfen.  Für  grosse  Krankenhäuser 
treffe  dies  zu;  in  kleineren  Anstalten  genüge  die  Tätigkeit  eines  Ko- 
assistenten  nicht  für  die  Ausbildung  der  Praktikanten.  Nur  die 
Erfüllung  bestimmter  Pflichten  und  die  Tragung  eines  gewissen 
Masses  von  Verantwortung  unter  steter  Kontrolle  eines  tüchtigen 
Chefs  gebe  jene  praktische  Schulung,  deren  Wohltat,  bisher  ein 
Vorzug  einiger  weniger,  durch  das  praktische  Jahr  allen  Aerzten 
zu  gute  kommen  solle.  Er  beantrage  daher  eine  allgemeinere 
Fassung  der  These  1. 

Herr  Magen-  Breslau  wünscht,  dass  die  Assistentendienste 
leistenden  Aerzte  volle  Bezahlung  erhalten.  Die  noch  nicht  appro- 
birten  Mediziner  können  nicht  als  Assistenzärzte  fungieren. 

Herr  A 1  e  x  a  n  d  e  r  -  Berlin:  Die  Einschiebung  der  Prakti¬ 
kanten  als  Assistenzärzte  ist  gesetzlich  unzulässig,  es  wird  Un¬ 
zuträglichkeiten  geben,  wenn  sich  Bürger  von  nicht  approbierten 
Aerzten  behandeln  lassen  sollen.  Bestimmte  Verrichtungen  sind 
nur  wirklichen  Aerzten  erlaubt. 

Herr  Wentscher-  Thorn  wünscht  unveränderte  Annahme 
der  These  1,  da  die  Verantwortlichkeit  der  leitenden  Aerzte  zu 
gross  würde. 

Die  Thesen  1,  2,  3  werden  unter  Ablehnung  des  Antrags 
Spatz  angenommen. 

Zu  These  4  liegt  ein  Antrag  der  Herren  Munter,  Mug- 
d  a  n  und  Lennhoff  vor,  wonach  die  Praktikanten  insbeson¬ 
dere  auch  mit  den  Aufgaben  des  Arztes  bei  Ausführung  der 
sozialpolitischen  Gesetze  vertraut  zu  machen  sind. 

Herr  Munter  begründet  den  Antrag  mit  dem  Hinweis,  dass 
von  der  bayerischen  Kammer  eine  Professur  für  soziale  Medizin 
und  Gewerbehygiene  beschlossen  worden  sei,  worauf 

Herr  Mayer-  Fürth  erwidert,  unter  grosser  Heiterkeit  der 
Versammlung,  dass  es  sich  nur  um  eine  Summe  von  1200  M.  für 
einen  Lehrauftrag  an  einen  praktischen  Arzt  handelt,  dagegen  die 
Kammer  die  Errichtung  einer  homöopathischen  Professur  be¬ 
schlossen  habe. 


1198 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Herr  II  ü  f  1  e  r  -  Chemnitz  beantragt  einen  Zusatz  „unter  Mit¬ 
wirkung  der  Standes  Vertretung".  Die  ärztlichen  Bezirksvereine 
würden  gerne  bereit  sein,  die  Praktikanten  über  wichtige  Gegen¬ 
stände,  z.  B.  die  briefliche  Krankenbehandlung,  ärztliche  Zeug¬ 
nisse  für  Heilmittel  u.  s.  w.,  aufzuklären,  die  leitenden  Aerzte 
können  das  nicht  tun. 

Herr  Partsch  -  Breslau  beantragt  Streichung  der  zweiten 
Hälfte  der  These  4,  da  den  Krankenhausärzten  solche  Demonstra¬ 
tionen  und  Vorträge  nicht  zugemutet  werden  können. 

Herr  II  u  m  p  f  glaubt,  dass  die  Standesvereine  nicht  immer  in 
der  Lage  sind  zu  solchen  Unterweisungen,  wenn  die  leitenden 
Aerzte  das  nicht  übernehmen,  wird  oft  eine  Lücke  bleiben;  auf  der 
Universität  werden  solche  Vorträge,  wenn  es  sich  nicht  um  ein 
Examensfach  handelt,  nicht  besucht. 

Bei  der  Abstimmung  wird  die  erste  Hälfte 
der  These  4  mit  dem  Zusatz  von  Munter  u.  Ge  n. 
angenommen,  der  Antrag  H  ü  f  1  e  r  abgelehn  t, 
die  zweite  Hälfte  der  These  abgelehnt. 

Die  Herren  Becker  und  Bergeat  -  München  bean¬ 
tragen,  dass  die  von  den  einjährig-freiwilligen  Aerzten  geleistete 
Dienstzeit  (zweites  Halbjahr)  auf  das  praktische  Jahr  in  An¬ 
rechnung  gebracht  werden  soll. 

Herr  Becker:  Durch  die  neue  Ordnung  wird  das  medi¬ 
zinische  Studium  um  ein  Semester  und  um  das  praktische  Jahr 
verlängert,  die  Mehrbelastung  desjenigen,  der  dem  Vaterland 
Militärdienst  leistet,  noch  empfindlicher.  Nach  der  Heerordnung 
müssen  allerdings  die  einjährig-freiwilligen  Aerzte  approbiert  sein, 
es  ist  aber  möglich,  dass  Bemühungen  um  eine  Neuregelung  Erfolg 
haben.  Wenn  auch  der  Revierdienst  wohl  als  minderwertig  gelten 
kann,  so  gilt  das  nicht  für  die  Verwendung  in  einem  der  Kranken¬ 
häuser  der  Militärverwaltung. 

Der  Antrag  wird  gegen  28  Stimmen  ab  - 
gelehnt. 

Herr  K  o  r  m  a  n  n  -  Leipzig  beantragt  eine  These  „es  ist  er¬ 
wünscht,  dass  die  Praktikanten  in  der  ersten  Hilfeleistung  und 
in  der  Krankentransporttechnik  ausgebildet  werden“. 

Zur  Begründung  macht  er  die  Wichtigkeit  dieser  Technizismen 
geltend  und  die  Notwendigkeit,  dass  die  Aerzte  auf  diesem  Gebiete 
die  Führung  und  Ausbildung  in  der  Hand  behalten.  Die  jungen 
Aerzte  sind  in  diesen  Dingen  viel  zu  wenig  unterrichtet. 

Der  Antrag  wird  abgelehnt. 

Herr  Siemens  -  Köslin  beantragt  Bestimmungen,  welche 
den  leitenden  Aerzten  gestatten,  die  Annahme  von  Praktikanten, 
welche  sich  melden,  zu  verweigern  und  solche,  welche  sich  Ver¬ 
fehlungen  zu  Schulden  kommen  lassen,  aus  dem  Krankenhaus 
zu  entlassen. 

Herr  Petschull  -  Nassau  widerspricht  dem,  damit  nicht  das 
in  der  Besetzung  der  Assistentenstellen  herrschende  Protektions¬ 
wesen  auch  auf  dieses  Gebiet  übertragen  werde. 

Der  Antrag  Siemens  wird  abgelehnt. 

Zur  These  a  von  Prof.  Partsch  bemerkt 

Herr  K  r  e  c  k  e  -  München,  dass  ein  weiteres  Ueberhand- 
nehmen  der  Polikliniken  durchaus  unerwünscht  erscheine,  die  Aus¬ 
nützung  zu  Lehrzwecken  biete  gegen  den  herrschenden  Miss¬ 
stand  durchaus  keinen  Schutz. 

Die  Thesen  a  und  b  werden  angeno  m  m  e  n, 
nachdem  ein  Amendementantrag  K  ii  hne  -  Charlottenburg,  ein¬ 
zusetzen  „zu  ausschliesslich  spezialistischer  Ausbildung“, 
abgelehnt  wurde. 

VII.  Bericht  bezw.  Anträge  der  Kommissionen 

a)  für  Lebensversicherung. 

Herr  Pleinze:  Es  liegen  Klagen  vor,  dass  sich  einzelne 
Vereine  nicht  an  den  Freiburger  Beschluss  halten,  wonach  für 
hausärztliche  Atteste  das  Honorar  auf  5  M.  normiert  wurde. 
Andrerseits  weichen  einzelne  Gesellschaften,'  z.  B.  bei  der  Volks¬ 
versicherung,  durch  erweiterte  Fragestellung  von  den  verein¬ 
barten  Formularen  ab,  daher  ist  eine  Revision  der  Formulare 
angezeigt.  lieber  eine  ernste  Differenz  mit  der  Versicherungs¬ 
gesellschaft  Adler  in  Darmstadt,  deren  Verhalten  die  Missbilli¬ 
gung  des  Verbandes  deutscher  Lebensversicherungsgesellschaften 
gefunden  hat,  wird  im  Aerztlichen  Vereinsblatt  ausführlich  be¬ 
richtet  werden. 

Die  Herren  II  e  n  i  u  s  -  Berlin  und  J  a  f  f  e  -  Hamburg  be¬ 
richten,  dass  entsprechend  dem  von  ihren  Vereinen  festgesetzten 
Satz  die  hausärztlichen  Atteste  anstandslos  mit  10  M.  honoriert 
werden. 

b)  für  Unfallversicherung. 

Herr  L  ö  b  k  e  r  -  Bochum :  Die  Regel ung  der  Verhältnisse  ist 
im  allgemeinen  gut,  wenn  auch  nicht  die  beste,  ernste  Diffe¬ 
renzen  sind  nicht  vorgekommen. 

Nach  den  Anträgen  von  Partsch  -  Breslau  und  David- 
sohn  -  Berlin  wird  beschlossen,  die  Zusammenstellung  der 


zwischen  dem  Aerztevereinsbund  und  den  Versicherungsgesell¬ 
schaften  getroffenen  Vereinbarungen  neu  aufzulegen  und  den 
neueintretenden  Mitgliedern  auszuhändigen,  die  Beschlüsse  des 
Aerztevereinsbundes  in  Sachen  der  Versicherungsgesellschaften 
anzufügen.  —  Auf  Vorschlag  Löbkers  wird  das  Mandat  der 
Kommission  verlängert. 

c)  Zur  Revision  des  Krankenversicherungsgesetzes. 

Die  Herren  Referenten  Mayer- Fürth  und  IT  über - 
Augsburg  haben  hierzu  Anträge  eingebracht,  deren  erster  Teil 
zunächst  zur  Beratung  gestellt  wird: 

Der  Aerztetag  wolle  beschliessen, 

A.  eine  Denkschrift  an  den  Bundesrat  zu  richten  und  fol¬ 
gende  Punkte  als  Wünsche  des  ärztlichen  Standes,  welche  bei 
Revision  des  Krankenversicherungsgesetzes  zu  berücksichtigen 
sind,  aufzustellen  und  zu  begründen. 

I.  Die  Mitglieder  der  Krankenkasse  sollen  die  Hilfe  jedes 
Arztes  anrufen  können,  der  im  Bezirke  der  Kasse  tätig  ist  und 
sich  auf  die  vereinbarten  Bedingungen  verpflichtet  hat, 

II.  Die  gegenseitigen  Leistungen  zwischen  Aerzten  und 
Krankenkassen  sollen  vereinbart  werden  von  Kommissionen,  die 
zu  gleichen  Teilen  von  Aerzten  des  Bezirkes  und  Delegierten 
der  Krankenkassen  gebildet  werden. 

III.  Den  Honorarbestimmungen  seitens  dieser  Kommissionen 
ist  die  staatliche  Mindesttaxe  zu  Grunde  zu  legen. 

Herr  Mayer-  Fürth :  Unsere  Beweismittel  gegenüber  den 
Behörden  waren  bisher  lückenhaft,  wir  haben  daher  eine  Enquete 
veranstaltet  und  zu  einer  grossen  Statistik,  der  wir  den  ominösen 
Namen  Denkschrift  gegeben,  verarbeitet.  (Der  Entwurf  dieser 
überaus  inhaltreichen  Denkschrift  ist  der  Tagesordnung  beige¬ 
geben.  Ref.)  Wir  müssen  uns  auf  die  Wünsche  der  Aerzte 
beschränken.  Die  Frage,  ob  die  freie  Arztwahl  für  uns  gut  und 
durchführbar,  ist  zu  bejahen,  wenn  die  Aerzte  wirklich  sich  den 
Vereinbarungen  fügen.  Bei  direkten  Verhandlungen  mit  den 
Kassen  hatten  die  Aerzte  noch  immer  Erfolg,  daher  sind  Honorar¬ 
kommissionen  zu  gründen.  Die  Minimaltaxe  ist  als  starres 
Prinzip  nie  aufrecht  erhalten  worden,  wir  sprechen  nur  aus,  dass 
wir  Anspruch  darauf  haben  und  es  eine  Konzession  an  die  Kasse 
ist,  wenn  davon  abgesehen  wird.  Jedenfalls  müssen  wir  mitreden 
bei  der  Honorarfestsetzung,  allmählich  kommen  wir  sicher  zu 
besserer  Bezahlung.  Aerzte  und  Kassen  müssen  ihrer  gegenseiti¬ 
gen  Pflichten  und  Rechte  eingedenk  sein,  die  Kassenmitglieder 
ihre  Ansprüche  mässigen,  die  Aerzte  die  Leistungsfähigkeit  der 
Kassen  schonen,  speziell  mit  Bezug  auf  die  Heilmittelverordnung 

Herr  H  a  r  t  m  a  n  u  -  Leipzig:  Die  Einreichung  einer  Denk¬ 
schrift  hat  wenig  Wert;  der  Regierungsvertreter  hat  uns  bereits 
versichert,  dass  unsere  Verhandlungen  mit  Interesse  verfolgt 
werden.  Wir  machen  immer  wieder  unliebsame  Erfahrungen: 
Als  der  Ausschuss  der  preussischen  Aerztekammern  den  Wunsch 
aussprach,  in  Sachen  der  Krankengesetzgebung  gehört  zu  werden, 
antwortete  der  Handelsminister  Mülle  r,  man  wisse,  was  die  Aerzte 
wollten,  das  Material  sei  bereits  vollständig;  wenn  eine  so  wichtige 
Korporation  nicht  beachtet  werde,  in  der  keine  groben  Re¬ 
volutionäre  und  Heissporne  sind,  wie  ich,  dann  wird  der  Aerzte¬ 
tag  auch  keinen  Eindruck  machen.  Die  Vertreter  der  Gewerk¬ 
schaften,  der  Arbeiter,  die  Arbeitgeber,  Kassenvorstände  und 
Kassenbeamten  sprechen  sich  gegen  uns  aus,  diese  Faktoren  sind 
einflussreicher  als  die  Aerzte  und  werden  eher  Gehör  finden. 
Ein  anderer  Weg  ist  der  der  Selbsthilfe;  was  die  Regierung  leisten 
kann  und  muss,  ist,  dass  sie  die  von  ihr  gegründeten  Versiche¬ 
rungseinrichtungen  leistungsfähig  macht,  den  vermittelnden  Be¬ 
amten  zur  Objektivität  gegen  die  ärztlichen  Forderungen  anhält 
und  die  Statistik  mit  grösserer  Sachlichkeit  als  bisher  aufstellen 
lässt,  wo  die  Tatsachen  bis  ins  Fünffache  zu  Ungunsten  der  Aerzte 
übertrieben  wurden. 

Schon  Bismarck  hat  den  als  sehr  kindlich  und  naiv  be¬ 
zeichnet,  der  ohne  eigenen  politischen  Einfluss  vom  Staat  Hilfe 
in  seinen  materiellen  Interessen  erwartet,  und  wo  alle  Hilfe  von 
aussen  versagt,  gibt  es  nur  eines:  die  Selbsthilfe! 

Herr  II  e  r  z  a  u  -  Halle:  Der  Optimismus  der  Anträge  ist  er¬ 
staunlich  angesichts  der  Fruchtlosigkeit  aller  unserer  bisherigen 
Bemühungen,  man  versichert  uns  des  Wohlwollens,  und  wenn  ein¬ 
mal  eine  günstige  Verordnung  kommt,  wird  sie  von  den  Behörden 
selbst  nicht  durchgeführt.  Die  finanziellen  und  ethischen  Verhält¬ 
nisse  der  Aerzte  in  der  Provinz  Sachsen  stellten  sich  als  noch 
trauriger  heraus,  als  dem  A  erz  te  v  e  r  e  in  sbu  n  d  und  den  Behörden 
bekannt  ist.  Zur  Abhilfe  dienen  Vertragskommissionen,  auch  die 
Standes  vereine  können  Avirken,  indem  sie  Aerzte  zur  Verant- 
Avortung  ziehen,  die  unwürdige  Verträge  schliessen,  Avie  solche 
beispielsweise  mit  der  Eisenbahnverwaltung  eingegangen  worden 
sind. 

Redner  stellt  den  Antrag:  Der  30.  Deutsche  Aerztetag 
beauftragt  den  Geschäftsausschuss,  bei  den  ge- 


15.  Juli  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1199 


setzlichen  Standesvertretungen  aller  deut¬ 
schen  Bundesstaaten  und,  wo  solche  nicht  vor¬ 
handen  sind,  bei  den  ä  r  z  1 1  i  ch  e  n  Vereinen  auf 
die  sofortige  Errichtung  von  Vertragskom- 
missionen  hinzuwirken. 

Herr  Königshöfer-  Stuttgart.  Nach  den  in  Württem¬ 
berg  gemachten  Erfahrungen  ist  vom  Staate  nichts  zu  erreichen, 
dagegen  ist  durch  strammes  Zusammenhalten  der  Aerzte  selbst 
vieles  schon  erzielt  worden.  Gegen  die  vorgeschlagene  Berufung 
von  Verwaltungsbeamten  als  Vorsitzenden  der  Einigungskommis¬ 
sionen  bestehen  grosse  Bedenken,  in  neun  Zehnteln  der  Fälle  treten 
sie  auf  Seite  der  Kassen.  An  Stelle  der  Festlegung  der  Mindest¬ 
taxe  soll  man  die  Vereinbarung  des  Honorars  nach  lokalen  Be¬ 
dürfnissen  treten  lassen. 

Herr  Pfalz-  Düsseldorf:  Durch  wiederholte  Petitionen  lässt 
sich  doch  manches  erreichen,  namentlich  gilt  dies  für  die  Auf¬ 
klärung  der  Regierungskreise,  in  denen  trotz  gegenteiliger  Be¬ 
hauptung  noch  vielfach  die  gröbste  Unkenntnis  über  die  ärzt¬ 
lichen  Verhältnisse  herrscht.  Die  Vertragskommissionen  werden 
„ünstig  wirken,  man  darf  ihnen  keine  undurchführbare  Vorschrift 
machen.  Man  macht  mit  den  Verwaltungsbeamten  oft  auch  gute 
Erfahrungen.  Die  Taxe  muss  erstrebt  werden,  niedrigere  Sätze 
sind  eine  Konzession;  an  manchen  Orten  wird  die  Taxe  sogar 
überschritten.  Niemand  hindert  einen  Wohnungsgeber,  dem  Ar¬ 
beiter  den  Mietpreis  zu  steigern,  der  Arzt  soll  an  der  Durchsetzung 
selbst  der  bescheidensten  Forderungen  gehindert  werden. 

Herr  M  a  r  k  u  s  e  -  Berlin:  Die  Regierungen  sind  aufzuklären, 
dass  es  einen  Stand  gibt,  der  durch  die  Ausführung  der  Kranken¬ 
versicherungsgesetze  schwer  leidet,  und  dass  Abhilfe  nötig  ist, 
wenn  nicht  weiteres  schweres  Unheil  entstehen  soll. 

Herr  May  er- Fürth:  Wenn  bisher  mit  Petititionen  wenig 
erreicht  wurde,  ist  noch  nicht  bewiesen,  dass  die  Selbsthilfe  sicher 
zum  Ziele  führt.  Sie  ist  besonders  angezeigt  in  grossen  Städten, 
in  kleinen  viel  weniger  durchführbar.  Der  Leipziger  Verband  ist 
sozusagen  das  zweite  Eisen,  das  wir  im  h  euer  haben,  abei  ei  ist 
noch  jung,  ein  recht  bescheidenes  Pflänzlein.  In  München  hat  das 
Eingreifen  der  Regierung  den  Streit  geschlichtet. 

Herr  H  a  r  t  m  a  n  n  -  Leipzig:  Dass  auch  in  kleinen  Städten 
die  Selbsthilfe  zum  Ziele  führen  kann,  beweist  der  Erfolg  in  Feuer¬ 
bach.  .  , .  ,  „ 

Herr  K  rüg-  Mainz:  Die  freie  Arztwahl  ist  ein  berechtigtes 

Postulat;  es  ist  auch  unrichtig,  dass  die  Versicherten  nichts  davon 
wissen  wollen.  Die  Kassenvorstände  und  Behörden  widerstreben 
ihr  aus  bureaukratischen  Gründen.  In  Mainz  ist  es  gelungen, 
durch  Aufklärung  der  Versicherten  die  Wiedereinführung  der  ab¬ 
geschafften  freien  Arztwahl  zur  dauernden  Zufriedenheit  durchzu¬ 
setzen. 

Bei  der  Abstimmung  werden  These  I  und  II  einstimmig 


Herr  Streffer-  Leipzig  stellt  für  den  Bezirksverein 
Leipzig-Stadt  den  Antrag,  bei  den  Regierungen  darauf  hinzu¬ 
wirken,  dass  sie  allen  über  das  gesetzliche  Maas  hinausgehenden 
Leistungen  der  Kassen  für  ihre  Mitglieder  entgegentreten,  so¬ 
lange  die  Kassen  nicht  den  Ansprüchen  der  Aerzte  auf  Bezahlung 
der  Mindesttaxe  nachgekommen  sind. 

Die  Herren  W.  Becher-  Berlin  und  Munter-  Berlin 
und  Kirberger-  Frankfurt  beantragen  Ablehnung. 

Der  Antrag  wird  abgelehnt. 

lieber  weitere  den  Thesen  I — III  in  der  Tagesordnung  an¬ 
gefügte  Grundsätze  unterbleibt  eine  Besehlussfasung  nach  der 
Erklärung  des  Referenten,  dass  dieselben  keine  formellen  Anträge 
bilden  sollen. 

II.  Teil: 

IV.  Personen  mit  Gesamteinkommen  über  2000  M.  dürfen 
weder  Kassenmitglieder  werden  noch  bleiben.  . 

V.  Die  Behandlung  von  erkrankten  Mitgliedern  darf  nur 
durch  die  in  den  deutschen  Bundesstaaten  approbierten  Medi¬ 
zinalpersonen  stattfinden,  welche  auch  einzig  und  allein  berechtigt 
sind,  die  Erwerbsunfähigkeit  eines  Mitgliedes  zu  bezeugen. 

VI.  Streichung  der  Bestimmung  in  §  6a  Abs,  1  ZifT.  2  und 
§  26  a  Abs.  2  Ziff.  2,  dass  Versicherten,  welche  sich  eine  Krank¬ 
heit  vorsätzlich  oder  durch  schuldhafte  Beteiligung  bei  Schlä¬ 
gereien  oder  Raufhändeln,  durch  Trunkfälligkeit  oder  geschlecht¬ 
liche  Ausschweifungen  zugezogen  haben,  für  diese  Krankheit 
das  Krankengeld  gar  nicht  oder  nur  teilweise  zu  gewähren  ist. 

Nach  kurzer  Begründung  durch  den  Referenten,  Herrn 
Höher-  Augsburg,  wird  These  IV  ohne  Debatte  mit  allen  gegen 
1  Stimme  angenommen. 

Zu  V.  äussert  Herr  M  u  g  bau-  Berlin  Bedenken,  weil 
"Badern  u.  dgl.  die  Befugnis  zur  Bestätigung  der  Erwerbsunfähig¬ 
keit  zugestanden  wird.  . 

Herr  A  d  a  m  -  Nieder-Hermsdorf  beantragt  statt  Medizinal- 

personen  „Aerzte“  zu  setzen.  * 

Mit  dieser  Aenderung  wird  These  V  ein¬ 
stimmig  angenommen. 

Zn  VI.  Herr  W.  B  e  c  li  e  r  -  Berlin  ersucht,  nur  die  Worte 
durch  Trunkfälligkeit  oder  geschlechtliche  Ausschweifungen“  zu 
streichen,  den  übrigen  Teil  der  Bestimmung  aus  allgemeinen 
Rechtsgrundsätzen  bestehen  zu  lassen.  .  ' 

Dem  widersprechen  die  Herren  K  o r  m  ann-  Leipzig  und 

Referent  Höher.  0  . 

These  VI  wird  dann  mit  allen  gegen  11  Stirn¬ 


angenommen. 

Zu  These  III  beantragt  Herr  K  o  r  m  a  n  n  -  Leipzig  statt 

Mindesttaxe  „Taxe“  einzusetzen. 

Herr  Kirberger-  Frankfurt  spricht  gegen  die  These  III, 
da  sie  falsche  Vorstellungen  über  die  Bestrebungen  der  Aerzte  er¬ 
wecken  kann.  . 

Herr  Pfeiffer-  Weimar:  Man  soll  nicht  auf  einmal  zur 
Mindesttaxe  übergehen  "wollen,  durch  langsames  Ansteigen  im 
Laufe  der  Jahre  ist  auch  vieles  zu  erreichen. 

Herr  Mugdan  -  Berlin:  Die  Forderung  der  Mindesttaxe,  die 
der  Staat  jeden  Augenblick  herabsetzen  kann,  ist  falsch. 

Herr  Pfalz-  Düsseldorf  warnt  davor,  sich  mit  früheren  Be¬ 
schlüssen  in  Widerspruch  zu  setzen.  Der  frühere  Beschluss,  der 
ein  Pauschale  von  3  M.  fixierte,  war  unglücklich. 

Nachdem  ein  Schlussantrag  abgelehnt,  wird  hier  wegen  vor¬ 
gerückter  Zeit  Vertagung  beschlossen. 

Sitzung  vom  5.  J  u  1  i  1902. 

Herr  Becker-München:  Eine  Bestimmung  über  die 
Honorarbemessung  ist  notwendig.  Man  muss  staunen,  wenn  der 
Eisenacher  Beschluss  als  unglücklich  bezeichnet  wird,  die  Aeizte 
haben  an  demselben  bei  allen  Streitigkeiten  eine  Stütze  gefunden. 

Herr  W  i  n  d  e  1  s  -  Berlin:  Es  ist  unrichtig,  dass  die  Kassen 
durch  die  Mindesttaxe  ruiniert  werden,  es  sind  schon  jetzt  300 
Kassen  bekannt,  die  sie  in  vollem  Umfang  gewähren.  Die  Kassen 
müssen  eben  die  Beiträge  erhöhen  und  es  ist  kein  Grund  vor¬ 
handen  für  die  Aerzte,  die  Forderung  nicht  zu  stelleu.  Zur  Ver¬ 
doppelung  des  Aerztelionorares  ist  eine  Erhöhung  der  w  öchent- 
lichen  Beiträge  um  2,8,  zur  Verdreifachung  um  5,8  PI.  genügend. 

Herr  Magen-  Breslau  spricht  für  die  Taxe,  um  den  Kom¬ 
missionen  eine  Norm  zu  geben.  Das  Nichtvertragen  hölieiei 
Leistungen  seitens  des  Kassen  ist  ein  Märchen.  Der  Leip¬ 
ziger  Verband  ist  kein  schwaches  Pflänzlein,  sondern  ein  mächtigei 
Baum. 

Herr  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Weimar  wünscht  der  vorzüglichen  Denk¬ 
schrift  Verbreitung  auch  bei  den  Kassenmitgliedern,  dem  würde 
die  Forderung  der  Mindesttaxe  im  Wege  sein. 

Da  sich  der  Referent  einverstanden  erklärt,  für  Mindest 
faxe  zu  setzen  „staatliche  Taxe“,  wird  T  hese  III  in  der  so 
veränderten  Fassung  gegen  18  Stimmen  an 
genommen. 


men  an  g.e  nommen. 

Zu  dem  Punkt  A,  betreffend  Absendung  einer  Denkschrift 
an  den  Bundesrat,  beantragt  der  Referent,  Herr  Mayer- 
Fürth,  die  Denkschrift  nach  Ueberarbeitung  durch  den  Ge¬ 
schäftsausschuss  an  den  Bundesrat  zu  leiten. 

Herr  Stoltenhof  f -Kortau  beantragt  auch  Uebersendung 

an  den  Reichstag. 

Herr  Bongar tz  -  Karlsruhe  erklärt  sich  gegen  die  Abseu- 
dung  an  den  Bundesrat,  wegen  der  These  III,  welche  im  badischen 
Landtag  zu  Debatten  führen  würde;  man  müsse  daraut  rechnen, 
durch  die  Landesgesetzgebung  vielleicht  zu  erzwecken,  was  durch 
das  Reich  aller  Voraussicht  nach  nicht  gewährt  wird,  namentlie  i 
die  Einigungskommissionen. 

Beide  Anträge  werden  mit  grosser  Majorität  angenommen. 

B.  Eine  Petition  an  den  Bundesrat  zu  richten  und  zu  be¬ 
antragen,  dass  zur  Beratung  des  Krankenversicherungsgesetzes 
Vertreter  der  Aerzteschaft  herbeigezogen  werden.  _ 

Herr  H  ö  b  e  r  -  Augsburg  ist  bereit,  die  Petition  im  W  ort¬ 
laut  vorzulegen;  dieselbe  wir  dem  Geschäftsausschuss  überwiesen. 

Herr  Königshöfer  -  Stuttgart  beantragt,  dass  die  ge¬ 
nannten  Vertreter  der  Aerzteschaft  von  dieser  gewählt 


an  sollen. 

Herr  Pfalz-  Düsseldorf  meint,  man  solle  die  1  ertreter  nicht 
»rschreiben,  es  genüge,  wenn  überhaupt  Vertreter  der  Aerzte  zu- 

ezogen  würden.  ,  .  . 

Herr  M  u g  d  a n -  Berlin  spricht  für  den  Antrag,  Heil 
[über-  Augsburg  schlägt  Vertreter  des  Aerztevereinsbundes  voi. 

Herr  Löbker:  Wenn  wir  auch  stolz  auf  unsere  Gef o  g 
chaft  sind,  wird  der  Bundesrat  doch  sich  an  die  gesammte  Aeizte- 
eliaft  wenden  wollen.  .  ,A  a ,  • 

Der  Antrag  Königshöfe  r  wird  mit  64  gegen  40  Stim- 

aen,  der  Antrag  B  mit  diesem  Zusatz  mit  allen 
;egen  5  Stimmen  angenommen. 

Nunmehr  folgt  ein  Antrag  C  von  Kirberger^  irank¬ 
urt  u.  Gen.:  Der  Aerztetag  wolle  beschliessen,  gleichzeitig  um 
11c  in  der  deutschen  Aerzteschaft  vorhandenen  Kräfte  in  Tätig¬ 
keit  zu  setzen,  um  auf  dem  Wege  der  freien  Organisation  der 
Merzte  das  Verhältnis  zwischen  den  Krankenkassen  und  Aerzten 


1200 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zu  reformieren.  Der  Aerztetag  erklärt  es  deshalb  für  eine  Pflicht 
aller  dem  Aerztevereinsbund  angehörenden  Aerzte,  darauf  hinzu¬ 
wirken,  dass  sich  die  Aerzte  den  einzelnen  Kassen  gegenüber 
zu  festen  Organisationen  zusammenschliessen,  welche  als  solche 
mit  den  Kassen  die  Bedingungen  für  die  kassenärztliche  Tätig¬ 
keit  vereinbaren. 

Bei  allen  Vereinbarungen  ist  zu  erstreben: 

1.  Dass  jeder  Arzt,  welcher  die  Satzungen  der  ärztlichen 
Organisationen  und  die  Vereinbarungen  derselben  mit  den  Kassen 
anerkennt,  in  die  Organisation  aufgenommen  werden  muss; 

2.  dass  die  Kassenmitglieder  die  freie  Wahl  unter  den  Aerzten 
der  Organisation  haben; 

3.  dass  die  Pflichten  der  Aerzte  den  Kassen  und  Kassen¬ 
mitgliedern  gegenüber,  sowie  die  Gegenleistungen  der  Kassen 
ausschliesslich  durch  die  ärztliche  Organisation  mit  den  Kassen 
vereinbart  wird; 

4.  dass  die  Organisation  als  solche  die  Verantwortung  für 
die  Einhaltung  der  eingegangenen  Verpflichtung  seitens  der  ein¬ 
zelnen  Aerzte  übernimmt  und  deshalb  allein  befugt  ist,  die  ein¬ 
zelnen  Aerzte  wegen  Verletzung  ihrer  kassenärztlichen  Pflichten 
zur  Verantwortung  zu  ziehen; 

5.  dass  die  Kassen  und  die  ärztliche  Organisation  bei  allen 
\  erliandlungen  und  Meinungsverschiedenheiten  als  gleichberech¬ 
tigte  Parteien  erscheinen. 

Herr  K  i  r  b  e  r  g  e  r  -  Frankfurt:  Der  Antrag  ist  verknüpft 
mit  der  freien  Arztwahl,  er  soll  auf  dem  Wege  der  freien  Organi¬ 
sation  das  erreichen,  was  auf  gesetzlichem  Wege  möglicherweise 
nicht  erreichbar  ist. 

Herr  D  i  p  p  e-  Leipzig:  Der  Antrag  bezweckt  die  Selbsthilfe, 
die  wohl  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund  treten  wird;  wenn 
derselbe  zu  sehr  ins  einzelne  geht,  dann  kann  der  Aerztetag  ebenso¬ 
gut  allen  Aerzten  den  Beitritt  zum  Leipziger  Verband  empfehlen. 

Herr  H  a  r  tmann  -  Hanau  glaubt,  dass  man  durch  die 
Tätigkeit  der  Standesvertretungen,  welche  die  Verträge  genau 
prüfen,  weiter  kommen  kann. 

Herr  M  u  g  d  a  n  -  Berlin:  Wer  glaubt,  dass  in  wirtschaft¬ 
lichen  Dingen  die  staatlich  eingerichteten  Standesvertretungen 
uns  fördern  können,  dem  ist  nicht  zu  helfen.  Man  kann  in  dem 
Antrag  alle  speziellen  Punkte  von  1—5  streichen. 

ü e n  Antragstellern  werden  diese  Punkte  1 
bis  5  alle  zurückgezogen. 

Herr  Neuberger  -  Nürnberg  weist  darauf  hin,  dass  Herr 
H  a  r  t  m  a  n  n  in  Hanau  selbst  zur  Selbsthilfe  gegriffen  hat,  als 
er  bei  einem  Kassenstreit  eine  Cavete- Annonce  erlassen.  Ein  Er¬ 
folg  sei  jedenfalls  der  Gründung  des  Leipziger  Verbandes  zu 
danken  gewesen. 

Herr  Hartmann  -  Hanau  erwidea’t,  dass  derartige  An¬ 
noncen  schon  vor  6  Jahren,  also  lange  vor  der  Gründung  des  Leip¬ 
ziger  Verbandes  erlassen  wurden. 

Bei  der  Abstimmung  wird  der  Antrag  II  erzau  mit  allen 
gegen  3  Stimmen  angenommen,  wodurch  der  Antrag  Kir¬ 
be  r  g  e  r  hinfällig  wird. 

Auf  der  Tagesordnung  steht  noch  ein  Antrag  K  rüg- 
Mainz : 

Der  Aerztetag  wolle  ferner  beschliessen,  eine  Petition  an  den 
Bundesrat  zu  richten,  dahin  gehend,  dass  das  Formular,  welches 
durch  das  Ausschreiben  des  Bundeskanzleramtes  vom  16.  Novem¬ 
ber  1892  für  die  TTebersichten  und  Rechnungsabschlüsse  der 
Krankenkassen  vorgeschrieben  wurde,  so  abgeändert  werde,  dass 
aus  diesen  Uebersichten  erkenntlich  sei,  wie  viel  Krankheitstage 
auf  die  erwerbsunfähigen  Kranken  im  Ganzen  kommen  und  wie¬ 
viel  dieser  Krankheitstage  Krankenrente  bezahlt  wurde;  ferner 
wieviel  erwerbsfähig^  Kranke  in  ärztliche  Behandlung  kamen ; 
ferner,  ob  ärztliche  Behandlung  der  Familienangehörigen  statt¬ 
fand,  und  wieviel  Krankheitsfälle  bei  diesen  vorkamen;  ferner, 
welcher  Betrag  an  den  Ausgaben  für  ärztliche  Behandlung  auf 
die  Behandlung  der  Familienangehörigen  entfällt. 

Heil  K  rüg  -  Mainz  betont  in  Kürze,  wie  sehr  die  gegen¬ 
wärtige  amtliche  Statistik  dazu  geeignet  sei,  der  wüsten  Agitation 
der  Krankenkassen  gegen  die  Aerzte  zu  dienen,  und  erläutert  ihre 
Mangelhaftigkeit  an  Beispielen;  der  Aerztetag  muss  das  sta¬ 
tistische  Amt  zu  einer  Aenderung  auffordern,  die  es  längst  von 
selbst  hätte  vornehmen  sollen. 

Herr  D  avidso  li  n  -  Berlin  wünscht,  dass  aus  der  Statistik 
in  Zukunft  hervorgehe,  ob  die  Aerzte  nach  Einzelleistungen  oder 
durch  Pauschale  honoriert  wurden,  ob  freie  Arztwahl  oder  fix¬ 
bezahlte  Kassenärzte  eingeführt  seien. 

Herr  M  unter-  Berlin  beantragt  eine  noch  viel  weiter 
gehende  genaue  Statistik,  welche  die  Art  der  Krankheiten  u.  s.  w. 
zu  berücksichtigen  hätte,  daher  sei  über  vorliegenden  Antrag  zu¬ 
nächst  zur  Tagesordnung  überzugehen. 

Dieser  Antrag  wird  mit  allen  gegen  1  Stimme  abgelelmt. 


No.  28. 


Herr  Müller-  Zittau  hält  es  für  notwendig,  bei  den  Aus¬ 
gaben  für  Aerzte  genauer  festzustellen,  welche  Beträge  dabei  auf 
die  Vergütung  eigener  Ausgaben  der  Aerzte  fallen.  Es  sind  das 
oft  10 — 20  Prozent. 

Der  Antrag  Iv  r  u  g  mit  dem  Zusatzantrag-  Davidsolin  wird 
angenommen. 

(Schluss  folgt.) 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  2.  Juli  1902. 

Demonstrationen : 

Herr  Salzwedel:  ein  Kind  mit  missbildetem  Schädel, 
Trigonocephalus;  ferner  ein  Kind  mit  Nierentumor,  operiert. 

Herr  Mackenrodt:  Präparate  von  radikaloperierten 
Gebärmutter-Scheidenkrebsfällen.  Besprechung  der  Methode,  die 
transperitoneal  ist,  um  eine  völlige  Ausräumung  der  Parametrien 
und  Berücksichtigung  der  regionären  Drüsen  zu  ermöglichen. 
Sorgfältige  Drainage. 

Tagesordnung : 

Herr  Liepmann:  Demonstration  von  3  Kranken:  1.  Seelen¬ 
blindheit.  2.  Asymbolie.  3.  Apraxie. 

Vortragender,  der  an  dem  Ausbau  der  Lehre  von  der  Seelen¬ 
blindheit  selbst  beteiligt  ist,  demonstriert  an  3  Kranken,  welche 
durch  apoplektische  Insulte  zu  partiellen  Rindendefekten  ge¬ 
kommen  waren,  die  obengenannten  Affektionen.  Unter  Apraxie 
versteht  er,  im  Gegenteil  zur  alten  Anwendung  dieses  Wortes, 
jenen  Defekt,  bei  welchem  die  Kranken  zwar  alles  verstehen,  aber 
von  den  Gliedern  nicht  den  zweckentsprechenden  Gebrauch  zur 
Ausführung  einer  intendierten  Bewegung  zu  machen  wissen. 

Herr  Liebreich:  Ueber  die  Wirkung  des  schweflig¬ 
sauren  Natrons. 

Das  schwefligsaure  Natron  wurde  bekanntlich  von  den 
Schlächtern  zur  Konservierung  der  roten  Farbe  des 
Fleisches  verwendet  und  seine  Anwendung  zu  diesem  Zwecke 
ist  jetzt  neuerdings  gesetzlich  untersagt.  Iliegegen  wendet  sich 
mit  Schärfe  Vortragender.  Es  werde  dadurch  zahlreichen  Leuten, 
zumal  Arbeitern,  der  Genuss  des  Fleisches  verleidet.  Denn  wenn 
das  Schabefleisch,  das  Morgens  aufs  Brot  gestrichen  worden,  bis 
zum  Moment  seiner  Verzehrung  die  Farbe  verloren  habe,  so  be¬ 
einträchtige  dies  die  Esslust.  Dies  Verbot  stütze  sich  auf  Gut¬ 
achten  des  Reichsgesundheitsamtes. 

Während,  so  führt  Vortr.  weiterhin  aus,  die  Publikationen 
anderer  staatlicher  Institute,  z.  B.  des  Kriegsministeriums  oder 
der  technischen  Reichsanstalt,  absolut  zuverlässig  seien  und  eine 
Bereicherung  der  Wissenschaft  bedeuten,  liesse  sich  nicht 
das  gleiche  vom  Reichsgesundheitsamt  sagen. 
Das  rühre  z.  T.  daher,  dass  an  seiner  Spitze  kein  naturwissen¬ 
schaftlich  gebildeter  Präsident,  sondern  ein  Jurist  stehe,  der  auf 
das  Urteil  seiner  Räte  angewiesen  sei. 

V ortr.  sucht  an  mehreren  Beispielen  zu  beweisen,  (P  har- 
makopöe  mit  ihren  ungeheuerlichen  neuen  Namen,  teilweise 
falschen  Siedepunkten  etc. ;  Balneologisches  Album  auf  der  Pa¬ 
riser  Ausstellung  mit  groben  Fehlern  und  Reklameunfug),  dass 
die  Publikationen  des  Reichsgesundheitsamtes  nicht  den  berech¬ 
tigten  Anforderungen  entsprechen. 

In  diese  Reihe  unzuverlässiger  Ai-beiten  dieses  Instituts  ge¬ 
höre  nach  Vortr.  auch  sein  Gutachten  über  das  Präserve- 
s  a  1  z,  das  schwefligsaure  Natron.  Dasselbe  sei  seit 
langen  J ähren  zur  Konservierung  des  Blutfarbstoffs  von  den 
Schlächtern  gebraucht  (in  Mengen  von  1 — 2  g  pro  kg)  und  noch 
nie  seien  Klagen  über  Unzuträglichkeiten  laut  geworden.  Nur 
der  Geh.  Medizinalrat  Born  t  r  ä  g  e  r  in  Danzig  habe,  wenn 
er  Bockwurst  u.  dgl.  esse,  danach  Aufstossen  bekommen,  welches 
nach  schwefliger  Säure  und  Schwefelwasserstoff  roch.  Dies  rühre 
aber  nicht,  sagt  Liebreich,  von  dem  schwefligsauren  Natron 
her,  sondern  von  Knoblauch. 

Ferner  habe  Herr  Kionka  im  Gesundheitsamt  an  Hunden 
fest  gestellt,  dass  durch  Einführung  mehrerer  Gramm  schweflig¬ 
sauren  Natrons  und  nachheriger  Sektion  mit  Durchspülung  des 
Gefässystems  mit  Kochsalzlösung  sich  an  einzelnen  Stellen 
Hyperämien  finden.  Diese  Deutung-  sei  aber  unzulässig;  es  sei 
eben  einfach  das  Spülwasser  an  manche  Stellen  nicht  hingelangt ; 
überdies  sei  dies  eine  ungewöhnliche  und  unzuverlässige  Sektions¬ 
methode.  Er  habe  diese  Versuche  nachgeprüft  und  könne  sie 
in  keiner  Weise  bestätigen.  Herr  v.  Hanse  m  a  n  n,  der  den 
Sektionen  beigewohnt,  habe  seine  Auffassung  geteilt.  Auch 
Lcpine  und  Kallmann  können  die  Versuche  Kionka  s 
nicht  bestätigen.  Es  sei  dann  angeführt  worden,  dass  das  Fleisch 


15.  Juli  1902. 


M1JENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1201 


trotz  Erhaltung  der  roten  Farbe  verdorben  sein  könne.  Dies 
sei  richtig.  Aber  daraus  dürfe  man  doch  nicht  herleiten,  dass 
mit  der  Anwendung  des  schwefligsauren  Natrons  eine  Täuschung 
des  Publikums  beabsichtigt  sei.  Es  sei  also  das  Verbot  des 
schwefligsauren  Natrons  durch  keine  ärztliche  oder  experimen¬ 
telle  Erfahrung  berechtigt  und  es  müsste  ebenso  wieder  fallen, 
wie  das  ehemalige  Verbot  dünnster  Kupferlösungen  zur  Erhal¬ 
tung  der  grünen  Farbe  der  Gemüsekonserven. 

Hans  K  o  li  n. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

S  i  t  z  u  n  g  v  o  m  7.  Juni  1902. 

Herr  Hoffa:  Ueber  die  orthopädische  Behandlung  der 
essentiellen  Kinderlähmung. 

Vortragender  gibt  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Ent¬ 
wicklung  der  Behandlung  der  Kinderlähmung  von  den  Schienen¬ 
apparaten  zu  den  Schienenhülsenapparaten  und  endlich  zur 
Operation  mittels  Sehnentransplantation.  Er  demonstriert  seine 
zum  Teil  ausgezeichneten  Resultate  an  einer  Reihe  von  Kranken. 

Hans  K  o  h  n. 


Biologische  Abtheilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  M  a  i  1902. 

Vorsitzender :  Herr  E.  Fraenkel. 

Schriftführer :  Herr  Moltrec  li  t. 

I.  Demonstrationen: 

Herr  Mönckeberg:  Demonstration  mikroskopischer 
Präparate  eines  Doppelkarzinoms  der  Gallenblase. 

Die  Patientin,  eine  77  jährige  Frau,  kam  am  28.  XII.  01  auf 
der  chirurgischen  Abteilung  des  Eppendorfer  Krankenhauses  zur 
Aufnahme.  Sie  litt  seit  5 — 6  Jahren  an  Schmerzen  in  der  Leber¬ 
gegend,  die  anfallsweise  alle  6  Wochen  etwa  eintraten.  14  Tage 
vorher  hatte  sie  eine  Geschwulst  im  r.  Hypochondrium  entdeckt, 
die  seitdem  sich  nicht  vergrössert  haben  sollte.  Bei  der  Aufnahme 
liess  sich  ein  harter  knolliger  Tumor  in  der  Gegend  der  Gallen¬ 
blase  palpieren,  der  von  dem  r.  Leberlappen  abzugrenzen  war. 
In  der  Annahme,  dass  es  sich  um  ein  noch  nicht  auf  die  Leber 
übergreifendes  Karzinom  der  Gallenblase  handelte,  wurde  die 
Exstirpation  vorgeschlagen,  angenommen  und  am  30.  XII.  01  in 
Chloroformnarkose  ausgeführt.  Bei  der  Operation  ergab  sich  die 
Richtigkeit  der  Annahme  eines  Gallenblasen tumors.  Die  Gallen¬ 
blase  wurde  exstipiert,  die  auf  der  unteren  Leberfläche  sichtbaren 
Geschwulstmassen  mittels  Methylchlorid  zerstört.  Das  Präparat 
gelangte  mit  der  Diagnose  Carcinoma,  vesicae  felleae  auf  die  Ana¬ 
tomie  zur  mikroskopischen  Untersuchung. 

Leider  hatte  das  Präparat  bei  der  Operation  stark  gelitten, 
so  dass  eine  genaue  Orientirung  unmöglich  war.  Es  liess  sich  nur 
konstatieren,  dass  die  Gallenblase  einen  intakten  Serosaüberzug 
besä ss,  dass  ferner  etwa,  der  dritte  Theil  der  Gallenblase  normale 
Dicke  der  Wandung  zeigte  und  dass  die  übrigen  zwei  Drittel  ein¬ 
genommen  wurden  von  Tumormassen,  die  sich  polypös  gegen  das 
Lumen  vordrängten,  zwischen  sich  kleine,  gelbe,  facettierte  Stern¬ 
chen  trugen  und  auf  ein  mitexstirpiertes  Stück  Leber  übergegriffen 
hatten.  Der  mikroskopische  Befund  war  ein  sehr  überraschender. 
Während  an  einigen  Stellen  der  Geschwulst  ein  deutliches,  alle 
Gewebsschichten  der  Wand  durchsetzendes  Adenokarzinom  zu 
sehen  war,  fand  sich  an  anderen  Stellen  ein  Tumor  von  rein  kan- 
kroidem  Charakter.  Sehr  eigentümlich  sind  die  Partien  der  Ge¬ 
schwulst,  wo  beide  Tumoren  Zusammentreffen.  Da  finden  sich  in 
gewucherten  Drüsenschläuchen  typische  Kankroidperlen  und 
andererseits  in  Plattenepithelnestern  komprimierte  Drüsen¬ 
schläuche.  Dass  es  sich  dabei  wirklich  um  ein  Kankroid  handelt, 
geht  daraus  hervor,  dass  der  von  den  Autoren  geforderte  Nach¬ 
weis  von  Stachelzellen,  sowie  die  E  rnst  sehe  Hornreaktion  po¬ 
sitiv  ausfielen. 

Bei  der  12  Tage  nach  der  Operation  vorgenommenen  Obduk¬ 
tion  fanden  sich  ausserdem  noch  Metastasen  beider  Geschwulst¬ 
arten  in  periportalen  Lymphdrtisen  und  in  der  Leber,  dagegen 
nirgendswo  im  Körper  ein  anderer  Tumor,  der  das  Kankroid 
in  der  Gallenblase  etwa  als  sekundär  erst  dorthin  gelangt  hätte 
erscheinen  lassen.  Daraufhin  lautete  die  anatomische  Diagnose 
auf  primäres  Adenokarzinom  und  Kankroid  der 
Gallenblase. 

Was  nun  den  Ausgangspunkt  für  die  Tumoren  anlangt,  so 
geht  aus  den  Präparaten  ohne  weiteres  hervor,  dass  das  Adeno¬ 
karzinom  aus  der  Drüsen  enthaltenden  Schleimhaut  der  Gallen¬ 
blase  abzuleiten  ist.  Für  das  Kankroid  ist  die  Entstehung  nicht 
mit  Sicherheit  nachzuweisen.  Es  finden  sich  zwar  in  verschiedenen 
Präparaten  direkt  am  Lumen  der  Gallenblase  mehrschichtige 
Lagen  von  Plattenepithel,  sowie  papilläre  Exkreszenzen,  die  an  die 
gutartigen  Lanrynxpapillome,  ausgehend  von  den  Stimmbändern, 


erinnern,  doch  kann  man  eben  nicht  mit  Gewissheit  ausschliesseu, 
dass  hier  das  Plattenopithel  erst  sekundär  als  Tumor  hingelangt 
ist.  ln  der  Literatur  finden  sich  im  ganzen  12  Fälle  von  Kankroid 
in  der  Gallenblase.  Die  Autoren  aller  dieser  Fälle  nehmen  zur  Er¬ 
klärung  eine  Metaplasie  des  Epithels  in  Folge  langwieriger  Ent¬ 
zündung  mit  Konkrementbildung  in  Anspruch.  Lu  barsch  ist 
es  ausserdem  gelungen,  eine  solche  Metaplasie  ohne  Tumorbildung 
in  der  Gallenblase  bei  chronischem  Entzündungszustand  naehzu- 
weisen.  Daher  geht  man  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  auch  in 
diesem  Falle  eine  stellenweise  Metaplasie  des  Epithels  in  Folge 
der  aus  der  Anamnese  hervorgehenden  Cholelitliiasis  und  eine 
sekundäre  Tumorbildung  annimmt. 

Die  Metaplasie  ist  bekanntlich  eine  sehr  strittige  Frage  in  der 
Pathologie.  Während  einige  Autoren  überhaupt  ihr  Vorkommen 
leugnen,  ist  für  Andere  der  Nachweis  wahrer  Metaplasie  bereits 
erbracht  worden.  Man  wird  vorläufig  am  sichersten  gehen,  wenn 
man  in  den  strittigen  Fällen  zunächst  alle  anderen  Erklärungs¬ 
möglichkeiten  ausschliesst  und  erst  als  letzten  Notbehelf  die  Meta 
plasie  als  Erklärung  heranzieht. 

In  diesem  Falle  kommen  nun  drei  Möglichkeiten  überhaupt 
nur  in  Betracht:  Ein  Hinüberwuchern  von  einem  Plattenepithel 
tragenden  Organ,  eine  Versprengung  embryonaler  Plattenepithel¬ 
keime  und  die  Metaplasie.  Da  keine  Gallenfistel  bestanden  hat 
und  da  man  sich  ein  Hinüberwuchern  vom  Oesophagus  her  nicht 
gut  vorstellen  kann,  ist  die  erste  Möglichkeit  auszuschliessen. 
Versprengte  Keime  sieht  man  stets  nur  in  Organen,  die  benach¬ 
bart  dem  Mutterboden  der  Keime  sind  oder  embryonale  waren. 
In  die  Nähe  der  Gallenblase  kommt  aber  während  des  ganzen 
Embryonallebens  niemals  Plattenepithel,  weshalb  auch  diese 
Möglichkeit  als  Erklärung  nicht  anwendbar  ist.  Es  bleibt  für 
diesen  Fall  also  nur  die  Metaplasie  als  Erklärung  bestehen. 

(Schluss  folgt.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  10.  März  1902. 

Vorsitzender :  Herr  FI  ochhau  s.  Schriftf. :  Herr  Schult  e. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Dreesmann  ein 
24  Pfund  schweres  multiloculäres  Ovarialkystom,  welches  er  bei 
einer  28  jährigen  Frau  mit  Erfolg  entfernte.  Dasselbe  war  inner¬ 
halb  5  Jahren  allmählich  gewachsen,  ohne  der  Patientin  besondere 
Beschwerden  zu  machen.  Es  waren  starke  Adhäsionen  mit  Netz, 
vorderer  Bauchwand  und  Wurmfortsatz  vorhanden  gewesen. 

Ferner  demonstriert  Redner  ein  Präparat  einer  ausgedehnten 
Tuberkulose  der  Nieren,  Harnleiter  und  der  Blase.  Da  nach  der 
Anamnese  etwa  y2  Jahr  vorher  eine  leichte  Perityphlitis  Vorgelegen 
und  die  jetzige  Krankheit  unter  ähnlichen  Symptomen  begonnen 
hatte,  zudem  -ein  stark  eiterhaltiger  Urin  entleert  und  eine  Per¬ 
foration  eines  Abszesses,  der  mit  der  Blase  kommunizierte,  nach 
dem  Peritoneum  stattgefunden  hatte,  wurde  die  Ursache  der  Er¬ 
krankung  anfänglich  an  der  Appendix  gesucht.  Dieselbe  fand  sich 
bei  der  Operation  nur  wenig  verändert,  ein  grosser  perinephri- 
tisclier  Abszess  stand  nicht  mit  ihr  in  Verbindung.  Bei  der  Sek¬ 
tion.  einige  Wochen  später,  fanden  sich  ausser  einer  miliaren 
Tuberkulose  beider  Lungen  multiple  Abszessbildungen  in  den 
Nieren,  besonders  rechts,  und  Erweiterung  der  Nierenbecken.  Der 
rechte  Ureter  war  fingerdick,  in  der  ganzen  Ausdehnung  ulzerös 
und  mit  schmierigen  Granulationen  bedeckt.  Der  linke  Ureter 
zeigte  diese  Veränderungen  nur  in  der  unteren  Hälfte.  Die  Blase 
war  geschrumpft  und  in  gleicher  Weise  wie  der  rechte  Ureter 
verändert. 

Herr  Czaplewski:  Ueber  Malaria.  (Mit  Demon¬ 
strationen.) 

C..  spricht  über  Malaria  unter  spezieller  Berücksichtigung 
der  neueren  Forschungsergebnisse.  Nach  einleitenden  Bemer¬ 
kungen  über  die  grosse  nationalökonomische  Bedeutung  der 
Malaria,  speziell  für  Italien  und  die  Tropen  (Kolonien),  teilt 
Vortragender,  welcher  sich  an  die  Arbeiten  von  0  e  1 1  i,  G  r  a  s  s  i, 
Koch,  Lühe  und  Rüge  anlehnt,  die  Geschichte  der  Malaria 
und  Malariaforschung  in  4  grosse  Abschnitte :  I.  von  Hippokrates 
bis  1640  (Einführung  der  Chinarinde  durch  Gräfin  C  i  n  c  h  o  n). 
II.  1640—1880  (1820  Chinin  von  P  e  1 1  e  t  i  e  r  und  Caventon 
dargestellt).  III.  1880—1896  (1880,  6.  Nov.,  Malariaplasmodien 
von  L  a  v  e  r  a  n  entdeckt).  IV.  1896  bis  neueste  Zeit,  in  welcher, 
ausgehend  von  den  Entdeckungen  der  Zoologen  Simon  d, 
Schau  d  in  n  und  Siedlecki  bei  Protozoen,  1897/98  von 
McOallum  die  geschlechtlichen  Formen  und  die  Copula  der 
Parasiten  der  Vogelmalaria,  dann  ebenfalls  1897/98,  angeregt 
durch  Manson  von  Ross  die  Entwicklung  der  1  ogelparasiten  in 
Culex,  dann  1898 — 1901,  vornehmlich  von  G  r  a  s  s  i  und  seinen 
Mitarbeitern  Bignami  und  Basta  nielli  die  weitere 
Entwicklung  der  Parasiten  der  Tertiana,  Quartana  und  I  ropica, 
ausschliesslich  in  ,  Anopheles  (einer  anderen  Mückengattung) 
lückenlos  klargelegt  wurde. 


1202 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Dann  kommen  die  Forschungen  von  R.  Koc  h,  welcher  sich 
für  nur  3  Malariaarten,  Tertiana,  Quartana,  Tropica,  mit  ver¬ 
schiedenen  Parasitenarten  ausspricht  und  Regeln  für  Beobach¬ 
tung  und  Behandlung,  sowie  planmässige  Bekämpfung  mit  seinen 
Schülern  festlegt,  während  auf  der  anderen  Seite  die  italienische 
Schule  den  Kampf  gegen  die  Malaria  in  Italien  im  Grossen 
durchführt.  Weitere  Fortschritte  sind  der  Ausbildung  der  Unter¬ 
suchungstechnik  spez.  durch  Ausbildung  der  Romanowsky- 
schen  Methode  durch  Ziemann,  N  o  c  li  t,  Rüge,  M  e  u  r  e  r, 
Zettnow  und  Reuter  zu  verdanken. 

Vortragender  schildert  an  der  Hand  der  Leuckart- 
C  hun  sehen  Wandtafeln  die  Entwicklung  der  Protozoen  und 
dann  der  Malariaparasiten  nach  dem  Schaudinn  sehen 
Schema  (ungeschlechtlicher  und  geschlechtlicher  Zyklus).  Dia¬ 
positive  z.  T.  von  Prof.  Z  ettn  o  w,  z.  T.  nach  Originalpräpa¬ 
raten  von  Hafenarzt  Dr.  N  o  c  h  t  und  Dr.  Reuter-  Hamburg 
vom  Vortragenden  hergestellt,  dienen  zur  weiteren  Illustration. 
Zum  Schluss  wird  die  moderne  Chininbehandlung  nach  Rüge 
und  die  allgemeine  und  spezielle  Prophylaxe  und  Bekämpfung 
der  Malaria  skizziert. 

Sodann  bespricht  Herr  Kötschau  in  längerer  Aus¬ 
führung  bakteriologisch-gynäkologische  Tagesfragen. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  1.  Mai  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Unverricht. 

Herr  Habs  demonstriert  zwei  Fälle  von  Rezidiven  nach 
Gallensteinoperationen.  In  beiden  Fällen  war  die  Cholecystostomie 
ausgeführt  und  zwar  von  berufenster  Hand  (T  r  endelen- 
b  u  r  g.  K  e  h  r).  H.  demonstriert  die  Fälle,  um  von  ihnen  die 
Berechtigung  der  modernen  Radikaloperation  (Cholecystektomie, 
kombiniert  mit  Choledochussondierung  und  Hepaticusdrainage)  ab¬ 
zuleiten.  Sodann  demonstriert  Habs  zum  Belege  seiner  in  der 
vorigen  Sitzung  aufgestellten  Behauptung  einen  vor  4  Tagen 
durch  Operation  gewonnenen  Proc.  vermiformis  mit  Kotstein,  bei 
welchem  der  erste  klinische  Perityphlitisanfall  zur  akuten  Per- 
forationsperitonitis  geführt  hatte. 

Herr  Tschmarke  bespricht  kurz  das  Verfahren  zur  An¬ 
fertigung  stereoskopischer  Röntgenphotographien  und  zeigt  eine 
Anzahl  solcher  Aufnahmen. 

Herr  T  h  o  r  n :  Bemerkungen  zu  den  Demonstrationen 
des  Herrn  B  u  1 1  e  n  b  e  r  g  in  der  vorigen  Sitzung. 

Herr  Kirsch:  Der  Nachweis  der  Simulation  und  Ueber- 
treibung  bei  Unfallverletzten. 

Nach  einigen  einleitenden  Worten  über  die  Häufigkeit  der 
Simulation  und  Uebertreibung,  welche  in  Beziehung  zu  setzen 
ist  zu  der  Unzuverlässigkeit  der  Angaben  der  meisten  Patienten, 
begrenzt  Vortragender  das  Thema  auf  die  Besprechung  des  Nach¬ 
weises  der  Erdichtung  und  Vorspiegelung  krankhafter  Zustände 
durch  falsche  Angaben  und  Verstellung,  während  die  Hervorruf  ung 
von  Krankheiten  (Selbstverstümmelung)  und  die  fälschliche  Be¬ 
ziehung  bestehender  krankhafter  Zustände  auf  einen  Unfall  aus 
der  Betrachtung  ausscheiden.  Simulation  und  Uebertreibung  sind 
nur  graduell  verschieden  und  ihre  Scheidung  von  einander  hat 
nur  wenig  praktischen  Wert.  Es  werden  die  verschiedenen  Me¬ 
thoden  aufgeführt,  nach  denen  die  Vorspiegelung  der  am  häu¬ 
figsten  simulierten  Symptome  zu  prüfen  ist:  des  Druckschmerzes, 
des  Spontanschmerzes,  des  Tremors,  der  Kontraktur,  der  Parese, 
der  Schwachsichtigkeit  und  der  Schwerhörigkeit.  Die  reichste 
Auswahl,  die  auch  die  besten  Resultate  gibt,  finden  wir  bei  der 
Sensibilitätsprüfung.  Beim  Druckschmerz  ist  namentlich  auf 
die  reflektorische  Fluchtbewegung  zu  achten.  Die  Untersuchung 
auf  den  Grad  der  vorhandenen  Kraft  muss  die  Antagonistenspan¬ 
nung  benützen,  die  bei  den  Uebertreibem  meist  sehr  stark  vor¬ 
handen  ist.  Die  meisten  Methoden,  mit  denen  wir  die  Simu¬ 
lation  nachweisen,  beruhen  auf  der  Wiederholung  der  Unter¬ 
suchung,  der  Ablenkung  der  Aufmerksamkeit  oder  der  Hervor- 
rufung  von  Reflexen. 

Diskussion:  Herr  Purruck  er  vermisst  bei  der  Be¬ 
sprechung  der  Symptome  von  Simulation  und  Uebertreibung  die 
Erwähnung  eines,  oft  des  einzigen,  objektiven  Symptomes. 
der  mangelnden  Atrophie  der  betreffenden  Gliedmasse,  an  welcher 
eine  Funktionsstörung  geklagt  wird.  Es  muss  als  feststehende 
Tatsache  gelten,  dass  dasjenige  Glied  in  seiner  M  u  s  k  u  1  a  t  u  r 
—  n  i  c  li  t  im  Fettpolster  —  atropliiert,  an  dem  eine  tatsächliche 
Funktionsstörung  eine  gewisse  Zeit  bestanden  Hat.  Der  bekann¬ 


teste  Fall  ist  die  Atrophie  des  M.  quadriceps  bei  Ivniegeleuks- 
affektionen.  Ist  die  Funktionsstörung  wirklich  da,  so  ist  auch  die 
Muskelatrophie  unausbleiblich.  Eine  solche  Atrophie  ist  nicht  zu 
simulieren  oder  künstlich  hervorzurufen.  Zu  berücksichtigen  ist 
dabei  der  physiologische  Umfangsunterschied  zwischen  rechter 
und  linker  Seite,  der  zu  Gunsten  der  rechten  Seite  (bei  Rechts¬ 
händern)  % — 1  cm  je  nach  der  geWohnheitsgemässen  Tätigkeit  des 
Gliedes  zu  betragen  pflegt,  am  Arm  mehr  als  am  Bein.  Unan¬ 
genehme  Empfindungen  nach  Verletzungen  jeglicher  Art,  besonders 
aber  nach  Knochenverletzungen,  pflegen  lange  Zeit  nachher  noch 
anzuhalten,  brauchen  aber  keine  Funktionsstörungen  zu  bewirken. 
Die  Angaben  der  Verletzten  sind  oft  wenigstens  teilweise  glaub¬ 
würdig;  die  Entscheidung,  ob  diese  Empfindungen  funktionsstörend 
sind,  lässt  aber  die  vergleichende  Messung  dann  sicher  fällen: 
,,w  o  keine  Funktionsbehinderung,  da  keine  Atro- 
p  h  i  e“.  Dieser  Satz  wird  leider  bei  der  Beurteilung  der  Ver¬ 
letzungsfolgen  häufig  nicht  genügend  beachtet,  obwohl  er  das  Fun¬ 
dament  der  Beurteilung  der  subjektiven,  sonst  ja  gar  nicht  kon¬ 
trollierbaren  Symptome  bildet.  Keine  Versicherungen,  weder  staat¬ 
liche  noch  die  privaten,  wollen  und  sollen  Schmerzensgelder  zahlen, 
sie  sollen  vielmehr  nur  einen  etwaigen  Ausfall  der  Funktion  ent¬ 
schädigen.  An  den  Gliedmassen  sind  die  Bedingungen  zu  eiuiger- 
massen  objektiver  Beurteilung  durch  die  meist  mögliche  verglei¬ 
chende  Messung  der  angeblich  behinderten  mit  der  gesunden  Seite 
ja  gegeben,  am  Stamme  liegen  die  Verhältnisse  schwieriger  und 
hier  ist  natürlich  der  Uebertreibung  die  breiteste  Bahn  geöffnet, 
der  das  Mitleid  des  Untersuchers  nur  zu  oft  unterliegt.  Der  oben 
erwähnte  Grundsatz  müsste  sich  aber  jedem  Arzte  so  fest  ein¬ 
prägen,  dass  er  auch  den  AI  u  t  finden  kann,  seine  Meinung  zu 
bilden  und  stets  strikte  zu  folgern:  „w  o  keine  Atrophie,  da 
keine  F  u  11  k  t  i  o  11  s  b  e  h  i  n  d  e  r  u  11  g“. 

Herr  Unverricht  bemerkt,  dass  nach  seinen  recht  aus¬ 
gedehnten  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Begutachtung  Un¬ 
fallkranker  Simulation  gar  nicht  so  selten  sei.  Ceteris  paribus 
müsse  man  sagen,  dass  ihre  Feststellung  der  Sorgfalt  des  Unter¬ 
suchers  proportional  sei.  Es  gäbe  viele  Gutachter,  welche  sich  auf 
die  Prüfung  von  Simulation  so  gut  wie  gar  nicht  einliessen  und 
die  Angaben  der  Verletzten  ohne  weiteres  ihrem  Gutachten  zu 
Grunde  legen.  Das  sei  natürlich  ein  sehr  bequemer  Standpunkt, 
und  man  habe  dann  noch  den  Vorteil,  für  einen  sehr  wohlwollenden 
und  arbeiterfreundlichen  Mann  gehalten  zu  werden.  Dieser  Stand¬ 
punkt  sei  aber  nicht  richtig.  Der  Arzt  sei,  wenn  er  gefragt  werde, 
nicht  Partei,  sondern  er  habe  ohne  Rücksicht  auf  den  Verletzten, 
aber  ebenso  ohne  Rücksicht  auf  die  Berufsgenossenschaft  nach 
den  Grundsätzen  des  unparteiischen  Richters  sein  Gutachten  ab¬ 
zugeben.  Weiche  man  von  diesem  Standpunkte  ab,  dann  verliere 
man  den  Boden  unter  den  Füssen  und  verhindere  die  Segnungen 
des  Unfallversicherungsgesetzes.  Immer  das  Rechte  zu  treffen,  sei 
natürlich  bei  dem  Stande  unseres  heutigen  Wissens  und  Könnens 
vollkommen  ausgeschlossen,  aber  das  sei  der  Rechtsprechung  auf 
anderen  Gebieten  ja  bisher  gleichfalls  nicht  gelungen  und  die  Ur¬ 
teilsbildung  sei  auf  dem  Gebiete  einer  Erfahrungswissenschaft 
mit  so  vielen  Lücken,  wie  sie  die  Medizin  aufweise,  unendlich  viel 
schwieriger.  Es  gehöre  deshalb  häufig  ein  gewisser  Mut  dazu, 
ein  bestimmtes  Urteil  auszusprechen. 

Was  die  einzelnen  berührten  Punkte  anlangt,  so  glaubt  U., 
dass  der  F  u  c  h  s  sehe  Versuch  nicht  immer  ein  bestimmtes  Ur¬ 
teil  zulässt.  Er  würde  nicht  wagen,  jemanden  für  einen  Simu¬ 
lanten  zu  erklären,  wenn  das  Zittern  einer  Hand  bei  Nachahmung 
bestimmter  vorgeschriebener  Bewegungen  mit  der  anderen  nach- 
lasse.  Das  eigentümliche  Beben  des  ganzen  Körpers,  auf  welches 
er  gelegentlich  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  habe,  könne  wohl 
kaum  nachgemacht  werden.  Es  zeichne  sich  durch  so  schnell- 
schlägige  Erschütterungen  des  ganzen  Rumpfes  aus,  wie  sie  will¬ 
kürlich  wohl  kaum  erzeugt  werden  könnten. 

Am  interessantesten  seien  die  Störungen  auf  dem  Gebiete 
der  Sensibilität  und  ihre  Simulation.  Auch  hier  müsse  man 
häufig  in  bestimmter  Weise  Stellung  nehmen  auf  die  Gefahr  hin, 
gelegentlich  einmal  nicht  das  Richtige  zu  treffen.  Wenn  ein  Manu 
nach  einem  Sturze  auf  das  Kreuz  10  Jahre  lang  über  Schmerzen 
klage,  ohne  die  geringsten  sonstigen  objektiven  Krankheitserschei¬ 
nungen  zu  zeigen,  so  Hessen  sich  derartige  Angaben  wohl  nicht 
mit  Sicherheit  als  unwahr  bezeichnen,  es  sei  aber  doch  undurch¬ 
führbar,  der  Rentenbemessung  eine  derartige  Angabe  ohne  wei¬ 
teres  zu  Grunde  zu  legen.  Ebenso  gehe  es  mit  den  Klagen  über 
Kopfschmerzen. 

Zur  Entlarvung  von  Sensibilitätsstörungen  macht  U.  zunächst 
auf  die  Chlorofo  r  m  u  m  11  e  b  e  1  u  n  g  aufmerksam.  Er  hat 
mehrere  Fälle  gesehen,  wo  in  dem  ersten  Stadium  der  Chloroform¬ 
narkose  Simulanten  sich  verrieten  und  dann  ihre  Vorspiegelungen 
fallen  Hessen  und  auf  Rentenansprüche  verzichteten.  Gewisse 
Kranke  verwechseln  die  unempfindlichen  Seiten,  w7enn  sie  plötzlich 
auf  den  Bauch  gelegt  werden.  Sie  zeigen  dann  Störungen  im 
linken  Beine,  während  sie  vorher  solche  im  rechten  gezeigt  haben. 
Vielfach  sei  man  auch  im  stände,  mit  schnellen  Doppelstichen  die 
Vorspiegelung  einseitiger  Empfindungsstörung,  z.  B.  in  dem  einen 
Beine,  nachzuweisen.  Ein  Stich,  welcher  unmittelbar  nach  Be¬ 
rührung  des  empfindenden  Beines  auf  das  angeblich  unempfind¬ 
liche  appliziert  werde,  rufe  bei  Simulanten  ein  plötzliches  Stocken 
hervor.  Sie  müssten  sich  in  derartigen  Fällen  ihre  Angaben  erst 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1203 


überlegen,  was  zur  Entlarvung  vollkommen  aiisreiche.  Die  Mittel¬ 
linie  werde  vielfach  ganz  ungenügend  festgehalten,  je  nachdem 
man  bei  der  Prüfung  von  rechts  nach  links  oder  umgekehrt  vor¬ 
gehe.  In  mehreren  Fällen  konnte  U.  Simulanten  mit  halbseitiger 
Empfindungsstörung  dadurch  entlarven,  dass  er  die  grosse  Elek¬ 
trode  eines  faradischen  Stromes  in  der  Mitte  so  aufsetzte,  dass  sie 
empfindliches  und  unempfindliches  Gebiet  berührte.  Simulanten 
geben,  wenn  mau  die  andere  Elektrode  auf  die  unempfindliche 
Seite  aufsetzt,  das  Fehlen  einer  Empfindung  an,  während  sie  doch 
an  der  ersten  Elektrode,  soweit  sie  die  empfindliche  Körperhälfte 
berührt,  eine  Empfindung  haben  müssten. 

Wenn  man  sich  bemühe,  Sensibilitätsstörungen  mit  allen  zu 
Gebote  stehenden  Mitteln  auf  etwaige  Simulation  zu  untersuchen, 
daun  komme  man  mehr  und  mehr  zu  der  Ansicht,  dass  jeder  Un¬ 
fallverletzte  mit  Störungen  der  Empfindung  im  höchsten  Grade 
verdächtig  sei. 

U.  führt  dann  noch  einzelne  Formen  von  Simulation  an  und 
spricht  sich  zum  Schlüsse  dahin  aus,  dass  man  auch  bei  wirklicher 
traumatischer  Neurose  oder  traumatischer  Hysterie  mit  der  Be¬ 
messung  der  Rente  möglichst  vorsichtig  sein  soll.  Nicht  jeder  Fall 
von  traumatischer  Neurose  bedinge  vollkommene  Erwerbsunfähig¬ 
keit,  ja  vielfach  sei  die  Gewährung  der  vollen  Rente  für  den  Ver¬ 
letzten  das  grösste  Unglück,  weil  sie  ihm  die  Rückkehr  zur  Ar¬ 
beit  erschwere.  Ein  grosser  Teil  der  Fälle  sei  der  Heilung  durch 
aus  zugänglich. 

Die  Gutachten  über  nervöse  Zustände  sollten  tunlichst  nach 
längerer  Krankenhausbeobachtung  angestellt  werden,  nicht  aber 
auf  Grund  einer  kurzen  Sprechstundenuntersuchung,  wobei  auf 
die  Prüfung  nach  Simulation  fast  immer  verzichtet  werden  müsse. 

Herr  Kirsch:  Atrophie  ist  allerdings  fast  in  allen  Fällen 
von  Funktionsstörung  nach  Verletzung  der  Extremitäten  vor¬ 
handen.  Andererseits  gibt  es  aber  Fälle  von  völliger  Wiederher¬ 
stellung  der  Funktion  bei  Bestehenbleiben  von  Muskelabmagerung. 
Man  darf  ferner  nicht  immer  vom  Grade  der  Abmagerung  auf  den 
Grad  der  Funktionsstörung  schliessen. 

An  dem  in  der  Diskussion  erwähnten  und  angefochtenen 
Satze:  „in  dubiis  pro  paupere“  ist  festzuhalten.  Er  darf  aber  nur 
in  den  Fällen  angewandt  werden,  in  denen  der  Gutachter  nach 
umfassender  und  exakter  Untersuchung  zu  einem  „non  liquet“  ge¬ 
langt. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  12.  März  1902. 

Bei  Beginn  der  Sitzung  machte  der  I.  Vorsitzende,  Herr 
Prof.  Moritz,  zunächst  einige  auf  das  Projekt  eines  Petteil- 
kofer-Hauses  sich  beziehende  Mitteilungen.  Der  vom  ärztlichen 
Verein  München  in  Angriff  genommene  Plan,  dem  grossen 
Meister  der  Plygiene  durch  Schaffung  eines  nach  ihm  zu  be¬ 
nennenden  Hauses  ein  würdiges  Denkmal  in  München  zu  er¬ 
richten  —  das  Pettenkofer-Haus  würde  hinsichtlich  seiner 
Zwecke  ein  Seitenstück  zu  dem  Langenbeck-Hause  in  Berlin 
bilden  — ,  ist  ja  vorläufig  über  die  ersten  Entwicklungsstadien 
noch  nicht  hinaus  gediehen,  soll  aber  dadurch  eine  konkretere 
Unterlage  erhalten,  dass  die  von  Sr.  K.  IT.  dem  Prinzregenten 
Luitpold  von  Bayern  jüngst  ins  Leben  gerufene  Kommission  für 
staatliche  Monumentalbauten  sich  des  Projektes  liebevoll  an¬ 
nehmen  soll.  Die  innerhalb  des  ärztlichen  Vereines  bisher  ge¬ 
sammelten,  freilich  dem  kleinen  Samenkorn  an  Bescheidenheit 
noch  so  nahestehenden  Mittel  haben  immerhin  vor  kurzem  da¬ 
durch  einen  sehr  schätzbaren  Zuwachs  erhalten,  dass  das  Heraus¬ 
geberkollegium  der  Münch,  mecl.  Wochenschr.  einen  Baustein 
von  5000  M.  für  das  Pettenkofer-ITaus  gestiftet  hat.  Noch  recht 
viele  solche  Angebinde  —  und  wir  bauen  es  wirklich! 

Von  mehreren  Rednern  wurde  hervorgehoben,  dass  die  von 
der  Stadt  München  gehegte  und  bereits  durch  öffentliche  Samm¬ 
lungen  festgelegte  Absicht,  ihrem  grossen  Wohltäter  ein  Denk¬ 
mal  zu  errichten,  dem  Plane  eines  Pettenkofer-ITauses  wenig 
förderlich  ist  und  eine  Verschmelzung  beider  Projekte  zu  einem 
Unternehmen,  in  welchem  Pettenkof  er  dauernd  geehrt 
werden  soll,  angestrebt  Averden  möge. 

Er  berichtet  sodann  Herr  Grassmann  über  einen  aus 
der  Praxis  stammenden  Fall:  Tödliche  Blutung  in  die  Bauch¬ 
höhle  unter  dem  Bilde  des  akuten  Darmverschlusses. 

Zu  dem  Vortrage,  der  in  dieser  Wochenschrift  publiziert 
werden  wTird,  bemerkt  Herr  A.  M  ii  1  1  e  r,  dass  eine  Verwechslung 
von  Darmverschluss  mit  innerer  Blutung  avoIü  öfter  vorkomme, 
als  es  den  Anschein  habe,  namentlich  bei  Blutungen  infolge  Extra¬ 
uterinschwangerschaft. 

Herr  Alb  recht  hebt  im  Anschluss  an  den  Vortrag  hervor, 
dass  der  tödliche  Ausgang  nicht  so  sehr  auf  den  Blutverlust  als 
auf  die  beginnende,  ziemlich  ausgedehnte  Aspirationspneumonie 


beider  Unterlappen  zurückzuführen  war,  im  Zusammenhang  mit 
dem  starken  Meteorismus,  welcher  die  Zwerchfellsatmung  er- 
schwerte  und  dadurch  für  den  dilatierten  rechten  Ventrikel  des 
idiopathisch  hypertrophischen  Herzens  die  bedeutenden  Wider¬ 
stände  noch  Aveiter  erhöhte.  Er  betont  die  Wichtigkeit  des  letzteren 
Momentes,  Avelches  er  in  mehreren  ihm  zur  Sektion  gekommenen 
Fällen  als  direkte  Todesursache  anspricht  (Dilatation  und  Adi¬ 
positas  des  rechten  Ventrikels,  Hypertrophie  desselben  bei  Em¬ 
physem  oder  anderen  chronischen  Lungenerkrankungen,  Mitral¬ 
fehlern  —  plötzliche  hochgradige  Ueberanstrengung  infolge  der 
durch  den  extremen  Zwerchfellshochstand  bedingten  Kompression 
der  Lungen).  Derselbe  ist  in  entsprechenden  Fällen  z.  B.  der 
Meteorismus  bei  thorakaler  Kompressionsmyelitis  im  Beginne  der 
allgemeinen  Peritonitis)  auch  therapeutisch  Avohl  zu  berücksich¬ 
tigen. 

Fathölogisch-auatomisch  gehört  der  Fall  zu  einer  Abart  der 
hypertrophischen  Zirrhose,  welche  man  nach  A.  vielleicht  passend 
mit  dem  Namen  der  adenomatösen  hypertrophischen  Cirrhose  be 
zeichnen  könnte;  es  sind  dies  Fälle,  in  welchen  die  Bildung  aus¬ 
gesprochener  Adenome  (Leberzellenadenome  mit  Bildung  von  teils 
gallengangartigen  Schläuchen,  teils  mehr  oder  weniger  charak¬ 
teristischen  Leberzellbalken)  besonders  frühzeitig  und  AVülirend 
der  ganzen  Dauer  der  Erkrankung  in  hohem  Grade  ausgesprochen 
ist.  Die  Adenombildungen  dürften  in  diesen  Fällen  Aveniger  auf 
eine  pathologische  „Uebertreibung"  der  regenerativen  Prozesse  im 
DrüsengeAvebe  als  auf  einen  direkten  Wucherungsreiz  zurückzu- 
fiihren  sein. 

So  war  in  dem  beschriebenen  Falle  die  Cirrhose  noch  in  den 
Anfängen,  dagegen  durch  die  ganze  Leber  hindurch  bereits  die  Bil¬ 
dung  multipler  kleiner  Adenome  im  Gange.  Die  frühzeitige  Ent- 
Avicklung  eines  so  grossen  und  dabei  ganz  oberflächlichen  Adenom¬ 
knotens  im  Lohns  Spigelii  mit  den  vorliegenden  Folgen  dürfte  ein 
Unikum  darstellen. 

Herr  Fr.  Craemer:  Ueber  die  Diagnose  des  Dickdarm¬ 
karzinoms.  (Der  Vortrag  ist  ausführlich  in  No.  24  d.  Wochen¬ 
schrift  erschienen.) 

Herr  Seggel  jun.  betont  die  Sclnvierigkeit  der  Diagnose 
des  Kolonkarzinoms  und  schildert  einen  in  der  chirurgischen  Klinik 
beobachteten  Fall,  der  unter  den  Erscheinungen  eines  subphreni¬ 
schen  Abszesses  mit  Durchbruch  durch  die  vordere  Bauchwand 
ohne  jede  Erscheinung  von  seiten  des  Darmes  verlief.  Der  Pat. 
Avar  3i/3  Monate  vor  seinem  Eintritt  plötzlich  mit  einem  heftigen, 
in  der  Magengegend  lokalisierten  Schmerz  anlässlich  einer  körper¬ 
lichen  Anstrengung  erkrankt.  Es  stellte  sich  intermittierendes 
Fieber,  heftiger  Schmerz  und  Meteorismus  ein  und  schliesslich 
bildete  sich  im  linken  Hypochoinlrium  eine  Vorwölbung,  die  bei 
der  Probepunktion  fäkulenten  Eiter  ergab. 

Unter  der  Diagnose:  „subphrenischer  Abszess  auf  okkulter 
Grundlage“  (es  bestanden  anamnestisch  auch  jetzt  keine  Erschei¬ 
nungen  von  seiten  des  Darmkanals)  erfolgte  Eröffnung  parallel 
dem  Rippenbogen,  ohne  den  Ausgangspunkt  zu  erkennen.  Tod 
4  Wochen  später  unter  septischen  Erscheinungen,  Kot  entleerte 
sich  erst  1  Tag  vor  dem  Tode.  Die  Sektion  ergab  eine  zwischen 
ZAverclifell.  Magen,  Milz  und  Querkolon  gelegene  Eiterhöhle,  ent¬ 
standen  durch  Perforation  eines  zirkul  ä  r  e  n,  2 — 3  cm  hohen 
KarzinomgeschAvtires  in  der  Flexura  lienalis.  Der  Fall  zeigt,  AVie 
schAvierig  die  Diagnose  sein  kann,  zumal  wenn  die  vordere  Bauch¬ 
Avand  in  Mitleidenschaft  gezogen  Avird,  und  steht  in  Analogie  zu 
den  Fällen  von  Magenkarzinom  mit  Uebergreifen  auf  die  Baucli- 
Avand,  von  denen  Redner  mehrere  Beobachtungen  im  Jahre  181)'.) 
in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  zusammengestellt  hat. 

Herr  F.  May  freut  sich,  dass  der  Vortragende  so  energisch 
vor  der  Massage  in  zweifelhaften  Fällen  gewarnt  hat.  Auch  ihm 
ist  ein  Fall  bekannt,  bei  dem  durch  von  anderer  Seite  verordnete 
Massage  die  Obstipation  allerdings  vorübergehend  gebessert,  da¬ 
durch  aber  vielleicht  der  Zeitpunkt  zur  Operation  versäumt  wurde. 
Die  Metastasenbildung  ist  in  diesem  Falle  auffallend  schnell  auf¬ 
getreten. 

Er  fragt  ferner,  ob  das  beschriebene  Geräusch  auch  mit 
blossem  Ohr  und  auf  Entfernung  wahrgenommen,  wurde. 

Was  den  Stenosenstuhl  betrifft,  so  glaubt  er,  dürfe  derselbe 
bei  der  Diagnose  nicht  ganz  vernachlässigt  werden.  Wenn 
auch  ZAveifellos  meistens  Spliinkterenkrampf  denselben  verursache, 
so  hat  M.  doch  einen  Fall  von  destruierendem  Zotteupapillom  ge¬ 
sehen,  aa^o  bei  Ausspülung  des  Darmes  sehr  harter,  exquisiter 
Stenosenstuhl  vorkam,  der  nach  seiner  Meinung  durch  die  fast 
obliterierende  Geschwulst  verursacht  Avar. 

Herr  K  recke:  Gerade  beim  Carcinoma  coli  ist  eine  früh¬ 
zeitige  Diagnose  ausserordentlich  wichtig.  Bekanntlich 
sind  bei  keinem  anderen  Karzinom  mit  der  Exstirpation  so  gün¬ 
stige  Dauerresultate  erzielt  worden  Avie  beim  Dickdarmkrebs. 
G  ussenbauer  hat  über  eine  Heilung  von  18  jähriger  Dauer 
berichtet,  Mikulicz  u.  a.  über  solche  von  9  jähriger  Dauer. 
Kr.  hat  vor  4  Jahren  eine  GO  jährige  Patientin  operiert,  die  sich 
zurzeit  noch  des  allerbesten  Wohlseins  erfreut. 

In  den  meisten  Fällen  ist  leider  eine  frühzeitige  Diagnose 
nicht  möglich.  Jeder  kennt  ja  derartige  Fälle,  wo  die  Kranken 
nach  nur  unbedeutenden  Störungen  der  Stuhlentleerung  an  den 
schwersten  Erscheinungen  von  Darmstenose  erkranken.  So  er¬ 
klärt  es  sich,  dass  K.  bei  10  chirurgisch  behandelten  Fällen  von 
Dickdarmkrebs  nur  3  mal  die  Radikaloperation  machen  konnte; 


1204 


MtJENCHENER  MEHIClNlSCHE  WOCHENSCHRIFT.  . 


No.  28. 


in  den  übrigen  7  Füllen  musste  er  sich  mit  der  Anlegung  eines 
Anus  priiteruaturalis  bezw.  einer  Enteroanastomose  begnügen. 
Es  kann  darum  nicht  dringend  genug  gemahnt  werden,  bei  allen 
Patienten  mit  Störungen  in  der  Stuhlentleeruug,  bei  Verstopfung, 
abwechselnd  mit  Durchfall,  stets  die  Möglichkeit  eines  Dickdarm¬ 
krebses  im  Auge  zu  haben.  Von  den  3  Hauptzeichen  des  Dick¬ 
darmkrebses,  der  Darmstenose,  dem  Tumor  und  den  Erschei¬ 
nungen  des  Ulcus,  ist  zweifellos  den  Stenose  Zeichen  die 
grösste  Bedeutung  beizumessen.  Dadurch,  dass  der  Dickdarm¬ 
krebs  eine  so  grosse  Neigung  hat,  zirkulär  zu  wachsen,  stellen 
sich  fast  in  allen  Fällen  schliesslich  die  Zeichen  der  Darmstenose 
ein.  Bekanntlich  kann  ein  solcher  Stenoseanfall  vorübergehen, 
ohne  besondere  Erscheinungen  zu  hinterlassen,  und  sich  erst  nach 
vielen  Wochen  wiederholen.  Solche  Stenoseanfälle  müssen  immer 
als  ein  sehr  verdächtiges  Zeichen  angesehen  werden  und  geben 
gewiss  auch  beim  Fehlen  aller  sonstigen  Erscheinungen  die  Be¬ 
rechtigung  zum  Bäuchschnitt. 

Die  Diagnose  des  Sitzes  eines  Darmkrebses  wird 
beim  Fehlen  eines  fühlbaren  Tumors  wohl  nur  selten  möglich  sein. 
Von  den  am  häutigsten  befallenen  Stellen,  dem  Coekum  und  der 
Flexur,  werden  die  Tumoren  des  Coekums  der  Palpation  bald  zu¬ 
gänglich  sein.  Die  Tumoren  der  Flexur  sind  in  den  meisten 
Fällen  weder  von  oben  noch  von  unten  mit  der  Betastung  zu 
erkennen.  Auch  die  Tumoren  der  Flexura  hepatiea  und  lienalis 
werden  im  allgemeinen  nur  dann  nachweisbar  sein,  wenn  sie 
schon  eine  bedeutende  Grösse  erreicht  haben. 

In  manchen  Fällen  wird  die  Art  der  Darmsteifung 
Anhaltspunkte  für  den  Sitz  des  Tumors  geben.  Beim  Sitz  am 
Coekum  finden  wir  die  Erscheinungen,  die  wir  sonst  bei  der 
Dünndarmstenose  sehen,  ausserordentlich  lebhafte  peristaltische 
Kontraktionen,  beim  Sitz  an  der  Flexur  werden  wir  die  träge 
verlaufende  Peristaltik,  wie  sie  für  die  tiefsitzende  Dickdarm¬ 
stenose  charakteristisch  ist,  zu  erwarten  haben.  K.  hat  bei  Flexur- 
krebs  mehrmals  eine  auffällige  Auftreibung  des  Abdomens  in  der 
Breite,  eine  Füllung  der  Lendengegend  beobachtet  und  damit  die 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  Carcinoma  fiexurae  gestellt. 

Die  günstige  Prognose,  die  die  Dickdarmkrebse  für  die  ope¬ 
rative  Behandlung  bieten,  erhellt  auch  aus  einer  Beobachtung, 
die  eine  55  jährige  Patientin  betraf,  bei  der  im  Jahre  1890  wegen 
eines  Karzinoms  der  Flexur  ein  künstlicher  After  angelegt  wurde. 
Die  Patientin  erholte  sich  darnach  in  vortrefflicher  Weise,  so  dass 
sie  zu  einer  radikalen  Operation  nicht  zu  bewegen  war.  Im 
Jahre  1902  musste  sie  wegen  eines  rechtsseitigen  Ovarialsarkoms 
wieder  operiert  werden  und  bei  dieser  Gelegenheit  fand  sich,  dass 
der  Krebs  eigentlich  gar  keine  Fortschritte  gemacht  hatte.  Pa¬ 
tientin  überstand  die  Ovariektomie  sehr  gut,  war  aber  auch  jetzt 
nicht  zu  einer  Exstirpation  ihres  Darmtumors  zu  überreden. 

Herr  O  p  p  1  e  r  berichtet  über  einen  Fall  von  karzinomatöser 
Striktur  der  Flexura  coli  sin.,  welcher  anfangs  unter  dem  Bilde 
der  kompletten  Darmokklusion  verlief.  Behandlung  mit  hohen 
Einläufen.  Die  ersten  3 — 4  Entleerungen  bestanden  nur  aus  kot¬ 
freier  Flüssigkeit.  Dann  erfolgten  reichliche  Beimengungen  von 
fein  zerriebenen  Fäzes.  Als  jetzt  wieder  ein  Einlauf  gegeben 
wurde,  gelang  es,  mit  2  Fingern  Stuhl  aus  dem  Rektum  zu  ent¬ 
fernen,  welcher  die  Form  der  Stenosenfäzes  darbot.  Zugleich  war 
der  komplette  Ileus  in  die  Form  des  inkompletten  Ileus  über¬ 
gegangen.  In  der  nächsten  Entleerung  fand  sich  reichlicher, 
fester  Stuhl,  welcher  nach  Form  und  Grösse  am  besten  mit  Leber¬ 
nockerln  sich  vergleichen  lässt.  Als  nun  ein  Abführmittel  per  os 
gegeben  wurde,  stellte  sich  wieder  totale  Okklusion  ein.  Es  wurde 
deshalb  wieder  zu  ausschliesslicher  Rektalbehandlung  überge¬ 
gangen  und  nun  wiederholte  sich  ganz  der  gleiche  Vorgang. 
Zeichen  von  begleitendem  Dickdarmkatarrh  fehlten  vollständig. 
Ein  Krampf  des  Dickdarmes  unterhalb  der  Striktur  dürfte  aus- 
zuschliessen  sein,  weil  es  mit  Leichtigkeit  gelang,  2  Finger  und 
ein  dickes  Darmrohr  in  das  Rektum  einzuführen,  (weil  ferner  das 
rapide  Abttiessen  von  1  1  Flüssigkeit  durch  das  Darmrohr  auch 
gegen  einen  Krampf  des  höhergelegenen,  dem  Finger  nicht  mehr 
erreichbaren  Darmabschnittes  sprach 1),  und  weil  schliesslich  bei 
der  Operation  ein  Krampf  des  unterhalb  der  Striktur  gelegenen 
Darmes  nicht  gefunden  wurde.  Die  Erklärung  des  Herrn  Vor¬ 
tragenden,  dass  die  „Stenosenfäzes“  nur  durch  den  begleitenden 
Dickdarmkatarrh  und  durch  einen  Krampf  des  distalwärts  von 
der  Striktur  gelegenen  Darmabschnittes  resp.  durch  Sphinkter¬ 
krampf  hervorgerufen  würden,  scheint  daher  nicht  für  jeden  Fall 
auszureichen.  Im  Gegenteil  spricht  dieser  Fall  dafür,  dass  die 
„Stenosenfäzes“  durch  die  Stenose  als  solche  bedingt  sein  können. 

Herr  Albrecht  stimmt  mit  Dr.  C  r  ä  m  e  r  und  Dr.  K  recke 
darin  überein,  dass  die  mikroskopische  Untersuchung 
des  Kotes  für  die  Frühdiagnose  von  relativ  geringer  Bedeutung 
ist,  da  die  Mehrzahl  der  Kolonkarzinome  skirrhöser  Natur  sind 
und  wenig  charakteristische  Bestandteile  an  die  Kotmassen  ab- 
geben,  von  denen  dann  wieder  für  gewöhnlich  nur  ein  minimaler 
Bruchteil  aufgefunden  werden  dürfte.  Trotzdem  empfiehlt  es  sich 
dringend,  die  mikroskopische  Kotuntersuchung  in  einschlägigen 
Fällen  eifrig  zu  pflegen,  besonders  im  Hinblick  auf  2  Punkte. 

1.  Bei  ulzerierten  Karzinomen  kann  bereits  das  Vorhanden¬ 
sein  von  reichlichen  Körnchen-  und  Pigmentkörnchenzellen  mit 
Vorbehalt  („geschwürige  Zerstörung  in  der  Darmwand“)  für  die 
Diagnose  verwertet  werden. 


9  In  der  Diskussion  nicht  erwähnt. 


2.  Dieser  Befund  dürfte  zur  Unterscheidung  gegenüber  den 
rein  eitrigen  Absonderungen  bei  purulenter  Proktitis  und  Colitis 
verwendbar  sein.  Durch  allgemeinere  Betätigung  der  mikro¬ 
skopischen  Kotuntersuchung  dürften  auch  die  letzteren  Er¬ 
krankungen  häufiger  als  bisher  zur  Diagnose  kommen.  Neben  der 
nicht  seltenen  eitrigen  Proktitis  kommt  nach  seinen  Beob¬ 
achtungen  auch  die  eitrige  diffuse  Colitis  nicht  so  selten 
vor,  als  die  vorhandenen  Angaben  darzutun  scheinen.  A.  erwähnt 
3  von  ihm  sezierte  Fälle,  in  welchen  diffuse  eitrige  Peritonitis 
(ohne  Perforation)  sich  anschloss  an 

a)  chronische  eitrige  Colitis,  ausgehend  von  eitriger  Appen- 
dicitis  und  Typhlitis; 

Lp  diffus  eitrige  Colitis  im  Anschluss  an  luetische  Proktitis; 

c)  diffuse  eitrige  Colitis  ohne  auffindbaren  Ausgangspunkt. 

Die  beiden  häufigsten  und  Hauptformen  dieser  Colitis  dürften 
durch  a  und  b  gegeben  sein:  a)  deszendierende  C.  im  Anschluss 
an  Typhlitis,  b)  aszendierende  C.  im  Anschluss  an  chronische 
eitrige  Proktitis  aus  irgend  einer  der  bekannten  Ursachen. 

Zur  Frage  der  Lokalisierung  der  Kolonkrebse  bemerkt 
A.,  dass  die  ihm  zur  Sektion  gekommenen  Krebse,  an  der  Grenze 
zwischen  Flexura  sigmoidea  und  Rektum,  im  obersten  Teil  der 
Kreuzbeinaushöhluug  gelegen,  ausser  wegen  ihrer  versteckten 
anatomischen  Lage  auch  besonders  deshalb  leicht  der  Feststellung 
entgehen,  weil  sie  häufig  auffällig  lange  mit  sehr  geringer  Ul- 
zeration  und  Stenose  einhergehen.  Unter  solchen  Umständen  er¬ 
klärt  sich  in  Anbetracht  des  Sitzes  auch  leicht  das  langdauernde  Fehlen 
aller  subjektiven  wie  objektiven  Symptome,  insbesondere  auch  die 
Kachexie.  A.  erwähnt  ausserdem  einen  in  den  Annalen  der  Mün¬ 
chener  Krankenhäuser  pro  1898/99  von  ihm  publizierten,  dia¬ 
gnostisch  interessanten  Fall,  in  welchem  ein  von  der  grossen  Kur¬ 
vatur  des  Magens  auf  das  Colon  transversum  übergewuchertes 
ulzeriertes  Karzinom  (Fistula  bimucosa)  ein  Kolonkarzinom  vor¬ 
täuschte. 

Nach  makro-  und  mikroskopischen  Untersuchungen,  welche 
A.  über  das  Verhalten  der  Metastasenbildung  der  Rektumkarzi¬ 
nome  anstellte,  scheint  bei  den  skirrhösen  Formen  sehr  häufig 
auch  dann  noch  die  Invasion  der  regionären  Lymphdrüsen  zu 
fehlen,  wenn  der  Tumor  bereits  einen  grossen  Teil  der  Wand  oder 
das  ganze  Darmrohr  umgreift. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Diskussion  betonte  Herr  Crärner 
nochmals  die  charakteristische  Art  des  Schüttegeräusches,  das 
so  laut  sein  kann,  dass  man  es  im  nächsten  Zimmer  hört.  Hin¬ 
sichtlich  des  sog.  Stenosenstuhles  hebt  C.  hervor,  dass  die  Form 
des  letzteren  mit  der  Stenose  nichts  zu  thun  hat,  sondern  vom 
Kontraktionszustand  des  Darmes  abhängt.  In  den  Lehrbüchern 
wird  auch  jetzt  noch  meist  Gegenteiliges  vorgetragen. 

Grassmann. 

Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physiologie  in 

München. 

Sitzung  vom  17.  Juni  1902. 

Herr  E.  Weinland:  Ueber  Antifermente. 

Bekanntlich  sind  die  parasitischen  Würmer  im  Magen  und 
Harm  gegen  die  daselbst  enthaltenen  proteolytischen  Fermente 
(Pepsin  und  Trypsin)  unempfindlich.  Eine  Erklärung  für  diese 
Tatsache  konnte  bis  jetzt  nicht  gegeben  werden. 

Es  gelang  dem  Vortragenden,  nachzuweisen,  dass  der  aus¬ 
gepresste  Extrakt  der  Tiere  (Ascaris,  Taenia)  die  Fähigkeit  be¬ 
sitzt,  Fibrin  sowohl  gegen  Pepsin  (in  salzsaurer  Lösung)  als  gegen 
Trypsin  (in  alkalischer  Lösung)  auf  kürzere  oder  längere  Zeit 
(bis  zu  14  Tagen  und  mehr)  zu  schützen,  so  dass  dasselbe  nicht 
zur  Lösung  gebracht  wird.  Siedehitze  hebt  die  schützende  Wir¬ 
kung  auf. 

Hie  wirksame  Substanz,  die  als  ein  A  n  t  i  f  e  r  m  ent  anzu¬ 
sehen  ist,  liess  sich  aus  dem  Extrakt  durch  fraktionierte  Alkohol¬ 
fällung  gewinnen,  verlor  jedoch  dabei  an  ihrer  Wirksamkeit. 

Ob  es  sich  bei  der  wirksamen  Substanz  um  einen  oder  zwei 
verschiedene  Stoffe  handelt,  ist  noch  nicht  sicher  zu  entscheiden. 

Weitere  Beobachtungen  über  analoge  Körper  (Antifermente) 
in  der  Schleimhaut  des  M  a  g  e  n  s  und  I)  a  r  m  s  der  höheren 
Tiere  werden  in  kurzem  mitgeteilt  werden.  Hie  Versuche  werden 
fortgesetzt. 

Hie  ausführliche  Mitteilung  erscheint  in  der  Zeitschrift  für 
Biologie. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  de  Therapeutique. 

S  i  t  z  u  n  g  vom  11.  J  u  n  i  1902. 

Ein  neues  Salizylpräparat:  das  TJlmarin. 

Das  TJlmarin  ist  nach  den  Mitteilungen  von  Bordet  und 
Chevalier  bestimmt,  in  der  Therapie  das  Methylsalicylat, 
dessen  Geruch  manchen  Kranken  unangenehm  ist,  zu  ersetzen. 
Das  Ulmarin  ist  ein  Gemisch  von  Salicylätheru  und  von  Alkoholen 


15.  'Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1205 


mit  hohem  Molekulargewicht,  es  enthält  75  Proz.  Salicylsäure 
und  stellt  eine  leicht  rosa-gell >  gefärbte  Flüssigkeit  dar,  welche 
einen  schwachen,  aromatischen  Geruch,  ähnlich  dem  Salol,  zeigt. 
Pie  Tierexperimente  haben  die  geringe  Giftigkeit  und  leichte 
Elimination  des  Mittels  nachgewiesen.  Therapeutisch  wurde  das 
Ulmarin  erst  in  einer  kleinen  Anzahl  von  Fällen  bei  akutem  Ge¬ 
lenkrheumatismus,  Lumbago,  blennorrhagischem  Rheumatismus 
u.  s.  w.  angewandt,  es  wurde  von  der  Haut  in  Pinselungen  in  der 
Dosis  von  4 — 16  g  gut  ertragen  und  hat  dasselbe  Resultat  gegeben 
wie  das  Methylsalicylat.  Die  schmerzstillenden  Eigenschaften 
machten  sich  schon  in  den  ersten  Stunden  nach  der  Applikation 
fühlbar,  der  Einfluss  auf  die  Temperatur  war  nicht  sehr  ausge- 
sprochen.  Man  kann  das  Ulmarin  auch  ohne  Schaden  innerlich 
geben:  einer  der  Untersucher  hat  auf  einmal  5  g  des  Mittels  ge¬ 
nommen.  ohne  die  geringste  Unannehmlichkeit  zu  fühlen. 

Das  J  o  d  ä  t  h  y  1  hat  sich  Amat  beim  Keuchhusten 
in  Form  von  Inhalationen,  analog  den  Erfahrungen  beim  Asthma, 
sehr  bewährt:  die  Anfälle  nehmen  an  Häufigkeit  und  Intensität 
ab,  dieselben  werden  kürzer,  die  Bronchialsekretion  flüssiger,  leicht 
eliminirbar  und  die  Dauer  der  ganzen  Krankheit  wird  bedeutend 
abgekürzt. 

G  a  1 1  o  i  s  bespricht  den  chronischen  Nasen- 
racheEka)ta,rrh  als  eine  der  möglichen  Ursachen  von 
Nephritis;  solche  Fälle  würden  meist  unter  die  essentielle 
oder  zyklische  Albuminurie  eingereiht.  Durch  die  Heilung  des 
primären  Leidens,  des  Nasenrachenkatarrhs,  kann  daher  sehr 
rasch  die  Albuminurie  beseitigt  werden,  wie  dies  G.  in  einem  Falle 
durch  die  Webe  r’sche  Nasendusche  nach  3  Tagen  gelungen  ist. 

Stern. 


Aus  italienischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Königl.  Akademie  zu  Turin. 

Aus  den  Verhandlungen  vom  11.  April  erwähnen  wir  Mit¬ 
teilungen  von  C  o  1 1  a:  Zur  Entstehung  der  Hyperglobulie. 
Dieselben  bestätigen  das  im  Jahre  1S95  von  B  o  z  z  o  1  o  aufgestellte 
Gesetz,  dass  die  Hyperglobulie  wie  die  Hypoglobulie  des  strömen¬ 
den  Blutes  von  rein  mechanischen  Gesetzen  ab¬ 
hängig  i  s  t. 

So  oft  aus  irgend  einem  Grunde  der  Blutdruck  und  damit  die 
Schnelligkeit  des  Blutstromes  herabgesetzt  wird,  entsteht  eine 
Hyperglobulie,  welche  dieser  Druckherabsetzung  proportional  ist. 
Sobald  sich  der  Blutdruck  wieder  erhöht,  verschwindet  die  Hyper¬ 
globulie  allmählich  bis  zur  Entstehung  einer  Hypoglobulie. 

Dies  Gesetz,  dasselbe  welches  für  die  Ströme  und  ihre  festen 
Geschiebe  gilt,  fand  C.  mit  seinem  Mitarbeiter  Z.  bestätigt  bei 
seinen  Untersuchungen  in  den  allerverschiedensten  Krankheits¬ 
zuständen,  sowohl  bei  Herzaffektionen,  Traumen  der  Gefässe,  als 
auch  den  verschiedensten  nervösen  Zuständen,  bei  Infektions¬ 
krankheiten,  Hydroceplialus  vor  und  nach  der  Quincke  sehen 
Punktion.  Hager-  Magdeburg  N. 


Verschiedenes. 

Ein  Trichterreagensglas. 

Beifolgende  Abbildung  zeigt  ein  von  mir  angegebenes  ., Trich¬ 
terreagensglas“  für  Schichtungsproben,  welches  eine  Verein¬ 
fachung  sämtlicher  für  die  klinische  Diagnostik  in  Betracht  kom¬ 
menden  Schichtproben  bezweckt.  Betreffende  Vorrichtung  be¬ 
steht  aus  einem  Reagensgläschen,  an  dessen  äusserer  Fläche  im 
oberen  Drittel  ein  Trichtermantel  rings  angeschmolzen  ist.  Der 
zwischen  dem  Trichtermantel  und  der  äusseren  Fläche  des 
Reagensglases  befindliche  Raum,  steht  durch  6 — 10  feine  Oeff- 
nungen  mit  dem  Innenraume  des  Röhrchens  in  Verbindung.  Will 
man  z.  B.  die  Heller  sehe  Eiweissprobe  an¬ 
stellen,  so  füllt  man  einige  Kubikzentimeter 
Salpetersäure  in  den  Innenraum  des  Röhrchens 
und  giesst  in  den  äusseren  Behälter  den  Urin, 
der  durch  die  feinen  Löcher  in  das  Reagens¬ 
glas  Übertritt  und  infolge  der  Adhäsion  an  der 
inneren  Glasfläche  langsam  herabfliessend  sich 
in  einigen  Sekunden  über  der  Säure  auf- 
schiclitet.  Infolge  des  gleichmässigen  Herab- 
fiiessens  kommt  es  so  immer  zur  Bildung  eines 
scharf  abgegrenzten  Eiweissringes.  Ist  der 
Harn  trübe,  so  wird  er  durch  ein  der  Kon¬ 
figuration  des  äusseren  Behälters  entsprechen¬ 
des  Filter  geschickt,  worauf  er  wie  im  ersten 
Falle  durch  die  Oeffnungen  austritt.  Gegen¬ 
über  der  Pipetten-  oder  Filtriermethode,  die  ge¬ 
wöhnlich  bei  Schichtungsproben  im  Gebrauch 
hterreagensglas“  den  Vorteil,  eine  einheitliche 
Vorrichtung  zu  sein,  die  auch  dem  Ungeübtesten  eine  schnelle 
und  sichere  Anwendung  der  für  den  Nachweis  von  Eiweiss,  Blut, 
Gallenfarbstoff  etc.  in  Frage  kommenden  Ringproben  ermöglicht. 

L.  J  a  c  o  b  s  o  h  n  -  Würzburg. 


Die  neue  Regelung  der  ärztlichen  Verhältnisse  in  Südafrika. 

Herr  Dr.  L.  Hönigsberger  in  Durban  (Natal)  schreibt 
uns  unterm  31.  Mai  1.  Js.: 

Zur  Aufklärung  derjenigen  Herren  Kollegen,  die  sich  allen¬ 
falls  Hoffnung  machen,  nach  Beendigung  des  Krieges  als  Aerzte 
nach  Südafrika  zu  kommen,  habe  ich  die  untenstehende,  in  der 
,, Governments  Gazette  of  the  Orange  River  Colony“  erschienene 
Proklamation  übersetzt  und  sende  die  Uebersetzung  zur  Veröffent¬ 
lichung.  Zweifelsohne  gelten  dieselben  Massnahmen  auch  für 
Transvaal. 

Proklamation 

Sr.  Exzellenz  des  Deput.-Administrator  der  Orange  River  Colony. 

In  Erwägung,  dass  es  wünschenswert  ist,  bessere  Vorkehrung 
zu  treffen  für  die  Registrierung  gehörig  qualifizierter  Personen, 
die  wünschen  dürften,  in  dieser  Kolonie  als  prakt.  Aerzte,  Zahn¬ 
ärzte,  Pharmazeuten  und  Drogisten  zu  praktizieren,  proklamiere 
ich  kraft  der  mir  verliehenen  Autorität  und  tue  kund  und  zu 
wissen  wie  folgt: 

1.  In  dieser  Proklamation  bedeutet  die  Bezeichnung  ..prak¬ 
tischer  Arzt“  jede  Person,  gehörig  zugclassen  und  gesetzlich  be¬ 
rechtigt,  in  dieser  Kolonie  als  Arzt  oder  Chirurg  zu  praktizieren, 
zur  Zeit  vor  Inkrafttreten  dieser  Proklamation,  sowie  auch  jede 
Person,  gehörig  qualifiziert  durch  Registrierung  unter  der  vor¬ 
liegenden  Proklamation,  als  Arzt  oder  Chirurg  innerhalb  dieser 
Kolonie  zu  praktizieren.  Die  Bezeichnung  Dentist  bedeutet  jede 
Person,  gehörig  zugelassen  vor  Inkrafttreten  dieser  Proklamation, 
Zahntechnik  oder  Zahnheilkunde  in  dieser  Kolonie  auszuüben,  ent¬ 
weder  allein  oder  in  Verbindung  mit  seinem  Beruf  als  Arzt  oder 
Chirurg  oder  als  Apotheker  und  Drogist,  sowie  auch  jede  Person, 
gehörig  qualifiziert  durch  Registrierung  unter  dieser  Proklamation, 
als  Zahnarzt  innerhalb  dieser  Kolonie  zu  praktizieren.  Die  Be¬ 
zeichnung  „Apotheker  und  Drogist“  bedeutet  jede  Person,  gehörig 
zugelassen  in  dieser  Kolonie  zur  Zeit  v  o  r  Inkrafttreten  dieser 
Proklamation,  als  Apotheker,  Chemiker  und  Drogist,  sowie  auch 
jede  Person,  gehörig  qualifiziert  durch  Registrierung  unter  dieser 
Proklamation,  als  Apotheker  und  Drogist  innerhalb  dieser  Kolonie 
zu  praktizieren. 

2.  Jede  Person,  die  zur  Zeit  vor  Inkrafttreten 
dieser  Proklamation  gehörig  zugelassen  und  gesetzlich 
qualifiziert  war,  als  Arzt,  Chirurg,.  Accoucheur,  Zahnarzt,  Apo¬ 
theker  und  Drogist,  in  dieser  Kolonie  zu  praktizieren,  soll  trotz 
Veröffentlichung  vorliegender  Proklamation  berechtigt  sein,  ihre 
Praxis  fortzusetzen  oder  ihren  Beruf,  wie  oben  bezeichnet,  aus¬ 
zuüben,  ohne  Erlangung  eines  Registrierungszertifikates,  wie  fest¬ 
gesetzt  in  folgenden  Paragraphen. 

3.  Zur  Zeit  und  nach  dem  Inkraftreten  der  vorliegenden  Pro¬ 
klamation  soll  niemand,  ausser  den  im  vorhergehenden  Paragraph 
bezeichneten  Personen,  berechtigt  sein,  als  Arzt,  Chirurg,  Zahn¬ 
arzt,  Apotheker  und  Drogist  zu  praktizieren,  ohne  ein  Re¬ 
gistrierungszertifikat,  unterzeichnet  vom  Sekretär  der  Orange- 
River-Colony-Administration,  erhalten  zu  haben.  Vor  Erlangung 
eines  solchen  Zertifikates  muss  die  betr.  Person  ihr  Diplom  oder 
anderweitiges  Zeugnis  ihrer  gehörigen  Qualifikation,  als  Arzt,  Chi¬ 
rurg,  Zahnarzt  oder  Apotheker  und  Drogist  zu  praktizieren,  dem 
genannten  Sekretär  zur  Prüfung  und  Begutachtung  vorlegen. 
Derselbe  kann  auch  nach  Gutdünken  den  Nachweis  für  die  Identi¬ 
tät  und  lauteren  Charakter  des  Gesuchstellers,  der  Authentität  des 
Diploms  oder  Zeugnisses  und  das  Recht,  auf  Grund  desselben 
anderswo  zu  praktizieren,  in  Form  einer  beschworenen  Erklärung 
vor  einem  Friedensrichter  oder  anderen  Zeugen  verlangen  und 
jede  Person,  die  absichtlich  falsche  Angaben  bei  einer  solchen  Er¬ 
klärung  macht,  soll  sich  der  gesetzlichen  Strafen  für  Meineid 
schuldig  machen,  immer  vorausgesetzt,  dass  der  Sekretär  der 
Orange-River-Colony-Administration,  wenn  befriedigt  durch  den 
Nachweis  der  Identität  und  guten  Charakter,  das  Registrierungs¬ 
zertifikat  bewilligen  muss  jedem  Gesuchsteller,  dessen  Name  ein¬ 
getragen  ist  in  einem  Britischen  Medizinalregister,  oder  der  be¬ 
rechtigt  ist,  in  Grossbritannien  und  Irland  registriert  zu  werden. 

4.  Keines  der  vorher  genannten  Zertifikate  soll  bewilligt 
werden  dem  Gesuchsteller,  als  Arzt,  Chirurg,  Zahnarzt,  Apotheker 
oder  Drogist  zu  praktizieren,  auf  Grund  eines  Titels,  Diploms  oder 
Zeugnisses  einer  ausländischen  Universität  oder  medizinischen 
Schule,  wenn  nicht  zur  Befriedigung  des  Sekretärs  der  O.-R.-C.- 
Administration  bewiesen  ist,  dass: 

a)  Der  genannte  Titel  oder  das  Diplom  den  Besitzer  im  ge¬ 
gebenen  Falle  als  Arzt,  Chirurg,  Zahnarzt,  Apotheker  und  Drogist 
in  dem  Lande  der  Verleihung  zu  praktizieren  berechtigt. 

b)  Dass  zufolge  den  gesetzlichen  Bestimmungen  des  Landes, 
wo  der  betr.  Titel  oder  Diplom  verliehen  war,  britische  Unter¬ 
tanen,  die  gesetzlich  berechtigt  sind,  in  Grossbritannien  und  Irland 
als  Aerzte,  Chirurgen,  Zahnärzte,  Apotheker  und  Drogisten  zu 
praktizieren,  die  gleichen  Privilegien  gemessen,  wie  die  durch  vor¬ 
liegende  Proklamation  zugestandenen. 

5.  Jeder  praktische  Arzt  soll  berechtigt  sein,  als  Accoucheur 
zu  praktizieren. 

6.  Ein  Arzt,  der  wegen  eines  Vergehens  bestraft  ist,  das  seine 
Moralität  berührt,  soll  durch  den  Sekretär  der  O.-R.-C. -Administra¬ 
tion  seines  Registrierungszertifikates  verlustig  erklärt  werden. 

7.  Jede  Person,  die  absichtlich  und  fälschlich  vorgibt.  Arzt, 
Doktor  der  Medizin  oder  Chirurgie,  Lizentiat  oder  Bakkalaureus 
in  Medizin  oder  Chirurgie,  Chirurg,  prakt.  Arzt,  Zahnarzt,  Apo¬ 
theker  oder  Drogist  gu  sein,  oder  solche  Namen  und  Titel  annimmt 
und  gebraucht,  oder  irgend  welche  Namen,  Titel,  Hinzufügungen 


1206 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


oder  Beschreibungen,  enthaltend,  gehörig  qualifiziert  zu  sein,  unter 
vorliegender  Proklamation  als  Arzt  etc.  zu  praktizieren,  und  jede 
Person,  die  als  Arzt,  Chirurg,  Zahnarzt,  Apotheker  und  Drogist 
praktiziert,  ohne  zufolge  vorliegender  Proklamation  dazu  berech¬ 
tigt  zu  sein,  soll  bestraft  werden  mit  Geldstrafe  bis  zu  100  rfd.  St. 
und  Mangels  Zahlung  mit  Gefängnis  mit  oder  ohne  Zwangsarbeit 
bis  zu  sechs  Monaten,  bei  nicht  früher  erlegter  Geldstrafe. 

S.  Entgegenstehende  Gesetze  sind  aufgehoben. 

Gegeben  unter  meiner  Hand  und  Siegel. 

Bloemfontein,  17.  April  1902. 

H.  Goold-Adams,  Deput.  Administrator. 

Die  reichsgesetzliche  Krankenversicherung 
umfasste  im  Jahre  1900  in  23  021  Kassen  9  520  7G3  Personen. 
Während  die  Bevölkerung  des  Deutschen  Reiches  seit  1895.  um 
7.8  Proz.  angewachsen  ist,  hat  sich  in  demselben  Zeitraum  die 
Zahl  der  gegen  Krankheit  Versicherten  um  2G.5  Proz.  gehoben, 
so  dass  auf  Grund  des  Reichsgesetzes  bereits  16,1  Proz.  der  ge¬ 
samten  Bevölkerung  gegen  Krankheit  versichert  sind.  Ausgegebeu 
wurden  1900  für  3  679  285  Erkrankungsfälle  mit  64  916  827  Krank¬ 
heitstagen  an  Krankheitskosten  157  865  199  M. 

Therapeutische  Notizen. 

In  einem  Aufsatz  „Ueber  die  Krankenhausbehandlung  der 
Lungentuberkulose“  berichtet  Winter  nitz  -  Halle  über  das 
T  h  i  o  c  o  1  (ortho-guajakolsulfosaures  Kalium),  welches  in  der 
medizinischen  Klinik  zu  Halle  meistens  in  der  Form  des  „Sirolin“ 
dhiocol  10,0,  Aqu.  dest.  40,0,  Extr.  fluid.  Aurant.  5,0,  Sir.  Sacchar. 
95,0)  zu  3—4  Theelöffeln  täglich,  oder  auch  in  Pulvern  und 
Tabletten,  3 — 4  mal  täglich  0,5  angewendet  wurde.  Die  Erfolge 
halten  sich  in  den  Grenzen  der  durch  Kreosot  überhaupt  erreich¬ 
baren,  doch  besitzt  das  Thiocol  dem  Kreosot  bezw.  Guajakol  gegen¬ 
über  unbedingte  Vorzüge,  vor  allem  den  der  Geruchlosigkeit  und 
des  Fehlens  i  on  Nebenwirkr  \gen.  Appetit  und  Körpergewicht 
nahmen  fast  ausnahmslos  ras  h  und  auffallend  zu,  auf  Nacht- 
schweisse,  sowie  auf  Husten  un  Auswurf  war  ein  günstiger  Ein¬ 
fluss  unverkennbar.  Gegen  q. -ilenden  Husten  wird  auf  der 
Hallenser  Klinik  Codein  und  Di  inin  gegeben,  letzteres  in  Dosen 
von  0,03,  am  besten  in  Lösung  (1  ionin  0,6  :  Aq.  dest.  100,0,  Abends 
1  Theelöffel).  (Deutsche  Aerzte  tg.  1902,  Januar.)  —  Auch  Vogt- 
Genf  hat  nach  einem  Vortrag  in  der  Societö  de  therapeutique  zu 
Paris  mit  Thiocol  sehr  r  xnstige  Resultate  gehabt.  Er  gab 
Pulver  von  0,5  Thiocol,  4  m:  .  täglich,  2  Monate  hindurch.  Auch 
hier  wurde  niemals  über  das  Mittel  geklagt,  Naclitschweisse, 
Husten  und  Auswmrf  nahmen  ab,  die  physikalischen  Erschei¬ 
nungen  besserten  sich,  Appetit  und  Körpergewicht  nahmen  zu,  so 
dass  Vogt  dem  Mittel  eine  grosse  Zukunft  bei  der  Behandlung 
beginnender  Tuberkulose  und  zur  Bekämpfung  der  Krankheits¬ 
disposition.  voraussagt.  (Bull,  gener.  de  Thörapeutique  1902, 
No.  1.)  R.  S. 

Als  neues  Ersatzmittel  für  Salicyl  wird  von  den  Vereinigten 
chemischen  Fabriken  Z  i  m  m  e  r  &  C  o  m  p.  in  Frankfurt  a/M.  das 
R  h  e  u  i  a  t  i  n  (salicylsaures  Salicylchinin)  in  den  Handel  ge¬ 
bracht.  Dasselbe  ist  ein  weisses,  in  Wasser  schwer  lösliches,  voll¬ 
kommen  gesehmac  .loses  Pulver,  welches  dem  Aspirin  gegenüber 
den  Vorteil  hat,  dass  es  auch  bei  längerer  Anwendung  in  mittleren 
Dosen,  4  g  pro  die,  keine  Nebenwirkungen  macht,  indem  weder 
Ohrensausen  noch  Magenbeschwerden  noch  auch  Schweissbildung 
eintraten.  P  i  e  p  e  r  -  Lüdinghausen  empfiehlt,  das  Rheumatin 
Nachmittags  in  einstündigen  Intervallen  zu  geben  und  dazu  sehr 
viel  kühlendes  Getränk,  aber  keine  festen  Speisen  nehmen  zu 
lassen.  Die  Erfolge  bei  akutem  und  chronischem  Rheumatismus, 
sowie  auch  bei  Trigeminusneuralgien,  waren  so  eklatant,  dass 
weitere  Versuche  angezeigt  erscheinen.  Leider  ist  der  Preis  des 
Mittels  ein  hoher.  (Therapie  der  Gegenwart,  Mai  1902.)  R.  S. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii.n  chen,  15.  Juli  1902. 

—  Der  Konflikt  zwischen  dem  Senat  der  Universität  Würzburg 
und  dem  Kultusminister  Dr.  v.  L  a  n  d  in  ann  hat  rascher, 
als  man  zu  hoffen  gewagt  hatte,  durch  die  vorläufige  Beurlaubung 
des  M  inisters,  welcher  der  endgültige  Abgang  wohl  bald  folgen  dürfte, 
den  glücklichsten  Abschluss  gefunden.  In  akademischen  Kreisen 
und  bei  allen,  denen  das  Gedeihen  unserer  Hochschulen  am  Herzen 
liegt,  empfindet  man  das  Scheiden  Dr.  v.  L  a  n  dmanne  als  eine 
Erlösung. 

—  Mit  entgegengesetzten  Empfindungen  begleiten  wir  den 
Abgang  eines  anderen  hohen  bayerischen  Staatsbeamten  von 
seinem  Posten,  des  Herrn  Regierungspräsidenten 
v.  Auer,  der  nach  vollendetem  70.  Lebensjahre  in  den  Ruhestand 
getreten  ist.  Exz.  v.  Auer  hat  bei  den  vielen  Beziehungen,  in 
welche  sein  hohes  Amt  ihn  zu  den  oberbayerischen  Aerzten 
brachte,  diesen  stets  freundliches  Wohlwollen  und  eingehendes 
Verständnis  für  ihre  Angelegenheiten  entgegengebracht.  Besonders 
dankbar  erinnern  wir  uns  an  sein  objektives  und  erfolgreiches 
Eingreifen  in  den  Streit  der  Münchener  Aerzte  mit  der  Orts¬ 
krankenkasse  IV'.  Die  Vorstandschaft  des  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereins  München  hat  darum  auch  dem  jetzt  scheidenden  Herrn  bei 
seinem  70.  Geburtstage  die  besonderen  Glückwünsche  und  den 
Dank  der  Aerzte  ausgesprochen. 


—  Der  preussische  Medizinalminister  hat  unterm  28.  v.  Mts. 
folgenden  Erlass,  betreffend  die  Beaufsichtigung  der 
Kurpfuscherei,  an  sämtliche  Regierungspräsidenten  und  an 
den  Berliner  Polizeipräsidenten  ergehen  lassen:  Die  Vorschrift  des 
§  46  der  Dienstanweisung  für  die  Kreisärzte  vom  23.  März  1901 
(Min.-Bl.  f.  Medizinal-  u.  s.  w.  Angelegenheiten,  S.  13)  legt  dem 
Kreisärzte  die  Verpflichtung  auf,  sein  besonderes  Augenmerk  auf 
diejenigen  Personen  zu  richten,  welche,  ohne  approbiert  zu  sein, 
die  Heilkunde  gewerbsmässig  ausüben,  und  über  sie  unter  Bei¬ 
hilfe  der  Ortspolizeibehörden  und  der  Aerzte  des  Bezirkes  ein  Ver¬ 
zeichnis  zu  führen,  welches  Mitteilungen  über  Vorleben,  Beruf, 
Heilmethoden  und  etwaige  Bestrafungen  enthält.  Zur  Sicherung 
der  Ausführung  der  vorstehenden  Bestimmung  erscheint  die  all¬ 
gemeine  Einführung  der  Meldepflicht  der  nicht 
approbierten  Heilpersonen  angezeigt.  Da  die  Anzeige. 
Pflicht  aus  §  14  der  Reichsgewerbeordnung  zufolge  der  Vorschrift 
im  §  6.  Abs.  1  daselbst  auf  die  Ausübung  der  Heilkunde  keine 
Anwendung  findet,  empfiehlt  es  sich,  die  Meldepflicht  im  Polizei¬ 
verordnungswege  zur  Einführung  zu  bringen.  Mit  Rücksicht  auf 
die  empfindlichen  Schädigungen,  welche  dem  Publikum  durch  das 
Treiben  der  Kurpfuscher  an  Gesundheit  und  Vermögen  vielfach 
zugefügt  werden,  ist  es  weiter  angebracht,  der  marktschreierischen 
öffentlichen  Anpreisung  der  Berufstätigkeit 
d  e  r  Iv  u  r  p  f  u  s  c  li  e  r  in  gleicher  Weise  entgegenzutreten.  Ich 
ersuche  hiernach  ergebenst,  für  den  dortseitigen  Bezirk  eine 
Polizeiverordnung  nachstehenden  Inhalts  zu  erlassen  bezw.  etwa 
bereits  bestehende  Polizeiverordnungen  entsprechend  abzuändern: 

,.l.  Personen,  welche,  ohne  approbiert  zu  sein,  die  Heilkunde 
gewerbsmässig  ausüben  wollen,  haben  dies  vor  Beginn  des  Ge¬ 
werbebetriebs  demjenigen  Kreisärzte,  in  dessen  Amtsbezirk  der 
Ort  der  Niederlassung  liegt,  unter  Angabe  ihrer  Wohnung  zu 
zu  melden  und  gleichzeitig  demselben  die  erforderlichen  Notizen 
über  ihre  Personalverhältnisse  anzugeben.  Personen,  welche  be¬ 
reits  zurzeit  die  Heilkunde  ausüben,  haben  die  vorbezeichnete 
Meldung  und  Angabe  binnen  14  Tagen  nach  dem  Inkrafttreten 
dieser  Polizeiverordnung  zu  bewirken. 

2.  Die  in  No.  1  bezeiehneten  Personen  haben  dem  zuständigen 
Kreisärzte  auch  einen  Wohnungswechsel  innerhalb  14  Tagen  nach 
dem  Eintritt  desselben,  sowie  die  Aufgabe  der  Ausübung  der  Heil¬ 
kunde  und  den  Wegzug  aus  dem  Bezirke  zu  melden. 

3.  Oeffentliclie  Anzeigen  von  nicht  approbierten  Personen, 
welche  die  Heilkunde  gewerbsmässig  ausüben,  sind  verboten,  so¬ 
fern  sie  über  Vorbildung,  Befähigung  oder  Erfolge  dieser  Per¬ 
sonen  zu  täuschen  geeignet  sind  oder  prahlerische  Versprechungen 
enthalten. 

4.  Die  öffentliche  Ankündigung  von  Gegenständen,  Vorrich¬ 
tungen.  Methoden  oder  Mitteln,  welche  zur  Verhütung,  Linderung 
oder  Heilung  von  Menschen-  oder  Tierkrankheiten  bestimmt  sind, 
ist  verboten,  wenn 

a)  den  Gegenständen,  Vorrichtungen,  Methoden  oder  Mitteln 
besondere,  über  ihren  wahren  Wert  hinausgehende  Wirkungen 
beigelegt  werden  oder  das  Publikum  durch  die  Art  ihrer  An¬ 
preisung  irregeführt  oder  belästigt  wird,  oder  wenn 

b)  die  Gegenstände,  Vorrichtungen.  Methoden  oder  Mittel 
ihrer  Beschaffenheit  nach  geeignet  sind,  Gesundheitsbeschädi¬ 
gungen  hervorzurufen. 

5.  Zuwiderhandlungen  gegen  die  vorstehenden  Vorschriften 
werden,  soweit  in  den  bestehenden  Gesetzen  nicht  eine  höhere 
Strafe  vorgesehen  ist,  mit  Geldstrafe  bis  zu  60  M.  oder  mit  ent¬ 
sprechender  Haft  bestraft.“ 

Ueber  die  Ausführung  des  vorstehenden  Erlasses  will  ich 
einem  Berichte  nach  3  Monaten,  sowie  der  gleichzeitigen  Ein¬ 
reichung  eines  Exemplars  der  Nummer  des  Amtsblattes,  in  wel¬ 
cher  die  Polizeiverordnung  veröffentlicht  ist,  entgegensehen. 

gez. :  S  t  u  d  t. 

Dieser  Erlass  dürfte  sich  als  ein  wirksames  Hilfsmittel  zur 
Bekämpfung  der  schlimmsten  Auswüchse  der  Kurpfuscherei  er¬ 
weisen;  er  antezipiert,  zunächst  für  Preussen,  die  soeben  vom 
Deutschen  Aerztetage  gefassten,  die  Kurpfuscherei  betreffenden 
Beschlüsse  in  ihren  wichtigsten  Punkten.  Zu  wünschen  wäre,  dass 
ähnliche  Verordnungen  baldigst  auch  in  den  übrigen  Bundes¬ 
staaten  erlassen  würden.  Zu  beanstanden  ist  nur  der  Ausdruck 
„nicht  approbierte  Heilpersonen“  und  ..Personen,  welche,  ohne  ap¬ 
probiert  zu  sein,  die  Heilkunde  ausüben“.  Die  Unterscheidung 
zwischen  approbierten  und  nicht  approbierten  „Heilpersonen“  wäre 
bedenklich;  die  „Heilkunde“  setzt  Kenntnisse  voraus,  welche  nur 
durch  eingehendes  Studium  erworben  werden  können.  Der  tech¬ 
nische  Ausdruck  für  Personen,  welche,  ohne  approbiert  zu  sein, 
Kranke  behandeln,  ist  Iv  u  r  p  fusche  r,  und  diese  Bezeich¬ 
nung  sollte  auch  in  der  Polizeiverordnung  ohne  weiteres  auf  diese 
Personen  angewendet  werden. 

—  Das  Ministerialblatt  für  Medizinal-  und  medizinische  Unter¬ 
richtsangelegenheiten  veröffentlicht  in  No.  7  dieses  Jahres  die 
Allerhöchste  Verordnung  über  die  Ehrengerichte  der  Sa¬ 
nitätsoffiziere  im  preussischen  Heere  vom  9.  April 
1901. 

—  In  Nürnberg  wurde  am  12.  .1  uli  eine  „Fränkische  Ge¬ 
sellschaft  für  Geburtshilfe  und  Frauen  lieil- 
k  u  n  d  e“  gegründet  mit  dem  Zwecke  der  Förderung  dieser  beiden 
Wissenschaften,  besonders  auch  unter  den  praktischen  Aerzten. 
Die  beabsichtigten  4  Sitzungen  im  Jahre  sollen  alternierend  in 


15.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1207 


Würzburg,  Erlangen,  Nürnberg  und  Bamberg  stattfinden.  I.  Vor¬ 
sitzender  ist  Hofmeier  -  Würzburg,  II.  Vorsitzender  tlessner- 
Erlangen  und  als  Schriftführer  ist  gewählt  F  1  a  t  a  u  -  Nürnberg. 

_  Dem  Stabsarzt  Dr.  Ernst  M  a  r  x,  wissenschaftlichen  Mit- 
gliede  am  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frankfurt  a.  M., 
ist  das  Prädikat  „Professor“  beigelegt  worden. 

—  Der  k.  württembergische  Professor  Dr.  Theodor  Paul  ist 
zum  Direktor  im  Gesundheitsamte  unter  Beilegung  des  Charakters 
als  Geheimer  Regierungsrat  ernannt  worden. 

—  Pest.  Grossbritannien.  Der  Dampfer  „City  of  Perth“, 
welcher  in  Dünkirchen  2  Mann  seiner  Besatzung  am  11.  Juni  an 
Pest  verloren  und  dort  am  13.  Juni  noch  eine  dritte  Erkrankung 
an  Bord  aufzuweisen  hatte,  ist  am  18.  Juni  an  der  Themsemündung 
mit  einem  Kranken  angelangt.  Das  Schiff  wurde  desinfiziert,  der 
Kranke  dem  Hafenhospital  zu  Üenton  überwiesen,  wo  er  Tags 
darauf  verstarb;  seine  Krankheit  ist  bakteriologisch  als  Pest  fest¬ 
gestellt  worden.  Der  Dampfer  hatte  am  2.  Mai  Kalkutta  ver¬ 
lassen,  Colombo  am  10.,  Suez  am  20.,  Port  Said  am  27.  und  Malta 
am  31.  Mai  berührt.  Am  5.  Juni  hatte  der  erste,  am  7.  der  zweite 
Krankheitsfall  begonnen.  —  Türkei.  In  Stambul  und  Galata  je 
1  Pestfall.  —  Aegypten.  Vom  20.  bis  26.  Juni  6  Erkrankungen 
(und  5  Sterbefälle)  an  der  Pest.  V.  d.  K.  G.-A. 

—  Pocken.  Grossbritannien.  Vom  17.  (24.)  bis  einschl. 
23.  (30.)  Juni  wurden  in  London  nebst  Vorstädten  111  (94)  neue 
Pockenfälle  nachgewiesen.  Die  Zahl  der  Kranken  in  den  Lon¬ 
doner  Pockenspitälern  belief  sich  am  30.  Juni  Abends  auf  814, 
d.  i.  414  weniger  als  am  2.  Juni. 

—  In  der  26.  Jahreswoche,  vom  22. — 28.  Juni  1902,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Bamberg  mit  37,7,  die  geringste  Solingen  mit  6,7  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Hamburg. 

—  Zu  dem  auf  dem  Umschlag  der  No.  26  veröffentlichten 
Programm  der  Herbstferienkurse  in  München  ist 
nachzutragen,  dass  Herr  Privatdozent  Dr.  D  ii  r  c  k  einen  bakterio¬ 
logischen  Kurs  abhalten  wird.  Näheres  siehe  auf  dem  Umschläge 
der  vorigen  Nummer. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Ernannt  wurden  der  ordentliche  Professor  Ge¬ 
heimer  Medizinalrat  Dr.  med.  Heubner  zum  ordentlichen  Mit- 
gliede,  sowie  die  Professoren  Dr.  Fritz  Strassmann  und 
Dr.  Thier  felder  zu  ständigen  Hilfsarbeitern  bei  der  König¬ 
lichen  Wissenschaftlichen  Deputation  für  das  Medizinalwesen. 

Breslau.  An  der  medizinischen  Fakultät  der  Universität 
Breslau  hat  diese  Woche  der  Fortbildungskursus  für  Aerzte  be¬ 
gonnen.  Zur  Teilnahme  eingetragen  haben  sich  106  Aerzte  und 
zwar  70  aus  Schlesien,  14  aus  dem  übrigen  Deutschland  und  22 
aus  dem  Ausland  (Schweden,  Dänemark,  Holland,  Oesterreich, 
Russland).  —  Wie  aus  Braunschweig  gemeldet  wird,  hat  Medi¬ 
zinalrat  Prof.  Dr.  Heinrich  B  e  k  u  r  t  s,  Rektor  der  technischen 
Hochschule  daselbst,  die  Berufung  als  Direktor  des  pharmazeu¬ 
tischen  Instituts  der  Universität  Breslau  an  Stelle  des  verstorbenen 
Geheimrat  Poleck  abgelehnt. 

Heidelberg.  Prof.  Dr.  A.  Edler  v.  Rosthorn  aus 
Graz  hat  den  Ruf  als  Nachfolger  des  Herrn  Geh.  Rat  Dr.  Kehrer 
angenommen. 

Kiel.  Dr.  med.  et  phil.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n,  1.  Assistent  am 
hygienischen  Institut,  habilitierte  sich  mit  einer  Probevorlesung 
über  „die  Morphologie  der  Bakterien“.  Seine  Habilitationsschrift 
handelt  über  „experimentelle  Beiträge  zur  Lehre  von  dem  täg¬ 
lichen  Nahrungsbedarf  des  Menschen,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  notwendigen  Eiweissmenge“. 

München.  Der  ordentliche  Professor  der  Anatomie  an  der 
k.  Universität  München  und  II.  Konservator  der  anatomischen  An¬ 
stalt  des  Staates  Dr.  Johannes  Rückert  wurde  zum  I.  Konser¬ 
vator  der  anatomischen  Anstalt  des  Staates  ernannt;  der  ausser¬ 
ordentliche  Professor  an  der  k.  Universität  München  Dr.  Siegfried 
Mollier  zum  ordentlichen  Professor  der  Anatomie,  insbesondere 
der  Histologie  und  Entwicklungsgeschichte  in  der  medizinischen 
Fakultät  der  k.  Universität  München  und  zum  II.  Konser¬ 
vator  der  anatomischen  Anstalt  des  Staates  ernannt.  (Hiermit 
wird  endlich  nach  langer  Vakanz,  der  durch  den  Rücktritt 
v.  Iv  u  p  f  f  e  r  s  erledigte  Lehrstuhl  besetzt.  Von  der  Fakultät  war 
an  erster  Stelle  Prof.  Bonnet  -  Greifswald  vorgeschlagen;  ausser¬ 
dem  standen  Prof.  Rabl-  Prag  und  Prof.  Mollier-  München 
auf  der  Liste.  Die  Ernennung  dürfte  der  letzte  Akt  des  jetzt  ab¬ 
getretenen  Ministers  v.  Lan  d  mann  gewesen  sein. ) 

Wien.  An  der  medizinischen  Fakultät  wurde  Dr.  Arnold 
I)  u  r  i  g  als  Dozent  für  Physiologie  und  Dr.  Heinrich  Winter¬ 
berg  als  Dozent  für  allgemeine  uud  experimentelle  Pathologie  zu¬ 
gelassen. 

(Todesfälle.) 

Gestorben  ist  im  77.  Lebensjahre  Dr.  Richard  Förster, 
Geh.  Medizinalrat,  ordentlicher  Professor  der  Augenheilkunde 
an  der  Universität  Breslau.  1857  als  Privatdozent  habilitiert,  1873 
ordentlicher  Professor,  hat  er  bis  ins  70.  Lebensjahr  seine  Lehr¬ 
tätigkeit  ausschliesslich  der  Breslauer  Alma  mater  gewidmet.  Mit 
ihm  stirbt  ein  hervorragender  Ophthalmologe  und  Lehrer.  Ein 
ausführlicher  Nekrolog  folgt. 

(Berichtigung.)  In  No.  26,  S.  1110,  Sp.  1,  soll  der  Titel  der 
Arbeit  von  Cohn-  Halle  lauten:  Untersuchungen  über  eine  neue 
tierpathologische  Hefeart  (Hefe  Klei  n). 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Versetzt:  Der  Bezirksarzt  I.  Klasse  Dr.  Ludwig  Schoepp- 
n  e  r  in  St.idtsleinacli  t\  urde,  seiner  Bitte  entsprechend,  in  gleicher 
Eigenschaft  nach  Friedberg  versetzt. 

Verzogen:  Dr.  Max  K  a  h  r  e  n  k  e,  prakt.  Arzt  von  Königstein 
(Oberpfalz)  nach  Alpirsbach  (Württemberg). 


Generalrapport  über  die  Kranken  der  k.  bayer.  Armee 

 für  den  Monat  Mai  1902. 


Iststärke  des  Heeres; 

68  231  Mann,  —  Invaliden,  200  Kadetten,  150  Unteroff. -Vorschüler 


1.  Bestand  waren  am 

30.  April  1902: 

Mann 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Unter- 

offiz.- 

Vor- 

schüler 

2011 

— 

1 

2 

2.  Zugang :  j 

im  Lazarelh : 
im  Revier: 
in  Summa: 

1215 

3588 

4803 

— 

7 

7 

16 

16 

Im  Ganzen  sind  behandelt: 

°/oo  der  Iststärke : 

6814 

99,9 

_ 

8 

40,0 

18 

120,0 

3.  Abgang :  ■ 

dienstfähig; 

°/oo  der  Erkrankten : 
gestorben : 

°/oo  der  Erkrankten ; 
invalide : 

dienstunbrauchbar : 
anderweitig : 

.  in  Summa : 

4807 

705,4 

13 

1,9 

31 

39 

258 

5148 

— 

4 

500,0 

1 

5 

11 

611,1 

11 

4.  Bestand 
bleiben  am 
31.  Mai  1902: 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke : 
davon  im  Lazareth  : 
davon  im  Revier: 

1666 

24,4 

1103 

563 

— 

3 

15,0 

1 

2 

7 

46,7 

7 

Von  den  in  Ziffer  3  auf  geführten  Gestorbenen  haben  gelitten: 
1  an  Diphtherie,  1  an  Rose  (kompliziert  mit  eitriger  Hirnhautent¬ 
zündung),  2  an  Lungentuberkulose,  1  an  kruppöser  Lungenent¬ 
zündung,  1  an  Brustfellentzündung,  1  an  Darmverschlingung,  3  an 
Blinddarmentzündung  (davon  2  kompliziert  mit  allgemeiner  Bauch¬ 
fellentzündung),  2  an  Nierenentzündung,  1  an  Gehirnabszess'  und 
eiteriger  Hirnhautentzündung  nach  Schussverletzung  des  Halses 
und  Kopfes  (Selbstmordversuch). 

Ausserdem  endeten  noch  3  Mann  durch  Selbstmord  (2  durch 
Erschiessen,  1  durch  Erhängen). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  Mai  16  Mann. 


Korrespondenz. 

Vorschriften  zur  sparsamen  Verordnung  für  Krankenkassen. 

In  No.  25  der  Münch,  med.  Wochenschr.  vom  24.  Juni  1902 
bespricht  Herr  A.  Frankenburger  einen  Artikel  aus  No.  86 
der  südd.  Apothekerzeitung  vom  25.  Oktober  1901  und  behauptet, 
es  hätte  den  „grossen“  Unwillen  des  Herrn  Apotheker  C.  Bedall 
in  München  erregt,  dass  den  Nürnberger  Apothekern  die  Pflicht 
auf  erlegt  wurde,  Verordnungen  von  Spezialitäten,  Patentmedizinen 
und  neuen  wissenschaftlich  nicht  allgemein  anerkannten  chemisch¬ 
pharmazeutischen  Präparaten  für  Krankenkassen  zurückzuweisen. 

Diese  Behauptung  ist  nach  keiner  Richtung  begründet;  weder 
in  dem  angeführten  Artikel  No.  86  der  südd.  Apothekerzeitung, 
noch  in  einem  weiteren  Artikel  in  No.  22  des  gleichen  Blattes,  den 
Herr  A.  Frankenburger  offenbar  übersehen  hat,  habe  ich 
eine  derartige  Vereinbarung  bemängelt,  und  muss  deshalb  auch  den 
Schlussatz  der  Entschliessung  der  k.  Regierung  von  Mittelfranken 
vom  22.  Januar  1902  als  auf  irrtümlicher  Voraussetzung  beruhend 
bezeichnen. 

Die  auf  Grund  eingelaufener  Klagen  an  das  k.  Staatsministe¬ 
rium  gerichtete  Beschwerde  wendet  sich  vielmehr  gegen  die  im 
fraglichen  Artikel  gesperrt  gedruckten  Konditionalsätze  des  magi¬ 
stratischen  Rundschreibens,  nach  welchen  die  Verordnungen  der 
im  deutschen  Arzneibuch  aufgenommenen  Arzneimittel  nur 
dann  vom  Apotheker  angefertigt  werden  sollten,  soweit  die 
Rezeptur  sich  an  die  allgemeinen  Bestimmungen 
der  neuen  Verordnungslehre  hält,  und  soweit 
die  Herstellungskosten  im  Allgemeinen  nicht 
wesentlich  höher,  als  die  in  den  Vorschriften 
aufgeführten  Rezepturen  sich  stellen. 

Nach  diesen  allgemeinen  Bestimmungen  für  die  Gemeinde¬ 
krankenkasse  Nürnberg  sind  (Seite  6)  Infuse,  Dekokte,  Mazera¬ 
tionen,  Emulsionen,  Saturationen  (soweit  sie  nicht  in  den  Magistral- 
formeln  vorgesehen  sind)  möglichst  zu  vermeiden,  ebenso  Salz¬ 
lösungen  und  Extrakte  in  einer  Lösung,  (Seite  8)  Suppositorien, 
Globuli,  Bazilli  nur  soweit  im  Handverkauf  befindlich  zu  ver¬ 
wenden,  (Seite  8)  Adeps  Lanae  als  Salbengrundlage  zu  vermeiden. 

(Seite  11)  Für  alle  aus  Nichtbeachtung  der  Vorschriften  her¬ 
vorgehenden  Schädigungen  der  Kasse  können  die  Aerzte  und  die 
Apotheker  haftbar  gemacht  werden. 


1208 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Dass  eine  solche  Bestimmung  jeder  gesetzlichen  Unterlage 
entbehrt,  ist  auch  von  der  k.  Regierung  von  Mittelfranken  nicht 
bestritten  worden.  Ein  Apotheker,  der  sich  erlauben  würde,  etwa 
die  Anfertigung  von  Suppositorien  mit  Morphin  zurückzuweisen, 
würde  vielmehr  den  Strafbestimmungen  des  §  367,  Ziffer  5  des 
Strafgesetzbuches  für  das  Deutsche  Reich  verfallen.  Aus  diesem 
Grunde  schon  müsste  die  dem  Apotheker  zugemutete  Kontrolle 
lege  artis  verschriebener  ärztlicher  Rezepte  abgelehnt  werden. 

Aufs  Entschiedenste  aber  muss  ich  gegen  den  \  orwurf  des 
Herrn  A.  Frankenburger  protestieren,  als  hätte  ich  in  das 
gute  Einvernehmen  zwischen  den  Nürnberger  Aerzten  und  Apo¬ 
thekern  einen  Keil  hineinzutreiben  versucht.  Dass  mir  an  einem 
guten  Einvernehmen  zwischen  beiden  Ständen  sehr  viel  gelegen 
ist,  habe  ich  gerade  in  den  letzten  Jahren  in  Wort  und  Tat  wieder¬ 
holt  bewiesen.  Dr-  C.  B  e  d  a  1 1. 


Morbiditätsstatistikd.lnfektionskrankheitenfiirMiinchen. 

in  der  26.  Jahreswoche  vom  22.  bis  28.  Juni  1902. 
Beteiligte  Aerzte  136.  —  Brechdurchfall  12  (18*),  Diphtherie  u- 
Kroup  8  (6),  Erysipelas  7  (8),  Intermittens,  Neuralgia  mterm. 
—  (1).  Kindbettfieber  3  ( — ),  Meningitis  cerebrospm.  —  (— )> 

Morbilli  39  (35),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  1  (1),  Parotitis 
epidem.  3  (3),  Pneumonia  crouposa  6  (13),  Pyämie,  Septikämie 


1  (1),  Rheumatismus  art.  ac.  14  (18),  Ruhr  (Dysenteria)  —  (1), 
Scarlatina  6  (6),  Tussis  convulsiva  44  (38),  Typhus  abdominalis  2 
(1),  Varicellen  12  (7),  Variola,  Variolois  —  (— ' ),  Influenza  2  (3). 
Summa  158  (157).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  26.  Jahreswoche  vom  22.  bis  28.  Juni  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  4  (2*),  Scharlach  2  (1)  Diphtherie 
u.  Kroup  3  (2),  Rotlauf  2  (-),  Kindbettfieber  2  (— ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  3  (— ),  Brechdurchfall  2  (4),  Unterleib-Typhus  - 
(— ),  Keuchhusten  5  (1),  ICroupöse  Lur genentzünd ung  5  (I),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  32  (34),  b)  der  übrigen  Organe  10  (9),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  (— ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
—  (2),  Unglücksfälle  3  (1),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch  fremde 
Hand  1  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  193  (215),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  19,8  (22,1),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  14,3  (13.5). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Morbiditätsstatistik  der  Infektionskrankheiten  in  Bayern :  April ')  und  Mai  1902. 


Regierungs¬ 
bezirke 
bezw. 
Städte  mit 
über  30,000 
Ein¬ 
wohnern 


Oberbayern 

Niederbay. 

Pfalz 

Oberpfalz 

Oberfrank. 

Mittelfrank. 

Unterfrank. 

Schwaben 


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A.  M 


146 

62 

46 

66 

48 

68 

24 

139 


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A. 


173 

83 

56 

68 

65 

92 

30 

107 


109 

14 

97 

54 

91 

69 

38 

65 


M. 


74 
21 
77 
25 

75 
63 
67 
54 


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204 

227 

75 

174 

124 

227 

118 

216 


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26 

63 

127 

310 

193 

180 

73 


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299 

28 

80 

41 

434 

153 

224 

172 


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A.  M 


81 

5 

16 

11 

9 

71 

8 

44 


68 

1 

12 

2 

7 

42 

100 

35 


223 

191 

246 

204 

261 

294 

208 

291 


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A. 


231 

170 

243 

196 

342 

366 

258 

296 


202 

61 

58 

81 

65 

117 

69 

129 


M. 


169 

56 

45 

64 

55 

117 

48 

89 


Summe 


599  6741  537 


Augsburgs) 

Bamberg 

Hof 

Kaiserslaut. 

Ludwigshaf. 

München3) 

Nürnberg 

Pirmasens 

Regensburg 

Würzburg 


456 


410 


28 

13 

5 

2 

10 

37 

29 

3 

13 

10 


24 

22 

4 


5 

28 

49 

5 

8 

13 


10 

23 

4 


24 

55 

38 

11 

13 

3 


16 

19 

1 


5 
33 
35 
21 

6 
12 


3811365  980  82  69  35  39  20  13  123611431  53  35  245  267  1918  2102  24  26 


4 

38 
46 
1 
7 

6|  11 


68 

39 


5 

20 

59 

6 
57 

5 


8 

26 


8 

28 

2 

12 

3 


6 

194 

25 


3 

224 
11 
1 

85 
-  61 


5 

235 

39 


6 

200 

35 

12 

59 


64 

61 

1 

3 


47 

8 

1 

4 

23 

72 


35 

19 

11 

7 

18 

47 


821  112 
9:  9 

21  18 
23 1  32 


782  643 


29 

1 

2 

12 

103 

63 

4 

15 

11 


14 

7 

3 

2 

11 

68 

61 


3 

9| 


Ruhr 

(dysenteria) 

'  Scarlatina 

Tussis 

> 

zn 

P 

> 

0 

O 

O 

Typhus 

abdominalis 

Varicellen 

Variola,  II 

|  Variolois  || 

Zahl  der  Aerzte. 

überhaupt  1 

Zahl  derbe-  || 

|  teil.  Aerzte  !| 

A. 

M. 

A. 

I  M. 

A. 

M. 

A 

M. 

A 

M. 

A. 

IM 

M. 

8 

30 

24 

174 

200 

16 

4 

84 

77 

_ 

_ 

949 

275 

5 

3 

22 

16 

5 

4 

16 

9 

— 

— 

188 

77 

_ 

25 

26 

223 

173 

24 

15 

20 

27 

— 

— 

299 

130 

_ 

22 

21 

56 

57 

3 

2 

8 

19 

— 

— 

158 

87 

_ 

33 

27 

92 

83 

— 

2 

31 

17 

— 

— 

206 

122 

_ 

63 

97 

141 

127 

3 

7 

78 

106 

— 

— 

367 

195 

26 

22 

68 

38 

11 

4 

41 

24 

— 

— 

328 

97 

— 

1 

19 

20 

94 

63 

7 

— 

24 

19 

6 

— 

295 

204 

— 

9 

223 

240 

870 

757 

69 

38 

302 

298 

6 

2790 

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2 

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11 

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9 

1 

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53 

53 

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10 

16 

30 

14 

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— 

— 

41 

18 

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3 

4 

27 

27 

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— 

6 

— 

— 

— 

17 

8 

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5 

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1 

— 

1 

— 

— 

— 

23 

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6 

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33 

28 

2 

3 

3 

6 

— 

— 

30 

22 

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25 

19 

113 

102 

15 

4 

57 

47 

— 

— 

583 

183 

_ 

_ 

50 

77 

116 

105 

1 

3 

50 

84 

— 

— 

156 

125 

2 

3 

7 

17 

1 

— 

11 

5 

— 

— 

14 

7 

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6 

3 

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11 

1 

1 

1 

— 

— 

— 

44 

35 

— 

— 

20 

16 

8 

3 

3 

1 

14 

5- 

— 

90 

24 

Bevölkerungsziffern:  Oberbayern  1'323,888,  Niederbayern  678,192, 
Pfalz  831,678,  Oberpfalz  553,841,  Oberfranken  608,116,  Mittelfranken  815,895,  Unter- 
franken  650,766,  Schwaben  713,681.  -  Augsburg  89,170,  Bamberg  41,823,  Hof  32,781, 
Kaiserslautern  48,310,  Ludwigshafen  61,914,  München  499,932,  Nürnberg  261,081, 
Pirmasens  30,195,  Regensburg  45,429,  Würzburg  75,499 

Einsendungen  fehlen  aus  den  Aemtern  Bogen,  Grafenau,  Wegscheid.  Sulz¬ 
bach,  Fürth,  Gunzenhausen,  Neustadt  a./A.,  Hofheim,  Königshofen,  Mellrichstadt, 

Kempten  und  Oberdorf.  .  .  . .  . 

Höhere  Erkrankungszahlen  (ausser  von  obigen  Städten)  werden  gemeldet 

aus  folgenden  Aemtern  bezw.  Orten: 

Diphtherie,  Croup:  Epidemie  in  Bruchweiler  (Pirmasens)  —  20  beh. 
Fälle;  auch  in  der  Stadt  Pirmasens  wieder  21  beh.  Fälle. 

Influenza:  Zunahme  der  Erkrankungen  in  den  Amtsbezirken  Hersbruck 
—  64  beh  Fälle  und  Donauwörth;  häufige  Erkrankungen  besonders  unter  Kin¬ 
dern  im  Amte  Garmisch  mit  zum  Theil  heftigen  bronchitischen  und  pneumoni¬ 
schen  Erscheinungen  —  46  beh.  Fälle  und  in  der  ersten  Hälfte  des  Monats  im 
ärztl  Bezirke  Schöll  krippen  (Alzenau).  Stadt  Erlangen  28,  Aemter  Altotting  26, 
Zweibrücken  41,  Amberg  35,  ärztl.  Bezirk  Lauingen  (Dillingen)  47  beh.  Fälle. 

Morbilli’  Fortsetzung  der  Epidemien  in  den  Amtsbezirken  Frankenthal 
(noch  in  Lambsheim),  Landau  i.  Pf.  in  Frankweiler  und  Edesheim),  Ludwigshafen 
(in  Oguersheim  häufig  Bronchopneumonie  als  Nachkrankheit),  Stadtsteinach  (in 
den  Gemeinden’ Grafengehaig  und  Eppenreuth  mit  vielen  Komplikationen,  weitere 
Ausdehnung  auf  5  Gemeinden;  gutartig  in  Stadtsteinach,  hier  und  in  3  weiteren 
Gemeinden  Schulschluss),  Schwabach  (in  Schwabach  und  Umgebung),  Weissen- 
burg  (in  Kattenhochstatt  und  Holzingen,  hier  Schulschluss),  Ebern  (seit  April 
im  südwestl  und  südö«tl.  Theile  des  Bezirkes),  Kitzingen  (in  Mainstockheim, 
Biebergau  und  Martinsheim,  hier  neben  Varicellen,  31  beh.  Fälle),  Neustadt 
a./S.  (Schulschluss  in  Sondernau),  Schweinfurt  (68  beh.  Fälle,  davon  50  in 
Schweinfurt)  und  Memmingen  (in  5  Orten,  52  beh.  Fälle);  Abnahme  im  Amte 
Feuchtwangen  (25  beh.  Fälle).  Epidemisches  Auftreten  ferner  in  den  Bezirken 
Erding  (neben  Tussis  in  Erding  und  Gemeinde  Altenerding,  30  beh.  Fälle),  Mün¬ 
chen  II  (in  der  Kinderbewahranstalt  Gauting,  33  beh.  Fälle),  Germersheim  (in 
Hatzenbühl)  Forchheim  (Schulschluss  in  Gosberg  und  Pinzberg,  70  beh  Fälle), 
Staffelstein  (in  Busendorf,  Birkach  und  Lahm),  Scheinfeld  (im  ärztl.  Bezirke  Ip- 
hofen  42  beh  Fälle),  Alzenau  (gegen  Ende  des  Monats  heftig  im  ärztl  Bezirke 
Schöllkrippen),  Gerolzhofen  (in  Rehweiler  und  Obereisenheim,  hier  Schulschluss), 
Neuburg  a  /D  fln  Neuburg  und  Heinrichsheim  neben  Tussis,  40  beh.  Fälle),  Neu- 
Uim  (Schulschluss  in  Emershofen,  über  die  Hälfte  der  Schulkinder  krank),  Sont¬ 
hofen  (in  mehreren  Orten,  5  Schulen  geschlossen)  und  Wertingen  (in  Riedsend 
und  Wengen).  Stadt  Erlangen  27,  Stadt-  und  Landbezirk  Lindau  28,  Aemter 
Zweibrückeu  22,  Neustadt  a  /WN.  23,  Wunsiedel  30,  Hassfurt  37  beh.  Fälle. 

Rubeolae:  Leichte  Epidemie  in  Haag  (Wasserburg),  mehrere  Erkrank¬ 
ungen  in  Dittelbrunn  (Schweinfurt) ;  Stadt  Nürnberg  72  beh.  Fälle. 

Parotitis  epidemica:  Häufige  Erkrankungen  (neben  Varicellen)  in 
Burgbausen  (Altötting),  22  beh.  Fälle;  Epidemie  in  Grünstadt  (Frankenthal),  in 
Wiesentheid  (Gerolzhofen)  seit  Mitte  des  Monats,  langsame  Ausbreitung,  33  beh. 
Fälle  und  in  Heigenbrücken  (Aschaffenburg),  51  beh.  Fälle. 


Pneumonia  crouposa:  Stadt-  und  Landbezirke  Bayieuth34,  F°rcbhe’“ 
86,  Kitzingen  30,  Aemter  Kusel  41,  Zweibrücken  36  Amberg  und  Lichten i Ms  je 
32,  Wunsiedel  und  Feuchtwangen  je  30,  Schweinfurt  38,  Wertingen  31  beh.  lalle, 

8  beh.  Fälle  im  Dorfe  Neuhofen  (Ludwigshafen),  davon  7  bei  Kindern  von  3  bis 
0  Jahren),  3  Fälle  in  einem  Hause  im  Amte  Viechtach. 

Ruhr,  dysenteria:  6  Fälle  im  ärztl.  Bezirke  Schönbrunn  (Dachau). 

Scarlatina:  Epidemisches  Auftreten  in  Böllenborn  (Bergzabern);  Stadt- 
und  Landbezirk  Nördlingen  12,  Bez  -Amt  Amberg  10  beh.  Fälle. 

Tussis  convulsiva:  Fortsetzung  der  Epidemien  in  den  Amtsbezirken 
Erding  (in  Erding  und  Allenerding  neben  Morbillis,  36  beh.  Fälle),  Landau  a./i. 
(im  ärztl.  Bezirke  Eichendorf)),  Bergzabern  (in  den  Gemeinden  Ingenheim,  Kaps¬ 
weyer  und  Steinfeld),  Landau  i  /Pf.  (neuerdings  in  Offenbach),  Ludwigshafen 
(in  Böhl,  34  beh.  Fälle).  Neustadt  a /H.  (in  Gimmeldingen  Meckenheim  und 
Geinsheim),  Füssen  (in  Lechbruck  und  Pfronten)  und  Neuburg  a./D.  (in  Neu¬ 
burg  und  Heinrichsheim,  neben  Morbillis);  epidemisches  Auftreten  ferner  in 
den  Aemtern  Garmisch  (in  Eschenlohe  und  Schwaigen),  Griesbach  (in  rascner 
Ausbreitung  im  Bezirke),  Germersheim  (in  Rülzheim),  Kusel  Frf!lkelbil/J 
und  Kaulbach),  Neustadt  a./S.  (in  Rödelmaier  und  Dürrnhof)  und  Wertingen  (in 
Affaltern,  Langenreichen  und  Markt).  S 

Typhus  abdomi'nalis:  Aemter  Landau  i./Pf.  5,  Zweibrücken  4  beh. 
Fäll©  _ 

Varicellen:  Gehäufte  Erkrankungen  in  den  Aemtern  Altötting  (in  Burg¬ 
hausen  neben  Parotitis),  15  beh.  Fälle,  Tirschenreuth  (in  Mitterteich  und  V\  iesau.K 
Kissingen  (im  ärztl.  Bezirke  Münnerstadt)  und  Kitzingen  (in  Martinsheim  neb„n 

Aus  dem  Bezirke  Viechtach  wird  ferner  gehäuftes  Auftreten  lange  an¬ 
dauernder  Diarrhoen  gemeldet;  ärztliche  Hilfe  dagegen  nicht  beansprucht. 

Im  Interesse  möglichster  Vollständigkeit  vorliegender  Statistik  wird  um 
regelmässige  und  rechtzeitige  (bis  längstens  20.  des  auf  den 
monat  folgenden  Monats)  Einsendung  der  Anzeigen  bezw.  von  feni- 
anzeigen  ersucht,  womöglich  unter  anmerkungsweiser  Mittheilung  von  Epi¬ 
demien.  Zur  Vermeidung  von  Doppelzählungen  erscheint  es  wunschenswerin, 
dass  Fälle  aus  sog.  Grenz  praxis  entweder  dem  Amtsärzte  des  einschlägigen 
Amtes  oder  dem  K.  Statistischen  Bureau  unter  Ausscheidung  nach  Aemtern 
mitgetheilt  werden. 

Meldekarten  nebst  Umschlägen  zur  portofreien  Einsendung  an  aas 
K.  Statistische  Bureau  sind  durch  die  k.  Bezirksärzte  zu  erhalten.  Diese  Karten 
dienen  ebenso  zu  sog.  S  ammeikarte n ,  welch’  letztere  zur  Vermeidung  ton 
Verzögerungen  ohne  Rücksicht  auf  etwa  ausständige  Anzeigen  gieicn- 
falls  bis  längstens  20.  jeden  folgenden  Monats  einzusenden  wären.  Allen  tau 
später  eingekommene  Meldungen  wollen  auf  der  nächstfolgenden  Ka.ru  a‘ 
Nachträge  gekennzeichnet,  aufgenommen  werden.  Noch  in  Hanaen  De- 
findliche  sog.  Postkarten  wären  aufzubrauehen,  jedoch  durch  Angabe  ue 
behandeltenlnfluenzafäll  e  zu  ergänzen  und  gleichfalls  unter  Umschlag  ei¬ 
zusenden.  —  Sog.  Zählblättchen  dagegen  werden  vom  k.  Statistischen  Bureau 
weder  beschafft  noch  versendet. 


i)  Einschliesslich  einiger  seit  der  letzten  Veröffentlichung  (No.  24)  eingelaufener  Nachträge.  -  *)  Im  Monat  April  1902  einschliesslich  der  Nach 
träge  1255.  —  8)  14.  mit  18.  bezw.  19.  mit  22.  Jahreswoche.  . _ _____ 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


MÜNCHENER 


Die  Münch  Med.  Wochenheim  erscheint  wftrhentl. 
ln  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Ungarn  vierteljährl.  6  M., 
ins  Ausland  8. —  Ji.  Einzelne  No.  80  *}. 


Zusendungen  'ihd  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


0.  v.  Ängerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger, 

München.  Freiburg  i.  B.  München. 

No.  29.  22.  Juli  1902. 


H.  Cursctaann, 

Leipzig. 


Herausgegeben  von 

C,  Gerhardt,  W.  v.  Leube,  G,  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  II.  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 

Berlin.  Würzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen.  München.  München. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstraese  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Universitätspoliklinik  für  Ohrenkranke  in  Marburg. 

Die  Bedeutung  der  tuberkulösen  Belastung  für  die 
Entstehung  von  Ohrenkrankheiten  bei  Kindern.*) 

Von  Professor  Ostmann  in  Marburg  a.  L. 

Die  Untersuchung  sämtlicher  Volksschulkinder  des  Kreises 
Marburg  auf  Krankheiten  des  Gehörorgans  hat  mir  ein  hin¬ 
reichend  grosses  Material  an  die  Hand  gegeben  zur  Prüfung  der 
Frage,  ob  bezw.  wie  weit  der  tuberkulösen  Belastung  eine  Be¬ 
deutung  für  die  Entstehung  von  Ohrenkrankheiten  bei  Kindern 
zukommt. 

Es  wurden  bei  den  Schuluntersuchungen  7537  Kinder  im 
Alter  von  5 — 13  Jahren  untersucht;  von  diesen  wurden  2142 
—  28,4  Proz.  ohrenkrank  befunden. 

Vielfache  Mitteilungen  über  die  gesundheitlichen  Verhält¬ 
nisse  der  Eamilien  der  ohrenkranken  Kinder  legten  die  Ver¬ 
mutung  nahe,  dass  möglicherweise  die  in  Oberhessen  unter  der 
ländlichen  Bevölkerung  so  ausserordentlich  häufig  auftretende 
Tuberkulose  nicht  ohne  Einfluss  auf  das  gehäufte  Vorkommen 
von  Ohrenkrankheiten  unter  den  Volksschulkindern  war. 

Um  einen  möglichst  sicheren  Anhalt  für  die  Entscheidung 
dieser  Frage  zu  gewinnen,  wurden  für  die  den  Dorfschulen  an¬ 
gehörenden  1679  schwerhörigen  Kinder  Fragebogen  ausgesandt, 
durch  welche  festgestellt  werden  sollte: 

1.  Ob  unter  den  nächsten  Blutsverwandten  —  Grosseltern, 
Eltern,  Geschwister,  Onkel  und  Tanten  —  der  ohrenkranken 
Kinder  Todesfälle  an  Schwindsucht  vorgekommen  waren; 

2.  die  Eamilienzugehürigkeit  der  Kinder,  sowie  die  Zahl 
ihrer  nicht  mehr  oder  noch  nicht  schulpflichtigen  Geschwister. 

Die  Ergebnisse  einer  solchen  Statistik  werden  aus  mehr¬ 
fachen  Gründen  stets  unter  einer  gewissen  Unsicherheit  leiden, 
selbst  wenn,  wie  dies  der  Fall  war,  die  Lehrer  in  dankens¬ 
wertester  Weise  sich  in  den  Dienst  der  Sache  stellten. 

Dies  zeigte  auch  deutlich  die  Durchsicht  der  ausgefüllten 
1679  Fragebogen,  aus  denen  aber  doch  soviel  hervorging,  dass 
es  sich  verlohnte,  in  engerem  Bezirk  der  bedeutungsvollen  Frage 
näher  zu  treten. 

Von  den  69  Schulorten,  in  die  die  Fragebogen  gesandt  waren, 
Hessen  sich  dieselben  von  21  Orten  mit  einiger  Sicherheit  inso¬ 
weit  benutzen,  dass  festgestellt  werden  konnte,  wie  viele  von  den 
schwerhörigen  Kindern  tuberkulösen  und  wie  viele  nicht  tuber¬ 
kulösen  Familien  zugehörten. 

Es  ergab  sich,  dass  190  schwerhörige  Kinder  zu  131  tuber¬ 
kulösen  Familien  und  196  schwerhörige  Kinder  zu  149  nicht 
tuberkulösen  Familien  gehörten,  somit  prozentuarisch  eine  etwas 
grössere  Zahl  von  schwerhörigen  Kindern  auf  die  tuberkulösen 
Familien  entfiel. 

Des  weiteren  ergab  sich  für  beide  Gruppen  dieser  schwer 
hörigen  Kinder  aus  den  Untersuchungslisten,  dass  von  dex  ei 
steren  Gruppe  43,  von  der  letzteren  nur  33  gewohnheitsmässige 
Mundatmer  waren. 

*)  Weitere  Ausführung  meiner  Mitteilung  im  Arch.  f.  Oliren- 

heilk.,  Bd.  55. 

No.  29. 


Diese  Erhebungsresultate  erschienen  mir  aber  im  grossen 
ganzen  doch  zu  unsicher,  um  auf  so  breiter  Basis  weiter  fort- 
bauen  zu  dürfen;  ich  habe  deshalb  die  weitei'en  Erhebungen  und 
Untersuchungen  auf  8,  räumlich  z.  T.  weit  voneinander  entfernte 
Landgemeinden  beschränkt,  in  denen  ich  Lehrer  wusste,  die  ein 
volles  Intcrc  .  und  Verständnis  für  die  angeregte  Frage  hatten 
und  durch  i  1. :  meist  langjährige  Tätigkeit  in  den  Dörfern  mit 
den  familiären  Verhältnissen  der  Dorfbewohner  gut  vertraut 
waren. 

Allo  nachstehenden  Ausführungen  beziehen  sich  somit  allein 
auf  die  8  Landge meinden :  Wollmar,  Weitershausen,  Michelbaoh, 
Amoenau,  Bürg  ln,  Nicdeiuvetter,  Wenkbach  und  Roth. 

Für  diese  wurden  sämtliche  Kinder,  normalhörende  wie 
schwerhörig?,  nach  ihrer  Familienzugehörigkeit  gruppiert  und 
für  jede  ehr  Familien  festgestellt,  ob  im  zuvor  ausgeführten 
Sinne  tuberkulöse  Belastung  vorlag  oder  nicht. 

Es  wurden  im  ganzen  676  Kinder  vom  5. — 13.  Lebensjahr 
untersucht,  von  denen  162  =  23,9  Proz.  schwerhörig  waren, 
d.  h.  auf  einem  oder  beiden  Ohren  nur  auf  etwa  Vs  der  normalen 
Entfernung  hörten  oder  weniger. 

Diese  676  Kinder  gehörten  385  Familien  an,  welche  ich  in 
3  Gruppen  —  a,  b,  c  —  einteile,  und  zwar  umfasst  Gruppe  a 
die  Familien  mit  normalhörenden,  Gruppe  b  diejenigen  mit  nor¬ 
malhörenden  u  n  d  schwerhörigen,  Gruppe  c  diejenigen  mit  n  u  r 
schwerhörigen  Kindern. 

Auf  diese  3  Gruppen  verteilen  sich  die  Familien  und  Kinder 
wie  folgt : 

Gruppe  a  .  .  .  251  Familien  mit  404  normalhörenden  Kin¬ 

dern  ; 

Gruppe  b  .  .  .  70  Familien  mit  100  normalhörenden  und 

82  schwerhörigen  Kindern; 

Gruppe  c  .  .  .  64  Familien  mit  80  schwerhörigen  Kindern. 

Unter  den  Familien  waren  tuberkulös  belastet  von: 

Gruppe  a  ...  69  Familien  =  25,8  Proz.  mit  119  normal¬ 
hörenden  Kindern-; 

Gruppe  b  .  .  .  33  Familien  =  49,5  Proz.  mit  54  normal¬ 

hörenden  und  37  schwerhörigen  Kindern; 

Gruppe  c  ...  41  Familien  =  73,4  Proz.  mit  52  schwer¬ 

hörigen  Kindern. 

Fine  Gegenüberstellung  der  gesunden  und  tuberkulösen  Fa¬ 
milien  ergibt  somit : 

242  gesunde  Familien  hatten  414  Kinder,  von  denen  341 

—  82,4  Proz.  noimalliürend  und  73  =  17,6  Proz. 
schwerhöiflg  waren; 

dagegen  hatten:  #  _  . „o 

143  tuberkulöse  Familien  262  Kinder,  von  denen  lio 

—  66,0  Proz.  normalhörend  und  89  =  34,0  Proz. 
schwerhörig  waren ;  somit  hatten  die  tubei- 
kulÖsen  Familien  prozentuarisch  dop¬ 
pelt  so  viel  schwerhörige  Kinder  als 
die  gesunden  Familien. 

Wenn  man  nun  die  tuberkulösen  und  nicht  tuberkulösen 
Familien  der  Gruppen  h  und  c,  also  die  Familien  mit  sclxwer- 
hörigexi  Kindern,  untereinander  zum  Vergleich  stellt,  so  zeigt 
sich  auch  dann  noch  deutlich  die  ungünstigere  Stellung  (1er  tuber¬ 
kulösen. 


1 


121Ö 


IviÜEN CHENER  MEDlClNlSCSE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Zu  74  tuberkulösen  Familien  der  Gruppen  b  und  c  gehörten 
143  Kinder,  von  diesen  waren: 

54  =  37,7  Proz.  normalhörend;  89  =  62,3  Proz.  schwer¬ 
hörig. 

Dagegen  gehörten  zu : 

60  gesunden  Familien  der  Gruppen  b  und  c  129  Kinder, 
von  denen  56  — -  43,4  Proz.  normalhörend  und  73 
—  56,6  Proz.  schwerhörig  waren;  somit  hatten  die 
tuberkulösen  Familien  noch  5,7  Proz.  mehr  schwer¬ 
hörige  Kinder. 

Als  weitere  Folgerung  ergibt  sich  aber  aus  der  Zusammen¬ 
stellung  der  Familien  in  obige  3  Gruppen,  dass  unter  den¬ 
jenigen  Familien,  welche  die  relativ  meisten 
schwerhörigen  Kinder  haben  (Gruppe  c),  sich 
auch  relativ  am  häufigsten  tuberkulöse  Be¬ 
lastung  der  Kinder  (i  n  73,4  Pro  z.)  findet. 

Diese  Tatsache  macht  es  an  sich  sehr  wahrscheinlich,  dass 
zwischen  der  Tuberkulose  der  nächsten  Blutsverwandten  in  auf¬ 
steigender  Linie  und  den  Ohrerkrankungen  der  diesen  Familien 
angehörenden  Kinder  ein,  wenn  auch  nur  indirekter,  ursächlicher 
Zusammenhang  besteht. 

Ist  dies  thatsächlich  der  Fall,  so  muss  angenommen  werden, 
dass  dieser  Zusammenhang  um  so  schärfer  hervortritt,  je  näher 
die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  des  ohrenkranken  Kindes 
zu  dem  an  Tuberkulose  verstorbenen  Familienmitglied©  waren, 
d.  h.  mit  anderen  Worten :  es  muss  erwartet  werden,  dass  bei 
Tuberkulose  der  Eltern  und  Grosseltern  eine  stärkere  Disposition 
des  Kindes  zu  Ohrerkrankungen  hervortritt  als  bei  der  Tuberku¬ 
lose  von  Onkel,  Tanten  und  Geschwistern. 

In  nachstehender  Tabelle  habe  ich  nach  dieser  Richtung  das 
Ergebniss  der  Erhebungen  über  die  tuberkulös  be¬ 
lasteten  Familien  mit  schwerhörigen  Kindern  zusammen¬ 
gestellt  ;  demnach  enthält  die  Tabelle  einerseits  die  33  tuberkulös 
belasteten  Familien  der  Gruppe  b,  andererseits  die  41  tuberkulös 
belasteten  Familien  der  Gruppe  c.  Die  69  tuberkulös  belasteten 
Familien  der  Gruppe  a  scheiden  naturgemäss  aus,  weil  diese 
Familien  nur  normalhörende  Kinder  hatten. 


Tabelle  I. 
Gruppe  b. 


Zahl  der 
tuberkul. 
Familien 

Art  der  tuberkulösen  Belastung  bei  ....  Familien 
durch  Erkrankung  von  ....  an  Tuberkulose 

Gross¬ 

eltern 

Vater 

Mutter 

Onkel, 

Tante 

Ge¬ 

schwister 

33 

11 

5 

4 

11 

2 

Proz.  der 
Familien 

33,3 

15,1 

19,1 

33,3 

6,1 

in  60,5  Proz.  39,5  Proz. 

Belastg.  in  dir.  Linie.  Belastg.  in  Seitenlinie. 


Gruppe  c. 


Zahl  der 
tuberkul. 
Familien 

Art  der  tuberkulösen  Belastung  bei  ....  Familien 
durch  Erkrankung  von  ....  an  Tuberkulose 

Gross¬ 

eltern 

Vater 

Mutter 

Onkel, 

Tante 

Ge¬ 

schwister 

41 

19 

5 

6 

10 

1 

Proz.  der 
Familien 

4*‘>,3 

12,2 

14,6 

21,4 

2,4 

73,1  Proz,  26,9  Proz. 

Belastg.  in  dir.  Linie.  Belastg.  in  Seitenlinie. 


Die  Tabelle  bedarf  keiner  besonderen  Erläuterung.  Wir 
folgern  aus  der  Zusammenstellung: 

Unter  den  tuberkulösen  Familien  findet 
sich  bei  d  e  n  j  e  n  i  g  e  n,  welche  die  relativ  g  r  ö  s  s  t  e 
Zahl  sch  w  e  r  h  ü  r  i  g  e  r  K  i  n  d  er  habe  n,  a  uch  rela¬ 


tiv  am  häufigsten  die  schwerste  Form  der 
tuberkulösen  Belastung  des  Iv  i  n  d  e  s. 

Die  Schlussfolgerung,  die  wir  aus  der  Annahme  eines  inneren 
Zusammenhanges  zwischen  der  Tuberkulose  der  nächsten  Bluts¬ 
verwandten  und  den  Ohrerkrankungen  der  ihnen  zugehörigen 
Kinder  ableiten  mussten,  hat  sich  somit  durch  die  Tatsachen 
als  richtig  herausgestellt,  wodurch  umgekehrt  auch  die  Richtig¬ 
keit  der  Annahme  selbst  wesentlich  gestützt  wird. 

Wenn  nun  die  tuberkulöse  Belastung  die  Entstehung  von 
Ohrenkrankheiten  bei  den  tuberkulös  belasteten  Kindern  fördert, 
so  sollte  man  meinen,  dass  auch  die  einmal  entstandene  Erkran¬ 
kung  durch  die  Belastung  ungünstig  beeinflusst  wird,  es  somit 
durchschnittlich  zu  einem  höheren  Grade  der  funktionellen 
Störung  des  Gehörorgans  kommt,  als  es  bei  gleichartigen  Er¬ 
krankungen  nicht  belasteter  Kinder  gemeinhin  der  Fall  ist. 

Ich  habe  auch  nach  dieser  Richtung  das  vorhandene  Material 
zusammengestellt. 

Die  tuberkulösen  Familien  der  Gruppen  b  und  c  hatten  89 
schwerhörige  Kinder;  bei  diesen  waren  118  Gehörorgane  er¬ 
krankt,  und  zwar  wurde  festgestellt  bei : 


6  Gehörorganen  Erkrankung  des  äusseren  Ohres, 


68 

1 

y 

19 

15 


katarrhalische  Erkrankung  des  Mittelohres, 
akute  Mittelohrentzündung, 
chronische  Kiterung, 

Otitis  med.  cicatricia,  d  h.  es  wurden  Narben  und 
andere  Reste  früherer  Entzündungen  gefunden, 
Irpin  krankhafter  Trommelfellbefund. 


Es  waren  somit  im  wesentlichen  sämtliche  Gruppen  von 
Veränderungen  vertreten,  die  überhaupt  bei  den  Schulunter¬ 
suchungen  gefunden  werden. 

Die  Hörprüfung  dieser  118  Gehörorgane  ergab  für  39  der¬ 
selben  eine  Ilörschärfe  von  0,4  m  und  für  79  derselben  eine  Iiör- 
schärfe  von  4 — 8  m  für  zugeflüsterte  Zahlen  von  1 — 100. 

Stellt  man  dieses  Ergebnis  dem  Gesamtergebnis  der  Hör¬ 
prüfungen  bei  den  Schuluntersuchungen  gegenüber,  so  ergibt 
sich:  Von  den  bei  den  Schuluntersuchungen  insgesamt  unter¬ 
suchten  15  074  Gehörorganen  wurden  2922  schwerhörig  befunden. 

Von  diesen  2922  Gehörorganen  hörten:  26,4  Proz.  0 — 4  nt; 
von  den  118  Gehörorganen,  welche  den  aus  tuberkulös  belasteten 
Familien  hervorgegangenen  Kindern  angehörten,  hörten  dagegen 
33,0  Proz.  C — 4  m;  also  6,6  Proz.  mehr  waren  von  diesen  erheblich 
schwerhörig;  während  sich  der  Prozentsatz  bei  den  massig 
Schwerhörigen,  also  den  zwischen  4  und  8  m  Hörenden,  um  eben 
diesen  Prozentsatz  verminderte. 

Wenn  die  zum  Vergleich  gestellten  Zahlen  auch  sehr  ver¬ 
schieden  gross  sind,  so  dürfte  doch  auch  hier  die  ungünstigere 
Stellung  der  tuberkulös  belasteten  Kinder  hinsichtlich  der  Rück¬ 
wirkung  der  verschiedensten  Ohrerkrankungen  auf  die  Schädi¬ 
gung  der  Hörfunktion  nicht  auf  einer  Zufälligkeit  beruhen,  und 
es  würde  diese  ungünstigere  Stellung  wahrscheinlich  noch 
schärfer  hei  vortreten,  wenn  in  der  Zahl  2922  der  überhaupt 
schwerhörig  befundenen  Gehörorgane  nicht  auch  alle  diejenigen 
Gehörorgane  mitinbegriffen  wären,  welche  den  aus  tuberkulösen 
Familien  entstammenden  Kindern  angehören. 

Es  wird  aber  auch  deshalb  um  so  unwahrscheinlicher,  dass 
wir  es  hier  mit  einer  Zufälligkeit  zu  tun  haben,  weil  sich  weiter 
zeigen  lässt,  dass  unter  den  tuberkulös  belasteten  schwerhörigen 
Kindern  unserer  8  Landgemeinden  wieder  die  am  schwersten 
belasteten  (Gruppe  c)  nicht  allein  die  höchste  Prozentzahl  erheb¬ 
lich  Schwerhöriger  (38,0  Proz.  0 — 4  m  Hörende  der  Gruppe  c, 
gegenüber  25,5  Proz.  0 — 4  m  Hörende  der  Gruppe  b)  stellen,  son¬ 
dern  auch  die  relativ  grössere  Zahl  erkrankter  Gehörorgane 
(69,6  Proz.  gegenüber  61,8  Proz.).  Dies  wird  durch  die  nach¬ 
stehenden  Tabellen  zahlenmässig  erhärtet. 


Tabelle  II. 
Gruppe  b. 


Zahl  der 
tuberkul. 
Familien 

Zahl  der 
schwerhör 
Kdr.  aus  d. 
tubk.  Farn. 

Zahl  der 
Gehör¬ 
organe 

Von  diesen 
waren 
erkrankt 

Es  hörten  von  den 
erkrankt.  47  Gehör¬ 
organen 

0—4  m  |  4 — 8  m 

33 

38 

76 

47  = 

61,8  Proz. 

25,5  Proz 

35  = 
74,5  Proz. 

22.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1211 


Gruppe  c. 


Zahl  der 
tuberkul. 
Familien 

Zahl  der 
schwerhör 
Kdr.  aus  d 
tubk.  Farn. 

Zahl  der 
Gehör¬ 
organe 

Von  diesen 
waren 
erkrankt 

Es  hörten  von  den 
erkrankt.  71  Gehör¬ 
organen 

0—4  m  |  4 — 8  m 

41 

51 

102 

71  = 
69,6  Proz 

27  = 
38,0  Proz. 

44  = 

62,0  Proz. 

Auch  diese  Tabelle  spricht  für  sich  selbst  und  bedarf  keiner 
besonderen  Erläuterung.  Wir  ziehen  aus  ihr  den  Schluss: 

„Die  tuberkulöse  Belastung  fördert  die 
Entstehung  und  übt  einen  ungünstigen  Ein¬ 
fluss  auf  den  Ablauf  der  entstandenen  Ohr¬ 
erkrankung  aus  und  zwar  um  so  mehr,  je 
schwerer  die  Belastung  i  s  t.“ 

Es  fragt  sich  nun,  welches  sind  denn  die  geheimnisvollen 
Fäden,  die  wir  hier  zwischen  der  tuberkulösen  Belastung  der 
Kinder  und  ihren  Erkrankungen  dos  Ohres  gezogen  sehen. 

Die  Ohrerkrankungen  als  solche  sind  nicht  tuberkulös;  das 
können  wir  für  die  grösste  Zahl  mit  Bestimmtheit  behaup¬ 
ten;  denn  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  handelte  es  sich  um  chro¬ 
nisch-katarrhalische  Erkrankungen  des  Mittelohrs  und  um  aus¬ 
geheilte  Entzündungen;  nur  für  die  wenigen  fortbestehenden 
chronischen  Eiterungen  könnten  Zweifel  bestehen. 

Das  Bindeglied  zwischen  der  Tuberkulose  der  nächsten 
Blutsverwandten  und  den  Ohrerkrankungen  der  Kinder  ist  in 
erster  Linie  in  der  durch  die  tuberkulöse  Belastung  bedingten 
erhöhten  Vulnerabilität  der  Nasen-  und  Rachenschleimhaut,  ein¬ 
schliesslich  des  in  ihr  eingeschlossenen  adenoiden  Gewebes,  in 
zweiter  Linie  in  der  geringen  Widerstandskraft  des  Gesamt¬ 
organismus  der  Kinder  gegen  schädigende  Einflüsse  zu  suchen. 

Nur  bei  Annahme  dieser  Bindeglieder  lässt  sich  das  aus  der 
statistischen  Untersuchung  hervorgegangene  Resultat  klinisch 
erklären,  dass  die  tuberkulöse  Belastung  nicht  allein  die  Ent¬ 
stehung  von  Ohrkrankbeiten  fördert,  sondern  auch  einen  un¬ 
günstigen  Einfluss  auf  den  Ablauf  der  entstandenen  Ohrerkran¬ 
kung  ausübt,  und  zwar  um  so  mehr,  je  schwerer  die  Be¬ 
lastung  ist. 

Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Graz. 

Ueber  das  Schwinden  des  Patellarsehnen-Reflexes 
als  ein  noch  unbeachtetes  Krankheitszeichen  bei 
genuiner,  kruppöser  Pneumonie  im  Kindesalter. 

Von  Dr.  Meinhard  Pfaundler. 

Als  in  den  Monaten  März  und  April  des  Jahres  1897  die 
übliche  Frühjahrshochflut  der  Fälle  von  kruppöser  Pneumonie 
unsere  Räume  füllte,  fiel  mir  auf,  dass  bei  vielen  der  ein¬ 
gelieferten  Kranken  der  Patellarsehnenreflex  (P.-S.-R.)nicht  aus¬ 
lösbar  oder  deutlich  herabgesetzt  war.  Diese  seither  bei  uns  oft 
bestätigte  Beobachtung  veranlasste  mich,  unser  einschlägiges 
Material  aus  den  letzten  7  Jahren  zusammenzustellen,  wobei  sich 
folgendes  ergab. 

Tn  dem  angegebenen  Zeiträume  kamen  200  Fälle  von 
genuiner,  kruppöser  („fibrinöser“,  V  i  r  c  h  o  w)  Pneumonie  in 
unsere  stationäre  Behandlung1).  Bei  55  der  Kinder,  also  in 
27,5  Proz.  der  Fälle,  wurde  der  P.-S.-R.  bei  der  Aufnahme  des 
„Status  praesens“  von  dem  jeweiligen  Oberärzte  der  Abteilung 
als  nicht  vorhanden  oder  (symmetrisch)  herabgesetzt  bezeichnet. 
Diese  55  Fälle  sind  in  nebenstehender  Uebersicht  kurz  dargelegt. 

(Tabelle  siehe  nächste  Seite.) 

Zu  den  Angaben  über  das  Verhalten  des  P.-S.-R.,  welche  aus 
den  Krankenjournalen  stets  w  ö  r  1 1  i  c  h  zitiert  wurden,  ist  fol¬ 
gendes  zu  bemerken.  Die  Prüfung  geschah  in  der  üblichen 
Weise;  wo  der  Reflex  vermindert  erschien  oder  fehlte,  wurde  stets 
durch  rasch  wiederholtes  Beklopfen  der  Sehne  versucht, 
innerhalb  des  Reflexbogens  eine  Bahnung  zu  erzielen  und  wurden 
(bei  älteren  Kindern)  die  usuellen  Kunstgriffe  (Reiben  der  Haut, 
Händeklatschen,  J  e  n  d  r  ä  s  s  i  k)  angewandt.  Das  Ergebnis  der 
Prüfung  wurde  in  diesem  Falle  durch  wiederholte  Untersuchung 

0  Bei  anderen  14  Fällen,  die  nicht  weiter  berücksichtigt 
wurden,  konnte  diese  Diagnose  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  gestellt 

werden. 


und  bei  den  allgemeinen  Visiten  kontrolliert.  Dass  eine  Vor- 
eingenomenheit  des  Untersuehers  das  protokollierte  Ergebnis 
hätte  beeinflussen  können,  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  schon 
dadurch  ausgeschlossen,  dass  die  betreffenden  Kollegen  an  eine 
eventuelle  typische  Beziehung  des  Befundes  zum  Krankheits¬ 
zustande  gar  nicht  dachten.  Es  wäre  eher  denkbar,  dass  in 
anderen,  hier  nicht  aufgezählten  Fällen  eine  gewisse  allzu  kri¬ 
tische  Skepsis  oder  aber  ein  minder  lebhaftes  Interesse  an  dem 
Sachverhalte  normalen  Befund  annehmen  liess,  wo  tatsächlich 
gleichfalls  eine  Abschwächung  bestand. 

Dass  das  Verhalten  unserer  Pneumoniekranken  in  Bezug 
auf  den  Patellarsehnenreflex  ein  ganz  abnormes  und  auffälliges 
ist,  geht  aus  dem  Umstande  hervor,  dass  beträchtliche  Herab¬ 
setzung  oder  Fehlen  des  Reflexes  bei  gesunden  oder  anderweitig 
(nicht  nervös)  erkrankten  Kindern  ein  seltenes  Vorkommnis  ist. 
Bei  gesunden  Kindern  fand  Eulenburg"),  der  sich  noch 
keiner  besonderen  Kunstgriffe  zum  Nachweise  herabgesetzter  Re¬ 
flexe  bediente,  nur  in  etwa  4,7  Proz.,  B  1  o  c  h  :')  in  0,72  Proz. 
der  Fälle  Fehlen  des  Reflexes,  während  Pelizaeus4)  bei  be¬ 
sonders  sorgfältiger  Prüfung  unter  2403  Fällen  nur  1  mal  das 
W  e  s  t  p  h  a  1  sehe  Zeichen  konstatierte,  und  dies  bei  einem 
Knaben,  an  welchem  Remak")  später  den  Reflex  auszulösen 
vermochte. 

Auch  in  unseren  Protokollen  findet  sich  bei  anderweitig  er¬ 
krankten  Kindern,  wenn  man  von  gewissen  Nervenleiden  ab¬ 
sieht,  nur  selten  die  Angabe,  dass  der  P.-S.-R.  herabgesetzt  sei 
oder  fehle.  Auf  das  Verhalten  des  Reflexes  bei  anderen  Formen 
von  Pneumonie  werde  ich  noch  zurückkommen. 

Es  liegt  nahe,  zu  erforschen,  ob  das  Fehlen  des  P.-S.-R. 
bei  der  kruppösen  Kinderpneumonie  zu  gewissen,  die  Erkrankung 
begleitenden  Umständen  in  fixer  Beziehung  stehe.  Diesbezüglich 
ergibt  obige  Zusammenstellung  folgendes: 

1.  Was  zunächst  die  Temperatur  betrifft,  so  war  dieselbe 
naturgemäss  zur  Zeit  der  Aufnahme  des  „Status  praesens“  in 
der  Regel  eine  hoch  fieberhafte.  Tn  gewissen  Fällen  aber,  fehlte 
der  P.-S.-R.  auch  bei  Kindern,  welche  zu  dieser  Zeit  nicht 
fieberten  und  nicht  selten  bestand  das  W  e  s  t  p  li  a  1  sehe  Zeichen 
noch  fort  nach  eingetretener  Krise  bei  normaler  oder  subnormaler 
Körpertemperatur. 

2.  Das  W  e  s  t  p  h  a  1  sehe  Symptom  begleitet  die  Pneumonia 
crouposa  bei  Kindern  sebr  verschiedenen  Lebensalters,  doch 
nur  ausnahmsweise  (1  Fall)  bei  mehr  als  zehn¬ 
jährigen,  anscheinend  selten  bei  Säuglingen.  (Letztere  er¬ 
kranken  allerdings  überhaupt  nur  selten  an  kruppöser  Pneu¬ 
monie;  hingegen  ist  unser  Material  an  11 — 14  jährigen  Pneu- 
monikern  hinreichend  gross,  um  ersteres  Verhalten  evident  er¬ 
scheinen  zu  lassen.) 

3.  Eine  Beziehung  der  Lokalisation  des  Pi*ozesses  zum  Ver¬ 
halten  des  P.-S.-R.  ist  nicht  zu  eruieren.  In  den  obigen  Fällen 


betraf  die  Erkrankung  den 

rechten  Oberlappen  ...  11  mal, 
rechten  Unterlappen  ...  13  mal, 
linken  überlappen  ....  5  mal, 

linken  Unterlappen  ...  14  mal, 
2  oder  mehr  Lappen  ...  12  mal. 


Es  kann  nicht  gelten,  dass  eine  weitere  Ausbreitung  des 
Prozesses  auf  zwei  oder  mehr  Lappen  etwa  besonders  häufig  zum 
Auftreten  unseres  Zeichens  führe. 

4.  Hingegen  fanden  sich  unter  den  Fällen  mit  herabgesetztem 
P.-S.-R.  wohl  auffallend  viele  mit  schwerem  Allgemeinzustande, 
namentlich  mit  zerebralen  Initialerscheinungen.  Die  Mortalität 
in  den  oben  registrierten  Fällen  betrug  3  von  55  =  5,4  Proz.,  war 
also  auch  eine  verhältnismässig  hohe. 

5.  Es  waren  vorwiegend  kräftig  gebaute  und  gut  genährte 
Kinder,  welche  das  W  e  s  t.  p  h  a  1  sehe  Zeichen  bei  Pneumonie 
aufwiesen. 


a)  A.  Eulen  bürg:  Ueber  Sehnenreflexe  bei  Kindern. 
Deutsche  Zeitsehr.  f.  prakt.  Med.  1S78  und:  Ueber  einige  Reflexe 
im  Kindesalter.  Neurolog.  Centralbl.  1882. 

3)  Bloch  E.:  Neuropathisehe  Diathese  und  Kniephänomen. 
Areii.  f.  Psycli.  u.  Nervenkrankh.,  Bd.  XIII. 

«)  Pelizaeus  F.:  Ueber  das  Kniephänomen  bei  Kindern. 
Arc-h.  f.  Psycli.  u,  Nervenkrankh.,  Bd.  XIV. 

5)  Derselbe:  Zur  Untersuchungsmethode  des  Kniephäno¬ 
mens.  Neurol.  Centralbl.  1880. 


1* 


MUEN CHENER  MEDICIN1SC1IE  WOCHENSCHRIET 


No.  29, 


1212 


22.  Juli  1902. 


MÜENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1213 


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No.  29. 


1214 


6.  Der  Verlauf  der  Pneumonie  in  den  Pallen  mit  fehlendem 
oder  herabgesetztem  P.-S.-R.  bot  keine  besonders  auffälligen 
Abweichungen  von  der  Norm.  Der  durchaus  typische  Verlauf 
mit  steilem,  kritischem  Temperaturabsturze  am  4.  bis  9.  Tage 
war  vielmehr  die  Regel  (34  Fälle).  Seltener  erfolgte  die  Krise 
später  oder  protrahiert  oder  es  gestaltete  sich  die  Defervesizenz 
zu  einer  lytischen. 

7.  Ueber  das  zeitliche  Auftreten  des  W  e  s  t  p  h  a  1  sehen 
Zeichens  im  Verlaufe  der  Erkrankung  lässt  sich  aus  unserem 
Materiale  nur  folgendes  entnehmen:  Häufig  besteht  das  Zeichen 
bereits  am  2.  und  3.  Krankheitstage  im  Stadium  der  Anschop¬ 
pung  ;  einige  Male  wurde  es  konstatiert  zu  einer 
Zeit,  da  ein  physikalischer  Lungenbefund 
noch  völlig  fehlte  und  nur  der  Allgemeinzustand,  At¬ 
mungstypus  etc.  zur  Diagnose  leiten  konnten.  Da  die  meisten 
Kranken  uns  erst  nach  voller  Entwicklung-  des  Lokalprozesses 
eingeliefert  wurden,  kann  nur  vermutet  werden,  dass  die 
P.-S.-R.,  soferne  sie  bei  kruppöser  Pneumonie  schwinden,  schon 
sehr  frühzeitig  zu  schwinden  beginnen. 

Nach  Ablauf  der  Erkrankung  und  Rekonvaleszenz  wurde 
der  P.-S.-R.  in  allen  darauf  untersuchten  Fällen  in.  gehörigem 
Ausmasse  wiedergefunden.  Wo  fortlaufende  Prüfungen  vor¬ 
genommen  wurden,  zeigte  sich,  dass  der  P.-S.-R.  zumeist  wäh¬ 
rend  oder  bald  nach  der  Krise,  ausnahmsweise  vor  der¬ 
selben  oder  erst  in  der  späteren  Rekonvaleszenz  —  meist  (nicht 
immer)  beiderseits  gleichzeitig  —  wiederkehrte. 

Es  schien  von  Interesse,  zu  erfahren,  ob  bei  anderen  Formen 
von  Pneumonie  im  Kindesalter  das  Fehlen  der  P.-S.-R.  gleich¬ 
falls  oder  gleich  oft  gesehen  wird,  wie  bei  der  kruppösen.  Unter 
87  Fällen  unseres  klinischen  Materials,  die  mit  der  Diagnose 
„Pneumonia  lobularis“  geführt  sind,  finden  sich  (nach  Aus¬ 
schluss  eines  in  moribundem  Zustande  untersuchten  und  eines 
diagnostisch  fraglichen  Falles)  nur  2,  in  welchen  der  P.-S.-R. 
fehlte,  und  3,  in  welchen  er  herabgesetzt  schien.  Die  Infiltrate 
waren  in  allen  diesen  Fällen  konfluierende.  In  den  63  Fällen, 
die  unser  übriges  Pneumoniematerial  in  dem  oben  angegebenen 
Zeitraum  darstellen,  war  der  P.-S.-R.  stets  normal  oder  ge¬ 
steigert.  Das  W  estphal  sehe  Zeichen  scheint  somit  der  ge¬ 
nuinen,  kruppösen  Pneumonie  bis  zu  einem  gewissen  Grade  eigen¬ 
tümlich  zu  sein. 

Vergleichen  wir  die  Häufigkeit  dieses  Symptoms  mit  jener 
eines  andern,  z.  B.  des  Auftretens  von  Herpes  labialis,  das  als 
höchst  vulgäres  Zeichen  bei  Pneumonia  crouposa  in  jedem  Kom¬ 
pendium  erwähnt  wird,  so  ergibt  sich  nach  dem  Materiale  unserer 
Tabelle,  dass  das  Fehlen  oder  die  Herabsetzung  des  P.-S.-R.  sehr 
viel  häufiger  vorkommt,  als  der  Herpes,  denn  dieser  begleitete  nur 
ca.  18  Proz.  aller  unserer  Krankheitsfälle. 

Nebenbei  sei  hier  a\if  das  häufige  Auftreten  von  gewissen 
abnormen  Harnbestandteilen  bei  kruppöser  Pneumonie  der  Kin¬ 
der  hingewiesen.  Der  Nachweis  von  Aceton  (Legal  s  Probe) 
—  der  diagnostisch  nach  meiner  Ansicht  noch  zu  wenig  gewertet 
wird  —  gelang  in  mehr  als  50  Proz.  unserer  Fälle;  die  Diazo- 
reaktion  war  in  ca.  15  Proz.  der  Fälle  positiv. 

Wie  mich  nach  Sammlung  der  obigen  Daten  die  Einsicht¬ 
nahme  in  M.  Sternbergs  „Die  Sehnenreflexe  und  ihre  Be¬ 
deutung  für  die  Pathologie  des  Nervensystems“  6)  belehrte,  sind 
Beobachtung  über  Störungen  der  tiefen  Reflexe  bei  akuten  fieber¬ 
haften  Erkrankungen  (namentlich  Infekten)  schon  mehrfach  ge¬ 
macht,  worden.  „Meist  wird  (bei  solchen)  Steigerung  als  Regel 
angenommen  .  .  . 

Dagegen  hat  schon  1880  Petitclerc7)  darauf  hinge¬ 
wiesen,  dass  gerade  bei  schweren  fieberhaften  Erkrankungen  mit 
hoher  Temperatur,  als  Typhus  und  Variola,  die  Sehnenreflexe 
fehlen.  Ebenso  beobachtete  M  a  r  i  n  i  a  n  8 *)  Fehlen  des  Patellar- 
reflexes  bei  Pneumonie  und  Typhus.  Longaard')  hat  neue- 
stens  den  Gegenstand  besprochen.  Er  fand  in  3  Fällen  von 

6)  Franz  D  e  u  t  i  c  k  e,  Leipzig  u.  Wien  1893. 

7)  Petitclerc  C.:  Des  rßflexes  tendineux.  Thöse  de  Paris 
1900. 

8)  M  a  r  i  n  i  a  n  W.:  Contribuzione  allo  Studio  clinieo  dei  riflessi 
tendinei.  Dissert.  Itivista  clinica.  Bologna  1884. 

°)  Longaard  J.:  Ueber  die  Beschaffenheit  der  Sehnen- 

reflexe  bei  fieberhaften  Krankheiten  etc.  Deutsche  Zeitschr.  f. 
Nervenlieilk.  I. 


No.  29. 


Pneumonie  die  Sehnenreflexe  während  des  Zustandes  der  Benom¬ 
menheit  fehlen.  Sonst  findet  er  regelmässig  Erhöhung  der 
Sehnenreflexe  bei  Fieber.  Auf  seine  selbst  gesammelten  Er¬ 
fahrungen  übergehend,  berichtet  Sternberg,  der  von  den 
akuten  Infekten  (Pneumonie,  Typhus,  Erysipel,  Masern, 
Scharlach  u.  s.  w.)  nur  im  allgemeinen  spricht,  dass 
bei  hohem  (seltener  bei  mässigem)  Fieber  die  Sehnen¬ 
reflexe  herabgesetzt  seien  oder  gänzlich  fehlen.  Plierbei 
versagen  nach  Sternberg  in  der  Regel  auch  die  bahnenden 
Einflüsse.  Weitere  Angaben  10)  hierüber  sind  mir  nicht  bekannt 
geworden,  speziell  enthalten  die  gebräuchlichen  Lehr-  und  Hand¬ 
bücher  der  Kinderheilkunde  keinen  Hinweis  auf  das  Vorkommen 
des  W  e  s  t  p  h  a  1  sehen  Zeichens  bei  Pneumonia  crouposa;  es 
wird  daher  keinem  Widerspruche  begegnen,  wenn  ich  das  Sym¬ 
ptom  als  ein  bisher  unbeachtetes  oder  unverwertetes  bezeichnete, 
das  in  Form  dieser  anspruchslosen  Mitteilung  bekannt  gemacht 
zu  werden  verdient. 

Was  die  Erklärung  für  das  Auftreten  des  in  Rede  stehenden 
Zeichens  betrifft,  so  bringt  Longaard  das  Fehlen  des  P.-S.-R. 
bei  Pneumonie  während  der  Benommenheit  mit  dem  Fehlen  des 
Reflexes  während  des  normalen  (tiefen)  Schlafes  in  Zusammen¬ 
hang.  Ich  kann  mich  dieser  Auffassung  nicht  anschliessen,  da 
viele  von  den  obgenannten  Kindern  zur  Zeit  der  Prüfung  auf 
den  Reflex  nicht  im  mindesten  benommen  waren.  Auch  mit  dem 
Erlöschen  der  Funktion  des  Reflexzentrums  durch  äusserste  Er¬ 
müdung,  Koma,  Kollaps,  Agone  etc.  kann  die  Erscheinung1  wohl 
kaum  in  Parallele  gestellt  werden.  Wenn  ich  in  der  Ablehnung 
dieser  Annahmen  mit  Sternberg  übereinstimme,  so  kann 
ich  andrerseits  auch  nicht  finden,  dass  das  Verhalten  des  P.-S.-R. 
in  den  akuten  Infekten  (speziell  bei  kruppöser  Pneumonie)  in 
d  e  m  Sinne  eine  Funktion  der  Körpertemperatur  sei,  wie  es  nach 
Darstellung  dieses  im  Studium  der  tiefen  Reflexe  so  besonders 
erfahrenen  Autors  der  Fall  ist.  Ich  verweise  auf  den  sub  1)  an¬ 
geführten  Kommentar  zu  unserer  Tabelle.  Manches  scheint  mir 
dafür  zu  sprechen,  dass  es  spezifische  toxisch-infektiöse  Schä¬ 
digungen  der  Nervenmasse  im  peripheren  Verlaufe  und  im 
Reflexzentrum  sind,  welche  für  das  Verhalten  der  P.-S.-R.  bei 
vielen  kruppösen  Pneumonien  der  Kinder  verantwortlich  ge¬ 
macht  werden  müssen.  Das  Versagen  der  Bahnungsversuche 
lässt  sich  vielleicht  für  die  Annahme  vorwiegend  zentralen  Sitzes 
der  Läsion  verwerten.  In  zweiter  Linie  ist  an  die  Möglichkeit 
einer  indirekten  Beeinflussung  der  Reflexaktion  durch  Reizung 
anderer  sensibler  Zonen  zu  denken.  , 

Auf  das  Verhalten  anderer  tiefer  Reflexe  wurde  in  unseren 
Fällen  nicht  besonders  geachtet. 

Es  scheint  mir  nach  dem  Dargelegten  gerechtfertigt,  zu  be¬ 
haupten,  dass  das  Wes  tp  lial  sehe  Zeichen  —  soferne  es  bei 
kruppöser  Pneumonie  der  Kinder  vorliegt  —  diagnostisch  ver¬ 
wertbar  ist,  namentlich  in  jenen  Fällen,  in  welchen  es  sich  um 
zentrale  Infiltration  oder  verspätetes  Auftreten  der  physL 
kali sehen  Erscheinungen  handelt,  und  in  jenen,  in  welchen  zere¬ 
brale  Erscheinungen  im  Beginne  an  Meningitis  denken  lassen. 
Bei  Meningitis  müssen  wir  im  Beginne  eine  Steigerung-  der 
Sehnenreflexe  erwarten. 

Kurz  resümiert: 

Bei  genuiner,  kruppöser  Pneumonie  der 
Kinder  (1.  Dezennium)  findet  man  oft  —  mit¬ 
unter  schon  vor  Auftreten  eines  nachweis¬ 
baren  Lokalbefundes  —  den  Patellaraehnen- 
reflex  herabgesetzt  oder  fehlend.  Das  Zeichen 
tritt  viel  häufiger  in  Erscheinung  als  bei¬ 
spielsweise  der  Herpes  labialis  und  kann  im 
positiven  Falle  diagnostisch  (z.  B.  gegen  be¬ 
ginnende  Meningitis)  verwertet  werden. 


10)  Erwähnenswert  scheint  mir  hier  immerhin  ein  Umstand, 
der  mir  bei  der  Lektüre  der  erwähnten  Arbeit  von  Pelizaeus 
auf  fiel.  Unter  2403  Knaben  fand  P.  nur  einen  einzigen  ohne 
P.-S.-R.  Diesen  w  ollte  er  gelegentlich  seines  Vortrages  in  der  Berl. 
med.  Gesellseh.  f.  Psyeh.  demonstrieren,  doch  musste  die  Vor¬ 
stellung  unterbleiben,  weil  der  Knabe  unterdessen  an  einer  Pneu¬ 
monie  erkrankt  war.  Pelizaeus  gibt  nicht  an,  wie  lange  vor 
der  Erkrankung  er  den  Knaben  untersucht  hat. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


22.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1215 


Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Basel. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Stoffwechsels  bei  Gicht- 

Von  Dr.  Felix  R  e  a  c  li  in  Karlsbad. 

Durch  mehrfache  Untersuchungen  wissen  wir,  dass  nach 
Aufnahme  nukleinreicher  Nahrungsmittel,  wie  Thymus,  Milz, 
Pankreas  etc.  die  Menge  der  durch  den  Harn  ausgeschiedenen 
Harnsäure,  sowie  der  Purinsubstanzen  überhaupt,  wächst.  Diese 
Thatsache  ist  zunächst  für  den  Gesunden  festgestellt  worden. 

Es  ist  einleuchtend,  dass  die  Ausdehnung  dieser  Untersuchungen 
auf  den  Gichtkranken  für  die  Frage  nach  dem  Wesen  und  der 
Pathogenese  dieser  Krankheit  von  Bedeutung  ist.  Hat,  so 
müssen  wir  uns  fragen,  eine  vermehrte  Einführung  von  Purin¬ 
basen,  also  von  Harnsäurebildnern,  in  den  Stoffwechsel  einen 
Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Gicht?  Diese  frage  steht  im  engen 
Zusammenhang  mit  der  weiteren,  noch  immer  ungelösten,  ob  bei 
der  Entstehung  dieser  Krankheit  einer  Anomalie  im  Verhalten  der 
Harnsäure  eine  wesentliche  Rolle  zuzuschreiben  ist,  oder  ob,  wie 
mehrere  Autoren  annehmen,  die  Harnsäureablagerung  eine  rein 
sekundäre  Erscheinung,  nur  Folge  lokaler  Affektionen  ist.  Eine 
fernere  Frage  ist  die  nach  der  Ausscheidung  der  Purinsubstanzen 
bei  Gicht  nach  vermehrter  Einverleibung.  Scheidet  sie  der  Orga¬ 
nismus  des  Gichtikers  in  gleicher  Weise  wie  der  gesunde  rasch 
wieder  aus  oder  ist  er  dies  nicht  zu  tun  im  stände? 

Einen  Versuch  mit  4  tägiger  Darreichung  von  Thymus  an 
einen  Gichtkranken  hat  Schmoll1)  vorgenommen.  Er  mass 
die  Harnsäure  im  Urine  durch  den  Stickstoffgehalt  der  mit 
ammoniakalischer  Silberlösung  fällbaren  Substanzen  (nach  Aus¬ 
waschen  des  Ammoniak).  Wir  wissen  aber  jetzt  ),  dass  durch 
diese  Methode  nicht  nur  Harnsäure,  sondern  alle  Purinkörper 
aus  dem  Harne  ausfallen;  wir  müssen  daher  das,  was  Schmoll 
als  Harnsäurestickstoff  angibt,  als  Purinstickstoff  ansehen.  Er 
fand,  dass  bei  Verabreichung  von  416  bis  460  g  Thymus  pro  die 
die  durchschnittliche  Tagesmenge  des  Purinstickstoffs  im  Harne 
von  184  mg  auf  401  mg  stieg',  also  einen  Zuwachs  von  217  mg 
erfuhr  (aus  Schmolls  Zahlen  berechnet).  Er  kommt  zu  dem 
Schlüsse,  dass  die  Harnsäureausscheidung  seines  Patienten  durch 
die  Thymusverabreichung  in  normaler  Weise  beeinflusst  worden 
sei.  Wir  müssen  jedoch  nach  dem  oben  Gesagten  zum  Vergleiche 
mit  seinen  W erteil  solche  Zahlen  heranziehen,  die  ebenfalls  die 
Gesamtpur  inmenge  betreffen.  Buri  a  n  und  Schur  ),  welche 
die  Beeinflussung  der  Purinausscheidung  durch  nucleinreiche 
Nahrungsmittel  zum  Gegenstand  zahlreicher  Untersuchungen  ge¬ 
macht  haben,  finden  für  100  g  Kalbsthymus  in  der  Nahrung  eine 
Steigerung  von  0,10  (exogenem)  Harnpurinstickstoff.  Wenn  man 
die  Berechnung  auf  Grund  dieser  Zahlen  von  B  u  r  i  a  n  und 
Schur  ausführt,  so  ergibt  sich,  dass  die  Steigerung  des  Purin- 
stickstoffs  im  Harne  hätte  bedeutend  grösser  ausfallen  müssen. 

Magnus-Levy4),  der  2  Gichtkranke  ebenfalls  mit 
Thymus  nährte,  sagt:  „Es  tritt  gewöhnlich  bei  der  Aufnahme  von 
einem  halben  Kilo  derselben  (Kalbsmilch)  eine  Harnsäuresteigt: 
rung  von  400—600  mg  (bei  meinen  Gichtpatienten  200—300  mg) 
auf“.  Eine  Einwirkung  dieser  Art  der  Ernährung  auf  das  Be¬ 
finden  der  Kranken  konnte  weder  er  noch  Schmoll  kon¬ 
statieren. 

Vogt“)  hielt  einen  an  akuter  Gicht  erkrankten  Mann  und 
eine  gesunde  Kontrollperson  durch  15  läge  bei  vollkommen 
gleichem  Regime.  Er  verabreichte  nach  einer  b  tägigen  \<>i 
Periode  durch  5  Tage  je  175  g  Thymus.  Dabei  stieg  die  durch¬ 
schnittliche  Tagesmenge  des  Harnsäurestickstoffs  bei  der  Kon¬ 
trollperson  um  125  mg,  beim  Gichtkranken  nur  um  92  mg  (aus 
Vogts  Zahlen  berechnet).  Vogt  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  bei  den  Patienten  eine  Retention  von  Purinkörpern  statt¬ 
fand.  Der  Patient  Vogts  bekam  gleich  am  ersten  Tage  dei 
Thymusdarreichung  einen  Gichtanfall,  der  jedoch  nicht  mit 
Sicherheit  auf  diese  Darreichung  bezogen  werden  kann. 

II  i  s  d.  j. e)  spricht  sich  dahin  aus,  dass  „die  Niere  des  Gicht¬ 
kranken  sehr  wohl  imstande  ist,  vermehrte  Harnsäuremengen, 


’)  Scli  m  oll:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  29. 

-)  Ca  in  er  er:  Zeitschr.  f.  Biologie  Bd.  27. 

3)  Burian  und  Schur:  Archiv  für  die  gesamte  Physio¬ 
logie  Bd.  80.  ...  . 

4)  Magnus-Levy:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  06,  S.  414. 

5)  Vogt:  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  71. 

fl)  His  d.  j.:  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  65. 


die  aus  verfütterter  Kalbsthymus  stammen,  zur  Ausscheidung 
zu  bringen.“ 

Wie  man  aus  dieser  Anführung  der  bisherigen  Unter¬ 
suchungen  ersieht,  ist  die  Frage  noch  keineswegs  so  geklärt, 
dass  eine  neuerliche  Versuchsreihe  überflüssig  wäre.  Ich  folgte 
daher  gerne  einer  Aufforderung  des  Herrn  Professor  Friedrich 
Müller,  an  einem  Patienten  der  Baseler  Klinik  neuerliche 
Untersuchungen  über  die  Frage  anzustellen.  Für  die  freundliche 
Anregung,  sowie  für  die  Unterstützung  bei  den  Versuchen,  sage 
ich  Herrn  Prof.  Müller  auch  an  dieser  Stelle  meinen  besten 
Dank. 

Zur  Zeit  der  Aufnahme  dieser  Versuche  war  überdies  die 
Diagnose  „uratische“  Gelenkserkrankung  bei  unserem  Patienten 
noch  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben,  und  es  war  die  Aussicht 
vorhanden,  durch  Verabreichung  nukleinreicher  Nahrung  zur 
Sicherung  der  Diagnose  eventuell  beizutragen  und  diesen  Ver¬ 
suchen  dadurch  auch  eine  diagnostische  Bedeutung  zu  geben. 

In  der  Tat  liess  der  letzte  auf  der  Klinik  beobachtete  Anfall, 
der  sich  unmittelbar  an  den  Versuch  anschloss,  keinen  Zweifel 
mehr  darüber,  dass  wir  es  wirklich  mit  echter  Gicht  zu  tun 
hatten. 

Unser  Tat.  war  ein  69  jähriger  ehemaliger  Schlosser.  Gelenk¬ 
schmerzen  fühlte  er  schon  seit  ca.  20  Jahren.  Dieselben  traten 
stets  nur  Perioden weise  auf.  ln  den  ersten  Jahren  hatten  diese 
Perioden  stets  mit  Schmerzen  in  den  Zehengelenken  begonnen. 

In  letzter  Zeit  litt  er  wieder  stark  unter  diesen  Schmerzen  und 
nachdem  er  infolgedessen  bereits  8  Tage  das  Bett  zu  hüten  ge¬ 
zwungen  war,  suchte  er  am  15.  X.  1901  das  Spital  auf. 

Bei  dem  ziemlich  kräftig  gebauten  und  gut  genährten  Manne 
wurde  ein  leichtes  Lungenemphysem  mit  Bronchitis  und  Rigidität 
der  Arterien  konstatiert.  Das  rechte  Kniegelenk  war  stark  ge¬ 
schwollen,  seine  Palten  vollständig  verstrichen,  die  Haut  darüber 
gespannt,  gerötet  und  stark  druckschmerzhaft.  Linkes  Metatarso- 
phalangealgelenk  stark  geschwollen  und  gerötet.  Rechtes  Radio- 
karpalgelenk  ebenfalls  geschwollen  und  gerötet  und  intensiv 
schmerzhaft.  Im  Harne  Spuren  von  Eiweiss,  keine  Formelemente. 

Im  Verlaufe  der  Behandlung  trat  vollständige  Besserung  auf. 

Vom  25.X.  bis  1.  XI.  wurden  täglich  300  g  Thymus  ver¬ 
abreicht.  Während  man  bei  gesunden  Menschen  nach  Thymus¬ 
darreichung  oft  eine  starke  Ausscheidung  von  Sedimentum  late- 
ritiura  als  Zeichen  der  Harnsäurevermehrung  beobachtet,  trat  ein 
solches  Sediment  bei  unserem  Kranken  während  der  Thymus¬ 
periode  niemals  auf,  und  gerade  diese  Beobachtung  hatte  uns  in 
der  Vermutung  bestärkt,  dass  bei  unserem  Gichtiker  die  Harn¬ 
säureausscheidung  hinter  den  normalen  Verhältnissen  zurückblieb. 
\m  27.  X.  waren  die  Gelenkschmerzen  fast  vollständig  zuriiek- 
gegangen.  Am  1 .  XI.,  also  nach  6  t  ä  g  i  g  e  r  T  li  y  m  u  s  - 
gäbe,  trat  neuerlich  eine  Verschlimmerung  ei  n, 
indem  sich  Schmerzen  im  linken  Kniegelenk 
einstellten,  und  eine  zirkumskripte  Stelle  d  <  i 
II  n.  u  t  d  a  rüber  auf  der  Aussenseite  sich  rötete 
u  n  d  sc  h  merzhaft  w  u  r  d  e.  Der  Patient  hatte  nach 
6  tägigem  Thymusgebrauch  einen  regulären  Gichtanfall  bekommen. 

In  der  Folge  trat  wieder  Besserung  ein,  nur  am  26.  und  27.  XI. 
waren  vorübergehend  leichte  Schmerzen  an  beiden  1*  ussiiicken 
vorhanden.  Die  Zeit  vom  6.  bis  13.  XII.  ist  die  Hauptperiode 
unseres  Stoffwechselversuches;  es  wurden  in  dieser  Zeit  täglich 
150  g  Pankreas  verabreicht.  Am  16.  XII.  traten  heftige  Schmerzen 
im  rechten  Kniegelenk  und  Fussrücken,  verbunden  mit  leichter 
Schwellung  des  rechten  Kniegelenkes  auf,  welche  in  der  Folge 
rasch  nachliessen  und  am  21.  XII.  bereits  vollständig  verschwun¬ 
den  waren.  Also  wurde  auch  nach  der  Pankreas¬ 
periode  eine  Verschlimmerung  des  lokalen 
Gichtleidens  beobachtet. 

Zu  diesem  Auszug  aus  der  Krankengeschichte  ist  noch  zu 
bemerken,  dass  die  beiden  Anfälle,  die  sich  unmittelbar  an  die 
Verabreichung  von  nukleinreicher  Nahrung  anschlossen,  be¬ 
deutend  heftiger  waren,  als  die  leichte  Attacke  am  26.  und  27.  II., 
so  dass  durchaus  der  Eindruck  hervorgerufen  wurde,  als  hätte  die 
Nukleinverabreichung  das  Aufflackern  des  Krankheitsprozesses 
verursacht.  Ich  bin  jedoch  weit  entfernt,  diesen  kausalen  Zu¬ 
sammenhang  als  einen  sicheren  anzusehen.  Es  wird  weiten  ! 
Fälle  bedürfen,  um  die  Frage,  ob  die  Nukleinverabreichung 
einen  derartigen  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Gicht  nehmen 
kann,  zu  entscheiden;  Beobachtungen  solcher  Art  sind  aber  um 
so  wichtiger,  als  diese  Frage  auch  für  die  Therapie  der  Gicht 
von  der  grössten  Bedeutung  ist.  Ich  erinnere  nochmals  daran, 
dass  Vogts  Patient  am  1.  Tage  der  Thymusdarreichung  einen 
Anfall  bekam,  Schmoll  und  Magnus-Levy  aber  nichts 
ähnliches  beobachteten. 

Ein  anderer  Patient  der  Baseler  Klinik,  der  im  Gefolge  einer 
chronischen  Bleiintoxikation  und  starken  Alkoholmissbrauches 

2* 


1216 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


an  Sehrumpfniere  erkrankt  war,  und  früher  mehrmals  Anfälle 
von  typischer  Gicht  aufgewiesen  hatte,  zeigte  nach  Pankreas¬ 
darreichung  zwar  ebenfalls  kein  Uratsediment  im  Harn,  aber  es 
wurde  darnach  kein  Schmerzanfall  und  keine  Entzündung  der 
Gelenke  beobachtet. 

5  om  25.  XI.  bis  19.  XII.  war  Patient  auf  eine  möglichst  gleich- 
massige  Kost  gesetzt.  Dabei  musste  bei  dem  appetitlosen, 
wählerischen  Kranken  auf  seine  Wünsche  weitgehende  Rücksicht 
genommen  werden.  Es  war  infolgedessen  nicht  möglich,  eine 
quantitativ  bestimmte,  absolut  gleichwertige  Kost  zu  verabreichen. 
Indessen  ist  bei  unserer  Fragestellung  vollkommene  Gleichartig¬ 
keit.  der  Kost  auch  von  untergeordneter  Bedeutung.  Wesentlich  ist 
nur,  dass  zu  einer  an  Purinkörpern  möglichst  armen  Kost  der  Vor¬ 
periode  ein  an  diesen  Substanzen  reiches  Nahrungsmittel  in  der 
Ilauptperiode  hinzugefügt  wurde,  um  in  der  Nachperiode  wieder 
zu  entfallen.  Die  Kost  bestand  aus  150  g  Kalbfleisch,  1  Liter 
Milch,  200  g  Milelibrod,  40 — 50  g  Butter,  ca.  400  ccm  Suppe, 
ca.  100  g  Obst,  etwas  Brot  und  wechselnden  Mengen  Gemüse  (oder 
Kartoffelpüree,  Nudeln,  Makkaroni).  Es  kam  leider  wiederholt 
vor,  dass  Patient  einen  Teil  des  Kalbsbratens  nicht  ass;  es  wurde 
dann  der  Rest  zurückgewogen.  Am  30.  II.  ass  Patient  130  g,  am 
1.  XII.  100  g,  am  2.  XII.  100  g,  am  3.  XII.  80  g,  am  4.  XII.  100  g. 
am  5.,  7.  und  10.  XII.  je  120  g  und  am  16.  XII.  130  g  Kalbsbraten. 
In  der  Zeit  vom  5.  bis  12.  XII.  bekam  Patient,  wie  erwähnt,  täg¬ 
lich  150  g  Kalbspankreas,  welches  in  gebratenem  Zustande  ein 
wohlschmeckendes  Gericht  abgab.  Es  wurde  desshalb  Pankreas 
verwendet,  weil  die  Purinkörper  dieser  Drüse  (vorwiegend  Guanin) 
nach  der  Angabe  von  Burian  und  Schur  vollständig  in  Harn¬ 
säure  übergehen  und  desshalb  für  die  Untersuchung  am  Gicht¬ 
kranken  besonders  geeignet  erschienen. 

Eine  Probe  des  verabreichten  Kalbspankreas  wurde  nach  der 
von  Burian  und  S  c  h  u  r 7)  am  Schweine-,  Rind-  und  Hammel¬ 
pankreas  angewandten  Methode  der  Analyse  unterworfen.  Sie 
ergab  für  100  g  rohen  Kalbspankreas’  (18,9  Proz.  Trockensubstanz) 
0,190  g  I'urinstickstoff,  das  ist  ein  wenig  mehr,  als  Burian 
und  Schur*)  für  die  genannten  Drüsen  gefunden  hatten. 

Vom  Beginne  der  Hauptperiode  an  bekam  Pat.  täglich  auf 
seinen  Wunsch  500  ccm  Kaffee.  Eine  Bestimmung  nach  der  Methode 
von  Paul  und  Cownby”)  ergab,  dass  diese  Menge  nur  0,435  g 
Koffein  enthielt.  Der  Kaffee  musste  auch  in  der  Nachperiode  in 
der  Kost  des  Pat.  bleiben,  da  die  Entziehung  dieses  Genussmittels 
schon  während  der  Vorperiode  auf  grossen  Widerstand  seitens  des 
Pat.  gestossen  war. 

Der  Harn  des  Pat.  wurde  vollständig  gesammelt,  täglich  um 
12  Uhr  Mittags  abgeschlossen.  Die  bei  der  Untersuchung  zur  An¬ 
wendung  gelangten  Methoden  sind  folgende:  Für  die  Bestimmung 
des  Stickstoff  die  von  Iv  j  eldahl,  für  den  Purinstickstoff  die  von 
Camerer-Arnstein10)  und  für  die  Harnsäure  die  von 
Ludwig-Salkowski  (als  Stickstoffbestimmung  zu  Ende  ge¬ 
führt).  Der  Purinbasenstickstoff  wurde  als  Differenz  zwischen 
Gesammt-Purinstickstoff  und  Harnsäurestickstoff  berechnet.  Auf 
die  geringen  Spuren  von  Eiweiss,  die  der  Urin,  wie  oben  erwähnt, 
enthielt,  wurde  bei  diesen  Untersuchungen  keine  weitere  Rück¬ 
sicht  genommen.  lieber  die  Resultate  der  Harnuntersuchung 
gibt  nachfolgende  Tabelle  Aufschluss. 


& 

D 

a  t 

u  m 

bp 

5 

r* 

N  o 

o>  -r 

Cu  £ 

g 

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c 

.  £ 

£  <v 
s  b 

. 

.2  2 

CO  ® 

e 

0Q 

O 

0 

c 

u 

E  3 

g 

mg 

mg 

mg 

30.  XI 

bif 

1.  XII. 

825 

1020 

13,6 

165,6 

60,1 

P  5,5 

1. 

2.  XII 

1000 

1017 

13,1 

114,6 

49,5 

65,1 

2. 

y> 

3.  XII. 

740 

1025 

10,9 

169,8 

52,5 

117,3 

3. 

4.  XII. 

870 

1018 

13,4 

150,0 

17,8 

102,2 

4. 

» 

5.  XII 

800 

1015 

7,2 

92,0 

35,4 

56,6 

Mittel  der  Vorperiode 

11,65 

138,4 

49,05 

89,35 

5. 

bis 

6.  XII. 

1250 

1015 

10,5 

125,2 

--  . 

—  *) 

6. 

» 

7.  XII. 

1165 

1016 

15,0 

178,0 

82,4 

95,6 

7. 

8.  XII. 

1625 

1014 

9,9 

233,7 

132,2 

101,5 

8. 

» 

9.  XII. 

770 

1018 

8,1 

1  12,9 

82,2 

60,7 

9. 

fJ 

10.  XII, 

1310 

1016 

12,3 

168,3 

71,8 

96,5 

10. 

l) 

11.  XII. 

1140 

1016 

11,3 

259,7 

79,6 

180,1 

11. 

12.  XII. 

1180 

1010 

12,1 

150,6 

82,6 

68,0 

12. 

» 

13.  XII. 

970 

1018 

9,9 

159.9 

90,2 

69,7 

M 

fittel  der  Hauptperiode 

11,15 

177,3 

88,7 

96,0 

13 

>» 

14.  XII. 

1200 

1012 

13,T~ 

166,4 

75,0 

91,4 

14. 

15.  XII. 

1130 

1014 

11,7 

196,2 

81,3 

114,9 

15. 

16.  XII. 

1260 

1015 

12,4 

187,2 

98.0 

89,2 

16. 

.•> 

17.  XII. 

850 

1010 

9,1 

131,6 

81,3 

50,3 

17. 

»» 

18.  XII. 

1250 

1017 

9,3 

150,3 

73,0 

77^3 

18. 

H 

19.  XII.  | 

950 

1019 

9,7 

199,5  | 

87,6 

111,9 

Mittel  der  Nachperiode 

10,9  | 

171 ,85| 

82,7  | 

89,15 

*)  Beide  Harnsäurebestimmungen  verloren  gegangen. 


9  Areli.  f.  d.  gesammte  Physiol.  Bd.  87,  S.  319. 
s)  Ebenda  S.  ,331. 


Es  dürfte  bei  Betrachtung  dieser  Tabelle  zunächst  auf  fallen, 
dass  die  (  iesamtstickstoffmenge  des  Harns  in  der  Hauptperiode 
nicht  vergrössert  ist  (den  150  g  Pankreas  würden  ca.  3  g  Stick¬ 
stoff  entsprechen),  sondern  im  Verlaufe  des  Versuches  langsam 
abnimmt.  Das  hat  zum  Teil  gewiss  darin  seinen  Grund,  dass  der 
Kranke  während  dieser  Periode  von  jenen  Nahrungsmitteln,  in 
deren  Aufnahme  er  nicht  so  streng-  kontrolliert  wurde  (Gemüse, 
Suppe,  Brod)  etwas  weniger  ass,  ist  zum  Teil  aber  wohl  auf  die 
gewöhnlich  vorhandene  Stickstoffretention  der  Gichtiker  zu  be¬ 
ziehen,  resp.  als  eine  jener  Unregelmässigkeiten  aufzufassen,  wie 
sie  im  Stickstoffhaushalt  bei  dieser  Krankheit  häufig  sind 
(Schmoll,  Magnus  - Levy,  Vogt,  Z  a  g  a  r  i  ”)  u.  a.). 

Was  die  Purinwerte  anbelangt,  sehen  wir,  dass  unser  Patient 
sehr  wenig-  Harnsäure  und  überhaupt  wenig  Purinkörper  aus¬ 
schied.  Während  der  Hauptperiode  zeigt  sich  nun  eine  deutliche 
Steigerung  der  Harnsäure,  die  jedoch  in  Anbetracht  der  ver¬ 
abreichten  Nukleinmenge  nur  gering  ist.  Nach  den  Aus¬ 
führungen  von  Burian  und  S  c  h  u  r  konnte  man  eine 
Steigerung  von  99,75  mg  Harnsäurestickstoff  erwarten,  während 
dieselbe  in  unserem  Falle  nur  39,65  mg  beträgt,  ln  der  Nach¬ 
periode  geht  die  Harnsäureausscheidung  wieder  zurück,  ohne 
jedoch  bis  auf  den  Wert  der  Vorperiode  zu  sinken.  In  diese 
Nachperiode  fällt  auch  der  neuerliche  Gichtanfall,  was  das  Fort¬ 
bestehen  der  Harnsäurevermehrung  wohl  zum  Teile  erklärt 
(M  a  g  n  u  s  -  L  e  v  y,  His  u.  A.).  In  der  Tat  fällt  die  stärkste 
Harnsäureausscheidung  der  Nachperiode  (3.  Tag  derselben)  mit 
dem  Einsetzen  des  Gichtanfalles  zusammen. 

Ehr  die  erhaltenen  Werte  des  Purinbasenstickstoff  können 
nur  die  mit  neueren  Methoden  vorgenommenön  Versuche  zum 
Vergleiche  herangezogen  werden  und  diese  sind  eben  nicht  zahl¬ 
reich.  Die  grossen  Schwankungen  der  Ausscheidungswerte 
scheinen  noch  physiologisch  zu  sein,  wenigstens  findet  Otto 
L  ö  w  i  )  das  \  erhalten  der  Purinbasen  „eigenartig  und  schein¬ 
bar  launisch“;  aucli  die  grossen  Werte  für  Purinbasen  in  unserem 
lalle  werden  (absolut  genommen)  von  einigen  bei  Löwi  noch 
weit  übertroffen.  Hingegen  ist  das  Ueberwiegen  des  Basenstick¬ 
stoffs  über  den  Harnsäurestickstoff,  das  unser  Patient  so  häufig 
zeigt,  mit  den  neueren  Methoden  nicht  beobachtet  worden.  Es 
liegen  aber  für  Gichtkranke  (soweit  ich  die  Literatur  übersehe) 
nur  2  Versuchsreihen  von  C  a  m  erer u)  vor,  die  in  Betracht 
kommen. 

An  der  Steigerung  der  Purinausscheidung  während  der 
Hauptperiode  nehmen  die  Basen  keinen'  Anteil.  Nach  Burian 
und  Schur  )  folgt  auf  die  Verabreichung  von  amino- 
purinhaltigen  Nukleinen  zwar  eine  Steigerung  der  Harn¬ 
säure,  aber  keine  der  Purin  basen  im  Harne.  Diese  Regel 
gilt  auch  für  das  guaninhaltige  Pankreasnuklein.  Dies  trifft  also 
für  unseren  Fall  zu.  Hingegen  sollten  wir  als  Wirkung  des  ver¬ 
abreichten  Kaffees  eine  geringe  Steigerung  der  Purinbasen  im 
Harne  der  Haupt-  und  Nachperiode  erwarten.  Unser  Patient 
ei  hielt  in  dieser  Zeit  im  Kaffee  täglich  0,435  g  Koffein  gegen  0  g 
in  der  Vorperiode.  Dieser  Zulage  würde  (wieder  nach  den  ge¬ 
nannten  Autoren)  eine  Steigerung  von  15,4  mg  Puribasenstick- 
stoff  entsprechen,  welche  nicht  zu  konstatieren  ist.  Inwieweit 
dieses  \  erhalten  der  1  urinbasen  dem  Krankheitszustande  unseres 
Patienten  zur  Last  fällt  oder  inwieweit  es  innerhalb  physio¬ 
logischer  Grenzen  liegt,  darüber  ein  Urteil  abzugeben,  will  ich 
vermeiden.  Hiezu  sind,  wie  mir  scheint,  zahlreichere  Unter¬ 
suchungen  an  Gesunden  und  Kranken  nötig. 

kür  das  geringe  Ausmass  der  Harnsäureausscheidung  hin¬ 
gegen  müssen  wir  wohl  die  Gicht  verantwortlich  machen;  denn, 
wenn  die  Vergleichsversuche  an  Gesunden,  speziell  mit  Pankreas¬ 
nuklein  auch  spärlich  sind,  so  liegen  hier  doch  genügend  viel 


m  das  Studium  der  Alkaloide 


10.  Auflage 


)  uuaresclu:  Einführun 

deutsch  von  Kraus,  1896. 

10)  Neub a  uer  - Vogel:  Aualvse  des  Harns, 
von  H  u  p  p  e  r  t. 

n)  Zagari:  II  Policlinico  1899. 

’)  Burian  und  Schur:  Arch.  f.  d. 

Bd.  87.  Vergl.  auch  den  Versuch  von  Weis  s- 
Chemie  Bd.  27,  S.  216,  auf  den  sich  B.  und  S 
13)  Otto  Löwi: 

Bd.  44,  S.  19. 

,4)  C  a  m  e  r  e  r:  Zeitsehr.  f.  Biologie  Bd.  28. 

)  Burian  und  Schur:  Arch.  f.  d.  gesammte  riivsiol. 
Bd.  87,  S.  331. 


gesammte  I’hysiol. 
Zeitschr.  f.  physiol. 
stützen. 

Arch.  f.  experim.  Patliol.  u.  Phannakol. 


22.  Juli  1902 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1217 


Versuche  mit  anderer  nukleinreicher  Kost  vor.  Die  hier  mit¬ 
geteilte  Untersuchung  zeigt  mithin  aufs  Neue  deutlich,  dass  der 
Giclitiker  nicht  in  gleichem  Masse  wie  der  Gesunde  vermehrte 
Nukleinzufuhr  mit  vermehrter  Harnsäureausscheidung  beant¬ 
wortet. 


Untersuchungen  über  Physiologie  und  Pathologie  der 
Ureteren-  und  Nierenfunktion  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  verdünnenden  Nierenthätigkeit  nach 

Flüssigkeitszufuhr.*) 

Weitere  Mittheilung  von  Dr.  Friedrich  Straus,  Spezialarzt 
für  Chirurgie  der  Harnorgane,  in  Frankfurt  a.  M. 

M.  H. !  Je  emsiger  die  Fäden  aus  den  Gebieten  der  inneren 
Medizin  und  Chirurgie  herüber  und  hinüber  spinnen,  desto 
leichter  werden  Grenzgebiete  geschaffen,  auf  denen  durch  wechsel¬ 
seitiges  Wirken  für  beide  Disziplinen  neue  Wege  der  Erkenntniss 
sich  öffnen. 

Ein  solches  Grenzgebiet  war  von  je  das  der  Nierenerkrank¬ 
ungen.  Und  neuerliche  Forschungen  innerer  Kliniker  gaben 
neuerdings  Veranlassung,  auf  diesem  Gebiete  Interne  und  Chir¬ 
urgen,  noch  inniger  wie  bisher,  Zusammenwirken  zu  lassen. 

Von  den  durch  Herrn  Koränyi  in  die  Klinik  eingeführten 
Methoden,  der  Bestimmung  des  osmotischen  Drucks  von  Blut 
und  Harn  durch  die  Bestimmung  ihrer  Gefrierpunktserniedri¬ 
gung,  hat  zunächst  diejenige  des  Blutes  die  Nierenchirurgie  sehr 
gefördert.  Die  Methode  scheint  berufen,  uns  in  der  Ausführung 
der  Nephrektomie  eine  Sicherheit  zu  geben,  die  uns  die  bislang 
häufig  eingetretenen  postoperativen  üblen  Zufälle  mehr  und  mehr 
vermeiden  lehrt.  Sie  gibt  uns  heute  die  Grenze  an,  innerhalb 
deren  wir  eine  erkrankte  Niere  entfernen  und  darauf  rechnen 
dürfen,  dass  die  andere  Niere  deren  Funktion  mitzuübernehmen 
im  Stande  ist. 

Auf  dem  letzten  Chirurgenkongress  vor  wenigen  Tagen  erst  be¬ 
richtete  uns  Herr  Kümmell,  an  der  Hand  eines  grossen  Zahlen¬ 
materials,  in  welcher  Weise  sich  ihm  diese  Methode  in  der  Nieren¬ 
chirurgie  bewährt  hat.  In  den  Fällen,  in  denen  ich  sie  anzu¬ 
wenden  in  der  Lage  war,  erwies  sie  sich  als  werthvoller  Finger¬ 
zeig  dafür,  ob  die  eine  Niere  noch  entfernt  werden  durfte. 

In  allen  den  Fällen  aber,  in  denen  es  sich  darum  handelt, 
aus  diagnostischen  und  prognostischen  Gründen  über  den  Zu¬ 
stand  der  Leistungsfähigkeit  der  einen  oder  der  anderen  Niere 
etwas  zu  erfahren  —  mag  dabei  die  Entfernung  des  Organes  in 
Betracht  kommen  oder  nicht  —  in  diesen  gibt  uns  ein  anderes  Auf¬ 
schluss  :  die  von  den  Herren  Casper  und  Richter  in- 
augurirte  Eunktionsprüfung  einer  jeden  einzelnen  Niere. 

Wenn  ich  als  Chirurg  von  dieser  Stelle  aus  über  weitere 
Untersuchungen  der  physiologischen  und  pathologischen  Nieren¬ 
funktion  berichte  und  dabei  auch  Vieles  berühre,  was  ich  schon 
vor  das  chirurgische  Forum  gebracht  habe,  so  geschieht  dies  dess- 
halb,  weil  diese  Untersuchungen  ihrem  Wesen  nach  zum  grossen 
Theil  auf  dem  Gebiete  der  internen  Medizin  liegen  und  weil  ich 
voraussetzen  darf,  dass  diese  Fragen  nicht  nur  für  den  Chir¬ 
urgen,  sondern  auch  für  den  Internen  von  Interesse  sind. 

Die  Voraussetzung  aller  Untersuchungen  über  die  Funktion 
einer  Niere  ist  die  gesonderte  Entnahme  des  Sekretes  aus  jeder 
einzelnen  Niere.  Dieser  Forderung  wird  genügt  durch  den 
TJreterenkatheterismus.  Ich  verfüge  über  55  Untersuchungen, 
deren  Resultate  erhalten  sind  durch  vergleichsweise  Analysen 
der  durch  den  Ureterenkatlieterismus  gleichzeitig  gewonnenen 
Sekrete.  Die  Analyse  bezog  sich  auf  quantitative  Bestimmung 
von  Harnstoff-Phosphorsäure,  Chlor,  Glukose  nach  Phloridzin¬ 
ein  Verleihung  und  auf  die  Bestimmung  der  molekulären  Kon¬ 
zentration  durch  die  Methode  der  Gefrierpunktserniedrigung. 

Physiologisch  arbeitende  Nieren  sind  in  der  Weise  thätig, 
dass  sie  in  nahezu  regelmässigen  Intervallen  durch  ihre  zu¬ 
gehörigen  Ureteren  ihren  Urin  meist  alternirend  auswerfen.  Die 
Intervalle  zwischen  den  einzelnen  Entleerungen  des  gleichen 
Ureters  können  in  weiten  Grenzen  schwanken.  Sie  sind  abhängig 
von  der  Konzentration  des  Urins.  Bei  konzentrirtem  Urin 


können  die  Pausen  bis  zu  5  Minuten  und  mehr  betragen.  Je  ver¬ 
dünnter  der  Urin,  desto  kürzer  werden  die  Pausen.  Ist  der  Urin 
sehr  verdünnt,  so  folgen  die  einzelnen  Ureterkontraktionen  sehr 
rasch  aufeinander.  Sie  können  sich  in  Abständen,  die  bis  auf 
4  Sekunden  heruntergehen,  folgen.  Dabei  ist  das  Volum  der 
ausgeworfenen  Flüssigkeitsmenge  im  grossen  Ganzen  keinen  be¬ 
deutenden  Schwankungen  unterworfen.  Man  könnte  leicht  der 
Annahme  zuneigen,  der  dünnere  Urin  werde  dadurch  in  grösserer 
Menge  als  der  konzentrirte  vom  Ureter  in  die  Blase  befördert, 
dass  der  Ureter  in  einer  jeweiligen  Kontraktion  ein  vermehrtes 
Volum  Urins  aus  seiner  Niere  in  die  Blase  leitet.  Dem  ist  nicht 
so.  Die  Urinmenge  in  der  Blase  wird  in  der  gleichen  Zeit  beim 
verdünnten  Urin  dadurch  eine  grössere,  dass  die  Ureteren  sich 
viel  häufiger  kontrahiren,  also  vermehrte  Arbeit  leisten.  Die 
gleiche  Flüssigkeitmenge  wird  in  häufigerer  Folge  ausgeworfen. 
Die  Flüssigkeitsmenge,  die  auf  eine  Ureterkontraktion  ent¬ 
fällt,  schwankt  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  zwischen  an¬ 
nähernd  2/10 — 4/10  ccm.  Das  Urinvolum  im  einzelnen  Aus¬ 
wurf  bleibt  also  annähernd  das  gleiche,  nur  die  Ureterkontrak¬ 
tionen  werden  mehr  oder  weniger  häufig. 

Wird  kein  Katheter  in  den  Ureter  gelegt,  sondern  werden  die 
Oeffnungen  der  Ureterlippen  im  Cystoskop  betrachtet,  so  fällt 
auf,  dass  alsdann  die  Kontraktionen  der  Ureteren  und  dem¬ 
entsprechend  die  einzelnen  Auswurfsperioden  des  Urins  noch 
rascher  aufeinander  folgen.  Der  starre  Katheter  bildet  offenbar 
ein  gewisses  Ilemmniss  für  die  Peristaltik  des  Ureters;  die  Kon¬ 
traktionen  werden  weniger  zahlreich.  Am  wenigsten  macht  sich 
dies  bemerkbar,  wenn  der  Katheter  nur  wenig  hoch  in  dem  Ureter 
liegt,  dringt  er  weiter  vor,  so  wird  die  Verlangsamung  der  Kon¬ 
traktionen  deutlicher.  Bei  noch  weiterem  Vorschieben  tritt  in¬ 
dessen  wieder  eine  gehäuftere  Folge  des  Ausflusses  ein,  die  an 
Schnelligkeit  wächst,  je  mehr  sich  das  Katheterauge  den  Nieren¬ 
becken  nähert,  um  schliesslich  in  einen  kontinuirlichen  oder  fast 
kontinuirlichen  Urinausfluss  überzugehen,  sobald  das  Auge  des 
Katheters  im  Nierenbecken  liegt. 

Der  periodische  Auswurf  geschieht  unter  starkem  Druck. 
Aus  dem  sich  kontrahirenden  Ureter  kommt  der  Urin  im  cysto- 
skopischen  Bild  als  Strudel  heraus;  durch  die  in  die  Ureteren 
eingelegten  Katheter  wird  er  tropfenweise  herausgeschleudert. 

Ganz  anders  sehen  wir  die  Verhältnisse  gestaltet  bei  ver¬ 
schiedenen  Erkrankungen  der  Niere.  Da  beobachten  wir,  worauf 
ich  nachher  an  der  Pland  einzelner  Fälle  des  Näheren  zurück¬ 
kommen  werde,  markante  Abweichungen  von  diesem  Typus.  Wir 
sehen  träge  Ureterkontraktionen,  die  an  Zahl  weit  hinter  denen 
der  gesunden  Seite  Zurückbleiben.  Besonders  auffallend  tritt 
dieses  Phänomen  in  die  Erscheinung  bei  fortgeschrittenen  ein¬ 
seitigen  Pyonephrosen  und  Tumoren  der  Niere.  Und  während 
normal  funktionirende  Nieren  in  gleichen  Zeiten  annähernd 
gleiche  Mengen  Sekretes  liefern,  zeigt  sich  bei  anormal  funktio- 
nirenden  eine  erhebliche  Differenz  in  der  Menge. 

Ferner  können  wir  uns  aus  dem  Ausfall  der  Ureterenkon- 
traktionen  auf  der  einen  Seite  im  Zusammenhalt  mit  den  vor¬ 
liegenden  Verhältnissen  und  im  Verein  mit  der  speziellen  Funk¬ 
tionsprüfung,  die  ich  gleich  erörtern  werde,  beispielsweise  bei 
Pyonephrosen  und  Tumoren,  ein  Bild  machen  von  der  Grösse  des 
zu  Grunde  gegangenen  funktionstüchtigen  Parenchymgebietes. 
Vergleichen  wir  hierbei  auch  wieder  die  Mengen,  die  aus  beiden 
Nieren  ausgeworfen  werden,  so  sehen  wir  die  eine  Niere  in  rascher 
Folge  innerhalb  kurzer  Zeit  grosse  Quantitäten  Flüssigkeit  pro- 
düziren.  Ist  die  andere  Niere  Sitz  eines  Tumors,  oder  ist  sie 
zum  grossen  Theile  eitrig  eingeschmolzen  oder  tuberkulös  de- 
generirt,  erfüllt  das  Nierenbecken  ein  Stein,  so  wirft  sie  in  der 
gleichen  Zeit  oft  nur  einige  wenige  Kubikzentimeter  Sekretes 
aus  oder  ihr  Ureter  arbeitet  überhaupt  gar  nicht.  Die  Beschaffen¬ 
heit  des  Sekretes  ist,  entsprechend  dem  relativen  degenerirten 
Zustand  der  Nieren,  eine  charakteristisch  differente  von  dem  der 
gesunden  oder  gesünderen  Niere.  Ganz  anders  charakterisirt 
sich  natürlich  das  Verhalten  der  Ureterkontraktionen  bei  Stein¬ 
einklemmung.  Hier  ist  es  die  Plötzlichkeit  des  Versagens  seiner 
Funktion  und  meist  auch  der  des  anderen  Ureters,  die  dem  Bilde 
sein  charakteristisches  Gepräge  gibt.  Im  Gegensatz  hierzu  steh* 
das  intermittirende  Aussetzen  seiner  I  hätigkeit  bei  Hydio- 
nephrose,  bei  Verlegung  seines  Weges  durch  Kompression 
benachbarter  Tumoren  und  plastischer  Exsudate,  durch  Ad 
häsionen,  durch  Verwachsungen  mit  den  Gefässscheiden. 


*)  Auszugsweise  vorgetragen  auf  dem  XXX.  Kongress  der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  in  Berlin,  am  4.  April  1902 
und  dem  XX.  Kongress  für  innere  Medizin  in  Wiesbaden,  am 

16.  April  1902. 

;k,  :o. 


1218 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Gelingt  es  in  diesem  Falle,  das  Katheterauge  in’s  Nieren¬ 
becken  zu  bringen,  so  ändert  sieh  mit  einem  Mal  das 
Bild.  Während  physiologisch  sich  die  Sekretion  im  Nieren¬ 
becken  durch  ein  kontinuirliches  Träufeln  aus  dem  Ka¬ 
theterende  charakterisirt,  ist  die  Retention  im  Nierenbecken 
bei  diesen  Zuständen,  bei  manchen  Formen  der  Wanderniere,  bei 
Knickungen  des  U  reters  aus  anderen  Ursachen,  die  zur  Retention 
führen,  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  verhaltene  Urin  im  un¬ 
unterbrochenen  Strom  aus  dem  im  Nierenbecken  liegenden  Ka¬ 
theter  ausfhesst. 

Dies  in  kurzen  Zügen  das  grobsinnlich  Wahrnehmbare  der 
Funktion. 

In  das  feinere  Wesen  dieser  Funktion  eröffneten  uns  einen 
Einblick  die  Arbeiten  der  Herren  C  a  s  p  e  r  und  Richte  r.  Sie 
stellten  fest,  dass  normale  Nieren  in  der  Weise  thätig  sind,  dass 
sie  in  gleichen  Zeiten  ein  Sekret  liefern,  in  dem  gleiche  Mengen 
Stickstoffs,  meistens  gleiche  Mengen  Chlors,  sowie  gleiche  Men¬ 
gen  Zuckers  nach  Phloridzininjektion  enthalten  sind  und  dessen 
molekulare  Dichte  gleich  ist. 

In  22  Untersuchungen  konnte  ich  diese  Angaben  bestätigen. 

Pathologisch  funktionirende  Nieren  arbeiten  nicht  so  gleich- 
mässig,  wie  die  normalen,  sondern  sie  liefern  in  gleichen  Zeiten 
ein  Produkt,  das  in  Bezug-  auf  Stickstoff-  und  Chlorgehalt,  auf 
Zuckergehalt  nach  Phloridzininjektion  und  in  der  molekularen 
Dichte  erhebliche  Differenzen  aufweist.  Die  pathologisch  funk¬ 
tionirende  Niere  verarbeitet  keine  so  grosse  Molekelzahl,  als  ihr 
gesundes  oder  gesünderes  Schwesterorgan,  sie  hält  mehr  Molekel 
zurück,  ihr  Produkt  hat  eine  geringere  molekuläre  Dichte:  sie 
scheidet  demgemäss  weniger  Chlor,  weniger  Stickstoff  aus  und 
verarbeitet  weniger  Zucker  aus  dem  Phloridzin.  In  der  Art  und 
Menge  der  Zuckerelimination  insbesondere  haben  wir  ein  wich¬ 
tiges  Kriterium,  um  uns  im  Zusammenhang  mit  der  Funktions¬ 
weise  des  Ureters  eine  Vorstellung  davon  zu  machen,  ob  überhaupt 
noch  und  wie  viel  funktionirendes  Nierenparenchym  erhalten  ist. 

Die  Herren  C  a  s  p  e  r  und  Richter  kamen  zu  diesen  Er¬ 
gebnissen  auf  Grund  ihrer  Untersuchungen,  die  sie  in  der  Weise 
anstellten,  dass  sie  jeweils  in  einem  Falle  einmal  dasjenige 
Nierensekret  analysirten,  das  sie  während  einer  bestimmten  Zeit 
erhielten. 

Ich  erweiterte  nun  die  Fragestellung  hinsichtlich  der  Thätig- 
keit  der  physiologisch  und  pathologisch  arbeitenden  Niere  und 
suchte  über  die  exaktere  Nierenarbeit  weiteren  Aufschluss  zu  er¬ 
halten  durch  Untersuchung  folgender  Fragen:  Wie  verhält  sich 
diese  Arbeit  zu  verschiedenen  Zeiten  in  einer  Niere  allein,  wie 
verhält  sie  sich  in  beiden  Nieren?  Wie  verhält  sie  sich  unter 
den  gleichen  Voraussetzungen  zu  einer  bestimmten  Zeit?  In 
welcher  V  eise  weicht  hiervon  die  pathologisch  arbeitende 
Niere  ab?  Ferner  sollte  Hand  in  Hand  damit  unter¬ 
sucht  werden,  welchen  Einfluss  die  Verdünnung  des  Urins 
durch  Zufuhr  von  Ilüssigkeit  während  des  Reihenversuchs 
auf  die  Arbeit  der  Niere  ausiibt.  Die  Zahl  meiner 
Untersuchungen  beträgt  bis  jetzt  55,  und  ich  kam  in 
ihnen  zu  folgenden  Ergebnissen,  die  meine  früher  mitgetheilten 
Resultate  bestätigten:  Die  Funktion  physiologisch  arbeitender 
N  ieren  ist  zu  gleicher  Zeit  stets  die  gleiche,  verglichen  linke 
mit  rechter  Niere.  Diese  Funktion  ist  eine  wechselnde,  und  zwar 
eine  in  jedem  Augenblick  wechselnde  in  ein  und  derselben  Niere. 

Die  Funktion  pathologisch  arbeitender  Nieren  weist,  ver¬ 
glichen  linke  mit  rechter  Niere,  gleichzeitig  stets  analoge  Diffe¬ 
renzen  auf  und  ist  in  ein  und  derselben  Niere  in  jedem  Augen¬ 
blick  eine  wechselnde,  niemals  eine  konstante. 

Molekuläre  Konzentration,  Chlor-,  Ilamstoff-Phosphorsäure- 
gehalt,  sowie  durch  Phloridzin  erzeugter  Zuckergehalt  im  Sekret 
der  gleichen  Niere  wechseln  also  von  Augenblick  zu  Augenblick, 
physiologisch  wie  pathologisch,  sind  aber  physiologisch  jederzeit 
gleichwerthig  dem  korrespondirenden  Sekret  der  korrespondiren- 
den  Niere,  pathologisch  von  analoger  Differenz.  Dabei  ergab  sich 
vielfach  zwischen  den  einzelnen  Werthen  einer  Reihe  ein  kon¬ 
stantes  Verhältnis. 

1  nter  dem  Einfluss  der  Urinverdünnung  durch  aufge¬ 
nommene  Flüssigkeitsmengen  findet  ein  jäher  Wechsel  im  osmo¬ 
tischen  Druck  insbesondere,  weniger  konstant  in  den  übrigen 
Werten  statt.  Es  können  Differenzen  bis  zu  200  Proz.  und  dar¬ 
über  erreicht  werden.  Bezüglich  der  Differenzen  in  der  moleku¬ 


laren  Konzentration  zwischen  linker  und  rechter  Niere  soll  das 
Nähere  weiter  unten  erörtert  werden. 

Ausserdem  findet  ein  mehr  allmählicher  Wechsel  in  der  Kon¬ 
zentration  statt,  der  in  direktem  Verhältniss  zum  Verdauungs- 
resp.  Resorptionsprozess  steht.  Die  Zahlen  sinken  successive  mit 
abklingender  Verdauung  resp.  Resorption. 

Auch  meine  neuerlichen  Untersuchungen  bestätigen  mir,  was 
ich  schon  früher  betonte.  Wir  dürfen  für  die  Erniedrigung  des 
Harngefrierpunktes  keine  Grenzwerthe  aufstellen  und  aus  dies¬ 
seits  oder  jenseits  dieser  Grenze  liegenden  Werthen  diagnostische 
Schlüsse  auf  pathologische  Zustände  der  Niere  ziehen.  Es  ist 
ein  Leichtes,  durch  Flüssigkeitszufuhr  die  Gefrierpunktserniedri¬ 
gung,  selbstverständlich  auch  die  übrigen  Werthe  beliebig  zu 
variiren  bezw.  zu  vermindern.  Kurze  Zeit  nach  Eingabe  der 
^  erdünnungsflüssigkeit  macht  sich  der  Einfluss  der  Urinver¬ 
dünnung  im  Sinken  der  Zahlen,  besonders  für  d  bemerk¬ 
bar.  Je  geringer  die  Molekelzahl  in  der  Volumeinheit 
wird,  desto  geringer  wird  die  Gefrierpunktserniedrigung. 
Die  Zahlen  der  Gefrierpunktserniedrigung  im  Gesammturin  sind 
ich  darf  dies  wohl  an  dieser  Stelle  nochmals  betonen  —  nur  zu 
verwerthen  unter  Berücksichtigung  der  aufgenommenen  und  aus¬ 
geschiedenen  Flüssigkeitsmenge  einerseits  und  des  Stoffwechsel¬ 
versuches  andererseits.  Auf  die  Chlorbestimmung  möchte  ich 
nicht  verzichten,  denn  sie  lieferte  mir  durchgehend  exakte 
Werthe.  Bei  kleinen  zu  Gebote  stehenden  Flüssigkeitsmengen 
ist  es  zweckmässig,  nach  der  Tüpfelmethode  zu  arbeiten. 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  möchte  ich  im  Spe¬ 
ziellen  das  Bemerkenswertheste  meiner  neuen  Untersuchungen 
mitzutheilen  mir  gestatten. 

Zwei  davon  betrafen  eine  rechtsseitige  Wanderniere.  Auch 
liier  ergab  auffallender  Weise  die  funktionelle  Prüfung  in  beiden 
Versuchen,  analog  den  früher  mitgetheilten  bei  Wanderniere,  dass 
die  Wanderniere  nicht,  wie  a  priori  zu  erwarten  war,  geringere 
Werthe  lieferte,  sondern  sie  zeigte  sich  funktionell  tüchtiger  als 
die  andere  Niere.  Sie  schied  dementsprechend  mehr  Harnstoff- 
Phosphorsäure,  mehr  Chlor  aus,  produzirte  mehr  Glukose  und  ihr 
Urin  hatte  eine  erhöhte  Gefrierpunktserniedrigung.  Die  Diffe¬ 
renzen  waren  im  zweiten  Versuch  grösser  als  im  ersten  und  am 
ausgesprochensten  in  der  Zahl  des  osmotischen  Druckes.  Diese 
Differenz  muss  als  Wirkung  der  aufgenommenen  Flüssigkeit  auf¬ 
gefasst  werden.  Identische  Resultate  nach  aufgenommener  Flüs¬ 
sigkeit  während  des  Versuchs  ergaben  sich  in  einer  weiter  unten 
zu  besprechenden  Versuchsreihe. 


Linke  Niere  Rechte  Niere 

I  ,  I 


d 

1,51 

1,56 

G 

1,90  Proz. 

2,15 

Proz. 

Na  CI 

0,97  „ 

1,09 

Ur*) 

L51  „ 

1,54 

V) 

II 

II 

d 

0,905 

1,09 

G 

1,08  Proz. 

1,42 

Proz 

Na  01 

0,60  „ 

0,78 

Ur 

0,97  „ 

1,16 

yy 

7,5  mg  Phloridzin  injizirt  4  Uhr  42  Min. 

I  sezernirt  5  Uhr  04  Min.  bis  5  „  35  „ 

^  »  5  „  35  „  „  5  „  47  „ 

Ureterkatheter  im  rechten  Ureter. 

5  Uhr  25  Min.  200  ccm  warmen  Kaffees. 

Zu  diesen  und  den  folgenden  Untersuchungen  ist  zu  be¬ 
merken,  dass  die  mit  fortlaufenden  römischen  Zahlen  versehenen, 
wie  I,  II,  jeweils  zu  einer  Untersuchungsreihe  gehören  und  sich  so 
unmittelbar  aneinander  anschliessen,  dass  zwischen  den  einzelnen 
\  ersuchen  kein  Urin  verloren  gehen  konnte. 

J  bedeutet  die  Gefrierpunktserniedrigung  unter  dem  Gefrier¬ 
punkt  des  destillirten  Wassers  bei  15°  C. 

G  bedeutet  Glukose. 

Ur*)  schliesst  in  sich  diegesammte  durch  salpetersaures  Queck¬ 
silberoxyd  fällbare  Substanz  und  bedeutet  also  die  durch  salpeter¬ 
saures  Hg-Oxyd  fällbaren  Harnstoff-  und  Phosphorsäure. 

Die  Wirkung  der  Zufuhr  der  Verdünnungsflüssigkeit  (200  ccm 
warmen  Kaffees)  machte  sich  10  Minuten  nach  der  Aufnahme  be¬ 
merkbar.  Die  Sekretion  wurde  stärker,  es  wurde  in  12  Minuten 
die  gleiche  Menge  (18  ccm  Urins)  aus  beiden  Nieren  ausgeworfen, 
die  vor  der  Flüssigkeitsaufnahme  in  31  Minuten  produzirt  wurde. 
Des  Ferneren  machte  sich  der  Einfluss  der  Urinverdünnung  be¬ 
merkbar  im  Sinken  der  Zahlen,  besonders  für  d  und  Harnstoff  - 
Phosphorsäure.  d  in  der  linken  Niere  sank  unter  dem  Einfluss 
der  aufgenommenen  Verdünnungsflüssigkeit  um  G8  Proz.,  der 


*)  Aus  technischen  Gründen  konnte  für  die  übliche  Bezeich¬ 
nung  des  Harnstoffs  nur  Ur  gesetzt  werden. 


22.  Juli  1902. 


MUENC1IENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1219 


Ur-Phosphor  Säuregehalt  mu  5(5  Proz.  In  der  rechten  Niere  be¬ 
trugen  die  Differenzen  für  d  43  Proz.,  für  Ur  -  Phosphorsäure 
32  Proz.  Aber  nicht  allein  ein  Sinken  der  Zahlen  trat  nach  der  Urin¬ 
verdünnung  ein,  es  machte  sich,  was  viel  bemerkenswertlier  er¬ 
scheint,  eine  erhebliche  Differenz,  besonders  in  der  Gefrierpunkts¬ 
erniedrigung  zwischen  linker  und  rechter  Niere  bemerkbar. 

Aehnlich  lagen  die  Funktionsverhältnisse  in  einem  Falle  von 
intermittirender  rechtsseitiger  Hydroneplirose.  Ich  sehe  auch  hier, 
wie  bei  Besprechung  der  Ergebnisse  der  Funktion  bei  den  fol¬ 
genden  Fällen,  von  einer  Wiedergabe  der  Krankengeschichten  ab 
und  betone  nur  das,  was  mit  der  Prüfung  der  Funktion  in  un¬ 
mittelbarem  Zusammenhänge  steht. 

Die  verminderte  Funktionsfähigkeit  entsprach  nicht  der 
a  priori  als  kränker  angesehenen  Niere.  Mit  dem  Ureterkatheter 
traf  man  im  Verlauf  des  r.  Ureters  auf  ein  Hinderniss,  das  nicht 
zu  überwinden  war.  Dieser  Stelle  entsprach  eine  äusserlich  deut¬ 
lich  abgrenzbare  Resistenz.  Bei  der  Patientin,  die  2  Jahre  zuvor 
doppelseitig  ovariotomirt  worden  war,  hatte  sich  ein  beträchtliches 
Stumpfexsudat  gebildet,  das  den  r.  Ureter  komprimirte.  Trotz 
der  rechtsseitig  bestehenden  intermittirendcn  Hydroneplirose  war 
die  Funktion  in  dieser  Niere  besser,  als  in  der  anderen,  in  der 
offenbar  der  pyelonephritische  Prozess  (im  Anschluss  an  die 
Ovariotomie  war  eine  schwere  purulente  Cystitis  und  eine  Pyelo¬ 
nephritis  aufgetreten)  grössere  funktionelle  Beeinträchtigungen 
gesetzt  hatte. 

Die  Analyse  des  gesummten  Urins,  der  unmittelbar  vor  dein 
Beginn  des  Ureterenkatheterismus  durch  den  Katheter  entnommen 
wurde,  ergab  Folgendes: 


Gesammt-Urin 


d  1,045 

Na  CI  0,76 

Proz. 

Ur  1,68 

Ureter-Katheterismus  ergab : 

Linke  Niere 

Rechte  Niere 

I 

I 

d 

1,405 

1,555 

G 

2,15  Proz. 

2,7  Proz. 

Na  CI 

i.oo  „ 

1,09  „ 

Ur 

1,28  ,, 

1,62  „ 

II 

n 

d 

1,335 

1,455 

G 

1,45  Proz. 

1,57  Proz. 

Na  CI 

1,10  „ 

1,21  „ 

Ur 

1,23  „ 

1,58  „ 

HI 

III 

d 

1,34 

1,365 

G 

1,25  Proz. 

1,23  Proz. 

Na  CI 

— 

— 

Ur 

— 

— 

Der  Ureterkatheter  lag  im  rechten  Ureter: 

12  Uhr  4  Min.  werden  7,5  mg  Phloridzin  injizirt.  Patientin 
trank  bis  5  Tage  vor  dem  Versuch  täglich  %  Liter  Wildunger 
Helenenquelle:  Diese  wurde  absichtlich  zum  Zwecke  des  Versuchs 
sistirt.  An  Flüssigkeit  auf  genommen:  5  Stunden  vor  Beginn  des 
Versuchs  200  ccm  warmen  Milchkaffees,  3 ya  Stunden  vor  Beginn 
des  Versuchs  250  ccm  Hafermehlsuppe. 

Versuch  I:  12  Uhr  25  Min.  bis  12  Uhr  50  Min. 

„  II:  12  „  50  „  „  1  „  10  „ 

„  III:  1  „  10  „  „  1  „  20  „ 

12  Uhr  47  Min.  wurden  250  ccm  warmen  Thees  zur  Ver¬ 
dünnung  gegeben. 

Während  der  ganzen  Dauer  der  Untersuchung  war  die  Sekre¬ 
tion  auf  der  rechten  Seite  gegen  die  der  linken  um  nahezu  die 
Hälfte  verringert,  und  unter  dem  Einflüsse  der  Verdünnung  machte 
sich  in  diesem  Verhältniss  auch  keine  Aenderung  bemerkbar.  Be¬ 
trachten  wir  die  Zahlen,  so  fällt  auf,  dass  sich  hier  der  Einfluss 
der  verdünnenden  Nieren thätigkeit  nach  Flüssigkeitszufuhr  in  der 
gleichen  Zeit  wie  bei  den  vorauf  gegangenen  und  folgenden  Ver¬ 
suchen  nicht  —  auch  nicht  für  d  —  bemerkbar  machte.  Es  wurden 
weder  die  Zahlenwerthe  verringert,  noch  traten  Differenzen  auf 
zwischen  d  der  linken  und  der  rechten  Niere. 

Wohl  aber  machte  sich  der  Einfluss  in  Versuch  III  daran  be¬ 
merkbar,  dass  in  diesem  das  gleiche  Flüssigkeitsvolum,  was  in 
Versuch  II  in  21  Minuten  sezernirt  wurde,  nunmehr  in  10  Minuten 
sezernirt  wurde.  Aber  nur  von  der  linken  Niere.  Von  der  rechten 
wurde  im  Gegentheil  etwas  weniger  sezernirt. 

10  weitere  Untersuchungen  betrafen  einen  Fall,  von  dem  ich 
in  seinen  Anfängen  schon  auf  der  Hamburger  Naturforscher¬ 
versammlung  berichtete.  Es  handelte  sich  um  eine  Patientin,  die 
wegen  linksseitiger  Wanderniere  3 mal  nephropexirt  war  und  bei 
der  gelegentlich  der  zweiten  Nephropexie  vor  7 y2  Jahren  Tuber¬ 
kulose  der  linken  Niere  konstatirt  worden  war.  Es  wurde  die 
mikroskopische  Diagnose  an  einem  exzidirten  Stückchen  Niere 
gestellt.  In  den  ersten  Untersuchungen,  deren  Reihen  viele  Wochen 
auseinander  lagen,  und  die  sich  über  6  Monate  erstreckten,  waren 
für  linke  und  rechte  Niere  übereinstimmende  Zahlen  gefunden 
worden.  Die  nun  folgenden  Untersuchungsreihen  lagen  über 


3  Monate  auseinander  und  wurden  y2  Jahr  nach  den  ersten  Ver¬ 
suchen  angestellt.  In  den  ersten  7,  die  eine  Reihe  (A)  umfassten, 
war,  wenn  wir  einmal  den  Einfluss  der  Flüssigkeitszufuhr  ganz 
ausser  Acht  lassen  wollen,  eine,  wenn  auch  in  Versuchen  I 
und  IV— VII  nur  sehr  geringe  und  völlig  innerhalb  nor¬ 
maler  Grenzen  liegende,  so  doch  konstante  Erniedrigung  aller 
Wert  he  aus  der  linken  Niere  gegenüber  denen  der  rechten 
Niere  zu  konstatiren.  Eine  über  3  Monate  nach  dieser 
angestellte  Untersuchungsreihe  (B)  ergab  eine  zunehmende  Diffe¬ 
renz  in  den  Werthen  der  linken  gegenüber  denen  der  rechten  Niere 
(zu  Ungunsten  der  linken),  insbesondere  in  der  molekulären  Kon¬ 
zentration  aber  auch  im  Chlor-,  Harnstoff-Phosphorsäuregehalt 
und  im  Glukosegehalt  nach  Phloridzininjektion. 

Der  Ureterkatheter  lag  im  linken  Ureter: 


Reihe  A: 

Linke  Niei’e 

Rechte  Niere 

I 

I 

d 

0,95 

5  0,98 

G 

— 

— 

Na  CI 

0,74  Proz 

0,75  Proz. 

Ur 

1,24  „ 

1,24  „ 

II 

II 

d 

0,43 

0,63 

Na  CI 

0,41  Proz. 

0,50  Proz. 

Ur 

0,06  „ 

0,78  „ 

III 

III 

d 

0,35 

0,40 

Na  CI 

0,29  Proz. 

0,41  Proz. 

Ur 

0,41  „ 

0,56  „ 

IV 

IV 

d 

0,31 

0,36 

Na  CI 

0,31  Proz. 

0,34  Proz. 

Ur 

0,40  „ 

0,46  „ 

V 

V 

d 

0,29 

0,32 

Na  CI 

0,25  Proz. 

0,28  Proz. 

Ur 

0,34  „ 

0,40  „ 

VI 

VI 

d 

0,30 

0,30 

Na  CI 

— 

— 

Ur 

— 

— 

VII 

VII 

d 

0,30 

0,31 

Na  CI 

— 

— 

Ur 

— 

— 

Während  des  Versuches  I  wurden  400  ccm  Gerolsteiner 
Sprudels  zur  Verdünnung  des  Urins  gegeben. 

5  Uhr  50  Min.  bis  G  Uhr  10  Min.  wurden  250  ccm  kalter  Milch 
zur  weiteren  Verdünnung  gegeben. 

Deren  Wirkung  machte  sich  bereits  nach  10  Minuten  —  aber 
nur  an  der  verstärkt  einsetzenden  Sekretion  —  bemerkbar.  Un¬ 
mittelbar  vor  Versuch  I  katheterisirter  Blasenurin  hatte  eine  d 
—  1,05.  Unmittelbar  vor  Versuch  I  katheterisirter  Urin  der  linken 
Niere  hatte  eine  d  —  1,015. 


Versuch  I:  5  Uhr  45  Min.  bis 

6 

Uhr  04  Min. 

„  II:  6 

04 

6 

16 

yy 

„  HI:  6 

» 

16 

»  ff 

6 

22 

yy 

„  IV:  6 

yy 

22 

»  J? 

6 

V 

28 

yy 

„  V:  6 

T> 

28 

ff  » 

6 

yy 

34 

yy 

„  VI:  6 

yy 

34 

6 

yy 

39 

yy 

„  VII:  6 

yy 

39 

yy  yy 

6 

yy 

42 

yy 

In  den  Zahlen  drückt  sich  der  Einfluss  der  Verdünnung  schon 
in  Versuch  II  aus  (nach  15  Minuten  ungefähr).  Die  weitere  Zufuhr 
von  250  ccm  kalter  Milch  wirkte  nicht  mehr  in  dem  Maasse  ver¬ 
dünnend,  wie  die  ersten  400  ccm  Sprudelwassers. 

Auffallend  ist  jedoch  das  Verhalten  der  Zahlen  unter  dem 
Einflüsse  der  aufgenommenen ,  verdünnenden  Flüssigkeiten. 
Während  in  Versuch  I,  der  ausserhalb  des  Wirkungsbereichs 
der  verdünnenden  Flüssigkeit  liegt,  die  Zahlen  für  linke  und 
rechte  Niere  so  identisch  sind,  wie  sie  einer  normalen 
Niere  entsprechen,  ist  die  Differenz  unter  dein  Einflüsse 
der  Flüssigkeitszufuhr  in  Versuch  II  eine  recht  beträcht¬ 
liche  zwischen  links  und  rechts.  Am  grössten  ist  sie  in  der  Ge¬ 
frierpunktserniedrigung  links.  Allmählich  gleichen  sich  die  Zahlen 
von  Versuch  zu  Versuch  wieder  aus,  um  zum  Schlüsse  in  Versuch 
VI  und  VII  wieder  hinsichtlich  der  molekulären  Konzentration 
identisch  zu  werden. 

Leider  gingen  die  Flüssigkeiten  dieser  letzten  V  ersuche  bei  der 
Bestimmung  der  Gefrierpunktserniedrigung  durch  Zerbrechen  des 
Gefässes  verloren,  so  dass  eine  CI-  und  Ur-Bestimmung  nicht  mehr 
angestellt  werden  konnte. 

Zahlenmässig  ausgedrückt  sinken  die  Zahlen  unter  dem  Ein¬ 
flüsse  der  Verdünnung  in  Versuch  II  gegenüber  denen  in  'Ver¬ 
such  I  wie  folgt: 


3* 


i  220 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


A  links  um  120  Proz. 
A  rechts  „  55  „ 

CI  Na  links  „  80  „ 

CI  Na  rechts  „  50  „ 

Ur  links  „  107  „ 

Ur  rechts  „  59  „ 


erniedrigt  in  Versuch  II  gegen  Versuch  I. 


Auf  der  rechten  Seite  schwankt  also  die  Erniedrigung  zwi¬ 
schen  50  und  (50  Froz.,  auf  der  linken  innerhalb  grösserer  Grenzen. 

Die  Zahlen  in  Versuch  III  sinken  gegen  diejenigen  in  Ver¬ 
such  I  wie  folgt: 


A 

A 

CI 

CI 

Ur 

Ur 


links 

um 

171  Proz 

rechts 

» 

145 

»» 

links 

155 

yy 

rechts 

.*) 

83 

links 

n 

202 

» 

rechts 

yy 

121 

yy 

erniedrigt  gegen  Versuch  I. 


Und  betrachten  wir  die  Erniedrigungen  der  Zahlen  von  Ver¬ 
such  III  gegen  diejenigen  von  Versuch  II,  so  ergibt  sich  in  Pro¬ 
zenten  ausgedrückt: 


A 

links 

um 

23  Proz. 

A 

rechts 

57 

yy 

CI 

links 

tt 

29 

yy 

erniedrigt  in  Versuch  III  gegen 

Ver- 

CI 

rechts 

22 

yy 

such  II. 

Ur 

links 

46 

yy 

Ur 

rechts 

yy 

40 

yy 

Die  Differenzen 

werden  nun  von  Versuch  zu  Versuch 

ge- 

ringer,  um  sich  allmählich  gänzlich  auszugleichen. 


Reihe  B,  3  Monate  nach  Reihe  A  angestellt,  ergab: 


Linke  Niere  Rechte  Niere 

I  I 


A 

1,22 

1,37 

G 

1,04  Proz. 

1,32  Proz. 

Na  CI 

1,00  „ 

0,96  „ 

Ur 

1,20  ,, 

1,18  „ 

II 

II 

J 

1,02 

1,23 

G 

0,74  Proz. 

0,88  Proz 

Na  CI 

0,79  „ 

0,83  „ 

Ur 

0,86  „ 

1,0)  „ 

4  3 

IG 

Na  CI 
Ur 


UI 


0,74 

0,29 

0,61 

0,71 


Proz. 


III 


5  Uhr  10  Min.  7,5  mg  Phloridzin  injizirt. 


0,81 

0,32 

0,71 

0,87 


Proz. 


Versuch  IV5  Uhr  35  Min.  bis  5  Uhr  58  Min. 

»  U:*b  »  53  „  „  6  „  13  „ 

.,  III  :;5  „  13  „  „6  „  22  „ 

5  Uhr  55  Min.  200  ccm  warmen  Thees  zugeführt. 

Es  kam  nun  hinzu,  dass  im  Laufe  der  Beobachtung  sich  auch 
rechterseits  eine  Wanderniere  ausbildete.  Wie  schon  bemerkt, 
fanden  sich  in  5  Untersuchungen  bei  Wandernieren  auf  Seiten  der 
Wanderniere  mehr  wenig  erhöhte  Werthe. 

Ob  nun  in  vorliegendem  Falle  die  Zahlen  der  Versuchs¬ 
reihe  B  in  der  Weise  aufzufassen  seien,  dass  die  erhöhten 
Werthe  auf  die  rechtsseitige  Wanderniere,  oder  die  verminderten 
auf  eine  einsetzende  Erkrankung  der  linken  Niere  zu  beziehen 
sind,  musste  vorerst  eine  offene  Frage  bleiben.  Es  wäre  auch  in 
Erwägung  zu  ziehen,  ob  nicht  die  Niere  durch  die  dreimalige 
Nephropexie  in  ihrer  Funktion  derartig  beeinträchtigt  worden  ist, 
dass  sie  nunmehr  beginnt,  niedrigere  Werthe  zu  produziren.  Wahr¬ 
scheinlich  ist  dies  nicht  und  zwar  desshalb  nicht,  da  sie  in  zahl¬ 
reichen  voraufgegangenen  Versuchen  mit  der  Niere  der  anderen 
Seite  gleichwerthig  funktionirte. 

Die  Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes  <f  betrug  in  vier 
Untersuchungen:  0,56,  bezw.  0,56,  bezw.  0,55,  bezw.  0,55." 

Auffallen  muss  indessen  auch  hier  der  Einfluss  der  Flüssigkeits¬ 
zufuhr.  der  sich  in  den  Zahlen  —  am  ausgesprochensten  wieder 
in  der  Gefrierpunktserniedrigung  —  ausdrückt.  Einmal  sinken 
die  Werthe  für  A  andererseits  bleibt  die  zuvor  bestehende  Differenz 
zwischen  links  und  rechts  auch  nach  der  Flüssigkeitsaufnahme 
bestehen  und  wird  unter  dem  unmittelbaren  Einfluss  der  Flüssig¬ 
keitszufuhr  in  Versuch  II  noch  etwas  grösser,  um  sich  in  Ver¬ 
such  III  schon  wieder  allmählich  auszugleichen. 


Betrachten  wir  nun  in  den  4  Versuchsreihen  die  erhaltenen 
Zahlenwerthe  vor  Aufnahme  der  Flüssigkeit,  mit  denen  nach  der 
1  lüssigkeitsauf nähme  im  Zusammenhang,  so  ergeben  sich  in 
3  Reihen  ausgesprochene  Differenzen,  hauptsächlich  in  der  Ge¬ 
frierpunktserniedrigung.  In  der  einen  Reihe  (intermittirende 
Ilydronephrose)  besteht  diese  Differenz  nicht.  Die  Differenzen 
drücken  sich  nach  2  verschiedenen  Richtungen  hin  aus.  Ein¬ 
mal  in  einem  regelmässigen  starken  Sinken  der  Gefricrpnnkts- 
erniedrigung  nach  der-  Flüssigkeitsaufnahme  (auch  die  Zahlen  für 
NaCl  und  Ur  sinken,  wenn  auch  nicht  so  regelmässig)  innerhalb 


kurzer  Zeit.  Alsdann  ergibt  sich,  was  besonders  bemerkenswert!! 
erscheint,  zwischen  den  Werthen  insbesondere  der  Gefrierpunkts¬ 
erniedrigung  für  linke  und  rechte  Niere  eine  solche  Differenz, 
dass  diese  sicher  keine  zufällige  sein  dürfte,  sondern  zur  An¬ 
nahme  berechtigt,  dass  sie  den  dem  direkten  Einfluss  der  aufge¬ 
nommenen  Flüssigkeit  auf  die  spezifische  wassersekretorische 
bezw.  resorptive  Thätigkeit  der  Niere  (im  Sinne  Paul  i’s  und 
Drese  r’s)  zuzuschreiben  ist. 

Während  in  dem  Falle  von  Wanderniere  vor  der  Flüssigkeits¬ 
aufnahme  keine  Differenz  bestand,  vielmehr  die  Zahlen  für  links 
und  rechts  so  übereinstimmten,  dass  beide  Nieren  als  normal 
funktionirende  angesehen  werden  mussten,  stellte  sich  eine  er¬ 
hebliche  Differenz  unter  dem  Einfluss  der  Flüssigkeitszufuhr  ein. 
Man  könnte  nur  den  naheliegenden  Einwand  machen,  dass  diese 
Wirkung  der  Wanderniere  eigen  wäre,  oder  auch  eine  Eigenschaft 
normaler  Nierenthätigkeit  sei.  Dieser  Einwand  wird  widerlegt 
durch  die  Ergebnisse  des  Falles,  in  dem  es  sich  darum  handelte, 
festzustellen,  ob  eine  einseitige  funktionelle  Minderwertigkeit 
in  der  Niere  bestehe  oder  nicht  (Reihen  A  und  B).  In  12  Ver¬ 
suchen,  deren  Reihen  viele  Wochen  lang  auseinander  lagen  und 
sich  über  6  Monate  erstreckten  *),  fanden  sich  für  linke  und  rechte 
Niere  übereinstimmende  Werthe.  Ein  Vz  Jahr  darnach  angestell- 
ter  Versuch  ergab  gleichfalls  übereinstimmende  Zahlen  im  I.  Ver¬ 
such  der  Reihe,  der  vor  der  Urinverdünnung  lag.  Es  wurde  nun 
der  Versuch  mit  Flüssigkeitszufuhr  unmittelbar  an  diesen  ange¬ 
schlossen,  und  es  ergab  sich  zum  ersten  Male  in  diesem  Falle  eine 
Differenz  in  den  Werthen.  3  Monate  später  wurde  eine  aber¬ 
malige  Versuchsreihe  angestellt,  und  es  ergab  sich  nunmehr,  auch 
ohne  Flüssigkeitsaufnahme,  eine  ausgesprochene  Differenz  in  der 
molekulären  Konzentration  (und  Glukoseausscheidung)  zu  Un¬ 
gunsten  der  suspekten  Niere.  Diese  Differenz  blieb  auch  be¬ 
stehen,  bei  angestelltem  Versuch  der  Verdünnung  des  Urins  durch 
Flüssigkeitszufuhr. 

Es  erhellt  hieraus,  dass  die  unter  dem  Einfluss  der 
Flüssigkeitszufuhr  und  der  urinverdünnen¬ 
den  Nierenthätigkeit  eintretende  einseitige 
Verminderung  der  Gefrierpunktserniedri¬ 
gung,  das  Zeichen  einer  funktionell  minder¬ 
wert  liigen  Niere  ist,  dass  diese  Minder¬ 
wertigkeit  sich  manifestiren  kann  zu  einer 
Zeit  schon,  wo  die  gewöhnliche  funktionelle 
Prüfung  und  die  funktionelle  Prüfung  im 
Reihenversuch  noch  nichts  darüber  auszu¬ 
sagen  vermögen,  und  dass  der  Versuch  der 
Urinverdünnung  durch  Flüssigkeitszufuhr 
eine  latente  funktionelle  M  inderwert  higkeit 
einer  Niere  aufzudecken  im  Stande  ist. 

Im  Gegensatz  hierzu  stehen  die  Ergebnisse  des  Falls  von 
intermittirender  rechtsseitiger  Ilydronephrose.  Die  Werthe 
für  -/  waren  unter  dem  Einfluss  der  Flüssigkeitsaufnahme  nicht 
auffallend  erniedrigt,  und  die  schon  bestehende  Differenz  zwischen 
a  der  linken  und  rechten  Niere  wurde  nicht  beeinflusst.  Es  ist 
dies,  bei  den  zweifellos  bestehenden  pathologischen  Veränderungen 
beider  Nieren,  in  diesem  Falle  sehr  auffallend  und  es  wäre  mög¬ 
lich,  dass  wir  nach  dieser  Richtung  hin  graduelle  Verschieden¬ 
heiten  in  der  Funktionsfähigkeit  einer  Niere  zu  suchen  haben 
werden.  Es  ergeben  sich  eben  aus  dem  Moment  der  urinver¬ 
dünnenden  Nierenthätigkeit  weitere  Gesichtspunkte,  deren  Mög¬ 
lichkeit  vorerst  nur  angenommen  werden  darf  und  deren  Be¬ 
rechtigung  durch  weitere  Untersuchungen  nach  dieser  Richtung, 
insbesondere  an  normalen  Nieren  geklärt  und  erhärtet  werden 
soll. 

Alsdann  möchte  ich  über  2  Fälle  berichten,  in  denen  es  mög¬ 
lich  war,  durch  Prüfung  ihrer  Funktion  diagnostische  Details 
vorherzusagen,  über  die  bislang  nur  die  operative  Autopsie  Aus¬ 
kunft  zu  geben  vermochte,  und  die  die  Operation  (Nephrektomie) 
vollauf  bestätigte. 

ln  dem  einen  Falle  handelte  es  sich  um  ein  rechtsseitiges 
Nierenkarzinom. 

Auf  Grund  der  Analyse  der  gesonderten  Sekrete 2)  konnte  vor 
der  Operation  vorausgesetzt  werden,  dass  nahezu  alles  Nieren 
gewebe  in  dem  Tumor  aufgegangen,  aber  doch  noch  minimalste 


9  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  No.  9. 
-)  Ibidem. 


22.  Juli  1002. 


MUENC1IENER  MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1221 


Mengen  Nierenparenchyms  erhalten  sein  müssen.  Denn  in  einem 
Reihenversuch  von  5  Einzelversuchen  schied  in  Versuch  No.  I  die 
erkrankte  Niere  noch  und  zwar  20  mal  weniger  Zucker  aus  als  die 
gesunde.  Wenige  Minuten  danach  schied  die  erkrankte  Niere 
überhaupt  keinen  Zucker  mehr  aus.  Man  kann  an  dem  Tumor  — 
er  ist  ein  Karzinom  —  erkennen,  dass  in  der  That  noch  eine  kleine 
Zone  Nierenparenchyms  am  unteren  Pol  erhalten  ist,  auf  dem 
Durchschnitt  ca.  2  cm  breit,  1  cm  lang.  Rinde  und  Mark  sind  deut¬ 
lich  geschieden  und  die  Markstrahlen  distinkt  in  die  Rinde  ver¬ 
folgbar. 

Man  sieht  also  hier,  eine  wie  geringe  Menge  Nieren¬ 
parenchyms  überhaupt  nur  nöthig  ist,  um  noch  Glukose  aus 
Phloridzin  zu  verarbeiten. 

Interessant  war  es,  die  Nieren  arbeiten  zu  sehen.  Während 
die  Urinfluth  der  gesunden  Niere  so  stark  war,  dass  sie  90  ccm  in 
25  Minuten  durch  den  TTreterkatheter  auswarf,  produzirte  der 
Tumor,  nur  durch  wenige  Ureterkontraktionen,  einige  Kubikcenti- 
meter  Blutes  und  blutfarbener  Flüssigkeit,  wovon  die  eine  Hälfte 
auf  Versuch  I  der  Reihe,  die  andere  auf  Versuch  III  kam. 
Während  der  übrigen,  dazwischen  liegenden  und  folgenden  Ver¬ 
suche,  II,  IV  und  V  arbeitete  der  Ureter  der  erkrankten  Seite 
überhaupt  nicht. 

Die  Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes  betrug  0,595. 

Alsdann  möchte  ich  mir  erlauben,  Ihnen  das  Präparat  einer 
exstirpirten  Pyonephrose  zu  zeigen,  das  dosshalb  interessant  ist, 
weil  es  gleichfalls  darthut,  ein  wie  geringer  Rest  von  Nieren¬ 
rindensubstanz  nur  noch  erhalten  zu  sein  braucht,  um  sein  Vor¬ 
handensein  in  vivo  nachweisen  zu  können.  Die  Niere  stellte 
einen  prallelastischen  Tumor  dar,  der  ballotirte,  ausgedehnten 
lumbalen  Kontakt  in  Rückenlage,  abdominalen  in  Seitenlage  er¬ 
gab.  Cystoskopisch  zeigte  sich  ein  aus  der  linken  Uretermündung 
heraushängender  Eiterpfropf,  der  bei  Druck  auf  die  linke  Niere 
sich  allmählich  loslöste.  Damit  war  die  Diagnose  Pyonephrose 
einerseits  eindeutig.  Andererseits  aber  konnte  aus  dem  Umstand, 
dass  indem  von  dieser  Eiterniere  produzirten  Eiter  noch  Phlorid¬ 
zin  zu  wenig  Glukose  verarbeitet  war,  bestimmt  vorausgesagt 
werden,  dass  doch  noch  etwas  weniges  Nierenparenchym  vor¬ 
handen  sein  müsse.  Wie  wenig  das  sein  muss,  damit  es  durch 
Ureterkatheterismus  und  Analyse  auf  Glukose  noch  nachgewiesen 
werden  kann,  werden  Sie  leicht  an  der  herumgegebenen  Niere 
erkennen  können.  Beiläufig  sei  noch  bemerkt,  dass  der  gesammte 
Eiter,  der  zur  Untersuchung  auf  Glukose  gewonnen  wurde,  durch 
nur  2  Ureterkontraktionen  von  der  Niere  geliefert  wurde. 

.  Aber  noch  etwas  anderes  ist  aus  diesen  beiden  durch 
Nephrektomie  gewonnenen  Präparaten  zu  ersehen.  Und  das 
scheint  mir  sie,  im  Zusammenhalt  mit  den  Ergebnissen  der 
vorausgegangenen  Funktionsprüfung,  besonders  interessant  zu 
machen.  Es  ist  ein  glücklicher  Zufall,  dass  in  beiden  das  Nieren- 
parcnchym  bis  auf  geringste  Rindenreste  gleichmässig  durch  den 
regressiven  bezw.  proliferirenden  Prozess  zerstört  ist  und  dass 
unter  diesen  Verhältnissen  die  Zuckerbildung  aus  dem  Phloridzin 
studirt  werden  konnte.  Wir  werden  auf  diese  Weise  mit  der 
Deutlichkeit  des  Experiments  auf  den  Ort  hingewiesen,  wo  das 
Phloridzin  zu  Glukose  verarbeitet  wird.  Wenn  man  sieht,  wie  hier 
fast  das  ganze  Nierenparenchym  in  dem  einen  Falle  eitrig  einge¬ 
schmolzen,  in  dem  anderen  in  dem  Karzinom  aufgegangen  ist 
und  cs  in  beiden  Fällen  nur  minimalster  Reste  Rindensubstanz 
zur  Glukoseverarbeitung  bedarf,  so  wird  man  im  Zusammenhang 
mit  dem  histologischen  Befund,  der  vorwiegend  das  Erhaltensein 
der  Glomeruli  erkennen  liess,  nicht  fehlgehen,  wenn  man  die 
Glomeruli  als  die  Stätte  betrachtet,  in  der  der  Umbau  des  Phlorid¬ 
zin  in  Glukose  vor  sich  geht. 

Zum  Schluss  sei' es  mir  gestattet,  hinzuweisen  auf  den  Fall, 
in  dem  es  mir  durch  Ureterkatheterismus  und  Prüfung  der 
Nierenfunktion  gelungen  ist,  das  Vorhandensein  und  somit  das 
Vorkommen  einer  einseitigen  Nephritis  dadurch  nachzuweisen, 
dass  sich  im  Urin  der  betreffenden  Seite  hyaline  Zylinder  fanden, 
während  der  Urin  der  anderen  Seite  frei  davon  war.  Darf  ich 
noch  anfügen,  dass  die  Analyse  der  gesondert  aufgefangenen 
Sekrete  uns  eine  thatsächlich  bestehende,  sehr  erhebliche  funk¬ 
tionelle  Beeinträchtigung  auf  Seiten  dieser  Niere  auf  deckte,  dass 
diese  Niere  zeitweise,  insbesondere  in  Bezug  auf  Zuckerverarbei¬ 
tung  aus  Phloridzin,  bedeutend  schlechter  als  die  andere  arbeitete, 
so  bin  ich  am  Ende  meiner  heutigen  Ausführungen  angelangt. 

Man  wird  sich  der  Ansicht  nicht  verschliessen  können, 
dass  die  Untersuchung  der  Nierenfunktion  mittels  Üreterkathe- 

Xo.  29. 


terismus’  und  mittels  gesonderter  Harnanalyse  uns  durch  das 
Erkennen  der  getrennten  Thätigkeit  einer  jeden  Niere  in  der 
Diagnose  und  damit  Hand  in  Hand  gehend  in  der  Therapie  der 
chirurgischen  Nierenerkrankungen  einen  wichtigen  Schritt  vor¬ 
wärts  gebracht  hat. 


lieber  Encephalitis  haemorrhagica  acuta.') 

Von  Dr.  Stegmann  in  Dresden. 

M.  II. !  Sie  werden  sich  vielleicht  erinnern,  dass  im  Jahre 
1897  mein  Vorgänger,  Herr  Dr.  L  ii  h  r  m  a  n  n,  Ihnen  eine  Reihe 
von  Fällen  schilderte,  welche  das  Bild  der  von  Wernicke  zu¬ 
erst  beschriebenen  und  nach  ihm  benannten  Poliencephali  - 
t  i  s  haemorrhagica  superior  darboten.  Es  handelte 
sich  dort  um  jene  fast  ausschliesslich  bei  Trinkern  beobachtete 
hämorrhagische  Entzündung  der  grauen  Substanz  im  III.  und 
IV.  Ventrikel  und  im  Aquaeductus  Sylvii,  welche  meist  unter  dem 
Bilde  des  Delirium  tremens  beginnt,  deren  auffallendstes  Symptom 
neben  Somnolenz  und  schweren  allgemeinen  Störungen  eine  meist 
vollständige  Lähmung  der  Augenmuskeln  ist,  und  die  gewöhn¬ 
lich  rasch  zum  Tode  führt. 

Heute  möchte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nehmen 
für  eine  andere  Form  von  Hirnentzündung,  welche  ihrem  patho¬ 
logisch-anatomischen  Charakter  nach  dem  Wernicke  sehen 
Typus  nahe  verwandt,  klinisch  aber  doch  von  ihm  zu  unter¬ 
scheiden  ist  und  die  von  Strümpell  und  Leichtenstern 
zuerst  als  Encephalitis  haemorrhagica  acuta  beschrieben  wurde. 

Strümpell  hatte  schon  seit  Anfang  der  80  er  J  ahre  seine 
Aufmerksamkeit  den  Encephalitisformen  zugewandt  und  beson¬ 
ders  darauf  hingewiesen,  dass  die  zerebrale  Kinderlähmung  min¬ 
destens  in  einem  Teile  der  Fälle  aus  encephalitischen  Prozessen 
hervorgehe.  Leichtenstern  hatte  um  dieselbe  Zeit  Ence¬ 
phalitis  als  Begleiterscheinung  epidemischer  Zerebrospinalmenin- 
gitis  beschrieben.  Beide  Autoren  beobachteten  nun  -eine  Reihe 
von  Encephalitisfällen  im  Anschluss  an  Influenzaerkrankungen 
und  lenkten  durch  genaue  Beschreibung  derselben  im  Jahre  1890 
die  Aufmerksamkeit  auf  dieses  Krankheitsbild.  Seitdem  wurden 
von  verschiedenen  Autoren  ähnliche  Fälle  mitgeteilt  und  1897 
konnte  Oppenheim  in  einer  Monographie  bereits  eine  scharf 
umrissene  Charakteristik  der  Encephalitis  haemorrhagica  acuta 
non  purulenta  geben,  die  auch  heute  noch  als  massgebend  an¬ 
zusehen  ist,  wenngleich  unsere  Kenntnis  der  Krankheit  durch 
gründliche  Arbeiten  von  F  r  i  e  d  m  a  n  n,  N  o  n  n  e  und  Oppen- 
h  eim  selbst,  sowie  durch  eine  Reihe  kasuistischer  Mitteilungen 
,  von  anderen  Autoren  erweitert  und  vervollständigt  worden  ist. 
Immerhin  ist  die  Zahl  der  genau  beobachteten  geheilten  Fälle, 
in  denen  die  Diagnose  mit  Sicherheit  gestellt  werden  konnte, 
noch  nicht  sehr  gross  und  ich  benutze  die  Gelegenheit,  Ihnen 
einen  derartigen,  hier  im  Stadt-Irrenhaus  beobachteten  Fall  zu 
schildern,  um  so  lieber,  da  dieser  Fall  manche  interessante  Be¬ 
sonderheiten  aufweist. 

Gestatten  Sie  mir  zunächst,  Ihnen  das  von  Oppenhei  m 
geschilderte  Krankheitsbild  in  seinen  wichtigsten  Zügen  zu  re¬ 
kapitulieren. 

Die  Encephalitis  haemorrhagica  acuta  befällt  meist  jugend¬ 
liche  Personen  und  tritt  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  im  unmittel¬ 
baren  Anschluss  an  eine  akute  Infektionskrankheit  auf,  meist, 
wie  schon  erwähnt,  nach  Influenza,  doch  auch  nach  Pneumonie, 
Diphtherie,  Endocarditis  ulcerosa  u.  a.  Nach  kurzem  Vorstadium, 
manchmal  auch  ganz  ohne  Vorboten,  setzt  die  Krankheit  mit 
den  schwersten  Gehirnerscheinungen  ein.  Häufig  werden  zu  Be¬ 
ginn  Krämpfe  oder  wenigstens  krampfartige  Muskelzuckungen 
beobachtet;  heftigster  Kopfschmerz,  Bewusstlosigkeit  und  im 
weiteren  Verlauf  mehr  oder  weniger  ausgebreitete  Lähmungs¬ 
erscheinungen  beherrschen  das  Krankheitsbild  und  während  in 
günstig  verlaufenden  Fällen  nach  Aufklärung  des  Bewusstseins 
die  übrigen  Erscheinungen  im  Laufe  einiger  Wochen  oder  Monate 
zurückgehen,  tritt  in  anderen  unter  andauerndem  Koma  und 
schweren  allgemeinen  Störungen  in  wenigen  Tagen  der  Tod  ein. 

Pathologisch-anatomisch  charakterisiert  sich  die  Krankheit 
als  ein  Entzündungsprozess  mit  multiplen  Blutungen,  die  sich 
über  mehr  oder  weniger  ausgedehnte  Bezirke  des  Grosshirns  er- 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil 
künde  zu  Dresden  am  22.  März  1902.; 


4 


2222 


MÜENCILENER  MED1CINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


strecken.  Meist  handelt  es  sich  um  ganz  kleine,  etwa  stecknadel¬ 
kopfgrosse  Blutaustritte,  doch  findet  man  auch  grössere  Er¬ 
weichungen,  die  sieh  von  apoplektischen  Herden  nur  dadurch 
unterscheiden,  dass  eine  gröbere  G ef ässerk rankung  oder  -Ver¬ 
stopfung  einer  Hirnarterie  nicht  nachweisbar  ist.  Durch  die 
Güte  des  Herrn  Medizinalrat  Dr.  S  c  h  m  o  r  1  bin  ich  in  der  Lage, 
Ihnen  ein  solches  Präparat  zu  zeigen. 

Sie  sehen  an  demselben  einen  grossen  Bluterguss,  der  zu  aus¬ 
gedehnter  Zerstörung  der  Hirnsubstanz  im  Gebiete  der  grossen 
Ganglien  geführt  hat,  und  in  seiner  Umgebung  zahlreiche  punkt¬ 
förmige  Blutungen,  welche  dem  Ilemisphiiremnark  ein  gespren¬ 
keltes  Aussehen  geben.  Das  andere  Präparat,  welches  ich  eben¬ 
falls  Herrn  Obermedizinalrat  Dr.  Schmorl  verdanke,  zeigt 
Ihnen,  wenn  auch  etwas  verblasst,  die  kleinen  Blutpunkte,  welche 
hier  ausgedehnte  Hirnbezirke  durchsetzen. 

Die  mikroskopische  Betrachtung  zeigt  in  den  erkrankten  Hirn¬ 
partien  die  Kapillaren  und  kleinsten  Blutgefässe  erweitert,  die 
Gefiisseheide  mit  roten  Blutkörperchen  gefüllt  und  an  einzelnen 
Stellen  zerrissen,  so  dass  Blutaustritt  in  das  Gewebe  erfolgt.  Zu 
Beginn  der  Erkrankung  sieht  man  fast  nur  rote  Blutkörperchen 
in  den  Extravasaten  und  wenige  Itundzellen;  späterhin 
finden  sich  zahlreiche  Leukoeyten,  Körnchenzellen  und 
gewucherte  Gliazellen.  Herr  I)r.  Geipel  hat  mir  giitigst 
ein  Präparat  überlassen,  welches  Ihnen  ein  Bild  des 
ersten  Stadiums  zu  geben  vermag.  Es  handelt  sich  um  einen 
an  Pneumonie  verstorbenen  Kranken,  bei  dem  als  zufälliger  Sek¬ 
tionsbefund  multiple  Blutungen  in  das  Splenium  des  Balkens  ent¬ 
deckt.  wurden,  ohne  dass  die  klinische  Beobachtung  Anhaltspunkte 
für  das  Bestehen  einer  Encephalitis  gegeben  hätte,  was  ja  bei  dem 
Sitz  und  der  geringen  Ausdehnung  des  Prozesses  erklärlich  ist. 
Die  Blutaustritte  scheinen  erst  ganz  kurz  vor  dem  Tode  erfolgt 
zu  sein  und  es  muss  auffallen,  dass  Entzündungserscheinungen 
nicht  wahrzunehmen  sind.  Das  aufgestellte  Präparat  zeigt  sehr 
schön  ein  kleines,  in  eint'  Blutung  eingebettetes  Blutgefäss. 

Die  Frage  nach  der  Ursache  solcher  Blutungen  ist  noch 
nicht  ganz  geklärt;  am  wahrscheinlichsten  ist  es,  dass  Toxine 
auf  die  Gefässwand  schädigend  einwirken,  in  einzelnen  Fällen 
ist  es  aber  gelungen,  den  Pfeiffer  sehen  Influenzabazillus 
und  Pneumokokken  in  den  encephalitischen  Herden  nachzu¬ 
weisen,  woraus  wohl  hervorgeht,  dass  mit  dem  Blutstrom  Bak¬ 
terien  ins  Gehirn  gelangen  und  sich  dort  ansiedeln  können.  Dass 
cnccphali tische  Herde  unter  Hinterlassung  einer  Narbe  ausheilen 
können,  hat  Oppenheim  in  einem  Falle  anatomisch  nachzu¬ 
weisen  vermocht,  bei  dem  cinig-e  Monate  nach  dem  Ablauf  einer 
Encephalitis  der  Tod  durch  eine  andere  Krankheit  herbeigeführt 
wurde. 

Der  Fall  von  Encephalitis  haemorrhagica,  den  ich  Ihnen 
schildern  möchte,  ist,  wie  bereits  erwähnt,  in  Heilung  ausge¬ 
gangen  und  ich  werde  nun  zunächst  versuchen.  Ihnen  einen 
Ueberblick  über  den  Krankheitsverlauf  zu  geben  und  erst  dann 
auf  einzelne  bemerkenswerte  Erscheinungen  etwas  näher  ein- 
gehen. 

Es  handelte  sich  um  einen  24  Jahre  alten  Bildhauer,  der  aus 
gesunder  Familie  stammt  und  selbst  auch  bis  dahin  stets  gesund 
war.  Er  hat  eine  gute  Schulbildung  erhalten,  hat  sich  dann  in 
Wien  und  Paris  künstlerisch  ausgebildet  und  ist  hierauf  als  tech¬ 
nischer  Leiter  in  die  väterliche  Fabrik  für  Kunstgegenstände  ein- 
getreten.  Kurz  vor  Weihnachten  1001  unternahm  er  eine  grössere 
lteise,  die  ihn  u.  a.  auch  hierher  nach  Dresden  führte,  wo  er  am 
10.  XIT.  ankam.  Er  hat  an  diesem  Tage  keinerlei  anstrengende 
Arbeiten  oder  Vergnügungen  unternommen  und  nachweislich 
keinerlei  Exzesse  begangen,  war  anscheinend  ganz  gesund  und 
klagte  nur  über  Müdigkeit.  Nachdem  er  sich  um  ys12  Uhr  Nachts 
von  einem  Freunde  getrennt  hatte,  brach  er  kurze  Zeit  darauf 
bewusstlos  zusammen,  bekam  Krämpfe  und  hatte  dabei  reichliches 
Erbrechen.  Der  lierbeigenifene  Arzt  verordnete  Senfpflaster  auf 
die  Herzgegend,  wodurch  die  stark  darniederliegende  Herzaktion 
wieder  belebt  wurde;  bald  aber  steigerten  sich  die  Zuckungen  und 
Bat.  verfiel  in  einen  Aufregungszustand,  in  dem  er  wild  um  sich 
schlug,  so  dass  er  gefesselt  in  das  Stadt-Irrenhaus  überführt 
werden  musste.  Auch  bei  der  Aufnahme  warf  sich  Pat.  noch  un¬ 
ruhig  umher,  war  bewusstlos  und  reagierte  weder  auf  Anruf  noch 
auf  Nadelstiche.  Die  Pupillen  waren  sehr  weit,  reagierten  träge 
auf  Lichteinfall,  die  Augen  wurden  nach  verschiedenen  Richtungen 
verdreht,  die  Atmung  war  röchelnd,  der  Puls  gut  gespannt,  regel¬ 
mässig.  06  in  der  Minute.  Auch  am  folgenden  Tage  lag  Pat.  noch 
in  tiefem  Koma,  wenn  er  auch  auf  energischen  Anruf  reagierte 
und  mühsam  lallend  seinen  Namen  zu  nennen  vermochte.  Beim 
Versuch,  ihn  zu  füttern,  trat  Erbrechen  ein.  Eine  genaue  körper¬ 
liche  Untersuchung  ergab  wenig  Anhaltspunkte.  Es  fanden  sich 
an  den  Zungenrändern  frische  Quetschwunden  und  am  Herzen 
erschien  der  erste  Ton  nicht  ganz  rein;  die  Sehnenreflexe  waren 
sämtlich  gesteigert  —  sonst  konnte  keine  Abnormität  nachgewiesen 
werden.  Auch  am  2.  und  3.  Krankheitstage  trat  hierin  keine  Aen- 
derung  ein.  nur  wurde  das  Bewusstsein  freier,  so  dass  Pat.  ein¬ 
fache  Fragen  beantworten  konnte.  Er  klagte  über  heftigen 


No.  20. 


Kopfschmerz,  der  Hinterkopf  war  bei  Beklopfen  empfindlich,  er 
gähnte  viel,  wälzte  sich  im  Bett  umher  und  verfiel  in  Halbschlaf, 
sobald  man  ihn  sich  selbst  überliess.  lieber  Ort  und  Zeit  war  er 
ganz  unorientiert.  Am  Abend  des  3.  Krankheitstages  fand  sich 
der  rechte  Kniereflex  schwächer  als  der  linke  und  am  Augen¬ 
hintergrund  wurden  Blutungen  bemerkt.  Herr  Dr.  F.  Schanz 
hatte  die  Freundlichkeit,  den  Befund  zu  kontrollieren,  und  stellte 
fest,  dass  die  Arterien  normal,  die  Venen  aber  stark  gefüllt  und 
von  Blutungen  begleitet  waren.  Sehvermögen,  Pupillen  und 
Augenmuskelbewegungen  waren  intakt.  An  den  folgenden  Tagen 
klagte  Pat.  über  unerträglichen  Kopfschmerz,  Lichtscheu,  starken 
Durst  und  Schwindelgefühl;  es  bestand  Unsicherheit  im  Gehen 
und  Stehen,  die  Benommenheit  dauerte  an  und  Pat.  warf  sich 
laut  stöhnend  im  Bett  umher.  Allmählich  stieg  nun  die  Tem¬ 
peratur  und  erreichte  am  5.  Tage  als  höchsten  Punkt  38,8°,  wobei 
zugleich  am  Herzen  die  Erscheinungen  der  Endokarditis  hervor¬ 
traten.  Das  anfangs  kaum  merkliche  Geräusch  an  der  Herzspitze 
war  jetzt  über  allen  Ostien  laut  hörbar,  die  Herzdämpfung  ver¬ 
breiterte  sich  nach  rechts  und  links  und  der  Puls  war  zwar  regel¬ 
mässig.  stieg  aber  bis  auf  110  in  der  Minute. 

Nunmehr  traten  auch  Lähmungserscheinungen  auf  und  zwar 
zunächst  eine  isolierte  komplette  Lähmung  des  M.  rectus  externus 
am  linken  Auge,  welche  gleichnamige  nebeneinanderstehende 
Doppelbilder  hervorrief.  Dann  zeigte  sich  auch  eine  zunehmende 
Schwäche  der  vom  Fazialis  versorgten  Muskeln  rechts  und  zwar 
zuerst  der  Mund-,  dann  der  Augen-  und  zuletzt  der  Stirnregion. 
Sämtliche  Sehnenreflexe  fehlten  vom  (>.  Krankheitstage  an  völlig. 
Andere  Lähmungen  und  Störungen  der  Sensibilität  oder  der  Sinnes¬ 
organe  traten  nicht  auf,  ebensowenig  Sprachstörungen. 

Auf  diesem  Höhepunkt  angelangt,  blieb  das  Krankheitsbild 
einige  Tage  unverändert,  dann  kehrte  zunächst  die  Temperatur 
zur  Norm  zurück,  die  Erscheinungen  am  Herzen  wurden  weniger 
deutlich  und  auch  die  Schwäche  des  Fazialis  glich  sich  allmählich 
völlig  aus.  Gleichzeitig  kehrten  die  Sehnenreflexe  zurück  und 
zwar  zuletzt  der  rechte  Kniereflex,  der  seinerzeit  zuerst  geschädigt 
war.  Nur  die  Abducenslähmung  blieb  völlig  unverändert  und  auch 
die  Veränderungen  am  Augenhintergruiule  blieben  noch  längere 
Zeit  gleichmässig  bestehen.  Das  Bewusstsein  wurde  mit  der  Bes¬ 
serung  des  körperlichen  Befindens  allmählich  ganz  frei,  die  sub¬ 
jektiven  Beschwerden  traten  ganz  zurück  und  es  entwickelte  sich 
geradezu  eine  euphorische  Stimmung,  die  den  Pat.  manchmal  zu 
kindisch-läppischem  Verhalten  führte  und  ihn  die  vielfachen  Stö¬ 
rungen  durch  Doppelbilder  und  Schwäche  des  Gedächtnisses  kaum 
empfinden  liess.  Patient  wurde  etwa  4  Wochen  nach  Beginn 
der  Krankheit  nach  Hause  entlassen,  nachdem  am  Herzen  auch 
die  letzten  Zeichen  der  überstandenen  Endokarditis  verschwunden 
waren;  er  war  aber  nach  dem  Bericht  seines  Hausarztes  noch  vor 
kurzer  Zeit  völlig  arbeitsunfähig.  Die  Abducenslähmung  bestand 
noch  unverändert  und  störte  durch  Doppelbilder  erheblich  und  vor 
allem  fiel  der  Umgebung  die  ausserordentliche  Gedächtnisschwäche 
des  Pat.  auf.  Er  sollte  daher  zu  seiner  weiteren  Erholung  ein 
Sanatorium  aufsuchen. 

Gehen  wir  nun  auf  die  Einzelheiten  des  Falles  ein,  so  wird 
zunächst  die  Diagnose  einer  näheren  Begründung  bedürfen  und 
es  wird  hierzu  am  besten  sein,  die  U eberlogungen  zu  wiederholen, 
welche  uns  bei  der  Beurteilung  des  Falles  tatsächlich  geleitet 
haben.  Der  Zustand  des  Kranken  bei  der  Aufnahme  legte  den 
Gedanken  an  eine  Vergiftung  nahe,  insbesondere  musste  man 
an  Alkoholwirkung  denken,  die  wir  hier  nicht  selten  in  ähnlicher 
Form  mit  Erbrechen,  Krämpfen,  Bewusstlosigkeit  und  Erregungs¬ 
zuständen  einhergehen  sehen.  Pat.  hatte  aber  nachweislich  keine 
erheblichen  Alkoholmengen  zu  sich  genommen  und  an  andere 
Gifte  zu  denken,  lag  kein  Grund  vor,  insbesondere  fand  sich  auch 
kein  Zeichen  von  Urämie  oder  einer  anderen  Autointoxikation. 
Die  Zungenbisse  Hessen  den  Gedanken  an  Epilepsie  erwägen, 
doch  war  von  früheren  Anfällen  nichts  bekannt  und  die  Art  der 
Bewusstseinsstörung  nach  dem  Anfall  hätte  mindestens  sehr  un¬ 
gewöhnlich  erscheinen  müssen.  Eine  Kopfverletzung  konnte  aus¬ 
geschlossen  werden,  da  hierzu  jede  Gelegenheit  gefehlt  hatte,  an 
eine  Apoplexie  konnte  bei  der  Jugend  des  Pat.  und  beim  Fehlen 
jeder  Spur  von  Arteriosklerose  kaum  gedacht  werden.  Zeichen 
von  Lues  fanden  sich  nicht  und  es  fehlte  auch  zu  Anfang  jeder 
Hinweis  auf  eine  akute  Infektionskrankheit.  Für  Meningitis 
konnte  ausser  Kopfschmerz  keines  der  charakteristischen  Sym¬ 
ptome  nachgewiesen  werden,  es  bestand  ferner  weder  Fieber,  noch 
Milzvergrösserung,  noch  irgend  ein  Exanthem ;  auch  das  gering¬ 
fügige  Geräusch  am  Herzen  gab  zunächst  keinen  Anhaltspunkt, 
da  die  Herztätigkeit  durchaus  normal  und  die  Dämpfungsfigur 
nicht  vergrössert  war.  Es  blieb  nun  noch  die  Frage,  ob  ein  Hirn¬ 
tumor  oder  ein  Hirnabszess  vorliegen  könne.  Für  einen  Abszess 
fehlte  es  wiederum  an  einer  Eingangspforte,  zumal  auch  die  von 
Herrn  Dr.  B.  Hoffmann  vorgenommene  genaue  Untersuchung 
von  Nase  und  Ohren  durchaus  normalen  Befund  ergeben  hatte. 
Wenn  ein  Tumor  vorlag,  so  musste  es  merkwürdig  erscheinen, 


22.  Juli  1902. 


MÜENCHENER  MERlCTNTSCliE  WOCHENSCHRIFT. 


122?, 


dass  er  so  plötzlich  zu  schweren  Störungen  führte,  ohne  doch 
irgendwie  lokalisierte  Ausfalls-  oder  Reizerscheinungen  zu 
machen. 

Es  blieben  demnach  nur  noch  zwei  Möglichkeiten  übrig,  zu¬ 
mal  nachdem  der  Befund  am  Augenhintergrund  die  Lage  etwas 
mehr  geklärt  hatte :  Sinusthrombose  oder  Encephalitis  haemor- 
rhagica.  An  Sinusthrombose  musste  man  denken,  weil  die  Stau¬ 
ung  in  den  Venen  des  Augenhintergrundes  auffällig  war,  doch 
Hessen  sich  sonst  keine  Stauungserscheinungen  nachweisen  und 
vor  allem  fand  sich  auch  weder  Anämie  noch  eine  andere  Ursache 
zur  Entstehung  einer  solchen  Thrombose.  Ganz  auffallend  er¬ 
innerte  aber  die  verwaschene  Färbung  in  der  Umgebung  der  Blu¬ 
tungen  an  das  Bild,  welches  die  von  Encephalitis  befallenen  Hirn¬ 
teile  auf  der  Schnittfläche  darbieten  und  wie  es  in  der  Mono¬ 
graphie  von  Oppenheim  nach  üayet  abgebildet  ist. 


Der  weitere  Verlauf  bestätigte  denn  auch  die  Annahme,  dass 
Encephalitis  vorliege,  und  es  liess  sich  sogar  mit  einiger  Sicher¬ 
heit  die  Lokalisation  derselben  bestimmen.  Schon  die  subjektiven 
Störungen:  Durst,  Schwindelgefühl,  Unsicherheit  des  Ganges, 
weisen  uns  auf  die  Gegend  der  Brücke  und  des  verlängerten 
Marks;  noch  deutlicher  aber  zeigen  die  Lähmung  des  Abducens 
und  die  Schwäche  des  gegenüberliegenden  Fazialis,  dass  sich  am 


Boden  des  IV.  Ventrikels  verschiedene  kleine  Herde  befunden 
haben.  Die  VI-Lähmung  kann,  glaube  ich,  nur  als  eine  Kern- 
lälnnung  aufgefasst  werden;  sie  trat  so  isoliert  auf,  war  von 
Anfang  an  so  vollständig  und  blieb  so  gleichmässig  während  der 
ganzen  Beobachtungszeit,  dass  wir  annehmen  müssen,  eine  Blu¬ 
tung  habe  gerade  den  VI -Kern  zerstört,  der  ja  bekanntlich  am 
Boden  des  IV.  Ventrikels  im  sogen.  Knie  der  Eazialiswurzel  liegt. 
Die  Parese  des  gegenüberliegenden  VII.  dürfte  auf  eine  Schädi¬ 
gung  der  Wurzelfasern  durch  Blutungen  zurückzuführen  sein. 
Es  waren  also  diejenigen  Bezirke  erkrankt,  die  auch  in  den  typi¬ 
schen  Fällen  von  W  e  r  n  i  c  k  e  scher  Poliencephalitis  betroffen 
zu  sein  pflegen.  Dass  aber  nicht  ausschliesslich  die  graue  Sub¬ 
stanz  von  Blutungen  durchsetzt  war,  geht  aus  der  schweren  Stö¬ 
rung  der  psychischen  Funktionen  hervor,  auf  die  ich  bisher  nur 
flüchtig  hinweisen  konnte.  Schon  in  den  ersten  Tagen  zeigte  sicn, 
dass  Pat.  das  Gedächtnis,  zumal  für  jüngst  Erlebtes  fast  ganz 
verloren  hatte.  Nicht  nur  für  die  Ereignisse  kurz  vor  der  Ueber- 
führung  in  die  Anstalt  bestand  Amnesie,  er  erinnerte  sich  der 
ganzen  Reise  nicht  mehr,  glaubte  bald  im  Juli,  bald  im  Oktober 
1901  zu  leben;  erinnerte  sich  der  Erlebnisse  aus  den  letzten 
Monaten  überhaupt  nicht,  vermochte  aber  auch  diejenigen  aus 
dem  Anfang  des  Jahres  nur  höchst  mangelhaft  zu  reproduzieren 


und  war  sogar  nicht  imstande  seinen  Lebenslauf  geordnet  zu  er¬ 
zählen,  auch  noch  zu  einer  Zeit,  in  der  sein  Bewusstsein  durchaus 
frei  war.  Am  auffallendsten  aber  war  sein  Unvermögen,  lat- 
saelien  und  Namen  zu  merken,  die  ihm  mitgeteilt  wurden,  und 
in  der  ersten  Krankheitswoche  gelang  es  nicht,  ihm  einzuprägen, 
dass  er  in  Dresden  sei.  Er  fasste  zwar  die  Mitteilung  richtig  auf, 
vergass  sie  aber  sofort  wieder  und  wusste  einmal  30  Sekunden, 
nachdem  es  ihm  gesagt  worden  war,  nicht  mehr,  wo  er  sich  be¬ 
finde;  jedes  Mal  wieder  war  er  erstaunt,  in  Dresden  zu  sein  und 
fragte,  wie  er  dahin  komme.  Ebenso  schnell  vergass  er,  dass  er 
Besuch  von  seinen  Angehörigen  gehabt  und  war  immer  wieder 
verwundert,  diese  hier  zu  sehen.  Allmählich  merkte  er  dann 
allerdings  die  einfachsten  Daten,  doch  verwechselte  er  noch  bei 
seinem  Abgang  die  Namen 'der  Aerzte,  die  er  täglich  gesehen 
hatte  und  vermochte  einfache  Vorgänge  nur  auf  wenige  Stunden 
im  Gedächtnis  zu  behalten.  Erinnerungstäuschungen  traten  nur 
ganz  zu  Anfang  in  geringem  Masse  auf  und  zwar  nur  in  dem 
Sinne,  dass  Pat.  die  Lücken  seiner  Erinnerung  dadurch  au-zu- 
füllen  suchte,  dass  er  frühere  Erlebnisse  und  Eindrücke  in  die 
neueste  Zeit  verlegte. 


Wir  müssen  annehmen,  dass  diese  Störungen  auf  Unter¬ 
brechung  von  sogen.  Assoziationsfasern  im  Marklager  der  Grass¬ 
hirnhemisphären  beruhen;  dass  die  Rinde  in  grösserer  Aus¬ 
dehnung  betroffen  sei,  ist  nicht  anzunehmen,  da  weder  Sprach¬ 
störungen  irgend  welcher  Art,  noch  sonstige  Störungen,  ins¬ 
besondere  auch  nicht  motorische,  nachzuweisen  waren,  die  aul 
Rindenerkrankung  bezogen  werden  könnten.  Von  ganz  be¬ 
sonderem  Interesse  ist  aber  weiterhin  das  Verhalten  der  Sehnen¬ 
reflexe.  B  runs  hat  bekanntlich  durch  seine  eingehenden  Lntcr- 
suehungen  nachgewiesen,  dass  bei  völliger  Dnrchtrennung  des 


Halsmarks  die  Kniereflexe  fehlen,  auch  wenn  der  Reflexbogen  im 
Lendenmark  intakt  ist,  wie  dies  schon  B  a  s  t  i  a  n  im  Jahre  1890 
behauptet  hatte. 

Seitdem  ist  die  Frage  oft  erörtert  worden,  wie  diese  Tat¬ 
sache  zu  erklären  sei,  ohne  dass  bis  jetzt  eine  ganz  befriedigende 
Lösung  gefunden  wurde.  Auch  unser  Fall  kann,  da  er  nicht  ana¬ 
tomisch  untersucht  ist,  die  Frage  natürlich  nicht  entscheiden, 
immerhin  ist  folgendes  bemerkenswert:  Die  Sehnenreflexe  waren 
gesteigert  zu  einer  Zeit,  in  der  auch  andere  Reizerscheinungen 
(Krämpfe,  Muskelunruhe,  Erbrechen,  Schwindel)  bestanden;  mit 
dem  Auftreten  von  Lähmungen  verschwanden  die  Sehnenreflexe 
und  zwar  nicht  nur  die  Knie-,  sondern  auch  die  Aneonaeus-  und 
Achillessehnenreflexe;  gleichzeitig  mit  dem  Zurückgehen  der 
Fazialislähmung  erschienen  dann  die  Sehnenreflexe,  zunächst 
noch  schwach  und  unsicher,  dann  aber  in  normaler  Weise  wieder. 
Es  scheint  dies  doch  darauf  hinzuweisen,  dass  eine  zum  Zustande¬ 
kommen  der  Sehnenreflexe  notwendige  Bahn  hier  zunächst  ge¬ 
reizt  und  dann  für  eine  gewisse  Zeit  unterbrochen,  schliesslich 
aber  wieder  leistungsfähig  wurde. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  ich  näher  auf  diese  F  ragen 
eingehen  wollte;  zum  Schluss  möchte  ich  nur  noch  über  Aetio- 
logie  und  Therapie  in  unserem  Falle  einiges  anf  ühren.  Die  Aetio- 
logie  ist  wie  in  vielen  ähnlichen  Fällen  recht  unklar;  cs  muss 
eine  Infektion  Vorgelegen  haben,  welche  die  Endokarditis  ver¬ 
ursachte,  und  deren  Erreger  wohl  vom  Endokard  aus  in  das  Ge¬ 
hirn  gelangten;  welcher  Art  aber  die  Infektion  war,  entzieht 
sich  unserer  Kenntnis  —  wahrscheinlich  handelt  es  sich  um 
Influenza.  Auffallend  ist  auch,  dass  nur  das  Herz  und  das  Ge¬ 
hirn  befallen  wurden,  während  die  Nieren  dauernd  ganz  1  rei 
blieben  und  auch  trotz  sorgfältigen  Sucliens  nirgendwo  Embolien 
gefunden  wurden. 

Die  Therapie  bestand  in  möglichster  Ruhestellung,  Eis¬ 
kühlung  des  Kopfes  und  Entleerung  des  Darmes.  Von  einem 
Aderlass  wurde  abgesehen,  da  hierzu  keine  dringende  Indikation 
vorlag,  es  wurde  aber  versucht,  durch  feuchte  Packungen  der 
Ibisse  auf  die  Blutverteilung  einzuwirken. 


Die  Prognose  konnte,  nachdem  die  Diagnose  feststand,  schon 
früh  relativ  günstig  gestellt  werden,  wobei  der  von  Oppen¬ 
heim  besonders  hervor  gehobene  Umstand  massgebend  war,  dass 
das  Bewusstsein  des  Pat.  sich  frühzeitig  klärte,  und  hierin  liegt 
ein  Moment  von  hoher  praktischer  Bedeutung,  ln  einem  von 
Oppenhci  m  beschriebenen  Encephalitisfall  war  die  Eröffnung 
des  Warzenfortsatzes  vorgenommen  worden,  weil  man  einen  Ab¬ 
szess  vermutete  und  dieser  diagnostische  Irrtum  wurde  später 
für  den  Pat.  verhängnissvoll.  Wir  werden  also,  zumal  ja  In¬ 
fluenzaerkrankungen  jetzt  überall  häufig  sind,  doppelt  vorsichtig 
sein  in  der  Diagnose  Abszess  oder  Tumor  cerebri  und  werden  hier¬ 
bei  stets  an  das  Krankheitsbild  der  Encephalitis  haemorrhagica 
rfi-nken  müssen,  um  vor  Irrtiimern  bewahrt  zu  bleiben. 


Nachtrag  vom  12.  VII.  02:  Nach  einem  in  diesen  Tagen 
eingegangenn  n  Schreiben  des  Pat.  hat  dieser  seit  einigen  \\  ochen 
seine  geschäftliche'  Thätigkeit  wieder  aufgenommen.  Er  klagt 
noch  über  Gedächtnisschwäche  und  bedient  sich  im  täglichen  \  or¬ 
kehr  eines  Notizbuches;  im  übrigen  hat  er  keinerlei  Beschwerden 
mehr  und  gibt  an,  dass  die  Augenmuskellähmung  völlig  geheilt  ist. 
so  dass  er  nicht  mehr  schitle  und  bereits  seit  längerer  Zeit  keine 
Doppelbilder  mehr  habe. 


Die  Myxome  der  Ovarien. 


Von  Dr.  Carl  II  e  n  n  i  g  in  Leipzig. 

Die  Gallertgeschwülste  der  Eierstöcke  gehören  nicht  zu  uea 
täglichen  Vorkommnissen.  Ehe  eine  allgemeine  Besprechung 
darüber  erfolgen  kann,  ist  cs  von  Nutzen,  eine  Durchsicht  dci 
Begriffe  Gallert,  Schleim,  Mucinkörper  vorzunehmen.  Hierin 
haben  Scherer,  IL  Virc  h  o  w  (Onkologie  I,  203 ;  11 1,  31  und 
seine  meist  falsch  zitirte  Schrift  :  Verhandlungen  der  Gesellschaft 
für  Geburtskunde,  Berlin,  III,  197,  1848),  B  i  r  c  h  -  1 1  i  r  s  c  h - 
fei  d,  March  and,  Pfannenstiel,  Werth  aulklärend 
gewirkt.  E.  Ziegler  hat  weitere  Schlüsse  auf  den  verwandten 
Schleim-  oder  Gallertkrebs  gezogen. 

Normal  zeigt  sich  schleimige  Gallert  in  Gelenkhöhlen  und  ;n 
den  Z wischen wi rbelb ii n  d  ern  der  Kinder.  Krankhaft  tritt  dm 
Myxomkern  im  G  a  1 1  e  r  t  k  r  o  p  f  e  auf ;  darin  bemerkt  man 
z  e  1 1  i  g  e  T  li  e  i  1  e,  Eettkörner,  auch  eingesprengten  Kalk.  Die 
Gallertmasse  kann  von  den  Rändern  her  erweichen  und  zu  einer 

4* 


3224 


MtJENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


zähen,  schlüpfrigen  Flüssigkeit  mit  reichlichem  Gehalte  an 
Natroneiweiss  zerfliessen. 


Der  Inhalt  der  G  raa  Eschen  Follikel  ist  fast  reine  Par- 
alliuminlösung  (\\  aldeyer).  Der  Inhalt  der  Kystome  ge- 
liört  bald  der  Mucinreihe  an:  Pseudomucin  (Pfannenstiel 
nimmt  drei  Arten  mit  abgestuftem  Gehalte  an  N:  16—7  Proz. 
an),  C  olloi'd,  Sehleimpepton,  bald  der  Albuminreihe,  besonders 
mich  öfterer  Punktion  der  Cyste:  Paralbumin,  Metalbumin, 
Albuminpepton.  I  ebergang  einer  Art  in  die  andere  war  schon 
den  früheren  Aerzten  bekannt,  zumal  betreffend  die  schleimige 
!  mwandlung  der  Krebse  und  der  geborstenen  colloiden  Adeno- 

k, \stome,  worauf  Pseudomucin  sich  im  Bauche  verbreiten  oder 
Bauchfellentzündung  folgen  kann  (Werth).  Bisweilen  laufen 
glykogenhaltende  Zellen  unter,  auch  Hyalin  (s.  Hennig: 
Katarrh  der  inneren  weiblichen  Geschlechtstheile,  1870,  S.  86). 

Am  frühesten  entarten  beim  Menschen  Reste  der  fötalen 
A  o  1  f  Eschen  Körper  oder  der  Pflüge  Eschen  Schläuche.  Da 
gibt  es  einfaches,  meist  flimmerndes  Zylinderepithel  —  sonst 
schleimerzeugendes  Zylinderepithel  (s.  unten  mein  Beispiel). 
Einbettung  des  Balges  in  das  breite  Band  kann  für 
Ursprung  im  Neebeneierstoeke  sprechen  (Olshause n).  Die 
epitheliale  Auskleidung  des  ursprünglichen  Follikels  (Keim¬ 
epithel,  Membrana  granulosa)  wird  verschoben,  endlich  ab- 
gestossen,  wann  die  Papillen  des  Balges  myxomatös  entarten 
(S  c  h  r  a  n  t,  Rokitansk  y).  Sobald  ein  Proteinkörper  dem 
Schicksale  verfällt,  gallertig  zu  werden,  so  nimmt  sein  N-Gehalt 

ab,  er  nähert  sich  immer  mehr  der  Cellulose,  dem  Zucker;  Essig 
scheidet  netzförmigen  Schleimstoff  aus.  In  gröberen  Binde- 
gewebsfächern  hängen  rundliche,  spindelförmige  bis  sterngleiche 
Körper  zusammen,  in  welche  auch  zarte  Muskelfasern,  meist 
oiganische,  höchst  selten  quergestreifte  übergehen.  Aus  der  ein¬ 
fachen,  mit  Zylinderepithel  ausgekleideten  Cyste  wächst  der  ver¬ 
schleimende  Balg  hervor,  in  welchem  häufig  niedriges,  fast 
wiiifelförmiges  Epithel  neben  hohen,  schmalen,  auch  gewimperten 
Zellen  getroffen  wird;  geschichtete,  stärkeähnliche  Körper, 
Cholestearinkrys falle  sind  nicht  selten.  Endlich  geht  die  Sülze 
häufig  in  Hyalin  oder  Fetttrypsin  über,  während  die  Zellen  kör¬ 
niges  oder  punktiges  Fett  auf  nehmen. 

Wenn  auch  die  Sülze  der  Organisation  unfähig  ist  und 
nicht  zur  Ernährung  dient,  so  schliesst  sie  doch  oft  nicht  nur 
Zellreste  ein,  sondern  wird  auch  von  neugebildeten  zarten,  selbst 
wandlosen  Blut-  und  Lymphbahnen  durchzogen,  fällt  Blutaus- 
t litten  anheim,  deren  Rückstände  sich  m  Pigmentkörncheii  oder 
Schollen  erhalten;  schon  Lizars  bildete  buntfarbige  Tochter¬ 
cysten  ab. 


„Die  glandulären  proliferirenden  Kystome  enthalten  immer 
und  reichlich  Pseudomucin,  die  papillären  Kystome  wenig  und 
nicht  stets.“  Das  Hyalin  ist  Paraglobulin.  —  Die  aller¬ 
meisten  schleim-  und  wassersüchtigem  Bälge;  gehen  aus 
ei  haltigen  Follikeln  hervor;  wenige  entstehen  als  Neu¬ 
gebilde  und  dann  zahlreiche  im  Zwischengewebe:  „Cystosarcoma 
proliferum  gelatinosum“.  Die  einfache  Balgwand  wird  später 
doppelt,  manche  sogar  muskulös,  kann  demnach  bei  der  Pal¬ 
pation  und  in  kalter  Umgebung  sich  ebenso  verkleinern  wie  ein 
Myom.  Das  unreife  lettgewebe  kann  zu  wirklichem  Fett 
werden,  dieses  wieder  zu  Schleimgewebe.  Gereizt  ist  die  Innen¬ 
wand  im  Stande,  Eiter  zu  liefern,  was  klinisch  wichtig  ist. 

Die  gallertigen  Naturerzeugnisse  bergen-  alle  etwas  Räthsel- 
liaftes  -  sie  gehen,  seien  sie  Gallertpilze,  Algen,  Quallen,  Theile 
des  thierischen  Organismus,  sämmtlich  aus  bildsamen  Zellen 
hervor,  verlassen  dieselben  bald  einfach,  aus  Becherzellen,  bald 
nach  Zerstörung,  Sprengen  der  Mutterzelle  und  kehren  als  In- 
digesta  moles  nicht  wieder  in  die  den  Körper  erhaltende  Säfte¬ 
masse  zurück,  belästigen  durch  ihre  Quellung  (Haucke:  Diss. 
inaug.  de  hydrope.  Hai.  1701). 

Zur  Statistik. 

Die  Seltenheit  der  ovariellen  Gallertcyste  erhellt  aus  den 
Meldungen  der  Operateure,  welche  nur  in  60  von  mir  als  er¬ 
härtete  Diagnosen  zusammengebrachten  Beispielen  vertreten 
sind. 

S  e  a  n  z  o  n  i  zählte  1So9  unter  41  tödtlich  abgelaufenen  Bei¬ 
spielen  von  Eierstocksgeschwulst  nur  9  colloide  (=  22  Proz.); 
S  e  h  r  ö  d  e  r  erwähnt  unter  300  Oophorektomien  in  Berlin  nur  1; 
La  croyen  ne  hatte  unter  500  lediglich  1  vielkammeriges 
( 'olloi'd  zu  exstirpiren ;  B.  Schnitze  hatte  1884—1886  50  mal 


laparotomirt,  darunter  doch  1  Colloid.  Sp.  Wells  traf  unter 
seinen  zahlreichen  Operirten  auffallend  selten  Myxom,  dagegen 
G  ullingwort  h  27  unter  52  mit  sekundären  Veränderungen. 
Die  ersten,  dazu  glücklichen  Laparotomien  wegen  gallertiger 
Cysten  hat  Mac  Do  well  1809  in  Kentucky  ausgeführt;  ihm 
folgten  Chr  y  s  m  a  r  1820,  Lizars  1825. 

Alter:  \  on  40  Kranken  war  das  Alter  angegeben,  in  wel¬ 
chem  sie  operirt  wurden.  4  Jahre  zählte  das  von  Sehwartz 
in  Göttingen  laparotomirte  Mädchen;  ihr  Uterus  war  so  gross 
wie  der  einer  Erwachsenen.  Sie  genas  rasch.  Dann  folgen  erst 
2  Kranke  von  12  und  13  Jahren,  11  zwischen  20  und  30,  15  zwi¬ 
schen  31  und  40,  4  bis  50,  5  bis  10  Jahre;  nur  2  zählten  61  Jahre 
—  sie  genasen. 

Sexuelle  T  hätigkeit:  5  werden  als  Nulliparae  auf- 
geführt,  3  als  Bniparae;  2  Geburten  gingen  voran  bei  6,  davon 
war  1  während  der  Operation  wieder  schwanger;  1  hatte  3  mal, 
4  mal  hatten  3  geboren,  davon  1  noch  ausserdem  einen  Abortus 
erlitten;  2  hatten  5  Geburten  hinter  sich,  1  =  8  Geburten,  da¬ 
runter  1  Zwillingsgeburt,  1  =  9  Geburten.  Mehrgebärende  ohne 
nähere  Angabe  sind  3  verzeichnet. 

Körperbeschaffenheit:  Es  kam  eine  Negerin  zur 
Behandlung.  Als  besonders  mager  sind  5  gemeldet,  als  „schwäch¬ 
lich,  verfallen“  4.  Demnach  waren  Viele  noch  gut  bei  Kräften. 

Dauer  der  Anschwellung:  1  mal  4  Monate,  1  mal 
Vz  Jahr,  2  mal  7  Monate,  1  mal  8  Monate,  4  mal  1  Jahr,  1  mal 
1 U,  2  mal  2,  2  mal  3,  1  mal  3  Vs,  2  mal  4  Jahre.  Eine  Person 
liesis  schnelles  Wachsthum  der  Geschwulst  wahrnehmen.  Man 
fand  bei  der  Laparotomie  ein  Uterusmyom  hinter  der  Eierstocks¬ 
geschwulst,  doch  war  das  Myem  nicht  entfernbar.  Darauf  nahm, 
wie  bisweilen  nach  Bauchschnitt,  das  Myom  binnen  3  Monaten 
bis  auf  die  Hälfte  ab.  Heirath,  Schwangerschaft.  1  Jahr 
später  wurde  das  grosse  Kystom  des  Eierstocks  entfernt 
(L.  I  a  i  t).  In  einem  anderen  Falle  verschwand  das  Uterus¬ 


myom. 

Beschaffenheit  der  Menstruation:  Das  4jähr.  Kind  men- 
struirte  etwas,  dem  12  und  dem  13  jähr.  Mädchen  fehlten  die  Menses 
vor  der  Köliotomie.  Bei  9  später  Operirten  blieben  die  Regeln 
aus  bis  zu  1  Jahre;  eine  Kranke  vermisste  sie  seit  3  Monaten, 
ward  schwanger,  abortirte,  darauf  traten  wieder  trotz  des  Tumor 
ovarii  Menses  auf.  Eine  litt  an  Menorrhagie,  man  fand  in  der 
Gallerte  des  Ovariums  Blutpunkte;  2  klagten  über  Dysmenorrhoe, 
4  über  Schleimflüsse,  worunter  einer  Eiter  ausgab. 


o  i  l  z  uer  uescnwuist :  nas  Uolioid  war 


CUUH8U  uit  rwm.’b 


wie  links  entstanden,  in  R  u  n  g  e’s  Beispiele  hatte  es  beide 
0\ aiien  befallen.  In  dem  lalle  M  li  1 1  e  Es,  welcher  ebenfalls 
beide  Organe  zu  entfernen  hatte,  später  aber  noch  eine  „r  ü  c  k  - 
fäll  i  g  e“  Cyste  mit  Flimmerbesatz,  handelte  es  sich  vielleicht 
um  ein  Myxom  de  Paroophoron. 

Eine  Colloidcyste  hatte  Muskelhülle;  2  ebensolche  waren  bei 
uer  Operation  von  solcher  Hülle  abgeschält  worden;  die  von 
Scott  operirte  hatte  hauptsächlich  Leiomgewebe.  Nur  eine 
Cyste  war  einkammerig  —  vielleicht  ein  Nebeneierstock.  Da¬ 
gegen  kamen  mehrere  kleinzellige  Geschwülste  vor.  3  waren 
dünnwandig,  2  hatten  an  der  Hinterfläche  ein  Loch,  4  barsten 
während  der  Herausnahme.  Die  Anwesenheit  von  freier  Gallerte 
im  Bauche  spricht  meist  für  ein  vor  oder  während  der  Operation 
ei folgtes  Bersten;  man  vergleiche  des  Verf.  Bericht  über  ein 
gewöhnliches  Cystoid  mit  Ascites  und  Hydrocele  muliebris  duplex 
(Tagebl.  d.  Vers.  Deutsch.  Naturf.  u.  Aerzte  zu  Magdeburg  1884, 
No.  2,  S.  22).  Eine  Cyste  barst  nach  der  Scheide.  Bisweilen 
fanden  sich  Rippen  und  Zwerchfell  mit  zäh  anhaftender  Gallerte 
belegt,  so  ist  auch  die  Cyste  manchmal  mit  Gelee  überzogen. 

Gewichte  einzelner  Tumoren:  Vz — 4 — 5 — 11  Kilo,  15  Kilo. 

Die  Gallerte  war  bald  leimig,  bald  honigähnlich,  bald  (8  mal) 
gelb  bis  hellbraun  (ward  1  mal  an  der  Luft  grünlich),  bald  (4  mal) 
dunkel,  rothbraun  bis  braun,  2  mal  bluthaltig,  nur  2  mal  farblos 
bis  weisslich. 


Grünlich  und  jauchig  fand  man  die  Gallerte  13  mal,  dennoch 
folgte  Genesung.  1  mal  roch  sie  säuerlich,  1  mal  war  sie  mit 
Eiter-  und  Körnchenzellen  versehen,  1  mal  käsig-fettig. 

In  den  meisten  Fällen  ist  das  in  den  Sack  Ergossene  al¬ 
kalisch;  bald  schwach  mit  Gehalt  von  Natronalbuminat  und 
spez  Gew.  =  1,024;  1  mal  1,05,  bald  stark,  dann  (in  3  Bei¬ 
spielen)  eiweisshaltig.  Sehr  selten  (3  Fälle)  Mucin  und  alkali¬ 
sches  Albummat,  sonst  Para-  und  Metalbumin  (2 mal)  Schere  Es- 
gewöhnlich  (7  Beispiele  bei  Pfannenstiel)  Pseudo- 


22.  Juli  1902. 


MITEH CIIEHER  MEDIClHISÖffE  WOCIIEHSOnRIFT. 


1225 


mucin  (häufiger  die  Modifikation  «  als  ß  oder  y).  Bmal  gab  es 
saure  Sülze  im  Hauche;  1  mal  war  das  Bauchfell  sulzig  ange¬ 
steckt.  Zucker  fand  sich  in  der  Cyste  lmal,  Cholestearin  4mal, 
Faserstoff  lmal  in  Flocken,  daneben  Hämatoidin,  lmal  kon¬ 
zentrische  Körperchen,  1  mal  Kalk. 

Der  Innenbesatz  der  Cyste  ist  Zylinderepithel  von  ver¬ 
schiedener  Höhe,  die  Kerne  dieser  Zellen  meist  an  der  Basis, 
in  meinem  Beispiele  nahe  der  freien  Fläche;  häufiger  sind  die 
Epithelien  einschichtig  als  geschichtet,  die  Kerne  meist  rund¬ 
lich,  selten  stabförmig.  Gern  ist  das  Innere  warzig  oder  hält 
Leisten  und  Buchten;  lmal  gab  es  Karben  der  Wand,  5  mal 
Dermoidgebilde,  2  mal  Uebergang  in  Krebs  (kalkig).  1  mal  war 
der  Uterus  klein,  2  mal  grösser,  derb,  1  mal  Myom.  Oft  war 
der  Sack  mit  dem  grossen  Hetze  verwachsen.  1  mal  folgte  auf 
die  Exstirpation  Darmenge,  Ausgang  glücklich. 

Merkwürdig  ist  ein  von  I)  o  n  a  t  h  (Arch.  f.  Gyn.  26,  478, 
1885)  berichteter  Fall  von  Saenger:  Die  grosse  Geschwulst 
war  gleichmässig  weich,  elastisch,  verschiebbar;  Vulva  und  Mons 
ödematös,  der  Stiel  senkte  sich  in’s  breite  Mutterband  wie  noch 
bei  20  anderen.  Schwieriges  Entfernen  der  eiweissreichen, 
schnell  faulenden  Gallertmasse.  Ein  damit  g  e  i  m  p  f  t  e  s  Ka¬ 
ninchen  starb  nach  5  Tagen  an  Peritonitis  suppurativa. 

Koch  eigen thümlicher,  von  demselben  Operateur  (\  erhandl. 
d.  Ges.  f.  Gyn.,  VII.,  409)  gemeldet:  Der  faustgrosse  Tumor 
war  punktirt  worden;  es  lief  mehrere  Tage  Colloid  aus.  3  Mo¬ 
nate  später  ward  die  nun  überall  verwachsene,  vereiterte  Cyste 
ausgerottet.  An  der  alten  Stichstelle  hatte  sich  etwas  Gallerte 
i  m  p  1  a  n  t  i  r  t.  Hach  1  Jahr  bricht  eine  hypogastrische  Fistel 
auf.  Das  sekundäre  Bauchwandkystom  bildete  2  Knoten,  deren 
einer  in  Därme  eingebrochen  war.  Die  verletzten  Theile  wurden 
sofort  vernäht  und  vereinten  sich  (1898);  vergl.  auch  E.  P  eis  er: 
Monatssehr.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  XIV.  Bd.,  2.  IT. 

Sch  m  erz  klagten  vor  der  Operation  6  (2  beim  Gehen), 

1  über  Hüftweh,  1  nicht  über  Schmerz  trotz  Verwachsungen. 
Fieber  bis  40°  C.  hatte  das  4  jährige  Kind. 

2  mal  wurde  Abwesenheit  von  Verwachsungen  vorher  er¬ 
kannt,  2  mal  Anwesenheit  solcher.  8  mal  fühlte  man  am  Bauche 
Unebenheiten,  mehrmals  solche  von  Scheidengrund  oder  Mast¬ 
darm  aus.  Walter  palpirte  an  der  13jährigen  Italienerin 
nach  links  oben  an  der  Eierstocksgeschwulst  „harte  Theile,  wie 
Fötus“  (höchst  selten).  Schwanger  waren  in  der  That  2  Operirte. 
Runge  operirte  doppelte  Geschwulst;  in  der  einen  Cyste  war 
0,29  p.  1.  „Mucin“.  Eine  war  für  schwanger  gehalten  worden. 
Ascites  fand  sich  bei  5,  1  mal  „grosswellige  Fluktuation“ 
(wird  besser  als  Undulation  technisch  bezeichnet!).  Unter  4  prall 
elastisch  fluktuirenden  gab  es  eine  Cyste,  welche,  von  der  Scheide 
aus  undeutlich  tastbar,  überhaupt,  entsprechend  den  inneren 
Scheidewänden,  nicht  deutlich  schwappte.  Ein  1  umor  bot  an  der 
Hinterfläche  das  berufene  Gallertknirschen  dar,  ein 
anderer  das  Blasegeräusch.  Kabelbruch  trugen  2.  7  mal 

war  der  U  t  e  r  u  s  durch  die  Geschwulst  verschöbe  n,  bald 
seitlich,  bald  nach  vorn. 

Prognose  der  Operationen:  Für  die  Kolloide  des 
Ovariums  ist  die  Aussicht  auch  aus  der  a-  und  antiseptischen 
Zeit  nicht  rühmlich.  Im  Ganzen  ist  ein  Drittel  der  Operirten 
her  gestellt  worden,  eine  schon  nach  11  Tagen,  2  genasen  in 
Folge  Fistelbildung  vom  Stiele  her  erst  nach  5  Wochen,  1  noch 
später.  1  menstruirte  5  Monate  später. 

Gestorben  sind  von  60  bereits  21  —  von  den  fiebrigen  ist 
keine  Kachricht  gegeben.  Der  Tod  erfolgte  9  mal  durch  Bauch¬ 
fell-  (bezw.  auch  Gebärmutter-  und  Darm-)  -Entzündung,  4  mal 
an  Hachblutung  (nach  32  bis  48  Stunden  bis  6  Tagen),  3  mal  an 
Darmentzündung,  1  an  Ruhr  nach  42  Tagen,  2  an  Erbrechen, 

1  an  Lungenentzündung,  1  am  22.  Tage  an  Lungenembolie, 

2  später  an  einer  Heubildung  (1  Krebs),  doch  ist  das  Gallerte - 
gewächs  nicht  an  sich  zu  bösartigem  Rückfalle  geneigt. 

L.  Tai  t  sah  nach  der  Heilung  ein  Uterusmyom  schwinden. 

Ohne  Adhäsion  der  Geschwulst  an  Hachbarorgane  konnten 
4  operiren,  20  hatten  mit  Verwachsungen  zu  schaffen;  2  mal 
mussten  Ketzzipfel  nach  Abbinden  getrennt  werden,  lmal  war 
ein  grosses  Packet  Hetz  zu  entfernen.  C.  Braun  hatte  eine 

Stielcyste  vor  sich.  .  . 

Spezielles:  Vorherige  Punktionen  geschahen  in  8  Bei¬ 
spielen,  davon  eine  Kranke  mehrmals  Paracentese  ei  f  ulu . 
A.  M  e  r  c  i  e  r  musste,  um  die  Geschwulst  aus  dem  Bauche  hc  h  u 
zu  können,  derselben  mehrere  Einschnitte  beibringen.  An  der 

No.  29. 


von  fl’O  liier  operirten  Cyste  war  die  innere  Hülse  von  der 
äusseren  abgeschält  worden;  dieses  Kolloid  war  allerdings  hinter 
dein  Kabel  breit  mit  wandständigem  Bauchfell  verwachsen. 
Dief  f  enbach,  welcher  überhaupt  4  Ivystoophora  mit  Er¬ 
folg  operirte,  musste  einmal  nach  Durchschneiden  der  Bauch 
decken  die  Geschwulst  aus  dem  Bauchfelle  schälen,  ohne  sie  zu 
öffnen  (Schrägschnitt)  und  hatte  Erfolg.  In  allen  übrigen  Fällen 
wurde  in  der  Linea  alba  eingeschnitten  und  das  Bauchfell  ganz 
gespalten,  und  die  Geschwulst,  was  allgemein  empfohlen  wird, 
ganz  entfernt,  5  mal  der  Stiel  in  eine  Klammer  gefasst; 
diese  versagte  lmal,  daher  Ligatur  (die  Kranke  starb);  7  mal 
wurde  der  Stiel  extraperitoneal  —  nach  Stilling  —  behandelt; 
alle  genasen  zunächst,  1  starb  später  an  Krebs  des  Pankreas. 
2  wurden  während  der  Schwangerschaft  operirt,  1  nach  P  orro 
exstirpirt,  nach  Ansaugen  des  Fruchtwassers;  Ecraseur  blieb 
liegen.  B.  Sch  ult  ze  operirte  glücklich  ohne.Karkose  wegen 
arrhythmi sehen  Pulses.  4  mal  musste  die  Hand,  bcz.  nach  Durch¬ 
brechen  von  Scheidewänden,  die  Gallerte  ausschöpfen  (1  f),  1  mal 
später  Eiter  ausdrücken  (gen.).  4  wurden  drainirt,  davon  1  am 


3.  Tage  f. 

Eigene  Beobachtung: 

Am  2.  Oktober  1901  trat  die  Gl  jährige  Frau  S.,  Mutter  meh¬ 
rerer  Kinder,  in  meine  Klinik.  Gegen  den  mageren  Körper  stach 
der  aufgetriebene  Unterleib  stark  ab.  Die  Schwellung  datirto 
seit  7  Monaten,  hatte  zunehmende  Schmerzen  im  Gefolge  und 
fühlte  sich  uneben,  stellenweise  prall  schwappend  an.  Der  Stiel 
ward  rechts  vermuthet.  Die  Clilorofornmarkose,  durch  Dr.  Deg'el 
1  y2  Stunden  unterhalten,  verlief  ruhig.  Das  mit  dem  kleinen 
-Becken,  dem  grossen  Netze  und  besonders  fest  am  Nabel  ver¬ 
wachsene  Cystoid  barst  an  mehreren  Stellen  und  hatte  gegen 
G  Liter  Gallerte  über  die  Eingeweide  ergossen.  Der  noch  im  Sacke 
verbliebene  Inhalt  ging  nicht  durch  Well’s  Kanüle.  Die  Stich- 
öffnüng  wurde  abgeklemmt,  die  Scheidewände  durchbrach  ich  mit 
der  Hand,  welche  nun  den  zähen  Inhalt  mühsam  ausschöpfte  und 
bis  in’s  breite  Band  vordrang.  Nach  Räumung  der  Taschen  des 
Kystoms  liess  sich  das  Ganze  aus  der  Bauchhöhle  wälzen,  die  an- 
gelötliete  Tube  unterbinden,  durchtrennen,  der  Stiel  5  mal  schritt¬ 
weise  mit  starker  Seide  unterbinden,  darüber  abtrennen.  Blutung 
gering.  Der  Uterus  war  normal,  der  linke  Eierstock  geschrumpft. 
Das  Auswaschen  des  Bauches  mit  warmem  Wasser  unterblieb, 
da  das  Ausschaben  und  Abstreifen  der  Gallertbeläge  von  den 
Bauchwänden  und  Därmen  mittels  der  Finger  schon  viel  Zeit¬ 
verlust  gebracht  hatte;  ausserdem  erwies  sich  nachträglich  diese 
Gallerte  (Gemisch  von  X-Albumin  mit  X-Globulin  nach  Kobert !) 
in  warmem  Wasser,  selbst  unter  Zusatz  von  Essig,  unlöslich,  lue 
Temperatur  stieg  nur  in  der  ersten  Nacht  bis  38,3,  der  1  uls  aul 
100,  um  dann  für  immer  zu  fallen.  Wenig  Erbrechen  bis  zum 

2.  Tage.  .  . 

Da  man  der  zurückgelassenen  Gallertschicht  doch  nicht  un¬ 
bedingt  trauen  konnte,  so  war  durch  die  betheiligten  Kollegen 
(A.  S  c  h  midt  und  Hesse)  die  Höhle  um  den  Stumpf  herum 
mit  Jodoformgazestreifen  fest  ausgestopft  worden.  Die  Abstos 
sung  dieser  Drains  durch  die  Natur  blieb  aus.  Erst  am  5.  und 
22.  November  konnten  die  letzten  Gazestreifen  ausgezogen  werden. 
Wie  zu  vermuthen  war,  hatte  die  zurückgebliebene  Gallerte  die 
Gazestreifen  zäh  umsponnen;  dies  zeigten  Querschnitte  der  un¬ 
tersten  Streifstrecken  im  Mikroskope.  Es  fehlte  auch  nicht  an 
organisirter  Neubildung  im  Anschlüsse  an  die  oberflächlichen,  an 
den  Streifen  haften  gebliebenen  Schichten  der  Cystenwand,  welche 
ihren  g  1  a  n  dularen  Urs  p  r  u  n  g  verrietli  mit  kopfständigen 
Kernen  der  Zylinderzellen.  In  der  Tiefe  gab  es  zwischen  Binde¬ 
gewebs-  auch  glatte  Muskelfasern  in  der  Cystenwand. 

zähflüssige  Cysteninhalt  trübte  sich  nur  mit  ver- 
Essigsäure;  darin  schwammen  Inseln  von  ziemlich 
flachen,  getüpfelten  Zellen  mit  meist  je  einem  wand¬ 
grossen  Kerne,  ferner  Hyalintropfen,  wenig  Blutfarb- 
Gallerte  selbst,  erhärtet  und  Reihenschnittchen  unter- 
wo  sie  nicht  von  Bindegewebe  unterbrochen  war, 
parallele,  etwas  geschlängelte,  durchscheinende 
Farbstoffe  schlecht  annalimen.  Ausserdem  kamen 
vor,  welche  mit  Anilin-Methylenblau  die  Reaktion 
ron  Plasmazellen  darboten. 

Hach  Beobachtungen  und  Versuchen  an  Seeanemonen  ist 
,bige  Behauptung,  lebende  Gallerte  sei  der  Organisation  un- 
’ähig,  zweifelhaft  (Dicquemare:  Phil.  Transa.  63,  361,  17  to 

fiC  907  177FÖ 


Der 
dünnter 
grossen, 
ständigen, 

Stoff.  Die 
worfen,  zeigte, 
welligen  Bau, 
Balken,  welche 
kleine  Schollen 


Zur  spezifischen  Behandlung  der  Tuberkulose. 

Von  Sanitätsrat  Dr.  Hager  in  Magdeburg  K. 

(Schluss.) 


.  M.  H.!  Ich  habe  versucht,  Ihnen  die  Tatsachen  zusainmen- 
mstellen,  welche  die  Möglichkeit  einer  spezifischen  Therapie  der 
fuberkulose  begründen. 

Dass  alle  bisher  gebräuchlichen  medikamentösen  Stolle,  auch 
solche,  welche  bakterizid  auf  den  Tuberlcelbazillus  wirken,  keine 


1226 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ko.  29. 


spezifischen  Heilmittel  sind,  werden,  sie  mir  ohne  weiteres  Zu¬ 
sehen.  Auch  das  Kreosot  in  seinen  verschiedenen,  neuerdings 
vielfach  bereicherten  Präparaten,  auf  welches  kein  Praktiker  gern, 
namentlich  in  der  symptomatischen  Behandlung  der  Tuberkulose 
und  der  pyogenen  Mischinfektionen  mit  Tuberkulose  verzichten 
Avird,  obgleich  dm  bakterizide  Wirkung  auf  den  Tuberkelbazillus 
eine  geringe,  und  eine  antitoxische  gar  nicht  nachgewiesen  ist, 
wird  niemand  ein  Spezifikum  gegen  Tuberkulose  nennen;  ebenso¬ 
wenig  wie  das  gegen  chirurgische  Tuberkulose  sich  fraglos  A’or- 
züglicli  bewährende  Jodoform  und  manche  Ersatzpräparate  des¬ 
selben. 

Eher  könnten  noch  die  Anhänger  der  Zimmetsäurebehandlung 
nach  Länderer  diesem  Stoff  den  Anspruch,  ein  spezifisches 
Heilmittel  zu  sein,  vindizieren.  Die  Zimmetsäure  soll,  intravenös 
oder  subkutan  injiziert,  chemotaktisch  auf  die  im  Blute  kreisenden 
Leukocyten  wirken  und  so  durch  eine,  an  den  von  Tuberkelbazillen 
befallenen  Geweben  sich  entwickelnde  Leukocytose  die  Unschäd¬ 
lichmachung  der  Tuberkelbazillen  und  die  Gesundung  der  von 
Tuberkulose  befallenen  Gewebe  herbeiführen. 

Von  einem  ähnlichen  Gesichtspunkte  ausgehend  empfahl 
Liebreich  im  Jahre  1890  die  Anwendung  des  Gantharidins. 
Mit.  beiden  Stoffen,  namentlich  also  der  Zimmetsäure,  mögen  in 
manchen  Fällen,  die  sich  besonders  zu  dieser  Behandlung  eignen, 
günstige  Resultate  erzielt  werden;  indessen  ist  nicht  einzusehen, 
weshalb  diese  Stoffe  die  gleiche  Wirkung  nicht  bei  allen  anderen 
1  nfektionskranklieiten  entfalten  sollten  und  es  fehlt  somit  dem 
Heilmittel  der  Charakter  eines  spezifischen  Tuberkuloseheilmittels. 

Eine  spezifische  W  i  r  k  u  n  g  auf  Tuberkulose  dürfen  Avir  nur 
beim  Tuberkulin  und  beim  Tuberkuloseheilserum  voraussetzen; 
das  zeigt  beim  Tuberkulin  deutlich  die  Reaktion  des  von  Tuberku¬ 
lose  befallenen  Organismus,  und  beim  Tuberkuloseheilserum  garan¬ 
tiert  einen  solchen  spezifischen  Charakter  die  Art  der  Darstellung 
und  Gewinnung  des  Mittels  und  seine  prompte  antagonistische 
\\  irkung  gegen  das  Tuberkulin.  Es  bliebe  uns  nun  übrig  zu  be¬ 
weisen,  dass  diese  spezifische  Wirkung  auch  zu  Heileffekten  führt, 
wenn  sie  in  geeigneter  Weise  benutzt  wird. 

Es  folgt  schon  aus  unseren  bisherigen  Darstellungen,  dass  der 
erste  dieser  beiden  spezifischen  Stoffe,  das  Tuberkulin,  nicht-  so 
ohne  weiteres. als  ein  Heilmittel  anzusprechen  ist;  dazu  sind  die  Be¬ 
dingungen  seiner  Wirkung  doch  zu  kompliziert  und  dazu  macht 
es  doch  zu  bestimmte  Voraussetzungen. 

Dementsprechend  hat  sieh  auch  der  Entdecker  des  Tuberku¬ 
lins  und  der  erste,  welcher  seine  Heilwirkung  experimentell  fest¬ 
stellte,  sehr  vorsichtig  über  diese  Wirkung  ausgesprochen. 

Hi  sagt:  Nach  meinen  Erfahrungen  möchte  ich  annehmen, 
dass  beginnende  Tuberkulose  durch  das  Mittel  mit  Sicherheit  zu 
heilen  ist;  theilweise  mag  dies  auch  noch  für  die  nicht  zu  weit  vor¬ 
geschrittenen  Fälle  gelten. 

Dieser  Ausspruch,  so  heisst  es  in  einer  Anmerkung,  bedarf 
allerdings  noch  insofern  einer  Einschränkung,  als  augenblicklich 
noch  keine  abschliessenden  Erfahrungen  darüber  vorliegen  und 
auch  nicht  \ orliegeii  können,  ob  die  Heilung  eine  definitive  ist. 
Rezidive  sind  selbstverständlich  nicht  ausgeschlossen.  Der  Schwer¬ 
punkt,  so  betont  der  Autor  dann  nochmals,  liegt  in  der  möglichst 
frühzeitigen  Anwendung. 

Es  ist  bekannt,  Avie  diese  vorsichtigen  Aeusserungen  in  den 
Lebertreibungen  und  dem  Lärm  der  nicht  medizinischen  Tages¬ 
presse  verhallten  und  wie  der  kurzen  Erfolgsexaltation  eine  tiefe 
Misserfolgsdepression  folgte,  in  Avelcher  alles,  Avas  einer  unzAveck- 
mässigen  oft  übereilten  Aimendung  zur  Last  zu  legen  ist,  dem 
Mittel  selber  als  Fehler  angerechnet  wurde. 

Eine  immerhin  Aviclitige  Eigenschaft  des  Mittels  ging  aus  der 
schAveren  Exkommunikation,  welcher  es  verfiel,  als  gerettet  und 
anerkannt  hervor,  das  war  seine  diagnostische  Bedeutung  im  Er¬ 
kennen  der  Tuberkulose,  welche  allerdings  fast  nur  der  Veterinär¬ 
medizin  als  Avillkommene  Bereicherung  diente.  Heute  dürfen  Avir 
dieselbe  als  eine  so  einmütig  anerkannte  Tatsache  ansehen  wie 
es  solche  überhaupt  in  der  Medizin  gibt.  Es  soll  damit  nicht  be¬ 
stritten  werden,  dass  es  auch  in  Bezug  auf  die  diagnostische  Eigen- 
schaft  Ausfälle  nach  der  einen  Avie  nach  der  anderen  Seite  gibt; 
aber  selbst  die  berüeksichtigungswerten  Gegner  geben  zu  dass 
diese  Ausfälle  nie  über  20  Proz.  gehen  und  in  diesem  Zugeständ¬ 
nisse  liegt  nach  unserer  Ansicht  die  Anerkennung.  Leistet  ein 
Mittel  dies,  dann  ist  nicht  seine  spezifisch  diagnostische  Wirkung 
m  Zweifel  zu  ziehen,  sondern  es  ist  den  Ursachen  nachzuforschen 
av eiche  diese  seltenen  Ausfälle  bedingen. 

,I.Jl,m]so  tiefer  aber  sank  das  therapeutische  Ansehen  des 
Mittels;  der  Arzt,  welcher  es  in  deutschen  Landen  noch  anwandte 
Kam  in  den  Verdacht  an  urteilsloser  Voreingenommenheit  zu  leiden 
-  ausserhalb  Deutschlands  war  es  vielfach  mit  staatlichen  Inter- 
dikten  belegt.  Und  doch  Avaren  von  den  Klinikern  fast  aller 
Hochschulen  in  der  Sturm-  und  Drangperiode  eine  Reihe  Hei- 
hingen,  die  direkt  dem  Mittel  zuzuschreiben  Avaren,  gesehen  und 
\  crort entlieht.  Man  erlebte  das,  Avas  aus  der  Geschichte  aller 
spezifischen  Heilmittel,  Avir  erinnern  nur  an  das  Chinin  und  an 
Merkur,  sattsam  bekannt  ist. 

1  nentAvegt  aber  Avurden  die  Ileilversuche  mit  dem  Mittel  fort¬ 
gesetzt  in  dem  Institut  für  Infektionskrankheiten  unter  der  Lei¬ 
tung  Kochs.  Zum  grossen  Teil  waren  die  dieser  Anstalt  zu¬ 
gehenden  Kranken  nicht  zu  einer  erfolgreichen  Behandlung  ge¬ 
eignet:  aber  über  einzelne  Fragen  der  Therapie,  z.  B.  die  der  mög- 
l.clien  Jropagation  der  Bazillen  auf  dem  Wege  der  Blutbahn  durch 
das  Mittel  waren  auch  diese  Fälle  geeignet,  ein  Urteil  abzu¬ 
geben.  Besonders  wichtig  aber  war,  dass  sich  im  Institut  seit  Ent¬ 


deckung  des  Tuberkulins  eine  ambulatorische  Behandlung  an 
tuberkulösen  Kranken  eingeleitet  hatte,  Avelclie  zum  Teil  ein 
besseres  Material  für  eine  erfolgreiche  Behandlung  bot.  Nur  eine 
kleine  Anzahl  von  Aerzten  Avandten  ausserdem  das  Mittel  weiter 
an;  ein  Teil  derselben  betonte,  dass  die  Dosirung  noch  vorsichtiger, 
als  sie  von  Koch  angegeben,  zu  normieren  sei,  um  eine  günstige 
Heilwirkung  zu  erzielen. 

Immerhin  genügten  diese  Erfolge,  um  das  Tuberkulin  auch 
als  therapeutisches  Mittel  nicht  der  Vergessenheit  anheimfallen  zu 
lassen.  Auch  in  der  grossen  Heilstättenbewegung,  mit  welcher 
sich  unser  neues  Jahrhundert  einführte,  fanden  die  Verteidiger 
desselben  Gehör  und  blieben  nicht  ohne  Anerkennung  und  zur  Zeit, 
2  Jahre  nach  Beginn  der  Heilstättenbewegung,  steht  die  erneute 
Amvendung  des  Mittels  in  den  meisten  Lungenheilstätten  unseres 
Wissens  beAror.  Hoffentlich  wird  die  Bewegung  diesmal  eine 
ruhigere  und  sachgemässere  sein. 

Gestatten  Sie  mir  jetzt  kurz  die  Literatur  über  die  Anwen¬ 
dung  des  Tuberkulins  seit  dem  Ende  des  Jahres  1891,  avo  die  De¬ 
pression  am  tiefsten  war,  hier  anzuführen.  In  erster  Linie  ist  hier 
ein  Schüler  Kochs,  Dr.  J.  Petruscliky,  Direktor  des  bak¬ 
teriologischen  Instituts  der  Stadt  Danzig,  früher  Oberarzt  am 
Institut  für  Infektionskrankheiten  in  Berlin  zu  erwähnen.  Seine 
gesammelten  Vorträge  zur  Tuberkulosebekämpfung  sind  1900  in 
Leipzig  (Verlag  von  F.  Leinewebe  r)  erschienen;  ausserdem  sind 
zu  erwähnen  Arbeiten  von  T  li  orne  r,  Krause,  Kaatze  r, 
Spengler,  W  e  i  c  k  e  r  u.  a.  m.,  auch  K  1  e  b  s,  der  ein  ver¬ 
ändertes  Tuberkulin,  Aron  ihm  Tnberculocidin  genannt,  verwandte, 
neuerdings  G  ö  t  s  c  h,  der  seine  Resultate  in  der  Deutsch,  med. 
Woclienschr.  1901,  No.  25  veröffentlichte. 

Petruscliky  betont  in  seinen  gesammelten  Abhandlungen 
die  Nothwendigkeit  der  Auswahl  der  Fälle.  Man  könne  die  Ge¬ 
samtheit  der  Formen  tuberkulöser  Erkrankungen  nach  ihrer  Auf¬ 
einanderfolge,  wie  bei  der  Lues  in  drei  Stadien  gruppieren:  in  ein 
primäres,  sekundäres  und  tertiäres.  Das  primäre  Stadium  um¬ 
fasst  nur  die  Lymphdriisenerkrankungen,  das  sekundäre  die 
Tuberkelbildung  in  den  Geweben,  Pleura,  Haut,  Lungen.  Das 
teitiäie  die  mit  GeAvebszerfall  verbundenen  Ulzerationsprozesse. 
Das  letzte  Stadium  ist  besonders  leicht  Mischinfektionen  durch 
akute  Infektionserreger  zugänglich;  man  kann  daher  bei  diesen 
Avieder  zwei  Unterabteilungen  unterscheiden,  das  der  reinen  Tu¬ 
berkulose,  Avelches  fieberlos  zu  verlaufen  pflegt  und  das  der  akuten 
W  unclinfektion  der  ulzoriorteii  Gewebe,  welches  in  seinem  aus- 
geprägten  Stadium  vollständig  den  Charakter  der  Septikämie 
trägt  und  auch  tatsächlich  in  einer  erheblichen  Zahl  von  Fällen 
durch  septische  Allgemeininfektion  zum  Tode  führt.  Aus  dem 
Bedürfnis  der  ärztlichen  Praxis  heraus  kann  man  bei  der  Lungen¬ 
tuberkulose  zwischen  beiden  Unterabteilungen  des  tertiären  Sta¬ 
diums  noch  eine  mittlere  unterscheiden,  die  Uebergangszeit,  in 
welcher  die  Lunge  bereits  ulzeriert  ist  und  Attacken  von  akuten 
nlektionen  sich  einstellen,  die  Konstitution  des  Gesammtorganis- 
mus  aber  noch  eine  solche  ist,  dass  unter  geeigneter  Behandlung 

diese  Angriffe  der  Infektionserreger  siegreich  abgeschlagen  werden 
können. 

Bekanntlich  kommen  die  allermeisten  Phthisiker  überhaupt 
msff  m  diesem  Stadium  III  b  und  zAvar  während  einer  akuten 
Attacke  zum  Arzt,  da  die  allerersten  Stadien  reiner  Lungentuber¬ 
kulose  sich  ohne  alarmierende  Symptome  einzuschleichen  pflegen, 
bezAv.  sich  aus  bestehender  Bronchial-,  Drüsen-  oder  Pleuratuber- 
uilose  last  unmerklich  entwickeln.  Nur  gelegentlich  gelingt  es. 
Avirklicli  beginnende  Fälle  amu  Lungentuberkulose  in  Behandlung 
zu  bekommen.  „Für  ausserordentlich  wichtig  möchte  ich  es  daher 
erachten  ',  so  sagt  P„  „die  Tuberkulose  womöglich  bereits  im  Sta¬ 
dium  der  nachweisbaren  Drüsenerkrankung  im  kindlichen  Alter 
nach  K  o  c  h  zu  behandeln,  um  weiteren  Infektionen  des  Körners 
vorzubeugen.  1 ' 

Geeignet  für  die  Iv  o  c  lösche  Behandlung  sind  aber  auch  noch 
die  sekundären  Formen,  also  diejenigen,  in  denen  zwar  Tuberkel 
un  Gewebe,  aber  noch  keine  wesentlichen  Ulzerationen  bestehen. 
Bei  allen  anderen  Fällen,  in  denen  bereits  Pforten  für  die  Einkehr 
sekundärer  Infektionen  vorhanden  sind,  besteht  dauernd  die  Ge- 
ti,.  '  77,  auch  während  der  Behandlung  selbst  natürlich  — ,  dass  der 
Eintritt  einer  Mischinfektion  die  spezifische  Behandlung,  Avelche 
gegen  die  Tuberkulose  allein  gerichtet  ist,  unterbricht.  Fälle 
mit  bereits  fixierter  Mischinfektion  und  hektischem  Fieber  sind 
',0.r!,  <*e1'  Behandlung  nach  Koch  auszuscliliessen.  In  diesen 
fallen  kann  durch  forcierte  Anwendung  von  Tuberkulininjek- 
lionen  geradezu  Schaden  angerichtet  werden.  Damit  fällt  also 

Ko  chweg  111  abei'  aUCh  nur  tli,eses>  für  tlie  Behandlung  nach 

Bei  Tuberkulinbehandlung  des  frühen  Lymphdrüsenstadiums, 
der  sogen,  skrophulösen  Leiden  des  Kindesalters,  können  auch 
allerdings  seltener,  akute  Mischinfektionen  an  den  Mandeln  oder 
hohlen  Zahnen  als  Infektionspforten  auftreten  und  zu  akuter 
Drusen  Vereiterung  durch  Strepto-  oder  Staphylokokken  führen 
Darum  ist  bei  Behandlung  dieser  Fälle  auf  Entfernung  kariöser 
Zahne,  hypertrophischer,  buchtiger  Mandeln  Gewicht  zu  legen. 

Der  beginnende,  über  das  Knötchenstadium  noch  nicht  hinaus¬ 
gekommene,  also  zur  sekundären  Form  der  Tuberkulose  zu  rech¬ 
nende  Lupus,  ist  ebenfalls  ohne  weiteres  zur  Tuberkulinbehand¬ 
lung  geeignet.  In  den  späteren  mit  starker  Ulzeration  ver- 
bundenen  Stadien,  kann,  wie  ich  Aviederholt  festgestellt  habe,  eine 
Staphylokokkus  aureus,  d.  li.  die  Komplikation 
,.(,s  L.liPus  mit  Staphylokokkenekzem,  ein  grosses  Hindernis  er¬ 
folgreicher  Behandlung  sein.  Fälle  von  Lungentuberkulose  aus 


22.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDIOIN  ISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


1227 


dom  Stadium  III  a  liefern  noch  keine  Bazillen  im  Auswurf;  liier 
ist  die  Reaktion  das  Entscheidende.  Als  diagnostische  Injektionen 
kommen  in  Betracht  1  mg,  5  mg  und  10  mg.  Gesunde  vertragen 
sie  ohne  Temperaturschwankungen;  Schaden  richten  sie  nie  an.“ 
Hier  erwähnt  P.  die  diagnostischen  Untersuchungen,  welche 
Schreiber  an  Säuglingen  vornahm:  er  erhielt  niemals  eine 
Reaktion,  ein  auch  für  die  Vererbungsfrage  wichtiges  Moment. 

Im  Stadium  III  b,  wo  Einschmelzung  von  Lungengewebe 
bereits  erfolgt  ist,  und  eine  Kommunikation  des  Erkrankungs¬ 
herdes  mit  dem  Luftröhrensystem  hergestellt  ist,  ist  die  Auswahl 
zur  Tuberkulinbehandlung  schon  schwierig.  Macht  die  Sekundär¬ 
infektion  Stillstand,  so  können  solche  Fälle  immer  noch  das  Ob¬ 
jekt.  einer  glücklichen  K  o  c  löschen  Behandlung  sein;  hier  ist  Indi¬ 
vidualisierung  und  vorsichtiges  Üeberwachen  der  Symptome  der 
Mischinfektion  die  Hauptkunst. 

Auf  die  Erzielung  einer  milden,  nicht  übermässigen  Lokal¬ 
reaktion  ist  das  Hauptgewicht  zu  legen.  Heftige  Allgemein¬ 
reaktionen  sind  zu  vermeiden.  Vielleicht  spielt  gerade  die  lokale 
Hyperämie,  die  reichliche  Durchtränkung  der  erkrankten  tuber¬ 
kulösen  Partien  mit  Blut  nach  Art  der  Bi  er’ sehen  Stauungs¬ 
hyperämie,  leine  Rolle  bei  der  Heilung.  Gerade  im  Tuberkulin 
haben  wir  ein  Mittel,  welches  wie  kein  anderes  im  Stande  ist, 
in  der  subtilsten  Weise  nur  da  Hyperämie  zu  erzeugen,  wo  tuber¬ 
kulöse  Erkrankungsherde  sich  befinden. 

Beginnt  die  Reaktionsfähigkeit  sich  zu  erschöpfen,  tritt  eine 
gewisse  Immunität  gegen  das  Tuberkulin  ein,  so  kann  man  durch 
grössere  Sprünge  in  der  Dosis  noch  wünschenswerte  Reaktion 
erreichen;  sonst  kann  man  auch  das  Präparat  wechseln,  anstatt 
des  alten  Tuberkulins  TR  nehmen.1)  P.  pflegt  meist  eine  Pause 
zu  machen;  nach  etwa  3  Monaten,  von  den  letzten  grösseren.  Dosen 
an  gerechnet,  ist  wieder  eine  Reaktionsfähigkeit  vorhanden. 

Auf  diese  etappenweise  Erreichung  der  Heilung  legt  P.  das 
Hauptgewicht;  sie  ist  oft  mehrere  Jahre  hindurch  fortzusetzen. 

Bezüglich  des  therapeutischen  Resultats  betont  P.,  dass  man 
bei  Kindern  oft  eine  völlige  Aenderung  der  Konstitution  erlebe, 
ein  Beleg  dafür,  dass  das,  was  wir  tuberkulöse  Disposition  jugend¬ 
licher  Individuen  zu  nennen  pflegen,  bereits  ein  Symptom  vor¬ 
handener  Erkrankung,  i.  e.  der  tuberkulösen  Intoxikation  ist. 
Darauf  werden  11  Krankengeschichten,  darunter  2  Fälle  von 
HI  1)  angeführt,  welche  sämtlich  günstig  verliefen.  Schädigungen 
durch  Tuberkulin  hat  P.  in  keinem  seiner  Fälle  gesehen.  Die 
Vorteile  der  Behandlungsmethode  vor  dem  durch  Hygiene  und 
Klimatotherapie  zu  erzielenden  Stillstände  sind  evident.  Die  Bil¬ 
dung  von  zahlreichen  Zentren  für  Tuberkulinbehandlung  ist  an¬ 
zustreben. 

In  einer  folgenden  Abhandlung,  dem  \  ortrage  P.s,  gehalten 
auf  dem  Tuberkulosekongress  Berlin,  stellt  P.  folgende  Leit¬ 
sätze  auf:  ,,  ,  ,  . 

1.  Durch  die  Koch  sehe  Tuberkulinbehandlung  kann  bei 
sackgemässer  Durchführung  die  dauernde  Beseitigung  aller  tuber¬ 
kulösen  Krankheitserscheinungen  erreicht  werden  und  zwar 
ambulatorisch  auch  in  solchen  Fällen,  in  welchen  eine  längere 
Berufsstörung  vermieden  werden  soll. 

Eine  einmalige,  bis  zur  Ileaktionslosigkeit  des  Kranken  aut 
grössere  Tuberkulindosen  durchgeführte  Kur  genügt  nur  in  relativ 
seltenen  Fällen  zur  dauernden  Beseitigung  aller  Krankheitserschei¬ 
nungen.  Dennoch  lebt  gegenwärtig  noch  eine  nicht  unerhebliche 
Zahl  früherer  Phthisiker,  welche  nach  einmaliger  Tuberkulinkur 
1800/91  symptomlos  geworden  und  rezidivfrei  geblieben  sind. 

In  der  Regel  muss  die  Tuberkulinkur  etappenweise  —  etwa 
zweimal  pro  Jahr  —  wiederholt  werden,  um  eine  zuverlässige 
Beseitigung  der  Krankheit  zu  erreichen. 

Ferner:  Geeignet  für  die  Tuberkulinbehandlung  sind:  a)  alle 
unkomplizierten  Frühstadien  der  Tuberkulose;  b)  Fälle  mit  bereits 
bestehenden  Gewebszerstörungen,  welche  chronisch  und  üeberlos 
verlaufen,  frei  von  Sekundärinfektionen  und  bei  leidlichem  Ivratte- 

zustande  sind.  . 

In  solchen  Fällen,  in  denen  Neigung  zu  Sekundannfektionen 
oder  mangelhafter  Kräftezustand  vorliegt,  kann  die  hygienisch- 
diätetische  Behandlung  die  Tuberkulinbehandlung  in  wirksamer 
Weise  ergänzen  und  unterstützen - und  ferner: 

Die  Tuberkulinbehandlung  ist  nicht,  wie  es  anfänglich  er¬ 
scheinen  mochte,  eine  relativ  leichte  und  einfache  Sache,  die  jedei 
Arzt  ohne  Vorübung  richtig  durchzuführen  vermöchte.  V  ielmehi 
muss  dieselbe,  wie  jede  andere  wissenschaftliche  Behandlungs¬ 
methode,  sorgfältig  studiert  und  praktisch  eingeübt  werden. 

Nachteilige  Wirkungen  der  Tuberkulinbehandlung  habe  ich 
bei  richtiger  Anwendung  derselben  niemals  beobachtet. 

Weitere  Abhandlungen  Petrusch  kys  betreffen  die  lube1- 
kuloseprophylaxis,  die  Heilstättenfrage  und  die  experimentelle 
Frühdiagnose  der  Tuberkulose. 

Zu  dieser  letzteren  erwähnt  er,  dass  die  Verwertung  der 
Serumdiagnose  nach  Courmont  bei  Tuberkulose  nach  Art  der 
Widal  sehen  Probe  für  Typhus,  sowie  das  Impfexperiment  bis 


lieber 


macht  K  o  c  li  Mitteilungen  in 


der  Deutsch. 


med.  'Wochensehr.  1897.  Es  ist  ein  Präparat,  welches  un  Gegen¬ 
satz  zu  dem  alten  Tubrekulin  TA  möglichst  alle  Giftstoffe  dei 
Tuberkelbazillen  enthält.  Zu  diesem  Zweck  werden  die  Bakterien¬ 
zellen  im  Mörser  zertrümmert  und  alsdann  extrahiert.  Das  nt 
wird  in  10  fach  schwächerer  Dosis  als  TA  angewendet;  es  wiu 
verdünnt  in  20  proz.  Glyzerinlösung  angewandt.  Die  immuni¬ 
sierenden  Eigenschaften  des  TR  sollen  viel  höhere,  die  Reaktionen 
mildere  sein. 


jetzt  nicht  annähernd  so  brauchbare  Ergebnisse  bieten,  wie  die 
diagnostische  Anwendung  des  Tuberkulins. 

Alle  Frühsymptome  der  Tuberkulose,  welche  sich  nur  mit 
Hilfe  des  Tuberkulins  diagnostizieren  lassen,  sind  auch  durch 
Tuberkulin  sicher  heilbar. 

Am  Schlüsse  heisst  es  dann: 

Die  möglichst  allgemeine  Anwendung  des  Tuberkulins  zur 
Frühdiagnose  und  Frühbehandlung  der  Tuberkulose  wäre  die  voll 
kommenste  und  dabei  wohlfeilste  Form  des  Kampfes  gegen  die 
Tuberkulose. 

Von  diesen  Ausführungen  P  et  rusch  kys  wollen  wir  über¬ 
gehen  zu  denen  einiger  praktischer  Aerzte  und  zwar  zunächst  von 
T  ho  rn  er-  Berlin.  Wir  finden  die  Erfahrungen,  welche  er  in 
seiner  Praxis  mit  diesem  Mittel  gemacht  hat,  niedergelegt  in  einer 
Reihe  von  Artikeln  und  Vorträgen  in  den  Therapeutischen  Monats¬ 
heften,  sowie  der  Deutsch.  Medizinalztg.  und  der  Deutsch,  med. 
Wochenschr..  Es  handelt  sich  ferner  um  zwei  Vorträge,  gehalten 
1891  und  1893  im  Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

In  einer  kleinen,  im  Verlage  S.  Karge  r,  Berlin  1894,  er¬ 
schienenen  Monographie  fasst  er  das  Resultat  seiner  zahlreichen, 
vierjährigen,  vielfach  geläuterten  Beobachtungen  zusammen. 

Er  betont  die  Möglichkeit  und  die  Notwendigkeit,  heftige 
Fieberreaktionen  durch  penibel  vorsichtige  Dosierung  zu  ver¬ 
meiden,  erwähnt  die  vorzüglichen  Resultate  bei  ambulatorischer 
Behandlung  und  unter  oft  hygienisch  nicht  günstigen  Verhält¬ 
nissen.  Er  resümiert  seine  Erfahrungen  dahin : 

Die  vorsichtig  geleitete  Tuberkulinbehandlung,  mit  kleinsten 
Dosen  beginnend,  birgt  keine  der  Gefahren,  auf  die  Virc h  o  w 
aufmerksam  gemacht  hat.  Sie  ist  imstande,  beginnende  Tuber¬ 
kulose  zu  heilen,  vorgeschrittene  erheblich  zu  bessern  und  den 
Kranken  von  einer  Anzahl  von  Krankheitserscheinungen  zu  be¬ 
freien,  gegen  die  man  bisher  vergeblich  ankämpfte.  Gute  Pflege 
und  hygienische  Behandlung  in  Kurorten  unterstützen  die  Tuber¬ 
kulinkur,  sind  aber  meist  nicht  imstande,  dieselbe  zu  ersetzen.  Sie 
stellt  das  wichtigste  Heilmittel  in  der  Behandlung  der  Tuberkulose 
dar  und  es  ist  Pflicht  eines  jeden  Arztes,  wenn  auch  nicht  die¬ 
selbe  selbst  auszuüben,  so  doch  sich  mit  ihren  Resultaten  vor¬ 
urteilsfrei  bekannt  zu  machen. 

Von  Autoren,  welche  Tuberkulin  in  Lungenkurorten  an¬ 
wandten,  erwähnen  wir  Kaatze  r  und  Spengler,  welche  ihre 
erlangten  Resultate  als  günstig  hinstellten. 

Klebs-  Zürich  suchte  die  heilende  Substanz  des  Rohtuber¬ 
kulins  als  eine-  rein  darstellbare  Albumose  zu  isolieren.  Dieselbe 
soll  in  der  Dosis  von  Vs — 1  g  injiziert  bei  tuberkulösen  Menschen 
keine  Temperaturerhöhung  bewirken.  Klebs  nennt  diese  Sub¬ 
stanz  Tuberculocidin,  weil  er  ein  Zerfallen  der  Tuberkelbazillen 
nach  ihrer  Anwendung  konstatiert  haben  will.  Er  glaubt,  dass 
seine  Methode  zu  einem  wahren  Volksheilmittel  gegen  Tuberkulose 
ausgebildet  werden  kann.  Eine  Methode  der  kombinierten  Tuber¬ 
kulin-  und  Tuberkulocidinanwenduug  versuchte  Spengler;  auch 
über  diese  konnte  er  günstige  Resultate  veröffentlichen. 

Dagegen  ergab  die  Prüfung  des  Tuberculocidms  und  aller 
übrigen"  nach  dem  K  1  e  b  s  sehen  Prinzip,  die  giftigen  Stoffe  aus 
dem  Tuberkulin  auszuschalten,  präparierten  Mittel  im  Kocn- 
schen  Institute  in  Berlin  ein  negatives  Resultat. 

Von  den  vielen  einzelnen  ärztlichen  Stimmen,  die  sich  immer 
wieder,  wie  Ihnen  bekannt,  für  das  Tuberkulin  erheben,  will  ich 
kurz  noch  die  Resultate  von  Goetsch  erwähnen. 

Er  hat  von  1891  bis  heute  224  Tuberkulöse  geheilt,  wobei  zu 
erwähnen,  dass  er  unter  Heilung  nur  solche  Fälle  versteht,  welche 
seit  dem  Jahre  1895  symptomenlos  geblieben  sind.  Er  sucht  das 
Ziel  zu  erreichen,  ohne  febrile  Reaktionen  zu  machen,  welche  sich 
in  der  Tat  durch  vorsichtige  Dosierung  und  langes  Warten  zwi¬ 
schen  den  einzelnen  Injektionen  vermeiden  lässt;  man  steigt  mit 
der  Dosis  nur  dann,  wenn  die  vorher  eingespritzte  ohne  Reaktion 
ertragen  wurde.  G.  legt  Gewicht  darauf,  die  Kranken  am  Em- 
spritzungstage  das  Bett  hüten  zu  lassen. 

Die  letzte  Mitteilung,  welche  mir  besonders  wichtig  erschien,, 
ist  die  von  Möller  aus  der  Lungenheilstätte  Belzig.  Er  wandte 
zu  therapeutischen  Zwecken  das  Tuberkulin  nur  aut  direkten 
Wunsch  des  Patienten  an,  wenn  im  übrigen  keine  Kontraindikation 
vorhanden.  Auf  das  Sorgfältigste  und  dem  individuellen  Falle 
angepasste  Steigen  mit  der  Dosis  legt  er  das  Hauptgeu  ich  - 
Schliesslich  sagt  er:  In  allen  Fällen,  in  denen  ich  luberkulm  zu 
therapeutischen  Zwecken  anwandte,  konnte  ich  einen  guten  Vei- 
lauf  der  Kur,  d.  h.  eine  stetig  fortschreitende  Besserung  des 
Lungenbefundes  bei  gutem  Allgemeinbefinden  beobachten.  YVie 
hoch  der  Wert  der  Tuberkulinbehandlung,  wenn  sie  mit  dei 
hygienisch-diätetischen  Anstaltsbehandlung  kombiniert  wird.  Über¬ 
haupt  anzuschlagen  ist,  darüber  kann  ich  mir  noch  kein  absch  les- 
sendes  Urteil  erlauben;  jedenfalls  kann  ich  aber  wiederholen,  dass 
ich  eine  nachteilige  Wirkung  des  Tuberkulins  bis  jetzt  memu  s 

beobachtet  habe.  .  OTlUo 

Was  nun  meine  eigenen  Erfahrungen  mit  lubeikuhn  anbe 

langt,  so  habe  ich  seit  dem  Jahre  1S90  nicht  aufgehort,  dasselbe 
in  meiner  Praxis  anzuwenden.  Dieser  Zeitraum  von  über  10  Jaliu  n 
ist  gross  genug,  um  über  manche  Fragen  ein  sicheres  I  rteil  zu 

Ich  darf  zunächst  sagen,  dass  ich  in  all  den  Fällen,  wo  ich 
Tuberkulin  zu  diagnostischen  Zwecken  angewandt  habe,  niema  s 
irgend  einen  Nachteil  gesehen  habe;  es  handelt  sich  im  ganzen 

um  etwa  200  Fälle.  . 

Diejenigen  Fälle,  bei  welchen  Tuberkulose  nur  durch  Reak¬ 
tion  auf  Tuberkulin  festgestellt  worden  konnte  und  bei  denen 


1228 


MUENCHENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


; 1 1 h I < * i'< *  sichere  klinisch;'  /  iclicn  fohlten,  sind,  soweit  sio  sich  zur 
Fortsetzung  und  Durchführung  der  Tubcrkuliiikur  entschlossen, 
alle  gesund  geblieben,  soweit  ich  rie  verfolgt  habe.  Ihre  Zahl 
reicht  aber  nicht  über  20.  In  Füllen  von  ausgesprochener  Tuber¬ 
kulose  mit  Bazillenbefund  im  Sputum  verfüge  ich  über  etwa 
•  .n  hülle,  über  welche  ich  .jetzt  ein  abschliessendes  Urteil  abgeben 
kann.  Der  Erfolg  ist  in  fast  all  diesen  Füllen  ein  so  evidenter 
gewesen,  dass  diese  ganfce  Behandlungsmethode  zu  den  Lichtseiten 
meiner  ärztlichen  Tätigkeit  gehört.  Es  sind  Patienten  auch  vor¬ 
geschrittener  Art  darunter,  welche  die  verschiedensten  medika¬ 
mentösen.  hygienischen  und  klimatischen  Kuren  durchgemacht 
hatten  und  Welche  jedesmal  von  der  Wirkung  der  Einspritzungen, 
<1.  h.  von  der  Besserung,  welche  auf  die  geringen  Reaktionen  folgt, 

I  rappiert  waren.  Freilich,  das  muss  ich  hier  gleich  einschränkend 
bemerken,  I  nmügliclies  darf  man  von  dem  Mittel  nicht  verlangen. 
IiS  handelt  sich  um  ein  vorsichtiges  und  langsames  Immunmachen 
di  s  erkrankten  Körpers  gegen  die  in  ihm  befindlichen  Parasiten. 
Die  Arbeit  kann  in  vorgerückten  Füllen,  namentlich  wenn  es  sich 
um  Mischinfektionen  handelt,  eine  grosse  Geduldsprobe  sein.  Ge¬ 
lingt  es,  einen  zeitweiligen  Stillstand  zu  erzielen,  so  ist  das  schon 
ein  gutes  Resultat.  Es  sind  oft  dann  längere  Pausen  und  im 
ganzen  mehrere  Injektionskuren  mit  Unterbrechungen  zu  machen. 
Mein-  als  3  Kuren  habe  ich  nur  in  einem  Falle  nötig  gehabt. 
W  iederholte  Kontrolle  durch  Sputumuntersuchungen  ist  dringend 
notwendig.  Starke  Reaktionen  sind  zu  vermeiden,  am  Ein¬ 
spritzungstag  und  auch  am  Tage  nachher  hat  sich  der  Patient 
sehr  ruhig  zu  verhalten,  womöglich  einen  Tag  das  Bett  zu  hüten 
und  auf  alle  Erscheinungen  sorgfältig  zu  achten.  Die  nächste  Ein¬ 
spritzung  ist  nicht  eher  zu  machen,  bis  alle  Erscheinungen  der 
vorherigen  Einspritzungsreaktion  vollständig  abgeklungen  sind. 

An  dem  neuen  Tuberkulin,  dem  TR,  bin  ich  zuerst  irre  ge¬ 
worden.  die  Resultate  waren  schlechter  als  bei  dem  alten.  Das 
mag  am  Präparat  gelegen  haben  und  an  seiner  geringeren  Halt¬ 
barkeit.  Jetzt  ziehe  ich  TR  wegen  seiner  geringeren  Reaktion 
und  wegen  seiner  sichereren  Wirkung  dem  TA  weit  vor. 

Was  die  mit  dem  Heilserum  Maragliano  erzielten  Resultate 
anbelangt,  so  erfreut  sich  dieses  Heilverfahren  in  Italien  einer 
zunehmenden  Anerkennung.  Die  letzte  Veröffentlichung  umfasst 
171  in  der  Klinik  zu  Genua  ambulatorisch  behandelte  Fälle 
il.  I.  1900  bis  1.  VII.  1901),  von  denen  auch  mehrere  schwerster 
Art  waren.  Die  Kranken  blieben  bei  ihrer  gewöhnlichen  Lebens¬ 
weise.  z.  T.  auch  bei  ihrer  Beschäftigung,  ohne  jede  andere  medika¬ 
mentöse  Behandlung.  Die  Serumbehandlung,  1  ccm  subkutan 
jeden  2.  Tag,  wurde  mit  grosser  Konsequenz  lange  fortgesetzt. 
Das  Resultat  war  von  171  Fällen  44  Heilungen  (soweit  Symptom- 
losigkeit  Heilung  bedeutet),  04  Besserungen,  39  Fülle  blieben  sta- 
lionür.  in  12  Fällen  schritt  die  Krankheit  fort,  letal  endigte  wäli- 
i  end  der  Lohandlungszeit  keiner  der  in  Behandlung  genommenen 
Uib(>-  V  enn  man  bedenkt,  dass  Fälle  leichtester  Art,  wie  sie 
sich  für  Tuberkulinbehandlung  am  besten  eignen,  kaum  zu  dieser 
ambulatorischen  Behandlung  kamen,  so  muss  das  Resultat  als  ein 
günstiges  bezeichnet  werden. 

In  Deutschland  ist  das  Serum  bisher  kaum  angewandt,  wenig¬ 
stens  sind  mir  keine  Veröffentlichungen  über  dasselbe  bekannt 
gew  oiden.  Dies  ist  vielleicht  so  zu  erklären,  weil  allgemein  auf 
ein  von  Behring  noch  darzustellendes  Heilserum  gegen  Tuber¬ 
kulose  gewartet  wird  und  weil  dieser  Autor  sich  nicht  zustimmend 
zu  den  Funden  M.s  geäussert  hat. 

Neuerdings  wird  von  zwei  russischen  Forschern,  Frenkel 
und  B  e  r  n  s  t  e  i  n.  in  der  Berl.  klin.  Woclienschr.,  No.  31,  1901 
die  Wirksamkeit  dieses  Mittels  und  die  Arbeiten  der  Genueser 
Schuh'  und  ihre  Verdienste  um  die  Heilung  der  Tuberkulose  be¬ 
stätigt.  Die  Autoren  raten  den  russischen  Aerzten  die  fleissige 
Benutzung  des  Serums  dringend  an. 

Meine  eigenen  Erfahrungen  mit  dem  Mittel  haben  die  An¬ 
gaben  des  Autors  über  antitoxische  und  kurative  Wirkung  des¬ 
selben  bei  Tuberkulose  voll  bestätigt;  sie  sind  allerdings  nicht  sehr 
reichlich,  da  ich  nur  diejenigen  Fälle  mit  Serum  behandelt  habe, 
welche  Sich  zu  einer  Tuberkulinbehandlung  von  vornherein  nicht 
mein  eigneten  oder  sich  ihr  nicht  zugängig  erwiesen. 

Ich  hoffe,  durch  meine  Ausführungen  den  Beweis  geliefert 
zu  haben,  dass  der  Weg,  die  Tuberkulose  mit  spezifischen  Heil¬ 
mitteln  günstig  zu  beeinflussen  und  zu  heilen,  ein' gangbarer  ist 
und  dass  es  an  der  Zeit  ist,  dieses  Heilverfahren  mit  dem  livgie- 
liiscli-diiitct ischen  zu  kombinieren. 

Möge  diesmal  ein  günstiger  Stern  über  der  Anwendung  des 
Tuberkul  in  heil  Verfahrens  strahlen  und  möge  dem  hochverdienten 
Autor  desselben  auch  in  dieser  Beziehung  die  ihm  solange  mit 
ln  recht  vorenthaltene  Anerkennung  seitens  der  Aerzte  werden. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

G.  Fütterer:  Ueber  die  Aetiologie  des  Karzinoms.  Mit 

besonderer  Berücksichtigung  der  Karzinome  des  Skrotums,  der 
Gallenblase  und  des  Magens.  Mit  32  Abbildungen  im  Text  und 
3  Abbildungen  auf  Tafeln.  Wiesbaden,  Verlag  von  J.  F.  Berg- 
ni  a  n  n,  1901. 

Der  \  ertasser  teilt  die  von  der  Mehrzahl  der  Pathologen 
\ ertreteiie  Auffassung,  dass  der  Krebs  auf  einer  biologischen 
Entartung  des  Epithels  beruhe.  Die  Bibbert  sehe  Theorie 
wird  auch  von  ihm  zurückgewiesen,  da  durch  eine  mechanische 


Verlagerung  des  Epithels  allein,  wie  auch  zahlreiche  vom  Ver¬ 
fasser  selbst  und  von  anderen  vorgenommene  Experimente  er¬ 
geben  haben,  niemals  zur  Krebsentwicklung  führt.  Auch  vermag 
diese  Theorie  nach  der  Ansicht  Füttere  r’s  nicht  nur  die  bio- 
logi-vheii  Eigenschaften  der  Krebszelle  unmöglich  zu  erklären, 
sondern  sie  steht  auch  zu  den  bei  der  Histogenese  des  Krebses 
zu  beobachtenden  Vorgängen  in  völligem  Widerspruch.  Auch 
die  parasitäre  Theorie  hält  F.,  namentlich  wegen  des  Verhaltens 
der  Metastasen  in  epithelialen  Organen,  nicht  für  berechtigt. 


Für  das  Zustandekommen  der  biologischen  Zellentartung 


sei 


chron i  sehe  Beizei i  i wi  r k ung 


von  gr< 


isstem  Einfluss,  wie  nament¬ 


lich  der  Krebs  der  Schornsteinfeger  und  Paraffinarbeiter,  der 
Krebs  der  Gallenblase  und  die  häufige  Beobachtung  von  Krebs 
im  Anschluss  an  chronisches  Magengeschwür  beweisen.  Ver¬ 
fasser  gibt  von  den  genannten  Krebsen  tabellarische  Uebersichten 
der  in  der  Literatur  beschriebenen  Fälle,  wobei  ihm  aber  unter 
anderen  auch  die  vom  Bef.  in  seiner  Arbeit  über  den  Zylinder- 
epith eikrebs  publizierten  Fälle  von  krebsiger  Entartung  chro¬ 
nischer  Magengeschwüre  entgangen  sind.  Ferner  teilt  er  auch 
eine  Anzahl  eigener  Beobachtungen  mit;  leider  sind  jedoch 
namentlich  seine  histologischen  Beschreibungen  so  kurz  skizziert, 
dass  es  oft  unmöglich  ist,  aus  den  Darstellungen  sich  ein  sicheres 
objektives  Urteil  zu  bilden.  Interessant  ist  es,  dass  es  dem  Ver¬ 
fasser  gelungen  ist,  bei  Tieren  durch  Besektion  von  Magen¬ 
schleimhaut  und  nachträglicher  Einspritzung  von  Pyrogallus- 
säure  einen  dem  chronischen  Magengeschwür  des  Menschen  ähn¬ 
lichen  Geschwürsprozess  zu  erzeugen  und  dass  er  bei  diesen  Ge¬ 
schwüren  wiederholt  lebhafte,  bis  in  die  Muskularis  vordringende 
Drüsen  Wucherungen  beobachten  konnte,  welche  sich  histologisch 
durch  nichts  von  krebsigen  Wucherungen  unterschieden. 

H  a  u  s  e  r. 

v.  Krafft-Ebing:  Psychosis  menstrualis.  Eine  kli¬ 
nisch-forensische  Studie.  Stuttgart,  Ferdinand  Enke,  1902. 
112  Seiten,  Preis  3  M. 

Nach  einer  physiologischen  und  historischen  Einleitung 
t heilt  v.  Krafft-Ebing  die  Krankheit  in  3  Gruppen  ein : 
I.  menstruale  Entwicklungspsychosen,  11.  Ovulationspsychosen 
und  III.  epochale  Menstrualpsycliosen. 

Unter  der  ersten  versteht  er  die  äusserlich  ganz  verschieden 
gefärbten  kurzdauernden  Zustände,  die  in  der  Pubertät,  nament¬ 
lich  zur  Zeit  der  ersten  Menstruation  eintreten  und  meistens  mit 
der  vollständigen  Entwicklung  nach  wenigen  Perioden  in  Heilung 
übergehen. 

Auch  die  Ovulationspsychose  zeigt  verschiedene 
Krankheitsbilder.  Die  familiäre  Belastung  ist  eine  sehr  grosse. 
Den  Erkrankungen  der  Genitalorgane  scheint  keine  kausale  Be¬ 
deutung  zuzukommen.  Die  Krankheit  beginnt  am  häufigsten  in 
der  Pubertät  oder  gleich  nachher,  dann  immer  seltener;  doch  gibt 
es  noch  Fälle,  die  im  Klimakterium  oder  sogar  nach  der  Meno¬ 
pause  erst  auftreten.  In  etwa  der  Hälfte  der  Fälle  lässt  sich 
nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit  Heilung  erwarten.  Während 
der  Gravidität  hören,  die  Anfälle  auf. 

L nter  epochaler  Menstruationspsychose  ver¬ 
steht  Verfasser  eine  pathologische  Uebertrcibung  der  psychischen 
Menstrualwelle,  bei  welcher  während  der  ersten  Hälfte  der  Epoche 
manische  Erregungen,  während  der  zweiten  Hälfte  Depression 
besteht.  Die  Zahl  der  beobachteten  Fälle  reicht  nicht  aus,  um 
diese  Gruppe  genauer  zu  charakterisiren.  Die  Prognose  scheint 
eine  ziemlich  ungünstige  zu  sein. 

Den  sehr  interessanten  Schluss  bildet  die  Diskussion  der 
forensischen  Bedeut  u  n  g  der  Menstruationspsychose. 

1  erfasse:1  fasst  unser  Wissen  sehr  gut  zusammen  und  fügt 
vi  1  Neues  hinzu.  Seine  grosse  eigene  Erfahrung,  seine  Kennt¬ 
nis;  der  Literatur  und  die  Klarheit  der  Darstellung  geben  dem 
Werkch eil  seinen  besonderen  Werth. 

Bleuler-  Burghölzli. 

Bibliothek  v.  Co  ler.  Bd.  XI:  E.  Marx:  Die  experi¬ 
mentelle  Diagnostik,  Serumtherapie  und  Prophylaxe  der  In¬ 
fektionskrankheiten.  Mit  1  Figur  im  Text  und  2  lithogra¬ 
phischen  Tafeln.  Berlin  1902.  Preis  M.  8. 

Das  Buch  gibt  einen  vortrefflichen  Ueberblick  über  die  zur 
Zeit  zur  "Verfügung  stehenden  Hilfsmittel  der  Bakteriologie  zur 
Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten.  Zunächst  wird  in  den 


•  22.  Juli  1002. 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  WO  CHENS CIIEIFT. 


1220 


einzelnen  Kapiteln  ein  kurzer  Abriss  der  wichtigsten  für  die 
Diagnostik  besonders  in  Betracht  kommenden  morphologischen, 
kulturellen  und  biologischen  Eigenschaften  der  spezifischen 
Mikrooganismen  gegeben.  Dann  sind  die  Methoden  für  die 
experimentelle  Diagnostik,  soweit  diese  im  bakteriologischen 
Laboratorium  zur  Ausführung  kommt,  besprochen.  Hieran 
schliesst  sich  eine  Schilderung  der  verschiedenen  mehr  oder 
weniger  gelungenen  Versuche  der  Serumtherapie,  deren  Aus¬ 
wüchse  Verfasser  mit  Kocht  einer  offenen  Kritik  unterzieht. 
Endlich  findet  sich  eine  eingehende  Besprechung  der  spezifischen 
Prophylaxe.  Aus  allen  Kapiteln  ist  die  reiche  eigene  Erfahrung 
des  Verfassers  ersichtlich,  der  das  wirklich  Brauchbare  von  dem 
Minderwertigen  ausscheidet.  Dem  praktischen  Zwecke  des 
Buches  entsprechend  ist  auch  speziell  bei  der  Serumtherapie 
alles  Theoretische,  für  die  Praxis  noch  nicht  nutzbar  gemachte, 
weggelassen.  So  stellt  das  durchweg  klar  und  übersichtlich  ge¬ 
schriebene  Buch  einen  ausgezeichneten  Führer  in  der  Seuchen¬ 
bekämpfung  dar  und  kann  desshalb  nicht  nur  den  Sanitäts¬ 
offizieren,  sondern  jedem  Arzt,  insbesondere  dem  beamteten  Arzt, 
warm  empfohlen  werden. 

Bd.  XII:  M.  Martens:  Die  Verletzungen  und  Verenge¬ 
rungen  der  Harnröhre  und  ihre  Behandlung.  Mit  einem  Vor¬ 
wort  von  Geh.-Eat  Prof.  Koni  g.  Berlin  1902.  Preis  M.  4. 

Verfasser  hat  die  in  der  Klinik  von  König  in  den  Jahren 
1S75 — 1900  behandelten  Fälle  von  Strikturen  und  Verletzungen 
der  Harnröhre  zusammengestellt.  Eingehend  wird  die  Aetio- 
logie,  Diagnose  und  die  Behandlung  besprochen;  bei  letzterer 
nimmt  König  einen  streng  chirurgischen  Standpunkt  ein  und 
zwar,  wie  die  vorliegende  Monographie  zeigt,  mit  günstigen  Ke- 
sultaten.  Dieudonne-W  ürzburg. 

Aerztliches  Handbüchlein  für  hygienisch  -  diätetische, 
hydrotherapeutische,  mechanische  und  andere  Verordnungen. 
Eine  Ergänzung  zu  den  Arzneivorschriften.  Für  den  Schreib¬ 
tisch  des  praktischen  Arztes.  Von  Dr.  med.  H.  Schlesinger, 
prakt.  Arzt  in  Frankfurt  a.  M.  8.  vermehrte  Auflage.  Göttingen, 
Verlag  der  Deuerlic  h’schen  Buchhandlung,  1902. 

Die  vorliegende  8.  Auflage  des  Handbüchleins  hebt  das  be¬ 
kannte  und  längst  bewährte  Werkchen  in  jeder  Hinsicht  auf  die 
Höhe  des  modernen  Standes  der  Diätetik.  Besonders  der  Ab¬ 
schnitt  der  „diätetischen  Verordnungen“  ist  von  einer  ausser¬ 
ordentlichen  Vollständigkeit  der  Angaben  und  kaum  wird  man 
sich  über  irgend  eine  in  der  Praxis  vorkommende  Detailfrage 
dieses  Gebietes  in  dem  Handbüchlein  nicht  Aufschluss  ver¬ 
schaffen  können.  Fm  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  sind  bei  Auf¬ 
führung  der  für  die  Krankenkost  in  Betracht  kommenden  Weine 
nicht  nur  die  Bezugsquellen,  sondern  sogar  die  Bezeichnung  der 
besten  Jahrgänge  angegeben. 

Wie  dieser  Teil,  haben  auch  die  übrigen  eine  Menge  Er¬ 
gänzungen  in  ihren  Angaben  erfahren,  so  dass  der  Umfang  des 
Werkchens  seit  der  letzten  Auflage  ganz  erheblich  zugenommen 
hat.  Gr. 

*TT  -  -y  : 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medicin.  1902.  72.  Bd 

5.  u.  6.  Heft. 

IS)  H.  D  oering:  Ueber  Eventratio  diapliragmatica.  (Aus 
der  inneren  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  Stettin.) 

Die  Affektion  bestellt  in  einer  hochgradigsten  Dehnung  einer 
ganzen  Zwerchfellhälfte,  die  in  einen  dünnen,  häutigen  Sack  um¬ 
gewandelt  ist,  so  dass  die  Formelemente  des  Diaphragmas  nur  eben 
noch  nachweisbar  sind,  was  gegenüber  dem  blossen  Zwerchfell 
hochstande  mit  u  n  v  e  r  ä  n  dort  e  r  anatomischer  Beschaffenheit 
wichtig  ist.  D.  bereichert  die  noch  sehr  spärliche  Kasuistik  um 
einen  neuen  Fall  bei  einem  G0  jährigen  Manne,  der,  ohne  dass  je¬ 
mals  Beschwerden  bei  ihm  aufgetreten,  oder  ein  Trauma  voraus¬ 
gegangen  wäre,  den  typischen  Befund  bei  dar  Autopsie  zeigte, 
dessen  Entstehung  wohl  in  die  Fötalzeit  oder  früheste  Kindheit 
zu  verlegen  ist,  wofür  die  3  lappige  linke  Lunge  und  die  Intaktheit 
der  Thoraxform  spricht. 

19)  Charles  P.  Emerson:  Der  Einfluss  des  Karzinoms  auf 
die  gastrischen  Verdauungsvorgänge.  (Aus  der  medizinischen 
Klinik  zu  Basel.) 

Den  Anlass  zu  dieser  Arbeit  bot  die  Tatsache,  dass  im  karzi- 
nomatösen  Magen  bei  einer  oft  recht  hohen  Azidität  das  sogen. 
Salzsäuredefizit  existiert.  Salzsäurehiiuleiide  Substanzen  können 
in  der  Nahrung  enthalten  (Albumin,  Asehebestandteile)  sein, 
können  vom  Magen  selbst  sezerniert  werden,  wie  auch  bereits  die 


Absonderung  einer  fixes  Alkali  enthaltenden  Flüssigkeil  seitens 
der  ulzenorten  KrebsoberHiiohe  naehgowicsoii  ist.  Verfasser  go 
lang  es  mm  in  künstlichen  Verdauungsmischungen  einen  Einfluss 
des  karzinonnvtösen  (»(»wehes  auf  die  HCl-Bimlung  nachzuweiseu, 
wodurch  HCl-gierige.  basenartige  Verdauungsprodukte  entstellen. 
Im  Karzinomgewebe  ist  wahrscheinlich  ein  aulolyt isches,  basen 
bildendes  Ferment  vorhanden, 'das  sowohl  im  Brutschrank,  als  im 
menschlichen  Magen  Ehveiss  verdauen  kann,  und  auch  bei  An¬ 
wesenheit  von  II CI  wirksam  ist. 


20)  ,T.  .Tacobi:  Ueber  das  Erscheinen  von  Typhusbazillen 
im  Urin.  (Aus  der  internen  Klinik  des  Herrn  Prof.  Dr.  S.  Pur 
jesz  in  Klausenburg.) 

•T .  fand  in  <  Fällen  von  :>•>  Typliuskranken  in  dem  mit  allen 
Kautelen  entnommenen  Urin  Typhusbazillen,  ausserdem  stets 
gleichzeitig  Albuminurie,  nur  in  1  Falb»  überdauerte  die  Typhus- 
bakteriurie  die  Albuminurie.  Die  Bakteriurie  tritt  grösstenteils  in 
der  Zeit  der  Continua,  auf,  meist  bald  nach  der  Itoseolaeruption, 
die  als  typhöse  Kapillarembolien  aufzufassen  sind,  und  zeigen, 
dass  die  Bakterien  ins  Blut  übergetreten  sind;  in  den  meisten  Fällen 
ist  ein  starkes  Exanthem  vorhanden.  Die  prognostische  Bedeutung 
der  Typhusbakteriurie  ist.  ebenso  gering  (alle:  7  Kranke  sind  ge¬ 
nesen)  als  die  diagnostische,  da  in  allen  Fällen  schon  vor  der  Bak¬ 
teriurie  die  Diagnose  aus  den  anderen  Symptomen  sichergestclll 
war.  Jedenfalls  sollte  der  Urin  Typhuskranker  während  des  Ver¬ 
laufes  dietr  Krankheit  und  Rekonvaleszenz  ebenso  streng  desinfiziert 
werden  als  die  Stühle. 


21)  F.  Bommel:  Klinische  Beobachtungen  über  Herz- 
arhythmie.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Jena.)  (Schluss  von 
S.  255  dieses  Bandes.) 

Im  ersten  Teile  der  umfangreichen  Arbeit  bespricht  B.  zu 
nächst  die  Extrasystole  als  diejenige  Arliytlnnieform  des  Herzens, 
bei  welcher  der  arhythmische  Beiz  an  Stellen  entsteht,,  die  unter 
physiologischen  Verhältnissen  ihre  Bewegungsimpulse  nur  durch 
Leitung  empfangen,  also  als  ausserhalb  der  rhythmischen  Beiz¬ 
erzeugung  entstehende  Systolen  zu  deuten  sind.  Verfasser  be¬ 
obachtete  das  Vorkommen  solcher  Extrasystolen,  denen  zur  Zeit 
eine  speziellere  diagnostische  und  prognostische  Bedeutung  nicht 
zukommt,  bei  20  verschiedenen  Krankheitsfällen,  wobei  er  in 
jedem  Falle  auf  Grund  genauer  klinischer  Erscheinungen  sich  eine 
Vorstellung  über  die  Ursache  der  Extrasystole  zu  machen  suchte, 
und  so  zu  folgender  Gruppierung  gelangte:  Extrasystolen,  die 

1.  bei  absolut  oder  relativ  erhöhtem  intrakardialen  Blutdrucke 
entstehen  =  dynamische  Bigeminie.  prognostisch  bedeutungslos, 

2.  solche  bei  organischen  Herzaffektionen,  meist  interstitielle 
Myokarditis, 

3.  solche,  die  bei  nervösen  Affektionen  und  Vergiftungen  ver¬ 
kommen. 

Der  Entstelmngsort  der  Extrasystole  ist  bei  gesteigertem  Blut¬ 
druck  wohl  immer  am  Ventrikel,  bei  Myokarderkrankungen  an 
höher  gelegenen  Herzabschnitten  zu  suchen. 

Viele  Arhythmien  kommen  dadurch  zustande,  dass,  nur  in 
stärkerem  Grade  als  normal,  eine  respiratorische  Beschleunigung 
und  exspiratorische  Verlangsamung  des  Herzschlages  eint  ritt.;  sie 
sind  nur  quantitative  Steigerungen  der  normalen  respiratorischen 
Schwankungen  und  nicht  durch  organische  Herzerkrankungen  be¬ 
dingt;  nach  fieberhaften  Erkrankungen,  bei  Herzneurosen  und 
Vagusreizung  durch  Hirnerkrankungen  werden  sie  beobachtet  und 
sind  rein  nervösen  Ursprunges. 

22)  M.  Reichardt:  Zur  pathologischen  Anatomie  der 
Chorea  minor.  (Aus  der  pathol.-anatom.  Abteilung  des  Stadt¬ 
krankenhauses  in  Chemnitz.) 

Mangels  positiver  pathologischer  Befunde  ist  die  Chorea  minor. 
den  zentralen  Neurosen  zugerechnet,  wenn  auch  die  Wahrschein¬ 
lichkeit  ihrer  infektiösen  Natur  zugegeben  wird.  M.  berichtet 
über  2  Fälle  von  Sy  d  e  n  h  a  m  scher  Chorea,  bei  denen  die  wenige 
Stunden  post  mortem  ausgefiilirte  Autopsie  Entzündung,  Blutung 
und  Degeneration  von  Nervenfasern  ergab.  Der  eine  Fall,  der 
im  Anschluss  an  Gelenkrheumatismus  entstanden  war,  hatte  im 
Herzblute  Staphyloc.  nur.:  im  2.  Falle,  der  ein  Chorearezidiv  war. 
fanden  sich  Streptokokken,  so  dass  das  Bild  wohl  mit  der  akuten 
Enkephalitis  in  eine  Reihe  gestellt  werden  darf. 

23)  Gg.  Koste  r:  Ein  zweiter  Beitrag  zur  Lehre  von  der 
Fazialislämung,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Physiologie  des  Ge¬ 
schmackes,  der  Schweiss-,  Speichel-  und  Tränenabsonderung. 
(Aus  der  mediz.  Universitäts-Poliklinik  zu  Leipzig.)  (Schluss  von 
Seite  3G5  dieses  Bandes.) 

In  dieser  grossen,  teilweise  recht  polemisch  gehaltenen  Arbeit 
kommt  Iv.  auf  Grund  der  vorliegenden  klinischen  und  experimen¬ 
tellen  Ergebnisse  zu  dem  Schluss,  dass  Dis  jetzt  die  sekretorische 
Abhängigkeit  der  menschlichen  Tränendrüse  vom  Sympathikus 
nicht  als  feststehend  anzusehen  ist.  Immerhin  scheinen  verein 
zelte  Beobachtungen,  besonders  die  Tränenstörungen  nach  ope¬ 
rativer  Schädigung  des  Halssympathikus  für  einen  Einfluss  des 
Sympathikus  auf  die  Glandula  lacrymalis  zu  sprechen.  Damit 
wäre,  analog  den  Speicheldrüsen,  eine  Doppelinnervation  der 
Tränendrüse  gegeben,  deren  sekretorische  Tätigkeit  von  mark- 
haltigen  (Fazialis  resp.  Glossopharyugens)  und  niarklosen  Nerven¬ 
fasern  (Sympathikus)  bedingt  würde.  Für  jeden  Geschmack  oxi- 
stieren  besondere  Neurone,  so  dass  also  das  wesentliche  Moment 
bei  der  Unterscheidung  der  vier  Gesehmaoksqualitäten  (süss, 
sauer,  salzig,  bitter)  nicht  in  der  Spezifität  der  Endorgane  (Ge¬ 
schmacksknospenbecher),  sondern  in  der  Spezifität  der  zu  den  End- 
organen  gehenden  Nerven  liegt.  Näheres  im  Original. 


1230 


No.  29. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


24 1  F.  Soetl)  e e  r  und  II.  Kriege r:  lieber  Phosphaturie. 
(Aus  der  mediz.  Klinik  und  dem  Laboratorium  der  Kinderklinik 
zu  Heidelberg.) 

Das  Hauptsymptom  der  Phosphaturie  ist  ein  trüber,  an  Erd- 
pliosphaten  reicher  Harn,  der  seine  trübe  Beschaffenheit  entweder 
gleich  bei  der  Entleerung  oder  nach  einigen  Minuten  zeigt.  Ausser¬ 
dem  bestehen  zahlreiche  Störungen  von  seiten  des  Nervensystems, 
Darmes,  Magens,  der  Zirkulation.  Als  ätiologisch  wichtiges  Mo¬ 
ment  betrachtet  Verf.  den  Dickdarmkatarrh,  der  die  Ausscheidung 
des  Kalkes  in  den  Dickdarm  behindere,  so  dass  dieser  die  Niere 
passieren  müsse.  Bei  einem  einschlägigen  Falle  gelang  es  wohl, 
durch  häutige,  während  der  Nacht  fortgesetzte  Nahrungsaufnahme 
und  dadurch  vermehrte  Phosphorsäure  einen  klaren  Urin  zu  er¬ 
zielen,  gleichzeitig  trat  jedoch  eine  Verschlimmerung  des  Zustandes 
ein.  Der  absolut  erhöhte  Kalkgehalt  des  Urins  weist  auf  eine 
Ueberladung  der  Gewebe  mit  Kalk  hin.  wovon  sich  der  Organis¬ 
mus  zu  entlasten  sucht.  Die  für  die  Absättigung  des  Kalkes  im 
Urin  nötige  Säuremenge  stellt  wohl  die  C02,  die  am  leichtesten 
die  Niere  passieren  kann. 

25)  C.  Hirsch  und  C.  Beck:  Studien  zur  Lehre  von  der 
Viskosität  (inneren  Reibung)  des  lebenden  menschlichen  Blutes. 
2.  Mitteilung,  lieber  das  Verhalten  der  inneren  Reibung  des 
Blutes  bei  Nierenerkrankungen.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 
zu  Leipzig.) 

In  der  Mehrzahl  der  beobachteten  Fälle  von  Nephritis  war 
eine*  Erhöhung  der  Viskosität  des  Blutes  nicht  zu  konstatieren. 
Bei  Herabsetzung  der  Viskosität  fand  sich  Hydrämie;  in  3  Fällen 
fand  sich  eine  gesteigerte  innere  Reibung  des  Blutes,  2  mal  nach 
dem  Ausbruche  urämischer  Erscheinungen.  Die  alte  Bright- 
sche  Hypothese,  dass  die  Herzhypertrophie  bei  Nephritis  durch 
eine  gesteigerte  direkte  Erregung  des  Herzmuskels  ausgelöst 
werde,  lässt  sich  mit  dem  jetzigen  Stande  unserer  Kenntnisse  am 
1  testen  vereinbaren. 

2Ö)  F.  Seiler:  Nachträge  zu  „Heber  eine  neue  Methode 
der  Untersuchung  der  Funktionen  des  Magens  nach  Prof. 
Sahl  i“.  (Aus  der  mediz.  Klinik  der  Universität  Bern.) 

In  Band  71  dieses  Archivs  hat  S.  die  Verwendung  einer  aus 
mit  Fett  geröstetem  Mehl  hergestellten  Meldsuppe  als  Probe¬ 
nahrung  empfohlen,  weil  er,  ausgehend  von  der  Annahme,  dass 
der  Fettgehalt  des  Mageninhaltes  sich  nur  durch  die;  Motilität  ver¬ 
ändere.  in  dem  butyrometrisch  bestimmten  Fettgehalte  des  Magen¬ 
inhaltes  ein  Mass  für  die  noch  im  Magen  vorhandene  Menge  von 
Mehlsuppe  erblicken  konnte.  Zur  Nachprüfung  seiner  Ergebnisse 
entschloss  sich  Verf.  infolge  der  Angabe  eines  anderen  Autors,  dass 
bei  Einführung  von  emulgiertem  Fette  unter  Umständen  eine 
quantitativ  recht  beträchtliche  Fettspaltung  eintrete.  S.  fand 
dabei,  dass  bei  Verwendung  der  Mehlsuppe  als  Probenahrung  zur 
Untersuchung  der  Magenfunktionen  innerhalb  der  Versuchszeit 
nur  eine  so  geringe  Fettspaltung  im  Magen  auftritt,  dass  ein  Ein¬ 
fluss  auf  die  Genauigkeit  der  butyrometrischen  Fettanalyse  nicht 
anzunehmen  ist.  Ausserhalb  des  Magens  findet  beim  Stehenlassen 
hypaziden  Mageninhaltes  durch  Fermentwirkung  eine  nachträg¬ 
liche  Spaltung  des  Neutralfettes  der  Mehlsuppe  in  hohem  Grade 
statt,  weshalb  der  Mageninhalt  bald  nach  der  Ausheberung  titriert 
werden  soll.  Bei  geringen  Aziditätswerten  sollen  vor  der  Titration 
die  Fettsäuren  durch  Aetherextraktion  entfernt  werden. 

27)  E.  A  u  f  r  e  c  h  t  -  Magdeburg:  1.  Ein  Fall  von  Embolie 
der  Arteria  mesenterica  superior  mit  Ausgang  in  Heilung. 

Die  Diagnose  wurde  bei  einem  8  jährigen,  an  einer  inkompen¬ 
sierten  Mitralinsuffizienz  leidenden  Mädchen  gestellt,  als  Blut- 
brechen  und  heftiger  Schmerz  in  der  Lebergegend,  dann  blutige 
Stühle  und  eine  fünfmarkstückgrosse,  nicht  scharf  abgegrenzte 
Resistenz  unterhalb  des  unteren  Leberrandes,  schliesslich  kolik- 
artige  Schmerzen  mit  Abgang  blutiger  Schleimmassen  auf  traten. 
Die  eingetretene  Heilung  ist  wohl  einer  unvollkommenen  Embolie 
zuzuschreiben. 

2.  Ein  5  Jahre  latent  verlaufener,  scheinbar  als  Atropin- 
vergdftung  manifest  gewordener  Hirnabszess.  Kasuistik. 

28)  Besprechungen.  Bamberger  -  Ivronach. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  27. 

1)  Ungar:  Zur  Frage  der  Verwertbarkeit  der  Lungen¬ 
schwimmprobe  bei  Keimgehalt  der  Uterushöhle. 

Kritik  der  Hitsch  mann -  Lindenthal  sehen  Arbeit. 
Verfasser  bezweifelt,  dass  anaerobe  Bazillen  bei  spontan  und  nor¬ 
mal  rasch  verlaufenden  Geburten,  bei  denen  keine  innere  Unter¬ 
suchung  stattfand,  sich  dort  ansiedeln  und  so  wuchern,  dass  durch 
sie  eine  Tympania  uteri  entsteht,  oder  doch  ein  solcher  Keimgehalt 
der  Uterushöhle  bewirkt  wird,  dass  der  Fötus  jene  gasbildenden 
Bazillen  bei  vorzeitigen  Atembewegungen  in  seine  Lungen  auf¬ 
nimmt.  Zur  Entscheidung,  ob  der  Fötus  geatmet  hat,  bleibt  daher 
für  die  gerichtliche  Medizin  die  Lungenschwimmprobe  ent¬ 
scheidend. 

2)  K  os  s  mann:  Was  ist  intraabdomineller  Druck? 

Ergänzende  Bemerkungen  zu  der  in  No.  22  des  Centralblattes 

erschienenen  Behandlung  dieser  Frage  durch  Robert  Meyer. 

3)  Schulze-Vellinghausen:  Beitrag  zur  instru- 
mentellen  Perforation  des  Uterus. 

2  Fälle,  in  denen  bei  der  Sondierung  des  Uterus  die  Sonde 
ohne  Hindernis  den  Fundus  durchbohrte.  Wegen  Verdachts  der 
Malignität  Totalexstirpation.  Die  so  gewonnenen  Uteri  hat  Ver¬ 
fasser  mikroskopisch  genau  untersucht  (Serienschnitte).  In  beiden 
Fällen  fanden  sich  schwere  Veränderungen  der  Uterusmuskulatur, 


vom  Fundus  gegen  die  Zervix  zu  an  Intensität  abnehmend.  Die 
Muskulatur  erschien  auseinander  gedrängt,  die  freien  Interstitiell 
zwischen  den  einzelnen  Muskelbündeln  mit  Oedem  oder  Exsudat 
durch  tränkt.  Daneben  mehr  oder  weniger  stark  ausgesprochene 
Gefössveränderung,  die  sich  hauptsächlich  in  einer  Verdickung  der 
Media  äussert:  Adventitia  stark  gewuchert,  Intima  weniger.  Diese 
Gefüsserkrankung  ist  das  Primäre,  insofern  als  sie  die  normale 
Involution  des  Uterus  verhindert  und  damit  die  abnorme  Durch¬ 
lässigkeit  der  Muskularis  zur  Folge  hat.  Die  vorliegenden  Unter¬ 
suchungen  lehren,  dass  wir  bei  der  forensischen  Beurteilung  der¬ 
artiger  Vorkommnisse  ausserordentlich  vorsichtig  sein  sollen. 

No.  28.  1)  Rissmann:  Ueber  die  schnelle  Erweiterung 

der  Zervix  mit  dem  Dilatatorium  von  B  o  s  s  i. 

Kasuistik:  3  Fälle  von  Eklampsie,  in  denen  mit  dem  Bosni¬ 
schen  Instrument  dilatiert  wurde.  Die  Methode  wird  warm  em¬ 
pfohlen.  Im  3.  Fall  erlag  die  Patientin  (alte  I.  Para)  der 
Eklampsie.  Die  Sektion  liess  erkennen,  dass  durch  das  Dilatato¬ 
rium  keine  Verletzungen  gesetzt  waren. 

2)  Po  teil:  Die  quere  Eröffnung  des  Bauchfells,  besonders 
bei  der  abdominellen  Entfernung  des  Uteruskrebses. 

I'.  durchtrennt  die  Bauchdecken  vom  Nabel  bis  zur  Sym¬ 
physe,  jedoch  nur  bis  zum  Peritoneum.  Jetzt  wird  der  noch  intakte 
Bauchfellsack  nach  rechts  und  links  Aveit.  von  den  Muskeln  ab- 
gesclioben,  was  bei  der  lockeren  Verbindung  beider  leicht  möglich 
ist,  so  dass  man  das  ganze  Peritoneum  der  vorderen  Bauchwand 
vor  sich  liegen  hat.  Dies  wird  dicht  oberhalb  der  Umschlagstelle 
auf  die  Blase  in  querer  Richtung  eröffnet,  so  dass  ein  schiirzeu- 
förmiger  Lappen  entstand,  der  nach  hinten  zurückgeschlagen  und 
unterhalb  des  Promontoriums  der  hinteren  Beckenwand  und  dem 
Rektum  aufgenäht  wurde.  Damit  war  der  Zweck,  die  Därme  vom 
Operationsgebiet  abzusehliessen,  erreicht.  Die  Methode  soll  die 
Gefahren  der  grossen  Köliotomien,  wie  Peritonitis,  Ileus,  Schock, 
verringern. 

31  Kurz:  Ein  einfacher  Nähapparat. 

Der  Nadelhalter  besteht  in  zwei  federnden,  innen  ausgehöhlten 
Branchen,  die  in  einen  Konus  zusammenlaufen,  in  welchen  die 
Nadeln  eingestochen  werden.  Zwischen  die  Branchen  wird  ein 
Gläschen  mit  V  ö  m  e  1  scher  Seide  oder  ein  aus  einer  Thermometer¬ 
hülse  hergestelltes  Rohr,  in  das  die  Seide  eingebracht  ist.  ge¬ 
schoben:  letzteres  hat  den  Vorteil,  dass  alles  zusammen  sterilisiert 
werden  kann,  ohne  dass  die  Gefahr  des  Zerspringens  des  Gläschens 
besteht.  Illustriert.  Werner-  Hamburg. 

Vircliow’s  Archiv.  Bd.  168.  Heft  1.  1902. 

1)  B  r  o  w  i  c  z  -  Krakau:  Meine  Ansichten  über  den  Bau  der 
Leberzelle. 

Im  Gegensatz  zu  A  mol  d,  der  nur  i  n  t  e  r  zelluläre  Gallen- 
kaniile  annimmt,  hält  B.  unter  Hinweis  auf  seine  früheren  Arbeiten 
daran  fest,  dass  es  auch  solche  intrazelluläre  gibt,  die  innerhalb 
des  Leberzellenparenchyms  in  einem  Gerüst  verlaufen,  das  die 
Leberzelle  durchzieht,  ähnlich  wie  die  Poren  einen  Schwamm. 
B.  stellt  sich  die  Entstehung  der  Galle  etwa  folgendennassen  vor: 
Von  der  Leberzelle  -werden  in  eigenen  Kanälchen,  die  mit.  den 
Gallenkanälchen  Zusammenhängen,  aus  den  Blutkapillaren  Stoffe 
(manchmal  auch  rote  Blutkörperchen)  aufgenommen;  jedoch  sind 
diese  Kanäle  nur  dann  sichtbar,  wenn  gerade  Stoffe  in  ihnen  sind: 
in  der  Zelle  findet  dann  eine  Verarbeitung  des  Aufgenommenen  zu 
Galle  statt,  wobei  hauptsächlich  der  K  e  r  n  beteiligt  ist.  Die  so 
in  den  Leberzellen  gebildete  Galle  fliesst  durch  die  intrazellulären 
Kanälchen  in  die  interzellulären  ab. 

2)  Schönem  a  n  n  -  Bern:  Die  Umwandlung  (Metaplasie) 
des  Zylinderepithels  zu  Plattenepithel  in  der  Nasenhöhle  des 
Menschen  und  ihre  Bedeutung  für  die  Aetiologie  der  Ozaena. 

S.  hat  Messungen  des  Gesichtes,  der  Nase  (und  hier  besonders 
der  Muschel)  an  über  SO  zur  Sektion  kommenden  Leichen  vor¬ 
genommen.  Dabei  wurde  auch  die  Nasen-  und  Muschelschleimhaut 
mikroskopisch  untersucht.  S.  kommt  zu  dem  gleichen  Ergebnis 
Avie  E.  F  raenkel,  dass  nicht  die  Metaplasie  des  Zylinder¬ 
epithels  in  Plattenepithel  massgebend  ist  für  die  Ozaena,  sondern 
dass  diese  das  Produkt  eines  abgelaufenen  und  z.  T.  noch  be¬ 
stehenden  chronisch  entzündlichen  Prozesses  (Katarrh)  der  Nasen- 
(Muscliel-)  Schleimhaut  und  der  umliegenden  Teile  derselben  sei. 
bei  dem  die  drüsigen  Elemente  (Bor  mann  sehe  Drüsen)  durch 
Atrophie  in  ihrer  normalen  Funktion  zum  Teil  gestört  sind.  Der 
normal  funktionierende  Teil  der  Drüsen  ist  nicht  im  stände,  das 
Sekret  vor  fötider  Zersetzung  zu  bewahren. 

3)  Maximilian  He  r  z  o  g  -  Chicago:  Zur  Histo-Pathologie  des 
Pankreas  beim  Diabetes  mellitus. 

Bei  5  Fällen  von  Diabetes  mellitus  Avurden  Veränderungen 
der  L  a  n  g  e  r  h  a  n  s  sehen  Inseln  gefunden,  entweder  Avar  es  an 
ihrer  Stelle  zur  Bildung  A’on  hyalinem  Material  gekommen  oder 
die  Inselzellen  Avaren  unter  gleichzeitiger  Bindegewebswucherung 
einfach  gesell Avunden.  Diese  Veränderungen  sprechen  für  die  An¬ 
sicht.  die  den  Inseln  die  innere  Sekretion  eines  Zucker  umsetzenden 
Enzyms  zuschreibt. 

4)  S  s  o  b  o  1  e  av  -  Petersburg:  Zur  normalen  und  patho¬ 
logischen  Morphologie  der  inneren  Sekretion  der  Bauchspeichel¬ 
drüse.  (Die  Bedeutung  der  Lange  rhans  sehen  Inseln.)  (Aus 
dem  pathologisch-anatomischen  Laboratorium  von  Prof.  Wino- 
g  r  a  d  o  av.) 

Wie  in  vorstehender  Arbeit  wird  auch  in  dieser  die  Bedeu¬ 
tung  der  L  a  n  ge  r  h  a  n  s  sehen  Inseln  für  den  Diabetes  mellitus 
pathologisch-anatomisch,  daneben  auch  experimentell  untersucht. 


22.  Juli  1902.  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT .  123i 


S.  unterband  den  Ausführungsgang  des  Pankreias  und  fand,  dass 
zwar  die  zur  Verdauung  dienenden  Drüsenröhrchen  durch  Atrophie 
zu  Grunde  gingen,  die  Langer  h  a  n  s  sehen  Inseln  aber  erhalten 
blieben  und  kein  Diabetes  eintrat.  Dies  war  auch  nicht  der  Fall 
Dei  Transplantation  eines  Stückchens  Pankreas  mit  gefässhaltiger 
Brücke,  wobei  die  Inseln  sich  als  die  widerstandsfähigsten  Ele¬ 
mente  erwiesen,  während  die  andern  Drüsenläppchen  atrophisch 
wurden.  Auch  das  Vorkommen  der  Inseln  beim  Embryo  hält  S. 
für  einen  Beweis,  dass  sie  von  den  übrigen  Pankreasdrüsen  unter¬ 
schieden  seien. 

Die  pathologisch-anatomische  Untersuchung  führt  den  Autor 
dazu,  den  L  a  n  g  e  r  li  a  n  s  sehen  Inseln  eine  Bedeutung  für  den 
Zuckerumsatz  im  Körper  zuzuschreiben;  er  meint  deshalb,  dass 
durch  eine  Organotherapie  die  Leiden  der  Diabetiker  gelindert 
werden  könnten,  indem  man  Drüsen  von  Tieren  nimmt,  die  sehr 
reichlich  Inseln  enthalten  (?  lief.). 

5)  M.  Hausmann:  Zur  Anatomie  und  Pathogenese  der 
Divertikel  der  vorderen  Oesophaguswand.  (Aus  dem  patliolog. 
Institut  der  Universität  Bern.) 

Die  von  Zenker  zum  ersten  Male  ausführlich  beschriebenen 
Divertikel  hat  H.  an  sehr  kleinen  Objekten  untersucht,  indem  er 
davon  Serienschnitte  anlegte.  H.  nahm  ganz  beginnende 
Divertikel,  weil  dadurch  ausgeschlossen  wird,  dass  durch  sekun¬ 
däre  Veränderungen  der  primäre  Charakter  leidet.  Was  die  Er¬ 
gebnisse  der  Untersuchung  der  Traktions-  und  Pulsionsdivertikel 
und  der  Divertikel  mit  kongenitaler  Basis  anbelangt,  so  ist  auf 
das  Original  zu  verweisen.  Nur  soviel  sei  gesagt,  dass  H.  die 
Traktionsdivertikel  auf  Induration  einer  Lymphdrüse 
zurückführt. 

Bezüglich  der  nach  Abschluss  dieser  Arbeit  in  diesem  Archiv, 
Bd.  167,  Heft  1,  erschienenen  Arbeit  von  Bibbert:  „Zur  Kennt¬ 
nis  der  Traktionsdivertikel  des  Oesophagus“  glaubt  II.  doch  seine 
als  Traktionsdivertikel  mit  durchbrochener  Muskulatur  beschrie¬ 
benen  Fälle  als  reine  Fälle  ansprechen  zu  dürfen,  ohne  aber  aus 
ihnen  gegen  die  R  i  b  b  er  t  sehe  Auffassung  zwingende  Gegen¬ 
gründe  ableiten  zu  können.  Konr.  Schneider-  Erlangen. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1 902 

40.  Bd.  2.  Heft, 

1)  A.  J  o  o  s  -  Brüssel:  Untersuchungen  über  den  Mechanis¬ 
mus  der  Agglutination.  II.  Teil. 

ln  einer  früheren  Abhandlung  hatte  Joos  berichtet,  dass  die 
Agglutination  eine  Verbindung  dreier  Substanzen 
sei,  einer  agglutinierenden  und  einer  agglutinier- 
baren  und  dem  dazugehörigen  Salz.  Die  neuere  Untersuchung 
sollte  zeigen,  ob  wir  es  bei  diesem  Vorgang  mit  einer  wirklichen 
chemischen  Verbindung  zu  tun  hätten.  Es  konnte  er¬ 
mittelt  werden,  dass  in  einer  Mischung,  welche  die  agglutinierende 
und  die  agglutinierbare  Substanz  zusammen  enthielt,  eine  S  p  u  r 
Salz  sofortige  Agglutination  hervorruft,  die  vorher  weder  makro¬ 
skopisch  noch  mikroskopisch  zu  beobachten  war.  Die  Bolle  des 
Salzes  ist  also  eine  aktive.  Die  ganze  Erscheinung  muss  dem¬ 
nach  als  chemischer  Vorgang  angesehen  werden,  weil  zwischen  der 
relativen  Menge  der  drei  in  die  Verbindung  eintretenden  Sub¬ 
stanzen  eine  enge  und  konstante  Beziehung  besteht. 

Die  gebildete  Verbindung  ist  ein  n  e  u  e  f  K  ö  r  p  e  r,  welcher 
durchaus  verschieden  ist  von  denen,  aus  welchen  er  hervor¬ 
gegangen  ist.  Die  älteren  Theorien  können,  wie  Joos  meint, 
durch  keine  sicheren  Experimente  gestützt  werden  und  sind  zu  ver¬ 
lassen. 

2)  E.  M  arx  -  Frankfurt  a/M.:  Ueber  die  tetanusgiftneutrali- 
sierende  Eigenschaft  des  Gehirns. 

Gewissermassen  als  Ergänzung  zu  den  von  \V  a  s  s  e  r  m  a  n  n 
und  Takaki  gemachten  Untersuchungen,  wonach  es  gelingt, 
durch  normale  Gehirnsubstanz  die  Giftigkeit  des  Tetanustoxins 
zu  verringern  resp.  aufzuheben,  bringt  Verfasser  neue  Versuche, 
die  mit  Gehirnemulsion  und'  T  etanusgift  an  200  Mäu¬ 
sen  ausgeführt  wurden.  In  diesen  Versuchen  gehen  diese  Mäuse, 
welche  nur  Gift  und  Gehirn  erhalten  haben,  zu  Grunde,  während 
durch  Antitoxinzusätze,  die  als  solche  nicht  zur  Neutralisation  der 
Giftdose  ausreichen,  Tiere  mit  diesen  Gehirndosen  gerettet  werden. 
Es  summieren  sich  also  Gehirndosen,  die  als  solche  nicht  schützen, 
mit  nichtschützenden  Antitoxindosen  zu  schützenden  Dosen.  Diese 
Erscheinungen  lassen  sich  in  vitro  nacliweisen. 

3)  T  a  v  e  1 ,  Krumbein,  Glücksmann:  U  eher  Pest- 
schutzmassregeln. 

Im  neu  eingerichteten  Berner  Pestlaboratorium  wurden 
verschiedene  Immunisierungsmethoden  auf  ihren  Wert  nachge¬ 
prüft,  und  zwar  die  von  H  a  f  f  k  i  n,  der  deutschen  Pest¬ 
kommission,  von  Lustig  und  Calmette,  wobei  der  Ein- 
lluss  der  Menge  des  Virus  und  der  Einfluss  des  Infektionsmodus 
besonders  in  Betracht  gezogen  wurden.  Als  Versuchstiere  fungier¬ 
ten  Batten  und  Meerschweinchen.  Die  Ilesultate  ergaben,  dass  das 
\  accin  H  a  f  f  k  i  n,  das  der  deutschen  Pestkommission 
und  das  V accin  Lustig  in  Bezug  auf  Immunisierungseffekt  als 
gleichwertig  zu  erachten  sind.  I  )as  Lustig  sehe  scheint  aber 
insofern  das  geeignetste  zu  sein,  als  es  die  geringsten  Beizerscliei- 
nungen  macht,  sich  sehr  lange  wirksam  aufbewahren  lässt  und 
ausserordentlich  leicht  dosiert  werden  kann,  weshalb  sich  auch  der 
Export  dieses  Mittels  bei  ausbrechender  Epidemie  am  meisten 
empfiehlt. 

Als  Anhang  enthält  die  Arbeit  noch  eine  Zusammenstellung 


der  Utensilien  und  Apparate  für  einen  transportablen  Pestunter- 
suchungskasten. 

4)  G.  F  r  a  n  k  -  Wiesbaden:  Ueber  einen  neuen  Bazillps  aus 
der  Gruppe  des  Influenzabazillus. 

Der  Organismus  wurde  aus  verendeten  Schweinen  gezüchtet, 
welche  an  vereiterten  Halsdrüsen  und  oberflächlichen  Eiterbeulen 
gelitten  hatten.  Es  ist  ein  kleines  Stäbclie  n,  auf  allen 
Nährböden  gut  gedeihend,  verflüssigt  nicht  Gelatine,  zeigt  keine 
Eigenbewegung.  In  der  Kultur  färbt  es  sich  nach  Gram,  frisch 
aus  dem  Tierkörper  nicht.  Es  hat  keine  Sporen.  Seine  Lebens¬ 
fähigkeit  konnte  bis  5 y3  Monat  nachgewiesen  werden.  Degenera- 
tiensformen  sind  im  Tierkörper  sehr  häufig.  Das  Bakterium 
wächst  bei  37°  und  bei  Zimmertemperatur,  sowohl  aerob  wie  an¬ 
aerob.  Infektionsversuche  an  Mäusen,  Meerschweinchen, 
Kaninchen,  Batten,  Hunden,  Tauben  und  Hühnern  ergaben,  dass 
das  Stäbchen  bedeutende  pathogene  Eigenschaften  zeigte.  Meist 
entstanden  serös-eitrige  Exsudate  mit  Hämorrhagien. 

Das  Bakterium  steht  dem  Influenzabakterium  recht 
nahe,  doch  ist  es  ausserordentlich  viel  weniger  anspruchsvoll  als 
der  Influenzaerreger. 

5)  G.  W  i  r  g  i  n  -  Stockholm:  Zur  Wirkung  des  Aethylalkohols 
auf  Mikroorganismen. 

Verfasser  untersuchte  die  Einwirkung  von  geringpro¬ 
zentigem  Alkoho  1.  Schon  die  allerkleinsten  Mengen  von 
0,1  I’roz.  ab  beeinträchtigten  das  Wachstum  aller  untersuchten 
Bakterien.  Bald  jedoch  hört  die  beeinflussende  Wirkung  auf.  Eine 
Entwicklung  ist  aber  bei  allen  untersuchten  Arten  bis  zu  4  Proz. 
Alkohol  möglich.  Viele  vertragen  auch  5  Proz.,  mehrere  6,5  Proz.; 
eine  Sarcine  und  Micr.  pyogenes  noch  7,5  Proz.  Hefe  n, 
welche  an  Alkohol  gewöhnt  waren,  vermochten  noch  bei  8,5  Proz. 
zu  wachsen.  Bei  über  10  Proz.  Alkohol  wurden  alle  Bakterien 
mehr  oder  minder  rasch  abgetötet.  Alkohol  zeigte  sich  bei  der  Ab¬ 
tötung  der  Bakterien  in  den  genannten  Konzentrationen  kräftiger 
als  Chlornatrium. 

6)  W.  Ford -Berlin:  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Hämagglu- 
tininen. 

Aus  seinen  Versuchen  ist  zu  entnehmen,  dass  das  im  nor¬ 
malen  Seru  m  vorkommende  und  im  I  m  munser  u  m  auf¬ 
tretende  II  ämagglutinin  dieselben  Substanzen  sind.  Bei  der 
Vorbehandlung  bildet  sich  also  nicht  ein  neuer  Körper,  sondern 
es  tritt  eine  Vermehrung  der  bereits  vorhandenen  Substanz  ein. 

R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -■  Kiel. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  1.  1902. 

1)  A.  G  r  i  m  m  e  -  Marburg:  Die  wichtigsten  Methoden  der 
Bakterienfärbung  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Membran,  den 
Protoplasten  und  die  Einschlüsse  der  Bakterienzelle.  (Fort¬ 
setzung  folgt.) 

2)  O  1  s  c  h  a  n  e  t  z  k  y  -  Odessa:  Ueber  ein  neues  alkohol- 
und  säurefestes  Stäbchen. 

Das  Stäbchen  wurde  aus  einem  Leberabszess  einer  Maus  iso¬ 
liert.  Die  Säurefestigkeit  zeigt  es  auf  allen  Nährböden,  nur  nicht, 
wenn  es  auf  Milch  gezüchtet  ist.  Auf  Kartoffeln  gewachsen,  ver¬ 
liert  es  später  die  Fähigkeit,  säurefest  zu  sein.  In  seinem  morpho¬ 
logischen  Verhalten  nähert  es  sich  dem  Leprabazillus,  auch  sind 
Analoga  mit  Pseudodiphtherie  vorhanden.  Es  ist  pathogen  für 
Batten,  welche  an  eitriger  Peritonitis  eingelien.  Verzweigungen 
wurden  auch  nachgewiesen. 

3)  Jochmann  und  Krause:  Zur  Aetiologie  des  Keuch¬ 
hustens.  (Erwiderung  an  Vincenci  in  Sassari.) 

Die  Verf.  verwahren  sich  dagegen,  dass  der  von  Vincenci 
bei  Keuchhusten  gefundene  Coccobazillus  mit  ihrem  gefun¬ 
denen  B  a  c.  pertussis  Eppendor  f  identisch  sei,  und  zwar 
deshalb,  weil  letzterer  nur  auf  hämoglobinhaltigen  Nährböden  ge¬ 
deiht  und  sich  weiter  übertragen  lässt,  während  der  Coccobazillus 
von  Vincenci  auf  allen  Nährböden  gleich  gut  gedeihen  soll. 

4)  Wiener- Wien:  Zur  Entstehung  der  Rattenepizootien. 

Mittels  Alkalisierung  von  Eiern  gelang  es  dem  Ver¬ 
fasser  sowohl  einen  aus  einer  Battenepizootie  isolierten  Organis¬ 
mus,  der  recht  wenig  virulent  war,  als  auch  das  Bact.  coli  durch 
Fortzüchtung  auf  diesen  alkalisierten  Eiern  ziemlich  virulent  zu 
machen,  so  dass  Batten  bei  Fütterungsversuchen  zu  Grunde  gingen. 
Er  zieht  aus  seinen  Beobachtungen  den  Schluss,  dass  Battenepi- 
zootien  unter  Umständen  durch  Bakterien  hervorgerufen  werden 
können,  welch  letztere  sonst  an  sich  ganz  unvirulent  sind. 

5)  T  h  e  1 1  u  n  g  -  Zürich:  Experimenteller  Beitrag  zur  Frage 
der  Agglutination  der  Tuberkelbazillen  und  zur  Behandlung' 
der  Tuberkulose  mit  Neutuberkulin  Koch  (Bazillenemulsion). 

Die  Wirkung  des  Koch  sehen  Neutuberkulins  wurde  bei 
einigen  gesunden  und  einigen  tuberkulös  gemachten 
Kaninchen  und  Meerschweinchen  gep  r  ii  f  t.  1  >ie 
Resultate  der  Untersuchung  sind  folgende: 

a)  Die  Agglutination  der  Tuberkelbazillen  tritt  bei  Tuberku¬ 
lose  nicht  regelmässig  auf,  weshalb  sie  nicht  als  ein  praktisch 
brauchbares  diagnostisches  Merkmal  betrachtet  werden  kann. 

b)  Durch  subkutane  Injektion  von  Kochs  „Bazillenemulsion“ 
in  Dosen  von  einigen  Milligrammen  lässt  sich  dem  Blutserum  von 
Meerschweinchen  die  Fähigkeit  erteilen,  Tuberkelbazillen  zu 
agglutinieren.  Nach  ihren  Untersuchungen  waren  die  Aggluti¬ 
nationswerte  bei  tuberkulösen  Tieren  grösser  als  bei  nicht  tuberku¬ 
lösen.  Bei  Kaninchen  lässt  sich  die  agglutinierende  Fähigkeit  nur 
schwer  erzielen. 


MUEKCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


1232 


c)  E  i  u  g  ii  n  s  t  i  g  e  r  Einfluss  des  N  e  u  t  u  b  o  r  k  u  - 
lins  a  u  f  <1  e  n  V*  e  r  1  a  uf  ex  p  e  r  iinentell  e  r  T  u  b  e  r  k  u  - 
lose  b  e  i  M  e  e  r  s  c  h  w  e  i  n  c  h  e  n  u  n  d  K  a  ninclien 
k  o  nute  n  i  c  li  t  beobachtet  w  e  r  d  e  n. 

(1)  Zwei  mit  dem  Höchster  Präparate  „Zerriebene 
T  u  b  e  r  k  e  1  b  a  z  i  1 1  e  n“  geimpfte  Meerschweinchen  starben  an 
Tuberkulose;  von  zwei  mit  dem  aus  Höchst  bezogenen  Präparate 
„\  e  u  t  u  1)  e  r  k  u  1  i  n  K  o  c  li,  B  a  z  i  1 1  e  n  e  m  u  1  s  i  o  n“  geimpf- 
t(>n  Meerschweinchen  wurde  (‘ins  tuberkulös.  Die  beiden  Prä¬ 
parate  enthielten  lebensfähige,  für  Meerschweinchen  virulente 
Tuberkelbazillen. 

<*)  E.  S.  L  o  n  d  o  n  -  St.  Petersburg:  Der  gegenwärtige  Stand 
der  Lehre  von  den  Cytolysinen  und  die  cytolytische  Theorie  der 
Immunität.  (Schluss  folgt.) 

7)  Kraus  und  v.  Pirquet-  Wien :  Weitere  Unter¬ 
suchungen  über  spezifische  Niederschläge.  I.  Können  Bakterien¬ 
filtrate  agglutinierende  Substanz  binden?  II.  Uebsr  Präzipi- 
toide. 

Es  wurde  durch  ausführliche  Versuche  ermittelt,  dass  in  den 
P,  a  k  t  e  r  i  e  n  k  u  lturfilt  r  a  t  e  n  eine  Substanz  vorhanden  ist, 
die  die  spezifisch  agglutinierende  Substanz  bindet.  Ausser  dieser 
spezifischen  Substanz  sind  aber  noch  in  den  Filtraten  s  p  e  - 
z  i  f  i  s  c  li  präzipitierbare  Substanz  e  n  sui  generis  vor¬ 
handen. 

Unter  Präzipitoide  verstehen  die  Verfasser  ein  Frä- 
z  i  ])  i  t  i  n,  welches  seine  f  alle  n  d  e  Eigenschaft  verloren  hat, 
dem  die  bindende  aber  erhalten  bleibt.  Die  Präzipitine  können 
beim  blossen  Stehenlassen  verändert  „abgebaut“  werden,  indem 
ganz  allmählich  im  Serum  zuerst  die  fällende,  später  auch  bin¬ 
dende  Gruppe  verloren  geht. 

S)  L.  Har  r  iS- Baltimore:  Concerning  an  improved  method 
of  making  collodium  sacs.  lt.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  2G.  O.  Seif  ert-Wiirzburg:  Ueber  Exalginvergiftung. 

Vergiftungen  mit  dem  Exalgin,  wenn  auch  keine  tödlichen, 
sind  schon  verschiedene  beobachtet  worden.  In  dem  Falle  Sei¬ 
fer!  s  kam  es  nach  3  in  grösseren  Zwischenräumen  genommenen 
I  losen  von  nur  0.5  g  zu  heftigen  Beklemmungen,  Tachykardie 
(loo  Pi,  Seliwückegeftikl,  allgemeinem  Gefühl  von Ameisenkriiechen. 
Dabei  trat  eine  Cyanose  der  Haut  und  Schleimhäute  auf,  welche 
ohne  Zweifel  auf  Methämoglobinbildung  zurückzuführen  ist.  Dem¬ 
nach  ist  das  Mittel  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  geben  oder  ganz 
fallen  zu  lassen,  da  es  ohnehin  durch  unschädliche  leicht  ersetzt 
werden  kann. 

N'o.  24 — 2G.  L.  B  o  r  n  h  a  u  p  t  -  Riga:  Ueber  Nierenexstir¬ 
pationen. 

Kritischer  Bericht  mit  Krankengeschichten  über  21  Fälle  des 
Stadtkrankenhauses  Riga.  Davon  starben  4  nach  der  Operation, 
die  schon  unter  ungünstigen  Bedingungen  gemacht  wurde.  Von 
5  Karzinomkranken  sind  3  2 — 4  Jahre  rezidivfrei,  desgleichen  ein 
Sarkomfall  seit  7  Jahren.  2  Fälle  von  Pyonephrose  und  4  von 
Hydronephrose,  1  Fall  von  Nierentuberkulose  sind  geheilt.  Der 
Ureterenkatheterismus  wurde  nie  angewendet,  die  Oystoskopie  er¬ 
gab  oft  sehr  ungenügende  Anhaltspunkte,  es  bleibt  die  Nieren¬ 
diagnostik  und  -Chirurgie  noch  vielfach  auf  die  richtige  Zusammen¬ 
fassung  der  übrigen  Symptome  angewiesen. 

No.  27.  Chlum  sky-Wien:  4  Fälle  von  Ileus. 

Ein  verzweifelter  Fall,  80  jährige  Frau  mit  malignem  Tumor, 
ging  zu  Grunde,  die  3  übrigen  genasen.  Bei  zweien  hat  Verf., 
um  eine  Wiederkehr  der  Torsion  zu  verhindern,  die  betreffende 
Darmschlinge  nicht  nur  mit  der  benachbarten  der  Länge  nach 
vernäht  und  das  Mesokolon  resp.  Mesosigmoidemn  verkürzt,  son¬ 
dern  auch  eine  ausgedehnte  Anheftung  an  die  nächstgelegene 
Stelle  der  Bauchwand  vorgenommen.  Bei  dem  letzten  Kranken 
bestand  eine  vielfache  Invagiuation,  nach  deren  teilweiser  Lösung 
immer  noch  ein  kopfgrosser  unlösbarer  Tumor  verblieb;  dieser 
wurde  ausserhalb  der  Bauchhöhle  belassen  und  bildete  sich  dann, 
wie  Verf.  schon  früher  in  einem  solchen  Fall  gesehen,  völlig  zurück. 
Patient.,  der  eine  Darmresektion  kaum  überstanden  hätte,  wurde 
hergestellt.  Die  4  Fälle  wurden  unter  C  o  r  n  i  n  g  -  B  i  er  scher 
Eukain-  oder  Tropakokainanästhesie  operiert,  mit  der  Verf.  über¬ 
haupt  nur  gute  Erfahrungen  gemacht  hat. 

No.  28.  H  ö  1  s  c  li  e  r-  Tübingen:  Ein  Fall  von  abnormer 
Ausbildung  eines  akzessorischen  Sinus  occipitalis  nach  einseiti¬ 
ger  Thrombose  des  Sinus  transversus. 

Der  Fall  betrifft  ein  14  jähriges  Mädchen,  welches  seit  der 
Kindheit  an  einer  linksseitigen  Mittelohreiterung  litt  und  im 
8.  Jahre  eine  „Gehirnentzündung“  durchmachte,  schliesslich  plötz¬ 
lich  an  einem  Kleinhirnabszess  unter  Erscheinungen  zu  Grunde 
ging,  welche  von  den  verschiedenen  Beobachtern  als  hysterische 
aufgefasst  wurden.  Nach  dem  anatomischen  Befund  hatte  eine 
frühere  Thrombophlebitis  den  linken  Sinus  sigmoideus  verlegt. 
Als  direkte  Fortsetzung  des  Sinus  longitudinalis  hatte  sich  bei 
schwach  entwickeltem  Sinus  transversus  ein  vom  Torkular  direkt 
zum  Foramen  jugulare  dextr.  ziehender  kräftiger  Sinus  occipit. 
herausgebildet. 

Prager  medicinische  Wochenschrift. 

No.  25.  G.  11  e  i  m  a  n  n:  Melanotisches  Karzinom  der  Neben¬ 
nieren  bei  einem  3  Monate  alten  Säugling’. 


Hervorzuheben  ist  die  Seltenheit  der  Erkrankung  in  diesem 
Lebensalter  und  die  Schwierigkeit  der  Diagnose  trotz  reichlicher 
subkutaner  Metastasen;  nach  Fehlschlagen  einer  antiluetischen 
Kur  waren  multiple  Fibrome  angenommen  worden. 

No.  2G.  F.  Neu  manu:  Ueber  Paraffininjektionen. 

Verf.  berichtet  über  eine  Kranke,  bei  der  eine  über  nussgrosse 
oystische  Geschwulst  am  Oberkiefer  durch  Inzision  entleert  wurde. 
Dadurch  sank  die  eine  Wange  so  ein,  dass  eine  betleutende  Ein¬ 
stellung  entstand;  es  wurde,  nachdem  die  Höhle  dauernd  reizlos 
geworden,  nach  Gersuuy  Paraffin  injiziert  und  nach  An¬ 
frischung  der  Wundränder  geschlossen.  Durch  (‘ine  kleine  Nach¬ 
operation  wurde  dauernde  Heilung  und  ein  völlig  befriedigender 
kosmetischer  Effekt  erzielt. 

No.  27.  A.  Ko  lin- Prag:  Chromaffine  Zellen;  chromaffine 
Organe;  Paraganglien. 

Aus  den  von  Kolin  selbst  formulierten  Sätzen  führen  wir 
folgendes  an: 

Es  bricht  sich  die  Ueberzeugung  Bahn,  dass  die  chromaffine 
Zelle  als  ein  besonderer  und  eigenartiger,  allen  Wirbeltieren  zu¬ 
kommender  Zelltypus  anzusehen  ist. 

Sie  stammt  aus  den  embryonalen  Anlagen  der  sympathischen 
Ganglien  und  ist  frühzeitig  ausgezeichnet  durch  ihre  Chrom- 
afiinität.  Diese  besteht  in  der  Annahme  einer  Braunfärbung  in 
Chromsäure  und  Lösungen  chromsaurer  Salze.  Ferner  bleibt  ihr 
Zelleib  in  Chromatlösungen  und  zwar  nur  in  diesen  gut  erhalten. 

Die  chromaffine  Zelle  kommt  einzeln  oder  gruppenweise  vor, 
häufig  in  Form  von  Ballen  oder  Strängen,  welche  den  wesentlichen 
Bestandteil  kleiner  oder  grösserer  Organe  bilden;  sie  bilden  cha¬ 
rakteristische  diffuse  Einlagerungen  inmitten  der  sympathischen 
Ganglien  und  Nerven  (chromaffine  Organe,  Paraganglien).  Letztere 
sind  in  der  Hegel  im  engen  Anschluss  an  den  Grenzstrang  und 
die  Hauptgeflechte  im  ganzen  Gebiete  des  N.  sympaticus  zu  finden. 
Von  grösstem  Interesse  ist  die  organische  Verbindung  einer  mäch¬ 
tigen  chromaffinen  Zellmasse  („Marksubstanz“)  mit  der  epithelialen 
Nebenniere  der  höheren  Wirbeltiere.  Extrakte  chromaffiner 
Organe  vermögen,  in  (len  Kreislauf  gebracht,  den  Blutdruck  enorm 
zu  steigern.  Die  Chromaffinität  der  von  Paragauglien  ausgehenden 
Neubildungen  dürfte  für  die  pathologisch-anatomische  Diagnostik 
von  Bedeutung  werden.  Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

E.  Herrn  an:  Dysmenorrhöe.  (Brit.  Med.  Journ.,  17.  Mai 
1 902.) 

Zum  Schlüsse  dieses  längeren  Aufsatzes,  der  eigentlich  nichts 
neues  bringt,  empfiehlt  Verfasser  zur  Behandlung  die  Dilatation 
mit  Stiften  bis  zu  No.  12.  Für  deutsche  Leser  ist  der  Schluss  der 
Ai  beit  recht  erheiternd.  „Diese  (Stift-)  Behandlung  bietet  für 
englische  Gynäkologen  nichts  neues.  Die  meisten  von  uns  kennen 
die  Dilatationsmethode  schon  solange,  dass  man  sich  darüber 
wundern  muss,  dass  es  Lehrbücher  gibt,  die  sie  nicht  erwähnen; 
und  doch  ist  dem  so.  Das  allerletzte  Lehrbuch  in  deutscher  Sprache, 
das  erst  1002  erschienen  ist,  erwähnt  sie  nicht.“  (Trotz  dieser  Be¬ 
mängelung  kennen  wir  Deutsche  mit  unseren  gynäkologischen 
Lehrbüchern  recht  zufrieden  sein,  besonders  aber,  wenn  wir  sie 
mit  den  englischen  vergleichen.  Befer.) 

Thomas  B  r  y  a  n  t:  Eine  Analyse  von  47  Fällen  von  operativ 
behandeltem  Brustki’ebs,  die  die  Operation  5  bis  32  Jahre  über¬ 
lebten.  (Ibid.) 

Verfasser  hat  aus  seinen  Notizen  47  Fälle  von  Brustkrebs 
herausgesucht,  die  die  von  ihm  unternommene  Operation  minde¬ 
stens  5  Jahre  überlebt  haben.  Er  hat  den  Zeitraum  von  5  Jahren 
gewählt,  da  er  den  gewöhnlich  angenommenen  von  3  Jahren  für 
zu  kurz  hält.  (Wie  aus  dein  Nachfolgenden  hervorgeht,  ist  die 
Annahme  der  Heilung  nach  5  jähriger  Gesundheit  ebenso  willkür¬ 
lich  und  täuschend,  wie  die  nach  dreijähriger.  Bef.)  Die  erste 
Gruppe  seiner  Fälle  umfasst  17,  von  denen  13  noch  am  Leben  sind 
und  kein  Ilezidiv  zeigen,  die  4  Gestorbenen  starben  5,  13,  14  und 
20  Jahre  nach  der  Operation  au  interkurrenten  Krankheiten  und 
ohne  Bezidiv.  Von  den  13  lebenden  Fällen  sind  bei  1  seit  der 
Operation  5  Jahre  verflossen,  bei  1  anderem  G,  bei  3  weiteren  8, 
bei  3  liegen  9  Jahre  inzwischen,  2  Kranke  sind  10,  2  weitere  14 
und  1  gar  16  Jahre  rezidivfrei.  Verfasser  beschreibt  dann  genauer 
seine  Operation,  die  darin  besteht,  dass  er  in  jedem  Falle  die  ganze 
Brustdrüse  mit  der  darüber  liegenden  Haut  entfernt,  dann  macht 
er  (‘ine  kleine  Inzision  in  die  Achselhöhle,  führt  den  Finger  ein  und 
tastet  von  hier  aus  die  Achselhöhle  und  den  Baum  unter  dem 
Pectoralis  ab,  fühlt  er  hierbei  vergrösserte  Drüsen,  dann,  aber 
auch  nur  dann,  entfernt  er  dieselben.  Die  modernen,  ausgedehnten 
Operationen,  deren  Priorität  er  für  Moore  (1867)  gegenüber 
H  a  1  s  t  e  d  in  Anspruch  nimmt,  verwirft  er  als  Routineoperationen 
vollkommen.  Nach  seiner  Meinung  müssen  wir  dahin  streben, 
nicht  bei  praktisch  hoffnungslosen  Fällen  kolossale- Operationen  zu 
machen,  sondern  möglichst  früh  zu  operieren.  (Diesen  Wunsch 
dürfte  jeder  Chirurg  schon  lange  haben.  Bef.)  Er  empfiehlt  des¬ 
halb,  in  jedem  Falle  einer  Geschwulst  der  Brust  eine  Probeinzision 
zu  machen,  auch  wenn  dieselbe  noch  sehr  klein  ist.  ln  den  letzten 
paar  Jahren  sah  er  242  Fälle  von  Brustgeschwülsten  in  Konsul¬ 
tationen,  163  von  diesen  diagnostizierte  er  als  solide  Tumoren, 
67  als  Cysten.  Im  ganzen  wurden  170  der  Fälle  operiert  und  es 
stellte  sich  heraus,  dass  etwa  jeder  4.  Fall,  der  als  Karzinom  im¬ 
poniert  hatte,  tatsächlich  eine  Cyste  war,  die  sich  durch  eine  kleine 
Operation  entfernen  liess.  Die  zweite  Gruppe  umgreift  19  Falle, 
bei  denen  ein  lokales  Rezidiv  auftrat.  3  mal  trat  das  Rezidiv  in 


22.  Juli  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1233 


der  Narbe  auf  und  wurde  innerhalb  eines  Jahres  entfernt,  2  dieser 
Kranken  leben  4  Jahre  nach  der  zweiten  Operation  in  guter  Ge¬ 
sundheit.  1  gar  10  Jahre  später.  Bei  !)  Fällen  trat  ein  lokales  Re¬ 
zidiv  3  bis  7  Jahre  nach  der  ersten  Operation  auf;  3  mal  konnte 
dasselbe  nicht  mehr  entfernt  werden.  Bei  den  0  anderen  Fällen 
wurde  3  bis  7  Jahne  nach  der  ersten  eine  zweite  Operation  nötig. 
Diese  zweiten  Operationen  waren  von  jahrelanger  Gesundheit  ge¬ 
folgt,  4  von  den  Kranken  leben  noch  0  Jahre  nach  der  zweiten 
Operation,  2  sind  G  Jahre  darnach  an  Luugenmetastasen  gestorben. 
In  den  übrigen  7  Fällen  traten  lokale  Rezidive  je  10,  11,  12,  13,  25, 
31  und  32  Jahre  nach  der  ersten  Operation  auf,  doch  machten  diese 
Spätrezidivie  nur  sehr  langsame  Fortschritte.  Die  dritte  Gruppe 
umfasst  10  Fälle,  bei  denen  später  die  zweite  Brust  krebsig  ent¬ 
artete  und  4,  bei  denen  Metastasen  im  übrigen  Körper  auf  traten. 
In  G  Fällen  wurde  die  zweite  Brust  auch  entfernt  und  sind  diese 
2,  3,  5  und  G  Jahre  nach  der  2.  Operation  noch  rezidivfrei.  Ver¬ 
fasser  polemisiert  dann  gegen  die  neueren  Operationsmethoden 
und  sucht  auf  Grund  seiner  Statistik  nachzuweisen,  dass  seine 
wenig  eingreifenden  Operationen  von  ebenso  gutem  Erfolge  be¬ 
gleitet  sind.  (B  ryants  Arbeit,  so  interessant  sie  auch  ist,  be¬ 
weist  natürlich  gar  nichts  für  oder  gegen  die  grösseren  Opera¬ 
tionen,  da  die  Fälle  alle  aus  einem  grossen  Materiale  ausgesucht 
sind,  und  offenbar  nur  sehr  frühzeitige  Fälle  operiert  wurden,  viel¬ 
leicht  gibt  uns  B  r  y  a  n  t  gelegentlich  einmal  eine  Statistik  aller 
seiner  Fälle  und  teilt  dabei  mit,  wie  viele  er  operiert  und  bei  wie 
vielen  er  die  Operation  verweigert  hat.  Ref.)  Inoperable  Fälle 
behandelt  er  mit  Röntgen  strahlen  und  glaubt  er  mit  dieser  Methode 
ganz  überraschend  gute  Erfolge  gesehen  zu  haben,  nur  muss  man 
lange  bestrahlen,  er  selbst  gibt  3  Sitzungen  die  Woche  für  wenig¬ 
stens  3  Monate. 

Douglas  Drew:  Zur  Operation  des  Brustkrebses.  (Ibid.) 

Verfasser  empfiehlt  warm,  in  jedem  Falle  die  beiden  M.  pec- 
torales  fortzunehmen,  da  die  Operation  dadurch  gründlicher  und  die 
Ausräumung  des  Achselhöhle  sehr  erleichtert  wird.  Er  empfiehlt 
die  Entfernung  der  Muskeln  umsomehr,  als  doch  die  zu  ihnen 
ziehenden  Nerven  fast  immer  durchschnitten  werden.  (Auch  lief, 
kann  auf  Grund  zahlreicher  Operationen  bestätigen,  dass  die  Ent¬ 
fernung  beider  Brustmuskeln  durchaus  nicht  so  sehr  die  spätere 
Bewegungsfähigkeit  hindert,  als  man  anzunehmen  geneigt  ist.) 

David  Wilson:  Puerperalfieber  und  Antistreptokokken¬ 
serum.  (Ibid.) 

In  diesem  Falle  soll  eine  einmalige  Einspritzung  von  10  ccm 
Serum  (B  u  r  r  o  u  g  li  s  und  W  e  1 1  c  o  m  e)  am  5.  Fiebertage  das 
Leben  der  Kranken  gerettet  haben. 

Margaret  M.  Trail  Chris  tie:  Puerperalfieber  und  Anti¬ 
streptokokkenserum.  (Ibid.) 

Eine  20  jährige  I.  Para  wurde  manuell  von  einem  aneneeplia- 
lisclien  Monstrum  entbunden.  24  Stunden  später  Symptome  einer 
schweren  Sepsis.  Es  wurden  20  ccm  Antistreptokokkenserum 
(B  u  r  r  o  u  g  h  s,  W  ellcome  &  Co.)  eingespritzt,  worauf  die 
Temperatur  prompt  abfiel;  im  Ganzen  wurden  während  der 
nächsten  3G  Stunden  80  ccm  eingespritzt.  Glatte  Heilung.  In 
einem  2.  Falle,  der  erst  am  4.  Tage  zur  Aufnahme  kam,  brachte 
die  Einspritzung  von  Serum  zwar  die  Temperatur  zum  Sinken, 
doch  trat  der  Tod  schliesslich  ein.  Verfasser,  der  das  Mittel 
häufiger  angewendet  hat,  hält  es  für  sehr  nützlich,  wenn  man 
frühzeitig  damit  beginnen  und  es  längere  Zeit  hindurch 'fortsetzen 
kann. 

Melville  Dunlop:  Ein  Fall  von  Chlorom.  (Ibid.,  3.  Mai 
1902.) 

Sorgfältige,  durch  Illustrationen  bereicherte  Beschreibung 
eines  der  sehr  seltenen  Fälle  von  Chlorom.  Es  handelte  sich  um 
einen  5  jährigen  Knaben;  die  Tumoren  entstanden  zuerst  am 
Periost e  der  Kopfknochen  und  metastasierten  über  den  ganzen 
Körper;  ihre  Farbe  war  grasgrün,  ihre  Struktur  die  der  Lympho¬ 
sarkome.  Die  näheren  Einzelheiten  sind  im  Original  nachzulesen. 

Stopford  Taylor:  Epitheliom  auf  dem  Boden  eines  Lupus 
erythematosus,  Heilung  durch  Röntgenstrahlen  und  Auskratzen. 
(Ibid.) 

Ausgedehntes  Karzinom,  das  zuerst  gründlich  ausgeschabt 
und  dann  sofort  mit  Röntgenstrahlen  behandelt  wurde.  Tägliche 
Sitzungen  von  10  Minuten  Dauer;  später,  als  die  Reaktion  zu  heftig 
wurde,  wurde  täglich  nur  5  Minuten  belichtet.  Glatte  Heilung. 
Dieser  Fall  ist  auch  dadurch  interessant,  dass  Verfasser  3  mal  bei 
demselben  Patienten  die  Entwickelung  von  Epitheliomen  an  ver¬ 
schiedenen  Stellen  der  lupösen  Gesichtshaut  beobachten  und  be¬ 
handeln  konnte.  Zuerst  entfernte  er  1892  ein  grosses  Epitheliom 
der  Unterlippe,  dann  1893  ein  Epitheliom  der  Nasenspitze,  die 
letzte  EpitheliomentAvicklung  betraf  die  ganze  Nase  und  kam  1900 
zur  Beobachtung,  wurde  durch  Röntgenstrahlen  geheilt  und  ist 
seither  nicht  rezidiviert. 

J.  Berry:  Diagnose  und  Behandlung  der  verschiedenen 
Formen  des  Kropfes.  (Lancet,  3.  Mai  1902.) 

Verfasser,  der  die  für  England  recht  grosse  Zahl  von  155 
Kröpfen  operiert  hat,  gibt  in  dieser  Arbeit  seine  Anschauungen 
über  die  Kropffrage:  dieselben  decken  sich  im  allgemeinen  mit  den 
aueh  in  Deutschland  üblichen.  Er  hat  100  mal  ohne  einen  Todes¬ 
fall  Enukleationen  gemacht,  in  den  übrigen  55  Fällen  exstirpierte 
er  den  Kropf  nach  vorheriger  Unterbindung  (4  Todesfälle).  Bei 
B  a  s  e  d  o  av  scher  Krankheit  operierte  1er  nicht,  am  ehesten  ge¬ 
rechtfertigt  erscheint  ihm  bei  dieser  Erkrankung  noch  die  Unter¬ 
bindung  Aron  2  oder  3  der  Arterien,  die  Operationen  am  Sym¬ 
pathikus  verwirft  er  vollkommen. 


Pridgin  Tealc:  Subkutane  Drainage  zur  Entlastung  eines 
hydropischen  Gelenkes.  (Ibid.) 

Verfasser  rät,  bei  Hydrops  des  Gelenkes  dasselbe  subkutan 
zu  eröffnen  und  auf  diese  Weise  eine  Kommunikation  zAvisclien  der 
Synovialhöhle  und  dem  subkutanen  Gewebe  herzustellen.  Der  Er¬ 
guss  fiiesst  dann  in  letzteres  ab  und  wird  hier  resorbiert.  Das 
Verfahren,  das  übrigens  einem  bei  Ilydrocephalus  angegebenen 
ähnlich  ist,  hat  sich  dem  Verfasser  in  mehreren  Fällen  bewährt. 

Alexander  Crom  bie:  Zur  Erage  der  Schutzimpfung  gegen 
Typhus  in  Südafrika.  (Ibid.) 

Verf.  hatte  Gelegenheit,  250  Offiziere  nachzuuntersuchen,  die 
kürzlich  aus  Südafrika  zurückgekehrt  Avaren.  Von  diesen  waren 
102  1  mal  geimpft  worden,  von  ihnen  erkrankten  30  (29,4  Proz.) 
an  Typhus,  von  10  2  mal  geimpften  erkrankten  2  (20  Proz.).  Von 
29  Personen,  die  früher  Typhus  durchgemacht  hatten,  erkrankten  3 
(10,3  Proz.).  Von  109  Nichtgeimpften  erkrankten  24  (22  Proz.). 
Es  ist  möglich,  dass  die  Krankheit  bei  den  Geimpften  leichter  ver¬ 
läuft;  ziemlich  sicher  ist  es  aber  ausserdem,  dass  die  Gefahr,  am 
Typhus  zu  erkranken,  kurz  nach  der  Schutzimpfung  grösser  ist, 
als  wenn  man  überhaupt  nicht  geimpft  wird. 

T.  R.  B  radsha  av  :  Bisher  unbeschriebene  Krystalle  im 
Urin.  (Ibid.) 

Verf.  fand  im  Urin  eines  Kranken,  der  an  MagenerAveiterung 
litt  und  Magnesium  regelmässig  nahm,  Krystalle  von  Magnes. 
phosplior.  monoliydrieüm  (Mg  HPOJ.  Dieselben  krystallisierten 
in  langen,  glitzernden  Nadeln  und  Avaren  in  grosser  Menge  vor¬ 
handen. 

Leonard  G.  Guthrie:  Idiopathische  oder  angeborene  und 
vererbte  Hämaturie.  (Ibid.) 

Die  recht  interessante  Beobachtung  betrifft  eine  Familie  von 
12  Personen,  die  an  Hämaturie  leidet.  Es  handelt  sich  um 
2  Frauen,  die  Mütter  der  übrigen  Personen,  die  beide  an  Häma¬ 
turie  leiden  und  deren  2  Brüder  dieselbe  Abnormität  aufAviesen, 
aber  jung  starben.  Die  ältere  der  beiden  Sclnve Stern  hat  7  Kinder, 
4  Mädchen  und  1  Knabe  leiden  an  Hämaturie,  1  Mädchen  und 

1  Knabe  sind  frei  davon.  Die  jüngere  Schwester  hat  3  Kinder, 

2  Knaben  und  1  Mädchen,  die  alle  3  an  Hämaturie  leiden.  Die 
beiden  Mütter  haben  noch  1  unverheiratete  Schwester,  die  nie 
Nierenblutungen  gehabt  hat.  ln  manchen  Fällen  Avird  immer  Blut 
im  Urin  gefunden,  in  anderen  handelt  es  sich  um  anfallsweise  auf¬ 
tretende  Blutungen.  Stets  finden  sich  reichlich  rote  Blutkörper¬ 
chen  im  Urin.  Bei  heftigeren  Blutungen,  die  durch  grosse  Tem- 
peraturschAvankungen  ausgelöst  zu  Averden  scheinen,  besteht 
Fieber,  Unwohlsein,  Erbrechen  und  Gliederschmerz.  Haben  die 
Personen  das  10.  Lebensjahr  überschritten,  so  Averden  die  Anfälle 
seltener.  Dabei  sind  die  Betroffenen  keine  eigentlichen  „Bluter1, 
da  an  manchen  A'on  ihnen  sogar  kleinere  Operationen  ohne  Avesent- 
liclie  Blutung  ausgeführt  wurden.  Aelmliclie  Fälle  wurden  von 
Attlee  (St.  BartholomeAvs  Ilosp.-Journ.,  Dez.  1901)  beschrieben, 
bei  dessen  Fällen  die  Vererbung  übrigens  auch  durch  die  männ¬ 
liche  Linie  zu  Stande  kam,  Avälirend  bei  G.  bis  jetzt  nur  die  Frauen 
das  Leiden  vererbten. 

C.  Edward  Wallis:  Die  Behandlung  der  Hämophilie  mit 
Chlorkalzium.  (Brit.  Med.  Journ.,  10.  Mai  1902.) 

Verf.  rät  bei  Zahnoperationen  an  Blutern  prophylaktisch 

3  mal  täglich  1,0  Chlorkalzium  zu  geben;  durch  den  längeren  Ge¬ 
brauch  dieses  Mittels  wird  die  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  so 
vermehrt,  dass  man,  Avie  er  sich  selbst  überzeugen  konnte,  Wurzel¬ 
extraktionen  u.  dgl.  ohne  heftige  Blutung  vornehmen  kann.  Lässt 
man  das  Mittel  dann  Avieder  fort,  so  verliert  sich  die  gute  Wir¬ 
kung  und  die  Leute  bluten  bei  jeder  Gelegenheit  wieder  heftig. 

Sir  Fr.  Treves:  Die  chirurgische  Behandlung  des  Aneu¬ 
rysma  arterio-venosum.  (Ibid.) 

Früher  kamen  bei  schlecht  ausgeführten  Aderlässen  häufiger 
Verletzungen  vor,  die  zur  Entstehung  von  diesen  Aneurysmen 
führten;  jetzt  sind  dieselben  in  der  Friedenspraxis  sehr  selten 
geworden,  im  Kriege  allerdings  scheinen  sie  durch  das  moderne, 
kleinkalibrige  Geschoss  wieder  häufiger  vorzukommen.  T.  selbst 
sah  4  Fälle,  2  mal  bestand  eine  direkte  Verbindung  zAvischen  Ar¬ 
terie  und  Vene,  2  mal  lag  ein  falscher  aneurysmatischer  Sack  da¬ 
zwischen.  Die  Prognose  dieser  Verletzung  ist  quoad  vitam  gut, 
da  weder  Gangrän  noch  Spontanruptur  häufiger  vorzukommen 
scheint,  andererseits  aber  ist  die  Prognose  der  Funktion  sehr 
schlecht,  da  spontane  Heilung  ausgeschlossen  ist  und  die  befallene 
Extremität  meist  völlig  unbrauchbar  Avird,  nicht  selten  bildet  sich 
ein  der  Elephantiasis  ähnlicher  Zustand  aus.  Alle  konservativen 
Behandlungsmethoden,  Avie  Hochlageruug,  Kompression  etc., 
führen  nicht  zum  Ziel,  können  sogar  schaden,  auch  die  H  Unter¬ 
seite  Ligatur  der  zuführenden  Arterie  ist  zu  verAverfen.  Die  ideale 
Behandlungsmethode  besteht  in  der  proximalen  und  distalen  Li¬ 
gatur  der  beiden  Gefässe  und  bei  Vorhandensein  eines  Sackes  in 
der  Entfernung  desselben.  Doch  lässt  sich  diese  Methode  aus  ana¬ 
tomischen  Gründen  nicht  immer  ausführen.  Noch  erwähnt  T., 
dass  es  unmöglich  ist,  vor  der  Operation  zu  sagen,  ob  es  sich  um 
ein  Aneurysma  arterio-venosum  oder  um  ein  Aneurysma  varicosum 
handle.  Seine  4  Fälle  betrafen  die  Femoralgefässe  an  der  Teilungs¬ 
stelle  der  Femoialarterie  und  die  Carotis  externa,  ln  allen  4  Fällen, 
deren  genaue  Krankengeschichten  manches  Interessante  bieten, 
erfolgte  Heilung. 

II.  M.  C  oop  er  und  Cyril  Ogle:  Infektiöse  Endokarditis 
lind  Antistreptokokkenserum.  (Ibid.) 

Der  hier  mitgeteilte  Fall  ist  insofern  von  Interesse,  als  die 
spezifische  Behandlung  anscheinend  grossen  Nutzen  brachte,  avouu 
der  Tod  schliesslich  auch  ein  trat.  Der  2G  jährige  Patient  bot  die 


1234 


MÜENCHENER  MEDIC1NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Zeichen  einer  septischen  Endokarditis  mit  Infarkten  in  der  Niere 
und  anderen  Organen.  Aus  Blut,  welches  der  Vena  basilica  ent¬ 
nommen  wurde,  liess  sich  eine  Reinkultur  von  Streptokokken  ge¬ 
winnen.  Die  darauf  eingeleitete  Behandlung  mit  Antistrepto¬ 
kokkenserum  brachte  das  Fieber  völlig  zum  Verschwinden,  ebenso 
die  Nierensymptome,  das  Allgemeinbefinden  wurde  gut,  nur  die 
Pulsfrequenz  blieb  hoch.  Nach  einem  relativen  Wohlsein  von  einer 
Woche,  während  der  die  Behandlung  ausgesetzt  wurde,  trat  eine 
Verschlechterung  ein,  der  der  Kranke  erlag.  Im  ganzen  wurden 
in  27  Tagen  110  ccm  Serum  eingespritzt,  das  von  Burrouglis  &  Wel¬ 
come  aus  verschiedenen  Streptokokkenarten  hergestellt  wurde. 

II.  H.  Lucy:  Perforation  eines  Duodenalgeschwüres. 
Laparotomie,  Heilung.  (Lancet,  24.  Mai  1902.) 

R.  H.  Lucy:  Perforation  eines  Magengeschwüres.  Laparo¬ 
tomie,  Heilung.  (Ibid.) 

Der  erste  Fall  wurde  etwa  20  Stunden,  der  zweite  etwa 
17  Stunden  nach  der  Perforation  operiert.  Die  Bauchhöhle  wurde 
trockengetupft,  aber  nicht  gespült,  auch  wurde  nicht  genäht. 

Sir  William  Thomson:  Die  Entfernung  der  adenomatösen 
Prostata.  (Brit.  Med.  Journ.,  31.  Mai  1902.) 

Es  ist  seit  einiger  Zeit  in  England  viel  darüber  gestritten 
worden,  ob  es,  wie  F  r  e  y  e  r  behauptet,  möglich  ist,  die  ganze 
Prostata  samt  ihrer  Kapsel  von  der  Blase  aus  zu  entfernen. 
T  li  o  m  s  o  n  beschreibt  nun  auch  einen  Fall,  in  dem  es  ihm  ge¬ 
lang,  die  Prostata  zu  entfernen,  indem  er  Frey  er  s  Vorschriften 
befolgte;  es  handelte  sieh  aber,  wie  aus  dem  Präparat  hervorging, 
um  die  Enukleation  zweier  grosser  Adenome  aus  der  Prostata. 

John  S  m  y  t  h:  Prostatahypertrophie,  F  r  e  y  e  r  s  Operation, 
Heilung.  (Ibid.) 

Auch  diese  Arbeit  beschreibt  einen  Fall,  in  dem  es  gelang,  die 
Prostata  resp.  darin  enthaltene  Adenome  von  einer  Sectio  alta  aus 
mit  Glück  zu  enukleiren  und  den  Patienten  von  seinen  Leiden  zu 
befreien. 

Sir  William  R.  Go  wer  s:  Ueber  Myasthenia  gravis  und 
Ophthalmoplegie.  (Ibid.,  24.  und  31.  Mai  1902.) 

Verf.  gibt  in  2  Aufsätzen  4  Krankengeschichten,  die  viel 
Interessantes  bieten;  2  der  Fälle  wurden  von  ihm  übrigens  schon 
vor  kurzem  in  der  Deutsch,  med.  Wochensehr.  (v.  L  eydeu- 
Num liier)  veröffentlicht. 

Malcolm  Morris  und  Ernest  Do  re:  Neue  Erfahrungen 
über  die  Behandlung  des  Lupus  und  des  Ulcus  rodens  nach 
F  i  n  s  e  n  s  Methode  und  mit  Röntgenstrahlen.  (Ibid.,  1.  Mai 
1902.) 

Die  Verf.  beginnen  ihre  Arbeit  damit,  dass  sie  ausführen,  die 
beiden  Lichtmethoden  geben  zwar  gute  Resultate,  in  manchen 
Fällen  sogar  so  gute  wie  keine  andere  Methode,  trotzdem  aber 
dürfe  man  ihnen  zuliebe  nicht  die  älteren  Methoden  vernach¬ 
lässigen,  die  vielmehr  in  einer  Reihe  von  Fällen  allein  indiziert 
seien.  Das  kosmetische  Resultat  der  Lichtmethoden  übertrifft  alle 
anderen  Methoden,  auch  werden  fast  immer  Besserungen  erzielt; 
über  die  Dauer  der  Heilerfolge  dagegen  drücken  sich  die  Verf. 
ziemlich  skeptisch  aus,  sie  haben  viele  Rezidive  gesehen  und 
können  nicht  zugeben,  dass  die  Dauerresultate  der  neuen  Me¬ 
thoden  besser  sind  als  die  der  alten.  Nach  Versuchen  mit  ver¬ 
schiedenen  Lampen  arbeiten  die  Verf.  jetzt  mit  Vorliebe  mit  der 
neuen  Finsenlampe.  Die  Röntgenstrahlen  verwenden  sie  besonders 
bei  Ulzeratiouen,  die  zweifellos  dadurch  zu  schnellerer  Heilung 
gebracht  werden;  so  eignet  sich  diese  Methode  auch  ganz  besonders 
für  die  ausgedehnten  Fälle  von  Ulcus  rodens.  Es  ist  häutig  vor¬ 
teilhaft,  die  beiden  Lichtmethoden  zu  kombinieren.  Näheres  da¬ 
rüber  im  Original,  wo  auch  eine  Reihe  von  Krankengeschichten 
mitgieteilt  ist. 

G.  H.  L  a  n  c  a  s  h  i  r  e:  Die  therapeutische  Verwertung  der 
Röntgenstrahlen.  (Ibid.) 

Verf.  verwendet  die  Röntgenstrahlen  besonders  bei  Hyper- 
trichosis,  Sycosis  parasitaria,  Ulcus  rodens  und  solchen  Fällen  von 
Lupus  vulgaris,  bei  denen  die  Krankheit  sehr  ausgedehnt  ist  oder 
die  mit  Ulzeratiouen  oder  entstellenden  Narben  einhergehen,  dann 
auch  bei  Lupus  der  Schleimhäute.  Näheres  ist  im  Original  nach¬ 
zulesen. 

S.  W.  MacTlwaine:  Myxödem  bei  Mutter  und  Kind. 
(Ibid.,  24.  Mai  1902.) 

Die  Arbeit  ist  von  Interesse,  weil  die  Krankheit  bei  Mutter 
und  Kind  nach  dem  Ueberstehen  einer  schweren  Infektionskrank¬ 
heit  auftrat,  in  beiden  Fällen  brachte  dauernder  Gebrauch  von 
Tliyreoidin  Heilung. 

H.  VV.  Syers:  Die  klinische  Brauchbarkeit  der  Diazo- 
reaktion.  (Ibid.) 

\  erf.  spricht  der  Diazoreaktion  bei  Abdominaltyphus  jeden 
praktischen  \\  ert  ab,  da  im  Beginn  des  Typhus,  also  wenn  die 
Diagnose  noch  zweifelhaft  ist,  die  Reaktion  meist  negativ  ausfällt. 
Später  wird  sie  gewöhnlich  positiv,  aber  auch  dann  beweist  sie 
nicht  viel  für  das  Bestehen  von  Typhus,  da  sie  auch  oft  bei  tuber¬ 
kulösen  Erkrankungen  gefunden  wird.  Verf.  benutzt  die  Gelegen¬ 
heit,  um  dafür  zu  plädieren,  dass  der  Student  mehr  zur  klinischen 
Beobachtung  erzogen  wird,  als  das  in  den  letzten  Jahren  der  Fall 
ist.  Auch  ohne  chemische  und  bakteriologische  Reaktionen  mach¬ 
ten  die  alten  Aerzte  recht  genaue  Diagnosen. 

Thomas  R.  Fraser:  Ueber  die  relative  Unwirksamkeit  der 
Kakodylpräparate  in  der  Therapie.  (Scottish  Med.  and  Sure. 
Journ.,  Mai  1902.) 

\  erf.  hebt  zuerst  hervor,  dass  die  Vertreter  der  Kakodyl- 
therapie  die  Ungiftigkeit  des  Mittels  hervorheben;  er  hat  sich 
zwar  ebenfalls  davon  überzeugt,  ist  aber  folgerichtig  zu  dem 


Schlüsse  gekommen,  dass  die  grossen  Mengen  von  Arsenik,  die  in 
Form  der  Kakodylpräparate  dem  Körper,  ohne  Vergiftungserschei¬ 
nungen  auszulösen,  einverleibt  werden  können,  auch  therapeutisch 
wahrscheinlich  nur  eine  geringe  Wirksamkeit  entfalten  werden. 
Er  hat  deshalb  das  Mittel  einer  Reihe  von  Kranken  gegeben,  gegen 
deren  Leiden  Arsenik  gebräuchlich  ist,  und  er  hat  sich  davon 
überzeugt,  dass  die  Kakodylpräparate  keinerlei  therapeutische 
Wirkung  ausüben;  durch  Analysen  der  Uriue  der  betreffenden 
Kranken  konnte  er  fernerhin  den  Beweis  erbringen,  dass  das  Arsen 
des  Kakodylpräparates  im  Körper  nicht  abgespalten  wird,  sondern 
in  fester  Verbindung  mit  den  anderen  Komponenten  des  Kakodyls 
den  Körper  wieder  verlässt.  Das  Mittel  wurde  ausserdem  sehr 
schlecht  vertragen,  da,  wenn  es  genommen  wurde,  meist  lange 
vor  Erreichen  der  Maximaldosen  Uebelkeit,  Erbrechen  und  Diar¬ 
rhoe  auftraten;  diese  Nebenerscheinungen  fehlten  zwar  bei  sub¬ 
kutaner  Anwendung,  doch  ist  diese  wegen  der  Länge  der  Zeit 
schwer  durchzuführen,  auch  tritt  selbst  hier  der  Knoblauchgeruch 
auf,  der  der  Kakodyltherapie  eigen  ist.  Der  Hauptgrund  gegen 
die  Anwendung  der  Kakodyle  ist  natürlich  der,  dass  sie  keinerlei 
Arsenik  Wirkung  entfalten. 

C.  R.  Marshall:  Zur  Wirkung  des  Purgatins.  (Ibid.) 

Verf.  glaubt  nicht,  dass  das  neue  synthetische  Abführmittel 

eine  grosse  Zukunft  haben  wird,  da  es  in  grösseren  Dosen  die 
Nieren  reizt  und  auch  in  kleineren  Dosen  den  Urin  rot  färbt. 
Es  ist  demnach  in  allen  Fällen  von  Nierenleiden  kontraindiziert 
und  auch  sonst  entbehrlich. 

D.  A.  Calle  n  d  a  r:  Zwei  Fälle  von  Magenperforation,  eine 
Heilung  ohne  Operation.  (Ibid.) 

Bei  Durchsehen  der  Krankengeschichten  kann  man  kaum 
zweifeln,  dass  es  sich  auch  in  dem  geheilten  Falle  um  eine  Magen¬ 
perforation  gehandelt  hat;  volle  14  Tage  wurde  nichts  per  os  ge¬ 
geben.  Die  Kranke  genas,  obwohl  der  Fall  durch  eine  Pleuritis 
kompliziert  wurde.  Im  zweiten  ebenfalls  nicht  operierten  Falle 
trat  wie  gewöhnlich  der  Tod  ein. 

Norman  W  a  1  k  er:  Zur  Behandlung  des  Lupus  vulgaris  mit 
Röntgenstrahlen.  (Ibid.) 

Verf.  bepinselt  vor  der  Bestrahlung  die  lupöse  Fläche  mit 
reiner  Karbolsäure;  die  auf  die  Bestrahlung  folgende»  Reaktion  ist 
allerdings  meist  sehr  beträchtlich,  doch  heilen  die  Geschwüre 
unter  indifferenten  Salben  rasch  und  mit  glatter  Narbenbildung. 
Der  Enderfolg  ist  sehr  gut. 

S.  FI.  Haber  sh  on:  Wanderniere  und  Leberstöfungen. 
(Edinburgh  Med.  Journ.,  Mai  3902.) 

Gestützt  auf  Literaturstudien  und  eine  Reihe  von  eigenen 
Beobachtungen  weist  Verf.  darauf  hin,  dass  rechtsseitige  Wander¬ 
nieren  nicht  gar  so  selten  zu  Symptomen  Anlass  geben,  die.  auf 
Störungen  der  Leberfunktion  liinweisen  und  zu  falschen  Diagnosen 
Anlass  geben.  Als  Engländer  weiss  Verf.  natürlich  eine  Menge 
über  die  „sluggish  liver“  und  die  daraus  resultierende  „bilious 
ness“  zu  sagen  (mangelhafte  Leberfunktion  und  Galligkeit),  ein 
Gebiet,  auf  das  wir  ihm  kaum  folgen  können,  das  aber  zusammen 
mit  der  Gicht  eine  riesige  Rolle  in  der  englischen  Medizin  spielt. 
Interessanter  und  auch  uns  Nichtengländern  einleuchtend  sind  die 
Fälle,  in  denen  es  durch  Druck  oder  Zerrung  von  seiten  der 
Wanderniere  zu  Kolikanfällen  mit  oder  ohne  Ikterus  kommt,  die 
sich  von  Gallensteinkoliken  nur  schwer  unterscheiden  lassen.  Verf. 
empfiehlt  therapeutisch  weniger  die  Nephropexie  als  eine  Mastkur 
und  das  Tragen  eines  gut  sitzenden  Gürtels.  lief,  hat  in  den 
letzten  2  Jahren  2  derartige  Fälle  operiert,  in  denen  eine  Wander¬ 
niere  zu  typischen  Kolikanfällen  mit  Ikterus  geführt  hatte.  Nach 
der  Nephropexie  verschwanden  alle  Symptome,  im  ersten  Falle 
war  versehentlich  die  Diagnose  auf  Gallensteine  gestellt  worden.) 

R.  W.  Lefturih:  Ein  nahrhaftes  Getränk  für  Fieber¬ 
kranke.  (Ibid.) 

Verf.  empfiehlt  warm  folgende  Limonade:  2  Zitronen  werden 
doppelt  geschält,  die  äussere  gelbe  Rinde  kommt  in  die  Limonade 
mit  den  Zitronenscheiben,  die  darunter  liegende  weisse  Rinde  wird 
fortgeworfen.  Die  Zitronenscheiben  und  die  gelbe  Rinde  legt  man 
mit  2  Stücken  Zucker  in  einen  Topf  und  giesst  %  Liter  kochendes 
Wasser  darüber;  während  dasselbe  abkühlt,  rührt  man  die  Masse 
zuweilen  um.  Sobald  die  Flüssigkeit  lauwarm  geworden  ist.  giesst 
man  sie  ab  und  quirlt  sie,  indem  man  langsam  das  Weisse  von 
2  Eiern  zufügt.  Schliesslich  seiht  man  die  nun  fertige  Limonade 
durch  ein  Muslintuch  und  serviert  sie  kalt. 

W-  J.  S  in  y  1  y:  Die  Behandlung-  der  Endometritis.  (Glasgow 
Med.  Journ.,  Mai  1902.) 

In  Fällen  von  akuter  septischer  Endometritis  rät  Verf.,  den 
Uterus  mit  stumpfer  Spülkiirette  auszuschaben  und  mit  grossen 
Mengen  von  Lysol  nachzuspülen,  ln  der  gewöhnlichen  chronischen 
Form  der  Endometritis  kiirettiert  er  ebenfalls  und  lässt  eine 
Aetzung  mit  Karbolalkohol  oder  noch  besser  mit  SOproz.  Formalin 
folgen.  In  hartnäckigen  Fällen  schreitet  er  zur  Atmokausis. 

Arch.  Galbraith  Faulds:  Eukalyptus  in  der  Behandlung 
des  Diabetes.  (Ibid.) 

Auf  Empfehlung  eines  Laien  versuchte  Verfasser  dieses  Mittel 
bei  Kranken  in  der  Glasgow  Royal  Infirmary  und  zwar  mit  gutem 
Erfolge  in  gewissen  Fällen,  namentlich  in  solchen,  in  denen  keine 
erbliche  Belastung  mit  Diabetes  oder  Neurasthenie  vorlag.  Zur 
Verwendung  kam  ein  Aufguss  aus  getrockneten  Blättern  des 
australischen  Gummibaums,  in  1.1  Fällen  soll  Heilung  eingetreten 
sein.  (Offenbar  handelte  es  sich  meist  um  alimentäre  Glvkosurieu. 
Refer.) 


22.  Juli  1902. 


MUENCIIENEK  MEDICINISCHE  WOCIIENSCIIRI ET 


1235 


George  Heaton:  Prognose  und  Therapie  der  Appendizitis. 
Mit  einer  Analyse  von  91  Pallen.  (Birmingham  Medical  Review, 
Mai  1902.) 

Neben  Bettruhe  und  strenger  Diät  hält  Verfasser  es  für  das 
Wichtigste,  so  bald  wie  möglich  nach  Beginn  der  Krankheits¬ 
erscheinungen  den  Darm  zu  entleeren.  Da  man  nie  wissen  kann, 
ob  nicht  Perforation  droht,  vermeidet  er  alle  Abführmittel  und 
sucht  durch  einen  oder  mehrere  Einläufe  Stuhlgang  zu  erzielen. 
Narkotika  will  er  vermieden  wissen;  äusserlich  wendet  er  warme 
Umschläge  an;  bei  heftigen  Schmerzen  auch  Blutegel.  Viele 
Kranke  bleiben  nach  dem  ersten  Anfall  völlig  wohl,  doch  muss  auf 
guten  Stuhl  und  sorgfältiges  Kauen  geachtet  werden.  Tritt 
dennoch  ein  zweiter  Anfall  ein  (in  etwa  30  Proz.  der  Fälle),  so 
empfiehlt  Verfasser  die  Operation  im  freien  Intervall.  Im  An¬ 
fall  operiert  er  stets,  wenn  er  die  TJeberzeugung  hat,  dass  Eiter  vor¬ 
handen  ist.  Es  gibt  kein  einziges  pathognomisches  Symptom  für 
das  Vorhandensein  von  Eiter,  am  wertvollsten  ist  der  Puls,  meist 
gelingt  es  aber  durch  genaue  Beobachtung  und  Abwägen  der  ver¬ 
schiedenen  Symptome  die  richtige  Diagnose  zu  stellen.  Wichtig  ist 
auch  die  genaue  Blutuntersuchung.  Erreicht  die  Leukocytose 
18  000  bis  20000,  ohne  dass  Lungenkomplikationen  vorliegen,  so 
wird  man  sicher  Eiter  finden.  Das  Suchen  nach  der  Appendix 
ist  bei  der  Eröffnung  des  Abszesses  zu  vermeiden,  da  leicht  all¬ 
gemeine  Peritonitis  durch  Zerreissen  von  Adhäsionen  eintreten 
kann.  Bei  allgemeiner  Peritonitis  legt  er  eine  Gegenöffnung  an, 
spült  die  Bauchhöhle  mit  grossen  Mengen  von  Salzlösung  aus  und 
d ruiniert.  Verfasser  glaubt,  dass  nur  in  etwa  25 — 30  Proz.  aller 
Fälle  von  Appendizitis  es  zur  Eiterbildung  kommt,  weshalb  er  auch 
die  Frühoperation  verwirft. 

William  Rose:  Zur  Exzision  des  Ganglion  Gasseri.  (Prac- 
titioner,  Mai  1902.) 

Verfasser,  der  ja  zuerst  das  Ganglion  Gasseri  entfernt  hat, 
wendet  sich  in  dieser  Arbeit  gegen  die  II  a  r  1 1  e  y  -  K  r  ause  sehe 
Methode  und  empfiehlt  eine  Modifikation  der  Methode  von 
D  o  y  e  n,  deren  Einzelheiten  im  Originale  nachzulesen  sind. 

Herbert  W.  Page:  Ueber  die  chirurgische  Seite  der  Hirn¬ 
erschütterung.  (ßrain.  Spring  1902,  Vol.  47.) 

Die  interessante  Arbeit  gipfelt  in  dem  traurigen  Zugeständnis, 
dass  die  Chirurgie  in  diesen  Fällen  machtlos  ist,  Verfasser  wenig¬ 
stens  hat  durch  das  Studium  vieler  Fälle,  in  denen  er  operierte  und 
zahlreicher  anderer,  die  er  sezierte,  stets  die  TJeberzeugung  ge¬ 
wonnen,  dass  ein  chirurgischer  Eingriff  aussichtslos  war. 

Byrom  Br  am  well:  Eine  Analyse  von  155  Pallen  von 
Tabes  dorsalis.  (Ibid.) 

Es  kann  an  dieser  Stellt*  nur  kurz  auf  die  sorgfältige  Arbeit 
hingewiesen  werden.  Interessant  ist,  dass  Verfasser  nicht  nur  der 
Syphilis,  sondern  auch  den  übrigen  venerischen  Krankheiten  eine 
prädisponierende  Ursache  für  die  Entstehung  der  Tabes  zuweist. 

Sir  Th.  Lautier  Brunton:  Ueber  Halluzinationen  und  ver¬ 
wandte  Phänomene.  (Journal  of  Mental  Science,  April  1902.) 

Auch  diese  interessante  Arbeit  des  bekannten  Londoner  Arztes 
eignet  sich  nicht  zum  Referat,  sollte  aber  von  jedem,  der  sich  für 
Telepathie,  Visionen  etc.  interessiert,  gelesen  werden.  Sehr  geist¬ 
voll  ist  der  Versuch,  nachzuweisen,  dass  die  Feen,  die  eine  so 
grosse  Rolle  in  unserem  Kinderleben  spielen,  nur  den  Halluzi¬ 
nationen  der  Epilepsie  oder  Migräne  ihr  Leben  verdanken.  Im 
Anschluss  an  die  Arbeit,  die  die  Ausarbeitung  eines  Vortrags 
bildet,  findet  sich  eine  lange  und  interessante  Diskussion  abge¬ 
druckt,  die  dem  Vortrage  folgte  und  an  welcher  eine  Reihe  der 
bekanntesten  englischen  Irrenärzte  teilnalimen. 

J.  P.  z  u  m  B  u  sch-  London. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Breslau.  Juni  1902. 

29.  Silber  mann  Edwin:  Die  Einleitung  der  Frühgeburt 
i  u  i  t tels  II y stereu ry  se. 

30.  Ri  mann  Hans:  Die  Endotheliome  des  Utero- vaginal- 
Schlauches  Erwachsener. 

31.  S  c  li  i  r  o  k  a  u  e  r  Hans:  Der  traubige  Schleimpolyp  der  Cervix 
uteri.  (Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Geschwülsten  des 
Uterus.) 

32.  Peiser  Julius:  Ueber  die  Ursachen  des  angeborenen  Klump- 
fusses. 

33.  Schlesinger  Eugen:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen 
Schädelgrösse  und  Sprachentwicklung. 

Universität  Erlangen.  Juni  1902. 

12.  W  erner  Josef:  Statistischer  Beitrag  der  Therapie  der  Unter¬ 
schenkelsarkome. 

13.  Richter  Johannes:  Vergleichende  Untersuchungen  über  den 
mikroskopischen  Bau  der  Lymphdrüsen  von  Pferd,  Rind. 
Schwein  und  Hund. 

Universität  Freiburg.  Juni  1902. 

33.  ,1  ä  necke  Georg:  Ueber  Metamorphosenwahn. 

34.  Scliaich  Julius:  Ueber  die  Diagnose  der  Nierensteine. 

35.  Krau  ss  Leonhard:  Ueber  die  K  i  1 1  i  a  n  sehe  Radikalopera¬ 
tion  chronischer  Stirnhöhleneiterungen. 

3G.  Schulz  Hermann:  Ueber  gutartige  Penistumoren.  (Ein  Fall 
von  Fibromyom  des  Penis.) 

37.  Leschziner  Leo:  Ueber  2  Fälle  von  Bursitis  troelianterica 
tuberculosa. 

38.  Zade  Martin:  Die  Tuberkulose  der  weiblichen  Brustdrüse. 

39.  Nelson  Siegfried:  Ueber  2  Fälle  von  Zungentuberkulose. 

40.  Rosenhaupt  Heinrich:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Meralgie. 


41.  Schuster  Paul:  Zur  pathologischen  Anatomie  der  Orbital¬ 
fraktur  (Hernia  orbitocerebralis),  sowie  über  isolierte  Augen- 
muskellähmungen  bei  Basisfraktur. 

Universität  Halle.  Juni  1902. 

22.  II  en  nicke  Hermann:  lieber  einen  Fall  von  Sarkoma  uteri 
mit  ausgedehnter  sarkomatüser  Thrombose  der  Venae  uterinae 
und  der  Vena  spermatica. 

23.  Tasliiro  Akidaro:  Ueber  Bau  und  Pigmentierung  der  Ader- 
liautsarkome. 


Universität  Heidelberg.  Juni  1902. 

15.  S  c  li  ni  i  d  t  Wolfgang:  Ueber  den  schnellenden  Finger. 
Universität  Jena.  Juni  1902. 

15.  Kessler  Karl:  Bericht  über  31  Fälle  von  Dickdarmtumoren. 
IG.  Preller  Karl:  Ueber  Keratokonus,  besonders  den  pul¬ 
sierenden. 

17.  Sclieitz  Paul:  Die  Exarticulatio  femoris,  ihre  Geschichte  und 
moderne  Ausführung. 


Universität  München.  Juni  1902. 


5S.  Stanze  Otto:  Ein  Fall  von  Epignatlius  und  polypenförmigem 
Fibro-Lipoma  myxomatodes  congenitale  der  rechten  Nasen¬ 
höhle. 

59.  Lindner  Erwin:  Ein  Fall  von  Eudothelioin  der  Dura  mator 
mit  Metastase  in  der  Harnblase.  Beitrag  zur  llistogenese  und 
Differentialdiagnose  der  Endotheliome. 

G0.  Al  brecht  Hans:  Ueber  das  Kavernom  der  Milz.  Ein  Bei¬ 
trag  zur  Kenntnis  von  Bau  und  Entstehung  der  Kavernome. 

Gl.  Rosenthal  Erich:  Die  Fälle  von  künstlicher  Lösung  der 
Plazenta  und  deren  Folgen  (1890 — 1900). 

G2.  Dolimeyer  Wilhelm:  Luetische  Endaortitis  mit  Aneurysma 
der  Brustaorta. 

63.  Dodel  Hans:  Ein  seltener  Fall  von  septischer  Autoinfektion 
nach  traumatischem  Abort. 

G4.  Heyn  Paul:  Zehn  Myomektomien. 

65.  Dör'ner  Karl:  Zur  Kasuistik  der  kryptogenen  Septico- 
pyämie. 

GG.  Scheu  Erich:  Ueber  Gravidität  bei  Uterus  bicornis  septus 
cum  vagina  septa. 

G7.  Kuhn  Wilhelm:  Ein  Fall  von  Harnblasenruptur. 

G8.  Forgber  Georg:  Ein  Fall  von  primärem  Nierenkarzinom 
mit  zentraler  Vereiterung. 

Universität  Strassburg.  Juni  1902. 


13. 

14. 

15. 

IG. 


Schneider  Alfons:  Ein  Beitrag  zur  Anatomie  der  Scheitel¬ 
beine  des  Menschen  und  der  Affen. 

Witscliol  Wilhelm  Karl:  Ueber  Ausfallerscheinungen  nach 
Entfernung  der  weiblichen  Sexualorgane. 

Parczewski  Eugen  v.:  Prognose  der  Zangenoperationen 
nach  den  Resultaten  der  Universitätsklinik  zu  Strassburg  in 
den  Jahren  1891 — 1900. 

Mertz  Karl:  Ueber  Verletzungen  des  Halsmarks,  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  eines  Falles  von  Schussverletzung 
1,,;+  1  > n  1 1 en  TAiiinprutnren. 


18. 

19. 

20. 


21. 


24. 

25. 
20, 
27. 
2S. 
29. 


28. 

29. 

30. 

31. 
ao 


Universität  Tübingen.  Mai  1902. 

Günzler  Ernst:  Ein  Fall  von  Cystadenoma  papillare  der 
Schilddrüse  mit  Drüsenmetastase. 

Fluss  Fritz:  Ueber  Myiasis  interna  et  externa. 

P,  r  ii  n  i  n  g  Max:  Bericht  über  die  Wirksamkeit  der  Universi¬ 
tätsaugenklinik  in  Tübingen  in  der  Zeit  vom  22.  Oktober  18(5 
bis  31.  Dezember  1901. 

Juni  1902. 

Elsaesser  Karl:  Ueber  einen  Fall  von  tuberkulösem 
Ovarialkystom. 

Hegler  Karl:  Zur  Frage  der  Regenerationsfähigkeit  des 
Gehirns. 

II  e  1  m  b  r  echt  Günther:  Klinisch-statistischer  Beitrag  zu  der 
Lehre  von  der  Hyperopie. 

Mallinckroot  Konrad  Gustav:  Ueber  Sarkome  der  weichen 
Rückenmarkshäute. 

Martin  Georg:  Ein  Fall  von  Nabeischnurstrangulation  bei 
einem  3  Monate  alten  missbildeten  Embryo. 

Reuchlin  Hermann:  Zur  Kasuistik  des  doppelseitigen  pul¬ 
sierenden  Exophthalmus. 

Roeger  Hermann:  Sarkom  der  Nase  mit  hyaliner  und  auiy- 

loider  Degeneration.  , 

Wa Icker  Otto:  Ein  Beitrag  zu  den  sarkomatosen  Ge¬ 
schwülsten  des  Mesenteriums. 

Schmidt  lein  Adolf:  Beitrag  zur  Lehre  von  der  hoch¬ 
gradigen  Myopie. 

Universität  Würzburg.  Mai  und  Juni  1902. 

Armand  Ernst:  Die  Entstehung  und  das  Wachstum  des 

Drüsenkarzinoms.  . 

Hirsch  Alfred:  Die  Geschwülste  der  Nebennieren  und 

Nebenniierengeschwülste  der  Niere.  ....... 

K  irchgessne  r  Philipp:  Uebor  mehrfache  Tiibargraviuiiat. 
Marggraff  Fritz:  Ueber  Spätrezidive  bei  Mammakarzi¬ 
II  ii  ii  1  e  Albert:  Neue  experimentelle  Beitrage  über  die  \  or- 
gänge  bei  der  Fremdkörpereinheilung. 

Tapp  es  er  Johann:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Gliome  des 
Gross-  und  Kleinhirnes,  des  Rückenmarkes  und  der  Retina. 


1236 


MUEN CIIENER  MEDICINISCTTE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


I’  oplio  v  e  n  Friedrich:  Hoher  Kystadenom  der 
34.  \V  e  i  1  a  nd  Georg:  Bericht  über  100  in  der 
Frauenklinik  ausgcfiilirte  Ovariotomien. 


Prostata. 

Würzburger 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

30.  Deutscher  Aerztetag. 

in  Königsberg,  am  4.  und  5.  Juli  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

(Schluss.) 

d)  Bericht  der  Kommission  zur  Bekämpfung'  der  Kur¬ 
pfuscherei. 

T.  Antrag:  Der  XXX.  deutsche  Aerztetag  empfiehlt  den  Ver¬ 
einen,  durch  Aufklärung  des  Publikums  in  Wort,  und  Schrift 
nach  den  in  der  Denkschrift  (Beilage  3)  mitgeteilten  Gesichts¬ 
punkten  (Abhalten  von  Vorträgen,  Benutzung  der  Tagespresse, 
Verbreitung  von  Zeitschriften,  Broschüren  oder  Flugblättern, 
Mitwirkung  bei  Vereinen  für  öffentliche  Gesundheitspflege, 
Rettungs-  und  Samariterwesen  u.  dergl.)  oder  in  sonst  geeigneter 
Weise  die  Kurpfuscherei  zu  bekämpfen. 

Herr  Reissig-  Hamburg  als  Referent  verweist  auf  die  von 
ilmi  verfasste  Denkschrift,  welche  hauptsächlich  für  die  Aerztie  be¬ 
stimmt  ist.  Es  ist  notwendig  bei  dem  herrschenden  Aberglauben 
und  Mystizismus,  das  Volk  mehr  über  den  Verlauf  von  Krank¬ 
heiten  und  das  Wesen  der  Heilkunde  aufzuklären.  Das  Verlangen 
nach  solcher  Aufklärung  ist  gross  und  dasselbe  machen  sich  die 
Pfuscher  für  ihre  Interessen  zu  nutze.  Ihre  Schriften  sind  ent¬ 
sprechend  ausgestattet  und  durch  breite  Erörterung  sexueller 
Dinge  darauf  berechnet,  die  Sinnlichkeit  zu  erregen  und  Leser  an¬ 
zuziehen;  sie  finden  lebhafte  Verbreitung.  Dagegen  gibt  es  wenige 
empfehlenswerte  ärztliche  Aufklärungsschriften,  man  muss  solche 
schaffen  und  mit  der  Sprache  des  Volkes  unter  das  Volk  gehen; 
man  muss  dem  Volke  gute  Schriften  empfehlen,  Vorträge  halten, 
die  Presse  benutzen.  Solche  Arbeit  kann  freilich  nicht  rasch,  son¬ 
dern  nur  schrittweise  wirken. 

DE  Kor  XXX.  Aerztetag  beauftragt  den  Geschäftsausschuss, 
beim  Bundesrat  dahin  vorstellig  zu  werden; 

1.  Dass  die  Ausnützung  der  Heilkunde  durch  nicht  appro¬ 
bierte  Personen  zu  untersagen  ist,  wenn  Tatsachen  vorliegen, 
welche  die  Unzuverlässigkeit  des  Gewerbetreibenden  in  Bezug  auf 
diesen  Gewerbebetrieb  dartun  *),  und  dass  Personen,  welche  dieses 
Gewerbe  beginnen,  hiervon  der  zuständigen  Behörde  Anzeige  zu 
erstatten  haben  (siehe  §§  35  und  148  Ziff.  4  der  Reichsgewerbe¬ 
ordnung). 

2.  Dass  mit  Geltung-  für  das  Reich  eine  Verordnung  erlassen 
werde,  welche  sich  an  die  vom  Staate  Hamburg  unterm  1.  Juli 
1900  erlassene  Verordnung  anschliesst  und  vor  allem  die  prahle- 
i  isthen  Ankündigungen  von  Geheimmitteln  und  Heilmethoden 
unter  Strafe  stellt. 

3.  Dass  seitens  der  Behörden  öffentliche  Warnungen  gegen 
Schwindelmittel  und  Kurpfuscher  erlassen  werden. 

4-_  Dass  Rezepte  von  Kurpfuschern  in  Apotheken  nicht  an¬ 
gefertigt  werden  dürfen. 

Dci  Referent,  Herr  L  i  n  d  m  a  n  n  -  Mannheim,  berichtet  dass 
von  den  Vereinen  Berichte  über  ihre  Tätigkeit  gegen  die’  Kur¬ 
pfuscherei  eingefordert  wurden,  aber  von  302  nur  21  dem  ent¬ 
sprochen  und  von  diesen  nur  wenige  überhaupt  etwas  getan  haben. 
Der  von  Borgen  t  für  den  Pressausschuss  des  ärztlichen  Be¬ 
zirksvereins  München  erstattete  Bericht  ist  der  Tagesordnung  bei¬ 
gegeben.  & 

ad  1.  Ohne  Aenderung  der  Gewerbeordnung  sind  die  Be¬ 
mühungen  der  Aerzte  vergebens.  Der  Staat  war  so  vorsichtig 
Bestimmungen  zu  treffen,  dass  Tanz-  und  Schwimmlehrern,  Rechts- 
konsulenten.  sogar  Trödelhändlern  aus  Gründen  der  öffentlichen 
Gesundheit,  Sicherheit  oder  Moral  der  Gewerbebetrieb  untersagt 
werden  kann,  daher  besteht  auch  eine  Anzeigepflicht  für  diese 
Gewerbe.  Für  den  gewerbsmässigen  Betrieb  der  Heilkunde  sind 
gleiche  Bestimmungen  notwendig,  damit  man  wenigstens  anrüchige 
Personen  mit  Gefängnis-  und  Zuchthausstrafen  abhalten  oder  aus- 
schliessen  kann. 

ad  2.  Der  Regierungspräsident  von  Schleswig  hat  bereits  die 
Verordnung  des  Senates  zu  Hamburg  zur  Einführung  gebracht 
Der  Misstand  in  der  Presse  ist  gross,  selbst  die  angesehendsten 
Blätter  nehmen  grob  betrügerische  Annoncen  auf.  Wenigstens 
ein  Teil  des  Unfuges  kann  inhibiert  werden. 

ad  3.  Wenn  Graf  Posadows  k  y  gesagt  hat,  der  Staat 
könne  nicht  überall  die  Kinderfrau  spielen,  so  ist  der  Staat  sonst 
keineswegs  prüde  und  beaufsichtigt  uns  nach  allen  Regeln  der 
Kunst.  Die  sporadisch  getroffenen  Einrichtungen,  wie  der  Gesund¬ 
heitsrat  Karlsruhe,  genügen  nicht  dem  Bedürfnis. 


*)  Dieso  Bestimmung  enthält  der  in  der  vorigen  Nummer 
dieser  V  ochenschrift  abgedruckte  Erlass  des  preussischen  Kultus¬ 
ministers  nicht:  durch  sie  wird  die  den  Pfuschern  auferlegte  An¬ 
meldepflicht  erst  ihre  volle  Bedeutung  erlangen.  Ref. 


ad  4.  Tn  den  Berichten  wiederholt  sich  oft  die  Klage  über  die 
Kurpfuscherei  in  den  Apotheken,  der  Staat  wahrt  überall  die  Inter¬ 
essen  der  Apotheker,  damit  die  Rentabilität  erhalten  bleibt,  selbst 
Gifte  werden  auf  Rezepte  von  Pfuschern  abgegeben.  Die  Aus¬ 
rede  ist  gewöhnlich,  dass  das  Pfusehierrezept  nicht  als  solches  er¬ 
kannt  worden  sei.  Das  Ziel  muss  die  Wiedereinführung  des 
Pfuscherei  Verbotes  bleiben,  nicht  im  Interesse  der  Aerzte,  sondern 
wegen  der  vielfachen  Schädigungen  der  öffentlichen  und  privaten 
Gesundheit  und  Moral  durch  die  Pfuscher. 

Der  dritte  Referent,  Herr  Hecker-  München,  verzichtet  auf 
das  Wort. 

ad  I.  Herr  M  ü  1 1  e  r  -  Zittau  empfiehlt  aufs  wärmste  den 
..Gesundheitslehrer“,  herausgegeben  von  Dr.  Cantor  in  Warns¬ 
dorf  (Böhmen). 

Herr  Becher  I- Berlin:  Die  Kommission  zur  Bekämpfung 
der  Pfuscherei  muss  eine  ständige  Einrichtung  bleiben.  Der  Stand¬ 
punkt,  in  der  Heilkunde  alle  Kräfte  frei  walten  zu  lassen,  war  ein 
irriger,  alle  Kulturstaaten  haben  das  Pfuschereiverbot.  Die  Auf¬ 
klärung  ist  eine  undankbare  Aufgabe,  für  einen  Dummen,  der 
stirbt,  werden  hundert  andere  geboren.  Das  Wirksamste  ist  die 
gerichtliche  Verfolgung  der  Pfuscher  wegen  unlauteren  Wett¬ 
bewerbs,  -wie  sie  in  Berlin  ausgeführt  wird,  wo  der  Staatsanwalt 
bereits  sich  spontan  in  jedem  Fall  an  die  Pfuschereikommission 
wendet. 

Herr  G  ö  t  z  -  Leipzig:  Man  soll  in  die  von  Pfuschern  ver¬ 
anstalteten  Versammlungen  hingehen:  die  Kollegen  wollen  das  aus 
Bequemlichkeit  nicht  tun.  Redner  selbst  hatte  damit  Erfolge, 
z.  B.  in  einem  Falle,  wo  er  in  einem  gegen  das  Diphtherieheilserum 
gerichteten  Vortrage,  eine  Anzahl  geheilter  Fälle  vorführte,  die 
selbst  den  Vortragenden  —  einen  Arzt  —  zum  Schweigen  brachten. 
Bei  der  Diskussion  dazubleiben  und  sich  daran  zu  beteiligen  hat 
keinen  Zweck. 

Herr  B  1  a  u  -  Görlitz:  Die  Pfuscher  drucken  Aeusserungeu 
ärztlicher  Autoritäten  ausserhalb  des  Zusammenhanges  ab  und 
beuten  sie  in  gehässiger  Weise  aus.  Die  verläumderische  Aus¬ 
beulung  solcher  Zitate  solle  verfolgt  und  bestraft  werden. 

These  I  wird  einstimmig  angenommen. 

Zu  These  II,  3  beantragt  mit  dem  Einverständnis  des  Re¬ 
ferenten  Herr  K  o  r  m  a  n  n  -  Leipzig,  die  Warnungen  auf 
schwindelhafte  Heilmethoden  auszudehnen  und  Herr  Magen- 
Breslau  den  Zusatz :  „Die  Regierungen  müssen  dafür  Mittel 
bereitstellen“. 

Herrn  P  f  a  1  z  -  Düsseldorf  ist  These  II  nicht  sympathisch,  da 
sie  als  Anleitung  zur  definitiven  Regelung  der  ganzen  Pfuselier- 
fiage  aufgefasst  werden  könnte.  Die  polizeiliche  Anmeldung 
v  ird  von  den  Pfuschern  als  eine  Art  Konzession  ausgebeutet  wer¬ 
den.  Durch  Warnungen  setzt  sich  dann  der  Staat  in  Widerspruch 
mit  dieser  Konzession.  Je  grösser  der  Unfug  der  Pfuscher  wird 
desto  besser  ist  es.  Um  den  Apothekern  jeden  Zweifel  an  der  Her¬ 
kunft  des  Rezeptes  und  jeden  Vorwand  zu  nehmen,  müssen  Re¬ 
zepte  mit  Vordruck  gebraucht  werden  und  die  Unterschriften  deut¬ 
lich  sein. 


Herr  Becher  I- Berlin:  Die  Befürchtung  einer  derartigen 
scheinbaren  Konzession  ist  unbegründet.  Neuerdings  hat  der 
preussische  Medizinalminister  eine  Verfügung  erlassen,  wonach 
alle  nichtapprobierten  Heilpersonen  ihren  Betrieb  bei  dem  Kreis¬ 
arzt  anzumelden  haben. 

Herr  B  e  c  k  e  r  -  München:  Wir  können  nicht  zuwarten,  bis 
die  Reichsregierung  aus  eigenem  Antrieb  vorgeht.  Die  Befürch¬ 
tung,  dass  durch  die  Anmeldung  eine  Sanktion  erteilt  wird,  ist  ge¬ 
ring.  Es  ist  schon  viel  (erreicht,  wenn  die  Leute  sich  melden 
müssen,  man  erfährt  dann  erst,  wie  viele  ihrer  sind.  Die  Möglich¬ 
keit,  den  Betrieb  zu  untersagen,  ist  fast  so  viel  wert,  wie  ein  Verbot 
Der  Fortschritt  liegt  auch  darin,  dass  künftig  die  Verwaltungs¬ 
behörden  zu  entscheiden  haben,  bisher  stand  lediglich  der  gericht¬ 
liche  Weg  offen,  der  sehr  schwer  zum  Ziele  führt. 

Nach  dem  Schlusswort  des  Referenten  werden  die  Punkte  II, 
1  mit  grosser  Majorität,  II,  2 — 4  einstimmig  angenommen. 

Es  liegen  noch  folgende  Anträge  vor: 

Herr  Kormann  -  Leipzig  wünscht,  dass  nicht  unter  ärzt¬ 
licher  Leitung  stehende  Kuranstalten  verboten  werden  sollen, 
und  begründet  das  damit,  dass  in  denselben  die  notwendigen 
hygienischen  Massnahmen  nicht  eingehalten  werden,  wie  z.  R. 
in  der  Anstalt  Kühnes  14  Jahr  hindurch  ein  Leprakrankei' 
verkehren  konnte. 


len  Becher  I- Berlin:  Diesem  gewiss  wünschenswerten 
\  erbot  steht  die  Gewerbeordnung  entgegen,  welche  jeder  un¬ 
bescholtenen  Person  den  Betrieb  einer  solchen  Krankenanstalt  ge- 
stattet. 


Der  Antrag  wird  mit  58  gegen  50  Stimmen  abgelehnt, 
Herr  K  o  r  m  a  n  n  -  Leipzig  beantragt  Aufhebung  des  Selbst¬ 
dispensierrechtes  der  Homöopathen. 


nun*  n  e  e  K  e  r 


.  ...  lYiuiK'iien:  Mit  der  ra#e  der  Kurpfuscherei 

hat  der  im  übrigen  sympathische  Antrag  nichts  zu  tun. 

Herr  Korman  n  zieht  den  Antrag  zurück,  derselbe  wird 
wie  ein  Antrag  Magen-  Breslau,  der  die  Führung  auslän¬ 
discher  akademischer  I  itel  von  der  Genehmigung  der  Regie¬ 
rungen  abhängig  machen  will  (nach  dem  Beispiel  der  von  der 


22.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1237 


kgl.  bayer.  Regierung  im  vorigen  Sommer  erlassenen  Verfügung), 
auf  den  nächsten  Aerztetag  vertagt  und  dem  Geschäftsausschuss 
überwiesen. 

Herr  Magen-  Breslau  beantragt,  dass  die  briefliche  Be¬ 
handlung  durch  Pfuscher  verboten  werden  solle  und  weist  da¬ 
rauf  hin,  dass  das  Verbot  in  Sachsen  schon  bestehe  und  seine 
Aufhebung  von  den  Bilz- Vereinen  beantragt  werde. 

Herr  Becker-  München  beantragt  Ablehnung,  da  der  An¬ 
trag  1  hierfür  ausreiche,  die  briefliche  Behandlung  füllt  unter  den 
Begriff  der  Unverlässigkeit. 

Herr  Bach-  Leipzig:  Der  Antrag  ist  nicht  unnötig,  man  kann 
sich  nicht  darauf  verlassen,  dass  andere  aus  unseren  Anträgen 
alles  herauslesen,  was  wir  hineinlegen. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 

Herr  L  ö  b  k  e  r :  Zu  den  Punkten  1 — 4  hat  der  Geschäfts¬ 
ausschuss  noch  folgende  Erklärung  beantragt : 

Die  hier  vorgeschlagenen  Massnahmen  sind  selbstverständlich 
nur  als  interimistische  Hilfsmittel  zu  betrachten,  bis  die  vom 
25.  Aerztetage  1897  festgelegte  Forderung  der  Wiedereinführung 
des  Kurpfuschereiverbotes  erfüllt  sein  wird,  sollen  also  an  dieser 
Forderung  nicht  rütteln. 

Diese  Erklärung  wird  mit  allen  gegen  eine  Stimme  an¬ 
genommen. 

8.  Der  gegenwärtige  Stand  des  ärztlichen  Unterstützungs¬ 
wesens  in  Deutschland. 

Dieser  Punkt  der  Tagesordnung  kann  wegen  vorgerückter 
Zeit  bezw.  mit  Rücksicht  auf  das  festgelegte  Vergnügungs¬ 
programm  nicht  mehr  erledigt  werden  und  wird  auf  Antrag  der 
Herren  Selberg,  Dörfler  und  J  arislowsky  als  erster 
Punkt  auf  die  Tagesordnung  des  nächsten  Aerztetages  gesetzt 
werden. 

9.  Der  Bericht  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Ver¬ 
sicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands  wird  im  Vereins¬ 
blatte  abgedruckt  werden. 

Die  Anträge  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Leipzig-Land: 

10.  Der  deutsche  Aerztevereinsbund  möge  die  genossenschaft¬ 
liche  Organisation  der  deutschen  Aerzte  für  Haftpflicht  und 
Unfallversicherung  in  die  Hand  nehmen; 

11.  Hoher  Bundesrat  wolle  darauf  hinwirken,  dass  die  laut 
§  80  der  Gewerbeordnung  von  den  Zentralbehörden  zu  erlassenden 
Arzneitaxen  unter  Vermittelung  des  Reichsgesundheitsamtes  für 
alle  Bundesstaaten  gleichlautend  festgestellt  werden, 
werden  dem  Geschäftsausschuss  für  den  nächsten  Aerztetag 
überwiesen. 

,12.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Stuttgart: 

Der  Deutsche  Aerztetag  möge  künftig  an  einem  ein  für 
allemal  zu  bestimmenden  Orte  im  Zentrum  .des  deutschen 
Reiches  abgehalten  werden. 

Dazu  stellt  Herr  Königshöfe  r  -  Stuttgart  den  Eventual¬ 
antrag,  im  Falle  der  Ablehnung  soll  der  Aerztetag  künftig  inner¬ 
halb  der  durch  die  Städte  Berlin,  Nürnberg,  Kassel,  Dresden 
bestimmten  Zone  tagen. 

Herr  Pfalz  beantragt  Uebergang  zur  Tagesordnung.  Dieser 
wird  mit  allen  gegen  6  Stimmen  beschlossen. 

Hiermit  ist  die  Tagesordnung  erschöpft  und  der  Aerztetag 
wird  durch  den  Vorsitzenden  geschlossen. 

Mit  Recht  konnte  Prof.  Löbker  in  seinem  Schlussworte 
der  hohen  Befriedigung  über  den  Verlauf  des  Aerztetages  Aus¬ 
druck  geben,  mit  Recht  selbst  in  dem  herrlichen  Sitzungssaale 
des  ostpreussischen  Landeshauses  den  lebhaften  Dank  der  Ver¬ 
sammlung  in  Empfang  nehmen.  Unter  seiner  klaren,  straffen 
Geschäftsleitung,  welche  in  keinem  Moment  die  kräftige  Hand 
des  Chirurgen  verleugnet,  ist  der  Aerztetag  —  Dank  allerdings 
auch  den  trefflichen  Referenten  —  zu  hochwichtigen  Beschlüssen 
gelangt,  die  an  Bedeutsamkeit  nicht  dadurch  verlieren,  dass  sie 
von  den  massgebenden  Stellen  trotz  aller  Erfahrungen  der  letzten 
Jahre  vielleicht  immer  noch  nicht  die  entsprechende  Würdigung 
finden  werden.  Der  deutsche  Aerztestand  hat  nicht  versäumt, 
seine  dringenden,  aber  durchaus  gemässigten  und  erfüllbaren 
Wünsche  kundzugeben.  Weit  entfernt,  für  sich  Liebesgaben  zu 
heischen,  hat  er  lediglich  soziale  Notwendigkeiten  vertreten,  die 
erfüllt  werden  müssen,  wenn  nicht,  je  länger,  je  mehr  weitere 
schwere  Einbussen  unseren  Stand  betreffen,  aber  auch  bei  dem 
gegenseitigen  Verhältnis,  in  dem  die  Aerzte  zum  Staate  stehen, 
letzterer  selbst  in  empfindliche  Mitleidenschaft  gezogen  werden 
soll.  Das  gilt  für  die  Pfuscherfrage  ebensowohl,  wie  namentlich 
für  die  Krankenversicherungsgesetze.  Wem  irgend  der  ge¬ 


sunde  Ausbau  der  sozialen  Gesetzgebung  und  dabei  das  fried¬ 
liche  Zusammenwirken  aller  Faktoren  am  Herzen  liegt,  der 
darf  die  Königsberger  Beschlüsse  nicht  als  eine  reine  Inter¬ 
essenfrage  eines  politisch  minder  einflussi*eichen  Standes  abtun. 
Sie  sind  das  wahrlich  nicht! 

Einige  wichtige  Punkte  der  Tagesordnung  mussten  leider 
den  von  unverfälschter  ostpreussischer  Gastfreundschaft  fast  im 
Uebermass  dargebotenen  Genüssen  und  Vergnügungen  zum 
Opfer  gebracht  werden.  Aber  auch  über  diesen  stand  ein  guter 
Stern.  Staatliche  und  städtische  Behörden,  die  Einwohnerschaft 
und  vor  allem  die  Kollegen  von  Königsberg  und  Ostpreussen  ver¬ 
banden  sich  im  Entgegenkommen  und  hatten  ihre  helle  Freude 
an  der  fortgesetzten  angenehmen  —  man  braucht  es  nicht  zu 
leugnen  —  Enttäuschung  ihrer  Gäste.  An  den  Ufern  des 
strahlend  beleuchteten,  von  frohen  Menschen  belebten,  einzig 
schönen  Schlossteiches,  beim  Klange  unvergleichlich  vorgetragener 
deutscher  Lieder  verbrachten  wir  die  beiden  wunderbaren 
Sommerabende.  Bei  dem  Festmahle  wurde  die  gewaltige  erlesene 
Teilnehmerschar  von  beredten  Männern  durch  alle  Höhen  und 
Tiefen  der  Poesie  und  Prosa  zu  der  angeregtesten  Stimmung 
geführt,  auf  den  Gipfelpunkt  durch  Di  pp  es  köstliche  humor¬ 
sprühende  Damenrede,  welcher  nicht  zu  gedenken  1  ndank 
wäre.  Am  5.  Juli  endlich  führte  uns  ein  nach  einem  Strichregen 
prächtig  aufklarender  Nachmittag  nach  Wanlicken  und  Rauschen 
durch  eine  der  grossartigsten  Küstenlandschaften  unseres  schönen 
deutschen  Vaterlandes  und  zu  neuen  Lafelfreuden.  Wer  dann 
noch  den  dreitägigen  Ausflug  nach  Memel  mitmachen  und  seinen 
Fuss  über  die  Schwelle  des  russischen  Reiches  setzen,  oder  wer 
nur  der  alten  behaglichen  Hansastadt  Danzig  und  der  trotzigen 
Marienburg  seinen  Besuch  machen  konnte  —  sie  alle  vergessen 
gewiss  nie  die  eindrucksreiche  Fahrt  zu  dem  ernsten  und  doch 
frohen  XXX.  Aerztetag  in  Königsberg! 


Es  erübrigt  noch  ein  kurzer  Bericht  über  die  am  3.  Juli 
in  Königsberg  stattgehabte  II.  Hauptversammlung-  des  Leip¬ 
ziger  Verbandes,  an  der  sich  55  Aerzte  beteiligten. 

Herr  Hartmann  -  Leipzig  gibt  einen  eingehenden  Bericht 
über  die  Weiterentwicklung  des  Verbandes  und  die  zu  seiner  Aus¬ 
breitung  unternommenen  Massnahmen.  Die  1 1  nterstützungskassc 
wurde  in  drei  Fällen  mit  ganz  mässigen  Beträgen  in  Anspruch 
genommen ;  die  Mitgliederzahl  ist  zur  Zeit  289o, 
davon  90  Proz.  Kassenärzte,  72  Universitätslehrer,  viele  Militär¬ 
ärzte;  eine  Reihe  von  Vereinen  ist  in  corpore  beigetreten.  Die 
grösste  Sektion  ist  München. 

Die  von  dem  Verband  veranstaltete  Enquete  (Berichterstatter 
Herr  Donalis)  wurde  von  768  Aerzten  beantwortet.  Die  Re¬ 
sultate,  an  sich  interessant  genug,  sind  zu  allgemeinen  Schluss¬ 
folgerungen  nicht  ausreichend.  Bezüglich  der  Krankenkassen¬ 
verhältnisse  liegen  die  leider  üblichen,  zum  Teil  recht  gravieren¬ 
den  Klagen  vor. 

Der  von  Herrn  Hirschfeld  erstattete  Kassenbericht 
weist  bei  46  143.11  M.  Einnahmen  (43  225  M.  Mitgliederbeiträge) 
9297.11  M.  Ausgaben,  somit  einen  Vermögensstand  von 
36  846  M.  aus. 

Die  weitere  Besprechung  betrifft  Einzelheiten  der  Geschäfts¬ 
führung  und  Agitation,  für  deren  lebhafte  Betätigung  nament¬ 
lich  der  eifrige  Förderer  des  Verbandes,  Herr  Kr  ecke -Mün¬ 
chen,  eintritt,  welcher  für  das  gesicherte  Bestehen  des  Verbandes 
,1,-n  PalrHo-P  Evreiehnmr  der  mindestens  doppelten  Mitgliederzahl 


durchaus  erforderlich  erklärt. 

Ein  Antrag  der  Sektion  Hamburg,  betr.  die  Abschaffung  der 
„Korrespondenz“,  wird  abgelehnt  unter  Betonung  der  Unentbehr¬ 
lichkeit  derselben  für  die  Agitation  in  der  Presse.  W  eitere  An¬ 
träge  werden  bei  der  Untunlichkeit,  die  Statuten  bereits  jetzt 
wieder  zu  ändern,  fallen  gelassen.  Es  folgt  ein  Vortrag  des  als 
Gast  anwesenden  Herrn  Eli  m  a  n  n  -  Wien  über  Krankenkassen 
und  Aerzte  in  Oesterreich.  Derselbe  gibt  ein  anschauliches  Bi  < 
von  dem  Entwicklungsgang  und  derzeitigen  Stand  der  Verhält¬ 
nisse  in  Oesterreich.  Bei  manchem  Unterschied  in  der  Organi¬ 
sation  besteht  eine  fatale  Uebereinstimmung  in  beiden  Ländern 
bezüglich  der  Unzulänglichkeit  der  Honorare,  der  Unwürdigkeit 
der  Stellung  der  Aerzte  gegenüber  der  hochmütigen  Ueberhebung 
vieler  Kassenvorstände.  Die.  Bezahlungsverhältnisse  scheinen  im 
allgemeinen  noch  dürftiger  zu  sein  als  in  Deutschland.  Audi  in 
Oesterreich  hat  eine  Gegenbewegung  unter  den  Aerzten,  stellen¬ 
weise  mit  Erfolg,  eingesetzt,  der  Widerstand  der  Kassen  ist  dort 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


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derselbe  wie  hier  zu  Lande.  Für  die  Weiterverbreitung  des  sehr 
beifällig  aufgenonimenen  Vortrages  soll  Sorge  getragen  werden. 

Aus  der  Neuwahl  ging  die  Vorstandschaft  unverändert  her¬ 
vor;  den  Aufsichtsrath  werden  die  Herren  Pfeiffer  -  Weimar, 
M  u  g  d  a  n  -  Berlin,  Nauwerck  -  Chemnitz  bilden.  Weitere 
Anregungen  betreffen  u.  a.  die  Aufrechterhaltung  der  den 
Aerzten  von  den  deutschen  Badeverwaltungen  bisher  gewährten 
\  crgünstigungen,  deren  Aufhebung  geplant  sein  soll  (Herr 
L  e  w  y  -  Berlin),  und  die  Zentralisierung  des  ärztlichen  Stellen¬ 
nachweises  durch  den  Leipziger  Verband  (Herr  Bauer- Stutt¬ 
gart).  —  Nunmehr  ergreift  Herr  H  a  r  t  m  a  n  n  das  Wort  zu  einer 
längeren  glänzenden  Rede,  in  der  er  die  Gedanken  entwickelt,  wie 
sie  bei  der  Diskussion  des  Aerztetages  zu  den  Anträgen  der  Kom¬ 
mission  für  das  Krankenversicherungsgesetz  skizziert  sind.  Die 
Rede  führt  aus,  wie  sehr  und  aus  welchen  Gründen  die  Arbeiter¬ 
und  Arbeitgeberverbände,  Kassenvorstände  und  Kassenbeamten 
gegen  die  ärztlichen  Forderungen  agitieren  und  wie  wenig  zu  er¬ 
warten  steht,  dass  die  Regierungen  den  von  den  ärztlichen 
Standesvertretungen  ei  ngebr achten  Anträgen  Gehör  schenken 
werden.  Das  Wirksamste  ist  und  bleibt  die  Selbsthilfe.  In  der 
anschliessenden  Diskussion  tritt  begreiflicherweise  schärfer  wie 
auf  dem  Aerztetage  selbst  der  Standpunkt  der  „Wirtschaftler“ 
hervor,  welche  einzig  und  allein  von  der  Selbsthilfe  durch  freie 
Organisationen  irgend  etwas  Erspriessliches  erwarten  (Kir¬ 
be  r  g  e  r  -  Frankfurt,  M  u  g  d  a  n  -  Berlin,  Königshöfer  und 
Bauer-  Stuttgart),  während  Pfeiffer-  Weimar,  M  a  y  e  r  - 
Fürth,  B  e  c  k  e  r  -  München  dem  langsamen  Vorgehen  unter 
M  itwirkung  der  Standesvereine  das  Wort  reden.  Der  Forderung 
der  Minimaltaxe,  welche  Herr  Magen-  Breslau  vertritt,  wider¬ 
spricht  die  Mehrzahl  der  Redner. 

Zum  Schlüsse  erklärten  die  Anwesenden  mit  grosser  Mehr¬ 
heit  ihre  vorläufige  Zustimmung  zu  den  von  der  deutschen  Zen¬ 
trale  für  freie  Arztwahl  aufgestellten  Anträgen  zum  Kranken¬ 
versicherungsgesetz.  Dieselben  sind  (vergl.  Bericht)  von  Kir¬ 
be  r  g  e  r  u.  Gen.  als  Antrag  C  beim  Aerztetag  eingebracht 
worden,  jedoch  nach  Annahme  des  Antrages  Herzau,  welcher 
als  gleichbedeutend  aufgefasst  wurde,  entfallen. 

Der  Verlauf  der  Versammlung  hat  gezeigt,  dass  der  Leip¬ 
ziger  Verband  unter  seiner  derzeitigen  eifrigen  und  opferwilligen 
Leitung  seinen  Zielen,  freilich  vorerst  noch  mit  sehr  mässigen 
Mitteln  frisch  entgegenstrebt  und  zwar  auf  Wegen,  die  gewiss 
gut  zu  heissen  sind.  Seine  Mittel  durch  Sparsamkeit  und  durch 
eine  erfolgreiche  Propaganda  (besonders  in  Norddeutschland)  zu 
vermehren,  ist  wohl  die  nächste,  wenn  auch  nüchterne  Aufgabe 
des  Verbandes,  dem  wir  für  das  kommende  Jahr  aufrichtig 
reichen  Zuwachs  und  Gedeihen  wünschen. 

Dr.  Bergeat  -  München. 


Gesellschaft  der  Charite-Aerzte  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  Juli  1902. 

1.  Herr  N  eubeck:  Vorstellung  a)  eines  22  jährigen  Mannes 
mit  tertiären  Hautsyphiliden,  die  in  11  Monaten  zu  serpiginös  be¬ 
grenzten  und  über  handtelleirgrossen  Flecken  sich  entwickelt 
hatten,  und  b)  eines  00  jährigen  Mannes  mit  einem  Lupus  ex- 
ulcerans  serpiginosus,  der  in  20  .Jahren  zu  der  gleichen  Aus¬ 
dehnung  gekommen  war. 

2.  Herr  besser:  Vorstellung  a)  einer  24jährigen  Frau  mit 
diffuser  Sklerodermie.  Beginn  vor  3  Jahren  mit  braunen  harten 
Flecken  am  Vorderarm,  zurzeit  nur  noch  das  Gesicht  freigeblieben. 
Infolge  der  starken  Hautschrumpfungen  die  Gelenke  der  Arme 
und  Beine  unbeweglich;  Ausfall  der  Haare  und  Nägel;  über  den 
Druckstellen  torpide  Geschwüre;  die  Schweissekretion  aufgehoben, 
das  Gefühl  erhalten. 

b)  eines  20  jährigen  Mannes  mit  Conjunctivitis  duplex  rheu- 
matica  nach  Gonorrhoe.  Erkrankung  vor  3  Monaten  mit  Epi- 
(lydimitis;  vor  1  Monat  Gelen  kentz  ii  n  d  u  n  g  e  n  an  den 
Knieen  und  Füssen.  Die  Bindehautentzündung  nach  Tripper  ist 
metastatisch  gleichwie  die  Gelenkentzündungen  und  ist  ausgezeich¬ 
net  durch  die  geringe,  nicht  besonders  eitrige  Absonderung  ohne 
Gonokokkenbefund,  das  gleichzeitig  doppelseitige  Auftreten  und 
den  raschen  gutartigen  Verlauf. 

Herr  Mosse:  \  orstellung  eines  Knaben  mit  ausgebreiteter 
Ichthyosis  an  beiden  Beinen. 

4.  Herr  Keckzeh:  Vorstellung  eines  Knaben  mit  einem 
Herpes  zoster-ähnlichen  Naevus. 

r>.  Herr  Hoffman  n:  Ueber  Dermatitis  mercurialis.  Vor¬ 
tragender  stellt  eine  Frau  vor,  bei  der  nach  Beendigung  einer 


Schmierkur  wegen  Lues  eine  ekzemartige  Dermatitis 
des  ganzen  Körpers  aufgetreten  ist  mit  starker  lamellöser  Ab- 
stossung  der  Hornschichten,  besonders  an  den  Händen  und  Füssen, 
Schwellung  der  Mundschleimhaut  und  der  Zungenpapillen,  und  ein 
13 jähriges  Mädchen  mit  einer  Dermatitis  exfoliativa, 
die  ß  \\  oclien  nach  Einreibungen  des  Kopfes  mit  grauer  Salbe 
wegen  Kopfekzems  entstanden  ist  ohne  Nässung  mit  starker  Schup¬ 
pung  der  Haut  und  Ausfall  der  Kopfhaare,  der  Augenbrauen  und 
des  Lanugo;  gleichzeitig  tachykardische  Zustände;  im  Urin  Queck¬ 
silber  nachgewiesen.  Vortr.  berichtet  über  ein  m  a  sern  ii  li  n  - 
liebes  Ex  a  n  t  h  e  m  des  ganzen  Körpers  nach  3  Injektionen 
von  0,01  Sublimat,  mit  hohem  Fieber  unter  Freibleiben  der  Stellen 
der  syphilitischen  Effioreszenzen,  und  über  ein  Scharlach- 
ii  hnliches  Erythe m  nebst  Stomatitis  und  hohem  Fieber  in¬ 
folge  Einreibung  einer  Quecksilberpräzipitatsalbe  bei  einem 
Kranken  mit  Psoriasis,  bei  dem  einige  Tage  vorher  Ghrysarobin 
gleichfalls  eine  fieberhafte  Dermatitis  verursacht  hatte. 

Die  Hautentzündungen  nach  Quecksilber  sind  sehr  mannig¬ 
faltig.  stellen  sich  zuweilen  erst  längere  Zeit  nach  der  äusseren 
oder  inneren  Anwendung  ein,  sind  meist  stark  schuppend.  Im 
Urin  wurde  gewöhnlich  kein  Eiweiss,  niemals  Zylinder  gefunden. 

Die  histologischen  V  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  ge  n  werden  durch 
mikroskopische  Bilder  von  ausgeschnittenen  Hautstückchen  er¬ 
läutert.  Sie  sind  nach  der  Art  der  Dermatitis  verschieden.  Bei 
den  ekzemartigen  Fällen  eine  starke  Verlängerung  der  Retezapfen 
und  zahlreiche  Kernteilungen  im  Epithel.  Auffallend  war  die 
IM enge  der  eosinophilen  Zellen  nicht  nur  in  den  erwei¬ 
terten  Gefässen,  sondern  auch  in  dem  Rete  und  in  den  Horn¬ 
schichten.  Im  Blut  mässige  Vermehrung  der  farblosen  Zellen, 
von  denen  fast  die  Hälfte  eosinophile  Zellen. 

ß.  Herr  Bruhns:  Vorstellung  eines  Falles  von  idiopathi¬ 
scher  Hautatrophie,  die  sich  bei  dem  57  jährigen  Kranken  seit 
32  Jahren  entwickelt  hat.  Ueber  der  ganzen  unteren  Körperhälfte 
ist  die  Haut  verdünnt,  in  der  Gesässgegend  fein  gefältelt,  an  den 
Beinen  glattgespannt.  Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt  das 
Verstrichensein  der  Papillarlinie  und  eine  Zellinfiltration  im 
Koriurn.  K.  Brandenburg,-  Berlin. 


Altonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  März  1902. 

Herr  du  Mesnil  spricht:  Ueber  die  Heilserumbehand- 
lung-  des  Typhus  abdominalis. 

Die  Antitoxinbehandlung  soll  nur  angewandt  werden  in 
Fällen,  wo  die  Diagnose  des  Typhus  absolut  sicher  ist;  zur  Sicher¬ 
stellung  der  Diagnose  soll  verwandt  werden  und  ist  in  den  de¬ 
monstrierten  Fällen  angewandt  worden  die  Gruber-Widal- 
sclie  Serumdiagnose,  die  bei  positivem  Ausfall  in  hoher  Ver¬ 
dünnung  (1 : 80  bis  1 : 100)  als  beweisend  aufgefasst  wird ;  sehr 
vereinfacht  wird  die  Gewinnung-  des  nötigen  Serums  durch  Ap¬ 
plikation  eines  Kantharidenpflasters  auf  die  Haut,  das,  mit  einer 
Wundschutzkapsel  bedeckt,  nach  24  Stunden  eine  Blase  zieht, 
aus  der  das  Serum  entnommen  wird.  Noch  einwandfreier  wird 
die  Diagnose  durch  die  Kultur  des  Typhusbazillus  aus  dem  mit 
steriler  Spritze  aus  der  Armvene  durch  Punktion  gewonnenen 
Blut,  das,  im  Verhältnis  von  1 : 1  bis  1 : 5  mit  Agar  vermischt, 
im  Brutschrank  aufbewahrt  schon  nach  24  Stunden  die  charak¬ 
teristischen  Kolonien  zeigt  und  uns  in  der  Hälfte  unserer 
Typhusfälle  schon  ziemlich  frühzeitig  ein  positives  Resultat  er¬ 
geben  hat.  Vir  wissen  nun  bekanntlich  aus  den  Untersuchungen 
von  Pfeiffer,  dass  das  Serum  von  gegen  Typhus  immuni¬ 
sierten  Tieren  die  Fähigkeit  besitzt,  eine  Infektion  mit  Typhus¬ 
bazillen  zu  verhindern.  Wenn  man  in  die  Peritonealhöhle  von 
Meerschweinchen  die  tödtliche  Dosis  Typhusbazillen  resp.  die 
Zahl  der  Bazillen,  die  zur  Entstehung  einer  Infektion  nötig  ist, 
impft  und  zu  gleicher  Zeit  oder  kurz  nachher  eine  grössere  Quan¬ 
tität  Serum  injiziert,  so  wird  die  Infektion  hintangehalten  und 
das  Tier  bleibt  gesund.  Von  diesen  LTeberlegungen  ausgehend, 
hat  Prof.  T  a  v  e  1  nach  einer  Immunisierungsdauer  von  1  bis 
2  J ahren  bei  Pferden  sein  hochwirksames  Serum  dargestellt,  das 
bezüglich  der  W  i  d  a  1  sehen  Reaktion  eine  Wirksamkeit  von 
1:10  000  besitzt.  Mit  diesem  Serum,  das  von  dem  unter  staat¬ 
licher  Kontrolle  stehenden  schweizerischen  Serum-  und  Impf¬ 
institut  in  Bern  im  Grossen  produziert  wird,  wurden  im  Altonaer 
Krankenhause  eine  Reihe  von  Typhusfällen  behandelt,  deren 
Krankengeschichten  und  Temperaturtabellen  demonstriert  wer¬ 
den.  Die  Fälle  sind  folgende: 

B..  35  Jahre,  Laboratoriumsdiener,  gibt  an,  bei  Anstellung 
der  V  idalreaktion  öfter  etwas  von  den  Bouillonkulturen  dar 
Typhusbazillen  in  den  Muijd  bekommen  zu  haben,  erkrankte  unter 
den  klinischen  Erscheinungen  eines  schweren  Typhus.  Als  am 
48  Krankheitstag  sich  das  Fieber  immer  noch  zwischen  39 0  und 


MTTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1239 


22.  Juli  1902. 


40°  bewegte,  wurde  die  erste  Seruminjektion  gemacht,  der  in  den 
folgenden  Tagen  zwei  weitere  folgten,  mit  dem  Erfolge,  dass  das 
Fieber  staffelförmig  auf  37, 8°  abfiel,  sich  dann  aber  wieder  hob; 
am  57.  Krankheitstag  wieder  40  °,  auf  erneute  Injektion  wieder 
staffelförmiger  Abfall,  wiederum  Anstieg  bis  3!) auf  eine  weitere 
Injektion  wiederum  Abfall  bis  37,5,  erneutes  Ansteigen  bis  40  °, 
nach  einer  weiteren  Injektion  am  08.  Tage  wiederum  staffel¬ 
förmiger  Abfall,  wiederum  Anstieg  und  Abfall  nach  erneuter  In¬ 
jektion  auf  37.8°,  dann  nochmaliges  Ansteigen  auf  30,7°,  bedingt 
durch  Hypostase  der  Lunge,  Periostitis  des  linken  Femur  und  der 
linken  Tibia,  Dekubitus  der  rechten  Ferse,  und  Abfall  zur  Norm 
(cfr.  Kurve  No.  I). 


IT.,  20  Jahre,  Dienstmädchen,  wurde  wegen  Chlorose  ins 
Krankenhaus  aufgenommen  und  erkrankte  nach  11  Tagen  an 
einem  Typhus,  erhielt  am  14.  Krankheitstag,  nachdem  eine  Tem¬ 
peratur  von  40,8°  vorausgegangen  war,  die  erste  Seruminjektion, 
der  nach  2  Tagen  eine  weitere  folgte.  Die  Kontinua  ging  nach 
den  Injektionen  in  das  Stadium  der  steilen  Kurven  über  und  Pat. 
war  nach  8  Tagen  fieberfrei  (cfr.  Kurve  II). 


M.,  25  Jahre,  Arbeiter,  erkrankte  mit.  Durchfall  und  den 
übrigen  Zeichen  des  Typhus;  die  Diazoreaktion  des  Urins  positiv, 
ebenso  die  Gruber-Widalreaktion;  die  Temperaturen  "bewegten  sich 
am  9.  bis  12.  Krankheitstag  um  40  0  und  darüber,  am  letzteren  Tage 
erste  Injektion,  in  den  folgenden  Tagen  staffelförmiger  Abfall  der 
Temperatur  bis  37,6°,  erneuter  Anstieg  am  15.  und  10.  Krank¬ 
heitstag  auf  39,8°  resp.  39, 6°,  erneute  Injektion  am  anderen  Mor¬ 
gen,  staffelförmiger  Abfall  der  Temperatur  bis  zur  Norm  in  den 
nächsten  8  Tagen  (cfr.  Kurve  III). 


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Kurve  III. 


K.,  35  Jahre,  Schneiderin.  Ty¬ 
pischer  Abdominaltyphus.  Roseolen, 
palpable  Milz  Diazo  positiv.  Gruber- 
Widal  Reaktion  positiv.  Daneben 
schwere  hämorrhagische  Nephritis. 
Kontinua  um  40°,  am  9.  Tage  Se- 
ruminjektion.  Abfall  auf  38,4°,  er¬ 
neuter  Anstieg  auf  39,4°,  auf  eine 
zweite  Injektion  Btaffelförmiger  Ab¬ 
fall  zur  Norm;  Patientin  erlag  der 
hämorrhagischen  Nephritis,  die  eben¬ 
so  wie  die  in  Abheilung  begriffenen 
Typhusgeschwüre  durch  die  Obduk¬ 
tion  bestätigt  wurde  (cfr.  Kurve  IV). 


Kurve  V. 


Fr.,  17  Jahre,  Arbeiter.  Typischer  Abdominaltyphus.  Vom 
8.  bis  10.  Krankheitstag  -Kontinua  um  40",  die  durch  Bäder  in  den 
letzten  Tagen  nur  unerheblich  beeinflusst  wurde.  Am  17.,  18.  und 
21.  Tag  werden  je  10  ccm  Heilserum  injiziert,  staffelförmiger  Ab¬ 
fall,  bis  am  25.  Tag  Höchsttemperatur  37,0°  beträgt,  erneutes 
staffelförmiges  Ansteigen  der  Temperatur  am  20.,  27.  bis  30.  Tag 
auf  40,5  °,  am  29.,  30.,  31.,  32.  Tag  je  eine  Injektion  von  10  ccm 
Heilserum,  staffelförmiger  Abfall  in  den  nächsten  10  Tagen  bis 
zur  Norm  und  Heilung. 

Aras  diesen  5  Typhusfällen,  denen  noch  ein  6.  sich  anreiht, 
bei  dem  nach  der  Seruminjektion  von  20  ccm  ebenfalls  ein  staffel¬ 
förmiger  Abfall  am  21.  Tage  von  40,8 0  bis  zum  25.  Tag  von 
38,6 "  beobachtet  wurde,  wo  aber  die  antitoxische  Behandlung 
aus  äusseren  Gründen  abgebrochen  werden  musste,  auf  eine  spe¬ 
zifische  Heilwirkung  des  Serums  weitgehende  Schlüsse  zu  ziehen, 
liegt  mir  fern,  weitere  ausgedehnte  Versuche  müssen  die  Sach¬ 
lage  klären,  es  kam  mir  nur  darauf  an,  die  auffallenden  Be¬ 
obachtungen,  die  ich  übereinstimmend  an  den  6  Fällen  machen 
konnte,  zu  registrieren  und  zur  Nachprüfung  anzuregen. 

Die  Injektionen  waren  bei  den  Typhuskranken  schmerzlos 
oder  nahezu  schmerzlos,  machten  keine  lokale  Reaktion  und  ver¬ 
ursachten  keinerlei  Störung  des  Allgemeinbefindens,  abgesehen 
von  einem  Erythem  in  einem  Falle,  das  aber  nach  24  Stunden 
schon  wieder  verschwunden  war. 

Bei  ausreichender  Dosis,  10  bis  40  ccm,  wurde  konstant  ein 
staffelförmiger  Temperaturabfall  beobachtet,  auch  schon  in  den 
ersten  Wochen  des  Typhus,  so  dass  es  möglich  war,  die  Continua 
in  das  Stadium  der  steilen  Kurven  und  der  Rekonvaleszenz  durch 
die  Injektionen  überzuführen;  entsprechend  dem  Temperatur¬ 
abfall  besserte  sich  das  Allgemeinbefinden  und  es  trat  Hunger¬ 
gefühl  auf.  In  einzelnen  Fällen  trat  bei  Aussetzen  der  In¬ 
jektionen  erneutes  Ansteigen  der  Temperatur  mit  allen  An¬ 
zeichen  des  Rezidivs  auf,  das  durch  erneute  Injektionen  wieder 
in  der  geschilderten  Weise  bekämpft  werden  konnte. 

Demonstrationen : 

Herr  du  Mesnil  demonstriert: 

1.  Fall  von  Meningitis  cerebrospinalis. 

18  jähriger  Nieter  auf  der  Blohm  &  Voss  sehen  Werft  er¬ 
krankte  plötzlich  am  Nachmittag  des  17.  Juni  mit  Kopfschmerzen, 
wird  am  18.  mit  stark  benommenem  Sensorium  ins  Krankenhaus 
eingeliefert.  Ausgesprochene  Nackenstarre,  allgemeine  Hyper¬ 
ästhesie,  starker  Opisthotonus,  krampfhaft  angezogene  untere 
Extremitäten.  Temperatur  schwankt  zwischen  37,8 0  und  39,6  °. 
Lumbalpunktion  ei-gibt  ca.  30  ccm  stark  getrübten  Liquor  cerebro¬ 
spinalis,  der  mikroskopisch  reichliche  Eiterkörperchen  und  den 
Meningococcus  intracellularis  (Jaeger  -  Weichselbaum) 
enthält  (Demonstration),  der  auf  Blutserum  in  Reinkultur  ge¬ 
züchtet  wurde.  Patient  erhält  täglich  12  g  Natrium  salicylicum. 
Am  4.  Tage  Sensorium  frei,  untere  Extremitäten  frei  beweglich, 
am  6.  Tage  keine  Kopfschmerzen  mehr,  noch  ausgesprochene 
Nackenstarre,  Muskelzuckungen  in  den  Extremitäten,  Hyper¬ 
ästhesie,  Fieber  39,0  °.  Vom  10.  Tage  an  lässt  die  Nackenstaive 
nach,  Patient  wird  fieberfrei,  alle  anderen  Symptome  verschwin¬ 
den.  Die  Wirkung  der  grossen  Dosen  Salicyl  war  bei  diesem 
schweren  Krankheitsbilde  eine  so  eklatante,  dass  man  den  Ein¬ 
druck  gewinnt,  dass  die  Heilung  des  Patienten  dieser  Behandlung 
zuzuschreiben  ist. 

2.  Fall  von  Solitärtuberkel  des  Kleinhirns  (Unterwurm)  und 
der  Rautengrube. 

38  jähriger  Bahndiener  bemerkte  anfangs  Dezember,  dass  er 
doppelt  sah,  gleichzeitig  stellte  sich  schlechter  Geschmack  im 
Munde  ein  und  ein  Gefühl  des  Geschwollenseins  des  Zahnfleisches 
und  der  Wangenschleimhaut,  dazu  kam  eine  Schwäche  im  rechten 
Arm  und  pelziges  Gefühl  in  der  rechten  Hand,  taumelnder  Gang, 
starkes  Schwindelgefühl,  Reitbahnbewegung  nach  links.  An  den 
Augen  fällt  eine  gewisse  Starrheit  des  Blicks  auf;  will  Patient 
scharf  sehen,  so  werden  die  Augen  leicht  zugekniffen  und  der  Kopf 
wird  nach  der  Richtung  des  Gegenstandes  hingedreht,  ein  vor¬ 
gehaltener  Finger  nach  rechts  und  links  hin  bewegt,  wird  bei 


1240 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


ruhiger  Haltung  des  Kopfes  nicht  verfolgt;  bei  Annäherung  des 
Fingers  bleibt  die  Konvergenz  der  Bulbi  aus,  nach  oben  und  unten 
folgen  die  Augen  gut.  Augenhintergrund  normal.  Im  Laufe  der 
Beobachtung  kam  hinzu  ein  vertikaler  Nystagmus  beider  Augen, 
Fazialislähmung  rechts,  motorische  Sprachstörung  (breiige 
Sprache),  ausserdem  besteht  eine  linksseitige  tuberkulöse  Spitzen¬ 
infiltration  der  Lunge. 

3.  Fall  von  Diabetes  insipidus  auf  nervöser  Basis. 

36  jährige  Frau  leidet  seit  einem  Jahre  an  grossem  Durst  und 
Trockenheit  im  Munde,  in  den  ersten  Tagen  ihres  Krankenhaus¬ 
aufenthaltes  Urinmengen  von  11  Litern  pro  die  und  darüber;  durch 
die  übliche  Suggestions-  und  Abhärtungstherapie  wurde  erzielt, 
dass  die  Urinmenge  stetig  abnahm  und  nach  Verlauf  von  einem 
Monat  zwischen  3000  und  4000  ccm  pro  die  betrug,  wobei  das  spe¬ 
zifische  Gewicht  sich  von  1002  auf  1012  g  vermehrte. 

Herr  Goetzcke  stellt  einige  Fälle  aus  der  psychiatrischen 
Abtheilung  des  städtischen  Krankenhauses  vor. 

1.  Fall  von  Porenkephalie. 

Patient  hat  in  den  ersten  Lebensjahren  nach  Angaben  der 
Mutter  und  Schwester  an  epileptischen  Krämpfen  gelitten,  später 
nicht  mehr.  Er  ist  bis  zum  14.  Lebensjahre  zur  Schule  gegangen, 
hat  aber  nicht  alle  Klassen  der  Volksschule  durchmachen  können. 
Weiterhin  fiel,  wie  auch  jetzt,  hauptsächlich  eine  starke  Herab¬ 
setzung  der  Urteilsfähigkeit  auf.  Aeusserlich  war  Patient  dauernd 
ruhig  und  geordnet,  nur  nach  reichlichem  Alkoholgenuss  erregt. 

Es  handelt  sich  in  unserem  Falle  also  um  Epilepsie  und  an¬ 
geborenen  Schwachsinn.  Dass  diese  nervösen  und  psychischen 
Störungen  auf  eine  grobe  organische  Gehimerkrankung,  und  zwar 
auf  einen  völligen  Verlust  bestimmter  Stellen  der  Himsubstanz 
(also  eine  Porenkephalie)  zurückzuführen  sind,  schliesst  Referent 
aus  dem  gleichzeitigen  Bestehen  einer  Entwicklungshemmung  der 
linken  Körperhälfte  und  spastischen  Lähmungen  der  linken  Ex¬ 
tremitäten,  hauptsächlich  der  oberen. 

Die  aktive  Bewegungsfähigkeit  der  linken  oberen  Extremität, 
zumal  des  Untei'amxes  und  der  Hand  fehlt  fast  xöllig,  passix 
können  Bewegungen  mit  Anxvendung  einiger  Kraft  schmerzlos 
ausgeführt  werden;  nach  Aussetzen  der  Krafteinwirkung  so¬ 
fortiges  Zurückkehren  in  krampfhafte  Kontrakturstellung  (etwa 
wie  das  Einschnappen  eines  Taschenmessers). 

Beide  Extremitäten  der  linken  Seite  sind  in  allen  ihren 
Massen  kleiner  als  die  rechtsseitigen;  es  handelt  sich  also  nicht  um 
eine  Lähmung,  die  das  ausgewachsene  Individuum  betroffen  hat, 
sondern  um  eine  im  frühen  Kindesalter  bezw.  im  I  ötalleben  ent¬ 
standene  Lähmung.  (Nach  Angaben  der  Mutter  ist  Pat.  mit  den 
Lähmungserscheinungen  geboren.) 

Da  die  Lähmungserscheinungen  die  linke  Körperhälfte  be¬ 
treffen,  wird  auf  einen  Defekt  in  der  rechten  Hirnhälfte  ge¬ 
schlossen,  da  erxviesenermassen  bei  einseitiger  Porenkephalie  fast 
durchweg  die  Missbildungen  auf  der  anderen  Seite  bestanden 
haben. 

2.  4  Fälle  von  vorgeschrittener  Dementia  paralytica. 

Alle  4  sind  schon  in  das  Stadium  der  Verblödung  eingetreten 

und  verschieden  xveit  vorgeschritten. 

a)  Noch  leidlich  orientirt,  gibt  noch  sachgemässe  Antxvorten; 
auch  Gedächtnis  und  Merkfälligkeit  noch  zum  Teil  erhalten.  Zur 
Produktion  seiner  anfangs  blühenden  Grössenideen  ist  er  dagegen 
nicht  mehr  zu  bringen.  Aeusserlich  leidlich  geordnet.  Sprach- 
störungen  nur  bei  den  schwierigen  Paradigmen. 

b)  Wie  a,  nur  sind  Gedächtnis  und  Merkfähigkeit  bei  ihm  viel 
schlechter.  Auffallendere  Sprachstörungen  schon  beim  gexvöhn- 
lichen  Sprechen. 

c)  Aeusserlich  nur  noch  wenig  geordnet,  vermag  keine  richtige 
und  sachgemässe  Antwort  mehr  zu  geben,  nicht  mehr  zu  schreiben. 
Völlige  Interesselosigkeit,  kindisch  sorglos-heiteres  Benehmen, 
tierische  Fresslust.  Schmierende,  undeutliche  Sprache  mit  starkem 
Silbenstolpern. 

d)  Völlige  Verblödung.  I fegt  apathisch  im  Bett,  hört  kaum 
eine  Anrede,  lallt  nur  noch  unverständliche  Silben,  lässt  dauernd 
Kot  und  Urin  unter  sich.  Verschiedene  paralytische  Anfälle  mit 
verhältnismässig  rasch  zurückgehenden  Lähmungen. 

Bei  allen  4  Fällen  reflektorische  Pupillenstarre  und  Verände¬ 
rungen  der  Sehnen-  und  Muskelreflexe.  (Bei  1  und  3  Patellarreflex 
gesteigert,  bei  2  und  4  aufgehoben.) 

3.  Fall  von  Dementia  praecox. 

Auftreten  der  Erkrankung  während  der  Militärzeit.  Früher 
soll  Pat.  stets  normal  gewesen  sein,  auch  gut  veranlagt.  Die  An¬ 
fangssymptome  der  Erkrankung  zeigten  deutliche  Aehnliclikeit 
mit  der  Paranoia  und  führten  dann  ausserordentlich  rasch  zum 
Schwachsinn  mit  Uebergang  in  völlige  Verwirrtheit.  Starke  Ab¬ 
lenkbarkeit.  Ab  und  zu  leichte  Erregungsperioden,  dauernd 
äusserlich  völlig  ungeordnet.  Einzelne  leichte  Anfälle  von  Ohn¬ 
macht. 

Prognose:  Fortschreiten  des  Prozesses  bis  zur  völligen  Ver¬ 
blödung. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  April  1902. 

Herr  Stölzner:  Statistische  Mitteilungen  aus  dem 
Krankenhause  der  Diakonissenanstalt,  betr.  die  Dauerheil¬ 
erfolge  bei  Mammakarzinomoperationen  der  letzten  10  Jahre. 

M.  IL!  Angeregt  durch  eine  Aufforderung  des  Komitees  für 
Krebsforschung  in  Berlin  und  auf  \  eranlassung  des  Herrn  Ober¬ 
medizinalrates  Kupp  recht  habe  ich  die  in  den  letzten  10  Jahren 
im  Krankenhause  der  Diakonissenanstalt  operierten  Fälle  von 
Mammakarzinomen  zusammengestellt  und  bezüglich  der  Aus¬ 
sichten  auf  Dauerheilungen  statistisch  zu  verarbeiten  gesucht.  Im 
folgenden  möchte  ich  Ihnen  kurz  das  Resultat  dieser  Statistik  mit- 
teilen.  Zuvor  erwähne  ich,  dass  in  jedem  als  Karzinom  geführten 
Falle  die  Diagnose  durch  aufbewahrte  mikroskopische  Präparate 
sichergestellt  worden  ist.  Was  die  Technik  der  Operation  betrifft, 
so  wurde  im  1.  und  2.  Jahre  der  Berichtszeit  noch  teilweise  kon- 
servativ  verfahren,  indem  nur  der  Pect.  maj.  entfernt,  der  minor 
aber  oft  geschont  xvurde.  In  den  letzten  8  Jahren  ist  aber  in 
jedem  Fall  grundsätzlich  so  operiert  worden,  dass  beide  Pectorales 
radikal  entfernt  und  die  Mohrenheim  sehe  Grube  und  Achsel¬ 
höhle  peinlich  von  Drüsen-  und  Zellgewrebe  gesäubert  wurden;  ott 
xvurde  temporäre  Resektion  der  Klavikel  ausgeführt  zur  Ent¬ 
fernung  verdächtiger  supraklavikulärer  Drüsen;  in  Fällen,  wo  die 
Achselvene  mit  den  krebsigeu  Drüsen  verwachsen  war,  wurde 
diese  xveithin  reseziert.  Durch  ausgedehnte  briefliche  Umfrage 
und  in  vielen  Fällen  durch  persönliche  Nachuntersuchung  habe  ich 
mich  über  das  weitere  Schicksal  bezw.  jetzige  Befinden  der  Ope¬ 
rierten  informiert. 

In  der  Zeit  vom  1.  Juli  1S92  bis  Ende'  Dezember  1901  xvurden 
insgesamt  155  Patienten  xvegen  Brustkrebs  operiert  und  zwar 
154  Frauen  und  1  Mann.  Bei  30  derselben  war  es  mir  nicht  mög¬ 
lich,  etxvas  über  das  xv eitere  Schicksal  zu  erfahren;  die  aus- 
gesandten  Fragebogen  kamen  entweder  überhaupt  nicht  zurück 
oder  nur  so  mangelhaft  beantxvortet,  dass  sie  für  eine  statistische 
Verarbeitung  absolut  ungeeignet  waren.  Ich  kann  daher  nur  über 
125  Operationen  berichten.  Von  diesen  sind  gestorben  70  =  56  Proz. 
und  zwar  an  Rezidiv  und  Metastasen  51  =  40,8  Proz.,  an  anderen 
Krankheiten,  frei  von  Karzinom  19  =  15,2  Proz. 

Die  Mortalität  an  Rezidiv  oder  Metastasen  war  am  grössten 
im  1.  Jahre  nach  der  Operation,  annähernd  gleich  gross  im  2.,  um 
dann  rasch  abzufallen  und  mit  dem  7.  Jahre  nach  der  Operation 
aufzuhören.  Es  starben  an  Rezidiv  oder  Metastasen 


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33  33 


33 

33 

33 


16 

4 

5 


33  33 


33 


3 


33  33 

33  33 


33 

33 


2 


Patienten 

33 

33 

33 

33 

33 

33 


Unterscheidet  man  Rezidiv  und  Metastasen  als  Todesursache, 
so  ergibt  sich,  dass  am  örtlichen  Rezidiv  im  1.  und  2.  Jahre  10, 
bezw.  12  Pat.  xmrstorben  sind,  im  3.  und  4.  je  1  und  dann  über¬ 


haupt  keine  mehr;  anders  ist  es  bei  den  Metastasen;  diesen  er¬ 
lagen  ebenfalls  die  meisten  Operierten  im  1.  Jahre  nach  der  Opera¬ 
tion,  nämlich  11.  während  im  2.  bis  7.  Jahre  je  2,  3  oder  4  Pat. 
gestorben  sind.  Das  heisst  also:  An  örtlichem  Rezidiv  starben  die 
Pat.  im  1.  und  2.  Jahre  nach  der  Operation,  in  den  xveiteren  Jahren 
fehlt  die  Mortalität  infolge  Rezidivs  fast  vollständig,  während  die 
Todesfälle  infolge  der  Metastasen  im  1.  Jahre  am  häufigsten  sind, 
um  dann  auf  eine  Reihe  von  Jahren  noch  vereinzelt  vorzukommen. 
Nach  Ablauf  des  2.  Jahres  sind  von  unseren  Operierten  im  ganzen 
nur  13  an  Rezidiv  oder  Metastase  gestorben,  das  sind  10,4  Proz., 
davon  1,6  Proz.  an  örtlichen  Rezidiven  und  8,8  Proz.  an  Meta¬ 
stasen;  oder  mit  anderen  Worten:  die  Operierten,  die  2  Jahre 
nach  der  Operation  noch  frei  von  Rezidiv  und  Metastasen  ge¬ 
blieben  sind,  haben  eine  Chance  von  82,5  zu  100,  dauernd  gesund 


zu  bleiben. 

Am  Leben  sind  von  den  125  Operierten  noch  55  =  44  Proz.,  und 
zwar  frei  von  Rezidiv  oder  Metastasen  41,6  Proz.,  erkrankt 
an  Rezidiv  oder  Metastasen  2,4  Proz.  Von  den  52  Ope¬ 
rierten,  die  seit  der  Operation  rezidivfrei  geblieben  sind, 
haben  35  mehr  als  2  Jahre  seit  der  Operation  hinter  sich;  das  sind 
28  Proz.  Von  den  an  interkurrenten  Krankheiten,  frei  von  Re¬ 
zidiv  und  Metastasen,  verstorbenen  19  Operierten  xvaren  5  länger 
als  2  Jahre  von  ihrem  Karzinom  geheilt.  Rechnet  man  diese  5 
zu  den  35  noch  lebenden  und  mehr  als  2  Jahre  vom  Karzinom 
geheilten  Operierten  hinzu,  so  ergibt  sich,  dass  in  Summa  40  Ope¬ 
rierte  länger  als  2  Jahre  frei  von  Rezidiv  oder  Metastasen  ge¬ 
blieben  sind,  das  sind  32  Proz.  aller  Operierten.  Vor  10  Jahren 
schon  hat  Herr  Obermedizinalrat  R  u  p  preclit  eine  statistische 
Zusammenstellung  über  Dauerheilungen  bei  Mammakarzinom  ver¬ 
öffentlicht,  er  gab  damals  21,4  Proz.  Dauerheilungen  an.  Aelm- 
liche  Zahlen  finden  sich  bis  vor  10  Jahren  bei  den  übrigen  Ope¬ 
rateuren:  11  Proz.  nach  V  olkmann,  16  nach  L  ii  c  li  e,  22  nach 
K  ö  n  i  g,  ebensoviel  nach  Czerny.  Die  wesentlich  günstigeren 
Resultate,  die  unsere  heutige  Statistik  aufweist,  beruhen  un¬ 
zweifelhaft  darauf,  dass  jetzt  nach  II  e  i  d  e  n  h  a  i  n  s  Vorgehen 


22.  Juli  1902. 


1241 


MÜENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


jeder  Fall  möglichst  radikal  operiert  wird,  dass  weder  Pektomles, 
noch  Klavikel,  noch  Achselvene,  noch  Serratus,  noch  Latissimus 
geschont  werden,  um  das  Karzinom  möglichst  gründlich  mit  allen 
Drüsenmetastasen  ausrotten  zu  können.  Und  noch  besser  werden 
sicherlich  die  Aussichten  auf  Dauerheiluugen  werden,  wenn  wir 
mehr  und  mehr  in  die  Lage  gesetzt  werden,  Frühoperationeil  aus¬ 
zuführen.  d.  h.  in  einem  Stadium,  wo  das  Karzinom  noch  nicht 
mit  Haut.  Pektoralfaszie  oder  gar  -Vene  verwachsen  ist  und  wir 
also  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  mit  der  Heid  enli  ari¬ 
schen  Operation  das  Karzinom  radikal  zu  entfernen  im  Stande 
sind. 

Auf  Grund  der  gefundenen  Zahlen,  glaube  ich.  sind  wir  be¬ 
rechtigt.  das  von  i  o  1  k  m  a  n  n  gegebene  Schema  dahin  umzu¬ 
ändern,  dass  wir  nicht  erst  nach  3,  sondern  schon  nach  Verlauf 
von  2  Jahren  nach  der  Operation  von  Dauerheilungen  sprechen. 
Ich  möchte  das  zweite  Jahr  nach  der  Operation  als  das  kritische 
Jahr  für  unsere  Operierten  bezeichnen;  haben  sie  dieses  frei  von 
Rezidiv  oder  Metastasen  hinter  sich,  so  haben  sie  eine  Chance 
von  82,5  zu  100,  überhaupt  dauernd  von  ihrem  Karzinom  geheilt 
zu  sein,  oder:  von  je  5  Frauen,  die  2  Jahre  nach  der  Operation  noch 
frei  von  Rezidiv  oder  Metastasen  sind,  bleiben  4  dauernd  geheilt. 

Herr  Gmelin  (a.  G.):  Demonstration  des  Phonendoskops. 

Herr  G  m  e  1  i  n  hat  kürzlich  bei  S  m  i  t  li  in  Schloss  Marbach 
dasselbe  näher  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  gehabt.  Er  berichtet 
zunächst  iilier  die  Methode,  wie  sie  von  dem  Erlinder  des  Instru¬ 
mentes.  B  i  a  n  c  li  i,  angegeben  wurde,  und  weiter,  in  welcher 
Weise  die  Nutzbarmachung  des  Instrumentes  an  Stelle  der  Per¬ 
kussion  durch  Smith-  Marbach  vervollkommnet  worden  ist. 

Diskussion:  Herr  Albin  B  u  r  k  li  a  r  d  t  bestreitet  die  Zu¬ 
verlässigkeit  der  von  Smith  mit  dem  Phonendoskop  gemachten 
Grenzbestimmungen.  Eine  Arbeit  aus  der  Riegel  scheu  Klinik 
von  G  rote  bestätigt  ebenfalls  diese  seine  Einwände. 

Herr  F  orstma  n  n  hebt  hervor,  dass  namentlich  die  Schwie¬ 
rigkeiten  im  Gebrauch  des  Phonendoskops  gegen  seine  Verwen¬ 
dung  sprächen,  warnt  aber  ebenfalls  vor  einem  zu  optimistischen 
Urteil  über  die  Genauigkeit  der  gewonnenen  Resultate. 

Herr  Gmelin  referiert  noch  über  verschiedene  Methoden, 
welche  zur  Grenzbestimmung  des  Herzens  Verwendung  finden 
(Röntgenbild,  Stimmgabel,  Stethoskopuntersuchung).  Er  glaubt 
doch,  dass  die  S  m  i  t  h  sehen  Resultate  einwandfrei  sind,  die 
Schwierigkeit  der  Methode  gesteht  er  zu. 

Herr  His  erwähnt,  dass  neben  der  Arbeit  von  Grote  auch 
noch  andere  von  S  a  li  1  i  u.  a.  vorliegen,  die  gegen  den  Wert  der 
angezogenen  Methode  sprechen.  Jedenfalls  ist  dieselbe  so  schwie¬ 
rig,  dass  sie  nicht  jeder  Praktiker  sich  aneignen  kann,  und  die 
Fehlerquellen  gar  nicht  zu  übersehen,  bis  nicht  weitere  genaue 
Prüfungen  nach  dieser  Richtung  vorliegen. 

(Schluss  folgt.) 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  5.  M  ä  r  z  1902. 

Vorsitzender:  Herr  C.  Fraenkel.  * 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  Schmidt-Rimpler  spricht  unter  Vorlegung  eines 
Präparates  über  die  Diagnose  der  Chorioidealsarkome.  Das  Prä¬ 
parat  stammt  von  einem  älteren  Manne,  der  zuerst  vor  einem 
halben  Jahre  eine  Verschlimmerung  im  Sehen  des  rechten  Auges 
bemerkt  hatte.  Bei  der  Aufnahme  wurde  etwas  unter  der  Macula 
eine  fast  kreisförmige  Netzhautablösung  konstatiert,  die  eine  ge¬ 
wisse  Aehnlichkeit  mit  einer  subretinalen  Cysticercusblase  hatte. 
Der  Mangel  an  Beweglichkeit,  eine  etwas  unregelmässige  Be¬ 
schaffenheit  des  Randes  an  einer  Stelle  —  es  fanden  sich  hier  Kon¬ 
turen,  die  einzelnen  kleineren  Knötchen  zu  entsprechen  schienen  — 
und  der  ganz  leicht  ins  rötliche  schlagende  Farbenton  der  abge¬ 
lösten  mittleren  Netzhautpartie  sprach  für  eine  subretinale  Ge¬ 
schwulst.  Dieselbe  —  ein  Leukosarkom  —  hatte  etwa  Erbsen¬ 
grösse,  war  ziemlich  rund  und  ragte  2  mm  über  der  Chorioidea 
hervor,  wie  auch  das  Präparat  zeigte. 

In  Obigem  sind  bereits  die  differentiellen  Momente  angegeben, 
welche  uns  in  einzelnen  Fällen  die  Diagnose  zwischen  einfacher 
und  einer  durch  Chorioidealsarkome  bedingten  Netzhautabhebung 
stellen  lassen.  Besonders  wichtig  halte  ich  die  Randdurchmuste- 
rung,  wobei  man  am  ehesten  kleine  periphere,  knotenartige  Partien 
im  Gegensatz  zur  einfachen  Netzhautablösung  erkennt.  Auch  die 
Straffheit  der  blasenförmigen  Abhebung  sowie  die  oft  rundliche 
Form  erregen  den  Verdacht  auf  Chorioidealturnoren,  wenn  ein  sub 
retinaler  Cysticercus,  der  bei  längerer  Beobachtung  sich  durch 
Bewegungen  und  Ortsveränderungen  kenntlich  machen  wird,  aus¬ 
geschlossen  ist.  Auf  den  eigentümlichen  schillernden  Rand  der 
Peripherie,  auf  den  zur  Diagnose  des  Cysticercus  hingewiesen 
wird,  möchte  ich  nicht  allzuviel  Gewicht  legen,  da  man  ihn  ge¬ 
legentlich  ähnlich  auch  bei  straffen  Ablösungen  aus  anderer  Ur¬ 
sache  sieht.  Aber  es  kommen  auch  Exsudationen  bei  um¬ 
schriebenen  Cliorioiditcn  vor,  die  eine  pralle  rundliche  Netzhaut¬ 
ablösung  herbeifuhren.  Ist  nun  gar  bei  einer  Cliorioidealgeschwulst 
die  Netzhautablösung  grösser  und  schlaffer  geworden  und  über¬ 
deckt  das  Exsudat  die  Geschwulst,  so  wird  die  Diagnose  besonders 
schwierig.  Auch  hier  wird  die  genaue  Untersuchung  der  Rand¬ 
partien,  wo  man  öfter  kleine  Knötchen  sieht,  von  Bedeutung  sein. 


Sonst  sind  von  A\  ichtigkeit  die  Tensionszunahme,  Erschei¬ 
nungen  von  Sekundärglaukom  und  Schmerzhaftigkeit:  all  dies 
spricht  ebenso  wie  das  Auftreten  ausgedehnter  episkleraler 
Gebisse  für  iumorbildung.  Aber  diese  gewöhnlich  angegebenen 
Symptome  fehlen  auch  nicht  selten,  besonders  im  Beginn.  Man  hat 
dann  versucht,  sich  durch  die  Skleralpunktion,  ähnlich  wie  wir  sie 
bei  Netzhautablösungen  therapeutisch  anwenden,  Auskunft  zu 
schaffen.  Eine  mikroskopische  Untersuchung  des  entleerten 
Sekrets  und  das  nach  der  Entleerung  veränderte  ophthalmo¬ 
skopische  Bild  wird  bisweilen  die  Diagnosenstellung  ermöglichen. 
Aber  einmal  kann  der  Sitz  der  Ablösung  am  hinteren  Aug  npol  den 
operativen  Eingriff  sehr  erschweren  und  dann  liegt  in  ihm  die  Ge¬ 
fahr,  dass  beim  Vorhandensein  einer  Geschwulst  eine  Propagation 
ihrer  Keime  durch  die  Punktionsöffnung  nach  aussen  hin  ermög¬ 
licht  wird.  Ich  möchte  daher  auf  eine  weitere  Untersucshungs- 
methode  die  Aufmerksamkeit  lenken,  die  von  mir  besonders  in 
letzter  Zeit  geübt  worden  ist,  nämlich  die  lokale  So  n  d  e  n  - 
palpation  des  Augapfels.  Man  kann  nämlich  durch 
Betasten  der  Sklera  bei  Tumoren  an  der  betreffenden  Stelle  häufig 
eine  Erhöhung  der  Resistenz  konstatieren;  man  bedient  sich  hierzu 
am  besten  des  nicht  zu  kleinen  Knopfes  einer  Sonde,  der  senkrecht 
aul  die  Bulbuswand  gesetzt  wird.  Beispielsweise  gelang  es  bei  dem 
oben  beschriebenen  Augapfel  gleich  nach  der  Enukleation  durch  die 
lokale  Betastung  die  umschriebene  Resistenz  ganz  exakt  abzu¬ 
grenzen:  die  darauf  gemachte  Sektion  bestätigte  den  Sitz  der  Ge¬ 
schwulst.  Mit  einer  gebogenen  Sonde  würde  man  auch  bei 
Tumoren,  die  in  der  Nähe  des  hinteren  I’oles  ihren  Sitz  haben, 
nach  einer  Konjunktivalinzision  leicht  zu  der  verdächtigen  Stelle 
dringen  und  sie  betasten  können.  Die  Diagnose  von  Ghorioideal- 
verknöcherungen  in  phthisischen  Bulbi  stellen  wir  bekanntlich 
schon  lange  durch  Betastung;  sie  soll  aber  auch,  wie  erwähnt, 
bei  Tumoren  und  bei  manchen  anderen  Prozessen  eine  mehr 
m  ethodisehe  V  e  r  w  e  n  d  u  n  g  finden.  So  gab  bei  einem 
zur  Enukleation  gekommenen  Bulbus  beispielsweise  eine  Glas¬ 
körperschwarte  deutlich  bei  der  lokalen  Betastung  eine  um¬ 
schriebene  Resistenzvermehrung,  die  sich  fühlbar  machte,  trotz¬ 
dem  zwischen  der  Schwarte  und  der  Retina  ein  Exsudat  lag. 

Herr  Nebelt  ha  11  gibt  einen  Bericht  über  die  Er¬ 
fahrungen,  welche  bisher  mit  den  verschiedenen  Ag’g’lutinations- 
verfahren  bei  Tuberkulose  gemacht  wurden.  Er  demonstriert  die 
Agglutination  einer  Tuberkolbazillenemulsion,  welche  ihm  von 
Herrn  Geheimrat  v.  Behring  giitigst  zur  Verfügung  gestellt 
wurde,  und  welche  nach  den  von  R  o  m  b  e  r  g  in  der  Deutsch, 
rned.  Wochensohr,  gegebenen  Vorschriften  bereitet  war.  Als 
feststehend  darf  betrachtet  werden,  dass  in  einer  Reihe  von  kli¬ 
nisch  sicher  nachweisbarer  Tuberkulose  die  Reaktion  versagte. 
Die  Serumdiagnose  ist  also,  wie  bereits  R  o  m  b  e  r  g  und  Ivoch 
hei  Verwendung  der  Emulsion,  Fraenkel,  Neisse.  r, 
D  ieud  o  n  n  e,  B  e  c  k  und  Rabi  nowitsch  bei  Verwendung 
der  Arloing-Cour  m  ont  sehen  Aufschwemmung  hervor¬ 
gehoben  haben,  für  die  Stellung  der  Frühdiagnose  der  Tuber¬ 
kulose  nicht  brauchbar.  Wie  der  positive  Ausfall  der  Probe  zu 
verwerten  ist,  dürfte  zur  Zeit  noch  nicht  definitiv  zu  ent¬ 
scheiden  sein,  da  die  letzte  Ursache  der  Agglutination  noch  nicht 
erkannt  ist. 

Besprecli  u  n  g:  Herr  F  r  a  e  n  k  el  bemerkt,  dass  er  nach 
seinen  Versuchen  mit  den  Kulturen  von  A  r  1  o  i  n  g  und  C  o  u  r  - 
mont  der  ganzen  Methode  wenigstens  einen  praktischen 
Wert  für  die  Erkennung  der  Tuberkulose  n  i  c  h  t  beizumessen  ver¬ 
möge  und  in  dieser  Auffassung  auch  durch  die  neueren  Mit¬ 
teilungen  von  Romberg  und  Koch  nicht  erschüttert  sei.  Es 
sei  ja  schliesslich  möglich,  dass,  wie  Romberg  behaupte,  eine 
positive  Reaktion  bei  Abwesenheit  aller  sonstigen  Zeichen  der 
Erkrankung  und  bei  ganz  gesunden  Menschen  doch  auf  einen  ver¬ 
steckten  Herd  hindeute  und  umgekehrt  ein  Fehlen  der  Aggluti- 
nierung  in  ausgesprochenen  Fällen  durch  die  mangelnde  Reaktions¬ 
fähigkeit  des  Körpers  bedingt  sei.  aber  eben  wahrscheinlich  sei 
das  nach  den  Beobachtungen  von  Beck  und  Rabi  no¬ 
witsch  an  Rindern  nicht,  bei  denen  Temperatursteigerung  nach 
Injektion  von  Tuberkulin  und  positive  Agglutinierung  sich  keines¬ 
wegs  gedeckt  hätten.  Auch  die  Annahme  von  Koch,  dass  die1 
Höhe  des  Agglutinationsvermögens  einen  Rückschluss  gestatte 
auf  die  Stärke  der  Abwehrkräfte  des  Körpers,  finde  in  unseren 
sonstigen  bisherigen  Kenntnissen  keine  Stütze,  da  ein  solcher  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Immunität,  zwischen  Bildung  von  Schutz 
stoffen  und  agglutinierenden  Substanzen,  wie  namentlich  Pfeiffer 
gezeigt,  eben  nicht  bestehe. 

Herr  Aschaffen  bürg1:  Das  ärztliche  Berufsgeheimnis. 

Vortragender  bespricht  eingehend  die  Schwierigkeiten,  die 
dem  Arzte  aus  der  Verpflichtung  zur  Wahrung  des  Berufsgeheim¬ 
nisses  (§  300  St.-G.-B.)  erwachsen.  Sie  werden  nicht  gerade  ver¬ 
ringert  durch  die  Tatsache,  dass  die  Juristen  über  die  einzelnen 
Bestimmungen  und  Paragraphen  teilweise  sehr  verschiedener 
Ansicht  sind.  So  legt  das  Reichsgericht  und  der  gebräuchlichste 
Kommentar  von  Olshausen  bei  dem  Ausdrucke  „Privat¬ 
geheimnis“  den  Hauptwert  auf  das  erkennbare  Interesse  an  der 


No.  29. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1242 

Geheimhaltung?  während  andere  mit  Recht  das  Hineinziehen 
des  Interesses,  als  eines  subjektiven  Elementes,  für  bedenklich 
halten. 

„Anvertraut“  ist  alles,  was  in  der  Ausübung  des  Berufes 
wahrgenommen  wird,  ohne  dass  es  des  ausdrücklichen  Wunsches 
der  Geheimhaltung  oder  überhaupt  einer  mündlichen  Mitteilung 
bedarf.  Zum  „Offenbaren“  genügt  schon  die  Mitteilung  an  eine 
2.  Person ;  auch  etwas  allgemein  Bekanntes  kann  im  Sinne  des 
5$  300  offenbart  werden. 

Zur  „unbefugten  Offenbarung“  bedarf  es  nicht  der  Absicht, 
zu  schaden.  „Befugt“  zur  Offenbarung  sind  die  Aerzte  bei  aus¬ 
drücklicher  Erlaubnis  des  Anvertrauenden;  „gezwungen“  bei 
$  139  St.-G.-B.  (Kenntnis  von  einem  bevorstehenden  schweren 
Verbrechen,  das  verhindert  werden  kann). 

Die  Abgabe  eines  Zeugnisses  (und  ebenso  eines  Sachver¬ 
ständigengutachtens)  im  Strafverfahren  und  im  bürgerlichen 
Rechtsstreit  kann  verweigert  werden ;  dazu  berechtigt  sowohl  die 
Straf-  als  die  Zivilprozessordnung.  Macht  der  Arzt  von  diesem 
Rechte  keinen  Gebrauch,  so  ist  die  Aussage,  nach  Ansicht  der 
meisten,  aber  nicht  aller  Autoren,  doch  keine  „unbefugte“. 

Im  Gegensätze  zu  dieser  gesetzlich  festgelegten  Wert¬ 
schätzung  des  Berufsgeheimnisses  in  den  schwierigsten  Rechts¬ 
fällen,  stehen  zahlreiche  Landes-  und  Polizeigesetze  (Anzeige¬ 
pflicht  bei  ansteckenden  Krankheiten,  bei  der  Aufnahme  in 
Irrenanstalten,  in  einzelnen  Ländern  bei  der  Entdeckung  von 
Verbrechen,  in  Baden  sogar  schon  bei  der  „Möglichkeit“,  dass 
ein  Verbrechen  vorliegt). 

Den  Antrag  zur  Strafverfolgung  kann  nach  der  Ansicht  des 
Reichsgerichtes  nur  der  stellen,  dessen  Vertrauen  getäuscht 
wurde,  während  v.  Liszt  u.  a.  den  für  berechtigt  halten,  dessen 
Interessen  verletzt  worden  sind. 

Im  Anschluss  an  diese  Ausführungen  erörtert  der  Vor¬ 
tragende  noch  einige  weitere  Fragen  (Recht  zu  klinischen  Vor¬ 
stellungen,  zur  Veröffentlichung  von  Krankengeschichten,  Be¬ 
gutachtung  Verstorbener,  Einklagen  von  Forderungen)  und  zeigt 
an  Beispielen,  wie  schwierig  sich  praktisch  die  Wahrung  des  Be¬ 
rufsgeheimnisses  (Eheschliessung  Geisteskranker,  Luetischer, 
Ehescheidungen,  Feststellung  von  Paralyse  bei  Leuten  in  verant¬ 
wortlicher  Stellung)  oft  gestaltet.  Unter  Umständen  bleibt  dem 
Arzte  oft  nichts  übrig,  wie  bewusst  gegen  den  §  300  zu  verstossen, 
um  grösseres  Unheil  zu  verhüten. 

Besprecli  u  n  g:  Herr  F  i  e  1  i  t  z  weist  auf  mehrere  Mög¬ 
lichkeiten  hin.  in  denen  der  Arzt  das  Berufsgeheimnis  gar  nicht 
wahren  könne.  Wolle  er  z.  B.  auf  den  Krankenscheinen  der 
Kassen  mit  Rücksicht  auf  den  Patienten  nicht  die  richtige  Dia¬ 
gnose  angeben,  sondern  diese  verschleiern,  so  mache  er  sieh  unter 
Umstanden  geradezu  einer  Urkundenfälschung  schuldig.  Kein 
Angehöriger  einer  Krankenkasse  könne  auch  auf  Grund  des  §300 
Klage  erheben.  Selbstmord  müsse  nach  den  bestehenden  Vor¬ 
schriften  stets  angezeigt  werden,  ebenso  Delirium  tremens. 

Herr  Fr aenkel:  Es  handele  sich  hier  jedenfalls  um  ein 
recht  schwieriges  und  heikles  Gebiet;  zuweilen  verlangen  gewiss 
andere  und  wichtigere  Interessen  den  Vorrang  vor  dem  Berufs¬ 
geheimnis,  wie  bei  der  Entdeckung  eines  Mordes  u.  s.  w.  Immer¬ 
hin  lasse  sich  nicht  verkennen,  dass  oft  von  Aerzten  gegen  das 
Berufsgeheimnis  gefehlt  werde,  wo  das  gar  nicht  nötig  sei  und 
siel i  leicht  vermeiden  lasse.  So  sei  es  neuerdings  in  den  medi¬ 
zinischen  Veröffentlichungen  Sitte  geworden,  die  Patienten  völlig 
nackt  von  hinten  und  vorn,  von  rechts  und  links  im  photo¬ 
graphischen  Bilde  wiederzugeben;  mindestens  sollte  man  da  das 
Gesicht  unkenntlich  machen. 

Herr  Hessler  bemerkt,  dass  man  dem  künftigen  Schwieger¬ 
vater  eines  Patienten  sicher  nicht  mitteilen  dürfe,  sein  Schwieger¬ 
sohn  sei  syphilitisch;  der  Arzt  könne  dadurch  in  die  grösste  Un¬ 
gelegenheit  kommen.  Die  Polizei  könne  aber  doch  Verordnungen 
treffen,  durch  die  auch  der  Arzt  zur  Anzeige  gezwungen  werde. 

Herr  Aschaffe  n  b  u  r  g  weist  in  seinem  Schlusswort 
darauf  hin,  dass  er  die  ganze  Frage  zunächst  nur  vom  theoretischen 
Standpunkte  habe  beleuchten  wollen,  um  namentlich  zu  zeigen, 
dass  die  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen  vielfach  unklar 
und  widerspruchsvoll  sind.  Im  konkreten  Palle  würde  er  sich  ge- 
Aviss  häutig  auch  gar  keinen  Augenblick  besinnen,  das  Berufs¬ 
geheimnis  zu  verletzen,  wenn  höhere  Interessen  auf  dem  Spiele 
ständen. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  24.  März  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Hochhaus.  Schrift!’. :  Herr  Schulte. 

Vor  der  Tagesordnung  stellt  Herr  Dreyer  einen  Fall  von 
Primäraffekt  der  Wange  vor. 

Der  44  jährige  Patient,  Anstreicher  von  Beruf,  den  ich  Ihnen 
vorzustellen  die  Ehre  habe,  leidet  an  Lues,  die  mit  einem  Schanker 
der  Wange  begonnen  hat.  Auf  der  rechten  Wange,  dicht  neben 
der  Nase,  in  der  Mitte  zwischen  Auge  und  Oberlippe,  findet  sich 
jetzt  eine  eingezogene,  senkrecht  gestellte,  etwa  1  cm  lauge  Narbe, 
die  von  einem  knorpelharten,  geröteten,  stark  erhobenen,  oval 
gebildeten  Itand  umgeben  ist.  Eine  Rötung  mit  geringer  In¬ 
filtration  hat  die  Hälfte  der  rechten  Wange  und  beide  Nasenflügel 
ergriffen  und  erstreckt  sich  bis  zum  Septum  narium,  das  vorn  eine 
Erosion  von  Bohnengrösse  zeigt.  Charakteristische,  indolente, 
kastaniengrosse  Drüsentumoren  in  beiden  Submaxillargruber« 
sichern  zusammen  mit  der  zirkumskripten,  schmerzlosen  Indura¬ 
tion  die  Diagnose.  Ein  derbes,  grosspapulöses  Exanthem  hat  den 
gesamten  Rumpf,  Nacken,  Hinterkopf,  Hals,  Stirn,  Beuge-  und 
Streckseiten  der  Extremitäten  befallen,  während  Hände  und  Füsse 
frei  geblieben  sind.  Am  Penis  finden  sich  einige  Papeln  links 
neben  dem  Frenulum.  Eine  haselnussgrosse  Drüse  findet  sieh 
noch  hinter  dem  linken  Sternokleidomastoideus,  sonst  sind  keine 
Drüsen  fühlbar,  auch  in  den  Leisten  nicht.  Die  Milz  ist  nicht  ver- 
grössert.  Der  Pharynx  ist  leicht  gerötet. 

Die  Erkrankung  begann  mit  einer  Schwellung  des  Gesichts 
vor  8  Wochen  ohne  nachweisbare  Ursache.  Seit  4  Wochen  besteht 
das  Exanthem.  Vor  8  Tagen  traten  heftige  Kopfschmerzen  auf. 

Patient  ist  seit  6  Jahren  verheirathet,  hat  4  gesunde  Kinder, 
deren  jüngstes  5  Monate  alt  ist. 

Wegen  der  grossen  sozialen  Bedeutung  der  ex  trageni  taten 
Schanker  glaubte  ich  den  Patienten  hier  zeigen  zu  sollen.  Die 
Schanker  der  Wange  sind  sehr  selten.  Duncan  Bulklay  be¬ 
richtet  in  seiner  grossen  Statistik  nur  über  12  Fälle  aus  Deutsch¬ 
land,  Holland  und  der  SchAveiz.  Fournier  hat  40  Fälle  ge¬ 
sehen,  während  er  328  Lippenschanker  und  53  Schanker  der 
Zunge  unter  seiner  Klientel,  verzeichnet.  Die  Infektion  erfolgt 
auf  Avideruatiirlichem  Weg  von  den  Geschleelitstheilen  aus,  durch 
Kuss,  Biss,  Anspeien,  Aussaugen  von  Wunden,  indirekt  durch 
Finger,  Handtücher.  Taschentücher.  Kompressen,  Schwämme  und 
Rasiermesser.  Häufig  kann  der  Modus  der  Infektion,  wie  in 
unserin  Fall,  nicht  eruiert  werden.  Die  Gesichtsschanker  kommen 
im  Gegensatz  zu  den  sonstigen  extragenitalen  Primäraffekten  mehr 
bei  Männern  als  bei  Frauen  vor.  Sie  sind  die  häufigsten  Schanker 
der  Kinder.  Fournier  unterscheidet  zAvei  Formen:  1.  die  ero- 
siven  Schanker,  von  denen  ich  eine  Abbildung  herumreiche,  2.  die 
geschAviirigen  Schanker,  zu  denen  der  vorgestellte  Fall  zählt,  der 
wegen  seiner  Avallartig  erhöhten  Ränder  von  F  ournie  r  als 
Cliancre  en  lampion  bezeichnet  wird.  Mehr  als  bei  irgend  einer 
anderen  Lokalisation  und  mit  grösserer  Möglichkeit  ist  die  In¬ 
duration  bei  den  Gesichtssckankern  ausgesprochen.  Von  den 
vielen  Varietäten  Avill  ich  nur  die  massigen  Schanker  hervorheben, 
die  auch  bei  tiefer  Ulzeration  erfahrungsgemiiss  mit  kleiner  Narbe 
heilen.  In  unserm  Fall  ist  der  Schanker  mit  einem  Infiltrat  der 
Umgebung  kompliziert  —  das  ist  eine  Ausnahme,  meist  ist  der  Ver¬ 
lauf  Avie  der  Beginn  indolent.  Die  Heilungsdauer  schwankt  zwi¬ 
schen  4  und  8  Wochen.  Die  Drüsenschwellungen  pflegen,  wenn 
die  unteren  zAA'ei  Drittel  des  Gesichts  befallen  sind,  die  Sub¬ 
maxi  11a  rdriisen  zu  betreffen.  Trotz  der  Leichtigkeit  der  Diagnose, 
Avenn  man  an  einen  Schanker  denkt,  sind  Verwechslungen  mit  Im¬ 
petigo,  Ekzem.  Herpes,  Akne,  Frostknoten,  Wunden,  Furunkeln, 
tertiären  Syphiliden,  Karzinomen  und  gewissen  Sykosisformen  vor¬ 
gekommen. 

Herr  D  r  e  e  s  m  a  n  n  spricht  sodann  über  Rhinoplastik. 
Nach  kurzer  Charakterisierung  der  verschiedenen  Methoden  der 
Rhinoplastik  stellt  Redner  ein  IG  jähriges  Mädchen  vor,  bei 
welchem  er  nach  Ausheilung  eines  Lupus  eine  totale  Rhinoplastik 
aus  dem  Vorderarm  vorgenommen  hatte.  Am  5.  IX.  99  wurde  an 
der  Radialseite  des  Vorderarms  (ähnlich  Avie  Israel,  der  indessen 
die  Ulnarseite  benützte)  ein  Lappen  gebildet,  mit  der  Basis  nach 
der  Hand  zu.  Dieser  Lappen  enthielt  in  seiner  ganzen  Länge 
Periost  und  einen  etwa  94  cm  breiten  Streifen  des  Radius.  An 
der  Basis  wurde  der  Knochenlappen  vorläufig  noch  mit  dem 
Radius  in  Verbindung  gelassen  und  durch  untergeschobene  Jodo¬ 
formgaze  ein  Wiederamvachsen  verhindert.  Ein  Monat  später 
Avurde  diese  Knochenbrücke  durchtrennt,  der  Lappen  neugelegt 
und  auf  der  Wundseite  durchTransplantationen  gedeckt.  Erst  am 
9.  I.  1900,  nach  völliger  Ueberhäutung  der  Wundfläche,  Avurde  der 
Lappen  in  den  vorher  angefrischten  Defekt  eingenäht  und  nach 
17  Tagen  vom  Arm  abgetrennt.  Die  Fixierung  des  Armes  geschah 
nur  durch  Cambric-  und  appretierte  Binden.  Patientin  wurde 
keineswegs  hierdurch  besonders  belästigt.  Das  Resultat  ist  auch 
heute  noch  nach  2  Jahren  auf  jeden  Fall  ein  sehr  befriedigendes, 
insbesondere  auch  was  die  Profilhöhe  anbelangt,  obschon  der  über¬ 
pflanzte  Knochen  nicht  deutlich  nachweisbar  ist.  Von  der  Bildung 
eines  Septum  wurde  Abstand  genommen. 


22.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1243 


Zu  demselben  Kapitel  demonstriert  Redner  eine  stereoskopische 
Aufnahme  von  einer  55  Jahre  alten  Frau,  bei  welcher  er  einen  nach 
Exzision  eines  Kankroids  entstandenen  Defekt  des  linken  Nasen¬ 
flügels  nach  einer  neuen  Methode  gedeckt  hat.  Redner  verwandte 
hiezu  einen  gestielten  Lappen  der  Oberlippe,  so  dass  der  frühere 
Lippensaum  nunmehr  die  Umrandung  des  Nasenloches  bildete. 
Der  Defekt  in  der  Oberlippe  konnte  leicht  vernäht  werden  und 
hiuterliess  eine  kaum  sichtbare  Narbe  in  der  Mittellinie.  Das  Re¬ 
sultat  war  nach  jeder  Richtung  hin  sehr  zufriedenstellend. 

2.  stellt  Redner  einen  Patienten  vor,  den  er  am  9.  VII.  90 
wegen  Gehirnabszess  operiert  hat  und  den  er  am  22.  II.  97  im 
Allgemeinen  ärztlichen  Verein  als  geheilt  vorstellen  konnte.  Seit 
der  Entlassung  aus  dem  Krankenhaus  war  Patient  ganz  wohl,  bis 
sich  im  November  1900  hin  und  wieder  Kopfschmerzen  und  epi- 
leptiforme  Anfälle  einstellten.  Die  in  letzter  Zeit  häutiger  (mehr¬ 
mals  am  Tage)  eintretenden  Anfälle  bestanden  darin,  dass  Patient 
plötzlich  wie  geistesabwesend  stehen  blieb  oder  auch  einige 
Schritte  voran  machte,  dann  einen  lauten  Schrei  ausstiess,  womit 
der  Anfall  sein  Ende  hatte.  Bei  der  Aufnahme  am  20.  III.  01 
war  über  dem  linken  Ohransatz  ein  Defekt  im  Schädelknochen 
fühlbar,  der  sich  etwas  vorwölbte  und  druckempfindlich  war.  Die 
Augenuntersuchung  ergab  atrophische  Verfärbung  der  Pupillen, 
rechtsseitige  gleichseitige  Hemianopsie  im  oberen  Quadranten; 
Sehschärfe  rechts  =  1,  links  =  %.  Am  linken  Auge  träge  Pupillen¬ 
reaktion  und  Schwächung  der  Akkommodation.  Geringe  Ab¬ 
schwächung  des  Hörvermögens  links.  Puls  90.  Bei  der  am  9.  V. 
vorgenommenen  Operation  wird  ein  10  Pfennigstück  grosser  De¬ 
fekt  in  der  Schädelkapsel  freigelegt,  aus  dem  sich  eine  weiche, 
pulsierende  Masse  vordrängt.  Letztere  wird  punktiert  und  ent¬ 
leeren  sich  hierbei  30 — 40  g  klare  Flüssigkeit.  Die  Sonde  dringt 
durch  die  Punktionsöffnung  etwa  5  cm  tief  ein.  Es  wird  ein  sil¬ 
bernes  Drain  eingelegt  und  darüber  der  Defekt  durch  Plastik  nach 
M  üller  - König  gedeckt.  Wegen  starker  Durchtränkung  musste 
der  Verband  in  den  ersten  Tagen  2  mal  täglich  erneuert  werden. 
Es  trat  hin  und  wieder  leichte  Temperatursteigerung,  einmal 
sogar  bis  40 0  (am  6.  Tag  nach  der  Operation),  Schläfrigkeit  und 
Erbrechen  ein.  Vom  22.  Mai  ab  erfolgt  ungestörte  Rekonvaleszenz. 
Die  Anfälle  sind  bis  heute,  also  beinahe  1  Jahr  nach  der  Operation, 
nicht  wieder  eingetreten. 

3.  demonstriert  Redner  ein  flaches,  0 — 7  cm  im  Durchmesser 
messendes  karzinomatöses  Ulcus  der  hinteren  Magenwand, 
welches  ausser  Schmerzen  keinerlei  Symptome  bei  dem  45  Jahre 
alten  Manne  gemacht  hatte.  Die  Probelaparotomie  ergab  ein 
Karzinom,  das  durch  Entfernung  fast  des  ganzen  Magens  beseitigt 
wurde.  Das  Duodenum  wurde  direkt  an  den  Rest  des  Magens 
mittels  Murphyknopf  angeheftet.  Letzterer  ging  am  23.  Tage  ab. 
Wegen  der  Spannung  war  ein  Streifen  Jodoformgaze  an  die  hintere 
Magenwand  gelegt  worden  und  entleerte  sich  in  der  ersten  Zeit 
nach  der  Operation  zeitweise  aus  der  Wunde  etwas  Mageninhalt. 
Tatient  hat  inzwischen  14  Pfund  zugenommen,  muss  sich  aber 
noch  auf  leichte  Kost  und  geringe  Quantitäten  beschränken. 

4.  Demonstration  eines  Proc.  vermiformis,  der  bei  einer 
33  jährigen  Patientin  zu  einer  gangränösen  Schenkelhernie  Ver¬ 
anlassung  gegeben  hatte.  Bei  der  Operation  des  Abszesses  wurde, 
da  Allgemeinerscheinungen  keine  vorhanden  waren,  an ‘eine  Darm¬ 
wandhernie  gedacht,  und  als  sich  der  Bruchsack  leer,  aber  gan¬ 
gränös  erwies,  die  Bauchwand  nach  oben  zu  durch  Vertikalschnitt 
unter  Spaltung  des  Lig.  Poupartii  eröffnet.  Hierbei  fand  sich,  dass 
der  Proc.  vermiformis  etwa  in  der  Mitte  spitzwinklig  abgeknickt 
war;  nur  die  Spitze  dieses  Winkels  lag  in  der  Bruchpforte  und 
war  gangränös.  An  der  Spitze  befand  sich  eine  Perforation.  Der 
Wurmfortsatz  wurde  reseziert  und  die  Wunde  tlieilweise  genäht. 
Die  Heilung  erfolgte  ungestört  per  secundam. 

5.  Demonstration  eines  Uterus  mit  verjauchtem,  herzförmigem 
submukösen  Myom.  Dasselbe  stammte  von  einer  48  jährigen 
Patientin  und  wurde  mit  gutem  Erfolg  per  laparotomiam  entfernt. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung-  vom  22.  April  1902. 

Vorsitzender :  Herr  B  a  h  r  d  t. 

Schriftführer ;  Herr  Brau  n. 

Herr  ßiecke  demonstriert; 

1.  einen  Fall  von  Lichen  scrophulosorum  in  typischer  Aus¬ 
breitung  und  Anordnung  der  Effloreszenzen. 

2.  ein  Mädchen  mit  Xeroderma  pigmentosum.  Es  ist  derselbe 
Fall,  welchen  Prof.  Riehl  am  29.  I.  1901  in  der  Gesellschaft 
demonstrierte.  Während  die  Xerose  der  Haut,  die  ephelidenartigen 
Pigmentflecke  und  die  weisslichen,  narbig-atrophischen  Flecke 
keine  wesentliche  Modifikation  erfahren  haben,  ist  die  Tumoren- 
hildung  erheblich  verändert.  Eine  Anzahl  der  Tumoren,  welche 
damals  exkochleiert  oder  exstirpiert  wurden,  ist  definitiv  beseitigt; 
ein  Tumor,  der  damals  ca.  zehnpfennigstückgross  in  der  hinteren 
Nackengegend  sass,  hat  die  Grösse  eines  Thalers  erreicht.  Am 
auffälligsten  ist  das  Wachstum  eines  damals  ldrschkemgrossen 
Tumors  an  der  linken  Wange:  derselbe  hat  jetzt  eine  Breite  von 
7  cm  und  eine  Höhe  von  8  cm  erreicht  und  stellt  ein  speckig  be¬ 
legtes,  kraterförmig  vertieftes,  stark  jauchendes,  krebsiges  Ge¬ 


schwür  dar  mit  aufgeworfenen  Rändern.  Dasselbe  hat  die  Mund¬ 
schleimhaut  perforiert.  Das  Allgemeinbefinden  ist  gut.  Prognose: 
infaust.  Therapie:  chirurgisch. 

Herr  P  ä  s  s  1  e  r  berichtete  im  November  v.  J.  über  2  Fälle 
von  postapoplektischen  Konvulsionen.  Beide  Patienten  sind  in¬ 
zwischen  gestorben.  Nur  der  2.  Fall  wurde  seziert.  Es  handelte 
sich  um  einen  Pat.  mit  chronischer  interstitieller  Nephritis,  der  im 
Mai  eine  Apoplexie  mit  passagerer  Hemianopsie,  linksseitiger 
motorischer  und  sensibler  Hemiplegie  erlitt,  die  sich  bald  wieder 
fast  vollständig  zurückbildete. 

Seit  dieser  Zeit  waren  bei  dem  Kranken  häufig  Krampf¬ 
anfälle  aufgetreten,  die  stets  den  charakteristi¬ 
schen  Verlauf  von  Rindenkonvulsionen  zeigten. 
Das  Bewusstsein  war  bald  erhalten,  bald  erloschen.  In  allen 
schwereren  Anfällen  bestand  eine  Deviation  conjugee 
n  a  c  lx  der  g  e  1  ä  li  m  ten  resp.  krampfenden  Seite 
hin.  Nach  jedem  dieser  Anfälle  zeigte  Motilität  und  Sensibilität 
der  gelähmten  Seite  eine  vorübergehende  stärkere  Schädigung. 

Das  Besondere  des  Krankheitsfalles  bestand  darin,  dass  die 
Rindenkonvulsionen  n  ach  einer  Apoplexie  .  aufgetreten 
waren.  Derartige  Fälle  sind  um  deswillen  im  Vergleich  zu  der 
grossen  Zahl  von  Hemiplegien  ohne  Krämpfe  so  selten,  weil  Hirn¬ 
blutungen  bei  Erwachsenen  meist  dann  nur  die  Rinde  lädieren, 
wenn  sie  ausserordentlich  umfangreich  sind  und  so  unmittelbar 
zum  Tode  führen. 

Anfang  Februar  1902  traten  bei  dem  Kranken  ohne  Ver¬ 
änderungen  der  Harnsekretion  und  Eiweissabscheidung  allgemeine 
nervöse  Symptome  auf,  die  als  Erscheinungen  einer  beginnenden 
Urämie  gedeutet  werden  konnten.  Nach  einigen  Tagen  traten 
2  Stunden  lang  dauernde  Krämpfe  in  der  bisher  gesunden  rech¬ 
ten  Körperhälfte  auf,  verbunden  mit  Deviation  conjugee  nach 
rechts,  also  wiederum  nach  der  krampfenden  Seite  hin.  In  dem 
darauffolgenden  Koma  waren  alle  Extremitäten  vollkommen 
schlaff,  die  Patella rreflexe  beiderseits  erhalten,  gleich.  Die  Pu¬ 
pillen  reagierten  nicht  auf  Licht,  e>  r.  Nach  2  Tagen  erfolgte 
im  Koma  der  Tod,  ohne  dass  sich  die  Krämpfe  vorher  wiederholt 
hatten.  —  Bei  der  Sektion  fanden  sich  2  alte  apoplek- 
tische  Herde  in  der  Rind  e,  und  zwar  ein  kleiner,  etwa 
pfennigstückgrosser  im  untersten  Abschnitt  der  rech¬ 
ten  hinteren  Zent  r  alwindun  g,  der  andere,  etwas 
grösser,  auch  mehr  flächenhaft  ausgebreitet  im  rechten  Gyrus 
fornicatus.  Der  Herd  in  der  Zentralwindung  entspricht  der 
motorischen  Zone  für  den  Fazialis,  dürfte  also  den  Reiz  für  die 
häufigen,  im  Gesicht  beginnenden  linksseitigen  Konvulsionen  ab¬ 
gegeben  haben.  Ueber  die  Ursache  der  zeitweise  stark  im  Vorder¬ 
gründe  stehenden  halbseitigen  Sensibilitätsstörung  liess  sich  aus 
dem  Obduktionsbefund  keine  Klarheit  gewinnen,  weil  hier  neben 
dem  Herd  in  der  hinteren  Zentralwindung  auch  derjenige  im 
Gyrus  fornicatus  in  Betracht  kam. 

Die  vor  dem  Tode  auf  getretenen  Krämpfe 
der  rechten  Kör  per  hälfte  kamen  auf  Rechnung  einer 
frischen,  mandelgrossen  Blutung  im  linken 
Centrum  semiovale,  die  bis  dicht  unter  die 
Hirnrinde  reichte. 

Herr  P  ä  s  s  1  e  r  spricht  über :  Einig-e  seltÄne  Fälle  von 

Migräne.  (Der  Vortrag  ist  in  No.  26  dieser  Wochen scln-i ft  ab¬ 
gedruckt.) 

(Schluss  folgt.) 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  Mai  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Unverricht. 

Herr  Reichard  stellt  einen  20 jährigen  Mann  vor  mit 
einem  Kiemengangshautauswuchs.  Hauttumor  mit  Knorpelkern 
von  der  Grösse  eines  kleinen  Fingergliedes  auf  der  linken  Hals¬ 
seite  am  vorderen  Rand  des  Kopfnickers  aufsitzend,  steif  heraus¬ 
ragend.  Der  Knorpelstrang  geht  ziemlich  weit  in  die  Tiefe  hinein. 
Diese  Tumoren  sind  entwicklungsgeschichtlich  nahe  verwandt  mit 
der  seitlichen  angeborenen  Halsfistel,  entstammen  wohl  verspreng¬ 
ten  Resten  des  zweiten  Kiemenbogens,  wie  die  Fistula  colli  dem 
mangelnden  Verschluss  der  zweiten  Kiemenspalte.  Dafür  spricht 
ihr  gemeinsamer  Sitz  und  der  Befund  des  Knorpels  als  Netz¬ 
knorpel.  Exstirpation  des  Tumors  angezeigt  wegen  der  durch  die 
Steifheit  hervorgerufenen  Unbequemlichkeiten  und  wegen  der  Ge¬ 
fahr  maligner  Entartung.  Während  die  Operation  der  Fistula  colli 
congenita  technisch  sehr  schwierig  ist,  besonders  wenn  ein  Re¬ 
zidiv  sicher  verhindert  werden  soll,  pflegen  diese  Tumoren  meist 
nicht  in  der  Tiefe  im  Zusammenhang  mit  anderen  Gebilden  zu 
stehen;  hier  lässt  sich  allerdings  die  Wurzel  dieses  „Visceral¬ 
knochens“  etwa  3  cm  weit  hinein  fühlen.  Derselbe  Mann  hat  auch 
eine  Entwicklungshemmung  im  Bereiche  des  1.  Kiemenbogens, 
nämlich  eine  leichte  Hasenscharte. 

Herr  Krug:  Bruch  der  Patella. 

82  jähriger  alter  Herr  rutschte  in  seiner  Wohnung  aus  und  zog 
sicli  einen  Querbruch  der  linken  Patella  mit  Zerreissung  der  apo- 
neuritischen  Bänder  beiderseits  zu,  so  dass  die  beiden  Patellar- 
fragmente  ca.  9  cm  klafften. 


1244 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  29. 


Fixiert  am  28.1.02.  Knie  gestreckt,  Verband  in  Volk- 
m  a  n  n  scher  Schiene  mit  Hochlagerung  (Entspannung  des  Quadi'i 
zeps). 

Am  30.  I.  02  durch  Punktion  des  Kniegelenks  ca.  30  cm  dickes 
Blut  entleert. 

Quadrizeps  von  Anfang  au  mit  leichter  Massage  behandelt. 

Am  22.  II.  02.  Bein  in  Gipskniekappe  gebracht,  die  aber  nach 
14  Tagen  Dekubitus  verursachte  und  wieder  abgenommen  werden 
musste. 

Auf  weitere  14  Tage  wieder  Volk  m  a  n  n  sehe  Schiene. 

Die  beiden  Bruchenden  waren  knorpelig  vereinigt,  so  dass  vor¬ 
läufig  eine  Kniekappe  aus  Zink-Leimverband  genügte. 

Seit  1.  April  geht  Patient  wieder.  Die  Bruchenden  sind  jetzt 
verknöchert  und  die  Patella  ist  in  ihrer  Gebrauchsfähigkeit  nicht 
im  geringsten  gehindert. 

1*H  skussion:  Herr  lt  e  i  c  h  a  r  d:  Der  schöne  funktionelle 
Erfolg  in  dem  vorgestellten  Falle  beweist  wieder,  dass  man  die 
frischen  Patellarfrakturen  durchaus  nicht  zu  nähen  braucht.  Punk¬ 
tion  des  Gelenkergusses,  Heftpflasterfixierung  der  Fragmente  mit 
Gipsverband  auf  etwa  3  Wochen,  dann  Massage  und  Uebuugeii, 
damit  haben  wir  während  meiner  Assistententätigkeit  in  Berlin 
stets  tadellose  funktionelle  Erfolge  erreicht. 

Herr  Pur  r  ucker  widerspricht  der  Annahme  einer 
knöchernen  Heilung  der  Patella,  da  sich  die  beiden  Fragmente 
deutlich  gegeneinander  verschieben  lassen;  es  ist  also  nur  eine 
fibröse  Verbindung  zustande  gekommen.  Bei  dem  Alter  des  Ver¬ 
letzten  sei  das  erreichte  Resultat  ein  gutes  zu  nennen. 

Herr  Unver  rieht  zeigt  das  Rückenmark  des  Kranken 
vor,  welchen  er  in  einer  der  früheren  Sitzungen  als  einen  Fall  von 
Syringomyelie  vorgestellt  hat.  Der  Patient  ist  inzwischen  an 
einer  schnell  fortschreitenden  Lungentuberkulose  gestorben.  Die 
Sektion  bestätigte  die  Diagnose  und  ergab  das  Bestehen  einer  un¬ 
regelmässigen  Höhlenbildung,  welche  fast  das  ganze  Rückenmark 
durchzog.  Der  4.  Ventrikel  war  stark  erweitert.  Daneben  be¬ 
standen  die  charakteristischen  Wucherungen  der  Glia. 

U.  geht  noch  einmal  ausführlich  auf  die  charakteristischen 
Züge  der  klinischen  Bilder  ein,  welche  es  ermöglichen,  die  Diagnose 
zu  stellen,  und  bespricht  dann  die  anatomischen  Eigentliümlich- 
keilen  der  eigenartigen  Erkrankung. 

Herr  Siedentopf  demonstriert  einen  am  Ende  der  Gra¬ 
vidität  wegen  Portiokarzinoms  abdominal  exstirpierten  Uterus. 
Die  35  jährige  Fatientin  hatte  während  der  ganzen  Schwanger¬ 
schaft  Blutungen  und  Schmerzen  gehabt,  wandte  sich  aber  trotz¬ 
dem  erst  nach  Eintritt  der  Wehentätigkeit  auf  Rat  der  Hebamme 
an  einen  Arzt,  der  ein  ausgedehntes  Portiokarzinom  feststellte 
und  die  Kreissende  in  S.’s  Klinik  schickte. 

Die  Untersuchung  ergab  eine  Gravidität  im  letzten  Monat, 
kräftige  Wehentätigkeit,  vorgeschrittene  Dehnung  des  unteren 
Uterinsegments,  einen  für  2  Finger  durchgängigen  Muttermund 
und  eine  ringförmige  karzinomatöse  Erkrankung  der  Portio,  die 
sich  hinten  auf  die  Scheidenwand  fortsetzte.  Die  Parametrien 
waren  frei,  das  Rektum  dagegen  am  Tumor  nicht  frei  verschieblich. 
Da  eine  genügende  Dehnung  der  Weichteile  zur  Entbindung  per 
vias  naturales  ausgeschlossen  war,  so  machte  S.  die  Laparotomie, 
eröffnete  den  Uterus  mittels  queren  Fundalschnitts  und  entwickelte 
leicht  einen  kräftigen,  lebenden  Knaben.  Die  Blutung  aus  der 
Kaiserschnittwunde  war  gering,  der  Uterus  kontrahierte  sich  gut. 
Nach  Entfernung  der  Plazenta  und  Eiliiiute  wurde  die  Wunde 
zwecks  völliger  Blutstillung  mit  einigen  durchgreifenden  Nähten 
geschlossen  und  dann  die  abdominale  Exstirpation  des  Uterus  aus¬ 
geführt.  S.  verfuhr  hierbei  in  Anlehnung  an  die  W  e  r  t  h  e  i  ru¬ 
sche  Methode  so,  dass  er  nach  Spaltung  der  Ligamenta  lata  die 
Blase  mit  den  Ureteren  nach  vorn  ziehen  liess,  sodann  die  Liga¬ 
menta  und  ihre  Basis  möglichst  weit  nach  aussen  bis  zum  zweiten 
Scheidendrittel  unterband,  die  Scheide  unterhalb  des  Karzinoms 
mit  2  Klammern  verschloss  und  darunter  durchtrennte.  Die  Liga¬ 
turen  wurden  kurz  abgeschnitten  und  die  Scheidenwände  mit  eini¬ 
gen  Nähten  aneinander  gelegt.  Die  Ablösung  des  mit  der  hinteren 
Uteruswand  verklebten  Rektums  gelang  leicht,  die  besonders  hier 
befindlichen  zahlreichen  infiltrierten  Drüsen  wurden  soweit  mög¬ 
lich  entfernt.  Der  Verlauf  war  für  Mutter  und  Kind  gut. 

Herr  Böhnke:  Ueber  neuere  Gesichtspunkte  in  der 
Nierendiagnostik. 

Nach  einigen  einleitenden  Worten  über  die  Bedeutung  des 
Ausdruckes  „Niereninsuffizienz“  gellt  Vortragender  auf  die  Er¬ 
kennung  derselben  mittels  der  Bestimmung  des  Gefrierpunktes 
von  Ilam  und  Blut  näher  ein. .  Die  Ausführung  dieser  Methode, 
die  zuerst  von  A.  v.  Koran  yi  -  Ofen-Pest  in  die  Praxis  ein¬ 
geführt  ist,  geschieht  am  zweckmässigsten  mittels  des  Beck- 
m  a  n  n  sehen  Gefrierapparates,  dessen  Thermometer  mit  einem 
fixierten  Nullpunkt  versehen  ist.  Der  Gefrierpunkt  des  mensch¬ 
lichen  Blutes  stellt  nach  Koranyi  u.  a.  unter  physiologischen 
Bedingungen  eine  konstante  Grösse  dar,  nämlich  —  0,56 0  C., 
d.  h.  eine  Erniedrigung  des  Gefrierpunkts  von  0,56  0  unter  dem 
des  destillierten  Wassers,  wobei  Schwankungen  von  —  0,55  0  bis 
—  0,57  0  noch  als  normal  zu  betrachten  sind.  Eine  Zunahme 


der  Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes  (cf)  auf  — 0,58°  und 
—  0,60 "  und  darüber  zeigt  an,  dass  eine  Niereninsuffizienz  vor¬ 
handen  ist. 

Die  normale  Gefrierpunktserniedrigung  des  Harns  (J) 
schwankt  zwischen  1,3  0  und  2,3  ü  C.  nach  K  o  r  a  n  y  i,  zwischen 
0,9  0  und  2,7 0  nach  Linde  m  a  n  n.  Gefrierpunktserniedri¬ 
gungen,  die  kleiner  sind  als  0,9 "  C.,  deuten  auf  eine  Erkrankung 
der  Nieren  hin. 

Bei  der  Bestimmung  von  j  ist  nur  frischer  Harn  zu  ge¬ 
brauchen;  die  Menge  des  Eiweisses  spielt  dabei  keine  Rolle. 

Bei  jeder  Blutuntersuchung  braucht  man  etwa  15 — 20  ccm 
Blut;  es  ist  dabei  nach  vielen  Untersuchungen  als  erwiesen  zu 
betrachten,  dass  Gesamtblut  und  Serum  den  gleichen  osmotischen 
Druck,  d.  h.  denselben  Gefrierpunktswert  haben. 

Da  der  Kohlensäuregehalt  den  Gefrierpunkt  <f  meist  um 
0,02 — 0,03  herabsetzt  (Koranyi,  K  o  v  ä  c  s),  ist  vor  jeder 
Bestimmung  von  d  festzustellen,  inwieweit  sich  der  Gefrierpunkt 
des  Blutes  durch  Sauerstoffeinwirkung  —  also  eventuell  durch 
Schütteln  mit  Luft  —  beeinflussen  lässt.  Eine  Zunahme  von  <f, 
welche  der  Sauerstoffbehandlung  nicht  weicht,  bedeutet  eine 
Niereninsuffizienz.  Ferner  erfordert  die  Diät  der  Kranken  bei 
jeder  Untersuchung  eine  Berücksichtigung.  Ausserdem  kann 
eine  Niereninsuffizienz  vorgetäuscht  werden  durch  gleichzeitig 
bestehende  Anämien  und  Kachexien,  ferner  bei  grossen  Tumoren 
in  der  Bauchhöhle,  bei  einseitigem  Nierenschmerz  und  sehr 
grosser  einseitiger  Nierengeschwulst. 

Beim  Unterleibstyphus  ist  entgegengesetzt  den  Ausfüh¬ 
rungen  W  aldvogels  d  normal  (Koranyi,  R  u  m  p  e  lj, 
ebenso  //  beim  Diabetes  mellitus;  bei  Diabetes  insipidus  ist  der 
Gefrierpunkt  des  Harns  und  Blutes  abnorm  gering  (M.  Se¬ 
nator).  Bei  inkompensierten  Herzfehlern  ist  d  abnorm  gross. 

Die  Gefrierpunktserniedrigung  des  Harns  lässt  nach 
Lindemann  parenchymatöse  und  interstitielle  Nephritis 
durch  die  Höhe  der  Gefrierpunktserniedrigung  von  einander 
unterscheiden,  nach  K  ö  vesi  und  Roth-Schu  l.z  durch  die 
verschied  eine  Veränderlichkeit  derselben  bei  der  Wasserzufuhr. 
K  o  r  a  n  y  i  selbst  ist  der  Ansicht,  dass  die  Gefrierpunktsemie- 
dri'^ng  des  Harns  bei  den  verschiedensten  Nephritiden  abnorm 
gering  ist  und  dass  sich  diese  Verringerung  nach  der  Schwere 
des  Falles  richtet,  dass  sich  aber  keine  charakteristischen  Ver¬ 
schiedenheiten  zwischen  den  anatomisch  und  klinisch  unter¬ 
scheidbaren  Formen  der  Nephritiden  durch  die  Gefrierpunkts¬ 
bestimmung  ausfindig  machen  lassen.  Bei  der  Urämie  ist  die 
Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes  meist,  aber  nicht  in  der 
Regel  erhöht.  Die  Untersuchungen  des  Vortragenden  haben 
diese  Anschauungen  bestätigt.  Vortragender  geht  dann  noch 
auf  die  Untersuchung  des  Urins  jeder  einzelnen  Niere  vermittels 
des  Ureterenkatheterismus  ein  und  hebt  als  besonders  geeignete 
Methode  zur  Feststellung  der  Funktionsfähigkeit  jeder  einzelnen 
Niere  die  von  Casper  und  Richter  erprobte  Phloridzin¬ 
methode  hervor.  Die  erkrankten  Nieren  ergaben  nach  subkutaner 
Injektion  von  0,005  Phloridzin  je  nach  dem  vorgeschrittenen 
Stadium  eine  wesentlich  geringere  oder  gar  keine  Zuckeraus¬ 
scheidung.  Diese  Methode  im  Verein  mit  der  Gefrierpunkts¬ 
bestimmung  des  Harns  und  Blutes  ist  geeignet,  ein  klares  Bild 
von  der  Arbeitsleistung  jeder  Niere  zu  verschaffen. 

Diskussion:  Herr  U  n  v  erricht  bespricht  im  Anschluss 
an  den  Vortrag  des  Herrn  Böhnke  die  Bestrebungen,  über  die 
funktionellen  Leistungen  der  Nieren  Aufschluss  zu  bekommen,  wo 
Albuminurie  oder  andere  Zeichen  einer  gröberen  anatomischen  Ver¬ 
änderung  vermisst  werden.  Hierher  gehören  die  Ausscheidungs¬ 
verhältnisse  gewisser  im  Urin  leicht  nachweisbarer  Stoffe,  wie  .Tod¬ 
kalium,  Anilinfarbstoffe  etc.  die  Glykosurie  nach  Phloridzin  und 
die  von  dem  Vortragenden  des  Näheren  erörterten  Veränderungen 
des  Gefrierpunktes  von  Blut  und  Urin. 

U.  selbst  hat  sich  seit  seiner  Dorpater  Zeit  lebhaft  an  der¬ 
artigen  Versuchen  beteiligt,  exaktere  Ergebnisse  sind  aber  wohl 
nur  mit  den  Gefrierpunktsbestimmungen  zu  erreichen,  welche  uns 
den  Zutritt  zu  einem  noch  unübersehbaren  Gebiete  klinischer  Er¬ 
kenntnis  eröffnen.  ^ 

Wenn  auch  die  Verhältnisse  hier  zunächst  noch  kompliziert 
und  nicht  immer  leicht  zu  übersehen  sind,  so  liegen  doch  jetzt  be¬ 
reits  eine  Reihe  von  Mitteilungen  vor,  welche  beweisen,  von  wel¬ 
cher  einschneidenden  Bedeutung  die  Gefrierpunktsbestimmung 
für  das  ärztliche  Handeln,  insbesondere  für  die  Vornahme  wich¬ 
tiger  Operationen  sein  kann. 


22.  Juli  1902. 


MHENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHEIET. 


1245 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  de  Chirurgie. 

Sitzung  vom  7.  M  a  i  1902. 

Indikationen  der  verschiedenen  Arten  von  Anästhesie. 

(Hi  a  put  hält  die  lokale  Anästhesie  mit  Kokain  oder  Clilor- 
ätliyl  für  indiziert  bei:  kleineren  Operationen,  bei  Kranken, 
welche  grosse  Furcht  vor  der  allgemeinen  Anästhesie  haben,  bei 
Diabetikern,  ferner  bei  oberflächlichen  Laparotomien  und  Hernien; 
sie  ist  kontraindiziert  bei  Kindern,  bei  sehr  aufgeregten  Leuten 
und  bei  irgendwie  komplizierten  Laparotomien. 

Die  Rhacliikokainisation  ist  die  Anästhesie  der  Wahl  bei  Ope¬ 
rationen  an  den  Unterextremitäten,  am  Anus,  Itektuin,  am  Uro¬ 
genitalapparat;  sie  kann  bei  oberflächlichen  Laparotomien  und  bei 
Hernien  angewandt  werden  und  ist  indiziert  für  die  Operationen 
am  Thorax  und  schwierige  Laparotomien,  wenn  die  allgemeine 
Anästhesie  gefährlich  scheint. 

Die  letztere  ist  immer  anzuwenden  bei  Kindern,  aufgeregten 
1  .enteil  und  für  komplizierte  Operationen,  sie  ist  kontraindiziert 
bei  furchtsamen  Patienten  und  bei  schlechtem  Allgemeinbefinden. 

Societe  medicale  des  hopitaux. 

Sitzung  vom  30.  Mai  und  6.  Juni  1902. 

Zur  Behandlung  der  Chorea. 

C  o  m  b  y  behandelt  die  Chorea  durch  absolute  Bettruhe 
fwährend  14  Tage),  Milchdiät  und  feuchte  Wicklungen,  welche 
jeden  Morgen  % — 1  Stunde  lang  den  kleinen  Patienten  appliziert 
werden.  In  mittelschweren  und  schweren  Fällen  gibt  er  noch 
Antipyrin  (0,5  pro  Tag  und  Lebensjahr)  und  Arsenik,  Anfangs  in 
starken,  aber  sehr  verdünnten  Dosen.  C.  hält  Arsenik  für  erfolg¬ 
bringender  wie  Antipyrin,  bedient  sich  der  B  o  u  d  i  n’schen  Lösung 
(1:1000)  und  gibt  10  g  dieser  Lösung  in  irgend  einem  wohl¬ 
schmeckenden  Getränke  einem  Kinde  von  8  Jahren,  2  stündlich 
1  Esslöffel,  etwas  Milch  nachzutrinken.  Alle  Tage  wird  die  Menge 
dieser  Lösung  um  5  g  bis  auf  30  g  vermehrt  und  dann  allmählich 
wieder  heruntergegangen.  Bei  schweren  Fällen  von  Chorea  ist 
ausserdem  relative  Isolierung  der  Kranken,  kein  gemeinsames 
Spiel,  keine  geistige  Arbeit,  also  ebenso  geistige  wie  körperliche 
Ruhe  geboten. 

Mery  hat  mit  Na  cacodyl.  keinen  Erfolg,  aber  sehr  gute  Re¬ 
sultate  mit  Tartar,  stib.  gehabt  (0,4 — 0,6  pro  die  in  schweren 
Fällen),  von  diesen  berichtet  auch  Tr iboulet,  dessen  Vater  mit 
erschreckend  hohen  Dosen  Weinsteins  ausserordentliche  Erfolge 
bei  Chorea  gehabt  habe. 

Moizard  wendet  nur  mehr  den  Arsenik  an,  und  zwar  in 
vorsichtig  steigenden  Dosen  und  in  Verbindung  mit  Bettruhe. 

Sevestre  konstatiert  im  Gegensatz  zu  M  o  i  z  a  r  d  die 
günstigen  Erfolge  mit  Antipyrin  (in  stets  steigender  Dosis), 
Na  cacodyl.  und  mit  Arrhenal  bei  der  Behandlung  der  Chorea, 
V  a  r  i  o  t  bestätigt  die  günstige  Wirkung  des  Arrhenals,  welches 
darin  das  Na  cacodyl.  noch  übertreffe. 


XIV.  internationaler  medizinischer  Kongress 

z  u  M  a  d  r  i  d  v  o  m  23. — 30.  A  p  r  i  1  1903. 

(Vorläufiges  Progra  m  m.) 

Vorsitzender  des  Deutschen  Komitees:  Professor  Rudolf  Virchow, 
Schriftführer:  Professor  C.  Posner  in  Berlin. 

Angemeldete  Referate  und  Vorträge. 

I.  Anatomie.  Referate:  1.  Welches  ist  die  beste  Methode 

der  didaktischen  Darstellung  des  Nervensystems?  Ref.  *)  — 
2.  Positiver  Wert  anatomischer  Messungen  für  die  ethnische  Be¬ 
stimmung  der  Individuen.  lief.  Sergi-Rom,  Live-  ßom, 
M  a  n  o  u  vrier  -  Paris.  —  3.  Struktur  der  Nervenzelle.  Ref. 

G  o  1  g  i  -  Tavia,  Fusari  -  Turin,  Holmgren  -  Stockholm.  — - 
4.  Ursprung  der  Fibroblasten  in  normalen  und  pathologischen  ver¬ 
bindenden  Neuformationen.  Ref.  *).  Vorträge:  Waldeyer- 
Berlin:  Die  Struktur  des  Sperma. 

II.  Physiologie,  biologische  Physik  und  Che¬ 
mie.  Referate:  1.  Physiologische  Wirkung  des  Saccharins.  Ist 
dasselbe  aus  Nahrungsmitteln  und  Getränken  zu  entfernen  und 
lediglich  als  therapeutisches  Mittel  anzuwenden?'  Ref.  Puerta 
y  R  o  d  e  n  a  s.  —  2.  Einfluss  der  Drüsengifte  auf  die  Muskel¬ 
kontraktion.  lief.  Zuniga,  Christiani  -  Genf.  —  3.  Bio¬ 
chemische  Studie  über  organometalloide  und  metallische  Ver¬ 
bindungen.  Ref.  M  u  r  u  a  y  Vale  r  d  i.  —  4.  Experimentelle 
pankreatisehe  Glykosurie.  Ref.  Diaz  del  Villar,  Alber¬ 
to  u  i  -  Bologna,  Bott  a  z  z  i  -  Florenz. 

III.  Allgemeine  Pathologie,  pathologische 
Anatomie  und  Bakteriologie.  Referate:  1.  Parasitis¬ 
mus  in  den  Neubildungen.  lief.  Marchiaf ava-Rom.  —  2.  Genesis 
des  Sarkoms.  Ref.  *).  —  Blastomycetisclie  Läsionen,  lief.  *).  — 
4.  Uebereinkunft  über  eine  Revision  der  Klassifikation  und  Be¬ 
schreibung  der  bekannten  Bakterien.  Ref.  Mendoz  a,  G  o  s  i  o  - 
Rom.  —  5.  Impfungen  mit  kulturellen  und  chemischen  Flüssig¬ 
keiten.  Ref.  Lustig-  Florenz. 


*)  Referent  noch  nicht  bestimmt. 


IV.  Therapeut  ik  und  Pharmazie,  a)  Thera¬ 
peut  i  k.  Referate:  1.  Beziehungen  zwischen  der  chemischen  Zu¬ 
sammensetzung  und  der  physiologischen  Wirkung  der  Arzneimittel. 
Ref.  Noguer  a,  Brunto-n  -  London  ,  Cervello  -  Palermo, 

B  a  r  d  e  t  und  R  obin  -  Paris.  —  2.  Gefahren  und  Erfordernisse 
der  sogen,  intensiven  Behandlung  der  chronischen  Krankheiten, 
spez.  der  Tuberkulose.  Ref.  E  s  p  i  n  a  y  Cap  o,  Hayem  -  Paris. 

—  3.  Nutzen  und  Gefahren  der  Kokainisirung  des  Rückenmarks 
in  der  Medizin  und  Chirurgie.  Ref.  Ti  y  Suner  - Barcelona, 

T  u  f  f  i  e  r  -  Paris,  Postempski  -  Rom.  —  4.  Mechanismus  der 
physiologischen  und  therapeutischen  Wirkung  der  llypnotika  und 
Narkotika.  Ref.  Peset  y  C  e  r  v  e  r  a  -  Valencia,  Chirone- 

Neapel. _ -  5.  Die  endoveuöse  Therapie.  Referent  Rossoni  -Rom, 

R  u  m  m  o  -  Palermo.  —  G.  Die  Therapie  des  Tetanus.  Methode  von 
B  accell  i.  Ref.  Z  e  r  i  -  Itom.  —  7.  Die  Therapie  der  Maul-  und 
Klauenseuche,  Methode  von  Baccelli.  Ref.  Loriga-Rom. 

_ Mitteilung:  P  e  g  u  r  i  e  r  -  Nizza :  Die  klinischen  Formen  der 

Lungentuberkulose  und  ihre  therapeutischen  Indikationen. 

b)  M  edizl-nische  II  y  drol  o  g  i  e.  1.  Physikalisch-che¬ 
mische  Studie  über  die  neuen  gasförmigen  Elemente  Argon  und 
Helium  in  den  Mineralwässern.  Ref.  Llo-rd  y  Oamboa, 
p  o  s  k  i  n  -  Spa,  D  u  r  a  n  d  -  F  ardel  -  Paris,  Vinaj-  Turin.  — 

2.  Die  Syphilis  und  ihre  baineotherapeutische  Behandlung.  Ref. 

T  a  boa'd  a.  Soffiantini  -  Acquarossa,  Keller-  Rheinf  olden. 

_ 3.  Die  Tuberkulose  und  ihre  baineotherapeutische  Behandlung. 

Ref.  Lacort,  Cazanz  -  Eaux-Bonnes.  —  Vortrag:  Qualitative 
und  quantitative  Bestimmung  des  Fluor  in"  den  Mineralwässern. 

o)  p  h  a  r  m  a  z  i  e.  Referate:  1.  Therapeutische  Bewertung 
der  antitoxischen  Sera.  Ref.  de  Castro  y  rase  nah  - 
2.  Wichtigkeit  und  Uebcrlegenlieit  des  Kolloidzustandes  des  Stoffes 
bei  der  Präparation  und  der  pharmakologischen  Wirkung  der 
Arzneimittel.  Ref.  Capdepon.  —  3.  Die  subkutanen  Injektio¬ 
nen.  ihre  pharmazeutische  Bezeichnung  und  Uebereinkunft  über 
die  Redaktion  einer  einheitlichen  Pharmakopoe  dieser  Präparate. 
Ref.  A 1  c  o  b  i  1 1  a,  Buf  alini-  Florenz.  —  4.  Notwendigkeit  und 
Nutzen  der  Arzneimittel  von  bestimmter  therapeutischer  Kraft; 
Annahme  eines  allgemeinen  Verfahrens  ihrer  Gewinnung,  Pai- 

stellung  und  Würdigung.  Ref.  U  de. 

V.  Interne  Pathologie.  Referate:  1.  Zerebrales,  kar¬ 
diales  und  renales  üebergewicht  der  Infektionen.  Ref.  Castel- 
1  o  i  —  °  Aetiologie  und  Prophylaxe  des  Sumpffiebers.  Ref. 
Barrero,  C  e  1 1  r- Rom,  As  coli -Rom.  —  3.  Pathogenese  der 
Herzarrhythmie.  Ref.  Espinay  C  a  p  o,  Castellino  -  Neapel. 
—  4  Anwendung  der  neuen  Forschungen  über  die  physikalischen 
und  chemischen  Eigenschaften  des  Blutserums  auf  die  medizinische 
Klinik  Ref.  L  u  ca.  t  e  1 1  o  -  Padua.  --  5.  Aetiologie  und  Therapie 
der  Pellagra.  Ref.  Devoto- Pavia.  —  6.  Die  Diät  beim  Typhus. 
Ref.  Queirnlo  -  Florenz.  —  Mitteilungen:  Hassan  M  ah  m  u  d 
Pasch a -  Kairo:  Zitronensaft  bei  Angina.  -  Ballota  Taylor- 
Santander:  Pathogenese  und  Nosographie  der  Tuberkulose. 

VI  Nerven-  und  Geisteskrankheiten,  krimi¬ 
nelle  Anthropologie.  Referate:  1 .  Toxische  und  infektiöse 
Geistesstörungen.  Ref.  Galiana.  -  2.  Psychische  Aetiologie 
und  Therapeutik.  Ref.  II  erre  r  o.  —  3.  Zentrum  der  Projektion 
und  Assoziation  im  Gehirn  nach  den  Bestimmungen  der  gegen¬ 
wärtigen  pathologischen  Anatomie.  Ref.  B  i  a  n  c  h  i  -Neapel.  — 
4.  Klinische  Studie  über  Agnoscie  und  Msymbolie.  Ref  Si  marro 

v  Lacabra  _  5  Abgrenzung  der  pathologischen  Natur  des  \  ei 

brechens.  Ref.  S  a  1  i  1 1  a  s,  M  o  r  s  e  1 1  i  -  Genua.  -  6.  Ueber  das 
Eingreifen  der  Psychiatrie  in  der  verbesserten  Behandlung  du 
Verbrecher.  Ref.  Martinez,  L  o  m  broso- Turin.  — 
teilung:  Skaiski- Vouvant:  Wirkung  des  tierischen  Elektromag- 

ne  lsnuis.  pädiatrie.  Referate:  1.  Therapeutischer  Wert  der 

Scrumbeliandlung  der  Diphtherie.  Ref.  Llorente  j  Males, 
C  o  m  b  v  -  Paris,  Cervesato  -  Bologna,  Concetti  -  Rom. 

2.  Behandlung  des  Klumpfusses.  Ref.  Angel,  Broca-Ians, 
Lorenz -Wien,  G  li  i  1 1  i  n  i  -  Bologna.  —  3.  Behandlung  der  Ge- 
lenktuberkulose.  Ref.  Ribera  y  Sans  L  a n  nel°  n: S«  e- 
Paris,  H  o  f  f  a  -  Berlin.  —  4.  Säuglmgsernahrung.  Ref.  Cala 
traveno,  Rousseau -  Saint  -  P  h  i  1  i  p  p  e  -  Bordeaux,  G  u  - 

a  i  t  a  -  Mailand.  _  ,  . .  .  .  .  „  t»., 

VITI.  Dermatologie  und  Sy.philijtra.ph  .  v„ 
ferate-  1  Der  Tripper  vom  sozial-medizinischen  Standpunkt  liei. 
Men  d  o  z  a  F  in  g  e  r  -  Wien.  Bertarelli- Mailand,  H  - 
f  e  t  a  -  Oienmi,  M  i  1.  c  1  li  -  Parma.  -  2  Parasyphmtisehe  Krank- 
beiten.  Retrospektive  Diagnostik  der  Syphilis.  Ri  •  1  ' 

D  ucrev-  Fisa.  —  3.  Behandlung  des  1  ruritus.  Ref.  A  z  u  a 
4  Die  Purpura.  Ref.  A  z  ü  a.  —  Mitteilungen:  R  a  v  o  g  - 
Cincinnati:  Die  histopathologischen  Veränderungen  dei  Blut-  und 
Lvmphgefässe  bei  der  Syphilis.  —  Alpni  AI,..  .  '  « 

Iv'iltnis  der  Rassen  zur  Syphilis,  b)  Studien  zur  tropische  > 
diilis.’  _  B  a  r  1 1,  e  1  e  m  y  -  Paris:  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit 
intrafasziären  Injektionen  unlöslicher  Quecksillierprapaiate. 

IX.  A'l  1  g  e  m  e  i  n  e  C  h  i  r  u  r  g  i  e.  a)  C  li  i  r  u  r  g  i  e  u  n  d 
c  h  i  rVr  tische  O  p  e  r  atione  n.  Referate:  1.  Postoperativer 
Tod  lief  II  i  b  e  r  a,  G  iord  a  n  o  -  Venedig,  Biondi  -  Siena. 
-  2.  Indikationen  des  chirurgischen  Eingreifens  i,el  ,^3“  C  Sc¬ 
heiten.  Ref.  Cardenal- Barcelona  No  v  a  1  a  -  Genua 
.,  herelli  -  Parma,  II  a  r  t  m  a  n  n  -  Paris.  —  _  M  itteilungen . 
gpre  a  f  i  c  o- Almeria:  Chirurgische  Anästhesie  mittels  der  Racln- 


1246 


MUENCIIENER  MEDICIN1SCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


kokainisation.  —  H  a  r  v  e  y  lt  e  e  d  -  Rock  Springs:  Eine  neue 
wirksame  Methode  der  Fixation  der  Niere. 

1»)  1,  r  o  1  o  g  i  e.  Referate:  1.  Dauerresultate  der  chirurgischen 
Behandlung  maligner  Nierentumoren.  Ref.  M  o  1 1  ä  -  Valencia, 
A  z  c  a  r  r  e  t  a  -  Barcelona,  Pousson  -  Bordeaux,  Mariani- 
Genua.  —  2.  A  ergleichende  Beurteilung  der  gegenwärtig  verfüg¬ 
baren  Mittel  zur  Funkt ionspriifung  der  Niere.  Ref.  Bravo, 
R  e  g  i  d  o  r,  A  1  b  a  r  r  a  n  -  Paris,  M  y  a  -  Florenz,  Casper  und 
Richter-  Berlin.  —  Mitteilung:  Har  v  e  y  R  e  e  d:  Einpflanzung 
des  Dieters  in  das  Rektum. 

X.  O  p  li  t  li  a  1  m  o  1  o  g  i  e.  Referate:  1.  Chirurgische  Be¬ 
handlung  der  Erkrankungen  der  Tliränenwege.  Ref.  Castre- 
s  a  n  a  y  G  o  i  e  o  e  c  h  e  a,  R  e  y  m  o  n  d  -  Turin,  T  a  rtuf  eri- 
Bologna,  L  aperso  n  n  e  und  R  o  e  h  o  n  -  D  u  v  i  g  n  a  u  d  -  Paris. 

-  2.  Notwendigkeit  der  Yergleiehheitliehung  der  optometrisclien 
Masstiibe.  Ref.  Cuevag  y  P  u  1  i  d  o,  L  a  n  d  o  1 1  -  Paris.  _ 

Neuritis  optica  im  Verlaufe  akuter  Krankheiten.  Ref.  Sanz  y 
B  1  a  n  c  o,  V  i  n  e  e  n  t  i  -  Neapel.  A  n  t  o  n  e  1 1  i  -  Paris.  —  4.  For¬ 
schungen  über  die  Wirkungen  von  Arzneimitteln  auf  die  rupille, 
die  Akkommodation  und  die  intraokuläre  Spannung.  Ref.  Alär- 
q  u  e  z  R  o  d  r  i  g  u  -e  z. 

XI.  O  t  o  -  R  li  i  n  o  -  L  a  r  y  n  g  o  1  o  g  i  e.  a)  O  t  o  1  o  g  i  e.  Re¬ 
ferate:  1.  Ursachen  der  Taubstummheit.  Ref.  Y  e  r  d  6  s  -  Barce¬ 
lona,  Cast  o  x  -  Paris,  Schmiegelow  -  Kopenhagen.  —  2.  Ana¬ 
tomische  und  klinische  Studie  über  das  Cholesteatom.  Ref.  Bara¬ 
jas,  S  c  h  w  a  r  t  z  e  -  Halle,  C  o  z  z  o  1  i  n  o  -  Neapel.  —  3.  Nach¬ 
behandlung  chirurgischer  Eingriffe  am  Ohr.  Ref.  Bot  ey- Bar¬ 
celona,  L  e  r  m  oyez  -  Paris,  v.  Stein-  Moskau. 

b)  Rhino-Laryngologi  e.  1.  Ist  die  chirurgische  Be¬ 
handlung  des  Kehlkopfkrebses  jeder  Art  und  in  allen  seinen 
Phasen  oder  Perioden  vom  sozial-medizinischen  Standpunkt  aus 
angezeigt.'1  Ref.  Sota  y  L  a  s  t  r  a  -  Sevilla.  —  2.  Würdigung  der 
lokalen  Behandlungsmethoden  der  Larynxtuberkulose.  Ref.  C  a  - 
s  a  d  e  s  u  s  -  Barcelona,  K  r  a  use  -  Berlin,  G  razzi  -  Florenz, 
M  a  s  i  n  i  -  Genua.  —  3.  Ist  die  atrophische  Rhinitis  immer  auto- 
chthouer  Natur?  Notwendigkeit  genauer  Diagnostik  zur  Bestim¬ 
mung  der  Behandlung.  Ref.  PelÄez  -  Granada,  Moure- 
Rourdeaux,  F  r  e  u  d  e  n  t  h  a  1  -  New-York.  —  Mitteilung:  Her¬ 
rn  o  y  e  z  und  Maliu:  Heissluftbeliandlung  in  der  Rhino-Laryngo- 
logie. 

XII.  Zahnheilkunde  und  Stomatolo  g  i  e.  Referate: 

1.  Behandlung  und  Verschluss  von  Zähnen  mit  kranker  Pulpa. 
Ref.  Ha  r  d  an  -  Chicago,  Losa  d  a.  —  2.  Zahnärztliche  .Mikro¬ 
skopie.  Ref.  W  i  1 1  i  a  m  s  -  London,  C  li  o  q  u  e  t  -  Faris. _ 3.  Buceo- 

faziale  Prothesen.  IUf.  AI  a  r  t  i  u  -  Lyon,  Guerini  -  Neapel, 
D  e  1  a  i  r  -  Paris.  —  4.  Die  zur  Ausübung  der  Zahnheilkunde  nö¬ 
tigen  Kenntnisse  und  der  Unterricht  darin.  Ref.  G  o  d  o  n  -  Paris, 
A  gu  i  1  a  r.  —  5.  Wesen  und  Behandlung  der  alveolaren  Pyorrhoe. 
Ref.  H  o  p  e  w  e  1 1  S  m  i  t  h  -  London,  Younger  -  Chicago,  D  a  - 
m  i  a  n  s -Barcelona.  —  6.  Lokalanästhesie  in  der  Zahnheilkunde. 
Ref.  A  in  o  e  d  o  -  Paris,  G  i  u  r  i  a  -  Genua. 

XIII.  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Referate : 
1.  Indikationen  der  Hysterektomie  bei  akuter  Puerperalinfektion. 
Ref.  C  o  r  t  i  g  u  e  r  a  -  Santander,  I'  i  n  a  r  d  -  Paris.  —  2.  Behand¬ 
lung  der  Placenta  praevia.  Ref.  C  a  n  d  e  1  a  -  Valencia,  Pesta- 
1  o  z  z  a  -  Florenz,  L  e  o  p  o  1  d  -  Dresden.  —  3.  Pathogenese  und 
Behandlung  der  chronischen  zellulären  und  peritonealen  Ent¬ 
zündungen  des  Beckens.  Ref.  G  i  1  -  Malaga,  I)  o  1  e  r  i  s  -  Paris. 
—  4.  Indikationen  und  Resultate  der  Opotherapie  in  der  Gynäko¬ 
logie.  Ref.  J  a  y  1  e  -  Paris.  —  5.  Konservative  Chirurgie  der 
Adnexerkrankungen.  Ref.  F  a  r  g  a  s  -  Barcelona,  T  r  e  u  b- Amster¬ 
dam,  P  a  1  m  e  r  D  u  d  1  e  y  -  New-Ifork,  Mangiagalli  -  Pavia. 

Mitteilung:  Salcedo  y  Gi  liest  al:  Der  künstliche  Abort 
und  die  künstliche  Frühgeburt  in  ihren  Beziehungen  zum  natür¬ 
lichen  Recht,  zur  Theologie,  zur  Medizin  und  zum  Strafrecht. 

XI V.  Militär-  und  F  1  o  1 1  e  n  -  AI  e  d  i  z  i  n  und  -Hy¬ 

giene.  Referate:  1.  Lösung  des  Problems  der  Tuberkulose  im 
Heer.  Ref.  T  r  alle  r.  —  2.  A'orteile  und  Nachteile  der  kom¬ 
primierten  Arzneimittel  in  der  Sanitätsausrüstung  im  Felde.  Ref. 
l'bed  a  y  Cor  r  e  a  1,  AI  a  z  z  o  n  i  -  Rom.  —  3.  Einfluss  des  Sol- 
datenlebens  auf  die  Entwicklung  von  Nervenkrankheiten,  speziell 
von  Psychosen.  Ref.  S  a  1  i  n  a  s.  —  4.  Hygiene  der  Land-  und  See¬ 
truppen  an  der  Westküste  von  Afrika.  Ref.  Fernändez- 
Caro.  —  8.  Prophylaxe  der  venerischen  Krankheiten  in  der 
Armee.  Ref.  A  asque  z,  F  a  vre-  Rom.  —  (!.  Feldlazarette  in  mo¬ 
dernen  Schlachtschiften.  Ref.  R  e  d  ondo,  C  o  1  e  1 1  i  -  Rom.  _ 

Mitteilungen:  de  Larra  y  Cerezo:  Hygienische  Probleme  der 
Ernährung  in  belagerten  Plätzen.  -  T  o  m  ä  s  del  A'alle:  Not¬ 
wendigkeit  militärischer  Sanatorien  in  Spanien. 

NA'.  H  y  g  i  e  n  e,  E  p  i  d  e  m  i  o  1  o  g  i  e  u  n  d  medizinis  c  li  e 
1  e  c  li  n  o  1  o  g  i  e.  Referate:  1.  Notwendigkeit  der  Bestimmung 
des  prophylaktischen  AYertes  der  Desinfektion  und  Kriterien  der 
allgemein  angewendeten  AT  erfahren.  —  2.  Praktische  individuelle 
und  allgemeine  Alittel  zur  Verhinderung  der  Ausbreitung  der  Dys¬ 
enterie.  Ref.  La  rra  y  Cerezo.  3.  Errichtung  von  Gesund¬ 
heitswachen  an  den  Landesgrenzen.  Ref.  A  n  d  r  e  s,  Pagliani- 
Turin.  —  4.  Nützlichkeit  antituberkulöser  Dispensatorien  als  Alittel 
der  A'ermehrung  der  Widerstandsfähigkeit  der  unteren  Klassen. 
Ref.  Per  0,  S  c  1  a  v  o  -  Siena.  —  5.  Die  Hygiene  und  die  Abflüsse. 
Ref.  N  o  v  o,  B  e  n  t  i  v  e  g  n  a  -  Rom. 

X  Al.  Gerichtliche  AI  e  d  i  z  i  n  u  n  d  Toxikologie. 
Referate:  1.  Rechtliche  Bedeutung  von  Wunden  nach  Ursache. 


Lage  und  Charakter.  Ref.  P  e  r  r  a  n  d  o  -  Sassari.  —  2.  Gerichtlich- 
medizinischer  Begriff  der  Deformität.  Ref.  AI  a  e  s  t  r  e.  —  3.  Unter¬ 
scheidungskraft  und  frühzeitige  Kriminalität.  Ref.  Fuentes, 
T  a  m  a  s  s  i  a  -  Padua.  —  L  Fähigkeit  und  A'erautwortlichkeit  der 
Degenerierten.  Ref.  Martinez,  S  e  v  e  r  i  -  Genua.  —  f>.  Ueber 
die  Lokalisation  der  Gifte.  Ref.  Mariseal. 


Deutscher  Medizinalbeamten-Verein 

1.  Hauptversammlung  zu  München,  13.  bis  10.  September  11)02. 

Tagesord  n  ung: 

Sonntag  den  14.  September,  8  Uhr  Abends:  Begriissung  im 
„Bayerischen  Hof“  (mit  Damen). 

Montag  den  15.  September,  9  Uhr  Vormittags:  Erste  Sitzung 
im  Festsaal  des  ..Bayerischen  Hofes“.  1.  Eröffnung  der  Versamm¬ 
lung.  2.  Geschäfts-  und  Kassenbericht.  3.  Beratung  und  Satz¬ 
ungen.  4.  Ueber  die  Notwendigkeit  der  Einwilligung  der  Kranken 
zu  operativen  Eingriffen.  Referent:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr. 
Fritsch  in  Bonn.  5.  Normaler  und  pathologischer  Rausch. 
Referent:  Prof.  Dr.  Cramer,  Direktor  der  Prov. -Irrenanstalt  und 
der  psychiatrischen  Klinik  in  Göttingen.  0.  Ueber  den  jetzigen 
Stand  des  serodiagnostischen  Verfahrens  zur  Unterscheidung  der 
verschiedenen  Arten  von  Blut,  Alilcli  u.  s.  w.  (Mit  Demonstra¬ 
tionen.)  Referent:  Dr.  \A'  o  1  f  f ,  Assistent,  am  hygienischen  Institut 
zu  Hamburg.  —  3l/2  Uhr  Nachmittags:  Festessen  (mit  Damen).  — 
9  Uhr  Abends:  Gesellige  Vereinigung  im  „Löwenbräukeller“  (mit 
Damen). 

Dienstag  den  16.  September.  9  Uhr  Vormittags:  Zweite  Sitzung 
im  Festsaal  des  ..Bayerischen  Hofes“.  1.  Wissenschaftliche  und 
praktische  Hygiene.  Referent:  Prof.  Dr.  Fränkel  in  Halle  a.  S. 

2.  Aorstandswalil.  3.  Die  Beteiligung  der  Aledizinalbeamten  bei 
der  AA'ohnungsbeaufsichtigung.  Referent:  Aled.-Rat  Dr.  Pfann- 
ni  ii  1 1  e  r,  Kreisarzt  in  Offenbach  a.  M.  4.  Einrichtung  einer  Zen- 
tralauskuuftsstelle  über  Kurpfuscher.  (Diskussionsgegenstand.) 
Referent:  Kreisarzt  Dr.  Steinmetz  in  Strassburg  i.  E.  Nach 
Schluss  der  Sitzung:  Mittagessen  nach  freier  Wahl;  hierauf  Be¬ 
sichtigung*).  —  8'/o  Uhr  Abends:  Teilnahme  am  Begriissungsabend 
des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege. 

Zur  Entgegennahme  von  Bestellungen  auf  Wohnungen  hat 
sich  Herr  Laudgerichtsarzt  Dr.  AAr  e  t  z  e  1,  Barerstrass, e  No.  60/1, 
bereit  erklärt.  Etwaige  Wünsche  und  Anmeldungen  sind  recht¬ 
zeitig'  an  dessen  Adresse  zu  richten. 

Indem  der  Unterzeichnete  Vorstand  auf  eine  recht  zahlreiche 
Beteiligung  der  A'ereinsmitglieder,  sowie  auch  derjenigen  Kollegen 
hofft,  die  dem  Verein  bisher  noch  nicht  beigetreten  sind,  bittet  er, 
etwaige  Beitrittserklärungen.  Anmeldungen  zur  Teilnahme  an  der 
Ansammlung  oder  sonstige  Wünsche  demnnäehst  dem  An¬ 
sitzenden  des  Vereins  gefälligst  mitteilen  zu  wollen. 

AI  ü  neben,  den  30.  Juni  1902. 

Der  einstweilige  Vorstand  des  Deutschen  Aledi- 
zinalbea  m  t  e  n  -  \r  ereins: 

Dr.  R  a  p  m  u  n  d,  A'orsitzender.  Reg.-  und  Geh.  Med.-Rat  in 
Alinden  i.  W.  Dr.  E  ngel  b  r  e  c  li  t,  Aled.-Rat.  Mitglied  des  Ober- 
!  sanitätskollegiums  in  Braunschweig.  Dr.  F  linze  r,  Bezirksarzt 
I  in  Plauen  i.  Voigtl.  Prof.  Dr.  Gaffk  y,  Geh.  Aled.-Rat  in  Giessen. 
Dr.  II  ecke  r,  Aled.-Rat,  Kreisarzt  in  AVeissenburg  i.  E.  Dr.  Iv  o  e  s  t- 
1  i  i).  Aled.-Rat,  Stadtdirektionsarzt  in  Stuttgart.  Dr.  K  ii  r  z,  Aled.- 
Rat.  Bezirksarzt  in  Heidelberg.  Dr.  L  e  li  r,  Aled.-Rat  Kreisarzt  in 
Rat,  Bezirksarzt  in  Heidelberg.  Dr.  Lehr,  Aled.-Rat.  Kreisarzt  in 
Rostock.  Dr.  Philipp,  Geh.  Reg.-  und  Ober-AIed.-Rat  in  Gotha. 
Dr.  Richter,  Med.-Rat,  Kreispliysikus  in  Dessau.  Dr.  Sie¬ 
mens,  Geh.  Aled.-Rat,  Alitglied  des  Aledizinalkollegiums  für  die 
Provinz  Pommern  und  Direktor  der  Provinzial-Irrenanstalt  in 
Luuenburg  i.  P.  Prof.  Dr.  Strass  m  a  n  n,  Gerichtsarzt  in  Berlin. 
Dr.  Wahncau,  Physikus  in  Hamburg.  Dr.  AVaibel,  Bezirks¬ 
arzt  in  Kempten  (Bayern). 


Preussischer  Medizinalbeamten-Verein 

XIX.  Hauptversammlung  zu  Cassel  am  12.  September  1902. 

Tagesord  n  u  n  g : 

Donnerstag  den  11.  September,  8.  Uhr  Abends:  Begriissung 
im  „Hotel  Schirmer“  (mit  Damen). 

Freitag  den  12.  September,  9  Uhr  A’ormittags:  Sitzung  im  Fest¬ 
saal  des  „Hotel  Schirmer“.  Eröffnung  der  Versammlung.  1.  Ge¬ 
schäfts-  und  Kassenbericht;  AValil  der  Kassenrevisoren.  2.  Der 
notwendige  Ausbau  der  preussi sehen  Gesundheitsigesetzgebung 
auf  dem  Gebiete  der  Seuchenbekämpfung.  Referent:  Reg.-  und 
Alt  d-Rat  Di.  \A  odtke  in  Köslin.  3.  Die  Tätigkeit  des  Kreisarztes 
aul  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  und  seine  Stellung  zu  den  Schul¬ 
ärzten.  Referent:  Kreisarzt  Dr.  Gleitsmann  in  AViesbaden. 
4.  Ueber  postmortale  A'erdauung.  Referent:  Gerichtsarzt  Dr. 
II  o  1  l  m  a  n  n  in  Elberfeld.  3.  Aorstandswalil;  Bericht  der  Kassen- 
i  t^  iso re u.  Nach  Schluss  der  Sitzung  Besichtigungen  *).  5  Uhr 

Nachmittags:  Festessen  (mit  Damen). 

Am  Sonnabend  den  13  September,  Vormittags  ist  ein  Ausflug 
nach  AA  ilhelmshöhe  (mit  Damen)  in  Aussicht  genommen. 


Das  Nähere  wird  spätestens  am  Sitzungstage  mitgeteilt 
werden.  °  ° 


22.  Juli  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1247 


Verschiedenes. 


Frequenz  der  deutschen  medizinischen  Fakultäten 
Sommer-Semester  1902. ') 


Sommer  1901 

Winter  1901/1902 

Son 

uner  1902 

In¬ 

länder 

Ans-3)  j 
lnmler  | 

Summa 

In-  Ans-3)  | 

1  iinder  liinderi 

Sumuin 

ln-  |  Aus-') 

1  (Inder'  liinder 

Summa 

Berlin3) 

702 

364 

1066 

778 

476 

1234 

632 

3C  6 

1018 

Bonn 

255 

23 

278 

213 

20 

233 

213 

19 

262 

Breslau 

244 

15 

259 

215 

14 

229 

2  9 

P.i 

228 

Erlangen 

125 

119 

244 

126 

124 

250 

116 

124 

240 

Freiburg 

75 

329 

404 

74 

266 

340 

74 

336 

410 

Giessen 

61 

88 

152 

68 

103 

171 

54 

92 

146 

Göttingen 

144 

45 

189 

121 

41 

162 

114 

48 

162 

Greifswald 

208 

30 

236 

192 

24 

216 

216 

2 1 

237 

Halle 

U0 

42 

192 

151 

41 

192 

154 

44 

198 

Heidelberg 

78 

215 

293 

73 

175 

2  8 

73 

215 

288 

Jena 

47 

111 

158 

49 

88 

137 

41 

87 

128 

Kiel 

313 

118 

431 

266 

81 

347 

327 

112 

439 

Königsberg 

203 

23 

226 

178 

29 

207 

171 

30 

201 

Leipzig 

259 

263 

522 

253 

295 

548 

247 

253 

500 

Marburg 

171 

45 

216 

161 

42 

203 

161 

49 

210 

München 

420 

692 

1112 

410 

635 

1045 

373 

671 

1044 

Rostock 

50 

77 

127 

51 

88 

139 

34 

99 

133 

Strassburg 

139 

128 

267 

149 

143 

292 

116 

140 

286 

Tübingen 

136 

123 

259 

140 

102 

242 

123 

100 

223 

Würzburg 

145 

266 

411 

145 

272 

417 

138 

258 

396 

Zusammen 

3928 

3116 

7014 

3813 

3059 

6872 

3646 

3 103 

6749 

Frauen  sind  nicht  nach  Fakultäten  ausgeschieden 


’)  Nach  amtlichen  Verzeichnissen.  Vergl  d.  W.  1902,  No.  1. 

*)  Unter  Ausländern  sind  hier  Angehörige  anderer  deutscher 
Bundesstaaten  verstanden. 

3 )  Dazu  die  Studierenden  des  Kaiser-Wilhelm  Instituts. 

F  r  e  queuz  der  sclnveize  r  m  edizinischen 
Fakultäten  im  Sommersemester  1002:  Basel  144  m.,  4  \v. ; 
Bern  101  m.,  208  w.;  Genf  108  in.,  183  w. ;  Lausanne  103  m.,  106  w. ; 
Zürich  224  m.,  07  w.;  in  Summa  1488  Studierende  (darunter 
0Ö8  Damen),  worunter  017  (593  -(-  24)  Schweizer. 

Therapeutische  Notizen. 

Ueber  die  Anwendung  des  A  d  renalin  i  n  d  e  r  A  u  g  e  n 
li  e  i  1  k  u  n  d  e  berichtet  K  irebner  -  Bamberg  (Ueber  Adrenalin, 
das  wirksame  Prinzip  der  Nebennieren  in  haltbarer  Form.  Die 
oplithalmologische  Klinik  1002,  No.  12).  K.  verwendete  seit  fast 

2  Jahren  das  Extrait  de  capsules  surrenales  (von  Dr.  L.  J  ac  q  u  e  t 

in  Lyon)  im  täglichen  praktischen  Gebrauch  und  ersetzte  dieses 
als  das  beste  aller  bisherigen  Nebennierenpräparate  zu  be¬ 
zeichnende  Mittel  seit  5  Monaten  durch  das  Adrenalin  der  Lon¬ 
doner  Firma  I*  a  r  k  e,  Davis  &  C  o.  Für  augenärztliche  Zwecke 
eignet  sich  am  besten  die  Solutio  Adrenalini  hydrochlorici  (eine 
Lösung  von  1  Adrenalin  auf  1000  physiologische  Kochsalzlösung), 
dann  das  Suprarenal  Liquid  witli  Chloretone.  (Chloretone-Aceton- 
eliloroform  (Merck)  gehört  in  die  Leihe  der  Fettsäuren,  ist  das 
Reaktionsprodukt  von  Chloroform,  Aceton  und  Alkali  und  soll  sich 
als  äusserlicli  angewandtes  Anästhetikmn  und  Antiseptikum  be¬ 
währt  haben.  Es  wird  den  Adrenalinlösungen  zu  0,5  I’roz.  behufs 
Erhöhung  der  Haltbarkeit  zugesetzt.)  Die  Lösung  1:1000  ruft 
noch  in  10  faclier  Verdünnung  ganz  prompt  die  rasche  und  ener¬ 
gische  Anämisirung  der  normalen  und  der  kranken  Schleimhaut 
und  auch  der  tiefer  liegenden  Gewebe  hervor.  Der  Preis  ist  bei 
direktem  Bezug  für  1  oz. -Flasche  der  Solut.  Adrenal.  hyclrochlor. 
=  ca.  30,0  Inhalt  mit  Porto  4  Sh.  1  y2  P.,  das  reine  Adrenalin 
(Takamine)  kostet  1,0  —  4  Sh.  Ausser  bei  katarrhalischen  Rand- 
geseliwiiren  (n  i  c  li  t  bei  Ule.  serpens  eorn.)  und  Bindehautent¬ 
zündungen  aller  Arten  erzielte  K.  sehr  gute  Erfolge  bei 
G  1  a  u  k  o  m.  R.  S. 

Das  kakodyls  a  u  r  e  Natro  n  ist  von  M  ende  1-  Essen 
mit  grossem  Erfolg  i  n  t  r  a  v  e  n  ö  s  eingespritzt  worden  (Therap. 
Monatshefte  4,  1902).  Die  Injektion  geschieht  am  besten  mit  einer 
ausgekochten  Glasspritze.  Verfasser  hat  an  30  Patienten  über 
400  Injektionen  gemacht.  Benutzt  wurde  eine  5  proz.  Lösung,  die 
tägliche  Dosis  betrug  bis  0,2.  Behandelt  wurden  Anämie,  Chlorose, 
Tuberkulose,  Kropf,  Nervenkrankheiten,  Hautkrankheiten,  Kar¬ 
zinom.  Kr. 

Gegen  die  Gallensteinerkrankung  ist  bekanntlich 
auf  Grund  der  Tatsache,  dass  Fett  den  Gallenfluss  fördert,  das 
ölsaure  Natron  empfohlen  worden.  C  1  e  m  m  verwandte  dasselbe 
in  Form  von  Emulsion,  die  10  g  Eunatrol,  5,0  Tinctura  Valerianae, 
20  Tropfen  Ananasessenz  auf  150  g  Aqua  Menthae  pip.  enthält 
(Therap.  Monatshefte  4,  1902).  Von  dieser  Emulsion  gibt  man 

3  mal  täglich  einen  Esslöffel  voll.  CI.  hält  alle  Fälle  von  reiner 

Cholelitliiasis  für  heilbar.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  n  c  li  e  n,  22.  Juli  1902. 

—  Der  Pensionsverein  für  W  i  t  w  c  n  u  n  d  W  aisen 
b  a.  y  e  r  i  s  c  li  e  r  A  e  r  z  1  e  hat  nach  seinem  soeben  veröffentlichten 
Rechenschaftsberichte  für  das  Jahr  1901  in  seinem  49.  Ver- 
waitungsjalire  an  Pensionen  die  Summe  von  55  504  M.  ausbezahlt. 
Das  Vermögen  des  Vereins  hat  sich  im  Laufe  des  Berichtsjahres 
um  45  450  M.  vermehrt,  was  hauptsächlich  auf  den  Anfall  des 
Legates  der  Oberstabsarztensgatten  Depp  ist:  li  im  Reinbeträge 
von  nahezu  35  000  M.  zurückzuführen  ist;  das  Vermögen  beträgt 
nunmehr  1280  828  M.  Trotz  dieses  bedeutenden,  den  Versicherten 
ausschliesslich  zu  Gute  kommenden  Kapitals,  lässt  die  Beteiligung 
an  dem  Verein  seitens  der  bayerischen  Aerzte  noch  immer  zu 
wünschen  übrig;  der  Mitgliederstand  hat  sich  zwar  infolge  etwas 
zahlreicherer  Zugänge  (19)  auf  seiner  Höhe  gehalten,  während 
er  in  den  vorausgehenden  Jahren  im  Rückgang  begriffen  war,  doch 
stellt  die  Zahl  der  Mitglieder  des  Vereins  zur  Gesamtzahl  der 
bayerischen  Aerzte  durchaus  nicht  im  wünschenswerten  Verhält¬ 
nis.  Nachdem  durch  die  jüngsten  Aenderungen  der  Satzungen  die 
Beitrittsbedingungen  wesentlich  erleichtert  wurden,  sollte  kein 
verheirateter  bayerischer  Arzt  dem  so  ausserordentlich  segens¬ 
reich  wirkenden  Vereine  mehr  fern  bleiben.  Geschäftsführer  ist 
Herr  Hofrat  Dr.  Martins,  München,  Sophienstr.  5  c/II,  der 
über  alles  Nähere  Auskunft  erteilt. 

—  Der  preussische  Landtag  hat  folgenden  Antrag  des  Grafen 
D  o  u  g  1  a  s,  M  ass  regeln  g  e  g  e  n  den  A 1  k  o  h  o  1  i  s  m  u  s 
betreffend,  angenommm:  Die  k.  Staatsregierung  wird  aufgefordert: 
1.  Nach  dem  Vorgänge  der  Gesetzgebung  süddeutscher  Bundes¬ 
staaten  schon  in  nächst,  r  Tagung  einen  Gesetzentwurf  zur  Ver¬ 
hütung  und  Einschränkung  des  schädlichen  Genusses  alkohol¬ 
artiger  Getränke  vorzulegen,  durch  welchen  insbesondere  Gest¬ 
und  Schankwirten,  sowie  Kleinhändlern  untersagt  wird,  Brannt¬ 
wein  an  Kinder  unter  14  Jahren  überhaupt,  an  Personen  vom 
14. — 10.  Lebensjahr  zum  eigenen  Verbrauch,  sowie  geistige  Ge¬ 
tränke  zu  verabreichen  an  Betrunkene  und  solche  Personen,  die 
von  der  Polizeibehörde  den  Gast-  und  Schankwirten  als  Trunken¬ 
bolde  bezeichnet  sind:  2.  durch  geeignete  Veröffentlichungen  den 
weitesten  Kreisen  des  Volkes  zum  Bewusstsein  zu  bringen,  welche 
schädlichen  Wirkungen  der  übertriebene  Alkoholgenuss  auf  die 
körperliche  und  geistige  Gesundheit,  die  Nachkommenschaft,  die 
Erwerbstätigkeit,  das  Anwachsen  der  Verbrechen  hat;  3.  Er¬ 
hebungen  über  die  für  Trinker  bestehenden  Heilanstalten  und 
sonstigen  Einrichtungen  anzustellen  und  die  Unterbringung  von 
Trinkern  in  geeignete  Anstalten,  sowie  die  Fürsorge  für  sie  zu 
fördern,  insbesondere  auf  Einrichtung  öffentlicher  Anstalten  zur 
Unterbringung  der  wegen  Trunksucht  Entmündigten  Bedacht  zu 
nehmen,  und  zwar  bei  unbemittelten  Trunksüchtigen  nach  Mass- 
gabe  des  Gesetzes  vom  2.  Juli  1900;  4.  in  Wartesälen,  Warte¬ 
zimmern  der  Behörden  und  sonstigen  öffentlichen  Räumen,  in 
welchen  das  Publikum  zu  verweilen  pflegt,  durch  bildliche  Dar¬ 
stellungen  und  geeignete  Belehrungen  die  schädlichen  Folgen  des 
übertriebenen  Alkoholgenusses,  insbesondere  auch  auf  die  Or¬ 
gane  des  menschlichen  Körpers,  zu  veranschaulichen;  5.  darauf 
zu  halten,  dass  die  Jugend  in  der  Schule  über  die  schädlichen 
Folgen  des  übertriebenen  Alkoholgenusses  aufgeklärt  wird,  und 
zwar  in  den  höheren  Klassen  der  oberen  Lehranstalten  durch 
Aerzte;  0.  in  allen  staatlichen  und  der  staatlichen  Aufsicht  unter¬ 
stellten  Betrieben  mustergiltige  Einrichtungen  zur  Verhütung  des 
Alkoholmissbrauches  zu  schaffen,  die  Bestrebungen  der  Privaten 
und  der  Vereine  zur  Bekämpfung  der  Trunksucht  zu 
fördern  und  ebenso  in  erhöhtem  Masse  die  Einrichtung 
von  Volksbibliotheken,  Lesehallen  und  anderen  Aufenthaltsräumen 
oliue  Trinkzwang,  sowie  Spielplätzen  zu  fördern;  7.  ferner  auf 
den  Erlass  von  Polizeiverordnungen  hinzuwirken,  durch  welche 
nach  Lage  der  örtlichen  Verhältnisse  der  Ausschank  und  Verkauf 
von  geistigen  Getränken  in  den  späten  Abendstunden  und  frühen 
Morgenstunden,  sowie  während  des  Hauptgottesdienstes  an  Sonn- 
und  Festtagen  verboten  wird,  und  zwar  tunlichst  durch  Fest¬ 
setzung  von  Polizeistunden  für  Schänken;  8.  bei  dem  Bundesrate 
dahin  vorstellig  zu  werden,  dass  eine  Verordnung  erlassen  wird, 
nach  welcher  es  den  Gast-  und  Schankwirten,  sowie  den  Klein¬ 
händlern  untersagt  wird,  Branntwein  in  anderem  als  reinem,  von 
gesundheitsschädlichen  Stoffen  freiem  Zustande  zu  verabreichen; 
9.  beim  Bundesrate  eine  Novelle  zum  Strafgesetzbuch  einzubringen, 
die  bestimmt,  dass  Trunkenheit  nur  dann,  wenn  sie  unter  starkem 
äusseren  Zwange  entstanden  ist,  als  strafmildernd  und  strafmin¬ 
dernd  angesehen  werden  darf;  10.  bei  den  verbündeten  Regierungen 
auf  den  Erlass  eines  Gesetzes  zur  Bekämpfung  der  Trunksucht 
hinzuwirken,  welches  die  Konzessionspflicht  im  Sinne  des  Gesetz¬ 
entwurfs  zur  Bekämpfung  der  Trunksucht  vpm  15.  Januar  1892 
regelt,  ferner  auch  die  Vorschriften  der  §§  2,  3  und  10  des  Gesetz¬ 
entwurfs  enthält;  11.  bei  den  verbündeten  Regierungen  auf  Erlass 
eines  Gesetzes  hinzu  wirken,  nach  welchem  Bier  unter  2  Proz. 
Alkoholgehalt  steuerfrei  ist;  12.  nach  Analogie  der  Kommission 
zur  Bekämpfung  der  Krebskrankheiten  und  Tuberkulose  eine 
Landeskommission  zur  Bekämpfung  der  Trunksucht  einzusetzen. 

—  Auf  Veranlassung  des  Apothekervereins  zu  Leipzig  hat  der 
ärztliche  Bezirksverein  Leipzig-Land  seinen  Mitgliedern  Mitteilung 
davon  gemacht,  dass  er  es  als  standesunwürdig  anselien  werde, 
dass  Aerzte  Rezeptblätter  mit  Vordruck  von  Apotheken  für  ihre 
Verordnungen  benutzen.  Er  begründet  sein  Vorgehen  damit,  dass 
durch  derartige  Gebräuche  bei  Laien  die  irrige  Ansicht  bestärkt 
werden  müsse,  dass  die  Aerzte  an  dem  von  den  Apothekern  zu  er¬ 
wartenden  Mehrgewinn  Anteil  hätten. 


1248  MTJENCHEtfER  MEDICiNISCilE  WOCHENSCHRIFT.  Ko.  29. 


—  Die  Grossherzogliche  Badeanstalten-Kom- 
m  i  s  s  i  o  n  zu  Baden- 1»  a  d  e  n  wird  auch  in  diesem  Jahre  theo¬ 
retisch-praktische  Kurse  der  physikalisch-diätetischen  Heilmetho¬ 
den  und  der  Balneotherapie  für  Aerzte  und  Studierende  der 
Medizin  abhalten  lassen.  Der  Beginn  der  auf  S  Tage  berechneten 
Kurse  ist  auf  den  13.  Oktober  gelegt.  Die  Bekanntgabe  aller 
Einzelheiten  erfolgt  durch  spätere  Veröffentlichungen. 

Das  Sanatorium  der  Ortskrankenkasse  VIII  Mün¬ 
chen  inKirchseeon  ist  nunmehr  eröffnet.  Aufgenommen  werden  alle 
Kranke,  welche  ohne  Begleiter  transportfähig  sind.  Die  Anstalt 
bietet  bequem  für  150  Patienten  Kaum  und  ist  bereits  mit 
100  Betten  in  Betrieb  genommen.  Es  können  deshalb  auch  Mit¬ 
glieder  anderer  Kassen  und  solche,  für  welche  die  Versicherungs¬ 
anstalt  für  Oberbayern  das  Heilverfahren  übernimmt,  dorthin 
überwiesen  werden.  Das  Sanatorium  ist  im  Barokstil  erbaut  und 
mit  allem  Luxus  und  Komfort  einer  modernen  Genesungsanstalt 
ausgestattet.  Die  Baukosten  betragen,  ohne  den  50  Tagwerk 
umfassenden  Grundkomplex,  500  000  Mark.  Ihren  Aerzte  n 
kann  die  Kasse  mit  Rücksicht  auf  ihre  missliche  finanzielle  Lage 
nur  etwa  29  Pfennige  für  die  Konsultation  und  57  Pfennige  fin¬ 
den  Besuch  bezahlen.  Das  ist  typisch. 

—  Der  Vorsitzende  der  Ortskrankenkasse  für  Leipzig  und 
Umgegend,  Kommerzienrath  Dr.  Willmar  Schwabe,  hatte  ein 
Preisausschreiben  über  das  Thema:  „W  omit  sind  die  an¬ 
steckenden  Geschlechtskrankheiten  als  Volks¬ 
seuche  im  Deutschen  Reiche  wirksam  zu  b  e  - 
k  ä  m  p  f  e  n?“  erlassen.  Die  Arbeit  mit  dem  Motto  „Es  ist  Arznei, 
nicht  Gift,  was  ich  dir  reiche“  hat  den  Preis  (M.  000)  davon¬ 
getragen.  Als  Verfasser  ergab  sich  Dr.  med.  Max  Silber- 
Breslau. 

—  Der  15.  französische  Chirurgenkongress  wird 
am  20.  Oktober  zu  Paris  eröffnet.  Auf  der  Tagesordnung  stehen: 
Chirurgie  des  Herzens  und  des  Perikardiums;  Behandlung  des 
Tjetanus, 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  27.  Juni  bis  3.  Juli  10  Erkran¬ 
kungen  und  10  Todesfälle.  —  Britisch-Ostindien.  In  der  Präsident¬ 
schaft  Bombay  während  der  am  13.  (20.)  Juni  endenden  Woche 
391  (443)  Erkrankungen  und  2S0  (298)  Todesfälle.  —  Hongkong. 
In  der  Zeit  vom  10.  bis  31.  Mai  110  Pesterkrankungen,  davon  114 
mit  tödlichem  Verlaufe.  —  Japan.  Auf  Formosa  ist  die  Pest  noch 
nicht  in  der  Abnahme  begriffen.  Seit  Anfang  des  Jahres  bis  zum 
22.  Mai  zählte  man  nach  einer  Veröffentlichung  in  einem  amtlichen 
Blatte  1322  Erkrankungen  (darunter  950  mit  tödlichem  Ausgange), 
in  der  letzten  Woche  141  (101).  — -  Kapland.  In  Port  Elizabeth  in 
der  Zeit  vom  1.  bis  14.  Juni  3  Pestfälle,  darunter  1  mit  tödlichem 
Ausgange.  V.  d.  K.  G.-A. 

-  In  der  27.  Jahreswoche,  vom  29.  Juni  bis  5.  Juli  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit.  Liegnitz  mit  30,7,  die  geringste  Kaiserslautern  mit  8,2 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Remscheid,  Oberhausen. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Dr.  O.  Vogt  wurde  zum  Abteilungsvorstand  am 
physiologischen  Institut  der  Universität  ernannt;  derselbe  wird 
das  dem  Institut  neuerdings  angegliederte  neurobiologisclie  Labora¬ 
torium  leiten. 

B  r  e  s  1  a  u.  An  Stelle  des  am  1.  Oktober  in  den  Ruhestand 
tretenden  Direktors  des  pharmazeutischen  Instituts  hiesiger 
Universität,  Geh.  Regierungsrates  Prof.  Dr.  P  o  1  e  c  k  *)  ist  der 
Privatdozent  Dr.  Gadamer  in  Marburg  i.  H.  unter  Ernennung 
zum  ordentlichen  Professor  nach  Breslau  berufen  worden.  Der¬ 
selbe  hat  die  Berufung  angenommen. 

F  reib  u  r  g  i.  B.  Der  Privatdozent  für  Psychiatrie  Dr.  Her¬ 
mann  Pfister  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  be¬ 
fördert.  Prof.  Dr.  Alfred  H  e  g  a  r  feierte  sein  50  jähriges  Doktor¬ 
jubiläum. 

Marburg.  Habilitiert:  Der  Assistenzarzt  an  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  Dr.  Otto  Hess  mit  einer  Antrittsvorlesung  „über 
die  Frühdiagnose  der  Tuberkulose“. 

M  ü  n  c  h  e  n.  Prof.  Max  Gruber  -  Wien  hat  die  Berufung 
auf  den  Lehrstuhl  der  Hygiene  als  Nachfolger  Büchners  an¬ 
genommen. 

(Todesfälle.) 

Der  Oberstabsarzt  Dr.  Paul  K  übler  von  der  Medizinal¬ 
abteilung  des  preuss.  Kriegsministeriums  ist  am  13.  ds.  in 
Gnschurn  im  Montafoner  Tale  an  einem  Herzschlag  gestorben. 

Dr.  .1.  Mai  zu  er,  früher  Professor  der  Geburtshilfe  zu 
Ivla  usenburg. 

I  >r.  J.  C  u  r  n  o  w,  Professor  der  medizinischen  Klinik  an  Kings 
College  zu  London. 

I  )r.  Wyatt  J  olinsto  n,  Professor  der  Hygiene  an  der  Mc  Gill- 
Universität  zu  Montreal. 

Dr.  J.  Eastman,  Professor  der  Gynäkologie  zu  Indianopolis. 

Dr.  C.  W.  Gleason,  früher  Professor  der  Anatomie  und 
Physiologie  am  Womans  Medical  College  of  Pennsylvania  zu 
Philadelphia. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Richard  Störkla  und  A.  Imhof, 
approl).  1902,  als  Assistenzärzte  an  der  Kreis-Irrenanstalt  Werneck! 


*)  Irrtümlicher  Weise  ist  in  der  Notiz  unter  I-Iochschulnach- 
richten  letzter  Nummer  von  ihm  als  „verstorben“  die  Rede. 


Paul  R.  Christ.  Thurmann,  approb.  1891,  zu  Bad  Sodenthal 
(für  den  Sommer). 

Verzogen:  Wilhelm  N  i  e  v  e  1  i  n  g,  Assistenzarzt  in  Werneck, 
unbekannt  wohin. 

Erledigt:  Die  Bezirksarztsstelle  I.  Klasse  in  Stadtsteinach  ist 
in  Erledigung  gekommen.  Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vor- 
schriftsmässig  belegten  Gesuche  bei  der  ihnen  Vorgesetzten 
k.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis  zum  31.  Juli  1.  .1.  einzu¬ 
reichen. 

Auszeichnung:  Dem  Oberarzt  Dr.  Paul  Leverkühn  der 
Reserve  (I.  München)  wurde  für  den  Königlich  Preussischen 
Kronenorden  3.  Klasse  die  Erlaubnis  zum  Tragen  Allergnädigst 
erteilt. 


Korrespondenz. 

Institute  für  elektromagnetische  Therapie. 

Unter  dieser  Ueberschrift  wurde  in  No.  25  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  in  der  Rubrik  „Korrespondenz“  ein  „Dr.  Löwen- 
f  e  1  d“  gezeichneter  Artikel  abgedruckt,  auf  welche  Herr  I  )r.  P  o  1  - 
laczek  durch  seinen  Rechtsanwalt  uns  nachfolgende  Berichti¬ 
gung  zugehen  lässt. 

Herr  Dr.  Pollaczek  erklärt: 

Unwahr  ist:  1.  dass  Dr.  Löwenfeld  eine  ihm  von  mir 
für  das  hier  zu  errichtende  Institut  „System  Eugen  Kohr  ad“ 
eventuell  angebotene  Stellung  abgelehnt  hat;  2.  dass  er  gelegent¬ 
lich  der  mit  mir  gepflogenen  Unterredungen  erklärte,  er  halte  ein 
Institut  „System  Eugen  Konrad“  wissenschaftlich  für  ein  Un¬ 
ding  und  praktisch  in  München  für  aussichtslos;  3.  dass  er  mir 
gegenüber  über  ein  derartiges  Institut  als  von  einer  laienhaften  und 
unhaltbaren  Idee  gesprochen  hat;  4.  dass  er  mir  erklärte,  ein  Arzt, 
der  einiges  Gewicht  auf  seinen  Ruf  lege,  könne  sich  daher  an 
einem  derartigen  Unternehmen  nicht  beteiligen. 

D  a  g  e  g  e  n  hat  Herr  Dr.  L  ö  wenfel  d  gelegentlich  jener 
Unterredungen  1.  grosses  Interesse  für  das  „System  Eugen  Kon¬ 
rad“  gezeigt;  2.  seiner  Meinung  Ausdruck  gegeben,  dass  durch 
die  Einrichtung  eines  solchen  Institutes  ihm  ein  grosser  Teil  seiner 
Klientel  entzogen  würde,  wie  solches  bereits  das  kurz  vorher  in 
München  eingerichtete  Institut  „Elektra“  gethan  habe;  3.  sich 
bereit  erklärt,  die  Leitung  eines  hier  zu  errichtenden  derartigen 
Instituts  zu  übernehmen,  mit  dem  Beifügen,  dass  er  dafür  einen 
dem  mutmasslichen  Ausfälle  in  seiner  Privatpraxis  angemessen 
deckenden  Ersatz  haben  müsse;  4.  erklärt,  von  der  neuen  Therapie 
zwar  schon  gelesen  zu  haben,  aber  in  Einzelheiten  nicht  ein¬ 
gedrungen  zu  sein;  5.  habe  ich  mit  Herrn  Dr.  Löwenfeld  die 
Verhandlungen  abgebrochen,  worauf  6.  Herr  Dr.  Löwenfeld 
gege  n  mich  bezw.  das  „System  Eugen  Konrad“  aufzutreten 
begann. 

Sein  Auftreten  gegen  mich  wird  den  Gegegenstand  einer  von 
mir  gegen  Herrn  Dr.  L  ö  w  enf  eld  nächster  Tage  einzureichenden 
und  alsbald  zur  Verhandlung  kommenden  Beleidigungsklage  bilden. 

Obiger  Berichtigung  gegenüber,  die  von  uns  auf  Grund  des 
§11  des  Pressgesetzes  verlangt  wird,  hält  Herr  Dr.  Löwenfeld 
seine  Angaben  in  No.  25  völlig  aufrecht  und  erklärt  die 
Behauptungen  des  Herrn  Pollaczek,  mit  Ausnahme  des  1.  und 
4.  Punktes,  teils  für  völlig  a  u  s  der  Luft  g  e  g  r  i  f  f  e  n, 
teils  für  Entstellungen  einzelner  seiner  Aeusserungen.  Da 
Herr  Pollaczek  also  die  Wahrheit  seiner  Behauptungen  in  dem 
in  Aussicht  gestellten  gerichtlichen  Verfahren  erst  zu  beweisen 
haben  wird,  bitten  wir  unsere  Leser  mit  ihrem  Urteile  in  der 
Sache  bis  dahin  zurückzuhalten. 


Morbiditätsstatistikd.InfektionskrankheitenfürMünchen. 

in  der  27.  Jahreswoche  vom  29.  Juni  bis  5  Juli  1902. 
Beteiligte  Aerzte  140.  —  Brechdurchfall  13  (12*),  Diphtherie  u. 
Kroup  4  (8),  Erysipelas  3  (7),  intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  ( — );  Kindbettfieber  —  (3),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 
Morbilli  24  (39),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  1  (1),  Parotitis 
epidem.  4  (3),  Pneumonia  crouposa  4  (6),  Pyämie,  Septikämie 

—  (1),.  Rheumatismus  art.  ac.  14  (14),  Ruhr  (Dysenteria)  —  (— ), 

Scarlatina  5  (6),  Tussis  convulsiva  41  (44),  Typhus  abdominalis  2 
(2),  Varicellen  3  (I2\  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  1  (2). 
Summa  118  (158).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  27.  Jahreswoche  vom  29.  Juni  bis  5.  Juli  1902. 

Bevölkerungszahl:  499  932. 

Todesursachen:  Masern  3  (4*),  Scharlach  —(2)  Diphtherie 
u  Kroup  4  (3),  Rotlauf  —  (2),  Kindbettfieber  —  (2),  Blutvergiftung 
(Byämie  u.  s.  w.)  2  (3),  Brechdurchfall  3  (2),  Unterleib-Typhus  2 
( — )>  Keuchhusten  5  (5),  Kruppöse  Lungenentzündung  1  (5),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  22  (32),  b)  der  übrigen  Organe  7  (10),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  1  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 

(  )>  Unglücksfälle  2  (3),  Selbstmord  2  (3),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (I). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  214  (193),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  22,0  (19,8),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  14,3  (14,3). 

*)  Hie  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwoclie. 


Verlag  vou  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  K.  Mühlthaler’s  liuch-  und  KunstUruckcrci  A.O.,  München. 


Die  Münch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöohentl. 
ln  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest. -Ungarn  vierteljährl.  6  M, 
ins  Ausland  8.—  Jt.  Einzelne  No.  80 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann, 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig 


Herausgegeben  von 

C.  Gerhardt,  W.  v,  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F,  Penzoldt,  II.  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 

Berlin.  Wiirzburg.  Nürnberg  Berlin  Frlangen.  München.  München. 


No.  30.  29.  Juli  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  lleustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

(Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Basel.) 

Ueber  die  Autolyse  des  puerperalen  Uterus. 

Von  Dr.  Leo  Längste  in  und  Dr.  Otto  Neubauer. 

Die  Forschungen  der  letzten  Jahre  haben  gelehrt,  dass  fast 
alle  Organe,  wenn  man  sie  nach  dem  Tode  aseptisch  aufbewahrt, 
einer  chemischen  Veränderung  unterliegen,  welche  sich  vor  allem 
in  einem  Abbau  der  koagulablen  Eiweisskörper  zu  nicht  mehr 
koagulablen  stickstoffhaltigen  Substanzen  (Albumosen,  Amino¬ 
säuren,  Diaminosäuren  etc.)  äussert  [Autodigestion  (Sal¬ 
ix  o  w  s  k  i),  Autolyse  (H  ofmeister)]. 

Die  wichtige  Frage,  ob  diese  am  isolierten  toten  Organ 
beobachteten  Prozesse  eine  wesentliche  Rolle  beim  physiologischen 
Abbau  des  Eiweisses  im  lebenden  Körper  spielen,  muss  der¬ 
zeit  noch  als  offen  bezeichnet  werden. 

Eine  Entscheidung  ist  vielleicht  auf  Grund  folgender  Er¬ 
wägung  möglich.  Wenn  der  intravitale  und  der  postmortale 
Abbau  des  Eiweisses  in  der  Tat  identisch  sind,  so  ist  zu  erwarten, 
dass  Organe,  in  welchen  während  des  Lebens  zeitweise  ein  stär¬ 
kerer  Abbau  stattfindet  (wie  z.  B.  im  Uterus  zur  Zeit  des  Puer¬ 
periums),  in  diesem  Zeitpunkt  dem  Organismus  entnommen, 
erhöhte  autolytische  Fähigkeit  zeigen.  Unter  diesem  Ge¬ 
sichtspunkt  haben  wir  die  Autolyse  des  normalen  und  des  puer¬ 
peralen  menschlichen  Uterus  miteinander  verglichen. 

Die  Abbauvorgänge  im  puerperalen  Uterus  sind  ja  offenbar 
sehr  hochgradig.  Während  er  unmittelbar  nach  Ausstossung  der 
Frucht  und  der  Nachgeburt  ungefähr  1000  Gramm  wiegt,  sinkt 
sein  Gewicht  nach  5  bis  6  Wochen  wieder  nahezu  bis  auf  eine 
normale  Grösse  von  ca.  60  Gramm.  Dieser  Schwund  des  puer¬ 
peralen  Uterus  geht  unter  den  Erscheinungen  hochgradiger  fet¬ 
tiger  Degeneration  einher. 

Der  von  uns  untersuchte  puerperale  Uterus  stammte  von 
einer  Patientin  mit  Insufficientia  et  Stenosis  valvulae  mitralis, 
die  auf  der  hiesigen  Klinik  eine  Frühgeburt  im  7.  Monat  durch¬ 
machte  und  2  Tage  nach  der  Entbindung  unter  den  Erschei¬ 
nungen  der  Herzinsuffizienz  zu  Grunde  ging. 

Das  Organ  wurde  sofort  nach  der  Entnahme  aus  der  Leiche 
zerkleinert,  die  eine  Hälfte  sofort,  die  andere  nach  dem  Auf¬ 
kochen,  mit  Wasser  und  Toluol  versetzt  und  im  Brutschrank  bei 
40"  durch  6  Wochen  sich  selbst  überlassen. 


Tabelle. 


Puerperaler  Uterus 

gekocht 

g 

autolysiert 

g 

Nicht  koagulabler  Stickstoff . 

Durch  Magnesia  austreibbarer  Stickstoff 

0,717 

1,357 

(Amidstickstoff) . 

Durch  Phosphorwolframsäure  nicht  fällbarer 

0,031 

0,085 

Stickstoff  (Aminosäurenstickstoff)  .  .  . 
Durch  Phosphorwolframsäure  fällbarer  Stick¬ 
stoff 

a)  durch  Sättigung  mit  Zinksulfat  aus- 

0,119 

0,503 

salzbar  (Albumosenstickstoff)  .  .  . 

b)  durch  Sättigung  mit  Zinksulfat  nicht 

0,285 

0,164 

aussalzbar  (Diaminosäurenstickstoff) 
No.  30. 

0,300 

0,610 

Ueber  die  Ergebnisse  der  nach  dieser  Zeit  ausgeführten 
Untersuchung  gibt  vorstehende  Tabelle  Aufschluss.  Die  Zahlen 
beziehen  sich  auf  100  g  frischen  Uterus. 


Zum  Vergleich  wurde  ein  normaler  Uterus  einer  Multipara 
in  gleicher  Weise  behandelt. 

Tabelle. 


Normaler  Uterus 

gekocht  :  autolysiert 
g  !  g 


Nicht  koagulabler  Stickstoff 


0,500  0,U41 


Sowohl  im  normalen  als  auch  im  puerperalen  Uterus  haben 
demnach  Veränderungen  stattgefunden,  wie  sie  für  die  Autolyse 
charakteristisch  sind,  nämlich  eine  Zunahme  der  nicht  ko¬ 
agulablen  stickstoffhaltigen  Substanzen.  Die  Zunahme  an 
„nicht  koagulablem  Stickstoff“  war  beim  puerperalen  Uterus 
deutlich  grösser  als  beim  normalen  (0,640  Proz.  gegen  0,441  Proz. 
bezogen  sich  auf  100  g  Ausgangsmaterial). 

Legt  man  der  Berechnung  hingegen  den  Wert  zu  Grunde, 
um  welchen  der  „nicht  koagulable  Stickstoff“  im  Vergleich  zum 
ursprünglichen  gestiegen  ist,  so  findet  man,  dass  die  Vermehrung 
in  beiden  Fällen  fast  gleich  war  (89,2  Proz.  beim  puerperalen  gegen¬ 
über  88,2  Proz.  beim  normalen  Uterus).  Geht  also  aus  unserem 
Versuch  auch  mit  Sicherheit  hervor,  dass  dem  normalen 
und  puerperalen  Uterus  autolytische  Fähig¬ 
keit  innewohnt,  so  liefert  doch  ein  Vergleich  dieser  beiden 
kein  eindeutiges  Resultat  und  gestattet  somit  keine  sichere  Be¬ 
antwortung  der  eingangs  gestellten  Frage. 

Da  die  Muskulatur  des  von  uns  untersuchten  Uterus  nicht 
die  charakteristische  weiche  Beschaffenheit  darbot  und  auch  die 
Erscheinungen  der  fettigen  Degeneration  fehlten,  wird  man  an 
die  Möglichkeit  denken  müssen,  dass  er  kein  für  diese  Unter¬ 
suchung  geeignetes  Objekt  darstellte.  Vielleicht  ist  der  Umstand 
von  Bedeutung,  dass  as  sich  nicht  um  eine  Geburt  am  normalen 
Ende  der  Schwangerschaft  handelte,  sondern  um  eine  Frühgeburt 
im  7.  Monat  und  noch  dazu  um  eine  solche  bei  einer  schwer 
herzleidenden  und  fiebernden  Kranken. 

Da  sich  nur  sehr  selten  Gelegenheit  bietet,  einen  normalen 
puerperalen  Uterus  kurz  nach  der  Geburt  zur  chemischen  Unter¬ 
suchung  zu  erhalten,  so  haben  wir  uns  zu  einer  vorläufigen  Mit¬ 
teilung  unserer  Resultate  entschlossen. 

Wir  beabsichtigen,  diese  Untersuchungen  weiter  zu  ver¬ 
folgen,  um  auf  Grund  eines  grösseren  Materials  zu  binden¬ 
den  Schlussfolgerungen  zu  kommen.  Gleichzeitig  wollen  wir 
dann  auch  dem  Auftreten  von  Fett  in  den  Muskelfasern  des 
Ruerperalen  Uterus  unser  Augenmerk  zuwenden.  Speziell  soll 
dabei  die  von  Herrn  Prof.  E.  Müller  aufgeworfene  Frage  der 
Entstehung  von  Fett  aus  Lecithin  studiert  werden. 


1 


1250 


YtUEXCHENER  MEDlClNlSCftE  WOCHENSCHRIFT. 


Aus  der  Baseler  chirurgischen  Klinik  (Prof.  Hildebrand). 

lieber  Stenose  bei  Amyloiddegeneration  im  Kehlkopf. 

Von  Dr.  W.  Courvoisier,  Assistenzarzt. 


Ini  Laufe  des  Sommers  1901  wurde  uns  Gelegenheit  ge¬ 
boten,  einen  lall  von  Amyloiddegeneration  im  Larynx  zu  bc 
ohachten.  Ist  die  Natur  der  Kehlkopf stenose  —  wie  in  allen  bis¬ 
her  veröffentlichten  ähnlichen  Fällen  —  auch  erst  post  mortem 
genauer  erkannt  worden,  so  dürften  doch  die  klinischen  Erschei¬ 
nungen,  welche  durch  das  Vorhandensein  dieser  in  den  Luftwegen 
extrem  seltenen  Geschwulstbildung  hervorgebracht  worden  sind, 
einer  kurzen  Beschreibung  wert  sein. 


Es  handelt  sich  um  eine  CG  jährige,  ledige  Patientin  (Gou¬ 
vernante).  welche  1889  eine  Pneumonie  durchgemaeht  hatte,  sonst 
ausser  zeitweisen,  auf  einen  Unfall  zurüekdatierten  neuialgisclien 
Kopfschmerzen  sich  bis  zum  März  1900  wohl  gefühlt  hatte. 

Nach  einer  Erkältung  in  genannter  Jahreszeit  blieb  Patientin 
stets  etwas  heiser,  wurde  auch  zeitweise  von  Husten  geplagt, 
Heiserkeit  und  Hustenanfälle  steigerten  sich  nach  einer  zweiten 
Erkältung  im  April  1901,  nach  der  sich  Patientin  auch  von  all¬ 
gemeinem  Schwächegefühl  nicht  erholte.  Sie  magerte  ab,  ihr 
Appetit  war  schlecht.  Stuhl  regelmässig.  Diurese  ohne  Verände¬ 
rungen.  „ 

In  der  Nacht  vom  9./10.  Juni  trat  ganz  plötzlich  ein  Er¬ 
stickungsanfall  auf,  der  3—4  Stunden  andauerte.  Die  hochgradig 
nervöse  Patientin  wurde  uns  deshalb  zur  Beobachtung  und  even¬ 
tuellen  Tracheotomie  geschickt. 

Beim  Eintritt  (10.  Juni)  fielen  uns  die  starke  Cyanose  des 
Gesichtes,  der  ängstliche,  etwas  starre  Blick,  die  Schwellung  der 
llalsvenen,  die  deutlich  erschwerte  Atmung  auf,  während  Patientin 
a febril  war  und  ihr  Puls  regelmässig,  mittelkräftig,  ruhig  (ca.  80) 


Der  Hals  war  breit  dem  Rumpf  aufgesetzt;  über  dem  Jugulum 
hur  ein  wenig  beweglicher,  ziemlich  derber  kirschgrosser  Struma¬ 
knoten;  die  seitlichen  Schilddrüsenlappen  waren  etwas  yargrössert, 
weich.  Larynx  und  oberer  Teil  der  Trachea  Hessen  sich  gut  ab¬ 
tasten,  waren  auffallend  breit,  wenig  verschieblich  und  starr  an¬ 
zufühlen.  .  . 

Die  Atmung  war  bei  sonorem  Lungenschall  beiderseits  in  den 
hinteren  unteren  Partien  scharf  vesikulär;  vereinzelte  Rassel¬ 
geräusche  und  Giemen  waren  beiderseits  hörbar. 

Bei  Untersuchung  des  Pharynx  und  Larynx  erwies  sich  er- 
stercr  als  völlig  normal.  Die  Epiglottis  war  an  ihrer  Basis  leicht 
gerötet;  die  I’lieae  aryepiglotticae  röteten  sich  gegen  die  Ary- 
knorpel  hin  und  waren  etwas  angeschwollen.  Unterhalb  der  weiss- 
lichen  Stimmbänder  sah  man  von  beiden  Seiten  her  rote,  ober¬ 
flächlich  uneben  höckrige  Wülste  vortreten,  die  sich  an  ihren 
Kuppen  berührten;  von  der  hinteren  Wand  sprang  zwischen  sie 
ein  kleinerer,  gleich  aussehender  Tumor  vor.  Die  Stimme  klang 
schwach,  heiser,  die  Atmung  blieb  angestrengt,  stridorös.  Häufig 
trat  trockener  Husten  auf,  der  nach  Einatmen  heisser  Dämpfe  und 
Morphiuminjektionen  sich  legte. 

Am  folgenden  Tag  fühlte  sich  Patientin  sehr  erleichtert,  at¬ 
mete  ruhiger,  warf  ohne  grosse  Anstrengung  zähen  Schleim  aus. 
Sie  blieb  afebril,  ihr  Puls  hielt  sich  um  80. 

Da  sich  jedoch  bald  wieder  Zeichen  von  stärkerer  Larynx- 
stenose  kuudgaben,  wurde  am  13.  Juni  bei  Aetherhalbuarkose  und 
gleichzeitiger  Lokalanästhesie  mit  Kokain  die  Tracheotomie  in¬ 
ferior  ausgeführt.  Die  kleine  mediale,  blutreiche  Struma  legte 
wenig  Hindernis  in  den  Weg  und  nach  Eröffnung  der  Trachea 
konnte  man  sich  davon  überzeugen,  dass  die  untere  Grenze  der 
Neubildung  das  Krikoid  jedenfalls  nicht  überschritten  hatte.  Nach 
Auswurf  zäher,  blutiger  Schleimmassen  blieb  die  Atmung  tief  und 
ruhig. 

Schon  nach  2  Tagen  begannen  aufs  neue  Klagen  über  Atem¬ 
not.  die  im  wesentlichen  auf  einer  akut  aufgetretenen  Bronchitis 
beruhen  mussten.  Patientin  hustete  wieder  häufiger,  warf  viel 
dicken,  zähen  Schleim  aus,  ihr  Appetit  wurde  mangelhaft,  all¬ 
gemeine  Schwäche  und  Müdigkeit  traten  auf,  wahrend  Temperatur 
und  Puls  keine  Abweichungen  von  der  Norm  zeigten. 

Am  28.  Juni  stieg  Abends  die  Temperatur  auf  39,6,  der  Puls 
auf  108.  Patientin  hustete  auffallend  wenig,  klagte  aber  Schmer¬ 
zen  stechender  Art  in  der  Gegend  der  rechten  Skapula.  LTn- 
bestimmtes  Atmen,  hie  und  da  leises  Giemen  waren  die  einzigen 
wahrnehmbaren  Veränderungen.  Beim  Vorhandensein  einiger 
Varicen  am  rechten  Unterschenkel  war  Verdacht  auf  Embolie. 

Der  Gedanke  an  eine  —  ursprünglich  wegen  Verdacht  auf 
maligne  Neubildung  geplante  —  Larynxexstirpation  musste  bei 
dem  febrilen  Zustand  der  Kranken  aufgegeben  werden. 

Am  folgenden  Tag  war  Patientin  äusserst  schwach  und  elend. 
Temperatur  Morgens  37.4  (Puls  108),  Abends  37,9  (Puls  120). 

Temperatur  am  30.  Juni  Morgens  36,6  (Puls  106),  Abends  37,9 
(Puls  100).  Lungenbefund  unverändert. 

Am  1.  Juli  Temperatur  Morgens  39.0  (Puls  88),  Abends  39,7 
(Puls  8(0.  ln  der  Gegend  der  rechten  Skapula  leichte  Dämpfung, 
Atmung  fast  aufgehoben,  keine  Rasselgeräusche,  hie  und  da 
Giemen.  Patientin  ist  sehr  hinfällig,  geniesst  wenig,  erbricht 
mehrmals,  klagt  über  Schmerzen  im  linken  Unterschenkel  an  ver¬ 
dickter  Stelle  der  Vena  saphena  major.  Hochlagerung  und  Bor- 
priessnitz  erleichtern  den  Schmerz  nur  wenig. 


ln  der  Nacht  und  während  des  folgenden  Tages  ist  Patientin 
zeitweise  benommen;  sie  ist  sehr  schwach  gewoideu,  schluinineit 
viel,  hustet  wenig,  erbricht  nicht  mehr.  Herzaktion  etwas  unregel¬ 
mässig,  Töne  dumpf.  Bewegungen  der  Arme  unsicher;  Patientin 
muss  mehrmals  ansetzen,  um  nach  einem  bestimmten  Gegenstände 
zu  greifen;  starker  Finger-  und  Zungentremor.  Zunge  trocken, 
belegt,  trotz  massenhafter  Schleim-  und  Speichelproduktion. 
Pupillen  gleich  weit,  reagiren  prompt.  Blick  starr.  Temperatur 
Morgens  38,1  (Puls  ca.  100),  Abends  39,6  (Puls  ca.  120,  unregel¬ 
mässig,  aussetzend).  .  ,  ^  ^  . 

3.  Juli.  Patientin  soporös,  Blässe  des  Gesichtes,  C  yanose  der 
Lippen,  Kühle  der  Extremitäten.  Gegen  4  Uhr  Nachmittags 

Exitus.  ...  ,  , 

Aus  dem  Sektionsprotokoll  wäre  hervorzuheben: 

Braune  Atrophie  und  fettige  Degeneration  des  Herzens.  Sklero¬ 
tischer  Herd  in  der  Medulla  oblongata.  Bronchitis  duplex. 

Die  hintere  Wand  des  Larynx,  entsprechend  der  Platte  des 
Krikoidluiorpels  ist  bis  auf  1  cm  verdickt,  von  gelbbraunrötlicher 
Farbe,  körnig,  etwas  transparent.  Schleimhaut  der  Trachea  ge¬ 
rötet.  Auf  der  linken  Tonsille  ha nf korngrosse,  gelbrötliche  Ver¬ 
dickung  der  Schleimhaut.  Papillae  circumvallatae  gelbrot. 

Es  liegt  nicht  in  meiner  Absicht,  mich  über  den  pathologisch- 
anatomischen  Befund  in  unserem  balle  auszusprechen,  da  in 
Bälde  eine  Publikation  aus  dem  hiesigen  pathologischen  Institut 
(von  J  o  li  a  n  n  i)  erscheinen  soll,  in  welcher  eingehend  unsere 
Beobachtung  behandelt  wird. 

Die  Zahl  der  bis  jetzt  veröffentlichten  Befunde  von  amyloider 
Degeneration  und  eigentlicher  Amyloidtumorentwicklung  ist  eine 
sehr  kleine  und  in  der  von  Wich  mann  (Zieglers-  Beiträge 
Bd.  XIII),  Hildebrand  (Vircliows  Archiv  Bd.  140)  und 
G  1  o  c  k  n  e  r  (Yirchows  Archiv  Bd.  160)  gesichteten  Literatur 
sind  meist  nur  spärliche  Notizen  über  klinischen  \  erlauf  neben 
ausführlichen  Deskriptionen  der  pathologisch-anatomischen  Be¬ 
funde  auf  gezeichnet. 

G  lockue  r  batte  Gelegenheit,  den  Larynx  und  die  absteigen¬ 
den  Luftwege  zu  untersuchen,  welche  von  einem  unter  den  Er¬ 
scheinungen  schwerer  Pyelonephritis  verstorbenen  76  jährigen 
Manne  aus  der  Genfer  chirurgischen  Klinik  stammten.  Per 
Kranke  hatte  Anzeichen  von  Larynxstenose. 

Dem  pathologisch-anatomischen  Befunde  nach  ähneln  die 
Fälle  Baiser  (Vircliows  Archiv  Bd.  91)  und  Sehr  öfter  (Ver- 
handl.  d.  deutsch,  pathol.  Gesellsch.,  Düsseldorf  1S98)  dem  unseren. 

In  Schrötters  Fall  sollen  ausser  leichter  Heiserkeit 
keinerlei  Beschwerden  existiert  haben.  Die  Neubildung  wurde 
mit  der  galvanokaustischen  Schlinge  entfernt.  Sie  hatte  sich  als 
leicht  höckerige,  hart  anzufühlemle,  die  Schleimhaut  infiltrierende, 
goldgelbe  Geschwulst  über  den  aryepiglottischen  Falten  und  dem 
linken  Aryknorpel  entwickelt. 

B  a  1  s  e  r  beschreibt  den  Befund  in  den  Luftwegen  eines 
64  jährigen  Forstmeisters,  der  19  Jahre  vor  seinem  Tode  die  ersten 
Zeichen  einer  Erkrankung  aufwies.  Damals  fand  sich  eine  nicht 
unbeträchtliche  Verdichtung  der  oberen  Partien  der  rechten  Lunge, 
besonders  vorne.  1  Jahr  später  begann  stärkere  Bronchitis. 
5  Jahre  darauf  traten  asthmatische  Beschwerden  auf;  beides  be¬ 
hielt  Patient  bis  zum  Tode,  ln  den  letzten  Jahren  stellten  sich 
Zeichen  von  Broneliostenose  ein,  die  sich  2  Jahre  vor  dem  Tode 
bedeutend  gesteigert  hatten  und  im  letzten  halben  Jahre  ihren 
Höhepunkt  erreichten;  eine  plötzliche  Verschlimmerung  wurde 
nie  beobachtet.  Die  Stimme  blieb  bis  zum  letzten  Jahre  selten 
unbedeutend  belegt,  im  Verlaufe  dieses  Jahres  aber  häufiger  und 
zumeist  nach  heftigen  Hustenanfällen.  Völlige  Heiserkeit  war 
nie-  beobachtet.  Unter  weiterem  Fortschreiten  der  chronisch¬ 
pneumonischen  Erscheinungen  und  Verstärkung  der  Stenose  ging 
Patient  bei  zunehmender  Abmagerung  und  Anaemie  marantisch  zu 
Grunde. 

Ziegler  (Vircliows  Archiv  Bd.  65)  konnte  über  den  Verlauf 
der  Erkrankung  (Larynxamyloid)  keine  genaueren  Angaben  er¬ 
halten.  Der  Patient  kam  moribund  in  das  Spital  und  starb  unter 
den  Erscheinungen  eines  Larynxödems.  Nebenbei  waren  Emphy¬ 
sem  und  Bronchitis  diagnostiziert. 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  der  von  Burrow-Neu- 
m  a  n  n  (Archiv  f.  klin.  Cliir.  1875,  Bd.  18,  p.  228)  publizierte  Fall 
erwähnt,  wenn  es  sich  auch  nicht  um  Amyloiderkrankung  im 
Sinne  unseres  Falles,  sondern  um  amyloide  Degeneration  bestehen¬ 
der  Fibrome  handelte. 

Ein  50  jähriger  Arbeiter  klagte  über  Atembeängstigung  und 
Heiserkeit,  welche  seit  3  Jahren  langsam  Zunahmen.  Patient  war 
früher  stets  gesund,  klagte  auch  jetzt  nicht  über  sonstige  Be¬ 
schwerden. 

Die  lnspektion  der  Fauces  zeigte  am  unteren  Rand  des  linken 
Arcus  palato-pharyngeus  2  erbsengrosse,  derbe  Tumoren,  von 
normaler  Schleimhaut  überzogen;  die  linke  Tonsille  war  etwas 
hypertrophisch.  Laryngoskopisch  war  nur  die  linke  Hälfte  der 
Epiglottis  sichtbar.  Rechts  lagen  über  ihr  2  rundliche  Tumoren 
von  normaler  Schleimhaut  überzogen;  sie  sassen  breitbasig  in  der 
Gegend  des  Lig.  glosso-epiglott.  laterale  dextrum  auf  und  über¬ 
deckten  zur  Hälfte  den  Aditus.  Die  Epiglottis  selbst  sass  links 
auf  einem  breitbasigen  Tumor  fest,  der  liaseluussgross,  beweglich 
|  war  und  sich  in  die  Tiefe  der  Larynxhöhle  fortzusetzen  schien. 


29.  Juli  1902. 


MUEN CIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1251 


Wegen  Stenosenersclieimuigen  wurde  nach  wenig  Tagen 
traclieotomiit.  Nach  durch  fortgesetzte  Explorationen  gewonnener 
Orienti rung  wurden  die  am  Gaumenbogen  sitzenden  Tumoren  ex- 
zidiert.  Sie  erwiesen  sich  als  reine  Fibroide.  Der  später  abge¬ 
tragene,  rechts  oberhalb  des  Lar.vnx  sitzende  Tumor  war  ebenfalls 
libroider  Natur.  Zwei  nun  deutlich  erkennbare  Tumoren,  die  statt 
der  Ary Knorpel  und  der  aryepiglottischen  Falten  sichtbar  wurden, 
die  kugelig  gewölbt  waren  und  bei  forcierter  Inspiration  etwas 
auseinander  wichen,  wollte  sich  ihr  Träger  nicht  entfernen  lassen. 
Er  blieb  1  Jahr  in  gutem  Zustand;  dann  trat  Dysphagie  auf.  Erst 
nach  5  Jahren  kam  trotz  Kanüle  Atombehinderung  hinzu  und  nach 
weiteren  2  Jahren  erlag  der  Kranke  einer  Bronchitis.  Die  Fibroide 
waren  amyloid  degeneriert. 

Wir  ersehen  aus  den  angeführten  klinischen  Befunden,  dass 
die  amyloide  Degeneration  im  Larynx,  ganz  abgesehen  von  der 
eigentlichen  Amyloidtumorbildung  und  der  wohl  ganz  seltenen 
amyloiden  Umwandlung  schon  vorhandener,  die  Stenose  be¬ 
günstigender  Geschwulstbildungen,  unter  Umständen  gefahr¬ 
bringende  Atembehinderung-  zu  erzeugen  imstande  ist.  Inwie¬ 
weit  ein  die  Stenose  vermehrendes  Glottisödem  mit  beschuldigt 
werden  muss,  ist  auch  aus  unserem  Fall  nicht  ersichtlich,  da 
durch  die  Tracheotomie  einer  Erstickung  konnte  vorgebeugt 
werden. 

Meinem  verehrten  Chef,  Herrn  Prof.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d,  ver¬ 
danke  ich  die  Ueberlassung  unseres  Falles  zur  Publikation. 


Zur  Frage  der  Händedesinfektion.*) 

Von  Dr.  Carl  Lauenstein,  Oberarzt  des  Hafenkranken¬ 
hauses  und  der  chirurg.  Abteilung  der  Diakonissen-  und  Heil¬ 
anstalt  Bethesda  zu  Hamburg. 

M.  II.!  Es  gibt  kaum  eine  praktische  Frage  unserer  Wissen¬ 
schaft,  die  so  vielfältig  diskutiert,  geprüft  und  ventiliert,  so  ein¬ 
gehend  wissenschaftlich  bearbeitet  worden  ist,  wie  die  Frage  der 
Händedesinfektion.  Da  aus  diesem  Grunde  den  Aerzten  kaum 
ein  Gebiet  geläufiger  ist,  wie  gerade  dieses,  so  muss  ich  uni 
Entschuldigung  bitten,  wenn  ich  hier  Dinge  berühre,  die  Ihnen 
allen  beaknnt  sind. 

Um  von  vornherein  die  Richtung  zu  kennzeichnen,  in  der 
sich  meine  Ausführungen  bewegen,  so  halte  ich  die  Desinfektion 
der  Hand  des  Chi  rurgen  für  ein  vollberechtigtes  Glied  in  der 
Kette  der  Maassnahmen  der  A-  und  Antisepsis,  wie  wir  sie  für 
die  Ausführung  einer  Operation  für  nötig  erachten.  Die  Des¬ 
infektion  der  Hand  hat  mutatis  mutandis  dieselbe  Bedeutung, 
wie  die  Sorge  für  ein  möglichst  reines  Operationsfeld,  für  Schaf¬ 
fung  reiner  Luft,  für  Keimfreiheit  der  Instrumente,  der  Tupfer, 
Verbandsachen,  des  ünterbindungs-  und  Nahtmaterials,  der 
Schürzen,  Laken,  Handtücher  und  aller  übrigen  Requisiten,  die 
mit  dem  Operateur  oder  dem  zu  Operierenden  in  Berührung 
kommen. 

Der  jetzige  Stand  der  Frage  der  chirurgischen  Händedes¬ 
infektion  lässt  sich  kurz  etwa  folgendermassen  präzisieren : 

1.  Mit  der  Asepsis  allein,  also  mit  Wasser  und  Seife,  unter 
Zuhilfenahme  mechanischer  Reinigungsmittel,  Bürste,  Pflanzen¬ 
faser,  Bimstein,  Sand,  Marmor  etc.,  lässt  sich  eine  genügende 
Händereinigung  nicht  erzielen. 

Die  Hinzufügung  eines  Desinfiziens  zu  den  Massnahmen  der 
Asepsis  und  der  mechanischen  Reinigung  erscheint  nach  den 
bisherigen  Erfahrungen  unerlässlich. 

2.  Aber  auch  bei  Anwendung  eines  oder  mehrerer  nachfolgen¬ 
den  Desinfizientien  ist  es  bisher  nicht  gelungen,  regelmässig  die 
Hände  im  bakteriologischen  Sinne  keimfrei  zu  machen. 

3.  Es  liegen  jedoch  bestimmte  Erfahrungen  darüber  vor, 
welche  Rücksichten  und  Massnahmen  die  Herabsetzung  des  Iveim- 
gehaltes  unserer  Hände  begünstigen. 

Dahin  gehört  vor  allem  eine  gewissenhafte  prophylaktische 
Asepsis,  d.  h.  die  Vermeidung  einer  Verunreinigung  der  Hände 
mit  infektiösem  Material  und  eine  sofortige  gründliche  Des¬ 
infektion  der  Hände  nach  geschehener  Verunreinigung.  Sodann 
eine  sorgfältige  Pflege  der  Hände.  Denn  eine  glatte,  wohl- 
gepflegte  Haut  lässt  sich  besser  reinigen  als  eine  grobe,  rauhe 
Hand  mit  Rissen  und  Schrunden. 

Wenn  Haegier  auf  Grund  seiner  eingehenden  und  viel¬ 
seitigen  bakteriologischen  Untersuchungen  über  die  Erreichung 
der  Keimfreiheit  oder  Keimarmut  der  Hand  den  Ausspruch  tut: 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Biologischen  Abteilung  des  ärzt¬ 
lichen  Vereins  am  20.  Mai  1902. 


„Die  Kosmetik  der  Hände  ist  für  den  Chirurgen  ebenso  wichtig, 
wie  das  Aufziehen  seiner  Taschenuhr“,  so  kann  man  ihm  auf 
Grund  dci  praktischen,  klinischen  Erfahrung  nur  durchaus  bei¬ 
stimmen. 

Ferner  wissen  wir,  dass  Uebung,  Intelligenz  und  das  Gefühl 
der  Verantwortlichkeit  bei  der  Händedesinfektion  eine  wichtige 
Rolle  spielen.  Geschultes  Pflegepersonal  desinfiziert  seine  Hände 
besser  und  erfolgreicher  als  ungeübtes,  und  Aerzte  erzielen  ein 
weit  besseres  Ergebnis  der  Händedesinfektion  als  das  Pflege¬ 
personal.  Es  hängt  dies  überlegene  Resultat  der  Aerzte,  ab¬ 
gesehen  von  dem  Gefühl  der  auf  ihnen  lastenden  Verantwortung 
ohne  Zweifel  einerseits  mit  der  Kenntnis  der  Ursachen  und 
Quellen  der  Infektion,  sowie  der  Lebensbedingungen  der  Mikro¬ 
organismen  und  der  Mittel  und  Wege,  diese  zu  schädigen,  zu¬ 
sammen;  andererseits  ist  hier  gewiss  nicht  ohne  Einfluss  die 
Kenntnis,  sowie  dieWürdigung  der  anatomischen  Verhältnisse  der 
Hand,  die  dem  Arzte  gegenüber  dem  Laien  ein  zielbewussteres 
Vorgehen  ermöglicht. 

4.  Die  „Handschuhfrage“,  die  seit  einigen  Jahren  unter  Chi¬ 
rurgen  und  Gynäkologen  lebhaft  diskutiert  wird,  ist  bisher  zu 
einem  definitiven  Abschlüsse  nicht  gelangt.  Nur  soviel  hat  sich 
bislang  ergeben : 

Die  undurchlässigen  Handschuhe  (Leder,  Gummi)  dürfen  als 
ein  schätzenswertes  Rüstzeug  der  prophylaktischen  Asepsis  gelten. 

Die  „durchlässigen“  Handschuhe  aus  Zwirn,  Seide  etc.  ver¬ 
hindern  den  Uebergang  der  Keime  von  der  Hand  des  Operateurs 
auf  die  Wunde  desto  mehr,  je  dichter  ihr  Gewebe  ist. 

Bei  der  Beurteilung  der  Resultate  der  „operativen  Hand¬ 
schuhchirurgie“  darf  man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  da, 
wo  man  Handschuhe  verwandte,  man  dies  in  der  Absicht  tat, 
nicht  ganz  befriedigende  Resultate  zu  verbessern,  und  dass  man 
neben  der  Verwendung  der  Handschuhe  in  der  Regel  die  Mass¬ 
nahmen  der  A-  und  Antisepsis  überhaupt  gleiclnnässig  ver¬ 
schärfte. 

Wo  also  mit  dem  Gebrauch  der  durchlässigen  Handschuhe 
die  Misserfolge  von  10  auf  5  Proz.  gesunken  sind,  da  kann  man 
nicht  ohne  weiteres  sagen,  dass  die  Handschuhe  allein  dies  be¬ 
wirkt  haben. 

Wenn  an  den  chirurgischen  Kliniken,  wo  mit  durchlässigen 
Handschuhen  gearbeitet  wird,  Operateur  und  Assistenten  bei 
grösseren  Operationen  10 — 12  mal  die  Handschuhe  wechseln,  um 
der  Wohltaten  des  Handsehuhgebrauches  teilhaftig  zu  werden, 
so  fragt  es  sich  meiner  Auffassung  nach  doch  noch,  ob  der  Er¬ 
folg  im  richtigen  Verhältnis  steht  zu  der  Umständlichkeit  des 
Verfahrens,  dem  doch  auch  manche  Nachteile,  wie  z.  B.  die  not¬ 
wendige  Verlängerung  der  Operation,  anhaften. 

Aber,  wie  gesagt,  die  Meinungen  in  der  Handschuhfrage 
gehen  auch  unter  den  Autoritäten  der  heutigen  Chirurgie  noch 
weit  auseinander.  Originell  und  rationell  zugleich  erscheint 
jedenfalls  der  Standpunkt,  den  kein  geringerer  als  Kocher  in 
dieser  Beziehung  einnimmt,  wenn  er  auf  Grund  des  jetzigen  Stan¬ 
des  der  Frage  rät,  der  Chirurg  solle  nach  Möglichkeit  immer 
Handschuhe  tragen  und  sich  derselben  nur  zum  Zwecke  der 
Operation  entledigen. 

5.  Eng  mit  der  Frage  der  Händedesinfektion  hängt  auch 
der  sehr  beherzigenswerte  Standpunkt  zusammen,  den  der  Eng¬ 
länder  kurzweg  mit  „Hands  off!“  bezeichnen  würde,  und  der  in 
dem  Rate  gipfelt,  nicht  unnötig  die  Wunde  mit  Hand  und  Fin¬ 
ger  zu  berühren  und  statt  ihrer,  wo  es  irgend  geht,  die  sicher  zu- 
sterilisirenden  Instrumente  zu  verwenden. 

Auch  müssen  wir  zugeben,  dass  die  Frage  der  Händedesinfek¬ 
tion  indirekt  auf  das  engste  mit  der  Durchführung  aller  übrigen 
Massnahmen  der  A-  und  Antisepsis  zusammenhängt.  Aus  der 
Reihe  der  Autoren,  die  zu  der  Frage  der  Händedesinfektion  in 
neuerer  Zeit  noch  Vorschläge  geliefert  haben,  deren  Prüfung 
teilweise  schon  begonnen  hat,  teilweise  aber  noch  aussteht,  seien 
hier  noch  erwähnt:  1.  v.  Mikulicz,  der  offenbar  wegen  der 
günstigen  Erfahrungen  mit  dem  Alkohol  die  Verwendung  des 
Seifen  spiritus  als  kompendiöses  Verfahren  empfohlen  hat, 
wohl  hauptsächlich  für  Kriegszwecke,  um  bei  etwaigem  Wasser¬ 
mangel  eine  möglichst  zuverlässige  Desinfektionsmethode  bereit 
zu  haben;  2.  Unna,  der  rät,  die  Chirurgenhände  Nachts  mit 
einem  „Alkohol-Dunstumschlag'e“  zu  versehen  und  am  anderen 
Morgen  mit  einer  antiseptischen  überfetteten  Seife  zu  behandeln, 
so  dass  alle  Risse  und  Spalten  der  Epidermis  und  alle  Poren  vor 

1* 


No.  30. 


1252 


MUENCI1ENER 


MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


dem  Eindringen  von  Schmutz  und  Staub  geschützt  werden,  ein 
Rat,  der  wesentlich  vom  Gesichtspunkte  einer  rationellen  Ilände- 
kosmetik  ausgeht  und  sehr  beherzigenswert  erscheint;  3.  Weir, 
der  Chlor  in  statu  nascendi  auf  die  Hände  einwirken  lassen  will; 

4.  Maylard,  der  neben  einer  gründlichen  aseptischen  Vor¬ 
bereitung  der  Hände  zu  der  alten  2'/2  proz.  Karbolsäurelösung 
zurückzukehren  rät  und  zu  häufigen  Ausspülungen  mit  derselben 
während  der  Operation.  Die  Haut  des  Patienten  will  dieser 
Autor  dadurch  keimfrei  machen,  dass  er  dieselbe  mit  10  proz.  Ilg- 
Lanoliii  einreibt,  um  so  die  ihr  innewohnenden  Mikrobien  direkt 
zu  töten.  Ob  sich  viele  Chirurgenhände  finden  werden,  die  dies 
Desinfektionsverfahren  auf  die  Dauer  ertragen,  ist  nach  den  aus¬ 
reichenden  Erfahrungen,  die  uns  mit  der  Karbolsäure  zur  Bei¬ 
fügung  stehen,  zu  bezweifeln.  Als  5.  und  letzter  der  neueren  \  or- 
sehläge  sei  hier  noch  erwähnt  die  Anwendung  der  3  prom.  Lösung 
von  Hg-Citrat-Aethylen-Diamin,  die  von  K  r  ö  n  i  g  und  B  l  u  m  - 
b  erg  nach  der  Heisswasser- Alkoholdesinfektion  zur  Einwirkung 
empfohlen  wird.  So  viel  ich  aus  der  Literatur  ersehe,  hat  nui 
Sch  äff  er  ausser  den  Autoren  selbst  dieses  Verfahren  nach¬ 
geprüft,  ist  aber  nicht  zu  befriedigenden  bakteriologischen  Er¬ 
gebnissen  gelangt.  _  ... 

Was  nun  meinen  persönlichen  Standpunkt  betrifft.,  so  bin  ich 
nach  der  Aera  der  Karbolsäure,  unter  der  unsere  Hände  Ende  der 
70  er  und  Anfang  der  80  er  Jahre  schwer  litten,  um  das  Jahr  1888 
herum,  wo  Fürbringer  den  Alkohol  in  die  Händedesinfektion 

einführte,  zu  dessen  Heisswasser- Alkohol-Sublimatdesinfektions- 

methode  übergegangen  und  ihr  bis  zum  J alire  1896  treu  ge¬ 
blieben.  Dann  sind  wir,  weil  auch  das  Sublimat  die  Hände  an- 
g  reift,  zu  der  Ah  lfeld  sehen  Heisswasser- Alkoholhändedes- 
iitfektion  übergegangen.  Unter  ihr  haben  sich  sowohl  unsere 
Hände  wie  unsere  Operirten  vortrefflich  befunden,  und  ich  habe 
bei  aufmerksamer  Beachtung  der  Resultate  meiner  Operationen, 
unter  denen  sich  in  diesem  Zeiträume  ca.  350  Laparotomien  be¬ 
finden,  keinen  Fall  mehr  gefunden,  in  dein  ich  die  Störung  des 
Wundverlaufes  einer  mangelhaften  Händedesinfektion  mit  Grund 
hätte  zur  Last  legen  können.  Mit  unter  dem  Einflüsse  der  guten 
Ergebnisse  der  A  li  1  f  e  1  d  sehen  Händedesinfektion  hat  sich  z.  B. 
unsere  Stellung  zu  der  Frage  der  Katguteiterung  im  wesentlichen 
dahin  geändert,  dass  wir  zu  der  Ueberzeugung  gelangt  sind,  dass 
die  Fälle  von  „Katguteiterung“,  die  uns'  früher  beunruhigten, 
ausnahmlos  durch  sekundäre  Verunreinigung  des  an  sich  ein¬ 
wandfreien  Katgut  durch  Hände,  Luft  oder  Haut  des  Operierten 
verursacht  worden  sind. 

Doch  diese  günstigen  Erfahrungen  im  allgemeinen  würden 
mich  nicht  veranlasst  haben,  das  Thema  der  Händedesinfektion 
hier  vor  Ihnen  zu  besprechen.  Was  mich  dazu  angeregt  hat, 
ist  vielmehr  eine  interessante  Erfahrung  am  Operationstische, 
die  mir  zu  denken  gegeben  hat  und  die  mir  eine  erfreuliche  Be¬ 
stätigung  der  durch  6  Jahre  erprobten  Leistungsfähigkeit  des 
A  h  1  f  e  1  d  sehen  Verfahrens  der  Heisswasser- Alkoholhändedes- 
infektion  für  den  Chirurgen  gewesen  ist. 

Gestatten  Sie,  Ihnen  dieselbe  hier  kurz  zu  skizzieren: 

Am  28.  Januar  d.  .T.  Nachmittags  sah  ich  in  der  Privatpraxis 
mit  dem  Hausarzte  zusammen  einen  älteren  Herrn,  den  ich  wäh¬ 
rend  der  letzten  .Jahre  mehrfach  wegen  diabetischer  Phlegmone 
und  Gangrän  an  Fuss  und  Zehen  behandelt  hatte.  Er  war  vor 
3  Tagen  unter  hohem  Fieber  und  schwerer  Störung  des  Allgemein¬ 
betindens  erkrankt.  Ich  fand  eine  Phlegmone  der  Vorderfläche 
des  Unterschenkels,  an  der  Innenseite  von  Knie  und  Oberschenkel 
.lyiupliangitiscke  Streifen  und  eine  empfindliche  Schwellung  der 
Sehenkoldriist  n.  Ich  riet  zu  einer  Spaltung  und  setzte  die  Ope¬ 
ration  auf  r>Vo  Ehr  desselben  Nachmittags  an,  so  rasch,  wie  es 
überhaupt  wegen  der  zu  treff enden  Vorbereitungen  möglich  war.  Als 
ich  kurz  vor  5  Uhr  in  meiner  Wohnung  ankam,  um  die  Instrumente 
auszukochen,  hatte  gerade  vorher  ein  Kollege  telephonisch  ge¬ 
beten,  ich  möchte  mit  ihm  eine  Ileuskranke  untersuchen.  Da  der 
Kollege  bei  der  Patientin  auf  mich  wartete,  so  fuhr  ich  noch  vor 
,1er  Plilegmouenoperation  hin,  untersuchte  die  Kranke,  die  seit 
12  Stunden  an  akut  aufgetretenem  Ileus  litt,  zu  dem  noch  ein  Abort 
im  3.  Monate  hinzugetreten  war.  Als  ich  per  vaginam  untersuchte, 
lag  der  Embryo  bereits  in  der  Scheide.  Da  der  Leib  sich  in  den 
letzten  Stunden  zusehends  aufgetrieben  hatte,  so  riet  ich,  die 
Kranke  inzwischen  nach  Bethesda  bringen  zu  lassen,  und  ver¬ 
sprach,  dieselbe  noch  denselben  Abend  zu  operieren.  Dann  fuhr 
ich  zu  dem  Kranken  mit  der  diabetischen  Phlegmone.  Diese  prä¬ 
sentierte  sich  bei  der  Spaltung  als  ein  „akut  purulentes  Oedem 
Pirogoff",  aus  dem,  wie  ich  vorausbemerken  möchte,  der  Strepto¬ 
kokkus  in  Reinkultur  aufging.  Bei  der  Spaltung  der  Phlegmone 
musste  ich  mich  mit  Assistenz  etwas  behelfen,  wenigstens  hatte 
ich  weniger  Hilfe,  als  im  Hospitale.  Ein  Kollege  narkotisierte, 


während  ein  Wärter  und  der  Sohn  des  Patienten  mir  an  der  Wunde 
zur  Hand  gingen.  Ich  war  wiederholt  genötigt,  mit  Daumen  und 
Zeigefinger  der  linken  Hand  die  Hautlappen  zu  spannen.  Ich 
bemerke  ausdrücklich,  dass  ich  vor  der  Phlegmonenspaltung  mir 
nicht  bewusst  war,  irgend  welche  wunde  Stellen  an  meinen  lun¬ 
gern  zu  haben.  .  _  •  .  .  .. 

Denselben  Abend,  7 y3  Uhr.  operierte  ich  in  Bethesda  die 
Ileuskranke.  Wir  desinfizierten  uns  in  gewohnter  Weise,  und  zwar 
sehr  eingehend,  nach  Ah  lfeld.  Es  ergab  sich  ein  Strangu- 
lationsileus,  dadurch  bedingt,  dass  ein  straffer,  von  links  unten 
„ach  rechts  oben  durch  die  Bauchhöhle  gespannter  Netzstrang  (len 
Dünndarm  in  der  Mitte  seines  Verlaufes  abgeschnurt  hatte.  Ehe 
ich  die  Ursache  des  Ileus  fand,  musste  ich  einen  grossen  Teil  der 
Därme  aus  der  Bauchhöhle  herauslagern.  Die  Serosa  des  oberen, 
sehr  geblähten  Dünndarmabschnittes  sowie  des  ebenfalls  stark 
meteoristiscli  aufgetriebenen  Querkolon  war  bereits  stark  injiziert, 
sowie  hie  und  da  von  Fibrinbeschlägen  bedeckt.  Das  Wiederem- 
packcn  der  Därme  war  wegen  des  starken  Meteorismus  recht  er¬ 
schwert  und  ich  war  genötigt,  meine  Hände  tüchtig  mit  den  Där¬ 
men  in  Berührung  zu  bringen.  Das  Zurückbringen  der  Därme  ge¬ 
lang  uns  erst  durch  Anwendung  des  seiner  Zeit  von  Kummeil 
empfohlenen  praktischen  Auskunftsmittels,  das  darin  besteht,  dass 
man  eine  Kompresse  über  die  Därme  deckt,  deren  Ränder  man 
unter  die  Bauchdecken  stopft,  um  dann  einen  gleiclimässig  wirken¬ 
den  Druck  auf  die  unter  dem  Tuch  liegenden  Darmschlingen  aus¬ 
zuüben.  ,,  .Cll  ... 

Die  Patientin  machte  eine  günstige,  vollkommen  fieberlose 

Rekonvaleszenz  durch.  Auch  der  Schnitt  durch  die  Bauchdecken 
heilte  in  ganzer  Ausdehnung  per  primam,  ohne  einen  Tropfen 
Eiter.  Nur  trat,  nachdem  am  10.  Tage  die  Nähte  fortgenommen 
waren  aus  dem  obersten  Stichkanal  eine  Absonderung  von  Dünn¬ 
darminhalt  ein.  die  aber  nach  Verlauf  von  4—5  Tagen  spurlos 

aufhörte  *).  _  .  „  ,  r.  .  A 

Am  Abend  spät  spürte  ich  in  der  Spitze  meines  linken  Zeigt - 

tingers  Schmerzen.  Hier  fanden  sich  zwei  lebhaft  gerötete  kleine 
Stellen,  über  die  ich  einen  „Priessnitz“  legte.  Am  anderen  Mittag 
klopfte  es  in  der  Zeigefingerspitze.  Ein  Einschnitt  entleerte  einigt* 
Tropfen  blutigen  Serums,  aus  dem  der  Streptokokkus  in  Reinkultur 
auf  ging.  Es  bedurfte  noch  zweier  Einschnitte,  bis  der  Prozess 

zum  Stillstände  gelangte.  ,  ,  „  ,  „  , 

Ich  füge  hinzu,  dass  bei  dem  Diabetiker  noch  mehrfache  Spal¬ 
tungen  erforderlich  wurden,  dass  aber  trotzdem  nach  etwa 
3  Wochen  der  Exitus  eintrat.  Der  Sohn,  der  mir  bei  der  Plileg- 
monenspaltung  geholfen  hatte,  erkrankte  wenige  Tage  später  an 
einer  foudroyauten  Streptokokkenphlegmone  des  Unterschenkels, 
ausgehend  von  mehreren  wunden,  vom  Footballspielen  herriihren- 
den  Stellen,  an  denen  er  sich  gekratzt  hatte.  Die  Erkrankung  trug 


wieder  ausser  Bett  ist. 

Ein  Kommentar  zu  diesem  Erlebnis  ist  fast  unnötig. 

Ich  infizierte  mich  bei  der  Phlegmonenspaltung  am  linken 
Zeigefinger  mit  Streptokokken.  Ohne  dies  zu  wissen,  operierte 
ich  die  Ileuskranke  und  brachte  meine  Hände  in  die  innigste 
Berührung  mit  dem  Inhalte  der  Bauchhöhle,  lrotzdem  verlief 
die  Ileusoperation  aseptisch. 

Ein  glänzenderes  praktisches  Zeugnis  kann  der  Alilfeld- 

sclien  Heisswasser- Alkoholdesinfektionsmethode  nicht  ausgestellt 
werden.  Die  oberflächlichen  in  der  Haut  sitzenden  Strepto¬ 
kokken  waren  unschädlich  gemacht  worden,  während  die  bereits 
tiefer  eingewanderten  sich  später  noch  entwickelten.  V  ir  sehen 
wieder  aus  diesem  Beispiel,  welche  Gefahren  unser  Beruf  birgt, 
nicht  bloss  für  uns  —  das  ist  ja  zur  Genüge  bekannt  sondern 
vor  allem  für  unsere  Kranken,  und  wie  es  uns  durch  die  Zwangs¬ 
lage,  sofort  handeln  zu  müssen,  wenn  der  Ruf  an  uns  ergeht,  er¬ 
schwert  wird,  die  von  uns  selbst  als  so  notwendig  erkannte  „pro 
pbylaktische  Asepsis“  einzuhalten. 

Die  von  uns  seit  6  J  ahren  zu  unserer  und  unserer  Kränken 
Zufriedenheit  geübte  Iländedesinfektion  hat  sich,  um  es  kurz  zu 
sagen,  so  ausgezeichnet  bewährt,  dass  wir  berechtigt  sind,  zu 
sagen :  „Mehr  als  die  Ahl  f  el  d  sehe  Methode  in  diesem  ekla¬ 
tanten  Beispiele  geleistet  hat,  kann  der  Chirurg  nicht  wohl  von 
einer  Methode  der  Händedesinfektion  verlangen“. 

Mir  wurde  dies  Erlebnis  eine  willkommene  Anregung,  mich 
auf  Grund  des  augenblicklichen  Standes  der  Frage  von  neuem 
darüber  zu  orientieren,  ob  und  wie  die  theoretischen  wissenschai  t- 
lich-bakteriologischen  Forschungs-  und  Prüfungsresultate  der 
A  h  1  f  e  1  d  sehen  Iländedesinfektion  mit  unseren  Erfahrungen  in 
Einklang  zu  bringen  sind,  und  welche  Kräfte  cs  nach  dem  heuti¬ 
gen  Stande  unserer  Erkenntnis  und  Erfahrungen  sind,  die  diese 
Leistungsfähigkeit  der  Methode  bedingen. 


’)  Ich  muss  es  dahingestellt  sein  lassen,  ob  dies  Ereignis  die 
Folge  einer  unabsichtlichen  Nadelverletzung  einer  geblähten 
Darmschlinge  gewesen  ist.  Für  die  sonstige  Beurteilung  ist  dieser 
Zwischenfall  ohne  Belang. 


29.  Juli  1902. 


Hier  interessiert  uns  nun  besonders,  dass  es  Ahlfeld 
durch  sein  Verfahren  unter  75  Fällen  40  mal  gelungen  ist,  die  mit 
Tagesschmutz  versehenen  Hände  so  tiefgehend  zu  desinfiziex'en, 
dass  er  sie  noch  nach  \  erlauf  von  einer  Stunde  keimfrei  fand, 
ln  den  35  nicht  keimfrei  befundenen  Fällen  waren  es  meist 
Spaltpilze  aus  der  Reihe  der  widerstandsfähigen  Kartoffelbazillen, 
die  nachgewiesen  wurden.  2  mal  infizierte  er  Hände  mit  dem 
Locliialsekret  einer  Wöchnerin  mit  S trep tokokken-P uerperal- 
fieber;  trotzdem  gelang  es  ihm  in  beiden  Fällen,  die  Hände  keim¬ 
frei  zu  machen. 

Ob  man  nun  das  Resultat  dieser  Desinfektion  eine  „Schein¬ 
desinfektion“  nennt,  oder  ob  man  eine  wirkliche  Desinfektion  an¬ 
erkennt,  das  ist  meiner  Ueberzeugung  nach  vom  praktisch¬ 
chirurgischen  Standpunkte  gleichgiltig.  Mit  keiner  der  ge¬ 
bräuchlichen  Desinfektionsmethoden  wird  man  Hände  wie  Haut 
länger  als  für  eine  bestimmte  Spanne  Zeit  keimfrei  resp.  keim¬ 
arm  machen  können  —  eben  weil  es  sich  um  lebende  Gewebe 
handelt.  So  werden  wir  auch  bei  allen  unseren  Operationen 
niemals  über  eine  bestimmte  Zeit  hinaus  dem  Resultat  unserer 
ersten  Desinfektion  vertrauen  können,  da  in  vielen  Fällen  durch 
die  Operation  selbst  unsere  Hände  ihren  aseptischen  Charakter 
sehr  bald  wieder  verlieren  und  wir  schon  dadurch  zu  einer 
Wiederholung  der  Desinfektion  veranlasst  werden. 

Die  exakten  Untersuchungen  von  Paul  und  Sarwey,  die 
von  manchen  Seiten  und  von  den  Autoren  selbst  als  für  die 
Ahlfeld  sehe  Desinfektion  ungünstig  angesehen  werden,  lassen 
sich  verschieden  interpretieren.  Wenn  die  Untersucher  nach 
5  Minuten  langem  Bearbeiten  mit  Wasser  und  Seife  und  Bürste 
mehr  Keime  entnehmen  konnten,  als  von  der  undesinfizierten, 
mit  Tagesschmutz  behafteten  Hand,  und  wenn  dann  nach  einer 
5  Minuten  währenden  Alkoholbehandlung  unter  12  Versuchen 
3  mal  keine  Keime  aufgingen  und  9  mal  wenig  Keime,  so  ist  dies 
nach  meiner  Auffassung  eine  entschieden  günstige  Einwirkung 
des  Alkohols,  zumal  wenn  man  der  Tatsache  eingedenk  bleibt, 
dass  es  überhaupt  nicht  gelingt,  Hände  im  bakteriologischen 
Sinne  regelmässig  keimfrei  zu  machen.  Der  dann  folgende  Ver¬ 
such,  in  dem  die  Hände  10  Minuten  in  warmem  Wasser  von  42 u 
aufgeweicht  wurden,  und  wo  das  Wasser  2  mal  steril  befunden 
wurde,  während  10  mal  wenig  Keime  und  3  mal  viel  Keime 
wuchsen,  entspricht  in  der  Tat  nicht  ganz  den  Verhältnissen, 
denen  die  Hände  bei  den  meisten  Operationen  ausgesetzt  sind. 
So  lange  und  bei  derartig  erhöhter  Temperatur  werden  doch  die 
Hände  in  der  Regel  nicht  „eingeweicht“. 

Dass  am  Schlüsse  der  Prozeduren  noch  unter  10  Proben,  die 
mit  dem  „scharfen  Löffel“  entnommen  wurden,  alle  Proben  Keime 
enthielten,  und  zwar  6  wenig  und  4  viel,  möchte  schliesslich  wohl 
bei  allen  Methoden  der  Händedesinfektion  herauskommen.  Dies 
Ergebnis  der  Bearbeitung  der  Haut  mit  dem  scharfen  Löffel 
beweist  meiner  Ansicht  nach  nichts  weiter,  als  dass  in  die 
tiefsten  Schichten  der  Oberhaut  überhaupt  kein  Desinfizienz 
mehr  eindringen  kann. 

Die  neuesten  bakteriologischen  Untersuchungen  verschiedener 
Methoden  der  Händedesinfektion  hat  Schäffer  ausgeführt. 
Es  gingen  nach  Verwendung  der  Marmorseife  auf:  20  000 
Keime,  nach  Benutzung  von  Lysoform  3%  Proz.  =  1500, 
von  Ühinosol  6  Prom.  =  500,  von  Hg-Aethylen-Diamin  3  Prom. 
=  145,  von  Sublimat  1  Prom.  =  150,  von  Lysol  76,  von  Seifen¬ 
spiritus  25,  nach  der  Ileisswasser-Alkoholdesinfektion  3.  Somit 
ergeben  auch  diese  Versuche  eine  volle  Bestätigung  der  von 
Ahlfeld  selbst  angestellten  vielfältigen  vergleichenden  Unter¬ 
suchungen. 

Fragen  wir  nun  noch  zum  Schluss,  wie  der  Alkohol  einwirkt, 
so  hat  man  trotz  aller  Bemühungen  bisher  noch  keine  völlig  aus¬ 
reichende  Antwort  geben  können.  Bekanntlich  hat  Koch  seiner 
Zeit  die  antiseptische  Kraft  des  Alkohols  verneint,  ja  sogar  be¬ 
hauptet,  dass  kräftige  Antiseptika  durch  Zusatz  von  Alkohol, 
sowie  von  Oel  in  ihrer  Wirksamkeit  abgeschwächt  würden. 
Diese  Untersuchungen  sind  seiner  Zeit  angeregt  worden  durch 
die  ursprüngliche  L  i  s  t  e  r  sehe  Katgutzubereitung.  Ob  hier 
Praxis  und  Theorie  miteinander  übereinstimmen,  muss  nach  den 
klinischen  Erfahrungen  zum  mindesten  zweifelhaft  bleiben. 

Man  hat  aber  später  doch  gewisse  antiseptische  Eigenschaften 
des  Alkohols  festgestellt,  soBuchholtz  in  Dorpat,  ferner 
Unna  gegenüber  TIautparasiten  der  Trichophytie  und  des 
Favus;  auch  hatte  die  Einschaltung  des  Alkohols  in  die  Hände-  | 

No.  30. 


1253 

desinf  ektion  durch  F  ü  r  b  r  i  n  g  e  r  entschieden  eine  Besserung 
der  Resultate  herbeigeführt,  die  man  nicht  wohl  anders  als  auf 
den  Alkohol  beziehen  konnte. 

Es  scheint  auch  in  der  lat,  dass  der  Alkohol  entwicklungs¬ 
hemmende  V  irkungen  auf  Bakterien  besitzt,  aber  mehr  auf  vege¬ 
tative  als  auf  Dauerformen.  W ahrscheinlich  spielt  seine  gewebe¬ 
härtende  Eigenschaft  auch  eine  gewisse  Rolle,  ebenso  seine  Wir¬ 
kung  auf  Fette,  wenn  auch  erwiesen  ist,  dass  es  die  fettlösende 
Kraft  allein  nicht  sein  kann,  da  der  Aether  nicht  dieselbe  keim¬ 
tötende  Wirkung  entfaltet.  Wahrscheinlich  ist  eine  ei  weiss¬ 
fällende  Kraft  mit  im  Spiele  und  eine  dadurch  bedingte  Ein¬ 
wirkung  auf  das  Protoplasma  der  Bakterien. 

Erwiesen  ist  auch  durch  vielfältige  Untersuchung,  dass,  je 
konzentrierter  der  Alkohol,  desto  besser  seine  Wirkung  ist,  dass 
aber  Vorbedingung  dazu  die  gründliche  Durchfeuchtung  der 
Oberhaut  mit  warmem  Wasser  ist.  Ohne  diese  ist  die  Wirkung 
wesentlich  schwächer.  Diese  grosse  Durchdringungsfähigkeit 
gegenüber  durchfeuchtetem  Material  hängt  aber  wohl  mit  der 
wasserentziehenden  Kraft  des  Alkohols  zusammen.  Es  gibt  kein 
sichereres  Mittel,  um  Aufschluss  zu  bekommen,  ob  die  Hände  heil 
sind,  als  die  Anfeuchtung  derselben  im  wasserfeuchten  Zustande 
mit  Alkohol.  Auf  noch  so  kleine  wunde  Stellen  wird  man  sofort 
durch  das  eintretende  intensive  Brennen  aufmerksam  gemacht. 
Ahlfeld  und  Rieländer  haben  diese  Fähigkeit  des  Alko¬ 
hols,  in  die  Oberhaut  einzudringen,  experimentell  geprüft  mit 
Hilfe  von  Ferro-Cyan-Kupfer,  das  sie  dem  Alkohol  beimengten. 
Sie  haben  diesen  Farbstoff  an  Schnitten  bis  in  die  Ausführungs- 
gäuge  der  Talg-  und  Schweissdrüsen  nachweisen  können. 

Es  scheint  nach  alledem,  als  ob  bei  der  Alkoholfrage  die 
Empirie  der  wissenschaftlich  exakten  Forschung  vorausgeeilt 
wäre.  Genau  so,  wie  wir  es  in  den  ersten  Anfängen  der  bahn¬ 
brechenden  Entdeckungen  L  i  s  t  e  r  s  erlebt  haben. 

Mach  den  klinischen  Erfahrungen  am  Operationstische,  die 
durch  das  eine  interessante  Beispiel  von  Wirksamkeit  des  Ver¬ 
fahrens  gegenüber  der  Streptokokkeninfektion  noch  eine  wert¬ 
volle  Bestätigung  gefunden  haben,  möchte  ich  die  Ahlfeld  sehe 
Heisswasser- Alkoholdesinfektionsmethode  als  äusserst  brauchbar 
für  unsere  chirurgischen  Zwecke  bezeichnen.  Auf  Grund  dieser 
eigenen  Erfahrungen  und  der  eingehenden  Untersuchungen  und 
Prüfungen  Ahlfelds  fühle  ich  mich  berechtigt,  an  dem  Ver¬ 
fahren  bis  auf  weiteres  festzuhalten,  solange,  bis  vielleicht  im 
Laufe  der  Weiterentwicklung  der  Wissenschaft  neue  Gesichts¬ 
punkte  auf  treten,  die  uns  zwingen,  etwas  noch  Wirksameres  an 
seine  Stelle  zu  setzen. 

Wenn  ich  jetzt  eine  neue,  einstweilen  für  unsere  Hospital¬ 
zwecke  gütige  Vorschrift  zur  chirurgischen  Händedesinfektion 
redigieren  sollte,  so  würde  ich  eine  kleine  Modifikation  der 
A  li  1  f  e  1  d  sehen  Vorschrift  eintreten  lassen.  Ich  würde  raten, 
grundsätzlich  die  Bürste  erst  ganz  zuletzt,  wenn  das  Wasser  über¬ 
haupt  nicht  mehr  schmutzig  wird,  anzuwenden.  Den  Gebrauch 
der  Bürste  halte  ich  aus  verschiedenen  Gründen,  solange  den 
Händen  noch  Tagesschmutz  anhaftet,  nicht  für  rationell  und 
auch  sonst  nicht  für  gleichgültig  im  Sinne  der  „Händekosmetik“. 

Das  Hauptgewicht  der  Vorbereitung  für  die  nachfolgende 
Alkoholbehandlung  möchte  ich  auf  das  voraufgehende  Seifen  und 
Einweichen  der  Hände  ohne  mechanisch  angreifende  Ein¬ 
wirkungen  legen,  mit  h  ä  u  f  i  g  e  r  Erneuerung  des  warmen 
Wassers  oder  unter  fliessendem  Wasser. 

Stillschweigende  Voraussetzung  bei  der  Händedesinfektion 
ist  aber,  was  zu  erwähnen  ich  fast  für  überflüssig  halte,  dass 
auch  der  ganze  übrige  Körper  nebst  Kleidung  bei  der  Vorberei¬ 
tung  zur  Operation  entsprechend  berücksichtigt  wird.  So  vor 
allem  der  Kopf.  Die  Bart-  und  Kopfhaare  wirken  meiner  Er¬ 
fahrung  und  Ueberzeugung  nach  wie  ein  „Makartstrauss“,  indem 
sie  aus  allen  Räumen,  die  der  Arzt  betritt,  den  Luftstaub  und 
die  in  ilmi  enthaltenen  Bakterien  mitnehmen. 

Regelmässiges  Seifen  des  Kopfes  vor  allen  grösseren  und 
wichtigen  Operationen  und  ausserdem  noch  eine  regelmässige 
Pflege  des  Kopfes  halte  ich  für  eine  unerlässliche  Bedingung. 
Wer  an  „Schweisstriefen“  leidet,  tut  wohl  daran,  sterile  Opera¬ 
tionsmützen  oder  „Schleier“  nach  W  i  t  z  e  1  zu  tragen.  Des¬ 
gleichen  soll  man  sich  den  Gesichtspunkt  der  vom  Munde  aus¬ 
gehenden  Speichelinfektion  (v.  M  i  k  u  1  i  c  z)  immer  gegenwärtig 
halten.  Wer  viel  spricht  oder  sprechen  muss,  oder  wer  an 
Schnupfen  leidet,  bediene  sich  im  Interesse  seiner  Patienten  dev 

2 


MüENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1254 


MI] EN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


„Mundbinde“.  Auch  würde  ich  trotz  des  grossen  Vertrauens 
in  die  A  h  1  f  e  1  d  sehe  Desinfektion  unbedingt  auf  Königs 
Seite  stehen,  der  davor  warnt,  durch  Einführung  des  Fingers  den 
Zustand  eines  eröffneten  Gelenkes  zu  ergründen.  Wo  eine  ge¬ 
naue  Untersuchung  des  Gelenkinnern  dringend  geboten  ist,  würde 
ich  vielmehr  dazu  raten,  das  Gelenk  durch  weite  Eröffnung  dem 
Auge  frei  zu  legen. 

Je  mehr  wir  alle  hierher  gehörenden  Gesichtspunkte  berück¬ 
sichtigen,  desto  weniger  werden  wir  in  unserer  guten  Absicht, 
unseren  Kranken  zu  nützen,  gehindert  werden. 


Aus  der  k.  dermatologischen  Klinik  des  Herrn  Prof.  Dr.  Posselt 

zu  München. 

Die  Modifikation  der  subkutanen  Arseniktherapie  nach 
Ziemssen-Speth. 

Von  Privatdozent  Dr.  Jesionek,  Assistent  der  Klinik. 

Auf  der  letzten  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und 
Aerzte  zu  München  habe  ich  (Autoreferat,  Arcli.  f.  Denn.  u.  Sypli. 
1900,  Bd.  51)  gelegentlich  der  Demonstration  eines  Falles  von 
Dermatitis  herpetiformis  in  der  Sektion  für  Dermatologie  und 
Syphilis  über  die  an  der  P  o  s  s  e  1 1  sehen  Klinik  übliche  F  orm 
der  subkutanen  Arsenikmedikation  Mitteilung  gemacht.  Ich 
habe  darauf  hingewiesen,  dass  die  von  uns  in  Gebrauch  gezogene 
Lösung  nach  den  Angaben,  die  Ziemssen  im  Deutsch.  Arcli. 
f.  klin.  Med.  1896,  Pd.  56,  gegeben  hat,  hergestellt  und  verwendet 
wird. 

Es  handelt  sich  bei  dieser  Methode  um  die  Injektion  einer 
eigenartigen  Lösung  des  Natriumsalzes  der  arsenigen  Säure. 
Diese  Lösung  wird  nicht  in  der  Weise  zubereitet,  dass  arsenig- 
saures  Natrium  in  bestimmtem  Prozentverhältnisse  in  Wasser 
gelöst  wird,  sondern  die  Darstellung  ist  eine  kompliziertere;  in 
meinem  Autoreferate  habe  ich  ausdrücklich  die  F  orniel  wieder¬ 
gegeben,  nach  welcher  Ziemssen  die  Lösung  hat  bereiten 
lassen. 

Die  Angabe  Ziemssens  lautet :  „1  g  Acidum  arsenicum 
(am  besten  von  der  glasigen  Form)  wird  mit  5  ccm  Normal¬ 
natronlauge  in  einem  Reagensrohr  gekocht,  bis  vollständige 
Lösung  erfolgt;  hierauf  wird  die  Flüssigkeit  in  einen  Mess¬ 
kolben  gespült,  auf  100  g  verdünnt  und  filtriert.  Zum  Gebrauche 
füllt  man  den  Liquor  in  kleine  Gläschen  von  2  ccm,  welche, 
mit  Wattepropfen  versehen,  im  Dampfstrom  sterilisiert  werden.“ 

Ziemssen  hat  also  nicht  schlechtweg  den  Gebrauch  von 
Natrium  arsenicosum-Lösungen  empfohlen,  sondern  was  er  Neues 
damals  angegeben  hat,  ist  die  Art  und  Weise  der  Dar¬ 
stellung  einer  dem  Zwecke  der  subkutanen  Injektion  ent¬ 
sprechenden  Lösung. 

Auch  in  meinem  Referate  findet  sich  meines  Erachtens 
nichts,  was  einer  anderweitigen  Auffassung  der  Beziehungen 
Ziemssens  zu  der  therapeutischen  Verwendung  des  Natrium 
arsenicosum  hätte  entsprungen  sein  können. 

Herr  Geheimrat  Professor  Dr.  Ivöbner  ersucht  mich  nun, 
in  Pezug  auf  mein  Referat  im  Archiv  für  Dermatologie  und 
Syphilis  eine  Perichtigung  dahin  zu  bringen,  dass  nicht 
Ziemssen  es  ist,  sondern  er,  Iv  ö  b  n  e  r,  welcher  die  Natrium 
arsenicosum-Injektionen  eingeführt  und  empfohlen  habe.  Herr 
Geheimrat  v.  Ziemssen  habe  ihm  gelegentlich  eines  zu¬ 
fälligen  persönlichen  Zusammentreffens  hinsichtlich  seiner  Publi¬ 
kation  im  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  eine  Perichtigung  in 
Aussicht  gestellt;  die  Köbn  er  sehen  Veröffentlichungen  zu 
dieser  Frage  seien  ihm  völlig  entgangen. 

Nachdem  mir  nun  von  jeher  bekannt  gewesen  war,  dass 
es  in  erster  Linie  Köbner  ist,  dem  wir  die  Methode  der 
subkutanen  Verwertung  des  Arsenik  verdanken 
—  siehe  Deutsch,  med.  Wochensclir.  1881,  No.  1:  Köbner: 
Peschleunigte  Heilung  des  Lichen  ruber  exsudativus  durch  sub¬ 
kutane  Arsenikinjektionen  — ,  bin  ich  meinerseits  gerne  bereit, 
auch  die  Tatsache  hier  ausdrücklich  hervorzuheben,  dass 
K  ö  b  n  e  r  bereits  1886  als  erster  die  Einspritzungen  des  Na¬ 
trium  arsenicosu m  empfohlen  hat  —  und  zwar  tue  ich 
das  um  so  lieber,  als  ich  nirgends  eine  gegenteilige  Behauptung 
aufgestellt  habe.  Pei  Gelegenheit  der  Vorstellung  eines  Falles 
von  multiplen  Hautsarkomen  der  Extremitäten  in  der  Berliner 


medizinischen  Gesellschaft  (10.  Februar  1886)  hat  Köbner  ) 
ausgeführt,  dass  er  die  subkutane  Arseninjektion  schon  seit 
einigen  Jahren  etwas  anders  als  früher  verordne;  es  sei  sicherer, 
statt  der  Solutio  Fowleri  recenter  parata  folgendennassen  zu  re- 
zeptieren : 

Rp.  Natr.  arsen.  0,1, 

coque  c.  aqua  bis  dest.  10,0. 

Einer  brieflichen  Mitteilung  des  Herrn  Geheimrat  Köbner 
an  mich  vom  8.  II.  1902  verdanke  ich  auch  die  Kenntnis,  dass 
Köbner  die  Formel  weiterhin  also  ausgedrückt  habe: 

lip.  Natr.  arsen.  0,1 

solve  in  aqua  dest.  ebullient.  10,0, 

anfangs  mit  dem  Zusatze: 

refrigera,  adde  acid.  carbol.  0,1, 

später  ohne  denselben 

D.  in  vitro  c.  epist.  vitreo. 

Was  endlich  die  von  mir  angegebene  Modifikation  der 
intramuskulären  Injektion  an  Stelle  der  subkutanen  be¬ 
trifft,  so  muss  ich  wiederum  auf  Köbner  zurückverweisen 
und  zwar  auf  seine  zweite  Aeusserung  und  Mitteilung  iiboi  die 
subkutane  Applikation  des  Arsenik. 

Gelegentlich  der  Demonstration  und  Besprechung  der  Hei¬ 
lung  eines  Falles  von  allgemeiner  Sarkomatose  der  Haut  durch 
subkutane  Arseninjektionen  in  der  Berl.  med.  Gesellscli.  vom 
25.  1.  1882  erwähnt  Köbner  “),  dass  er  bei  sehr  empfindlichen 
Patienten  die  Injektionen  der  F  o  w  1  e  r  sehen  Lösung  nicht 
subkutan,  sondern  intramuskulär  in  die  Glutäen  gemacht  habe, 
„wo  sie  sehr  gut  vertragen  wurden“. 

Köbner  hat  also  alles  Recht,  Anspruch  darauf  zu  erheben, 
dass  er  als  derjenige  bezeichnet  werde,  welcher  die  subkutane 
Applikation  der  Fowlerschen  Lösung  sowohl  wie 
des  Natrium  arsenicosum  in  die  Therapie  eingeführt 
hat;  er  hat  auch  als  erster  die  intramuskuläre  Injek¬ 
tion  des  Liquor  Fowleri  empfohlen.  Ziemssen  aber  kommt 
das  Verdienst  zu,  eine  neue  Methode  der  Darstellung 
einer  Arseniklösung  gegeben  zu  haben,  welche  dem 
Zwecke  der  subkutanen  resp.  intramuskulären  Einverleibung  in 
einem  noch  weit  höheren  Grade  entspricht. 

Der  Priorität  Köbners  dürfte  durch  diese  Modifikation 
kein  Eintrag  getlian  sein. 

Die  von  uns  in  Anwendung  gezogenen  Lösungen,  wie  sie 
Ziemssen  angegeben  hat,  die  wir  in  letzter  Linie  dem  Ober¬ 
apotheker  an  unserem  Krankenhause,  Herrn  Spetli,  verdanken, 
unterscheiden  sich  in  einigen  sehr  wesentlichen  Punkten  von 
den  einfachen  Lösungen  des  Natronsalzes,  wie  sie  Köbner 
empfohlen  hat. 

Beim  Kochen  von  arseniger  Säure  mit  äquivalenten  Mengen 
von  Natronlauge  entsteht  eine  Lösung  von  Natriummetarsenit, 
As  0„  Na,  nach  der  Formel 

As2  03  +  2  NaOII  =  2  (As02  Na)  +  H2  O. 

Vergleicht  man  in  dieser  Formel  die  ^tomgewiclitsvorhältnisse, 
so  ergibt  sich,  dass  auf  1,0  Acidum  arsenicosum  0,4  Natrium¬ 
hydroxyd  treffen,  nach  der  Gleichung 

198  :  80  =  1,0  :  X 
X  =  0,404 

0,4  Natriumhydroxyd  sind  in  10  ccm  der  Normalnatronlaugc 
enthalten.  Um  die  Alkaleszenz  der  Salzlösung  herabzusetzen,  hat 
nun  Herr  Oberapotheker  Speth  zur  Herstellung  der  Lösung 
nur  die  halbe  Menge  NaOH  benützt.  Nimmt  man  nämlich  die 
Hälfte  der  äquivalenten  Menge  NaOIT  in  1  ccm  II2  O  gelöst,  so 
entsteht  eine  Verbindung,  die  sich  auf  Zusatz  von  absolutem 
Alkohol  als  weisser  feinpulveriger  Niederschlag  abscheidet,  ana¬ 
log  der  Verbindung,  die  durch  Auflösen  von  arseniger  Säure  in 
der  möglichst  geringen  Menge  Kalilauge  gewonnen  wird;  siehe 
S  c  h  m  i  d  t,  pharmazeut.  Chemie  Bd.  I.  Die  wahrscheinliche 
Zusammensetzung  des  Niederschlages  in  unserem  Falle  ist  also 
[Na  As  02  +  H  As  02  +  FL  O] . 

Dieses  ist  das  Salz,  das  in  der  Ziemssen-Speth  sehen 
Flüssigkeit  gelöst  ist.  Es  zeichnet  sich  somit  dieser  Liquor  durch 
eine  sehr  geringe  Menge  Alkalis  aus,  er  reagirt  wesentlich  wem 

’)  Berl.  klin.  Woclienschr.*188(>,  No.  12. 

2)  Berl.  klin.  WochensclirflSö3,  No.  2. 


29.  Juli  1902. 


MÜENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1255 


gor  stark  alkalisch  als  eine  gleichviel  arsenige  Säure  enthaltende 
Lösung  von  Natrium  arsenicosum. 

Geht  man  bei  der  Herstellung  der  Lösung  vom  arsenig¬ 
saueren  Natron  des  Handels  aus,  so  kann  man  auf  richtigen  Ge¬ 
halt  an  arseniger  Säure  und  Alkali  nicht  rechnen,  da  das  Salz 
fast  immer  von  ungleichmässiger  Zusammensetzung  ist.  Unter¬ 
suchungen  von  Proben  ergaben  das  Vorhandensein  von  kohlen¬ 
sauerem  Alkali.  Bei  einer  Probe,  die  als  Natrium  arsenicosum 
purissimum  bezeichnet  war,  betrug  der  Gehalt  an  Asi,  03  nur 
0,675  in  1  Gramm,  woraus  sich  ein  beträchtlicher  Ueberschuss 
an  Alkali  ergibt.  Aber  selbst  bei  richtiger  Zusammensetzung 
des  zur  Herstellung  der  Lösung  verwendeten  Natrium  arseni¬ 
cosum  würde  diese  einen  doppelt  so  grossen  Gehalt  an  Alkali 
haben  wie  unsere  Lösung,  da  erstere  normales  Natrium- 
metarsenit,  letztere  aber  ein  saueres  Salz  der  metarsenigen  Säure 
enthält. 

An  dieser  Stelle  muss  noch  ein  anderer  wesentlicher  Unter¬ 
schied  zwischen  beiden  Lösungen  hervorgehoben  werden.  Nach 
Köbners  Vorschrift  wird  eine  1  proz.  Lösung  von  arsenig¬ 
sauerem  Natron  gewonnen,  welche  — -  richtige  Zusammensetzung 
des  Salzes  vorausgesetzt  —  0,762  Proz,  As,  O,  enthält;  bei  der 
Ziemssen-Speth  sehen  Lösung  aber  werden  die  Mengen¬ 
verhältnisse  so  eingerichtet,  dass  100  ccm  genau  1  g  arseniger 
Säure  entsprechen! 

Was  die  Pearson  sehe  Flüssigkeit  betrifft,  so  sei  daran 
erinnert,  dass  dieselbe  nicht  die  Lösung  des  arsenigsauren 
Natronsalzes,  sondern  des  arsensaueren  Natron  darstellt  und 
von  stark  alkalischer  Beschaffenheit  ist. 

Die  chemischen  Eigenschaften  unserer  Lösung  sind  also 
wesentlich  andere  als  die  der  einfachen  Salzlösung  Köbners, 
und  dementsprechend  macht  sich  hinsichtlich  der  lokalen  Ein¬ 
wirkung  auf  das  Gewebe  ein  nicht  zu  verkennender  Unterschied 
geltend.  Bei  der  subkutanen  Applikation  des  gelösten  Natrium 
arsenicosum  sind  entzündliche  Rötung  der  Haut,  entzündliche 
Schwellung  des  Unterhautbindegewebes,  oft  recht  beträchtliche 
Schmerzhaftigkeit  an  der  Injektionsstelle  nicht  gerade  sielten  zu 
verzeichnen;  die  schmerzhaften  Knoten  in  der  Subcutis  können 
oft  recht  lange  bestehen  bleiben.  Wir  selbst  haben  unter  ca.  220 
Injektionen  (bei  Psoriasis-  und  Ekzemkranken)  2  mal  solche 
Knoten  zur  Erweichung  kommen  sehen.  Technische  Fehler  ge¬ 
legentlich  der  Injektion  konnten  unserer  Anschauung  nach  da¬ 
mals  mit  Sicherheit  nicht  verantwortlich  gemacht  werden.  D.as 
eine  Mal  kam  es  zur  Abszedierung  der  Injektionsstelle  an  der 
Aussenfläche  des  rechten  Oberschenkels  bei  einer,  etwas  chloro- 
tischen  Psoriasiskranken,  die  im  übrigen  bester  Gesundheit  sich 
erfreute;  der  Abszess  erreichte  den  Umfang  einer  Faust,  ohne 
dass  die  Oberhaut  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden  wäre;  unter 
derselben  ging  der  Erweichungsprozess  unter  beträchtlicher 
Schmerzhaftigkeit  und  Druckempfindlichkeit  der  Peripherie  des 
Infiltrates  ständig  weiter.  Die  Punktion  ergab  sterilen  Eiter 
oder  vielmehr  sterile  Beschaffenheit  des  grauweisslichen  krüme¬ 
ligen  Inhaltes  der  Abszesshöhle.  Nach  der  Inzision  erfolgte  unter 
Tamponade  mit  Xeroformgaze  die  Heilung  ungemein  langsam. 
Das  andere  Mal  handelte  es  sich  um  ein  talerstückgrosses  In¬ 
filtrat  in  der  rechten  Lendengegend  eines  kräftigen  jungen 
Mannes,  der  an  Lichen  ruber  planus  litt;  innerhalb  des  Infiltrates 
entwickelte  sich  ein  nussgrosser  Abszess,  der  gleichfalls  nach 
seiner  Eröffnung  nur  sehr  geringe  Tendenz  zur  Rückbildung  auf¬ 
wies,  obwohl  der  Kranke  wegen  des  heftigen  Pruritus  und  der 
nahezu  universellen  Ausbreitung  der  Lichenerkrankung  damals 
ständig  im  permanenten  Bado  gehalten  worden  war.  Gerade 
dieser  Kranke  war  uns  auch  noch  nach  einer  anderen  Seite  hin 
recht  lehrreich.  Wir  machten  eine  Zeitlang  abwechselnd  Ein¬ 
spritzungen  mit  der  gewöhnlichen  Salzlösung  und  mit  der  von 
Herrn  Oberapotheker  S  p  e  t  h  hergestellten  „Z  iemssen  sehen 
Lösung“.  Auf  Grund  seiner  subjektiven  Empfindungen  war  der 
Kranke  jedesmal  in  der  Lage  anzugeben,  ob  er  eine  Injektion 
von  der  „schmerzhaften“  oder  von  der  „nicht  schmerzhaften 
Arsieniklösung“  erhalten  hatte.  Auch  Herr  Geheimrat 
v.  Ziemssen  hatte,  wie  ich  aus  seinen  eigenen  Mitteilungen 
und  solchen  des  Herrn  Oberapotheker  S  p  e  t  h  weiss,  vor  der  Ein¬ 
führung  der  neuen  Arseniklösung  ausgedehnte  Versuche  mit  der 
subkutanen  Applikation  der  gewöhnlichen  Natronsalzlösung  an¬ 
gestellt  und  gerade  die  ungünstigen  Erfahrungen,  welche  er  hin¬ 


sichtlich  der  lokalen  Reizwirkung  gemacht  hat,  haben  ihn  ver¬ 
anlasst,  nach  einer  Verbesserung  der  Methode  zu  suchen  und 
„die  subkutane  Applikation  des  Arsen  von  der  fatalen  Rciz- 
wirkung  zu  befreien,  welche  die  Durchführung  einer  länger 
dauernden  Injektionskur  mit  den  bisher  gangbaren 
Präparaten  in  vielen  Fällen  unmöglich  machte“ 3). 

Die  minimale  Irritation  des  Gewebes  durch  die  von 
Ziemssen  angegebene  Arseniklösung  ist,  wie  ich  schon  be¬ 
tont  habe,  in  erster  Linie  durch  ihre  Eigenschaft,  nur  in  ge¬ 
ringem  Grade  alkalisch  zu  sein,  bedingt.  Aber  noch  ein  zweiter 
Faktor  ist  es,  der  hier  eine  grosse  Rolle  spielt,  das  ist  der  Um¬ 
stand,  dass  die  ins  Gewebe  verbrachte  Flüssigkeitsmenge  steril 
ist.  Ziemssen  und  S  p  e  t  h  haben  ausdrücklich  hervor¬ 
gehoben,  dass  die  Flüssigkeit  erst  nach  ihrer  Abfüllung  in  die 
kleinen,  2  ccm  haltenden  Gläschen  sterilisiert  werden  soll.  Die 
Sterilisation  der  ganzen  zubereiteten  Menge  in  toto  ist  gegen¬ 
standslos;  nach  der  Entnahme  der  ersten  Dosis  für  die  Injektion 
ist  der  Rest,  nicht  mehr  steril;  die  Zersetzung  der  Arsenik¬ 
lösungen  unter  der  Einwirkung  der  Luft,  die  Ansiedelung  von 
Pilzen  erfolgt  ungemein  rasch.  Der  Umstand,  dass  jede  ein¬ 
zelne  kleinste  zur  Verwendung  gelangende  Portion  vollkommen 
keimfrei  ist,  ist  wiederum  ein  Moment,  welches  die  Ziemssen- 
sclie  Methode  von  den  Köbner  sehen  Injektionen  unterscheidet 
und  vor  ihnen  auszeichnet. 

Wie  ich  schon  bei  früherer  Gelegenheit  mitgetheilt  habe, 
sind  die  von  uns  erzielten  Resultate  mittels  der  Applikation  der 
nach  Ziemssen  hergestellten  As-Lösungen  ganz  ausge¬ 
zeichnet.  Wir  verabreichen  die  Injektionen  intramuskulär  in 
die  M.  glutaei,  und  beginnen  die  Kur  für  gewöhnlich  mit  0,5  ccm, 
gehen  aber  sehr  bald  zu  einer  ganzen  Spritze  über  (=0,01  Na 
arsenicos.)  und  verbleiben  bei  dieser  Tagesdosis  meistens  während 
der  ganzen  Behandlung.  Nahezu  in  allen  Fällen  wiederholen 
wir  die  Einspritzungen  nicht  jeden  Tag,  sondern  jeden  zweiten 
Tag.  Wie  viele  Injektionen  verabreicht  werden  sollen,  lässt  sich 
natürlich  nicht  vorausbestimmen ;  es  hängt  die  Menge  des  not¬ 
wendigen  Arsenik  in  erster  Linie  ab  von  der  Natur  des  Leidens. 
Bei  Lichen  ruber,  bei  Dermatitis  herpetiformis,  denjenigen  Affek¬ 
tionen,  die  die  energischste  und  ausgiebigste  As-Medikation  er¬ 
heischen,  genügen  uns  für  gewöhnlich  25 — 30  ccm  der  Lösung4) 
—  eine  geringe  Menge  von  Arsenik,  wenn  man  die  gewaltigen 
Massen  damit  vergleicht,  die  man  anderwärts  in  Hunderten  und 
Tausenden  von  Pillen  dem  Organismus  einverleibt!  Allerdings 
haben  Untersuchungen  der  Fäzes  solcher  mit  asiatischen  Pillen 
auf  unserer  Klinik  gefütterten  Patienten  mich  belehrt,  dass  diese 
Pillen  häufig  genug  vollkommen  unverdaut  den  Darm  wieder 
verlassen.  Nur  durch  einen  solchen  Befund  lässt  sich  die  kolos¬ 
sale  Differenz  der  notwendigen  absoluten  Arsenikmengen  bei  den 
einzelnen  Formen  der  Medikation  erklären.  Wo  es  sich  darum 
handelt,  r  a  s  c  h  eine  k  r  ä  f  t  i  g  e  As-Wirkung  zu  erzielen,  haben 
sich  uns  unsere  Injektionen  in  hervorragendem  Masse  bewährt. 
Toxische  Nebenerscheinungen  haben  wir  bei  den  mehr  als  tausend 
im  Laufe  der  letzten  Jahre  auf  unserer  Klinik  verabreichten  Ein¬ 
spritzungen  so  gut  wie  niemals  beobachtet,  insbesondere. sind  uns 
einigermassien  bedeutendere  Störungen  seitens  des  Magendarm¬ 
kanals  oder  seitens  des  Nervensystems  nicht  vorgekommen.  Bei 
dem  reichlichen  Gebrauche,  den  wir  in  den  geeigneten  Fällen 
vom  Arsenik  machen,  erscheint  es  mir  geradezu  auffallend,  dass 
wir  so  gar  nicht  in  die  Lage  uns  versetzt  sehen,  bei  dem  einen 
oder  anderen  Falle  eine  Idiosynkrasie  gegen  den  Arsenik 
feststellen  zu  können.  Es  gibt  nach  meinem  Dafürhalten  in  dem 
ganzen  dermatologischen  Arzneischatze  nicht  ein  Mittel,  das, 
nach  unseren  Erfahrungen  auf  der  Klinik  wenigstens,  in  solcher 
Allgemeinheit  gut  ertragen  wird,  wie  die  von  uns.  in  Verwendung 
gezogene  Arseniklösung.  Es  müsste  denn  sein,  dass  man  mit 
Hilfe  der  Annahme  einer  idiosynkrasischen  Disposition  das  Zu¬ 
standekommen  der  bräunlichen  Verfärbung  erklären  sollte,  die 
sich  l>ei  Lichen-  und  Psoriasiskranken,  auch  bei  Dermatitis 
herpetiformis  und  bei  gewissen  chronischen  Ekzemen  an  Stelle 
der  ursprünglichen  Krankheitsherde  oft  geltend  macht.  Mit  der 

8)  1.  c. 

4)  Bei  einem  einzigen  Falle  (psoriasisartiges,  nahezu  univer¬ 
selles  Exanthem,  welches  dexx  Verdacht  auf  Mycosis  fungoides 
„im  prämykotischen  Stadium“  nahelegte)  sind  wir  zu  50  ccm  ge¬ 
gangen. 


2* 


1256 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


eigentlichen  Arsenmelanose  haben  diese  zirkumskripten  Eiecken 
nichts  zu  tun.  und  ob  man  diese  täches  arsenicales  der  Franzosen 
wirklich  der  Arsenik  Wirkung  zuschreiben  darf,  ist  doch  noch  die 
Frage.  Tn  sehr  vielen  Fällen  wenigstens  handelt  es  sich  nach 
meiner  Beurteilung  um  nichts  anderes,  als  um  diejenige  ge¬ 
wöhnliche  Form  der  Pigmenthypertrophie,  die  an  Stelle  eines 
jeden  Infiltrates  bei  disponierten  Individuen  Zurückbleiben  kann, 
mag  nun  eine  As-Therapie  stattgefunden  haben  oder  nicht. 

Was  anderweitige  toxische  Hautaffektionen  betrifft,  so  haben 
wir  nur  die  Proruption  von  zirkumskripten  Bläschengruppen  be¬ 
obachtet,  die  als  atypische  und  zum  Teil  abortiv  verlaufende 
Z  oste  reu  zur  Arsenikbehandlung  in  Beziehung  gebracht 
werden  können,  und  zwar  sahen  wir  während  des  Ver¬ 
laufes  der  Therapie  eine  derartige  Bläschenerkrankung 
bei  drei  Kranken,  nach  Abschluss  derselben  bei  einer 
Kranken.  Von  den  orsteren  hatten  zwei  an  Psoriasis,  eine  an 
Eczema  chronicum  circumscriptum  und  Chlorose  gelitten;  die 
letztere,  gleichfalls  eine  Psoriasiskranke,  hatte  eine  Kur  von 
12  Injektionen  ohne  Störungen  ertragen;  nach  Abheilung  der 
Flecke  war  die  Kranke  späterhin  neuerdings  auf  der  Klinik  zur 
Beobachtung  gekommen  und  zwar  wegen  Gonorrhoe.  Während 
diese  Erkrankung  in  gewöhnlicher  Weise  mit  Protarg-ol  und 
hydrotherapeutischen  Massnahmen  behandelt  wurde,  entstand 
plötzlich  nach  kurz  voraufgegangenen  Schmerzen  „auf  der  linken 
Brust  und  in  der  Achsel“  in  der  8.  Woche  nach  der  letzten  intra¬ 
muskulären  Injektion  auf  dem  äusseren  Anteile  des  linken 
M.  pectoralis,  entsprechend  dem  ITT.  Interkostal  nerven,  eine 
ziemlich  umfangreiche  Knötchengruppe  auf  lebhaft  geröteter 
Basis.  Ohne  dass  es  zur  Entwicklung  charakteristischer  Bläs¬ 
chen  gekommen  wäre,  nahm  dieser  Ausschlag  einen  abortiven 
Verlauf,  war  nach  keiner  Seite  hin  von  besonderer  Bedeutung. 
Man  kann  die  Frage  stellen,  ob  dieser  abortive  Zoster  mit  der 
2  ‘Monate  vorher  zum  Abschluss  gebrachten  Arseniktherapio  in 
pathogenetischem  Zusammenhänge  stehe. 

Die  Pharmakologen  sind  geneigt,  gewisse  durch  den  Ar¬ 
senik  bedingte  Intoxikationserscheinungen  mit  Eigentümlich¬ 
keiten  chronischer  Infektionskrankheiten,  z.  B.  der  Lues,  in  Pa¬ 
rallele  zu  stellen.  Sie  machen  darauf  aufmerksam,  dass  nach  ein¬ 
maliger  Zuführung  des  Giftes  ein  eigenartiger  TTe  be  r  - 
gang  der  akuten  Vergiftung  in  die  chroni  sWi  e 
Form  konstatiert  werden  kann.  Zur  Erklärung  dieser 
Tatsache,  führt  Harnack5 6)  aus,  könne  man  sich  vorstellen, 
dass  das  Gift  irgendwo  im  Körper  deponiert  werde  und  dann 
nur  sehr  allmählich  in  die  Zirkulation  übergehe,  oder  dass  durch 
das  Gift  der  Chemismus  gewisser  Zellen  derart  verändert  werde, 
dass  sie  dauernd  Toxine  produzieren,  oder  dass  das  Gift  be¬ 
stimmte  Zellen  derart  verändere,  dass  sie  durch  die  gewöhn¬ 
lichen  Lebensreize  leicht  zu  einer  bestimmten  Erkrankung  oder 
Degeneration  gebracht  werden  können.  Die  Art  und  Weise,  wie 
der  Arsenik  seine  Wirkung  auf  den  Organismus  entfaltet,  ist 
noch  so  sehr  ins  dunkle  gehüllt,  andrerseits  die  Tatsache,  dass 
As,  wie  manche  andere  Giftstoffe,  eine  periphere  Neuritis  aus¬ 
zulösen  vermag,  eine  so  unbezweifelbare,  dass  obenstehende  Hypo¬ 
thesen  sehr  wohl  erlauben,  in  unserem  Falle  die  atypische  Zoster¬ 
erkrankung,  die  erst  2  Monate  nach  Abschluss  der  Arsenikkur 
sich  geltend  gemacht  hat,  mit  dieser  in  Verbindung  zu  bringen. 
Gerade  die  von  pharmakologischer  Seite  immer  wieder  in  den 
Vordergrund  gestellte  eminente  Giftigkeit  aller  Arsenikverbin¬ 
dungen  ist  es,  welche  uns  veranlasst  hat,  von  jeher  bei  der  As- 
Therapie  die  grösstmögliche  Vorsicht  walten  zu  lassen  und  alle 
„Nebenerscheinungen“  während  und  nach  der  Kur  kritisch  ins 
Auge  zu  fassen.  Und  darin  ist  für  mich  die  Berechtigung  ge¬ 
geben,  neuerdings  auf  die  ausserordentlichen  Vorzüge  hinzu¬ 
weisen,  welche  die  Ziemssen  sehe  Arsenmedikation  vor  allen 
anderen  Formen  und  Methoden  der  Arseniktherapie  auszeichnen 
und  ihr  den  spezifischen  Charakter  verleihen.  Wir  gebrauchen 
die  Ziemssen-Spetli  sehen  Arsenikinjektionen  nunmehr 
in  nahezu  allen  Fällen,  in  denen  der  Arsenik  uns  indiziert  er¬ 
scheint;  infolgedessen  ist  die  Erfahrung,  die  wir  zu  diesem 
Punkte  gewonnen  haben,  eine  sehr  grosse,  so  dass  der  Umstand, 
dass  wir  ausser  den  geringfügigen,  ausdrücklich  angeführten 


5)  Die  Arsen  Vergiftung,  zusammenfassend  dargestellt.  Deutsche 

Aerztezeitg.  1899,  Einführungsheft  1. 


„Nebenerscheinungen“  keinerlei  anderweitige  Störungen  beob¬ 
achtet  haben,  von  allgemeinerem  Interesse  sein  dürfte. 

Herrn  Oberapotheker  S  p  e  tli  bin  ich  für  die  liebenswürdige 
Unterstützung  hinsichtlich  der  chemisch-pharmakologischen  Fra¬ 
gen  zu  grossem  Danke  verpflichtet. 


Diagnostisch -therapeutische  Bemerkungen  zum 

Magengeschwür. 

Von  I)r.  Ageron  in  Hamburg. 

Unter  den  Erkrankungen  des  Magens  nimmt  zweifellos  das 
Magengeschwür  ein  erhöhtes  Interesse  für  sich  in  Anspruch, 
da  die  differentialdiagnostischen  Schwierigkeiten  erheblicher  sind 
als  bei  Erkrankungen  anderer  Höhlenorgane,  und  ausserdem  die 
Behandlung  des  Magengeschwüres  sehr  oft  allen  therapeutischen 
Maassnahmen  zum  Trotz  nicht  zu  einer  restitutio  ad  integrum 
in  anatomischer  und  physiologischer  Hinsicht  führt. 

Es  ist  sattsam  bekannt,  dass  gewisse  subjektive  Symptome 
fast  typisch  sind  für  das  Vorhandensein  ulzeröser  Prozesse  im 
Magen.  Obenan  stehen  die  konstanten  Sehmerzempfindungen, 
welche  vom  einfachsten  Druckschmerz  bis  zum  Krampf  graduelle 
Unterschiede  zeigen,  in  der  Regel  bald  nach  der  Nahrungsauf¬ 
nahme,  zeitlich  zusammenfallend  mit  der  Absonderung  des  sauren 
Magensaftes,  auftreten,  je  nach  der  Lagerung  und  Stellung  de? 
Kranken  sich  vermindern  oder  verstärken,  durch  Narkotica  in 
den  üblichen  Gaben  nur  unwesentlich  oder  fast  gar  nicht  be¬ 
einflusst  werden,  sehr  häufig  auf  der  Höhe  eines  Schmerz- 
paroxysmus  durch  Erbrechen  schwinden  oder  auch  durch  neue 
Zufuhr  von  Nahrung  gelindert  werden. 

Je  nach  dem  Sitz,  der  Grösse  und  der  Tiefe  des  Ulcus 
werden  die  weiteren  Symptome,  das  Uebelkeitsgefiihl  und  Er¬ 
brechen  sich  in  entsprechendem  Maasse  geltend  machen. 

So  lange  nun  diese  Symptome,  die  ja  auch  Gemeingut 
anderer  Erkrankungen  des  Magens,  besonders  reflektorischer  Art, 
sein  können,  für  sich  allein  bestehen,  ohne  dass  das  für  den  Arzt 
werthvollste  Symptom,  das  Blutbrechen  oder  der  Abgang  von 
Blut  per  anum,  eingetreten  ist,  wird  ein  Magenkranker  immer 
ein  nicht  uninteressantes  Objekt  bleiben  für  den  Widerstreit  der 
ärztlichen  Ansichten  in  Bezug  auf  die  Natur  des  Magenleidens. 
Am  beliebtesten  und  auch  am  bequemsten  ist  es  heute,  wo  die 
Aerzte  als  die  Vertreter  der  medizinischen  Wissenschaft  viel- 
'ctefctige  Symptome  im  Allgemeinen  auf  „Nervosität“  zurüok- 
f obren,  zum  Unterschied  von  den  sogen.  Naturheilkundigen, 
welche  Alles  auf  „verdorbene  Säfte  und  verkehrte  Blut¬ 
mischung“  schieben,  diese  Erscheinungen  einer  gestörten  Ver¬ 
dauung  als  „nervös“  zu  bezeichnen,  oder  in  Anlehnung  an 
englisch-amerikanische  Aerzte  dieselben  mit  dem  viel-  und  nichts¬ 
sagenden  Wort  „Dyspepsie“  zu  belegen.  Ich  glaube  nicht,  dass 
diese  Art  diagnostischer  Nonchalance  auf  die  Dauer  dem  An¬ 
sehen  der  deutschen  ärztlichen  Wissenschaft  und  nicht  zum 
wenigsten  demjenigen  des  in  der  ganzen  Welt  ob  seiner  Gründ¬ 
lichkeit  und  tiefen  Durchbildung  geachteten  Aerztestandes  von 
Vorth  eil  sein  wird.  Dass  die  geschworenen  Feinde  der  Aerzte, 
die  Kurpfuscher  der  verschiedensten  Observanz,  sich  solche  ein¬ 
seitige  Auffassung  von  dem  Wesen  der  Krankheiten  bereits  in 
der  ausgiebigsten  Weise  zu  Nutze  machen  und  für  sich  und  ihre 
Irrlehren  ausbeuten,  ist  bekannt.  Ich  erinnere  nur  daran,  dass 
gerade  das  Gebiet  der  Verdauungskrankheiten  von  den  Kur¬ 
pfuschern  mit  Vorliebe  beackert  wird.  Man  vergleiche  nur  die 
Annoncen  und  die  Unzahl  von  Heilmitteln,  welche  empfohlen 
werden. 

Aber  abgesehen  davon  sollte  doch  das  Wohl  und  Wehe  der 
Kranken  in  erster  Linie  uns  Aerzte  bestimmen,  dass  wir  wieder 
möglichst  rasch  von  den  diagnostischen  Irrwegen  abkehren  und 
uns  auf  den  allein  richtigen  Pfad  begeben,  welcher  zur  Er¬ 
forschung  der  Wahrheit  führt,  auf  den  Weg  objektiver  kli¬ 
nischer  Beobachtung,  unter  ausgiebigster  Benutzung  der  uns  zur 
Verfügung  stehenden  Untersuchungsmethoden;  je  frühzeitiger 
der  Arzt  erkennt,  dass  anatomische  Läsionen  der  Magenschleim¬ 
haut  vorhanden  sind,  desto  rascher  wird  es  gelingen,  dieselben 
in  ihrer  Neigung,  tiefere  Gewebszerstörungen  zu  setzen,  auf¬ 
zuhalten  und  die  schweren  Komplikationen  zu  verhindern,  die 
unerbittlich  eintreten.  Ich  werde  durch  ein  paar  drastische  Bei- 


29.  Juli  1202. 


MUENCIIENER  MEDICINiSCllE  WOCHENSCHRIFT. 


1257 


spiele  weiter  unten  zeigen,  wohin  es  führt,  wenn  der  Arzt  monate¬ 
lang  anhaltende  Magensehmerzen  einfach  für  „nervös“  erklärt. 

Sieht  man  die  neuen  Lehrbücher  über  Magenkrankheiten 
durch,  so  bildet  man,  dass  unter  den  objektiven  Symptomen 
des  I  lcus  ventr.  obenan  die  Hyperazidität  steht.  Der  hohe 
Werth,  der  diesem  chemischen  Befund  in  diagnostischer  Be¬ 
ziehung-  beigelegt  wird,  stammt  aus  der  Zeit,  wo  man  die  Magen¬ 
krankheiten  fast  ausschliesslich  nach  dem  Verhalten  der  Salz¬ 
säureausscheidung  klassifizirte.  Dass  man  dabei  allmählich  über 
das  Ziel  hinausschoss  und  auf  einen  todten  Punkt  gelangte,  be¬ 
weisen  die  Mahnrufe,  welche  gegen  die  einseitige  Ausbeute  dieser 
medizinischen  Forschung  laut  wurden. 

Ich  habe  in  einem  Vortrag  „diagnostische  und  therapeutische 
Bemerkungen  zum  Ulcus  ventr.“  ')  in  ausführlicher  Weise  dar- 
zuthun  versucht,  dass  Hyperazidität  und  Hypersekretion  weiter 
nichts  sind  als  diagnostische  Schlagworte,  welche  absolut,  nicht 
vermögen,  ein  Krankheitsbild  sui  generis  darzustellen,  wohl  aber 
geeignet  sind,  nur  Verwirrung  in  die  klinische  Bewerthung  der 
Magenkrankheiten  zu  bringen. 

Für  denjenigen  Arzt,  welcher  ohne  Voreingenommenheit 
und  ohne  vorgefasste  Meinung  die  Magenkranken  untersucht 
und  beobachtet,  steht  es  unzweifelhaft  fest,  dass  ein  richtiges 
Bild  von  der  Art,  dem  Verlauf  und  dem  Ausgang  einer  Magen¬ 
erkrankung  nur  dann  zu  bekommen  ist,  wenn  man  den  patho¬ 
logischen  Maassstab  an  die  Hauptfunktion  des  Magens,  an  das 
Verhalten  der  motorischen,  anlegt. 

Die  Sondenuntersuchung  behufs  Erforschung  der  sekre¬ 
torischen  Funktion,  wo  der  Verdacht  auf  ein  Ulcus  vorliegt,  ist 
jedenfalls  werthvoll ;  denn  die  Erfahrung  hat  gezeigt,  dass  Hyper¬ 
azidität  in  dem  Sinne  einer  prozentualen  Erhöhung  der  nor¬ 
malen  Salzsäurewerthe  in  vielen  Fällen  als  ein  Symptom  der¬ 
selben  betrachtet  werden  kann.  Dass  es,  Ausnahmen  gibt,  be¬ 
weisen  die  zahlreichen  in  den  letzten  Jahren  veröffentlichten 
Fälle.  Ich  selbst  habe  unter  35  Fällen  von  Ulcus  5  beobachtet, 
wo  Salzsäure  vollständig  fehlte;  ebenso  im  letzten  Jahre  einen 
Fall,  wo  überhaupt  totale  Anazidität  bestand  und  auch  die 
Enzyme  vollständig  fehlten.  (Die  Existenz  eines  alten  Ulcus 
wurde  durch  die  nothwendig-  gewordene  Gastroenterostomie 
nachgewiesen.)  Nach  Boas  ist  bislang  nur  ein  solcher  Fall  ein¬ 
mal  in  der  Literatur  beschrieben  von  L  e  n  h  a  r  t  z !). 

Es  ist  nun  jedenfalls  auffällig,  dass  bislang  der  Prüfung 
der  motorischen  Funktion  beim  Ulcus  ventr.  nicht  .die  Aufmerk¬ 
samkeit  geschenkt  wurde,  welche  ihr  zukommt.  Alle  neueren 
Lehrbücher  über  Magenkrankheiten  (Leube,  Ewald,  Flei¬ 
scher,  Riegel,  Boas,  Eosenheim  u.  A.)  erwähnen  nichts 
von  dem  Verhalten  der  motorischen  Funktion.  Ich  glaube,  dies 
auf  die  noch  immer  vorherrschende  Anschauung  zurückfuhren 
zu  können,  dass  das  Ulcus  nur  dann  erhebliche  Abweichungen  in 
der  Motilität  des  Magens  zeitigt,  wenn  es  zur  Stenosenbildung 
am  Pylorustheil  des  Magens  geführt  hat  und  damit  zur  Ectasia 
ventr.  In  diesem  Sinne  sprechen  sich  denn  auch  die  genannten 
Autoren  unter  den  Kapiteln  über  die  Magenerweiterung  aus. 
Darüber  sind  ja  allerdings  heute  die  Meinungen  nicht  mehr  ge- 
theilt,  dass  der  Begriff  Ektasie  nur  als  Folgezustand  einer  ana¬ 
tomischen  Läsion  entweder  am  Pylorus  des  Magens,  oder  weiter 
abwärts  am  Duodenum,  oder  auch  als  Stauungsphänomen  in 
Folge  von  Verwachsungen  mit  der  Gallenblase,  dem  Coekum  und 
anderen  Nachbarorganen  des  Magens  aufzufassen  ist. 

Des  Ferneren  darf  als  feststehendes  Axiom  betrachtet  werden, 
dass  die  auf  einer  primären  Atonie  basirenden  oder  als  Folge¬ 
zustand  chronisch-katarrhalischer  Zustände  der  Schleimhaut  sich 
herausbildende  physiologische  Ektasie  scharf  zu  trennen  ist  von 
der  anatomischen.  Die  diflferentialdiagnostischen  Kennzeichen 
beider  Formen  lassen  sich  nur  durch  die  Sondenuntersuchungen 
endresultatlich  feststellen.  Es  genügt,  hier  zu  bemerken,  dass 
der  bemerkenswerthe  Unterschied  zwischen  der  anatomischen  und 
der  physiologischen  Magenerweiterung  darin  besteht,  dass  bei 
letzterer  die  motorische  Leistungsfähigkeit  nur  herabgesetzt  ist, 
bei  der  ersteren  dagegen  der  Zeitpunkt  für  die  Entleerung  des 
Mageninhaltes  nach  dem  Darm  soweit  von  dem  physiologischen 


abgerückt  ist,  dass  von  einer  Totalentleerung  überhaupt  nicht 
mehr  gesprochen  werden  kann. 

Zu  diesen  fundamentalen  Sätzen  ist  übrigens  auch  in  einer 
sehr  verdienstvollen  und  bemerkenswerthen  Arbeit  aus  der  Poli¬ 
klinik  von  Boas  P.  Cohn  heim')  gekommen,  welche,  wie  es 
scheint,  in  der  Literatur  nicht  genügend  gewürdigt  worden  ist. 

Die  Auffassung,  dass  das  Ulcus  ventr.  nur  dann,  wenn  es 
bereits  zur  Stenosenbildung  und  Ektasie  geführt  hat,  die  mo¬ 
torische  Funktion  schwer  beeinträchtigt,  ist  aber  nicht  richtig, 
denn  sie  steht  im  Widerspruch  zu  den  Thatsachen  und  Befunden, 
welche  ich  an  einer  grossen  Reihe  von  Kranken  mit  Ulcus  zu 
erheben  Gelegenheit  hatte.  Ich  bemerke,  dass  es  sich  nur  um 
solche  Kranke  handelt,  bei  denen  das  Ulcus  entweder  durch  auf¬ 
tretende  schwere  Blutungen  manifest  geworden  ist,  oder  bei 
denen  in  Folge  der  nothwendig  gewordenen  Operation  (Gastro¬ 
enterostomie)  die  Existenz  derselben  festgestellt  wurde. 

Es  gibt  eine  g-rosse  Zahl  von  Magenkranken,  bei  welchen 
ausser  den  konstanten  Klagen  über  Schmerzempfindungen,  Uebel- 
keit  und  gelegentlichem  Erbrechen  kleiner  Mengen  Mageninhaltes 
objektiv  am  Magen  wenig  nachzuweisen  ist.  Man  findet  dann 
nur  die  Magengegend  druckempfindlich,  mehr  oder  minder 
Plätschergeräusche,  und  die  untere  Grenze  des  Magens  höchstens 
bis  zur  horizontalen  Nabellinie  reichend,  niemals  jene  sackartige 
Ausbuchtung  des  Magens,  wie.  sie  eben  nur  als  Folgezustand  einer 
bereits  bestehenden  Stenose  am  Pylorus  vorkommt.  Spült  man 
dann  aber  mehrere  Male  den  Magen  aus,  so  findet  man  neben  der 
meist  bestehenden  Hyperazidität  und  Vermehrung  der  Flüssig¬ 
keitsmenge  den  Mageninhalt  noch  viele  Stunden  nach  der  Mahl¬ 
zeit  vor.  In  diesen  Fällen,  wo  das  Ulcus  wegen  seines  Sitzes 
entweder  an  der  kleinen  Kurvatur  oder  an  der  hinteren  Magen¬ 
wand  Stenosen  überhaupt  nicht  setzen  kann,  sind  also  die  moto¬ 
rischen  Störungen  fast  ebenso  gross,  als  wenn  dieselben  vor¬ 
handen  wären. 

Ich  wäre  auf  diese  Betonimg-  des  diagnostischen  Wertlies 
einer  wiederholten  Prüfung  der  Motilität  des  Magens  beim  Ulcus- 
verdacht  nicht  wieder  zurückgekommen,  wenn  nicht  seinerzeit  bei 
der  Besprechung  meines  Vortrages  im  Archiv  für  Verdauungs¬ 
krankheiten  rundweg  die  Behauptung  aufgestellt  worden  wäre, 
dass  das  Ulcus  überhaupt  nicht  motorische  Störungen  im  Ge¬ 
folge  hätte.  Abgesehen  davon,  dass  ich  in  der  Lage  bin,  den 
Gegenbeweis  zu  liefern,  indem  sich  bei  einigen  operirten  Fällen 
von  Ulcus  zeigte,  dass  der  Sitz  derselben  jeweilig  nicht  am 
Pylorus  selbst,  sondern  entfernt  davon  war,  und  der  Pylorus 
selbst  anatomisch  vollständig  intakt  war,  wobei  ich  gerade  auf 
Grund  der  wiederholten  Probespülungen  hochgradige  Motilitäts¬ 
störungen  nachwies,  sind  es  aber  auch  noch  andere  Erwägungen, 
die  die  theoretische  Annahme  der  Beeinflussung-  der  Motilität 
durch  ein  Ulcus  auch  ohne  Stenosenbildung  zu  erhärten  geeignet 
erscheinen. 

Jeder  in  seiner  anatomischen  Struktur  beeinträchtigte 
Magen  antwortet  darauf  mit  einer  Verminderung  seiner  moto- 
torischen  Leistungsfähigkeit.  Alle  die  zahlreichen  abgestuften 
Beschwerden  der  sogen.  Dyspeptiker,  unter  allen  hervorragend 
die  Irregularität  der  Stuhlentleerung-,  resultiren  in  letzter  Linie 
daraus,  dass  die  eingenommene  Nahrung-  über  die  physiologische 
Grenze  hinaus  im  Magen  zurückgehalten  wird.  Während  bei  der 
chronisehen  Gastritis  glandularis  mit  der  Zeit  die  Muskularis 
in  den  Prozess  einbezogen  wird,  und  zur  Verringerung  ihrer 
Aktivität  führt,  wirkt  das  Ulcus  indirekt,  indem  seine  Anwesen¬ 
heit  im  Hohlraum  des  Magens  gleichsam  als  Fremdkörper  wirkt, 
dauernd  die  Saftsekretion  in  Thätigkeit  hält,  wodurch  es  zur 
Ilyperazidität  und  dadurch  bedingtem  reflektorischem  Spasmus 
des  Pylorus  kommt.  Auf  andere  Weise  lässt  sich  wohl  zur  Zeit 
die  Thatsache  der  Herabsetzung  der  motorischen  Leistungsfähig¬ 
keit  beim  PTlcus  ventr.  ohne  Stenosenbildung  befriedigend  nicht 
erklären. 

Zu  dieser  Auffassung  ist  auch  Cohnheim  nach  dem  Ein¬ 
druck,  den  ich  nach  aufmerksamen  Lesen  seiner  Arbeit  gewonnen 
habe,  gekommen.,  Denn  er  spricht  von  Ektasien,  welche  in  Folge 
spastischer  Pylorusstenose  als  Reflex  eines  Ulcus  zu  Stande 
kommen,  und  nennt  solche  Ektasien  transitorische  oder  ephemere. 


9  XVIII.  Kongress  für  innere  Medizin. 

2)  Deutsche  med.  Woehenschr.  1890,  No.  G  u.  7. 

No.  30. 


2)  Heber  Gastrektasie  nach  Traumen  etc.  Arcli.  f.  Verdauungs- 
kranklieiten,  V.  Bd.,  4.  lieft. 


3 


1258 


Da  aber  nach  ihm  der  Begriff  der  Ektasie  überhaupt  nur  gegeben 
ist,  wenn  eine  hochgradig  gestörte  Motilität  des  Magens  vorliegt, 
und  das  Ulcus  auch  reflektorisch  eine  Ektasie  bewirken  kann,  so 
ist  gegebenen  Falles  das  Ulcus  die  Ursache  der  motorischen  In¬ 
suffizienz  des  Magens. 

Sehr  treffend  sagt  Cohnlieim:  „Die  Beobachtung  zeigt 
ferner  den  Grund,  warum  so  viele  Fälle  von  Ektasie  nach  Pyloro- 
spasmus  heilen,  sobald  die  Patienten  zu  einer  rationellen  Diät  über¬ 
gehen,  warum  schliesslich  so  viele  Fälle  rezidivirenden  Charakter 
zeigen,  monatelang  beschwerdefrei  sind,  monatelang  aber  auch 
typische  Symptome  der  Ektasie  aufweisen.“  Und  weiter: 
„Der  springende  Punkt  bei  der  Beurtheilung  einer  Magenektasie 
ist  heute  nicht  mehr  die  Frage,  Avie  gross  der  Magen  ist,  sondern 
wie  gross  die  motorische  Leistung  desselben  ist.“ 

Es  kommt  nur  darauf  an,  auf  welchen  Standpunkt  man  sich 
stellt  bezüglich  der  physiologischen  Grenze  für  die  Totalent¬ 
leerung  des  Mageninhaltes.  Boas  erkennt  den  Begriff  „Ek¬ 
tasie“  nur  dann  an,  wenn  das  Symptom  „Anwesenheit  stag- 
nirender  Speisereste  mit  Sarcine  im  nüchternen  Magen“  gegeben 
ist.  Ich  gehe  weiter  und  sage:  Wenn  man  bei  wiederholten 
Probespülungen  an  Magenkranken,  welche  wegen  gewisser  sub¬ 
jektiver  Symptome  starken  Verdacht  auf  Ulcus  erwecken,  findet, 
dass  eines  der  bekannten  Probefrühstücke  (nach  E  w  ald,  Boas, 
Fleiner,  Riegel  u.  A.)  länger  als  2  Stunden,  und  zwar  unter 
meist  gleichzeitiger  Vermehrung  der  Elüssigkeitsmenge  des 
Mageninhaltes,  im  Magen  verweilt  oder  wenn  von  einer  grösseren 
Mahlzeit,  aus  Fleisch,  Brod  und  Gemüse  oder  Kompot  bestehend, 
noch  bedeutende  Rückstände  nach  8 — 9  Stunden  vorgefunden 
werden,  dann  kann  man  nicht  mehr  von  einem  anatomisch  in¬ 
takten  Magen  sprechen. 

Es  gibt  keine  Erkrankung  des  Magens,  bei  welcher  der¬ 
artige  Verzögerungen  in  der  Entleerung  des  Magens  auf  die 
Dauer  Vorkommen. 

Differentialdiagnostisch  könnte  höchstens  die  Gastroptose  in 
Betracht  kommen,  denn  bei  dieser  „Erkrankung“  können  ge¬ 
legentlich  auch  hochgradige  motorische  Insuffizienzen  konstatirt 
werden,  wie  ich  in  einer  Arbeit4)  nachgewiesen  habe,  was  von 
McPhendran 5)  bestätigt  wird,  da  er  zu  ähnlichen  Schluss¬ 
folgerungen  gelangt,  wogegen  Hans  Elsner  (Arch.  f.  Ver- 
dauungskrankh.,  Bd.  VII,  IT.  6)  behauptet,  dass  nach  seiner  Er¬ 
fahrung  Gastroptose  fast  niemals  von  Retention  und  Zersetzung 
des  Mageninhaltes  begleitet  ist. 

Die  Gastroenteroptose  weist  aber  doch  ganz  andere,  beson¬ 
ders  allgemeine,  charakteristische  Symptome  auf  als  das  Ulcus 
ventr.,  so  dass  sie  wohl  schwer  mit  letzterem  verwechselt  werden 
dürfte. 

Ich  resümire  also:  Wenn  bei  Magenkranken  auf  Grund  ge¬ 
wisser  Symptome  der  Verdacht  auf  Ulcus  vorliegt,  so  können  wir, 
besonders  in  dem  Stadium,  avo  dasselbe  noch  nicht  zur  Stenosen¬ 
bildung  geführt  hat  und  somit  objektiv  nachweisbare  Grössen¬ 
veränderungen  des  Magens  noch  nicht  stattgefunden  haben, 
oder  auch  dort,  avo  es  Avegen  seines  Sitzes  fern  ab  vom  Pylorus 
solche  überhaupt  nicht  erzeugen  kann,  gerade  durch  die  Prü¬ 
fung  der  motorischen  Leistungsfähigkeit  des  Magens  die  Dia¬ 
gnose  auf  Ulcus  vervollständigen.  Dieselbe  ist  daher  auch  der 
wichtigste  differentialdiagnostische  Faktor  gegenüber  einer  sog. 
„nervösen“  Magenaffektion. 

Ich  will  hier  nur  kurz  2  Fälle  erwähnen,  welche  wegen  ihres 
tragischen  Ausganges  beweisen,  wie  wichtig  es  sein  kann,  früh¬ 
zeitig  die  Diagnose  auf  Ulcus  zu  stellen  und  mit  dem  Wort 
„nerA'ös“  Arorsichtig  zu  sein. 

ln  dem  einen  Fall  handelte  es  sich  um  ein  junges  Mädchen, 
Avelches  seit  Monaten  über  periodisch  sich  steigernde  Magen¬ 
schmerzen  klagte,  Aviederliolt  starkes  Erbrechen  hatte.  Diagnose: 
nervöses  Erbrechen  auf  chlorotischer  Basis.  Karlsbader  Salz, 
Eisen,  Diät.  Eines  Abends  Avurden  die  Magenschmerzen  wieder 
so  heftig,  dass  die  Dame  des  Hauses  das  Mädchen  frühzeitig  zu 
Bett  schickte,  um  Kompressen  auf  die  Magengegend  zu  legen.  Als 
am  nächsten  Morgen  das  Mädchen  nicht  zu  gewohnter  Zeit  auf- 
stand,  Avurde  man  besorgt,  man  erbrach  die  abgeschlossene  Thür 
und  fand  das  Mädchen  als  Leiche  vor.  Eine  heftige  Magenblutung 
Avurde  als  Todesursache  festgestellt. 

In  dem  zweiten  Fall  handelte  es  sich  um  eine  Dame  Mitte  der 
Dreissig,  welche  ebenfalls  seit  Jahren  an  periodischen  heftigen 
Magenschmerzen  litt.  Da  dieselbe  sich  in  sehr  guten  Verhältnissen 

T  Agüron:  Gastroptosen  und  anämische  Zustände.  XIV. 
Kongress  für  innere  Medizin. 

°)  Phendrnn:  Gastroptosis.  Americ.  Medic.,  27.  Apr.  1900. 


Ko.  2Ö. 


befand,  Avurde  natürlich  die  Erkrankung  auf  nervös-hysterischer 
Grundlage  angenommen,  und  darin  liess  man  sich  bestärken,  weil 
ja  auch  ein  guter  allgemeiner  Ernährungszustand  vorhanden  war. 
Auch  diese  Kranke  endete  in  Avenigen  Tagen  an  den  Folgen  einer 
sch  AVer en  Magenblutung. 

Man  wird  nun  eimvenden :  Gerade  die  Gefahr  unvorher¬ 
gesehener  Blutungen  beim  Ulcus  ventr.  kontraindizirt  die  An- 
wendung  der  Magensonde  zu  diagnostischen  Zwecken.  Dem¬ 
gegenüber  muss  bemerkt  iverden,  dass  unter  den  entsprechenden 
Kautelen,  Avie  Kokainisirung  des  Rachens,  Venvendung  ganz 
weicher  und  biegsamer  Sonden,  die  Einführung  derselben  von  der 
Hand  eines  technisch  geübten  Arztes  absolut  gefahrlos  ist  und 
die  Möglichkeit,  dadurch  eine  Blutung  hervorzurufen,  jedenfalls 
in  gar  keinem  Verhältniss  steht  zu  der  Wahrscheinlichkeit  des 
Eintretens  einer  solchen  in  Folge  des  Brechaktes,  Avie  er  bei 
Ulcuskranken  so  oft  natürlich,  und  künstlich  erzeugt,  erfolgt. 

Da  gibt  es  denn  doch  noch  ganz  andere  diagnostische  Ex¬ 
perimente,  welche  Gefahren  für  Gesundheit  und  Leben  involviren, 
und  schliesslich  dürfte  man  ja  auch  so  manche  therapeutische 
Maassnahmen  nicht  anwenden;  ich  erinnere  nur  an  das  Trinken 
grosser  Mengen  kohlensäurehaltiger  Eisenwässer,  welche  den 
Ulcuskranken  doch  so  viel  verordnet  werden  und  die  den  Magen 
enorm  expandiren.  Ich  erinnere  an  die  gymnastischen  Heb¬ 
ungen,  welche  „nervösen“  Herzkranken  verordnet  werden!  Wie 
oft  verbirgt  sich  hinter  dem  nervösen  Herzklopfen  eine  Myo- 
degeneratio  cordis,  ein  Aneurysma  aortae! 

Wenn  wir  bei  dem  Verdacht  auf  Ulcus  ventr.  die  Sonde 
nicht  mehr  anwenden  sollen,  dann  kann  man  sich  ebenso  gut 
zu  dem  Standpunkt  einer  grossen  Zahl  von  Aerzten  bekehren, 
Avelche  dieselbe  überhaupt  verwerfen  und  behaupten,  auch  ohne 
sie  eine  richtige  Diagnose  stellen  zu  können. 

Was  nun  die  Behandlung  das  Magengeschwüres  anlangt,  so 
ist  im  Allgemeinen  bei  der  Mehrzahl  der  Aerzte  über  gewisse 
Gesichtspunkte  eine  Einigung  erzielt,  namentlich  in  Bezug  auf 
die  Maassnahmen  diätetischer  und  medikamentöser  Art.  Ich  will 
hier  nicht  näher  darauf  eingehen,  da  ich  auf  meinen  Vortrag 
verweisen  kann.  Ich  möchte  nur  auf  zwei  Punkte  hinweisen, 
die  mir  geeignet  erscheinen,  eine  grössere  Beachtung  zu  ver¬ 
dienen. 

Da  unserer  heutigen  Auffassung  nach,  und  zivar  auf  Grund 
der  hundertfältigen  Probeausspülungen,  Kranke  mit  Magen- 
geschwür  fast  ausschliesslich  mit  flüssig-breiiger  Kost  wochen¬ 
lang  ernährt  werden  müssen,  wobei  unter  anderem  der  Zucker, 
Avie  schon  früher  betont,  eine  grosse  Rolle  spielen  muss,  weil 
eben  entweder  in  Folge  bereits  eingetretener  Verengerung  und 
Zerrungen  am  Pylorus  oder  wegen  der  Herabsetzung  der  motori¬ 
schen  Kraft  feste  Speisen  überhaupt,  besonders  schlecht  gekautes 
Fleisch,  Gemüse,  Kompot,  auch  mit  Vorliebe  der  so  viel  als 
leicht  verdaulich  geltende  Reis,  den  Magen  nicht  verlassen,  so 
müssen  wir  darnach  streben,  die  durch  die  grossen  Flüssigkeits¬ 
mengen  bedingten  Belastungs-  und  Druckverhältnisse  am  Magen 
zu  kompensiren.  Und  zwar  vermögen  wir  dies  durch  die  Lage¬ 
rung  der  Kranken.  Bei  der  absoluten  Rückenlage  resp.  halb- 
rechten  Seitenlage  mit  Erhöhung  des  Beckens  erreichen  wir  die 
Entlastung  der  grossen  Kurvatur  und  verhüten  die  faltenartige 
Zerrung,  Avelche  der  Druck  der  Flüssigkeitszone  bei  der  auf¬ 
rechten  Stellung  des  Körpers  am  Magen  erzeugen  muss.  Der 
Mageninhalt  ruht  demnach  auf  der  hinteren Magemvand ;  inFolge 
dessen  können  wir  die  Flüssigkeitszufuhr  steigern,  weil  der  Ab¬ 
fluss  der  flüssigen  Nahrung  durch  die  Lagerung  begünstigt  und 
erleichtert  wird  —  daher  die  rasche  Gewichtszunahme  eines 
Ulcuskranken  bei  Ruhekuren. 

Gerade  diese  Thatsache  der  manchmal  oft  bedeutenden  Ver¬ 
mehrung  des  KörpergeAvichtes  wird  als  Beweis  erbracht  für  die 
Auffassung,  dass  in  einem  gegebenen  Fall  nicht  ein  Ulcus  vor¬ 
liegt,  sondern  ein  „nervöses“  Magenleiden. 

Dass  für  die  Gewichtszunahme  und  damit  für  die  Hebung 
des  Allgemeinbefindens  einzig  und  allein  die  durch  die  Rücken¬ 
lage  günstig  veränderten  Verhältnisse  der  Mechanik  des  Magens 
und  die  Verringerung  des  Abstandes  des  Flüssigkeitsniveaus  vom 
Abflusspunkt,  dem  Pylorus,  verantwortlich  zu  machen  sind,  das 
beweisen  am  besten  die  Fälle  von  Ulcuskranken  mit  hochgradig 
gestörter  motorischer  Funktion,  welche  während  der  zweiten 
Hälfte  einer  Schwangerschaft  ein  ganz  verändertes  Bild  ihres 
Zustandes  zeigen.  Zunahme  des  Körpergewichts,  Nachlassen  der 


MtTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


29.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1259 


subjektiven  Beschwerden,  besonders  der  Uebelkeit  und  auch  der 
Schmerzen  und  des  lästigen  Volllieitsgefühles,  Steigerung  des 
Appetits.  1  ost  partum  dann  allmähliches  Wiedereintreten  der 
alten  Beschwerden.  Der  hochwachsende  Uterus  übernimmt  in 
solchen  Fällen  die  Rolle  eines  sich  allmählich  unter  den  Magen 
schiebenden  breiten  Kissens,  wodurch  die  grosse  Kurvatur  ge¬ 
hoben,  entlastet  wird  und  dieselben  mechanischen  Verhältnisse 
geschaffen  werden  wie  bei  der  Rückenlage  mit  Beckenerhöhung. 
^  L  ebrigens  kann  man  die  gleiche  Beobachtung  auch  bei  der 
Oastroptose  machen;  ich  habe  darauf  bereits  hingewiesen  in  der 
erwähnten  Arbeit.  In  jüngster  Zeit  hat  M  a  i  1 1  a  r  t 6)  in  ähn¬ 
lichem  Sinne  'nie  ich  auf  diese  Thatsachen  wieder  aufmerksam 
gemacht. 

Der  zweite  Punkt  bei  der  Behandlung  des  chronischen 
Magengeschwürs  ist  die  von  mir  empfohlene  Eingiessung 
von  grossen  Dosen  Bismut.  subgall.  (Dermatol)  in  Oel 
suspendirt.  Ich  pflege  jedesmal  nach  voraufgegangener 
Auswaschung  des  Magens  mit  warmen  Borsäurelösungen 
ca.  200  g  feinsten  Leinöles  oder  Mohnöles  mit  10  g 
Dermatol  stark  geschüttelt  einzugiessen  und  darnach  die 
Rücken-  resp.  Bauchlage  einnehmen  zu  lassen.  Bei  noch  nicht 
zu  weit  vorgeschrittenen  Fällen  von  chronischem  Ulcus,  d.  h.  avo 
noch  nicht  die  Stenose  und  die  dadurch  bedingte  sackartige  Er- 
weiterung  des  Magens  sich  herausgebildet  haben,  besteht  der  Er¬ 
folg  darin,  dass  die  Schmerzen  bedeutend  nachlassen,  die  mo¬ 
torischen  \  erhältnisse  sich  bessern,  so  dass  viel  früher  schon  mit 
der  Zuführung  konsistenterer  Speisen  begonnen  werden  kann. 

Nach  den  Angaben  von  Cohn  heim  scheint  die  An¬ 
wendung-  von  Oel  bei  Magenleiden  auf  medizinische  Volks¬ 
instinkte  zurückzuführen  zu  sein.  Ich  habe  auf  die  warme  Em¬ 
pfehlung  desselben,  grosse  Mengen  Oel  auf  alle  Fälle  dort,  wo 
Pylorusstenose  vorliegt,  zur  Anwendung  zu  bringen,  ebenfalls 
eine  grössere  Versuchsreihe  angestellt,  ohne  indessen  so  günstige 
Resultate  gesehen  zu  haben,  und  bin  wieder  zu  meiner  Dermatol¬ 
oder  Bismuth-Oel-Suspension  zurückgekehrt.  Es  dürfte  doch 
mehr  das  Medikament  als  das  Oel  die  Heil-  und  kalmirende  Wir¬ 
kung  erzielen.  Der  Vortheil,  den  die  Applikation  des  Medika¬ 
mentes  mit  Oel  bietet,  beruht  sicherlich  darauf,  dass  es  gleicli- 
mässiger  auf  die  Schleimhaut  vertheilt  wird,  länger  auf  dem  Ge¬ 
schwürsgrund  haftet,  als  Avenn  es  mit  Wasser  eingegossen  wird, 
das  bei  jeder  BeAvegung  des  Magens  in  Folge  seiner  Labilität 
das  Pulver  wieder  Avegspült.  Dass  die  Konfiguration  des  Magens 
beim  Ulcus  ventr.  von  Einfluss  auf  den  Erfolg  einer  Bismuthkur 
mit  oder  ohne  Oel  ist,  beweisen  mir  4  Fälle,  bei  denen  schliess¬ 
lich  wegen  der  unerträglichen  Schmerzen  die  Gastroenterostomie 
gemacht  Avurde,  wobei  sich  herausstellte,  dass  alte  Ulzera  direkt 
am  Pylorus  sassen  und  narbige  Verwachsungen  des  Pylorus  mit 
der  Nachba rscha f t  und  bedeutende  Stenosirung  desselben  zur 
folge  hatten.  Schon  bei  der  ersten  Untersuchung  (Frühjahr 
1901)  fiel  mir  die  enorme  Vergrösserung  des  Magens  auf,  mit  der 
charakteristischen  Ausbuchtung.  Die  oft  wiederholten  Ein¬ 
giessungen  von  Dermatol-Oel-Suspensionen  hatten  in  keinem  der 
Fälle  auch  nur  Linderung  gebracht,  was  dadurch  erklärlich  ist, 
dass  dieselben  an  den  tiefsten  Punkt  des  Magens,  jener  Aus¬ 
buchtung,  zu  liegen  kamen. 

Es  eignen  sich  demnach  zu  solcher  medikamentösen  Behand¬ 
lung  des  Magengeschwüres  nur  jene  Fälle,  bei  denen  die  Ste¬ 
nosenbildung  noch  nicht  so  weit  fortgeschritten  ist,  sondern  wo 
das  Ulcus  weiter  ab  vom  Pylorus  sitzt  und  der  Tonus  der  Mag'en- 
muskulatur  noch  nicht  so  weit  gesunken  ist,  dass  in  Folge  des 
Missverhältnisses  zwischen  Leistungsfähigkeit  und  Belastung  des 
Magens  sackartige  Erweiterungen  entstehen. 

Nachschrift:  Während  der  Drucklegung  dieser  Arbeit 
hat  der  20.  Kongress  für  innere  Medizin  stattgefunden,  auf  dem 
Ms  ein  Ilauptthema  „Diagnose  und  Therapie  des  Magen¬ 
geschwürs“  zur  Verhandlung  stand.  Leider  wurde  die  wichtige 
frage,  inwieweit  die  Prüfung  der  Motilität  des  Magens  beim 
Ulcus  als  diagnostischer  und  besonders  als  differentialdiagnosti¬ 
scher  Faktor  gegenüber  der  sog.  nervösen  Dyspepsie  anzusehen 
ist,  überhaupt  nicht  behandelt,  und  bei  der  Hast,  mit  der  das 
ganze  Thema  durchgepeitscht  wurde,  und  bei  der  Kürze  der  den 

9  Ueber  den  günstigen  Einfluss  der  ScliAvangerschaft  auf  die 
Enteroptose.  Centralbl.  f.  Gynäkol.  50. 


Diskussionsrednern  zugemessenen  Zeit  konnte  ich  auch  nur  auf 
die  Wichtigkeit  dieser  Frage  hinweisen.  Nach  dem  Gang  der 
Verhandlungen  zu  urtheilen,  lautet  der  Spruch,  den  der  medi¬ 
zinische  Kongress,  gleichsam  als  eine  Art  „Reichs-Medizin- 
Gerichtshof“,  über  Diagnose  und  Therapie  des  Magengeschwürs 
gefällt  hat :  „Es  bleibt  Alles  beim  Alten“. 


Die  spinalen  Reflexe  in  der  Hysterie. 

Von  Prof.  Dr.  Steiner  in  Köln. 

Die  landläufigen  spinalen  Reflexe,  Avie  der  Bauch-,  Hoden- 
und  Plantarreflex,  sowie  der  Ellenbogen-,  Knie-  und  Achilles¬ 
sehnenreflex  laufen  in  einem  Bogen,  dessen  zentrales  Stück  im 
Rückenmark  liegt.  Die  Folge  davon  ist,  dass  bei  Erkrankungen 
des  Rückenmarkes  naturgemäss  Störungen  der  Reflexe  auftreten, 
Avenn  der  Reflexbogen  im  Bereiche  der  Erkrankung  liegt. 

Der  Reflex  Avird  aber  auch  eine  Störung  erleiden,  wenn  das 
zentrifugale  Stück  seines  Bogens  beeinträchtigt  ist  und  ebenso 
bei  Schädigung  seines  zentripetalen  Anteiles. 

Dieses  letztere  Vorkommnis  interessiert  uns  für  die  Fälle 
von  Hysterie,  welche  mit  totaler  Anästhesie  der  Haut  der  einen 
oder  beider  Seiten  einhergehen,  und  die  so  liegt,  dass  der  zentri¬ 
petale  Ausbreitungsbezirk,  den  man  auch  als  den  Fuss  des  Re¬ 
flexes  bezeichnen  kann,  in  den  Bereich  der  Anästhesie  fällt. 
Dabei  erhebt  sich  die  Frage,  ob  und  inwieweit  die  betreffenden 
Reflexe  eine  Beeinträchtigung  erfahren  haben. 

Der  Einfachheit  halber  wollen  wir  nur  vom  Kremaster-  und 
Plantarreflex,  soAvie  dem  Kniereflex  sprechen,  von  denen  man 
die  beiden  ersten  als  Hautreflexe  gegenüberstellt  dem  Kniereflex 
als  einem  Sehnenreflex. 

Die  Klassiker  der  Hysterie,  ich  meine  C  h  a  r  c  o  t  und  seine 
Schule,  lehren  ),  dass  die  Reflexe,  welche  auf  Kitzeln  (chatouille- 
ment)  eintreten  und  deren  Fuss  im  Bereiche  der  Anästhesie  liegt, 
vernichtet  sind ;  so  z.  B.  der  Plantarreflex  auf  der  anästhetischen 
Seite  fehlt  gegenüber  der  gesunden,  wo  er  vorhanden  ist.  Aber 
schon  der  Bauchreflex  verhält  sich  anders,  denn  er  soll  nach 
Rosen  bach  auf  der  kranken  Seite  erhalten  sein,  während 
dieser  Angabe  gegenüber  dieselbe  Stelle  (Pit  res)  behauptet, 
dass  er,  wenn  auch  nicht  A'emiclitet,  so  doch  herabgesetzt  sei. 
lieber  das  Verhalten  des  Hodenreflexes,  der  nach  der  allgemeinen 
Regel  ebenfalls  ausfallen  müsste,  habe  ich  eine  besondere  An¬ 
gabe  nicht  finden  können. 

Prinzipiell  anders  sollen  sich  die  Sehnenreflexe  verhalten, 
da  sie  weder  eine  Steigerung  noch  eine  Abschwächung  auf¬ 
weisen *  2). 

Bei  G  o  w  e  r  s  finden  wir  die  Angabe,  dass  im  Gebiete  der 
hysterischen  Anästhesie  die  Reflexe  nicht  verändert  sind3). 
Löwenfeld  schreibt:  „Wichtiger  scheint  mir  bei  Hysterie 
(Anästhesie  vorausgesetzt)  das  Verhalten  des  Kniephänomens; 
dasselbe  fehlt  bei  Hysterie  sehr  selten.  Mangel  desselben  weist 
daher  primo  loco  auf  eine  organische  Affektion  des  Nerven¬ 
systems  hin“ 4).  Sternberg  berichtet:  „Bei  hysterischer 
Monoplegie  oder  Hemiplegie  findet  sich  häufig  ein  Unterschied 
in  den  Sehnenreflexen  der  beiden  Seiten,  wiewohl  Althaus  das 
bestritten  hat.  Meist  sind  auf  der  sensorisch  oder  motorisch  ge¬ 
lähmten  Seite  die  Sehnenreflexe  gesteigert,  doch  kommt  auch 
Herabsetzung  vor“5).  Im  Falle  von  Dejerine:  Hemiplegie 
mit  Hemianästhesie  fehlte  beiderseits  der  Patellarreflex.  Meine 
eigenen  Erfahrungen  stimmen  mit  denen  der  Pariser  überein :  Ich 
beobachte  zur  Zeit  ein  junges  Mädchen  mit  schAverer  Hysterie, 
bei  welcher  eine  totale  Anästhesie  der  unteren  Extremitäten  be¬ 
steht,  avo  der  Plantarreflex  fehlt,  während  die  Kniereflexe  ganz 
regelrecht  und  leicht  auslösbar  sind. 

Als  allgemeine  Regel  würde  sich  demnach  ergeben,  dass 
innerhalb  der  hysterischen  Anästhesie  die  Sehnenreflexe  erhalten, 
die  Hautreflexe  vernichtet  oder  herabgesetzt  sind.  Der  IJoden- 

9  Gilles  de  laTourette:  Traite  clinique  et  therapeutique 
de  l’hysterie  etc..  Bd.  I,  1891,  p.  16G.  —  Pit  res:  Legons  cliniques 
sur  l’hysterie  et  l’hypnotisme.  Paris  1891. 

2)  1.  c.,  Bd.  II  b,  1895,  p.  70. 

3)  Gowers:  Handbuch  der  Nervenkrankheiten,  Bd.  III,  1892, 

S.  301. 

4)  LÖAvenfeld:  Path.  u.  Ther.  d.  Neurasthenie  u.  Hysterie. 
Wiesbaden  1894.  S.  373. 

5)  Sternberg:  Die  Sehnenreflexe  und  ihre  Bedeutung  für 
die  Pathologie  des  Nervensystems.  Wien  1893.  S.  254. 


3* 


1260 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


reflex,  über  den  ich  weder  aus  eigener  Erfahrung  noch  aus  der 
Literatur  berichten  kann,  würde  sich  als  Hautreflex  dem  'S  er¬ 
halten  derselben  anzuschliessen  haben. 

Unter  Umständen  kann  das  aber  auch  anders  sein,  wie  es 
sich  in  einem  Falle  von  Hysterie  ereignete,  den  ich  seit  mehreren 
Jahren  zu  beobachten  Gelegenheit  habe  und  dessen  besonderes 
Interesse  darin  liegt,  dass  mit  Eintritt  der  Anästhesie  sich  untei 
meinen  Augen  ein  umgekehrtes  Verhalten  der  Reflexe  einge¬ 
stellt  hat.  . 

Es  handelt  sich  um  einen  sehr  kräftigen  jungen  Mann,  i±.  x., 
von  27  Jahren,  welcher  als  Wagenwärter  der  Staatshahn  am  2.  No¬ 
vember  1898  bei  der  Entgleisung  eines  Schnellzuges  einen  Lntail 
erlitten  hatte,  dessen  Folgen  eine  Gehirnerschütterung  mit  Be¬ 
wusstseinsverlust  und  eine  Kontusion  des  Rückens  waren.  Nach 
Wiederkehr  des  Bewusstseins  soll  er  reichliches  Nasenbluten  ge¬ 
habt  haben.  Da  der  Mann  weiterhin  arbeitsunfähig  geblieben  war, 
wurde  er  mir  zur  Begutachtung  und  Hospitalbehandlung  über¬ 
leben  C  *• 

Er  trat  am  1.  April  1899  in  das  Hospital  ein  mit  vorwiegenden 
Klagen  über  ständige  Kopfschmerzen,  Rückensclimerzen,  allge¬ 
meine  Müdigkeit  und  Gedächtnisschwäche.  T.  war  Soldat,  sehr 
untersetzter  und  gedrungener  Figur,  sowie  blühender  Gesichts¬ 
farbe.  Trotz  des  glänzenden  Aussehens  ist  er  erregt  und  leicht 
weinerlich.  Seine  Bewegungen  sind  völlig  frei;  nirgends  sind 
Muskelatrophien  vorhanden  und  ebensowenig  Störungen  in  den 
Sinnesapparaten  inkl.  der  Haut,  welche  überall  deutlich  tulilt. 
Dagegen  ist  die  ganze  Schädeldecke  auf  Druck  empfindlich,  ebenso 
die  ganze  Wirbelsäule  bis  hinunter  zum  Kreuzbein. 

Die  Ellenbogenreflexe  sind  vorhanden;  Bauch-  und  Hoden¬ 
reflex  in  normaler  Stärke  nachweisbar;  ebenso  die  Kniereflexe, 
aber  es  ist  deutlich  der  linke  stärker  als  der  rechte;  Plantarreflex 
lebhaft  und  linkerseits  etwas  Fussklonus  angedeutet. 

Alle  übrigen  Funktionen  sind  normal;  der  Puls  04 — 08;  der 
Harn  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

Bei  der  Schwere  des  Unfalles  und  bei  dem  guten  Leuniunds- 
zeugnis,  das  die  Akten  dem  Manne  ausstellten,  bestand  kein 
Zweifel  über  die  Richtigkeit  seiner  Angaben,  die  übrigens  auch 
bei  dem  mehrwöchentlichen  Aufenthalte  im  Hospitale  konstatiert 
werden  konnten. 

Auf  seinen  Wunsch  wurde  T.  am  28.  April  1899  nach 
4  wöchentlicher  Behandlung  ungeliebt  entlassen:  Die  Riicken- 
schmerzen  sind  verschwunden,  ebenso  der  Fussklonus,  während 
die  übrigen  Beschwerden  dieselben  geblieben  sind  und  der  ob¬ 
jektive  Befund  eine  Aenderung  nicht  erfahren  hat.  Von  der  Ge¬ 
dächtnisschwäche  konnten  wir  uns  nicht  überzeugen,  da  der  Mann 
alle  Daten  aus  seiner  Umgebung  und  aus  den  letzten  Tagen  richtig 
angab,  auch  ganz  richtig  rechnete.  Er  meinte  nur,  dass  ihm  ver¬ 
winkeltere  Rechnungen  nicht  mehr  so  gelängen,  wie  früher. 
Uebrigens  ist  die  Klage  über  diesen  Mangel  später  ernstlich  nicht 
mehr  wiederholt  worden.  Nach  etwa  1  y2  Jahren,  Ende  November 
1900,  konnte  ich  den  Mann  wieder  untersuchen:  Seine  Klagen 
waren  dieselben,  aber  seine  Stimmung  sehr  viel  schlechter,  denn 
er  lebte  mit  Frau  und  Kindern  in  kümmerlichen  Verhältnissen, 
da  er  trotz  wiederholter  Versuche  dauernd  nicht  zu  «arbeiten  ver¬ 
mochte  und  die  ihm  zugefallene  Rente  nur  für  das  Notwendigste 
reichte. 

Eine  erhebliche  Veränderung  war  in  dem  objektiven  Befunde 
eing’ttreten,  die  (der  Kürze  wegen)  allein  hier  angeführt  werden 
soll.  Die  eine  Veränderung  betraf  das  Gefühlsvermögen  der  Haut: 
Beide  Beine  sind  völlig  unempfindlich  gegen  Pinselstrich  und 
Nadelspitze  bis  auf  die  Fussohlen.  welche  lebhaft  empfinden;  un¬ 
empfindlich  sind  beide  Anne  und  Hände;  die  Vorder  fläche  des 
Rumpfes  ist  überempfindlich;  seine  Rückenfläche,  sowie  Gesicht 
und  Kopf  sind  normal  empfindlich.  Die  zweite  Veränderung  be¬ 
trifft  die  Reflexe,  von  denen  die  beiden  Sehnenreflexe,  nämlich  der 
Ellenbogen-  und  Kniereflex,  v  ö  1 1  i  g  versc  li  w  u  n  d  e  n  u  n  d 
mit  keine  m  d  er  he  k  a  nuten  Hilfsmittel  ausl  ö  s  - 
b  a  r  s  i  n  d,  während  der  Hodenreflex  normal  und  recht  lebhaft 
erscheint.  Bauch-  und  Plantarreflex  sind  unverändert;  ihr  Er¬ 
regungsbezirk  hat  ja  auch  keine  Veränderung  erfahren. 

Dass  die  Anästhesien  der  Haut  keine  Vorspiegelung  sind,  geht 
aus  der  Tatsache  hervor,  dass  ein  rein  objektives  Symptom,  wie 
der  Kniereflex,  verschwunden  ist,  d.  li.  es  ist  sicher,  dass  in  dem 
Organismus  wesentliche  Veränderungen  vorgehen,  also  auch  jene 
Aendernngen  glaubwürdig  erscheinen.  Dazu  kommt  weiter  die 
allgemeine  Zuverlässigkeit  des  Mannes. 

Neun  M  onate  später,  Ende  August  1901 .  habe  ich  den  Mann  wieder 
untersucht  und  gefunden,  dass  die  Reflexe,  vor  allem  djr  Hoden- 
und  Kniereflex,  sich  in  gleichem  Zustande  befanden  wie  früher, 
während  die  Ilautempfindungen  folgende  Armierungen  erfahren 
haben:  Die  Beine  sind  bis  auf  die  Sohlenflächen  völlig  unempfind¬ 
lich:  die  Arme  sind  nicht  mehr  ganz  unempfindlich,  sondern  nur 
erheblich  herabgesetzt:  die  Vorderfliiche  des  Rumpfes  ist  eben¬ 
falls  herabgesetzt,  während  die  Rückenfläche  ganz  unempfindlich 
ist  bis  auf  zwei  seitliche  Streifen  an  den  Lenden.  Gesicht  und 
Kopf  fühlen  normal. 

Eine  neue  Untersuchung,  am  21.  Oktober  v.  J.,  zeigte  die  Sen¬ 
sibilität  der  Haut  von  neuem  verändert:  Das  Gesicht  und  der  Kopf 
sind  intakt,  hingegen  waren  der  Schultergürtel  bis  zum  Halse  und 
bis  unterhalb  der  Brustdrüsen,  sowie  die  Arme  und  Hände  total 
unempfindlich;  die  Bauchgegend  von  jener  Linie  bis  nahe  der 
Spinalgegend  (aber  immer  in  zum  Körper  senkrechten  Linien) 


herabgesetzt;  die  Beine  total  unempfindlich  mit  Ausnahme  dei 
Fussohlen.  Der  Rücken  ebenso  mit  Ausnahme  zweier  .  seitlicher 
Streifen  an  den  Lenden,  die  bis  an  die  Skapularlinie  reichen  und 
sich  der  Mittelbauchgegend  ansehliessen,  sowohl  örtlich  als  ihren 
Empfindungen  nach. 

Das  Verhalten  der  Reflexe  bleibt  unverändert:  der  Hodenreflex 
ist  recht  lebhaft,  der  Kniereflex  ausgelöscht. 

Die  ganze  Art  und  Entwicklung  der  Hautanästhesie  macht 
cs  gewiss,  dass  es  sich  um  eine  Hysterie  und  nicht  um  eine- 
organische  Erkrankung  des  Nervensystems  handelt,  zu  deren 
Gunsten  das  Verschwinden  des  Kniereflexes  sonst  sehr  eindring¬ 
lich  zeugen  würde. 

Dass  es  sich  um  eine  traumatische  Hysterie  handelt,  macht 
für  die  folgenden  Betrachtungen  nichts  aus,  da  nach  allgemeiner 
Auffassung  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  einer  trau¬ 
matischen  und  einer  aus  anderen  Gründen  sich  entwickelnden 
Hysterie  nicht  besteht;  ganz  abgesehen  davon,  dass  hier  das 
Trauma  nicht  die  direkte,  sondern  die  indirekte  Ursache  für  die 
Entwicklung  der  Hysterie  zu  sein  braucht. 

Jedenfalls  sehen  wir  an  diesem  Beispiele  —  und  darauf  läuft 
die  ganze  Betrachtung  hinaus  — ,  dass  die  Reflexe  in  der  mit  An¬ 
ästhesie  der  Haut  einhergehenden  Hysterie  sich  gerade  umge¬ 
kehrt  verhalten  können,  wie  die-  Schulfälle  vorschreiben:  Der 
Haut  reflex,  speziell  der  Hodenreflex,  bleibt 
erhalten,  der  Kniereflex  aber  verschwindet. 

Das  besondere  aktuelle  Interesse  an  diesem  Falle  liegt  darin, 
dass  der  Eintritt  der  Hautanästhesie  und  das  Schwinden  des 
Kniereflexes  unter  meinen  Augen  vor  sich  gehen;  man  also  nicht 
sagen  kann,  dass  der  Kniereflex  dem  Individuum  auch  schon 
vorher  gefehlt  habe,  was  durchaus  nicht  ausgeschlossen  ist.  Das 
lehrt  direkt  der  oben  erwähnte  Fall  von  De  j  er  ine,  wo  der 
Kniereflex  fehlt  auf  der  gesunden  und  der  a  n  ä  s  t  h  e  - 
t  i  s  ehen  Seite,  d.  h.  wo  die  Anästhesie  auf  das  Verhalten  des 
Reflexes  einen  Einfluss  überhaupt  nicht  ausgeübt  hat.  Für  den 
I-Iodenreflex  trifft  ein  gleicher  Einwurf  nicht  zu,  da  er  bei  der 
Umkehr  der  Regel  eben  erhalten  bleiben  muss,  unabhängig  von 
seinem  vorherigen  Verhalten. 

Ist  es  gestattet,  aus  dieser  einen,  allerdings  wohl  selten  vor¬ 
kommenden  Beobachtung,  einen  Schluss  zu  ziehen,  so  wäre  der¬ 
selbe  in  folgender  Weise  zu  fassen :  U  nter  sonst  gleichen 
IT  matänden  spricht  das  Verschwinden  des 
Kniereflexes  nicht  gegen  die  Hysterie,  wenn 
der  Ho  den  reflex  erhalten  i  s  t. 

Die  Unversehrtheit  des  Kniereflexes  in  der  hysterischen  An¬ 
ästhesie'  dient  bekanntlich  als  Beweis  dafür,  dass  dieselbe  zere¬ 
bralen  Ursprunges  ist;  indes  reicht  die  einfache  Erklärung  nicht 
mehr  aus,  um  das  Fehlen  der  Hautreflexe  verständlich  zu  machen, 
für  welche  die  Anästhesie  natürlich  ebenso  im  Gehirn  gesucht 
werden  müsste.  Und  wenn  diese  Formel  für  die  Reflexe  sich  um¬ 
kehrt,  wie  es  liier  geschehen  ist,  wie  stellt  sich  dann  die  Er¬ 
klärung? 

Man  wird  vorläufig  die  Antwort  auf  diese  Fragen  schuldig 
bleiben  müssen. 


Ueber  Verletzungen  der  Brust,  speziell  des  Herzens. 

Von  Landgerichtsarzt  Dr.  W  e  t  z  e  1  in  München. 

Die  Vielseitigkeit  dieser  Zeitschrift  bringt  es  mit  sich,  dass 
Schreiber  dieses  sich  gestatten  darf,  über  eine  Reihe  durch  ge¬ 
richtliche  Sektionen  erhobener  Befunde  zu  berichten,  die  sich  bei 
Leuten  ergaben,  welche  an  Brustverletzungen  verstorben  waren. 
Das  zu  Grunde  liegende  Material,  zum  grössten  Teil  aus  den 
Folgezuständen  von  Stich-Schnittwunden  bestehend,  wurde  ge¬ 
liefert  durch  Raufexzesse,  bei  denen  ganz  gewöhnlich  der  Dämon 
Alkohol  die  ausschlaggebende  Rolle  spielte.  Man  muss  cs  sehr 
bedauern,  dass  alljährlich  so  viele  blühende  Menschenleben  aus 
nichtigen  Anlässen  zu  Grunde  gehen  und  möchte  oft  eine 
strengere  Sühne  für  solche  Delikte  wünschen,  welche  einer  frevel¬ 
haften  Unterschätzung  des  Lebens  anderer  entspringen.  Zum 
Glück  nehmen  ja  nicht  alle  Fälle  einen  tragischen  Ausgang,  weil 
entweder  der  Stich  daneben  geht  oder  die  Verletzung  in  Genesung 
endet.  Dass  solche  Heilungen  bei  Eröffnung  der  Brusthöhle, 
bei  Verletzungen  der  Lunge,  des  Herzbeutels,  ja  des  Herzens 
selbst  Vorkommen,  lehrt  sowohl  die  klinische  Erfahrung,  als  auch 
so  mancher  Sektionsbefund.  Zwar  wird  nicht  leicht  ein  Gerichts 
arzt  in  die  Lage  kommen,  geheilte  Herzwunden  zu  konstatieren 


29.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1261 


—  wie  es  andrerseits  Berichterstatter  schon  zweimal  erlebte, 
dass  bei  aus  anderer  Ursache  Getöteten  in  die  Schädelknochen 

eingeheilte  Messerspitzen  und  Gehirnnarben  gefunden  wurden _ , 

aber  man  sieht  doch  nicht  selten,  dass  eine  Verletzung  in  Wirk¬ 
lichkeit  eigentlich  nicht  so  schlimm  war,  dass  dadurch  bei  Aus¬ 
schluss  anderer  Umstände  der  Tod  hätte  bedingt  werden  müssen. 
So  ist  z.  B.  die  einseitige  Eröffnung  der  Brusthöhle  an  sich  — 
wenn  sie  doppelseitig  vorkommt,  ist  sie  nach  Landois  un¬ 
bedingt  tödlich  — ,  wenn  der  Verletzte  einmal  den  ersten  Schock 
überwunden  hat,  doch  nicht  als  ein  direkt  das  Beben  gefährdendes 
Ereignis  aufzufassen,  denn  einerseits  findet  man  in  solchen 
Fällen,  dass  die  Luft  nie  ganz  aus  der  kollabierten  Lunge  ent¬ 
weicht,  wenn  diese  nicht  etwa  nach  provisorischem  Verschluss 
der  1  horaxwunde  durch  einen  Ilämothorax  komprimiert  wird, 
andrerseits  kann  man  ja  ab  und  zu  an  solchen  Fällen,  in  denen 
gelegentlich  der  Punktion  eines  Pleuraexsudates  aus  Versehen 
Luft  in  die  Brusthöhle  eindringt,  sehen,  dass  die  Bildung  eines 
Pneumothorax  gar  oft  ohne  üble  Folgen  vorübergeht.  Auch 
Lungenwunden  heilen  nicht  selten;  aus  solchen  Wunden  kann 
aber,  auch  wenn  sie  nicht  sehr  ausgedehnt  sind,  eine  bedenkliche 
und  das  Leben  gefährdende  Blutung  in  den  Brustfellraum  ein- 
treten.  Bei  nicht  penetrierenden  Herzwunden  kann  die  Wunde 
sich  verkleben  und  die  Blutung  in  den  Herzbeutel  vollständig 
resorbiert  werden,  und  auch  bei  penetrierenden  kann  man  beide 
Erscheinungen  als  Ausdruck  der  vis  medicatrix  naturae  be¬ 
obachten.  Nachstehende  Fälle  mögen  das  Gesagte  illustrieren: 

Fall  E.  Der  linke  Oberlappen  zeigt  nabe  an  seinem  unteren 
Rande  eine  penetrierende  Wunde  von  1,1  cm  Länge.  Die  linke 
Brusthöhle  enthält  massenhaft  flüssiges  und  geronnenes  Blut.  Im 
linken  Ventrikel  befindet  sich  eine  1,5  cm  tiefe,  sehr  fest  verklebte 
Stichverletzung,  die  deshalb  nicht  penetrierte,  weil  sie  sich  gerade 
am  Ursprung  des  vorderen  Papillarmuskels  befand.  Der  Herz¬ 
beutel  enthielt  nur  etwas  blutige  Flüssigkeit 
in  Folge  von  Perikarditis. 

Fall  St.  Querverlaufende,  penetrierende  Wunde  des  linken 
Ventrikels,  sehr  fest  verklebt.  Der  Herzbeutel  enthält 
nur  einige  Tropfen  flüssiges  Blut. 

Für  den  Ausgang  von  Herzverletzungen  spielen  natürlich 
Sitz  und  Beschaffenheit  der  Wunden  eine  massgebende  Rolle. 
Vorhofwunden  töten  immer,  an  Gefährlichkeit  diesen  am  nächsten 
stehen  Wunden  beider  Ventrikel,  dann  die  des  linken,  endlich 
des  rechten  Ventrikels.  Immerhin  berechnet  Fischer  in 
seiner  Monographie  über  Herzwunden,  dass  man  10  Proz.  Hei¬ 
lungen  —  allerdings  die  relativen  mitgerechnet  —  annehmen 
dürfe,  bei  Stich-Schnittwunden  8  Proz. 

Das  Verhältnis  wird  sich  ja  wohl  seit  der  Einführung  der 
Herznaht  (R  e  li  n)  noch  etwas  gebessert  haben.  Ob  solche  bei 
Schusswunden  je  von  Erfolg  sein  wird,  dürfte  zu  bezweifeln  sein, 
da  ja  die  Wunden  gequetscht  sind,  eine  Glättung  der  Ränder 
wohl  kaum  im  Bereich  der  Möglichkeit  liegt,  und  somit  die  Aus¬ 
sichten  auf  eine  prima  reunio  minimale  sind. 

Wie  eine  Heilung  überhaupt  zu  Stande  kommen  kann,  da¬ 
rüber  gab  der  vorerwähnte  Fall  St.  ein  recht  instruktives  Bild: 

Die  feste  Verklebung  der  1,1  cm  langen  Querwunde  war  da¬ 
durch  mächtig  begünstigt,  dass  der  Wundkanal,  wie  ein  Längs¬ 
schnitt  durch  die  Stelle  der  Wunde  ergab,  einen  mehrfach  ge¬ 
wundenen  Verlauf  hatte. 

Dieses  wird  leicht  verständlich  durch  den  Umstand,  dass  die 
Herzmuskulatur  aus  verschieden  verlaufenden  Faserschichten, 
nämlich  je  einer  äusseren  und  inneren  Längsschichte  und  einer 
mächtigen  Querschichte  besteht,  die  durch  schräge  Faserzüge 
mit  einander  verbunden  sind.  Der  obige  Befund  wurde  an  einem 
ziemlich  erschlafften  Herzen  aufgenommen,  es  ist  also  wohl  an¬ 
zunehmen,  dass  der  Stich  im  Momente  der  stärksten  Zusammen¬ 
ziehung  des  Herzens  zugefügt  wurde. 

Wenn  solche  Fälle,  oder  auch  harmlosere,  die  nach  ihrer  Be¬ 
schaffenheit  oder  nach  dem  anfänglichen  Verlauf  Anwartschaft 
auf  Heilung  gehabt  hätten,  doch  letal  endigten,  so  liegt  eben 
6er  Grund  in  einer  Infektion  der  Wunde,  welche  um  so 
leichter  erfolgen  kann,  als  ja  die  verletzenden  Instrumente,  die 
zu  durchdringenden  Kleidungsstücke  der  Verletzten,  und  nicht 
zuletzt  die  Hautoberfläche  derselben  in  bakteriologischer  Hin¬ 
sicht  oft  von  recht  bedenklicher  Beschaffenheit  sind.  Zu  unserem 
Leidwesen  sehen  wir  daher  gelegentlich  auch  Fälle  zu  Grunde 
gehen,  in  denen  die  Brusthöhle  nicht  einmal  eröffnet,  ein  wich¬ 
tiges  Blutgefäss  nicht  getroffen  ist  und  doch  eine  fortschreitende 
Entzündung  verhängnisvoll  wird,  so  im 

'o.  30 


ran  H.  Ls  war  nur  der  2.  rechte  Rippenknorpel  durch¬ 
schnitten.  lod  am  5.  Tage  an  eitriger  Mediastinitis,  Perikarditis 
doppelseitiger  septischer  Pleuritis. 

Auch  die  zwei  bereits  erwähnten  Fälle  gingen  an  Infektion 
zu  Grunde,  welche  in  der  Herzwunde  ihren  Anfang  nahm. 

Fall  E.  Nicht  penetrierender  Herzstich.  Eitrige  Infiltration 
(loi  Heiz  wunde,  Perikarditis  mit  1  cm  dicken  Exsudatmassen 
hämorrhagischer  Infarkt  der  rechten  Niere.  Tod  nach  7  Tagen 
Fall  St.  Penetrierender  Herzstich.  Infiltration  der  Herz¬ 
muskulatur  in  der  Umgebung  der  Wunde.  Bildung  eines  Herz¬ 
thrombus  an  der  Ventrikelwunde,  hämorrhagischer  Infarkt  beider 
Nieren,  Embolie  der  rechten  Art.  fossae  Sylvii,  Tod  nach  9  Tagen. 

Zuweilen  spielen  ganz  besondere  Verhältnisse  eine  ominöse, 
den  Tod  herbeiführende  Rolle,  so  in  einem  von  Beckert  im 
Verein  deutscher  Aerzte  zu  Prag  mitgeteilten  Falle  (Münch,  med. 
Woclienschr.  1901,  No.  21): 


Einige  Tage  nach  einer  Brustverwundung  war  der  Verletzte 
wieder  arbeitsfähig,  starb  aber  14  Tage  später  plötzlich  bei  der 
Defäkation.  Es  ergab  sich  eine  Blutung  in  den  Herzbeutel 
aus  einer  kleinen  Oeffnung  in  einem  Aste  der  A.  coronar. 
dextr.,  und  es  wurde  angenommen,  dass  das  Gefäss  primär  nur 
oberflächlich  verletzt  gewesen,  dann  aber  durch  den  vermehrten 
Blutdruck  nachträglich  geplatzt  sei. 

So  ist  der  Ausgang  einer  Brustverletzung  von  gar  manchen 
Zufälligkeiten  abhängig. 


Bei  der  Untersuchung  von  Brustverletzungen 
sieht  man  an  der  äusseren  W  unde  gewöhnlich 
gar  nichts  Charakteristisches.  Die  beiden  Enden  unter¬ 
scheiden  sich  nicht  von  einander.  Zuweilen  sieht  man 
aber  eine  Konfiguration  der  Hautwunde,  die  einen  Schluss 
gestattet,  nach  welcher  Richtung  die  Schneide  des  Messers  ge¬ 
richtet  war.  Die  Wunde  bildet  da  nämlich  ein  meist  liegendes, 
sehr  langgestrecktes,  spitzwinkliges  Dreieck,  dessen  Grundlinie 
sehr  kurz,  meist  nur  millimeterläng  ist.  Auf  den  ersten  Blick 
sollte  man  meinen,  die  Grundlinie  entspräche  dem  Rücken  des 
Messers,  es  ist  jedoch  gerade  umgekehrt  und  anzunehmen,  dass 
diese  Figuren  bei  dem  Herausziehen  des  Messers  aus  der  Wunde 
durch  eine  unwillkürliche  Drehung  entstehen.  Dies  geht  daraus 
hervor,  dass  man  gelegentlich  an  der  Grundlinie  ein  kleines,  nach 
innen  vorspringendes  Hautläppchen  beobachten  kann  und  wird 
bewiesen  durch  den  Befund  im 

Fall  Bl.  Hier  war  die  Spitze  des  Messers  unter  der  Haut 
nach  aussen  in  die  Axillargefässe  vorgedrungen;  die  Hautwunde 
bildete  ein  liegendes  Dreieck  mit  der  Grundlinie  nach  aussen. 

Die  hier  stattgehabte  Art  der  Messerführung  mit  pronierter 
Faust  und  mehr  weniger  nach  auswärts  gerichteter  Schneide 
ist  die  gewöhnliche,  und  es  können  dabei  sehr  bedeutende  Auf- 
schlitzungen  der  Interkostalräume  hervorgebracht  werden: 

Fall  R.  Schnitt  am  unteren  Rand  der  V.  linken  Rippe, 
Weichteilwunde  12 y2  cm  lang,  Eröffnung  des  Pleuraraums  auf 
8  cm,  Herzbeutehvunde  5  cm,  quere  Herzwunde  4  cm  laug. 

In  anderen  Fällen  wird  in  Supinationsstellung,  gestochen; 
alsdann  kann  aus  der  Lage  der  äusseren  Wunde  allein  auf  eine 
Herzverletzung  oft  nicht  geschlossen  werden. 

Fall  E.  und  Fall  Sch.  Wunde  in  der  vorderen  Axillarlinie, 
Stichverletzung  des  linken,  bezw.  rechten  Ventrikels. 

Rippen  können  glatt  durchstochen  werden : 

Fall  Au.  Die  linke  V.  Rippe  zeigte  einen  halb  dem  knorpe¬ 
ligen,  halb  dem  knöchernen  Teil  ungehörigen,  2  cm  langen,  dem 
Verlauf  der  Rippe  entsprechenden,  festgeschlossenen  Spalt.  Das 
Messer  war  hier  durchgedrungen  und  hatte  das  Herz  getroffen. 

Auf  ein  Vorkommnis  wird  man  gelegentlich  nicht  selten 
aufmerksam,  das  ist  das  Vorhandensein  kleinerer  und  weniger 
tief  dringender  Verletzungen  in  der  Tiefe  der  Organe  neben  der 
Ilauptwunde. 

Fall  Sch.  Ausser  der  Herzverletzung  war  eine  Durchstechung 
des  linken  Oberlappens  vorhanden.  Neben  der  Ausstichwunde 
desselben  befand  sich  eine  kleine,  einige  Millimeter  lange  parallele 
Wunde. 

Fall  Tr.  Der  Stich  drang  in  den  rechten  Vorhof,  durchsetzte 
das  vordere  Segel  der  Tricuspidalis  und  verletzte  noch  die  Hinter- 
waud  des  r.  Ventrikels.  Parallel  mit  der  Wunde  des  Klappensegels 
verlief  eine  kleinere  zweite. 


Die  Beschaffenheit  dieser  Wunden  weist  auf  zwei  Tempos 
hin,  es  ist  aber  wohl  nicht  nötig,  diese  Zweizeitigkeit  dem  Täter 
auf  Rechnung  zu  setzen  und  anzunehmen,  dass  zweimal  gestochen 
wurde;  auch  Faltenbildung  der  Organteile,  die  wohl  Vorkommen 
mag,  ist  da  nicht  wahrscheinlich,  wo  eine  Inkongruenz  der  neben 
einander  liegenden  Stiche  besteht  und  die  eine  Wunde  weiter  in  die 
Tiefe  dringt.  Der  Grund  dürfte  unseres  Erachtens  vielmehr  in  der 
Reaktion  des  Gestochenen  gegen  die  Verwundung  zu  suchen  sein. 
Da  Messer  dringt  mit  einer  gewissen  Geschwindigkeit  ein,  der 


4 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


1262 


Verletzte  macht  eine  unwillkürliche  Bewegung  nach  rückwärts, 
und  dabei  können  sich  die  eben  von  der  Messerspitze  erreichten 
Teile  wieder  etwas  aus  deren  Bereich  entfernen;  im  nächsten 
Moment  dringt  aber  das  Messer  wieder  vor  und  vollendet  seinen 
Lauf. 

Häufig  werden  die  dem  Brustraum  angrenzenden  Arterien 
verletzt,  teils  isoliert,  teils  im  Verein  mit  den  Organen  der  Brust¬ 
höhle. 

Eine  Füllung  des  Brustraums  mit  Blut  braucht  daher  nicht 
immer  von  einer  Verletzung  des  Herzens  und  seiner  Gefässe  oder 
der  Lunge  herrühren.  Auch  die  Intercostalis  kann  ver¬ 
hängnisvoll  werden. 

Fall  H.  Alter  Mann,  erhält  einen  kleinen  Stich  in  die  hintere 
Axillarlinie  nahe  der  Axilla,  ohne  äussere  Blutung,  dei'  anfangs 
ohne  Bedenken  erscheint  und  vom  Arzt  mit  2  Nähten  vereinigt 
wird.  Nach  2  Tagen  Tod  durch  Verblutung  in  den  Brustfellraum 
aus  der  quer  durchtrennten  A.  intercostalis.  # 

Verletzungen  der  A.  mammaria  interna  sind  sehr 
häufig,  Dank  ihrer  anatomischen  Lage,  mit  Herzverletzungen  ver¬ 
bunden  und  beschleunigen,  da  diese  Arterie  ein  ziemliches  Kaliber 
hat,  den  Eintritt  des  Todes.  Anatomisch  wäre  ihre  isolierte  Ver- 
Verletzung  nur  im  1.  oder  2.  rechten  Interkostalraum  wahr¬ 
scheinlich,  da  sie  hier  nach  aussen  von  der  V.  cava  sup.  liegt. 

In  einem  Fall  wurde  die  M.  int.  durchschnitten  und  die  Lunge 
verletzt,  die  Arterie  nach  Resektion  eines  Knorpelstückes  unter¬ 
bunden,  die  Lungenwunde  genäht.  Der  Tod  erfolgte  aber  doch 
an  septischer  Pleuritis,  die  auch  durch  die  Empyemoperation  nicht 
aufgehalten  werden  konnte.  Bei  der  Sektion  zeigte  sich  eine 
zweite,  tiefere  Lungenwunde,  die  bei  der  Operation  nicht  gesehen 
werden  konnte. 

In  seltenen  Fällen  kommt  die  Blutung  zum  Stehen. 

Sehr  bemerkenswert  ist  hier  der  mehrfach  zitierte  Fall  St. 
Bei  gleichzeitigem  Herzstich  zog  sich  die  durchschnittene  Arterie 
zurück  und  verstopfte  sich  durch  einen  festen  Thrombus.  Infolge 
der  durch  den  starken  Blutverlust  gesunkenen  Herzkraft  erfolgte 
auch  bis  zu  dem  nach  9  Tagen  eintretenden  Tod  keine  Nach¬ 
blutung. 

Endlich  kommen  auch  die  Axillar  gefässe  in  Betracht. 

Fall  Bl.  Der  Stich  wurde  mit  grosser  Wucht  horizontal  von 
innen  nach  aussen  geführt.  Das  Messer  schlitzte  den  2.  Inter¬ 
kostalraum  auf,  schnitt  die  Lunge  an,  verliess  die  Brusthöhle 
■wieder,  und  seine  Spitze  drang  unter  der  Haut  nach  aussen  und 
verletzte  die  Vena  axillaris  und  die  A.  thoracico-akromialis  dicht, 
an  ihrem  Ursprung.  Die  äussere  Blutung  war  zunächst  gering, 
da  alles  Blut  sich  in  den  breit  eröffneten  Pleuraraum  ergoss. 
Zweimal  entleerte  sich  dann  das  Blut  im  Schwall  aus  der  voll¬ 
gefüllten  Brusthöhle,  der  Tod  erfolgte  nach  %  Stunden. 

Alle  diese  Eventualitäten  treten  aber  natürlich  in  den 
Hintergrund  gegenüber  der  Bedeutung  einer  Verletzung  des 
Herzens  selbst.  Die  Untersuchung  solcher  Herzen  erregt 
das  Interesse  nicht  nur  wegen  der  dort  aufzufindenden  Ver¬ 
wundung,  man  trifft  auch  gelegentlich  recht  interessante  Neben¬ 
befunde,  besonders  auch  in  Beziehung  auf  die  Beschaffenheit 
einzelner  Teile  des  Herzens  oder  der  Lagerungsverhältnisse  des 
ganzen  Organes. 

"Wer  häufig  Sektionen  zu  machen  Gelegenheit  hat,  der  wird 
die  Beobachtung  machen,  dass  man  bei  Personen,  die  aus  an¬ 
scheinend  völliger  Gesundheit  heraus  gewaltsam  zu  Grunde 
gingen,  gar  häufig  pathologische  Befunde  verschiedener  Dignität 
am  Herzen  trifft.  Abgesehen  von  Residuen  entzündlicher  Pro¬ 
zesse,  Trübungen  der  Endokards,  Klappenverdickungen  mässigen 
Grades,  teilweiser  oder  gänzlicher  Verwachsung  des  Herzens  mit 
dem  Herzbeutel,  Sehnenflecken  u.  a.  trifft  man,  wohl  als  Folge 
einer  Endarteriitis,  Trübungen  oder  plattenförmige  Verdickungen, 
sowie  Rigidität  der  Aorta  mit  konsekutiver  Herzhypertrophie, 
vorzeitige  Schlängelung  der  Arterien  —  die  letzteren  Erschei¬ 
nungen  sogar  bei  Kindern  — ,  sowie  besonders  oft  Eettauflage- 
rungen  auf  dem  Herzen,  welche  die  Muskulatur  des  rechten  Ven¬ 
trikels  häufig  zum  grössten  Teil  ersetzen,  so  dass  fast  der  ganze 
Ventrikel  mcmbranöse  Wandungen  erhält,  oder  welche  sich  keil¬ 
förmig  in  dieselben  hinein  erstrecken.  Offenbar  spielt  hier 
das  I’otatorium  eine  grosse  Rolle,  ebenso  die  starke  Er¬ 
höhung  des  Blutdrucks  bei  nicht  selten  schon  im  jugendlichen 
Alter  begonnener  schwerer  Arbeit,  bei  Kindern  gewiss  auch 
Rhachitis,  Skrofulöse  und  hereditäre  Lues.  Das  letztere  ist  ja 
auch  nicht  zu  verwundern.  Der  junge  Bauer  akquiriert  einen 
Schanker,  macht  wohl  auch  eine  erste  spezifische  Kur  durch; 
was  —  vielleicht  erst  nach  vielen  Jahren  —  nachkommt,  wird 
nicht  mehr  mit  dem  jugendlichen  Malheur  in  Verbindung  ge¬ 
bracht  und  vernachlässigt. 


Auch  angeborene  Abnormitäten  sind  hier  zu  er¬ 
wähnen  : 

Fall  E.  Herzstich.  Die  freipräparierte  A.  subclavia,  die  auf 
ihre  Intaktheit  untersucht  wurde,  -war  auffallend  kleinkalibrig, 
die  aufgeschnittene  Aorta  mass  nur  5,5  cm  in  der  Quere  —  normal 
S  cm  — ,  das  Herz  war  12  cm  lang  und  nur  9  cm  breit  —  normal 
10  bezwr.  11  cm  — ,  seine  Höhlen  waren  eng,  die  rechte  Ventrikel- 
wand  war  bis  zu  5  mm,  die  linke  1,6  cm  dick. 

Es  handelte  sich  also  um  angeborene  Enge  des  ganzen 
arteriellen  Gefässystems  bei  einem  kräftigen  und  gesunden 
Menschen.  Das  Herz  war  in  die  Länge  gezogen  und  hyper¬ 
trophisch. 

Im  Fall  E.  wurde  eine  Aorta  mit  nur  zwei  Semilunarklappen 
gefunden,  während  die  Pulmonalis  normal  war.  Solche  Klappen 
können  ja  schlussfähig  sein,  im  vorliegenden  lalle  waren  sie  dies 
nicht  ganz,  denn  die  medialen,  einander  zugekehrten  Enden  der 
Klappen  waren  kolbig  verdickt  und  Hessen  einen  kleinen  Zwi¬ 
schenraum  zwischen  sich. 

In  einem  Palle  hatte  eine  angeborne  Anomalie  zu  einei 

falschen  Lokalisation  eines  Herzstiches  geführt. 

Fall  Fl.  Die  äussere  Wunde  befand  sich  am  Ansatz  der  links¬ 
seitigen  5.  Rippe,  der  Knorpel  der  6.  und  7.  Rippe  aa  ar  quer  duich- 
trennt  und  auch  das  Brustbein  angeschnitten.  In  der  Mitte  des  linken 
Herzrandes  war  eine  schrägverlaufende,  penetrierende  Wunde. 
Und  dennoch  handelte  es  sich  nicht  um  eine  Wunde  des  linken 
sondern  um  eine  solche  des  i'echten  V  entrikels,  denn  es  lag  eiu 
Situs  transversus  viscerum  vor. 

Bei  der  seltsamen  Kombination  der  beiden  Vorkommnisse 
gestatte  ich  mir  über  den  Fall  einige  nähere  Mitteilungen. 
Einiges  musste  leider  durch  die  aussergewöhnliche  Ungunst  der 

äusseren  Verhältnisse  ununtersucht  bleiben. 

Gleich  nach  Eröffnung  des  Herzbeutels  erregte  die  starke 
Kontraktion  der  rechten  Herzhälfte  die  Vermutung  auf  Situs 
transversus.  Die  Herzspitze  sah  aber  nach  links  und  die  grossen 
Gefässe  Avaren  nicht  transponiert,  die  Aorta  lag  rechts,  die  Pul¬ 
monalis  liuks.  Dagegen  Avar  das  Herz,  Avie  es  häufig  bei  Situs 
transversus  der  Fall  ist,  tief  und,  wie  ein  Vergleich  der  Brustwand- 
und  Herzwunde  ergab,  ziemlich  medial  gelagert,  auch  waren  von 
beiden  Herzhälften  etw'a  gleichgrosse  Partien  sichtbar  und  die 
Pulmonalis  entsprang  etwas  weiter  nach  \-orne  als  die  Aorta,  das 
Herz  war  also  auch  in  der  Längsachse  etwas  von  links  nach  rechts 
gedreht.  Die  grossen  Herzgefässe  entsprangen  je  dem  ihrer  Lage 
entsprechenden  Ventrikel  direkt,  ohne  die  normale  Kreuzung,  die 
Vena  cava  lag  links  hinter  dem  Herzen;  die  ihrer  Funktion  nach 
als  Valv.  tricuspidalis  zu  bezeichnende,  aber  links  gelegene  Klappe 
hatte  nur  zwrei  Papillarmuskeln,  Avährend  der  hintere  Papillar- 
muskel  der  rechtsgelagerten  Mitralis  einen  doppelten,  mit  einigen 
Querbälkchen  verbundenen  Kegel  darstellte,  wie  wenn  an  dieser 
Stelle  primär  doch  die  Bildung  einer  dreizipfeligen  Klappe  an¬ 
gebahnt  gewesen  wäre. 

Konsequenter  Avar  die  Transposition  der  übrigen  Eingeweide, 
der  Lunge,  Leber,  Milz,  des  Magens,  Duodenums  und  Blinddarms 
durchgeführt,  deren  Lage  vollständig  einem  Spiegelbild  des  Nor¬ 
malen  entsprach. 

Die  Entstehungs weise  des  totalen  Situs  transversus  lässt 
sich  (Rosenbach)  am  besten  bei  Berücksichtigung  des  Ver¬ 
haltens  von  Doppelmissgeburten  erklären,  bei  denen  stets  das 
linksgelagerte  Individuum  normale,  das  rechtsgelagerte  die  ab¬ 
norme  Stellung  der  Eingeweide  zeigt..  Daraus  folgt,  dass  nur 
bei  dem  Embryo,  der  eine  bestimmte  seitliche  Lage  zur  Nabel¬ 
blase  einnimmt,  eine  richtige  Anordnung  der  Eingeweide  zu 
stände  kommt,  und  dass  das  Individuum,  welches  an  der  rechten 
Seite  der  Nabel  blase  liegt,  eine  fehlerhafte  Lagerung  hat.  Es 
würde  also  die  Inversio  viscerum  dann  auftreten,  wenn  der  Em¬ 
bryo  aus  unbekannten  Gründen  sich  nicht  zur  rechten  Zeit  von 
rechts  nach  links  hinüberwendet,  um  an  die  linke  Seite  der 
Keimblase  zu  gelangen.  Später,  wenn  das  Herz  sich  auszubilden 
beginnt,  spielt  dann  die  Richtung  der  Blutspirale  im  primitiven 
Herzschlauch  eine  grosse  Rolle,  indem  durch  ihre  normalerweise 
von  links  nach  rechts  gehende  Richtung  die  gewöhnliche  Krüm¬ 
mung  des  Herzsehlauchs  und  damit  die  Linkslagerung  des  Her¬ 
zens,  soAvie  die  davon  abhängige  normale  Lagerung  der  inneren 
Organe  bewirkt  wird.  Liegt  die  Frucht  an  der  rechten  Seite 
der  Keimblase,  dreht  sich  die  Blutspirale  von  rechts  nach  links, 
entsteht  Rechtslagerung  des  Herzens,  so  sind  damit  die  Be¬ 
dingungen  zur  Inversio  viscerum  gegeben,  „denn  die  Asymmetrie 
des  Herzens  ist  für  alles  Unsymmetrische  im  Tierleib  verant¬ 
wortlich“  (Rindfleisch).  Auch  Virchow  legt  Gewicht 
auf  das  Verhalten  des  Blutstroms  und  weist  auf  die  vom  ge¬ 
wöhnlichen  Verhalten  abweichende  —  hier  rechtsgewundene 
Drehung  der  Nabelschnurgefässe  bei  Situs  transversus  hin. 


29.  Juli  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1263 


Einen  anderen  Grund  des  Situs  transversus  sieht  Küchen¬ 
meister  darin,  dass  sich  die  Frucht  statt  von  oben  nach  unten 
in  umgekehrter  Richtung  entwickle.  Das  Zustandekommen  der 
partiellen  Transpositionen  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt. 

Bemerkenswert  dürfte  noch  sein,  dass  in  90  Proz.  der  Fälle 
die  Transposition  sich  auf  Brust-  und  Bauchorgane  erstreckt, 
in  10  Proz.  auf  die  Bauchorgane  allein  (Guttmann),  dass 
beim  männlichen  Geschlecht  2%  mal  mehr  Fälle  von  Situs  trans¬ 
versus  beobachtet  wurden  als  beim  weiblichen  und  dass  diese 
Anomalie  nicht  so  sehr  selten  ist,  da  Tiburtius  unter 
20  000  ausgehobenen  Rekruten  2  solche  Fälle  fand. 

Interessant  dürfte  auch  die  Linkshändigkeit  der  Getöteten 
sein.  Die  normale  Rechtshändigkeit  wird  bekanntlich  zwei  Ur¬ 
sachen  zugeschrieben,  erstens  der  uns  von  den  Urvätern  über¬ 
kommenen  Gewöhnung,  zweitens  dem  normalen  Gefässverlauf, 
demgemäss  die  linke  Karotis  als  direkt  in  der  Gefässrichtung 
der  Aorta  gelegene  Arterie  in  der  Lage  ist,  der  linken  Gehirn¬ 
hälfte  mehr  Blut  zuzuführen  (H  y  r  1 1).  Folge  dieser  beiden 
Zustände  ist  nach  B  r  o  c  a  eine  mess-  und  wägbare  Vergrösserung 
der  linken  Hemisphäre.  Rechtshändige  Individuen  sind  daher 
linkshirnig.  Man  sollte  nun  annehmen,  dass  mit  Situs  trans- 
versus  behaftete  Menschen  alle  linkshändig  seien;  dies  trifft  aber 
nur  prozentualiter,  nicht  absolut  zu,  denn  die  grosse  Mehrzahl 
derselben  ist  rechtshändig,  der  Einfluss  der  Gewöhnung  von 
J ugend  auf  und  des  Atavismus  prävaliert  also.  Im  vorliegenden 
Falle  war  die  Transposition  der  Gefässe  nicht  vorhanden,  man 
muss  also  eine  Transposition  der  Hemisphären  in  funktioneller 
Hinsicht  annehmen. 

In  topographischer  Hinsicht  sind  die  Bezieh¬ 
ungen  der  Brustwunde  zu  der  des  Herzens  im  ganzen 
ausserordentlich  variabel ,  wie  auch  aus  den  ausführlichen 
dieses  Verhältnis  behandelnden  Tabellen  Fischers  her¬ 
vorgeht.  Im  Falle  Fl.  entspräche  die  Stelle  der  Herzwunde, 
normale  Lage  des  Herzens  angenommen,  etwa  dem  4.  linken 
Interkostalraum  und  ein  Stich  durch  den  6.  und  7.  Rippen¬ 
knorpel  hätte  etwa  den  rechten  Herzrand  in  seiner  Mitte  treffen 
können.  Es  brauchen  aber  keineswegs  so  seltene  Abnormitäten 
vorhanden  zu  sein,  um  eine  Inkongruenz  der  Herzwunde  mit 
der  Brustwunde  zu  stände  zu  bringen.  Abgesehen  von  patho¬ 
logischen  Verhältnissen,  z.  B.  Emphysem,  Herzfehler,  überstan¬ 
dene  Pleuritis  u.  a.,  kommt  hier  natürlich  die  Richtung  des  ver¬ 
letzenden  Instrumentes,  die  Stellung  des  Getroffenen  und  die 
Phase  der  Herzkontraktion,  in  welcher  der  Stich  geführt  wird, 
in  Betracht.  Denn  mit  der  Ventrikelsystole  und  der  damit  zu¬ 
sammenfallenden  Vorhofdiastole  geht  eine  nicht  unbedeutende, 
wenn  auch  nur  kurzdauernde  Gestaltveränderung  des  Herzens 
einher  und  ebenso  umgekehrt;  auch  ist  das  Tiefertreten  des 
Herzens  bei  der  Systole  infolge  des  Gegendrucks  der  Blutsäule 
im  Momente  des  Klappenschlusses,  sowie  bei  tiefsten  Inspira¬ 
tionen,  wie  sie  ja  bei  Raufexzessen  anzunehmen  sind,  von  Wich¬ 
tigkeit.  Nach  F  i  s  c  h  e  r  steigt  das  Plerz  bei  der  Systole  nach 
links  unten  herab  und  kann  bei  der  Inspiration  um  1,2 — 2,4  cm 
tiefer  treten. 

Aus  seinen  genauen  topographisch-anatomischen  Unter¬ 
suchungen  lassen  sich  aber  folgende  Anhaltspunkte  geben:  Der 
rechte  Vorhof  liegt  rechts  vom  Sternum  von  der  Mitte  des 
2.  Interkostalraums  bis  zum  5.  Rippenknorpel,  der  rechte  Ven¬ 
trikel  liegt  unter  den  linksseitigen  Rippenknorpeln  vom  oberen 
Rande  des  1.  3.  Rippenknorpels  bis  zum  unteren  Rande  des 
6.  Rippenknorpels,  die  äussere  linke  Grenze  des  linken  Ventrikels 
entspricht  ungefähr  der  Knochenknorpelgrenze  der  Rippen, 
dieser  selbst  liegt  nach  aussen  vom  rechten  Ventrikel  von  der 
Mitte  des  2.  bis  zum  5.  linken  Interkostalraum.  Auch  H  y  r  1 1 
macht  sehr  genaue  topographische  Angaben  (Seite  676);  dazu 
fügt  aber  der  grosse  Praktiker  bei:  „Derartige  Angaben  sind 
schwer  im  Kopfe  zu  behalten  —  und  wenn  man  sie  behält,  was 
nützen  sie?  Auch  die  Exaktheit  der  topographischen  Anatomie 
hat  gewisse  Grenzen,  über  welche  hinaus  ihre  sonst  bewährte 
Nützlichkeit  ein  Ende  findet!“ 

Die  Wahrheit  dieses  Satzes  zeigte  sich  im  Fall  Tr.  Wunde 
am  unteren  Rand  der  linken  5.  Rippe,  durchschnitten  war  der 
6.  Rippenknorpel,  das  Sternum  war  angeschnitten;  getroffen  war 
die  rechte  Vorkammer  2  cm  oberhalb  der  Kammergrenze. 
Der  Mann  litt  allerdings  an  Emphysem  und  einem  Mitralfehler,  der 
jedoch  eine  bedeutende  Herzvergrösserung  nicht  zur  Folge  hatte. 


Einen  merkwürdigen  Weg  bei  normaler  Lage  des  Herzens 
nahm  das  Messer  in  folgendem 

Fall  W.  Ziemlich  gerade  von  oben  nach  unten  verlaufende 
Hautwunde  auf  der  rechten  VII.  Rippe,  3 yz  cm  von  der  Mittellinie, 
Trennung  der  Fasern  des  M.  intercostal.  int.  oberhalb  der  VI.  Rippe, 
Herzbeutelwunde  am  unteren  Ende  des  rechten  Randes,  quere  Vor¬ 
hofwunde  in  der  Hinterwand  unmittelbar  oberhalb  der  Mitte 
der  Kammergrenze. 

Der  Stich  war  offenbar  im  Moment  der  Ventrikelsystole  zu¬ 
gefügt,  wo  die  Herzspitze  vorne  an  den  Rippen  anscliliigt  und  die 
Vorhöfe  prall  gefüllt  sind.  Der  anscheinende  Kontrast  in  der  Ver¬ 
laufsrichtung  der  äusseren  und  Herzwunde  entspricht  der  nor¬ 
malen  Lage  der  Vorhofkammergrenze. 

Auch  die  Beschaffenheit  der  Herzwunden 
selbst  zeigt  manches  Eigentümliche. 

Auf  das  Vorkommen  eines  stark  gewundenen  Stichkanals 
wurde  bereits  hingewiesen.  Eine  eigentümliche  Verletzung  ent¬ 
steht,  wenn  das  Herz  an  seiner  Kante  getroffen  wird. 

In  einem  Fall  entstanden  durch  Ein-  und  Ausstich  zwei 
parallel  stehende  Längswunden  von  über  1  cm  Länge  am  rechten 
Ventrikel.  Bei  Betrachtung  des  Ventrikelinnern  konnte  eine 
Wunde  zunächst  nicht  gesehen  werden,  es  zeigte  sich  aber,  dass 
der  Grund  einer  von  Trabekeln  begrenzten,  etwa  linsengrossen 
Vertiefung  getroffen  war,  wodurch  ein  rundes  Loch  in  die  Herz¬ 
wand  entstand. 

Eine  derartige  Verletzung  mag  wohl  der  Herznaht  günstige 
Chancen  bieten,  soferne  die  Naht  hält,  da  breite  Wundflächen 
miteinander  verkleben  können,  nur  dürfte  die  weiter  hinten  ge¬ 
legene  Wunde  nicht  übersehen  werden.  Aehnlich.es  wurde  in 
einem  zweiten  Falle  beobachtet. 

Der  Stich  traf  das  Septum  hart  an  der  Grenze  der  rechten 
Kammer,  eröffnete  daselbst  eine  zwischen  den  Trabekeln  gelegene 
Tasche,  durchsetzte  das  Septum  in  schräger  Richtung  und  endete 
breit  im  linken  Ventrikel. 

Meist  beschränken  sich  die  Herzwunden  auf  die  vordere 
W  and,  zuweilen  werden  Klappen  durchbohrt  und  es  dringt  wohl 
auch  die  Messerspitze,  wie  mehrfach  beobachtet  wurde,  in  das 
Endokard  der  Hinterwand  etwas  ein.  Einer  Durchbohrung  der 
vorderen  und  hinteren  Wand  des  Herzens  steht  in  den  meisten 
Fällen  die  beträchtliche  Tiefe  der  dazu  erforderlichen  Wunde 
entgegen,  denn  das  Herz  ist  etwa  3,5  cm  dick,  und  um  nur  die 
Vorderwand  zu  durchbohren,  muss  die  Wunde  im  Durchschnitt 
etwa  3,6  cm  tief  sein  (Fische  r),  das  Messer  hat  aber  nicht 
selten  bereits  einen  ziemlich  langen  Weg  zurückgelegt,  bevor  es 
an  das  Herz  gelangte. 

Wenn  bisher  nur  von  Stich-Schnittwunden  die  Rede  war,  so 
mag  das  ein  Beweis  sein  für  ihr  relativ  häufiges  Vorkommen. 

Nachstehend  sei  ein  Fall  von  Schussverletzung  ge¬ 
schildert,  der  sich  dadurch  auszeichnet,  dass  nach  schwersten 
Organverletzungen  das  Leben  relativ  lang  gewährt  hatte  und 
verhältnismässig  komplizierte  Handlungen  noch  ermöglicht 
waren,  was  in  gerichtlich-medizinischer  Hinsicht  von  Wichtig¬ 
keit  ist. 

M.  P.  wurde,  in  seinem  Bette  liegend,  mit  einer  Schusswunde 
in  der  Brust  tot  aufgefunden  und  der  abgeschossene,  einem  Mit¬ 
knecht  gehörige  Revolver  an  dem  anderen  Ende  des  Zimmers  auf 
dem  Fensterbrett  unter  einem  Kleiderbündel  liegend  entdeckt.  Die 
Obduktion  ergab  Durchschiessung  des  vorderen  Teils  des  rechten 
Oberlappens,  des  Herzbeutels,  der  vorderen  und  hinteren  Wand 
der  rechten  Vorkammer  und  des  ganzen  rechten  Unterlappens. 
Die  Kugel  war  noch  in  die  hintere  Brustwand  eingedrungen  und 
wurde  am  rechten  unteren  Schulterblattwinkel  unter  der  Haut 
liegend  gefunden. 

Die  Erhebungen  ergaben,  dass  Selbstmord  vorlag,  der  ver¬ 
mutlich  Nachmittags  gegen  5  Uhr  begangen  wurde.  Kurz  dar¬ 
nach  wurde  der  Verletzte  im  Bett  sich  unruhig  hin-  und  her¬ 
wälzend  angetroffen  und  zum  Aufstehen  aufgefordert,  worauf 
er  erwiderte:  „Ich  steh’  schon  auf“,  sich  erhob  und  von  der 
Türe  des  Häuschens,  in  dem  sich  die  Schlafkammer  befand, 
12  Schritt  weit  gegen  den  Stall  zuging,  dann  drehte  er  sich 
wieder  um,  tastete  sich  an  der  Hauswand  entlang  zurück  in  sein 
Schlafgemach  und  legte  sich  wieder  nieder;  er  wurde  für  be¬ 
trunken  gehalten.  Um  5%  Uhr  wieder  zum  Aufstehen  auf¬ 
gefordert,  erklärte  er  sich  für  krank.  Etwas  später  kam  eine 
Magd  in’s  Zimmer,  der  Mann  stöhnte  und  röchelte,  wälzte  sieh 
umher  und  murmelte:  „Erschlag’  mich“.  Kurze  Zeit  darauf, 
gegen  6  Uhr,  verschied  er.  Der  Mann  hatte  also  trotz  der 
schweren  Verwundung  noch  etwa  %  Stunden  gelebt. 

Von  Schusswunden,  welche  beide  Herzwände  durchdrangen, 
sind  nur  2  Fälle  angeblicher  Heilung  bekannt  (cf.  Fischer: 

4* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


1264 

Fall  von  J.  H.  G  a  u  t  [Charleston  Journal,  Mai  1857]  und  H  o  f  - 
m  a  n  n :  Fall  von  Conor  [referiert  Virchows  J  ahresbericht 
1877,  II,  295]),  aber  in  ersterem  Falle  waren  die  Wunden  nur 
im  Verheilen  begriffen  und  man  fand  in  denselben  2  Haare  und 
1  Leinwandfaser,  als  der  Kranke  angeblich  an  Merkurialdiarrhoe 
starb,  im  andern  blieb  eine  Kommunikation  beider  Ventrikel 
zurück.  Es  sind  also  diese  Heilungen  doch  nur  als  sehr  relative 
anzusehen. 

Ein  schlimmer  Ausgang  einer  anfangs  harmlos  erscheinen¬ 
den  Kontusion  der  Herzgegend  war  folgender : 

F.  F.,  Wagenwärter,  zog  sich  am  25.  IV.  1895  im  Dienst  durch 
Sturz  auf  einen  sogen.  Kreuzungspflock  eine  starke  Kontusion  der 
Gegend  der  linken  3.  Rippe  zu.  Hartnäckige  Schmerzen  der  linken 
Brusthälfte  waren  die  Folge,  für  die  zunächst  kein  genügender 
Grund  aufgefunden  werden  konnte.  Später  fand  man  ab  und  zu 
in  der  linken  Axillargegend  etwas  Reiben.  Der  Dienst,  der  am 
1.  VIII.  wieder  auf  genommen  worden  war,  musste  vom  18.  IX.  bis 
3.  X.  und  dann  endgültig  vom  25.  X.  an  unterbrochen  werden, 
und  nun  fand  man  neben  einer  sehr  aufgeregten  Herztätigkeit 
unregelmässigen  und  aussetzenden  Puls  und  Verbreiterung  der 
Herzdämpfung  nach  links,  und  erst  am  27.  I.  1896  ein  blasendes 
Geräusch  an  der  Herzspitze,  sodann  lange  Zeit  später,  obwohl  von 
Anfang  an  darauf  geachtet  wurde,  einen  ab  und  zu  sieh  ein¬ 
stellenden  geringen  Eiweissgehalt  des  Urins.  Der  Mann  wurde  im 
Sommer  1896  in  ein  Bad  geschickt,  aus  dem  er  in  demselben  Zu¬ 
stande  wiederkehrte.  Er  sah  keine  Besserung  seines  Leidens, 
sah  sich  der  Not  gegenübergestellt  und  verfiel  daher  in  einen 
melancholischen  Zustand,  in  welchem  er  sich  am  23.  VII.  1896 
von  der  Eisenbahn  überfahren  liess.  Bei  der  Sektion  zeigten  sich 
linksseitige  pleuritische  Verwachsungen,  sowie  deutliche  Spuren 
einer  in  einen  Klappenfehler  übergegangenen  Endocarditis  mitralis. 
Die  Nieren  waren  gross  und  fettig  entartet,  wie  im  zweiten  Stadium 
der  B  r  i  g  li  t  sehen  Krankheit.  Durch  den  Stoss  der  Lokomotive 
war  ausser  anderen  schweren  Verletzungen  eine  vollständige  Ab- 
reissung  des  Herzens  von  den  grossen  Gefässen  zu  Stande  ge¬ 
kommen,  welches  daher  ganz  frei,  mit  der  Spitze  nach  oben,  im  1 
Herzbeutel  lag.  j 

Bei  dem  Umstand,  dass  der  Mann  vor  dem  Unfall  zweifellos  | 
völlig  gesund,  darnach  aber  niemals  frei  von  Beschwerden  war  | 
und  dass  von  einer  primären  Schrumpfniere  hier  keine  Rede  war, 
unterliegt  es  wohl  kaum  einem  Zweifel,  dass  infolge  der  Ver¬ 
letzung  zunächst  eine  traumatische  Pleuritis  und  sodann,  oder 
vielleicht  auch  gleichzeitig,  eine  sehr  schleichend  verlaufende 
Endokarditis  aufgetreten  war.  Für  das  Auftreten  der  chronischen 
Nephritis  wäre  wohl  die  allgemeine  Ernährungsstörung  infolge 
des  langen  Leidens,  sowie  das  Vorhandensein  deprimierender  Ge¬ 
mütsaffekte  verantwortlich  zu  machen.  Der  letzteren  ätiologische 
Bedeutung  wird  von  A 1  b  u  1 1  anerkannt  (cf.  E  i  c  h  h  o  r  s  t,  II, 
S.  548). 

Was  die  Endokarditis  anlangt,  so  wird  wohl  die  Annahme 
richtig  sein,  dass  sich  dieselbe  erst  sekundär  an  eine  Myokarditis, 
die  allerdings  zur  Zeit  der  Sektion  nicht  mehr  nachweisbar  war, 
angeschlossen  hatte.  Ueber  ein  wochen-,  ja  monatelanges  In¬ 
kubationsstadium  der  chronischen  traumatischen  Endokarditis 
wird  von  Leyden  und  von  Stern  wiederholt  berichtet;  es  ist  die 
lange  Dauer  der  Latenz  nach  diesen  Autoren  durch  den  schlei¬ 
chenden  Verlauf  einer  Endokarditis  erklärlich,  deren  Existenz 
erst  später  durch  den  Klappenfehler  bekannt  werden  kann.  Herz¬ 
muskelerkrankung  und  Klappenfehler  wurde  in  einem  von 
Stern  (S.  46)  mitgeteilten  Fall  erst  11  Monate  nach  der  Ver¬ 
letzung  festgestellt. 

Die  Frage  nach  dem  ursächlichen  Zusammenhang  des  Selbst¬ 
mordes  mit  der  erlittenen  Verletzung  wurde  bejaht. 

Die  in  obigem  beschriebenen  und  in  einem  relativ  kurzen 
Zeitraum  selbst  beobachteten  Fälle  dürften  die  grosse  Mannig¬ 
faltigkeit  der  Herzverletzungen  dartun,  und  wenn  der  Bericht¬ 
erstatter  sich  zur  Zusammenstellung  und  Veröffentlichung  der¬ 
selben  entschloss,  so  geschah  dies  einerseits  aus  eigenem  Inter¬ 
esse  an  der  Sache,  andrerseits  weil  er  glaubt,  dass  dasselbe  auch 
seitens  derjenigen  Kollegen,  welche  nicht  direkt  mit  solchen 
Dingen  zu  tun  haben,  einigermassen  geteilt  werden  kann. 

Literatur: 

a)  Ueber  Herzverletzungen. 

1.  Fischer:  Ueber  Herzwunden.  Langenbecks  Arch.  f. 
kl  in.  Clür.  IX.  Bd.,  1868.  —  2.  H  ofman  n:  Lehrbuch  der  gerichtl. 
Medizin  1895.  —  3.  Ster  n:  Ueber  traumatische  Entstehung  innerer 
Krankheiten.  1900. 

b)  Ueber  Topographie  und  Situs  transversus. 

4.  Rüdinger:  Atlas  der  topographisch-chirurgischen  Ana¬ 
tomie  187S.  —  5.  Hyrtl:  Topographische  Anatomie  1882.  — 


6.  Tossel  t:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  56.  Bd.  —  7.  Karl 
Mayer:  Deutsche  Medizinalztg.  1892.  —  8.  Guttmann:  Berl. 
klin.' Wochenschr.  1876.  —  9.  Heidemann:  Berlin,  klin.  Wochen¬ 
sehr.  1897.  _  10.  Bnrgl:  Münch,  med.  Wochenschr.  1876.  — * 

11.  Eulen  b  u  r  g  s  Real enzyklopä die,  II.  Aufl.  —  12.  V  i  1 1  a  r  e  t: 
Handwörterbuch  der  gesamten  Medizin  1888.  —  13.  K  ü  c  he  n  - 
meisten  Die  vollständige  Verlagerung  der  Eingeweide.  1S83.  — 

14.  E  i  c  h  hors  t:  Pathologie  u.  Therapie,  IV.  Aufl.  —  15.  II  ind- 
fleisch:  Gewebelehre.  1873. 

Zur  klinischen  Bedeutung  der  Retroflexio  uteri  mobilis. 

Von  Dr.  A.  Theilhaber. 

Die  in  dieser  Wochenschrift  1902,  No.  26  und  27  unter 
diesem  Titel  erschienene  Arbeit  Wormsers  veranlasst  mich 
zu  einigen  Bemerkungen. 

Wenn  eine  Frau  mit  Retroflexio  uteri  schwanger  wird,  will 
W  ormser  den  Uterus  im  zweiten  oder  dritten  Schwanger¬ 
schaftsmonat  manuell  aufrichten  und  durch  ein  Pessar  für  einige 
Monate  fixieren.  Ich  meine,  dass  dies  nicht  nothwendig  ist  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen.  Die  Incarceratio  uteri  retroflexi 
gravidi  ist  ein  sehr  seltenes  Vorkommnis.  Während  ich  z.  B.  in 
den  letzten  9  Jahren  bei  über  1000  der  mich  konsultierenden 
nichtschwangeren  kranken  Frauen  Retroflexio  uteri  konstatierte, 
habe  ich  in  dieser  ganzen  Zeit  nur  zweimal  Incarceratio  uteri 
retroflexi  gravidi  gesehen.  Es  richtet  sich  eben  der  retroflektierte 
Uterus  in  weitaus  den  meisten  Fällen  im  dritten  Schwanger¬ 
schaftsmonat  von  selbst  auf  und  legt  sich  in  Anteflexion.  Ich 
habe  diesen  Vorgang  nicht  bloss  bei  der  mobilen  Retroflexion, 
sondern  des  öfteren  auch  bei  der  fixierten  beobachtet.  Die  Bänder, 
die  das  Corpus  uteri  nach  hinten  fixieren,  lockern  sich  dann  in 
der  Schwangerschaft.  Es  bleibt  zunächst  noch  eine  Retroflexio 
partialis  bestehen,  allmählich  rückt  auch  das  letzte  Segment  des 
Uterus  aus  dem  Becken  heraus.  In  den  sehr  seltenen  Fällen, 
in  denen  es  zur  Inkarzeration  des  Uterus  kommt,  ist  es  noch 
zweifelhaft,  ob  hier  schon  vor  der  Schwangerschaft  eine  Retro¬ 
flexio  bestanden  hat:  Ich  habe  nicht  selten  Frauen  im  Beginn 
der  Schwangerschaft  untersucht,  bei  denen  der  Uterus  ret.ro- 
flektiert  lag,  während  ich  ihn  im  nichtschwangeren  Zustand  bei 
denselben  Frauen  stets  anteflektiert  gefunden  hatte.  Infolge 
der  durch  die  Schwangerschaft  bedingten  Erschlaffung  der  Ge¬ 
bärmutterbänder  sinkt  auch  der  vorher  anteflektierte  Uterus 
manchmal  im  Beginn  der  Schwangerschaft  in  Retroflexion  und 
bleibt  einige  Wochen  in  dieser  Lage  liegen.  Meist  richtet  er  sich 
später  wieder  spontan  auf  und  kehrt  wieder  in  die  Anteflexions- 
stellung  zurück. 

Entsteht  eine  Inkarzeration,  so  stellen  sich  sehr  bald  ausser¬ 
ordentlich  quälende  Harnblasenbeschwerden  ein,  die  die  Patientin 
ohnedies  bald  veranlassen,  zum  Arzt  zu  gehen.  Es  gehört  schon 
ein  grosser  Stumpfsinn  dazu,  bei  derartig  heftigen  Beschwerden 
nicht  ärztliche  Hilfe  aufzusuchen.  In  den  Fällen  von  Inkarzera- 
tion  des  retroflektierten  Uterus,  die  ich  behandelte,  war  es  dann 
immer  leicht,  den  Uterus  zu  reponieren  und  durch  ein  Pessar 
einige  Zeit  zu  fixieren.  Schwierigkeiten  bei  der  Reposition  ent¬ 
stehen  nur  bei  lange  verbummelten  Fällen.  Eine  prophylaktische 
Reposition  des  retroflektierten  Uterus  beim  Eintritt  der 
Schwangerschaft  halte  ich  nach  dem  Angeführten  nicht  für  not¬ 
wendig. 

Aus  der  Arbeit  Wormsers,  wie  aus  mehreren  anderen 
in  der  letzten  Zeit  erschienenen,  die  das  gleiche  Thema  wie 
Wormser  im  gleichen  Sinne  behandeln,  geht  ferner  hervor, 
dass  viele  Gynäkologen  die  Geschichte  der  Entstehung  der  neuen 
Lehre  über  die  klinische  Bedeutung  der  Retroflexio  nicht  kennen, 
manche  auch  nicht  kennen  wollen.  Es  ist  deshalb  wohl 
nicht  überflüssig,  diese  Geschichte  kurz  zu  schildern:  In  den 
letzten  Jahrzehnten  des  verflossenen  Jahrhunderts  herrschte  bis 
zum  Erscheinen  meiner  Arbeiten  nahezu  vollständige  Ueberein- 
Stimmung  unter  den  Aerzten,  dass  auch  die  unkomplizierte  Retro¬ 
flexio  uteri  in  den  meisten  Fällen  ernste,  häufig  sogar  sehr  schwere 
Erscheinungen  macht;  allerdings  hatten  sich  schon  vor  mir 
cinzehie  Autoren  skeptisch  diesbezüglich  geäussert.  Wie  überall, 
gilt  auch  hier  der  Satz  Goethes:  „Wer  kann  was  Dummes,  wer 
was  Kluges  denken,  das  nicht  die  Vorwelt  schon  gedacht.“  So 
hatte  Scanzoni  schon  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
die  Anschauung  geäussert,  dass  die  Retroflexio  besser  sei  als  ihr 
Ruf,  doch  war  Scanzoni  lange  nicht  so  radikal  wie  ich,  er 
legte  nicht  selten  bei  Retroflexionen  Ringe  ein;  es  gelang  ihm 


29.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


auch  nicht,  für  seine  Anschauung  Gründe  ins  Feld  zu  führen 
die  die  übrigen  Gynäkologen  überzeugt  hätten.  So  kam  es  dass 
trotz  der  grossen  Autorität  Scanzonis  die  Lehre  von  den 
schweren  Folgen  der  Retroflexion  durchdrang.  Dann  schrieb  vor 
lo  Jahren  V  edel  er  (Arch.  f.  Gynäkol.  Bd.  28,  H.  2)  eine 
kurze  Abhandlung  über  die  Bedeutungslosigkeit  der  Retroflexio 
Uteri;  auch  ihm  gelang  es  nicht,  sich  Anhänger  zu  verschaffen 
seine  Arbeit  war  bald  von  den  Gynäkologen,  auch  von  mir,  ver¬ 
gessen. 

Lin  Aufsatz  von  S  a  1  i  n  über  das  gleiche  Thema  im 
gleichen  Sinne,  der  in  der  „ITygiea“  erschienen  war,  wurde  wohl 
von  niemanden  in  Deutschland,  auch  von  mir  nicht  gelesen,  da 
er  in  schwedischer  Sprache  verfasst  war,  eine  Sprache,  die  weit¬ 
aus  den  meisten  von  uns  (auch  mir)  unbekannt  ist.  Ein  ganz 
kurzes,  von  J  osephsohn  verfasstes  Referat  über  die  S  a  1  i  n  - 
sehe  Arbeit  erschien  im  Oktober  1895  in  der  Monatsschr.  f.  Ge- 
burtsh.  u.  Gynäkol.,  5  Monate  nachdem  ich  auf  dem  6.  Kongress 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  meinen  Vortrag  über 
„die  Therapie  der  Retroflexio  Uteri“  gehalten  hatte.  In  diesem 
habe  ich  geschildert,  dass  ich  auf  Grund  meiner  Zweifel  an  der 
Richtigkeit  der  bestehenden  Dogmen  2  Jahre  lang  die  meisten 
Fälle  von  Retroflexio  ohne  Reposition  behandelt,  dass  ich  mit 
gutem  Erfolge  nur  die  komplizierenden  Symptome  in  Behandlung 
genommen  habe.  Mit  zahlreichen  neuen,  bis  jetzt  nicht  wider¬ 
legten  Giünden  glaubte  ich  zu  beweisen,  dass  die  Symptome,  die 
man  bisher  der  Retroflexion  zugeschrieben  hatte,  verursacht  seien 
durch  zufällige  Komplikationen  derselben,  wie  Hysterie,  Neur¬ 
asthenie,  Darmatonie,  Endometritis  u.  s.  w.,  dass  die  Retro¬ 
flexion  selbst  dagegen  im  nicht  schwangeren  Zustand  in  der 
Regel  gar  keine  Beschwerden  hervorrufe.  Dieser  Vortrag  hatte 
zunächst  scharfe  Angriffe  gegen  mich  zur  Folge,  (siehe  u.  a. 
Schnitze:  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  3,  H.  1: 
v.  W  i  n  ekel:  Sitzungsberichte  der  Münchener  Gesellsch.  f. 
Gyn.,  in  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  5.  Er- 
gänzungsh.  S.  21t).  Ich  erwiderte  auf  diese  Angriffe  in  der 
Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  Bd.  3,  H.  2  und  in  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  1896,  No.  22  u.  23,  ferner  bei  den  Ver¬ 
handlungen  des  7.  Kongresses  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Gynäkologie.  Nun  wurden  bald  von  einer  grösseren  Anzahl  her- 
vorragender  Autoren  meine  Thesen  geprüft  und  zwar  zunächst 
von  Jenkin  (Glasgow  med.  Journal,  Febr.  1896),  dann  von 
Landau  und  Freudenberg  (siehe  die  Arbeit  von 
Freudenberg  in  der  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1897),  ferner 
von  W  i  n  t  e  r  (Verhandlungen  des  7.  Kongresses  der  Deutsch. 
Gesellsch.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.),  von  K  r  ö  n  i  g  und  Feucht- 

wanger  (Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  Bd.  10)  und 
anderen. 

Alle  Untersucher  kamen  zu  dem  gleichen  Resultat  wie  ich, 
dass  nahezu  alle  Retroflexionen  keine  Beschwerden  machen  und 
dass  die  vorhandenen  Beschwerden  zurückzuführen  seien  auf  zu- 
f rillige  Komplikationen,  wie  Endometritis,  Hysterie,  Ivoprostase, 
Adnexerkrankungen  u.  s.  f. 

Schopenhauer  sagt:  „Nicht  derjenige  ist  als  der  Vater 
eines  Gedankens  anzusehen,  der  diesen  zufällig  gefasst  und  ge- 
äussert  hat,  sondern  nur  derjenige,  der  ihn  genau  und  wissen¬ 
schaftlich  durchgearbeitet,  populär  gemacht,  für  seine  Ver¬ 
breitung  gesorgt  und  bewirkt  hat,  dass  er  niemals  in  Vergessen¬ 
heit  gerät.“  Ist  dieser  Satz  richtig,  dann  kann  ich  wohl  mit 
Recht  die  Vaterschaft  für  die  neue  Lehre  von  der  klinischen 
Bedeutung  der  Retroflexio  uteri  beanspruchen. 


1265 


Zum  Artikel  „Ueber  den  Intentionskrampf  der  Sprache, 

die  sog.  Aphtongie“ 

in  No.  27  dieser  Wochenschrift. 

Von  Dr.  W  i  1  h.  Becker  in  Bremen. 

In  No.  27  dieser  Wochenschr.  1902  hat  Steine  rt  aus 
der  Leipziger  med.  Klinik  einen  Fall  von  Sprachkrampf  veröffent- 
helit,  den  er  vom  Stottern  scharf  abgrenzen  und  dem  er  einen  be¬ 
sonderen  Namen  beilegen  zu  müssen  glaubt.  Durchaus  mit  Un¬ 
recht!  Die  Argumente,  die  nach  des  Autors  Ansicht  seinen  Fall 
vom  gewöhnlichen  Stottern  unterscheiden,  sind  durchaus  irrtüm¬ 
lich  und  nur  dadurch  zu  erklären,  dass  der  Kollege  wohl  nur 
wenige  Stotterer  zu  sehen  Gelegenheit  hatte. 

Schreiber  dieses  ist  in  der  unangenehmen  Lage,  selbst  hoch¬ 
gradiger  Stotterer  zu  sein  und  hat  in  5  Sprachheilanstalten,  die  er 

No.  XO 


gesehen,  die 


im  Laufe  der  Zeit  besucht  hat,  nicht  wenig  Fälle 
genau  dasselbe  Symptomen! >ild  darboten. 
t-  ^^kteristilium  hebt  Steine  rt  hervor  dass  der 

Kramp  anhebe,  bevor  in  die  Bildung  des  ersten  Lautes  eiimetreten 

A?4nbe,T  St<\tteir  (la^ea  erst  der  Krampf,^ ^  wenn  die 

Artikulation  des  Lautes  bereits  begonnen  habe  und  es  werde  nicht 

rftoe®  en'  S0U"<“'“  '’le  Ä  S 

.  Der  Irrtu'n  Steinerts  liegt  klar  auf  der  Hand:  was  er  als 
emen  w  e  s  e  n  1 1  i  c  li  e  n  Unterschied  aufgefasst  hat,  ist  weiter 
nichts  als  ein  g  raduelle  r.  I  )er  S  t  e  in  e  r  t  sehe  Patient  ist 

edeUseir  n  h(K:1‘gra(Tif?  StottereL  dass  der  Intentionskrampf  1 
jedes  Stottern  ist  im  letzten  Grunde  Intentionskrampf  —  bereits 

Sei  \Hüe,dS’-PaVent  Überl?aupt  clazu  gekommen  ist.  den  Beginn 
semer  Aitikulation  lierauszustossen  und  dass  dieser  überhaupt  erst 

Ä1CS  fWlrvd’  T111  der  1Krampf  seinen  Inhaber  er' 

^bopft;  hat;  N  °"  diesen  schwersten  Fällen,  wo  der  Patient  tat- 
Buchstaben  ausstossen  kann,  habe  ich  noch  viel 
hochgradigere  gesehen,  wo  die  Betreffenden  in  starker  Cvanose 
nac  i  Luft  schnappten,  mit  Armen  und  Beinen  um  sich  schlugen 
und  niemand  ahnte,  welcher  Buchstabe  jetzt  geboren  werden 
sollte,  yoiieiner  Artikulationais  o  g  a  r  k  eine  II  e  <1  e 
sein  konnte  Man  kann  praktisch  das  Stottern  einteilen  je 
nach  dem  Auftreten  des  Intentionskrampfes: 

,,  -1'  Der  Intentionskrampf  tritt  allein  schon  durch  die  blosse 
Absicht,  sprechen  zu  wollen,  auf: 

1.  vor  dem  ersten  Artikulationsbeginn, 

2.  bei  demselben. 

„i  Der  Intentionskrampf  tritt  auf  durch  die  Absicht,  irgend 
im  schwer  fallendes  Wort  auszusprechen  und  zwar 

1.  bereits  am  Anfang  des  Sprechens,  nur  ans  Furcht  vor 
dem  spater  folgenden  Wort, 

a  ,  2-  fler  Anfang  geht  glatt  von  statten  und  der  Krampf  be¬ 
sohl  ankt  sich  auf  das  betreffende  WTort. 

^  ir  sel!pl!  so,  Ans«  der  Grad  des  Intentionskrampfes  sehr  ver- 

selbe^ist  Sem  kanU’  dass  aber  Aas  Grundübel  selbst  stets  das- 

-  Au.ch  _die  Ansicht,  dass  den  meisten  Stotterern  das  p  leichter 
Lille  als  das  b  beruht  auf  einem  Irrtum;  das  ist.  ich  möchte 
sagen,  eine  Liebhaberei  eines  jeden  einzelnen. 

FffplStCbiieS?hCh  f  !ul.  Axiologie  und  vor  allem  der  therapeutische 
Effekt  so  charakteristisch  für  das  Stottern,  dass  der  Versuch, 
diesen  fall  vom  gewöhnlichen  Stottern  zu  trennen,  für  jeden  der 
das  Wesen  dieses  Leidens  kennt,  als  unbegründet  erscheinen  muss 
Dm  hysterischen  Stigmata,  die  ausserdem  noch  bestehen,  kommen 
tm  diese  f  rage  gar  nicht  in  Betracht. 


Wann  lebte  Aretaeus  von  Cappadocien? 

Von  R.  Kossman  n  in  Berlin. 

Beschäftigt  mit  der  Abfassung  eines  Abrisses  der  Geschichte 
meines  Spezialfaches  für  ein  Lehrbuch  der  allgemeinen  Gynäko¬ 
logie,  das  ich  zu  veröffentlichen  im  Begriffe  stehe,  sah  ich  mich 
veranlasst,  dem  Aretaeus  Cappadox  eine  Aufmerksamkeit 
zu  widmen,  die  mich  bald  mit  dem  lebhaftesten  Interesse  für  diesen 
ganz  hei  wnragenflen  Klassiker  der  Medizin  und  insbesondere  aucli 
rm*  die  Kontroverse  über  seine  Lebenszeit  erfüllte. 

Ich  bin  in  letzterer  Hinsicht  nun  zu  einer  Meinung  gelangt, 
die  ich  der  Kritik  meiner  Fachgenossen  zu  unterbreiten  wünsche,' 
weil  sie  völlig  von  den  bisher  geäusserten  Ansichten  abweicht. 

Ieli  >  ermutlie,  dass  Aretaeus  als  ein  Schüler  Nie  a  n  d  e  r’s 
von  Coloplion  schon  im  2.  Jahrhundert  vor  Chr.  oder  doch 
wenig  später  zu  Alexandria  gelebt  und  gewirkt  hat. 

Bekanntlich  setzen  die  Fachgenossen  ihn  wesentlich  später 
au:  Die  Einen,  die  die  Euporista  des  Dioscorides  —  in  denen 
Ai.et.äeus  zitirt  ist  —  für  echt  halten,  in  den  Beginn  der 
christlichen  Zeitrechnung;  die  Anderen,  die  jenes  Werk  für  unecht 
halten,  vor  die  Lebenszeit  des  Philagrius  (Anfang  des 
4.  Jahrhunderts  n.  Chr.)  und  —  als  vermeintlichen  Plagiator  des 
A  i  i  li  i  g  e  n  e  s  —  nach  dessen  Lebenszeit,  nlso1  frühestens  in 
das  Ende  des  1.  Jahrhunderts. 

W  as  die  Euporista  des  Dioscorides  anbetrifft,  so  hat 
schon  Klose1)  die  Eimvände  Sprenge  l’s  gegen  die  Echtheit 
des  Werkes  sehr  gründlich  bekämpft.  Ich  will  seine  Gründe  hier 
nicht  wiederholen,  trete  ihnen  aber  bei  und  schliesse  daraus  nicht, 
wie  Klose  (S.  121),  dass  Aretaeus  ein  Zeitgenosse  des 
Dioscorides  gewesen  sein  müsste,  wohl  aber,  dass  er  nicht 
nach  diesem  gelebt  haben  könne. 

Einen  weiteren  Grund,  Aretaeus  vor  die  römische  Kaiser¬ 
zeit  zu  setzen,  finde  ich  in  eben  derjenigen  Stelle,  in  welcher  An¬ 
dere  einen  Beweis  für  das  Gegentheil  finden.  Sie  steht  im  5.  Ka¬ 
pitel  des  2.  Buches  von  der  Therapie  der  akuten  Krank¬ 
heiten,  wo  vom  Uejis  gehandelt  wird,  und  lautet:  snsi  xai  ro 
&vt)<ixbiv  tois  fxsu  löife  nysovai  Bv&uifxovi^ ,  raJ  (cQxtqzpio  de  ov 
’ 9-sfu;  nq^aastv  (wiewohl  selbst  der  Tod  fiir  ‘  ‘‘ 

so  leben,  ein  Glück  ist,  so  ist  es  doch  für  einen 
statthaft,  einzugreifen).  Es  ist  m.  E.  absolut  uuu™,««, 
diesen  Satz  Jemand  zu  einer  Zeit  geschrieben  haben  könnte,  als 
das  Wort  arcliiatros  bereits  (wie  in  der  Kaiserzeit)  irgend  eine 


Diejenigen,  die 
Arcliiatros  nicht 
undenkbar,  dass 


J  an  us,  Bd.  I,  Gothn.  1851,  S.  116. 


5 


1266 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


offizielle  Sonderbedeutung  hatte,  einen  Titel  darstellte  oder  eine 
Rangklasse  bezeiehnete.  Man  denke  nur,  welch’  ein  Unsinn  sich 
ergibt,  wenn  inan  jene  Stelle  etwa  übersetzt:  „Wiewohl  es  beim 
Ileus  ein  Glück  für  den  Leidenden  ist,  wenn  der  Tod  seine 
Schmerzen  endigt,  so  ist  es  für  einen  Samtatsrath  doch  nicht 
statthaft  diesen  herbeizuführen“.  Ich  halte  diese  Stelle  allein 
schon  —  da  von  einer  Entstellung  des  Originals  nicht  die  Rede 
sein  kann  —  für  einen  absolut  sicheren  Beweis,  dass  Aretaeus 

v  o  r  der  Kaiserzeit  gelebt  haben  muss. 

Ein  weiterer  Beweis  liegt  in  der  Mundart,  in  der  Aietaeus 

geschrieben  hat. 

Nach  Nicander  von  Colophon,  der  etwa  130  odei  Uo 
v.  (’lir.  gestorben  ist,  kennen  wir  ausser  Aretaeus  kernen  .  , 

mehr  der  ein  medizinisches  Werk  in  jonischem  Dialekte  v 
hätte.  Man  beruft  sich  darauf,  dass  Cephalion  seine  nayio. 

0 unui  iaiofjiu  und  Arrianus  zu  Nero  s  Zeit  seine  Inchca 
noch  jonisch  geschrieben  habe.  Aber  was  will  das  sagen.  1 
waren  Geschichtswerke  und  zwar  solche,  die  in  erster  Linie  dem 
Unterhaltungsbedürfnisse  dienen  sollten.  Das  des  Cephalion 
ist  uns  nicht  erhalten.  Das  des  A  r  r  i  a  n  u  s  schildert  das  ferne 
Wunderland  Indien  und  die  abenteuerliche  beetahrt  der  riotte 
A  lexander’s  des  Grossen;  dazu  sind  m  giosstem  Ui 
l'an»e  der  alte  Originalbericht  des  Nearchus  und  die  Ge 
scldclitswerke  des  Megasthenes  und  des  E  r  a  t o  s  t  h  e n  e^ 
verwendet  worden,  die  vielleicht,  ja  wahrscheinlich,  in  jonischem 
Dialekte  geschrieben  waren.  Da  kann  es  als  eine  immei hm  be¬ 
greifliche  Schrulle  —  vielleicht  ist  das  schon  ein  zu  harten  Aus¬ 
druck  —  A  r  r  i  a  n’s  erscheinen,  dass  er,  der  sonst  alle  seine  Schrit- 
t™  in  attischem  Dialekte  verfasst  hat,  diese  eine  m  den 
archaistischen  Jonisch  durchzuführen  versucht  hat  Wer  aber 
würde  heute  desslialb,  weil  Gustav  Frey  tag  sich  in  den  eiste 
Bänden  seiner  „Ahnen“  einer  ähnlich  archaisirenden  deutschen 
Redeweise  bedient  hat,  auf  den  Gedanken  kommen  dieselbe  m 
einem  Lehrbuche  der  Pathologie  und  Therapie  anzuwenden .  Der 
blosse  Gedanke  schon  erscheint  unmöglich. 

Well  m  a  n  n  zwar  behauptet  -),  Lucian  gebe  an,  dass 
seine  Zeit  „jonisch  schreibe,  ohne  es  zu  verstehen“,  und  dass 
Aerzte  damals  mit  Vorliebe  jonisch  schrieben  .  Beides  ist 
L  u  c  i  a  u  au  der  von  Wellmann  angeführten  Stelle  (quomodo 
liistoria  sit  conscribenda,  cap.  16)  —  und  ich  wüsste  auch  nicht,  wo 
sonst  —  gar  nicht  eingefallen.  Lucian  fuhrt  es  lediglich  als 
eine  lächerliche  Manier  der  Geschichtsschreibung  an,  wenn  z.  B 
der  Verfasser  eines  historischen  Werkes  in  tragödenmassigem  Stil 
jedem  Kapitel  etwa  die  Ueberschrift  gebe:  „Kallimorplius,  Arzt 
bei  der  sechsten  Kompagnie  der  Hastaten,  Parthisclie  Geschichte, 
Kapitel  so  und  soviel“;  wenn  er  dann  in  einem  ganz  nüchternen 
Vorwort  seinen  Beruf  zur  Geschichtschreibung  davon  herleite,  dass 
Aeskulap  ein  Sohn  des  Apollo,  Apollo  aber  der  Führer  der  Musen 
sei  und  über  der  gesummten  höheren  Bildung  walte;  wenn  er  en  - 
lieh  ohne  ersichtlichen  Grund  mit  ein  paar  jonischen  Brocken  be¬ 
ginne,  um  dann  sofort  in  die  Koty>j,  die  moderne  Ausdrucksweise, 
zurückzufallen  und  sich  nicht  nur  der  landläufigen,  sondern  ge¬ 
radezu  trivialer  Redewendungen  zu  bedienen. 

Abgesehen  davon,  dass  die  satirische  Absicht  Lucians 
hier  die  Unterschiebung  nicht  nur  eines  fingirten  Namens,  sondern 
auch  eines  fingirten  Berufsstandes  statt  der  wirklichen  desjenigen 
Historikers,  dem  der  Hieb  galt  (vielleicht  gar  Arrians  selbst  d, 
wahrscheinlich  macht,  würden  diese  Sätze  sogar,  wenn  sie  wirk¬ 
lich  einen  Arzt  treffen  sollten,  weder  auf  eine  Vorliebe  der  da¬ 
maligen  Aerzte  überhaupt  für  den  jonischen  Dialekt,  noch  für 
dessen  Anwendung  in  medizinischen  Schriften  sprechen, 
vielmehr  dafür,  dass,  selbst  wenn  zu  L  ucia  n’s  Zeiten  Jemand 
in  Darstellung  eines  historischen  Gegenstandes,  um  ihr  eine 
archaistische  Färbung  zu  geben,  den  jonischen  Dialekt  anzuwen¬ 
den  versuchte,  er  über  einzelne  jonische  Worte  nicht  mehr  hinaus- 
zukommen  und  seinen  Versuch  nicht  durchzuführen  vermochte. 
Dieser  Vorwurf  passt  aber  gewiss  nicht  auf  Aretaeus,  dessen 
tolles“  Jonisch,  wie  Wellmaunes  (1.  c.  S.  24)  —  wesshalb, 
weiss  ich  nicht  —  nennt,  ganz  konsequent  durchgeführt  ist. 

Ein  paar  andere  Behauptungen  der  Autoren,  die  eine  spätere 
Abfassung  der  Werke  des  Aretaeus  beweisen  sollen,  haben 
auch  keinen  grösseren  Werth.  Dass  die  \  on  A  i  e  t  a  e  u  s  ange¬ 
führten  Heilmittel  aus  Schlangenfleisch  erst  von  Andro- 
m  ;l  c  h  u  s  (der  unter  Nero  lebte)  eingeführt  seien,  ist  nicht  rich- 
,  i„.  Nicander  beschreibt  solche  bereits,  und  Galen  u  s,  dem 
nian  diese  Behauptung  unterschiebt,  nennt  die  vonAndro- 
mac  lins  herrührende  Vorschrift  nur  die  bei  Weitem  beste.  Die 
Bezeichnung  des  uujXv  (allium  nigrum ()  mit  dem  syiisclieu  IVortc 
Uiacco«  die  bei  Aretaeus  vorkommt,  soll  angeblich  nach 
'  v  e  t  i  n  s  von  A  n  d  r  o  m  a  chus  zuerst  angewendet  worden  sein, 
ich  habe  eine  solche  Behauptung  bei  Aetius,  wo  er  den  Namen 
irt,u«u~<  nennt  (Tetrabibiion,  1,  1,  unter  fu u>/v )  nicht  finden  können; 
übrigens  würde  es  auch  nichts  beweisen,  da  Aetius  das  Oiiginal 
des  Aretaeus  nicht  gekannt  zu  haben  scheint.  Wenn  endlich 
( ’  a  ("lins  A  u  r  e  1  i  a  n  u  s  behauptet,  vor  Themis  o  habe  Nie¬ 
mand  über  die  Heilung  chronischer  Krankheiten  geschrieben,  so 


-)  Max  Wellmann:  Die  Pneumatische  Schule  bis  auf 
A  r  eiligen  es  in  ihrer  Entwicklung  dargestellt,  in:  Philologische 
Untersuchungen,  lierausgeg.  v.  A.  Kiessling  und  U.  v.  Wilamo- 
witz-Müllendorf,  Bd.  XIV,  Berlin  1S95,  S.  64. 


kann  man  daraus  auch  nicht  schlossen,  A  r  e  ta  e  u  s  habe  nach 
T  hemiso  gelebt,  denn  Caelius  Aurelianus  hat  den 

A  reta  e  u  s  gar  nicht  gekannt. 

Für  nahe  Beziehungen  zwischen  Aretaeus  und  Nica  n 
der  dagegen  spricht  zunächst  ihre,  auch  von  Wellmann  aus¬ 
drücklich  betonte  Geistesverwandtschaft;  und  dass  sie  zeitlich 
nicht  weit  auseinander  gehören,  beweist  der,  insbesondere  in  medi¬ 
zinischen  Kunstausdrücken,  auffällig  übereinstimmende  Sprach¬ 
gebrauch.  So  sind  z.B.  Nicander  und  Aretaeus  die  beiden 
einzigen  uns  bekannten  Schriftsteller,  auch  unter  den  jonisch 
schreibenden,  bei  denen  das  Wort  ^eUcyua  für  „Arznei  voi- 
kommt;  nur  fügt  Nicander  noch  an  einer  Stelle  poi ,iu>p  („Be¬ 
sänftigungsmittel  der  Krankheiten“)  hinzu,  während  A  r  et  a  e  u  s, 
den  ich  desslialb  für  jünger  halte,  diesen  Zusatz  schon  für  über¬ 
flüssig  erachtet. 

Wenn  also  Well  m  a  n  n  (1.  c.  S.  23)  aus  der,  auch  schon  von 
Klose  an  manchen  Beispielen  nachgewiesenen,  oft  fast  wört¬ 
lichen  Uebereinstimmung  zwischen  Aretaeus  und  Are  ii- 
o-  enes  den  richtigen  Schluss  zieht,  „entweder  sei  Arclu- 
genes  die  Quelle  des  Aretaeus  oder  umgekehrt“,  so  ist  es 
mir  nicht  zweifelhaft,  dass  wider  W  ellmann’s  Meinung  eben 
das  umgekehrte  zutrifft,  d.  h.  dass  Aretaeus  die  Quelle 
des  A  r  chigenes  ist.  Was  Wellma  n  n  für  seine  Meinung 
anführt,  ist  ohne  Gewicht.  Die  grössere  Berühmtheit  des  A  r  chi¬ 
genes  in  der  Kaiserzeit  erklärt  sich  zur  Genüge  daraus,  dass  er 
zur  Zeit  der  höchsten  Machtentfaltung  des  Reiches  als  ge¬ 
suchtester  Modearzt  in  Rom  wirkte,  während  Aretaeus  (me 
schon  Klose  überzeugend  nachgewiesen  hat)  in  Alexa  n  drie  n 
und  zudem,  wie  ich  annehme,  zu  einer  Zeit  lebte,  da  Aegypten 
noch  selbständig  war  und  keine  sehr  nahen  Beziehungen  zu  Rom 
unterhielt;  überdies  daraus,  dass  Aretaeus  in  einem  spater 
weniger  leicht  verständlichen  Dialekt  geschrieben  hatte,  wahrend 
Ar  chigenes  diesen  in  Vergessenheit  gerathenen  Vorgängei 
unentdeckt  hat  plündern  und  sich  mit  seinem  Verdienst  hat 
schmücken  können.  Dass  A  rchigene  s  meist  ausführlicher  in 
der  Darstellung  ist,  beweist  auch  nichts  für  seine  Selbständigkeit, 
denn  an  sich  ist  es  gewiss  ebenso  möglich,  dass  ein  Plagiator  sein 
Original  durch  eigene  oder  anderwärts  entlehnte  Zusätze  erweitert 
als  dass  er  es  kürzt.  Wenn  endlich  Wellman  n  (1.  c.  §5.  24) 
die  Tliatsache,  dass  ein  so  hervorragender  Schriftsteller,  wie 
A  retaeu  s.  von  so  wenig  Aerzten  des  Alterthums  zitirt  worden 
ist,  mit  seiner  Unselbständigkeit  zu  erklären  sucht,  dabei  abei 
an  eben  derselben  Stelle  darauf  hinweist,  dass  Aretaeus 
hierin  das  Schicksal  des  geistesverwandten  Nicander  theile,  so 
darf  man  füglich  fragen,  wessen  Plagiator  denn  nun  also  Ni¬ 
cander  gewesen  sein  soll?  Viel  natürlicher  erklärt  sich  doch 
die  geringe  Verbreitung  der  Schriften  Beider  aus  ihrem  Wohnort, 
ihrer  Lebenszeit  und  ihrem  Dialekt. 

Nun  ist  es  zwar  auch  nicht  richtig,  was  Well  mann  von 
Galenns  behauptet,  dass  dieser  nämlich  (ed.  Kühn,  tom.  XII, 
p.  534)  das  dem  A  r  e  h  i  g  e  n  e  s  gespendete  Lob  durch  den  Hin¬ 
weis  auf  dessen  Abhängigkeit  von  den  Vorgängern  wieder  ein¬ 
schränke.  G  a  1  e  n  u  s  sagt  dort  nur  (mit  Hinweis  auf  den 
Empiriker  Her acl  i (le  s):  ’fi  n e(?i  r^V  \l(>Xcy  srois  emue/.e.u 

7io6ox€'( fit  xcci  70  usi  ixeivuv  ysyovivut  (^zu  des  A..  6i^6n6ii  Bg 
m Übungen  um  die  Wissenschaft  kommt  der  Umstand,  dass  er  nach 
Jenem  geboren  ist).  In  diesen  Worten  kann  ich  keinen  Vorwurf, 
sondern  nur  die  allgemeine  Betrachtung  finden,  dass  eben  jed.r 
Forscher  auf  den  Schultern  seiner  Vorgänger  stehe. 

Viel  schärfer  aber  dürfte  sich  wohl  Galen  us  ausgedrückt 
haben,  wenn  ihm  des  Aretaeus  Schriften  bekannt  gewesen 
wären.  Denn  dass  diese  die  Quellen  des  A  r  e  li  i  g  e  n  e  s  gewesen 
sind,  zeigt  die  oberflächlichste  Betrachtung.  Ich  schreibe  keine 
philologische  Abhandlung  und  daher  will  ich  die  Vergleichung 
nicht  Zeile  für  Zeile  durchführen.  Es  genügt  vollkommen,  wenn 
ich  die  ersten  Sätze,  die  Well  m  a  n  n  selbst  (S.  28)  einander 
gegenüberstellt,  mit  einander  vergleiche.  Es  handelt  sich  um  den 
A  u  s  s  a  t  z  (heute  fälschlich  Lepra  genannt),  von  dem  A  r  e_t  a  e  u  s 
(in  der  Aetiologie  der  chronischen  Krankheiten  II,  13,  178)  und 
Ar  chigenes  in  dem  von  Aetius  (Tetrabibliou  XIII,  120) 
wiedergegebenen  Abschnitt  schreiben.  Hier  sehen  wir  erstens, 
dass  nach  Aretaeus  die  Krankheit  auch  Xkw  genannt  wurde, 
während  Ar  chigenes  den  davon  abgeleiteten  Ausdruck 
Atoviiu  uc  gebrauch''.  Kerner  sagt  Ar e t  aeus,  diese  Krankheit  sei: 
nuip  xui  /(fioVcu  w'oxqov  x«i  () (richtiger  wohl  dsQ^u- 
AäHf?3)  rd  ncii'ut,  wc  ü.icpccz  ro  Jyyi'ov  (der  ganze  Körper  sei 
schmutzig  und  dickhäutig  anzusehen,  wie  das  Elepliant  genannte 
wilde  Thier);  daraus  hat  aber  Archigenes  bereits  den  Namen 
ilscpuviiatus  gemacht  und  meint  merkwürdiger  Weise,  so  heisse 
das  Leiden  auch  wegen  seiner  Grösse  und  seiner  langen  Dauer 
(übrigens  gebraucht  schon  Dioscorides  das  Verbum  fAr- 
(cuvuüui  für  am  Aussatz  leiden,  was  ebenfalls  dafür  spricht,  dass 
Aretaeus  vor  Dioscorides  gelebt  hat).  Endlich  schreibt 
Aretaeus,  man  nenne  den  Aussatz  auch  occivoitjok;  wegen 
der  entzündlichen  Rötliung  der  Wangen  und  des  unbezwingli  lr.  n, 
schamlosen  Geschlechtstriebes.  Archigenes  dagegen  (abge¬ 
sehen  davon,  dass  er  den  ungewöhnlichen  Ausdruck  u^Xn  für  die 
Wangen  durch  den  Zusatz  jov  npomüno v  seinen  Zeitgenossen  ver¬ 
ständlich  zu  machen  sucht)  erweitert  nicht  nur  diese  beiden  An- 


*)  Jeilucuu)(f->is  findet  sich  nur  bei  dem  Lexikographen  Hesychius. 


29.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1267 


jzabon  in  umständlicher  und  dabei  ganz  nichtssagender  Weise  son¬ 
dern  fügt  noch  eine  dritte,  ganz  alberne  Erklärung  hinzu,  indem  er 
sagt,  bei  den  Aussätzigen  verbreitere  sich  das  Kinn  wie  Ird 
Leuten,  die  über  eine  satirische  Schrift  unbändig  lachen. 

Ith  denke,  das  genügt,  um  jedem  nicht  Voreingenommenen  den 
Beweis  zu  liefern,  dass  Aretaeus  nicht  der  Plagiator  des 
Arclii  genes  gewesen  sein  kann;  hat  aber  Archigenes 
im  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  den  Aretaeus  ohne  Furcht,  sich 
zu  blamiren,  ausschreiben  können,  so  muss  doch  wohl  dieser  zu 
des  A  l  c  li  i  g  e  n  e  s  Zeit  nicht  nur  bereits  verstorben,  sondern 
sogar  einigermaasseu  vergessen  gewesen  sein.  Auch  hieraus 
würde  sich  also  ein  viel  höheres  Alter  für  ihn  ergeben,  als  bisher 
angenommen  worden  ist. 


Aus  den  preussischen  Aerztekammern. 

Von  Dr.  J.  Neuberger  in  Nürnberg. 

Die  preussischen  Aerztekammern  entfalteten  im  vergangenen 
Jahre  eine  rege  Tätigkeit.  Die  meisten  Kammern  hielten  2  Sitz¬ 
ungen  im  Jahre  11101  ab,  die  Kammer  von  Hannover  3,  die  von 
Berlin-Brandenburg  sogar  4.  Der  Aerztekammerausschuss  versam¬ 
melte  sich  am  3.  Februar,  19.  Mai  und  30  November.  Da  an  diesen 
3  \  ersammlungstagen  das  in  den  einzelnen  Aerztekammern  be¬ 
ratene  Material  zum  Teil  gesichtet  und  zum  definitiven  Abschluss 
gebracht  wurde,  so  mögen  diese  Resultate  zunächst  Erörterung 
finden. 

Einzelne  Verhandlungsgegenstände  sind  schon  im  vorjährigen 
Berichte  berührt  worden,  weil  über  sie  ein  Teil  der  Kammern  in 
Beratung  getreten  war.  Von  der  Weiterverfolgung  des  Antrags 
der  westpreussisclien  Kammer  bezüglich  des  Schutzes  der 
Schulkinder  gegen  tuberkulöse  Lehrer,  gegen  den 
die  Aerztekammern  zunächst  eine  ablehnende  Stellung  eingenom¬ 
men  hatten,  wurde  Abstand  genommen,  da  von  seiten  des  Mini- 
sterialkommissärs  diesbezüglich  Massnahmen  von  der  Regierung 
in  Aussicht  gestellt  wurden. 

Der  Antrag  der  sächsischen  Kammer:  „S  onntagsr  u  h  e 
der  Kassenärzt  e“  wurde  von  der  Antragstellerin  zurück¬ 
gezogen,  der  Antrag  derselben  Kammer:  „Neuorganisation 
des  Heb  a  m  m  enwese  n  s“  verdichtete  sich  unter  Hinüber¬ 
gabe  des  Kammermaterials  zu  einer  Bitte  an  den  Minister,  die 
erweiterte  wissenschaftliche  Deputation  in  dieser  Frage  in  Ver¬ 
handlung  treten  zu  lassen. 

Der  Antrag  der  Aerztekammer  Berlin-Brandenburg  hinsicht¬ 
lich  der  Führung  des  A  r  z  1 1  i  t  e  1  s  von  im  Ausland 
approbierten  Aerzten  sollte,  nachdem  sich  fast  alle  Kam¬ 
mern  dem  Anträge  geneigt  zeigten,  ein  Gesuch  an  den  Medizinal- 
mildster  herbeiführen,  durch  den  Reichskanzler  veranlassen  zu 
wollen,  dass  Titel:  wie  „Arzt“,  „prakt.  Arzt“,  „prakt.  Aerztin“ 
nur  in  Deutschland  approbierten  Personen  gestattet,  der  Titel: 
..im  Ausland  approbiert“  überhaupt  nicht  erlaubt  sei.  Die  Aus¬ 
führung  dieses  Beschlusses  wurde  aber  infolge  eines  die  Sachlage 
klärenden,  d.  h.  die  unberechtigte  Führung  solcher  Titel  unter 
Strafe  stellenden  Erkenntnisses  des  Kammergerichts  inhibiert,  das 
durch  ein  Ersuchen  des  Ministers  den  preussischen  Behörden  zur 
geeigneten  Handhabung  zugehen  soll. 

Dem  Anträge  der  schlesischen  Kammer  auf  Erlass  eines 
Verbotes  der  Ankündigung  einer  Fernbeliand- 
1  u  n  g  d  u  r  cli  Kurpfusche  r,  dem  —  abgesehen  von  West- 
lalen  —  die  meisten  Kammern  sympathisch  gegenüberstanden 
und  mit  dem  sich  auf  Veranlassung  des  Ministers,  an  den  sich 
das  sächsische  Medizinalkollegium  gewandt  hatte,  auch  der  Aus¬ 
schuss  befassen  sollte,  wurde  zugestimmt,  das  polizeiliche  Ver¬ 
bieten  der  Fernbehandlung  selbst  hingegen  der 
grossen  Schwierigkeiten  der  Durchführbarkeit  halber  abgelehnt. 

Den  Wunsch  des  Vereins  deutscher  Zahnärzte,  dass  die  Aerzte 
grundsätzlich  bei  Zahntechnikern  das  U  e  b  e  r  n  e  h  m  e  n 
von  Narkosen  ablehnen  möchten,  erklärte  der  Kammeraus¬ 
schuss  auf  Grund  der  gegenwärtigen  zahnärztlichen  Verhältnisse 
für  unausführbar.  Es  entsprach  dieser  Beschluss  den  Anschau¬ 
ungen  der  meisten  Kammern;  speziell  hatten  die  Kammern 
'°i|  Ostpreussen  und  Posen  auf  den  in  ihren  Provinzen  stellen¬ 
weise  vorhandenen  Mangel  an  approbierten  Zahnärzten  hinge¬ 
wiesen. 

Schliesslich  hat  auch  betreffs  der  Zulassung  der  Real- 
.gymnasialabit  urienten  zum  Studium  der  Me¬ 
dizin  der  Kammerausschuss  unterm  18.  März  1901  eine  Petition 
an  den  Bundesrat  gerichtet,  der  mehrere  Kammern  (Westpreussen, 
Rheinprovinz  etc.)  sich  späterhin  anschlossen. 

Ausser  diesen,  wie  bereits  erwähnt,  schon  teilweise  im 
Jahre  1900  in  vereinzelten  Kammern  verhandelten  Anträgen 
kamen  auch  eine  Reihe  neuer  Verha  n  dlunso  b  j  ekte 
zur  Beratschlagung,  die  eine  summarische  Zusammenstellung 
finden  sollen. 

Die  Anfrage  der  Posener  Kammer,  ob  der  im  §  75  A  b  s.  3 
des  Unfallversicherungsgesetzes  für  Land- 
und  Forstwirtschaft  und  §  69,  3  des  Ge  w  erbe- 
unfallgesetzes  gebrauchte  Ausdruck :  „d  e  r  b  e  li  a  n  - 
dein  de  Arzt  ist  zu  hören“  etc.  gleichbedeutend  ist  mit: 
„muss  gehört  werden“,  wird  vom  Kammerausschusse,  analog  der 
Auffassung  fast  aller  Kammern,  in  diesem  ginne  beantwortet, 
so  dass  also  bei  der  ersten  Rentenfestsetzung  und  bei  jeder  Renten- 


Aeusserung  des  behandelnden 


Veränderung  eine  gutachtliche 
Arztes  ein  geholt  werden  muss. 

. d?i‘  Rheinischen  Kammer,  dass  jedes  Kamrner- 

nntglied  einen  Beitrag  von  3  M.  für  einen  Agitation«. 

1  o  n  d  beisteuern  solle,  wird  von  den  meisten  Kammern  nicht 
befürwortet,  teils  wird  diese  negative  Haltung  damit  motiviert 
dass  dieses  eine  Tätigkeit  der  lokalen  Vereine  und  privaten  Aerzte- 
vereinigungen  sei  teils  wird  die  Höhe  des  Beitrags  beanstandet. 
Lei  den  Verhandlungen  im  Kammerausschuss  zog  daher  die  An¬ 
tragstellerin  den  Antrag  zurück. 


mi. 1 1 


ucnm-Dnuiueiuuirger  Kammer,  dass  die 
Anerkennung  eines  in  der  Schweiz  erworbenen 
Maturitätszeugnisses  zur  Zulassung  zu  den 
medizinischen  Prüfungen  nicht  ausreielie  n  d  sei. 
führt  zunächst  zu  der  Einholung  einer  amtlichen  Auskunft  über 
den  Wert  dieser  Maturitätszeugnisse. 

Dieselbe  Kammer  hatte  zur  Bildung  von  Kommis¬ 
sionen  behufs  Prüfung  von  Verträgen  zwischen 
Ae  rzten  u  n  d  Krankenkassen  oder  privaten  Ver¬ 
einigungen  Anregung  ergehen  lassen.  Die  meisten  Kammern 
haben  diesem  Vorschlag  zugestimmt,  die  Kammern  von  Pommern 
und  Westfalen  beanspruchten  diese  Tätigkeit  für  die  lokalen 
Bezirks-,  Kreis-  oder  Ortsvereine;  der  Kammerausschuss  stellte 
sich  auf  den  vermittelnden  Standpunkt,  dass  nur  dort  diese  Kom¬ 
missionen  in  obigem  Sinne  in  Wirksamkeit  treten  sollen,  woselbst 
die  ärztlichen  Vereine  dazu  nicht  geeignet  oder  ausser  stände  seien. 


Die  Beiträge  zur  Aerztekamme  r,  die  sog.  LT  m  - 
lagepflicht,  waren  mehrfach  Gegenstand  der  Kammerausschuss¬ 
beratung.  Zunächst  herrschte  völlige  Uebereinstimmung.  dass 
die  Befreiung  von  den  Beiträgen  stets  im  einzelnen  Falle  und 
nicht  kategorienweise  durch  den  Kammervorstand  zu  erfolgen 
habe  und  dass  grundsätzlich  jeder  Arzt,  ob  Praxis  ausübend  oder 
nicht,  zur  Steuer  heranzuziehen  sei.  Späterhin  ventilierte  der  Aus¬ 
schuss  von  neuem  diese  Frage,  nachdem  in  einzelnen  Kammern 
divergente  Beschlüsse  gefasst  waren.  So  hatte  Ostpreussen 
fixieit,  dass  auf  nicht  mehr  Praxis  ausübende  oder  auf  Assistenz-, 
Volontär-  oder  überhaupt  noch  nicht  praktizierende  Aerzte  kein 
Beitragszwang  auszuüben  sei.  dann  Schleswig-Holstein,  dass 
eine  Befreiung  solcher  Aerzte  einzutreten  habe,  deren  Ein¬ 
kommen  1200  M.  nicht  übersteige,  schliesslich  schlug  die  Rheini¬ 
sche  Kammer,  welche  die  jährliche  Umlagepflicht  auf  20  M.  fest¬ 
setzte.  Befreiung  bei  noch  nicht  3  Jahre  praktizierenden  und 
Herabsetzung  auf  15  M.  bei  den  beamteten  und  an  den  Kosten 
der  Ehrengerichte  nicht  beteiligten  Aerzten  vor.  Trotzdem  beharrte 
der  Kammerausschuss  bei  seinem  früheren  Beschlüsse  der  gleich- 
mässigen  Besteuerung  aller  Aerzte. 

Die  Gründe  basieren  auf  folgender  Anschauung:  Die  Z  u  - 
gehörigkeit  zum  ärztlichen  Stand  und  nicht  der 
E  r  w  e  r  b  sind  ausschlaggebend,  daher  sind  Assistenzärzte  und 
überhaupt  junge  Aerzte  in  gleichem  Masse  umlagepflichtig.  Dieses 
hat  auch  Geltung  für  die  beamteten  Aerzte,  für  die  der  Aerzte- 


kammerbeitrag  geradezu  eine  Ehrenpflicht  ist.  und  für  die 
theoretische  Lehrfächer  vertretenden  Universitätslehrer,  zumal  bei 
letzteren  die  Grenze  zwischen  theoretischen  und  praktischen 
Fächern  oft  schwierig,  auch  manche  aus  praktischer  Tätigkeit 
nebenbei  hohe  Erwerbsquellen  beziehen.  Auch  nicht  mehr  prak¬ 
tizierende  Aerzte  sind  beitragspflichtig  aus  obigen  Gründen,  zu¬ 
mal  sie  ihre  Tätigkeit  zu  jeder  Zeit  wieder  beginnen  können  etc. 


Zu  dieser  Enunziation  sah  der  Aerztekammerausschuss  sich 
veranlasst,  weil  in  den  verschiedensten  Kammern  Proteste  gegen 
die  Heranziehung  zur  Besteuerung  (Berlin,  Bonn,  Breslau,  Göt¬ 
tingen,  Königsberg  etc.)  laut  wurden.  Immerhin  gab  der  Aus¬ 
schuss  zu,  dass  in  vereinzelten  Fällen  leicht  in  der  Ausführung 
obiger  Grundsätze  Härten  entstehen  könnten,  die  eben  durch  die 
Entscheidung  im  einzelnen  Falle  eine  Milderung  erfahren  müssten. 

Eine  weitere  die  Aerztekammerbeiträge  betreffende  Frage, 
wann  beim  Wegzuge  aus  einem  Kammerbezirke  in 
eine  n  a  n  d  e  r  n  die  Umlagen  einzuziehen  seien,  ob  am  1.  Januar 
jeden  Jahres  oder  an  dem  Tage  der  Beitragsgenehmigung  durch 
den  Oberpräsidenten,  führte  zu  keiner  generellen  Entscheidung, 
überliess  die  Ausführung  vielmehr  zunächst  dem  Gutdünken  der 
einzelnen  Kammern. 

Für  die  Führung  der  Personalverzeichnisse 
und  Ausübung  der  Kassengeschäfte  wurde  vom 
Ausschuss  die  allgemeine  einheitliche  Einführung  des  I{  arten- 
a.  p  p  a,  r  a  t  e  s  (Zettelkatalog)  in  allen  Aerztekammern  (West¬ 
falen  und  Hannover  hatten  sieh  dagegen  ausgesprochen)  em¬ 
pfohlen  und  das  Ersuchen  an  den  Minister  gestellt,  die  Aerzte 
verpflichten  zu  lassen,  bei  Niederlassung  oder  Wohnungswechsel 
der  zuständigen  Aerztekammer  Anzeige  zu  erstatten. 

Von  erheblichem  Interesse  war  die  infolge  eines  Ministerial- 
schreibens  vom  23.  Mai  1901  an  den  Ausschuss  gelangte  Frage, 
ob  nach  dem  Inkrafttreten  des  Gesetzes,  betreffend  die  ärztlichen 
Ehrengerichte  vom  25.  November  1899  ehrengerichtliche 
Sond-erbesti  m  mungen  in  den  Satzungen  mancher  Aerzte- 
vereine  überhaupt  oder  wenigstens  bezüglich  der 
beamteten  Aerzte  in  Fortfall  zu  kommen  hätten.  Durch¬ 
aus  im  Einklang  mit  den  Beschlussfassungen  der  meisten  Kam¬ 
mern  hielt  der  Ausschuss  eine  Aenderung  des  bisherigen  Zustandes 
für  nicht  erforderlich,  da  aus  den  bisherigen  Bestimmungen  für 
die  beamteten  Aerzte  keine  Misstände  sich  ergeben  hätten,  auch 


1268 


M  (JENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nu.  30. 


( '1 11t  111  lilllrllL'lieU  YirilUlL  \uil  v»v/vr  UX1U  . - 

Führuug  der  Sitzungsprotokolle,  der  Vorbereitung  der  Referate, 
der  Formulierung  der  Beschlüsse  des  Ehrengerichtshofes  f  ii  r 


die  bisherigen  Vereinsehrengerichte  nicht  als  Spruch-,  sondern 
als  S  c  h  i  e  d  s  gericlite  aufzufassen  seien. 

Von  grosser  Tragweite  sind  einige  die  staatlichen  Ehren¬ 
gerichte  betr.  Beschlüsse  des  Ausschusses,  dass  dieselben  als  voll¬ 
kommen  selbständige  Gerichte  aufzufassen  und  dass  sie 
nicht  an  ein  früheres  straf  gerichtliches  Urteil  ge¬ 
lt  u  n  d  e  n  sind,  dass  die  Veröf  f  entlichu  n  g  der  N  a  m  e  n 
der  verurteilten  Aerzte  in  den  Kammersitzungsberichten  als 
strafversc  li  ii  r  f  e  n  d  aufzufassen  ist.  dass  Anfragen  von 
Behörden  bezüglich  der  Urteile  anstandslos  zu  beantworten,  an 
private  Ankläger  hingegen  die  Mitteilungen  des  Urteils  im  Er- 
keuntniss  festzulegen  sind,  dass  zum  Verlust  des  AN  ahlreelits  ver¬ 
urteilte  Aerzte  trotzdem  beitragspflichtig  sind.  Ferner  sollen  be¬ 
züglich  der  Einberufung  der  Stellvertreter  zu  den  NN  alilen 
f  ii  r  das  ärztliche  Ehr  enge  ric  h  t,  und  zu  den  S  i  t  z  - 
u  n  g  e  u  d  e  r  Iv  a  m  in  e  r  einheitliche  Grundsätze  durch  eine 
Entscheidung  des  Ministers  bewirkt,  werden;  auch  wird  ein 
juristisch  v  o  r  g  e  b  i  1  d  e  t  e  r  Protoltollf  ii  h  r  e  r  mit 
einem  jährlichen  Gehalt  von  M.  000  und  der  Tätigkeit  der 
I 

d 

letzte  r  c  n  aufgestellt. 

Von  sonstigen  Ausschussverhandlungsgegenständen  erübrigt 
noch  zu  erwähnen,  dass  durch  den  Ausschussvorsitzenden  eine 
Z  u  s  a  m  menstell  u  u  g  der  A  b  k  o  m  m  e  n  der  einzelnen 
Kammern  mit  den  Alters-  und  Invaliditäts-An¬ 
stalten  behufs  Zustellung  für  die  Ausschussmitglieder  ver¬ 
fertigt,  dass  von  in  auswärtigen  Blättern  erscheinenden  ärztlichen 
Beklaun  annoucen  dem  Vorsitzenden  der  betreffenden  Kammer 
Kenntniss  gegeben  werden,  dass  von  Misständen,  die  sich  bei  der 
Erteilung  der  kleinen  Matrikel  ergeben  haben  —  in  Bonn  war  ein 
Kurpfuscher  zum  Medizinstudium  zugelassen  worden  —  dem 
Minister  Mitteilung  gemacht  werden  soll.  Auch  wurden 
dem  ärztlichen  Fortbildungswesen  —  von  einem 
ursprünglich  beabsichtigten  Kammerbeitrag  hatte  das  Zentral¬ 
komitee  wieder  Abstand  genommen  —  und  der  Syphilis¬ 
statistik,  die  fortgesetzt  wird  und  zu  der  A7erbesserungs Vor¬ 
schläge  entgegengenommen  werden  sollen,  kurze  Besprechungen 
gewidmet. 

Die  bisherige  Besprechung  enthält  schon  zugleich  das 
AVesentliclie  der  einzelnen  Kammerverhandlungen ,  so  dass 
die  weiteren  Anträge,  Vorschläge  und  Besprechungen,  wie  sie 
in  den  einzelnen  Kammern  gepflogen  wurden,  nur  kurz  zu  be¬ 
richten  sind,  umsomehr,  als  einzelne  derselben  im  nächsten  Jahre 
auch  den  Kammerausschuss  beschäftigen  werden. 

In  sämtlichen  Kammern  wurde  der  Antrag  der  schlesischen 
Kammer:  „Die  Staatsregierung  zu  e  r  s  u  c  h  e  n,  d  a  - 
für  Sorge  t.  rage  n  z  u  wollen,  dass  die  Aerzte  bei 
(i  er  Beratung  aller  den  ärztlichen  Stau  d  u  n  d 
B  e  r  u  f  u  n  d  die  öffentliche  Ges  u  n  d  li  e  i  t.  s  pflege 
betr  e  f  f  ende  n  Fragen  und  der  sozialpolitische  n 
Gesetze  mehr  als  bisher  gehör  t  u  n  d  b  e  r  ii  c  k  s  i  c  li  - 
t  i  g  t  werde  n“,  akzeptiert. 

Ueber  die  Tätigkeit  der  Ehrengerichte  erstatteten 
mehrere  Kammern  Berichte,  die  ergaben,  dass  die  Zahl  der  An¬ 
zeigen  und  der  dadurch  bedingten  Sitzungen  in  den  einzelnen 
Kammern  sehr  verschieden  waren.  AVährend  z.  B.  in  Pommern 
7  Anzeigen  eine  einzige  Sitzung  hervorriefen,  hielt  das  Ehren¬ 
gericht  der  Berlin-Brandenburger  Aerztekammer  bei  65  Anzeigen 
i;  Sitzungen  ab.  Die  meisten  Anzeigen  in  der  letzteren  Kammer 
bezogen  sich  auf  „gewerbsmässiges  Annonciere  n“, 
das  in  mehreren  Urteilen  des  Ehrengerichtshofes  als 
s  tandes  u  n  w  ii  r  d  i  g  verurteilt  wurde. 

Eingehende  Erörterungen  riefen  auch  in  den  Kammern,  eben¬ 
so.  wie  bereits  erwähnt,  im  Kammern ussehusse,  die  Kammer- 
v  m  1  a  g  e  n  hervor.  Hiebei  ist  erwähnenswert,  dass  in  Berlin- 
Brandenburg  von  jedem  Arzte  eine  Grundgebühr  von  Kt  AI.  und 
von  denjenigen,  die  über  mindestens  5000  AI.  Einkommen  ver- 
fügen.  5  Proz.  des  Staatseinkommensteuerbetrags  erhoben  werden 
soll,  während  in  Schleswig-Holstein  die  Steuern  sich  nur  auf  die 
aus  der  Praxis  herrührenden  Einkünfte,  die  selbst  einzuschätzen 
sind,  unter  Nichtberücksichtigung  des  Privatvermögens  beziehen 
sollen. 

Da  der  Hauptzweck  der  Umlagen  in  der  G  r  ii  n  d  u  n  g  v  o  n 
ii  r  z  1 1  i  c  li  e  n  Unters  t  ützungskasse  n  besteht,  wurden 
hierüber  in  einzelnen  Kammern  eingehende  Diskussionen  ver¬ 
anstaltet.  die  zumeist  zur  Bildung  von  Kommissionen  führten, 
die  eine  Verschmelzung  der  bereits  bestehenden  provinzialen 
Kassen  mit  der  neuen  Kasse  herbeiführen  sollten.  Dabei  wurde 
betont,  dass,  wenn  auch  zunächst  diese  Kassen  nur 
Unterstützungskassen  seien,  das  Endziel  das  einer 
Pensionskasse  sein  solle.  Besonders  anerkennenswert  ist, 
dass  von  einzelnen  Kammern  statuiert  wurde,  dass  versicherten 
und  in  Zahlungsnot  geratenen  Aerzteu  die  Zahlung  der  Prämien 
gewährt  werden  soll  (Itheinprovinz,  AVestfalen).  In  Berlin-Bran¬ 
denburg  und  in  Schlesien  wurde  bereits  eine  Vereinigung  der  be¬ 
stehenden  Kassen  mit  der  Hilfskasse  der  Kammer  vollzogen. 
Auf  diese  AA’eise  konnte  die  ersten*  Kammer  als  Etat  für  Unter¬ 
stützungen  im  Jahre  1902  50  000  AI.  aussetzen. 

Das  bereits  vorhandene  A'ermögen  einzelner  Kammern  wurde 


Stützungsfonds  (z.  B.  AVestfalen)  bereits  dort  festgelegt,  woselbst 
die  Unterstützungskasse  noch  nicht  zum  Abschluss  gebracht  war. 

Zur  Verbesserung  der  durch  die  Kurpfuscherei  be¬ 
dingten  Schäden  ergriff  besonders  die  Berlin-Brandenburgsche 
Kammer  die  Initiative.  Der  Kurpfuschereikommission  wurden 
2000  AI.  bewilligt  und  dem  A'orsitzeuden  und  Schriftführer  der¬ 
selben  gestattet,  Strafant  r  ä.  ge  wegen  unlaute  r  e  n 
AVettbewerbs  gegen  Kurpfuscher  zu  stellen.  (In  letzterem 
Sinne  verfuhr  auch  die  Kammer  von  Hannover.)  Die  Kammer 
erwirkte  auch  eine  A'erfüguug  des  Oberstaatsanwalts,  dass  der 
Kammer  von  wichtigeren  Hauptverhandlungen  gegen  Kurpfuscher 
Kenntniss  gegeben  würde,  um  die  Anwesenheit  eines  Mitgliedes 
der  Kommission  bei  der  Verhandlung  zu  ermöglichen. 

Auf  Grund  von  Vorkommnissen  in  Spandau  erklärte  die 
Kammer,  dass  das  Zusammenwirken  von  Aerzten  mit  nichtappro 
liierten  Personen  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  schädige,  und 
dass  der  Abschluss  oder  die  Verlängerung  von  Verträgen  von 
Aerzten  mit  Krankenkassen,  an  denen  auch  nicht  approbierte 
Aerzte  als  Kassenärzte  zugelassen  werden,  standesunwürdig  sei. 
Die  Kammer  von  Schleswig-Holstein  will  ferner  zur  Verwertung 
eines  brauchbaren  Alaterials  Fragebogen  an  alle  Aerzte  des 
Kammerbezirks  in  Kurpfuschereiangelegenheiten  versenden. 

Bezüglich  der  Abänderungsvorschläge^  zum 
K  r  a  n  k  e  n  v  e  r  s  i  c  li  e  r  u  n  g  s  g  e  s  e  t  z  haben  die  Kammern 

_  die  Kammer  der  Itheinprovinz  und  Ostpreussen  sprachen  sich 

darüber  aus  —  nur  wenig  aktive  Tätigkeit  der  Aerzte  verzeichnen 

können.  , 

In  Honora  r  f  rage  n  m  i  t  Kr  a  nkenkassen  fixierte 
die  Kammer  von  Hannover,  dass  bei  Neuabschlüssen  von  A  er¬ 
trügen  ein  Honorar  von  3  AI.  pro  Kopf  und  Jahr  und  9  AI.  für  die 
Familie  als  Alindesthonorar  anzusehen  sei.  Die  Kammer  von 
Schlesien  erklärte  es  für  standesunwürdig,  den  Ansprüchen  von 
Krankenkassen,  die  Angehörigen  der  Alitglieder  unter  den  Sätzen 
der  Aiinimaltaxe  zu  behandeln,  zu  entsprechen. 

Die  Beziehungen  der  Kammern  zu  den  Landes  ver- 
s  iche  r  ungsanstalte  n  gestalteten  sich  verschiedenartig. 
NA’iihrend  die  ostpreussisclie  und  schlesische  Kammer  ein  Ent¬ 
gegenkommen  zu  verzeichnen  hatte,  waren  die  A  erhandlungen 
der  Kammern  von  Hannover  und  Pommern  bezüglich  der  Honorar- 
mid  der  Vertrauensarzt  fragen  von  negativem  Erfolge. 

Eine  lieihe  von  Einzelberatungen  fand  in  einzelnen  Kammern 
statt,  die  hier  zum  Teil  folgen  mögen: 

Die  Kammer  von  Hessen-Nassau  beriet  den  Entwurf  einei 
S  t  a  n  d  e  s  o  r  <1  n  u  n  g  und  gab  Kenntnis  von  dem  Protest  des 
AViesbadener  ärztlichen  A'ereins  gegen  einen  die  Aerzte  beleidigen¬ 
den  Passus  im  Bericht  der  Handelskammer. 

Die  Kammer  von  Hannover  beriet  über  Massregeln  behufs 
Steuerung  der  Zunahme  der  Geschlechtskrankheiten  und 
beschloss,  den  Oberpräsidenten  zu  ersuchen,  möglichst  viele 
Krankenhäuser  geschlechtlich  erkrankten  Personen  zugänglich  zu 
machen.  Dieselbe  Kammer  befürwortete  ein  Gesuch  an  die  Re¬ 
gierung  .  dass  behördlicherseits  zu  v  e  l  g  e  b  e.  n  d  t 
Stell  en,  wie  Bahn-,  Gefängnis-,  Impfärzte,  a  u  c  la  de  n  n  i  c  li  t 
beamteten  Aerzten  teilhaftig  werden  könnten. 

Die  selbes  wig-holsteinsche  Kammer  bemängelte,  dass 
A  t  fest  e  v  o  n  I*  r  i  v  a  t  ii  r  z  t  e  n  bei  Gesuchen  u  m  B  e  - 
frei  u  n  g  v  o  n  m  i  1  i  t  ii  rische  n  TJ  e  b  u  ngen  von  den 
Alilitiirärzten  nicht  berücksichtigt  würden.  Verhandlungen  nach 
dieser  Richtung  hin  sollten  eingeleitet  werden. 

Die  Kammer  von  AVestfalen  erörterte  den  Antrag,  durch 
den  Justizminister  den  Gerichten  nahezulegen,  die  fest¬ 
gesetzte  Zeit  und  Stunde  von  gprichtlic  lie  n 
T  e  r  m  inen  ei  n  halt  e  n  z  u  lasse  n,  hielt  aber  das  Vor¬ 
bringen  eines  solchen  AA  unsclies  bei  dem  Gerichtsvorsitzenden  des 
betreffenden  Bezirkes  für  opportuner. 

Die  schlesische  Kammer  wird  beim  Aorztekammerausschuss 
um  E  r  h  ö  li  u  n  g  d  e  r  T  a  x  e  für  gutachtliche  T  ä  t  i  g  - 
k  e  i  t  de  r  A  e  rate  ei  n  k  o  m  m  e  n. 

Bemerkenswert  ist  ferner,  dass  in  den  Kammern  von 
Schleswig-Holstein  und  Ostpreussen  dem  ärztlichen  Fort- 
b  i  1  d  u  n  g  s  w  e  s  e  n  nicht  das  erwartete  Interesse  entgegen- 
gebracht  wurde. 

Die  Kammer  von  Berlin-Brandenburg  trat  lebhaft  für  die 
V  e  r  b  r  e  n  n  u  n  g  d  e  r  I’  e  s  1 1  e  i  e  li  e  n  ein. 

Dii*  Kammern  von.  Posen  und  Sachsen  unterstützten  den  An¬ 
trag  des  Aerztevereins  Cottbus,  dass  durch  die  geplante 
Schulreform  (Vermehrung  der  Stunden  in  Tertia,  etc.)  die 
Gesundheit  der  Schüler  gef  ii  li  rdet  w  ii  r  d  e. 

Einige  weitere  A’e rtian dl ungsgegen stände  können  unberück¬ 
sichtigt.  bleiben;  das  AVesentlichste  ist  im  A’orhergehenden  zu¬ 
sammengefasst. 

10s  ist  fraglos,  dass,  wie  eingangs  hervorgehoben  wurde,  die 
Tätigkeit  der  Kammern  und  des  Kammerausschusses  eine  sehr-  er- 
spriessliche  war;  möge  sie  dem  ärztlichen  Stande  den  erhofften 
Nutzen  bringen. 


der  zu 


•ründenden  Kasse  überwiesen,  auch  wurde  ein  Unter- 


29.  Juli  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCI1E  WOCHENSCHRIFT. 


1269 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Vaubel:  Die  physikalischen  und  chemischen  Methoden 
der  quantitativen  Bestimmung  organischer  Verbindungen. 

I.  Bd. :  Die  physikalischen  Methoden.  II.  Bd.:  Die  chemischen 
Methoden.  593  und  530  S.,  geh.  24  M.,  geh.  26,40  M.  Jul. 
Springe  r,  Berlin  1902. 

für  die  quantitative  Analyse  der  organischen  Verbindungen 
existiert  keine  so  allseitig  durchgearbeitete  Methodik,  wie  für 
die  anorganischen  Verbindungen.  Es  besteht  hier  eine  Unzahl 
spezieller  Methoden  für  die  Bestimmung  einzelner  Körper,  neben 
allgemeinen  Nachweisen  spezieller  (substituierender)  Gruppen 
und  Reihen.  Die  Beschreibung  dieser  Methoden  ist  an  den  ver¬ 
schiedensten  Stellen  in  der  chemischen  Literatur  verstreut.  Es 
ist  daher  ein  sehr  dankenswertes  Unternehmen,  dass  Vaubel 
diese  verstreuten  Methoden  gesammelt  und  unter  einheitlichen 
Gesichtspunkten  zusammengefasst  hat.  Welch  grosse  Bedeutung 
auch  für  die  organische,  nicht  nur  für  die  anorganische  Chemie 
die  physikalische  Chemie  erreicht  hat,  ersehen  wir  daraus,  dass 
die  Darstellung  der  physikalischen  Bestimmungsmethoden  den 
ganzen  ersten  Band  einnimmt,  ln  demselben  werden  besprochen : 
Bestimmung  des  Schmelz-  und  Erstarrungspunktes,  —  des  Siede¬ 
punktes  bzw.  Dampfdruckes,  —  des  spezifischen  Gewichtes,  —  der 
Lösung  und  Extraktion,  —  der  Fällung,  —  der  Kapillaranalyse, 

—  der  Viskosität,  —  der  elektrischen  Leitfähigkeit,  —  des  Bre¬ 
chungsexponenten,  —  der  Kolorimetrie,  —  der  Spektrokolori- 
metrie,  —  der  Probefärbung,  —  der  optischen  Aktivität,  - —  der 
Verbrennungswärme,  —  der  Reaktionswärme,  — -  der  Entflam¬ 
mungstemperatur.  Band  II  enthält  die  Methoden  der  Kohlen¬ 
stoff-  und  Wasserstoffbestimmung,  —  der  Stickstoffbestimmung, 

—  der  Halogenbestimmung,  —  der  Schwefel-  und  Phosphor¬ 
bestimmung,  —  der  Verdampfung  und  Veraschung,  —  der 
Azidimetrie,  —  Alkalimetrie,  —  Verseifung,  —  Azetylierung, 

Benzoylierung,  —  Bromierung,  —  Jodierung,  —  Diazotierung, 

—  der  Bildung  von  Azofarbstoffen,  —  der  Bestimmung  durch 
Kondensation  mit  Phenylhydrazin,  —  der  Kondensation  von 
Aldehyden  mit  Phenolen,  —  von  Aldehyden  mit  Aminen,  —  der 
Zersetzung  durch  Säuren,  - —  der  Nitrosierung,  —  der  Einwirkung 
von  Salpetersäure,  —  der  Oxydation  mit  Arsensäure,  —  mit 
konz.  Schwefelsäure,  —  mit  Halogenen  und  Halogensauerstoff  ■ 
Verbindungen,  —  mit  Chromsäure,  —  mit  Permanganat,  —  mit 
Kupferoxydverbindungen,  —  mit  AI erkuri Verbindungen,  - —  der 
Bestimmung  mit  Silbernitrat,  —  der  Oxydation  durch  Gold- 
bezw.  Platinverbindungen,  —  der  Reduktion  mit  schwefeliger 
bezw.  hydroschwefeliger  Säure,  —  der  Reduktion  mit  Zinn- 
chlorür,  der  Bestimmung  durch  Enzym-  oder  Fermentwirkung, 

—  der  Bestimmung  der  Antitoxine.  Das  Vaubel  sehe  Buch 

wird  auch  dem  Mediziner  als  Nachschlagewerk  sehr  willkommen 
sein-  Heinz-  Erlangen. 

Wilhelm  Weinberg  -  Stuttgart :  Beiträge  zur  Physio¬ 
logie  und  Pathologie  der  Mehrlingsgeburten  beim  Menschen. 

(Archiv  für  die  ges.  Physiologie  Bd.  88.) 

Kaum  je  dürfte  die  Lehre  von  den  Mehrlingsgeburten  beim 
Menschen  von  ärztlicher  Seite  einerseits  mit  solcher  mathe¬ 
matisch-statistischer  Exaktheit,  andererseits  unter  Zugrunde¬ 
legung  so  geeigneten,  reichen  Materiales  behandelt  worden  sein, 
als  in  der  vorliegenden  Arbeit. 

Neben  der  zahlreichen  Literatur  und  einer  grossen  Zahl 
eigener  Beobachtungen  standen  dem  Verfasser  die  wertvollen 
Aufzeichnungen  des  württembergischen  statistischen  Landes¬ 
amtes  und  vor  allem  das  in  Württemberg  seit  fast  100  Jahren 
neben  Kirchen-  und  Standesregister  geführte  Familien- 
r  eg  i  ster  zur  Verfügung,  das  einen  äusserst  wertvollen  Ueber- 
blick  über  die  Fruchtbarkeitsverhältnisse  der  einzelnen  Familien 
durch  mehrere  Generationen  gestattet. 

Die  Resultate  des  Verf.  weichen  denn  auch  in  einer  Reihe 
von  Punkten  von  den  auf  einseitig  kasuistischer  Grundlage  ge¬ 
wonnenen  anderer  Autoren  wesentlich  ab. 

Im  1.  Kapitel  werden  die  Geschlechtsverhältnisse  der  Zwil¬ 
linge  untersucht  und  zwar  sowohl  bezüglich  des  Verhältnisses 
der  Zwillingsknaben  zu  den  Zwillingsmädchen  (Sexualproportion), 
als  auch  bezüglich  des  Geschlechts  der  Zwillingspaare  (Sexual¬ 
kombination).  Dabei  wird  wie  in  allen  Fragen  eine  getrennte 


der  ein  -  und  mehr  ei  igen  Zwillinge  dureh- 


Untersuehung 
geführt. 

Das  in  allen  Statistiken  beobachtete  Zurücktreten  des 
Knaben  Überschusses  im  \  ergleich  zu  den  Einzelg'eburten  wird 
auf  die  erhöhte  intrauterine  Sterblichkeit  der  zweieiigen  und 
in  noch  höherem  Masse  der  eineiigen  Zwillinge  zurüdkgeführt. 
Dabei  erscheint  die  Sterblichkeit  der  männlichein  Früchte,  wie 
auch  allgemein  im  extrauterinen  Leben,  erheblich  grösser.  Das 
Geschlechtsverhältnis  der  Zwillings  g  e  b  u  r  t  e  n  entspricht  also 
nicht  dem  der  Zwillings  z  e  u  g  u  n  g  e  n.  Deshalb  erscheinen 
auch  die  auf  dieses  Geschlechtsverhältnis  gegründeten  Theorien 
zur  Geschlechtsbildung  hinfällig:  das  Geschlechtsverhältnis  weist 
im  Gegenteil  auf  eine  Geschlechtsbestimmung  im  Ovarium  vor 


der  Befruchtung  hin. 

Im  2.  Kapitel  begründet  der  Verf.  eine  rechnerische  Me¬ 
thode  zur  Bestimmung  der  eineiigen  Zwillinge  aus  der  Gesamt¬ 
zahl.  Er  berechnet,  dass  von  den  zweieiigen  Zwillingen  ziemlich 
genau  die  Hälfte  „Pärchen“  sind,  so  dass  der  Ueberschuss  der 
doppelten  Pärchenzahl  aus  der  Gesamtzahl  als  eineiige  Zwillinge 
erscheinen.  Vermittels  dieser  „Differenzmethode“  kommt  Verf. 
zu  dem  Ergebnis,  dass  über  20  Proz.  aller  Zwillinge  eineiig  sind, 
eine  Zahl,  die  die  klinischen  Angaben  z.  T.  um  das  doppelte 
übertrifft.  Dadurch  wird  vor  allem  der  Theorie,  die  die  Ent¬ 
stehung  eineiiger  Zwillinge  auf  die  so  seltenen  Eier  mit  zwei 
Keimbläschen  zurückführt,  der  Boden  entzogen. 


Im  3.  Kapitel  wird  das  Verhältnis  der  eineiigen  zu  den  zwei¬ 
eiigen  Zwillingen  in  Beziehung  auf  Schwangerschafts-  und  Ge- 
burtsverlauf  und  die  Häufigkeit  von  Tod-  und  Frühgeburt  bezw. 
Abort  untersucht. 

Das  Ueberwiegen  zweieiiger  Zwillinge  in  klinischen  An¬ 
stalten  wird  auf  den  schwereren  Schwangerschafts-  und  Ge¬ 
burtsverlauf  zurückgeführt. 

Totgeburten  sind  bei  eineiigen  Zwillingen  doppelt  so  häufig 
als  bei  zweieiigen,  was  ebenso  wie  der  geringere  Knabenüber¬ 
schuss  auf  häufigere  Frühgeburten  und  Aborte  bei  dieser  Kate¬ 
gorie  hindeutet'.  Der  intrauterine  Fruchttod  gefährdet  die 
zweite  Frucht  bei  eineiigen  Zwillingen  weit  mehr  als  bei  zwei¬ 
eiigen.  i  1  -  F 

Während  die  Zwillingsschwangerschaft  häufiger  mit  Früh¬ 
geburt  als  mit  Abort  endet,  erkennt  im  übrigen  der  Verf.  die  von 
anderer  Seite  beobachtete  Neigung  der  Zwillingsmutter  zu  Fehl¬ 
geburten  nicht  an. 


Was  die  im  4.  Kapitel  behandelten  Eigenschaften  der  Zwil¬ 
linge  betrifft,  so  konnte  Verf.  weder  zwischen  ein-  und  zwei¬ 
eiigen,  noch  bei  letzteren  zwischen  solchen  mit  einer  und  solchen 
mit  zwei  Plazenten  einen  zahlenmässigen  Unterschied  bezüglich 
Körpergewicht  und  Lebensfähigkeit  nachweisen.  Auch  die  viel¬ 
fach  behauptete  grössere  Aehnlichkeit  eineiiger  Zwillinge  in  Ge¬ 
stalt,  Lebensäusserungen  und  Lebensdauer  scheint  der  statisti¬ 
schen  Grunmage  zu  entbehren,  ebenso  wie  die  behauptete  Un¬ 
fruchtbarkeit  der  Zwillinge,  die  namentlich  von  Züchtern  bei 
Tieren  beobachtet  wurde. 

Das  5.  Kapitel  endlich  handelt  von  den  Ursachen  der  Mehr¬ 
lingsschwangerschaften,  die  nach  des  Verfassers  Meinung  nur 
durch  eine  statistische  bezw.  anatomisch-physiologische  Be¬ 
arbeitung  klargelegt  werden  können,  nie  durch  Kasuistik. 

Einfluss  des  Keimes  wird  negiert,  dagegen  lässt  sich  für 
zweieiige  Zwillinge  ein  Einfluss  von  Rasse,  Wohnort,  Zivilstand, 
Alter  und  Geburtenzahl  der  Mutter,  auch  der  Jahreszeiten  und 
ebenso  eine  direkte  und  seitliche  Vererbung  auf  weibliche  Nach¬ 
kommen  (nicht  auf  männliche)  erkennen. 

Keiner  von  allen  diesen  Faktoren  kommt  für  die  ein¬ 
eiigen  Zwillinge  in  Betracht;  die  Ursache  der  Teilung  der 
Keimanlage  ist  unbekannt.  Die  eineiigen  Zwillinge  sind  wie 
die  Doppelmonstra  pathologische  Erscheinungen,  wäh¬ 
rend  für  die  zweieiigen  der  atavistischen  Auffassung  eine 
gewisse  Berechtigung  zuerkannt  wird. 

Alle  Schlussfolgerungen  der  Arbeit  sind  unter  äusserst 
scharfsinniger  und  vorsichtiger  Anwendung  statistischer  und 
rechnerischer  Methoden  gezogen;  die  Arbeit,  erscheint  deshalb 
für  jeden,  der  sich  mit  diesen  Fragen  der  Bevölkerungslehre  be¬ 
schäftigt,  in  erster  Linie  nach  der  methodologischen 
Seite  hin  sehr  lehrreich.  Dr.  Sigm.  Mirabeau. 


1270 


Dr.  A.  S  m  i  t  h  -  Schloss  Marbach:  Ueber  den  heutigen 
Stand  der  funktionellen  Herzdiagnostik  und  Herztherapie. 

Hcrliner  Klinik.  Sammlung  klinischer  Vorträge.  Doppel¬ 

heft  160.  S.  Karge  r,  1902. 

Ausser  den  anatomischen  Herzfehlern  gibt  es  noch  ver¬ 
schiedene  Arten  von  Ilerzmuskelinsuffizienz,  die  gar  nicht  ent¬ 
sprechend  ihrer  Wichtigkeit  bekannt  sind.  Die  Puls- 
abweichungen  sind  aber  hiefür  aus  verschiedenen  Gründen  ein 
ganz  ungenügender  Index;  um  so  zuverlässiger  lassen  die  Ver¬ 
änderungen  der  Herzgrösse  auf  die  Funktion  des  Myokards 
schl i essen.  Das  Herzvolumen  kann  man  am  besten  bestimmen 
mit  dem  Phonendoskop,  nach  der  von  Smith  modifizierten 
(P  i  a  n  e  h  i  sehen)  Methode,  deren  Technik  mit  Hilfe  einiger 
Figuren  in  der  Arbeit  genau  beschrieben  wird.  Die  Kontrolle 
der  Resultate  mit  der  Orthodiagraphie  und  an  der  Leiche  ergibt 
deren  absolute  Zuverlässigkeit.  Auch  die  Vergrösserung  des 
Herzens  durch  Erhöhung  des  intrakardialen  Druckes  hat 
S  m  i  t  h  an  der  Leiche  nachgewiesen. 

Bei  unseren  heutigen  Kulturvölkern  kann  man  nur  aus¬ 
nahmsweise  ein  normales  Herz  finden;  es  ist  meistens  durch  ver¬ 
schiedene  Einflüsse  (vor  allem  Alkohol  und  nervöse  Störungen) 
erweitert,  wobei  es  unter  mechanisch  ungünstigeren  Verhält¬ 
nissen  arbeitet.  Ein  gesundes  Herz  nun,  das  mit  minimalen  Herz¬ 
höhlen  arbeitet,  soll  bei  nicht  übertriebener  Anstrengung  keine 
Erweiterung  zeigen. 

Erweiternd  wirken  nun  eine  Menge  Gifte,  voraus  der  Al¬ 
kohol  (nachweislich  nicht  die  Flüssigkeitsmenge),  dann 
auch  der  Hunger,  psychische  Erregungen  (bei  ITnfallneurosen 
hat  Smith  in  jedem  Falle  Herzerweiterung  gefunden).  Bei 
labilem  Nervensystem  (wie  es  z.  B.  Künstler  oft  haben)  oder 
immer  wiederholten  erweiternden  Einflüssen  wird  die  Dilatation 
oft  eine  bleibende. 

Herzverengernde  Wirkung  haben  u.  a.  die  Digitalis  (oft 
schon  nach  20  Minuten),  Strophanthus,  Kampher  und  andere 
Gifte,  dann  aber  vor  allem  elektrische,  namentlich  faradische 
Ströme,  die  von  der  Herzgegend  durch  den  Körper  geleitet 
werden,  Körperbewegung  in  richtiger  Dosierung,  und  am 
wirksamsten  das  elektrische  Bad. 

Diese  Mittel,  richtig  und  anhaltend  angewendet,  können  dann 
auch  in  einer  Grosszahl  von  Fällen  den  Patienten  heilen.  Es 
bedarf  natürlich  vieler  Erfahrung,  um  die  Methode  zu  be¬ 
herrschen.  Immerhin  gibt  Verfasser  in  einem  besonderen  Ab¬ 
schnitte  gute  therapeutische  Winke. 

‘  Dies  die  Grundzüge  der  Arbeit.  Daneben  enthält  sie  wieder 
Winke  für  Theorie  und  Praxis  und  regt  zu  weiteren  Unter¬ 
suchungen  und  Nachprüfungen  an.  Manches  ist  gewiss  richtig 
—  ein  sehr  guter  Beobachter,  dessen  Einwilligung  zur  Publi¬ 
kation  seines  Namens  ich  momentan  nicht  einholen  kann,  be¬ 
stätigt  mir  z.  B.  den  herzerweiternden  Einfluss  des  Alkohols  — , 
einzelne  Details  erscheinen  dem  Referenten  zweifelhaft  oder  un¬ 
richtig.  Sicher  aber  sind  die  praktisch  eminent  wichtigen, 
von  einem  grossen  Material  deduzierten  Anschauungen  des  Ver¬ 
fassers  einer  gründlichen  Nachprüfung  wert,  und  man  begreift 
seine,  vielleicht  etwas  zu  herbe  Kritik  bestehender  Ansichten, 
wenn  man  gesehen  hat,  mit  welcher  Oberflächlichkeit  von  ver¬ 
schiedenen  Seiten  aus  versucht  worden  ist,  seine  Arbeiten  ab¬ 
zutun.  Bleuler-  Burghölzli. 

Dr.  med.  H.  Donner,  Arzt  in  Stuttgart:  Ueber  Arterio¬ 
sklerose,  Verkalkung1  der  Arterien.  Verlag  von  Zahn 
&  S  e  e  g e  r  Nachf.,  Stuttgart.  Preis  3  M. 

Verfasser  hat  seit  einer  Reihe  von  Jahren  die  Literatur  über 
Arteriosklerose  eingehend  verfolgt  und  auch  persönlich  grosse 
Erfahrung  über  die  so  wichtige  und  nunmehr  in  ihrer  Bedeutung 
zusehends  immer  höher  geschätzte  Krankheit  gesammelt,  so  dass 
er  in  der  Lage  ist,  eine  Reihe  selbständiger  Beobachtungen  in 
der  Schilderung  zu  verwerten.  Die  Klage,  dass  in  der  Literatur 
fast  noch  keine  umfassende  Beschreibung  der  Arteriosklerose  vor¬ 
handen  sei  und  D.  es  deshalb  für  angezeigt  gefunden  habe,  die 
Krankheit  einmal  eingehend  zu  schildern,  dürfte  jetzt  nach  Er¬ 
scheinen  des  S  c  li  r  o  e  t  te  r  ächen  Werkes,  sowie  der  zwar  kur¬ 
zen,  aber  alles  wesentliche  bringenden  Bäumler  sehen  Dar¬ 
stellung  nicht  mehr  so  berechtigt  sein,  wie  noch  vor  wenigen 
Jahren.  Den  Schwerpunkt  seiner  Beschreibung  hat  D.  auf  den 


No.  30. 


klinischen  Teil  der  ganzen  1-  rage,  viel  weniger  auf  den  ana¬ 
tomisch-histologischen  verlegt.  Er  unterscheidet  eine  physio¬ 
logische,  eine  Herz-,  eine  Nieren-,  eine  Gehirn  form  der  Arterio¬ 
sklerose.  Von  mannigfachen  Spekulationen  und  Widersprüchen 
sind  die  Darlegungen  des  Autors  nicht  freizusprechen,  ln  das 
Kapitel  über  die  Behandlung  der  Arteriosklerose  vermögen  wil¬ 
dem  Autor  nicht  zu  folgen,  da  er  sich  liier  plötzlich  als  Homöo¬ 
path  entpuppt.  Wenn  man  Sätze  liest,  wie  den:  „Auch  Aurum 
bringt  Veränderungen  in  den  Arterien  hervor,  es  scheint  eine 
ganz  besondere  Affinität  zur  Hauptschlagader  zu  haben  und 
fand  ich  es  dann  ganz  besonders  angezeigt,  wenn  der  Aortenton 
metallisch  klingend  und  hart  war“,  und  wenn  dann  die  Sprache 
der  Potenzen  beginnt,  so  hört  bei  Referent  der  gemeinsame  Boden 
des  Sichverstehens  auf.  Schliesslich  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
es  nicht  leicht  sein  wird,  ein  im  Uebrigen  auf  Wissenschaftlich¬ 
keit  anspruchmachendes  medizinisches  Buch  zu  finden,  das  so- 
viele  und  so  —  —  komische  Druckfehler  enthält,  wie  das 
Donner  sehe.  Grass  mann  -  München. 

Dr.  Demetrio  Galatti:  Das  Intubationsgeschwür  und 
seine  Folgen.  Wien,  Josef  Safär,  1902.  128  Seiten.  Preis 

3  M. 

Eine  vorzügliche  Arbeit,  die  jeder  lesen  sollte,  der  sich  mit 
der  Intubation  befasst.  Bemerkenswert  sind  die  (übrigens  nicht 
durchgehends  unanfechtbaren)  Angaben  über  die  Anatomie  des 
kindlichen  Kehlkopfes,  ein  Gebiet,  auf  welchem  G.  schon  viel 
gearbeitet  hat.  Nur  genaue  Kenntnis  dieser  anatomischen  Ver¬ 
hältnisse,  die  vielfach  sehr  verschieden  von  den  Verhältnissen 
beim  Erwachsenen  sind,  ermöglicht  das  Verständnis  der  Entsteh¬ 
ung  und  Folgen  des  Intubationstraumas.  Leider  harren  immer 
noch  verschiedene  wichtige  Fragen  ihrer  Lösung.  In  dem  Ka¬ 
pitel  über  Intubationstechnik  finden  wir  fast  ausschliesslich  schon 
Bekanntes  referiert.  Auszusetzen  wäre,  dass  der  Autor  dem 
Tuben  -  M  a  t  e  r  i  a  1  zu  wenig  Bedeutung  beimisst ;  die  Reform 
der  Intubationstechnik  wird  aber  gerade  hier  einzusetzen  haben. 

Im  zweiten  Abschnitt  wird  die  Aetiologie,  pathologische 
Anatomie,  Diagnose,  Prophylaxe  und  Therapie  des  Dekubitus 
besprochen.  G.  kritisiert  mit  Recht  die  fälschliche  Verwendung 
des  Wortes  Dekubitus  für  jedes  p.  m.  in  den  oberen  Luftwegen 
Vorgefundene  Geschwür  und  weist  darauf  hin,  dass  u.a.  dekubitus¬ 
ähnliche  ITlzerationen  im  Kehlkopf  inner  n  bei  Typhus,  nach 
Blattern,  Masern,  Scharlach  auftreten  können,  ebenso  bei  Di¬ 
phtheriekranken,  die  weder  tracbeotomiert  noch  intubiert  waren. 
Hervorgehoben  wird,  dass  die  Entsteh ungsur Sachen  des  Dekubitus 
sehr  mannigfache  sein  können,  dass  die  Intubationsdauer  sicher 
nicht  allein  das  entscheidende  Moment  ist  und  deshalb  auch  nicht 
ausschliesslich  unser  Handeln  beeinflussen  darf,  wie  das  bisher 
vielfach  in  der  Anwendung  der  intermittierenden  Intubation  und 
der  schematischen  Ausführung  der  sekundären  Tracheotomie 
nach  100 — 125  ständiger  Intubationsdauer  zum  Ausdruck  kam. 

Der  dritte  Abschnitt  behandelt  die  Narbenstrikturen  bezw. 
Narben  Verschlüsse,  ihre  Symptomatologie,  Diagnose,  Prophylaxe 
und  Therapie.  Wichtig  ist,  dass  die  im  Anschlüsse  an  die  In¬ 
tubation  sich  entwickelnden  narbigen  Strikturen  ihre  Entsteh¬ 
ung  gerade  einer  Sistierung  oder  doch  hinreichend  langen  Unter¬ 
brechung  der  Tntubationsbehandlung  verdanken.  Wird  also  mit 
Rücksicht  auf  die  Gefahr  eines  Dekubitus  die  sekundäre  Tracheo¬ 
tomie  ausgeführt,  so  sollte  schon  vom  1.  Tage  an  immer  wieder 
probeweise  intubiert  werden,  um  die  Entstehung  von  Narben¬ 
strikturen  zu  verhüten.  Interessant  sind  die  Ausführungen  über 
jene  Strikturbildungen,  die  unabhängig  von  der  Intubation  durch 
chronische  Schwellung  (Infiltration  der  subglottischen  Schleim¬ 
haut)  bedingt  sind.  Ueber  die  (nach  Meinung  des  Ref.  noch  zu 
wenig  ausgebildete)  Therapie  der  Strikturen  geben  hauptsächlich 
die  zahlreichen  beigefügten  Krankengeschichten  Aufschluss. 

Die  in  der  Arbeit  enthaltenen  Abbildungen  sind  gut  und  sehr 
instruktiv,  die  Ausstattung  des  Buches  lobenswert. 

Trumpp  -  München. 

1 

j  .  i 

Neueste  Journalliteratur. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Bd.,  67.  4.  Heft,  Berlin, 
Hirschwald,  1902. 

34)  J  aussen:  Zur  Lehre  von  der  Dupuytren  sehen 
Fingerkontraktur,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  opera- 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


29.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


tiven  Beseitigung  und  der  pathologischen  Anatomie  des  Leidens. 
(Chirurgische  Universitätsklinik  von  B  e  r  g  m  a  n  n  -  Berlin.) 

J.  betont,  dass  durch  alle  bisher  benutzten  Methoden,  auch 
durch  die  am  meisten  gebräuchliche  Ko  eher  sehe  Operation, 
eine  Heilung  der  Dupuytre  n  sehen  Kontraktur  entweder  gar 
nicht  zu  erzielen  oder  doch  das  Auftreten  von  Rezidiven  nicht  zu 
verhüten  ist.  So  waren  auch  die  früher  auf  der  v.  Bergmann- 
schen  Klinik  operierten  Fälle  fast  alle  rezidiviert,  wenn  auch  ge¬ 
bessert;  es  hatte  sich  gezeigt,  dass  nach  Fortnahine  der  erkrankten 
Partien  der  Palmaraponeurose  nach  Kocher  die  pathologischen 
Vorgänge  in  den  stehen  gebliebenen  Teilen  ruhig  weitergehen  und 
Rezidive  hervorrufen.  Eine  dauernde  Heilung  der  Deformität  ist 
nur  zu  erzielen  durch  radikale  Entfernung  der  ganzen  Palmar¬ 
aponeurose  einschliesslich  ihrer  Ausläufer,  eine  Operation,  die 
L  e  x  e  r  in  8  Fällen  vorgenommen  hat. 

Lex  er  operiert  jetzt  folgendermassen:  Längsinzision  vom 
Ansatz  der  Palmaraponeurose  in  der  Richtung  auf  den  am  meisten 
ergriffenen  Finger  bis  auf  die  Volarfläche  der  II.  Phalanx;  senk¬ 
recht  darauf  ein  Querschnitt  durch  die  Vola.  Die  so  entstehenden 
4  Hautlappen  werden  zurückpräpariert;  nur  die  ganz  fest  mit  der 
Aponeurose  verwachsenen  Hautpartien  werden  mit  dieser  im  Zu¬ 
sammenhang  gelassen.  Nun  wird,  vom  proximalen  Ende  be¬ 
ginnend,  die  Faszie  entfernt,  wobei  namentlich  auf  die  vollkom¬ 
mene  Herausnahme  der  Ausläufer  zwischen  den  Sehnenscheiden 
und  peinliche  Entfernung  des  Aponeurosengewebes  an  den  Pha¬ 
langen  Rücksicht  zu  nehmen  ist.  Defekte  der  Haut  werden  durch 
ungestielte  Cutislappen  gedeckt.  Nach  2y3— 3  Wochen  Handbäder 
und  Massage.  Die  so  erzielten  Erfolge  waren  sehr  gute. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte  fleck  weise  Hyper¬ 
plasie  des  Bindegewebes  der  Aponeurose;  diese  ist  anfangs  gekenn¬ 
zeichnet  durch  zahlreiche  in  der  Aponeurose  zerstreute  Herde  eines 
sehr  zellreichen  fibromatösen  Gewebes,  das  später  der  Schrumpfung 
anheimfällt;  die  Kontraktur  der  Finger  ist  die  Folge  der  durch 
die  Schrumpfungsvorgänge  in  der  Aponeurose  und  ihren  Aus¬ 
läufern  bedingten  Verkürzung  der  Faszie.  Der  Ausgangspunkt 
des  Prozesses  sind  die  Wandungen  der  kleinsten  Gefässe,  deren 
Adventitia  J.  enorm  verdickt  fand;  es  war  nachzuweisen,  dass  das 
erste  Entstehen  der  neuen  zellreichen  Bindegewebspartien  von 
den  neuen  adventitiellen  Scheiden  ausging. 

Die  Aetiologie  des  Leidens  bleibt  unklar;  auf  jeden  Fall  spielt 
aber  das  Trauma  keine  ursächliche  Rolle. 

37)  W  i  n  t  e  r:  Beiträge  zur  operativen  Behandlung  der 
Epilepsie.  Totale  und  beiderseitige  Resektion  des  Halssym¬ 
pathikus  bei  der  essentiellen  Epilepsie  nebst  9  eigenen  Fällen. 
(Allgemeines  Krankenhaus  in  Sortavala,  Finnland.) 

Von  213  Fällen  von  Sympathikusresektion  aus  der  Literatur 
sind  122  nachbeobachtet  worden.  Von  diesen  sind  8  =  G,G  Proz. 
über  3  Jahre  geheilt,  17  =  13,9  Proz.  vorläufig,  d.  h.  seit  1—2  Jahren 
geheilt,  23  =  18,9  Proz.  gebessert,  G7  =  54,9  Proz.  ungeheilt.  Die 
Resultate  sind  demnach  kaum  besser  als  die  der  Brombehandlung. 
Ueber  den  Werth  der  Operation  kann  noch  kein  endgültiges  Urteil 
abgegeben  werden. 

39)  Tansini:  Die  Splenektomie  und  die  Talma  sehe 
Operation  bei  der  B  a  n  t  i  sehen  Krankheit.  (Chirurg.  Universi- 
tätsklinik  Palermo.) 

Kasuistische  Mitteilung  eines  durch  Splenektomie  geheilten 
Falles  von  Bantischer  Krankheit  (Splenomegalie  mit  Leber- 
cirrhose).  Die  T  a  1  m  a  sehe  Operation  wurde  angeschlossen  in 
der  Annahme,  dass  die  Entfernung  der  Milz  wohl  ein  Fortschreiten 
der  Leberveränderung  verhüten,  aber  keine  Restitutio  ad  integrum 
herbeiführen  könne.  Der  Aszites  musste .  4  Wochen  post  oper. 
nochmals  punktiert  werden  und  verschwand  dann  dauernd. 

43)  S  n  e  g  u  i  r  e  f  f  -  Moskau:  Ueber  einen  Fall  von  Hydro- 
nephrocystoneostomie. 

S.  konnte  durch  Laparotomie  einen  grossen  Hydroneplirosen- 
sack  direkt  mit  der  Harnblase  in  Verbindung  bringen,  nachdem 
die  letztere  nach  Durchtrennung  der  Ligg.  lata  und  Ablösung  des 
Bauchfells  sich  leicht  hatte  nach  oben  ziehen  lassen.  Die  Ver¬ 
bindungsstelle  wurde  durch  Vernähung  des  Peritoneums  extra¬ 
peritoneal  gelagert.  Grundbedingung  für  den  glatten  Verlauf  der 
Operation  ist  normale  Beschaffenheit  des  Harnes;  aus  diesem 
Grunde  hält  S.  die  vorherige  Anlegung  einer  Lumbaltistel,  die  auch 
im  beschriebenen  Falle  vorausgegangen  war,  für  unumgänglich. 
Der  Fall  ist  vollkommen  geheilt. 

31)  H  e  u  s  n  e  r  -  Barmen:  Ueber  die  Dauerresultate  der 
Sehnenüberpflanzung  bei  arthrogener  Kniekontraktur. 

33)  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien:  Zur  operativen  Behandlung 
grosser  Rektumprolapse. 

35)  Ii  e  h  n  -  Frankfurt  a.  M. :  Ueber  die  Behandlung  in¬ 
fektiöseitriger  Prozesse  im  Peritoneum. 

3G)  B  r  u  n  n  e  r  -  Münsterlingen :  Experimentelle  Untersuch¬ 
ungen  über  die  durch  Mageninhalt  bewirkte  Peritonitis. 

38)  Hildebrandt  -  Berlin:  Ueber  die  Bauchverletzungen 
durch  Kleinkalibergeschosse  und  ihre  Behandlung  im  Felde. 

40)  K  e  h  r  -  Halberstadt:  Ueber  den  plastischen  Verschluss 
von  Defekten  der  Choledochuswand  durch  Netzstücke  und  durch 
Serosamuskularislappen  aus  Magen  oder  Gallenblase. 

41)  Engels-  Hamburg:  Eine  neue  Oberschenkelprothese. 

42)  Ledderhose  -  Strassburg:  Zur  Behandlung  der  intra¬ 
peritonealen  Blasenzerreissung. 

44)  Franke-  Braunschweig:  Ueber  operative  Behandlung 
der  chronischen  Obstipation. 


1271 


45)  Heidenhain  -  Worms:  Ueber  Darmverschluss  und 
Enterostomie  bei  Peritonitis. 

4G)  Bertelsmann:  Ueber  bakteriologische  Blutunter¬ 
suchungen  bei  chirurgischen  Eiterungen,  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  des  Beginns  der  Allgemeininfektion.  (Allgem 
Krankenhaus  Hamburg-St.  Georg.) 

47)  Noesske:  Zur  Frage  der  Krebsparasiten.  (Patliolog. 
Institut  zu  Leipzig.) 

48)  1*  rutz  und  Ellinger:  Ueber  die  Folgen  der  Darm- 
g'egenschaltung.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Indi- 
kanuiie.  (Unii  ersit. -Laboratorium  für  mediz.  Chemie  und  experi¬ 
mentelle  Pharmakologie  in  Königsberg.) 

49)  i  a  y  l .  Ueber  Darmdivertikel  und  durch  sie  erzeugte 
seltene  Krankheitsbilder.  (Chirurgische  Universitätsklinik  Graz.) 

50)  K  ü  s  t  e  r- Marburg:  Ueber  Bursitis  subacromialis  (Peri¬ 
arthritis  humero-scapularis.) 

Vorträge  auf  dem  31.  Chirurgenkongress.  Referate  siehe 
No.  15—17  d.  Wochenschi-.  H ei neke- Leipzig. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie.  Red.  von  P.v,  Bruns. 

Tübingen,  Lau  pp.  1M)2.  33.  Bd.  3.  Heft. 

Das  Schlussheft  des  33.  Bandes  der  Beitr.  z.  klin.  Chir.  er¬ 
öffnet  eine  Arbeit  von  Alfr.  Lab  har  d:  Zur  Frage  der  Dauer¬ 
heilungen  des  Krebses,  sie  behandelt  speziell  die  sogen.  Spätrezi¬ 
dive  und  berücksichtigt  Brust-,  Mastdarm-,  Zungenkarzinome  zu¬ 
nächst  nach  den  in  der  Literatur  vorliegenden  Mitteilungen  und 
dann  nach  den  Erfahrungen  in  der  Rostocker  und  Königsberger 
Klinik  (.zusammen  112  Spätrezidive,  deren  überwiegende  Anzahl 
in  das  4.  bis  G.  Jahr  nach  der  Operation  fällt),  er  kommt  zu  einem 
die  Ansicht  D  u  p  1  a  y  s,  dass  die  Zeit,  in  der  ein  Rezidiv  auftreteu 
kann,  unbegrenzt  ist,  bestätigenden  Schluss,  und  hält  die  Ansicht 
Volkmanns,  dass  man  einen  Patienten,  der  3  J ahre  nach  einer 
Karzinomoperation  noch  rezidivfrei  ist,  als  definitiv  geheilt  ansehen 
könne,  als  unhaltbar. 

Auf  2107  Mammakarzinome  verzeichnet  L.  2,3  Proz.,  auf  491 
Mastdarmkarzinome  4,4  Proz.  erst  nach  dem  3.  Jahr  aufgetretene 
Rezidive,  auf  1300  Lippen-  und  Gesichtskarzinome  2,5  Proz.,  und 
betont  das  überwiegende  Auftreten  der  Spätrezidive  (75  Proz.)  in 
der  Narbe  oder  nächsten  Umgebung,  sowie  das  Vorwiegen  der 
Skirrhen  bei  den  Späterkrankungen,  die  Spätrezidive  verdanken  ihre 
Entstehung  Teilen  der  Geschwulst,  die  bei  der  ersten  Operation 
zurückgelassen  wurden.  Nach  L.  bleibt  ein  an  Karzinom  Operierter 
für  die  Dauer  seines  Lebens  in  Gefahr,  ein  Rezidiv  zu  bekommen, 
allerdings  nimmt  die  Wahrscheinlichkeit  mit  den  Jahren  immer 
mehr  ab. 

Aus  der  gleichen  Klinik  berichtet  Kurpjuweit  über  die 
Dekortikation  der  Lunge  bei  chronischem  Empyem  und  kommt 
unter  Besprechung  der  Fälle  von  Delorme,  F  o  w  1  e  r,  Laa- 
dry,  Corel,  T  avel  und  eigener  Fälle  (zusammen  5G  Fällen)  zu 
dem  Schluss,  dass  diese  Methode  mit  35,7  Proz.  Heilungen, 
19,7  Proz.  Besserungen,  10,7  Proz.  Todesfällen  den  Vergleich  mit 
den  Resultaten  ausgedehnter  Rippenresektionen  (mit  5G  Proz.  Hei¬ 
lungen,  20  Proz.  Besserungen,  20  Proz.  Todesfällen)  nicht  aushält, 
wenn  auch  der  Vorteil  der  Dekortikation,  dass  sie  wieder  die 
Lunge  aktionsfähig  macht,  zuzugeben  ist.  K.  formuliert  darnach 
die  Forderung:  bei  chronischem  Empyem  in  jedem  Fall  die  De¬ 
kortikation  zu  versuchen,  d.  h.  zunächst  2  Rijipen  zu  resezieren 
und  von  dieser  Oeffnung  aus  die  Pleura  pulmonalis  abzuschälen; 
gelingt  dies,  so  sei  es  angebracht,  temporär  einen  Thoraxlappen, 
der  Grösse  der  Empyemhöhle  entsprechend,  zu  bilden  und  ihn  nach 
Exstirpation  der  ganzen  Schwarte  zu  reponieren  (wobei  die  Lunge 
(nach  Lambotte)  durch  Nähte  an  die  Resektionsstelle  fixiert 
werden  kann);  gelingt  die  Dekortikation  nicht  oder  dehnt  sich  die 
Lunge  nicht  aus,  so  sei  ausgedehnte  Rippenresektion  vorzunehmen. 
Bei  tuberkulösen  Empyemen  ist  die  Dekortikation  nicht  an¬ 
zuraten,  da  die  Resultate  sehr  schlecht  sind. 

Aus  der  Heidelberger  Klinik  bespricht  E.  J  o  s  e  p  li  die  Mor¬ 
phologie  des  Blutes  bei  der  akuten  und  chronischen  Osteomyeli¬ 
tis  und  berichtet  dann  über  die  Resultate  klinischer  Unter¬ 
suchungen  (nach  der  Ehrlich  sehen  Trockenmethode),  die  dazu 
bestimmt  sein  sollen,  die  einzelnen  Etappen  des  osteomyelitischen 
Prozesses  in  dem  mikroskopischen  Blutbild  gewissermassen  pro¬ 
jiziert  darzustellen.  Danach  nimmt  die  akute  Osteomyelitis  (so¬ 
fern  sie  nicht  von  schweren  septischen  Symptomen  begleitet  ist) 
eine  Sonderstellung  vor  anderen  Infektionskrankheiten  insofern 
ein,  als  sie  sich  im  Blut  bei  frühzeitiger  Untersuchung  durch  einen 
bedeutenden  Reichtum  an  «  -Zellen,  gelegentlich  unter  Begleitung 
von  anderen  Markelementen  (wie  Myelocyten)  manifestiert, 
während  bei  chronischer  Osteomyelitis  eine  Verminderung  oder 
Fehlen  der  a  -Zellen,  Degenerationserscheinungen  derselben  zu  er¬ 
kennen  sind  und  im  Verlaufe  der  Osteomyelitis  eine  Eosinophilie  des 
Blutes  auf  tritt.  J.  empfiehlt  dem  Praktiker,  die  Blutuntersuchung 
im  Verlaufe  der  eitrigen  Osteomyelitis  an  zwei  Zeitpunkten  zur 
Unterstützung  des  chirurgischen  Handelns  heranzuziehen:  1.  gleich 
nach  der  Einlieferung  des  akut  erkrankten  Patienten  (bei  dem  ein 
reichlicher  Befund  an  eosinophilen  Zellen  von  prognostisch  gün¬ 
stiger  Bedeutung,  indem  er  die  Infektion  als  eine  leichte,  nicht 
mit  toxischer  Schädigung  des  Organismus  komplizierte  anseheu 
lässt);  2.  vor  Entlassung  des  Patienten,  wobei  negativer  Befund 
an  «-Zellen  den  Chirurgen  warnen  und  veranlassen  soll,  den  Pa¬ 
tienten  noch  einige  Zeit  in  klinischer  Beobachtung  zu  behalten,  um 
ihn  vor  akuter  Exazerbation  zu  bewahren,  während  reichlicher  Be¬ 
fund  an  eosinophilen  Zellen  (als  Anzeichen  bereits  sich  vollziehen- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


1272 


der  Knoehenmarkrestitution)  die  Heilung  als  dauernde  anzusehen 
erlaubt. 

Aus  der  Züricher  Klinik  bespricht  H.  Zuppinger  trau¬ 
matische  Tarsusverschiebungen  und  betont  darin  speziell  die 
röntgenographiscli  nachweisbare  Störung,  dass  das  Caput  tali  im 
Profil  des  Ibisses  über  das  navieulare  vorragt,  Sulc.  tali  und  Sulc. 
caleanei  sich  nicht  vollständig  decken,  wie  dies  speziell  bei  Fract. 
proc.  postici  tali  verkommt,  und  so  häufig  nach  Distorsionen  des 
Fusses.  Knöchelbrüchen  etc.  Funktionsstörungen  des  Fusses  ver¬ 
anlassen  (und  zwar  sowohl  bei  normalen  hochgewölbten,  als  bei 
platten  Füssen).  .T.  studiert  die  mechanische  Entstehung  resp. 
Erklärung  dieser  Tarsusverschiebung  näher  und  zeigt  spez.  den 
Einfluss  der  Belastung  des  Fusses  hiebei. 

Aus  der  Tübinger  Klinik  berichtet  B.  Honsel  1  über  Pasten 
und  Salben  verbände  und  empfiehlt  speziell  die  Xeroform-  und 
Yioformpasten,  da  letztere  nicht,  wie  die  Airolpaste,  eine  Auf¬ 
bewahrung  in  den  für  die  Praxis  so  brauchbaren  Xinn- 
tuben  (wegen  chemischer  \  erbindung  mit  dem  Zinn)  aus- 
schliessen,  sondern  darin  wochenlang  unverändert  und  bakterien¬ 
frei  bleiben.  Der  Lanolin  verband  ist  nach  H.  ein  feuchter  Ver¬ 
band,  bei  dem  Sekret  nicht  unter  der  abschliessenden  Decke  zu¬ 
rückgehalten  werden  kann,  das  schmerzhafte  Ankleben  der  Gaze 
verhütet  wird  und  nur  ausnahmsweise  Ekzem  vorkommt;  im  ver¬ 
schlossen  aufbewahrten  Lanolin  fanden  sich  auch  keine  Keime  und 
ist  das  Lanolin  auch  nicht  im  Stande,  einen  Nährboden  für  Bak¬ 
terien  abzugeben.  Nach  eingehenden  bakteriologischen  Unter¬ 
suchungen  empfiehlt  H.  das  1  prom.  Sublimatlanolin  als  brauch¬ 
bare  antiseptische  Salbe,  die  eine  gewisse  Dauerwirkung  verspricht. 

Aus  der  Prager  chirurgischen  Klinik  berichtet  II.  Hilgen¬ 
rein  e  r  über  Darmverschluss  durch  das  Meckel  sehe  Diver¬ 
tikel  und  berichtet  dabei  über  183  Fälle  der  Literatur,  3  der 
Wölf  ler  sehen  Klinik,  von  denen  besonders  einer  durch  die  Art 
der  Inkarzeration  und  günstigen  Ausgang  hervorzuheben,  einer 
durch  das  gleichzeitige  Bestehen  einer  Wurmfortsatzerkrankung 
zur  Verkennung  der  eigentlichen  Ursache  führte.  Als  durchschnitt¬ 
liche  Entfernung  des  Divertikels  von  der  Yalvul.  ileocoecalis  fand 
sich  05  cm.  Das  Verhalten  des  Lig.  terminale,  der  Inhalt  des 
Darmes,  der  verschiedene  Mechanismus  des  Darm  Verschlusses 
(Umschnürung,  Kompression,  Achsendrehung,  Abknickung  durch 
Zug)  werden  entsprechend  gewürdigt,  am  häufigsten  findet  sich 
Einklemmung  des  Darmes  unter  das  fixierte  Divertikel  (90  Fälle) 
und  Alvknickung  des  Darmes  (19  Fälle),  Achsendrehung  (14  Fälle). 
Eine  Besserung  der  bisher  71  resp.  04  Proz.  betragenden  Mortalität 
verspricht  sich  II.  nur  dadurch,  dass  jeder  Fall  von  Darmver¬ 
schluss  als  chirurgische  Affektion  angesehen  und  laparotomiert 
wird.  Am  Schluss  des  Bandes  teilt  H.  noch  einige  Fälle  mit,  die 
die  Zahl  der  betreffenden  Fälle  auf  195  (111  Operationen  mit 
32  Heilungen)  vermehren. 

Aus  der  Heidelberger  Klinik  gibt  ferner  H.  W  i  1 1  m  e  r  einen 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  Beziehungen  der  akuten  Miliartuber¬ 
kulose  zur  Operation  tuberkulöser  Lymphomata  colli,  bespricht 
u.  a.  die  Bedeutung  der  tuberkulösen  Erkrankung  der  Blutgefässe 
und  die  Bedeutung  der  Lymphgefiissbahnen  für  die  Miliartuber¬ 
kulose  (ronfick)  und  die  operative  Impftuberkulose  (König, 
W  a  r  t  m  a  n  u),  für  die  merkwürdigerweise  für  die  Lymphom¬ 
operationen  kein  Beispiel  aus  der  Literatur  anzuführen  ist. 
Während  auch  in  der  Heidelberger  Klinik  von  1877 — 1898  kein 
solcher  Fall  sich  finden  lässt,  teilt  W.  aus  der  neueren  Zeit.  3  be¬ 
zügliche  typische  Fälle  mit,  für  die  der  B  u  h  1  sehe  Vergleich  — 
die  Miliartuberkulose  verhält  sich  zum  Operationsherd  wie  die 
Pyämie  zum  Jaucheherd  —  zutrifft;  immerhin  scliliesst  sich  W. 
der  betr.  Operation  tuberkulöser  Halslymphome  (besonders  bei 
Kindern)  skeptischen  Anschauung  vieler  Chirurgen  nicht  an,  son¬ 
dern  sieht  (wie  Schüller  und  W  o  h  1  g  e  m  u  t  li  in  der  Exstir¬ 
pation  die  wirksamste  und  empfehlenswerteste  Behandlungs¬ 
methode  der  Lymphomata  colli,  da  sie  54  Proz.  Dauerheilungen 
geben  und  glaubt,  dass  betr.  Verhütung  der  Lungentuberkulose 
der  Operation  eine  Bedeutung  zukommt,  allerdings  will  er  eine 
prophylaktische  antituberkulöse  Vorbereitungskur  auch  nicht 
unterschätzen. 

Amberger  schildert  aus  dem  Frankfurter  städtischen 
Krankenhaus  einen  Fall  von  Luxation  des  Radius  nach  innen 
hinten,  eine  bei  einem  5  monatlichen  Kinde  beobachtete  (wohl 
durch  Sturzgeburt  entstandene),  bisher  nicht  beschriebene  isolierte 
Luxation  des  Radius,  die  wohl  durch  Ueberpronation  entstanden 
und  als  Steigerung  der  Luxation  nach  vorn  anzusehen  ist.  Die 
durch  Itöntgeubilder  erläuterte  Luxationsform  führte  zur  be¬ 
trächtlichen  Störung  der  Pro-  und  Supination.  Der  obere  Teil  des 
Radius  kreuzte  sich  mit  der  Ulna;  das  obere  Ende  des  Radius 
stand  nach  innen  von  der  Ulna.  Die  Reposition  erwies  sich  un¬ 
möglich  und  gelang  erst  auf  blutigem  Wege  (wobei  es  zur  In¬ 
fraktion  der  Ulna  kam).  Das  Radiusköpfchen  wurde  durch  Katgut- 
fiiden  an  normaler  Stelle  befestigt  und  sehr  gutes  Resultat  erzielt.. 

Sch  r. 

Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  27  u.  28. 

No.  27.  W  i  1  m  s  -  Leipzig:  Tragfähiger  Amputationsstumpf. 
Bedeckung  mit  der  Achillessehne. 

W.  empfiehlt  bei  tiefen  Amputationen  des  Unterschenkels  die 
Deckung  der  Tibiaamputationsfläche  mit  der  Achillessehne  (die  an 
der  Vordertiäclie  der  Tibia  angenäht  wird)  und  hat  dies  Prinzip, 
durch  ein  elastisches  Polster  zwischen  Knochenstumpf  und  Haut 


die  Schädigung  der  Haut  durch  den  Druck  zu  umgehen,  in  einem 
Fall  sehr  bewährt  gefunden. 

Bett  mann:  Zur  Technik  der  Fusssohlenahdrücke. 

B.  empfiehlt  anstatt  der  bekannten  auf  berusstem  Glanzpapier 
hergestellten  Fussohlenabdrücke  solche  auf  einfachem  photo¬ 
graphischem  Zelluloidinpapier;  man  bestreicht  die  Fussohle  am 
besten  mit  etwas  Natronlösung  (wie  zum  Fixierbad)  und  lässt  dann 
den  Patienten  auf  das  Papier  treten,  setzt  man  dieses  dem  hellen 
Tageslicht  aus,  so  erscheint  schon  nach  einigen  Sekunden  der  Ab¬ 
druck  ausserordentlich  scharf,  man  legt  das  Bild  dann  ins  Ton¬ 
fixierbad  und  behandelt  es  wie  jede  Kopie.  Ein  solcher  Abdruck 
ist  rascher  und  bequemer  herzustellen  als  der  Russabdruck  und 
übertrifft  diesen  bei  weitem  an  Schärfe  und  Sauberkeit.  Bei 
Sehweissfuss  ist  ein  Bestreichen  gar  nicht  nötig,  da  der  Sohweiss 
allein  die  Bromsilberschicht  zersetzt.  Auch  das  billigere  Eisen¬ 
blaupapier  ist  verwendbar,  man  bestreicht  dann  den  Fuss  mit 
Essiglösung  und  legt  nach  dem  Auftreten  das  Papier  gleich  in 
Wasser  und  lässt  es  trocknen,  diese  Abdrücke  sind  jedoch  nicht  so 
scharf,  wenn  sie  auch  z.  B.  zur  Herstellung  eines  Fussabdruckex 
für  den  orthopädischen  Schuhmacher  etc.  sich  sehr  gut  eignen,  da 
gleich  die  Konturzeichnung  mit  Bleistift  darauf  vorgenommen 
werden  kann. 

II.  Schüssler-  Bremen:  Zur  Gastroenterostomie  bei  un¬ 
stillbarer  Magenblutung. 

Mitteilung  eines  nach  der  Operation  durch  Arrosionsblutung 
letal  verlaufenen  Falles,  nach  dem  S  c  li  ii  s  s  1  e  r  die  Indikations¬ 
stellung  aufstellt:  Wenn  an  einer  bereits  narbigen  Pylorusstenose, 
welche  bei  zweckmässigem  Verhalten  die  Ernährung  noch  nicht 
beeinträchtigt,  bei  gleichzeitig  hochstehendem  Magen  ein  Ulcus- 
rtzidiv  auftritt,  so  ist  allein  die  Gastroenterostomie  indiziert,  so¬ 
lange  das  Ulcus  noch  nicht  blutet;  ist  bereits  Blutung  eingetreten, 
so  genügt  die  Gastroenterostomie  nicht  mehr.  Für  das  Ulcus 
pept.  duodeni  gilt  ceteris  paribus  dasselbe. 

No.  2S.  K  a  r  ewski  -  Berlin:  Die  Behandlung  des  Pro¬ 
lapsus  ani  der  Kinder  mit  Paraffininjektionen. 

K.  hat  bei  veralteten  Darmprolapsen  in  der  Poliklinik  des 
jüdischen  Krankenhauses  nach  entsprechender  Vorbereitung  mit 
Abführmitteln  und  folgender  Verabreichung  von  1 — 2  g  Wismut 
den  Prolaps  desinfiziert  und  reponiert  und  unter  Leitung  des  ein¬ 
geführten  Fingers  oberhalb  des  Anus  zwischen  äusserer  Haut  und 
Schleimhaut,  von  einer  Einstichstelle  her,  einen  Ring  von  Hart¬ 
paraffin  (56 — 58 11  Schmelzpunkt)  hergestellt  und  unter  8  Fällen 
nur  einen  Misserfolg  zu  verzeichnen. 

O.  Wo  1  f  f  -  Essen  a/Ruhr:  Wie  erzielt  man  vollkommene 
Kontinenz  nach  totaler  Mastdarmexstirpation? 

Da  die  Gersun  y  sehe  Drehungsmethode  bei  ausgiebiger 
Loslösung  des  Darms  zweifellos  die  Gangrän  des  unteren  Darm¬ 
abschnittes  begünstigt,  bei  ungenügender  Loslösung  der  Darm  sich 
aber  leicht  wieder  zurückdreht,  so  hat  W.  in  12  Fällen  sekundär 
eine  Paraffinprothese  gemacht  (am  besten  14  Tage  nach  der 
Operation)  und  vollkommene  Kontinenz  für  Stuhl  erzielt;  ob  die 
Resultate  von  Dauer,  ist  abzuwarten. 

K  a  r  ewski:  Spritze  zu  Hartparaffininjektionen. 

Beschreibung  einer  mit  entsprechender  Zuleitung  von  Wärme¬ 
flüssigkeit  hergestellten  Metallspritze,  mit  der  sich  das  leichte  Er¬ 
starren  des  Paraffins  in  Spritze  und  Nadel  leicht  verhüten  lässt, 
und  die  das  Arbeiten  mit  sehr  feinen  Nadeln  gestattet  (s.  Ab¬ 
bildung).  (Bei  Robert  Paalzow,  Berlin,  Kaiserstr.  30,  erhältlich.) 

Sehr. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Bd.  XV,  4.  Heft.  1902. 

1)  J.  Tandler  und  J.  LI  alb  an -Wien:  Die  Topographie 
des  weiblichen.  Ureters  bei  normalen  und  abnormen  Verhält¬ 
nissen. 

Die  Arbeit,  die  gleichsam  einen  ergänzenden  Text  zu  dem  von 
den  Verfassern  herausgegebenen  Atlas  darstellt,  bezweckt  neben 
einer  kurzen,  klaren  Darstellung  der  normalen  topographischen 
Verhältnisse  des  pelvinen  Ureterenabschnittes  besonders  die  Topo¬ 
graphie  des  Ureters  bei  abnormen  oder  pathologischen  Zuständen 
darzustellen.  Y'erfasser  untersuchten  die  Lageveränderung  des 
Ureters  an  der  Leiche  und  zwar  bei  artifiziell  herabgezogenem 
Uterus,  bei  abgeschobener  Blase,  Prolaps  der  vorderen  Vaginal¬ 
wand  mit  Cystocele,  gravidem  Uterus  und  bei  Inversion  des  puer¬ 
peralen  Uterus, 

Der  letzte  Teil  der  Arbeit  bringt  eine  Darstellung  der  ana¬ 
tomisch-topographischen  Verhältnisse  des  Ureters,  wie  sie  sich  für 
die  Aufsuchung  des  Ureters  bei  transperitonealen,  retro-  und  prä¬ 
peritonealen,  vaginalen  und  sakralen  Operationen  ergeben. 

Die  Ergebnisse  dieser  wertvollen  Untersuchungen  müssen  im 
Original  nachgesehen  werden. 

2)  G.  Iv  i  e  n  -  Strassburg:  Ueber  die  Entstehungsweise  der 
Rektovaginali'upturen  bei  spontaner  Geburt. 

Beobachtung  schrittweiser  Entstehung  einer  Rektovaginal- 
ruptur  unter  der  Geburt  einer  40  jährigen  I.  Para.  Damm  stark 
gespannt,  ebenso  Schleimhaut  des  Rektums  an  der  vorderen  Wand, 
die  4 — 5  cm  weit  vorgedrängt  war.  Nach  Episiotomie  keine  Ent¬ 
spannung  der  Rektalschleimhaut,  die  plötzlich  4  cm  weit  einriss 
und  klaffte,  so  dass  die  Muskulatur  breit  freilag.  In  der  nächsten 
Wehe  Zerreissung  der  Muskulatur.  Nach  der  Geburt  zeigte  sich, 
dass  der  Riss  bis  in  Scheide  ging,  für  3  Finger  bequem  durch¬ 
gängig,  während  der  Damm  in  der  Medianlinie  völlig  intakt  war. 


29.  Juli  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


In  einem  anderen  Fall  riss  nur  die  Rektalschleimhaut  und  die  Haut 
des  Dammes  in  dessen  hinterer  Partie  ein. 

Die  gleiche  Entstehungsart  der  Ruptur  von  aussen  nach  innen 
beobachtete  I'  r  e  u  n  d,  indem  zuerst  die  Schleimhaut  des  Mast¬ 
darms.  dann  die  Muskelbündel  der  Darmwand  auseinanderrissen. 
Der  Riss  setzte  sich  auch  in  die  Vagina  fort. 

.  8)F>  ?  e  b  i  u  s -  Mombaeh-Mainz:  Beitrag  zur  Kasuistik 

c  ei  E,X J f.a,V * e r \n g11' a V1  di t at  bei  lebender  und  lebensfähiger  Frucht. 

,  •  ,  a;le*  ?m  ersten  handelt  es  sich  um  eine  intraligamentär 
entwickelte  Schwangerschaft  bei  einer  in  10  jähriger  steriler  Ehe 
36  jährigen  I.  Para.  Die  Gravidität  kam  in  der  zweiten 
Hälfte  der  Zeit  zur  Beobachtung,  wurde  ausgetragen  und  gegen 
Ende  der  Schwangerschaft  operiert.  Lebendes  Kind.  Bet  der 
Losschalung  der  Plazenta  starke  Blutung.  Tiefe  Umstechung  die 
den  Ureter  mitfasste.  Tamponade  der  Bauchhöhle.  Ureteren- 
flstel  Exstirpation  der  Niere.  Ursache  der  Einbettung  des  Eies 
in  der  Tube  eine  vor  3  Jahren  bestehende  Perimetritis  Im 
zweiten  bau  handelt  es  sich  um  eine  abgelaufene  Tubargravidität 
im  IV.  Monat  mit  Hämatocelenbildung. 

Unirt!  lhn  j  1  11  j  11  Vx  a  1  i  ^  ien:  Ein  Reitrag  zur  Kenntnis  des 
bullösen  Oedems  der  Harnblase. 

Bullöses  Oedem,  das  nach  Reposition  eines  Prolapses  und  Ein¬ 
legen  eines  Ringes  entstand. 

Infolge  des  Druckes  hatte  sich  unter  Beschwerden  das  lokale 
Oedem  m  wenigen  Tagen  in  der  dem  Ring  anliegenden  Schleim¬ 
hautpartie  der  Harnblase  entwickelt.  Nach  Entfernung  des 
Ringes  schwanden  die  Schmerzen  und  das  Oedem,  kehrten  aber 
mich  wiederholtem  Einlegen  des  Pessars  wieder.  Beim  längeren 
I  ragen  des  Ringes  entstanden  partielle  Nekrosen  der  Blasen¬ 
schleimhaut,  die  nach  Operation  des  Prolapses  durch  Narben¬ 
bildung  heilten. 


1273 


-0,13 


des 


Das  letztere  Mittel  wirkte  bei  Menschen  in  Dosen  von  0  1- 
schlaferzeugend  ohne  unangenehme  Nebenwirkungen  ’ 

t  aJV-  A '  .Stepanow-  Moskau:  Ueber  die  Zersetzung 
Jodkaliums  im  Organismus  durch  Nitrite.  ö 

x,  Es  Stepanow  der  Nachweis  von  Nitriten  in  einer 

Reihe  von  inneren  Organen  und  er  schliesst  daraus,  dass  diese 
zugleich  mit  der  Kohlensäure,  an  der  Zersetzung  des  Jodkaliums 

teilnehmen,  wobei  die  Existenz  noch  anderer  Agentien  nicht  aus¬ 
geschlossen  wird.  mcuc  aus 

.  2a)  y-  Alfthan-Helsingfors:  Eine  Methode  zum  quali- 

GlykSonsäCiTn!S  ^  Pent°Sen  im  Harne  untei’  Ausschluß  der 

Verf.  empfiehlt  folgendes  Verfahren:  Aus  etwa  500  ccm  Harn 
werden  die  Benzoylester  dargestellt,  diese  sodann  mit  Natrium- 
atliylat  verseift  und  filtriert.  Wenn  im  Filtrate  mit  Phloroglucin- 
sa  zsaure  oder  mit  Orcinsalzsäure  die  Pentosenreaktion  positiv  aus¬ 
fallt,  dann  ist  sie  auf  Pentosen  unter  Ausschluss  der  Glykuron- 
sauren  zuruckzuführen. 

-6)  H.  M  e  y  e  r  - Marburg:  Zwei  neue  Laboratoriumsapparate. 
.  Beschreibung  eines  Apparates  für  künstliche  Respiration  und 
fnlei  Organsaftpresse.  Anschliessend  bringt  M.  eine  Berichtigung 
betreffend  seine  Mitteilung  zur  Theorie  der  Alkoholnarkose  (dies! 
Aren.  XIj  v  I). 

•  27)  A  Sc.hi.ttenhelm- Breslau:  Das  Verhalten  von  Ade- 

nin  und  Guanin  im  tierischen  Organismus. 

Die  Verfasser  fanden,  dass  das  für  den  Hund  giftige  Adenin 
i  om  Kaninchen  ohne  schädliche  Wirkung  ertragen  wird.  Bei 
grossen  Gaben  kommt  es  zu  Ablagerungen  von  harnsaurem  Am¬ 
moniak  in  der  Kaninchenniere.  Guanin  wirkt  auf  Kaninchen  nicht 
oy  lsch  und  verursacht  auch  keine  Nierenveränderungen. 

J.  M  ü  1 1  e  r  -  W ürzburg. 


Um- 


m  L.  S  t  o  1  p  e  r  -  Wien:  Ein  Beitrag  zur  dezidualen 
Wandlung  von  Polypen  während  der  Gravidität. 

Verfasser  beschreibt  einen  Fall  von  decidualer  Umwandlung 
emes  bohnengrossen  Polypen,  der  in  der  6.  Woche  der  Schwanger 
scliaft  entfernt  wurde  und  wahrscheinlich  vom  Corpus  ausging 

6)  L.  Austerlitz-  Prag:  Beitrag  zur  Kasuistik  des  „Deoi- 
duoma  malignum“. 

Genaue  Beschreibung  eines  Deciduoms.  Uebergangsbilder  des 
byncytiums  und  der  Langhaus  sehen  Zellschicht  in  die  Ge¬ 
schwulst.  Weinbrenner  -  Erlangen. 


Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie, 
47.  Bd.,  5.  u.  6.  Heft.  5 


-1)  J.  T  h  e  s  e  n  -  Christiania:  Studien  über  die  paralytische 
Form  von  Vergiftung  durch  Muscheln  (Mytilus  edulis  L.). 

Nach  einer  einleitenden  Literaturbesprechung  bringt  Verfasser 

memh-rei^n?.-VOn  8  FUllen  von  Muschelvergiftung,  die  im 
,;ai  > , A  Chnstiania  zur  Beobachtung  gekommen  waren.  Das 
Krankheitsbild  verlief  unter  der  paralytischen  Form  der  Muschel- 
lergittung,  indem  rapid  sich  periphere  Lähmungserscheinungen 
entwickelten,  die  bei  zwei  Patienten  im  Verlaufe  einiger  Stunden 
durch  Lähmung  der  Atmung  den  Tod  herbeiführten,  "während  die 
übrigen  sich  rasch  wieder  erholten.  Zum  Nachweis  des  Giftes 
m  den  Muscheln  stellte  Verfasser  eine  Reihe  von  Tierversuchen 
mit  subkutanen  Injektionen  der  Extrakte  der  Muscheln  an.  Dabei 
ergab  sich,  dass  zur  Zeit  des  Unglücksfalles  alle  dem  inneren 
a.®sin  entnommeuen  Muscheln  eine  ausserordentlich  starke 
Gitügkeit  besassen,  während  die  Muscheln  anderer  benachbarter 
I  latze  eine  geringere  Giftigkeit  aufwiesen.  Einige  Wochen  später 
änderten  sich  die  Giftigkeitsbefunde  wesentlich  und  zwar  nahm 
aie,  loxizitat  an  den  meisten  Plätzen  rasch  ab,  um  sich  ca.  2  Mo¬ 
nate  später  überall  vollkommen  zu  verlieren.  Weitere  Versuche 

AT-,SÜh1afitJgte.1i,- sich  mit  den  Bedingungen,  unter  welchen  die 
Muscheln  giftig,  werden,  und  es  gelang  dem  Verfasser  der  inter- 
e,  saute  Nachweis,  dass  Muscheln  in  Aquarien  nicht  allein  Kurare 
und  Strychnin  aus  dem  umgebenden  Wasser  aufnehmen  können 
sondern  auch  das  paralysierende  Muschelgift,  und  dass  sie  auf 
diese  Weise  sehr  giftig  werden,  ohne  selbst  ein  äusseres  Zeichen 
der  \  ergiftung  darzubieten.  Verfasser  schliesst  aus  diesen  Ver¬ 
suchen,  dass  auch  die  giftigen  Muscheln  Christianias,  welche  kein 
äusseres  Zeichen  von  krankhaften  Verhältnissen  aufwiesen  und 
keine  bakterielle  Infektion  nachweissen  Hessen,  ihr  Gift  in  ähn¬ 
licher  Weise  aus  dem  umgebenden  Hafenwasser  aufgenommen 
nahen.  Weitere  Untersuchungen  beschäftigen  sich  mit  der  che¬ 
mischen  Natur  des  Giftes. 


Q-Benedicenti  -  Strassburg:  Ueber  die  Wirkung  der 
Motte  der  Digitalisgruppe  bei  exokardialer  Applikation. 

.  Schlussätze:  Die  Wirkung  der  Stoffe  aus  der  Digitalisgruppe 
.  1  endokardialer  Applikation  eine  andere  wie  bei  der  exo- 
kardialen.  Die  Wirkung  bei  exokardialer  Applikation  ist  keine 
ilommungswirkung.  Die  Erscheinungen  sprechen  für  gewisse 
unterschiede  in  der  Anordnung  der  inneren  und  äusseren  Muskel¬ 
fasern  des  Herzens. 

vr  *7’!  E:  Ta*len- Halle:  Die  chemische  Konstitution  des 
Morphins  in  ihrer  Beziehung  zur  Wirkung. 

,  ^  a  11 1  e  n  ging  von  der  Vermutung  aus,  dass  der  Träger  der 

v\  irkung  des  Morphins  der  in  ihm  enthaltene  Phenanthrenkern  sei, 
mm  auf  der  Suche  nach  einem  stickstoffhaltigen  Derivat  dieser 
bubstanz  gelang  es  ihm,  Körper  mit  morphiumähnlicher  Wirkung 
zu  finden,  welche  er  M  o  r  p  h  i  g  e  n  i  n  und  E  p  i  o  s  i  n  nennt. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  28  u  29. 

._  U  H  11  b  e  r  und  Lichtenstein-  Berlin:  Ueber  Gicht  und 
ihre  Behandlung  mit  Chinasäure. 

Die  "V  Erfasser  haben  über  die  Beeinflussung  der  Harnsäure- 
ausscheidung  durch  Neu-Sidonal  (chinasaures  Piperazin)  an 
mehreren  Kranken  Untersuchungen  angestellt  und  fanden,  dass 
die  Chinasäure  unbedingt  eine  die  Harnsäureausscheidung  ver¬ 
ringernde  'Wirkung  hat.  Damit  ist  die  Anwendung  des  Mittels  bei 
Gicht  indiziert.  Was  die  Erklärung  der  Wirkung  der  Chinasäure 
anlangt,  so  steht  eine  solche  noch  nicht  ganz  fest;  die  Verfasser 
vertreten  ihrerseits  die  Anschauung,  dass  die  Chinasäure  den  Stoff¬ 
wechsel  derart  beeinflusst,  dass  beim  Abbau  der  Nukleine  gegen¬ 
über  der  Norm  ein  geringer  Teil  der  Purinkörper  zu  Harnsäure 
verarbeitet  wird,  vielmehr  ein  grösserer  Teil  zerstört  wird.  Da 
die  Bildung  der  Harnsäure  besonders  an  die  Funktion  der  Leber 
gebunden  zu  sein  scheint,  so  darf  vielleicht  eine  spezifische  Wir¬ 
kung  der  Chinasäure  auf  die  harnsäurebildenden  Organe  ange¬ 
nommen  werden.  Zur  praktischen  Anwendung  der  Chinasäure 
eignet  sich  am  besten  ihr  Anhydrit,  das  Neu-Sidonal. 

2)  F.  U  m  b  e  r  -  Berlin:  Zur  Chemie  und  Biologie  der  Ei¬ 
weisskörper. 

Vergl.  hierzu  das  Referat  S.  1158  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
sehr.  1902. 

3)  H.  N  o  t  h  n  a  g  e  1  -  Wien:  Bemerkung  zu  dem  Auf satze 
von  A.  Adamkiewicz:  „Neue  Erfolge  des  Kankroin  beim 
Krebs  der  Zunge,  des  Kehlkopfes,  der  Speiseröhre,  des  Magens 
und  der  Brustdrüse“. 

N.  konstatiert  aus  dem  Protokoll  der  Patientin,  deren  Heilung 
durch  das  Kankroin  A.  behauptet,  dass  die  Diagnose  der  N. sehen 
Klinik  bei  der  Kranken  auf  Cystopyelitis  und  Anaciditas  gelautet 
habe,  während  die  Möglichkeit  eines  Magenkrebses  nur  nebenbei 
in  Erwägung  gekommen  war.  Aus  einem  Briefe  der  Patientin 
geht,  übrigens  deutlich  hervor,  dass  die  Kranke  in  der  Zeit,  für 
Avelche  sie  A.  als  geheilt  erklärt  hatte,  durchaus  nicht  geheilt  war. 

4)  v.  Bi  s  e  1  s  b  erg-  Wien:  Bemerkungen  zu  der  Arbeit  des 
Piofessors  Adamkiewicz:  „Neue  Erfolge  des  Kankroin  bei 
Krebs  der  Zunge,  des  Kehlkopfes,  der  Speiseröhre,  des  Magens 
und  der  Brustdrüse“. 

^  erfasser  konstatiert,  dass  er  allerdings  in  dem  von  A.  an¬ 
geblich  geheilten  Falle  von  Speiseröhrenkrebs  diese  Diagnose  ge¬ 
stellt  habe,  dass  ihm  aber  die  betreffende  Kranke  seit  ihrer  angeb¬ 
lichen  Besserung  nicht  mehr  zu  Gesicht  gekommen  sei,  die  Besse¬ 
rung  durch  Abstossung  eines  Stückes  des  Tumors,  wie  nicht  so 
selten,  spontan  eingetreten  sein  könne,  hinsichtlich  der  Besse¬ 
rungen  und  Heilungen  aber  dem  Prof.  A.  eine  objektive  Kritik 
überhaupt  abgesprochen  werden  müsse. 

5)  P  o  t  e  n  -  Hannover:  Zur  Krebsbehandlung  mit  Kankroin 
Adamkiewicz. 

Verfasser  hat  bei  einem  Krebs  der  Beckenorgane,  sowie  bei 
einem  Mammakarzinom  das  Kankroin  in  Anwendung  gezogen, 
kann  aber  nur  konstatieren,  dass  die  Anwendung  des  Mittels  weder 
den  Fortgang  der  Krebserkrankung  aufhalten  kann,  noch  irgend 
einen  klinisch  oder  histologisch  erkennbaren  Einfluss  auf  das 
Krebsgewebe  auszuüben  im  stände  ist.  Kein  Urteil  über  das  Kan¬ 
kroin  hat  Anspruch  auf  Beachtung,  welches  nicht  auf  dem  exakten 
mikroskopischen  Nachweis  der  behandelten  Affektion  als  Krebs 
basiert. 

6)  Schultz-Schultzenstein-  Steglitz  bei  Berlin:  Ein 
grosses  karzinomatös  entartetes  Uterusmyom  mit  Kankroin 
Adamkiewicz  erfolglos  behandelt. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


1274 


Eine  Heilkraft  des  Mittels  konnte  auch  bei  diesem  Falle,  der 
eine  53  jährige,  gnt  genährte  Frau  betraf,  nicht  wahrgenommen 
werden.  Sichtbar  wurde  nur  während  der  Injektionen  eine  Ver¬ 
kleinerung  einer  vergrösserten  Inguinaldrüse.  Das  Zusammen¬ 
treffen  von  Myom  und  Krebs  ist  übrigens  ein  sehr  seltenes  Er¬ 
eignis.  Verfasser  weiss  noch  2  Fälle  von  Karzinom,  wo  das  Kan- 
kroin  ganz  erfolglos  angewendet  wurde. 

7)  W.  v.  O  e  1 1  i  n  g  e  n  -  Berlin:  Die  Behandlung  des  an¬ 
geborenen  Klumpfusses  beim  Säugling. 

In  seiner  sehr  eingehend  gehaltenen,  auf  die  vorliegende 
Literatur  überall  Rücksicht  nehmenden  Arbeit  bespricht  Verfasser 
zunächst  die  verschiedenen,  bisher  für  die  Behandlung  des  Leidens 
in  Anwendung  gezogenen  Hilfsmittel  und  gibt  sodann  eine  Analyse 
der  Achsenverhältnisse  des  Klumpfusses.  Eine  Tenotomie  wendet 
Verfasser  bei  Kindern  in  den  ersten  9  Monaten  des  Lebens  nie  a.n, 
sondern  vollführt  das  Redressement  ohne  eine  solche.  Zur  Fixie¬ 
rung  des  redressierten  Fusses  (vergl.  hiezu  die  zahlreichen  Ab¬ 
bildungen  in  der  Arbeit!)  verwendet  Oe.  die  Fink  sehe  Klebe¬ 
masse  und  gewöhnlichen  Köperstoff  zu  einem  vollständigen  Klump- 
fussverbande.  Die  Einzelheiten  der  Behandlung  sind  im  Originale 
einzusehen.  Von  26  Kindern  hat  Verfasser  bei  allen  eine  gute 
Stellung  des  Fusses  erzielen  können. 

No.  29.  1)  P.  K  rau  s  e- Breslau:  Ueber  die  Gefahr  der 

Tetanusinfektion  bei  subkutaner  Anwendung  der  Gelatine  zu 
therapeutischen  Zwecken  und  ihre  Vermeidung. 

Zweifellos  sind  im  Anschluss  an  subkutane  Gelatineinjek¬ 
tionen  eine  Anzahl  von  Tetanusinfektionen  vorgekommen,  welche 
den  Tod  der  Kranken  verursacht  haben.  Es  hat  sich  nun  gezeigt, 
dass  eine  Anzahl  der  käuflichen  Gelatinescheiben  Tetanusbazillen 
enthält.  Verfasser  hat  aus  seinen  eigenen  Beobachtungen  den 
Eindruck  gewonnen,  dass  wir  in  den  Gelatineinjektionen  ein  für 
die  Kranken  bei  vorsichtiger  Anwendung  völlig  unschädliches  und 
auch  noch  bei  schweren  Blutungen  wirksames  Mittel  haben,  dessen 
weitere  praktische  und  theoretische  Prüfung  sich  dringend  em¬ 
pfiehlt.  Offenbar  hat  es  sich  bei  den  vorgekommenen  Unglücks¬ 
fällen  um  ungenügende  Sterilisierung  der  verwendeten  Gelatine 
gehandelt.  Nach  Ansicht  von  K.  muss  bei  der  Sterilisierung  der 
Gelatine  streng  nach  bakteriologischen  Grundsätzen  verfahren 
werden  und  zwar  ist  die  Sterilisierung  in  der  Weise  vorzunehmen, 
dass  sie  an  5  aufeinanderfolgenden  Tagen  je  y2  Stunde  in  strömen¬ 
dem  Dampf  bei  100°  C.  vorgenommen  wird,  wodurch  sicher  Keim¬ 
freiheit  erzielt  wird.  Die  so  bereiteten  Lösungen  halten  sich  dann 
monatelang. 

2)  Iv.  G  1  a  e  s  s  n  e  r  -  Berlin:  Zur  topischen  Diagnostik  der 
Magengeschwülste. 

Verfasser  hat  schon  früher  nachgewiesen,  dass  sich  der 
Fundus-  und  Pylorusteil  des  Magens  hinsichtlich  der  Ferment¬ 
bildung  ganz  verschieden  verhalten,  indem  dem  Pylorusteil  nur 
die  Pepsinbildung  zukommt,  während  er  an  der  Labbildung  gänz¬ 
lich  unbeteiligt  ist.  Diesen  Umstand  schlägt  Verfasser  vor,  zur 
topischen  Diagnostik  zu  benützen,  wie  er  bereits  an  13  Fällen  ge¬ 
tan  hat.  Es  war  hiebei  zwischen  Fundus-  und  Pylorustumoren  ein 
auffälliger  Unterschied  in  der  Fermentbildung  nicht  zu  verkennen. 
Bei  ersteren  fand  sich  die  Lab-  und  Pepsinbildung  wesentlich  ein¬ 
geschränkt,  ja  häufig  verschwunden,  bei  letzteren  war  normaler 
Lab-  und  Pepsingehalt  vorhanden.  Dieser  Befund  kann  für  die 
Lokalisierung  des  sonst  nicht  zu  tastenden  Tumors  verwertet 
werden,  wie  sich  auch  durch  die  Autopsien  erhärten  liess. 

3)  E.  Neisser  und  U.  F  ri  e  d  e  m  an  n  -  Stettin:  lieber 
Amboceptoroidbildung  in  einem  menschlichen  Serum. 

Der  Artikel  eignet  sich  nicht  zu  kurzem  Auszug. 

4)  P.  Reckzeh  -  Berlin:  Ueber  perniziöse  Anämien.  (Schluss 
folgt.) 

5)  Stur  mann -Berlin:  Zur  Behandlung  der  Oberkiefer¬ 
höhleneiterungen. 

Unter  dem  Namen  der  Oberkieferhöhleneiterungen  werden 
mindestens  3  verschiedene  Prozesse  zusammengefasst,  nämlich  der 
Katarrh,  ferner  hyperplastische  Vorgänge  und  Neubildungen,  end¬ 
lich  destruktive  Vorgänge.  Verfasser  bespricht  die  pathologisch- 
anatomischen  Merkmale  dieser  Affektionen  und  betont  besonders, 
dass  in  Bezug  auf  die  Häufigkeit  destruktiver  Prozesse  im  Antrum 
jene  Fälle,  wo  die  Diagnose  nur  mit  Hilfe  der  Sonde  gestellt 
wurde,  nicht  beweiskräftig  sind.  Karies  kommt  tatsächlich  selten 
vor  und  wird  vornehmlich  an  der  dünneren  nasalen  Wand  und  am 
unteren  Teil  des  Antrum  gefunden.  Hinsichtlich  der  Wahl  der  Be¬ 
handlung,  ob  schonende  oder  operative,  kann  weder  die  Dauer  der 
Erkrankung,  noch  die  Art  des  Sekretes  massgebend  sein.  Es 
können  Empyeme  von  langer  Dauer,  fötide  eitrige  und  nichtfötide 
schleimige,  mit  ei'heblicher  Erkrankung  der  Nasenschleimhaut, 
mit  gesunden  und  schlechten  Zähnen  durch  einfache  Ausspülungen 
geheilt  werden  und  andere  mit  scheinbar  günstigeren  Verhält¬ 
nissen  die  Aufmeisselung  erfordern.  Beim  einfachen  Katarrh  soll 
letzteres  Verfahren  nicht  gewählt  werden,  eine  Entfernung  der 
Schleimhaut  ist  jedenfalls  zu  vermeiden.  Anders  bei  Neubildungen 
und  Ulzerationen,  sowie  bei  Knochenkaries.  Erst  der  Charakter 
der  Gefahr  oder  dauernde  schwere  Belästigung  indiziert  streng 
die  operative  Behandlung.  Aber  in  jedem  Fall  von  Kieferhöhlen¬ 
eiterung  soll  zuerst  das  Spülverfahren  versucht  werden.  Hat  man 
etwa  4 — 6  Wochen  ohne  ersichtlichen  Fortschritt  behandelt,  so  ist 
der  Fall  für  die  schonende  Behandlung  unzugänglich.  Nur  in 
einem  Drittel  seiner  Fälle  hat  Verfasser  die  breite  Eröffnung 
machen  müssen.  Die  Spülungen  sind  mit  ziemlichem  Druck  vor¬ 


zunehmen,  am  zweckmässigsten  mit  indifferenten  Flüssigkeiten, 
da  eine  wirksame  Desinfektion  doch  nicht  erzielt  werden  kann. 
Die  Oeffnung  ist  möglichst  weit  anzulegen.  Bei  der  Eröffnung 
der  Höhle  ist  von  der  Schleimhaut  soviel  als  möglich  zu  erhalten; 
denn  die  totale  Ausräumung  gibt  die  relativ  schlechtesten  Re¬ 
sultate.  Das  Offenhalten  der  Oeffnung  geschieht  durch  Tam¬ 
ponade,  möglichst  bald  aber  durch  einen  Obturator. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  27. 

1)  L.  Brieger  -  Berlin:  Ueber  die  Darstellung  einer  spe¬ 
zifisch  wirkenden  Substanz  aus  Typhusbakterien. 

Die  Lösung  der  gegenwärtig  aktuellen  Frage,  ob  aggluti¬ 
nierende  und  immunisierende  Substanzen  identisch  sind,  glaubte 
Verf.  am  ehesten  dadurch  erledigen  zu  können,  dass  er  durch  all¬ 
mählichen,  äusserst  vorsichtig  und  schonend  geleiteten  Abbau  der 
Bakterienkörper  selbst  zu  ermitteln  versuchte,  ob  in  ihnen  die 
gleichen  oder  verschiedene  Muttersubstanzen  für  diese  biologischen 
Prinzipien  vorhanden  sind.  ...  . 

Die  Versuche  erstreckten  sich  vorläufig  auf  Typhusbaktenen, 
aus  deren  Leibern  er  zunächst  eine  spezifisch  wirkende  Sub¬ 
stanz  abscheiden  konnte,  welche  im  Blute  der  V  ersuchstiere  ein 
für  Typhusbazillen  spezifisches  Agglutinin  erzeugt,  ohne  ihm  aber 
schützende  Eigenschaften  zu  verleihen.  Nach  Zusatz  des  spezifisch 
agglutinierenden  Serums  vom  Kaninchen  zu  der  Agglutinin  bil¬ 
denden  Flüssigkeit  beobachtete  B.  deutliche  Präzipitinbildung. 

Die  hiefür  massgebenden  Einzelversuche,  der  besseren  Ueber- 
sicht  halber  ln  tabellarischer  Zusammenstellung  angeordnet, 
werden  in  nachfolgendem  A  rtikel  mitgeteilt. 

Auf  die  näheren  Details  bezüglich  der  Bereitung  des  Aus¬ 
gangsmaterials  für  die  Untersuchungen  muss  auf  den  Oiiginal- 
artikel  verwiesen  werden. 

2)  A.  Schütze-Berlin:  Ueber  die  spezifische  Wirkung 
einer  aus  Typhusbakterien  gewonnenen  Substanz  im  tierischen 
Organismus. 

Als  Ergebnis  dieser  experimentellen  Untersuchung  lasst  sich 
die  wenigstens  theoretisch  interessante  Tatsache  feststelleu,  dass 

1.  es  gelingt,  nach  mehrfach  wiederholten  Injektionen  einer 
auf  chemischem  Wege  aus  Typhusmassenkulturen  steril  gewon¬ 
nenen  Flüssigkeit,  welche  an  sich  keine  typhusagglutinierende 
Eigenschaft  besitzt,  in  dem  Serum  von  MeerscliAveinchen  und 
Kaninchen  Substanzen  zu  erzeugen,  Avelche  in  spezifischer  Weise 
Typhusbazillen  im  Reagensglase  stark  zu  agglutinieren  vermögen; 

2.  das  die  Typliusagglutinine  enthaltende  Senim  besitzt 
keine  typhusimmunisierenden  Eigenschaften,  es  be¬ 
steht  mithin  zwischen  den  Typhusagglutininen  und  Immunkörpern 
kein  Zusammenhang. 

3)  A.  Oppenheim -Berlin:  Das  Verschwinden  der  Leber¬ 
dämpfung  bei  Meteorismus. 

Aus  den  unter  Oestreichs  Kontrolle  von  Rosenfeld 
in  v.  Leydens  Festschrift  April  1902  veröffentlichten  Sektions¬ 
ergebnissen,  soAvie  aus  seinen  eigenen  Beobachtungen  hält  O.  es 
für  sicher  bewiesen,  dass  das  Verschwinden  der  Leberdämpfung 
nicht  durch  Ueberlagerung  von  Darm  verursacht  wird,  sondern 
dass  durch  den  aufgeblähten  Dickdarm  eine  Verdrängung  des 
Organs  zu  stände  kommt.  Diese  kann  aber  bei  Berücksichtigung 
der  Fixationsverhältnisse  der  Leber  nur  in  Form  einer  Drehung 
um  eine  frontale  Achse  nach  oben  und  hinten  stattfinden.  Dass 
der  meteoristisch  aufgeblähte  Dünndarm  auf  die  Lage  der  Leber 
keinen  Einfluss  besitzt,  sucht  er  durch  einen  Versuch  an  der 
Leiche  zu  beweisen. 

4)  Gerber-  Königsberg  i.  Pr. :  Meine  Operationsmethode 
der  chronischen  Kieferhöhlenempyeme. 

Auf  den  von  Sieben  mann  auf  der  6.  Versammlung  des 
Vereins  süddeutscher  Laryngologen  (Münch,  med.  Wochensehr. 
1900,  No.  1)  gehaltenen  Vortrag  über  die  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  Eiterung  der  Highmorshöhle  etc.  teilt  Verf.  nochmals  die 
von  ihm  angegebene  Methode  mit:  Breite  Eröffnung  der  Kiefer¬ 
höhle  von  der  Fossa  canina  aus,  totale  Ausräumung  derselben, 
Resektion  der  nasalen  Kieferhöhlenwand  im  mittleren  Nasengange 
von  der  eröffneten  Höhle  aus,  Drainage  dieser  Oeffnung,  die  ja 
nicht  anderes  als  das  erweiterte  natürliche  Ostium  ist,  und 
Schleimhautnaht  in  der  Fossa  canina. 

5)  Palano- Giessen:  Zur  Technik  der  Darstellung  von 
Lymphbahnen.  (Nach  einem  in  der  Giessener  medizinischen  Ge¬ 
sellschaft  am  14.  Januar  1902  gehaltenen  Vortrag.) 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

G)  A.  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  und  A.  Schütze  -  Berlin:  Ueber  die 
Entwickelung  der  biologischen  Methode  zur  Unterscheidung 
von  menschlichem  und  tierischem  Eiweiss  mittels  Präzipitine. 

Die  Verf.  sahen  sich  veranlasst,  da  in  den  meisten  Publi¬ 
kationen  über  diesen  Gegenstand  die  Namen  der  Autoren,  durch 
deren  Arbeiten  dieses  Gebiet  erschlossen  wurde,  seitens  der  spä¬ 
teren  Nacharbeiter  entweder  gar  nicht  oder  nur  teilweise  erwähnt 
wurden,  den  nachfolgenden  Literaturhinweis  zu  geben: 

1.  Die  Tatsache,  dass  das  Serum  von  immunisierten  Tieren 
in  den  Lösungen  der  zur  Immunisierung  verwendeten  Stoffe 
Niederschläge  gibt,  wurde  für  Bakterienprodukte  von  Kraus 
entdeckt. 

2.  Die  Tatsache,  dass  das  Serum  von  vmrbehandelten  Tieren 
auch  in  den  zur  Vorbehandlung  verwendeten  Ehv'eisslösungen 


29.  Juli  1902. 


MÜENCBENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


einer  fremden  Tierart  Niederschläge  gibt,  wurde  von  Tschisto- 
witch  und  Bowet  entdeckt. 

tr  „3’rDi?  Fra^’  diese  Ietzteren  Niederschläge  (Präzipitine, 
Koagulme)  spezifisch  sind,  wurde  von  Bowet,  Nolf  Ehr- 

{}  c,h.."nd  Morgenrot  h,  Fish  und  A.  Wasserma’n  n  und 
Schutze  zuerst  studiert. 

4.  Die  Anwendung  der  Präzipitine  als  Methode,  um  mittels 
derselben  verschiedene  Eiweisskörper  und  insbesondere  das  Ei- 
weiss  verschiedener  Tierarten  und  des  Menschen  differential- 
diagnostisch  zu  unterscheiden,  wurde  auf  Grund  von  Experi¬ 
menten  zuerst  v on  A.  W  a  s  s  e  r  in  a  n  n  angegeben. 

Alle  diese  genannten  Arbeiten  waren  im  April  1900  abge¬ 
schlossen  und  veröffentlicht.  ö 

J)  A-  Moeller  -  Belzig:  Ueber  säurefeste  Bakterien. 
(Schluss  aus  No.  2G.) 

Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschrift  1902,  No.  0,  p.  255. 
B  o  1  d  t  - Berlin:  Noch,  ein  Fall  von  Lues  insontium. 
Kasuistische  Mitteilung  im  Anschluss  an  den  von  Schnabel 

LU  18  der  Wochenschrift  mitgeteilten  Fall  von  extragenitaler 
Syphilisinfektion. 

Hirsch-  Halberstadt:  Zur  Symptomatologie  der  Kopf¬ 
schmerzen. 

G.  Sonntag-Berlin:  Borsäure  und  Borat  als  Konser¬ 
vierungsmittel. 

M.  H  a  r  z  u  -  Bukarest:  Ueber  die  Verbreitung  des  Kretinis¬ 
mus  m  Rumänien. 

.  ?•  Kr°nheim  -  Berlin:  Perdynamin  —  animalisches  Eisen- 

eiweiss. 

Verwendbar  bei  allen  Schwächezuständen  und  in  den  Fällen, 
wo  man  den  Ernährungszustand  und  die  Blutbildung  heben  will, 
also  bei  Chlorose,  Anämie,  Skrofulöse,  Ththise  und  Rekonvales¬ 
zenz,  besonders  bei  Appetitlosigkeit  der  Patienten;  auch  das  Er¬ 
brechen  der  Schwangeren  soll  günstig  beeinflusst  werden. 

F.  Deus-  Berlin:  Das  Elektrobulboskop. 

S.  Tr  e  g  u  b  o  w  -  Charkow  (Russland):  Ueber  eine  Methode 
der  Erysipelbehandlung.  ]\/[  Lacher 


1275 


SrTeftofumS  S  V0"  ArbeitsI>läte<®  ™  Schulzimmern  und 

Eignet  sich  mcht  zu  weiterer  Inhaltsangabe  an  dieser  Stelle. 

H  "-Tele  k  y  -  Wien:  Pankreasdiabetes  und  Ikterus  gravis 
Verfasser  veröffentlicht  hiemit  die  Krankengeschichten  zweier 
Beobachtungen,  die  er  an  Männern  in  mittlerem  Lebensalter 

difder  MeP  f'  ^  "T  die  ersten  Krankheitssymptome 

die  der  MeHitune,  welche  auf  antidiabetische  Diät  nicht  "völli" 
zuruckgmg  Bei  beiden  trat  einige  Wochen  nach  Entdeckung  de! 
Diabetes  Ikterus  auf.  In  diesem  Zeitpunkte  verschwand  der 
micker  aus  dem  Harne  vollständig  und  erschien  nicht  wieder, 
üotz  fast  ausschliesslicher  Ernährung  mit  Kohlehydraten  und 
ketten  Bei  beiden  war  die  Ausnützung  des  Nahrungsfettes  sehr 
mangelhaft  und  bei  beiden  persistierte  der  Ikterus  bis  zum  Tode 
Die  Nekropsie  zeigte  tiefgehende  Veränderungen  des  Pankreas  bei 
fast  normaler  Beschaffenheit  der  anderen  Organe  \ls  Ursache 
des  schweren  Ikterus  fand  sich  beidesmal  eine  Verengerung*  des 
Ductus  choledochus  durch  die  pathologische  Veränderung  der 
Bauchspeicheldrüse.  Zur  Erklärung  scheint  angenommen  werden 
zu  müssen,  dass  die  den  Ikterus  begleitende  Veränderung  der 
Leberfunktion  im  stände  ist,  die  diabeteserzeugende  Affektion  des 
Pankreas  in  diesem  Effekte  zu  paralysieren.  Eine  gleichzeitige 
Eikiankung  des  Darmes  war  nicht  naclizu weisen. 

3)  A.  Kl  ein- Wien:  Zur  Frage  der  Antikörperbildung. 

An  Kaninchen  wurden  Immiinisierungsversuche  mit  ver- 
schiedenen  Substanzen  und  zwar  mit  Stärke,  Glykogen,  Traubeu- 
zucker,  Gummi,  Leim  vorgenommen;  es  zeigte  sich  hierbei,  dass 
alle  diese  Substanzen  zur  Antikörperbildung  nicht  geeignet  sind 
auch  nicht  nach  lange  fortgesetzter  Vorbehandlung  und  Einver- 
ei bimg  betnichtlicher  Quantitäten.  Es  ist  aber  nachgewiesen,  dass 
die  immunisierenden  Substanzen  nicht  immer  Eiweisskörper  zu 
sein  biauchen.  ~S\  ir  kennen  bis  heute  die  chemisch-physikalischen 
Bedingungen  nicht,  welche  eine  Substanz  als  antikörperbildungs¬ 
fähig  charakterisieren. 


Oesterreichisclie  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  28.  1)  W.  Türk -Wien:  Ueber  Leukocytenzählung. 

(Schluss  folgt.) 

2) ,h.  Wechsberg  - Wien:  Weitere  Untersuchungen  über 
die  Wirkung  bakterizider  Immunsera. 

Im  eisten  leile  seiner  Arbeit  führt  Verfasser  den  Nachweis, 
dass  die  von  Gruber  gegen  seine  Resultate  erhobenen  Ein  wände 
nicht  berechtigt  sind.  In  dem  Abschnitt  „über  Ambozeptoide“ 
fuhrt  W.  als  Resultat  seiner  Versuche  an,  dass  ein  frisches  bakteri¬ 
zides  Serum  keine  Hemmung  der  Hämolyse  bewirkt,  längere  Zeit 
aufbewahrtes  Serum  aber  in  kleinen  Dosen  noch  deutliche  Hem¬ 
mung  zeigt.  Näher  kann  auf  den  Inhalt  der  Arbeit  hier  nicht  ein¬ 
gegangen  werden. 

3)  J.  Fein:  Lymphangioma  cavernosum  eines  Stimm¬ 
bandes. 

Bei  dem  28  jährigen  Patienten,  der  seit  Monaten*  heiser  war 
und  an  Husten  litt,  zeigte  sich  im  vordersten  Teile  des  rechten 
Stimmbandes  eine  kleine,  gelbliche,  durchscbeinende,  glatte  Ge¬ 
schwulst,  welche  Verfasser  mit  der  S  c  h  r  ö  1 1  e  r’schen  Kehlkopf¬ 
pinzette  beim  ersten  Eingehen  leicht  entfernen  konnte.  Nach  ganz 
kurzer  Zeit  erfolgte  vollständige  Heilung.  Histologisch  erwies  sich 
das  Geschwülstchen  als  ein  Lymphangiom,  bestehend  aus  weiten 
Lyinphräumen  mit  wenig  Bindegewebe.  Verfasser  glaubt,  dass 
Geschwülste  dieser  Natur  viel  öfter  gefunden  werden  könnten, 
wenn  die  Kehlkopftumoren  öfter  mikroskopisch  untersucht  wür¬ 
den.  Vor  kurzer  Zeit  konnte  F.  übrigens  einen  2.  Fall  dieser  Art 
bei  einem  48  jährigen  Kranken  beobachten.  Auch  hier  trat  nach 
der  Operation  rasch  Heilung  ein. 

.  4)  G.  Gärtner  - Wien:  Ueber  intravenöse  Sauerstoff¬ 

infusionen. 

Der  erste  Teil  der  Arbeit  wurde  bereits  in  voriger  Nummer 
besprochen.  Hier  erörtert  Verfasser  die  Erklärungen  des  Zu¬ 
sammenhangs  zwischen  Lufteintritt  in  das  Venensystem  und  Tod 
des  betreffenden  Tieres  und  weist  besonders  auf  die  von  Bert  ge¬ 
fundene  Tatsache  hin,  dass  bei  tödlichem  Lufteintritt  im  Herzen 
der  Versuchstiere  fast  reiner  Stickstoff  gefunden  wurde.  Das 
Gas  im  rechten  Herzen,  wenn  in  etwas  grösserer  Menge  vor¬ 
handen,  kann  durch  Luftembolien  in  die  Lungen  töten.  Bei  Sauer¬ 
stoff  ist  das,  wie  schon  erwähnt  wurde,  nicht  der  Fall,  wenn  die 
Einleitung  kontinuirlich  und  in  nicht  gar  zu  grossen  Mengen  vor¬ 
genommen  wird.  G.  erörtert  nun  die  Möglichkeit,  seine  an  Hun¬ 
den  vorgenommenen  Versuche  therapeutisch  beim  Menschen  zu 
\ei  werten.  In  Betracht  käme  eine  solche  Sauerstoffinfusion  bei 
akuten  Erstickungszuständen  auf  mechanischer  Grundlage,  ferner 
bei  Vergiftungen  mit  Kohlenoxydgas,  wo  die  Sauerstoffinfusion  die 
günstigsten  Bedingungen  für  die  Eliminierung  des  Kohlenoxyds 
schaffen  würde,  endlich  aber  bei  der  Asphyxie  der  Neugeborenen. 
Hier  könnte  die  Zufuhr  des  Sauerstoffs  direkt  durch  die  Vena 
umbilicalis  vorgenommen  werden.  Ueber  praktische  Versuche  der 
Art  verfügt  G.  nicht.  Unter  gewissen  Kautelen,  unter  welchen  die 
chemische  Reinheit  des  zu  infundierenden  Gases  und  eine  richtige 
Zufuhrvorrichtung  die  wichtigsten  sind,  könnte  hier  auch  beim 
Menschen  die  Infundierung  des  Sauerstoffes  mit  Erfolg  versucht 
werden. 


4)  W.  T  u  e  r  k  -  Wien:  Ueber  Leukocytenzählung. 

Für  die  Leukocytenzählung  hält  T.  die  allgemeine  Verwen¬ 
dung  einer  grossen.  9  qmm  Fläche  umfassenden  Kammer  deren 
praktischste  Einteilung  im  Original  mitgeteilt  ist,  für  sehr  er¬ 
strebenswert.  Weiter  empfiehlt  er  für  die  Zählung  die  Anwendung 
einer  mit  Gentianayiolett  passend  gefärbten  1  proz.  Essigsäure¬ 
losung,  weil  man  bei  deren  Gebrauch  die  diagnostisch  wichtigsten 
Zellarten  von  einander  unterscheiden  kann.  So  kann  man  wesent¬ 
lich  rascher  und  leichter  als  im  gefärbten  Präparate  verlässliche 
relative  und  absolute  Werte  einzelner  Leukocytenarten  gewinnen, 
z.  B.  der  Lymphocyten,  der  Mastzellen.  Mit  einem  Nativ-  und 
einem  Leukocytenzählpräparat  kann  man  sich  so  über  ein  Blut 
in  kurzer  Zeit  klinisch  hinreichend  orientieren.  Die  Methode 
empfiehlt  sich  besonders  zur  raschen  Diagnose  der  Malaria. 

Grassmann  -  München. 

Wiener  medicinische  Presse. 

No.  23—26.  L.  R.  v.  Korczynski  -  Krakau:  Zur  Kenntnis 
des  Stoffwechsels  bei  Osteomalacie. 

Wir  beschränken  uns  auf  die  teilweise  Wiedergabe  der 
Schlussfolgerungen  aus  den  an  2  Kranken  gewonnenen  Versuchs¬ 
resultaten:  Die  durchschnittlich  ausgeschiedenen  Harnsäure¬ 
mengen  liegen  innerhalb  physiologischer  Grenzen,  an  einzelnen 
Tagen  zeigten  sie  erhebliche  Steigerung.  Die  Stickstoffbilanz  er¬ 
wies  sich  wechselnd  positiv  und  negativ.  In  nicht  allzuweit  vor¬ 
geschrittenen  Fällen  hält  der  Organismus  die  Phosphorsäure 
zurück.  Die  Phosphorsäureausscheidung  erfolgt  insoferne  nicht 
normal,  als  im  Kot  verhältnismässig  grössere,  im  Harn  kleinere 
P205-Mengen  ausgeschieden  werden.  Die  Kalkausscheidung  ist 
sehr  oft  vermehrt,  die  Zufuhr  übersteigend.  Dann  findet  man 
zumeist  die  Ausscheidung  des  Kalkes  durch  den  Kot  vermehrt, 
im  Harn  vermindert.  Das  längere  Fortbestehen  der  genannten 
Anomalien  ist  prognostisch  ungünstig,  die  Rückkehr  zu  normalen 
Ausscheidungsverhältnissen  lässt  dagegen  eine  Neigung  zur  Besse¬ 
rung  oder  Heilung  annehmen. 

No.  26.  Nothnagel  -  Wien:  Zur  meningealen  Apoplexie. 

N.  gibt  die  schrittweise  Analyse  eines  Krankheitsfalles,  der 
einen  luetischen  Tabiker  betrifft.  Im  Anschluss  an  eine  Hernio- 
tomie,  bald  nach  der  Narkose  trat  ein  epileptiformer  Anfall  auf 
und  des  weiteren  Symptome,  welche,  obwohl  nicht  ganz  typisch, 
auf  eine  Meningitis  zurückgeführt  wurden.  Es  fehlte  auffallender¬ 
weise  als  wichtiges  Spinalsymptom  die  Hauthyperalgesie  der  un¬ 
teren  Extremitäten.  Die  Lumbalpunktion  ergab  nun  wiederholt 
blutige  Zerebrospinalflüssigkeit;  dadurch  wurde  die  Diagnose  auf 
eine  meningeale  Apoplexie  gestellt  und  bei  Zusammenfassung- 
aller  Erscheinungen  auf  die  Annahme  der  Ruptur  eines  basalen 
Aneurysmas,  wobei  es  weitaus  am  häufigsten  im  Beginn  zu  epi- 
leptiformen  Anfällen  kommt. 

Die  Obduktion  ergab  eine  Endarteriitis  syphilitica  der  basalen 
Hirnarterien  mit  Bildung  von  3  Aneurysmen,  von  denen  2  ge¬ 
borsten  waren,  und.  eine  ältere  intrameningeale  Ilämorrhagie  an 
der  Hirnbasis.  An  einigen  weiteren  Beispielen  weist  N.  auf  die 
Schwierigkeiten  hin,  ohne  Lumbalpunktion  in  solchen  Fällen  zu 
einer  sicheren  Diagnose  zu  gelangen. 

No.  27.  L.  C  li  a  s  s  e  1  -  Wien:  Ueber  am  Lebenden  beob¬ 
achtete  retrograde  Durchgängigkeit  der  Ileocoekalklappe. 


1276 


MUENCHENDR  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET 


No.  30. 


Gelegentlich  einer  Laparotomie  hei  einem  11  jährigen  Knaben 
konnte  sich  Verf.  durch  den  unmittelbaren  Augenschein  über¬ 
zeugen,  wie  eine  per  rectum  unter  massigem  Druck  eingebrachte 
Wassermenge  über  die  Ileocoekalklappe  hinauf  vordrang. 

No.  27  u.  28.  J.  Donath- Ofen-Pest:  Ueber  traumatische 
Läsionen  der  inneren  Kapsel  nebst  einem  Beitrag  zu  den  akuten 
Insolationspsychosen. 

Ausführliche  Krankengeschichte  zweier  Fälle,  von  denen  der 
eine  an  Hirnabszess  starb.  Bei  demselben  war  die  \  erletzung 
durch  einen  Revolverschuss  erfolgt,  den  der  Mann  sich  selbst  bei¬ 
brachte,  ohne  dass  er,  zum  Bewusstsein  zurückgekehrt,  sich  dieser 
Handlung  erinnerte  oder  auch  nur  ein  Motiv  dafür  finden  konnte. 
Verf.  hat  Grund  zur  Annahme,  dass  infolge  Sonnenstichs  ein 
epilepsieartiger  Dämmerzustand  eintrat,  in  dem  der  Selbstmord¬ 
versuch  ausgeführt  wurde. 

Wiener  medicmische  Wochenschrift. 

No.  20—27.  A.  Hub  er- Ofen-Pest:  Der  heutige  Stand  der 
F  i  n  s  e  n  -  Therapie. 

Eingehendes  Referat  über  die  in  Kopenhagen  bei  F  i  u  s  e  n 
selbst  gesammelten  Erfahrungen.  Die  Finsen  sehe,  mit  Medi¬ 
kamenten  und  Kauterisation  kombinierte  Lichttherapie  ist  füi 
Lupus  vulgaris  die  beste  und  sicherste,  kosmetisch  idealste  Heil¬ 
methode.  Mit  ihr  kann  sich  nur  die  radikale  Exstirpation  messen, 
die  aber  nur  für  kleine  umschriebene  Flächen  anwendbar  ist.  Mit 
Rücksicht  auf  die  weite  Verbreitung  des  Lupus  und  ferner  auf 
die  Kostspieligkeit  der  F  i  n  s  e  n  sehen  Einrichtungen  fordert 
Verf.  für  Ungarn  die  Errichtung  einer  Finsenanstalt  von  Staats 
wegen. 

No.  26.  J.  Flesch-Wien:  Zur  Diagnostik  des  „Syndrome 
de  Benedikt“. 

Neben  einer  Anführung  der  bisher  bekannten  Falle  gibt  b. 
einen  weiteren  solchen,  durch  die  Obduktion  bestätigten  bekannt. 

No.  27  u.  28.  K.  v.  H  e  r  z  f  e  1  d  -  Wien:  Zur  operativen  Be¬ 
handlung  der  Uterusmyome. 

Für  die  vaginale  Operation  bei  Adnexerkrankungen,  soweit 
nicht  überhaupt  eine  konservative  Behandlung  zum  Ziel  führt, 
ist  Verf.  nicht  eingenommen,  besonders  wegen  der  häufigen  Not¬ 
wendigkeit,  entgegen  dem  Operationsplan  den  Uterus  zu  opfern 
und  bei  rechtsseitigen  Adnexerkrankungen  wegen  der  häufigen 
Beteiligung  des  Processus  vermiformis.  Dagegen  ist  es  für  ihn 
Grundsatz  bei  Myomen,  alle  Fälle  vaginal  zu  operieren,  die  auf 
diesem  Wege  angegangen  werden  können,  trotz  der  oft  gestei¬ 
gerten  technischen  Schwierigkeiten.  In  der  Regel  handelt  es  sich 
um  die  vaginale  Totalexstirpation  mit  Enukleation  oder  Morcelle¬ 
ment  der  Myome.  Nur  2  mal  unter  116  solchen  Operationen 
musste  die  Operationsmethode  unterbrochen  und  die  Laparotomie 
vorgenommen  werden.  Es  ging  nur  1  Kranke  zu  Grunde  gegen¬ 
über  5  Todesfällen  auf  54  Laparomyotomien.  Die  Länge  der 
Narkose  bei  den  häufig  herzleidenden  Kranken,  die  unverhältnis¬ 
mässig  stärkere  Mitleidenschaft  des  Peritoneums  und  die  un¬ 
günstigen  Abflussbedingungen  für  die  Wundsekrete  fallen  der 
Laparotomie  zur  Last.  Auf  die  Technik  der  Operationen  kann  hier 
nicht  eingegangen  werden.  Im  allgemeinen  empfiehlt  H.  bei 
schweren  Fällen  nicht  allzulang  mit  der  Operation  zuzusehen, 
deren  Chancen  durch  Herzerkrankungen  und  Anämie  leiden. 

No.  27 _ 29.  H.  v.  S  c  h  r  ö  1 1  e  r  -  Wien:  Ueber  Höhenkrank¬ 

heit,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Verhältnisse  im 
Luftballon. 

Die  aeronautisch-medizinischen  —  für  Laien  bestimmten  — 
Erörterungen  bieten  auch  für  den  Arzt  Interessantes,  namentlich 
bezüglich  der  Anoxyhämie  und  ihrer  Bekämpfung  durch  künst¬ 
liche  Sauerstoffzuführung,  welche  die  bedrohlichen  Erscheinungen 
auf  hebt  bezw.  ihnen  vorbeugt;  5000  m  sind  etwa  die  kritische 
Grenze,  bei  welcher  wenigstens  zeitweise  schon  zu  dem  Hilfsmittel 
gegriffen  werden  soll.  Bei  seinen  Versuchen  mit  Gasverdünnung 
im  pneumatischen  Raum  hat  Verf.  an  sich  selbst  den  unan¬ 
genehmen  Symptomenkomplex  der  Gasstauung  im  Blut  durch 
gleichzeitiges  Freiwerden  zu  grosser  Mengen  des  im  Blute  ab¬ 
sorbierten  Stickstoffes  kennen  gelernt. 

No.  29.  G.  Engel  mann -Wien:  Zur  Vereinfachung  der 
Intubationstechnik. 

Die  Vereinfachung  besteht  in  der  Konstruktion  eines  In¬ 
strumentes,  welches  zugleich  als  Introduktor  und  Extraktor 
dient.  Näheres  vergl.  Original. 

No.  28 _ 29.  Neumann-Wien:  Beiträge  zur  Lehre  vom 

Syphilisrezidiv. 

Auf  Grund  näher  mitgeteilter  klinischer  und  histologischer 
Befunde  spricht  sich  N.  dahin  aus,  dass  an  Stelle  des  syphilitischen 
Primäraffektes  in  den  oberen  und  tieferen  Schichten  der  Haut 
und  Schleimhaut,  besonders  um  und  in  den  Gefässwandungen, 
charakteristische  Residuen  mehrere  Monate  bis  34  Jahre  per- 
sistieren,  auf  deren  Basis  sich  durch  äussere  Reize  und  andere, 
unbekannte  Ursachen  das  Rezidiv  in  situ  ausbildet.  Von 
diesen  Residuen  können  auch  zellige  Elemente  in  den  Lympli- 
strorn  geraten  und  an  entfernten  Stellen  Rezidive  erzeugen.  Die 
progressive  Entwicklung  des  Rezidivs  in  situ  an  Stelle  des  pri¬ 
mären  Affektes,  z.  B.  einer  Roseola  oder  Papel,  auf  deren  Grund 
eine  Impetigo  und  am  Boden  wiederum  welcher  ein  Gumma  ent¬ 
steht,  lässt  annehmen,  dass  die  persistierenden  Gewebselemente 
Träger  des  spezifischen  Krankheitserregers  sind. 

No.  29.  Thaussig-  Wien:  Zur  Kenntnis  der  Gefäss- 
wirkung  des  Jod  (Jodipin). 


Auf  der  Pal  sehen  Abteilung  wurde  Jodipin  bei  einer  Reihe 
von  Fällen  angewendet,  wo  eine  Jodwirkung  auf  die  (»efässe  ei¬ 
wünscht  schien,  und  zwar  erwies  sich  als  die  zweckmässigste  Ein¬ 
führung  die  subkutane  Injektion  des  25  proz.  Präparates  in  einei 
Einzeldosis  von  20  ccm  etwa  an  jedem  4.  Tag,  wenn  sich  ein 
Sinken  in  der  ausgeschiedenen  Jodmenge  wahrnehmen  liess. 

Es  kamen  zur  Behandlung  Fälle  von  Asthma  bronchiale, 
Arteriosklerose,  luetische  Endarteriitis  und  Bleikolik.  Der  Er¬ 
folg,  namentlich  auch  in  Bezug  auf  das  subjektive  Befinden  und 
den  Ernährungszustand,  war  regelmässig  zufriedenstellend,  da¬ 
gegen  scheint  bei  Struma  besondere  Vorsicht  geboten  zu  sein. 
Die  günstige  Beeinflussung  bei  Bleikolik  führt  Th.  auf  eine  vaso- 
dilatatorische  Wirkung  des  Jodipins  zurück;  am  3.-4.  Tag  nach 
der  Injektion  pflegt  der  Blutdruck  zu  sinken.  Es  dürfte  sich  bei 
Bleikoiik  hauptsächlich  um  einen  Gefässkrampf  und  einen  Gefiiss- 
schmerz  handeln.  Bei  der  Arteriosklerose  soll,  wie  auch  J  o  d  1  - 
b  a  u  e  r  annimmt,  gleichfalls  eine  günstige  Gefässerweiterung 
das  Wirksame  sein.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

>  .  '  .  *  J 

Unfallheilkunde. 

F.  d  e  Q  uervain  -  La  Chaux-de-Fonds:  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  der  kombinierten  Frakturen  und  Luxationen  der  Hand¬ 
wurzelknochen.  Mit  11  Abbildungen.  (Monatsschr.  f.  Unfallheilk. 

1902,  No.  3.)  ,  „  . 

Wie  aus  der  Kasuistik  hervorgeht,  kommen  bestimmte  liak- 
turen  oder  Luxationen  einzelner  Knochen  im  Bereich  der 
Handwurzel  mit  besonderer  Häufigkeit  vor.  Ebenso  bieten  auch 
einige  kombinierte  Verletzungen  des  Handwurzelskelets  eine 
gewisse  Gesetzmässigkeit  dar. 

Bericht  über  einen  Unfall  (16  m  tiefer  Fall),  bei  dem  das 
Radiogramm  ergab,  dass  in  beiden  Handgelenken  in  genau 
gleicher  Weise  das  Navieulare  an  gewohnter  Stelle  quer  durch- 
brochen  war,  rechts  mit  einem  kleineren  dritten  E  rag  ment,  und 
dass  das  Lunatum  den  Kopf  des  Kapitatum  verlassen  hatte  und 
mit  seiner  konkaven  Fläche  nach  vorne  unten  sah,  während  der 
Kopf  des  Kapitatum  nach  dem  Dorsurn  hin  luxiert  war.  Operation 
zur  Vermeidung  der  Steifheit  der  Handgelenke:  Entfernung  des 
gebrochenen  Navieulare  und  des  luxierten  Lunatum,  zuerst  links, 
dann  rechts.  Guter  Erfolg. 

In  der  Literatur  fanden  sich  noch  6  ähnliche  Beobachtungen, 
so  dass  bei  der  Zahl  der  bisher  veröffentlichten  Luxationen  und 
Subluxationen  des  Mondbeins  (ca.  30)  der  gleichzeitige  Bruch  des 
Navieulare  in  etwa  ein  Fünftel  der  I  alle  vorkäme  und  also  eine 
Komplikation  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  darstellte. 

Die  am  nächsten  stehende  Mitverletzung  der  Mondbemluxation 
ist  die  Mitluxation  des  intakten  Navieulare;  ferner  das  nicht  selten 
gleichzeitige  Vorkommen  von  Radiusfraktur  (6  Beobachtungen), 
ln  2  Beobachtungen  endlich  war  die  Luxation  des  Mondbeins  mit 
Abriss  des  Proc.  styloideus  ulnae  verbunden. 

Es  ergibt  sich  also,  dass  die  Radiusfraktur  bezw.  der  Abriss 
des  Proc.  styl,  radii  in  Bezug  auf  die  Häufigkeit  beinahe  auf 
gleicher  Linie  steht  wie  die  Fraktur  des  Navieulare.  Ferner  geht 
aus  dem  gesagten  hervor,  dass  sich  die  Komplikationen  der  Mond¬ 
beinluxation  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  auf  der  Radial¬ 
seite  der  Handwurzel  abspielen,  was  begreiflich  ist,  da  der  Stoss 
im  wesentlichen  den  Daumenballen  und  den  Radius  betrifft, 
während  die  Ulnarseite  des  Gelenks  sich  aus  anatomischen  Grün 
den  viel  passiver  verhält. 

Hieran  schliesst  sich  eine  genaue  Besprechung  des  Mechanis¬ 
mus,  der  Diagnose,  Prognose  und  (operativen)  Therapie,  welch 
letztere  günstige  funktionelle  Resultate  ergibt. 

O.  Thilo-  Riga:  Passive  Bewegungen.  Mit  3  Abbildungen 

und  2  Tafeln.  (Ibid.)  ,  .  ,.  „ 

Ausführliche  Abhandlung,  die  u.  a.  nachweist,  dass  die  Be¬ 
wegungen  gerade  bei  frischen  Gelenksentzündungen  angewandt 
werden  können,  und  dass  das  Vorurteil  gegen  Bewegungen  bei 
gewissen  Gelenkerkrankungen  hauptsächlich  durch  eine  zu  gewalt¬ 
same  Ausführung  der  Bewegungen  entstanden  ist.  Eine  detail¬ 
lierte  Besprechung  der  einzelnen  Gelenksbewegungskuren  und  der 
hierzu  vom  Verfasser  angegebenen  Apparate  gibt  dem  Praktiker 
die  Indikation  und  Anleitung  zur  Ausführung  sämtlicher  in  Be¬ 
tracht  kommenden  Manipulationen. 

M.  Karch:  Trauma  und  Plattfuss.  Mit  2  Abbildungen. 
(Orthopäd.  Heilanstalt  des  Dr.  med.  A.  Schanz-  Dresden.) 
(Monatsschr.  f.  Unfallheilk. 1902,  No.  4.) 

Ein  bedeutendes  Kontingent  zur  Gruppe  von  Patienten,  bei 
welchen  die  Gegenüberstellung  der  Klagen  und  angeblichen  Grösse 
subjektiver  Beschwerden  einerseits,  der  Geringfügigkeit  oder  des 
Mangels  der  diesen  Klagen  zu  gründe  liegenden,  objektiv  nachweis¬ 
baren  krankhaften  Veränderungen  andererseits  den  Verdacht  der 
Simulation  erweckt,  stellen  jene  Fuss-  und  Unterschenkelverletz- 
ten  bei  denen  im  Anschluss  an  eine  Verstauchung,  Quetschung 
oder  einen  Bruch  die  typischen  Plattfussbescliwerden  mehr 
weniger  rasch  und  deutlich  in  Erscheinung  treten. 

Der  Zusammenhang  des  Leidens  mit  einem  Trauma  wird  nui 
dann  unanfechtbar  sein,  wenn  sich  das  Bild  des  fertigen  anato¬ 
mischen  Plattfusses  entwickelt  hat.  Schwieriger  wird  die  Beurtei¬ 
lung,  wenn  uns  die  anatomischen  Veränderungen  des  Fusskelets 
im  Stiche  lassen;  doch  zeichnet  der  Symptomenkomplex  des  trau¬ 
matischen  Plattfusses  ein  so  charakteristisches  Bild,  dass  schon  die 
ersten  Linien,  d.  h.  die  Angaben  des  Patienten  und  seine  Ant¬ 
worten  auf  die  (geschickt  gestellten!)  Fragen  des  Arztes  letzteren 
erkennen  lassen,  ob  er  es  mit  einem  Simulanten  zu  tun  hat  odei 


29.  Juli  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1277 


nicht,  so  dass  die  Anamnese  im  Verein  mit  dem  objektiven  Befund 
und  dem  meist  momentan  einsetzenden  Erfolg  der  Therapie  stets 
die  Möglichkeit  gibt,  den  betreffenden  Fall  als  traumatischen  Platt- 
l’uss  zu  erkennen. 

Sehr  charakteristisch  ist  schon  die  Schilderung  der  Art  der 
Schmerzen  und  des  Unterschiedes  zwischen  dem  jetzigen  Zustand 
und  dem  Status  vor  der  Verletzung.  In  Bezug  auf  objektiv  nach¬ 
weisbare  Veränderungen  ist  fast  ausnahmslos  die  Erscheinung 
vorhanden,  dass  passive  starke  Supination  einen  anhaltenden, 
stechenden  Schmerz  am  inneren  Knöchel  hervorruft.  Ein  greif¬ 
bares  Zeichen  für  den  Nachweis  des  traumatischen  Plattfusses 
ist  der  Vergleich  der  Elastizitätsgrenzen  beider  Füsse  eines  Ver¬ 
letzten  bei  gleiclimässiger  Belastung  desselben:  das  in  seiner 
Festigkeit  geschädigte  Fussgewölbe  sinkt  bei  erheblicher,  plötzlich 
aufgebürdeter  Mehrbelastung  ein  und  die  Wölbung  der  Fussohle 
liacht  sich  ab,  durch  Russ-Solilenabdru  c  k  ersichtlich  zu 
einer  Zeit,  wo  Inspektion  und  Palpation  eine  Diagnose  absolut 
nicht  zulassen. 

Trotzdem  die  mit  „Plattfussbeschwerden“  behafteten  Patien¬ 
ten  duicliaus  nicht  immer  einen  Plattfuss  im  anatomischen  Sinne 
zeigen,  lind  andererseits  oftmals  bei  ausgesprochenen  anatomischen 
Plattfüssen  keinerlei  Beschwerden  vorhanden  sind,  ist  die  Be¬ 
zeichnung  „Plattfussbeschwerden“  berechtigt,  weil  die  letzteren 
das  sicherste  Zeichen  des  den  Plattfuss  bildenden  oder  ver¬ 
schlimmernden  Zustandes  sind.  Und  da  beim  „traumatischen 
Plattfuss“  zwar  das  gleiche  Missverhältnis  zwischen  statischer 
Leistungsfähigkeit  und  statischer  Inanspruchnahme  des  Fuss- 
gewölbes  wie  beim  statischen  Plattfuss  existiert,  dieses  Missver¬ 
hältnis  aber  durch  eine  Schwächung  des  Unterschenkels  bezw. 
Fusses,  letztere  aber  wiederum  durch  ein  T  r  a  u  m  a  geschaffen 
wurde,  so  resultiert  hieraus  die  Berechtigung  der  Bezeichnung: 
„traumatischer  Platt  f  u  s  s“. 

Therapie:  Dieses  Missverhältnis  zwischen  Leistungsfähig¬ 
keit  und  Inanspruchnahme  wird  sofort  und  dauernd  ausgeglichen 
durch  eine  richtig  sitzende  Einlage,  bei  der  die  Wahl  des  Materials 
von  grösster  Wichtigkeit  ist.  Wegen  der  geringen  Haltbarkeit  des 
Zelluloids,  das  im  übrigen  das  vorzüglichste  Material  zur  Anferti¬ 
gung  von  Einlagen  bildet,  befürwortet  K.  das  Metall  Durana. 
welches  einen  grossen  Teil  der  Vorzüge  des  Zelluloids  besitzt  und 
daneben  noch  den  Vorteil  grösserer  Haltbarkeit  aufweist. 

Zur  Prophylaxe  empfiehlt  Iv.,  es  sich  zum  Grundsätze  zu 
machen,  nach  Abschluss  der  Behandlung  jedes  Unterschenkel¬ 
bruches,  jeder  schweren  Distorsion  und  Kontusion  dem  Verletzten 
eine  Einlage  zu  fertigen,  um  die  Frequenz  des  traumatischen  Platt¬ 
fusses  sehr  herabzudrücken.  (Eine  Empfehlung,  mit  der  die  prak¬ 
tischen  Erfahrungen  der  Unfallärzte  vollständig  übereinstimmen; 
ob  jedoch  der  nach  solchen  Verletzungen  vorhandene  Plattfuss 
nicht  in  ebenso  hohem  Masse  vor  dem  Unfall  schon  bestanden  hat, 
ist  eine  Frage,  die  doch  manchmal  sich  aufdrängen,  nicht  immer 
aber  eine  sichere  Entscheidung  finden  wird,  lief.) 

H.  K  o  r  n  f  e  1  d  -  Gleiwitz:  Berechtigt  Hysterie  nach  uner¬ 
heblichen  Verletzungen  bei  der  Arbeit  zur  Unfallrente?  (Ibid.) 

Verfasser  verneint  unter  Anführung  zweier  Fälle  die  Frage 
mit  der  Begründung,  dass,  wenn  jemand  so  hochgradig  zur 
Hysterie  disponiert  ist  wie  die  beiden  Arbeiterinnen  in  den  geschil¬ 
derten  Fällen,  eine  unbedeutende  örtliche  Schädigung,  z.  B.  ein 
leichter  Stoss,  die  von  keinen  oder  ganz  unerheblichen  örtlichen 
Veränderungen,  aber  von  hochgradiger  Hysterie  gefolgt  ist,  dies 
einen  unglücklichen  Zufall,  ein  Malheur  därstellt,  aber  kein  Akzi- 
dent.  Der  Umstand,  dass  die  Krankheit  plötzlich  und  nach  einer 
bestimmten  äusseren  Einwirkung,  sowie  im  Betriebe  entstanden  sei, 
kennzeichne  sie  noch  nicht  genügend  als  Unfall.  Wenn  eine  leichte, 
plötzliche,  äussere  Einwirkung  im  Betriebe  entschädigungspflich¬ 
tige  Folgen  haben  solle,  so  müsse  sie  wenigstens  von  örtlichen  Ver¬ 
änderungen  gefolgt  sein,  die  den  schweren  Verlauf  erklären  könn¬ 
ten.  Bei  der  Hysterie  aber  spiele  das  psychische  Moment:  Ueber- 
treibung,  Willenslosigkeit,  Begehrlichkeit  nach  Rente,  Einwirkung 
(Kr  Angehörigen  etc.  eine  zu  grosse  Rolle,  um  in  ähnlichen  Fällen 
(>ine  geringfügige  äussere  Veranlassung  als  wesentlich  von  Einfluss 
auf  die  Erwerbsunfähigkeit  anzusehen. 

F.  A  p  e  1 1:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Morbus  Base- 
dowii  und  Trauma.  („Hermann-Haus“,  Unfallnervenklinilc  der 
Sächsischen  Baugewerks-Berufsgenossenscliaft,  Stötteritz-Leipzig.) 
(Aerztl.  Saehverständigenztg.  1902,  No.  7.) 

Zwei  interessante  Fälle,  in  denen  leichter  Morbus  Basedowii 
schon  vor  dem  Unfälle  bestanden  hatte.  Durch  letzteren  wurde 
beide nmle  Hysterie  hervorgerufen,  die  in  dem  einen  Fall  eine 
rapide  Verschlimmerung  der  Basedowsymptome  bewirkte,  während 
im  zweiten  Fall  der  auch  hier  geringe  Basedow  eine  Steigerung 
seiner  Symptome  durch  die  Hysterie  nicht  erfuhr. 

H.  Stursberg:  Zur  Beurteilung  des  Zusammenhangs 
zwischen  multipler  Sklerose  und  Trauma.  (Med.  Univ.-Klinik  zu 
Bonn;  Dir.  Geh. -Rat  Prof.  Dr.  Schnitze.)  (Aerztl.  Sacliver- 
ständigenztg.  1902,  No.  8.) 

Drei  Beobachtungen,  die  den  Verfasser  hinsichtlich  der  An¬ 
nahme  eines  traumatischen  Ursprungs  der  multiplen  Sklerose  zur 
'  orsicht  mahnen  und  ihn  wesentlich  in  der  Anschauung  bestärken, 
(lass  manche,  angeblich  auf  Verletzungen  zurückzuführende  Fälle 
durch  eine  genaue  Erforschung  der  Vorgeschichte  als  bereits 
früher  bestehend  erwiesen  werden  können,  und  dass  deswegen  die 
Anamnese  sich  ebenso  wie  bei  Rentenbewerbern  auch  bei  anderen 
Kranken  nicht  nur  auf  subjektive  Angaben  stützen  darf,  die  ja 
auch  manchmal  aus  irgend  welchen  Gründen,  z.  B.  infolge  Ge¬ 
dächtnisschwäche  in  späteren  Stadien  der  Erkrankung  unzuver¬ 
lässig  sein  können. 


Vielmehr  hält  St.  besondere  Erhebungen  in  jedem  Falle  für 
unbedingt  notwendig  und  glaubt,  dass  bei  Berücksichtigung  dieser 
Forderung  die  Zahl  der  auf  äussere  Gew  altein  Wirkung  zurückzu¬ 
führenden  Sklerosen  erheblich  geringer  werden  wird. 

Allerdings  wird  noch  eine  Reihe  von  Kranken  übrig  bleiben, 
bei  denen  eine  Verschli  m  m  e  r  u  n  g  durch  einen  Unfall  z  u  z  u  - 
geben  ist.  Eine  solche  darf  nur  dann  angenommen  werden, 
•wenn  das  ganze  zentrale  Nervensystem  von  einer  erheb¬ 
lichen  Erschütterung  betroffen  wurde.  Dagegen  glaubt  Ver¬ 
fasser  nicht,  dass  z.  B.  eine  lokale  Einwirkung  auf  den  Kopf 
einen  wesentlichen  Einfluss  auf  Rückenmarksherde  haben  oder  gar 
die  Entstehung  von  solchen  veranlassen  kann.  Auch  die  Hypo¬ 
these  Güssen  b  a  u  e  r  s,  welcher  eine  Fortleitung  der  Erschütte¬ 
rung  durch  die  Zerebrospinalflüssigkeit  annimmt,  vermöge  einen 
derartigen  Zusammenhang  nicht  wahrscheinlich  zu  machen. 

.T.  Knotz:  Zur  Frage  der  traumatischen  Neurose.  (Stadt¬ 
spital  zu  Banjaluka  in  Bosnien.)  (Ibid.) 

Der  Frage,  welchen  Anteil  Simulation  und  Uebertreibung  an 
dem  Krankheitsbild  haben,  das  nach  Verletzungen  oder  Erschütte¬ 
rungen  des  Körpers,  manchmal  nach  einem  überstandenen 
Schrecken  oder  grosser  Angst,  also  einer  seelischen  Erschütte¬ 
rung,  meist  aber  durch  beide  Faktoren  gleichzeitig,  unter  dem 
Bilde  der  Hysterie,  der  Hypochondrie,  Neurasthenie  oder  einer 
einfachen  Psychose,  am  häufigsten  aber  einer  Mischform  dieser 
Leiden  auftritt  und  trotz  allen  Einwürfen  auch  heute  noch  als 
„traumatische  Neurose“  (O  p  penhei  m)  bezeichnet  wird,  wird 
auch  in  den  neuesten  Arbeiten  übler  dieses  Thema  ein  breiter  Raum 
gewidmet. 

Dem  gegenüber  dürften  drei  Fälle  von  traumatischer  Neurose 
bei  bosnischen  Bauern  Veranlassung  geben,  mit  dem  Verdachte 
von  Simulation  und  Aggravation  von  Unfallneurosen  zurück¬ 
haltender,  als  dies  manchmal  zu  geschehen  pflegt,  zu  sein. 

In  Bosnien  gibt  es  keine  allgemeinen  Unfall  versieh  e- 
rungsgesetze,  keine  Renten,  daher  auch  keine  Kämpfe  um  die¬ 
selben,  auch  sind  die  Schadenersatzansprüche  nach  Verletzungen 
meist  lächerlich  gering  und  werden  selten  angestrebt,  so  dass  „Be¬ 
gehrungsvorstellungen“  im  Sinne  S  t  r  ü  m  p  e  1 1  s  auszuschlisssen 
i  sind.  Die  Beschädigten  haben  zudem  meist  gar  keine  Ahnung 
von  der  in  Frage  kommenden  Symptomengruppe  und  könnten  sie 
unmöglich  in  ihrer  Gesamtheit  Vortäuschen.  Ferner  ist  der  bos¬ 
nischen  Landbevölkerung  eine  ziemliche  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Erkrankungen  des  Nervensystems,  namentick  nach  Trau¬ 
men,  nicht  abzusprechen,  so  dass  unter  solchen  Verhältnissen  einer 
„Züchtung  der  traumatischen  Neurose“  alle  Vorbedingungen 
fehlen. 

Die  3  Fälle  K.s  haben  sich  wenigstens  „jenseits  von  Gut  und 
Böse“  der  modernen  Entschädigungs-  und  Unfallversicherungs¬ 
gesetze  entwickelt,  auch  kam  es  keineswegs  den  Beschädigten  in 
den  Sinn,  die  längere  Fortdauer  ihrer  nervösen  Störungen  zur  Er¬ 
reichung  höheren  Schadensersatzes  zu  verwerten,  obwohl  der  un¬ 
zweifelhafte  Zusammenhang  des  Leidens  mit  den  Verletzungen  bei 
der  gerichtsärztlichen  Beurteilung  entsprechend  hervorgehoben 
wurde. 

(Die  Frage,  ob  veritable  traumatische  Neurose  u.  dergl.  vor¬ 
liegt  oder  Simulation,  wird  von  den  praktischen  Aerzten  manchmal 
etwas  zu  sehr  nach  der  bejahenden,  von  den  Vertrauensärzten 
nach  der  negierenden  Seite  hin,  ohne  Innehaltung  des  goldenen 
Mittelweges,  entschieden:  Wahre  Simulation  und  bewusste  Ueber¬ 
treibung  sind  relativ  sehr  selten  und  sollten  ohne  positiven  Beweis 
nie  angenommen  werden;  mehr  oder  minder  unbewusste  Aggra¬ 
vation  ist  häufig  und  muss  bei  der  Beurteilung  der  Schwere  des 
Falles  berücksichtigt,  darf  aber  nicht  als  Betrug  aufgefasst  wer¬ 
den  und  aus  diesem  Grund  zu  einer  Herabsetzung  oder 
Streichung  der  Rente  führen.  lief.) 

(Schluss  folgt.) 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  16.  Juli  1902. 

Demonstrationen : 

Herr  Ewald:  Fall  von  perniziöser  Anämie  —  geheilt  durch 
Bluttransfusion;  Fall  von  Leukämie. 

Diskussion:  Herr  v.  Bergmann  erklärt,  dass  er  von 
der  Bluttransfusion  vollständig  zurückgekommen  sei. 

Herr  Stürz:  Patient  mit  Eustrongylus  gigas. 

Der  Kranke  ist  vor  einiger  Zeit  aus  Queensland  in  Australien 
zurückgekommen  und  hat  hier  wegen  milchige  n  U  r  i  u  s, 
woran  er  seit  langer  Zeit  leidet,  die  Gerhardt  sehe  Klinik  auf- 
gesucht.  Im  Urin  fanden  sich  Leukocyten,  Epitlielien,  Blutgerinn¬ 
sel.  Filaria  sanguinis,  worauf  zuerst  gefahndet  wurde,  fand  sich 
ebensowenig,  wie  Bilkarzia  liaematobia.  Der  mit  Hilfe  des 
Ureterenkatlieters  getrennt  aufgefangene  Urin  zeigte,  dass  aus 
dem  linken  Ureter  chylöser,  aus  dem  rechten  klarer  Urin  kam.  Nach 
längerer  Beobachtung  fand  Vortragender  im  Urin  ein  Ei,  das  er 
sogleich  als  von  dem  Eustrongylus  gigas  stammend  er¬ 
kannte1,  eine  Diagnose,  die  Herr  Eilliardt  Schulze  bestätigte. 
Somit  darf  angenommen  werden,  dass  der  Kranke  in  seinem 
linken  Nierenbecken  einen  Eustrongylus  gigas  beherbergt,  jenen 
Wurm,  der  bis  zu  1  m  Länge  auswachsen  und  das  Nierenbecken 
zum  Platzen  bringen  kann.  Es  liegen  nach  Vortragendem  5  Be¬ 
obachtungen  am  Menschen  vor,  welche  jedoch  sämtlich  Sektions- 


1278 

befuude  waren;  in  diesem  Falle  läge  die  erste  Beobachtung  am 
lebenden  Menschen  vor. 

Die  Durchleuchtung  ergab,  dass  sich  in  der  rechten  Zwerch- 
fellsliiilfte  eine  Vorwölbung  fand;  es  ist  möglich,  dass  hier  ein 
zweiter  Tarasit  sitzt. 

Endlich  fanden  sich  im  Urin  noch  Eier  unbekannter  Natur. 

Patient  soll  durch  Operation  von  seinem  Leiden  befreit 
werden.  Herr  Koenig  wird  dieselbe  demnächst  vornehmen. 

Herr  Milchner:  Frau  mit  Sympathikus-  und  doppel¬ 
seitiger  Postikuslähmung  infolge  eines  Tumors  an  der  r.  Klavikula. 

Herr  J  oachimsthal:  Kind  von  3  Monaten  mit  schwerer 
Deformation  der  Knochen,  welche  Vortragender  als  Osteogenesis 
imperfecta  auffasst,  da  für  Lues  keine  Anhaltspunkte  vorhanden 
und  bei  Rhachitis  und  Chondrodystrophia  foetalis  Veränderungen 
an  der  Knorpelknochengrenze  zu  erwarten  wären,  die  hier  fehlen. 

Tagesordnung ; 

Herr  Aronson:  Untersuchungen  über  Streptokokken 
und  Antistreptokokkenserum. 

Auf  Grund  jahrelanger  Arbeiten  gelang  es  Vortragendem 
ein  Serum  lierzustellen,  welches  Mäuse  gegen  Streptokokken¬ 
infektion  mit  Sicherheit  schützt  und  die  schon  erkrankten 
Mäuse  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  je  nach  der  Zeit  der  Anwendung 
des  Serums,  heilt. 

Versuche  am  Menschen  sind  ebenfalls  schon  angestellt,  je¬ 
doch  noch  nicht  zum  Abschluss  gebracht. 

Endlich  konnte  mit  Hilfe  dieses  Serums  und  der  Agglu¬ 
tinationsreaktion  gezeigt  werden,  dass  sämtliche 
Streptokokkenarten  und  auch  diejenigen  der  Pferde¬ 
druse  (wenigstens  nach  Passage  des  Mäusekörpers)  identisch 
sind. 

Die  von  verschiedensten  Krankheiten  (Angina,  Scharlach, 
Erysipel  etc.)  gewonnenen  Streptokokken  verhielten  sich  gegen 
das  Serum  völlig  gleich ;  ebenso  aber  auch  gelang  es  mit  allen 
die  gleichen  Erkrankungen  im  Experiment  zu  erzeugen  (lokale 
Entzündung  bezw.  Eiterung  bei  subkutaner  Einführung,  mul¬ 
tiple  Gelenkschwellung  ganz  wie  beim  akuten  Rheumatismus 
und  selbst  Endokarditis  bei  intravenöser).  Das  Serum  schützt 
am  besten  Mäuse,  0,01  ccm  genügt,  um  Tiere  gegen  die  10  fache 
tödliche  Dosis  zu  schützen ;  Kaninchen  brauchen  grössere 
Mengen. 

Eine  weitere  Beobachtung  zeigte,  dass  die  Streptokokken 
blutkörperchenauf lösende  Eigenschaften  haben,  aber  nur  im 
lebenden  Zustand. 

Das  Serum  von  Marmorec  k  und  ebenso  das  von  T  a  v  e  1 
hat  sich  dem  Vortragenden  im  Thierexperiment  völlig  wirkungs¬ 
los  gezeigt. 

Diskussion:  Herr  Menzer  bemängelt,  dass  Vortragen¬ 
der  nur  von  Mäusen  gesprochen,  während  man  ein  Serum  für  den 
Menschen  erwartet  habe.  Der  von  A.  gegen  das  Serum  Tavels 
erhobene  Vorwurf  sei  hinfällig,  da  Tavel  nicht  Tiere,  sondern 
Menschen  schützen  wollte,  und  darum  die  Wirkungslosigkeit  dieses 
Serums  für  Mäuse  als  gleichgültig  zu  betrachten  sei. 

Schliesslich  erwähnt  Vortragender  sein  eigenes  Serum,  mit 
welchem  er  jetzt  über  40  Fälle  von  Gelenkrheumatismus  mit  Er¬ 
folg  behandelt  habe. 

Herr  W  a  s  s  e  r  in  a  n  n:  Er  habe  sich  im  Tierversuch  von  der 
Wirksamkeit  des  Aronson  sehen  Serums  überzeugt.  Dasselbe 
stehe  auf  einer  sicheren  wissenschaftlichen  und  experimentellen 
Basis,  was  von  den  anderen  Streptokokkensera  nicht  gesagt  werden 
könne  blas  M  e  n  z  e  r  sehe  habe  ihm  nicht  Vorgelegen).  Er  ver¬ 
mute,  dass  bei  der  grossen  Zahl  von  Sera  aller  Art,  die  in  den 
letzten  Jahren  empfohlen  wurden  und  rasch  wieder  verschwanden, 
ein  gewisses  Misstrauen  gegen  derartige  Neuheiten  existiert;  dem 
A  ronson  sehen  gegenüber  sei  dies  nicht  am  Platze  und  seine 
Prüfung  am  Menschen  A'oll  berechtigt. 

Herr  Blumberg:  In  der  Leipziger  gynäkologischen  Klinik 
sei  das  M  a  r  m  o  r  e  c  k  sehe  Serum  mehrfach  versucht  worden, 
in  einigen  Fällen  anscheinend  mit  Erfolg. 

Herr  Aronson:  Er  habe  absichtlich  sein  Thema  auf  die 
Streptokokken  und  die  Resultate  am  Tiere  beschränkt,  die  Re¬ 
sultate  am  Menschen  seien  teils  noch  zu  gering,  teils  liege  deren 
Prüfung  in  anderen  Händen. 

Herr  Wilhelm  Dorquet  Ma  nasse:  Bemerkungen  zur 
Konservierung  des  Fleisches  und  der  Fleischpräparate. 

Vortragender  tritt  für  das  neue  gesetzliche  Verbot  der 
Priiservesalze  ein;  dieselben  seien  schädlich  und  begünstigen  die 
Täuschung  des  Publikums.  Es  sei  auch  gar  nicht  nötig,  solche 
Mittel  (Borsäure,  Borax,  unterschwefligsaures  Natron)  anzu¬ 
wenden,  sondern  es  gelinge  sehr  wohl,  Fleisch  ohne  jedes  che¬ 
mische  Mittel  zu  konservieren,  man  müsse  nur  die  Grundsätze 
der  Anti-  und  Asepsis  auf  die  Fleischgewinnung  übertragen. 
Reinlichkeit  vom  ersten  Moment  an  sei  die  Hauptsache.  Dies 


No.  30. 


sein  Verfahren,  das  er  seit  3  Jahren  im  Grossbetrieb  anwende, 
erläutert  aber  Vortragender  nicht  näher. 

Diskussion:  Herr  Liebreich  tritt  der  Ansicht  des 
Vortragenden  betr.  der  Präservesalze  mit  Entschiedenheit  ent¬ 
gegen.  Die  Begründung  der  Gesetzesvorlage  von  Seiten  des  Ge¬ 
sundheitsamtes  sei  durchaus  unzuverlässig.  In  England  hätten 
sich  die  medizinischen  Sachverständigenkollegien  ganz  im  ent¬ 
gegengesetzten  Sinne  geäussert,  wie  das  Reichsgesundheitsamt.  Ent¬ 
gegen  Herrn  Malusse  betont  er,  dass  er  für  sich  durchaus  nicht 
die  Unfehlbarkeit  in  Anspruch  nehme;  was  er  verlange,  sei  nur, 
dass  das  Reichsgesundheitsamt  seine  Ansichten,  ehe  sie  zur  Grund¬ 
lage  für  ein  so  einschneidendes  Gesetz  werden,  veröffentliche  und 
zur  wissenschaftlichen  Diskussion  stelle.  So  sei  es 
auch  mit  dem  englischen  Gutachten  gehalten  worden  und  sei  es 
auch  bei  uns  auf  anderen  Gebieten  üblich.  Haus  K  o  h  n. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  Juli  1902. 

Demonstrationen : 

Herr  Martini  demonstriert  frisches  und  gefärbtes  Blut 
eines  Tongo-Pony-Paares  aus  dem  hiesigen  zoologischen  Garten, 
welches  an  der  in  Afrika  so  häufigen  Tsetsekrankheit  leidet. 
Im  Bhde  des  Hengstes,  der  noch  fieberte,  konnte  mit  Leichtigkeit 
das  Trypanosoma  brucei  nachgewiesen  werden,  jener 
Parasit,  der  durch  den  Stich  der  Tsetsefliege  übertragen 
wird  und  die  gefährliche  Krankheit  der  Pferde  und  anderer 
Säuger  erzeugt.  Auch  in  Spiritus  konservierte  Tsetsefliegen  konnte 
Vortragender  zeigen.  Eine  Gefahr  der  Verschleppung  dieser 
Seuche  von  dem  erst  vor  kurzem  aus  Afrika  gekommenen  Pony¬ 
paar  auf  unsere  einheimischen  Pferde  ist  nicht  zu  befürch- 
t  e  n,  da  die  Ueberträgerin,  die  Tsetsefliege,  bei  uns  nicht  vor¬ 
kommt. 

Herr  Lassai  demonstriert  7  Leute  aus  dem  städtischen 
Schlachthofe,  welche  sich  durch  Beschäftigung  mit  tuberkulösem 
Fleisch  eine  Tuberculosis  verrucosa  cutis  zugezogen  hatten.  Unter 
365  untersuchten  Personen  fanden  sich  diese  7. 

Tagesordnung : 

Herr  Max  W  o  1  f  f :  Beziehungen  der  Perlsucht  zur 
menschlichen  Tuberkulose. 

Zu  der  von  R.  K  o  c  h  neuerdings  (Londoner  Kongress)  wieder 
aufgeworfenen  Frage  der  Identität  der  menschlichen  und  Rinder¬ 
tuberkulose  bringt  Vortragender  folgenden  Beitrag: 

Ein  auf  der  Leyden  sehen  Klinik  verstorbener  Mann  bot 
hei  gesunden  Lungen  tuberkulöse  Darmgeschwüre  und  Miliar¬ 
tuberkulose  des  Peritoneums  und  der  Milz.  Aus  der  Milz  impfte 
Vortragender  auf  ei  n  Meerschweinchen,  welches  nach  8  Wochen 
an  Tuberkulose  einging  und  davon  wurde  wieder  um  auf  ein  Kalb 
weitergeimpft,  das  vorher  auf  Tuberkulin  nicht  reagiert  hatte 
und  von  der  Impfstelle  aus  tuberkulös  allgemein  erkrankte,  und 
zwar  bot  es  die  knotige,  käsige,  kalkige  Form  dai*,  die  für  Perl¬ 
sucht  charakteristisch  ist. 

Daraus  schliesst  Vortragender,  dass  es  gelungen  sei,  einen 
Fall  von  Perlsucht!  beim  Menschen  nachzu¬ 
weisen  und  diese  Perlsucht  auf  das  Rind  zu  übertragen.  Da 
es  ihm  hingegen  nicht  gelungen  sei,  in  einem  zweiten  Falle,  wo 
er  Sputum  von  Phthisikern  auf  ein  Kalb  direkt  übertrug, 
eine  allgemeine  Perlsucht  zu  erzielen,  sondern  nur  einen 
lokalen  Abszess  mit  zahlreichen  Bazillen  im  Eiter  und  Ver¬ 
käsung  einzelner  benachbarter  Drüsen,  so  schliesst  Vortragender, 
dass  es  nicht  gelinge,  menschliche  Tuberkulose  auf 
Rinder  zu  übertragen,  wie  dies  Koch  bereits  angegeben  habe. 

Diskussion:  Herr  Stadel  m  an  n:  Er  könne  nicht  ein- 
selien,  mit 'welchem  Rechte  Wolff  seinen  Fall  von  Darmtuber¬ 
kulose  eine  Perlsu  c  h  t  nenne.  Es  sei  ein  einfacher  Fall  von 
Darmtuberkulose;  auch  die  anatomischen  Läsionen  des  Meer¬ 
schweinchens  hätten  nichts  perlsuchtartiges,  sondern  die  gewöhn¬ 
lichen  Zeichen  der  Tuberkulose  geboten.  Es  lässt  sich  aus  dem 
Versuche  W  o  1  f  f  s  nur  schliessen,  dass  es  gelang,  eine  m  e  n  sch¬ 
liche  Tuberkulose  auf  das  Tier  zu  übertragen. 

Herr  M.  Wolff:  Da  R.  Koch  erklärt  habe,  dass  mensch¬ 
liche  Tuberkulose  nicht  auf  das  Rind  zu  übertragen  sei,  so  müsse 
wegen  des  positiven  Ausfalls  des  Experiments  angenommen  wer¬ 
den,  dass  es  sich  in  seinem  Fall  von  Darmtuberkulose  um  eine 
mit  der  Nahrungsaufnahme  auf  den  Menschen  übertragene  Perl¬ 
sucht  gehandelt  habe. 

Herr  Stadelmann:  Die  zitierte  Behauptung  Kochs  sei 
doch  noch  keine  anerkannte  Tatsache.  (Was  Wolff  als  de- 
monstratum  annimmt,  ist  ja  eben  erst  demonstrandum  und 
W  o  1  f  f  macht  auf  diese  Weise  einen  Zirkelschluss.  Ref.) 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


29.  Juli  1902. 


Af UÜ N  (MIENKR  MEDICMSCRE  WOCHENSCHRIFT. 


1279 


Herr  F.  Meyer:  Mau  dürfe  doch  die  in  dem  einen  Falle  vor¬ 
handene,  in  den  anderen  fehlende  Passage  durch  den  Meerschwein¬ 
chenkörper  nicht  unterschätzen. 

Ferner  die  Herren  Moeller  und  A.  Baginsky. 

Hans  K  o  h  n. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung-  vom  26.  April  1902. 

(Schluss.) 

Herr  Meinert:  a)  Zur  Behandlung-  inoperabler  Uterus- 
und  Vaginalkarzinome.  (Mit  Demonstrationen.) 

Es  ist  Ihnen  allen  bekannt,  dass  sich  bei  inoperablen  Krebsen 
die  Jauchung,  die  Blutung  und  die  Schmerzen  oft  für  längere 
Zeit  beseitigen  lassen  durch  die  kombinierte  Methode  der  Aus¬ 
schabung  und  Aetzung,  sei  es,  dass  die  letztere  durch  Glühhitze 
oder  durch  ein  chemisches  Agens  bewirkt  werde.  Czerny  hat 
auf  dem  29.  Chirurgenkongress  (1900)  über  95  Fälle  berichtet,  in 
denen  er  sich  des  Chlorzinks  bediente.  Darunter  befanden  sich 
48  Uteruskarzinome.  Wenn  er  auch  selbst  keine  Dauerheilung 
erzielte,  so  hat  er  doch  eine  solche  gesehen  nach  der  von  einem 
anderen  Arzte  vorgenommenen  Aetzung  mit  Chi orzin k  - 
p  ast. e. 

Diese  Art  der  Aetzung  ist  es,  zu  der  auch  ich  des  öfteren 
meine  Zuflucht  nahm  und  zwar  bediente  ich  mich  der  Can- 
q  u  o  i  n  sehen  Mischung  von  gleichen  Teilen  Zincum  chloratum 
und  Amylum.  Einen  Dauererfolg  habe  ich  weder  beabsichtigt, 
noch  erzielt,  aber  ich  gelangte  —  zunächst  gelegentlich,  späterhin 
systematisch  zu  Ergebnissen,  welche  mich  nach  einer  anderen, 
meines  Wissens  mit  dem  Verfahren  noch  nicht  verfolgten  Rich¬ 
tung  befriedigten.  Ich  erreichte  nämlich  in  6  Fällen  das,  was 
andere  etwa  durch  Kolpokleisis  mit  künstlicher  Rektovaginal¬ 
fistel  erstreben:  eine  völlige  Abschliessung  des  nur  temporär  ver¬ 
ödeten  Karzinoms  gegen  die  Aussenwelt  durch  eine  derbe  und 
breite  Scheidennarbe.  Das  gelingt  gewöhnlich,  wenn  man  die 
frisch  bereitete,  in  Gazesäckchen  verteilte  und  durch  einen 
feuchten  alkalischen  Tampon  fixierte  Paste  so  lange  liegen  lässt, 
bis  sich  nach  7 — 12  Tagen  ein  derber,  Strumpf  förmiger  Aetz- 
schorf  herausziehen  lässt.  Die  in  toto  exkoriierte  Scheide  atresiert 
unter  täglichen  Ausspülungen  von  innen  her. 

Natürlich  darf  man  in  dieser  Weise  nur  bei  Kranken  Vor¬ 
gehen,  welche  nicht  mehr  menstruieren.  Man  muss  die  nicht 
unerheblichen  Schmerzen  mit  Morphium  niederhalten  und  auf  ein 
mehrtägigesFieber  gefasst  sein,  ja  sogar  auf  einen  üblen  Ausgang, 
der  bei  einer  meiner  Kranken  auch  wirklich  (an  Peritonitis)  er¬ 
folgte.  Aber  das  darf  nicht  abschrecken.  Denn  die  Wohltat,  die 
denjenigen  erwiesen  wird,  welche  den  Eingriff  überstehen,  ist 
eine  zu  verlockende. 

Die  Fälle,  von  denen  die  beiden  Ihnen  herumgereichten 
Schorfe  stammen,  sind  bereits  abgelaufen.  In  dem  einen  bildeten 
sich  Ovarialkystome,  die  sich  bei  der  Exstirpation  als  karzinoma- 
tös  erwiesen.  Die  Patientin  starb  etwa  2  Jahre  nach  der  Aetzung 
an  schmerzhafter  Mesenterialdrüsen-  und  Peritonealkarzinose.  — 
In  dem  anderen  Fall  brach  das  abgedämmte  Karzinomrezidiv 
nach  dem  Rektum  durch.  Diese  Patientin,  welche  sich  geheilt 
hielt  und  noch  1  Jahr  lang  den  einstündigen  Weg  zu  mir  zurück  - 
legte,  ging-  etwa  114  J ahr  nach  der  Aetzung  marantisch  und 
schmerzlos  zu  Grunde. 

Diskussion:  Herr  Klotz  betont,  dass  die  unbereclien- 
baie  liefenwirkung  des  Chlorzinks  gegen  seine  allgemeinere  Ver¬ 
wendung  spreche.  Er  behandelt  derartige  Karzinome  durch  Aus¬ 
kratzung  und  Verschorfung  mit  dem  Paquelin.  Im  ganzen  hat 
ei  21  Fälle  so  behandelt,  davon  3  Fälle  seit  7  Jahren  rezidivfrei. 

Herr  Plettner  hat  den  einen  Fall  des  Herrn  Klotz  ge¬ 
sehen,  ist  aber  augenblicklich  nicht  in  der  Lage,  ein  Urteil  in  dia¬ 
gnostischer  und  prognostischer  Richtung  über  denselben  abzu- 
gebeu,  da  er  den  Namen  der  Kranken  nicht  kennt  (Herr  Klotz 
nennt  denselben).  Die  guten  Erfolge  mit  Auskratzung  und  Ver¬ 
schorfung  kann  er  nach  seiner  Erfahrung  für  inoperable  Mast¬ 
darmkarzinome  bestätigen. 

Herr  Peters  äussert  sich  in  gleichem  Sinne,  aber  er  ver¬ 
wendet  das  alte  Glüheisen,  nicht  den  Paquelin. 

Herr  II  ü  b  e  n  e  r  spricht  sich  gegen  die  Auskratzung  eines 
Rektumkarzinoms  aus,  da  Perforationen  sehr  leicht  erfolgen 

können. 

Herr  Plettner  hebt  demgegenüber  hervor,  dass  er  nur  die 
Analgegend  ausschabe  und  deshalb  eine  Eröffnung  der  Peritoneal¬ 
höhle  bei  diesem  Eingriffe  ausgeschlossen  sei. 


b)  Zui  Naturgeschichte  und  Behandlung-  der  Uterus- 
myome.  (Mit  Demonstrationen.) 

Die  _  Myomfrage  berührt  wegen  der  ausserordentlichen 
Häufigkeit  der  Myome  auch  den  allgemeinen  Praktiker  nicht 
wenig-.  Aber  er  kann  sieh  schwer  in  ihr  zureehtfinden,  weil  die 
Ansichten  ihrer  besten  Kenner  noch  erheblich  auseinandergehen. 
So  beginnt  beispielsweise  die  Reihe  der  Abschnitte  über  Myom 
in  der  Enzyklopädie  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  von 
M.  S  ä  n ge r  und  O.  v.  H  e  r  f  f  gleich  mit  einem  solchen  Wider¬ 
spruch.  „Das  Myom  befällt  nur  den  menstruierenden  Uterus“, 
schreibt  Strassmann  sub  I  (Allgemeines),  während  Eckard  t 
sub  II  (Anatomie)  uns  belehrt:  „Nicht  richtig  ist  die  vielfach 
verbreitete  Ansicht,  dass  Myome  sich  nur  während  der  Ge¬ 
schlechtsreife,  also  sich  nur  im  noch  menstruierenden  Uterus 
bilden  könnten.  Im  Gegenteil  etc.“ 

Wer  die  Myomkrankheit  durch  die  Brille  des  Familien¬ 
arztes  betrachtet, ,  der  bekommt  ein  ganz  anderes  Bild  von  ihr, 
als  es  sich  vor  dem  operierenden  Gynäkologen  aufrollt.  Dort 
harmlose,  wenn  auch  manchmal  etwas  alarmierende  Vorgänge, 
hier  gar  nicht  selten  Erscheinungen,  welche  das  Schlimmste  be¬ 
fürchten  lassen  und  zum  Eingreifen  drängen. 

Lieber  die  Myommortalität  eine  Meinung  zu  äussern, 
ist  sehr  misslich. 

Statistische  Angaben,  wie  die  von  C  h  a  m  pneys  und 
Williams  (zitiert  nach  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1900, 
No.  47,  pag-.  760),  dass  von  der  in  England  lebenden  Million 
myomleidender  Frauen  jährlich  500  an  ihren  Myomen  zu  Grunde 
gehen,  was  einer  Mortalität  von  1:2000  entspräche,  sind  gewiss 
höchst  fragwürdig.  Aber  noch  fragwürdiger  ist  die  aus  ihnen 
abgeleitete  Schlussfolgerung,  dass,  wenn  man  alle  Myomfälle  ope¬ 
rierte,  bei  der  behaupteten  Operationsmortalität  von  10  Proz. 
jährlich  100  000  1  rauen  durch  die  Operation  geopfert  würden. 

Ich  habe  in  meiner  30jälirigen  Familienpraxis  es  nur  einmal 
erlebt,  dass  eine  Kranke  an  ihrem  Myom  direkt  (sarkomatöse 
Entartung  mit  Metastasen)  zu  Grunde  ging.  Auf  der  anderen 
Seite  fehlt  mir  aber  jeder  Masstab  für  die  Bezifferung  derjenigen 
I  älle,  in  welchen  ein  Myom  die  indirekte  Ursache  vorzeitigen 
Todes  abgab. 

Keinesfalls  kann  der  natürliche  Verlauf  der  Myome  so 
häufig  zum  Tode  führen,  als  es  die  Häufigkeit  der  bei  den  Myorno- 
tomien  gefundenen  Veränderungen  anscheinend  bedenklicher  Art 
erwarten  Hesse.  Vielmehr  glaube  ich,  dass  nicht  nur  die  Atrophie 
und  die  fettige  Degeneration  des  Myomgewebes,  sondern  auch 
die  Nekrose,  die  zentrale  Erweichung,  die  zystische  Umwandlung, 
die  Verkalkung  und  Verknöcherung,  ja  sogar  die  myxomatöse 
Degeneration  zu  den  die  Prognose  sich  zurückbildender  Myome 
nicht  wesentlich  verschlechternden  Metamorphosen  gehören. 

Lieber  die  Aetiologie  der  Myome  wissen  wir,  trotz  des 
von  den  Autoren  mühsam  zusammengetragenen  Materials,  meines 
Erachtens  noch  nichts.  Ich  möchte  an  dieser  Stelle  bemerken, 
dass  die  statistischen  Angaben  über  Disposition  der  verschiedenen 
Rassen,  Stände,  Konstitutionen  etc.  wegen  erheblicher  Fehler¬ 
quellen  noch  längst  nicht  als  endgültig  betrachtet  werden  dürfen. 

Die  von  v.  Winckel  (Lehrbuch)  und  Olshausen  (Verhand¬ 
lungen  der  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  Mün¬ 
chen  1886,  p.  304)  beschriebenen  Anfangssymptome  der  Myome 
sind  mir  häufig  und  namentlich  bei  retroflektiertem  Uterus  be¬ 
gegnet.  Aehnliches  bekommt  man  aber  auch  zu  sehen  bei  plötz¬ 
lich  zunehmender  Wachstumsenergie  schon  älterer  und  grösserer 
Knoten. 

Meiner  familienärztlichen  Erfahrung  nach  macht  die  grosse 
Mehrzahl  dieser  Neubildungen  so  minimale  bezw.  so  ephemere 
Symptome,  dass  die  Kranken  gar  nicht  erst  auf  den  Gedanken 
kommen,  sich  ihrethalben  an  den  Arzt  zu  wenden.  Ich  habe  aber 
den  Eindruck  gewonnen,  dass  auch  in  solchen  mildest  verlaufen¬ 
den  Fällen  die  Myome  gar  nicht  selten  zur  Ursache  von  Fehl¬ 
geburten  werden. 

In  der  Behandlung  der  Mjmme  habe  ich  mich  von  den 
medikamentösen  Methoden  immer  mehr  ab-  und  den  hygienischen 
immer  mehr  zugewendet.  Namentlich  das  Mutterkorn  wage  ich 
nicht  mehr  durch  längere  Zeit  anzuwenden,  weil  ich  seinen  nach¬ 
teiligen  Einfluss  auf  das  Gefässystem  und  besonders  auf  das  Herz 
fürchte.  Von  Stypticin  und  Hydrastinin  sah  ich  bisweilen  gute 
Erfolge  gegen  die  Blutungen.  Treten  dieselben  hochgradig  auf, 


1280 


so  gehe  ich  gewöhnlich  schon  vom  3.  Tage  an  mit  der  selten  im 
Stiche  lassenden  Tamponade  vor.  Bettruhe  verordne  ich  der¬ 
artigen  Patienten  nur  in  Fällen  von  äusserster  Entkräftung.  Ich 
finde,  dass  die  ambulando  Behandelten  meist  viel  weniger  Blut 
verlieren.  Ueberhaupt  rate  ich  meinen  Kranken  zu  vieler  Be¬ 
wegung  im  Freien,  insonderheit  zum  Bergsteigen,  Schwimmen 
und  allerhand  vernünftigem  Sport,  mache  aber  zur  Vorbedingung, 
dass  sie  das  Korset  definitiv  ablegen  und  dafür  eine  sehr  bequeme 
Untertaille  tragen,  an  welche  die  Röcke  angeknüpft  werden. 
Gegenüber  dem  Kaffee,  Tee,  der  Fleischbrühe  sowie  anderen,  die 
Herztätigkeit  stark  anregenden  Genussmitteln  mahne  ich  zum 
Masshalten,  alkoholische  Getränke  untersage  ich  ganz. 

Operiert  habe  ich  früher,  als  die  Myomoperationen  noch 
schlechte  Resultate  lieferten  —  abgesehen  von  der  Abrasio 
mucosae  uteri  —  nur  sehr  wenig.  Angeregt  durch  Lawson  T  a  i  t, 
den  ich  im  Jahre  1885  besuchte  (vergl.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1886,  Ko.  23),  kastrierte  ich  wohl  6  mal  mit  in  jeder  Beziehung 
gutem  Erfolg  und  amputierte  4  mal  supravaginal  mit  extra¬ 
peritonealer  Stielversorgung  (mit  1  Todesfall  in¬ 
folge  Mitabschnürung  des  rechten  Ureters).  Später  verlockten 
mich  die  guten  Resultate  Leopolds  zu  einigen  Versuchen  mit 
der  intraperitonealen  Stielversorgung.  Meine 
Erfolge  blieben  aber  zu  weit  hinter  den  seinen  zurück,  als  dass 
ich  diese  Versuche  fortzusetzen  gewagt  hätte. 

Als  die  vaginale  Exstirpation  des  myomatösen 
Uterus  aufkam,  wandte  ich  mich  ihr  zu  und  blieb  ihr  treu.  Von 
den  Frauen,  an  denen  ich  sie  ausführte,  verlor  ich  keine.  Es 
werden  aber  kaum  mehr  als  6  Fälle  gewesen  sein,  um  die  es  sich 
handelte.  Für  grössere  Tumoren,  die  sich  vaginal  nur  durch  das 
Morcellement  hätten  entwickeln  lassen,  zog  ich  den  abdominalen 
Weg  vor,  während  es  bei  kleineren  mir  meist  gelang,  mit  milderen 
Mitteln  (unter  diesen  last  not  least  mit  —  Geduld)  deren  Sturm¬ 
und  Drangperiode  zu  überwinden. 

Die  intraperitoneale  Enukleation  nahm  ich  2  mal  (mit 
1  Todesfall)  vor;  vaginal  habe  ich  niemals  enukleiert. 

An  die  grösseren,  nur  ventral  angreifbaren  Tumoren  machte 
ich  mich  erst  wieder  im  Jahre  1894,  als  das  moderne  Verfahren 
der  abdominalen  Totalexstirpation  aufkam.  Durch 
dasselbe  habe  ich  die  Uteri  gewonnen,  die  ich  Ihnen  vorzeige. 
Wie  Sie  sehen,  handelt  es  sich  meist  um  grössere,  bis  über  den 
Kabel  reichende  Geschwülste. 

In  einigen  dieser  Fälle  fehlt  die  \  aginalportion,  weil  ich  es 
bequemer  fand,  sic  dicht  über  dem  Ansatz  der  Scheide  abzu- 
sclmeiden.  Die  Operateure,  welche  den  myomatösen  Uterus  ganz 
oder  mit  Zurücklassung  eines  möglichst  kleinen  Kollumrestes 
durch  Laparotomie  entfernen,  gehen,  soweit  es  mir  möglich  war, 
mich  hierüber  zu  orientiren,  noch  recht  verschieden  vor. 

Ich  eröffne  das  Ligamentum  latum  beiderseits  durch  je  einen 
nach  der  Vagina  gerichteten  ergiebigen  Scherenschnitt,  fasse 
und  unterbinde  die  spritzenden  Gefässe  (Spermatika),  löse  durch 
einen  beide  Wunden  verbindenden  Querschnitt  über  die  vordere 
Fläche  des  Uterus  einen  möglichst  dicken  Serosalappen  gleich¬ 
zeitig  mit  der  Blase  bis  auf  das  vordere  Scheidengewölbe  ab  und 
gehe  erst  dann  an  die  Unterbindung  der  Uterinae.  Ist  dies  erst 
beiderseits,  möglichst  nahe  an  der  Stelle,  wo  die  Arterie  den 
Ureter  kreuzt,  gelungen,  so  verläuft  der  zweite  Teil  der  Opera¬ 
tion  nahezu  blutlos.  Er  besteht  in  Ablösung  eines  hinteren 
Serosalappens  bis  zum  Scheidenansatz,  Einschneiden  der  Scheide 
auf  einem  von  dieser  aus  dem  Messer  entgegengedrängten  Instru¬ 
ment  und  Absetzung  der  Scheide  mit  der  sich  dicht  an  das 
Kollum  haltenden  C  o  o  p  e  r  sehen  Schere.  Ueber  dem  durch 
einige  Katgutnähte  geschlossenen  Scheidenlumen  werden  die  bei¬ 
den  Blätter  des  Ligamentum  latum  durch  eine  fortlaufende  Kat- 
gut  naht  vereinigt.  Schluss  der  Bauchwunde  mit  Etagennaht. 
Der  Ueilungsverlauf  pflegte  sich  ebenso  glatt  zu  gestalten,  wie 
nach  einer  normalen  Entbindung. 

Nach  diesem  Verfahren  habe  ich  die  abdominale 
Totalexstirpation  26  mal  ausgeführt  mit  1  Todesfall. 

Die  in  Frankreich  übliche,  den  letzten  Akt  der  eigentlichen 
Operation  abkürzende,  Verwendung  von  Doyens  Ilebel- 
klemme  zur  Versorgung  des  Scheidengewölbes,  wie  es  dieser  ge¬ 
wandte  Operateur  auf  dem  Chirurgenkongress  durch  seinen  Kine- 
matographen  bewundernswert  demonstrierte,  habe  ich  noch  nicht 


No.  30. 


zu  versuchen  gewagt.  Doyens  eigene  Resultate.  (28  fälle  mit 
4  Todesfällen)  sind  nicht  besonders  hervorragend. 

Einen  wesentlichen  Anteil  an  meinen  befriedigenden  Er¬ 
folgen  messe  ich  der  Vor-  und  Nachbehandlung  bei, 
wenn  es  auch  nur  ein  einziger  Punkt  ist,  in  welchem  ich  mich  von 
dem  Hergebrachten  emanzipierte. 

Ich  glaube  nicht  an  die  Besonderheit  und  an  die  hervor¬ 
ragende  Bedenklichkeit  der,  bei  unglücklichen  Myomoperationen 
gewöhnlich  als  Todesursache  figurierenden  Herzatrophie. 
Es  handelt  sich  bei  derselben  um  eine  Beschaffenheit  des  Flerz- 
muskels,  wie  wir  sie  bei  Frauen,  und  wohl  namentlich  bei  solchen, 
die  früher  chlorotisclT waren,  ganz  gewöhnlich  antreffen,  um  eine 
Herzbeschaffenheit,  mit  welcher  die  Frauen  durchschnittlich  viel 
älter  werden,  als  die  Männer  mit  ihrer  alkoholischen  Herzhyper¬ 
trophie.  Im  Königreich  Sachsen  leben  in  den  höchsten  Alters¬ 
klassen  doppelt  so  viele  Frauen,  wie  Männer.  Aber  allerdings 
versagen  die  atrophischen  Frauenherzen  leicht  den  Dienst,  wenn 
man  ihnen  die  Conditio  sine  qua  non  ihrer  normalen  Funktion 
abgräbt.  Das  schlaffe,  schlechtgenährte  Herz  vermag  weniger 
wie  jedes  andere  bei  ungenügendem  Füllungszustande  seinen 
Tonus  zu  bewahren.  Wir  dürfen  die  Myomotomierte 
nicht  dursten  lassen.  Wir  müssen  bei  ihr  ä  tout  prix 
ein  Missverhältnis  zwischen  Weite  und  Inhalt  des  Gefässystems 
vermeiden.  Ich  lasse  deshalb  diese  Kranken  prophylaktisch  be¬ 
reits  einige  Tage  vor  der  Operation  physiologische  Kochsalz¬ 
lösung  trinken  und  reiche  ihnen  nach  der  Operation,  wie  allen 
Laparolomierten,  Wasser  oder  schwache  Teeaufgüsse  so  bald,  so 
oft  und  so  reichlich,  als  sie  es  begehren.  Das  Erbrechen 
hört  viel  schneller  auf,  wenn  man  sich  durch  dasselbe  in  der 
Wasserzufuhr  per  os  nicht  beirren  lässt,  sondern  es  vielmehr  als 
heilsame  Magenausspülung  betrachtet. 

Wohl  weiss  ich,  weshalb  man  es  gerade  nach  dieser  Opera¬ 
tion  besonders  fürchtet.  Die  Embolie  ist  jedoch  keine  Ge¬ 
fahr  der  ersten  Tage,  da  in  denselben  die  etwaigen  postopera- 
torischen  Thromben  zur  Loslösung  noch  nicht  reif  sind.  Beim 
Durstenlassen  aber  kommt  es  viel  leichter  zu  Kreislaufstörungen 
und  Thrombenbildung  in  den  ektatischen  Venenplexus,  als  bei 
einem  durch  reichliche  Flüssigkeitsaufnahme  gutgefüllten  Ge- 
fässystem. 

Eine  Operation,  bei  der  man  aus  anderen  Gründen  das  Er¬ 
brechen  durch  Durstenlassen  besonders  vermeiden  zu  müssen 
glaubt  und  eben  deshalb  die  Gefahr  der  Embolie  herauf  beschwört, 
ist  die  Operation  der  Perityphlitis  (vergl.  den  V ortrag  Sonnen- 
b  u  r  g  s  auf  dem  letzten  Chirurgenkongress.). 

Dass  nicht  die  Myome  an  sich  es  sind,  mit  welchen  sich  die 
Gefahr  der  Lungenembolie  verknüpft,  lehrt  die  Erfahrung,  dass 
bei  Myomleidenden,  ausser  wenn  sie  sich  operiren  lassen,  der 
Tod  durch  Lungenembolie  zu  den  seltensten  Ereignissen  gehört 
(vergl.  Staude  in  Enzyklopädie  für  Geburtshilfe  und  Gynäko¬ 
logie  Bd.  II,  p.  67).  So  darf  man  hoffen,  dass  er  sich  auch  bei 
den  Operierten  vermeiden  lässt.  Ich  war  bis  jetzt  so  glücklich, 
noch  niemals  einen  Fall  von  Lungenembolie  nach  Hysterektomie 
zu  erleben. 

Diskussion:  Herr  Leopold  ist  nicht  so  glücklich  ge¬ 
wesen,  keine  Todesfälle  an  Thrombose  und  Embolie  nach  Myom¬ 
operationen  erlebt  zu  haben  (er  sah  solche  vom  6.  Tag  an  bis  in 
die  4.  Woche).  Die  Wasserverarmung  des  Körpers  hält  er  eben¬ 
falls  für  bedeutungsvoll,  glaubt  aber  doch  nicht,  dass  man  durch 
Kochsalzinfusionen  und  Flüssigkeitszufuhr  per  rectum  und  per  os 
in  allen  Fällen  den  Eintritt  von  Thrombose  und  Embolie  verhüten 
könne.  Er  redet  das  Wort  der  abdominellen  Methode,  und  zwar 
lässt  er  dabei  einen  kleinen  Stiel  der  Vaginalportion  zurück.  Auch 
die  vaginale  Totalexstirpation  wendet  er  an,  aber  nur  bei  Myomen 
bis  Kindskopf  grosse;  dieselbe  lässt  sich  auch  bei  schwer  aus¬ 
gebluteten  Patientinnen  ausführen  im  Gegensatz  zur  Laparotomie. 

Herr  Klotz  stimmt  bei,  dass  das  Liegen  die  Blutung  bei 
Myom  kranken  vermehre,  während  die  Kräfte  durch  dasselbe  ab¬ 
nehmen;  es  bringe  deshalb  eher  Schaden,  nicht  Nutzen. 

Herr  M  einert  hebt  hervor,  dass  er  auch  schwer  Anämische 
(bis  zu  30  Proz.  Hbgl.  Fleisch  1)  laparotomiert  habe.  Das  sog. 
„Myomherz“  würde  ebensowohl  bei  schwer  Bleichsüchtigen  ge¬ 
funden. 

Herr  Klotz  bestätigt  den  Wert  der  Flüssigkeitszufuhr  für 
die  Prognose  der  Operationen. 

Herr  L  e  o  p  o  1  d  ergänzt  seine  Ausführungen  dahin,  dass  er 
bei  Anämischen  stets  individualisiere,  also  die  Laparotomie  eben¬ 
falls  in  einzelnen  Fällen  anwende. 

Herr  Peters  entscheidet,  über  die  Methode,  ob  vaginal,  ob 


HUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


29.  Juli  1902. 


MUENCHEN Elt  MEDIC  [NISC HE  W O  CHEN  SCIIR I  FT. 


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abdomiiioll,  im  einzelnen  Fall,  auch  je  nach  dem  Sitze,  nicht  allein 
nach  der  Grosse  des  Myoms. 

Herr  Meiner  t  betont  nochmals,  dass  er  die  Blutung-  nicht 
allzusehr  fürchte,  wenn  er  den  früheren  Füllungszustand  der  Ge- 
fässe  wieder  herzustellen  Gelegenheit  hat;  die  Hämoglobinarmut 
entscheide  nicht  allein,  ob  operationsfähig  oder  nicht 

Der  Vorsitzende,  Herr  Schmorl,  schlieret  die’ Sitzung  mit 
einem  kurzen  statistischen  Rückblick  auf  die  abgelaufene 
Sitzungsperiode. 


Biologische  Abtheilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offlcielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  Mai  1902. 

Vorsitzender :  Herr  E.  F  r  a  e  n  k  e  1. 

Schriftführer:  Herr  Molt  recht. 

(Schluss.) 

1  r.  Vortrag  des  Herrn  C.  lauenstein:  Zur  Frage  der 

Händedesinfektion.  (Erscheint  unter  den  Originalien  dieser 
Nummer.) 

Diskussion:  Herr  J  u  s  t  fragt,  ob  man  nicht  in  einer 
Zwangslage,  wie  Herr  Lauenstein  sie  geschildert  habe 
Gummihandschuhe  verwenden  solle. 

Herr  Procliownik:  Der  Gynäkologe  ist,  schon  bei  wenig 
ausgedehnter  Tätigkeit,  noch  mehr  in  Gefahr  als  der  Chirurg,  seine 
Hände  mit  virulenten  Keimen  zu  infizieren,  hat  man  doch  oft 
Streptokokken  aus  Scheiden  gezüchtet,  an  denen  sich  sonst  nichts 
nachweisen  liess.  Nun  kann  man  aber  nicht  stets  mit  Hand¬ 
schuhen  arbeiten,  da  durch  dieselben  auch  die  Hände  sehr  leiden, 
sondern  man  kann  sich  höchstens  nach  jeder  Untersuchung 
waschen  oder  leicht  desinfizieren.  Die  Hauptsache  bleibt  das 
Sterilisieren  der  Hände  vor  der  Operation,  und  da  ist  die  Alil- 
fel  dsche  Methode  nahezu  die  beste,  die  wir  besitzen.  Nur  em¬ 
pfiehlt,  es  sich,  ihr  noch  die  Waschung  mit  einem  Desinfiziens 
hinzuzufügen,  welches  individuell  ausgewählt  werden  muss.  Da 
man  nun  aber  wohl  seine  Hände  so  ziemlich  keimfrei  machen, 
nicht  aber  längere  Zeit  keimfrei  erhalten  kann,  so  ist  Schnelligkeit 
bei  der  Operation  die  Hauptsache,  sowie  Vermeidung  allzu  inniger 
Berührung  des  Operationsfeldes  mit  den  Fingern. 

Herr  Bertelsmann:  Die  Prophylaxe  sei  sehr  wichtig. 
Bei  Vaginal-  und  Rektaluntersuchungen,  bei  der  Berührung  von 
Liter  sei  ein  Gummifingerling  überzuziehen.  Auch  bei  grösseren 
Operationen  in  infiziertem  Gewebe  sei  das  Tragen  von  Gummi¬ 
handschuhen  theoretisch  wünschens werth;  jedoch  sei  der  Ge¬ 
brauch  derselben  recht  unbequem,  Aveil  die'  Hände  unter  dem 

Gummi  warm  würden  und  mazerierten;  der  Gummi  selbst  leicht 
zerrisse. 

Die  Desinfektion  der  Hände  erfolge  im  Allg.  Krankenhaus 
st.  Georg  seit  3  Jahren  nach  einer  Methode,  welche  soAvohl  die 
mechanische  Reinigung  berücksichtige,  Avie  dafür  sorge,  dass  das 
angeAvandte  Desinfiziens  auf  der  Haut  auch  zur  vollen  Einwirkung 
käme. 

Nachdem  die  Hände  und  die  Unterarme  2 — 3  Minuten  lang 
in  heissem  Wasser  gewaschen  sind,  werden  die  Nägel  etc.  mit 
geeigneten  Instrumenten  gereinigt,  sodann  wird  5  Minuten  lang 
vueder  mit  heissem  Wasser  und  Seife  gewaschen.  Darauf  folgt 
eine  Waschung  mit  Alkohol,  worauf  die  Hände  noch  sorgfältig  mit 
Aether  abgerieben  werden.  Dann  erst  wird  Sublimat  oder  Lysol, 
je  nach  Belieben  des  einzelnen,  angewendet.  Es  sind  mit  dieser 
Methode  sehr  gute  praktische  Resultate  erzielt  worden.  Aller¬ 
dings  dauert  diese  Desinfektion  mindestens  10  Minuten. 

,.  -?Lerr  P  1  <a  u  t  h  stimmt  Herrn  Lauenstein  zu,  wenn  er 
die  Bürste  bei  der  Händedesinfektion  fortgelassen  sehen  will. 
Durch  die  Bürste  werden  nur  Keime  in  die  Haut  hineingebracht, 
t.  hat  nach  Krönig’s  Angaben  Leichenhaut  mit  Milzbrand  in¬ 
fiziert,  dann  desinfiziert  und  Mäusen  Stückchen  unter  die  Haut 
gebracht.  Alle  Tiere  starben  ,Avie  auch  Krönig  gefunden  hatte, 
biess  P.  bei  der  Desinfektion  nun  die  Bürste  weg,  so  blieben  die 
Versuchstiere  am  Leben.  Allerdings  ist  der  Versuch  nicht  be¬ 
weisend,  da  auch  die  Kontrolltiere  nicht  starben,  die  Kultur  also 
wohl  wenig  virulent  war. 

r,  fL  aiiensteins  Beobachtung  beweist,  dass  der  Alkohol  die 
Bakterien  am  Hinaufdringen  in  die  oberflächlichen  Hautschichten 
verhindert,  gleichzeitig  zeigt  er  aber,  welche  Kraft  das  Peritoneum 
ui-  fl  S1°?1  ein^edru  eigener  Keime  zu  entledigen.  Absoluter 
Alkohol  desinfiziert  übrigens  schlechter  als  verdünnter.  P.  schlägt 
zui  lesinfektion  der  Hände  atoi\  erst  ein  Desinfiziens  anzuwenden, 
dann  erst  die  Waschung  vorzunehmen,  zuletzt  Alkohol,  um  die 
venne  am  Herauftreten  aus  der  Tiefe  zu  verhindern, 
p  ,..T  n.nas  von  Herrn  Lauenstein  erwähnte  Versuche  sind 
1  •  V11' <lie  Desinfektionskraft  des  Alkohols  nicht  beweisend.  Seiner 
•vnsmht  nach  komme  da  hauptsächlich  die  mechanische  Wirkung 
des  Abwaschens  durch  Alkohol  zur  Geltung. 

Herr  Wiesinger  fügt  Herrn  Bertelsmanns  Worten 
loch  hinzu,  dass  er  selbst  gar  keine  Bürste  benutze.  Nach  Ein- 
p  1Cler  Hande  in  heissem  Wasser  reibe  er  sich  mit  sterilem 
nano  tuen  die  Haut  stark  ab,  Avodurch  die  oberflächlichsten 
npidermisscliichten  entfernt  Aviirdeu,  dann  folge  Reinigung  der 


Nagel,  dann  Seife  und  Holzwolle,  dann  wieder  Abreib  im«-  mit 
aseptischem  Handtuch,  endlich  Alkohol  und  Sublimat. 

Herr  Lauen  stein  (Schlusswort):  Eine  prinzipielle  Er- 

übeHonmf I  ia^  ^  ei,'  nicht  anre^en  wollen,  da  Avold  niemand 
überhaupt  eine  ablehnende  Haltung  einnähme.  Jeder  China- 

ln  de  sich  sein  eigenes  Verfahren  heraus  auf  Grund  seiner  Er- 
tahrung  und  seiner  wissenschaftlichen  Stellung.  Es  sei  ihm  ver¬ 
ständlich,  dass  Herr  Wie  Singer,  sowie  Herr  Plauth  eben¬ 
falls  der  scharfen  mechanischen  Bearbeitung  der  Hände  abgcneigl 
seien  Die  Bürste,  im  Beginn  angewandt,  sei  sofort  mit  Schmutz 
resp  Bakterien  beladen  und  reibe  sie  in  die  Haut  hinein.  Das 
milde  Einweichen  und  Seifen  der  Hände  ohne  schärfere  mecha¬ 
nische  Einwirkung  befreie  die  Haut  von  Schädlichkeiten  und 
schone  sie  zugleich.  Der  schwierigste  und  Aviclitigste  Punkt  in 
der  Ausbildung  des  Pflegepersonals  sei  die  Händereinigung.  Die 
A  erantAvortung  für  den  Verlauf  der  Operation  liege  immer  auf 
dem  Operateur.  Mit  Herrn  ProchoAvnic  lc  wolle  er  nicht  dis¬ 
kutieren,  welche  Arbeit  die  „infektiösere“  sei.  die  gynäkologische 
oder  die  chirurgische.  Die  Untersuchungen  von  D  oe  d  e  rl  ei  n 
I*  a  u  1  und  Sarwey  seien  ihm  bekannt.  Alilfelds  For¬ 
schungen  gründeten  sich  keineswegs  auf  das  Reagensglas.  A  h  1  - 
feld  sei  wohl  der  tüchtigste  praktische  „Desinfektor“,  den  wir 
hatten.  Herrn  Just  stimme  er  in  Bezug  auf  die  impermeablen 
Handschuhe  bei,  vorausgesetzt,  dass  sie.  Avie  auch  Herr  Ber¬ 
telsmann  fordere,  aus  haltbarem  Material  verfertigt  seien. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 


Sitzung  vom  29.  M  a  i  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Stühmer. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Reichard  den 
Kiemenganghautauswuchs,  den  er  durch  Operation  des  in  voriger 
Sitzung  gezeigten  Patienten  geAvonnen  hat. 

Tagesordnung : 

Herr  Siedentopf:  Mitteilungen  über  Tuben- 
schwangerschaft. 

Bevor  S.  über  die  von  ihm  in  seiner  Privatpraxis  beobachte¬ 
ten  Fälle  von  t.ubarer  Gravidität  berichtet,  bespricht  er  den 
heutigen  Stand  der  ätiologischen  und  der  anatomischen  For¬ 
schung.  Trotz  des  grossen  Beobachtungsmaterials  in  den  letz¬ 
ten  Jahren  ist  die  Frage  der  Aetiologie  noch  immer  ungelöst. 
V  eder  haben  diejenigen  überzeugen  können,  die  in  Verände¬ 
rungen  der  Tube  die  Ursache  für  den  ektopischen  Sitz  des  Eies 
in  allen  Fällen  suchten,  noch  die,  welche  Veränderungen  des 
Eies  vor  seinem  Eintritt  in  das  Cavum  uteri  als  die  causa 
peccans  ansehen.  Nach  Besprechung  der  von  den  einzelnen  For¬ 
schern  aufgestellten  Theorien  teilt  S.  die  Beobachtungen  bezüg¬ 
lich  der  Aetiologie  mit,  die  er  bei  seinem  Material  machen  konnte. 
In  einem  Falle  verlief  die  Tube  in  fast  kreisförmiger  Krüm¬ 
mung  um  eine  ParoArarialcyste,  ihr  Lumen  war  durch  die  Ge¬ 
schwulst  fest  komprimiert,  dort,  wo  die  Kompression  aufhörte, 
unmittelbar  vor  der  abdominalen  Oeffnung  sass  das  Ei.  Das 
Präparat  wird  demonstriert.  In  einem  zweiten  Falle  bestand  eine 
doppelseitige  Ovarialcyste,  beide  Cysten  waren  innig  mit  ihrer 
Umgebung  durch  peritonitische  Stränge  verwachsen,  so  dass  auch 
die  Tuben  fest  mit  den  Geschwülsten  der  Ovarien  verklebt  waren 
und  somit  sowohl  in  ihrem  Verlaufe  Avie  in  der  Entfaltung  ihres 
Lumens  Modifikationen  erlitten  hatten.  Nur  in  2  Fällen  fand  S. 
die  Lube  der  anderen  Seite  so  verändert,  dass  er  eine  vor  dem 
Eintritt  der  Gravidität  bereits  vorhandene  Erkrankung  annahm 
und  auch  diese  Tube  mit  entfernte,  in  den  übrigen  Fällen  führte 
er  die  entzündlichen  Veränderungen  der  anderen  Seite  auf  den 
Reiz  der  Schwangerschaft  zurück,  exstirpierte  die  betreffenden 
Organe  nicht  und  beobachtete  in  keinem  Falle,  dass  sich  später 
eine  nachweisbare  Adnexerkrankung  entwickelte,  sondern  konnte 
ein  Zurückgehen  der  entzündlichen  Veränderungen  feststellen. 
S.  glaubt  daher,  dass  in  seinen  Fällen  die  Gonorrhoe,  die  wohl 
stets  beide  Adnexe  befällt,  wenn  sie  über  den  Uterus  hinausgehe, 
höchstens  in  2  Fällen  als  ätiologisches  Moment  in  Frage  kommen 
kann. 

Die  anatomische  Forschung  hat  in  den  Arbeiten  von  Fü  th, 

A  s  c  h  o  f  f,  Heinsius  und  Lange  den  Befund  K  ii  h  n  e  s 
bestätigt,  dass  die  Einbettung  des  Eies  in  der  Tube  nicht,  wie 
man  früher  allgemein  annahm,  in  einer  zur  Dezidua  gewordenen 
Schleimhaut  stattfindet,  die  dann  mittels  einer  Reflexa  das  Ei 
einscldiesst,  sondern  dass  das  mit  einer  aktiven  vitalen  Kraft 
begabte  Ei  in  die  Tubemvand  eindringt  und  sich  dort  zu  seiner 
Entwicklung  einen  Nährboden  sucht.  Dabei  dringen  die  Zell¬ 
säulen  der  La  nghans  sehen  Zellschicht  tief  in  die  Muskulatur 


1282 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  30. 


ein,  drängen  die  Muskelbündel  auseinander,  eröffnen  Blutgefässe 
und  können  selbst  den  serösen  Ueberzug  der  Tube  zerstören.  Sind 
die  anatomischen  Vorgänge  bei  der  Entwicklung  des  Eies  in  der 
Tube  dieser  Art,  so  müssen  wir  unsere  Anschauung  von  der  Ent¬ 
stehung  der  meistens  in  den  ersten  Monaten  eintretenden  Ent¬ 
wicklungsstörungen  wesentlich  modifizieren.  Die  meisten  For¬ 
scher  waren  bisher  der  Ueberzeugung,  dass  die  Tubenwand  kein 
guter  Nährboden  für  das  Ei  sei,  es  gehe  aus  Mangel  an  genügen¬ 
der  Ernährung  zu  Grunde,  die  Tube  versuche  dann  das  tote  Ei 
auszustossen,  dadurch  komme  es  zur  Ablösung  desselben  mit  Blu¬ 
tungen.  Das  Blut  finde  entweder  seinen  Weg  durch  das  Tuben¬ 
lumen  und  die  abdominale  Tubenöffnung  in  die  Bauchhöhle  und 
bereite  so  dem  Ei  den  Weg,  welchen  es  bei  dem  tubaren  Aboit 
geht,  oder  aber,  wenn  dieser  Weg  durch  Hindernisse  verlegt  sei, 
sammle  sich  das  Blut  zwischen  Tubenwand  und  Ei  an  und  könne 
durch  Steigerung  des  intratubaren  Druckes  die  I\  and  zum  Zer¬ 
reissen  bringen,  es  komme  zur  Ruptur.  Nach  den  neuesten  und 
jetzt  doch  schon  vielfach  bestätigten  Forschungen  müssen  wir 
jedoch  annehmen,  dass  die  Blutung  aus  arrodierten  Gefässen  der 
primäre  Vorgang  ist,  dadurch  kommt  es  zur  Ablösung-  und  zum 
Absterben  des  Eies.  Der  Vorgang  des  Aborts  wird  dann  derselbe 
sein,  wie  eben  geschildert.  Die  Ruptur  dagegen  kommt  in  erster 
Binie  nicht  durch  die  Erhöhung  des  Druckes  zu  Stande,  sondern 
durch  die  von  den  fötalen  Elementen  herbeigeführte  Zerstörung 
der  Tuben  wand  und  diese  kann  a  priori  auch  noch  stattfinden, 
nachdem  das  Ei  abgestorben,  ja  selbst  ausgestossen  ist,  wenn  nur 
noch  Zottenreste  in  der  Tubenwand  zurückgeblieben  sind. 

Die  Therapie  steht  nun  vor  der  Frage,  wie  weit  sie  diesen 
neuen  Resultaten  der  anatomischen  Forschung  Rechnung  zu 
tragen  hat.  Soll  sie  in  allen  Fällen  die  konservative  Behandlung 
verlassen,  da  es  sich  doch  niemals  ausscliliessen  lässt,  dass  noch 
Zottenbestandteile  in  der  Tubenwand  zurückgeblieben  sind,  oder 
kann  sie  wie  bisher  nach  Ausbildung  einer  Ilämatocele  oder  eines 
intraligamentären  Hämatoms  eine  abwartende  bleiben?  S.  glaubt, 
dass  auf  Grund  des  grossen,  von  vielen  gesammelten  Beobach¬ 
tungsmaterials  die  heute  fast  allgemein  gültige  Therapie,  die  das 
Ei,  welches  sich  noch  im  Fruchthalter  befindet,  ob  lebend  oder 
tot  entfernt,  die  aber  die  solitäre  und  diffuse  Ilämatocele  und 
das  intraligamentäre  Hämatom  nur  bei  ganz  besonderer  In¬ 
dikation  .angreift,  gewöhnlich  jedoch  der  Resorption  überlässt, 
auch  jetzt  noch  voll  und  ganz  ihre  Berechtigung  hat.  Die  kli¬ 
nische  Beobachtung  muss  zeigen,  ob  nach  diesen  Ausgängen,  die 
wir  bisher  als  einen  Abschluss  der  I  ubengravidität  betrachteten, 
doch  noch  Durchbrüche  der  Tubenwand  durch  zurückgebliebene 
fötale  Elemente  mit  Blutungen  zu  stände  kommen  können,  dann 
wird  die  abwartende  Behandlung  eventuell  noch  weiter  einge¬ 
schränkt  werden  müssen. 

S.  hat  nach  den  oben  angeführten  Grundsätzen  die  Fälle  in 
seiner  Praxis  behandelt  und  seit  dem  Jahre  1895  unter  seinen 
Privatkranken  15  wegen  ektopischer  Schwangerschaft  operiert 
und  zwar  in  den  beiden  ersten  Jahren  keine, 


1897  unter 

182 

gvnäkologischen  Krank 

en  1  Fall 

1898  „ 

381 

yy 

yy 

9 

^  yy 

1899  „ 

754 

•> 

yy 

9 

Ä  yy 

1900  „ 

1110 

yy 

yy 

i  „ 

1901  , 

1239 

n 

yy 

G  „ 

1902  v.  V i 

_30  4 

unter  G53 

yy 

3  „ 

zusammen 

„  4319 

>> 

15  „ 

durchschnittlich 

„  287 

yy 

1  „ 

10  mal  sass  das  Ei  in  der  Ampulle,  2  mal  im  Isthmus,  2  mal 
im  Fimbrienende;  in  einem  Falle  wurde  wegen  starker  Druck¬ 
beschwerden  eine  Ilämatocele  von  der  Vagina  aus  gespalten. 
10  mal  war  die  rechte  Tube  der  Fruchtlialter,  5  mal  die  linke. 

In  5  Fällen  hatten  dio  Fat.  noch  nicht  geboren 

,,  G  ,,  ,,  ,,  ,,  1  mal  ,,  * 

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ty  1  yy  yy  yy  yy  ®  yy  yy 

Nur  eine  Patientin  hat,  soweit  S.  bekannt  geworden  ist, 
wieder  konzipiert  und  zwar  2  mal,  die  erste  Gravidität  erreichte 
ihr  normales  Ende,  die  zweite  führte  zum  Abort. 

Entfernt  wurde  stets  Frucht  und  Fruchthalter  mittels  La¬ 
parotomie.  Die  sonst  von  S.  vielgeübte  vaginale  Operation  ver¬ 
wirft  er  bei  Extrauteringravidität  vollständig  und  wendet  sic 
mit  Erhaltung  des  Uterus  nur  noch  bei  frei  beweglichen,  höch¬ 
stens  faustgrossen  Ovarialcysten  an. 

Von  den  15  operierten  Kranken  ist  keine  gestorben. 


Diskussion:  Herr  Wegr a  d:  Hinsichtlich  der  Indikation 
zur  Exstirpation  tubarer  Fruchtsäcke  stehe  ich  nicht  auf  so  radi¬ 
kalem  Standpunkte  wie  Herr  S.  Die  Indikation  zur  Exstirpation 
liegt  in  der  Grösse  des  Fruchtsackes,  was  auch  von  klinischen 
Autoritäten  (Hegarsche  Schule)  mit  Hecht  betont  worden  ist. 
Während  vom  ca.  4.  Monat  der  Gravidität  an  der  zunehmende 
Gefässreichtum  der  Plazentarstelle  und  überhaupt  die  starke.  Ent¬ 
wicklung  der  Gefässe  bei  der  Ruptur  eine  Lebensgefahr  bilden, 
und  bei  der  Operation  eine  exakte  Blutstillung  unmöglich  werden 
kann,  also  möglichst  früh  operiert  werden  muss,  liegt  in  den  ersten 
Monaten  der  Tubarschwangerschaft  die  Indikation  zur  Operation 
wesentlich  anders.  Erstens  tritt  in  einer  grossen  Anzahl  von 
Tuba  rschwangerschaf ten  spontane  Heilung  durch  Fruchtod  und 
nachfolgende  Schrumpfung  ein.  andererseits  ist  vielfach  die  Blu¬ 
tung  bei  der  Huptur  gering,  namentlich  in  den  Fällen,  wo  der 
Fruchtsack  eine  ausgedehnte  Verklebung  mit  den  Nachbarorganen 
eingegangen  ist,  also  gerade  in  den  für  die  Operation  schwierigen 
Fällen,  hier  blutet  es  in  einen  durch  Abkapselung  und  durch  die 
Ligamente  prä formierten  Haum.  Ich  möchte  die  Indikation  zur 
Operation  so  stellen:  Bei  grösserem  Fruchtsack  (ca.  4.  Monat) 
operiere  ich  sofort,  in  den  ersten  Monaten  warte  ich  für  gewöhn- 
lieh  ab,  wenn  der  Fruchtsack  intraligamentär  sich  entwickelt  hat. 
oder  wenn  durch  starke  Verwachsungen  die  Operation  voraussicht¬ 
lich  erschwert  ist,  die  Blutung  bei  event.  Ruptur  aber  jedenfalls 
eine  begrenzte  bleibt.  Ich  operiere,  wenn  der  Fruchtsnck  relativ 
beweglich,  die  Operation  sich  also  technisch  der  einfachen 
Salpingektomie  anscliliesst.  Die  Gefahr  einer  malignen  Degene¬ 
ration  der  Chorionzotten  event.  Entstehung  eines  Chorion¬ 
epithelioms,  wie  sie  von  Herrn  S.  betont  wurde,  kann  bei  ihrer 
grossen  Seltenheit  keine  strikte  Indikation  zur  Exstirpation  eines 
geplatzten  tubaren  Fruchtsackes  abgeben,  zumal  wenn  durch  Bil¬ 
dung  einer  intra peritonealen  Ilämatocele  auch  die  Blutung  keine 
Gefahr  mehr  involviert.  Die  Indikation  zur  Operation  wird  hier 
wohl  meist  sich  aus  dem  subjektiven  Befinden  der  Tat.  ergeben. 

Herr  T  h  o  r  n:  Die  Ausführungen  des  Herrn  Siedentopf 
gaben  in  Kürze  einen  IJeberblick  über  den  augenblicklichen  Stand 
unseres  Wissens  in  den  wichtigeren  Funkten  auf  dem  Gebiet  der 
ektopischen  Gravidität;  sie  gipfelten  in  einem  Bericht 
über  15  operierte  Fälle,  die  wie  das  heutzutage  gewöhnlich  bei 
frischen  Fällen  zu  sein  pflegt,  ein  gutes  primäres  Resultat  auf¬ 
weisen. 

I)  en  rraktilcer  interessiert  vorne  li  m  1  i  c  h  hie  r 
die  Frage:  „Wann  muss  operiert  werden  und 
w  a  n  n  d  a  r  f  in  a  n  ab  w  a  r  t  e  n?“  Die  Meinungen  der  Gynäko¬ 
logen  gehen  noch  immer  über  diesen  Funkt  stark  auseinandei 
und  schwanken  fortwährend;  es  ist,  zu  hoffen,  dass  der  nächste 
Gynäkologenkongress,  der  sich  mit  diesem  Thema  zu  befassen 
haben  wird,  etwas  mehr  Uebereinstimmung  und  Festigkeit  schafft. 
Herr  Siedentopf  hat  dafür  plädiert,  die  Hämatocelen  und 
Hämatome  im  Prinzip  in  Hube  zu  lassen,  er  hat  aber  das  exspek- 
tativ  behandelte  Material  nicht  mitgeteilt  und  glaubt,  darin  dem 
Beispiel  der  Mehrheit  nachzuahmen.  Er  meint,  dass  man  der 
Fnsicherlieit  der  Diagnose  wegen  im  allgemeinen  die  exspektativ 
behandelten  Fälle  mit  Recht  ausser  Acht  gelassen  habe  und  ausser 
Acht  lassen  müsse;  beides  trifft  in  keiner  Weise  zu.  Allerdings 
ist  das  Verhältnis  der  operativ  zu  den  exspektativ  behandelten 
Fällen  bei  den  verschiedenen  Operateuren  ein  ausserordentlich 
verschiedenes,  einzelne,  wie  z.  B.  Schwa r  z,  Iv  ii  stne  r  etc., 
wollen  jeden  Fall  operieren:  publiziert  aber  sind  zumeist  doch 
auch  die  exspektativ  behandelten  Fälle,  so  gering  manchmal  ihre 
Zahl  gegenüber  den  operierten  war.  Das  Material  solcher  Autoren, 
die  also  prinzipiell  bei  allen  Stadien  der  Extrauterinschwanger¬ 
schaft  operieren  und  nur  etwa  das  der  Exspectatio  überlassen, 
was  im  Augenblick  die  Operation  nicht  vertragen  würde  — 
man  vergleiche  z.  B.  das  Material  A.  Martins  —  kann  zur 
Beantwortung  der  obigen,  für  den  Praktiker  so  wichtigen 
Frage  nur  bedingt  herangezogen  worden.  Die  aus  der  Literatur 
geschöpften  Statistiken,  so  namentlich  auch  die  von  Zweifel, 
v.  Sch  renk  und  Schau  ta  gelieferten,  sind  so  ziemlich  wert¬ 
los  und  können  absolut  keinen  genügenden  Aufschluss  über  das 
Verhältnis  der  exspektativen  zur  operativen  Behandlung  geben. 

Ich  habe  schon  auf  der  Naturforscherversammlung  in  W  i  e  n 
und  später  auf  der  in  Düsseldorf  bei  meinen  Bestrebungen, 
die  operative  Therapie  der  ektopischen  Gravidität  einzuschränken 
und  zugleich  die  Diagnose  und  die  Indikationen  zu  verfeinern, 
Bestrebungen,  die  insbesondere  auch  J.  Veit  und  Fehling 
verfolgen,  dafür  plädiert,  dass  man  zu  Vergleichen  nur  das  nach 
einheitlichen  Gesichtspunkten  behandelte  Material  solcher  Autoren, 
die  über  erheblichere  Zahlen  verfügen,  in  seiner  Gesamtheit  heran¬ 
ziehen,  auf  Statistiken,  aus  der  Literatur  zusammengelesen,  aber 
ganz  verzichten  möge.  Derlei  Materialien  besitzen  wir  jetzt  genug, 
um  behaupten  zu  dürfen,  dass  ein  sehr  grosser  Prozentsatz  ek¬ 
topischer  Graviditäten,  wenn  sie  nur  in  Ruhe  gelassen  werden 
und  sich  in  guter  TTeberwachung  und  Pflege  befinden,  spontan  ohne 
allen  Nachteil  ausheilt.  Es  wird  die  Aufgabe  der  Zukunft  sein, 
die  Diagnose  so  zu  verfeinern,  dass  man  mit  einiger  Sicherheit 
entscheiden  lernt,  welche  Fälle  sofort  operiert,  welche  zunächst 
exspektativ  behandelt  werden  müssen;  im  Prinzip  wird  man  aber 
stets  jeden  Fall,  wenn  irgend  angängig,  in  Krankenhausbehand¬ 
lung  überführen,  um  gegen  alle  Eventualitäten  gewappnet  zu  sein. 

Für  die  älteren  unter  Ihnen,  m.  IT.,  sind  diese  Dinge  ja  nichts 
Neues.  Sie  alle  erinnern  sich  noch  der  Zeiten,  wo  die  Hämatocelen 


29.  Juli  1902. 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


und  Hamatome  und  speziell  die  klassische  Form  der  llümatocele 
retrouterma  als  Krankheiten  sui  generis  einen  breiten  Kaum  in  der 
Klinik  und  in  den  Lehrbüchern  eiunalimen.  Damals  wurden  alle 
diese  lalle  exspektativ  behandelt,  nur  wenn  Verjauchung  eintrat 
wurde  operiert.  Wenn  auch  die  alte  G  all  ard  sehe  Lehre  dass 
alle  diese  Hamatocelen,  peritubaren  Hämatome  etc.  ausnahmslos 
von  tubaren  Graviditäten  herstammen,  nicht  völlig  zu  trifft  so 
sind  doch  gut  90  Proz.  dieser  Aetiologie.  Wenn  Sie  nun  die  Un¬ 
summe  von  ektopischen  Graviditäten  übersehen,  die  seit  J.  Veits 
mul  W  e  r  t  h  s  bahnbrechenden  Arbeiten  operiert  worden  sind,’  so 
könnten  Sie  leicht  auf  den  Gedanken  kommen,  die  Extrauterin¬ 
schwangerschaft  sei  heute  um  vieles  häufiger,  als  früher  Das 
trifft  aber  nur  in  einem  geringen  Grade  zu.  So  ist  nicht  zu 
leugnen,  dass  in  den  grossen  Zentren  des  Verkehrs  nicht  nur 
absolut,  sondern  auch  relativ  häufiger  ektopische  Schwanger¬ 
schaften  zur  Beobachtung  kommen,  als  in  kleineren  Städten  und 
auf  dem  Lande.  Dass  die  Gonorrhoe  hier  von  einer  gewissen  Be¬ 
deutung  ist,  halte  ich  für  sehr  wahrscheinlich  und  wenn  man  da¬ 
gegen  einwendet,  dass  gerade  die  gonorrhoisch  erkrankt  gewesene 
Tube  die  ungünstigsten  Verhältnisse  für  die  Einnistung  des  be¬ 
fruchteten  Eies  bieten  müsse,  so  trifft  das  nicht  zu;  manche  er 
krankt  gewesene  Tube  heilt  völlig  aus  oder  weist  docli  häufig  ein¬ 
zelne  gesunde  Schleimhautpartien,  die  zur  Einbettung  geeignet 
sind,  auf.  Dass  Katarrhe,  Abknickungen  der  Tube  etc.  nicht  un¬ 
erlässliche  Vorbedingungen  der  ektopischen  Einnistung  sind,  ist 
selbstverständlich,  denn  sie  kommt  vielleicht  ebenso  oft  in  schein¬ 
bar  ganz  gesunden  Tuben  vor;  dass  jene  aber  eine  bestimmte  Dis¬ 
position  schaffen,  scheint  mir  durch  die  so  grossen  Unterschiede 
in  der  Frequenz,  wie  sie  z.  B.  aus  den  Beobachtungen  II  e  g  a  r  s 
füi  Fieiburg,  Alilfelds  für  Marburg  auf  der  einen  Seite,  auf  der 
anderen  Fe  Illings  für  Basel  und  Halle  a.  S.  und  aus  den 
meinigen  füi  Hallen.  S.,  Berlin  und  unsere  Stadt  hervorgehen 
sehr  glaubhaft  gemacht.  Dies  nur  nebenbei  zur  Aetiologie 
der  ektopischen  Gravidität,  von  der  wir  auch  heute 
noch  nichts  Sicheres  wissen,  denn  weder  mit  der  supponierten 
Eiirritation  oder  -erkrankung  Kossmanns,  noch  mit  dem  iiber- 
wanderden  Ei.Sippels  ist  viel  anzufangeu. 

Die  Frequenz  der  ektopischen  Gravidität  ist  also  zweifellos 
in  den  Zentren  des  Verkehrs  auch  relativ  höher  und  sie  steigt  hier 
wie  das  ausser  mir  auch  z.  B.  Fehling  auf  Grund  seines  Ma¬ 
teriales  in  Halle  a.  S.  bewiesen  hat.  Aber  diese  ganze  Zunahme 
reicht  doch  bei  weitem  nicht  aus,  eine  Erklärung  für  die  Abuudanz 
an  Beobachtungen  ektopischer  Graviditäten  in  den  letzten  ly,  De¬ 
zennien  zu  geben.  Diese  resultiert  allein  daraus,  dass  viele  Gynä¬ 
kologen  nicht  die  Trage  stellten:  „muss  man  operieren,  sondern 
kann  man  operieren“  und  dass  man  den  Werth  sehen  Satz 
von  der  Gleichwertigkeit  des  extrauterin  implantierten  Ovulums 
mit  einer  malignen  Neubildung  ohne  Einschränkung  anerkannte; 
demgemäss  operierten  viele  prinzipiell  jeden  Fall  in  jeglichem 
Stadium.  Die  Reaktion  dagegen,  die  hauptsächlich  von  J.  v  e  i  t, 
Fehling  und  mir  ausging,  hatte  anfangs  einen  schweren  Stand; 
allmählich  aber  hat  sich  doch  die  Ansicht  wieder  durchgerungen, 
dass  gewisse  Stadien  der  ektopischen  Gravidität,  insonderheit  die 
Hamatocelen,  in  Ruhe  gelassen  werden  sollen,  weil  sie  den  Beginn 
einer  Naturheilung  darstellen,  der  ohne  zwingende  Not,  wie  Ver¬ 
eiterung,  Verjauchung,  Nachblutung  etc.,  nicht  unterbrochen  wer¬ 
den  darf. 

Dieser  Ausgang  der  ektopischen  Gravidität,  die  Bildung  einer 
Hämatocele  oder  eines  Hämatoms  durch  Abort  oder  Ruptur  der 
Tube,  ist  der  bei  weitem  häufigste  und  für  den  Praktiker  deshalb 
auch  wichtigste.  Von  1U0  Extrauterinschwangerschaften  kommen 
höchstens  5  über  den  3.  Monat  hinaus;  der  Beginn  der  Plazentar- 
bildung  bedeutet  für  die  grosse  Mehrzahl  der  extrauterin  im¬ 
plantierten  Eier  den  Tod.  Ganz  frühe  Stadien  werden  ohne  alle 
Reaktion  in  der  Tube  resorbiert;  dieser  Vorgang  ist  wahrschein¬ 
lich  ein  weit  häufigerer,  als  man  gewöhnlich  annimmt;  praktisch 
ist  er  von  geringer  Bedeutung.  Steckt  das  Ei  noch  in  der  Tube, 
einerlei  ob  lebend  oder  abgestorben,  so  ist  die  Operation  indiziert! 
Einzelne  Autoren,  wie  v.  Winckel,  Hegar  u.  a.,  wollen  bei 
sehr  jungem,  abgestorbenen  Ovulum  und  beim  Fehlen  bedrohlicher 
Erscheinungen  auch  hier  abwarten.  Es  ist  ganz  zweifellos,  dass 
auch  viele  solche  Fälle  spontan  heilen,  was  man  ja  leicht  bei 
durch  Morphium  getöteten  Eiern  und  bei  Patienten,  die  auf  die 
vorgeschlagene  Operation  nicht  eingingen,  beobachten  konnte. 
Trotzdem  ist  es  im  Prinzip  richtiger,  bei  Retention  des  ganzen 
Eies  oder  beträchtlicher  Teile  desselben  zu  operieren,  weil  die 
grosse  Mehrzahl  dieser  Fälle,  zumal  dann,  wenn  die  Plazentar- 
mldung  bereits  begonnen  hatte,  nicht  zur  Ruhe  kommen  und  mit 
dauernden  Beschwerden  und  Gefahren  für  die  Trägerin  verknüpft 
smd.  Ist  das  Ei  dagegen  mehr  oder  weniger  vollkommen  durch 
Ruptur  oder  Abort  ausgestossen  worden  und  hat  sich  um  die  er¬ 
krankte  Tube  ein  festerer  Bluttumor  gebildet,  dessen  Kruste 
immer  mehr  erstarrt,  so  ist  die  Gefahr  zunächst  vorüber  und 
es  muss  abgewartet  werden;  sekundäre  Rupturen  der  Blut¬ 
geschwulst  durch  neuerliche  zentrale  Blutungen,  Vereiterung, 
Verjauchung,  Organisation,  spätere  Cystenbildung  etc.  sind  nicht 
so  häufig  und  wenn  sie  eintreten,  so  ist  es  immer  noch  Zeit  zum 
Operieren.  Bei  bedrohlichen,  akuten,  andauernden  oder  mehr 
subakuten,  intermittierenden  Blutungen  in  die  freie  Bauchhöhle, 
wie  sie  namentlich  der  akuten  Ruptur  und  andrerseits  dem  in¬ 
kompletten  Abort  eigen  sind,  soll  sofort  operiert  werden,  weil  hier 
der  Ausgang  ein  zweifelhafter  ist  und  die  Hoffnung  auf  Bildung 


1283 


„i!l  Tw  fai?‘  Hamatoms  oft  getäuscht  wird;  eventuell  muss 

umr.rnn  U‘Slüln  v?r‘lusSehen-  eventuell  muss  in  loco  operiert 

,  !  ^  soll  jedes  Ei,  von  dem  man  annehmen  muss, 

woivion  wiu  äen  d\  M,°?iat  gol;llla'1  wai‘>  prinzipiell  entfernt 
w  ndcii,  weil  die  Plazentarbildung  so  häufig  die  spontane  Aus¬ 
heilung  unmöglich  macht. 

So  wenig  ich  die  Richtigkeit  der  Untersuchungen  K  ii  li  n  e  s 
A  s  c  h  o  f  f  s  u.  a.  hinsichtlich  der  vitalen  Energie  des  lebenden 
Ovulums  und  speziell  der  geradezu  deletären  Wirkung  der  L  a  n  g 
bans  sehen  Zellschicht  in  der  Tube  bezweifle,  so  wenig  bin  ich 
doch  davon  überzeugt,  dass  nach  dem  Fruchttod  den  retinierten 
Ei  teilen  ein  Weiterwuchern  in  die  Umgebung  mit  destruierendem 
Charakter  möglich  ist;  sie  können  höchstens  eine  Weile  weiter  er- 
nalirt  werden.  Nun  hat  man  neuerlich  gerade  mit  dieser  an¬ 
geblich  zerstörenden  Eigenschaft  des  in  der  Tube  implantierten 
ja  sogar  des  abgestorbenen  Eies  wieder  die  aktive  Therapie  recht! 
fertigen  und  begründen  wollen,  meines  Erachtens  sehr  mit  Un- 
lecht.  Die  Plazentarbildung  an  sich  und  die  Retention  von  Pla¬ 
zentarteilen  resp.  des  ganzen  Ovulums  in  der  Tube  bedingen  die 
Gefahr,  nicht  aber  das  vermeintliche  Weiterwachsen  retinierter  Ei¬ 
teile  mit  destruierender  Tendenz.  Die  destruierende  Eigenschaft 
der  lebenden  Chorionzöttchen  war  ja  übrigens  von  den  sog,  loch¬ 
förmigen  Perforationen  her,  wo  die  Tubenwand  gleichsam  wie  mit 
einem  Locheisen  durch  ein  durchgewachsenes  Zöttchen  durch¬ 
stanzt  war,  bekannt.  Einen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  The¬ 
rapie  im  Sinne  grösserer  Aktivität  werden  meines  Erachtens  jene 
Arbeiten  Kühnes  u.  a.  nicht  ausüben  dürfen  und  ich  kann  des¬ 
halb  den  Standpunkt  Krönigs,  den  er  auf  der  Naturforscher- 
Versammlung  in  II  a,  m  b  u  r  g  einnahm  und  der  gerade  auf  Grund 
jener  Arbeiten  auf  ein  möglichst  aktives  Vorgehen  hinzielte  durch¬ 
aus  nicht  teilen. 

Zweifel,  der  mit  zuerst  die  operative  Therapie  der  Hämato- 
celen  durch  seine  Elytrotomie  inaugurierte  und  der  vortreffliche 
operative  Erfolge  auch  auf  dem  Gebiet  der  Extrauterinschwanger¬ 
schaft  aufzuweisen  hat,  rechne  ich  es  hoch  an,  dass  er  sein 
giosses  Material  zu  ausgedehnten  und  völlig  einwandfreien  Ver¬ 
suchen  mit  der  exspektativen  Therapie  hergab.  K.  v.  Scanzoni 
hat  darüber  ausführlich  berichtet  und  wiederum  den  Beweis  er¬ 
bracht,  dass  eine  sehr  grosse  Zahl  aller  ektopischen  Graviditäten 
spontan  heilt  und  dass  auch  den  vielfach  zur  Motivierung  der 
operativen  Therapie  ins  Feld  geführten  Nachkrankheiten  der 
Spontanheilung  keineswegs  die  Wichtigkeit  beizumessen  ist, 
welche  viele  Gynäkologen  sehen  wollten.  Es  scheint  nun  schwer 
verständlich,  wie  das  gleiche  Material  von  K  r  ö  n  i  g  zur  Em¬ 
pfehlung  der  operativen,  von  v.  Scanzoni  dagegen  zu  einer 
Verteidigung  der  exspektativen  Therapie  benutzt  werden  konnte, 
lin  Grunde  stützt  sich  auch  K  röni  g  mehr  auf  das  Material 
Prochownik  s,  das  auffällig  nicht  nur  gegen  das  von  Feh¬ 
ling  und  mir  gelieferte  Material,  sondern  auch  gegen  das 
Zweifel  sehe  kontrastiert.  H  a  in  bürg  hat  bezüglich  der 
Gonorrhoe  wohl  ganz  besonders  ungünstige  Verhältnisse  und  es 
ist  natürlich  für  die  Spontanheilung  nicht  gleichgültig,  ob  ein 
Material  ektopischer  Graviditäten  viel  durch  vorausgegangene 
oder  noch  bestehende  Adnexerkrankungen  kompliziert  ist  oder 
nicht. 

Aber  selbst  wenn  man  sich  auf  den  Standpunkt  stellen 
könnte,  dass  die  guten  primären  operativen  Erfolge  in  der 
Klinik  das  Prinzip,  alle  Phasen  der  ektopischen  Gravidität  so¬ 
fort  zu  operieren,  rechtfertigten,  so  liegen  doch  in  der  Praxis 
die  Dinge  völlig  anders  und  zu  guter  Letzt  soll  doch  die  Klinik 
nur  diejenigen  Maximen  aufstellen,  nach  denen  auch  in  der 
Praxis  gehandelt  werden  kann.  Der  Praktiker  kommt  höchst 
selten  zu  einem  lebenden  ektopischen  Ei,  zumeist  kommt  er  nach 
der  Katastrophe  oder  gar  erst,  wenn  das  Hämatom  sich  bereits 
gebildet  hat.  Liegt  der  letztere  Fall  vor,  kommt  der  Arzt  zu 
einem  Fall,  wo  Anamnese  und  augenblicklicher  Status  auf  innere 
Blutung,  von  einem  extrauterinen  Ovulum  voraussichtlich  her¬ 
rührend,  schliessen  lassen,  so  muss  er  mit  allergrösster  Vorsicht 
intern  explorieren.  Findet  er  dann  hinter  oder  neben  oder  auch 
vor  dem  Uterus  einen  Tumor  von  den  bekannten  Qualitäten  eines 
Hämatoms  und  ergibt  sich  bei  weiterer  Beobachtung,  dass  die 
Blutung  steht,  so  ist  im  allgemeinen  keine  Gefahr  im  Verzug  und 
Eile  nicht  dringend.  Das  zu  wissen,  ist  für  den  Praktiker  sehr 
wichtig,  wenn  die  äusseren  Verhältnisse  einen  Transport  un¬ 
möglich  resp.  wegen  Gefahr  erneuter  Blutung  nicht  ratsam 
machen.  In  kurzer  Zeit  erstarrt  das  Hämatom  und  auch  die 
Kranke  erholt  sich  von  der  akuten  Anämie  so,  dass  die  Ueber- 
führung  in  eine  Krankenanstalt,  die  stets  zu  empfehlen  ist,  ohne 
Besorgnis  bewirkt  werden  kann.  Ganz  anders  bei  noch  andauern¬ 
der  oder  attackenweise  unter  wehenartigen  Schmerzen  wieder 
auftretender  innerer  Blutung;  hier  tut  baldigste  Hilfe  not,  einerlei 
ob  man  einen  Tumor  nachweisen  kann  oder  nicht;  hier  ist  ent¬ 
weder  das  Ei  noch  nicht  eliminiert  oder  es  blutet  trotz  totaler 
oder  partieller  Elimination  weiter;  je  nach  dem  Zustande  der 
Kranken  und  je  nach  den  äusseren  Verhältnissen  ist  dann  der 
Transport  zu  wagen  oder  es  muss  an  Ort  und  Stelle  operiert 
werden. 

So  sehr  aber  dem  Praktiker  die  grösste  Vorsicht  und  Auf¬ 
merksamkeit  bei  der  Behandlung  dieser  Ausgänge  der  Extrauterin¬ 
schwangerschaft  anzuraten  ist,  so  darf  man  ihm  doch  zur  Be¬ 
ruhigung  in  ungünstiger  äusserer  Situation  sagen,  dass  der  akute 
Verblutungstod  bei  der  ektopischen  Gravidität  der  ersten  Monate 


1284 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


ein  relativ  seltenes  Ereignis  ist,  dass  die  Gefahr  durch  das. 'Viel¬ 
operieren  überhaupt  grösser  erscheint,  als  sie  in  \\  irklichkeit  ist, 
und  dass  man  den  Ausgang  mit  Bildung  einer  Blutgescliwulst  mit 
vollem  Recht  als  den  Beginn  einer  Naturheilung  ansehen  darf.  ^ 

Ich  bin  eben  dabei,  zur  Verteidigung  der  exspektativen  The¬ 
rapie  auf  verschiedene  neuere  Arbeiten  zu  antworten  und  habe 
bei  der  dazu  nötigen  neuerlichen  Durchsicht  meines  Materiales 
meine  früheren  Erfahrungen  nur  durchaus  bestätigt  gefunden. 
Von  über  200  Fällen  habe  ich  nur  ca.  70  operieren  müssen.  Wenn 
man  immer  wieder  Einwendungen  und  Zweifel  bezüglich  der 
Richtigkeit  der  Diagnose  der  nichtoperierten  Fälle  erhebt,  so  hat 
das  eigentlich  etwas  Beschämendes,  dass  man  die  Kunst  des  er¬ 
fahrenen  Gynäkologen  so  niedrig  bewertet;  zweifelhafte  Falle 
lassen  sicli  zudem  doch  stets  durch  eine  Punktion  vom  Scheiden- 
gewölbe  aus  aufklären.  Die  Probekürettage  ist  als  unsicher  und 
gefährlich  zu  diesem  Zweck  zu  widerraten,  aber  auch  \on  dei 
Punktion  darf  nur  unter  grössten  Kautelen  eine  geübte  Hand 
Gebrauch  machen;  es  sind  das  also  Encheiresen,  die.  man  füi  die 
Praxis  nicht  empfehlen  darf.  Wenn  es  nun  Fehling  und  mit 
gelang,  in  über  00  Proz.  der  Fälle  das  exspektative  Verfahren, 
ohne  eine  einzige  Kranke  zu  verlieren,  durchzuführen,  wenn  \\  eitel 
diese  Erfahrungen  durch  Versuche  an  anderen  grösseren  Kli¬ 
niken,  so  neuerdings  der  Leipziger,  auch  der  K  ö  n  i  g  s  - 
berger,  ihre  Bestätigung  fanden,  so  wird  die  Berechtigung  des 
Standpunkts,  prinzipiell  die  ektopische  Gravidität  in  allen  Sta- 
dien  zu  operieren,  auch  für  die  klinische  Therapie  tiotz  allei 
günstigen  primären  Erfolge  hinfort  nicht  mehr  anerkannt  werden 
können.  Alle  Gründe,  welche  man  sonst  noch  gegen  die  ex¬ 
spektative  Behandlung  angeführt  hat,  wie  die  längere  Heilungs¬ 
dauer,  die  Nachkrankheiten  etc.,  sind  hinfällig;  man  kann  es  einer 
Hämatocele  nicht  von  vornherein  ansehen,  wie  lange  Zeit  zur  Re¬ 
sorption  vergehen  wird,  und  ebensowenig  lassen  sich  Nachkrank¬ 
heiten  bei  einer  sonst  Gesunden  voraussehen.  Es  ist  zu 
hoffen,  dass  das  Vieloperieren  auf  diesem  Gebiete  die  nötige  Ein¬ 
schränkung  erfährt,  zumal  der  scheinbar  unschuldigere  vaginale 
Weg  vielfach  versagt  und  zu  sehr  radikalen  Operationen  (Ent¬ 
fernung  des  gesunden  Uterus  etc.)  gezwungen  hat.  Die  Laparo¬ 
tomie  aber,  die  also  für  die  grosse  Mehrzahl  der  1  alle  v  on 
ektopischer  Gravidität  notwendig  ist,  hat  in  ihren  Konsequenzen, 
so  gut  die  primären  Erfolge  sein  mögen,  so  viel  Bedenkliches, 
dass  man  sie  da  unterlassen  resp.  aufschieben  wird,  wo  das  ohne 
Risiko  geschehen  kann,  und  das  ist  bei  den  meisten  peritubaren 
Hämatomen,  Ligamenthämatomen  und  Hämatocelen  der  Fall. 
Hat  man  den  Fall  in  der  Klinik,  so  kann  man  alle  weiteren  Even¬ 
tualitäten  (der  neuerlichen  Blutung,  der  Verjauchung  etc.)  mit 
Ruhe  entgegensehen  und  stets  rechtzeitig  intervenieren,  kommt  es 
aber  in  angemessener  Zeit  nicht  zur  Resorption,  fehlen  jedoch 
alle  bedrohlichen  Erscheinungen,  so  steht  der  Kranken  allein  die 
Entscheidung  zu,  ob  sie  operiert  werden  soll;  der  Aizt  hat  heut¬ 
zutage,  wo  auch  für  den  Aermsten  eine  gute  Krankenhauspflege 
erwirkt  werden  kann,  jedenfalls  nicht  das  Recht,  lediglich  aus 
Rücksicht  auf  die  soziale  Lage  und  möglichste  Sparsamkeit  einer 
solchen  Kranken  die  Laparotomie  als  ein  unabwendbares  M  u  s  s 

hinzustellen.  . 

Herr  Siedentopf  entgegnet  Herrn  W  egr  a  d,  der  in  den 
ersten  Monaten  nur  bei  lebender  Frucht  operieren  will,  dass  dieser 
Standpunkt  wohl  allgemein  verlassen  sei.  Zunächst  sei  es  sehr 
schwer,  mit  Sicherheit  den  Tod  der  Frucht  festzustellen,  da  ja  die 
uterine  Blutung  kein  zuverlässiges  Symptom  dafür  sei,  und  sodann 
habe  ja  F.  ausgeführt,  dass  die  Gefahr  der  Ruptur  mit  dem  Tode 
der  Frucht  nicht  aufhöre,  sondern  vielmehr  mit  der  bei  der  Aus- 
stossung  der  toten  Frucht  eintretenden  Blutung  erst  ihren  Höhe¬ 
punkt  erreiche.  Die  Fälle,  in  denen  wir  in  den  ersten  Monaten 
noch  eine  lebende  Frucht  bei  unseren  Operationen  vorfinden,  ge¬ 
hören  zu  den  grössten  Seltenheiten,  die  Rupturen,  welche  wir  je¬ 
doch  zu  dieser  Zeit  beobachten,  sind  recht  zahlreich.  Sch  a  u  t  a 
stellte  aus  der  Literatur  626  Fälle  von  Extrauteringravidität  zu¬ 
sammen  mit  einer  Gesamtmortalität  von  41  Proz.  ln  241  Fällen 
wurde  nicht  operiert  und  die  Mortalität  betrug  GS  Proz.,  in  385 
Fällen  wurde  operiert  und  die  Mortalität  betrug  23,6  Proz.  Es 
ist  mithin  falsch,  bei  der  geringen  Gefahr,  die  heute  der  operative 
Eingriff  bei  einem  noch  in  der  Tube  legenden  Ei  in  sich  birgt,  ab¬ 
zuwarten,  ob  eine  Ruptur  eintritt  oder  nicht.  Der  Ausspruch 
W  e  r  t  h  s,  dass  jeder  ektopische  Fruchtsack  der  ersten  Monate 
wie  eine  bösartige  Geschwulst  zu  behandeln  sei  und  ohne  Rück¬ 
sicht:  auf  das  Leben  der  Frucht  entfernt  werden  müsse,  besteht 
auch  heute  noch  zu  Recht. 

Herrn  T  li  o  r  n  gibt  S.  zu,  dass  es  in  vielen  Fällen  leicht  sei, 
zumal  wenn  man  die  Punktionsnadel  zu  Hilfe  nehme,  eine  Hämato¬ 
cele  oder  ein  Hämatom  zu  diagnostizieren,  da  man  aber  bei  den 
solitären  Hämatocelen  um  das  abdominale  Tubenostium  herum 
dieses  Hilfsmittel  nicht  anwenden  könne  und,  da  in  diesen  Fällen 
diagnostische  Irrtümer  sehr  häufig  Vorkommen,  so  müsse  eine 
ganz  strenge  Statistik  nur  die  Fälle  als  Extrauteringravidität  auf¬ 
zählen,  in  denen  die  Operation  oder  die  Sektion  die  Diagnose  be¬ 
stätigt  hat. 

Herr  H  i  1  g’  e  r  erstattet  Bericht  über  Studien,  welche  er 
in  Gemeinschaft  mit  van  der  B  r  i  e  1  e  auf  der  chirurgischen 
Station  der  Krankenanstalt  Sudenburg  (Oberarzt  Dr.  Habs) 
über  die  Nachempfindung-en  nach  Amputationen  gemacht  hat. 
Vorir.  versteht  darunter  die  nach  der  Amputation  fortbestehende 


Empfindung  des  Patienten,  die  amputierte  Extremität  noch  in 
takt  zu  haben.  —  Während  man  bisher  wohl  allgemein  diese  Nach- 
emphndungen  auf  Reizungen  zurückgeführt  hat,  welche  von  den 
abgeschnittenen  Nervenstümpfen  ausgehen  und  nach  dem  Gesetze 
der  spezifischen  Sinnesenergie  von  dem  Patienten  falsch  projiziert 
werden,  fanden  die  Beobachter,  dass  bei  einer  Anzahl  von  Patien¬ 
ten  keinerlei  Reizerscheinungen  seitens  der  Nervenstümpfe  be¬ 
standen  und  doch  die  Nachempfindungen  deutlich  hervortraten. 
Die  Patienten  gaben  an,  ihre  fehlende  Extremität  als  völlig  ge¬ 
sunden.  normalen  Körperteil  zu  empfinden,  z.  B.  gab  ein  Patient 
an,  dass  sich  sein  fehlender  I  uss  nur  dadurch  von  dem  gesunden 
Fuss  der  andern  Seite  unterscheide,  dass  er  sich  „molliger“  an- 
fühle,  weil  er  „unbekleidet“  sei.  In  solchen  Fällen  ist  doch  die 
Annahme  eines  Reizzustandes  gänzlich  auszuschliessen.  Ein 
Patient,  welcher  wegen  mangelhafter  Stumpfbildung  an  quä¬ 
lenden  Schmerzen  litt,  wurde  reamputiert.  Er  hatte  nach  der 
Reamputation  die  Empfindung  des  alten  Stumpfes  mit  seinen 
Schmerzen  noch  so  lebhaft,  dass  er  vor  dem  Verbandwechsel  zu¬ 
nächst  bezweifelte,  dass  überhaupt  eine  Operation  bei  ihm  vor¬ 
genommen  sei.  Es  wurden  noch  mehrere  Fälle  beobachtet,  wo 
Schmerzen,  welche  vor  der  Amputation  von  dem  Patienten  em¬ 
pfunden  waren,  nach  der  Amputation  noch  genau  ebenso  lästig 
und  unangenehm  perzipiert  wurden.  Die  Beobachter  geben  fol 
gende  Erklärung:  Bei  jedem  Menschen  erzeugt  der  Reiz  (Tast-, 
Druck-,  Wärme-,  etc.,  eventuell  Schmerzempfindung),  den  die 
Extremität  in  dem  Lebensabschnitt  vor  der  Amputation  auf  die 
Grosshirnrinde  ausübt,  dort  ein  Erinnerungsbild,  welches  auch 
nach  der  Amputation  fortlebt  und  bei  seiner  grossen  Intensität 
dann  als  Empfindung  perzipiert  wird.  Diese  Täuschung  kann 
wohl  nicht  anders  wie  als  Halluzination  bezeichnet  werden,  deren 
Vorkommen  bei  geistig  durchaus  normalen,  im  vollen  Wach¬ 
zustände  befindlichen  Menschen  hohes  theoretisches  und  prak¬ 
tisches  Interesse  hat.  —  Werden  am  Amputationsstumpfe  die 
Nervenstämme  (mechanisch  oder  faradisch)  gereizt,  so  empfindet 
der  Patient  in  manchen  Fällen  diesen  Reiz  in  der  fehlenden  Ex¬ 
tremität.  In  anderen  Fällen  wird  der  künstliche  Reiz  richtig  in 
den  Stumpf  lokalisiert;  letzteres  kommt  namentlich  vor,  wenn 
seit  der  Amputation  eine  längere  Zeit  verflossen  ist.  Die 
Psyche  des  Patienten  verhält  sich  verschieden  zu  den  Halluzina¬ 
tionen.  In  manchen  Fällen  klagen  die  Patienten  über  das  Be¬ 
fremdende  dieser  Nachempfindungen,  können  dieselben  aber  nicht 
ignorieren.  In  einem  Falle  dagegen  verschwand  die  Nachempfin¬ 
dung  sofort,  als  Pat.  sich  beim  ersten  V erbandweehsel  iibeizeugtr, 
dass  er  das  Opfer  einer  Täuschung  gewesen  sei.  —  Vortragender 
beleuchtet  die  Tragweite  dieser  Beobachtungen  für  die  Beur¬ 
teilung  der  traumatischen  Neurose,  des  halluzinatorisch  fort¬ 
bestehenden,  ursprünglich  organisch  bedingten  Schmerzes  und 
namentlich  für  die  Beurteilung  der  Heilung  solcher  Zustände. 


Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  diese  Zustände  nicht 
durch  eine  somatische,  sondern  nur  durch  eine  psychische  The¬ 
rapie  (Aufklärung  über  den  Sachverhalt  event.  Suggestion)  ge¬ 
heilt  werden  können. 

Der  Vortrag  wird  in  extenso  in  der  „Deutschen  Zeitschrift 
für  Chirurgie“  veröffentlicht  werden.  —  Es  wird  beabsichtigt, 
I  m torsm-lmmren  fortzusetzen. 


Unterelsässischer  Aerzteverein. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  v  o  m  21.  J  uni  1902. 

Herr  Naunyn:  Nachruf  für  Kussmaul. 

Vortragender  beleuchtet  in  seinen  Ausführungen  besonders 
die  Wirkung  des  berühmten  Strassburger  Klinikers  auf  seine 
Umgebung,  wie  sie  nur  aus  einem  Eingehen  auf  die  Eigenart  der 
Persönlichkeit  K  ussniauls  ganz  verständlich  wird.  Was  K. 
heraushob  aus  der  Schaar  seiner  Fachgenossen  war,  das  er  es  vor¬ 
zog,  mit  Leib  und  Seele  Arzt  zu  sein,  statt  die  Führung  an  der 
Spitze  der  medizinischen  Welt  zu  nehmen.  Auf  den  Gebieten  der 
Ophthalmologie,  der  Neurologie,  der  Gynäkologie  war  Iv.  nicht 
weniger  zu  Hause,  wie  auf  seinem  eigendsten,  der  inneren  Medi- 
zin.  Unvergängliche  Meisterwerke  zeugen  davon.  Ueberall  aber, 
in  seinen  Lehren,  sei’s  im  Hörsaal,  sei’s  am  Krankenbett,  sei  s 
in  den  zahlreichen  Forschungsergebnissen  sehen  wir  K.  stolz  sich 
in  erster  Linie  als  Arzt  fühlen.  Aber  er  gehörte  zu  den  gott¬ 
begnadeten  Aerzten,  die  der  Diagnostik,  der  Symptomatologie 


29.  Juli  1902. 


MHENOIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


das  gleiche  Interesse,  die  gleiche  Meisterschaft  eu tgegenbrach teil , 
wie  der  Therapie.  Und  in  gleicher  Weise  hat  er  befruchtend  ge¬ 
wirkt  auf  allen  Gebieten  seiner  Tätigkeit.  Man  gedenke  nur 
seiner  Arbeiten  über  die  Thoracocenthese,  über  das  Coma  dia- 
beticum,  die  Behandlung  der  Gastrektasie  mit  der  Magenpumpe, 
und  der  zahlreichen  Arbeiten,  wie  sie  Heiner  vollzählig  zu- 
sammenstellte.  Vor  allem  aber  war  Iv.  ein  Meister  in  der  Kran¬ 
kenbeobachtung  und  tonangebend  in  der  Kasuistik,  wie  sie  heute 
zu  der  gründlichen  Kenntnis  der  schwierigsten  Svmptomen- 
komplexe  geführt  hat,  ohne  welche  der  Kliniker  zum  vollen 
Können  nicht  gelangt.  „K  u  s  s  m  a  u  1  s  kasuistische  Arbeiten 
sind  mustergültig,  gehaltreich,  klar  und  zuverlässig,  wie  er 
selber !“  Ohne  je  im  geringsten  die  Bedeutung  der  Anatomie  und 
Physiologie  für  die  Erkenntnis  des  Krankheitsbildes  zu  ver¬ 
kennen,  in  bewundernswerter  Beherrschung  der  Literatur  des  In- 
und  Auslandes  hisst  er  die  Entscheidung  über  den  Einzelfall 
iininei  dem  Fazit  der  Krankenbeobachtung'.  Er,  wie  kein  anderer 
lieferte  den  glänzenden  Beweis,  dass  mit  höchstem  Erfolg  der 
hochstehende  Kliniker  zugleich  auch  der  beste  Arzt  sein  kann. 

Herr  Paul  Asch  spricht  über :  Die  cystoskopische  Dia¬ 
gnose  der  Blasengonorrhoe.  Nachdem  er  die  Cystoskopie  bei 
der  akuten  Blasengonorrhoe  für  unstatthaft  erklärt,  weist  er  auf 
deren  Bedeutung  für  die  Diagnose  der  chronischen  Blasen- 
gonoiihoe  hin,  die  oft  jahrelang  nach  dem  akuten  Tripper  auf- 
tictend,  bei  oft  fehlendem  Ai  ach  weis  der  Gonokokken  nur  durch 
das  Cystoskop  nachweisbar  ist.  Zwei  mitgeteilte  Beobachtungen 
dienen  zur  Illustration  dieser  Tatsache.  Charakteristisch  sind 
die  inselförmigen  Entzündungszonen,  wie  sie  hier  und  in  den 
Beobachtungen  von  N  i  t  z  e,  Kolischer,  Kutner  u.  a. 
festgestellt  wurden.  Bei  der  Blasentuberkulose  ergibt  die  Cysto¬ 
skopie  statt  ihrer  lokalisierte  Blutextravasate  resp.  Geschwüre. 
Auch  der  Erfolg  der  Arg.  nitricum-Spülungen,  welche  den  In¬ 
stillationen  vorzuziehen  sind,  spricht  gegen  die  Diagnose  der 
Blasentuberkulose. 

Herr  W  o  1  f  f  demonstriert  verschiedene  Arten  der  Alopezie 
im  Kindelalter. 

Herr  Albert  Brian  zeigt  sehr  interessante  Verkleinerungen 
von  Radiogrammen;  z.  P,.  von  einseitiger  Zwerchfellslähmung  bei 
traumatischer  Lähmung  der  0.  Zervikalwurzel  —  Typus  Erb- 
Klump  ke  — ,  von  Pleuraschwarten,  Pyopneumothorax,  Lungen- 
plithise,  Steinhauerlunge.  Bedeutungsvoll  für  die  Erklärung  von 
Anomalien  des.  Herz-Sternum-Schattens  sind  Radiogramme  von 
1  enkarditis,  idiopathischer  Herzhypertrophie,  Aortenaneurysmen, 
suhstemaler  Struma,  beginnender  Senkungsabszesse  bei  Spon¬ 
dylitis  dorsalis.  Daran  reihen  sich  Bilder  von  Coxa  vara,  kon¬ 
genitaler  Hüftgelenksluxation.  Spontanfraktur  des  Oberschenkels 
Jj'Ä  -Gibes  dorsalis,  einer  Schraube  in  der  Regio  ileo-öoecalis  eines 
-jährigen  Kindes.  Zum  Schluss  demonstriert  er  Bilder  von 
Gallensteinen,  welche  am  Lebenden  mittels  der  Albers- 
S  c  li  ö  n  b  e  r  g  sehen  Blende  erzielt  wurden. 

Herr  Kien  spricht  über:  Die  paroxysmale  Tachykardie. 

Vortragender  konnte  auf  Grund  seiner  Erfahrungen  in 
seinen  Fällen  nur  eine  Neurose  des  Vagus  auf  neurasthenischem 
Boden  (D  e  b  o  v  e)  oder  das  Aequi  valent  eines  epileptischen  An¬ 
falles  im  tachykarditischen  Anfall  zur  Erklärung  der  Aetiologie 
gelten  lassen  (T  a  1  a  m  o  n  und  Leeorche).  Von  Digitalis¬ 
behandlung  kann  hier  keine  Rede  sein,  eine  Herz-  oder  Gefäss- 
läsion  besteht  nicht,  die  Therapie  muss  der  Verwandtschaft  des 
Krankheitsprozesses  mit  der  Neurasthenie  resp.  Epilepsie  Rech¬ 
nung  tragen. 


1285 


Aus  den  englischen  medicinischen  Gesellschaften. 

Royal  Medical  and  Chirurgical  Society. 

Sitzung  V  o  m  27.  M  a  i  u  n  d  10.  .7  u  n  i  1902. 

Lepra. 

J.  Ton  k  in  sprach  über  die  Entstehungsweise  der  Lepra 
""  ►Sudan,  wobei  er  namentlich  auf  die  Uebertragung  des  Leidens 
mircli  gebrauchte  Kleidungsstücke  hinwies.  Die  ärmeren  Klassen 
dort  nehmen  und  gebrauchen  Zeug  von  notorischen  Lepra  kranken 
last  ohne  alle  Vorsichtsmassregelu.  Diese  Bekleidungsstücke  be¬ 
stellen  oft  nur  aus  einem  einfachen  Lendentuch,  das  bei  Tag  und 
j  getragen  wird,  und  da  die  Eingeborenen  meist  auf  sehr 

i.iiter  Unterlage  schlafen,  so  kann  sehr  leicht  ein  Eindrücken  in- 
tektioser  Stoffe  in  etwaige  Erosionen  stattfinden.  Nament¬ 
lich  sieht  man  oft  im  Sudan  den  ersten  Anfang  des  Leidens  an 
den  durch  die  knöcherne  Unterlage  prominenteren  Teilen.  Dabei 
kommt  hinzu  ein  Manko  in  Bezug  auf  stickstoffhaltige  Nahrung, 
sowie  eine  geringere  Vitalität  der  peripheren  Gewebe,,  wie  dies 
hei  tropischen  Völkern  die  Regel  ist,  und  die  ihrerseits  zu  der 


(z  B.  bei  den  Hindus  so  häutigen)  grossen  Neigung  zur  Geselnvürs- 
bildung  bei  geringfügigen  Verletzungen  führt. 

.7.  Hutchinson  sen.  sprach  über  seine  Beobachtungen 

i  V  !’  me,r  g"te“  Hoftmiu-  lmd  i»  Natal  und  begründete  seine 
bekannte  Theorie  dass  die  Verwendung  von  Fischen  als  Nahrungs¬ 
mittel  eine  Hauptrolle  m  der  Aetiologie  der  Lepra  spiele  Er  unter- 

rin-me  I-  ‘Vw*-1',  ,ZWei  ,Arteu  der  Entstehung  der  Lepra,  einmal 
dnedvt  die  Entwicklung  des  Leidens  de  novo  durch  dieses  Nalirungs- 
nnttel  und  zweitens  die  „kommensale  Uebertragung“  durch  Genuss 
von  gesalzenen  Fischen,  welche  durch  Lepröse  durch  Berührung 
bazillär  infiziert  seien.  In  der  Kapkolonie  glaubt  er  die  erstere, 
direkte  Entstehung  nachgewiesen  zu  haben,  im  Natalgebiet  sei  die 
zweite  Entstehungsart  wohl  anzunehmen. 

G.  A.  Ha  n  sen- Bergen  erklärt  Lepra  klipp  und  klar  für  ein 
kontagioses  Leiden.  In  Norwegen  wird  heutzutage  ebensoviel 
I'  ischnahrung  verzehrt  wie  jemals,  und  doch  ist  die  Krankheit  in 
der  Abnahme  begriffen.  Dies  sei  auf  die  zwangsweise  Durch 
fuhrung  der  Isolierung  zurückzuführen.  Die  Zahl  der  Kranken 
sei  auf  ein  I  iinftel  des  früheren  Bestandes  zurückgegangen. 

G.  Th  in  weist  auf  einen  in  Dublin  vorgekommenen  Fall 
hin.  Der  Patient  war  offenbar  von  seinem  Bruder,  der  die  Krank¬ 
heit  hi  Westindien  akquiriert  hatte,  infolge  engsten  Zusammen¬ 
lebens  mit  ihm  infiziert  worden.  Ausser  diesem  Fall  führte  er 
noch  verschiedene  analoge  Beobachtungen  an.  Die  Nahrung  spricht 
sehr  wenig  mit.  T.  hat  vergeblich  versucht,  durch  stickstoffreiche 
Nahrung  eine  Besserung  des  Leidens  zu  erzielen. 

H  a  n  s  e  n  glaubt,  dass  die  Infektion  in  der  Regel  durch  die 
Haut  hindurch  stattfindet. 

!’•  V  a  n  s  o  n  erkennt  auch  die  Ivontagiositiit  an. 

V  .  R.  Iv  ynse  y  berichtet,  dass  getrocknete  Fische  in  enor¬ 
men  Mengen  auf  Ceylon  gegessen  werden,  dass  aber  Lepra  dort 
fast  unbekannt  sei.  An  der  Küste  komme  die  Affekt ion  häufiger 
vor.  In  manchen  Fällen  scheine  das  Impfen  mit  der  Lepra  in 
Beziehung  zu  stehen.  Vielleicht  gehen  die  Bazillen  auch  in  die 
Milch  über. 

Hansen:  Für  diese  beiden  letzten  Vermutungen  findet  man 
in  Norwegen  durchaus  keine  Bestätigung. 

L.  Brunto  n  weist  auf  U  n  n  a  s  Beobachtung  hin,  dass  eine 
Verminderung  der  Alkaleszenz  des  Blutes  der  Ausbreitung  der 
leprösen  Geschwüre  entgegen  wirkt.  Es  sei  demnach  möglich,  dass 
die  Fischnahrung  die  Entstehung  der  Krankheit  fördere,  da  sie 
weniger  N-lialtig  sei  oder  weil  sie  vielleicht  Substanzen  enthalte 
(wie  das  Trimethylamin  der  Heringslake),  welche  das  Wachsen  der 
Bazillen  begünstigen. 

G.  A.  Heron  hat  als  Mitglied  eines  Untersuchungskomites 
in  Indien  gefunden,  dass  die  meisten  dortigen  Patienten  niemals 
Fische  gegessen  hatten.  Philippi-Bad  Salzschlirf. 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Bayerischer  Landtag. 

Das  Plenum  der  Abgeordnetenkammer  hat  den  Kultusetat, 
soweit  er  die  Landesuniversitäten  betrifft,  durchberaten  und  ohne 
wesentliche  Debatte  folgende  von  der  Regierung  gestellten  Neu¬ 
forderungen  für  je  ein  Etatsjahr  bewilligt. 

a)  Bei  der  Universität  München: 

Für  die  Polikliniken  im  Reisingerianum:  im  ordentlichen 
Etat  GS00  M.,  im  ausserordentlichen  Etat  pro  Jahr  4400  M.;  zur 
Erhöhung  des  Realetats  des  hygienischen  Instituts  3000  M.;  für 
physiologische  Kurse  infolge  der  neuen  Prüfungsordnung,  im  ausser¬ 
ordentlichen  Etat  3000  M.;  zur  Erhöhung  des  Realetats  des  patho¬ 
logischen  Instituts  3000  M. ;  zur  Erhöhung  des  Realetats  für  die 
otiatrische  Klinik  3000  M.;  zur  Erhöhung  des  Realetats  der  Ana¬ 
tomie  2000  M. ;  zur  Gewährung  des  Gehalts  eines  ausserordent¬ 
lichen  Professors  an  den  Leiter  der  pädiatrischen  Poliklinik 
2400  M. ;  für  Vorlesungen  über  gewerbliche  Hygiene  1200  M. ;  zur 
Erhöhung  des  Realetats  der  Frauenklinik  7  500  M. 

Ferner  für  Errichtung  einer  Irrenklinik  an  der  Universität 
München  1200  000  M.  als  erste  Rate,  der  noch  eine  weitere  von 
300  000  bis  400  000  M.  für  den  Bau  selbst,  die  innere  Einrichtung 
und  die  wissenschaftlichen  Apparate  in  der  nächsten  Session  folgen 
wird. 

b)  Bei  der  Universität  W  ii  r  z  b  u  r  g: 

Zur  Erhöhung  der  Realexigenz  des  hygienischen  Institutes 
1000  51.;  zur  Erhöhung  der  Realexigenz  des  pathologischen  In¬ 
stitutes  500  51. :  für  die  Augenklinik:  a)  zur  Erhöhung  der  Real¬ 
exigenz  14  000  M. ;  b)  Anstellung  eines  Heizers  1020  51.;  zur  Auf¬ 
stellung  eines  weiteren  Assistenten  an  der  chirurgischen  Klinik 
G50  51.;  zur  Aufstellung  eines  weiteren  Assistenten  an  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  650  51.;  zur  Erhöhung  des  Realetats  der  otiatri- 
selien  Klinik  1000  51.;  zur  elektrischen  Ausstattung  des  physio¬ 
logischen  Instituts  durch  Anschluss  an  die  städtische  Elektrizitäts¬ 
anlage,  im  ausserordentlichen  Etat  4600  51.;  zur  Vorbereitung  eines 
Neubauprojektes  für  die  Kliniken  im  Juliusspital,  im  ausserordent¬ 
lichen  Etat  5000  M. 

(Die  Entwicklung  der  schwierigen  rechtlichen  Verhältnisse  — 
siehe  1902,  No.  15  — ,  die  Frage  des  Bauplatzes  und  der  künftigen 
Organisation  der  Kliniken,  speziell  auch  die  Errichtung  von  Doppel¬ 
kliniken,  werden  durch  diese  Beschlussfassung  nicht  berührt.) 


No.  30. 


12S6 


MUEN CIIENER  MEDIC1N1SCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


c)  Bei  <1  e  r  Universit  ä  t  Erlange  n: 


Zur  Erhöhung  des  Realetats  für  das  Krankenhaus  4010  M.; 
für  einen  dritten  Assistenten  bei  der  medizinischen  Klinik  1080  M.; 
y.uv  Erhöhung  des  Realetats  für  die  Frauenklinik  12  000  M.;  zur 
Erhöhung  des  Realetats  für  das  anatomische  Institut  500  M.;  zur 
Erhöhung  des  Realetats  für  die  chirurgische  Klinik  15  800  M.;  für 
einen  Assistenten  bei  der  Chirurg.  Klinik  1500  M.;  zur  Umwand¬ 
lung  einer  ausserordentl.  Professur  (für  Hygiene)  in  der  medizin. 
Fakultät  in  eine  ordentliche  Professur  1380  M. ;  für  die  psych¬ 
iatrische  Klinik:  a)  zur  Trennung  der  Professur  für  Psychiatrie 
von  der  Stelle  des  Oberarztes  an  der  Kreisirrenanstalt  3000  M., 
b)  für  einen  Assistenten  1140  M..  c)  für  sachliche  Bedürfnisse 
500  M.  Für  einen  Aufzug  in  der  Frauenklinik  10  000  M.:  für  An¬ 
schluss  der  ITuiversität  Erlangen  an  das  städtische  Elektrizitäts¬ 
werk  14  850  M.  Ferner  zum  Neubau  eines  pathologischen  Institutes 
323  000  M.  und  zur  Adaptur  der  alten  Anatomie  für  Zwecke  des 
physiologischen  Institutes  30  000  M. 

Für  die  laufende  Session  steht  noch  ein  grösseres  Projekt 
aus,  der  Neuhau  der  Augenklinik,  des  Iteisiugerianums  und  der 
Anatomie  in  München.  Im  Finanzausschüsse  wurden  bis  jetzt 
nur  die  Missstände  in  diesen  drei  Instituten  besprochen  und  an¬ 
erkannt.  ein  definitiver  Beschluss  aber  noch  nicht  gefasst.  AI it 
dem  Neubau  einer  Anatomie  müsste  jedenfalls  auch  die  Errichtung 
eines  gerichtlich -  medizinischen  Institutes  ver¬ 
bunden  werden.  Nach  der  neuen  Prüfungsordnung  muss  jeder 
Mediziner  eine  Vorlesung  über  gerichtliche  Medizin  hören,  während 
der  Vorbereitung  zur  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst 
sollen  theoretische  und  praktische  Kurse  gehalten  werden:  es 
müssten  daher  auch  die  nötigen  Räume  und  Unterrichtsmaterialien 
beschafft  werden,  um  den  künftigen  Aerzten.  insbesondere  den 
Amtsärzten,  die  unbedingt  notwendige  praktische  Ausbildung  in 
weiterem  Umfange  als  bisher  ermöglichen  zu  können. 

lieber  die  Zwangspensionierung  von  Professoren,  Lehrern  und 
Leitern  von  Anstalten  wurden  im  Plenum  keine  neuen  Gesichts¬ 
punkte  mehr  vorgebracht.  Auch  der  Streit,  ob  die  humanistische 
oder  realistische  Vorbildung  vorzuziehen  sei,  führte'  zu  keiner 
Einigung;  die  erweiterte  Zulassung  der  Frauen  zum  akademischen 
Studium  wurde  von  den  Abgeordneten  Dr.  Casselmann  und 
Dr.  Siben  warm  befürwortet. 

Der  Abgeordnete  v.  Land  mann  nahm,  wie  schon  in  früheren 
■Jahren.  Stellung  gegen  die  Vivisektion  und  stützte  sieh  zum 
Teil  auf  eine  Petition  des  „Vereins  gegen  Vivisektion  und  sonstige 
Tierquälerei“,  die,  wie  aus  Abgeordnetenkreisen  bemerkt  wurde, 
absichtliche  Entstellung  von  Tatsachen  enthält  und  als  ein  Pam¬ 
phlet  sich  darstellt.  Dass  eventuelle  Missbrauche  des  Tierexperi¬ 
ments  von  den  Aerzten  selbst  entschieden  missbilligt  und  ver¬ 
urteilt.  werden,  ist  ebenso  bekannt,  wie  dass  in  Bayern  und  gerade 
in  München  die  von  der  Staatsregierung  erlassenen  Vorschriften 
auf  das  Allerpeinlichste  und  Gewissenhafteste  eingehalten  werden. 
Auch  dem  Kultusminister  war  etwas  Gegenteiliges  nicht  bekannt. 
Uebrigens  sollen  die  Fakultäten  über  die  in  der  Petition  be¬ 
haupteten  Tatsachen  einvernommen  werden;  bis  zum  Abschluss 
dieser  Erhebungen  unterbleibt  nach  Beschluss  des  Petitionsaus¬ 
schusses  eine  Erörterung  im  Plenum.  Während  der  Kultusminister 
der  Ansicht  war,  dass  Vivisektionen  zum  Zwecke  von  Demonstra¬ 
tionen  unnötige  Tierquälereien  wären  und  solche  nur  zu  For¬ 
schungszwecken  vorgenommen  werden  sollten,  betonten  die  Ab¬ 
geordneten  Casselm  a  n  n  und  Dr.  II  au  b  e  r  die  Notwendigkeit 
solcher  Experimente;  auch  der  Physiker  und  der  Chemiker  müssen 
wissenschaftlich  feststehende  Tatsachen  immer  wieder  ihren 
Hörern  experimentell  vorführen;  was  man  nur  aus  Büchern  weiss, 
haftet  nicht  so  fest  und  sicher,  als  was  man  mit  eigenen  Augen 
schaute.  Es  liiesse  der  Wissenschaft  Fesseln  anlegen,  wenn  nach 
dem  Vorschläge  des  Abgeordneten  v.  L  a  n  d  m  a  n  n  eine  „nicht 
einseitig  gebildete“  Kommission  darüber  zu  befinden  hätte,  welche 
Experimente  zulässig  wären  und  „unter  den  nötigen  Kautelen  auf 
der  Universität  im  Interesse  der  Wissenschaft  und  ohne  Beiziehung 
von  jungen  Studenten  ausgeführt  werden  dürften.“ 

Aus  Bamberg  war  eine  Petition  eingelaufen,  auf  sämtlichen 
Universitäten  des  Königreiches  L  ehrs  t  ü  h  l.e  für  Hydro¬ 
therapie  und  die  übrigen  physikalischen  Heil- 
m  ethoden  —  das  sogen.  Naturheilverfahren  —  einzurichten, 
und  damit  begründet,  dass  die  Vorbildung  der  Aerzte  in  fast  allen 
Zweigen  der  Naturheilmethode  eine  durchaus  ungenügende  sei, 
das  Publikum  jedoch  eine  grosse  Vorliebe  für  und  ein  grosses  Ver¬ 
trauen  zu  diesen  Heilfaktoren  habe  und  vielfach  nur  auf  Laien¬ 
praktiker  angewiesen  sei.  Seitens  des  k.  Staatsministeriums  wurde 
bemerkt,  dass  in  München  und  Würzburg  bereits  eigene  Pro¬ 
fessuren  für  Hydrotherapie  bestehen,  in  München  ausserdem  im 
Krankenhause  links  der  Isar  eine  musterhafte  Heilanstalt  sei.  im 
Neubau  der  medizinischen  Klinik  zu  Erlangen  ein  besonderer 
Raum  für  die  modernen  Arten  aller  Duschen  und  Bäder  nebst  einer 
Einrichtung  für  Elektrotherapie  vorgesehen  sei  und  in  Wtirzburg 
im  Zusammenhänge  mit  dem  Klinikneubau  die  erforderlichen  Ein¬ 
richtungen  noch  getroffen  werden  würden.  Auf  Grund  dieser  Er¬ 
klärung  ward  die  Petition  als  erledigt  erachtet. 

Auf  Antrag  des  Abgeordneten  v.  Land  mann  beschloss  die 
Abgeordnetenkammer:  „Es  sei  die  k.  Staatsregierung  zu  ersuchen, 
in  dem  nächsten  Etat  eine  Position  für  Errichtung  eines  Lehr¬ 
stuhles  für  Homöopathie  an  der  Universität  München 
oder  an  einer  anderen  bayerischen  Universität  vorzusehen.“  Hier¬ 
über  soll  das  nächstemal  näher  berichtet  werden. 

Dr.  Carl  Becker. 


Gerichtliche  Entscheidungen. 

Kurpfuscherannoncen  in  der  Tagespresse. 

Von  der  Strafkammer  des  k.  Landgerichtes  Berlin  waren 
wegen  Verstosses  gegen  §  4  des  Gesetzes  zur  Bekämpfung  des  un¬ 
lauteren  Wettbewerbes  der  Kurpfuscher  Max  Sonne  m  a  n  n.  der 
unter  Garantie  alle  Haut-,  Harn-,  Blasen-,  Nieren-,  Unterleibs¬ 
und  Frauenleiden  sicher  zu  heilen  versprach,  zu  50  M„  die  Redak¬ 
teure  G.  S.  (der  Berliner  Morgenpost)  und  A.  P.  (des  Berliner 
Lokalanzeiger)  zu  je  5  M.  Geldstrafe  verurteilt  worden.  Die  beiden 
Redakteure  legten  Revision  ein,  welche  vom  Kammergericht  zu 
Berlin  am  1.  Mai  d.  .T.  verworfen  wurde.  Aus  den  Gründen  ist 
hervorzuheben:  In  den  in  Frage  kommenden  Annoncen  der  ge¬ 
nannten  Blätter  ist  zweifellos  der  Tatbestand  einer  strafbaren 
Handlung,  nämlich  eines  Verstosses  gegen  §  4  des  Gesetzes  zur 
Bekämpfung  des  unlauteren  Wettbewerbes,  gegeben;  die  Angaben 
in  den  betreffenden  Anzeigen  waren  zur  Irreführung  geeignet. 
Sonach  waren  die  Angeklagten  S.  und  P.  auf  Grund  des  §  20  des 
Pressgesetzes,  und  zwar  als  Täter  (nicht  wie  das  Landgericht  an¬ 
genommen  hatte,  als  Gehilfen)  zu  bestrafen,  da  die  Annahme,  dass 
sie  die  Anzeigen  mit  Kenntnis  und  Verständnis  des  Inhaltes  ver¬ 
öffentlichten.  nicht  durch  besondere  Umstände  ausgeschlossen  ist. 
Es  machen  sich  also  Redaktionen  von  Zeitungen,  welche  schwindel¬ 
hafte  Kurpfuscherannoncen  aufnehmen,  dadurch  strafbar.  R.  S. 

Der  frühere  Schlosser,  jetzt  „homöopathischer  Krankenheiler“ 
Heinrich  R  o  g  g  e,  wegen  Führung  falscher  Ausweispapiere,  sowie 
wegen  Diebstahls  und  Unterschlagung  vorbestraft,  stand  wegen 
fahrlässiger  Körperverletzung  vor  der  Strafkammer  in  Brauu- 
seliweig.  Er  hatte  ein  Kind,  welches  auf  der  Backe  sowie  im 
Munde  „braune  Flecke“  hatte,  von  denen  einer  im  Munde  schon 
aufgebrochen  war.  zuerst  als  sehr  erkältet,  dann  als  skrophulös 
mit  homöopathischen  Mitteln  und  Spülungen  mit  warmem  Wasser 
behandelt.  Als  nach  1(4  jähriger  Behandlung  der  Zustand  des  un¬ 
glücklichen  Patienten  sich  immer  mehr  verschlimmert  hatte  und 
harter  Gaumen  und  Nase  teilweise  zerstört  waren,  wurde  endlich 
ein  Arzt  zugezogen,  der  das  Leiden  als  Syphilis  erkannte  und  zum 
Stillstand  brachte. 

Die  sachverständigen  Aerzte  betonten,  dass  durch  eine  früh¬ 
zeitige  Diagnose  mit  fast  absoluter  Sicherheit  der  ganze  Zer¬ 
störungsprozess  des  Knochens  und  damit  die  dauernde  Entstellung 
und  die  schwere  gesundheitliche  Schädigung  des  Kindes  durch  die 
Defekte  in  Nase  und  Gaumen  hätten  vermieden  werden  können. 

Das  Urteil  lautete  auf  1  Jahr  Gefängnis;  als  erschwerend  sah 
der  Gerichtshof  bei  Ausmessung  des  Strafmasses  an,  dass  llogge 
vorbestraft  ist,  und  dass  er  die  ihm  vermöge  seiner  Gewerbes  als 
„Krankenheiler“  obliegende  besondere  Aufmerksamkeit  ausser 
Acht  gelassen  habe;  mit  Rücksicht  auf  die  Schwere  der  ein¬ 
getretenen  Folgen  war  eine  harte  Bestrafung  angezeigt.  R.  S. 

Therapeutische  Notizen. 

Soxhlets  N  ä  h  r  z  ucke  r  hat  Klautsch  -  Halle  sowohl 
im  Krankenhaus  wie  in  der  Privatpraxis  längere  Zeit  mit  bestem 
Erfolg  angewendet.  Gesunde  Kinder  zeigten  bei  Nährzucker-  statt 
Milchzuckerzusatz  zur  Nahrung  stetig  fortschreitende  Entwicklung 
und  gutes  Gedeihen,  tadellose  Magen-  und  Darmfunktion  und 
stetige  Gewichtszunahme.  Bei  2  Kindern,  bei  denen  unter  Er¬ 
nährung  mit  Milch  und  Wasser  bezw.  Quäcker-Oatsabkochung 
plötzlich  Krämpfe  auftraten,  verschwanden  dieselben  bei  Ver¬ 
abreichung  von  Milch-  und  Nährzuckerlösung  zu  gleichen  Teilen, 
traten  aber  beim  Aussetzen  des  Nährzuckers  wieder  auf. 
Soxhlets  Nährzucker,  eint-  Dextrin-Maltose-M  ilclizucker- 
mischung  mit  Zusatz  von  löslichen  Kalksalzen,  ist  ein  weisses. 
feines,  hygroskopisches  Pulver,  löst  sich  in  Wasser  sehr  leicht 
und  ist  etwas  süsser  als  Milchzucker,  aber  nur  so  süss  wie 
Rohrzucker.  Zur  Herstellung  der  Säuglingsmilch  wird  für  die 
ersten  Monate  des  Kindes  die  Kuhmilch  mit  2  Teilen  einer  10  proz. 
Nährzuekerlösung  versetzt;  allmählich  wird  die  Nährzuckermenge 
bis  auf  das  Doppelte  gesteigert,  die  Wassermenge  verringert.  Die 
Milch-Nährzuckermischung  wird  in  üblicher  Weise  im  Soxhlet- 
apparat  sterilisiert.  (Centralbl.  f.  Kinderheillt.  1902,  H.  7.)  R.  S. 

Auf  der  I.  med.  Abteilung  des  Allgem.  Krankenhauses  in 
Hamburg-Eppendorf  (Prof.  L  e  u  hart  z)  wurden  Versuche  mit 
A  guri  n  angestellt,  über  welche  R  u  g  e  berichtet  (Die  Heilkunde, 
Juni  1902).  Das  Mittel  leistete  bei  einzelnen  Fällen  von  Herz¬ 
fehlern,  sowie  chronischer  interstitieller  Nephritis  gutes  und  ist 
dem  Diuretin  in  manchen  Fällen  vorzuziehen.  Es  wurde  in  Pulver¬ 
form  in  Dosen  zu  0.5  in  der  "Weise  verwendet,  dass  an  2,  eventuell 
3  oder  mehr  aufeinander  folgenden  Tagen  je  5  mal  0.5  pro  die 
in  Oblaten  gegeben  wurden.  Die  Resultate  der  Versuche  ermutigen 
zu  weiteren  Versuchen  und  zur  Anwendung  des  Agurin  auch  bei 
anscheinend  hoffnungslosen  Fällen.  B-  8. 

Die  Merkurkolloidpräparate  werden  von  W  e  r  1  e  r- 
Berlin  angelegentlich  empfohlen  (Therap.  Monatshefte  4,  1902). 
Zur  Einreibungskur  eignet  sich  am  besten  die  10  proz.  Merkur¬ 
kolloidsalbe.  Daneben  ist  die  innerliche  Darreichung  der  Merkur¬ 
kolloidpillen  von  hoher  Wirksamkeit.  Der  Preis  der  Merkurkolloid¬ 
salbe  ist  nicht  höher  wie  der  der  offizinellen  grauen  Salbe.  Kr. 


29.  Juli  1902. 


MÜENCHENER  MEDtClKISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  n  c  li  e  n,  29.  Juli  1902. 

—  Nach  Beschluss  des  Bundesrates  vom  12.  Dezember  1991 
sollen  die  alljährlich  stattfindenden  statistischen  Aufnahmen  über 
die  Heilanstalten  künftighin  auf  einen  grösseren  Kreis  von  An¬ 
stalten  erstreckt  und  unter  Verwendung  neuer  Formulare  durch¬ 
geführt  werden.  Nach  Erlass  des  bayer.  Staatsministeriums  des 
Innern  vom  4.  ds.  wurde  die  Versendung  dieser  neuen  Formulare 
an  die  Heilanstalten  dem  k.  statistischen  Bureau  übertragen. 
Jede  üistriktsverwaltungsbeliörde  hat  deshalb  ungesäumt  im  Be¬ 
nehmen  mit  dem  k.  Bezirksarzte  ein  Verzeichnis  der  in  ihrem  Be¬ 
zirke  befindlichen  Heilanstalten  anzufertigen  und  das  Verzeich¬ 
nis  bis  zum  1.  September  1902  dem  k.  Statistischen  Bureau  zu 
übermitteln. 

—  Wie  der  Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer 
wirtschaftlichen  Interessen  bekannt  macht,  besteht  der  Vorstand 
für  das  Geschäftsjahr  1902/03  aus  den  Herren  Dr.  Hart  m  a  n  n, 
Leipzig-Connewitz,  Vorsitzender;  Dr.  Max  G  o  e  t  z,  Leipzig-Plag- 
witz,  stellvertretender  Vorsitzender;  Dr.  Hirschfeld,  Leipzig- 
Neustadt,  Eisenbahnstr.  31,  Kassierer;  Dr.  D  o  n  a  1  i  e  s,  Leipzig, 
Gellertstr.  4,  stellvertretender  Kassierer;  Dr.  G  ö  h  1  e  r.  Leipzig’ 
Ilainstr.  2,  stellvertretender  Schriftführer;  Dr.  Bach,  Dr! 
Dippe,  Dr.  Mejer,  Prof.  Dr.  Schwarz.  Der  Aufsichtsrat 
besteht  aus  den  Herren  Dr.  Mugdan,  Berlin;  Prof.  Dr.  Nau- 
w  erc  k,  Chemnitz;  Geh.  Med.-Rat  Dr.  P  f  e  i  f  f  e  r,  Weimar. 

—  Die  Apothekerkammer  für  Berlin-Brandenburg  hat  sich 
gegen  eine  ermässigte  staatliche  Arzneitaxe  zu  Gunsten  der 
Krankenkassen  ausgesprochen.  (Vergl.  d.  Wochensclir  No  *>7 

S.  11G7.)  .  .  -  , 

—  Dem  nunmehr  vorliegenden  Programm  des  vom  lü.  bis 
21.  September  d.  J.  zu  Rom  stattfiudenden  inte  r  na  t  i  o  n  a  1  e  n 
Kongresses  für  Geburtshilfe  und  G  y  n  ii  k  o  1  o  g  i  e 
entnehmen  wir  im  Nachtrag  zu  der  in  No.  10,  S.  427  mitgeteilten 
Tagesordnung  nachstehende  Mitteilungen.  Referenten  zu 
Thema  1  „üeber  die  medizinischen  Indikationen 
zur  E  i  n  1  e  i  t  u  n  g  der  Geb  u  r  t"  sind  die  Herren  DDr.  B  a  r  - 
ton  Cook  H  i  r  s  t  -  Philadelphia,  H  o  f  m  e  i  e  r  -  Wiirzburg,  P  i  - 
n  a  r  d  -  Paris,  Rein-  St.  Petersburg,  S  c  li  a  uta  -  Wien,  S  i  m  p  - 
s  o  n  -  Edinburgh;  zu  Thema  II  „Die  Hysterektomie  in 
der  Behandlung  des  W ochenbettfiebers“  die  Herren 
F  e  h  1  i  n  g  -  Strassburg,  Leopold-  Dresden,  T  reub-  Amster¬ 
dam,  T  u  f  f  i  e  r  -  Paris;  zu  Thema  III  „Die  Genitaltnber- 
k  u  lose“  die  Herren  A  m  a  n  n  -  München,  M  art  in-  Greifswald, 
Veit-  Leyden;  zu  Thema  IV  „D  ie  chirurgische  Behand¬ 
lung  des  Ute  r  u  s  krebse  s“  die  Herren  C  uller-  Balti¬ 
more,  F  r  e  u  n  d  -  Berlin,  J  on  ne  sc  o- Bukarest,  P  o  z  z  i  -  Paris, 
\\  e  r  t  h  e  i  m  -  Wien.  . —  Unter  den  sonstigen  angemeldeten  Vor¬ 
trägen  erwähnen  wir:  Seilheim-  Freiburg:  lieber  Diagnose  und 
Behandlung  der  Genitaltuberkulose;  L  a  s  e  r  s  t  e  i  n  -  Berlin: 
Neues  Blutstillungsverfahren  bei  Hämorrliagie  post  partum;  Pin- 
c  u  s  -  Danzig:  Die  Atmokausis  in  der  Therapie  der  puerperalen 
Streptokokkenendometritis;  T  lieillia  b  e  r  -  München:  Der  Ein¬ 
fluss  der  Nervosität  auf  Menorrhagie  und  Leukorrhoe';  A  m  a  n  n  - 
München:  Transperitoneale  Exstirpation  des  krebsigen  Uterus 
mit.  Drüsen  und  Beckenbindegewebe;  I*  fannenstiel  -  Giessen: 
Behandlung  der  Verlagerungen  des  Uterus  und  der  Vagina. 
—  Den  Kongressteilnehmern  wird  auf  den  italienischen 
Bahnen,  sowie  für  die  Seereisen  eine  Preisermässigung  von  40  bis 
00  I'roz.  gewährt;  auf  dem  Bahnhof  zu  Rom  vermittelt  ein  Woh- 
nungshureau  Quartiere  iu  Hotels  1.  und  II.  Ranges  zu  ermässigten 
Preisen. 

—  Cholera, 
aufgetreten. 

~7  Pest-  Italien.  Der  Dampfer  „Duc-a  de  Galliera“  ist  nach 
I-  tägiger  Quarantäne  auf  der  Insel  Asiuara  am  9.  Juli  nach  Genua 
zuruckgekehrt  und  hat  die  an  Bord  befindlichen  Passagiere  aus- 
geschifft.  Die  beiden  pestverdächtigen  Kranken  sind  in  der 
Quarantänestation  zurückgeblieben,  wo  sie  sich  in  der  Besserung 
befinden.  —  Russland.  In  Odessa  am  13.  Juli  eine  pestverdächtige 
Erkrankung.  _  Aegypten.  Vom  4.  bis  10.  Juli  0  Erkrankungen 
(und  .)  Todesfälle).  —  Mauritius.  Vom  30.  Mai  bis  5.  Juni  1  Pest- 
lau  (imt  tödlichem  Verlaufe).  —  Madagaskar.  In  Majunga  betrug 

!,ie10Mitte  (les  Monats  Juni  die  Zahl  der  täglichen ’  Pestfälle 
.  ..  ,  s  12 >  (Iie  Seuche  war  jedoch  auf  diesen  Platz  beschränkt  ge¬ 
blieben.  —  Britisck-Ostindien.  In  Kalkutta  sind  vom  8.  bis  14.  Juni 
o->  Personen  an  der.  Pest  gestorben. 

—  Pocken.  Marokko.  In  Casablanca  sind  einer  Mitteilung 
\om  .».  Juh  zufolge  die  Pocken  ungewöhnlich  heftig  ausgebrochen; 
oer  Krankheit  sind  bereits  mehrere  Europäer  zum  Opfer  gefallen. 

—  In  der  28.  Jahreswoche,  vom  6.  bis  12.  Juli  1902,  hatten 
on  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb- 
rUlikeit  Freiburg  i/B.  mit  33,2,  die  geringste  Schöneberg  mit  4,4 
i odestallen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
■  her  Gestorbenen  starb  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Mül¬ 
heim  a/R. 

( H  o  c  h  s  c  li  ulnach  richte  n.) 

Berlin.  Der  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Schweninger 
ist  von  der  Leitung  der  Abteilung  für  Hautkrankheiten  in  der 


1287 


ln  Kairo  ist  die  Cholera  mii  grosser  Heftigkeit 


Charite  vom  Ministerium  entbunden  worden  und  hat  dafür  einen 

£aie  und (iesc|11<:1+lte  der  Medizin  und  allgemeinen  Patlio- 
lo^iL  und  l.uiapie  erhalten.  (So  erfreulich  der  erste  Teil  dieser 
“eldung  ist,  so  überraschend  ist  der  zweite.  Herr  S  c  h.  erfüllt,  die 
Vorbedingungen  für  einen  Lehrauftrag  der  Geschichte  der  Medizin 
genau  ebensowenig,  wie  für  den  der  Hautkrankheiten.  Die  Er¬ 
nennung  beweist,  wie  wenig  Bedeutung  man  in  massgebenden 
Kreisen  dem  hach  der  Geschichte  der  Medizin  beilegt.) 

B  resl  a.  u.  Dr.  med.  Viktor  K  1  i  n  g  m  ü  1 1  e  r  Oberarzt  der 
derma to logische  n  Universitätsklinik,  habilitierte  sich  mit  ’ einer 
Studie  „Zur  Pathologie  der  Lepra  (macula  anaeethetica)“  an  hie¬ 
siger  Universität  ’ 

Greifswald.  Die  Frequenz  der  Universität  beträgt  in 

iomema?>enie  ei'  darimter  237  Mediziner.  Im  Wintersemester 
1J01/1902  waren  <1<  Studenten,  darunter  215  Mediziner  hier  und 
im  Sommersemester  1901  waren  die  entsprechenden  Zahlen  802 
u,  ~37,  ~  Zur  grossen  Freude  der  gesamten  Universität  Greif  s- 
uald  bleibt  Prof.  Bonnet,  Direktor  des  anatomischen  Instituts 
der  an  erster  Stelle  für  die  frei  ge  wordene  Professur  in  München 
Aon  der  dortigen  Fakultät  vorgeschlagen  war,  durch  die  letzte 
lat  des  abgetretenen  Kultusministers  v.  Land  mann  der  Uni¬ 
versität  bis  auf  weiteres  noch  erhalten.  —  Als  Privatdozent  für 
Chirurgie  habilitierte  sich  Dr.  Rudolf  Klapp,  Assistenzarzt  der 
chirurgischen  Poliklinik.  Seine  Antrittsvorlesung  handelte  über: 
„Die  Bedeutung  der  Röntgenuntersuchung  für  die  Chirurgie“  — 
Der  Oberarzt  der  medizinischen  Klinik,  Privatdozent  Di“  Hugo 
Lutlije,  folgt  am  1.  Oktober  d.  .1.  seinem  nach  Tübingen  be¬ 
rufenen  früheren  Chef,  Prof.  K  r  e  h  1,  nach  dorthin  nach. 

....  .Müi1  ehern  Zum  Rektor  der  Ludwig-Maximilians-Uni versi- 
tat  für  1902/03  wurde  Geheimrat  Prof.  v.  Winckel  einstimmig 
gewählt.  — -  Der  I.  Assistent  am  hygienischen  Institut  der  Universi- 
tat,  Dr.  \\  i  1  d  e,  hat  sich  mit  einer  Habilitationsschrift:  „lieber 
die  Beeinflussung  der  Alexinwirkung  durch  Absorption“  als  Privat - 
dozeut  für  Hygiene  habilitiert. 

Y\  ii  r  z  b  u  r  g.  Zum  Rektor  für  das  nächste  Jahr  wurde  Prof. 
Dr.  Me  u  re  r  (juristische  Fakultät)  gewählt.  —  Habilitiert:  Dr 
-Ludwig  K  u  r  k  li  a  r  d  t,  I.  Assistent  an  der  chirurgischen  Klinik 
mit  einer  Probevorlesung  über:  „Die  chirurgischen  Eingriffe  am' 
Magen,  ihre  Indikation  und  Prognose“.  Die  Habilitationsschrift 
ist  betitelt:  „Sarkom  und  Endotlieliom  nach  ihrem  pathologisch¬ 
anatomischen  und  klinischen  Verhalten“. 

Bahia.  Der  Professor  der  internen  Pathologie  Dr.  A.  Cir- 
cundes  d  e  C  a  r  v  a  1  li  o  wurde  zum  Professor  der  medizinischen 
Klinik,  Professor  Dr.  A.  R.  Vianna  zum  Professor  der  internen 
Pathologie  ernannt. 

Barcelona.  Dr.  A.  G.  Prats  wurde  zum  Professor  der 
medizinischen  Pathologie  ernannt. 

(T  o  d  e  s  f  ä  1 1  e.) 

Geheimrat  Karl  Gerhardt,  Direktor  der  2.  medizinischen 
Klinik  der  Charite  in  Berlin,  ist  auf  seiner  Besitzung  Hamburg 
in  Baden  nach  längerem  Leiden,  09  Jahre  alt,  gestorben.  Mit 
G  e  r  li  a  r  d  t  verliert  die  deutsche  Medizin  einen  ihrer  vornehmsten 
Vertreter.  Er  war  das  Haupt  jener  von  8  c  li  ö  n  1  e  i  n  begründeten 
Schule,  deren  Arbeiten  die  deutsche  Klinik  vor  allem  ihre  ge¬ 
achtete  Stellung  in  der  Welt  verdankt,  deren  grosse  Erfolge  in  der 
Förderung  unserer  Kenntnisse  durch  sorgfältige  Beobachtung  und 
Untersuchung  am  Krankenbette  und  im  Ausbau  der  klinischen 
Untersuchungsmethoden  beruhen.  Nach  dem  Verlust  von 
Ziemssen  und  Kuss  m  a  u  1  trifft  der  Tod  G  e  r  h  a  r  d  t  s 
die  deutsche  Medizin  als  ein  doppelt  schwerer  Schlag.  Dem  Heraus¬ 
geberkollegium  der  Münch,  med.  Wochensclir.  gehörte  Ger  li  a  r  d  t 
seit  dem  Jahre  1893  an.  Ein  ausführlicher  Nekrolog  wird  folgen. 

Als  Opfer  seines  Berufes  starb  am  19.  Juni  d.  J.  an  einer 
schweren  septischen  Angina  der  Assistenzarzt  der  Kinderklinik 
zu  Greifswald  Dr.  Otto  Krem  er.  Die  Infektion  hatte  er  sich 
bei  der  Behandlung  eines  Kindes  mit  Scharlachangina  zugezogen. 

Prof.  Dr.  E.  Porro,  Direktor  der  Maternitä  zu  Mailand  und 
Senator  des  Königreichs  Italien. 

Dr.  M.  Nieto  y  Serrano,  Marquis  de  Guadalerzas,  Präsident 
der  k.  medizinischen  Akademie  zu  Madrid. 

Dr.  C.  Reisz,  früher  Professor  der  inneren  Medizin  zu 
Kopenhagen. 

Dr.  J.  Th.  Jelks,  früher  Professor  der  Krankheiten  der 
Harn-  und  Geschlechtsorgane  am  College  of  Physicians  and  Sur- 
geons  zu  Chicago. 

Cesare  1  a  r  u  f  f  i,  ordentlicher  Professor  der  pathologischen 
Anatomie  zu  Bologna. 

Dr.  John  Curnow,  Professor  der  klinischen  Medizin  an 
King’s  College,  London,  50  Jahre  alt. 

(Berichtigung.)  In  dem  Sitzungsreferat  der  Berliner 
med.  Gesellschaft  vom  25.  Juni  02,  No.  27  d.  Wochensclir.,  S.  1150 
soll  es  bezüglich  der  Demonstration  des  Herrn  de  la  Camp 
„familiäres  Vorkommen  von  angeborenen  Herzfehlern“  heissen: 

6  statt  3  Geschwister.  Vater,  Potator  strenuus,  verunglückte; 
Mutter  hochgradig  anämisch,  Herz  gesund.  Als  Paradigma  des 
reinen  offenen  Ductus  Botalli  demonstrierte  Vortragender  eine 
andere  schon  vor  4  Jahren  von  Zinn  gezeigte  Patientin,  bei  der 
eine  weite  Kommunikation  zwischen  Aorta  und  Pulmoualis  an¬ 
genommen  wurde.  Demonstration  und  Besprechung  von  7  Röntgen¬ 
schirm-  und  -plattenbildern. 


MUENCHENER  MEDTCINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


1288 


In  der  *)  Anmerkung  unter  dem  Strich  zu  Straus:  Unter¬ 
suchung  über  Physiologie  und  Pathologie  der  Ureteren-  und 
Nierenfunktion,  S.  1217,  No.  2b  dieser  Wochenschrift,  ist  zu  lesen 
statt  XXX.  Kongress  XXXI.  Kongress. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  im  zeitlichen 
Ruhestand  befindliche  Bezirksarzt  I.  Klasse  Pr.  Josef  Schmidt 
in  Kitzingen  unter  Anerkennung  seiner  langjährigen,  treuen  und 
erspriesslichen  Dienstleistung. 


Korrespondenzen. 

Institute  für  elektromagnetische  Therapie. 

Die  Art,  in  welcher  Herr  Pollaczek  in  seiner  in  der 
letzten  Nummer  dieser  Wochenschrift  veröffentlichten  Erklärung 
sich  gestattete,  den  wahren  Tatbestand  in  Betreff  der  mit  mir 
im  April  dieses  Jahres  gepflogenen  Verhandlungen  zu  „berich¬ 
tigen",  zwingt  mich,  auf  diese  hier  noch  einmal  zurückzukommen, 
um  so  mehr  als  die  angeblich  in  Aussicht  stehende  Gerichtsver¬ 
handlung  sich  mit  dieser  Angelegenheit  nicht  beschäftigen  dürfte. 
Ich  hatte  mit  Herrn  P.  im  ganzen  3  Besprechungen.  Die  erste  war 
für  mich  wesentlich  informatorischen  Charakters.  Auf  Herrn  P.s 
Proposition,  die  Eeitung  des  für  München  in  Aussicht  genommenen 
Institutes  zu  übernehmen,  gab  ich  in  derselben  keinen  bestimmten 
Bescheid.  Herr  P.  verlangte  solchen  auch  nicht  sofort.  Ich  war 
über  die  Angelegenheit  zu  wenig  orientiert  und  beabsichtigte,  zu¬ 
nächst  Erkundigungen  über  das  Eugen  Konradsche  Verfahren 
bei  mehreren  auswärtigen  Spezialkollegen  einzuziehen.  Mein  Ent¬ 
schluss,  den  Antrag  des  Herrn  P.  abzulelmen,  stand  jedoch  schon 
fest,  bevor  die  Auskünfte  der  Herren  Dr.  Sänger-  Hamburg, 
Prof.  S  c  h  a  f  fer-  Ofen-Pest,  Prof.  Dr.  Oppenheim-  Berlin 
mir  zugingen,  Auskünfte,  welche  nur  geeignet  waren,  mich  in 
meinem  Entschlüsse  zu  bestärken.  Ich  erklärte  daher  Herrn  P. 
bei  unserer  zweiten  Besprechung,  2  Tage  später,  mit  aller  Be¬ 
stimmtheit,  dass  ich  die  Uebernalune  der  mir  zugedachten  Stel¬ 
lung  ablehnen  müsse,  und  begründete  diesen  Bescheid  genau  in 
der  Weise,  wie  in  meiner  ersten  Erklärung  angegeben  ist.  Spe¬ 
ziell  betonte  ich,  dass  die  Gründung  der  Institute  „Eugen  Konrad" 
von  einer  ganz  laienhaften,  wissenschaftlich  unhaltbaren  Idee 
ausgehe.  Der  Gedanke,  Institute  zu  errichten,  in  welchen  Kranke 
ausschliesslich  mit  einem  Heilverfahren  von  noch  unaufgeklärtem 
Werte  für  teures  Geld  behandelt  werden  sollten,  möge  wohl  von 
einem  Iv  a  u  f  m  a  n  n,  aber  nicht  von  einem  Arzt  herrühren.  Eben¬ 
so  betonte  ich,  dass  ein  Arzt,  der  einen  Ruf  besitzt  und  auf  dessen 
Erhaltung  bedacht  sei,  eine  Stellung  an  einem  Institute  „Eugen 
Konrad"  nicht  annehmen  könne.  Speziell  für  München  erklärte 
ich  auch  die  Aussichten  für  das  Prosperieren  eines  derartigen  In¬ 
stitutes  für  äusserst  ungünstig,  einerseits  wegen  der  hohen  Preise, 
welche  in  den  Instituten  „System  Eugen  Konrad“  für  die  Behand¬ 
lung  der  Patienten  beansprucht  werden,  andererseits  wegen  der 
Konkurrenz  der  vor  Kurzem  hier  errichteten  und  sehr  energisch 
betriebenen  Anstalt  „Elektron". 

Dass  ich  von  einer  Schmälerung  meiner  eigenen  Praxis  durch 
genannte  Anstalt  gesprochen  hätte,  ist,  wie  ich  hier  nebenbei  be¬ 
merken  muss,  eine  Erfindung  des  Herrn  P.,  zu  einer  solchen 
Aeusserung  bestand  für  mich  nicht  die  geringste  Veranlassung. 

Ich  verhehlte  auch  Herrn  P.  keineswegs  meine  Meinung,  dass 
sämtliche  Institute  „System  Eugen  Konrad“  sich  auf  die  Dauer 
nicht  würden  halten  können. 

Herr  P.  erklärte  am  Schlüsse  dieser  zweiten  Besprechung, 
dass  er  der  von  mir  geschilderten  Sachlage  gegenüber  von  der 
Gründung  eines  Institutes  in  München  abselien  und  sich  auf 
die  Errichtung  einer  Versuchsstation  beschränken  werde. 

Obwohl  die  Sache  für  mich  hiermit  erledigt  war,  hatte  ich 
mit  Herrn  P.  auf  dessen  Wunsch  noch  eine  dritte  Besprechung, 
in  welcher  die  Institutsangelegenheit  nur  kürz  berührt  wurde,  und 
den  Hauptgegenstand  das  Gespräches  ein  anderes  Projekt  des 
Herrn  P.,  die  Erwerbung  eines  bekannten  oberbayerischen  Bades 
durch  eine  Aktiengesellschaft,  bildete.  Ich  erteilte  Herrn  P.  be¬ 
reitwilligst  Auskünfte  über  das  fragliche  Bad,  und  Herr  P.  sah 
sich  durch  meine  Gefälligkeit  sogar  veranlasst,  mir  eine  Aufsichts¬ 
ratstelle  bei  dem  projektierten  Aktienunternehmen  in  Aussicht  zu 
stellen! 

Herr  P.  hätte  seine  „Berichtigung"  wohl  nicht  unternommen, 
wäre  er  nicht  der  Meinung  gewesen,  dass  mir  kein  Beweismaterial 
zu  Gebote  stehe.  Damit  dürfte  er  sich  in  einem  schweren  Irr¬ 
tum  befinden. 

Den  wichtigsten  Punkt  in  meiner  ersten  Erklärung  hat  übri¬ 
gens  Dr.  P.  in  seiner  Berichtigung  nicht  berührt,  nämlich  die  Tat¬ 
sache,  dass  er  unmittelbar,  nachdem  er  mir  erklärt  hatte,  dass 
er  hier  auf  eine  Institutsgründung  verzichten  werde,  an  Kollega 
Dr.  Sänger- Hamburg  schreiben  liess,  dass  hier  ein  Institut 
„System  Eugen  Konrad“  im  Entstehen  begriffen  sei.  Dies  führte 


zu  Konsequenzen,  die  Herrn  P.  offenbar  recht  unangenehm  waren. 
Da  sich  an  die  Erklärung  der  Hamburger  Spezialkollegen  noch 
weitere,  den  P.sehen  Unternehmungen  ungünstige  Vorgänge  in 
ärztlichen  Kreisen,  speziell  in  Berlin,  anschlossen,  hat  wohl  Herr 
P.  den  Versuch  unternommen,  um  jeden  Preis  meine  erste  Er¬ 
klärung  zu  entkräften  und  den  Anschein  zu  erwecken,  als  ob  ich 
aus  egoistischen  Motiven  gegen  das  „System  Enge  n  K  o  n  - 
r ad"  aufgetreten  sei.  Ich  bin  aber,  wie  ich  hier  ausdrücklich  be¬ 
merke,  durchaus  kein  Gegner  dieses  therapeutischen  Verfahrens. 
Meine  Gegnerschaft  betrifft,  wie  aus  meiner  ersten  Erklärung  un¬ 
zweifelhaft  erhellt,  lediglich  das  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  zu 
qualifizierende  System,  durch  welches  Herr  P.  und  sein  Kon¬ 
sortium  das  genannte  Verfahren  zu  monopolisieren  und  finanziell 
auszubeuten  versucht.  In  dieser  Gegnerschaft 
s  c  h  meichle  i  c  li  mir  nicht  nur  das  Gros  meine  r 
Spezialkollegen,  sondern  der  deutsch  e-n  Aerzte 
a  uf  meiner  Seite  zu  h  a  b  e  n.  Auf  Belege  hierfür  muss  ich 
wegen  Raummangel  verzichten. 

In  Betreff  der  mir  in  Aussicht  gestellten  Beleidigungsklage 
bemerke  ich  schliesslich,  dass  Herr  Dr.  P.  bereits  vor  mehreren 
Wochen  in  einer  an  mich  gerichteten  Zuschrift  binnen  wenigen 
Tagen  ..Satisfaktion“  wegen  mehrerer,  angeblich  von  mir  her- 
rührender  Aeusserungen  verlangte.  Ich  habe  dieses  Schreiben 
keiner  Antwort  gewürdigt.  Dr.  Loewe  n.f  e  1  d. 


Vorschriften  zur  sparsamen  Verordnung  für  Krankenkassen. 

Zu  der  in  No.  28  d.  W.  enthaltenen  Entgegnung  des  Herrn 
Apotheker  Dr.  C.  B  e  d  a  1 1  auf  meine  Ausführungen  in  No.  25  habe 
ich  folgendes  zu  bemerken: 

Welchen  Vorwurf  in  No.  22  der  süddeutschen  Apotheker¬ 
zeitung  Herr  B  e  d  a  1 1  gegen  unsere  Arzneiverordnungsvor¬ 
schriften  erhoben  lqit,  weiss  ich  nicht,  da  ich  natürlich  nicht  zu 
den  regelmässigen  Lesern  dieses  Blattes  gehöre.  Meine  Be¬ 
sprechung,  welche  im  Auftrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürn¬ 
berg  erfolgt  ist.  beschäftigte  sich  lediglich  mit  dem  in  No.  80  vom 
25.  X.  01  der  stidd.  Apothekerztg.  erhobenen  Vorwurfe,  auf  Grund 
dessen  allein  von  der  k.  Regierung  Bericht  eingefordert  war. 
Dieser  jetzt  widerlegte  Vorwurf,  es  sei  von  uns  den  Apothekern 
eine  Zuwiderhandlung  gegen  §  17  Ziff.  2  der  Verordnung  vom 
29.  XII.  01  angesonnen,  war  weder  von  uns  noch  von  der  k.  Re¬ 
gierung  aus  irrtümlicher  Voraussetzung  so  aufgefasst,  sondern 
f  i  n  d  e  t  sic  h  w  örtlich  unter  Zitierung  des  §17 
Z  i  f  f.  2  i  n  d  e  m  g  e  n  a  n  nten  A  r  t  i  k  e  1.  V  o  m  §  307 
Z  i  f  f.  5  d  e  s  R.-St.-G.-B.  ist  darin  mit  keine  m  W  orte 
d  i  e  R  e  d  e. 

Darüber  hat  auch  die  k.  Regierung  sich  nicht  geäussert;  es 
war  dies  auch  unnötig,  da  dieselbe  aus  dem  von  Herrn  Beda.ll 
beanstandeten  Rundschreiben  nur  das  herausgelesen  hat,  was  deut¬ 
lich  herauszulesen  war,  dass  nämlich  die  Pflicht  zur  Zurück¬ 
weisung  von  Rezepten  seitens  der  Apotheker  sich  lediglich  auf 
solche  bezog,  in  welchen  nicht  in  das  Arzneibuch  aufgenommene 
Mittel  und  chemisch-pharmazeutische  Präparate  verordnet  würden, 
während  die  sparsame  Verordnungsweise  für  im  Arzneibuch  ent¬ 
haltene  Mittel  betreffenden  Vorschriften  über  Verordnungsformen 
und  Preise  lediglich  Anweisungen  für  die  Kassen¬ 
ärzte  waren,  welche  gleichzeitig  in  demselben  Rundschreiben 
den  Apothekern  zur  Kenntnis  gebracht  waren. 

A.  F  r  ankenb  u  r  g  e  r. 


Morbiditätsstatistikd.  InfektionskrankheitenfürIVlünchen. 

in  der  28.  Jahreswoche  vom  6.  bis  12.  Juli  1902. 

Beteiligte  Aerzte  133.  —  Brechdurchfall  24  (13*),  Diphtherie  u. 
Kroup  8  (8),  Erysipelas  11  (3),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  (— ).  Kindbettfieber  1  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  1  (-), 

Morbilli  23  (24),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  3  (l),  Parotitis 
epidem.  3  (4),  Pneumonia  crouposa  8  (4),  Pyämie,  Septikämie 

—  (— ),  Rheumatismus  art.  ac.  17  (14),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ■), 

Scarlatina  3  (5),  Tussis  convulsiva  44  (41),  Typhus  abdominalis  1 
(2),  Varicellen  8  (3),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  2  (1). 
Summa  155  (118).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  28.  Jahreswoche  vom  6.  bis  12.  Juli  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen  :  Masern  2  (3*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Kroup  —  (4),  Rotlauf  1  (—),  Kindbettfieber  1  ( — ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w-)  1  (2),  Brechdurchfall  8  (3),  Unterleib-Typhus  — 
(2),  Keuchhusten  2  (5),  Kruppöse  Lur.genentzündung  3  (1),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  24  (22),  b)  der  übrigen  Organe  10  (7),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  (1),  Andere  übertragbare  Krankheiten 

4  ( — ),  Unglücksfälle  1  (2),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch  fremde 
*  Hand  —  (— ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  216  (214),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  22,2  (19,8),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  14,0  (14,3). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühltlialer's  huch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Munch  Med.  Wochensehr,  erscheint  wÄchentl. 
In  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest. -Ungarn  viertel] ährl.  6  Jl 
ins  Ausland  8.—  Ji.  Einzelne  No.  80 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDIOINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

°Äer’  SÄ  °Är>  l  W;-':Leube'  ^Merkel,  F.Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  v.  Wlnckel, 


Würzburg.  Nürnberg. 


Erlangen.  München. 


München. 


No.  31.  5.  August  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Augenklinik  in  Freiburg. 

Die  Prophylaxe  der  septischen  Infektion  des  Auges, 
besonders  seiner  Berufsverletzungen.*) 

Ein  Beitrag  zur  Exstirpation  des  Tränens  a  c  k  e  s. 

Von  Th.  Axenf  el  d. 

I. 

Die  Prophylaxe  septischer  Infektionen  wird  in  der 
Ophthalmologie  natürlich  denselben  allgemeinen  Gesichts¬ 
punkten  unterliegen,  wie  in  der  Chirurgie  überhaupt.  Wir 
lassen  desshalb  die  Gefahren,  welche  von  einer  Verunreini¬ 
gung  des  verletzenden  Gegenstandes,  von  der  Hand  des  Opera¬ 
teurs,  von  dem  Allgemeinbefinden  (Diabetes  etc.)  herrühren 
könnten,  ausser  Betracht  und  beschränken  uns  auf  die  vom  Ope¬ 
rationsgebiet,  d.  li.  den  Lidern,  der  Bindehaut  und  den  Tränen¬ 
organen,  herrührenden  Komplikationen,  die  infolge  der  eigen¬ 
artigen  örtlichen  Verhältnisse  manche  Eigentümlichkeiten  dar¬ 
bieten. 

Schon  die  Erfahrungen  der  vorantiseptischen  Zeit  sprachen 
für  solche  Besonderheiten.  Denn  im  Vergleich  zur  Häufigkeit 
der  Sekundärheilung  an  anderen  Körperstellen  waren  die  Wund¬ 
eiterungen  am  Auge  schon  damals  auffallend  selten.  Die  Ver¬ 
lustziffer  geschickter  Staroperateure  betrug  zur  Zeit  des  Lappen¬ 
schnitts  etwa  10  Proz.  und  wurde  durch  A.  v.  G  r  a  e  f  e  s  .Linear¬ 
schnitt  noch  erheblich  reduziert.  Die  relative  Kleinheit  der 
V  unden,  die  kurze  Dauer  der  Bulbusoperationen,  Umstände, 
welche  die  Infektionsgefahr  an  sich  herabzumindern  vermochten, 
konnten  für  dieses  relativ  günstige  Verhältnis  nicht  die  volle 
Erklärung  abgeben,  weil  ihnen  die  Verletzlichkeit  des  Sehorgans, 
die  gelinge  Reaktionskraft  seiner  zum  Teil  ja  gefässlosen  Ge¬ 
webe  gegenüberstand ;  sondern  die  nach  unseren  heutigen  Kennt¬ 
nissen  richtige  Erklärung  liegt  darin,  dass  die  LTmgebung  des 
Auges,  wenn  anders  sie  in  gesundem  Zustand  sich  befindet,  über¬ 
haupt  eine  relativ  geringere  Infektiosität  besitzt  als  andere 
Körperstellen.  Der  Bindehautsack,  obwohl  er  die  fortgesetzten 
Verunreinigungen  aus  de’-  Umgebung,  der  Luft  u.  s.  w.  wegen 
seiner  I  euchtigkeit  leicht  annimmt,  muss  doch  als  relativ  wenig 
septisch  gelten,  weil  er  in  der  Absonderung  und  der  durch  den 
Lidschlag  unterstützten  Ableitung  der  Tränen  eine  konstante 
aseptische  Irrigation  besitzt.  Ist  dieselbe  auch  keineswegs  im 
stände,  den  Kon j unk ti valsack  keimfrei  zu  machen,  so  verringert 
sie  die  Zahl  der  Keime  doch  beträchtlich  und  schafft  ausserdem 
für  eine  etwaige  Vermehrung  derselben .  schlechte  Ernährungs¬ 
bedingungen.  Die  den  Tränen  oft  zugesprochene  direkt  bak¬ 
terizide  Eigenschaft  tritt  diesen  mechanischen  Faktoren  gegen¬ 
über  in  den  Hintergrund  und  ist  jedenfalls  nur  in  sehr  geringem 
Umfang  an  der  Selbstreinigung  beteiligt. 

Die  Prophylaxe  septischer  Infektionen  kann  sich  deshalb, 
soweit  solche  vom  gesunden  Konjunkti valsack  drohen  könnten, 
au!  einfache  und  milde  Massnahmen  beschränken,  und  dass  sie 
das  darf,  ist  unser  Glück.  Denn  die  sonst  in  der  Chirurgie  iib- 
hehe  energische  Anwendung  von  Seife,  Alkohol  und  Desinfizien- 
tien  zur  vorbereitenden  Reinigung  ist  natürlich  für  die  Binde¬ 


*)  Nacli  einem  im  ärztlichen  Verein  gehaltenen  Vortrage. 

No.  31. 


haut  ausgeschlossen,  nur  die  äussere  Lidhaut  darf  so  behandelt 
werden.  Sanftes  Ausputzen  mit  einem  sterilisierten  Tupfer,  der 
mit,  einer  nicht  reizenden  sterilen  oder  desinfizierenden  Flüssig¬ 
keit  getränkt  ist,  ist  das  einzige,  was  geschehen  darf.  Alle  stärker 
desinfizierenden  und  reizenden  Mittel  erzeugen  Katarrh  und 
können  dadurch  eine  nachträgliche  Infektion  begünstigen.  Wir 
benutzen  eine  Lösung  von  Hydrargyrum  oxycyanatum  1:3000, 
andere  Kollegen  begnügen  sieh  mit  Ausputzen  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  und  erreichen  damit  gute  Resultate. 

W  io  ersichtlich,  ist  also  die  vorbereitende  Reinigung  der 
Bindehaut  sehr  wenig  energisch;  sie  geht  in  dieser  Hinsicht 
über  das  an  anderen  Körperstellen  übliche  chirurgische  Ver¬ 
fahren  hinaus.  Die  Augenheilkunde  treibt  auch  in  der  Vor¬ 
bereitung  zur  Operation  „Asepsis“  oder  doch  nur  ganz 
schwache  Antisepsis,  und  zwar  mit  Recht. 

Es  drohen  also  der  angelegten  Wunde  von  der  gesunden, 
Rv  i  einigten  Bindehaut  zunächst  keine  besonderen  Gefahren.  Ist 
eine  Verklebung  der  V  undränder,  eine  Vereinigung  des  Epithels 
erreicht,  so  erscheint  die  primäre  Heilung  gesichert;  wir  haben 
also  diesen  primären  Wundschluss  möglichst  zu  beschleunigen 
und  anzustreben. 

Nach  allgemeiner  chirurgischer  Regel  ist  dazu  zunächst 
Ruhe  erwünscht.  Es  unterliegt  gar  keinem  Zweifel,  dass  alle 
Bewegungen,  Verschiebungen,  welche  an  Wundrändern  ziehen, 
deren  Schluss  verzögern  oder  zu  erneuter  Sprengung  führen 
können.  Auch  experimentell  am  Auge  kann  man  sich  davon 
leicht,  überzeugen.  Legt  man  bei  Kaninchen  grössere  Homhaut- 
i  schnitte  an,  so  erfolgt  Wund  Verschluss  und  Wiederherstellung 
der  \  orderkammer  bei  Tieren,  welche  in  Narkose  gehalten 
werden,  schon  nach  wenigen  Stunden,  bei  solchen  aber,  die  sich 
bewegen  dürfen,  wesentlich  später  (C  1  a  r  k  e). 

Sie  wissen,  dass  zu  dieser  Ruhigstellung  des  Organs  früher 
ein  tagelang  liegender  Okklusivverband,  Rückenlage,  Verdunke¬ 
lung  des  Zimmers  in  Anwendung  kamen.  Aber,  wenn  wir  zu¬ 
nächst  von  den  dem  Patienten  so  entstehenden  Unbehaglichkeiten 
absehen,  so  sind  gegen  den  längeren  Verband  besonders  bakterio¬ 
logische  Bedenken  erhoben  worden,  die  bei  manchen  Ophthalmo¬ 
logen  dazu  beigetragen  haben,  dass  sie  den  Verband  ganz  ver¬ 
warfen:  Der  Verband  hebe  ja  den  Lidschlag  auf  und  damit  einen 
gewichtigen  Teil  der  physiologischen  Selbstreinigung.  Dadurch 
und  durch  die  temperaturerhöhende  Wirkung  muss  es  trotz  der 
vorausgeschickten  Reinigung  wieder  zur  Keimvermehrung’  in 
der  Bindehaut  kommen.  Zahlreiche  experimentelle  und  bakterio¬ 
logische  Untersuchungen  haben  in  der  Tat  ergeben,  dass  ein 
24  stündiger  V erband  die  Keimzahl  in  der  Bindehaut  beträchtlich 
vermehrt  (Marthen,  M  o  r  a  x,  Bach,  Dalen  etc.).  Die 
Furcht  vor  dieser  Keimzahlvermehrung  hat  manche  zur  ganz 
„offenen  Wundbehandlung“,  d.  h.  dem  Fortlassen  jeder  Be¬ 
deckung  geführt;  ja  manche  Operateure  z.  B.  Hjort  in 
Christiania,  der  allerdings  unverhältnismässig  viel  Wundinfek¬ 
tionen  hatte,  waren  damit  einverstanden,  dass  selbst  nach  Star¬ 
operationen  die  Lider  beliebig  bewegt  wurden.  Also  lieber  Ver¬ 
zicht  auf  Ruhe  und  Schutz  als  eine  Keimvermehrung. 

Allein  bei  kritischer  Prüfung  erweist  sich  diese  anscheinend 
exakt  bakteriologisch  deduzierende  Auffassung  doch  sehr  an¬ 
fechtbar.  Untersuchte  nämlich  Dalen  die  Keim  Vermehrung 
im  Bindehautsaok  nicht  nach  24  stündigem  Liegen  eines  Ver- 

1 


1290 

bandes,  sondern  schon  nach  8 — 12  Stunden,  so  zeigte  sich,  dass 
|>U  dahin  die  Keimzahl  noch  eine  geringe  ist.  Andrerseits  lehrt 
die  Erfahrung,  dass  bei  genügender  Kulie  Schnitte  in  der  Horn¬ 
haut,  besonders  wenn  sic  den  gefässhaltigen  Bindehautlimbus 
berühren,  in  dieser  Zeit  schon  verklebt  zu  sein  pflegen.  E  s  i  s  t 
deshalb  eine  Bedeckung  der  Augen,  welche  den 
Eid  sch  lag  für  die  erste  Zeit  ausschliesst, 
nicht  unrationell  und  etwa  unmodern.  Denn  die 
Lehre  von  den  Infektionen  hat  sich  nicht  nur  mit  der  Anwesen¬ 
heit  und  Zahl  von  Bakterien,  sondern  auch  mit  der  Beschaffen¬ 
heit  des  Terrains  und  der  Infektionsbedingungen  zu  befassen. 

Es  ist  nun  freilich  die  Frage,  ob  die  anfängliche  Ruhig  - 
stellung  mit  einem  Verbände  geschehen  muss  und  wie  ein  sol¬ 
cher  beschaffen  sein  soll.  Zur  ersten  Frage  ist  zu  sagen,  dass 
auch  ein  undurchsichtiges  oder  mit  Mull  ausgelegtes  Schutz¬ 
gitter  Kuhigstellung  zu  bringen  pflegt,  da  im  Dunkeln  Augen¬ 
bewegungen  zu  unterbleiben  pflegen.  Ein  gut  sitzender  V erband 
leistet  aber  wenigstens  ebensogutes,  scheint  mir  psychisch  auch 
noch  mehr  dem  Kranken  die  Pflicht  der  Ruhe  nahezulegen  und  ist 
jedenfalls  nicht  unrationell.  Zur  Zeit  der  Verbandmethode  hat 
man  nicht  weniger  gute  aseptische  Erfolge  erzielt  als  jetzt  mit 
dem  offeneren  Verfahren.  Freilich  hat  man  gelernt,  dass  ein 
eigentlicher  D  r  u  c  k  verband  für  Operierte  nicht  das  richtige 
ist,  gewisse  Fälle  (z.  B.  Blutungen,  Netzhautablösungen)  ausge¬ 
schlossen.  Wenn  die  Lider  geschlossen  sind,  ist  ein  genügender, 
dabei  zart-elastischer  Druck  schon  vorhanden;  ein  komprimieren¬ 
der  Verband  aber  lastet  nur  zu  leicht  ungleich  auf  dem  Auge, 
führt,  wie  besonders  die  Erfahrungen  der  Wiener  Schule  gezeigt 
haben  (Czermak,  Euch  s),  leichter  Sprengungen  der  schon 
verklebten  Wunde  herbei.  Deshalb  ist  ein  Verband  nur  als  ein 
lose  gepolsterter  Schlussverband  am  Platze  oder  an  seiner  Stelle 
ist  ein  bedeckendes,  mit  Mull  ausgelegtes  Gitter  oder  dergl.  zu 
legen.  Diese  Methode  der  anfänglichen  losen  Bedeckung  ver¬ 
danken  wir  den  obigen  Wiener  Kollegen;  sie  ist  die  eigentliche 
Grundlage  der  „offeneren  Wundbehandlung“  wie  sie  auch  von 
Sattler,  Fröhlich  u.a.  lebhaft  empfohlen  wird,  und  ist  gar  nicht 
von  dem  Gedanken  ausgegangen,  eine  Bakterienvermehrung  zu  ver¬ 
meiden,  sondern  siewollte  die  notwendige  Ruhigstellung  der  Augen 
in  einer  Weise  bewerkstelligen,  welche  die  bequemsten  physi¬ 
kalischen  Bedingungen  darböte,  indem  sie  dem  Auge  unnötigen 
Druck  und  ungleichmässige  Belastung  ersparte.  Erleben  wir 
doch  oft  genug,  dass  auch  nicht  operierte  Augen  einen  Druck¬ 
verband  nicht  vertragen,  dass  unter  demselben  die  Pupille  sich 
verengt,  Mydriatica  schlechter  einwirken,  Erscheinungen,  welche 
durchaus  nicht  parallel  gehen  etwa  dem  Keimgehalt  der  Binde¬ 
haut. 

Am  Tage  nach  der  Operation  wird  man  jedenfalls  zum  Schutz¬ 
gitter  oder  gleichwertigen  Vorrichtungen  (Aluminium  oder  Cellu¬ 
loidkapseln)  übergehen,  auch  in  den  seltenen  Fällen,  wo  die 
Vorderkammer  noch  nicht  wiederhergestellt  sein  sollte;  der 
Kranke  darf  bald  aufstehen,  das  andere  Auge  wird  freigelassen. 
Jeder,  der  diese  freiere  Nachbehandlung  mit  der  früheren  län¬ 
geren  Verbandmethode  vergleicht,  wird  sich  von  den  grossen  Vor¬ 
teilen  überzeugen,  welche  die  offenere  Nachbehandlung  gebracht 
hat :  die  Augen  werden  viel  schneller  reizlos,  so  dass  wir  manche 
Staroperierte  schon  am  8.  bis  10.  Tag  entlassen  können.  Natür¬ 
lich  richtet  sich  dieser  Termin  nach  der  Eigenart  des  Falles  und 
besonders  auch  nach  der  Vorsicht  und  sozialen  Lage  des  Patien¬ 
ten.  Wundsprengungen  sind  viel  seltener  und  die  gesamten 
Strapazen,  die  dem  Kranken  eine  solche  Kur  zumutet,  sind  so¬ 
viel  geringer,  dass  Störungen  im  psychischen  Verhalten,  Unge¬ 
duld  auch  bei  unseren  ältesten  Starkranken,  kaum  mehr  zu 
beobachten  sind.  Wir  können  deshalb  mit  noch  ruhigerem  Ge¬ 
wissen  als  früher  auch  den  gebrechlichsten  alten  Leuten  eine 
Starkur  heutzutage  zumuten.  Besonders  deutlich  geht  der  Fort¬ 
schritt,  den  diese  Nachbehandlung  ergibt,  daraus  hervor,  dass  die 
Erlaubnis,  nach  kurzer  Zeit  das  andere  Auge  operieren  zu  lassen, 
uns  heutzutage  nur  ausnahmsweise  verweigert  wird,  während 
früher  viele  sich  nicht  entschliessen  konnten,  die  nochmalige 
Verband-  und  Dunkelkur  durchzumachen. 

Es  ist  also  bei  gesunder  Beschaff enlieit  der  Bindehaut  weni¬ 
ger  die  Prophylaxe  der  Keimvermehrung,  welche  den  Vorzug 
der  „offeneren  Wundbehandlung“  ausmacht  —  denn  auch  bei  an¬ 
fänglicher  Anwendung  eines  Verbandes  sind  durchaus  gute 


No.  81. 


Primärerfolge  zu  erzielen  — ,  ebensowenig  wie  diese  bakterio¬ 
logischen  Ueberlegungen  den  Ausgangspunkt  dieser  Neuerung 
darstellen,  sondern  die  allgemeine  Bekömmlichkeit  einer  nicht 
komprimierenden  Nachbehandlung  ist  es,  welche  in  der  Tat  eine 
wesentliche  Abkürzung  der  Behandlungszeit  und  eine  erhebliche 
Erleichterung  für  den  Kranken  bedeutet. 

II. 

Wenn  die  geschilderten  Vorkehrungen  die  Infektionsgefahr 
bei  intakter  Bindehaut  und  normalen  Tränenwegen  in  der  Tat 
fast  vollsommen  beseitigen,  so  genügen  sie  doch  naturgemäss 
nicht,  wenn  entzündliche  Veränderungen  an  Lidern,  Bindehaut 
oder  Tränensack  vorliegen. 

Dass  wir  derartige  Leiden  vor  der  Ausführung  einer  Bulbus¬ 
operation  zu  beseitigen  odeT  doch  in  einen  infektionsungefähr¬ 
lichen  Zustand  überzuführen  haben,  ist  selbstverständlich  und 
bedarf  keiner  Erörterung.  Es  wird  uns  das  in  den  allermeisten 
Fällen  von  Blepharitis  und  Bindehautentzündungen  durch  die 
üblichen  therapeutischen  Massnahmen  gelingen.  Es  ist  nützlich, 
sich  dabei  auch  von  dem  bakteriologischen  Sekretbefunde  leiten 
zu  lassen  und  besonders  beim  Nachweis  von  Pneumokokken  ab¬ 
zuwarten.  Bei  Anwesenheit  der  Diplobazillen,  dieser  häufigen 
Erreger  chronischer  Konjunktivitis  ist  längere  Zeit  Zink  anzu¬ 
wenden,  welches  am  sichersten  diese,  auch  für  die  Hornhaut  nicht 
immer  ungefährlichen  Mikroben  beseitigt.  Die  wiederholte  Se¬ 
kretuntersuchung  wird  uns  dami  angeben  können,  ob  eine  aus¬ 
reichende  Keimverminderung  erreicht  ist.  Finden  wir  z.  B.  nur 
noch  die  sogen.  Xerosebazillen,  vielleicht  neben  vereinzel¬ 
ten  Kokken,  so  ist  die  Operation  gerechtfertigt,  auch  dann,  wenn 
unsere  Behandlung  eine  ganz  gesunde  Beschaffenheit  der  Binde¬ 
haut  im  klinischen  Sinne  nicht  hat  herbeiführen  können,  wie 
das  bei  ganz  veralteten  Prozessen  (altem  Trachom,  Madarosis 
u.  s.  w.)  ja  nicht  anders  sein  kann.  Dass  in  solchen  Fällen  eine 
präparatorische  Iridektomie  und  die  Verlegung  des  Starschnittes 
in  den  konjunkti valbedeckten  Teil  des  Limbus  die  Infektions¬ 
gefahr  weiter  vermindert,  wird  allgemein  anerkannt.  Ebenso 
erscheint  es  bei  pathologischer  Beschaffenheit  und  abnormer  Se¬ 
kretion  notwendig,  von  vornherein  für  genügenden  Abfluss  zu 
sorgen  und  unter  allen  Umständen  die  offenere  Wundbehandlung 
von  Anfang  an  einzuhalten. 

Ganz  besondere  Aufmerksamkeit  aber  erfordern  bekanntlich 
Anomalien  der  Tränen  w  ege.  Da  erfahrungsmässig 
Stenosen  im  Ductus  nasolacrimalis  sich  nicht  immer  durch  ein 
ausdrückbares  vermehrtes  Sekret  im  Tränensack  verraten,  be¬ 
sonders  dann,  wenn  eine  hohe  Crista  lacrimalis  die  Kompression 
des  Tränensacks  erschwert,  so  ist  es  zweifellos  das  Sicherste, 
bei  allen  Patienten,  welche  einer  Bulbusoperation  unterworfen 
werden,  auch  bei  denen,  die  noch  keine  Reizerscheinungen  von 
Seiten  der  Bindehaut  bieten,  eine  diagnostische  Durchspülung 
der  Tränenwege  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  vorzu¬ 
nehmen. 

Belehrt  durch  einen  sehr  traurigen  Fall  von  Wundinfektion, 
wo  eine  Dakryostenose  sich  dem  Nachweis  durch  die  gewöhnliche 
Methode  völlig  entzogen  hatte,  habe  ich  seit  1898  solche  Durch¬ 
spülungen  ausnahmslos  vorgenommen.  Ich  stimme  in  dieser  Hin¬ 
sicht  ganz  überein  mit  dem  von  Kuh  nt  auf  dem  internatio¬ 
nalen  Kongress  in  Paris  (1900)  bezeichneten  Standpunkt.  Mit 
guter,  feiner  Kanüle,  eventuell  nach  vorsichtiger  Dilatation  des 
unteren  Tränenpunktes  und  straffem  Anziehen  des  Unterlides 
nach  der  Schläfe  hin,  ist  diese  Durchspülung  jederzeit  leicht 
und  ohne  alle  Reizung  zu  bewerkstelligen. 

Weisen  wir  dabei  eine  noch  durchgängige  Stenose  nach,  so 
lässt  sich  durch  wiederholte  Spülung  wohl  noch  eine  ausreichende 
Reinigung  erzielen.  Besteht  aber  Totalstenose,  mit  oder  ohne 
eigentliche  Dakryocystitis,  so  ist  meines  Erachtens  die  Ex¬ 
stirpation  des  Tränensackes  die  beste  Prophylaxe 
gegen  die  drohende  Operationsinfektion.  Durch  die  klinische 
Erfahrung  und  durch  die  auf  meine  Veranlassung  geschehenen 
bakteriologischen  Untersuchungen  von  Plaut  und  v.  Ze- 
lewski1)  wissen  wir,  dass  einige  Wochen  nach  der  Exstir¬ 
pation  die  Bindehaut  eine  relativ  infektionsungefährliche 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


J)  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilk.  1900. 


5.  August  1902. 


MUEN CIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


schaflfenheit  angenommen  hat,  und  zur  Genüge  gereinigt  werden 
kann. 

Es  erscheint  das  zunächst  auffallend:  Wie  oben  ausgeführt 
wurde,  ist  die  Ableitung  der  Tränen  ein  wichtiger  Faktor  bei 
der  Selbstreinigung  des  Auges  —  hier  wird  sie  dauernd  unter¬ 
brochen")  und  doch  erklären  wir  uns  mit  dem  Ergebnis  bezüg¬ 
lich  der  Infektiosität  relativ  zufrieden  ? 

Es  ist  das  so  zu  verstehen,  dass  der  Zustand  der  Bindehaut 
besser  ist,  als  vor  der  Exstirpation,  wo  oberhalb  des  ja  bereits 
vorhandenen  Verschlusses  des  Ductus  nasolaerimalis  im  Tränen¬ 
sack  eine  Stauung  und  Vermehrung  der  Mikroorganismen  eintrat, 
von  wo  aus  sich  der  infektiöse  Stoff  rückwärts  in  den  Konjunkti- 
valsack  fortsetzen  konnte.  Zwar  ist  auch  nach  der  Exstirpation  eine 
Stagnation  auf  der  Bindehaut  vorhanden.  Es  ist  aber  offenbar 
prinzipiell  verschieden,  ob  die  Unterbrechung  der  Leitung  erst 
unterhalb  des  Tränensacks  oder  vor  dem  letzteren  geschieht.  Ich 
stelle  mir  vor,  dass  i  m  Tränensack  für  die  Vermehrung  und 
Virulenzzunahme  der  Mikroorganismen,  besonders  der  häufigsten 
und  für  das  Auge  gefährlichsten  Erreger,  der  Pneumokokken, 
günstigere  Bedingungen  vorliegen,  einerseits  wegen  seiner  etwas 
höheren  Temperatur,  welche  diejenige  der  offenliegenden,  der 
Verdunstung  ausgesetzten  Konjunktiva  übertreffen  wird, 
andererseits  deshalb,  weil  die  fortgesetzte  Benetzung  mit  den 
sterilen  Tränen  fortfällt,  sobald  im  Duktus  eine  Totalstenose 
besteht.  Denn  in  den  einmal  gefüllten,  nicht  entleerten  Thränen- 
sack  wird  weitere  Tränenflüssigkeit  nicht  eindringen.  Die  sich 
im  Sack  bildende  Flüssigkeit  ist  deshalb  wohl  ein  besserer  Nähr¬ 
boden,  umsomehr,  wenn  nunmehr  eine  katarrhalische  Sekretion 
mit  ihrem  vermehrten  Gehalt  an  organischen  Substanzen  im 
Tränensack  hinzutritt. 

Wie  Plaut  und  v.  Zelewski  nachgewiesen  haben,  sind 
nach  der  Exstirpation  im  Vergleich  zu  einer  normalen  Leitung 
die  Mikroben  auf  der  Bindehaut  zwar  vermehrt,  aber  im  wesent¬ 
lichen  handelt  es  sich  um  Xerosebazillen  und  wenig  virulente 
weisse  Staphylokokken,  gefährliche  Eitererreger  sind  nicht 
häufig,  während  im  Stauungssekret  des  Tränensacks  bekanntlich 
virulente  Eitererreger  sehr  häufig  sind. 

Wiewohl  die  allermeisten  Fachkollegen  zur  Vorbereitung  von 
Operationen  in  der  Weise  verfahren  würden,  dass  sie  bei  vor¬ 
handener  Dakryostenose  oder  doch  bei  Dakryocystitis  die  Ex¬ 
stirpation  des  Sackes  vorausschicken,  so  habe  ich  diese  Aus¬ 
führungen  doch  für  notwendig  gehalten,  weil  auf  einem  anderen 
Gebiet  der  Prophylaxe  septischer  Infektionen  des  Augapfels  diese 
Tatsachen  noch  bei  weitem  nicht  die  allgemeine  Verwertung 
finden,  welche  sie  unbedingt  beanspruchen  müssen.  .Ich  meine 
das  Gebiet  der  so  häufigen  Berufsver¬ 
letzungen  des  Auges,  von  denen  auch  heute 
noch,  jahraus,  jahrein,  eine  grosse  Anzahl 
durch  hinzutretende  Sepsis  zum  mehr  oder 
weniger  vollständigen  Verluste  des  Sehens 
führ  t. 

Es  sind  alljährlich  viele  hunderte  von  Fällen  in 
Deutschland,  die  nach  kleinen  Verletzungen  der  Kornea  an 
ITypopyonkeratitis,  besonders  an  Ulcus  corneae  serpens  er¬ 
kranken,  mit  seinen  bekannten,  so  oft  verhängnisvollen  Erschei- 
nungen.  Nur  ein  kleiner  Teil  bezieht  die  Infektion  durch  den 
verletzenden  Gegenstand,  durch  Verunreinigung  mit  den  Fin¬ 
gern,  schmutzigen  Tüchern  u.  s.  w.,  oder  von  der  gesunden  Binde¬ 
haut,  den  Lidern.  Bei  der  grössten  Mehrzahl  bestand  bekannt¬ 
lich  ein  Lidbindehautleiden  und  noch  öfter  eine  Dakryostenose 
resp.  Dakryocystitis,  deren  Häufigkeit  beim  Ulcus  corneae  ser¬ 
pens  über  60  Proz.  zu  sein  pflegt. 

Hier  liegt  vor  uns  ein  weites,  fruchtbares 
Gebiet  für  die  Prophylaxe,  die  Verhütung  der 
Blindheit  und  der  Erwerbschädigung! 

2)  Wenn  man  bei  Tränensackexstirpierten  in  das  eine  Tränen¬ 
röhrchen  mit  der  A  n  e  1  sehen  Spritze  Flüssigkeit  injiziert,  so  er¬ 
lebt  man  nicht  selten,  dass  dieselbe  zum  andern  Röhrchen  wieder 
herausläuft;  es  sind  also  die  beiden  Röhrchen  an  ihrem  lakriinalen 
Ende  miteinander  in  Verbindung  getreten.  Ein  eigentlicher  Sack 
aber  bildet  sich  nach  totaler  Exstirpation  nicht  wieder  und  eben¬ 
sowenig  habe  ich  Flüssigkeit  in  die  Nase  ablaufen  gesehen.  Es 
kommen  also  nach  der  Exstirpation  nur  Verdunstung  resp.  Auf¬ 
saugung  der  Tränen  in  Betracht,  die  von  Berlin  beschriebene 
„Ableitung“  dagegen  jedenfalls  nur  ganz  ausnahmsweise. 


1291 


Die  in  Betracht  kommenden,  meist  kleinen  Verletzungen 
wird  man  nicht  aus  der  Welt  schaffen,  da  Schutzbrillen,  Gitter 
n.  s.  w.  nur  unvollkommen  dagegen  schützen  und  zumeist  nicht 
getragen  werden,  andererseits  die  Arbeit  der  Schlosser,  der 
Metalldreher,  der  Land-  und  Waldarbeiter  etc.  solche  Ver¬ 
letzungen  unvermeidlich  macht.  Deshalb  ist  es  Pflicht  und 
Schuldigkeit,  ein  wachsames  Auge  zu  haben  auf  Bindehautleiden 
und  ganz  besonders  1  ränensackerkrankungen  bei  der  arbeitenden 
Bevölkerung.  Ls  bedarf  hier  oft  besonderer  Anregung  durch  den 
Arzt,  da  diese  Veränderungen  von  den  Leuten  dieses  Standes 
sehr  oft  nicht  gewürdigt  werden.  Sehen  wir  uns  besonders  bei 
der  Landbevölkerung  die  Fälle  von  Dakryocystitis  an,  die  von 
selbst  unsere  Behandlung  suchen,  so  sind  dies  vorwiegend  ent¬ 
weder  Phlegmonen  oder  sehr  oft  bereits  Fälle  von  Hypopon- 
keratitis;  die  vorher  meist  schon  Jahre  lang  bestehende  Dakryo¬ 
cystitis  aber  hatte  sie  nicht  zu  einer  Behandlung  veranlasst. 

Es  wird  deshalb  durchaus  nötig  sein,  dass 
die  Herren  Kollegen  aus  der  Praxis,  besonders 
die  Landärzte  und  die  Kassenärzte,  bei  ihren 
Schutzbefohlenen  chronische  Bindehaut-  und 
T  ränonlei d  e  n  au f spüren  und  zur  Behandlung 
veranlassen,  wo  sie  nur  können. 

Welche  Behandlung  ist  nun  aber  für  ein  Tränenleiden  bei 
solchen  Personen  angezeigt? 

Es  mag  manchen  radikal  klingen,  wenn  ich  darauf  antworte, 
dass  mit  seltenen  Ausnahmen  für  den  arbei¬ 
tenden  Stand  die  Exstirpation  des  kranken 
Tränensackes  das  notwendige  Verfahren  ist. 

Ich  will  durchaus  nicht  leugnen,  dass  an  und  für  sich  die 
konservative  Therapie  der  Tränenleiden  mittels  Massage,  Durch¬ 
spülung  und  Sondierung  bei  manchen  Fällen  gute  Resultate 
geben  kann,  aber  nur  dann,  wenn  keine  Totalstenosen  bestehen, 
wenn  mit  vollendeter  Technik  gespült  und  sondiert  wird  und 
wenn  Arzt  und  Patient  eine  nicht  geringe  Ausdauer  besitzen. 
Dabei  ist  immer  noch  die  Frage,  wieweit  die 
auf  diesem  konservativen  Wege  erreichbare 
klinische  Besserung  der  katarrhalischen  Er¬ 
scheinungen  und  des  Tränens  auch  in  aus¬ 
reichendem  Masse  eine  infektionsungefähr¬ 
liche  Beschaffenheit  der  Bindehaut  herbei- 
f  ii  h  r  t,  besonders  ob  dies  auf  die  Dauer  geschieht.  Denn  das 
ist  eine  Erfahrung,  die  wir  immer  wieder  machen,  dass  nach  dem 
Aufhö  ren  jener  konservativen  Therapie  nur  zu  gern  die  Striktur 
sich  allmählich  wieder  zusammenzieht  und  damit  ein  Rezidiv 
mit  all  seinen  Uebelständen  eingeleitet  wird. 

Wo  das  Sondieren  nur  mit  Verletzung  der  Schleimhaut, 
Nasenbluten,  Entblössung  des  Knochens3)  geschehen  kann,  wird 
ein  Dauererfolg,  erst  recht  zweifelhaft.  Wer  viele  exstirpierte 
Tränensäcke  anatomisch  untersucht  hat,  wird  sich  überzeugen, 
dass  die  oft  sondierten  Säcke  die  allerschwersten  Schrumpfungs¬ 
erscheinungen  darzubieten  pflegen.  Ich  kann  in  dier  Hinsicht 
die  Angaben  von  Hertel  vollauf  bestätigen. 

Dass  bei  veralteter  Dakryocystitis  mit  Ektasie  die  konser¬ 
vative  Therapie  unzulässig  ist,  wird  allgemein  zugegeben,  ebenso 
bei  der  traehomatösen  Form. 

Aber  für  die  arbeitende  Bevölkerung  werden  mit  wenigen 
Ausnahmen  jene  an  sich  nicht  sehr  glänzenden  Aussichten  der 
konservativen  Therapie  noch  ganz  wesentlich  eingeschränkt  durch 
die  sozialen  Verhältnisse.  Selbst  die  städtischen  Arbeiter,  bei 
denen  übrigens  Tränenleiden  bekanntlich  relativ  seltener  sind, 
als  auf  dem  Lande,  pflegen  die  für  eine  erfolgreiche  Therapie 
nötige  Zeit  und  Geduld  nicht  zu  beseitzen;  für  die  ländliche 
Bevölkerung  aber  ist  das  fast  nie  zu  erwarten,  und  dürfte  selbst 
dann  nicht  durchzuführen  sein,  wenn  die  Kunst  des  vollendeten 

3)  In  manchen  Lehrbüchern  und  in  vielen  Kliniken  findet  sich 
die  x\nsicht,  dass  bei  der  chronischen  Dakryocystitis  häufig  der 
Knochen  miterkrankt  sei,  dass  eine  ,, Karies“  sich  oft  damit  ver¬ 
binde.  die  der  Heilung  besondere  Schwierigkeiten  bereite.  Diese  An¬ 
sicht  ist  d  u  r  c  h  a  u  s  unrichti  g.  Wer  viele  Tränen  sackexstir- 
pationen  lege  artis  ausgeführt  hat,  wird  sich  überzeugen,  dass  eine 
,.K  a  r  i  e  s“  in  Wirklichkeit  fast  nie  vorkommt,  abgesehen  von  der 
seltenen  tuberkulösen,  sowie  der  phlegmonösen  Dakryocystitis, 
sondern  es  sind  fast  immer  durch  die  Behandlung 
gesetzte  Schleimhautperiostverletzungen,  die 
den  Knochen  entblössen  und  veranlassen,  dass  so  oft 
die  Sonden  „rauhen  Knochen“  treffen. 


1* 


MUENCHENEll  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  31. 


■121*2 


Somlierens  allen  Kollegen  geläufig  wäre.  Die  Leute  sind  zu¬ 
meist  gegen  die  geringen  Beschwerden  ihrer  Krankheit  gleich¬ 
gültig  oder  sie  halten  nicht  aus,  und  die  Rückkehr  in  ihre  alten 
Verhältnisse  macht  eine  erreichte  Besserung  bald  wieder  rück¬ 
gängig.  Deshalb  ist  die  Exstirpation  des  Tränensackes  indiziert. 

Ich  befinde  mich  in  dieser  Meinung,  der  ich  auf  dem  Oph¬ 
thalmologenkongress  1901  bereits  Ausdruck  gegeben,  und  die 
durch  mein  in  der  Dissertation  von  Michael  niedergelegtes 
Rostocker  Operationsmaterial  von  270  Fällen  ihre  nähere  Be¬ 
gründung  erfährt,  in  TJebereinstimmung  mit  K  uhnt,  Evers- 
busch,  Völckers,  Czerma  k,  Wage  n  m  a  n  n  -  Herte  1, 
Schi  r  m  e  r,  B  r  andenbur  g,  welch  letzterer  auch  grade  der 
prophylaktischen  Exstirpation  das  Wort  redet.  Auf  dem  er¬ 
wähnten  Kongress  sind  weiter  in  der  Diskussion  dafür  ein- 
getreten  W  icherkiewicz,  Franke,  Schreibe  r  und 
neuerdings  bekennen  sich  auch  einige  französische  Autoren  zu 
dieser  Auffassung  (T  roussea  u,  V  a  1  u  d  e). 

Aber  wohl  viel  grösser  ist  die  Zahl  derjenigen  Fachgenossen, 
die  dieser  Indikationsstellung  entweder  ablehnend  gegenüber¬ 
stehen  oder  doch  in  praxi  die  Exstirpation  zu  selten  ausführen. 
Es  dürfte  das  weniger  daran  liegen,  dass  etwa  die  Beseitigung 
der  Infektionsgefahr  durch  die  Exstirpation  bestritten  würde; 
das  muss  man  ja  zugeben.  Eher  wird  ins  Feld  geführt,  der 
Eingriff  sei  zu  radikal,  die  später  Testierende  Epiphora  störend. 
Dieser  Einwurf  ist  jedoch  gegenstandslos,  da  die  Leute  sich  be¬ 
züglich  der  Epiphora  doch  mindestens  besser  befinden,  wie  vor 
der  Exstirpation,  wo  doch  auch  schon  keine  Ableitung  bestand; 
ausserdem  wird  aber  erfahrunggemäss  die  Feuchtigkeit  nach  der 
Exstirpation  geringer. 

Der  Grund  zur  Abneigung  dürfte  aber  in  erster  Linie  der 
sein,  dass  die  Operation  als  solche  vielfach  unbeliebt  ist;  ihre 
vollkommene  Ausführung  gilt  vielen  für  unsicher,  weil  in  der 
relativ  tiefen,  daher  engen  Wundhöhle  die  Uebersicht  infolge  der 
Blutung  erschwert  sei,  so  dass  der  Tränensack  bei  der  Exstir¬ 
pation  leicht  zerreisse,  Stücke  zurückblieben,  die  zu  neuer  Epi¬ 
thelisierung  und  zum  Rezidiv  führen  könnten. 

Ich  selbst  habe  vor  Jahren  aus  den  genannten  Gründen  die 
Tränensackexstirpation  nur  sehr  ungern  und  selten  ausgeführt, 
mir  dann  aber  mehr  und  mehr  eine  bessere  Technik  ausgebildet, 
und  habe  auf  diese  Weise  alle  jene  Unannehmlichkeiten  mit 
Sicherheit  vermeiden  gelernt. 

Der  1  lautschnitt  verläuft  y>  cm  nasalwärts  vom  inneren  Lid-  - 
Winkel,  etwas  oberhalb  des  Ligament,  cantlii  internum  beginnend, 
bogenförmig  vor  der  Crista  lacrimalis  nach  unten  aussen  in  einer 
Länge  von  ca.  21/»  cm.  gleich  bis  auf  den  Knochen.  Ich  halte 
diesen  Schnitt  für  besser  als  kleinere  Hautinzisionen,  so  wenig 
ich  bestreiten  will,  dass  man  auf  letztere  sich  einüben  kann,  weil 


alsdann  eine  wirklich  freie  Uebersicht  leicht  erreichbar  ist4). 
Insbesondere  ist  man  dann  im  stände,  genau  zu  erkennen,  ob  die 


4)  Auch  deshalb  ist  ein  grösserer  Hautschnitt  besser,  weil  sich 
dann  klar  überblicken  lässt,  ob  die  Dakrocystitis  zu  einer  der  be¬ 
nachbarten  Nebenhöhlen  der  Nase  in  Beziehung  steht.  Im  all¬ 
gemeinen  sind  solche  Kombinationen  nach  meiner  Erfahrung  nicht 
häufig:  unter  270  Exstirpationen  habe  ich  nur  2  mal  gleichzeitiges 
Siebbeinzellenempyem,  2  mal  ein  solches  d  r  Ilighinorslinhle  (bei 
Tuberkulose  des  Sackes)  gefunden.  Natürlich  muss  man  sich 


Crista  lacrimalis  hoch  ist,  so  dass  man  hinter  ihr  nach  unten  prä¬ 
parieren  muss,  um  nicht  die  untere  Kuppe  zurückzulassen;  achtet 
man  darauf,  diese  untere  Kuppe  ganz  zu  entfernen,  dann  wird 
man  auch  keine  Rezidive  erleben.  Kosmetisch  kommt  der  grös¬ 
sere  Schnitt  nicht  in  Betracht,  er  vernarbt  in  der  Regel  spurlos. 

Nach  dem  Schnitt  ist  in  erster  Linie  notwendig,  eine  voll¬ 
kommene  Blutstillung  zu  erreichen,  weil  sonst  in  der  Tat 
nichts  zu  erkennen  ist.  Bei  der  Engigkeit  der  Wunde  ist  mit 
Peans,  Schiebern  u.  dgl.  nicht  viel  anzufangen,  da  diese  den  relativ 
engen  Raum  zu  sehr  verdecken.  Dagegen  erreichen  wir  durch 
eine  zweckmässige  Hakenkompression  der  Wundränder  schnell 
unser  Ziel.  Mit  dem  Müller  sehen  Wundspekulum,  an  welchem 
ich  etwas  grössere  Zähne  habe  anbringen  lassen,  ziehen  wir  hori¬ 
zontal  die  Wundränder  scharf  auseinander,  dann  setzen  wir  von 
der  Nasenseite  her  das  von  mir  konstruierte  Spekulum  °)  ein  und 
ziehen  die  Wundecken  nach  oben  und  unten  straff  an,  dann  steht 
die  Blutung.  Wenn  bei  der  Ablösung  des  Periosts  in  die  Fossa 
lacrimalis  hinein  oder  später  bei  der  Umschneidung  der  Kuppen 
und  der  temporalen  Wandung  noch  parenchymatöse  Hämorrhagie 
stört,  -o  steht  diese  schnell  auf  Kompression,  besonders  wenn  man 
die  T  upf  er  mit  Kokainlösung  t  r  ii  n  k  t.  Es  ist  sehr 
selten,  dass  trotz  dieser  Vorkehrungen  doch  eine  Blutung  z.  B.  aus 
einem  Knochengefäss  stört,  sondern  fast  immer  ist  die  Operation 
glatt  und  in  toto  in  ca.  10  Minuten  beendet,  Kratzt  man  jetzt  den 
Ductus  nasolacrimalis  aus  und  drainiert  auf  diese  Weise  nach  der 
Nase  hin,  so  pflegt  die  Wunde  per  primam  zu  heilen. 

Man  hat  bei  der  Operation  noch  darauf  zu  achten,  dass  der 
Hautschnitt  nicht  zu  nahe  an  den  Lidwinkel  gelegt  wird.  Es 
kann  sonst,  da  die  Haut  sich  in  die  Fossa  lacrimalis  etwas  ein¬ 
zusenken  pflegt,  ein  massiges  Abstehen  des  Unterlides  für  die 
erste  Zeit  eintreten,  wodurch  ein  Reizzustand  der  Bindehaut,  an¬ 
haltenderes  Tränen  und  ein  grösserer  Keimgehalt  bedingt  sein 
kann.  Es  ist  ferner  zu  vermeiden,  dass  bei  Umschneidung  der 
(konjunkiivalwärts  gelegenen)  temporalen  Wandung  des  Tränen¬ 
sackes  die  äussere  Haut  oder  die  Bindehaut  gefenstert  wird.  Bei 
Benutzung  der  die  Hautränder  so  straff  anspannenden  Specula 
ist  das  nicht  zu  befürchten.  Bei  sehr  ektatischen  Säcken  zieht 
man  die  Haut  mit  einem  tiefer  eingesetzten  Haken  besonders 
stark  nach  aussen. 

Geht  man  in  dieser  Weise  vor,  so  ist  wenige  Wochen  nach 
der  Exstirpation  das  Tränenträufeln  ganz  gering,  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  tritt  es  ganz  zurück  (mit  Ausnahme  von  besonderen 
Reizen,  wie  Wind,  Kälte  etc.),  indem  der  Absonderungsgrad  sich 
mehr  oder  weniger  anpasst,  nachdem  die  reflektorische  Reizung 
durch  den  Katarrh,  das  infektiöse  Tränensacksekret  beseitigt  ist. 
Nur  selten  hat  man  Veranlassung,  zur  Beseitigung  von  lästigem 
Tränen  noch  die  Exstirpation  der  gelegentlich  hypertrophisch 
gewordenen  oder  übermässig  sezernierenden  Tränendrüse  hinzu¬ 
zufügen.  Am  schnellsten  und  vollkommendsten  pflegt  die  Adaption 
einzutreten  bei  denen,  die  vor  der  Exstirpation  schon  eine  Total- 
stenose  hatten,  was  bei  Dakryoevstitis  die  Regel  ist,  während 
solche  mit  noch  nicht  ganz  aufgehobener  Leitung  öfters  ein  ge¬ 
wisses  stärkeres  Tränen  behalten  °). 

hüten,  eine- Eröffnung  des  Siebbeins  durch  die  Operation  mit  einer 
Kommunikation  zu  verwechseln. 

Peters  (Zeitschr.  f.  Augenheilk.  II.  1899.  S.  153),  der  in  Ueber- 
oinstimmung  mit  Kuhnt  es  als  ziemlich  häufig  bezeichnet,  dass  das 
Bild  der  ektatischen  Dakryocystitis  durch  eine  Sinusitis  entstehe, 
gibt  an.  dass  man  dies  besonders  dann  anzunehmen  habe,  wenn  ein 
Tumor  lacrimalis  sich  mit  dem  Finger  fortdrücken  lasse,  ohne  dass 
dabei  sein  Inhalt  sich  nach  der  Konjunktiva  hin  entleere.  Dann 
werde  derselbe  in  die  erkrankte  Nebenhöhle  verlagert.  Dieser 
Auffassung  kann  ich  jedoch  nicht  uneingeschränkt  beistimmen; 
ich  habe  vielmehr  bei  5  Patienten,  welche  dies  klinische  Symptom 
darboten,  mich  bei  der  Operation  überzeugen  können,  dass  eine 
Sinusitis  nicht  bestand;  vielmehr  war  Hochstand  der  Crista  lacri¬ 
malis  bei  bedeutender,  bis  in  den  Duktus  reichender  Ektasie  des 
Sackes  vorhanden,  dessen  untere  Hälfte  demnach  nicht  von  aussen 
komprimierbar  war.  In  diese  untere,  divertikelartige  Hälfte  war 
der  von  aussen  palpable  Inhalt  der  oberen  Tränensackhälfte  ver¬ 
schoben  worden.  Andererseits  gibt  es  gar  nicht  so  selten  ektatische 
Tränensäcke,  welche  nach  der  Bindehaut  hin  obliteriert  sind,  nach 
der  Nase  aber  auf  Druck  sich  entleeren.  Ich  muss  also  hervor¬ 
beben.  dass  Erkrankungen  von  Nebenhöhlen  der  Nase  bei  der 
Tränensackblennorrhoe  keine  grosse  Bedeutung  haben.  Natürlich 
denke  ich  dabei  nicht  an  die  bekannten  Vorwölbungen  oberhalb 
der  Fossa  lacrimalis,  welche  vom  Siebbein  oder  Stirnbein  herrühren 
und  bei  genauerer  Untersuchung  von  der  Dakryocystitis  doch  fast, 
immer  zu  unterscheiden  sind,  wie  dies  ebenso  bei  den  prä-  resp. 
sublakrimalen  Schwellungen  der  Fall  ist.  welche  bei  Higlimors- 
höhlen-  und  Oberkiefererkrankungen  Vorkommen  können. 

B)  Bei  II.  Windler-  Berlin. 

B)  Die  Abnahme  der  Tränensackabsonderung  nach  der  Ex¬ 
stirpation  liegt  in  erster  Linie  an  einer  Verminderung  der  die 
Tränendrüse  treffenden  funktionellen  Reize,  die  in  dem  infektiösen 
Sekret  und  dem  katarrhalischen  Zustand  der  Bindehaut,  sowie 


1293 


MÜENCHENER  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


5.  Aug-ust  1902. 


Ich  habe  die  bestimmte  Hoffnung-,  dass  die  Befolgung  solcher 
technischen  Regeln  die  Tränensackexstirpation  zunächst  all¬ 
gemein  zu  einer  beliebten  Operation  in  technischer  Hinsicht 
macht.  Ist  man  auf  diesem  Standpunkt  angelangt,  dann  wird 
man  auch  die  Indikation  für  die  arbeitende  Klasse  mehr  und 
mehr,  und  wie  ich  hoffe,  schliesslich  allgemein  so  stellen,  dass 
man  alles  daran  setzen  sollte,  in  diesen  Kreisen  jedes  Tränen¬ 
leiden,  einzelne  Ausnahmen  abgerechnet,  der  Exstirpation  zu¬ 
zuführen. 

Han  darf  natürlich  nicht  erwarten,  dass  die  ILypopyon- 
keratitis  dann  so  gut  wie  aufhören  werde.  Die  Dakryocystitis 
ist  zwar  die  häufigste,  nicht  aber  die  einzige  Quelle  für  die  In¬ 
jektion,  die  auch  einmal  gleich  von  der  Verletzung  herrühren, 
durch  die  Finger,  schmutzige  Utensilien  herbeigeführt  werden 
kann.  In  seltenen  Fällen  kann  natürlich  auch  ein  Auge  in¬ 
fiziert  werden  (von  irgend  einer  anderen  Stelle  her),  welchem  der 
Tränensack  exstirpiert  ist.  Aber  wir  dürfen  doch  sicher  er¬ 
warten,  dass  durch  möglichst  zahlreiche  Tränen¬ 
sackexstirpationen  Augen  in  grosser  Zahl  vor 
einer  septischen  Infektion  bewahrt  bleiben. 

Der  statistische  Beweis  dafür  ist  einerseits  dadurch  zu  er¬ 
bringen,  dass  man  bei  Tränensackexstirpierten  nur  sehr  selten 
eine  Hornhautinfektion  zu  Stande  kommen  sieht.  Andererseits 
wird  man  die  Frequenz  der  Hypopyonkeratitis  vor  und  nach  Ein¬ 
führung  dieser  Therapie  vergleichen.  Allein  dieser  Vergleich 
wird  nur  dann  exakt  beweisend  sein,  wenn  er  sich  auf  einen  sehr 
grossen  Zeitabschnitt  von  vielen  Jahren  bezieht.  Ich  habe 
zwar  während  der  3  Jahre,  in  welchen  ich  in  Rostock  im  ganzen 
jene  270  Exstirpationen  ausführte,  den  Eindruck  gehabt,  dass  die 
Zahl  der  septischen  Hornhautinfektionen  zurückging.  Aber 
die  Freizügigkeit  der  ländlichen  Bevölkerung,  sowie  die  Tat¬ 
sache,  dass  eben  noch  zahlreiche  unbehandelte  Fälle  von  Dakryo¬ 
cystitis  im  Lande  sassen,  trotz  der  anerkennenswerten  Beteiligung 
der  dortigen  Kollegen  an  dieser  Frage,  lassen  es  ausgeschlossen 
erscheinen,  exakte  Beweise  aus  jener  Statistik  in  dieser  Hinsicht 
zu  entnehmen.  Eher  fällt  ins  Gewicht,  dass  ich  bei  meinen 
Tränensackexstirpierten  nur  2  mal  eine  Keratitis  nachher  noch 
habe  entstehen  sehen:  das  einemal  bei  einem  sehr  schmutzigen 
Manne,  der  ausserdem  an  Sycosis  simplex  der  behaarten  Gesichts¬ 
haut  und  auch  der  Lider  litt,  das  anderemal  in  Form  einer  Ent¬ 
zündung  eines  alten  ektatischen  Leuconra  adhaerens. 

Jenes  Rostocker  Material,  welches  in  der  Dissertation  von 
Herrn  Michael  genauer  beschrieben  wird,  ergibt,  dass  jene 
270  Exstirpationen  zur  Ausführung  kamen: 

229  mal  bei  Personen  der  arbeitenden  Klassen, 

41  mal  bei  Angehörigen  der  besseren  Stände. 

Es  waren  von  jenen  Fällen  92  mit  ITomhautleiden  kom¬ 
pliziert,  davon  allein  71  mit  schwerem  Ulcus  serpens  resp.  grossen 
Leukomen,  ein  Beweis,  wieviel  und  wie  schwere  Schädigung  an 
Arbeitskraft  auf  diesem  Wege  zu  Stande  kommt,  und  wie  gx-oss 
die  finanzielle  Belastung  ist,  welche  auf  diese  Weise  dem  Ein¬ 
zelnen,  wie  besonders  den  Berufsgenossenschaften,  Kranken¬ 
kassen  und  Versicherungsanstalten  auf  gebürdet  wird. 

Deshalb  dürfen  wir  nicht  rxihen,  noch  rasten,  bis  allge¬ 
mein  eine  bessere,  wirksamere  Prophylaxe  gegen  diese  grossen- 
teils  vermeidbaren  septischen  Berufsinfektionen  geschieht,  als 
wie  sie  heutzutage  leider  noch  vielfach  üblich  ist. 


eventuell  in  der  Saugwirkung  des  Tränenstroms  (bei  inkompletter 
Stenose)  bestanden.  Dass  eine  allmähliche  Atrophie  der  Drüse  nach 
operativer  Beseitigung  der  Nasenleitung  einträte,  wie  Stanc  uleanu 
und  Theophari  und  jiinst  wiederTerson  dies  behauptet  haben,  ist 
unzutreffend.  Die  von  jenen  Autoren  beschriebene  angebliche 
Degeneration  beruht  vielmehr  auf  einem  Irrtum,  indem  nach 
m  einen  und  B  i  e  1 1  i  s  Untei-suchungen  die  normale  und  beson¬ 
ders  die  sezerniei-ende  Drüse  schon  physiologisch  Fett  in  den 
Epithelien  enthält  und  ebensowenig  pathologische  „Granula“  in 
solchen  Fällen  nachweisbar  sind.  (Näheres  cf.  Verhandl.  d.  opli- 
thalmolog.  Gesellscli.  Heidelberg  1900.)  Beim  Kaninchen  will 
allerdings  Tscherno-Schwartz  expei'imentell  durch  Ex¬ 
stirpation  des  Sackes  Atrophie  der  Drüse  erzielt  haben;  doch  sind 
die  geringen  Gewichtsunterschiede  und  ebenso  die  histologischen 
Befunde  noch  nicht  voll  überzeugend. 

No.  31. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Ei-langen 
(Direktor:  Prof.  A.  v.  Strümpell). 

Bericht  über  eine  Wiederkäuerfamilie.*) 

\  oii  Di .  L.  I  Mülle  r,  Privatdozent  und  Oberarzt  an  der 

medizinischen  Klinik. 

Im  Herbste  1900  suchte  ein  50  jähriger  Mann  wegen  eines 
schweren  Magenleidens  die  Klinik  auf.  Bei  der  Aufnahme  der 
Anamnese  gab  der  Kranke  an,  dass  er  seit  seinem  6.  Lebensjahre 
die  genossene  Nahrung  wiederzukauen  pflege.  Später  stellte  sich 
heraus,  dass  auch  2  Söhne  dieses  Patienten,  ohne  dass  ihr  Vater 
darum  wusste,  Wiederkäuer  sind.  Diese  merkwürdige,  hier  fa¬ 
miliär  auftretende  Eigentümlichkeit  im  Mechanismus  der  Ver¬ 
dauung  scheint  mir  einer  kurzen  Besprechung  wert,  zuvor  aber 
möchte  ich  einen  Auszug  aus  der  Krankengeschichte  des  Vaters 
und  den  Berichten  der  beiden  Söhne  bringen : 

1.  F.  S.  (in  der  Klinik  vom  10.  September  bis  zu  seinem  Tode 
am  3.  Oktober  1900)  bat  erst  seit  einem  halben  Jahre  über  Magen¬ 
beschwerden  zu  klagen.  Anfänglich  bestanden  diese  nur  in 
starkem  Magendrücken,  seit  etwa  4  Monaten  gesellte  sich  dazu 
häufiges  Erbrechen;  in  den  letzten  4  Wochen  muss  Patient  fast 
jedesmal  kurze  Zeit  nach  Aufnahme  der  Nahrung  dieselbe  wieder 
von  sich  geben.  Seit  dieser  Zeit  magei-t  er  rasch  ab.  Das  Er¬ 
brochene  war  nie  blutig;  es  hatte  meist  die  Farbe  und  Beschaffen¬ 
heit  der  kurz  vorher  gegessenen  Speisen.  Sonstige  Beschwerden, 
insbesondere  Schmerzen  bestehen  nicht,  nur  über  quälenden  Durst 
hat  der  Kranke  noch  zu  klagen. 

Patient  erzählt,  dass  er  von  seinem  0.  Lebensjahre  bis  zum 
Beginu  der  jetzigen  Krankheit  „Wiederkäuer“  gewesen  war,  d.h. 
eine  Viertelstunde  nach  der  Mahlzeit  seien  ihm  die  genossenen 
Speisen  in  einzelnen  Portionen  wieder  in  den  Mund  aufgestiegen, 
nun  erst  wurden  sie  ordentlich  durchgekaut  und  dann  aufs  Neue 
wieder  verschluckt.  Er  wäre  stets  ein  starker  Esser  gewesen  und 
hätte  immer  rasch  und  hastig  gegessen  und  das  erstemal  schlecht 
gekaut. 

Während  Patient  jetzt  in  seiner  Krankheit  vor  dem  Erbrechen 
stets  Unbehagen  und  Uebliclikeit  hat,  die  sich  so  lange-  steigern, 
bis  endlich  der  Brechakt  unter  Schweissausbruch  ausgelöst  wird, 
war  ihm  früher  das  Aufstossen  der  Speisen  durchaus  nichts  Un¬ 
angenehmes,  ja  erst  beim  Wiederkäuen  der  Speisen 
hatte  er  einen  Genuss  von  der  Nahrung. 

Bei  der  Untersuchung  des  stark  abgemagerten,  aus¬ 
gesprochen  kachektisch  aussehenden  Patienten  lässt  sich  in  der 
Magengegend  bei  stossweiser  Palpation  eine  Geschwulst  fühlen, 
aber  nicht  deutlich  abgi-enzen;  die  Untersuchung  der  übrigen  Or¬ 
gane  kann,  abgesehen  von  etwas  geblähten  Lungen,  keinen  krank¬ 
haften  Befund  erheben.  Der  Harn  ist  sehr  konzentriert,  beim  Ver¬ 
setzen  mit  Eisenchlorid  nimmt  er  eine  rotbraune  Farbe  an  (Azet- 
essigsäure). 

Beim  Sondieren  des  Magens  kann  man  4G  cm  weit  hinter  die 
Zahnreihe  dringen,  dann  hat  man  die  Empfindung  eines  nicht  zu 
überwindenden  Widei-standes.  Am  Sondenschnabel  fand  sich 
etwas  blutiger  Schleim.  Beim  Eingiessen  von  Flüssigkeit  durch 
die  Sonde  wird  das  Wasser,  sobald  es  eine  Menge  von  150  ccm 
überschreitet,  neben  dem  Schlauch  wieder  herauserbrochen.  Auch 
der  Versuch  der  künstlichen  Aufblähung  des  Magens  durch  ein 
Gebläse  misslingt,  da  die  Luft  neben  der  Sonde  aus  der  Speise- 
röhi-e  entweicht,  von  einer  Ausdehnung  des  Magens  lässt  sich  bei 
diesen  Vei-suchen,  Luft  einzupunxpen,  nichts  erkennen. 

Aus  dem  nüchternen  Magen  ist  mit  Mühe  eine  geringe 
Menge  milchiger  Flüssigkeit  zu  expi-imieren,  Reaktion  sauei-,  Saiz- 
säureprobe  negativ,  Milchsäureprobe  angedeutet  positiv. 

Das  Probefrühstück  wird  kurze  Zeit  nach  der  Zufuhr 
fast  ganz  wieder  erbrochen.  Der  geringe  Rest  wird  nach  einer 
Stunde  wieder  ausgepresst.  Reaktion  sauei-,  Salz-  und  Milch¬ 
säureproben  negativ. 

Die  Probemahlzeit  wird,  noch  bevor  sie  ganz  einge¬ 
nommen  war,  wieder  erbrochen. 

Nach  der  Aufnahme  von  Nahrung  oder  nach  dem  Eingiessen 
von  Flüssigkeit  ist  links  neben  der  hinteren  Medianlinie  in  der 
Höhe  vom  5. — 11.  Brustwirbel  eine  dreifingerbreite  Dämpfung 
nachzuweisen,  die  nach  dem  Erbrechen  wieder  verschwindet  und 
somit  wohl  auf  den  erweiterten  und  angefüllten  Oesophagus 
zurückzuführen  ist. 

Da  der  Kranke  infolge  des  stetigen  Erbrechens  der  Nah¬ 
rung  fast  nichts  resorbieren  konnte,  vei-fällt  er  rasch.  Die 
verabreichten  Nährklystiere  konnten  die  stetige  Abnahme  der 
Kräfte  nicht  aufhalten.  Bald  stellten  sich  Inanitionsdelirien  ein, 
es  trat  sehr  starker  Azetongeruch  ex  oi-e  auf  und  3  Wochen  nach¬ 
dem  der  Kranke  in  die  Klinik  aufgenommen  wurde,  kam  es  zum 
Exitus  letalis. 

Bei  der  Sektion  des  hochgradig  abgemagerten  Mannes  fand 
sich  nun,  wie  vermutet,  ein  Magenkarzinom.  Dasselbe  teilte  den 


*)  Nach  einem  am  7.  Juli  in  der  physikalisch-medizinischen 
Gesellschaft  zu  Erlangen  gehaltenen  Vortrag. 


2 


MH  EN  CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1294 


Magen,  wie  aus  der  Figur  ’)  zu  ersehen  ist,  in  einen  linken 
grösseren,  etwa  120  ccm  und  einen  rechten  kleineren,  etwa 

90  ccm  fassenden 
Abschnitt.  Die  ring¬ 
förmig  angeordnete 
W  uclierung  schnürte 
den  Magen  zu  einer 
sanduhrähnlichen 
Form  ein.  Die  cir- 
rhotische  Infiltration 
der  Magenwand  er¬ 
reicht  eine  Dicke  bis 
zu  12  mm.  Die  da¬ 
durch  bedingte  Ver¬ 
engung  des  Magens 
zwischen  seinen  bei¬ 
den  Hälften  ist  so 
stark,  dass  sie  für 
einen  Finger  nicht 
durchgängig  ist.  Die 
Magenwand  ist  an 
dieser  Stelle  in 
dicke,  starr  infil¬ 
trierte  Falten  gelegt 
(siehe  Fig.). 

Am  Pylorus  ist 
nichts  Krankes 
nachzuweisen.  Da¬ 
gegen  ist  die  Kardia 
auf  den  Umfang 
Umfang  eines  Zweimarkstückes  erweitert  und  auch  der 
Oesophagus  ist  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  stark  dila- 
liert,  so  dass  er  am  Präparat  etwa  das  Aussehen  und  den  Dicken¬ 
umfang  des  Dünndarmes  hat.  Bei  der  Sektion  fand  sich  ausser¬ 
dem  noch  eine  karzinomatöse  Infiltration  des  Netzes  und  das  war 
wohl  der  Tumor,  der  intra  vitam  durch  die  Bauchdecken  durch 
palpiert  werden  konnte. 

2.  Der  jüngste  Sohn  des  Patienten,  Herr  F.  S.,  22  Jahre, 
Beamter  in  Nürnberg,  konsultierte  mich  am  IS.  September  1900 
gelegentlich  eines  Besuches  bei  seinem  kranken  Vater.  Er  habe 
erfahren,  dass  sein  Vater  schwer  magenleidend  wäre,  und  wolle 
sich  nun  befragen,  oh  das  Aufstossen  der  Speisen,  an  dem  er  schon 
seit  vielen  Jahren  leide,  nicht  auch  schon  ein  Zeichen  einer  Magen¬ 
erkrankung  sei.  Etwa  15  Minuten  nach  vollendeter 
Mahlzeit  steige  ihm  dieselbe  in  einzelnen  Bis¬ 
sen  wieder  zum  Mund  und  erst  dann  kaue  er  die 
N  ahrung  ordentlich  durch.  In  e  t  w  a  20  Malen 
komme  so  allmählich  das  ganze  Essen  wieder 
herauf.  Der  Vorgang  des  Wiederkauens  brauche 
etwa  eine  Stunde,  es  dauere  so  lange,  „bis  die 
M  a  gensäure  ko  m  m  e“.  Die  aufstossen  den  Speisen 
ekeln  ihn  nicht  an,  Herr  S.  hat  im  Gegenteil 
eine  angenehme  Empfindung  und  entschiedenen 
Wohlgeschmack  beim  Wiederdurch  kauen  der 
N  a  li  r  u  n  g.  Bier,  Wasser,  oder  Kaffee  steigen  nie  wieder  auf, 
dagegen  kommt  Kaffee  mit  Brot  oder  Kuchen  genossen,  wieder 
hoch.  Nicht  alle  Speisen  werden  gleiehmässig  wieder  gekaut;  saure 
Fleischspeisen  bleiben  ruhig  im  Magen  liegen.  Besonders  stark 
tritt  das  Wiederkauen  nach  Aufnahme  von  Mehl-  und  Eier¬ 
speisen  und  nach  Gemüse  und  Obst  auf. 


Herr  S.  hat  gar  keine  Beschwerden  von  seiten  des  Magens, 
er  fühlt  sich  g  a  n  z  wohl;  er  hat  sehr  guten  Appetit,  ja  er 
glaubt,  dass  er  mehr  esse  wie  andere  Leute;  S.  sucht  nur,  da  er 
schon  einmal  in  der  Klinik  ist,  den  Kat  des  Arztes  nach.  Er  werde 
von  seinen  Kameraden  wegen  des  Wiederkauens  oft  ausgelacht 
und  er  befürchtet,  dass  sich  bei  ihm  ein  ähnliches  Magenleiden 
wie  bei  seinem  Vater  entwickeln  könne.  Herr  S.  ist  seit  vielen 
Jahren  in  der  Fremde  und  war  sehr  erstaunt,  zu  hören,  dass  auch 
sein  \  ater  früher  die  Gewohnheit  des  Wiederkauens  gehabt  hätte. 

Auf  meinen  \  erschlag  hin  kam  S.  nach  einigen  Tagen  (am 
2.J.  IX.  1900)  in  die  Sprechstunde  der  Klinik,  um  sich  eingehender 
untersuchen  zu  lassen.  Er  ist  ein  schlank  aufgewachsener,  frisch 
aussehender  junger  Mann.  Am  Körper,  insbesondere  am  Leib 
und  in  der  Magengegend  lässt  sich  gar  nichts  Krankhaftes  nach- 
weisen.  Die  Magensonde  ist  ohne  Schwierigkeiten  einzuführen. 
Beim  Aufblähen  des  Magens  sind  die  Begrenzungslinien  desselben 
durch  die  ziemlich  fettreichen  Bauchdecken  hindurch  nicht  zu 
erkennen,  beim  stärkeren  Aufblasen  entweicht  Luft  neben  der 
Sonde.  Herr  S.  bekommt  in  der  Klinik  eine  Frobemahlzeit,  be¬ 
stehend  aus  Suppe,  Brot,  gebratenem  Lendenstück  und  Kartoffel¬ 
brei.  Zu  seinem  Erstaunen  kamen  aber  die  Speisen  nicht  wieder 
hoch.  Als  S.  nach  einigen  Tagen  (am  25.  September  1900)  die 
Klinik  wieder  aufsuchte,  erzählte  er,  dass  fast  unmittelbar  nach¬ 
dem  er  das  ärztliche  Untersuchungszimmer  verlassen  habe,  sich 
das  Aufstossen  eingestellt  hätte  und  er  sich  beim  Wiederdurch- 


J)  Die  Zeichnung  ist  von  Herrn  Dr.  S  c  h  r  i  d  d  e,  Assistenzarzt 
am  pathologischen  Institut,  nach  dem  in  Kayserlingscher 
Flüssigkeit  aufbewahrten  Präparat  angefertigt  worden.  Aus  der 
li  i  n  t  e  r  e  n  Wand  des  Magens  ist  zur  Veranschaulichung  der 
mittleren  elrrhotischen  Einschnürung  und  der  Verdickung  der 
Magenwand  ein  Fenster  ausgeschnitten  worden.  Herrn  Dr. 
S  c  h  r  i  d  d  e  möchte  ich  auch  an  dieser  Stelle  für  seine  freundliche 
Hilfe  meinen  vei’bipd[liQhsten  Dank  sagen. 


kauen  der  Probemahlzeit  des  Wohlgeschmackes  derselben  erfreuen 
konnte.  In  etwa  15 — 20  Portionen  wäre  die  ganze  Mahlzeit  wieder 
„hochgekommen“.  In  Gegenwart  von  anderen  Personen,  besonders 
wenn  diese  ihn  beobachten,  bleibe  die  geschilderte  Verdauungs¬ 
eigentümlichkeit  meist  aus  und  zwar,  wie  er  vermutet,  deshalb, 
weil  er  seit  langer  Zeit  bemüht  ist,  unter  solchen  Umständen  das 
Wiederauf stossen  der  Speisen  zu  verhindern.  Ist  Herr  S.  aber, 
wie  z.  B.  nach  Tisch  in  der  Schreibstube,  allein,  so  kommen  „ganz 
von  selbst“  die  Speisen  in  einzelnen  Bissen  wieder  in  den  Mund 
und  während  der  Arbeit  kaue  er  mit  Behagen  die  kurze 
Zeit  vorher  genossene  Mahlzeit  wieder  durch.  Heute  (25.  IX. 
1900)  Mittags  1  Uhr  hat  Herr  S.  reichlich  süsse  Speise 
zu  sich  genommen  und  ist  jetzt  (Nachmittags  2  Uhr),  wie 
er  sagt,  im  besten  Wiederkäuen  begriffen;  er  fühlt  sich  aber, 
seitdem  er  im  Untersuchungszimmer  ist,  doch  wieder  in  seiner 
Gewohnheit  gehemmt  und  erst,  nachdem  der  Arzt  für  kurze  Zeit 
das  Zimmer  verlassen  hat,  stellt  sich  das  unterbrochene  Wieder- 
aufstossen  der  Nahrung  ein  und  hält  nun  auch,  als  Herr  S.  wieder 
in  Beobachtung  genommen  wurde,  an.  Dabei  lässt  sich  erkennen, 
dass  etwa  alle  4  Minuten  unter  geringer  Ein¬ 
ziehung  des  Abdomens  und  kaum  merkbarer 
Vonvärtsbeugung  des  Kopfes  ein  Bissen  hoch¬ 
steigt,  der  nun  unter  leicht  kauenden  Bewe¬ 
gungen  der  Kiefer,  die  aber  nur  bei  scharfer 
Beobachtung  auffallen,  wieder  durchgearbeitet 
und  dann  neuerdings  verschluckt  w  i  r  d.  Herrn  S. 
ist  es  sichtlich  peinlich,  dass  dieser  Vorgang,  den  er  bis  jetzt  nach 
Möglichkeit  zu  verbergen  suchte,  jetzt  genauer  studiert  wird. 
Nach  etwva  20  Minuten  erklärt  er,  dass  jetzt  die  Bissen  sauer 
werden  und  dass  damit  das  unwillkürliche  Wiederaufstossen  der 
Nahrung  nachlasse. 

Daraufhin  wird  in  der  Klinik  ein  Gericht  von  Rühreiern  ver¬ 
abreicht,  auf  welche  Nahrung  hin  besonders  stark  der  Zwang  zum 
Wiederkäuen  auftreten  soll.  10  Minuten  nach  vollendeter  Mahl¬ 
zeit  stösst.  die  Speise  zum  ersten  Male  auf  und  in  Zwischenräumen 
von  3  Minuten  kommt  immer  ein  Mundvoll  von  den  eben  genos¬ 
senen  Eiern  unter  einer  kaum  sichtbaren  Würgbewegung  wieder 
hoch.  Herr  S.  wird  aufgefordert,  diese  nun  nicht  wieder  zu  kauen, 
sondern  in  bereitstehende  Bechergläser  zu  entleeren.  I  n 
22  Schüben  wird  die  ganze  vorher  genossene 
Eierspeise  im  Zeitraum  von  etwas  über  y2  Stunde 
wieder  herauf  gewürgt.  Die  einzelnen  Portionen 
sind  alle  gleich  gross,  immer  ein  guter  Bissen,  der  einem 
gehäuften  Esslöffel  (4 — 5  g)  entspricht.  Der  filtrierte  Saft  dieser 
Bissen  reagiert  angedeutet  sauer,  die  Proben  auf  freie  Salzsäure 
sind  negativ. 

Am  14  Oktober  1900  wird  Herrn  S.,  der  sich  zur  neuer¬ 
lichen  Untersuchung  vorstellt,  ein  Probefrühstück  verabreicht  und 
1  Stunde  darnach  ausgehebert.  Es  ist  zu  einem  feinen  Brei  ver¬ 
arbeitet,  die  Salzsäureproben  und  Pepsinproben  sind  deutlich  posi¬ 
tiv,  Azidität  55.  Beim  Nachspülen  zeigt  sich,  dass  über  2  Liter  in 
den  Magen  eingegossen  werden  können,  dieser  also  ungewöhnlich 
gross  ist.  Die  Röntgenuntersuchung  der  Speiseröhre  und  des 
Magens  während  des  Schluckens  von  Oblaten,  die  mit  Bismutum 
subnitricum  gefüllt  sind,  ergab  keine  brauchbaren  Resultate.  Ein 
mit  Bleidraht  ausgefüllter  Magenschlauch  lässt  sich  nach  seiner 
Einführung  in  den  Magen  bei  der  Durchleuchtung  mit  Röntgen¬ 
strahlen  auf  dem  Lichtschirm  bis  unter  das  Zwerchfell  verfolgen. 
Ueber  die  Konturen  des  Magens  konnte  ich  aber  nichts  Zuver¬ 
lässiges  erforschen. 

Am  30.  Septembe  r  1901  kommt  Herr  S.  auf  meine  Auf¬ 
forderung  hin  wieder  in  die  Klinik.  Er  fühlt  sich  jetzt  ebenso 
wie  früher  körperlich  und  geistig  vollständig  wohl,  er  hat  nie 
Beschwerden  von  Seiten  des  Magens,  nie  Erbrechen.  Die  An¬ 
gewohnheit,  die  Mahlzeiten  heisshungrig  rasch  hinunter  zu  essen 
und  dabei  kaum  zu  kauen,  besteht  noch  wie  früher,  ebenso  die  Ge¬ 
wohnheit  des  Wiederkäuens.  Erst  wenn  die  Speisen  wieder 
heraufkommen,  werden  sie  ordentlich  zerkleinert,  dann  erst  hat 
er  Genuss  von  der  Nahrung.  Ist  Herr  S.  in  Folge  von  äusseren 
Umständen  (so  z.  B.  in  Gesellschaft)  nicht  in  der  Lage,  dem  Drange 
zum  Aufstossen  nachzugeben,  so  tritt  ein  drückendes,  un¬ 
angenehmes  Gefühl  im  Magen  ein.  Nach  Aufnahme  von  sehr  reich¬ 
lichen  Mengen  tritt  der  Zwang  zum  Wiederkäuen  so  stark  auf, 
dass  er  nicht  unterdrückt  werden  kann.  Flüssige 
Speisen  kommen  nicht  wieder  herauf,  Fleischspeisen  nicht  immer, 
ganz  regelmässig  aber  steigen  Mehl-  und  Eierspeisen  wieder  in  den 
Mund  auf. 

Von  seiten  des  Darmes  bestehen  keine  Beschwerden,  Stuhl 
erfolgt  regelmässig,  täglich.  Nervöse  Störungen  sind  nicht  nach- 
zuweisen,  Herr  S.  macht  den  Eindruck  eines  durchaus  gesunden, 
ruhigen  und  sehr  verständigen  Menschen.  Er  erzählt,  dass  sein 
Bruder,  mit  dem  er  nur  in  den  frühen  Kinderjahren  im  Elternhaus 
zusammengelebt  hat,  auch  die  Gewohnheit  habe,  die  genossenen 
Speisen  wiederzukauen. 

3.  Auf  eine  schriftliche  Anfrage  teilte  mir  nun  Herr  E.  S., 
Beamter  in  D„  mit,  dass  es  sich  tatsächlich  so  verhalte,  wie  sein 
Bruder  berichtet  habe.  Seit  seinem  12.  Lebensjahre  stosse  ihm 
etwa  eine  halbe  Stunde  nach  vollendeter  Mahlzeit  die  genossene 
Nahrung  in  einzelnen  Bissen  wieder  in  den  Mund  auf  und 
werde  dort  nochmal  gekaut.  Dieser  ganze  Vorgang 
verursache  ihm  eine  angenehme  Empfindung,  er  versuche 
aber,  und  zwar  in  der  letzten  Zeit  mit  Erfolg,  die  „üble  Angewohn¬ 
heit“  nach  Möglichkeit  zu  bekämpfen. 


5.  August  1902. 


MUENGJiENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ln  den  3  geschilderten  Fällen  handelt  es  sich  um  regel¬ 
rechtes  W  i  e  de  r  käue  n.  Kurze  Zeit  nach  vollendeter  Mahl¬ 
zeit  (15  30  Minuten)  kommt  die  eingenommene  Nahrung  in 
einzelnen,  immer  gleich  grossen  Portionen  wieder  in  den 
Mund;  der  heraufbeförderte  Bissen  wird  hier  aufs  neue  ein- 
gespeichelt,  gekaut  und  wieder  verschluckt  und  nach  kurzem  Zeit¬ 
abschnitt  (3—4  Minuten)  steigt  ein  neuer  auf.  Dieser  Vorgang 
dauert  je  nach  der  Art  der  Mahlzeit  eine  halbe  bis  eine  ganze 
Stunde  und  ist  mit  der  Empfindung  erneuten  Wohlgeschmackes 
und  eines  gewissen  Behagens  verbunden.  Wird  das  Wiederkauen 
unterdrückt,  so  verursacht  dies,  hauptsächlich  wenn  vorher  reich¬ 
lich  Nahrung  aufgenommen  wurde,  ein  unangenehmes  Gefühl 
in  der  Magengegend.  Irgendwelche  Beschwerden  bestehen  bei 
den  beiden  letztgenannten  Herren  nicht,  sie  fühlen  sich  voll¬ 
ständig  wohl  und  leistungsfähig,  die  Darmverdauung  verläuft 
ohne  Störung.  Ihr  Vater,  der  vom  6.  bis  zum  50.  Lebensjahre 
der  Gewohnheit  des  Wiederkäuens  mit  Genuss  nachgekommen 
ist,  hatte  %  Jahre  vor  seinem  Tode  zum  ersten  Male  Magen- 
bescliwerden ;  diese  verschlimmerten  sich  aber  rasch  und  schliess¬ 
lich  führte  die  Unmöglichkeit,  Speisen  überhaupt  im  Magen  zu 
behalten,  zu  schwerer  Kachexie  und  zum  Tode.  Bei 
der  Leichenöffnung  fand  sich  ein  ausgesprochener  Sanduhr- 
m  ;i  g  e  n,  die  Scheidewand  zwischen  beiden  Hälften  war  durch 
kiebsige  Wucherung  gebildet,  die  Kardia  und  die  Speiseröhre 
waren  so  stark  erweitert,  dass  ihr  Lumen  für  3  Finger  Durch¬ 
gang  bot. 

Ich  habe  die  Angaben  des  Vaters  und  seiner  beiden  Söhne 
auf  genommen  ohne  je  früher  über  das  Vorkommen  von  Wieder¬ 
kauen  bei  Menschen  etwas  gehört  zu  haben  und  war  nun  sehr  er¬ 
staunt,  als  ich  durch  das  Studium  der  einschlägigen  Literatur 
erfuhr,  dass  ähnliche  Fälle  schon  recht  häufig  beobachtet  wurden 
und  fast  immer  in  gleicher  Art  und  Weise  verlaufen  2). 
Die  Verdauungseigenthümlichkedt  betrifft  meistens  das  männ¬ 
liche  Geschlecht  und  beginnt  gewöhnlich  in  den  Knabenj ahren ; 
sie  wird  fast  nur  bei  Leuten  beobachtet,  die  hastig  grosse  Mengen 
von  Nahrung  verschlingen.  Das  Wiederkauen  verursacht  den 
Betroffenen,  wie  in  den  einzelnen  Berichten  stets  hervorgehoben 
wird,  eine  angenehme  Empfindung;  muss  die  Gewohnheit  unter¬ 
drückt  werden,  so  bedingt  dies  Oppressionsgefühl  im  Magen.  Es 
ist  wirklich  höchst  merkwürdig,  wie  sich  die  Schilderungen  der 
einzelnen  Fälle  bis  auf  Kleinigkeiten  decken.  So  wird  immer  be¬ 
tont,  dass  vorzüglich  amylaceen-  und  zellulosehaltige  Nahrung 
wiedergekaut  wird,  Fleischspeisen  dagegen  weniger  ruminiert 
werden,  fast  immer  finden  wir  bemerkt,  dass  die  auf  steigenden 
Bissen  schliesslich  säuerlichen  Geschmack  haben  und  dass  da¬ 
mit  der  Vorgang  rasch  nachlässt.  Die  Zeitangaben  über  die 
Pause  nach  dem  Essen  bis  zum  Auftreten  des  Wiederkauens,  über 
die  regelmässigen  Intervalle  zwischen  dem  Aufstossen  der  ein¬ 
zelnen  Bissen  und  schliesslich  über  die  Dauer  des  ganzen  Aktes 
stimmen  fast  völlig  überein. 

Die  Ursache  der  Eumination  wird  von  den  ver¬ 
schiedenen  Autoren  in  verschiedenen  Gründen  gesucht.  Die 
einen  beschuldigen  Verdauungsanomalien  des 
Magens3)  wie  Superazidität,  Hyperazidität  oder  Anazidität,  und 
wissen  ihre  Theorie  dann  immer  zu  begründen,  zum  Teil  ver¬ 
muten  sie,  dass  sich  das  Wiederkäuen  aus  gewohnheitsmässigem 
Aufstossen  entwickelt  hat.  Die  meisten  Forscher  konnten  aber 
bei  der  Untersuchung  der  sekretorischen  Funktionen  des  Magens 
keine  Störung  finden.  Andere4)  glauben,  dass  nervöse 

2)  Eine  gute  Zusammenfassung  der  Literatur  über  das  Wieder¬ 
kauen  beim  Menschen  finden  wir  bei  F.  Grand:  Contribution 
a  l’etude  de  Merycisme.  These  de  Paris  18S9.  Siehe  ferner 
Johann  escu:  Heber  das  Wiederkäuen  beim  Menschen.  Zeit- 
sclirift  f.  klin.  Med.  Bd.  X,  1886.  Derselbe:  Zwei  neue  Fälle  von 
Wiederkäuen  beim  Menschen.  Zeitsclir.  f.  klin.  Med.  Bd.  XII,  1887. 

3)  In  dem  Fall  von  Boas  (Ein  Fall  von  Rumination  beim 
Menschen,  mit  Untersuchung  des  Magenchemismus.  Berl.  klin. 

W  ochenselir.  18S8)  lag  Subazidität  vor,  nach  Verabreichung  von 
II  CI  liess  das  Wiederkauen  nach.  Chr.  Jiirgensen  berichtet 
über  „Fälle  von  Euminatio,  verbunden  mit  Fehlen  der  freien  Salz¬ 
säure  im  Mageninhalt“  (Berl.  klin.  Wochenschr.  18S8,  p.  927). 

A  1 1  (Beitrag  zur  Lehre  vom  Merycismus.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1888,  No.  26  u.  27)  fand  bei  dem  von  ihm  beschriebenen  Manne 
„hjperacide  Beschaffenheit  des  Magensaftes,  einhergehend  mit 
guter  Fleischverdauung  und  schlechter  Amylaceenverdauung“. 

4)  D  e  h  i  o  :  Ein  Fall  von  Ruminatio  humana.  St.  Peters¬ 

burger  rned.  Wochenschr.  1888,  No.  1.  Zitiert  nach  A 1 1. 


1295 

»S  t  ö  i  u  ngen  die  Ursachen  waren  und  sprechen  von  einer 
„motorischen  Refiexneurose  des  Magens“.  Das  häufige  Vor¬ 
kommen  der  Rumination  bei  Geisteskrankheiten,  insbesondere  bei 
Idioten,  und  einige  sicher  erwiesene  Fälle,  in  denen  das  Wieder- 
kauen  auf  Nachahmung  zurückgeführt  werden  konnte  5),  werden 
als  Beweisgründe  für  diese  Auffassung  angeführt. 

.  ^.le  Vermutung,  dass  wir  in  der  Rumination  ein  ata- 
v  l  s  t  i  s  c  h  e  s  S  y  m  p  t  o  m  vor  uns  haben,  hat  etwas  Abenteuer¬ 
liches.  Es  lässt  sich  aber  nicht  leugnen,  dass  manches  dafür  zu 
sprechen  scheint.  So  vor  Allem  das  hereditäre  und  familiäre 
Vorkommen  des  Wiederkäuens.  Es  ist  ganz  auffällig,  wie  oft  in 
der  doch  immerhin  spärlichen  Literatur  über  die  Rumination  be- 
merkt  ist,  dass  die  Angewohnheit  vererbt  wurde  oder  dass  mehrere 
I  alle  in  einer  I  amilie  zur  Beobachtung  kamen  °).  Am  nächsten 
liegt  es,  diese  Tatsache  durch  den  Nachahmungstrieb  zu  erklären; 
wiederholt  konnte  aber  erwiesen  werden,  dass  die  mulinierenden 
Kinder,  wie  in  unseren  Fällen,  von  der  Gewohnheit  ihres  Vaters 
oder  ihrer  Geschwister  gar  nichts  wussten  7).  Der  Umstand,  dass 
die  Rumination  immer  und  jedesmal  vom  Vater  auf  die' Kin¬ 
der  (meist  Söhne),  nur  einmal  von  der  Mutter  vererbt  wurde, 
dann  ferner  die  Gleichartigkeit  im  Auftreten  der  Erscheinungen 
(in  Beziehung  auf  die  zeitlichen  Verhältnisse,  Auswahl  der 
Speisen,  subjektive  Empfindungen)  bei  den  verschiedenen  Scliil- 
derungen  von  Ruminanten,  scheint  mir  dafür  zu  sprechen,  dass 
es  sich  nicht  um  eine  schlechte  Angewohnheit  oder  um  ein 
hysterisches  Symptom  handelt.  Von  „nervösen  Störungen“  ist 
in  unseren  I  allen,  wie  vielfach  auch  in  denen  der  Literatur 
durchaus  nichts  nachzuweisen  gewesen. 

W  enfi  wir  nun  tatsächlich  in  der  Rumination  einen  Atavis¬ 
mus  zu  sehen  hätten,  so  läge  die  Vermutung  nahe,  dass  in  solchen 
I  allen  auch  die  1  unktion  des  Magens  oder  gar  die  Gestalt  des¬ 
selben  eine  andere  sein  müsste,  als  gewöhnlich.  Das  Wieder¬ 
hochkommen  der  Nahrung  in  einzelnen,  gleich  grossen 
Bissen,  die  Formung  und  Abteilung  der  Portionen  im  Magen 
geschieht  doch  so,  dass  zwar  die  ganze  betreffende  Speise  all¬ 
mählich  in  regelmässigen  Zeitabschnitten  wieder  in  den  Mund 
befördert  wird,  kein  Teil  aber  zwei  Male  zum  Aufstossen  gelangt, 
es  muss  infolgedessen  bei  Ruminanten  der  Mechanismus  der 
Magenperistaltik  in  anderer  Weise  vor  sich  gehen,  als  sonst  bei 
Menschen.  Der  ganze  Vorgang  des  Wiederkäuens  verläuft,  wie 
alle.  Autoren  hervorheben,  in  völlig  unwillkürlicher,  auto¬ 
matischer  Weise. 

Nun  mag  es  freilich  Zufall  sein,  dass  bei  dem  von  uns  an 
erster  Stelle  beschriebenen  Patienten,  welcher  schliesslich  einem 
Magenkrebs  erlegen  war,  der  Magen  zweigeteilt  gefunden  wurde. 
Zweifellos  hat  sich  die  Verengerung  zwischen  den  beiden  Ab¬ 
schnitten  erst  in  den  letzten  Monaten  vor  dem  Tode 
ausgebildet.  Die  Anordnung  der  krebsigen  Wucherung  ist 
aber  eine  so  merkwürdige,  dass  mir  die  Vermutung,  die¬ 
selbe  hätte  sich  auf  einer  schon  vorher  bestehen¬ 
den  Magenwandverengerung  bezw.  Kammer-  oder  Faltenbildung 
entwickelt,  nicht  von  der  Lland  zu  weisen  scheint.  Diese  An- 

G.  Singe  r  (Die  Rumination  beim  Menschen  und  ihre  Beziehung 
zum  Brechakt.  Archiv  f.  klin.  Med.  Bd.  51,  1893)  glaubt,  dass 
„li  europathische  Disposition“  als  Grundlage  des  gan¬ 
zen  Prozesses  angesehen  werden  müsse. 

So  wird  berichtet,  dass  2  Kinder  im  Alter  von  3  und 
6  Jahren  von  einer  ruminierenden  hysterischen  Gouvernante  diese 
Gewohnheit  erlernt  hätten,  aber  nach  Entlassung  ihrer  Erzieherin 
bald  wieder  davon  geheilt  worden  wären. 

°)  F.  Gran  d  (1.  c.)  berichtet  von  einer  Familie,  in  weichender 
\  a  t  e  r,  eine  Tante  und  vier  Kinder  Wiederkäuer  waren.  Er 
schreibt  in  seinen  Schlusssätzen:  ,,Le  merycisme  est  höreditaire 
com  me  les  maladies  nerveuses“. 

Leva:  Zur  Lehre  vom  Merycismus.  Münch,  med.  Wochen¬ 
schr.  1890,  No.  20  u.  21.  Die  Mutter  des  an  zweiter  Stelle  be¬ 
schriebenen  Wiederkäuers,  eines  Idioten,  war  ebenfalls  Rumi- 
nantin. 

K.  Loewe:  Ueber  Ruminatio  humana.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1892,  No.  27.  Der  Autor,  der  selbst  Ruminant  ist, 
beschreibt  eine  Familie,  in  welcher  der  Vater,  2  Kinder  und  der 
Bruder  des  Vaters  Wiederkäuer  sind. 

Jürgensen  (1,  c.)  erzählt  von  einem  wiederkauenden  jungen 
Mädchen,  dessen  Vater  (Arzt)  und  Grossvater  Ruminanten  waren. 

7)  So  berichtet  Koerne  r  (Beiträge  zur  Kenntnis  der  Rumi¬ 
nation  beim  Menschen.  Deutsch.  Archiv  f.  klin.  Med.  Bd.  XXXIII), 
dass  der  von  ihm  beschriebene  wiederkäuende  Sohn  erst  später 
von  der  Rumination  des  Vaters  erfahren  habe.  K.  seliliesst  aus 
dieser  Tatsache  auf  eine  „erbliche  Disposition“  zur  Rumination. 

2* 


1  ) 


1296 


nähme  gewinnt  dadurch  noch  an  Wahrscheinlichkeit,  dass  sowohl 
aus  älterer  Zeits)  als  auch  in  den  jüngsten  Veröffentlichungen  ') 
davon  berichtet  wird,  dass  bei  der  Leichenöffnung  von  wieder- 
kauenden  Menschen  Ivammerbildung  im  Magen  gefunden  wurde. 

Die  recht  kühn  klingende  Hypothese:  „die  Ruminatio 
huniana  ist  als  eine  atavistische  Erscheinung  aufzufassen“,  kann 
zwar  noch  lange  nicht  als  erwiesen  gelten,  wird  aber  doch  durch 
verschiedene  Momente,  wie  dem  hereditären  und  familiären  Vor¬ 
kommen,  dem  stets  gleichartigen  klinischen  Befund  und  der  bis¬ 
weilen  nachzuweisenden  Kammerbildung  im  Magen,  gestützt. 
Sie  kann  somit  weit  besser  begründet  werden  als  die  Vermutung, 
dass  dem  menschlichen  Wiederkauen  primäre  Magenerkran¬ 
kungen  oder  allgemein  nervöse  Störungen  zu  Grunde  liegen. 


Zur  Behandlung  der  Extrauterinschwangerschaft/) 

Von  Dr.  A.  Ri  eck,  Frauenarzt  in  Altona. 

Die  alte  Streitfrage,  ob  jeder  Fall  von  Extrauterinschwanger¬ 
schaft  operiert  werden  soll,  ist  auch  durch  neuere  Arbeiten  auf 
diesem  Gebiete  noch  nicht  endgültig  entschieden. 

Nachdem  früher  bei  manchen  Autoren  gemäss  dem  auf- 
gestcllten  Satze,  dass  jede  ektopische  Schwangerschaft  wie  eine 
maligne  Neubildung  anzusehen  sei,  die  Operation  als  stets  in¬ 
diziert  gegolten  hatte,  griff  in  späterer  Zeit  wieder  mehr  eine 
konservative  Richtung  Platz.  Infolge  davon  konnten  von  ein¬ 
zelnen  Gynäkologen  und  ganzen  Kliniken  statistisch  beide  Rich¬ 
tungen  in  ihren  Resultaten  verglichen  werden. 

Prochowni  k,  der  dieses  an  dem  grossen  Material  seiner 
25  jährigen  Praxis  versucht  hat,  ist  auf  Grund  seiner  praktischen 
Erfahrungen  wieder  Anhänger  der  Operation  geworden.  Krönig, 
dem  das  von  v.  Scanzoni  bearbeitete  Material  der  Leipziger 
Universitäts-Frauenklinik  zu  Gebote  stand,  ist  es  geworden,  we¬ 
niger  auf  Grund  dieses  Materials,  das  auch  immer  noch  ein 
exspektatives  Verfahren  zulässt,  als  auf  Grund  neuerer  theore¬ 
tischer  Erwägungen. 

Durch  die  Arbeiten  von  Kühne,  F  ü  t  h  u.  a.  ist  nämlich 
bewiesen  worden,  dass  das  befruchtete  Ei  aktiv  in  die  Wandung 
der  Tube  eindringt  und  diese  Wand  zerstören,  ihre  Blutgefässe 
erodieren  kann.  Da  nun  oft  auch  nach  Tubenabort,  also  nach 
Ausstossung  des  Eies  in  die  Bauchhöhle,  lebensfähige  Zotten 
in  der  Tubenwand  Zurückbleiben  und  mit  ihren  Langhanszellen 
ihr  zerstörendes  Werk  fortsetzen  können,  so  ist  selbst  in  diesem 
Falle,  in  dem  man  sich  früher,  wenn  eine  derartige  Spezial¬ 
diagnose  gestellt  wurde,  ziemlich  sicher  fühlen  konnte,  die  Ge¬ 
fahr  einer  erneuten  Blutung  nicht  ausgeschlossen.  Nach  Tuben¬ 
ruptur,  die  also  nach  dieser  Auffassung  nicht  auf  das  mecha- 

8)  F.  Arnold  (Unters,  i.  Geb.  d.  Anat.  u.  Pliys.,  Zürich  1838) 
teilt  unter  der  Ueberschrift:  „Antrum  cardiacum  an  dem  Magen 
wioderkäuender  Menschen“  drei  Beobachtungen  mit;  bei  der 
Sektion  des  einen  Falles  zeigte  sich  der  Magen  durch  eine  starke 
Einschnürung  in  2  Hälften  geteilt,  die  Einschnürung  verschwand, 
als  der  Magen  vom  Oesophagus  aus  aufgeblasen  wurde,  nun  aber 
zeigte  sich  ein  ausgesprochenes  Antrum  cardiacum.  Ferner  war 
der  innere  Ast  des  Willi  s’schen  Nerven  viel  stärker  entwickelt 
als  gewöhnlich,  so  dass  er  an  Dicke  fast  dem  äusseren  Aste  gleich¬ 
kam:  „ein  ähnliches  Verhältnis,  wie  bei  wiederkäuenden  Tieren“. 
(Zit.  nach  Berg:  Die  totale  spindelförmige  Erweiterung  der 
Speiseröhre  und  das  Wiederkäuen  beim  Menschen.  Dissertation, 
Tübingen  1868.) 

v.  Lusc  li  k  a  beschreibt  in  Virchows  Archiv  Bd.  11  ein  An- 
trum  cardiacum  vom  Magen  eines  54  Jahre  alten  Wiederkäuers. 
Die  untere  Grenze  dieses  Gebildes  war  durch  ringförmig  ver¬ 
laufende  Muskelfasern  gebildet,  welche  ähnlich  wie  im  Sphincter 
pylori  angeordnet  waren  und  einen  leistenartigen  Vorsprung  in  das 
Kavum  hinein  bildeten. 

®)  O.  Züsch  berichtet  in  seiner  ausführlichen  Arbeit  (Ueber 
spindelförmige  Erweiterung  der  Speiseröhre  im  untersten  Ab¬ 
schnitt.  Deutsch.  Archiv  f.  klin.  Med.  73.  Bd.)  auch  über  2  wieder- 
kauende  Menschen,  im  zweiten  Fall  bestand  sicher  ein  Vormagen 
und  Z.  wirft  die  Frage  auf,  ob  die  als  Vormagen  oder  Antrum  car¬ 
diacum  beschriebenen  Gebilde  nicht  dem  sogen.  Vordermagen  der 
wiederkäuenden  Tiere  entsprechen,  ob  dieselben  somit  „den 
morphologischen  Wert  atavistischer  Bildungen  besitzen“. 

Koorne r  (1.  c.)  meint  zwar,  dass  das  Antrum  cardiacum 
nicht  ohne  weiteres  für  die  Entstehung  der  Rumination  ver¬ 
antwortlich  gemacht  werden  könne,  da  es  auch  bei  Leuten  ge¬ 
funden  werde,  die  nie  ruminiert  haben,  glaubt  aber  andererseits, 
dass  die  aufsteigenden  kugeligen  Speiseballen  sehr  wohl  von  einem 
Antrum  cardiacum  gebildet  Averden  können. 

*)  Nach  einer  im  Altonaer  ärztlichen  Verein  gehaltenen  De¬ 
monstration. 


No.  31. 


nische  Platzen  des  Tubensacks,  sondern  auf  direkte  Usur  zurück¬ 
zuführen  ist,  kann  selbstverständlich,  wie  auch  früher  angenom¬ 
men  wurde,  bis  der  ganze  Prozess  zum  Stillstand  gekommen 
ist,  stets  eine  neue  Blutung  eintreten,  da  ja  das  Schwanger¬ 
schaftsprodukt  nicht  ausgestossen  zu  werden  braucht. 

Hieraus  ergibt  sich,  dass  kein  Zustand  der  Patientin  inner¬ 
halb  einer  gewissen  Zeit  mit  Sicherheit,  wie  man  es  vordem  z.  B. 
bei  der  solitären  Ilämatocele  annahm,  die  Hauptgefahr  der 
Extrauterinschwangerschaft,  die  eventuell  tödliche  Blutung,  aus- 
schliessen  lässt. 

Da  nun  aber  die  praktische  Erfahrung  lehrt,  dass  der  Ver¬ 
blutungstod  sehr  selten  ist  und  dass  er  fast  ausnahmslos  bei 
der  ersten  Ruptur  und  bei  gewöhnlich  vorher  nicht  diagnostizierter 
Schwangerschaft  zu  stände  kommt,  dass  ferner  bei  in  der 
ersten  Zeit  unterbrochener  Tubenschwangerschaft  oft  eine  voll¬ 
ständige  Restitutio  in  integrum  durch  Resorption  eintreten  kann, 
so  dürfte  nur  eine  Verminderung  der  Gefahren  und  Nachteile 
der  Operation  einerseits  den  Hausarzt  bestimmen,  mehr  als  bis- 
ner  seinen  Patientinnen  dazu  zu  raten,  andrerseits  dem  Operateur 
die  Verantwortlichkeit  der  Operation  erleichtern. 

Fraglos  verfällt  derselben  jeder  Fall,  in  dem  es  sich  um 
eine  schon  ausgebildete  Frucht  handelt,  also  etwa  vom 
4.  Monat  ab. 

Man  wird  so  zeitig  als  möglich  operieren  und  zwar  immer 
nur  mittels  abdominaler  Eröffnung  der  Leibeshöhle,  da  gerade 
die  Entfernung  der  Plazenta  und  die  Blutstillung  der  Plazentar- 
stelle  oft  grosse  Schwierigkeiten  bereitet  und  verschiedenes  Vor¬ 
gehen  verlangt.  Die  Operation  geschieht  rein  im  Interesse  der 
Mutter,  jedoch  kann  auch  einmal  das  Leben  des  Kindes  eine 
Rolle  spielen.  So  hat  mein  früherer  Chef,  Prof.  Martin,  in 
Berlin  bei  einer  Russin  die  Operation,  um  ein  möglichst  reifes 
Kind  zu  bekommen,  unter  klinischer  Beobachtung  um  einen 
Monat  hinausgeschoben  und  dann  durch  Leibschnitt  ein  acht¬ 
monatliches,  lebendes  Kind,  welches  sich  frei  ohne  Frucht  sack 
zwischen  den  Därmen  entwickelt  hatte,  zu  Tage  befördert 
(cf.  v.  Both:  Monatsschr.  f.  Geburtsli.  u.  Gyn.,  Bd.  IX,  S.  782). 

Diese  Fälle,  in  denen  die  Schwangerschaft  sich  über  3  Mo¬ 
nate  erhält,  sind  im  allgemeinen  sehr  selten  und  hier  kommen 
dem  ärztlichen  Ratgeber  kaum  Bedenken  betreffs  des  einzusehla- 
genden  Weges. 

Anders  ist  es  bei  dem  gewöhnlichen  Verlauf  der  ektopischen 
Schwangerschaft. 

Bei  einer  Frau,  die  häufig  jahrelang  nicht  mehr  schwanger 
gewesen  ist,  bleibt  die  Regel  8 — 14  Tage  über  die  Zeit  aus.  Dann 
tritt  eine  mehr  oder  weniger  starke  Blutung  auf  von  verschieden 
langer  Dauer.  Gleichzeitig  werden  Schmerzen  im  Unterleib  ge¬ 
klagt,  teils  wehenartiger,  teils  allgemein  peritonitisclier  Natur. 
Manchmal  geben  die  Patientinnen  auch  an,  dass  sie  einen  plötz¬ 
lichen  Drang  zum  Stuhle  bekommen  hätten  und  dabei  ohn¬ 
mächtig  geworden  seien.  Bettruhe  erzeugt  Besserung  der  Be¬ 
schwerden,  Umherwandeln  wieder  Verschlimmerung.  So  schleppen 
sich  manche  Frauen  aus  dem  Arbeiterstande  wochenlang  hin,  bis 
sie  schliesslich,  sei  es  wegen  der  unregelmässigen  Blutungen, 
sei  es  wegen  der  Leibschmerzen  oder  beider  Symptome  halber, 
den  Arzt  auf  suchen. 

Man  findet  dann  meistens  die  Kranken  in  leidlichem  All¬ 
gemeinzustande.  Der  Puls  ist  kräftig,  nicht  besonders  anämisch, 
etwas  schneller  als  normal,  die  Temperatur  um  einige  Striche 
über  die  Norm  erhöht.  Wenn  der  Leib  nicht  gerade  durch  peri- 
tonitisclie  Reizungen  gespannt  und  aufgetrieben  ist,  was  häufig 
vorkommt,  lässt  sich  durch  die  bimanuelle  Untersuchung  eine 
leichte  Vergrösserung  des  Uterus  und  rechts  oder  links  davon 
ein  apfel-  bis  apfelsinengrosser  Tumor  von  unregelmässigen 
Umrissen  und  verschiedener  Konsistenz  feststellen.  Ausserdem 
fallen  im  Douglas  weiche,  dem  Finger  nachgebende  Massen  auf. 
ln  anderen  Fällen,  und  zwar  sind  das  die  diagnostisch  sichersten, 
ist  der  Uterus  durch  einen  grossen  Bluterguss,  der  als  retro- 
uteriner  Tumor  imponiert,  in  toto  nach  vorn  gegen  die  Sym¬ 
physe  gedrängt.  Oft  wird  die  Diagnose  auch  durch  eine  spätere 
Untersuchung  etwa  nach  einem  neuen  Kollaps  oder  einer  neuen 
peritonitischen  Attacke  sichergestellt,  indem  eine  Vergrösserung 
des  Adnextumors  oder  eine  Anfüllung  des  vorher  leeren  Douglas¬ 
raumes  beobachtet  wird. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


5.  August  1902. 


MUEN  CHEN  ER 


M  E  DT  CT  NI  S  CHE  WOCHENSCHRIFT. 


1297 


Hiebei  handelt  es  sich  stets  um  unterbrochene,  und  zwar 
in  der  6.  8.  Woche  unterbrochene,  Tubargraviditäten.  Ich 
möchte  sie  ambulante  Formen  der  ektopischen  Schwangerschaft 
nennen  zum  Unterschiede  von  denen,  in  welchen  die  innere  Blu- 
tung  das  ganze  Krankheitsbild  beherrscht,  die  augenscheinliche 
Anämie  die  Ivianken  plötzlich  niederwirft  und  dem  schleunigst 
herbeigeholten  Arzte  im  \  erein  mit  der  Anamnese  die  Diagnose 
leicht  macht.  Die  gynäkologische  Untersuchung  gibt  bei  starker 
freier  Blutung  in  die  Bauchhöhle  kaum  ein  sicheres  Resultat, 
da  weder  der  Uterus  noch  der  etwaige  Adnextumor,  wenn  das 
gmize  kleine  Becken  mit  Blut  gefüllt  ist,  mit  genügender 
Schärfe  durchgetastet  werden  kann. 

ln  diesen  letzteren  Fällen  gibt  immer  der  unmittelbar 
drohende  Verblutungstod  die  Indikation  zur  .Operation  ab, 
welche,  wenn  keine  Zeit  zu  verlieren  ist,  auch  an  Ort  und  Stelle 
und  dann  nur  mittels  des  ventralen  Leibschnittes  auszuführen 
sein  dürfte.  Selbst  bei  pulsloser  Patientin  ist  ihre  Prognose  gut, 
wenn  es  die  erste  derartige  Blutung  war  und  noch  keine  chro¬ 
nische  Anämie  bestand. 

Zweifelhaft  aber,  ob  er  zur  Operation  raten  soll  oder 
nicht,  kann  der  Praktiker  in  den  übrigen,  oben  skiz¬ 
zierten,  am  häufigsten  vorkommenden  und  vielfach  verkannten 
lallen  sein,  in  denen  nur  eine  massige  innere  Blutung  statt¬ 
gefunden  hat  und  längerdauernde  uterine  Blutungen,  sowie  peri- 
tonitische  Beschwerden  die  hervorstechendsten  Symptome  sind, 
denn  er  weiss,  dass  diese  auch  bei  konservativer  Behandlun 
heilen  können. 

Wenn  er  aber  bedenkt,  dass  diese  Heilung  sich  im  günstig¬ 
sten  Falle  über  Monate  erstreckt  (eine  kürzlich  erschienene  Ar¬ 
beit  aus  der  Königsberger  Frauenklinik  berechnet  als  Durch¬ 
schnitt  8  Monate  Arbeitsunfähigkeit  bei  konservativer  Therapie) 
und  dass  vielleicht  infolge  der  erzeugten  Pelveoperitonitis  die 
Patientinnen  dauernd  frauenleidend  werden,  und  wenn  er  sich 
die  möglichen  Komplikationen  klar  macht  (erneute,  vielleicht 
tödliche  Blutung,  schwere  Darmverwachsungen,  die  an  und  für 
sich  zuweilen  später  die  dann  natürlich  weit  gefährlichere  Ope¬ 
ration  notwendig  machen  könnten,  Verjauchung  der  retro- 
uterinen  Hämatocele  durch  Infektion  vom  Rektum  aus,  die  eben¬ 
falls  stets  die  Operation  verlangt),  so  kann  ihn  nur  der  Ge¬ 
danke  an  die  Gefährlichkeit  und  die  eventuellen  Nachteile  der 
primären  Operation  davon  zurückhalten,  dieselbe  stets  zu  befür¬ 
worten. 

Mit  dem  abdominalen  Eeibschnitt,  der  noch  bis  vor  wenigen 
Jahren  allgemein  zur  Entfernung  des  Schwangerschaftsprodukts 
und  der  kranken  Tube  ausgeübt  wurde,  ist  ja  noch  immer  trotz 
aller  Fortschritte  das  Gespenst  der  peritonealen  Sepsis,  des  peri¬ 
tonealen  Schocks,  der  chronischen,  zu  Darmverwachsungen  even¬ 
tuell  zum  Ileus  führenden  Peritonitis,  der  Nachteil  der  immer 
noch  nicht  gänzlich  zu  vermeidenden  Bauchdeckenabszesse,  die 
Möglichkeit  der  späteren  Bauchbrüche,  die  Last  des  Bandagen¬ 
tragens  und  das  hässliche  Aussehen  der  Bauchnarbe  verbunden, 
so  dass  ohne  Indicatio  vitalis  weder  der  Arzt,  noch  die  Kranken, 
die  heutzutage  schon  sehr  orientiert  über  alle  diese  Verhältnisse 
sind,  sich  leicht  dazu  verstehen. 

Da  gibt  nun  der  in  den  letzten  Jahren  mehr  und  mehr  auf- 
gekommene  vaginale  Leibschnitt  den  geeigneten  Ausweg; 
denn  der  Zweck  der  Operation,  sichere  und  rasche  Ausheilung 
durch  Entfernung  des  Fruchtsackes  und  der  kranken  Tube  zu 
erzielen,  wird  mittels  desselben  gerade  so  gut  erreicht,  und  die 
oben  geschilderten  Nachteile  und  Gefahren  bestehen  auch  nicht 
einmal  annähernd. 

Diejenigen  Autoren,  welche  wohl  unbestritten  in  der  ganzen 
Welt  die  grösste  Erfahrung  auf  dem  Gebiete  des  vaginalen  Leib¬ 
schnittes  haben,  Martin  und  D  ü  h  r  s  s  e  n,  bevorzugen  dabei 
die  Kolpotomia  anterior  aus  hier  nicht  weiter  zu  erörternden 
Gründen.  Wenn  auch  jeder  von  ihnen  erst  über  einige  30  Fälle 
v°n  in  dieser  Art  operierten  ektopischen  Schwangerschaften 
verfügt,  so  genügt  das  doch,  um  im  vollsten  Masse  diese  Art  des 
Vorgehens  allgemein  zu  empfehlen.  Von  den  M  a  r  t  i  n  sehen 
Patientinnen  ist  meines  Wissens  keine  an  der  Operation  oder 
deren  Folgen  gestorben,  von  den  D  ü  h  r  s  s  e  n  sehen  laut  seiner 
Publikation  mir  eine  nach  der  Entlassung  infolge  von  trauma¬ 
tischer  Peritonitis. 


Ich  selbst  habe  im  Verlaufe  eines  Jahres  7  Tubenschwanger¬ 
schaften  zu  operieren  Gelegenheit  gehabt  und  nur  in  einem  Falle 
den  abdominalen  Leibschnitt  vorgezogen,  weil  bei  dieser  Frau 
eine  früher  von  anderer  Seite  gemachte  Inzieion  in  den  Douglas 
mich  besonders  schwere  Verwachsungen  befürchten  Hess,  eine  Be¬ 
fürchtung,  die  nach  Eröffnung  des  Bauches  als  grundlos  erkannt 
wurde.  Die  anderen  6  Frauen  sind  mittels  des  vorderen  Scheiden¬ 
bauchschnittes  operiert  und  ebenso  wie  die  erste  glatt  genesen. 

Die  Operation  ist  für  den,  der  überhaupt  vaginal  operiert, 
nicht  schwer,  im  Gegenteil  durch  die  Auflockerung  der  Gewebe 
und  durch  die  weiten  Verhältnisse  der  Schwangerschaft,  zumal 
die  Frauen  fast  immer  schon  geboren  haben,  leichter  als  die 
meisten  sonstigen  Adnexoperationen.  Nach  Eröffnung  der  Plicae 
vesico-uterinae  und  vorsichtigem  Hinausleiten  des  Uterus  bis 
vor  die  \  ulva  wird  sofort  mit  einem  Stieltupfer  die  kranke  Tube 
von  hinten  her  seitlich  gegen  die  Beckenwand  gedrückt  und 
dann  mit  Zuhilfenahme  des  Zeigefingers  der  anderen  Hand, 
welcher  dem  Stieltupfer  entgegenarbeitet,  zur  Bauchhöhle  hinaus¬ 
entwickelt.  Darauf  wird  stets  unter  Leitung  des 
Auges  die  typische  Salpingotomie  ausgeführt. 

In  meinen  Fällen  war  die  Schwangerschaft  entwickelt  im 
interstitiellen,  im  isthmischen  und  ampullären  Teil  der  Tube, 
der  Fruchtsack  war  verwachsen  im  Douglas,  seitlich  und  vorn: 
Keine  dieser  Lokalisationen  bot  besondere  Schwierigkeiten  be¬ 
züglich  des  Zwecks  der  Operation,  der  totalen  Entfernung  des 
Fruchtsackes,  dar;  dieser  wurde  vielmehr,  wie  die  demonstrierten 
Präparate  zeigten,  stets  erreicht.  Die  Verwachsungen  und 
Pseudomembranen  lassen  sich  eben,  da  sie  frisch  sind,  sehr  leicht 
stumpf  trennen. 


Die  Dauer  der  Operation  war  35 — 60  Minuten  (inkL  einer 
stets  ausgeführten  Abrasio  und  in  einigen  Fällen  einer  hinteren 
Kolporraphie),  also  nicht  viel  länger  als  die  eines  abdominalen 
Leibschnittes  mit  der  heutzutage  geforderten  exakten  Vernähung 
der  einzelnen  Bauchhautschichten.  Man  braucht  ja  gewöhnlich 
beim  vaginalen  Vorgehen  etwas  mehr  Zeit,  um  an  die  erkrankte 
Stelle  heranzukommen,  dafür  ist  der  Abschluss  der  Operation, 
Vernähung  der  Scheidenwunde,  ein  viel  kürzerer.  Ein  Verband 
ist  unnötig;  Fäden  brauchen,  da  vaginal  nur  mit  Katgut  ge¬ 
näht  wird,  nie  entfernt  zu  werden.  Nach  der  einen  Operation 
bleibt  die  Kranke  unberührt  bis  zur  Entlassungsuntersuchung. 

Die  1  urcht  vor  einer  nicht  zu  beherrschenden  Blutung,  die 
vielleicht  manchen,  der  sonst  vaginal  operirt,  bei  Tuben- 
schwangerschaft  davor  zurückhält,  ist  unbegründet,  da  nach  der 
Theorie  die  Blutung  weniger  durch  mechanische  Momente,  als 
durch  einen  vitalen  Prozess  hervorgerufen  wird,  und  die  in  den 
Publikationen  von  Martin  und  Dührssen  niedergelegten 
praktischen  Erfahrungen  direkt  dagegen  sprechen.  Ich  selbst 
habe  als  Assistent  bei  einem  grossen  Teil  der  von  Martin 
operierten  Fälle  nie  eine  irgendwie  bedeutende  frische  Blutung 
gesehen  oder  erlebt,  dass  man  zur  Blutstillung  hätte  den  ven¬ 
tralen  Leibschnitt  hinzufügen  oder  gar  den  Uterus  hätte  exstir- 
pieren  müssen.  Letzteres  Ereignis,  Exstirpation  der  Gebärmutter 
nur  um  die  Blutung  zu  stillen,  ist  überhaupt  bei  den  1000  Ivolpo- 
tomien  Martins,  über  welche  ich  in  meiner  Arbeit  „Vagini- 
fixur  und  Geburt“  (Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gyn.  Bd.  14,  LI.  1 
u.  2.)  berichtete,  niemals  vorgekommen. 

Auch  in  meinen  Fällen  ist  mir  auf  gef  allen,  dass  selbst,  wenn 
man  den  nach  der  Ruptur  wieder  geschlossenen  und  verwachsenen 
Fruchtsack  losreisst  und  verletzt,  wie  das  ja  meist  nötig*  ist, 
eine  neue  Blutung  nicht  eintritt:  eine  praktische  Erfahrung,  die 
die  erwähnte  Theorie  zu  stützen  im  Stande  ist. 

Die  Rekonvaleszenz  ist  in  den  meisten  Fällen  eine  glatte, 
gelegentliche  Temperatursteigerungen  bis  38  0  haben  nichts  zu 
bedeuten.  Das  Befinden  ist  schon  am  2.  Tage  ein  gutes,  Flatus 
sind  fast  immer  schon  an  diesem  Tage  abgegangen.  In  2  bis 
3  Wochen  stehen  die  Operierten  auf  und  können  nach  2  weiteren 
Wochen  ihren  Arbeiten  wieder  nachgehen  und  bleiben  dann 
dauernd  beschwerdefrei.  Die  Kolpotomiewunde  verwächst  viel¬ 
fach  so,  dass  selbst  bei  der  gewöhnlichen  gynäkologischen  Unter¬ 
suchung  kaum  noch  erkannt  werden  kann,  ob  und  was  operiert 
worden  ist. 

In  meinen  beiden  letzten  Fällen  war  die  Rekonvaleszenz 
teils  etwas  verzögert,  teils  etwas  erschwert,  und  das  kam  daher, 
dass  es  sich  nicht  um  die  oben  skizzirten  ambidanten  Formen 


No.  31. 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


der  Extrauterinschwangerschaft  mit  geringer  innerer  Blutung 
handelte,  sondern  dass  ich  hier  auch  die  Ivolpotomie  gemacht 
hatte,  wo  man  sonst  allgemein  die  Laparotomie  macht,  näm¬ 
lich  bei  akuter  Verblutungsgefahr. 

Beide  Patientinnen  waren  hochgradig  anämisch  infolge  un- 
unmittelbar  vorausgegangener  innerer  Blutungen.  Immerhin 
war  noch  so  viel  Puls  da,  dass  ich  ruhig  das  vielleicht  10  Minuten 
länger  dauernde,  dafür  weniger  Vorbereitung  erfordernde  vagi¬ 
nale  Vorgehen  einschlug,  mit  dem  Erfolge,  dass  namentlich  die 
letzte,  am  meisten  gefährdete  Frau  (sie  war  auf  dem  Transport 
direkt  pulslos  gewesen)  schon  wenige  Stunden  nach  der  Operation 
ein  vorzügliches  Allgemeinbefinden  zeigte.  Ich  schreibe  das  der 
geringeren  Schwächung  des  Gesamtorganismus  zu,  welche  das 
vaginale  Operieren  vor  dem  ventralen  voraus  hat.  Die  kaum  zu 
umgehende  Abkühlung  des  Leibes  wird  vermieden,  die  sicherlich 
nicht  gleichgiltige  Beckenhochlagerung  fällt  gänzlich  weg,  vor 
allem  aber  braucht  die  Narkose  nicht  so  tief  zu  sein,  wie  es  die 
Erschlaffung  der  Bauchdecken  beim  Leibschnitt  erfordert,  und 
das  ganze  Herumarbeiten  mit  2 — 3  Händen  in  der  offenen  Bauch¬ 
höhle  und  an  den  Därmen,  welchem  doch  wohl  eine  gewisse 
Schockwirkung  nicht  abgesprochen  werden  kann,  ist  gänzlich 
ausgeschlossen. 

Freilich  soll  man  nur  dann  bei  Verblutungsgefahr  so  Vor¬ 
gehen,  wenn  man  die  vaginale  Technik  vollauf  beherrscht. 
Namentlich  dürfen  einen  nicht  die  Ströme  von  altem  Blut,  die 
sich  aus  der  Kolpotomiewunde  ergiessen,  daran  hindern,  mög¬ 
lichst  schnell  die  kranke  Tube  zu  fassen  und  zu  versorgen.  Alles 
Blut  aus  der  Bauchhöhle  zu  entfernen,  gelingt  fast  me,  selbst 
wenn  die  Bauchhöhle  eine  halbe  Stunde  offen  ist.  Ich  habe  es 
namentlich  in  dem  letzten  Falle  versucht,  da  gerade  durch  die 
Resorption  von  altem  Blut  in  dem  ersteren  die  Rekonvaleszenz 
um  eine  Woche  verzögert  worden  war.  Trotzdem  durch  Aus- 
einanderbewegen  der  Därme  mittels  Stieltupfer  allmählich 
1—2  Liter  Blut  zum  Abfluss  kamen,  traten  vom  4.  Tage,  bei 
ganz  ruhigem  und  kräftigem  Pulse,  nachdem  durch  ein  Abführ¬ 
mittel  die  schon  vor  der  Operation  durch  Opium  lange  ruhig 
gestellten  Därme  sich  entleerten,  peritonitische  Reizungen  ein, 
und  am  8.  Tage  brach  eine  ca.  %  Liter  betragende  Menge  alten 
stinkigen  Blutes  sich  Bahn  nach  aussen,  und  zwar  durch  die 
Kolpotomiewunde  unterhalb  der  Uterus,  Blase  und  Scheide  ver¬ 
einigenden  Naht.  Ich  bezweifle  auch  nach  meinen  Erfahrungen 
bei  Marti  n,  dass  es  möglich  ist,  von  dem  abdominalen  Bauch- 
sclmitte  aus  alles  Blut  aus  der  Leibeshöhle  zu  entfernen,  da  es 
überall  im  Epigastrium  und  Hypochondrium  von  den  Darm¬ 
schlingen  festgehalten  wird.  Man  wird  also  auch  hierbei,  falls 
man  die  Störungen  in  der  Rekonvaleszenz,  welche  das  alte  Blut 
in  der  Bauchhöhle  verursacht,  und  die  ja  schliesslich  auch  von 
selbst  vergehen,  sicher  ausschliessen  will,  drainieren  müssen. 
Drainage  der  Bauchwunde  birgt  aber  fast  immer  die  Gefahr  des 
späteren  Bauchbruches  in  sich.  Diese  fällt  bei  dem  vaginalen 
Vorgehen  völlig  weg,  und  wenn  man,  wie  ich  es  in  Zukunft  bei 
diesen  Fällen  beabsichtige,  den  Douglas  offen  macht,  damit  das 
Blut,  welches  sich  in  den  nächsten  Tagen  dort  anzusammeln 
pflegt,  zum  Abfluss  kommt,  so  erzielt  man  auch  hier  mit  diesem 
Vorgehen  dieselbe  angenehme  und  glatte  Rekonvaleszenz  wie  in 
der  grössten  Mehrzahl  aller  geplatzten  Tubenschwangerschaften, 
für  welche  der  vaginale  Weg  bedingungslos  empfohlen 
wird. 

Die  konservative  Kolpokoeliotomie,  diese  moderne  deutsche 
Erfindung,  hat  ja  schon  vielfach  zur  Einschränkung  des  abdomi¬ 
nalen  Bauchschnitts  geführt,  bei  welchem,  allzuhäufig  der  Auf¬ 
wand  an  Vorbereitung  und  Assistenz,  der  gewaltige  Eingriff  und 
vor  allem  die  Lebensgefährlichkeit  und  die  späteren  Nachteile 
in  keinem  Verhältnisse  stehen  zu  dem,  was  mit  der  Operation 
erreicht  wird.  Jedoch  ist  sie  noch  lange  nicht  genug  gekannt 
und  wird  noch  lange  nicht  genug  ausgeführt,  um  die  Würdigung 
zu  erhalten,  die  sie  verdient,  vor  allem  weil  sie  lebenssicher  ist 
(von  den  15  Todesfällen,  die  unter  den  1000  vaginalen  Leib- 
schnitten  Martins  sich  ereigneten,  war  keiner  durch  von 
aussen  kommende  Infektion  bedingt),  dann  aber  auch,  weil  sie 
dem  neuzeitlichen  Bestreben,  den  Zweck  einer  Operation  auf  dem 
schonendsten  und  auch  kosmetisch  bestem  Wege  zu  erreichen 
vollauf  entspricht  und  wohl  gar  zum  leil  aus  diesem  Bestreben 
hervorgegangen  ist. 


Aber  schon  bietet  der  Umstand,  dass  gerade  die  jüngeren 
Hochschullehrer,  auch  ausserhalb  der  Schulen  Martins  und 
Dührssens,  sich  der  Kolpotomie  mehr  und  mehr  zuwenden, 
Gewähr  dafür,  dass  die  Zeit  nicht  allzu  fern  liegt,  in  welcher 
der  abdominale  Bauchschnitt  eine  Seltenheit  geworden  ist,  zum 
Heile  der  Frauen,  die  unterleibsleidend  geworden  sind. 

Ein  Fall  von  Zervixkarzinom  als  Geburtshindernis 
am  normalen  Schwangerschaftsende. 

Von  Dr.  Bamberger  in  Kronach. 

Geburtsstörungen  durch  Gebärmutterkrebs  gehören  zu  den 
schwersten  Komplikationen,  die  im  Verlaufe  einer  Entbindung 
auftreten  können,  weil  damit  fast  ausnahmslos  eine  Gefährdung 
zweier  Menschenleben  verbunden  ist.  Neben  frühzeitigem  Blasen¬ 
sprunge  bei  meist  abnorm  langer  Dauer  der  Geburt,  während 
welcher  das  Kind  leicht  abstirbt,  kommen  nach  Sarwey  ins¬ 
besondere  die  erhöhte  Infektionsgefahr,  Verletzung  der  Geburts¬ 
wege  und  Erschöpfung  der  Kreissenden  in  Betracht,  abgesehen 
davon,  dass  eine  Entbindung  per  vias  naturales  m  manchen 
Fällen  unmöglich,  und  wiederholt  Kreissende  unentbunden  ge¬ 
storben  sind.  Zum  Glück  sind  diese  Zustände  selten,  da  in  der 
Regel  Abort  eintritt,  noch  häufiger  kommt  eine  Konzeption  iiber- 
haupt  nicht  zu  Stande;  die  entgegengesetzte  Ansicht  Colin- 
ste  in’s,  dass  Carcinoma  uteri  die  Konzeption  begünstige,  ist 
jetzt  wohl  allgemein  verlassen.  So  fand  Win  ekel  unter 
20  000  Geburten  diese  Dystokie  nur  10  mal,  Straatz  an  der 
Schröder  sehen  Klinik  7  mal,  Sarwey  findet  aus  einer 
Statistik  von  51  833  Schwangeren  und  Kreissenden  nur  26  Kar¬ 
zinomkranke  =  0.05  Proz.  Immerhin  konnte  T  heil  h  aber 
aus  den  letzten  20  Jahren  (1873-93)  allein  165  Fälle  aus  der 
Literatur  zusammenstellen,  Cohnstei n  134  Fälle  aus  früherer 
Zeit.  Da  aber  diese  Publikationen  fast  ausschliesslich  aus  Kli¬ 
niken  stammen,  rechtfertigt  sich  vielleicht  auch  eine  Mitteilung 
über  eine  einschlägige  'Beobachtung  aus  der  Landpraxis,  da 

solche  nicht  vorzuliegen  scheinen. 

Anamnese:  Am  17.  XII.  1901  wurde  icli  Nachts  zu  Iran 
W.  in  das  mehrere  Kilometer  entfernte  H.  gerufen,  da  nach 
schriftlicher  Mitteilung  der  Hebamme  an  mich  der  Mutterkuchen 
vorlag  Die  Parturiens  hatte  erst  nach  langem  Strauben  mit 
Rücksicht  auf  diese  Diagnose  in  die  Zuziehung  eines  Arztes  ge¬ 
willigt,  da  sie,  30jälirige  VII.  Para,  bisher  stets  leicht  und wtoe 
ärztliche  Hilfe  entbunden  hatte  bei  normalem  Veilaute  der 
G  Wochenbetten;  von  den  G  ausgetragenen  Kindern  sind  o  noch 
am  Leben,  das  jüngste  3  Jahre  alt.  In  der  zweiten  Hälfte  dieser 
Schwangerschaft  seien  nun,  was  sonst  me  der  Fall  war,  in  un¬ 
regelmässigen  Intervallen  mehr  weniger  starke  Genitalblutungen 
auf  getreten,  besondeis  nach  körperlicher  Anstrengung,  was  ja  zui 
Diagnose  „Placenta  praevia“  gut  stimmte:.  Die  Fruchtblase  sei 
bereits  vor  5  Tagen  gesprungen;  doch  habe  sie  während  dieser 
Zeit  nicht  so  häufige  Wehen  gehabt,  dass  sie  sich  dauernd  gelegt 
habe  Erst  seit  24  Stunden  liege  sie  dauernd  zu  Bette,  seit 
12  Stunden  seien  die  Wehen  sehr  häufig  und  ungemein  schmerz¬ 
haft,  weshalb  sie  die  Hebamme  gerufen  habe. 

Status  praesens:  Grazile  Frau,  von  unter  Mittelgrosse, 
stark  anaemiscli,  mit  einem  Stich  ins  gelbe,  soweit  die  schlechte 
Beleuchtung  ein  Urteil  zulässt.  Puls  120,  klein,  weich,  um  quäl; 
Temp.  38,1  (Achselhöhle;  wegen  der  Unruhe  der  Parturiens  kann 
das  Thermometer  nur  ganz  kurz  liegen  bleiben),  beträchtliche 
Dvspnoe,  auch  in  der  Wehenpause.  Nasenflügelatmen.  Fundus 
stand  fingerbreit  unterhalb  der  Herzgrube,  rechts  oben  kleine 
Teile,  Rücken  links,  Kopf  anscheinend  nicht  mehr  beweglich  auf 
dem  Beckeneingang,  Herztöne  in  der  linken  Nabelspinallinie, 
12:  12: 11,  kein  Nabelschnurgeräusch.  Die  Wehen  sind  kräftig, 
ca.  alle  3 _ 5  Min.,  anscheinend  sehr  schmerzhaft.  Während  der¬ 

selben  gehen  nach  der  inneren  Untersuchung  zeitweise  gelinge 
Blutmengen  von  deutlich  übelriechender  Beschaffenheit  ab. 

Innerer  Befund:  Vagina  ohne  Besonderheiten.  Die  Portio 
ist  völlig  erhalten  und  auffällig  de  r  b,  stellenweise 
direkt  knotig  und  zwar  beide  Lippen;  nur  nach  links  ist  ein  ca. 
markstückgrosser  Teil  der  Hinterlippe  aufgelockert,  leicht  ver¬ 
strichen  und  dehnbar.  Der  äussere  Muttermund  ist  für  einen 
Finger  bequem  durchgängig,  man  gelangt  sofort  auf  lockeres, 
schwammiges  Gewebe,  welches  sich  als  durch  Lysolspülung 
leicht  zu  entfernende«,  grösseres  Blutgerinnsel  erweist,  und  nicht 
als  Placenta  praevia1).  Direkt  dahinter  stösst  der  Finger  a  :f 


’)  Diese  Fehldiagnose  der  Hebamme  erscheint  um  so  verständ¬ 
licher,  als  Cohn  st  ein  (1.  c.  p.  373)  schreibt:  „Hat  sich  nach 
wiederholten  Metrorrhagien  ein  Thrombus  gebildet,  welcher  die 
Höhle  des  Kollum  verengt,  so  kann  selbst  bei  einer  eingehenden 
Untersuchung  das  vorhandene  Leiden  übersehen  und  mit  Placenta 
praevia  verwechselt  werden.  In  keinem  der  134  Fälle  von  Kar¬ 
zinom  hat  sich  die  Plazenta  am  unteren  Gebärmutterabschnitt  ent- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1299 


5.  August  1902. 


oinen  fast  hiilmereigrossen,  von  der  rechten  Zervikalwand  aus¬ 
gehenden  derben  Tumor,  der  entsprechend  dem  inneren  Mutter¬ 
munde  an  einer  Stelle  deutlich  zerfallen  und  von  übelriechendem 
Sekret  bedeckt  ist,  bei  Berührung  leicht  blutet.  Neben  der  Geschwulst, 
eben  noch  mit  einem  Finger  vorbeigelangend,  kann  man  am  oberen 
Ende  derselben  die  kleine  Fontanelle  und  den  Anfangsteil  der  im 
rechten  schrägen  Durchmesser  verlaufenden  Pfeilnaht  erreichen. 
Der  Kopf,  der  dem  Tumor  dicht  auf  liegt,  zeigt  an  der  abtastbaren 
Stelle  keine  Andeutung  von  Kopfgeschwulst  und  ist  von  den  Ei¬ 
lenden  entblüsst.  Promontorium  und  rechte  Spina  sind  nicht  zu 
erreichen.  (Die  Beckenmasse  wurden  mit  Rücksicht  auf  die 
Schwerkranke  nicht  genommen,  da  nach  der  Anamnese  doch  nor¬ 
male  Verhältnisse  anzunehmen  waren.)  Es  handelte  sich  also  um 
ein  exulzeriertes,  von  der  rechten  Zervikalwand  ausgehendes 
Karzinom,  das  den  grössten  Teil  der  Portio  mitergriffen  hatte, 
und.  wie  sieh  in  Narkose  genauer  herausstellte,  breit  in  das  rechte 
Parametrium  übergegangen  war.  Das  Kind  war  zur  Zeit  nicht  ge¬ 
fährdet.  die  Mutter  dagegen,  -wie  Temperatur,  Puls,  Dyspnoe,  die 
fahle  Farbe,  das  übelriechende  Sekret  und  der  unverkennbare 
Schwächezustand  zeigten,  wohl  einer  von  dem  jauchenden  Zervix¬ 
karzinom  ausgehenden  septischen  Erkrankung  verfallen.  Bei 
einem  Eingriffe  kam  also  zunächst  das  Leben  des  Kindes  in  Be¬ 
tracht,  wobei  natürlich  die  Entbindung  auch  für  die  Mutter  mög¬ 
lichst  schonend  zü  gestalten  war.  Bei  exspektativem  Verhalten 
drohte  bei  der  sehr  intensiven  Wehentätigkeit  die  Gefahr  einer 
Fterusruptur,  wozu  ja  der  karzinomatöse  Uterus  besonders  dis¬ 
poniert  ist.  Damit  hätte  sich  auch  die  Prognose  für  das  Kind 
wesentlich  verschlechtert,  da  nach  Tlieilhaber  in  allen  (12) 
Fällen  von  Ruptura  uteri  bei  Karzinom  Mutter  und  Kind  gestorben 
sind.  An  eine  spontane  Entfaltung  der  Zervix  und  Portio  im 
weiteren  Verlaufe  der  Geburt ,  konnte  bei  dem  beschriebenen  Be¬ 
funde  nicht  gedacht  werden;  war  doch  das  Resultat  einer  5  tägigen, 
zeitweise  sehr  kräftigen  Wehentätigkeit  bei  einer  VII.  Para  das, 
dass  der  starre  Zervixkanal  für  einen  Finger  durchgängig  und  die 
Portio  fast  nirgends  verstrichen  war.  Ebenso  konnte  von  einem 
Ivolpeurynther  einem  so  derben  Tumor  gegenüber  kein  Erfolg 
erwartet  werden.2)  Eine  Abtragung  des  Tumors  selbst,  wenigstens 
soweit,  dass  vielleicht  die  Zange  angelegt  werden  konnte,  war  ganz 
ausgeschlossen,  da  das  breitbasig  auf  sitzende  Karzinom  breit  auf 
das  rechte  Parametrium  übergegriffen  hatte,  abgesehen  davon, 
dass  die  bei  einem  solchen  Eingriffe  zu  erwartende  stärkere 
Blutung  eine  grosse  Gefahr  für  die  ohnehin  sehr  schwache  Pa- 
turiens  bedeutet  hätte.  Bei  der  Extraktion  mit  der  Zange  an  dem 
Tumor  vorbei  wären  wohl  schwere  Verletzungen  unvermeidlich 
gewesen,  da  der  enge,  starre  Zervixring  dadurch  noch  mehr  ein¬ 
geengt  worden  wäre. 

Unter  diesen  Umständen  erschien  es  mir  am  schonendsten, 
Zervixinzisionen  zu  machen,  die  sich  ja  nach  Bedarf  noch  leicht 
dosieren  Hessen,  und  nach  entsprechender  Erweiterung  eine  vor¬ 
sichtige  Wendung  zu  versuchen,  wobei  allerdings  nicht  verkannt 
wurde,  dass  dieselbe  nach  so  frühzeitigem  Blasensprunge  grosse 
Schwierigkeiten  machen  konnte.  Auf  diese  Auffassung  einigste  ich 
mich  mit  einem  zweiten  Kollegen,  der  freundlicher  Weise  die  Nar¬ 
kose  übernahm:  bis  zu  dessen  Ankunft  vergingen  3  Stunden,  ohne 
dass  sich  trotz  kräftiger  Wehen  der  Befund  irgendwie  geändert 
hätte.  Nach  wiederholter  Lysolauswaschung  der  Genitalien  wurde 
versucht,  die  Portio  mit  der  Kugelzange  herabzuziehen,  was  aber 
fast  gar  nicht  möglich  war,  da  das  Karzinom  das  Parametrium 
infiltriert  hatte.  Nachdem  mehrfache,  tiefe  supra-  und  infra¬ 
vaginale  Inzisionen  linkerseits  und  eine  massige  Erweiterung 
(Durchgängigkeit  für  2  Finger)  brachten,  wurden  unter  Vermei¬ 
dung  der  ulzerierten  Stelle  in  den  Tumor  der  rechten  Zervikalwand 
seihst  mehrere  Inzisionen  gemacht,  und  nach  jeder  wieder  die 
Weite  des  Zervix  geprüft,  bis  endlich  ein  Eindringen  mit  der  Hand 
möglich  war.  ohne  dass  bis  jetzt  eine  nennenswerte  Blutung  auf¬ 
getreten  wäre.  Obwohl  das  Fruchtwasser  bereits  vor  5  Tagen 
abgeflossen  war.  gelang  es  doch  leicht,  eine  2.  unvollkommene 
Fusslage  herzusteilen,  besonders  leicht  liess  sich  der  noch  nicht 
fixierte  Kopf  vom  Beckeneingang  verschieben,  und  die  sofort  an¬ 
geschlossene  Extraktion  förderte  ein  ausgetragenes,  sogleich 
kräftig  schreiendes  Mädchen  zu  Tage.  Am  Kopfe  fand  sich  keine 
Andeutung  von  Kopfgeschwulst,  die  Ivopfknöchen  zeigten  keine 
Verschiebung,  der  Kopf  war  also  noch  nicht  präformiert,  da  er 
eiten  nicht  in  das  kleine  Becken  eingetreten  war.  Der  Tumor 
hatte  als  relativ  weiches  Polster,  als  eine  Art  Glückshaube  funk¬ 
tioniert.  Dauer  der  Narkose  40  Minuten,  Chloroformverbrauch 
25  g. 

Nach  der  Extraktion  erfolgte  aus  den  Zervixinzisionen,  die 
vor  der  Wendung  nur  wenig  geblutet  hatten,  da  wohl  der  dem 
Tumor  dicht  aufsitzende  Kopf  komprimierte,  eine  reichlichere 
Blutung,  weshalb  sofort  Orede  angeschlossen  wurde.  Der  Uterus 
ist  gut  kontrahiert,  Tamponade  der  Inzisionen,  wobei  sich  zeigte, 
dass  die  seharfrandigen.  glatten  Schnitte  nicht  weiter  gerissen 
waren.  Noch  kurz  vor  dem  Erwachen  erbricht  Patientin  wiederholt 

wickelt“.  Vgl.  jedoch  Flöel:  Geburt,  kompliziert  mit  Zervix¬ 
karzinom  und  Placenta  praevia:  Winckel  p.  300:  Aetiologi©  der 
Placenta  praevia. 

Fehling  schreibt:  „In  den  ersten  Monaten  vermutet  die 
Schwangere  das  Drohen  eines  Abortes,  in  späteren  Monaten  denkt 
sie  oder  die  Hebamme  an  vorliegenden  Mutterkuchen“. 

2)  Nach  Tlieilhaber  waren  die  Versuche  mit  Laminaria, 
Presschwamm,  Barnes  Dilatator  ohne  jeden  Erfolg;  nur  1  mal 
konnte  die  Zange  angelegt  werden,  die  Patientin  starb  an  Pyämie. 


reichliche,  grün  gefärbte  Flüssigkeitsmassen;  sie  soll  während 
der  letzten  Tage  viel  Flüssigkeit  zu  sich  genommen  haben,  da  sie 
„viel  Hitze“  gehabt  habe. 

18.  XII.  10  Uhr  Vormittags.  Puerp.  klagt  über  quälenden 
Durst,  sowie  über  die  Unmöglichkeit,  zu  urinieren.  Nach  Ent¬ 
fernung  der  Tamponade  kommt  eine  reichliche  Menge  ungemein 
übelriechender,  serös-sanguinolenter  Flüssigkeit.  P.  kann  jetzt 
spontan  urinieren,  Abdomen  stark  druckempfindlich,  Puls  120, 
klein,  aussetzend:  Temp.  39.0.  grosse  Dyspnoe.  Ordination:  Eis¬ 
blase  auf  den  Leib,  Tinct.  Opii,  Eisstückchen,  grosse  Dosen  Al¬ 
kohol,  Kampher  subkutan,  Kochsalzklysma.  Abends  5  Uhr:  Viel 
Aufstossen,  zeitweise  Erbrechen.  Puls  sehr  elend,  Temp.  39, S, 
heftige  Leibschmerzen. 

19.  XII. :  Exitus  an  septischer  Peritonitis. 

Die  einschlägige  Therapie  war  natürlich  hei  der  Seltenheit 
dieser  Komplikation  ohne  Kenntniss  der  diesbezüglichen  Lite¬ 
ratur  gewählt  worden.  Allerdings  beklagen  die  Autoren  ziemlich 
übereinstimmend  ein  gewisse  Unsicherheit  in  der  Wahl  der  Be¬ 
handlungsmethode,  da  sich  allgemein  gültige  Regeln  schwer  auf¬ 
stellen  lassen.  So  ist  es  verständlich,  wie  Cohn  stein  und 
Theilhaber  zeigen,  dass  je  nach  Lage  des  Falles  die  ver¬ 
schiedensten  Eingriffe  zur  Anwendung  kamen.  Für  gewisse  Fälle 
hat  G  ö  n  n  o  r  versucht,  ein  Normalverfahren  zu  schaffen,  indem 
er  hei  4  relativ  gestielten  Tumoren  mit  Glühschlinge  und 
Kneipzange  soviel  vom  Karzinom  abtrug,  dass  die  Zange  an¬ 
gelegt  werden  konnte.  Allerdings  betont  er  in  seinen  Kranken¬ 
geschichten,  dass  die  Anlegung  der  Zange  technisch  meist  recht 
schwierig  war,  und'  z.  B.  in  einem  Falle  quer  über  Gesicht  und 
Hinterhaupt  erfolgte,  dass  stets  ein  grosser  Kraftaufwand  nötig 
war,  und  in  2  Fällen  mit  der  Zange  eine  grosse  Blasenscheiden¬ 
fistel  gemacht  wurde,  woran  1  Frau  bald  darauf  starb.  Wichtig 
ist  nach  G„  die  Wehen  einige  Zeit  wirken  zu  lassen,  um  zu  sehen, 
wie  viel  sie  zur  Eröffnung  der  Geburtswege,  d.  h.  zur  Dehnung 
der  gesunden  Teile  beitragen ;  dann  erst  soll  bestimmt  werden, 
worin  der  Eingriff  zu  bestehen  hat,  wo  exstirpiert  und  wo  nur 
inzidiert  wrerden  soll,  wobei  auf  die  Erhaltung  des  kindlichen 
Lebens  das  Hauptaugenmerk  zu  richten  sei.  „Wo  es  sich  mehr 
um  Infiltration,  als  um  Tumor  handelt,  genügen  wohl  Inzisionen, 
ausserdem  Abtragung;  dann  soll  bei  Kopflage  die  Zange  angelegt 
werden.“  Da  aber  trotz  5  tägiger  Wehen  in  meinem  Falle  der 
Muttermund  nur  für  einen  Finger  durchgängig  war,  und  der 
breitbasig  auf  sitzende  Tumor  nicht  abgetragen  werden  konnte, 
war  die  Anlegung  der  Zange  nicht  möglich,  so  dass  zunächst  die 
Wendung  in  Frage  kam.  Allerdings  zählt  nach  Cohnstein 
die  Wendung  auf  den  Fuss  mit  nachfolgender  Extraktion  zu  den 
gefährlichsten  Eingriffen  bei  Komplikation  von  Uteruskarzinom 
mit  Geburt.  Dagegen  betont  Theilhaber,  das  Resultat  der 
Wendung  sei  deshalb  so  schlecht,  weil  in  schwierigen  Fällen  mit 
wenig  erweitertem  Orifizium  die  Wendung  ausgeführt  wurde, 
während  bei  weiterem  Muttermunde  die  Zange  angelegt  werden 
konnte.  Von  den  6  Fällen  seiner  Statistik  starben  3  Mütter  in¬ 
folge  des  Eingriffes,  nur  1  Kind  wurde  lebend  geboren.  In  der 
mir  zugänglichen  Literatur  finde  ich  dazu  noch  1  Fall  von 
Olshausen  (Kind  tot,  unreif ;  Mutter  bei  inoperablem  Kar¬ 
zinom  nach  1  -Tahr  mit  Blasenscheidenfistel  gestorben,  siehe 
Kaussman  n),  sowie  von  P  ö  h  1  i  g  (Kind  exenteriert,  extra¬ 
hiert,  Mutter  an  Sepsis  gestorben) ;  die  mit  neuen  Operations-' 
methoden  und  glänzenden  Erfolgen  behandelten  operablen 
Karzinomfälle  intra  partum  (z.  B.  2  Fälle  von  Döder- 
1  e  i  n  mit  vaginalem  Kaiserschnitt  und  günstigem  Ausgang  für 
Mutter  und  Kind,  siehe  Sarwey)  können  hier  nicht  mit¬ 
gerechnet  werden.  Jedenfalls  kann  Theilhaber  auf  allge¬ 
meine  Zustimmung  rechnen,  wenn  er  glaubt,  „es  sei  absolut  kein 
Grund  ersichtlich,  warum  eine  aseptisch  ausgeführte  Wendung 
und  Extraktion  gefährlicher  sein  soll  als  die  Zange,  nach  gründ¬ 
licher  Desinfektion  der  Zervix“.  Die  Inzisionen  in  das  Collum 
uteri  hält  Theilhaber  allerdings  für  recht  eingreifend,  da  bei 
dieser  Behandlung  von  21  Fällen  seiner  Statistik  11  gestorben 
sind.  Dagegen  rät  Fehling,  wenn  bei  Längslagen  trotz  guter 
Wehentätigkeit  der  starre  Ring  nicht  nachgibt,  dreist  tiefe  In¬ 
zisionen  sowohl  des  supra-  als  infragenitalen  Teiles  der  Zervix 
zu  machen,  und  sich  dabei  nur  vor  Verletzungen  der  Harnblase 
zu  hüten.  Für  eine  solche  hat  sich  in  meinem  Falle  kein  An¬ 
haltspunkt  geboten,  und  stimmt  derselbe  auch  zu  der  Ansicht 
Fehlings,  dass  das  Karzinom  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nicht 
mehr  operabel  ist,  wenn  die  Schwangerschaft  das  richtige  Ende 
erreicht  hat.  Nach  Thorn  zeigt  die  Statistik,  dass  es  sich  am 

3* 


1300 


MUENCIIENER  MEDICINISCI1E  WOCHENSCHRIFT 


No.  31. 


Ende  der  Schwangerschaft  fast  ausschliesslich  um  Fälle  von 
Portiokarzinom  handelt.  „Es  ist  ja  auch  kaum  anders  zu  er¬ 
warten,  da  ein  Zervixkarzinom  in  der  Schwangerschaft  früh¬ 
zeitig  den  unteren  Eipol  freilegen  und  zu  Abort  oder  Frühgeburt 
führen  muss,  wenn  es  nicht  etwa  erst  in  der  allerletzten  Zeit, 
der  Gravidität  entsteht.“  Nach  dieser  Richtung  scheint  also  der 
vorliegende  Fall  zu  den  Ausnahmen  zu  gehören;  denn  bei  der 
Grösse  des  Tumors  müssen  die  in  der  2.  Hälfte  der  Schwanger¬ 
schaft  auf  getretenen  Blutungen  doch  auf  das  Karzinom  bezogen 
werden,  das  eben  damals  schon  ulzeriert,  jedenfalls  schon  längere 
Zeit,  vielleicht  schon  vor  Eintritt  der  Konzeption  vorhanden  war. 

Wäre  die  Wendung  nicht  gelungen,  so  wäre  die  Perforation 
des  lebenden  Kindes  oder  Sectio  caesarea  in  Frage  gekommen. 
Nun  stimmen  die  Autoren  so  ziemlich  überein,  dass  bei  in 
operablem  Karzinom  und  lebensfähigem  Kinde  vor  allem  das 
Interesse  des  Kindes  berücksichtigt  werden  muss.'  T  horn  setzt 
auch  bei  operablem  Karzinom  das  Leben  des  Kindes  dem  der 
schwerkranken  Mutter  gleich.  Damit  scheidet  die  Perforation 
des  lebenden  Kindes  aus,  abgesehen  davon,  dass  die  Extraktion 
des  perforierten  Kindes  ohne  vorausgeschickte  Inzisionen  un¬ 
möglich  gewesen  wäre.  Der  konservative  Kaiserschnitt  bei 
Uteruskarzinom  ist,  abgesehen  von  der  langen  Dauer  des  Ein¬ 
griffes,  auch  unter  den  aseptischen  Kautelen  einer  Klinik  infolge 
der  grossen  Infektionsgefahr  durch  zerfallene  Karzinommassen 
eine  sehr  ernste  Operation,  wie  dies  besonders  auch  Ols- 
lia  u  sen  im  Anschluss  an  einen  ungünstigen  Fall  betont.  Von 
14  klinischen  Fällen  bei  konservativem  Kaiserschnitt  kamen  S 
durch,  und  nach  Beckmann  sind  die  Resultate  der  Laparo¬ 
tomie  für  die  Mütter  bis  jetzt  schlechter  als  bei  der  aut  natür¬ 
lichem  Wege  beendeten  Geburt  (umgekehrt  für  die  Kindersterb¬ 
lichkeit).  Abgesehen  von  dem  Schwächezustande  der  Parturiens 
im  vorliegenden  Falle,  der  wohl  auch  unter  klinischen  Verhält¬ 
nissen  von  einer  Sectio  caesarea  hätte  absehen  lassen,  kommt  in 
der  Landpraxis  die  Schwierigkeit  einer  aseptischen  Behandlung 
dazu.  Porro  konnte  nicht  in  Betracht  kommen,  weil  die  In¬ 
filtration  des  Parametriums  und  fast  völlige  Unbeweglichkeit  der 
Portio  eine  extraperitoneale  Stielversorgung  unmöglich  machten. 


Nach  Durchsicht  der  mir  zugänglichen  Literatur  erscheint 
mir  die  eingeschlagene  Therapie,  wenn  sie  auch  nur  das  ohne 
Eingriff  sicher  verlorene  kindliche  Leben  )  erhalten  konnte,  noch 
am  zweckmässigsten,  und  ich  würde  mich  in  einem  2.  Falle  wohl 
ebenso  verhalten.  Ich  würde  nur,  falls  ich  einen  Thermokauter 
zur  Verfügung  gehabt  hätte,  die  ulzerierte  Stelle  gehörig  ver- 
scliorft,  die  Inzision  in  das  Collum  Uteri  eventuell  mit  dem 
schneidenden  Pacquelin  gemacht  haben.  Denn  darüber  war  ich 
mir  klar,  dass  mehrfache  Lysolspülungen  keine  genügende  Des¬ 
infektion  eines  zerfallenen  Karzinoms  garantierten,  und  dass  in 
die  in  nächster  Nähe  derselben  angelegten  Inzisionen  septische 
Stoffe  leicht  gelangen  konnten.  Durch  den  Pacquelin  hätte  sich 
wohl  auch  die  nach  der  Extraktion  aus  den  Inzisionen  auf¬ 
getretene  Blutung  vermeiden  lassen,  so  dass  nur  eine  ganz  lockere 
Tamponade  zur  Ableitung  der  Lochien  nötig  gewesen  wäre, 
während  so  die  zur  Blutstillung  notwendige  straffe  Tamponade 
der  Ausbreitung  der  Sepsis  förderlich  war.  Wenn  ich  aber  re- 
sumire,  dass  es  sich  um  eine  anämische,  durch  wiederholte  Blu¬ 
tungen  in  der  Schwangerschaft  und  5  tägiges  Kreissen  er¬ 
schöpfte  karzinomkranke  Parturiens  mit  schlechtem  Puls  und 
Fieber  (wohl  septischer  Natur,  ausgehend  vom  zerfallenen  Kar¬ 
zinom)  handelte,  so  erscheint  es  mir  fraglich,  dass  sich  unter 
klinischen  Verhältnissen  die  Prognose  für  die  Mutter  irgendwie 
hätte  wesentlich  bessern  lassen.  Die  Prognose  der  Zervixkarzi¬ 
nome  intra  partum  ist  eben  überhaupt  eine  schlechte,  wie  dies 
besonders  S  t  r  a  a  t  z  betont,  nach  dessen  Zusammenstellung  in 
allen  6  Fällen  von  Zervixkarzinomen  die  Mütter  unterlagen;  der 
<  inzige  Fall,  der  durchkam,  war  ein  Portiokarzinom.  Eine  Besse¬ 
rung  der  Prognose  solcher  Fälle  muss  in  erster  Linie  wohl  von 
den  indolenten  Kranken  selbst  ausgehen,  die  sich  bei  Schwanger¬ 
schaftblutungen  umgehend  an  den  Arzt  wenden  sollten.  Durch 
die  Vervollkommnung  der  vaginalen  Operationstechnik,  besonders 
seit  Einführung  des  vaginalen  Kaiserschnittes  nach  I)  ü  h  r  s.s  e  n, 
haben  die  meisten  der  noch  operablen  halle  von.  Uterus¬ 
karzinom  auch  am  Ende  der  Schwangerschaft  Aussicht  auf  einen 


3)  Das  Kind  ist  2  Monate  alt,  angeblich  an  Darmkaturrli,  ge¬ 
storben. 


günstigen  Ausgang  für  Mutter  und  Kind,  während  bei  inope¬ 
rablen  Fällen  die  Prognose  wohl  stets  schlecht  bleibt. 


W 


Literatu  r. 

Beckmann:  Zeitsclir.  f.  Geburtsli.  u.  Gyn.,  Kd.  34. 

ISffG  _  Cohnstein:  Areli.  f.  Gyn.,  Bd.  V.  —  Diilirssen: 

( Vntralbl.  f.  Gyn.  1897,  pag.  943.  _  Felsenreicli:  Wiener  med. 
Presse  1883,  pag.  1130  ff.  —  H.  Fehling:  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1S97.  No.  47.  —  O.  Flöel:  Centralbl.  f.  Gyn.  1891.  — 
A.  Gönner:  Zeitsclir.  f.  Geburtsli.  u.  Gyn.,  Bd.  N,  pag.  7.  — 
A.  Kaussmann:  lieber  Uteruskarzinom  bei  Gravidität  etc. 
Dissertation,  Berlin  1897.  —  W.  Merkel:  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1899,  pag.  305.  —  11.  Olsliausen:  Zeitsclir.  f.  Geburtsli. 
u.  Gyn..  Bd.  37,  1897.  —  W.  Pöhlig:  Ueber  die  Bedeutung  des 
Zervixkarzinoms  als  Geburtshindernis.  Dissertation,  Berlin  1890. 
—  O.  Sarwey:  Beitr.  z.  Geburtsli.  u.  Gyn.  von  Hegar  1899, 

Bd.  11. _ C.  Straatz:  Zeitsclir.  f.  Geburtsli.  u.  Gyn.,  Bd.  XII. 

pag.  202  ff.  —  A.  Theilhabe  r:  Areli.  f.  Gyn.,  Bd.  47,  1894.  — 
W.Thoru:  Münch. med. Woclienschr.  1899,  No. 21.  —  F.v.Winckel: 


Aus  der  kgl.  chirurgischen  Universitätsklinik  in  München 
(Prof.  Dr.  v.  Angere  r). 

Zur  Frage  der  Wirksamkeit  des  Collargol. 

Von  Dr.  Richard  Trommsdorff,  Assistent  für  Mikro¬ 
skopie. 

Die  glänzenden  Resultate  der  Behandlung  lokaler  Infek¬ 
tionen  durch  Antiseptika  haben  immer  wieder  zu  Versuchen  ge¬ 
führt,  solche  auch  gegen  die  in  das  Innere  des  Körpers  ein- 
gedrungenen  Bakterien  anzuwenden.  Alle  derartigen  Versuche 
sind  im  allgemeinen  gescheitert,  trotzdem  aber  hat  man  es  nicht 
aufgegeben,  zur  Behandlung  von  Allgemeininfektionen  für  den 
Organismus  unschädliche,  bakterienvernichtende  oder  ihre  Ent¬ 
wicklung  hemmende  Stoffe  aufzufinden  und  dem  Körper  auf  die 
verschiedenste  Art  —  speziell  durch  intravenöse  Injektionen,  um 
so  möglichst  direkt  auf  die  im  Blute  kreisenden  Bakterien  zu 
wirken  —  einzuverleiben.  Von  bakteriologischer  beite  steht  man 
solchen  Versuchen  heutzutage  immer  sehr  skeptisch  gegenüber 
—  und  wie  berechtigt  das  ist,  zeigen  wieder  in  neuester  Zeit 
die  sich  allmählich  überall  einstellenden,  völlig  negativen  Re¬ 
sultate,  ja  sogar  Schädigungen  bei  den  von  Baccelli  em¬ 
pfohlenen  intravenösen  Injektionen  von  Sublimat-Kochsalzlösung 
zur  Behandlung  von  Maul-  und  Klauenseuche  (und  auch  anderer 
Erkrankungen  durch  intravenöse  Injektion  von  Karbol  etc.). 
Und  wenn  nicht  so  häufig  von  Seiten  der  Praktiker  über  so  viele 
glänzende  Resultate  mit  derartigen  Mitteln  berichtet  würde, 
würde  man  gar  keine  Veranlassung  haben,  sich  experimentell 
immer  wieder  mit  diesen  Dingen  zu  beschäftigen. 

So  tauchen  auch  immer  wieder  günstige  Berichte  auf  über 
die  Behandlung  mit  colloidalem  Silber  (Argent.  colloid.  Crede, 
Collargol). 

Das  Präparat  wurde  1897  von  Crede  in  die  Therapie  ein¬ 
geführt  und  speziell  bei  septischen  Erkrankungen  geradezu  als 
Spezifikum  empfohlen. 

Aus  der  Tiermedizin  liegen  die  günstigsten  Berichte  vor¬ 
über  Erfolge  bei  den  verschiedensten  Erkrankungen,  bei  Phleg¬ 
monen,  Morbus  maculosus,  Rotz,  Drüse  bei  Pferden,  bei  bös¬ 
artigem  Katarrhalfieber  (septische  Erkrankung),  Sepsis  nach 
Wundinfektion,  Milzbrand  beim  Rind.  Vor  ärztlicher  Seite  sind 
viele  hundert  geheilte  oder  günstig  beeinflusste  Fälle  von  sep¬ 
tischen  Prozessen  aller  Art  (z.  B.  Sepsis  nach  Wundinfektion, 
puerperaler  Sepsis,  Phlegmonen,  Erysipel,  Scharlach  u.  s.  w.)  be¬ 
schrieben,  während  diesen  empfehlenden  Stimmen  bisher  nur 
wenig  Aeusserungen  entgegengesetzter  Art  gegenüber  stehen. 
Solche  finden  sich  nur  von  B  a  g  i  n  s  k  i ’),  Strohmeyer') 
und  in  neuester  Zeit  von  Hänel3)  von  ärztlicher  Seite,  von 
Dusehaneck4)  und  Baldoni5)  aus  der  Veterinärpraxis. 

Ein  von  Fische  r ")  im  November  1901  veröffentlichter  Fall 
von  Milzbrand  beim  Menschen,  dessen  „sofortige  Besserung  vuid 
sehr  baldige  Sistierung  der  Infektion  Fischer  durch  die  anti¬ 
bakterielle  Silberbehandlung  als  einwandsfrei  erreicht“  darstellt, 

q  Therapie  der  Gegenwart,  Juni  1900. 

-)  Münch,  med.  Woclienschr.  1900,  No.  31. 

3)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902.  pag.  335. 

4)  Tierärztl.  Centralbl.  1900,  No.  10. 

B)  Clinica  veterinaria  1899.  .1.  40 — 42. 

*)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  47. 


5.  August  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1301 


gab  mir  die  Veranlassung,  Tierversuche  über  die  Wirksamkeit 
des  Collargol  anzustellen. 

Das  Collargol  wird  gegen  Sepsis  im  allgemeinen  in  2  Formen 
zur  Anwendung  empfohlen,  und  zwar  1.  als  Salbe  (Unguent. 
Crede)  zu  Einreibungen,  ähnlich  einer  Schmierkur,  und  2.  als 
intravenöse  Injektion. 

1 1  m  exakte  Dosen  anwenden  zu  können,  war,  wie  auch 
Beyer '),  dessen  ausführliche  Arbeit  neuesten  Datums  (im  Fe¬ 
bruar  d.  Js.  erschienen)  ich  bei  meinen  letzten  Versuchen  berück¬ 
sichtigen  konnte  und  auf  die  ich  noch  weiter  unten  eingehend  zu 
sprechen  kommen  muss,  hervorhebt,  die  zweite  Anwendungsweise 
die  einzig  mögliche,  da  sich  bei  einer  Inunktionstherapie  nicht 
feststellen  lässt,  wie  viel  Silber  resorbiert  ist. 

1>  e jv  er  sagt  (pag.  333  1.  c.):  „Für  die  Zwecke  der  experimen¬ 
tellen  Untersuchung  war  die  intravenöse  Injektion  erforderlich. 
Die  hierbei  gewonnenen  Ergebnisse  müssen  in  Einklang  stehen 
mit  den  bei  anderen  Formen  der  Einführung  gewonnenen.  Denn 
im  Grunde  genommen  übernimmt  bei  jeder  Form  der  Einverleibung 
der  Blutstrom  die  Verbreitung  des  Silbers.“ 

Als  Versuchstiere  wählte  ich  Kaninchen,  bei  denen  nach  der 
Literatur  bis  dahin  keine  Versuche  angastellt  waren.  Die  Ver¬ 
suche  mit  Milzbrand  beim  Kaninchen  sind  nun  äusserst  schwer 
vergleichbar  zu  gestalten,  da  die  Tiere  auch  bei  gleichen  Dosen 
in  verschiedenen  Zeiten  zu  sterben  pflegen,  so  dass  man,  um  ein¬ 
deutige  Resultate  zu  erhalten,  die  Versuche  an  sehr  grossen  Tier¬ 
mengen  ausführen  muss. 

Aus  diesem  Grunde  wurden  zur  Infektion  zwei  andere 
typische  Septikämien  verwandt,  der  Schweinerothlauf  und  die 
Schweineseuche,  bei  welchen  beiden  Erkrankungen  es  gelingt, 
die  Dosen  so  abzustufen,  dass  mit  gleichen  Dosen  geimpfte  Ver¬ 
suchstiere  an  gleichen  Tagen  eingehen.  Später  sollte  dann  event 
zu  \  ei  suchen  mit  Milzbrand,  Staphylokokken  u.  s.  w.  geschritten 
werden. 

Es  handelte  sich  nun  darum,  festzustellen,  welche  Dosen  den 
Tieren  zu  geben  seien. 

I  iir  den  Menschen  wurden  zu  intravenösen  Injektionen 
von  Crede  selbst  5  10  20  ccm  einer  1  proz.  Lösung  pro  die 

empfohlen;  und  wenn  man  die  veröffentlichten  Kranken¬ 
geschichten  durchsieht,  so  findet  man,  dass  häufig  schon  eine  ein¬ 
malige  Einspritzung,  meist  aber  2,  3  oder  4,  selten  mehr  Injek¬ 
tionen  (von  meist  5  ccm)  genügten,  die  Heilung  herbeizuführen. 
(Die  Salbendosis  war  wesentlich  grösser.)  Um  ein  Beispiel  an¬ 
zuführen,  wurden  bei  dem  oben  zitierten  Fischer  sehen  Fall 
\  on  Milzbrand  beim  Menschen  am  1.  und  2.  Tag  je  eine  In¬ 
jektion  ä  5  ccm  und  „zur  Sicherheit“  am  3.  Tag-  nochmals  eine 
ebensolche  gegeben,  also  in  Summa  3X5  ccm  einer  lproz.  Lö¬ 
sung,  das  ist  3X0,05  g  Collargol. 

In  der  tierärztlichen  Praxis  waren  bei  den  grösseren  Tieren 
die  Dosen  entsprechend  höher,  so  bei  Pferden  durchschnittlich 
0,5  g  Collargol  pro  dosi. 

A  immt  man  nun  das  Gewicht  der  Menschen  als  wenigstens 
60,  das  der  Kaninchen  als  3  kg  an  —  meine  Tiere  wogen  im 
urchschnitt  2500  g  — ,  so  war  es  berechtigt,  beim  Kaninchen, 
entsprechend  dem  mindestens  20  mal  geringeren  Körpergewicht, 
die  Dosis  20  mal  kleiner  als  beim  Menschen  zu  nehmen.  Das 
wären  höchstens  0,0025 — 0,005,  genauer  0,00166 — 0,0033  g  Col¬ 
largol  pro  dosi. 

Ich  gab  also  bei  meinen  Versuchen  anfänglich  jedesmal  2, 
spater  3  ccm  einer  1  prom.  Lösung  intravenös.  Der  Erfolg,  so¬ 
tt  old  bei  mit  Rotlauf  wie  mit  Schweineseuche  infizierten  Tieren, 
war  nun  ein  absolut  negativer,  gleichgültig,  ob  täglich  1  oder 
2  Injektionen  gegeben  wurden,  ob  man  mit  den  Injektionen 
direkt  nach  der  Infektion  oder  6,  12,  24,  36  Stunden  darnach 
begann;  alle  mit  Collargol  behandelten  Tiere 
starben  ebenso  prompt,  wie  die  nur  mit  d  er 
et  re  ff  enden  Bakterien  art  infizierten  Kon¬ 
frontiere,  und  umgekehrt  vertrugen  nichtinfizierte  Kontroll- 
tiere  von  der  Collargollösung  allein  8  Tage  fortgesetzte  tägliche 
ein-  oder  zweimalige  Injektionen  der  gleichen  Dosen.  Die  In- 
tektionsgrössen  wurden  dabei  so  variiert,  dass  die  Tiere  am  3.,  4. 
oder  5.  Tage  der  Infektion  erlagen. 

Diese  Versuche  wurden  im  ganzen  an  12  Tieren  ausgeführt. 
Nach  dem  Erscheinen  des  Beyer  sehen  Vortrags  sah  ich  mich 
veranlasst,  die  Dosen  zu  steigern. 


7)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No  S 

No.  31. 


Denn  Beyer,  der  sich  „die  Aufgabe  gestellt  hatte,  für  die 
am  Krankenbett  gewonnenen  Erfahrungstatsachen  auch  theore¬ 
tische  Grundlagen  zu  schaffen“,  führt  nur  zwei  Tierversuche 
an  ).  Dieselben  betreffen  mit  Staphylokokken  infizierte  Kanin¬ 
chen,  von  denen  er  dem  einen  28  Stunden  nach  der  Infektion 
eine  einmalige  intravenöse  Injektion  von  0,4  g  Collargol 
(40  ccm  einer  lproz.  Lösung  auf  einmal  intravenös?!)  gab,  dem 
andern  eine  einmalige  subkutane  Collargolinjektion  von  nicht 
angegebener  Grösse. 

Beyer  selbst  sag! :  „Beim  Menschen  können  unbedenklich 
0,05  0,1  in  Tonn  einer  lproz.  Lösung  gegeben  werden“.  — 

Dass  man  dann  einem  Kaninchen  (Gewicht  ?)  das  4 — 8  fache 
der  für  den  Menschen  vorgesehenen  Dosis  gibt,  ist  jedenfalls 
als  ein  ungewöhnliches  experimentelles  Vorgehen  zu  bezeichnen. 

Immerhin  aber  versuchte  nun  auch  ich,  mit  grösseren  als 
den  bisher  gewählten  Dosen  bei  mit  Rotlauf  und  Schweineseuche 
infizierten  Tieren  vorzugehen;  die  Injektionen  wurden  statt  mit 
einer  1  prom.  jetzt  mit  einer  1  proz.,  also  10  mal  so  starken  Lö¬ 
sung  angestellt  und  zwar  mit  ähnlichen  Variationen  betreffs  der 
Zahl  der  Injektionen  und  der  Zeit  nach  der  Infektion  wie  bei 
den  oben  angeführten  Versuchen. 

Aber  auch  hier  zeigten  sich  bei  9  Versuchs¬ 
tieren  nur  negative  Resultate,  ob  man  2,  4,  5  oder 
10  ccm,  also  die  für  den  Menschen  vorgesehenen  Dosen,  in¬ 
jizierte.  —  Zu  noch  höheren  Dosen,  wie  den  von  Beyer  ge¬ 
wählten,  glaubte  ich  nicht  mehr  steigen  zu  brauchen. 

Dass  diese  Erfolge  mich  nicht  gerade  zu  weiteren  Versuchen 
über  die  Wirksamkeit  des  Collargol  bei  Milzbrand  u.  s.  w.  er¬ 
mutigten,  wird  man  begreifen. 

Auffallend  ist  bei  den  von  Beyer  angeführten  Versuchen 
auch,  dass  er  10  ccm  ( ! !)  einer  „sehr  virulenten“  Staphylokokken¬ 
kultur  intravenös  zur  Infektion  gab  und  dabei  nichts  über  die 
minimale  tödliche  Dosis  beim  Kontrolltier  angibt. 

Im  übrigen  ist  es  sehr  schwer,  aus  den  Beyer  sehen  Aus¬ 
einandersetzungen  ein  klares  Bild  von  Beyers  Ansicht  be- 
ziiglich  der  Silberausscheidung  und  von  den  Motiven,  die  ihn 
bei  der  Dosierung  des  Collargols  in  seinen  Tierversuchen  ge¬ 
leitet  haben,  zu  gewinnen.  Jedenfalls  wird  ein  unbefangener 
Beurteiler  aus  den  Beyer  sehen  Versuchen  nicht  eine  klare 
theoretische  Begründung  für  die  praktischen  Erfolge  bei  der  An¬ 
wendung  des  Collargols  in  der  Menschen-  und  Tierpraxis  ge¬ 
winnen  können. 

Diese  Erfolge  sollen  hier  keineswegs  angezweifelt  werden, 
tt'ohl  aber  die  Möglichkeit,  sie  durch  Versuche  und  Auseinander¬ 
setzungen,  wie  die  von  Beyer  gegebenen,  exakt  theoretisch  zu 
begründen. 

Das  ist  auch  der  alleinige  Grund,  aus  dem  ich  meine 
negativen  Resultate  mit  Collargol  bei  Rotlauf  und  Schweine¬ 
seuche  der  Kaninchen  veröffentlichen  zu  müssen  glaubte,  aus 
denen  aber  nicht  ohne  weiteres  Rückschlüsse  auf  die  Collargol- 
theiapie  bei  anderen  Krankheitsformen  gezogen  werden  sollen. 

Es  eiübrigt  nur  noch,  über  die  bei  meinen  Versuchen  ‘ge¬ 
wonnenen  Temperaturkurven  einige  Worte  zu  sagen. 

Bei  dem  ausschliesslich  mit  Collargolinjektionen  behandelten 
Kaninchen  traten  stets  nur  ganz  geringe  Temperatursteigeruno-en 
(bis  39,7)  auf. 

Bei  den  infizierten,  fiebernden  Tieren  folgten  meist,  doch  nicht 
regelmässig,  kurze,  nach  einigen  Stunden  wieder  vergehende  Tem¬ 
peratursteigerungen  (z.  B.  von  40,9  auf  41,2,  von  40,6  auf  41,6), 
während  bei  einigen  Tieren  auch  ein  geringer  direkter  Abfall  der 
Temperatur  in  den  der  Injektion  folgenden  Stunden  beobachtet 
wurde  (z.  B.  von  40,0  auf  39,7,  von  40,0  auf  39,8). 

Die  Beobachtungen  entsprechen  also  etvai  den  von  anderen 
Untersuchern  gemachten. 

Die  Tierversuche  wurden  im  hiesigen  hygienischen  Institut 
der  Universität  (Prof.  Büchner  f )  angestellt  und  bin  ich  im 
besonderen  Herrn  Prof.  Dr.  II  a  h  n  für  sein  liebenswürdiges 
Interesse  an  denselben  zu  Dank  verpflichtet. 

N  a  e  h  t  r  a  g. 

Soeben  ist  eine  Arbeit  Serafinis9)  erschienen  über  die 
Behandlung  zweier  typischer  Septikämien  beim  Kaninchen 

s)  Weitere  Versuche  glaubte  B.  „sparen“  zu  dürfen,  „da 
Silber  in  der  Tiermedizin  zu  therapeutischen  Zwecken  ziemlich 
allgemein  angewendet  wird“,  er  also  einfach  „die  in  der  ein¬ 
schlägigen  Literatur  sich  findenden  Mitteilungen,  ein  sehr  zahl¬ 
reiches  Material,  zu  ordne»“  hätte. 

9)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  16. 


4 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1302 


(Milzbrand  und  Hühnercholera)  nach  der  B  a  c  c  e  1 1  i  sehen  Me¬ 
thode.  #  , 

Ich  möchte  deshalb  bemerken,  dass  auch  ich,  angeregt  durch 
die  13  a  c  c  e  1 1  i  sehen  Veröffentlichungen,  derartige  V  ersuche  an¬ 
stellte  bei  mit  Rotlauf  und  Schweineseuche  infizierten  Kaninchen. 
Die  Resultate  decken  sich  völlig  mit  denen  Seraf  inis;  der 
Erfolg  derartiger  Heilversuche  ist  ein  absolut  negativer. 
Die  mit  Sublimat-NaCl-Lösung  intravenös  (in  den  verschieden¬ 
sten  Dosen  und  zu  den  verschiedensten  Zeiten  nach  der  Infektion 
u.  s.w.)  behandelten  Tiere  starben  ebenso  prompt  resp.  noch 
rascher  z.  T.  als  die  betr.  Ivontrolltiere :  ein  Resultat,  das  übrigens 
niemand,  der  mit  der  älteren  bakteriologischen  Literatur  ver¬ 
traut  ist,  überraschen  wird. 


Zur  Aetiologie  des  Ekzems. 

Von  Dr.  med.  He  übel  in  Romrod. 

Nachdem  auf  dem  IV.  internationalen  Kongresse  für  Der¬ 
matologie  und  Syphilis  in  Paris  1900 ')  sich  die  Ansichten  über 
das  Ekzem  insoweit  geklärt  haben,  dass  jetzt  die  überwiegende 
Anzahl  der  kompetenten  Beurteiler  das  primäre  Ekzemelement 
als  parasitenfrei  betrachten,  kommt  J akob  I  rederic  )  in 
einem  sehr  interessanten  Aufsatz  „Zur  Ekzemfrage“  zu  dem 
Schlüsse,  dass  es  unbedingt  notwendig  sei,  jeden  einzelnen  Fall 
von  Ekzem  in  Bezug  auf  seine  Aetiologie  nach  zwei  Richtungen 
hin  zu  untersuchen,  einerseits  auf  alle  möglichen  inneien  Zu 
stände,  welche  die  gewiss  oft  nur  zeitliche  Disposition  schaffen, 
andererseits  auf  alle  äusseren  Ursachen,  welche  bei  bestehendei 
Disposition  ein  Ekzem  bedingen  können. 

Eine  Beobachtung  über  Ursache  des  Ekzems,  die  ich  kürz¬ 
lich  machen  konnte  und  die  in  gewisser  Weise  fast  einem  expeii- 
mentellen  Versuche  gleichkommt,  möge  die  \  eröffentlichung 
rechtfertigen. 

Mädchen  H.,  geh.  den  21.  VI.  1899  als  3.  Ivind  gesundei 
Eltern,  bekam  im  Alter  von  7  Monaten  ein  Ekzem,  das  neben 
und  über  dem  rechten  Ohr  begann  und  etwa  die  Grösse  eines 
Fünfmarkstückes  hatte,  als  mir  das  Kind  zum  erstenmale  vor¬ 
gestellt  wurde.  Das  Ekzem  nässte  und  eiterte  und  belästigte  das 
Kind  durch  Jucken  sehr.  Salbenverbände  mit  Ung.  diachylon 
Hebrae  büeben  ohne  jeden  Einfluss,  das  Ekzem  vergrösserte  sich 
trotzdem.  Schliesslich  verzichtete  ich  auf  jegliche  Therapie  und 
riet  nur,  einen  Wechsel  der  Kuhmilch  vorzunehmen,  liotz  des 
Ekzems  hatte  sich  das  Kind  vorzüglich  entwickelt;  die  Verdau¬ 
ung  speziell  war  stets  regelmässig.  Bis  zum  4.  Monat  v\  ai  das 
Kind  von  der  eigenen  Mutter  gestillt  worden.  Von  da  ab  eikielt 
es  Milch  von  einer  Kuh,  die  der  Vater  eigens  für  seine  Kinder 
hielt  zu  dem  Zwecke,  immer  eine  gleichmässig  gute  Milch,  vor 
allem  durch  Trockenfütterung,  zu  haben. 

Zu  meinem  grossen  Erstaunen  war  schon  14  Tage  nach  dem 
Wechsel  der  Milch  das  Ekzem  spurlos  abgeheilt. 

Natürlich  lag  die  Frage  nahe,  ob  irgend  ein  Zusammenhang 
zwischen  Milch  und  Ekzem  bestehe.  Da  es  ja  bekannt  ist,  dass 
Geruch,  Geschmack  und  Bekömmlichkeit  der  Kuhmilch  in  hohem 
Grade  von  der  Art  des  dem  Vieh  gereichten  Futters  abhängig  ist, 
so  erkundigte  ich  mich  hiernach.  Das  Tier  war  nur  trocken  ge¬ 
füttert  worden  und  hatte  nichts  Ungewöhnliches  bekommen  mit 
Ausnahme  davon,  dass  etliche  Wochen  lang  täglich  verschiedene 
Hände  voll  Salz  dem  Futter  beigegeben  worden  waren. 

Diese  Salzfütterung  wurde  aufgegeben  und  das  Kind  genoss 
nach  etlichen  Wochen  die  Milch  derselben  Kuh  ruhig  weiter,  ohne 
dass  sich  üble  Folgen  gezeigt  hätten.  Kurz  vor  Weihnachten  19U1 
bekam  dasselbe  Mädchen  wieder  ein  Ekzem  des  Gesichts,  welches 
in  der  Furche  hinter  dem  rechten  Ohre  seinen  Ausgang  nahm  und 
sich  rasch  fast  über  die  ganze  rechte  Gesichtshälfte  ausbreitete. 

Am  12.  I.  02  konsultierte  mich  der  Vater  des  Mädchens  wieder 
deswegen,  bei  welcher  Gelegenheit  er  mir  mitteilte,  dass  er  seit 
3  Monaten  seine  Kuh  abgeschafft  habe  und  die  Milch  für  das 
kranke  Kind  direkt  von  einem  Nachbar  beziehe.  Eine  vorsichtige 
Nachfrage  ergab,  dass  schon  einige  Zeit,  bevor  das  Ekzem  bei 
dem  Mädchen  abermals  erschien,  der  betreffende  Milchlieferant 
sehr  viel  Salz  hatte  dem  Futter  beigeben  lassen,  nach  seiner 
Schätzung  ungefähr  alle  8  Tage  50  Pfund  an  10  Kühe.  Ich  riet 
ihm,  wie  früher,  weiter  nichts  als  einen  abermaligen  Milchwechsel. 
Nach  diesem  Wechsel  verlor  das  Ekzem  sehr  schnell  seine  Nei¬ 
gung,  sich  weiter  auszubreiten,  und  ist  jetzt  (Ende  Februar  1902) 
abgeheilt. 

Interessant  war  noch  nebenbei,  dass  der  Sohn  des  Milch¬ 
lieferanten,  ein  Junge  von  5  Jahren,  der  noch  sehr  viel  Milch  trinkt, 


offenbar  oder  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  derselben  Quelle, 
auch  ein  akutes  Ekzem  des  Gesichts  bekam,  das  aber  ebenfalls 
nach  Aussetzen  der  Salzfütterung  sehr  schnell  ohne  3ede  Therapie 


Ob  das  Ekzem  primär  bakterienfrei  war  oder  nicht,  war 
natürlich  bei  dem  nässenden  Zustande,  in  dem  ich  dasselbe  zu¬ 
erst  sah,  nicht  mehr  zu  entscheiden.  Jedenfalls  aber  war  es 
zum  Mindesten  infektiös  geworden,  infolge  des  Juckens  und 
Kratzens  mit  den  Fingern,  die  ja  bei  kleinen  Kindern  im  Punkte 
der  Reinlichkeit  meistens  nicht  ganz  einwandsfrei  und  sicher 
nicht  keimlos  sind.  Die  Ansteckungsfähigkeit  erwies  sich  an  der 
Mutter  des  Mädchens,  die  etliche  Zeit  nach  dem  zweiten^  Aus¬ 
bruch  des  Ekzems  ein  akutes  Ekzem  an  der  einen  Hand  bekam, 
was  ja  bei  den  vielfachen  Berührungen  einer  Mutter  mit  ihrem 
Kinde  und  bei  ohnedies  rissigen  und  spröden  Händen,  denen 
keine  Arbeit  zu  rauh  gewesen,  nicht  zu  verwundern  ist.  Dieses 
mütterliche  Ekzem  heilte  übrigens  sehr  schnell  durch  Auflegen 
von  Borsalbe  ab. 

Diese  Beobachtungen  scheinen  mir  entschieden  dafür  zu 
sprechen,  dass  die  Ursache  des  oben  geschilderten  Ekzems  in  dem 
längeren  Genuss  der  Milch,  die  von  stark  mit  Salz  gefütterten 
Kühen  herstammte,  zu  suchen  ist.  Eine  äussere  Reizwiikung 
hatte  nicht  stattgefunden  und  ist  somit  als  Ursache  des  Ek¬ 
zems  auszuschliessen.  Das  prompte  Abheilen  nach  Aussetzen  dei 
Milch  spricht  doch  für  diese  als  Ursache  des  Reizes,  wenn  man 
das  Ekzem  als  durch  einen  inneren  oder  äusseren  Reiz  im  allge¬ 
meinen  verursacht  annehmen  will.  Welche  Veränderungen  mit 
der  Milch  durch  starke  Salzfütterung  der  Kühe  Vorgehen,  ob  sich 
der  Salzgehalt  derselben  erhöht,  oder  ob  sonstige  Einwirkungen 
dadurch  verursacht  werden,  sind  Fragen,  die  ich  nicht  beant¬ 
worten  kann.  Eine  Erkundigung  bei  verschiedenen  Landwirten, 
welche  intensive  Milchwirtschaft  treiben,  nach  Grund  der  Salz¬ 
fütterung  hatte  kein  Ergebnis,  was  irgend  welchen  Aufschluss 
hätte  geben  können.  Die  meisten  antworteten,  dass  das  Vieh 
Salz  gerne  annähme,  ob  aber  das  von  irgend  welchem  Einfluss, 
z.  B.  auf  die  Menge  und  Güte  der  Milch  sei,  konnte  ich  nicht 


erfahren. 

Wenn  das  Ekzem  lediglich  durch  seine  eventuelle  parasitäre 
Natur  begründet  wäre,  so  hätte  bei  den  geschilderten  Fällen 
jedenfalls  eine  beständige  Zunahme  stattfinden  müssen,  da  duicli 
das  Kratzen  des  Kindes  einer  weiteren  \  erimpfung  nichts  im 
Wege  stand,  und  durch  keinerlei  Therapie  die  betreffenden  Bak¬ 
terien  vernichtet,  oder  im  Wachstum  sonst  gehemmt  wurden. 
Das  Kind  kratzte  sich  solange  das  Jucken  anhielt,  und  solange 
noch  neue  Nachschübe  kamen,  solange  juckte  es  auch  noch.  Es 
muss  also  jedenfalls  eine  primäre  innere  Veranlassung  bestanden 
haben,  die  das  Ekzem  unterhielt,  und  mit  deren  Aufhören  das 
Ekzem  abheilte.  Bei  der  Mutter  des  Kindes  fehlte  diese  innere 
Ursache  und  deshalb  heilte  das  Impfekzem  rasch  ab,  wie  eine 
sonstige  lokal  beschränkte,  kleine  infizierte  Wunde. 

Tn  dem  vorstehenden  Falle  bildete  die  Milch  die  Haupt¬ 
nahrung  des  Kindes,  so  dass  ich  nicht  glaube,  dass  man  irgend 
welche  anderen  Bestandteile  der  Nahrung  für  das  Ekzem  ver¬ 
antwortlich  machen  könnte. 

Freilich  könnte  man  mir  noch  entgegnen,  dass  das  Ekzem 
vielleicht  auch  ohne  Milchwechsel  gerade  in  der  betreffenden 
Zeit  aufgehört  haben  könne.  Das  wäre  aber  wohl  bei  dem  zwei¬ 
maligen  Auftreten  des  Ekzems  bei  dem  Mädchen  und  der  gleich¬ 
zeitigen  Erkrankung  des  5  jährigen  Knaben  ein  so  merkwürdiger 
Zufall,  dass  ich  diesen  Einwurf  als  unberechtigt  ausschliessen 
kann. 

Es  wäre  mir  interessant,  zu  erfahren,  ob  andere  Kollegen 
vielleicht  ähnliche  Beobachtungen  gemacht  haben.  Eine  exakte 
Ekzemtherapie  längere  Zeit  durchzuführen  ist  oft,  namentlich 
auf  dem  Lande,  geradezu  eine  Unmöglichkeit.  Wenn  indessen 
in  manchen  Fällen  die  Therapie  sich  so  einfach  erwiese,  wie  in 
den  von  mir  hier  beschriebenen,  so  stünde  deren  Durchführung 
jedenfalls  nichts  im  Wege  und  wäre  damit  viel  Zeit  und  Mühe 
für  Patienten  und  Arzt  gespart. 


l)  Bef  erat  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  2. 

-)  „Zur  Ekzemfrage“  (Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  38. 


5.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1303 


Medizinisch-botanische  Streifzüge. 

Mitteilungen  von  Dr.  A.  Model,  k.  Bezirksarzt  a.  D.  zu 
Weissenburg,  Mittelfranken. 

III.  Menabea  venenata  (Baill.)  rediviva.  *) 

(Neue  französische  Arbeiten.) 

Seitdem  ich  in  dieser  Zeitschrift  im  Jahre  1900  die  Frage 
nach  der  Existenz  dieser  1890  von  Baillon  nach  einem  mangel¬ 
haften  Exemplare  flüchtig  beschriebenen  und  benannten1),  dann  in 
der  ganzen  Literatur  verschwunden  gewesenen,  angeblich  über- 
a  us  giftigen  Ordalienpflanze  Madagaskars  auf  gerollt  habe  und 
zur  öffentlichen  Diskussion  zu  bringen  suchte2)  und  in  meinem 
zweiten  Artikel  über  dieses  Thema3)  nach  erhaltenen  freundlichen 
Mitteilungen  berufener  Pariser  Gelehrter  bereits  in  der  Lage  war, 
positive  Ergebnisse  im  Sinne  der  früheren  Angaben  und  Diagnose 
P.  a  i  1 1  o  n  s  mitzuteilen,  bin  ich  jetzt  so  glücklich,  im  Besitze 
der  längst  ersehnten  ersten  Habitus  -  und  analytischen 
Abbildungen  jenes  geheimnisvollen  Gewächses  und  einer 
neuen,  höchst  schätzenswerten  und  nach  diermaliger  Möglichkeit 
genauen  Beschreibung  des  aus  Madagaskar  frisch  be¬ 
zogene  n  Materiales  zu  sein. 

Ich  verdanke  diese  neuen  Mitteilungen  der  Güte  des  Herrn 
Dr.  Emil  Perrot,  Charge  de  cours  ä  l’Ecole  supe- 
r  i  e  u  r  e  de  Pharmacie  de  Paris,  welchem  auch  hier  mein 
verbindlichster  Dank  ausgesprochen  sei. 

Herr  Dr.  Perrot  machte  über  seine  neuen,  sehr  inter¬ 
essanten  Untersuchungen  eine  erst  ganz  kürzlich  erschienene, 
kurzgefasste  Mitteilung  an  die  Academie  des  Sciences4 *). 
Das  Ganze  seiner  Untersuchungen  erschien  dagegen,  von  instruk¬ 
tiven  (auch  mikroskopischen)  Abbildungen  begleitet,  in  der  Re¬ 
vue  des  Cult  ur  es  coloniales6). 

Indem  ich  betreffs  der  Abbildungen  mit  Ausnahme  der 
vier  makroskopischen  1 — 4  leider  auf  das  französische 
Original  verweisen  muss,  gestatte  ich  mir  dagegen,  mit  Zustim¬ 
mung  des  Autors,  über  die  Geschichte  der  neuen  Menabea-Akqui- 
sition  sowie  über  Dr.  Perrots  Untersuchungen  selbst,  für  die 
deutschen  Interessenten  auszugsweise  zu  berichten.  Wo  es 
mir  indiziert  schien,  gestatte  ich  mir  die  Angaben  des  Autors  und 
die  die  neue  Sendung  begleitenden  Mitteilungen  aus  Madagaskar 
zum  Teil  wörtlich  wiederzugeben;  Herr  Dr.  Per  rot  schreibt: 

„Anfangs  Dezember  1901  erhielten  wir  von  unserem  Freunde, 
Herrn  P  r  u  d  h  o  m  m  e,  directeur  de  l’Agriculture  zu  Madagascar, 
einige  Probestücke  einer  Giftpflanze  aus  der  Nordwestregion  der 
Insel.  Die  Sendung  war  begleitet  von  einer  kurzgefassten  Notiz 
des  Herrn  Dr.  Lasnet,  Kolonialarzt  I.  Klasse,  von  dessen 
Arbeiten  die  Leser  dieser  Revue  bereits  häufig  schätzenswerte 
Proben  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  hatten;  diese  Note  enthielt 
folgende  Angaben: 

Anscheinend  eine  Asclepiadee,  ohne  eigentlichen  Stamm 
(tige) ;  aus  dem  Boden  spriessen  10 — 20  Zweige,  welche  bis  zu 
etwa  1  m  Höhe  sich  erheben.  Kleine  aschgrau-grünliche,  elliptisch- 
längliche  Blätter,  unten  weiss  (filzig,  tomentös,  Ref.),  oben  kahl. 
Blüten  mit  5  Blumenblättern,  rötlich-gelb,  etwra  1  cm  breit. 
Knotige,  spindelförmige  Wurzeln.  Die  Pflanze  wächst  auf 
trockenem,  kahlen  Boden.  Früchte  spindelförmig,  hellgrün,  mit 
länglichem  Same  n,  der  an  einer  inneren  Spindel-  dachziegelartig 
(imbriquee)  aufgereiht  und  mit  feinen  Seidenhärchen  an  der  Spitze 
bewachsen  ist.  Die  ganze  Pflanze  ist  milchend. 

Die  Sakalaven  nennen  die  Pflanze  „Ksopo“.  Sie  be¬ 
haupten,  die  Pflanze  sei  ein  wirksames  Mittel  gegen  syphi¬ 
litische  Schmerzen.  In  starker  Dose  gegeben  ist  die 
Pflanze  giftig.  Anscheinend  genügt  ein  kleines 
Fragment  der  Wurzel  um  einen  erwachsenen 
Menschen  innerhalb  einer  halben  Stunde  zu 
töten.  Diese  Wurzel  ist  ausserordentlich  bitter  und 
sind  die  V  ergiftungssymptome  folgende:  Heftige  Magen- 
schmerzen,  der  Patient  verliert  sehr  rasch  das  Bewusstsein. 
Zuckungen,  heftige  Krämpfe,  besonders  in  den  vorderen  Glied¬ 
massen.  Der  Tod  tritt  eine  halbe  Stunde  nach  der  Ein¬ 
führung  ein.“ 

Soweit  Dr.  L  a  s  n  e  t  s  Begleitbericht  aus  Madagaskar. 

Herr  Dr.  Perrot  fährt  fort: 

„Die  Pflanze  befand  sich  seit  einigen  Tagen  in  unserem  Be¬ 
sitze,  als  Herr  Poisson,  Assistent  am  Museum,  der  zufällig  in 
tmser  Laboratorium  kam,  uns  bat,  ihm  eine  Probe  derselben  zu 
überlassen,  da  sie  ihm  unbekannt  schien.  Einige  Tage  später  be¬ 
nachrichtigte  uns  eine  schriftliche  Mitteilung,  dass  wir  Menabea 
v  e  n  e  n  a  t  a  Bailion  vor  uns  hätten.  Im  Besitze  dieser  Angaben 
war  es  uns  ein  Leichtes,  die  Arollkommene  Uebereinstimmung  fest¬ 
zustellen.  Es  erübrigt  noch  die  chemische  und  physio¬ 
logische  Untersuchung  und  wir  envarten  hierzu  nur  die  An- 


*)  Zum  Druck  eingesandt:  I.  April  1901. 

9  Bull.  Soc.  Linneenne  de  Paris,  t.  II,  1889—97, 
No.  104. 

2)  Münch,  med.  Wocliensclir.  1900,  47.  Jalirg.,  No.  31. 

*)  Ebendaselbst,  1901,  48.  Jalirg.,  No.  G. 

’)  „S  ur  1  e  Ksopo  o  u  Tanghin  de  Menabe,  p  o  i  s  o  n 
des  Sakalaves“  (Menabea  venenata  H.  Bn.).  Compt.  rend. 

de  l’Acad.  des  Sc.  Paris  1902,  t.  34,  p.  303—306. 

6)  „Sur  le  K  s  o  p  o“,  Poison  des  Sakalaves  (Menabea 
venenata  H.  Bn.),  Revue  des  Cultures  coloniales  Paris,  1902, 
6.anuee  t  X. 


kunft  der  Kisten  mit  Wurzeln,  deren  Eintreffen  wir  nach  dem 
Briefe  Herrn  P  r  u  d  li  o  m  m  e  s  (Tananarivo,  15.  November  1901) 
von  Tag  zu  Tag  entgegensehen  können. 

Nach  den  Originalangaben  Dr.  Lasnet  s  und  nach  den 
Proben,  die  wir  in  Händen  haben,  sind  die  Eigenschaften  der 
Pflanze  folgende: 

Aeusserer  Bau.  Die  Menabea  venenata  ist  ein 
buschähnlicher,  xerophytischer  Strauch,  dessen  Strunk  bis  zu 
10-20  wenig  verästelte  Zweige  von  ca.  1  m  Höhe  trägt  und  dessen 
Organe  von  starken  Wollhaaren  bedeckt  sind.  Die  Blätter  sind 
gegenständig,  kurz  gestielt,  einfach,  ganz,  elliptisch,  lederartig,  von 
2—3  cm  Länge.  Die  am  Rande  gegen  die  Innenseite  leicht  ge¬ 
krümmte  Blattfläche  ist  auf  der  Oberseite  aschfarbig-grünlich, 
unten  weisslich,  dank  der  Anwesenheit  eines  dicken  Filzüberzuges, 
gebildet  aus  einreihigen,  eingerollten,  bis  2  mm  langen  und  stark 
ineinander  verstrickten  Haaren  (Fig.  I,  1,  2,  3). 


1  Zweig  mit  Blüten.  %  der  natürl.  Grösse.  2  Blatt  von  oben.  3  Filzige  Unter¬ 
seite  des  Blattes.  4  Blüte,  etwa  7mal  vergrössert. 

Die  aus  kleinen,  blütenarmen,  achstelständigen  Cymen  be¬ 
stehenden  Blütenstände,  in  den  Blattstielwinkeln  ange¬ 
setzt,  sind  aus  in  frischem  Zustande  gelb  - rötlichen 
Blüten  zusammengesetzt  und  haben  bei  voller  Blüte  etwa  1  cm 
Durchmesser. 

Der  stark  behaarte  Kelch  zeigt  5  scharf  lanzettliche  Lappen; 
die  Blumenkrone  wird  gebildet  von  5  nur  an  der  Basis  ver¬ 
wachsenen  Blumenkronblätteru,  die  ebenso  viele  5 — 6  mm  lange,  in 
der  Knospe  zusammengedrehte  und  stark  zusammengedrückte 
Plättchen  bilden.  Gynaeceum  und  Androeceum  sind  in  einer 
zentralen  Masse  (Gynostegium)  gruppiert  und  der  Pollen  steht 
in  Tetraden.  Die  Staubfäden  haben  am  unteren  Ende 
befestigte  Staubkolben  mit  einer  starken,  schmalen,  blattartigen 
Verlängerung  des  Connectivs.  Die  5  Schuppendecken  der  Neben¬ 
krone  sind  gleichfalls  mit  blattartigen,  scharfen  und  Warzen-  oder 
haarbesetzten  Endfortsätzen  versehen. 

Die  Früchte  sind  spindelförmige,  6 — 7  cm  lange,  am  Ende 
zugespitzte  Samenhüllen  mit  einer  papierähnlichen  Plazentarplatte 
versehen,  welche  zahlreiche,  elliptische,  6 — 7  mm  lange  Samen¬ 
körner  trägt,  an  deren  dilatiertem  Gipfel  (Spitze)  eine  seiden- 
a  r  t  i  g  e,  stiellose  Feder  kröne  sitzt,  bestehend  aus  einem 
Büschel  einzelliger,  dünnwandiger,  glatter,  20 — 25  mm  langer 
Haare  °). 

Die  ganze  Pflanze  ist  milchend,  und  der  als 
Gift  hauptsächlich  verwendete  Teil  ist  die  Wurzel.  Sie 
wächst  —  nach  Dr.  Lasnet  —  vornehmlich  in  den  dürren  und 
kahlen  Gegenden  der  Nordwest  reg  ion  Madagaskars. 

Innerer  Bau.  Wurzel:  Zeigt  etwas  verschiedenen  Bau, 
je  nachdem  man  wenig  entwickelte  Teile  oder  kräftige  Stücke  vor 
sich  hat.  Sie  ist  immer  parenchymatös,  stärkmehlhaltig  und 
ausserordentlich  bitter. 

Bei  den  kleinen  Untersuchungsproben  zeigt  der  feste  Holz¬ 
zylinder  schon  bald  breite  Risse  —  nach  Art  des  Holzkörpers 
gewisser  Lianen,  oder  wie  man  es  hie  und  da  bei  anderen  knotigen 
(z.  B.  gewissen  Aconit-)  Wurzeln  beobachten  kann. 

Die  Risse  sind  erfüllt  von  weichem  Holzparenchym;  sie  treten 
mehr  und  mehr  hervor  und  man  sieht,  wrenn  man  eine  Reihe  von 
Schnitten  gegen  den  Stamm  zu  macht,  aus  dem  Holzkörper  einen 
Teil  sich  loslösen,  der  inmitten  des  stark  stärkemehlhaltigen  Ge- 
w'ebes  einen  selbständigen  Zentralzylinder  bildet,  der  seinerseits 
anschwillt  und  sich  spaltet;  diese  Teilung  kann  sich  wiederholen 


°)  Die  während  der  Reise  an  den  Probestücken  stattgefundene 
Zersetzung  erlaubt  es  dermalen  nicht,  die  feinere  Struktur  des 
Samens  festzustellen. 


4* 


1S04 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


und  so  zählt  man  im  dicksten  Teile  der  Wurzel  5—8  verholzte 
X '  linder  die  sich  von  dem  ursprünglichen  Holzkorper  losgelost 
lnihen  und  in  die  Masse  des  Bast-  oder  Rindenparenchyms  ein- 

Bei  stärkerer  Yergrösserung  zeigt  die  Wurzel  folgenden  Bau: 
Sie  ist  nach  aussen  geschützt  durch  eine  dicke  Korklage,  mit  ab¬ 
geplatteten  Zellen,  deren  Wände  ziemlich  stark  mit  Korksubstanz 
durchsetzt  erscheinen.  Das  Rindenparenchym,  dessen  weite  Zellen 
reichlich  Stärke  zeigen,  geht  unmerklich  in  die  Bastzone  über, 

deren  Zellen _ und  zwar  nur  in  der  Cambialregion  —  m  Raüiai- 

streifen  angeordnet  sind. 

Das  Holz  ist  sehr  kompakt,  vollkommen  lignifiziert,  zeigt, 
ziemlich  starke,  einzelnstehende  Gefässe  und  stark  verdicktes, 
punktiertes  Holzparenchym. 

Die  Stärke  bildet  grosse,  einzelne  rundliche,  birnloimige 
oder  elliptische  Körner.  Kalziumoxalat  in  prismatischen 

Die  M  i  1  c  li  g  e  f  ä  s  s  e  wenig  zahlreich  in  der  Rindengegend, 
aber  weit  und  wenig  verästelt  Sie  sind  kleiner  und  zahlreicher 
in  den  hastigen  und  holzigen  Teilen.  Sie  gleichen  in  allen  Punkten 
den  Milchgelassen,  die  man  gewöhnlich  bei  den  Asclepiadeen 

und  Apocyneen  findet.  .  .  ... 

Die  äussere  F  a  r  b  e  dieser  W  urzel  ist  ein  ziemlich 
helles  Braunrot,  das  Innere  ist  weisslicli  und  lässt  auf  einem 
Schnitt  mit  blossem  Auge  in  der  Parenchymmasse  verstreute  Holz- 
streifen  unterscheiden. 

Stengel.  Ist  von  aschgrau-gelblicher  Farbe,  wollig,  und 
trägt  in.  seinem  oberen  Teile  kleine  achselständige  Trugdolden 
(Cymae).  Die  Epidermhaare  sind  zahlreich.  Unter  der  Epidermis 
findet  man  eine  Korklage  mit  sehr  grossen,  wesentlich  in  Itadial- 
st reifen  ungeordneten  Zellen.  Diese  Zone  umfasst  gegen  den 
oberen  Teil  des  Stengels  4 — (1  Zelllagen  und  bietet  der  Pflanze  einen 
ausgezeichneten  Schutzapparat  gegen  die  Verdunstung. 

Das  Rindenparenchym,  das  dann  folgt,  ist  mehr  weniger 
collencliymatös  und  endigt  im  Innern  an  der  perizyklischen  Zone. 
Der  Bast  ist  dünn.  Das  sehr  stark  lignifizierte  Holz  bildet  einen 
kompakten  Zylinder,  in  dessen  Inneren  man  Haufen  von  sieb¬ 
förmigen  perimedullarem  Gewebe  und  ein  parenchymatöses  Mark 
mit  weiten  rundlichen  Zellen  erblickt. 

Zahlreiche  Zellen  des  Rinden-,  Bast-  und  Medullarparenchyiiis 
umschliessen  Kalziumoxalatzwillinge  oder  grosse  Prismen. 

Die  M  i  1  c  li  g  e  f ä  s  s  e  sind  besonders  reichlich  in  der  inneren 
Zone  der  Rinde,  im  Bast,  und  um  die  siebförmigen,  perimedullaren 
Inselchen. 

Blattstiel.  Sehr  kurz.  Er  ist  geschützt  durch  eine  dicke, 
haartragende  Bekleidung,  vollkommen  analog  derjenigen  der  Blatt- 
uuterseite.  Auch  im  Blattstiel  Zwillinge  von  oxalsaurem  Kalk. 

Blatt.  Die  Oberhaut  —  frei  von  Spaltöffnungen  —  zeigt 
grosse  Zellen  mit  dünner  Cuticula,  die,  von  oben  gesehen,  ziemlich 
regelmässig  polygonal  erscheinen  und  deren  einige  sich  zu  langen, 
einreihigen  Haaren,  ähnlich  denen  des  Stengels,  verlängern.  Das 
Mesophyllum  ist  entschieden  bifazial.  Im  Innern  des  Lakunar- 
parenchyms  sind  zahlreiche  Nerven  Verästelungen. 

Das  Kalziumoxalat  krystallisiert  ebenfalls  in  grossen  Zellen 
in  Form  voluminöser  Zwillinge.  Die  Milcligefässe  finden  sich 
wieder  längs  der  Bündel  bis  in  die  Umgebung  der  Gef  ässenden  hin¬ 


laufend. 

Die  haarige  Bekleidung  der  Unterseite  des 
Blattes  gestattet  kaum  ein  Studium  der  Gewebe  bei  durchfallendem 
Lichte.  Sämmtliche  Gewebe  des  Blattes  enthalten  viele  rundliche 
Kügelchen,  welche  öliger  Natur  zu  sein  scheinen. 

Die  Spaltöffnungen  sind  über  die  ganze  Unterseite  verteilt, 
deren  Zellen  etwa  4  mal  kleiner  als  die  der  Oberseite  sind.  Sie 
verlängern  sich  fast  alle  haarförmig,  was  dem  Blatt  ein  charakte¬ 
ristisches  weissliclies  Ansehen  gibt.  Die  Gesamtheit  dieser  in¬ 
einander  verschlungenen  Haare  bildet  einen  dicken  Filz,  der 
die  Pflanze  höchst  erfolgreich  gegen  exzessive  Verdunstung 
schützt. 

Fruc  li  t,  S  a  m  e.  Die  beiden  freien  Ovarien  bringen  eine 
pergamentartige  Kapselfrucht  hervor  —  ohne  histologisches  Inter¬ 
esse.  Sie  trägt  ebenfalls  eine  dichte  Behaarung.  Was  den  Samen 
betrifft,  so  ist  bereits  angeführt,  dass  der  Zustand,  unserer  Proben 
nicht  erlaubt  hat,  seine  innere  Struktur  zu  untersuchen.  Er  wird 
überragt  von  einem  stiellosen  Büschelchen  einzelliger  Haare, 
welche  eine  bemerkenswerte  Vorrichtung  für  Verbreitung  des 
Samens  durch  den  Wind  bildet. 


Es  erhellt  also  aus  dieser  Untersuchung,  dass  „K  s  o  p  o“  ohne 
allen  Zweifel  der  MenabeavenenataBaillons  entspricht, 
wenngleich  in  der  Beschreibung  des  letzteren  (Bull.  Soc.  Linn.  de 
Paris  No.  104,  1890)  sich  die  Angabe  findet,  dass  die  Blätter  eine 
Länge  von  9  cm  besitzen.  Hier  liegt  offenbar  ein  Druck¬ 
fehler  vor,  denn  die  Probestücke  Grandidier s,  welche  das 
Studienmaterial  jenes  Autors  bildeten,  entsprechen  vollkommen 
unserer  Beschreibung,  wie  wir  uns  im  Herbarium  des 
M  xi  s  e  xi  m  überzeugen  konnten. 

Gegenwärtig  sind  Versuche  über  die  pharmako¬ 
logischen  Wirkungen  der  Pflanze  im  pharmakologischen  La¬ 
boratorium  der  Faculte  de  medecine  unter  Leitung  unseres 
Freundes,  Herrn  Dr.  J  oani  n,  im  Gange  und  werden  uns  bald 
über  den  Giftwert  und  die  Wirkungen  der  Pflanze  ins  Klare  setzen, 
die  als  Ordaliengift  und  auch  als  Heilmittel  den  Sakalaven 
dient. 


Sowie  genügende  Quantitäten  der  Wurzel  eine  Darstellung  des 
wirksamen  Prinzips  ermöglicht  haben  werden,  wird  der  Arznei¬ 
schatz  vielleicht  sich  um  einen  der  interessantesten  Körper  und 
gleichzeitig  um  eiix  wertvolles  Heilmittel  bereichern  lassen." 

Emile  Perrot, 

Doeteur  des  Sciences,  Charge  de  cours  a  l’Ecole 
superieure  de  Pharmacie  de  Paris. 

Einige  botanisch-pharmakologische  Bemerkungen 
des  Referenten  zu  der  Arbeit  Dr.  Perrots  über  Mcnabca 

venenata  Baill. 

Wenn  man  die  nach  Umständen  sehr  genaue  und  verdienst¬ 
liche  Untersuchung  Dr.  Perrots  vergleicht  mit  den  1890  aus 
Prof.  B  ai  1 1  on  s  an  sehr  unvollständigem  Exemplare  gewonnenen 
Resultaten  so  wird  man  zugeben  müssen.,  dass  letzterer  (abgesehen 
von  einem  die  Länge  der  Blätter  betreffenden  Druckfehler)  eine 
sehr  gewandte  Diagnose  entwickelt  hat.  Er  erkannte  das  rüde 
mentäre  Exemplar  nicht  allein  als  eine  —  wahrscheinlich  mil¬ 
chende  _ Asclepiadee,  sondern  auch  als  ein  der  Unterabteilung 

der  Periplocoideae  sehr  nahestehendes  neues  Genus  (cf. 
Bull.  Soc.  Linn.  de  Paris  No.  104,  1890).  Dass  der  Pollen  b  e  i  d  e  r 
M  e  n  a  bea  in  Tet  r  a  d  e  n  steht,  hat  Bailion  nicht  wissen 
können  Dies  ist  für  die  Periplocoideae  charakteristisch  und  wurde 
durch  Dr.  Per  rot  gefunden.  Die  organologisclie  Beschreibung 
B  a  i  1 1  o  n  s  - —  soweit  an  seinem  Belegstück  möglich  —  ist.  im 
wesentlichen  zutreffend.  Den  Samen  mit  dem  endständigen  ein¬ 
fachen  Federbusch  hat  B  a  i  1 1  o  n  ebenfalls  schon  erwähnt,  welche 
Beschaffenheit  sich  bei  fast  allen  Asclepiadeen.  aber  allerdings 
auch  bei  vielen  Gewächsen  der  naheverwandten  Apocyneen  findet, 
besonders  deren  Unterabteilung  Echitoideae  (wozu  Stroplianthus 
mit  doppelter  Feder  kröne  am  Samen). 

Diese  Flugapparate  —  um  die  Verbreitung  des  Samens  durch 
den  Wind  zu  begünstigen  —  sind,  wie  erwähnt,  f  a  s  t  allen  As¬ 
clepiadeen  eigen.  Nur  2  Genera  sind  des  seidenartigen  Feder¬ 
busches  am  Samen  verlustig.  Hierunter  auch  —  beiläufig  be¬ 
merkt  —  die  der  indo-australischen  Region  angehörige,  toxiko¬ 
logisch  wichtige  Gattung  Sarcolobus  R.  Br. 7) 

Was  die  am  Schlüsse  von  Dr.  Perrots  wichtiger  Arbeit 
angedeutete  Hoffnung  betrifft,  nach  Vollendung  der  noch  aus- 
stelienden  gründlichen  chemisch-physiologischen  Untersuchung  der 
Menabeawurzel  nicht  nur  einen  sehr  interessanten  pharmakologi¬ 
schen  oder  toxikologischen  Körper  zu  finden,  sondern  auch  viel¬ 
leicht  unseren  Arzneischatz  durch  ein  therapeutisch  kostbares 
Mittel  bereichert  zu  sehen,  so  möchte  ich  in  letzterwähntem  Sinne 
unmassgeblich  sehr  zur  Reserve  raten. 

Wenn  es  auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  wahr  und  an  und 
für  sich  theoretisch  plausibel  ist,  dass  unsere  wirksamsten  von 
den  an  sich  überhaupt  stark  wirkenden  Arzneimitteln  pflanzlichen 
Ursprungs  in  starker  Dose  heftige  Gifte  zu  sein  pflegen,  so  ist  das 
umgekehrte  Verhältnis  doch  ganz  unvergleichbar  häufiger,  d.  li.  die 
heroischesten  Pflanzengifte,  welche  wir  kennen,  sind  —  bis 
,otzt  —  in  geringer  Dose  oder  starker  Verdünnung  als  schätzbare 
Arzneimittel  unter  wohlbegrenzten  Indikationen  und  einleuchten¬ 
den  bequemen  oder  Gefahren  in  erforderlichem  Grade  aus- 
sehliessenden  Dosierungsvorteilen  in  unserer  Pharmakopoe 
nicht  oder  nur  riskanter  und  schwieriger  zu  ver¬ 
wenden,  was  mehr  oder  weniger  für  die  europäischen  Offi¬ 
zinen  überhaupt  gelten  dürfte.  Bis  zu  'einem  gewissen  Grade 
ausgenommen  sind  allerdings  manche  etwas  kombinierte  Pharma¬ 
kopoen  grosser  Kolonialstaaten,  d.  h.  Arzneibücher  europäischen 
Anstrichs,  verquickt  mit  traditionellen,  oft  aus  uralten  Erfah¬ 
rungen  der  Eingeborenen  hervorgegangenen  Arzneivorschriften, 
Welehe  zuweilen  eine  gewisse  empirisch  altfundierte  Selbständig¬ 
keit  erlangt  haben. 

Halten  wir  erwähnten  Gesichtspunkt  —  nämlich  das  Ver¬ 
hältnis  der  in  unserem  Arzneibuche  aufgeführten  und  als  wert¬ 
volle  Medikamente  anerkannten  heroischen  Pflanzenstoffe  zu  der 
Gesamtzahl  vegetabilischer  toxischer  Substanzen  —  einen  Augen¬ 
blick  fest. 

Wenn  man  die  in  letzterer  Hinsicht  bedeutungsvollsten 
Pflanzenfamilien  —  etwa  mit  Ausnahme  der  Solaneen  — 
Revue  passieren  lässt,  allen  voran  die  fast  durchaus  gif¬ 
tigen  Apocyneen.  dann  die  Asclepiadeen,  Euphorbiaceen, 
Ranunculaceen  und  viele  andere,  so  erstaunt  man,  wie  wenige 
Vertreter  dieselben  als  mehr  oder  weniger  verlässige  Arzneikörper 
in  unseren  Offizinen  aufzuweisen  haben.  Die  Verhältniszahl  der 
als  therapeutisch  brauchbar  befundenen  heroischen  Pflanzenstoffe 
zu  den  für  ärztliche  Zwecke  bis  jetzt  ausgeschlossenen  ist  oft  eine 
verschwindende.  Und  zwar  nicht  etwa  nur  im  Vergleich  zu  dem 
Reichtum  einer  Pflanzenfamilie  an  Gattungen  und  sog.  Arten, 
sondern  zu  der  oft  ganz  hervorragenden  Abundanz  an  stark¬ 
wirkenden  Substanzen.  Vielleicht  bei  keiner  pharmakodynamischen 
oder  schul-toxikologischen  Gruppe  wird  das  besser  ad  oculos  de- 


7)  Z.  B.  die  Liane  Sarc.  narcoticus  Span.  =  ..W  a  1  i  - 
k  a  m  b  i  n  g“,  das  Tigergift  in  Java,  bei  uns  wenig  bekannt, 
(cf.  Greshoff:  Indische  nuttige  planten  1895,  No.  20.  und 
Mededeclingen  XXV,  1S98,  p.  138.)  Das  lähmende  Gift  ist  weder 
Alkaloid  noch  Glykosid,  sondern  ein  stickstofffreies  Harz,  das 
coniinartig  wirkt  (stickstofffreies  Sarcolobid).  Ferner  Sarc. 

I  venenatus  Griff,  mit  ähnlicher  Wirkung. 


5.  August  1902. 


MÜENcilENEli  MEDlCINISCÜE  WOCHENSCHRIFT. 


1305 


monstriert  als  bei  den  zahlreiche  n  II  e  l*  z  g  i  f  t  e  n  verschie¬ 
dener  I  flauzenfamilien,  meist  tropischen  oder  subtropischen  Ur¬ 
sprungs. 

Keines  der  teilweise  als  tödliche  Pfeil-  oder  Ordaliengifte  ver¬ 
wandten  Glykoside  der  Apocynee  n,  der  T  a  n  g  li  i  n  i  a, 
der  A  rten  von  Cerber  a,  Acok  a  nthe  r  a,  T  lieveti  a! 
Ad  eniu  m,  U  rechites,  A  p  o  c  y  n  u  in,  des  Oleanders 
(Nerium)  u.  a.  konnte  sich  bis  jetzt  einen  Platz  in  der  Therapie 
erobern  und  auch  der  S  t  r  o  p  h  a  n  t  li  u  s  unserer  Offizinen  scheint 
sich  als  Konkurrent  unserer  herrlichen,  sozusagen  in  allen  hier 
wichtigen  Beziehungen  relativ  gut  kontrolierbaren  Digitalis  (Scro- 
pliulariaceen)  in  absteigender  Linie  zu  bewegen.  Wer  einerseits 
alle  Verhältnisse  erwägt,  welche  bei  dem  Einsammeln  von  Arznei¬ 
pflanzen  von  ihrem  Standorte  in  Betracht  kommen  müssen  und 
namentlich  für  sehr  stark  wirkende  unerlässlic  li 
sind,  und  wer  andererseits  bei  dem  gewaltigen  afrikanischen  Ver- 
breitungsbezirk  des  Genus  Stroplianthus  seine  vielen  Arten, 
Varietäten,  Provenienzen,  die  Schwierigkeit  exakter  Bestimmung 
und  die  oft  starken  Verwechslungen  oder  Vermischungen  des 
Handels  kennt,  der  wird  sich  über  den  Mangel  an  Ver¬ 
las  s  i  g  k  e  i  t  der  Präparate  nicht  sonderlich  verwundern. 
Schwierigkeiten  ähnlicher  Art  gelten  natürlich  noch  viel  m  e  h  r 
für  die  selteneren  und  weniger  studierten  oder  bislang 
noch  weniger  abgrenzbaren  Giftpflanzen  fremder  Länder. 

Ausser  Stroplianthus  ist  uns  der  Regel  nach  von  den  Apo- 
cyneen  nur  noch  Aspidosper  m  a  (Quebracho)  zu  bisher  kaum 
häufigem  Gebrauche  geblieben8).  Aelmlieh  stellt  es  mit  den  sehr 
verwandten,  ebenfalls  (wenn  auch  weniger)  gift-  und  glykosid¬ 
reichen  Asclepiadeen  (wozu  auch  unsere  Menabea  gehört). 
Bei  uns  ist  eigentlich  n  ureine  Gattung  und  Art:  M  a  rsdenia 
(Gonolobus)  C  o  n  d  u  r  a  n  g  o  —  die  Mataperro-Rinde  (tropisches 
Andengebiet)  —  als  mit  Recht  geschätztes  Magenmittel  in  Ver¬ 
wendung.  Die  sehr  giftigen  Pflanzen  Marsdenia 
ert'cta  R.  Br.  und  der  bereits  erwähnte  Sarcolobus  u.  a. 
sind  bisher  arzneilich  ignoriert. 

So  Hesse  sich  noch  an  vielen  anderen  Familien  beweisen,  dass 
höchst  wirksame  Giftstoffe  (Alkaloide,  Glykoside  und  noch  nicht 
genügend  charakterisierte),  die  oft  in  ganz  bestimmtem  Sinne 
krankmachend  wirken,  doch  wegen  störender  resp.  gefährlicher 
Nebenwirkungen  oder  wegen  Inkonstanz  ihrer  Effekte  als  Arznei¬ 
mittel  nicht  verwandt  sind  und  wohl  meist  nicht  zur  Verwendung 
gelangen  werden.  In  der  Volksmedizin  freilich  überhaupt,  aber 
auch  in  den  von  europäischen  Normen  mehr  oder  weniger  unab¬ 
hängigen  Arzneibüchern  überseeischer  Kolonial-  oder  selbständiger 
Reiche  ist  da  allerdings  vieles  anders.  Ich  führe  z.  B.  nur  an 
die  grossen  indischen  Kolonialländer  und  andererseits  Brasilien 
und  Mexiko. 

Ich  habe  nur  ein  paar  der  an  toxischen  Körpern  reichsten 
Pflanzenfamilien  flüchtig  angeführt  und  besonders  deren  eminente 
Herzgifte  gestreift,  um  zu  zeigen,  dass  relativ  nur  selten  mit  der 
Eigenschaft  verschiedengradiger,  ja.  superlativer  Toxizität  zu¬ 
gleich  die  Verwendbarkeit  als  wertvolles  Arzneimittel  gegeben  ist. 

Wenn  man  nach  gewissen  Analogien  schliessen  darf,  so  dürfte 
es  sich  in  unserem  konkreten  Falle  bei  einem  später  eventuell 
rein  dargestellten  „Menabein“  mit  Wahrscheinlichkeit  ebenfalls 
um  ein  glykosidisches  Herzgift  handeln.  *  A.  Mode  1. 


Aus  der  I.  med.  Klinik  der  deutschen  Universität  in  Prag 
(Vorstand:  Hofrat  Prof.  P  r  i  b  r  a  m). 

Widalsche  Serumreaktion  bei  Weilscher  Krankheit. 

Von  Dr.  L.  Z  u  p  n  i  k. 

Unter  obigem  Titel  berichtet  Herr  Dr.  E  c  k  li  a  r  d  t  in  No.  27 
dieser  Wochenschrift  über  positive  Gruber-Widal  sehe  Re¬ 
aktion  bei  2  Fällen  von  Morbus  Weilii. 

lieber  den  positiven  Ausfall  der  in  Rede  stehenden  Reaktion 
habe  ich  bereits  vor  einem  Jahre  in  der  in  der  Zeitsclir.  f.  Heilkunde 
unter  dem  Titel:  „Erfahrungen  über  die  Gruber-Widal  sehe 
Reaktion  und  Autoagglutination  bei  Typhus  abdominalis“  erschie¬ 
nenen  Arbeit  Mitteilung  gemacht. 

In  Bezug  auf  die  Einzelheiten  verweise  ich  auf  die  eben  ge¬ 
nannte  Publikation.  Hier  sei  bloss  erwähnt,  dass  ich  daselbst  eine 
positive  Gruber-Widal  sehe  Reaktion  bei  folgenden  ikte- 
riselien  Kranken  zu  verzeichnen  hatte:  bei  4  unter  t>  Fällen  von 
Morbus  Weilii,  2  Fällen  von  Cliolelithiasis,  einem  von  Cholangitis 
suppurativa  und  einem  Falle  von  fieberfreiem  Leberkarzinom. 

Die  Untersuchungsergebnisse  des  Herrn  Dr.  Eckhardt 
decken  sich  somit  mit  den  meinigen  vollkommen.  Nur  eine 
Einzelheit  ist  in  der  genannten  Publikation  neu:  das  Fortbestehen 
der,  allerdings  geschwächten,  positiven  Reaktion  auch  nach  dem 
Verschwinden  des  Ikterus,  ln  theoretische  Erklärungen  dieses 
Sachverhaltes  will  ich  mich  an  dieser  Stelle  nicht  einlassen.  Ich 
hoffe  auf  diesen  Gegenstand  nach  nicht  zu  langer  Zeit  in  einem 
anderen  Zusammenhänge  zurückkommen  zu  können.  Hier  sei 
bloss  hervorgehoben,  dass  ich  zu  Anfang  der  in  Rede  stehenden 
Untersuchungen,  ebenso  wie  Herr  Dr.  E  c  k  h  a  r  d  t,  der  Meinung 


s)  Die  Hoffnung,  das  Strophanthin  durch  das  verwandte, 
aber  noch  gefährlichere  echte  Ouabai  n  (Acokanthera)  Im  Sinne 
der  Verstärkung  oder  Sicherheit  der  Wirkung  ersetzen  zu  können, 
scheint  sich  nicht  erfüllen  zu  wollen. 

No.  31. 


war,  durch  den  positiven  Ausfall  der  G  r  u  b  e  r  -  W  i  d  a 1  sehen 
Reaktion  sei  der  Nachweis  der  ätiologischen  Einheit  des  Morbus 
A\  eilii  mit.  I  jplius  abdominalis  erbracht  worden.  —  Der  negative 
Ausfall  dieser  Reaktion  bei  2  unter  6  untersuchten  Fällen,  dann 
der  positive  Ausfall  bei  anderweitigen  mit  Ikterus  einhergehenden 
Erkrankungen  und  schliesslich  die  experimentellen  Untersuchungen 
von  Köhler  haben  mich  dazu  veranlasst,  diese  Ansicht  fallen 
zu  lassen. 

Unsere  Anschauung  geht  demnach  dahin,  dass  im  Morbus 
Weilii  eine  Erkrankung  sui  generis  mit  derzeit 
noch  unbekannter  A  e  t  i  o  1  o  g  i  e  vorliegt.  Die  von 
J  ä  ger  beschriebenen  Mikroorganismen  konnten  wir  in  keinem 
einzigen  der  bis  jetzt  untersuchten  10  Fälle  nach  weisen. 

Prag,  den  10.  VII.  1902. 


Soziale  Gesetzgebung  und  Ohrenheilkunde.5) 

Von  Professor  Dr.  O.  Iv  örne  r. 

Die  Reihe  unserer  Vereinsvorträge  über  die  Aufgaben  des 
Arztes  bei  der  Ausführung  der  sozialen  Gesetze  sohliesst  heute  ab 
mit  der  Besprechung  der  Erfahrungen,  welche  der  Ohrenarzt  mit 
dem  Krankenkassen-,  Unfallversicherungs-  und  Invaliditäts¬ 
gesetze  gemacht  hat.  Wie  die  Vertreter  anderer  Gebiete  der  Heil¬ 
kunde,  die  vor  mir  an  dieser  Stelle  zu  Wort  gekommen  sind,  mit 
Vorliebe  allgemeine  Fragen  erörtert  haben,  die  jedem  von  ihnen 
in  dem  Gebiete  seiner  besonderen  Tätigkeit  entgegengetreten 
sind,  will  auch  ich  das,  was  ich  von  der  Ohrenheilkunde  zu  sagen 
habe,  unter  einen  leitenden  Gesichtspunkt  bringen,  den  mir  die 
eigentümliche  Stellung  dieses  Faches  in  dem  Wissen  und  Können 
des  praktischen  Arztes  aufnötigt. 

Die  Ohrenheilkunde  ist  das  einzige  medizinische  Fach,  in 
welchem  der  zukünftige  Arzt  gar  nichts  zu  wissen  braucht,  wenn 
er  sich  der  Approbationsprüfung  unterzieht.  Als  ob  die  Ohren¬ 
kranken  eine  Art  von  Paria  unter  den  Kranken  wären,  die  nicht 
verdienten  geheilt  zu  werden,  verlangt  unsere  hierin  noch  für 
einige  Jahre  gültige  alte  Prüfungsordnung  keinen  Besuch  der 
Ohrenklinik  und  kein  Examen  in  der  Ohrenheilkunde.  Mehr  als 
die  Hälfte  unseres  ärztlichen  Nachwuchses  geht  deshalb  in  die 
Praxis,  ohne  die  geringsten  Kenntnisse  in  der  Untersuchung  und 
Behandlung  des  kranken  Ohres.  Manche  junge  Aerzte  haben 
dazu  noch  die  Ueberzeugung,  dass  man  auch  ohne  solche  Kennt¬ 
nisse  allein  nach  allgemeinen  pathologischen  und  therapeutischen 
Grundlehren  Ohrenkranke  behandeln  könne,  denn  —  so  denken 
sie  —  wenn  es  nicht  so  wäre,  müsste  doch  das  Fach  geprüft 
werden.  Mit  allgemeinen  pathologischen  und  therapeutischen 
Grundlehren  kann  man  aber  keine  Kranken  behandeln  und  be¬ 
gutachten,  deren  Krankheiten  man  nicht  einmal  dem  Namen 
nach  kennt,  und  die  man  nicht  zu  untersuchen  versteht. 

Nun  haben  in  fast  allen  grösseren  und  in  vielen  mittleren 
Städten  die  Krankenkassen  unter  ihren  Aerzten  auch  solche,  die 
in  der  Ohrenheilkunde  Bescheid  wissen.  Das  nützt  aber  nichts 
vielen  am  Ohr  Erkrankten  und  Verletzten  in  kleinen  Städten 
und  auf  dem  Lande.-  Denn  bis  der  umständliche  Apparat  in  Be¬ 
wegung  gesetzt  ist,  der  solche  Kranke  zum  fernen  Spezialisten 
bringt,  ist  oft  eine  leicht  und  schnell  heilbare  Ohrkrankheit  in 
eine  schwere,  der  Behandlung  lange  Zeit  trotzende,  oder  in  eine, 
die  Funktion  des  Organes  oder  gar  das  Leben  bedrohende  über¬ 
gegangen,  und  die  Entscheidung,  ob  eine  Ohrerkrankung  durch 
einen  Unfall  entstanden  ist,  kann  oft  nicht  mehr  gefällt  werden, 
wenn  die  sachverständige  Untersuchung  erst  ein  paar  Tage  nach 
dem  Unfälle  vorgenommen  wird.  Die  in  der  Ohrenheilkunde 
nicht  unterrichteten  Aerzte,  welche  in  solchen  Fällen  durch  die 
Macht  der  Verhältnisse  gezwungen  werden,  irgendwie  ein¬ 
zugreifen,  kommen  oft  in  eine  schlimme  Lage.  Viele  derselben 
suchen  deshalb  in  den  Ferienkursen  an  den  Universitäten  die 
schwer  empfundene  Lücke  in  ihren  Kenntnissen  auszufüllen, 
und  es  spricht  für  die  Tüchtigkeit  des  ärztlichen  Standes,  dass 
gerade  die  otiatrischen  Kurse  eine  besonders  starke  Frequenz 
auf  zu  weisen  pflegen. 

Welche  Bedeutung  im  einzelnen  die  geschilderten  Zustände 
für  die  Kassen  und  Berufsgenossenschaften  haben,  möchte  ich 
Ihnen  im  folgenden  kurz  darstellen. 

Wir  wissen  aus  umfangreichen  klinischen  Statistiken,  dass 
eine  der  häufigsten  und  schlimmsten  Ohrkrankheiten,  die  akute 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Rostocker  Aerzte  verein  am  14.  Juni 

3902. 


5 


1806 


Mittelohrentzündung,  um  so  schneller  heilt,  je  früher  und  je 
gründlicher  die  Paukenhöhle  von  dem  Drucke  des  entzündlichen 
—  serösen  oder  eitrigen  —  Exsudates  befreit  wird.  Erfolgt  der 
Durchbruch  des  Exsudates  durch  das  Trommelfell  am  ersten  Tage 
der  Erkrankung,  so  ist  die  Heilung,  wenn  sie  überhaupt  zu 
Stande  kommt,  durchschnittlich  am  14.  Tage  vollendet.  Bahnen 
wir  aber  am  ersten  Tage  dem  Exsudate  durch  den  Trommelfell¬ 
schnitt  einen  breiteren  Abflussweg,  als  ihn  die  stets  enge  Spontan¬ 
perforation  schafft,  so  ist  die  Heilung  im  Durchschnitt  schon  am 
7.  Tage,  also  in  der  Hälfte  der  Zeit  vollendet.  <Te  später  nun 
die  Paukenhöhle  von  dem  Drucke  des  Exsudats  befreit  wird, 
desto  längere  Zeit  vergeht  bis  zur  Heilung,  und  am  wievielten 
Tage  das  immer  geschehen  möge,  stets  zeigt  sich  wieder,  dass 
der  Trommelfellschnitt  günstigere  Verhältnisse  schafft,  als  die 
Spontanperforation.  Eolgende  tabellarische  Uebersicht  möge  das 
veranschaulichen : 


Befreiung  der  Pauken¬ 
höhle  von  dem  Exsu¬ 
datdrucke 

definitiver  Trommelfellschluss  im  Durch¬ 
schnitt 

bei  der  Sporn an- 
perforation 

beim  Trommelfell¬ 
schnitt 

am  1.  Tage 

am  14.  Tage 

am  7.  Tage 

9 

r>  v 

„  17-  „ 

„  9-  » 

„  3.  „  und  später 

„  23.  „ 

„  19.  „ 

Wieviel  Krankengelder  könnten  die  Kassen  sparen  —  ich 
will  hier  nur  von  dem  Interesse  der  Kasse  reden  und  das  viel 
wichtigere  Interesse  des  Kranken  stillschweigend  übergehen  — 
wenn  alle  Kassenärzte  im  Stande  wären,  die  Mittelohrentzündung 
rechtzeitig  zu  erkennen  und  sachgemäss  zu  behandeln.  Um 
solches  zu  leisten,  braucht  man  kein  ausgebildeter  Spezialist  zu 
sein.  Meine  Schüler  lernen  es  mit  allem  anderen,  was  der  prak¬ 
tische  Arzt  von  der  Ohrenheilkunde  wissen  muss,  in  einem 
Semester  bei  wöchentlich  zwei  Stunden  klinischen  Unterrichtes. 

Der  Mangel  an  lückenlos  ausgebildeten  Aerzten  kostet  aber 
die  Kassen  hier  noch  viel  mehr  Geld.  Die  schweren  Kompli¬ 
kationen  von  Mittelohreiterungen  —  Knochenerkrankungen  im 
Schläfenbeine  mit  ihren  häufigen  tödlichen  Folgen:  Meningitis, 
Hirnabszess,  Pyämie  —  stellen  sich  oft  nach  vernachlässigten 
Mittelohrentzündungen  ein,  während  die  frühzeitig  parazente- 
sierten  bei  saehgemässer  Nachbehandlung  stets  ohne  solche  Kom¬ 
plikationen  heilen,  wenn  nicht  die  Kranken  durch  andere  Leiden, 
z.  B.  Tuberkulose,  Diabetes,  geschwächt  sind,  oder  ungewöhn¬ 
liche  anatomische  Verhältnisse  im  Schläfenbein  das  Auftreten 
einer  komplizierenden  Knochenerkrankung  begünstigen.  In  einer 
ununterbi’ochenen  Reihe  von  405  in  meiner  Klinik  operierten 
Schläfenbeineiterungen  fanden  sich  nur  43,  bei  welchen  die  Para¬ 
zentese  gemacht  worden,  und  unter  diesen  nur  5,  bei  denen  das 
in  der  Zeit  vom  1.  bis  zum  3.  Tage  der  Erkrankung  geschehen 
war.  In  dem  gleichen  Zeiträume  sind  in  der  Klinik  weit  über 
1200  Parazentesen  gemacht  worden.  Da  wir  nun  in  Rostock  und 
in  ganz  Mecklenburg  keine  Konkurrenzklinik  haben,  an  die  sich 
etwa  ungünstig  verlaufene  Fälle  gewendet  haben  könnten,  so 
dürfen  wir  wohl  behaupten,  dass  diese  mehr  als  1200  Para¬ 
zentesen  ungemein  günstig  gewirkt  haben;  hätten  sie  das  nicht 
gethan,  so  müssten  unter  den  405  Schläfenbeinerkrankungen 
aus  dem  gleichen  Zeiträume  doch  wohl  mehr  als,  5  frühzeitig 
und  38  zu  spät  parazentesierte  gewesen  sein. 

Gehen  wir  nun  zu  den  Unfallverletzungen  des  Ohres 
über.  Unter  diesen  ist  eine  der  häufigsten  die  Zerreissung  des 
Trommelfells.  -Bei  Land-  und  Forstarbeitern  kommt  sie  durch 
Eindringen  von  Reisern,  Baumzweigen  und  Strohhalmen  nicht 
selten  vor,  bei  einzelnen  industriellen  Betrieben  durch  Luft¬ 
verdichtung  in  Folge  von  Explosionen,  am  häufigsten  aber,  be¬ 
sonders  bei  allen  Baugewerben,  beim  Fuhrwerks-  und  Eisenbahn¬ 
betriebe  in  Folge  von  Brüchen  der  Schädelbasis,  die  durch  das 
Schläfenbein  gehen.  Die  so  Geschädigten  werden  oft  erst  sehr 
lange  Zeit  nach  dem  Unfälle  dem  sachverständigen  Arzte  zuge¬ 
führt,  und  zwar  wenn  die  Verletzung  des  Trommelfells,  die,  richtig 
behandelt,  gewöhnlich  in  einigen  Tagen  heilt,  zu  einer  Pauken¬ 
höhleneiterung  geführt  hat,  oder  wenn  nach  Abschluss  der  Hei¬ 
lung  entschieden  werden  soll,  ob  eine  Hörstörung  auf  den  er¬ 
littenen  Unfall  zurückzuführen  ist.  Hat  aber  eine  Trommelfell- 
verletzung  zur  Eiterung  geführt,  so  ist  es  nicht  mehr  möglich. 


Ho.  31. 


zu  erkennen,  ob  diese  Eiterung  schon  vor  dem  Unfälle  bestanden 
hat,  oder  durch  den  Unfall  herbeigeführt  wurde,  oder  nach  dem¬ 
selben,  unabhängig  von  ihm,  eingetreten  ist.  Durch  den  Mangel 
an  lückenlos  ausgebildeten  Aerzten  erleiden  hier  die  Kranken¬ 
kassen,  die  Berufsgenossenschaften  und  nicht  zum  wenigsten  die 
am  Ohre  Verletzten  oft  grossen  Schaden. 

Die  Brüche  der  Schädelbasis  führen  nur  dann  zur  Zer¬ 
reissung  des  Trommelfelles,  wenn  sie  durch  die  Paukenhöhle  oder 
durch  den  inneren  Teil  des  Gehörgangs  gehen.  Sie  spalten 
häufig  auch  das  Labyrinth  und  führen  dann  zur  Taubheit,  zu 
Schwindelerscheinungen  und  zu  quälenden  subjektiven  Ge¬ 
räuschen.  Im  Gehörgang  und  in  der  Paukenhöhle  werden  viele, 
im  übrigen  subkutane  Schädelbrüche  zu  offenen,  die  der  Invasion 
pathogener  Mikroben  in  die  Schädelhöhle  Tür  und  Tor  öffnen. 
Wer  in  der  Ohrenheilkunde  unterrichtet  ist,  kennt  diese  Gefahr 
und  Hütet  sich,  das  blutende  Ohr  auszuspritzen,  denn  die  Spritze 
ist  hier  noch  viel  gefährlicher  als  beispielsweise  bei  Schuss¬ 
wunden.  Ein  aseptischer,  aufsaugender  Deckverband  ist  der 
einzige  hier  erlaubte  Eingriff.  Ebenso  ist  bei  den  einfachen 
Trommelfellverletzungen  zu  verfahren;  vollkommen  in  Ruhe  ge¬ 
lassen,  heilen  sie  oft  unter  einem  Verbände. 

Die  verlockende  Aussicht,  eine  Rente  zu  beziehen,  bringt 
manche  am  Ohre  Verletzte  dahin,  die  Folgen  des  Unfalles  zu 
übertreiben,  während  die  eigentliche  Simulation,  also  die  Vor¬ 
täuschung  einer  gar  nicht  vorhandenen  Schädigung,  hier  selten 
vorkommt.  Die  Simulation  einer  beiderseitigen  völligen  Taub¬ 
heit  wird  auch  von  dem  Laien  bei  aufmerksamer  Beobachtung 
leicht  erkannt.  Dagegen  ist  zum  Nachweise  einer  simulierten 
oder  übertriebenen  beiderseitigen  oder  einseitigen  Schwer¬ 
hörigkeit  meist  eine  sachverständige  Untersuchung  nötig. 
Die  einfache  Hörprüfung  durch  einen  nicht  in  der  Ohrenheil¬ 
kunde  unterrichteten  Arzt  genügt  dazu  in  den  seltensten  Fällen; 
man  muss  vielmehr  feststellen,  ob  die  ermittelte  Hörweite  mit 
den  nachweisbaren  krankhaften  Veränderungen  in  Einklang  zu 
bringen  ist.  Die  Hörprüfung  ist  aber  keine  so  einfache  Sache, 
wie  manche  glauben.  Ich  habe  es  z.  B.  ei’lebt,  dass  ein  Medizinal¬ 
beamter  als  Sachverständiger  in  einer  Unfallversicherungssache1) 
nicht  wusste,  dass  man  bei  der  Prüfung  der  Hörweite  eines 
geschädigten  Ohres  das  andere,  nicht  geschädigte,  fest  zuhalten 
lassen  muss.  Er  prüfte  den  Verletzten  mit  der  Flüstersprache 
in  seinem  Zimmer,  ohne  an  das  gesunde  Ohr  zu  denken,  das 
natürlich  das  Flüstern  gut  hören  musste,  und  erklärte  darauf 
den  Geschädigten  für  einen  Simulanten.  Ich  hatte  die  unan¬ 
genehme  Aufgabe,  dieses  Gutachten  vor  dem  Schiedsgericht  zu 
widerlegen  und  konnte  leicht  nachweisen,  dass  der  Verletzte  in 
der  Tat  durch  seinen  Unfall  schwer  geschädigt  war.  Die  Rente 
wurde  ihm  darauf  zugesprochen  und  das  Reichsversicherungsamt 
bestätigte  diese  Entscheidung.  Wie  ich  aus  Unfallakten  ersehen 
habe,  werden  nicht  selten  auch  andere  schwerwiegende  Fehler 
bei  der  anscheinend  so  einfachen  Hörprüfung  mit  der  Sprache 
gemacht.  Ich  möchte  deshalb  etwas  ausführlicher  hierauf  ein¬ 
geh  en. 

Man  gebraucht  bei  den  Hörprüfungen  häufiger  die  Sprache, 
als  künstliche  Tonquellen,  weil  die  Prüfung  mit  der  Sprache 
unmittelbar  zeigt,  in  welchem  Grade  das  Organ  seine  wichtige 
Aufgabe  erfüllt.  Die  gewöhnliche,  laute  Konversationssprache 
wird  nur  angewandt  bei  beiderseits  starker  Schwerhörigkeit,  denn 
bei  geringen  Hörstörungen  wird  sie  selbst  in  grösseren  Räumen, 
als  dem  Arzte  gewöhnlich  zur  Verfügung  stehen,  noch  ver¬ 
standen  und  bei  einseitigen  Hörstörungen  genügt  der  künstliche 
Verschluss  des  gesunden  Ohres  nicht,  um  das  Verständnis  des 
laut  Geprochenen  durch  dieses  auszuschalten.  Wir  sind  deshalb 
bei  allen  einseitigen  und  bei  allen  nicht  sehr  starken  Gehörs¬ 
störungen  auf  die  Prüfung  mit  der  Flüstersprache  angewiesen. 
Um  stets  gleich  laut  zu  flüstern,  benutzen  wir  dabei  nicht  die 
ganze  zur  Exspiration  verfügbare  Luftmenge,  sondern  nur  die 
sog.  Residualluft,  d.  h.  das  Luftquantum,  welches  nach  der  ge¬ 
wöhnlichen,  nicht  forcierten  Exspiration  noch  in  der  Lunge  vor¬ 
handen  ist.  Dieses  ist  bei  dem  einzelnen  auch  zu  verschiedenen 
Zeiten  ungefähr  gleich  gross,  so  dass  wir  damit  stets  ungefähr 

*)  Der  Fall  ist  ausführlich  mitgeteilt  in  dem  juristischen  Gut¬ 
achten  von  L.  O  p  p  e  n  h  e  i  m  über  fahrlässige  Behandlung  und 
fahrlässige  Begutachtung  von  Ohrenkranken.  Wiesbaden,  Verlag 
von  J.  F.  Berg  m  a  n  n,  1899. 


MtTENCÖENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


5.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1307 


in  gleicher  Lautstärke  flüstern  können.  Die  Residualluft  reicht 
aber  nur  für  wenige  Silben  aus ;  lange  und  zusammengesetzte 
Prüfungsworte  sind  deshalb  nicht  zu  verwenden  und  nament¬ 
lich  sind  die  vielfach  benutzten  zusammengesetzten  Zahlworte, 
z.  B.  22,  36  auszuschliessen,  da  dieselben  ausserdem  noch  durch 
ilnen  Rhythmus  das  Erraten  erleichtern.  Während  nun  die 
Lautstärke  und  damit  die  Hörweite  der  Flüsterworte  des  einzel¬ 
nen  Untersuchers  annähernd  gleichmässig  bleibt,  ist  sie  bei  ver¬ 
schiedenen  Leuten  doch  sehr  verschieden.  Deshalb  sind  die  Er¬ 
gebnisse  der  Hörprüfung  eines  und  desselben  Ohres  von  seiten 
verschiedener  Lntersucher  nicht  miteinander  vergleichbar  und 
eine  allgemein  gültige  normale  Hörweite  für  die  Flüstersprache 
kann  nicht  festgesetzt  werden.  Jeder  Untersucher  muss  deshalb 
die  Hörweite  seines  eigenen  Residualluftflüsterns  für  normale 
Ohren  ermittelt  haben,  ehe  er  die  Hörweite  kranker  Ohren  fest¬ 
stellen  kann. 


Aber  auch  dabei  stossen  wir  auf  grosse  Schwierigkeiten. 
Die  normale  Hörweite  für  verschiedene  Worte  ist  so  verschieden, 
dass  z.  B.  manche  Zahlen  5  mal  so  weit  gehört  werden  als  an¬ 
dere.  Der  Untersucher  muss  also  die  normale  Hörweite  für  eine 
ganze  Reihe  seiner  Flüsterworte  kennen  und  muss  sich  immer 
wieder  derselben  Worte  bedienen,  wenn  er  die  Konstanz,  die  Ab¬ 
nahme  oder  die  Zunahme  des  Gehörs  bei  einem  Kranken  fest¬ 
stellen  will. 


Die  Hörweite  des  einzelnen  Wortes  ist  abhängig  von  der 
Lautstärke  der  Vokale  und  Konsonanten,  aus  denen  es  zusammen¬ 
gesetzt  ist.  Im  Durchschnitt  werden  die  Vokale  viel  weiter  ge¬ 
hört  als  die  Konsonanten.  Die  grösste  Lautstärke  hat  das  A 
(58,6  m  in  Flüstersprache  mit  Residualluft).  Nächst  ihm  kommen 
1  (51,75  m)  und  E  (50,9  m).  U  (34,12  m)  und  O  (28,1  m)  haben 
die  geringste  Lautstärke").  Von  den  Konsonanten  werden  die 
Zischlaute  (S,  Sch,  Z)  am  weitesten  gehört,  während  z.  B.  das 
Zungen-R  und  die  Aspirata  II  nur  in  sehr  geringer  Entfernung 
verstanden  werden.  Worte,  die  nur  aus  weit  hörbaren  Vokalen 
und  Konsonanten  bestehen,  wie  z.  B.  Ass,  Assissi,  Isis,  Esse, 
werden  aus  grosser  Entfernung,  solche  mit  nur  lautschwachen 
Buchstaben,  wie  Uhr,  Kuckuck,  Uhu,  Ohr,  nur  in  der  Nähe  ver¬ 
standen.  Wie  gross  die  Differenz  der  Hörweite  verschiedener 
Worte  sein  kann,  zeigt  folgende  Kurve  der  Hörweite  für  eine 
Reihe  einfacher  Zahlworte  (Residualluftflüstern  im  Garten  im 
Durchschnitt  von  4  normalen  Ohren). 

Man  erkennt  liier  leicht,  dass  in  den  weit  hörbaren  Zahlen 
lautstarke,  in  den  nur  in  der  Nähe  vernehmlichen  lautschwache 

Vokale  und  Kon¬ 
sonanten  vorwiegen. 
Die  in  der  Tabelle 
angegebenen  Hör¬ 
weiten  beziehen  sich 
natürlich  nur  auf 
meine  Residual- 
flüstersprache,  die 
stark  akzentuiert  ist. 
Doch  ist  auch  die 
Flüstersprache  an¬ 
derer  Untersucher  so 
weit  hörbar,  dass  sie 
in  unsern  relativ 

_ _  kleinen  Zimmern  nur 

70. 6.  2Q10.  7.  1.  3.  2.12.  5.  8.  4.  9.11.1000.100.0.  bei  schon  recht  erheb¬ 
lichen  Hörstörungen  verwendet  werden  kann.  Schliesslich  ist  bei 
der  Hörprüfung  mittels  der  Sprache  noch  zu  beachten,  dass  bei 
Schwerhörigen  die  Hörweite  für  die  einzelnen  Vokale,  Kon¬ 
sonanten  oder  Worte  bezw.  Zahlen  nicht  gleichmässig  herab- 


2)  Die  hier  angegebenen  Hörweiten  für  die  Vokale  stimmen 
nicht  mit  den  von  O.  Wol  f  ermittelten  überein.  Wolf  hat  jeden 
Vokal  für  sich  allein  geprüft  und  sich  der  lauten  Sprache  bedient; 
ich  habe  dagegen  die  stets  gleich  starke  Residualluft-Flüstersprache 
verwendet  und  jeden  Vokal  nicht  allein,  sondern  in  Worten  ge¬ 
prüft,  die  nur  einen  Vokal,  jedoch  in  mehrfacher  Wiederholung, 
enthielten.  Die  Versuchspersonen  waren  angewiesen,  zu  melden, 
wenn  sie  den  Vokal  hörten.  Ausnahmslos  wurden  die  Vokale  auf 
grössere  Entfernungen  verstanden,  als  die  Worte,  in  denen  sie 
enthalten  waren.  Die  Versuche  wurden  in  einem  grossen  Garten 
vorgenommen.  Prüfungsworte  waren:  Abraham,  Asra,  Satanas, 
Salat  —  Esse,  Depesche,  Bethlehem  —  Isis,  Crispi,  Pipin,  Missis¬ 
sippi  —  Oporto,  Otto,  Zoolog  —  Usus,  Uhu,  Kuckuck. 


gesetzt  zu  sein  braucht.  Je  nach  dem  Sitze  der  Erkrankung  im 
schalleitenden  oder  im  schallempfindenden  Teile  des  Ohres  leidet 
das  Gehör  für  die  verschiedenen  Laute  und  Worte  in  verschie¬ 
denem  Grade. 

Mit  Rücksicht  auf  alle  diese  Schwierigkeiten  der  Hör¬ 
prüfung  mit  der  Sprache  ist  jedem  in  der  Ohrenheilkunde  nicht 
unterrichteten  Arzte  zu  raten,  keine  allzu  bestimmten  Schlüsse 
aus  seinen  Hörprüfungen  zu  ziehen. 

1  ür  die  Beurteilung  der  Erwerbsfähigkeit  von  Ohrkranken 
lassen  sich  nur  wenige  allgemeine  Regeln  aufstellen.  Nach  Ab¬ 
schluss  des  Heilverfahrens  kommen  dabei  im  wesentlichen  in 
Betracht  die  einseitige  oder  beiderseitige  Schädigung,  der  Grad 
der  Hörstörung  und  gelegentlich  auch  lästige  oder  gar  schlaf¬ 
störende  subjektive  Geräusche  und  Schwindelerscheinungen. 
Dabei  ist  ferner  zu  berücksichtigen,  dass  viele  Arbeiter  auch 
durch  ein  schlechtes  Gehör,  ja  sogar  durch  einseitige  völlige 
Taubheit  in  ihrem  Erwerbe  nicht  merklich  beeinträchtigt  werden. 
Dahin  gehören  manche  Handwerker,  viele  in  der  Hausindustrie 
Beschäftigte  und  manche  Landarbeiter.  Einseitige  Gehör¬ 
störungen  können  jedoch  in  manchen  anderen  Betrieben  zur 
völligen  Erwerbsunfähigkeit  führen,  wenn  der  Arbeiter  auf  Zu¬ 
rufe  oder  Signale  achten  oder  gar  die  Richtung,  aus  welcher 
diese  kommen,  ohne  weiteres  erkennen  muss.  Schlafstörende  sub¬ 
jektive  Geräusche  können  die  Erwerbsfähigkeit  stark  herabsetzen. 
Schwindelerscheinungen  bedingen  in  allen  Berufen,  die  ein 
sicheres  Gehen,  Stehen  oder  gar  Klettern  erfordern,  wie  z.  B.  bei 
Maurern,  Dachdeckern,  Anstreichern,  Schornsteinfegern,  Eisen¬ 
bahnschaffnern,  Pferdeknechten,  völlige  Erwerbsunfähigkeit. 

Ich  komme  zum  Schlüsse.  Die  sozialen  Gesetze  haben  den 
ärztlichen  Stand  vor  zahlreiche  neue  Aufgaben  gestellt.  Wie 
Sie  aus  den  Vorträgen  der  Kollegen,  die  hier  vor  mir  zu  Wort 
gekommen  sind,  entnommen  haben,  sind  die  deutschen  Aerzte 
so  gut  vorbereitet  den  neuen  Fragestellungen  gegenüber  getreten, 
dass  sie  die  in  ungeahnter  Fülle  auftretenden,  früher  nicht  ge¬ 
nügend  beachteten  oder  nicht  gekannten  Unfallfolgen  an  dem 
Riesenmateriale,  das  ihnen  die  Berufsgenossenschaften  zu¬ 
führten,  alsbald  kennen  gelernt  und  Stein  auf  Stein  zum  festen 
Bau  gesicherter  Erkenntnis  herbeigeschafft  haben.  Die  sozialen 
Gesetze  haben  so  die  Wissenschaft  in  vielen  Gebieten  erweitert 
und  vertieft;  wenn  sie  auch  die  in  der  Ohrenheilkunde  noch 
nicht  unterrichteten  Aerzte  anregen,  die  einzige  Lücke  in  ihrer 
wissenschaftlichen  und  praktischen  Ausbildung  nach  Kräften 
auszufüllen,  werden  sie  ihren  Segen  nicht  nur  auf  die  versiche¬ 
rungspflichtigen,  sondern  auch  auf  niehtversicherungspfliehtige 
Ohrenkranke  ausbreiten. 


Zur  Geschichte  der  Extraktion  und  Expression  des 
nachfolgenden  Kopfes. 

Von  Professor  Dr.  Gustav  Klein, 

Vorstand  der  gynäkolog.  Poliklinik  der  Universität  München. 

In  den  meisten  heutigen  Lehrbüchern  der  Geburtshilfe  findet 
man  zur  Entwickelung  des  nachfolgenden  Kopfes  bei  Becken¬ 
endlage  2  Griffe  empfohlen:  Die  Extraktion  mittels  eines  Fingers, 
der  in  den  Mund  des  Kindes  eingeführt  ist,  während  die  andere 
Hand  gabelförmig  am  Nacken  zieht.  Man  kann  diesen  Griff  den 
„M  und  - Nackengrif  f“  nennen,  um  die  Angriffspunkte  der 
Hände  des  Operateurs  zu  bezeichnen. 

Beim  zweiten  Griffe  führt  man  ebenfalls  den  einen  Zeigefinger 
in  den  Mund  des  Kindes  ein,  während  die  andere  Hand  vom 
Abdomen  der  Mutter  aus  den  Kopf  des  Kindes  ins  Becken  hinein¬ 
presst;  man  kann  diesen  Griff  nach  seinen  Angriffspunkten  den 
„M  und-Schädelgriff“  nennen.  Nur  nebenbei  sei  bemerkt, 
dass  sich  als  besonders  nützlich  die  nicht  allgemein  genannte  und 
empfohlene  Methode  erweist,  beide  Griffe  zu  kombinieren:  Der 
Operateur  führt  den  Mund-Nackengriff  aus,  der  Assistent  oder  die 
Hebamme  übernimmt  den  Druck  von  den  Bauchdecben  aus. 

In  den  meisten  der  heutigen  deutschen  Lehrbücher  sind  fol¬ 
gende  Autoren  für  die  Griffe  angegeben: 

für  den  Mund  -  Nackengriff  Mauriceau,  Levret, 
Smellie,  Lacliapelle,  Veit; 

für  den  Mund  -  Schädelgriff  W  i  g  a  n  d,  A.  Mart  in  , 
v.  Winckel. 

In  v.  W  i  n  c  k  e  1  s  „Lehrbuch  der  Geburtshilfe“  (1.  Auf!.,  1898) 
ist  die  Geschichte  dieser  Griffe  eingehend  besprochen  (S.  G82  ff.). 

Wenn  nun  auch  v.  Winckel  darlegt,  welches  Verdienst 
den  genannten  Autoren  an  den  2  Griffen  zukommt,  und  ferner, 
dass  die  späteren  Autoren  zwar  nicht  Erfinder,  aber  Verbreiter 
der  Griffe  seien,  so  erschien  es  doch  wünschenswert,  aufs  neue 

5* 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


aktenrailssig  z  u  p  r  ü  f  e  n,  welcher  Anteil  an  den  beiden 
Griffen  den  genannten  Autoren  zukommt  *). 

Das  überraschende  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  war 
einerseits,  dass  für  den  wichtigsten  Teil  des  Mund-Nackengriffs, 
nämlich  für  den  M  u  n  d  g  r  i  f  f,  nicht  Mauriceau  der  Erfinder 
ist,  sondern  ein  bisher  viel  zu  wenig  gewürdigter  Schüler  Am- 
broise  P  a  r  e  s,  nämlich  .T  a  c  q  u  e  s  G  u  i  1 1  e  ni  e  a  u.  Für  den 
Nackengriff  ist  Mauriceaus  Urheberschaft  zunächst 
nicht  zu  bestreiten.  Andrerseits  wird  der  wichtige  und  kennzeich¬ 
nende  Teil  des  Mund-Sehädelgriffs  nach  W  i  g  a  n  d,  M  a  r  t  i  n, 
v.  W  i  n  c  k  e  1.  nämlich  der  Druck  von  aussen,  zuerst  von  C  e  1  s  n  s 
empfohlen,  allerdings  bei  totem  Kinde,  worauf  v.  Winckel 
(1.  c.  S.  682)  schon  hinweist.  Auch  diesen  Griff  empfiehlt  Guil- 
1  e  m  e  a  u,  und  zwar  zur  Entfernung  des  abgerissenen,  nach¬ 
folgenden  Kopfes. 

I.  Wendung  auf  die  Füsse. 

II  i  p  p  o  krates  kennt  sie  nicht.  Als  erster  beschreibt  sie 
Celsus1)  (t  ca.  13  n.  Clir.),  jedoch  nur  bei  tote  m  Kin  d  e. 

Liber  septimus,  caput  XXIN,  Fol.  113/114:  „Qua  curatione 
partus  emortuus  ex  utero  excutiatur.“ 

Nam  aut  in  caput,  aut  in  pedes  conversum  est  (seil.  Corpus 

emortuum),  aut  in  transversum  jacet. - Medici  vero  propositum 

est.  ut  eum  manu  dirigat  vel  in  caput,  vel  etiam  in  pedes.  —  —  — 

S  e  d  in  pedes  quoipie  conversus  iufans  non  diffi- 
cniter  extraliit  u  r,  quibus  apprehensis  per  ipsas  manus  com- 
mode  educitur. 

Einen  wichtigen  Fortschritt  macht  Soranusj  (ca.  100 
n.  Chr.),  welcher  den  Hebammen  auch  bei  lebende  m  Kinde  die 
Wendung  auf  die  Füsse  empfiehlt. 

Die  Gynäkologie  (7 syi  yvytuxsluiv),  2.  Buch,  17.  Kapitel,  §  55: 
„Unter  den  übrigen  Lagen  ist  die  weniger  gefährliche  die  Fusslage, 
zumal  dann,  wenn  die  Hände  neben  den  Schenkeln  liegen  und 
das  Kind  so  gerade  herauskommt.  —  —  Die  Schieflagen  können 

dreifacher  Art  sein,  je  nachdem  eine  der  beiden  Seiten - oder 

der  Bauch  vorliegen.  Besser  ist  die  Seitenlage,  d  enn  sie  g  i  b  t 
d  e  r  H  a  11  d  d  e  r  W  ehemutter  It  a  u  m,  das  Kind  auf 
d  e  n  Ko  p  f  oder  a  u  f  die  Füsse  z  u  w  ende  n.“ 

Von  Sora  n  u  s  hat  eine  grosse  Reihe  späterer  Aerzte  die 
Wendung  auf  die  Füsse  übernommen,  bis  sie  unter  der  Herrschaft 
der  Araber  - —  von  einem  einzigen  arabischen  Autor  abgesehen  — 
fast  ganz  in  Vergessenheit  geriet.  Unter  den  Arabern  waren  die 
zerstückelnden  Operationen  in  höchster  Blüte.  Es  gehört  zu  den 
grössten  Verdiensten  Eucharius  It  o  e  s  s  1  i  n  s,  in  seinem 
Rosengarten“  (1513)  die  Wendung  auf  die  Füsse  wenigstens 
wieder  erwähnt  zu  haben.  Allerdings  fehlt  ihm  eigene  Erfahrung, 
er  traut  der  Operation  auch  nicht  recht,  da  er  noch  zu  sehr  unter 
dem  Einflüsse  der  Araber  und  der  Arabisten  steht.  Dies  zeigt 
besonders  folgende  Stelle 3 *) : 

„Item  ob  das  Kind  sich  mit  dem  hindern  erzeugte,  So  soll 
die  Hebamm  mit  yngelassner  handt  das  Kind  vber  sich  heben, 
und  mit  den  Hissen  vssfüren. 

Wo  aber  miiglich  wer  das  sie  das  Kind  schyben  möcht,  damit 
es  mit  dem  liaupt  vnder  sich  kein,  wer  vyl  besser  dan  die  erst 
gebürt.“ 

Rösslin  zitiert  ehrlich  die  Autoren,  n,ach  welchen  er  sein  Werk 
zusammengestellt  hat;  den  Soranus  zitiert  er  nicht;  es  ist  aber 
kaum  zweifelhaft,  dass  er  eine  Handschrift  benützt  hat,  welche 
nach  einer  von  Moschion  besorgten  Uebersetzung  und  Um¬ 
gestaltung  des  S  o  r  a  n  u  s  hergestellt  worden  war.  Ueber  diesen 
Zusammenhang  soll  an  anderer  Stelle  ausführlich  berichtet  werden 
(vgl.  Klein:  Verhandl.  d.  Deutsch.  Gesellscli.  f.  Gyn.,  Giessen 
1901,  S.  148  ff.). 


*)  Auf  meinen  Vorschlag  unterzog  sich  dieser  Arbeit  mein 
Schüler  Herr  Hans  Michaelis  und  zwar  anfangs  gemeinsam 
mit  mir.  im  weiteren  Verlaufe  selbständig.  Einen  grossen  Teil  der 
Werke,  welche  hierfür  erforderlich  waren,  benützte  Herr 
Michaelis  aus  dem  Bestände  meiner  historisch-medizinischen 
Sammlung,  welche  jetzt  ungefähr  3000  Bände  umfasst.  Einen 
anderen  Teil  der  Werke  erhielten  wir  aus  der  reichen  Münchener 
Hof-  und  Staatsbibliothek  und  aus  auswärtigen  Bibliotheken.  Im 
folgenden  entstammen  alle  nicht  näher  bezeichneten  Werke  meiner 
Sammlung. 

Herr  M  i  c  li  a  e  1  i  s  wird  über  diese  Untersuchungen  ein¬ 
gehend  in  seiner  Inaugural-Dissertation  berichten.  Im  folgenden 
sei  nur  eine  Anzahl  der  wichtigsten  Punkte  kurz  erörtert;  in  einem 
Punkte,  und  zwar  in  dem,  welcher  M  a  u  r  i  c  e  a  u  s  Anrecht  auf 
den  „Nackengriff“  betrifft,  weichen  meine  Ergebnisse  von  jenen 
ab,  welche  Herr  Michaelis  selbständig  fand.  Die  Geschichte 
der  Wendung  auf  die  Füsse,  welche  Herr  Michaelis  ein¬ 
gehend  darstellt,  sei  im  Folgenden  nur  ganz  kurz  gestreift. 

b  A  v  r  e  1  i  1  C  o  r  11  e  1  i  i  C  e  1  s  i  de  re  medica  librt  octo  etc. 
Parisiis  apud  Cliristianum  Vuechel,  1529.  (Choulant,  Sie¬ 
bold  und  die  neueren  Autoren  schreiben  Aulus  statt  Aure- 
1  i  u  s.)  Hier  und  im  folgenden  ist  die  entscheidende  Stelle  gesperrt 
gedruckt. 

~)  Die  Gynäkologie  (n€Qi  yvyaixsiujy)  des  Soranus  von 
E  p  h  e  s  u  s.  Ü ebersetzt  von  Dr.  Lüneburg.  München,  L  e  li  - 
m  a  n  n,  1894. 

b  Der  Swangern  frawen  vnd  liehammen  rossgarten.  1513. 

Fol.  E,  b, 


Das  Verdienst,  die  Wendung  auf  die  Füsse  nach  eigener  Er¬ 
fahrung  neu  in  die  Praxis  eingeführt  zu  haben,  gebührt  abei 
Ambro  ise  Par  6  (1510 — 1590).  .... 

Er  hat  die  Wendung  zuerst  beschrieben  in  seinem  berühmten 
Werkclieu:  „Briefue  Collection  anatomique“,  das  nach  Mal- 
"  a  i  g  n  e  *)  1551  erschienen  ist  und  von  dem  Malgaigne 
nur  2  Exemplare  kennt.  Herr  Michaelis  hat  in  der  Münchner 
Hof-  und  Staatsbibliothek  noch  ein  3.  Exemplar  dieses  seltenen 
und  wertvollen  Werkes  aufgefunden,  welches  als  Druckjahr  die 
Jahreszahl  1549  trägt;  demnach  wäre  1549  als  das  Jahr  der  V  ieder- 
,reburt  der  Wendung  zu  bezeichnen  —  einer  Operation,  welcher 
bi  der  ganzen  Geburtshilfe  wohl  nur  die  Erfindung  der  Kopfzange 
und  die  Entdeckung  der  Ursache  und  Verhütung  des  Kindbett¬ 
fiebers  an  die  Seite  gestellt  werden  kann.  Ich  überlasse  Herrn 
M  i  c  h  a  e  1  i  s  die  genaue  Beschreibung  des  Münchner  Exemplare« 
der  Briefue  Collection“,  welches  mir  vorliegt,  und  zitiere  nach 
dem  mir  ebenfalls  vorliegenden  W  erke  des  M  algaigne,  welcher 
die  „Briefue  collection“  wörtlich  abdruckt. 

M  a  1  g  a.  i  g  n  e:  Oeuvres  completes  d’Ambroise  Pare.  Paris, 
1840,  II.  Bd.,  S.  623  ff. 

S.  623:  „La  maniere  de  extraire  les  enfans  taut  mors  que 


vivans  etc.“ 

S.  628:  „Puis  posetas  (poseras)  ta  main  doulcement  saus  aucune 
violence  da  ns  la  matrice,  ce  faisant  congnoistras  en  quelle  Situation 
(>t  figure  sera  l’enfant.  Et  pose  qu’il  fust  tourner  selon  nature, 
avant  la  teste  au  coronement  pour  deument  l'extraire  part  (pan  art, 
fault  doulcement  le  reposer  contre  mont  et  eher  eher  les 
p  i  e  d  z,  et  les  tirer  au  coronement.  C  e  f  a  isant  tour  ne  ras 
fa  eil  ein  ent  l’enfant.“ 

Nun  folgen  Vorschriften  über  das  Anschlingen  des  einen 


und  Fuss  das  Kind  extrahiert.  ,  .  ,  . 

Nach  Ambro  ise  Pare  und  seinen  Schillern  verschwindet 
die  Wendung  nicht  mehr  aus  der  Geburtshilfe,  zu  deien  wert¬ 
vollsten  Errungenschaften  sie  gehört. 


II.  Entwicklung-  des  nachfolgenden  Kopfes. 

1  Der  Mund-Nackengriff,  ,,M  auriceau,  L  e  v  r  e  t,  Smellie, 
Lachapelle,  Veits  Griff“. 

Es  sind  3  Teile  des  Griffes,  Avie  er  heute  geübt  wird,  zu 
unterscheiden : 

a)  D  e  r  M  11  n  d  g  r  i  f  f , 

b)  der  Nacke  n  g  r  i  f  f,  .  „  , 

c)  d  a  s  „R  eiten  lasse  11“  des  Kindes  auf  de  m 
V  o  r  d  e  r  a  r  m,  dessen  Finger  im  Munde  ist  und  den  man  als 
„M  u  11  d  a  r  111“  bezeichnen  könnte. 


a)  Der  Mundgrif  f. 

Für  den  vorangehenden  Kopf  des  abgestorbenen  Kindes  em¬ 
pfiehlt  ihn  schon  II  ippo  lc  r  a  tes5)  (460 — 370  v.  Clir.) :  Libei  <  e 
superfoetatione,  Kapitel  V:  „Wenn  bei  einem  Kinde  der  Ivopt 
aus  dem  Mutterhals  ans  Tageslicht  gekommen  ist.,  der  Rest  des 
Körpers  aber  noch  nicht  vorrücken  will  und  wenn  das  Kind  ab¬ 
gestorben  ist,  so  benetze  man  die  Finger  mit  W  asser,  dränge  den 
Finger  zwischen  Mutterhals  und  Kindskopf  hindurch  und  tulire 
ihn  im  Kreise  herum,  hierauf  schiebe  man  den  F  1 11  g  e  1 
unter  das  Kinn,  s  t  o  s  s  e  ihn  in  den  Mund  hinein 
und  ziehe  nach  a  u  s  s  e  n.“  . 

Erst  nach  einem  Zwischenräume  von  beinahe  zweit  a  u  s  e  u  u 
Jahren  \yird  der  Mundgriff  Avieder  in  die  Praxis  eingefulirt 
und  zwar  von  des  genialen  A  m  broise  Pare  ausgezeichnetem 
Schüler  Jacques  Guillemean. 

Jacques  Guillemean  (geboren  1550.  gestorben  nach 
Sieb  old  13.  März  1609,  nach  Choulant  1612),  „Chirurgien  du  Roy 
et  Jure“  (1586),  später  „Chirurgien  ordinaire  du  Roy“,  hat  wie  sein 
Lehrer  rare  zur  Einbürgerung  der  Wendung,  die  er  selbst  übte, 
beigetragen.  Aber  Avährend  rare,  ursprünglich  Barbierlehrling 
und  aus  einfachem  Stande,  der  klassischen  Sprachen  nicht  mächtig 
war.  hatte  Guillemean  humanistische  Bildung  genossen  und 
las  die  Schriften  der  klassischen  Aerzte.  Offenbar  hat  er  dabei 
die  zitierte  Stelle  des  Hippokrates  kennen  gelernt  und  sie 
mit  genialem  Blick  für  die  Entwicklung  des  nachfolge  11  d  e  11 
Kopfes  Avieder  verAvertet. 

Die  folgende  Stelle  ist  dem  Werke  entnommen,  das  den  litei 
führt:  De  la  grossesse  et  accouchement  des  feuimes  etc.  Par  feu 

Jacques  G  11  i  1 1  e  111  e  a  11. - Reueu  et  augmente  etc.  par 

C  li  a  ries  Guillemea  u.  Paris  chez  Abraham  1*  a  c  a  r  d  1621, 
S  247  (Erste  Ausgabe  1609,  später  Paris  1643.) 

~  Lime  second,  Chap.  XVII.  S.  247:  Damit  beim  Ausziehen  der 
nachfolgende  Kopf  nicht  abreisse,  „il  faudra  doucement  tourner 
le  corps  de  l’Enfant  sans  dessus  dessoubs,  1  u  y  111  e  1 1  a  11 1  1  e 
Visage  contre  bas  (comme  i’ay  dit  cy-deuant)  et  par  teile 
Situation  la  rotondite  de  la  Teste,  en  l’ebranlant  en  haut  et  en  bas 
(tenant  le  corps  d’vne  main.  Et  en  m  et  taut  de  1  aut  re 
main  1  e  d  o  i  g  t  Index  dedans  1  a  bouclie  de  l’Enfant) 
f  a  c  i  1  e  111  e  11 1  sera  t  i  r  e  e  dehors  auec  1  e  e  o  r  p  s.“ 


par 


*)  Oeuvres  completes  d’Ambroise  Pare  etc. 

J.-F.  Malgaigne.  A  Paris  chez  J.-B.  Bailiiere,  1840. 

5)  Hippokrate  s,  sämmtliche  Werke.  Ins  Deutsche  über¬ 
setzt  und  ausführlich  kommentiert  A'on  Dr,  Robert  V  u  c  li  s. 
München,  Lünebiy-g  1900.  3.  Band, 


5.  August  1902. 


Zwei  äusserst  wichtige  Tatsachen  sind  darin  enthalten: 
(1  ui  llenie an  betont  die  Notwendigkeit,  das  Gesicht  des  nach¬ 
folgenden  Kopfes  vor  der  Extraktion  nach  hinten  zu  bringen 
und  er  führt  zur  Drehung  und  Extraktion  des  Kopfes  e  i  ne  u 
/  e  i  g  ef  inger  i  n  d  e  n  M  u  n  d  ei  n. 

Dass  G.  den  Mundgriff  aus  dem  Buche  des  H  ippo  k  r  a.  t  e  s 
‘••De  superfoetatione“  gekannt  hat,  geht  offenbar  aus  folgender 
Stelle  hervor,  welche  den  oben  zitierten  Worten  des  II  i  p  p  o  - 
k  rat -es  entsprechen: 

Ues  Oeuvres  de  Chirurgie,  Rouen  1 049,  X.  Buch:  Des  operations 
de  Chirurgie  etc.  Tratte  septiesme  des  operations,  Kapitel  III: 
„Le  moyen  de  tirer  les  Enfans,  qui  ne  peuvent  naistre  d'eux- 

niesmes  .  „Si  1  enfant  est  mort - et  si  la  teste  se  rencontre 

la  premiere,  il  faudra  mettre  les  deux  doigts  en  sa  bouche  en  forme 
de  crochet,  —  et  le  tirer  le  plus  doucement,  que  faire  se  pourra.“ 

Für  die  Extraktion  des  nachfolgenden  Kopfes  durch  den 
...Mundgriff“  muss  demnach  J  acques  G  u  i  1 1  e  m  e  a  u  als  der 
Erfinder  bezeichnet  werden,  wenn  nicht  weitere  Untersuchungen 
noch  einen  früheren  Autor  nachweisen  lassen. 


Jacques  Guillemea  u. 

Auf  die  Hälfte  verkleinertes  Porträt  aus  seinem  Werke  „Tables 
anatomiques  etc.  Paris,  Jean  Charron  1580.“  Unterschrift 
des  Porträts:  „Anno  Aetatis  35,  1585“  und  „Solus  non  poterat 
Gvilmaevm  fingere  pictor,  Parte  sui  scriptis  hie  meliore  patet.“ 

b)  Der  Nackengriff. 

Die  früheste  Beschreibung  des  Nackengriffes,  welche  ich 
finden  konnte,  gibt  Maurice  au  (f  1709).  In  seinen  „Obser- 
yations  sur  la  grossesse  et  l'accouchement  des  femmes,  Paris  1094“ 
ist  im  „Privilege  du  Roy“  eine  Aufzählung  der  Auflagen  seines 
Hauptwerkes  enthalten,  das  zuerst  1008  unter  dem  Titel  erschienen 
ist:  „L  Art  des  aecoucliemens  et  maladies  des  femmes  grosses  et 
accoucliees  etc-.“;  die  2.  Auflage  erschien  1074,  die  3.  Auflage  und 
zugleich  eine  lateinische  Uebersetzung  1081/82,  die  4.  Auflage 
1093/94. 

Die  folgende  Textstelle  ist  der  1.  lateinischen  Ausgabe  von 
1081  („De  mulierum  praegnantium,  parturientium,  et  puerperaruin 
morbis  tractatus.  Parisiis  löSl")  entnommen. 

Es  heisst  darin  im  „Liber  II,  caput  XIII,  De  modo  parienti 
nmlieri  obstetricante  manu  opem  ferendi  quando  fetus  uno  pede 
vel  ambobus  praeuntibus  ad  exitum  se  se  offert“  auf  Seite  193 
und  194: 

„Quidam  tarnen  fetus  caput  liabent  adeo  crassum,  ut  illud, 
eductö  reliquo  corpore,  detineatur  in  Uteri  ostio.  quamvis  omnis 
in  praecavendo,  ad  hoc  vitandum,  adhibeatur  industria:  si  sic 
habuerit,  non  est  f  rustra  c  o  u  s  u  in  e  n  d  u  m  tempus 
i  n  extrahendo  f  e  t  u  per  s  o  1  o  s  li  u  in  eros;  nam  aliquando 
collum  prius  a  capite  divelleretur  atque  prorsus  separaretur,  quam 
ut  fetus  ita  educeretur:  vero  dum  aliquis  alius  minister,  com- 
prehensis  fetus  pedibus,  vel  ejus  cruribus  supra  genua,  mediocriter 
illius  corpus  trabet,  Cliirurgus  caput  sensim  expediet  atque  eximet 
ex  ossibus  ostium  uteri  circumvallantibus;  quod  quidem  peraget 
leniter  introducendo  u  n  u  m  aut  d  u  o  s  d  i  g  i  t  o  s  m  a  n  u  s 
sinistrae  in  os  fetus,  ut  primo  ejus  mentum  ab  omni  im- 
pedimento  liberet;  d  extra  vero  fetus  cervicem  supra 
scapulag  comprehendet,  ut  deinde  illum  attraliat  et  edu- 
cat,  adjuvante  uno  e  digitis  manus  sinistrae,  in  os  fetus  immisso, 
ad  illius  mentum  impedimento  liberandum  — “ 


1309 


Zweimal  ist  hier  der  Nackengriff  erwähnt;  einmal  heisst  es: 
„m  extrahendo  fetu  per  solos  humeros“,  das  andere  Mal  gibt 
M  au  l  i  c  o  a  u  klipp  und  klar  die  Vorschrift:  „dextra  (seil,  manus) 
vero  fetus  cervicem  supra  scapulas  comprehendet“,  nachdem  er 
unmittelbai  vorher  den  Mundgriff  beschrieben  hat:  „introducendo 
unum  aut  duos  digitos  manus  sinistrae  in  os  fetus“. 

Hier  ist  also  sogar  der  kombinierte  Mund-Nackengriff  klar 
beschrieben.  Nebensächlich  erscheint  es,  dass  M.  stets  die  r  e  c  h  t  e 
Hand  an  den  Nacken  anlegt,  einen  oder  zwei  Finger  der  linken 
Hand  aber  in  den  Mund  einführt. 

Wenige  Jahre  später  beschreibt  Paul  Portal  ebenfalls 
den  Nackengriff  („La  pratique  des  aecoucliemens  etc.,  A  Paris 
1085“.  im  Besitze  der  Münchner  Hof-  und  Staatsbibliothek).  Er 
sagt  im  Chapitre  V,  S.  33  u.  34: 

„Apres  avoir  tire  l’Enfant  jusqu’aux  epaules,  on  tire  les  bras 
et  la  teste,  et  portant  les  doigts  dans  la  bouche,  suppose  qu’il  tinst 
trop.  on  le  tire  doucement  par  la  mäclioire  inferieure,  en  t  i  r  a  n  t 
de  l’aut  re  main  la  nuque  de  l’Enfant  — “ 

Kein  Zweifel  —  auch  Portal  beschreibt  den  kombinierten 
Mund-Nackengriff,  aber  —  um  4  Jahre  später  als  Mauriceau. 

Demnach  muss  heute  M  a.  uricea  u  tatsächlich  als  der  erste 
Beschreiber  des  Nackengriffes  angesehen  werden. 

c)  Das  Reiten  des  Kindes  auf  dem  Mun  d  a  r  m  des 

Operateil  r  s. 

So  weit  die  bisherigen  Untersuchungen  reichen,  scheint, 
S  m  e  1 1  i  e  diesen  Teil  der  Operation  zuerst  beschrieben  zu  haben.' 
In  seinem  Werke:  „Traite  de  la  theorie  et  pratique  des  accouclie- 
mens.  Paris  1771,  Tome  premier“  heisst  .es  auf  S.  329: 

..Si  l’on  a  mis  un  des  doigts  de  la  main  droite  dans  la  bouche 
de  r enfant.  on  laisse  le  corps  sur  ce  bras,  on  place  la 
main  gauclie  audessus  des  epaules,  et  on  applique  un  doigt  de 
chaque  cote  du  col.“ 

Ausser  diesem  unmittelbaren  Anteile  Sm  eilies  an  der 
Technik  der  Ausziehung  des  nachfolgenden  Kopfes  hat  S  m  e  1 1  i  e 
fiuch  das  Verdienst,  für  die  allgemeine  Einbürgerung  des  Mund- 
Nackengriffes  durch  sein  Beispiel  gewirkt  zu  haben.  Denn  mit 
Unrecht  wirft  man  ihm  eine  allzu  häufige  Anlegung  der  Zange  am 
nachfolgenden  Kopfe  vor. 

Wohl  aber  kann  man  Baudelocque  den  Vorwurf  mit 
Recht  machen,  er  habe  den  Mund-Nackengriff  allzusehr  vernach¬ 
lässigt  zu  Gunsten  der  Zangenanlegung  am  nachfolgenden  Kopfe. 
Man  wird  deshalb  v.  Win  ekel  beistimmen,  welcher  •  es  der 
Mine  Lacliapelle  zum  Verdienst  anrechnet,  dass  sie  statt  der 
Zange  wieder  die  manuelle  Extraktion  des  nachfolgenden  Kopfes 
vorzog  und  empfahl. 

Gustav  Veit  hat  später  den  Mund-Nackengriff  statt  des 
..Prager  Handgriffs“  wieder  zu  Ehren  gebracht  (Greifswalder  med. 
Beitr.,  2.  Bd„  1.  II.,  Greifswald  1805,  C.  Ziemsse  n). 

Zerlegt  man  den  Mund-Nackengriff  in  seine  3  Komponenten: 
a)  Mundgriff,  b)  Nackengriff,  e)  Reiten  lassen 
d  e  s  II  u  m  p  f  e  s,  so  ergibt  die  historische  Untersuchung  folgendes: 

a)  Den  M  u  n  d  g  r  i  f  f  für  den  vorangehenden  Kopf  des  toten 
Kindes  beschreibt  Hippokrate  s,  für  den  nachfolgenden  Kopf 
Jacques  Guillemeau  zuerst;  den  Nackengriff  findet 
man  zuerst  bei  M  aurice  a  u,  das  Reitenlassen  des 
Rumpfes  bei  S  in  e  1 1  i  e.  Demnach  erscheint  für  die  Extraktion 
des  nachfolgenden  Kopfes  nach  dieser  Methode  die  Priorität  von 
J.  Guillemea  u,  M  a  u  r  i  c  e  a  u  und  S  mj^I  1  i  e  am  meisten 
begründet  und  man  müsste  den  Griff  na<m  ihnen  benennen; 
um  die  Verbreitung  des  Griffes  haben  sich  die  Mme  La- 
chapelle  und  G.  Veit  verdient  gemacht. 

Es  ist  sicher  wünschenswert,  die  Namen  ausgezeichneter 
Forscher  urd  Forscherinnen  der  Nachwelt  in  viel  grösserem  Masse 
zu  erhalten,  als  es  jetzt  geschieht.  Die  historisch-medizinische 
Forschung  hat  sich  schon  viel  zu  lange  auf  einen  zu  kleinen 
Kreis  der  Lebenden  beschränkt.  Um  nur  nebenbei  einen  Punkt 
zu  erwähnen,  weil  hier  mehrfach  von  den  Verdiensten  des  heute 
viel  zu  wenig  gewürdigten  J  acques  G  u  i  1 1  e  in  e  a  u  die  Rede 
ist:  Wer  denkt  heute  noch  daran,  dass  J.  Guillemeau  bei 
Placenta  praevia  (die  er  allerdings  für  eine  losgelöste  und  herab¬ 
geglittene  Plazenta  hielt)  die  Wendung  auf  die  Füsse  und  die 
Extraktion  empfiehlt,  um  die  Mutter  dem  durch  die  Blutung 
drohenden  Tode  zu  entreissen?  Und  doch  hat  v.  Sieb  old  schon 
1845  dieses  Verdienst  Guillemea  us  hervorgehoben. 

Nicht  ausmerzen  soll  man  historisch  wichtige  Forschernamen, 
sondern  sie  der  Nachwelt  erhalten.  Deshalb  ist  es  gerechtfertigt, 
die  Namen  S  m  e  1 1  i  e,  Lachapelle  ,  Veit  beim  Mund-Nacken¬ 
griffe  zu  nennen.  Es  ist  allerdings  kaum  möglich,  bei  diesem 
Griffe  etwa  von  unseren  Examenskandidaten  die  Aufzählung  der 
Namen  Guillemeau,  Mauriceau,  S  m  e  1 1  i  e  ,  La¬ 
chapelle,  Veit  (manche  Lehrbücher  zitieren  hier  sogar  noch 
L  evre  t)  zu  verlangen. 

Als  Erfinder  einzelner  Teile  des  Mund  -  Nackengriffes 
müssen  vor  allem  Guillemea  u,  M  a  uricean,  S  m  e  1 1  i  e  ge¬ 
nannt  werden;  als  Verbreiter  des  Griffes  können  die  Namen 
Lachapelle  und  Veit  hinzugefügt  werden. 

2.  Der  Mund-Schädelgriff. 

Die  Geschichte  dieses  Griffes  knüpft  sich  au  zwei  illustre 
Namen:  an  Celsus  und  J.  Guillemeau. 

Aulus  Cornelius  Celsus  (s.  o.)  beschreibt  im  Lib.  VII, 
caput  XXIX  (s.  oben  Fol.  114),  wie  man  den  abgerissenen  oder 


MUE N OIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1310 


A1UENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


lx'i  Querlage  abgeschnittenen  Kopf  des  Kindes  lierausbefördern 
könne: 

Si  tarnen  id  incidlt,  super  ventreni  mulieris  duplici  panniculo 
intecto,  v  a  1  e  n  s  homo  non  imperitus  a  siuistro  latere  eins 
d  e  b  e  t  assistere  et  super  i  m  u  m  ventrem  eins  d  u  a  s 
manus  imponere  alter  aque  alteram  p  r  e  m  e  r  e. 
Quo  fit  nt  i  1 1  u  d  caput  ad  o  s  vulvae  compellatur. 

Deutsche  Uebersetzung  durch  .,D.  Johansen  Khüffner  von 
Ratern berg  am  Ynn°)  (Fol.  134):  „Wo  aber  das  geschihet,  soll 
inan  über  der  frawen  bauch  eyn  zwifacli  tuch  legen,  vnd  eyn 
starker,  nit  vnfürsichtiger  mensch  bei  jr  an  der  lineken  seitten 
stehn,  vnd  über  .jren  vnderstelin  (seil,  untersten)  bauch  zwo  hand 
legen,  eyne  mit  der  andern  trucken,  damit  diss  liaupt  herfür  zum 
glid,  oder  aussgang  der  beermutter  getriben  werde.* 

.T.  Guillemeau  hat  diese  Vorschrift  fast  wörtlich  über¬ 
nommen.  Ich  zitiere  ihn  nach  der  holländischen  Uebersetzung  des 
französischen  Werkes,  da  ich  die  erstere,  aber  nicht  das  letztere 
besitze * * * *  7). 

Hot  sevende  tractaet,  Kap.  3,  Fol.  37,  S.  6:  so  sal  eenen 

Dienaer,  die  sulex  meer  gepleeglit  heeft,  en  op  de  slincke  syde 
geseten  ist,  moete  drucken,  met  beyde  zijne  hande  op  de  buge  der 
Vrouwen  /  met  eenen  heeten  doec  gedect  wesende,  om  also  liet 
liooft  des  Kinds,  neder  waerts  gedrucktte  worden,  en  aldaer  vaste 
te  houden.“ 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  auch  der  Wortlaut  aus 
.T.  Guillemeaus  Werk  ,.Les  oeuvres  de  Chirurgie  1094“  bei¬ 
gefügt:  er  bespricht  das  Abreissen  des  Kopfes  und  sagt  dann: 

..Et  aduenant  cela,  il  fallt  qu’un  seruiteur,  Stile  et  pratique 
de  ce  faire,  situe  au  coste  gauche.  presse  de  ses  deux  mains  le 
ventre  de  la  femme.  couuert  d’un  linge  bien  chaud,  afln  de  faire 
descendre  la  teste  de  l’Enfant  vers  le  las  — “  (Des  oeuvres  de 
Chirurgie,  Rouen  1049,  Traicte  septiesme,  Chapitre  III:  „Le  moyen 
de  tirer  les  Enfans  etc.“  S.  711). 

Diese  Stelle  hat  Guillemeau  fast  wörtlich  dem  Celsus 
entnommen,  den  er  oft  zitiert. R) 

Celsus  und  J.  Guillemea  u  empfehlen  den  Druck  von 
aussen  bei  abgerissenem  Kopfe.  Es  ist  das  Verdienst  von 
Wigand,  Martin  und  v.  Winckel,  diesen  Griff  mit  dem 
Mundgriff  kombiniert,  für  die  Entwicklung  des  nachfolgenden 
Kopfes  bei  lebendem  Kinde  angewandt  und  in  die  Praxis  ein¬ 
gebürgert  zu  haben.  Will  man  den  ersten  Beschreiber  des  Schädel¬ 
griffes  in  seine  Rechte  einsetzen,  so  muss  man  ihn  den  Griff  des 
Celsus  nennen;  berechtigt  ist  es  aber,  damit  die  Namen 
Wigand-Marti  n  und  v.  Winckel  zu  verbinden,  welche 
damit  den  Mundgriff  verbunden  und  den  kombinierten  Mund- 
Schädelgriff  in  die  allgemeine  Praxis  eingeführt  haben. 

Für  die  Benennung  der  heute  am  meisten  angewandten  Griffe 
zur  Entwicklung  des  nachfolgenden  Kopfes  ergibt  sich  folgendes: 

Mund-Nackengriff  =  Griff  nach  Jacques  Guil¬ 
lemeau,  Mauriceau  und  Smellie; 

M  u  n  d-S  c  h  ä  d  e  1  g  r  i  f  f  =  Griff  nach  Celsus,  Wigand, 
Martin  und  v.  Winckel. 

Vierhundert  Jahre  vor  Christi  Geburt  lehrt  Hippokrates 
die  Ausziehung  des  vorangehenden  Kopfes  durch  den  Mundgriff; 
fast  1000  Jahre  nach  Christus  bringt  Guillemeau  den  Mund¬ 
griff  zu  erhöhter  Bedeutung,  indem  er  ihn  zur  Extraktion  des  nach¬ 
folgenden  Kopfes  benützt  und  empfiehlt;  im  17.  Jahrhundert  er¬ 
gänzt  ihn  M  a  uricean  durch  den  Nackengriff. 

Um  die  Zeit  der  Geburt  Christi  lehrt  Celsus,  dass  man  den 
abgerissenen  Kopf  durch  Druck  von  aussen  entwickeln  könne;  im 
10.  Jahrhundert  nimmt  Guillemeau  den  Griff  wieder  auf,  im 
19.  Jahrhundert  wird  er  durch  Wigand.  Martin  und  v.  Winckel 
zum  Mund-Schädelgriff  ausgestaltet  und  in  die  allgemeine  Praxis 
eingeführt. 

Welche  Zeiträume!  Zwei  Jahrtausende  sehen  wir  überbriiekt 
durch  die  wissenschaftliche  Arbeit  genialer  Männer  und  die  Ge¬ 
schichte  der  geburtshilflichen  Operationen  bietet  ein  bewunderns- 
wertes  Beispiel  für  die  Kontinuität  der  Forschung. 


Die  Werke  der  beiden  Guillemeau  sind  sowohl  in 
deutschen  Bibliotheken  als  auch  im  Buchhandel  selten.  Deshalb 
sei  für  solche  Forscher,  welche  verwandte  Gebiete  bearbeiten,  ein 
Verzeichnis  der  Werke  J  acques  und  Charles  G  u  i  1 1  e  - 
m  eaus  beigefügt,  welche  im  Besitze  des  Verfassers  sind. 

I.  Jacques  Guillemeau  (Vater). 

1 .  Opera  Ambrosii  Parei  etc.  Jacobi  G villemeav, 
Parisiis  apud  Jacobvm  Dv-Pvys,  1582. 

®)  „Die  acht  Bücher  des  hochberümpten  Aurelii  Cornelii 

Celsi  etc*.  Verdeutscht  durch  D.  Johansen  Khüffner  von  Ratem- 

berg  am  Ynn  (seil.  Rattenberg  am  Inn).  Getruckt  zu  Meyntz  durch 

Johannem  Scliöffer  1531.“ 

7)  Jacques  G  u  i  1 1  e  m  e  a  u.  De  Fransoysche  Chirurgie  /  of 
alle  de  manuale  Opera tien  der  Chirurgie  etc.  Tot  Dordrecht, 
Isaac  .Tansz,  159S. 

s)  Es  ist  interessant,  dass  M  a  u  r  i  c  e  a  u  (eod.  1.,  1081,  S.  197) 
den  Griff  des  Celsus  zur  Expression  des  nachfolgenden  Kopfes 
widerrät:  ,, - liac  operandi  ratione  nullomodo  utendum  est.“ 


2.  Tables  anatomiques  etc.,  Paris,  Jean  Charron  1580 

(s.  o.  G.s  Porträt).  . 

3.  T  r  a  i  1 6  des  m  a  1  a  d  i  e  s  de  l’o  e  i  1,  Paris  (lo8,>  V). 

Leider  ohne  Titelblatt. 

4.  De  Fransoysche  Chirurgie  etc.  tot  Dordrecht,  by 
Isaac  .Tansz  1598. 

II.  Jacques  und  Charles  Guillemeau  (Sohn). 

5.  De  la  grossesse  et  accovchement  des  fem¬ 
me  s,  Paris,  Abraham  Pacard,  1021. 

0.  Aphorismes  de  Chirurgie  tirez  d’Hippocrate 
avec  les  Commentaires.  Paris,  Abraham  Pacard,  1022. 

7.  De  la  grossesse  et  accovchement  des  fem- 
m  e  s.  Paris,  Jean  Jost,  1042. 

8.  Les  Oevres  de  Chirurgie  de  Jacques  G  vil¬ 
lemeav  etc.  de  G  e  r  m  a  i  n  C  o  v  r  t  i  n,  Roven  (Rouen)  1049. 

9.  C  li  i  1  d  -  B  i  r  t  h,  o  r  t  h  e  happy  deliverie  of 
women.  Written  in  Frencli  by  James  Guillemeau;  London,  by 
G.  Hatfield,  1012.  (Von  dieser  englischen  Uebersetzung  besitze 
ich  2  Exemplare;  sie  war  bisher  fast  verschollen,  selbst 
A.  v.  H  aller  zitiert  sie  nur,  hatte  sie  aber  nicht  gesehen.) 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

E.  Z  i  e  g*  1  e  r :  Lehrbuch  der  allgemeinen  und  speziellen 
pathologischen  Anatomie.  Zehnte  neubearbeitete  Auflage. 
IT.  Band :  Spezielle  pathologische  Anatomie.  Mit 
723  teils  schwarzen,  teils  farbigen  Abbildungen.  Jena,  Verlag 
von  Gustav  Fischer,  1901.  Preis  16  M. 

Der  2.  Band  des  Ziegler  sehen  Lehrbuches  hat  vielfach 
eine  noch  viel  bedeutendere  Umarbeitung  erfahren,  als  der  vor 
kurzem  erschienene  1.  Band  des  vortrefflichen  Werkes.  Einzelne 
Ivapitel,  wie  über  die  Veränderungen  des  Blutes  und  der  blut¬ 
bildenden  Organe,  sind  vollständig  neu  bearbeitet,  während  an¬ 
dere,  wie  z.  B,  die  Kapitel  über  Knochenerkrankungen,  Endo¬ 
karditis  u.  s.  w.  wesentlich  erweitert  und  ergänzt  worden  sind. 
Besonders  hervorzuheben  ist,  dass  die  Zahl  der  Abbildungen 
wieder  um  67  vermehrt  worden  ist,  wodurch  das  Verständnis 
vieler  krankhafter  Vorgänge  sehr  erleichtert  wird.  Sehr  dankens¬ 
wert  ist  es,  dass  den  einzelnen  Paragraphen  auch  der  neuen 
Auflage  bis  in  die  letzte  Zeit  reichende  Uebersichten  der  wich¬ 
tigsten  Literatur  1>ei gegeben  sind,  welche  eine  schnelle  Orien¬ 
tierung  bei  der  Bearbeitung  wissenschaftlicher  Fragen  ausser¬ 
ordentlich  erleichtern.  Es  ist  daher  nur  der  dringende  Wunsch 
auszusprechen,  dass  diese  Uebersichten  auch  in  künftigen  Auf¬ 
lagen  des  Werkes  weitergeführt  werden.  Hauser. 

0.  Küstner:  Kurzes  Lehrbuch  der  Gynäkologie.  Jena 

1901,  G.  Fischer.  Preis  6  M.,  geb.  7  M.  50  Pf. 

Das  vorliegende  Lehrbuch,  an  dem  neben  dem  Herausgeber 
O.  Küstner,  E.  Bumm,  A.  D  öder  lein,  C.  Gebhard, 
A.  v.  Rosthorn  sich  als  Mitarbeiter  beteiligt  haben,  ist  vor¬ 
wiegend  für  Studierende  bestimmt.  Besonderes  Gewicht  ist  auf 
die  Darstellung  einer  wissenschaftlich  exakten  Auffassung  der 
Gynäkologie  gelegt,  dein  praktischen  Bedürfnisse  ist  durch  eine 
eingehende  Berücksichtigung  der  Diagnose  und  Therapie  Rech¬ 
nung  getragen. 

Die  weitaus  meisten  Abschnitte  sind  von  Küstner  be¬ 
arbeitet,  denn  B  u  m  m  bearbeitete  in  der  allgemeinen  Therapie 
den  Abschnitt  über  Antiseptik  und  Aseptik,  ferner  die  Sepsis, 
Död  erlein  dermoide  Geschwülste  des  Uterus,  Krankheiten 
der  Tuben,  gonorrhoische  Erkrankungen,  Gebhard  Anatomie 
der  weiblichen  Geschlechtsteile  und  Krankheiten  der  Lierstöckc, 
v.  Rosthorn  Tuberkulose  der  weiblichen  Geschlechtsteile  und 
des  Bauchfelles. 

Bei  aller  Knappheit  der  Darstellung  ist  das  Gesamtgebiet 
der  Gynäkologie  in  einer  vorzüglichen  Weise  abgehandelt.  Ausser¬ 
ordentlich  zweckmässig  ist  es  für  den  Lernenden,  dass  einzelne 
Sätze  und  Abschnitte  von  lehrsatz-  —  oder  grundsatz-  —  ähn¬ 
licher  Bedeutung  durch  besonderen  Druck  hervorgehoben  sind. 
Sehr  zahlreiche,  grossenteils  sehr  gute  Abbildungen  machen  die 
Ausstattung  des  Werkes  zu  einer  vortrefflichen. 

A.  G  e  s  s  n  e  r  -  Erlangen. 

Dr.  M.  D  e  g  u  y  et  Dr.  B.  W  e  i  1 1 :  Manuel  pratique  du 
traitement  de  la  diphtherie,  serotherapie,  tubage,  tracheo- 
tomie.  Paris,  AI  a  s  s  o  n  et  Cie,  1902.  294  Seiten.  Preis  6  fr. 

In  rascher  Aufeinanderfolge  sind  in  den  letzten  Jahren  m 
Frankreich  grössere  Arbeiten  über  Intubation  und  Tracheotomie 


5.  August  1902. 


MtJENcSENEil  MEDlCfNlSOHE  WOCHENSCHRIFT. 


erschienen,  so  von  L  a  n  cl  o  u  z  y,  B  a  y  e  u  x,  Sargno  n, 
Avendano.  Auch  die  vorliegende  Arbeit  ist  ziemlich  umfang¬ 
reich  und  umfasst  294  Seiten.  Da  sich  die  Autoren  stets  be¬ 
mühten,  einen  Gesamtüberblick  über  den  Stand  der  Dinge  zu 
geben,  so  treffen  wir  in  jedem  neuen  Buche  immer  wieder  alte 
Bekannte,  sowohl  im  Texte  wie  in  den  Abbildungen. 

Zweck  dieser  Arbeit  ist  eine  möglichst  genaue  Schilderung 
der  heutzutage  in  den  Pariser  Spitälern,  speziell  im  Ilopital  des 
enfants  malades,  üblichen  Behandlungsweise  der  Diphtherie. 

Das  1.  Kapitel  behandelt  die  klinische  und  bakterielle  Dia¬ 
gnostik  der  Diphtherie.  Erfreulicherweise  scheint  man  sich  auch 
in  Frankreich  wieder  zu  dem  Standpunkte  durchgerungen  zu 
haben,  dass  man  zu  Beginn  der  Behandlung  nicht  erst  auf  die 
—  durchaus  nicht  immer  eindeutigen  —  Resultate  der  bakterio¬ 
logischen  Untersuchung  warten  und  so  oft  die  kostbarste  Zeit 
vergeuden,  sondern  nach  Massgabe  der  klinischen  Symptome 
möglichst  rasch  und  energisch  eingreifen  soll.  Bezüglich  des 
operativen  Vorgehens  beim  Krupp  stellen  auch  D.  und  W.  als 
Hauptsatz  auf :  „II  est  toujours  indique  de  tenter  le  tubage  comme 
premiere  Intervention“. 

In  dem  Kapitel  über  Serotherapi^  interessiert  uns  die  (auch 
vom  Ref.  schon  betonte)  Tatsache,  dass  das  Serum  mit  der  Zeit 
an  Wirksamkeit  verliert  und  es  deshalb  geraten  erscheint,  nur 
frisches  Serum  zu  verwenden. 

Im  3.  Kapitel  wird  die  lokale  und  allgemeine  Behandlung 
(ausgenommen  Serotherapie)  besprochen.  Wir  erfahren  hier 
nichts  Neues,  ebenso  im  folgenden  Abschnitt  „Tubage  du 
larynx“.  Die  Autoren  haben  eine  geringfügige  Modifikation  des 
Introduktors  und  Extraktors  angegeben. 

Die  Tracheotomie  (und  zwar  merkwürdigerweise  ausschliess¬ 
lich  die  Trach.  superior)  wird  am  Ilopital  des  enf.  mal.  gewöhn¬ 
lich  in  zwei  Tempi  ausgeführt.  Blutstillung  während  der  Ope¬ 
ration  wird  als  völlig  überflüssig  bezeichnet,  Durchtrennung  des 
Isthmus  faucium  als  Kleinigkeit  behandelt.  Sehr  interessant 
sind  die  genauen,  von  Dr.  B  o  u  1  a  y  gelieferten  Ausführungen 
über  die  Behandlung  postdiphtherischer  (nach  Intubation  ent¬ 
standener)  Larynxstenosen.  Es  ist  dies  entschieden  der  beste 
Teil  des  Buches,  welches  um  dessentwillen  allein  schon  lesens¬ 
wert  ist.  Die  letzen  Kapitel  behandeln  Komplikationen,  sekun¬ 
däre  Diphtherien  und  Prophylaxe  der  Diphtherie. 

Die  Anlage  der  Arbeit  und  der  Stil  sind  wie  gewöhnlich 
bei  den  Franzosen  ausgezeichnet,  die  Ausstattung  des  Buches 
vorzüglich,  die  neuen  Abbildungen  aber  zum  Teil  recht  unbe¬ 
deutend.  Trumpp  -  München. 

W.  Ebstein:  Die  Krankheiten  im  Feldzuge  gegen  Russ¬ 
land  (1812).  Eine  geschichtlich-medizinische  Studie.  (Mit 
einem  in  den  Text  gedruckten  Kärtchen.)  Stuttgart,  F.  Enk  e, 
1902.  82.  S.,  gr.  8°.  M.  2.40. 

Die  medizinische  Geschichte  des  russischen  Feldzuges  wird 
den  gebildeten  Aerzten  aus  H  äsers  epidemischen  Krankheiten 
bekaimt  sein  (3.  Aufl.,  pag.  602 — 606).  Das  Schauergemälde, 
das  hier  in  wenigen  markigen  Strichen  skizziert  ist,  führt  Eb¬ 
stein  auf  Grund  von  Quellenstudien  weiter  aus.  Die  Dar- 
*  Stellung  zerfällt  in  folgende  Teile:  I.  Einleitung,  II.  Historische 
Vorbemerkungen,  III.  Krankmachende  Ursachen  im  Napoleoni- 
schen  Heere,  IV.  Krankheiten  und  Seuchen  in  der  französischen 
Armee,  V.  Krankheiten  und  Seuchen  in  der  russischen  Armee. 
VI.  Kritische  Würdigung  der  einzelnen  krankmachenden  Mo¬ 
mente,  sowie  der  Sanitätseinrichtungen  in  der  Napoleonischen 
Armee,  VII.  Literaturverzeichnis  (31  Nummern).  —  Ein  sein- 
dankbarer  Gegenstand  der  medizinischen  Forschung  sind  die 
ärztlichen  Berichte  über  solche  Feldzüge  nicht.  Die  klinischen 
Schilderungen  lassen  sehr  viel  zu  wünschen  übrig  und  zu  Leichen¬ 
öffnungen  ziemlich  kursorischer  Art  hat  fast  nur  der  energische 
Larrey  Zeit  und  Kraft  gefunden,  der  Arzt  Napoleons,  der 
chirurgische  Operationen,  mit  den  Füssen  im  Schneewasser 
stehend,  machen  musste.  Ueber  diesen  Mann  ist  die  klassische 
Histoire  de  la  Chirurgie  frangaise  von  R  o  c  h  a  r  d  1875  nach¬ 
zusehen,  ein  Buch,  das  bei  uns  selbst  in  akademischen  Kreisen 
wenig  bekannt  zu  sein  scheint. 

Wir  Bayern  haben  besonderen  Grund,  uns  jener  Zeiten  zu 
erinnern,  und  „manche  Gräber  unserer  Besten  heissen  uns  an  das 
fei  der  Barbaren  denken“.  Denn  30  000  Söhne  des  jungen 


1311 


Königreiches  erlagen  bei  dem  unseligen  Zuge  den  Seuchen,  dem 
Frost  und  den  russischen  Waffen. 

„Euerer  Taten  Verdienst  meldet  der  rührende  Stein“,  der 
Obelisk,  den  im  J alire  1833  König-  Ludwig  I.  dem  Andenken 
jener  Kämpfer  geweiht  hat. 

Bayerns  Anteil  an  dem  Kriege  hat  uns  der  treffliche  Franz 
Seitz  in  seinem  mit  Unrecht  fast  vergessenen  Buche:  Der 
Typhus,  vorzüglich  nach  seinem  Vorkommen  in  Bayern,  Er¬ 
langen  1847,  historisch  dargestellt,  wobei  die  bayerische  Kriegs¬ 
geschichte  des  Freiherrn  v.  V  ölderndorff  als  Quelle  gedient 

J .  Ch.  Huber-  Memmingen. 

Sanitätsbericht  über  die  Königlich  Bayerische  Armee  für 
die  Zeit  vom  1.  Oktober  1896  bis  30.  September  1897.  Be¬ 
arbeitet  von  der  Medizinalabteilung  des  k.  b.  Kriegsministeriums. 
München  1901. 

Der  Bestand,  welcher  aus  dem  Sommerhalbjahr  1896  über¬ 
nommen  wurde,  betrug  989  Kranke. 

Der  Zugang  des  Berichtsjahres  bezifferte  sich  auf  64106, 
d.  i.  bei  einer  Kopfzahl  von  64 180  Mann  =  998,8  Prom.  der 
Iststärke.  Von  den  65  095  Gesamtbehandelten  wurden  60  419  ge¬ 
heilt,  119  sind  gestorben,  3788  gingen  anderweitig  ab. 

Eine  stärkere  Epidemie  kam  in  diesem  Berichtsjahre  nicht 
vor.  Der  Gesamtzugang  an  tuberkulösen  Erkrankungen  war 
188  Mann  =  2,9  Prom.  der  Iststärke.  Die  Zahl  der  Erkran¬ 
kungen  an  Gelenkrheumatismus  hat  wesentlich  abgenommen,  da¬ 
gegen  ist  wieder  eine  Zunahme  der  Geisteskranken  zu  konsta¬ 
tieren.  Augenkranke  wurden  1797  behandelt.  Beim  Vergleich 
dieser  Zahl  mit  den  Zugängen  in  den  vorausgegangenen  Berichts¬ 
jahren  ergibt  sich  eine  ständige  Abnahme  der  Augenkranken. 
Geringer,  jedoch  immerhin  vorhanden,  ist  auch  die  Abnahme  der 
Ohrenkranken.  Grössere  Operationen  sind  59  aufgeführt,  2  Tre¬ 
panationen,  5  Operationen  wegen  eitriger  Brustfellentzündungen, 
2  Laparotomien,  3  Bruchoperationen,  1  Exartikulation,  6  Re¬ 
sektionen,  5  Amputationen. 

Im  Anhang  des  Berichtes  findet  sich  eine  Beschreibung  und 
Lageplan  des  neuerbauten  Garnisonslazarettes  in  Bayreuth,  ferner 
ein  Bericht  über  den  Unterrichtsgang  des  Operationskurses  für 
Militärärzte  im  Berichtsjahr  1896/97,  ein  Verzeichnis  bayerischer 
Sanitätsoffiziere,  welche  behufs  wissenschaftlicher  Fortbildung 
an  Universitätskliniken  kommandiert  waren,  sowie  ein  Ver¬ 
zeichnis  der  von  bayerischen  Sanitätsoffizieren  veröffentlichten 
wissenschaftlichen  Arbeiten. 

In  Bezug  auf  Genauigkeit  der  Bearbeitung  und  Reichhaltig¬ 
keit  des  Materials  schliesst  sich  dieser  Bericht  würdig  den  vor¬ 
ausgegangenen  Berichten  an. 

Generaloberarzt  Prof.  Dr.  S  e  y  d  e  1. 

Neueste  Journalliteratur. 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie.  10.  Band,  1.  u.  2.  Heft,  Jena,  Fischer  1902. 

I)  A.  Gl  uzinski:  Ein  Beitrag  zur  Frühdiagnose  des 
Magenkarzinoms  nebst  einigen  Bemerkungen  über  die  Aussichten 
der  Radikaloperation.  (Mediz.  Klinik  Lemberg.) 

Nach  G.  gibt  das  chronische  Ulcus  ventriculi  häufiger  zur  Ent¬ 
wicklung  eines  karzinomatösen  Neoplasma  Veranlassung,  als  wir 
es  gemeiniglich  annehmen  und  als  es  die  pathologische  Anatomie 
nachzuweisen  in  der  Lage  ist.  Für  diejenigen  Fälle,  bei  denen 
unsere  Diagnose  zwischen  Ulkus  und  Karzinom  schwankt,  wo 
neben  den  sonstigen  Symptomen  im  nüchternen  Zustande  stag¬ 
nierende  Speisereste  ohne  nachweisbare  Milchsäure,  aber  mit 
mehr  oder  weniger  reichlicher  Salzsäure  vorgefunden  werden,  hat 
Verfasser  nun  eine  wertvolle  Untersuchungsmethode  ermittelt.  Er¬ 
stellt  an  ein  und  demselben  Tage  3  Untersuchungen  an:  Magen¬ 
probe  im  nüchternen  Zustande,  Probefrühstück  mit  Hühnereiweiss, 
Probemahlzeit  mit  einem  Beefsteak.  Das  reine  Ulcus  rotundum 
verläuft  mit  einem  sauren  Katarrhe,  der  bei  jeder  Probe  deutliche 
freie  Salzsäure  erkennen  lässt.  Das  Fehlen  von  freier  Salzsäure 
oder  nur  geringe  Spuren  derselben  bei  irgend  einer  dieser  Proben 
kündigt  das  Entstehen  eines  schleimigen  Katarrhes  an,  welcher 
unter  den  erwähnten  Umständen  und  bei  der  Dauer  der  Erschei¬ 
nungen  für  die  Diagnose  eines  sich  entwickelnden  Karzinoms 
iiusserst  wichtig  ist.  Auf  diese  Weise  konnte  in  4  Fällen  die 
Diagnose  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  in  einem  sehr  frühen 
Stadium  auf  Karzinom  gestellt  werden.  Die  bei  den  von 
Rydigier  vorgenommenen  Operationen  gefundenen  Tumoren 
erwiesen  sich  als  sehr  klein,  in  einem  Falle  walnussgross,  in  einem 
anderen  nur  haselnussgross.  Bei  dem  letzteren  fanden  sich  schon 
Metastasen  an  der  Leber,  und  auch  die  Patientin  mit  dem  wal¬ 
nussgrossen  Tumor  starb  trotz  Exstirpation  nach  einem  Jahr  an 
Rezidiv.  In  einem  Falle  konnte  auch  bei  der  Operation  kein 


1312 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT'. 


No.  31. 


Tumor  nach  ge  wiesen  werden;  die  Diagnose  Karzinom  wurde  erst 
durch  das  Mikroskop  gestellt;  auch  dieser  Patient  zeigte  17  Monate 
nach  der  Operation  ein  Rezidiv.  Bezüglich  der  Heilbarkeit  der 
Karzinome  steht  Verfasser  auf  einem  sehr  skeptischen  Stand¬ 
punkte. 

2)  Denn  an  der:  Beobachtungen  über  die  Sensibilität  in  j 
der  Bauchhöhle.  (Chirurg.  Klinik  Upsala.) 

L.  hat  bereits  früher  darauf  hingewiesen,  dass  das  Peritoneum 
parietale  sehr  empfindlich  für  alle  operativen  Eingriffe  ist,  dass 
aber  der  Darmkanal  und  die  Mesenterien,  der  Magen,  der  vordere 
Rand  der  Leber  und  die  Gallenblase,  das  grosse  Netz,  die  Serosa 
an  der  Harnblase,  das  Nierenparenchym  völlig  unempfindlich  für 
alle  operativen  Eingriffe  (auch  für  den  Thermokauter)  sind,  ln 
der  vorliegenden  Arbeit  teilt  L.  weitere  Erfahrungen  über  den¬ 
selben  Gegenstand  unter  genauer  Veröffentlichung  der  ein¬ 
schlägigen  Krankengeschichten  mit.  Bei  jeder  Operation  war  ein 
Assistent  nur  damit  beschäftigt,  sorgfältige  Aufzeichnungen  über 
die  Schmerzempfindung  bei  jedem  einzelnen  Akt  der  Operation 
zu  machen.  Dabei  ergab  sich  im  wesentlichen  eine  Bestätigung 
der  früheren  Erfahrungen,  dabei  aber  noch  eine  solche  Fülle  von 
Einzelheiten,  die  die  Frage  von  der  Anästhesie  in  der  Bauchhöhle 
in  vielfacher  Beziehung  klären.  Es  ergab  sich  z.  B.,  dass  auch 
der  kranke  Wurmfortsatz  durch  keinerlei  Empfindung  von 
Schmerz  oder  Berührung  auf  operative  Eingriffe  an  demselben 
oder  an  seinem  Mesenteriolum  reagiert.  Weiter  waren  Fundus 
uteri,  Ovarium,  Tube  für  die  Berührung  mit  dem  Thermokauter 
gefühllos.  Auch  der  Hoden  und  der  Nebenhoden  haben  wahr¬ 
scheinlich  kein  Gefühl,  während  ihre  Hüllen  sehr  empfindlich  sind. 

3)  Iv  i  w  u  1 1  -  Wenden:  Zur  Diagnose  des  Volvulus  der 
Flexura  sigmoidea. 

Unter  8  Fällen  liess  sich  6  mal  das  sogen.  Ballonsym- 
ptom  naehweisen.  Dasselbe  ist  ein  metallischer  Klang,  den  man 
hört,  wenn  man  gleichzeitig  auskultiert  und  perkutiert.  Derselbe 
kommt  zu  stände  in  einem  unter  hoher  Gasspannung  stehenden, 
von  dünnen  elastischen  Wandungen  umgebenen  Ballon. 

Zur  Palpation  des  lokalen  Meteorismus  empfiehlt  K.  die  Unter¬ 
suchung  in  einem  Bade. 

4)  Ullrich:  9  Fälle  von  Tetanus.  Ein  Beitrag  zur  Anti¬ 
toxinbehandlung  dieser  Krankheit.  (Chirurg,  und  mediz.  Klinik 
BresSau.) 

Von  den  9  Fällen  wurden  4  entsprechend  den  verschärften 
Forderungen  Behrings  behandelt:  Beginn  der  Behandlung 
innerhalb  der  ersten  30  Stunden,  Antitoxindosis  von  nicht  weniger 
als  100  A.-E.  2  weitere  Fälle  wurden  erst  am  3.  und  4.  Tage  in¬ 

jiziert.  und  3  wurden  ohne  Serum,  bezw.  sehr  spät  behandelt. 

Die  4  Fälle  der  ersten  Gruppe,  alle  traumatischer  Tetanus, 
sind  sämtlich  gestorben.  Aus  der  Literatur  ergeben  sich  41  Fälle 
mit  30  Todesfällen. 

Von  den  beiden  am  3.  und  4.  Tage  mit  Antitoxin  behandelten 
Fällen  wurde  einer  geheilt.  Mit  den  Fällen  aus  der  Literatur 
stellte  Verfasser  19  Fälle  zusammen,  von  denen  9  geheilt  und 
30  gestorben  sind. 

Von  den  weiteren  3  Fällen  starb  einer,  bevor  Antitoxin  an¬ 
gewendet  werden  konnte.  Ein  weiterer  war  chronischer  Natur  und 
heilte  ohne  Serumbeliandung.  Der  letzte  Fall  bekam  erst  am 
11.  Tage  Antitoxin  und  wurde  gebessert  entlassen. 

Eine  sichere  Wirkung  ist  also  dem  Tetanusantitoxin  keines¬ 
wegs  zuzusprechen. 

In  einem  weiteren  Falle  —  Abreissung  eines  Armes  —  wurde 
prophylaktisch  Antitoxin  injiziert,  ln  der  Folge  stellte 
sich  leichtes  „Nervenzucken“,  besonders  im  Kinnladen  ein.  Es 
wäre  denkbar,  dass  es  sich  um  einen  Tetanusfall  gehandelt  habe, 
der  infolge  der  Injektion  abortiv  verlief. 

5)  Ehret  und  Stolz:  Zur  Lehre  des  entzündlichen  Stau- 
ungsikterus  bei  der  Cholelithiasis.  (Mediz.  und  Chirurg.  Klinik 
Strassburg.) 

Der  Ikterus  ist  bei  Cholelithiasis  in  der  Regel  entzündlicher 
Natur.  In  einem  der  mitgeteilten  Fälle  bestand  intensiver  chro¬ 
nischer  Ikterus,  ohne  dass  Kompression  des  Choledoclius  im  Spiele 
war.  In  einem  zweiten  Falle  von  Einklemmung  von  3  Steinen 
mit  18 — 20  mm  Durchmesser  und  5 y2  cm  Länge  war  ein  Ikterus 
überhaupt  nicht  oder  nur  andeutungsweise  Vorhanden.  Die  Ur¬ 
sache  des  Ikterus  liegt  in  der  obliterierenden,  den  Gallenabfluss 
aus  den  kleineren  in  die  grossen  Gallengänge  erschwerenden  oder 
unmöglich  machenden  Cholangitis. 

0)  Lennander:  Wann  kann  akute  Nephritis,  mit  Aus¬ 
nahme  der  tuberkulösen,  Veranlassung  zu  chirurgischen  Ein¬ 
griffen  geben,  und  zu  welchen?  (Chirurg.  Klinik  Upsala.) 

L.  erörtert  zunächst  die  Frage  der  supp  u  r  a  t  i  v  e  n 
N  e  p  li  r  i  t  i  s  in  Bezug  auf  Aetiologie,  Symptome  und  Anatomie. 
Das  leitende  Symptom  für  die  chirurgische  Behandlung  der  akuten 
Nuppurativen  Nephritis  sind  die  lokalen  Schmerzen  und  die  Em¬ 
pfindlichkeit.  gegen  Druck.  Die  Behandlung  soll  immer  möglichst 
konservativ  sein  und  sich  unbedingt  auf  die  Nephrostomie  be¬ 
schränken.  wenn  man  unsicher  ist,  ob  die  andere  Niere  die  ganze 
Nierensekretion  zu  übernehmen  im  Stande  ist.  Ist  der  grössere 
Teil  der  Niere  durch  Abszesse  zerstört,  so  wird  ohne  Bedenken  die 
Nephrektomie  gemacht.  Von  G  Patienten,  an  denen  L.  die 
Nephrektomie  mit  Resektion  gemacht  hat,  ist  einer  gestorben 
infolge  eines  Fehlers  bei  der  Nachbehandlung,  die  übrigen  be¬ 
finden  sich  wohl.  Von  2  Neplirektomierten  ist  eine  Patientin  ge¬ 
heilt,  die  zweite  nach  einiger  Zeit  gestorben,  es  handelte  sich  um 
Aktinomykose  im  kleinen  Becken. 


Was  die  Frage  des  chirurgischen  Eingriffs  bei  der  „m  edi- 
zinischen“  Nephritis  anbetrifft,  so  kann  L.  die  weitgehenden 
II  a  rris  o  n  sehen  Anschauungen  nicht  teilen.  Wohl  aber  schlägt 
er  vor,  dass  man  bei  akuter  Nephritis,  wo  eine  starke  Oligurie 
oder  Anurie  bei  einem  relativ  guten  Allgemeinzustand  auf  tritt, 
und  wo  heftige  Schmerzen  über  der  einen  oder  über  beiden  Nieren 
vorhanden  sind,  eine  Inzision  auf  der  Seite  des  grössten  Schmerzes 
machen,  die  Niere  f reilegen,  die  fibröse  Kapsel  spalten  und  die 
Niere  vollständig  aus  dieser  auslüsen  soll. 

7)  B  o  n  li  o  eff  er:  Zur  Kenntnis  der  Rückbildung  motori¬ 
scher  Aphasien.  (Chirurg.  Klinik  Breslau.) 

Bei  2  Kranken  entwickelte  sich  nach  einer  osteoplastischen 
Schädelresektion  eine  motorische  Aphasie,  bedingt  durch  das  Ab- 
reissen  einiger  Zweige  der  S  y  1  v  i  sehen  Vene,  die  beim  Abheben 
der  Pia  stattfand.  Das  so  entstehende  Haematom  verursachte  die 
Aphasie,  und  mit  der  Resorptou  des  Hämatoms  gingen  die  ein¬ 
zelnen  Erscheinungen  zurück.  Die  letzteren  werden  von  B.  in 
ausserordentlich  sorgfältiger  Weise  analysiert. 

8)  Ehrhardt:  Ueber  epileptiformes  Auftreten  der  Te- 
tania  thyreopriva.  (Chirurg.  Klinik  Königsberg.) 

Bei  einer  33  jährigen  Frau  traten  3  Tage  nach  der  totalen 
Exstirpation  einer  malign  entarteten  Schilddrüse  unter  ziehenden 
Schmerzen  in  den  betreffenden  Muskeln  tonische  Krampfzustände 
der  Vorderarmmuskulatur  auf.  Deutliches  T  r  o  u  s  s  e  a  u  sclies 
und  C  h  v  o  s  t  e  lc’ sclies  Phänomen.  Daneben  ausgesprochene  epi- 
leptiforme  Anfälle.  Tod  nach  5  Wochen.  Es  hatten  sich  also  epi¬ 
leptoide  Zustände  im  Verlauf  der  Tetania  thyreopriva  ausgebildet. 
Diese  sind  von  der  genuinen  Epilepsie  zu  trennen  und  als  eine 
direkte  Folge  der  durch  den  Schilddrüsenausfall  bedingten  toxi¬ 
schen  Schädigungen  des  Organismus  zu  betrachten. 

9)  E.  Levy  und  Bruns:  Gelatine  und  Tetanus.  Resistenz¬ 
fähigkeit  der  Tetanussporen.  Sterilisation  der  Gelatine. 
(Hygicn.  Institut  Strassburg.) 

Verfasser  haben  schon  früher  mitgeteilt,  dass  sie  unter 
G  Proben  von  Gelatinetafeln  4  mal  die  Wundstarrkrampf eiTeger 
aufgefunden  haben.  Neuerdings  haben  sie  bei  13  Proben  von 
Gelatinetafeln  8  mal  durch  das  Tierexperiment  mit  aller  Sicherheit 
die  Anwesenheit  von  Tetanuskeimen  festgestellt.  2  mal  konnten 
Reinkulturen  von  Tetanusbazillen  gewonnen  werden. 

Bei  Versuchen,  die  Tetanuskeime  zu  vernichten,  ergab  sich, 
dass  dieselben  gegenüber  dem  strömenden  Wasserdampfe  eine  ver¬ 
schiedene  Resistenzfähigkeit  auf  weisen;  die  am  wenigsten  wider¬ 
standsfähigen  gehen  nach  4 — 6  Minuten  zu  Grunde,  die  resisten- 
teren  bleiben  bis  30  Minuten  am  Leben.  Darnach  muss  man  ver¬ 
langen,  dass  die  zu  therapeutischen  Verwendungen  bestimmten 
Gelatinelösungen  40  Minuten  lang  auf  100°  C.  erhitzt  werden. 
Am  besten  ist  es,  die  Gelatinemasse  in  einem  Autoklaven  zu 
sterilisieren,  und  zwar  in  sterilen,  mit  Wattepfropf  versehenen 
Reagensgläsern. 

30)  Rubritius:  Ueber  einen  Fall  von  Perityphlitis,  wel¬ 
cher  unter  dem  Bilde  einer  Tuberkulose  der  serösen  Häute  ver¬ 
lief.  (Mediz.  Klinik  Prag.) 

11)  R.  v.  Jak  sch:  Bemerkungen  zu  vorstehender  Arbeit. 

Der  von  R.  veröffentlichte  Fall  schliesst  sich  einem  vor 

Kurzem  aus  derselben  Klinik  von  Herman  n  mitgeteilten  an. 
J.  rät,  in  ähnlichen  Fällen  unbedingt  eine  Probelaparotomie  zu 
machen. 

12)  Klapp:  Ueber  Bauchfellresorption.  (Chirurg.  Klinik 
Greifswald.) 

Zu  seinen  Resorptionsversuchen  an  der  Bauchhöhle  ver¬ 
wandte  Verfasser  nach  Voits  Vorgänge  den  Milchzucker.  Er 
prüfte  zunächst  die  peritoneale  Resorption  im  Gegensatz  zur 
parenchymatösen  und  fand  die  erstere  der  letzteicn  weit  überlegen. 
Die  Ueberlegenheit  ist  nur  auf  die  grosse  Resorptionsfläche  des 
Bauchfells  zurückzuführen.  Vei’grössert  man  die  subkutane  Re¬ 
sorptionsfläche,  so  bleibt  die  Resorption  kaum  hinter  der  Bauch¬ 
fellresorption  zurück.  Die  Hauptrolle  bei  der  Resorption  ist  jeden¬ 
falls  den  Blutgefässen  zuzuschreiben.  Eine  Beeinflussung  der 
Bauchfellresorption  hat  Verfasser  durch  Hitzeeinwirkungen,  wie 
heissen  Sand  und  heisse  Luft,  herbeizuführen  versucht.  Die  Re¬ 
sorption  liess  sich  in  allen  Versuchen  vermehren,  wenn  auch  nicht 
in  hohem  Grade.  Durch  Kälte  liess  sich  dagegen  die  Resorption 
stark  herabsetzen. 

Weitere  Versuche  mit  temporärer  Vorlagerung  einer  Darm¬ 
schlinge  ergaben  sowohl  eine  Beschleunigung  wie  eine  Verlang¬ 
samung  der  Ausscheidung.  Eine  Beschleunigung  trat  im  allge¬ 
meinen  ein,  wenn  die  Vorlagerung  nicht  über  15  Minuten  dauerte; 
darüber  hinaus  trat  Verlangsamung  ein.  Wahrscheinlich  wird 
eine  solche  Aenderung  der  Blutversorgung  herbeigeführt,  welche 
verlangsamend  auf  die  Resorption  wirkt.  K  recke. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  29  u.  30. 

No.  29.  1)  Peters:  Zur  Lehre  vom  primären  Chorion¬ 

epitheliom  der  Scheide  nebst  einem  Falle  von  Rezidiv  nach  Ex¬ 
stirpation  des  Scheidenknotens. 

Etwa  8  AVochen  nach  Abgang  einer  hühnereigrossen,  angeb¬ 
lich  mit  wässeriger  Flüssigkeit  gefüllten  Blase  wurde  der  Scheiden¬ 
tumor  konstatiert,  8  Wochen  später  anscheinend  im  Gesunden  ex- 
stirpiert.  Nach  der  Entlassung  Rezidiv  an  einem  anderen  Orte 
der  Scheide;  weitere  operative  Eingriffe  verweigert.  Kurz  darauf 
Exil us  durch  einen  embolischen  Prozess,  der  mit  dem  chorio- 
epithelialen  Tumor  in  kausalem  Zusammenhang  stand.  A’erf.  rät, 
in  ähnlichen  Fällen  radikal  vorzugehen  und  eventuell  gross3 


5.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1313 


Vaginalbezirke  zu  exstirpieren.  Es  folgt  die  Schilderung  des  mikro¬ 
skopischen  Bildes,  das  sich  in  nichts  von  dem  typischen  syn- 
cytialen  Tumor  Marchands  unterschied.  Sodann  behandelt  P. 
die  verschiedenen  Erklärungsversuche  für  das  Auftreten  dieser 
Geschwulstform.  Die  Aetiologie  ist  noch  so  dunkel,  dass  das  End¬ 
ergebnis  ein  „non  liquet“  darstellt.  Die  interessanten  Details 
müssen  im  Original  nachgelesen  werden. 

2)  Beuttne  r:  Suprasymphysärer  Bogenschnitt  nach 
Bapin-Xüstner. 

B.  macht  darauf  aufmerksam,  dass  B  a  p  i  n  in  Lausanne 
gleichzeitig  mit  Küstne r  die  in  der  Ueberschrift  genannte  Me¬ 
thode  zur  Eröffnung  der  Bauchhöhle  publiziert  hat,  «lass  ersterer 
sie  aber  schon  2  Jahre  vor  Küstne  r  angewandt  hat.  Da  beide 
Forscher  unabhängig  von  einander  auf  die  Methode  gekommen 
sind,  so  ist  es  gerecht,  auch  beide  Namen  in  den  Publikationen 
zu  erwähnen. 

J)  Neumann:  Bedeutet  die  Amenorrhoe  phthisiseher 
Frauen  ein  Heilbestreben  der  Natur  oder  ist  sie  lediglich  Folge 
des  Kräfte  Verfalls?  (Erwiderung  auf  den  Aufsatz  von  Pincus 
in  No.  22  d.  Wochenschr.) 

N.  bejaht  die  zweite  Frage  und  stellt  die  Amenorrhoe  iu 
Parallele  mit  der  Abmagerung,  den  N aelitsch weissen  etc. 

No.  30.  lj  Beuttne  r:  Suprasymphysärer  Fascienquer- 
schnitt  nach  Pfannenstiel. 

Bericht  über  5  Fälle  und  Kritik  der  dabei  gemachten  Er¬ 
fahrungen. 

2)  Vertun:  Lysoform  als  Antiseptikum. 

Der  Artikel  richtet  sich  gegen  das  /das  Lysoform  verdammende 
Urteil  Hammers:  „L  ist  kein  brauchbares  Desinfektionsmittel“. 
H  a  m  mers  Versuche  hält  Verf.  nicht  für  ausreichend.  Lyso¬ 
form,  welches  ca.  20  Proz.  Formalin  enthält,  steht  hinsichtlich 
seiner  Desinfektionskraft  in  der  Mitte  zwischen  dem  heroischen 
Sublimat  und  dem  schwachen  Liquor  alum.  acetici,  teilt  aber  trotz 
erhöhter  Desinfektionskraft  mit  den  schwachen  Antiseptizis  den 
Vorzug  der  Ungiftigkeit  resp.  Unschädlichkeit. 

3)  Hcdowk  o:  Eine  einfache  Vorrichtung  zum  Auf  fangen 
und  Ableiten  des  Urins  bei  Harnfisteln. 

Ein  gewöhnliches  Luftkissen  bekommt  einen  Gummi-  (bezw. 
Durit-)  Boden,  der  sich  in  der  Mitte  in  einen  1  cm  im  Lumen  hal¬ 
tenden  Schlauch  verjüngt.  Das  Kissen  wird  auf  die  Matratze  ge¬ 
legt  und  der  Schlauch  durch  ein  Loch  in  der  Matratze  unter  das 
Bett  in  eine  mit  Formalin  gefüllte  Urinflasche  geleitet.  Die 
Kranken  liegen  dadurch  trocken  und  der  Urin  zersetzt  sich  nicht 
im  Bett.  (Zu  beziehen  von  Rudolf  D  e  t  e  r  t  in  Berlin.) 

W  erner-  Hamburg. 


Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

48.  Bd.,  1.  u.  2.  Heft. 


1)  W.  S  t  r  a  u  b  -  Leipzig:  Pharmakologische  Studien  über 
die  Substanzen  der  Filixsäuregruppe. 

Aus  der  umfangreichen  Arbeit  seien  folgende  allgemeiner 
interessante  Ergebnisse  hervorgehoben:  Die  Filixsubstanzen  sind 
Gifte  für  jede  Art  organisierten  Plasmas,  eine  besondere  Affinität 
besitzen  sie  aber  zu  dem  der  Kontraktion  dienenden  Protoplasma, 
sind  also  Muskelgifte.  Ausnehmend  stark  scheinen  die  Filixkörper 
auf  die  Muskelzellen  der  Würmer  und  Mollusken  zu  wirken.  So 
ist  die  empirisch  gefundene  und  verwertete  Toxizität  der  Sub¬ 
stanzen  dem  Bandwurm  gegenüber  verständlich.  Die  Filixsäure 
geht  als  solche  nicht  in  den  Harn  über,  sondern  wird  zum  grössten 
Teil  im  Organismus  zersetzt.  Wahrscheinlich  erfolgt  ihre  Spal¬ 
tung  schon  im  Darmkanale  und  nur  ihre  Spaltungsprodukte  werden 
resorbiert. 

2)  C.  Jakob  j  und  J.  H  a  g  e  n  b  e  r  g  -  Göttingen:  Ueber  die 
Wirkung  der  Tetramethyl-  und  Aethylammoniumjodide.  Ein 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  muskarinartigen  Ammoniumbasen. 

Die  beiden  Stoffe,  welche  wegen  ihres  hohen  Jodgehalts  als 
Ersatzmittel  des  Jodoforms  eine  Rolle  zu  spielen  geeignet  er¬ 
scheinen,  wurden  einer  pharmakologischen  Prüfung  unterzogen 
und  hierbei  das  Tetramethylenammoniumtrijodid  als  eine  höchst 
giftige  Substanz,  welche  die  Eigenschaften  des  Curare  mit  denen 
des  Muskarins  verbindet,  erkannt,  während  das  Tetraäthyl- 
auunoniumtrijodid  sich  als  relativ  ungefährliche  Verbindung  er¬ 
wies,  welche  durch  eine  Abspaltbarkeit  ihrer  Jodatome  sich  viel¬ 
leicht  für  chirurgische  Verwendung  nützlich  erweisen  wird. 

3)  E.  II  a  r  n  a  c  k  -  Halle:  Die  relative  Immunität  neugebore¬ 
ner  Salamandra  maculata  gegen  Arsen  und  ihr  Verhalten  gegen 
verschiedene  Metallsalzlösungen. 

Für  neugeborene  Salamander  sind  Uran,  Quecksilber  und 
Kupfer  unvergleichlich  viel  giftiger  als  das  Eisen.  Die  Wirksam¬ 
keit  der  Lösungen  von  Quecksilberchlorid  und  Kupfersulfat  wird 
durch  die  gleichzeitige  Anwesenheit  grösserer  Kochsalzmengen 
nicht  unbeträchtlich  verzögert,  während  sich  beim  Uranazetat  ein 
solcher  Einfluss  nicht  nachweisen  lässt.  Die  Wirkung  der  Arsen- 
lüsungen  ist  bei  diesen  Tieren  im  Verhältnis  auffallend  schwach, 
1U  gewissen  Konzentrationen  nicht  wesentlich  stärker  als  die  des 
Eisens. 

4)  A.  B  e  t  h  e  -  Strassburg:  Ueber  einige  Edukte  des  Pferde¬ 
gehirns. 


"Verf.  fand  nach  einer  im  Original  nachzulesenden  Methode 
ini  Gehirn  des  Pferdes  ein  Amido-Cerebrinsäure-Glykosid,  Phrenin, 
Cerebrininphosphorsäure  und  wahrscheinlich  auch  Stearinsäure. 

•r»)  G.  Hüfner:  Ueber  das  Gesetz  der  Verteilung  des  Blut¬ 
farbstoffs  zwischen  Kohlenoxyd  und  Sauerstoff. 


..  H  ü  f  n  e  r  hat  seine  bekannten  früheren  Untersuchungen 
über  den  gleichen  Gegenstand  von  neuem  aufgenommen,  nur  dies¬ 
mal  als  Versuchstemperatur  eine  solche  von  37,5°  gewählt,  wäh¬ 
lend  die  fiüheren  \  ersuche  bei  10"  angestellt  waren.  Bezüglich 
der  Technik  und  Einzelheiten  der  Untersuchung  muss  auf  das  Ori¬ 
ginal  verwiesen  werden.  Hier  sei  nur  erwähnt,  dass  die  am  Schlüsse 
gegebene  labeile  ein  bequemes  Ableseu  der  vom  Blute  auf  genom¬ 
menen  Kohlenoxydmenge  bei  den  vorkommenden  Konzentrationen 
dieses  Gases  in  der  Zimmerluft  gestattet.  Die  Ueberlegenheit  des 
Kohlenoxyds  über  den  Sauerstoff  im  Kampfe  um  das  Hämoglobin 
kommt  darin  deutlich  zum  Ausdruck.  Enthält  die  Luft  z.  B.  nur 
0,0.)  Proz.  CO,  so  werden  doch  bereits  27  Proz.  des  vorhandenen 
Hämoglobins  durch  dasselbe  mit  Beschlag  belegt. 

0)  II.  M  a  g  n  u  s  -  Heidelberg:  Ueber  die  Undurchgängigkeit 
der  Lunge  für  Ammoniak. 

Die  Experimente  des  Verf.  lehren,  dass  die  Alveolarwand 
der  Lunge  für  Ammoniak  undurchgängig  ist,  dass  also  hier  analoge 
Verhältnisse  vorliegen  wie  beim  Darm  und  der  Niere,  welche  auch 
nur  für  bestimmte  Körper  permeabel  sind. 

<)  F  e  r  c  li  1  a  n  d  und  E.  Vahlen  -  Halle:  Ueber  Verschieden¬ 
heit  von  Leuchtgas-  und  Kohlenoxydvergiftung. 

Durch  vergleichende  Versuche  an  Hunden  und  Fröschen  konn¬ 
ten  die  Verf.  feststellen,  dass  das  Leuchtgas  bedeutend  grössere 
Giftigkeit  besitzt  als  seinem  Gehalt  an  Kohlenoxyd  entspricht; 
es  ist  also  die  Behauptung,  Leuchtgasvergiftung  sei  blosse  Kohlen¬ 
oxydvergiftung,  unrichtig.  Die  im  Leuchtgas  mitwirkenden  gif¬ 
tigen  Substanzen  sind  aber  noch  unbekannt. 

S)  E.  V  a  h  1  e  n  -  Halle:  Ueber  das  Verhalten  des  Kohlen¬ 
oxydnickels  im  Tierkörper. 

Von  rein  pharmakologischem  Interesse. 


0)  R.  Bern  er  t  und  K.  v.  S  t  e  y  s  k  a  1  -  Wien:  Ein  Beitrag 
zur  Frage  nach  dem  minimalen  Stickstoffumsatz  bei  perniziöser 
Anämie. 

Es  wird  über  2  Stoffwechselversuche  berichtet,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  die  Kranken  mit  perniziöser  Anämie  sich  bei 
eiweissarmer  Kost  mit  ungefähr  den  gleich  niedrigen  Eiweiss¬ 
werten  wie  normale  Individuen  ins  N-Gleicligewiclit  setzen  können. 
Der  Minimal-N-Umsatz  pro  Tag  und  Kilo  Körpergewicht  betrug 
ca.  0.09  g  N  bei  32 — 34  Kalorien  Umsatz.  Ein  pathologischer 
Eiweisszerfall  findet  bei  perniziöser  Anämie  nicht  statt. 

10)  V.  PI  av  ec- Prag:  Die  Phosphorvergiftung  und  Wir¬ 
kung  des  Terpentinöls  auf  den  resorbierten  Phosphor. 

Auf  Grund  seiner  Versuche  kommt  PI.  zu  dem  Resultat,  dass 
weder  das  reine  noch  das  oxydierte  Terpentinöl  eine  solche  Wir¬ 
kung  auf  den  resorbierten  Phosphor  ausübt,  dass  sich  dieselbe 
antidotarisch  ausnützen  lassen  könnte. 


J.  M  ü  1 1  e  r  -  Würzburg. 


Archiv  für  Hygiene.  43.  Bd.  2.  Heft.  1902. 

1)  Nielsen-  Kopenhagen :  Die  Strassenhy giene  im  Alter- 
tume 

Eine  geschichtliche  Studie,  die  sich  mit  Städtebau,  Strassen- 
bau,  Strassenreinigung,  Wasserversorgung  und  Abfuhrwesen  einer 
Reihe  von  Städten  aus  dem  Altertum  befasst. 

2)  K.  B.  Lehmann  und  G  ö  b  e  1  -  Würzburg:  Ueber  das 
Vorkommen  löslicher  Antimonverbindungen  in  Kleidungs- 
Stoffen. 

Da  eine  grosse  Anzahl  Stoffe,  wollene  und  baumwollene, 
mittels  Antimonverbindungen  gefärbt  werden,  so  liegt  die  Möglich¬ 
keit  voi’,  dass  bei  der  Giftigkeit  der  Antimonsalze  Schädigungen 
des  Köi’pers  beim  Tragen  dieser  Stoffe  einti’eten  können.  Zur 
Klarstellung  der  Frage  wurden  8  verschiedene  Herren-  und 
Damenkleiderstoffe  und  Möbelstoffe  untei*sucht.  Es  stellte  sich 
heraus,  dass  die  Mengen  von  wasserlöslichen  Antimonsalzen, 
welche  nachgewiesen  werden  konnten,  ausserordentlich  gering 
waren  und  es  jedenfalls  zu  den  Ausnahmen  geliöi’t,  wenn  Stoff¬ 
proben  nennenswerte  Mengen  enthalten.  Gefunden  wurden  etwa 
0,1  bis  0,3  mg  in  100  qcm  oder  4 — 10  mg  in  100  g  Stoff.  Das  sind 
Mengen,  die  als  Gesundheitsschädigung  keine  Bedeutung  haben. 

3)  K.  B.  Lehmann-  Wiirzburg:  Ueber  die  Bedeutung  der 
Zerkleinerung  und  des  Kochens  der  Speisen  für  die  Verdauung. 

Bei  der  vorliegenden  Frage,  welche  bisher  noch  nicht  ex¬ 
perimentell  untersucht  war,  wurden  Vei'suehe  über  Eiweiss- 
veydauung  und  Versuche  über  Lösung  von  Kohle¬ 
hydraten  in  grosser  Zahl  angestellt.  Als  Untersuchungs¬ 
material  für  die  Eiweissverdauung  diente  Hühnereiweiss,  Fleisch, 
Käse,  Ei’bsen,  Graubi’ot  und  Pfannkuchen;  für  die  Kohlehydrat¬ 
untersuchung  Aepfel,  gelbe  Rüben,  Kartoffel  und  Makkaroni. 

Die  Resultate  zeigen  eindeutig  die  grosse  Wichtigkeit  der  Zer- 
kleinerung  der  Speisen,  weil  durch  eine  ausgiebige  Zerkleinerung 
die  Verdauung  ganz  bedeutend  verbessert  wird.  Natui’gemäss 
kann  am  meisten  erreicht  wei’den,  wenn  die  beti’effenden 
Nahrungsmittel  zerrieben  sind,  denn  es  besteht,  wie  das  Experi¬ 
ment  zeigt,  noch  ein  ei’heblicher  Untei-sclxied  zwischen  zei’i’iebenem 
Material  und  1  mm  gx’ossen  Stückchen  desselben.  Die  Bedeutung 
des  Kochens  tritt  bei  den  Vegetabilien  besonders  stark  hei’- 
vor,  weil  hier  durch  Quellen  der  Stärke  zu  Kleister  einmal  die 
Zellwände  gespi-engt,  und  weil  zweitens  die  vexkleisteiüe  Stärke 
von  den  Verdauungssäften  viel  energischer  angegriffen  wird  als 
die  rohe.  Die  Verzuckerung  der  gekochten  Speisen  ist  etwa 
5  mal  rascher  als  die  der  rohen,  die  Verzuckerung  der  fein  zei’- 
riebenen  5,  10  ja  20  mal  grösser  als  der  grob  zerkleinerten  Speisen. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1314 


Durch  Kochen  und  feines  Zerkleinern  kann  die  Zuckerbildung 
auf  das  30 — 100  fache  gesteigert  werden. 

4)  Iv  usch  el-  Berlin:  Ueber  die  Wirkung  des  Einlegens 
von  Fleisch  in  verschiedene  Salze. 

Die  Versuche  wurden  in  der  Weise  augestellt,  dass  frisch  ge¬ 
schlachtetes  1  Tag  altes  Fleisch  in  Glasflaschen  in  das  betreffende 
Salz  eingebettet  und  bei  Temperaturen  von  18 — 20  4  und  bei  37  J 
8  Tage  aufbewahrt  wurden.  Als  Konservierungssalze  kamen  in 
Frage  Borsäure,  Borax,  schwefligsaures  Natron, 
Salpeter  und  Kochsalz.  Borsäure,  B  o  r  a  x  und  Sal¬ 
peter  zeigen  zwar  geringe  desinfizierende  Kraft,  auch  trocknen 
sie  das  Fleisch  nur  in  geringem  Grade  ein,  da  aber  eine  ganz  er¬ 
hebliche  Menge  des  Salzes  bei  der  Aufbewahrung  in  das  Fleisch 
hineinwandert,  so  leidet  die  Genussfähigkeit.  Schweflig¬ 
saures  Natron  zeigt  dieselben  Eigenschaften,  ist  aber  ausser¬ 
dem  wegen  seiner  stark  austrocknenden  Wirkung  ebenfalls  nicht 
geeignet.  Das  Kochsalz  endlich  ist  zwar  hygienisch  einwands¬ 
frei,  aber  es  trocknet  das  Fleisch  zu  stark  aus. 

5)  A.  Richter-Berlin:  Bakterielles  Verhalten  der  Milch 
bei  Boraxzusatz. 

Durch  Boraxzusatz  wird  das  Wachstum  von  O  i  d  i  u  m 
lactis  und  den  Milchsäurebakterien  gehemmt,  B.  fluores- 
cens,  Proteusarten  werden  nicht  gehemmt,  gehen  aber 
später  zu  Grunde.  Die  grösste  Kolonienzahl  findet  sich  am  2.  bis 
3.  Tage,  am  0.  bis  11.  Tage  tritt  sowohl  bei  Zusatz  von  Borax 
als  auch  ohne  denselben  erhebliche  Verminderung  der  Bakterien 
ein.  Zuerst  spielt  bei  der  Baktexäenmenge  das  Bact.  acidi 
lactici  Hüppe,  später  Bact.  lactis  acidi  Günther 
eine  Rolle. 

6)  Mayer  und  W  o  1  p  e  r  t  -  Berlin:  Ueber  die  Verfahren 
und  Apparate  zur  Entwickelung  von  Formaldehyd  für  die 
Zwecke  der  Wohnungsdesinfektion. 

Den  vielen  in  Gebrauch  stehenden  Apparaten  fügen  die  Ver¬ 
fasser  noch  einen  neuen  hinzu,  welcher  wegen  seiner  Einfachheit 
und  Billigkeit  viele  Vorzüge  vor  den  anderen  komplizierteren  und 
teuereren  hat.  Er  besteht  nur  aus  einem  gewöhnlichen  Emailletopf, 
dem  eine  Art  Blechtrichter  aufgesetzt  ist,  so  dass  die  unten¬ 
stehende  Flamme  das  Formalin  nicht  entzünden  kann.  Der  ganze 
Apparat  kostet  2 — 3  M. 

Ausserdem  verwenden  die  Verfasser  zur  Desodorierung  nicht 
Ammoniak,  sondern  eine  bestimmte  Menge  A  m  moniumkar- 
bona  t,  dem  etwas  Lavendelöl  zugesetzt  wird.  Nach  kurzer 
Zeit  ist  das  Zimmer  alsdann  wieder  bewohnbar. 

R.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  30. 

1)  J.  O  rth-  Göttingen:  Ueber  einige  Zeit-  und  Streitfragen 
aus  dem  Gebiete  der  Tuberkulose. 

Verfasser  gibt  eine  geschichtliche  Uebersicht  über  die  all¬ 
mähliche  Ausgestaltung  des  Begriffes  der  Tuberkulose  und  betont 
besonders,  dass  gerade  in  der  Zeit,  als  der  Tuberkelbazillus  durch 
Koch  noch  nicht  entdeckt  war,  die  Lehre  von  der  Tuberkulose 
durch  die  pathologische  Anatomie  die  grösste  Aus-  und  Umbildung 
erfahren  hat.  Daher  ist  der  Umschwung  der  Anschauungen  nicht 
in  erster  Linie  der  Bakteriologie  zu  verdanken.  Die  bakterio¬ 
logische  Untersuchung  ist  für  die  Feststellung  tuberkulöser  Ver¬ 
änderungen  ungenügend,  die  pathologisch-anatomische  Unter¬ 
suchung  muss  ergänzend  eingreifen,  doch  auch  so  bleiben  die 
Schwierigkeiten  der  richtigen  Differenzierung  sehr  beträchtliche. 

2)  H.  Hirschfeld  -  Berlin:  Ueber  myeloide  Umwandlung 
der  Milz  und  der  Lymphdrüsen. 

Es  handelt  sich  bei  diesem  Zustande  darum,  dass  diese  Organe 
Zellen  enthalten,  die  sonst  nur  im  Knochenmark  Vorkommen.  Dies 
ereignet  sich  bei  der  myelogenen  Leukämie,  aber  auch  bei  anderen 
Prozessen.  Verfasser  hat  seine  früher  mitgeteilten  Unter¬ 
suchungen  über  die  Histogenese  der  granulierten  Knochen¬ 
markszellen  fortgesetzt  und  kann  auf  Grund  seiner  Erfahrungen 
die  damals  ausgesprochene  Ansicht,  dass  sowohl  eine  isogene, 
wie  eine  heteroplastische  Regeneration  der  Myelocyten  stattfinde, 
insbesondere  für  das  menschliche  Knochenmark  erwachsener  In¬ 
dividuen  bestätigen.  Es  zeigte  sich,  dass  auch  die  Lymphocyten 
der  Al  ilz  und  der  Lymphdrüsen  unter  Umständen  granulierte 
Leulcocyten  aus  sich  hervorgehen  lassen,  wie  sie  sonst  nur  im 
Knochenmark  Vorkommen.  Verfasser  konnte  durch  seine  Unter¬ 
suchungen  für  eine  grosse  Zahl  der  mit  Hyperleukocytose  einher¬ 
gehenden  Infektionskrankheiten  das  Vorkommen  einer  myeloiden 
Umwandlung  der  Milz  und  der  Lymphdrüsen  nacliweisen,  wodurch 
die  Ehrl  ich  sehe  Lehre  von  der  verschiedenen  Anteilnahme 
der  Blutbildungsorgane  an  der  Leukocytenproduktion  erheblich 
modifiziert  wird. 

3)  E.  H  o  1 1  a  e  n  d  e  r  -  Berlin:  Der  Lupus  erythematodes. 

Vergl.  den  Bericht  S.  815  der  Münch,  med.  Woclienschr.  1902. 

4)  J.  Ruhemann-Berlin:  Erwiderung  auf  die  Aufsätze 
von  Dr.  G.  Gabritschewsky  „Ueber  eine  neue  Reaktion 
auf  einige  reduzierende  Substanzen  des  Organismus“  und  von 
Dr.  B  e  r  d  i  n  g  „Zur  Frage  der  Harnsäurebestimmung“. 

Verfasser  führt  aus,  dass  die  von  ihm  angewandte  Methode 
auf  absolut  wissenschaftlich  erwiesenen  Prämissen  benäht  und  für 
die  Praxis  in  10 — 15  Minuten  ausreichende  Resultate  liefert. 

5)  P.  R  e  c  k  z  e  h  -  Berlin:  Ueber  perniziöse  Anämien. 

Verfasser  veröffentlicht  die  Krankengeschichten  und  die  Blut- 

befuude  von  5  Fällen  perniziöser  Anämie,  welche  sämtlich  Männer 


betrafen.  Die  Einzelheiten  der  Blutveränderungen  und  der  kli¬ 
nischen  Erscheinungen  werden  eingehend  besprochen.  Hinsicht¬ 
lich  der  Therapie  hat  sich  eine  zwischen  Arsen  und  Eisen  ab¬ 
wechselnde  Behandlung  als  nützlich  erwiesen;  Bluttransfusionen 
wurden  nicht  in  Anwendung  gezogen. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  28  u.  29. 

No.  28.  1)  R  i  n  u  e  -  Berlin:  Zur  operativen  Behandlung  der 

Perityphlitis. 

Nach  einem  in  der  freien  Vereinigung  der  Chirurgen  Berlins 
am  12.  Mai  1902  gehaltenen  Vortrag. 

Verfasser  teilt  hinsichtlich  der  Frage  der  Operation  die 
Appendizitiserkrankungen,  im  Gegensatz  zu  der  für  praktische 
Zwecke  zu  komplizierten  Einteilung  von  Sonnenbu  r  g  nur  ein 
in  leichte  und  sch  w  ere  Fälle.  Als  leichte  betrachtet  er  die 
klinisch  gutartig  verlaufenden,  die  mit  Schmerzen,  eventuell  nach¬ 
folgendem  Erbrechen  und  Uebelkeit  und  mehr  oder  weniger  Tem¬ 
peratursteigerung  beginnen,  bei  denen  aber  das  Allgemeinbefinden 
wenig  alteriert,  Puls  und  Aussehen  gut  ist.  Diese  Erscheinungen 
klingen  in  wenigen  Tagen  ab  und  der  Patient  ist  wdeder  gesund. 
Es  kann  bei  einem  Anfall  bleiben,  gewöhnlich  wiederholen  sie  sich 
in  verschieden  langen  Zwischenräumen.  Anatomisch  entspricht 
diesem  klinischen  Bilde  eine  Appendicitis  Simplex  ohne  Eiterung, 
ohne  Gangrän  und  Perforation.  Dagegen  können  die  mannig¬ 
fachsten  Veränderungen  am  Wurmfortsatz  bestehen  (Schwellung 
der  Schleimhaut,  Hydrops,  narbige  Verengerungen  und  Abschnü¬ 
rungen,  peritoneale  Verwachsungen  u.  s.  w.).  Diese  Fälle  operiert 
Verfasser  nicht  im  und  nach  dem  ersten  Anfall,  sondern  wartet 
ab.  Kommt  ein  Rezidiv,  so  rät  er  immer  zur  Operation  und  ope¬ 
riert  gewöhnlich  im  Intervall. 

Bei  allen  schweren  Fällen,  die  Eiterung  vermuten  lassen, 
die  mit  länger  dauernden  Schmerzen,  Fieber,  Tumor,  peritonitischer 
Reizung  und  wesentlicher  Alteration  des  Gesamtbefindens  einher¬ 
gehen,  operiert  er  sofort  oder  redet  wenigstens  energisch  zu.  _  Auf 
Widerstand  bei  dem  Publikum  ist  er  bei  dem  ihm  reichlich  bisher 
zu  Gebote  gestandenen  Material  nur  selten  gestossen. 

2)  O.  Minkowski -Köln:  Ueber  die  Umwandlung  der 
Purinkörper  im  Organismus. 

Bemerkungen  zur  Pathologie  der  Harnsäure.  Zu  einem  kur¬ 
zen  Referat  nicht  geeignet. 

3)  A.  B  i  c  k  e  1  -  Göttingen:  Zur  Lehre  von  der  elektrischen 
Leitfähigkeit  des  menschlichen  Blutserums  bei  Urämie. 

Die  Ergebnisse  der  physikalisch-chemischen  Untersuchungen 
bei  chronischen  Nephritiden  und  insonderheit  bei  der  Urämie  des 
Menschen  stehen  in  gutem  Einklänge  mit  den  Ergebnissen  seiner 
auf  dem  diesjährigen  Kongress  für  innere  Medizin  mitgeteilten  ex¬ 
perimentellen  Untersuchungen.  Bei  der  von  Urämie  _  gefolgten 
chronischen  Nephritis  des  Menschen,  wie  bei  künstlich  durch 
doppelseitige  Nierenexstirpation  urämisch  gemachten  Tieren  finden 
wir,  ■wenn  auch  nicht  in  allen  Fällen,  so  doch  ziemlich  regelmässig, 
eine  beträchtliche  Erhöhung  der  molekularen  Gesamtkonzentration 
des  Blutserums,  zu  deren  Entstehung  eine  abnorme  Anhäufung  von 
gelösten  Elektrolyten,  berechnet  aus  dem  Werte  des  elektrischen 
Leitvermögens,  nicht  notwendig  beitragen  muss. 

4)  R.  Rüge:  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  des  Schwarzwasser¬ 
fiebers. 

Kasuistische  Mitteilung,  welche  zeigen  soll: 

1.  Dass  angeblich  auch  in  diesem  Fall  der  Schwarzwasser¬ 
fieberanfall  von  einer  Chiniugabe  und  zwar  einer  sehr  geringen 
(0,3  subkutan)  ausgelöst  wurde. 

2.  Dass  eine  mit  0,5  g  —  alle  5  Tage  —  regelmässig  durch - 
geführte  Chininprophylaxe  durchaus  nicht  immer  imstande  sei, 
die  Disposition  zu  Schwarz  Wasserfieber  zu  beseitigen,  dass  viel¬ 
mehr  in  manchen  Fällen  das  Gegenteil  stattzufinden  scheine. 

3.  Dass  Chininklystiere  in  der  von  Kleine  angegebenen  Art 
und  Weise  (das  Chinin  in  100  ccm  warmem  Wasser  gelöst  und 
in  entsprechender  Weise  mit  Opiumtinktur  versetzt)  auch  auf  die 
Dauer  gut  vertragen  werden  und  deshalb  bei  der  Durchführung 
einer  regelmässigen  Chininprophylaxe  mit  verwendet  werden 
können. 

4.  Dass  wir  vielleicht  imstande  sind,  das  drohende  Schwarz¬ 
wasserfieber,  das  sich  sonst  durch  keinerlei  klinische  Anzeichen 
verrät,  durch  den  Blutbefund  zu  erkennen. 

5)  C.  W.  S  c  hl  ay  er -Berlin:  Beitrag  zur  Kasuistik  der 
Malaria  und  des  Schwarzwasserfiebers. 

Der  Fall  betraf  einen  37  Jahre  alten  Kapitänleutnant,  wel¬ 
cher  während  seines  10  monatlichen  Aufenthaltes  in  Afrika  durch 
die  Prophylaxe  völlig  fieberfrei  blieb,  nach  Aussetzen  der  bisher 
gebrauchten  Chinindosen  bei  seiner  Rückkehr  in  die  Heimat  in 
Berlin  sein  Malariaerstlingsfieber  durchmachte.  Der  Anfall  be¬ 
gann  mit  ausgesprochenem  Tertianatypus,  welcher  später  in  die 
Febris  tropica  überging  und  durch  Hämoglobinurie  kompliziert 
wurde. 

G)  J.  Goldschmidt  -  Paris:  Malaria  und  Karzinom. 

Dien  von  F.  Loeffle  r  in  No.  42,  1901  der  Deutsch,  med. 
Woclienschr.  aufgestellten  Hinweis  auf  die  Möglichkeit,  durch 
Malariaimpfung  bei  Karzinom  Heilresultate  zu  erzielen,  sucht  G. 
durch  seine  während  eines  26  jährigen  Aufenthaltes  in  Madeira 
gesammelten  Erfahrungen  zu  entkräften. 

7)  S  t  i  c  h  -  Leipzig:  Ergotinum  Lipsiense  St.  Jakob. 

8)  Dreyer-Köln:  Eine  tragbare  aseptische  Subkutan¬ 
spritze. 


5.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1315 


Die  Vorteile  gegenüber  anderen  sollen  darin  bestehen  dass 
sie  sofort  gebrauchsfähig  ist,  durch  den  dauernden  Kontakt  mit 
der  antiseptischen  Flüssigkeit  steril  bleibt,  so  bequem  wie  jedes 
Spritzenetui  zu  transportieren  ist  und  ihr  Stempel  stets  dicht  bleibt 
Ein  Kosten  der  Nadel  soll  nicht  stattfinden. 

9)  Trenite  -  Haag:  Die  abortive  Behandlung  des  Furun¬ 
kels  (Karbunkel)  mit  Hilfe  subkutaner  Desinfektion. 

Einige  Bemerkungen  zum  gleichnamigen  Aufsatz  B  i  d  d  te  r  s 
in  No.  IS  dieser  Wochenschrift. 

No.  29.  1)  El  sn  er- Berlin:  Ueber  Karbollysofonn. 

Der  Zusammensetzung  nach  besteht  dieses  von  der  Lysoform- 
Gesellschaft  in  den  Handel  gebrachte  neue  Desinfektionsmittel 
auf  100  Teile  aus  G6%  Proz.  Lysoform  und  33%  Proz.  roher  Karbol¬ 
säure.  Ein  Ueberblick  über  alle  angeführten  Versuche  zeigt,  dass 
sich  das  Karbollysofonn  in  der  Tat  als  ein  Desinfektionsmittel 
erwies,  welches  sich  den  äusserst  widerstandsfähigen  Staphylo¬ 
kokken  gegenüber  schon  in  seiner  3  proz.  Lösung  dem  1  proz.  Lysol 
überlegen,  in  seiner  5  proz.  Lösung  der  3  proz.  Karbolsäure  völlig- 
gleichwertig  erwiesen  hat,  ohne  den  üblen  Geruch  des  ersteren  zu 
besitzen  und  die  stark  giftigen  Eigenschaften  mit  der  letzteren  zu 
teilen. 

2)  R.  R  i  e  g  n  e  r  -  Berlin:  Ueber  die  Indikationen  zur  chi¬ 
rurgischen  Behandlung  ulzeröser  Lungenprozesse. 

Die  Resultate  lassen  sich  dahin  zusammenfassen: 

1.  Von  den  ulzerösen  Prozessen  in  der  Lunge  sind  in  erster 
Linie  die  Fälle  von  akuter  bezw.  subakut  verlaufender  Gangrän 
zur  Operation  geeignet.  Die  einfachep  Abszesse  erfordern  meist 
keinen  chirurgischen  Eingriff.  Für  die  chronische  Gangrän, 
Broncliiektasie  und  für  tuberkulöse  Kavernen  ist  die  Aussicht  auf 
Heilung  durch  Pneumotomie  wegen  der  Vielheit  der  Herde  nur 
gering. 

2.  Die  Harndiagnose  ist  für  ein  chirurgisches  Eingreifen  un¬ 
bedingt  erforderlich. 

3.  Auch  ohne  Höhlensymptome  ist  der  Nachweis  einer  Solitär¬ 
gangrän  möglich.  Derselbe  stützt  sich  auf  die  Verbindung  folgen¬ 
der  Punkte: 

a)  Das  Bestehen  einer  zirkumskripten,  womöglich  vom  nor¬ 
malen  Lungenschall  umgebenen  Dämpfung; 

b)  auf  das  in  kurzer  Zeit  erfolgende  Auftreten  aussergewöhn- 
lich  reichlicher  Parenchymfetzen  im  Auswurf; 

c)  auf  das  Röntgenogramm,  welches  mit  dem  physikalischen 
Befunde  genau  übereinstimmen  muss. 

3)  E.  E  k  g  r  e  n  -  Stockholm:  Das  Verhalten  der  Leukocyten 
im  menschlichen  Blute  unter  dem  Einfluss  der  Massage. 

Als  Resume  seiner  sehr  übersichtlich  in  verschiedenen 
Tabellen  zusammengestellten  Untersuchungen  lässt  sich  kon¬ 
statieren,  dass  bei  der  Massage,  sei  es  allgemeiner  oder  abdomineller, 
eine  recht  erhebliche  Vermehrung  der  multinukleären  Leukocyten 
nach  einer  der  Körperperipherie  entnommenen  Blutprobe  erzeugt 
wird.  Ob  dies  auf  einer  wirklichen  Vermehrung  oder  nur  auf  einer 
veränderten  Verteilung  der  Leukocyten  zu  Gunsten  der  Peripherie 
beruht,  wie  es  Rieder  und  Winternitz  bei  anderweitig  er¬ 
zeugter  Leukocytose  behauptet  haben,  will  E.  vorerst  noch  dahin¬ 
gestellt  sein  lassen,  doch  ist  er  geneigt,  der  Ansicht  der  bei¬ 
den  genannten  Autoren  beizutreten. 

4)  Herzog-Mainz:  Ein  Fall  von  gonorrhoischer  Rücken¬ 
markserkrankung  mit  seltener  Lokalisation. 

Kasuistische  Mitteilung.  Nach  einem  im  Mainzer  medizini¬ 
schen  Verein  am  26.  November  1901  gehaltenen  Vortrag. 

5)  0.  L.  K  1  o  t  z  -  Dresden:  Endokarditis  septica,  geheilt 
durch  intravenöse  Silberinjektion. 

Kasuistische  Mitteilung. 

6)  Z  a  n  k  e  -  Gollantsch:  Perforation  oder  Kaiserschnitt. 

7)  H.  Euphrat-  W eissensee-Berlin:  Fettembolie  nach 
Oberschenkelhalsbruch  als  plötzliche  Todesursache  während  der 
Chloroformnarkose. 

8)  Fr  icke:  Ein  Fall  von  akutem  Entstehen  und  Ver¬ 
schwinden  eines  Kropfes. 

9)  F.  T  i  c  h  y  -  Orlau  (östen\  Schlesien):  Chlorkalklösung  als 
Antiseptikum  bei  den  Brandwunden. 

Die  Vorschrift  für  die  Lösung  ist: 

Rp. :  Calcar.  liypochloros.  2,40—5,00 
Aquae  destill.  990,00 

Solve,  filtra  et  adde 
Spirit,  camphor.  5,00 

DS.  zu  Umschlägen. 

M.  Lache  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  30.  1)  F.  Alt:  Ueber  Störungen  des  musikalischen  Ge¬ 
hörs.  (Schluss  folgt.) 

2)  W.  Schlesinger-Wien:  Ueber  einige  ursächliche  Be¬ 
dingungen  für  das  Zustandekommen  der  alimentären  Glykosurie 
(e  saccharo). 

Die  Versuche  an  normalen  Hunden  ergaben,  dass  grosse  Tiere 
erst  nach  unverhältnismässig  grösserer  Dosis  von  Traubenzucker 
Glykosurie  zeigen,  als  kleine.  Lävulosurie  kann  bei  Hunden  schon 
mit  kleinen  Mengen  Lävulose  hervorgerufen  werden.  Bei  Unter¬ 
bindung  des  Duct.  thoi’acicus  trat  niemals  spontane  Glykosurie 
ein,  auch  blieb  zunächst  die  Erhöhung  der  Assimilationsgrenze 
aus,  während  nach  einigen  Wochen  eine  alimentäre  Glykosurie 


überhaupt  nicht  mehr  hervorgerufen  werden  konnte.  Opium¬ 
zusatz  setzte  die  Zuckerausscheidung  herab.  Die  Untersuchungen 
bewiesen,  dass  beim  Normalen  Uebertritt  von  Zucker  in  den  Harn, 
zumal  nach  Dextrosezufuhr,  bloss  auf  dem  Wege  rascher  Re¬ 
sorption  durch  den  Duct.  tlioracicus  zu  stände  kommt.  Unter¬ 
bindung  des  Duct.  choledochus  rief  stets  eine  beträchtliche  Herab¬ 
setzung  der  Assimilationsgrenze  hervor,  wofür  eine  Erklärung 
noch  nicht  ganz  sicher  gegeben  werden  kann.  In  den  Fällen,  wo 
Verfasser  am  Menschen  eine  geringe  oder  unregelmässige,  nicht 
steigerungsfähige  alimentäre  Glykosurie  fand,  kann  ihr  Entstehen 
durch  raschere  Resorption  von  Zucker  auf  dem  Wege  des  Duct. 
tlioracicus  ohne  weiteres  erklärt  werden.  Bei  Leberkranken  hat 
S.  nach  100  g  Traubenzucker  eine  Zuckerausscheidung  im  Harn 
meist  vermisst.  Es  scheint,  dass  dann,  wenn  bei  einer  Schädigung 
6m  Leber  ein  echter  Diabetes  entstehen  soll,  noch  ein  weiterer 
I  aktor  hinzutreten  muss,  wie  die  angeborene  Schwäche  des 
Zuckerstoffwechsels. 

5)  M.  Oppenheim  -  Wien:  Zur  Frage  der  Pigmentbildung 
aus  Tyrosin. 

Nicht  pigmentierte  Haare  nehmen  in  einer  gesättigten  Tyrosin¬ 
lösung,  welche  mit  H202  versetzt  wurde,  eine  gelbe  bis  braune 
Färbung  an.  Auch  wird  unpigmentierte  menschliche  Haut  in 
einer  solchen  Lösung  an  der  Epidermis  braun  gefärbt. 

4)  E.  Duf  f  elc  -  Cilli:  Distomum  hepaticum  beim  Menschen. 

Kasuistische  Mitteilung,  eine  20  jährige  Kellnerin  betreffend. 
Es  handelte  sich  um  eine  Distomatosis  der  Leber,  verbunden  mit 
chronischer  eitriger  und  ulzeröser  Cholecystitis,  eitriger  Cholangitis 
mit  Erweiterung  der  Gallengänge  und  zahlreichen  kleineren  Ab¬ 
szessen  der  Leber.  Grassmann  -  München. 

Italienische  Literatur. 

Zum  Thema:  Karzinom  und  Malaria  antwortet  Rocco  Gen- 
t  i  1  e  (Gazzetta  degli  ospedali  No.  37)  auf  die  Umfrage  an  Aerzte, 
die  in  Malaria gegenden  praktizieren:  Auf  Grund  meiner  Erfah¬ 
rungen  muss  ich  behaupten,  dass  der  Krebs  in  Malaria¬ 
gegenden  häufiger  ist  als  in  malariaimmunen 
und  dass  der  Verlauf  der  Krebserkrankung  bei 
malariakranken  Individuen  ein  ungünstigerer 
und  schnellerer  ist. 

h erruccio  Schupfe r:  Zur  Pathogenese  der  Malarianeuri¬ 
tiden  und  der  bei  Malaria  auftretenden  Störungen  des  Nerven¬ 
systems. 

In  einer  längeren  Abhandlung  (II  policlinico  1902  sezdone  me- 
dica,  fase.  4  u.  5)  erörtert  auf  Grund  einer  reichen  Erfahrung  der  Kli¬ 
niker  Roms  das  oben  angedeutete  Thema.  Wenn  es  auch  als  fest¬ 
stehend  betrachtet  werden  muss,  dass  die  grössere  Anzahl  von 
Nervenstörungen  durch  Zirkulationsstörung  und  durch  Toxin¬ 
wirkung  zu  stände  kommt,  so  ist  doch  auch  dem  Chinin 
eine  Bedeutung  in  der  Pathogenese  dieser  Stö¬ 
rungen  zuzusprechen  und  insofern  ist  eine  Analogie  mit 
der  Hämoglobinuria  malarica  nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  In¬ 
wieweit  aber  das  Chinin  als  ursächliches  Moment  in  einzelnen 
Fällen  in  Frage  kommt,  das  zu  entscheiden,  bleibt  immer  noch 
weiteren  Studien  Vorbehalten. 

Das  ganze  nervöse  Phänomen,  welches  am  meisten  geeignet 
ist,  differentialdiagnostische  Unterscheidung  zu  treffen,  ist  die 
Malariaamaurose.  Ist  dieselbe  allein  der  Malaria  und  ihren  To¬ 
xinen  zur  Last  zu  legen,  so  iiussert  sich  dies  durch  Gefässzer- 
reissungen  und  durch  Hyperämie,  während  die  durch  Chinin 
herbeigeführte  Amaurose  die  Erscheinungen  der  Ischämie  der 
Retina  bietet.  In  analoger  Weise  dürften  die  durch  Chinin  be¬ 
dingten  Erscheinungen  im  Zentralnervensystem  auf  Ischämie  be¬ 
ruhen. 

Finotti  und  Tedeschi:  Ueber  Beziehungen  zwischen 
Pellagra  und  Addison  scher  Krankheit  veröffentlichen  die 
Autoren  (Rif.  med.  1902,  No.  96)  interessante  Befunde.  Fast  immer 
soll  sich  in  Pellagraleichen  die  Nebenniere  chronisch  entzündlich 
verändert  finden  und  namentlich  auf  Kosten  der  Nervenelemente 
dieses  Organs.  Zu  diesen  Untersuchungen  wurden  sie  veranlasst 
durch  einen  Kranken,  bei  welchem  die  Differentialdiagnose  zwi¬ 
schen  diesen  beiden  Affektionen  unmöglich  erschien  und  die 
Sektion  ausser  Verdünnung  der  Darmwände  tiefe  Veränderungen 
in  den  Nebennieren  ergab.  Bereits  früher  hat  ein  italienischer 
Autor  Carrar oli  auf  die  Veränderung  der  Nebennieren  bei 
Pellagra  hingewiesen  und  in  ihnen  Knötchen  beobachtet,  welche 
den  spezifischen  Organismus  der  Pellagra  enthalten  sollten. 

Brunazzi:  Tetanie  und  Gastrosukkorrhoe.  (Gazzetta  degli 
ospedali  1902,  No.  42.) 

Ueber  Tetanie  bei  Gastropatliie  machte  im  Jahre  1861  zuerst 
N  e  u  m  a  n  n  Mitteilung;  aber  der  erste,  welcher  sie  zur  mo¬ 
torischen  Insuffizienz  des  Magens  in  Beziehung  brachte,  war 
Kussmaul  im  Jahre  1869.  Nach  ihm  folgen  eine  Anzahl  fran¬ 
zösischer  und  italienischer  Autoren.  In  Summa  sind  etwas  über 
50  Fälle  in  der  Literatur  bekannt  geworden,  denen  B.  einen  neuen 
anreiht.  Die  Krampfanfälle  betrafen  nur  die  oberen  Glieder  und 
das  Gesicht,  bestanden  in  intermittierenden  Kontraktionen  der 
Armmuskulatur,  Trismus,  beiderseitigem  Spasmus  des  Orbieularis 
orbitae  und  leichtem  Strabismus.  Die  Sprache  war  erschwert, 
die  Anfälle  waren  nicht,  schmerzhaft. 

Die  Behandlung  des  Magenleidens  brachte  schnelle  Heilung 
der  Tetanie. 


MTJEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1316 


Was  den  ursächlichen  Zusammenhang  dieser  Tetanie  mit  dem 
Magenleiden  anbelangt,  so  suchte  Kuss  m  a  u  1  die  Ursache  in 
der  Wasserentziehung,  von  welcher  der  Organismus  betroffen  wird; 
andere  erklärten  die  Tetanie  für  ein  Reflexphänomen,  von  den 
Magennerven  ausgehend.  B  o  u  c  li  a  r  d  sieht  die  U  r  s  a  c  li  e 
in  einer  vom  Magen  ausgehe  n  den  Autointoxi¬ 
kation.  Dieser  letzteren  Anschauung  neigt  sich  auch  der  Autor  zu 
und  führt  zur  Begründung  das  Auftreten  einer  Albuminurie  und 
die  schnelle  Besserung  aller  Symptome  nach  Milchdiät  an. 

Cafiero:  Experimentelle  Untersuchungen  über  den 

Selbstschutz  der  Organe  gegen  toxische  Agentien.  (11  Morgagni, 
März  1902.) 

Jüngst  wurde  von  Ricli  et  und  Toulouse  eine  neue 
Behandlung  der  Epilepsie  in  die  klinische 
Praxis  eingeführt,  welche  sie  die  nietatrophi¬ 
sche  nannten.  Dieselbe  beruht  auf  der  Einverleibung  von 
Bromsalzen  nach  vorheriger  Kochsalzentziehung  und  geht  von  der 
Erwägung  aus,  dass  die  Organzellen  des  menschlichen  Körpers 
im  Blute  das  Kochsalz  finden,  dessen  sie  zu  ihrer  Existenz  be¬ 
dürfen,  und  zwar  im  normalen  (! — 7  g  pro  Eiter.  Unter  diesen 
Umständen  ist  die  Affinität  der  Zellen  für  andere  im  Blute  krei¬ 
sende  Salze  nur  eine  niedrige.  Wenn  aber  das  Kochsalz  im  Blute 
fehlt  oder  der  Gehalt  des  Blutes  an  demselben  geringer  wird, 
dann  haben  die  Zellen  die  Tendenz,  in  höherem  Masse  Salze, 
welche  das  fehlende  Chloruatrium  in  gewisser  Beziehung  ersetzen, 
so  die  Bromsalze,  festzuhalten. 

C.  beweist  in  obigen  Experimentaluntersuchungen,  welche 
er  in  der  Klinik  Neapels  anstellte,  die  Berechtigung  der  Anschau¬ 
ung,  welche  dieser  metatropliischen  Therapie  zu  Grunde  liegt. 

Hauptsächlich  aber  ist  der  Zweck  der  obigen  Experimente 
der,  den  Beweis  zu  liefern,  dass  frische  Zellen  wie  fri¬ 
scher  Organsaft  die  toxischen  Eigenschaften 
der  meisten  Gifte  herabsetzend  beeinflusse  n. 
Diese  schützende  Eigenschaft  beruht  nicht  auf  mechanischen  Ein¬ 
flüssen,  sondern  sie  ist  als  eine  biologische  Eigenschaft  der  Zelle 
aufzufassen,  bei  welcher  Affinitäten  und  Prädilektionen  gewisser 
Zellapparate  eine  Rolle  spielen  können. 

Barbiani  berichtet  (Giornale  Ital.  delle  malattie  veneree 
e  della  pelle  1902,  fase.  I)  über  einen  Fall  von  Gonokokkämie, 
einen  30  jährigen  Diabetiker  betreffend. 

In  einigen  seltenen  Fällen,  so  deduziert  B.,  gelingt  es  dem 
Gonococcus  Neisser,  ins  Blut  zu  gelangen  und  nach  Art  einer 
Pyämie  den  ganzen  Blutstrom  zu  infizieren.  Diese  Tatsache  ist 
durch  eine  ganze  Reihe  von  Autoren  bestätigt.  Im  vorliegenden 
Falle  kam  es  schnell  zu  Polyarthritis  mit  einem  ausgebreiteten 
polymorphen,  exsudativen  Erythem,  begleitet  von  Milztumor, 
Fieber,  Adynamie,  Albuminurie.  Die  bakteriologische  Unter¬ 
suchung  ergab  am  7.  Tage  nach  Auftreten  dieser  Krankheits¬ 
erscheinungen  die  Anwesenheit  von  Gonokokken  im  Blute. 

Wenn  es  manchen  Autoren  in  ähnlichen  Fällen  nicht  gelungen 
ist,  den  Infektionsträger  im  Blute  nachzuweisen,  so  hängt  dies 
von  der  Schwierigkeit,  den  Pilz  aus  dem  Blute  zu  züchten,  ab. 
Besonders  wichtig  ist  es,  nicht  zu  wenig  Blut 
zur  Untersuchung  z  u  v  erwe  n  den:  eine  Entnahme  per 
Platinnadel  genügt  nicht,  sondern  Entnahme  mit  einer  Pipette  ist 
nötig. 

T  o  m  a  s  e  1 1  i  liefert  einen  Beitrag  zur  Behandlung  des 
Morbus  Basedow  mit  Sympathektomie.  (Gazzetta  degli  ospedali 
1902,  No.  42.) 

Er  erörtert  die  Geschichte  dieses  operativen  Eingriffs.  Von 
57  Fällen  seien  11  vollständige  und  dauernde  Heilungen  notiert 
und  30  erhebliche  Besserungen,  kein  direkt  der  Operation  zuzu¬ 
schreibender  Todesfall.  Immerhin  ist  in  Bezug  auf  die  Technik 
zu  bemerken,  dass  die  Gefässdilatation,  durch  Sympatliikusläh- 
uiung  herbeigeführt,  der  Operation  erhebliche  Schwierigkeiten 
bieten  kann,  desgleichen  können  Störungen  der  Herztätigkeit  be¬ 
drohlich  werden.  T.  unterscheidet  2  Formen  von  Basedowkrank¬ 
heiten.  Die  eine  ist  reflektorischer  Natur  und  hier  können  die 
verschiedensten  inneren  und  chirurgischen  Kuren  Besserung  und 
Heilung  bringen,  die  andere  kann  mit  materiellen  Veränderungen 
des  sympathischen  Nervengefleclits  Zusammenhängen. 

Nur  in  den  Fällen  hochgradiger  und  fortschreitender  Art,  in 
welchen  jede  andere  Kur  sich  als  vergeblich  erwies,  ist  die  Ex¬ 
zision  des  Sympathikus  indiziert,  i.  e.  die  Entfernung  des  nervösen 
Organs,  durch  dessen  Vermittlung  die  Störungen  des  Krankheits¬ 
prozesses  zu  Stande  kommen. 

T.  plädiert  für  die  ausgedehnte  partielle  Resektion  des  Sym¬ 
pathikus,  welche  das  unterste  Ganglion  intakt  lässt.  Er  beschreibt 
einen  rapide  fortschreitenden  Fall,  in  welchem  der  Exophthalmus 
zu  bedrohlichen  Erscheinungen  an  beiden  Augen  durch  ülzeration 
der  Kornea  geführt  hatte  und  wo  durch  die  Exstirpation  des  Sym¬ 
pathikus  ein  befriedigendes  Ergebnis  erzielt  wurde. 

Nardi:  Ueber  subkortikale  reine  Aphasie. 

Eine  subkortikale  oder  reine  Form  von 
Aphasie  im  Gegensatz  zur  motorischen  korti¬ 
kalen  Aphasie  w  u  rde  als  k  1  i  n  i  s  c  lie  Form  zuerst 
v  on  L  i  c  h  t  h  e  i  m,  d  a  r  nach  auch  von  Charcot  auf¬ 
gestellt.  Dejerine  differenzierte  sie  klinisch  genau  im 
Jahre  1891.  Sie  ist  charakterisiert  dadurch,  dass  ihr  Auftreten 
ein  leichtes  und  ihr  Verlauf  ein  schnellerer  ist. 

N.  teilt  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  45)  einen  Fall  mit, 
welcher  auf  Embolie  nach  abgelaufener  Endokarditis  beruhte. 


Derselbe  charakterisierte  sich  als  Aphasie  ohne  Worttaubheit  und 
Wortblindheit,  ohne  Agrapliie  und  Alexie.  Ferner  keinerlei  Parese, 
keine  Paralyse  des  Fazialis  und  der  Extremitäten,  die  Zunge  nach 
jeder  Richtung  beweglich,  Sensibilität  und  Reflexe  normal.  Es 
handelt  sich  also  um  Verstopfung  eines  der  kleinen  Aeste  der 
Arteria  fossae  Sylvii,  welche  ohne  Verästelung  die  graue  Sub¬ 
stanz  durchdringen,  um  sich  in  der  Marksubstanz  zu  verästeln. 

Die  Herstellung  kann  in  diesen  Fällen  im  Gegensatz  zur  mo¬ 
torischen  kortikalen  Aphasie  eine  schnelle  und  vollständige  sein. 

S  i  1  v  e  s  t  r  i:  Ueber  die  blutstillende  Wirkung  des  Kalziums 
und  der  Kalksalze.  (Gazzetta  degli  ospedali  1901,  No.  39.) 

Anstatt  der  Gelatineinjektionen,  welche  in  der  gewöhnlichen 
Praxis  unbequem,  im  übrigen  wegen  der  möglichen  Verunreinigung 
der  käuflichen  Gelatine  mit  Tetanusbazillen  auch  nicht  ungefähr¬ 
lich  sind,  empfiehlt  S.  die  intravenöse  Injektion  von  1  proz.  Chlor¬ 
kalziumlösung  (100—150  ccm).  Die  Wirkung  soll  eine  sehr  prompte 
sein.  Auch  in  vitro  ist  sie  zu  demonstrieren.  Nach  den  Angaben 
8.s  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Gelatineinjektionen  ihre  blut 
stillende  Wirkung  dem  Kalkgehalte  der  Gelatine  verdanken;  der¬ 
selbe  soll  0,00  Proz.  betragen. 

Cernezzi:  Ueber  Leiomyome  des  Magens.  (II  Morgagni, 

März  1902.) 

Unter  L  e  i  o  m  y  o  m  e  n  des  Magens  versteht  m  a  n 
M  y  o  rn  e  m  i  t  g  1  a  t 1.  e  r  M  u  skulat  u  r,  die  ihren  Ausgangs¬ 
punkt  von  der  Muskularis  des  Magens  nehmen.  Sie  sind  im  ganzen 
selten  beschrieben,  bilden  häufig,  wie  auch  im  vorliegenden  Falle, 
einen  zufälligen  Fund  bei  Obduktionen,  noch  seltener  werden  sie 
Gegenstand  chirurgischer  Eingriffe  dann,  wenn  sie  gestielt  sind, 
und  zufolge  dieses  Umstandes  oder  ihres  Wachstums  Okklusions¬ 
erscheinungen  veranlassen. 

C.  gibt  eine  erschöpfende  Abhandlung  über  die  Statistik  und 
unsere  bisherigen  Kenntnisse  dieser  Geschwulstform. 

F  i  o  r  i  -  Pisa  liefert  einen  Beitrag  zur  experimentellen 
Hydrosalpinx  und  zur  Physio-Pathologie  der  Tube  und  des 
Ovariums.  (II  policlinico,  fase.  4  u.  5.) 

Durch  künstlichen  Verschluss  beider  Tubenostien,  auch  durch 
den  Verschluss  des  abdominalen  Ostiums  allein  ist  eine  Hydro¬ 
salpinx  ohne  Schwierigkeit  hervorzurufen.  Die  Ligatur  des  Ostium 
uterinuni  allein  bringt  für  gewöhnlich  keine  bemerkenswerte  Ver¬ 
änderung  der  Tube  zu  stände. 

Das  Sekret  trägt  den  Charakter  der  sezeruirenden  Epithel¬ 
zellen;  man  braucht  zur  Erklärung  des  Zustandekommens  des¬ 
selben  keine  Zirkulationsstörungen,  auch  keinen  katarrhalischen 
Prozess  anzunehmen. 

Das  betroffene  Ovarium  zeigt  Bindegewebswucherung  und  re¬ 
flektorisch  Ernährungsstörungen  in  den  Follikeln  bis  zur  liydro- 
pisclien  1  legeneration. 

IM  o  n  t  i  n  i  liefert  einen  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Pleuritis 
biliariß.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  45.) 

Bei  Krankheiten  der  Gallenblase  und  des  Peritonealüberzuges 
der  Leber  können  Infektionsträger  direkt  durch  das  Diaphragma 
hindurch  oder  auf  den  Wegen  der  Lympligefässe  die  Veranlassung 
zur  Entstehung  einer  serös  fibrinösen  Pleuritis  werden.  Die  Pro¬ 
gnose  dieser  letzteren  richtet  sich  wesentlich  nach  der  primären 
Affektion.  Hager-  Magdeburg-N. 

Unfallheilkunde. 

(Schluss.) 

Trof.  S  e  v  d  e  1- Königsberg:  3  Fälle  von  versuchter  Täu¬ 
schung  durch  Selbstmord.  (Aerztl.  Sachverständigenztg.  1902, 
No.  9.) 

Die  Erfahrungen  in  diesen  3  Fällen  veranlassen  S.,  den  Ver¬ 
sicherungsgesellschaften  folgende  dringliche  Forderungen  zu  pro- 
ponieren: 

Es  muss  in  jedem  Falle  plötzlichen  oder  unnatürlichen  Todes 
den  Gesellschaften  gestattet  werden,  durch  zuverlässige  Ver¬ 
trauensärzte  die  Oeffnung  der  Leiche  sofort  auszuführen.  In 
erster  Linie  sind  dazu  zwar  die  beamteten  Kreisärzte  liiuzu- 
zuziehen,  sobald  die  Gesellschaften  aber  eine  bakteriologisch  und 
toxikologisch  ausgebildete  Person  damit  beauftragen,  sollen  die 
Behörden  die  Erlaubnis  nicht  verweigern.  Verweigerung  der  Sek¬ 
tion  von  Seiten  der  Erben  ist  gleichbedeutend  mit  Verzicht  auf 
die  Versicherungssumme,  wie  es  bei  der  Unfallgesetzgebung  für 
Rentengewährung  an  Hinterbliebene  Prinzip  ist. 

H.  Kühn-  Hoya  a.  W.:  Das  Trauma  in  seiner  ätiologischen 
Bedeutung  im  allgemeinen  und  für  den  akuten  Gelenkrheuma- 

•  tismus  im  besonderen.  (Ibid.) 

Ein  bis  dahin  gesunder,  jedenfalls  nicht  rheumatisch  ver¬ 
anlagter  Mann  erlitt  nach  eben  erfolgtem,  noch  nicht  einmal  ganz 
überstandenen  kurzen  Kranksein  an  Erkältung  eine  Arerstauchung 
des  Fussgelenkes,  an  die  sich  in  fast  unmittelbarem  Anschluss 
ein  typischer  Gelenkrheumatismus  mit  Endokarditis  anschloss. 
Arerfasser  kommt  bei  Beurteilung  dieses  traumatischen  Gelenk¬ 
rheumatismus  zu  folgenden  Schlussätzen: 

I.  Neben  den  gewöhnlichen  Ursachen  des  akuten  Gelenk¬ 
rheumatismus  tritt  die  ätiologische  Bedeutung  des  Traumas  für 
sich  ganz  allein  wesentlich  zurück  und  ist  sicher  äusserst  selten, 
wenn  auch  anscheinend  sicher  vorhanden. 

2.  Bei  vorhandener  zeitlicher  und  örtlicher  Disposition  kann 
das  Trauma  entschieden  erhöhte  ätiologische  Bedeutung  als  mit¬ 
wirkende  Ursache  erlangen. 


5.  August  1902. 


MUENCHFNER  MFDTCINTSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1317 


viel 

für 

Die 

Be- 


3.  In  der  Erkenntnis,  dass  die  angebliche  traumatische  Ent¬ 
stehung  des  akuten  Gelenkrheumatismus  nicht  die  Regel,  sondern 
(>ine  seltene  Ausnahme  ist,  ist  in  jedem  konkreten  Fall  ein  mög¬ 
lichst  genauer  Nachweis  zu  führen,  warum  hier  die  Ausnahme 
stattfindet,  unter  eingehender  Berücksichtigung  aller  eventuell 
wichtigen  Momente. 

r.  S  t  o  Iper- Breslau:  Die  neueren  Arbeiten  über  trauma¬ 
tische  Erkrankungen  der  Wirbelsäule.  (Aerztl.  Sachverständi-mn- 
zeitg.  1902.  No.  8  u.  9.) 

Eingehender  Sammelbericht  des  auf  diesem  Gebiet  besonders 
erfahrenen  Autors. 

ltadtke:  Neuere  Rechtssprüche  des  Reichsversicherungs¬ 
amtes  über  die  Bemessung  der  Unfallrente  bei  schon  vor  dem 
Unfall  verminderter  Erwerbsfähigkeit.  (Aerztl.  SachverständDen- 
zeitg.  1902.  No.  11.)  ö 

Die  Notwendigkeit  der  Ausführungen  des  Yerf.  in  einem 
früheren  Artikel  (ref.  Münch,  med.  Woclienschr.  1902,  p.  809),  dass 
nämlich  der  die  Teilrente  bestimmende  Grad  der  Einbusse  an  Er¬ 
werbsfähigkeit  nicht  in  Prozenten  einer  normalen  Erwerbsfähig¬ 
keil,  sondern  in  denjenigen  der  zur  Zeit  des  Unfalls  vorhandenen, 
individuellen  Erwerbsfähigkeit  des  Verletzten  zu  schätzen  ist,  hat 
in  mehreren  neuen  Rekursentscheidungen  des  R.-Y.-A.,  insbeson¬ 
dere  in  solchen  vom  19.  und  22.  März  1902,  ihre  Bestätigung' ge¬ 
funden.  Den  Anlass  zur  Hervorhebung  dieser  gesetzlichen  Auf¬ 
fassung  hatte  in  jenen  Entscheidungen  der  höchsten  Instanz  der 
der  Praxis,  insbesondere  auch  der  ärztlichen  Begutachtung 
Schwierigkeiten  bereitende  Fall  des  Vorhandenseins  älterer 
die  Arbeitsfähigkeit  nachteiliger  Körperschäden  geboten, 
ärztlichen  Sachverständigen  hatten  wegen  solcher  Leiden  eine 
einträehtigung  der  Erwerbsfähigkeit  um  einen  gewissen  Prozent¬ 
satz  angenommen,  die  Folgen  des  Unfalls  mit  einer  in  Prozent¬ 
ziffern  ausgedrückten,  weiteren  Minderung  der  Erwerbsfähigkeit 
bewertet  und  die  Summe  beider  als  den  gesamten  bisherigen  Ver¬ 
lust  bezw.  den  Unterschied  zwischen  dieser  Zahl  und  100  als  das 
Mass  der  verbliebenen  Erwerbsfähigkeit  bezeichnet.  Sie  hatten 
also  die  Schätzung  durchweg  in  Normalprozenten  vorgenommen. 

Das  R.-Y.-A.  spricht  aber  mit  Bezug  hierauf  bestimmt  aus, 
dass  eine  Benachteiligung  der  Berufsgenossenschaft  bei  Berech¬ 
nung  der  Einbusse  in  Prozenten  der  individuellen  letzten  Erwerbs¬ 
fähigkeit  im  Falle  einer  damals  bereits  vorhandenen  Gebrechlich¬ 
keit  des  A  erletzten  keinesfalls  eintrete,  selbst  wenn  bei  Ermitt¬ 
lung  der  Prozentziffer,  wie  notwendig  sei,  in  Betracht  gezogen 
werde,  (lass  die  Folgen  des  Unfalls  auf  einen  schon  erkrankten 
und  geschwächten  Körper  schwerer  wirkten  und  die  Erwerbsfähig¬ 
keit  deshalb  mehr  beeinträchtigten  als  dies  bei  bei  einem  vorher 
noch  im  wesentlichen  gesunden  Menschen  der  Fall  sei.  Denn  das 
Mass  der  Beeinträchtigung  an  Erwerbsfähigkeit,  welche  schon  vor 
dem  Unfall  vorhanden  gewesen,  komme  in  dem  verhältnismässig 
geminderten  Arbeitsverdienst,  welcher  der  Rentenberechnung  zu 
Grunde  gelegt  wird,  zur  Anrechnung,  könne  also  nicht  nochmals 
in  dem  Prozentsatz  der  Vollrente,  welche  dem  Masse  der  Einbusse 
an  früherer  Erwerbsfähigkeit  zu  entsprechen  habe,  in  Anrechnung 
kommen. 

Dem  Wunsche  des  R.-Y.-A.,  dass  bereits  die  grundlegende 
Schatzung  unmittelbar  in  Prozenten  der  individuellen,  vor 
dem  Unfälle  letzten  Erwerbsfähigkeit  erfolge,  wird  man  sich  des¬ 
halb  anschliessen  müssen,  weil  dadurch  allein  die  vom  Gesetz  ge¬ 
wollte  Berücksichtigung  der  individuellen  Verhältnisse  bei  der 
Entscheidungsfeststellung  erreicht  und  die  Gefahr  einer  Verstei¬ 
nerung  der  Rechtsprechung  vermieden  wird,  die  bei  der  Schätzung 
m  Normalprozenten  trotz  scheinbarer  Gleichmässigkeit  zu  Un¬ 
gerechtigkeiten  im  einzelnen  führen  muss,  wenn  dadurch  auch 
die  Arbeit  für  den  mit  der  Begutachtung  betrauten  ärztlichen  Sach¬ 
verständigen  zweifellos  erschwert  wird,  schon  deshalb,  weil  er 
mcht  die  durch  die  Praxis  herausgebildete  Gebrechentaxe  unver¬ 
ändert  benutzen  kann. 

,  ,  E'  8  c  h  ä  f  fer-  Bingen:  Ueber  subkutane  Muskelrisse  und 
deren  Folgezustände  nebst  Bemerkungen  über  die  Aetiologie  der 
-Uupuytren  sehen  Strangkontraktur.  (Vierteljahrssehr  f  ge- 
l-iclitl.  Med.  1902,  H.  2.)  s 

Nach  einleitenden  Bemerkungen  über  das  Vorkommen  der 
m  t km  anen  Muskelrisse  im  allgemeinen  wendet  sich  S.  zur  Frage 
der  Erwerbsbeschränkung  und  konstatiert  auf  Grund  zufälliger 
Befunde  von  Muskelrupturen  (obere  und  untere  Gliedmassen. 
Klicken)  bei  13  von  721  schwer  arbeitenden  Erdarbeitern,  dass 
»ei  unkomplizierten  und  partiellen  Rupturen,  wenigstens  bei  den 
nicht  versicherten  Verletzten,  kaum  nennenswerte  Funktionsstö- 
lmigen  Zurückbleiben;  anders  bei  mit  Luxationen.  Abreissuug  von 
Giioeheiist iicken  etc.  komplizierten  Muskelrissen. 

Was  die  Frage  der  unfallweisen  Entstehung  der  Duptiy- 
i  e  u  sehen  Kontraktur  betrifft,  so  wird  die  neuropatliische  Ge¬ 
nese  (Läsion  des  N.  uluaris)  auf  Grund  eines  Falles  von  2  zeit- 
iich  getrennt  eingetretenen  1  >  u  p  u  y  t  r  e  n  scheu  Kontrakturen 
(rechts-  und  linksseitig)  nach  Bizepsriss,  kompliziert  mit  Sclmlter- 
uxation,  betont.  Schwab-  Neuweissensee-Berlin. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Greifswalder  medizinischer  Verein. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  7.  Juni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Schi  r  m  e  r.  Schriftführer :  Herr  Busse. 

Herr  Heng  ge:  Implantation  des  menschlichen  Eies  im 
Uterus. 

Die  demonstrierten  mikroskopischen  Präparate  zeigen  ein 
menschliches  Ei  aus  dem  Ende  der  ersten  Woche  nach  der  Be¬ 
fruchtung.  Das  Ei  ist  in  der  Schleimhaut  des  Uterus  eingebettet 
nach  der  Art,  wie  Graf  Spee  dies  beim  Meerschweinchen, 
1  eters  beim  Menschen  festgestellt  hat.  Das  Ei  zeirt  eine 
mächtig  entwickelte  Ektoderm-Trophoblastschale,  in  welcher  die 
erste  Entwicklung  der  Chorionzotten  und  intervillösen  Räume  zu 
beobachten  ist.  Rings  um  das  Ovulum  hat  die  Umbildung  der 
Schleimhaut  zur  Decidua  begonnen.  Das  Ei  wurde  bei  einer 
mikroskopischen  Untersuchung  einer  Abrasio  entdeckt.  Eine  <-e- 
liaue  Bearbeitung  wird  in  der  Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und 
Gynä  kologie  erscheinen. 

Diskussion:  Herr  Busse  bestätigt  die  von  Herrn 
Ilengge  geiiusserte  Mutmassung,  dass  die  grossen  einkernigen 
Zellen  in  der  Decidua,  die  sich  durch  ihren  Saftgehalt  auszeichnen 
und  fremdartig  erscheinen,  höchst  wahrscheinlich  nicht  radiär 
auswandernde  Abkömmlinge  des  Chorionepithels  sind,  sondern  von 
der  Decidua  abstammen  und  mit  der  Gefässneubildung  Zusammen¬ 
hängen.  Das  Ei  bezw.  die  umgebende  Uterusschleimhaut  saugt 
gewissermassen  ernährende  Flüssigkeit  mit  grosser  Energie  an. 
Hierdurch  entstehen  ganz  neue  Saftbahnen,  deren  begrenzende 
Zellen  sich  erst  allmählich  zu  Endotlielien  der  gewöhnlichen  Art 
umbilden. 


Herr  Bonnet:  Ueber  die  Plazentarhämatome  bei  der 
Hündin. 

Die  Graviditätshyperämie  in  der  Uterusschleimhaut  ist  als 
eine  durch  nervöse  Einflüsse  unterhaltene  Fortsetzung  der 
Brunsthyperämie  aufzufassen.  Schon  bei  dieser  kommt  es  zu 
Blutungen  in  die  Schleimhaut  und  das  Cavum  uteri,  noch  mehr 
kommen  bei  der  Gravidität  Blutungen  vor,  wechseln  aber'  nach 
Lokalisation  und  form  bei  den  verschiedenen  Raubtieren  und 
treten  als  kleine  intraplazentare  Hämorrhagien,  als  grüner  oder 
brauner  Randsaum  oder  als  wechselnd  grosse  Blutbeutel  auf.  Bei 
der  I  lazentarhildung  werden  nicht  nur  neue  Gefiisse  gebildet 
und  die  alten  verlängert  und  erweitert,  sondern  es  findet  vielmehr 
eine  völlige  Umbildung  der  Arterien  und  Venen  innerhalb  der 
Schleimhaut  statt.  Sie  verlieren  ihre  Muskularis  und  werden 
wahre  Gefässneutra  mit  ganz  dünner  bindegewebiger  Wand. 
Durch  die  Rückbildung  der  Muskulatur  wird  der  Motor  der  Blut¬ 
bewegung  in  dem  sehr  stark  erweiterten  Strombett  der  Plazenta 
in  das  Myo-  und  Mesometrium  zurückverlegt.  Die  Folge  davon 
ist  eine  erhebliche  Verlangsamung  und  förmliche  Stase  der  Zir¬ 
kulation,  ein  starkes  Oedem,  sowie  kleinere  und  grössere  Blu¬ 
tungen  in  die  Plazenta.  Diese  führen  namentlich  an  dem  Pla¬ 
zentarrande  zur  Bildung  des  „grünen  Saumes“.  Fs  ist  ein  zwi¬ 
schen  Plazentar-  und  Chorionoberfläche  gelegenes  Ivoagulum,  wel¬ 
ches  seine  saftgrüne  Farbe  einer  eigentümlichen  Umwandlung 
des  Blutfarbstoffes,  dem  Hümaehlorin  Meckels,  verdankt. 
Hämoglobintropfen,  sowie  Farbstoffe  werden  von  dem  Chorion- 
epithel  aufgenommen  und  liefern  dem  Embryo  das  zur  Blut¬ 
bereitung  nötige  Eisen.  Die  Blutungen  können  daher  als 
„embryotrophischePlazentarh  ii  m  a  t  o  m  e“  bezeich¬ 
net  werden.  (Demonstration  mikroskopischer  Präparate.) 

Herr  Busse:  Demonstration  von  Pockenpräparaten.  Die 
im  Laufe  einer  Pockenepidemie  gewonnenen  makroskopischen 
Präparate,  die  zahlreichen  einfachen  und  stereoskopischen  Photo¬ 
graphien.  mikroskopischen  Schnitte  von  Pocken  in  verschiedenen 
Entwicklungsstadien,  von  Hoden  und  Nebenhoden  mit.  Variola¬ 
herden,  sowie  eine  von  Herrn  K  o  1  b  o  w  -  Berlin  angefertigte,  vor¬ 
zügliche  Moulage  von  dem  Beine  eines  pockenkranken  Kindes 
werden  demonstriert  und  erklärt. 


Biologische  Abtheilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  v  o  m  3.  Juni  1902. 

\  orsitzender :  Herr  Kocht.  Schriftführer:  Herr  Otto. 

Herr  Alsberg  demonstriert  ein  Carcinoma  urethrae  im  Be¬ 
reich  der  Pars  pendula  penis.  Das  Präparat  stammt  von  einem 
48  jährigen  Mann,  der  hei  der  Aufnahme  bereits  ausgedehnte 
Driisenerkraukung  in  beiden  Leisten  zeigte.  Amputatio  penis  und 
Ausräumung  der  Drüsen.  Tod  nach  5  Monaten.  A.  weist  auf  die 
ausserordentliche  Seltenheit  der  Harnröhrenkarzinome  hin,  in  der 


1318 


MUENOHENER  MEDTCINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


No.  31. 


Literatur  hat  er  nur  3  Fülle  im  Bereich  der  Pars  pendula  finden 
können. 

Diskussion:  Herr  F  r  a  enkel  macht  aufmerksam  auf 
das  Missverhältnis  zwischen  der  Grösse  des  Karzinoms  und  der 
Grösse  der  Metastasen.  Dasselbe  ist  nicht  ungewöhnlich.  Die 
Erweicliungsvorgänge  sind  nicht  so  selten,  wie  Herr  A  1  s  b  e  i  g 
meint,  speziell  kommen  sie  bei  Drüsenmetastasen  nach  Portio¬ 
karzinom  keineswegs  selten  vor,  man  sieht  dann  nur  noch  eine 
Kapsel,  in  der  sich  histologisch  Krebsherde  nachweisen.  lassen. 
Das  scheint  eine  Eigentümlichkeit  der  Plattenepitheldrüsenkrebse 
zu  sein,  u.  a.  wird  es  beim  Oesophaguskarzinom  beobachtet. 
Histologisch  zeigen  die  demonstrierten  Präparate  Aehnlichkeit 
mit  den  Zottengeschwülsten  der  Harnblase,  die  maligne  Natur  tritt 
an  den  Schnitten  sowohl  durch  die  Urethra,  als  auch  durch  die 
Drüsen  zu  Tage.  An  der  männlichen  Urethra  treten  Krebse  selten 
auf.  häufiger  an  der  weiblichen,  in  der  Folge  kommt  es  dann  sehr 
frühzeitig  zur  Anschwellung  der  Leistendrüsen. 

Herr  Delbanco  gibt  an  der  Hand  mikroskopischer  Prä¬ 
parate  die  histologischen  Erläuterungen  zu  dem  A  1  s  b  e  r  g' sehen 
Fall.  Die  Diagnose  maligner  Entartung  der  Schleimhaut  der  ab¬ 
leitenden  Harnwege  erfordert  wegen  gewisser  anatomischer  Eigen¬ 
tümlichkeiten  besondere  Vorsicht.  Die  Untersuchung  hat  die  im 
Vergleich  zur  äusseren  Haut  gänzlich  andere  Gestaltung  des  Pa¬ 
pillarkörpers  in  der  Schleimhaut  der  ableitenden  Harnwege  im 
Auge  zu  behalten.  „Feine  bindegewebige  Septen  steigen  in  das 
Epithel  empor,  umgekehrt  wie  bei  der  äusseren  Haut,  wo  die 
Epithelzapfen  in  die  Tiefe  steigen.“  v.  Brunn  hat  für  die 
Schleimhaut  des  Nierenbeckens,  des  Ureters,  der  Harnblase  darauf 
hingewiesen,  dass  die  plattenartigen,  scharf  auslaufenden,  blut¬ 
gefässhaltigen  Bindegewebsleisten,  indem  sie  sich  häufig  mit 
einander  verbinden,  in  der  Flächenansicht  das  Bild  eines  Netzes 
mit  rundlichen  Maschen  zeigen,  in  senkrechten  Schnitten  dagegen 
Papillen  Vortäuschen  können.  Die  nach  ihm  benannten  Epithel¬ 
nester  in  der  Schleimhaut  der  genannten  Gebiete  hat  v.  B  r  u  n  n 
in  besonderer  Weise  von  einer  durch  die  Septen  besorgten  Ab¬ 
schnürung  von  Epithelbezirken  hergeleitet.  Aschof  f  hat  nach¬ 
gewiesen,  dass  die  gesamte  Schleimhaut  der  harnleitenden  Wege 
..die  ansgesprochene  Neigung  zeigt,  durch  stärkere  Ausbildung 
normal  vorhandener  Septen  oder  Neubildung  solcher  und  durch 
brückenartige  Verwachsung  derselben,  andererseits  durch  Epithel¬ 
sprossung  in  das  submuköse  Bindegewebe  zur  Bildung  solidei  odei 
ein  offenes  Lumen  besitzender,  drüsenähnlicher  Gebilde,  selbst 
echter  Drüsen  zu  führen“.  Redner  hat  dann  als  erster  den  Nach¬ 
weis  zu  führen  versucht,  dass  trotz  des  ganz  verschobenen  Bildes 
die  Septen  in  der  Schleimhaut  der  ableitenden  Hamwege  mit  dem 
Papillarkörper  der  äusseren  Haut  völlig  identisch  sind.  Auch  für 
die  äussere  Formgestaltung  der  Schleimhaut  fällt  dem  Epithel 
allein  der  modellierende  Einfluss  zu,  ein  Emporsteigen  von  Binde¬ 
gewebe  in  das  Epithel  findet  nirgends  statt.  Die  gänzlich  ver¬ 
schiedenen  Druckverhältnisse  in  äusserer  Haut  und  Schleimhaut 
bestimmen  die  richtende  Kraft  des  Epithels  und  die  1‘  orm  dei  im 
Bindegewebe  ausgespart  werdenden  Leisten.  Es  geht  aus  dem 
Gesagten  hervor,  wie  Schrägschnitte  trotz  ursprünglich  ein¬ 
schichtigen  Epithels  der  Urethra  nach  der  Seite  reiner  Nester¬ 
bildung  täuschen  können,  bedenkt  man  überdies  die  starke  Falten¬ 
bildung  der  Schleimhaut,  die  Krypten,  die  verschiedenartigen 
eingelagerten  Dräschen.  In  dem  vorgestellten  Falle  aber  ist  kein 
Zweifel,  dass  auf  der  Höhe  der  makroskopisch  imponierenden 
Neubildung  die  tieferen  Schichten  der  Schleimhaut  krebsig  de¬ 
generiert  sind.  Das  Durcheinander  grosser  und  kleiner  Epithe'lien, 
die  Metaplasie  der  Zellen,  die  durch  keinen  Schräg-  oder  Flach- 
sclmitt  zu  erklärende  Unordnung  des  Bildes  werden  in  entscheiden¬ 
dem  Sinne  ergänzt  durch  die  genaue  Betrachtung  der  unteren 
Epithelgrenze.  Kleine  Epithelherde,  oft  nur  von  2  oder  3  Zellen 
gebildet,  schon  völlig  von  elastischen  Fasern  eingeschlossen,  zeigen 
das  Vorrücken  des  Krebses  an.  Grosse  Epithelherde  liegen 
schliesslich  in  weiter  räumlicher  Entfernung  von  der  Oberfläche 
im  Bereich  des  Corpus  cavernosum  urethrae.  Redner  möchte  an¬ 
nehmen.  dass  in  den  Lymphscheiden  der  grösseren  Gefässe  die 
Verbreitung  der  Krebszellen  statthat.  U eberraschend  sind  die 
mikroskopischen  Präparate  der  Lymphdrüseh  der  Leisten.  Von 
eigentlichem  Lymphdrüsengewebe  ist  kaum  etwas  übrig  geblieben. 
Grosse  und  kleine  Nester  von  Epithelien  liegen  eng  nebeneinander, 
umsäumt  von  grossen  ununterbrochenen  Epithelzügen,  welche  die 
Lymphsinus  völlig  ausgefüllt  haben.  In  dem  einen  Schnitt  ist  die 
mit  der  krebsigen  Lymphdrüse  verwachsene  äussere  Haut  mit- 

schnitten;  ein  baldiges  Durchwachsen  derselben  stand  demnach 
bevor.  Die  Quellung  der  Krebszellen,  deren  Weichheit,  sowie  der 
fast  völlige  Untergang  des  Lymphdrüsengewebes  haben  das  von 
Herrn  Alsberg  geschilderte  makroskopische  Verhalten  dei 
1  trüsen  verschuldet. 

Herr  Simmonds:  lieber  metastatisclie  Gastritis  und 
Laryngitis  phlegmonosa. 

Vor  einiger  Zeit  legte  ich  Ihnen  ein  Präparat  von  Gastritis 
phlegmonosa  vor,  die  bei  einem  an  putrider  Bronchitis  und 
Bronchiektasien  leidenden  alten  Manne  sich  entwickelt  hatte  und 
sprach  dabei  die  Vermutung  aus,  dass  die  Infektion  des  Magens 
durch  Verschlucken  streptokokkenhaltigen  Sputums  entstanden 
sein  dürfte.  Bisweilen  aber,  speziell  bei  den  im  Verlauf  der 
Puerperalsepsis  auftretenden  Fällen,  ist  die  Magenphlegmone  als 
metastatischer  Prozess  aufzufassen.  Einen  derartigen  Fall  habe 


ich  vor  wenigen  Tagen  seziert.  Ein  alter  Mann,  der  an  Prostata¬ 
hypertrophie.  schwerer  eitriger  Cystitis  und  eitriger  Epididymitis 
litt  und  bei  dem  auf  dem  Sektionstische  reichlich  Streptokokken 
im  Blut  nachgewiesen  werden  konnten,  war  mit  einer  aus¬ 
gedehnten  eitrigen  Infiltration  der  Magenwand  an  der  Umgebung 
der  Kardia,  längs  der  kleinen  Kurvatur  und  am  Fundus  behaftet. 
Die  Schleimhaut  war  grob  gewulstet,  so  dass  im  ersten  Augen¬ 
blick  ein  diffuses  Karzinom  vorzuliegen  schien.  Auf  dem  Durch¬ 
schnitt  zeigte  sich  die  infiltrierte  Wandung  bis  2  cm  »lick  in  allen 
Schichten,  besonders  aber  in  den  dein  Peritoneum  nächsthegenden 
von  Eiter  durchsetzt,  der  mikroskopisch  massenhaft  Streptokokken 

enthielt.  ,  ,  .. 

Ebenso  wie  die  Gastritis  phlegmonosa  kann  nun  auch  du 
Larvnxplilegmone  gelegentlich  auf  metastatischem  Wege  ent¬ 
stehen.  In  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  liegt,  hier  Hei- 
lich  eine  Lokalinfektion  vor  und  zwei  Präparate,  die  ich  kürzlich 
am  Sektionstische  fand,  gehören  in  diese  Kategorie.  Das  einem»  1 
handelte  es  sich  um  einen  Mann,  der  im  Anschluss  an  ein  Gesichts¬ 
erysipel  eine  Phlegmone  des  Larynx  und  des  Mediastinum  bekam, 
das  anderem al  um  einen  alten  Mann,  der  nach  einer  günstig  ver¬ 
laufenden  Mammakarzinomoperation  an  einer  Pneumonie  zu  Grunde 
ging,  ohne  dass  Erscheinungen  von  Sepsis  Vorlagen.  In  einem  dritten 
Falle  hingegen  lagen  die  Verhältnisse  anders.  Eine  junge  F  i»u 
war  an  Puerperalsepsis  zu  Grunde  gegangen.  Wir  fanden  eine 
diphtheritische  Endometritis,  Eiter  in  den  Venen  des  rechten  Para- 
metrium.  eine  eiterige  Thrombophlebitis  der  rechten  Vena  ovarica. 
und  missfarbige,  bis  in  die  Vena  cava  inferior  reichende  Thromben. 
Hier  fand  sich  eine  eitrige  Infiltration  der  Submukosa  des  Kehl¬ 
kopfeingangs.  ohne  dass  auf  der  Kehlkopf-  oder  Rachenschleim- 
haut  eine  Läsion  wahrnehmbar  war.  In  diesem  wie  in  den  beiden 
anderen  Fällen  von  Larynxplilegmone  fanden  sich  in  dem  In¬ 
filtrat  reichlich  Streptokokken. 

Diskussion:  Herr  Fraenkel  bemerkt,  dass  am  Magen 
einige  Abschnitte  von  der  Erkrankung  freigeblieben  sind.  Wie 
war  die  Verteilung  des  lokalen  Prozesses?  War  das  Peritoneum 
mitbeteiligt  ? 

Herr  Simmonds  erwidert,  dass  im  vorliegenden  Falle  be¬ 
sonders  der  dem  Oesophagus  anliegende  Teil  infiltriert  war,  in  dem 
früheren  Fall  dagegen  der  Pylorusteil. 

An  Schnitten  war  das  Epithel  an  der  stärksten  Infiltration 
noch  gut  erhalten,  die  stärkste  Ansammlung  von  Streptokokken 
befand  sich  unter  der  Serosa.  Das  Peritoneum  war  nur  am  Magen 
beteiligt. 

Herr  Mühlens  hält  seinen  angekündigten  Vortrag:  Die 
bisherigen  Ergebnisse  der  Trypanosomenforschung. 

Nach  einleitenden  historischen  Bemerkungen  über  die  Kennt¬ 
nis  von  Trypanosomen  in  den  verschiedensten  Tieren  (Fischen, 
Fröschen,  Vögeln)  geht  der  Vortragende  auf  die  Schilderung  des 
Trypanosomas  der  Ratte  (Trypanosoma  Lewisi)  näher  ein  und 
demonstriert  insbesondere  den  Entwicklungsvorgang  desselben. 
Die  verschiedenen  Entwicklungsstadien  sind  in  einer  Reihe  von 
nach  künstlicher  Infektion  einer  weissen  Ratte  gewonnenen 
Präparaten  (nach  R  o  m  a  n  o  w  s  k  y  -  N  o  c  h  t  gefärbt)  unter  den 
aufgestellten  Mikroskopen  zu  sehen.  Auch  sind  lebende  Trypano¬ 
somen,  darunter  Entwicklungsformen  eingestellt. 

Die  bisherigen  Kenntnisse  von  Uebertragungsweise,  Patho¬ 
logie,  sowie  Tmmunisierungsversuchen  werden  kurz  erwähnt. 

Sodann  geht  Vortragender  zu  den  durch  Trypanosomen  ver- 
anlassten  schweren  Viehseuchen  über  und  schildert  1.  Tsetse¬ 
fliegenkrankheit  oder  Nagana,  2.  Surra,  3.  Beschälkrankheit  oder 
Dourine  und  endlich  4.  Mal  de  Caderas  nach  Aetiologie,  Epi¬ 
demiologie  und  Pathologie.  Die  kleinen  Unterschiede  zwischen 
den  einzelnen  Krankheiten  und  den  sie  bedingenden  Trypano¬ 
somen  werden  kurz  erwähnt. 

Zum  Schlüsse  erwähnt  Redner  das  auch  in  unseren  Gegenden 
(Oldenburg)  noch  vorkommende  Texasfieber  der  Rinder,  dessen 


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Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  20.  Mai  1902. 

Die  Gelatinediagnose  des  Typhus  und  der  Typhuskeime  ent¬ 
haltenden  Gewässer. 

Chantemesse  hat  im  Juni  1901  eine  Untersucliungs- 
metliode  des  Typhusbazillus  mitgeteilt,  welche  zur  raschen  Erken¬ 
nung  desselben  in  suspekten  Wässern  und  im  Stuhle  der  Kranken 
führt.  Die  Hauptzüge  dieser  Methode  waren,  auf  karbolisiertei 
Niilirgelatine  oberflächliche  Kolonien  zu  erhalten,  sie  in  einem 
mit  Laktose  und  Tournesol  versetzten  Medium  rein  zu  züchten  und 
dann  noch  die  Probe  mit  der  Serumagglutination  zu  machen.  Gä¬ 
hnt  nun  diese  Methode  vereinfacht,  indem  er  unmittelbar  die  Lak¬ 
tose  und  das  Tournesol  der  Karbolgelatine  zusetzte.  Diese  Me¬ 
thode  gibt  schon  in  12  Stunden  sichere  Resultate,  selbst  in  der 


1319 


S.  August  1902.  _ MUENCHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCIIIUET. 


Hand  von  Personen,  welche  mit  der  Bakteriologie  wenig  vertraut 
siud,  man  gebraucht  nur  die  gewöhnlichen  Mittel,  deren  man  sich 
alle  Tage  in  den  Laboratorien  bedient;  die  Methode  erleichtert  in 
hohem  Grade  die  klinische  Diagnose  des  Typhus  und  ermöglicht 
sogar,  Rückfälle  vorauszusehen,  und  eine  sehr  sichere  Unter¬ 
suchung  des  Rückstandes,  welcher  auf  den  Filtern  von  den  suspek¬ 
ten  Wässern  bleibt. 

Zur  Behandlung  der  Blattern. 

Barbary  -  Nizza  hat  8  Falle  von  Blattern  durch  Verbindung 
der  Phototherapie  mit  einer  peinlichen  Methode  lokaler 
und  allgemeiner  Asepsis  und  Antisepsis  behandelt.  Der 
Patient  wird  von  Anfang  an  im  roten  Zimmer,  welches  mit  roten 
\  erhängen  versehen  und  mit  rotem  lucht  beleuchtet  ist,  isoliert. 
Körper  und  Gesucht  werden  2 — 3  mal  täglich  mit  Sublimat  ge¬ 
waschen,  die  befallenen  Partien  mit  einer  Salicyllösung  (Natr. 
salicyl.  5,0,  Aqu.  Laurocer.,  Alkohol,  äa  10,0)  gepinselt  und  jeden 
Morgen  ein  hoher  Einlauf  von  warmer  Borlösung  gegeben;  inner¬ 
lich  gibt  man  2  mal  täglich  Karbolsäuresyrup,  je  nacii  der  Tem¬ 
peratur  Salol  und  bromsaures  Chinin  (saloi  0,z,  Chinin,  bromhydr. 
o,25  pro  Tag  auf  2  mal)  und  alle  2  Stunden  Milch.  Der  Erfolg  war 
ein  vorzüglicher,  in  den  8  Fällen  rasche  Heilung,  rapider  Fieber- 
abfail,  keine  Eiterung,  keine  Komplikationen  und  nach  der  Des¬ 
quamation  keine  Kar  Den  im  Gesichte. 

Das  Chloroform  bei  Herzkranken. 

H  u  c  li  a  r  d  fasste  das  Ergebniss  der  langen,  früheren  Dis¬ 
kussionen  rolgendermassen  zusammen.  Eine  Herzaftektion,  wenn 
sie  nicht  schon  bis  zur  Asystoue  gelangt  ist,  bildet  keine  Kontra¬ 
indikation  der  enioroformnarkose.  Die  Reinheit  des  uinorororms, 
die  Geschicklichkeit  und  ruumerksamkeu  des  ixarkotiseurs  sind 
wichtige  Faktoren  der  Toleranz.  Eine  ausnahmsweis  hochgradige 
Reizbarkeit  des  Chloroformierten  kann  spezielle  Erscnemuhgen  von 
Schock  verursachen,  daher  der  Vorteil,  andere  Mittel  noch  mit  der 
Narkose  zu  verbinden:  Kokainpinselungen,  Morphiunnnjeiuionen. 
Die  Vorzüge  des  Aethers  sind  durchaus  nicht  erwiesen,  jedeiuans 
ist  derselbe  bei  Lungenaffektionen  durchaus  kontraindiziert.  Man 
kann  also  sagen:  wenn  der  Kranke,  wohl  vorbereitet,  einer  sorg¬ 
sam  geführten  und  streng  überwachten  Chloroformnarkose  unter¬ 
worfen  wird,  so  läuft  er  gar  keine  Gefahr. 

Labor  de  erinnert  an  die  physiologischen  Experimente, 
welche  die  Präventivwirkung  einer,  aus  Morphium,  Atropin  und 
Spartein  bestehenden,  titrierten  Mischung  dargetan  haben. 

Le  Dentu  und  Championniere  können  über  keine  Er¬ 
folge  aus  der  Praxis  damit  berichten. 

Sitzung  vom  3.  Juni  1902. 

Die  asiatische  Cholera  in  den  ostindischen  Besitzungen  Frank¬ 
reichs  im  Jahre  1900. 

Im  ganzen  wurden  von  Bussiöre  1297  Cholerakranke  be¬ 
handelt,  wovon  1075  gestorben  sind.  Diese  Zahl  stellt  aber  keines¬ 
wegs  die  Menge  der  Ergriffenen  dar,  denn  viele  Fälle  werden 
nicht  angezeigt,  da  die  Eingeborenen  sich  den  Desinfektionsmass- 
regeln,  welche  mit  ihren  Zeremonien  unvereinbar  sind,  entziehen 
wollen.  Die  Europäer  haben  keinen  Todesfall,  die  Mestizen  nur 
wenige,  den  Haupttribut  zahlten  die  Eingeborenen  gewisser  ±>e- 
rufsarten,  wie  Ackerbauer,  Weber,  Getreidearbeiter,  da  sie  erst 
in  letzter  Stunde  zu  den  europäischen  Aerzten  ihre  Zuflucht 
nehmen.  Im  sporadischen  Zustande  zeigt  die  Cholera  die  Form 
der  Cholerine,  die  selten  tödlich  ist;  bei  den  Epidemien  herrscht  die 
foudroyante  Form  vor,  mit  häufigen  Fällen  von  trockener  Cholera, 
ohne  Diarrhöe.  Die  Heftigkeit,  mit  welcher  die  Cholera  bei  den 
Hindus  herrscht,  hängt  mit  ihrer  gründlichen  Verachtung  der 
Hygiene  und  ihrer  Ernährungsweise  mit  schmutzigem  Wasser  zu¬ 
sammen.  Die  Ansteckung  geschieht  durch  die  Berührung  mit  den 
Kranken,  durch  die  Strohmatten  und  die  Gebrauchsgegenstände 
der  Cholerakranken,  welche  unmittelbar  nach  deren  Tod  von  den 
Ueberlebenden  wieder  benützt  werden,  ohne  desinfiziert  worden 
zu  sein. 

Sitzung  vom  10.  Juni  1902. 

Allgemeine  Anästhesie  mit  Chloräthyl. 

Malherbe  und  Roubino  witsch  zeigen  auf  Grund 
ihrer  experimentellen  und  klinischen  Versuche,  dass  das  Chlor¬ 
äthyl,  nicht  vermittels  der  Maske,  sondern  einer  Kompresse  ge¬ 
geben,  ein  sehr  gutes,  allgemeines  Narkotikum  ist.  Dieses  Mittel 
bietet  eine  Reihe  von  Vorteilen,  in  erster  Linie  die  Einfach¬ 
heit,  da  spezielle  Apparate,  die  mehr  weniger  belästigend  oder 
unsauber  sind,  nicht  notwendig  sind,  sondern  eine  einfache  Kom¬ 
presse  und  einige  Tuben  Chloräthyls  genügen,  um  eine  Narkose 
hervorzurufen,  welche  zu  einer  grossen  Anzahl  kurzdauernder  Ein¬ 
griffe  hinreicht,  die  absolute  Unschädlichkeit  infolge  der 
ganz  geringen  Menge  der  zur  Anästhesie  notwendigen  Flüssigkeit 
—  2 — 3  ccm  —  und  schliesslich  die  Schnelligkeit,  mit  welcher 
man  ohne  Nebenwirkungen  die  Narkose  erzielt.  Verfasser  ver¬ 
wenden  nun  statt  Bromäthyl,  welches  sie  in  den  letzten  Jahren  in 
ca.  4000  Fällen  angewandt  haben,  ausschliesslich  das  Chloräthyl, 
und  zwar  besonders,  wenn  es  sich  um  eine  schwierige  Unter¬ 
suchung  bei  sehr  empfindlichen  Personen  oder  ungeschickten  Kin¬ 


dern  handelt,  bei  Reduktion  von  Luxationen,  Frakturen,  bei  Ent¬ 
bindungen.  Zur  Einleitung  der  Anästhesie  bei  der  Mischnarkose  ge¬ 
geben,  unterdrückt  das  Chloräthyl  dieGefahren  des  am  Anfänge  der 
Chloroformnarkose  stets  tödlichen  Schocks  und  die  Menge  des 
Chloroforms,  welches  zur  Fortsetzung  der  Narkose  notliwendig  ist, 
wird  auf  diese  Weise  bedeutend  reduziert,  woher  viel  gering- 
gradigere  Folgeerscheinungen  (Magenstörungen  u.  s.  w.) "  resul¬ 
tieren. 

Laborde  drückt  im  Namen  der  Kommission  über  den 
Alkoholismus  das  Bedauern  aus,  dass  im  Gegensatz  zu  den 
im  Parlamente  angeregten  Wünschen  (Entwurf  Vaillant)  die 
Akademie  noch  nicht  vom  Minister  über  die  giftigen  und  gefähr¬ 
lichen  alkoholischen  Getränke,  welche  vollständig  verboten  wer¬ 
den  sollten,  befragt  worden  sei.  Es  sind  dies  nach  L.  s  Ansicht: 

1.  der  Absinth,  2.  der  Bitter,  3.  Vermouth,  4.  die  sogen.  Amara, 
5.  Nussliqueure,  6.  Chartreuse,  7.  Anisette,  8.  Wachholder  und 
9.  sogen.  Wundkraut.  L.  bringt  eine  ausführliche  Beweisführung 
über  die  Schädlichkeit  dieser  Liqueure  und  macht  im  Namen  der 
Kommission  folgende  Vorschläge. 

1.  Die  genannten  Getränke  (Liqueure,  Aperitive)  und  ihre 
Essenzen  und  Produkte  sind  für  den  gewoknheitsmässigen  Ge¬ 
brauch  als  sehr  schädlich  und  gefährlich  zu  erklären. 

2.  Auf  diese  Getränke  die  schon  bestehenden  gesetzlichen  Vor¬ 
schriften  auszudehnen,  indem  deren  Herstellung,  Weiterverbrei¬ 
tung  und  öffentlicher  Verkauf  zu  verbieten  ist. 

3.  Diesen  Bericht  und  dessen  Schlüsse  den  öffentlichen  Be¬ 
hörden  und  dein  Parlamente  mitzuteilen. 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Bayerischer  Landtag. 

Wie  bereits  berichtet,  hat  die  bayerische  Kammer  der  Ab¬ 
geordneten  den  Beschluss  gefasst:  „Es  sei  die  k.  Staatsregierung 
zu  ersuchen,  in  dem  nächsten  Etat  eine  Position  für  Errichtung 
eines  Lehrstuhles  für  Homöopathie  an  der  Universität 
München  oder  an  einer  anderen  bayerischen  Universität  vorzu¬ 
sehen“. 

Der  diesbezügliche  Antrag  war  gestellt  von  dem  Referenten 
für  die  ärztliche  Standes-  und  Ehrengerichtsordnung,  dem  Ab¬ 
geordneten  v.  Landmann,  Bürgermeister  in  Giinzburg.  Für 
den  Antrag  stimmten  51  Abgeordnete  mit  ja,  41  mit  nein,  66  .waren 
nicht  anwesend.  Von  den  3  Aerzten,  die  der  Abgeordnetenkammer 
angehören,  stimmten  Dr.  11  a  u  b  e  r  dagegen  und  Dr.  Frhr. 
v.  Haller  dafür,  Dr.  Gäcli  war  entschuldigt  abwesend.  Der 
Antragsteller,  der  als  Anhänger  der  Homöopathie  ein  solches 
Renommee  geniesst,  dass  einem  Bewerber  um  die  Bezirksarzt¬ 
stelle  bei  seinen  persönlichen  Erkundigungen  in  Giinzburg  von 
seinem  Vorhaben  abgeraten  wurde,  begründete  seinen  Antrag 
damit,  dass  die  Homöopathie  auf  vollständig  wissenschaftlichem 
Boden  stehe,  schon  seit  100  Jahren  wirke,  so  viele  Anhänger 
im  Volke  und  viele  Aerzte J)  in  ihren  Reihen  habe  und  dass  in 
Amerika  auf  den  Universitäten  Lehrstühle  für  Homöopathie  längst 
bestehen;  es  werde  „beinahe  für  jeden  Knochen  noch  ein  Spezialist 
aufgestellt“,  da  sei  es  „nicht  zu  viel  verlangt,  wenn  endlich  einmal 
für  diese  Sparte  eine  Professur  errichtet  würde“.  Die  medizini¬ 
schen  Fakultäten  seien  allerdings  dagegen,  eben  weil  sie  in  der 
Hauptsache  keine  Kenntnis  von  der  Homöopathie  hätten;  für  sie 
gelte  alles  nicht,  was  man  nicht  riechen,  nicht  messen,  nicht  wägen 
und  zählen  kann.  Die  neue  Lehrkraft  müsse  nicht  gerade  sofort 
ein  Professor  sein,  es  genüge  zunächst  ein  Privatdozent,  aber 
unter  allen  Umständen  müsse  es  ein  Mann  sein,  der  voll  und  ganz 
auf  dem  Boden  der  Homöopathie  stehe;  denn  wenn  mit  dieser 
Lehre  ein  Mann  beauftragt  würde,  der  von  der  Homöopathie  nur 
verstehe,  was  er  in  Büchern  gelesen  hat,  und  ihr  fremd  gegen¬ 
überstehe,  das  hiesse  den  Bock  zum  Gärtner  machen  oder  helfe 
gerade  so  viel,  wie  wenn  die  Katze  ihren  Jungen  einen  Vortrag 
über  Vogelschutz  halte.  Es  sei  wünschenswert,  den  Lehrstuhl 
oder  die  Professur  in  München  zu  errichten,  weil  hier  eine  homöo¬ 
pathische  Privatklinik  bestehe  und  der  jeweilige  Dozent  seinen 
Hörern  auch  klinische  Unterweisungen  am  Krankenbett  geben 
könne 

Bei  der  Besprechung  im  Plenum  teilte  der  Kultusminister 
Dr.  v.  Landman  n  zunächst  den  vollständig  ablehnenden  Stand¬ 
punkt  der  3  medizinischen  Fakultäten  Bayerns  mit.  Dieselben 
seien  von  ihm  zwar  darauf  hingewiesen  worden,  dass  in  Amerika 


’)  Der  ärztliche  Schematismus  für  das  Jahr  1902  verzeichnet 
in  Bayern  9  homöopathische  Aerzte,  davon  5  in  München,  2  in 
Würzburg  und  je  1  in  Regensburg  und  Landshut.  —  Der  Lehrer 
der  Homöopathie  in  Pest  hatte  in  den  letzten  5  Jahren  im  ganzen 
einen  Zuhörer. 

=)  Das  Lehrmaterial  wäre  ein  sehr  geringes;  im  Krankenhause 
des  homöopathischen  Spitalvereins  in  München^  wurden  im 
Jahre  1899  —  38  Personen  mit  durchschnittlich  67  tägiger  Auf¬ 
enthaltsdauer  und  5  Todesfällen  und  im  Jahre  1900  —  44  Personen 
mit  durchschnittlich  62  tägiger  Aufenthaltsdauer  und  4  Todes¬ 
fällen  verpflegt.  Im  Krankenhause  München  1/1.  war  in  diesen 
beiden  Jahren  die  durchschnittliche  Verpflegungsdauer  22,6  und 
21,9  Tage  und  der  Prozentsatz  der  Gestorbenen  5,1  und  4,9.  Dass 
die  Homöopathie  schneller,  sicherer  und  billiger  heile,  lässt  sich 
jedenfalls  aus  diesem  Vergleiche  nicht  folgern. 


1320 


MUENCHENEK  MEDICINISCIEE  WO  CHEN  SCHRIET. 


No.  31. 


habe  <lev  Referent  für  das 
G  r  a  s  li  e  v.  folgendes 


v. 


dem  Ende 
einer  Zeit, 
von  natur¬ 


eine  besondere  medizinische  Universität  für  die  Pflege  der  Homöo¬ 
pathie  bestehe,  und  aufgefordert  worden,  die  betreffenden  Eni- 
rklitungen  zu  studieren:  es  sei  aber  (liesri*  Hinweis  ohne  Hrfol.u 
geblieben.  Es  hätten  alle  3  Fakultäten  in  eingehender  Begründung 
dargelegt,  dass  die  Homöopathie  einer  wissenschaftlichen  Grund¬ 
lage  entbehre,  und  sie  hätten  gegen  die  Errichtung  einer  eigenen 
Professur  für  dieses  Fach  oder  auch  nur  gegen  die  Erteilung  eines 
Lehrauftrages  protestiert  (Der  Standpunkt  der  medizinischen 
Fakultät  in  Würzburg  ist  in  No.  12  dieser  Wochenschrift  von 
K  u  n  k  e  1  begründet  —  siehe  auch  die  Ausführungen  von  Cloetta 
auf  S.  28  dieses  Jahrganges.)  Ferner 
Medizinalwesen.  Obermedizinalrat  Di 
Gutachten  abgegeben: 

..Die  Heilmethode  Hahuemanns  stammt  aus 
des  18.  und  dem  Anfänge  des  1!).  Jahrhunderts,  aus 
in  welcher  die  Medizin  noch  sehr  im  argen  lag  und 
philosophischen  Doktrinen  und  Systemen  beherrscht  wurde.  Im 
Gegensatz  zu  der  Forderung  Galen  s  „contraria  contrariis  enren- 
tur"  stellte  H  ahnemann  den  Satz  „similia  similibus  curentur“ 
an  die  Spitze  seiner  Doktrin  und  aus  dem  o/uoia  i'^oioig  entstand 
der  Name  Homöopathie  im  Gegensätze  zu  der  damals  herrschenden 
Heilmethode  der  Allopathie.  Schroff  standen  sich  von  da  an  die 
Homöopathen  und  Allopathen  gegenüber  und  bekämpften  sich 
mit  allen  Mitteln  der  Dialektik.  Hali  ne  manu  hat  unstreitig 
das  Verdienst,  eine  einfachere,  rationellere  und  schonendere  An¬ 
wendung  der  Arzneimittel  eingeführt  zu  haben  auf  Grund  sorg¬ 
fältiger  Beobachtung  der  Krankheitserscheinungen  und  der  1\  ir- 
kung  der  einzelnen  Arzneimittel  auf  den  gesunden  Menschen. 
Trotzdem  kann  man  heutzutage  nach  Ablauf  eines  Jahrhunderts 
seit  II  a  h  n  e  m  a  n  n  s  Auftreten  mit  Sicherheit  sagen,  dass  (las 
Axiom  der  Homöopathen  ebenso  unhaltbar  und  unwissenschaftlich 
war.  wie  das  der  Allopathen  und  dass  der  tatsächliche  Fortschritt 
der  Medizin  von  keiner  der  beiden  Schulen  ausging,  sondern  dem 
engen  Anschlüsse  der  Medizin  an  die  exakten  Naturwissen¬ 
schaften  zu  verdanken  ist.  Unbekümmert  um  den  unfruchtbaren 
Streit  der  Allopathen  und  Homöopathen  bediente  sich  die  wissen¬ 
schaftliche  Medizin  der  exakten  Forschungsmethode,  der  natur¬ 
wissenschaftlichen  Disziplinen  und  blieb  fortan  im  engen  Kontakt 
mit  denselben.  Die  moderne  Medizin  ist  weder  Allopathie  noch 
Homöopathie.  Die  sog.  Allopathie  ist  längst  verschwunden  und 
auch  die  Homöopathie  hat,  vom  wissenschaftlichen  Standpunkt 
aus  betrachtet,  keine  Existenzberechtigung  mehr.  Den  modernen 
Medizinern  ist  es  gleichgiltig,  ob  die  Methode  der  erfolgreichen 
Bekämpfung  der  Wundkrankheiten,  des  Woclienbetttiebers,  des 
Weehselliebers,  des  Typhus,  der  Diphtherie,  der  Blattern  etc.  für 
die  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit  des  allopathischen  oder  des 
homöopathischen  Grundsatzes  spricht.  Der  moderne  Mediziner 
weiss.  dass  diese  Erfolge  keinem  der  beiden  Axiome  zu  verdanken 
sind,  und  schreitet  demgemäss  unbeirrt  weiter  auf  dem  Wege 
exakter  Naturforschung,  welche  ihn  aufklärt  über  Wesen  und 
Ursachen  der  Krankheiten,  welche  ihm  die  Krankheitserreger  ad 
oculos  demonstriert,  ihre  Lebensbedingungen  kundgibt  und  den 
Weg  zeigt,  auf  welchem  die  Krankheitserreger  im  menschlichen 
und'' tierischen  Organismus  und  ausserhalb  desselben  zu  vernichten 
sind.  Auf  den  deutschen  Hochschulen  wird  weder  Allopathie 
noch  Homöopathie  gelehrt,  sondern  wissenschaftliche  Medizin, 
und  keinem  Dozenten  einer  deutschen  medizinischen  Fakultät 
fällt,  es  ein,  sich  Allopath  oder  Homöopath  zu  nennen.  Einen 
Lehrstuhl  für  Allopathie  zu  errichten,  wäre  ebenso  lächerlich,  wie 
die  Errichtung  eines  solchen  für  Homöopathie;  beide  gehören  der 
Geschichte  der  Medizin  an,  denn  der  Standpunkt  beider  ist  heut¬ 
zutage  glücklicherweise  vollständig  überwunden.“ 

In  den  weiteren  Ausführungen  des  Kultusministers  prägen 
sich  Nichtachtung  fachmännischer  Urteile.  Rücksichtslosigkeit 
gegen  die  Universitäten  und  geringes  Verständnis  von  der  Be¬ 
deutung  der  akademischen  Hochschulen  deutlich  aus:  „Ich  brauche 
kaum  auszuführen“,  fuhr  er  fort,  „dass  ich  mich,  namentlich  was 
den  letzten  Satz  betrifft,  nicht  vollständig  mit  diesem  Gutachten 
identifiziere,  weil  ich  selbstverständlich  niemanden  beleidigen 
wollte,  ebensowenig  wie  es  auch  Herrn  Obermedizinalrat 
Dr.  v.  Grashey  bei  seiner  scharfen  Ausdrucksweise  ferne  gelegen 
sein  wird,  irgend  jemand  der  Lächerlichkeit  zu  zeihen;  aber  Sie 
werden  begreifen,  m.  H.,  dass  angesichts  eines  so  scharfen  Gut¬ 
achtens  ich  gegenüber  dem  Anträge,  der  gestellt  worden  ist. 
einen  sehr  schwierigen  Standpunkt  habe,  zumal  das  Gutachten 
'  des  Obermedizinalrats  Dr.  v.  Grashey  durch  die  Gutachten 
der  3  Fakultäten  gestützt  ist.  Aber  anderseits  will  ich  mich  dem 
Anträge  gegenüber  nicht  absolut  ablehnend  verhalten;  denn  der 
Gedanke,  den  der  Herr  Abgeordnete  v.  Landmann  aus¬ 
gesprochen  hat,  dass  die  Regierung  eine  Idee,  die  nun  zweifellos 
viele  Anhänger  habe,  im  Volke  sowohl  wie  unter  den  Aerzten,  nicht 
ohne  weiteres  abweisen  könne,  diesen  Gedanken  muss  ich  als  be¬ 
rechtigt  anerkennen.  Es  handelt  sich  überdies  auch  um  eine  Sache, 
die  jedenfalls  dem  Staate,  wenn  sie  durchgeführt  wird,  nur  wenig 
Mittel  kosten  und  unter  allen  Umständen  den  Universitäten  auch 
nicht  schaden  wird;  denn  wenn  die  Homöopathie  nichts  wäre,  so 
tut  es  jedenfalls  den  Universitäten  nicht  wehe,  wenn  jemand  mit 
einem  Lehrauftrage  für  Homöopathie  versehen  wird.  Ich  kann 
eine  definitive  Stellung  zu  dem  Anträge  noch  nicht  einnehmen,  ich 
muss  mir  vielmehr  eine  weitere  Erwägung  Vorbehalten.“ 

Mit  diesen  Grundsätzen  könnte  man  auch  den  Erfinder  des 
Reibesitzbades,  den  Lehmpästor  und  den  Schäfer  Ast  an  eine 
bayerische  Universität  berufen.  Wenn  der  Kultusminister  es 
wagen  würde,  auch  bei  Besetzung  der  theologischen,  philo¬ 
sophischen  und  juristischen  Lehrstühle  seine  obigen  Anschauungen 


zu  verwirklichen,  dann  würde  sich  gewiss  ein  Sturm  der  Ent¬ 
rüstung  in  der  Abgeordnetenkammer  erhoben  hatten.  Die  Aerzte 
aber  sind,  wie  Loebker  auch  bei  dem  diesjährigen  Aei ztet.ige 
konstatieren  musste,  daran  gewöhnt,  in  den  Parlamenten  schlecht 
behandelt  zu  werden  und  dort  einen  ausserordentlichen  Mangel 
an  Kenntnis  der  ärztlichen  Angelegenheiten  und  eine  nicht  geringe 
Missachtung  ihres  Standes  zu  finden. 

Vor  der  Abstimmung  ergriff  noch  der  Abgeordnete 
Dr.  H  anher  das  Wort,  um  in  Kürze  die  Grundprinzipien  der 
Homöopathie  auseinanderzusetzen.  Die  Anschauung  der  Homöo¬ 
pathen,  dass  die  Krankheiten  durch  künstlich  erzeugte  Arznei¬ 
krankheiten  geheilt  werden,  sei  nicht  aufrecht  zu  erhalten  und 
sei  eigentlich  ein  pliarmakognostischer  Unsinn:  der  Schluss,  dass 
durch  die  Verdünnung  die  Macht  des  Arzneimittels  erhöht  werde, 
„ehe  gegen  alle  Naturgesetze;  der  homöopathische  Professor  müsse 
sich  in  Widerspruch  zu  den  naturwissenschaftlichen  Gesetzen 
stellen  urd  richte  dadurch  bei  den  jungen  Medizinern,  in  der  Folge 
auch  bei  den  Kranken,  grossen  Schaden  an:  unter  den  Horn  >o- 
pntlien  selbst  bestehe  keine  einheitliche  Anschauung:  die  Er¬ 
richtung  eines  Lehrstuhles  sei  eine  Sünde  gegen  die  Wahrheit. 

Der  Abgeordnete  Sir  dagegen  nannte  es  eine  Rückständig¬ 
keit  der  deutschen  Staaten,  das  System  „Hahnemann“  zu 
ignorieren,  hob  die  schönen  Erfolge  der  zur  Volksheilkunde  ge¬ 
wordenen  Homöopathie  hervor,  meinte,  die  Anfrage  bei  den  medi¬ 
zinischen  Fakultäten  komme  ihm  ähnlich  vor,  als  wenn  man  den 
Teufel  über  die  Schönheit  der  Hölle  frage;  man  solle  es  jedem 
Mediziner  ermöglichen,  die  beiden  sich  widerstreitenden  Heil¬ 
methoden  an  der  Universität  eingehend  zu  studieren,  und  bat  den 
Kultusminister,  sich  nicht  beirren  zu  lassen.  In  seinem  Schluss¬ 
worte  brachte  der  Antragsteller,  Abgeordneter  v.  Laudma  n  n, 
keine  neuen  Gesichtspunkte  mehr  vor.  Er  pries  das  gelobte  Land 
Amerika  mit  seinen  25  homöopathischen  Lehrstühlen  und 
12  000  homöopathischen  Aerzten  und  erklärte,  obwohl  zugestan- 
denermassen  „ihm  absolut  das  Zeug  dazu  fehlt“,  die  Sache  wissen¬ 
schaftlich  zu  begründen,  den  Standpunkt  der  Fakultäten  und  des 
Obermedizinalrates  für  nicht  wissenschaftlich  richtig;  nach  einem 
Seitenhiebe  auf  die  Bakteriologie  führte  er  aus,  sein  Antrag  be¬ 
zwecke  nicht,  dass  vom  Parlament  aus  gesagt  werden  soll,  die 
allein  richtige  Heilkunde  sei  die  Homöopathie,  aber  er  gebe  sich 
der  Hoffnung  hin,  dass  gerade  durch  die  Homöopathie,  wenn 
sie  wissenschaftlich  weiter  verfolgt  werde,  einstens  einmal  eine 
vollkommene  Heilkunde  zu  erlangen  sei;  der  Minister  möge  in 
diesem  Falle  seines  Amtes  walten  und  endlich  einmal  dazu  helfen, 
dass  die  Homöopathie  aus  ihrer  Aschenbrödellage  herauskomme. 

Die  Abstimmung  ergab  das  oben  mitgeteilte  Resultat.  Ob 
die  Kammer  der  Reichsräte  diesem  Beschlüsse  zustimmen  wird, 
ist  zunächst  noch  zweifelhaft  (ist  unterdessen  leider  geschehen, 
Red.),  auch  dort  war  vor  2  Jahren  von  dem  Reichsrate  Frlir. 
v.  Soden  die  Errichtung  eines  homöopathischen  Lehrstuhles  an¬ 
geregt  worden. 

Was  der  Abgeordnete  v.  L  a  n  d  m  a  n  n  über  die  Lage  der 
Homöopathie  in  Deutschland  sprach,  entspricht  nicht  den  tatsäch¬ 
lichen  Verhältnissen.  Die  Homöopathie  befindet  sich  keineswegs 
in  einer  Aschenbrödellage,  im  Gegenteil,  die  homöopathischen 
Aerzte  gemessen  in  mehreren  deutschen  Bundesstaaten,  vorab  in 
Preussen,  eine  grosse  Vergünstigung  vor  den  übrigen  Aerzten  da¬ 
durch.  dass  sie  —  in  Preussen  nach  Ablegung  einer  Prüfung  — 
homöopathische  Arzneien  selbst  abgeben  dürfen.  Sie  brauchen 
dabei  nicht  zn  beeidigen,  dass  sie  waschechte  Homöopathen  sein 
und  bleiben  wollen,  sie  dürfen  daneben  auch  nach  der  sog.  Schul¬ 
medizin  kurieren  und  es  ist  eine  Ironie  des  Schicksals,  (lass  schon 
Homöopathen  wegen  Fahrlässigkeit  und  Arzneivergiftung  ver¬ 
urteilt  worden  sind.  Während  jeder  andere  Arzt  bestraft  wird, 
wenn  er  ausser  in  Notfällen  Arzneien  abgibt,  darf  sein  homöo¬ 
pathischer  Kollege  als  Arzt  und  zugleich  als  Apotheker  erwerbs¬ 
tätig  sein.  Dieser  wirtschaftliche  Vorteil  ist  jedenfalls  die  Ur¬ 
sache,  warum  ausserhalb  Bayern,  das  diese  Vergünstigung  nicht 
hat,  die  Zahl  der  Homöopathen  etwas  grösser  ist.  Man  nehme 
ihnen  dieses  unbegründete  Vorrecht  und  ihre  Zahl  wird  lasch 
kleiner  werden. 

Auch  das  ist  nicht  richtig,  was  im  Landtage  und  bei  sonstigen 
Gelegenheiten  vorgebracht  wurde,  dass  die  Homöopathie  durch 
staatliche  Massnahmen  unterdrückt  und  künstlich  niedergehalten 
werde.  Eine  derartige  Behauptung  muss  in  einem  Lande,  w  o 
die  üppigste  Kurierfreiheit  herrscht,  Kopf  schütteln  hervorrufen. 
Weder  in  der  Ausübung  der  ärztlichen  Praxis,  noch  in  der  wissen¬ 
schaftlichen  Betätigung  sind  ihre  Anhänger  im  geringsten  be¬ 
hindert;  es  wird  das  nur  immer  behauptet,  um  dem  Publikum 
Sand  in  die  Augen  zu  streuen  und  die  eigene  Unfähigkeit  zu  ver¬ 
decken.  Die  Anhänger  der  Homöopathie  haben  die  medizinische 
Wissenschaft  auch  nicht  um  eine  bescheidene  Entdeckung  be¬ 
reichert.  sie  haben  bei  (len  riesigen  Fortschritten  ärztlichen  M  issens 
und  Könnens  nichts  gelernt  und  nichts  vergessen,  sie  beharren 
noch  auf  ihrem  alten,  längst  als  unrichtig  erwiesenen  Standpunkte 
und  sind  bei  den  grossen,  von  den  Aerzten  inaugurierten,  hygieni¬ 
schen  Bestrebungen  untätig  beiseite  gestanden,  sie  haben  sogai 
der  Kurpfuscherei  Vorschub  geleistet,  indem  sie  das  schwierige 
Studium  der  Medizin  gering  achten  und  tun,  als  ob  eine  Büchse 
Streukügelchen  in  der  Westentasche  grössere  Wunder  zu  w  irken 
vermöge  als  die  ganze  medizinische  Wissenschaft. 

Trotz  aller  öffentlichen  und  geheimen  Reklame,  trotz  der 
Befürwortung  in  sog.  gebildeten  Kreisen,  trotz  der  staatlichen 
Unterstützung  durch  die  Dispensierbefugnis  geht  die  Homöopathie 
zurück,  das  Publikum  wendet  sich  von  ihr  ab.  Nachdem  es  du 


5.  August  1902. 


MüENCHENER  MEHlCINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


aus  innerer  Ursache  überhaupt  unmöglich  ist,  durch  praktische 
Erlolge  oder  durch  eigene  wissenschaftliche  Kräfte  und  Vertreter 

in  der  Wissenschaft  durchzu- 


1321 


ihrer  Ideen  sich  zu  einer  Stellung 

ringen,  soll  die  bayerische  Staatsregierung  ihre  Autorität  und  ihre 
Mittel  dazu  hergeben,  das  sinkende  Schiff  zu  retten  und  der 
Homöopathie  durch  Errichtung  eines  Lehrstuhles  Anschein  Be¬ 
deutung  und  Stellung  einer  wissenschaftlichen  Richtung  zu  geben 
v  .  Auch  Baden  und  Württemberg  haben  die  homöopathischen 
)  ‘llmllclies  Verlangen  an  die  Staatsregierung  gestellt  und 

in  W  urttemberg  auch  die  Zustimmung  der  Abgeordnetenkammer, 
lucht  jedoch  die  der  Kammer  der  Standeslierren  gefunden.  Wie  die 
bayerischen  Universitäten,  protestierten  die  medizinischen  Fakul¬ 
täten  zu  Heidelberg,  Freiburg  und  Tübingen  energisch  gegen  die 
Errichtung  eines  homöopathischen  Lehrstuhles  und  in  erfreu¬ 
lichem  Gegensätze  zu  dem  bayerischen  Kultusminister  haben  beide 
Regierungen,  eben  weil  es  sich  um  eine  wissenschaftliche  An¬ 
gelegenheit  handelt,  auf  die  Anschauungen  der  Universitäten  ge¬ 
hört  und  dem  Ansinnen  eine  weitere  Folge  nicht  gegeben. 

Dr.  Carl  Becker. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Mehreren  Fuhrleuten  war  zur  Last  gelegt  worden,  sich  gegen 
eine  I  olizeiverordnung  vergangen  zu  haben,  indem  sie  im  Trabe 
durch  eine  Strasse  fuhren,  wo  die  Privatklinik  eines  Arztes  Ko¬ 
der  an  der  Universität  dozierte.  Die  Strafkammer  erkannte  auf 
Freisprechung,  weil  die  erwähnte  Polizeiverordiiung  ungiltig  sei. 
Die  Staatsanwaltschaft,  die  dagegen  Berufung  einlegte°  be¬ 
hauptete,  die  erwähnte  Vorschrift  der  Polizeiverordnung  sei  rechts- 
giltig,  denn  die  fragliche  Bestimmung  sei  in  einer  Universitäts¬ 
stadt  im  Interesse  der  Heilkunde  erlassen  worden.  Das  Kammer¬ 
gericht  erkannte  indessen  auf  Zurückweisung  mit  der  Begründung 
die  erwähnte  Vorschrift,  wonach  vor  der  fraglichen  Klinik  nicht 
im  Trabe  gefahren  W'erden  dürfe,  sei  nicht  reclitsgiltig  und  finde 
mi  1  olizeiverwaltungsgesetz  keine  rechtliche  Stütze;  dieses  Gesetz 
wolle  nur  die  öffentlichen  Interessen  schützen.  Im  vorliegenden 
Falle  handle  es  sich  aber  um  eine  Privatklinik. 

Die  Frage  prinzipieller  Natur,  ob  das  Wort  „Spezialist“  einen 
arztahnlichen  Titel  darstellt,  ist  dieser  Tage  vom  Oberlandes- 
gerielit  Jena  in  verneinendem  Sinne  entschieden  worden.  Ein  Spe¬ 
zialist  für  Massage  in  Eisenach,  Eduard  Menzel,  der  diesen  Titel 
schon  seit  20  Jahren  führt,  war  auf  Veranlassung  des  dortigen 
Aeizter  eieins  mit  einem  Strafmandat  bedacht  worden  weil  nach 
Ansicht  des  genannten  Vereins  das  Wort  „Spezialist“  derart  auf¬ 
gefasst  werden  könne,  als  ob  derjenige,  der  diesen  Titel  führt 
ärztlich  approbiert  wäre.  Gegen  den  Strafbefehl  wurde  Wider¬ 
spruch  erhoben,  dem  das  Eisenacher  Schöffengericht  aber  nicht 
entsprach,  sondern  es  setzte  eine  Strafe  von  5  M  fest  Die  Be¬ 
rufung  beim  Landgericht  hatte  den  Erfolg,  dass  dieses  auf  kosten¬ 
lose  I  reisprechung  erkannte.  Gegen  dieses  Urteil  erhob  die  Staats¬ 
anwaltschaft  das  Rechtsmittel  der  Revision  beim  Oberlandes- 
geiicht  in  Jena,  das  aber  dem  Landgericht  Eisenach  Recht  gab 
und  den  Spezialisten  kostenlos  freispracli.  (Voss.  Ztg.) 


Im  Jahre  1900  sind  an  Entschädigungsbfträgen 
"e,lie“si  Berufsgenossenschaften  gezahlt  worden 
K  0  <9  365.03  M.  (gegen  70  790111.64  M.  im  Vorjahre),  seitens  der 
Ausfuhrungsbehörden  7  291208.88  M.  (gegen  6  703  795.58  M.  im 
V  orjahre),  seitens  der  Versicherungsanstalten  der  Baugewerks- 
Berufsgenossenschaften  1  279  372.77  M.  (gegen  1  186  725.30  M.  im 
Vorjahre),  mithin  seitens  sämtlicher  Träger  der  Unfallversiche- 
nmg  SG  649  946.18  M.  (gegen  78  6S0  632.52  M.  im  Vorjahre). 

i  i-  i)ie.  Gesamtsumme  der  Entschädigungsbeträge  (Renten  etc.) 
belief  sich:  i  ’ 

im  Jahre  1900  auf  8G'649,946.18  X 

„  „  1899  „  78'680,632.52  „ 

„  „  1898  „  7 PI 08, 729. 04  „ 

»  „  1897  „  63'973, 547.77  „ 

»  „  1896  „  57154,397.53  „ 

«  „  1895  „  50125,782.22  „ 

,,  „  1894  „  44'281, 735.71  „ 

„  „  1893  „  38163,770.35  „ 

»  „  1892  „  32'340, 177.99  „ 

„  „  1891  „  26126,377.00  „ 

„  „  1890  „  20'3 15,319.55  „ 

»  „  1889  „  14164,303.15  „ 

„  „  1888  „  9'681, 447.07  „ 

,,  „  1887  „  5'932, 930.08  „ 

»  „  1886  „  1'915,366.24  „ 

_lo  Beciinet  man  zu  dem  obigen  Betrage  von  86  049  940.1S  M.  die 
fiV0StGn,  (ler  Fürsorge  innerhalb  der  gesetzlichen  Wartezeit  ge- 
-ahlten  <01013.95  M.,  so  entfallen  auf  jeden  Tag  im  Jahre  1900 
äwas  mehr  als  239  000  M.,  welche  den  Verletzten  oder  ihren 
Hinterbliebenen  zu  gute  gekommen  sind. 

i  .. 1)1,0  Anzahl  der  neuen  Unfälle,  für  welche  im  Jahre  1900  Ent- 
ioc<','>pSUUgen  ^estgostellt  wurden,  belief  sich  auf  107654  (gegen 
,r,’l'>  1111  Vorjahre).  Hiervon  waren  Unfälle  mit  tödlichem  Aus- 
Un  Sc  ,  (8'egGU  8124  im  Vorjahre).  Unfälle  mit  mutmasslich 
iabr  i  e^.V°Ulger  Erwerbsunfähigkeit  1390  (gegen  1326  im  Vor- 
v*  n).  Die  Zahl  der  von  den  getöteten  Personen  liinterlassenen 


entschädigungsberechtigten  Personen  beträgt  17  216  (gegen  16  076 
nn  V  oijahre).  Darunter  befinden  sich  5540  Witwen  w-- , 

if  ®“a°f  Verwandte  der  nutsteigenden  Linie 

<2S.».  Die  Anzahl  sämtlicher  ,nr  Anmeld, mg  getaugten  Unfälle 

im  Vorjahre). 


—  otiui  LJ  U  ilt*  L 

beträgt  454  341  (gegen  443  31; 


„  ,  •->  - -  nj.il  1  V7  J 

(Die  Berufsgenossenschaft  1902,  N 


o.  2.) 


Kr. 


Die  Gesehäfte  der  öffentlichen  Untersuchungs-Anstalten 
für  Nahrungs-  und  Genussmittel  für  das  Jahr  wol 

Uebersicht  I. 


Untersuchungs¬ 

gegenstände 

(Proben) 


Zahl 


im 

.Tahre 

1901 


im 

Vor¬ 

jahre 


Zahl  der 
Bean¬ 
standungen 


Bezeichnung  der  Auf¬ 

traggeber 


’P  § 

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10 


I.  Königliche  Untersuchungsanstalten: 


18250 

|  18007  1 252 1  =  13,8%  69  |  17705  |  476 

|  209  |  — | 

18  | 

783 

24839 

b)  München. 

|  18579  1 2448 1)  =  9,8°/o|  66  |  24629  |  144 

| 165  |  1  | 

23  | 

717 

13383 

c)  Würz  b  u  rg. 

14029  [1501  =  ll,2°/o|  32  |  13086  |  265 

1  21  |  —  | 

20  | 

416 

II.  Gemeindliche  Untersuchungsanstalten: 

3357  | 

d)  N ürnberg. 

2910  |430  =  12,8°/o  |  2  |  3245  |  110 

|218  |_| 

60  | 

1088  | 

e)  Fürth. 

1075  |  45  =  4,lo/o  |  6  |  1054  |  28 

-  1-1 

3  1 

III.  Kreis-Untersuchungsanstalt : 

f)  Speyer. 

3611  1693  506  =  15,6%  |  61  |  3281  |  269  1  26  I 


64528  |  56293  751  l=ll,6,>/o-) 

Im  Vorjahre  (11,4 °/o) 


17  I'  351 


236 

(200) 


630 d0  1202 


639  I 


(54856)  j  (1237)  (496)  (2) 
Uebersicht  II 


141  2267 

(110)1(1931) 


Untersuchungsgegenstände 

t-  fl  _ 
<D  5  fl 

Untersuchungsgegenstände 

in  fl 

(Proben) 

TD  -2  fl 
CO  bl 

3  §  E 

(Proben) 

^  hn 

Ul  bl 

Zahl 

Bezeichnung 

<3  0?  — j 

Npq^5 

Zahl 

Bezeichnung 

-3  §  3 

A.  Nalirungs-  und 

10 

Obstwein  .... 

4 

Genussmittel  und 

27 

Petroleum 

1 

Gebrauchsgegen- 

149 

Speiseöl  . 

1 

stände. 

216 

Thee . 

9 

1970 

Bier . 

333 

1794 

Wasser . 

672 

451 

Branntwein  und  Likör 

10 

827 

Wein,  Most  .... 

150 

3770 

Brot  .... 

606 

7082 

Wurst-  und  Fleisch- 

883 

Kakao,  Schokolade  . 

38 

307 

waren . 

738 

1255 

Konservren  .  .  . 

235 

Zucker  und  Syrup 

16 

3430 

Essig  .  .  . 

794 

3255 

Sonstige  Gegenstände 

310 

4197 

Fabrikate  aus  Mehl 

64286 

Summa  A 

7486 

und  Zucker 

515 

868 

Farben . 

13 

B.  Technische 
Analysen. 

2498 

1608 

Fette  (Butt.,  Schmalz  etc.) 
Fruchtsäfte  u.  Limon. 

224 

719 

15n5 

Gebrauchsgrgenstände 

168 

4 

Laktodensimeter  .  . 

4 

12281 

Gewürze  . 

617 

20 

Leuchtgas  .... 

— 

67 

Hefe . 

17 

218, 

Sonstige  Gegenstände 

21 

132 

Honig  .  .  . 

10 

242 

Summa  B 

25 

905 

Käse  .  .  . 

41 

1 

531 L 

Kaffee,  Kaffeesurrogate  . 

360 

1817 

2445 

Kochgeschirre  .  .  . 
Mehl  . 

111 

36 

Zusammenste  llung. 

852 

Metallgeräte  . 

234 

3428G 

Summa  A 

7486 

4170 

Milch  und  Rahm  .  . 

476 

242 

«  B 

25 

204 

Minerahvasser  .  .  . 

28 

61528 

Gesamtsumme  1 

7511 

))  Dazu  kommen  noch  2002  Fülle  von  Verfehlungen  gegen  ober-  und  orts¬ 
polizeiliche  Vorschriften  und  185  Fälle  von  Verfehlungen  in  Bezug  auf  Arzneien 
und  Gifte. 

2)  YVerdcn  die  auf  1791  Wasseruntersuchungen  treffenden  672  Beanstandungen 
ausgeschieden  —  weil  es  sich  liier  nicht  um  Verfehlungen  gegen  das  Nahrungs¬ 
mittelgesetz  oder  damit  in  Zusammenhang  stehende  Gesetze  handelt  — ,  .so 
reduziert  sich  der  Prozentsatz  der  Beaustandungen  auf  10,9  Proz. 


1322 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ü  n  c  h  e  n,  5.  August  1902. 

—  Die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staats¬ 
dienst  in  Baye  r  n,  welche  unter  dem  Vorsitz  des  k.  Ober¬ 
medizinalrates  Prof.  Dr.  v.  G  r  ashe  y  im  k.  Staatsministerium 
des  Innern  vorgenommen  wurde,  erreichte  in  der  vorigen  Woche 
ihr  Ende.  Der  Prüfung  unterzogen  sich  im  ganzen  59  approbierte 
Aerzte;  3G  Herren  erhielten  Note  1,  2,5  die  Note  2. 

—  Die  seit  längerer  Zeit  strittige  Frage,  ob  die  Heil¬ 
anstalten  für  Nerven-  und  Geisteskranke  g  e  - 
w  e  r  b  e  Steuer  p  f  1  i  c  h  t  i  g  seien,  ist  jetzt  durch  ein  Erkennt¬ 
nis  des  G.  Senats  des  preussdschen  Oberverwaltungsgerichtes  vom 
April  1902  in  einem  für  diese  Anstalten  günstigen  Sinne  ent¬ 
schieden  worden.  Das  Oberverwaltungsgericht  erkennt  an,  dass 
lediglich  der  Zweck  des  Unternehmens  für  die  Beurteilung  der 
Steuerpflichtigkeit  entscheidend  sei.  Dient  der  Anstalts¬ 
betrieb  als  Mittel  zu  m  Z  w  eck  der  irre  n  ä  rzt- 
liehen  Tätigkeit,  so  ist  die  Gewerbesteuer- 
p  f  1  i  e  h  t  nach  §  4  No.  7  des  Gewerbesteuergesetzes  vom  24.  Juni 
1S91  ausgeschlossen.  Diese  Entscheidung  steht  im  Gegen¬ 
satz  zu  dem  bisher  von  der  Regierung  beobachteten  Verfahren 
bei  der  Steuereinschätzung. 

_  I>ie  städtischen  Kollegien  von  Kiel  haben  beschlossen,  die 

Zulassung  ärztlicher  Praktikanten  bei  der  städt. 
Krankenanstalt  zu  genehmigen,  mit  der  Massgabe,  dass  jeder 
Praktikant  für  Beköstigung  2  M.  für  den  Tag  an  die  Verwaltung 
zahlt  und  ein  möbliertes  Zimmer  kostenfrei  erhält. 

_  Am  28.  Juli  a.  c.  fand  in  der  Kreisirrenanstalt  München 

eine  Versammlung  von  bayerischen  Irrenärzten  statt,  welche  ein¬ 
stimmig  die  Gründung  eines  „Vereins  bayerischer  Psycli- 
iate r“  beschloss  zu  Pflege  und  Förderung  der  theoretischen  und 
praktischen  Psychiatrie  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  öffent¬ 
lichen  Fürsorge  für  psychisch  Kranke.  Die  auf  Einladung  von 
Dees-  Gabersee  und  V  o  cke  -  München  aus  allen  Teilen  Bayerns 
erschienenen  Teilnehmer  sicherten  einmütig  ihre  Mitarbeit  und 
Unterstützung  zu,  legten  nach  eingehender  Beratung  die  Satzungen 
fest  und  beschlossen,  die  erste  wissenschaftliche  Tagung  um 
Pfingsten  1903  in  München  abzuhalten.  Der  Verein  hat  seinen 
Sitz  in  München.  Zum  Vorsitzenden  für  das  1.  Jahr  wurde 
V  o  c  k  e  -  München,  als  Stellvertreter  R  e  h  m  -  Neufriedenheim  ge¬ 
wählt.  .  . 

_  Dem  Pensionsverein  für  Wittwen  und  Waisen  bayerischer 

Aerzte  wurde  von  Geheimrat  Prof.  v.  V  in  ekel  eine  Spende  lon 
500  Mark,  von  dem  freiresignierten  k.  Bezirksarzt  Dr.  K  u  m  m  e  r 
in  München  eine  solche  von  200  Mark  zugewendet., 

—  An  der  Universität  Greifswald  finden  Fortbildungskurse 
für  praktische  Aerzte  vom  13.  bis  25.  Oktober  d.  -J.  statt.  Ausfühi- 
liche  Programme  und  alles  Nähere  durch  Prof.  Martin. 

_  Herr  Dr.  W.  H.  Gilbert- Baden-Baden  teilt  uns  mit,  dass 

auf  vielfach  geäusserten  Wunsch  hin  der  Termin  zur  Anmeldung 
für  die  ärztliche  Studienreise  bis  zum  15.  August  a.  c. 
verlängert  worden  ist. 

—  Herr  Landgerichtsarzt  a.  D.  Dr.  R  e  h  m,  früher  in  Regens¬ 
burg,  jetzt  in  München,  feierte  sein  50  jähriges  Doktorjubiläum. 

_  In  Hamburg  findet  vom  2. — 10.  Mai  1903  eine  Allge¬ 
meine  Ausstellung  für  hygienische  Milchver¬ 
sorgung  statt. 

_  Pest.  In  Odessa  sind  bis  zum  2G.  Juli  4  pestartige  Er¬ 
krankungen  gemeldet.  —  Aegypten.  In  der  Zeit  vom  11.  bis 
17.  Juli  sind  17  Erkrankungen  (und  7  Todesfälle)  an  Pest  an¬ 
gezeigt,  davon  12  (4)  in  Alexandrien,  1  (1)  in  Tukh  und  4  (2)  in 
Damanhur.  —  Hongkong.  In  der  Zeit  vom  1.  bis  14.  Juni  sind 
92  Pesterkrankungen  mit  91  Todesfällen  zur  Anzeige  gelangt.  — 
Queensland.  Den  amtlichen  Ausweisen  zufolge  sind  in  der  Woche 
vom  25.  bis  31.  Mai  4  Erkrankungen  und  1  Todesfall  an  Pest  in 
Brisbane  festgestellt,  vom  1.  bis  7.  Juni  dagegen  ist  kein  neuer 
Fall  gemeldet  worden.  —  In  Kalkutta  sind  in  der  Woche  vom  15. 
bis  21.  Juni  56  Personen  an  der  Pest  gestorben. 

_  Pocken.  Grossbritannien.  In  Swansea  und  Umgebung 

sind  die  Pocken  in  letzter  Zeit  in  epidemischer  Weise  aufgetreten. 
Die  Zahl  der  Erkrankungen  hat  dort  bis  Mitte  Juli  137  betragen; 
von  diesen  sind  etwa  18  Proz.  tödlich  verlaufen.  Keiner  der  Er¬ 
krankten  war  in  den  letzten  15 — 20  Jahren  geimpft  worden.  Am 
15.  Juli  befanden  sich  noch  49  Blatternkranke  iu  dem  für  sie  ein¬ 
gerichteten  Hospital  in  Behandlung. 

. _  in  der  29.  Jahreswoche,  vom  13.  bis  19.  o  uli  1902,  hatten 

von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Ludwigshafen  mit  42,5,  die  geringste  Charlottenburg  mit 
9,3  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Oberhausen,  an 
Masern  in  Flensburg,  Mülhausen  i.  E.,  Oberhausen,  Remscheid. 

(Hochschulnachrichten.) 

P»  e  r  1  i  n.  Zeitungsnachrichten  zufolge  ist  als  Nachfolger 
Gerhardts  in  erster  Linie  Geh.  Rat  v.  Leube-  Würzburg 
in  Aussicht  genommen. 

Greifswald.  Prof.  A.  Marti  n,  Direktor  der  Frauen¬ 
klinik,  hatte  wie  alljährlich  zum  Semesterschluss  die  Professoren, 
Dozenten,  Assistenten  und  sämtliche  klinischen  Semester  der  Stu¬ 
dierenden  der  medizinischen  Fakultät  zu  einem  Frühschoppen  in 
sein  gastfreies  Ilaus  geladen,  der  in  feuchtfröhlichster  Stimmung 
verlief. 


Leipzig.  Dr.  med.  Frhr.  v.  Lesse  r,  der  Mitbegi  linder 
des  Centralblattes  für  Chirurgie,  vollendete  am  27.  Juli  er.  das 
25.  Jahr  seiner  chirugischen  Lehrtätigkeit  an  der  I  niversitat 
Leipzig. 

Bo  logn  a.  Der  Professor  an  der  med.  Fakultät  zu  Messina, 
Dr.  E.  T  r  i  c  o  m  i,  wurde  zum  ordentlichen  Professor  der  Chirurg. 
Klinik  und  operativen  Medizin  ernannt. 

C  a  g  1  i  a  r  i.  Der  ausserordentliche  Professor  der  1  nysiologie, 
Dr  G  Fasola,  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

C  a  r  a  c  a  s.  Dr.  J.  P.  T  a  m  a  y  o  wurde  zum  Professor  der 

Chirurgie  ernannt.  ,  ,  ,  .  ,. 

Kope  n  hage  n.  28  männl.,  2  weibl.  Studenten  haben  diesen 

Sommer  die  Staatsprüfung  gemacht  und  bestanden.  Die  goldene 
Medaille  für  die  medizinische  Preisaufgabe  der  Universität 

1900 _ 1901  (Methoden  zur  zirkulären  Vereinigung  durchschnittener 

grösserer  Arterien-  und  Venenstämme)  ist  den  Aerzteu  G.  M.  Th. 

I  e  nsen  .1.  P.  H  a  r  t  in  a  n  n  und  V.  Reinshol  m  erteilt  wor¬ 
den.  1  )r.  med.  Israel-liosenthal,  Oberarzt  der  medizini¬ 
schen  Abteilung  11  des  Kommunehospitals  wurde  zum  Piofessoi 
(tit.)  ernannt.  Dr.  med.  D.  E.  J  acobson,  Spezialarzt  füi  Neiven- 
kranklieiten  wurde  zum  Professor  (tit.)  ernannt.  Dr.  med. 
C.  R  a  s  c  li  ist  als  Leiter  der  neuen  Universitätspoliklinik  tur 
Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  an  dem  k.  Frederikshospital 
ernannt  worden.  Dem  Professor  für  Anatomie  an  der  k.  Hoch¬ 
schule  für  Landwirtschaft,  Dr.  med.  II.  K  rabb  e,  wurde  die  nach¬ 
gesuchte  Enthebung  von  seiner  Stelle  unter  Anerkennung  seiner 
erspriessliclien  Leistungen  bewilligt.  Die  durch  den  Tod  des 
Generalarztes  Möller  erledigten  Aemter  als  Generalarzt,  als  Chef 
des  militärärztlichen  Korps  und  als  Mitglied  des  k.  Sanitäts¬ 
kollegiums  wurden  dem  Stabsarzte  Dr.  H.  Laub  übeitiagen. 
Moskau.  Habilitiert:  Dr.  A.  Bernstein  für  Neurologie 

und  Psychiatrie.  .  „  . 

N  eape  1.  Zu  ordentlichen  Professoren  wurden  ernannt:  1  rot. 
F.  M  a  s  s  e  i  (für  Laryngologie)  und  Prof.  V.  C  o  z  z  o  1  i  n  o  (für 


(Todesfälle.) 

ln  Mailand  starb,  G0  Jahre  alt,  der  Professor  der  geburts¬ 
hilflichen  Klinik  Eduard  P  o  r  r  o,  der  Begründer  der  nach  ihm  be¬ 
nannten  Operation  der  Amputation  des  schwangeren  Uterus. 

Am  19.  Juli  starb  in  Kopenhagen  der  Konferenzarzt  Dr.  med. 
Karl  Reisz,  73  Jahre  alt.  Er  war  Lektor  für  pathol.  Anatomie 
und  allgemeine  Pathologie  18GG— 1873,  wurde  zum  Prof.  ord.  1868 
ernannt;  von  1873  bis  1901  war  er  Professor  für  Therapie  an  der 
medizinischen  Fakultät  in  Kopenhagen,  von  1873  bis  1892  zugleich 
Oberarzt  der  medizinischen  Abteilung  A  des  k.  Frederikshospitals. 
Er  war  Rektor  der  Universität  1883,  1893  und  1898. 

(Bericlitigun  g.)  ln  dem  Bericht  über  den  4  ortrag  im 
Unterelsässischen  Aerzteverein  in  dieser  Wochenschr.  No.  30, 
S.  12S5  findet  sich  der  Satz:  „Auch  der  Erfolg  der  Arg.  nitricum- 
Spiilungen,  welche  den  Instillationen  vorzuziehen 
s  i  n  d,  spricht  gegen  die  Diagnose  der  Blasentuberkulose.“  Herr 
Dr.  A  sch  ersucht  uns,  zu  konstatieren,  dass  er  im  Gegenteil 
gesagt  habe,  dass  die  Instillationen  mit  y2— 2  proz. 
Argent.  nitricum-Lösungen  den  Spülungen  vorzuzieheu 
s  i  n  d. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Gestorben:  Dr.  Ludwig  Kimmerle  in  München.  Dr.  Her¬ 
mann  Rotli,  Krankenhausarzt  in  Erding,  52  Jahre  alt.  Dr.  Leon¬ 
hard  Heiss,  früher  prakt.  Arzt  in  Haldenwang. 


Korrespondenz. 

Ueber  die  Heiiungsvorgänge  bei  der  operativen  Behandlung  der 
Bauchfell-  und  Nierentuberkulose, 
ln  No.  2S  dieser  Wochenschrift  vom  15.  Juli  hat  Herr  Dr. 
Weisswange  -  Dresden  über  das  vorstehende  Thema  eine  Ar¬ 
beit  veröffentlicht.  In  derselben  erwähnt  er  nebenbei:  „Auch 
Nassauer  scliliesst  sich  der  Ansicht  an  (Hildebrandt: 
Münch,  med.  Wochenschr.  1898,  No.  51  u.  52),  dass  die  Hyper¬ 
ämie,  die  durch  die  Inzision  erzeugt  wird,  das  heilende  Agens  sei.“ 
Diese  meine  Ansicht  musste  der  Verfasser  meiner  Arbeit  in 
No.  16  u.  17  der  Münch,  med.  Wochenschr.  vom  Jahre  1898  ent¬ 
nehmen.  Es  ist  nun  nicht  gut  möglich,  dass  der  Verfasser  einer 
y2  Jahr  früher  erschienenen  Arbeit  sich  der  Ansicht  eines 
Autors  „anschliesst“,  dessen  Arbeit  y2  Jahr  später  erscheint. 
In  der  Tat  sind  denn  auch  Hildebrandt  und  ich  auf  ganz 
verschiedenen  Wegen  und  völlig  unabhängig  von  einander  zu 
unserer  Theorie  gekommen:  Hildebrandt  hat  an  lebenden 
Tieren  experimentiert;  meine  Arbeit  basiert  auf  klinischer  und 
pathologisch-anatomischer  Beobachtung  am  Menschen.  Es  ist  wohl 
ein  Zufall,  dass  meine  Arbeit  mehrere  Monate  v  o  r  derjenigen 
Hildebrandts  erschienen  ist. 

Ich  lege  deshalb  Wert  auf  Konstatierung  dieser  Tatsache,  da 
Herr  Dr.  Weisswange,  obwohl  in  seiner  Arbeit  einzelne  Teile 
der  meinigen  wortwörtlich  enthalten  sind  (ohne  dass  sie  als  mein 
Eigentum  bezeichnet  wären),  im  Literaturverzeichnis  nur  meine 
Arbeit  zu  erwähnen  verabsäumt  hat. 

Dr.  Max  Nassauer-  München. 


Beilage  zu  No.  31  der  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


74.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Karlsbad 

vom  21.  bis  27.  September  1902. 


Allgemeine  Tagesordnung. 

Sonntag,  den  21.  September. 

Vormittags  10  Uhr:  Sitzung  des  Vorstandes  der  Gesellschaft  im 
Kurhaus. 

Vormittags  11  Uhr:  Sitzung  des  wissenschaftlichen  Ausschusses 
im  Kurhaus. 

Vormittags  12  Uhr:  Gemeinsame  Sitzungen. 

a)  des  Vorstandes  der  naturwissenschaftlichen  Hauptgruppe 
und  der  Einführenden  und  Schriftführer  der  naturwissenschaft¬ 
lichen  Abteilungen  (Kurhaus); 

b)  des  Vorstandes  der  medizinischen  Hauptgruppe  und  der 
Einführenden  und  Schriftführer  der  medizinischen  Abteilungen 
(Kurhaus). 

Nachmittags  y2 3  Uhr:  Gemeinsames  Mittagessen  der  Mitglieder 
des  Vorstandes  und  des  wissenschaftlichen  Ausschusses  der 
Gesellschaft,  der  Vorstände  der  beiden  Hauptgruppen  und  aller 
Abteilungen,  sowie  der  Mitglieder  aller  Ausschüsse  im  Stadt¬ 
park. 

Abends  y2 8  Uhr:  Promenadenkonzert  im  Schützenliaus. 


Montag,  den  22.  September. 

Morgens  10  Uhr:  Erste  allgemeine  Versammlung  im  grossen  Saale 
des  Schützenhauses. 

1.  Begrüssungsansprachen. 

2.  Vorträge  der  Herren  Hofmeister  -  Strassburg,  W  e  - 
ber  -  Amsterdam  und  Voller-  Hamburg. 

Nachmittags :  Abteilungssitzungen. 

Abends  7  Uhr:  Festvorstellung  im  Theater  und  Orpheum  (Schützen¬ 
haus). 


Dienstag,  den  23.  September. 

Morgens  S  Uhr:  Frühstück  auf  der  Alten  Wiese,  gegeben  von  den 
dortigen  Hausbesitzern. 

^  or-  und  Nachmittags:  Abteilungssitzungen. 

Abends  6  Uhr:  Festessen  im  Stadtpark. 

Mittwoch,  den  24.  September. 

Morgens  8 y2  Uhr:  Geschäftssitzung  der  Gesellschaftsmitglieder 
im  grossen  Saal  des  Schützenhauses. 

Morgens  10  Uhr:  Gesamtsitzung  beider  Hauptgruppen  im  grossen 
Saale  des  Schützenhauses.  Vorträge  Suess-  Wien  Me  y  e  r  - 
hoffer-  Berlin,  Ruff-  Karlsbad. 

Nachmittags:  Abteilungssitzungen. 

Abends  5  Uhr:  Festessen,  gegeben  von  der  Stadt  Karlsbad. 

Abends  7  Uhr:  Festliche  Beleuchtung  der  Stadt. 


Donnerstag,  den  25.  September. 

Morgens  0  Uhr:  Gemeinschaftliche  Sitzung  der  medizinischen 
Hauptgruppe  im  grossen  Saale  des  Schützenhauses.  Verliand- 
lungsthema:  Physiologische  Albuminurie. 

Referenten:  v.  L  e  u  b  e  -  Würzburg,  D  r  e  s  e  r  -  Elberfeld. 

Morgens  y„10  Uhr:  Gemeinschaftliche  Sitzung  der  naturwissen¬ 
schaftlichen  Hauptgruppe  im  Kurhaus.  Verhandlungsthemata- 
Kreislauf  des  Stickstoffs. 

Referenten:  Koch-  Göttingen,  R  e  m  y  -  Berlin. 

-Nachmittags:  Abteilungssitzungen. 

Abends  7 y2  Uhr:  Festreunion  im  Kurhaus 


September. 
Versammlung 


im  grossen 


Wien. 


Freitag,  den  26. 

Moigens  10  Uhr:  Zweite  allgemeine 
Saale  des  Schützenhauses. 

-  01'träge  der  Herren  Frhr.  v.  Eiselsber 
v-  vv(  e  1 1  s  t  e  i  n  -  Wien  und  v.  M  i  1 1  e  v  -  München 
-  Schluss-Ansprachen. 

*  A»!]^gS:  Erforderlichen  Falls  noch  Abteilungssitzungen. 

Ausfluge.  (Giesshübl-Sauerbrunn.) 

>eiuls  9  Ihr:  Abschiedskommers  im  Stadtpark. 


Sonnabend, 

RMirt  nach  Teplitz,  Aussig 
had  (Aerzte). 


den  27.  September. 

(Naturforscher),  Franzensbad,  Marien- 


Erläuterungen  und  Mitteilungen. 

Die  Jahresversammlungen  Deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  werden  von  der  „Gesellschaft 
Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte“  einberufen;  jedoch  ist  die 
Teilnahme  daran  von  der  Mitgliedschaft  der  Gesellschaft  unab¬ 
hängig. 

Die  Lösung  der  Teilnehmer-  und  Damenkarten  (s.  unten), 
sowie  die  Ausgabe  der  Festzeichen  erfolgt  von  Sonnabend  den 
20.  September  ab  ausschliesslich  im  Bureau  der  Geschäftsfüh- 
rung,  Neubad  I.  Stock.  Daselbst  werden  vom  gleichen  Tage 
ab  auch  Anmeldungen  zur  Mitgliedschaft  bei  der  Gesellschaft 
entgegengenommen  und  die  Mitgliedskarten  ausgegeben. 

Dagegen  findet  die  Ausgabe  des  Tageblattes,  der  Festgaben 
und  sonstigen  Drucksachen,  Ausweise  u.  s.  w.,  die  auf  Grund 
der  Teilnehmer-  und  Damenkarten  verabfolgt  werden,  im  Kur¬ 
haus,  Hochparterre  statt. 

Mitglieder  der  Gesellschaft  können  alle  diejenigen  werden, 
welche  sich  wissenschaftlich  mit  Naturforschung  und  Medizin 
beschäftigen. 

Anmeldungen  zur  Mitgliedschaft  vor  der  Versammlung  haben 
schriftlich  beim  Schatzmeister  der  Gesellschaft,  Geheimrat  Dr. 
Karl  L  a  m  p  e  -  V  i  s  c  li  e  r  in  Leipzig,  Schillerstrasse  8,  zu 
erfolgen 

Die  Mitglieder  haben,  wenn  sie  an  der  Versammlung 
teilnehmen,  einen  Versammlungsbeitrag  von  15 '  M. 
—  18  K.  z  u  zahlen;  die  Zahlung  kann  schon  v  o  r  der  Versamm¬ 
lung  an  den  Säckelwart  der  Geschäftsführung,  Direktor  Lampel 
in  Karlsba  d,  geleistet  werden. 

Durch  die  Zahlung  dieses  Versammlungsbeitrags  erwerben 
die  Mitglieder  zugleich  das  Recht  auf  unentgeltliche  Zusendung 
der  „Verhandlungen“  der  Karlsbader  Versammlung  Für  die¬ 
jenigen  Mitglieder,  welche  das  Entgelt  für  den  Bezug  der  Ver¬ 
handlungen  bereits  an  den  Schatzmeister  der  Gesellschaft  bezahlt 
haben,  ermässigt  sich  der  Versammlungsbeitrag  auf  9  M. 

Die  Mitgliedskarte  und  eventuell  die  Quittung  des  Schatz¬ 
meisters  über  den  bereits  gezahlten  Betrag  für  die  Verhandlungen 
ist  mitzubringen. 

Wer  auf  der  Versam  m  lung  als  Mitglied  beitritt,  hat 
ausserdem  noch  den  Mitgliedsbeitrag  für  das  laufende  Jahr  mit 
5  M.,  somit  im  ganzen  20  M.  =  24  K.  zu  bezahlen.  Solche  Mit¬ 
gliedsanmeldungen  während  der  Versammlung  werden  im 
Bureau  der  Geschäftsführung  (Neubad)  entgegengenommen  (siehe 
oben) 

Teilnehmer  an  der  Versammlung  kann,  auch  ohne  Mitglied 
der  Gesellschaft  zu  sein,  jeder  werden,  der  sich  für  Naturwissen¬ 
schaften  und  Medizin  interessiert 

Diese  Teilnehmer  an  der  Versammlung  haben  einen  Ver¬ 
sam  m.  lungsbeitrag  von  20  M.  =  24  K.  zu  entrichten;  es 
kann  dies  schon  vor  der  Versammlung  an  den  Säckelwart  der 
Geschäftsführung,  Direktor  L  a  m  p  e  1  in  Karls  b  a  d.  geschehen. 
Gegen  eine  weitere  Zahlung  von  6  M.  —  7  K.  erhalten  dieselben 
ebenfalls  die  „Verhandlungen“  zugesendet,  wenn  sie  sich  wäli- 
rend  der  Versammlung  in  eine  im  Bureau  der  Geschäftsführung 
(Neubad)  aufliegende  Liste  einzeichnen.  Die  Verhandlungen 
werden  den  dazu  Berechtigten  einige  Zeit  nach  der  Versammlung 
von  der  Gesellschaft  zugestellt.  Der  allgemeine  Teil  der 
\  erhandlungen  (die  Reden  und  Vorträge  der  beiden  allgemeinen 
Sitzungen  enthaltend)  wird  allen  Teilnehmern  unentgelt¬ 
lich  zugesandt. 

Zur  Legitimation  während  der  Versammlung  dient  für  alle 
Mitglieder  und  sonstigen  Teilnehmer  die  T  e  i  1  n  e  h  m  e  r  k  a  r  t  e. 
Diese  berechtigt  zum  Bezug  des  Festabzeichens,  des  in  5  Nummern 
erscheinenden  Tageblattes,  der  Festgaben  und  sonstigen  1  )ruck- 
sachen,  sowie  zur  Teilnahme  an  den  Festlichkeiten  und  wissen¬ 
schaftlichen  Sitzungen  (nicht  zugleich  auch  an  der  Geschäfts¬ 
sitzung  der  Gesellschaft,  für  welche  nur  die  Mitgliedskarte  als 
Legitimation  dient)  und  ferner  zur  Entnahme  von  Damen- 
karten  zum  Preise  von  je  6  M.  —  7  K. 

Nach  dem  Vorstehenden  beträgt  der  Versammlungsbeitrag: 

a)  für  Mitglieder  der  Gesellschaft . M.  15.— 

b)  für  Mitglieder  der  Gesellschaft,  die  den  Betrag  für  die 

„Verhandlungen“  bereits  an  den  Schatzmeister  be¬ 
zahlt  haben  . m.  9.— 


1324 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift, 


No.  31. 

< —  -*» _ 


c)  für  Teilnehmer,  die  auf  der  Versammlung  als 


5  M. 


Mit- 

Mit- 


d) 

e) 

f) 


20— 

20— 


glieder  beitreten  (15  M.  Teilnehmerkarte; 

gliedsbeitrag  für  das  laufende  Jahr) . ^1- 

für  blosse  Teilnehmer . 

für  ebendieselben,  falls  sie  auch  die  „Verhandlungen“ 

zu  beziehen  wünschen . 2<^— 

für  Damen  . 

Auskünfte.  Anfragen  in  geschäftlichen  bezw.  wissenschaft¬ 
lichen  Angelegenheiten  allgemeiner  Natur  sind  an  den  2.  Ge¬ 
schäftsführer,  Karlsbad,  „Iris“,  I.  Stock,  zu  richten.  —  Auskünfte 
betreffs  der  einzelnen  wissenschaftlichen  Abteilungen  wer¬ 
den  ausschliesslich  durch  die  bezüglich  Einführenden  erteilt  und 
sind  alle  derartigen  Anfragen,  sowie  weitere  Vortragsanmel- 
dungen  nur  an  diese  Herren  zu  richten.  —  Alle  übrigen  Auflagen, 
wie  hinsichtlich  der  Festlichkeiten,  Vergnügungen,  Wohnungen 
u.  s.  w„  wollen  direkt  an  die  betreffenden  Unterausschüsse  ge- 
nauestens  adressiert  werden. 


Zur  Vermittelung  von  Wohnungen  ist  ein  Ausschuss  in 
Tätigkeit  getreten,  der  Anmeldungen  entgegennimmt.  Die  Adresse 
ist  ausschliesslich:  Wohnungsausächuss  der  74.  Ver- 
s  a  m  mlung  Deutscher  N  a  t.  u  rforsche  r  und  Aerzt  e, 
K  arls  b  a  d,  Mattoniho  f. 

Bemerkt  wird,  dass  eine  hinreichende  Zahl  von  entgeltlichen 
und  unentgeltlichen  Zimmern  zur  Verfügung  stehen,  die  den 
p.  t.  Teilnehmern  bei  rechtzeitiger  Anmeldung  tunlichst  nach 
Wunsch  vermittelt  werden. 


In  den  Dienst  der  die  Versammlung  besuchenden  Damen 
wird  sich  ein  aus  Damen  bestehender  Ausschuss  stellen,  dessen 
besondere  Aufgabe  es  sein  wird,  den  Teilnehmerinnen  während 
der  fachwissenschaftlichen  Sitzungen  eine  anregende  Unterhaltung 
zu  bieten. 

Die  Damen  erhalten  ihr  Festabzeichen  und  können  an  allen 
programmässigen  Festlichkeiten,  an  den  allgemeinen  Sitzungen, 
Besichtigungen  und  Ausflügen  gegen  Vorzeigung  ihrer  Damen¬ 
karte  teilnehmen. 


|  Programm  der  wissenschaftlichen  Verhandlungen. 

I.  Allgemeine  Versammlungen 

im  grossen  Saale  des  Schützenhauses. 

Montag,  den  22.  September,  10  Uhr  Vormittag. 

F.  H  o  f  m  e  i  s  t  e  r  -  Strassburg:  Ueber  den  Bau  des  Eiweiss- 
molekuls.  —  M.  W  e  b  e  r  -  Amsterdam:  Der  Malayisclie  Archipel 
und  die  Geschichte  seiner  Vorwelt.  —  A.  A  o  1 1  e  r  -  Hamburg. 
Grundlagen  und  Methoden  der  elektrischen  Wellentelegraphie  (sog. 
drahtlose  Telegraphie).  Im  Anschlüsse  an  diesen  Vortrag  sind 
für  die  Dauer  der  Versammlung  praktische  Vorführungen  der 
Systeme  Slaby  und  B  r  a  u  n  in  Aussicht  genommen,  die  von 
der  Allgemeinen  Elektrizitätsgesellschaft  Berlin  und  der  Gesell¬ 
schaft  für  drahtlose  Telegraphie  (System  Prof.  Braun  und 
Siemens-Halske)  Berlin  vorbereitet  werden. 

Freitag,  den  26.  September,  10  Uhr  Vormittag. 

A.  Frhr.  v.  Eiseisberg:  Die  Bedeutung  der  Schilddrüse 
für  den  Haushalt  der  Natur.  —  R.  v.  Wettstein:  Der  Neo- 
Lamarekismus.  —  O.  v.  Miller:  Die  Naturkräfte  im  Dienste  der 
Elektrotechnik. 

II.  Gesamt-Sitzung  beider  Hauptgruppen 

im  grossen  Saale  des  Schützenhauses. 

Mittwoch,  den  24.  September,  10  Uhr  Vormittag. 

E.  Suess-Wien:  Ueber  das  Wesen  der  heissen  Quellen. 

\y  Meyer  lioffer  -  Berlin:  Die  chemisch-physikalische  Be¬ 
schaffenheit  der  Heilquellen.  —  J.  R  u  f  f  -  Karlsbad.  David 
B  eche  r,  der  „Karlsbader  Hippokrates“  1725 — 1792. 

III.  Sitzungen  der  Hauptgruppen  und  der  Abteilungen. 
(Bildung  und  Eröffnung  der  Abteilungen:  Montag,  den  22.  Sep¬ 
tember,  Nachmittag  3  Uhr.) 


Die  allgemeinen  Versammlungen,  sowie  die  Gesamtsitzung 
beider  Hauptgruppen  am  Mittwoch  finden  im  grossen  Saale 
des  Schützenhauses  in  Karlsbad  statt.  Von  den  ge¬ 
meinschaftlichen  Hauptgruppen- Sitzungen  am  Donnerstag  findet 
die  medizinische  ebenfalls  in  diesem  Saale,  die  naturwissenschaft¬ 
liche  im  grossen  Saale  des  Kurhauses  (1.  Stock)  statt. 

Sämtliche  Abteilungssitzungen  der  naturwissenschaft¬ 
lichen  Hauptgruppe  werden  im  städt.  Gymnasium,  die 
der  medizinischen  dagegen  hauptsächlich  im  Kurhause  und 
in  der  2.  Volksschule  (Egerstrasse)  tagen. 


Medizinische  Hauptgruppe. 

I.  Gemeinschaftliche  Sitzung  der  medizinischen  Hauptgruppe 

unter  Vorsitz  des  Herrn  Geheimrates  Prof.  S  t  i  n  t  z  i  n  g  -  Jena. 
Donnerstag,  den  25.  September,  Morgens  9  Uhr, 
grosser  Saal  des  Schützenhauses,  Karlsbad, 
v.  Leube  -  Würzburg  und  D  r  e  s  e  r  -  Elberfeld:  Die  physio¬ 
logische  Albuminurie. 


: 

Das  Hauptpostamt  Karlsbad  (am  Markt),  sowie  die  beiden 
Postfilialen  (Egerstrasse  und  Franz  Josefstrasse)  werden  von 
Morgens  bis  Abends  zur  Annahme  und  Ausgabe  von  gewöhnlichen 
und  eingeschriebenen  Briefschaften,  sowie  zur  Annahme  von 
Telegrammen  und  zum  Verkauf  von  Postwertzeichen  geöffnet  sein; 
postlagernde  Sendungen  sind  unter  dem  Vermerk  „Haupt¬ 
postamt  Karlsba  d“  zu  richten.  Auch  Telephone  werden 
zur  Verfügung  stehen. 

Alle  näheren  Angaben,  sowie  alle  weiteren  Hinweise,  die  für 
die  Versammlungsbesucher  von  praktischer  Wichtigkeit  sind, 
werden  im  Tageblatt  veröffentlicht,  das  täglich  Morgens  von 
8  Uhr  ab  im  Kurhause  zur  Ausgabe  gelangen  wird.  Dasselbe 
wird  ausserdem  in  seiner  ersten  Nummer  die  Satzungen  und  die 
Geschäftsordnung  der  Gesellschaft  und  weiterhin  täglich  das  Pro¬ 
gramm  des  betreffenden  Tages,  eine  Aufzählung  der  am  vorher¬ 
gehenden  Tage  gehaltenen  Vorträge  unter  Nennung  des  Vor¬ 
tragenden  und  des  Gegenstandes  seines  Vortrags,  sowie  ein 
möglichst  vollständiges  Verzeichnis  der  Teil- 
n  e  h  m  e  r  u  n  d  ihre  r  W  olinungen  enthalten.  Zu  r 
E  rmöglichung  dieser  unbedingt  notwendige  n 
Vollständigkeit  ergeht  an  alle  Teilnehmer  die 
dringende  Bitte,  bei  Lösung  der  Teilnehmer¬ 
karte  Namen,  gewöhnlichen  Wo  h  nort  und  hie¬ 
sige  Wohnung,  sowie  später  etwa  eintretende 
Veränderungen  der  letzteren  in  die  im  Bureau 
des  Wohnungsausschusses  aufliegenden  Prä¬ 
senzlisten  mit  deutlicher  Schrift  einzutragen. 

NI it  der  Versammlung  ist  eine  Ausstellung  verbunden, 
welche  für  naturwissenschaftliche  und  medizinische  Zwecke  die¬ 
nende  Apparate  und  Gegenstände  enthalten  wird.  Diese  Aus¬ 
stellung.  deren  Besuch  unentgeltlich  ist,  wird  im  Kaiserbad 
abgehalten. 

Der  Stadtrat  Karlsbad  hat  die  erforderlichen  Mittel  bewilligt, 
um  allen  Teilnehmern  an  der  74.  Versammlung  Deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzt e  eine  bleibende  Erinnerung  in  Form  einer 
F  e  s  t  s  c  li  r  i  f  t  überreichen  zu  können.  Der  Festschriftausschuss, 
der  alle  Mitarbeiter  des  Buches  umfasst,  darf  wohl  hoffen,  der  In¬ 
halt  desselben  werde  die  Leser  überzeugen,  dass  Karlsbad  in  den 
letzten  Dezennien  alles  aufgeboten  hat.  um  den  Anforderungen, 
die  an  einen  Weltkurort  gestellt  werden  können,  gerecht  zu 
werden. 

Auch  eine  Festschrift  der  übrigen  deutschböhmischen  Ileil- 
quellen-Kurorte  wird  sämtlichen  Teilnehmern  der  Versammlung 
eingehändigt  werden. 


II.  Gemeinschaftliche  Sitzungen  einzelner  Abteilungen. 


\  4 vif  Aufforderung  der  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde: 

Ganghof  ner- Prag  und  Richter  (Wien):  Plötzliche  Todes¬ 
fälle  im  Kindesalter.  „ 

Einladende  Abteilung  No.  18.  Eingeladene  Abtedungen  No.  14, 
16  °0  Sitzungslokal:  II.  Volksschule,  Egerstrasse,  Zimmer  No.  2, 
Erdgeschoss.  Sitzungszeit:  Dienstag,  den  23.  September,  Morgens 
8y2  Uhr. 

B.  Auf  Aufforderung  der  deutschen  pathologischen  Gesell¬ 
schaft:  v.  Iv  a  h  1  d  e  n  -  Freiburg  i/B.:  Pyämie  und  Septikämie.  — 
F  i  s  c  h  e  1  -  Prag:  Ueber  den  gegenwärtigen  Stand  der  experimen¬ 
tellen  Teratologie. 

Einladende  Abteilung  No.  13.  Eingeladene  Abteilungen  No.  1-, 
14,  16.  Sitzungslokal:  Speisesaal  des  Kurhauses.  Sitzungszeit: 
Dienstag,  den  23.  September,  Morgens  11  Uhr. 


C.  Von  der  Abteilung  für  Chirurgie  vorbereitet: 

1.  Die  chirurgische  Behandlung  der  Cholelitliiasis  im 


An- 


ichlusse  an  die  Vorträge: 


v.  B  ü  n  g  n  e  r  -  Hanau:  Zur  Anatomie 
ml  Pathologie  der  Gallenorgane  und  des  Pankreas.  —  Fink- 
Karlsbad:  Die  Erfolge  der  Karlsbader  Kur  bei  Gallensteinkranken. 
-  G  a  r  r  e  -  Königsberg:  Ueber  Choledochotomie.  —  Höchen- 
g  g  -  Wien:  Ueber  Gallenblasenoperationen.  —  Hausch  -  Bres- 
vu:  Ueber  Diabetes.  —  K  e  h  r  -  Halberstadt :  Ein  Rückblick  auf 
30  Gallensteinoperationen,  unter  besonderer  Berücksichtigung  von 
a.  100  Hepatikusdrainagen.  —  K  ö  rt  e  -  Berlin:  Erfahrungen 
her  Gallensteinoperationen.  —  Kuhn-  Kassel:  Die  Ueberwin- 
ung  der  Flexura  sigmoidea.  —  Petersen  -  Heidelberg:  Ueber 
ie  Anzeigen  und  die  Dauererfolge  der  Gallensteinoperationen. 
An  Rückblick  auf  430  Fälle.  —  Ri  edel- Jena:  a)  Ueber  den 
inksseitigen  Magenschmerz,  b)  Ueber  den  pathologiscli-ana to¬ 
nischen  Befund  bei  dem  ersten  Anfall  von  Gallensteinkolik.  -- 
lonnenburg-  Berlin:  Ueber  die  Beziehungen  der  Perityphlitis 


1 1  ri4rv?  »i  lr  i*fi  lilrln  Alt  All 


tionen  an  Diabetischen.  , 

Einladende  Abteilung  No.  16.  Eingeladene  Abteilung  No.  1  • 
Sitzungslokal:  Saal  der  Königsvilla.  Sitzungszeit:  Wird  seinerzeit 
im  Tagblatt  kundgegeben  werden. 

II.  Doyen-  Paris:  Entwicklung  der  chirurgischen  Technik 
und  der  chirurgischen  Methoden  (mit  Demonstrationen  fixer  unc 
belebter  Projektionsbilder). 

Einladende  Abteilung  No.  16.  Eiugeladene  Abteilungen:  Alle 
Abteilungen  der  medizinischen  Hauptgruppe.  Sitzungslokal  uh 
Sitzungszeit  werden  seinerzeit  im  Tagblatt  bekannt  gegeben, 


5.  August  1902. 


Tx'ilage  zur  Münchener  mcdicinischen  Wochenschrift. 


1325 


D.  Von  der  Abteilung  für  Laryngologie  vorbereitet:  Die 
Asthmatkerapie  im  Anschluss  an  den  Vortrag:  B  rüge  im  an  n- 
Berlin:  Das  Asthma  hysterieum  und  die  Asthmatherapie  im  All¬ 
gemeinen. 

Einladende  Abteilung  21  a  (Laryngologie).  Eingeladene  Ab¬ 
teilungen  No.  14  (Innere  Medizin)  und  Abteilung  21  b  (Otologie). 
Sitzungslokal  und  Sitzungszeit  werden  seinerzeit  im  Tagblatt  be¬ 
kannt  gegeben. 


III.  Sitzungen  der  einzelnen  Abteilungen. 

32.  Abteilung:  Anatomie,  Histologie,  Embryologie  und  Physio¬ 
logie. 

1.  As  eher- Bern:  Ueber  peripheren  Nerventonus.  _ 

2.  Beer -Wien:  Versuche  und  Demonstrationen  zur  Lehre  von 
der  Refraktion  und  Akkomodation  der  Wirbeltieraugen.  — 
o.  C  r  e  in  e  r  -  München:  Ueber  die  Bildung  von  Dextrose  aus 
Glyzerin  und  Fett  im  Tierkörper.  —  4.  Exner-Wieu:  Thema 
Vorbehalten.  —  5.  F  o  g  a  s  -  V  ien:  Zur  Lehre  von  den  sekundären 
Geschlechtscharakteren.  —  G.  v.  F  ü  r  t  h  -  Strassburg  i/E.:  Thema 
Vorbehalten.  —  7.  Garten-  Leipzig:  Ueber  die  elektrischen  Er¬ 
scheinungen  an  marklosen  Nerven.  —  8.  G  e  b  h  a  r  d  t  -  Halle:  Auf 
welche  Quantität  der  Beanspruchung  reagiert  der  Knochen  jeweils 

mit  der  Ausbildung  einer  entsprechenden  Architektur.  _  9.  Hof- 

in  a  n  n  -  Leipzig:  a)  Zur  Anatomie  und  Physiologie  des  intrakar¬ 
dialen  Nervensystems.  Mit  Demonstration  histologischer  Prä¬ 
parate.  b)  Demonstration  wissenschaftlicher  Apparate.  _ 

30.  K  o  h  n- Prag:  Die  Paraganglien.  Mit  Demonstration. 

11.  Iv  r  a  u  s  -  Karlsbad:  Zur  Anatomie  der  Prostata.  — 

12.  Kr  ei  dl- Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  13.  Re  ach -Karls¬ 
bad:  Ueber  rückläufige  Fortbewegung  von  Darminhalt.  _ 

34.  ^  Röh  m  a  n  n  -  Breslau:  a)  Ueber  ""  künstliche  Ernährung, 
b)  Ueber  das  Sekret  der  Bürzeldrüse,  c)  Phylogenesis  der  Enzyme. 

—  15.  Rose  m  a  n  n  -  Greifswald:  Physikalisch-chemische  Unter¬ 
suchungen  über  die  Zusammensetzung  der  Milch.  _ IG.  geegen- 

Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  17.  Wiesel- Wien:  Thema  Vor¬ 
behalten.  —  IS.  Winternitz  -  Stuttgart:  Demonstration  eines 
Modells  des  fötalen  Kreislaufs.  - —  19.  Z  i  m  m  e  r  m  an  n  -  Dresden: 
Physiologie  der  Gehörknöchelchenkette. 

Die  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  2  (Physik)  zu: 
Wien -Aachen:  Ueber  die  Empfindlichkeit  des  menschlichen 
Ohres  für  Töne  verschiedener  Höhe.  Von  Abteilung  4  (Chemie)  zu: 
Siegfried- Leipzig:  Ueber  Peptone.  Von  Abteilung  11  (An¬ 
thropologie)  zu:  Mayer-Bad  Sulz:  Ueber  die  Entstehung  des 
Menschen,  der  verschiedenen  Menschen-  und  Tierarten.  Von  Ab¬ 
teilung  14  (Balneologie)  zu:  G  i  n  1 1  -  Karlsbad:  Ueberslcht  über 
die  Ergebnisse  der  im  Jahre  1900 — 1901  vorgenommenen  physi¬ 
kalisch-chemischen  Untersuchungen  des  Karlsbader  Sprudels.  Von 
Abteilung  19  (Neurologie)  zu:  Stransky- Wien:  Ueber  diskon¬ 
tinuierliche  Zerfallsprozesse  am  peripherischen  Nerven. _ Münzer- 

Prag:  Zur  Lehre  vom  Neuron.  —  Sternberg  -  Wien:  Zur  Physio¬ 
logie  des  menschlichen  Zentralnervensystems  nach  Studien  an 
Hemikeplialen. 

13.  Abteilung:  Allgemeine  Pathologie  und  pathologische 

Anatomie. 

(Zugleich  Tagung  der  Deutschen  pathologischen  Gesellschaft.) 

Referatthemata:  1.  Pyämie  und  Septikämie.  Referent: 
v.  K  a  h  1  d  e  n  -  Freiburg  i/B.  —  2.  Ueber  den  gegenwärtigen 
Stand  der  experimentellen  Teratologie.  Referent:  F  i  s  c  li  1  -  Prag. 

Angemeldete  Vorträge:  1.  Albreclit-  München : 
a)  Ueber  Lebercirrhose.  b)  Neue  Beiträge  zur  Pathologie  der  Zelle.— 

—  Askanazy-  Königsberg:  Thema  Vorbehalten.  —  3.  Auf¬ 
recht-  Magdeburg:  Die  verschiedene  Genese  des  käsigen  und  des 
grauen  Tuberkels.  —  4.  Bachmann  -  Harburg:  Konstitution 
und  Infektion.  —  5.  v.  B  a  u  m  g  a  r  t  e  n  -  Tübingen:  a)  Mikro¬ 
skopische  Untersuchungen  über  die  Schicksale  des  Blutes  in  dop¬ 
pelt  unterbundenen  Gefässtrecken.  b)  Weitere  Untersuchungen 
über  Hämolyse  im  heterogenen  Serum.  —  G.  Chiari-Prag: 

a)  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  der  Autodigestion  des  Pankreas 
und^der  Fettgewebsnekrose.  b)  Zur  Kenntnis  der  Beckenlipome. 

7.  D  a  v  i  d  s  o  h  n  -  Berlin:  Zur  Pathologie  der  Speicheldrüsen. 

—  8.  F  e  i  n  b  e  r  g  -  Berlin:  Ueber  den  Bau  der  einzelligen  tie¬ 
rischen  Organismen  und  über  das  Vorkommen  derselben  in  den 
Krebsgeschwülsten.  —  9.  Fischer-  Prag:  a)  Idiopathische  Pacliy- 
meningitis  spinalis  externa.  b)Ueber  Gliafärbung.  —  10.  G  schwo¬ 
ll  er- Wrien:  Ueber  Differenzierung  der  Diphtheriebazillen  von  den 
Pseudodiphtheriebazillen.  —  13 .  Goerdeler- Magdeburg:  Die 
Eintrittspforte  des  Tuberkelbazillus  und  sein  Weg  zum  Lungen¬ 
parenchym.  —  12.  Hammerschlag  -  Schlan:  Ueber  die  Ver¬ 
mehrung  erkrankter  Lymphdrüsen.  —  13.  He  11  er -Kiel:  Thema 
a  orbelialten.  —  34.  II  e  n  k  e-  Breslau:  a)  Pathogene  Hefen  und 
lumorbildung.  b)  Zur  Pathologie  der  sog.  Zuckergussleber.  — 
3o.  Horst- Wien:  Ein  Fall  von  Pyämie,  erzeugt  durch  'eine 
k  treptotlirix.  —  IG.  .1  o  a  n  n  o  v  i  c  z  -  Wien;  Ueber  die  Ausschal¬ 
tung  der  Milz  aus  dem  Portalkreislauf.  —  17.  Kaiserling- 
Berlin:  Ueber  Fettmetamorphose?  —  38.  Kr  aus -Wien:  Ueber 
ein  akut  wirkendes  Bakterientoxin.  —  19.  K  r  a  u  s  und  S  t  e  ru¬ 
ber  g-Wrien:  Ueber  ein  durch  Hämolysine  hervorgerufenes  Krank¬ 
heitsbild.  —  20.  Kretz- Wien:  Ueber  die  paradoxe  Reaktion.  — 
-1.  L  u  c  k  s  c  li  -  Prag:  a)  Myeloschisis  mit  Darmausmündung. 

b)  Eigenartiger  Magenpolyp.  —  22.  Marcha  n  d  -  Leipzig:  a)  Ueber 


einen  Tumor  des  Ganglion  Gasseri  und  des  Trigeminus.  1»)  Ueber 
j  lometntis  sjphihtiea  des  Uterus  gravidus.  c)  Ueber  knotige 
Hyperplasie  der  Leber.  —  23.  Oe  sterreich- Berlin:  Ueber 

or^Ti  .‘7:  „  “  '  J\al  t  a  11  f  -  Wien:  Thema  Vorbehalten.  — 

_ • .  lick-  Jaioslau:  Entstehung  der  Gelbsucht. _ 26  P  o  n  f  i  c  k 

Breslau:  Fettgewebsnekrose  und  Diabetes.  —  27.  Saltykow- 
Groningen:  a)  Ueber  Laparotomie  bei  experimenteller  Bauchfell¬ 
tuberkulose.  b)  Ueber  Stauungsleber.  —  28.  S  a  x  e  r  -  Leinzi  — 
Unter  dem  Bilde  der  Meningitis  verlaufende  karzinomatöse  Er¬ 
krankung  der  Hirn-  und  Ruckenmarkshä ute.  —  29.  S  c  h  1  a  ge  n  li  a  u  f  e  r 
Wien:  Ueber  das  Vorkommen  chorion-epitheliom-  und  trauben- 
molengleicher  Wucherungen  in  Teratomen.  —  30.  v.  Schrötter- 
Wien:  Demonstration  einer  neuen  Methode  der  Marksclieiden- 
ai  ung.  ■  33.  St  an  gl- Vien:  Zur  Pathologie  der  Nebenorgane 
des  Sympathikus.  —  32.  Sternberg- Wien:  Ueber  die  Folgen 
der  Einverleibung  toter  Tuberkelba  zillen.  —  33.  Zörken- 

be°rusfer  SaaZ:  Ueb<?r  Immimisieruug  gegen  das  Gift  der  Vipern 


Die  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  3  3  (Anthro¬ 
pologie)  zu:  May  er- Bad  Sulz:  Ueber  die  Entstehung  des  Men 
sehen,  der  verschiedenen  Menschen-  und  Tierarten;  von  Ab¬ 
teilung  22  (Dermatologie)  zu:  E  h  r  111  a  11  n  -  V-  ien:  a)  Die  Beziehen"- 
Ger  Sklerodermie  zu  den  autotoxischen  Erythemen,  1»  Demoif- 
stration  von  Injektionspräparaten  der  Initialsklerose. 


14.  Abteilung:  Innere  Medizin,  Pharmakologie,  Balneologie  und 

Hydrotherapie. 

d  1  e  r  -  Prag:  Zur  Diagnose  des  Typhus  abdominalis.  _ 

T'  ,  a  r  11  c  l!  -  New- York:  Die  Beförderung  der  Reaktion  nach 
hydrotherapeutischen  Prozeduren.  —  3.  r  a  u  1  am  Ende- 
Dresden:  Das  Schulbrausebad  und  seine  Wirkungen.  —  4.  F.ink- 
Kailsbad:  Die  Erfolge  der  Karlsbader  Kur  bei  Gallenstein  kranken. 

•>.  F  r  ä  11  k  e  1  -  Berlin :  Thema  Vorbehalten.  —  G.  Fuchs-  Bieb¬ 
rich  :  Ueber  den  Wert  der  Beck  in  a  u  n  sehen  Gefrierpunkts¬ 
bestimmungen  von  Blut  und  Harn  zu  diagnostischen  Zwecken.  _ 

i.  Funke -Prag:  Thema  Vorbehalten.  —  8.  G  a  n  s  -  Karlsbad: 
Zur  1  hagnostik  der  Krankheiten  der  Gallenwege.  _  9.  Ger¬ 

hardt-Berlin:  Thema  Vorbehalten.  —  10.  Gintl:  Ueber- 
sieht  über  die  Ergebnisse  der  im  Jahre  1900—1901  vor¬ 
genommenen  physikalisch-chemischen  Untersuchungen  des  Karls¬ 
bader  Sprudels.  —  11.  G 1  a  e  s  s  n  e  r  -  Berlin:  Thema  Vorbehalten. 
7~  32.  G  o  1  d  m  a  n  n  -  Brenneberg:  Die  Anchylostomiasis.  — 
U».  II  a  y  asliiko  w  a  -  Japan-Prag:  Ueber  die  Bazillen  der  Prager 
typhösen  Erkrankungen.  —  14.  Hocke-  Prag:  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  des  Diabetes  insipidns.  —  15.  v.  J  akscli- Prag:  a)  Ein  Bei¬ 
trag  zur  Kenntnis  des  pathologischen  Stoffwechsels,  b)  Ueber 
Morbus  Basedowii  (mit  Demonstration),  c)  Ueber  die  im  Mangan- 
betriebe  vorkommenden  nervösen  Affektionen  (mit  Demonstration). 
“  36.  K  e  h  r  -  Halberstadt:  700  Gallensteinoperationen  und  ihre 
Erfolge.  17.  K  e  1 1  i  n  g  -  Dresden:  Ueber  die  Bedeutung  des 
sj  mpatliischen  Reizzustandes  für  die  Diagnose  und  Behandlun<v 
des  Magengeschwürs.  —  18.  Kraus- Graz:  Thema  Vorbehalten. 

—  19.  L  a  n  g  s  t  e  i  n  -  Wien:  Die  Kohlehydratgruppen  der  Eiweiss- 
korper  des  Blutserums.  _  20.  J.  L  a  z  a  r  u  s  -  Berlin:  Bronchial¬ 
katarrh  bei  Herzerkrankungen.  _  21.  P.  Lazarus  -  Berlin:  Thema 
Vorbehalten.  —  22.  Leyden-  Berlin :  Thema  Vorbehalten.  — 
-o.  L  0  r  a  n  d  -  Karlsbad:  Ueber  die  Wirkung  der  Karlsbader  Kur 

auf  den  Diabetes.^ —  24.  Mager- Brünn:  Thema  Vorbehalten.  _ 

-0.  J.  M  a  y  e  r  -  Karlsbad:  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  Dia¬ 
betes  mellitus.  —  26.  M  e  n  d  e  1  s  0  h  n  -  Berlin:  Zur  Therapie  der 
Herzkrankheiten.  —  27.  v.  M  e  r  i  n  g- Halle:  Ueber  die  Beziehungen 
zwischen  chemischer  Konstitution  und  hypnotischer  Wirkung.  — 
28.  M  i  n  t  z  -  Warschau:  Tiefsitzende  Divertikel  der  Speiseröhre. 

—  29.  O.  Neubauer-  Basel-Karlsbad:  Thema  Vorbehalten.  — 
"0-  v.  N  0  o  r  d  e  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  Fettstühle  bei  Dia¬ 
betikern.  —  31.  Petruschky  -  Danzig:  Die  diagnostische  Ver¬ 
wendbarkeit  der  Spinalgie  als  Frühsymptom  tuberkulöser  In¬ 
fektion.  32.  F.  Pick-  Prag:  Ueber  das  glykogenlösende  Fer¬ 
ment  der  Leber.  —  33.  v.  P  o  e  h  1  -  Petersburg:  Die  Autointoxi¬ 
kationen.  bedingt  durch  Anomalien  der  Gewebsatmung  und  der 
osmotischen  Spannungen.  —  34.  Pohl -Prag:  Ueber  Allantoinaus- 
scheidung  bei  Intoxikationen.  —  35.  P  o  n  f  i  c  k  -  Breslau:  Pyelo- 
tlirombose  und  Trauma.  —  36.  Rosenfeld  -  Stuttgart:  Ueber 
Prüfung  von  Herzmitteln.  —  37.  Schilling-  Leipzig:  Obstipation 
und  Migräne.  —  38.  v.  Sch  r  öfter-  Wien :  Thema  Vorbehalten. 

■ —  39.  Schuster-Aachen:  Lebercirrhose  und  Diurese.  — 
40.  Simon-  Karlsbad:  Ueber  Nachweis  und  Vorkommen  von 
Glykogen  im  Harn.  —  41.  Singer-  Wien:  Ueber  spastische  Ob¬ 
stipation.  —  42.  Singer- Prag:  a)  Ueber  Venenentzündung  als 
Frühsymptom  der  Lungentuberkulose  (Phlebitis  praetuberculosa). 
b)  Zur  Kenntnis  der  Anfälle  von  akutem  Herzjagen  (Tachycardia 
paroxystica).  —  43.  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin:  Ueber  Osmodiätetik.  — 

44.  Walk  o- Prag:  Ueber  die  Behandlung  der  Hyperazidität.  — 

45.  W  e  i  s  s  -  Wien-Karlsbad:  Die  physikalischen  Zeichen  des  Dick¬ 
darmes  und  ihre  Bedeutung  für  den  Stoffwechsel.  —  46.  W  i  e  - 
e  h  o  w  ski-  Prag:  Die  vasomotorischen  Wirkungen  der  Analgetiea. 

—  47.  Z  i  e  m  s  s  e  n  -  Wiesbaden :  Gesichtsfeldaufnahme  als  Kon¬ 
trolle  in  der  Behandlung  der  Hirn-  und  Rückenmarkslues  (mit 
Demonstrationen).  —  48.  Z  a  11  i  e  t  o  vv  s  k  i  -  Krakau :  Ueber  den. 
Einfluss  von  Alboferin  auf  Blutdruck  und  Nervenerregbarkeit. 

Die  Abteilung  ist  eingeladen:  von  Abteilung  16  (Chirurgie) 
zu:  Büngner-Hanau:  Zur  Anatomie  und  Pathologie  der  Gallen¬ 
organe  und  des  Pankreas.  —  F  ink-  Karlsbad:  Operationen  am 
Gallensystem  und  an  der  Leber.  —  G  a  r  r  e  -  Königsberg:  Ueber 


1326 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


No.  31. 


Choledochotomie.  —  H  o  c  he  n  e  gg  -  Wien:  Ueber  Gallenblaseu- 
operationen  —  K  au  s  c  h  -  Breslau:  Ueber  Diabetes.  —  K  eh  r- 
Halberstadt:  Ein  Rückblick  auf  730  Gallensteinlaparotomien  unter 
iSondeS  Berücksichtigung  von  ca.  100  Hepatikusdrmnagen.  - 
Körte-  Berlin:  Erfahrungen  über  Gallenstemoperationen. 
Kuhn- Kassel:  Die  Ueberwindung  der  Flexura  sigmoidea. 
l’etersen-  Heidelberg:  Ueber  die  Anzeigen  und  Dauererfolge 
der  Gallensteinoperation.  Ein  Rückblick  auf  430  I  al  e. 
Riede  1- Jena:  a)  Ueber  den  linksseitigen  Magensclnnerz.  b)  Ueber 
den  pathologischen  und  anatomischen  Befund  bei  dem ^  ersten  An¬ 
fall  von  Gallensteinkolik.  —  Sternbei  g-h  ien .  I  1  • 

tionen  an  Diabetischen.  Von  Abteilung  20  (Augenheilkunde)  zu. 
El  sehnig- Wien:  Ueber  Augenspiegelbefunde  bei  einigen  inne¬ 
ren  Erkrankungen. 

15.  Abteilung:  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissen¬ 
schaften. 

1  Baruch-New-York:  Entwickelung  der  therapeutischen 
Methoden  in  Amerika.  -  2.  B  e  a  u  v  o  i  s  -  ^ris:  Ein  pmküscher 

Arzt  im  18.  Jahrhundert:  J.  H.  Cohausen.  -  3-  G  ®  1  8  *  e  -.^TAhr- 
fels-  Persönliche  Gesundheitspflege  durch  Aerzte  des  16.— 19.  J  am 
hundert!?.  —  4.  Goldziehe  r-  Ofen-Pest:  Bischof  Andreas  Dudics, 
ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Medizin  in  der  IJ®“aJ88^®e^  . 

5.  Györy- Ofen-Pest:  Thema  Vorbehalten  —  6.  G  u  t  z  m  a  n  n 
Berlin:  Der  Zusammenhang  von  Zunge  und  Sprache  in  de  ' 
schichte  der  Medizin.  -  7.  H  er  szky -Berlin:  Zur 
der  medizinischen  Irrtümer.  -  8.  K  u  t  n  a  -  Przemysl :  Histons^es 
und  Aktuelles  über  die  Frühbeschneidung.  —  9.  L  a  n  d  au ... Nura 
berg:  Zur  geschichtlichen  Entwickelung  der  Schulhygiene. 

10.  Neu  b  u  rger- Wien:  Das  Problem  der  Trophik  des  Nerven¬ 
systems  und  seine  geschichtliche  Entwickelung.  -  u-  J  a^e 
Berlin:  a)  Ein  neues  gynäkologisches  Dokument  aus  dem  1  •_  * 
hundert,  b)  Der  akademische  Unterricht  in  der  medizinischen 
Geschichte.  c)  Mittelalterliche  Rezidive  der  Gegenwar 
12.  Richter -Berlin:  a)  Zur  Geschichte  des  Jod.  b)  Ueber  die 
bisher  nicht  gedrukten  Causae  et  curae  St.  Ilildegardis. 

13  Rosen  gart -Frankfurt  a.  M.:  Ludwig  Traube  der  eiste 
\septiker.  —  14.  S  ch  eie  nz  -  Kassel:  Thema  Vorbehalten.  — 
1 5  S  chimmelbusch-  Hochdahl:  a)  Naturwissenschaftliches 
Medizinisches  und  Veterinärmedizinisches  in  der  Heihgen  Srfmft 
alten  und  neuen  Bundes,  b)  Naturwissenschaftliches  und  Medi¬ 
zinisches  bei  Horaz.  c)  Die  Krankheiten  des  jungen  Goethe, 
d)  Naturforscher  und  Aerzte  im  klassischen  Pimpelfort,  e)  Rank¬ 
heiten  und  Kuren  Ulrichs  von  Hutten.  —  10.  S  u  d  ho  f  f- Hoch¬ 
dahl:  a)  Hohenheims  Syphilisschriften,  b)  Gedruckte  deutsche 
Arzneibücher  des  15.  Jahrhunderts.  —  17.  v.  To{l15'^ '  S“' 
a)  Antike  Schröpfköpfe,  b)  Medizin  in  China,  c)  Unterrichts¬ 
mittel.  .  . 

Die  Abteilung  ist  eingeladen:  von  Abteilung  1  (Mathematik) 
zu:  M  e  h  m  k  e  -  Stuttgart:  Ueber  die  Entwicklung  der  graphischen 
Methode. 

16.  Abteilung:  Chirurgie. 


1.  Bardenheuer- Köln:  Ueber  Lungenchirurgie.  —  2.  Bei  g- 
Frankfurt  a.  M.:  Ueber  die  Verwendung  der  Kaustik  bei  uro- 
logischen  Eingriffen.  -  3.  B  o  rcha  rd  -  Posen:  Seltenere  Folge¬ 
zustände  nach  schweren  Schädelverletzungen.  —  4.  v.  Bra  m  ann- 
Halle:  Beiträge  zur  Hirnchirurgie.  —  5.  Brenner-  Linz.  Die  ope¬ 
rative  Behandlung  des  kallösen Magengeschwürs.  —  6.  v.Bungner- 
Hanau:  Zur  Anatomie  und  Pathologie  der  Gallenorgane  und  des 
Pankreas.  —  7.  v.  B  u  r  k  h  a  r  d  -  Stuttgart:  Ueber  die  fortschrei¬ 
tende  Peritonitis.  —  8.  Clairmont  und  R  a  n  z  i  -  Wien:  Experi¬ 
mentelle  Untersuchungen  über  Ileus.  —  9.  Clairmont  und 
H  oberer- Wien:  Ueber  das  Verhalten  des  gesunden  und  kranken 
tierischen  Peritoneums.  —  10.  Gramer-  Wiesbaden:  Ueber  osteo¬ 
myelitische  Coxitis.  —  11.  Czerny -Heidelberg:  Thema  Vor¬ 
behalten.  —  12.  Doll  in  ge  r- Ofen-Pest:  Thema  Vorbehalten.  — 
13  Doyen -Paris:  a)  Subperitoneale  Ausschälung  mit  Wiederher¬ 
stellung  der  Serosa.  b)  Partielle  Blasenresektion  mit  subseröser 
Ausschälung.  —  14.  Freiherr  v.  Eiseisberg  -  Wien:  lieber  In- 
vagination.  —  15.  F  i  n  k  -  Karlsbad:  Operationen  am  Gallensystem 
und  an  der  Leber.  —  16.  Friedrich-  Leipzig:  Demonstration.  — 
17  Garre  -  Königsberg:  Ueber  Choledochotomie.  —  18.  G  r  a  s  er  - 
Erlansen:  a)  Ueber  Anomalien  des  Mesenteriums,  b)  Ueber  die 
sog.  Bursitis  proliferans.  —  19.  Helferieh  -  Kiel :  Erfahrungen 
aus  dem  Gebiete  der  Pankreaschirurgie.  —  20.  Hilgen  remer- 
Prag:  Bericht  über  800  operierte  Hernien.  —  21.  Hochenegg- 
Wien:  Ueber  Gallenblasenoperationen.  —  22.  Hoeftman- 

Ivönigsberg:  Beitrag  zur  Behandlung  der  Sehnenhygrome  (mit 
Krankenvorstellung).  -  23.  H  o  f  m  e  i  s  t  e  r  -  Tübingen:  a)  Ueber 
Darminvagination.  b)  Ein  neues  Massageverfahren.  —  24.  Jordan- 

Heidelberg:  Ueber  primäre  akute  Typlilitis.  —  ->•  Kauscli- 
Bresl.au:  Ueber  Diabetes.  —  26.  K  e  h  r  -  Halberstadt:  Em  Rück¬ 
blick  auf  730  Gallensteinlaparotomien  unter  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  von  ca.  100  Hepatikusdrainagen.  —  27  Albert  Kocher- 
Bern:  Thema  Vorbehalten.  —  28.  Theodor  Kocher- Bein.  1  liema 
Vorbehalten.  —  29.  K  ö  1 1  i  c  k  e  r  -  Leipzig:  Ueber  Gipsdraht¬ 

schienen.  —  30.  K  o  lim  an  n- Leipzig:  Thema  Vorbehalten.  — 
31.  K  ö  n  i  g  -  Berlin:  Thema  Vorbehalten.  —  32.  K  ör  t  e  -  Berlin. 
Erfahrungen  über  Gallensteinoperationen.  —  33.  K  r  ö  n  1  e  1  n - 
Zürich-  Ueber  Nierentuberkulose.  —  34.  Kuhn -Kassel:  a)  Pul¬ 
monale  Narkose,  b)  Kein  Erbrechen  und  Pressen  bei  Laparo¬ 
tomien.  c)  Die  Ueberwindung  der  Flexura  sigmoidea.  —  3o.  Kum- 


mell- Hamburg:  Thema  Vorbehalten.  —  36.  K  ü  s  t  er -Marburg: 
Thema  Vorbehalten.  —  37.  Frhr.  v.  Lesser- Leipz!g:  Ueber  Luxa¬ 
tion  des  Os  lunatum  carpi.  —  38.  Lieblein-  Prag:  Ueber _  die  che¬ 
mische  Zusammensetzung  des  Wundsekretes.  —  39.  v. 

Radecki  -  Breslau :  Thema  Vorbehalten.  —  40.  M  u 1  i  e  r -Rostock. 
Demonstration  von  Präparaten.  —  41.  N  e  u  g  e  b  a  u  er  -  Mahrisch- 
Ostrau:  a)  Ueber  osteoplastische  Nekrotomie,  b)  Erfahrungen 
über  Medullarnarkose.  -  42.  P  e  t  e  r  s  e  n  -  Heidelberg:  Ueber  die 
Anzeigen  und  die  Dauererfolge  der  Gallenstemoperationen.  Ein 
Rückblick  auf  430  Fälle.  -  43.  PreindlBberger-Saj^. 
a)  Weitere  Mitteilungen  über  Lithiasis  m  Bosnien,  b)  Ueber  Stein 
Operationen  (mit  Demonstrationen).  —  44  R  l  e  de  1  -  Jena:  a)  Ueber 
den  linksseitigen  Magenschmerz,  b)  Ueber  den  patkolcysch-ai . 
tomischen  Befund  bei  dem  ersten  Anfall  von  Gallenstemkohk.  — 

45  S  a  1  z  w  e  d  e  1  -  Berlin:  Die  Verwendung  des  Spiritus  für  chi¬ 
rurgische  Zwecke.  —  46.  Scliede-Bonn:  Thema  Vorbehalten.  — 

47  Schloff  er-  Prag:  a)  Ueber  embolische  Verschleppung  von 
Projektilen.  b)  Ueber  Dickdarmresektionen.  —  48.  Schultze- 
Duisburg:  Beiträge  zur  Sterilisation  (mit  Demonstration)  — 
40.  Sonnen  b  u  r  g  -  Berlin:  Ueber  die  Beziehungen  der  Peri¬ 
typhlitis  zu  Gallensteinkrankheiten.  —  50.  s  p  r  i  n  g  e  r  -  Piag. 
Ueber  Operationsresultate  bei  Hasenscharte  und  Wolfsrachen  (mit 
Demonstration).  —  51.  S  t  e  i  n  t  h  a  1  -  Stuttgart:  a)  Zur  Diagnose 
und  Prognose  der  Perityphlitis,  b)  Ueber  erneutes  Karzmom- 
auftreten  bei  demselben  Individuum.  —  52.  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  Wien; 
Ueber  Operationen  an  Diabetischen.  —  53.  S  t  o  1  p  er  - i  s  ‘  • 

Ueber  Beckenbrüche  (mit  Demonstration  von  25  Beo Ltn* 

54.  Tillmanns-  Leipzig:  Thema  Vorbehalten.  —  5o.  V  u  _P  \  u  > 
Heidelberg-  Sehnenüberpflanzung  und  Arthrodese.  —  ob.  W  i  s  s  - 
haupt- Teplitz-Schönau:  Ueber  Riesenwuchs  der  Mamma  in  der 
Gravidität.  —  57.  W  ö  1  f  1  er- Prag:  Thema  Vorbehalten.  — 

5S  W  ohrizek  -  Prag:  Demonstration  eines  Redressionsappa- 
rate«  für  Skoliosen  und  Kyphosen.  -  59.  Zabludowski- 
Berlin:  Zur  Therapie  der  Erkrankungen  der  Hoden  und  deien 
Adnexe.  _  60.  Zucker  k  a  n  d  1  -  Wien:  Prostataoperationen. 

Die  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  14  (Innere 
Medizin)  zu:  F  i  n  k  -  Karlsbad:  Die  Erfolge  der  Karlsbader  Kur 
bei  Gallensteinkranken.  -  Fuchs-  Biebrich:'  Ueber  den  Wert 
der  B  e  c  k  m  a  n  n  sehen  Gefrierpunktsbestimmungen  von  Blut 
und  Ilarn  zu  diagnostischen  Zwecken.  —  K  eh  r  -  Halberstad 
700  Gallensteinoperationen  und  ihre  Erfolge.  N'on  Abteilung Io 
(Geschichte  der  Medizin)  zu:  Kutna  -  Przemysl:  Aktuelles  über 
die  Frühbeschneidung. 

17.  Abteilung:  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

1  chrobak  -  IVien :  Thema  Vorbehalten.  —  2.  Eisen- 
1)  e  v  er _  Wien  •  Beiträge  zur  konservativen  Behandlung  der  Frauen¬ 
krankheiten  —  3.  Fischer-Karlsbad:  Thema  Vorbehalten.  — 
4.  Frank -Olmtitz:  Beitrag  zur  operativen  Behandlung  der 
Myome  in  der  Gravidität.  —  5.  Freund-  Berlin-Strassburg. 
Thema  Vorbehalten.  -  6.  F  r  i  t  s  c  h  -  Bonn:  Ueber  Kramoklasie. 

_  7.  Halb  an- Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  8.  Hit  sc  n 

m  a  n  -  Wien :  Thema  Vorbehalten.  —  9.  Hofbauer  'J^ienn: 
Thema  Vorbehalten.  —  10.  Kleinhans  - Prag:  Then  < 

Vorbehalten.  —  11.  Knapp -Prag:  Thema  Vorbehalten 
40  Krönig -Leipzig:  Ueber  Blutstillung  bei  gynäkologischen 
Operationen.  -  13.  L  a  t  z  k  o  -  Wien:  Thema  Vorbehalten  - 
14  Leopold-Dresden:  Thema  Vorbehalten.  —  15.  M  ul  I  er 
München:  a)  Zum  Mechanismus  der  Geburt:  1.  Ueber  Fniclit- 
aussendruck  und  -Innendruck;  2.  Ueber  die  Beziehungen  zw^chen 
Kopfform  und  Geburt,  b)  Ueber  die  Erfolge  der  künstlichen  Früh 
gehurt  für  Mutter  und  Kind.  —  16.  Nenadovich-Franzensbad. 
Thema  Vorbehalten.  -  17.  Rosthorn -Graz:  Thema  Vorbehalten. 

_ IS  S  c  h  a  u  t  a  -  Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  ®chenK 

Prag-  Zur  Therapie  der  Extrauterinschwangerschaft.  —  20.  Schenk 
und  Austerlitz- Prag:  Weitere  Untersuchungen  über  elasti¬ 
sches  Gewebe  im  weiblichen  Genitaltrakt  (mit  Demonstration 
mikroskopischer  Präparate).  —  21.  SeHheim-  Frmbiirg:  a)  De¬ 
monstration.  b)  Vortrag:  Thema  Vorbehalten.  —  22.  S  p  e  r  1 1  ng- 
Königsberg:  Zur  Aetiologie  der  sog.  intrauterinen  I  rakturen  des 
Unterschenkels.  —  23.  Stolz- Graz:  a)  Ueber  Ivnotenbildungen 
der  Nabelschnur  und  die  Gefässe  derselben,  b)  Demonstrationen 
von  Tubenkarzinom  etc.  -  24.  V  e  i  t  -  Leyden:  Thema  vorbehaRen 

_  25.  W  i  n  t  e  r  n  i  t  z  -  Tübingen  und  Stuttgart:  a)  Die  Wahl  der 

Behandlungsmethoden  bei  Retroflexio  uteri  unter  besonderer  e- 
rücksichtigung  der  subjektiven  Beschwerden  und  sympt<?“®- 
b)  Ueber  neue  plastische  Hilfsmittel  für  den  geburtshilflich-gynäko¬ 
logischen  Unterricht  (mit  Demonstrationen). 


18.  Abteilung:  Kinderheilkunde. 

(Zugleich  Sitzung  der  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde.) 

1.  und  2.  Ganghofner  -  Prag.  Richter-  Wien:  Plötzliche 
Todesfälle  im  Kindesalter.  -  3.  B  a  g  i  n  s  k  y -Berlin.  Thema 
Vorbehalten.  —  4.  B  e  r  n  h  a  r  d  -  Berlin:  Ueber  die_  sogenannte 
zyklische  Albuminurie.  —  5.  v.  B  0  lc  a  y -Ofen-Pest .  , 

den  Wert  der  systematischen  Lumbalpunktion  bei  der  Behandlung 
des  Hydrocephalus  chronicus  internus  bei  Kindern.  --  b.  Brun¬ 
nin  g  -  Leipzig:  Ueber  Genitaltuberkulose.  <•_ 0  0  ^  ‘  ’ 

Behandlung  der  tuberkulösen  Peritonitis.  —  8.  E  p  s  t  ei  n- -  •  »• 

a)  Ueber  einen  Kindersessel  zur  Behandlung  rhaclntischer  Ruc 
gratsverkrümmungen.  b)  Ueber  pathologischen  Kurzhals,  c) 
angeborene  Lähmungen  der  Unterlippe.  —  9.  E  s  c  h  e  r  ich-  • 
Thema  Vorbehalten.  —  10.  F  i  n  k  e  1  s  t  e  1  n  -  Berlin:  Uebei  das 


5.  August  1902. 


1327 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


I1  ettsklerem.  11.  F  i  s  c  h  1  -  Prag:  Ueber  das  Elastingewebe 
des  Säuglingsdarmes.  12.  F  1  a  c  b  s  -  Dresden:  Beitrag  zur  Impf- 
teclinik.  —  13.  Friedj  ung-Wien:  Die  Diastase  der  Musculi 
recti  in  der  Pathologie  des  Kindes.  —  14.  G  u  t  z  in  a  n  n  -  Berlin: 
Die  Schreiatmung  des  Säuglings.  —  15.  Hecker-  München  • 
Thema  Vorbehalten.  —  16.  II  e  u  b  n  e  r  -  Berlin:  Bemerkungen  zur 
Scharlach-  und  Diphtherieniere.  —  17.  II  o  li  1  f  e  1  d  -  Leipzig:  Zur 
Pathologie  der  Säuglingsniere.  —  IS.  lloclisi  n  g  e  r  -  Wien:  lieber 
hereditäre  Syphilis  ohne  Exanthem.  —  19.  Kas  so  witz-Wien: 
Infantiles  Myxödem,  Mongolismus  und  Mikromeiie.  —  2U.  Langer- 

Prag:  Zur  Frage  der  Hämagglutination  im  Kindesalter. _ 

21.  Li  e  b  s  c  h  e  r- Prag:  Ueber  lnliuenzabazillenbefimde  bei  Ma¬ 
sern-  und  Scharlacherkrankungen.  —  22.  Monti-Wien:  Erfah¬ 
rungen  über  Heilserumexantheme.  —  23.  Mo  ro-  Wien:  Ueber 
die  Fermente  der  Milch.  —  24.  Mos  er- Wien:  Ueber  die  Behand¬ 
lung  der  Skarlatina  mit  Antistreptokokkenserum.  —  25.  Pfaundler- 
Graz:  Thema  Vorbehalten.  —  26.  P  i  n  e  1  e  s  -  Wien:  Ueber  das 
kongenitale  und  infantile  Myxödem.  —  27.  R  a  n  k  e  -  München: 
Thema  Vorbehalten.  —  28.  Raudnitz  -  Prag:  Demonstration  von 
experimentellem  Nystagmus.  —  29.  R  i  1 1  e  r  -  Berlin:  Ueber  eine 
noch  nicht  beschriebene  Infektionskrankheit  des  kindlichen  Lebens¬ 
alters.  —  30.  Ritter  v.  R  i  1 1  e  r  s  h  a  i  n  -  Prag:  Zur  Kenntnis  der 
spinalen  progressiven  Muskelatrophie  im  frühen  Kindesalter.  — 
31.  Boeder  und  Sommerfeld-  Berlin:  a)  Die  kryoskopische 
und  elektrolytische  Untersuchung  des  Säuglingsharns  unter  Be¬ 
rücksichtigung  der  verschiedensten  Ernährungsformen,  b)  Ein 
neuer  Beitrag  zur  Harnsekretion  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  osmotischen  Leistung  der  Säuglingsniere.  —  32.  Sal ge- Berlin: 
Ueher  Agglutinationsvorgnäge  bei  Scharlach.  —  33.  Schloss¬ 
mann  -  Dresden:  a)  Ueber  Technik  und  Bedeutung  kalorimetri¬ 
scher  Bestimmungen  bei  der  Ernährung  vou  Kindern,  b)  Ueber 
Tuberkulose  im  frühen  Kindesalter.  —  34.  S  i  e  g  e  r  t  -  Strassburg: 
Thema  Vorbehalten.  —  35.  Söldner-  Grunbach:  Neue  Unter¬ 
suchungen  über  die  Aschenbestandteile  der  Frauenmilch 
und  des  neugeborenen  Menschen.  —  36.  S  o  1 1  m  a  n  n  -  Leipzig: 

a)  Ueber  Epilepsia  hereditaria.  b)  Das  Diphtherieherz  und  seine 
Behandlung.  —  37.  Springer-Prag:  Ueber  die  Prognose  des 
Wolfsrachens.  —  38.  S  w  o  b  o  d  a  -  Budweis:  Zur  Lösuug  der 
Variola-Varicellenfrage.  —  39.  T  r  u  m  p  p  -  München:  Thema  Vor¬ 
behalten.  —  40.  Zupp  inger-  Wien:  Ueber  Gelatineinjektionen 
im  Kindesalter. 

Die  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  20  (Augenheil¬ 
kunde)  zu:  Bondi-Iglau:  Ueber  die  Erkrankungen  des  Auges 
nach  einer  schweren  Masernepidemie. 

19.  Abteilung:  Neurologie  und  Psychiatrie. 

1.  An  ton -Graz:  Ueber  Degeneration  im  Grosshirne.  — 
2.  Brosius  -  Sayn:  Psychosen  der  J uden.  —  3.  Eulenburg- 
Berlin:  Ueber  einige  neuere  elektro-therapeutisclie  Methoden.  - — 
4.  Freud-  Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  5.  Hartmann  -  Graz: 
Thema  Vorbehalten.  —  6.  H  i  r  s  c  h  1  -  Wien:  Geographische  Ver¬ 
breitung  der  Paralyse.  —  7.  Kalmus -Prag:  Skizze  des  der¬ 
zeitigen  Standes  der  Irrenpflege  in  Böhmen.  - —  8.  Kohnstamm- 
Königstein  i/T. :  Der  Begriff  der  koordinatorischen  und  der  mo¬ 
torischen  Zelle.  —  9.  L  ö  w  e  n  t  h  a  1  -  Braunschweig:  Die  objek¬ 
tiven  Symptome  der  Neurasthenie.  —  10.  Marburg  - Wien:  Zur 
Pathologie  der  grossen  Hirngefässe.  —  11.  Marinesco- 
Bukarest:  Untersuchungen  über  spinale  Lokalisation.  —  12.  M  e  - 
s  c  h  e  d  e  -  Königsberg:  Thema  Vorbehalten.  —  13.  Münzer- 
I’rag:  Zur  Lehre  vom  Neuron.  —  14.  Neisser-  Lublinitz:  Thema 
Vorbehalten.  —  15.  Obersteiner-Wien:  Thema  Vorbehalten. 

—  16.  A.  Pick-  Prag:  Zur  pathologischen  Histologie  des  Gehirns. 
17.  Friedei  Pick -Prag:  Ueber  klinische  Temperatursinnsprüfung. 

—  18.  Pilcz-Wien:  Ueber  Ergebnisse  elektrischer  Unter¬ 
suchungen  an  Geisteskranken.  —  19.  Pro  bst- Wien:  Zur  Klinik 
und  pathologischen  Anatomie  eines  eigenartigen  Verblödungs¬ 
prozesses  im  Kindesalter.  —  20.  R  a  i  m  a  n  n  -  Wien:  Demon¬ 
stration  mikroskopischer  Präparate  und  Bericht  über  einen  Fall 
von  Polioenkephalitis.  —  21.  R  o  t  h  m  a  n  u  -  Berlin:  Ueber  die 
Ergebnisse  der  experimentellen  Ausschaltung  der  motorischen 
Funktion  und  ihre  Bedeutung  für  die  Pathologie.  —  22.  S  t  e  ru¬ 
ber  g  -  Wien:  Zur  Physiologie  des  menschlichen  Zentralnerven¬ 
systems  nach  Studien  an  Hemikephalen.  —  23.  Stransky- 
Wien:  Ueber  diskontinuierliche  Zerfallsprozesse  an  peripherischen 
Nerven.  —  24.  Sträussler  - Prag:  Ueber  Folgezustände  fötaler 
Hydrokephalie.  —  25.  v.  Wagner- Wien:  Neurologisch-psychia¬ 
trische  Mitteilungen.  —  26.  Wiener-  Prag  zugleich  für  Münzer- 
Prag:  Das  Zwischen-  und  Mittelhirn  des  Kaninchens. 

Die  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  11  (Anthropo¬ 
logie)  zu:  Mayer-  Bad  Sulz:  Ueber  die  Entstehung  des  Menschen, 
der  verschiedenen  Menschen-  und  Tierarten.  Von  Abteilung  14 
(.Innere  Medizin)  zu:  v.  P  o  e  h  1  -  Petersburg:  Die  Autointoxikation 
bedingt  durch  Anomalien  der  Gewebsatmung  und  der  osmotischen 
Spannung.  —  Ziemssen  -  Wiesbaden:  Gesichtsfeldaufnahme  als 
Kontrolle  in  der  Behandlung  der  Hirn-  und  Rückenmarkslues. 


20.  Abteilung:  Augenheilkunde. 

1.  Bondi-Iglau:  Ueber  die  Erkrankungen  des  Auges  nach 
einer  schweren  Masernepidemie.  —  2.  C  z  e  r  m  a  k  -  Prag:  Thema 
Vorbehalten.  —  3.  Elschnig-  Wien:  Ueber  Augenspiegelbefunde 
bei  einigen  inneren  Erkrankungen.  —  4.  H  e  r  r  n  h  e  i  s  e  r  -  Prag: 
Ueber  experimentelle  Embolien  in  den  inneren  Augenhäuten.  — 
0.  Hirsch- Prag:  Ueber  die  Entwickelung  der  Hornhautgefässe. 
—  6.  H  ö  1  z  1  -  Prag:  Ueber  endokulare  Desinfektion.  —  7.  Nickerl- 


S:fi?4hia  Vorbehalten.  —  8.  Pichler-  Prag:  a)  Versuche 
ubei  die  Ableitung  der  Tranen  unter  physiologischen  und  patho¬ 
logischen  Verhältnissen,  b)  Thema  Vorbehalten. _ 9  Pod lisch ka- 

Gablonz:  Ueber  subkonjunktivale  Starextraktionen.  —  lo  Schanz- 
Dresden:  Die  Augenentzündung  der  Neugeborenen  und  der  Gono- 
kokkus.  —  11  U  1  b  r  i  e  h  -  Prag:  Ueber  primäre  Bindehaut- 
geschwulste  (mit  Demonstration). 

, 1M(;  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  14  (Innere 
Medizin)  zu:  Ziemssen-  Wiesbaden:  Gesichtsfeldaufnahme  als 
Kontrolle  in  der  Behandlung  der  Hirn-  und  Rückenmarkslues  (mit 
Demonstration). 


21.  Abteilung:  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten. 

Abteilung  21  a:  Hals-  und  Nasenkrankheiten. 

1.  B  r  ü  g  e  1  m  a  n  n  -  Berlin:  Das  Asthma  hystericum  und  die 
Asthmatherapie  im  allgemeinen.  —  2.  C  o  r  d  e  s  -  Berlin:  Demon¬ 
stration  neuer  Naseninstrumente.  —  3.  F  1  a  t  a  u  -  Berlin:  Ueber 
den  Einfluss  verschiedener  Vokalstellungen  auf  den  Kehlkopf. 

4.  Heymann  -  Berlin:  Zur  Anatomie  und  Pathologie  der  Neben¬ 
höhlen  der  Nase.  —  5.  II  o  f  f  in  a  n  n  -  Dresden:  a)  Ueber  Kiefer¬ 
cysten  (mit  Demonstration  mikroskopischer  Präparate),  b)  Ein 
Fall  von  Wangenabszess  nach  Kieferhöhleneiterung.  —  6.  Löwe- 
Berlin:  Ueber  die  Ausräumung  der  Nase  vom  Munde  her.  — 
7.  Müll ie r -  Karlsbad:  Thema  Vorbehalten.  —  8.  Rosenberg- 
Berlin:  Ueber  Pachydermia  laryngis.  —  9.  Rethi-Wien:  Die 
sekretorischen  Nerven  des  weichen  Gaumens.  —  10.  Scheie  r- 
Berlin:  Ueber  den  Blutbefund  bei  Kindern  mit  Wucherungen  des 
Nasenrachenraumes.  —  11.  v.  Schroetter-Wien:  Thema  Vor¬ 
behalten.  *  ✓ 


Abteilung  21  b:  Ohren-  und  Nasenkrankheiten. 

1.  Alexander- Wien:  a)  Anatomisch-physiologische  Unter¬ 
suchungen  an  Tieren  mit  angeborenen  Labyrinthanomalien,  b)  Zur 
Histologie  der  Hörnervenatrophie.  —  2.  Ferd.  Alt- Wien:  Experi¬ 
mentelle  Untersuchungen  der  Otosklerose.  —  3.  W.  Anton- 
Prag:  Demonstration  über  die  Tuben-Paukenhölilentonsille  und 

kongenitale  Deformitäten  der  Nasenscheidewand.  _  4.  Braun- 

s  t  e  i  n  -  Halle:  Zur  Lehre  von  den  extraduralen  Abszessen  bei 
Otitis.  —  5.  Buhe-  Halle:  a)  Existieren  zwischen  Paukenhöhlen- 
und  Labyrinthgefässen  direkte  Anastomosen?  b)  Funktionelle 
Endresultate  nach  der  Totalaufmeisselung  des  Mittelohrs.  — 
6.  K.  G  r  u  n  e  r  t  -  Halle:  Ueber  die  neuen  Angriffe  gegen  die 
Parazentese  des  Trommelfells.  —  7.  Habermann  -  Graz:  Thema 
Vorbehalten.  —  8.  Katz  -  Berlin:  Anatomische  Demonstrationen 
des  Gehörorganes  mit  Projektionen:  a)  des  Gehörlabyrinthes; 

b)  pathologische  Zustände  bei  Cholesteatom,  sog.  Otosklerosis  etc. 

—  9.  L  ö  w  y  -  Karlsbad:  Thema  Vorbehalten.  —  10.  Müller- 
Karlsbad:  Thema  Vorbehalten.  —  11.  P  i  f  f  1  -  Prag:  Demonstration. 

—  12.  Walther  Schulze-  Halle:  a)  Ueber  einen  Fall  von  Empyem 
des  Sacculus  endolymphaticus  labyrinthi  mit  letalem  Ausgange, 
b)  Zur  Symptomatologie  der  Leptomeningitis  purulenta  ex  otitide. 

—  13.  S  c  h  w  a  rt  z  e  -  Halle:  Anomalien  im  Verlaufe  des  Fazialis 
in  ihrer  Bedeutung  für  die  Mastoidoperationen.  -14.  V.  Urban- 
t  s  c  h  i  t  s  c  h  -  Wien:  Ueber  katalytische  Behandlung  des  Ohres. 

—  15.  E.  Z  a  u  f  a  1  -  Prag:  Ueber  Entstehungs-  und  Heilungsvor¬ 
gänge  bei  traumatischen  Rupturen. 

Die  Abteilung  ist  eingeladen:  von  Abteilung  2  (Physik)  zu: 
Wien- Aachen:  Ueber  die  Empfindlichkeit  des  menschlichen 
Ohres  für  Töne  verschiedener  Höhe. 


22.  Abteilung:  Dermatologie  und  Syphilidologie. 

1.  B  ö  li  m  -  Karlsbad:  Krankendemonstration.  —  2.  Breiten- 
s  tei  n  -  Karlsbad:  Die  Zirkumzision  in  der  Prophylaxe  der  Sy¬ 
philis.  —  3.  D  o  m  m  e  r  -  Dresden:  Zur  instrumentellen  Behandlung 
der  gonorrhoischen  Striktur  (mit  Demonstration).  —  4.  Elir- 
mann-  Wien:  a)  Die  Beziehung  der  Sklerodermie  zu  den  auto- 
toxisclien  Erythemen,  b)  Demonstration  von  Injektionspräparaten 
der  Initialsklerose,  c)  Ueber  Sklerosenreste  und  ihre  Beziehung 
zu  den  Syphilisrezidiven.  —  5.  Euler  Gen  Rolle-  Wien:  Neues 
aus  dem  Gebiete  der  Radiotherapie.  —  6.  Freund- Wien:  Neue 
Erfahrungen  in  der  physikalischen  Therapie  der  Hautkrankheiten. 

—  7.  G  a  1  e  w  s  k  y  -  Dresden:  a)  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Akne. 

b)  Ueber  Eupicin.  c)  Ueber  nichtgonorrhoische  Urethritiden.  — 
8.  G  e  y  e  r  -  Zwickau:  Demonstration  einer  eigenartigen  Liclien- 
erkrankung.  —  9.  G  o  1  d  b  e  r  g  -  Köln-Wildungen:  a)  Die  Ver¬ 
hütung  der  Harninfektion,  b)  Kleine  Mitteilungen  über  Prostatitis. 

—  10.  Grosz- Wien:  Ueber  eine  bisher  nicht  beschriebene  Kom¬ 
plikation  der  Gonorrhoe  (mit  Demonstration).  —  11.  Grünfeld- 
Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  12.  G  u  t  h  -  Karlsbad:  Demonstration 
von  Patienten.  —  13.  Holzknecht-Wien:  Ueber  eine  neue 
Dosierungsmethode  in  der  Radiotherapie.  —  14.  Joseph  und 
P  i  o  r  k  o  w  s  k  y  -  Berlin:  Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den 
Syphilisbazillen  (mit  Demonstration).  —  15.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Wien: 
Thema  Vorbehalten.  —  16.  Merk- Graz:  a)  Kritische  Betrach¬ 
tungen  über  die  Symptomatologie  der  Herpeserkrankungen,  b)  Die 
Beziehungen  von  Hautkrankheiten  zu  hautfernen  Lymphangoitiden. 

c)  Ueber  den  „Herpes  motorius“  und  die  einheitliche  Auffassung 
der  Herpeserkrankungen.  —  17.  M  r  ä  c  e  k  -  Wien:  Hereditäre 
Syphilis.  —  18.  Neuberger  -  Nürnberg:  Ueber  Prostatitis  gonor¬ 
rhoica  chronica.  —  19.  Frhr.  v.  N  o  1 1  h  a  f  f  t  -  München:  a)  In¬ 
strumentelles.  b)  Ueber explorative Prostatamassage.  —  20.  Oppen¬ 
heim-Wien:  Ueber  Alkaleszenz  und  Stickstoffgehalt  des  Blutes 


1328 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift 


No.  31. 


bei  Syphilis  und  verschiedenen  anderen  Hautkrankheiten  (Aus  der 
Klinik  von  Ho  trat  N  o  u  m  a  n  11  -  W 1011.)  -t.  11.  •  • 

I'r-i»  -  Vorstellung  von  Kranken.  —  22.  11  i  c  h  t  e  r  -  Berlin:  1  el)ei 
unschädliche  Haarfärbemittel.  —  23.  K  o  sen  s  ta  dt -Kails  -1. 
Vergleichende  histologische  Untersuchungen  über  den  UihoiiniUsS 
IS- 24.  S  c  U oT ,  z-Ktaigstarg:  l«e  Berita 

kokken Infektion  bei  Hautkrankheiten  -  2o  baalf :eld  Beilm. 
Diabetes  und  Hautkrankheiten.  —  20.  Schiff-  Wien.  voit  g 
mit  Demonstrationen  über  die  bisherigen  therapeutischen  Krfol»e 
von  llöntgenstralilen  bei  Hautaffektionen.  —  -«• 

Wien-  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Pigmentes. - 8*.lJT“mann 

Wien"  a)  Wirkungen  der  konstanten  Wärme  auf  Krankheits- 
Prozesse.  b)  Demonstration  des  Ilydrothermoregulators  verschie¬ 
dener  Thermokörper,  mikroskopischer  Präparate.  —  29  JVaelsth^ 
Prag;  Ueber  chronische  Prostatitis.  —  29.  W  1  “  t  e  *,3  *  V* 
Prag:  a)  Ueber  die  Wirkung  der  Balsamika,  b)  Eine  * 
mykosis  des  Kopfhaares,  c)  Bemerkungen  über  die  1  ettaus 

sclieidung  durch  die  Sch weissdrüsen.  ,r 

Die  Abteilung  wird  eingeladen:  von  Abteilung  11  (Inneue  I  - 
dixlnf  z«:  Z 1 "  m  »e>- Wiesbaden:  üeaicMsfeldaufnabme  ab 
Kontrolle  in  der  Behandlung  der  Hirn-  und  Ruckenmaikslues. 

23.  Abteilung:  Zahnheilkunde. 

1  Roennecken-  Prag:  Zur  Behandlung  der  Pulpagangrän. 
_  2  balma  Fiume:  ist  die  kranke  Pulpa  beilbar?  »lass  man 
sie  zerstören?  —  3.  H  e  r  b  s  t  -  Bremen:  a)  Goldfullungen  mit 
Universalgold,  b)  Brückenarbeiten,  c)  Ringe  und  Kappen^  d)  D - 
verse  Neuheiten.  (Mit  Demonstrationen.)  —  4.  Hei  n  J  a  n  n 
Karlsbad:  a)  Ueber  Aetiologie  und  Bekamprung  schwe .stillt >ai 
Blutungen  post  extractionem.  b)  „\aria  aus  der  ( 

Demonstrationen.)  —  5.  K  a  r  1  -  Pössneck  1.  1  ‘  deutscher 

Zahn-  und  Munderkrankungen  m  einzelnen  Bianchen  d^tscbe 
Industrie  und  deren  Bekämptung.  —  0.  K  e  i  st  in  g  -  Aachen . 

Leicht  abnehmbare  Angelschienen  für  Unt®rfte^e[fzUCWien  Rba- 
sektionen  (mit  Demonstrationen).  —  <•  v.  M  e  t  n 1 1  z  -  Wiem  R 
cbitis  der  Kiefer.  —  8.  Müller-  W  adensweil .  a)  A  oitiag  um 
Demonstration:  1.  Doppel-Metallgebissplatten;  2.  Ein  neuer  Gebiss; 
nrtikulatoi”  3.  Einige  Modifikationen  an  Kronen  und  Biucken 
arbeiten,  b)  (Ueber  -Wunsch)  Goldkronen,  Kapselstittzahne  und 
abnehmbare  Brücken.  —  9.  Pokorny-Iglau-  (Mit  Demonstration  ) 
Altes  und  Neues  in  der  Zabnbeilkunde,  speziell  Neuerungen  auf 
dem  Gebiete:  Stiftzähne,  Goldkronen,  abnehmbare  Brucken,  Re- 
guliennasehinen  und  Obturatoren,  Unterkiefertrakturscbienen, 
Stahlplattengebisse,  Goldgusspiegen  ohne  Lotung.  —  10. .Pc  i  t 
Heidelberg:  Thema  Vorbehalten.  —  11.  Rose- Dresden:  a)  ZuiPatho 
logie  der  Kalkarmut.  b)  Die  Stillungsfrage,  c)  Thema  voi- 

belialten  _  12.  R  i  c  h  t  e  r  -  Berlin:  Ueber  Bromathernarkose.  - 

13  Sachs- Berlin:  Thema  Vorbehalten.  —  14.  Scheuer- 
Teplitz*  a)  Das  Färben  von  Glasflüssen  für  zahnärztliche  und  zahn- 
techniscbe  Zwecke,  b)  Vereinfachte  Darstellung  von  Jenkms  Por- 
zellan-Emaüfüllungen.  c)  Blut-  und  Schmerzstillung  nach  Zahn¬ 
extraktionen.  (Mit  Demonstrationen.)  —  15.  S  c  h  1 1  d  -  Karlsbad: 
a)  Thema  Vorbehalten,  b)  Demonstration  einiger  Neuerungen  aut 
technischem  Gebiete.  —  16.  Senn- Zürich:  a)  Prognose  und  The¬ 
rapie  der  Alveolarpyorrhoe,  b)  Beitrag  zur  Sterilisation  unseres 
Instrumentariums.  (Mit  Demonstrationen.)  —  17.  S  i  k  k  i  n  g  e  i  - 
Brünn:  Notwendigkeit  der  Zahnpflege  in  der  Armee.  —  18.  W  itzel- 
Essen:  a)  Ueber  Zabnwurzelcysten.  b)  Demonstration  der  Adolt 
IV  i  t  z  e  1  sehen  Amalgampräparate,  c)  Verschiedene  Neuerungen. 
(Mit  Demonstrationen.) 

24.  Abteilung:  Militärsanitätswesen. 

1  B  i  e  h  1  -  Wien :  Heben  trockene,  bleibende  Lücken  im 
Trommelfell  in  jedem  Falle  die  Tauglichkeit  zum  Waffendienste 

.U1f?  _  2.  R  o  1 1  e  r  -  München:  Antial,  Volksersatzgetränk  für 

Alkohol  als  Feldflaschenfülliing.  —  3.  T  r  n  k  a  -  Prag:  Ueber  Her¬ 
nien  und  Hydrocelen. 

25.  Abteilung:  Gerichtliche  Medizin. 

1.  Ditt  rieh- Prag:  Ueber  Verletzungen  und  Tod  durch 
Ueberfahrenwerdem  vom  forensischen  Standpunkte.  —  2.  I  p  s  e  n  - 


Innsbruck:  Pankreasblutung  in  ihrer  Beziehung  zum  Tode  Neu 
geborener  —  3.  K  r  alte  r  -  Graz:  Ueber  den  Wert  der  biologischen 
Reaktion  zur  Unterscheidung  von  Tier-  und  Menschenblut.  (Nach 
Untersuchungen  von  Dr.  O  k  a  m  o  t  o  aus  Tokio.)  —  4.  L  i  n  i  g  e  i  - 
Bonn:  Bauchbrüche  und  Unfall.  —  5.  Il.i  c  li  t  e  r -  W  ieu:  a)  Le  H> 
plötzliche  Todesfälle  hei  Kindern,  b)  Neuere  Methoden  des  foren¬ 
sischen  Blutnaebweises.  -  6.  S  c  h  51  f  t  e  r- Bingen  a/Kli..  Zm 
Pathologie  der  posttraumatischen  Rückenmarksei  kiankungen. 


26.  Abteilung 


Hygiene,  einschliesslich  Bakteriologie  und  Tropen¬ 
hygiene. 

1  Hovorka  von  Z  d  e  r  a  s  -  Teslic  (Bosnien):  Ueber 
Impfling  gegen  Malaria  mit  dem  K  u  h  n  scheu  Serum  in  Bosnien. 

_ •>  K  u  li  n  -  Berlin:  Ueber  den  Verlauf  der  Malaria  ohne  Cluiiin- 

beliandlimg.  -  3.  L  a  n  g  e  r  -  Prag:  Uebertragung  pathogener  Bak¬ 
terien  durch  niedere  Tiere,  bedingt  durch  deren  EntwickelungS- 
o-eschichte.  -  4.  L  e  v  y  -  Strassburg  i/E.:  Ueber  Strahlenpilze  - 
5  l  o  d  e  -  Innsbruck:  Thema  Vorbehalten.  —  6.  Ro  t  *  ®  r  ‘  ^un‘ 
ciien  •  Ueber  Antial,  ein  Volks-  und  Ersatzgetränk  Dir  Alkohol.  — 

7  Schrank- Wien:  Schaffung  eines  internationalen  Gesetzes 
gegen  die  Ausbreitung  der  venerischen  Krankheiten.  —  8.  Sarason- 
Berliir  Ein  neuer  Bautypus  für  Krankenhäuser,  speziell  Lungen¬ 
heilstätten.  -  9.  S  c  li  ü  r  m  a  y  e  r  -  Hannover:  Reiz  und  Gegenreiz 
und  die  Infektion.  —  10.  S  p  a  e  t  -  Bamberg:  Die  Lebensgefaln- 
dun°'  in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande.  — -  11.  V  o  i  g  t  -  Hambuig. 
mscbliffektionern  _  12.  W  e  y  1  -  Berlin:  Fortschritte  der  Strasse* 

hygiene. 

Die  Abteilung  ist  eingeladen:  von  Abteilung  9  (Botanik)  zu: 
Moliscli-  Trag:  Ueber  das  Leuchten  des  Fleisches  (mit  Demon¬ 
stration).  Von  Abteilung  14  (Innere  Medizin)  zu:  Paul  am  Ende- 
Dresden:  Das  Sehulbrausebad  und  seine  Wirkung. 

27.  Abteilung:  Tierheilkunde. 

L  Dexler  -  Prag :  Die  Encephalitis  haemorrhagica  des 
Pferdes  (mit  Demonstrationen).  —  2.  Hartl- Wien:  Thema  Vor¬ 
behalten.  -  3.  G  ün  t  li  e  r  -  Wien:  Thema  Vorbehalten.  -  4  Jeus- 
Charlottenburg:  Die  spezifischen  Sera  und  ihre  Veiweitimg  bei 
der  Fleiscliuntersuchung.  —  5.  I  m  m  i  n  g  er  -  München.  Ibema 
Vorbehalten.  —  6.  Kuhn-Berlin:  Die  Bekämpfung  der  Binder¬ 
test  —  7.  Latschenberger- Wien-:  Thema  Vorbehalten.  — 
S.  Storch- Wien:  Die  chemischen  Unterschiede  der  Milch  un¬ 
serer  Haustiere. 

Die  Abteilung  ist  eingeladen:  von  Abteilung  10  (Zoologie)  zu. 
Landois  -  Münster:  Ueber  Mischlinge  zwischen  Haus-  und  Wild¬ 
schwein  (mit  Demonstration).  Von  Abteilung  11  (Anthropologie) 
zu:  Mayer -Bad  Sulz:  Ueber  die  Entstehung  des  Menschen,  der 
verschiedenen  Menschen-  und  Tierarten. 

28.  Abteilung:  Pharmazie  und  Pharmakognosie. 

1.  B  e  r  n  e  g  a  u  -  Hannover:  a)  Ueber  die  Weinkultur  im  Ar¬ 
chipel  Teneriffa,  Kanarische  Inseln,  Madeira,  Azoren,  b)  Ueber 
die  Ananaskultur  auf  der  Insel  St.  Miquel  (Azoren).  —  2.  F  1  r  b  a  s  - 
Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  3.  F  u  c  h  s  -  Biebrich  a/Rli.:  Thema 
Vorbehalten.  —  4.  G  a  d  a  m  e  r  -  Marburg  a/L.:  Ueber  Berberin 
und  verwandte  Alkaloide.  —  5.  Glücks  m  ann  -  Wien:  Themen 
Vorbehalten.  6.  Jo  lies- Wien:  Einiges  über  die  chemische 


Blutuntersuchung 


Kraitli-  Wien:  Alkalialbuminate. 


8.  Neu  mann-  Wende  r  -  Czernowitz:  Ueber  einige  wichtige 
Fragen  aus  der  pharmazeutischen  Nebenindustrie.  —  9.  Regens¬ 
dorf  er- Wien:  Ueber  die  Anwendung  von  Eisenphosphoreiweiss- 
Präparaten.  —  10.  S  c  b  e  1  e  n  z  -  Kassel:  Thema  Vorbehalten. 

11.  Siedlet-  Berlin :  Thema  Vorbehalten.  —  12.  Skra  u  p  - 
Graz:  Thema  Vorbehalten.  —  13.  S  ü  s  s  -  Dresden:  Thema  Vor¬ 
behalten. 

Die  Abteilung  ist  eingeladen:  von  Abteilung  5  (Nabrungsmittel- 
untersuchung)  zu:  Lang  er- Prag:  Welche  Eigenschaften  charak¬ 
terisieren  den  reinen  Bienenhonig? 


Morbiditätsstatistik!  InfektionskrankheitenfürMünchen. 

in  der  29.  Jahreswoche  vom  13.  bis  19.  Juli  1902. 

Beteiligte  Aerzte  129.  —  Brechdurchfall  14  (24*),  Diphtherie  u. 
Kroup  6  (8),  Erysipelas  3  (11),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
_  Kindbettfieber  —  (1),  Meningitis  cerebrospin.  1  (1), 

Morbilli  23  (23),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  1  (3),  Parotitis 

epidem.  —  (3),  Pneumonia  crouposa  5  (8),  Pyämie,  Septikämie 
—  (-),  Rheumatismus  art.  ac.  9  (17),  Ruhr  (Dysenteria)  —  (— ), 
Scarlatina  3  (3),  Tussis  convulsiva  22  (44),  Typhus  abdominalis  — 
(1),  Varicellen  11  (8),  Variola,  Variolois  —  (— ),  Influenza  1  (2). 
Summa  98  (155).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwoche. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  29.  Jahreswoche  vom  13.  bis  19.  Juli  1902. 

Bevölkerungszabl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  2  (2*)  Scharlach  — (■ — )  Diphtherie 
u.  Kroup  —  (— ),  Rotlauf  -  (1),  Kindbettfieber  —  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w-)  2  (1),  Brechdurchfall  4  (8),  Unterleib-Typhus  — 
(— ),  Keuchhusten  — (2),  Kruppöse  Lungenentzündung  3  (3),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  29  (24),  b)  der  übrigen  Organe  8  (10),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  (, — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
3  (4),  Unglücksfälle  3  (1),  Selbstmord  4  (3),  Tod  durch  fremde 

Hand  —  ( — ).  .  . 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  198  (2 IG),  Verhältniszald  aut 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  20,3  (22,2),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  12,8  (14,0). 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Miihlthaler’s  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München 


Die  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöchenü. 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Ungarn  vierteljährl.  6  JL 
ins  Ausland  8.—  M..  Einzelne  No.  80 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ-BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


0. ».  Angerer,  Ch.  Baumler,  0. 

München.  Freiburg  i.  B.  München. 


Herausgegeben. von 

H.  Curschmann,  W.  v.  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F,  Penzoldt,  H,  v.  Ranke,  F.  v,  Wi 

Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München. 


München 


No.  32.  12.  August  1902, 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  pharmakologischen  Institut  zu  Zürich. 

Zur  Kenntnis  der  Salzsäuresekretion. 

Von  Prof.  M.  C  1  o  e  1 1  a. 

In  neuerer  Zeit  sind  mehrfach  Versuche  gemacht  worden, 
um  die  Frage  zu  lösen,  inwieweit  die  Salzsäureabscheidung  im 
Magen  durch  die  Art  der  Speisen  beeinflusst  werde.  Abgesehen 
von  dem  physiologischen  Interesse  haben  diese  Verhältnisse 
auch  grosse  praktische  Bedeutung,  da  die  gewonnenen  Resultate 
\  eranlassung  geben  können  zur  Aufstellung  eines  Speisezettels 
für  die  verschiedenen  Sekretionsanomalien  des  Magens.  Trotz 
den  vielen  heissen  Bemühungen  sind  bis  jetzt  in  dieser  Richtung 
keine  einheitlichen  Resultate  gewonnen  worden,  so  dass  man 
auf  Grund  dieser  experimentellen  Untersuchungen  nicht  berech¬ 
tigt  wäre,  diese  oder  jene  Diätform  als  die  einzig  richtige  auf¬ 
zustellen.  Sörensen  und  Metzger1)  fanden  zwischen  Ei¬ 
weisskost  und  Kohlehydrate  keinen  grossen  Unterschied,  während 
umgekehrt  Bach  mann2)  findet,  dass  die  Eiweissnahrung  die 
HCl- Absonderung  stärker  anregt  als  Milch  und  Kohlehydrate. 
S  c  h  ü  1  e  °)  findet  sogar  bei  Milchdiät  gelegentlich  die  höchsten 
HCl-Werte.  Meyer4)  ist  der  Ansicht,  dass  mit  diesen  Sachen 
auf  die  Dauer  doch  keine  Aenderung  der  Säureproduktion  mög¬ 
lich  sei.  Einigkeit  scheint  nur  darüber  zu  herrschen,  dass  bei 
Gegenwart  von  Fett,  und  zwar  namentlich  Milchfett,  die  HC1- 
Produktion  wesentlich  geringer  ausfalle  (W.  Bachmann5), 
Strauss  ).  Es  ist  nicht  meine  Absicht,  eine  erschöpfende 
Darlegung  dieser  Untersuchungen  zu  geben;  die  genannten  Be¬ 
lege  dürften  genügen,  um  darzutun,  dass  tatsächlich  die  Ab¬ 
hängigkeit  der  Salzsäuremenge  von  der  Art  der  Speise  allein 
noch  nicht  genügend  festgestellt  ist. 

Alle  die  bisher  erwähnten  Befunde  beziehen  sich  natürlich 
auf  chemische  Analyse  des  Magensaftes,  also  auf  die  Funktions¬ 
prüfung  der  Magenschleimhaut.  Es  wäre  vielleicht  leichter  ge¬ 
wesen,  in  diese  Sache  Klarheit  zu  bringen,  wenn  neben  den 
reichlichen  Funktionsprüfungen  auch  ein  entsprechendes  ana¬ 
tomisches  Material  Vorgelegen  hätte,  und  das  ist  leider  nicht  der 
lall,  obwohl  doch  die  Berechtigung  vorliegt,  anzunehmen,  dass 
solche  Untersuchungen  zu  einem  positiven  Resultat  führen 
könnten.  Denn  seit  den  grundlegenden  Versuchen  Heiden- 
h  a  i  n  s  herrscht  ziemlich  allgemein  die  Ansicht,  dass  den  in 
der  Magenschleimhaut  sich  findenden  Haupt-  und  Belegzellen 
Giue  verschiedene  physiologische  Bedeutung  zukomme  in  dem 
Sinne,  dass  die  Belegzellen  in  der  Hauptsache  der  Salzsäure¬ 
produktion  vorstehen.  Es  ist  also  anzunehmen,  dass  eine  Rei¬ 
zung  der  Belegzellen  eine  Vermehrung  der  HCl  bedinge,  und  es 
würde  daraus  weiter  die  Frage  sich  ableiten,  ob  ein  konstanter 
Reiz,  der  eine  Vermehrung  der  HCl  zur  Folge  hat,  nicht  auf  die 
Dauer  eine  Veränderung  an  dem  anatomischen  Bilde  namentlich 
uiit  Rücksicht  auf  die  Belegzellen  hervorbringen  könne.  Daraus 
resultiert  für  die  Magenpathologie  als  sehr  wichtig  die  Lösung 


b  Münch,  med.  Wochenschr.  1S9S.  36. 

')  Arch.  f.  Verdauungskrankh.,  V.,  3.  1S99. 
s)  Zeitsckr.  f.  klin.  Med.  1895/96.  28,  29. 

4)  Arch.  f.  Verdauungskrankh.,  VI.,  3.  1900. 

6)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1900.  XL.,  3  u.  4. 

°)  Ther.  d.  Gegenw.,  N.  F.,  II.,  9.  1900.  ' 

No.  32. 


der  Frage:  Wie  verhalten  sich  die  mikroskopischen  Bilder  der 
Magenschleimhaut  zu  den  Sekretionsanomalien  der  Salzsäure? 
Leider  stösst  die  Beschaffung  des  nötigen  Untersuchungsmaterials 
auf  grosse  Hindernisse,  denn  erstens  dürften  Sektionen  von 
Fällen  mit  reiner  Saftsekretionsanomalie  zu  den  Seltenheiten 
gehören  und  zweitens  ist  die  Untersuchung  des  Materials  na¬ 
mentlich  mit  Hinsicht  auf  Funktionsverhältnisse  eine  schwie¬ 
rige,  da  bekanntlich  schon  x/z  Stunde  nach  dem  Tode  die  Fein¬ 
heiten  des  Magenepithels  zu  Grunde  gehen.  Strauss  und 
Meyer  )  und  Albu  und  K  o  e  h s)  haben  solche  Unter¬ 
suchungen  ausgeführt  und  neben  einer  Wucherung  des  Epithels 
auch  parenchymatöse  Veränderungen  gefunden,  von  denen  man 
sich  dann  eben  fragen  muss,  inwieweit  sie  für  die  reine  Hyper¬ 
sekretion  pathognomonisch  sind. 

Am  leichtesten  wäre  die  Frage  wohl  zu  lösen,  wenn  es  ge¬ 
länge,  bei  einem  Patienten,  der  erwiesenermassen  an  einer. reinen 
Hypersekretion  leidet,  intra  vitam  kleine  Stücke  der  Magen¬ 
schleimhaut  zur  mikroskopischen  Untersuchung  zu  erhalten.  Aber 
auch  hier  müssen  wir  leider  gestehen,  dass  die  willkürliche  Be¬ 
friedigung  dieses  Wunsches  für  ein  normales  ärztliches  Gewissen 
nicht  wohl  angeht.  Immerhin  hat  sich  auch  hier  ein  Spezialist 
gefunden,  der  solche  Versuche  ausführte.  Hemmeter1)  hat 
eine  Sonde  konstruiert,  die  an  ihrem  unteren  Ende  eine  meissel- 
artige  Kante  trägt,  mit  der  man  sehr  leicht  kleine  Schleimhaut¬ 
stücke  abschrappen  kann.  Glücklicherweise  hat  sich  bis  jetzt 
kein  hoffnungsvoller  junger  Forscher  gefunden,  der  diese 
Methode  weiter  ausgebaut  hälfte,  und  so  sind  wir  auf  die  Resul¬ 
tate  Hemmeter  s  angewiesen.  Unter  10  gesunden  Personen 
fanden  sich  8  mal  normale  Verhältnisse;  die  Patienten  mit 
Hyperchlorhydrie  zeigten  zu  %  der  Fälle  Wucherung  der  Drüsen¬ 
schläuche  und  Hypertrophie  der  Belegzellen,  die  Fälle  von  Sub- 
und  Anazidität  zeigten  zu  %  die  Erscheinungen  der  Atrophie. 

Wenn  diese  Befunde  verallgemeinert  werden  und  konstant 
bei  der  vermehrten  HCl-Äbscheidung  eine  Wucherung  von  Beleg¬ 
zellen  angetroffen  wird,  dami  ist  ja  wohl  an  dem  Zusammen¬ 
hang  nicht  mehr  zu  zweifeln;  es  wäre  dies  eine  klinische  Be¬ 
stätigung  der  Heidenhain  sehen  Versuche  und  es  fragt  sich 
dann  nur,  was  das  Primäre  ist,  die  Wucherung  oder  die  ver¬ 
mehrte  Sekretion.  Ist  die  Wucherung  das  Primäre,  dann  ist 
die  Hyperazidität  eine  anatomisch  charakteristische  Erkrankung, 
ist  sie  aber  sekundär,  dann  ist  die  vermehrte  HCl-Produktion 
nach  wie  vor  dunkel  in  ihrer  Aetiologie,  ein  „Zustand“,  der,  wie 
Alb  u  und  Koch  "')  sagen,  scheinbar  eine  selbständige  Krank¬ 
heit  darstellend,  doch  seinem  Wesen  nach  mehr  als  eine  funk¬ 
tionelle  Neurose  erscheint. 

Angesichts  dieses  unabgeklärten  Zustandes  habe  ich  ver¬ 
sucht,  einen  experimentellen  Beitrag  zur  Lösung  der  Frage  bei¬ 
zusteuern.  Bei  Gelegenheit  früherer  Versuche  hatte  ich  die  Be¬ 
obachtung  gemacht,  dass  wachsende  Hunde,  welche  ausschliess¬ 
lich  mit  Milch  ernährt  wurden,  keine  HCl  in  ihrem  Mageninhalt 
aufweisen;  umgekehrt  fand  Hemmeter7 8 * 10 11),  dass  Hunde  unter 
Fleischnahrung  mehr  Salzsäure  bilden  als  bei  gemischter  Kost. 
Der  Versuch  wurde  nun  in  folgender  Weise  ausgeführt:  4  Hunde 

7)  Virchows  Arch.,  CLIV.,  3.  1898. 

8)  Virchows  Arch.,  CLVII.,  1.  1899. 

s)  Arch.  f.  Verdauungskrankh.,  IV.,  3.  1898. 

10)  1.  c. 

“)  1.  c. 


1 


1330 


MUENOHENER  MEDIClRISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


desselben  Wurfes  (15.  Februar  1899)  wurden  m  2  Gruppen  ge¬ 
teilt;  2  Hunde  erhielten  ausschliesslich  fette  Milch  mit  etwas 
Eisenzusatz,  um  das  Auftreten  der  Anämie  zu  verhindern,  die 
beiden  anderen  bekamen  nach  allmählichem  Uebergang  zuletzt 
ausschliesslich  rohes  Fleisch  in  steigender  Menge,  bis  zu  500  g 
pro  Tag  und  Tier.  Da  ich  mir  sagte,  dass  möglicherweise  bei  den 
früheren  Milchhunden  das  Fehlen  der  HCl  bedingt  gewesen  sein 
könnte  durch  eine  Degeneration  infolge  fortwährenden  Aufent¬ 
haltes  im  Stalle,  so  habe  ich  die  Tiere  tagsüber  in  einem  Pferche 
auf  einer  Wiese  gehalten.  Alle  4  Tiere  entwickelten  sich  sehr 
gut ;  nach  3  Monaten  wurde  zum  erstenmal  der  Mageninhalt 
untersucht,  nachdem  die  Tiere  eine  Probemahlzeit,  bestehend 
aus  Suppe  und  Brot  erhalten  hatten.  Die  Milchhunde  zeigten 
überhaupt  keine  HCl,  die  Fleischhunde  hatten  1  Prom.  freie  ITU. 
Rach  weiteren  3  Monaten  wurde  derselbe  Versuch  wiederholt; 
die  Resultate  waren  dieselben;  nach  9  Monaten  wurde  wieder 
eine  Ausheberung  gemacht,  die  Milchhunde  hatten  gar  keine 
HCl,  die  Fleischhunde  ziemlich  übereinstimmend  2,5  Prom. 
freie’  HCl.  Als  noch  nach  weiteren  14  Tagen  das  Resultat  wieder 
dasselbe  war,  glaubte  ich  von  einer  Fortsetzung  des  sehr  müh¬ 
seligen  und  kostspieligen  Versuches  abstehen  zu  dürfen.  Die 
Tiere  waren  vollkommen  ausgewachsen,  der  Hämoglobingehalt 
bei  allen  normal,  die  Entwicklung  der  Milchhunde  aber  im  ganzen 
besser.  Die  Tiere  wurden  nun  durch  Erschiessen  getötet;  der 
Magen  sofort  eröffnet  und  an  5  verschiedenen  Stellen  desselben 
vom  Fundus  bis  zum  Pylorus  kleine  Stücke  der  Schleimhaut 
exzidiert.  Die  Härtung  geschah  jeweils  in  Alkohol,  Zenker¬ 
scher  Lösung,  Salpetersäure,  Sublimat  und  Flemming  scher 
Flüssigkeit.  An  den  in  Paraffin  eingebetteten  Präparaten 
wurden  dann  noch  die  verschiedenen  Färbungen  probiert  ). 

Und  nun  die  Resultate?  Ich  kann  mich  deren  bezüglich 
kurz  fassen: 

Es  hat  sich  bei  allen  Methoden  auch  nicht  der  geringste 
Unterschied  zwischen  dem  salzsäurehaltigen  und  dem  salzsaure- 
freien  Magen  nachweisen  lassen.  Wenn  man  die  Etikette  ver¬ 
deckte,  war  es  einfach  unmöglich,  zu  entscheiden,  ob  der  be¬ 
treffende  Schnitt  aus  dem  Fundus  des  Milch-  oder  des  Fleisch¬ 
hundes  stammte.  Wenn  man  bedenkt,  wie  rasch  beim  jugend¬ 
lichen  Organismus  Funktionsatrophie  eintritt  und  wie  schnell 
umgekehrt  auch  wieder  Kompensationen  geschaffen  werden,  so 
war  man  wohl  berechtigt,  ein  anderes  Resultat  zu  erwarten. 
Und  was  die  Dauer  des  Versuchs  anbetrifft,  so  betrug  dieselbe 
ca.  11  Monate,  eine  Zeitdauer,  die,  auf  die  menschliche  Ent¬ 
wicklung  übertragen,  doch  wenigstens  einem  Zeitraum  von 
5 — 6  Jahren  entsprechen  würde.  , 

Was  können  wir  aber  aus  diesen  Ergebnissen  für.  Schlüsse 
ziehen?  Wie  mir  scheint  ist  hier  erstens  einwandfrei  der  Be¬ 
weis  erbracht  (um  so  mehr,  als  dies  auch  mit  meinen  Beob¬ 
achtungen  aus  früheren  Versuchen  übereinstimmt),  dass  es  ge¬ 
lingt,  durch  fortgesetzte  Darreichung  von  fetter  Milch  die  HC1- 
Produktion  herabzusetzen  bezw.  nicht  zur  Entwicklung  kommen 
zu  lassen.  Diese  Tatsache  würde  sich  vollständig  decken  mit 
den  praktischen  Erfahrungen  der  letzten  Jahre,  die  gezeigt 
haben,  dass  die  Beschwerden  der  Patienten  mit  Magensaftfluss 
durch  eine  Milch-  und  Fettdiät  sehr  häufig  günstig  beeinflusst 
werden.  Eine  ganz  andere  Frage  aber  ist  die,  ob  es  gelingen 
wird,  durch  fortgesetzte  Milchdiät  einen  Patienten,  der  an 
Hyperchlorhydrie  leidet,  dauernd  von  seinem  Uebel  zu  befreien. 
Meine  mikroskopischen  Befunde  scheinen  darauf  hinzuweisen, 
dass  hier  reichlicher  Skeptizismus  angebracht  wäre.  Wir  müssen 
doch  erwarten,  dass  bei  diesen  Milchhunden,  die  nie  Salzsäuie 
produziert  haben,  auf  eine  geeignete  Diät  hin  sicher  diese  Salz¬ 
säure  sofort  auf  getreten  wäre;  wir  müssen  dies  annehmen,  weil 
die  mikroskopische  Untersuchung  auch  nicht  den  geringsten 
anatomischen  Unterschied  im  Vergleich  mit  den  Fleischhunden 
ergeben  hat  und  wir  deshalb,  wenigstens  nach  dem  Stande  un¬ 
serer  heutigen  Anschauungen,  auch  nicht  berechtigt  sind,  anzu¬ 
nehmen,  dass  diese  Zellen  funktionsuntüchtig  geworden  seien. 
Wenn  wir  also  auch  durch  geeignete  Diät  beim  Magensaftfluss 
die  Symptome  lindern,  so  ist  damit  nicht  gesagt,  dass  wir  auch 
im  stände  sind,  auf  die  Dauer  diese  abnorme  Sekretionstätigkejt 
zu  beeinflussen,  weil  durch  das  blosse  Richtfunktionieren,  wie 

m  Herr  Prof.  Rüge  hat  mir  in  zuvorkommendster  Weise  die 
Hilfsmittel  des  anatomischen  Institutes  für  diese  Untersuchungen 
zur  Verfügung  gestellt. 


aus  den  obigen  Versuchen  hervorgeht,  keine  Aenderung  in  den 
sekretorischen  Apparaten  hervorgerufen  werden  konnte.  Diese 
Anschauung  wird  gestützt  durch  die  unliebsamen  praktischen 
Erfahrungen,  die  man  an  Patienten  mit  starker  Hyperchlorhydrie 
machen  kann :  Sie  werden  durch  die  Diät  gebessert,  d.  h.  die 
Funktion  wird  eingeschränkt,  aber  wenn  sie  zur  gewöhnlichen 
Kost  zurückkehren,  erscheint  auch  die  HCl  wieder;  es  handelt 

sich  also  nicht  um  eine  Heilung. 

Prinzipiell  wichtig  wäre  nur  die  Entscheidung  der  Frage, 
ob  bei  der  reinen  Hyperchlorhydrie  eine  V ermehrung  der 
Belegzellen  fehlt,  ob  mit  anderen  Worten  Hyperchlorhydrie  und 
Vermehrung  der  Belegzellen  zwei  Dinge  sind,  die  nicht  notwendig 
miteinander  verknüpft  zu  sein  brauchen.  Der  Magensaftfluss 
könnte  dann  als  Reurose  auf  gefasst  werden  und  die  Krankheit 
entsteht,  wenn  die  Reurose  habituell  geworden  ist.  Damit  würde 
aber  der  diagnostischen  Bedeutung,  welche  solchen  kleinen 
Schleimhautstückchen  beigemessen  wurde,  ein  Moment  entzogen, 
da  Funktions-  und  histologischer  Befund  sich  eben  nicht  völlig 

zu  decken  scheinen.  . 

Damit  bin  ich  nun  zum  zweiten  Punkt  meiner  Ergebnisse 
gelangt,  zu  dem  Umstand  nämlich  des  negativen  Ausfalles  be¬ 
treffend  das  Verhalten  der  Belegzellen  und  Drüsenschläuche  bei 
den  Fleischhunden.  Ob  dieser  Befund  zu  weiteren  Schlüssen  be¬ 
rechtigt,  möchte  ich  dahingestellt  sein  lassen.  Wenn  auch  das 
durchaus  analoge  Verhalten  der  Magenschleimhaut  mit  den 
anaziden  Hunden  darauf  hinzuweisen  scheint,  dass  der  blosse 
Umstand  der  HCl-Produktion  gegenüber  der  Hicht-Produktion 
von  sich  aus  keine  anatomische  Veränderung  bedingt,  sondern 
dass  hier  offenbar  die  blosse  Reizung  der  vorhandenen  Elemente 
zur  vermehrten  Funktionsleistung  genügte,  so  darf  man  eben 
doch  nicht  vergessen,  dass  es  sich  hier  noch  um  ganz  noimale 
Werte  handelt,  die  mit  einer  krankhaften  Sekretionsvermehrung 
nicht  direkt  verglichen  werden  können.  Ein  solcher  Vergleich 
wäre  erst  dann  gestattet,  wenn  es  gelänge  durch  Weiterführung 
eines  ähnlichen  Versuches  schliesslich  bei  der  einen  Gruppe  eine 
ausgesprochene  Hyperchlorhydrie  hervorzurufen,  und  wenn  auch 
dann  noch  die  mikroskopischen  Bilder  sich  vollkommen  deckten. 
Ich  habe  mich  aber  doch  zur  Veröffentlichung  dieser  Versuche 
entschlossen,  weil  sie  gegenüber  den  Befunden  von  Hemmeter 
und  Cohnheim  13)  insofern  weitere  Bedeutung  haben,  als  bei 
ihnen  nicht  kleine  Stücke  der  Magenschleimhaut  mit  unbekann¬ 
ter  Provenienz  untersucht  wurden,  sondern  die  ganze  Magen¬ 
schleimhaut  systematisch  nach  den  verschiedenen  Methoden  ge¬ 
prüft  worden  war.  Denn  ich  glaube  wie  Kuttner  ),  dass  man 
nicht  berechtigt  ist,  aus  kleinen  Schleimhautfetzen  einen  Schluss 
auf  die  anatomischen  Verhältnisse  der  Gesamtschleimhaut  zu 
ziehen. 


Aus  dem  hygienischen  Institute  der  Universität  Giaz. 

Ueber  die  Erzeugung  hämolytischer  Amboceptoren 
durch  Seruminjektion. 

Von  Dr.  Paul  Theodor  Müller,  Assistent  am  Institut. 

Die  vor  Kurzem  in  dieser  Zeitschrift  erschienene  Arbeit 
von  Morgenroth1)  „über  die  Erzeugung  hämolytischer 
Amboceptoren  durch  Seruminjektionen“,  in  welcher  der  Rach¬ 
weis  geführt  wird,  dass  die  durch  Injektion  von  Ziegenserum 
erzeugten  Amboceptoren  mit  den  durch  Blutinjektionen  zu  stände 
gekommenen  identisch  sind,  gibt  mir  die  willkommene  Ver 
anlassung,  über  einige  Versuche  zu  berichten,  die  allerdings 
von  einem  anderen  Gesichtspunkte  ausgehend  bereits  vor 
einem  Jahre  angestellt  wurden.  In  einer  früheren  Arbeit  )  hatte 
ich  gezeigt,  dass  einer  ganzen  Reihe  normaler  Blutsera  anti- 
hämolytische  Eigenschaften  zukommen,  welche  sich  gegen  die 
blutkörperchenlösenden  Kräfte  anderer,  gleichfalls  nonnaler 
Serumarten  richten.  Wie  an  der  gedachten  Stelle  des  näheren 
ausgeführt  wurde,  tritt  diese  lösungshemmende  Fähigkeit  nicht 
immer  schon  an  dem  unveränderten,  aktiven  Serum  zu  Tage, 
häufig  bedarf  es  erst  der  Erwärmung  auf  55—60  °,  d.  i.  der  In¬ 
aktivierung  des  Serums,  um  deutliche  antihämolytische  Wir¬ 
kungen  zu  erhalten.  Es  hat  das  in  vielen  Fällen  einfach  seinen 
Grund  darin,  dass  die  erwähnten  Sera  im  aktiven  Zustande  selbst 

18)  Colinlieim:  Arcli.  f.  Verdauungskrankh.,  Bd.  I. 

14)  Kuttner:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  XYL,  1  u.  2.  1902. 

9  1902,  No.  25. 


12.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


schon  hämolytisch  wirken,  wodurch  die  Anwesenheit  lösungs¬ 
widriger  Komponenten,  die  sich  gegen  die  Blutgifte  eines  anderen 
Normalserums  wenden,  notwendig  verdeckt  werden  muss.  Für 
andere  Fälle  kann  jedoch  diese  Erklärung  unmöglich  zutreffend 
sein,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  betreffenden  Sera  auch 
im  aktiven  Zustande  jeder  hämolytischen  Wirkung  auf  die  Blut¬ 
art,  die  sie  vor  der  Auflösung  zu  schützen  vermögen,  vollständig 
entbehren.  Ein  derartiges  Beispiel  habe  ich  in  meiner  Arbeit 
über  Antihämolysine2 3)  beschrieben.  Es  handelt  sich  um  die 
lösungshemmende  Kraft  des  Meerschweinchenserums 
gegenüber  der  Kombination :  Kaninchen  seru  m4)  -  Meer¬ 
schweinchenblut,  welche  erst  nach  der  Erwärmung  des 
ersteren  zu  beobachten  ist,  während  frisches  Meerschweinchen¬ 
serum  in  dieser  Richtung  ganz  unwirksam  erscheint.  Ich  habe 
auch  bereits  am  Schlüsse  der  eben  zitierten  Arbeit  eine  der  mög¬ 
lichen  Erklärungen  dieser  Tatsache  in  Kürze  angedeutet :  h  i  e  - 
nach  wäre  die  antihämolytische  Substanz  in 
dem  frischen  Meerschweinchenserum  nicht 
frei,  sondern  an  eine  thermolabile  Komponente  gebunden, 
welche  erst  durch  die  Erwärmung  zerstört  oder  abgespalten 
würde;  allgemeiner  und  weniger  präjudizi erlich  ausgedrückt: 
erst  in  Folge  der  Inaktivierung  träten  nach 
dieser  Auffassung  in  dem  Meerschweinchen¬ 
serum  jene  haptophoren  Gruppen  auf,  welche 
das  Kaninchenhämolysin  zu  verankern  und 
zu  neutralisieren  vermögen. 

Um  über  die  Richtigkeit  dieser  Erklärung  weiteren  Auf¬ 
schluss  zu  erlangen,  stellte  ich  damals  eine  Reihe  von  Versuchen 
an,  welche  von  der  folgenden  Erwägung  ihren  Ausgangspunkt 
nahmen.  Sind  tatsächlich  die  erwähnten  haptophoren  Gruppen 
nur  in  dem  erwärmten  Meerschweinchenserum  enthalten  und 
fehlen  dieselben  in  dem  frischen  Serum,  so  muss  es  möglich  sein, 
mit  dem  inaktivierten  Serum  auf  dem  Wege  der  Immunisierung 
Antikörper  zu  erzeugen,  welche  die  hemmende  Wirkung  desselben 
auf  heben,  wogegen  die  Injektion  von  frischem  aktiven  Meer- 
schweincliensernm  in  dieser  Beziehung  erfolglos  bleiben  müsste. 
Als  Versuchstiere  für  diese  Experimente  dienten  Tauben.  Um 
die  Versuohsbedingungen  möglichst  gleichartig  zu  gestalten, 
wurden  je  2  dieser  Tiere  in  genau  der  gleichen  Weise  behandelt, 
d.  h.  sie  erhielten  in  denselben  Zeiträumen  die  gleichen  Serum¬ 
mengen  injiziert  und  wurden  gleichlange  nach  der  letzten  In¬ 
jektion  aus  den  Fliigelgefässen  verbluten  gelassen;  der  einzige 
Unterschied  in  der  Behandlung  bestand  darin,  dass  das  eine  Tier 
aktives,  das  andere  hingegen  inaktives  Meerschweinchenserum 
einverleibt  erhielt.  Die  nähere  Anordnung  der  Versuche,  die  mit 
dem  so  gewonnenen  (durch  Zentrifugieren  abgeschiedenen)  Serum 
angestellt  wurden,  ergibt  sich  nach  der  oben  angegebenen  Frage¬ 
stellung  wohl  von  selbst.  Nachdem  bestimmt  worden  war,  welches 
Quantum  inaktiven  Meerschweinchenserums  hinreichte,  um 
Meerschweinchenblut  vor  der  Lösung  durch  eine  gegebene  Menge 
Kaninchenserums  zu  schützen,  wurden  zu  dieser  unwirksamen 
Mischung  verschiedene  Mengen  des  erwärmten  Taubenserums 
hinzugefügt  und  durch  2  Stunden  bei  37  0  C.  einwirken  gelassen. 

Taube  I  erhält  innerhalb  8  Tagen  13  ccm  inaktiviertes 
Meerschweinchenserum  1  intraperitoneal  injiziert.  Blutentnahme 
8  Tage  nach  der  letzten  Injektion.  (Serum  =  AI.) 

a)  Meerschweinchenserum  1,  Kaninchenserum,  Antiserum  I, 
Meerschweinchenblut. 

1  ccm  MB1  -f  0,3  Kfr  . 

„  -f-  0,3  „  -f-  0,6  Mw  .... 

»  ~b  0,3  „  -j-  0,6  „  -|-  0,2  AIw 

„  4-  0,3  „  +  0,6  „  4-  0,3  „ 

»  4-  0,3  „  4-  0,6  „  4-  0,4  „ 

b)  Meerschweinchenserum  2. 

1  ccm  MB1  -f  0,4  Kfr  . vollst.  Lösung. 

1  ,,  ^  4~  0,4  „  4~  0,6  Mw . 0 

1  »  »4-  0,4  „  4-  0,6  „  +  0,5  AIw  .  vollst.  Lösung. 

c)  1  ccm  MB1  +  0,5  AIw  . 0 

d)  Normal-Taübenserum  I 

1  ccm  MB1  +  0,4  Kfr  -j-  0,6  Mw  4-  0,4  NTw  .  0 

Taube  III  erhält  innerhalb  14  Tagen  18  ccm  inaktiviertes 
Meerschweinchenserum  1  intraperitoneal  injiziert.  Blutentnahme 
10  Tage  nach  der  letzten  Injektion.  (Serum  =  AIII.) 

2)  Centralbl.  f.  Bakteriol.  1901,  Bö.  29,  II.  Mitteil. 

3)  Centralbl.  f.  Bakteriol.  Bö.  29,  I.  Mittel]. 

4)  Sowohl  normales,  als  spezifisches  (durch  Behanölung  mit 

Meerschweinchenblut  gewonnenes)  Kaninchenserum. 


vollst.  Lösung. 

0 

Spur  von  Lösun< 
massige  Lösung, 
vollst.  Lösung. 


O  OHEN  S  OHRIFT. 

1331 

MB1  4-  0,2  Kfr 

vollst.  Lösung. 

>1 

-  0,2  „  4-  0,4  Mw . 

0 

MB!  - 

-  0,2  Kfr  - 

b  0,4  Mw  -j-  0,1  AIIIw) 

»  “ 

-  0,2  „  - 

-  0,4  „  -j-  0,2  „ 

b  0,2  „  -i 

-  0,4  „  -j-  0,3  „ 

vollst.  Lösung. 

V  " 

-  0,2  „ 

b  0,4  „  -f  0,4  „ 

-  0,2  „  - 

-  0,4  „  -f  0,05  „ 

>5  “ 

b  0,2  „  4 

b  0,4  „  4-  0,02  „ 

starke  Lösung, 

a)  1  c 

1 

b)  1  ccm 

1 
1 
1 
1 
1 


Taube  V  erhält 
Meerschweinchenserum 
8  Tage  nach  der  letzten  Injektion 


ger.  Bodensatz, 
innerhalb  20  Tagen  20  ccm  inaktiviertes 
1  intraperitoneal  injiziert.  Blutentnahme 
(Serum  =  AV.) 


a) 


b) 


Lösung. 


Lösung. 


zeigten 


1  ccm  MB1  4-  0,15  Kfr . vollst. 

f  ,,  „4"  0,15  „  --  0,7  Mw  . 0 

1  „  ,,  4~  0,15  „  4-  0,7  „  4-  0,3  AVw  vollst. 

Normaltaubenserum  II  u.  III. 

1  ccm  MB1  4-  0,15  Kfr  4-  0,7  Mw  -f  0,4  NIIw  j  „ 

1  „  „4-  0,15  „  -f  0,7  „  4-  0,4  Nil  Iw  /  U 

Wie  aus  den  beiliegenden  Protokollen  hervorgeht, 
nun  die  durch  Injektion  mit  inaktiviertem  Meerschweinchen¬ 
serum  erzielten  Taubenimmunsera  in  der  Tat  die  Fähigkeit,  die 
hemmende  Wirkung  des  ersteren  aufzuheben  5),  so  dass  zunächst 
daran  gedacht  werden  konnte,  dass  wir  es  wirklich,  unserer  Er¬ 
wartung  gemäss,  hier  mit  Anti-antihämolysinen  zu  tun  hätten. 
Ein  näheres  Studium  der  Eigenschaften  unserer  Immunsera 
zeigte  jedoch,  dass  diese  Auffassung  irrig  war.  Brachte  man 
nämlich  das  erwärmte  Immunserum  mit  Meerschweinchenblut 
und  einer  an  und  für  sich  zur  Lösung  nicht  ausreichenden  Menge 
Kaninchenserum  zusammen,  so  trat  nunmehr  ebenfalls  voll¬ 
ständige  Auflösung  der  Blutkörperchen  ein.  Das  erwärmte 
Immunserum  für  sich  allein  besass  keine  hämolytische  Fähigkeit. 
Diese  Befunde  bedeuten  nun  nichts  anderes,  als  dass  durch 
die  Seruminjektionen  ein  gegen  Meerschwein¬ 
chenblut  gerichteter  Amboceptor  entstanden 
i  s  t,  und  es  entpuppt  sich  somit  die  scheinbar  anti-antihämo- 
ly tische  Wirkung,  die  wir  bei  unseren  ersten  Versuchen  be¬ 
obachtet  hatten,  als  eine  einfache  hämolytische,  welche 
offenbar  nur  deshalb  nicht  von  dem  erhitzten  Meerschweinchen¬ 
serum  gehemmt  wird,  weil  die  ins  Spiel  kommenden  Ambo- 
ceptormengen  nach  Zusatz  des  Immunserums  zu  grosse  sind.  Da 
nun  nach  E  h  r  1  i  c  h  s  Theorie  und  nach  den  Ausführungen 
Morgenroths  eine  derartige  Entstehung  von  hämolytischen 
Amboceptoren  die  Einverleibung  der  entsprechenden  Receptor- 
gruppen  voraussetzt,  so  müssen  wir  also  auch  für  unseren  Fall 
des  erwärmten  Meerschweinchenserums  die  Annahme  machen, 
dass  dasselbe  ähnliche  Reoeptorgruppen  enthalten  muss,  wie  sie 
sich  auch  in  den  roten  Blutkörperchen  dieses  Tieres  finden. 

Antiserum  III. 

4-  0,4  ATIIw 
4“  0,4  „ 

4-  0,4  „ 

4-  0,2  „ 

+  0,1_  „ 

4-  0,05  „ 

4~  0,02  „ 

4-  0,1  Kfr  . 

4-  0,1 
4-  0,1 

Antiserum  V. 

ccm  MB1  4*  0,5  Mfr  -j-  0,3  AVw  ....  0 

„  »  -f  0,05  Kfr . Spur  von  Lösung. 

„  ,,  4~  0,05  „  4-  0,3  AVw  ....  fast  vollst.  Lösung. 

,)  »  +  0,3  AVw . 0 

Antiserum  VII  (20  ccm  inakt.  Serum  in  20  Tagen), 
ccm  MB1  4“  0,5  Mfr  -j-  0,3  AVIIw  .  .  .  vollst.  Lösung. 

4~  0,05  Kfr . Spur  von  Lösung 

4-  0,05  „  4-0,1  AVIIw  .  .  1  ,,  ,  T  .. 

+  0;05  ;;  T  0,2  „  . . }  vollst-  Losuns- 

Nun  muss  aber  ein  Serum,  welches  dieselben  Receptor- 
gruppen  enthält  wie  die  Erythrocyten,  notwendiger  Weise  auch  im 
stände  sein,  die  passenden  Hämolysine  (bezw.  deren  Amboceptoren) 
ganz  ebenso  zu  binden  wie  die  roten  Blutkörperchen  und  es  wird 
daher  unter  geeigneten  quantitativen  Verhältnissen  sogar  die 
letzteren  vor  der  Auflösung  zu  schützen  vermögen,  indem  es 
das  Blutgift  verankert  und  neutralisiert,  bevor  es  auf  die 
Erythrocyten  einwirken  kann;  mit  einem  Wort,  es  wird  anti- 


b) 


a) 

b) 


a) 

b) 


1  ccm  MB1 

1  n  11 
1  »  » 

1  i)  ,) 

1  i!  » 

1  »  „ 

1  »  » 

1  ccm  MB1 
1  „ 

1 


0 

vollst.  Lösung, 
vollst.  Lösung, 
mässige  Lösung,  Bodensatz, 
mässige  Lösung,  Bodensatz. 
0  (Spur?) 

0 

.  .  .  schwach  rosa,  starker  Bodensatz. 
4“  0,02  AIIIw  .  .  mässige  Lösung,  Satz. 
4-  0,1  „  .  .  vollst.  Lösung. 


—  0,4  Mfr 
4-  0,4  „ 
4-  0,4  „ 
4-0,4  „ 
4-  0,4  „ 
4-  0,4  „ 


1 

1 

1 


5)  Normales  Taubensennn  war  in  dieser  Hinsicht  ganz  un¬ 
wirksam. 


1* 


1332 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


hämolytisch  wirken  müssen.  Damit  ist  aber  für  unseren 
speziellen  Fall  der  Zusammenhang  zwischen  den  beobachteten 
Phänomenen  vollständig  klargelegt.  Das  inaktive  Meer¬ 
schweinchenserum  entfaltet  antihämolyti¬ 
sche  Eigenschaften,  weil  es  ähnliche  Recep- 
tor gruppen  enthält  wie  die  Meerschweinchen- 
o  rythrocyte  n,  u  nd  aus  demselben  Gr  unde  v  e  r  - 
a n  1  asst  es  auch  die  Entstehung  eines  gegen 
die  letzteren  gerichteten  Amboceptors,  wenn 
es  geeigneten  Versuchstieren  injiziert  wird. 

Mit  dieser  Deutung  steht  noch  eine  andere,  von  mir  in  der 
oben  zitierten  Arbeit  angegebene  Tatsache  in  bestem  Einklänge. 

Da  nämlich  nach  den  Befunden  von  Ehrlich  und  Morgen- 
l*  o  t  h  nur  der  Zwischenkörper  der  Hämolysine  an  die  roten 
Blutkörperchen  verankert  wird,  während  das  Komplement  keine 
Affinität  zu  denselben  besitzt  und  nur  durch  Vermittlung  des 
ersteren  mit  ihnen  in  Verbindung  tritt,  so  kann  auch  die  anti- 
hämolytische  Wirkung  unseres  Serums  nur  auf  einer  Bindung 
des  Zwischenkörpers  beruhen,  vorausgesetzt,  dass  die  Receptor- 
gruppen  des  Serums  mit  denen  der  Erythrocyten  identisch  oder 
verwandt  sind.  Tatsächlich  konnte  ich  nun  schon  damals  zeigen, 
dass  das  erwärmte  Meerschweinchenserum  Anticopula  =  Anti- 
amboceptoren  enthält,  also  auf  den  Zwischenkör  per  und 
nicht  auf  das  Komplement  einzuwirken  vermag.  Die  Zwischen¬ 
körper,  für  welche  dieser  Nachweis  geliefert  wurde,  waren  durch 
Behandlung  von  Kaninchen  mit  Meerschweinchenblut  gewonnen 
worden.  Ganz  analog  verhält  sich,  wie  die  nachstehenden  Ver¬ 
suche  zeigen,  das  inaktive  Meerschweinchenserum  dem  spezi¬ 
fischen  Taubenserum  gegenüber,  welches  durch  Meer¬ 
schweinchenblutinjektionen  hergestellt  worden  war,  auch  hier 
richtet  sich  die  hemmende  Wirkung  lediglich  gegen  den  Ambo- 
ceptor  und  kann  daher  durch  Vermehrung  des  letzteren  auf¬ 
gehoben  werden.  Dieser  Befund  bildet  somit  ein  weiteres  Ar¬ 
gument  für  die  Annahme,  dass  die  Receptoren  der  Blutkörper¬ 
chen  und  des  erwärmten  Meerschweinchenserums  miteinander 
identisch  sind. 

Versuch. 

Meerschweinchenblut;  auf  55°  erwärmtes  Meerschweinchen- 
serum;  frisches  Kaninchenserum;  Serum  einer  Taube,  die  4  In¬ 
jektionen  zu  je  5  ccm, Meerschweinchenblut  intraperitoneal  er¬ 
halten  batte. 

a)  1  ccm  MB1  +  0,1  Ivfr  ...  1  n 

1  „  »+0)2»  .  .  .  i 

I  o,3  .  .  :  geringe  Losung,  starker+atz. 

1  ”  ”  +  0*5  ”,  ....  starke  Lösung. 

b)  1  ccm  MB1  +  0,05  Tw  +  0,2  Kfr  . vollst.  Lösung. 

1  „  „4-  0,05  „  +  0,2  „  +  0,7  Mw  .  0 

1  „  „  +  0,2  „  +  0,2  „  +0,7  ,  .  Losung. 

1  „  ,,  +0,2  „  . 0  .. 

c  1  ccm  MB1  +  0,4  Mfr  +  0,1  Tw . vollst.  Losung. 

1  „  „  4-  0,4  „  +  0,1  „  +  1,0  Mw  .  0 

1  „  „  +  0,4  „  +  0,4  „  +  1,0  „  .  vollst.  Losung. 

Versuch. 

Serum  einer  Taube ,  die  3  Injektionen  Meerschweinchenblut 
erhalten  hatte. 

1  ccm  MB1  +  0,4  Mfr  +  0,1  Tw  . vollst.  Lösung. 

1  „  „  +  0,4  „  +  0,1  „  +  1,0  Mw  •  •  0 

1  „  „  +  0,4  „  +  0,4  „  +  1,0  „  .  .  vollst.  Losung. 

Bemerken  möchte  ich  noch,  dass  der  durch  Behandlung  der 
Tauben  mit  Meerschweinchenserum  entstandene  Amboceptor  in 
einigen  Fällen  auch  durch  frisches  Meerschweinchenserum  zu 
aktivieren  war,  in  anderen  Fällen  hingegen  nicht.  Man  wird 
wohl  nicht  fehlgehen,  wenn  man  dieses  wechselnde  Verhalten 
dadurch  erklärt,  dass  infolge  der  Injektion  des  Meerschweinchen¬ 
serums  neben  dem  Amboceptor  wechselnde  Mengen  von  Anti- 
Meerschweinchenkomplement  entstehen,  welche  die 
Aktivierung  des  ersteren  zu  verhindern  im  stände  sind. 

Was  endlich  die  Immunisierungsversuche  mit  frischem 
Meerschweinchenserum  betrifft,  so  ergaben  dieselben  kein  ganz 
einheitliches  Resultat,  indem  bald  ein  Amboceptor  gebildet  wurde, 
bald  wieder  dessen  Entstehung  ausblieb  oder  jedenfalls  nicht 
ohne  weiteres  nachweisbar  war,  weshalb  ich  auf  diese  Experi¬ 
mente  nicht  näher  eingehen  möchte.  Vermutlich  hat  bei  den 
positiv-  ausgefallenen  Versuchen  im  Organismus  der  Taube  eine 
ähnliche  Abspaltung  oder  Freimachung  der  Receptoren  des  Meer¬ 
schweinchenserums  stattgefunden,  wie  wir  sie  in  vitro  durch 
die  Erwärmung  auf  55°  erzielen. 


Zur  Behandlung  der  sogen,  „plastischen  Induration“ 
der  Corpora  cavernosa  penis. 

Von 

Dr.  E.  Galewsky  und  Dr.  W.  Hübener, 
Spezialarzt  für  Hautkrankheiten  Spezialarzt  für  Chiiuigie 

in  Dresden. 

In  No.  5  des  Jahrganges  1901  der  Wiener  klin.  Wochenschr. 
bespricht  Otto  Sachs  aus  der  N  e  i  s  s  e  r  sehen  Klinik  in  einem 
eingehenden  und  zusammenfassenden  Referat  die  „plastischen 
Indurationen  der  Corpora  cavernosa  penis  und  die  übrigen  im 
Corpus  cavernosum  vorkommenden  V erhärtungen  .  Er  selbst 
war  in  der  Lage,  über  4  eigene  Fälle  aus  der  N  e  i  s  s  e  r  sehen 
Klinik  zu  berichten. 

Wenn  wir  trotzdem  heute  noch  einmal  auf  diese  verhältnis¬ 
mässig  noch  wenig  bekannte  Affektion  des  männlichen  Gliedes  auf¬ 
merksam  machen,  so  geschieht  es  hauptsächlich  aus  dem  Giunde, 
weil  wir  in  der  Lage  sind,  über  den  ersten  und  zwar 
mit  dauernd  gutem  Erfolge  operierten  Fall 
von  „plastischer  Indur atio n“  der  Corpora  ca¬ 
vernosa  penis  zu  berichten. 

Bekanntlich  versteht  man  unter  „plastischer  Induration“ 
der  Corpora  cavernosa  penis  klinisch  eine  Verdickung  an  der 
Dorsalfläche  des  Penis,  welche  ohne  bekannte  \  eranlassung  nahe 
der  Mittellinie,  ein-  oder  beiderseitig,  oberflächlich  oder  mehr 
nach  der  Tiefe  der .  Schwellkörper  zu  als  kleines,  etwa  bohnen¬ 
grosses  Knötchen  beginnt,  allmählich  wächst  und  die  Form  einer 
zwischen  Haut  und  Corpora  cavernosa  gelegenen  Platte  annimmt. 
Die  Affektion  entsteht  und  verläuft  im  allgemeinen  schmerzlos. 
Sie  erregt  wohl  fast  nur  im  Zustande  der  Erektion  heftige 
Schmerzen  und  bewirkt  funktionelle  Störungen  durch  die  an 
der  affizierten  Stelle  eintretende  Abknickung  (Chorda).  Die  hier¬ 
mit  verbundene  mangelhafte  Erektionsfähigkeit  des  abgeknickten 
oder  abgebogenen  Teiles,  die  Ablenkung  des  erigierten  Gliedes 
andrerseits,  die  Schmerzhaftigkeit  der  Induration  beim  Koitus¬ 
versuch  machen  den  Beischlaf  unmöglich. 

Aetiologisch  verschieden  von  den  in  obigem  geschilderten 
sog.  „plastischen  Indurationen“  sind  die  Verhärtungen  im  Ge¬ 
biet  der  Corpora  cavernosa  penis,  wie  sie  hauptsächlich  nach 
stärkeren  Traumen  oder  im  Gefolge  von  Gonorrhoe,  hier  als 
periurethrale  und  paraurethrale,  Vorkommen.  Auch  die  Leu¬ 
kämie,  Diabetes  und  Gicht  sind  als  Ursache  für  derartige  In¬ 
durationen  angeschuldigt  worden;  gleichfalls  traten  Neubil 
düngen  nach  zerfallenen  Gummaknoten,  sowie  Residuen  einer 
abgelaufenen  Lymphangitis  im  Gefolge  eines  Ulcus  molle  unter 
dem  Bilde  dieser  Verhärtungen  auf.  Eine  besondere  Stellung 
für  sich  nehmen  die  entwicklungsgeschichtlich  interessanten 
Fälle  von  sog.  Penisknochen  ein,  in  denen  eine  fast  völlige  Ana¬ 
logie  zu  einer  Reihe  von  Wirbeltieren,  wie  z.  B.  Nagetiere,  Hund 
etc.,  zu  konstatieren  ist.  Inwieweit  hier  die  Ansicht  Sachs 
von  einer  „atavistischen  Formation“  zu  Recht  bestehen  kann, 
bleibe  zunächst  dahingestellt. 

Ebenso  unbefriedigend  wie  die  Erklärungsversuche  der  Ent¬ 
stehung  des  fraglichen  Leidens  waren  bisher  die  therapeutischen 
Erfolge,  Sämtliche  Behandlungsmethoden  allgemeiner  und 
lokaler  Natur  lassen  im  Stich.  Nur  in  den  wenigen  Fällen 
luetischer  Genese  sah  man  syphilitsche  Infiltrate  verschwinden, 
die  eigentlichen  Knoten  und  Platten  der  plastischen  Induration 
blieben.  Alle  erweichenden  und  resorptionsbef ordernden  Salben 
und  Pflaster,  alle  bydropathischen  Massnahmen,  mechanische  und 
elektrische  Behandlungsversuche  versagten,  so  dass  Sachs  in 
seiner  Arbeit  zu  folgendem  Schluss  kommt:  „Die  Prognose  ist 
quoad  vitam  für  den  Patienten  eine  günstige,  insoferne  als  kaum 
maligne  Involutionen  dieser  Verhärtungen  eintreten,  quoad  sana- 
tionem  eine  ungünstige  zu  nennen,  da  wir  keine  Mittel  besitzen, 
um  der  Entwicklung  einer  derartigen  Verhärtung  Einhalt  zu 
thun  oder  selbe  ganz  zu  beseitigen,  ausser  durch  einen  opera¬ 
tiven  Eingriff,  der  auch  einen  sehr  fraglichen  Erfolg  hätte;  die 
Exzision  würde  nur  zu  einer  neuen  Narbe  führen,  welche  in  der 
nämlichen  Richtung  wie  die  Induration  wirkte;  die  demgegen¬ 
über  empfohlene  Anlegung  einer  Wunde  behufs  Narbenbildung 
an  einer  entgegengesetzten  Stelle  des  Penis  könnte  höchstens  bei 
jungen  Patienten  in  Frage  kommen.  Ein  chirurgischer  Eingiiff 
hat  nur  bei  bedeutendem  W achstum  der  Induration  seineBerechti- 


32.  August  1902. 


MUEN GHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


gung,  bei  Diabetikern  ist  er  direkt  zu  verwerfen.“  Und  an 
anderer  Stelle  heisst  es:  „Die  Exstirpation  zu  therapeutischen 
Zwecken  erscheint  nutzlos,  da  durch  die  zurückbleibende  Narbe 
die  Deviation  des  Penis  nicht  aufgehoben,  sondern  manchmal 
gesteigert  wird,  ganz  abgesehen  von  anderen  üblen  Zufälligkeiten, 
welche  die  Operation  einer  solchen,  fast  ohne  Beschwerden  für 
den  Patienten  bestehenden  Einlagerung  am  Penisrücken  im  Ge¬ 
folge  haben  kann.“ 

Unter  diesen  Umständen  glauben  wir  das  Recht  zu  haben, 
über  folgenden  Fall  zu  berichten,  der  bereits  im  Jahr  1899  (d.  h. 
anderthalb  Jahre  vor  dem  Erscheinen  der  S  a  c  h  s  sehen  Arbeit) 
von  uns  beobachtet  und  operiert  wurde.  Mit  der  Publikation  des¬ 
selben  haben  wir  absichtlich  bis  jetzt  zurückgehalten,  um  in  der 
Lage  zu  sein,  ein  sicheres  Urteil  über  die  Dauer  des  Erfolges  ab¬ 
geben  zu  können. 

Der  Fall  selbst  ist  folgender1): 

Patient,  R.  ß.,  47  Jahre  alt,  ist  seinem  Berufe  nach  Gerielits- 
schreiber.  Er  gibr  an,  stets  gesund  gewesen  zu  sein,  bis  zu  dem 
Zeitpunkt,  wo  er  Lues  akquirierte  (vor  ca.  23  Jahren).  Mitte 
Juli  1899  empfand  Patient  eines  Nachts  beim  Koitus  Schmerzen  im 
Glied,  doch  konnte  er  darnach  keine  Anschwellung  oder  Verfär¬ 
bung  der  Haut  an  dieser  Stelle  bemerken.  Die  Schmerzen  wurden 
allmählich  immer  stärker  und  nahmen  bei  Erektionen  eine  fast 
unerträgliche  Höhe  an.  Erst  einige  Zeit  später  trat  an  der 
schmerzenden  Stelle  eine  kleine  „knorpelhafte“  Verdickung  auf, 
die  allmählich  an  Umfang  zunahm.  Sie  bewirkte,  dass  bei  dev 
Erektion  dei  Penis  einen  dorsalwürts  konkaven  Bogen  beschrieb. 
Die  Erektion  reichte  nur  bis  zu  der  Einlagerung,  die  periphere 
Partie  blieb  schlaff,  wenn  auch  geschwellt.  Hierdurch  und  durch 
die  immer  stärker  werdenden  Schmerzen  wurde  die  Ausübung 
des  Koitus  unmöglich,  während  andererseits  sehr  häutige  Erek¬ 
tionen  (6 — 5  in  der  Nacht)  auftraten.  Libido  eher  gegen  früher 
erhöht. 

Patient  suchte  deshalb  unsere  Hilfe. 

Es  fand  sich  folgender  Befund: 

In  der  Mitte  des  Dorsum  penis  besteht  eine  im  schlaffen  Zu¬ 
stande  3—3 y2  cm  lange  und  ca.  3  cm  breite  flache  Verhärtung, 
etwa  von  Knorpelkonsistenz,  wie  ein  Sattel  auf  dem  Rücken  des 
Penis  auf  dem  Schwellkörper  aufsitzend.  Die  Haut  darüber  ist 
vollkommen  verschieblich,  die  Oberfläche  glatt.  Die  Verhärtung 
selbst  lässt  sich  gegen  die  Unterlage  hin  nach  keiner  Richtung 
verschieben,  Druck  auf  dieselbe  wird  leicht  schmerzhaft  em¬ 
pfunden.  Inguinaldrüsen  auf  beiden  Seiten  hart,  etwa  erbsengross. 

Der  Urin  ist  frei  von  Zucker  und  Eiweiss.  Es  bestehen  keiner¬ 
lei  Anhaltspunkte  für  Gicht.  Die  Durchleuchtung  mit  Röntgen¬ 
strahlen  ergibt  ein  negatives  Resultat. 

Es  wurde  zuerst  versucht,  durch  heisse  Umschläge,  heisse 
Bäder,  Priessnitzumschläge  und  Massage  eine  Erweichung  herbei¬ 
zuführen.  Als  diese  Behandlung  erfolglos  blieb,  wurden  im  Hin¬ 
blick  auf  die  alte  Lues  lokal  Quecksilberpflaster,  intern  Jodkali 
gegeben  und  6  Injektionen  von  Hg-Salizyl  verabreicht,  gleichfalls 
ergebnislos,  ebenso  auch  einige  Jodipininjektionen. , 

Da  die  Schmerzen  an  Intensität  derart  Zunahmen,  dass  Pat. 
sich  mit  Selbstmordgedanken  trug  und  dringend  Abhilfe  ver¬ 
langte,  entschlossen  wir  uns  zu  einem  chirurgischen  Eingriff. 

Am  4.  XII.  99  wurde  in  ruhiger  Chloroformnarkose  unter 
lokaler  Anämie  ein  Längsschnitt  über  dem  Gebilde  gemacht.  Das¬ 
selbe  präsentierte  sich  als  eine  der  Albuginea  angehürige  binde¬ 
gewebige  Masse,  die  ziemlich  tief  in  das  Septum  zwischen  den 
beiden  Corpora  cavernosa  hineinragte.  An  den  Rändern  ging  die 
Geschwulst  allmählich  in  normale  Albuginea  über.  Mit  dem 
Messer  wurde  dieselbe  scheibenförmig  bis  zur  Grenze  des  Ge¬ 
sunden  abgetragen  und  der  in  der  ganzen  Länge  der  Geschwulst 
zwischen  die  Corpora  carvernosa  sich  erstreckende  Fortsatz  bis  in 
die  Tiefe  verfolgt  und  gleichfalls  entfernt,  so  dass  schliesslich  das 
kavernöse  Gewebe  sowohl  auf  der  medialen,  wie  auch  der  dor¬ 
salen  Seite  in  einer  Ausdehnung  von  4 yz  cm  Lange  und  ca.  3  cm 
Breite  völlig  freilag.  Dieser  Defekt  wurde  nunmehr  durch  ver¬ 
senkte  Catgutsuturen  in  der  Längsrichtung  verschlossen,  so  dass 
die  entsprechenden  blossgelegten  dorsalen  Flächen  des  kavernösen 
Gewebes  in  der  Mittellinie  aneinander  adaptiert  waren.  Darunter 
Hautnaht  mit  Seide.  Nach  Lösung  des  Konstriktionsschlauches 
leichte  Blutung,  die  auf  kurze  Kompression  stand. 

Der  Wundverlauf  war  normal.  Er  wurde  nur  durch  Aus¬ 
einanderweichen  der  Wundränder  infolge  nicht  zu  bekämpfender 
nächtlicher  Erektionen  gestört.  3  Wochen  p.  o.  war  die  Wunde 
vernarbt. 

Ein  Verweilkatheter  wurde  nicht  eingeführt. 

Vier  Tage  nach  der  Operation  hatte  Patient 
zum  ersten  Male  wieder  eine  volle  bis  in  die 
Glans  reichende  Erektion,  ohne  andere  als  die  Wund¬ 
schmerzen. 

Etwa  3  Wochen  nach  der  Operation  trat  an  der  Wurzel  des 
Penis,  dort,  wo  der  Schlauch  gelegen  hatte,  am  Dorsum  eine  In¬ 
duration  auf,  die  —  etwa  von  Bohnengrösse  —  nicht  die  Härte 
der  operativ  entfernten  Geschwulst  besass  und  nur  wenig 


9  Derselbe  wurde  vor  uns  kurz  vor  und  nach  der  Operation 
bereits  in  zwei  Sitzungen  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil¬ 
kunde  in  Dresden  demonstriert. 

No.  32. 


1333 

Schmerzen  verursachte.  Sie  bildete  sich  vollkommen  zurück  unter 
2  mal  täglich  verabreichten  warmen  Sitzbädern,  die  Pat.  etwa  ein 
halbes  Jahr  lang  gewissenhaft  nahm. 

Anfänglich  bestand  bei  den  nunmehr  schmerzlosen  Erektionen 
eine  ganz  geringe  Deviation  nach  oben  an  der  Nahtstelle,  welche 
Tat.  mit  der  Hand  leicht  korrigieren  konnte.  Der  Koitus  war 
stets  schmerzlos,  die  Erektionen  vollkommen.  Pat.  ist  bis  heute 
(über  2(4  Jahre  nach  der  Operation)  mit  seinem  Zustande  her- 
\ oi tagend  zufrieden,  da  er  bei  Auftreten  der  Libido  dieselbe 
schmerzlos  und  in  ausgiebigster  Weise  befriedigen  kann.  Von 
einer  Deviation  ist  kaum  noch  etwas  zu  bemerken. 

Makroskopisch  boten  die  exzidierten  Teile  das  Bild  einer 
harten,  unter  dem  Messer  knirschenden,  bindegewebigen  Schwiele 
dar. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  dass  die  Einlagerung 
aus  derbem,  gefässarmem,  kollagenem  Gewebe  besteht,  mit  spür 
liehen  Bindegewebszellen.  Die  Gefässe  selbst  scheinen  atrophisch 
zu  sein.  Eingelagerte  Kalksalze  konnten  mikroskopisch  nicht 
uaehgewiesen  werden.  Es  handelte  sich  also  um  eine  keloidartige, 
fibronatöse  Einlagerung  in  die  Albuginea  der  Schwellkörper. 

Nicht  ohne  Interesse  und  von  gewissem  Wert  für  die  Aetio- 
logie  ist  die  Beobachtung,  dass  an  der  Stelle,  an  welcher  der  con- 
stringierende  Schlauch  etwa  einen  Zeitraum  von  25 — 30  Minuten 
gelegen  hat,  last  mit  der  Promptheit  eines  Experimentes  sich 
ausschliesslich  am  Dorsum  eine  neue,  etwa  fingernagelgrosse  Ver¬ 
härtung  nach  3  Wochen  gebildet  hatte,  die  allerdings  nicht  die 
Härte  der  primären  erreicht  hatte.  Eigentlich  ohne  jede 
"Therapie  heilte  diese  Affektion  ausi,  falls  man  nicht  die  dem 
Patienten  mehr  aus  psychischen  Gründen  verordneten  warmen 
Sitzbäder  für  diesen  Erfolg  verantwortlich  machen  will. 

Angesichts  dieser  Beobachtung  erscheint  es  uns  fraglich,  ob 
nicht  allen  diesen  sozusagen  „idiopathischen“  plastischen  In¬ 
durationen  der  Corpora  cavernosa  penis  traumatische  Einflüsse 
.zu  Grunde  liegen,  wie  ja  auch  der  Patient  den  Beginn  seiner  pri¬ 
mären  Erkrankung  als  Schmerz  während  eines  durchaus  nicht 
etwa  stürmischen  Koitus  empfand.  Weder  eine  noch  so  geringe 
Anschwellung  noch  eine  Hautverfärbung  als  Zeichen  eines  selbst 
geringfügigen  Blutergusses  war  von  dem  intelligenten  Patienten 
trotz  genauer  Beobachtung  bemerkt  worden. 

Wenn  man  dabei  das  Alter  der  Patienten,  welche  sämmtlich 
in  der  zweiten  Hälfte  des  Lebens  stehen,  erwägt  und  die  sich 
doch  zu  dieser  Zeit  schon  —  auch  bei  Ausschluss  von  Diabetes  — 
bemerkbar  machende  mangelhafte  Resistenzfähigkeit  des  Ge¬ 
webes,  so  mag  es  nicht  verwunderlich  erscheinen,  wenn  auch  ge¬ 
ringere,  oft  nicht  einmal  bemerkbare  Traumen,  die  sich  noch  da¬ 
zu  vielleicht  nach  Lage  der  Dinge  öfter  wiederholen,  schliesslich 
zu  der  Etablierung  eines  derartigen  Prozesses  führen. 

Wenn  auch  die  unbehandelte  Affektion  quoad  vitam  pro¬ 
gnostisch  günstig  genannt  werden  kann,  so  übt  sie  doch  anderer¬ 
seits  bei  grosser  forensischer  Bedeutung  (Ehescheidungsgrund !) 
einen  derartig  unheilvollen  Einfluss  auf  die  Psyche  der  Patien¬ 
ten  aus,  dass  wir  kein  Mittel  unversucht  lassen  sollen,  den 
Kranken  von  seinem  Leiden  zu  befreien. 

Gestützt  auf  die  nunmehr  fast  3  Jahre  be¬ 
stehende  Heilungsdauer  unseres  Falles,  bei 
vollkommenem  funktionellen  Erfolg,  halten 
wir  uns  für  berechtigt,  für  analoge  Fälle  die 
Operation  vor  Zuschlägen,  zumal  da  bisher  jede 
andere  Therapie  erfolglos  geblieben  ist. 


Geburtsleitung  beim  engen  Becken.*) 

Von  Prof.  Dr.  Krönig  in  Leipzig. 

Auf  den  Geburtsverlauf  beim  engen  Becken  bat  einen  be¬ 
stimmenden  Einfluss  das  Grössen  Verhältnis  des  kindlichen 
Kopfes  zum  mütterlichen  Becken  und  die  Energie  der  austreiben¬ 
den  Kräfte.  Bei  den  Vorschriften  für  die  Geburtsleitung  beim 
engen  Becken  hat  man  früher  der  Grösse  des  kindlichen  Kopfes 
und  der  Energie  der  Wehen  weniger  Berücksichtigung  geschenkt, 
sondern  man  glaubte  aus  der  Beckenverengerung  als  solcher  aus¬ 
schliesslich  die  Vorschriften  für  die  Art  der  Geburtsleitung  ab¬ 
leiten  zu  können.  So  möchte  ich  an  die  Spitze  meines  Vortrages  dio 
Vorschriften  Tarniers  in  seinem  „Traite  de  l’aocouchement“ 
setzen,  welche  unter  anderem  dahin  lauten :  bei  einer  Becken¬ 
verengerung  mit  einer  C.  v.  von  9,5  bis  8,5  cm  ist  die  rechtzeitige 
Geburt  einzuleiten,  bei  einer  C.  v.  von  8,5  bis  7,5  cm  ist  in  den 

*)  Nach  einem  Vortrag  in  der  Medizinischen  Gesellschaft 
Leipzig. 


5 


1334 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Fällen,  in  welchen  die  Frau  schon  während  der  Schwangerschaft 
zum  Arzt  kommt,  die  künstliche  1  rühgeburt  einzuleiten,  am  Ende 
der  Schwangerschaft  kann  eventuell  die  Symphyseotomie  aus- 
geführt  werden. 

In  ähnlicher  Weise  leitet  Bulius  in  seinem  Aufsatz  „Das 
enge  Becken“  aus  dem  Grade  der  Beckenverengerung  die  Vor¬ 
schriften  ab.  Er  verlangt  bei  plattem  Becken  mit  einer  C.  v. 
von  7 — 8  CU1  bei  Frauen,  welche  während  der  Schwangerschaft 
zum  Arzt  kommen,  obligatorisch  die  künstliche  Frühgeburt;  ist 
die  Frucht  lebend  und  ausgetragen,  so  soll  bei  diesen  Becken¬ 
verengerungen  der  Kaiserschnitt  aus  relativer  Indikation  gemacht 
werden  etc. 

Wenn  wir  uns  bei  diesen  allein  auf  der  Grösse  der  Becken¬ 
verengerung  basierenden  Vorschriften  für  die  Geburtsleitung 
fragen,  wie  weit  nach  dem  heutigen  Stande  der  Technik  die 
Exaktheit  der  Beckenmessung-  getrieben  werden  kann,  so  müssen 
wir  leider  gestehen,  dass  wir  heute  noch  bei  der  lebenden 
Frau  uns  nicht  mit  genügender  Sicherheit  über  die  Grössen¬ 
verhältnisse  des  Beckens  informieren  können.  Wenn  wir  auch 
sofort  zugeben,  dass  durch  den  Beckenmesser  von  S  k  u  t  s  c  h, 
welcher  durch  die  Modifikation  von  Zweifel  gebrauchsfähiger 
gemacht  ist,  exaktere  Resultate  erzielt  werden,  so  sind  doch 
immerhin  auch  heute  noch  die  Fehlerquellen  relativ  grosse.  Wenn 
wir  uns  z.  B.  ausschliesslich  auf  die  Bestimmung  der  Grösse  der 
Beckeneingangsebene  beschränken,  so  wissen  wir,  dass  wir  den 
queren  Durchmesser  dieser  Ebene  bei  der  lebenden  I  rau  fast  nur 
aus  einer  Grössenrelation  dieses  Durchmessers  mit  der  messbaren 
Querspannung  des  grossen  Beckens  beurteilen  können.  Der  ge¬ 
rade  Durchmesser  der  Beckeneingangsebene  ist  ebenfalls  der 
direkten  Messung  nicht  zugängig,  sondern  wir  müssen  die  Grösse 
desselben  entweder  aus  dem  Grössenverhältnis  dieses  Durch¬ 
messers  zur  messbaren  C.  diagonalis  oder  aus  der  Differenz 
zweier,  vermittels  des  Skutsch-Zweifel  sehen  Becken¬ 
messers  bei  der  lebenden  Frau  messbaren  Grössen  bestimmen. 
Letztere  Messung  gibt  aber  nur  bei  genügender  Assistenz  und, 
wenn  möglich,  in  Narkose  der  Frau  einigermassen  befriedigende 
Resultate,  so  dass  auch  hier  in  der  Praxis  fast  ausschliesslich  die 
Bestimmung  aus  der  der  Messung  zugänglichen  C.  d.  in  Frage 
kommt.  Die  Berechnung  der  C.  v.  aus  der  C.  d.  hat  grosse 
Fehlerquellen,  weil  die  Grösse  des  Abzugs  von  der  C.  d.  ver¬ 
schieden  ist,  je  nach  der  Höhe  der  Symphyse  und  nach  der  Grösse 
der  Beckenneigung.  Letztere  ist  bei  der  Lebenden  kaum  mit 
einiger  Sicherheit  zu  bestimmen. 

Infolge  dessen  müssen  wir  gleich  von  vornherein  uns  darüber 
Idar  werden,  dass  die  Beckenmessung  auch  heute  noch  nur  Nähe¬ 
rungswerte  liefert. 

Es  wäre  aber  sicherlich  auch  aus  anderen  Gründen  verfehlt, 
bei  der  Geburtsleitung  bloss  die  Grösse  der  Beckenverengerung 
zu  berücksichtigen.  Wir  müssen  in  jedem  lalle  zur  Beurteilung 
des  Missverhältnisses  auch  die  Grösse  des  Kindes,  die  Konfigu¬ 
rationsfähigkeit  des  kindlichen  Kopfes  und  die  Kraft  der  Wehen 
in  Rechnung  ziehen,  denn  diese  spielen  bei  der  Ueberwindung  des 
Hindernisses  eine  gleichbedeutende  Rolle,  wie  die  Grösse  des 
Beckens,  Die  Grösse  des  kindlichen  Kopfes  ist  aber  leider  trotz 
aller  angegebenen  Kephalometer  bis  heute  noch  sehr  unsicher  zu 
bestimmen.  Die  Konfigurationsfähigkeit  des  kindlichen  Kopfes 
entzieht  sich  im  Anfang  der  Geburt  unserer  Bestimmung  voll¬ 
ständig  und  ebenso  wissen  wir  im  Anfang  der  Geburt  über  die 
Kraft  der  Wehen  sehr  wenig. 

Da  wir  die  Konfigurationsfähigkeit  des  kindlichen  Kopfes, 
die  Art  der  Einstellung  desselben,  die  Stärke  der  Wehen  erst 
während  des  Verlaufes  der  Geburt  abschätzen  können,  so  müssen 
wir  als  den  wichtigsten  Faktor  bei  der  Leitung  der  Geburt  beim 
engen  Becken  die  Beobachtung  des  Geburtsver¬ 
laufs  hinstellen  zur  Beurteilung,  ob  das  Missverhältnis  zwi¬ 
schen  kindlichem  Kopf  und  mütterlichem  Becken  ein  solches  ist, 
dass  die  natürlichen  Kräfte  allein  den  kindlichen  Kopf  nicht 
austreiben  können. 

Nur  unter  bestimmten  Verhältnissen  können  wir  die  Be¬ 
obachtung  des  Geburtsverlaufs  entbehren,  nämlich  dann,  wenn 
wir  es  mit  Beckenverengerungen  zu  tun  haben,  bei  welchen  nach 
den  bisherigen  Beobachtungen  am  Gebärbett  unter  keinen  Um¬ 
ständen  die  Ausstossung  eines  lebenden  Kindes  zu  erwarten  ist. 

Ich  habe  als  Assistent  der  Leipziger  Frauenklinik,  dank  dem 
Entgegenkommen  meines  früheren  Chefs,  des  Herrn  Geh. -Rat 


Zweifel,  die  Geburtsprotokolle  der  J ahre  1891 — 1899  durch¬ 
gesehen.  Es  waren  im  ganzen  ca.  15  000  Geburten,  darunter 
etwas  über  1000  enge  Becken.  Aus  dieser  Zusammenstellung  hat 
sich  ergeben,  dass  wir  die  Grenze  der  Gebärmöglichkeit  eines 
ausgetragenen  Kindes  bei  einfach  oder  rhachitisch 
platten  Becken,  d.  h.  also  bei  Becken,  welche  ausschliesslich 
oder  fast  ausschliesslich  nur  im  geraden  Durchmesser  der  Becken¬ 
eingangsebene  eine  Verengerung  aufweisen,  bei  ca.  i  cm  G.  \. 
setzen  dürfen;  mit  anderen  Worten,  bei  einer  O.  v.  unter  7  cm 
ist,  ein  ausgetragenes  Kind  vorausgesetzt,  die  spontane  Geburt 
eines  lebenden  Kindes  nicht  mehr  zu  erwarten.  Beim  allge¬ 
mein  verengten  Becken,  d.  h.  bei  denjenigen  Becken¬ 
verengerungen,  bei  denen  auch  der  quere  und  schräge  Durch¬ 
messer  unternormale  Verhältnisse  auf  weist,  liegt  selbstverständ¬ 
lich  die  Grösse  der  C.  v.  etwas  höher,  und  aus  der  Zusammen¬ 
stellung  ergibt  sich,  dass  hier  schon  bei  einer  C.  v.  unter  7,5  cm 
die  Spontangeburt  eines  lebenden  ausgetragenen  Kindes  nicht 
mehr  zu  erwarten  ist.  Es  stimmt  diese  Erfahrung  vollständig 
überein  mit  einer  neuerlichen  Zusammenstellung  Reiffer¬ 
scheids  aus  der  Bonner  Klinik. 

Damit  haben  wir  für  die  Geburtsleitung  immerhin  eine  ge¬ 
wisse  Norm  schon  gefunden,  und  wir  tun  aus  praktischen  Gründen 
gut.  zwei  Gruppen  von  Beckenverengerungen  zu  unterscheiden, 
solche,  bei  denen  beim  platten  Becken  der  gerade  Durchmesser 
über  oder  unter  7  cm,  oder  beim  allgemein  verengten  Becken 
über  oder  unter  7,5  cm  beträgt. 

Um  Weitläufigkeiten  im  Folgenden  zu  vermeiden,  beschränke 
ich  mich  auf  die  Beschreibung  der  Geburtsleitung  beim  einfach 
platten  oder  platt-rhachitischen  Becken.  Ich  darf  dies  um  so 
eher,  weil  sich  die  Verhältnisse  auf  das  allgemein  vei  engte 
Becken  übertragen  lassen,  wenn  wir  an  Stelle  der  C.  v.  des 
platten  Beckens  beim  allgemein  verengten  Becken  einen  um  0,5  cm 
höheren  Wert  einsetzen,  und  weiter  deswegen,  weil  sich  beim 
unregelmässig  verengten  Becken,  z.  B.  beim  osteomalacischen 
Becken  u.  s.  w.  überhaupt  keine  allgemeinen  Vorschriften  geben 
lassen. 

Da  bei  plattem  Becken  mit  einer  C.  v.  von  über  7,0  cm  die 
spontane  Geburt  möglich  ist,  so  ist  es  von  Wichtigkeit,  zu¬ 
nächst  ein  Urteil  darüber  zu  gewinnen,  wie  häufig  denn,  eine 
Kopflage  des  Kindes  vorausgesetzt,  entsprechend  den  Er¬ 
fahrungen  am  Gebärbett  zu  erwarten  ist,  dass  je  nach  der  Grösse 
der  C.  v.  eine  spontane  Geburt  erfolgt. 

Ich  möchte  zu  diesem  Zweck  auf  beifolgender  Tabelle  einige 
Zahlen  wiedergeben,  welche  ich  aus  der  Statistik  der  Zweifel- 
scheii  Klinik  gewonnen  habe. 

Ich  habe  die  Beckenverengerungen  über  7  cm  noch  getrennt 
in  2  Grade,  einmal  in  Beckenverengerungen  mit  einer  C.  v.  von 
9,5 — 8,5  cm  (I.  Grades)  und  zweitens  Beekenverengerungen  mit 
einer  C.  v.  von  8,4 — 7  cm  (II.  Grades). 

Ich  muss  hierbei  erwähnen,  dass  bei  Angabe  dieser  Zahlen 
die  Grösse  der  C.  v.  stets  gewonnen  ist  aus  der  gemessenen  C.  d. 
durch  Abzug  von  2  cm.  Wenn  ich  auch  das  Verfahren  der  fran¬ 
zösischen  Geburtshelfer,  bei  vergleichenden  Angaben  stets  die 
C.  d.  der  Grösse  nach  anzugeben,  für  exakter  und  wissenschaft¬ 
licher  halte,  als  im  allgemeinen  das  Vorgehen  der  deutschen  Ge¬ 
burtshelfer,  welche  die  C.  v.  den  Berechnungen  zu  Grunde  legen, 
so  bin  ich  doch  vorläufig  dem  Brauche  der  deutschen  Geburts¬ 
helfer  gefolgt. 

Selbstverständlich  müssen  wir  Erst-  und  Mehrgebärende, 
weil  sie  so  wesentlich  in  ihrem  Geburtsverlauf  verschieden  sind, 
trennen. 

Plattes  Becken  1.  Grades. 

Unter  127  Erstgebärenden  mit  einfach  plattem  Becken 
1.  Grades,  bei  welchen  sich  das  Kind  in  Kopflage  zur  Geburt 
stellte,  verlief  in  120  Fällen  die  Geburt  vollständig  spontan  oder 
ging  wenigstens  soweit  spontan  vor  sich,  dass  die  Beckeneingangs¬ 
ebene  überwunden  war  und  sich  nur  noch  Kunsthilfe  notwendig 
machte  bei  dem  im  Beckenausgang  stehenden  kindlichen  Kopf. 

In  den  7  Fällen,  wo  operiert  wurde,  wurde 

3  mal  ohne  Erfolg  die  hohe  Zange  angelegt, 

1  mal  die  Perforation, 

2  mal  die  Symphyseotomie,  und 

1  mal  die  Wendung  wegen  Narbelschnurvorfalls  gemacht. 

Unter  228  Mehr  gebären  den  mit  einfach  plattem  Becken 
1.  Grades,  bei  welchen  sich  das  Kind  in  Kopflage  zur  Geburt 
stellte,  ging  209  mal  die  Geburt  spontan  vor  sich,  bezw.  es  brauchte 
erst,  nachdem  der  Beckeneingangsring  überwunden  war,  im 


12.  August  1902. 


MUEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1335 


Reckenausgang  wegen  Gefahr  des  Kindes  oder  der  Mutter  die 
tiefe  Zange  angelegt  zu  werden: 

12  mal  wurde  gewendet, 

3  mal  wurde  die  hohe  Zange  angelegt, 

2  mal  wurde  perforiert, 

2  mal  symphyseotomiert. 

Die  Zahl  der  Spontangeburten  nimmt  selbstverständlich  mit 
der  Grösse  der  Beckenverengerung  ab  und  so  sehen  wir  dann  beim 

platten  Becken  2.  Grades, 

dass  bei  42  Erstgebärenden,  bei  welchen  sich  das  Kind  in 
Kopflage  zur  Geburt  stellte,  in  30  Fällen  die  Geburt  spontan  ver¬ 
lief,  und  in  12  Fällen  bei  hochstehendem  Kopf  operiert  werden 
musste,  und  zwar: 

1  mal  hohe  Zange  ohne  Erfolg, 

3  mal  Perforation, 

2  mal  Kaiserschnitt, 

5  mal  Symphyseotomie  und 

1  mal  Wendung  wegen  Vorfalls  der  pulsierenden  Nabel¬ 
schnur. 

Schliesslich  bei  Mehrgebärenden  mit  plattem  Becken 

2.  Grades  trat  unter  84  Fällen  46  mal  Spontangeburt  ein,  also  in 
etwas  über  der  Hälfte  der  Fälle.  38  mal  wurde  bei  hochstehendem 
Kopf  operiert  und  zwar: 

14  mal  die  Wendung  ausgeführt, 

5  mal  die  hohe  Zange, 

11  mal  die  Symphyseotomie, 

7  mal  der  Kaiserschnitt, 

1  mal  die  künstliche  Frühgeburt. 

Bei  den  höheren  Graden  der  Beckenverengerung  hat  sich 
also  irhmerhin  in  einem  relativ  hohen  Prozentsatz  Kunsthilfe 
nothwendig  gemacht.  Diese  wurde  in  selteneren  Fällen  wegen 
Gefahr  der  Mutter,  in  den  meisten  Fällen  zur  Rettung  des  Kindes 
ausgeführt. 

Diejenigen  Operationen,  welche  man  zur  Verbesserung  der 
Prognose  für  das  Kind  bei  engem  Becken  angegeben  hat,  sind 
folgende : 

1.  die  prophylaktische  Wendung, 

2.  die  hohe  Zange, 

3.  die  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt, 

4.  die  Symphyseotomie,  und 

5.  der  Kaiserschnitt. 

Von  diesen  sind  vom  theoretischen  Standpunkt  aus  gleich 
von  vornherein  als  berechtigt  anzuerkennen  die  Symphyseotomie 
und  der  Kaiserschnitt,  und  zwar  deswegen,  weil  sie  entweder 
durch  Erweiterung  des  Beckenkanales  das  Missverhältnis  be¬ 
heben,  wie  bei  der  Symphyseotomie,  oder  indem  bei  ihnen  über¬ 
haupt  auf  den  Durchtritt  des  Kopfes  durch  den  verengten  Becken¬ 
kanal  verzichtet  wird  und  der  abdominelle  Weg  zur  Entwicklung 
des  Kindes  gewählt  wird  wie  beim  Kaiserschnitt. 

Dagegen  sind  die  drei  anderen  Operatibnen  schon  vom 
theoretischen  Standpunkt  aus  in  ihrem  Erfolg  nicht  so  einwand¬ 
frei. 

Bei  der  hohen  Zange  versuchen  wir  durch  kräftigen 
Zug  mittels  der  Zange  ein  Missverhältnis  noch  zu  überwinden, 
wo  der  Wehendruck  nicht  ausreicht;  bei  der  prophylaktischen 
Wendung  glauben  wir  günstige  Verhältnisse  uns  zu  schaffen  in 
der  Meinung,  dass  der  nachfolgende  kindliche  Kopf  sich  besser 
durchziehen  lässt  bei  gegebenem  Missverhältnis,  als  der  voran¬ 
gehende  kindliche  Kopf  von  der  Wehenkraft  gepresst  werden 
kann ;  bei  der  künstlichen  Frühgeburt  schliesslich 
wollen  wir  das  Missverhältnis  dadurch  beheben,  dass  wir  durch 
vorzeitiges  Einleiten  der  Geburt  einen  relativ  kleinen  Kopf  ver¬ 
mittels  der  Wehenkraft  durch  den  Geburtskanal  treiben  lassen. 
Im  letzteren  Fall  liegt  aber  die  Gefahr  vor;  dass  das  nicht  aus¬ 
getragene  Kind  leichter  dem  Geburtstrauma  und  den  Gefahren 
des  extrauterinen  Lehens  erliegt. 

Während  über  die  Symphyseotomie  und  den  Kaiserschnitt 
zur  Erzielung  einer  günstigeren  Prognose  für  das  Kind  bei 
engem  Becken  wohl  kaum  eine  Diskussion  möglich  ist,  ist  da¬ 
gegen  über  die  Wertigkeit  der  drei  anderen  Operationen,  der  pro¬ 
phylaktischen  Wendung,  der  hohen  Zange  und  der  künstlichen 
Frühgeburt  bis  heute  eine  Einigung  unter  den  Geburtshelfern 
nicht  erzielt. 

Wenn  wir  uns  fragen,  wie  es  möglich  ist,  dass  trotz  des 
so  grossen  Beobachtungsmateriales,  welches  sich  in  den  Gebär¬ 
kliniken  ansammelt,  und  trotz  der  so  zahlreich  ausgeführten 
Operationen  auch  heute  noch  nicht  die  genügende  Klarheit  über 
ihre  Wertigkeit  erreicht  ist,  so  finden  wir  eine  Antwort  darauf 
nur  in  der  Unsicherheit  der  Indikationsstellung,  in  der  Unsicher¬ 
heit  der  Beurteilung,  ob  in  den  Fällen,  in  welchen  wir  diese 


Operation  ausgeführt  haben,  nicht  auch  das  exspektative  Ver¬ 
fahren  einen  günstigen  Ausgang  für  das  Kind  erzielt  hätte. 

Schon  im  Anfang  meines  Vortrages  erklärte  ich,  dass  nicht 
die  Grösse  der  Beckenverengerung  allein  uns  massgebend  sein 
kann  für  die  Beurtheilung,  ob  in  einem  konkreten  Fall  eine 
Geburt  spontan  verlaufen  wird  oder  nicht,  sondern  dass  hierzu 
vor  allem  die  Beobachtung  des  Geburtsverlaufs  notwendig  ist. 

Bei  der  prophylaktischen  Wendung  ist  die  Beobachtung  des 
Geburtsverlaufs  nur  bis  zu  einem  gewissen  Zeitpunkt  der  Geburt 
möglich.  Vorbedingung  für  den  günstigen  Verlauf  einer  Wen¬ 
dung  von  Kopf-  in  Beckenendlage  ist  eine  gewisse  Beweglichkeit 
des  Kindes  im  Fruchthalter;  diese  ist  aber  nur  dann  noch  ge¬ 
nügend  gegeben,  wenn  wir  entweder  bei  erhaltener  Fruchtblase 
wenden,  oder  unmittelbar  nach  erfolgtem  Blasensprung.  Eine 
einfache  TTeberlegung  zeigt,  dass  man  bis  zu  diesem  Abschnitt 
der  Geburt  natürlich  kein  einigermassen  sicheres  Urteil  sich 
bilden  kann,  ob  nicht  auch  bei  exspektativem  Verfahren  ein 
günstiger  Ausgang  für  Mutter  und  Kind  erzielt  würde.  Erst 
einige  Zeit  nach  dem  Blasensprung  konfiguriert  sich  der  kind¬ 
liche  Kopf  und  es  kann  durch  Anpassung  seiner  Form  an  die 
gegebenen  Raumverhältnisse  schliesslich  doch  noch  die  spontane 
Ausstossung  durch  die  Wehenkraft  allein  erfolgen.  Erst  einige 
Zeit  nach  dem  Blasensprung  und  bei  vollständig  eröffnetem 
Muttermund  setzt  die  energische  Wehentätigkeit  ein;  die  Bauch¬ 
presse  im  Verein  mit  der  Kontraktion  der  Gebärmutter  übt  dann 
erst  die  volle  treibende  Kraft  aus. 

Deswegen  ist  uns  auch  nicht  gedient  mit  der  Versicherung 
gewisser  Geburtshelfer,  dass  sie  mit  der  prophylaktischen  Wen¬ 
dung  durchaus  zufrieden  sind,  dass  sie  sich  selbst  zu  den  Re¬ 
sultaten  gratulieren  können,  sondern  wir  müssen  meines  Er¬ 
achtens,  wenn  wir  uns  ein  Urteil  verschaffen  wollen,  Kliniken 
mit  grossem  Material  miteinander  vergleichen,  in  welchen  einmal 
die  prophylaktische  Wendung  vollständig  verworfen  wird,  und 
andererseits  solche,  in  denen  die  prophylaktische  Wendung  ob¬ 
ligatorisch  bei  gewissen  Graden  der  Beckenverengerung  aus¬ 
geführt  wird. 

Tn  meiner  Arbeit  „Die  Therapie  beim  engen  Becken“1)  habe 
ich  die  Resultate  der  Leipziger  Klinik  unter  Zweifels  Leitung, 
in  welcher  die  prophylaktische  Wendung  zeitweilig  überhaupt 
nicht  ausgeführt  worden  ist,  verglichen  in  Bezug  auf  die  Mor¬ 
talität  der  Kinder  mit  der  Dresdner  Klinik  unter  Leopolds 
Leitung.  Hier  besitzen  wir  eine  in  Hinsicht  auf  Exaktheit  der 
Angaben  vorzüglich  durchgeführte  Statistik  von  Dr.  Rosen¬ 
thal.  Ich  habe  in  meiner  Arbeit  die  erzielten  Resultate  für 
das  Kind  bei  gleichen  Becken  Verengerungen  einander  gegenüber 
gestellt  und  glaube  berechtigt  zu  sein,  aus  der  Gegenüberstellung 
der  beiden  Kliniken  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  die  prophylak¬ 
tische  Wendung  nicht  im  Stande  ist,  die  Prognose  für  das  Kind 
bei  Beckenverengerungen  besser  zu  gestalten. 

Ebenso  konnte  ich  aus  der  Zusammenstellung  eine  günstige 
Prognose  für  die  Mutter  bei  häufigen  prophylaktischen  Wen¬ 
dungen  nicht  ableiten,  denn  schwere  Verletzungen  der  mütter¬ 
lichen  Weichteile,  tiefe  Scheiden-  und  Zervixrisse,  komplette 
Dammrupturen  gehören  auch  in  der  Hand  des  geübtesten  Ge¬ 
burtshelfers  bei  den  prophylaktischen  Wendungen  keineswegs  zu 
den  Seltenheiten.  Diese  Verletzungen  lassen  sich  bei  Kopflage 
mit  vorangehendem  Hinterhaupt  weit  eher  vermeiden,  weil  hier 
ein  so  schnelles  Durchschneiden  des  kindlichen  Kopfes  durch 
die  noch  wenig  vorbereiteten  Geburtswege  wie  bei  der  prophylak¬ 
tischen  Wendling  nicht  notwendig  ist. 

Ich  leugne  nicht,  dass  das  abwartende  Verfahren  in  Kopflage 
beim  engen  Becken  in  der  Privatpraxis  gegenüber  der  prophylak¬ 
tischen  Wendung  grössere  Anforderungen  an  die  Geduld  des 
Arztes  stellt.  Es  bedarf  manchmal  der  ganzen  Energie  des  Arztes, 
um  das  rein  exspektative  Verfahren  durchzuführen.  Dafür  aber 
bleibt  auch  der  Lohn  für  die  grössere  Mühewaltung  nicht  aus, 
indem  durchschnittlich  mehr  Kinder  gerettet  werden  und  die 
Mütter  mehr  geschützt  sind,  als  bei  prinzipiell  ausgeführter 
Wendung. 

Ueber  die  Zange  am  hochstehenden  Kopfe  wegen  engen 
Beckens  ist  heute  unter  den  Geburtshelfern  mehr  Einigkeit  er¬ 
zielt.  Alle  stimmen  darin  überein,  dass  wir  uns  niemals  zur 

9  B.  K  r  ö  n  i  g:  Die  Therapie  beim  engen  Becken.  Leipzig, 
Verlag  von  Arthur  G  e  o  r  g  i,  1901. 


2* 


1336 


MUENCITENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nö.  32. 


Zangenanlegung  verleiten  lassen  sollen  in  der  Hoffnung,  durch 
eine  Traktion  mit  der  Zange  am  hochstehenden  Kopf  eher  das 
Missverhältnis  zwischen  Kopf  und  Becken  zu  überwinden. 

Nur  für  gewisse  Fälle  wird  von  einigen  Geburtshelfern  die 
hohe  Zange  noch  empfohlen,  nicht  wegen  engen  Beckens,  son¬ 
dern  b  e  i  engem  Becken,  wenn  eine  Gefahr  von  seiten  der  Mutter 
oder  des  Kindes  bei  über  dem  Beckeneingangsring  feststehenden 
kindlichen  Kopf  eingetreten  ist.  Setzen  wir  folgenden  Fall:  Bei 
massiger  Beckenverengerung  haben  wir  zunächst  in  Hinter¬ 
hauptlage  des  Kindes  abgewartet;  durch  kräftige  Wehen  ist  der 
Muttermund  fast  vollständig  eröffnet;  trotzdem  ist  der  kindliche 
Kopf  nur  mit  einem  kleinen  Segment  in  den  Beckeneingangsring 
eingetreten.  Es  geht  Mekonium  ab,  die  Herztöne  des  Kindes 
sinken  dauernd  unter  100.  Sollen  wir  hier  weiter  exspektativ 
verfahren  oder  sollen  wir  versuchen,  das  gefährdete  Kind  durch 
eine  hohe  Zangenanlegung  eventuell  zu  retten? 

Die  hohe  Zange  ist  m.  E.  auf  Grund  des  vorliegenden  Ma¬ 
terials  so  wenig  geeignet,  bei  noch  bestehendem  Missverhältnis 
das  Kind  zu  extrahieren,  dass  man  auch  hier  besser  tut,  die 
Zange  an  dem  über  dem  Beckeneingangsring  stehenden  kind¬ 
lichen  Kopf  nicht  anzulegen,  sondern  ruhig  noch  zu  warten,  selbst 
auf  die  Gefahr  hin,  dass  das  Kind  abstirbt.  Sehr  häufig  beob¬ 
achten  wir  es  nämlich,  dass  es  allmählich  der  Wehenkraft  doch 
noch  gelingt,  den  Kopf  so  weit  tiefer  zu  drücken,  dass  ei  mit 
seinem  grössten  Umfang  die  Beckeneingangsebene  überwunden 
hat;  dann  vermag  die  tiefe  Zange  in  kürzester  Zeit  ein  wohl 
tief  asphyktisehes,  aber  doch  wieder  zu  belebendes  Kind  zu  ex¬ 
trahieren.  Hatten  wir  dagegen  die  hohe  Zange  bei  noch  über 
dem  Beckeneingangsring  stehenden  kindlichen  Kopf  angelegt,  so 
ist  einmal  durch  die  starke  Kompression  mit  der  Zange  da^> 
Leben  des  gefährdeten  Kindes  noch  mehr  in  Frage  gestellt  und 
ferner  ist  der  Geburtsmechanismus  derartig  gestört,  dass  es  nun 
auch  der  Wehenkraft  nicht  mehr  gelingt,  den  kindlichen  Kopf 
in  günstiger  Stellung  hindurchzubringen.  Es  bleibt  dann  nichts 
anderes  übrig,  als  die  Kranioklasie  anzuschliessen. 

Wie  steht  es  bei  Gefahr  der  Mutter?  Auch  hier  ist  es  m.  E. 
richtiger,  so  lange  der  kindliche  Kopf  mit  seinem  grössten  Um¬ 
fange  die  Beckeneingangsebene  noch  nicht  überwunden  hat,  von 
jeder  Zangenanlegung  Abstand  zu  nehmen,  sondern  dann,  wenn 
man  sich  nicht  zu  anderen  Operationen  entschlossen  kann, 
ruhig  die  Kranioklasie  auch  des  lebenden  Kindes  durchzuführen. 
Der  einzige  Fall,  in  welchem  es  zu  einer  irreparablen  Druck¬ 
gangrän  post  partum,  zu  einer  Blasenscheidenfistel,  in  der 
9  jährigen  Beobachtungszeit  auf  der  Leipziger  geburtshilflichen 
Station  kam,  war  bedingt  durch  eine  bei  Gefährdung  der  Mutter 
angelegte  hohe  Zange. 

"Wenn  wir  daher  die  prophylaktische  W endung  und  die  hohe 
Zange  nicht  als  Operationen  anerkennen,  welche  die  I  rognose 
von  Mutter  und  Kind  bei  engem  Becken  günstiger  gestalten 
können,  so  müssen  wir  uns  fragen,  ob  wir  nicht  die  noch  übrig¬ 
bleibenden  eingreifenden  geburtshilflichen  Operationen,  die 
Symphyseotomie  und  den  Kaiserschnitt,  dadurch  umgehen 
können,  dass  wir  den  Frauen,  welche  schon  in  der  Schwanger¬ 
schaft  zu  uns  kommen,  die  vorzeitige  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  anraten,  um  dadurch  dem  relativ  kleinen  kind¬ 
lichen  Kopf  noch  den  Durchgang  durch  das  enge  Becken  zu 
ermöglichen. 


Auf  dem  internationalen  Kongress  in  Berlin  1892  konnte 
F  e  h  1  i  n  g  fast  unwidersprochen  die  Aeusserung  tun,  dass  die 
Leistungsfähigkeit  der  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt 
von  allen  Geburtshelfern  der  verschiedensten  Länder  zur  Besse¬ 
rung  der  Prognose  des  Kindes  bei  engem  Becken  anerkannt 
würde.  Wenn  wir  hiermit  die  Berichte  des  internationalen  Kon¬ 
gresses  zu  Amsterdam  7  Jahre  später  vergleichen,  so  haben  sich 
die  Ansichten  der  Geburtshelfer  ganz  wesentlich  geändert;  wäh¬ 
rend  hier  der  eine  Referent  Leopold  sich  nur  als  bedingten 
Anhänger  der  künstlichen  Frühgeburt  bei  Yielgebärenden  be¬ 
kannte,  verwarf  der  andere  Referent  Pinard  die  künstliche 
F riiligeburt  überhaupt. 

Es  ist  nicht  leicht,  sich  ein  Urteil  über  die  Wertigkeit  dieser 
Operation  zu  verschaffen.  Schon  bei  der  prophylaktischen  Wen¬ 
dung  mussten  wir  zugeben,  dass  wir  im  konkreten  Falle  bei  der 
glücklichen  Ausführung  einer  prophylaktischen  Wendung  in 
keinem  Fall  im  stände  sind,  zu  sagen,  ob  nicht  die  spontane  Aus¬ 
stoß  uz  g  des  Kindes  bei  exspektativem  Verhalten  ebenfalls  er¬ 


folgt  wäre,  weil  wir  die  Operation  schon  bald  nach  dem  Blasen¬ 
sprung  ausführen  mussten,  ehe  die  Wehenkraft  den  kindlichen 
Kopf  konfiguriert  hatte.  Bei  der  künstlichen  Frühgeburt  ver¬ 
zichten  wir  vollständig  auf  die  Beobachtung  des  Geburtsverlaufs, 
hier  müssen  wir  uns  ganz  ausschliesslich  auf  die  Messung  des 
engen  Beckens  oder  auf  den  Bericht  über  den  Verlauf  früherer 
Geburten  beschränken.  Die  Anamnese  lässt  uns  aber  oft  im 
Stich  bei  der  Beantwortung  der  Frage,  ob  das  enge  Becken  Schuld 
an  dem  schlechten  Verlauf  der  vorausgegangenen .  Geburten  ge¬ 
wesen  ist  oder  ob  nicht  vielmehr  eine  falsche  Einstellung  des 
Kopfes  bezw.  Widerstand  von  seiten  der  Weichteile  die 
Schuld  an  dem  Misserfolge  bei  den  vorangegangenen  Geburten 
getragen  hat.  Ein  so  ehrlicher  und  scharfdenkender  Kliniker 
wie  Löhlein  gesteht  denn  auch  ganz  offen,  dass  in  seiner 
Klinik  wiederholt  Frauen  mit  mässig  verengtem  Becken  am 
Ende  der  Zeit  spontan  mit  lebendem  Kinde  niedergekommen 
sind,  bei  welchen  entweder  andere  Aerzte  oder  er  selbst  früher 
die  künstliche  Frühgeburt  eingeleitet  hatte,  in  der  Voraus¬ 
setzung,  dass  bei  der  gegebenen  Beckenverengerung  der  spon¬ 
tane  Durchtritt  des  Kindes  unmöglich  wäre.  Nehmen  wir  ein 
Beispiel:  Es  kommt  zu  uns  eine  Frau,  bei  welcher  die  erste 
Geburt  mit  Zange  begonnen  und  schliesslich  durch  Perforation 
beendet  ist.  Der  Arzt  hat  der  Frau  bei  der  Entbindung  ver¬ 
sichert,  sie  wäre  zu  eng  gebaut,  als  dass  sie  ein  ausgetragenes 
lebendes  Kind  gebären  könnte.  Man  untersucht  und  findet1,  sagen 
wir  ein  einfaches  plattes  Becken  mit  einer  C.  v.  von  8  cm.  Was 
liegt  näher,  als  dieser  Beckenverengerung  die  Schuld  an  dem 
schlechten  Verlauf  der  vorangegangenen  Geburt  zuzuschreiben. 
Liefert  uns  jetzt  die  künstliche  Frühgeburt,  4  Wochen  vor  dem 
Termin  angesetzt,  ein  lebendes  Kind,  so  beglückwünschen  wir 
uns  selbst  zu  dem  Erfolge  und  heimsen  den  Dank  des  Ehepaars 
dafür  ein.  Fragen  wir  uns  ernstlich,  ob  wir  auch  diesen  Dank 
verdienen,  so  können  wir  uns  nicht  gewisser  Skrupel  erwehren, 
ob  nicht  vielleicht  auch  spontan  ein  lebendes  ausgetragenes  Kind 
am  Ende  der  Zeit  geboren  worden  wäre.  Die  Zweifel  steigern 
sich,  wenn  etwa  das  frühgeborene  Kind  den  Traumen  des  extra¬ 
uterinen  Lebens  bald  erliegt. 

Man  hat  zwar  neuerdings  versucht,  den  Unterschied  zwischen 
einem  frühgeborenen  und  einem  ausgetragenen  Kind  in  Bezug 
auf  Lebensfähigkeit  vollständig  zu  verwischen. 

A  h  1  f  e  1  d  hat  Nachforschungen  bei  den  Frauen  angestellt, 
bei  welchen  er  in  seiner  Klinik  die  künstliche  Frühgeburt  ein¬ 
geleitet  hatte.  Die  Sterblichkeit  der  Kinder  im  ersten  Lebens¬ 
jahre  war  allerdings  eine  sehr  geringe,  aber  seine  Statistik  darf 
uns  nicht  täuschen;  sehen  wir  nämlich  genauer  nach,  was  Ahl  - 
feld  unter  künstlicher  Frühgeburt  bei  engem  Becken  versteht, 
so  finden  wir,  dass  unter  den  frühgeborenen  Kindern  sich  recht 
stattliche  Repräsentanten  befinden  von  3000,  3500,  selbst  3800 
und  4000  g.  Dass  solche  frühgeborene  Kinder  eine  gewisse 
Lebenskraft  besitzen,  wird  niemand  bezweifeln. 

Ich  habe  das  Material  der  Zwei  fei  sehen  Klinik  in  Ver¬ 
gleich  gesetzt  mit  den  Erfahrungen  anderer  Kliniken,  bei  wel¬ 
chen  prinzipiell  die  künstliche  Frühgeburt  bei  gewissen  Graden 
der  Beckenverengerung  ausgeführt  wird.  Ich  zog  die  Klinik 
von  B  a  r  in  Paris  zum  Vergleich  heran.  Bar  hat  in  sehr  vielen 
Fällen  die  künstliche  Frühgeburt  eingeleitet;  unbedingter  An¬ 
hänger  dieser  Operation  ist  er  aber  eigentlich  nur  bei  einer 
Becken  Verengerung  von  8,6 — 9  cm  C.  v. 

Mit  dieser  Beckenverengerung  kamen  in  der  Leipziger  Klinik 
in  den  Berichtsjahren  von  138  am  Ende  der  Zeit  Gebärenden 
105  spontan  nieder  mit  Kindern  über  2500  g  Gewicht.  In  diesen 
Fällen  war  allerdings  12  mal  die  Symphyseotomie  und  3  mal 
der  Kaiserschnitt  ausgeführt.  Nehmen  wir  an,  dass  diese  Ope¬ 
rationen  vom  Arzt  oder  von  der  Kreissenden  verweigert  wären 
und  setzen  wir  diese  so  lebend  gewonnenen  Kinder  als  tot  in 
die  Statistik  ein,  so  haben  wir  auf  138  Fälle  24  Kinder  tot  zu 
rechnen,  was  einer  Sterblichkeit  von  17,4  Proz.  entsprechen 
würde.  Bar  berechnete  auf  25  Fälle  von  künstlicher  Früh¬ 
geburt  eine  primäre  Stei’blichkeit  der  Kinder  von  12  Proz.,  also 
ungefähr  5  Proz.  niedriger  als  in  der  Statistik  von  Zweifel. 

Berücksichtigt  man  aber,  dass  auf  der  einen  Seite  kräftige, 
über  2500 — 4000  g  schwere  Kinder  geboren  sind,  während  andrer¬ 
seits  frühreife  Kinder  zur  Welt  gebracht  werden,  bedenkt  man 
weiter,  dass  bei  den  12  Symphyseotomien  und  den  3  Kaiser¬ 
schnitten  keine  Frau  dieser  Operation  erlegen  ist,  so  kann  man 


12.  August  19Ö2. 


jlUENCHENER  MEDlCINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


meiner  Ueberzeugung  nach  auch  hier  nicht  zu  dem  Schluss 
kommen,  dass  die  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt  bei 
dieser  Beckenverengerung  eine  Operation  ist,  welche  die  Prognose 
für  das  Bund  bessert.  Ich  glaube  vielmehr,  dass  bei  prinzipieller 
Verwerfung  der  künstlichen  Frühgeburt  selbst  dann  noch  wenn 
wn-  der  Kreissenden  das  Recht  zuerkennen,  die  Symphyseotomie 
und  den  Kaiserschnitt  abzulehnen,  bei  Beckenverengerung  über 
7  cm  C.  y.  im  allgemeinen  mehr  lebende  Kinder  erzielt  werden 
als  bei  prinzipieller  Ausführung  der  künstlichen  Frühgeburt. 

So  kommen  wir  denn  auf  Grund  unseres  Materials  zu  dem 
Schluss,  dass  die  zur  V  erbesserung  der  Prognose  für  Mutter  und 
Kind  angegebenen  Operationen  (die  künstliche  Frühgeburt,  die 
prophylaktische  Wendung  und  die  hohe  Zange)  nicht  im  st’ande 
sind,  die  auf  sie  gesetzte  Hoffnung  zu  erfüllen,  sondern  es  bleiben 
uns,  wenn  wir  nicht  ruhig  exspektativ  verfahren  und  die  Ivranio- 
klasie  des  lebenden  Kindes  bei  Gefahr  der  Mutter  ausführen 
wollen,  nur  zwei  Operationen  zur  Besserung  der  Prognose  des 
Kindes  übrig,  nämlich  die  Symphyseotomie  und  der  Kaiser¬ 
schnitt.  Die  Symphyseotomie  zeichnet  sich  vor  den  bisherigen 
Operationen  dadurch  aus,  dass  sie  wohl  von  allen  die  strikteste 
Indikationsstellung  zulässt.  Wir  können  hier  in  ergiebigster 
Weise  den  Geburtsverlauf  beobachten,  wir  können  die  vollständige 
Eröffnung  des  Muttermundes  abwarten,  wir  können  lange  Zeit 
nach  dem  Blasensprung  die  Geburt  noch  in  Kopflage  beobachten 
und  sehen,  ob  es  nicht  der  Wehenkraft  gelingt,  den  kindlichen 
Kopf  hindurchzupressen;  erst  dann,  wenn  uns  eine  genügend 
lange  Beobachtung  zu  der  Ueberzeugung  gebracht  hat,  dass  die 
spontane  Ausstossung  eines  lebenden  Kindes  unmöglich  ist, 
brauchen  wir  die  Spaltung  der  Symphyse  durchzuführen. 

Kaiserschnitt  und  Symphyseotomie  sind  bei  gewissen  Graden 
dei  Beckenverengerungen  direkt  Konkurrenzoperationen,  nämlich 
dann,  wenn  es  sich  um  Beckenverengerungen  über  6,5  C.  v.  han¬ 
delt.  Enter  dieser  Grenze  hat  die  Symphyseotomie  keine  Er¬ 
folge  mehr  aufzuweisen.  Die  Frage,  welche  Operation  die  bessere 
ist,  kann  heute  noch  nicht  mit  Sicherheit  beantwortet  werden. 

Die  Symphyseotomie  ist  eine  schwere  Operation,  sie  er¬ 
fordert  einen  guten  Chirurgen,  vor  allem  aber  einen  guten  Ge¬ 
burtshelfer.  Der  Kaiserschnitt  ist  die  bei  weitem  leichtere  Ope¬ 
ration.  Die  Symphyseotomie  hat  den  Nachteil,  dass  sie  uns  nicht 
mit  Sicherheit  ein  lebendes  Kind  garantiert,  weil  sie  eine  Ope¬ 
ration  ist,  die  den  Anschauungen  der  Klinik  Morisani  und 
Zweifel  gemäss  nur  als  vorbereitende  Operation  betrachtet 
werden  soll,  und  welche  die  sofortige  Extraktion  des  Kindes 
innerhalb  weniger  Minuten  nicht  immer  zulässt.  Der  Kaiser¬ 
schnitt  dagegen  ermöglicht  die  Entfernung  des  Kindes  innerhalb 
weniger  Minuten;  dafür  hat  aber  die  Symphyseotomie  den  Vor¬ 
teil  voraus,  dass  nach  dem  übereinstimmenden  Urteil  sämtlicher 
Geburtshelfer  die  Narbe  in  der  Symphyse  dehnungsfähig  bleibt, 
so  dass  die  Ausstossung  des  Kindes  bei  den  nachfolgenden  Ge¬ 
burten  mit  einer  grossen  Wahrscheinlichkeit  spontan  erfolgt. 
Abel  hat  in  dieser  Gesellschaft  über  Mortalität,  über  Dauer- 
lesiütate  nach  Symphyseotomie  und  Kaiserschnitt  berichtet. 
Wie  Sie  sich  entsinnen  werden,  kam  er  zu  dem  Schluss,  dass 
auch  nach  der  Symphyseotomie  sämtliche  Frauen  wieder  arbeits- 
ähig  wurden,  und  dass  es  verfehlt  wäre,  über  die  Symphyseo¬ 
tomie  kurzer  Hand  den  Stab  zu  brechen. 

Eins  bedarf  noch  hier  der  Erörterung:  Da  die  Symphyseo¬ 
tomie  und  der  Kaiserschnitt  auch  heute  noch  eine  Mortalität  von 
ca.  2  Proz.  haben,  so  fragt  es  sich,  ob  wir  als  Arzt  die  Erlaubnis 
einer  Ti.au  zu  diesen  Operationen  einholen  müssen,  oder  anders 
ausgedrückt,  ob  die  Gebärende  diese  Operationen  bei  lebendem 
Kinde  zu  ihren  Gunsten  ablehnen  darf. 

.  wird  diese  Frage  von  verschiedenen  Geburtshelfern  ver¬ 
schieden  beantwortet,  je  nachdem  das  Recht  des  Kindes  auf  Leben 
hoher  oder  geringer  eingeschätzt  wird.  P  i  n  a  r  d  gibt  der  Ge¬ 
bärenden  nicht  das  Recht  der  freien  Verfügung  über  ihr  Kind, 
während  eine  grosse  Anzahl  der  deutschen  Geburtshelfer  der 
Irau  das  Recht  zuerkennen,  die  Kranioklasie  des  lebenden  Kin¬ 
des  vom  Arzte  zu  fordern. 

Wie  Sie  wissen,  hat  vor  Kurzem  in  der  Berliner  medizini¬ 
schen  Gesellschaft  eine  lebhafte  Diskussion  auf  den  Vortrag  von 
Kossmann  über  Tötung  der  Frucht  stattgefunden.  Inter¬ 
essant  ist,  wie  unsicher  der  Rechtsstandpunkt  in  dieser  Frage  ist. 
Kossmann  führt  aus  den  Gesetzesparagraphen  an,  dass  der 
Arzt  stets  verurteilt  werden  kann,  einmal  wegen  Mordes,  wenn 

No.  32. 


1331 


er  die  Kranioklasie  des  lebenden  Kindes  ausfuhrt  und  zweitens 
wegen  iotschlags  wenn  etwa  die  Frau,  nach  ausgeführter 
Symphyseotomie  oder  Kaiserschnitt,  die  ohne  Einwilligung  voll¬ 
zogen  wurden,  stirbt. 

Bei  diesen  angenehmen  Aussichten  ist  es  natürlich  schwer 
etwas  zu  raten.  V  om  ethischen  Standpunkt  aus  dürfen  wir  heute 
wohl  sagen,  dass  bei  der  Verbesserung  der  Mortalitätsstatistik 
des  Kaiserschnittes,  und  der  Symphyseotomie  diese  Operationen 
zur  Rettung  des  Kindes  häufiger  ausgeführt  werden  sollten  und 
dass  man  auch  in  Deutschland  das  Recht  des  Kindes  auf  Leben 
etwas  mehr  anerkennen  sollte,  als  es  bisher  geschehen  ist. 


Aus  der  I.  medizinischen  Abteilung  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Nürnberg  (Oberarzt:  Medizinalrat  Dr.  G.  Merkel). 

Ueber  ein  neues  Abführmittel  „Purgatin“.*) 

Von  Dr.  Karl  v.  H  ö  s  si  1  i  n,  früher  Assistenzarzt. 

Bei  der  grossen  Anzahl  von  Abführmitteln,  welche  der  mo¬ 
dernen  Therapie  zur  Verfügung  stehen  —  Penzoldt  bringt 
in  der  neuesten  Auflage  seines  Lehrbuches  der  klinischen  Arznei¬ 
behandlung  deren  über  40  —  könnte  es  auf  den  ersten  Blick  fast 
iiberflussig  erscheinen,  noch  ein  anderes  Präparat  dieser  Art  in 
den  Handel  zu  bringen.  Wenn  man  jedoch  sieht,  wie  wenig  zu¬ 
verlässig  auf  der  einen  Seite  die  grössere  Anzahl  besonders  der 
sog.  milden  Abführmittel  ist  und  welche  unangenehmen  Neben¬ 
wirkungen  auf  der  anderen  Seite  häufig  die  stärkeren  Laxantien 
mit  sich  bringen,  so  ist  es  in  erster  Linie  gerechtfertigt, 
ein  neues  Mittel  auf  seine  Brauchbarkeit  hin  zu  prüfen.  Um¬ 
somehr  aber  sahen  wir  uns  veranlasst,  Versuche  mit  dem  Pur- 
gatm  anzustellen,  als  darüber  bereits  aus  den  drei  grossen  Kli¬ 
niken  von  Ewald,  Stadelmann  und  Ebstein  recht  gün¬ 
stige  Mitteilungen  vorliegen,  welche  uns  dies  neue  Präparat  sehr 
wohl  als  ein  schätzenswertes  erscheinen  Hessen. 

Ohne  mich  näher  auf  die  Chemie  und  die  physiologische 
Wirkung  des  unter  dem  Namen  Purgatinvon  der  chemischen 
I abrik  von  Knoll  &  Comp,  in  Ludwigshafen  her- 
gestellten  Präparates  einzulassen,  sei  nur  erwähnt,  dass  dasselbe 
als  das  Anthrapurpurindiazetat  der  Gruppe  der  Oxyanthrachinone 
angehört  und  ein  gelbbraunes  mikrokrystallinischesi,  nicht  sehrvo¬ 
luminöses  Pulver  ohne  Geruch  und  Geschmack  ist.  Ueber  seine 
genauere  Zusammensetzung  etc.  verweise  ich  auf  die  Arbeit  von 
Vieth  (Münch,  med.  Woehenschr.  1901,  No.  35). 

V  ie  schon  die  anderen  Autoren,  so  konnten  auch  wir  vor 
allem  ei  fahren,  dass  das  Purgatin  ausnahmslos  gerne  von  den 
Patienten  genommen  wurde  und  dieselben  nie  über  eine  unan¬ 
genehme  Nebenwirkung  zu  klagen  hatten.  IV ar  es  einerseits 
infolge  des  geringen  Volumens  den  Kranken  leicht  möglich, 
selbst  bis  zu  2,0  g  des  Pulvers  ohne  Beschwerden  auf  einmal 
hinunterzuschlucken,  so  war  andererseits  der  Vorteil  der  Ge¬ 
schmacklosigkeit  unverkennbar  in  Fällen,  in  welchen  besonders 
ungeschickte  Patienten  statt  das  in  Oblaten  eingeschlossene 
Pulver,  in  welcher  Form  wir  immer  das  Mittel  gaben,  hinunter¬ 
zuschlucken,  darauf  bissen  und  so  das  Pulver  im  Munde  aus¬ 
breiteten.  Dann  war  es  möglich,  mit  einem  Schluck  Wasser  das 
Testierende  Pulver  hinunterzuspülen,  ohne  dass  der  Patient 
durch  unangenehme  Geschmacksempfindung  Ekel  empfand  und 
sich  verleiten  liess,  den  Rest  auszuspucken  oder  gar  zu  Ueblig- 
keit  und  Erbrechen  gereizt  wurde.  In  keinem  einzigen  Fall 
sahen  wir  nach  dem  Einnehmen  des  Mittels  Erbrechen  oder  auch 
nur  Uebligkeit  auftreten,  der  Appetit  wurde  niemals  beeinträch¬ 
tigt.  Ebensowenig  klagten  die  Patienten  über  Leibschmerzen; 
waren  solche  schon  vor  dem  Einnehmen  des  Purgatins  vor¬ 
handen,  so  wurden  sie  durch  dasselbe  nicht  verschlimmert  und 
hörten,  nachdem  die  Wirkung  in  Form  einer  reichlichen  Aus¬ 
leerung  eingetreten  war,  bald  auf.  Gerade  in  allen  diesen  Be¬ 
ziehungen  muss  man  dem  Purgatin  einen  entschiedenen  Vor¬ 
zug  vor  anderen  energisch  wirkenden  Mitteln,  insbesondere  dem 
Rizinusöl,  geben,  bei  welchen  ja  Uebligkeit  und  Erbrechen,  starke 
Leibschmerzen  etc.  sehr  häufige  Folgeerscheinungen  und  unter 
Umständen  eine  Kontraindikation  gegen  die  Wiederholung  dieses 
Medikamentes  bilden.  Sehen  wir  ferner  bei  Rizinusöl,  Senna, 
Kalomel  nach  einem  einmaligen  reichlichen  Stuhl  unangenehmen 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  Nürnberg  am 
3.  April  1902. 


1338 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Stuhldrang  und  eine  Reihe  weiterer  dünner  Stuhle,  ja  sogar 
mehrere  Tage  anhaltende  Durchfälle  mit  Störung  des  Allgemein¬ 
befindens  eintreten,  konnten  wir  dies  selbst  bei  Patienten,  denen 
mehrere  Male  Purgatin  ordiniert  war,  nie  beobachten. 

Wir  kamen  somit  in  erster  Linie  zu  dem  Schlüsse,  dass  das 
Purgatin  ein  mildes  und  angenehmes  Abführmittel  ist,  bei  wel¬ 
chem  lästige  Nebenwirkungen  ausgeschlossen  zu  sein  scheinen. 

Was  nun  die  Wirkung  des  Präparates  selbst  anbelangt,  so 
gingen  wir  bei  unseren  Versuchen  zunächst  von  der  kleinsten 
Dosis  aus,  welche  als  eben  wirksam  von  den  Autoren  E  w  a  l  d 
imd  Stadelmann  bezeichnet  worden  war,  nämlich  0,5  g.  W lr 
kamen  jedoch  bald  ebenso  wie  Ebstein  zu  -der  Ueberzeugung, 
dass  diese  kleine  Dosis  nur  in  den  allerseltensten  Fällen  und 
nur  da,  wo  die  Stuhlverstopfung  nur  kurze  Zeit  gedauert  hatte, 
einen  Erfolg  brachte.  Etwas  besser,  jedoch  noch  keineswegs  be¬ 
friedigend  wirkte  das  Purgatin  in  Gaben  von  1,0  g,  so  dass  wir 
bald  1,5  g  als  die  normale  Dosis  betrachten  konnten,  bei  welcher 
in  95  Proz.  aller  Fälle  die  gewünschte  Wirkung  nicht  ausblieb. 
Um  auch  die  Wirkung  einer  höheren  Purgatindosis  zu  beob¬ 
achten,  gaben  wir  in  9  Fällen  von  besonders  hartnäckiger  unc 
vieltägiger  Obstipation  2,0  g  auf  einmal,  wobei  in  einem  Fall 
allerdings  gar  keine  Wirkung  sich  zeigte,  wogegen  dieselbe  in 
den  anderen  Fällen  prompt  und  zwar  in  kürzerer  Zeit,  nämlich 
nach  durchschnittlich  6,3  Stunden  eintrat,  während  sie  bei  Dosen 
von  0,5,  1,0  und  1,5  nach  durchschnittlich  13  Stunden  erfolgte. 
Aus  diesen  Tatsachen  konnten  wir  uns  zweierlei  Indikationen 
ableiten,  nämlich  einmal,  das  Mittel  in  den  ersten  Abendstunden 
zu  verabreichen,  weil  dann  der  Stuhl  für  gewöhnlich  am  näch¬ 
sten  Morgen  erfolgte  und  die  Patienten  so  nicht  gezwungen 
waren,  während  der  Nacht  aufzustehen,  und  zweitens  lieber  eine 
grössere  Dosis  zu  wählen,  wenn  es  darauf  ankommt,  möglichst 
rasch  Stuhl  zu  erzielen. 

In  Bezug  auf  seine  Wirkungszeit  steht  nun  allerdings,  wie 
ersichtlich,  das  Purgatin  ziemlich  weit  hinter  den  anderen  oben 
erwähnten  Abführmitteln  zurück,  insbesondere  nachdem  die  an¬ 
geführten  Zahlen  nur  als  Durchschnittswerte  zu  betrachten  sind 
und  der  Stuhl  auch  häufig  länger  als  24  Stunden  nach  Einver¬ 
leiben  des  Purgatins  auf  sich  warten  liess,  was  insbesondere  bei 
etwas  hypochondrisch  veranlagten  Patienten,  die  einen  baldigen 
Erfolg  der  Medikation  sehen  wollen,  unangenehm  werden  und 
ihnen  das  Vertrauen  zu  dem  verordnten  Pulver  nehmen  kann. 
Es  empfiehlt  sich  daher,  die  Patienten  auf  die  unter  Umständen 
erst  nach  späterer  Zeit  eintretende  W  irkung  aufmerksam  zu 
machen  und  im  übrigen  ruhig  bis  zu  24  Stunden  und  sogar  da¬ 
rüber  hinaus,  wenn  nicht  besonders  zwingende  Gründe  dagegen 
bestehen,  zuzuwarten,  bevor  man  entweder  eine  zweite  Purgatin¬ 
dosis  gibt  oder,  was  wir  ebenfalls  erprobt  haben,  mit  einem 
Wasser-  oder  Oeleinlauf  nachzuhelfen,  welcher  stets  zu  dem  ge¬ 
wünschten  Ziel  geführt  hat. 

Ein  weiterer  kleinerer,  unter  Umständen  jedoch  sehr  schät¬ 
zenswerter  Vorteil  des  Purgatins  besteht  ferner  darin,  dass  es 
die  Form  des  Stuhles  in  günstiger  Weise  beeinflusst,  ganz  ab¬ 
gesehen  davon,  dass  die  Ausleerungen  fast  ausnahmslos  so  aus¬ 
giebig  waren,  dass  man  mit  Bestimmtheit  annehmen  konnte, 
den  Darm  ganz  gründlich  entleert  zu  haben.  Die  Stühle  waren 
nahezu  immer  von  weicher,  geformter  oder  von  dickbreiiger  Kon 
sistenz.  Auch  in  Fällen,  in  welchen,  wie  Ebstein  sich  aus¬ 
drückt,  das  Purgatin  als  Scliiebemittel  in  Anwendung  kam,  bei 
solchen  Leuten  nämlich,  bei  denen  im  Verlauf  ihres  Kolons  derbe 
Kotballen  zu  fühlen  waren,  traf  dies  fast  immer  zu  und  es  war 
nicht  notwendig,  zunächst  durch  W  asser-  oder  Oeleinläufe  die 
im  Rektum  gestauten  harten  Kotmassen  erst  etwas  aufzuweichen. 

Die  nach  Purgatinverabreichung  auf  tretende  rotbraune  Farbe 
des  Stuhles  rührt  ebenso  wie  die  burgunderrote  Färbung  des 
Urins  von  dem  in  dem  Mittel  enthaltenen  Farbstoff  her  und  auch 
wir  können  uns  auf  Grund  gemachter  Erfahrungen  dem  von 
Ebstein  empfohlenen  Rat  anschli essen,  die  Patienten  auf  diese 
Erscheinung  aufmerksam  zu  machen,  damit  sie  sich  nicht  even¬ 
tuell  ängstigen,  es  sei  Blut  mit  ihren  Entleerungen  abgegangen. 
Im  übrigen  lassen  sich  durch  den  Urin  entstandene  Flecke  in  der 
Wäsche  durch  das  Waschen  leicht  wieder  beseitigen..  Eine  un¬ 
günstige  Beeinflussung  der  Nieren  durch  das  Purgatin,  die  sich 
durch  Auftreten  von  Eiweiss  im  Urin  dokumentierte,  konnten  wir 
ebensowenig  wie  die  übrigen  Autoren  jemals  konstatieren. 


Unterziehen  wir  noch  zum  Schluss  die  Frage  einer  kurzen 
Kritik,  in  welchen  Fällen  wir  das  Purgatin  .angewendet  haben, 
so  können  wir  von  vornherein  sagen,  dass  wir  keine  Rücksicht 
auf  die  sonst  bestehende  Erkrankung  zu  nehmen,  brauchten.  \V  le 
schon  oben  erwähnt,  waren  wir  nach  kurzer  Zeit  zu  der  Ueber¬ 
zeugung  gekommen,  dass  irgend  welche  schädliche  Nebenwir¬ 
kungen  dem  Purgatin  nicht  anzuhaften  schienen.  Insbesondere 
bei  Chlorotischen  mit  Magenbeschwerden  und  sonstigen  Magen¬ 
kranken,  bei  welchen  die  Wahl  eines  Abführmittels  häufig  schwer 
fällt,  kamen  wir  dadurch  nicht  in  Verlegenheit.  In  den  einzelnen 
Fällen  selbst  bandelte  es  sich  meistens  um  eine  gelegentliche,  im 
Verlauf  der  anderen  Erkrankung  auftretende  mehrtägige  'S  er- 
stopfung,  die  behoben  werden  sollte.  War  dann  in  Folge  des 
Purgatins  eine  gründliche  Stuhlentleerung  eingetreten,  so  stellte 
sich  in  vielen  Fällen  darnach  geregelter  Stuhlgang  ein,  was  je¬ 
doch  weniger  auf  Rechnung  des  Purgatins  zu  setzen  sein  durfte, 
sondern  vielmehr  darin  seinen  Grund  hat,  dass  entweder  feste 
Kotmassen,  welche  eine  Stauung  bedingt  hatten,  entfernt  waren, 
oder  die  einmal  angeregte  Peristaltik  wieder  normal  weiter 
wirkte,  was  beides  durch  irgend  ein  anderes  Abführmittel  ebenso¬ 
gut  erreicht  werden  kann.  Ebensowenig  konnten  wir  bei  Fallen 
von  wirklich  chronischer  Obstipation,  bedingt  durch  Atonie  des 
Darmes  eine  nachhaltige  günstige  Beeinflussung  der  Darmtätig¬ 
keit  durch  das  Purgatin  beobachten.  Es  ist  also  in  dieser  Be¬ 
ziehung  dem  neuen  Mittel  kein  wesentlicher  Vorzug  gegenüber 
den  anderen  Abführmitteln  zuzusprechen. 

Hier  möchte  ich  übrigens  noch  anfügen,  dass  wir  in  einem 
Fall  von  chronischer  Obstipation,  nachdem  wir  zunächst,  einige- 
male  die  mehrtägige  Verstopfung  durch  grössere  Purgatmgaben 
immer  wieder  beseitigt  hatten,  nunmehr  das  Mittel  täglich  vei- 
abreichten  und  zwar  in  abendlichen  Gaben  von  0,5  g  und  sahen, 
dass  jetzt  der  Stuhl  regelmässig  jeden  Morgen  eintrat,  woraus 
wir  schlossen,  dass  wenigst  ens  in  diesem  Fall  eine  Angewöhnung  an 
das  Mittel  und  dadurch  eine  Abschwächung  seiner  Wirksamkeit, 

nicht  erfolgt..  .  , 

Nicht  unerwähnt  will  ich  endlich  noch  den  Preis  des 

Purgatins  lassen.  Das  Gramm  des  Präparates  kostet  von  der 
Fabrik  bezogen  4  Pf.,  wird  dann  allerdings  in  den  Apotheken  um 
das  zwei  bis  dreifache  mehr  betragen,  so  dass  für  eine  Ordination 
von  1,5  g  immerhin  der  Preis  von  ca.  15  Pf.  zu.  bezahlen  sein 
dürfte,  wodurch  es  jedenfalls  etwas  teurer,  als  die  übrigen  ge¬ 
wöhnlichen  Abführmittel  ist.  Etwas  billiger  wird  es  natürlich 
bei  der  Ordination  als  Schachtelpulver,  wobei  ein  abgestrichener 
Kaffeelöffel  ungefähr  1,5  g  entspricht.  Es  ist  aber  vielleicht  zu 
hoffen,  dass  bei  vermehrter  Nachfrage  die  Herstellungskosten 
und  somit  der  Fabrikpreis  sich  verbilligt,  oder  dass  das  Purgatin 
von  der  Fabrik  in  einer  Originalpackung  zu  einem  bestimmten 
Preis  verschickt  wird. 

Im  allgemeinen  können  wir  auf  Grund  unserer  Versuche 
das  Purgatin  als  ein  schätzenswertes  mildes  Abführmittel  wohl 
empfehlen. 


L  i  t  e  r  a  t  u  r: 

yieth:  Ueber  ein  synthetisch  gewonnenes  Abführmittel: 
Purgatin  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  35 

Publikationen  über  Purgatin  von  Ewald.  Maiheft  der 
Therapie  der  Gegenwart  1901.  „  „  ..  1om 

Stadelmann:  Deutsche  Aerzteztg.,  2.  Maiheft  1901. 
Ebstein:  Therapie  der  Gegenwart.  Januarheft  1902. 

Ueber  die  ätiologischen  Beziehungen  der  Chorea 
minor  zu  den  Infektionskrankheiten,  insbesondere 
zur  rheumatischen  Infektion.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Georg  Ivöster. 

M.  H. !  Was  ich  Ihnen  im  folgenden  über  die  ätiologischen 
Beziehungen  der  Chorea  zu  den  Infektionskrankheiten  vor¬ 
zutragen  gedenke,  wird  Ihnen  vielleicht  zum  grossen  Teile  be 
kannt  sein,  und  kann  keineswegs  den  Anspruch  auf  besondere 
Originalität  machen.  Ich  beabsichtigte  nur,  Ihnen  in  möglichster 
Kürze  ein  kritisches  Referat  der  wesentlichsten  Anschau¬ 
ungen  zu  geben,  welche  über  die  infektiöse  Aetiologie  und  Patho- 
i  genese  der  Chorea  in  den  letzten  Jahrzehnten  laut  geworden  sind. 
Nur  die  von  Sydenham  zuerst  symptomatologisch  genau  fixierte 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  medizinischen  Gesellschaft  zu 
Leipzig  am  24.  Juni  1902. 


12.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


sogen.  Chorea  minor  soll  uns  hier  beschäftigen,  während  die  seit 
v.  Ziemssens  Arbeit  als  Hysterie  aufzufassende  Chorea 
magna,  sowie  die  degenerativen  und  symptomatischen  Formen 
von  mir  übergangen  werden.  Auf  die  Bedeutung,  welche  den 
nicht  infektiösen  Einflüssen,  der  neuropathischen  Anlage,  den 
psychischen  Einwirkungen,  der  Pubertät  und  Gravidität  bei  der 
Entstehung  der  Chorea  zukommen,  kann  ich,  um  nicht  zuweit 
von  meinem  Thema  abzuschweifen,  nur  soweit  eingehen,  als  es 
dringend  erforderlich  ist. 

Sclion  in  den  ersten  Dezennien  des  19.  Jahrhunderts  wurde 
durch  englische  Autoren  auf  den  ätiologischen  Zusammenhang 
zwischen  Gelenkrheumatismus  und  Chorea  einerseits  und  Endo¬ 
karditis  und  Chorea  andrerseits  aufmerksam  gemacht.  Durch  eine 
von  Hughes  1846  zusammengestellte  Statistik  wurde  von  108 
in  10  Fällen  eine  der  Chorea  vorausgegangene  Gelenk-  und  Herz¬ 
affektion  nachgewiesen.  Im  Jahre  1856  bekräftigte  Hughes 
durch  eine  zweite  mit  Burton  Brown  gemeinschaftlich  heraus¬ 
gegebene  Statistik  die  von  ihm  erkannte  ätiologische  Verknüpfung 
der  beiden  genannten  Krankheiten.  Seitdem  haben  sich  viele 
Autoren  eingehend  mit  diesem  Gegenstand  beschäftigt,  sind  aber 
zu  verschiedenartiger  Beurteilung  über  Häufigkeit  und  Bedeutung 
des  im  übrigen  als  richtig  anerkannten  Zusammenhangs  zwischen 
Gelenkrheumatismus  und  Chorea  gelangt.  Wollte  ich  nur  an¬ 
nähernd  alle  Autoren,  die  sich  hierin  Verdienste  erworben  haben, 
anführen,  so  würde  ich  die  enggezogenen  Grenzen  eines  kurz  be^ 
messenen  Vortrages  erheblich  überschreiten  müssen. 

S  ö  e,  der  (18o0)  bei  61  von  128  Choreakranken  eine  Gelenk¬ 
affektion  konstatierte,  fasste  die  Gelenkentzündung  mit  der  des 
Perikards,  des  Endokards  und  des  Peritoneums  zusammen  unter 
der  Bezeichnung  „Diathese  rlnimatismale“,  worunter  er  eine  durch 
den  Rheumatismus  bewirkte  Veränderung  der  Blutzusammen¬ 
setzung  verstand.  Als  eine  Folge  derselben  sah  er  in  vielen  Fällen 
sekundär  die  Chorea  an. 

Noch  mehr  als  See  lenkte  in  demselben  Jahre  Roth  die 
Aufmerksamkeit  auf  die  mit  der  Chorea  zusammenhängende 
Herzaffektion. 

Roger  (1866)  fand  in  65  Proz.  eine  Vereinigung  von  Chorea 
und  Rheumatismus  und  erblickt  in  der  rheumatischen  Diathese 
den  Boden,  auf  welchem  die  Gelenkaffektion,  die  Endokarditis 
und  die  Chorea  als  koordinierte  Symptome  erwachsen.  Die  Be¬ 
deutung  der  rheumatischen  Theorie  von  Roger  liegt 
darin,  dass  er  die  Herzerkrankung  zum  ersten  Male  ganz  unzwei¬ 
deutig  als  rheumatische  Aeusserung  ansprach,  dass  er  in  richtiger 
Beobachtung  der  Tatsachen  bald  die  Endokarditis,  bald  die  Ge¬ 
lenkentzündung  allein,  bald  alle  beide  vereint  mit  der  Chorea 
auftreten  liess. 

Kirkes  (1863)  erkannte  gleich  Roger  die  Bedeutung  der 
Herzerkrankung,  ja  er  stellte  sie  als  die  eigentliche  Ursache  der 
Chorea  hin.  Nicht  die  rheumatische  Diathese,  sondern  die  endo- 
karditischen  granulären  Wucherungen  der  Herzklappen,  von  denen 
sich  feinste  Fibringerinnsel  ablösen  und  als  Emboli  die  Gehirn¬ 
kapillaren  verstopfen,  seien  die  Ursache  der  Chorea.  Diese  kapil¬ 
laren^  Embolien,  die  auch  von  einigen  Untersuchern  im  Streifen- 
und  Sehhügel  oder  in  der  Hirnrinde  nachgewiesen  werden  konnten 
(Broadbent,  Hughlins-Jackson,  Fox,  Eli  scher), 
riefen  seiner  Meinung  nach  einen  Reizungszustand  der  motori¬ 
schen  Hirnganglien,  die  Entwicklung  kleinster  umschriebener  Er¬ 
weichungsherde  und  damit  das  klinische  Bild  der  Chorea  hervor. 
Auch  durch  Tierversuche  wurde  die  embolische  Theorie 
gestützt.  Angel  M  o  n  e  y  sah  nach  Injektion  mit  Arrawroot,  Kar¬ 
toffelstärke  und  Karmin  bei  seinen  Versuchstieren  choreatische 
Symptome  auftreten  und  fand  in  Gehirn  und  Rückenmark  zahl¬ 
reiche  kapillare  Embolien. 

Die  embolische  Theorie  wurde  von  vielen  Seiten  als  ein  we¬ 
sentlicher  Fortschritt  in  der  Deutung  des  Wesens  der  Chorea  mit 
Freuden  begrüsst  Sie  hat  heute  noch  Anhänger  trotz  ihrer 
Schwäche.  Die  begründeten  Einwände,  welche  gegen  die  emboli¬ 
sche  Theorie  erhoben  wurden  (Osler,  H  e  n  o  c  h,  Litten, 

G  owers,  O  p  p  e  n  h  e  i  m,  W  ollenberg  u.  a.),  waren  fol¬ 
gende:  Die  embolischen  Verstopfungen  im  Gehirn  sind  nur  bei 
wenigen  Fällen  trotz  Anwesenheit  von  endokarditischen  Vege¬ 
tationen  an  den  Herzklappen  nachweisbar  gewesen.  Aber  nur 
konstante  Befunde  dürfen  als  Ursache  einer  Krankheit  heran- 
gezogen  werden.  Eine  grosse  Zahl  choreatischer  Individuen  hat 
keine  endokarditischen  Klappen  Veränderungen  auf  zu  weisen,  die 
man  als  notwendig  für  das  Zustandekommen  der  Hirnembolien 
ansehen  musste.  Schliesslich  fragte  man  sich,  warum  denn  im 
Gegensatz  zu  den  sonst  bei  embolischen  Arterienverschlüssen  im 
Gehirn  gewonnenen  Erfahrungen  hier  statt  Lähmungen  chorea¬ 
tische  Symptome  auftreten.  Auch  sei  der  embolische  Befund 
nicht  einheitlich,  da  in  den  verschiedensten  Gebieten  Gefässver- 
stopfungen  festgestellt  werden  konnten. 

Der  Versuch  Littens,  den  Schwerpunkt  nach  wie  vor  auf 
den  Gelenkrheumatismus  zu  legen,  ist  eine  berechtigte  Abwehr 
der  Autoren,  welche  die  Bedeutung  der  Endokarditis  für  die  Ent¬ 
stehung  der  Chorea  allzusehr  in  den  Vordergrund  stellten. 

Allmählich  gewann  mit  der  Ueberzeugung,  dass  der  ausser¬ 
ordentlich  häufig  der  Chorea  vorausgehende  Gelenkrheumatismus 
eine  Infektionskrankheit  sei,  eine  neue,  die  infektiöse  Theorie  die 
Oberhand. 


1339 

,  L  e  u  b  e  betonte  an  der  Hand  eines  Choreafalles  mit  nega- 
ti\  ein  Befund  im  Zentralorgau,  dass  man  bei  den  anerkannten 
Beziehungen  zwischen  Rheumatismus  und  Endokarditis,  sowie 
zwischen  Rheumatismus  und  Chorea  an  die  Einwirkung  einer  ein¬ 
heitlichen,  vielleicht  chemisch  -  infektiösen  Krankheitsursache 
denken  müsse. 

Bakteriologische  Untersuchungen  besonders  waren  es,  welche 
mit  den  beim  akuten  Gelenkrheumatismus  gefundenen  Infektions¬ 
erregern  der  infektiösen  Theorie  bis  in  die  jüngste  Zeit  hinein  die 
notwendige  Basis  lieferten.  Leider  sind  die  von  verschiedenen 
Autoren  gefundenen  Mikroorganismen  verschiedenartig.  So  züch¬ 
teten  Guttmann  (1886)  einen  Staphylokokkus,  Mantle  (1887) 
einen  Diplokokkus,  B  u  d  a  y  (1890)  einen  Streptokokkus  und 
Sahli  (1892)  einen  Staphylococcus  citreus  aus  dem  Gelenkinhalt 
resp.  dem  Blute  der  erkrankten  Individuen.  P  i  a  n  e  s  e  fand  aus 
Teilen  des  Zentralnervensystems  einen  Diplobazillus  und  Diplo¬ 
kokkus,  mit  dem  er  auch  Chorea  experimentell  erzeugt  haben 
will.  Bei  den  2  Fällen  Steinkopfs,  welche  durch  Gelenk¬ 
rheumatismus  kompliziert  waren,  konnte  Eberth  (1890)  einmal 
Streptokokken,  im  anderen  Falle  einen  dicken,  an  den  Enden 
abgerundeten  Bazillus  nachweisen.  H.  Meyer  fand  im  Blut, 
in  den  endokarditischen  Wucherungen  und  im  Gehirn  Strepto¬ 
kokken  und  den  Staphylococcus  pyogenes. 

Berkley  (1891)  gelang  der  Nachweis  von  Staphylokokken 
in  den  Meningen  eines  choreatischen  Hundes,  T  r  i  b  o  u  1  e  t  (1893) 
führt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  den  Staphylococcus  albus 
und  aureus  als  ätiologisch  wirksam  für  die  Entstehung  der  Chorea 
an.  Dana  gelingt  es  bei  seinem  durch  Rheumatismus  kom¬ 
plizierten  Falle  u.  a.,  Diplokokken  zu  finden,  während  Werner 
(1899)  Streptokokken  bei  seinem  durch  Endokarditis  und  paren¬ 
chymatöse  Nephritis  komplizierten  Falle  nachweisen  konnte. 
Maragliano  wiederum  entscheidet  sich,  obwohl  er  verschie¬ 
dentlich  Bazillen  und  Diplokokken  vorfand,  für  den  7  mal  nach¬ 
gewiesenen  Staphylokokkus  als  Haupterreger  der  Chorea.  Und 
da  er  auch  im  Zentralorgan  in  einem  Falle  Staphylokokken  zu 
konstatieren  vermochte,  so  sieht  er  den  Beweis  für  die  ätiologische 
Verknüpfung  zwischen  Gelenkrheumatismus  und  Chorea  als  ge¬ 
liefert  an.  Westphal,  Wassermann  und  Malkoff 
(1899)  züchteten  aus  dem  Blut,  der  Perikardialflüssigkeit,  der  Mitral¬ 
klappe  und  dem  Gehirn  einen  Streptokokkus,  der  bei  SO  Kaninchen 
gewöhnliche  letale  Gelenkentzündungen  hervorrief,  während  er 
in  Blut  und  Körpergeweben  als  Diplokokkus  auftrat.  Hier  handelt 
es  sich,  wie  die  Autoren  hervorheben,  um  den  durch  Züchtung 
erbrachten  Nachweis  eines  Infektionsträgers,  der  eine  spezifische 
Affinität  zum  Gelenkapparat  besitzt.  Die  bazillären  Befunde  sind 
in  der  Tat  die  einzigen  wirklich  brauchbaren.  Denn  was  sonst 
noch  an  Choreasektionen  vorliegt,  ist  an  Zahl  zwar  nicht  uner¬ 
heblich,  auch  inhaltlich  nicht  ohne  Interesse,  aber  für  unsere 
Kenntnis  vom  Wesen  der  Chorea  ohne  Bedeutung.  Ich  erinnere 
kurz  an  die  von  Nauwerek  gefundenen  Rundzellenanhäu¬ 
fungen  und  Hämorrhagien  im  Zentralorgan,  an  die  von  S  o  1 1  - 
mann  und  von  Müller  nachgewiesene  Hyperämie.  Im  all¬ 
gemeinen  aber  sind  die  Befunde  so  inkonstant  und  wechselnd, 
wie  bereits  Eulenburg,  Seeligmüller,  Oppenheim, 
Gowers,  Wollenberg  und  viele  andere  hervorheben,  dass 
sie  unter  keinen  Umständen  als  das  anatomische  Substrat  der 
Chorea  angesehen  werden  dürfen.  Die  Befunde  stimmen  nur 
darin  überein,  dass  sie  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  das  Gehirn 
betreffen. 

Man  muss  liier  mit  Recht  einwenden,  dass  auch  die  bakterio¬ 
logischen  Befunde  die  erforderliche  Einheitlichkeit  vermissen 
lassen  und  dass  sie  nicht  geeignet  sind,  uns  über  das  Wesen  der 
Chorea  aufzuklären.  Wenn  auch  zugegeben  werden  muss,  dass 
hier  die  pathologische  Anatomie  noch  verschiedene  Lücken  zu 
sehliessen  hat,  so  wird  andererseits  bei  dem  seit  langer  Zeit  kli¬ 
nisch  anerkannten  Zusammenhang  zwischen  Gelenkrheumatis¬ 
mus,  Endokarditis  und  Chorea  durch  bakteriologische  Befunde 
der  infektiöse  Charakter  der  mit  den  genannten  Affektionen 
komplizierten  Chorea  recht  wahrscheinlich  gemacht. 

Die  bakteriologischen  Befunde  und  die  Anerkennung  des 
innigen  klinischen  Zusammenhanges  zwischen  Gelenkrheumatis¬ 
mus,  Endokarditis  und  Chorea  veranlassten  IL.  M  eyer  zur  Auf¬ 
stellung  der  rheumatisch  infektiösen  Theorie.  Er 
sagt,  dass  der  Streptococcus  und  Staphylococcus  pyogenes,  die 
man  aus  dem  Blut,  den  Herzklappen  und  dem  Gehirn  gezüchtet 
habe,  auch  bei  dem  Gelenkrheumatismus  gefunden  worden  sei. 
Es  gebe  also  nur  eine  Chorea,  und  die  sei  rheumatischen  Ur¬ 
sprunges.  Andere  Ursachen  wären  nur  prädisponierend  oder 
zufällig.  Meyer  führt  u.  a.  zum  Beweise  an,  dass  die  Chorea 
zuweilen  als  Aequivalent  des  polyarthritischen  Anfalles  auftrete 
und  dass  sie  bei  epidemischem  Auftreten  des  Gelenkrheumatismus 
häufiger  sei  als  sonst.  Er  begegnet  sich  hier  in  gewissem  Sinne 
mit  II  e  u  b  n  e  r,  der  gleichfalls  die  Chorea  der  Kinder  als  ein 
quasi  Aequivalent  der  Gelenkerkrankung  auffasst. 

Dass  die  von  L  e  u  b  e,  H.  Meyer  u.  a.  vertretene  infek¬ 
tiöse  Theorie  in  einseitiger  Anerkennung  der  rheumatischen 

3* 


1340 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Aetiologie  die  nach  anderen  Infektionskrankheiten  und  die  ohne 
zu  ermittelnde  rheumatische  Infektion  beobachteten  Chorea¬ 
erkrankungen  ganz  vernachlässigt,  ist  von  ihren  Gegnern  mit 
Recht  hervorgehoben  worden. 

Diese  Lücken  suchte  Koch  (1887)  zu  beseitigen,  indem  er 
ein  spezifisches  Choreagift  annahm.  Durch  andere  Infektions¬ 
krankheiten  wurde  der  Körper  nur  für  die  Aufnahme  des  Chorea¬ 
giftes  disponiert. 

Das  Gift  des  Gelenkrheumatismus,  welches  seinem  Wesen 
nach  mit  dem  Choreagift  sich  innig  berühre,  disponiere  besonders 
stark  zur  Aufnahme  des  Choreagiftes  oder  sei  auch  wohl  selbst¬ 
ständig  zur  Erzeugung  der  Chorea  fähig. 

Die  Schwäche  dieser  Hypothese  liegt  darin,  dass  sie  zu  dem 
uns  bisher  unbekannten  Gifte  des  Gelenkrheumatismus  noch  eine 
zweite  Unbekannte,  das  hypothetische  spezifische  Choreagift 
einführt. 

Auch  über  unsere  Kenntnis  des  rheumatischen  Giftes  dürfen 
wir  uns  keinen  Illusionen  hingeben.  Wir  wissen  bei  den  wider¬ 
spruchsvollen  Resultaten  der  bakteriologischen  Untersuchungen 
noch  nicht,  ob  jede  abgeschwächte  Kokkeninfektion,  wie  z.  B. 
Sahli  und  v.  Strümpell  anzunehmen  geneigt  sind,  das  Bild 
der  Polyarthritis  erzeugen  kann  oder  ob  nicht  doch  ein  spe¬ 
zifischer  Erreger  des  Gelenkrheumatismus  existiert.  Dass  ein 
rheumatischer  Infektionsträger  überhaupt  existiert,  ist  mehr  als 
wahrscheinlich. 

Dasselbe  Gift  ist  auch  nach  W  ollenberg  (1897)  bei  dem 
Muskelrheumatismus  und  bei  den  rheumatischen  Erkrankungen 
im  weiteren  Sinne  tätig.  Trotzdem  nun  die  Chorea  zu  dem  Ge¬ 
lenkrheumatismus  in  sehr  naher  Beziehung  steht,  so  ist  sie  doch  j 
nach  Wollenberg  nicht  einfach  mit  ihm  identisch.  Denn  ,, 
sie  müsste  sonst  häufiger  mit  ihm  koinzidieren  und  durch  Anti- 
rheumatica  beeinflusst  werden.  Daher  glaubt  W  ollenberg, 
dass  der  Zusammenhang  zwischen  Chorea  und  rheumatischer  In¬ 
fektion  nur  ein  mittelbarer  sei,  und  dass  die  Chorea  nicht  der 
Ausdruck  einer  Mikrobeninfektion  sei,  sondern  die  Folge  einer 
Intoxikation  der  Hirnrinde  mit  den  Stoffwechselprodukten  der 
betreffenden  Mikroorganismen.  Er  betrachtet  somit  die  Chorea 
als  eine  metarheumatische  Erkrankung  und  setzt  sie  in 
Parallele  zu  den  diphtherischen  Lähmungen.  Und  indem  er 
weiter  an  die  verschiedenen  Ursachen  erinnert,  welche  das  Bild 
der  Neuritis  hervorrufen  können,  meint  er,  dass  wohl  das  rheu¬ 
matische  Gift  die  choreogenen  Eigenschaften  in  besonders  hohem 
Masse  besitzen  müsse,  welche  aber  auch  den  Infektionsstoffen 
anderer  Krankheiten  gelegentlich  zukommen.  In  konsequenter 
Durchführung  seiner  Theorie  setzt  Wollenberg  eine  rheu- 
matische  Infektion  in  jedem  Falle  voraus.  Namentlich  bei 
jugendlichen  Individuen  sei  die  rheumatische  Infektion  oft  so 
flüchtig,  dass  sie  leicht  übersehen  würde.  Auch  könne  das  rheu¬ 
matische  Gift  in  einer  Angina,  einem  Katarrh  der  Luftwege,  des 
Yerdauungstraktus  oder  einer  Haut  Verletzung  in  den  Körper 
gelangen.  Gerade  die  geringfügigen  Schädigungen  seien  in  Zu¬ 
kunft  zu  beachten  und  nicht  nur  der  Gelenkrheumatismus.  Alle 
andern  sogenannten  Ursachen  der  Chorea  treten  gegenüber  der 
rheumatischen  Infektion  im  weitesten  Sinne  zurück  und  sinken 
nach  Wollenbergs  Ansicht  auf  das  Niveau  von  Hilfs¬ 
ursachen  herab. 

Aber  auch  die  Wollenberg  sehe  Theorie  hat  ihre 
schwachen  Seiten.  Auch  sie  kann  den  Begriff  der  neuropathischen 
Disposition  nicht  entbehren,  wenngleich  sie  in  ihr  nur  ein  Mo¬ 
ment  erblickt,  welches  die  Infektion  zur  Zeit  der  Pubertät  oder 
Gravidität  oder  bei  einem  Erschöpfungszustände  begünstigt.  Ein 
weiterer  angreifbarer  Punkt  der  metarheumatischen  Theorie  liegt 
in  der  Unmöglichkeit,  in  jedem  Falle  mit  Sicherheit  die  rheu¬ 
matische  Infektion  nachzuweisen. 

Ob  nun  die  von  W  ollenberg  vertretene  Anschauung 
richtig  ist  oder  nicht,  das  eine  muss  anerkannt  werden:  Sie  ist 
interessant  und  eröffnet  durch  die  Schaffung  eines  neuen  Ge¬ 
sichtspunktes  der  klinischen  Beobachtung  die  Möglichkeit,  der 
bisher  in  ihren  Aufschlüssen  über  das  Wesen  der  Chorea  recht 
zurückhaltenden  pathologischen  Anatomie  einen  weiteren  Vor¬ 
sprung  abzugewinnen. 

Durch  einen  Vortrag  Wollenbergs  auf  der  3.  Versamm¬ 
lung  mitteldeutscher  Psychiater  und  Neurologen  im  Jahre  1897 
zu  Halle  wurde  ich  zur  Prüfung  und  Verfolgung  dieser  von  ihm 
auf  gestellten  Theorie  angeregt-  und  ich  habe  seitdem  jeden  der 


Nervenabteilung  unseres  Instituts  zugehenden  Kranken  resp. 
seine  Eltern  genau  über  jede  nur  mögliche  rheumatische  In¬ 
fektion  im  weitesten  Sinne  ausgefragt,  die  der  Chorea  voraus¬ 
ging  oder  mit  ihr  zugleich  auf  trat.  Im  J  ahre  1900  hat  Herr 
Max  Juliusberg  auf  meine  Veranlassung  und  unter  meiner 
Leitung  die  bis  dahin  von  mir  beobachteten  65  Fälle  in  einer 
Dissertation  zusammengefasst  und  sich  dabei  als  vollkommenen 
Anhänger  Wollenbergs  bekannt.  Mittlerweile  ist  das  Ma¬ 
terial  auf  121  Fälle  angewachsen,  über  deren  ätiologische  Be¬ 
ziehungen  zu  den  verschiedenen  Infektionskrankheiten  ich  Ihnen 
kurz  berichten  will.  Die  Juliusberg  sehen  Fälle  sind  in 
meiner  Statistik  also  mitenthalten.  Ueber  die  Tatsache,  dass 
51  meiner  Patienten  männlich,  70  weiblich  waren,  dass  also  das 
weibliche  Geschlecht  häufiger  von  der  Chorea  betroffen  ist,  gehe 
ich  hinweg,  da  hier  nur  Bekanntes  eine  Bestätigung  erfährt. 
Auch  der  Umstand,  dass  von  den  121  Kranken  19  eine  Hemi- 
chorea  dextra,  16  eine  Ilemichorea  sinistra  und  86  eine  über  den 
ganzen  Körper  ausgedehnte  Chorea  hatten,  übergehe  ich  als  un¬ 
wesentlich.  Ebenso  bestätigt  uns  die  Tabelle,  in  welcher  die  Pa¬ 
tienten  den  Jahren  nach  geordnet  sind,  in  denen  sie  erkrankten, 
dass  die  Jahre  der  beginnenden  Pubertät  die  meisten  Er¬ 
krankungen  aufzuweisen  pflegen.  Dass  ich  vom  7.  bis  13.  Lebens¬ 
jahr  die  meisten  Choreafälle  beobachten  konnte,  während  sich 
in  anderen  Statistiken  die  Zahlen  um  ein  Jahr  nach  oben  oder 
unten  verschieben,  halte  ich  für  zufällig.  Jedenfalls  glaube  ich 
nicht,  dass  man  aus  der  Anhäufung  der  choreatischen  Er¬ 
krankung  zur  Pubertätszeit  ohne  weiteres  einen  Schluss  auf  ihre 
infektiöse  Natur  ziehen  darf.  Ich  erwähne  das  nur,  weil  man 
von  anderen  Infektionskrankheiten  her  eine  Bindung  der  Er¬ 
krankung  an  gewisse  Lebensperioden  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  gewöhnt  ist. 

Eher  könnte  man  vielleicht  aus  der  Anhäufung  der  Chorea 
zu  gewissen  Jahreszeiten  eine  Beziehung  zwischen  rheumatischei 
Infektion  und  Chorea  herauszufinden  versucht  sein.  Die  nassen 
Jahreszeiten  disponieren  ja  im  allgemeinen  mehr  als  die  trockenen 
zu  allerlei  rheumatischen  Erkrankungen. 

Von  meinen  121  Fällen  erwarben  ihre  Chorea,  abgesehen 
von  9  Patienten,  bei  denen  die  Jahreszeit  der  Erkrankung  nicht 
sicher  festzustellen  war, 

iin  Frühling  32  =  26,4  Proz. 

im  Sommer  18  =  14,8  „ 

im  Herbst  17  =  14  „ 

im  Winter  45  =  37,2  „ 

Während  Eulenburg  die  Chorea  im  Winter  und  bei 
kaltem  Wetter  gleichfalls  häufiger  findet  und  den  klimatischen 
1  und  atmosphärischen  Einfluss  als  in  hohem  Grade  wahrscheinlich 
bezeichnet,  konnten  andere  Autoren,  z.  B.  Gowers  und  jüngst 
noch  Brüning,  einen  Einfluss  der  J ahreszeit  nicht  kon¬ 
statieren.  Ich  selbst  möchte,  da  ich  sehr  genaue  Erhebungen 
über  den  Krankheitsbeginn  gemacht  habe,  um  so  eher  an  einen 
gewissen  Einfluss  der  Jahreszeit  glauben,  als  gerade  die  in  Früh¬ 
ling  und  Winter  erkrankten  Patienten  relativ  zahlreich  an  einer 
infektiösen  Chorea  litten. 

B  e  i  86  v  o  n  121  =  71,15  Proz.  Kranken  liess  sich  eine  i  n  - 
fektiöse  Aetiologie  mit  Sicherheit  nachweisen  und  ein 
Blick  auf  die  obenstehende  Tabelle  lässt  uns  erstens  erkennen,  eine 
wie  grosse  Rolle  bei  der  Entstehung  der  Chorea  gerade  die  von 
Wollenberg  zuerst  eingehend  gewürdigten  „geringfügigen 
Schädigungen“  spielen,  und  zweitens,  dass  der  Respirations- 
traktus  im  weitesten  Sinne  recht  häufig  die  Eingangspforte  des 
rheumatischen  Giftes  bildet. 

Wir  sehen,  dass  nicht  nur  der  Gelenkrheumatismus  oder  die 
Endokarditis,  sondern  auch  die  Angina,  die  Bronchitis,  die 
Laryngitis,  die  Otitis,  das  Schnupfenfieber  entweder  allein  oder 
mannigfach  miteinander  kombiniert  das  choreatische  Krankheits¬ 
bild  einleiten  oder  zugleich  mit  ihm  auf  treten  können.  Besonders 
charakteristisch  ist  die  choreogene  Eigenschaft  des  Schnupfens 
und  der  Angina,  nicht  minder  die  der  Bronchitis. 

Was  die  Natur  der  von  uns  in  43  von  86  Fällen  =  50  Proz. 
beobachteten  Angina  betrifft,  so  handelte  es  sich  meist  um  folli¬ 
kuläre,  seltener  um  die  lakunäre  Form.  Dass  der  Gelenk¬ 
rheumatismus,  dessen  Beziehungen  zur  Chorea  keinem  Zweifel 
unterliegen,  oft  nach  einer  vorausgegangenen  Angina  sich  ein¬ 
stellt,  wird  wohl  allgemein  anerkannt.  Die  von  Bloch  behan¬ 
delte  Frage,  dass  man  eine  für  die  rheumatische  Infektion  spe- 


12.  August  19Ö2. 


muenchener  medicinisciie  Wochenschrift. 


1341 


zifische  Angina  nicht  kenne,  hat.  insofern  nicht  allzugrosse  Be¬ 
deutung  fiii  uns,  als  es  uns  zunächst  auf  den  choreog'enen 
Charakter  der  Angina  überhaupt  ankommt.  Sollten  die  Fälle, 
in  denen  die  Chorea  in  direktem  Anschluss  an  eine  Angina  ent¬ 
standen  ist,  nicht  einer  rheumatischen  Angina  ihre  Entstehung 
verdanken,  so  würde  damit  nichts  am  infektiösen  Charakter  der 
Chorea  geändert.  Bei  6  Patienten  konnten  die  in  den  entzünd¬ 
lich  geschwollenen  und  geröteten  Tonsillen  sitzenden  Pfropfe 
neben  der  erst  jüngst  entstandenen  Chorea  nachgewiesen  werden. 
Die  tabellarische  Uebersicht  zeigt  uns  auch,  dass  in  einer  ganzen 
Reihe  von  Fällen  statt  der  Angina  ein  Schnupfen  oder  eine 
Bronchitis  dem  Gelenkrheumatismus  vorausging,  welchem  dann 
die  Chorea  folgte.  Der  Zeitraum,  innerhalb  dessen  die  Chorea 
sich  nach  einer  der  ätiologisch  wirksamen  rheumatischen  Affek¬ 
tionen  einzustellen  pflegte,  schwankte  bei  meinen  Kranken  zwi¬ 
schen  2  14  Tagen  bis  zu  6  Wochen,  so  dass  man  füglich  eine 
direkte  toxische  Wirkung  nicht  zu  bestreiten  vermag. 

Während  bei  76  von  86  infektiösen  Fällen  die  Chorea  später 
als  die  Polyarthritis  eintrat,  konnte  ich  in  3  Fällen  das  gleich¬ 
zeitige  Auftreten  von  Gelenkerkrankung  und  Chorea  beobachten. 
In  4  Fällen  dagegen  folgte  der  Gelenkrheumatismus  der  8  bis 
21  Tage  zuvor  schon  eingetretenen  Chorea.  Ich  bestätige  damit 
nur  längst  Bekanntes.  Gelenkrheumatismus  allein  oder  mit 
andern  Affektionen  zusammen  fand  sich  bei  35  Choreatischen 
vor,  was  40,6  Proz.  entspricht  bei  Bezug  auf  die  86  infektiösen 
Choreafälle,  21,4  Proz.  bei  Bezug  auf  alle  121  Kranke. 

Interessant  ist  die  Tatsache,  dass  einmal  die  Chorea  gleich¬ 
zeitig  mit  einem  Schnupfenfieber  einsetzte,  während  sie  in  6  an¬ 
deren  1  ällen  nach  3 — 14  Tagen  diesem  nachfolgte. 

Endokarditis  wurde  allein  oder  mit  anderen  rheumatischen 
Affektionen  bei  26  Choreafällen  beobachtet  (30,3  Proz.  bei  Be¬ 
ziehung  auf  die  86  infektiösen  und  21,4  Proz.  bei  Beziehung 
auf  die  Gesamtzahl  von  121  Kranken).  Besonders  hervorzuheben 
ist  hier  ein  Fall,  bei  dem  subjektiv  seit  einigen  Tagen  Herz¬ 
klopfen  und  Kurzatmigkeit  bestanden,  objektiv  eine  typische 
Mitralinsuffizienz  festgestellt  wurde,  in  deren  weiterem  Verlauf 
nach  2Vz  Wochen  eine  typische  Chorea  sich  entwickelte. 


Chorea  in  ätiologischem  Zusammenhang  mit  einer  Infek¬ 
tionskrankheit. 


Scharlach  +  Gelenkrheu' 

matismus . 

Scharlach . 

Masern  +  Gelenkrheuma 

tismus . 

Masern . 

Impfung . 

Pneumonie . 

Schnupfen  resp.  Schnupfen 
fieber  resp.  Influenza  .  . 
Schnupfenfieber  -(-  Endo 

karditis . 

Schnupfen  -j-  Angina  .... 
Schnupfen  -f-  Angina  -j- 

Laryngitis . 

Schnupfen  -(-  Bronchitis  -f- 
Angina  Gelenkrheu 

matismus  . 

Schnupfen  (Bronchitis) 

-f*  Gelenkrheumatismus  . 


1 

2 

1 

2 

1 

1 


1 

2 


2 

3 


Schnupfen  -j-  Gelenkrheu¬ 
matismus  -)-  Endokarditis 

Angina . 

Angina  -j-  Laryngitis . 

Angina  -j-  Endokarditis  . .  . 
Angina  -(-  Gelenkrheuma¬ 
tismus  . 

Angina  +  Gelenkrheuma¬ 
tismus  -f-  Endokaiditis  .  . 
Gelenkrheumatismus  -f-  En¬ 
dokarditis  . 

Gelenkrheumatismus . 

Endokarditis . 

Gelenk  -  Rheumatismus  + 

Bronchitis . 

Otitis  media . 

Bronchitis . 

Summa  8G  Fälle. 


3 

16 

1 

9 

6 


6 

6 

1 

1 

3 

3 


Dem  Lebensalter  nach  geordnet,  in  welchem  sie  an  Chorea 


erkrankten. 


Im  Alter  von 

Zahl  der 

Kranken 

Im  Alter  von 

Zahl  der 
Kranken 

2  Jahren 

1 

12  Jahren 

23 

2 

13  „ 

12 

^  » 

3 

14 

3 

6 

6 

15  „ 

4 

7 

15 

17  „ 

1 

8  „ 

11 

22  „ 

2 

9  „ 

12 

35  „ 

1 

10  „ 

14 

45  „ 

1 

H  „ 

9 

59  „ 

1 

#  Mit  ein  paar  Worten  möchte  ich  noch  die  Frage  der  Chorea¬ 
rezidive  berühren.  Man  hat  die  Neigung  der  Chorea  zu  Re¬ 
zidiven  mit  der  bei  anderen  Infektionskrankheiten  bestehenden 
So.  32. 


I 

I 

I 

I 


Neigung  in  Analogie  gesetzt.  Vielleicht  hängt  die  Erwerbung 
des  Rezidivs  in  vielen  Fällen  mit  der  individuellen  Disposition 
zu  rheumatischen  Erkrankungen  der  verschiedensten  Art  zu¬ 
sammen.  In  der  Tat  konnte  ich  bei  11  =  9  Proz.  Kranken 
vorangegangene  Chorea  anamnestisch  feststellen  resp.  eine  Neu- 
ei  krankung  hei  eben  überstandener  Chorea  beobachten.  7  mal 
war  hierbei  die  Aetiologie  rheumatisch,  während  es  4  mal  nicht 
gelang,  eine  I  rsache  zu  entdecken.  Eine  meiner  Kranken  er¬ 
lebte  innerhalb  von  i  Jahren  5  Rezidive,  darunter  2  von  mir 
beobachtete  mit  rheumatisch-infektiöser  Aetiologie.  Die  von 
Bi’üni  n  g  vertretene  Ansicht,  dass  die  Fälle  ohne  infektiöse 
Aetiologie  eine  relativ  grössere  Neigung  zu  Rezidiven  haben 
sollen  als  die  mit  vorausgegangener  Infektion,  würde  durch 
meine  Beobachtung  keine  Bestätigung  erfahren.  Ich  meine  über¬ 
haupt,  dass  man  zur  Beantwortung  dieser  Frage  ein  viel  grös¬ 
seres  Beobachtungsmaterial  heranziehen  muss,  als  Brüning 
mit  65  und  ich  mit  121  Fällen  dies  zu  tun  in  der  Lage  waren. 

Wenn  wir  nun  die  nach  anderen  Infektionskrankheiten  ent¬ 
standenen  Choreaerkrankungen  in  der  Literatur  überblicken,  so 
fällt  die  Ausbeute  hier  wesentlich  geringer  aus  als  bei  der 
rheumatischen  Infektion. 


Es  ist  Veitstanz  nach  Typhus,  Variola  und  Varicellen,  epi¬ 
demischem  Friesei,  Masern,  Scharlach,  Erysipel,  Keuchhusten, 
Magendarmkatarrh,  Gonorrhoe,  Influenza,  Diphtheritis,  Ery¬ 
thema  exsudativum  multiforme  von  verschiedenen  Autoren  be¬ 
schrieben  resp.  tabellarisch  zusammengestellt  worden. 

Woodmann,  Peiper,  Mackenzie,  Eulenburg, 
L  i  1 1  e  n,  M  a  r  i  a  n  i,  W  ollenberg,  Heubner,  Brü¬ 
ning  haben  in  neuerer  Zeit  die  schon  vorliegenden  Publi¬ 
kationen  älterer  Autoren  über  diesen  Gegenstand  vermehrt.  Ich 
kann  diesen  Beobachtungen  verschiedene  neue  anreihen.  Einmal 
sah  ich  8  Tage  nach  der  Impfung  ohne  nachweisbare  rheu¬ 
matische  Infektion  bei  einem  12  jährigen  Mädchen  Chorea  auf- 
treten,  ferner  einmal  Chorea  im  Verlauf  einer  Pneumonie,  wäh¬ 
rend  der  Kranke  noch  im  Bett  lag,  und  schliesslich  3  Fälle  von 
Veitstanz  bei  Masern  und  in  der  Rekonvaleszenz  von  Scharlach. 
Je  ein  Choreapatient  nach  Masern  und  nach  Scharlach  hatte 
kurz  vor  dem  Ausbruch  der  Chorea  eine  Schmerzhaftigkeit  in 
verschiedenen  Gelenken  zu  klagen.  Derartige  Kombinationen  von 
Masern  oder  Scharlach  mit  Gelenkaffektionen,  die  der  Chorea 
vorausgingen,  haben  u.  a.  Wollenberg  und  Brüning 
gleichfalls  beobachtet.  Die  mit  eingeschaltetem  Gelenkrheumatis¬ 
mus  nach  Masern  oder  Scharlach  entstandenen  Fälle  von  Veits¬ 


tanz  schlagen  gleichsam  eine  Brücke  zu  den  bei  gewöhnlicher 
Polyarthritis  rheumatica  beobachteten.  Wenn  man  auch  hier  die 
Chorea  als  Folge  einer  Sekundärinfektion  aufzufassen  geneigt 
sein  möchte,  so  wird  man  bei  den  unmittelbar  und  direkt  nach 
einer  Infektionskrankheit  entstandenen  Fällen  die  Annahme 
einer  Sekundärinfektion  nicht  gut  aufrecht  erhalten  können. 
W  enn  man  nicht  einfach  ein  zufälliges  Zusammentreffen  an¬ 
nehmen  will,  was  meiner  Ansicht  nach  durch  die  klinische  Be¬ 
obachtung  der  Krankheitsentwicklung  widerlegt  wird,  so  bleibt 
nur  die  Annahme  übrig,  dass  auch  andere  Infektionskrankheiten 
choreogene  Eigenschaften  zu  entwickeln  vermögen.  Masern  und 
Scharlach  besitzen  diese  Fähigkeit  offenbar  in  höherem  Grade  als 
die  übrigen  Infektionskrankheiten,  denn  in  ihrem  Gefolge  ist  die 
Chorea  relativ  häufig  gefunden  worden.  Mit  der  Anerkennung 
der  Auffassung,  dass  der  Veitstanz  nicht  nur  durch  die  Gift¬ 
wirkung  der  rheumatischen  Infektion,  sondern  auch  durch  die 
Toxine  anderer  Infektionserreger  hervorgerufen  werden  kann,  ist 
im  Grunde  schon  die  in  Wollenbergs  Theorie  möglichst  an¬ 
gestrebte  Einheitlichkeit  der  infektiösen  Aetiologie  der  Chorea 
zerstört.  Immerhin  handelt  es  sich  hier  noch  um  eine  Chorea 
von  gleichfalls  infektiösem  Ursprünge. 

Nun  waren  unter  meinen  121  Choreafällen  aber  35,  bei  denen 
anamnestisch  weder  eine  rheumatische,  noch  anderweitige  in¬ 
fektiöse  Aetiologie  nachweisbar  war.  Und  bei  der  grossen  Ge¬ 
nauigkeit,  mit  der  die  Anamnese  erhoben  wurde,  kann  voraus¬ 
gesetzt  werden,  dass  jeder  Anhaltspunkt  infektiöser  Art  ver¬ 
wendet  worden  wäre.  Bei  4  von  diesen  35  Patienten  fanden  sich 
gelegentlich  der  objektiven  Untersuchung  stark  hypertrophische 
und  zerklüftete  Tonsillen  und  einmal  ausserdem  ein  kratzendes 
Geräusch  an  der  Herzspitze.  Man  wird  trotz  der  fehlenden  „in¬ 
fektiösen“  Anamnese  wohl  keinem  Irrtum  unterliegen,  wenn  man 
diese  Kranken  bei  dem  Vorhandensein  rheumatisch  infektiöser 


4 


1342 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIIT. 


No.  32. 


Residuen  noch  unter  die  infektiöse  Gruppe  rechnet.  Es  w  ur  - 
den  dann  statt  86  Kranken  (71,15  Proz.)  90  Kranke 
m  3  Proz.)  eine  infektiöse  Aetiologie  a  u  t  - 
weisen,  eine  recht  hohe  Ziffer1),  wenn  man  sie 

mit  früheren  Statistiken  vergleicht. 

Unter  den  nunmehr  übrig  bleibenden  31  Fallen  entpuppten 
sich  2  Kranke  als  ausschliesslich  hysterisch,  denn  ihre  Chorea  war 
durch  Nachäffnung  der  bei  einem  anderen  Choreatischen  ge¬ 
sehenen  Grimassierungen  und  Gliederverdrehungen  entstanden, 
und  eine  harmlose  Suggestionstherapie  beseitigte  nach  einigen 

Wochen  das  Leiden  völlig. 

Ausserdem  fanden  sich  noch  bei  3  anderen  Kranken  ohne 
nachweisbare  Aetiologie  halbseitige  Sensibilitätsstörungen,  Kla- 
vus,  Globus  u.  s.  w.,  so  dass  man  auch  hier  nicht  fehl  gehen  wird, 
wenn  man  diese  Kranken  als  Fälle  von  hysterischer  1  seudochorea 

bezeichnet.  „  -r. 

Erwähnen  möchte  ich  noch,  dass  ich  gleich  anderen  Re 

obachtern  3  Fälle  von  unzweifelhaft  rheumatischer  Aetiologie 
behandelt  habe,  die  neben  der  Chorea  noch  eine  durch  Stigmata 
wohlcharakterisierte  Hysterie  darboten. 

Diesen  5  einwandsfreien  Fällen  von  Pseudochorea  stehen  nun 
26  gegenüber,  die  kein  hysterisches  Stigma  aufweisen,  wohl  aber 
eine  voll  entwickelte  Chorea.  Ausser  einem  45  jährigen  und 
einem  59  jährigen  Manne,  die  vielleicht  nicht  mehr  m  die  Gruppe 
der  Chorea  minor  gehören,  handelt  es  sich  m  allen  b  allen  um 
Kranke,  die  eine  neuropathische  Aszendenz  hatten,  die  durch 
rasches  Wachstum,  Ueberanstrengung  im  Hause  oder  m  der 
Schule  oder  durch  dürftige  Ernährung  heruntergekommen 
waren  und  blass,  welk,  mit  Spuren  überwundener  Rhaclntis  oder 
noch  vorhandener  Skrofulöse  der  Poliklinik  zugingen.  Die 
meisten  befanden  sich  in  der  beginnenden  oder  vorgeschrittenen 

Pubertät.  .  .  .  TT , 

Bei  der  eingehenden  Befragung  der  Kranken  nach  einer  Ui- 

sache  erfuhr  ich  in  9  Fällen,  dass  Schreck  das  auslösende  Moment 
gewesen  sei.  Es  wurden  angegeben:  Schneiden  m  eine  Glas- 
flasche,  Anblick  von  Krämpfen  oder  einer  Feuersbrunst,  dauernde 
Einschüchterung  durch  unvernünftig  strenge  Erziehung,  Biss 
durch  eine  Gans,  Heransausen  der  Strassenbahn,  plötzlicher  lod 
des  Vaters,  Schreck  vor  einem  versuchten  unsittlichen  Attentat, 

letzteres  bei  einem  22  jährigen  Mädchen. 

Wie  wenig  sicherlich  in  einer  Anzahl  von  Choreafallen  aut 
den  „Schreck“  als  ätiologisches  Moment  gegeben  werden  darf, 
ist  aus  der  Erfahrung  ersichtlich,  die  ich  an  3  Kranken  machte, 
deren  Mütter  auf  das  Bestimmteste  jede  rheumatische  Infektion 
für  die  frisch  entstandene  Chorea  ihrer  Kinder  ablehnten  und 
einen  Schreck  als  Ursache  bezeichneten.  Als  ich  den  Mund  in¬ 
spizierte,  konnte  ich  die  follikulären  Pfropfe  in  den  Tonsillen 
in  verschieden  grosser  Zahl  nachweisen.  Ich  bin  überzeugt,  dass 
sich  bei  genauer  Erhebung  der  Anamnese  und  des  Status  noch 
mancher  Fall  als  infektiösen  Ursprungs  enthüllen  wird,  der  sonst 
als  nichtinfektiös  gegolten  hätte.  So  wurde  z.  B.  bei  3  Kranken 
von  den  Eltern  der  Verdacht  geäussert,  dass  Masturbation  me 
Ursache  der  Chorea  sei,  aber  auch  hier  gelang  es,  die  kurz  voraus¬ 
gegangene  Angina  resp.  Polyarthritis  anamnestisch  mit  Sicher¬ 
heit  festzustellen.  Auch  glaube  ich,  dass  W  o  1 1  e  n  b  e  r  g  Recht 
hat,  wenn  er  sagt,  dass  sich  in  nicht  wenigen  Fällen  die  Eingangs¬ 
pforte  des  rheumatischen  Giftes  wegen  ihrer  Geringfügigkeit 
unserer  Kenntnis  trotz  eifrigen  Forschens  entziehen  mag.  Es  ist 
mir  aber  zweifelhaft,  ob  dies  für  alle  Fälle  Gültigkeit  hat.  S  o 
lange  es  nicht  gelingt,  aus  dem  Blutendes 
Choreatischen  den  Infektionsträger  .  einei 
irgendwie  latent  erworbenen  rheumatischen 
I  nf  e  k  t  i  o  n  nachzuweisen,  so  lange  muss  die 
Heranziehung  anderer  ätiologisch  wirksamer 
Momente  nicht  infektiöser  Art  als  durchaus 

zulässiggelten.  , 

Wenn  W  ollenberg  den  verschiedenen  Infektionskrank¬ 
heiten  choreogene  Wirkungen  wohl  mit  Recht  zuschreibt  und  da¬ 
bei  an  die  verschiedenen  Schädlichkeiten  erinnert,  die  eine 
Neuritis  zur  Folge  haben  könne,  so  ist  die  Frage  am  Platze,  ob 


man  nicht  richtiger  mit  Oppenheim  die  Epilepsie  als  Ana¬ 
logon  heranzieht.  Letztere  kann  durch  Vererbung,  durch 
psychische  Traumen,  Infektion  resp.  Intoxikation  und  durch  peri¬ 
pher  wirksame  Reize  reflektorisch  hervorgebracht  werden.  Es  ist 
nicht  zu  bestreiten,  dass  die  meisten  Choreaerkrankungen  in¬ 
fektiös  sind,  aber  es  scheint  mir  sehr  wohl  denkbar,  dass  au 
dem  Boden  einer  ererbten  oder  erworbenen  neuropathischen  An¬ 
lage  zu  gewissen  Lebensperioden,  in  denen  sich  wahrscheinlic 
nicht  unwesentliche  Stoff  Wechseländerungen  im  _  Körper  voll¬ 
ziehen,  ein  psychisches  Trauma  clioreogen  zu  wirken  vermag. 
In  der  Pubertät  und  der  Gravidität  haben  wir.  derartige  Zustande 
vor  uns.  Die  individuelle  Disposition,  d.  h.  eine  prafonnierte 
pathologische  Beschaffenheit  des  Nervensystems  können  wir  für 
die  Erwerbung  der  Chorea  ebensowenig  entbehren,  wie  lur 
die  Erwerbung  der  Epilepsie  oder  Hysterie.  Auch  die  Anhänger 
der  ausschliesslich  infektiösen  Theorie  der  Chorea  müssen  mit 
dem  Begriff  der  individuellen  Disposition  rechnen.  Es  wäre  sonst 
nicht  einzusehen,  warum  nach  einem  Schnupfenfieber,  einer 
Angina,  einer  Bronchitis  oder  anderen  rheumatischen  Attektionen 
relativ  harmloser  Art  unzählig  viele  Menschen  me  eine  Chorea 
erwerben,  während  andere  darnach  und  sogar  wiederholt  an 
Chorea  erkranken.  Gerade  bei  den  vielfach  belasteten,  schlecht 
ernährten,  anämischen,  skrofulösen,  rhachitischen  Kindern  der 
untersten  Stände  wird  eine  Disposition  geschaffen,  aut  Grund 
deren  besonders  im  Zusammentreffen  mit  der  Pubertät  sich 
toxische  und  reflektorische  Reize  hochgradig  choreogen  wirksam 
erweisen.  Meine  Patienten  waren  fast  alle  Kinder  von  Hand¬ 
oder  Fabrikarbeitern,  kleinen  Handwerkern,  Schreibern  u.  dergl. 
Unter  den  höheren  Ständen  sind  mir  bisher  nur  wenige  chorea¬ 
tische  jugendliche  Individuen  begegnet.  . 

Schliesslich  wäre  noch  die  Frage  zu  streifen,  ob  nicht  die  in 
der  Pubertäts-  und  Graviditätszeit  erzeugten  Stoffwechselpro¬ 
dukte  bei  vorhandener  neuropathischer  Anlage  von  sich  aus  oder 
unter  der  Einwirkung  eines  psychischen  Schocks  toxisch  m 
choreogenem  Sinne  wirken  können.  Diesem  Gedanken  hat  bereits 
Pilcz  in  ähnlicher  Weise  Ausdruck  verliehen,  wenn  er  zu  dem 
Schlüsse  kommt,  dass  es  sich  bei  der  Chorea  um  eine  Giftwirkung 
auf  ein  hereditär  disponiertes  Nervensystem  handle.  Entweder 
komme  eine  exogene  Giftwirkung  in  Frage,  wie  bei  der  rheu¬ 
matisch  und  anderweitig  infektiös  entstandenen  Chorea,  oder  eine 
endogene  durch  Autointoxikation  bei  der  Gravidität  und  Lak¬ 
tation.  Eine  weitere  Diskussion  dieser  nicht  uninteressanten 
Theorie,  welche  zwischen  der  infektiösen  und  sozusagen  nei- 
vösen  Pathogenese  der  Chorea  zu  vermitteln  sucht,  würde  uns 
jedoch  nur  zu  Wiederholungen  der  Anschauungen  führen,  die  ich 
Ihnen  bereits  vorgetragen  habe. 


j|  m  Jul  insb  erg  kam  in  seiner  Dissertation  sogar  auf 
PS  l»roz.  infektiöser  Angina,  doch  stellt  sich  bei  meiner  Statistik 
das  Verhältnis  ungünstiger,  weil  zu  (len  von  .1  uliusberg  ver¬ 
wendeten  Fällen  meiner  Abteilung  mittlerweile  noch  eine  Anzahl 
mit  nicht  nachweisbarer  infektiöser  Aetiologie  liinzngekomnien  ist. 


Erfahrungen  über  die  Anwendung  von  Terpentinöl 
und  verwandten  Mitteln  bei  Blinddarmentzündung. 

Von  Dr.  Moritz  Maye  r,  k.  Kreiswundarzt  z.  D.  m  Simmern. 

Die  Arbeit  Curschmann  s,  die  über  ein  mässiges  An- 
steigen  der  Leukocytenzahl  in  den  ersten  lagen  auch  bei  den 
günstig  verlaufenden  Fällen  von  Perityphlitis  berichtet,  ferner 
der  Aufsatz  von  R.  W  internitz  über  den  Einfluss  ätherischer 
Oele  auf  künstlich  durch  Aleuronatinjektionen  bei  seinen  V  er- 
suclistieren  gesetzte  Eiterungen  gibt  mir  Veranlassung,  ein  Heil¬ 
verfahren  darzulegen,  das  mir  in  der  Privatpraxis  im  Laufe  von 
7  Jahren  günstige  Ergebnisse  in  einigen  schweren  Fällen  gezeigt 
hat  und  von  dem  mir  nicht  bekannt  ist,  dass  es  in  dieser  Art 
anderwärts  geübt  worden  ist  —  über  die  Anwendung  des  Oleum 
terebinthinae  oder  verwandter  Mittel  bei  Blinddarmentzündung. 

Veranlassung  zur  Anwend  u  n  g. 

Wiederholt  hatte  ich  die  Beobachtung  gemacht,  dass  das  in 
der  Tierheilkunde  viel  gebrauchte  Oleum  terebinthinae  sulfura- 
tum,  das  an  vielen  Orten  Universalmittel  gegen  die  mannig¬ 
fachsten  Leiden  ist  (cf.  z.  B.  H  usem  a  n  n  :  Arzneimittellehre, 
S.  232),  beim  Volke  auch  bei  beginnenden  Perityphlitiden,  bevor 
der  Arzt  gerufen  worden  war,  in  Anwendung  gezogen  wurde; 
wie  mir  schien  mit  dem  h-rfolg',  dass  eine  \  erschlimmeiung  nie  lt 
eintrat,  dass  als  Nebenwirkung  nur  Dysurie  beobachtet  wurde, 
dass  dagegen  momentane  Erleichterung,  manchmal  infolge  von 
Stuhlentleerung,  Schmerzlinderung  sich  einstellte:  das  Mittel 
wirkte  als  Sedans,  Karminativum  und  manchmal  als  Laxans. 


12.  August  1902. 


MTTENCHENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1343 


I  ei nei  legte  lcli  mir  bereits  vor  Jahren  clie  Frage  vor,  ob 
es  möglich  sei,  dass  chemische  Mittel,  die  bei  subkutaner '  In¬ 
jektion  im  Unterhautgewebe  oder  bei  äusserer  Anwendung  auf 
die  Haut  Eiterung  zu  erzeugen  im  stände  sind,  bei  innerer  Dar¬ 
reichung  beginnende  Eiterungen  oder  entzündliche  Prozesse  gün¬ 
stig  beeinflussen  könnten  1). 

Auf  Grund  eines  solchen  Gedankenganges  verordnete  ich 
zunächst  in  einem  Falle  von  Empyem,  den  ich  am  17.  August 
1894  mit  einfachem  Schnitte  behandelt  und  in  dem  ich  nach 
G.  H  a  h  n,  der  in  der  Sitzung  der  Berl.  med.  Gesellseh.  vom 
30.  Januar  1889  gerade  für  die  Landpraxis  seine  Methode  em¬ 
pfohlen  hatte,  einen  Drain  eingeführt  hatte,  zur  Beschleunigung 
der  Resorptionsvorgänge  und  zur  Bekämpfung  der  Eiterung  Ter¬ 
pentinöl  intern. 

Die  Krankengeschichte  ist  folgende : 

Christof  N.,  42  .Talire.  Maurer,  Mutterschied. 

17.  VIII.  1894.  Einschnitt  im  X.  r.  Interkostalraum  hinter 
der  Axillarlinie.  Entleerung  reichlicher  Mengen  dünnen,  zuerst 
grünlich-gelben  Eiters,  dem  später  rötlich-graue,  etwas  übel¬ 
riechende  Flüssigkeit  folgt.  Einführung  eines  Drains.  Jodoform¬ 
gazeverband. 

18.  VIII.  Puls  und  Respiration  sind  nur  wenig  beschleunigt. 
Es  besteht  nur  noch  geringer  Schmerz.  Der  Ausfluss,  der  in  der 
Nacht,  reichlich  gewesen  war,  ist  am  Tage  gering.  Einführung 
eines  neuen  Drains.  Abends,  neben  Morphin  0,01,  Ord.:  Ol.  tereb. 
3  mal  täglich  5  Tropfen. 

20.  VIII.  Das  Befinden  ist  befriedigend.  Die  Atmung  ist 
ruhig.  Der  leicht  ausströmende  Eiter  ist  geruchlos. 

22.  VIII.  Der  Ausfluss  wird  geringer.  Eine  Dämpfung  ist 
kaum  nachzuweisen.  Das  Allgemeinbefinden  befriedigt  dauernd. 
"Wirkung  des  Ol.  tereb.  7  Aufstehen  wird  bereits  erlaubt. 

In  der  nächsten  Zeit  wird  unter  weiterer  innerer  Terpentin¬ 
öldarreichung  ein  vollständiges  Zessieren  des  Abflusses  beobachtet. 
Da  indessen  als  Nebenwirkungen  sich  vorübergehend  Oedeme  ein¬ 
stellen.  muss  das  Mittel  ausgesetzt  werden.  Die  Oedeme  schwin¬ 
den  unter  Anwendung  von  Coffein,  natr.-salic. 

Schon  am  4.  IX.  liess  die  digitale  Austastung  der  Brustfell¬ 
höhle  von  der  Inzisionswunde  aus  eitrigen  Inhalt  nicht  mehr  er¬ 
kennen.  Die  Heilung  machte  dauernd  Fortschritte  und  ist  von 
Bestand  gewesen. 

Der  Mann,  den  ich  heute  noch  oft  bei  der  Arbeit  zu  be¬ 
obachten  Gelegenheit  habe,  ist.  soviel  mir  bekannt  ist,  gesund  ge- 
blieben. 


Ueberblicke  ich  beute  epikritisch  meine  damaligen  Notizen, 
so  würde  ich  jetzt  jede  Nierenreizung  zu  vermeiden  suchen.  Ein 
Einfluss  auf  die  Resorptionsvorgänge  ist  mir  aber  in  diesem 
Falle  unzweifelhaft  deutlich  geworden,  da  die  ursprüngliche  An¬ 
nahme,  die  Eiterung  werde  noch  lange  Zeit  weiter  andauern,  sich 
nicht  bewahrheitet  hat. 

Wiederholt  hatte  ich  später  Gelegenheit,  die  resorptiven 
Wirkungen  des  Terpentinöls  in  ähnlichen  Fällen  von  Pleuritis 
mit  zelligem  Exsudat  kennen  zu  lernen.  Ich  kam  allmählich 
immer  mehr  dahin,  das  Terpentinöl  als  Antip  hlogisti- 
k  u  m  und  als  resorbierendes  Mittel  zu  schätzen. 


Liess  sich  nämlich  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  Blinddarm¬ 
entzündung,  nachdem  bereits  ein  Exsudat  ausgebildet  ist,  die 
Terpentinöldarreichung  in  den  späteren  Stadien  zur 
Beschleunigung  von  Resorptionsvorgängen  rechtfertigen,  so  war 
im  Beginn  der  Erkrankung  mehr  der  Gesichtspunkt  mass¬ 
gebend,  dass  Terpentinöl  ja  auch  bei  infektiösen  puerperalen  Er¬ 
krankungen“)  den  Meteorismus  günstig  zu  beeinflussen  und  die 
Darmtätigkeit  anzuregen  vermag. 

In  meinen  ersten  Fällen  habe  icb,  um  lokale  Fernwirkungen 
zu  erhalten,  zunächst  statt  Terpentinöl  Valeriana  und  Kastoreum 
angewandt  und  später  hauptsächlich  bei  Kindern  diese  Mittel 
beibehalten  —  und  zwar  nicht  in  der  Absicht,  sie  als  Exzitantia 
zu  reichen,  sondern  als  Ersatzmittel  des  Opiums. 

Ich  verfüge  über  12  regelmässig  beobachtete  Fälle  aus  den 
letzten  7  Jahren,  in  denen  ich  anfangs  vorsichtig  und  tastend, 
später  mit  grösserer  Sicherheit  das  Opium  durch  Ol.  tereb.  oder 
verwandte  Mittel  ersetzt  habe.  Es  handelte  sich  um  5  Männer 
im  Alter  von  20  bis  40  Jahren,  2  Frauen,  5  Kinder  (Knaben) 
mit  dem  Ergebnis,  dass  bei  ausschliesslich  innerer  Medikation 
Genesung  eingetreten  ist,  ein  Rückfall  nur  in  einem  Falle  beob¬ 
achtet  wurde.  Die  übrigen,  die  eine  relativ  lange  Zeit  in  Be¬ 


obachtung  nach  Ablauf  der  Krankheit  gestanden  haben,  sind 
von  Rückfällen  frei  geblieben. 

Art  der  Anwendung. 

\  or  Ausbildung  des  Exsudates,  im  Beginn  und  zur  Zeit  des 
Höhepunktes  der  Erkrankung  ist  es  nicht  immer  möglich,  Ol. 
tereb.  auch  in  kleinen  Dosen  regelmässig  darzureichen.  Ge¬ 
legentliches  Aussetzen  der  inneren  Medikation  bei  Brechreiz  ist 
erforderlich.  Die  Verordnung  in  Tropfenform,  etwa  Ol.  pini 
pumilionis,  2  3  4  mal  3  Tropfen  mit  Tr.  cinnamomi,  mit 
Aether,  mit  Elixir.  amarum,  in  Eigelb  und  Kognak-Zuckerwasser 
hat  sich  als  zweckmässig  erwiesen.  Wird  diese  Darreichung 
nicht  vertragen,  so  habe  ich  eine  dünne  Eigelbemulsion  per 
rectum  gegeben  oder  statt  des  Terpentinöls  Tr.  Valerian.  mit 
Tr.  Castorei  dargereicht.  Ferner  wurden  zur  Schmerzlinderung 
im  Bedarfsfälle  Suppositorien  mit  Extr.  Hyoscyam,  Belladonn. 
event.  Morphin  beigebracht,  hie  und  da  einmal  auch  Extr.  Opii 
aquos.  gegeben.  Die  fernere  Behandlung  mit  Eismilch,  Dar¬ 
reichung  säuerlicher  Getränke,  gelegentlicher  oder  oft  wieder¬ 
holter  Rektalernährung  versteht  sich  von  selbst. 

Hat  sich  eine  Resistenz  ausgebildet,  so  wird  die  Resorption 
des  Tumors  merklich  ausser  durch  innere  Terpentinölmedikation 
gefördert  durch  externe  Anwendung  von  Terpentinöllinimenten 
oder  -Emulsionen,  als  Umschlag  auf  die  Stelle  der  grössten  Re¬ 
sistenz.  Aufgesetzt  habe  ich  das  Mittel  sofort  beim  Eintritt  von 
Dysurie. 

Neb  enwirkungen. 

Ausser  gelegentlichem  Auftreten  von  Harnbeschwerden  be¬ 
obachtete  ich  bei  einem  Patienten  mit  gleichzeitiger  Infiltration 
oer  Lungenspitzen  während  der  Dauer  des  Terpentinölgebrauches 
das  Auftreten  blutiger  Sputa3),  ferner  von  Oppression  und 
verstärktem  Hustenreiz.  Das  Mittel  musste  auch  hier  vorüber¬ 
gehend  ausgesetzt  werden.  Die  Sputa  nahmen  alsdann  sofort 
ihre  helle  Färbung  wieder  an. 

Theorie  der  Wirkung. 

Eine  Erklärung  der  Ursachen  des  Erfolges  der  Terpentinöl¬ 
anwendung  hat  zu  würdigen :  die  schmerzlindernde  Wirkung,  die 
Einwirkung  auf  die  Danntätigkeit,  die  Beförderung  der  Ent¬ 
stehung  der  Resistenz,  den  Einfluss  auf  das  Aufsaugen  dieser 
Resistenz. 

Die  schmerzlindernde  Wirkung  ist  eine  gemeinsame 
Eigenschaft  vieler  pyogener  Mittel.  Emetin  (cf.  Maurel: 
Comptes  rendus  de  la  soc.  de  biol.  1901,  S.  862,  877,  977,  998,  1125) 
bedingt  bei  subkutaner  Applikation  des  salzsauren  Salzes  am 
Kaninchen  eine  lokale  Anästhesie  an  der  Injektionsstelle.  Vom 
K  r  o  t  o  n  ö  1,  einem  der  bekanntesten  eitererregenden  Mittel,  hat 
Oh.  Bell  in  kleinsten  Dosen  als  Narkotikum  Gebrauch  gemacht. 
Tartarus  stibiatus  wird  den  üblichen  lösenden  Mixturen  gewiss 
nicht  bloss  seiner  expektorirenden  Wirkung  allein  wegen  bei¬ 
gefügt.  Von  anderen  pyogenen  Mitteln  darf  auch  Argentmn 
nitricum  hierher  gerechnet  werden. 

Nach  meinen  Beobachtungen  am  Krankenbette  handelt  es 
sich  auch  bei  Anwendung  kleiner  Dosen  von  Terpentinöl  und 
bei  Eintritt  einer  schmerzlindernden  Wirkung  weniger  um  eine 
Beeinflussung  des  Zentralnervensystems,  als  um  eine  solche  der 
peripherischen  Nervenendigungen.  Die  interessanten  Beob¬ 
achtungen  des  Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Schulz-  Greifswald, 
dessen  Liebenswürdigkeit  ich  einen  Separatabdruck  seiner  Ar¬ 
beit:  „Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Terpentinölwirkung“ 4)  ver¬ 
danke,  ergeben  zwar  für  den  Gesunden  nach  Anwendung  kleiner 
Dosen,  dass  eine  Beeinflussung  des  Zentralnervensystems  tat¬ 
sächlich  stattfindet.  Die  bemerkenswerte  peripher  lokali¬ 
sierte  Müdigkeit  in  dem  Falle,  in  dem  vor  5  Jahren  im 
linken  Knie  eine  Verrenkung  stattgefunden  hatte,  spricht 
indessen  dafür,  dass  schon  beim  Gesunden,  mehr  aber  beim 
Kraul  ven  das  Mittel  auch  lokalisierte  Fernwirkungen 
auf  die  Nervenendigungen  entfaltet.  Anders  lässt 
sich  die  schmerzlindernde  Wirkung  bei  Ischias  wohl  kaum  er¬ 
klären. 


’)  Vortrag,  XVI.  Kongress  für  innere  Med.  1898.  Wiesbaden. 

4  erh.  8.  494. 

„  ')  Kehrer:  in  Müller,  Handbuch  der  Geburtshilfe.  III. 


8)  Konf.  meine  Aufsätze:  Zeitsclir.  f.  Medizinalbeamte  1909, 
8.  45  und  744  (Vortag  auf  der  Naturforscherversammlung  Aachen: 
Ueber  Giftwirkungen  leukotaktischer  Mittel). 

*)  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  S.  957. 


1344 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  W OCHENSCHKIFT. 


No.  32. 


Dass  dem  Terpentinöl  eine  Wirkung  auf  den  Verdau- 
u  n  g  s  k  a  n  a  1  zukommt,  geht  aus  den  Beobachtungen  von 
Schulz  hervor.  Auch  meine  Kranken  empfanden  das  aibba  d 
einsetzende  Aufstossen  als  wohltätige  Folge  des  Medikamentes. 
Hinzu  kommt  nun  noch  die  Wirkung  auf  die  glatte  Mus¬ 
kulatur,  die  eine  gemeinsame  Eigenschaft  vieler  Akria  ist. 

Soweit  die  einfache  ärztliche  Beobachtung  m  so  schwierigen 
Fragen  zulässig  erscheint,  spricht  sie  für  die  Annahme,  dass 
unter  dem  Einfluss  des  leukotaktischen  Mittels  ein  Dirigieren  von 
Leukocyten  nach  den  am  meisten  gefährdeten  Punkten  des  Or¬ 
ganismus  und  damit  eine  Vermehrung  der  Schutzmittel  an  diesen 
Stellen  stattfindet.  So  erkläre  ich'  mir  das  f  r  ü  h  e  E  i  nse  t  z  e  n 

eine  sExsudates,  das  ich  in  allen  meinen  Fallen 

beobachtet  habe.  . 

Auch  von  chirurgischer  Seite  wird  anerkannt,  dass  der  Eiter 
kleiner  perityphlitischer  Exsudate  resorbiert  werden  kann  (c  . 

B.  F  r  i  e  d  r  ic  h  :  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  b.  böU). 
Kann  das  nun  schon  spontan  geschehen,  so  ist  die  Bes  o  r  p  1 1011 
unter  dem  Einfluss  leukotaktischer  Mittel  noch  eher  möglich. 

Kaymond  Petit*)  berichtet  aus  dem  Metschnikof  f - 
sehen  Laboratorium  des  Institut  Pasteur  über  Versuche,  die 
er  mit  Pferde-  und  Ochsenserum,  das  %  Stunde  lang  auf  55 
erhitzt  war,  anstellte,  mit  Flüssigkeiten,  die  die  Leukocyten  stark 
anzulocken  vermögen.  Nach  vorherigem  positiven  Ausfall  von 
Tierversuchen  brachte  er  beim  Menschen  in  3  Fällen  operativer 
Eingriffe  in  der  Bauchhöhle  vor  Schluss  der  Höhle  10  ccm  des 
Serums  in  das  Cavum  peritonei  und  sah  günstigen  Erfolg  auf 
den  Heilverlauf,  obwohl  es  sich  zweimal  um  schwere  eitrige  Pro¬ 
zesse  handelte. 

Liess  sich  nun  die  reizende  Einwirkung  auf  die  Phagocyten 
bei  dergestalt  eingerichtetem  Vorgehen  benutzen,  um  einer  In¬ 
fektion  vorzubeugen,  so  werden  wir  annehmen  können,  dass  ein 
Dirigieren  der  Leukocyten  unter  dem  Einfluss  innerlich  genom¬ 
mener  Medikamente  einen  ähnlichen  Erfolg  hat. 

Bekanntlich  wird  von  den  Geheimmittelfabrikanten  dem 
Ekthol,  einer  Substanz,  die  die  wirksamen  Bestandteile  der 
Echinacea  und  Thuja  enthalten  soll,  nachgerühmt,  dass  es,  inner¬ 
lich  genommen,  Eiterungen  zu  bekämpfen  vermag.  Da  mir  das 
Mittel  nicht  zu  Gebote  stand,  habe  ich  mit  Stoffen  Versuche  ge¬ 
macht,  die  ebenfalls  Akria  enthalten.  So  habe  ich  gelegentlich 
bei  Eiterung  das  alte  myrrha-,  aloe-  und  krokushaltige  Elixir 
propr.  Paracelsi  angewandt  und  keine  schlechten  Erfolge  gesehen. 

Alle  diese  Beobachtungen  lassen  sich  im  Sinne  der  Buch- 
n  e  r  sehen  Lehre  leicht  deuten. 

Krankengeschichten. 

I.  Jakob  B.,  Ackererssohn,  13  Jahre,  Kiesweiler.  7.  XII.  bis 

21.  XII.  1S94.  ,  ^  e  ., 

7.  XII.  Leidet  seit  2  Tagen  an  Erbrechen  und  Durchlall,  »eit 

gestern  Nachlass  des  Durchfalls;  der  Stuhl  zessiert.  keine  Flatus: 
Der  Leib  ist  in  Anfällen  sehr  schmerzhaft  und  gespannt.  Die  An¬ 
gehörigen  hatten  „Hamburger“  Tropfen  gereicht,  denen  Spiritus 
zu  gesetzt  war.  Das  Erbrochene  riecht  nach  Spiritus.  Temp.  39,0. 
Puls  noch  ziemlich  voll.  Blick  frei. 

Ord  •  Spec.  aroni.  zu  heissen,  trockenen  Fomenten.  Extr. 
Belladonn.  0.2.  Aq.  am.  am.  2.0,  Aq.  100,0.  2  stündlich  1  Esslöffel. 
Opiumtropfen  nur  bei  heftigen  Schmerzen.  Diese  werden  sofort 

erbrochen.  .  _  .,  .  ,  , .._ 

Abends:  Die  Schmerzen  sind  sehr  heftig.  Der  Leib  ist  star¬ 
ker  aufgetrieben.  Blick  noch  frei.  Versuchsweise  Kaloinel,  3  mal 
1  cg.  1  Esslöffel  Ol.  Ricini. 

8.  XII.  In  der  Nacht  tritt  erneutes  Erbrechen  auf;  dann 
setzen  Diarrhöen  ein.  Der  Leib  ist  weicher,  der  Puls  ruhig,  81. 
Die  Ileoeoekalgegend  ist  besonders  schmerzhaft.  Von  Zeit  zu 
Zeit  heftige  Schmerzen.  Valerianadekokt  und  Spir.  aeth.  Even¬ 
tuell  Opiumtropfen,  aber  nur  bei  Schmerzen.  Chloroform  auf  Eis. 
Einlauf.  Es  tritt  Stuhl  ein. 

10.  XII.  Kein  Erbrechen.  Weniger  Durst.  Der  Leib  ist 
weicher  nur  in  der  Ileoeoekalgegend  druckempfindlich.  Puls  regel¬ 
mässig.  Valerian.  und  Castor.  in  Mixt.  Engt.  ein.  Eis. 

11.  XII.  Stärkere  Schmerzen.  Auftreibung  des  Leibes.  Kein 
Erbrechen.  Stühle  reichlich,  dünn.  Opium  3  mal  tägl.  5  Tropfen: 
Eis.  Ol.  tereli.  äusserlich.  Vorher  1  Esslöffel  Ricinusül.  Abends: 
Erbrechen.  Meteorismus.  Kein  Stuhl,  viele  Schmerzen.  96  bis 
108  Puls.  Resistenz  in  der  Ileoeoekalgegend.  Ord.:  4  Morphium¬ 
pulver  ä  6  mg.  Priessnitz  scher  Umschlag. 

12  XII.  Blick  frei,  Puls  voll,  ruhig  72.  Respiration  etwas 
beschleunigt,  oberflächlich.  Kein  Stuhl,  keine  Winde,  kein  Er¬ 
brechen.  Starker  Meteorismus.  Deutlich  Dämpfung  und  Tumor 


in  der  druckempfindlichen  Ileoeoekalgegend.  Schmerzen  unter 
0,02  Morphin  pro  die  gering.  Etwas  Schlaf.  Zunge  teucli  . 

nentinül.  Belladonna.  Blutegel.  , 

13.  XII.  Blutung  in  der  Nacht  nach  Blutegelanwendv  g 
ausserordentlich  profus.  Stillung  gelang  endlich  durch  „Schwamm  . 
n  seien  reichlich  Flatus  gekommen.  Appetit  sei  eingetreten, 
merzen  nur  gering.  Ol.  tereb.  und  Belladonn.  weiter. 
Vbends-"  Puls  ruhig,  Blick  frei.  Flatus,  etwas  dünnflüssiger  Stuhl. 
Rechts  Tumor.  Links  in  der  Unterbauchgegend  meteonstisch  ge¬ 
spannter  Dickdarm  durchzufühlen.  Ol.  tereb.  extern.  Irrigation. 
Schmerzfrei  ohne  Morphin.  Nur  0,03  Belladonna.  In  den 
nächsten  Tagen  allmähliche,  stetige  Besserung. 

ei  xil  Schmerzfrei.  Aussehen,  Puls,  Allgemeinbefinden  be¬ 
friedigend.  'Keine  Druckempfindlichkeit.  Kein  Meteorismus.  Kein 
Tumor.  Daher  allmählicher  Uebdrgang  zu  festerer  Diät.  Valeriana- 
infus  und  Tr.  Chinae. 

II  1895.  W.  K.,  55  Jahre,  Simmern.  . 

14  IN.  bis  21.  IX.  Rezidiv  einer  früher  überstandenen  Peri- 
tvphlitis,  *  nachdem  in  den  letzten  Wochen  Durchfall  und  Ver¬ 
stopfung  abwechselnd  eingesetzt  hatten,  Erbrechen  reichliche 
dünner,  grüngelb  gefärbter  Massen.  Deutlicher  umschriebener , 
druckempfindlicher  Tumor  in  der  Ileoeoekalgegend. 

Allmähliche  Resorption  des  Tumors  unter  Anwendung  \on 
Salmiakumsclilägen.  Valeriana-  und  Castoreumgebrauch.  Bei 

Schmerzen  0,03  Belladonnapulver. 

III.  Nie.  M.,  38  Jahre,  Ackerer,  Altweidelbach.  1897.  10.  1. 

io.  I.  Stellt  sich,  hochgradig  erschöpft,  nachdem  er  einen  Weg 
von  4  km  zu  Fuss  zurückgelegt  hatte,  mit  einer  Temp.  von  3.) 
in  der  Sprechstunde  vor.  Die  Atmung  ^  beschleunigt  Index 
Ileoeoekalgegend  Tumor  und  Druckempfindlichkeit.  Oid..  Bett¬ 
ruhe  Valeriana,  Castoreum,  Belladonna  Mixt. 

Verlauf:  mittelschwer.  Allmähliches  Sinken  der  Temperatur. 
Ol.  tereb.  int.  vom  30.  I.  an.  Wird  gut  vertragen  Nebenwirkung: 
flüchtige  Oedeme.  Langsame  Genesung,  die  vollständig  ton  Be¬ 
stand  geblieben  ist.  1öao 

IV.  Joseph  Ix.,  9  Jahre,  Fronhofen.  Ackererssohn.  1899. 

11  Verlauf  schwer.  Hohe  Temperaturen.  Frühe  Ausbildung 
eines  «rossen  Tumors.  Valerianabehandlung.  Extr.  Ol.  tereb. 
Bei  Schmerzen  Extr.  Hyosc.,  Bellad.  -  Später  zur  Resorption 

J  K'v  Peter  Sch.,  IV.,  Maurer,  Sargenroth,  24  Jahre.  1899.  31.  IX. 
bis  °  XI  Schwerer  Fall  mit  hohem,  lange  dauerndem  Fieber, 
lange' währendem  Meteorismus.  Erbrechen.  Frühes  Einsetzen  einer 
Resistenz,  die  lange  Zeit  zur  Resorption  bedurfte  Anfänglich. 
Morphin,  Belladonna.  Tr.  Castorei,  dann  .T.-Ix.  und  Ol.  tereb.  intern. 

konsequent  durchgeführt.  Heilung. 

VI.  Karl  M.,  Schüler,  14  Jahre,  Simmern.  1900.  -2.  I.  bis 

“>9  I.  Leichter  Verlauf.  .. 

VII.  Peter  M.,  14  Jahre,  Mutterschied.  1900.  13.  111.  bis 

20.  IV.  Sehr  schwerer  Fall.  .  ,  .  .  iftA„ 

VIII.  Friedrich  M.,  19  Jahre,  Tiefenbach,  Ackerer.  1900. 

24.  IV.  bis  2.  V.  Mittelschwer.  1on1 

IX.  Adam  L„  30  Jahre,  Schuster,  Niederchumd.  1901. 

10.  IV.  bis  4.  VI.  .  ^  „  ..  ,r 

Wegen  Lungenerkrankung  vom  Militärdienste  befielt.  \ci- 

lauf  schwer.  Ausbildung  eines  grossen  Exsudates.  Die  Terpentin¬ 
ölmedikation  wird  gut  vertragen.  Zur  Resorption  des  lumors 
vorübergehend  Anwendung  von  Ungt.  canth.  nach  Iv  e  h  r  e  r. 

X  a.  Adam  H.,  Zimmermann,  32  Jahre,  Argenthal  (ct. 

N°  Erster  Anfall  1900,  27.  September  bis  14.  November.  Auf  dem 
Rückweg  von  der  Arbeit  treten  bei  der  Mahlzeit  heftige  Lei  >- 
schmerzen,  Erbrechen  ein.  Stuhlverstopfung.  Behandlung  an¬ 
fänglich  Morphin  in  Pot.  Riveri,  Extr.  hyoscyam.  supp.  »Pate1 
Tr.  Valer.  Castor.  Am  2.  X.  traten  nach  5  Tropfen  Ol.  tereb.  die 

ersten  Stuhlentleerungen  ein.  .  „  „  .  Ko 

Verlauf  sehr  schwer.  Wochenlang  hohes  hiebei,  sehr  b 
schleunigter  Puls,  oberflächliche  Atmung.  Die  Lungen  des  liei  e- 
ditär  belasteten  jungen  Mannes  sind  stark  affiziert.  Am  5.  x.  ist 
zum  ersten  Male  eine  Resistenz  in  der  rechten  Seite  zu  tuhlen. 
Die  Behandlung  wurde  nach  dem  oben  dargelegten  Grundsätze 

streng  durchgeführt.  .  ,  .  _  . 

4m  16  X  lässt  das  Fieber  nach.  Der  Leib  ist  weich,  nirgend 

druckempfindlich.  Es  besteht  Mattigkeit,  Hustenreiz.  Das  Aus¬ 
sehen  ist  blass,  im  Auswurf  findet  sich  hie  und  da  Blut. 

Die  bisher  flüssige  Nahrung  wird  durch  eine  konsistentem 
ersetzt;  Somatose,  eben  geröstetes  Brot  erlaubt.  Ord.:  Eisenmooi- 
kataplasmen.  Tr.  Opii  mit  Tr.  Castorei  3  mal  tagl.  5  Trop 


1900.  11.  VIII. 


°)  C.  R.  Soc.  biol.  1901,  S.  1185. 


Ferner  Guajac.  carb.  in  regelmässiger  Gabe. 

Die  Rekonvaleszenz  ist  eine  ungestörte. 

X.  Chr.  St.,  20  Jahre,  Ackerer,  Mutterschied. 

Mittelschwer.  Starker  Meteorismus,  Erbrechen,  heftige 
Schmerzen,  hohes  Fieber.  Frühes  Einsetzen  eines  Tumors  Nach 
vorübergehendem  Opiumgebrauch  des  ersten  Tages  wurde  Exti. 
Hyosc.  als  Suppositorium.  Tr.  Cast.  Valer.,  Ol.  ter.  äusserlich 
gewandt,  sonst  die  Behandlung,  wie  oben  dargelegt,  geleitet. 

XI  Frl.  D.,  20  Jahre,  Niederchumd.  1901.  17.  III.  bis  1.  IV. 

Mittelschwerer  Fall.  Nach  einigen  Tagen  hühnereigrosser 
Tumor  per  Rectum  palpiert. 


12.  August  1902. 


MITENCHENER  MEDIOINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


1345 


XI-‘  H-’  Zimmermann,  Argenthal.  Rezidiv. 


1901.  5.  III.  bis  29.  V..  Hat  bis 


.  zum  4.  III.  1901  Abends  ge¬ 

arbeitet,  musste  dabei  1  Stunde  weit  in  den  Wald  im  tiefen  Schnee 


marschieren  und  gefüllte  Bäume  heben.  Auf  dem  Rückweg  em¬ 
pfand  er  Drang  zur  Stuhlentleerung.  Er  hatte  Durst,  legte  sich 
zu  Bett,  empfand  heftige  Schmerzen  in  der  rechten  Seite 
Unterleibes. 


des 


Ich  gebe  die  Notizen  vom  5.  III.  bis  9.  III.  ausführlich  wieder- 

5.  III.  Heftige  Schmerzen,  starke  Scliweisse,  Gesicht  und 
Brust  sind  in  Schweiss  gebadet.  Nur  v.  r.  u.  leichte  Schwellung 
und  Druckempfindlichkeit.  Die  Zunge  feucht,  Puls  und  Respiration 
ruhig.  Ord.:  Morphin  (0,04)  in  Sat.  citr.  2  stündl.  1  Esslöffel 
Priessnitz. 

0.  III.  Die  Auftreibung  des  Leibes  ist  stärker;  die  Druck¬ 
empfindlichkeit  in  der  Ileocoekalgegend  wächst,  verbreitet  sich 
auch  nach  der  linken  Seite.  Mässige  Oppression.  2  mal  Er¬ 
brechen.  Atmung  ziemlich  ruhig.  Viel  Durst.  40°.  Puls  ruhm¬ 
voll,  gut  gespannt,  SO.  Kein  Stuhl,  keine  Flatus.  V.  r.  u.  noch 
keine  Resistenz. 

Ord.:  Feuchte  Kompressen  mit  Ol.  tereb.  in  Eigelb.  Int  Ol 
tereb.  3,0  in  Tr.  amar.  10,0.  3  stdl.  3  Tropfen.  Ferner  Extr. 

Hyosc.  0,1  3  stündl.  1  Suppos. 

7.  III.  Wiederholt  Erbrechen  nach  Ol.  tereb.  bis  Mittag. 
Zessiert  dann.  Flatus  seien  gegangen.  Entleerung  schleimiger 
Massen  per  anum.  ("Von  Butyrum  cacao?)  Die  Schmerzen  sind 
heftig,  die  Auftreibung  hat  zugenommen.  Oppressionsgefülil  in 
der  Magengegend.  Puls  72 — 80,  voll,  gut  gespannt.  Hie  und  da 
Hüsteln.  Atmung  etwas  beschleunigt. 

Ord.:  Morph,  inj.  (0,01).  Eigelb-Ol.  tereb.-Emulsion  wird  per 
Rektum  eingeführt.  Ol.  tereb. -Kompressen  aufs  Abdomen.  3  stünd¬ 
lich  Extr.  Bellad.  0,02  suppos. 

S.  III.  Abends  telegraphisch  gerufen:  Hinfällig,  Stimme  leise, 
nahezu  klanglos.  Der  Blick  noch  frei.  Wangen  stark  gerötet. 
1  uls  toll.  <8 — 84.  Kein  Erbrechen.  Leib  nicht  stärker  aufge¬ 
trieben.  Keine  bestimmte  umschriebene  Schwellung.  Ordination 
wie  gestern,  obwohl  im  Auswurf  blutige  Streifen;  statt  der  rek¬ 
talen  Anwendung  des  Ol.  tereb.:  intern  (1,0)  in  Aether  (5,0)  stünd¬ 
lich  3  Tropfen. 

9.  III.  Mittags  tritt  Stuhlentleerung  ein.  Das  Allgemein¬ 
befinden  ist  besser,  die  Atmung  freier;  die  Schwellung  in  der  Ileo¬ 
coekalgegend  ist  deutlicher. 

In  den  nächsten  Wochen  bildet  sich  ein  mächtiges  Exsudat 
aus,  das  auch  an  der  Umgebung  der  Blase  und  höher  hinauf  ab- 
zuta steil  ist.  Der  Heilverlauf  war  von  nun  an  ein  günstiger. 

Aus  dem  Gutachten  für  die  Invaliditätsversicherungsanstalt 
vom  5.  VII.  1901  führe  ich  an: 

Die  V  angen  sind  nicht  mehr  hektisch  gerötet,  sind  frisch. 
Das  Fettpolster  hat  sich  wieder  befriedigend  entwickelt.  H.  fühlt 
sich  recht  wohl,  nicht  matt,  nicht  erschöpft.  Der  Leib  ist  gleich- 
mässig  gewölbt.  Die  Schwellung  hat  sich  aufgesogen.  Resistenz, 
Störungen  der  Darmtätigkeit  sind  trotz  der  Schwere  der  über¬ 
standenen  Erkrankung  nicht  nachweisbar. 

Da.  der  Mann  irgend  welchen  operativen  Eingriff  nicht  zuliess, 
schlug  ich  zur  Nachkur  den  Aufenthalt  in  einem  Kurort  vor. 

Die  Versicherungsanstalt  bewilligte  eine  Krankenrente.  Heute 
besteht  wieder  Arbeitsfähigkeit. 


ohnmächtig  ms  Bett  gebracht  wurde.  Bei  meinem  Eintreffen  um 
%9  Uhr  Abends  machte  der  Patient  sofort  den  Eindruck  eines 

,wn™!kliaUk<)n’  der1fl'e’ies  Sensorium  darbot,  über  Schmerzen  in 
dei  Oberbauchgegend  klagte  und  Brechreiz  zeigte.  Flatus  waren 
angeblich  schon  seit  Nachmittag  nicht  mehr  abgegangen.  Der  Puls 

STK,“:,™  vCklii§’!’  War  Voil  1111(1  regelmässig,  das  Aussehen 
.  ängstlich,  Zuge  etwas  verfallen,  von  Anämie  bestanden  keine 
Anzeichen.  Die  rechte  und  obere  Bauchgegend  erwiesen  sich 
massig  meteoristisch,  die  Auftreibung  schien  dem  aufsteigenden 
und  Querkolon  anzugehören,  relativ  geringe  Druckempfindlich¬ 
keit  bestand  in  der  Gallenblasengegend;  die  Bruchpforten  waren 
fiel.  Da  akuter  Beginn,  Leibschmerzen,  Brechreiz,  später  Er¬ 
brechen,  partieller  Meteorismus,  Unvermögen,  Gase  oder  Fäzes 
zu  entleeren,  zusammentrafen,  so  dachte  ich  an  ein  das  Querkolon 
komprimierendes  Hindernis  und  stellte  den  Angehörigen  sofort  vor 
zunehmenden  operativen  Eingriff,  zunächst  bei  den  ungünstigen 
ausseren  Verhältnissen  den  Transport  ins  nahe  Krankenhaus 
München  r.  d.  I.  in  Aussicht.  Zwischen  10  und  11  Uhr  Nachts 
traten  nun  höchst  bedrohliche  Anfälle  von  Atemnot  auf,  sowie 
Aachlass  der  Herzkraft.  Mit  heftigstem  Angstgefühl  zum  Er¬ 
brechen  sich  aufrichtend,  erschien  der  Kranke  mehrmals  mori¬ 
bund,  so  dass  mich  die  unmittelbare  Lebensgefahr  veranlasste 
2—3  mal  etwa  eine  halbe  Minute  lang  künstlich  zu  respirieren 
und  das  Herz  durch  kurz  dagegen  geführte  Stösse  zu  reizen 
Mährend  dieser  Anfälle  war  der  Radialispuls  nicht  mehr  fühlbar 
Die  Bauchschmerzen  traten  ganz  zurück,  Anzeichen  eines  akuten 
Blutverlustes  bestanden,  abgesehen  von  der  schlechteren  Qualität 
des  Pulses,  nicht  in  augenfälligem  Grade.  Bei  der  heftigen,  an¬ 
fallsweisen  Dyspnoe  dachte  ich  in  dieser  Zeit  an  die  Möglichkeit 
einer  eingeklemmten  Zwerchfellhernie.  Nachts  12  Uhr  schickte 
ich  die  unterdess  eingetroffene  Sanitätskolonne  unverrichteter  Dinge 
rach  Hause,  an  einen  Transport  konnte  bei  abnehmender  Kraft 
der  Pulsbeschaffenheit  etc.  nicht  gedacht  werden.  Bei  freiem 
Sensorium,  immer  wiederkehrendem  Brechreiz  und  den  furcht¬ 
baren  Erstickungsanfällen  trat  nun  ein  Kollapszustand  ein,  den  ich 
mit  Kamplier  zu  bekämpfen  suchte.  Bei  besser  gewordenem  Be¬ 
finden  des  Kranken  machte  ich  Nachts  2  Uhr,  immer  in  der  An¬ 
nahme  eine  Kolonstenosierung,  eine  Warmwassereingiessung  Da 
(las  Wasser  ohne  Spur  von  Fäzes  äbfloss,  so  schien  mir  darin  ein 
weiterer  Grund  für  die  Richtigkeit  meiner  Annahme  zu  liegen. 
Der  Kranke  war  unterdessen  ruhiger  geworden,  schlummerte  leicht 
<  in.  der  Puls  war  leidlicher,  die  Atemnot  kam  nur  selten  und  viel 
geringer,  so  dass  ich  hoffte,  den  Transport  noch  bewerkstelligen 
zu  können. 


Am  Morgen  des  27.  war  das  Befinden  mindestens  nicht 
schlechter  geworden,  die  Kollapserscheinungen  sogar  entschieden 
besser,  Meteorismus  bestand  fort,  eine  auf  Peritonitis  weisende 
Druckempfindlichkeit  war  nicht  eingetreten.  Mittels  langen  Darm- 
i  obres  goss  ich  nun  warmes  Wasser  in  das  Kolon  descendens, 
später  noch  fast  einen  Liter  gewärmten  Oeles,  es  wurde  keine 
sPui  i  on  Darminhalt  entleert.  Um  diese  Zeit  bestand  heftig'er 
Durst,  gegen  den  Eis  in  kleinen  Stückchen  geschluckt  und  be¬ 
halten  wurde.  Da  Herzzustand  und  Atmung  nun  den  Transport  zu 
gestatten  schienen,  so  bewerkstelligte  ich  denselben  %11  Uhr 
Vormittags  mittels  Sanitätswagens  und  brachte  den  Kranken,  der 
um  über  Durst  klagte,  ohne  irgend  erkennbare  Verschlechterung 
des  Zustandes  ins  Krankenhaus  r.  d.  I. 


Tödliche  Blutung  in  die  Bursa  omentalis,  unter  dem 
Bilde  des  akuten  Darmverschlusses  verlaufend. 

Von  Dr.  Karl  Grassmann  in  München. 

Ich  habe  am  12.  März  1.  J.  im  ärztlichen  Verein  München 
über  diesen  in  meiner  Praxis  zur  Beobachtung-  gelangten  Fall 
unter  Vorlegung  pathologisch-anatomischer  Präparate  berichtet, 
glaube  aber,  dass  die  interessanten  Einzelheiten  desselben  ver¬ 
dienen,  einem  weiteren  Kreise  mitgeteilt  zu  werden.  Die  hier 
zu  gebende.  Beobachtung  illustriert  auf  das  schlagendste  die 
Schwierigkeiten,  bei  abdominellen  Affektionen  die  richtige  Dia¬ 
gnose  zu  stellen  und  nicht  leicht  könnte  ein  E all  mit  grösserem 
Rechte  Nothnagel  zu  dem  resignierten  Ausspruche  veran¬ 
lasst  haben,  dass  sich  bei  manchen  in  der  Bauchhöhle  spielenden 
Erkrankungen  das  Diagnostizieren  einfach  aufhört. 

Am  26.  Januar  1.  J.  zu  einem  54  jährigen  Manne,  einem  Werk¬ 
meister  in  einer  grossen  Ziegelei  bei  München  gerufen,  erfuhr  icli 
von  demselben,  dass  er  sich  seit  langer  Zeit,  jedenfalls  seit  ca. 
7  a  llen>  g'onz  wolil  gefühlt  habe.  Der  jetzt  offenbar  in  scliwer- 
xrankem  Zustande  daliegende  Mann,  war  Nachmittags  als  an- 
scneinend  vollkommen  Gesunder  von  Hause  fortgegangen.  Beim 
.  ’  as<‘  rohig  sitzend,  fühlte  er  ca.  6  Uhr  Abends  plötzlich  ein- 
tm-KUÜe  1Jebelkeit>  Spannung  und  rasch  ihm  auffallende  Auf- 
treiDung  des  Leibes,  mehr  im  Epigastrium  und  rechts  oben,  als 
n  uen  unteren  Partien  des  Bauches.  Es  kam  Brechreiz  und  Ohn- 
machtsgefuhl,  so  dass  sich  Herr  S.  in  die  nahe  Wohnung  eines  Be- 
mnnt.on  verbringen  liess,  wo  zunächst  noch  eine  kleine  Menge 
)  .  f"  obgesetzt  werden  konnte,  ohne  dass  hierdurch  eine  Er- 
wh-mÜ2  eintrat.  Während  des  nunmehr  mittels  Droschke  be- 
sre!KStelIigten  Heimtransportes,  auf  dem  eine  sehr  holprige 
>.  wisse,  passiert  werden  musste,  verschlimmerte  sich  das  Be- 
<  en  immer  mehr,  so  dass  der  Kranke  bei  der  Ankunft  fast 

No.  32 


Der  Leib  erschien  um  diese  Zeit  gleiclunässig  meteoristisch, 
es  war  nichts  durchzufühlen,  die  Leberdämpfung  war  nachweis¬ 
bar,  über  der  Symphyse  bestand  eine  Dämpfung,  während  die  Ent¬ 
leerung  der  Blase  mittels  Katheters  nur  wenig  Harn  lieferte.  Das 
Aussehen  des  recht  pulsseliwachen  Kranken  liess  aber  auch  jetzt 
noch  nicht  an  den  Befund  denken,  welchen  die  von  Herrn  Hofrat 
Brunne  r  sofort  angeschlossene  Operation  ergab. 

Laparotomie  in  der  Mittellinie  unter  Schleich  -  Anästhesie, 
da  der  schlechte  Allgemeinzustand  eine  allgemeine  Narkose  zu 
verbieten  schien.  Bei  Eröffnung  des  Peritoneums  sofortiges 
Hervorstürzen  des  nicht  auffällig  geblähten  Darmes;  nach  Weg¬ 
ziehen  des  grossen  Netzes  stürzt  eine  mächtige  Blutmenge  aus  der 
Bauchhöhle  hervor,  ca.  yä — %  Liter,  daneben  erschienen  Koagula. 
Da  die  Blutung  von  oben  zu  kommen  schien,  wurde  der  Rektus 
nach  rechts  herüber  gespalten.  Dann  Einstopfen  reichlicher  Gaze¬ 
tampons  gegen  die  vermutete  Quelle  der  Blutung,  die  untere 
Fläche  der  Leber,  Reinigung  der  Bauchhöhle  von  Blut  und  Ge¬ 
rinnseln,  Naht  der  Operationswunde,  dann  Kochsalzinfusion.  Wäh¬ 
rend  der  Operation  war  etwas  Aether  und  reichlich  Sauerstoff 
inhaliert  worden.  Abends  war  die  Temperatur  38,8°  bei  starken 
Leibschmerzen.  Ohne  dass  erneute  Blutung  aufgetreten  wäre, 
starb  der  Kranke  am  Morgen  des  28.  Januar,  35  Stunden  nach 
Beginn  seiner  Erkrankung. 

Erst  die  Autopsie  löste  das  Rätsel  dieser  Blutung,  über  welche 
auch  die  Operation  zu  nicht  mehr  als  Vermutungen  geführt  hatte. 

Aus  dem  Befunde  bei  der  Sektion,  deren  sehr  sorgfältige  Vor¬ 
nahme  durch  Herrn  Prosektor  Dr.  Albrecht  allein  die  volle  Ein¬ 
sicht  in  die  vorliegenden  Verhältnisse  ermöglichte,  führe  ich  an 
dieser  Stelle  nur  das  Wesentliche  an,  um  so  mehr,  als  die  inter¬ 
essanten  Einzelheiten  in  rein  pathologisch-anatomischer  Hinsicht 
in  einer  Dissertation  eingehend  beschrieben  werden  sollen. 

Abdomen  der  kräftigen  Leiche  hochgradig  gespannt  und  stark 
vorgewölbt.  Die  oberen  Halsvenen  enthalten  ziemlich  reichlich 
dünnflüssiges  Blut.  In  der  Laparotomiewunde  ein  nach  rechts 
hinüber  verlaufender  Gazetamixm,  trocken  aussehend,  leicht  blutig 
gefärbt.  Muskulatur  des  Thorax  sehr  kräftig,  von  dunkelbraun- 

5 


1346 


MUENCHENER  MEDIClNISCIIE  WOCHEN SCHRIET. 


roter  Farbe.  Die  Dünndarmschlingen  leicht  mit  Blut  belegt, 
Serosa  glatt,  nicht  getrübt,  sämtliche  Darmabschnitte  mit  Aus¬ 
nahme  des  Colon  desc.  mittelstark  gebläht.  Im  kleinen  Becken 
gleichfalls  etwas  Blut,  Am  Herzbeutel  und  über  der  linken 
Zwerchfellkuppel  Sugillationen  von  geringem  Umfang.  Bei  Weg¬ 
nahme  des  Tampons  zeigt  sich,  dass  dieselben  auf  .d5.™  J5SS;® 
Ende  des  Kolon  transv.  und  dem  Netz  aufliegen.  Bei  Weghebung 
des  linken  Leberlappens  vom  ziemlich  stark  geblähten  und  quer¬ 
gestellten  Magen  zeigt  sich  etwas  flüssiges  Blut  und  mehrere 
lockere  Gerinnsel  oberhalb  der  kleinen  Kurvatur.  Vom  untersten 
Teil  des  rechten  Leberlappens,  nach  rechts  von  der  Furche  zieht 
eine  2  Finger  breite  Fett-  und  Bindegewebsplatte  nach  dem  Colon 
transversum.  Bei  Eröffnung  des  grossen  Netzbeutels  zeigt  sicn 
nach  rückwärts  ein  etwa  im  ganzen  faustgrosses,  ganz  weiches, 
mit  flüssigem  But  reichlich  durchsetztes  Cruorgermnsel,  welches 
von  links  oben,  dicht  an  der  kleinen  Kurvatur  nachquillt.  Aus 
dem  Foramen  Winslowii  ragt  nach  recht  ein  ca.  10  cm  langes, 
weiches  Cruorgerinnsel  hervor.  An  der  Rückfläche  des  Duodenums 
ist  das  Bindegewebe  in  geringem  Grade  sugilliert,  ohne  gröbere 
Blutung.  Pankreas  und  Milz  ohne  Besonderheiten.  V .  portae 
Cava  intakt.  An  der  Unterfläche  des  Lobus  Spigeln,  entsprechend 
dessen  vorderem  unteren  Pol  findet  sich  ein  fest  und  breit  aur- 
sitzender,  halbkugelig  gewölbter,  derber  Blutpfropf,  in  dessen  Be¬ 
reich  die  Kapsel  etwa  in  der  Ausdehnung  eines  Pfennigstückes 
fehlt;  nach  Wegnahme  des  Pfropfes  tritt  zerklüftetes,  weiches, 
gelbes  Gewebe  hervor.  Ein  Durchschnitt  dessen  Photographie 
ich  Herrn  Dr.  Petritschek  verdanke,  zeigt  einen  nicht  gai 


Fig.  1. 


Leber.  Der  Schnitt  hat  die  Spitze  des  Lob.  Spigel.  getroffen ,  in  welcher  der 
scharfabgegrenzte ,  gelbliche  Adenomknoten  sitzt.  Die  Stelle  des  dem  Tumor 
auflafremden  Blutgerinnsels  entspricht  dem  Orte  der  geborstenen  Leberkapsel. 
Die  untere  Leberfläche  ist  an  dem  photographierten  Präparate  nach  aufwärts 

gedreht. 


wälschnussgrossen,  kugeligen,  scharf  abgegrenzten,  gelben  Knoten 
von  weicher  Beschaffenheit  mit  ziemlich  zahlreichen  Querschnitten 
kleiner  Gefässe  und  leichter  Rötung  der  oberflächlichen  Partien. 
Leber  im  ganzen  verkleinert,  von  auffällig  grün-braungelber 
Farbe,  leicht  vermehrter  Konsistenz,  die  Oberfläche  mit  zahl¬ 
reichen,  besonders  den  Rändern  und  der  unteren  Fläche  ange¬ 
hörenden  eben  merkbaren  Erhabenheiten.  Schnittfläche  braun¬ 
grün,  mit  ziemlich  unregelmässiger  Zeichnung,  in  welcher  die 
Ac-ini  nirgends  deutlich  sind;  in  den  grossen  Gefässen  teilweise 
flüssiges  Blut,  teilweise  lockere  Gerinnsel,  welche  sich  in  die  Pfort¬ 
ader  fortsetzen.  Gallenblase  ohne  Besonderheiten.  Hinsichtlich 
der  Lungen  lautete  der  Befund  auf  Aspiration  von  Magensaft, 
ausgedehntes  entzündliches  Oedem  und  Hyperämie  der  abhängigen 
Partien  beider  Lungen.  Am  Herz  fand  sich  fettige  Degeneration 
des  Myokards,  subendokardiale  Ekchymosen  des  linken  Ventrikels, 
Adipositas  des  rechten  Ventrikels,  in  der  Aorta  beginnende  End¬ 
aortitis  mit  partieller  Ablösung  der  Intima.  In  der  linken  Niere 
fand  sich  ein  kleiner  Grawitz  scher  Tumor.  Der  Darm  zeigte 
das  Bild  der  chronischen  pigmentösen  Gastroenteritis. 

Sektionsdiagnose:  Blutung  aus  einem  Adenom  des 
Lob.  Spigelii,  Ruptur  der  Leberkapsel,  Hämatom  der  Bui'sa  omen- 
talis,  ikterische  Leber,  im  Beginn  befindliche  Cirrhose,  Peri- 
cliolängitis  subacuta;  Aspiration  von  Magensaft,  ausgedehntes  ent¬ 
zündliches  Oedem  und  Hyperämie  der  abhängigen  Partien  beider 
Lungen,  Fettdegeneration  des  Myokards,  subakute  Ekchymosen 
des  linken  Ventrikels,  Adipositas  des  rechten  Ventrikels,  be¬ 
ginnende  deformierende  Endaortitis  mit  partieller  Ablösung  der 
Intima.  Pigmentmilz,  Grawitz  scher  Tumor  der  linken  Niere, 
chronische  pigmentöse  Gastroenteritis,  Küliotomie,  Resektions¬ 
narbe  am  rechten  Humeralgelenk. 

In  den  Diskussionsbemerkungen  zu  meinen  Ausführungen  im 
ärztlichen  Verein  München  bezeichnete  Herr  Alb  recht  den  Fall 
als  pathologisch-anatomisch  zu  einer  Abart  der  hypertrophischen 
Cirrhose  gehörig,  die  man  vielleicht  passend  mit  dem  Namen  der 
adenomatösen  hypertrophischen  Cirrhose  belegen  könne.  Es  seien 
tlies  solche  Fälle,  in  welchen  die  Bildung  ausgesprochener  Adenome 


besonders  frühzeitig  und  während  der  ganzen  Dauer  der  Krankheit 
ausgesprochen  ist.  Die  Adenombildungen  durften  m  diesen  I  allen 
weniger  auf  pathologische  „Uebertreibung“  der  regenerativen  Pro- 
zesse  im  Drüsengewebe  als  auf  einen  direkten  W  ucherung.  - 
zurückzuführen  sein.  So  war  in  dem  vorliegenden  Falle  die  Cn- 
rhose  noch  in  den  Anfängen,  dagegen  durch  die  ganze  Lebei  hin¬ 
durch  bereits  die  Bildung  multipler  kleiner  Adenome  im  Gang. 
Die  frühzeitige  Entwicklung  eines  so  grossen  und  dabei  ganz  obei- 
Aächlichen  Adenomknotens  im  Lobus  Spigelii  mit  den  beschne- 


Zu  dem  in  pathologisch-anatomischer  Hinsicht,  sowie  m 
seinen  klinischen  Einzelheiten  so  merkwürdigen  Falle,  für  den 
ich  in  der  mir  zugänglichen  Literatur  keinen  Vorgänger  auf¬ 
finden  konnte,  nur  einige  epikritische  Bemerkungen. 

Es  gehört  an  sich  zu  den  selteneren  Ereignissen,  dass  eine 
abdominelle  Blutung  sich  klinisch  unter  dem  Bilde  des  akuten 
Darmverschlusses  darstellt,  wenigstens  soweit  akute  Blutungen 
in  Frage  stehen.  Im  kleinen  Becken  machen  grössere  Häma¬ 
tome,  welche  das  Colon  desc.  oder  die  Elexur  komprimieren,  ja 
häufiger  die  Erscheinungen  der  Darmkompression ;  aber  hier 
handelt  es  sich  dann  um  einen  mehr  oder  weniger  chronischen 
Zustand.  In  unserem  Falle  aber  handelte  es  sich  um  eine  ganz 
akut  einsetzende  Blutung.  Dass  der  klinisch  in  die  Erscheinung 
tretende  Symptomenkomplex  dem  des  akuten  Darmverschlusses 
entsprach,  geht  aus  den  Einzelheiten  der  Krankengeschichte  so 
klar  hervor,  dass  es  hier  nicht  wiederholt  zu  werden  braucht. 
Betrachtet  man  den  Situs  an  der  Leiche,  so  ist  die  Notwendig¬ 
keit  hiezu  auch  sofort  in  die  Augen  springend.  Wird  der  grosse 
Raum  der  Bursa  omentalis  von  einer  sehr  reichlich  sich  ergiessen- 
den  Flüssigkeit  ausgefüllt,  wie  es  in  unserem  Falle  zutraf,  so 
wird  zunächst  der  Magen,  dann  aber  auch  das  Querkolon  von  der 
eintretenden  Kompression  betroffen.  Der  Magen  wird  an  die 
vordere  Bauchwand  angepresst  und  bei  Zunahme  des  abnormen 
Inhaltes  der  Bursa  kann  auch  das  Querkolon  stenosiert  werden, 
wenngleich  dieser  Darmabschnitt  im  allgemeinen  —  es  hängt  dies 
von  der  wechselnden  Länge  seines  Mesenteriums  in  erster  Linie 
ab  _  viel  leichter  nach  abwärts  ausweichen  kann  als  der  Magen 
nach  der  linken  Seite  hin.  Auch  der  zentrale  Teil  des  Zwerch¬ 
fells  wird  einen  Druck  erfahren  müssen,  wenn  die  Flüssigkeits¬ 
menge  in  der  Bursa  eine  gewisse  Spannung  erreicht  haben  wird. 
Die  enormen  Atmungsbeschwerden,  welche  unseren  Fall  m  so 
schrecklichem  Grade  begleiteten  und  in  Form  von  Attacken  auf¬ 
traten,  dürften  wohl  nicht  allein  auf  die  fortdauernde  Blutung, 
sondern  auch  auf  die  Beteiligung  des  Zwerchfelles  an  der  Kom¬ 
pression  zurückzuführen  sein,  zumal  sie  auch  schon  zu  einei  Zeit 
bestanden,  wo  der  Puls  noch  ganz  gut  und  die  Atemnot  daher 
nicht  durch  die  Herzschwäche  bedingt  war.  Eine  Entleerung 
von  Blut  aus  der  Bursa  in  die  freie  Bauchhöhle  brauchte  in  un¬ 
serem  Falle  solange  nicht  zu  erfolgen,  als  das  Niveau  des  Foramen 
Winslowii  noch  nicht  von  der  Oberfläche  des  sich  bildenden  Blut¬ 
tumors  erreicht  war,  der  durch  seine,  zum  Teil  in  Gerinnung 
übergeführten  Bestandteile  zu  einer  Art  natürlicher  Tamponade 
—  freilich  sehr  unvollkommener  Beschaffenheit  —  die  Möglich¬ 
keit  geben  konnte.  Man  kann  sich  auch  vorstellen,  dass  eine  Zeit- 
lang  das  Foramen  dadurch  verschlossen  gehalten  werden  konnte, 
dass  durch  die  immer  mehr  sich  steigernde  Vorwölbung  des  Häma¬ 
toms  dieEingangspforte  zur  Bursa  omentalis,  bekanntlich  eben  das 
Foramen  Winslowii,  ventilartig  abgeschlossen  wurde.  Bei  rechter 
Seitenlage  des  Kranken  konnte  der  Bluterguss  in  die  Bursa,  so¬ 
weit  er  flüssig  gebliehen  war,  sich  früher  und  leichter  in  die 
freie  Bauchhöhle  entleeren,  da  das  Foramen  Winslowii,  zwischen 
Ligament,  hepato-duodenale  und  Ligament,  duodeno-renale  ge¬ 
legen,  von  rechts  her  in  die  Höhle  der  Bursa  hineinführt.  An 
der  Leiche  überzeugt  man  sich  sehr  leicht,  dass  die  Spitze  des 
Lobus  Spigelii,  eben  der  Sitz  des  Adenoms  in  unserem  lalle, 
direkt  in  den  obersten  Teil  des  Bursaraumes  hereinsieht.  Für 
die  Auffindung  und  Stillung  einer  Blutung  liegt  der  Spigel- 
sche  Leberlappen  so  ungünstig  als  nur  möglich,  am  hintersten 
Teile  der  unteren  Leberfläche  und  weit  rückwärts  gegen  die 
Wirbelsäule  hin.  Diese  anatomische  Tatsache  ist  für  unseren 
Fall  auch  in  ätiologischer  Hinsicht  von  Belang.  Es  ist  nämlich 
fast  nicht  denkbar,  dass  ein  Trauma,  ausser  ein  solches,  das  die 
grössten  Zertrümmerungen  gesetzt  hätte,  den  Lobus  Spigelii 
direkt  erreichen  könnte.  In  unserem  Falle  könnte  für  ein 


vorausgegangenes  Trauma  gar  kein  Anhaltspunkt  gewonnen,  wer¬ 
den,  geschweige  für  ein  solches,  dessen  Wirkungen  sich  bis^an 
den  Lobus  Spigelii  hätten  erstrecken  können.  So  muss  die  \  er- 


12.  August  1902. 


aukssung  der  Berstung  der  Leberkapsel  und  der  darauf  einsetzen¬ 
den  tödlichen  Blutung  anderswo  gesucht  werden.  Mit  Rück¬ 
sicht  auf  die  der  Leberoberfläche  so  nahe  Lage  des  kleinen  und 
m  semen  Folgen  so  verhängnisvollen  Tumors  liegt  die  Vor¬ 
stellung  am  nächsten,  dass  durch  das  Wachstum  des  kaum  herz- 
kirschgrossen  Knotens  eine  der  in  der  Leberkapsel  verlaufen¬ 
den  Venen  arrodiert  wurde,  zunächst  ein  kleineres  Hämatom 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1347 


Fig.  2. 

Die  Zeichnung  ist 
dem  anatomischen  At¬ 
las  von  He  nie  entnom¬ 
men.  Der  Magen  ist 
nach  oben  umgeklappt, 
so  dass  die  Bursa  omen- 
talis  in  ganzer  Ausdeh¬ 
nung  frei  liegt.  Im 
Poramen  Winslowii, 
durch  das  eine  Sonde 
eingeführtist,  erscheint 
der  stumpfe  Kegel  des 
Lobus  Spigelii. 


untei  der  Kapsel  entstand,  das  dann  bei  einem  gewissen  Grade  der 
erreichten  Spannung  oder  vielleicht  aus  irgend  einem  zufälligen 
Grunde  barst  und  dann  in  dem  Hämatom  seine  Fortsetzung  fand. 
Schon  ein  starkes  Bücken  und  besonders  Verharren  in  gebückter 
Stellung  kann  diese  verhängnisvolle  Wendung  herbeigeführt 
haben.  Diese  Gelegenheitsursache  lag,  wie  ich  noch  später*  in 
Erfahrung  bringen  konnte,  auch  tatsächlich  bei  meinem  Kranken 
vor.  Es  kann  überraschen,  dass  in  unserem  Falle  nicht  einmal 
die  Diagnose  auf  abdominelle  Blutung  gestellt  wurde.  Die  Sym¬ 
ptome  einer  solchen  traten  jedoch  über  alles  Erwarten  hinter 
dem  Bilde  der  Darmerscheinungen  zurück  und  als  der  Kranke 
schon  auf  dem  Operationstische  lag,  wurde  diese  Möglichkeit 
noch  kaum  m  die  Erörterung  gezogen.  Allein,  wie  erwähnt,  selbst 
wenn  die  Diagnose  auf  Blutung  wenigstens  im  allgemeinen  ge¬ 
stellt  worden  wäre,  hätte  bei  dem  verborgenen  Sitze  der  Quelle 
derselben  das  Leben  des  Patienten  durch  die  Laparotomie  nicht 
gerettet  werden  können. 


Aus  dem  analytischen  Laboratorium  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  zu  Leipzig. 

Zur  Toxikologie  des  Phosphors. 

Von  Dr.  Konrad  Stich. 

Leber  die  Wirkung  des  P  bei  Vergiftungen  sind  verschiedene 
Ansichten  im  Laufe  der  J ahrzehnte,  so  lange  der  P  technisch  be¬ 
nutzt  wird,  ausgesprochen  worden.  Im  wesentlichen  stehen  sich 
die  Ansichten  gegenüber,  dass  Verbindungen  des  P  ihre  giftige 
Wirkung  auf  den  Organismus  äussern  und  dass  der  P  in  Sub- 
stanz. Wirke.  Die  letztere  Ansicht  ist  bereits  von  Herrn  a  n  n  l) 

-f'Yn  Gemeinschaft  mit  Brunner  auf  Grund  von  eingehen¬ 
den  Untersuchungen  ausgesprochen  worden. 

Die  Annahme,  dass  Verbindungen  des  P  die  Wirkung  bei 
Vergiftungen  veranlassen,  ist  allgemein  damit  bekämpft,  dass  die 
xydationsprodukte  des  P,  die  unterphosphorige  Säure,  die  phos- 
P  orige  Saure  und  Phosphorsäure  in  so  kleinen  Quantitäten,  wie 
Sie,.1J  ya£e  kommen  können,  den  menschlichen  Organismus  nicht 
g  9.  i  en.  Jaksch  )  sagt  in  seinem  Werk  über  Vergiftungen, 
aast»  es  sich  im  wesentlichen  bei  der  Phosphorvergiftung  um  eine 
auretoxikose  des  P  handele,  d.  h.  um  einen  Prozess,  bei  dem 
eure  Einwirkung  des  Giftes  aus  dem  Eiweissmoleküle  vor¬ 
wiegend  saure  Produkte  abgespalten  werden. 

Eine  Reihe  von  Untersuchungen,  die  ich  über  das  Verhalten 
es  F  zum  Sauerstoff  und  Terpentinöl  angestellt  habe,  scheinen 

2  ^erIin*  klin-  Wochenschr.  3870,  pag.  400. 

S.  io7  °  t  h  11  a  g  e  1:  Pathologie  und  Therapie.  I.  Vergiftungen. 


mir  geeignet,  die  Art  der  Wirksamkeit  dieses  bekannten  Anti¬ 
dotums  dem  theoretischen  Verständnis  näher  zu  bringen  und  da¬ 
mit  auch  den  Mechanismus  der  P-Wirkung  selbst.  Ich  bin  da¬ 
durch  zu  der  Annahme  hingeleitet  worden,  dass  P  im  Organismus 
als . Sauerstoff ubertrager  zur  Geltung  kommt  und  als  solcher  die 
toxikologischen  Erscheinungen  herbeiführt.  Er  beeinflusst  nach 
seinem  Charakter  den  normalen  Verlauf  der  Oxydation  ohne 
zunächst  selbst  oxydiert  zu  werden.  Die  normale  Sauerstoff¬ 
ubertragung  wird  von  ihm  in  andere  Bahnen  geleitet,  wodurch 
Verkettungen  veranlasst  werden,  die  in  den  pathologischen  Zu¬ 
standen  gewisser  Gewebe  ihren  Ausdruck  finden.  Diese  Hypothese 
ist  gestützt  erstens  durch  die  Tatsache,  dass  selbst  die  stärksten 
Oxydationsmittel,  die  wir  kennen,  z.  B.  Chlor  in  statu  nascendi, 
Lrom,  rauchende  Salpetersäure,  Jod  in  Jodkaliumlösung  und 
reiner  Sauerstoff  nicht  im  Stande  sind,  P-Dämpfe,  wie  sie  bei  dem 
Mitscherl  ic  h’schen  P-Nachweis  entstehen,  höher  als  zu  40 
bis  50  Proz.  zu  oxydieren,  das  wurde  von  Fraenkel3)  und 
mir4)  mit  Sicherheit  dargetan.  Auch  haben  meine  scharf 
quantitativ  angestellten  Versuche5 *)  positiv  dargelegt,  dass  P, 
wenn  er  verdünnt  in  Lösung  gehalten  wird,  1:1000  und  weiter¬ 
gehend  sehr  schwer  von  02  attackiert  wird.  Die  Lösungen  bleiben 
monatelang  unverändert. 

Einen  zweiten  Beweis  für  meine  Theorie  erblicke  ich  in  den 
Beziehungen  des  P  zu  den  Terpenen.  Ein  seit  einigen  Jahr¬ 
zehnten  bei  P-Vergiftungen  angewandtes  Antidot  ist  das  ozoni¬ 
sierte  Terpentinöl. 

Man  hat  sich  bisher  von  der  Wirkung  des  ozonisierten  Ter¬ 
pentinöls  bei  der  Phosphorvergiftung  die  Vorstellung  gemacht, 
dass  durch  Zusammentritt  der  beiden  Agentien  eine  wenig  giftige 
\  erbindung,  die  terpentinphosphorige  Säure  entsteht. 

Zumeist  ist^ diese  Annahme  gestützt  auf  die  Ergebnisse  der 
Arbeiten  von  Köhler  und  Buse  h,  wonach  der  P  mit  den 
Terpenen  eine  Verbindung,  die  sogen,  terpentinphosphorige 
Säure  ),  eingehen  soll.  Diese  terpentinphosphorige  Säure  stellten 
sie  durch  Erwärmen  von  farblosem  P  mit  Terpentinöl  her.  In 
den  zur  Aufbewahrung  der  Lösung  benutzten  Erlenmeyer- 
siben  Haschen  schied  sich  allmählich  eine  spermacetiartige 
Masse  ab,  die  sich  unter  dem  Mikroskop  als  ein  Gefüge  erwies, 
das  mit  der  Anordnung  von  Tannennadeln  Aehnlichkeit  hatte,  in¬ 
dem  sich  an  eine  Achse  feine  Nadeln  in  senkrechter  Richtung 
und  in  gleichen  Abständen  von  einander  ansetzten,  die  wiederum 
mit  senkrechtstehenden  gleichen  Nadeln  behaftet  waren.  Die 
Verbindung  des  P  mit  der  Terpengruppe  (C10  HJ  des  Terpentin¬ 
öles  wurde  von  Busch  nur  durch  die  quantitative  Messung  des 
P  festgestellt.  Köhler  sagt  in  seiner  erwähnten  Arbeit  in  Be¬ 
zug  auf  die  ausgeführten  Elementaranalysen,  dass  die  Diffe¬ 
renzen  im  Gehalt  an  C,  H  und  P  so  gross  waren,  dass  sich  kaum 
eine  empirische  Formel  aus  der  Elementaranalyse  aufstellen  liess; 
so  dass  er  zu  der  Annahme  geführt  wurde,  dass  sich  der  P  in  der 
Substanz  anfangs  in  einer  niedrigen  Oxydationsstufe  befinde, 
die  allmählich  in  eine  höhere  übergeht,  wonach  der  Gehalt  an  C, 

H  und  P  variiert.  Busch  fand  in  Uebereinstimmung  mit  einem 
von  Prof.  Dragendorf f  ausgeführten  Kontrollversuch,  dass 
der  P-Gehalt  der  terpentinphosphorigen  Säure  in  der  Mass- 
analyse  16,5  Proz.,  in  der  Gewichtsanalyse  16,17  Proz.  ausmachte. 
Köhler  fand  8,4  Proz.  P,  J.  Fort 7 8)  16,85  Proz.,  Rommelaere’) 
9,74  Pioz.  Nach  diesen  Analysen  ist  weder  von  einer  konstanten 
chemischen  Verbindung,  noch  von  einer  Verbindung  überhaupt 
von  P  und  Pinen  dem  Hauptbestandteil  des  Terpentinöls  zu 
reden.  Meine  Beobachtungen  führen  zu  der  Behauptung,  dass  die 
früher  dargestellte  spermacetiartige  Masse,  die  sich  aus  kon¬ 
zentrierter  Phosphorterpentinöllösung  abgeschieden  hat,  aus 
reinen  P  - Kristallen  besteht. 

Dieselben  Kristalle,  die  bisher  als  terpentinphosphorige 
Säuren  bezeichnet  wurden,  erhält  man  auch  aus  anderen 
Lösungen  des  P,  aus  Benzol,  aus  Mandelöl  und  anderen  fetten 

3)  Pharm.  Post  1901,  No.  10. 

4)  Wien.  klin.  Wochenschr.  Bd.  14,  No.  8. 

5)  Pharm.  Ztg.,  No.  58,  pag.  567. 

°)  Köhler:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1870,  pag.  3,  56, 

64,  69.  —  Busch:  Experimentelle  Versuche  über  die  Wirkung 
des  lerpentins  als  Ahtidot  bei  der  akuten  Phosphorvergiftung 
Inaug.-Dissert.,  Riga  1892. 

7)  J.  Fort:  Diss.  des  combinaisons  cliimiques  du  Phosphore 

et  de  l’essence  de  Terebenthine.  Sceaux  1881,  pag.  13 _ 25. 

8)  Schmidts  Jahrbücher  Bd.  154,  1872,  pag.  19. 


5* 


1348 


JfTJENCHENER  MEDIOINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  32. 


Oden  wenn  dev  P  konzentriert  gelöst  ist.  Sie  werden  erhalten 
n„'  der  kalten  konzentrierten  Benzollösung  beim  Verdunsten, 
ii„d  aus  den  bei  50— 60"  mit  P  gesättigten  Oellosungen beim  Ei 
atoi  Aus  den  Oellosungen  scheiden  -h  neben  den  Knrtallen 
auch  durchsichtige  Tropfen  von  ab.  Diese  Tropf en  beh,nien 
sieh  in  metastabilem  Zustande ")  oder  sie  sind  ™ter“tet' 
Berührung  mit  einer  Nadel  erhalten  die  Tropfen  kristallinische 
Strnl-iur  wie  sie  auch  in  den  käuflichen  Stangen  vorhegt. 

Die  erhaltenen  Kristalle  sind  Wachst, imsformen  (Skelette  Ver¬ 
zerrungen)  des  Khombendodelmeters  entweder  m  I  innen  ad 
fbriu  "I  wie  sie  früher  beschrieben  wurde  und  sie  liier  in  Ab¬ 
bildung  1  (1:  230)  mik, '»photographisch  wiedergegeben  ist  oder  es 


Abbildung  1. 

sind  tafelförmige  Wachstumsformen  des  Rhombendoddkaeters, 
wie  in  Abbildung  2.  Auch  büschel-  und  federformige  Efflores- 


beschriebenen  nadelförmigen  Wachstumsform  erkennen.  Bei  der 
Aufbewahrung  geht  die  Kristallisation  obrf»*- 

lieh  in  die  gelbe  Polymere  über,  ebenso  die  unterkalteten  Tropfen, 
die  ausserdem  lamellenartige  Abtrennung  erkennen  lassen  (vergl. 

Eit-  2).  Eine  weitere  chemische  und  knstallographische  e  an  - 
lung  wird  an  anderer  Stelle  erfolgen.  Die  Annahme,  dass  in  der 
früher  beschriebenen  spemiacetiartigen  Kristallmasse  einej Ver¬ 
bindung  des  P  mit  Pineii  vorliegt  ist  damit  zu  erklären  dassl 
beim  Verdunsten  aus  einer  Terpentmollosnng  ausknstallisiert,  das 
durch  ihn  ozonisierte  Oel  firnissartig  die  Kristallisation  bedeckt 
und  schwer  von  ihnen  zu  trennen  ist.  Die  \  erharzung  dei  T 
pene  durch  P  ist  längst  bekannt1’)  und  m  der  Technik  zur  Hei- 
stellung  des  ozonisierten  Terpentinöls  verwandt.  .. 

Der  P  verdampft  aus  Terpentinöllösungen  ausserst  schwer 
und  oxydiert  sich  darin  sehr  langsam.  Bereits  L  e  t  h  e  b  y  ) 
machte  die  Beobachtung,  dass  mit  Terpentinöl  befeuchteter 
die  Fähigkeit  im  Einstern  zu  leuchten  eanbusst  imd  empfahl 
daher  den  Arbeitern  in  Zündholzfabriken,  genanntes  e  m 
kapseln  auf  der  Brust  zu  tragen,  um  der  Entstehung  der 
P -Nekrose  bei  ihnen  vorzubeugen.  Eingehender  wurde  die  Frage 
behandelt  1898  auf  Veranlassung  der  englischen  Regierung,  die 
Erhebungen  über  alle  wichtigen  Punkte  der  Zundholzindustrie 
von  einer  besonders  dazu  eingerichteten  Kommission  anstellen 
liess  ”).  Neuerdings  empfahl  Schweis  Singer  Lunonen- 
dampf  zur  Haltbarkeit  des  Phosphors  in  Oelen  was  jede^aUs 
nach  den  vorigen  Beobachtungen  zu  billigen  ist  ).  Die  Ko 
mission  stellte  nach  chemischer  Seite  hin  fest,  dass  Terpentinöl 
die  Oxydation  und  Verdunstung  des  Phosphor  verhindert. 

Der  durch  Vermittlung  von  Phosphor  dem  Terpentinöl  an¬ 
gelagerte  Sauerstoff  wird,  wie  hier  ausgeführte  Versuche  erge  en 
haben,  nicht  zur  Oxydation  von  Phosphor  benutzt  ).  Die 
einem  gefüllten  Druckfläschchen  bei  37  ’  tagelang  bei  Seite  ge 
«teilte  Phosphorlösung  veränderte  den  Phosphorgehalt  nie  i  . 

Da  ozonisiertes  Terpentinöl  tatsächlich  nach  den  reichlich 
vorliegenden  zuverlässigen  klinischen  Beobachtungen  als  Antidot 
bei  Phosphorvergiftungen  brauchbar  ist,  so  ist  die  Möglich  mi 
nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  der  angelagerte  Sauerstoff 
die  normal  vorhandenen  O-Valenzen  deckt  und  die  Oxydations- 
Vorgänge  ermöglicht,  welche  durch  die  Anwesenheit  von  Phosphor 
abgelenkt  werden  oder  es  wird  eine  durch  Phosphor  veranlagte 
Steigerung  des  Sauerstoff eingriff es  oder  Aktivierung  desselben 
gebremst.  Durch  die  Anwesenheit  von  Phosphor  können 
die  auch  ohne  ihn  stattfindenden  Reaktionen  in  lhre*  Ge¬ 
schwindigkeit  geändert  werden,  nach  Art  der  Wirkung  der  Kata- 
Ivsatoren,  wie  sie  von  Ostwald  definiert  wurde  ). 

'  Wenn  die  vorstehende  Betrachtung  auch  einen  kausalen 
Zusammenhang  der  zerstörenden  Wirkung  des  Phosphors  im 
Organismus  und  der  Beeinflussung  dieser  durch  zugegebenes 
ozonisiertes  Terpentinöl  noch  nicht  bietet,  so  durfte  doch  die  eine 
Frage  sicher  entschieden  sein,  dass  Phosphor  unverändert  den 
Chemismus  in  den  tierischen  Organen  beeinflusst  und  dass  der 
normale  Verlauf  der  chemischen  Vorgänge  nach  den  vorerst  be¬ 
sprochenen  Richtungen  teilweise  wenigstens  durch  ozonisierte* 
Terpentinöl  rehabilitiert  wird,  indem  durch  das  Oel  eine  Be¬ 
schränkung  der  Phosphorverdunstung  eintritt  und  der  Nachschub 
vom  Magendarmkanal  aus  für  die  Gewebe  unbedeutend  wird. 
Bildung  einer  terpentinphosphorigen  Säure,  von  der  übrigens 
auch  in  der  neuesten  Auflage  des  Beilstein  nichts  zu  lesen 
ist,  kann  nicht  erwartet  werden. 


Zur  cystoskopischen  Technik. 

L  Dr.  Felix  Schlagintweit,  Spezialarzt  für  Harn- 
kranke,  in  München-Bad  Brückenau. 

In  No.  28  dieser  Wochenschrift  teilt  uns  G  old  be  rg  einiges 
seinen  cystoskopischen  Erfahrungen  mit.  Kh  ^m  mit  aiku 
fUhnmgeu  des  geschätzten  Kol  egen  emveretanden  te  aut 


Abbildung  2. 

zenzen  mit  fein  gesägten  Fäden,  erinnernd  an  die  Eüsse  gewisser 
Käfer  (Maikäfer),  kann  man  frei  oder  an  den  Ecken  der  früher 


O  s  t  w  a  1  d :  Chemie  II, 


»)  Heber  diesen  Zustand  vergleiche 

1.  Chem.  Energie,  pag.  516,  1087.  .  Wa,__ 

10)  Die  gleichen  Skelette  zeigen  das  Magneteisen  in  dei  Natm 

und  Fe„  ö4  eingeschlossen  in  Hochofenschlacken. 


Liebigs  Annalen  der  Chemie  und  Pharmacie. 


5. 


u)  Jon  a  s: 

34,  pag.  238. 

12)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1870,  pag 
»)  Aerztl.  Saehverständigenztg.  1901,  pag.  10J. 

»)  Pharm.  Centralhalle  1902,  No.  19,  vorausgesetzt,  dass  die 

Wirkung  nicht  alteriert  wird. 

i6)  vergleiche  dessen  Vortrag  über  Katalysatoren,  gehalten  bei 
73.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aeiz  e. 


12.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINI SCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1349 


sogvii.  K  a  thetercyst'oskope  ungeeignet  seien,  weil  es 
nämlich  durch  die  zu  schnelle  Entleerung  der  Blase  durch  den 
weiten  Kanal  zu  schnellen  Druckschwankungen  komme,  und  die 
nicht  ganz  vermeidbare  Erschütterung  beim  Herausnehmen  des 
Spiilmandilns  und  das  Einführen  des  Lichtmandrins  zu  mecha¬ 
nischen  Reizungen  der  Blase  führe.  Beides  begünstige  die  Blutung. 
G  oldberg  empfiehlt  hingegen  das  „Irrigationscystoskop“,  dessen 
Spülkanal  zwar  eng.  aber  zum  Flüssigkeitswechsel  genügend  sei 
Die  Hauptsache  bleibe  immer  die  vorbereitende  Kathoterspiilung 
das  Spülcystoskop  müsse  nur  nachhelfen. 

Ich  glaube  kaum,  dass  G  o  1  d  b  e  r  g‘  dazu  gekommen  wäre, 
das  Irrigationscystoskop  vorzuziehen,  wenn  er  mein  verbessertes' 
1901  im  Centralblatt  für  die  Krankheiten  der  Harn-  und  Sexual¬ 
organe  S.  79  publiziertes,  von  Heyne  mann  in  Leipzig  <*-e- 
fertigtes  Katheter  cystoskop  gehabt  hätte.  Gerade  darin 
dass  bei  diesem  Instrument  die  Aufklärung  der  Blase  ohne  vor¬ 
herige  Katheterspülung  erfolgt,  wird  die  Störung  durch  die  Blu¬ 
tung  geringer,  da  eben  nur  e  i  n  Instrument  eingeführt  wird.  Die 
Füllung  und  Entleerung  der  Blase  kann  vom  tropfenweise n 
/j  u  1  1  u  s  s  bis  zum  stärksten  Strahle  in  jedem  Momente 
unterbrochen  und  wieder  von  neuem  versucht  werden.  Druck¬ 
schwankungen,  auch  der  leisesten  Art,  sind  vollständig  aus¬ 
geschlossen.  Ich  kann  mich  an  dieser  Stelle  nicht  auf  eine  Schil¬ 
derung  der  Konstruktion  des  Instrumentes  einlassen,  welche  am 
zitierten  Orte  und  aus  meiner  Monographie:  Prostatahyper¬ 
trophie  und  Bottinische  Operation,  1902,  bei  Georg 
rr  h  i  e  m  e,  zu  ersehen  ist,  sondern  möchte  nur  bemerken,  dass 
gerade  die  von  Goldberg  an  dem  Kathetercystoskop  gerügten 
Nachteile  bei  meinem  Instrument  vollständig  von  vornherein, 
und  zwar  s  c  h  o  n  durch  die  Ko  n  s  truktion  vermieden 
sind,  und  nicht  etwa  durch  eine  besondere  geschickte  Handhabung 
seitens  des  Operateurs  vermieden  werden.  Das  Erhaschen  jenes 
Momentes,  in  welchem  die  fortschreitende  Blutung  eben  noch  ein 
Erkennen  von  Details  in  dem  mit  jedem  Augenblick  trüber 
werdenden  Blaseninhalt  zulässt,  ist  mit  keinem  der  bis  jetzt  be¬ 
kannten  anderen  Cystoskope  sicherer,  plötzlicher  und  schonender 
möglich.  Ich  erinnere  mich  deutlich  eines  Blasenkarzinomes, 
dessen  Sitz  dicht  über  dem  Orifieium  intern,  vor  der  Operation 
nur  durch  die  Anwendung  meines  Instrumentes  zu  ermitteln 
war,  da  Aufklärung  und  Besichtigung  wegen  der  starken  Blutung 
in  2 — 3  Sekunden  auf  einander  folgen  musste. 

Nahezu  400  cystoskopiselie  Untersuchungen  sind  bis 
jetzt  von  mir,  teils  in  meiner  Brückenauer  Klinik,  teils 
in  München,  teils  in  Paris  und  Hamburg,  in  ununter¬ 
brochener  Reihenfolge  und  ausschliesslich  mit  meinem  Ka¬ 
thetercystoskop  gemacht  worden.  Nur  zweimal  bei  Steinblasen, 
welche  keinen  Tropfen  Flüssigkeit  ertrugen,  kam  ich  nicht  zur 
Besichtigung.  Niemals  habe  ich  Kokain  oder  irgend  ein  anderes 
Lokalanästhetikum  benützt,  sondern  alle  Schwierigkeiten  durch 
subtile  Einführung  und  durch  die  von  der  Konstruktion  des  In¬ 
strumentes  bedingte  Schnelligkeit,  Sicherheit  und  Zartheit  des 
Arbeitens  überwunden.  Niemals  haben  unsere  Cystoskopien  ge¬ 
schadet.  Auch  bei  unseren  Prostatahypertrophien  haben  wir  aus¬ 
schliesslich  mein  Kathetercystoskop  verwendet,  und  zwar  in  einer 
Häufigkeit,  die  sich  bei  diesen  difficilen  Kranken  nur  durch  die 
leichte  und  schonende  Technik  rechtfertigen  lässt.  (Näheres  hier¬ 
über  in  der  oben  zitierten  Monographie.)  Einstimmig  mit  meinen 
Erfahrungen  äussern  sich  mehrfache  Zuschriften  und  Demon¬ 
strationen  anderer,  besonders  englischer,  französischer  und  hol¬ 
ländischer  Kollegen  (Löwe  n  h  a  r  d  t  -  Breslau  ,  Hanken- 
Ilaag,  MacLaren  -  Edinburgh,  R  a  f  i  n  -  Lyon),  welche  mein 
Kathetercystoskop  gleich  mir  fast  ausschliesslich  verwenden.  Das 
Irrigationscystoskop  mit  den  separat  eingebauten  Kanälen  ist 
heute  ein  nicht  mehr  entsprechendes  Instrument  und  von  den  ein¬ 
fachen  Cystoskopen  benütze  ich  nur  das  Kindercystoskop,  weil  es 
sich  am  dünnsten,  bis  herab  zu  16  Charriere  herstellen  lässt.  Ich 
betone  nochmals:  Die  Universalität  meines  Instrumentes  beruht 
njcht  auf  der  Geschicklichkeit  des  Untersuchers,  sondern  auf  seiner 
Konstruktion,  deren  kleinste  Einzelheiten  in  7  jähriger,  intensivster 
Praxis  und  Arbeit  ausgebildet  wurden.  Man  darf  wohl  verlangen, 
(lass  uns  zu  einer  so  subtilen  Untersuchungsmethode,  wie  es  die 
Cystoskopie  ist,  auch  Instrumente  zur  Verfügung  stehen,  welche 
das  Aeusserste  an  Bequemlichkeit  für  den  Opera¬ 
teur,  die  grösste  Schonung  für  die  Patienten 
und  die  meisten  Garantien  für  die  sichere  Er¬ 
reichung  eines  Untersuchungsresultates  bieten, 
ohne  eine  besondere  technische  Begabung  vorauszusetzen.  Man 
sollte  aber  nicht,  wie  es  von  manchen  Seiten  geschehen  ist.  über 
derartige,  erfolgreiche  Verbesserungen  einer  Technik  mit  Bemer¬ 
kungen  hinweggehen,  dass  man  bei  gehöriger  Uebung  auch  mit 
den  gewöhnlichen,  alten  Instrumenten  auskomme. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig. 

Ueber  den  Intentionskrampf  der  Sprache,  die  sogen. 

Aphthongie. 

Antwort  auf  Herrn  Dr.  Beckers  Kritik  meiner  Ausführungen 
in  Ko.  27  dieser  Wochenschrift. 

Von  Dr.  IL  Ste  inert,  Assistenten  der  Klinik. 

Herr  Dr.  Becker  hat  meine  Ausführungen  über  den  In¬ 
tentionskrampf  der  Sprache  einer  Kritik  unterzogen,  ohne,  wie  ich 
leider  glauben  muss,  den  Kernpunkt  meiner  differcntialdiagnosti- 
schen  Erwägungen  erkannt  zu  haben. 


Herr  Dr.  Becker  meint,  es  bestehe  nur  ein  gradueller  Unter¬ 
schied,  wo  ich  einen  wesentlichen  angenommen  habe.  Es  sei 
falsch,  wenn  ich  behaupte,  dass  ein  K rampf v orga n g,  der  vor  Ein¬ 
tritt  in  die  Bildung  des  ersten  Lautes  ablaufe,  prinzipiell  ver¬ 
schieden  von  jener  anderen  Störung  sei,  die  erst  eintrete,  wenn 
der  Artikulationsakt  begonnen  habe,  so  dass  nicht  sein  Eintritt, 
sondern  seine  Abwicklung  verzögert  werde.  Das  erste  stelle  nur 
einen  höheren  Grad  des  zweiten  dar.  Es  sei  unrichtig,  nur  den 
zweiten  Vorgang  als  Stottern  zu  bezeichnen  und  den  ersten  von 
ihm  abzutrennen. 

Das  wäre  plausibel,  wenn  Herr  Dr.  Becker  ein  zweites,  von 
mir  betontes,  mit  dem  ersten  unmittelbar  zusammenhängendes 
Unterscheidungsmoment  entkräftet  hätte.  Ich  sagte:  Der  Krampf 
bei  der  Aphthongie  ist  seiner  Form  nach  Unabhängig  von  dem 
auszusprechenden  Buchstaben.  Beim  Stottern  dagegen  wechselt 
die  Form  des  Krampfes  je  nach  dem  zu  bildenden  Laute,  sie 
scliliesst  sich  dem  Lautbildungsprozess  eng  an,  sieht  in  ihren 
u  esentlichen  1  eilen  ganz  anders  aus,  wenn  etwa  p,  als  wenn  a 
gesprochen  werden  soll,  ln  dieser  Auffassung  stehe  ich  auf  dem 
Boden  der  besten  wissenschaftlichen  Kenner  des  Stotterns.  Hören 
wir,  wie  z.  B.  Kuss  m  a  u  1  ’)  die  Bildung  der  Explosivlaute  beim 
Stotternden  schildert:  „Er  scliliesst  je  nach  der  Natur  des  auszu¬ 
sprechenden  Buchstabens  diese  oder  jene  Verschlusstelle  des 
Mundkanals  wie  ein  wohlsprechender  Mensch“.  Eben  in  diesem 
Sinne  sage  ich,  der  Stotternde  tritt  in  die  Bildung  des  Lautes  ein. 
Nun  geht’s  nicht  weiter.  Der  Stotterer  „verweilt“  auf  dem  Buch¬ 
staben.  Er  kann  ihn  zunächst  nicht  herausstossen,  darin  schildert 
Dr.  Becker  durchaus  richtig,  und  auch  das  weiss  ich  wohl,  dass 
man  in  solchen  Momenten  vielfach  nicht  erkennen  kann,  welcher 
Laut  kommen  soll.  Ist  er  aber  endlich  herausgebracht,  so'  ver¬ 
mag  sich  der  Beobachter  zu  überzeugen,  dass  die  Krampfbewe¬ 
gung.  die  die  „Explosion“  verhinderte,  im  wesentlichen  dieselbe 
war,  die  Patient  zur  normalen  Bildung  des  Lautes  gebraucht  hätte, 
nur  dass  sie  nicht  mit  gewohnter  Leichtigkeit,  sondern  unter 
krampfhafter  Spannung  verlief.  Der  Beginn  des  Krampfes  be¬ 
deutete  also  gleichzeitig  den  Eintritt  in  den  Artikulationsvorgang. 
Nur  dessen  Ablauf  wurde  beeinträchtigt.  Genug.  Ein  unerläss¬ 
liches.  das  Stottern  als  solches  kennzeichnendes  Moment  ist  das 
Variieren  des  Krampf  Vorgangs  je  nach  dem  zu  bildenden  Laut, 
das  Verweilen  auf  dem  Buchstaben.  Von  den  seltenen,  mit  Aph¬ 
thongie  nicht  zu  verwechselnden  Fällen  reinen  Athmungsstottems 
abgesehen,  dürfen  wir  also  nicht  von  Stottern  reden,  wo  jenes 
Moment  fehlt.  Mein  Patient  stotterte  eben  nicht. 

Wie  der  von  mir  geschilderte  Vorgang  eines  stereotypen,  die 
Lautbildungsvorgänge  in  ihrem  inneren  Verlauf  nicht  störenden, 
nur  sie  als  ganzes  aufschiebenden  Krampfes  sich  durch  graduelle 
Steigerung  aus  einem  bunten  Komplex  von  vei’schiedenen,  ihrem 
Wesen  nach  den  inneren  Verlauf  der  Lautbildungsprozesse  stören¬ 
den  Krampf  Vorgängen,  aus  dem  Stottern,  entwickeln  kann,  möge 
Herr  Dr.  Becker  logisch  demonstrieren. 

Stotterer  können,  wie  ich  selbst  hervorhob,  Mitbewegungen 
zeigen,  die  den  Krämpfen  meines  Kranken  ausserordentlich  ähn¬ 
lich  sind,  aber  eben  als  etwas  begleitendes,  das  Wesen  des  Stotterns 
nicht  ausmachendes,  sowenig  mein  Kranker  durch  diese  Be¬ 
wegungen  als  Stotterer  charakterisiert  wird.  Uebrigens  hätten 
schon  seine  eigentümlichen  Zungenkrämpfe,  das  regellose  Schnal¬ 
zen  und  Drehen  der  Zunge,  Herrn  Dr.  Becker  bei  seiner  Dia¬ 
gnose  stutzig  machen  können. 

Bezüglich  meines  angeblichen  weiteren  Irrtums,  dass  den 
meisten  Stotterern  p  leichter  falle  als  b,  verweise  ich  Herrn 
Dr.  Becker  auf  die  Ausführungen  Gutz  m  a  n  n  s 2).  Diesem 
Autor  wird  er  mangelhafte  Kenntnis  des  Stotterns  nicht  vorwerfen 
können. 

Die  hysterische  Stigmata  habe  ich,  wie  Herr  Dr.  Becker, 
für  die  Frage  der  Aphthongiediagnose  als  belanglos  betrachtet. 
Ebensowenig  kommen  aber  Aetiologie  und  therapeutischer  Effekt 
dabei  in  Betracht. 


Zum  Schwinden  der  Patellarreflexe  bei  Pneumonie. 

(\  ergl.  den  betr.  Artikel  von  M.  Pfaundler  in  der  Münch, 
med.  Wochensichr.  vom  22.  Juli  1902.) 

Von  Dr.  H  u  g  o  L  ü  t  h  j  e, 

Oberarzt  der  medizinischen  Klinik  zu  Greifswald. 

Es  ist  vielleicht  gestattet,  im  Anschluss  an  die  Pfaundler- 
sclien  Beobachtungen  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  nach 
den  Erfahrungen  unserer  Klinik  die  Patellarreflexe  bei  Pneumonie 
sehr  häufig  fehlen,  und  zwar  bei  Kranken  jeglichen 
Alters,  bald  nur  einseitig,  bald  doppelseitig.  In  der  Regel  geht 
dem  völligen  Verschwinden  der  Patellarreflexe  ein  von  Tag  zu 
Tag  konstatierbares  Schwächerwerden  derselben  vorauf. 

Irgend  welche  festere  Beziehungen  zwischen  dem  Auftreten 
des  We  s  t  p  li  a  1  sehen  Zeichens  einerseits,  und  der  Schwere  des 
Infeuts,  der  Höhe  des  Fiebers  oder  dem  Zeitpunkt  der  Pneumonie¬ 
erkrankung  anderseits  sind  uns  durchaus  nicht  aufgefallen;  ich 
habe  im  Gegenteil  den  Eindruck,  dass  es  mit  diesem  Symptom  wie 
mit  vielen  anderen  Komplikationen  oder  Nachkrankheiten  akuter 
Infekte  ist:  scheinbar  treten  sie  ganz  launisch  auf,  womit  natürlich 
nicht  gesagt  sein  soll,  dass  nicht  doch  irgend  eine  Gesetzmässigkeit 


9  Störungen  der  Sprache,  Ziemssens  Handbuch. 
-)  Artikel  Stottern  in  Eulenburgs  Realencyklopädie. 


1350 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


vorlieet.  Aber  die  inneren  Ursachen,  warum  die  Patellarreflexe 
in  einem  Fall  erhalten  bleiben,  in  einem  anderen  schwinden,  schei¬ 
nen  mir  nicht  so  grobsinnlich  zu  sein,  wie  Pfaundler  meint. 

Die  differentialdiagnostische  Verwertbarkeit  des  Fehlens  der 
Patellarreflexe  bei  Pneumonie  gegenüber  anderen  akuten  Infek¬ 
tionskrankheiten  möchte  ich  vorderhand  bezweifeln:  man  findet 
gar  nicht  selten  bei  allen  möglichen  akuten  Infektionskrankheiten 
zeitweiliges  Fehlen  des  Kniephänomens.  ...  „  .  . 

Für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  es  sich  bei  dem  Schwin¬ 
den  der  Patellarreflexe  bei  Pneumonie  um  eine  peripher  oder 
zentral  wirkende  Schädlichkeit  handelt,  haben  unsere  Beobach¬ 
tungen  keine  Anhaltspunkte  geliefert. 


Bemerkungen  zum  Artikel  „Untersuchungen  über  Physiologie 
und  Pathologie  der  Ureteren-  und  Nierenfunktion  mit  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  verdünnenden  Nierentätigkeit  nach 

Flüssigkeitszufuhr. 

(Münch,  med.  Wochensclir.  No.  29.) 

Von  Dr.  G.  Kövesi  und  Dr.  W.  Roth-Schulz. 

In  dieser  Arbeit  beantragt  Fr.  Straus  zum  weiteren  Aus¬ 
bau  der  funktionellen  Nierendiagnostik  die  Anwendung  der  er¬ 
höhten  Flüssigkeitszufuhr  und  die  Beobachtung  der  Verände¬ 
rungen  in  der  Verdünnungssekretion  bei  physiologischen  und 
pathologischen  Zuständen  der  Nieren,  ohne  aber  die  früheren i  dies¬ 
bezüglichen  Arbeiten  berücksichtigt  zu  haben.  Obzwai  Pf™n1Jts- 
ansprüche  im  allgemeinen  so  ziemlich  unerspnesslich  sind,  sin 
wir  nichtsdestoweniger  zur  Richtigstellung  der  Tatsachen  genötigt 
anzuführen,  dass  der  Verdünnungsversuch  durch  unsere  Unter¬ 
suchungen  in  die  funktionelle  Nierendiagnostik  eingefukit  wurde. 

Schon  im  Jahre  1900  erschien  in  der  Berl.  klin.  Wochenschr. 
unsere  Arbeit  „Ueber  Störungen  der  wassersezer- 

nierenden  Tätigkeit  diffus  erkrankter  Nieren  , 

in  welcher  wir  die  Abweichungen  der  Verdünnuugssekretion  bei 
diffusen  Nierenkrankheiten  ausführlich  behandelten  und  deren 
Ergebnisse  auch  von  mehreren  Forschern  nachgepruft  und  bestätigt 
wurden;  ja  selbst  in  derselben  Nummer  der  Munch,  med.  Wochen¬ 
schrift  werden  unsere  Arbeiten  von  Bohnke  in  seinem  Voitiage 
angeführt.  Im  April  dieses  Jahres  erschien  von  Kovesi  und 
Illy  es  ebenfalls  in  der  Berl.  klin.  Wochenschr.  eine  Aibeit 
Der  Verdünnungsversuch  im  Dienste  der  tun  - 
ti  on  eilen  Nierendiagnostik“,  in  welcher  der  Verdun- 
nungsversueh,  verbunden  mit  dem  Ureterkatheterismus  bei  chi¬ 
rurgischen  Krankheiten  angewendet  wurde.  _  . 

4.11  diese  Arbeiten,  welche  doch  in  einer  an¬ 
gesehenen  und  vielgelesenen  medizinischen 
Wochenschrift  erschienen  sind,  beweisen  un- 
umstösslich,  dass  die  Fl  ü  s  s  i  gk  e  1 1  s  z  u  f  u  h  r  z  u 
diagnostischen  Zwecken  bei  Nierenkiank- 
h  eiten  zuerst  von  uns  angewendet  wurde. 

Unsere  Einwendungen  auf  die  Untersuchungen  \on 
Fr.  Straus  werden  wir  an  einem  anderen  Orte  eingehendei  aoi- 
b  ringen. 


Professor  Dr.  Richard  Foerster. 

Geb.  25.  November  1825  in  Lissa,  gest.  7.  Juli  1902  m  Breslau. 

Als  ich  am  8.  Juli  dieses  Jahres  zuerst  durch  die  Tagesblätter 
erfuhr,  dass  Foerster  der  Krankheit,  die  ihn  auf  das  Kranken¬ 
lager  geworfen,  erlegen,  beherrschte  mich  neben  dem  Gefühl  des 
tiefen  Schmerzes  doch  auch  das  des  Dankes  dafür,  dass  E  o  e  r 
st  er  nun  endlich  von  längerem,  schwerem  Leid  befreit  sei.  Denn 
geistig  frisch,  wie  er  nach  der  Schilderung  seiner  Angehörigen 
noch  bis  in  die  letzten  Tage  seines  langen  Lebens  war,  empfand 
Foerster  den  Niedergang  der  Körperkräfte  in  erhöhtem  Masse 
und  musste  auch  seelisch  schwerer  darunter  leiden. 

Aber  zu  noch  innigerem  Danke  verpflichtet  uns  Ueberlebende 
wohl  auch  die  Tatsache,  dass  wir  Foerster  überhaupt  den 
Unseligen  nennen  durften. 

Denn  in  der  Geschichte  der  Augenheilkunde  wird 
sein  Name  fortleben  auf  das  innigste  verknüpft  mit  den  Namen 
derer,  die  ihr  dieBahnen  wiesen,  auf  denen  die  bedeutungsvollsten 
Errungenschaften  in  Diagnose  wie  Therapie  gewonnen  wurden. 

Geboren  1825  zu  Lissa  und  auf  dem  dortigen  Gymnasium  vor¬ 
gebildet,  widmete  sich  Foerster  1845—1849  auf  den  Universi¬ 
täten  Breslau,  Heidelberg  und  Berlin  dem  Studium 
der  Medizin.  Ich  nenne  von  seinen  Lehrern  an  den  beiden  erst¬ 
erwähnten  Orten  nur  Purkinje,  Henle  und  P  f  eu  f  e r, 
während  unter  den  Hochschullehrern  der  preussischen  Landes¬ 
hauptstadt  Simon,  Traube  und  V  i  r  c  h  o  w  ihn  nachhaltiger 
anzogen. 

Wie  Kuss  maul  und  der  nicht  nur  im  Schweizerlande 
auch  heute  noch  in  dankbarer  Erinnerung  fortlebende  Züricher 


Professor  der  Augenheilkunde  Eriedrich  Home  rwar  Foer¬ 
ster  auch  zuerst  in  der  allgemeinen  . Praxis  tätig,  um 
sich  erst  Mitte  der  fünfziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts 
nachhaltiger  seinem  späteren  Lebensberufe  zuzuwenden. 

Auf  diesen  Anfang  seiner  Wirksamkeit  dürfen  wir  es  wohl 
zurückführen,  wenn  Foerster  in  dem  Handbuche  der  Augen¬ 
heilkunde,  das  in  erster  Auflage  unter  der  Redaktion  von  Alfred 
G  r  a  e  f  e  und  Theodor  S  a  e  m  i  s  c  h  in  den  siebziger  J ahren  er¬ 
schien,  es  meines  Wissens  als  der  Erste  unternahm,  die  Be¬ 
ziehungen  der  Augenerkrankungen  auf  Grund  zahlreicher  eigener 
Beobachtungen  —  ich  weise  nur  hin  auf  die  Kapitel  über  I  n 
toxikationsamblyopie,  Amaurosis  parti  alis 
fugax  und  kongenitale  Lues  zu  den  Allgemein¬ 
leiden  einlässlicher  zu  behandeln. 

Er  eiwies  damit  sowohl  der  inneren  Medizin  als  auch  vor 
allem  der  Augenheilkunde  selbst  einen  grossen  Dienst,  wie  jeder 
weiss,  der  die  seitdem  erschienenen  Arbeiten,  die  dieses  Wechsel¬ 
verhältnis  durch  neue  Beobachtungen  weiter  ausbauten,  kennt. 

Diese  gediegene  Vorbildung  durch  Theorie  und  Praxis  er 
klärt  auch,  dass  Foerster,  als  er  bereits  ganz  in  der  Augen¬ 
heilkunde  aufgegangen  war,  sich  mit  Fragen  beschäftigen  konnte, 
die  auf  ganz  anderen  Gebieten  lagen.  Ich  erinnere  nur  an  die 
beiden  Schriften:  „Die  Verbreitung  der  Cholera  durch  die 
Brunnen“  und  „Das  W asser  als  Träger  des  Choleragiftes  (1873 

und  1874).  _ 

Was  Foerster  seinem  II  a  u  p  t  f  a  c  h  e  in  selbständiger 
Entwicklung  an  grundlegenden  Förderungen  gegeben  hat,  ist  viel¬ 
fach  schon  so  Allgemeingut  geworden,  dass  man  sich  kaum  mehr 
von  der  Bedeutung  der  einzelnen  Leistungen  und  damit  ihres 
Urhebers  Rechenschaft  gibt. 

So  deutete  Foerster  als  Erster  richtig  das  ophthalmo¬ 
skopische  Bild  der  glaukomatösen  Erkrankung  des 
Opticuseintrittes. 

Geht  doch,  die  auch  für  die  Diagnose  der  Erkrankungen 
des  Nervensyste  m  s  und  damit  auch  für  die  Neuro¬ 
logie  so  belangreich  gewordene  Perimetrie  in  ihren 
wissenschaftlichen  Grundzügen  auf  Foer  sters  Studien  übei 
die  Aufnahme  des  Gesichtsfeldes  zurück. 

Auch  heute  noch  stehen  das  F  o  e  r  s  t  e  r  sehe  Perimeter  und 
das  aus  Foersters  Untersuchungen  über  die  Nachtblindheit 
hervorgegangene  P  h  o  t  o  m  e  t  e  r  allerorten  in  höchstei  "W  ei  t- 
scliätzJung. 

Das  Gleiche  gilt  von  seinen  mit  A  u  b  e  r  t  unternommenen 
Untersuchungen  über  den  Raum  sinn  der  Retina. 

Wertvolle  Aufschlüsse  über  Metamorphopsie,  Mikro- 
p  s  i  e  und  Chorioideitis  areolaris  brachten  die  1862 
erschienenen  ophthalmologischen  Beiträge;  während  die  auf 
Erfahrungen  jahrzehntelanger  Dauer  gestützte  Arbeit  „über 
den  Einfluss  der  Konkavgläser  und  der 
Achsenkonvergenz  auf  die  Weiterentwicklung 
der  Myopie“  in  ihrer  ganzen  segensreichen  T  ragweite  all¬ 
gemeiner  erst  in  den  letzten  Jahren  richtig  gewürdigt  wurde. 

Wer  es  miterlebt  hat,  wie  peinvoll  früher  vielen  Starkranken 
die  Zeit  wurde,  die  zwischen  dem  Eintritt  der  Unfähigkeit  zum 
Lesen  und  der  Reife  des  Stares  liegt,  und  wie  die  durch  das  Star¬ 
leiden  veranlasste  Arbeitsunfähigkeit  für  den  Ernährer  der 
Familie  untex*  Umständen  die  Bedeutung  eines  Familien¬ 
unglückes  gewann,  wenn  jene  sich  auf  Jahre  hinaus  erstreckte, 
erinnert  sich  mit  Dankbarkeit  auch  heute  noch  der,  wenn  auch 
kleinen,  so  doch  hochwichtigen  Arbeit  F  o  e  r  s  t  e  r  s  im  12.  Bande 
des  Archivs  für  Augenheilkunde,  in  der  F.  darauf  hinwies,  dass 
es  völlig  und  seit  Jahren  reife  Stare  gibt,  bei 
denen  die  Iris  gleichwohl  einen  Schlag¬ 
schatten  wirft  und  die  Pupille  mehr  oder 
weniger,  sogar  noch  lebhaft  erleuchtbar  ist; 
während  es  anderseits  zweifellos  unreife  Stare  gibt,  bei  denen 
die  Iris  keinen  Schlagschatten  wirft  xmd  auch  nicht  die  geringste 
Andeutung  von  Erleuchtung  der  erweiterten  Pupille  hervor¬ 
zurufen  ist. 

Gleichzeitig  zeigte  aber  dabei  Foerster  durch 
sein  Verfahren  der  Cortextritur,  dass  man  . in 
geeigneten  Fällen  das  Reifen  des  Stares  künstlich 
beschleunigen  kann ,  indem  man  nach  vorausgeschickter 
Iridektomie  mit  dem  stumpfen  Knie  eines  Schieihakens 


12.  August  1902. 


MITEIST C HENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


oder  einer  geschlossenen  Irispinzette  unter  leichtem  Druck 
reibende  oder  streichende  Bewegungen  auf  der  Cornea  vornimmt. 
Hierdurch  wird  der  Zusammenhang  der  zum  Teil  getrübten,  zum 
Teil  ungetrübten  Linsenfasern  gelockert  und  so  der  Zerfall  der 
Kortikalschicht  beschleunigt. 

Auch  die  im  gleichen  Aufsatz  erwähnte  Methode  der 
Korelysis  und  die  von  Eo  erst  er  geübte  Manipulation,  Ein¬ 
klemmungen  der  Iris  in  den  W  undwinkeln  bezw.  vordere 
Synechien  nach  der  Starentbindung  zu  verhüten,  stellte  eine 
beachtenswerte  Verbesserung  der  Extraktionstechnik  dar. 

In  noch  höherem  Masse  wurde  aber  der  Artikel  belangreich 
durch  die  guten  Erfolge,  die  Foerster  in  einigen  hundert  Fällen 
zu  verzeichnen  hatte,  indem  er,  wie  es  schon  Arlt  und  Colsmann 
ein  paarmal  vorher  versucht  hatten,  bei  der  Extraktion 
des  Stares  methodisch  den  grössten  Teil  der 
vorderen  Kapsel  der  Linse,  anstatt  sie  mit  dem 
Cystitom  zu  eröffnen,  mit  einer  Zahnpinzette 
entfernte. 

Auch  dies  Verfahren  hat  sich  fortgesetzt  grosser  Ver¬ 
breitung  zu  erfreuen,  da  es  den  erheblichen  Vorteil  hat, 
dass  die  Kortikalsubstanz  der  Linse  vollständiger  aus- 
tritt  (indem  dann  durch  Adhäsion  an  der  vorderen  Kapsel  nichts 
zuiück bleiben  kann).  Auch  wird  dadurch  die  Einheilung  von 
Kapselzipfeln  in  die  Schnittnarbe,  die  zu  langdauernden 
entzündlichen  Prozessen  des  Ciliarkörpers  und  zu  sekundärem 
Glaukom  führen  kann,  am  sichersten  vermieden. 

Ein  in  praktisch-therapeutischer  Hinsicht  belangreiches 
grosses  Verdienst  erwarb  sich  Foerster  auch  dadurch, 
dass  er  1888  als  Erster  betonte,  dass  das  sogen.  Trachom- 
k°rn  kein  pathognomonisch.es  Kennzeichen 
des  Trachoms  sei  und  dass  es,  wie  er  durch  Ein¬ 
impfung  des  follikulären  Katarrhes  auf  seine 
eigene  Bindehaut  dartat,  eine  pseudoägyptische 
Augenentzündung  bezw.  ein  Krankheitsbild  gibt,  das  dem 
1  rachom  ähnlich  ist,  aber  einen  anderen  Verlauf  zeigt,  und  vor 
allein  weder  eine  erkennbare  Schrumpfung  in  der  Konjunktiva 
des  oberen  Lides  (wie  in  den  leichten  Fällen  von  Trachom),  noch 
auch  die  die  schweren  Trachomformen  begleitende  Erkrankung 
und  Schrumpfung  des  Lidknorpels  nach  sich  zieht. 

Endlich  widmete  F  oerster  auch  der  Schule  und  ihrer 
hygienischen  Förderung  ein  grosses  Interesse,  wie  die  kleine 
inhaltsreiche  Schrift  über  „einige  Grundbedingungen  für  gute 
T  agesbeleuclitung  in  den  Schulsälen“  und  sein  in  den  Protokollen 
der  schlesischen  Aerztekammer  des  Jahres  1895  niedergelegtes 
Gutachten  über  den  Antrag  des  Breslauer  Magistrates  bezüglich 
Aenderung  des  Schulunterrichtes  dartun. 

Das  Gesagte,  das  nur  in  kurzen  Zügen  die  hauptsächlichsten 
wissenschaftlichen  Leistungen  Foersters  darlegt,  wird  ge¬ 
nügen  ,  um  auch  dem  nicht-ophthalmologisch-spezialistisch 
ausgebildeten  Leser  den  Eindruck  zu  verschaffen,  dass  wir  in 
1  oerster  einen  Forscher  von  durchdringendstem  Verstände, 
weitem  Ausblick  und  ausgezeichneter  Beobachtungsgabe  be¬ 
sessen  haben. 

Das  grosse  Ansehen,  in  dem  er  auch  bei  den  Aerzten 
seiner  Heimatprovinz  stand  und  das  noch  zuletzt  Ausdruck 
fand  in  der  einstimmigen  Ernennung  Foersters  zum 
Ehrenmitglied  des  Vereins  der  Aerzte  des  Regierungs¬ 
bezirks  Breslau,  beweist,  dasis  er  auch  ein  warmes  Herz  für 
unseren  Stand,  für  die  Hebung  seines  Ansehens  und  seiner 
sozialen  Interessen  besass. 

Auch  die  schlesische  Llochschule,  der  er  bis  zum 
Jahre  1896  seine  fast  40  J ahre  umfassende  akademische  Lehr¬ 
tätigkeit  widmete,  wusste,  was  sie  an  dem  ebenso  schlicht- 
anspruchslosen  wie  ruhig-ernsten  Kollegen  besass,  indem  sie  ihn 
zum  Mitglied  des  preussischen  Herrenhauses  ausersah. 

Was  I .  endlich  Tausenden  und  Abertausenden  Augen- 
kranken  von  nah  und  fern  in  Rat  und  Tat,  insbesondere 
auch  durch  seine  hervorragende  operative  Geschicklichkeit,  ge¬ 
wesen  ist,  steht  auch  heute  noch  in  den  Ostmarken  unseres 
deutschen  Vaterlandes  und  in  den  angrenzenden  Nachbarländern 
]u  lebendiger  Erinnerung. 

So  ist  denn  mit  1  oerster  eine  bei  den  Fachgenossen  des 
Li-  und  Auslandes  gleich  hochgeschätzte  Persönlichkeit  von  uns 
geschieden,  die  in  vielfacher  Hinsicht  erfolgreiche  und  dauernde 
k  Puren  ihrer  Wirksamkeit  hinterlassen  hat. 


1351 


Insbesondere  sind  die  Verdienste  des  Verewigten,  den  zudem 
Männer  wie  Hermann  Cohn,  Hugo  Magnus,  Wer- 
nicke,  Wilbrand,  E.  Fick,  Groenouw,  A  s  m  u  s, 
H.  Iv  riene  s,  Otto  Meyer-  Breslau  u.  A.  sich  glücklich 
schätzen  ihren  Lehrer  nennen  zu  dürfen,  um  die  wissen¬ 
schaftlich-praktische  Ausbildung  der  Augen¬ 
heilkunde  so  grundlegende,  dass,  wer  auch  immer  die  Ge¬ 
schichte  der  durch  die  Erfindung  von  Ilelmholtz  eingeleiteten 
neuen  Aera  schreiben  mag,  unter  den  Reformatoren  der  Oph¬ 
thalmologie  des  19.  Jahrhunderts  stets  an  hervorragender  Stelle 
nennen  wird  den  Namen  Richard  Foerster. 

Uns  aber,  den  Ueberlebenden,  wird  die  edle  Gestalt  des  Ver¬ 
ewigten  auch  dadurch  vorbildlich  bleiben,  dass  Er  sich  zeitlebens 
fern  hielt  von  der  Begehrlichkeit  auf  den  Ruhm  des  Tages. 

Auf  das  Leben  R.  Foersters  passt  daher  wie  kaum  auf 
ein  zweites  der  Ausspruch  Goethes:  „Man  muss  nur 
sich  auf  sich  selbst  zurück  ziehen  und  das 
Rechte  still  in  angewiesenen  Kreisen  tu n.“ 
Münche n,  31.  Juli  1902. 

Prof.  Dr.  O.  Eversbusch. 


Ein  alter  Aerztefeind. 

Es  ist  M  a  r  t  i  a  1,  der  Epigrammatiker.  In  Spanien  geboren 
kam  er  mit  23  Jahren  nach  Rom,  um  dort  sein  Glück  zu  machen’ 
Er  wurde  in  der  Folge,  wie  er  in  seinen  Memoiren  erzählt  der 
Lieblmgsdichter  der  Römer“.  Man  sieht,  dass  die  Bescheidenheit 
nicht  gerade  seine  hervorragendste  Tugend  war. 

Dieser  römische  Voltaire  schrieb  nur  Epigramme.  Sein 
ganzes  Leben  lang  schmeichelte  er  Kaiser  Domitian  imd  seinen 
Höflingen,  schmähte  er  jene,  die  ihn  deswegen  verachteten  be¬ 
neidete  er  alle  Reichen,  beschenkte  er  Rom  mit  cynisch-obseönen 
Poesien. 

„Ich  drang  in  alle  Häuser  ein,  die  mir  verschlossen  waren- 
ich  habe  die  geheimsten  Geschichten  der  Männer  und  Frauen  er¬ 
fahren  und  ich  habe  sie  in  Verse  gesetzt,  damit  ich  die  Geissei 
jener  werde,  w-elclie  mich  nicht  als  Schmeichler  zulassen.  So  habe 
ich.  Tag  für  Tag,  die  Skandalchronik  der  besseren  Gesellschaft 
meiner  Zeit  geschrieben.  Ich  habe  ganz  genau  ihre  Gebrechen, 
ilne  Laster,  ihre  Unzucht,  ihre  heimlichen  Ehebruchsgeschichten 
notirt.  Kein  Witz  wurde  in  Rom  gemacht,  aus  dem  ich  nicht 
Nutzen  gezogen  hätte.  Ich  bin  das  laute  Echo  der  täglichen  Unter¬ 
haltung  Roms  gewesen.  So  kommt  es,  dass  kein  Name  von  irgend 
welcher  Bedeutung  in  meinen  Versen  fehlt.  Verschonen  tue  ich 
niemanden.“ 

So  schildert  sich  „der  Lieblingspoet  der  Römer“  selber  in 
seinen  Memoiren. 

Dass  die  Aerzte,  mit  ihren  damaligen  immensen  Jahresein¬ 
kommen,  dem  „Poeten,  dessen  Geschäft  voll  Schmach  und  Elend 
ist  und  ihn  zum  Zyniker  machte“,  ein  Dorn  im  Auge  waren,  ist 
selbstverständlich.  Er  überhäufte  sie  mit  Sarkasmen.  Martial 
war  eben  eifersüchtig  auf  alle,  die  berühmt  waren  und  zu  Ver¬ 
mögen  kamen,  ein  Talent,  das  er  nur  für  die  Berühmtheit  für  sich 
in  Anspruch  nehmen  konnte. 

So  schreibt  er  denn  in  seinen  Memoiren,  wie  er  entdeckt  hat, 
dass  Diaulus,  bevor  er  Leichenträger  wurde,  Chirurg  ge¬ 
wesen  ist. 

„Chirurgicus  fuerat.“ 

Zoilus  ist  krank.  Sein  Fieber  kommt  von  seinen  warmen 
Decken  her.  „Was  kümmerst  du  dich,“  sagt  Martial,  „soviel 
um  die  Mediziner?  Jage  doch  alle  diese  Machaonen  (Söhne 
Aeskulaps)  zum  Teufel.  Willst  du  gesund  werden,  so  nimm  meine 
Decken.“ 

„Zoilus  aegrotat:  faciunt  hanc  stragula  febrem. 

Quid  tibi  cum  medicis?  Dimitte  Machaonas  omnes. 

Vis  fieri  sanus?  Stragula  sume  mea.“ 

Bei  Gelegenheit  des  plötzlichen  Todes  des  Andragoras  greift 
Martial  dessen  Arzt  an,  trotzdem  dieser  gar  nicht  zum  Kranken 
gerufen  worden  war: 

Andragoras  hat  mit  uns  gebadet  und  wir  haben  darnach 
fröhlich  zusammen  gespeist.  Am  nächsten  Morgen  hat  man  ihn 
tot  aufgefunden.  Willst  du,  mein  lieber  Faustinus,  die  Ursache 
dieses  jähen  Todes  erfahren?  —  Er  hat  wTohl  im  Traume  seinen 
Arzt  Hermokrates  gesehen. 

„In  somnis  medicum  viderat  Hermocratem.“ 

Aber  nicht  allein  der  Unwissenheit  bezichtigt  Martial  die 
Aerzte,  sondern  auch  des  Diebstahls  und  des  Ehebruches. 

So  beschuldigt  er  den  Arzt  IJerodes,  er  habe  einem  seiner 
Kranken  dessen  Trinkbecher  gestohlen.  Er  wird  dabei  erwischt 
und  ruft  aus:  Aber,  du  Unglücklicher!  Was  trinkst  du  denn  da? 

„Clinicus  Herodes  trullam  subduxerat  aegro; 

Deprensus  dixit:  Stillte,  quid  ergo  bibis?“ 

Ist  die  Geschichte  wahr,  so  hat  der  altrömische  diebische 
Kollega  eine  schlagfertige  Kaltblütigkeit  gezeigt. 

In  einem  anderen  Epigramm  beschuldigt  er  Hermokrates, 
dass  er  alles  stehle,  was  er  vorfindet,  bis  zu  den  Tischtüchern  und 


1352 


MUEN  CIIENER  MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Servietten  herunter.  Hält  man  ilnn  die  eine  Hand  fest,  schreibt  i 
Martin  1,  so  eskamotiert  er  sicher  mit  der  anderen  alles,  was  in 
seinem  Bereich  ist.  Nichts  ist  ihm  heilig,  nicht  einmal  der 
Wimpel,  mit  dem  der  Prätor  das  Signal  für  die  Spiele  gibt.  Er 
stiehlt  auch  den.  Betttücher,  Vorhänge  ....  alles  ist  ihm  gut 

Nach  M  a  r  t  i  a  1  zu  urteilen,  muss  der  arme  Hermocrates  der 
geschickteste  Spitzbube  seiner  Zeit  gewesen  sein. 

Dem  Arzte  Carus  wirft  er  nach  dessen  Tode  vor,  er  habe  seine 
Kranken  ausgebeutet  und  die  Dauer  des  Fiebers  immer  künstlich 
verlängert. 

Ein  anderer  Arzt,  Namens  Hylas,  wird  von  seinem  Patienten, 
einem  Nierenkoliker,  in  einem  Anfalle  geistiger  Störung  nieder¬ 
geschlagen.  M  a  r  t  i  a  1  findet  die  Sache  ziemlich  selbstverständ¬ 
lich.  Die  Leichenrede,  die  er  diesem  Opfer  seines  Berufes  hält, 
ist  kurz  imd  bündig:  „Ach,  der  Mann  ist  gar  nicht  so  verrückt  ge¬ 
wesen!“ 

„Invasit  medica  siea  nepliriticus,  Auete, 

Et  praecidit  Hylas:  liic,  puto,  sanus  erat.“ 

M  a  r  t  i  a  1  lässt  keine  Gelegenheit  vorübergehen,  die  Aerzte 
zu  verunglimpfen.  So  erzählt  er  auch  von  einer  alten  l  losti 
tuierten,  Namens  Vetustilla,  die  gerne  heiraten  möchte.  Nachdem 
er  sie  als  ein  Ausbund  aller  Hässlichkeit  geschildert  hat.  inter¬ 
pelliert  er  sie  folgendermassen: 

Wer  sollte  denn  je  dich  Frau  und  Gattin  nennen  können, 
dich,  den  Philomelus  letzthin  als  seine  Urahne  bezeichnet  hat. 
Wenn  du  absolut  haben  willst,  dass  man  deinen  Kadaver  reibe, 
so  rufe  den  Arzt  Coricles;  der  soll  dir  das  Brautbett  richten,  der 
soll  dir  die  Brauthymne  singen. 

„Quod  si  cadaver  exigis  tuum  scalpi 

Sternatur  a  Coricle  clinieo  lectus.” 

Mit  seinem  eigenen  Arzte  Hippokrates  überwirft  er  sich 
wegen  der  Rechnung;  er  lässt,  ohne  Hippokrates  zu  bezahlen, 
Symmachus,  einen  berühmten  Polikliniker,  holen.  Als  Dank  für 
die  Visite  schrieb  er  folgendes  Epigramm: 

Ich  war  leidend,  Symmachus,  und  du  bist  zu  mir  gekommen 
in  Begleitung  von  hundert  Schülern.  Hundert  eiskalte  -Hände 
haben  mich  angerührt.  Ich  hatte  bis  dahin  kein  Fieber,  Sym¬ 
machus,  aber  nun  habe  ich  es. 

„Languebam:  sied  tu  comitatus  protinus  ad  me 

Venisti  centum,  Symmache,  discipulis. 

Centum  me  tegere  mauus  Aquilone  gelatae: 

Non  habui  febrem,  Symmache,  nunc  habeo.” 

Dem  undankbaren  Marti  al  kann  man  den  Aerger  ob  dieser 
ambulanten  poliklinischen  Demonstration  diesmal  verzeihen. 

Auch  die  Spezialisten  vergisst  er  nicht.  Einem  ehemaligen 
Augenärzte  schreibt  er  folgenden  Stammbucliveis. 

Heute  bist  du  Gladiator,  früher  warst  du  Augenarzt. 

Heute  tust  du  als  Gladiator,  was  du  früher  als  Augenarzt 

getlian. 

„Hoplomachus  nunc  es,  fueras  ophtlialmicus  ante: 

Fecisti  medicus  (fuod  facis  hoplomachus.“ 

Der  faustgewaltige  ehemalige  Augenarzt  wird  den  Augen 
seiner  Gegner  sehr  gefährlich  gewesen  sein  in  der  Arena. 

In  einem  Epigramm  an  einen  gewissen  Charidemus  heisst  es: 

Du  weisst  ganz  gut,  Charidemus,  dass  deine  Frau  von  eurem 
Hausarzt  geliebkost  wird.  Willst  du  denn  ohne  Fieber  sterben? 

„Uxorem,  Cliarideme,  tuam  scis  ipse,  sinisque 

A  medico  futui:  vis  sine  febre  mori?“ 

Dass  in  dem  damaligen  Pandämonium  ungezügelter  Sinnlich¬ 
keit  die  Aerzte  von  den  Buhlerinnen  zu  ihren  Zwecken  benutzt 
wurden,  erzählt  M  a  r  t  i  a  1  gerne. 

So  sagt  er  zu  einer  Frau,  die  nach  Gründen  sucht,  um  un¬ 
behelligt  zu  ihrem  galanten  Rendezvous  zu  kommen: 

Was  wirst  du  machen,  Unglückliche?  Wirst  du  sagen,  eine 
deiner  Freundinnen  sei  krank?  Aber  so  wird  dein  Mann  sich 
krampfhaft  an  deine  Schritte  heften.  Er  wird  dich  zu  deinem 
Bruder,  deiner  Schwester  und  deinem  Vater  begleiten.  Was  für 
erfinderische  Betrügereien  wildst  du  also  ins  Werk  setzen?  Jede 
andere  würde  sagen,  sie  sei  hysterisch  und  bedürfe  der  Bäder  im 
See  von  Sinuessa. 

„Infelix,  quid  ages?  aegrarn  simulabis  amicam? 

Haerebit  dominae  vir  comes  ipse  suae; 

Ibit  et  ad  fratrem  tecum,  matremque,  patremque. 

Quas  igitur  fraudes  ingeniosa  paras? 

Dicet  et  liystericam  se  forsitan  altera  moeclia 

In  Sinuessano  veile  sedere  lacu.“ 

Hysterie  und  Badeorte  als  Rendezvous  sind  demnach  alte 
Kulturerrungenschaften. 

Von  einer  anderen  galanten  Dame  erzählt  er  folgende  Ge¬ 
schichte:  . 

Leda  hatte  zu  ihrem  alten  Eheherrn  gesagt,  sie  sei  hysterisch 

und  habe  nötig,  behandelt  zu  werden. 

„liystericam  vetulo  se  dixerat  esse  marito, 

Et  queritur  futui  Leda  necesse  sibi.“ 

Aber  sie  weint  und  jammert  und  erklärt,  lieber  wolle  sie 
sterben,  als  ihre  Gesundheit  durch  intime  Berührungen  der  Aerzte 
u.  s.  w.  zu  erkaufen. 

„Sed  flens  atque  gemens  tanti  negat  esse  salutem, 

Seque  refert  potius  proposuisse  mori.“ 


Der  alte  Herr  beschwört  sie,  zu  leben  und  nicht  auf  ihre 
blühende  Jugend  zu  verzichten.  Er  erlaubt  ihr  sogar,  an  sich 
machen  zu  lassen,  was  er  nicht  mehr  machen  kann. 

„Vir  rogat  ut  vivat,  virides  nec  deserat  aimos; 

Et  fieri,  quod  jam  non  facit  ipse,  sinit.“ 

Und  nun  eilen  gleich  die  Aerzte  herbei.  Die  Aerztinnen  ver¬ 
schwinden  und  es  wird  fidel.  O  ernste  Medizin! 

„Protinus  accedunt  mediei,  medicaeque  recedunt, 
Tollunturque  pedes:  O  medicina  gravis!“ 

Dieses  pikante  Epigramm,  das  uns  auch  die  Frauenemanzi¬ 
pation  im  römischen  Heilwesen  verkündet,  möge  diese  kleine 
Studie  schliessen.  Dass  bei  dem  Freigegebensein  der  Heilkunde  im 
alten  Rom  die  Charlatanerie  viel  Unheil  anrichtete  und  die  Satire 
provozierte  ist  klar,  aber  dass  der  giftige  Martial  immer  und 
immer  wieder  den  ärztlichen  Stand  begeiferte  ist  eher  auf  das 
Privatkonto  seines  persönlichen  Neides  und  seines  kriecherischen 
Gemütes  zu  setzen. 

„Ich  bin  die  Geissei  jener,  welche  nicht  von  mir  geschmeichelt 

sein  wollen“  _  und  mir  meine  Schmeicheleien  nicht  ordentlich 

honorieren  —  kann  man  hinzufügen.  Dr.  T.  W. 


Aerztliche  Standesangeiegenheiten. 

Die  Anstellungsverhältnisse  der  k.  b.  Amtsärzte. 

Von  Dr.  L.  Heissler,  k.  Bezirksarzt  in  Teuschnitz. 


Die  folgende  Betrachtung  entbehrt  nicht  allen  Interesses  für 
die  baverischen  Aerzte,  namentlich  für  solche,  ivelche  die  Stellung 
eines  'Amtsarztes  anstreben.  Die  Anstellungsverhältnisse  der 
bayerischen  Amtsärzte  —  Landgerichts-  und  Bezirksärzte  I.  Kl.  — 
sind  ausgeschieden  nach  der  Zeit  vor  und  nach  dem  Physikats- 
examen  und  betreffen  das  Alter  bei  der  Anstellung  und  die  Zeit 

zwischen  Staatsexamen  und  Anstellung. 

Nach  dein  neuesten  Schematismus  des  k.  1  lates  iS.  /jV>  i  c  k  li 
amtieren  in  Bayern  157  Bezirksärzte  I.  Kl.  und  28  Landgei lchts- 
ärzte,  in  Summa  185.  Die  höheren  Stellen  wurden  aus  nalie- 
liegenden  Gründen  ausser  acht  gelassen. 

Von  den  185  Amtsärzten  stammen  14  -f-  90  _  104  aus  dei 
Zeit  vor  dem  Physikatsexainen  und  seien  der  Kürze  wegen  in 
folgendem  die  älteren  genannt,  gegenüber  den  jüngeren,  welche 
das  Physikatsexainen  bestanden  haben  und  deren  Zahl  bi  -j-  14 

—  Sl  beträgt.  „  ,  , 

Zunächst  seien  die  Amtsärzte  in  den  beiden  folgenden  rabellen 
ausgeschieden  A  nach  dem  Alter  bei  der  Anstellung  als  solche 
und  B  nach  der  Zeit  vom  Staats-  resp.  Physikatsexamen  bis  zur 
Anstellung.  Die  17  Amtsärzte,  welche  1S73  dem  Staatskonkurse 
si.-ii  unterworfen  haben,  sind  bei  den  älteren  mitgeieclinet. 


A.  Lebensalter  bei  Anstellung. 


£\ .  A  j  V  U  o  11  D  a  1  u  w  a.  w  ^  ~  o 

Aerzte 

Physikats- 

Examen 

1877 

38 

39 

40 

41 

42 

43 

44 

45 

46 

47 

48 

49 

50 

51 

52 

53 

51 

Summe 

vor 

1 

3 

1 

2 

2 

2 

1 

2 

14 

Landgerichts- 

Aerzte 

nach 

1 

• 

3 

4 

1 

2 

• 

2 

1 

14 

Summe 

1 

. 

1 

3 

4 

4 

1 

4 

2 

4 

2 

2 

• 

28 

vor 

4 

2 

3 

1 

4 

3 

10 

18 

.18 

9 

9 

4 

3 

1 

1 

90 

Bezirks -Aerzte 
I.  Kl. 

na'-h 

2 

3 

5 

6 

12 

5 

7 

10 

9 

7 

1 

67 

Summe 

4 

2 

5 

4j9 

9 

22 1 23 

25 

19 

18  11 

1 

4 

1 

1 

157 

Lnndg  -  u  Bez. -Aerzte 

1 

4 

G 

1  ' 

G 

1 

4  12 

1 

13 

26  24 

! 

29 

21 

22  13 

6 

1 

■ 

1 

185 

B.  Anstellungsdauer  nach  dem  Konkurs. 


Aerzte 

Physikata- 

Examen 

1877 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

1 

20l 

21 1 

22 

23 

24 

25 

26 

27 

28 

29 

1  Summe  | 

Landgerichts- 

Aerzte 

vor 

nach 

1 

4 

4 

2 

1 

1 

1 

1 

2 

1 

2  2 

3 

. 

1 

1 

14 

14 

Summe 

• ! 5 

* 

2 

1 

2|  3 

2 

2i  3 

2 

1 

1 

28 

Bez.-Aerzte 

1.  Kl. 

vor 

nach 

2 

1 

7 

2 

7 

8  * 

16  12 

1 

1-* 

4 

8 

8 

14 

1 

20 

2 

14 

12 

2 

4 

1 

1 

1 

90 

67 

Summe 

2 

1 

7 

9 1 19  12 

1 5 1 1 2 

8 

15 

22 

14 

12 

2 

| 

4 

1 

1 

1 

157 

Landg.-  u.  Bez.-Aerzte 

2|  1 

1  7 

j  14 

1  1  1 

23  12  17 

1  1  1 

13 

jio 

18 

I24 

16  15 

1  1 

2 

6 

1  2 

2  1 

185 

Das  Durchschnittsalter  bei  der  Anstellung  betrug  46,28  Jahre. 
68  Aerzte  =  36,75  Proz.  erreichten  die  Anstellung  vor  dem  46.  Jahre. 
Das  durchschnittliche  Alter  bei  Anstellung  war  46,23  für  die 
älteren,  46,39  für  die  jüngeren;  nach  Kategorien  ausgeschieden. 

1.  Landgerichtsärzte,  ältere  47,14,  jüngere  45,21, 

2.  Bezirksärzte,  „  46,23,  „  46,58. 


12.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1353 


Das  Anstellungalter  hat  sich  also  nicht  wesentlich  geändert 
Von  grosserem  Interesse  ist  die  2.  Tabelle,  welche  in  der  Warte' 
ze,t  zwischen  Staatsexamen  und  Anstellung  beträchtliche  Unter¬ 
schiede  zwischen  11  und  29  Jahren  zeigt.  Die  Durchschnittswarte¬ 
zeit  b<  tiug  18, <4  Jahre,  für  die  älteren  Amtsärzte  21  G5  für  die 
jüngeren  15.74  Jahre;  nach  Kategorien: 

1.  Landgerichtsärzte,  ältere  22,55,  jüngere  16  20 

2.  Bezirksärzte,  „  20,90,  „  15,64 

TTm  den  Unterschied  aber  richtig  würdigen  zu  können  ist  es 
notwendig,  bei  den  jüngeren  Amtsärzten  auch  die  Zeit  in  Be¬ 
tracht.  zu  ziehen,  welche  zwischen  Approbation  und  Pliysikats- 
examen  liegt,  die  älteren  machten  Approbation  und  Staatsexamen 
am  Schlüsse  ihrer  Studienzeit.  Es  unterzogen  sich  dem  Plivsikats- 
examen  nach  der  Approbation: 


in  3  4  5  6  7 _ 8 _ 9  10  1 1  Jahren 

27  17  10  l  8  10  3  3  2  Amtsärzte. 

Die  Durchschnittszeit  beträgt  5, IS  Jahre.  Rechnet  man  diese 
Zahl  zu  15,74,  so  ergibt  sich  eine  Gesamtwartezeit  von  20,92  die 
nur  um  weniges  geringer  ist,  Avie  die  Wartezeit  der  älteren  Amts¬ 
ärzte  mit  21,65  Jahren. 

Diese  kurze  statistische  Betrachtung  lehrt,  dass  sich  die  An¬ 
stellungsverhältnisse  der  Amtsärzte  nicht  wesentlich  verschoben 
haben.  Ein  Blick  in  den  Schematimus  zeigt,  dass  unter  den  ge¬ 
jubenen  Verhältnissen  eine  Aenderung  nicht  zu  erwarten  ist.  wenn 
nicht  im  Sinne  einer  Verschlechterung.  Die  Zahl  der  für  den 
Staatsdienst  geprüften  Aerzte  ist  seit  1890  ungemein  gewachsen, 
das  Angebot  also  ein  stärkeres  geworden,  während  die  Nachfrage 
sich  nur  in  geringem  Masse  durch  Stellenmehrung  geltend  macht, 
lieber  400  für  den  Staatsdienst  geprüfte,  noch  nicht  angestellte 
Aerzte  verzeichnet  der  Schematismus.  Wer  damit  die  Zahl  der 
jährlich  offenen  Stellen  vergleicht,  wird  zugeben,  dass  die  Aus¬ 
sichten  im  ärztlichen  Staatsdienste  die  günstigsten  nicht  sind. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

E.  Cohen:  Physikalische  Chemie.  Vorträge  für  Aerzte. 
249  S.  8  M.  W.  Engelmann,  Leipzig  1901. 

Das  Cohen  sehe  Buch  Avill  einen  Abriss  der  physikalischen 
Chemie  geben,  die  ja  von  so  ausserordentlicher  Bedeutung  für 
die  biologische  Wissenschaft  geworden  ist.  Die  Darstellung  ist 
für  Mediziner  berechnet;  sie  erfolgt  in  Form  von  Vorträgen,  wie 
sie  von  dem  Verfasser  vor  einem  Amsterdamer  Aerztepublikum 
gehalten  worden  sind.  Das  Buch  will  keineswegs  den  Gesamt¬ 
inhalt  der  physikalischen  Chemie  Aviedergeben,  und  nicht  etwa 
die  bekannten  Lehrbücher  dieser  Wissenschaft  (von  O  s  t  w  a  1  d, 
V  ernst)  ersetzen.  Andererseits  beschränkt  sich  die  Darstel¬ 
lung  nicht,  Avie  in  ähnlichen,  für  Mediziner  geschriebenen  Bro¬ 
schüren,  auf  die  Lehre  vom  osmotischen  Druck  und  der  elektro¬ 
lytischen  Dissoziation.  Es  werden  auch  die  anderen  ILauptlehren 
der  physikalischen  Chemie  behandelt;  insbesondere  wird  das 
grundlegende  Guldberg-  Waage  sehe  Gesetz  von  der  Massen¬ 
wirkung,  sowie  die  Lehre  vom  chemischen  Gleichgewicht  ein¬ 
gehend  dargestellt.  Auch  das  Kapitel  von  den  katalysierenden 
Substanzen  („organischen“  und  „anorganischen  Fermenten“)  ist 
ausführlich  und  sehr  anregend  behandelt.  Die  Darstellung  des 
van  t  H  o  f  f  sehen  Gesetzes  vom  osmotischen  Druck  und  der 
A  r  rh  e  n  i  u  s  sehen  Theorie  der  elektrolytischen  Dissoziation 
nimmt  naturgemäss  einen  breiten  Raum  ein;  ebenso  die  An¬ 
wendung  dieser  Gesetze  auf  die  biologische  Wissenschaft,  Die 
Art  der  Darstellung  ist  überaus  klar.  Die  Grundbegriffe  werden 
ausserordentlich  anschaulich  dargelegt.  Bei  der  Darstellung  ist, 
wo  es  nötig,  von  der  Mathematik  (meist  nur  von  den  einfachen 
algebraischen  Rechnungsformen)  Gebrauch  gemacht.  Dies  ist 
unumgänglich :  Die  Grundgesetze,  wie  die  aus  diesen  zu 

machenden  Ableitungen  lassen  sich  ohne  mathematischen  Kalkül 
einfach  nicht  beweisend  darstellen.  Das  Buch  ist  dem  Mediziner, 
der  sich  mit  dem  so  überaus  interessanten  Stoff  vertraut  machen 
will,  warm  zu  empfehlen.  H  e  i  n  z  -  Erlangen. 

H.  v.  Erlach  und  ff.  R.  v.  W  o  e  r  z :  Beiträge  zur  Be¬ 
urteilung-  der  Bedeutung-  der  vaginalen  und  sakralen  Total¬ 
exstirpation  des  Uterus  für  die  Radikalheilung  des  Gebär¬ 
mutterkrebses.  Wien  1901,  L.  W.  Seidel  &  Sohn. 

v.  V  o  e  r  z  bespricht  die  Anzeigestellung  für  die  v  a  g  i  n  a  1  e 
Totalexstirpation  auf  Grund  von  131  Fällen.  Die 
Sterblichkeit  betrug  7,6  Proz.  So  lange  nicht  verlässliche  Be¬ 
liebte  über  die  Späterfolge  der  erweiterten  abdominalen  Total- 
exptirpation  vorlicgen,  soll  die  vaginale  Totalexstirpation  in  allen 
Fällen  ausgeführt  werden,  in  denen  die  Neubildung  noch  auf  die 


Gebärmutter  oder  ihre  nächste  Umgebung  beschränkt  ist.  Als 
V  ersuch  zu  einer  Heilung  ist  die  Operation  auch  für  jene  Fälle 
gestattet, .  in  denen  sie  überhaupt  technisch  noch  durchführbar 
ist  Ist  die  Scheide  in  grösserer  Ausdehnung  ergriffen,  so  kommt 
auch  die  sakrale  Methode  der  Totalexstirpation  in  Frage.  Be¬ 
steht  eine  nicht  karzinomatöse  Fixation  des  Uterus  oder  ist  dieser 
durch  ein  Korpuskarzinom  oder  durch  Myome  so  stark  ver- 
grössert,  dass  eine  vaginale  Totalexstirpation  ausgeschlossen  ist, 
so  kommt  das  abdominale  Verfahren  allein  in  Betracht.  Das 
gleiche  gilt  bei  einer  bestehenden  oder  erst  kürzlich  abgelaufenen 
Schwangerschaft.  In  diesen  Fällen  sollen  die  regionären  Lymph- 
drüsen  mit  entfernt  werden. 

Die  nur  von  wenigen  Operateuren  geübte  sakrale  Me¬ 
thode  der  Totalexstirpation  bespricht  v.  Erlach 
nach  seinen  Erfahrungen  an  27  Fällen.  Das  Verfahren  soll  nur 
bei  gutem  Gesundheitszustände  der  Kranken  in  Anwendung 
kommen,  und  zwar  besonders  in  Fällen  von  Karzinom  der  Portio 
und  Zervix,  die  an  der  Grenze  der  vaginalen  Operabilität  stehen, 
bei  enger  und  langer  Vagina,  bei  Vergrösserung  des  Uterus,  die 
bei  Araginalei  Totalexstirpation  erheblichere  Schwierigkeiten 
bieten  Avürde,  bei  Ergriffensein  der  Vagina  und  des  untersten 
Teiles  dev  Parametrien,  bei  Fixation  des  Uterus  durch  alte  para- 
metritische  Stränge,  ferner  bei  Karzinom  der  hinteren  Scheiden¬ 
wand.  Ist  die  hintere  Scheidenwand  oder  die  Basis  der  Liga¬ 
menta  lata  ergriffen,  so  muss  die  Operation  mit  vollständiger 
Aufschneidung  der  Scheide  begonnen  werden. 

Von  den  27  operierten  Kranken  starben  5  an  den  Folgen 
dei  Operation.  Der  Eingriff  ist  wesentlich  grösser  und  schwie¬ 
riger  als  die  vaginale  Totalexstirpation,  doch  waren  die  Dauer¬ 
erfolge,  obwohl  fast  ausschliesslich  ungünstigere  Fälle  nach  der 
sakralen  Methode  operiert  Avurden,  bessere  als  bei  dem  vaginalen 
Verfahren.  A.Gessner-  Erlangen. 

II  o  f  f  a :  Lehrbuch  der  orthopädischen  Chirurgie.  Vierte 
Auflage,  mit  810  Abbildungen.  Verlag  F.  Enke,  Stuttgart, 
1902.  Preis  24  M. 

Die  neue  Auflage  des  überall  bekannten  und  geschätzten 
Lehrbuches  stellt  eine  erhebliche  Summe  neu  hinzugefügter 
Arbeit  dar.  Die  letzten  Jahre  haben  der  Orthopädie  viele  Neue- 
jungen  und  Errungenschaften  gebracht,  die  sorglich  in  den 
Rahmen  des  Buches  eingereiht  worden  sind.  Dadurch  hat  letz- 
teies  einen  Zuwachs  von  120  Abbildungen,  eine  Umfangsver¬ 
mehrung  von  90  Seiten  erfahren. 

Im  allgemeinen  Teil  fanden  u.  a.  die  Eimvände  Er- 
Avähnung,  welche  gegen  die  W  o  1  f  f  sehe  Lehre  vom  Transfor¬ 
mationsgesetz  erhoben  Avurden.  Gänzliche  Umänderung  weist 
die  Besprechung  der  spastischen  Kontrakturen,  der  zerebralen 
Diplegien  auf.  Ausführlicher  dargestellt  ist  die  Sehnentrans¬ 
plantation,  die  allgemeine  Behandlung  der  paralytischen  und  der 
spastischen  Kontrakturen. 

Im  speziellen  Teil  zeugt  von  der  Aenderung  der  An¬ 
schauungen  das  Kapitel  über  Spondylitis.  Hier  ist  das  C  a  1  o  t  - 
sehe  Verfahren  kürzer  dargestellt  und  abgeurteilt,  die  Ab¬ 
bildungen  sind  weggefallen.  Dafür  haben  die  milderen  Ver¬ 
fahren,  die  paragibbäre  kompensatorische  Umkrümmung  Raum 
gefunden. 

Tn  dem  der  Skoliosentherapie  gewidmeten  Abschnitt  sind  die 
Schulthess  sehen  Pendelapparate  sowie  die  jüngsten  Ver¬ 
suche  der  Gipsverbandbehandlung  wiedergegeben. 

Bedeutend  umfänglicher  ist  die  Beschreibung  der  Coxa  vara 
ausgefallen.  Endlich  finden  wir  den  Knickfuss  als  besondere 
l'orm  des  Plattfusses  genau  beschrieben  und  mehrfach  illustriert. 

Dies  nur  einige  Einzelheiten  aus  der  neuen  Auflage,  die  im 
übrigen  fast  auf  jeder  Seite  Spuren  der  Ueberarbeitung  aufweist. 
Sie  ist  in  der  Tat  „vermehrt  und  verbessert“. 

Vulpius  -  Heidelberg. 

Dr.  med.  Jean  D  e  m  o  o  r,  Professor  an  der  medizinischen 
Fakultät  und  Oberarzt  an  der  Hilfsschule  in  Brüssel:  Die  anor¬ 
malen  Kinder  und  ihre  erziehliche  Behandlung-  in  Haus  und 
Schule.  Band  III  der  internationalen  pädagogischen  Bibliothek, 
herausgegeben  von  Rektor  Ufer.  292  S.  Altenburg  1901. 

Von  Jahr  zu  Jahr  Avächst  das  Interesse,  das  auch  von  ärzt¬ 
licher  Seite  der  Entwicklung  abnormer  Kinder  geAvidmet  wird. 
Gerade  das  Handinhandgehen  der  Aerzte  und  Pädagogen  hat  auf 


1354 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


No.  32. 


diesem  lang  vernachlässigten  Gebiet  schon  reiche  neue  Auf¬ 
schlüsse  und  aussichtsvolle  Behandlungsmethoden  eröffnet. 
Zweifellos  wird  daher  ein  Buch  wie  das  vorliegende  auch  dem 
praktischen  Arzt  manches  zu  bieten  haben.  Wenn  auch  die  Ein¬ 
leitung,  die  sich  über  die  Beeinflussung  der  Entwicklung  durch 
den  endogenen  und  den  exogenen  1  aktor,  die  \  ererb ung  und  (las 
Milieu,  äussert,  dem  Mediziner  wenig  neues  bringt,  so  leiten 
doch  schon  die  Ausführungen  über  die  Ursachen  der  Anomalien 
der  Kindesentwicklung  auf  ein  Gebiet,  das  der  Praktiker  bei 
seinem  Studiengang  meist  etwas  zu  wenig  zu  berücksichtigen 
pflegt.  Einzelheiten  mögen  Widerspruch  erwecken;  so  ist  z.  B. 
die  W  eis  m  a  n  n  sehe  Theorie  mit  dem  Einfluss  des  Alkoholis¬ 
mus  auf  die  Nachkommenschaft  sehr  wohl  vereinbar.  Zu  rigoros 
wäre  es,  jedes  mit  Fallsucht  oder  irgend  welchen  Zuckungen  be¬ 
lastete  Kind  ausnahmslos  von  der  allgemeinen  Schule  auszu- 
schliessen.  In  der  Verdeutschung  medizinischer  Termini  ist  es 
doch  zu  weit  gegangen,  wenn  von  dem  „Lungenmagennerv“  und 
dem  „Rückgratsnerv“  gesprochen  wird.  Lediglich  mit  Rücksicht 
auf  die  Behandlungsmethode  werden  die  abnormen  Kinder  ein¬ 
geteilt  in  1.  mit  Sprachstörung  behaftete,  II.  Taubstumme, 
111.  Blinde  und  IV.  Zurückgebliebene,  und  zwar  a)  in  pädago¬ 
gischer  und  b)  medizinischer  Hinsicht  Zurückgebliebene.  Als 
pädagogisch  Zurückgebliebene  bezeichnet  Demoor  zunächst 
solche,  die,  obwohl  normal  veranlagt,  nicht  rechtzeitig  und  regel¬ 
mässig  zur  Schule  kamen,  sondern  von  den  Eltern  vernachlässigt 
wurden;  bei  einer  anderen  Kategorie,  die  in  späteren  Jahren  in 
ihren  Neigungen  und  Gewohnheiten  absonderlich,  schläfrig, 
träge,  indolent,  auch  grausam  werden,  sollte  doch  öfter  an 
psychische  Alteration,  z.  B.  Dementia  präcox,  gedacht  werden. 
Unter  Idioten  1.  Grades  versteht  er  moralisch  Schwachsinnige, 
als  solche  2.  Grades  die  intellektuell  niedrig  Stehenden,  als  solche 
3.  Grades  die  am  tiefsten  Stehenden,  mit  körperlichen  Störungen. 
Ebensowenig  befriedigend  und  vom  medizinischen  Standpunkt 
unhaltbar  ist  die  ätiologische  Einteilung  in  Kretins.  Myxödema- 
töse,  Epileptische,  Syphilitische,  Mikrokephale  odei  Hydro 
kephale,  dann  in  solche,  deren  Idiotie  von  Entzündungen  her¬ 
rührt,  und  in  Kranke,  mit  „einfacher  Idiotie“.  Weiterhin  kom¬ 
men  die  Behandlungsmethoden  zur  Sprache.  Mit  Recht  wendet 
sich  D.  gegen  jede  Art  von  Züchtigung,  doch  irrt  er,  wenn  er 
meint,  dass  dieselbe  in  Deutschland  bei  der  Idiotenerziehung  noch 
allgemein  angewandt  werde.  Von  der  speziellen  Methodik  ist 
neben  Sprachausbildung  und  Handarbeit  das  Turnen  hervorge¬ 
hoben,  das  Genauigkeit  und  Rhythmus  übt  und  dadurch  ge- 
wissermassen  eine  Vorübung  für  das  Artikulieren,  Rechnen 
u.  s.  w.  darstellt.  Eine  Reihe  von  Beispielen  für  Turn-  und 
Ordnungsübungen  mit  Musikbegleitung  ist  beigegeben.  Be¬ 
sonders  empfohlen  werden  für  schwächerbegabte,  aber  nicht  idio¬ 
tische  Kinder  die  Hilfsschulen,  ein  segensreiches  Institut,  von 
dem  in  Süddeutschland  bisher  leider  kaum  die  Anfänge  zvi  be¬ 
merken  sind;  der  Konnex  mit  psychiatrisch  und  psychologisch 
ausgebildeten  Aerzten  wäre  hier  noch  schärfer  zu  betonen.  Als 
Anhang  wird  eine  reichhaltige  Kasuistik  über  einige  Dutzend 
Fälle  von  belasteten,  epileptischen,  widerspenstigen,  diebischen 
u.  dergl.  Kindern  gebracht.  W  e  y  g  a  n  d  t  -  V  ürzburg. 


Walter  Gut  t  mann;  Medizinische  Terminologie.  Ab¬ 
leitung  und  Erklärung  der  gebräuchlichsten  Fachausdrücke 
aller  Zweige  der  Medizin  und  ihrer  Hilfswissenschaften. 

Berlin  und  Wien,  Urban  &  Schwarzenberg,  1902. 
1142  Kol.  =  571  p.  gr.  8.  (Preis  15  M„  Lwbd.) 

Dieses  neueste  medizinische  „Verteutschungsbuch“  hat  sich 
weite  Grenzen  gesteckt,  und  übertrifft  an  Leibesfülle  seine  in¬ 
ländischen  Rivalen  erheblich.  Es  ist  nicht  zu  tadeln,  dass  auch 
die  Naturwissenschaften  Platz  gefunden  haben.  Bezüglich  der 
Pflanzen  wäre  es  aber  besser,  nur  die  Arzneistoffe  der  deutschen 
und  österreichischen  Pharmakopoen  nebst  den  wichtigen  Gift¬ 
pflanzen  aufzunehmen.  Was  die  Zoologie  anlangt,  sollten  sämt¬ 
liche  Menschenschmarotzer  nebst  den  giftigen  1  i  ereil  abgehandelt 
sein.  Es  hat  wenig  Wert,  obsolete  Heilkräuter,  z.  B.  Ballota, 
Bardana,  Ceterach,  Chenopodium  etc.  mit  Namen  und  Familie 
aufzuführen. 

Eine  recht  schwache  Seite  des  Buches  bilden  die  Ableitungen, 
so  z.  B.  Nasturtium  von  nasus  und  torqueo  erinnert  an  die  scherz¬ 
hafte  Etymologie  von  Alopex;  Arnica  von  Ptarmica,  Aconitum 


von  <xxov?i ;  Wetzstein,  da  auf  solchen  wachsend  L  •  Aig  ist 
auch  die  Ableitung  bei  Verbascum!  Vieles  von  diesen  un¬ 
wissenschaftlichen  Etymologien  ist  aus  dem  Lexikon  von  Kraus 
entnommen,  manches  aus  L  e  u  n  i  s,  der  in  diesem  Punkte  eben¬ 
falls  zu  wünschen  übrig  lässt. 

Die  allbekannten  anatomischen  Namen  (Humerus,  Oleeranon, 
Tibia  etc.)  dürften  künftig  weggelassen  werden,  da  doch  jeder 
Arzt  ein  Handbuch  der  systematischen  Anatomie  besitzen  wird. 

Die  „Erklärungen“  der  Ausdrücke  sind  nicht  immer  ge¬ 
lungen.  Der  Anfänger,  der  z.  B.  bei  Ampere  liest:  „Prak¬ 
tische  Einheit  der  elektrischen  Stromstärke;  VI0  der  absoluten 
elektromagnetischen  Einheit“  ist  so  gescheit  wie  voiher. 

Dass  Lücken  und  Irrtümer  Vorkommen,  darf  man  bei  einem 
Buche  von  etwa  10  000  Artikeln  nicht  hoch  anrechnen.  Die 
Ekchymosen  von  B  a  y  a  r  d  kommen  auch  bei  lebend  geborenen 
erstickten  Früchten  vor.  Von  der  Kontroverse  Casper- 
T  a  r  d  i  e  u  scheint  dem  Verfasser  nichts  bekannt  zu  sein. 
Parasyphilis  ist  ganz  ungenügend  erklärt.  Man  sehe  das  treff¬ 
liche  Buch  von  Four  nier  (1894).  Creeping-disease  hat  mit 
Ergotismus  nichts  zu  tun  (cf.  Rille  in  Drasches  Bibliothek, 
Larva  migrans,  oder  Kaposis  neueste  Auflage  1901).  Das 
Gras  Anthoxanthum  hat  mit  Heufieber  nichts  zu  schaffen.  —  Der 
Fisch  Mormyrus  ist  nicht  elektrisch.  Gordius  und  F  i  1  a  r  i  a 
sind  verschiedene  IVosen.  „Barba“  soll  heissen  Barbus,  ArmadilLi 
soll  heissen  Armadillo.  —  Was  Konturschüsse  sind,  sollte  ein 
Militärarzt  wissen. 

Die  Cecidien  sind  nicht  nur  Gallen,  sondern  höchst  ver¬ 
schiedene,  durch  Phytopten,  Ilexapoden  und  Nematoden  ei  zeugte 
Veränderungen  an  Pflanzen,  z.  B.  Erineum,  die  interessante  Filz¬ 
krankheit,  die  man  an  Lindenblättern  leicht  beobachtet.  Die 
Ciguatera  wäre  bei  Fugugift  und  Tetrodon,  dem  gefährlichsten 
Giftfisch,  zu  erwähnen.  Von  exotischen  Leiden  vermisst  man 
neben  vielem  anderen  Anakhre,  Bubas,  Rattenbisskrankheit.  Die 
klassischen  Bücher  von  August  Hirsch,  B.  S  c  h  e  u  b  c, 
P.  M  a  n  s  o  n  müssen  von  einem  Lexikologen  gekannt  werden. 
Es  fehlt  das  wichtigste  pathologische  Insekt  Anopheles,  die  merk¬ 
würdige  giftige  deutsche  Spinne  Chiracantliium  (am  Rhein  ge¬ 
funden),  ferner  Malmignatte,  Cliorioptes  (=  Symbiotes),  die  viel¬ 
genannten  Gaule  sehen  Würmchen  (P  f  e  i  f  f  e  r:  Protozoen, 
pag.  85).  Das  sind  nur  wenige  Beispiele,  die  leicht  zu  vermehren 
sind.  —  Mehr  Rücksicht  auf  Historisches  ist  zu  wünschen,  so 
z.  B.  könnte  betont  werden,  dass  der  Name  „Mykosen“  von 
Vircho  w  im  9.  Bande  des  Archives  eingeführt  worden  ist. 

Für  viele  junge  und  alte  Doctores  wäre  es  nützlich,  wenn 
bei  wichtigen  Artikeln  eines  oder  zwei  der  besten  Bücher  genannt 
würden,  so  z.  B.  bei  Diabetes  (Naunyn,  v.  Noorden),  bei 
Nervenkrankheiten  (Oppenhei  m,  3.  Aufl.),  Magenkrankheiten 
(Ewald,  Riegel),  Hautkrankheiten  (Kaposi  1901),  Nieren¬ 
krankheiten  (R  o  s  e  n  s  t  e  i  n,  4.  Aufl.)  u.  s.  w. 

Das  wäre  erspriesslicher  als  die  devonische,  silurische  For¬ 
mation  und  die  Menge  von  Ausdrücken  aus  der  botanischen 
Kunstsprache  (fiederförmig,  Pedunculus  etc.).  Die  geologischen 
Namen  sucht  man  lieber  in  Credners  Elementen  und  die 
botanischen  Bezeichnungen  findet  man  bequem  in  den  zahl¬ 
reichen  billigen  Repetitorien.  —  Die  literarische  Rüstkammer 
des  Verfassers  ist  etwas  dürftig  ausgestattet.  Der  medizini¬ 
sche  Lexikograph  sollte  wissen,  dass  es  hier  eine  alte  klassische 
Literatur  gibt,  dass  Galen  seine  Definitiones,  Erotian  ein  hippo¬ 
kratisches  Glossar,  Rufus  Ephesius  eine  treffliche  Onomatologie, 
dass  Foesius,  Gorraeus,  Hebenstreit  unentbehrliche  Werke  ge¬ 
schrieben  haben.  Auch  die  heute  noch  vortrefflichen  Lexika  von 
Castelli  und  Blancard  müssen  sich  auf  dem  Arbeitstische  des 
Schriftstellers  finden.  J.  Cli.  TI  u  b  e  r  -  Memmingen.^ 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medicin.  1901.  45.  Bd.  Heft 

5  und  6. 

17)  Arthur  N  i  c  o  1  a  i  e  r  -  Berlin:  lieber  die  Umwandlung 
des  Adenins  im  tierischen  Organismus. 

Verfasser  erhielt  als  Resultat  seiner  Adenininjektionen  hei 
Ratten  Ablagerungen  in  den  Nieren,  welche  im  Gegensatz  zu  den 
Resultaten  der  M  i  n  k  o  w  s  k  i  sehen  Untersuchungen  an  Hunden 
nicht  aus  Harnsäure  oder  einer  Verbindung  derselben  bestanden, 
sondern  aus  einem  anderen  Purinkörper,  dem  G  Amino  2,8  Dioxy- 
purin,  wie  sich  aus  einem  Vergleich  mit  dem  von  Emil  Fische 
beschriebenen  und  synthetisch  dargestellten  Präparate  ergab. 


12.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1355 


Dieser  Purinkörper  hat  eine  sehr  weitgehende  Aehnlichkeit  mit  der 
Harnsaure,  unterscheidet  sich  jedoch  von  dieser  durch  seinen  X 
gehalt  von  41,9  Proz.,  seine  Kristallisation  aus  ammoniakalischer 
Losung  in  kleinen  vierseitigen  Blättchen,  seine  Löslichkeit  in 
20  Teilen  10  proz.  siedender  Salzsäure  und  seine  Bildung  eines  Sul¬ 
fates.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  das  (i  Amino  2  8  Dioxv- 
purin  auch  beim  Menschen  in  pathologischen  Zuständen  sich  findet 
Verfasser  hat  es  jedoch  bisher  weder  bei  Verarbeitung  von 
To  Liter  normalen  Harnes,  noch  bei  Untersuchung  von  13  g^llarn- 
siiuresteinen  nacliweisen  können. 


18)  F.  Stein  ha  u  s:  Ueber  eine  seltene  Form  von  Amyloid- 
und.  Hyalininfilti  ation  am  Zirkulations-  und  Digestionsapparat. 
(Aus  dem  Augusta-Hospital  in  Cöln;  Abteilung:  Prof.  Min¬ 
ie  o  w  ski.)  i 

Bei  einem  40  jährigen  Manne  traten  im  Anschluss  an  eine 
schwere  Darmblutung  Erscheinungen  auf,  welche  die  Diagnose 
maligner  Tumor  der  Pylorusgegend  veranlassten.  Die  Sektion 
ergab  Knötcheneruption  auf  dem  Epikard  und  Endokard,  Ver¬ 
dickung  und  Verhärtung  der  Herzmuskulatur  mit  homogenem, 
glasigem  Aussehen  derselben,  ebenso  Verdickung  der  Magenwand’ 
besonders  der  Pylorusgegend,  so  dass  der  Pylorus  nur  für  den 
kleinen  Finger  durchgängig  war;  dabei  ebenfalls  glasige  Be¬ 
schaffenheit  der  Muskulatur  und  zahlreiche  Knötchen  in  der 
Schleimhaut.  Wie  die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  wurde 
die  homogene  glasige  Beschaffenheit  durch  amyloide  und  hyaline 
Veränderung  der  Muskulatur  des  Herzens  veranlasst,  wobei  die 
Gefässwände  am  stärksten  betroffen  sind.  Die  Knötchenbildung 
war  durch  grosse  hyaline  Schollen  in  dem  subepikardialen  und 
subendokardialen  Gewebe  bedingt.  Am  Magen  waren  die  Ver¬ 
änderungen  ganz  analog,  nur  mit  dem  Unterschied,  dass  hier  die 
amyloide  Veränderung  überwog,  während  am  Herz  die  h.vaiine 
Beschaffenheit  vorherrschte.  Da  sowohl  am  Herzen,  als  auch  am 
Magen  die  spezifischen  Parenchymzellen  nur  sekundär  verändert, 
d.  h.  durch  Druck  atrophisch  waren,  so  ist  der  ganze  Prozess 
nicht  als  eine  amyloide  bezw.  hyaline  Degeneration,  sondern  als 
eint;  Amyloid-  und  Hyalininfiltration  zu  bezeichnen.  Wahrschein¬ 
lich  stellte  auch  in  diesem  Falle  das  Hyalin  die  Vorstufe  des 
Amyloids  dar,  von  dessen  Farbenreaktionen  nach  Krawkow 
nur  die  Anilinviolettfärbung  charakteristisch  ist;  sie  wird  durch 
die  eine  Komponente  des  Amyloids,  die  Chondroitinscliwefelsäure, 
hervorgebracht.  Da  sich  nach  K  r  a  w  k  o  w  aus  der  normalen  Ge- 
fässwaud  eine  Substanz  mit  den  Eigenschaften  des  Amyloids  dar¬ 
stellen  lässt,  so  scheint  es  sich  bei  pathologischen  Verhältnissen 
nur  um  eine  bedeutende  Vermehrung  der  schon  normalerweise 
vorkommenden  Substanz  zu  handeln.  Ferner  verdient  hervor¬ 
gehoben  zu  werden,  dass  die  bekannten  ätiologischen  Momente, 
Eiterungen,  Lues,  Tuberkulose,  Malaria,  bei  dem  vorliegenden  Falle 
nicht  verantwortlich  gemacht  werden  konnten.  Das  eigenartige 
klinische  Bild  wurde  durch  den  pathologisch-anatomischen  Befund 
genügend  erklärt. 

19)  Alfred  W  olff:  Ueber  die  Bedeutung  der  Lymphoid- 
zelle  bei  der  normalen  Blutbildung  und  bei  der  Leukämie.  (Aus 
dem  Krankenhause  Moabit-Berlin;  Prof.  Goldscheiders  Alt¬ 
teilung.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

20)  C.  R  oosen-Ru  n  g  e:  Ueber  die  Bedeutung  des  Trauma 
in  der  Aetiologie  der  disseminierten  Fettgewebsnekrose.  (Aus 
dem  patholog.  Institut  des  allgemeinen  Krankenhauses  Hainburg- 
St.  Georg.) 

Wie  eine  Durchsicht  der  Literatur  ergibt,  sind  Traumen  des 
Pankreas  sehr  häufig  als  ätiologisches  Moment  für  die  Entstehung 
der  Fettgewebsnekrose  verantwortlich  zu  machen.  Verfasser 
bringt  zur  weiteren  Stütze  dieser  Annahme  einen  kasuistischen 
Beitrag  durch  Beschreibung  von  4  derartigen  durch  die  Sektion 
sicher  gestellten  Fällen.  Bei  dem  ersten  war  die  Fettgewebs¬ 
nekrose  im  Anschluss  an  eine  Schussverletzung  des  Pankreas- 
Schwanzes  bei  einem  33jälirigen  Selbstmörder  aufgetreten.  Bei 
dem  zweiten  handelte  es  sich  um  eine  diffuse  Nekrose  des  Pan¬ 
kreas  bei  einer  26  jährigen  Frau,  welche  wenige  Wochen  vorher 
einen  Fusstritt  gegen  den  Unterleib  bekommen  hatte.  Der  dritte 
Fall  betraf  einen  39  jährigen  Schreiber,  welcher  eine  Treppe 
heruntergefallen  war;  die  Sektion  des  einen  Monat  später  tödlich 
endigenden  Falles  ergab  eine  sehr  ausgedehnte  Nekrose  des  Pan- 
kreas.  Bei  dem  vierten  Fall  endlich  handelte  es  sich  um  einen 
Mann,  welchem  ein  Wagenrad  quer  über  den  Leib  gegangen  war; 
dadurch  war  eine  quere  Durchtrennung  des  Pankreas  veranlasst 
worden.  Bei  allen  4  Fällen  waren  zahlreiche  Nekrosen  des  Fett¬ 
gewebes  zu  konstatieren.  Es  gehört  demnach  die  Fettgewebs¬ 
nekrose  zu  denjenigen  Krankheiten,  bei  deren  Aetiologie  das 
Trauma  eine  Rolle  spielt,  was  praktisch  bei  Unfallsgutachten  in 
Betracht  kommen  kann. 

21)  Arthur  G  ötzl  und  Gottlieb  Salus:  Zur  AVirkung  des 
Urotropins.  (Aus  dem  hygienischen  Institut  der  deutschen  Uni¬ 
versität  Prag;  Vorstand:  Prof.  H  u  e  p  p  e.) 

Die  Versuche  des  Verfassers  ergaben,  dass  das  Urotropin  an 
«ich  schon  antiseptisch  wirkt,  in  3  proz.  Lösung  schon  den  Ein¬ 
tritt  der  ammoniakalischen  Harngälirung  sehr  verzögert,  besonders 
wirksam  gegenüber  dem  B.  typhi  ist;  Erhöhung  der  Temperatur 
auf  37"  steigert  die  antiseptische  Kraft  bedeutend.  Die  Abspal¬ 
tung  von  Formaldehyd  kann  nur  wenig  die  Eigenwirkung  des 
Lrotropins  erhöhen,  da  die  abgespaltenen  Mengen  viel  zu  gering 
«ind.  Das  Wachstum  von  Schimmelpilzen  wird  durch  Urotropin 
nicht,  beeinflusst.  Die  Gegenwart  von  Eiweiss  hatte  keine  hem¬ 


mende  Einwirkung  auf  die  antiseptische  Kraft  des  Urotropins. 
Harnsaurekonkremente  nahmen  bei  längerem  Liegen  in  1  proz 
Urotropinlösung  bis  um  70  Proz.  des  ursprünglichen  Gewichtes  ab! 
Pie  Beobachtungen  an  Kranken  ergaben,  dass  Urotropin  in  Dosen 
'  °n  täglich  3  mal  0,5  in  einem  Glase  Wasser  meistens  gut  er¬ 
tragen  wird.  Formaldehyd  Hess  sich  im  frisch  entleerten  Harn 
nach  I  rotropinmedikation  nicht  immer  nacliweisen,  während  die 
Ila.rne  stets  intensive  Urotropinreaktion  (orangegelber  beim  Er¬ 
wärmen  sich  lösender  Niederschlag  nach  Zusatz  von  Bromwasser) 
gaben.  Der  therapeutische  Erfolg  war  unabhängig  von  der  Re¬ 
aktion  des  Harnes,  Das  Urotropin  erwies  sich  als  gutes  Harn¬ 
antiseptikum;  jedoch  sind  in  manchen  Fällen  die  Dosen  unzuläng¬ 
lich  und  wird  durch  die  Urotropinmedikation  die  lokale  Therapie 
bei  chronischer  Cystitis  mit  Harnretention  keineswegs  überflüssig. 

22)  Sticker:  Die  Nachweisung  des  Broms  im  Harn  und 
Speichel.  (Aus  der  med.  Klinik  Riegels  in  Glessen.) 

Da  der  Nachweis  des  Broms  im  Harn  und  Speichel  nach  den 
gewöhnlichen  Methoden  durch  die  Anwesenheit  von  Rhodanver¬ 
bindungen  und  noch  mehr  durch  etwaige  Anwesenheit  von  Jod 
unsicher  wird,  so  suchte  Verfasser  nach  anderen  Methoden  und 
fand,  dass  man  die  Rhodanverbindungen  und  das  Jod  durch  Zu¬ 
satz  von  schwefliger  Säure  und  Kupfervitriollösung  zu  dem  ein¬ 
geengten  Harn  ausfällen  kann.  In  dem  Filtrat  wird  die  schweflige 
Säure  durch  Erhitzen  ausgetrieben,  dann  wird  nach  vorhergehen¬ 
der  Abkühlung  eine  Spur  Salzsäure  zugesetzt  und  dann  Chlorwasser 
zur  Freimachung  des  Broms,  welches  mit  Chloroform  mit  gelber 
oder  brauner  Farbe  ausgezogen  wird.  Im  Chloroformauszug  wird 
Brom  bekanntlich  mit  Jodkalium  nachgewiesen,  nach  dessen  Zu¬ 
satz  das  Chloroform  eine  weinrothe  Farbe  von  freiem  Jod  an¬ 
nimmt.  Noch  einfacher  und  schärfer  ist  ein  von  Carnot  an¬ 
gegebenes  A  erfahren.  Pas  etwa  im  Harn  oder  Speichel  anwesende 
Jod  wird  durch  Schwefelsäure,  die  mit  Salpetersäuredämpfen  ge¬ 
sättigt  ist,  entbunden  und  mit  Schwefelkohlenstoff  ausgeschüttelt. 


des  Jodes  fügt  man  ein  wenig  Chromsäure  und 


Nach  Abscheidunj 

Schwefelsäure  zu  der  Flüssigkeit,  erwärmt  zum  Kochen  und  hält 
ein  mit  Fluorescei'n  gelb  gefärbtes  Filtrierpapier  darüber,  welches 
durch  Spuren  von  Brom  gerötet  wird.  Im  Speichel  konnte  Verf. 
mit  dieser  Methode  nach  Aufnahme  grösserer  Mengen  von  Brom¬ 
salzen  Brom  nacliweisen.  Ohne  vorhergehende  Bromeinführung 
fand  sich  Brom  im  Speichel  und  Harn  und  in  der  Asche  von  Ge- 
hirn,  Leber,  Nieren,  Schilddrüse  und  Muskelfieiscli  nie.  Jod  wurde 
vereinzelt,  ohne  vorhergehende  Jodeinnahme,  vorn  Verfasser  im 
menschlichen  Harn,  in  menschlichen  Hoden  und  in  Kuhmilch  ge¬ 
funden. 


23)  P.  II  a  m  p  e  1  n  -  Riga:  Ueber  schwere  Abdominalerschei¬ 
nungen  im  Beginne  einer  Pneumonie  oder  Pleuritis. 

Kasuistisches,  zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

24)  .1.  P  reuss  -  Berlin:  Biblisch-talmudische  Pathologie  und 
Therapie. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

25)  Max  E  i  n  h  o  r  n-New-York:  Ueber  Asthma  dyspepticum. 

Nach  dem  Verfasser  kommt  Asthma  dyspepticum,  d.  li. 

Asthma  im  Zusammenhang  mit  dem  Verdauungsapparat,  wobei 
natürlich  die  Zustände  von  Dyspnoe,  welche  bei  Herz-  und  Luugen- 
kranklieiten  im  Anschluss  an  die  Nahrungsaufnahme  auftreten. 
auszuscliliessen  sind,  in  zwei  Formen:  einmal  in  akuter  Form 
periodisch,  nicht  selten  nach  Exzessen  im  Essen  und  Trinken, 
Rauchen  oder  nach  starken  Gemütserregungen,  und  zweitens  in 
mehr  chronischer  Form  vor.  Bei  dieser  letzteren  Form  unter¬ 
scheidet  der  Verfasser  zwei  Gruppen,  die  eine,  bei  welcher  das 
Asthma  ziemlich  bald  nach  der  Mahlzeit  auftri'tt  und  die  zweite, 
bei  welcher  die  Anfälle  erst  2—3  Stunden  nach  der  Nahrungsauf¬ 
nahme  auftreten.  Bei  manchen  dieser  letzten  Gruppe  ungehörigen 
Fällen  kann  das  Asthma  durch  Nahrungsaufnahme  coupiert 
werden.  Die  Fälle  der  ersten  Gruppe  ähneln  in  vieler  Hinsicht 
der  Angina  pectoris  und  werden  auch  oft  damit  verwechselt.  Häufig 
ist  beim  Asthma  dyspepticum  Hyperchlorhydrie  oder  Achylia 
gastrica  vorhanden,  nach  deren  Beseitigung  das  Asthma  häufig 
verschwindet.  Bei  normaler  Magensekretion  ist  eine  Hyperästhesie 
«Ls  Magens  als  Ursache  anzunehmen;  manchmal  findet  sich  auch 
W  anderleber  als  Ursache,  wie  in  5  von  26  Fällen  des  Verfassers, 
was  für  die  Therapie  von  Belang  ist. 

Lindemann  -  München. 


Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  31. 

1 )  v.  Ott:  Die  Beleuchtung  der  Bauchhöhle  (Ventroskopie) 
als  Methode  bei  vaginaler  Koeliotomie. 

Um  das  Operationsgebiet  möglichst  hell  und  deutlich  dem 
Auge  sichtbar  zu  machen,  hat  v.  Ott  mit  Hilfe  von  elektrischen 
Lampen,  die  als  Reflektoren  an  Instrumenten  befestigt  werden, 
eine  Methode  ausgearbeitet,  die  so  einfach  ist,  dass  sie  gewiss  von 
einer  grossen  Zahl  von  Operateuren  verwendet  wird.  Die  zur 
Ventroskopie  eingerichtete  Lampe  ist  haselnussgross,  hat  eine  Vor¬ 
richtung  zur  Beschützung  der  Bauchhöhle  vor  hoher  Temperatur 
und  wird  am  Spekulum  oder  an  der  konkaven  Fläche  des  Löffels, 
durch  den  der  obere  Rand  des  Schnittes  gehoben  wird,  angebracht. 
Besonders  die  Grenzen  der  vaginalen  Methode  werden  durch  die 
Sichtbarmachung  des  Operationsfeldes  ausgedehnt.  Beckenhoch¬ 
lagerung  und  bei  Laparotomien  Abschluss  der  in  die  Bauchhöhle 
zurückgefallenen  Därme  durch  Watte-Gazetampons  werden  em¬ 
pfohlen.  Auch  bei  Exploration  des  Rektum  und  der  Blase  leisten 
die  mit  Lampen  armierten  Instrumente  vorzügliches.  Das  Ver¬ 
fahren  wird  durch  mehrere  gute  Abbildungen  illustriert. 


1356 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


No.  32. 


2)  Xougebaue  r:  Einige  Worte  über  die  Mutterhals- 
Scheidenfisteln  der  Portio  vaginalis  uteri  (Eistulae  cervico- 
vaginal6s^laqueaticae)^e  ^  Hamflsteln  des  Wl.lbes  sieh 

gleichzeilig  auch  cervico-vaginale  Fisteln,  die  nichts  anderes sind 
als  der  oberste,  klaffend  gebliebene  Teil  eines  nn  unteren  Abschnitt 
spontan  verheilten  Längsrisses  der  Cervix  uten.  Ausseidem  e  - 
stehen  die  genannten  Fisteln  durch  mstrumentelle  1  eitoiation 
(meist  sub  tentamine  abortus),  durch  Querruptur  der  ^ervixwand 
sub  partu  oder  aboriu,  ferner  durch  Druckusur  mit  nachfolgende 
(Jewebsnekrose,  nur  ausnahmsweise  durch  spezifische  l  1/eia 
tiouen:  Tuberkulose,  Syphilis,  Diphtherie,  Karzinom. 

Verfasser  erörtert  die  Kasuistik  jener  Falle,  in  denen  duicli 
die  Fistel  Konzeption  und  Abort  bezw.  Geburt  eintrat,  und  aua  y- 
siert  die  7  in  der  Literatur  niedergelegten  Fälle,  denen  er  2  eigene 
Beobachtungen  in  extenso  anreiht.  Interessant  ist  die  von  mehre¬ 
ren  Operateuren  angegebene  Schwierigkeit,  eine  demütige  1  1. 1  l 
durch  einmalige  Operation  zur  Obliteration  zu  bringen. 

3)  Rissmann:  Die  Vereinigung  deutscher  Hebammen- 

lehrer. 

Aufruf  zum  Beitritt  zur  Vereinigung  deutscher  Hebammen¬ 
lehrer  Bisher  48  Beitrittserklärungen.  19  Lehrer  stehen  noch 
abwa rtend  zurück.  Werner-  Hamburg. 


Virchow’s  Archiv.  Bd.  D'8.  Heit  2.  1902. 

<j)  Westenhoeffer:  Ueber  Schaumorgane  und  Gangrene 
foudroyante.  (Aus  dem  patholog.  Institut  in  Berlin.) 

Schaumorgane  sind  nach  W.  eine  rein  kadayerose  Erscheinung. 
Die  z.  B.  bei  Schaumlebern  auftretenden  Zellnekrosen  sind  auf 
nhvsikalisch-chemische  Ursachen  zurückzuführen.  Ebenso  gibt  es 
Än  Skheit  erregeutlen  Gasbaz-Mus  flu-  den  Menschen,  d.e 
d-ifür  amresnroclienen  Parasiten  vermögen  nur  sekundai  aut 
n'e  k  rot  fschem  tote  m  Gewebe  Gas  zu  bilden,^  dm  Resorption 
deren  Zersetzungsprodukte  führt  bei  der  sog.  Gangrene  foudrojanK 

den  ^odJlie^-inhaus;  Uel3er  Mischgeschwülste  der  Mund¬ 
speicheldrüsen.  (Aus  dem  pathol.  Institut  des  jüdischen  Kranken¬ 
hauses  in  Warschau.)  Mier.h 

Die  Ansicht  von  der  embryonalen  Anlage  der  Misch 

Geschwülste  der  Speicheldrüsen  teilt  auch  S.  mit  Hinsbeig. 

Er  nmt  jedoch  nicht  eine  epitheliale  Herkunft  dieser  Ge¬ 
schwülste  an,  sondern  eine  endotheliale.  Das  Gewebe ,  aus 
welchem  die  Tumoren  entstehen,  ist  das  I  eriost  des  Unterkiefers, 
von  dem  sich  einzelne  embryonale  Zellgruppen  abtrennen  Die 
Zeit  in  der  dies  geschieht,  ist  etwa  die  8.-15.  Woche  wahrend 
der  die  Anlage  der  Speicheldrüsen  in  unmittelbarer  Nachbarschaft 

des  It  e  i  c  h  e  r  t  sehen  Knorpels  liegt. 

8)  Robert  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Ueber  Ektoderm-  (Dermoid-) 
Cysten  im  Ligamentum  latum,  am  Samenstrang  und  Neben- 
hoden  bei  Eötus  und  Neugeborenen. 

Bei  Embryonen  bis  zu  etwa  3  Wochen  werden  Teilchen  des 
fertigen  Ektoderms  aus  der  hinteren,  seitlichen  Lumbargegend  m 
die  Urnierenleiste  versprengt,  hieraus  entstehen  umkapselte  Ekto¬ 
dermcysten,  die  in  enger  Beziehung  zu  Resten  des  W  olt  f  sehen 
Gano-es  unter  dem  Vorderblatte  des  Lig.  latum  oder  meist  hinten 
oder“  unten  am  Plexus  spermaticus  gefunden  werden. 

M.  nimmt  an,  dass  die  versprengten  Kenne  weniger  ent¬ 
wicklungsfähig  seien  als  die  an  der  ihnen  zukommenden  Stel  e 
verbliebenen,  da  die  verlagerten  Keimkomplexe  insgesamt  nicht 
die  Grösse  erreichen,  die  eine  an  normaler  Stelle  verbliebene 
Ektoderm  zelle  im  Laufe  der  Entwicklung  erreicht.  Entstehung 
der  sog.  Dermoide  (Teratome)  der  Geschlechtsdrüsen  aus  solchen 
Ektodermversprengungen  (Bandler)  hält  er  für  ausgeschlossen. 

9)  Umberto  Deganello:  Ein  Eall  von  Chondrosarkom  dei 
Skapula.  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Chondrome  des  Schulter¬ 
blattes.  (Aus  dem  patholog.  Institut  der  Universität  Heidelbeig.) 

Der  Verf.  berichtet  über  einen  Tumor  der  Skapula  und  des 
Humerus,  den  er  als  primäres  Chondrosarkom  der  Skapula  wahr¬ 
scheinlich  von  periostalem  Ursprung,  mit  chondromatosen 
Metastasen  im  Humerus  beschreibt.  Der  chondromatose  leil 
ist  ein  hyalines  Chondrom,  der  sarkomatöse  Teil  ein  Spindelzellen- 
sarkom.  '  Im  Anschluss  daran  werden  14  eigene  und  ->  nach 
W  alder  zitierte  Chondrome  der  Skapula  aufgezahlt  und  diese 
nach  verschiedenen  Gesichtspunkten,  so  auch  bezüglich  der  Ope¬ 
rationsarten  und  -Erfolge,  betrachtet  und  registriert 

10)  S  u  1 1  e  r:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Metastasen  des  pn 

mären  Nierenkarzinoms.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  von  Di. 
F.  d  e  Q  u  e  rvain  -  Chaux-de-Fonds.)  ..  , 

Durch  eigene  Injektionsversuche  wie  auch  durch  Berück¬ 
sichtigung  der  Ergebnisse  anderer  Forscher  (Goldman  n)  kommt 
S  zu  der  Annahme  eines  retrograden  Transportes  im  Bereich  der 
Nieren venen  und  erklärt  so  am  einfachsten  die  Metastasen  von 
bösartigen  Nierengeschwülsten  (oder  auch  von  Tuberkelbazillen) 
im  übrigen  Urogenitalapparat.  Es  kommt  hiebei  die  Vena  sper- 
m  itica  interna  in  Betracht,  da  sie  sehr  selten  Venenklappen  hat. 
Die  Frage,  ob  die  führende  Rolle  bei  Papillomen  das  Epithel  oder 
das  Bindegewebe  (R  i  b  b  e  r  t)  übernimmt,  wird  spekulativ  zu  losen 

11)  E.  Deetz:  Ueber  ein  Angioma  arteriale  racemosum  im 
Bereiche  der  Art.  corporis  callosi.  (Aus  der  patholog.  Abteilung 
des  städt.  Krankenhauses  Dresden-Friedrichsstadt.  Piosektoi. 

Medizinalrat  Dr.  Schmort.)  .  ,onoTnrtQlim 

Bei  einer  5G  jährigen  Frau  wurde  ein  Angioma  racemosum 
der  Arteria  cerebri  anterior,  ähnlich  dem  von  Emanuel  be¬ 


schriebenen,  bei  der  Sektion  gefunden.  Wegen  eines  epileptischen 
Anfalls  war  die  Frau  in  das  Krankenhaus  gebracht  worden,  noch 
weitere  epileptische  Anfälle  wurden  dort  ärztlich  beobachtet. 
Mikroskopisch  zeigten  die  Gefässwände  des  Angioms  alle  3  Schich¬ 
ten  ziemlich  normal,  nur  waren  in  allen  grosseren  Gelassen  l  c 
Muskulatur  und  die  elastischen  Fasern  nur  dürftig  entwickelt,  du 
kapillären  (V  lief.)  Gelasse  hatten  eine  deutliche  bindegewebige 

Ad'  Konrad  S  c  h  n  e  i  d  e  r  -  Erlangen. 

Archiv  für  Hygiene.  43.  Bd.  3.  Heft.  1902. 

1 1  F  M  a  v  e  r  und  H.  Wolpert  -  Berlin:  Ueber  die  Ver¬ 
stärkung  der ‘Desinfektionswirkung  des  Eormaldehyds  durch 

aliseitigen  künstlichen  Innenwind.  ,  ,  1m.h 

Es  wird  zunächst  darauf  aulmerksam  gemacht  und  di  uh 
Versuche  gezeigt  dass  bei  allen  Desinfektionsmethoden  ein  Man- 
JÄÄlTS««  nämlieli  in  eiuem  Zimmer  Oie  oberen 
Regionen  intensiver  desinfiziert  werden  als  der  H  ussboden  und .  (Le 
unteren  Schichten.  Die  Desinfektion  ist  also  keine  gleich  massige. 
Me Verfasser  versnobten  deshalb  dnreb  einen  tra  ns  p  o  t  a  J>- 
1  e  n  F  lügelventilato  r,  den  sie  in  die  Mitte  des  Zinimeu 
brachten  die  Luftschichten  besser  zu  mischen.  Die  Erwartungen 
ohmen  jedoch  nicht  in  Erfüllung,  da  die  Desinfektionswiruung 
u  ter  der  einseitig  bewegten  Luft  durchaus  nicht  besser  war  als 
bld  nfbemler  Luft.  Erst  als  dem  Mgelventilator  dnreb  eme 
rotierende  Unterlage  eine  um  sich  selbst  drehende  Bewegung  ge 
o-eben  wurde,  konnte  eine  günstige  Wirkung  erzielt  werden.  De 
erhöhte  Wirkung  besteht  also  weniger  in  einer  Luftmischung  als 
hi  einer  vermehrten  Luftbewegung,  die  s  cb  in 
einem  allseitigen  Winddruck  und  Anprall  d  c  i 
formaldebvd  lialtigen  L  u  f  t  aussert. 

Die  Menge  des  verbrauchten  Formaldehyd  kann  beim  Ge¬ 
brauch  des  Ventilators  auf  mehr  als  die  Hälfte  ^^J^n 
ohne  die  Desinfektionskraft  zu  verringern.  Als  Grundzahl  gehen 
die  Verfasser  für  1 00  cbm  Luftraum  1000  ccm  Formalin  als 

""fiel'1  Apparat  dürfte  sich  besonders  für  sehr  hohe  Raume, 
Turnhallen,  Exerzierhäuser,  städtische  Asyle  u.  s.  w.  eignen. 

2)  E.  Mayer  und  H.  W  o  1  p  e  r  t  -  Berlin:  Ueber  den  Ein¬ 
fluss  der  Lufttemperatur  auf  die  Desinfektionswirkung  de 

Fo.maldebydo.^e  ergaben_  dass  die  Desinfektionswirkung  Im  all- 
gemeinen  um  so  grösser  ist,  je  höher  die  Zimmertemperatur  steigt. 
Bei _ 3 0  wurde  z.  B.  3  mal  mehr  Formalin  als  wie  unter  gewöhn¬ 

lichen  Verhältnissen  verbraucht,  ohne  dass  bei  den  lestobjekt 
(-ine  Schädigung  eingetreten  wäre.  Zwischen  10  und  15  bedeute 
ieder  einzelne  Grad  eine  Verstärkung  der  Desinfektionswirkung. 
ln  den  Versuchen  für  ruhende  Luft  stieg  die  Wirkung  bei  Er¬ 
höhung  der  Lufttemperatur  von  9  auf  13 0  freite  auf d“  ■£< oppe j. 
Auch  bei  sogen,  „forcierten“  Heizen  nimmt  die  Desinfektionskral  t 
zu  Die  Lufttemperatur  spielt  also  unter  Umständen  eme  grosseie 
Rolle  als  die  Luftfeuchtigkeit.  Daher  raten  die  Verfasser  die 
Formalindesinfektion  bei  möglichst  hoher,  eventuell  kunsüicb  g 
steigertet-  Raumtemperatur  vorzunehmen  und  nur  so  viel  Wassei 
zu  verdampfen,  dass  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  von  dem 
Sättigungspunkt  noch  erheblich  entfernt  bleibt.  Hierdurch  wnd 
erreicht,1  dass  keine  Kondensation  eintritt.  Sollte  kein  Ofen  zur 
Erhöhung  der  Zimmertemperatur  zur  Verfügung  stehen,  so  weiden 
( ’oakskörbe  oder  Kohlenbecken  gute  Dienste  leisten. 

3)  St  R  u  z  i  c  k  a  -  Prag:  Studien  zur  relativen  Photometrie. 
Die  Methode  der  Helligkeitsbestimmung,  die  Verfasser  be¬ 
schreibt,  beruht  auf  der  Lichtemptiudliclikeit  von  besondeis  hei- 
■ '-estel Item  Papier.  Da  sich  das  bekannte  Celloidinpapier  nicht  be¬ 
sonders  gut  eignet,  so  hatte  schon  Andresen  Bromsilberpapiei 
mittels  Rhodamin  B  so  „sensibilisirt“,  dass  es  ausser  dein  L 
pfindlichkeitsmaximum  in  Violett  noch  ein  starkes  zweites  in 
besass.  Es  musste  aber  dabei,  um  nur  die  leuchtenden  Strahlen 
auf  das  Papier  einwirken  zu  lassen,  der  violette  Teil  duicli  Aura 

min  abfiltriert  werden.  ,  A  _  _  _ 

Dem  Verfasser  gelang  es,  das  Papier  so  herzustellen,  las, 

es  ohne  Filter  nur  das  eine  Maximum  im  Gelben 
besitzt.  Mit  diesem  Papier  liess  sich  für  ein  lind  denselben 
Zeitabschnitt  die  Belichtungsintensität  aller  gewählten  Platze  eine* 
Raumes  im  Verhältnis  zu  dem  dunkelsten  oder  hellsten  oder  auch 
im  Verhältnis  zur  Lichtintensität  vor  dem  Fenster  oder  im  1  reu 
bestimmen.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 


Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenknnde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  2.  1902. 

1)  A.  G  r  i  m  m  e  -  Marburg:  Die  wichtigsten  Methoden  der 
Bakterienfärbung  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Membran,  den 
Protoplasten  und  die  Einschlüsse  der  Baktenenzelle.  (1 

2) &G  li  o  n  und  v.  Preyss  -  Wien:  Studien  zur  Biologie  des 

Influenzabazillus.  ^  *«,.  .m, 

Die  von  R.  Pfeiffer  gemachte  Beobachtung,  dass  fui  die 

Influenzabazillen  hämoglobinhaltiger  NäJrlJ®5®“  £  *‘ 

eignetste  sei,  war  der  Ausgangspunkt  erneuter  UnteisuchungeF 

Die  Verfasser  fanden  in  dem  Hamatm  den  Stoff,  der  in  -  ® 

auf  Wachstumsfähigkeit  für  Influenza  dem  H  a  in  o 
gleiclikommt.  Allerdings  gehört,  um  ein  üppiges  Wachstum,  sogen. 
„Riesenkulturen“,  zu  erzielen  noch  dazu,  dass  dem  Hamatinn 


12.  August  1902. 


MITENCITENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1357 


boden  —  wie  schon  Grassberge  r  hervorhob  —  fremde  Keime 
oder  deren  Produkte  zugesetzt  werden. 

Zur  Herstellung  eines  solchen  passenden  Nährbodens  em 
pfehlen  die  Verfasser  Blut  mit  Sodalösung  zu  versetzen,  zu  kochen 
und  dasselbe  dem  verflüssigten  Agarnährboden  beizufügen.  Der 
Nährboden  bleibt  dann  1 — 3  Wochen  stehen.  Zur  Isolierung  der 
Influenzabazillen  kann  man  ihn  nun  direkt  verwenden  oder  noch 
besser  gibt  man  2 — 3  Tropfen  einer  abgetöteten  Kulturaufschwem¬ 
mung  von  Staphylococcus  pyogenes  oder  Diph- 
theiiebakterien  in  Wasser  auf  die  Oberfläche  der  Platte. 

3)  R.  T  u  r  r  ö  -  Cataluna:  Zur  Bakterienverdauung.  (Zweite 
vorläufige  Mitteilung.) 

Die  Untersuchungen  erstrecken  sich  auf  das  Bakterien¬ 
lösungsvermögen  des  Schilddrüsen-,  Nieren-  und  Mus¬ 
kelsaftes,  sowie  des  Hühnereies.  Der  gepresste  Saft  ver 
daut  innerhalb  1—3  Tagen  bei  35— 38  0  im  Minimum  10  Proz.  seines 
Gewichtes  eintägige  Milzbrandkultur.  Durch  den  Zusatz  von 
2  Pioz.  Fluor natiium  werden  die  Bakterien  am  Aufkommen  ge- 
hindert.  Das  Bakteiienverdauungsvermögen  des  Hühnereies 
nimmt  im  Lauf  der  Zeit  zu.  Die  Enzyme  greifen  die  Milzbrand¬ 
bazillen  entweder  von  aussen  an  und  bringen  sie  allmählich  zur 
Auflösung  oder  sie  dringen  gleich  zu  Anfang  in  sie  ein  und  brin°-en 
sie  zum  schmelzen.  Je  weiter  sie  angegriffen  sind,  desto  weniger 
gut  nehmen  sie  die  Gramfärbung  auf.  Sind  die  Bazillen  längere 
Zeit  mit  Mineralsäuren  behandelt,  so  sind  sie  widerstandsfähiger 
gegen  die  Bakteriolyse.  * 

4)  C.  Gorini-Rom:  Ueber  die  bei  den  Hornhautvaccine¬ 
herden  vorkommenden  Zelleinschlüsse.  (Dritte  vorläufige  Mit¬ 
teilung.)  (Schluss  folgt.) 

5)  A.  L  o  v  s  -  Cairo:  Zur  Kenntnis  der  Trematodenfauna  des 

Triester  Hafens.  II.  Ueber  Monorchis  Montic.  und  Haplo- 
splanchnus  n.  g.  ^ 

6)  O.  b  u  h  r  m  a  n  n  -  Neuchätel:  Die  Anoplocephaliden  der 
Vögel. 

7)  E.  S.  London- Petersburg:  Der  gegenwärtige  Stand 
der  Lehre  von  den  Cytolysinen  und  die  cytolytische  Theorie  der 
Immunität.  (Schluss.) 

In  dem  Schlusskapitel  werden  die  Cytolysine,  Anti- 
cytolysine  und  die  cytolytische  Theorie  der  Im¬ 
munität  besprochen.  Die  ausführlichen  Darlegungen  sind  in 
Kürze  nicht  wiederzugeben.  R.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  31. 

E.  G  r  a  w  i  t  z  -  Charlottenburg:  Nekrolog  auf  Carl  Ger¬ 
hardt. 

1)  Ri  edel -Jena:  Wie  oft  fehlt  die  typische  Dämpfung 
in  der  rechten  Fossa  iliaca  bei  der  Appendizitis? 

R.  schätzt,  dass  seit  30  Jahren  wenigstens  150  000  Kranke  an 
Blinddarmentzündung  gestorben  sind,  von  denen  sehr  viele  bei 
rechtzeitiger  Operation  hätten  gerettet  werden  können.  Vor  allem 
muss  man  wissen,  unter  welchen  Umständen  ein  Infiltrat  über¬ 
haupt  nicht,  zustande  kommt.  Dasselbe  fehlt  dann,  wenn  keine 
alten  Adhäsionen  vorhanden  sind;  die  Dämpfung  kann  nicht  nach¬ 
weisbar  sein,  wenn  die  Appendix  weit  von  der  Fossa  iliaca  ent¬ 
fernt  perforiert,  die  schon  vorhanden  gewesene  Dämpfung  ver¬ 
schwindet  wieder,  wenn  Gas  in  den  Abszess  eintritt.  Der  Artikel 
bringt  in  kurzer  Zusammenfassung  die  Anschauungen  R.s  über 
die  Pathogenese  der  Appendizitis,  hinsichtlich  welcher  auf  das 
Original  verwiesen  werden  muss.  Das  Erbrechen  beim  Anfall 
kann  auch  bei  seröser  Entzündung  und  bei  serösem  Exsudat  im 
Bauche,  exzessiv  sein.  Bei  unverwachsener,  chronisch  kranker 
Appendix  kann  der  tödliche  Ausgang  in  wenig  Stunden  eintreten.  I 
Höchst  wichtig  für  den  ganzen  Symptomenkomplex  ist  die  Lage 
der  Appendix,  über  welche  Verfasser  eine  Statistik  anführt,  welche 
en  Verlauf  illustriert,  den  die  Erkrankung  bei  den  verschiedenen 
Lagen  nimmt.  Wenn  z.  B.  die  Appendix  lateral  gelagert  und  gut 
m  Adhäsionen  eingebettet  ist,  so  fehlen  bei  den  Kranken  deutliche 
Erscheinungen  von  seiten  des  Bauches,  ebenso  bei  retrocoekal 
hegender  Appendix.  Die  gefährlichste  Lage  ist  die  mediane.  R. 
ist  bekanntlich  für  die  Operation  in  den  ersten  24  Stunden,  genau 
ebenso  wie  bei  den  eingeklemmten  Brüchen,  an  denen  wegen  Ver¬ 
zögerung  der  Operation  immer  noch  zu  viel  Menschen  sterben. 

2)  W.  Ri  echel  mann -Berlin:  Eine  Krebsstatistik  vom 
pathologisch-anatomischen  Standpunkt.  (Schluss  folgt.) 

3) .  E.  Meyer-  Kiel:  Hysterie  nach  Trauma,  kombiniert  mit 
oi  ganischer  Erkrankung  des  Nervensystems. 

Bei  einem  49  jährigen,  bis  dahin  anscheinend  gesunden 
Arbeiter  entwickelte  sich  bald  nach  einer  leichten  Verletzung  am 
Ellenbogen  ein  Krankheitsbild,  bestehend  in  Zittern  zuerst  im  lin¬ 
ken  Arm,  dann  über  den  ganzen  Körper,  sowie  Spasmen  in  der 
Muskulatur,  Erschwerung  des  Ganges  und  stottemähnliche  Stö- 
der  Sprache,  psychisch  Abnahme  der  geistigen  und  ge- 
muthlichen  Regsamkeit,  Reizbarkeit,  einige  Beeinträchtigungs- 
meen  und  Sinnestäuschungen.  Ausserdem  fand  sich  Pupillen¬ 
starre  auf  Licht  und  Konvergenz,  temporale  Abblassung  der 
1  aPdlen  und  Fehlen  der  Kniephänomene.  Die  ersteren  Erschei- 
iiungen  sind  sehr  beeinflussbar  und  wechseln  in  der  Intensität, 
nas  Zittern  besitzt  exquisit  den  Charakter  des  imitierten,  trotz- 
aem  der  Arbeiter  keine  Rente  beansprucht,  noch  auch  seine  An¬ 
gehörigen.  Es  handelt  sich  um  eine  pseudospastische  Parese  mit 
tretuor,  kombiniert  mit  einer  organischen  Erkrankung,  von  wel- 
r  ier  noch  nicht  feststeht,  ob  es  sich  um  beginnende  Paralyse  oder 
-Tabes  handelt. 


4)  P-  Wulff -Berlin:  Zur  Fettgewebsnekrose. 

Ein  40  jähriger  Restaurateur,  hochgradiger  Potator,  erkrankte 
unter  den  Erscheinungen  einer  akuten  Perityphlitis.  Als  dieselbe 
operiert  werden  sollte,  zeigte  sich  das  Fett  der  Bauchdecken  eigen¬ 
tümlich  verändert,  so  dass  zunächst  an  Aktinomykose  gedacht 
wurde.  Blutungen  in  die  Höhle,  welche  durch  den  Zerfall  des 
b  ettes  entstanden  war,  beförderten  den  tödlichen  Ausgan°\  Bei 
der  Autopsie  fand  sich  der  Wurmfortsatz  ganz  normal,  dagegen 
eine  ausgedehnte  typische  Fettnekrose  des  ganzen  Bauchfetts. 
Besonders  zu  bemerken  ist,  dass  das  Pankreas  vollkommen  nor¬ 
mal  gefunden  wurde.  Selten  ist  auch  der  Verlauf  unter  dem  Bilde 
eines  perityphlitischen  Abszesses,  Grassmann-München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  30  u.  31. 

No.  30.  1)  R.  B  o  n  n  e  t  -  Greifswald:  Weitere  Mitteilungen 
über  Embryotrophe. 

Nach  einem  im  Greifswalder  medizinischen  Verein  am 
4.  Januar  1901  gehaltenen  Vortrag. 

Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschr.  1902,  No.  10,  p.  422. 

2)  P.  H  i  1  b  e  r  t  -  Königsberg  i.  Pr.:  Ein  Fall  von  Perfora¬ 
tionsperitonitis  aus  seltener  Ursache  (Durchbruch  eines  ulze- 
rierten  Divertikels  der  Flexura  sigmoidea)  und  mit  ungewöhn¬ 
lichem  Verlauf. 

Nach  einem  im  Verein  für  wissenschaftliche  Heilkunde  in 
Königsberg  i.  Pr.  am  21.  April  1902  gehaltenen  Vortrage. 

Der  Fall  bietet  in  klinischer  Beziehung  bemerkenswerte  Ab¬ 
weichungen  von  dem  allgemein  bekannten  Symptomenkomplex 
einer  Perforationsperitonitis  hauptsächlich  durch  den  vollkommen 
symptomenlosen,  latenten  Beginn  der  Krankheit  und  vollständig- 
schmerzlosen  Verlauf,  sowie  durch  die  andauernd  bestandenen 
Diarrhöen. 

3)  Eschenhagen  -  Charlottenburg:  Ueber  einen  Fall  von 
Fistelbildung  zwischen  den  Gallenwegen  und  einem  Bronchus. 

Es  handelte  sich  in  diesem  Fall  um  eine  seit  mehreren  Jahren 
bestehende  Cholelithiasis,  welche  zu  einer  Cholecystitis  und 
Cholangitis  infectiosa  geführt  und  diese  wiederum  einerseits  zu 
einer  zirkumskripten  adhäsiven  Peritonitis,  wodurch  Verwach¬ 
sungen  der  Gallenblase  und  Leber  mit  ihren  Nachbarorganen  be¬ 
dingt  waren  und  andererseits  zu  multiplen  Leberabszessen  ge¬ 
führt  hat.  Der  eine  von  diesen  Abszessen  ist  direkt  in  die  rechte 
Lunge  durchgebrochen  und  hat  dadurch  eine  zirkumskripte  Gan¬ 
grän  mit  massenhaftem  eitrigen,  stinkenden  Auswurf,  der  plötz¬ 
lich  auftrat,  verursacht.  Da  aus  diesem  Leberabszess  der  Eiter 
Abfluss  hatte,  so  ist  er  allmählich  zur  Ausheilung  gelangt  und 
hat  sich  in  eine  mit  Galle  gefüllte  Höhle  umgewandelt,  die  durch 
einen  mit  Granulationsgewebe  ausgekleideten  Fistelgang  mit  dem 
Bronchus  in  Verbindung  geblieben  ist. 

4)  Fr.  Kuhn- Cassel:  Technik  der  peroralen  Tubage. 

Nach  einem  auf  dem  Chirurgenkongress  1902  zu  Berlin  ge¬ 
haltenen  Vortrag  Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschr.  1902 
No.  17,  pag.  722. 

5)  J.  W  e  i  s  s  b  e  i  n  -  Berlin:  Zur  Frage  der  künstlichen 
Säuglingsernährung  mit  besonderer  Berücksichtigung  von 
Soxhlets  Nährzucker. 

Verfasser  empfiehlt  in  geeigneten  Fällen,  besonders  bei  lang¬ 
wierigen  Magendarmerkrankungen  Soxhlets  verbesserte  Lie- 
bigsuppe,  zumal  sie  sich  durch  ihre  Unzersetzlichkeit  auszeichnet 
und  der  allergrösste  Teil  der  Stärke  in  die  leicht  wasserlöslichen 
Umwandlungsprodukte  Dextrin  und  Maltose  übergeführt  ist.  Für 
die  Säuglingsernährung  im  allgemeinen  hält  er  aber  und  bestätigt 
diese  Ansicht  durch  verschiedene  günstige  eigene  Beobachtungen. 
Soxhlets  Nährzucker  von  höchster  Wichtigkeit.  Er  ist  leicht 
resorbierbar,  verhältnismässig  billig,  was  gewiss  auch  in  die  Wag¬ 
schale  fällt,  und  hat  den  angenehmen  Vorzug,  nicht  abführend  zu 
wirken. 

6)  A.  D  r  y  g  a  s  -  Posen:  Drei  Fälle  von  progressiver  per¬ 
niziöser  Anämie. 

Kasuistische  Mitteilung. 

7)  Scliwiening  -  Berlin:  Mitteilungen  über  die  Verbrei¬ 
tung  von  Volksseuchen,  unter  Benützung  der  Veröffentlichungen 
des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes. 

8)  D  a  m  r  o  w  -  Alt-Damm:  Eine  neue  Fremdkörperpinzette 
für  Nase  und  Ohr. 

Deren  Vorteile  sollen  sein: 

1.  Leichtes  Fassen  und  Festhalten  harter  und  weicher  Fremd¬ 
körper,  auch  solcher,  welche  nur  eine  ganz  kleine  Angriffsfläche 
zeigen,  stark  gequollen  und  aufgeschwellt  sind. 

2.  Gleich  bequeme  Anwendung  für  Ohr  und  Nase. 

3.  Sehr  leichte  Reinigung. 

4.  Die  Pinzette  kann  in  jedem,  auch  dem  kleinsten  Taschen¬ 
besteck  mitgeführt  werden. 

5.  Leichte  Handhabung  bei  einfachster  Konstruktion. 

9)  Beer-  Barmen:  Ueber  den  Wert  des  neuen  (B  i  a  1  sehen) 
Reagens  für  die  Differentialdiagnose  zwischen  Diabetes  und  Pen- 
tosurie. 

10)  Friedmann  -  Beutlien  O.-Schl. :  Die  Beurteilung  der 
Qualität  der  Frauenmilch  nach  ihrem  mikroskopischen  Bilde. 

Replik  auf  die  Bemerkungen  des  Herrn  Dr.  Winter  in 
No.  26  dieser  Wochenschrift, 

No.  31.  1)  V.  Zangemeister  und  M.  Wagner- 

Leipzig:  Ueber  die  Zahl  der  Leukocyten  im  Blute  von  Schwange¬ 
ren,  Gebärenden  und  Wöchnerinnen. 


1358 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Da  der  Leukocytengehalt  beim  Menschen  unter  normalen  Ver¬ 
hältnissen  nach  den  Angaben  der  Literatur  noch  ziem  ich 
schwankend  ist,  wurden  zuerst  Versuche  an  gesunden,  nicht 
schwangeren  Frauen  angestellt,  wobei  jedesmal  die  letzte  M  1 
struation  genau  festgestellt  wurde,  da  bekanntlich  wahrend  der¬ 
selben  normalerweise  eine  Leukocytose  auftreten  soll.  Die  n  t 
der  Z  ei  ss  sehen  Mischpipette  und  mit  der  R  e  1  c  h  e  r  t  sehen 
Zählkammer  angestellten  Zählungen  ergaben,  dass  kräftig  i  i- 
beitende,  unter  gleichen  Verhältnissen  lebende  Frauen  grosse 
individuelle  Unterschiede  in  ihrem  Leukocytengehalte 
aufweisen;  dabei  scheinen  die  Schwankungen,  denen  eine  einzelne 
Frau  unterworfen  ist,  gering  zu  sein. 

Was  dann  die  Resultate  in  der  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Wochenbett  unter  normalen  Verhältnissen  betrifft,  so  geht  aus 
den  Zählungen  hervor,  dass  die  Leukocytenzalilen  bei 
Schwangeren,  insbesondere  denen  im  letzten  Monat,  sich 
innerhalb  derselben  Grenzen  bewegen,  wie  bei  nichtschwangeren 
Frauen  und  dass  die  überwiegende  Mehrzahl  hier  wie  dort  Leuko- 
cytenwerte  zwischen  i  oOO  und  lo  000  darbieten. 

Bei  fast  allen  Kreissenden  wurde  eine  mehr  oder  minder 
beträchtliche  Erhöhung  der  Leukocytenzalilen  festgestellt. 

Es  sind  nun  aber  die  Leukocyten  nicht  nur  im  Vergleich  zur 
Gravidität  vermehrt,  sondern  man  kann  in  den  meisten  Fallen 
eine  beständig  wachsende  Zunahme  während  der  Geburt  beob¬ 
achten.  Die  Leukocytose  wächst  allmählich  bis  gegeii  Ende  der 
Geburt  und  hat  mit  der  Austreibung  des  Kindes  resp.  kurz  nach 
derselben  im  allgemeinen  ihren  Höhepunkt  erreicht.  Die  Starke 
der  Leukocytose  ist  dabei  bedingt  durch  die  Vorgänge  während  der 
Geburt,  so  finden  sich  besonders  hohe  Zahlen  bei  sich  in  die  Lange 
ziehenden  Geburten  (durch  enges  Becken  etc.),  bei  sehr  kräftigen 
Wehen,  bei  Abfluss  des  Fruchtwassers,  Auch  Resorptions vorgange 
spielen  hiebei  eine  Rolle. 

Bei  normalen  Wochenbetten  lässt  sich  in  allen  fallen  ein 
meist  rasches  Absinken  der  Leukocyten  feststellen  und  zwar  be¬ 
ginnt  dies  meist  unmittelbar  nach  der  Geburt  in  den  ersten 
Stunden.  Ausnahmen  kommen  hiebei  vor  bei  sehr  starken  Nach¬ 
wehen.  __  1  1  l* 

Beztiglicli  der -pathologischen  Zustände  im  Wochenbett  wai 

festzustellen,  dass  lediglich  dort  eine  hohe  Leukocytose  eintrat, 
wo  Gelegenheit  zu  ausgiebiger  Resorption  zersetzter  Lochien  vor¬ 
handen  war.  Auch  in  2  Fällen  von  Mastitis  war  eine  deutliche 
Zunahme  der  Leukocyten  nachweisbar,  ebenso  nach  Wendung  und 
Extraktion  bei  einem  Fall  von  Placenta  praevia  centralis  und  einer 
sich  daran  anschliessenden  schweren  infektiösen  Erkrankung. 

Bei  eingreifenden  Operationen  (konstruierten  Wendungen,  Ein¬ 
legung  eines  Ivolpeurynters  und  glatten  Laparotomien,  bei  denen 
keine  Resorption  von ‘Eiter  oder  altem  Blute  möglich  war)  konnte 
keine  merkliche  Leukocytenvermehrung  konstatiert  werden. 

Als  Resume  lässt  sich  nach  den  bisherigen  Untersuchungen 
beim  Wochenbettfieber  kein  prognostischer  oder  diagnostischer 
Wert  der  Leukocytenzählung  einräumen. 

Dagegen  scheint  die  Tatsache  von  Bedeutung,  dass  auch  unter 
physiologischen  Umständen,  wie  der  Geburt,  Steigerungen  im 
Leukocytengehalt  des  Blutes  auftreten,  wie  sie  bisher  lediglich 
bei  schweren  infektiösen  Prozessen  beobachtet  worden  sind. 

2)  Dorendorf -Berlin:  Ueber  ein  bisher  wenig  beach¬ 
tetes  Aneurysmensymptom. 

Das  bei  Aneurysma  des  Aortenbogens  beobachtete  Symptom 
besteht  darin,  dass  die  Grube  über  dem  linken  Schlüsselbein  fehlt; 
die  Gegend  ist  verstrichen  oder  noch  häufiger  tumorartig  vor¬ 
gewölbt,  dabei  zeigt  auch  die  Vena  jugularis  externa  sinistra 
meist  erheblich  stärkere  Füllung  als  die  rechte.  Durch  Druck  von 
oben  nach  abwärts  lässt  sich  die  weiche  supraklavikuläre  Vor¬ 
wölbung  vorübergehend  beseitigen.  Die  Vorwölbung  wird  bedingt 
durch  erschwerten  Abfluss  des  Blutes  aus  dem  Wurzelgebiet 
der  Vena  anonyma  sinistra. 

3)  P.  G  r  ü  t  z  n  e  r  -  Tübingen:  Ueber  die  Wirkung  der  Zecken 
auf  tierisches  Blut. 

Die  Einwirkung  der  Verdauungssäfte  der  Zecke  auf  das  Blut 
besteht  erstens  in  einer  völligen  Entziehung  des  Sauerstoffs  und 
zweitens  unter  gleichzeitiger  Eindickung  des  Blutes  in  einer 
Lösung  aller  Blutkörperchen.  Von  dem  auf  diese  Weise  frei¬ 
gemachten  Hämoglobin,  das  sich  stets  in  schön  krystallisierter 
Form  in  dem  geschwollenen  Zeckenleibe  vorfindet,  lebt  dann  offen¬ 
bar  das  Tier. 

4)  A.  F  r  e  u  d  e  n  b  e  r  g  -  Berlin:  Einige  Fälle  von  erfolg¬ 
reicher  B  o  t  t  i  n  i  scher  Operation  bei  besonders  lange  be¬ 
stehender  kompletter  Urinverhaltung.  (Nach  einer  vor  der  Freien 
Vereinigung  der  Chirurgen  Berlins  am  13.  Januar  11)02  gehaltenen 
Demonstration.) 

Die  Dauer  der  der  Operation  vorausgegangenen  kompletten 
Urinverhaltung  betrug  in  dem  einen  Falle  10%  Jahre,  in  dem  an¬ 
deren  27%  Jahre.  Gleichwohl  wurde  durch  die  B  o  1 1  i  n  i  sehe 
Operation  ein  funktionell  vollkommener  Erfolg  erzielt.  Der  dritte 
Fall,  bei  welchem  die  komplette  Urinretention  immerhin  auch 
5  Jahre  vor  der  Operation  bestanden  hatte,  ist  dadurch  inter¬ 
essant,  dass  die  erzielte,  in  der  Tat  ideale  Heilung  nunmehr  schon 
4  Jahre  und  2%  Monate  absolut  konstant  geblieben  ist. 

5)  Rürig  II  (Reinliard)-Wildungen:  Beitrag  zur  Statistik 
der  B  o  t  t  i  n  i  sehen  Prostatadiszision. 

Kasuistische  Mitteilung  mit  Verlauf  und  Resultat  der  aus¬ 
geführten  Operation. 


G)  G.  F  1  a  t  a  u  -  Berlin:  Ueber  „Roborat“  in  der  Privat- 

P1  Bericht  über  persönlich  gewonnene  Erfahrungen  über  das  aus 
Getreidesamen  hergestellte  Eiweissnährmittel  ,, Lohma.  . 

7)  W  i  d  e  n  m  an  n  -  Bonn:  Der  Plattfuss  des  Negers. 

Entgegnung  auf  den  in  No.  20  dieser  Wochenschrift  ent¬ 
haltenen  Aufsatz  von  Dr.  Muskat.  M.  L  a  c  n  e  . 

Oesterreichisclie  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  31.  1)  A.  v.  Frisch:  Adrenalin  in  der  urologischen 

‘  Verfasser  verwendet  das  Präparat  zur  cystoskopisclien  Unter¬ 
suchung  von  solchen  Fällen  vesikaler  Hämaturie,  wo  die  a  or- 
bereitende  Blasenspülung  immer  wieder  Blutungen  anregt,  feiijü 
bei  Operationen  von  Blasentumoren,  wo  durch  eine  Betupfung  des 
Gewebes  eine  prompte  Blutleere  zu  stände  kommt,  dann  bei  schwei 
zu  passierenden,  engen  Strilrturen,  wo  eine  Abschwellung  der 
Schleimhaut  erfolgt,  ferner  bei  schwierigem  Katheterismus  bei 
Prostatahypertrophie,  wo  meist  allmählich  dann  eine  spontane 
Entleerung  der  Blase  erzielt  werden  kann. 

2)  E.  v.  C  z  v  h  1  a  r  z  und  O.  M  arburg- Wien:  Weitere  Be¬ 
merkungen  zur  Frage  der  zerebralen  Blasenstorungen,  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Diagnostik  der  Balkengeschwülste. 

Bei  der  32  jährigen  Kranken  fand  sich  klinisch:  dumpfe 
wechselnder  Kopfschmerz,  Erbrechen,  Schwindel,  Herabsetzung 
der  motorischen  Kraft  bei  intakter  Motilität  mit  Ausnahme  einei 
Störung  des  Gehens  und  Stehens  mit  Tendenz  nach  rückwärts  zu 
fallen,  sowie  Widerstand  beim  Versuch,  den  Kopf  nach  vorne  zu 
bewegen,  gesteigerte  Reflexe,  leichte  Unsicherheit  bei  intern  iei 
Bewegungen,  Incontinentia  urinae  et  alvi  bei  erhaltener  willkür¬ 
licher  Sphinktererschlaffung,  morose  Stimmung  Die  Autopsie 
zeigte  einen  Tumor,  welcher  in  den  hinteren  Teilen  beider  Stirn¬ 
lappen  sass,  zusammenhängend  und  teilweise  aut  die  Coipoia 
striata  übergreifend.  Die  vorhandene  Blasenstörung  Avar  ersicht¬ 
lich  zerebraler  Natur.  Ferner  führt  Verfasser  noch  ein  typisches 
Beispiel  für  jene  vorübergehenden  Blasenstörungen  an,  welche  im 
Gefolge  von  Hemiplegien  nicht  selten  Vorkommen.  Häufig  han¬ 
delt  ef  sich  hiebei1  um  Erschwerung  der  Urinentleerung,  welche 
nach  einigen  Tagen  verschwindet.  Im  übrigen  leürte  dieser  Fa 
wieder  die  Schwierigkeit,  derartige  Tumoren  des  Balkens  zu 
lokalisieren. 

3)  II  Paschkis:  Die  Hefe  als  Arzneimittel. 

Was  das  Schicksal  der  innerlich  eingenommenen  Hefe  nn 
Organismus  betrifft,  so  scheint  sie  von  den  Saften  des  Magens  und 
Darmes  wenig  oder  gar  nicht  verändert  zu  werden,  auch  hat  sie 
wie  es  scheint,  keinen  erheblichen  Einfluss  auf  die  intestinale 
Flora.  Um  die  günstige  Wirkung  bei  Furunkulose  zu  erklären, 
kann  vielleicht  angenommen  werden,  dass  durch  die  Gahrung  und 
deren  Produkte  anormale  Verdauungsvorgänge  unterdrückt 
Averden  Die  Hefe  soll  zur  Zeit  der  Nahrungsaufnahme  gegeben 
werden  Verfasser  hat  bei, etwa  20  Fällen  von  Furunkulose  Akne 
und  schwerer  Follikulitis  die  Hefe  innerlich  angewendet  und  zwar 
durch  längere  Zeit  hindurch.  In  vielen  Fällen  wurde  eine  geradezu 
auffallend  rasche  Heihvirkung  erzielt,  andere  Falle  verhielten  sich 
vollkommen  refraktär.  Man  gibt  die  Hefepraparate  zu  5-l°  ff 
uro  dosi  ein-  oder  dreimal  täglich  bei  den  Hauptmahlzeiten  in 
einem  Glase  Wasser  oder  auch  kohlensaurem  Wasser  verrührt. 
Bierhefe  lässt  man  zweckmässig  in  Bier,  Backerhefe  m  Milch  Ati 
rühren. 

4)  F.  Alt -Wien:  Ueber  Störungen  des  musikalischen  Ge- 

11013 Verfasser  hatte  Gelegenheit,  7  Fälle  von  Störungen  des  musi¬ 
kalischen  Gehöres  zu  beobachten,  über  welche  er  eingehend  be¬ 
richtet;  auch  die  in  der  Literatur  vorhandenen  Beobachtungen  dei 
Art  AA'erdeu  aufgeführt.  Die  Erklärung  für  das  Falschhoren  aoh 
Tönen  bei  sonst  musikalischen  Menschen  ist  durchaus  nicht  sicliei 
und  gibt  Verfasser  eine  Zusammenstellung  der  verschiedenen  An¬ 
sichten  der  Autoren.  A.  selbst  hat  behufs  Ermittlung,  ob  und 
inwiefern  durch  Schalleitungshindernisse  Storungen  des  musi¬ 
kalischen  Gehörs  auftreten  können,  eine  Reihe  experi m entellei 
Untersuchungen  gemacht,  wobei  er  das  Trommeltell  und  die  Geh  n- 
knöchelchen  künstlich  nach  einwärts  drängte.  Die  t  eisuch, 
anordnnng  muss  im  Original  eingesehen  werden.  I  erfasset  kam 
zur  Anschauung,  dass  unser  inneres  Ohr  zwei  Apparate  autAvei 
von  denen  der  eine  rein  physikalischer  Natur  ist:  die  Membi.u  . 
basilaris.  Aber  auch  Mittelohraffektionen  haben  einen  Anteil  an 
der  Diplakusis,  Avie  A.  des  näheren  ausführt.  Die  Dufiakusi. 
inonauralis,  bei  welcher  Töne  im  kranken  Ohr  doppelt,  bezw.  mem- 
fach  perzipiert  AArerden,  kommt  meist  bei  Neurasthenikern  v 
heilt  binnen  wenigen  Tagen  oder  Wochen  spontan  aus. 

5)  II.  L  oh  n  s  t  ei  n  -  Berlin:  Ueber  die  Reaktion  des  Pio- 
statasekretes  bei  chronischer  Prostatitis. 

Gegenüber  der  Kritik  von  Pezzoli  (cf.  No.  27  dieser  Mn 
sclirift)  hält  Verfasser  daran  fest,  dass  für  die  Prüfling  der  - 
aktion  von  Prostatasekret  die  Lakmustinktur  als  Indikator  duicr 
aus  ungeeignet  ist.  wie  sich  bei  näherer  Besichtigung  der  Angaben 
von  Pezz  o  1  i  selbst  ergibt.  Nach  dieser  wurde  die  BeiwTmWS 
viel  zu  hohe  Peptonwerte  für  das  Sekret  ergeben.  L.  halt  sem 
aus  den  früheren  Untersuchungen  gezogenen  Schlüsse  vollkomm  n 
aufrecht.  Grassmann- München. 


12.  August  1902. 


MUEN  QITEX  ER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1359 


Wiener  medicinisclie  Wochenschrift. 

No.  22 — 30.  M.  Kassowitz:  Infantiles  Myxödem,  Mongo¬ 
lismus  und  Mikromelie. 

K.  geht  davon  aus,  dass  unter  den  als  rhacliitisch  behandelten 
Kindern  eine  ziemliche  Anzahl  dem  Kretinismus  zugeteilt  werden 
muss.  Von  diesem  sind  3  Formen  scharf  zu  unterscheiden:  das 
Myxödem,  der  Mongolismus  und  die  Mikromelie;  für  jede  Form 
gibt  K.  eine  sehr  eingehende  Beschreibung  der  anatomischen  und 
klinischen  Charakteristika  wie  auch  der  therapeutischen  Erfolge. 
Bei  104  Fällen  fallen  22  der  ersten,  75  der  zweiten,  endlich  7  der 
dritten  Form  zu.  Worin  der  gemeinsame  ätiologische  Faktor  liegt, 
ist  noch  ebenso  ungewiss  wie  die  Ursachen  für  die  Verschieden¬ 
artigkeit  der  Erscheinungen  bei  den  3  Typen.  Das  Fehlen  oder 
die  mangelhafte  Entwicklung  der  Schilddrüse  reicht  nicht  aus 
zur  Erklärung  aller  dieser  Punkte.  Die  Schilddrüsentherapie, 
welche  bei  dem  Myxödem  die  besten  Erfolge  aufweist,  erzielt  ja 
auch  für  die  beiden  anderen  Gruppen  nur  die  Besserung  einzelner 
Symptome. 

No.  20—30.  Iv.  Ul  Im  an  n -Wien:  Ueber  das  Vorkommen 
von  extragenitalen  weichen  Schankergeschwüren. 

Solche  Geschwüre  kommen  sicher  häufiger  vor,  als  nach  den 
bisherigen  Veröffentlichungen  —  Verfasser  stellt  aus  der  Literatur 

04  Fälle,  darunter  22  Geschwüre  an  den  F  ingern,  zusammen  _ 

angenommen  werden  müsste.  Gerade  für  die  extragenitalen  Ge¬ 
schwüre  legt  U.  grossen  diagnostischen  Wert  auf  den  Nachweis 
der  Ducrey  sehen  Bazillen,  der  ihm  auch  bei  den  3  von  ihm 
selbst  beobachteten  extragenitalen  Geschwüren  gelungen  ist.  Die 
Empfindlichkeit  des  Bazillus  gegen  Temperaturen  von  41°  C.  und 
mehr  erklärt  auch  die  guten  Erfolge  der  Behandlung  mit  kon¬ 
stanter  Wärme,  speziell  mittels  des  von  dem  Verf.  angegebenen 
Hydrothermoregulators. 

No.  30.  L.  S  t  i  e  d  a  -  Königsberg:  Ueber  freie  Talgdrüsen. 

Als  freie  Talgdrüsen  bezeichnet  St.  diejenigen,  welche  unab¬ 
hängig  von  Haaren  sich  finden.  Es  ist  zu  rügen,  wenn  neuer¬ 
dings  die  Bezeichnung  Talgdrüsen  vielfach  aufgegeben  und  dafür 
der  Ausdruck  Haarbalgdrüsen  gebraucht  wird.  Als  Stellen,  wo 
solche  freie  Talgdrüsen,  deren  Kenntnis  für  den  Arzt  wichtig  ist, 
Vorkommen,  macht  Verf.  namhaft  (von  den  Augenlidern  abge¬ 
sehen):  1.  das  Lippenrot,  2.  die  Wangenschleimhaut,  3.  die  U  Über¬ 
gangsstelle  zwischen  äusserer  und  Nasenschleimhaut,  4.  die 
Uebergangslinie  zwischen  Haut  und  Mastdarmschleimhaut,  5.  an 
der  Eichel  und  Vorhaut  des  Penis  bezw.  Klitoris,  0.  an  den  kleinen 
Labien,  7.  an  den  weiblichen  Brustwarzen  und  Warzenhof.  Ueber 
jede  dieser  Lokalisationen  folgen  dann  noch  nähere  anatomische 
Angaben. 

No.  29.  Fr.  S  a  m  b  e  r  g  e  r  -  Prag:  Ueber  die  Wirkung 
wiederholter  Injektionen  von  Nebennierenextrakt. 

Die  Injektionen  erfolgten  bei  jungen  Hunden  mittels  eines 
aus  der  getrockneten  pulverisierten  Drüse  hergestellten  Aufgusses. 
In  Kürze  waren  die  wichtigsten  Erscheinungen  bei  intravenöser 
Injektion  starker  Speichelfluss,  extreme  Blässe  der  Schleimhäute, 
Tremor,  Spasmus  bis  zur  spastischen  Lähmung  speziell  der  hin¬ 
teren  Extremitäten,  Steigerung  des  Blutdruckes,  Urinträufeln, 
Spermatorrhoe,  Glykosurie,  nach  deren  Verschwinden  noch 
vorübergehende  alimentäre  Glykosurie  auftrat.  Sekundär  entstand 
nach  wiederholten  Injektionen  eine  Hypertrophie  der  Wand  des 
linken  Herzventrikels.  Die  tödliche  Dosis  schwankte  in  sehr 
weiten  Grenzen. 

Bei  den  nach  intraperitonealer  Injektion  verendeten  Tieren 
fand  sich  hochgradige  hämorrhagische  viscerale  Peritonitis  und 
Enteritis  von  nach  dem  Rektum  hin  zunehmender  Intensität.  Nach 
subkutaner  Injektion  entstand  heftiges  Jucken,  Abszedienmg  und 
Gangrän  der  Haut  an  der  Injektionsstelle,  ferner  eine  sehr  rasch 
verschwindende  Glykosurie.  In  einem  Fall,  wo  die  Injektion  in 
der  Regio  hypogastrica  ausgeführt  wurde,  erfolgte  eine  5  Tage  an¬ 
haltende  starke  Hämaturie. 

S.  Z  e  r  v  o  s  -  Athen:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der 

Sphygmologie. 

Das  Resultat  gegenwärtiger  Studien  ist,  dass  die  alten  Aerzte 
vor  Hippokrates  den  Puls  nicht  kannten,  dieser  der  erste  war, 
der  ihn  beobachtet  und  beschrieben  hat.  Der  erste,  der  den  Puls 
zählte,  war  Herophilus  aus  Chalcedon  (300  v.  Clir.)  und  er  be¬ 
diente  sich  dazu  einer  Wasseruhr,  wie  Verf.  aus  einem  bisher 
unbekannten  Manuskripte  des  Marcellus  Sidetes  entnimmt.  Die 
Heropliileer  gaben  zuerst  eine  Definition  des  Pulses.  Die  beste 
sphygmologische  Arbeit  aus  dem  Altertum  stammt  von  dem  be¬ 
rühmten  Claudius  Galenus.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Englische  Literatur. 

W.  Carnac  Wilkinson:  Die  Behandlung  der  Lungen¬ 
tuberkulose  mit  Tuberkulin.  (Brit.  Med.  Journ.,  7.  Juni  1902.) 

Verfasser  hat  im  Verlaufe  der  letzten  5  Jahre  70  Fälle  von 
Phthise  mit  Tuberkulin  (meist  TR)  behandelt  und  hat  die  feste 
Ueberzeugung,  dass  das  Mittel  in  allen  reinen  Fällen  von  Infektion 
mit  Tuberkelbazillen  einen  Erfolg  verspricht.  In  allen  Anfangs¬ 
fällen,  die  Verfasser  unter  eine  Gruppe  I  bringt,  verschwanden  die 
Bazillen,  das  Sputum  wurde  mehr  glasig,  der  Husten  hörte  auf 
und  das  Allgemeinbefinden  wurde  gut.  Bei  Hämoptoe  braucht  das 
Mittel  nicht  ausgesetzt  zu  werden,  es  ist  sogar  bei  diesen  Zufällen 
von  grossem  Nutzen,  da  es  durch  günstige  Beeinflussung  des  Lun- 
genprozessies  das  Wiederauftreten  von  Blutungen  verhindert.  Nie¬ 
mals  sah  Verfasser  einen  Schaden  von  der  Anwendung  des  Mittels, 


vor  Allem  bestreitet  er,  dass  das  TR  zu  raschem  Zerfall  von  Krank¬ 
heitsherden  Anlass  gibt  oder  zur  etwaigen  Freimachung  abge¬ 
kapselter  oder  latenter  Bakterien.  Nie  trat  während  der  Behand¬ 
lung  Meningitis  oder  Miliartuberkulose  auf.  Vorbedingung  eines 
guten  Erfolges  ist  aber  die  Ausschliessung  von  Fällen  von  Misch¬ 
infektion.  Verfasser  wiederholt  die  Einspritzungen  von  Zeit  zu 
Zeit  ( in  einem  I  alle  machte  ein  Kranker  7  Kuren  durch)  auch 
verwendet  er  zuweilen  TR  und  TA  zusammen.  Indem  Verfasser 
seine  Fälle  nach  T  u  r  b  a  n  in  Gruppen  einteilt,  findet  er,  dass  von 
12  Fiillep  in  Gruppe  I  alle  völlig  und  dauernd  gebessert  wurden; 
von  23  in  Gruppe  II  wurden  alle  wenigstens  zeitweilig  besser,' 
wenn  bei  manchen  auch  später  Rezidive  ein  traten,  die  die  Wieder¬ 
holung  der  Kur  nötig  machten. 

II.  Cooper  P  a  1 1  i  n:  Die  administrative  Beaufsichtigung  der 
tuberkulösen  Erkrankungen.  (Ibid.) 

Während  der  Verfasser  des  vorstehend  referierten  Artikels 
sehr  wenig  von  der  Sanatoriumbehandlung  hält,  die  bei  der  grossen 
Ausdehnung  der  Tuberkulose  doch  nur  sehr  wenig  Kranken  zu 
Gute  kommen  kann,  verlangt  Patt  in  von  den  Sanitätsbehörden 
den  Bau  vieler  Sanatorien  auf  Kosten  der  Steuerzahler;  ausser¬ 
dem  verlangt  er  die  Anzeigepflicht  für  alle  Tuberkulösen  sowie  die 
stete  Beaufsichtigung  derselben,  so  lange  sie  in  ihren  Heimstätten 
bleiben,  die  Häuser  selbst  sind  zu  desinfizieren  und  eventuell  zu 
schliessen,  wenn  sie  als  ungesund  erkannt  werden.  In  allen  Schu¬ 
len  soll  ferner  den  Kindern  alles  Wissenswerte  über  die  Ent¬ 
stehung,  Verbreitung  und  Verhütung  der  Seuche  mitgeteilt  werden. 

Colin  Campbell:  Die  Technik  der  direkten  intra¬ 
trachealen  Behandlung  der  Phthise.  (Ibid.) 

Verfasser  empfiehlt  bei  Phthise  mit  Hilfe  des  Laryngoskops 
folgende  Lösungen  direkt  durch  den  Kehlkopf  in  die  Luftröhre  und 
die  Bronchien  zu  spritzen:  Thymol  2,0,  Salol  6,0,  Menthol  2,0, 
Glyzerin  150,0  oder  Medizin.  Izal  10,0,  Menthol  6,0,  Glyzerin  150  0 
Die  Lösung  wird  auf  140 0  F.  erwärmt  und  im  Anfang  täglich  6,0. 
später  bis  zu  60,0  injiziert.  Man  muss  sich  hüten,  nicht  aus  Ver¬ 
sehen  die  Lösung  in  den  Magen  zu  spritzen,  da  letzterer  dies 
Mittel  sehr  schlecht  verträgt,  viel  schlechter  wie  die  Lunge.  Ver¬ 
fasser  glaubt  mit  diesem  Verfahren  sehr  gute  Erfolge  erzielt  zu 
haben. 

A.  M  a  u  d  e:  Positiver  Ausfall  der  W  i  d  a  1  sehen  Reaktion 
bei  Nierensteinen.  (Ibid.) 

Verfasser  gibt  die  Krankengeschichte  einer  Frau,  die  er  seit 
1887  wegen  verschiedener  Leiden  in  steter  Beobachtung  hatte,  die 
aber  nie  an  Typhus  gelitten  hat.  1891  hatte  sie  Symptome,  die  sich 
eventuell  als  Typhussymptome  deuten  liessen.  Da  Typhus  in  der 
Nachbarschaft  viel  vorkam,  wurde  das  Blut  nach  w'idal  unter¬ 
sucht  und  von  kompetenter  Seite  eine  positive  Reaktion  gefunden. 
2  Tage  später  trat  unter  Abfall  der  Temperatur  Wohlbefinden  ein! 
5  Tage  später  ging  ein  Harnsäurestein  ab,  dem  in  den  nächsten 
Wochen  2  weitere  folgten. 


Thomas  Houston:  Das  Oedem  bei  Anämie. 
1902.) 


(Ibid.,  14.  Juni 


Auf  Grund  eingehender  experimenteller  Studien,  deren  Einzel¬ 
heiten  im  Originale  nachzulesen  sind,  kommt  Verfasser  zu  folgen¬ 
den  Schlüssen.  Bei  anämischen  Personen  findet  sich  gewöhnlich 
keine  Verminderung  des  Gewichts  und  keine  Abmagerung,  dies 
beruht  auf  einer  pathologischen  Zunahme  von  Flüssigkeit  im  Blut 
und  den  Geweben.  Gehen  Anämien  und  namentlich  die  Chlorose 
der  Besserung  entgegen,  so  verschwindet  zuerst  diese  Flüssigkeit. 
Auch  bei  perniziöser  Anämie  wird  diese  Flüssigkeitszunahme  be¬ 
obachtet  und  gibt  sich  dieselbe  durch  Vermehrung  des  Körper¬ 
gewichtes  kund;  nimmt  dabei  der  Hämoglobingehalt  des  Blutes 
nicht  zu,  so  muss  dies  als  ein  schlechtes  Zeichen  angesehen  wer¬ 
den;  zuweilen  bedeutet  die  Gewichtszunahme  eine  Art  Krise  und 
es  tritt  gelegentlich  nach  der  Zunahme  des  Oedems  bald  eine 
wesentliche  Besserung  ein,  geschieht  dies  nicht,  so  sterben  die 
Kranken  rasch.  Das  Oedem  ist  auf  eine  hydrämische  Plethora  des 
Blutes  zurückzuführen  und  unterscheidet  sich  wesentlich  von  dem 
Oedem  bei  Nephritis. 


W.  Murreil:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  der 
Lebercirrhose.  (Lancet,  7.  Juni  1902.) 

"Verfasser  hat  in  einem  Falle  von  Lebercirrhose  mit  starkem 
Aszites  die  Talma  sehe  Operation  ausgeführt,  doch  sammelte 
sich  das  Exsudat  rasch  wieder  an,  so  dass  weitere  Punktionen 
nötig  wurden.  3  Monate  nach  der  Operation  starb  Pat.  Die  Sektion 
ergab,  dass  das  Netz  mit  der  Bauch  wand  Verwachsungen  einge¬ 
gangen  war  und  dass  sich  zahlreiche  neue  Gefässe  bis  zur  Dicke 
eines  Federkieles  gebildet  hatten.  Verfasser  stellt  dann  die  bis¬ 
her  veröffentlichten  Fälle  zusammen,  wagt  es  aber  nicht,  ein  Urteil 
über  den  Wert  oder  Unwert  der  Operation  abzugeben. 

Walter  Whitehead:  Die  offene  Methode  der  Knie¬ 
gelenkseiterungen.  (Brit.  Med.  Journ.,  21.  Juni  1902.) 

Verfasser  empfiehlt  bei  schweren  septischen  Prozessen  des 
Kniegelenkes  die  Patella  in  der  Mitte  zu  durchsägen  und  das 
Kniegelenk  weit  aufzuklappen,  die  Kreuzbänder  zu  durchschneiden 
und  alles  Krankhafte  auszulöffeln.  Das  stark  gebeugte  Gelenk 
wird  dann  fest  mit  Jodoformgaze  austamponiert  und  in  recht¬ 
winkliger  Stellung  auf  eine  Schiene  fixiert.  Die  Nachbehandlung 
besteht  in  häufigem  Ausspülen  und  frischer  Tamponade.  Ver¬ 
fasser  hält  dies  Verfahren  für  ganz  neu,  doch  dürften  wohl  schon 
zahlreiche  Chirurgefi  diesen  Weg  eingeschlagen  haben.  Referent 
hat  mehrei’e  Fälle  offen  behandelt  und  zwar  mit  gutem  Resultate. 

Alexander  O  g  s  t  o  n :  Ein  neues  Operationsprinzip  in  der 
Behandlung  des  Klumpfusses  kleiner  Kinder.  (Ibid.) 


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MJENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Entfernt  man  bei  hochgradigen  Klumpfiissen  nach  Lunds 
Vorschlag  den  Tarsus,  so  schafft  man  durch  die  Operation  an  sich 
eine  Entstellung,  die  man  umgehen  kann,  wenn  man  den  larsus 
nicht  entfernt,  sondern  nur  inzidiert,  den  knöchernen  kern  aus¬ 
löffelt,  die  knorpelige  Schale  aber  stehen  lässt.  Dieser  Iynorpe  - 
rest  lässt  sich  nach  der  Tenotomie  der  Achillessehne  in  jede  ge¬ 
wünschte  Form  modellieren.  Wenn  nötig  müssen  auch  die  Iveil- 
und  Fersenbeine  ausgelöffelt  werden.  Die  Knochen  bilden  sic  1 
wieder  neu,  aber  in  richtiger  Form,  da  der  Fuss  im  Gipsverbande 

bleibt. 

Charles  A.  Morton:  Genu  valgum.  (Ibid.) 

Verfasser  hat  sich  durch  zahlreiche  Röntgenaufnahmen  davon 
überzeugt,  dass  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von  Genu  valgum  c  le 
Verbiegung  in  der  Tibia  und  nicht  im  Femur  liegt.  Er  greift  des¬ 
halb  auch  diesen  Knochen  an,  indem  er  einen  Keil  dicht  unter  der 
Tuberositas  tibiae  ausmeisselt.  Von  der  Behandlung  mit  Appa¬ 
raten  und  Verbänden  hält  er  sehr  wenig,  besteht  eine  eimgermassen 
beträchtliche  Verbiegung,  so  kommt  nur  die  Osteotomie  in  I  rage. 
Nähere  Erläuterungen  und  die  das  Gesagte  illustrierenden  Bild 
sind  im  Originale  nachzusehen,  wo  auch  Angaben  über  1<  vom 
Verfasser  operierte  Fälle  zu  finden  sind. 

James  H.  Ni  coli:  Spina  bifida.  (Ibid.)  ,  .  . 

Verfasser  hat  im  ganzen  46  Fälle  behandelt,  die  er  in  fol¬ 
gende  Klassen  einteilt:  1.  Fälle,  bei  denen  der  Sack  stark  leckt  oder 
ulzeriert  ist,  sie  sterben  sehr  häufig  an  septischer  Meningitis  und 
zwar  mit  oder  ohne  Operation;  immerhin  sah  Verfasser  ver¬ 
schiedene  Heilungen  in  Fällen,  bei  denen  er  den  wahrend  der  Ge¬ 
burt  geplatzten  Sack  möglichst  rasch  exstirpieite,  2  Falle  bellten 
spontan  durch  Schrumpfung.  2.  Fälle  mit  sehr  ^rossem  und  brei 
aufsitzendem  Sack,  bei  dem  man  kleine  Lappen  zur  Bedeckung 
einer  Operationswunde  bilden  könnte;  in  diesen  Fällen  nruss  man 
ein  Irritans  (Mortons  Lösung  z  B.)  injizieren.  3.  Falle,  m 
denen  der  Sack  Nerven  oder  Rückenmark  enthalt.  Wenn  irgend 
möglich  werden  grosse  Hautmuskellappen  gebildet  und  über  dem 
geöffneten  Sacke  vernäht,  nachdem  alle  von  Nerven  freien  Teile 
des  Sackes  entfernt  worden  sind.  4.  Fälle  von  reiner  Menmgocele, 
hier  wird  der  Sack  einfach  fortgeschnitten  und  der  Stiel  vernäht, 
über  demselben  werden  noch  2  Hautmuskellappen  vernäht.  Be¬ 
steht  gleichzeitig  Hydrokephalus,  so  kann  man  eine  Dauerdrämag  i 
nach  der  Bauchhöhle  oder  dem  subkutanen  Gewebe  aailegen  oder 
man  kann  die  Ventrikel  direkt  punktieren  und  Jod  in  dieselben 
s  ritzen.  In  allen  Fähen,  wo  es  sich  um  junge  Kinder  handelt, 
c  mpfiehlt  Verfasser  dringend  die  Operation  in  der  Poliklinik  zu 
machen  und  die  kleinen  Kranken  mit  der  Mutter  nach  Hause  zu 
schicken,  da  die  Mutter  in  diesen  Fällen  die  beste  Pflegerin  ist. 

W.  Allan  J  a  m  i  e  s  o  n :  Adrenalin  in  der  Lichtbehandlung 

des  Lupus.  (Ibid.)  , 

Verfasser  verwendet  das  Adrenalin,  um  den  Lupusfleck,  den 
er  d  r  F  in  sen  sehen  Behandlung  aussetzen  will,  blutleer  zu 
machen.  Er  ist  mit  dem  Erfolge  sehr  zufrieden.  Ein  mit  bol 
Adron.  1  zu  1000  getränkter  Wattebausch  bleibt  10  bis  15  Min.  aut 
der  zu  anämisierenden  Stelle  liegen,  wonach  dieselbe  mit  Aus¬ 
nahme  der  Lupusknötchen  ganz  weiss  geworden  ist  (geradeso, 
als  wenn  man  eine  Glasplatte  daraufdrückt). 

C.  G.  Seeligmann  und  L.  S.  Dudgeon:  Eosinophilie 
bei  Echinokokkus.  (Lancet,  21.  Juni  1902.) 

Die  beiden  Verfasser  geben  die  Krankengeschichte  eines 
Falles  von  Leberechinokokkus,  bei  dem  die  Blutuntersuchung  eine 
o-anz  ungewöhnlich  hohe  Zahl  von  eosinophilen  Zellen  (5<  Proz. 
aller  Leukocyten)  ergab.  Nach  der  Operation  verschwand  dieser 
abnorme  Zustand.  Die  Verfasser  machen  darauf  aufmerksam, 
dass  alle  Wurmkrankheiten  des  Menschen,  möge  es  sich  um 
Oxiuren,  Trichinen,  Ankylostomen  oder  andere  M  urmer  handeln, 
diese  hohen  Werte  der  eosinophilen  Zellen  hervorrufen. 

Ho  well  R  e  e  s  und  D.  C.  Rowlands:  Fall  von  Rabies,  die 
20  Monate  latent  blieb.  (Lancet,  21.  Juni.) 

Am  9  August  1900  wurde  ein  63  jähriger  kräftiger  Berg¬ 
bewohner  von  einem  Hunde  in  den  Finger  gebissen;  ein  kleiner 
Junge  wurde  zur  selben  Zeit  gebissen.  Die  Wunden  des  Mannes 
wurden  mit  Höllenstein  geätzt.  Der  Hund  war  sofort  erschossen 
und  verscharrt  worden;  die  zuständige  Behörde  weigerte  sich,  den 
Kadaver  ausgraben  und  untersuchen  zu  lassen.  Da  in  England 
kein  Pasteurinstitut  sich  befindet,  so  vergingen  eine  Anzahl  Tage 
mit  dem  Sammeln  des  nötigen  Geldes,  das  durch  private  Woh  - 
tütigkeit  aufgebracht  wurde  und  erst  am  29.  August  regten  die 
Kranken  nach  Paris.  Der  Mann  blieb  19  Tage  unter  Behandlung, 
kam  völlig  wohl  zurück  und  blieb  gesund  bis  zum  26.  Mai  1J02, 
an  welchem  Tage  er  über  Schmerzen  im  Arm  klagte.  Am  Abend 
traten  Schluckbeschwerden  ein  und  es  folgten  sehr  bald  heftige 
Krämpfe  der  Schluck-  und  Atmungsmuskeln.  Am  Abend  des  fol¬ 
genden  Tages  starb  er,  nachdem  die  typischen  Zeichen  der  Lyssa 
vorausgegangen  waren.  Die  Verfasser  bedauern  am  Schluss  des 
\uf satzes,  dass  London  resp.  ganz  England  noch  immer  kein 
Pasteurinstitut  hat,  ein  Umstand,  der  wohl  mit  dem  unsinnigen 
Treiben  der  Antivivisektionisten  zu  tun  hat. 

P.  A.  Pearcey:  Gleichzeitige  Exartikulation  der  Hüfte 

und  der  Schulter.  (Ibid.)  .  .  , 

Nur  selten  dürfte  ein  Fall,  wie  der  hier  beschriebene,  lebend 
das  Hospital  erreichen,  noch  seltener  aber  die  Operation  uber¬ 
stehen.  Es  handelte  sich  um  ein  17  jähriges  Mädchen,  das  von 
einem  Zahm*ad  erfasst  und  mehrmals  umgedreht  wurde.  Die 
obere  und  untere  Extremität  der  rechten  Seite  war  fast  gay2  aus¬ 
gerissen,  die  Hauptgefässe  und  Nerven  durchtrennt.  Die  Blutung 


war  relativ  gering  gewesen.  Beide  Extremitäten  wurden  gleich¬ 
zeitig  exartikuliert  und  es  erfolgte  Heilung. 

Frederick  Treves:  Zur  Entzündung  des  Wurmfortsatzes. 

(Brit.  Med.  Journ.,  28.  Juni.) 

Die  kurze  Arbeit  des  um  die  Lehre  von  der  Appendizitis  so 
verdienten  Chirurgen  bietet  viel  des  Interessanten,  aus  dem  liier 
nur  einige  Punkte  hervorgehoben  werden  sollen.  Sehr  häufig  ent¬ 
stellt  nach  Treves  die  Appendizitis  auf  dem  Boden  eines  in  den 
Tropen  erworbenen  Darmleidens;  ferner  gehen  Entzündungen  des 
Wurmfortsatzes  sehr  häufig  Hand  in  Hand  mit  Entzündungen  des 
rechten  Ovariums  und  es  ist  stets  angezeigt,  bei  Operationen  in 
dieser  Gegend  beide  Organe  zu  untersuchen.  Am  allerhaufigsten 
fol,Tt  aber  eine  Appendizitis  auf  eine  Ueberladung  des  Coekums 
mit  unverdaulichen  Speisen  oder  mit  schlecht  gekauten  und 
mangelhaft  verdauten  Speiseresten,  wie  wir  es  so  oft  bei  Leuten 
finden,  die  hastig  oder  gierig  essen  oder  die  m  lolge  schlechte! 
Zähne  die  Speisen  nicht  kauen.  Schmerzen  am  sogen.  McBui- 
n  ev  sehen  Punkte  haben  nach  Treves  keinerlei  diagnostische 
Bedeutung  für  das  Bestehen  einer  Appendizitis.  Er  weist  durch 
Zeichnungen,  die  auf  Grund  von  50  Leichenuntersiichungen  an- 
o-efertigt  wurden,  nach,  dass  in  den  meisten  Fällen  die  Basis  der 
Appendix  gar  nicht  diesem  Punkte  entspricht,  wohl  aber  liegt  liier 
die  Valvula  Bauliini;  Druck  auf  diese  Stelle  löst  aber  auch  bei 
Gesunden  Schmerzen  aus.  Ferner  glaubt  Treves  nicht,  dass  man 
die  Appendix  oft  fühlen  kann,  der  walzenförmige  Körper, 
den  man  in  dieser  Gegend  zuweilen  fühlt,  besteht  aus  kontrahierten 
Fasern  des  M.  rectus  oder  des  obliquus  resp.  des  M.  transyeisus. 
(Sein-  häufig  haben  mir  Patienten  erzählt,  dass  wohlbekannte 
Spezialisten  nicht  nur  ihre  Appendix,  sondern  sogar  Ab¬ 
knickungen  und  Erweiterungen  in  derselben  gefühlt  haben, .  was 
natürlich  den  Kranken  äusserst  imponiert.  Ref.)  Am  inter¬ 
essantesten  ist,  was  Treves  über  die  Therapie  der  Appendizitis 
sagt  Da  die  grosse  Mehrzahl  der  Fälle  spontan  in  Genesung  ubei- 
geht  und  die  Mortalität  dieser  Fälle  nur  etwa  5  Proz.  betragt,  so 
verwirft  er  die  Frühoperation,  die  eine  Mortalität  von  mindestens 
20  Proz.  aufweist.  Frülioperationn  sind  nur  gestattet  in  den  sogen, 
foudrovanten  Fällen,  die  übrigens  recht  selten  sind,  sowie  dann, 
wenn  Eiterung  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  nachgewiesen 
werden  kann.  Eiterung  ist  aber  in  Anbetracht  der  grossen  Anzahl 
von  Appendizitisfällen  aller  Art  selten.  Meist  kann  man  ruhig  zu¬ 
warten  und  sich  für  oder  gegen  eine  Operation  am  5.  Tage  oder 
noch  später  entschlossen.  So  konservativ  übrigens  T  re  v  e  s  nn 
Anfall  vorgeht,  so  radikal  wird  er  nach  Ablauf  desselben,  da  ei 
empfiehlt,  in  jedem  Falle,  wo  ein  schwerer  Anfall  vorausgegangen 
ist  einige  Wochen  nach  Ablauf  der  akuten  Symptome  die  Appen¬ 
dix  zu  entfernen.  Er  habe  bei  über  1000  Operationen  dieser  Art 
nur  2  Todesfälle  gehabt.  Ist  es  übrigens  im  Anfalle  zur  Eiterung 
gekommen  und  wurde  der  Abszess  entleert,  ohne  dass  der  Wuirn- 
fortsatz  gleichzeitig  entfernt  werden  konnte  s<?1.e!npüAeh]t.11e^ 
dann  eine  weitere  Operation,  wenn  wieder  deutliche  Anfalle  aut 
treten.  Meist  ist  eine  Operation  unnötig,  da  der  I  rozess  durch  die 
Eiterung  zur  Ausheilung  kommt.  Folgt  der  erste  Anfall  bei  Kin¬ 
dern  oder  Erwachsenen  nachweislich  auf  einen  groben  Diatfehlei 
oder  auf  eine  länger  dauernde  Verstopfung,  so  braucht  man  nn 
der  Entfernung  des  Wurmfortsatzes  nicht  sehr  zu  eilen, .  da  diese 
Fälle  nach  Beseitigung  der  Ursachen  häufig  nicht  rezidivieren. 

A.  E.  Bark  er:  Enterektomie  im  Vergleich  zum  Kunst- 

Der  bekannte  Londoner  Chirurg  bricht  in  diesem  Aufsatze  eine 
Lanze  für  die  häufigere  Ausführung  der  Enterektomie  gegenubet 
der  temporären  Anlage  eines  Kunstafters.  Er  verwendet  nie  me 
Knöpfe  oder  ähnliche  Hilfsmittel  zur  Darmnaht,  sondern  naht 
stets  fortlaufend,  auch  macht  er  stets  die  Ende  zu  Endeveremigung. 

Henry  B.  Robinson:  Die  Entfernung  tief  sitzender  Chole¬ 
dochussteine  vom  Duodenum  aus.  (Ibid.) 

Verfasser  beschreibt  an  der  Hand  zweier  von  ihm  mit  Gluck 
operierter  Fälle  die  Indikationen  und  die  Technik  dieser  Operation, 
die  er  bei  tief  sitzenden  Steinen  für  die  allein  richtige  halt. 

B.  G.  A.  M  o  y  n  i  h  a  u:  Jejunostomie  und  zwei  Falle  dieser 

Operation.  (Ibid.)  .  _  ,.  iVl_ 

Nach  Verfassers  Meinung  hat  diese  Operation  kaum  die  im 
gebührende  Würdigung  erfahren,  er  hält  sie  für  indiziert  bei  al  - 
gemeiner  karzinomatöser  Infiltration  der  Magenwande,  wo  es  un¬ 
möglich  ist,  eine  gesunde  Stelle  zur  Vornahme  der  Jejunostomie  zu 
finden;  ferner  bei  allgemeiner  Schrumpfung  des  Magens  nach  v e  - 
ätzungen,  schliesslich  bei  sehr  ausgesprochener  Hyperchlorhydne, 
macht  man  in  solchen  Fällen  die  Gastroenterostomie,  so  bekommt 
man  leicht  Perforationen  der  Darmwand  durch  die  Entstehung 
eines  Ulcus  pepticum.  Er  verwirft  dagegen  die  von  C  a  c  k  o  M 
auf  gestellte  Indikation,  bei  lang  dauernder  Hamatemesis  den 
Magen  durch  eine  Jejunostomie  ruhig  zu  stellen,  dies  kann  d ui c 
eine  Gastroenterostomie  viel  besser  erreicht  werden.  _  Als  Opera¬ 
tionsmethode  empfiehlt  er  die  Anlegung  einer  W  1 1  z  e  D senen 
Schrägfistel  am  Jejunum;  die  May  dl  sehe  Operation  mit  pu 
trennung  des  Jejunums  und  Einpflanzung  des  proximalen  Stuinpies 
in  das  untere  Ende  und  Einnähen  des  distalen  Stumpfes  in  a 
Wunde  verwirft  er  als  komplizierter  und  gefährlicher.  _ 

W.  A.  Mackay:  Lokalisierte  Peritonitis  bei  Typhus. 

Heilung  durch  Operation.  (Ibid.) 

Bei  einem  44  jährigen  Manne  traten  am  33.  Krankheitstag 
eines  Typhus  plötzlich  Symptome  auf,  die  auf  Perforation  e 
Ulcus  typhosum  schliessen  Hessen.  Paul  aus  Liverpool  s 
sich  der  Diagnose  an  und  operierte,  fand  aber  etwa  6  Zoll 
halb  der  Valvula  ileo-coecalis  nur  einen  sehr  verdickten  und  enx 


12.  Ausnist  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


zündeten  Pe  yo  r  sehen  Plaque,  in  dessen  Nähe  das  Peritoneum 
injiziert  urjd  fibrinös  belegt  war.  Der  Kranke  genas-  VerfnS 
sclirealit  dies  der  Operation  zu.  doch  kann  Referent’ del  ßnmd 
dafür  nicht  einsehen,  da  doch  nur  eine  Probelaparotomie  gemacht 
und  die  erkrankte  Stelle  ganz  in  Ruhe  gelassen  wurde.  Wohl  abei' 
zeigt  der  lall,  wie  überaus  schwer  die  Diagnose  'dieser  Per 
torationen  oft  sein  kann.  “ 

Bruce:  Operativ  geheilte  Perforation  bei  Typhus  (Gun 
dian  Lancet,  März  1902.)  "  ana- 

.  Bei  einem  29  jährigen  Manne  traten  am  14.  Krankheitstage 
Zeichen  der  Perforation  auf.  Nach  etwa  18  Stunden  wurde  median 
laparotomiert  und  eine  Perforation  im  Ileum  10  Zoll  oberhalb  der 
Klappe  durch  Naht  geschlossen.  Die  Bauchhöhle  wurde  mit  Salz- 
losung  ausgcspidt  und  ein  Jodoformgazestreifen  eingelegt.  Die 
endgültige  Heilung  erfolgte  erst  nach  längerer  Zeit,  da  ein  grosser 
subphrenischer  Abszess  eine  zweite  Laparotomie  nötig  machte 
J 11  Perforation  einer  Appendix  in  einer  Hernie. 
Resektion  des  Coekums  und  des  Anfangteils  des  Ileums.  Hei¬ 
lung.  (Und.) 

Der  Ueberschrift  ist  nur  hinzuzufügen,  dass  Verfasser  in  der 
Literatui  noch  <  Falle  gefunden  hat.  in  denen  der  Wurmfortsatz 
m  einen  Bruchsack  perforiert  war.  5  von  diesen  und  sein  eigener 
v ui  den  durch  Operation  geheilt,  bei  einem  von  Cru  veilhier 
beschriebenen  Falle  ist  der  Ausgang  nicht  angegeben. 

( G  U  V  *  n  d:  D/e  cytodia&nose  der  Pleuraergüsse, 
(beottisli  Medic.  and  Surgic.  Journ.,  Juni  190?) 

Man  zentrifugiert  die  Flüssigkeit,  die  man  vermittels  einer 
Punktionsspritze  erhalten  hat  und  fixiert  das  Sediment  mittels  der 
T< o r m a  1  in al k oh o  1  m ethod e  auf  einem  Deckglas;  gefärbt  wird  am 
besten  mit  Eosin  und  Methylenblau.  Verfasser  beschreibt  dann 
genauer  die  verschiedenen  Zellarten,  die  in  den  Ergüssen  ange¬ 
troffen  werden.  Bei  tuberkulösen  Ergüssen  findet  man  im  An- 
fang  hauptsächlich  polymorphonukleäre  Zellen,  später  Lymplio- 
cjten.  Endothelzellen  werden  nur  sehr  selten  angetroffen.  In  Er¬ 
güssen,  die  auf  Infektion  mit  Pneumokokken  und  Streptokokken 
beruhen,  findet  man  reichlich  polymorphonukleäre  und  Endothel¬ 
zellen.  droht  der  Erguss  eitrig  zu  werden,  so  überwiegen  die 
ersteren.  Bei  odematösen  Ergüssen  finden  sich  nur  wenig  Zellen 
und  diese  sind  meist  endothelialer  Herkunft.  Bei  Ergüssen  im 
1 1  i  llia^£llel*  Erkrankungen  finden  sich  meist  in  grosser  An- 
zalil  Zellen,  die  von  der  malignen  Geschwulst  stammen,  daneben 
?rphe  Zellen'  Verfasser  glaubt,  dass  man  auf  Grund  der 
Zelluntersuchungen  die  Diagnose  mit  grosser  Genauigkeit  stellen 
Kan  n. 

Blindheit1  1  8' s  b  e  r  8':  Operationen  wegen  angeborener 

Verfasser  operierte  3  Leute  im  Alter  von  16,  18  und  28  Jahren 
an  Star,  die  me  gesehen  hatten.  Er  konnte  feststellen,  dass  die¬ 
se  heil  sofort  alle  Gegenstände  aufrecht  und  nicht  umgekehrt 
sahen,  ferner  beobachtete  er,  dass  die  Kranken  den  Gefühlssinn 
m  hohem  Masse  anwendeten,  um  die  allgemeinen  Eigenschaften 
und  die  genaueren  Umrisse  der  Gegenstände  festzustellen. 

Journal  luA  19(rt  )  ^  U:  Sanduhrmagen-  (Edinburgh  Medical 

Verfasser  gibt  eine  Darstellung  der  Pathologie,  Diagnostik 
und  Behandlung  dieses  Leidens;  die  Behandlung  kann  nur  eine 

;S  IVecei!’  dir  :4rt  ,les  Eingriffs,  Gastroplasie,  Gastro-Gastro- 
stonne,  Gastro-Enterostomie,  partielle  Gastrektomie,  Pvloro- 
plastik  etc.  richtet  sich  nach  der  Art  der  Erkrankung.  Von  14 
eigenen  Fällen,  die  tabellarisch  zusammengestellt  sind,  waren  2 
maligner  Natur,  von  diesen  starb  1  an  Pneumonie,  von  den  12  gut- 
artigen  Fallen  starben  3,  1  an  Sepsis  infolge  eines  grossen  rektalen 
1  lolapses,  1  an  Thrombose  der  Vena  mesent.  infer.,  1  am  14.  Tage 
'kenhau11VellialtUng;  die  anderen  Eälle  verliessen  geheilt  das  Kran- 

H;  Laad)ert  Lack:  Die  Behandlung  der  chronischen  Eite- 
iung  des  Sinus  frontalis.  (Ibid.) 

diP  SOi1?e  ™a?  mit  intranasaler  Behandlung  beginnen  und 

ttu eV  : .  ere  N uschel  entfernen,  sowie  die  Siebbeinzellen  eröffnen. 

hJn  t'S  m<‘hts-  so  wird  der  Slnus  von  aussen  eröffnet  und  eine 
ueffe  Kommunikation  nach  der  Nase  gebildet.  Dann  wird  nach 

wL  Un<1  nach  aussen  drainiert  und  die  Drainage  mehrere 
"  ochen  unterhalten. 

l*  *  S-  ^  b°  111  s  °  n  und  Andrew  L  o  r  e:  Salol  in  der  Behand¬ 
lung  der  Pocken.  (Glasgow  Med.  Journ.,  Juni  1902.) 

Anlässlich  der  vor  kurzem  in  Glasgow  beobachteten  Poeken- 
•111« owi11',*  verwendeten  die  Verfasser  im  dortigen  Pockenspitale  in 
a  isgedehntem  Masse  das  Salol,  das  vielfach  als  sehr  wirksames 
V, 8ei  uhmt  wurde.  Sie  kamen  zu  dem  Schlüsse,  dass  das 
.  1  \  der  Behandlung  der  Pocken  absolut  zwecklos  und  über¬ 
ausübt  ’St  UUd  keinerlei  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Krankheit 

(Ibidem1)10  Kerr:  ITeber  den  Kaiserschnitt.  9  geheilte  Fälle. 

]<4„h!nieo  4,rbfb  8ibt  .die  Krankengeschichten  der  Fälle.  In  den 
I,i  /. ,  ”  J' allen  operierte  Verfasser  mit  dem  Fundusschnitt  nach 
1-imi  v  .7  ,lerselbe  erleichtert  die  Extraktion  des  Kindes,  doch 
t'  .  .assJer  mebt  zugeben,  dass  man  damit  die  Plazenta  leich- 

oder  dass  es  weniger  blutet. 

und  wa  rd  s:  Der  therapeutische  Effekt  des  Lichtes 

aer  X-Strahlen.  (Birmingham  Med.  Review,  Juni  1902.) 
r  le  Arbeit  enthält  die  genaue  Beschreibung  einiger  neuer 
sind  v  an<1  Apparate,  deren  Details  im  Originale  nachzusehen 
v  ertasser  setzt  das  grösste  Vertrauen  auf  die  Behandlung 


1361 


des  Lupus,  des  Lupus  erythematodes  und  des  Ulcus  rodens  durch 

Rontgenstrahlen  und  zwar  hält  er  es  für  wünschenswert  eine 

kmftige  Reaktion  (Dermatitis)  gleich  von  Anfang  an  zu  erzielen. 

Artlnu  Lewers:  Zur  Behandlung  des  Uteruskrebses 
(Practitioner,  Juni  1902.)  terusKieoses. 

rYffasäev  hat  bis  18°9  33  supravaginale  Amputationen  wegen 
Cen  xkarzmoms  gemacht  und  8  von  diesen  Fällen  sind  über  4 
und  bis  zu  15  Jahren  gesund  geblieben.  Da  Vertasser  nie  später 

als  .nach  Jahre;?  eln  Rezidiv  beobachtete,  so  hält  er  4  iähriges 
I  i eisein  für  genügend,  um  von  einer  Kur  zu  sprechen,  und  W- 
iech.net  demnach  24,8  Proz.  Dauerheilungen  nach  der  supravagi- 
nalen  Amputation;  dabei  verlor  er  keinen  Fall  durch  die  Operation 
Bei  der  vaginalen  Totalexstirpation  war  das  Dauerresultat  keines¬ 
wegs  besser,  sondern  fast  genau  ebenso,  wohl  aber  hatte  diese 

Operation.  ^  Sterblichkeit  ™n  ™  Proz.  infolge  der 

,  Ba/Aiss:  Die  Bader  von  Bath  in  der  Behandlung 

AprifSo2)ran  lten‘  ('TOlll'n-  °f  Baln(x>1°8y  and  Climatolog* 

iri  .  Empfehlung  dieses  Bades  in  Fällen  von  Psoriasis 

Lkzem,  T  rtikan.a  und  m  leichten  Fällen  von  Ichthyosis,  auch  Akne 
wird  häufig  gut  beeinflusst. 

C15le*  J-  CnUing  worth:  Analyse  von  100  Fällen  von 
Januai  19Sa  *  °f  °bstetrics  aud  Gynaecology, 

^  'S  erfasser  gibt  in  dieser  Arbeit  mehr  eine  Naturgeschichte 
der  von  ihm  operierten  100  Fälle  (nur  abdominale  Operationen) 
als  Indikationen  und  technische  Winke.  Von  den  100  Fällen  die 
genau  nach  der  Operation  untersucht  wurden,  boten  46  der 
rumoren  ein  gesundes  Aussehen,  bei  54  dagegen  waren  degenera- 
tne  Veränderungen  zu  finden,  und  zwar  27  mal  ödematöse  und 
myxomatose  Umwandlungen,  1  mal  sarkomatöse,  5  mal  bestand 
cystische  Entartung  1  ma!  Verkalkung.  15  mal  war  der  Tumor 
nekrotisch  und  5  mal  septisch.  Verfasser  hält  diese  Liste  den- 
jenigen  entgegen,  die  das  Myom  für  eine  ziemlich  harmlose  Ge¬ 


schwulst  halten,  deren  Entfernung 
Arnold  W. 

(Ibid.) 

Nach  einet 


nur  selten  angezeigt  ist. 


-rrj  -r  ■  0  v/'-  i/Cl  l,  löt. 

u.  Lea:  Zur  Frage  der  spinalen  Anästhesie, 
guten  T  ebersicht  über  die  Literatur  dieser  Frage 


^eht.  A  erfasser  zu  seinen  eigenen  18  Fällen  über,  in  denen  er 
genau  nach  den  Vorschriften  Tuffiers  verfuhr.  In  15  Fällen 
trat  völlige  Schmerzlosigkeit  ein,  in  2  Fällen  wurde  über  leichten 
»  chmetz  geklagt,  in  1  Fall  erreichte  die  Einspritzung  nicht  den 
Ruckenma rkska na  1  und  es  trat  demnach  keinerlei  Wirkung  auf 
sowohl  Plastische  Operationen  wie  Entfernungen 
giosset  Tumoren  vorgenommen.  Tn  40  Proz.  der  Fälle  trat  Uebel- 
v<'!  ,  and  Erbrechen  während  der  Operation  auf,  nur  in  1  Falle 
erfolgte  hefüges  Erbrechen  nach  der  Operation  (Pelveoperitonitis) 
In  ,0  Proz.  der  Falle  wurde  über  starken  Kopfschmerz  geklagt: 
1  henacetin  schien,  sofort  nach  der  Operation  gegeben,  das  Kopf- 
c‘h  fibzuschwachen.  In  1  Falle  stieg  die  Temperatur  mit  Schüttel- 
frost  hoch  an.  um  dann  zur  Norm  abzufallen.  Den  Schluss  der 
Arbeit  bildet  eine  Zusammenfassung  aller  Arbeiten  über  die  Ver¬ 
wendung.  der  spinalen  Anästhesie  in  der  Geburtshilfe. 

IJalliday  O  r  o  o  m:  Ueber  Hämatemesis  nach  Operationen. 
(Bnt.  Gynacol.  Journal.  Mai  1902.) 

Verfasser  gibt  die  genaue  Krankengeschichte  eines  einschlägi¬ 
gen  Talles  und  betont  dann,  dass  seiner  Meinung  die  Hämatemesis 
fast  immer  auf  Sepsis  zurückzuführen  sei. 

P.  .T.  Frey  er:  Ueber  Blasensteine  bei  Frauen.  (Ibid.) 

\  erfasser  hat  1047  Operationen  wegen  Blasensteinen  unter- 
nommen,  unter  diesen  Kranken  befanden  sich  nur  25  Frauen, 
doch  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  in  Indien,  wo  Verfasser 
die  meisten  Operationen  machte,  Frauen  nur  selten  den  Arzt  auf- 
siichen.  Die  Operation,  die  für  Verfasser  allein  in  Frage  koinmt. 
ist  die  Litholapaxie.  er  hat  nie  bleibende  Störungen  infolge  der 
Dehnung  des  Sphinkters  beobachtet. 

Thomas  C  a  r  w  a  r  dine:  Die  Fixation  der  Wanderniere  mit 
Karbolsaure.  (Lancet,  28.  Juni.) 

A  erfasser  empfiehlt  die  freigelegte  Niere  mit  reiner  Karbol¬ 
saure  zu  bestreichen,  um  durch  diesen  Reiz  eine  festere  Vereini¬ 
gung  mit  der  Umgebung  zu  erzielen;  diese  Methode  lässt  sieh  mit 
allen  anderen  Fixationsmethoden  kombinieren,  er  selbst  zieht  aber 
die  Ausstopfung  der  Wunde  mit  Gaze  der  Naht  vor.  6  derarti»- 
operierte  Fälle  wurden  dauernd  geheilt. 

.  n  1  bnrvey  Hilliard:  Die  Nasopharyngealmethode  zur  Er¬ 
zielung  längerer  Lachgasnarkosen.  (Ibid.) 

A  erfasser  beschreibt  und  bildet  einen  Apparat  ab  mit  wel¬ 
chem  er  nach  Einführung  einer  Röhre  durch  die  Nase  eine  Nar- 
oA^n-n  durchschnittlich  2%  Minuten  unterhalten  kann.  In  über 
•‘  0  T  allen  traten  üble  Nebenerscheinungen  nicht  auf. 

ur  .  JY-  'E  Ni  block:  Krebs  in  Indien.  (Ind.  Aledic.  Gazette, 
Mai  1902.) 

Im  Madras  Hospitale  kamen  in  10  Jahren  676  Fälle  von 
Krebs  unter  Eingeborenen  zur  Behandlung.  Ein  Drittel  aller  Fälle 
betraf  die  Wange,  nimmt  man  Zunge  und  Kiefer  dazu,  so  sassen 
die  Hälfte  aller  Fälle  in  dieser  Gegend.  Verfasser  führt  dies  auf 
das  Kauen  der  Betelnuss  zurück.  Lippenkrebse  sind  sehr  selten, 
da.  die  Eingeborenen  keine  Pfeife  rauchen.  Magendarmkrebse 
sind  selten,  nur  im  Rektum  werden  sie  häufiger  gefunden.  Penis- 
kiebse  sind  häufig  bei  Hindus,  sehr  selten  bei  den  beschnittenen 
Moliamedanern.  Es  liess  sich  nicht  nachweisen,  dass  Fleisch¬ 
oder  Pflanzennahrung  von  Einfluss  auf  die  Häufigkeit  des  Krebses 
war,  auch  scheint  die  Malaria  keinen  günstigen  Einfluss  auszu- 


1362 


MUENCHENER  MEDT CINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


übeir  dagegen  scheinen  gewisse  dauernde  Reize,  wie  das  Kauen 
der  Betelnuss  und  die  Balanitis  unter  einer  langen  Vorhaut  eine 
Prädisposition  für  den  Krebs  zu  schaffen^  ^  ^  ß  u  ,  c  b .  London. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 
Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 


Sitzung  vom  22.  April  1902. 

Vorsitzender :  Herr  B  a  h  r  d  t. 

Schriftführer :  Herr  Braun. 

(Schluss.) 

Herr  K  r  ö  n  i  g  spricht  über :  Geburtsleitung  beim  engen 
Becken.  (Der  Vortrag  befindet  sich  unter  den  Originalien  diesei 

Nummer.) 

Diskussion:  Herr  Zweifel  sagt,  dass  zwar  in  seiner 
Klinik  die  prophylaktische  Wendung,  wie  die  hohe  Zange  und 
künstliche  Frühgeburt  nur  selten  wegen  Beckenenge  ausgefuhit 
worden  seien,  dass  aber  der  praktische  Arzt  etwas  anders  diesen 
Dingen  gegenüberstehe.  Herr  Z.  warnt  jedoch  die  Aerzte  vor  der 
Anwendung  der  prophylaktischen  Wendung  bei  Beckenverenge- 
ru ng  2  Grades,  wo  Abwarten  besser  sei.  Die  Anwendung  dei 
hohen  Zange  sei  zwar  im  Privathaus  nicht  immer  zu  umgehen, 
sie  sei  jedoch  stets  nur  als  Versuch  zu  betrachten,  dem,  wenn  er 
nicht  gelinge,  sofort  die  Perforation  folgen  müsse.  Der  Ver¬ 
such  sei  aufzugeben,  wenn  die  kindlichen  Herztöne  schwach 
würden;  Abwarten  nach  misslungenem  Versuch  führe  infolge  des 
andauernden  Drucks  zu  schwerer  Schädigung  der  mütterlichen 

Veu-ht^üe-v  Criegern;  Durch  das  Vorhandensein  chronischer 
innerer  Erkrankungen  bei  schwangeren  Frauen  sei  nach ,  seiner 
Meinung  bisweilen  die  Indikation  zur  vorzeitigen  Unterbrechung 
der  Schwangerschaft  bei  engem  Becken  gegeben.  Herr  v.  L.  tragt, 
wie  Herr  K  r  ö  n  i  g  sich  hierzu  stelle. 

Herr  Litt  au  er;  Die  statistischen  Untersuchungen  K  r  ö  - 
n  i  g  s  zeigen,  dass  mit  der  abwartenden  Methode  vorzügliche  Re¬ 
sultate  zu  erlangen  sind;  es  besteht  also  C  red  es  Ausspruch, 
der  Geburtshelfer  hat  3  Eigenschaften  nötig;  ..Geduld,  Geduld 
und  Geduld“  auch  heute  noch  zu  Recht.  So  lange  wie  früher 
warten  wir  jedoch  nicht  mehr  mit  unserem  Eingreifen^  darum 
konnte  ich  auch  kürzlich  die  Frage  eines  Kollegen,  der  Ende  der 
ÖO  er  Jahre  hier  studiert  hatte,  ob  wir  in  Leipzig  noch  immer 
viel  Blasenscheidenfisteln  hätten,  dahin  beantworten,  dass  ic 
weder  in  meiner  Praxis,  noch  auch  in  meiner  Assistentenzeit  eine 
Ultra  partum  entstandene  Blasenscheidenfistel  gesehen  habe. 

Was  die  Operationen  bei  engem  Becken  anbetrifft,  so  kann 
der  Standpunkt  des  Klinikers,  welchen  K  r  ö  n  i  g  allein  berück¬ 
sichtigt  hat.  nicht  immer  für  den  Praktiker  massgebend  sein;  dort 
wo  im  Krankenhaus  die  Symphyseotomie  oder  der  Kaiserschnitt 
am  Platz  ist,  wird  man  in  der  Praxis  manchmal  zu  zerstückelnden 
Operationen  seine  Zuflucht  nehmen  müssen. 

Dem,  was  der  Vortragende  über  Wendung  bei  Schädellage  und 
gegen  Zange  bei  hochstehendem  Kopf  gesagt  hat,  stimme  ich  völlig 
beT.  Nichts  bringt  eine  Gebärende  mehr  in  Gefahr  als  solch  ein 
misslungener  Zangen  versuch;  nur  wenn  von  Seiten  der  Mutter 
die  strikte  Indikation  zur  Beendigung  der  Geburt  gegeben  ist,  sollte 
die  hohe  Zange  angelegt  werden,  um  zu  versuchen,  die  Perforation 
zu  vermeiden.  Die  Perforation,  welche  von  geschickter  Hand  aus¬ 
geführt.  meist  eine  leichte  Operation  ist.  sollte  auch  bei  lebendem 
Kind  ohne  Scheu  angewendet  werden,  wenn  die  Mutter  bei  ü'W' 
dauernder  Geburt  durch  Erschöpfung  und  Fieber  in  Lebensgefahr 

kommt.  . 

Herr  K  r  ö  n  i  g  hat  den  Geburtshelfern  den  Staatsanwalt  als 
Schreckgespenst  hingemalt,  doch  sind  meines  Wissens  solche  vom 
Vortragenden  supponierte  Verurteilungen  noch  nicht  vorgekommen 
und  werden  sich  wohl  auch  nicht  ereignen,  wenn  man  in  der¬ 
artigem  Fall  dem  Gericht  bestimmt  entgegentritt  mit  der  Er¬ 
klärung.  man  habe  aus  voller  Ueberzeugung  das  kindliche  Leben 
-eopfert,  um  das  mütterliche  zu  erhalten.  Wer  in  der  Praxis  sieht, 
welch  Unglück  der  Verlust  der  Mutter  bedeutet,  während  das  Kind 
meist  bald  vergessen  und  häufig  schnell  ersetzt  ist.  der  kann  un¬ 
möglich  kindliches  und  mütterliches  Leben  für  gleichwertig  _  er¬ 
achten.  Freilich  sind  sehr  wohl  Fälle  denkbar,  wo  wir  aufs  kind¬ 
liche  Ijehen  verhältnismässig  mehr  Rücksicht  zu  nehmen  haben; 

hier  heisst  es  individualisieren.  . 

Noch  mehr  kommt  es  auf  genaue  Erwägung  der  Verhältnisse 
an.  wenn  wir  der  Frage  näher  treten  sollen,  ob  in  einem  Fall  die 
künstliche  Frühgeburt  einzuleiten  sei.  Hat  eine  Mutter,  nachdem 
ihr  ein  oder  mehrere  Kinder  in  der  Geburt  abgestorben  sind,  den 
sehnlichsten  Wunsch  auf  Nachkommenschaft,  so  ist  man,  da  die 
künstliche  Frühgeburt,  unter  aseptischen  Kautelen  ausgefuhrt, 
-ute  Resultate  für  die  Mutter  gibt,  sehr  wohl  berechtigt,  sein 
Augenmerk  auf  diesen  Eingriff,  dem  schon  mancher  kräftige 
Mensch  sein  Dasein  verdankt,  zu  lichten.  Bei  einer  erneuten 
Schwangerschaft  kann  man,  entsprechend  den  Lehren  der 
Statistik,  wieder  exspektativ  verfahren,  aber  man  wird,  wenn 


ereil  die  Frühgeburt  kein  günstiges  Resultat  ergeben  hatte,  recht¬ 
zeitig  an  Symphyseotomie  und  Kaiserschnitt  zu  denken  habt  . 

Herr  K  r  ö  n  i  g-  Die  Durchsicht  der  Geburtsprotokolle  habe 
ihm  gezeigt,  dass  durch  Anwendung  der  hohen  Zange  die  Prognose 
für  das  Kind  niemals  gebessert  würde,  sie  habe  in  jedem  Fall  ver¬ 
sagt.  Er  habe  nur  darauf  hinweisen  wollen,  dass  das  Leben  des 
Kindes  im  allgemeinen  etwas  höher  eingeschätzt  werden  solle, 
als  geschehe.  Er  stimme  Herrn  Litt  au  er  bei,  dass  bei 
fiebernden  Schwangeren  natürlich  perforiert  werden 1 
in  den  von  Herrn  v.  Criegern  erwähnten  Fallen,  die  Pertoia 
Ä  da  indiziert  nicht  wegen  de*  engen  Becken* t  sondern 
wegen  der  Erkrankung  der  Frau,  em  neuer  Faktor,  dei  in  der 
von  ihm  herangezogenen  Stastistik  absichtlich  ganz  aussei  A( 
geblieben  sei. 


Sitzung  vom  6.  Mai  1902. 

Vorsitzender ;  Herr  Curschmann. 

Schriftführer :  Herr  Braun. 

Herr  Marchand  sprach  unter  Vorlegung  von  Präparaten 
und  Abbildungen  über  ein  junges  menschliches  Ei  im  Uteius^ 
Das  Alter  des  Eies  ist  auf  etwa  10—12  Tage  zu  schätzen.  1  e 
Grösse  der  Fruchtkapsel,  welche  sich  nur  wenig  über  die  e  - 
fläche  vorwölbte,  beträgt  in  der  Längsrichtung  etwa  1,5  em.  m 
der  Breite  5—0  mm.  Das  allseitig  von  Züttchen  umgebene  Ei  ist 
von  einer  dicken  ektodermalen  Zellwucherung  umgeben,  welche 
durch  Zusammenflüssen  der  sogen.  Zellsaule  an  den  Enden  dei 
Chorkmzöttchen  entstanden  ist.  und  der  Innenfläche  der  Kapsel  an¬ 
liegt  Nur  stellenweise  ist  eine  nachträgliche  Lockerung  ein„e- 
treten  Die  eigentliche  Eiblase  ist  stark  zusammengefaltet  dei 
Embryo  bis  auf  zerstreute  Reste  von  zusammenhängenden  Epithel- 
reihen  zerstört  (die  Sektion  der  Leiche  -  es  handelte  sich  um  em 
19  jähriges  Mädchen,  das  infolge  einer  Schussverletzung  gestoi  ien 
war  —  hatte  erst  18  Stunden  p.  m.  stattfinden  können).  Der  m  - 
lere  Teil  der  Decidua  capsularis  besteht  aus  einer  homogenen  G 

rinnungsmasse  mit  wenigen  eingelagerten  Zellen,  -ehrend  d  e 

seitlichen  Teile  noch  Drüsen  und  Gefasse  enthalten.  An  der  Ba  . 
ist  noch  etwa  die  Hälfte  der  Schleimhaut  mit  stark  erweiterten 
Drüsen  erhalten.  Die  an  die  Höhle  angrenzende  Schicht  zeigt  be- 
Snnende  dezldnale  Umwandlung  Bildung  von 
ausserdem  aber  sehr  reichliche,  von  der  Innenfläche  aus  n  dieliete 
e SS  ektodermale  Zellen,  welche  die  an  die  Hoh  e  he, -am 
wuchernden  Drüsen  und  Gefässe  zerstören.  Vielfach  liegen  an 
der  Innenfläche,  aber  nirgends  in  der  Tmfe  grosse  vielkennge  Sy 
cytiummassen  von  derselben  Beschaffenheit, 

umgebenden.  Die  Eröffnung  von  Gefassen  an  de^  "®l 

Kapsel  konnte  M.  nirgends  nacliweisen:  auch  enthielt  der  eigent 
liehe  Zwischenzottenraum  kein  Blut,  höchstens  hie  unr  < 
einige  rote  Blutkörperchen,  so  dass  M.  es  für  mindestens  sehr  wahr¬ 
scheinlich  halten  muss,  dass  in  diesem  frühen  Stadium  der  Gravide 
tat  der  intervillöse  Raum  normaler  Meise  frei  von  Blut  ist. ^  Die 
„.anze  Lagerung  des  Eies  in  der  Schleimhaut,  die  fortschreitende 
Zerrfönmg  desselben  durch  die  ektodermale  Zellwucherung  spricht 
nach  Ansicht  des  Vortragenden  dafür,  dass  das  menschbche  Ei. 
wie  es  zuerst  von  Graf  v.  Spee  angenommen,  von  Peters  tur 
sein  sehr  viel  jüngeres  Ei  im  Uterus  nachgewiesen  ist,  sich  nicht 
der  Oberfläche  der  Schleimhaut  anlagert,  sondern  m  diese  ein¬ 
dringt  und  sich  innerhalb  derselben  weiter  entwickelt. 

Diskussion;  Herr  Zweifel;  Bei  der  Tubarschwanger- 
scliaft  ist  von  Fiitli  das  Eindringen  des  Eies  in  die  Schleim¬ 
haut  nachgewiesen  worden.  Die  Zotten  wuchern  da  sogar  .urc 
das  Tubenrohr  hindurch,  so  dass  der  Vergleich  mit  einer  mal  gnen 
Neubildung  sehr  nahe  liegt  und  auch  nach  emgetretenean  Tuben 
nbort  die  Gefahr  für  die  Kranke  nicht  beseitigt  ist. 
noch  nachträglich  die  Chorionzottengefässe  arrodieren  und  zu 
schweren  Blutungen  Veranlassung  geben  können. 

Herr  Saxer  demonstriert  einen  Fall  von  totlicher  Darm 
blutung  aus  einem  kleinen  Geschwür  des  Duodenum.  dicht  unter¬ 
halb  des  Pylorusringes,  bei  einem  3  tägigen  Säugling  (Melaena 

Herr  Curschmann  berichtet  über  einen  32  jährigen  Kran¬ 
ken  der  mit  Milztumor,  kleiner,  harter  Leber,  ohne  Aszites  und 
Meteorismus,  mit  schweren,  schliesslich  zum  Tode  führenden 
Magenblutungen  seiner  Abteilung  zugeführt  wurde.  Die  Diagno.^ 
wurde  auf  Lebercirrhose  mit  kompensatorischer  Dilatation  aei 
M n  (rpiivonon  irestellt. 

Herr  Saxer  demonstriert  das  durch  die  Sektion  gewonnen« 
Präparat  dieses  Falles.  Es  handelt  sich  um  einen  kolossalen,  in 
den  Magen  perforierten  Varix  anastomoticus,  der  das  Ptoitade 
blut  von  der  Vena  lienalis  zu  den  Kardiavenen  und  von  diesen  zur 
Vena  suprarenalis  sin.  und  damit  zum  Gebiet  der  unteren  o 
ader  geführt  hatte.  Die  Leber  bot  das  Bild  einer  schweren  Alkohoi- 

1  Herr  Steine  rt  demonstriert  einen  Fall  der  in  Leipzig  be¬ 
kanntlich  äusserst  selten  zu  beobachtenden  Tetanie.  Der  Knin 
ein  2(1  jähriger  Weber,  hat  vor  2  Jahren  schon  eine  wohl  als 
Tetanie  anzusprechende  Krankheit  überstanden:  ohne  Vorboten 
plötzlich  eingetretene  8  tägige  Bewusstlosigkeit,  «larnach  wochen¬ 
lang  unter  anfänglich  hohem  Fieber  „Zuckungen“  m  Armen  und 
Beinen,  Leib  und  Rücken,  nach  8  tägiger  Pause  wiederum  unter 
Fieber  eintretende  Zuckungen  der  gleichen  Art,  die  auch  Wochen 
lang  anhielten  und  zuletzt  sich  vorwiegend  auf  einen  Tre™or 
rechten  Beins  beschränkten.  Jetzt  ist  Fatient,  am  Ende  e 


12.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1363 


8  monatlichen  Internierung  im  Zwickauer  Gefängnis,  von  neuem 
mit  Anfallen  von  heftigem  Schwindel  und  Schwarz  werden  vor  den 
Augen  ei  ki  an  kt.  Buhl  darauf  traten  anfallsweise  Spannungs¬ 
zustände  in  Armen,  Beinen  und  in  der  Kiefermuskulatur  ein  die 
von  einem  Schmerz  begleitet  wurden,  „als  ob  Patient  elektrisiert 
wurde“.  Aehnliche  Schmerzen  in  Leib  und  Rücken. 

Im  Krankenhaus  wurden  Anfälle  von  typischem,  tetanischem 
tonischem  Krampf  in  den  Armen  (Geburtshelfer-  und  Pfötclienstel- 
lung)  und  Beinen  (Klauenstellung  der  Zehen)  beobachtet,  auch  vor- 
übeigthendei  Masseterenklonus.  Die  Krämpfe  sind  von  jenem 
eigentümlichen  Schmerz,  vom  Gefühl  des  Einschlafens  der  Glieder 
und  von  Vertaubung  der  Sensibilität  in  den  Fingerspitzen  begleitet. 
Auf  warme  Bäder  mit  nachfolgenden  Einpackungen  blieben  die 
Anfälle  sehr  bald  aus.  Dagegen  besteht  noch  ein  andauernder, 
lebhafte!,  giober  Treanor  beider,  ganz  besonders  aber  des  rechten 
Beins.  Jedes  Manipulieren  an  den  unteren  Extremitäten,  ins¬ 
besondere  auch  die  Auslösung  der  äusserst  lebhaften  Hautreflexe 
steigert  den  Tremor.  Starke  Willensanstrengung  dämpft  ihn  für 
Sekunden.  Chvostek  sches  und  Troussea  u  sches  Phäno¬ 
men  sehr  deutlich,  bei  leichtem  Druck  auf  die  Extremitätennerven- 
stämrne  lebhaft  schmerzende,  ausstrahlende  Parästhesien,  an  den 
Armnervenstämmen  tageweise  Steigerung  der  galvanischen  Er¬ 
regbarkeit. 

Die  Sehnervenpapillen,  wie  sie  auch  andere  gefunden  haben 
rot  injiziert,  mit  weiten  Venen. 

Kein  Fieber,  keine  sonstigen  Anomalien  des  Status  der 
inneren  Organe  oder  des  Nervensystems. 

Die  Frage,  ob  Neuerkrankung  oder  neuer  Anfall  der  die  letzten 
2  Jahre  latent  gebliebenen  Erkrankung,  muss  offen  bleiben. 

Die  genaueste  ätiologische  Exploration  bietet  keinen  weiteren 
Anhalt  für  die  Erklärung  der  Entstehung  des  Falles.  Bezüglich 
des  besonders  starken  und  hartnäckigen  Tremors  im  rechten  Bein 
ist  von  Interesse,  dass  Patient  an  seinem  Webstuhl  mit  diesem 
Bein  hat  anhaltend  schwer  treten  müssen,  während  das  linke  ruhte. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  14.  Mai  1902. 

Schriftführer :  Herr  Grassmann. 

Bei  Beginn  der  Sitzung  gedachte  der  2.  Vorsitzende  mit  war¬ 
mer  Anerkennung  des  bisherigen  1.  Vorsitzenden,  Herrn  Prof. 
Dr.  Moritz,  der  infolge  seiner  Berufung  als  Direktor  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  in  Greifswald  seine  Funktion  niedergelegt  hat. 
Um  dem  Danke  für  seine  Verdienste  um  den  ärztlichen  Verein 
Ausdruck  zu  verleihen,  beschloss  die  Versammlung  die  Absen¬ 
dung  einer  Adresse  an  Herrn  Prof.  Moritz  und  die  Ernennung 
desselben  zum  korrespondierenden  Mitglied  des  Vereins. 

Herr  v.  Heinleth  -  Reichenhall,  als  Gast  anwesend,  de¬ 
monstriert  einen  Patienten: 

Der  Kranke,  den  ich  Ihnen  heute  vorzustellen  die  Ehre  habe, 
ist  Ihnen  wohl  vom  vorigen  Jahre  noch  bekannt.  Vor  3  Jahren 
hatte  ich  ihm  ein  grosses  Sarkom  der  rechten  Tonsille  (nach 
Krönlein)  entfernt ’).  Er  ist  heute  noch  rezidivfrei  und  darf 
man  hier  wohl  eine  Dauerheilung  annehmen. 

Ein  Vierteljahr,  nachdem  Sie  im  letzten  Mai  den  Kranken  hier 
zu  untersuchen  Gelegenheit  hatten,  trat  nun  auch  auf  der  linken 
Seite  eine  Geschwulst  auf.  Mitte  August  gab  die  Tonsille  zu  leich¬ 
ten  Beschwerden  Anlass  und  vergrösserte  sich. 

Meine  Untersuchung  am  1.  September  ergab  eine  mässige 
Grossenzunahme,  mässig  harte  Konsistenz,  glatte  Oberfläche  mit 
blasser  Schleimhaut  (gegenüber  der  blaurötlichen  der  rechts¬ 
seitigen  grossen  Geschwulst).  Drüsen  resp.  Metastasen  konnten 
nicht  nachgewiesen  werden.  Die  klinische  Diagnose  wurde  durch 
den  mikroskopischen  Befund,  den  Herr  Privatdozent  Dr.  Borst 
in  Würzburg  die  Freundlichkeit  hatte  mir  zu  geben,  bestätigt; 
es  handelte  sich  wieder  um  ein  Rundzellensarkom. 

Da  die  Geschwulstbildung  nicht  auf  dem  Boden  des  früheren 
Operationsgebietes  aufgetreten  ist,  so  kann  ich,  zumal  diese  rechte 
eite  rezidivfrei  blieb,  die  Erkrankung  nicht  als  Rezidiv  ansehen, 
sondern  muss  sie  auf  Grund  einer  vorhandenen  Prädisposition 
als  Neuinfektion  ansprechen.  Ich  kann  mich  nicht  davon  über¬ 
zeugen,  dass  nach  einer  längstüberstandenen  rechtsseitigen  Pneu¬ 
monie  eine  linksseitig  auftretende  Lungenentzündung  ein  Re¬ 
zidiv  sein  soll  und  nicht  eine  Neuerkrankung  gemäss  besonderer 
V  eranlagung. 

In  meinem  vorigjährigen  Vortrage  hatte  ich  die  Ansicht  aus¬ 
gesprochen,  dass  bei  vorgeschrittener  maligner  Degeneration  nur 
allein  die  extraoralen  ausgedehnten  Operationsmethoden  (nach 
K  r  o  n  1  ein,  v.  Mikulicz,  Brehm  u.  a.)  am  Platze  seien,  dass 
man  aber  bei  Beginn  der  Erkrankung,  so  lange  der  Tumor  noch 
liiein  ist  und  keine  Metastasen  nachweisbar  sind,  wohl  mit  der  von 
Alex.  F  raenkel  vorgeschlagenen  intrabuccalen  Exstirpation 
auskommen  kann.  Demgemäss  habe  ich  nach  vorheriger  Unter- 
omaung  der  Art.  carot.  ext.,  bei  welchem  Eingriffe  sich  einige 
Kleine  verhärtete  Dräschen  fanden,  den  Tumor  bei  hängender 
xoptlage  vom  Munde  aus  entfernt.  Entgegen  der  lange  dauern- 

*)  Siehe  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  35  u.  36. 


den  Heilung  nach  der  eingreifenden  ersten  Operation  der  rechten 
Seite  ging  hier  die  Wundheilung  rasch  von  statten,  so  dass  der 
Kranke  11  Tage  nach  der  Operation  (18.  IX.  01)  geheilt  entlassen 
werden  konnte. 

Da  der  Kranke  heute,  nach  Verlauf  von  %  Jahren,  rezidivfrei 
ist,  darf  man  hoffen,  dass  hier  die  schonendere  Operationsmethode 
zu  gleich  gutem  Resultat  führt,  als  auf  der  rechten  Seite 

Hierauf  demonstrierte  Herr  G.  Klein  eine  Kranke  bei  wel¬ 
cher  er  den  suprasymphysären  Querschnitt  mit  gutem  Erfolge 
ausgeführt  hatte. 

Es  spricht  sodann  Herr  Gr,  Klein  über:  Operative  Be¬ 
handlung  des  Gebärmutterkarzinoms.  (Der  Vortrag  wird  in  der 
Müncli.  med.  Wochenschr.  publiziert  werden.) 

Ueber  die  beiden  folgenden  Vorträge  des  Herrn  J.  Decker: 
Zur  Diagnose  des  Sanduhrmagens,  und  des  Herrn  Ad.  Schmitt: 
Zur  Theiapie  des  Sanduhrmagens,  findet  eine  Diskussion  nicht 
statt.  Die  Ausführungen  darüber  werden  in  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  veröffentlicht  werden. 

Am  Schlüsse  der  Sitzung  machte  Herr  Fr.  Craeme  r  Mit¬ 
teilungen  über  die  Konstituierung  und  seitherige  Tätigkeit  des 
Komitees,  das  sich  zuerst  unter  dem  Vorsitze  des  Herrn  Geh.  Rat 
v.  Z  i  e  m  s  s  e  n,  dann  nach  dessen  Tode  unter  jenem  des  Herrn 
Prof.  Moritz,  nunmehr  unter  dem  des  Herrn  Prof.  Obermedi¬ 
zinalrats  v.  Anger  er  gebildet  hat,  um  auch  in  München  Fort¬ 
bildungskurse  für  Aerzte  ins  Leben  zu  rufen.  Auf  Umfrage 
haben  sich  eine  grosse  Zahl  von  Professoren  und  Dozenten  der 
Lniversität,  sowie  praktischer  Aerzte  zur  Abhaltung  von  Kursen 
und  Vorlesungen  bereit  erklärt,  die  unterdessen  bereits  ihren 
Anfang  genommen  haben.  Mit  dem  Satze:  „Die  beste  Waffe 
gegen  die  Kurpfuscherei  sind  gute  Aerzte !“  schloss  Craeme  r 
seine  mit  Beifall  aufgenommenen  Ausführungen. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Juni  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Karl  Koch. 

Heu  Landmann  demonstriert  eiueu  Fall  von  multipler 
Neurofibromatose. 

Herr  Alexander  stellt  einen  55 jährigen  Manu  vor  der 
ihm  wegen  Sehstörungen  zugewiesen  wurde.  Patient  ist  Tüncher 
und  hat  in  den  letzten  Jahren  ausschliesslich  mit  Bleifarben  ge- 
ai  beitet.  Er  klagt  auch  über  „Reissen“  in  den  Füssen,  zeigt 
ausgesprochenen  Bleisaum  an  den  Zähnen.  Vor  seinem  linken 
Auge  nimmt  er  seit  einiger  Zeit  „einen  Nebel“  wahr.  Lues 
negatur.  Auf  dem  rechten  Auge  ist  nichts  Abnormes  nach  weis- 
bdi,  dagegen  besteht  aut  dem  linken  eine  Atrophie  der  Sehnerven- 
scheibe  mit  unscharfem  Rande  (neuritische  Atrophie).  Die  Ge¬ 
lasse  auf  der  Papille  und  noch  in  ihrer  Nachbarschaft  zeigen 
zirkumskripte  Einschneidungen  und  Verengerungen.  R  -j-  0,75  D, 
S  =  Vs,  D  -j~  0,75  D,  S  —  7 24.  Gesichtsfeld  rechts  normal,’ links 
für  Farben  stark  konzentrisch  eingeengt  (bis  auf  10  °). 

Nachdem  Patient  die  Beschäftigung  mit  den  Bleifarben  auf¬ 
gegeben  und  täglich  Jodkali  genommen  igb  und  zu  auch  ge¬ 
schwitzt),  tritt  wesentliche  Besserung  ein.  Die  Gefässverände- 
rungen  gehen  z.  T.  auch  zurück.  Der  Visus  steigt  auf  */■&—' V8. 

\  ortr.  spricht  im  Anschluss  über  Bleischädigungen  des  Seh¬ 
organs. 

Herr  E.  Rosenfeld  demonstriert  die  Präparate  von  per 
vaginam  exstirpierten  Adnexen  und  von  einem  exstirpierten  Myom 
mit  etwas  ungewöhnlichem  Sitz. 

Heu  Carl  Koch  zeigt  das  Präparat  eines  retrograden  ein¬ 
geklemmten  Netzbruches,  ferner  eines  Tumors  einer  Ileum- 
sclilinge  mit  Darmvolvulus.  Bei  der  histologischen  Untersuchung 
erwies  sich  der  Tumor  als  ein  Fibromyom  mit  fraglicher  sarkoma- 
töser  Entartung. 

Herr  Stich  zeigt  die  Sektionsergebnisse  einer  93  Jahre 
alten  Frau,  welche  unter  dem  Bilde  allgemeinen  Kräfteverfalls 
gestorben  war.  Die  Patientin  war  seit  Jahren  auf  der  Kranken¬ 
abteilung  des  Hospitals  z.  heil.  Geist,  sie  litt  insbesondere  nie  an 
Atmungsbeschwerden  oder  Asthma;  sie  fieberte  nicht  und  hustete 
nicht. 

Die  Sektion  wurde  von  dem  Prosektor  des  hiesigen  Kranken¬ 
hauses,  Herrn  Dr.  T  h  o  r  e  1,  gemacht. 

Es  fand  sich  Arteriosclerosis  universalis,  Aneurysma  throm- 
boticum  aortae  descendent.,  Bronchopneumonia,  Tubercul.  pulmon., 
Hypertrophia  ventriculi  cordis  sin.,  Diverticula  flex.  sigmoideae, 
Tuberculosis  miliar,  peritonei. 

Die  Lungen  sind  von  gewöhnlicher  Grösse,  blass,  trocken 
und  lassen  in  sämtlichen  Lappen  schon  äusserlich  schrotkorn-  bis 
erbsengrosse  Knötchen  durchfühlen.  Den  grösseren  derselben  ent¬ 
sprechen  auf  der  Schnittfläche  scharf  abgesetzte,  knotige,  graue 
broncliopneumonische  Herde,  von  denen  einige  im  Zentrum  etwa  in 
Lmsengrösse  käsig  zerfallen  aussehen;  die  kleineren  sclirotkorn- 
grossen  Verhärtungen  entsprechen  teils  anthraktischen  Indura¬ 
tionsherden,  teils  setzen  sie  sich  aus  derben  Konglomerattuberkeln 


13C4 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCIIRII T. 


No.  32. 


zusammen.  Im  rechten  Unterlappen  ist  (las  Gewebe  überdies  im 
»•ui/en  im  Luftgohalt  reduziert  und  es  linden  sich  an  diesei  Stel 
ziemlich  reichliche,  konüuierende,  schlaffe  bronc 
Herde  an  deren  Schnittfläche  sich  eine  trübe  Iluswgkeit  abstieiren 
lilsst,  während  aus  den  durchschnittenen  Bronchien  auf  Druck 

einisre  eitrige  Sekretpröpfe  hervorquellen.  .  ,  . 

Das  Herz  ist  ziemlich  klein,  fettarm  und  besitzt  eine  derbe 
•dinzlose  gleichmässig  tiefdunkelbraune  Muskulatur;  (lei  1 ecliU. 
S  ist  normal,  der  linke  bei  engem  Immen  aussei'orden  heb 
verdickt;  an  der  Basis  eines  Zipfels  der  Mitralis  dicke  koia  e 
Kalkspangen.  Die  Koronararterien  sind  duxcliaus  ligide 
uud^erheblich  verengt.  Die  Aorta  namentlich 
stände  einer  hochgradigen  Arteriös kleu  se  mit 

Thrombenauflagerungen  auf  den  GeschO  uistiac lie  .  • 

oberhalb  ihrer  Teilungsstelle  findet  sich  ein  liuhnereigio. .  . 
vollkommen  durch  grösstenteils  ältere,  entfärbte  Gerinnsel  throm- 

bosiertes  Aneurysma. 

Die  Leber  ist  schlaff,  ihre  Zeichnung  verwaschen 

Milz  ziemlich  gross,  mit  knorpelig  verdickter  Kapsel,  zeiat 

eine  dunkle  Schnittfläche.  .  ,  infoH-t 

Nieren  klein,  mit  schmaler  Kortikalis,  zeigen  vielfache  Intaik 

""'»tagen-  und  Darmkanal  normal  bis  aut  die  Fleaura  sigmoidea, 
welche  mit  massenhaften  falschen  Divertikeln  besetzt  ist, 

Blase  ohne  besonderen  Befund.  ,  .  , 

Im  Uterus  ein  kleiner  Schleimhautpolyp;  ausserdem  besteht 
ein  linksseitiger  beträchtlicher  Hydrosalpinx  wegen  V  erlotung  des 

abdominalen  Tubenendes.  .  sk.h  eine 

lieber  das  gesamte  Mesenterium  verstient  zei„t 

frische  disseminierte  Miliartuberkulose. 

Herr  Seiler  berichtet  über  einen  tödlich  verlaufenen  Un- 
"liicksfall.  Die  Sektion  ergab  einen  intraduralen  Bluterguss. 


gefässe,  wie  sie  in  der  Literatur  zahlreich  beschrieben  sind,  allein 
in  einer  sauerstoffhaltigen  Umgebung  junge  Herzen  ijoch  lange 

schlagen.  .  ,  _T  ,  , 

2.  Uebereinstimmend  mit  der  Literatur  fand  \  ortragender, 

dass  der  linke  Ventrikel  zuerst,  dann  der  rechte  Ventrikel,  Mer 
rechte  und  linke  Vorhof  und  ganz  zuletzt  die  Muskelpartie  un¬ 
mittelbar  am  Eintritt  der  Vena  cava  sup.  die  Aktion  einsteilt: 
Nach  Abstreifung  des  Perikards,  aus  dem  das  Organ  wie  aus  einer 
umspannenden  Membran  hervorspringt,  kehrt  sich  diese 
Reihenfolge  um  und  der  linke  Ventrikel  scliliesst  mit  seinen 
Zusammenziehungen  den  Ablauf  der  Erscheinungen,  die  natür¬ 
lich  zahlreiche  Komplikationen  enthalten,  ab. 

Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  7.  Februar  1902. 

Herr  Wölfler  demonstriert  einen  Patienten  mit  einem 

Tumor  cavernosus,  der  sich  fast  über  das  ganze  Gesicht  erstreckt 
Tumor  cavern osu  ,  an  den  bereits  demonstrierten  Fall 

von  Queckmlberoxycyanvergiftung.  der  unter  den  Erscheinungen 
der  Urämie  zu  Grunde  ging.  Die  Untersuchung  des  Blutes  eigab, 
als  noch  keine  Erscheinungen  der  Urämie  bestanden,  einen  Harn¬ 
stoffgehalt  von  0,04  Proz.,  welcher  mit  Eintreten  der  uiamischeu 
Toxikose  auf  0,0  Proz.  anstieg,  ein  Befund,  den  v.  J  ak  s  c  h  al 
beweisend  für  die  Ansicht,  dass  bei  der  Uraemie  der  Hamstott- 

gehalt  des  Blutes  steigt,  ansieht  «^rvöser 

Herr  v  Jaksch  stellt  einen  weiteren  1  all  on  nervöser 

•Rrkrankune  bei  einem  Manganarbeiter  vor.  Der  Kranke  klagt 
über  Parästhesien  in  den  Extremitäten,  die  Reflexe  sind  gesteigert. 
Die  Untersuchung  des  Harnes  ergab  die  Abwesenheit  ton  Mangan. 
J  glaubt,  es  handle  sich  in  diesen  Fällen  um  keine  Manganver¬ 
giftung,  sondern  um  die  Einwirkung  von  grosser  Hitze  einerseits 
und  grosser  Kälte  andererseits,  da  die  Arbeiter  auf  heissen  Platten 
ton  ca.  120°  bei  einer  Temperatur  des  Kopfes  ton  4  toiee 

“^ETLgt  dann  die  Vorstellung  eines  Falles  von  Akromegalie 
mit  eigentümlichem  Spitzenwachstum  der  rechten  Hand  und  zum 
Schlüsse  ein  Fall  von  Morbus  Basedowii  mit  Veränderungen  im 
Knochensystem.  Bei  einem  Mädchen,  bei  dem  wegen  des  be¬ 
stehenden  M.  B.  eine  Unterbindung  der  Art.  tliyreoidea  toi- 
genommen  worden  war,  traten  Spontanfrakturen  an  Radius  und 
Ulna  auf  bei  gleichzeitiger  beginnender  Delormation  des  ihorax. 
Blutbefuud  normal,  ebenso  Stoffwechsel. 

Herr  Walko:  Ein  Fall  von  multipler  halbseitiger  Gahirn- 
und  Zervikalnervenlähmung,  bedingt  durch  einen  Hirntumor. 


Academie  des  Sciences. 

Sitzung  v  o  m  10.  Juni  1002. 

Ueber  den  Gehalt  des  Organismus  an  Arsenik. 

Gabriel  Bertrand  vervollständigte  die  bekannte  Marsh- 
sclie  Methode  bis  zu  dem  Grade,  dass  es  möglich  war,  ein  lausend- 
stel  und  sogar  ein  Zwei  tausendstel  eines  Milligramms  Arsenik  zu 
erkennen.  Die  Frage,  ob  im  tierischen  Organismus  normaler  IV  eise 
Arsenik  vorhanden  ist,  musste  er  auf  Grund  seiner  Untersuchungen 
unbedingt  bejahen;  er  vermied  es  jedoch,  Schilddrüsen  und  von 
Menschen  stammendes  Gewebe  zu  verwenden,  da  es  tast  unmöglich 
ist  festzustellen,  ob  die  betreffenden  Individuen  nicht  irgend  eine 
Arsenikvergiftung  einmal  durchgemacht  haben;  ebenso  verniie( 
er  die  Untersuchung  an  Pferden,  da  diese  manchmal  mit  Aisenik 
behandelt  werden.  B.  suchte  zuerst  nach  Arsenik  in  der  Schild¬ 
drüse  des  Kalbes  und  Schweines,  dann  m  den  Boisten  dieses 
Tieres,  in  den  Federn  der  Vögel,  in  den  Hörnern  des  Ochsen  den 
Haaren  und  Nägeln  des  Hundes  u.  s.  w.  uml  fand  dass  das  Hoin- 
gewebe  ganz  besonders  reich  an  Arsenik  sei,  viel  reicher  als  d 
Schilddrüsen.  Die  Haut  und  selbst  die  Leber  zeigten  noch  Spuren 
des  Metalloids.  Bei  der  Feinheit  seiner  Methode  halt  B.  jede 
Möglichkeit,  dass  der  Gehalt  an  Arsenik  von  zufällig  in  die  Re- 
agentien  gelangten  Verunreinigungen  abhänge,  für  ausgeschlossen 
und  somit  die  ersten  bezüglichen  Angaben  von  Arm.  Gautiei, 
welche  besonders  von  deutschen  Gelehrten  iHodlmosei, 
Ziemke,  Czerny)  Widerspruch  erfahren  haben,  tm  \ollig  ei- 

wiesen. 

Ueber  die  Produktion  von  Glykose  durch  die  Muskeln. 

Cadeac  und  Maignon  kamen  bei  ihren  Untersuchungen 
zu  folgenden  Schlüssen.  Die  Muskeln  produzieren,  wie  die  Leber, 
nach  dem  Tode  immer  Zucker.  Die  in  Oel  bei  einer  leinperatui 
von  37 11  getauchten  Muskeln  produzieren  mehr  Zucker  wie  die 
hei  gleicher  Temperatur  der  Luft  ausgesetzten.  Die  Muskeln, 
welche  man  mit  Eis  umgibt,  erzeugen  das  geringste  Quantum 
Zucker.  Die  gequetschten  oder  komprimierten  Muskeln  Pro¬ 
duzieren  das  Maximum  von  Zucker  (mehr  als  die  in  Oel  ge¬ 
tauchten).  Diese  Funktion  der  Muskeln  ist  unabhängig  von  jedei 
Fäulniswirkung. 


Physikalisch-medicinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  Juni  1902. 

1  Herr  Hofmeier:  Demonstrationen:  a)  Cyste  des 
Gärtner  sehen  Ganges,  Hämatometra  lateralis  vortäuschend. 
IM  Uterus  duplex  mit  Karzinom  im  rechten  Uterus,  c)  Schwanger¬ 
schaft  im  rudimentären  Nebenhorn  des  Uterus,  d)  Schwanger¬ 
schaft  im  rudimentären  Nebenhorn  bei  Uterus  umcorms. 
e)  Graviditas  uteri  myomatosi  in  2  Präparaten. 

2.  Herr  G.  Sommer:  Beobachtungen  am  jungen  Säuge- 

tierherzen. 

1.  Bei  den  mit  Chloroform  getöteten  ganz  jungen,  meist 
neugeborenen  Katzen,  Kaninchen  und  Hunden  wurde  der  Brust¬ 
korb  eröffnet,  worauf  nach  kurzer  Zeit  das  Herz  wieder  zu 
schlagen  begann.  Die  nach  Unterbindung  der  grossen  Gefässe 
herauspräparierten  Herzen  wurden  nun  in  15  bis  20  ccm  einer 
Lösung  von  0,7  proz.  CINa  unter  Zusatz  von  1—2  ccm  IL  02  bei 
Zimmertemperatur  aufgehängt.  Auf  diese  Weise  konnte  die 
Frist,  bis  die  Herztätigkeit  völlig  erlosch,  viele  Stunden,  in  einem 
Falle  bis  zu  31  Stunden  ausgedehnt  werden.  Diese  Versuche  zei¬ 
gen,  dass  auch  ohne  Durchströmung  des  Herzens  oder  der  Herz- 


Societe  de  Therapeutique. 


Sitzunge  n  v  o  m  11. — 25.  Juni  1902. 

Die  Wirkung  des  Arrhenals  bei  Tuberkulose. 

Nach  einer  Arbeit  von  Vigenau  d,  welcher  das  Arrhenal 
in  hypodermatischer  Injektion  und  in  Pillen  (Dosis  von  2— o  cg) 
anwandte,  bewirkt  dasselbe  Erscheinungen  von  Lungenkongestion 
und  oft  sogar  Hämoptysen;  V.  sieht  daher  dieses  Medikament  als 
gefährlich  bei  Lungentuberkulose  au. 

Bolognesi  fand  niemals  diese  Nebenwirkung  des  Arrhenals, 
er  liess  dasselbe  in  titrierter  Lösung  (5:100  (lest.  Wasser)  m  der 
Dosis  von  20—30  Tropfen  Morgens  6  Tage  hindurch  nehmen, 
0  Tage  wieder  aussetzen  u.  s.  f.;  er  hält  das  Arrhenal  für  em 
vorzügliches  Mittel  bei  Lungentuberkulose,  welches  Appetit  macht, 
bessere  Atmung  und  Fettansatz  bewirkt,  das  Allgemeinbefinden 
bessert,  mit  einem  Wort  wie  Arsenik  wirkt,  ohne  die  Uebelstanae 
der  Arsenikpräparate  in  hoher  Dosis  zu  besitzen. 

Le  Gendre  liebt  hervor,  dass  für  die  Anwendung  dt  . 
Arrhenals  ebenso  wie  für  die  der  Kakodylpräparate  Fieber  und 
Hämoptysen  Gegenindikationen  bilden.  . 

Dan  los  wendet  das  Arrhenal  gegen  Psoriasis  an  und  zwai 
gewöhnlich  in  der  Dosis  von  0,4  g  pro  Tag;  er  ist  erstaunt,  wie 
leicht  diese  hohen  Gaben  ertragen  werden,  so  dass  er  sie  noen  zi 
steigern  beabsichtigt;  von  Seite  der  Lungen  hat  er  nie  Ne 
erscheinungen  beobachtet. 

Ueber  das  Hypnopyrin. 

Das  Hypnopyrin  ist  ein  Chlorderivat  des  Chinins,  es  stellt  sich 
in  Form  langer  prismatischer  Nadeln  von  Perlmutterglanz  dar.  ha 
bitteren  Geschmack  und  leichten  Chlorgerucli;  es  ist  leicht  losiia 
in  heissem  Wasser  und  in  Alkohol.  Das  Hypnopyrin  ist  HUg £ 
ein  schmerzstillendes,  hypnotisches  und  antithermisches  .  1  • 

ohne  dabei  profusen  Schweiss  oder  Kollaps  herbeizutuliren, ,  . 

dies  bei  den  analeptisclien  Mitteln  der  aromatischen  Gruppe  sonst 
der  Fall  ist.  Es  setzt  die  Temperatur  nur  um  y2-l  " 

Dosis  von  0,5—1  g  herab  und  hat  dabei  den  Vorteil,  die  Oxydations 


12.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1365 


Vorgänge  nicht  zu  verlangsamen.  B  o  1  o  g  n  e  s  i  und  Charpen- 
t  i  e  r  haben  mit  dem  Hypnopyrin  ausgezeichnete  Erfolge  gehabt 
bei  infektiösen  Fiebern,  wie  bei  Influenza,  Typhus,  bei  den  akuten 
Exanthemen,  bei  Angina,  ferner  bei  Kopfschmerzen,  Neuralgien 
Rheumatismus  u.  s.  w.  Unschädlich  für  den  Magen,  hat  es  eine 
tonische  und  aperitive  Wirkung  wie  das  Chinin,  ohne  den  Magen- 
Darmkanal  zu  reizen.  In  Cachets,  Pillen  (von  0,1— 0,2  g)  oder 
Suppositorien  wird  es  verordnet,  die  Dosis  in  24  Stunden  ist  1—2  g 
für  den  Erwachsenen;  das  Hypnopyrin  ist  von  absoluter  Unschäd¬ 
lichkeit. 

Societe  medicale  des  hopitaux. 

Sitzung  vom  27.  Juni  1902. 

Die  Beziehungen  zwischen  Scharlach  und  Tuberkulose. 

S  i  m  o  n  i  n  erinnert  an  die  alten  Ideen  von  R  i  1 1  i  e  t  und 
Barthez  über  den  Antagonismus  zwischen  Scharlach  und  Tuber¬ 
kulose  und  bringt  dann  eine  Reihe  klinischer,  an  Erwachsenen 
gemachter  Beobachtungen.  Die  Beziehungen  zwischen  beiden 
Krankheiten  lassen  sich  demnach  in  folgender  Weise  zusammen¬ 
fassen.  Dieselben  sind  beim  Erwachsenen  keine  antagonistischen 
Krankheiten,  sie  können  aufeinander  folgen  oder  sich  in  verschie¬ 
denen  Formen  assoziieren.  Bricht  bei  einem  Tuberkulösen  Schar¬ 
lach  aus,  so  kann  er  einen  gutartigen  Charakter  haben,  er  kann 
aber  von  Anfang  an  auch  bösartig  sein  und  zwar  scheint  dies 
besonders  dann  der  Fall  zu  sein,  wenn  die  Tuberkulose  älterer 
Natur,  zuweilen  sogar  ganz  latent  ist;  es  scheint  das  von  tief¬ 
gehenden  Veränderungen  der  Leber,  die  alten  Datums  sind,  her¬ 
zurühren  (tuberkulöse  Imprägnation  des  Parenchyms  oder  der 
Gefässe).  Das  Scharlachgift  bewirkt  bei  solchen  Individuen  leicht 
akute  Insuffizienz  der  antitoxischen  Eigenschaften  der  Leber  und 
raschen  Tod  durch  eine  veritable  Intoxikation. 

Sitzung  vom  4.  Juli  1902. 

Behandlung  der  Syphilis  mit  intravenösen  Injektionen  von 

Cyanquecksilber. 

Jules  Renault  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  den  grössten 
Wert  dieser  intravenösen  Injektionen;  man  macht  dieselben  in 
eine  Vene  der  Ellenbogenbeuge  mit  einer  Lösung  von  1:100;  die 
mittlere  Dosis  ist  1  ccm  pro  Tag  oder  alle  2  Tage.  Die  Injektionen 
haben,  wenn  gut  ausgeführt,  den  Vorteil,  dass  sie  vollständig 
schmerzlos  sind  und  keine  Knoten  bewirken.  Sie  haben  eine 
raschere  und  sicherere  Wirkung  als  die  anderen  Behandlungs¬ 
methoden  und  sind  in  Fällen  schwerer  Syphilis  und  besonders  bei 
Syphilis  des  Nervensystems  indiziert.  Alle  die  14  Kranken,  welche 
mit  Quecksilbercyanür  behandelt  worden  sind  und  u.  a.  mit 
Gumma,  mit  Rückenmarkssyphilis,  mit  Jackson  scher  Epilepsie 
behaftet  waren,  kamen  sehr  rasch  zur  Heilung.  Besonders  inter¬ 
essant  war  die  rasche  Wirkung  der  intravenösen  Injektion  auf 
den  Kopfschmerz,  mag  er  sekundär  oder  tertiär  sein,  zu  beob¬ 
achten:  er  verschwindet  gewöhnlich  nach  der  ersten,  immer  aber 
nach  der  zweiten  Injektion. 

Alex.  Renault  macht  auf  die  Schwierigkeit  der  Methode 
bei  Leuten  mit  sehr  starkem  Fettpolster  aufmerksam.  Auch  haben 
Experimente  gelehrt,  dass  selbst  sehr  verdünnte  Sublimatlösungen 
zu  Phlebitis  und  Thrombose  führen  können,  und  schliesslich  ist 
nicht  erwiesen,  dass  die  intravenösen  Injektionen-  von  Q-uecksilber- 
cyaniir  bei  der  Behandlung  der  Tertiärerscheinungen  den  Vorzug 
vor  der  gemischten  Behandlung  mit  Hg-Einreibung  und  Jodkalium 
verdienen. 

D  u  f  o  u  r  beobachtete  einen  Tabetiker,  bei  welchem  die  intra¬ 
venösen  Injektionen  von  Quecksilbercyanür  Krisen  von  lanzinieren- 
den  Schmerzen  hervorgerufen  haben. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Gerhardt  als  Konsiliarius.  —  Der  Lehrstuhl  für  Ge¬ 
schichte  der  Medizin  und  für  Pathologie  und  Therapie.  —  Die 
Kurpfuschereibekämpfung. 

Nach  kurzer  sommerlicher  Ruhepause  flutet  jetzt  vom 
.Meeresstrande  und  vom  Hochgebirge  her  die  grosse  Masse  der 
Berliner  Bevölkerung,  welche  dort  Erholung  oder  Heilung  ge¬ 
sucht  hat,  in  die  Hauptstadt  zurück  und  mit  ihr  ihre  Aerzte. 
Mit  frischer  Kraft  soll  die  Arbeit  im  Dienste  der  leidenden 
Menschheit  wieder  aufgenommen  werden,  aber  der  Hervorragend¬ 
sten  einen  sehen  wir  nicht  wiederkehren,  Karl  Gerhardt  wer¬ 
den  wir  nie  mehr  am  Krankenbette  unserer  Patienten  sehen. 
Was  Gerhardt  als  Forscher  und  Lehrer  geleistet  hat,  wird 
an  anderer  Stelle  gewürdigt  werden,  hier  ist  es  uns  Bedürfnis, 
seiner  als  eines  der  gesuchtesten  und  beliebtesten  Konsiliarien  zu 
gedenken.  In  der  grosstädtischen  Praxis  gehört  die  Konsultation 
mit  den  Autoritäten  der  Wissenschaft  zu  einer  feststehenden 
Einrichtung,  Wesen  und  Inhalt  eines  Konsiliums  wird  aber  in 
sehr  verschiedener  Weise  aufgefasst.  Der  eine  legt  den  Haupt¬ 
wert  auf  die  wissenschaftlich-diagnostische  Erklärung  des 


„Falles“,  der  andere  auf  die  psychische  Beeinflussung  des  Pa¬ 
tienten  oder  auf  die  Beruhigung  der  ängstlichen  Angehörigen, 
ein  dritter  auf  eine  möglichst  moderne  und  „neueste“  Verord- 
nung  und  auch  das  soll  Vorkommen  —  auf  die  W  ahrung  der 
eigenen  Autorität.  Von  dieser  letzteren  Eitelkeit  war  Ger¬ 
hardt,  völlig  frei.  Mit  freundlicher  Aufmerksamkeit  hörte  er 
die  Klagen  der  Kranken  an,  dann  stellte  er  präzise  Fragen  und 
verlangte  darauf  bestimmte  und  klare  Antwort;  weitschweifige 
Auseinandersetzungen,  welche  um  die  Frage  herumgehen,  ohne 
ihren  Kern  zu  treffen,  gestattete  er  nicht.  Nach  beendigter 
Untersuchung  nahm  er  sich  stets  Zeit,  in  eingehendster  Weise 
alle  Einzelheiten  mit  dem  behandelnden  Arzte  zu  besprechen, 
trug  dabei  dessen  auf  längerer  Beobachtung  gegründeter  Auf¬ 
fassung  die  nötige  Rücksicht,  wusste  seine  eigene  zu  begründen, 
ohne  jemals  einen  blinden  Autoritätsglauben  zu  beanspruchen, 
und  rief  doch  ungewollt  stets  den  Eindruck  einer  bedeutenden 
ärztlichen  Persönlichkeit  hervor,  deren  diagnostischem  Scharf¬ 
blick  eine  ungeheure  Erfahrung  und  feine  Menschenkenntnis 
zu  Hilfe  kam.  Was  er  sprach,  war  kurz  und  präzise,  aber  stets 
inhaltsreich,  jedes  Wort  ein  Satz,  jeder  Satz  ein  Kapitel.  Ein 
freundlicher  Zuspruch  für  den  Patienten,  ein  Hinweis  auf  die 
sachgemässe  Behandlung  und  die  Mitteilung,  dass  auch  die 
Grundsätze  für  die  weitere  Behandlung  mit  dem  Arzt  besprochen 
seien,  beendete  seinen  Besuch.  Jede  seiner  Konsultationen  war 
eine  wohltuende  Beruhigung  für  den  Kranken  und  ein  Gewinn 
für  den  Arzt.  Berlin  ist  nicht  arm  an  hervorragenden  Autori¬ 
täten  aller  Gebiete  und  an  Konsiliarien,  welche  sich  bei  Aerzten 
und  Kranken  wohlverdienter  Beliebtheit  erfreuen,  und  doch  wird 
die  Lücke,  welche  Gerhardts  Tod  hinterlassen  hat,  schwer 
auszufüllen  sein. 

Mit  sehr  gemischten  Gefühlen  sehen  wir  der  Veränderung 
im  Lehrkörper  der  Universität  entgegen,  welche  die  Geschichte 
der  Medizin  und  die  Pathologie  und  Therapie  betrifft.  Schon 
wiederholt  hat  die  Oeffentlichkeit,  die  allgemeine  wie.  die  ärzt¬ 
liche,  Gelegenheit  gehabt,  sich  mit  Herrn  Schweninger 
und  seiner  Lehre  zu  beschäftigen,  jedesmal  erregte  er  unliebsames 
Aufsehen,  niemals  zum  Ruhme  der  Wissenschaft.  Als  Schwe- 
n  i  n  g  e  r  vor  ca.  18  J ahren  die  Klinik  für  Hautkrankheiten 
übernahm,  war  man  über  diese  Ernennung  allgemein  überrascht; 
man  suchte  vergeblich  nach  sachlichen  Motiven,  doch  konnte  mit 
einem  Schein  von  Berechtigung  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
die  Pathologie  der  Haut  früher  zu  seinem  Arbeitsgebiet  gehört 
hatte.  Nun  wird  niemand  behaupten,  dass  in  dieser  ganzen  Zeit 
aus  der  dermatologischen  Klinik  der  grössten  deutschen  Uni¬ 
versität  bedeutsame  Arbeiten  hervorgegangen  sind,  durch  welche 
die  Lehre  von  den  Hautkrankheiten  wesentlich  gefördert  worden 
wäre.  Man  wird  daher  mit  Befriedigung  die  Nachricht  auf¬ 
nehmen,  dass  Schweninger  von  der  Leitung  der  Klinik  für 
Hautkrankheiten  und  dem  zugehörigen  Lehrauftrag  entbunden 
und  beides  wieder  dem  Direktor  der  Syphilisklinik  übertragen  ist. 
Aber  was  in  aller  Welt  veranlasste  die  Unterrichtsverwaltung, 
ihn  auf  den  Lehrstuhl  für  Geschichte  der  Medizin  und  zugleich 
auch  den  für  Pathologie  und  Therapie  zu  berufen  ?  Seine  Lei¬ 
stungen  auf  ersterem  Gebiete  dürften  sich  auf  einen  populären 
Vortrag  über  Moden  und  Methoden  in  der  Heilkunde  be¬ 
schränken  ;  und  was  von  den  Auffassungen  Schweninger s 
über  das  Wesen  und  die  Behandlung  von  Krankheiten  in  die 
Oeffentlichkeit  gedrungen  ist,  ist  z.  T.  so  phantastischer  Natur, 
dass  es  von  ernsthaften  Medizinern  kaum  ernst  genommen  wird. 
Sollten  also  hier  etwa  nicht  wissenschaftliche  Erfahrung  und  Be¬ 
fähigung,  sondern  gewisse  Neben-  und  Unterströmungen  für  die 
Berufung  massgebend  sein,  sollte  vielleicht  nicht  für  ein  Lehrfach 
eine  geeignete  Kraft,  sondern  für  einen  vorhandenen  Professor 
ein  passender  (oder  unpassender)  Lehrstuhl  gesucht  worden  sein? 
Indessen  diese  Ernennung  lässt  auch  noch  eine  andere  Deutung 
zu.  An  der  Berliner  Universität  besteht  bereits  ein  Lehrstuhl 
für  die  Geschichte  der  Medizin  und  ein  solcher  für  Pathologie 
und  Therapie,  beide  Lehraufträge  bleiben  fortbestehen.  Nun  ist 
aber  nicht  anzunehmen,  dass  diesen  Gegenständen,  welche  sogar 
eine  Zeitlang'  über  Gebühr  vernachlässigt  waren,  plötzlich  eine 
solche  Bedeutung  beigemessen  wird,  dass  für  sie,  wie  für  die 
innere  Medizin,  die  Chirurgie  und  die  Geburtshilfe,  doppelte  Pro¬ 
fessuren  eingerichtet  werden  müssten.  So  gross  ist  auch  der  Zu¬ 
drang  der .  Studierenden  zu  diesen  nur  Vorlesungen,  nicht  prak¬ 
tische  Uebungen  erfordernden  Fächern  nicht,  dass  die  beiden  bis- 


1366 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


her  tätigen  Professoren  ihn  nicht  bewältigen  könnten.  W  enn 
trotzdem  ein  neuer  Lehrauftrag  erteilt  wird,  und  zwar  an  einen 
Mann,  der  sich  weniger  hervorragender  Leistungen  auf  den  in 
Frage  kommenden  Gebieten  als  einflussreicher  \  erbindungen 
rühmen  kann,  so  ist  die  Vermutung  nicht  ganz  unberechtigt,  dass 
auf  die  Lehrtätigkeit  des  akademischen  Lehrers  kein  besonderes 
Gewicht  gelegt  wird,  und  dass  er  mit  einer  Art  von  Pseudo¬ 
professur  betraut  wurde,  von  der  ein  ungünstiger  Einfluss  auf  die 
akademische  Jugend  nicht  zu  befürchten  ist.  Mit  dieser  Ent¬ 
wicklung  der  Angelegenheit  würden  wohl  zum  mindesten  die 
akademischen  Kreise  gern  einverstanden  sein  *). 

Es  ist  auch  die  Befürchtung  ausgesprochen  worden,  dass  die 


bewerbers  abgegeben,  so  darf  niemals  ausser  acht  gelassen  werden, 
dass  die  Frage  nacb  dem  Grade  der  Erwerbsunfähigkeit  an  sich 
keine  rein  medizinische,  und  dass  ihre  Beantwortung  nicht  aus¬ 
schliesslich  und  in  erster  Linie  Sache  des  Arztes  ist,  sondern  in 
der  Hauptsache  eine  der  vornehmsten  Aufgaben  der  mit  der  Ken¬ 
tenfestsetzung  betrauten  Instanzen  bildet. 

(Den  Aerzten  kann  es  nur  angenehm  sein,  wenn  von  ihnen 
nicht  immer  wieder  die  Schätzung  der  Erwerbsfähigkeit  in  Pro¬ 
zenten  verlangt  wird.  Bis  jetzt  wird  diese  Forderung  an  den  Arzt 
aber  von  allen  einschlägigen  Stellen  immer  wiedei  gestellt.  Ref.) 
(Die  Berufsgenossenschaft  1902,  No.  2.)  Kr. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  132.  Blatt  der  Galerie  bei. 
II  j  c  h  a  r  d  Foerste  r.  Nekrolog  siehe  Seite  1350. 


Kurpfuscher,  welche  sich  ohnehin  als  Herrn  Schweninger 
nahestehend  betrachten,  seine  ex  cathedra  vorgetragenen  Lehren 
in  ihrem  Sinne  übertreiben  und  für  ihre  Afterwissenschaft  aus¬ 
nutzen  werden.  W  ir  glauben  nicht,  dass  ein  solches  Bestreben 
erfolgreich  sein  würde,  umsomehr  als  die  Anzeichen  dafür  sich 
häufen,  dass  behördlicherseits  dem  schrankenlosen  Treiben  der 
Kurpfuscher  Einhalt  geboten  wird.  Eines  dieser  Anzeichen  ist 
die  ministerielle  Verfügung,  die  jedenfalls  eine  schärfere  ITebei- 
wachung  der  „nicht  approbierten  Ileilpersonen“  zur  Folge  haben 
wird.  Es  werden  allerdings  Stimmen  laut,  welche  als  Neben¬ 
wirkung  der  Verfügung  zugleich  eine  Stärkung  des  Ansehens 
dieser  Heilpersonen  infolge  der  Meldepflicht  befürchten.  \  on  fast 
noch  grösserer  Wichtigkeit  ist  daher  eine  kürzlich  ergangene 
Kammergerichtsentscheidung,  durch  welche  prinzipiell  das  Er¬ 
scheinen  der  Pfuscherannoncen  in  der  Tagespresse  für  strafbar 
erklärt  ist.  Es  waren  der  annoncierende  „Heilkundige“  zu  50  M. 
und  die  Redakteure  zweier  Berliner  Zeitungen  zu  je  5  M.  Geld¬ 
strafe  in  erster  Instanz  verurteilt  und  dieses  Urteil  in  der  Re¬ 
visionsinstanz  bestätigt  worden.  In  der  Begründung  wird  aus¬ 
geführt,  dass  in  den  Inseraten  der  Tatbestand  eines  Vergehens 
gegen  das  Gesetz  zur  Bekämpfung  des  unlauteren  Wettbewerbes 
zu  erblicken  ist,  und  dass  die  in  den  Anzeigen  enthaltenen  An¬ 
gaben  (Heilung  aller  Haut-,  Harn-,  Blasen-,  Nieren-,  Unter-  J 
leibskrankheiten  u.  s.  w.  unter  Garantie)  zur  Irreführung  geeignet  j 
waren.  Es  ist  völlig  belanglos,  dass  die  Strafe  eine  sehr  gering-  j 
fügige  ist;  von  prinzipieller  Bedeutung  ist  nur  die  Tatsache,  dass 
durch  Aufnahme  schwindelhafter  Kurpfuscherannoncen  die  Re¬ 
daktionen  der  betreffenden  Zeitungen  sich  strafbar  machen.  So¬ 
mit  ist  diese  Gerichtsentscheidung  ein  wichtiges  Ergebnis  des 
Kampfes,  welchen  die  Aerztekammer  auf  Grund  des  Gesetzes  zur 
Bekämpfung  des  unlauteren  Wettbewerbs  gegen  die  Kur¬ 
pfuscherei  führt.  M.  K. 


Verschiedenes. 

Die  Mitwirkung  der  ärztlichen  Sachver¬ 
ständigen  bei  der  Feststellung  des  Grades  der 
Erwerbsunfähigkeit  eines  Verletzten  ist  vom 
lleichsversicherungsamt  wiederum  iu  einem  Rundschreiben  be¬ 
handelt  worden.  Es  ist  bekanntlich  wiederholt,  namentlich  auch 
im  Reichstage,  zur  Sprache  gebracht  worden,  dass  den  über  den 
Grad  der  Erwerbsunfähigkeit  eines  Rentenbewerbers  abgegebenen 
Aeusserungen  der  ärztlichen  Sachverständigen  bei  der  Entschei¬ 
dung  der  Feststellungsorgane  in  Unfall-  und  Invalidenangelegen¬ 
heiten  mitunter  ein  zu  weit  gehender  Einfluss  eingeräumt  werde. 

Das  Reichsversicherungsamt  weist  nun  darauf  hin,  dass  die 
Aufgabe  der  ärztlichen  Begutachtung  im  allgemeinen  in  der  Fest¬ 
stellung  der  physiologischen  Folgen  des  Unfalls  oder  der  eine  In¬ 
validität  begründenden  Gebrechen  ihre  Begrenzung  findet,  dagegen 
die  sonstigen  ärztlichen  Aeusserungen,  insbesondere  darüber, 
welchen  Einfluss  der  Befund  auf  die  Erwerbsfähigkeit  des  Renten¬ 
bewerbers  ausübt,  den  in  ihrer  Entscheidung  selbständigen  Fest¬ 
stellungsinstanzen  zwar  wertvolle  und  bei  inneren  Krankheiten 
sogar  oft  unentbehrliche,  aber  keineswegs  bindende  Unterlagen 
für  die  Urteilsfindung  bieten. 

Hiernach  würde  es  unzulässig  sein,  wenn  —  was  vorge¬ 
kommen  sein  soll  —  die  Feststellungsinstanzen  eiufach  den  von 
dem  Arzte  angegebenen  Prozentsatz  der  Erwerbsunfähigkeit  ihrer 
Entscheidung  zu  Grunde  legten,  ohne  die  Frage  nach  dem  Grade 
der  Erwerbsunfähigkeit  selbst  geprüft  zu  haben.  Ein  derartiges 
Verfahren,  durch  das  töne  der  wichtigsten  Aufgaben  der  Fest¬ 
stellungsorgane  zu  einer  mechanischen  Wiederholung  des  Ergeb¬ 
nisses  der  ärztlichen  Gutachten  herabgedrückt  werden  würde,  ent¬ 
spricht  nicht  der  Absicht  des  Gesetzes. 

Hat  im  einzelnen  Falle  der  in  der  Sache  gehörte  ärztliche 
Sachverständige  auf  Ersuchen  oder  aus  freien  Stücken  auch  eine 
Aeusserung  über  den  Grad  der  Erwerbsunfähigkeit  eines  Renten- 

*)  Vergl.  hierzu  den  Protest  unter  „Korrespondenz“  auf 
S.  1338  dieser  Nummer.  Red. 


Therapeutische  Notizen. 


Ein  Spekulum  für 


den  vorderen 
röhre. 


Teil  der  Harn- 


An  Stelle  der  bisher  gebrauchten,  röhrenförmigen  Spekula 
für  die  Harnröhre  benutze  ich  seit  einiger  Zeit  nebenstehendes 
Instrument.  Es  hat  die  Form  und  den  Mechanismus  eines  be¬ 
kannten  Nasenspiegels,  nur  sind  die  Flügel  etwas 
zierlicher  und  der  Länge  nach  konkav  gebogen. 

Zweckmässig  ist  es,  zwei  Spekula  in  Gebrauch  zu 
nehmen,  von  denen  das  eine  eine  Flügellänge  von 
4  cm,  das  andere  eine  Flügellänge  von  ca.  8  cm 
hat.  Die  gefensterten  Flügel  werden  (sterilisiert 
und  eingefettet)  geschlossen  eingeführt,  durch  die 
Drehung  einer  Schraube  am  Griff  von  einander  ent¬ 
fernt  und  das  Licht  durch  einen  einfachen  Re¬ 
flektor  von  irgend  einer  Lichtquelle  oder  direkt  in 
das  Innere  der  Harnröhre  geworfen.  Man  erhält 
eine  sehr  schöne,  klare  und  freie  Uebersicht  über 
die  ganze  Schleimhaut  der  Urethra  und  kann  dabei 
sofort  die  nötig  erscheinenden  therapeutischen 
Massnahmen  ergreifen,  da  zur  Bedienung  des  In- 
strumentes  nur  eine  Hand  nötig  ist. 

Nach  Besichtigung  und  Behandlung  der  Ham- 
röhrenschleimhaut  schliesst  man  die  Flügel  durch  Drehung  der 
Schraube  nach  der  anderen  Seite  (aber  nicht  vollständig)  und  lasst 
sie  langsam  herausgleiten.  Die  Handhabung  des  Instrumentes 
ist  sehr  einfach  und  leicht.  Es  wird  nach  meiner  Angabe  von  der 
Firma  Meyerhof  &  Cie.,  Kassel,  fabriziert.  . 

Kassel,  den  10.  VII.  1902.  Dr.  S.  Fackenheim, 

prakt.  Arzt. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  12.  August  1902. 

_ Der  preussische  Kultusminister  hat  in  Betreff  des  Pflege¬ 
personals  der  Krankenanstalten  folgenden  bemer¬ 
kenswerten  Erlass  an  die  Regierungspräsidenten  ergehen  lassen: 

Die  Verhältnisse  des  Pflegepersonals  der  Krankenanstalten  sind 
in  den  letzten  Jahren  in  der  Presse  und  in  parlamentarischen  Ver¬ 
handlungen  wiederholt  zum  Gegenstand  lebhafter  Klagen  gemacht 
worden.  Neben  mangelnder  Befähigung  und  unzureichender  Voi- 
und  Ausbildung  bei  einem  grossen  Teile  der  Wärter  und  Wärte¬ 
rinnen  werden  insbesondere  die  Ueberanstrengung  im  Pflegedienst, 
der  Mangel  einer  angemessenen  Erholung,  einer  geeigneten  Fort¬ 
bildung,  einer  zureichenden  Besoldung  und  Verpflegung,  sowie  eine 
unzulängliche  Versorgung  im  Falle  der  durch  Alter,  Krankheit 
oder  Invalidität  eingetretenen  Dienstunfähigkeit  als  die  naup 
sächlichsten  Misstände  auf  dem  Gebiete  der  Krankenhauspflege 
bezeichnet.  Wenngleich  nach  dem  Ergebnis  der  von  mir  ange¬ 
ordneten  Erhebungen  diese  Klagen  zum  Teil  als  unrichtig,  zum 
Teil  auch  als  übertrieben  sich  herausgestellt  haben,  so  nehme  ich 
doch  Veranlassung,  die  Verhältnisse  der  Krankenanstalten  des 
dortigen  Bezirkes  Ihrer  besonderen  Aufmerksamkeit  und  I  ursorge 
mit  dem  Ersuchen  anzuempfehlen,  falls  sich  Missstände  nach  der 
angedeuteten  Richtung  in  den  Anstalten  etwa  vorfinden  sollten, 
auf  deren  baldige  Beseitigung  ernstlich  Bedacht  zu  nehmen.  Auch 
ersuche  ich,  die  Kreisärzte  anzuweisen,  bei  den  iii  Gemässlieit  des 
s  100  der  Dienstanweisung  für  die  Kreisärzte  vorzunehineuuen 
jährlichen  Besichtigungen  der  Krankenanstalten  auf  Mängel  der 
bezeichneten  Art  besonders  zu  achten,  indem  ich  zugleich  be¬ 
stimme,  dass  iu  die  Besichtigungsverhandlung  zugleich  Angaben 
über  die  Besoldung  und  die  Zahl  der  täglichen  Dienststunden  des 
Pflegepersonals  aufzunehmen  sind.  Handelt  es  sich  mn  .um¬ 
stände,  welche  auf  eine  unzureichende  Beteiligung  des  ärztlichen 
Elementes  bei  der  Regelung  der  Krankenhausangelegenhelten  zu¬ 
rückzuführen  sind,  so  wollen  Sie  es  sich  angelegen  sein  lassen, 
auf  eine  Stärkung  des  ärztlichen  Einflüsse 


in  geeigneter  Weise  bei  den  Beteiligten  hin 

zu  wirken.“  ,  Pp.ie. 

_  In  dem  vom  König  von  England  veranlassten  l  i 

ausschreiben  zur  Errichtung  eines  T  u  b  e  r  k  u  1  o  s  e  - 
Sanatoriums  in  England  erhielten  drei  englische  Bewerber  a  e 
drei  ausgesetzten  Preise.  Ehrenvolle  Erwähnung  v  ui  de  u.  _a.  zu 
erkannt  Dr.  T  urban  -  Davos  und  Architekt  Gros-  Zürich. 

_  Seitens  des  Komitees  für  die  Ehrung  Rudolf  V  i  r  c  h  o  w  s 
bei  seinem  80.  Geburtstage  ist  vor  kurzem,  nachdem  nun  alle  Lin- 


12.  August  1902. 


MUENCHEKER  MEDIClEriS CIlE  WOCIlEESCEtRIFT. 


gange  und  Ausgaben  zum  Abschluss  gelangt  sind,  als  Reinertrag 
der  eingeleiteten  Sammlungen  die  Summe  von  53  652.15  M  der 
Rudolf- \  irchow-Stiftung  zugeführt  worden. 

Als  Oberarzt  bei  der  ersten  inneren  Abteilung  des  Stadt- 
k  r  a  n  k  e  n  h  a  u  s  e  s  Dresden-Friedrich  stadt  hat  der 
Rat  an  Stelle  des  Prof.  Pr.  ni,  der  eine  Professur  an  der  Ur“ 
versitat  Basel  übernimmt,  Prof.  Dr.  Adolf  Schmidt  in  Bonn 
gewählt.  uuu 

....  .Gob'  Sanitätsrat  Dr.  Liersch  in  Ivottbus  feierte  sein 
fünfzigjähriges  Doktorjubiläum. 

t  A'r.r?S^-11A(:gypten-  Vom  1S-  bis  25-  Juli  11  Erkrankungen 

vom  1 5  °i  il  ;>i  e  iIU  Alex;‘11(lrien-  —  Kapland.  In  Port  Elizabeth 
' olu  lo-  bls  2S-  Juni  1  Erkrankung  und  1  Todesfall. 

—  In  der  30.  Jahreswoche,  vom  20.  bis  26.  Juli  1902  ^hatten 
iid!i-!l,eiUTSC^en  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb- 
hchkeit  Ludwigshafen  mit  44,0,  die  geringste  Schöneberg  mit  5  9 
lodesfallen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 

m  r'iiW!  "nif^  Starb  aU  Scharlacl1  üi  Königshütte;  an  Masern 
Ö  bubeck>  0bei-bausen;  an  Diphtherie  und  Croup  in  Osnabrück; 
an  Unterleibstyphus  in  Hildesheim. 

(Hochschulnachrichten.) 

i  P.ef~linA  Habilitiert:  Dr.  med.  Gustav  Brühl  als  Privat- 
dozent  für  Ohrenheilkunde  und  Dr.  med.  et  rer.  nat.  Franz 
Müller  als  Dozent  für  Arzneimittellehre. 

•  PAA  ®  *a  u-  ,Zu“  Rektor  Magnificus  für  das  Studien- 
jahi  1902/03  wurde  Geheimer  Justizrath  Prof.  Dr.  Rudolf  Leon¬ 
hai  d  gewählt;  zum  Dekan  der  medizinischen  Fakultät  Ge¬ 
heimer  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Carl  Flügge.  Dr.  Paul  Iv  r  a  u  s  e 
Obeiaizt  der  medizinischen  Universitätsklinik,  habilitierte  sich 
für  innere  Medizin. 

pvfpu  w.ü  1  Z  l\ P?'  ,)Vie  wir  von  Würzburg  aus  sicherster  Quelle 
ei fahien  sind  die  Zeitungsnachrichten  über  eine  Berufung  des 
DG1-  Rat  v.  L  e  u  b  e  nach  Berlin  vollständig  unbegründet. 
a  n  p1Cag0'  D,er  Profess01,  der  chirurgischen  Anatomie  Dr. 

1  '  P  evau  wurde  zum  Professor  der  Chirurgie  ernannt. 

f  a  h  a  S  e  D.  Vor  2  Jahren  wurde  eine  Kommission 
cdei^esetzt,  um  das  medizinische  Studium  neuzuordnen  Die 
Beschlüsse  der  Kommission  haben  jetzt  durch  eine  k.  Verordnung 
Bestätigung  erhalten.  Bisher  bestand  die  Staatsprüfung  aus 
nnfeo  ^r  ;-,dervnepe^  Al™rdnung  zufolge  wird  sie  in  Zukunft  nur 
be,Stek,Gn’  mdem  dje  Vorbereitungsprüfung  (Zoologie, 
Botamk,  Physik,  Chemie)  aufgehoben  wird.  Der  1.  Teil  wird 
Aa^tomie>  Physiologie,  Physik,  Chemie  (mündliche 
u .  praktische  Chemie)  und  Dissektion  umfassen.  Der  2.  Teil 
wu’d  schriftliche  Prüfungen  in  allgemeiner  Pathologie,  Chirurgie 
und  Medizin,  praktische  Prüfungen  in  Operation,  medizinischer 
und  chirurgischer  Klinik,  mündliche  Prüfungen  in  allgemeiner 
JaihSfie-  Pathologischer  Anatomie,  gerichtlicher  Medizin,  Ge- 
Dm tslulfe  und.  Pharmakologie  umfassen. 

,We  ™en  obligate  Kursus  in  physiologischer  Chemie 
^ad  jjA  aktischer  Physik  vor  dem  ersten  Examen,  in  topographischer 
16’  i  f  eburtsbllfe>  Hals-,  Ohren-  und  Nasenkrankheiten, 
Augenkrankheiten,  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten,  Bakterio- 
logie  und  Histologie,  sowie  Hospitaldienst  und  Teilnahme  an  ver¬ 
schiedenen  Kliniken  vor  dem  zweiten  Examen  gefordert. 

Ein  Zeitraum  von  3  Jahren  wird  vor  dem  ersten  Examen  be- 
rechnet,  es  wird  nicht  erlaubt,  mehr  als  6  Jahre  zwischen  den 
-  Examma  der  Staatsprüfung  zu  brauchen.  Die  Studenten  vom 
Jahigang  1904  müssen  die  neue  Staatsprüfung  machen,  deren 

gehalten  ^rtrdrStenmale  19°G’  <Ieren  2'  Teil  zum  erstenmale  1909 

(Todesfälle.) 

ni  tS  BerJln  !tarb  der  Geh‘  Sanitätsrat  Dr.  Otto  Brähmer, 
m  nlv  altU em  bewahrter  Vorkämpfer  des  ärztlichen  Standes 

EisfotaZaygieue  ai'rCl1  Se'“e  Al'beiten  2ur  rM™-"  der 

Dü-  PallG  Starb  der  Privatdozent  der  inneren  Medizin,  Prof 
Dr.  Fnedr.  R  e  i  n  e  b  o  t  h,  35  Jahre  alt. 


Personalnachrichten. 


_ _ 1S67 

od-r  °Beaemt^nanu!rreSerU“geU  zu  bezeicbaenden  Behörden 
v, P  ,  der  Garnisonsorte  und  derjenigen  Orte 

weiche  /m  Umkreise  von  20  km  von  Garnisonsorten  oder 
2  1Tn)1.  Gjiailde,  fur  anlita  lösche  Uebungen  gelegen  sind. 

Die  Mitteilungen  haben  alsbald  nach  erlangter  Kemitnis 
zu  erfolgen  und  sich  zu  erstrecken  auf:  enntms 

a)  jede  Erkrankung  an  Aussatz  und  an  Unterleibstvnhiis 

sowie  jeden  Fall,  welcher  den  Verdacht  einer  dieser  Krankheiten 
erweckt,  ferner  jede  Erkrankung  an  Kopfgenickstarro 
cerebrospinalis)  oder  an  Rückfallfieber;  (Meningitis 

b)  jeden  ersten  Fall  von  Cholera,  Fleckfieber,  Gelbfieber  Pest 
I  ocken,  sowie  das  erste  Auftreten  des  Verdachts  einer  dieser 
Krankheiten  in  dem  betreffenden  Orte; 

c)  jedes  gehäufte  (epidemische)  ’  Auftreten  der  Ruhr  (Dvs- 
en tene),  der  Diphtherie,  des  Scharlachs,  sowie  jedes  neue  Vor- 

a°rThonm).TOn  MaSSenerkranklm^  “  **  KörnertanÄ 

Ueber  den  weiteren  Verlauf  der  unter  b  aufgeführten  Ivrank- 
u.nd  der  Pubr  (Dysenterie)  sind  wöchentlich  Zahlenüber¬ 
sichten  der  neu  festgestellten  Erkrankungs-  und  Todesfälle  einzu- 
Sphnrfi  Ferner  ist  eine  Mitteilung  zu  machen,  sobald  Diphtherie 
Schai lach,  sowie  Kornerkrankheit  (Trachom)  erloschen  sind  oder 
nur  noch  vereinzelt  auftreten. 

Jeder  Mitteilung  betreffs  der  unter  a  und  b  bezeichnten 
viankheiten  sind  Angaben  über  die  Wohnungen  und  die  Gebäude 

beizufügen  ^  Erkrankuugen  0(3er  der  Verdacht  auf  getreten  sind! 

.,  ö’TPif  Mitteilungen  sind  für  Garnisonsorte  und  für  die  in 
ihrem  Umkreise  von  20  km  gelegenen  Orte  an  den  Kommandanten 
für1’’  oS^  SOlCber'  ?icht1  vorhanden  ist,  an  den  Garnisonsältesten, 
komma^do  zu  rlZhte“1  Uebungsgelimde  an  das  General- 

B.  Mitteilungen  der  Militärbehörden  an  die 

Polizeibehörden. 

„  .  1-  Zur  Mitteilung  der  in  ihrem  Dienstbereiche  vorkommenden 
Eikrankungen  an  die  Polizeibehörden  sind  verpflichtet  die  Kom- 
?{aadaatGn  odei'>  .wo  solcbe  nicht  vorhanden  sind,  die  Garnisons¬ 
altesten  der  Garnisonsorte,  ferner  die  Kommandobehörden  der  im 
L  ebungsgelande  sich  befindenden  Truppenteile. 

__  2;  1Die  Mitteilungen  haben  alsbald  nach  erlangter  Kenntnis 

zu  ei  folgen  und  sich  zu  erstrecken  auf: 

a)  jede  Erkrankung  an  Unterleibstyphus,  sowie  jeden  Fall 
\\elcher  den  Verdacht  dieser  Krankheit  erweckt,  ferner  jede  Er- 

R ild! f a II fi ehe  E°P^genickstarre  (Meningitis  cerebrospinalis)  oder  an 

Fleckfiiw  prlP'oUlplnSTVUd  jGdeU  Todesfa11  aa  Aussatz,  Cholera, 
Vü  .^u6  ’  Gelbfieber,  Pest,  Pocken,  sowie  jedes  Auftreten  des 
\  eidachts  einer  dieser  Krankheiten; 

c)  jedes  gehäufte  (epidemische)  Auftreten  der  Ruhr  (Dvs- 

(Trachom)61’  Dipbtberie’  des  Scharlachs  und  der  Körnerkrankheit 

„  ..  TUeber,  dGn ,  weiteren  Verlauf  der  Ruhr  (Dysenterie)  sind 
n  ochentlich  Zahlenübersichten  der  neu  festgestellten  Erkran¬ 
kungs-  und  Todesfälle  einzusenden.  Auch  ist  eine  Mitteilung  zu 
machen,  ,sobpd  Diphtherie,  Scharlach,  sowie  Körnerkrankheit 
(Iiachom)  erloschen  sind  oder  nur  noch  vereinzelt  auftreten 
Jeder  Mitteilung  betreffs  der  unter  a  und  b  bezeichneten 
Krankheiten  sind  Angaben  über  das  Militärgebäude  oder  die 
U  ohnungen,  in  welchen  die  Erkrankungen  oder  der  Verdacht  auf¬ 
getreten  ist,  beizufügen. 

,,  ,  3-  Gie  Mitteilungen  sind  an  die  für  den  Aufenthaltsort  des 
Erkrankten  zuständige,  von  den  Landesregierungen  zu  be¬ 
zeichnende  Behörde  zu  richten. 

oi  ,4'  T°,n  dem  Allsbrucb  und  dem  späteren  Verlaufe  der  unter 
b  bezeichneten  Krankheiten  ist  das  Kaiserliche  Gesundheitsamt 
sofort  auf  kürzestem  Wege  zu  benachrichtigen. 

Berlin,  den  22.  Juli  1902. 

Der  Stellvertreter  des  Reichskanzlers: 

Graf  v.  P  o  s  a  d  o  w  s  k  y. 


(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Karl  Handwerck  in  München 
Verzogen:  Dr.  Bandorf  in  Heilsbronn,  unbekannt  wohin. 


Amtlicher  Erlass. 

(Deutsches  Reich.) 

Bekanntmachung,  betreffend  die  wechselseitige  Benachrich- 
1S,ung  der  Militär-  und  Polizeibehörden  über  das  Auftreten 
übertragbarer  Krankheiten. 

Vom  22.  Juli  1902. 

i  ..  Auf  Grund  des  §  39  Abs.  3  des  Gesetzes,  betreffend  die  Be- 
umpfung  gemeingefährlicher  Krankheiten,  vom  30.  Juni  1900 
stimmt-  6SetZbb  S‘  bat  der  Bundesrat  nachstehendes  be- 

Mitteilungen  der  Polizeibehörden  an  die 
Militärbehörden. 

}•  Zur  Mitteilung  der  in  ihrem  Verwaltungsbezirke  vorkom- 
nüen  Erkrankungen  an  die  Militärbehörden  sind  verpflichtet: 


Korrespondenz. 

Gegen  die  Ernennung  des  seitherigen  Professors  der  Dermato¬ 
logie  Dr.  Schw  eninger  zum  Professor  der  Geschichte  der 

Medizin 

geht  uns  folgender  Protest  mit  der  Bitte  der  Veröffentlichung  zu: 

Angesichts  der  Tatsache,  dass  vor  kurzem  der  Lehrauftrag 
für  Geschichte  der  Medizin  an  der  grössten  Hochschule  des 
Deutschen  Reiches  einem  bisher  als  Historiker  tatsächlich  imd 
literarisch  gänzlich  Unbekannten  übertragen  worden  ist,  erheben 
die  Unterzeichneten  im  Interesse  der  Sache  gegen  diese 
Besetzung  des  Faches  ihre  Stimme. 

Bei  der  Zuteilung  irgend  eines  anderen  Lehrauftrages  in  der 
Medizin  wird  naturgemäss  und  mit  Recht  verlangt,  dass  der  Be¬ 
treffende  schon  vorher  entweder  als  Lehrer  oder  als  Schrift¬ 
steller,  ja  gewöhnlich  in  beiden  Richtungen,  Hervorragendes  ge¬ 
leistet  hat.  Das  Gleiche,  sollte  man  denken,  gelte  auch  für  die 
Geschichte  der  Medizin,  ja  für  diese  sogar  noch  in  erhöhtem 
Masse,  weil  sie  umfassende,  allgemeine  und  Hilfskenntnisse,  die 
dem  Mediziner  sonst  fern  liegen,  und  besondere  Pflege  der  Kunst 


13G8 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHEU T. 


No.  32. 


iPT.  Darstellung  erheischt.  Die  gänzliche  Beiseitesetzung  dieses 
r  rnndsatzes  im  vorliegenden  Falle  ist  nicht  bloss  geeignet,  da. 
»Sehen  de“-  deutschen  Wissenschaft  zu  schädigen,  sie  scbhesst 
auch  eine  tatsächliche  Herabsetzung  dieser  Wissenschaft, 

SÄÄÄÄÄW 

aÄÄÄS  Geschichte  der  Medtzta 
an  unseren  Hochschulen,  den  Bildungsstätten  der  Aeizte,  Ye 
walming  eingelegt  werde.  , 

Hermann  Baas -Worms,  Karl  S  u  d  h  o  f  f  -  Hochdahl. 


Morbiditätsstatistikd.InfektionskrankheitenfürMünchen. 

in  der  30.  Jahreswoche  vom  20.  bis  26.  Juli  1902. 
Bpfeiliete  Aerzte  139.  —  Brechdurchfall  19  (14*),  Diphtherie  u. 
Kroun  5  (6)  Erysipelas  8  (3),  Intermittens,  Neuralgie  mterm 
1  (-X  Kindbettfieber  1  (-),  Meningitis  cerebrospin.  -  (1), 


Morbilli  24  (23),  Ophtlialmo-Blennorrlioe  neonat.  1  Ps?rotlt.,s 

epidem.  1  (—)',  l’neumonia  crouposa  7  (5),  Ryamie,  beptikam  e 
2  2)  Rheumatismus  art.  ac.  6  (9),  Ruhr  (Dysentena)  -  (-), 
Scarlatina  —  (3),  Tussis  convulsiva  37  (22),  Typhus  aKlomm  1 
(-),  Varicellen  2  (ID,  Variola,  \  armlos  -  (—),  Infi uenza  (1 , . 
Summa  114  (98).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  30.  Jahreswoche  vom  20.  bis  26.  Juli  1902. 
Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todosursachen*  Masern  —  (2*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Kroup  -  (-),  Rotiauf  1  (-),  Kindbettfieber  —  (-),  Blutvergiftung 
PySnieV  s.  w-)  -  (2),  Brechdurchfall  6  (4)  Unterleib-Typhus  - 

(-),  Keuchhusten  5  (— ),  Kruppöse  Lungenentzündung  1  (3),  Tuber- 

kulose  a)  der  Lunge  24  (29),  b)  der  übrigen  Organe  7  (8),  Akuter 
< 1  plpnl-rbeumatismus  —  (,— ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
2  (3),  Unglücksfälle  2  (3),  Selbstmord  4  (4),  Tod  durch  fremde 

Hanrtie”  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  195  (198),  VerMtote ahl i  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  20,0  (20,3),  für  d  e 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  12,9  (12,»J. 

♦)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  F alle  dei  Vorwoche. 


Regierungs¬ 
bezirke 
bezw. 
Städte  mit 
über  30,000 
Ein¬ 
wohnern 


0 


U, 


M.  I  J.  M.  J.  I  M, 


Oberbayern 

Niederbay. 

Pfalz 

Oberpfalz 

Oberfrank. 

Mittelfrank. 

Unterfrank. 

Schwaben 

Summe 


Augsburgs) 

Bamberg 

Hof 

Kaiserslaut. 

Ludwigshaf. 

München3) 

Nürnberg 

Pirmasens 

Regensburg 

Würzburg 


T~  VTTT  M.  I  J.  M.  |  J.  M.  I  J 


<Z) 


<x> 

«ii 

Cd  0)  2 

pH 


11  13 


5  11 


M. 

J. 

M. 

J. 

M. 

J 

236 

150 

4 

5 

170 

159 

179 

154 

5 

4 

57 

56 

259 

170 

2 

1 

47 

46 

197 

141 

5 

3 

64 

43 

345 

269 

3 

7 

55 

45 

366 

265 

5 

2 

117 

81 

258 

110 

2 

1 

48 

41 

321 

184 

1  4 

5 

94 

76 

M.  I  J.  M. 


61  25  32 


705  1150  471  421 393  352 1048  744 


28  58 

49!  89 


12| 


43 

36 

13 

15 

1446 1 1119 1 

35 

41 

270  145 

1 

2161 

1443 1 

ÖU 

25  ö 

2 

1 

5 

108 

1 

3 

_ _ 

35 

23 

i 

— 

_ 

_ _ 

235 

61 

— 

1 

2 

2 

19 

6 

— 

— 

1 

_ . 

39 

34 

4 

— 

— 

8 

11 

8 

— 

— 

7 

3 

— 

1 

6 

12 

_ 

3 

2 

— 

18 

8 

i 

— 

6 

4 

1 

i 

200 

124 

7 

6 

31 

17 

47 

41 

i 

2 

3 

2 

i 

35 

*57 

5 

7 

28 

22 

112 

71 

1 

• — 

9 

4 

1 

— 

1 

12 

3 

2 

3 

— 

1 

18 

19 

2 

— 

59 

36 

1  — 

1 

1  2 

32 

13 

Typhus 

abdominalis 

Varicellen 

i 

Variola, 

Variolois  I1 

Zahl  der  Aerzte 

überhaupt 

ZaiuaerDe- 

|  teil.  Aerzte  | 

M. 

J. 

M. 

J. 

M.|  J. 

J. 

5 

7 

77 

92 

J 

949 

236 

5 

12 

10 

11 

— : 

188 

79 

15 

19 

27 

26 

— 

299 

126 

2 

3 

19 

4 

— 

— 

158 

87 

2 

2 

17 

15 

— 

— 

206 

124 

7 

106 

60 

— 

— 

367 

201 

4 

6 

24 

20 

— 

— 

328 

82 

3 

19 

20 

— 

295| 

182 

43 

49 

299 

248  j  — 

2790| 

1117 

■) 

O  — 

1 

2 

_ 

53 

53 

1  - 

_ 

2 

_ 

— 

— 

41 

17 

7  — 

_ 

1 

— 

17 

7 

4  — 

4 

1 

23 

6 

2  3 

1 

6 

5 

— 

30 

20 

0  4 

7 

47 

34 

583 

143 

5  3 

84 

4r 

— 

156 

133 

3  — 

5 

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5 

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8  1 

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|  24 

ISSäSSffiSSSJ^®iWSS5® 

SSSggasE 

Kempten^ ^)b ^^^^^^^ahlen6 °äus  ser  von  obigen  Städten)  werden  gemeldet 

aus  folgenden  Aemtern  bezw.  Orten:  _.. 

Brechdurchfall:  Bez -Amt  Altöttiug  32,  Stadt-  und  Landbezirk  Gun  - 
bürg  30,  ärztl.  Bezirk  Geisenfeid  (Pfaffenhofen)  23  beh.  Falle. 

Diphtherie,  Croup :  Stadt  Amberg  16,  Stadt-  u.  Landbezirke  Bayreuth  12, 

Schweinfurt  11  und  8  beb.  Fälle.  ,  ....  QR 

Influenza-  Stadt-  und  Landbezirk  Schweinfurt  22  Aemter  Altotting  28 
Berchtesgaden  30,  Zweibrücken  132,  Herabruck  39,  Hassfurt  23,  .onthofen  . 
ärztl.  Bezirk  Geisenfeid  (Pfaffenhofen)  20  beb.  Falle. 

und  AUenerd\ng)  wigshafen || 

c  Sirinnra  im  Juni  schwere  Komplikationen,  denen  16  Kinder  erlagen ,  allent 
u' n  sPoClkeWuss  Viele  Kinder  wiederholt  erkrankt,  auch  eine  68jährige 

sasnusä:  vs  s=;»s 

7,it  schweren  gastrischen  Störungen,  hohem  Fieber,  kruppösem  Husten,  jedoch 

Schluss  30  beh.  Fälle),  Berneck  (Schluss  der  kathol.  Schule  in  Marktseh oigas t), 
Pothenburg  a/T.  (Schulschluss  in  Tauherzeil)  und  Zusmarshausen  (n n •  a 
Bezirk  Altenmünster).  Bez.-Aemter  Zweibrücken  29,  Wunsiedel  53  beh.  Falle. 

R  u  b  e  o  1  a  e  :  Gehäufte  Fälle  in  der  Stadt  Rothenburg  a./T.,  kleine  Epidemie 
unter  7— lljährigen  Kindern  in  3  Orten  des  Amtes  Schweinfurt;  Stadt  Nürnberg 

btlp «ffotitis  epidemica:  Fortdauer  der  Epidemie  in  Wiesentheid  (Gerolz- 
hofen)^  Epidemie  in  Döllnitz  und  Wittschau  (Vohenstrauss),  Stadt  Schweinfurt 
23  beh’.  Fälle. 


berg  jerabnick  je  35  beh.  ROle.  Bezirk  gauerlach  (München  II)  4  beh.  Fälle. 

Scarlatina:  Mässige  Epidemie  seit  Ende  April  in  NJrÄge^J^ 

20  beh.  Fälle;  Stadt-  und  Landbezirk  Erlangen  12,  arztl.  Bezirk  We  l 
stadt  a/VVN.)  28,  Amt  Kronach  10  beh  Fälle. 

Tussis  convulsiva:  Fortdauer  der  Epidemien  in  den  Bezirken  Erding 

KtuT/HiÄ 

-  itit  r-srit -sz.  ^ 

”»ä  Va r? c eU en :* Epidemisches  Auftreten  in  de»  Aeentern  Tr,™tei»  n»  der 
1.  Hallie  Juni  I»  GmbenstMt),  “es*'"a»ml<E°AdIen.»'  (toetoe”  Onscb.il  des 

A»,serdem  |eb»rtteJ«nes,nMemm»|e».Mi  ^  Kre„oltetHs,  „it  cousec. 

W,,<" möglichster  VollsmndiBkeit 

?»”  1  gen8  ersucht,  womöglich  »»‘“.ffim?e»"lrSto,^ “ifwüSSheSeoh, 
demien.  Zur  Vermeidung  von  Doppelzählungen  e  cheun  einschlägigen 

dem  ^K.6  Statistischen  'Biue^.^unte^A^isscheidung  nach  Aemtern 

mitgeMeldeVkadretnen  nebst  Umschlägen  zur  portofreien  Einsendung  anjas 
K.  Statistische  Bureau  sind  durch  die  k.Bezwksärzte  zUeerhalt  von 

dienen  ebenso  zu  sog.  Sammelkarten,  welch  ,.  Anzeigen  gleich- 

ye-ögerungen  ohn  e  Bück  Bich ^ a u  f  e  t  w  a  a u t  a n d i g^ 


Verzögerungen  obneKuCKSieni  aui  «m»  ~  ären  '"Allenfalls 

falls  bis  längstens  20.  jeden  folgenden :  Monats  Karte  als 

später  eingekommene  Meldungen  wollen  auf  de  _  ,  .  Randen  be- 

Nachträge  gekennzeichnet,  auf  genommen  werden  Nocn  in  aa  ^ 

flndliche  sog.  Postkarten  wären  aufzubrauchen,  ]  ^jTmschjag  ein- 

behandeltenlnfluenzafälle  z“  ganzen  un  g  K.  Statistischen  Bureau 


K  Statistischen  Bureau 

weder  beschafft  noch  versendet. 

^Einschliesslich  einiger  seit  der  letzten  Veröffentlichung  (No.  28)  eingelaufener  Nachträge.  -  3)  Im  Monat  Mal  1902  einsch 

träge  1223  —  »)  19  mit  22.  bezw.  23.  mit  26  Jahreswoche. _  _  ■ 

-  Verlng  eon  ..  F.  hehm.nn  .»  E.  Muhl.h.lerA  Buch-  und  Kum.tdruc'tere.  A.G..  Muucheu 


Die  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöehentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest. -Ungarn  vierteljährl.  6  JL 
ins  Ausland  8.—  M..  Einzelne  No.  80  -j. 


MÜNCIIENEti 


Zusendungen  «fnd  zu  adressiren :  Für  die  RedaktidW 
Amuifstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Lefi-' 
mann,  Heust™  sse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  W OCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

I  . ;  - 

Herausgegeben  von 

0.  t.  Aajerer,  Cb.  Bauailer,  0,  Bollinjsr,  H,  Cursshmann,  W. ».  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F,  Penzoldt,  H,  v.  Ranke  F  v  Wi 

-München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  ’  ’  1  ’  "  ln 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen. 


München. 


München 


No.  33.  19.  August  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  2U. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Heilfürsorge  der  Landesversicherungsanstalt  der  Hanse¬ 
städte. 

Die  Dauererfolge  der  Heilstättenbehandlung  Lungen¬ 
schwindsüchtiger. 

V on  Dr.  F.  Reiche, 

Oberarzt  am  Allgem.  Krankenhaus  Hamburg-Eppendorf. 

Zahlreiche  aus  den  verschiedensten  Lungenheilstätten  seit 
Jahren  veröffentlichte  Berichte  und  Statistiken  haben  es  sattsam 
erwiesen,  dass  durch  die  Sanatoriumsbehandlung  bei  einer  grossen 
Zahl  von  Phthisikern  eine  erhebliche  Besserung  und  eine  mächtige 
E  örderung  des  Gesamtbefindens  erzielt  zu  werden  vermag.  Diese 
Eifahrung  konnte  nicht  V  under  nehmen  ;  die  Aufbesserungs¬ 
fähigkeit  der  Lungenschwindsucht  ist  eine  längst  anerkannte 
Tatsache,  und  hei  den  Pfleglingen  der  meisten  jener  Anstalten 
handelt  es  sich  um  eine  mehr  oder  weniger  streng  getroffene 
Auslese  geeignet  erscheinender  Fälle,  sowie  um  monatelang-  fort¬ 
geführte  Kuren  unter  den  günstigsten  äusseren  Bedingungen. 

Auch  zur  Prüfung  der  sich  anschliessenden  fundamentalen 
Frage,  wie  weit  diese  ersten  Erfolge  auf  Dauererfolge  bei 
den  nach  beendeter  Kur  in  ihre  früheren  ungünstigen  Verhält¬ 
nisse  zurückkehrenden  Angehörigen  der  unbemittelten  Klassen  — 
nur  von  den  arbeitenden  Bevölkelrungskreisen 
und  den  Volkssanatorien  sollen  die  nachfolgenden  Zeilen 
handeln  —  zu  schliessen  berechtigen,  liegt  bereits  wertvolles 
Material  vor.  Ich  nenne  in  erster  Linie  die  beiden  umfassenden 
Statistiken  des  Reichsversicherungsamtes ])  und  des  Redchs- 
gesundheitsamtes '),  ferner  von  Einzelveröffentlichungen  den 
letzten  J ahresbericlit  der  Basler  Heilstätte a),  Weickers  mühe¬ 
volle  Arbeit  )  und  vor  allem  die  alljährlichen  Publikationen  der 
Landesversicherungsanstalt  der  Hansestädte.  Sie  haben  den  Vor¬ 
zug,  dass  die  Beurteilung  der  Dauererfolge  durch  eine,  wo  irgend 

angängig,  anhaltende  ärztliche  Kontrolle  der  Kranken  geschaffen 
wird. 

Wenn  ich  zur  Betrachtung  einer  Reihe  von  hinsichtlich  der 
Beurteilung  der  Heilstättenerfolge  sich  ergebenden  Punkten  aus 
den .  grossen  Zahlenreihen  dieser  Berichte  den  von  mir  be¬ 
arbeiteten  Anteil  herausnehme,  so  geschieht  dieses  hauptsächlich 
deshalb,  um  für  jeden  einzelnen  derselben  mit  eigenen  Be¬ 
obachtungen,  eigenen  Untersuchungen  eintreten  zu  können. 

Insgesamt  wurden  auf  Veranlassung  der  Landesversiche¬ 
rungsanstalt  der  Hansestädte  bis  Ende  1901  von  mir  untersucht 
2273  Kranke,  1515  Männer  und  758  Frauen.  Von  diesen  waren 
uber  4  Wochen  in  Heilbehandlung  1571  Personen,  949  Männer 

.  0  Statistik  der  Heilbehandlung  von  tuberkulösen  und  an  an- 

i «an11  -.w!,  ei'krankten  Versicherten  etc.  für  die  Jalire  1S97,  1898, 
1899,  1900.  Berlin  1901. 

)  E  u  ge  1  in  a  n  n:  Die  Erfolge  der  Freiluftbehandlung  der 
Berlfn11i9oi'illdSUCht"  a‘  Kais‘  Gesundheitsamt.  XVIII. 

'•)  Jahresbericht  für  das  Jahr  1901  des  Basler  Vereins  für 
Brustkranke  etc.  Basel  1901. 

1901^  Weicker:  Beiträge  zur  Frage  der  Volksheilstätten.  Berlin 

..  (  Bie  Handhabung  des  Heilverfahrens  bei  Versicherten  durch 
t  Baudesversicherungsanstalt  der  Hansestädte  im  Jahre  1900  etc. 

Laudes-Vers.-Anst.  1901. 

No.  33. 


und  622  Frauen;  111  Männer  und  77  Frauen  wurden  2  mal, 
5  Männer  und  2  Frauen  3  mal  verschickt.  Es  handelte  sich  dem¬ 
nach  um  1773  einzelne  Kuren,  die  nach  ihrem  Abschluss  folgen¬ 
den  Erfolg  aufweisen : 


Erwerbsfähigkeit  war  voll  und 

Personen 

Männer 

Frauen 

anscheinend  gesichert  vorhanden 
bei . 

1364 

833 

531 

sie  war  beschränkt  vorhanden  bei 

3 12 

190 

152 

Erwerbsunfähigkeit  bestand  bei  . 

60 

46 

20 

Im  Kurort  verstarb  .... 

i 

1 

Summa 

1773 

i07u 

703 

lieber  die  Dauererfolge  dieser  Kuren  bei  den  einzelnen  Pa¬ 
tienten  der  Jahrgänge  1895 — 1900  gibt  die  umstehende  grosse 
Tabelle  Auskunft.  Auf  das  gewählte  Schema  habe  ich  bereits 


früher  ,;)  hingewiesen;  ich  glaube,  dass  die  verschiedenen  Momente 
zur  Beurteilung  und  Abschätzung  der  Dauereffekte  der  Heil¬ 
stättenbehandlung  darin  klar  und  knapp  hervortreten. 


Die  Gesamtzahl  der  in  Heilbehandlung  Gewesenen  —  nur 
ein  äusserst  geringer  Bruchteil  entgeht  den  sorgfältigen  seitens 
der  Beamten  der  Landesversicherungsanstalt  ausgeführten  Er¬ 
kundigungen  —  sondert  sich  in  allen  späteren  Nachforschungen 
in  die  4  Gruppen  der  Verstorbenen,  der  Erwerbsunfähigen,  der 
beschränkt  und  der  voll  Arbeitsfähigen,,  und  das  numerische 
Verhältnis  derselben  zu  einander  kennzeichnet  die  späteren  Er¬ 
folge.  Bei  den  ersten  beiden  Gruppen  ist  es  wertvoll,  auch  den 
Termin  des  Todes  bezw.  der  verloren  gegangenen  Arbeitskraft 
anzugeben,  um  einen  Ueberblick  über  die  im  Laufe  der  Jalire 
erfolgenden  Veränderungen  gleichzeitig  zu  ermöglichen.  Die 
ärztliche  Nachkontrolle  der  ehemaligen  Heilstättenpfleglinge  ge¬ 
schieht  um  jede  Jahreswende,  und  nur  die  nach  ärztlichem  Gut¬ 
achten  als  dauernd  erwerbsunfähig  im  Genuss  der  gesetzlichen 
Invalidenrente  Befindlichen  wurden  nicht  zu  ihr  herangezogen. 
Wenn  durch  äussere  Gründe  eine  vertrauensärztliche  Nach¬ 
besichtigung  nicht  möglich  war,  wurde  das  Urteil  über  die  Er¬ 
werbsfälligkeit  solcher  Personen  den  gleichzeitig-  durch  die 
anderen  Organe  der  Versicherungsanstalt  angestellten  Er¬ 
hebungen  entnommen. 


Die  letzte,  vom  November  1901  bis  Februar  1902  vor¬ 
genommene  Nachschau  umfasste  ausschliesslich  die  bis  Ende  1900 
verschickt  Gewesenen ;  es  sind  mithin  in  allen  Fällen  z  u  m 
mindesten  12  Monate  seit  Beendigung  der  Kur 
und  Rückkehr  in  die  Erwerbstätigkeit  ver¬ 
flossen  und  selbst  die  Patienten  dies  jüngsten  Jahrganges  1900 
haben  dadurch  eine  gewisse  Prüfung  auf  den  Bestand  ihres  Kur¬ 
erfolges  bereits  erfahren. 


Wie  wir  aus  der  Tabelle  ersehen,  waren  um  die  Wende 
1901/02  voll  und  voraussichtlich  gesichert  erwerbsfähig  aus  dem 
73— -84  Monate  zurückliegenden  Jahrgang  1895:  - 


aus 

Proz. 

bei  den  Männern 

bei  den  Frauen 

Proz. 

Proz. 

52,7 

46 

66,6 

1896 

65 

58,9 

77,8 

D97 

67,7 

66,7 

68,8 

1898 

58,1 

53,5 

64,7 

1899 

61,7 

56,2 

71,6 

1900 

62,4 

67,7 

55,8 

°)  Zeitschr.  f.  Tuberk.  U.  Heilst.  190t,  Bd.  II,  II.  5. 


1 


19.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICIN1SCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1371 


und  verstorben  waren : 


aus 

Proz.  bei 

den  Männern  bei  den  Frauen 
Proz.  Proz. 

1895 

27,3 

32,4 

16,7 

1896 

17,1 

23,2 

4,4 

1*97 

14,2 

20,2 

6,7 

1898 

18,3 

‘22,2 

12,7 

1899 

11,6 

13,9 

7,3 

1900 

4,8 

6,2 

3,1 

vs  sei 

hier  angefügt, 

dass  die 

Todesursache  bei  den 

storbenen  oder  der  Grund  der  Arbeitsbeschränkung  bezw.  der 
Erwerbsunfähigkeit  bei  den  Halb-  und  Ganzinvaliden  nicht  un¬ 
bedingt  in  jedem  Falle  das  bestehende  oder  das  frühere  Lungen¬ 
leiden  gewesen  sein  muss.  In  je  fernere  Jahrgänge  wir  zurück¬ 
greifen,  um  so  mehr  wird  unter  den  durch  längere  Zeit  von  dem 
Vorsehreiten  ihrer  Phthise  bewahrt  Gebliebenen  der  natürliche 
Abgang'  bei  den  Sterbefällen  mit  in  Anrechnung  zu  bringen  sein. 
Es  erwies  sich  undurchführbar,  auch  in  dieser  Hinsicht  unser 
Material  zu  vervollkommnen ;  zufällig  nur  kam  es  zu  meiner 
Kenntnis,  dass  beispielsweise  von  den  Verstorbenen  des  Jahr¬ 
ganges  1895  eine  der  Frauen  einer  Psychose  erlag,  3  der  Männer 
durch  Selbstmord,  Sturz  von  einem  Schiffsgerüst  und  Klima¬ 
fieber  endeten. 


Ein  Vergleich  unter  den  Ergebnissen  der  Nachbesichtigungen 
der  letzten  Jahre  zeigt  folgende  Werte.  Erwerbsfähig  waren  aus 
dem  Jahrgang: 


bei  der  Kontrolle 

:  1895*) 

1896 

1897 

1898 

1899 

1900 

1899/1900 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

57 

70 

70 

56 

_ 

1900/1901 

58 

70 

73 

68 

70 

_ 

1901/1902 

53 

65 

68 

58 

62 

62 

Verstorben 

waren  aus 

dem  Jahrgang: 

bei  der  Kontrolle 

:  1895 

1896 

1897 

1898 

1899 

1900 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

1899/1900 

20 

14 

7 

9 

1900/1901 

20 

17 

11 

15 

8 

_ 

1901/1902 

27 

17 

14 

18 

12 

5 

Die  Zahl  d  er  Sterbefälle  nimmt  hiernach  nur  langsam  mit 
jedem  Jahr  zu  und  ebenso  sinkt,  dank  der  eingeleiteten  Wieder¬ 
holungskuren,  die  Summe  der  Erwerbsfähigen  nur  langsam  ab. 

Um  nun  diese  statistischen  Ergebnisse  in  Bezug  auf  ihrc 
klinische  und  volkswirtschaftliche  Bedeutung  richtig  zu  werten, 
bedürfen  folgende  vier  Fragen  der  Klarstellung: 

1.  Handelt  es  sich  in  allen  Fällen  tatsächlich  um  Lungen¬ 
schwindsucht  ? 

2.  Nach  welchen  Grundsätzen  erfolgt  die  Auslese  für  die 
Heilstättenkur? 

3.  Waren  sämtliche  ihr  Ueberwiesene  als  bereits  erwerbs¬ 
unfähig  anzusehen? 

4.  Wie  gewinnen  wir  einen  Masstab  zur  sicheren  Ab¬ 
schätzung  des  Erreichten  ? 

Dass  bei  allen  obigen  Patienten  Lungenschwindsucht  Vor¬ 
gelegen  hat,  resp.  nach  dem  objektiven  Befund  angenommen 
werden  musste,  ist  meine  volle  Ueberzeugung.  Nach  Allgemein¬ 
symptomen  auf  Tuberkulose  nur  verdächtige  Fälle  wurden  von 
dieser  Statistik  ausgeschlossen ;  ebenso'  wurden  alle  diejenigen 
nachträglich  eliminiert,  bei  denen  der  spätere  Verlauf  mich  von 
der  Irrigkeit  der  anfänglichen  Diagnose  Phthisis  incipiens  über¬ 
zeugte.  Nichtschwindsüchtige,  an  anderen  Erkrankungen  der 
Atmungsorgane  Leidende  mit  Tuberkulösen  zusammen  in  ge¬ 
meinsamen  Heilstätten  unterzubringen,  ist  nicht  gefahrlos,  so 
var  strenge  Kritik  von  vornherein  Erfordernis.  Freilich  musste 
ich  mein  Urteil  zumeist  auf  klinischen  Beweisgründen  auf¬ 
bauen,  die  bakteriologische  Bestätigung  der  Diagnose  liess  oft 
sogar  in  offenkundigen  Fällen  —  bei  diesen  einmaligen  Sprech- 
stundenbegutachtungem  im  Stich;  häufig  fiel  die  Untersuchung 
des  einen  der  Speiflaische  entnommenen  Partikelchens  zufällig 
negativ  aus,  häufig  war  gerade  in  der  betreffenden  Zeit,  in  der 
der  Kranke  sich  vorstellte,  Auswurf  nicht  vorhanden  gewesen, 
"der  es  erwies  sich  das  mitgebrachte  Sputum  als  nicht  den 
Lungen  entstammender  Rachenschleim  oder  Mundspeichel.  Hier 

*1  Die  Verschiedenheiten  in  den  Zahlen  der  früher  (1.  c.) 
publizierten  und  jetzigen  Tabelle,  welche  die  prozentuarisclien 
'Verte  nicht  beeinflussen,  erklären  sich  daraus,  dass  früher  zu 
einem  Jahrgang  alle  in  ihm  eingeleiteten  Heilverfahren  gerechnet 
wurden,  jetzt  der  rascheren  Fertigstellung  der  Statistik  wegen  nur 
alle  in  ihm  eingeleiteten  und  abgeschlossenen. 


ist  jede  klinische  Beobachtung  im  Krankenhaus  oder  Heilstätte, 
der  gehäuften  Untersuch ungsmöglichkeiten  wegen,  der  unsrigen 
überlegen.  916  von  meinen  Kranken  hatten  zur  Zeit  der  Vor¬ 
stellung  bei  mir  überhaupt  keinen  Auswurf,  bei  746  von  den 
1894 — 1900  Untersuchten  und  bei  303  von  den  über  4  Wochen 
verschickt  Gewesenen  fand  ich  Tuberkelbazillen;  von  diesen 
Kranken  waren  bei  der  letzten  Kontrolle 

verstorben . 40  Proz. 

erwerbsunfähig . 13  „ 

beschränkt  erwerbsfähig  .  12  „ 

erwerbsfähig . 35  „ 

Nur  cum  grano  salis  sind  diese  Ziffern  natürlich  mit  den 
früher  gegebenen  Gesamtzahlen  zu  vergleichen. 

Da  ich  somit  bakteriologisch  den  gewöhnlich  leicht  zu  er¬ 
bringenden,  gelegentlich  nur  bei  klinisch  eindeutigen  Fällen 
durch  lange  Zeit  versagenden  Beweis  für  die  sicher  tuberkulöse 
Natur  meiner  Fälle  schuldig  bleiben  muss,  möchte  ich  kurz  hier 
anführen,  dass  von  den  1571  über  4  Wochen  in  Heilbehandlung 
Gewesenen  885  Dämpfungen  und  für  infiltrative  Vorgänge 
sprechende  auskultatorische  Erscheinungen  auf  den  Lungen 
boten,  317  im  Verlauf  oder  Beginn  Bluthusten  gehabt  und  1031 
bereits  länger  als  Vs  Jahr  vor  der  vertrauensärztlichen  Unter¬ 
such  ung  die  Anzeichen  ihrer  Krankheit  verspürt  haben.  Nur 
190  oder  12  Proz.  waren  unter  6  Monate  krank  gewesen,  hatten 
nicht  Blut  aufgehustet  und  keine  Tuberkelbazillen  im  Auswurf 
und  zeigten  auf  den  Lungen  ausschliesslich  Erscheinungen,  die 
wir  nach  ihrem  auskultatorischen  Charakter  wenn  auch  mit 
pathologisch-anatomisch  unrichtiger  Ausdrucksweise  gemeinhin 
als  katarrhalische  zu  bezeichnen  gewöhnt  sind.  Darin,  dass  es 
sich  bei  diesen  Kranken  ebenfalls  um  inzipiente  Phthisen 
handelt,  bestärkt  mich  der  Umstand,  dass  sie  durchaus  nicht  alle 
einen  günstigen  späteren  Krankheitsverlauf  aufweisen,  denn  nur 
128  von  ihnen  waren  bei  der  letzten  Kontrolle  noch  erwerbsfällig, 
sodann  die  beiden  Tatsachen,  dass  der  von  mir  erhobene  Befund 
in  der  monatelangen  nachherigen  Beobachtung  während  des  Heil¬ 
stättenaufenthaltes  seine  Bestätigung  fand,  und  er  fast  immer 
durch  seine  Konstanz,  seine  Hartnäckigkeit  sich  als  mehr  als  ein 
harmloser  Katarrh  dokumentierte.  Von  sämmtlichen  über 
4  wöchentlichen  Heilverfahren,  unter  Hinzurechnung  der  mehr¬ 
maligen  Verschickung,  fand  ich  nur  bei  118  Patienten 
am  Schluss  der  Kur  einen  vollkommenen  Rückgang- 
aller  objektiven  Lungenveränderungen  und  bei 
60  Proz.  von  diesen  im  Verlauf  der  folgenden  Jahre  bei  Gelegen¬ 
heit  der  Naohbesichtigungen  erneute  Lungensym¬ 
ptome! 

Die  vertrauensärztliche  Auswahl  der  Kranken 
war  nicht  in  kleinlicher  Aengstlichkeit  darauf  bedacht,  mit  sogen. 
Initialfällen  gute  Statistik  zu  treiben.  Fortdauernd  wurde  uns 
durch  die  jährlichen  Nachkontrollen  der  in  Heilbehandlung  Ge¬ 
wesenen  das  Gefühl  für  den  jedem  Arzt  aus  Einzelbeobachtungen 
geläufigen  proteusartigen  und  nur  allzuoft  allen  Berechnungen 
sich  entziehenden  Verlauf  der  Phthise  wachgehalten;  stets  aufs 
neue  gemachte  Einzelerfahrungen  von  progressivem  Fort¬ 
schreiten  der  Krankheit  bei  scheinbar  vorbei lh öftesten  Vor¬ 
bedingungen,  von  günstigem  Stillstand  und  Rückgang  unter  an¬ 
scheinend  widerstrebendsten  Lebensverhältnissen  Hessen  eine 
engherzige  Beurteilung  der  zum  Heilverfahren  Gemeldeten  nicht 
aufkommen. 

Die  Arbeitsfähigkeit  war  nicht,  bei  allen  unseren 
Kranken  vor  Antritt  der  Kur  aufgehoben ;  die  Zahlen,  welche 
den  glücklichen  Erfolg  der  sitattgehabten  Kuren  ausdrücken,  be¬ 
deuten  sonach  nicht  ohne  weiteres  Rettung  aus  voll  etablierter 
Erwerbsunfähigkeit.  Immerhin  war  doch,  und  besonders  mit 
Hinblick  auf  die  Wohnungs-,  Arbeits-  und  Ernährungsbeding¬ 
ungen  unserer  versicherungspflichtigen  Patienten,  wohl  meistens 
eine  drohende  Erwerbsunfähigkeit  zu  befürchten  oder  zu  er¬ 
warten.  Zur  Abschätzung,  insbesondere  zur  prognostischen 
Würdigung  der  Arbeitsfähigkeit  eines  Kranken,  dient  zumeist 
der  Vergleich  zwischen  Dauer  und  Umfang  der  objektiven  tuber¬ 
kulösen  Veränderungen  einerseits  und  dem  Grad  der  Schädigung 
des  Gesamtbefindens  andererseits;  für  die  augenblickliche  Er¬ 
werbsfähigkeit  ist  letztere  allein  schon  ein  brauchbares  und  den 
aus  dem  objektiven  Lungenbefund  allein  entnehmbaren  Schlüssen 
weit  überlegenes  Kriterium.  Aus  diesem  Gesichtswinkel  be¬ 
trachtet,  bestand  unter  sämtlichen  von  mir  untersuchten  Kranken 

1* 


1372 


MUENCHENER  MEPIC1NISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


bei  Einleitung  des  Heilverfahrens  Aufhebung  der .  Arbeitsf  ahig- 
keit  d  h  ein  massig  schwer  oder  schwer  beeinträchtigtes  All¬ 
gemeinbefinden  bei  1614  Personen,  1017  Männern  und  597  Frauen, 
noch  erhalten  oder  beschränkt  vorhanden  war  sie  bei  497  Männern 
und  161  Frauen,  das  ist  ein  Verhältnis  von  71  Proz.  zu  29  Proz. 
Nicht  wenige  aus  der  letzteren  Gruppe  zeigten  später  doch  einen 
ungünstigen  Verlauf,  denn  in  der  Elite  der  günstig  erwiesenen 
Fälle  ist  der  Prozentsatz. zwischen  beiden  nur  auf  59,5  Proz.  zu 

40,8  Proz.  verschoben.  '  _  ' 

Der  Lösung  der  letzten  Frage,  ob  es  einen  Masstab  gibt,  der 

ein  zuverlässiges  Urteil  über  die_  erzielten 
Erfolge  in  volkswirtschaftlicher  wie  auch  ärztlicher  Hinsicht 
gestattet,  eine  Parallele  zulässt  zwischen  der  neuen  durch  die 
Heilstättenbehandlung  eingeleiteten  und  der  früheren  Behand¬ 
lung  der  Phthise  des  Arbeiters  und  der  Arbeiterin,  glaube  ich 
auf  folgendem  Wege  möglicherweise  näher  treten  zu  können. 
Von  2273  durch  mich  untersuchten  Lungenschwindsüchtigen 
wurde  bei  683  ein  Heilverfahren  nicht  eingeleitet ;  meist  konnte 
es  wegen  zu  weit  vorgeschrittener  krankhafter  Veränderungen 
nicht  mehr  befürwortet  werden.  Nachforschungen  beim  Ein¬ 
wohnermeldeamt  über  die  bis  1900  abgelehnten,  von  der  Sana¬ 
toriumsbehandlung  ausgeschlossenen  Fälle  ergaben,  dass  bei  316 
der  Exitus  bereits  erfolgt  war;  gleichzeitig  wurde  dadurch  mit 
einer  Ausnahme  der  Todestermin  derselben  bekannt,  und  da  bei 
diesen  Kranken  die  Feststellung  des  zeitlichen  Beginns  ihres 
Leidens  vom  Anfang  der  Symptome  an  mit  der  gleichen  Sorgfalt 
wie  bei  den  übrigen,  den  Verschickten  geschah,  lässt  sich  aus  den 
so  gewonnenen  Zahlen  die  mittlere  Dauer  der 
Lungenschwindsucht  bei  den  Angehörigen  der 
mein  Material  bildenden  versi  che  rungs  pflichtigen 

Bevölkerungsschichten  berechnen. 

Natürlich  würde  jeder  Vergleich  dann  unberechtigt  sein, 
wenn  auf  der  Seite  der  als  ungünstig  für  das  Heilverfahren  er 
achteten  Fälle  vorwiegend  die  stürmischen  V  erlaufsformen  sich 
linden,  auf  der  Seite  der  bei  Meldung  zur  Heilstättenbehandlung 
noch  als  besserungsfähig  angesehenen  die  chronischen,  schon  in 
diesem  chronischen  Ablauf  eine  innewohnende  Resistenz  gegen 
das  Krankheitsvirus  offenbarenden  Fälle.  Dem  ist  aber  nicht  so: 
Bis  zur  Zeit  der  ersten  ärztlichen  Untersuchung  hatten  sub¬ 
jektive  Krankheitssymptome  verspürt 
a)  bei  den  Abgelehnten: 


unter  6  Monate  .... 
über  6  Monate  bis  1  Jahr 
über  1  Jahr  bis  2  Jahre 
über  2  bis  6  Jahre  .  .  . 
über  6  Jahre  ... 
unbestimmte  Angabe  .  . 


unter  6  Monate . 

über  6  Monate  bis  1  Jahr 
über  1  Jahr  bis  2  Jahre 
über  2  bis  6  Jahre  .  .  . 

über  6  Jahre . 

unbestimmte  Angabe  .  . 


Proz. 

Mann  er 

Frauen 

146  =  25,2 

122 

24 

108  =  18,6 

88 

20 

121  =  20,9 

101 

20 

145  =  25 

121 

24 

60  =  10,3 

42 

18 

21  = 

19 

2 

ig  Empfohlenen : 

Proz. 

Männer 

Frauen 

547  =  33,9 

359 

188 

219  =  15,4 

159 

90 

239  ==  14,8 

139 

1(0 

374  =  23,2 

224 

150 

205  =  12,7 

107 

98 

57  = 

33 

24 

173  Männern 

und  42 

Frauen, 

nicht  einen  alleinigen  Erfolg  der  in  diesem  Jahre  eingeleiteten 
Behandlung.  Das  Reichversicherungsamt  hat  sich  m  seiner 
Statistik  auf  einen  anderen  Standpunkt  gestellt7).  Ein  einmal 
dadurch  als  unzureichend  erkanntes  Heilverfahren,  dass  die  Be 
treffenden  einer  weiteren  Heilstättenkur  sich  unterziehen 
mussten,  wird  als  ungünstig  angesehen  und  der  Kranke  bedeutet 
für  später  einen  Misserfolg;  nach  der  erneuten  Heilbehandlung 
silt  er  als  besonderer  Fall,  der  dann  auf  den  Dauererfolg  dei 
wiederholten  Kur  wie  jeder  Erstbehandelte  kontrolliert  wird. 
Würde  ich  nach  diesem  Prinzip  meine  Fälle  ordnen,  so  hätte 
ich  aus  den  Jahren  1895—1900  1446  Einzelbeobachtungen,  und 
das  Resultat  der  Kuren  würde  sich  im  Vergleich  zu  den  früheren 


Zahlen  folgendennassen 

dar* 

.teilen : 

l’roz. 

bei  den  Männern 

bei  den  Frauen 

verstorben  sind  .... 

12,2 

16 

6,3 

erwerbsunfähig  .... 

19,4 

19,9 

18,6 

beschränkt  ev  erwerbs¬ 
fähig  . 

14,2 

11,9 

17,8 

erwerbsfähig . 

54,2 

52,2 

57,1 

Vom  vorwiegend  är 

ztliclien  Standpunkt  aus 

scheint  mir  die 

von 


wurde  mir  der  Todestag  später  bekannt.  Die  Zahl  der  Frauen 
ist  in  dieser  Reihe  noch  zu  gering,  als  dass  eine  gesonderte  Auf¬ 
stellung  nach  den  Geschlechtern  schon  jetzt  gestattet  erschien  — 
als  d  u  rchschnittliche  D  a  u  o  r  d  c  r  K  rankheit  e  i  - 
g  a  b  sich  insgesa  m  t  43  M  o  n  a  t  e,  die  kürzeste  1  rist  war 
3,  die  längste  257  Monate. 

Dieser  Zahl  gegenüber  erscheint  das  Ergebnis  obiger  Sta¬ 
tistik,  nach  dem  von  allen  dem  Heilverfahren  Ueberwiesenen 
über  deren  bereits  vor  der  Kur  bestandene  Krankheitsdauer  die 
zuletzt  gegebene  1  abeile  Auskunft  erteilt  -  noch  6  7  Jaliic 

nach  beendeter  1.  Kur  52,7  Proz.  voll  und  voraussichtlich  ge¬ 
sichelt  arbeitsfähig  waren,  als  ein  grosser,  volkswirtschaftlicher 
Gewinn! 

Er  wurde  nicht  immer  leicht  erreicht,  ln  der  Haupttabelle 
ist  cs  berücksichtigt,  in  einem  wie  grossen  Prozentsatz  der  Fälle 
und  ferner,  wie  lange  nach  der  ersten  Ueilstättenbeliandlung 
W  i  e d e r  h o lungsk u  r  e n  zur  Sicherung  des  einmal  er¬ 
langten  Erfolges  notwendig  wurden.  Die  Zahl,  dass  o2,<  Proz. 
der  im  Jahre  1895  Verpflegten  noch  erwerbsfähig  waren,  bedeutet 


zumal  dann,  wenn  man  die  nachherige  Kontrolle  des  Heilver¬ 
fahrens  nicht  nur,  wie  das  Reichsversicherungsamt,  auf  die  5 
nachfolgenden  Jahre  beschränkt.  Wir  sind  alle  überzeugt,  dass 
die  üblichen  mehrmaligen  Heilstättenkuren  nie  und  selbst  nicht 
in  frühesten  Fällen  eine  einmal  etablierte  Phthise  zur  Heilung 
zu  bringen  vermögen;  sie  sind  immer  nur  der  erste  mögliche 
Schritt  zu  ihrem  Stillstand,  ihrer  Besserung,  ihrem  Rückgang; 
ärztlich  sind  demgemäss  erneute  Kuren  im  Laufe  der  folgenden 
Jahre  nicht  allein  bei  erschüttertem  Erfolg  der  ersten  Heil¬ 
behandlung,  sondern  gerade  zur  weiteren  Sicherung  nach  be¬ 
stehendem  Erfolge  zu  empfehlen,  und  Befürwortung  und  Ein¬ 
leitung  einer  zweiten  Kur  ist  einem  ungenügenden  Erfolg  oder 
Misserfolg  der  ersten  nicht  gleichbedeutend.  Sodann  bleibt  es 
doch  ein  der  Berücksichtigung  werter  Unterschied,  wie  lange 
nach  einer  Heilbehandlung  die  Notwendigkeit  einer  weiteren  sich 
herausstellte.  Eine  Aufstellung  im  Sinne  des  Reichsversiche¬ 
rungsamtes  kann  ferner  doch  auch  nur  die  eigentlichen 
1 1 eilstättenkuren  in  ihren  Beachtungskreis  ziehen,  .  nicht 
aber  die  oft  zwischendurch  stattfindenden  und  bei  hin¬ 
reichender  Länge  doch  der  Sanatoriumspflege  mehr  oder 
weniger  gleichwertigen,  nicht  selten  monatelangen  Kranken¬ 
hausbehandlungen  früherer  Heilstättenpfleglinge  und  Erholungs¬ 
aufenthalte  derselben  auf  dem  Lande.  Eine  ärztliche 
Statistik  muss  es  zum  Ausdruck  zu  bringen  suchen,  was  bei 
einem  Patienten  schliesslich  erreicht  werden  kann,  der,  als  er 
sich  Jahre  zuvor  zum  Heilverfahren  meldete,  als  aussichtsreich 
für  Wiederherstellung  seiner  Arbeitsfähigkeit  durch  eine  Sana¬ 
toriumkur  sich  erwies;  natürlich  soll  dabei  angegeben  werden, 
wann  und  wie  oft  Heilstättenkuren  bei  ihm  zur  Anwendung 
kamen.  Nur,  wenn  man  dauernd  den  einzelnen  Fall  als  solchen 
weiter  verfolgt,  wird  man  die  wichtige  Frage  entscheiden  können, 
in  welchem  Umfang  einzelne  den  Verlauf  der  Phthise  hemmend 
oder  fördernd  beeinflussende  Momente,  wie  die  erblicheBelastung, 
die  ungenügende  Brustkorbentwicklung,  gewisse  ungünstige 
Berufszweige,  in  der  Gesamtmenge  vertreten  sind;  und  es  ist 
nicht  nur  anschaulicher,  sondern  auch  praktisch  bedeutungs¬ 
voller,  zu  wissen,  wie  viele  von  schwerem  Kranksein  und  Invalidi¬ 
tät  bedrohte  Individuen  durch  das  segensreiche  Vorgehen  der 
Landesversicherunganstalten  im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose, 
sei  es  nun  durch  ein-  oder  mehrmalige  Aufwendungen,  in  der 
Folgezeit  dem  Erwerbsleben  erhalten  blieben,  als  ganz  allgemein 
die  späteren  Erfolge  einmaliger  Heilstättenkuren  zu  kennen,  in 
diesen  allen  das  Gleichartige  für  die  sonst  so  mannigartigen 
Fälle  zu  suchen.  Denn  wichtiger  noch  als  die  Kur  in  der  Heil¬ 
stätte  sind  für  die  Dauererfolge  die  individuellen  Bedingungen 
jedes  einzelnen  Patienten,  Berufsart,  Wohnung,  Ernährungs¬ 
verhältnisse,  Lebensgewohnheiten,  von  früher  her  vorhandene 
schwächende  Einflüsse  und  später  schädigende  Momente.  Wie 
häufig  bestand  beispielsweise  Alkoholismus,  wie  manche  der 
Männer  gaben  eine  überstandene  Syphilis  zu!  38  der  in  Behand¬ 
lung  gewesenen  Frauen  waren  verheiratet,  von  134  erfuhren  wir, 

7)  Vgl.  auch  A.  Bielefel  dt:  Der  Einfluss  der  deutschen 
Arbeiterversicherung  auf  die  Bekämpfung  der  Lungentuberkulose. 
Die  Kranlierpflege  1901.  T.  3. 


19.  August  1902. 


MUEN'CHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


dass  sic  im  Laufe  der  Jahre  nach  der  Rückkehr  aus  der  Heil¬ 
slatte  sich  verheirateten;  die  Gefahr  der  Puerperien  für  tuber¬ 
kulös  Athzierte  ist  hinlänglich  bekannt. 

Wohl  erscheinen  bei  unserer  Betrachtungsweise  die  guten 
Erfolger  zahlreicher  als  bei  der  Aufstellung  des  Reichsversiche- 
lungsamtes,  aber  dem  Drange  nach  Schönfärberei  entspringt  dies 
nicht.  Im  Gegenteil,  nun  der  erste  Enthusiasmus  der  neuen  Ileil- 
stattenbewegung  verrauschte,  ist  es  an  der  Zeit,  immer  wieder 
da  raut  hinzuweisen,  dass  die  Volkssanatorien  für  Lungenkranke, 
so  segenbringend  ihre  Wirksamkeit  in  volkswirtschaftlicher  Be¬ 
ziehung  zur  Sicherung,  Wiederherstellung  und  Erhaltung  der 
Arbeitskraft  der  von  Schwindsucht  Befallenen  ist,  echte 
Heilungen  nur  vereinzelt  herbeiführen,  und  dass’ in  dieser 
Umsicht  ihr  Nutzen  nicht  zu  hoch  veranschlagt  werden  darf. 
Auf  den  geringen  Prozentsatz  der  durch  sie  erreichten  wirklichen 
klinischen  Heilungen  habe  ich  in  einer  früheren  Arbeit  (1.  c.) 
bereits  hingewiesen;  die  letzten  Jahre  haben  diese  Auffassung 
nur  bestätigt.  Die  Heilstätten  sind  zur  Ausrottung  und  Ueber- 
wmdung  der  Tuberkulose  nur  von  bedingtem,  vorwiegend  in¬ 
direktem  Wert,  und  die  Therapie  wird  über  das  hygienisch- 
diätetische  Regime  derselben  hinaus  noch  nach  weiteren  Mitteln 
und  Wegen  zur  Heilung  der  Erkrankten  zu  suchen  haben. 


1373 


Aus  der  neuen  Heilanstalt  für  Lungenkranke  zu  Schömberg 

O.-A.  Neuenbürg. 

Ueber  die  Beziehungen  von  Körperbewegungen, 
Körperwärme  und  Albumosurie  zu  einander  und 
zum  Fieber  im  Verlaufe  der  Phthise. 

Von  Dr.  G.  Schröde  r,  dirig.  Arzt  und  Dr.  Th.  Brühl, 

Assistenzarzt. 

Vor  allem  haben  uns  die  Arbeiten  von  Krehl  und 
M  a  1 1  h  e  s  und  ihrer  Schüler  über  die  Beziehungen  der  Albu- 
mosen,  der  hydrierten  Eiweisskörper,  zum  Fieber  aufgeklärt. 

Fiebernde  zeigen  in  fast  90  Proz.  durch  die  gewöhnlichen 
Reagentien  nicht  koagulable,  also  die  Biuretreaktion  gebende  Ei- 
weissarten  im  Urin.  Diese  Körper  schwinden  in  der  Regel  mit 
dem  Abfall  des  Fiebers. 

K  r  e  h  1  und  M  a  1 1  h  e  s  stellten  Deuteroalbumosen  und 
das  ITiston  (Spaltungsprodukt  des  Nukleohistons,  eines  Nukleo- 
proteids)  aus  den  Harnen  1  iebernder  dar.  Bakterien  sind  im 
stände,  Eiweiss  hydrolytisch  zu  spalten,  manche  Arten  von 
Mikroorganismen  auch  das  Nukleohiston.  Dass  diese  im  Urin 
Fiebernder  auftretenden  Albumosen  Beziehungen  zum  Fieber 
haben,  liess  sich  dadurch  ermitteln,  dass  solche  Harne,  gesunden 
Tieren  injiziert,  länger  dauernde  Temperatursteigerungen  ver¬ 
ursachen,  als  gleiche  Quantitäten  normalen  Urins.  Injiziert 
man  0,3— 0,5  g  Deuteroalbumose,  so  tritt  Erhöhung  der  Körper¬ 
wärme  ein,  die  nur  bei  geschwächten,  hungernden  und  schwer 
tuberkulösen  Tieren  wegfällt.  Vielmehr  entsteht  bei  letzteren 
sofort  der  Kollaps  (K  r  e  h  1  und  Matthe  s). 

Wie  es.  einzelne  Fälle  mit  echtem  Fieber  gibt,  die  keine 
Albumosen  im  Harn  nachweisen  lassen  (K  r  e  li  1,  Matthe  s), 
so  sind  auch  in  einer  Reihe  von  Krankheitszuständen  mit  fieber¬ 
losem  Verlauf  Albumosen  im  Urin  gefunden  worden,  so  bei  Phos¬ 
phorvergiftung,  akuter  gelber  Leberatrophie,  Ulcus  ventriculi, 

A  atronlaugevergif tungen,  Darmulzeris,  Karzinomen,  Sarkomen 
und  anderen  bösartigen  Geschwülsten,  Leukämie,  Skorbut,  chro¬ 
nischen  und  akuten  Eiterungsprozessen  (Schulthess).  Gil- 
e  P  s  i  e  fand  auch  bei  Gicht  und  chronischen  Nephritiden  Albu¬ 
mosen  im  Harn.  Eine  alimentäre  Albumosurie  konnten 

v  o  s  t  e  k  und  Strom  ayr  durch  Einführen  grosser  Albu- 
mosenmengen  mit  der  Nahrung  nur  bei  Leuten  mit  geschwürigen 
Veränderungen  im  Darm  erzeugen.  Nur  Haun  berichtet  über 
einen  lall  eines  an  Meningitis  leidenden  Knaben,  der  nach  60  g 
Somatose  Albumosen  im  Harn  ausschied.  Hier  lag  aber  gleich¬ 
zeitig  eine  schwere  fieberhafte  Erkrankung  vor. 

...  Ahe  Albumosenausscheidung  kommt  nicht  allein  bei  infek¬ 
tiösen  liebem  vor,  sondern  auch  bei  den  sogen,  aseptischen. 
Aach  Knochenbrüchen  (Schulthess),  nach  Injektion  che- 
mise  ei  Aetzmittel,  von  I  ibrinferment  oder  Bakterienprodukten 
(abgetöteten  Bouillonkulturen  von  Bact.  coli,  Tuberkulin)  findet 
man  im  Urin  Albumosen  (II  a  a  c  k,  Krehl  und  Matthe  s). 

Ci  remen  Hyperthermien  (Wärmestich  nach  Aaron-Sach  s, 

No.  33. 


Aufenthalt  der  Tiere  im  Wärmeofen)  fehlen  Albumosen  im  Harn. 

Durch  all’  diese  Untersuchungen  ist  also  ohne  Zweifel  mehr 
Licht  auf  die  früheren  sogen.  Peptonurien  gefallen  (genauere 
Literatur  über  letztere  bei  Schulthess).  Dieselben  müssen 
zum  grössten  Teile  Albumosurien  genannt  werden,  deren  Zu¬ 
sammenhang  mit  dem  Symptomenkomplex  „Fieber“  zweifellos 
besteht.  Mit  Albumosurie  braucht  zwar  nicht  ohne  weiteres 
lemperaturerhöhung  verknüpft  zu  sein.  Letztere  fehlt  aber  nur 
bei  hungernden  und  stark  geschwächten  Individuen  und  Tieren. 
V  ir  haben  es  dann  bereits  mit  Kollapszuständen  zu  tun.  Auch 

in.  solchen  Fällen  wird  die  N- Ausscheidung  erhöht.  _  „Im 

Fieber  tritt  also  eine  qualitative  Verminde¬ 
rung  des  Eiweisstoffwechsels  ei  n“  (K  r  e  h  1  und 
Matthe  s). 

Bei  Durchsicht  der  in  Frage  kommenden  Literatur  ist  auf¬ 
fallend,  dass  fiebernde  Phthisiker  häufig  keine  Albumosen  mit 
di  m  Harn  ausscheiden.  K  r  e  h  1  und  M  a  1 1  h  e  s  vermissten  die¬ 
selben  bei  einigen  Phthisikern,  welche  fieberten.  Auch  den 
histonartigen  Körper  fanden  sie  nicht  bei  Tuberkulösen. 

Schulthess  erwähnt  Angaben  von  Pacanowski, 
nach  dem  xAlbumosurie  bei  Phthisis  pulmonum  sogar  bei  nor¬ 
maler  Temperatur  und  bei  rapid  abgelaufenen  Fällen  mit  hohem 
Fieber  beobachtet  wird.  Auch  Meyer  und  Meine  (zitiert 
nach  Schulthess)  fanden  Albumosurie  bei  fieberhafter 
Lungen  -und  Darmtuberkulose. 

Schulthess  selbst  teilt  in  seiner  Dissertation  die  Albu- 
mosenbefunde  im  Urin  von  16  Phthisikern  mit.  4  mal  erhielt  er 
bei  deutlichem,  mässig  hohem  Fieber  ein  positives  Resultat, 
lmal  ein  sehr  schwach  positives,  5  mal  trotz  höheren  Fiebers 
ein  negatives.  6  Fälle,  welche  er  für  fieberfrei  hielt,  hatten  einen 
albumosefreien  Harn.  Unter  letzteren  befanden  sich  sicher  4 
mit  subfebrilen  Temperaturen  bis  37,4 — 5  Max.  Nach  Injek¬ 
tionen  von  Tuberkulin  zeigte  sich  auch  nach  Schulthess 
stets  Albumosurie. 

Man  sieht,  die  Beziehungen  der  Albumosurie  zum  chro¬ 
nischen  lieber  der  Phthisiker  sind  durch  diese  Untersuchungen 
nicht  geklärt  worden. 

Auf  der  Naturforscherversammlung  zu  Hamburg  1901  hielt' 
Ott  einen  A  ortrag  über  diese  Frage.  Er  hat  nach  unseren  Aus¬ 
führungen  mit  Unrecht  die  Untersuchungen  von  Krehl,  Mat¬ 
th  e  s,  Schulthess  auch  für  das  Fieber  der  chronisch  Tuber¬ 
kulösen,  als  gültig  angesehen.  Auch  von  seinen  25  Fällen,  die 
ei  für  fieberfrei  hält,  und  deren  Urin  er  bei  ruhigem  Verhalten 
frei  von  Albumosen  fand,  erscheinen  uns  6  Fälle  als  verdächtig 
hinsichtlich  der  sogen,  normalen  Temperatur.  37,4—5  im  After 
wild  nui  selten  beim  Phthisiker  eine  normale  Temperatur  ge¬ 
nannt  werden  dürfen.  Der  eine  von  uns  hat  in  einer  Abhandlung 
über  das  lieber  im  Verlaufe  der  chronischen  Lungentuberkulose 
oi,2,  im  Munde  gemessen,  als  die  Grenze  der  normalen  Maximal¬ 
temperatur  beim  Phthisiker  angegeben.  Die  allermeisten  fieber¬ 
freien  Lungenkranken  überschreiten  nicht  37°  C.  als  maximale 
Tagestemperatur  im  Munde.  Der  fieberlose  Lungenkranke  misst 
nicht  höher,  als  der  Gesunde,  dessen  Temperatur  zwischen  36 
und  37  C.  liegt  (M  arx,  Schneide  r).  Die  Aftertemperatur 
steigt  im  Durchschnitt  um  0,25 0  C.  (Schneider).  Der  eine 
von  uns  betonte  an  genannter  Stelle  bereits,  dass  diese  Zahl 
natürlich  nur  zur  Richtschnur  im  allgemeinen  Gültigkeit  hat. 
Sie  kann  in  vereinzelten  Fällen,  so  bei  sehr  korpulenten  Kranken, 
nach  oben  etwas  überschritten  werden  (cf.  auch  Schneider). 
Ferner  können  sehr  tätige  Gesunde  höher  messen.  Im  grossen 
und  ganzen  stimmen  wohl  alle  Phthiseotherapeuten  mit  unserer 
Ansicht  überein,  wann  man  von  fieberhafter  Temperatur  beim 
Lungenkranken  zu  sprechen  hat.  Es  ist  das  Verdienst  Schnei¬ 
ders,  diese  A  erliältnisse  in  seiner  Dissertation  an  AV  eickers 
grossem  Material  in  Görbersdorf  nochmals  klargestellt  zu  haben. 

Ott  schneidet  nun  in  seiner  Arbeit  eine  weitere  Frage  an: 
„Ist  die  bei  Phthisikern  nach  leichten  Körperanstrengungen  auf¬ 
tretende  Temperatursteigerung  als  Fieber  zu  betrachten?“ 

Die  Angaben  von  Penzoldt,  Birgelen  und  Höch¬ 
st  e  1 1  e  r,  die  Körperwärme  eines  Menschen,  der  an  beginnender 
Lungentuberkulose  leide,  steige  nach  leichter  körperlicher  An¬ 
strengung  abnorm,  sind  bekannt.  Genannte  Autoren  benutzen 
dieses  Symptom  zur  Frühdiagnose.  Die  Richtigkeit  dieser  Unter¬ 
suchungen  wird  von  Schneider  angezweifelt,  der  auf  Grund 
zahlreicher  Messungen  vor  und  nach  längeren  Spaziergängen  be- 

2 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  W O CHEN S CIIRIET. 


No.  SS. 


1374  _ _ _ 

hauptet,  die  Temperatur  bei  fieberfreien  Lungenkranken  steige 
nicht  nach  derartigen  Körperbewegungen,  sondern  der  Eungen- 
li ranke  verhalte  sich  hier  ganz  wie  der  Gesunde.  Die  Erlang 
Autoren  hätten  zumeist  Fiebernde  untersucht,  bchnei 
wandte  die  Mundmessung  an,  Lenz  old  t  etc.  Aftermessung. 
Kont rollbest immungen  ergaben  ersterem  stets  eine -gleichmäßige, 
oben  bereits  angegebene  Differenz.  Es  muss  allerdings  genau  und 
lange  genug  im  Munde  gemessen  werden,  d.  h.  unter  der  Zu  « 
bei  absolut  geschlossenem  Munde,  in  einem  gleichmassig  durch- 
wärmten  Zimmer.  Es  wird  dann  auch  evtu‘.  niedere  Aus^n- 
temperatur  keinen  Einfluss  haben.  Letzteres  hat  Erl.  Dr.  L  1  u  h  m 

p  1  1 1 

Auf  Grund  ihrer  und  eigener  Untersuchungen  ver¬ 
wirft  Ott  die  Mundmessung  beim  Lungenkranken.  Ott  fand 
nämlich,  dass  nach  einstündigem  Spaziergang  seine  beber- 
freien  (?)  Kranken  im  Munde  eine  gleiche  oder  etwas  tiefer 
Temperatur  als  vorher  zeigten,  während  die  Aftertemperatur 
abnorm  stieg  und  fieberhafte  Zahlen  aufwies.  Er  nahm  dann 
an.  dass  ein  echtes  Eieber  nach  grösseren  Spaziergangen  beim 
Phthisiker  entsteht,  weil  76  Proz.  seiner  untersuchten  1  alle  nach 
dem  Gange  Albumosurie  hatten.  Er  hält  damit  seine  Beweis- 

nihwfr  Anzieht  sein.  Ein  Teil  der  O  1 1  sehen 

Fälle  scheint  uns  zum  mindesten  Neigung  zum  Fieber  zu  haben. 
Dann  ist  Albumosurie  ein  beim  Fieber  der  Lungenkran  cen 
durchaus  nicht  immer  vorkommendes  Symptom.  Ott  durfte 
daher  seine  „unsicheren“  Resultate  nicht  mit  zu  den  positiven 
rechnen.  Einen  wirklich  positiven  Befund  erhob  er  nur  m 
36  Proz  seiner  Fälle.  Endlich  erscheint  uns  seine  Versuchs¬ 
anordnung  sehr  bedenklich.  Er  liess  seine  Kranken  die  doch 
zum  Theil  unsichere  Temperaturen  hatten  und  nicht  alle  zu 
Initialfällen  gehörten,  in  einer  Stunde  V/*  km  zunächst  a 


Jnitialtaiien  genorien,  ~  , 

fallendem  und  zurück  auf  steigendem  Wege  machen .  Eine  de 
artig  forcierte  Leistung  ist  bei  nicht  absolut  sicher  fieberfreien 
und  schweren  Kranken  immer  zu  verbieten..  Eintretendes  Fie  er 
mit  stärkerer  Eiweisszersetzung  würde  uns  m  solchem  Falle  nicht 
wundern.  Die  O  1 1  sehe  Beweisführung  zeigt  also  Mangel.  Er 
dürfte  aus  seinen  Untersuchungen  keine  therapeutischen  Schluss¬ 
folgerungen  ziehen.  Im  grossen  und  ganzen  ist  die  Frage  durch¬ 
aus  nicht  geklärt  und  verdient  es,  nachgepruft  zu  werden.  Wir 
bemühten  uns  zu  dem  Ende,  die  Fragen  möglichst  exakt  zu  stellen. 

Es  handelt  sich  darum,  zu  ermitteln: 

1  sind  Mund-  und  Aftermessungen  bei  Lungenkranken 

gleichwertig?  ^ 

2.  Ist  die  nach  Bewegungen  im  After  gefundene  lem- 

peratursteigerung  pathognomonisch  für  Lungentuberkulose. 

3.  In  welcher  Beziehung  stehen  Albumosurie  und  chronisches 
Fieber  im  Verlaufe  der  Phthise  zu  einander? 

4.  Hat  die  Temperatursteigerung  im  After  nach  körperlichen 
Bewegungen  eine  Bedeutung  als  Fiebersymptom  für  die  Diagnose 
und  Therapie  der  chronischen  Lungentuberkulose? 

Unsere  Versuchsanordnung  war  folgende: 

Zu  den  Messungen  wurden  nur  amtlich  geprüfte  Maxnna  - 
thermometer  verwandt  und  zwar  wurde  8—10  Minuten  im  Munde 
unter  der  Zunge,  5  Minuten  im  After  gemessen.  Bei  einer  Reihe 
von  Fiebernden  stellten  wir  in  absoluter  Ivörperruhe 
Vergleichsmessungen  zwischen  Mund-  und  Aftertemperaturen  an. 
Eine  weitere  Reihe  Kranker  und  Gesunder  wurde  vor,  sofort 
und  Vz  Stunde  nach  einem  Spaziergange  im  Mund  und  Alter 
gemessen.  Wir  wollen  bereits  hier  bemerken,  dass  wir  unsere 
benutzten  Kranken  nur  den  auch  früher  therapeutisch  ordinier¬ 
ten  Spaziergang  unter  Aufsicht  eines  Arztes  machen  liessen, 
dessen  Dauer  genau  den  Kräften  angemessen  war.  Alles  for¬ 
cierte  Laufen  wurde  vermieden.  Stets  zu  Beginn  des  Spazier¬ 
ganges  stieg  der  Weg  an,  am  Schlüsse  gings  bergab.  Alle  gingen 
Areng  im  Kurschritt,  vorgeschriebene  Atemübungen  führten 
die  Kranken  genau  aus.  Niemand  empfand  daher  nach  Be¬ 
endigung  des  Ganges  eine  Ermüdung.  Die  Messungen  fanden 
gleichfalls  unter  Kontrolle  eines  Arztes  statt  und  zwar  hielten 
sich  die  Versuchspersonen,  ehe  sie  massen,  10  Minuten  m  einem 
gleiclimässig  durchwärmten  Zimmer  auf.  Gesunde  vollführten 
entsprechend  grössere  Leistungen,  ohne  sich  aber  stark  zu  er- 

Die  Urine  einer  Reihe  von  Fiebernden  und  den  meisten 
Kranken  und  Gesunden  wurden  vor  und  nach  dem  Spaziergange 


auf  Albumosen  untersucht.  Die  dabei  eingehaltene  Methodi! 
war  folgende:  Alle  Urine  untersuchten  wir  zunächst  auf  A 
bumen  und  Diazo  und  wiederholten  damit  z.  T.  schon  oftmals 
früher  angestellte  Untersuchungen.  Zum  Nachweis  der  Albu¬ 
mosen  benutzten  wir  die  von  den  Jenenser  Autoren  gehandhabte 
(Methode  A)  und  z.  T.  zur  Kontrolle  die  von  B  ang  W  ^ 
Methode  (Methode  B).  Erstere  führten  wir  in  der  Weise  au 
dass  jedesmal  10  ccm  Urin  mit  dem  8  fachen  ^  °1^  96  j 
Alkohols  versetzt  ca.  15  Stunden  stehen  blieben.  Der -klare lc 
des  Alkohols  wurde  dann  abgegossen  und  der  dicke, ,  m i  cj 
weisse  Niederschlag  filtriert,  der  trockene  Filterruckstand  mit 
15  ccm  heissen  Wassers  überfiltriert  und  an  einem  Teil. des  li 
trates  die  Biuretreaktion  angestellt.  Fiel  dieselbe  positiv  aus, 
so  prüften  wir  das  Filtrat  weiter  auf  koagulables  Eiweiss  Nukleo¬ 
albumin  und  Muzin  und  ermittelten  so,  ob  der  positive  Au  f  a 
der  Reaktion  auch  wirklich  auf  Albumosen  zuruckzufuhren  war 
Die  zweite  von  uns  angewandte  Methode  beruht  darau  , 
durch  Zentrifugieren  des  mit  Ammoniumsultat  heiss 
gesättigten  Urins  die  Albumosen  zusammen  mit  etwaigem  Al¬ 
buinen,  Urobilin  neben  etwas  Harnsäure  und  Harnsalzen  um  1er- 
zuschlagen  und  dann  durch  weitere  Manipulationen  die  Albu¬ 
mosen  von  den  übrigen  Harnbestandteilen  zu  trennen.  Wir 
nahmen  auch  bei  dieser  Methode  stets  10  ccm _  Urin;  m  den 
meisten  Fällen  genügten  gemäss  der  Vorschrift  B  a  g  s  8 
Ammonium sulfat  zur  Sättigung,  aber  einige  Male,  speziell  tu 
die  Urine  von  Gesunden,  mussten  10-12  g  des  Ammomumsakes 
verwandt  werden  zwecks  Sättigung  und  nachherigen  guten 
Zentrifugierens.  Man  muss  sich  übrigens,  wie  B  a  n  g  auch  an¬ 
gibt,  h  ü  t  e  n,  bei  der  durch  Erhitzen  im  Reagensglas  bewerk¬ 
stelligten  Lösung  des  Ammoniumsulfates  langer  zu  kochen, 
weil  sonst  eventuell  künstlich  Albumosen  gebildet  werden 
könnten  (M  atthes  [9]).  Nach  vollendeter  Losung  lasst  man 
einmal  aufkochen,  die  heisse  Losung  wird  dann  ca,  1  bis 
1V2  Minuten  zentrifugiert.  Der  Zentrifugenbodensatz  wird  nach 
Abgiessen  der  Salzlösung  mit  96  proz.  Alkohol  im  Mörser  ver¬ 
rieben;  etwaiges  Urobilin  geht  dabei  in  alkoholische  Losung 
zurück  bleiben  Albumosen,  Albumen,  Harnsäure  und  Salze,  Eaci 
Abgiessen  resp.  Abpipettieren  des  Alkohols  wird  der  Euctond 
in  destilliertem  Wasser  (15  ccm)  gelost,  die  Losung  gekocht  u 
filtriert.  Auf  dem  Filter  bleiben  Eiweiss,  Harnsaure  und  Salze, 
das  Filtrat  enthält  die  eventuellen  Albumosen  um 
gibt  dann  die  Biuretreaktion.  Bei  Anstellung  der  Re¬ 
aktion  wurde  nach  Zusatz  der  Kalilauge  stets  einige  Zeit  ge¬ 
wartet,  bis  die  Sulfate  sich  gesetzt  hatten  und  der  Ammoniak 
verdunstet  war;  dann  erst  wurde  die  10  proz.  Kupfersulfatlosung 
und  zwar  3—4  Tropfen  (stets  dieselbe  Anzahl)  zugesetzt. 

Bei  der  ersten  Reihe  unserer  Untersuchungen,  derjenigen  der 
Urine  fiebernder  Phthisiker,  wurden  diese  beiden 
Methoden  injedem  F  alle  nebeneinander  durchgefuhrt.  Nach¬ 
dem  wir  uns  dabei  von  der  Gleichwertigkeit  beiter 
Untersuchungsmethoden  überzeugt  hatten,  wandten 
wir  weiterhin  im  allgemeinen,  der  bequemeren  Ausführbarkeit 
wegen,  hauptsächlich  die  erste  Methode  an,  kontrollierten  aber 
deren  Resultate  durch  die  B  a  n  g  sehe  m  allen  den  lallen,  wo 
der  Ausfall  der  Reaktion  bei  der  ersten  Methode  uns  nicht 
ganz  zweifellos  negativ  erschien. 

Im  Folgenden  geben  wir  die  Resultate  unserer  Unter 
suchungen  wieder  *) : 

55  vergleichsweise  ausgeführte  Mund-  und  Aftermessunge 
bei  fiebernden,  zum  Fieber  geneigten  und  fieberfreien.  Lungen¬ 
kranken,  die  sich  ruhig  verhielten,  ergaben  im  Mittel  eine 
Differenz  von  0,34°  C.  zu  Gunsten  der  Aftermessungen.  Es  fiel 
uns  auf,  dass  Kranke  mit  labiler  Körperwärme,  sobald  sie  sich 
nur  wenig  bewegten,  ferner  fieberfreie  Phthisiker  und  Gesunde, 
die  ihrem  Körper  mehr  Bewegung  zumuteten,  im  ganzen  höhere 
Differenzen  zwischen  Mund-  und  Aftertemperätur  hatten  as 
obige  Mittelzahl  angibt.  Aus  den  Tabellen  wird  das  ersichtlich. 
Wir  werden  weiter  unten  noch  auf  diese  Erscheinung  zuiuc^ 

kommen.  ,  .  „  .  „„j 

Ueber  Messungen  der  Temperatur  bei  Gesunden  vor 
nach  Spaziergängen  liegen  widersprechende  Angaben  vor. 
Penzoldt  und  Birg-« len  bringen  darüber  Notizen  aus  der 
älteren  Literatur,  welche  nicht  recht  vergleichsfahig  sind,  hie 


*)  Die  Untersuchungen  wurden  Ende  Mai  1902  beendet. 


19.  August  1902. _ MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


selbst  finden  bei  Gesunden  eine  durchschnittliche  Steigerung  der 
Aftei  temperatur  nach  einem  niclit  sehr  anstrengenden  Gange 
um  0,66  0  C.,  dagegen  bei  Tuberkulösen  um  0,61 0  C.,  bei  für 
1  uberkulose  \  erdächtigen  um  0,51 0  C.,  bei  Emphysematikern 
um  0,52 0  C.  Diese  Zahlen  berechneten  wir  aus  den  Tabellen 
der  beiden  Autoren.  Höchstetter  fand  bei  Gesunden  nur 
eine  Steigerung  von  0,54"  C.  im  Mittel,  bei  Phthisikern  von 
0,9  C.  Penzoldt  und  Birgelen  hätten  nach  ihren  Unter¬ 
suchungsergebnissen  eigentlich  keine  Unterschiede  im  Verhalten 
Gesunder,  Tuberkulöser  und  für  tuberkulöse  Verdächtiger  er¬ 
mitteln  können.  Die  neueren  Arbeiten  von  Schneider  und. 
Ott  lassen  Eontrollmessungen  bei  Gesunden  ganz  vermissen. 

AA  ir  geben  in  folgender  Tabelle  die  Ergebnisse  von  Tem¬ 
peraturmessungen  bei  nichttuberkulösen,  zumeist  völlig  gesunden 
inM  leistungsfähigen  Personen  an,  die  an  grössere  regelmässige 
Tätigkeit  gewöhnt  sind.  Die  Dauer  des  Marsches  betrug  1  bis 
U/s  Stunden  und  wurde  so  gegangen,  dass  die  Beteiligten  leicht 
ermüdeten. 


Tabelle  I. 

Nichttuberkulöse. 


No. 

Körperwärme 
vor  dem 
Spaziergang 

Körperwärme 
sofort  nach  d. 
Spaziergang 

Körperwärme 
nach  72  Stde. 
Ruhe 

Bemerkungen 

Mund 

After 

Mund 

After 

Mund 

After 

1 

36,8 

37,4 

37,0 

38,3 

36,9 

37,4 

Leichte  Arthritis 
urica. 

2 

37,2 

37,8 

37,4 

38,3 

37,4 

37,8 

Fettleibigkeit  I.  Gr. 

3 

36,6 

37,5 

36,5 

37,8 

36,8 

37,8 

Anämie  mässigen 
Grad. 

4 

36,7 

37,3 

36,4 

37,8 

36,6 

37,2 

Asthma  bronchiale. 

5 

— 

— 

37,1 

38,4 

— 

— 

Fettleibigkeit  I  Gr. 

6 

— 

— 

36,9 

38,2 

— 

— 

No.  1  zu  anderer  Zeit 
wiederholt. 

7 

37,2 

37,7 

37,1 

37,8 

— 

— 

— 

8 

36,9 

37,4 

37,0 

37,9 

— 

— 

— 

9 

36,9 

37,1 

37,0 

37,7 

36,7 

36,7 

— 

Man  sieht  also  aus  Tabelle  I,  dass  bei  gesunden  und  an 
andersartigen  Affektionen  als  Tuberkulose  leidenden  Personen, 
bei  denen  die  normale  Leistungsfähigkeit  nur  in  Fall  4  be¬ 
schränkt  war,  eine  abnorme  Steigerung  der  Körperwärme  im 
After  nach  einem  1 — 1!4  ständigen  Spaziergang  eintritt  —  nur 
in  1  all  7  war  dieselbe  wenig  markant  — ,  welche  nach  Vz  stän¬ 
diger  Ruhe  wieder  zur  Norm  zurückkehrte,  während  die  Mund¬ 
temperaturen  konstant  blieben  oder  eine  geringe  Neigung  zum 
Abfall  zeigten. 

Die  zu  gleichem  Zwecke  untersuchten  Tuberkulösen  schieden 
Avir  in  2  Gruppen,  nämlich  a)  in  absolut  Fieberfreie,  b)  in  Kranke 
mit  Neigung  zu  Temperatursteigerungen  und  geringer  Erhöhung 
der  Eigenwärme. 


Tabelle  II. 

Fieberfreie  Tuberkulöse. 


Stadium 

Temper 

a  t  u  r 

e  n 

No. 

vor  dem 
Spaziergang 

sofort  nach  d. 
Spaziergang 

'/ 2  St.  nach  d. 
Spaziergang 

Bemerkungen 

Mund 

After 

Mund 

After 

Mund 

After 

1 

II 

37,2 

37,2 

37,0 

38,1 

37,2 

37,5 

1  Stde.  nach  dem 

2 

II 

36,8 

37,1 

37,0 

37,8 

37,2 

37,4 

Mittagessen  wurde 

3 

\ 

II 

36,8 

37,4 

36,9 

37,9 

37,1 

37,5 

langsam  lStd.kur- 
gemäss  unter  ärztl. 

I 

37,2 

37,3 

37,2 

37,5 

37,2 

37,4 

Aufsicht  gegangen. 

5 

III 

36,8 

37,2 

36,9 

37,5 

37,1 

37,5 

Niemand  ermüdete. 

In  diesen  Fällen  war  der  Anstieg  der  Aftertemperatur  im 
ganzen  weniger  hoch  als  bei  Nichttuberkulösen.  Dieselbe  blieb 
änger  etwas  erhöht,  während  die  Mundmessungen  nur  unbedeu¬ 
tende  Differenzen  aufwiesen. 


1375 


Tabelle  III. 

Tuberkulöse  mit  labiler  oder  leichterhöhter 

Körperwärme. 


s 

s 

"3 

c3 

-4-=> 

Temper 

'atu 

r  e  n 

No. 

vor  dem 
Spaziergang 

sofort  nach  d. 
Spaziergang 

l/2  St.  nach  d. 
Spaziergang 

Bemerkungen 

c/} 

Mund 

After 

Mund 

After 

Mund 

After 

1 

I 

37,3 

37,7 

37,1 

38,2 

37,4 

38 

2 

II 

36,8 

37,5 

36,8 

37,8 

37,2 

37,4 

Wegdauer  30  bis 
40Minuten,  sehr 

3 

I 

37,3 

37,7 

36,7 

37,7 

37,1 

37,6 

langsames,  ruhi- 

4 

III 

37,4 

37,6 

37,5 

38,0 

37,6 

37,7 

gesTempo,  keine 
Ermüdung. 

5 

II 

37,2 

37,6 

37,2 

37,5 

37,0 

37,4 

Die  Steigerung  der  Aftertemperatur  nach  dem  Gange  blieb 
dieses  Mal  in  2  Fällen  (3  und  5)  ganz  aus.  Im  übrigen  verhalten 
sich  diese  Kranken  ähnlich  den  in  Tabelle  II  genannten.  Fall  1 
und  3  zeigten  deutliches  Absinken  der  Mundtemperatur  nach  dem 
Spaziergang.  Aus  Tabelle  I — III  ist  sofort  ersichtlich,  dass  Tem¬ 
peratursteigerungen  im  After  nach  mässigen  körperlichen  An¬ 
strengungen  bei  Nichttuberkulösen  so  gut  wie  bei  Tuberkulösen, 
fast  sogar  stärker  bei  ersteren  auftreten.  Bei  diesen  sinkt  da¬ 
gegen  die  Aftertemperatur  nach  Vz  ständiger  Ruhe  wieder 
schneller,  als  bei  den  Kranken. 

Die  im  Munde  unter  der  Zunge  gemessenen  Zahlen  verhalten 
sich  im  Ganzen  konstant.  Eine  Neigung  zum  Abfall  sofort  nach 
dem  Spaziergange  lässt  sich  nicht  verkennen. 

Ohne  Zweifel  ist  es  nunmehr  recht  interessant  und  wichtig, 
festzustellen,  ob  das  geschilderte  Phänomen  einer  Erhöhung  der 
Körperwärme  im  Rektum  nach  leichten  körperlichen  Anstren¬ 
gungen  wirkliches,  echtes  Eieber  zu  nennen  ist,  oder  nicht.  Dass 
nichttuberkulöse,  leistungsfähige  Menschen  sich  hiebei  wie 
Tuberkulöse  verhalten,  macht  es  bereits  zweifelhaft.  Wir  haben 
oben  gesehen,  dass  Albumosurie  ein  bei  Fieber  sehr  häufig  be¬ 
obachtetes  Symptom  ist,  dass  es  aber  beim  chronischen  Fieber 
der  Phthise  oftmals  vermisst  wird.  Trotzdem  ist  es  für  unsere 
Frage  von  Bedeutung,  zu  ermitteln,  wie  es  sich  mit  der  Albumos¬ 
urie  bei  derartigen  Temperaturanstiegen  nach  Körperbewegungen 
verhält.  Die  Ottschen  Untersuchungen  sagen  uns  darüber  ja 
bereits  manches. 

(Schluss  folgt.) 

Aus  der  medizinischen  Klinik  des  Herrn  Geheimrates  Prof. 

Dr.  Riegel  in  Giessen. 

Zur  Diagnose  der  angeborenen  Schwindsuchtsanlage. 

Von  Professor  Dr.  Georg  Sticker. 

Dass  die  meisten,  ja  fast  alle  Menschen  in  den  dichtbevöl¬ 
kerten  Gegenden  Europas  und  Nordamerikas  während  ihres 
Lebens  einmal  tuberkulös  gewesen  sind  und  dass  die  Tuberkulose 
bei  ihnen  öfter  ausheilt  als  zum  Tode  führt,  sind  bekannte  Er¬ 
gebnisse  zahlloser  Leichenuntersuchungen,  mit  welchen  die  Be¬ 
obachtungen  der  Aerzte  an  den  Lebenden  mehr  und  mehr  in 
Uebereinstimmung  gelangen. 

Die  Verschiedenheit  des  Ausganges  der  Tuberkulose  bei  ver¬ 
schiedenen  Menschen  kann,  soweit  wir  heute  sehen,  dreierlei 
Gründe  haben : 

1.  Unterschiede  in  der  Virulenz  des  Tuberkuloseerregers 
oder,  was  nahezu  auf  dasselbe  hinauskommt,  das  Vorhandensein 
verschiedener  für  den  Menschen  als  Krankheitserreger  wirkender 
Tuberkelbazillenarten ; 

2.  Unterschiede  im  Hinzutreten  oder  Fehlen  von  äusseren 
Hilfsursachen  der  Ansteckung; 

3.  Unterschiede  in  der  Empfänglichkeit  des  vom  Tuberkel¬ 
bazillus  befallenen  Organismus  für  seinen  Feind.  Hierbei  wäre 
eine  besondere  örtliche  Empfänglichkeit  der  Eintrittsstelle  des 
Tuberkelbazillus  zu  unterscheiden  von  einer  mehr  oder  weniger 
allgemeinen,  der  weiteren  Ausbreitung  günstigen  Empfänglich¬ 
keit.  Auch  wäre  nicht  zu  vergessen,  dass  bei  demselben  Menschen 
die  Empfänglichkeit  in  verschiedenen  Zeiten  seiner  Entwicklung 
wechselt. 

Wenn  man  nun  versucht,  solche  Unterscheidungen  festzu¬ 
halten  und  durchzuführen,  darf  man  sich  nicht  verhehlen,  dass 

2* 


1376 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


(las  Verhältnis  zwischen  der  Virulenz  eines  bestimmten  Tuberkel¬ 
bazillus  und  der  Empfänglichkeit  eines  bestimmten  menschlichen 
Individuums  kein  einigermassen  feststehendes  bleibt.  Die  An¬ 
passung  des  Wirtes  an  den  Parasiten  oder  des  Parasiten  an  den 
Wirt  tritt  wie  überall  im  Parasitismus  so  auch  im  \  erhältnis 
zwischen  Tuberkelbazillus  und  Mensch  ein  und  hat,  je  nachdem, 
das  Obsiegen  des  einen  oder  des  anderen  zur  Folge.  Zum  Be¬ 
weise  erinnere  ich  nur  an  zwei  gewöhnliche  Beobachtungen, 
welche  jeder  Arzt  machen  kann:  1.  Die  anfangs  allmähliche  und 
schleichende,  dann  heftiger  sich  äussemde  und  endlich  wild  ver¬ 
heerende  Ausbreitung  der  Tuberkulose  in  menschlichen  Ge¬ 
meinden,  in  denen  die  Uebertragung  des  Erregers  günstige  Be¬ 
dingungen  findet.  Ein  Beispiel  dafür  habe  ich  gegenwärtig  unter 
Augen,  im  Nachbardorf  PL,  in  welchem  seit  etwa  einem  -Jahr¬ 
zehnt,  unter  der  Vermittlung  von  Zigarrenfabriken,  eine  stetig 
zunehmende  Verbreitung  der  Tuberkulose  und  eine  zweifellose 
Steigerung  ihrer  Virulenz  stattfindet.  2.  An  die  allmähliche  Im 
munisierung  von  Familien  gegenüber  dem  Tuberkelbazillus,  dei 
während  einiger  Generationen  unter  ihnen  gewaltet  hat.  Belege 
hierfür  findet  man  in  der  eigenen  Erfahrung  oder  sonst  in  den 
Büchern  von  Riffel  (Mitteilungen  über  die  Erblichkeit  und 
Infektiosität  der  Schwindsucht,  1892),  A  m  m  o  n  (Die  natürliche 
Auslese  beim  Menschen,  1893)  und  Reibmayr  (Die  Ehe 
Tuberkulöser  und  ihre  Folgen,  1894). 

Die  Abschwächung  oder  Steigerung  der  Virulenz  eines  be¬ 
stimmten  Tuberkelbazillenstammes  in  seinen  Generationen, 
welche  zum  Ueberfluss  noch  durch  zahlreiche  experimentelle 
Arbeiten  aus  den  letzten  Jahren  bestätigt  wird,  würde  schon  eine 
grosse  Bedeutung  für  die  Verschiedenheit  des  Ausganges  der 
Tuberkulosekrankheit  im  einzelnen  Falle  auch  unter  der  Voraus¬ 
setzung  haben,  dass  es  nur  einen  einzigen  Bazillus  tuberkulosis 
hominis  gibt.  Vieles  spricht  aber  dafür,  dass  wir  heute  den  Be¬ 
griff  des  Tuberkelbazillus  und  der  Tuberkulose  zu  allgemein 
fassen  und  dass  sich  vielleicht  im  Laufe  der  Zeit  heraussteilen 
wird,  dass  der  Tuberkulose  ebensowenig  eine  ätiologische  wie 
eine  anatomische  Einheit  zukommt,  dass  wir  zwischen  ver¬ 
schiedenen  Stämmen,  Arten  und  Abarten  des  Tuberkelbazillus 
unterscheiden  müssen,  dass  es  gefährlichere  und  ungefährlichere 
Bazillen  mit  den  Kennzeichen  der  „Gruppe  Tuberkelbazillus“ 
gibt,  so  dass  es  also  zukünftig  einmal  nötig  werden  kann,  zwei, 
drei  oder  noch  mehrere  Tuberkulosen  des  Menschen  zu  sondern. 

Wie  dem  aber  auch  sein  möge,  wie  stark  weiterhin  die  Gunst 
oder  Ungunst  äusserer  Bedingungen,  Lebenshaltung,  Ernährung, 
Alkoholismus,,  überstandene  und  noch  bestehende  Krankheiten 
u.  s.  w.  die  Infektion  eines  Menschen  mit  dem  einen  oder  anderen 
Tuberkuloseerreger  beeinflussen  und  das  Gedeihen  der  Krankheit 
unterstützen  möge,  keinesfalls  wird  jemals  weder  die  Annahme 
oder  die  Nachweisung  einer  verschiedenen  Virulenz  verschiedener 
Tuberkelbazillenstämme  oder  verschiedener  Tuberkelbazillenarten, 
noch  auch  die  gründlichste  Berücksichtigung  der  Hilfsursachen 
der  Tuberkulose  ausreichen  zu  einer  vollständigen  Erklärung  der 
Tatsache,  dass  sich  verschiedene  Individuen  und  Familien  gegen¬ 
über  der  Tuberkuloseinfektion  durchaus  verschieden  verhalten 
können. 

Auch  in  dem  Falle,  dass  Tuberkelbazillen  derselben  Herkunft 
und  der  gleichen  Anpassungsstufe  auf  eine  Menschengruppe  ein¬ 
wirken,  welche,  dem  grösseren  Verkehr  entzogen,  eine  möglichst 
gleichartige  Lebensweise  führt  —  diese  Voraussetzung  wird  in 
den  abgeschlossenen  Gemeinden  von  Meerinseln,  Fischerdörfern, 
Gebirgsorten  verwirklicht  — ,  auch  unter  dieser  Voraussetzung 
treten  grosse  Unterschiede  im  Bilde  und  im  Verlauf  der  tuberku¬ 
lösen  Erkrankung  zu  Tage,  die  gewiss  zum  Teil  auf  dem  Wechsel 
der  Eintrittspforte  des  Erregers  und  auf  zufälligen  Hilfsursachen 
beruhen,  zum  grösseren  Teil  aber,  zumal  in  den  topographisch 
gleichwertigen  Fällen,  in  welchen  der  Beginn  des  Uebels  an  be¬ 
stimmten  Körperstellen  (Lungenspitze  u.  s.  w.)  auf  die  gleiche 
Eintrittspforte  deutet,  zweifellos  einer  wechselnden  Widerstands¬ 
kraft  der  Befallenen  zur  Last  zu  legen  sind. 

Die  inneren  Bedingungen,  welche  die  Gefahr  der  Infektion, 
das  Haften  des  Infektionskeimes,  das  mehr  aktive  oder  passive 
Verhalten  des  befallenen  Organismus  bestimmen,  können  zweifel¬ 
los  an  ein  Organ  oder  an  die  gesamte  Organisation  gebunden 
sein,  auf  einer  besonderen  örtlichen  oder  einer  besonderen  all¬ 
gemeinen  Konstitution  beruhen.  Aber  diese  berechtigte 


Annahme  führt  nicht  weiter.  Es  gilt,  die  besondere  Konstitution 
zu  definieren;  es  gilt,  die  anatomischen  oder  die  physiologischen 
oder  besser  diese  beiden  Seiten  der  Grundlage  zu  bestimmen, 
auf  welcher  erfalirungsgemäss  der  eine,  wenn  er  von  dem  Tuber- 
kelbazillus  befallen  worden,  leicht  den  Sieg  davonträgt,  während 
ein  anderer  den  Feind  schwer  oder  gar  nicht  überwindet,  auf 
der  bei  dem  einen  sich  das  Uebel  in  einer  Mandelschwellung, 
in  einem  Hautknötchen  oder  in  einer  Drüsenentzündung  er¬ 
schöpft,  bei  dem  zweiten  in  einer  Knochenkaries  oder  in  einer 
Lungenspitzenzerstörung  oder  in  einer  Bauchfellentzündung  be¬ 
grenzt  wird,  bei  dem  dritten  in  eine  erschöpfende  Lungen¬ 
schwindsucht,  Darmschwindsucht,  Nierenschwindsucht  ausartet 
und  bei  dem  vierten  rasch  durch  eine  weite  Ausbreitung  zum 
Tode  führt. 

So  alt  nun  die  Erkenntnis  der  Tatsache  ist,  dass  zwar  jeder 
Mensch  vom  Keim  der  Tuberkulose  ergriffen  werden  kann,  aber 
noch  lange  nicht  jeder  ihm  unterliegt,  so  unklar  sind  heute  noch 
der  Begriff  und  die  Ursachen  der  Konstitutionsschwäche,  welche 
den  verhängnisvollen  Verlauf  einer  tuberkulösen  Erkrankung  bc 
dingen.  Das  gilt  für  die  Tuberkulose  im  allgemeinen  und  für  die 
Lungentuberkulose  im  besonderen. 

Wir  sind  kaum  über  die  Wörter  hinaus,  mit  welchen  die 
hippokratischen  Schriften  die  anatomische  Anlage  zur  Lungen¬ 
schwindsucht  auszudrücken  versuchen:  MtvtL  &sts ,  ifdtvovies 
qp&ioixoi,  Menschen  mit  angeborener  Schwindsuchtsanlage,  mit 
beginnender  Schwindsucht,  mit  ausgesprochener  Schwindsucht 
werden  von  jeher  unterschieden.  Die  Menschen  mit  angeborener 
Schwindsuchtsanlage  zeichnet  der  Verfasser  der  Epidemien  so 
gut  wie  Engel,  Rokitansky,  Beneke,  Brehmer  als 
die  jungen  Leute  mit  flachem  Brustkorb,  mit  flügelförmig  ab¬ 
stehenden  Schulterblättern,  mit  kleinem  Herzen  und  luftfüliren- 
dem  Gedärm.  Aber  versucht  man,  das,  was  dem  allgemeinen 
Eindruck  der  Schwindsuchtsanlage  zu  Grunde  liegt,  wissen¬ 
schaftlich  festzustellen  und  zahlenmässig  mitzuteilen,  so  zwar, 
dass  auch  die  geringeren  Grade  der  Konstitution  erkennbar 
wären,  dann  versagt  unser  Wissen.  Die  vortrefflichen  Arbeiten 
Engels  über  die  Bedeutung  der  Thoraxform  für  die  Schwind¬ 
sucht  haben  schliesslich  nur  bestätigt,  was  das  einfache  An¬ 
schauen  der  paralytischen  Thoraxform  lehrt,  die  mühsamen 
Untersuchungen  Benokes  am  Gefässystem  der  Schwind¬ 
süchtigen  haben  Ursache  und  Folge  der  Schwindsucht  nicht  ge¬ 
nügend  unterschieden  und  sind  überdies  bisher  vom  Leichentisch 
nicht  auf  den  Lebenden  übertragen  worden,  und  ebenso^  ent¬ 
behren  die  anatomischen  Erhebungen  Rokitanskys  wie  die 
klinischen  Hinweise  Brehmers  bezüglich  der  Gleichgewichts¬ 
störung  zwischen  Körpergrösse  und  Herzentwicklung,  Anlage 
und  Tätigkeit  des  Verdauungsapparates  u.  s.  w.  bei  Schwind¬ 
süchtigen  durchaus  der  Schärfe  und  Bestimmtheit,  welche  sie 
für  die  Diagnose  der  Phthisiskonstitution  brauchbar  machen 
könnten.  Immerhin  werden  weitere  Forschungen  über  die  Mor¬ 
phologie  der  Schwindsuchtsanlage  die  von  den  genannten 
Meistern  geschaffenen  Grundlagen  zu  benutzen  und  womöglich 
zu  dem  hippokratischen  Gesamtbilde  zu  vereinigen  haben. 

Damit  wäre  freilich  nicht  alles  für  die  Bestimmung  der 
angeborenen  Phthisiskonstitution  geschehen.  Neben  der  Mor¬ 
phologie  derselben  müsste  ihre  Physiologie  studiert  werden;  ja 
mir  scheint,  diese  müsse  vor  jener  gegründet  werden,  da  am 
Lebenden  in  jedem  Falle  Funktionsstörungen  leichter  zu  er¬ 
mitteln  und  zu  messen  sind  als  anatomische  Abweichungen,  die 
erst  dann  deutlich  ausgesprochen  zu  sein  pflegen,  wenn  sie  einen 
höheren  Grad  erreicht  haben. 

Ehe  ich  auf  die  physiologische  Seite  der  angeborenen 
Phthisiskonstitution  weiter  eingehe,  darf  ich  die  Bemerkung 
nicht  unterlassen,  dass  ich  bei  allen  ferneren  Auseinandersetz¬ 
ungen  die  Merkmale  der  Lungen  schwindsuchtsanlage  im 
Auge  habe,  dagegen  von  den  Grundlagen  für  den  Ausgang  einer 
tuberkulösen  Infektion  des  Darms,  der  Harnorgane,  der  Lymph- 
drüsen  in  Tabes  mesaraica,  Phthisis  renalis,  tödliche  Meningitis 
u.  s.  w.  zunächst  ganz  absehe.  Es  ist  ja  von  vornherein  durchaus 
nicht  sicher,  ob  die  Anlage  zur  Lungenschwindsucht  mit  der  An¬ 
lage  zur  Darmschwindsucht  u.  s.  w.  übereinstimmt.  Indem  ich 
also  für  mich  das  Feld  der  Untersuchung  begrenze,  verkenne  ich 
nicht,  dass  ich  vielleicht  nur  einen  kleinen  Teil  des  wirklichen 
Arbeitsfeldes  in  Angriff  nehme. 


19.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1377 


Um  ganz  ins  klare  über  die  physiologischen  Ursachen  zu 
kommen,  denen  zufolge  eine  tuberkulöse  Lungeninfektion  unter 
gleichen  äusseien  \  erhältnissen  das  einemal  der  Ausheilung  zu* 
neigt,  das  anderem, al  zur  fortsch reitenden  Schwindsucht  führt, 
und  denen  zufolge  es  in  der  einen  Familie  viel  Heilfälle,  in 
der  anderen  keine  oder  so  g'ut  wie  keine  gibt,  wenn  einmal  die 
I  uberkulose  darin  einheimisch  geworden  ist,  müssten  wir  die 
erhaltenden  organischen  Kräfte  der  Lunge  und  ihrer  Hilfs¬ 
apparate  genauer  kennen,  als  sie  uns  in  Wirklichkeit  bekannt 
sind.  Wir  müssten  die  Regenerationskraft  oder,  was  dasselbe  ist, 
die  physiologische  Breite  der  Wachstumskraft  des  Epithels  und 
des  Bindegewebes  und  des  Muskelgewebes  der  Luftwege  zahlen- 
mässig  darstellen  können ;  wir  müssten  die  Ernährungskräfte  für 
jene  Gewebe  in  der  Grösse  der  Blutzufuhr,  ihren  Stoffwechsel 
in  der  Abfuhr  aus1  \  enen  und  Lymphgefässen  bestimmen  können ; 
wir  müssten  die  Kräfte  der  Atmungsmuskulatur,  vor  allem  die 
der  Inspirationsmuskeln,  anzugeben  vermögen;  wir  müssten 
endlich  die  immunisierenden  Hilfskräfte,  welche  entferntere  Or¬ 
gane  und  Körperprovinzen  in  Gestalt  von  Phagocyten,  Anti¬ 
toxinen  u.  s.  w.  in  Tuberkulosegefahr  zur  Lunge  zu  entsenden 
im  stände  sind,  messen  können. 

Nichts  von  dieser  unabsehbaren  Aufgabe  ist  bisher  gelöst 
oder  auch  nur  in  Angriff  genommen.  Was  die  Physiologie  der 
Atmungsorgane  herausgebracht  hat,  ist  die  Messung  des  Nutz¬ 
effektes  der  Atmung,  wie  sie  sich  in  den  Formen  und  Bewegungen 
der  Brust  und  im  Gaswechsel  der  Lunge  darstellt.  Was  die 
Klinik  von  den  physiologischen  Erkenntnissen  für  ihre  Zwecke 
verwertet  hat,  ist  in  den  Worten  der  Thoralmmetrie,  der  Spiro¬ 
metrie  und  der  Pneumatometrie,  in  den  Leistungen  Hutchin¬ 
sons,  W  intrichs,  Riegel  s,  W  aldenburgs  u.  a.  aus¬ 
gedrückt.  So  bedeutungsvoll  die  genannten  Methoden  und  Ar¬ 
beiten  für  die  Diagnose  der  Krankheiten  der  Lunge  und  der 
Lungentuberkulose  insbesondere  geworden  sind,  nichts  ist  bisher 
für  die  Diagnose  der  Krankheitsanlage  mit  ihnen  gewonnen 
worden. 

Unsere  Frage  wäre  also  diese,  ob  die  vorhin  genannten 
organischen  Kräfte  der  Lunge  direkt  der  Messung  zugän«ig  ge- 

o  O  O  O  O 

macht  werden  können? 


Indem  ich  diese  Frage  erwog,  fand  ich  sie  nach  allen  Rich¬ 
tungen  von  den  grössten  Schwierigkeiten  umlagert.  Weder  für 
die  Wachtumskräfte  der  Atmungsgewebe,  noch  für  die  Grösse 
ihrer  Ernährung,  ihres  Stoffwechsels  und  ihrer  Entgiftung,  noch 
für  das  Mass  der  Hilfsbereitschaft  des  Gesamtorganismus  sah  ich 
die  Möglichkeit  wissenschaftlicher  Messung.  Am  ehesten  schien 
es  mir  möglich,  die  Inspirationskräfte  zu  messen  und  in  ihnen 
einen  indirekten  Wert  für  die  Gradbestimmung  der  Schwind¬ 
suchtsanlage  zu  gewinnen.  Die  Berechtigung,  von  der  Entwick¬ 
lung  der  Thoraxmuskulatur  mit  Vorsicht  auf  die  Widerstands¬ 
kraft  der  Lungen  zu  schli essen,  ging  aus  der  längst  anerkannten 
Bedeutung  der  paralytischen  Thoraxform  für  die  Anwartschaft 
zur  Schwindsucht  hervor.  Vorbilder  für  die  Messung  der  Muskel¬ 


kraft  und  der  Muskelermüdbarkeit  hatte  die  physiologische 
Technik  geliefert. 

In  zweiter  Linie  schien  mir  eine  indirekte  Bestimmung  der 
Lrnährungskräfte  der  Lunge  möglich,  soweit  nämlich  eine 
schwächere  oder  stärkere  Anlage  des  gesamten  Zirkulations¬ 
apparates  einen  vorsichtigen  Schluss  auf  seine  besondere  Leistung 
für  die  Lunge  gestattet.  Das  kleine  Herz,  die  Hypoplasie  der 
Arterien  treten  als  Bestandteile  der  Phthisiskonstitution  ebenso 
deutlich  hervor,  wie  die  verhängnisvolle  Bedeutung  der  Pulmo¬ 
nalarterienstenose  für  den  Verlauf  der  Lungentuberkulose. 

Nach  einigen  vergeblichen  Vorversuchen  ist  es  mir  gelungen, 
die  erste  Aufgabe,  die  Messung  der  Inspirationskräfte,  im  grossen 
und  ganzen  zu  lösen  und  meinem  Zwecke  dienstbar  zu  machen. 
Die  zweite  Aufgabe,  eine  indirekte  Bestimmung  der  Lungen- 
emahrung,  ist  wenigstens  in  Angriff  genommen  und  erscheint 


nur  lösbar. 


Gegenwärtig  berichte  ich  nur  über  die  Messung  der  Kraft 
und  Ausdauer  der  .Inspirationsmuskeln. 

Als  Apparat  dient  ein  Instrument,  welches  ich  vor  6  Jahren 
fertiggestellt  und  bezüglich  seiner  Brauchbarkeit  seitdem  ge¬ 
nügend  erprobt  habe,  um  es  heute  für  eine  allgemeinere  An¬ 
wendung  empfehlen  zu  dürfen.  Anfänglich  hatte  ich  an  der 
Leberwindung  der  elastischen  Kraft  von  Federwagen  die  In  ( 
No.  33. 


spirationskraft  zu  messen  versucht,  muste  aber  die  verfertigten 
Modelle  als  unzweckmässig  verwerfen. 

Das  fhorakodynamometer,  welches  ich  heute  em¬ 
pfehle,  ist  als  Schnellwage  gebaut,  als  eine  Scbnellwage  mit  un¬ 
gleicharmigem  Hebel,  welche  ich,  sozusagen,  auf  den  Kopf  ge¬ 
stellt  habe,  um  statt  der  an  den  Wagebalken  ziehenden 
Schwerkraft  den  Auftrieb  einer  von  unten  her  wirkenden  Druck¬ 
kraft  messen  zu  können.  Es  hat  die  folgende  Gestalt: 


Auf  einem  schweren  Eisenfuas  (f),  der  mit  Rollen  läuft,  er¬ 
hebt  sich  eine  hohle  eiserne  Säule  (s),  in  welcher  mittels  Trieb¬ 
stange  (t)  und  Zahnrad  (r)  der  Wagenhalter  (h)  aufwärts  und  ab¬ 
wärts  gestellt  wird,  damit  die  ganze  Wage  senkrecht  verschoben 
werden  kann.  Die  Wage  hängt  im  |  | förmigen  Wagenhalter  der¬ 

art,  dass  die  Brücke  (b)  auf  einer  Schneide  banlanciert  und  mittels 
einer  zweiten  Schneide  den  Hebel  (w)  trägt,  der  sich  zugleich  auf 
das  kurze  Brückenende  stützt.  Am  langen  Brückenende  ist  eine 
Skala  angebracht,  auf  welcher  ein  verschiebbares  Laufgewicht  (I) 
je  nach  seiner  Stellung  eine  verschiedene  Belastung  der  Wage  er¬ 
zeugt.  Der  Hebel  (w)  trägt  am  freien  Ende  eine  abwärts  gehende 
Stange,  an  die  unten  mittels  eines  Kugelgelenkes  eine  runde  Platte 
(p)  befestigt  ist.  Letztere  nimmt  die  Bewegungen  des  Brustbeins, 
der  horizontal  auf  festem  Tisch  liegenden  Versuchsperson  auf  und 
überträgt  die  Bewegung  mit  einer  der  Muskelanstrengung  ent¬ 
sprechenden  Kraft  auf  die  ganze  Wage.  Diese  Kraftwirkung  wird 
durch  Verschiebung  des  Laufgewichtes  ausgeglichen  und  so  ge¬ 
messen. 

Bei  der  Ausführung  der  Messung  ist  es  nötig,  dass  die  Platte 
(p)  genau  auf  die  Mitte  des  Brustbeins  während  der  Ruhelage  des 
Thorax  gesetzt  wird;  zu  dem  Zweck  war  die  Triebvorrichtung  an 
der  Säule  nötig  und  zugleich  eine  (in  der  Figur  nicht  gezeichnete) 
Hemmung  daran  erforderlich,  durch  welche  die. Kurbel  festgestellt 
werden  kann.  Da  es  sich  darum  handelt,  die  maximale  Leistung 
der  Brustatmung  zu  messen  und  ebenfalls  die  Ermüdbarkeit  zu  be¬ 
stimmen,  so  muss  die  Versuchsperson  mit  aller  Kraft  in  ruhigem 
Tempo  möglichst  tiefe  Atemzüge  tun  und  diese  so  lange  sie  kann 
fortsetzen.  Der  Beobachter  hat  darauf  zu  achten,  dass  die 
Atmung  allein  von  der  Brustmuskulatur  und  dem  Zwerchfell,  ohne 
Zuhilfenahme  der  Schultermuskeln  und  der  Lendenmuskeln  ge¬ 
schieht,  sofort  also  den  Versuch  zu  unterbrechen,  wenn  die  Ver¬ 
suchsperson  anfängt,  sich  auf  die  Ellenbogen  oder  Schulterblätter 
zu  stützen  und  das  Becken  zu  bewegen;  er  würde  sonst  eine 
Muskelkraft  mitmessen,  die  nur  in  besonderen  Zwangslagen  und  in 
durchaus  pathologischen  Fällen  die  Einatmung  unterstützt. 

Was  nun  die  Auslegung  der  gewonnenen  Zahlenwerte  an- 
geht,  so  ist  selbstverständlich  zunächst  nicht  zu  vergessen,  dass, 
was  mit  dem  Thorakodynamometer  gemessen  wird,  in  Wirklich¬ 
keit  nicht  die  ganze  Kraft  der  Inspirationsmuskulatur  ist,  son¬ 
dern  nur  der  Teil,  welcher  nach  Ueberwindung  der  natürlichen 
Widerstände  für  die  Inspirationsmuskeln  —  Schwere  des  Brust¬ 
korbes,  Elastizität  der  Lunge,  Differenz  zwischen  äusserem  Luft¬ 
druck  und  jeweiligem  Binnendruck  in  der  Lunge,  Reibung  der 
Luft  in.  der  Zuleitung  —  noch  übrig  bleibt;  er  gibt  mit  anderen 
Worten  nur  die  sogen.  Reservekraft  der  Inspirationsmuskulatur 
an,  welche  sich  zusammensetzt  aus  dem  unverbrauchten  Kraft¬ 
vorrat  der  gewöhnlichen  Einatmungsmuskeln  und  aus  der  Kraft 

3 


1378 

der  Hilf  smusk  ein,  soweit  diese  bei  gesteigerter  Atmungs¬ 
anstrengung  in  natürlichen  Verhältnissen  in  Aktion  treten. 

Man  muss  sich  auch,  damit  nicht  jeder  Minderwert  der 
äusseren  Leistung  als  Abnahme  der  Inspirationskraft  gedeutet 
werde,  bewusst  bleiben,  dass  die  Reservekraft  durch  eine  Zu¬ 
nahme  der  inneren  Widerstände,  wie  sie  z.  13.  bei  pleuialen  Ver 
wachsungen,  bei  Thoraxstarre  u.  s.  w.  gegeben  wird,  verbraucht 
oder  beeinträchtigt  werden  kann.  Es  wird  also  nötig  sein,  vor 
Anstellung  der  Messung  sich  zu  überzeugen,  dass  die  Tliorax- 
bewegungen  bei  der  Atmung  ausgiebig  erfolgen,  dass  die  Lungen¬ 
ränder  frei  in  den  Komplementärräumen  bewegt  werden  (pro¬ 
gressiver  und  regressiver  Schallwechsel),  dass  keine  Schmerz¬ 
empfindung  die  Versuchsperson  an  der  freien  Entfaltung  der 
Inspirationskraft  hindert  u.  s.  w.  Kurz,  man  darf  die  Versuche 
nicht  kritiklos  anstellen  und  nicht  leichtsinnig  verwerten. 

Das  Thorakodynamometer  gestattet  also  die  Messung  der 
maximalen  Reservekraft,  die  bei  einmaliger  Inspiration  auf¬ 
gebracht  werden  kann,  und  die  Darstellung  der  Arbeitskuive 
bezw.  Ermüdungskurve,  die  sich  in  der  Reihe  wiederholter  maxi¬ 
maler  Respirationen  bei  maximaler  Belastung  oder  bei  bestimmter 
Belastung  darstellt. 

Es  handelt  sich  nun  zunächst  darum,  grundlegende  Werte 
für  die  Inspirationskraft  an  Gesunden  verschiedenen  Geschlechts, 
verschiedener  Altersstufen,  verschiedener  Berufe  zu  gewinnen. 
Diesen  Grundwerten  sind  die  Werte  bei  Menschen  mit  aus¬ 
gesprochener  oder  nur  angedeuteter  Schwindsuchtsanlage  gegen¬ 
über  zu  stellen.  Zuvor  müsste  man  sich  über  die  Merkmale  der 
angeborenen  Schwindsuchtsanlage  einigen.  —  Zur  Vollständigkeit 
eines  Urteils  wären  dann  noch  Bestimmungen  an  Menscheii  mit 
beginnender  Tuberkulose  ohne  ausgesprochene  oder  vermutliche 
Schwindsuchtsanlage  und  endlich  Bestimmungen  an  bereits 
Schwindsüchtigen  unerlässlich. 

Alle  diese  Aufgaben  sind  gelöst  worden  und  das  Ergebnis  der 
auf  sie  Bezug  habenden  Untersuchungen  soll  in  einer  ausführ¬ 
lichen  Darstellung  anderwärts  mitgeteilt  werden.  Hier  gebe  ich 
nur  die  Grundwerte  für  den  gesunden  Erwachsenen  männlichen 
Geschlechts,  wie  sie  an  Soldaten  gewonnen  worden  sind,  und  eine 
Reihe  von  Messungen  an  jungen  Männern,  die  noch  keine  Zeichen 
der  Tuberkulose,  aber  die  ausgesprochene  Körperbeschaffenheit 
der  „Schwindsuchtsanlage“,  welche  nicht  mit  dem  Habitus 
phthisicorum  zusammengeworfen  werden  darf,  darboten. 

Die  Grösse  der  Einatmungskraft  bei  ge¬ 
sunden  jungen  Männern  im  Alter  von  19  bis 
25  Jahren  beträgt  32  bis  46  kg  für  die  einmalige 
maximale  Leistung,  30  bis  44  kg  für  die 
dauernde  Kraft,  welche  nach  einiger  Uebung 
etwa  10  mal  oder  20  mal  hintereinander  auf¬ 
gebracht  werden  kann.  Die  beiden  W erte  unterscheiden 
sich  beim  einzelnen  von  0  bis  6  kg.  Diese  Zahlen  sind  die  Grenz¬ 
werte,  welche  bei  45  Soldaten  des  Infanterieregiments  Kaiser 
Wilhelm  No.  116  in  Giessen  mit  freundlicher  Erlaubnis  des  Ba¬ 
taillonskommandeurs  Freiherrn  v.  S  t  ö  s  s  1  gewonnen  worden 
sind.  Die  Körperlänge  jener  zum  grössten  Teil  ausgewachsenen 
jungen  Leute,  welche  Vs  bis  1*4  Jahre  im  Dienst  standen,  war 
zwischen  161,5  bis  174  cm,  ihr  Körpergewicht  zwischen  118  und 
165  Pfund;  die  Druckkraft  ihrer  rechten  Hand 
betrug  25  bis  44  k  g,  als  Durchschnittswert  von  5  Mes¬ 
sungen  an  der  geübten  Hand. 

Ein  bestimmtes  Verhältnis  zwischen  Brustkraft  und  Körper- 
länge  oder  Körpergewicht  oder  Händekraft  war  nicht  aus¬ 
gesprochen. 

Immerhin  erwies  sich  ein  bedeutender  Minderwert  der  Brust¬ 
kraft  gegenüber  der  Händekraft  als  wichtig.  Bei  zwei  Soldaten 
hatte  das  Dynamometer  für  die  Hände  gute,  ja  hohe  Werte  er¬ 
geben,  nämlich  31  und  44  kg;  die  maximale  und  ausdauernde 
Brustkraft  war  auffallend  gering:  28  und  25  bezw.  30  und  24  kg. 
Bei  dem  einen  ergab  die  weitere  Untersuchung  eine  massige 
Dämpfung  über  der  rechten  Lungenspitze  und  scharfes  Pleura¬ 
reiben  über  der  linken;  der  Patient  hatte  vor  4  Jahren  eine 
rechtsseitige  Lungenrippenfellentzündung  überstanden;  in  den 
nächsten  Monaten  nach  der  in  Rede  stehenden  Untersuchung 
bildete  sich  bei  ihm  ein  beiderseitiger  Spitzenkatarrh  aus;  sein 
Auswurf  enthielt  Tuberkelbazillen;  er  wurde  als  Invalide  ent- 


No.  33. 


lassen.  Bei  dem  anderen  wurde  eine  bedeutende  Hypertrophie 
beider  Gaumenmandeln,  ein  chronischer  Rachenkatarrh  und  eine 
seit  mehreren  Jahren  bestehende  Neigung  zu  Brustkatarrhen 
festgestellt.  Selbstverständlich  sind  diese  beiden  Soldaten  in  die 
Liste  der  Gesunden  nicht  aufgenommen  worden. 

Ein  Missverhältnis  zwischen  Händekraft  und  Brustkraft 
zu  Ungunsten  der  letzteren  wurde  weiterhin  bei  zahlreichen 
männlichen  Patienten  der  Klinik  und  Poliklinik  (ebenfalls  im 
Alter  von  19  bis  25  Jahren)  gefunden,  welche  wegen  Lungen¬ 
spitzenkatarrhen,  Pleuraerkrankungen,  Bronchialkatarrhen  u.s.w. 
in  Behandlung  standen.  Wiesen  dieselben  einen  kräftigen 
Körperbau  und  eine  gute  Ernährung  auf,  waren  sie  frei  von 
Fieber  und  Dyspnoe,  so  nahm  das  Missverhältnis  keine  bedeu¬ 
tenden,  oft  nicht  einmal  deutliche  Grade  an.  Sobald  aber 
Fieber,  Dyspnoe,  erhebliche  Lungenveränderungen  u.  s.  w.  be¬ 
standen,  nahm  die  Inspirationskraft  recht  bedeutend  ab.  Bei 
der  Phthisis  declarata  betrug  sie  sogar  nur  wenige  Kilogramme, 
12,  10,  ja  nur  4  oder  3  kg. 

Sehe  ich  von  diesen  ohne  weiteres  verständlichen  Fällen  ab, 
in  denen  eine  allgemeine  Entkräftung  oder  eine  ausserordentliche 
Inanspruchnahme  der  Einatmungskraft  durch  innere  Hinder¬ 
nisse  die  Reservekraft  der  Brustmuskeln  beeinträchtigte,  so  fand 
ich  die  auffallendste  Herabsetzung  der  Brustkraft  bei  jungen 
Männern,  welche  eine  schwache  Anlage  des  Gefässystems,  die 
paralytische  Form  des  Thorax  und  einen  zarten,  kleinen  Körpei- 
bau  oder  im  Gegenteil  eine  auffallende  Körperlänge,  die  um  die 
Zeit  der  Geschlechtsreife  rasch  und  oft  vorschnell  sich  entwickelt 
hatte,  kurz  also  die  seit  Alters  her  bekannte  „Schwindsuchts¬ 
anlage“  zeigten.  Ich  habe  bisher  23  dieser  jungen  Leute  im 
Alter  von  17  bis  24  Jahren  untersucht.  Von  denselben  sind 
16  als  gesund  zu  bezeichnen,  insoferne  sie  keine  Organverände¬ 
rungen  hatten,  insbesondere  durchaus  keine  nachweisbaren  quali¬ 
tativen  Veränderungen  am  Atmungsapparat  von  der  Nase  bis  zur 
Lunge  und  Pleura  oder  am  Drüsenapparat;  sie  waren  meistens 
wegen  „Blutarmut“  in  die  Klinik  geschickt  worden  oder  mit  der 
Klage  über  Herzklopfen,  Schwäche  u.  dergl.  gekommen.  Die 
Druckkraft  ihrer  Hände  betrug  18—39  kg;  die  maximale  Kraft 
ihrer  Einatmungsmuskeln  22—33  kg;  die  ausdauernde  Brust¬ 
kraft  nur  18 — 26  kg.  Sie  alle  zeigten  eine  zurückgebliebene 
Herzen twicklung,  indem  der  Herzstoss  sich  entweder  in  der 
linken  Parasternallinie  oder  nur  wenig  nach  auswärts  davon, 
in  2  Fällen  sogar  einen  Finger  breit  einwärts  von  der  genannten 
Linie  befand. 

Bei  7  anderen  jener  jungen  „Schwindsuchtskandidaten“ 
waren  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  Zeichen  des  chronischen 
Bronchialkatarrhs  oder  der  Lungenspitzenerkrankung  nachweis¬ 
bar;  4  von  ihnen  hatten  eine  oder  mehrere  Lungenblutungen  ge¬ 
habt;  von  2  wurde  tuberkelbazillenhaltiger  Auswurf  erhalten. 
Die  Druckkraft  ihrer  Hände  betrug  23 — 28  Kilogramm;  die 
maximale  Einatmungskraft  19 — 31,  die  ausdauernde  Einatmungs¬ 
kraft  17 — 24  Kilogramm. 

Nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  glaube  ich  den  Satz 
vertreten  zu  können,  dass  wir  in  einer  erheblichen  Verminderung 
der  Reservekraft  der  Inspirationsmuskulatur  ein  Zeichen  der 
Körperanlage  haben,  welche  von  alters  her  als  Schwindsuchts¬ 
anlage  mit  Recht  gilt,  und  dass  sich  für  diese  Anlage  eine  un¬ 
gefähre  Zahlengrösse  mit  Hilfe  des  Tliorakodynamoineters  geben 
lässt,  vorausgesetzt,  dass  keine  qualitativen  Veränderungen  am 
Respirationsapparat  die  Dynamometerwerte  beeinflussen. 

Auf  Grund  meiner  vorläufigen  Angaben  wird  es  möglich  sein, 
beim  Aushebungsgeschäft,  bei  Urteilen,  welche  die  Berufswahl 
betreffen  u.s.w.,  mit  grösserer  Sicherheit  als  bisher  die  Anwalt¬ 
schaft  auf  Schwindsucht  zu  erkennen  und  zu  bezeichnen.  Auf 
Grund  derselben  wird  es  ferner  möglich  sein,  mit  einiger  Be¬ 
stimmtheit  die  schonungsbedürftigen  Phthisiker  von  den  der 
Uebung  bedürftigen  Tuberkulösen  zu  sondern  und  also  das 
System  aufzuheben,  welches  in  der  Therapie  der  Tuberkulösen 
die  „Liegekur“  ohne  Wahl  für  alle  empfiehlt. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


19.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1379 


Aus  dem  pathologischen  Institut  des  Dresdener  Stadtkranken¬ 
hauses  Friedrichstadt. 

Zur  Frage  der  Genese  der  Lungentuberkulose. 

Y on  Dr.  Georg  Schmor  1. 

In  zwei  neuerdings  erschienenen  Arbeiten  hat  Ribbert1) 
die  Ansicht  vertreten,  dass  die  Lungentuberkulose  nicht,  wie  bis¬ 
her  fast  allgemein  angenommen  wurde,  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
durch  direkte  Inhalation  von  Tuberkelbazillen,  sondern  durch 
Infektion  vom  Blutstrom  her  entsteht.  Diese  bereits  früher  von 
B  aumgarten,  V  o  1 1  a  n  d  und  Aufrecht  geäusserte  An¬ 
schauung  hat  sich  bisher  allgemeinerer  Anerkennung  nicht  zu 
erfreuen  gehabt,  da  sie  teils  der  praktischen  Erfahrung  nicht 
zu  entsprechen  schien,  und  andererseits  sich  vorwiegend  nur  auf 
theoretische  Erwägungen  stützte.  Ribbert  sucht  nun  diese 
Theorie  durch  Verwertung  pathologisch-anatomischer  Beobach¬ 
tungen  auf  eine  breitere  und  gesichertere  Basis  zu  stellen.  Er 
stützt  sich  bei  seiner  Beweisführung  vorwiegend  darauf,  dass 
der  Lungenerkrankung  fast  ausnahmslos  eine  ältere  Erkrankung, 
insbesondere  der  bronchialen  Lymplidrüsen,  vorausgeht,  dass  die 
hämatogene  Infektion  die  Lungenspitze  ausgesprochen  bevor¬ 
zugt,  dass  die  miliare  Eruption  und  die  gewöhnliche  Lungen- 
phtliise  durch  alle  Uebergänge  miteinander  Zusammenhängen, 
dass  es  ferner  unzweifelhaft  eine  sekundäre,  von  der  Spitze  aus¬ 
gehende  Tuberkulose  beim  Menschen  gibt,  dass  im  Experiment 
(v.  Baumgarte  n)  diese  Entstehungsmöglichkeit  bewiesen 
wurde,  und  dass  die  Genese  der  Spitzenaffektion  durch  direkte 
Festsetzung  der  Bazillen  zwar  gewiss  möglich,  aber  keineswegs 
bewiesen  und  durch  den  Versuch  nicht  ausreichend  gestützt  wird. 
Ribbert  verkennt  dabei  freilich  nicht,  dass  eine  völlig  exakte 
Beweisführung  nicht  möglich  ist,  und  hält  weitere  Forschungen 
zur  Klärung  der  in  Rede  stehenden  Frage  für  dringend  nötig. 

Da  ich  mich  seit  längerer  Zeit  eingehend  mit  der  Frage  der 
beginnenden  Lun  gent u b e r k u  1  o s e  beschäftigt  und  auch  in  Betreff 
anderer  in  der  R  i  b  b  e  r  t  sehen  Arbeit  berührter  Fragen  seit 
Jahren  systematische  Untersuchungen  angestellt  habe,  so  glaube 
ich  nicht  nur  berechtigt,  sondern  sogar  verpflichtet  zu  sein,  mich 
gegenüber  den  Ribbert  sehen  Ausführungen  zu  äussem  und 
dies  um  so  mehr,  als  ich  bereits  in  einer  kurzen  Diskussions¬ 
bemerkung2)  dazu  Stellung  genommen  habe. 

Um  den  Standpunkt,  den  ich  in  der  in  Rede  stehenden  Frage 
einnehme,  von  vornherein  zu  kennzeichnen  und  um  Missver¬ 
ständnisse  zu  vermeiden,  möchte  ich  gleich  hier  bemerken,  dass 
ich  das  Vorkommen  einer  durch  hämatogene  Infektion  bedingten 
Lungentuberkulose  bezw.  Lungenschwindsucht.keineswegs  in  Ab¬ 
rede  stelle,  dass  ich  aber  für  die  grosse  Mehrzahl  der  Fälle  diesem 
Infektionsmodus  gegenüber  der  aerogenen  Infektion  eine  grös¬ 
sere  Bedeutung  nicht  einzuräumen  im  stände  bin. 

Da  Ribbert  bei  seiner  Beweisführung  von  den  von  ihm 
bei  Miliartuberkulosen  gemachten  Erfahrungen  ausgeht,  so 
dürfte  es  sich  empfehlen,  mit  der  Kritik  hier  einzusetzen.  Es 
liegt  mir  fern,  die  Frage  der  akuten  Miliartuberkulose,  in  der 
sieh  die  Ansichten  Ribberts  und  W  eigerts  ziemlich 
schroff  gegenüberstehen,  hier  in  allen  Einzelheiten  aufzurollen; 
ich  will  vielmehr  nur  die  Punkte  berühren,  welche  von  Ribbert 
als  bedeutungsvoll  für  die  Genese  der  Lungentuberkulose  heran¬ 
gezogen  worden  sind. 

Hier  muss  ich  an  erster  Stelle  hervorheben,  dass  ich  auf 
Grund  eines  Beobachtungsmaterials,  welches  an  Reichlichkeit 
sämtliche  bisher  gemachten  Angaben  weit  hinter  sich  lässt,  mich 
bezüglich  der  Pathogenese  der  allgemeinen  akuten  Miliartuber¬ 
kulose  vollständig  auf  Seite  der  von  Weigert  begründeten 
Lehre  stellen  muss.  Ich  habe  in  den  letzten  7  Jahren  jeden  mir 
am  Sektionstisch  unter  die  Augen  gekommenen  Fall  von  akuter 
Miliartuberkulose  aufs  genaueste  untersucht  und  immer  und 
immer  wieder  die  Tatsache  bestätigt  gefunden,  dass  bei  dieser 
Krankheit  der  von  Weigert  postulierte  grosse  käsige,  in  Er¬ 
weichung  begriffene  bezw.  erweichte,  in  grösseren  Venen-,  Ar¬ 
terien-  (Aorta-)  oder  Lympligefässen  (Ductus  thoracicus  und 
seine  Aeste)  sitzende  Herd  bei  genauester  Untersuchung  so  gut 

b  Universitätsprogramm  1900,  Marburg:  Ueber  die  Aus¬ 
breitung  der  Tuberberkulose  im  Körper.  Deutsche  med.  Wochen- 
schr.  1902,  No.  17:  Ueber  die  Genese  der  Lungentuberkulose. 

2)  Verband!,  der  Deutsch,  patholog.  Gesellsch.  1.901,  p.  SO — 82. 


wie  nie  vermisst  wird.  123  Fälle 3)  von  akuter  allgemeiner 
Miliartuberkulose  sind  in  dem  genannten  Zeitraum  von  mir 
untersucht  worden  und  davon  habe  ich  in  117  Fällen,  also  in 
rund  95  Proz.,  einen  bezw.  mehrere  grosse  Gefässherde  nacli- 
weisen  können,  welche  in  jeder  Hinsicht  den  von  Weigert, 
II  a  n  a  u  u.  a.  gestellten  Anforderungen  gerecht  wurden.  Rechne 
ich  hierzu  noch  2  Fälle,  bei  denen  zwar  ein  grösserer  Gefässherd 
nicht  gefunden  wurde,  bei  denen  aber  in  verkästen  und  erweich¬ 
ten  Lymphdrüsen  der  Einbruch  ausserordentlich  zahlreicher 
Bazillen  in  kleinste  Venen  und  Arterien  nachweisbar  war 
(Koch-Bergha  m  m  e  r  sehe  Einbruchshorde,  welche  aber 
nach  meinem  Dafürhalten  nicht  einwandsfrei  als  Ursache  der 
massenhaften  Tuberkeleruption  angesehen  werden  können),  so 
steigt  die  Prozentzahl  auf  96,7 ;  es  ist  dies  ein  Prozentsatz  von 
positiven  Fällen,  der  bisher  von  keiner  Statistik  erreicht  wor¬ 
den  ist  und  niemand,  dem  der  grosse  Aufwand  an  Mühe,  Arbeit 
und  Zeit,  den  solche  Untersuchungen  häufig  verursachen,  be¬ 
kannt  ist,  wird  billiger  Weise  mehr  verlangen  können.  Dabei 
möchte  ich  ausdrücklich  hervorheben,  dass  es  sich  dabei  nicht 
etwa  um  ausgesuchte  Fälle  im  Benda  sehen  Sinn 4)  oder  um 
solche,  bei  denen  schon  intra  vitam  die  Diagnose  auf  akute 
Miliartuberkulose  gestellt  war,  und  bei  denen  nach  Benda 
fast  stets  ein  grösserer  Einbruchsherd  gefunden  wird,  handelt, 
sondern  es  wurde  bei  jedem  Fall,  der  nach  den  von  Wei¬ 
gert  auf  ge  stellten  Kriterien5)  der  akuten  all¬ 
gemeinen  Miliartuberkulose  zugezählt  wer¬ 
den  musste,  nach  dem  spezifischen  Einbruchsherd  gesucht. 


Sitz  des  Einbruchs¬ 
herdes 

in  Fällen 

Bemerkungen 

Ductus  thoracicus  .  .  . 

50 

davon  in  3  Fällen  in  einem  grossen 
auf  der  linken  Seite  der  Wirbel- 

säule  verlaufenden  Nebenast. 

Lungenvenen  . 

39 

in  5  Fällen  erweichte  tuberkulöse  Auf¬ 
lagerung  auf  atheromatösen  Ge- 
sclvwüren, 

in  1  Fall  Durchbruch  einer  erweichten 
tuberkulösen  Lymphdrüse  in  den 
Aortenbogen , 

in  1  Fall  Durchbruch  einer  Lungen¬ 
kaverne  in  die  Aorta  thoracica. 

Aorta . 

7 

Venae  jugularis  intr.  . 

4 

Venae  spermaticae  .  . 

3 

Tub.  Perikarditis  sekund.  Myokarditis 

Rechtes  Herz . 

3 

Azygos . 

3 

und  Endokarditis. 

Lungenarterie . 

2 

Iiugeninsche  Form  des  Einbruchs 

Vena  saphena  . 

1 

Vena  axillaris . 

1 

Vena  renalia . 

1 

Vena  suprarenalis  .  .  . 

1 

Sinus  transversus  .  .  . 

1 

Vena  anonyma  .... 

1 

Ich  glaube  diesen  Punkt  besonders  betonen  zu  müssen,  weil 
Ribbert  bei  Kritisirung  °)  der  von  W  e  i  g  e  r  t  bezüglich  der 
Pathogenese  der  akuten  Miliartuberkulose  aufgestellten  Theorie, 
die  einzelnen  von  Weigert  gut  gekennzeichneten  Formen  der 
Miliartuberkulose  nicht  genügend  scharf  auseinanderhält  und  zu 
wenig  berücksichtigt,  dass  W  ei  gert  seine  Theorie  nur  für  eine 
besondere  Gruppe  dieser  Erkrankung,  die  allgemeine  akute 
Miliartuberkulose,  welche  durch  bestimmte  pathologisch-ana¬ 
tomische  Merkmale  charakterisiert  ist,  aufgestellt  hat.  Dass  bei 
einer  solchen  Art  der  Kritik  ein  für  die  Weigert  sehe  Theorie 
ungünstiges  Resultat  sich  ergeben  muss,  ist  auf  der  Hand 
liegend.  Es  ist  nun  allerdings  zuzugeben  —  und  W  e  i  g  e  r  t  hat 
selbst  auf  diesen  Punkt  hingewiesen  — ,  dass  Uebergänge  der 
einzelnen  Formen  ineinander  und  Kombinationen  Vorkommen; 
dieselben  sind  aber  nach  meinen  Erfahrungen  nicht  so  häufig  und 

3)  Sämtliche  Fälle  sind  von  mir  in  den  allsonnabendlich  vor 
den  Aerzten  der  Stadt  Dresden  stattfindenden  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Demonstrationen  demonstriert  worden. 

4)  Ergebnisse  der  allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen 

Anatomie,  Jalu'g.  1899. 

6)  Virch.  Arch.  Bd.  88. 

6)  Universitätsprogramm. 

7)  Virch.  Arch.  Bd.  S8. 

3* 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  33. 


1380 


für  den  geübten  und  erfahrenen  Untersucher  so  schwer  zu  be¬ 
urteilen,  dass  ernstliche  Schwierigkeiten  bei  der  Klassifizierung 
entstehen  könnten.  Ich  habe  übrigens  überall  da,  wo  nach  dem 
anatomischen  Bild  Schwierigkeiten  in  der  Klassifizierung  auf¬ 
tauchten,  diese  Fälle  bei  meiner  Statistik  der  allgemeinen  akuten 
Miliartuberkulose  zugezählt  und  nach  grösseren  Gefässherden 
und  zwar  meist  mit  gutem  Erfolg  gesucht. 

Bezüglich  der  Beurteilung  der  Einbruchsherde  habe  ich  mich 
ebenfalls  streng  an  die  von  Weigert,  Hanau,  B  e  nd  a  u.  a. 
aufgestellten  Kriterien  gehalten,  die  meines  Erachtens  allen  An¬ 
forderungen,  die  man  an  sie  stellen  muss,  entsprechen,  ins¬ 
besondere  sei  hervorgehoben,  dass  von  mir  nur  solche  Gef  ässherde 
in  ursächliche  Beziehung  zur  Miliartuberkulose  gesetzt  worden 
sind,  welche  durch  ihre  Grösse  auch  die  Gewähr  boten,  dass  sic 
sicher  um  vieles  früher  als  die  in  den  Organen  vorhandenen 
Knötchen  entstanden  waren.  Die  Einwände,  welche  R  i  b  b  e  r  t 
gegen  die  ursächliche  Bedeutung  solcher  Herde  erhoben  hat,  sind 
bereits  von  Weigert,  Ben  d  a  und  Cornet  beleuchtet  und 
zurückgewiesen  worden.  Ich  möchte  hier  nur  einen  Versuch  an¬ 
führen,  durch  welchen  die  neuerdings  von  R  i  b  b  e  r  t  an  den 
Benda  sehen  und  Cornet  sehen  Ausführungen  gemachten 
Ausstellungen  entkräftet  werden. 

Bekanntlich  findet  man  bei  manchen  Fällen  von  Miliartuber¬ 
kulose  mehrfache  grosse,  käsige  Herde  im  Venensystem  oder  im 
Ductus  thoracicus  (hier  neben  einem  oder  zwei  grossen  oft  zahl¬ 
reiche  kleine).  Untersucht  man  diese  Herde  nun  in  der  Weise, 
dass  man  sie  vorsichtig  mit  der  Messerspitze,  oder  was  mehr  zu 
empfehlen  ist,  mit  einer  nicht  allzu  feinen  Nadel  vorsichtig  an¬ 
sticht,  so  wird  man  mitunter  auf  einen  Herd  stossen,  an  dem  aus 
der  Stichöffnung  ein  Tropfen  einer  milchweiss  gefärbten  Flüssig¬ 
keit  —  der  erweichte  Inhalt  des  Käseherdes  —  hervorquillt.  Da 
das  Hervorquellen  spontan  erfolgt,  ohne  dass  man  auf  den  Herd 
einen  Druck  ausübt,  so  ergibt  sich,  dass  er  erweichte  Inhalt  uhter 
einem  gewissen  Druck  stand.  Ueberträgt  man  nun  den  Inhalt 
des  Erweichungsherdes  vorsichtig  in  Wasser,  so  bemerkt  man, 
dass  er  sich  bei  ganz  leichtem  Schütteln  gleichmässig  verteilt,  wo¬ 
bei  je  nach  der  Grösse  des  verwandten  Materials  und  der  Menge 
des  Wassers  eine  mehr  oderminderstarkeTrübuugeintritt,  olme  dass 
meist  gröbere,  mit  dem  blossen  Auge  sichbare  Bröckel  sich  bemerk¬ 
bar  machten.  Es  besteht  demnach  der  Inhalt  des  Gefässherdes 
keineswegs  aus  kohärenten  Massen,  sondern  tatsächlich  aus  einem 
Brei,  der  die  geeignetste  Beschaffenheit  für  eine  feine  und  gleicli- 
mässige  Verteilung  der  in  ihm  enthaltenen  Bazillen  im  Blutstrom 
besitzt.  Dass  die  Bazillen  tatsächlich  nicht,  wie  II  i  b  b  e  r  t  an¬ 
nimmt,  in  Gewebs-  und  Iväsebröckchen  eingeschlossen  sind,  geht 
aus  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  in  Wasser  hergestellten 
Suspension  der  erweichten  Massen  hervor;  denn  untersucht  man 
ein  Tröpfchen  davon  mikroskopisch,  so  sieht  man,  dass  die  Bazillen 
teils  einzeln,  teils  zu  zweien  und  dreien,  viel  seltener  und  nur 
ausnahmsweise  in  kleinen  Klümpchen  zusammenliegen,  dabei 
überzeugt  man  sich  aber  auch  von  dem  geradezu  enormen  Bazillen¬ 
reichtum  solcher  erweichten  Massen  und  versteht  ohne  weiteres 
die  furchtbare  Katastrophe,  welche  das  Platzen  eines  solchen  Ge¬ 
fässherdes  und  die  Entleerung  seines  Inhaltes  in  die  Blutbalm  für 
den  Gesamtorganismus  nach  sich  ziehen  muss.  Dabei  ist  noch  zu 
berücksichtigen,  dass  bei  dem  Anstechen  des  Herdes  nur  ein  Teil 
und  wahrscheinlich  der  kleinere  Teil  der  Bazillen,  die  er  in  sich 
birgt,  entleert  wird.  Denn  untersucht  man  den  zurückbleibenden 
Teil  des  Herdes  mikroskopisch,  so  bemerkt  man,  dass  die  Innen- 
fiäche  der  Höhle  mit  einem  mehr  oder  minder  dicken  Bazillenrasen 
austapeziert  ist.  Platzt  ein  solcher  Herd  während  des  Lebens,  so 
können  die  der  Wand  anhaftenden  Bazillen  durch  den  in  ihn  ein¬ 
dringenden  Blutstrom  mehr  oder  minder  vollständig  ausgespült 
werden;  es  kann  aber  auch  dadurch,  dass  das  in  die  Höhle  ein¬ 
dringende  Blut  gerinnt,  bezw.  Thrombenbildung  eintritt,  ein  Foi't- 
spiilen  der  noch  vorhandenen  Bazillen  verhindert  werden,  wobei 
eine  nachträgliche  Vermehrung  der  zurückgebliebenen  Bazillen 
nicht  unwahrscheinlich  ist.  Je  nachdem  der  eine  oder  der  andere 
Vorgang  sich  vollzieht,  wird  natürlich  nach  dem  Tode  der  Bazillen¬ 
gehalt  der  grösseren  Gefässherde  ein  verschiedener  sein.  Der 
Einwand,  dass  die  eben  besprochene  Erweichung  und  breiartige 
Verflüssigung  des  Inhalts  eines  Gefässherdes  nur  ausnahmsweise 
vorkomme,  ist  nach  meinen  Erfahrungen  nicht  stichhaltig.  In 
grösseren  Venenherden  bekommt  man  allerdings  bei  der  Sektion 
einen  solchen  Erweichungszustand  nur  selten  zu  Gesicht,  weil 
grössere  Venentuberkel  doch  nur  selten  in  mehrfachen  Exem¬ 
plaren  Vorkommen  und  zur  Zeit  des  Todes  entweder  ihren  Inhalt 
bereits  entleert  oder  doch  nicht  den  nötigen  Grad  der  Erweichung 
erreicht  haben;  häufiger  trifft  man  jedoch  bei  der  Sektion  im 
1  »uctus  thoracicus  neben  älteren  tuberkulösen  Herden  auf  meist 
klappenständige,  bis  stecknadelkopfgrosse,  weiss  bis  gelbweiss  ge¬ 
färbte.  kugelförmige  Gebilde,  welche  im  Zentrum  einen  Hohlraum 
enthalten,  aus  dem  sich  beim  Anstechen  oder  Aufschneiden  ein 
breiiger,  enorm  bazillenreicher  Inhalt  entleert. 

R  i  b  b  e  r  t  setzt  an  Stelle  des  nach  der  W  e  i  g  e  r  t  sehen 
Lehre  notwendigen  grossen  Gefässherdes  unzählige  kleine,  welche 
erst  nach  und  nach  zur  Entstehung  kommen,  und  nimmt  an,  dass 


dementsprechend  auch  die  in  den  Lungen  und  den  übrigen 
Organen  sich  findenden  miliaren  Tuberkel  nicht  gleichzeitig,  wie 
es  die  IV  e  i  g  e  r  t  sehe  Theorie  lehrt,  sondern  nacheinander  ent¬ 
stehen.  An  dem  tatsächlichen  Vorkommen  solch  mikroskopisch 
kleiner  Gefässtuberkel  und  bazillenhaltiger  Thromben  ist  nicht 
zu  zweifeln,  sie  sind  in.  E.  mit  den  von  Mü  g"ges)  und  Orth), 
sowie  von  W  e  i  g  e  r  t  schon  vor  längerer  Zeit  beschriebenen, 
in  kleinen,  allerdings  noch  makroskopisch  nachweisbaren  Ge¬ 
fässen  gefundenen  Intimatuberkeln  auf  eine  Stufe  zu  stellen. 
Ob  sie  bei  der  akuten  allgemeinen  Miliartuberkulose  direkt  da¬ 
durch  entstehen,  dass  die  mit  dem  Blutstrom  zugeführten  Ba¬ 
zillen  sich  auf  bezw.  in  der  Gefässwand  ansiedeln,  was  nach 
meinen  Erfahrungen,  die  mit  den  von  Weigert,  Miigge 
und  Orth  gemachten  in  dieser  Hinsicht  übereinstimmen,  ent¬ 
schieden  sehr  häufig  der  Fall  ist,  oder  ob  sie,  wie  Ribbert 
will,  durch  Uebergreifen  der  primär  in  den  Alveolen  sich  ab¬ 
spielenden  tuberkulösen  Prozesse  auf  die  Gefässwandung-  zu 
stunde  kommen,  bleibe  dahingestelt ;  dass  diesen  Herden  aber 
eine  wesentliche  Bedeutung  für  die  Genese  der  akuten  Miliar¬ 
tuberkulose  zukommt,  scheint  mir  aus  mehreren  Gründen  sehr 
zweifelhaft 10). 

Zunächst  ist  ihre  Zahl  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von  all¬ 
gemeiner  akuter  Miliartuberkulose  nicht  so  gross,  wie  es  nach 
Ribberts  Schilderungen  scheinen  könnte.  Ich  habe,  seitdem 
mir  die  diesbezüglichen  Mitteilungen  Ribberts  bekannt  ge¬ 
worden  sind,  mein  einschlägiges  Material  sehr  genau  nach  dieser 
Richtung  hin  untersucht,  bin  dabei  aber  zu  keinem  für  die  An¬ 
schauungen  Ribberts  allzu  günstigen  Resultat  gekommen"). 

Ribbert  gibt  nun  zwar  an,  dass  die  geringe  Zahl  solcher 
Herde  noch  nicht  beweise,  dass  tatsächlich  nur  wenige  solche  Ein¬ 
brüche  vorhanden  gewesen  geien,  da  dieselben  beim  Fortschreiten 
des  Prozesses  für  die  Untersuchung  dadurch  unkenntlich  werden 
könnten,  dass  die  befallenen  Gefässe  obliterieren  und  in  den  ver¬ 
kästen  Partien  unsichtbar  werden.  Hiergegen  ist  aber  einzu¬ 
wenden,  dass  dies  wohl  bei  Anwendung  der  gewöhnlichen  Färbe¬ 
methoden  der  Fall  ist,  nicht  aber  bei  Heranziehung  der  Elastin¬ 
färbung,  die  auch  in  verkästen  Partien  den  Nachweis  der  für 
die  Gefässwand  charakteristischen  elastischen  Elemente  gestattet. 
Bei  Anwendung  dieser  Methode  habe  ich  aber,  trotzdem  das 
elastische  Gerüst  des  Lungengewebes  in  den  verkästen  Stellen 
deutlich  hervortrat,  verhältnismässig  nicht  sehr  häufig  oblite- 
rierte  Gefässe  gesehen. 

Es  ist  nun  zwar  möglich,  dass  von  diesen  kleinen  Gefäss¬ 
herden  aus  Bazillen  in  die  Blutbahn  gelangen  —  und  W  e  i  g  e  r  t 
selbst  hat  diese  Möglichkeit  bereits  in  seiner  klassischen  Arbeit 
erwähnt  — ,  es  erscheint  aber  sehr  unwahrscheinlich,  dass  dies 
in  einem  Masse  geschieht,  dass  dadurch  eine  nennenswerte  Ver¬ 
mehrung  der  miliaren  Eruption  herbeigeführt  wird;  denn  es  ist 
zu  berücksichtigen,  dass  die  Tuberkelbazillen  in  solchen  Gefäss- 
tuberlceln  nicht  an  der  dem  Blutstrom  zugekehrten,  häufig  von 
einem  Blutplättchenthrombus  bedeckten  Oberfläche  liegen,  son¬ 
dern  dass  sie  in  tuberkulöses  Granulationsgewebe  eingeschlossen 
sind,  welches  der  Zerbröckelung  und  Zerstörung  durch  den  in 
solch  kleinen  Gefässen  sicherlich  nur  langsam  und  unter  ge¬ 
ringem  Druck  fliessenden  Blutstrom  einen  beträchtlichen  Wider¬ 
stand  entgegensetzt,  zumal  die  Verkäsung,  wenn  eine  solche 
vorhanden  ist,  sich  nur  auf  die  zentralen  Teile  des  Granulations¬ 
gewebes  erstreckt  und  nur  ausnahmsweise  bis  an  die  vom  Blut 
bespülte  Oberfläche  heranreicht,  wobei  ausserdem  noch  bemer¬ 
kenswert  ist,  dass  mitunter  über  die  höchste  Erhebung  des  Tu¬ 
berkels  eine  ganz  feine  elastische  Lamelle  hinwegzieht.  Ferner 
ist  zu  beachten,  dass  an  vielen  derartig  veränderten  Gefässen, 
sei  es  durch  Thrombenbildung,  sei  es  durch  die  Vergrösserung 
der  Tuberkel,  noch  bevor  eine  ausgedehnte  Verkäsung  und  Er¬ 
weichung  bemerkbar  ist,  ein  Verschluss  des  Lumens  eintritt, 


8)  Vircli.  Arcli.  Bd.  70. 

°)  Lehrbuch  der  Pathologie. 

,0)  Auch  W  e  i  g  e  r  t,  AI  ii  g  g  e  und  O  r  t  h  heben  ausdrücklich 
hervor,  dass  die  kleinen  miliaren  Gefässtuberkel  ohne  Bedeutung 
für  die  Genese  der  Miliartuberkulose  sind. 

n)  Am  häufigsten  habe  ich  diese  kleinen  Gefässtuberkel  in 
Fällen  gefunden,  bei  denen  der  W  e  i  g  e  r  Fsche  Gefässherd  im 
Ductus  thoracicus  sass  und  bei  dem  neben  einem  grösseren  Ein¬ 
bruch  noch  kleine,  frische,  klappenständige,  bazillenreiche  Herde 
vorhanden  waren. 


19.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1381 


wodurch  eine  Verschleppung  der  Tuberkelbazillen  selbstverständ¬ 
lich  ausgeschlossen  ist.  Ferner  müsste  man,  wenn  tatsächlich 
häuiigei  eine  Zerbröckelung  und  Zerstörung  der  verkästen 
Massen  duich  den  Blutstrom  oder  ein  spontaner  Durchbruch  der 
erwähnten  Massen  in  das  Gefässlumen  vorkäme,  öfter  Spuren 
einer  solchen  Zerstörung  begegnen,  was  aber  ebenfalls  nicht  sehr 
häufig  der  Fall  ist.  Nur  die  bazillenhaltigen  wandständigen 
Thromben  könnten  in  dieser  Hinsicht  eine  etwas  reichlichere 
Bazillenquelle  für  die  Blutinfektion  abgeben,  da  sie  nicht  so 
kohärent  wie  das  tuberkulöse  Granulationsgewebe  sind.  Aber 
abgesehen  davon,  dass  sie  meist  nur  ein  Depot  von  bereits  in 
der  Blutbahn  befindlichen  Bazillen  darstellen  (vielleicht  die 
ersten  Anfänge  der  Gefässtuberkel),  sind  sie  viel  seltener  als  die 
oben  besprochenen  tuberkulösen  Gefässveränderungen,  andrer¬ 
seits  sind  sie  aber  als  Quelle  der  Blutinfektion  um  so  weniger 
zu  fürchten,  als  sie,  falls  sie  sich  nicht,  was  häufig  vorzukommen 
scheint,  bald  in  obturierende  Pfropfe  umwandeln,  wie  Ribber  t 
angibt,  organisiert  werden,  wodurch  in  Anbetracht  der  lang¬ 
samen  Vermehrung  der  Tuberkelbazillen  die  Gefahr,  dass  von 
hier  aus  Tuberkelbazillen  in  die  Blutbahn  gelangen  können, 
wenn  auch  nicht  völlig  beseitigt,  so  doch  jedenfalls  auf  ein 
Minimum  beschränkt  wird. 

Als  eine  zweite  Stelle,  von  der  ein  reichlicherer  Eintritt  von 
Tuberkelbazillen  in  die  Blutbahn  stattfindet,  und  von  der  aus 
sich  die  Miliartuberkulose  selbst  unterhält,  bezeichnet  R  i  b  b  e  r  t 
die  Nierengef ässe  und  zwar  besonders  die  Glomerulusschlingen, 
in  denen  Hauser,  Bendau.  a.  grosse  Massen  von  Tuberkel¬ 
bazillen  gefunden  haben.  Die  Benda  sehe  Ansicht,  dass  diese 
Bazillenklumpen  als  solche  in  den  Glomerulusschlingen  em- 
bolisiert  wurden,  hält  R  i  b  b  e  r  t  nicht  für  wahrscheinlich,  son¬ 
dern  er  nimmt  an,  dass  diese  Bazillenhaufen  durch  Vermehrung 
zunächst  einzelner  durch  den  Blutstrom  zugeführter  Bazillen 
entstanden  seien.  Das  Fehlen  jedweder  Reaktion  oder  die  Ge¬ 
ringfügigkeit  einer  solchen  in  der  Nähe  der  Bazillenherde  erklärt 
er  unter  Bezugnahme  auf  früher  von  ihm  mit  dem  Staphylo¬ 
kokkus  ausgeführte  Tierversuche  damit,  dass  der  Organismus 
so  mit  loxinen  der  Tuberkelbazillen  überschwemmt  sei,  dass 
die  grossen  Bazillenmengen  in  den  Glomerulis  nicht  zur  ent¬ 
zündungerregenden  Wirkung  kommen  können.  Ob  diese  Deu¬ 
tung  richtig  ist,  bleibe  dahingestellt,  ebenso  ob  es  möglich  oder 
wahrscheinlich  ist,  dass  von  den  die  Bumina  der  Glomerulus¬ 
schlingen  ausfüllenden  Bazillen  einzelne  durch  den  Blut¬ 
strom  abgelöst  werden  können,  jedenfalls  aber  lässt  sich  mit 
dieser  Ansicht  schlechterdings  nicht  die  weitere  Annahme 
Ribberts  vereinigen,  dass  Bazillen,  welche  aus  diesen  Ba¬ 
zillenklumpen  von  dem  Blutstrom  losgelöst  und  weggeschwemmt 
werden,  zur  Entstehung  neuer  Knötcheneruptionen  führen,  denn 
es  besteht  ja  nach  Ribberts  Annahme  eine  Allgemein- 
v  e  rg  iftung  des  Organismus  mit  Toxinen,  welche  es 
vei hindert,  dass  der  1  uberkelbazillus  eine  Gewebsreaktion  lier- 
vorrufen  kann. 

R  i  b  b  e  r  t  macht  nun  weiter  darauf  aufmerksam,  dass  die 
von  ihm  bezüglich  der  Bathogenese  der  Miliartuberkulose  auf¬ 
gestellte  Ansicht  mit  den  an  der  Lunge  sich  findenden  Ver¬ 
änderungen  in  bestem  Einklang  stehe.  Die  von  oben  nach  unten 
zu  gleichmässig  abnehmende  Grösse  der  Tuberkelknötchen  weise 
darauf  hin,  dass  die  Miliartuberkulose  in  der  Spitze  beginnt, 
und  dass  sie  sich  dadurch  immer  weiter  ausdehnt,  dass  durch 
die  oben  besprochenen  mikroskopischen,  in  den  kleinsten  Gefässen 
gelegenen  Einbruchsherde  der  Blutbahn  fortgesetzt  Tuberkel¬ 
bazillen  zugeführt  werden.  Er  sieht  in  dem  charakteristischen 
Grossenunterschied  der  in  der  Lunge  sich  findenden  Tuberkel 
zugleich  aber  auch  die  wichtigste  Stütze  für  seine  Ansicht,  dass 
die  Spitze  für  die  hämatogene  Infektion  eine  besondere  Prä¬ 
disposition  besitze. 

Zu  dieser  Anschauung  Ribberts  hat  bereits  v.  H  anse- 
ni  a  n  n  Stellung  genommen  und  im  Hinblick  auf  die  der 
.  *  k  e  r  t  sehen  Arbeit  (Universitätsprogramm)  beigegebene 
Abbildung  (pag.  9)  ausgeführt,  dass  es  sich  dabei  gar  nicht  um 
eine  akute  miliare  Tuberkulose,  sondern  um  eine  käsige  Bron- 
e  ltis  und  Bronchiolitis  handle,  und  dass  bei  echter  allgemeiner 
akuter  Miliartuberkulose  der  von  R  i  b  b  e  r  t  betonte  Grössen¬ 
unterschied  der  Knötchen  nicht  zu  bemerken  sei. 

No.  33. 


Ob  und  inwieweit  der  v.  Hansemann  sehe  Einwand  in 
seinem  ersten  Teil  richtig  ist,  soll  hier  nicht  erörtert  werden, 
es  sind  mir  aber  auch  Bedenken  gekommen,  ob  alles,  was  von 
tuberkulösen  Veränderungen  in  dieser  Abbildung  zu  sehen  ist, 
tatsächlich  nur  hämatogenen  Ursprungs  ist;  wie  es  mir  denn 
überhaupt  nach  einigen  in  der  letzten  Arbeit  von  R  i  b  b  e  r  t 
getanen  Aeusserungen  und  zwar  besonders  nach  der  pag.  302 
(letzter  Absatz)  gegebenen  Schilderung  scheint,  dass  das,  was 
er  als  ITebergangsform  zwischen  Miliartuberkulose  und  gewöhn¬ 
licher  Lungentuberkulose  anspricht,  tatsächlich  Kombinationen 
von  hämatogen  entstandenen  Veränderungen  mit  solchen,  die 
einer  Aspiration  ihren  Ursprung  verdanken,  darstellt,  Kom¬ 
binationen,  die  man  freilich  nicht  allzu  häufig  zu  Gesicht  be¬ 
kommt,  da,  wie  bereits  Weigert  ausgeführt  hat,  die  akute 
Miliartuberkulose  und  die  ausgedehntere  Lungenphthise  sich  re¬ 
lativ  selten  miteinander  kombinieren. 

Was  den  zweiten  Teil  der  v.  Hanse  m  a  n  n  sehen  Be¬ 
hauptung  anbetrifft,  so  kann  ich  ihr  nur  bedingt  beitreten,  in¬ 
sofern  mir  meine  Beobachtungen  gezeigt  haben,  dass  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  von  allgemeiner  akuter  Miliartuberkulose  und 
auch  von  chronischer  Allgemeintuberkulose,  bei  denen  ältere 
tuberkulöse  Lungen-  und  Spitzenveränderungen 12)  nicht  vor¬ 
handen  sind,  die  Tuberkelknötchen  sämtlich  gleiche  und  nahezu 
gleiche  Grösse  haben  bezw.  dass,  wenn  verschieden  grosse  Knöt¬ 
chen  vorhanden  sind,  wie  man  sie  nicht  selten  bei  Fällen  mit 
mehreren  Einbruchsherden  im  Ductus  thoracicus  beobachtet,  die 
von  K  i  b  b  e  r  t  betonte  Anordnung  der  verschieden  grossen 
Knötchen  nicht  vorhanden  ist.  In  einer  Anzahl  von  Fällen  habe 
ich  aber  doch  das  von  R  i  b  b  e  r  t  betonte  und  vor  ihm  bereits 
von  O  r  t  h  und  Kaufmann  erwähnte  Verhalten  der  Knötchen¬ 
eruption  teils  nur  angedeutet,  teils  aber  auch  deutlich  ausge¬ 
sprochen  gesehen,  möchte  aber  ergänzend  hinzufügen,  dass  ich 
mehrfach  die  sukzessive  Grössenabnahme  von  oben  nach 
unten,  auf  die  R  i  b  b  e  r  t  so  grossen  Wert  legt,  nicht  beobachtet, 
sondern  oft  ziemlich  schroffe  Ueberg’änge  von  den  grossen  in  der 
Spitze  gelegenen  Knötchen  zu  kleineren,  aber  gleichmässig 
grossen  in  den  unteren  Abschnitten  des  Oberlappena  und  in  den 
Unterlappen  gelegenen  Tuberkeln  gesehen  habe.  Ferner  ist  es 
mir  in  manchen  Fällen  aufgefallen,  dass  eine  allmähliche  Grössen¬ 
abnahme  von  oben  nach  unten  besonders  in  den  hinteren  und 
seitlichen  Partien,  die  in  den  gewöhnlich  angelegten  Sek¬ 
tionsschnitt  fallen,  hervortritt,  dass  der  Grössenunterschied  aber 
in  den  vorderen  Abschnitten  fehlt,  dass  er  aber  sofort  be¬ 
merkbar  wird,  wenn  man  die  Lunge  durch  einen  Horizontal¬ 
schnitt  zerlegt,  und  zwar  lässt  sich  auf  einem  solchen  nach- 
weisen,  dass  die  grössten  Knötchen  in  den  vorderen,  die  kleinen 
in  den  hinteren  Partien  gelegen  sind. 

R  i  b  b  e  r  t  ist  der  Ansicht,  dass  der  Grössenunterschied  da¬ 
durch  bedingt  ist,  dass  die  in  der  Spitze  gelegenen  grösseren 
Tuberkel  f  r  ü  li  e  r  entstanden,  also  älter  seien,  als  die  in  den 
unteren  Abschnitten  sich  findenden.  Es  fragt  sich  aber  doch, 
ob  diese  Erklärung  die  einzig  mögliche  und  die  einzig  wahr¬ 
scheinliche  ist.  Zunächst  sei  hier  darauf  hingewiesen,  dass  es 
in  hohem  Grade  auffallend  erscheinen  muss,  dass,  wenn  tat¬ 
sächlich  die  R  i  b  b  e  r  t  sehe  Anschauung  von  der  Pathogenese 
der  Miliartuberkulose  richtig  ist,  die  in  die  Blutbahn  aus  den 
mikroskopischen  Einbrüchen  eingedrungenen  Tuberkelbazillen 
sich  in  der  Lunge  immer  nur  an  den  Stellen  ansiedeln  und 
Knötcheneruptionen  hervorrufen,  welche  den  primär  von  der 
Miliartuberkulose  befallenen  unmittelbar  benachbart  sind.  Die 
Bazillen  gelangen  doch  aus  den  mikroskopisch  kleinen  Einbruchs¬ 
herden,  mögen  dieselben  nun  in  den  Arterien  oder  Venen  ge¬ 
legen  sein,  auf  jeden  Fall,  soweit  sie  nicht  in  der  Lunge  zurück¬ 
gehalten  werden,  durch  die  Lungenvenen  in  das  linke  Herz  und 
werden  von  hier  aus  nur  zum  allerkleinsten  Teil  durch  die 
Bronchialarterien  den  Lungen,  zum  grössten  Teil  durch  die 
Aorta  den  übrigen  Organen  zugeführt,  wo  sie,  da  sie  ja  nach 
R  i  b  b  e  r  t  nicht  in  allzu  grosser  Menge  im  Blut  vorhanden  sein 
sollen,  wohl  sämtlich  zurückgehalten  werden.  Es  ist  demnach 
nicht  gerade  besonders  wahrscheinlich,  dass  von  den  von  der 
Lungenspitze  in  den  Blutstrom  übergetretenen  Bazillen  —  falls 
übrigens  ein  solcher  Eintritt  überhaupt  erfolgt  —  etwas  zahl- 

12)  Bei  solchen  ist  es  mitunter  nicht  möglich,  ein  sicheres  Ur¬ 
teil  über  den  Ursprung  der  Veränderungen  abzugeben. 


4 


1382 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


reichere  nach  den  Lungen  überhaupt  gelangen,  sehr  fraglich  dass 
sie  nun  gerade  grösstenteils  in  die  Nähe  der  bereits  vorhandenen 
Knötchen  mit  dem  Blutstrom  getragen  werden. 

Abgesehen  von  diesem  mehr  theoretischen  Einwand  gegen 
die  R  i  b  b  e  r  t  sehe  Annahme,  ist  aber  weiterhin  darauf  hinzu¬ 
weisen,  dass  der  Schluss,  dass  die  in  der  Spitze  gelegenen  Herde 
wegen  ihrer  bedeutenderen  Grösse  auch  älter  als  die  m  den  un¬ 
teren  Partien  gelegenen  kleineren  Knötchen  seien,  durchaus 
nicht  zwingend  ist.  Denn  von  tuberkulösen  Herden,  die  sich  m 
ihrer  Grösse  nur  wenig  von  einander  unterscheiden  —  bei  der 
in  Rede  stehenden  Lungentuberkulose  handelt  .es  sich  aber  tat¬ 
sächlich  nur  um  sehr  geringe  Grössenunterschiede  —  brauchen 
die  grösseren  nicht  notwendigerweise  früher  als  die  kleineren 
entstanden  zu  sein ;  es  ist  ebensogut  möglich  und  wahrscheinlich, 
dass  beide  gleichzeitig  entstanden  sind,  dass  aber  die  ersteren 
nur  um  deswillen  einen  grösseren  Umfang  erreichten,  weil  sie 
sich  unter  besseren  Entwicklungsbedingungen  befanden  als  die 

letzteren.  „  ,  .  .  t  ,r.v 

Dass  für  die  Grösse  der  Miliartuberkel  bei  akuter  Miliar¬ 
tuberkulose  nicht  sowohl  die  Länge  der  Zeit,  während  welcher 
die  Affektion  bestand,  als  vielmehr  der  Standort  von  Bedeutung 
ist  geht  recht  deutlich  aus  dem  Leberbefund  bei  dieser  Krank¬ 
heit  hervor.  Hier  bleiben  die  Tuberkel,  wie  bereits  Weigert 
in  seiner  Arbeit  erwähnt,  meist  nur  sehr  klein  und  stehen  an 
Grösse  fast  stets  um  ein  beträchtliches  hinter  den  m  den  an¬ 
deren  Organen  sich  findenden  Eruptionen  zurück.  Da  es  nun 
weder  bei  Zugrundelegung  der  W  eigert  sehen  noch  der 
R  i  b  b  e  r  t  sehen  Theorie  zweifelhaft  sein  kann,  dass  der  Leber 
zu  derselben  Zeit  wie  den  anderen  Organen  die  Tuberkel¬ 
bazillen  mit  dem  Blutstrom  zugeführt  werden  und  sich  hier  .auch 
zu  derselben  Zeit  ansiedeln  —  zumal  ja,  wie  die  Erfahrung  lehrt, 
die  Leber  ganz  besonders  disponiert  zur  Ansiedelung  der  Tu¬ 
berkelbazillen  ist  — ,  so  kann  der  in  Rede  stehende  Grössenunter¬ 
schied,  den  die  Lebertuberkel  gegenüber  den  in  anderen  Organen 
befindlichen  Tuberkeln  zeigen,  nur  dadurch  bedingt  sein,  dass  die 
tuberkulösen  Eruptionen  sich  hier  weniger  schnell  vergrößerten, 
was  doch  wohl  kaum  anders  zu  erklären  ist,  als  dass  sie  hier 
ungünstigere  W achstumsbedingungen  fanden. 

Für  das  schnellere  Wachstum  der  Tuberkelknötchen  in  den 
oberen  Abschnitten  des  Oberlappens  dürften  wohl  verschiedene 
Ursachen  in  Betracht  kommen;  es  ist  möglich  und  wahrschein¬ 
lich  dass  diese  Abschnitte,  wie  ja  allgemein  angenommen  wird, 
überhaupt  den  tuberkulösen  Veränderungen  bessere  Wachstums¬ 
bedingungen  bieten,  als  die  übrigen  Lungenabschnitte. 

Ob  die  von  Ribbert  in  den  Vordergrund  gestellte  Blut¬ 
armut  der  Spitze  von  Bedeutung  ist,  bleibe  dahingestellt,  erwähnt 
sei  nur,  dass  der  anatomische  und  physiologische  Beweis  für  diese 
Annahme  noch  völlig  aussteht.  Auf  andere  allgemeine  Ursachen, 
durch  welche  ein  rascheres  Wachstum  der  Spitzentuberkel  be¬ 
dingt  sein  könnte,  näher  einzugehen,  würde  zu  weit  führen  und 
die  in  Rede  stehende  Frage  auch  kaum  fördern,  da  man  dabei 
doch  nur  mit  kaum  beweisbaren  Hypothesen  rechnen  könnte. 
Ich  kann  aber  von  solchen  allgemeinen  Erörterungen  um  so  eher 
Abstand  nehmen,  als  ich  durch  meine  diesbezüglichen  Unter¬ 
suchungen  gefunden  zu  haben  glaube,  dass  für  die  besseren 
Wachstumsbedingungen,  welche  die  Tuberkel  in  den  oberen  Ab¬ 
schnitten  des  Oberlappens  finden,  näher  liegende  lokale  bezw.  in¬ 
dividuelle,  anatomisch  nachweisbare  Verhältnisse  verantwortlich 
gemacht  werden  müssen. 

In  erster  Linie  scheinen  mir  in  dieser  Hinsicht  Verwach¬ 
sungen  an  den  oberen  Partien  der  Oberlappen  von  grosser  Be¬ 
deutung  zu  sein,  welche  das  stärkere  und  schnellere  Wachstum 
der  in  dem  oberen  Geschosse  der  Lunge  gelegenen  Tuberkel  in¬ 
sofern  begünstigen,  als  dadurch  einerseits  diese  Lungenabschnitte 
ruhig  gestellt  werden  und  andererseits  dadurch  die  Blutzufuhr, 
welche  ja  durch  die  respiratorischen  Bewegungen  wesentlich  ge¬ 
fördert  wird,  eine  Verminderung  erfährt.  Da  die  Wirkung  sol¬ 
cher  Verwachsungen  nicht  bloss  eine  streng  lokale  ist,  sondern 
sich  auch  peripherwärts  mit  allmählich  abnehmender  Intensität 
auf  die  ausserhalb  ihres  Bereiches  gelegenen  Abschnitte  erstreckt, 
so  erklärte  sich  leicht  die  von  Ribbert  betonte,  nach  ab¬ 
wärts  zu  allmählich  abnehmende  Grösse  der  Tuberkel. 

In  zweiter  Linie  sind  nach  meinen  Beobachtungen  länger 
bestehende  Hypostasen,  wie  sie  besonders  bei  der  typhösen  und 


meningitischen  Form  der  allgemeinen  akuten  Miliartuberkulose 
Vorkommen,  für  den  in  Rede  stehenden  Grössenunterschied  ver¬ 
antwortlich  zu  machen.  Es  ist  ja  eine  bekannte  Tatsache,  dass 
die  venöse  Hyperämie  für  das  Wachstum  tuberkulöser  Affek¬ 
tionen  keine  besonders  günstigen  Bedingungen  abgibt.  Es  ist 
daher  durchaus  wahrscheinlich,  dass  in  denjenigen  Lungenab¬ 
schnitten,  welche  in  Folge  von  Hypostasen  sich  längere  Zeit  im 
Zustand  einer  venösen  Hyperämie  befinden,  die  miliaren  Tuber¬ 
kel  sich  langsamer  vergrössern  als  in  den  nicht  von  der  Hypostase 
ergriffenen  Teilen.  Da  die  Hypostase  von  unten  nach  oben  und 
hinten  nach  vorn  allmählich  an  Intensität  abnimmt,  und  fernei 
bei  langsam  verlaufenden  Fällen  von  Miliartuberkulose  selbst¬ 
verständlich  mehr  zur  Ausbildung  kommt,  als  bei  sehr  akutem 
Verlauf,  so  erklärt  sich  leicht  und  einfach  die  von  oben  und 
vorn  nach  unten  und  hinten  zu  allmählich  zunehmende  Grösse 
der  miliaren  Knötchen,  sowie  die  weitere  von  R  i  b  b  e  r  t  betonte 
Tatsache,  dass  bei  langsam  verlaufenden  Fällen  der  Grössenunter¬ 
schied  frappanter  als  in  rasch  zum  Tode  führenden  ist. 

In  einigen  anderen  Fällen,  bei  denen  ausgedehntere  Ver¬ 
wachsungen  der  Oberlappen  nicht  bestanden  und  Hypostasen  nur 
andeutungsweise  vorhanden  waren,  bei  denen  aber  trotzdem  der 
in  Rede  stehende  Grössenunterschied  hervortrat,  waren  grossere 
Lvmphdrüsenpackete  vorhanden,  durch  welche  die  zum  Ober¬ 
lappen  führenden  Gefässe  umhüllt  wurden.  Auf  die  Bedeutung 
solcher  vergrösserter  Lymphdrüsen  für  eine  örtlich  stärkere  Aus¬ 
breitung  und  Entwicklung  der  tuberkulösen  Eruptionen  hat 
übrigens  schon  N  ä  g  e  1  i,  ein  Schüler  Ribbert*  hingewiesen. 

Ueberhaupt  sind  nach  meinen  Erfahrungen  örtliche  Verhält¬ 
nisse  von  hervorragender  Bedeutung  für  die  Entwicklung  und 
für  das  schnellere  oder  langsamere  Wachstum  bei  der  Miliar¬ 
tuberkulose  (chronischer  und  akuter)  auf  tretenden  Eruptionen. 
So  habe  ich  bei  Miliartuberkulose  und  doppelseitiger  adhäsiver, 
auf  die  Unterlappen  beschränkter  Pleuritis  in  den  Oberlappen  nur 
miliare,  in  den  Unterlappen  aber  stecknadelkopf-  bis  pfefferkorn¬ 
grosse  Tuberkel  gesehen,  ebenso  bei  einseitigen,  den  Unterlappen 
betreffenden  Verwachsungen  die  grössten  Tuberkel  in  diesem 
Unterlappen13).  Von  besonderer  Bedeutung  aber  erscheint  mir, 
dass  rein  lokale  Verhältnisse  es  bedingen  können,  dass  bei  echter 
allgemeiner  akuter  Miliartuberkulose  einer  oder  beide  Unterlappen 
frei  oder  nahezu  frei  von  miliaren  Tuberkeln  bleiben  können, 
während  die  Oberlappen  entweder  eine  gleiclimässige  Entwick¬ 
lung  miliarer  Knötchen  oder  die  von  Ribbert  betonte  An¬ 
ordnung  der  Tuberkel  zeigen.  Ein  einseitiges,  nahezu  völliges 
Freisein  des  linken  Unterlappens  habe  ich  in  einem  Fall  von 
akuter  Miliartuberkulose  beobachtet,  bei  der  vor  Ausbruch  der 
letzteren  eine  exsudative,  fibrinöse,  linksseitige  Pleuritis  bestan¬ 
den  hatte.  Der  linke  Unterlappen  war  hier  m  seinen  unteren 
Abschnitten  stark  durchfeuchtet,  völlig  atelektatisch,  in  den 
oberen  Abschnitten,  wo  sich  vereinzelte  submiliare  Tuberkel 
fanden,  bestand  etwas  Luftgehalt,  aber  auch  hier  war  das  Lun¬ 
gengewebe  stark  durchfeuchtet  und  venös  hyperämisch.  Im 
linken  Oberlappen  waren  die  Tuberkel  in  den  vorderen  und  oberen 
Partien,  ebenso  wie  in  der  ganzen  rechten  Lunge,  stecknadelkopf¬ 
gross,  nach  den  unteren  und  hinteren  Partien  des  Oberlappens 
zu,  welche  ebenfalls  geringe  Kompressionserscheinungen  zeigten, 
wurden  sie  allmählich  kleiner  und  zugleich  spärlicher.  In  einem 
anderen  Fall,  bei  dem  die  allgemeine  akute  Miliartuberkulose 
zu  einer  Lebercirrhose  hinzugetreten  war,  bestand  doppelseitiger 
Hydrothorax  mit  massiger  Kompression  der  Unterlappen;,  hier 
waren  die  letzteren  in  ihren  unteren  Abschnitten  völlig  frei  von 
Tuberkeln,  während  sich  in  den  oberen  nur  spärliche  submiliare 
Knötchen  fanden,  die  in  ihrer  Grösse  beträchtlich  hinter  den 
in  den  Oberlappen  befindlichen  zurückblieben.  Ob  in  diesen 
Fällen  die  hei  Atelektase  stets  vorhandene  venöse  Hyperämie  die 
Ursache  für  das  Ausbleiben  bezw.  die  geringe  Entwicklung  der 
miliaren  Tuberkel  gewesen  ist,  oder  ob  dieselbe  darin  zu  suchen 
war,  dass  in  die  komprimierten  Lungenabschnitte  nur  wenig 
Blut  und  damit  auch  weniger  Bazillen  einströmten,  ist  nicht 
mit  Sicherheit  zu  entscheiden  und  für  die  in  Rede  stehende  F rage 


1S)  Uebrigens  habe  icli  kürzlich  in  einem  Fall  von  chronischer 
allgemeiner  Tuberkulose  eine  stärkere  Entwicklung  der  Tuberkulose 
in 

achtet, 


[gemeiner Tuberkulose  eine  stärkere  Entwicklung  aei 
beiden  Unterlappen  bei  fast  völligem  Freisein  der  Spitzen  heoo- 
htet,  ohne  dass  dafür  lokale  Verhältnisse  hätten  verantwortlich 


gemacht 


werden  können 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


19.  August  1902. 


auch  ohne  grössere  Bedeutung.  Uebrigens  war  in  beiden  Fällen 
eine  sehr  ausgedehnte  Verkäsung  an  der  Intima  des  Duktus 
thoracicusi  vorhanden.  Diese  Beobachtungen,  denen  ich  noch 
zwei  andere  mit  annähernd  gleichem  Befund  anreihen  kann,  sind 
im  Hinblick  auf  die  von  Ribbert  mitgeteilten  Fälle,  bei 
denen  die  an  allgemeiner  chronischer  Miliartuberkulose  zu 
Grunde  gegangenen  Individuen  eine  auf  einen 14)  bezw.  beide 15) 
Oberlappen  beschränkte  miliare  Aussaat  bei  völligem  Freibleiben 
der  Unterlappen  erkennen  Hessen,  von  grossem  Interesse. 
Ribbert  deutet  diese  Beobachtungen  in  dem  Sinne,  dass  bei 
den  betreffenden  Individuen  der  Tod  bereits  zu  einer  Zeit  ein¬ 
trat,  wo  die  nach  seiner  Ansicht  in  der  Lungenspitze  beginnende 
Miliartuberkulose  noch  nicht  bis  auf  die  Unterlappen  fort¬ 
geschritten  war.  Ich  möchte  in  Anlehnung  an  die  von  mir  kurz 
mitgeteilten  Beobachtungen  die  Frage  auf  werfen,  ob  in  den 
Ribbertschen  Fällen  das  Freibleiben  der  Unterlappen  nicht 
auch  durch  lokale  Verhältnisse,  die  selbstverständlich  nicht  bloss 
in  der  Kompression  der  Unterlappen,  sondern  auch  in  anderen 
Umständen  gegeben  sein  konnten,  bedingt  war. 

Aus  diesen  Darlegungen  geht  hervor,  dass  der  Grössenunter¬ 
schied,  den  man  in  manchen  Fällen,  von  Miliartuberkulose  an 
den  in  den  verschiedenen  Lungenbezirken  befindlichen  Knötchen 
beobachtet,  nicht  unbedingt  eine  Funktion  der  Zeit,  wie 
Ribbert  annimmt,  zu  sein  braucht,  sondern  dass  es  ebensogut 
möglich  und  wahrscheinlich  ist,  dass  derselbe  durch  lokale  Ver¬ 
hältnisse  bedingt  ist,  die  selbstverständlich  in  den  einzelnen 
Fällen  verschieden  sein  können  und  für  jeden  Fall  gesondert 
festgestellt  werden  müssen.  Mit  diesem  Nachweis  wird  aber  die 
Richtigkeit  der  von  Ribbert  aus  seinen  Beobachtungen  ge¬ 
zogenen  Schlussfolgerung,  dass  nämlich  die  hämatogene  Miliar¬ 
tuberkulose  der  Lunge  in  der  Spitze  beginnt,  und  dass  damit  die 
Prädisposition  der  Lungenspitze  für  die  hämatogene  Infektion 
bewiesen  sei,  in  Frage  gestellt. 

Verliert  somit  ein  Beweisstück,  welches  Ribbert  selbst 
als  wichtige  Stütze  seiner  Anschauung  von  dem  hämatogenen 
Ursprung  der  Lungentuberkulose  bezeichnete,  wesentlich  an  Be¬ 
deutung,  so  lässt  sich  weiter  zeigen,  dass  auch  die  übrige  Beweis¬ 
führung  R  i  b  b  e  r  t  s  keineswegs  auf  einer  gesicherten  und  ein¬ 
wandsfreien  Basis  aufgebaut  ist. 

(Schluss  folgt.) 

Ueber  den  Einfluss  chronischer  Lungentuberkulose 
auf  Psyche  und  Nerven. 

Von  Dr.  med.  H.  Engel. 

Gewiss  ist  ein  grosser  Teil  der  mannigfachen  Störungen  im 
Gemütsleben  der  chronisch  Tuberkulösen  eine  blosse  Erscheinung 
des  andauernden  Krankseins  an  sich  und  nichts  spezifisches,  der 
Tuberkulose  angehöriges.  Ausgeprägter  Krankheits¬ 
egoismus,  der  die  hochgespanntesten  Anforderungen  an  die 
Umgebung  stellt  und  schliesslich  keinen  anderen  Gedanken  beim 
Kranken  mehr  aufkommen  lässt,  als  den,  wie  er  sich  am  meisten 
schonen  und  am  besten  seiner  Gesundheit  leben  kann,  ferner 
eine  abnorme,  den  Kranken  selbst  oft  am  meisten  quälende 
Empfindlichkeit  und  Reizbarkeit,  die  mit  zu¬ 
nehmender  Abhängigkeit  von  der  Krankheit  und  dem  daraus 
resultierenden  Gefühl  der  Ueberflüssigkeit  und  Zwecklosigkeit 
steigt,  kleinliches  Denken  und  Fühlen,  hervorgerufen 
durch  die  notgedrungene  Eintönigkeit  und  Zurückgezogenheit 
der  Lebensführung  - —  all  das  sind  Erscheinungen,  wie  sie  z.  B. 
ein  chronisch  Herzkranker  ebenso  zeigen  kann  wie  der  chronisch 
Lungenkranke.  Nur  wird  man  sie  bei  letzterem  zu  finden  öfter 
Gelegenheit  haben,  weil  doch  wohl  keine  andere  Krankheit  dem 
Kranken  in  so  reichlichem  Masse  Zeit,  Gelegenheit  und  Grund 
zur  Entwicklung  dieser  und  anderer  Eigentümlichkeiten  zu  lassen 
pflegt,  als  gerade  die  Lungentuberkulose,  ihr  Verlauf  und  ihre  Be  ¬ 
handlungsweise.  So  kommen  wir  zum  eigentlichen  Thema. 

Bei  allen  anderen  Krankheiten  erfahren  körperliches  All¬ 
gemeinbefinden  und  geistige  Fähigkeiten  eine  viel  frühere  Altera- 

14)  Universitätsprogramm  Seite  IS;  vielleicht  liegt  liier  ein  Fall 
von  lokaler  Miliartuberkulose  des  Oberlappens  vor,  die  ganz  un¬ 
zweifelhaft  (vgl.  Lehrbuch  von  Birch-Hirschfeld)  in  der 
Lunge  ebenso  wie  in  anderen  Organen  Vorkommen;  Ribbert 
erwähnt  in  diesem  Falle  nichts  von  dem  Befund  an  den  übrigen 
Organen. 

“)  Deutsche  med.  Wochenschr. 


1383 


tion.  Aeusserungen  der  Lungenkranken,  dass  ihnen  eigentlich 
gar  nichts  körperlich  fehle,  und  der  typischen  Notiz  in  den  Kran¬ 
kengeschichten,  dass  Allgemeinbefinden  und  Kraftgefühl  gut  sei, 
begegnet  man  als  Sanatoriumsarzt  fast  tagtäglich.  Ich  spreche 
von  den  Erfahrungen  eines  solchen,  dem  durch  das  intime  Zu¬ 
sammenleben  mit  den  Kranken,  Leicht-  und  Schwerkranken,  am 
besten  Gelegenheit  zur  genaueren  Beobachtung  des  körperlichen 
und  seelischen  Befindens  der  Patienten  gegeben  ist,  zumal  wenn 
es  sich  um  Angehörige  der  gebildeten  Stände  handelt,  mit  der 
bei  solchen  Kranken  oft  erstaunlich  ausgeprägten  Fähigkeit,  sich 
selbst  zu  beobachten  und  ihren  Zustand  selbst  zu  zergliedern. 
Dass  die  geistige  Kapazität  und  Regsamkeit  bei  Lungentuberku¬ 
lose,  wenigstens  in  den  ersten  Stadien  der  Krankheit,  durch¬ 
schnittlich  auf  der  individuellen  Höhe  bleibt,  ist  eine  oft  kon¬ 
statierte  Tatsache.  So  steht  der  Patient,  der  scheinbar  und  sub¬ 
jektiv  über  die  zum  Kampf  ums  Dasein  und  zum  Genuss  des 
Lebens  nötigen  Vorbedingungen  und  Kräfte  noch  vollauf  verfügt, 
als  Lungenkranker  mit  sich  und  seiner  Lebensweise  von  vorn¬ 
herein  in  einem  eklatanten  Widerspruch,  den  zu  überwinden  auch 
dem  Vernünftigsten  nur  schwer  gelingt,  wenigstens  nicht  auf 
längere  Dauer.  Und  eine  solche  muss  ja  immer  aufgewandt 
werden,  die  „leichtesten  Fälle“  mit  eingerechnet  —  ich 
meine  Fälle  mit  ganz  leichter  einseitiger  Spitzendämpfung,  ohne 
katarrhalische  Erscheinungen,  ohne  Auswurf  und  ohne  Fieber  — , 
welche,  vom  Gesichtspunkt  des  zu  erreichenden  Dauererfolges  aus 
behandelt,  erst  recht  zu  einer  möglichst  langen  Ausdehnung  der 
Kur  auffordern.  Aber  sehen  wir  auch  von  diesen  casus  levissimi 
et  rari  mit  einer  bedingungslosen,  gesundheitlichen  re¬ 
stitutio  ad  integrum  nach  einmaliger  Kurzeit  ab,  weil  sie  nicht 
zu  den  chronisch  Lungenkranken  im  eigentlichen  Sinne  gerechnet 
werden  dürfen,  so  bleiben  noch  die  vielen  Patienten,  bei  welchen 
leider  der  beim  Kurbeginn  vom  Arzt  suggerierte,  vertröstende 
Glaube  an  eine  „baldige,  wenn  auch  Zeit  und  Geduld  verlangende 
Heilung“  im  weiteren  Verlauf  nur  zum  langsamen  Sichgewöhnen 
an  den  chronischen,  lebenslängliche  Rücksicht  verlangenden 
Krankheitszustand  überleiten  muss,  teils  weil  die  Krankheit  zu 
sehr  fortgeschritten,  teils  weil  der  Patient  hinter  den  pro¬ 
gnostischen  Erwartungen  in  seinen  Kurerfolgen  zurückbleibt. 
So  erlebt  der  chronisch  Lungenkranke  oft  bittere  Ent¬ 
täuschungen,  wenn  der  Arzt,  bei  der  Entlassung  nach  monate¬ 
langer  Kur,  seinen  kaum  zurückzuhaltenden  Lebensmut  durch 
die  dringende  Anempfehlung  der  erdenklichsten  Vorsicht  und 
fortwährender  Rücksichtsnahme  auf  seine  Gesundheit  dämpfen, 
in  dem  oder  jenem  Fall  das  Aufgeben  der  bisherigen  Tätigkeit, 
eine  völlige  Aenderung  der  äusseren  Lebensbedingungen,  die 
Auflösung  einer  Verlobung  u.  s.  w.  anraten  muss,  oder  wenn  er 
trotz  der  entgegengesetzten  Wünsche  des  Patienten,  auf  einer 
Fortsetzung  der  Kur  bestehen  muss.  Der  Patient  —  und  oft  auch 
dessen  Angehörige  —  kann  es  eben  meistens  nicht  verstehen,  dass 
die  Krankheit  nicht,  wie  andere  einfach  „überstanden“  wird. 
War  schon  bei  Erkennung  der  Krankheit  das  Allgemeinbefinden 
kaum  gestört,  so  lässt  die  im  Verlauf  der  Kur  gewöhnlich  auf- 
gesammelte  Quantität  von  Körperkraft  und  geistiger  Spann¬ 
kraft  erst  recht  nicht  mehr  den  Gedanken  an  Kranksein  auf¬ 
kommen.  Der  Kranke  hat  beträchtlich  an  Gewicht  zugenommen, 
sieht  frisch  aus,  ein  bischen  Auswurf  Morgens  oder  im  Lauf  des 
Tages  wird  aus  Gewohnheit  nicht  mehr  berücksichtigt.  Warum 
soll  er  also  nicht  gesund  sein,  nicht  wieder  arbeiten  können? 
Dieser  offenbare  Widerspruch  zwischen  subjektiver 
(Patient)  und  objektiver  (Arzt)  Leistungsfähigkeit  ist  gewiss 
in  vielen  Fällen  die  Ursache  nachhaltiger  psychischer  Gleich¬ 
gewichtsstörungen. 

Noch  schlimmeren,  seelischen  Erschütterungen  ist  derjenige 
Tuberkulöse  unterworfen,  welcher  nach  positivem  Kurerfolg  und 
den  besten  Aussichten  auf  dauernd  konsolidierte  Gesundheit  der 
Familie  und  dem  Beruf  wiedergegeben  wird,  der,  selbst  nach 
ärztlicher  Berechnung  mit  vollem  Vertrauen  der  Zukunft  ent¬ 
gegensehen  darf  und  den  dann,  plötzlich,  oder  langsam  sich  vor¬ 
bereitend,  nach  kurzer  oder  langer  Zeit  ein  Rezidiv  um  alle 
diese  Zuversicht  bringt.  Dem  ersten  Rezidiv  folgt  womöglich 
nach  nochmaliger  Aufnahme  der  Tätigkeit  ein  zweites  und  drittes, 
bis  schliesslich  alle  Segel  heruntergenommen  werden  müssen 
und  das  Lebensschiffchen  definitiv  still  liegt.  Solche  Bedauerns¬ 
werte,  die  trotz  hartnäckigen  Kampfes  gegen  die  Strömung  doch 
im  Grunde  willenlos  von  den  Krankheitswellen  auf-  und  abge- 

4* 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


1384 


tragen  werden,  gibt  es  leider  nur  gar  zu  viele.  -  Andere,  nicht 
minder  Bedauernswerte,  leben  in  fortgesetzter  Angst  und  in  auf¬ 
reibender  Erwartung  von  solchen  Enttäuschungen.  Dieses 
„Hangen  und  Bangen“,  dieses  „Freudvoll  und 
L  e  i  d  v  o  1 1“  in  st  e  tem  Wechsel  übt  wohl  den  bedeut¬ 
samsten  Einfluss  der  chronischen  Tuberkulose  auf  die  Gemüts¬ 
sphäre  der  Erkrankten  aus.  Dass  äussere  chronische  Ein¬ 
flüsse,  wie  chronisches  Eieber,  chronischer  Alkoholismus  oder 
Tabakmissbrauch  die  psychische  Insuffizienz  der  Kranken  ver¬ 
stärken  können,  ist  sicher.  Ich  erachte  sie  aber,  im  Gegensatz  zu 
H  einzelma  n  n  ')  als  untergeordnete  oder  nebenhergehende 
Ursachen. 

Abgesehen  von  einer  mehrweniger  oder  gar  nicht  zur  Schau 
getragenen  Verbitterung  gegen  sein  Los,  welches  fast  jeder  chro¬ 
nisch  Lungenkranke,  oft  unter  dem  Deckmantel  äusserer  Gleich¬ 
giltigkeit  mit  sich  herumträgt  —  nur  wenigen  gelingt  es,  sich 
eine  stoisch-philosophische  Raison  aus  ihrem  Schicksal  zu 
machen  — ,  reagiert  jeder  einzelne  Kranke,  äusserlich  und  inner¬ 
lich,  auf  solche  seelische  Gleichgewichtsstörungen  in  seiner  Eigen¬ 
art.  Die  Charakter  a  n  1  a  g  e  des  Einzelnen  pflegt  sich  bei  chro¬ 
nischer  Tuberkulose  zu  prononciere  n.  Die  Schranken, 
welche  äusserer  Lebenszwang  (Beruf,  soziale  Stellung)  auferlegt 
hatten,  fallen  während  und  infolge  der  Krankheit  mehr  oder 
weniger  weg.  Dazu  kommt  eine  im  Verlauf  der  chronischen 
Tuberkulose  fast  immer  sich  einstellende,  ausgesprochene  Willens¬ 
schwäche,  welche  den  Patienten  gegen  seine  seelische  Verfassung 
nicht  mehr  aufkommen  lässt.  Anfänglich  wird  der  Kampf  viel¬ 
leicht  versucht,  aber  der  Geschwächte  unterliegt.  Die  moralische 
Kraft  fehlt.  11  retourne  ä  sa  nature.  Diese  Pronqncierung  der 
Charakteranlage  ist  bei  Tuberkulösen  fast  typisch  zu  nennen. 
Der  pessimistisch  Veranlagte  wird  ausgesprochener  Pessimist; 
der  Optimist,  der  Sanguiniker,  Choleriker,  Phlegmatiker  —  sie 
alle  sind  unter  den  Tuberkulösen  viel  reichlicher  als  „Charakter¬ 
typen“  zu  finden,  denn  im  gewöhnlichen  Leben.  Es  ist  erstaun¬ 
lich,  wie  oft  das  Charakterbild  eines  Tuberkulösen  mit  dem  iiber- 
mn stimmt,  was  die  Eltern  von  seinen  Eigenschaften  als  Kind  er¬ 
zählen;  Eigenschaften,  welche  Erziehung,  äusserer  Zwang  und 
Energie  scheinbar  überwunden  hatten.  Der  Tuberkulöse  stellt 
als  chronisch  Kranker  mit  anormalen  Lebensbedingungen,  be¬ 
wusst  oder  unbewusst,  auf  einer  anderen  sozialen  Basis  als  seine 
Mitwelt.  Es  ist  durchaus  verständlich,  dass  durch  die  vielfachen 
Enttäuschungen,  den  Vergleich  mit  anderen  besseren  Schicksalen 
und  durch  den  Zweifel  an  jeglicher  Gerechtigkeit,  selbst  eine 
nachhaltige  Erschütterung  seiner  Lebensmoral  und  seiner  Lebens¬ 
anschauungen  ausgelöst  werden  kann.  Dass  auf  diese  Weise  die 
Tuberkulose  auch  häufig  ausgesprochene  Originale  schafft,  wie 
Einsiedler,  Misanthropen,  Phantasten  etc.,  ist  erklärlich.  An 
dieser  Grenze  bleiben  aber  die  psychischen  Veränderungen  ge¬ 
wöhnlich  stehen.  Eigentliche  Geisteskrankheiten,  die  bei  Tuber¬ 
kulose  beobachteten  Psychosen,  sind  doch  sehr  rar.  Auch  von 
Selbstmord  chronisch  Lungenkranker  hört  man  nur  selten. 

Vorwiegend  sind  unter  den  Tuberkulösen,  um  obiges  zu  de¬ 
taillieren,  die  Sanguinike  r  mit  expansiver  Stimmung  und 
von  liebenswürdigem,  leicht  zu  behandelndem  Charakter.  Man 
will  das  Leben  gemessen,  solange  „noch  das  Lämpchen  glüht“. 
Da  dieses  Temperament,  Gott  sei  Dank,  am  häufigsten  zur  Welt 
kommt,  so  ist  das  nach  dem  Gesagten  leicht  erklärlich.  Sehr 
viel  spielt  da  auch  Nationalität  und  Volkscharakter  mit.  Es  ist 
erstaunlich,  mit  welcher  enormen  sanguinischen  Geschicklichkeit 
der  dazu  veranlagte  Tuberkulöse  sich  über  seinen  Zustand  hinweg¬ 
zutäuschen  und  etwas  weiszumachen  sucht.  Temperatursteige- 
ruugen  werden  mit  Witterungswechsel,  Barometertiefstand  etc. 
in  Zusammenhang  gebracht,  oder  als  Influenza,  Magenkatarrh 
u.  dergl.  angesehen.  Vermehrter  Auswurf  ist  einzig  und  allein 
durch  grossen  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  verursacht,  am 
Schwächegefühl  ist  der  wehende  Wind  oder  „etwas,  was  in  der 
Luft  liegt“  Schuld.  Bei  alledem  vergisst  der  Kranke  ganz,  dass 
normale,  gesunde  Menschen  nie  derartig  auf  äussere  Einflüsse 
reagieren.  Er  kommt  schliesslich  so  weit,  dass  er  seinen  Morgen- 
auswurf  als  etwas  Physiologisches  ansieht  und  Fieber  als  einen 
Heilungsprozess.  Er  gibt  so  dein  Arzt  die  beste  Handhabe  zur 


’)  II  ei  n  z  e  1  ui  a n n:  Die  Psyche  der  Tuberkulösen.  Münch.' 
nied.  Wochenschr.  1894,  No.  5. 


psychischen  Behandlung,  welche  deshalb  bei  vielen  Phthisikern 
nicht  schwer  fällt,  in  die  Hand. 

ITebermässig  sensibel  und  impressionabel  ver¬ 
anlagte  Naturen  leiden  fortgesetzt  unter  dem  Eindruck  des  chro¬ 
nischen  Krankseins  und  unter  den  so  häufigen  Schwankungen 
ihres  Krankheitszustandes.  Sie  stehen  so  ihrer  Besserung  so¬ 
zusagen  mit  ihrer  ganzen  Person  selbst  im  Wege.  Bringt  der 
Patient  Phlegma,  ein  gewisses  Quantum  Indolenz,  nicht  allzuviel 
Gemüt  und  nicht  zu  viel  geistige  Regsamkeit  zur  Kur  mit,  so 
kämpft  er  mit  den  besten  Mitteln,  die  er  persönlich  stellen  kann. 
Ich  erachte  die  psychischen  Eigenschaften  eines  Patienten  für 
prognostisch  ebenso  bedeutsam  wie  konstitutionelle  F  aktoren,  und 
sollten  sie  deshalb  in  die  Anamnese  stets  mit  aufgenommen 
werden,  soweit  zuverlässige  Angaben  von  Eltern  oder  Freunden 
erhoben  werden  können. 

Ein  oberflächlicher,  unkritischer  Kopf,  ein  leichtfertiger 
Charakter  wird  die  entsprechende  Auffassung  von  seiner  Krank¬ 
heit  seiner  Lebtag  mit  sich  herumtragen  und  schliesslich  daran 
zu  Grunde  gehen.  Wohlverstanden  darf  diese  Kritiklosig¬ 
keit  und  Verkennung  der  Krankheitslage  nicht  mit  der  intel¬ 
lektuellen  Schwäche  verwechselt  werden,  wie  sie  schliesslich  bei 
allen  Phthisikern  in  den  schwereren  Stadien  der  Krankheit  und 
besonders  im  eigentlichen  Endstadium  eintritt.  Die  allbekannte 
Hoffnungsfreudigkeit  des  Phthisikers  vor  seinem  Tode  ist  tat¬ 
sächlich  eine  häufige  Erscheinung.  Genuss-  und  Vergnügungs¬ 
sucht  findet  auf  dem  durch  die  Krankheit  bedingten  Boden  des 
„Dolce  far  niente“  bei  dazu  Veranlagten  natürlich  gute  Nahrung, 
um  so  mehr,  als  das  körperliche  Befinden  nicht  oder  nur  zeit¬ 
weise  im  Wege  zu  stehen  pflegt.  Was  nun  aber  sonst,  auf  ge¬ 
drucktem  und  ungedrucktem  Wege,  von  der  Kritiklosigkeit  und 
dem  Leichtsinn  *rcr\  geredet  wird,  zu  dem  die  Tuber¬ 

kulose  disponiere,  das  lässt  sich  in  diesem  Masse  mit  meinen  Be¬ 
obachtungen  nicht  zur  Deckung  bringen.  Man  bedenke,  dass  der 
grösste  Prozentsatz  der  Erkrankungen  ins  jugendliche  Alter  fällt. 
Ferner  sind  ja  bei  der  Tuberkulose  keine  dauernden  und  schweren 
Leiden  oder  Schmerzen  vorhanden,  die,  wie  bei  anderen  Krank¬ 
heiten,  die  Stimmung  stetig  darniederdrücken.  Der  Laie  er¬ 
wartet  sich  dies  aber  von  einem  Kranken  und  ist  erstaunt,  diesen 
Ausdruck  des  „Leidens“  nicht  zu  finden.  Dann  ist  auch  gewiss 
nicht  alles  Gold,  was  glänzt,  und  oft  wird,  wie  schon  oben  betont, 
eine  Maske  der  Gleichgültigkeit  und  Leichtlebigkeit  vom  Kranken 
angenommen.  Man  muss  sich  in  den  komplizierten  Gedanken- 
gang  eines  Tuberkulösen  versetzen,  der,  weil  er  sich  nicht  krank 
fühlt,  auch  nicht  krank  scheinen  will.  Oft  findet  man  hinter 
dieser  Maske,  eine  ganz  andere,  am  Ende  gar  verzweifelte 
Grundstimmung  und  viele  tuberkulöse  Pessimisten  sind  schein¬ 
bare  Optimisten.  Oft  wird  man  bei  solchen  Patienten  durch 
hingeworfene  Bemerkungen,  wie:  „Es  ist  doch  alles  umsonst“ 
überrascht  und  aufgeklärt. 

Es  mag  ja  der  Fall  sein,  dass  durch  die  Sanatoriums¬ 
behandlung,  durch  deren  strenge  Beaufsichtigung  der 
Kranken,  durch  die  häufige  ärztliche  Belehrung  über  den  Ernst 
der  Erkrankung  auch  der  persönlichen  Auffassung  des  Patienten 
von  seiner  Krankheit  dauernd  eine  andere  Richtung  gegeben 
wird.  Es  gibt  gewiss  nicht  bloss  Laien,  sondern  auch  Aerzte, 
welche  die  Sanatorien  deshalb  als  eine  Brutstätte  für  Trübsinn 
und  Lebensunlust  ansehen.  Wer  das  Sanatoriumleben  und  dessen 
durchweg  heiter  gestimmten  Grundton  kennen  lernt,  wird  sich 
davon  überzeugen,  dass  sehr  wohl  eine  Beeinflussung  des  Kranken 
im  obigen  Sinne  erfolgen  kann,  ohne  dass  darunter  dessen  Psyche 
notzuleiden  braucht. 

Es  gibt  allerdings  Kranke,  welchen  eine  Sanatoriumsbehand¬ 
lung  auf  längere  Dauer  nicht  gut  tut  und  denen  schon  viel 
früher  als  anderen  die  noch  etwa  notwendige  Fortsetzung  der 
Kur  in  anderen  Verhältnissen,  z.  B.  an  einem  offenen  Kurort, 
anempfohlen  werden  sollte.  Ich  sage  „viel  früher“,  weil  schliess¬ 
lich  doch  bei  jedem  stationär  bleibenden  Lungenkranken, 
welcher  lange  Zeit  in  einem  Sanatorium  gelebt  hat,  eine  gewisse 
„Li eberständigkeit“  eintritt,  die  sich  in  Misslaunigkeit, 
Unzufriedenheit  mit  dem  Gebotenen,  Unverträglichkeit  mit 
Kompatienten  oder  gar  dem  behandelnden  Arzt  iiussert  und 
welche  schliesslich  einen  Wechsel  zur  unbedingten  Notwendig¬ 
keit  macht  —  Misstände,  wie  sie  namentlich  bei  cholerisch  ver¬ 
anlagten  Patienten  im  Laufe  der  Kur  zur  Entwicklung  zu 
kommen  pflegen.  Diese  Notwendigkeit  tritt  nun,  wie  gesagt, 


19.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WO  CHENS  CILRIFT. 


noch  früher  ein  bei  Patienten,  welche,  pessimistisch  ver¬ 
anlagt,  zu  einer  entsprechenden  Auffassung  von  ihrer  Krankheit 
neigen,  las  enge  Zusammenleben  mit  vielen  Kranken,  gleichgültig 
welcher  Art,  ist  für  solche  Patienten  an  und  für  sich  nicht  ge- 
eignet.  Run  ist  der  Kranke  im  Sanatorium  sogar  auf  Menschen 
mit  derselben  Krankheit,  denselben  Krankheitsinteressen  im  Ver¬ 
kehr  angewiesen.  Die  Sanatoriumsgespräche  über  Befinden  und 
Krankheitssymptome,  der  Anblick  der  Kranken  selbst  führen  vor 
solch  empfindlichen  Augen  die  eigene  Lage  immer  wieder  und 
nicht  gerade  zum  Vorteil  der  Stimmung.  Dazu  kommen  dann 
noch  trübe  Erfahrungen  aus  der  Sanatoriumschronik,  Verschlim¬ 
merungen  bei  Kompatienten,  unerwartete  Todesfälle.  Auch  die 
bei  solchen  Kranken  geschärfte  Beobachtungsgabe  —  pessi¬ 
mistische  Lungenkranke  sammeln  gewöhnlich  einen  grossen 
Schatz  spezialistisch-medizinischen  Kennens  — ,  die  daran  ge¬ 
knüpften  skeptischen  Vergleiche  zwischen  den  eigenen,  vielleicht 
geringeren  Fortschritten  und  den  evidenten  Besserungen  anderer 
führen  zu  psychischen  Schädlichkeiten.  Schliesslich  leidet  sogar 
<Le  Autorität  des  Sanatoriumsarztes,  an  dessen  Aeusserungen  und 
Urteilen  eine  pessimistische  Kritik  geübt  wird.  Und  nichts 
schlimmer  für  den  Patienten  selbst,  als  wenn  er  den  Glauben 
an  seinen  Arzt  verliert.  Kurz  und  gut,  der  fortgesetzte  äussere 
Kontakt  mit  der  eigenen  Krankheit  wirkt  zweifellos  auf  der¬ 
artige  Naturen  direkt  schädlich  und  schliesslich  resultieren  da¬ 
raus  seelische  Zustände,  die  Melancholien  gleichkommen  können 
Ich  meine  deshalb,  man  sollte  solche  Patienten  nur  solange  in 
Sanatorien  halten,  bis  sie  gelernt  haben,  worin  die  Kur  besteht 
und  nach  welchen  gesundheitlichen  Massregeln  gelebt  werden 
soll.  Eine  notwendige  Fortsetzung  der  Kur  erfolgt  dann  besser 
entweder  in  einem  grossen,  offenen  Kurort,  wo  es  an  äusseren 
Anregungen  und  Abwechslungen  nicht  fehlt,  Dinge,  die  ein 
solches  Gemüt  zur  Ablenkung  nötig  hat  und  mit  Mass  und  Ziel 
gemessen  darf,  ohne  seiner  Gesundheit  entgegen  zu  arbeiten, 
oder  in  privaten  Verhältnissen  an  kleinen,  klimatisch  geeigneten 
1 1  ätzen,  dann  aber  immer  im  engeren  Verkehr  mit  gesunden 
Menschen,  Mitgliedern  der  Familie,  aus  welcher  die  dem  Kranken 
sympathischste  Persönlichkeit  ausgewählt  werden  soll.  Gewöhn¬ 
lich  wird  dabei  die  Wahl  nicht  auf  die  allernächsten  Angehörigen, 
sondern  auf  an  und  für  sich  fernerstehende  fallen  müssen. 

1\e.1”Ze^mai!n  (1*  c-)  hat  die  Gründe  dafür  bereits  in  er¬ 
schöpfender  Weise  angegeben.  Schliesslich  kann  es  für  solche, 
zu  depressiven  Stimmungen  neigende  Kranke  sogar  angebracht 
sein,  einen  häufigen  Ortswechsel  während  der  Kurzeit  vor¬ 
zunehmen,  ein  Verfahren,  welches  sonst  gewiss  keine  Anwendung 
finden  soll.  In  diesen  Fällen  aber  bewirkt  eine  durch  neue  Ein¬ 
drücke  hervorgerufene  seelische  Umstimmung  oft  auch  körper¬ 
liche  Wunder. 

Cum  grano  salis  gilt  das  Ebengesagte  auch  noch  für  eine 
andere  Klasse  der  Tuberkulösen  —  die  der  allzu  ängst¬ 
lichen,  allzu  skrupulösen  Kranken  mit  leichtem 
Lungenbefund.  Unter  .  ihnen  finden  sich  die  sogen.  „Mess- 
ianatiker“,  die  womöglich  stündlich  ihre  Temperatur  kontrol- 
leren  und  von  jedem  Zehntel  Temperatursteigerung  dem  Arzte 
ängstlichen.  Bericht  erstatten,  die  sich  über  etwas  vermehrten 
Auswurf,  eine  kleine  Blutspur  im  Sputum,  eine  vom  Arzt  aus 
\  ersehen  oder  allzugrosser  Ehrlichkeit  mitgeteilte  Steigerung 
der  1  uberkelbazillenzahl  unendlich  auf  regen  und  ausser  Fassung 
[kommen,  .  die  sich  aus  übertriebener  Aengstlichkeit  in  jeder 
einig veit  an  ärztlichen  Rat  und  ärztliche  Hilfe  klammern  und 
aru  ei  jegliche  Selbständigkeit  auch  im  allgemeinen 
•  ,eiJU'n  TJnd  Handeln  verlieren.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
ur  solche  Kranke,  falls  es  dem  Sanatoriumsarzt  nicht  gelingt, 
sie  zu  bekehren,  ebenfalls  der  offene  Kurort  besser.  Solche  Pa¬ 
tienten  bedürfen  ja  nicht  der  strengen  ärztlichen  Beaufsichti¬ 
gung,  welche  für  das  Gros  der  Tuberkulösen  unentbehrlich  ist, 

.  beaufsichtigen  sich  besser  selbst,  sobald  sie  gelernt  haben,  was 
sic  zu  beaufsichtigen  haben,  und  entgehen  auf  diese  Weise  der 

i  .  Charakter  und  späteres  Leben  schädlichen  und 

fimderhehen  Unselbständigkeit. 

.  ■Dl®se  Ausnahmen  abgerechnet,  ist  der  Kuraufenthalt  in 
einem  Sanatorium  in  psychischer  Hinsicht  wohl  jedem  Lungen- 
firanken  zu  empfehlen.  Und  auch  in  obigen  Fällen  muss  der 
aizthche  Entschluss,  ob  Sanatorium  oder  offener  Kurort,  noch 
von  anderen  Umständen,  so  vor  allem  von  dem  Alter  des  Pa¬ 
tenten,  mit  abhängig  gemacht  werden.  Bei  jugendlichen  Kranken 
No.  33. 


1385 


wird  mar.  überlegen,  ob  nicht  die  Gefahr  des  jugendlichen  Leicht- 
smns,  der  sich  m  einem  offenen  Kurort  in  geeigneter  Gesellschaft 
gewiss  ausgiebiger  betätigen  kann,  als  in  einem  Sanatorium,  nicht 
die  psychischen  Bedenken  überwiegt,  eine  Ueberlegung,  die  bei 
alteren,  vernünftigen  Patienten  natürlich  wegfällt 

Bei  ganz  jungen  Leuten  im  schulpflichtigen  Alter  bedeutet 
die  Erkrankung  eine  grosse  Gefahr  für  ihre  innere  Entwicklung. 
Monate  oder  gar  Jahre  sollen  nur  der  Gesundheit  und  nicht  dem 
Lernen,  gewidmet  werden  und  oft  wird  die  daraus  entstehende 
lagheit  mit  all  ihren  Lastern  dann  zur  bösen  Gewohnheit.  Der 
ständige  Verkehr  mit  Erwachsenen  zeitigt  auch  oft  frühreife 
oder,  schlechte  Fruchte.  Da  wird  die  Charakteranlage  die  Ent¬ 
scheidung  bringen.  Der  Arzt  aber  muss  hier,  mehr  noch  wie 
sonst,  auf  eine  massige  und  vernünftig  verteilte  Arbeit  im  Inter¬ 
esse  des  Kranken  hinwirken,  womöglich  im  Verein  mit  einem 
1  rivatlehrer.  In  Davos  existiert  in  sehr  vorteilhafter  Weise  ein 
hygienisch  erbautes  und  geleitetes  Schulsanatorium  unter  ärzt- 
ic  lei  Aufsicht,  und  ebensolche  Mädchenpensionate. 

Und  nun  zu  einem  Punkt  in  der  psychischen  Symptomato¬ 
logie  des  Lungenkranken,  welcher  von  allen  Autoren,  die  sich 
mit  diesem  Thema  beschäftigen,  —  ich  nenne  Dettweiler 
C  orn  e  t,  He  inzelmann  —  in  gleicher  Weise  betont  und 
bestätigt  wird.  Es  ist  die  enorme  Stimmungslabilität 
der  chronisch  Lungenkranken.  Sie  ist  die  causa  prima  im 
Stimmungsbild  der  Tuberkulösen  und  fast  bei  jedem  Patienten 
zu  konstatieren.  Sie  äussert  sich  im  ganzen  Wesen,  im  ganzen 
Aul  treten  des  Kranken,  in  seiner  Unterhaltung,  seinen  Briefen, 
seinem  Denken  und  schliesslich  auch  in  seinem  Handeln.  Wie 
oft  hört  der  Arzt  von  den  Verwandten  über  diesen  unberechen- 
baren,  von  einem.  Tag  zum  anderen  erfolgenden  Stimmungs- 
wec  isel  klagen.  Nicht  bloss,  dass  die  Auffassung  von  der  eigenen 
Krankheit  und  ihrem  Verlauf  eine  häufig  schwankende  zu  sein 
pflegt,  auch  Meinungen  und  Urteile  über  Dinge  und  Menschen 
werden,  kaum  gefasst,  grundlos  wieder  verworfen,  Pläne  werden 
gemacht  und  nach  kurzer  Zeit  wieder  aufgegeben,  eine  Ver¬ 
fassung  des.  Kranken,,  die  bei  der  Umgebung  viel  Aufregungen 
und  viel  „Lärm  um  Nichts“  zu  verursachen  pflegt,  letzteres,  weil 
gerade  der  häufig  statthabende  Wechsel  diesen  psychischen  Ein¬ 
flüssen  und  Willensbestimmungen,  unter  deren  Herrschaft  der 
Patient  im  gegebenen  Augenblick  ganz  zu  stehen  scheint,  doch 
jeglichen  ernsten  Hintergrund  von  vornherein  nimmt.  Man 
braucht  oft  nur  das  gewiss  nicht  immer  empfehlenswerte  Prinzip 
des  laisser  aller  anzuwenden,  oder  wenn  es  not  tut,  mit  ver¬ 
nünftigen  Worten  die  Intentionen  und  Gedanken  des  Kranken 
ad  absurdum  zu  führen,  um  einen  schnellen  Uebergang  zu  anderen 
\  orstellungen  hervorzurufen.  (Schluss  folgt.) 

Ueber  die  Schwierigkeiten  bei  der  Auswahl  der 
Kranken  für  die  Lungenheilstätten  und  über  den 
Modus  der  Aufnahme  in  dieselben.*) 

Von  Prof.  Rud.  Kobert. 

.  H.  H.!  Wie  in  allen  deutschen  Gauen,  so  haben,  wie  Sie 
wissen,  sich  auch  in  Mecklenburg  Vertreter  aller  Stände  zu¬ 
sammengetan,  um  ein  Volkssanatorium  für  Leichttuberkulöse  zu 
beschaffen.  Diejenigen  von  Ihnen,  welche  noch  nie  ein  solches 
gesehen  haben  sollten,  möchte  ich  durch  eine  Anzahl  herum¬ 
zureichender  Bilder  orientieren  und  für  unser  Unternehmen 
interessieren.  Die  von  einigen  Seiten  neuerdings  geäusserte 
Meinung,  solche  Sanatorien  hätten  gar  keinen  Zweck,  seien  weg- 
geworfenes  Geld,  würden  nächstens  leerstehen,  sind  so  töricht, 
dass  ich  sie  mit  Stillschweigen  übergehe.  Umgekehrt  wollen  wir 
die. Achillesferse  der  ganzen  Sache,  den  wunden  Punkt  der  Sana¬ 
torienfrage  keineswegs  bemänteln,  sondern  ich  will  sie  heute 
Abend  mit  Ihnen  vorurteilsfrei  an  der  Hand  der  Aeusserungen 
der  berufensten  Männer  durchsprechen.  Worin  besteht  denn  nun 
die  Achillesferse?  Weitaus  die  schwierigste  Frage  bei  der  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose  als  Volkskrankheit  ist  die  der  rich¬ 
tigen  Auslese  der  Kranken  für  die  Heilstätten.  In  Er¬ 
kenntnis  dieser  Tatsache  hatte  das  „Deutsche  Zentralkomitee 
zur  Errichtung  von  Heilstätten  für  Lungenkranke“  diese  Frage, 
obwohl  noch  im  Jahre  1900  mehrere  Schriften  gerade  darüber 
erschienen  waren,  auf  die  Tagesordnung  seiner  Mitgliederver- 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Aerztevereiu  zu  Rostock. 


5 


138G 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOC I IENSC1IRI  ET- 


No..  33. 


Sammlung  für  das  Frühjahr  1901  gesetzt.  Nachdem  bei  dieser 
Gelegenheit  sich  eine  Reihe  massgebender  Persönlichkeiten  m 
der  Diskussion  ausgesprochen  hatten,  durfte  erwartet  werden 
dass -jetzt  die  Ansichten  einigermassen  geklart  seien.  Deshai 
erschien  Ihr  Wunsch,  hier  im  Aerzteverem  zu  Rostock  im 
Sommer  1902  über  dasselbe  Thema  einen  Vortrag  sich  halten  zu 
lassen,  leicht  zu  erfüllen.  War  doch  anzunehmen,  dass  nun  bei 
fast  allen  Beteiligten  eine  und  dieselbe  Meinung  herrschen  wer  e. 
Unter  solchen  Umständen  unternahm  ich  es  gern,  diesen  \  ortrag 
zu  halten.  Um  in  der  Beantwortung  möglichst  objektiv  zu  ver¬ 
fahren,  schien  es  mir  angezeigt,  mich  nicht  auf  die  vor 
hau  de  ne  Literatur  und  auf  die  eigenen  Er- 
f  a  h  r  u  n  g  e  n  in  Görbersdorf  zu  beschränken,  sondern  auch  bei 
möglichst  vielen  Leitern  von  V olks-Lungenheilanstal t  en  sowie 

hei  den  Landesversicherungsanstalten  b  r  l  e  f  1 1  c  li  e  _  1 

kundigungen  einzuziehen.  Als  diese  bereits  m  meinen 
Händen  waren,  erschien  im  April  1902  der  neue  Geschaftsbenclit 
des  „Deutschen  Zentralkomitees  zur  Errichtung  von  Heilstätten 
für  Lungenkranke“,  welcher  einen  Teil  dessen,  was  ich  zu  ie>ei 
Zeit  bereits  erkundet  hatte,  ebenfalls  enthielt  ).  V  eit  i  e 
schienen  noch  kürzlich  in  der  Tagespresse  zwei  Referate  über  je 
einen  von  Herrn  Kollegen  Weicker  aus  Gorbersdorf  m  Ham¬ 
burg  und  von  Kollege  C.  M.  Bier  in  Hannover  gehaltenen  wich¬ 
tigen  Vortrag,  die  beide  ebenfalls  dasselbe  Thema  betreffen  loh 
bin  der  Meinung,  dass  meine  Erhebungen  trotzdem  nicht  ganz 

überflüssig  gewesen  sind.  .  . 

Mehrere  der  Kollegen,  welche  ich  befragte  waren  m  der 
Lage,  mir  ihre  Meinung  gleich  in  Form  kürzlich  gedruckter 
kleiner  Broschüren  oder  Joumalartikel  zusenden  zu  können, 
nämlich  die  Herren  Kollegen  E.  R  u  m  p  f  -  Ericdnchsheim  , 
A.  Ott-  Oderberg  3),  N  ahm-  Ruppertshain  ),  K  n  a  p  P  -  V\  ü 
helmsheim  B),  S  t  a  u  f  f  e  r  -  Altena  ")  und  Bändel  i  er  “ 
hus ")  Den  genannten  Kollegen  sowie  den  anderen  32,  welche 
brieflich  antworteten,  besten  Dank!  Ebenso  gebührt  mein  Dank 
den  31  Versicherungsanstalten  und  9  Pensionskassen,  von  dem 
keine  einzige  meinen  Fragebogen  unerledigt 
belassen  hat.  Ich  schliesse  aus  den  lückenlosen  Antworten, 
dass  auch  die  genannten  Anstalten  an  der  Erledigung  dei 
schwebenden  Fragen  das  regste  Interesse  haben.  _ 

Ich  habe,  wie  schon  gesagt,  meiner  Aufgabe  m  doppelte 
Weise  gerecht  zu  werden  gesucht,  indem  ich  nicht  nur  die  ge¬ 
nannten  und  andere  einschlägige  Schriften  studierte,  sondern 
indem  ich  durch  Versenden  besonderer  Fragebogen  auch  die  nicht 
journalistisch  arbeitenden  Kollegen  und  die  Versicherungsanstal¬ 
ten  zum  Sprechen  brachte,  und  zwar  auch  über  denjenigen  Pui  *  , 
welchen  ich  in  den  Schriften  aus  begreiflichen  Gründen  nicht  ge¬ 
nügend  erörtert  fand,  nämlich  ob  die  Meinungen  der  Landes- 
Versicherungsanstalten  und  die  ihrer  Sana¬ 
toriumsärzte  übereinstimmen  oder  nicht.  De 
von  mir  aufgesetzte  Fragebogen  bezog  sich  aut  die  beiden  im 
Thema  meines  Vortrages  enthaltenen  Fragen. 

Die  eingelaufenen  Antworten  will  und  kann  ich  am  heutigen 
Abend  Ihnen  im  einzelnen  nicht  vorlegen.  Ich  habe  sie  aber,  c  a 
sie  viele  recht  interessante  Einzelheiten  enthalten,  im  Zusammen¬ 
bau«  —  soweit  sie  lesbar  waren  —  der  Reihe  nach  zusammen- 
"'cs teilt  und  zum  Besten  unseres  Lungenheilstattenveremes  bei 
p  Unke  in  Stuttgart  erscheinen  lassen.  Möchten  aus  Liebe  zur 
Sache  recht  viele  Kollegen  dieses  Schriftchen  kaufen,  das  ich 
hier  herumgebe.  Ich  begnüge  mich  hier  den  Totalemdruck 


n  Der  Stand  der  Tuberkulosebekämpfung  im  Frühjahr  1902 
Geschäftsbericht  für  die  Generalversammlung.  Darin  S.  4 o.  Die 
Viisloso  der  Kranken  für  die  Heilstätten. 

-)  Die  Vuslese  der  Lungenkranken  für  die  Heilstätten.  }  erli. 
d.  .Taliresvers.  d.  Deutschen  Zentralkomitees  für  Lungenbeilst atte n. 
1i)01  23.  März.  Ferner  Aerztl.  Mitteil,  aus  u.  Dir  Baden  1.  >  - 

’•)  Welche  Kranken  eignen  sich  zur  Aufnahme  in  die  Dung  - 
heilstätten?  Aerztl.  Monatsschr.  1901,  H.  9.  Kollege  Ott  ist  mit t- 
lerweile  nach  Grünewald  bei  Wittlich  an  der  Mosel  ubergesied  . 

.)  Ueber  die  Einweisung  von  Lungenkranken  in  die  \  ollvsheil- 
stätten  Zeitsehr,  f  Krankenpflege  Bd.  23,  1901,  No.  3.  Therap. 

e?  di e> Auslese  der  für  Volksheilstätten  geeigneten  Kran¬ 
ken  Württ.  Med.  Corresp.  Bl.,  2.  Nov.  1901.  No.  44. 

«\  was  sind  die  Ursachen  der  verspäteten  Aufnahme  in  die 
Heilstätten  und  auf  welchem  Wege  ist  hier  Abhilfe  zu  schaffen. 
IT  Tihresber.  der  Volksheilstätte  des  Kreises  Altena,  1900,  p.  14. 

'  ■)  Feber  die  Auswahl  der  Lungenkranken  für  die  Heilstatten- 

behandlung.  Monatsschr.  f.  Unfallheilkunde  u.  lnvalidenwesen, 
Jahrg.  1901. 


wiederzugeben,  welchen  das  Studium  aller  dieser  Antworten  und 

der  bereits  sonst  darüber  vorliegenden  Meinungsäusserungen  aut 

mich  gemacht  hat.  Zunächst  sei  hervorgehoben  dass  1.  he  ne 

a li  e  r  B  e f  r a g  t  e n  a n  d e m  g u  t  e n  E  r  f  o  1  g  r  i c h  t  ige 

Sanatoriumskuren  verzweifelt.  Nichts  ist  da  ci 

verkehrter  als  zu  sagen,  das  deutsche  Volk  sei  m  seinem  Enthu- 
sLmus  für  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose  mit  der  Errichtung 
SO  vieler  Lungenheilanstalten  zu  weit  gegangen.  Im  Gegenteil. 
MiTekenne  mich  auf  Grund  aller  meiner  Studien  zu  der  auf 

Krankenkassenkonferenz  der  Laiidesversichenmgsaustalt  ll.m 

nover  vor  wenigen  Wochen  gefassten  Resolution,  dass  die  Z  a  hj 
der  Heilstätten  noch  vermehrt  werdet.  • 

Ich  stimme  aber  weiter  auf  Grund  aller  eingelaufenen  arztlichm 
Antworten  dem  auf  dieser  Konferenz  von  Kollege  Bier  ene. 
gisch  betonten  Satze  bei,  dass  2.  die  sich  tui  d 
verfahren  meldenden  Personen  meist  nach 
mehrreohtgeeignetz  u  r  Iv  u  r  si  n  d,  sondern  l  a 
man  die  geeigneten  Initialfalle  nur  duieh 
regelmässig  w  i  ed  er  k  eh  r  ende  Zwangsun  ei- 
Buchungen  aller  Versicherten  oder  wenig 
stents  der  aus  belasteten  Familien  und  der  au 
1 u  n  ge  n gefährd  enden  Berufen  durch  Spezia¬ 
list  i  s  c  h  a  u  s  g  e b i 1 d e t e  S a e  h  v  er  st  a n d ige 
herausfinden  k  a  n  n.  Weiter  unterliegt  es  keinem  Zweite 

dass  3  auch  für  die  zum  H  e  i  1  v  e  r  ah  r  en  „  i  ch  t 
mehr  geeigneten  Versicherten  durch  Unter 
briimmg  in  „Heimstätten“  gesoigt  werden 
m  u  s  s?  Die  diesen  Unglücklichen  gesetzlich  zustehende  Rente 
muss  für  diesen  Zweck  in  Anspruch  genommen  und,  soweit  dies 
zu  ermöglichen  sein  wird,  dazu  erhöht  werden.  Nur  aut  diesen 
Wege  können  wir  die  Angehörigen  der  Schwerkranken  voi  c 
Gefahr  der  Ansteckung  schützen  und  allmählich  wirklic  gesunte 

Wohnungen  für  die  Versicherten  schaffen 

Da  dies  alles  aber  nicht  mit  einem  Mal  zu  erzielen  ist,  mu  . 
wir  zunächst  mit  den  Verhältnissen,  wie  sie  jetzt  nun  eben  hegen, 
zu  rechnen  suchen.  Dass  schon  bis  jetzt  Enormes  geleistet  ist 
zeigt  z.  B.  der  schon  oben  erwähnte  Bericht  1> 1  e  r  s 
allein  von  der  Landesversicherungsanstalt  Hannover  3800  Per 
sonen  wieder  arbeitsfähig  gemacht  worden  sind  was  einer  Ren¬ 
tenersparnis  von  700  000  M.  entspricht.  Wir  haben  allen  Grund, 
unter  solchen  Umständen  die  Einrichtung  der  Landesveisiche- 
runo-sanstalten  als  eine  ungemein  segensreiche  anzuerkennen  Du¬ 
dle  wir  dem  Schöpfer  derselben,  Kaiser  Wilhelm  L,  zu  grössten 
Danke  verpflichtet  sind.  Teils  direkt,  teils  indirekt  verdanken 

diesen  Landesversicherungsanstalten  alle  o  ^s-  mngen 

anstalten  die  Möglichkeit  ihrer  Existenz.  Bruch  mit  den  Lande 
Versicherungsanstalten  würde  sie  sämtlich  bankrott  machen. 
Nichtsdestoweniger  soll  4.  die  Abhängigkeit  der  Aerzte  selbst  der¬ 
jenigen  Sanatorien,  welche  lediglich  ans  Mitteln  der  Landesver¬ 
sicherungsanstalten  erbaut  sind  und  erhalten  werden,  keine 
sklavische  sein.  Unter  all  e  n  U  m  8  t  ä  n  d  e  um  u  s  s  d  a 
letzte  W  ort  über  die  Aufnahme  oder  Nichtav 

nähme  eines  Patienten,  der  von  d  er  L  a  n  d  es  Ver¬ 
sicherungsanstalt  geschickt  wird,  vom  Arzte 

der  Heilstätte  gesprochen  werden.  Wo  es  örtlich 

zu  ermöglichen  ist,  soll  der  Heilstättenarzt  den  Patienten  auch 
vorher  schon  sehen  und  untersuchen  dürfen.  _  Es  muss  als  ganz 
verfehlt  bezeichnet  werden,  wenn  den  Heilstattenavztcn  von 
ihnen  abgelehnte  Patienten  dennoch  zugeschickt  werden.  M  a  n 

muss  5.  im  Gegenteil  alles  tun,  um  diesen  nicht 

beneidenswerten  Kollegen  ihre  Lage  erträg¬ 
lich  zu  machen  und  ihr  Ansehen  zu  heben. 
ihr  Ansehen  bei  den  Patienten  und  für  ihren  Einfluss  aut  die¬ 
selben  würde  es  weiter  von  hohem  Werte  sein,  wenn  man  ihnen, 
soweit  sie  nicht  einem  Professor  der  Medizin  unterstellt  sind, 
denTitel  Direktor  geben  und  d  i  e  Ve  r  w  al  tu  n  g  s  - 
beamten  der  Heilstätte  ihnen  unterordnen 
w  ü  r  d  e.  Die  ewigen  Konflikte  mit  der  Verwaltung  sind  Nagel 

zum  Sarge  unserer  Anstaltsärzte. 

Sie  müssen  6.,  wie  dies  bei  einzelnen  Anstalten  auch  schon 
der  Fall  ist,  das  Recht  erlangen,  nach  Ablauf  der 
ersten  drei  Monate  eine  Verlängerung  der 
Kur  ihrer  Patienten  um  1 — 3  Monate  beanspruchen 
zu  dürfen.  Tatsächlich  besteht  die  strenge  Einhaltung  der  Drci- 
monatekur  keineswegs  in  allen  Anstalten  und  kann  durch  kein. 


19.  August  1902. 


Gesetz  begründet  werden.  Sieisteineganzwillkür- 
liehe,  probeweise  gezogene  Grenze,  welche 
S.11<’  !..a  ,®  enf  erwiesen  hat;  ihre  Erweiterung  wird 
sich  für  die  Versicherungsanstalten  nicht  als  eine  Mehrausgabe 
sondern  als  eine  Ersparnis  erweisen. 

7.  Die  in  Bezug  auf  die  zur  Aufnahme  vorzu¬ 
schlagenden  Patienten  leider  noch  bestehen- 
ceu  erheblichen  Differenzen  müssen  ausge- 

g  1 1  chen  werde  n  Ich  muss  auf  einige  solche  Differenzen 
hier  unbedingt  emgehen. 

a)  Während  die  eine  Anstalt  nur  Patienten  mit 
Bazillen  nimmt,  legen  andere  Anstalten  der  Anstaltsbehand- 
lung  nur  bei  solchen  Patienten  Wert  bei,  welche  n  o  c  h  keine 
Bazillen  aushusten.  loh  bin  der  Meinung,  dass  dies  der 
Jdealzustand  ist,  dem  wir  zuzustreben  haben,  dem  wir  uns  aber 
nur  nähern  können,  wenn  wir  die  noch  scheinbar  ganz  Gesunden 
i  oh  Zeit  Z\Ze*  zwangsweise  zur  Untersuchung  zugewiesen  be¬ 
kommen.  Vorläufig  sind  wir  von  diesem  Idealzustand  leider 
noch  himmelweit  entfernt. 

b)  Während  einige  Anstalten  nicht  einmal  alle 

An  !  ff  hV  enrSteii  Turbanschen  Stadiums,  für  die 
Anstaltsbehandlung  als  geeignet  erklären,  lassen  andere  selbst 

noch  einzelne  Fälle  des  dritten  Turbanschen 
Stadiums  zum  Heilverfahren  zu.  Ja  der  Leiter  des,  einen 
kzanatoriums  legt  den  Hauptnachdruck  gar  nicht  auf  den  Grad 
der  Erkrankung,  sondern  auf  die  „Reaktion  des  Individuums“. 

U,('  \  .  m'r  ^®ben  wir  zu,  dass  die  Erstgenannten  mit  Rücksicht 
auf  die  beschrankte  Dauer  der  Ivur  in  praxi  meist  Recht  be- 
lahcn;  wir  mochten  aber  auch  die  Kranken  des  zweiten  Stadiums 
zulassen  mit  dem  Wunsche,  sie,  falls  die  Kur  im  Stich  lässt, 
an  eine  Heimstätte  für  Unheilbare  abgeben  zu  können. 

,  c)  Wahrend  einiffe  Anstalten  gewisse  noch  wieder- 
ers  teilbare  Patienten  nur  deshalb  ablehnen 
w  eil  derenBerufeinsehwererist,  thun  andere  dies 

nicht,  und  ich  stimme  den  letzteren  bei,  da  ein  schwerer  Beruf 
das  doppelte  Anrecht  auf  Hilfe  von  Seiten  des  Staates  geben 
muss.  Meist  wird  diese  Hilfe  wohl  zum  Schluss  darin  bestehen 

müssen,  dass  dem  Wiederhergestellten  ein  leichterer  Beruf  er¬ 
möglicht  wird. 

d)  Während  nach  einem  Kollegen  tägliche  Abend - 

f  ei  £  er  nn  g  e  n  der  Temperatu  r  das  Heilverfahren 
kontraindizieren,  sehen  andere  im  Fieber  keine  Gegenanzeige  für 
y”  ybens.°  different  sind  die  Ansichten  in  Bezug  auf 

ci  c  1 1  s  c  h  w  e  l  s  s  e.  Ich  habe  Kassenpatienten  teils  mit,  teils 
o  me  yramidon  ihr  Fieber  sehr  bald  verlieren  und  vortreffliche 
ur  machen  selien,  bin  aber  weit  entfernt,  dies  etwa  für  alle 
fiebernde  behaupten  zu  wollen. 

e)  Während  einige  chronische  Mittel  ohreite- 
i  u  n  g,  M  astdarmf  isteln,  Knochen  -  oder  Gelenk- 

einbar *  7  °  8  %  f  eUkoPf^schwüre  als  unver- 

,ni(  /  dem  Heilverfahren  ansehen,  nehmen  andere  Anstalten 

suelr  Ti  an-  ^ider  feblt  <*  an  Tuberkulose- 
r  fe  Cl!irargisc,i  geschult  «nd.  Ich  hoffe,  dass  die 
W‘rd’  denn  icl1  weiss-  dass  Erio'ge 

als  Hämoptoe  wird  von  einigen  Anstalten 

währet  r  U1\  ange6dlen’  das  Heilverfahren  abzulehnen, 

<  und  andere  auch  solche  dazu  zulassen.  Da  es  sehr  viele 

„  li"len  he™\  Grade  der  Hämoptoe  gibt,  scheint  es  mir  unrecht, 

fmilir^r6“  ZU  Wollen-  Ich  habe  bei  einzelnen  sehr  er- 
reunciie  Erfolge  m  wenigen  Monaten  erzielt. 

„ai;,  N  enrastheniker  werden  von  einer  Anstalt  ab- 

Nen,  faSt  alle  auderen  Anstalten  überhaupt  nach 

Wr  ?  lea-  niicbt  fra«'cn-  Ich  meine,  die  bei  so  vielen  Phthisi- 

dtn  4  f.1?  durch  das  tuberkulöse  Leiden  bedingte  und  vor 

seblffo  y  p1  y  1  uberkulose  nicht  vorhandene  Neurasthenie 

3  Cle  Heilbehandlung  nicht  aus,  sondern  schwindet  mit 

In  fund, r  iUMg  dCr  Ernäbrui18'  Ulld  der  Abnahme  des  Lungen- 

..  'Die  angeführten  Differenzen  der  Anschauung  sind  wohl  ge¬ 
nügend,  um  zu  zeigen,.  dass  trotz  vielen  Redens  und  Sprechens 
i  g.  ±  r  a  g  e,  w  i  e  ein  zum  Heilverfahren  gerade 
j „ °  »  8  e e i g  n  e  t  e  r  Kranker  beschaffen  sein 

„i  \  n°yb  n  1  c  H  t  für  alle  Beteiligten  in 
ts  i  c  Ji  o  i’  \Y  e  i  s  c  gelöst  ist. 


jUJFNCIIENER  MEDICINISCIIE  WO  CHENS  CHB  TFT 


1387 


Möchte  diese  meine  heutige  Besprechung  mit  dazu  bei- 
tragen,  Klärung  auf  diesem  Gebiete  herbeizuführen,  ehe  unser 
JVlecklen burgiscihes  Sanatorium  fertig-  sein  wird 1 

Wir  kommen  zum  zweiten  Teile  meines  Fragebogens, 
nämlich  nach  dem  Modus  der  Aufnahme  der  Ver¬ 
sicherten  in  die  Lungenheilstätten.  Auch  hier¬ 
bei  bestehen  erhebliche  Differenzen.  Während  den  einen  das 
7  [  f, e  s  t  d  e  s  Haus-  oder  Kassenarztes  genügt 
halten  die  andern  dasselbe  zur  Aufnahme  prinzipiell  für  un¬ 
genügend  und  verlangen  eine  Untersuchung  und  Attestierung 
durch  einen  Vertrauensarzt  der  Landesversicherung  oder 
durch  eine  Universitätspoliklinik. 

Weiter  bestehen  insofern  Differenzen,  als  für  die  Eintragung 
der  Ergebnisse  der  Untersuchung  einzelne  Befragte  g-  a  r  k  e  i  n 
lo  rmul  a  r  für  nötig  halten,  während  anderen  jedes  be¬ 
liebige  Formular  genügt,  und  noch  andere  ein  ganz  b  c  - 
s  t  i  m  m  t  e  s,  speziell  für  ihre  Anstalt  zurechtgemachtes  fordern 
Wie  sehr  diese  Formulare  verschieden  sind,  zeigen  die  von  mir' 
in  meinem  Schriftehen  abgedruckten  zur  Genüge.  Ich  glaube 
dass  den  meisten  Kollegen  höchstens  je  ein  Formular  bekannt 
ist,  und  glaube  ihnen  gerade  durch  Abdruck  recht  verschieden¬ 
artiger  einen  Gefallen  zu  tun.  Der  nach  dem  Vorgänge 
YVeickers  bei  vielen  Anstalten  dem  Formular  vorgedruckte 
Satz:  „Ungeeignet  zur  Heilstättenkur  und  daher  vom  Heilver¬ 
fahren  auszuschliessen  sind  .  .  .“  gehört  nach  meiner  Meinung 
nicht  m  das  Formular  selbst,  sondern  in  eine  Anweisung,  d.  h. 
m  einen  gleichzeitig  mit  dem  Formulare  dem  Arzte  zu¬ 
zustellenden  offenen  Brief.  Ebendahin  gehört  die  Forderung 
das  ausgefüllte  Formular  dem  Patienten  nicht  offen  in  die  Hände 
zu  geben.  Die  vier  Bogenseiten  des  Formulars  sind  durchaus 
nötig,  um  alle  Fragen  und  Antworten  aufzunehmen,  die  Vor¬ 
kommen  können.  Ich  halte  ein  gutes  Formular, 
dessen  Ausfüllung  natürlich  ordentlich  bezahlt  werden  muss, 

iur  eine  wesentlicheErleichterungder  Tätig¬ 
keit  des  Hausarztes,  des  Vertrauensarztes 
und  des  Heilstättenarztes.  Falls  überhaupt  der  Ver¬ 
trauensarzt  entbehrlich  ist,  so  ist  er  es  nur,  falls  ein  ausführ¬ 
liches  Formular  vorhanden  ist.  Ohne  ein  solches  ist  z.  B.  auch 
die  Zusammenstellung  eines  guten  Jahresberichtes  sehr  schwer. 
Zu  wenig-  Wert  legen  nach  meiner  Meinung  die  meisten  An¬ 
stalten  auf  ein  genügend  grosses  Thoraxschema.  Ich  habe 
daher  das  grösste,  welches  sich  in  den  mir  zugegangenen  Formu¬ 
laren  fand,  m  meinem .  Schriftchen  in  natürlicher  Grösse  ab¬ 
gedruckt  und  möchte  dieses  zur  Nachahmung  empfehlen.  Bei 
kleineren  werden  die  Einzeichnungen  zu  ungenau.  Ein  Formular 
ohne  Thoraxschema  genügt  den  Anforderungen  nicht.  Auf  ein 
Kehlkopfschema  kann  meist  schon  eher  verzichtet  werden,  nicht 
jedoch  auf  die  Erwähnung  des  Kehlkopfsbefundes  im  Frage¬ 
bogen.  Leider  fehlt  diese  Frage  in  den  meisten  Bögen. 

Ich  werde  mich  nicht  wundern,  wenn  das  diesem  Vortrage  zu 
Grunde  liegende  Schriftchen,  da  es  nichts  Wissenschaftliches 
enthalt,  von  den  Theoretikern  und.  denjenigen  Praktikern,  welche 
nicht  mit  „Einweisung  Versicherter“  zu  tun  haben,  als  ein  ganz 
Übei  flüssiges  bezeichnet  oder  kopfschüttelnd  und  nicht- verstanden 
beiseite  gelegt  werden  wird.  Aber  bei  denjenigen  Kollegen, 
welche  fast  alltäglich  mit  lungenkranken  Kassenpatienten  sich 
.  efassen  müssen,  wird  es  nicht  ungern  aufgenommen  werden,  und 
jeder  derselben  wird  sich  beim  Durchlesen  diejenigen  Punkte 
heraussuchen,  welche  ihm  für  seine  speziellen  Verhältnisse  von 
Nutzen,  sein  könnten,  und  wird  auf  Grund  dieser  Schrift  seine 
Ansichten  bei  andersdenkenden  Kollegen  und  bei  der  ihm  viel¬ 
leicht  Widerspruch  leistenden  Landesversicherungsanstalt  zur 
Geltung  zu  bringen  suchen.  Aber  auch  den  L  a  n  d  e  s  Ver¬ 
sicherungsanstalten  dürfte  eine  solche  Ne- 
beneinanderstellung  ihrer  bis  jetzt  noch  nie¬ 
mals  im  Druck  dargelegten  Ansichten,  die 
sich  ja  alle  auf  ein  und  dasselbe  Gesetz 
stützen  und  dabei  doch  recht  verschieden 
sind,  nicht  ohne  Interesse  sein.  Es  wäre  möglich, 
dass  diese  absichtlich  polemiklose  Nebeneinanderstellung  der  sich 
widerstreitenden  Ansichten  auf  manchen  Landesrat  oder  Kassen¬ 
vorstand  mehr  Eindruck  machen  wird  als  alle  langatmigen  Vor¬ 
stellungen  der  Sanatoriumsärzte. 

Möchte  doch  auch  auf  diese  Weise  die  praktische  Inangriff¬ 
nahme  der  Tuberkulosebekämpfung  im  deutschen  Vaterlande  ge- 


5* 


13S8 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET 


No.  33. 


fördert  werden!  Jedenfalls  ist  dies  der  Wunsch,  der  mich  heute 
wie  immer  beseelt. 


Zur  Heilstätten-Behandlung  der  Tuberkulose. 

Von  Dr.  med.  E.  Meissen,  dirigierendem  Arzt  der  Heilanstalt 

Hohenhonnef. 

Es  ist  stets  lehrreich  und  dankenswert  wenn  jemand  über 
den  Wert  eines  Heilverfahrens  ein  Urteil  abgibt,  der  u  ei  * 
erforderliche  Sachverständnis  verfügt,  aber  nicht  selbst  in  der 
Ausübung  der  Methode  steht,  was  ihn  vielleicht  unwillkürlich 
beeinflussen  könnte.  Deshalb  wird  man  den  Vortrag  Hammers 
über  die  Heilstättenbehandlung  der  Tuberkulose  gern  lesen  weil 
er  in  ruhiger  Kritik  auf  manche  ungeklärte,  vielleicht  unrichtige 
Seite  des  Verfahrens  hinweist.  Die  Sache  geht  eigentlich  mehr 
die  Volksheilstättenärzte  an,  die  wohl  dazu  Stellung  ne  me 
werden  Doch  mag  auch  dem  Leiter  einer  Privatanstalt  gestattet 
sein,  zu  den  Anregungen  H  a  m  m  e  r  s  seine  Meinung  Zu  = 
Hammer  geht  von  einer  Statistik  über  127  tuberkulös 
Arbeiter  und  Arbeiterinnen  aus,  die  der  Heidelberger  Orts¬ 
krankenkasse  angehörten.  72  derselben  machten  eme  HeiHtartm- 
bur  durch  (Nordrach,  Schömberg,  Hornbach,  Forbach,  Bondort, 
Säckingen,  Friedrichsheim)  von  80  bis  zu  i80  Tagen;  ^  wurden 
anderweitig  behandelt,  aber  „mit  besonderer  Sorgfalt  immer  u 
immer  wieder  auf  die  _  entscheidende  Bedeutung  der  allgemein 
hygienischen  Lebensweise  aufmerksam  gemacht  •  .  . 

Fälle  war,  soweit  man  feststellen  konnte,  beide  Male  ziemlich 
gleichartig.  Aus  der  Zusammenstellung  ergab  sich  der  merk¬ 
würdige  Schluss,  dass  die  Heilstättenbehandlung 
werten  Resultate  gezeitigt  hat,  dass  es  jedenfalls  auf fallend  bleM 
wenn  die  Unterschiede  in  den  wirtschaftlichen  Ei  folgen  keine 
beredtere  Sprache  führen  zu  Gunsten  der  Heilstättenbehandlung 
Hammer  schliesst  aus  diesem  Ergebnis  nicht  auf  de 
Unwert  einer  Methode,  die  gerade  in  Deutschland  mit  so -grossen 
Erwartungen  und  Opfern  ins  Werk  gesetzt  wurde  Aber  es  ma 
ihn  doch  bedenklich.  Zurzeit  sind  in  Deutschland  etwa  60  A  oKs- 
heilstätten  im  Betrieb  und  es  können  demnächst  alljahilich  n 
“  20  000  versicherte  Kranke  sich  einer  3  monatlichen  Kur 
unterziehen.  Die  Zahlen  der  Hammer  sehen  Statistik  sind 

zunächst  viel  zu  klein,  um  ein  allgemeines  endguitiges  Ur  tei 

zu  erlauben.  Man  wird  vor  allem  die  auf  breitestei  Basis  ee 

dachte  Statistik  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  abwarten 
müssen,  die  sämtliche  Heilanstalten  Deutschlands  umfasst. 
Ebenso  ist  die  Zeit  der  Beobachtung  (1898—1902  also  4  Jahre) 
viel  zu  kurz.  Denn,  wie  auch  II  a  m  m  e  r  selbst  hervorhebt  bex 
den  Tuberkulösen  ist  der  Dauererfolg  von  viel  grosserer  Wicht  g- 
keit  als  der  Entlassungserfolg :  Für  den  lungenkranken  Arbei  e 
hat  er  ebenso  geradezu  die  entscheidende  Bedeutung  wie  für  die 
Versicherungsanstalten,  die  ja  die  Kuren  nicht  aus  Humanität 
bezahlen,  sonderen  um  die  Rentenzahlung  hinauszuschieben  wo¬ 
möglich  ganz  zu  vermeiden.  Bis  wir  aber  über  die  Dauererfolge 
der  Heilstättenbehandlung  ein  bestimmtes  Urteil  abgeben  können, 
werden  wir  wohl  mindestens  noch  ein  Jahrzehnt  geduldig  warten 
müssen.  Die  Schwierigkeiten  der  Statistik  der  Dauererfolge  sine 
naturgemäss  sehr  gross. 

Sogar  was  man  unter  Dauererfolg  verstehen  will,  ist  bis 
heute  noch  nicht  ganz  klar.  II  a  m  m  e  r  will  den  grössten  Wert 
legen  auf  die  Veränderung  und  Besserung  des  objektiven  Lungen¬ 
befundes,  sowohl  im  Anschluss  an  die  Kur,  als  vor  allem  nach  c  er 
Kur.  Ich  kann  ihm  hierin  nicht  ganz  beipflichten.  Die  meisten, 
o-ewisserm assen  die  normalen  Patienten  der  Volksheilstatten 
werden  als  dem  Frühstadium  der  Krankheit  ungehörig,  nur  ge¬ 
ringe  objektive  Veränderungen  auf  der  Lunge  darbieten:  leichte 
Dämpfungen,  verändertes  Atemgeräusch,  wenig  oder  gar  kein 
Rasseln.  Eine  grosse  Besserung  solcher  Befunde  ist,  nicht  zu 
erwarten,  da  die  gleichen  Symptome  ja  auch  der  Vernarbung  an¬ 
gehören,  etwa  mit  Ausnahme  des  Rasseins.  Es  ist  hier  ana  og 
wie  bei  der  Beurteilung  der  Arbeite-  oder  Erwerbsfahigkeit  vor 
und  nach  der  Kur:  Hammer  selbst  macht  darauf  aufmerk¬ 
sam,  dass  die  meisten  Insassen  der  Volksheistätten  auch  vor  der 
Kur  arbeitsfähig  waren,  und  wenn  sie  als  erwerbsfähig  entlassen 
werden,  so  ist  damit'  nicht  gesagt,  dass  die  Kur  das  geleistet  habe, 
sondern  höchstens,  dass  sie  den  Leuten  die  sonst  vielleicht  ver- 

~  1 ;  n  a  ni  m  e  r:  Pie  Heilstättenbehandlung  der  Tuberkulose. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  20. 


loron  tregangene  Erwerbsfähigkeit  erhalten  habe.  Bei  vor- 
SÄ®  liegt  die  Sache  in  beider  Hinstdrt  fre.Hch 
anders.  .Aber  diese  will  man  den  Volksheilstatten  nach  Moglic 

keitG:“'rd  eine  einwandfreie  Statistik  neben  dem  All¬ 
gemeinzustand  auch  die  Dauerresultate  des  Lu,,f  ^ 

berücksichtigen  haben.  Praktisch  .st  aber 

dauernde  Erhaltung  der  wirtschaftlichen  Heilung,  d.  h.  eine  1 
möglichst  -Uten  Berufs-  und  Arbeitsfähigkeit  entschieden  die 
Hauptsache!  Ob  dabei  noch  gewisse  Reste  des  Lungenleidend 
obiltiv  nachweisbar  sind,  ist  ziemlich  gleichgültig  wenn  s.e 
nur  stationär  bleiben,  keine  Neigung  zum  Fortschreiten  zeigen. 
Wenn  man  ausschliesslich  Fälle  d^Mtatad—r  Behmrd- 


Wenn  man  aussciuiessinn  x  ....  •  -iPc  „.iKt 

Jung  bekommt,  so  werden  diese  Reste  recht  klein  sein.  Es  gib 

aber  °e,,ug  Fälle  des  vorgeschritteneren  Stadiums,  wo  der  O 
iranismus  den  Ausgleich  mit  der  Krankheit  findet,  und  trotz  de¬ 
fekter  Lunge  durch  lange  Jahre  oft  recht  angestrengter  Be™ 
tätigkeit  obliegen  kann.  Schliesslich  ist  die  Heilung  der 
klse  1  stets  eine  „Defektheilung“  (V  i  r  eh  o w)  .die  aber  prak- 
ti,ch  recht  häufig  den  Wert  einer  wirklichen  Heilung  hat. 

Zu  noch  wichtigeren  Betrachtungen  geben  andere  Berner- 
kun-en  Hammers  Anlass.  Dieser  schliesst  aus  den  relativ 
-ünstigen  Resultaten  der  nicht  in  Heilstätten  behandelten  Falle, 

dass  die  Arbeitertuberkulose  ein  ausserordentlich  günstiges  Ob¬ 
jekt  fül.  die  hygienisch-diätetische  Behandlung  bildet.  Hmrfui 
spricht  in  der  Tat  manche  Ueberlegung  und  manche  Erfahrung. 
\ber  die  erfreuliche  Tatsache  gilt  doch  im  wesentlichen  nur  für 
die  Anfangsstadien,  die  in  allen  Ständen  die  günstigsten  Objekte 
sind,  deshalb  auch  überall  die  regelmässigen  Objekte  im -dm ^Be¬ 
handlung  sein  sollten,  obwohl  sie  es  leider  nicht  sind.  II  am  me 
denkt  sich,  dass  bei  dem  Arbeiter  mit  seinem  abg^ar^en 
an  körperliche  Tätigkeit  gewöhnten  Organismus  der  Heüei folg 
mit  einfacheren  Mitteln  zu  erzielen  sein  müsse  als  bei  den  l  a 
tienten  der  wohlhabenden  Stände.  Hierin  wird  man  ihm,  min¬ 
destens  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  recht  ge  en  mmsen.  ac 
meiner  Ueberzeugung  werden  freilich  die  Heilstätten,  d.  .  g 
geschlossene  Anstalten,  unbedingt  die  Orte  bleiben,  wo  wir  mit  der 
besten  Aussicht  auf  Erfolg  den  kranken  Arbeiter  zur  Genesung 
führen  und  zugleich  hygienisch  erziehen.  Ich  wusste  nicht  was 
man  gleichwertig  für  die  gewaltigen  Vorteile  setzen  wollte,  d  e 
sie  bieten:  Das  völlige  Herausnehmen  aus  dem  Milieu,  wo  die 
Krankheit  entstand,  die  Verbringung  an  einen  Ort  mit  günstigen 
klimatischen  Bedingungen  und  «len  erforderlichen  Emnchtim^  , 
die  Möglichkeit,  alle  den  Kranken  betreffenden  Verhältnis^  g 
nau  zu  überwachen  und  zu  gestalten,  auch  arzneilic  e  e  an  un 
oder  sonstige  Massnahmen  strikt  durchführen  zu  können  und 

manches  andere.  ..  ,  i;  * 

Es  ist  aber  schon  wiederholt  von  Lungenarzten  die  Ansiciit 

ausgesprochen  worden,  dass  man  die  Volksheilstatten  manchma 
zu  kostspielig,  gelegentlich  fast  verschwenderisch  gebaut mnd [ein¬ 
gerichtet  hat.  Nicht  als  ob  man  dem  kranken  Arbeiter  den  be 
haglichen  Komfort  eines  schönen  Hauses  nicht  herzlich  go 
würde,  wenn  er  dadurch  einen  besonderen  Vorteil  für  seine  Ge- 
uesun-  hat.  Auch  der  verstärkte  Gegensatz  zu  den  spater  wiedu 
eintretenden  häuslichen  und  sozialen  Verhältnissen,  zumal  den 
Wohnungsbedingungen  ist  nicht  entscheidend.  Aber  wild  den 
in  der  Tat  so  viel  mehr  erreicht,  wenn  man  für  den  kranken 
Arbeiter  Anstalten  baut,  die  teurer  sind  als  manches  Sana¬ 
torium  für  zahlende  Patienten!  Das  ist  doch  sehr  zu  bezweifel  . 
Die  wirklich  notwendigen  Einrichtungen  können  gewiss  billiger 
geschaffen  werden,  ohne  dass  aller  Komfort  zu  fehlen  braucht. 
Dafür  könnte  man  mehr  Anstalten  errichten,  um  die  01 
der  Behandlung  einer  möglichst  grossen  Zahl  Kranker  zugäng¬ 
lich  zu  machen.  Die  Aufgabe  ist  nicht,  mit  reichen  Mitteln  mög¬ 
lichst  schöne  Anstalten  zu  erbauen,  sondern  zu  zeigen,  wie  man 
mit  möglichst  geringem  Aufwand  doch  alles  schaffen  mnn,  w 

wirklich  erforderlich  ist.  _  .  .  „ 

Schliesslich  ist  freilich  der  Fehler  unnötig  hoher  Anlagc- 
kosten  mancher  Volksheilstätten  kein  Nachteil  für  die  Insassen. 
Ein  stärkerer  Vorwurf,  den  auch  Hammer  hervortreten  lasst, 
liegt  auf  anderem  Gebiete.  Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass 
man  die  in  den  Sanatorien  für  zahlende,  durchweg  wohlhabendere 
Lungenkranke  entstandene  und  ausgebildete  Methode  allzu  dire’ 
auf  die  Volkssanatorien  übertragen  hat,  ohne  genügend  zu  t  - 
denken,  dass  das  Krankenmaterial  beidemal  sehr  verschieden  is  , 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1380 


19.  August  1902. 


sowohl  nach  der  Schwere  der  Fälle,  wie  nach  den  Berufsständen, 
denen  die  Patienten  entstammen.  Eine  Privatanstalt  muss  im 
allgemeinen  alle  Fälle  aufnehmen,  die  in  ihr  Hilfe  suchen, 
während  die  Klientel  der  Volksheilstätten  mit  Recht  nach  Mög¬ 
lichkeit  auf  die  Anfangsstadien  beschränkt  wird:  Die  Privat¬ 
sanatorien  haben  eine  wesentlich  grössere  Zahl  von  vor¬ 
geschrittenen  Fällen,  auf  die  das  Kurverfahren  Rücksicht  zu 
nehmen  hatte.  Liegekur  und  „Mastkur“  haben  hier  also  natur- 
gemäss  eine  sehr  grosse  Bedeutung.  Leider  hat  man  sich  ge¬ 
wöhnt,  in  diesen  Schlagworten  so  ziemlich  das  Wesen  der 
hygienisch-diätetischen  Methode  zu  sehen.  Namentlich  der  Laie 
überträgt  das,  was  für  manche  Fälle  richtig  ist,  einfach  auf  die 
Krankheit  überhaupt.  Man  vergisst  dabei,  dass  das  eigentliche 
Ziel  der  Methode  doch  offenbar  die  Erhöhung  der  organischen 
Widerstandsfähigkeit  ist,  die  durch  Schonung  u  n  d  Uebung  in 
richtigem  Verhältnis,  je  nach  dem  Falle,  erreicht  werden  soll. 
Liegekur  und  reichliche  Ernährung  sind  nur  Mittel  zum  Zweck, 
die  bald  mehr,  bald  weniger,  gelegentlich  gar  nicht  in  Betracht 
kommen.  Hammer  hat  deshalb  recht,  wenn  er  zu  erwägen 
gibt,  ob  nicht  für  den  kranken  Arbeiter  ein  richtiges  Mass 
zwischen  Ruhe  und  Bewegung  oder  auch  Arbeit  unter  gewissen 
Bedingungen  bei  guter,  aber  nicht  überreichlicher  Ernährung  die 
zweckmässigere  Kur  darstellt.  Ich  selbst  habe  das  bereits  wieder¬ 
holt  ausgesprochen "),  ebenso  wie  ich  vor  einer  schablonenhaften 
Auffassung  des  hygienisch-diätetischen  Verfahrens  stets  gewarnt 
habe.  Das  führt  zu  Erwartungen  und  Schlussfolgerungen,  denen 
schwere  Enttäuschungen  gewiss  sind. 

Es  scheint  übrigens  als  ob  die  entsprechende  Erkenntnis 
allmählich  überall  durchdringt.  Das  Berliner  Zentralkomitee2 3) 
beispielsweise  hat  die  Errichtung  von  ländlichen  Kolonien  für 
Lungenkranke  ernsthaft  ins  Auge  gefasst,  wo  geeignete  Kranke 
mit  geeigneter  Arbeit  beschäftigt  werden  sollen,  und  zwar  im 
Anschluss  an  eine  vorgängige  Anstaltsbehandlung.  Es  wird 
leichter  sein,  diesen  sehr  guten  Gedanken  durchzuführen,  wenn 
die  Schlagworte  Liegekur  und  Mastkur  bei  Aerzten  und  Laien 
etwas  mehr  auf  ihre  richtige  Bedeutung  zurückgeführt  werden, 
und  wenn  dafür  das,  was  wirklich  erstrebt  und  geleistet  werden 
soll,  etwas  klarer  hervortritt.  Solange  das  nicht  der  Fall  ist,  darf 
man  sich  nicht  wundem,  wenn  der  lungenkranke  Arbeiter  den 
an  sich  richtigen  Bestrebungen,  seine  Kur  etwas  aktiver  zu  ge¬ 
stalten,  starkes  Misstrauen  entgegenbringt.  Heilstätten  sind  und 
bleiben  die  sicherste  Voraussetzung  einer  erfolgreichen  Kur  für 
den  lungenkranken  Arbeiter.  Aber  die  Form  des  Heilverfahrens 
kann  für  den  besonderen  Zweck  in  ihnen  noch  vielfach  um¬ 
gestaltet  und  verbessert  werden. 

Es  besteht  Einigkeit  darüber,  dass  wir  auf  alle  Weise  er¬ 
streben  müssen,  die  Patienten  früh  genug  den  Heilstätten  zu¬ 
zuführen.  Damit  kommt  man  auf  die  in  den  letzten  Jahren 
vielfach  in  den  oben  angeführten  „Beiträgen“  auch  von  mir  er¬ 
örterte  Frage  von  der  Frühdiagnose  der  Tuberkulose.  Wie  eine 
Anzahl  anderer  Autoren  verspricht  sich  auch  H  a  m  m  e  r  viel 
von  der  allgemeinen  Anwendung  der  Tuberkulinprobe.  Ich  ver¬ 
mag  diese  Erwartung  nicht  zu  teilen:  Nicht  so  sehr,  weil  ich  die 
Gefahr,  die  durch  die  Möglichkeit  der  Anfachung  und  Aus¬ 
breitung-  einer  schlummernden  Tuberkulose  allerdings  gegeben 
ist,  für  allzu  gross  halte;  auch  nicht,  weil  die  Durchführung 
der  Probe  allzu  grosse  technische  Schwierigkeiten  bieten  würde. 
Aber  gelangen  wir  durch  sie  wirklich  zur  Sicherheit?  Es  muss 
schon  stutzig  machen,  dass  das  Tuberkulin  in  einer  gewissen  An¬ 
zahl  Fälle  versagt,  dass  unzweifelhaft  Tuberkulöse  gelegentlich 
nicht  reagieren.  Nun  gewinnt  aber  infolge  übereinstimmender 
älterer  und  neuerer  Untersuchungen  (Nägeli,  namentlich 
Bug  ge  in  Christiania)  der  Begriff  der  latenten  Tuberkulose 
eine  immer  grössere  Bedeutung.  Die  Sektionen  an  den  grossen 
Krankenhäusern  ergeben  mit  Sicherheit,  dass  der  allergrösste 
Teil  der  erwachsenen  Menschen  kleine  tuberkulöse  Herde  in  sich 
trägt,  die  teils  einer  gering  gebliebenen,  spontan  abgelaufenen 
Erkrankung  entsprechen,  grösstenteils  aber  noch  keine  klinische 

2)  E.  Meissen:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Lungentuber¬ 
kulose,  S.  124  u.  ff.:  „Was  können  die  Fachärzte  zur  Bekämpfung 
der  Lungentuberkulose  beitragen?“  Wiesbaden  1901,  J.  F.  Berg¬ 
mann. 

s)  G.  Pannwitz:  Der  Stand  der  Tuberkulosebekämpfung 
im  Frühjahr  1902.  Geschäftsbericht  des  Zentralkomitßs.  Berlin 

1902. 


Erkrankung  vorstellen.  Nimmt  man  die  an  klinisch  nach¬ 
gewiesener  Tuberkulose  Verstorbenen  hinzu,  so  gelangt  man  be¬ 
kanntlich  zu  dem  Ergebnis,  dass  96  Proz.  und  mehr  der  Kultur¬ 
menschen  „tuberkulös“  sind !  B  u  g  g  e  schloss  diese  Gruppe  von 
seinen  Untersuchungen  aus,  fand  aber  bei  67  Proz.  der  irgend 
welchen  anderen  Erkrankungen  Erlegenen  solche  tuberkulöse 
Herde.  Zum  Beweise,  dass  diese  anscheinend  unbedeutenden 
Dinge  wirklich  tuberkulöser  Natur  sind,  konnte  er  durch  TTeber- 
impfung  des  Materials  Versuchstiere  tuberkulös  infizieren.  Wenn 
man  hier  sagt,  dass  die  Ergebnisse  sich  ganz  vorwiegend  auf  Men¬ 
schen  der  ärmeren  Klasse  beziehen,  so  werden  sie  gerade  für  die 
Frage  der  Arbeitertuberkulose  um  so  wichtiger.  Uebrigens  ist  es 
sehr  wenig  wahrscheinlich,  dass  die  Tuberkulose  hei  den  reicheren 
Ständen  prozentiscli  seltener  sei :  Die  Schädigungen  des  Berufs, 
der  Lebensweise  und  Lebensgewohnheiten  wirken  hier  wohl  in 
etwas  anderer  Weise  als  beim  Arbeiter,  begünstigen  aber  ebenso 
wirksam  die  Erkrankung  an  Tuberkulose. 

Das  Tuberkulin,  mag  es  auch  gelegentlich  versagen,  ist  sicher 
ein  sehr  feines  Reagens,  und  es  unterliegt  kaum  einem  Zweifel, 
dass,  wenn  wir  die  Tuberkulinprobe  einmal  allgemein  an¬ 
wendeten,  die  allermeisten  Menschen  mindestens  mit  Fieber 
reagieren  würden.  Es  ist  auch  nicht  möglich,  eine  ein  für  allemal 
gültige  Tuberkulindosis  anzugehen,  da  natürlich  auch  dem  Tuber¬ 
kulin  gegenüber  das  Verhalten  des  Organismus  individuell  ver¬ 
schieden  ist.  Allem  Anschein  nach  verhält  es  sich  beim  Menschen¬ 
geschlecht  mit  der  Verbreitung  der  Tuberkulose  nicht  viel  anders 
als  beim  Rindvieh,  wo  durch  die  Tuberkulinprobe  die  fast  all¬ 
gemeine  Durchseuchung  bewiesen  ist.  Beim  Menschen  wird 
ausser  der  Allgemeinreaktion  (Fieber)  auch  eine  örtliche  Re¬ 
aktion  (verstärkte  Dämpfung,  Rasselgeräusche)  in  solchen  Fällen 
auftreten,  wo  schon  gewisse  Zeichen  beginnender  Tuberkulose 
vorhanden  sind :  häufig  auftretende  Katarrhe,  leichte  Dämpfung 
der  Lungenspitzengegend,  Veränderung  des  Atemgeräusches. 
Aber  diese  Zeichen  sprechen  doch  schon  an  sich  mit  genügender 
Sicherheit  für  Tuberkulose,  zumal  wenn  die  Verhältnisse  der 
Abstammung,  der  Konstitution,  auch  der  Berufsart  nicht  ein¬ 
wandsfrei  sind. 

Die  Tuberkulinprobe  wird  also  entweder  zu  viel  oder  zu 
wenig  beweisen,  und  kann  deshalb  den  Anspruch  einer  un¬ 
bedingten  Methode  nicht  machen.  Das  letztere  gilt  aus  anderen 
Gründen  auch  von  der  Agglutination,  aber  nicht,  wie  Ham  m  e  r 
meint,  wegen  ihrer  Umständlichkeit  und  des  dazu  nötigen  Ap¬ 
parates.  In  der  Form,  die  R.  Koch  dem  Verfahren  gegeben 
hat,  ist  dasselbe  relativ  sehr  einfach.  Indessen  alle  bisherigen 
Erfahrungen  lassen  die  Agglutination  überhaupt  als  ein  un¬ 
sicheres  diagnostisches  LIilfsmittel  erscheinen. 

Nach  meiner  Meinung  reichen  die  gewöhnlichen  klinischen 
Untersuchungsmethoden,  also  Perkussion  und  Auskultation,  zu¬ 
sammen  mit  einer  sorgfältigen  Anamnese  vollkommen  aus,  um 
eine  sehr  frühzeitige  Erkennung  der  Tuberkulose  zu  ermöglichen. 
Die  einzige  Krankheit,  die,  wie  auch  Gerhardt  betont,  ge¬ 
legentlich  einen  ähnlichen  Lungenbefund  gibt,  ist  die  Lues. 
Doch  wird  in  diesen  seltenen  Fällen  die  Anamnese  schon  auf  den 
richtigen  Weg  führen.  Uebrigens  bringt  eine  vielleicht  einmal 
unnötiger  Weise  eingeleitete  Heilstättenkur  dem  beti*effenden 
Kranken  keinerlei  Schaden,  sondern  gesundheitlichen  Vorteil 
und  manche  nützliche  Erfahrung.  Dass  man  sich  in  einer  gut 
eingerichteten  und  gut  geleiteten  Anstalt  nicht  ansteckt,  das  ist 
doch  eine  Tatsache,  an  der  sich  nicht  rütteln  lässt.  Jedenfalls 
wird,  wenn  man  klinisch  und  anamnestisch  genau  zusieht,  die 
Zahl  der  zweifelhaften  Fälle  nicht  besonders  gross  sein.  Häm¬ 
in  e  r  hält  es  nicht  für  gerechtfertigt,  solche  Kranke,  die  man 
gewöhnlich  als  Prophylaktiker  bezeichnet,  direkt  als  tuberkulös 
zu  bezeichnen,  bei  der  grossen  Furcht  vor  der  Tuberkulose  sogar 
als  inhuman.  Diese  Schlussfolgerung  ist  nicht  sehr  einleuch¬ 
tend.  Wenn  wir  ernsthaft  die  Tuberkulose  als  heilbar  erklären, 
und  zwar  um  so  sicherer,  je  früher  die  Behandlung  einsetzt,  so 
ist  es  doch  unsere  Pflicht,  dem  Kranken  die  W  ahrheit  zu  sagen. 
Wenn  wir  ihm  erklären,  dass  er  zwar  noch  nicht  an  ausgebildeter 
'Tuberkulose  leide,  aber  den  Keim  dieses  Leidens  doch  schon  in 
sich  trage,  und'  dass  gerade  jetzt  eine  Kur  ihm  mit  der  grösst- 
möglichen  Sicherheit  die  Genesung  bringen  werde,  so  ist  das  doch 
nicht  grausam  und  entspricht  ausserdem  unserer  wissenschaft¬ 
lichen  Auffassung.  Es  liegt  offenbar  ein  Trost  für  den  Kranken 


1390 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33; 


darin,  dass  „wir  so  ziemlich  alle  ein  bischen  tuberkulös  sind“. 
Die  Tuberkulose,  wie  sie  uns  entgegentritt,  ist  aller  Wahrschein¬ 
lichkeit  nach  nicht  häufig  der  Ausdruck  einer  vor  wenigen 
Wochen  oder  Monaten  stattgehabten  Infektion,  sondern  in  den 
allermeisten  Fällen  nur  das  Hervortreten  eines  schon  längst  oder 
doch  lange  vorhandenen  latenten  kleinen  Herdes,  der  sich  infolge 
hygienischer  Schädigungen  (Beruf,  Lebensweise  überhaupt, 
anderweitige  Erkrankung  u.  dergl.)  weiter  entwickelte.  In  ähn¬ 
licher  Weise  ist  die  Heilung  der  Tuberkulose  nichts  weiter  als 
ein  Wiederlatentwerden  der  Erkrankung  (Defektheilung  Vir- 
chows),  und  der  Sinn  zumal  der  hygienisch-diätetischen  Me¬ 
thode  ist,  durch  Steigerung  der  organischen  Widerstandskraft 
die  Tuberkulose  latent  zu  machen  und  latent  zu  halten,  bis  sie 
schliesslich  ganz  erlischt. 

Da  wir  das  tatsächlich  in  sehr  vielen  Fällen  erreichen,  so 
ist  cs  m.  E.  vielmehr  durchaus  gerechtfertigt  und  geradezu 
human,  den  Kranken  rechtzeitig  über  die  Natur  seines  Leidens 
offen  aufzuklären,  damit  er  zu  seiner  Heilung  das  tut,  was  wir 
nach  dem  heutigen  Stande  unseres  Wissens  vermögen.  Ich  habe 
niemals  Nachteile  gesehen,  wenn  ich  so  handelte.  Wohl  aber 
habe  ich  oft  bittere  Klagen  von  Kranken  gehört,  dass  man  ihnen 
die  Wahrheit  vorenthalten  habe,  als  es  noch  Zeit  war.  Schwer¬ 
kranke  verdienen  Schonung.  Im  Beginne  der  Erkrankung  aber 
hat  der  Kranke  das  Recht,  die  Wahrheit  zu  hören,  und  der  Arzt 
die  Pflicht,  sie  zu  sagen.  Die  Furcht  vor  der  Tuberkulose  wird 
nachgerade  fast  lächerlich  und  albern.  Durch  die  zur  Mode  ge¬ 
wordene  übermässige  Betonung  der  Ansteckung  wird  sie  nur 
geschürt.  Furcht  ist  aber  keine  geeignete  Verfassung,  um  die 
richtigen  Gegenmassregeln  zu  ergreifen.  Wir  werden  sie  be¬ 
siegen,  wenn  wir  betonen,  dass  zur  Vermeidung  der  Ansteckung 
die  strikte  Durchführung  der  Gesetze  der  Reinlichkeit  und  Wohl- 
anständigkeit  ausreicht,  und  wenn  wir  die  heilbaren  Fälle  wirk¬ 
lich  heilen.  Dazu  aber  gehört,  dass  wir  diese  nicht  nur  früh 
genug  erkennen,  sondern  auch  früh  genug  die  Wahrheit  sagen. 


Erfahrungen  über  Heilbehandlung  in  der  allgemeinen 

ärztlichen  Praxis. 

Von  Dr.  Katzenstein  in  München. 

Seitdem  B  reh  m  e  r  im  Jahre  1854  die  Heilung  der  Lungen¬ 
tuberkulose  vermittels  physikalischer  Heilmethoden  einführte, 
machte  diese  Methode  langsame,  aber  stetige  Fortschritte.  Aber 
alle  für  diesen  Zweck  gegründeten  Anstalten  waren  nur  für  wohl¬ 
habende  Kranke  zugänglich.  Erst  sehr  viel  später  und  besonders 
nachdem  die  Hoffnungen,  welche  man  nach  Entdeckung  des  Tu¬ 
berkelbazillus  auf  eine  spezifische  Heilmethode  gesetzt  hatte, 
durch  den  Misserfolg  des  Koch  sehen  Tuberkulins  sich  nicht  er¬ 
füllt  hatten,  entwickelte  sich  die  hygienisch-diätetische  Behand¬ 
lung  in  einer  grossen  Anzahl  von  Lungenheilanstalten  in  der 
aussergewölmlichsten  Weise.  Trotzdem  gingen  daneben  fort¬ 
während  Bestrebungen  einher,  welche  bezweckten,  auch  auf  an¬ 
dere  Weise  der  Tuberkulose  beizukommen.  Diese  Bestrebungen 
hatten  und  haben  ihre  guten  Gründe.  Erstens  ist  auch  heute 
noch  der  grösste  Teil  der  an  Tuberkulose  erkrankten  Bevölkerung 
von  der  Sanatorienbehandlung  ausgeschlossen.  In  Privatheil¬ 
anstalten  finden  im  allgemeinen  nur  vermögende  Patienten  Auf¬ 
nahme,  während  die  sog.  Volksheilstätten  zumeist  von  Mit¬ 
gliedern  der  Krankenkassen  aufgesucht  werden.  Dazu  kommt, 
dass  sehr  viele  Patienten  es  nicht  begreifen,  dass-  sie  wegen  einer 
geringen  Lungenaffektion  eine  Lungenheilanstalt  aufsuchen 
sollen.  Ein  anderer  Teil  der  Bevölkerung  ist  aus  sozialen 
Gründen  nicht  im  stände,  sein  bestehendes  Geschäft,  oder  eine 
Frau  ihren  Haushalt  im  Stich  zu  lassen.  Zweitens  wissen  wir 
aber  jetzt,  nachdem  objektive  Mitteilungen  aus  den  Heilstätten 
vorliegen,  dass  die  grossen  Erwartungen,  die  man  vor  einigen 
Jahren  besonders  den  Volksheilstätten  entgegenbrachte,  sich 
durchaus  nicht  in  dem  erhofften  hohen  Masse  erfüllt  haben.  I11 
Bezug  auf  die  Heilerfolge  in  den  Anstalten  verweise  ich  auf  die 
aus  denselben  hervorgehenden  Jahresberichte1)2);  es  würde  den 
Rahmen  dieser  Mitteilung  überschreiten,  wollte  ich  die  in  jenen 
Berichten  enthaltenen  Zahlen  hier  wiedergeben. 

')  Jahresbericht  der  Basler  Heilstätte  für  Brustkranke  in 
I  )avos. 

2)  4.  und  5.  Bericht  des  Vereins  für  Volksheilstätten.  München 

1001. 


Es  ist  daher  verständlich,  dass  eine  grosse  Reihe  von  Aerzten 
sich  bemühte,  vermittels  bestimmter  Arzneien  auf  die  Tuber¬ 
kulose  einen  Einfluss  auszuüben.  Die  meisten  dieser  Mittel  be¬ 
währten  sich  nicht  und  verschwanden  bald  von  der  Bildfläche. 
Nun  hat  Länderer2)  auf  Grund  seiner  Beobachtung  zunächst 
der  chirurgischen  Tuberkulose  eine  Methode  ausgebildet,  welche 
noch  immer  nicht  den  Beifall  gefunden  hat,  den  sie  meines  Er¬ 
achtens  verdient.  Länderer  hat  seine  Methode  mit  der 
grössten  Kritik  entwickelt;  er  hat  durch  das  Tierexperiment 
zweifellos  den  Erfolg  seiner  Methode  nachgewiesen.  Wenn  auch 
seine  Theorie  von  F  r  ä  n  k  e  13  4 5 *),  sowie  von  Ewald")  nicht  an¬ 
erkannt  wird,  so  liegen  nicht  nur  die  zweifellosen  Experimente 
Länderers,  sondern  auch  Sektionen  von  Menschen  vor,  die 
früher  mit  Hetol  behandelt  worden  sind.  Der  Befund  dieser 
Sektionen  stimmt  mit  den  Angaben  von  Länderer  so  überein, 
dass  wir  wohl  behaupten  können :  Experimentell  und  pathologisch- 
anatomisch  ist  der  Heilungsprozess  der  Lungentuberkulose  mit 
der  Hetolbehandlung  erwiesen.  Aber  nicht  nur  das,  wir  besitzen 
heute  eine  immerhin  beträchtliche  Literatur  °)  über  die  Hetol¬ 
behandlung  und  die  Berichte  mit  günstigen  Erfolgen  überwiegen 
die  ablehnenden.  Um  von  vornherein  Irrtümer  zu  vermeiden, 
möchte  ich  hier  darauf  aufmerksam  machen,  dass  weder  Län¬ 
dere  r,  noch  irgend  einer  seiner  Anhänger  in  der  Hetolbehand¬ 
lung  eine  Konkurrenz  mit  der  Heilstättenbehandlung  sehen 
wollen.  Von  keinem  Autor,  der  über  Iletol  schrieb,  wurde  meines 
Erachtens  die  grosse  Bedeutung  der  Lungenheilanstalten  ver¬ 
kannt.  Länderer  selbst  dirigiert  im  Schwarzwald  eine  Lungen¬ 
heilanstalt  und  es  scheint,  dass  die  Kombination  dieser  beiden 
Heilmethoden  die  vorzüglichsten  Heilerfolge  ergibt.  Wo  dem¬ 
nach  diese  Kombination  erreicht  werden  kann,  ist  dieselbe  wohl 
anzustreben.  Dass  die  Methode  infolge  der  hygienischen  Ver¬ 
hältnisse  sowohl  als  des  betreffenden  Krankenmaterials  sich  für 
Krankenhäuser  nicht  eignet,  das  scheint  mir  Ewald’)  bewiesen 
zu  haben,  der  mit  seinen  Versuchen  im  Krankenhaus  recht  wenig 
erfreuliche  Erfahrungen  gemacht  hat.  Gleichwohl  erachtet 
Ewald  auf  Grund  seiner  Betrachtungen  die  Methode  weiterer 
Prüfung  wert.  Auch  über  Erfahrungen  aus  Polikliniken  und 
der  ärztlichen  Praxis  liegen  Berichte  vor.  so  z.  B.  von  Gütt¬ 
in  a  n  n 7 8)  aus  der  Krause  sehen  Klinik,  von  Dr.  Holm- 
Kiel  s)  und  von  Länderer  9)  selbst.  Ich  sehe  eine  grosse  An¬ 
zahl  von  Patienten,  die  aus  sozialen  Gründen  sich  nicht  in  eine 
Heilanstalt  verschicken  lassen.  Früher  stand  ich  solchen  Pa¬ 
tienten  ratlos  gegenüber.  Auch  ich  verordnete  die  allgemeinen 
hygienischen  Massregeln,  während  ich  von  einer  arzneilichen  Be¬ 
handlung  aus  verschiedenen  Gründen  schon  lange  Abstand  ge¬ 
nommen  hatte.  Jahrelang  verordnete  ich  z.  B.  immer  wieder 
Kreosot;  einen  günstigen  Einfluss  auf  die  Tuberkulose  beob¬ 
achtete  ich  nie;  jedoch  erlebte  ich  es  immer  wieder,  dass  die 
Patienten  den  Appetit  bei  Gebrauch  des  Kreosot  einbüssten  und 
schliesslich  sich  weigerten,  das  Mittel  weiter  zu  nehmen.  Ob¬ 
wohl  ich  von  der  Länderer  sehen  Hetolbehandlung  schon 
lange  wusste,  stand  auch  ich  ihr  skeptisch  gegenüber  und  hoffte 
auf  die  gute  Wirkung  der  Rekonvaleszentenheime,  deren  wir  eine 
ganze  Anzahl  für  die  Münchener  Kassenpatienten  besitzen,  und 
von  dem  Sanatorium  Planegg10).  Aber  immer  wieder  sah  ich 
Patienten  zurückkehren,  die  wohl  zumeist  an  Gewicht  zuge¬ 
nommen  hatten,  deren  objektiver  Befund  jedoch  teilweise  keine 
Besserung-,  zum  Teil  eine  Verschlimmerung  der  Lungenaffektion 
ergab.  Da  entschloss  ich  mich  zunächst,  bei  solchen  nicht- 
geheilten  Patienten  die  Hetolbehandlung  zu  beginnen,  von  der 
Länderer  verspricht,  dass  sie,  in  richtiger  Weise  angewandt, 
vollständig  unschädlich  ist.  Ich  behandle  im  allgemeinen  nur 


3)  Die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  Zimtsäure.  Leipzig 
1898. 

4)  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Fehl*.  1900. 

5)  Berl.  klin.  Wochenschr.  No.  21,  1900. 

°)  Correspondenzbl.  f.  Schweizer  Aerzte  1902,  No.  1,  C  a  n  t  r  o  - 
w  i  tz:  Die  Erfahrungen  über  die  Zimtsäurebehandlung  der  Tuber¬ 
kulose  in  den  Jahren  188S — 1901,  und  Schmidts  Jahrbücher 
Bd.  271,  S.  196. 

7)  Guttmann:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1901,  No.  27. 

8)  Bericht  über  die  in  der  Poliklinik  mit  Hetol  behandelten 
Tuberkulosen. 

“)  Länderer  und  Cantrowitz:  Ueber  ambulatorische 
Hetolbehandlung  der  Tuberkulose.  Zeitschr.  f.  prakt.  Aerzte  1900. 

10)  F.  May:  Die  Volksheilstätte  Planegg-Krailling.  Deutsch, 
Arch.  f.  klin.  Med.,  66.  Bd. 


19.  August  1902. 


1391 


MUENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


frühe  Fälle,  d.  h.  Tuberkulose  im  möglichst  frühen  Stadium,  und 
diese  auch  nur  dann,  wenn  aus  oben  erörterten  Gründen  eine 
Anstaltsbehandlung  unmöglich  war.  Weit  vorgeschrittene  Fälle 
weise  ich,  wenn  möglich,  zurück  oder  behandle  sie  nur,  nachdem 
ich  den  Verwandten  die  Aussichtslosigkeit  vorausgesagt  habe, 
um  den  armen  Kranken  zu  zeigen,  dass  für  sie  etwas  getan 
werden  kann.  Mir  scheint,  dass  immerhin  auch  in  sehr  schweren 
Fällen  dieKrankheit  langsamer  fortschreitet,  und  dass  mindestens 
ein  Schaden  den  Patienten  durch  die  Behandlung  sicher  nicht 
entsteht.  Wenn  auch  die  subjektiven  Erscheinungen,  der  Appetit, 
das  allgemeine  Befinden,  der  Husten,  ferner  die  Nachtschweisse 
für  mehr  oder  weniger  lange  Zeit  bedeutend  gebessert  werden, 
so  ist  dieser  Besserung  auf  die  Dauer  doch  nicht  zu  trauen,  und 
einen  Fall  von  Heilung  der  Phthise  in  vorgeschrittenem  Stadium 
habe  ich  bis  jetzt  noch  nicht  gesehen.  Bevor  ich  zur  Besprechung 
meiner  mit  Hetol  behandelten  Fälle  übergehe,  möchte  ich  voraus¬ 
schicken,  dass  ich  im  allgemeinen  ausser  Fletol  weder  Arznei¬ 
mittel  noch  Nährmittel  nehmen  liess.  Ich  lege  grosses  Gewicht 
darauf,  dass  die  Patienten  sich  einer  möglichsten  Ruhe  hin¬ 
geben,  ohne  von  Frauen  zu  verlangen,  dass  sie  ihr  Hauswesen 
vollständig  vernachlässigen.  Ich  erlaube  diesen,  alle  Haus¬ 
arbeiten  zu  verrichten,  und  verbiete  ihnen  nur,  die  Wäsche  zu 
besorgen,  Holz  und  Kohlen  zu  tragen  und  derartige  schwere  Ar¬ 
beiten.  Ich  lasse  die  Patienten  früh  zu  Bett  gehen  und  lange 
im  Bett  bleiben.  Grosses  Gewicht  lege  ich  darauf,  dass  die 
Patienten  Nachmittags  1 — 2  Stunden  liegen.  Die  Patienten 
sollen  täglich  1 — 2  Stunden  sich  im  Freien  bewegen,  und  aus¬ 
drücklich  verbiete  ich  ihnen,  sich  beim  Spaziergang  oder  beim 
Arbeiten  irgendwie  anzustrengen  oder  abzuhetzen.  Diese  Ver¬ 
ordnungen  sind  für  die  ambulante  Behandlung  früher  Fälle  das 
mindeste  Mass  dessen,  was  man  verlangen  muss.  In  allen  Fällen 
jedoch,  in  welchen  mehr  als  die  Lungenspitzen  ergriffen  ist,  in  wel¬ 
chen  grosse  Schwäche  oder  gar  Fieber  vorhanden  ist,  muss  anfangs 
absolute  Bettruhe  beobachtet  werden.  Ganz  allmählich  mit  zu¬ 
nehmender  Besserung  lasse  ich  Bewegung  im  Zimmer,  später  im 
Freien  vornehmen.  Schon  nach  wenigen  Wochen  können  die 
Patienten  sich  etwas  um  ihren  Beruf  annehmen.  Eine  kräftige 
Kost  muss  ermöglicht  sein.  Besondere  Vorschriften  in  dieser 
Richtung  gebe  ich  nicht;  ich  empfehle  häufige  und  reichliche 
Mahlzeiten,  sowie  einen  mässigen  Genuss  von  Alkohol  in  Form 
von  Bier  oder  Wein,  je  nach  Gewohnheit. 

Die  hier  angedeuteten  Massnahmen  erachte  ich  für  äusserst 
wichtig  und  in  allen  Fällen,  in  welchen  ich  die  Ueberzeugung  ge¬ 
winne,  dass  entweder  eine  genügende  N ahrung  aus  sozialen  Gründen 
nicht  genommen  werden  kann,  oder  in  welchen  schwere  körper¬ 
liche  Arbeit  nicht  vermieden  wird,  lehne  ich  die  ILetolbehandlung 
ab,  schon  um  deswillen,  damit  die  Methode  nicht  in  Misskredit 
gerät. 

Wenn  die  Lungentuberkulose  des  Menschen,  wie  jetzt  von 
sehr  vielen  Aerzten  anerkannt  wird,  eine  bestimmte  Disposition 
zur  Voraussetzung  hat,  so  haben  wir  allen  Grund,  bei  allen  un¬ 
seren  Massnahmen  gegen  die  Tuberkulose  daran  zu  denken,  die 
Konstitution  durch  Ruhe  und  gute  Ernährung  zu  bessern.  Dass 
jedoch,  so  wichtig  diese  Massnahmen  auch  sind,  sie  nicht  allein 
genügen,  um  in  kurzer  Zeit  auf  die  Lungenerscheinungen  und 
das  Allgemeinbefinden  einen  günstigen  Einfluss  auszuüben,  möchte 
ich  mit  folgenden  Fällen,  die  ich  in  der  weiteren  Besprechung, 
weil  erst  seit  kurzem  in  Behandlung,  nicht  verwerten  kann,  illu¬ 
strieren. 

Bureaudiener  A.,  45  Jahre  alt,  kommt  in  heruntergekommenem 
Zustande  in  Behandlung.  War  bereits  einige  Zeit  vorher  in  ander¬ 
weitiger  Behandlung  und  ist,  trotzdem  er  ausser  Dienst  war  und 
nicht  zu  arbeiten  brauchte,  immer  mehr  abgemagert.  Er  hustete 
viel,  hatte  starke  Naclitschweisse  und  war  appetitlos.  Erst  mit 
Beginn  der  Hetolbehandlung  bekam  der  Mann  grossen  Appetit, 
so  dass  er  nach  14  Tagen  sich  über  den  bestehenden  Heisslnmger 
erfreut  äusserte,  hat  während  einer  7  wöchentlichen  Behandlung 
um  11  Pfund  zugenommen  und  wurde  als  vollständig  geheilt  ent¬ 
lassen.  Einen  strikteren  Beweis  für  die  bedeutungsvolle  Ein¬ 
wirkung  des  Hetols  auf  das  Allgemeinbefinden  kann  es  wohl  kaum 
geben. 

Ganz  ähnlich  gelagert  ist  folgender  Fall,  der  ebenfalls  vor 
kurzem  geheilt  entlassen  wurde,  und  den  ich  glaube  anführen  zu 
müssen,  weil  er  zeigt,  dass  weder  die  Ruhe  an  und  für  sich,  noch 
Medikamente  und  gute  Ernährung  allein  genügen,  um  die  Wir¬ 
kung  des  Hetols  zu  erklären. 

Frau  Sch.  kommt  in  meine  Sprechstunde  mit  der  Angabe, 
dass  sie  hüstelt  und  dass  ihre  Kräfte,  abnehmen.  Sie  sei  appetitlos 
mul  magere  immer  mehr  ab.  Der  objektive  Lungenbefund  ist 


ein  minimaler,  so  dass  ich  zunächst  die  Frau  mit  Ichthyol,  dann 
mit  Eisenpräparaten  behandle  und  ihr  selbstverständlich  auch  die 
allgemeinen  Massregeln  betr.  Ruhe  und  Ernährung  anordne.  Trotz¬ 
dem  wurde  während  der  mehrwöchentlichen  Behandlung  ein  Er¬ 
folg  nicht  erzielt.  Im  Gegenteil,  die  an  und  für  sich  schwache  und 
kleine  Frau  wird  zusehends  schwächer  und  die  objektiven  Er¬ 
scheinungen  einer  beiderseitigen  Spitzeninfiltration  treten  deut¬ 
licher  hervor.  Am  24.  II.  02  begann  ich  die  Injektionen;  am  1.  111. 
notierte  ich  bedeutende  Besserung  der  subjektiven  Erscheinungen, 
am  4.  III.  notierte  ich:  Bedeutender  Appetit,  Patientin  hat  den 
ganzen  Tag  Hunger.  Sie  nimmt  während  der  Hetolbehandlung  in 
4  Wochen  4  Pfund  zu;  sie  wird  weiter  behandelt. 

Auch  folgender  Fall  beweist  in  augenfälliger  Weise  die  vor¬ 
zügliche  Einwirkung  des  Hetols  auf  die  Hebung  des  Allgemein¬ 
befindens  und  des  Körpergewichts:  Der  Schlosser  N.,  welcher 
wegen  Lungenspitzenkatarrh  ausser  Arbeit  war  und  anderweitig 
hygienisch-diätetisch  behandelt  wurde,  trat  am  22.  II.  02  in  meine 
Behandlung.  Hier  mögen  die  Notizen  über  die  Gewichtsverhält¬ 
nisse  vor  und  während  der  Hetolbehandlung  folgen: 


27.  1.02  115  Pfd. 
31.  I  02  110  „ 

6. 11.02  109»/,,, 
14.  II.  02  107  „ 


22.  11.02  107  Pfd. 
G.  III.  02  108  „ 

15.  II.  02  109  72  „ 

22.  III.  02  110  „ 

29.  IH.  02  HO  „ 


Wie  die  Aufzeichnungen  ergeben,  nahm  Patient  bis  zu 
107  Pfund  vorher  konstant  an  Gewicht  ab,  mit  Beginn  der  Hetol¬ 
behandlung  nahm  er,  wenn  auch  nicht  übermässig,  so  doch  immer¬ 
hin  an  Gewicht  zu.  Der  Patient  konnte  am  1.  April  1002  als  ge¬ 
heilt  zur  Arbeit  entlassen  werden. 


Nachtscliweisse  schwanden  in  meinen  Fällen  in  der  Regel 
nach  2 — 3  Wochen.  Der  Husten  wird  gewöhnlich  sehr  bald 
milder,  der  Auswurf  weniger  und  wird  unter  geringerer  An¬ 
strengung  entfernt;  für  diese  Erleichterung  sind  die  Patienten 
besonders  dankbar.  Bei  Schluss  der  Behandlung  waren  in  meinen 
geheilten  Fällen  Auswurf  und  Husten  vollständig  geschwunden. 

Ich  beobachtete  in  einigen  meiner  Fälle  geringe  Temperatur- 
erhöhung.  Einige  Patienten  veranlasste  ich,  selbst  zu  messen, 
bei  anderen  konnte  ich  gelegentlich  meiner  Besuche  oder  in  der 
Sprechstunde  die  Temperatur  selbst  messen.  Die  Temperatur 
von  38,5,  auch  39  u  C.  verschwand  in  der  Regel  nach  wenigen  Ein¬ 
spritzungen.  Ein  Patient,  der  vor  einem  Jahre  eine  exsudative 
Pleuritis  durchgemacht  hat  und  jetzt  an  einer  Infiltration  des 
rechten  ganzen  Oberlappens  und  der  linken  Lungenspitze  leidet, 
sowie  Tuberkelbazillen  im  Sputum  hat,  gab  an,  dass  er  seit  län¬ 
gerer  Zeit  Fieber  habe.  Eine  Messung  in  der  Sprechstunde  er¬ 
gab  Mittags  3  Uhr  in  axilla  38,5"  C.  Nach  der  zweiten  Ein¬ 
spritzung  ergab  weder  meine  in  der  Sprechstunde,  noch  die  seitens 
des  Patienten  Morgens  und  Abends  vorgenommene  Messung  eine 
höhere  Temperatur  als  Morgens  36,5,  Abends  37.  Eine  Patientin, 
die  nun  seit  Juli  vorigen  Jahres  geheilt  und  ohne  Rückfall  ist, 
lag  ca.  6  Wochen  zu  Bett.  Die  unregelmässig  auftretenden  Tem¬ 
peraturerhöhungen  bis  38,5  schwanden  während  der  Hetolbehand¬ 
lung  erst  nach  etwa  4  Wochen. 

Wegen  Hämoptoe  war  ich  nie  gezwungen  die  Behandlung  zu 
unterbrechen.  Geringe  Beimischungen  von  Blut  zum  Auswurf 
veranlassten  mich  nicht  die  Einspritzungen  auszusetzen. 

Die  Besserung  der  subjektiven  Symptome,  das  Schwinden  des 
Fiebers  und  des  Nachtsehweisses,  das  Leichterwerden  und  all¬ 
mähliche  Aufhören  des  Hustens  und  des  Auswurfs,  die  Ge¬ 
wichtszunahme,  die  zum  Teil  eine  bedeutende  Höhe  erreicht,  sind 
so  auffallender  Natur  und  nur  durch  die  Einwirkung  des  IletoH 
zu  erklären,  dass  schon  um  ihretwillen  die  Hetolbehandlung  eine 
viel  allgemeinere  werden  sollte;  dazu  kommt,  dass  auch  die  ob¬ 
jektiven  Zeichen  der  Infiltration  schwinden,  und  ein  Zustand 
erreicht  wird,  bei  dem  entweder  sehr  geringfügige  Verände¬ 
rungen  der  Lungen  übrig  bleiben  oder  deutliche  Zeichen  einer 
Vernarbung  der  erkrankt  gewesenen  Stellen  erfolgen.  Unter¬ 
suchungen  auf  Tuberkelbazillen  wurden  im  allgemeinen  nicht 
vorgenommen,  doch  konnte  in  dem  einen  oder  anderen  I  alle  die 
Diagnose  durch  das  Vorhandensein  von  Tuberkelbazillen  bestätigt 
werden. 

Ich  komme  nun  zu  der  Besprechung  der  1  älle,  die  ich 
im  Herbst  1900  und  im  Frühjahr  resp.  Sommer  1901  behandelt 
habe.  Die  Fälle  will  ich  im  Zusammenhang  besprechen,  da  die¬ 
selben  als  abgeschlossen  betrachtet  werden  können.  Meine  spä¬ 
teren  Erfahrungen  bis  zuletzt  entsprechen  genau  den  früheren ; 
sie  ergeben  bei  Weiterer  Einübung  der  Methode  fast  noch  gün¬ 
stigere  Erfolge. 

Unter  meinen  Patienten  befinden  sich  zunächst  13  Kinder, 
4  Knaben  im  Alter  von  7—14  Jahren  und  9  Mädchen  im  Alter 


1392 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


voll  7 — 13  Jahren.  Das  Kranklieitsbild  war  bei  den  Kindern  fast 
immer  dasselbe;  es  handelte  sich  um  schwache,  anämische  Kin¬ 
der  fast  ohne  jegliches  Fettpolster.  Die  Kinder  wurden  in  Be¬ 
handlung  genommen  wegen  ihrer  Appetitlosigkeit,  allgemeiner 
Schwäche  und  fortwährenden  Hustens.  Die  Untersuchung  er¬ 
gab  ein-  oder  doppelseitige  Infiltration  der  Lungenspitzen  mit 
deutlichen  Dämpfungserscheinungen,  verschärftem  oder  bron¬ 
chialem  Atmen  und  zahlreichen  Ronchi.  Die  Behandlung  be¬ 
stand  in  einer  mehrwöchentlichen  Entfernung  der  Kinder  aus 
der  Schule,  körperlicher  und  geistiger  Schonung,  möglichst  kräf¬ 
tiger  Ernährung  und  Hetoleinspritzungen.  Die  Kinder  wurden 
ausnahmslos  gesund,  Blutarmut  und  Husten  verschwanden,  und 
die  objektiven  Symptome  ergaben  zum  Schluss  nur  mehr  einen 
gedämpften  Schall  mit  zumeist  abgeschwächtem  bis  leicht  bron¬ 
chialem  Atmen.  Nach  meinen  früheren  Erfahrungen  ist  die 
Lungentuberkulose  des  Kindesalters  eine  im  allgemeinen  in 
hohem  Grade  zur  Heilung  neigende  Krankheit,  wenn  nur  die 
kleinen  Patienten  in  möglichst  hygienische  V erhältnisse  kommen, 
wenn  ihnen  eine  genügende  Nahrung  geboten  wird,  und  jede  kör¬ 
perliche  wie  geistige  Anstrengung  erspart  bleibt.  Ich  habe  mich 
in  mehreren  Fällen,  gerade  bei  Kindern  überzeugen  können,  dass 
geistige  Anstrengung  einen  Lungenprozess  zum  Aufflackern 
bringen  konnte,  während  in  dazwischen  liegenden  Ruhepausen 
der  Prozess  zum  Stillstand  resp.  zur  Heilung  kam.  Wenn  ich 
trotzdem  mich  entschloss,  auch  bei  Kindern  die  Hetolbehandlung 
einzuführen,  so  tat  ich  es,  weil  ich  bei  meiner  früheren  Be- 
handlungsweise  der  jugendlichen  Lungentuberkulose  die  Schüler 
sehr  lange  Zeit  aus  der  Schule  nehmen  musste,  so  dass  dieselben 
bis  zu  einem,  auch  zwei  volle  Schuljahre  verloren.  \  ermittels 
der  Hetolbehandlung,  bei  der  aber  die  oben  angegebenen  Mass¬ 
nahmen  um  keinen  Preis  vermisst  werden  dürfen,  gelingt  die 
Heilung  der  Spitzeninfiltration  der  Kinder  innerhalb  einiger 
Wochen. 

Als  Beispiel  mag  der  Lateinschüler  L.  angeführt  sein.  Ende 
Januar  1901  kam  L.  in  meine  Behandlung.  Die  Mutter  gab  an, 
dass  der  früher  so  tleissige  Schüler  in  seinen  Leistungen  bedeu¬ 
tend  nachgelassen  habe;  er  habe  keinen  Appetit,  sei  fortwährend 
müde  und  schläfrig;  er  linste  sehr  viel,  habe  Auswurf  und  schwitze 
jede  Nacht.  Der  Knabe,  14  Jahre  alt,  sieht  sehr  blass  aus,  ist 
sehr  mager,  die  Brust  ist  flach,  eingedrückt;  die  rechte  Lungen¬ 
spitze  ist  gedämpft,  Atmungsgeräusch  hat  bronchialen  Charakter, 
zahlreiche  Rlionchi.  Vom  28.  I.  bis  10.  III.  wird  der  Knabe  vom 
Schulbesuch  dispensiert;  während  der  ersten  14  Tage  darf  er  kein 
Buch  anschauen,  später  darf  er  in  den  sog.  notwendigen  Fächern 
täglich  einige  Arbeiten  verrichten.  Während  dieser  Zeit  (6  Wochen) 
nimmt  er  4 y3  Pfund  zu.  Die  Hetolbehandlung  wird  während  des 
Schulbesuchs  fortgesetzt.  Während  einer  10  wöchentlichen  Be¬ 
handlung.  während  welcher  er  nur  G  Wochen  die  Schule  ver¬ 
säumen  musste,  nahm  er  im  ganzen  7yz  Pfund  zu.  Die  Naclit- 
schweisse  schwanden  erst  nach  S  Wochen.  Dass  der  Appetit  von 
Beginn  der  Behandlung  au  ein  guter  war,  beweist  die  Gewichts¬ 
zunahme.  Der  objektive  Befund  bei  Schluss  der  Behandlung 
ergibt:  Geringfügige  Dämpfung  der  rechten  Spitze;  Rlionchi  sind 
total  verschwunden.  5  Monate  später  hatte  ich  wieder  Gelegen¬ 
heit,  den  Schüler  zu  untersuchen;  sein  Gesundheitszustand  ist  ein 
vorzüglicher.  Aehuliche  Verhältnisse  zeigen  sich  bei  den  anderen 
Kindern,  auch  bei  den  Mädchen.  Ich  möchte  nochmals  ausdrück¬ 
lich  darauf  hin  weisen,  dass  ich  nicht  gerade  der  Heilung  allein 
wegen  das  Hetol  so  hoch  schätze,  sondern  die  Hetolbehandlung 
bewirkt  die  Heilung  der  Spitzenkatarrhe  im  Kindesalter  gegen¬ 
über  meiner  früheren  Behandlung  in  ausserordentlich  kurzer  Zeit. 

Ich  gehe  nunmehr  über  zur  Besprechung  meiner  Erfahrungen 
bei  erwachsenen  Patienten.  Ich  behandelte  11  Männer. 

1.  Von  diesen  wurden  in  meiner  Behandlung  5  vollständig  ge¬ 
heilt.  Geheilt  glaube  ich  alle  diejenigen  Patienten  nennen  zu 
dürfen,  bei  welchen  die  Untersuchung  das  Fehlen  von  Rhonclii, 
sowie  die  Zeichen  einer  Schrumpfung  der  afflziert  gewesenen 
Lungenpartie,  nämlich  Dämpfung  mit  mehr  oder  weniger  aus¬ 
geprägtem  Bronchialatmen  ergeben  hat.  Unter  diesen  5  befand 
sich  1  Patient,  welcher  im  Jahre  vorher  2  Monate  in  Planegg  ge¬ 
wesen  ist;  derselbe  hat  offenbar  einen  Rückfall  bekommen.  Er 
konnte  als  Bankbeamter  während  meiner  Behandlung  seinem  Be¬ 
rufe  nachgehen,  er  nahm  während  einer  6  wöchentlichen  Behand¬ 
lung  2 yz  Pfund  zu  und  wurde  als  geheilt  entlassen.  Ich  konnte 
vor  kurzem,  etwa  y,  Jahr  nach  Beendigung  der  Behandlung,  kon¬ 
statieren,  dass  er  als  definitiv  geheilt  betrachtet  werden  kann. 

Ein  zweiter  Patient  war  ca.  yz  Jahr  in  Behandlung,  arbeitete 
währenddem  als  Bildhauer,  wenn  er  sich  auch  eine  gewisse  Re¬ 
serve  auferlegen  musste.  Derselbe  nahm  an  Gewicht  zu  und 
konnte  als  geheilt  entlassen  werden.  Aehnlich  sind  die  anderen 
Fälle  gelagert. 

2.  3  weitere  Patienten  von  den  angegebenen  11  wurden  wäh¬ 
rend  meiner  Behandlung  bedeutend  gebessert;  sie  kamen  hierauf 
nach  Planegg,  von  wo  sie  als  vollkommen  geheilt  entlassen  werden 


konnten.  Alle  3  sind  heute,  etwa  1  Jahr  nach  ihrer  damaligen 
Erkrankung,  gesund  und  arbeiten. 

3.  Ein  weiterer  Patient,  also  der  9.,  bekam  während  seines 
linksseitigen  Spitzenkatarrhs  eine  Pleuritis.  Ich  glaube  annehmen 
zu  dürfen,  dass  die  Pleuritis  mit  konsekutivem  Exsudat  durch  die 
Hetolbehandlung  keine  grössere  Ausdehnung  annahm  und  inner¬ 
halb  weniger  Wochen  zurückging.  Dieser  Patient  wurde  im  ganzen 
9  Wochen  mit  Hetol  behandelt  und  verliess  in  vorzüglichem  Zu¬ 
stande  die  Behandlung.  Ich  bezeichnete  ihn  jedoch  zunächst  als 
gebessert,  weil  über  der  Lungenspitze  hie  und  da  giemende  Ge¬ 
räusche  zu  hören  waren.  Er  geht  5  Wochen  zu  Verwandten  aufs 
Land  und  bei  seiner  Rückkehr  kann  ich  ihn  als  geheilt  zur  Arbeit 
entlassen. 

4.  Der  10.  Patient,  welcher  2  Jahre  vorher  in  Planegg  be¬ 
handelt  worden  war,  arbeitet  während  der  Hetolbehandlung, 
unterbricht  dieselbe  nach  5  Wochen,  da  er  sich  subjektiv  sehr  gut 
fühlt  und  objektiv  eine  bedeutende  Besserung  erfolgt  war.  Der¬ 
selbe  litt  an  Infiltration  der  beiden  überlappen. 

.1.  Der  11.  Patient  verlässt  nach  4  wöchentlicher  Behandlung 
gebessert  dieselbe;  er  ist  jedoch  augenblicklich  wegen  eines 
schweren  Rezidivs  in  Behandlung.  Seine  Besserung  ist  sub¬ 
jektiver  und  objektiver  Hinsicht  ist  jedoch  trotz  einer  erst  vier¬ 
wöchentlichen  Behandlung  eine  bedeutende.  Weiter  befinden  sich 
unter  meinen  Patienten  28  weiblichen  Geschlechts.  Die  Patien¬ 
tinnen  fühlen  sich  bei  Beginn  ‘der  Behandlung  schwach,  husten 
sehr  viel,  hatten  zum  Teil  Nachtseliweisse  und  zeigten  zumeist 
eine  ausgeprägte  Infiltration  einer  oder  beider  Lungenspitzen,  die 
sich  bei  einigen  auf  einen  mehr  oder  weniger  grossen  Teil  des  gan¬ 
zen  Oberlappens  erstreckte.  Von  diesen  Patientinnen  wurden  17, 
welche  sich  einer  Behandlung  von  2 — 0  Monaten  unterwarfen,  voll¬ 
ständig  geheilt.  Die  Patientinnen  nahmen  zum  Teil  ganz  be¬ 
deutend  an  Gewicht  zu,  so  z.  B.  eine  11  Pfd.  innerhalb  2  Monaten, 
trotzdem  dieselbe  ihren  Haushalt  selbst  besorgte.  9  Patientinnen 
wurden  während  der  Behandlung  gebessert;  dieselben  kamen  je¬ 
doch  zur  Behandlung  sehr  unregelmässig  oder  brachen  dieselbe  zu 
frühzeitig  ab. 

2  Patientinnen,  welche  als  Dienstmädchen  ziemlich  schweren 
Dienst  zu  verrichten  hatten,  erholten  sich  während  der  Behand¬ 
lung;  sie  erzielten  jedoch  keine  Besserung  ihres  Zustandes.  Wie 
mir  aber  mitgeteilt  wird,  befinden  sich  beide  relativ  wohl,  nachdem 
sie  sich  seit  vorigem  Sommer  auf  dem  Lande  befinden,  wo  sie  bei 
Verwandten  sich  in  hohem  Grade  schonen  können. 

Ich  beobachtete  besonders  bei  jungen  Patientinnen,  welche 
wahrscheinlich  in  Folge  ihres  Spitzenkatarrhs  anämisch  waren, 
in  kurzer  Zeit  eine  viel  bessere  Gesichtsfarbe.  Infolgedessen 
machte  ich  einige  Hämoglobinbestimmungen ;  ich  konnte  in  einer 
Reihe  von  Fällen  eine  zehn-  und  mehrprozentige  Zunahme  des 
Ilämoglobingehalts  konstatieren.  Mir  scheint  diese  Besserung 
der  Blutbeschaffenheit  ebenfalls  ein  Beweis  dafür  zu  sein,  dass 
der  tuberkulöse  Spitzenkatarrh  durch  die  angegebene  Behandlung 
gut  beeinflusst  wird.  Von  den  geheilten  17  Patientinnen  haben 
11  in  ihrem  Haushalt  sich  mehr  oder  weniger  beschäftigen 
können;  6  gingen  ihrem  Beruf  als  Ladnerinnen  etc.  nicht  nach, 
sondern  beschäftigten  sich  mit  häuslichen  Dingen. 

E  wal  d  hat  die  merkwürdige  Erfahrung  gemacht,  dass  seine 
Krankenhauspatienten  nach  den  Hetolinjektionen  jedesmal  müde 
und  schläfrig  wurden,  so  dass  sogar  2  seiner  Patienten  die  Fort¬ 
setzung  der  Einspritzung  verweigerten.  Ich  habe  niemals  auch 
nur  die  geringste  Klage  seitens  meiner  Patienten  in  dieser  Rich¬ 
tung  gehört.  Im  Gegenteil,  schon  nach  wenigen  Einspritzungen 
teilen  mir  die  Patienten  ganz  von  selbst,  und  ich  betone  dies  aus¬ 
drücklich,  ohne  dass  ich  darnach  frage,  mit,  dass  sie  sich  nach 
den  Einspritzungen  ausserordentlich  wohl  und  frisch  fühlen. 

Von  meinen  als  geheilt  entlassenen  Patienten  ist  bisher  kein 
einziger  rezidiviert.  Die  meisten  jener  Patienten  sehe  ich  hie  und 
da  bei  geringen  Indispositionen  oder  bei  Behandlung  von 
Familienmitgliedern  und  kann  deren  Freisein  von  Rezidiv  kon¬ 
statieren.  Nur  2  Fälle  habe  ich  von  Neuem  in  Behandlung,  von 
denen  ich  den  einen  bereits  oben  erwähnte,  während  der  andere, 
eine  Dame  betreffend,  im  November/Dezember  1900  behandelt, 
in  gebessertem  Zustande  mit  Gewichtszunahme  die  Behandlung 
abbrach.  Infolgedessen  kann  man  in  diesen  beiden  Fällen  von 
einem  eigentlichen  Rezidiv  nicht  sprechen. 

In  der  Anwendungsweise  des  Iletols  folgte  ich  den  An¬ 
weisungen  Länderers,  nur  machte  ich  die  Einspritzungen 
intramuskulär  und  zwar  in  das  mittlere  Drittel  des  Musculus 
triceps.  Benutzt  man  sehr  scharfe  Nadeln,  die  recht  häufig  ge¬ 
wechselt  resp.  geschärft  werden  müssen,  so  haben  die  Patienten 
im  allgemeinen  keine  unangenehmen  oder  gar  schmerzhaften 
Empfindungen.  Ein  hie  und  da  entstehender  geringfügiger 
Schmerz  geht  in  wenigen  Minuten  zurück.  Die  Methode  der 
intramuskulären  Injektion  im  Oberarm  ist  so  überaus  einfach, 
in  der  Sprechstunde,  selbst  bei  grösserem  Andrang  von  Patienten, 


19.  August  1902. 


MUENC1IENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1393 


so  schnell  durchzuführen,  dass  diese  Methode  auch  für  den  prak¬ 
tischen  Arzt  besonders  empfehlenswert  erscheint.  Die  Hetol- 
lösung  bereite  ich  selbst  nach  Angabe  von  Länderer.  Ich  be¬ 
reite  jedesmal  20  ccm  der  Solution,  sterilisiere  dieselbe  nur  ein¬ 
mal.  Ich  habe  nie  eine  Entzündung  oder  einen  Abszess  erlebt. 

Die  Zahl  der  Einspritzungen,  welche  ich  bei  den  geheilten 
Patienten  machte,  war  sehr  verschieden;  sie  schwankte  zwischen 
20  und  72.  Ebenso  schwankt  die  Dauer  der  Behandlung  der 
geheilten  Patienten  zwischen  2  und  6  Monaten.  Die  Dosis,  welche 
ich  anwandte,  betrug  bei  Kindern  bis  zu  3/10  ccm  einer  1  proz. 
Lösung,  d.  h.  bis  zu  3  mg  Hetol.  Bei  Frauen  und  Männern  im 
allgemeinen  bis  zu  15  mg,  d.  s.  3/10  ccm  einer  5  proz.  Lösung.  In 
seltenen  Fällen  ging  ich  bis  zu  25  mg  Hetol.  Zum  Schlüsse 
glaube  ich  zu  der  Behauptung  berechtigt  zu  sein,  dass  die  Iletol- 
behandlung  bei  beginnender  Phthise,  oder  vielleicht  richtiger 
gesagt,  bei  bestehendem  Spitzenkatarrh  eine  auch  vom  prak¬ 
tischen  Arzt  sehr  wohl  auszuführende,  von  grossem  Er¬ 
folg  begleitete  Methode  ist,  die  schon  deswegen  viel  häufiger  in 
Anwendung  gezogen  werden  sollte,  weil  sie  meiner  Erfahrung 
nach  heute  die  beste  Behandlung  für  solche  Patienten  darstellt, 
welche  aus  irgend  welchen  Gründen  aus  ihren  häuslichen  oder 
geschäftlichen  Verhältnissen  sich  nicht  entfernen  wollen  oder 
nicht  können.  Solcher  Patienten  gibt  es  aber  Legion.  Welche 
Wohltat  erweisen  wir  der  Mutter,  die  von  ihrem  Spitzenkatarrh 
geheilt  wird,  ohne  von  ihren  Kindern  auf  Monate  fortgerissen 
zu  werden.  Welch  ein  Segen  liegt  in  dieser  Behandlung  z.  B.  für 
den  Handwerksmeister  oder  den  Kaufmann,  der  seine  Thätigkeit. 
wohl  etwas  einschränken  kann,  aber  sein  Geschäft  nicht  ganz  und 
gar  im  Stiche  zu  lassen  braucht.  Wir  sind  so  in  vielen  Fällen 
nicht  nur  im  Stande  die  Gesundheit  der  Patienten  zu  erhalten, 
sondern  eine  soziale  Existenz  zu  retten.  Einer  gewissen  Zurück¬ 
haltung  und  Schonung  unterwerfen  sich  alle  Patienten  gerne, 
wenn  sie  nur  daheim  bleiben  können. 

Ich  möchte  daher  allen  Aerzten,  die  in  die  Lage  kommen, 
solche  Patienten  behandeln  zu  müssen,  es  nahe  legen,  sich  dieses 
ganz  ausserordentlich  guten  Mittels  zu  bedienen.  Ich  bin  fest 
überzeugt,  niemand,  der  dasselbe  genau  nach  L  anderers  An¬ 
gabe  anwendet,  wird  dasselbe  wieder  unter  seinen  Heilmitteln 
vermissen  wollen. 


Aus  der  Dr.  Brehmer  sehen  Heilanstalt  zu  Görbersdorf  i.  Schl. 

(Chefarzt :  Geheimrat  Dr.  Petr  i.) 

Subkutane  Injektionen  von  Arsenik  bei  der  Therapie 

der  Phthise. 

Von  Dr.  H.  Cybulski,  Sekundärarzt  der  Anstalt. 

Schon  in  den  ältesten  Zeiten  bediente  man  sich  des  Arseniks 
als  Heilmittel  bei  der  Behandlung  der  Lungenschwindsucht. 
Dioscorides  verabfolgte  ihn  innerlich  oder  in  Form  von  Inhala¬ 
tionen;  Antylus,  welcher  im  3.  Jahrhundert  der  christlichen 
Aera  lebte,  Marcellus  Empyricus  und  Galen  loben  seine  An¬ 
wendung  und  beschreiben  Fälle  von  Heilung  durch  Inhalation 
der  Dämpfe  dieses  Metalles.  In  der  Folgezeit  jedoch  geriet  der 
Arsenik  in  Vergessenheit,  bis  Büchner  u.  a.  ihm  wieder  einen 
Platz  in  der  Phthiseotherapie  einräumten.  Man  schrieb  ihm 
tomsierende  Eigenschaften  auf  die  Gewebe  zu;  bei  innerlicher 
Darreichung  sollte  er  den  Appetit  vermehren,  das  Körpergewicht 
heben,  die  Kurzatmigkeit  verringern,  die  Nachtschweisse  be¬ 
seitigen,  und  gleichzeitig  den  Lungenprozess  selbst  äusserst 
günstig  beeinflussen.  Zur  Zeit  spielt  die  arsenige  Säure  eine  be¬ 
deutende  Rolle  unter  den  pharmazeutischen  Präparaten,  welche 
man  in  der  Therapie  der  Tuberkulose  anwendet.  Es  gibt  wahr¬ 
scheinlich  keinen  Phthisiker,  der  nicht  schon  einmal  Arsenik  be¬ 
kommen  hat. 

Inhalationen  von  Dämpfen  der  arsenigen  Säure  sind  gegen¬ 
wärtig  ganz  verlassen,  trotzdem  man  sie  früher  sehr  empfohlen 
hatte.  Es  bleibt  daher  nur  noch  eine  Anwendungsart  übrig,  das 
ist  die  subkutane. 

Die  Veranlassung  zu  dieser  Methode  gaben  wahrscheinlich 
die  günstigen  Resultate,  welche  man  damit  bei  der  Malaria  er¬ 
zielt  hatte. 

Um  eine  Wirkung  bei  der  tuberkulösen  Erkrankung  der 
Lungen  zu  erproben,  habe  ich  eine  Reihe  von  Fällen  damit  be¬ 
handelt  und  erlaube  mir  hiermit,  die  Resultate  zu  veröffent¬ 
lichen. 


Ich  habe  diese  Methode  in  10  Fällen  angewendet  und  zwar 
werden  dazu  Kranke  mit  nicht  allzu  weit  fortgeschrittenen 
Lungenprozessen  ausgewählt,  so  dass  eine  Besserung  noch  über¬ 
haupt  möglich  war.  Ausserdem  bestand  bei  allen  Patienten  ein 
subfebriler  Zustand,  um  gleichzeitig  die  Wirkung  auf  die  Tem¬ 
peratur  erproben  zu  können. 

Die  Mischung,  welche  zur  Injektion  verwendet  wurde,  be¬ 
stand  aus: 

Natr.  arsenicici  0,2 

Sol.  Ac.  carbolic.  Vs  Proz. — 20,0. 

Die  Einspritzungen  werden  mit  einem  Teilstrich  einer 
Pravaz  sehen  Spritze  begonnen,  dann  ging  man  anfangs  täg¬ 
lich,  in  der  Folge  jeden  2.  Tag  um  0,1  vorwärts,  so  dass  man 
nahezu  in  14  Tagen  bei  einer  ganzen  Spritze  angelangt  war.  Im 
Ganzen  wurden  20  Einspritzungen  gemacht.  Hatte  man  Erfolge 
zu  verzeichnen,  dann  wurde  die  Kur  nach  2 — 3  Wochen  in  der¬ 
selben  Reihenfolge  wiederholt. 

Die  Injektionen  sind  im  allgemeinen  nicht  schmerzhaft, 
man  muss  nur  darauf  achten,  dass  die  Lösung  warm  sei.  In 
einigen  Fällen  sah  ich  leichte  subkutane  Infiltrate  nach  Ein¬ 
verleibung  grösserer  Dosen  auftreten,  sonst  hatte  ich  keine  Ge¬ 
legenheit,  irgend  welche  Komplikationen  wahrzunehmen.  Unter 
unseren  10  Patienten  konnte  man  eine  deutliche  Wirkung  bei 
4  wahrnehmen,  ohne  Resultate  blieben  die  Injektionen  bei  den 
übrigen  6. 

1.  Herr  K.,  22  lalire  alt.  kam  in  unsere  Anstalt  mit  einer  Tem¬ 
peratur  von  37.0 — 37,8.  Der  allgemeine  Zustand  ist  gut,  Patient 
etwas  anämisch,  neurasthenisch  veranlagt.  Appetit  und  Schlaf 
gut.  Husten  gering,  Auswurf  massig,  ziemlich  weit  fortgeschritte¬ 
ner  Zerfall  in  der  rechten  und  beginnender  in  der  linken  Lungen¬ 
spitze.  Nachdem  die  Temperatur  im  Verlaufe  von  6  Wochen  stets 
gleichmässig  blieb  und  mit  grosser’  Regelmässigkeit  Abends  auf 

37.8  anstieg,  wurde  beschlossen,  den  Patienten  einer  Spritzkur  zu 
unterwerfen.  Nach  10  Tagen  ging  die  Temperatur  auf  37,1  bis 
37.0  herunter  und  verblieb  10  Tage  auf  dieser  Höhe  und  weitere 
8  Tage,  nachdem  die  Injektionen  ausgesetzt  worden  waren.  Hier¬ 
auf  ging  sie  wieder  etwas  in  die  Höhe,  aber  nur  bis  auf  37.G.  In 
Anbetracht  dieses  günstigen  Verhaltens  wurde  die  Kur  nach 

4  Wochen  wiederholt,  worauf  die  Temperatur  wieder  nach 
10  Tagen  auf  37,0  heruntersank  und  hier  weitere  10  Tage  verblieb, 
bis  Pat.  aus  anderen  Gründen  (plötzliches  Entleeren  einer  Kaverne) 
für  immer  fieberfrei  blieb. 

In  diesem  Falle  war  der  Einfluss  auf  die  Temperatur  sehr 
eklatant.  Auf  den  Zustand  in  der  Lunge  hatte  dagegen  die  Kur 
keinerlei  Wirkung  ausgeübt;  das  subjektive  Befinden  besserte  sich, 
der  Appetit  wurde  grösser  und  Pat.  nahm  gegen  1  y2  kg  zu.  Auf 
den  Stuhlgang,  Husten,  Auswurf  und  Urin  blieb  die  arsenige  Säure 
ohne  jede  Wirkung. 

2.  Herr  H.,  33  Jahre  alt,  kam  in  die  Anstalt  mit  einer  Tempera¬ 
tur  von  38,5 — 39,0,  welche  im  Verlaufe  von  einigen  Wochen  auf 

37.8  herunterging  und  auf  dieser  Höhe  mit  grosser  Hartnäckigkeit 

5  Monate  lang  sich  erhielt.  Der  Lungenbefund  ergab  Infiltration 
der  rechten  Spitze,  Kavernenbildung  in  der  linken  Spitze  geringen 
Grades  und  zerstreute  Herde  in  der  linken  Lunge.  Der  Allgemein¬ 
zustand  war  nicht  schlecht;  Appetit  mässig,  Schlaf  gut,  Herztätig¬ 
keit  regelmässig,  Stuhlgang,  Urin  normal.  Nach  Verlauf  von 
5  Monaten,  nachdem  die  Temperatur  stets  auf  gleicher  Höhe  blieb, 
wurde  eine  Injektionskur  mit  Arsenik  beschlossen.  Schon  nach 
einigen  Tagen  sank  die  Temperatur  auf  37,3,  dann  auf  37.1,  ver¬ 
blieb  während  der  Injektionszeit  und  noch  einige  Tage  darüber 
auf  dieser  Höhe,  um  hierauf  anzusteigen  und  ihren  früheren  Stand 
zu  erreichen.  Der  Puls  und  die  Atmung  hatten  sich  kaum  irgend¬ 
wie  verändert;  der  Appetit  wurde  besser,  Pat.  nahm  1  kg  zu,  da¬ 
gegen  hatte  die  Kur  auf  den  Zustand  der  Lungen,  auf  den  Husten, 
Auswurf,  Stuhlgang  und  Urin  nicht  die  geringste  Wirkung  ge- 
äussert. 

3.  Herr  W.,  23  Jahre  alt,  leidet  seit  3  Jahren  an  Phthise, 
welche  anfangs  kaum  nennenswerte  Erscheinungen  machte,  seit 
einigen  Monaten  aber  mit  Temperaturen  bis  zu  38,0  einherging. 
Reichliche  Nachtschweisse,  viel  Auswurf,  Kurzatmigkeit,  öfters 
Bluthusten.  In  dieser  Verfassung  sucht  Pat.  die  Anstalt  auf.  Die 
Untersuchung  ergab  eine  grosse  Höhle  im  rechten  oberen  Lappen 
und  frische  Herde  im  mittleren.  Die  linke  Lunge  relativ  wenig 
affiziert;  Allgemeinzustand  schlecht,  Appetit  gering,  subjektives 
Befinden  elend,  ziemlich  vorgeschrittene  Anaemie.  2  Monate  lang 
war  der  Zustand  unverändert,  die  Temperatur  hielt  sich  mit 
grosser  Regelmässigkeit  auf  37,8 — 38,0.  Pat.  wird  mit  Arsenik  be¬ 
handelt.  Schon  nach  14  Tagen  sank  die  Temperatur  auf  37,1 — 37,0 
und  hielt  sich  während  der  ganzen  Zeit,  solange  das  Arsen  an¬ 
gewendet  wurde,  und  noch  nahezu  3  Tage  darüber  hinaus  auf 
dieser  Höhe,  um  darauf  nach  und  nach  den  alten  Stand  zu  er¬ 
reichen. 

Der  früher  sehr  beschleunigte  Puls  wurde  langsamer,  die 
Kurzatmigkeit  geringer,  der  Appetit  besserte  sich,  Gewichts¬ 
zunahme  1  kg,  das  subjektive  Befinden  bedeutend  bessex\  Sonst 


1394 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


hatte  die  Kur  auf  die  übrigen  Krankheitssymptome  keine  nach¬ 
weisbare  Wirkung.  „  T  , 

4.  Herr  S..  im  Alter  von  45  Jahren,  leidet  seit  4  Jahren  an 
Tuberkulose.  Er  hatte  schon  einige  Male  Lungenblutungen  uber¬ 
standen  und  subfebrile  Temperaturen.  Lungenbefund:  teilweiser 
Zerfall  in  der  linken  und  geringe  Affektion  der  rechten  Spitze, 
Temperatur  stetig  auf  37,5.  Geringe  Anämie  Appetit  schwach, 

S1  ulilguug  regelmässig,  im  Urin  nichts  Pathologisches.  Dei  zu- 
rtainT  des  Herzens  bietet  nichts  Abnormes,  leichte  Sklerose  der 
peripheren  Gefässe.  Da  die  Temperatur  im  Verkaufe  von 
1%  Monaten  keine  Tendenz  zum  Sinken  zeigte,  unterwaif  ich  den 

l*at.  einer  Arsenikkur.  .  or.  A  , 

Nach  einigen  Tagen  bereits  sank  die  Temperatur  auf  37, ü  und 

verblieb  nunmehr  auf  dieser  Höhe. 

Puls  und  Atmung  werden  nicht  verändert.  Appetit,  A 
gemeinbefinden  besserten  sich,  die  Gewichtszunahme  betrug  gegen 
7/  kg.  Der  Lungenbefund  zeigte  eine  leichte  Besserung. 

5  Herr  T.,  30  Jahre.  Höhlenbildung  in  beiden  Spitzen,  Ge¬ 
schwüre  im  Kehlkopf.  Temperatur  37,8.  Allgemeinbefinden 
elend,  Appetit  gering,  Nachtschweisse. 

Die  Injektionskur  hatte  weder  auf  die  Temperatur,  noch  aut 
die  Schweisse  irgend  eine  Wirkung,  dagegen  hob  sich  der  Appetit 
etwas.  Der  Krankheitsprozess  in  der  Lunge  und  dem  Kehlkopt 
machte  in  der  Folgezeit  rasche  Fortschritte.  „ 

(i  Frau  S.,  23  Jahre  alt;  Lungenbefund  ergibt  schwere  Zeriall- 
prozesse  in  beiden  Spitzen.  Temperatur  massig  hoch,  erreicht 

111  'S]DieS Einspritzungen  bewirken  geringes  Fallen  der  Temperatur, 
da  jedoch  die  Temperatur  bei  der  Pat.  an  und  für  sich  grosseien 
Schwankungen  unterworfen  war,  so  kann  man  das  Fallen  der¬ 
selben  kaum  als  beweisend  für  die  Arsenikkur  ansehen  Sonst 
zeigte  sich,  abgesehen  von  einer  geringen  Besserung  des  Appetits, 
keinerlei  Wirkung. 

7.  Herr  W.,  18  Jahre  alt.  Rasch  fortschreitender  Lungen¬ 
prozess,  ohne  deutlichen  Zerfall,  dagegen  Infiltration  der  linken 
Lunge  auf  eine  grosse  Strecke  hin.  Fieber  ziemlich  unregelmassig, 
im  allgemeinen  Temperaturen  von  37,2 — 38,0.  Während  der 
Arsenikkur  sinkt  die  Temperatur  ständig  auf  37,2.  Gewichts¬ 
zunahme  1  kg,  das  Aussehen  bessert  sich,  sonst  Resultat  negativ. 

8  Frau  A.,  mit  schwerer  Phthise  der  Lungen  und  des  Kehl¬ 
kopfes.  Temperatur  38,0.  Appetit  gering.  Allgemeinzustand  elend. 
Nach  der  Injektion  bessert  sich  der  Appetit,  die  Schweisse  werden 
geringer,  Gewichtszunahme  betrug  1  y2  kg.  Temperatur  ging  um 
etwa.  0,2 0  herunter.  Die  übrigen  Erscheinungen  unbeeinflusst. 

8.  Herr  W.  Kavernenbildung  in  der  linken  Lungenspitze; 

Besserung  geht  sehr  langsam  vor  sich.  Einspritzungen  von 
Arsenik  erhöhen  die  Temperatur  auf  39,0,  weshalb  die  Kur  so¬ 
fort  abgebrochen  wurde.  ,  . 

10.  Herr  S.  Infiltration  der  linken  Spitze.  Anfangs  ziemlich 
gelinder  Verlauf,  nach  einem  Blutsturz  trat  Verschlimmerung  ein. 
Temperatur  bis  zu  37,G.  Die  Injektionen  beeinflussen  weder  die 
Symptome,  noch  die  Krankheit  in  irgend  welcher  Weise,  dagegen 
war  eine  Zunahme  des  Appetits  zu  konstatieren. 

Auf  Grund  dieser  10  Fälle  kommt  man  in  Bezug  auf  die 
Wirkung  der  subkutanen  Arsenikinjektionen  bei  Lungentuber¬ 
kulose  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Auf  die  Temperaturerhöhung  wirkt  die  arsenige  Säure, 
in  obiger  Form  angewendet,  zweifellos  herabsetzend,  wenn  auch 
die  Erniedrigung  nicht  von  Dauer  ist.  Der  Zusatz  von  1  henol 
kann  die  Herabsetzung  nicht  bewirkt  haben,  weil  erstens  die 
Dosis  zu  klein  ist  und  zweitens  die  Herabsetzung  sofort  hätte 
eintreten  müssen. 

2.  Das  Körpergewicht  nimmt  meistens  zu,  wenn  auch  nicht 
immer  im  grossen  Masse,  doch  ist  stets  eine  Besserung  nach 
dieser  Richtung  zu  verzeichnen. 

3.  Auf  den  Appetit  wirkt  die  arsenige  Säure  fast  stets 
günstig  ein,  wenn  auch  nicht  in  dem  Masse,  wie  bei  innerlicher 
Verabreichung.  Wahrscheinlich  entfällt  hier  die  direkte  Rei¬ 
zung  der  Schleimhaut  des  Magens. 

4.  Auf  das  subjektive  Befinden  war  die  "W  irkung  stets 

günstig.  ..... 

5.  Der  Darm  wird  nicht  beeinflusst.  Diarrhöen,  wie  sie 
häufig  bei  innerlicher  Darreichung  beobachtet  werden,  werden 
hier  nicht  wahrgenommen. 

6.  Häufig  war  eine  günstige  Wirkung  auf  die  Schweisse  zu 
konstatieren. 

7.  Eiweiss  im  ITrin  konnte  niemals  nachgewiesen  werden,  es 
lag  also  nie  eine  Reizung  der  Nieren  vor. 

8.  Auf  die  Herztätigkeit  wurde  kein  Einfluss  konstatiert. 
Das  Herunter  gehen  der  Pulszahl  in  einigen  1  ällen  hängt  mit 
dem  Sinken  der  Temperatur  zusammen. 

9.  Auf  den  Prozess  in  den  Lungen  dagegen  scheint  die 
arsenige  Säure  geradezu  keinerlei  Wirkung  auszuüben. 


Nachtrag  zu  meiner  Arbeit*):  „Die  Prophylaxe  der 
septischen  Infektion  des  Auges,  besonders  seiner 

Berufsverletzungen.“ 

Von  Th.  A  x  e  n  f  e  1  d  in  Freiburg. 

In  der  letzten  Zeit  hat  Roemer  (Arch.  f.  Ophth.  1902) 

durch  vorzügliche  Experimentaluntersuchungen  gezeigt,  dass 
durch  ein  geeignetes  Pneumokokkenserum  eine  Immunität  gegen 
die  Infektion  der  Kornea  mit  Pneumokokken,  also  gegen  das 
Ulcus  serpens* 7)  erzielt  werden  kann,  und  dass  auch  die  aus¬ 
gebrochene  Hypopyonkeratitis  auf  diese  Weise  wesentlich  beein¬ 
flusst.  werden  kann,  wenn  auch  die  kurative  Wirkung  hinter  der 
prophylaktischen  erheblich  zurücksteht. 

Diese  Ergebnisse  sind  mit  grosser  Freude  zu  begrüssen;  aber 
die  von  mir  hier  geschilderte  Prophylaxe,  welche  durch  Beseiti¬ 
gung  des  kranken  Tränensacks  die  wichtigste  Quelle  der  In¬ 
fektion  beseitigen  will,  wird  dadurch  nicht  überflüssiger.  Bis 
her  steht  der  allgemeineren  Anwendung  des  Serums  der  Umstand 
im  Wege,  dass  seine  Herstellung  schwierig  und  sehr  kostspielig 
ist.  Aber  auch  wenn  diese  äusseren  Hindernisse  überwunden  sein 
sollten,  so  wissen  wir  alle,  wie  oft  die  Kranken  erst  dann  in 
ärztliche  Behandlung  eintreten,  wo  die  für  die  Serumtherapie 
günstigste  Zeit  vorüber  oder  doch  bereits  ein  Grad  von  Zer¬ 
störung  eingetreten  ist,  der  bleibende  Sehstörungen  hinterlassen 
muss,  auch  wenn  es  uns  gelingt,  den  weiteren  Zerfall  zu  ver¬ 
hindern.  Beide  Massnahmen,  die  Beseitigung  der  wichtigsten 
Infektionsquelle  durch  Exstirpation  des  kranken  Tränensacks 
und  die  Unschädlichmachung  der  in  die  Kornea  eindringenden 
oder  schon  eingedrungenen  Keime  werden  zusammen,  wie  wir  be¬ 
stimmt  hoffen  dürfen,  die  Hornhautsepsis  wesentlich  ein¬ 
schränken. 

Besonders  aussichtsvoll  erscheint  die  Roemer  sehe  Serum¬ 
prophylaxe  für  Operationen  bei  unreinem  Operationsgebiet  oder 
grösserer  Gefahr  infolge  von  allgemeinen  Störungen,  z.  B.  Dia¬ 
betes.  Soweit  hier  Pneumokokken  in  Frage  kommen  — -  und  sie 
sind  die  häufigsten  Erreger  auch  der  operativen  Infektionen  — , 
wird  durch  vorherige  Seruminjektion  die  Gefahr  erheblich  ver¬ 
ringert  werden  können. 

Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Das  ärztliche  Unterstützungswesen  und  das  Be¬ 
steuerungsverfahren  der  Aerztekammern  in  Preussen. 

Zur  Erinnerung  an  die  goldene  Hochzeit  des  ersten  Kaiser¬ 
paares  aus  dem  Hause  Hohenzollern  (am  11.  Juni  18  < 9)  wurde 
durch  Sammlungen  unter  den  deutschen  Aerzten  die  Zentralhilts- 
kasse  für  die  Aerzte  Deutschlands  gegründet,  eine  Einrichtung,  die 
den  Mitgliedern  durch  entsprechende  Beiträge  gesicherte  Invaliden- 
•>elder  und  Pensionen  gewährt.  Nach  dem  unter  dem  -0.  April  18 
staatlich  genehmigten  Statut  ist  Zweck  der  Kasse,  den  deutschen 
Aerzten  im  Krankheitsfall,  und  zwar  sowohl  im  Falle  gänzlicher, 
als  auch  im  Falle  temporärer  Invalidität,  standesgemasse,  aut 
Rechtsanspruch  beruhende  Hilfe  zu  leisten.  Eine  ähn¬ 
liche  Kasse,  d.  h.  mit  Rechtsanspruch,  hat  Sachsen.  In  der 
überwiegenden  Mehrzahl  legen  jedoch  die  ärztlichen  Hilfskassen 
das  Prinzip  der  Bedürftigkeit  zu  Grunde;  sie  treten  also  erst  hei 
Nachweisung  des  bedürftigen  Zustandes  in  Aktion.  Diese  Kassen 
lassen  sich  wiederum  nach  zwei  Richtungen  sondern,  einmal  nach 
dem  Gesichtspunkte,  ob  sie  nur  Aerzte  oder  nur  deren  Relikten  oder 
beide  berücksichtigen,  und  dann  nach  der  Richtung  hin,  ob  die  be¬ 
treifenden  Aerzte  Mitglieder  der  Kasse  sind  resp.  waren  oder  nicht. 
Hieraus  ergeben  sich  etliche  Kategorien  von  Kassen.  I  ntel  den 
lediglich  an  nachgewiesen  bedürftige  Mitglieder  Unterstützung  ge¬ 
währenden  Kassen,  die  also  den  Nachweis  der  Hilfsbedürftigkeit 
u  n  d  die  Mitgliedschaft  verlangen,  nehmen  die  hervorragendste  bteiic 
die  Huf  ela  ndselien  Stiftungen  ein,  der  Hilfsverein  für  nothleidende 
Aerzte  und  die  Unterstützungskasse  für  Arztwitwen,  die  im  Jam  e 
1830  resp.  1830  von  dem  Staatsrat  Dr.  A.  W.  Hufeland,  Vortragen¬ 
dem  Rat  im  Kultusministerium,  gegründet  wurden.  Wie  die  oben 
‘■■enannte  Zentralhilfskasse  die  einzige  ist,  die  ganz  Deutschland 
umfasst,  so  stellen  die  Huf  elandschen  Stiftungen  die  einzige 
Einrichtung  dieser  Art  vor.  die  sich  über  ganz  Preussen  erstreckt. 
Uebrigens  haben  diese  Stiftungen  durch  rege  Beteiligung  dei 
Aerzte  an  der  Beitragsleistung  und  durch  Legate  im  Laute  der 
Jahre  ein  nicht  unbedeutendes  Kapital  angesammelt.  Die  andeien 


*)  Diese  Wochenschr.  No.  31.  ,  __  TT  icn., 

7)  U  ht  hoff  und  Axenfeld:  Arch.  f.  Ophth.  kLII,  low 
und  1897.  —  Roemer  bestätigt  unsere  Angabe,  dass  das  Ulcus 
serpens  mit  seltenen  Ausnahmen  eine  Pneumokokkeninfektton  sei, 
dahin,  dass  97  Proz.  seiner  Fälle  diesen  bakteriologischen  Befund 
rinrboton. 


19.  August  1902. 


Hilfskassen  dev  preussisclien  Monarchie,  etwa  45  an  der  Zahl,  sind 
teils  lokaler  Natur,  teils  auf  Provinzen  oder  Regierungsbezirke 
beschränkt.  Aber  alle  diese  Kassen  genügen  bei  weitem  nicht, 
eine  annähernd  standesgeinässe,  zum  Lebensunterhalt  ausreichende 
Unterstützung  bedürftiger  Aerzte  und  deren  mittelloser  Hinter¬ 
bliebenen  zu  ermöglichen.  Vielfach  wurde  deshalb  die  Errichtung 
der  preussisclien  Aerztekammer  (im  Jahre  1887)  freudig  begriisst, 
da  man  eben  hoffte,  dass  die  autoritative  Stellung,  welche  die  staat¬ 
liche  Anerkennung  einer  ärztlichen  Standes  Vertretung  verleiht, 
es  ermöglichen  würde,  an  diese  Organisationen  Einrichtungen  an- 
zuschliessen,  die  eine  umfassende  Regelung  der  Fürsorge  für  die 
wirtschaftlich  schwachen  Standesgenossen,  wie  deren  Witwen  und 
Waisen  gestatten  würden.  Wie  der  Vorsitzende  der  Berlin- 
Brandenburger  Aerztekammer  in  einer  Sitzung  erwähnte,  erklärte 
der  damalige  Medizinalminister,  Herr  v.  G  o  s  s  1  e  r,  gelegentlich 
einer  Audienz  in  der  Frage  der  ärztlichen  Standesvertretung  als 
den  hauptsächlichsten  Zweck  dieser  Schöpfung  gerade  die  Rege¬ 
lung  des  ärztlichen  Unterstützungswesens.  Dieser  Zweck  geriet 
einige  Jahre  später  anscheinend  in  Vergessenheit.  Im  Jahre  1893 
wurde  nämlich  die  Berlin-Brandenburger  Aerztekammer  beim 
Minister  dahin  vorstellig,  den  Vorständen  der  Aerztekammern  die 
Berechtigung  zur  zwangsmässigen  Einziehung  der  durch  Beschluss 
des  Vorstandes  festzusetzenden  und  der  Genehmigung  des  Ober¬ 
präsidenten  zu  unterwerfenden  Beiträge  „zur  Bestreitung  der 
Kosten  der  Aerztekammer“  zu  verleihen.  Hierauf  antwortete 
mittels  Erlasses  vom  13.  Juni  1893  der  Minister,  damals  Herr 
Bosse,  dieses  Ziel  sei  nur  auf  dem  Wege  der  Gesetzgebung  zu 
erreichen,  ob  ihm  näher  zu  treten  sei,  würde  davon  abhängen,  ob 
es  gelingen  würde,  einen  geeigneten  Verteilungsmasstab  zu  finden, 
eine  Aeusserung,  die  gegenüber  den  Verhandlungen,  die  jetzt  hinsicht¬ 
lich  des  Besteuerungsverfahrens  geführt  werden  müssen,  ganz  be¬ 
sonderes  Interesse  verdient.  Und  nach  der  üblichen  Umfrage  bei  den 
einzelnen  Aerztekammern  erging  am  19.  Mai  1894  ein  zweiter  Erlass, 
in  dem  der  Minister  davon  absehen  zu  müssen  glaubt,  den  Weg 
der  Gesetzgebung  behufs  Erfüllung  jenes  seitens  der  Berlin- 
Brandenburger  Aerztekammer  geäusserten  Wunsches  zu  betreten, 
weil  ein  dringendes  Bedürfnis  nicht  vorliege,  insofern  die  freiwillig 
gezahlten  Beiträge  ansreichten,  um  die  Bedürfnisse  zu  decken,  ja, 
einzelne  Aerztekammern  nicht  unerhebliche  Ueberschüsse  erzielt 
hätten.  Jener  Beschluss  der  Berlin-Brandenburger  Kammer  ent¬ 
hielt  kein  Wort  von  der  Regelung  des  Unterstützungswesens,  und 
so  hatte  auch  der  Minister  keine  Veranlassung,  darauf  einzugehen. 
Als  dann  aber  der  Entwurf  zum  Ehrengerichtsgesetze  zur  Be¬ 
ratung  stand,  da  war  es  gerade  die  sichere  Aussicht  auf  die  um¬ 
fassende  Regelung  des  Unterstützungswesens  durch  das  den  Kam¬ 
mern  zu  verleihende  Umlagerecht,  welche  nicht  wenige  Aerzte- 
kammermitglieder  bestimmte,  trotz  mancher  Bedenken  gegen  ein¬ 
zelne  Bestimmungen  bezüglich  des  ehrengerichtlichen  Verfahrens 
sich  mit  dem  Entwürfe  im  ganzen  einverstanden  zu  erklären.  Das 
Gesetz  ist  nunmehr  seit  2  Jahren  in  Geltung,  und  da  dürfte  es 
nicht  ohne  Interesse  sein,  zu  untersuchen,  in  welcher  Weise  die 
Erfüllung  jenes  langgehegten  Wunsches  weiter  Kreise  der  Aerzte- 
schaft  angebahnt  ist,  in  welcher  Weise  die  einzelnen  Kammern 
von  dem  Umlagerecht  Gebrauch  gemacht  und  ob  sich  dabei 
Schwierigkeiten  oder  Uebelstände  herausgestellt  haben. 

Nach  dem  Gesetz  ist  jede  Aerztekammer  befugt,  von  den  zur 
Aerztekammer  wahlberechtigten  Aerzten  des  Kammerbezirks  einen 
von  ihr  festzusetzenden  jährlichen  Beitrag  zu  erheben  und  voraus¬ 
gesetzt,  dass  der  Oberpräsident  die  Genehmigung  zu  dem  Beschluss 
der  Aerztekammer  über  die  Höhe  des  Beitrages  und  über  die  Fest¬ 
setzung  des  Beitragsfusses  erteilt  hat,  die  Beiträge,  soweit  sie  nicht 
freiwillig  gezahlt  werden,  im  Verwaltungszwangsverfahren  bei¬ 
zutreiben.  Nun  v,  ürden  ja  die  Aerztekammern  den  Wünschen  und 
Ansprüchen  sicherlich  am  besten  und  vollkommensten  gerecht 
werden,  wenn  sie  nicht  eine  Unterstützungskasse,  die  ja  immer 
nur  einzelnen  Mitgliedern  des  Standes  zugute  kommt,  sondern 
wenn  sie  im  Interesse  des  ganzen  Standes  eine  Alters-  und  In- 
yaliilitiitsversicherungskasse  einführen  würden.  In  der  Tat  ist 
in  der  Aerztekammer  Berlin-Brandenburg  ein  dahingehender  Vor¬ 
schlag  gemacht  worden:  Jeder  Arzt  im  Kammerbezirk,  der  in¬ 
valide  wird,  und  jeder  Arzt,  der  ein  gewisses  Alter  erreicht,  er¬ 
hält  eine  Jahresrente  von  etwa  1000  M.,  jede  Arztwitwe  600  M., 
jede  Waise  300  M. ;  nun  wird  die  Anzahl  der  invaliden  und  der 
Aerzte  von  dem  bestimmten  Alter  festgestellt,  und  eine  versicherungs¬ 
technische  Prüfung  ergibt  dann  die  Höhe  der  Umlage.  Dieser  An¬ 
trag  wurde  gegen  die  Stimme  des  Antragstellers  abgelehnt.  In 
der  Tat  muss  eine  solche  Versicherungskasse  zur  Zeit  für  eine 
Utopie  gelten,  die  Beiträge  wären  viel  zu  hoch  und  nicht  erschwing¬ 
bar.  Nichtsdestoweniger  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
die  Förderung  des  Versicherungswesens  nützlich  ist.  Dagegen 
stellt  sich  der  Ausbau  des  Unterstützungswesens  als  eine  Not¬ 
wendigkeit  dar.  In  allen  Kammerbezirken  hat  man  denn  auch 
die  Einrichtung  von  Unterstützungskassen  grundsätzlich  be¬ 
schlossen,  welche  vorerst  freilich  noch  keinen  Rechtsanspruch 
—  einen  solchen  höchstens  nach  Massgabe  der  verfügbaren  Mittel 
'ind  des  festgestellten  Bedürfnisses  —  gewähren  können.  Mit 
dieser  offiziellen  Unterstützungskasse  sucht  man  in  zweckmässiger 
Weise  die  in  dem  Bezirke  bereits  bestehenden,  demselben  Zwecke 
dienenden  Kassen  zu  verbinden  (durch  Verschmelzung,  Angliede¬ 
rung  mit  gemeinschaftlicher  Verwaltung  etc.);  in  einigen  Bezirken, 
so  in  Brandenburg-Berlin,  ist  das  bereits  geschehen.  Sofern  es 
nur  angeht,  haben  diese  Kassen  aber  ausser  dem  in  ihrem  Namen 
ausgesprochenen  Zweck,  Aerzten  oder  deren  Relikten,  die  in  wirt¬ 
schaftliche  Not  geraten  sind,  durch  Gewährung  von  einmaligen 


1395 


oder  wiederholten  Unterstützungen  Hilfe  zu  bringen  und  die  Not 
zu  lindern,  das  Ziel,  einen  Kapitalgrundstock  anzusammeln  behufs 
Gründung  einer  allgemeinen  Kranken-,  Invaliden-  und  Altersver¬ 
sorgungskasse,  auch  einer  Witwen-  und  Waisenkasse  für  die 
Hinterbliebenen  von  Aerzten,  und  so  wird  auch  ein  bestimmter 
Teil  des  Gesamtumlagehetrages  zu  diesem  Fond  abgeführt. 

In  welcher  Weise  die  voraussichtlich  erforderliche  Summe 
aufzubringen  ist,  darüber  haben  die  Aerztekammern  zu  entschei¬ 
den;  gesetzlich  ist  lediglich  festgelegt,  dass  die  Festsetzung  eines 
Jahrespauschalquantums  zulässig  ist.  Als  hauptsächlichste  For¬ 
men  der  Besteuerung  kämen  in  Betracht  ein  für  alle  Verpflich¬ 
teten  gleiehmässiger  Betrag,  etwa  20  M.,  ohne  Rücksicht  auf  das 
Einkommen,  und  dann  ('in  Prozentsatz  vom  Einkommen,  und  zwar 
vom  beruflichen  oder  vom  Gesamteinkommen,  wobei  weiter  in 
Frage  käme  die  reine  prozentuale  Besteuerung  —  zweifellos  die  ge¬ 
rechtere  Art  der  Besteuerung  —  oder  ein  Mischungssystem,  gleicli- 
mässige  Grundgebühr  für  alle  beitragspflichtigen  Aerzte  und  Pro¬ 
zentzuschlag  vom  Einkommen. 

Für  das  Jahr  1900,  das  Uebergangsstadium,  erhoben  sämt¬ 
liche  Aerztekammern  einen  für  alle  Aerzte  gleichmässig  hohen 
Beitrag  von  3 — 12  M.  Den  gleichen  einfachen  Weg  wählten  für 
das  Jahr  1901  neun  Kammern,  welche  5 — 12  M.  erhoben.  Die 
Aerztekammer  der  Rheinprovinz  und  der  Hohenzollernsehen  Lande 
setzte  den  Beitrag  auf  20  M.  fest  mit  der  Massgabe,  dass  die 
jungen  Aerzte  während  der  ersten  3  Jahre  nach  der  Approbation 
nur  5  M.  und  die  beamteten  Aerzte  15  M.  zu  entrichten  haben,  ln 
Schleswig-Holstein  wurden  die  Aerzte  lediglich  vom  beruflichen 
Einkommen  (inkl.  festes  Gehalt,  Pension)  besteuert.  Es  erfolgt 
an  die  Aerzte  eine  Aufforderung  zur  Angabe  ihres  Einkommens 
aus  ärztlicher  Tätigkeit;  wer  dieser  Aufforderung  nicht  nach¬ 
kommt,  wird  vom  Vorstand  der  Aerztekammer  eingeschätzt.  Wei¬ 
sem  Leben  versichert  hat,  kommt  in  die  nächstniedrige  Stufe. 
Die  Beiträge  beliefen  sich  von  M.  2.40  bis  M.  2.80  bis  30  M.  für 
Versicherte  und  40  M.  für  Nichtversicherte.  Am  weitesten  ging 
die  Berlin-Brandenburger  Aerztekammer,  welche  ausser  einer  von 
allen  Aerzten  gleichmässig  zu  zahlenden  Grundgebühr  von  10  VI. 
von  denjenigen  Aerzten,  welche  ein  Gesamteinkommen  von  5000  VI. 
und  darüber  haben,  5  Proz.  des  Staatseinkommensteuerbetrages 
erhob.  Bei  der  Beratung  sprach  sich  auch  der  Oberpräsident  für 
die  Besteuerung  des  Gesamteinkommens  aus,  weil  die  Höhe  des 
Einkommens  aus  der  Berufstätigkeit  von  der  Steuerbehörde  nicht 
mitgeteilt  werde.  Die  Selbsteinschätzung,  wie  sie  in  Schleswig- 
Holstein  eingeführt  ist,  wurde  gar  nicht  erwähnt;  für  den  Be¬ 
zirk  Berlin-Brandenburg  würde  si©  sich  vielleicht  auch  weniger 
eignen. 

Es  ergaben  sich  nun  eine  Reihe  von  Schwierigkeiten.  Fast 
in  allen  Kammern  wurde  gegen  die  Heranziehung  zur  Beitrags¬ 
leistung  protestiert,  zumeist  von  jungen  Aerzten  mit  keinem  oder 
geringem  Erwerb  aus  der  Praxis  oder  von  Assistenz-  oder  Vo¬ 
lontärärzten  oder  von  Vertretern  der  theoretischen  Fächer  (ausser 
aus  Berlin  und  Königsberg  auch  aus  Göttingen,  Breslau,  Bonn) 
oder  von  beamteten  Aerzten  oder  endlich  von  solchen,  die  die 
Praxis  niedergelegt  haben,  sei  es  wegen  Alters  oder  Krankheit 
oder  weil  sie  einen  anderen  Beruf  ergriffen  haben. 

Im  besonderen  machte  die  Aufstellung  der  Liste  der  zu  be¬ 
steuernden  Aerzte  in  den  einzelnen  Kammerbezirken  Schwierig¬ 
keiten.  In  einigen  Bezirken  ernannte  man  zum  Zwecke  der  Rich¬ 
tigstellung  der  Liste  für  die  einzelnen  Kreise  Vertrauensmänner, 
mit  denen  sich  der  Kassenführer  in  Verbindung  setzte.  In  Berlin 
kam  ©s  aus  Anlass  eines  einzelnen  Falles  zu  einer  Meinungsver¬ 
schiedenheit  zwischen  Polizeipräsidium  und  Aerztekammervor- 
stand;  während  ersteres  einen  Arzt  auf  dessen  Vorstellungen  hin 
aus  der  Liste  strich,  wurde  er  von  letzterem  darauf  belassen  und 
demgemäss  besteuert.  Neben  diesem  stilleren  Streite  spielte  sich 
in  einer  Sitzung  der  Kammer  ein  Vorgang  ab,  der  grosses  Auf¬ 
sehen  erregte.  In  einer  Eingabe  einer  Reihe  niehtpraktizierender 
Aerzte,  vornehmlich  Vertreter  theoretischer  Disziplinen,  wurde  be¬ 
hauptet,  der  Vorstand  der  Aerztekammer  sei  in  der  Heranziehung 
der  Aerzte  zur  Beitragsleistung  anscheinend  willkürlich  vorge- 
gangen.  Der  Vorsitzende  bemerkte  hierzu,  er  hätte  für  diese  In¬ 
sinuation  keinen  parlamentarischen  Ausdruck,  der  Vorstand  der 
Kammer  sei  empört  gewesen.  Im  übrigen  ist,  wie  der  Vorstand 
in  einem  Schreiben  an  den  Oberpräsidenten  als  Antwort  auf 
jene  Eingabe  bemerkte,  die  Heranziehung  zu  den  Beiträgen 
einzig  und  allein  auf  Grund  der  durch  die  Behörden  stets 
auf  dem  laufenden  gehaltenen  Personallisten  erfolgt.  Wie  ich 
in  der  „Aerztlichen  Saehverständigen-Zeitung“  (1902,  No.  10 
und  No.  11)  des  näheren  auseinandergesetzt  habe,  ist  es  gar 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  objektiv  richtig  ist,  was  in  jener 
Eingabe  gesagt  worden,  dass  nämlich  eine  Anzahl  von  approbierten 
Personen,  darunter  von  solchen,  welche  seinerzeit  bei  dem  Kreis- 
physikus  ihre  Niederlassung  angemeldet  haben,  zur  Umlage  nicht 
herangezogen  worden  sind.  Freilich  hätte  dem  Vorstand  nicht 
unterstellt  werden  dürfen,  dass  er  die  Heranziehung  absichtlich 
unterlassen  habe.  Andererseits  hätte  der  Vorstand,  dessen  Er¬ 
regung  ja  begreiflich  ist,  nicht  antworten  dürfen,  die  Personallisten 
seien  von  den  Behörden  immer  berichtigt  worden.  Wie  nämlich 
der  Kassenführer  in  einer  Sitzung  der  Aerztekammer  mitteilte, 
hat  er  mit  Hilfe  von  Medizinalkalendern  und  des  Berliner  Adress¬ 
buches  noch  eine  Reihe  von  Aerzten  ermittelt,  die  in  dem  offiziellen 
Verzeichnis  nicht  vermerkt  waren. 

Dann  machten  viele  Aerzte  bei  der  Einziehung  der  Beiträge 
Schwierigkeiten.  Wie  schon  angedeutet,  rief  die  neue  Steuer  viel¬ 
fach  Unzufriedenheit  hervor.  In  einem  Bezirke  trug  die  Einziehung 


MUENCTIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  33. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Beiträge  dem  Kassenführer  eine  ganze  Menge  von  Schmäh- 
briefeu  ein.  Am  höchsten  —  wenn  auch  nicht  offen,  so  doch  im 

o-eheimen  _  stieg  die  Bewegung  im  Bezirke  Berlin-Brandenburg, 

dio  alle  Nuancen  wiederspiegelte,  von  Empfindungen  der  Beun¬ 
ruhigung  und  Aufregung  bis  zu  Ausbrüchen  der  Entrüstung  und 
Empörung.  I>ie  nichtpraktizierenden  Aerzte  sahen  überhaupt  in 
der  Heranziehung  zur  Steuer  eine  Ungerechtigkeit,  als  deren  Aus¬ 
druck  jene  obenerwähnte  Eingabe  gelten  kann,  welche  die  Be¬ 
freiung-’  von  der  Beitragspflicht  für  diese  Aerztekategorn 
I 

1 _  „ 

Steuer  ein  Zuschlag  zur  Staatseinkommensteuer;  wie 
Aerzte  dazu,  vom  Vermögen  ihrer  Frauen  zu  Gunsten  des  Standes 
steuern!  Die  Angelegenheit  wurde  in  der  Budgetkonimission 
Abgeordnetenhauses  zur  Sprache  gebracht  und  seitens  der 
:  wurde  Remedur  zugesagt.  Dann  gelangte  die  Sache 
Plenum  des  Abgeordnetenhauses  und  schliesslich  auch 


forderte, 
die  Ein- 


Die  praktizierenden  Aerzte  dagegen  wandten  sich  gegen  die  Ein¬ 
beziehung  des  Privatvermögens;  auf  diese  Weise  sei  die  Standes- 


kämen  die 


Erörterung.  Dort  antwortete  der  Direktor  der 
bteilung  im  Kultusministerium,  hier  dessen  Clief  selbst, 
betreffenden  Reden  geht  hervor,  dass  die  Re- 


abgesehen  von  den 
Aerzte  im 


zu 
des 

Regierun 
auch  im 

im  Herrenhaus  zur 
Medizinalal 
Aus  den 

gierung  an  der  Auffassung  festhält,  dass, 
im  Gesetz  selbst  ausgenommeneii,  alle  approbierten 
Sinne  von  Inhabern  der  Approbation  als  Arzt  nach  §  29  R.G.O. 
beitragspflichtig  sind.  Der  Minister  hatte  sich  nämlich  schon 
früher  in  einem  Beschwerdebescheid  dahin  ausgesprochen,  dass 
„die  eine  ärztliche  Tätigkeit  nicht  ausübenden  approbierten  Aerzte 
gleichwohl  verpflichtet  sind,  zu  den  von  den  Aerztekammern  aus¬ 
geschriebenen  Umlagen  beizutragen“.  Weil  dadurch  aber  unter 
Umständen,  z.  B.  wenn  der  Arzt  durch  hohes  Alter,  körperliche  Ge¬ 
brechen  etc.  an  der  Ausübung  seiner  Kunst  tatsächlich  behindert 
ist,  Härten  eintreten  können,  stellte  er  gleichzeitig  dem  Aerzte- 
kammerausschuss  anheim,  zu  erwägen,  ob  es  nicht  angezeigt  wäre, 
dass  die  Aerztekammern  übereinstimmende  Beschlüsse  darüber 
fassen,  ob  und  unter  welchen  Voraussetzungen  nichtpraktizierende 
approbierte  Aerzte  nur  mit  geringeren  als  den  regelmässigen  Bei¬ 
trägen  zu  den  Umlagen  der  Aerztekammern  heranzuzielien  seien. 
Die  Ansichten  der  Kammern  waren  geteilt.  Am  deutlichsten 

_  deutlicher  wäre  es  gar  nicht  möglich  gewesen  —  gab  die 

Kammer  Schleswig-Holstein  ihrer  Ansicht  Ausdruck,  indem  sie 
durch  den  Beschluss,  lediglich  das  berufliche  Einkommen  zu  be¬ 
steuern,  die  nichtausübenden  Aerzte  ohne  weiteres  von  der  Bei¬ 
tragspflicht  befreite  und  gleichzeitig  das  Privatvermögen  unberück¬ 
sichtigt  liess.  In  den  anderen  Kammern  dagegen  wurden  alle 
Aerzte,  auch  die  nichtpraktizierenden,  besteuert.  In  einigen  Kam¬ 
mern  wurde  es  noch  besonders  betont,  dass  sämtliche  wahlberech¬ 
tigten  Aerzte,  also  auch  diejenigen,  welche  die  Praxis  niedergelegt 
haben  oder  nicht  ausüben,  beitragspflichtig  sind.  Im  Gegensatz 
hierzu  fand  es  in  einer  anderen  Kammer  energischen  Ausdruck, 
wie  unbillig  und  ungerecht  es  sei,  dass  Leute,  die  nicht  die  ärzt¬ 
liche  Praxis  auszuiiben  gesonnen  sind,  dennoch  zu  den  Beiträgen 
herangezogen  werden.  Wieder  eine  andere  Kammer  nahm  einen 
„dem  Gefühl  der  Billigkeit“  entsprechenden  Standpunkt  ein.  Sie 
erklärte  alle  praktizierenden  Aerzte  von  ihrer  Meldung  beim  Kreis¬ 
arzt  an,  alle  Dozenten,  die  Assistenten  und  Volontärärzte,  sowie 
alle  sonstigen  beamteten  Aerzte  für  beitragspflichtig;  von  solchen 
Aerzten,  welche  in  einen  anderen  Beruf  übergegangen  sind  und 


ihre  Praxis  definitiv  niedergelegt 
zwangsweise  leingezogen  werden, 
durch  freiwillige  Zahlung  des  Bei- 
Gegen  diesen  letzten  Passus  kann 


Praxis  nicht  treiben  oder  die 
haben,  soll  der  Beitrag  nicht 
Diese  Aerzte  können  sich  aber 
trags  das  Wahlrecht  erhalten, 
ich  nicht  umhin,  Protest  einzulegeu.  Wohl  ist  die  Wahlberech¬ 
tigung  zur  Aerztekammer  Vorbedingung  für  die  Erhebung  des 
Beitrags;  nie  und  nimmer  aber  kann  die  Zahlung  des  Beitrags 
irgend  eine  Rückwirkung  auf  das  Wahlrecht  haben;  dieses  wird 
vielmehr  lediglich  durch  die  Verordnung,  betr.  die  Einrichtung 
einer  ärztlichen  Standesvertretung,  vom  25.  Mai  1887  nebst  Nach¬ 
trägen,  und  zwar  in  erschöpfender  Weise  geregelt.  —  Schliesslich 
wurde  in  einer  Kammer  erwogen,  die  nicht  ausübenden  Aerzte 
mit  geringeren  Beiträgen  wie  die  praktizierenden  Aerzte  heran¬ 
zuziehen:  die  Entscheidung  wurde  aber  mit  Rücksicht  auf  die 
Erörterung  der  Frage  im  Aerztekammerausschuss  ausgesetzt. 
Dieser  legte  durch  Beschluss  als  Grundsatz  fest,  dass  jeder  appro¬ 
bierte  Arzt  zur  Beitragsleistung  verpflichtet  ist,  abgesehen  davon, 
ob  er  von  dem  durch  die  Approbation  erlangten  Recht  zurzeit 
Gebrauch  macht  oder  nicht,  und  dass  die  Niederschlagung  von 
Beiträgen  nur  nach  Massgabe  des  einzelnen  Falles,  nicht  kate- 
gorienweise  erfolgen  soll.  Neuerdings  freilich  hat  er  den  Kam¬ 
mern  empfohlen,  in  einzelnen  Fällen  die  Entscheidung  unter  mög¬ 
lichster  Milderung  von  etwa  durch  das  Gesetz  bedingten  Härten 
zu  treffen. 

Wir  sehen,  wie  verschieden  diie  Ansichten  über  die  Besteue¬ 
rung  an  den  einzelnen  Stellen,  auch  in  den  einzelnen  Kammern 
sind  und  wie  verschieden  dementsprechend  das  Umlage  verfahren 
gestaltet  worden  ist.  Und  da  lockt  verführerisch  die  Aufgabe, 
zu  untersuchen,  ob  und  von  welchem  Standpunkt  die  abweichenden 
Ansichten  gerechtfertigt  sind.  Wir  müssen  der  Versuchung  aber 
widerstehen1);  wir  würden  uns  in  theoretischen  Auseinander¬ 
setzungen  bewegen  müssen,  ohne  zu  einem  praktischen  Resultat 
zu  gelangen.  Dagegen  hat  die  Frage  auf  dem  Verwaltungswege 


5)  Wenn  wir  vorhin  doch  eingegriffen  haben,  so  geschah  es, 
weil  die  Ausiclit,  das  Wahlrecht  werde  durch  die  Beitragsleistung 
erhalten,  ganz  und  gar  unhaltbar  ist  und  sich  in  keiner  Weise  ver- 
treten  lässt. 


einen  —  wenn  auch  vorläufigen  —  Abschluss  gefunden,  insofern 
die  Oberpräsidenten  vom  Minister  die  Anweisung  erhalten  haben, 
das  Umlageverfahren  nur  dann  zu  genehmigen,  wenn  mindestens 
die  der,  Ehrengerichtsbarkeit  unterstehenden  Aerzte  10  Proz.,  die 
nichtpraktizierenden  Aerzte  50  Pi'oz.  und  die  Aerzte,  bei  welchen 
beide  Punkte  zutreffen,  60  Proz.  Ermässigung  der  Umlage  er¬ 
halten.  Die  Frage  wird  aber  nicht  eher  der  öffentlichen  Diskussion 
entrückt  werden,  bis  sie  durch  eine  Revision  des  Gesetzes  geklärt 
sein  wird.  In  dieser  Beziehung  verdient  noch  ein  \  oigang  aus 
der  jüngsten  Zeit  Erwähnung.  Gelegentlich  der  Besprechung 
einer  Petition  zweier  Potsdamer  Aerzte  um  die  „Erlaubnis 
zum  Austritt  aus  der  Aerztekammer2)  für  die¬ 
jenigen  Aerzte,  die  wegen  Krankheit  oder  Alters 

ihren  Beruf  aufgegeben  habe  n“,  in  der  Petitionskom¬ 
mission  des  Abgeordnetenhauses  erklärte  der  Regierungskom¬ 
missar,  dass  zurzeit  Erwägungen  darüber  stattfänden,  ob  mit 
Rücksicht  auf  die  Unterstellung  der  mit  der  Berechtigung  zum 
Tragen  der  Uniform  verabschiedeten  Sanitätsoffiziere,  die  bisher 
einem  militärischen  Ehrengericht  nicht  unterstanden,  unter  die 
militärärztlichen  Ehrengerichte  eine  Abänderung  des  Gesetzes  vom 
25.  November  1899  erforderlich  geworden  ist,  weshalb  es  sich 
empfehlen  dürfte,  jene  Petition  der  Regierung  als  Material  zu 
überweisen.  Die  Petitionskommission  beschloss,  beim  Plenum  zu 
beantragen,  die  Petition  der  Regierung  zur  Berücksichtigung  zu 
überweisen,  und  das  Abgeordnetenhaus  nahm  den  Antrag  ohne 
Diskussion  an. 

Einstweilen  befindet  sich  die  Frage  der  Ausgestaltung  des 
ärztlichen  Unterstützungswesens  noch  in  einem  Uebergangs- 
stadium.  Die  Kammer  Berlin-Brandenburg  war  die  erste,  welche 
in  kühnem  Fluge  einem  hohen  Ziele  zustrebte,  hierin  aber  —  zu¬ 
nächst  nur  ein  wenig  —  aufgehalten  worden  ist.  In  ein  ruhiges 
Fahrwasser  mit  gleichbleibender,  wenn  auch  minder  grosser  Strom- 
intensität  wird  die  Frage  erst  gelangen,  wenn  —  nicht  auf  dem 
Verwaltungswege,  sondern  gesetzlich  —  feste  Grundsätze  für  das 
Besteuerungsverfahren  aufgestellt  sein  wei-den. 

Felix  Heymann  - Berlin. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Handbuch  der  pathogenen  Mikroorganismen.  Unter  Mit¬ 
wirkung  zahlreicher  Fachgelehrter  herausgegeben  von  Prof.  Dr. 
W.  K  o  1 1  e  und  Prof.  Dr.  A.  Wassermann  in  Berlin.  Mit 
zahlreichen  Abbildungen  im  Text  und  einem  Atlas  photographi¬ 
scher  Tafeln  nach  Originalaufnahmen  zusammengestellt  von 
Prof.  Dr.  E.  Z  e  1 1  n  0  w  in  Berlin.  (Der  Text  wird  vollständig 
in  etwa  17  Lieferungen  zu  4  M.,  der  Atlas  in  etwa  6  Lieferungen 
zu  2  M.  erscheinen.) 

Von  dem  mit  Spannung  erwarteten  Werke,  das  unter  ge¬ 
waltiger  Arbeitsteilung  unser  Gesamtwissen  von  den  pathogenen 
Bakterien  in  einer  einheitlichen  Darstellung  darzubieten  ver¬ 
spricht,  ist  soeben  die  erste  Lieferung  erschienen,  enthaltend : 

1.  Ueberblick  über  die  geschichtliche  Entwicklung  der  Lehre 
von  der  Infektion,  Immunität  und  Prophylaxe  von  Rudolf  Abel. 

2.  Allgemeine  Morphologie  und  Biologie  der  pathogenen 
Mikroorganismen  von  E.  Gotschlich. 

Während  der  A  b  e  1  sehe  Abschnitt  in  grossen  Zügen 
(28  Seiten)  nur  die  Hauptpunkte  in  der  Geschichte  der  Er¬ 
forschung  der  pathogenen  Bedeutung  knapp  und  übersichtlich 
zusammenfasst,  ist  die  Arbeit  von  Gotschlich  eine  unter 
sorgfältiger  Berücksichtigung  und  kurzer  Zitierung  der  neuesten 
Literatur  geschriebene,  umfassende,  gedrängte,  vollständige  Dar¬ 
stellung  alles  dessen,  was  wir  heute  von  der  Morphologie  und 
Biologie  der  pathogenen  Mikroorganismen  wissen.  Die  gediegene 
Arbeit  leitet  das  grosse  Werk  vortrefflich  ein.  Wenn,  was  nach 
den  Namen  der  Mitarbeiter  zu  erwarten  ist,  die  anderen  Liefe¬ 
rungen  ähnliches  bringen,  so  wird  das  Werk  eine  grosse  Bereiche¬ 
rung  der  Literatur  und  ein  unentbehrliches  Hilfsbuch  darstellen. 
Die  2  Tafeln,  welche  die  erste  Lieferung  des  Atlas  zusammen¬ 
setzen,  zeigen  38  treffliche  Z  e  1 1  n  o  w  sehe  Photogramme.  — 
Wir  werden  auf  das  Werk  mehrfach  in  seinem  weiteren  Er¬ 
scheinen  zurückkommen.  K.  B.  L  eh  m  a  n  n  -  Wiirzburg. 

F.  Skutsch:  Geburtshilfliche  Operationslehre.  Jena 

1901,  G.  E  i  s  c  h  e  r.  Preis  8  M. 

Das  Buch  bringt  die  Vorlesungen  des  Verfassers  über  ge¬ 
burtshilfliche  Operationslehre  in  erweiterter  Form.  Daher  ist 
wenigstens  in  manchen  Abschnitten  der  Charakter  der  Vorlesung 
gewahrt  geblieben,  gewiss  nicht  zum  Nachteil  des  Textes.  Wenn 
ja  wohl  auch  über  die  Hauptlehren  von  den  geburtshilflichen  Ope¬ 
rationen  eine  weitgehende  Uebereinstimmung  herrscht,  so  tritt 

2)  Gemeint  ist  offenbar  der  Austritt  aus  der  zur  Aerztekammer 
wahlberechtigten  Gemeinscha ft. 


19.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1397 


doch  an  vielen  Stellen  eine  mehr  subjektive  Auffassung  hervor 
indem  bei  strittigen  Punkten  statt  längerer  Auseinandersetzungen 
•  meist  nur  die  Anschauung  vorgetragen  wird,  die  der  Verfasser 
nach  seiner  Erfahrung  für  die  richtige  hält.  Mit  Recht  sind  die 
Anzeigen  zu  den  einzelnen  geburtshilflichen  Eingriffen  ausführ¬ 
lich  abgehandelt  und  an  einzelnen  Beispielen  erläutert.  Die  Dar¬ 
stellung  gewinnt  hierdurch  entschieden  an  Anschaulichkeit. 
Zahlreiche  praktische  Winke  sind  bei  der  Beschreibung  der  ein¬ 
zelnen  Eingriffe  eingeschaltet.  Mit  Recht  haben  die  für  die 
Praxis  hauptsächlich  in  Betracht  kommenden  Eingriffe  eine  aus¬ 
führliche,  auf  alle  Einzelheiten  eingehende  Schilderung  erfahren, 
während  jene  grösseren,  mehr  der  Klinik  oder  dein  Spezialarzt 
zu  überlassenden  Eingriffe  kürzer  abgehandelt  sind. 

Sehr  zahlreiche,  grossenteils  recht  gute  Abbildungen  sind 
-  dem  hexte  beigefügt.  A.  Gess  n  er  -  Erlangen. 

Bum:  Handbuch  der  Massage  und  Heilgymnastik.  3.  Aull. 
Mit  173  Holzschnitten.  Verlag  Urban  &  Sc  h  w  a  r  zen¬ 
berg,  Berlin  u.  Wien  1902. 

Die  Vorzüge,  welche  der  1.  Auflage  des  Buches  vom  Ref. 
nachgerühmt  wurden,  haben  demselben  in  weiten  Kreisen  gün¬ 
stige  Aufnahme  gesichert  und  nach  kaum  5  Jahren  eine  dritte, 
gewiss  nicht  die  letzte  Auflage  verschafft. 

Ruhige  Sachlichkeit,  Fernbleiben  von  zu  weitgehendem 
Enthusiasmus  vereinigten  sich  mit  voller  Ueberzeugungs treue, 
die  auf  reichen  eigenen  Erfahrungen  gegründet  ist,  und  ge¬ 
wandter  Darstellung. 

Die  neue  Aüflage  ist  eine  verbesserte,  sie  enthält  u.  a.  die 
neubearbeitete  Beschreibung  der  1  renkel-Leydcn  sehen 
Uebungstherapie,  des  Herz  sehen  Apparatsystems. 

Hervorgehoben  sei  die  Vervollständigung  des  Literaturver¬ 
zeichnisses,  dessen  Umfang  das  übliche  Mass  wesentlich  über¬ 
schreitet. 

Die  Kapitel  über  Augen-,  Nasen-,  Ohren-,  Rachen-,  Kehl¬ 
kopf  krankheiten  sind  auch  diesmal  von  Spezialist  isolier  Seite  er¬ 
gänzt  worden.  V  ulpius  -  Heidelberg. 

Otto  Mugdan:  Kommentar  für  Aerzte  zum  Gewerbe- 
Unfallversicherungsgesetze.  Berlin,  S.  It  e  i  in  e  r,  1902.  Preis 
5  M. 

Die  Novelle  vom  30.  Juni  1900  brachte  nicht  nur  eine  Er¬ 
weiterung  der  Unfallversicherung,  sondern  auch  eine  wesentliche 
Umgestaltung  und  bezüglich  der  Mitwirkung  der  Aerzte  wich¬ 
tige  Feuerungen.  Jeder  Arzt,  mag  er  bei  der  Durchführung  des 
Heilverfahrens  oder  als  Gutachter  und  Sachverständiger  auf 
diesem  Gebiete  tätig  sein,  muss  nicht  nur  die  Grundzüge  der 
Gesetzgebung  kennen,  sondern  muss  auch  mit  den  Bestimmungen, 
die  den  Arzt  vorzüglich  angehen,  eng  vertraut  sein.  Der  vor¬ 
liegende  Kommentar  behandelt  dem  Zwecke  entsprechend  die 
auf  die  Organisation  der  Berufsgenossenschaften,  Schieds¬ 
gerichte.  u.  s.  w.  bezüglichen  Ausführungsvorschriften  kurz,  da¬ 
gegen  die  den  Arzt  interessierenden  Bestimmungen  ausführlich 
und  kritisch,  eignet  sich  daher  bestens  zum  Gebrauch  der  Aerzte. 
Er  enthält  neben  dem  Gewerbe-Unfallversicherungsgesetze  auch 
das  sog.  Haupt-  oder  Mantelgesetz  und  in  einem  Anhänge  landes- 
rechtliche  Vorschriften  über  die  Wahl  der  ärztlichen  Sachver¬ 
ständigen  bei  den  Schiedsgerichten  für  Arbeiterversicherung,  die 
bayerische  Bekanntmachung  über  die  Bildung  ärztlicher  Kol¬ 
legien  zur  Erstattung  von  Obergutachten  in  Unfallversicherungs¬ 
angelegenheiten,  ein  Rundschreiben  des  Reichsversicherungs¬ 
amtes,  betr.  die  Feststellung  des  Masses  der  Erwerbsunfähigkeit, 
unt  Formulare.  Da  die  übrigen  Unfallversicherungsgesetze  zu¬ 
meist  nur  bezüglich  der  Organisation  und  der  Aufbringung  der 
Mittel  von  dem  Gewerbe-Unfallversicherungsgesetze  abweichen, 
konnte  deren  Abdruck  wegbleiben.  Dr.  Carl  Becke  r. 

Dr.  phil.  Bernhard  Neuman  n,  Privatdozent  an  der  tech¬ 
nischen  Hochschule  zu  Darmstadt:  Gasanalyse  und  Gasvolu- 
nietrie.  Mit  116  Abbildungen.  Leipzig,  S.  H  i  r  z  e  1. 

,  1^8  Seiten  gibt  der  durch  seine  wertvolle  Anleitung  zu 

e  e "troly  tischen  Arbeiten  bereits  gut  eingeführte  Verfasser  eine 
\  are,  vollständige,  durch  viele  praktische  Beispiele  erläuterte 
^arstellung  des  Gesamtgebietes  der  Gasanalysen,  wie  sie  zum 
-wecke  chemischer,  technischer  und  hygienisch  bakteriologischer 
ntci  suchungen  gebraucht  wird.  Zahlreiche  Abbildungen  ver¬ 


anschaulichen  den  gut  geschriebenen  Text,  eingehende  Zitate 
gestatten  weiteres  Eindringen  in  den  Stoff.  Das  Buch  ist  durch¬ 
aus  empfehlenswert  und  erfüllt  sehr  gut  die  vielseitigen  Auf¬ 
gaben,  die  es  sich  stellt.  K.  B.  L  e  li  m  a  n  n. 

Neueste  Journalliteratur. 

B  ]  physikalische  Therapie. 

1)  W.  F  r  e  u  d  e  n  1  li  a  1  -  New- York:  Ueber  einige  praktische 
Gesichtspunkte  in  cler  Behandlung  des  chronischen  Nasen-  und 
Rachenkatarrhs.  (Mit  1  Abbildung.) 

E.  glaubt  als  Hauptursache  des  in  Amerika  sehr  häufigen 
chronischen  Nasenrachenkatarrhs  das  dort  sehr  verbreitet»'  Luft- 
heizimgssystem  ansprechen  zu  müssen,  welches  den  ndativen 
Feuchtigkeitsgrad  der  erwärmten  Räume  stark  reduziert.  Als 
therapeutische  Massregeln  empfiehlt  er  in  erster  Linie  »len  Auf- 
cnthall  an  Orten  mit  feuchtem  Klima,  Wasserdampfinhalationen 
und  Bäder.  Die  Einatmung  von  Kohlensäure  und  die  direkte  Mas¬ 
sage  mittels  eines  von  ihm  konstruierten  elektrischen  Vibrations- 
apparates  bewährt  sich  als  zweckmässiges  Stimulans  atrophischer 
Schleimhäute. 

2)  Me  n  z  e  r  -  Berlin:  Serumbehandlung  bei  akutem  und 
chronischem  Gelenkrheumatismus.  (Aus  der  III.  medizinischen 
Klinik  des  Geheimrats  Senato  r.) 

Autoreferat  nach  Vorträgen  am  14.  Mai  1002  in  der  Berl  med 
Gesellsch.  und  am  15.  Mai  1902  in  der  Gesellschaft  der  Charite- 
ärzte  (siehe  die  Referate  über  die  betreffenden  Sitzungen  in  »Unser 
Wochenschrift). 

->)  August  L  a  <]  u  e  u  r  und  Waldemar  L  o  e  w  e  n  t  h  a  l-Berlin: 
Ueber  die  Beeinflussung  der  Blutzusammensetzung  durch  lokale 
liydi  otherapeutische  Prozeduren.  (Aus  der  hydrotherapeutischen 
Anstalt  des  Geheimrats  Brieger.) 

Die  1  erf .  haben  die  Beeinflussung  der  Blutzusammensetzung, 
Zahl  der  weissen  und  roten  Blutkörperchen,  des  spezifischen  Ge¬ 
wichts  und  Hämoglobingehalts  durch  Anwendung  lokaler  hydro¬ 
therapeutischer  Behandlungsmethoden  sowohl  am  Orte  der  Appli¬ 
kation  wie  gleichzeitig  an  entgegengesetzten  Körperstellen  studiert. 

Sm  gelangten  zu  dem  Resultate,  dass  »lie  Veränderung  der 
Leukocytenzald  im  Gegensätze  und  unabhängig  von  den  anderen 
Blutbestandteilen  am  meisten  Konstanz  hat  und  auch  quantitativ 
am  ehesten  in  Betracht  kommt  und  zwar  tritt  in  der  Regel  eine 
Vermehrung  der  wi'issen  Blutkörperchen  am  Orte  der  Einwirkung 
eines  thermischen  Reizes,  eine  Verminderung  am  entgegengesetzten 
Kiji perteil  auf.  Im  übrigen  liess  sich  sowohl  bei  erregenden  wie 
1  ’('i  heissen  Prozeduren  keine  nennenswerte  Beeinflussung  der 
Blutzusammensetzung  konstatieren,  so  dass  die  therapeutische 
Wirkung  derselben  lediglich  auf  den  unbestrittenen  Effekt  der 
Blut  v<>rteilung  und  Zirkulationsänderung  bezogen  Averden  muss. 

4)  .  Fritz  Rosenfeld  -  Berlin:  Ueber  Roborat.  (Aus  der 
I.  medizinischen  Klinik  des  Geheimrats  v.  Leyden.) 

Roborat,  ein  rein  dargestelltes  Pflanzeneiweiss,  ist  nach  Unter¬ 
suchungen  von  Loe  w  y  und  Pick  a  r  d  t  hinsichtlich  der  Aus¬ 
nützung  und  des  isodynamischen  Nährwertes  tierischem  Eiweiss 
äquivalent.  Künstliche  Verdauungsversuche  von  Berju  ergaben, 
dass  dieses  Präparat  ausserordentlich  rasch  in  niedere  Abbau¬ 
produkte  übergeführt  und  dadurch  der  Resorption  erschlossen 
Avird.  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  des  Nährmittels  ist  sein 
Lecithingehalt.  Letzterem  glaubt  Verf.  nach  seinen  Erfahrungen 
am  Krankenbette  eine  Besserung  ATon  Chlorosen  zuschreiben  zu 
dürfen.  St  off  Wechsel  versuch»1,  deren  Belege  in  einer  anderen 
Arbeit  angekündigt  Averden,  ergaben  während  der  Iloboratperiode 
auffallenderweise  eine  Vermehrung  der  Stickstoffausscheidung 
trotz  Zunahme  des  Körpergewichts.  Der  Harnsäuregehalt  des 
Urins  erwies  sich  während  der  Roboraternährung  reduziert.  Bei 
einer  Phosphorsäurebestimmung  (ohne  Analyse  der  Nahrung) 
zeigte  sich  während  der  Iloboratperiode  eine  geringere  Ausschei¬ 
dung  als  in  der  Vorperiode.  Daraus  zieht  R.  den  Schluss,  dass 
dem  Präparate  eine  therapeutisch  zu  verwertende  Eigenschaft  der 
Phosphorretention  im  Organismus  zukommt. 

5)  B.  V  e  n  d  r  i  n  e  r  -  Neuenahr:  Ueber  den  Einfluss  des 
Neuenahrer  Sprudels  auf  den  Stoffwechsel  des  Menschen.  (Aus 
der  I.  medizinischen  Klinik  des  Geheimrats  a\  L  e  y  d  e  n.) 

Unter  Darreichung  von  Neuenahrer  Sprudel  (700  g  pro  »li»') 
hat  W.  eine  Steigerung  »ler  Diurese  und  gleichzeitig  eine  Ver¬ 
mehrung  des  Stickstoff-,  Harnsäure-  und  Indikangehalts  des  Urins 
beobachtet.  M.  Wasse  r  m  ann  -  München. 

Centralblatt  für  innere  Medicin.  1902.  No.  28—32. 

No.  2S.  A.  Kühn:  Das  Vorkommen  von  grünen  entwick¬ 
lungsfähigen  Pflanzenkeimen  im  Magen  und  deren  diagnostische 
Bedeutung.  Vorläufige  Mitteilung.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 
in  Rostock.) 

In  3  Fällen  von  Ulcus  resp.  Ulcusbeschwerden  mit  Hyper- 
ehlorhydrie  fand  Verfasser  grüne  Pflanzenkeime,  die  zu  den  Algen 
gehören  und  deren  Artbestimmung  noch  mitgeteilt  werden  soll. 
Wahrscheinlich  sind  »lie  Keime  mit  dem  Trinkwasser  oder  mit  der 
Nahrung  in.  den  Magen  gelangt.  Hefe  ist  ausgeschlossen,  da  die 
Gegenwart  stärkerer  Salzsäuremengen  die  Ilefebildung  sehr  be¬ 
einträchtigt.  Das  diagnostische  Interesse  liegt  eben  in  »lern  Auf¬ 
treten  »lie  Algen,  Avie  es  scheint,  nur  bei  Hyperchlorhydrie  und 
Stagnation. 


IvrTTENCHENER  MEDICIN1SCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


No.  33. 


1398 _  ' 

No.  29.  B.Boye:  Cystenleber  und  Cystennieren.  (Aus  dem 

Krankenliause  Magdeburg-Sudenburg.)  _  . 

Stadt  KranKennau  *  geltende  Anschauung  von  der  Ent- 

sü-Cs  der  OystenÄ  Sud  dir  Cysteunleren  geht  dahm  dass  es 

1,’v.iii  (Abbildung  der. Leber  und  der  Nieren.)  Das  fernen,  ua 
,  twn  16  Jahre  gedauert  hat,  konnte  intra  vitam  nicht  erkannt 

Essr-säit  susetä  - 

Schulter.^  MittellunK  dev  Verfasser  beschäftigt  sich .  mtt :  der 

Beteiligung  des  akromialen  Gelenks  an  den  Bewegungen  dei  Sc  i 
ter  und  des  Armes  unter  normalen  und  pathologischen  Verhalt 

""sm  m  j  Loclll)  ihier:  Zur  Kenntnis  gerinnungsalte- 

rierender  Eiweisskörper  im  Harn  bei  Pneumonie,  (Aus  dei  k.  k. 
Krankenanstalt  Rudolf  Stiftung  in  Wien.)  Pmtalbu- 

. 

rÄ  ääs  -T  rl  is 

f,nu1  Methodik  und  Resultate  werden  angeführt.  Es  ef?cne 

'orten' SSSS 

tÄftrÄÄ» 

liehen  Infiltrates  hervorgehend  angesehen  weiden. 

No.  32  enthält  keinen  Originalartikel. 

Hegar’s  Beiträge  zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Bd.  VI,  Heft  2.  Leipzig,  Georg  Thieme. 

i-  iiaa.,,'  Freibure  i  B.:  Pathologisch-anatomische  Bei- 

““iTÄrÄ  ffiÄÄÄ 

SriSSiSIS 

iEFSSSSrPsÄS 

ui tf  -1  iiseesoroelrenen  Veränderungen  der  totalen  Lifiaute,  wam 
1STS«'  Natur;  bol  diesen  waren  die  .uutterl^en  Ei- 
häute  weniger  und  erst  sekundär  ve!  ändert.  •  -  imär  der 

ss  ä  «äs™  s 

r  L  a(n  g  h^SÄ  -r 

tmu^Gon  des  serotinalen  Zellschiehtlagers.  Bei  der  zweiten 
Gruppe  bei  der  die  mütterlichen  Eihäute  erkrankten  fand  II.  die 
fötalen’ Eihäute  in  relativ  wohlerhal^m  Zustande^  Da V* 
generation  der  Dezidua  schreitet  zentripetal  fort  und  ist  meist 

mt i i^'tle lk  litenberg.  strassburg  i.  E.:  lieber  die  Beweglich¬ 
keit  des  Beckens  beim  Neugeborenen  6  ^^“cTe  r  scher 

Die  Messungen  geschahen  in  Rückenlage,  >  T 

Hihiaeiage  und  Stellge.  L.  fand,  dass  das  Becken  des  Neu- 
geborenen  durch  passive  Bewegungen  seines  Trägers  derart  yer- 
••  i  limii  finss  dpr  Beckeneingang  bei  Rückenlage  eine  liind 
licSr  be  V  a  c  h  e  i  scher  Lange  fine  längsovale  und  beim  Sitzen 
eine  ’ querova^e  Form  annimmt  Diese  Veränderungen  sind  bei 
Becken  von  Knaben  grösser  als  bei  denen  lon  Mädchen. 

\  Glöckner-  Leipzig:  Heber  Uteruskarzinom  und 
Schwangerschaft  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Dauer- 
erfolge^operatiyer  ^Behandlung  Ml)z,  Klinik  beobachteten 

avs 

1  -1111011  auf  26  000  Geburten  und  Aborte;  die  jüngste  der  Kranken 
war  '6  die  älteste  46  Jahre  alt.  Der  Ausgangspunkt  des  Karzinoms 
wir  in’  11  Fällen  die  Portio,  in  2  Fällen  die  Cervix;  4  mal  \\ai  die 
Bestimmung  desselben  nicht  möglich.  23  Froz.  Dauerheilunge 

wurden  erzieit-imann- Warscliau:  Beitrag  zur  Kasuistik  und 

pathologischen  Anatomie  der  sogen.  subchorialen  Hamatome 

Nach  Besprechung  und  Würdigung  der  bisher  über  die  selten^ 
Bilil u ii ^  erschienenen  Arbeiten  von  Breus  u.  *i-  A  .»n„ 

?h“"  elhst  i-ohachtete  Fälle  an.  von  denen  der  «*£•»*«)»£ 
Mehrgebärende.  der  zweite  eine  30  ^J'^^Sntersuchung 
SÄÄ  Ansicht  von  der  Enb 


-Ä  mSÄS“  schwangeren  Uterus, 
^MrÄnÄÄÄ^rneprotap.  nicht  mehr 

wmmrnßimm 

wmmmMm 

exstirpation  bei  Gebärmutterkrebs.  (Mit  3  Kurven  und  - 

bildungen.)  Grunde  liegende  Material  verteilt  sich  auf 

oineDZeSitd"otlb14  Jahren  und  umfasst  eine  Gesamtzahl  von 
■174  Fällen,  davon  2(10  radikal  operable,  also  26,69  Pioz.  * 
tientinnen  standen  im  Alter  von  25-30 (Jahren  =4.34 :  r.oz 

SÄT  ÄÄ«  UAÄ 

zwar  für  die  Collumkarzmome  34,00  1 1  “o  g  e  1  ■  WürzbuJg. 
kai’zinome  66,60  I  roz. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  32. 

D  F.  Ahlfeld- Marburg:  Ergänzungsblatt  3  und  8  zum 
preussischen  Hebammenlehrbuch.  Hebammen, 

Von  den  genannten  Erlassen  gestattet  No.  3  a&x  ueioamme^ 
statt  der  bisher  vorgeschriehenen  Karbolsaure  das  L  y  , 

SS  Ä  Äe^Sh^Ä^  ri 

dags  gar  nicht 

-“"'SS  ÄEÄ 

Seifendesinfektion  anzuwenden  wäre. 

2)  Herrn  es -Berlin:  Zur  Verletzung  der  Scheide  beim 

Coitus.^  Verletzung  kam  zu  stände  bei  einem  Mädchen,  das  in 

einer  Droschke  den  Koitus  ausübte (  und  w f ’«'c  ™'n  seftliehen 
Die  Untersuchung  ergab  eine  ^uptui  des  lec  Heilung 

Scheidengewölbes.  Die  Blutung  stand  auf  Tamponade,  iienu  b 
nach  14  Tagen.  Als  Ursachen  der  Verletzung  bezeichnet  H. 

a)  die  übergrosse  geschlechtliche  Erregung  seitens  des  Mud 

Chelb)  die  abnorme  Position  während  des  Koitus. 

3)  z  Endelmann- Warschau:  Beitrag  zum  geburtshilf¬ 
lichen  Verfahren  bei  Komplikation  der  Schwangerschaft  duich 

Mastdaimkiebs.^ei^  FaUe  you  Rektumkarzinom  bei  einer  Gravida 
die  künstliche  Frühgeburt  vor  der  Operation  eingeleitet. 

Literatur  fand  er  nur  3  analoge  Falle.  Pat  naeb  der 

Die  Frühgeburt  wurde  bei  dei  3- jnhi  Fat, .  n 
T-  .. n  s  P  schen  Methode  eingeleitet  und  mittels  C  h  a  m  p  e  1 1 
de  lü  bes^  Ballon  bindet.  Vas  im  7.  Monate  ^ndliche  Kmd 
starb  nach  einigen  Stunden.  2  Monate  spatei  \  ..  ^  ^ 

Rektum  auf  vaginalem  Wege  nach  Reim  exstirpiert.  Zunächst 
trat  Heilung  mit  einer  „kleinen“  Incontmentra  alrt  m 

Virchows  Archiv.  Bd.  168.  Heft  3.  1902. 

12)  J.  M  e  i  n  e  r  t  z:  Beiträge  zur  vergleichenden  Morphologie 
der  farblosen  Blutzellen.  (Aus  dem  patholog.  Institut .  zu i  Bei Tin.) 

Die  vorliegende  Arbeit  bildet  eine  Fortsetzung  ^  k  - 

aus  dem  Berliner  Institut  stammenden  Arbeiten  von  Hiis 
?eld  und  Grünberg.  Es  wurden  besonders  Fische  unter¬ 
sucht,  daneben  auch  Reptilien,  Crustaceen,  Insekten  und  W  uu  ^ 

M  kommt  durch  die  Verschiedenheit  «er  B^banu^orm«  4« 

Granula  zu  dem  Ergebnis,  dass  sie  nicht  die  finger  e 
suezifischen  einheitlichen  Funktion,  ebensowenig  wie  1 1<Kll“\ 
?in er  bestimmte.,  oiuhci.licl.cn  Zelltätigkeit  sehr  können, ^  son- 
dern  dass  sie  in  jeder  Form,  in  der  sie  auftreten,  b 

beurteilt  werden  müssen.  .  ,  (1  S(.lien  Be¬ 

in  einem  Nachtrag  warnt  M.  davor,  alle  ^^n  Theorie 
funde  von  dem  Gesichtspunkte  e  1  ne  r  b  estimmt  e  n  1 
aus  zu  denken,  wie  dies  Hesse  (Virch.  Arch.,  Bd.  167,  w  » 
tan  hat. 


19.  August  1902. 


MUENCHENER  MEHICINTSCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1399 


..^2  ^cli  Aval  he  UU(i  B.  Salley:  Di©  morphologischen 
Veränderungen  der  Blutkörperchen,  speziell  der  Erythrocvten 
bei  der  Toiuyiendiaminvergiftung.  (Aus  dem  patholog.  Institut 
zu  Heidelberg.) 

Vor  allem  wird  auf  die  Verminderung  der  roten  Blutkörperchen 
bei  der  Toluylendiaminvergiftung  hingewiesen  und  auf  das  leich¬ 
tere  Zugrundegehen  derselben.  Die  beiden  Autoren  vertreten  auch 
in  dieser  Arbeit  die  Ansicht,  dass  die  Blutplättchen  Ab¬ 
kömmlinge  besonders  der  roten  Blutkörperchen  seien-  der 
von  Dedjen  u.  a.  gesehene  Kern  sei  nichts  anderes  als  ein 
Nukleoid  (Amol  d),  wie  er  auch  in  roten  Blutkörperchen  vor¬ 
kommt. 

Bei  Vergiftungen  ist  ein  grosser  Teil  der  pathologischen  Ver- 
ändei ungen  der  Blutkörperchen  ähnlich  denen  bei  ihrer  physio¬ 
logischen  Degeneration  (z.  B.  Gerinnung). 

14)  C.  Sacerdotti  und  G.  Frattin:  lieber  die  hetero¬ 
plastisch©  Knochenbildung.  Experimentelle  Untersuchungen. 
(Aus  dem  Institut  für  allgemeine  Pathologie  der  Universität  Turin.) 

Bei  Unterbindung  der  zuführenden  Gefässe  der  1.  Niere  bei 
4  Kaninchen  trat  bei  dreien  nach  durchschnittlich  80  Tagen  in  der 


betreffenden  Niere  Knochenbildung  auf. 


Es  wurde  also 


damit  gezeigt,  dass  sich  im  Schosse  von  Geweben,  die  normaler 
Weise  nichts  Osteogenes  enthalten,  experimentell  K  n  o  - 
c  h  e  n  u  n  d  Mark  (!  Ref.)  hervorrufen  lassen. 

15)  Max  G  1  o  g  n  e  r  -  Berlin:  Ueber  Framboesia  und  ähn¬ 
liche  Erkrankungen  in  den  Tropen. 

Framboesia  ist  eine  meist  ohne  allgemeine  Erscheinungen, 
wie  Fieber.  Neuralgien  etc.,  verlaufende,  sich  meist  über  Monate 
erstieckende  Hautaffektion  in  den  Tropen,  welche  prognostisch 
günstig  verläuft  und  sich  in  der  Eruption  von  rundlichen  Ilaut- 
exkreszenzen  kundgibt.  Pigmentlose  Stellen  bleiben  zurück,  jedoch 
keine  Narben  im  Gegensatz  zur  Verruca  peruviana  (Odriozol  a), 
wobei  immer  Narben  Zurückbleiben,  weshalb  auch  diese  beiden 
Krankheiten  nicht  identisch  sind.  Histologisch  wurde  bei  Fram¬ 
boesia.  in  der  Hauptsache  eine  Proliferation  der  Zellen  der  Epi¬ 
dermis,  des  BindegeAvebes  und  der  Lymphgefässendothelien  beob¬ 
achtet.  Die  Erreger  der  besprochenen  Krankheit  wurden  nicht 
gefunden. 

16)  S.  A  b  r  a  m  o  w  -  Rostow  a.  D. :  Zur  Kasuistik  der  syphi¬ 
litischen  Erkrankung  des  Gefässystems. 

A.  setzt  die  Veröffentlichung  von  Syphilis  des  Gefässystems 
fort.  Er  kritisiert  im  ersten  Teil  das  Referat  v.  Kahldens 
über  seine  erste  Arbeit,  im  ZAveiten  Teil  Averden  2  Fälle  von 
Syphilis  der  Gehirnarterien  und  1  Fall  von  Syphilis  der  Aorta  be¬ 
schrieben.  A.  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  Intima  und  Adventitia 
unabhängig  von  einander  selbständig  ergriffen  werden.  (Ob  das 
negative  Resultat  der  Tuberkelbazillenfärbung  im  3.  Fall  so  selbst¬ 
verständlich  für  einen  spezifisch  syphilitischen  Charakter  spricht, 
ist  zu  bezweifeln.  Ref.) 

A  k  u  t  s  u  -  Japan:  Beiträge  zur  Histologie  der  Samenblasen 
nebst  Bemerkungen  über  Lipochrome.  (Aus  dem  patholog.  In¬ 
stitut  zu  Berlin.) 

Es  wurden  von  A.  nähere  Untersuchungen  über  den  Bau  der 
Muskulatur  und  der  Epithelzellen,  sowie  über  das  Vorkommen 
von  besonderen  Drüsen  und  von  Pigment  in  der  Wand  der  Samen¬ 
blasen  angestellt.  Für  das  Pigment  wird  angegeben,  dass  es  sich 
zum  Teil  mit  Sudan  III  und  Scharlach  II  färbt,  also  zu  den  Lipo- 
cnromen  gehört.  Wie  Verf.  darlegt,  ist  das  Pigment  durch  einen 
vitalen  Vorgang  in  den  Zellen  selbst  gebildet  worden. 

18)  R.  Heinz:  Lehre  von  der  Funktion  der  Milz.  (Aus  dem 
phar makolog.  Institut  der  Universität  zu  Erlangen.) 

Die  Blutneubildung  bei  entmilzten  Tieren  verläuft  genau  in 
r  g  ..lcben  We'ise  wie  bei  normalen  Tieren.  Im  allgemeinen  bleibt 
fbe  Jf  "Z  des  Kanincllens  unbeteiligt  an  der  Bildung  der  roten 
lilutkorperchen  nur  in  ganz  wenigen  Fällen  (nicht  einmal  bei 
staiken  Blutverlusten),  wenn  der  Untergang  der  roten  Blutkörper- 
e heu  ein  sehr  rapider  gewesen  ist,  nimmt  auch  die  Milz  an  der 
Neubildung  der  Erytlirocyten  teil. 

Föten.91  Idem:  Der  Hergang  von  Blutkörperchengiften  auf 

,  Verschiedene.  Versuche  an  trächtigen  Tieren  zeigten,  dass  in 
u i  +1trUhere,n  Trachügkeitsperioden  eine  Veränderung  der  roten 
=0rpe^hen  des  Embryo  bei  Vergiftung  der  Mutter  nicht  statt- 
nnuet,  Aveder  an  den  kernhaltigen  noch  an  den  kernlosen  Formen. 
™  in  der  ZAveiten  Hälfte  der  Schwangerschaft,  in  der  der 
widerstandsfähiger  geworden  ist,  gehen  Blutkörperchen¬ 
gifte  leicht  auf  den  Embryo  über. 

-Rer  Ueberg'ang  der  embryonalen  kernhaltigen 
roten  Blutkörperchen  in  kernlose  Erythrocyten. 

diP  ,  ;“ier^C^Ung  des  friscbeu  Blutes,  soAvie  mit  Formol  (nach  II. 
nachwlie-XnfUnKSart  bei  Wuthaltigem  Gewebe)  gehärteter  und 
S  Tr,  ,ter  Organe  ergibt  in  gleicher  Weise,  dass  der  Ueber- 
rit  in ,  1  k?rnl°s®  Erythrocyten  nicht  durch  Kernausstossung 

k!  ....  1  s  c  b)’  sondern  durch  allmähliche  Auflösung 

föltrt  ieS  lm  ab»emeinen  ohne  Kernfragmentierung  —  er- 

Konr.  Schneider  -  Erlangen. 


Veranlassung  zur  Sporenbildung  und  die  Be¬ 
dingungen  der  Sporenbildung.  Die  Untersuchung 
wurde  ausgeführt  mit  dem  anaeroben  Buttersäure- 
b  a  z  i  1 1  u  s,  dem  B.  botulinus,  B.  sporogenes,  dem 
malignen  Oedem  und  dem  Rauschbrand, 

Aon  den  Resultaten  ist  hervorzuheben:  Die  Anaeroben  ent¬ 
wickeln  sich  bei  Gegenwart  von  Sauerstoff  in  Mischkulturen  mit 
Anaeroben,  sie  vermehren  sich  dagegen  nicht  in  abgetöteter 
Aerobenkultur  oder  im  Filtrat  von  Aerobenbouillonkultur. 

Für  das  Wachstum  der  obligaten  Anaeroben  beträgt  der  maxi¬ 
male  Gehalt  an  Sauerstoff  ungefähr  0,0031  Prom.  (d.li.  ca.  0,008  ccm 
Sauerstoffgehalt  in  2620  ccm  Glockenrauminhalt).  Die  nächste 
Veranlassung  zur  Sporenbildung  ist  Nährstoffmangel;  besteht  unter 
den  günstigsten  Bedingungen  lebhaftes  dauerndes  Wachstum  so 
tritt  niemals  Sporenbildung  ein. 

Bei  den  fakultativ  und  obligat  Anaeroben  spielt  der  Sauer¬ 
stoff  für  die  Sporenbildung  eine  grosse  Rolle.  Sie  erfolgt  schnell, 
auch  wenn  der  Nährboden  noch  nicht  erschöpft  ist.  Unter 
Wasserstoff  und  bei  einem  Luftdruck  von  weniger  als  30  mm 
bilden  die  Anaeroben  niemals  Sporen.  Die  besten  Sporen  wer¬ 
den  bei  5—10  Proz.  Traubenzuckerzusatz  und  einer  Temperatur 
von  34 — 38 0  gebildet. 

Indirektes  Sonnenlicht  ist  für  die  Sporenbildung  schädlich, 
ebenso  schon  geringe  Säuregrade  (0,15—0,25  Proz.  Salzsäure)! 
Gegen  Alkali  sind  die  Anaeroben  widerstandsfähiger  als  gegen 
Säure.  R.  O.  Neu  mann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  32. 

1)  D.  v.  Hansemann -Berlin:  Ueber  Heilung  und  Heil¬ 
barkeit  der  Lungenphthise. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dass  die  Lungenschwindsucht  heilbar  ist. 
Doch  müssen  natürlich  in  dieser  Frage  die  verschiedenen  Arten  der 
Phthise  auseinander  gehalten  werden.  Nach  den  Erfahrungen  von 
II.  beginnt  die  eigentliche  tuberkulöse  Phthise  fast  ausschliesslich 
in  den  Spitzen,  für  die  primäre  Lokalisation  an  anderen  Stellen 
müssen  immer  spezielle  Gründe  vorliegen.  Es  ist  ausgeschlossen, 
dass  die  akute  käsige  Bronchophtliise  in  Heilung  übergeht,  bei  der 
käsigen  Hepatisation  können  kleine  Herde  eingesargt  Averden,  so¬ 
gar  grössere,  wenn  sich  reichlich  BindegeAvebe  darum  bildet.  Auch 
Kavernen  können  heilen,  einerseits  durch  Schrumpfung  des  um¬ 
gebenden  Bindegewebes,  andererseits  durch  Verwandlung  des 
Granulationsgewebes  innerhalb  der  Höhle  in  festes  BindegeAvebe. 
Phthisen,  welche  über  den  Oberlappen  hinausgreifen,  haben  fast 
nie  Aussicht  auf  definitive  Heilung,  während  dieselbe  bei  kleinerer 
Ausdehnung  wohl  eine  endgültige  werden  kann,  Avie  die  zahlreichen 
Sektionsbefunde  zeigen.  Die  Frage,  ob  ein  Mensch,  der  noch  viru¬ 
lente  Tuberkelbazillen  in  sich  beherbergt,  die  aber  eingeheilt  sind, 
als  geheilt  zu  betrachten  ist,  wird  von  Verfasser  bejaht.  In  tuber¬ 
kulösen  Herden  können  die  Tuberkelbazillen  viele  Jahre  lang  viru¬ 
lent  bleiben.  Verfasser  gibt  dann  noch  einige  differentialdiagnosti¬ 
sche  Merkmale  für  die  Unterscheidung  der  tuberkulösen  von  syphi¬ 
litischen  Narben. 

2)  A.  Au  j  e  s  k  y  und  J.  W  e  n  h  a r  t  -  Ofen-Pest:  Beiträge 
zur  Agglutination  des  Pestbazillus. 

Aus  ihren  sehr  zahlreichen  Experimenten  schliessen  die  Ver¬ 
fasser  folgendes: 

Das  Serum  auch  des  gesunden  Pferdes  kann  den  Pestbazillus 
agglutinieren,  aber  nur  bis  zur  Verdünnung  1:10.  Das  Pestserum 
agglutiniert  in  grösserer  Konzentration  als  1:5  nicht  nur  den  Pest¬ 
bazillus,  sondern  auch  andere  Bakterien.  Das  Blut  gesunder  und 
an  Tuberkulose  leidender,  fiebernder  Menschen  agglutiniert  den 
Pestbazillus  nicht.  Nach  Immunisierung  mit  Pestserum  erhält 
manchmal  das  Blut  des  Menschen  die  Fähigkeit,  den  Pestbazillus 
zu  agglutinieren.  Das  Blutserum  gesunder  Kaninchen  agglutiniert 
den  Pestbazillus  nicht;  jenes  der  mittels  Pestserum  immunisierten 
Kaninchen  agglutiniert  ausnahmsweise.  Der  Urin  gesunder  Men¬ 
schen  agglutiniert  den  Testbazillus  nicht;  aber  nach  Injektion  des 
Serums  kann  es  Vorkommen,  dass  auch  der  Urin  agglutiniert.  Das 
Blutserum  der  Kaninchen  agglutiniert  den  Pestbazillus  nicht,  selbst 
nicht  nach  Ilaffkinisation.  Zu  Agglutinationsproben  ist  auch  der 
Haffkine  sehe  Impfstoff  anwendbar,  doch  ist  die  Reaktion  mit 
lebenden  Pestbazillen  lebhafter. 

3)  Goerges:  Ueber  neuere  Arzneimittel:  Aspirin  und 
Digitalisdialysat. 

Vergl.  S.  946  der  Münch,  med.  Woehensehr.  1902. 

4)  E.  A  d  1  e  r  -  Berlin:  Beitrag  zur  Statistik  der  tertiären 
Lues. 

Die  Zusammenstellungen  beziehen  sich  auf  224  Fälle  tertiärer 
Lues,  welche  unter  1676  Luesfällen  überhaupt  zur  Beobachtung 
kamen.  Die  Durchschnittszahl  der  tertiär  Gewordenen  betrug 
13,4  Proz.  Das  Auftreten  von  Tertiärerscheinungen  vor  dem  20. 
und  nach  dem  60.  Jahre  ist  selten.  Die  Hauterscheinungen  nehmen 
der  Häufigkeit  nach  die  erste  Stelle  ein.  Bei  fast  %  aller  Fälle 
der  tertiär  Gewordenen  hatte  im  Sekundärstadium  keine  Behand¬ 
lung  stattgefunden. 


Archiv  für  Hygiene.  43.  Bd.  4.  Heft.  1 902. 

~  Matzuschita  -  Halle:  Zur  Physiologie  de 

t  b  enhildung  der  Bazillen,  nebst  Bemerkungen  zum  Wachs 
tum  einiger  Anaeroben. 

sehr  ausführliche  Arbeit,  deren  Einzelheiten  im  Origin: 
v,  „  1  sblb>  behandelt  die  Methoden  für  die  Anaero 

n  k  u  1 1  u  r,  das  Wachst  u  m  der  A  n  a  e  robe  u,  d  i 


5)  W.  R  i  e  c  h  e  1  m  a  n  n  -  Berlin:  Eine  Krebsstatistik  vom 
pathologisch-anatomischen  Standpunkt. 

Die  hier  mitge’teilte,  höchst  interessante  Statistik  bezieht  sich 
auf  711  Karzinomfälle,  Avelche  unter  7790  Sektionen  im  Kranken¬ 
hause  Friedrichshain  in  Berlin  binnen  6  Jahren  zur  Beobachtung 
gelangten.  Darnach  war  jeder  11.  Fall,  der  zur  Autopsie  kam,  ein 
Karzinom.  In  58  Fällen  war  die  Diagnose  auf  Karzinom  gestellt 
worden,  aao  die  Sektion  kein  solches  ergab.  22  Froz.  aller  Kar- 


1400 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  33. 


zinom  fälle  waren  nicht  erkannt  worden.  Diese  Zahl  ist  also  den 
gebräuchlichen  Statistiken  hinzuzurechnen.  Das  Ansteigen  da 
Zalil  der  Karzinomfälle  muss  besonders  aucli  unter  dem  Gesichts- 
nunkte  betrachtet  werden,  dass  heute  viel  mehr  Menschen  als 
früher  in  das  karzinomfähige  Alter  kommen  Andererseits  werden 
viel  mehr. Karzinome  diagnostiziert  wje^niher^md  _ 


wird  die  Diagnose  schliesslich  noch  bei  der  Sektion  gestellt, 
lasser  lässt  es  dahingestellt,  ob  nach  Einrechnung  dieser  Momente 
noch  etwas  für  eine  wirkliche  Zunahme  der  Karzinome  übrig  bleibt. 
Hinsichtlich  des  schlechten  Ernährungszustandes,  der  Kiebs- 
kaehexie,  kommt  Verf.  zu  dem  Schlüsse,  dass  dieselbe  bedingt  ist 
durch  Verhinderung  der  Aufnahme  oder  der  \  ^  Ä 

rung,  durch  die  Ulzeration  und  Verjauchung  des  lumois,  duich 

Sitz  und  Zahl  der  Metastasen. 

G)  K  Glaessner:  Nachtrag  zu  meiner  Mitteilung:  ,, Zur 
topographischen  Diagnostik  der  Magengeschwulste  in  No.  29 

d.  Wochenschr.  ^  ^  wQ  der  ralpationsbefund  einen 

Tumor  an  der  kleinen  Kurvatur  nachwies,  der  Magenchemismus 
aber  einen  Pylorustumor  wahrscheinlich  machte.  Dei  48jahn»e 
Kranke  starb  an  einem  Anfall  von  Tetanie  und  die  Sektion  ergab, 
!h,s^  ein  Pyloiuskarzinom  vorhanden  war  und  der  Tumor  an  der 
kleinen  Kurvatur  durch  eine  karzmomatose  Lymphdi  use 
,1.e  wegen  I>.oSe  „es  Magens 
worden  war. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  32. 

V  D  ev  d  en  -  Berlin:  Carl  Gerhardt  j. 

D  M.  W  o  1  f  f  -  Berlin:  Perlsucht  und  menschliche  Tuber¬ 
kulose.  .  u  Verein  für  innere  Medizin  am  14.  Juli  1002 

gehaltenen °  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschr. 

N°-  «n’waldvogel-  Göttingen:  Fistel  zwischen  Flexura  sig- 
moidea  und  Blase  im  Anschluss  an  perforierte  Darmdiveitikel. 

Kasuistische  Mitteilung,  welche  wegen  der  Srfttnl  ut 

des  mitgeteilten  Falles  besonderes  Interesse  bietet  Aiissm  ein 
Beobachtung  von  Sidney  .Tones  hegt  in  dei  Liteiatui  kui  - 
!  Sri,  in  der  nekrotische  Divertikel  Veranlassung  zu 
Eitimbsaclaing  zwis.hon  Vtma  mul  Blase  geben  und  in  de> 

RS  je  i'u- Berlin '  Ueber  subkutane  und  submuköse 

n-tSSÄ»«™  am  12.  März  11102  in  der  Berliner 
medizinischen  Gesellschaft  und  am  5.  April  1002  aut  dem  Deut 
sehen  Chirurgenkongress. 

Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenscln.  !•»»_,  No.  1  , 

nag.  4G7  und  No.  17,  pag.  723.  nl 

'  4)  Tr  eitel:  Zwei  Fälle  von  Verbrühung  de=  Ohres. 

Nach  einem  am  10.  Dezember  1002  in  der  Berliner  otologisehen 

Gesellschaft  gehaltenen  Vortrag. 

Kasuistische  Mitteilung  von  mehr  spezialarztlicliem  Intel  esse. 

5)  T  o  m  f  o  r  d  e:  Eine  Endemie  von  kruppöser  Pneumonie 
im  Dorfe  Laumühlen,  Kreis  Neuhaus  an  der  Oste,  Januar  1902. 

0  ß  eine  w  a  I  d  -  Nauheim:  Ein  heizbarer  Universal¬ 
apparat  für  alle  Arten  von  Ausspulungen  für  Spray  und  Luft¬ 
dusche.  ^  ^  ^  m  a  u  u  .  ciiarlottenburg:  Dysmenorrhöe  und 

Aspyr'  ^  Hvn'cli  seine  kasuistische  Mitteilung  weniger  für  den 
Nutzeffekt  des  Aspyrins  hei  der  Dysmenorrhoe  nervosa  be¬ 
weisend.  als  vielmehr  zur  Weiterprüfung  anregend  wirken. 

S)  ü.  E  in  in  e  r  i  c  h  -  Baden-Baden:  Die  Zusammensetzung 

des  „Antimorphins“.  . 

Sowohl  die  eigene  Untersuchung,  wie  die  m  einer  dei  eisten 
deutsehen  chemischen  Fabriken  vorgenommene  Analyse  des  voi 
wenigen  Wochen  erst  in  den  Handel  gekommenen  i‘ap«nites  ei- 
,v;li>  klar  und  deutlich  das  Vorhandensein  erhebt  lchei  Moi- 
phinmengen.  so  dass  vor  weiterer  Anwendung  nicht  genug •  ge- 
warnt  werden  kann.  1 

Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  32.  Jahrg.  No.  14 
u.  15. 

Armin  H  u  her-  Zürich:  Ueber  Blutdruckbestimmungen. 
Instruktive  Literaturzusammenstellung  über  neuere  Apparate; 
dazu  Versuche  an  5  Personen  (Tabelle),  bei  welchen  sich  nur  m 
einem  Falle,  wolil  wegen  grösserer  Korpulenz,  ein  Oeuthcb  ei 
leihender  Einfluss  der  Körperanstrengung  auf  den  Blutdiuck  zeigte 
Härtners  und  Iliva-Roccis  Apparat  sind  vorläufig  als 

etwa  gleichwertig  zu  betrachten. 

W.  L  i  n  d  t -Bern:  Einige  Fälle  von  Kiefercysten..  (.  cliluss.) 
f>  Fälle.  Differentialdiagnostisch  gegenüber  Empyem  der 
Ilhdimorsliöhle  und  einfacher  Periostitis  ist  die  Auftreibung  des 
Knochens  wichtig.  Als  Ursache  darf  in  3  Fallen  Zahnkaries  an¬ 
genommen  werden,  welche  die  Epithelreste  zur  Wucherung  und 
die  so  entstandene  Cyste  später  zur  Vereiterung  brachte.  Therapie. 
Alles  Entzündete  muss  entfernt  und  eine  epithelfreie  W  umlflache 

geschaffen  ^alj|(rnvain.  La  Chaux-de-Fonds:  Zur  Aetiologie  der 

Pneumokokkenperitonitis. 

Im  Anschluss  an  2  Fälle  (im  einen  Abszess  nur  mit  Pneumo 
kokken;  diese  noch  nach  5  Monaten  im  Innern  »los  Wurmfortsatzes 
gefunden)  und  durch  kritisch-tabellarische  Zusammenstellung  dei 


bezüglichen  Fälle  kommt  Verf.  zu  dem  Schluss,  dass  die  „pri¬ 
märe"' Pneumokokkenperitonitis  der  Mädchen“,  wie  überhaupt  eine 
primäre  Pneumokokkenperitonitis  ein  noch  nicht  genügend  ge¬ 
stütztes  Krankheitsbild  und  wolil  teilweise  auf  einePneumokokken- 
kippendizitis  (Durchwucherung  von  Darm,  Pleura  etc.)  zuiuck- 

Ed.  S  t  e  f  f  e  n  -  Regensdorf :  Ueber  Bruchbänder,  nebst  eini¬ 
gen  einschlägigen  Bemerkungen. 

Spezielle  Bemerkungen  über  Bruchbänder  verschiedener  Her¬ 
kunft,  speziell  gegen  federlose  Bruchbänder  und  Nabelbruchbander 

imt  o^ffer-  Interlaken:  Ein  Fall  von  Antipyrinintoxikation. 

Intoxikation  nach  12  g  (4  Tage  lang  je  G  X  g)  bei  Gelenk¬ 
rheumatismus.  Heilung.  Dr-  Piachingei. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  32.  1)  Iv.  Hel  ly -Wien:  Wechselbeziehungen  zwischen 

Bau  und  Funktion  der  Milz.  .  .  , 

Verf  f'ibt  eine  kurze  U ebersicht  über  den  jetzigen  Stand  dei 
Histologie  'der  Milz  und  betont  besonders  den  Befund,  dass  der 
Durchtritt  von  roten  und  weissen  Blutkörperchen  durch  die  h  am 
der  Milzgefässe  direkt  beobachtet  werden  kann.  Dafür  bieten  die 
Wandungen  der  venösen  Kapillaren,  in  welchen  infolge  ihrer  Veite 
ein  sehr  verlangsamter  Blutstrom  fiiesst,  sehr  günstige  Bedingungen 
dar.  Die  Funktion  der  Milz  besteht  in  der  Produktion  von  weissen 
Blutkörperchen,  ferner  in  der  Fähigkeit,  Fremdkörper,  als  welche 
im  physiologischen  Sinne  auch  tote  oder  kranke  rote  Blutkörper¬ 
chen  zu  betrachten  sind,  in  ihrem  Innern  zurückzubehalten,  vei  . 
fasst  daher  die  Milz  auf  als  eine  Lymphdrüse  und  zwar  als  eine 

regionäre  Lymphdrüse  des  Blutes. 

2)  C.  Adrian- Wien:  Ueber  einen  bemerkenswerten  hall 

von  Neurofibromatosis. 

Bei  der  öGjälir.  Kranken,  welche  einen  kretinartigen  Gesichts¬ 
ausdruck  darbot,  aber  psychisch  keine  Abnormität  aufwies,  war 
der  ganze  Körper  übersät  mit  Tumoren  von  Stecknadelkopf-  bis 
Ilaselnussgrösse.  Eine  mannesfaustgrosse,  harte  Geschwulst  be¬ 
fand  sich  in  der  rechten  oberen  Schlüsselbeingrube,  bei  deren  Ex¬ 
stirpation  eine  sehr  heftige  Blutung  und  der  Tod  in  der  Narkose 
erfol°*te.  Der  Tumor  erwies  sich  als  Neuromyxom.  herner  fanden 
«ich  Neurofibrome  des  Darmes,  miliare  Fibrome  auch  in  der  Mageu- 
und  Darm wandung,  sowie  am  Periost  der  rechten  Tibia.  Daneben 
bestand  eine  Arthritis  deformans  des  rechten  Ellenbogen-  und 

Gi  a.  S  c  li  e  i  b  -  Prag:  Bericht  über  6  Fälle  von  kiinstlichei 
Frühgeburt  mittels  elastischer  Metallbougie  nach  Knapp. 

Bei  Anwendung  des  Instrumentes,  das  sich  durch  grossei e 
Biegsamkeit  und  absolut  sichere  Sterilisierbarkeit  vor  den 
Kraus  eschen  Bougies  auszeichnet,  konnte  von  den  6  hallt  n 
5  mal  die  Zerreissung  der  Eihäute  mit  Leichtigkeit  vermieden 
werden  Der  Weheneintritt  erfolgte  binnen  %— 5%  stunden. 
Die  Gefahr  einer  Infektion  mittels  des  Instrumentes  erscheint  tast 

*4)  C.  Pezzoli:  Ueber  die  Reaktion  des  Prostatasekretes 

bei  chronischer  Prostatitis.  r  .... 

Verf.  führt  aus.  dass  die  von  Lohnstei  n  gegen  seine  Kntik 
der  L  o  li  n  s  t  e  i  n  sclien  Arbeit  erhobenen  Einwände  nicht  zu¬ 
treffen.  „  „  _  ,  ,  . 

Th  E  s  c  li  ericli:  Nekrolog  auf  C.  G  e  r  h  a  r  d  t. 

Grass  m  aun  -  München. 


Vereins-  und  Kongressberichle. 

Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  30.  April  1902. 

Vorsitzender :  Herr  C.  E  r  a  e  n  k  e  1. 

Herr  Jacobitz:  Heber  Stickstoff  sammelnde  Bakterien 
und  ihre  Bedeutung-  für  die  Landwirtschaft.  (Der  Vortrag  er¬ 
scheint  ausführlich  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 

Herr  Fraenkel:  Ueher  das  Vorkommen  von  Mikro¬ 
organismen  in  der  gesunden  Lunge. 

Herr  Fraenkel  berichtet  über  Untersuchungen,  die  Herr 
Prof.  Quen  sei  ans  Upsala  im  Winterhalbjahr  1900/01  im 
hygienischen  Institut  zu  Halle  a/S.  ausgeführt  hat,  um  die  frage 
nach  dem  Vorkommen  von  Bakterien  in  den 
A  t  m  u  n  g  swerkzeugen  gesunder  Tiere  aufs  neue 
zu  behandeln.  Bekanntlich  gehen  die  Ansichten  der  Forscher 
über  diesen  Punkt  noch  vielfach  auseinander.  Während  man 
anfangs  im  allgemeinen  geneigt  war,  die  Lungen  gesunder  Ge¬ 
schöpfe  etwa  von  der  Glottis  abwärts  als  keimfrei  anzusehen, 
haben  sich  in  der  letzten  Zeit  die  Stimmen  gemehrt,  die  diese 
Tatsache  bestreiten  und  behaupten,  dass  sich  auf  der  inneren 
Lungenoberfläche  nicht  selten  sogar  krankheitserregende  Keime 
finden,  die  mit  dem  Luftstrom  dorthin  gelangt  sein  sollen.  Diese 


19.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


1401 


namentlich  von  D  ü  r  c  k  vertretene  Anschauung  hat  dann  eine 
Reihe  von  weiteren  einschlägigen  Arbeiten  zur  Folge  gehabt! 
die  jedoch  zu  einem  völlig  klaren  Ergebnisse  nicht  gelangt  sind! 
Bei  den  kleinen  Tieren  des  Laboratoriums  wird  zwar  von  der 
Mehrheit  der  Autoren  das  Fehlen  von  Mikroorganismen  in  den 
gesunden.  Lungen  als  die  Regel  betrachtet;  für  grosse  Tierarten 
dagegen  ist  eine  solche  Uebereinstimmung  der  Ansichten  bisher 
nicht,  erzielt  worden  und  auf  Veranlassung  des  Vortragenden 
hat  sich  Herr  Prof.  Quensel  daher  die  Aufgabe  gestellt,  ge¬ 
rade  diesen  Punkt  noch  einmal  zu  bearbeiten. 


Unmittelbar  nach  der  Schlachtung  und  nachdem  die  Tiere 
an  den  Hinterfüssen  aufgehängt  und  abgehäutet  worden  waren, 
wurde  die  Brusthöhle  eröffnet  und  nun  mit  aller  Vorsicht  ein 
Stückchen  der  Lunge  herausgeschnitten,  das  sofort  in  das  Labora¬ 
torium  gelangte.  Hier  wurde  die  Oberfläche  des  Gewebes  mit 
der  Gasflamme  abgebrannt  und  nun  eine  kleine,  aus  dem  Innern 
herrührende,  etwa  erbsen-  bis  bohnengrosse  Probe  auf  flüssige 
und  feste  Nährböden  übertragen.  Es  ergab  sich  nun  folgendes: 
Die  Lungen  von  Schweinen  zeigten  sich  fast  immer  keim- 
haltig.  Indessen  stellte  es  sich  bald  heraus,  dass  bei  diesen 
Tieren  die  Gewinnung  einwandfreien  Materials  kaum  möglich 
ivai  ,  da  die  Schweine  sofort  nach  der  Tötung  in  grossen  Bottichen 
abgebiiilit  werden  und  bei  dieser  Prozedur,  wie  besondere  Unter¬ 
suchungen  zeigten,  mehr  oder  minder  erhebliche  Mengen  des  an 
Keimen  reichen  Brühwassers  in  die  Lungen  gelangten.  Es 
wurden  daher  die  weiteren  Ermittelungen  auf  Schafe, 
Pferde  und  Kälber  beschränkt.  Hier  zeigten  sich  nun  die 
Lungen  in  einem  Teil  der  Fälle  keimfrei,  bei  der  Mehrzahl 
abei  wurden  wechselnde,  meist  ziemlich  spärliche,  zuweilen  jedoch 
auch  etwas  grössere  Mengen  von  Mikroorganismen  nachgewiesen, 
darunter  besonders  häufig  Streptothricheen,  ferner  der  Bac.  sub- 
tilis,  Staphylokokken,  seltener  schon  Streptokokken  und  aviru- 
lente  Pneumokokken.  Es  erhob  sich  nun  natürlich  die  Frage, 
woher  diese  Keime  rührten.  Eine  postmortale  Einwan¬ 
derung  in  die  Lungen  aus  benachbarten  Gebieten  konnte  bei  der 
Kürze  der  zwischen  der  Tötung  und  der  Entnahme  der  Proben  ver¬ 
flossenen  Zeit  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden.  Auch  eine 
zufällige  äussere  Verunreinigung  hatte  hier  sicher 
keine  grosse  Rolle  gespielt,  da  die  auf  festen  Nährböden  sich 
entwickelnden  Kolonien  nicht  von  der  Oberfläche,  sondern  aus 
den  tiefsten,  innersten  Teilen  der  kleinen  Gewebsstückchen  all¬ 
mählich  hervorwuchsen.  Dagegen  war  mit  der  Möglichkeit  zu 
rechnen,  dass  die  Keime  durch  die  letzten  tiefen  Inspirationen 
des  verendenden  Tieres,  aus  den  oberen  Abschnitten 
der  Luftröhre  in  die  Lungen  angesogen  worden  seien.  Um 
dies  zu  entscheiden,  entnahm  Quensel  von  den  betreffenden 
Tieren  zugleich  auch  kleine  Mengen  des  in  der  Trachea 
haftenden  Schleimes.  Dabei  zeigte  es  sich,  dass  irgend 
eine  Uebereinstimmung  zwischen  dem  Bakterienbefund 
hier  und  in  den.  Lungen  nicht  bestan  d.  Der  Schleim  war 
zuveilen  steril  in  lällen,  wo  die  Lunge  Mikroorganismen  ent¬ 
hielt  und  umgekehrt,  und  wenn  an  beiden  Stellen  Bakterien 
nachgewiesen  werden  konnten,  so  bot  die  Flora  liier  und  dort 
ein  ganz  verschiedenes  Bild. 


Es  blieb  also  kein  Zweifel,  dass  die  in  der  Me  h  r  zahl 
er  verarbeiteten  Lungen  in  wenn  auch  meist  recht 
geringer  Menge  nachgewiesenen  lebensfähigen 
Mikroorganismen  auch  im  Augenblicke  des 
o  es  hier  vorhanden  waren.  Bei  genauerer  Ueber- 
iegung  wird  diese  Tatsache  auch  nicht  wunderbar  erscheinen  kön¬ 
nen.  Unsere Atmungs Werkzeuge  stehen  eben  in  offenem  Zusammen- 
Jmng  mit  der  Aussenwelt.  Wir  sehen,  dass  mit  dem  Luftstrom 
otaubeheu  der  verschiedensten  Art  bis  in  die  letzten  Verzwei¬ 
gungen  des  Bronchialbaums,  bis  in  die  Alveolen  selbst  getragen 
werden  und  im  Lungengewebe  zur  Ablagerung  gelangen,  und  es 
wäre  geradezu  unbegreiflich,  wenn  von  dieser,  für  die  unbelebten 
«  (  gültigen  Regel  die  belebten  eine  Ausnahme  machen 
sollten.  Immerhin  scheint  bei  dieser  Einfuhr  mit  der  Atem- 
’V 1  "ne  gewisse  Auswahl  und  Sonderung  stattzuhaben, 
wie  tas  namentlich  das  so  häufige  Vorkommen  der  Strepto- 
thricheen  zu  erweisen  scheint,  die  in  19  von  36  Lungen  an¬ 
getroffen  wurden  und  sich  damit  als  bevorzugte  Ansiedler  dieses 
Oebietes  kennzeichnen. 

Eine  solche  Auslese  kann  nun  erfolgen  entweder  durch  den 
a  v  *  c  1  i  z  i  d  e  n  und  spezifischen  Einfluss  des  Gewebes  oder 


durch  Abstossung  an  die  zugehörigen  bronchialen  L  y  m  p  li  - 
d  r  ii  s  e  n.  Um  hierüber  genaueren  Aufschluss  zu  erhalten,  hat 
Q  u  e  !x  s  e  1  nun  auch  die  bronchialen  Lymphdrüsen  auf  ihren 
Keimgehalt  untersucht  und  dabei  in  28  von  94  Proben  Mikro¬ 
organismen  angetroffen..  Auch  hier  war  die  Zahl  meist  eine  ziem¬ 
lich  gelinge  und  entwickelten  sich  die  Kolonien  wie  bei  den 
Lungenstückchen  aus  den  innersten  Teilen  der  Proben. 

Nach  alldem  wird  man  über  das  Schicksal  der  durch  den 
Inspirationsstrom  in  die  Atmungswerkzeuge  getragenen  Klein¬ 
wesen  wohl. folgendes  Urteil  abgeben  können:  Die  überwiegende 
Mehrzahl  dieser  Keime  wird  in  den  oberen  Abschnitten  der  Re¬ 
spirationsorgane,  namentlich  der  Nase,  festgehalten  und  entweder 
getötet  oder  durch  das  Flimmerepithel  wieder  nach  aussen  be¬ 
fördert.  Ein.  gewisser  Prozentsatz  jedoch  dringt  in  die  tieferen 
Gebiete,  in  die  Luftröhre  und  sogar  bis  in  die  Lunge  selbst  vor. 
Wie  gross  dieser  Bruchteil,  ist  von  mannigfachen  Umständen 
abhängig,  so  z.  B.  von  dem  anatomischen  Bau  der  Mund-,  Nasen- 
nnd  Kachenhöhle,  von  der  wechselnden  Beschaffenheit  ihrer 
Schleimhaut,  dem  verschiedenen  Bakteriengehalt  der  einge¬ 
atmeten  Luft  u.  s.  f.  So  erklären  sich  die  erheblichen  Abwei¬ 
chungen  nach  der  Tierart,  nach  den  einzelnen  Individuen,  nach 
besonderen  zeitlichen  und  anderen  Verhältnissen,  und  man  wird 
z.  L.  annehmen  dürfen,  dass  der  Mens  c  h  mit  seinem  aufrechten 
Gang  und  seiner  freien  Bewegung  weniger  Keime  einatmen 
wird,  als  die  meisten  Tiere,  die  mit  den  Schnauzen  in  ihrem  tro¬ 
ckenen  Futter  oder  auf  dem  Erdboden  herumwühlen. 

Die  in  die  Lunge  gelangten  Bakterien  nun  werden  hier  nicht 
etwa  einfach  abgelagert  und  angehäuft,  sondern  verschwinden 
wieder,  d.  h.  werden  entweder  abgetötet  oder  an  die  bronchialen 
Lymphdrüsen  weitergegeben.  Meist  wird  wohl  die  Vernich¬ 
tung  der  Mikrobien  hier  in  erster  Linie  in  Betracht  kommen, 
und  nur  wenn  es  sich  um  pathogene  Keime  handelt  und  die  Lunge 
ihnen  die  erforderlichen  Bedingungen  für  eine  Vermehrung 
bietet,  kann  dieses  Organ  auch  zur  Eintrittspforte  für  krankheits¬ 
erregende  Schädlinge  werden.  Unter  gewöhnlichen  Verhältnissen 
aber  ist  davon  nicht  die  Rede  und  wird  man  auch  in  den  Lungen, 
wenn  überhaupt,  nur  solche  Keime  antreffen,  die  erst  kurz  zuvor 
hierher  gelangt  und  ihrem  endlichen  Schicksal  noch  nicht  an¬ 
heim  gefallen  sind. 

Besprechung:  Herr  Lange  berichtet  im  Anschluss  an 
die  Mitteilungen  des  Vortragenden  über  einen  Fall  von  Lungen- 
zerreissung  durch  Unfall,  bei  dem  es  zu  einer  Infektion  des  ge¬ 
quetschten  Organs  und  zum  Tode  gekommen  sei.  Wahrscheinlich 
sei  die  Einwanderung  der  Keime  hier  von  den  oberen  Luftwegen 
aus  erfolgt,  indessen  könne  man  nach  den  eben  gehörten  Aus- 
fiili Hingen  wohl  auch  an  eine  Wirkung  in  der  Lunge  selbst  schon 
vorher  angesiedelter  Mikroorganismen  denken. 

Herr  Genz  m  e  r  hebt  hervor,  dass  bei  subkutanen  Ver¬ 
letzungen  der  Lunge  durch  Rippenbrüche  so  gut  wie  niemals  eine 
Eiterung  entstelle,  selbst  wenn  ein  Emphysem  sich  hinzugesellt  hat. 

Heil  I  l  aenkel  betont  in  Wiederholung  seiner  vorherigen 
Bemerkungen,  dass  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  aller  Fälle 
eine  Infektion  ausbleibe,  aber  ausnahmsweise  eintreten  könne, 
wenn  eben  krankheitserregende  Keime  in  den  letzten  Verzwei¬ 
gungen  der  Bronchien  oder  im  Lungengewebe  selbst  vorhanden 
seien. 

Herr  TJlrici  bemerkt,  dass  die  Patientin,  von  der  Herr 
I)r.  Lange  vorhin  gesprochen,  ohne  Zweifel  an  einer  erst  später 
hinzugetretenen  Infektion  gestorben  sei. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  27.  Mai  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Curschmann. 

Schriftführer :  Herr  B  r  a  u  n. 

Herr  Schütz:  Anatomische  Untersuchungen  über  das 
untere  Längsbündel  (Fasciculus  longitud.  inf.)  und  seine  Be¬ 
ziehungen  zur  medialen  Schleife. 

Bei  der  Untersuchung  eines  m ikrogy rischen  Gehirns  hatte 
Voitragender  gefunden,  dass  das  untere  Längsbündel  in  seinem 
ganzen  Verlauf  wohl  erhalten  war,  während  der  grösste  Teil  des 
Schläfen-  und  des  Hinterhauptlappens  bis  auf  die  Ammons¬ 
windung  in  die  Mikrogyrie  mit  einbezogen  und  in  ein  derbes 
sklerotisches  Gewebe  mit  zahlreichen  kleinen  Cysten  verwandelt 
war.  Dieser  Befund  gab  Vortr.  Veranlassung,  den  Verlauf  des 
unteren  Längsbündels  an  einem  anderen  Material  zu  unter¬ 
suchen,  zumal  da  die  Richtigkeit  der  Auffassung  dieses  Faser¬ 
zugs  als  eines  Assoziationssystems,  wie  sie  auch  in  den  Lehr- 


1402 


MUENCHENER  MEDTCINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  33. 


büchern  der  Hirnanatoraie  dargestellt  wird,  m  neuerer  Zeit  vo 

F  1  e  c  h  s  i  g  bestritten  wurde. 

Das  den  nachfolgenden  Ausführungen  zu  Grunde  liegen 
Material  bestand  aus  vollständigen  frontalen  Schnittreihen  von 
einem  8  Monate  alten  menschlichen  Fötus,,  einem  neugeborenen, 
einem  12  Tage  alten  und  je  einem  4  und  5  Wochen  alten  M 
welche  mit  der  Pal  sehen  Modifikation  der  Weigert  sehen 
Hämatoxylinmethode  behandelt  worden  waren  Es  boten  m  - 
besondere  die  Präparate  von  dem  12  Tage  alten  Kind  höchst 
instruktive  Bilder  über  den  Verlauf  des  unteren  Langsbundels. 

Die  Untersuchungsresultate  sind  kurz  zusammengefasst  fol- 

"en<Die  Fasern  des  unteren  Längsbündels  werden  relativ  zeitig 
markhaltig.  Sie  waren  sehen  bei  dem  8  monatlichen  Fetus 
schwach  angedeutet  zu  sehen,  waren  beim  Neugeborenen  un 
bei  dem  12  Tage  alten  Kind  ganz  gut  entwickelt,  wahrend  d 
Fasern  der  sog.  G  r  a  t  i  o  1  e  t  sehen  Sehstrahlung  und  eines 
Teils  des  Tapetums  noch  nicht  markhaltig  waren.  Diese  Fasern 
wurden  erst  bei  dem  4  Wochen  alten  Kind  markhaltig  gefunden. 
Von  den  Fasern  des  Tapetums  waren  nur  diejenigen  markhaltig, 
welche  die  dem  Seitenventrikel  anliegende  Seite  des  Ammons¬ 
horns  bekleiden,  während  die  den  lateralen  Teil  des  Seiten¬ 
ventrikels  bekleidenden  Fasern  auf  dieser  Stufe  noch  nicht  mar 

haltig  waren.  ......  tt.  .  _ 

Da  neben  den  Fasern  des  unteren  Längsbundeis  im  Hinter¬ 
haupts-  und  Schläfenlappen  markhaltige  Nervenfasern  beim 
Neugeborenen  und  dem  12  Tage  alten  Kmd  nicht  gefunden 
wurden,  Hessen  sich  mit  Sicherheit  die  Endigungen  dieses  Bün¬ 
dels  zunächst  in  der  Rinde  feststellen. 

Die  Fasern  des  unteren  Längsbündels  endigten  im  Gyrus 
lingualis  und  in  dem  diesem  Gyrus  anliegenden  Teil  des  Cuneus. 
Die  Fasern  bogen,  um  in  den  Gyrus  lingualis  zu  gelangen  all¬ 
mählich  aus  der  fronto-oeoipitalen  m  die  medio-laterale  Richtung 
um  Den  Gvrus  hippocampi  erreichten  sie  jedoch  nicht  sondern 
erreichten  erst  dann  die  Rinde,  nachdem  der  Gyrus  lingualis 
zur  Ausbildung  gelangt  war.  Es  war  nun  bemerkenswert,  dass 
die  zum  Gvrus  lingualis  ziehenden  Fasern  einen  anderen  Ve 
lauft  hatten,  als  die,  welche  zum  Cuneus  zogen.  Das  untere 
Längsbündel  umgibt  in  der  Nähe  des  Occipitalpols  den  Ventrik 
in  der  Form,  wie  die  Konturen  des  Ventrikels  je  nach  dei 
Schnittrichtung  sind,  bald  mehr  länglich,  bald  mehr  rund  lasst 
aber  einen  breiten  Raum  zwischen  sich  und  der  Ventrikelwand. 
An  der  Stelle,  wo  der  Gyrus  lingualis  und  Cuneus  Zusammen¬ 
treffen,  ist  der  Bogen,  welchen  das  untere  Längsbundei  hier 
bildet,  offen  und  man  sieht  hier  die  Fasern  von  oben  her  m  den 
Cuneus  einstrahlen,  während  die  zum  Gyr.  lingualis  ziehenden 

von  unten  her  diesen  erreichen.  _  ,  .  ,  ? 

Im  Cuneus  sowohl  wie  im  Gyr.  lingualis  finden  sich  au 
dieser  Entwicklungsstufe  zahlreiche  zum  Längsdurchmesser  der 
Windungen  parallel  laufende  Fasern;  quer  verlaufende  Fasern 
fanden  sich  spärlich,  Tangentialfasem  gar  nicht  Der  Bai 
1  a  r  g  a  r  sehe  Streifen  war  demnach  nicht  ausgebildet. 

Verfolgt  man  nun  auf  Frontalschnitten  den  Verlauf  des 
unteren  Längsbündels  nach  dem  Stirnpol  zu,,  so  treten  in  seinem 
Verlauf  in  seiner  Stärke  Veränderungen  nicht  ein  bis  zu  den 
ersten  Schnitten,  welche  in  das  Gebiet  des  Thalamus  opticus 

f ‘lllcil 

CIIier  gehen  einmal  Fasern  aus  ihm  ab,  welche  m  die  erste 
Temporalwindung  ziehen,  dann  nimmt  es  aber  auch  an  Starke 
bedeutend  zu  und  seine  Fasern  beginnen  aus  der  fronto-occipi- 
talen  Richtung  nach  der  Mittellinie  abzubiegen,  bis  es,  weiter 
frontalwärts  schliesslich  zwischen  Thalamus  opticus  un,  den 
Corpora  geniculata  hindurchziehend,  sich  zur  medialen  Schleife 
begibt  und  ein  Bestandteil  dieser  wird.  Es  stellt  dann  den  am 
meisten  lateral  gelegenen  Teil  dieses  Faserzuges  dar.  In  der 
Schleife  zieht  es  eine  Strecke  weit  abwärts  bis  zur  Brücke  und 
biegt,  dort  angelangt,  teils  in  ziemlich  scharfen  Windungen  m 
ventraler  und  medialer  Richtung  ab,  teils  losen  sich  seine  Easern 
in  die  dicht  unterhalb  der  Schleifenschicht  m  der  Brücke  ge¬ 
legenen  grauen  Massen  auf.  Es  ist  mir  bis  jetzt  nicht  gelungen, 

das  Bündel  weiter  distalwärts  zu  verfolgen. 

Dagegen  ist  der  Verlauf  dieses  lateralen  Teils  der  medialen 
Schleife  nach  der  Rinde  zu  bedeutend  übersichtlicher.  Nachdem 
diese  Fasern  die  Strecke  zwischen  Corpora  geniculata  und  lha- 


lamus  opticus  in  Form  eines  geschlossenen  dicken  Stongap»- 
siert  lösen  sie  sich  ziemlich  schnell  m  eine  Anzahl  von  laser 
bündeln  auf,  die  sich  vor  ihrem  endhehen  Ausemandergehm 
mehrmals  wieder  untereinander  verflechten.  Dann  geht  em 
dieser  Faserbündel  direkt  lateral  in  die  erste  Schlafen  Windung 
ein  anderer  und  wohl  der  grösste  Teil  geht  seitlich  von  der 
inneren  Kapsel  und  dicht  an  ihr  anliegend  nach  der  Zentra d- 
Windung.  Ein  dritter  Teil  wendet  sich  zunächst  frontalwart, 
und  tritt  dann  in  einzelnen  Bündeln  am  lateralen  Rande 
Linsenkerns  aus,  um  sich  ebenfalls  in  die  erste  Schlafenwindung 
zu  begeben.  Die  Reste  der  Faserbündel  gelangen  noch  über  das 
proximale  Ende  des  Linsenkerns  hinaus,  wenden  sich  dann 
vcntralwärts  und  endigen  im  Mandelkern,  dicht  am  P^rinalen 
Ende  des  Ammonshorns.  Im  Ammonshorn  befinden  sich  aut 
dieser  Entwicklungsstufe  in  der  Nähe  der  Eissura  submiHi  i 
terna  zerstreute,  kurz  abgeschnittene  Fasern  welche  ^ 
frontalwärts  an  Zahl  zunehmen  und  schliesslich  ohne  deutliche 
Abgrenzung  in  das  Fasergeflecht  des  Mandelkerns  ubei-el  ’ 
Inwieweit  Fasern  aus  den  Corpora  geniculata  mit  den 
Schleifenfasern  ziehen  und  sich  an  der  Bildung  des  un ere 
Längsbündels  beteiligen,  habe  ich  nicht  mit  Sicherheit  f^eUen 
können,  indessen  ist  dies  nach  dem  Befund  an  einer  Anzahl  von 

Präparaten  mehr  als  wahrscheinlich.  ... 

Es  war  weiter  festzustellen,  dass  neben  den  oben  erwähnten 
Fasern  aus  dem  lateralen  Teile  der  Schleife,  welche  zum  unteren 
Längsbündel  ziehen,  noch  sehr  ansehnliche  Fasermassen  aus 
ihrem  mittleren  Teil  durch  den,  noch  keineswegs  m  einzelne 
Kerne  differenzierten  und  mit  einem  Fasergeflecht  versehenen 
Thalamus  opticus  hindurch  in  die  innere  Kapsel  und  zu  den 

Zentralwindungen  ziehen.  A„aa  „:T1P 

Aus  den  vorstehenden  Ausführungen  ergibt  sich  das,  en 
Verbindung  der  medialen  Schleife  und  zwar  ihres  m  der  Gegend 
des  Hi  rnschenkelf usses  am  meisten  seitlich  gelegenen  Antem 
mit  dem  Mandelkern  bezw.  dem  Ammonshorn  (?),  den  Zent  < 
Windungen,  der  ersten  Schläfenwindung  dem  Cuneus  und  dem 
Gyr  lingualis  besteht.  Ein  grosser  Teil  dieses  Faserzugs  w 
durch  das  untere  Längsbündel  dargestellt,  soweit  es  sich  um  den 
Schläfen-  und  Hinterhauptslappen  handelt. 

An  die  eben  mitgeteilten  Tatsachen  will  ich  hier  keine 
weitergehenden  physiologischen  Betrachtungen  anschliessen,  nur 

folgendes  bemerken :  _ 

Nach  den  Untersuchungen  von  Schlesinge  r  und 
Ho  che  ist  die  Annahme,  dass  die  mediale  Schleife  ausschliess¬ 
lich  zentripetale  Fasern  führe,  hinfällig  geworden  Nach  meinem 
Dafürhalten  ist  derjenige  Teil  der  Schleife,  we  c  lor  in  seine 
weiteren  kortikalen  Verlauf  von  mir  beschrieben  worden  ist  und 
der  vorwiegend  zur  Bildung  des  unteren  Langsbundels  beitragt, 
identisch  mit  dem  von  H  o  ch  e  als  solchen  Gezeichneten  moto¬ 
rischen  Schleifenanteil“,  welcher  nach  seinen  Angaben  direkte 
Verbindung  zu  den  Kernen  des  Fazialis  und  Hypoglossus  hat 
Demnach  wären  die  Rindenzentren  für  die  Sinnesorgane  jedes 
für  sich,  mit  zentrifugal  leitenden  Fasern  ausgestattet  die  zu 
einer  sehr  frühen  Entwicklungsstufe  des  Gehirns  bereits  maik- 

^  Die  Annahme  ist  naheliegend,  dass  vermittels  dieser  Ver¬ 
bindung  die  frühesten  reflektorischen  Bewegungen  zu  denen 
z  B  die  Abwehrbewegungen  der  Neugeborenen  bei  Reizung  de 
Sinnesorgane,  der  Lichtreflex  der  Pupille  etc.  gehören  zu  stände 
kommen.  Es  ist  dies  um  so  mehr  möglich,  als  im  kindlichen 
Gehirn  zur  Zeit  nach  der  Geburt  weder  eine  kortikale  noch  mira- 
kortikale  Verbindung  der  Sinnesnerven  mit  den  Pyramiden 
bahnen  bis  jetzt  nachzuweisen  gewesen  ist.  (Der  \  oitrag 
durch  Zeichnungen  erläutert.) 

Ausführliche  Mitteilung  bleibt  Vorbehalten. 

Herr  Schräder:  Zur  Symptomatik  und  Chirurgie  der 

N”e Vortragende  stellte  4  Fälle  von  Geschwulstbild ungcu 
an  Nerven  vor,  die  in  den  letzten  3  Jahren  in  der  chirurgischen 
Universitätspoliklinik  und  in  der  Privatklinik  von  Herrn  Pro¬ 
fessor  Friedrich  beobachtet  wurden. 


1  Neurofibrom  ata  nervi  cutan.  fern,  ant  ext. 

Bei  einem  31jährigen  Postschaffner  reihten  sich  am  linken 
nuorsclienkel  an  eine  walnussgrosse,  halbkugelig  prommierei  <  * 

schwulst  perlschnurartig  5  erbsen-  bis  hirsekorngrosse  Tumoren  . 
die  dmSi  einen  gut  palpablen,  straffen  Strang  miteinander  ieibun 


19.  August  19Ö2. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


den  waren.  Diese  Geschwulstreihe  wurde  in  toto  exzidiert  und 
der  Patient  dadurch  von  seinen  Beschwerden  befreit.  An  dem 
demonstrierten  Präparat  sah  man,  dass  der  Nerv.  cut.  fern.  ant. 
ext.  alle  Tumoren  zu  einer  Kette  vereinigte;  mikroskopisch  er¬ 
wiesen  sich  die  letzteren  als  sogen,  „falsche“  Neurome. 

2.  Angione  uroma  nervi  suralis. 

Es  hatte  die  heftigsten  neuralgischen  Schmerzen  im  linken 
T  nter Schenkel  bei  einem  13  jährigen  Mädchen  verursacht.  Die 
Diagnose  war  bei  dem  lokalen  Befund  nicht  mit  Sicherheit  zu 
stellen;  bei  der  Operation  wurde  der  Nervus  suralis  auf  etwa  8  cm 
von  varikösen  Gefässen  umgeben  gefunden  und  die  mikroskopische 
Untersuchung  des  exzidierten  Nervenstückes  ergab  den  seltenen 
Befund,  dass  der  Nerv  selbst  von  zahlreichen  varikös  erweiterten 
Gefässen  durchsetzt  war.  Dieser  Fall  ist  eingehend  in  der  Disser¬ 
tation  von  O.  M  i  c  h  a  e  1,  Leipzig  1900,  geschildert. 

3.  Neuroma  nervi  ulnaris. 

Hervorgehoben  wurde  die  traumatische  Genese  (Hufschlag 
gegen  dien  linken  Oberarm  im  unteren  Drittel),  sowie  der  zentrale 
Sitz  des  Neurofibroms,  dessen  operative  Entfernung  mit  Wahruno¬ 
der  Nervenkontinuität  gelang. 

4.  Fibrosarcoma  plexus  brachialis. 

Die  differentialdiagnostische  Abgrenzung  des  pulsierenden 
Tumors  gegen  ein  Aneurysma  der  Subklavia  machte  besondere 
Schwierigkeiten.  Bei  der  Operation  fand  sich  ein  gut  abge¬ 
kapseltes,  hühnereigrosses,  im  Innern  cystiscli  degeneriertes,  ge- 
fiissreiehes  Fibrosarkom,  das  wie  eingeklemmt  zwischen  den  stark 
gespannten  und  breitgedrückten  Strängen  des  Plexus  brachialis 
sass.  Eine  genauere  Beschreibung  dieses  Falles  wird  demnächst 
in  der  Deutsch.  Zeitsehr.  f.  Cliir.  erfolgen.  *) 

Im  Anschluss  hieran  wurde  ein  von  Herrn  Prof.  Friedric  li 
operativ  entfernter  Plexus  brachialis  (heftigste  Neuralgien  10  Jahre 
nach  Oberarmamputation)  demonstriert,  wo  an  den  einzelnen 
Strängen  ein  oder  mehrere  Neurome  sich  entwickelt  hatten. 

Herr  Friedrich  - Altenberg : 

1.  Demonstration  eines  10  IV  ochen  alten  Kindes  mit  seltener 
Hernienbildung.  Es  handelt  sich  um  eine  kongenitale,  echte,  seit¬ 
liche  Bauchhernie  an  der  Grenze  der  linken  Regio  lumbalis  und 
iliaca,  charakterisiert  durch  eine  scharf  umschriebene  Bruchpforte, 
die  nach  hinten  begrenzt  ist  durch  einen  straffen,  dickeren  Muskel¬ 
rand,  nach  vorn  gleichfalls  durch  einen  etwas  schmalkantigeren 
Muskelrand,  nach  oben  durch  den  Schnittpunkt  dieser  beiden 
Muskelränder,  nach  unten  von  der  Crista  ossis  ilei.  Besonders 
interessant  und  für  die  Aetiologie  der  kongenitalen  echten  Bauch- 
liemien  wichtig  ist  der  Fall  dadurch,  dass  sich  bei  ihm  bereits  in  vivo 
ante  Operationen!  mit  ziemlicher  Sicherheit  zeigen  lässt,  dass  auch 
hier  ganz  analog  dem  von  Wyss  im  Jahre  1892  veröffentlichten 
Falle  die  Hernie  ihre  Entstehung  Spaltbildungen  in  der  Bauch 
wandmuskulatur  verdankt,  die  bedingt  sind  durch  kongenitale 
Muskeldefekte;  letztere  zeigen  sich  wieder  in  Abhängigkeit  von 
rontgenographiscli  gut  demonstrablen  Knochendefekten  an  Rippen 
und  Wirbelsäule. 

2.  Die  funktionellen  Erfolge  bei  der  modernen  Behand¬ 
lung  septischer  Gelenke. 

Nach  kurzer  Besprechung  der  grossen  Wandlung,  welche  die 
Asepsis  sowohl  auf  dem  Gesamtgebiete  der  operativen  Chirurgie 
wie  im  besonderen  auf  dem  der  Behandlung  der  septischen  Pro¬ 
zesse  gebracht  hat,  wird  eine  Reihe  von  Patienten  vorgestellt, 
die  in  den  letzten  Jahren  im  chirurgisch-poliklinischen  Institut 
der  Universität  Leipzig  behandelt  wurden  wegen  schwerer 
akuter  Gelenksepsis.  Die  eingeschlagene  Behandlung- 
war  eine  mit  Rücksicht  auf  Resektion,  Amputation  oder  Ex¬ 
artikulation  absolut  konservative;  es  wurde  bei  allen  Fällen  nur 
frühzeitig  ausgiebig  inzidiert  und  das  Gelenk  breit  drainiert. 
In  der  Folgezeit  der  Nachbehandlung  wurde  das  Gelenk  absolut 
ruhig  gestellt;  von  Spülungen  mit  antiseptischen  Lösungen 
wurde  prinzipiell  abgesehen.  Die  funktionellen  Resultate  waren 
bei  allen  Patienten  recht  günstige,  ein  Ergebnis,  das.  vielleicht 
deshalb  noch  als  wertvoller  erachtet  werden  kann,  weil  die  vor¬ 
gestellten  Patienten  eine  ununterbrochene  Reihe  bilden,  d.  li. 
funktionelle  Misserfolge  nicht  dazwischen  liegen.  Dass  so  gute 
Resultate  erzielt  wurden,  mag  zum  Teil  seine  Begründung  darin 
finden,  dass  es  sich  bei  den  vorgestellten  Kranken  durchweg 
nm  jugendliche  Individuen  handelt.  Hervorzuheben  ist,  dass  die 
Kranken  samt  und  sonders  in  hochfebrilem  und  mehrfach  sehr 
heruntergekommenem  Ernährungszustand  der  Behandlung  zu¬ 
gingen, ^  dass  die  ersten  Erscheinungen  der  Gelenkinfektion 
5  20  Tage  nach  dem  Beginn  der  liierseits  ausgeführten  Behand¬ 
lung  vorausgingen,  dass  allenthalben  reichlicher  Eiter  vorhanden 
vai  und  stets  Staphylokokken  oder  Streptokokken  aus  demselben 
m  Reinkultur  isoliert  wurden.  Es  handelt  sich  um  Fuss-,  Knie-, 
Hüft-,  Ellenbogen-,  Schultergelenke.  Besonders  bemerkenswert 
dürfte  der  mitdemonstrierte  Fall  sein,  wo  einer  von  der  Nabel¬ 
schnur  ausgehenden  Eiterung  eine  beiderseitige  Ellenbogen- 

9  Bd.  64,  H.  1—3. 


gelenksepsis  mit  enorm  reichlicher  Eiterung  folgte  und  doch 
beide  Gelenke  funktionsfähig  geworden  sind. 

Diskussion:  Herr  Braun  bemerkt,  dass  die  Gutartig¬ 
keit  der  septischen,  metastatischen  Gelenkeiterungen  bei  Kindern, 
sowie  der  Umstand,  dass  sie  nach  einfacher  Drainage  mit  Erhal¬ 
tung  der  Funktion  ausheilen,  lange  bekannt  sei,  was  daraus  lier- 
voigehe,  dass  \  olkmann  ihnen  einen  besonderen  Namen* 
„Katarrhalische  Gelenkeiterungen“  gab.  Meist  sind  Streptokokken 
die  Ursache  dieser  Eiterungen. 

Herr  F  r  i  e  d  r  i  e  h:  Die  Bezeichnung  „katarrhalische  Gelenk- 
eitei ung  entspricht  nicht  den  modernen  pathologisch-anatomischen 
Anschauungen;  in  dreien  von  den  eben  demonstrierten  Fällen 
war  der  Staphylokokkus  die  Ursache  der  Erkrankung. 

Herr  P.  L.  Friedrich  demonstriert  Kranke  mit  Amputa¬ 
tionsstümpfen  des  Unterschenkels  nach  der  osteoplasti¬ 
schen  Methode  von  B  i  e  r.  Die  Methode  hat  peinliche  Asepsis 
und  soigl'ältige  Blutstillung  zur  Voraussetzung.  Das  kompliziert 
erscheinende  Verfahren  ist  technisch  leicht  und  fast  mit  derselben 
Geschwindigkeit,  wie  eine  gewöhnliche  Amputation,  auszuführen. 
Die  Stümpfe  imponieren  insofern  als  ideale,  als  die  Kranken  zu 
ihrer  eigenen  Freude  —  die  Amputation  des  letzten  der  demon¬ 
strierten  Kranken  ist  vor  gerade  3  Wochen  gemacht  —  auf  ganz 
leichten,  von  F.  selbst  gefertigten  Prothesen,  gut  laufen.  Die 
Fixation  der  Periostknochenplatte  war  durchschnittlich  nach  12 
bis  20  Tagen  eine  vollständige. 

Sodann  führt  Friedrich  2  Kranke  als  Beispiele  -weit¬ 
gehender  konservativerChirurgiean  der  rechten  Hand 
vor.  Bei  dem  einen  36  jährigen  Kranken  (Zermalmung  der  Hand 
durch  Dreschmaschine)  waren  die  Weichteile  der  Hohlhand  ab¬ 
gewälzt,  zerfetzt  in  mehrere  Lappen,  sämtliche  Beugesehnen  mit 
Muskelstücken  daran  herausgerissen,  ausser  den  Flexoren  des 
Zeigefingers  und  des  Flexor,  poll.  long.  Auch  die  Sehnen  lagen 
frei  zu  Tage.  Abgewälzt  war  ebenfalls  die  ganze  Daumenballen¬ 
muskulatur,  herausgerissen  der  5.,  4.  Finger,  Metakarpus  III, 
grosse  Teile  des  Metakarpus  I.  Stückbrüche  zeigten  Metakarpus 
II,  IV  und  V,  das  Metakarpophalangealgelenk  des  Daumen,  das 
I.  Interphalangealgelenk  des  Zeigefingers,  die  Grundphalanx  des 
3.  Fingers.  Es  wurde  die  Mittelhand,  welcher  der  Metakarpus  III 
fehlte,  sowie  der  Zeigefinger  und  Daumen  zu  erhalten  gesucht. 
4  Wochen  nach  erlittener  Verletzung  konnte  der  Kranke  die  Klinik 
verlassen.  Jetzt  nach  4  Monaten  trägt  er  eine  schmerzlose  Ilohl- 
haudfldehe,  einen  Daumen  und  Zeigefinger,  welche  immerhin  einen 
Gebrauch  zum  Zufässen  und  Halten  gröberer  Gegenstände  ermög¬ 
lichen. 

Der  zweite  46  jährige  Kranke  zog  sich  eine  kleine  Schnitt¬ 
verletzung  der  Hand  zu,  in  deren  Gefolge  sich  eine  schwere  Sepsis 
entwickelte,  welche  mit  wochenlang  anhaltenden  hohen  Tempera¬ 
turen^  einherging.  Als  der  Kranke  in  der  9.  Woche  der  Verletzung 
in  F.’s  Behandlung  trat,  war  der  Kranke  ziemlich  hinfällig;  der 
Arm  war  ungewöhnlich  stark  geschwollen  bis  zum  Ellenbogen¬ 
gelenk;  zahlreiche  eiternde  Fisteln,  teils  nach  spontanem  Durch- 
bi  ucli,  teils  nach  Inzisionen  zurückgeblieben,  führten  auf  morsche 
Knochenmassen.  Das  Röntgenogramm  liess  annähernd  genau  den 
Umlang  der  septischen  Knochennekrose  vermuten.  Vom  Langen¬ 
de  c  k  sehen  Resektionsschnitt  aus  wurden  die  zerstörten  Knochen¬ 
teile  entfernt:  sämtliche  Karpalia,  ausser  Pisiforme,  vollständig 
Metakarpus  I  und  V,  die  Basis  von  Metarkarpus  II  und  III,  Meta¬ 
karpus  1\  bis  zur  Mitte,  Phalanx  I  und  II  des  Daumens,  die  Ge- 
lenkenden  von  Ulna  und  Radius.  Die  Temperatur  fiel  unmittelbar 
ab;  bei  offener  Behandlung  ward  das  jetzige  Resultat  (nach  bisher 
D/s  Monaten)  erzielt,  welches  in  Beweglichkeit  der  Hand  im 
Sinne  einer  Flexion  von  20 0  und  Extension  von  15  °,  geringerer  Be¬ 
weglichkeit  sämtlicher  Finger  und  voller  Schmerzlosigkeit  einer 
doch  noch  beschränkt  gebrauchsfähigen  Hand  besteht. 

Weiter  demonstriert  Herr  Friedrich  ein  1%  jähriges 
Kind,  bei  welchem  sich  eine  Cephalohydrocele  traumatica  ent¬ 
wickelt  hat. 

Das  Kind  zog  sich  am  3.  Juni  1901  durch  Sturz  aus  einem 
Stock  Höhe  eine  13  cm  lange  subkutane  Schädeldachfraktur  mit 
Depression  linkerseits  zu.  Es  folgte  Bewusstlosigkeit,  intensives 
Erbrechen.  Am  folgenden  Tage  mehrmals  Krämpfe  der  rechten 
Körperhälfte.  Am  7.  Tage  Wiederkehr  des  Bewusstseins.  18  Tage 
nach  der  Verletzung  bekam  F.  das  Kind  erstmalig  zu  sehen.  Da 
momentan  eine  Indikation  zur  Behebung  der  Depression  nicht  be¬ 
stand,  ward  von  operativen  Massnahmen  Abstand  genommen. 
Als  das  Kind  am  8.  Oktober  1901  F.  wieder  vorgeführt  wurde,  hatte 
sich  eine  deutliche  Asymmetrie  des  linken  hinteren  Schädel¬ 
umfanges  ausgebildet  in  Gestalt  eines  grossen  Höckers  von  35  cm 
Basisumfang,  auf  dessen  Höhe  breite  Gehirnpulsation  wahr¬ 
zunehmen  war.  Seit  jener  Zeit  hat  die  pulsierende  Geschwulst 
langsam  an  Umfang  zugenommen  bis  zu  der  heute  zu  demon¬ 
strierenden  Grösse.  Das  Kind  zeigt  dabei  keinerlei  Störungen 
seiner  geistigen  und  körperlichen  Entwicklung,  so  dass  auch  jetzt 
eine  dringende  Indikation  zu  operativem  Vorgehen  noch  nicht  ge¬ 
geben  ist.  Die  Ränder  der  Knochenlücke  sind  deutlich  zugespitzt 
durchtastbar;  auch  die  Respirationsbewegungen  teilen  sich  der 
pulsierenden  Geschwulst  mit. 

Bei  einem  anderen,  ebenfalls  demonstrierten  3  Jahre  alten 
Knaben,  ward  von  F.  vor  2  Jahren  eine  breitbasige  Hy- 
drencephaloeele  occipitalis  operativ  beseitigt.  Die  Basis  der  halb¬ 
kugelig  vorspringenden  pulsierenden  Geschwulst  betrug  damals 
5  X  4j/2  cm.  Nach  Durchtrennung  der  haarlosen  Hautdecke,  sowie 
der  cystischen  Arachnoidealhülle  zeigte  sich  die  Fortsetzung  der 


1404 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Ilirnrindensubstanz  in  die  Geschwulst  als  dünne  Lamelle.  Es  be¬ 
stand  Kommunikation  mit  dem  rechten  Seiten  Ventrikel;  im  Halb- 
kreis  um  die  Geschwulst  fanden  sicli  teleangiektatische,  venöse 
Gefässnetze,  welche  die  Operation  erschwerten.  Nach  Abtragung 
der  1 1  ydroeneephalocele  Hessen  sich  durch  beiderseitige  Umschnei- 
dung  der  breiten  Knochenlücke,  je  in  einer  Entfernung  von  V/3  cm. 
beiderseits  Feriostknochenlamellen  gewinnen,  welche  am  Lande 
der  Lücke  im  Zusammenhang  erhalten  mit  dem  Periost  nach  innen 
umgeschlagen  und  vernäht  wurden.  Der  Heilverlauf  war  ein  re¬ 
aktionsloser;  nur  wurden  Pulsschwankungen  zwischen  100  und 
110.  am  Tage  nach  der  Operation  heftiges,  anhaltendes  Erbrechen, 
ohne  alle  Zeichen  eines  entzündlichen  Vorganges  beobachtet.  Der 
Schluss  des  Wundgebietes  erfolgte  so  prompt,  dass  der  Knabe 
bereits  am  14.  Tage  nach  Hause  entlassen  werden  konnte.  Heute 
erfreut  er  sich  des  besten  Wohlseins,  macht  einen  geistig  frischen 
Eindruck,  entwickelt  sich  nach  Aussage  des  mitanwesenden  Vaters 
ganz  normal  und  zeigt  keine  Spur  von  Hydroceplialus.  An  Stelle 
der  früheren  Geschwulst  liegt  über  dem  jetzt  festen  knöchernen 
Anschluss  eine  verschiebliche,  haarlose,  weiche  Hautdecke. 

Sodann  werden  von  Friedrich  zwei  Kranke  demonstriert, 
wo  im  ersten  Falle  (46  jähriger  Herr)  wegen  eines  apfelgrossen 
Tumors  der  Dura  mater  eine  erfolgreiche  Trepanation,  un  zweiten 
Falle  (42  jährige  Frau)  wegen  Leontiasis  cranii  eine  breite  Ab¬ 
nagung  des  knöchernen  Schädeldaches  mit  sehr  befriedigendem  Er¬ 
folge  von  ihm  ausgeführt  wurde.  Der  eingehendere  Bericht  über 
beide  Kranken  wird  in  einer  Sonderbearbeitung  demnächst  m 
dieser  Wochenschrift  erscheinen. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  3.  Juli  1902. 

Herr  Friedrich  Merkel  berichtet  über  folgende  in  seiner 

Klinik  operierte  Fälle:  . 

1.  56  jälir.  VII.  Para  kam  wegen  grossen  Prolaps  m  die 
Sprechstunde.  Die  Untersuchung  ergab:  L  Mammakarzinom  mit 
Drüsen  in  der  Achselhöhle;  faustgrosser  Nabelbruch  mit  n- 
reponiblem  Netzinhalt,  linksseitiges  Ovarialkystom  (115  cm  Bauch- 
uml'an»)!  Zuer.-t  Mammaamputation  mit  Drüsenausraumung; 
nach  fo  Tagen  Laparotomie  mit  Entfernung  der  Cyste  und  der 
vollständigen  Nabelhernie,  Netz  reponiert,  Ventrofixation.  Glatter 

Verlauf.  t..  ,  .  .  .... 

2  42  jälir.  Nullipara.  Multiple  intraligamentär  entwickelte 
Myome  im  kleinen  Becken  eingekeilt;  rechtsseitiger  faustgrosser 
Ovari,  ntunior;  supravaginale  Uterusamputation  mit  retroperi- 

tonealer  Stielversorgung.  Heilung. 

32  jiilir.  Nullipara.  Apfelgrosses  Fundusmyom.  Uterus  mit 
zahllosen  bis  stecknadelkopfgrossen  Myomkeimen  durchsetzt; 
supravaginale  Amputation.  Heilung. 

}  37  jähr.  IV.  Para.  Apfelgrosses  submukoses  Myom,  im 

Beginne,  zu  verjauchen;  nach  Durchschneidung  der  Portio  vaginal 

enukleiert.  Heilung.  ., 

Herr  Carl  Koch  berichtet  über  einen  lall  von  Infektion  mit 

Impfgift  an  der  Wange  einer  alten  Frau. 


tiplen  Abszessen  —  bei  Typhus  abdominalis..  Er  möchte  diese 
als  Neplirotyphus“  bezeichnen,  indem  die  Nierenveränderungeu 
in  beiden  Fällen  zur  Zeit  der  schwersten  typhösen  Affektionen 
im  Körper,  durch  den  Typhusbazillus  bewirkt,  auftraten. 

Herr  Ulbrich  berichtet  über  einen  Fall  von  Ophthalmia 
nodosa,  bedingt  durch  den  Anwurf  einer  Raupe  gegen  das  Auge. 
In  einem  Knötchen  der  Konjunktiva  konnte  ein  glattes  Kaupen- 
liaar  mikroskopisch  nachgewiesen  werden.  w- 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  Februar  1902. 

Herr  Czermak  berichtet  über  den  Leichenbefund  bei  einer 
",<)  jährigen  Frau,  welche  wiederholt  wegen  Keratitis  neuropara- 
lytica,  Abduzenslähmung  und  Trigeminusneuralgie  antiluetisch 
ohne  Erfolg  behandelt  worden  war,  jedoch  waren  unter  Queck¬ 
silber  eine  Reihe  von  gummösen  Prozessen  auf  der  Hornhaut  und 
der  Rachenschleiniliaut  zur  Heilung  gebracht  worden.  Die  Dia- 
«•nose  eines  raumbeschränkenden  Gummas  in  der  mittleren 
Schädelgrube  wurde  bei  der  Sektion  nicht  bestätigt,  hingegen  fand 
sich  ein  subdural  sitzendes  Aneurysma  der  Carotis  interna,  dessen 
plötzliches  Heissen  den  raschen  Tod  bedingte. 

Herr  Chiari  demonstriert  das  hinzugehörige  Präparat  und 
meint,  obwohl  sich  im  Körper  nirgends  ein  für  Syphilis  sprechender 
Befund  fand,  das  Aneurysma  könnte  doch  eine  Folge  einer  lue¬ 
tischen  'Wanderkrankung  des  Gefässes  sein. 

Herr  Alfred  Fischei  berichtet  über  einen  jungen  patho¬ 
logischen  Embryo. 

Herr  L  u  c  k  s  c  h  demonstriert  die  Genitalorgane  eines 
33  jähr.  Weibes,  bei  dem  durch  Berstung  einer  graviden  Tube  der 
Tod  eingetreten  war.  L.  hält  es  für  möglich,  dass  ein  in  der  linken 
Ecke  des  Fundus  Uteri  sitzender,  gestielter,  haselnussgrosser 
Polyp  die  Fortbewegung  des  Eies  hinderte  und  so  die  Veranlassung 
für  die  Entstehung  der  Tubargravidität  abgab. 

Herr  Springer  demonstriert  4  Fälle  von  Vaginal  tuber¬ 
kulöse  aus  einer  Reihe  von  12  bearbeiteten  Fällen  dieser  Art. 
2  illustrieren  den  häufigsten  Typus  (sekundäre  Tuberkulose  der 
Vagina  nach  Tuberkulose  des  Uterus).  Im  Falle  war  die  lubei- 
kulose  der  Zervix,  die  zur  Vaginaltuberkulose  geführt,  auf  dem 
Boden  eines  Ektropiums  entstanden.  Der  4.  Fall  zeigt  den  Durch¬ 
bruch  eines  tuberkulösen  Geschwüres  in  die  Vagina  mit  weiterer 
Ulzeration  derselben. 

Herr  Scheib  demonstriert  2  Präparate  von .  schwerster 
Nierenaffektion  —  intensiver  akuter  Morbus  Brightii  mit  mul¬ 


Rostocker  Aerzteverein. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  10.  Mai  1902. 

Herr  Schuchardt:  Psychiatrische  und  neurologische 
Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Unfallgesetzgebung.  (lhi 
Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  Peters:  lieber  Erfahrungen  bezüglich  des  In¬ 
validen-  und  Unfallversicherungsgesetzes  vom  augenärztlichen 
Standpunkte.  (Der  Vortrag  ist  in  No.  28  dieser  Wochenschrift 
erschienen.) 


Sitzung  vom 


14. 


u  n  i 


1902. 


Zuerst  hielt  Herr  Körner  seinen  Vortrag  über :  Soziale 
Gesetzgebung  und  Ohrenheilkunde.  (Der  Vortrag  ist  m  No.  31 
dieser  Wochenschrift  erschienen.) 

Herr  Körner  spricht  ferner  über :  Die  Spontanheilung 
von  Aneurysmen  im  Anschluss  an  einen  vorgestellten  lall. 

Frau  W.,  68  Jahre  alt,  kam  im  September  1808  in  die  Ohren¬ 
klinik  mit  der  Klage  über  lästige  Pulsgeräusche  im  linken  Ohre, 
die  in  den  letzten  Wochen  so  stark  geworden  waren,  dass  die 
Kranke  keinen  Schlaf  mehr  fand.  Die  Geräusche  winden  lei- 
ursacht  durch  ein  fünfmarkstückgrosses  Aneurysma  der  Artena 
oceipitalis  und  verschwanden  nach  der  operativen  Entfernung  des¬ 
selben.  Es  stellte  sich  jedoch  schon  nach  einem  Monate  ein  Re¬ 
zidiv  ein,  das  bald  Markstückgrösse  erreichte.  In  dieser  Aus¬ 
dehnung  blieb  es  bestehen  und  wurde  noch  im  Herbste  1001  von 
dem  Vortragenden  konstatiert. 

Anfang  Juni  1002  kam  die  Patientin  wieder,  um  mitzuteilen, 
dass  die  pulsierende  Geschwulst  von  selbst  verschwunden  sei.  In 
der  Tat  ist  keine  Spur  mehr  davon  aufzufinden. 

Die  geheilte  Patientin  und  die  Photographie  der  Geschwulst 
werden  demonstriert. 

Fs  folgte  Herr  Dr.  W  e  x  a.  G.  mit  der  von  ihm  angekundigten 
Demonstration  des  R  o  t  li  -  D  r  ä  g  e  r  t  sehen  Narkose-  sowie 
Sauerstoff  inhalationsapparates. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  8.  u  n  d  15.  Juli  1002. 

Die  Appendizitis. 

Di  e  u  1  a  f  o  y  machte  eine  längere  Auseinandersetzung,  welche 
in  dem  Grundsätze  gipfelt:  „Wartet  man  mit  der  Operation,  bis  das 
akute  Stadium  vorüber  ist,  so  setzt  man  den  Kranken  dein  sicheren 
Tode  aus“.  Bei  den  tödlichen  Zufällen  der  Appendizitis  spielt  die 
1  n  t  o  x  i  k  a  t  i  o  n  eine  grosse  Rolle.  Nimmt  man  die  Operation 
etwas  spät  wenn  die  Infektion  und  Intoxikation  den  Kranken 
schon  in  unheilbarer  Weise  ergriffen  hat,  vor,  so  muss  man  mit 
Misserfolgen  rechnen,  auch  wenn  das  akute  Stadium  noch  nicht 
vorüber  ist.  Zur  rechten  Zeit  operieren,  das  ist  die  Hauptsache. 

Alle  Fälle  von  akuter  Appendizitis,  selbst  sehr  schwere  und 
solche  mit  rapidem  Verlauf,  welche  D.  operierte  oder  nicht  spater 
als  am  zweiten  Tag  operieren  liess,  sind  vollständig  geheilt;  bei¬ 
nahe  alle  Fälle,  welche  am  dritten  Tag  operiert  wurden,  kamen 
zur  Heilung,  trotzdem  schwebten  bei  einigen  derselben  die  Ope¬ 
rierten  mehrere  Tage  lang  in  Lebensgefahr.  Bei  jenen,  welche 
am  vierten  Tag  oder  noch  später  operiert  wurden,  waren  zwar 
noch  sehr  zahlreiche  Erfolge  vorhanden,  aber  die  Misserfolge 
hängen  von  der  Infektion  und  Intoxikation  ab,  welche  vor  der 
Operation  Zeit  gehabt  haben,  einzuwirken.  All  dies  beweist,  dass 
wir  Aerzte  eine  richtige  Diagnose  zu  stellen  uns  bemühen  müsse«. 
Von  den  Kranken  oder  deren  Angehörigen  wird  der  Beginn  des 
Leidens  meist  mit  dem  Auftreten  heftiger  Schmerzen  angenommen, 
eine  genaue  Untersuchung  lehrt  aber,  dass  eine  Appendizitis 
welche  scheinbar  erst  am  zweiten  Tage  besteht,  in  \\  lrklichkeit 
bereits  3  oder  4  Tage  zurückdatiert  oder  eine  andere  von  angebiicii 
dreitägiger  Dauer  schon  5 — 6  Tage  vorhanden  ist.  Diese  Kleinig¬ 
keiten  haben  eine  ausserordentliche  Wichtigkeit  bei  einer  Krank¬ 
heit,  wo  in  24  und  sogar  in  12  Stunden  ein  völliger  Umschwung 

eintreten  kann.  . 

Cli  ante  messe  möchte  neben  der  Rolle  der  Toxine  die  ver¬ 
schiedene  Virulenz  der  Keime  selbst  berücksichtigt  wissen.  Ge¬ 
wisse  Mikroorganismen  führen  eine  Nekrose  der  Wand  des  Wurm¬ 
fortsatzes  herbei  und  befallen  den  ganzen  Organismus,  was  dann 
immer  einen  äusserst  schweren  Fall  bedeutet. 

C  li  a  m  p  ionniere  stimmt  mit  Dieulaf  oy  in  seinem 
eingangs  genannten  Grundsätze  überein.  Man  muss  den  Ilerd  der 


19.  August  1902. 


MITENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ukuten  Appendizitis  unterdrücken,  wie  man  jeden  Eiterherd  unter¬ 
drücken  muss  Ohne  Zweifel  ist  die  Diagnose  zuweilen  schwierig 
aber  die  Aftektionen,  welche  schwanken  Hessen  (Tuberkulose’ 
Darmokklusion),  erfordern  selbst  einen  Eingriff,  so  dass  die  One- 
ration  vollständig  gerechtfertigt  ist.  * 

..  Dieil!af°y  besteht  in  seinem  Schlussworte  darauf,  dass 
die  Appendizitis  nicht  nur  eine  lokale  Krankheit,  sondern  eine  all¬ 
gemeine  toxi-infektiöse  sein  kann;  es  gilt  darum,  diese  Verall¬ 
gemeinerung  zu  verhüten. 

Der  tuberkulöse  Rheumatismus. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Poncet  gibt  es  ebenso  einen 
sog;  abartikularen  Rheumatismus  wie  einen  artikulären  tuber¬ 
kulösen  Rheumatismus,  beide  gehören  zur  Klasse  des  infektiösen 
odci  1  seudorkeumatismus.  Zu  ersterer  Art  sind  zu  rechnen  die 
Ivardiopatluen,  Meningealreizungen,  Dermatosen,  Neuralgien  Polv- 
neuritis  u.  s  w  Sie  bieten  u.  a.  folgende  Eigentümlichkeiten: 
1.  Im  \  erlaufe  des  tuberkulösen  Gelenkrheumatismus  aufzutreten 
aber  auch  zuweilen,  ohne  dass  ein  solcher  vorhanden  ist  oder 
früher  bestanden  hat;  2.  oft  mildere  rheumatische  Formen  der  kli¬ 
nisch  charakterisierten  Tuberkulose  darzubieten,  indem  die  Ge¬ 
lenke  leichter  beweglich  sind  und  die  Heilung  eine  raschere  ist- 
3.  von  Seite  der  ergriffenen  Organe  Veränderungen  zu  zeigen' 
weJche  von  der  einfachen  Fluxion  Dis  zur  unheilbaren  Sklerose 
gehen  können.  Diese  Veränderungen  haben  meist  gar  keinen  tuber¬ 
kulösen  Charakter  im  anatomischen  Sinne  dieses  Wortes  und  sind 
als  Reaktionsprodukte  von  Veränderungen,  welche  bei  anderen 
Infektionskrankheiten  Vorkommen,  nicht  zu  differenzieren  4  Sind 
Eese  Afifektionen  entweder  direkt  durch  den  K  o  c  li  sehen  Bazillus 
(bazilläre  Tuberkulide)  oder  durch  dessen  Toxine  (Toxi-Tuber- 
kulide)  verursacht. 


140;: 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Bayerischer  Landtag. 

Die  in  den  früheren  Sitzungsperioden  oft  erörterte  Frage  der 
Apothekenkonzessionen  wurde  dieses  Mal  aus  der 
Mitte  des  Hauses  nicht  aufgeworfen.  Dagegen  lag  eine  Petition 
des  Stadtmagistrates  Pfreimd  und  mehrerer  benachbarter  Ge¬ 
meinden  vor,  dem  in  P.  ansässigen  Arzte  die  Führung  einer  Hand- 
apotlieke  zu  gestatten  und  die  einschlägigen  Bestimmungen  der 
Apothekenordnung  abzuändern.  Begründet  war  die  Petition  damit 
dass  der  Ort  P.  allerdings  nicht,  wie  in  dieser  Verordnung  ver¬ 
langt.  2  geometrische  Stunden,  sondern  nur  5,0  km  von  der 
nächsten  Apotheke  entfernt  sei,  ein  Arzt  ohne  Handapotheke  in  P. 
sich  nicht  halten  könne  und  daher  ein  häutiger  Wechsel  stattfinde 
das  I  ublikum  den  doppelten  Weg  zum  Arzt  und  zum  Apotheker 
scheue  und  daher  lieber  gleich  zum  Kurpfuscher  gehe,  der  ihm 
auch  die  Heilmittel  verabreiche.  Darüber  war  noch  „speziell  ge- 
uagt  ,  dass  das  Pfuschertum  in  der  dortigen  Gegend  „fürchterlich 
überhand  genommen“  habe. 

Bei  den  Ausschussverhandlungen  wurden  von  den  Ministerial- 
mnnmssaren  die  einschlägigen  Verordnungen  auseinandergesetzt 
und  bemerkt,  dass  auch  in  Fällen,  in  welchen  eine  Entfernung 
von  geometrischen  Stunden  nicht  vorliegt,  z.  B.  in  unwegsamen 
mgenden,  bei  vorhandenem  Bedürfnisse  die  Bewilligung  zur  Er¬ 
neurung  von  Handapotheken  verliehen  werden  könne;  hiebei  sei 
nun  Standpunkte  der  Bedürfnisse  des  Publikums  auszugehen;  die 
e<  eu  ring  der  Handapotheken  sei  nicht  darin  zu  suchen,  damit 

F  m  t  Vlten‘  Der  Arzt  betrachte  die  Handapotheken 

f  ,Lt.fs  Einnahmemittel  (was  doch  auch  beim  Apotheker  der 
lau  ist  lief.).  Vollapotheken  Hessen  sich  dadurch  nicht  er- 

hnit!!1’  ••  T  eille  g^sere  Anzahl  von  Medikamenten  vorrätig 
„P]Aen  .mussten,  immer  zur  Verfügung  ständen  und  ein  Pharma- 

StiTr?  Ap0t?eke,  anders  führe  aIs  ein  Al'zt;  vom  rein  medi- 
TT„.lr1  (n  ‘  taatlpunkte  aus  sei  es  nicht  erwünscht,  noch  mehr 

",POtheo?n  zu  bekommen;  in  der  Oberpfalz  stünden  51  Voll- 
DotluFen  24  Handapotheken  und  in  Oberbayern  135  Voll- 
mese  Konkurrenz. 

titinJ’S- uPOthekei'gremien  hatten  in  eiuer  Eingabe  gegen  die  Pe- 
SteHung  genommen  und  verlangten  wegen  der  Benacliteili- 
eim.  Apotheker  eine  Einschränkung  der  Handapotheken  und 
eme  Ausemanderhaltung  der  beiden  Berufe 

sie  4,1'?  dTie  !>etition  sich  mit  der  lokalen  Frage  befasste,  wurde 
örtevnL  •  Instanzenweg  noch  nicht  betreten  war,  als  zur  Er- 
VhR  Wnn“  1  enU“  niJcht  Seeignet  erklärt,  dagegen,  soweit  sie  die 
iun°'  vm.  Nvdeii  •  AP°tbekenordnung  anstrebte,  der  Staatsregie- 
vielf',,ri  n-?n"  hinübergegeben.  Eine  Revision  dieser 
vom  ‘  1  •( u ro  V  ebloc'bei’ten  nnd  abgeänderten  Apothekenordnung 
und  dm  o+n,  ,  (|eren  Hauptinhalt  noch  das  Konzessionswesen 
notwpudi  •'  U<  e"i'  ertretung  der  Apotheker  bilden,  erscheint  dringend 
StiÄ  T  Si°llte  Yegen  der  in  Anssicht  gestellten  reichs- 
schobin  wertem 6  U,g  AP°tbekenwesens  nicht  länger  ver- 

zeütisellpn6«6  Ansoinanderhaltung  des  ärztlichen  und  pharma- 
tretumwn  Spr,eC^n  sieh  auch  die  ärztlichen  Standesver- 

Aerzten  L  ‘  ’  obwohl  <lle  Pharmazeutische  Grossindustrie  den 

barer  „nri  lSm  Redie  gebrauchsfertiger,  dabei  billiger,  halt¬ 
müssten  Arznmpraparate  an  die  Hand  gibt;  nur 

Befimnissc  l  5i\SeitS  a^c  1  die  Apotheker  sich  mehr  innerhalb  ihrer 
das  VnmSJ,  teU  1Jnd  das  noch  vielfach  geübte  Ordinieren  und 
luistn  von  Arzneimitteln  gegen  Krankheitszustände  unter¬ 


lassen.  Solange  ärztliche  Handapotheken  im  Interesse  des  I'ubli- 
kums  notwendig  und  die  Voraussetzungen  für  eine  Vollapotheke 
nicht  gegeben  sind,  werden  sie  wohl  oder  Übel  weiterbestellen 
aiu.sf.en:  Auf  den  einen  Misstand  sei  noch  hingewiesen,  dass  hin¬ 
sichtlich  der  Abgabe  von  Arzneien  die  Kurpfuscher  weit  weniger 
Beschränkungen  unterliegen  als  die  Aerzte;  während  letztere  nur 
die  in  Notfällen  gebotenen  oder  die  von  ihnen  selbst  örtlich  zu 
applizierenden  Arzneien  abgeben  bezw.  anwenden  dürfen,  können 
die  Kurpfuscher  alle  Arzneien  abgeben,  deren  Verkauf  nicht  durch 
Kaiserliche  Verordnung  ausschliesslich  den  Apotheken  vorbe- 

llctl  lö  l. 

Der  Etat  der  Hebammenschulen  ward  ohne  Dis¬ 
kussion  genehmigt.  Die  staatlichen  Ausgaben  liiefür  beziffern 
sich  pro  Jahr  auf  51  550  M„  15  940  M.  mehr  als  in  den  voraus¬ 
gegangenen  Jahren.  Die  Erhöhung  ist  veranlasst  durch  die  Auf¬ 
stellung  eines  weiteren  Repetitors  in  München,  durch  die  Ver¬ 
längerung  der  Hebammenkurse  von  4  auf  5  Monate  und  durch 
die  Einführung  von  4  wöchentlichen  Repetitionskursen.  In  Mün¬ 
chen  und  Bamberg  werden  jetzt  jährlich  doppelte  Kurse  abge¬ 
halten;  an  der  Münchener  Hebammenschule  wird  daher  künftig 
das  ganze  Jahr  hindurch  Unterricht  erteilt,  2 mal  je  5  Monate  re^et 
massige  Kurse  und  2  mal  4  wöchentliche  Repetitionskurse. 

Eine  unangebrachte  Sparsamkeit  entwickelte  die  Abgeord¬ 
netenkammer.  indem  sie  den  von  der  Regierung  geforderten  Be¬ 
trag  von  5000  IM.  für  Förderung  des  T  a  u  b  s  t  u  m  m  e  n  u  n  ter- 
rielits  überhaupt  auf  3000  M.  herabminderte  und  2100  M.  zur 
Aufstellung  weiterer  Lehrkräfte  für  den  besonderen  Unterricht 
der  Zöglinge  mit  Hörresten  ablehnte.  Die  Bezold  sehe  Me¬ 
thode,  mittels  der  kontinuierlichen  Tonreihe  die  Taubstummen 
auf  Hörreste  zu  prüfen,  und  ihre  Bedeutung  für  die  Entwicklung 
des  Taubstummenunterrichts  musste  zwar  auch  von  der  Majorität 
anerkannt  werden,  jedoch  stellte  sich  letztere  auf  den  Standpunkt 
es  sollten  zunächst  die  Fachmänner  sich  darüber  einigen,  ob  bei 
dem  raubstuinmenunterrielit  die  Trennung  nach  geistigen  Fähig¬ 
keiten  oder  Hörresten  erfolgen  solle.  Eine  Konferenz  von  Sach¬ 
verständigen,  zu  deren  Einberufung  die  Staatsregierung  sieli  be- 
I  F®1*  «^'klarte,  wird  zur  Klärung  einer  Reihe  von  Fragen,  wie  Aus¬ 
bildung  und  Vermehrung  der  Taubstummenlehrer,  Schul-  bezAV. 
Anstaltszwang,  Dauer  des  Unterrichts,  einheitliche  Anstalts¬ 
visitationen.  Informationskurse  für  Aerzte  und  Lehrer,  Gewährung 
von  Stipendien  etc.  zweifellos  beitragen;  mit  welcher  Unterrichts¬ 
methode  jedoch  die  Taubstummen  am  besten  zu  selbständigen 
brauchbaren  Gliedern  der  menschlichen  Gesellschaft  heran¬ 
gebildet  werden,  darüber  kann  nur  die  Praxis  entscheiden  und 
es  sollten  daher  die  Versuche  mit  der  Bezold  sehen  Methode 
in  grosserem  Masstab  fortgesetzt  werden  können. 

Wenig  Humanität  verriet  eine  Beschwerde  über  das 
Zentralblindeninstitut  in  München:  dasselbe  hatte  an 
einen  Bäckermeister  für  ca.  200  M.  Körbe. verkauft:  ein  Gewerbe¬ 
treibender.  dessen  Kunde  dieser  früher  war.  beklagte  sich  über 
diese  Konkurrenz  und  ein  Abgeordneter  nahm  sich  dieser  Be¬ 
schwerde  an. 

Bei  der  Position  „Z  e  n  t  r  alanstalt  für  Erzieh  u  n  g 
und  Bildung  krüppelhafte  r  K  inder  i  n  Münche  n“ 
regten  die  Abgeordneten  Schmitt  und  Dr.  Ha  über  an,  die¬ 
selbe  in  eine  orthopädisch-chirurgische  Heilanstalt  umzuwandeln, 
da  es  an  einer  solchen  für  unbemittelte  krüppelhafte  Kinder  in 
Bayern  fehle;  es  würde  daraus  für  das  Land  ein  doppelter  Segen 
entspringen,  da  die  Studierenden  Gelegenheit  zur  praktischen  Aus¬ 
bildung  in  diesem  Fache  bekämen.  Der  k.  Regierungskommissär, 
Regierungsrat  Pracher,  verkannte  nicht  die  Wohltat  einer 
solchen  Anstalt,  äusserte  jedoch  gegen  die  vorgeschlagene  Aen- 
derung  Bedenken  wegen  des  Stiftungscharakters  und  der  Organi¬ 
sation  der  Anstalt;  eine  orthopädische  Heilanstalt  müsste  avoIH 
als  eigene  und  neue  Anstalt  geschaffen  werden. 

Der  Allgeordnete  Kohl  hielt  sich  in  erregter  Weise  darüber 
auf,  dass  in  einem  Bezirksamte  für  diejenigen  Kinder,  die  beim 
>  chuleintntt  noch  nicht  6  Jahre  alt  sind,  ein  ärztliches 
Zeugnis  über  die  körperliche  und  geistige 
Reife  verlangt  werde;  das  sei  eine  grosse  und  unnötige  Härte, 
die  keinen  Sinn  habe,  eine  Schikane;  der  Schulinspektor  und  der 
Lein  (‘i  a  erständen  da  mehr  als  der  Arzt:  für  die  Landwirtschaft 
sei  es  ein  Segen,  wenn  die  Kinder  früher  in  die  Schule  kommen 
und  dafür  früher,  schon  mit  13  Jahren,  entlassen  Averden.  Seinen 
Ausführungen  Avurde  von  dem  Abg.  Wirt  h  widersprochen:  Wenn 
die  Kinder  erst  mit  vollendetem  0.  Lebensjahre  in  die  Schule  oin- 
treten  und  bis  zum  14.  Jahre  darin  verbleiben,  Avürden  sie  sicher¬ 
lich  mehr  lernen  und  dem  Unterricht  mit  mehr  Verständnis  folgen: 
fiii  viele  sei  doch  der  Unterricht  in  der  Volksschule  der  einzige, 
den  sie  haben,  und  gerade  das  letzte  Jahr,  das  13..  sei  oft  das 
entscheidende,  avo  sie  am  meisten  aufnehmen  könnten.  Auch  der 
k.  Regierungskommissär,  Ministerialrat  Leichtenstern,  er¬ 
klärte,  dass  Kinder,  die  mit  5%  Jahren  in  die  Schule  kommen, 
oft  schwer  mitkommen,  sehr  häufig  ein  Ballast  für  die  Schule 
und  den  Lehrer  seien  und  ihre  frühe  Aufnahme  in  die  Schule  Aveder 
ihrem  körperlichen  noch  geistigen  Wohle  zuträglich  sei;  die  Frage 
der  Zeugnisse  über  die  Schulreife,  zu  der  die  bayerischen  Aerzte- 
kammern  bereits  Stellung  genommen  haben,  würde  gelegentlich 
der  Revision  der  Verordnung  über  die  Schulpflicht  gewürdigt 
werden. 

Für  Vorarbeiten  und  Herstellung  atoii  Plänen  zum  Neubau 
der  Augenklini  k,  d  e  r  A  nato  m  i  e  und  des  R  ei¬ 
sin  g  e  r  i  a  n  7i  m  s  in  München  wurden  vom  Landtage 
15  OtiO  IM.  bewilligt,  über  die  weiteren  Mittel  soll  in  der  nächsten 
Sitzungsperiode  beschlossen  werden.  Für  den  Neubau  der  Ana- 


1406 


MUENCHENER  MEDICINI SCHE  WOCHEN SCHRIFT. 


No.  33. 


tomie  ist  der  städtische  Bauhof  in  Aussicht  genommen  für  die 
Augenklinik  und  das  Reisingerianuni  der  von  der  Stadt  zu  ci- 
werbende  Platz  des  Elisabethenspitals.  Ueber  die  ^  erwendung 
der  bisherigen  Gebäude  wurde  noch  nicht  diskutieit,  das  Gt  au  e 
des  Reisingerianums  könnte  nach  seiner  Auflassung  tui  eint 
Bau  des  Pettenkof  er-Hauses  in  Betracht  kommen;  bei 
seiner  zentralen  Lage  wäre  es  dazu  tvie  geschaffen. 

Bayerische  Reichsrats  k  a  m  mei. 

Aus  den  Beratungen  über  den  Kultusetat  verdient  bemerkt 
zu  werden,  was  der  Referent  Reichrat  v.  A  u  e  r  über  die  früher 
erwähnte  Konfessionsstatistik  der  TT  n  i  v  e  r 
urofessoren  sprach:  In  einem  paritätischen  Staate  sollte  man 
«Tauben  dass  eine  solche  Frage  überhaupt,  nicht  zur  Erörterung 
komme.’  Er  habe  die  konfessionelle  Parität  von  jeher  nicht  so 
aufgefasst,  dass  man  prozentual  nach  der  Zahl  der  Bevölkerung 
der  einen  oder  anderen  Konfession  auch  Professoren  der  einen 
oder  anderen  Konfession  aufstellen  müsse,  er  fasse  vielmehr  die 
Parität  dahin  auf.  dass  die  Konfession  für  niemanden  in  Bayern 
ein  Hindernis  bilden  soll,  zu  einem  Amt  oder  einer  Professur  zu 
«ela ngen.  Andernfalls  könnte  man  zu  dem  Resultat  kommen, 
dass  man,  nur  um  Professoren  einer  bestimmten  Konfession  zu 
bekommen,  unbefähigte  oder  minderbefähigte  nehmen  müsse,  bloss 
weil  sie  Katholiken  oder  Protestanten  seien;  ein  solcher  Zustand 

wäre  doch  undenkbar.  ,  . 

Dem  Beschlüsse  der  Abgeordnetenkammer  auf  Emchtung 
eines  Lehrstuhles  für  Ho  m  ö  opat  lii  e  stimmte  auch  die 
Kammer  der  Reichsräte  mit  grosser  Majorität  zu.  Der  KMereut, 
Reichsrat  v.  Auer,  beantragte  namens  des  Ausschusses  Zustim¬ 
mung  und  begründete  dies  mit  dem  Hinweise  auf  den  Wechsel 
der  Anschauungen  und  die  häufigen  Neuerungen  m  der  medizini¬ 
schen  Wissenschaft  und  der  Erweiterung  derselben  durch  die 
sozialpolitische  Gesetzgebung.  Der  Wunsch  nach  einem  homöo¬ 
pathischen  Lehrstuhl  sei  vollständig  gerechtfertigt.  Eine  andere 
Frage  sei  es  allerdings,  ob  sich  eine  geeignete  Persönlichkeit  finden 
lasse,  die  dieser  Lehraufgabe  vollständig  gewachsen  sei:  allein  dies 
zu  entscheiden,  sei  nicht  Sache  der  Kammer  und  wenn  die  Homöo¬ 
pathie  sich  als  Wissenschaft  noch  so  wenig  entwickelt  habe,  dass 
sich  keine  solche  Persönlichkeit  finden  liesse,  dann  wäre  allerdings 
der  Beschluss  der  Abgeordnetenkammer  illusorisch.  Es  sei  auch 
gesagt  worden,  die  Homöopathie  könne  ihre  volle  Wirksamkeit 
nicht  entfalten,  solange  ihr  nicht  ein  öffentliches  Spital  zur  \  er- 
fügung  gestellt  werde;  dagegen  spreche  sich  die  Mehrheit  des  Aus¬ 
schusses  aus  dem  einfachen  Grunde  aus,  weil  man  niemanden 
zwingen  könne,  sich  nach  einer  bestimmten  Heilmethode  behan¬ 
deln  zu  lassen,  besonders  nach  einer  solchen,  die  sehr  viel  Gegner 
habe  und  deren  Erfolge  zum  mindesten  nicht  mehr  erprobt  seien 
als  die  der  klinischen  Heilmethode.  Ausser  dem  Referenten  ver¬ 
wendete  sich  nur  noch  der  Reichsrat  Frlir.  v.  S  o  d  e  n  tur  den 
Ausschussantrag:  er  schwärmte  von  einer  sehr  grossen  Zahl  der 
Anhänger  der  Homöopathie,  bezog  sich  auf  die  amerikanischen 
Verhältnisse  und  liess  erkennen,  dass  er  über  die  Stellung  der 
wissenschaftlichen  Medizin  zur  Hydrotherapie  und  über  den 
Unterschied  der  Bedeutung  dieser  gegenüber  der  Homöopathie 
nicht  orientiert  ist;  bei •  ersterer,  die  aber  nicht  identisch  ist  mit 
dem  Iv  n  e  i  p  p  sehen  Rummel,  ist  der  Erfolg  wissenschaftlich  er¬ 
probt  und  erwiesen,  die  Formen  und  die  Indikationen  der  An¬ 
wendung  durch  praktische  Beobachtungen  festgestellt  und  be¬ 
grenzt.  bei  der  Homöopathie  dagegen  handelt  es  sich  um  phan¬ 
tastische  und  verwirrte  theoretische  Spekulationen;  hier  kann  nur 
der  Glaube  selig  machen.  Redner  schloss  damit,  dass  er  sehr 
liedaure.  wenn  der  Ausschussantrag  nicht  angenommen  wurde, 
weil  dann  die  Anhänger  der  Homöopathie  nicht  in  der  Lage  wären, 
den  wissenschaftlichen  Charakter  dieser  Heilmethode  nachzu¬ 
weisen.  Die  Reichsräte  Dr.  v.  B  e  c  li  m  a  u  u,  Fürst  L  ö  w  en- 
stein-Wertheim-Fre  u  d  enbe  r  g  und  Graf  Törn  n  g 
traten  entschieden  als  Gegner  des  Ausschussantrages  auf.  Die 
von  ihnen  vorgebrachten  Gründe  stützen  sich  auf  das  Gutachten 
der  medizinischen  Fakultäten  wie  des  obersten  Medizinalbeamten 
und  die  Nachteile  eines  solchen  Lehrstuhles;  nachdem  die  Homöo¬ 
pathie  ihre  Rolle  bereits  ausgespielt  habe  und  es  bisher  zu  einer 
Vertretung  an  den  Universitäten  nicht  gebracht  habe,  nachdem 
andere  von  den  Universitäten  gewünschte  und  dringend  not¬ 
wendige  Professuren  aus  finanziellen  Gründen  abgelehnt  wurden, 
wolle  man  hier  den  Universitäten  einen  Lehrstuhl  aufdrängen, 
den  sie  einstimmig  abgelelnit  haben.  Der  letztgenannte  Redner 
führte  noch  aus,  dass  die  homöopathischen  Aerzte  selbst  nicht 
mehr  an  die  grundlegenden  Prinzipien  der  Homöopathie  glauben 
und  zu  anderen  Ansichten  kämen,  wenn  sie  die  homöopathischen 
Lehren  fteissiger  studieren  würden.  Der  Kultusminister  habe  auf 
die  Urteile  der  Universitäten  und  der  Fachautoritäten  nicht  gehört, 
sondern  bemerkt,  man  müsse  einer  gewissen  Strömung  im  Volke 
nachgeben:  wollt**  man  das  tun.  da  müsste  z.  B.  auch  noch  eine 
Professur  für  Aberglauben  errichtet  werden,  weil  eine  grossere 
Vnzahl  von  Damen  der  höheren  Altersklasse  dem  Aberglauben 
huldigen,  und  auf  diese  Weise  bekämen  wir  ganz  besondere  1  ro- 
fessuren.  —  Nach  diesen  Ausführungen  muss  das  Ergebnis  der 

Abstimmung  um  so  mehr  auffallen  und  befremden. 

Dr.  Carl  Becker. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Der  berüchtigte  Kurpfuscher  Schäfer  H.  Ast,  jetzt  Ritter¬ 
gutsbesitzer  in  Radbruch,  wurde  von  der  Strafkammer  zu  Lüne¬ 
burg  wegen  fahrlässiger  Körperw  rletzung  zu  2  Monaten  Gefängnis 


verurteilt.  A.  hatte  bei  einem  an  tuberkulöser  Koxitis  erkrankten 
Knaben  nach  seiner  genialen  Methode  aus  den  Nackenhaaren 
Veitstanz  diagnostiziert  und  die  Angehörigen  des  I  atienten  trotz 
der  Verschlimmerung  des  Leidens  von  der  Zuziehung  eines  .  iz  is 
abgehalten. 

Xu  Hannover  wurde  der  Kurpfuscher  und  Mehlliäiidlei 
B  Beerb  om  wegen  Verbrechens  gegen  das  keimende  Leben  zu 
4  Jahren  Zuchthaus  und  10  Jahren  Ehrverlust  verurteilt  B  eHiess 
Inserate*  Rat  und  Hilfe  in  diskreter  Angelegenheit  erhalten 
Damen  von  einem  erfahrenen  Frauenarzt“,  und  erlange  aut  diese 
Weise  grossen  Zuspruch.  Die  Behandlung  kostete  oO  M.,  Reise¬ 
kosten  wurden  besonders  berechnet.  Dies  betrieb  B.  mehi eie 
Jahre  lang,  bis  sein  gemeingefährliches  Treiben  von  der  Kimm, 
polizei  aufgedeckt  wurde. 


Wegen  Uebertretung  der  gesetzlichen  Vor¬ 
schriften  über  die  Meldepflicht  bei  ansteckenden 
Krankheiten  wurde  der  praktische  Arzt  Dr.  A.  P.  m  .  .  \  °u  «ii 
Strafkammer  zu  G.  zu  150  M.  Geldstrafe  verurteilt.  In  A.  waien 
mi  Foiken  (lurck  einen  ausländischen  Arbeiter  oingescäiU-pP 
worden.  Dr.  I'.  hatte,  bevor  die  Epidemie  von  dem  ttiwta  dn.en 
Kreisarzt  konstatiert  und  die  Sperre  verhängt  war.  2  I-  alle  be¬ 
handelt,  ohne  Anzeige  zu  erstatten.  Zu  seiner  Entschuldigung 
führte  er  an,  dass  er  die  schwarzen  Pocken  überhaupt  nicht  ge¬ 
kannt  habe  und  dass  er  speziell  die  beiden  y°n  ihm  teliande  ten 
Fülle  nicht  für  Pocken,  sondern  den  einen  fui  Schafblattern,  den 
andern  t'iir  Blasenrose  gehalten  habe.  Von  den  Sachverstand  ge 
erklärte  Kreisarzt  Dr.  O.,  er  würde  nicht  wagen,  einen  Einzeltall 
als  Pocken  zu  bezeichnen,  solange  der  epidemische  Eharakter  der 
Krankheit  nicht  erkannt  sei,  Samtatsrat  K.  nahm  einen  Irrtum 
in  der  Diagnose  an,  wie  dies  auch  schon  bedeutenden  Ivlmikeni 
D-issiert  sei  Regierungs-  und  Medizinalrat  Dr.  1.  war  dei  L 
nun«-  Dr.  P.  habe  schon  vor  der  Sperre  die  Krankheit  erkennen 
müssen.  Der  Staatsanwalt  beantragte  G  Monate  Gefängnis.^  ^ 


bekommen, 
d  ass  sie 
a  u  f  die 
wenn  ihre 


Ueber  Züchtung  gesunder  Menschen. 

Von  Dr  II  e  d  d  aous  in  Essen  a.  d.  Ruhr  (Wochensehr,  f-  Theig  u. 
Hv“  dos  Auges.  24.  Juli  1902  und  All*,  med.  Central**.  1902, 

No.  30.) 

Was  müssen  wir  tun,  damit  die  Kinder,  die  wir 
«es und  sind?  Wir  müssen  zunächst  dafür  sorgen, 

«■  e  s  u  n  d  u  n  d  ohne  K  r  ankheits  a  n.1  a f  e 
Welt  kommen.  Das  werden  sie  voraussichtlich 
Eltern  zur  Zeit  der  Zeugung,  die  Mutter  auch  wahrend  d 
Schwangerschaft  frei  sind  von  auf  das  Kind  ubertragbaien  Iviank 
heiten^  Von  solchen  Krankheiten  kennen  wir  -  wenn  wir  von 
der  Gonorrhoe  der  Harnröhre  und  der  Blennorrhoe  der  Bindehaut 
■ibselien  —  nur  die  Svpliilis  und  die  Erbsyphilis.  Die  Eibsyplnii» 
muss  ganz  besonders  betont  werden,  weil  die  Menschen,  die  daran 
leiden  es  gewöhnlich  nicht  wissen.  Ein  bischen  syphilitisch  sind 
w  .alle  niemand  kann  beschwören,  dass  nicht  ein  Ahn  von  ihm 
einmal  an  Syphilis  gelitten  habe.  Folglich  können  wir  alle  für 
das  Wohl  unserer  kommenden  Kinder  nicht  besser  soigm  ■  - 
durch  eine  prophylaktische  Schmierkur.  Zum  mindesten  soüten 
alle  diejenigen  schmieren,  welche  bereits  ein  oder  mehrere  Kränk¬ 
liche  missbildete  oder  vorzeitig  abgestorbene  Kinder  haben  alle 
diejenigen  welche  irgend  ein  Gebrechen  haben,  dessen  Vererbung 
auf  die  eventuelle  Nachkommenschaft  zu  befurchten  ist;  alle  die¬ 
jenigen  welche  sonst  Grund  haben  zu  der  Annahme,  dass  sie  teib 
iahen  an  der  „Lustseuche“.  Vor  der  Zeugung  genügt  es,  wenn 
der  belastete  Teil  schmiert,  später  (und  in  dubio  immer)  mu 
Mutter  jedenfalls  (mit)schmieren.  , 

Sicherer  wäre  es  natürlich,  man  liesse  das  krankmachen 
Gift  nicht  erst  in  den  Körper  hinein,  dann  brauchte  man  es  nicht 
,„„.,.1,  Hg  -und  andere  Kuren  wieder  '“™’®uc*;;e,^”-Vel.[>ssere.  _ 


Statistik  des 


Instituts  Pasteur  zu  T  u  ms. 


In 

demselben  wurden  seit  der  Gründung  am  15  -Turn  1894  bis  zum 
15.  Juni  1901  im  ganzen  827  Personen  behandelt,  daiuntm  -  ‘ 

zosen  (88  Soldaten),  2G0  Araber,  161  Italiener ;  u.  s.  w.  1 3  Bisse  bt 
trafen  den  Kopf,  408  die  Hände,  286  die  übrigen  Ex  tieim  taten, 
ln  702  Fällen  stammten  die  Bisse  von  Hunden,  in  39  von  Katzen 
in  10  von  Menschen  selbst  —  was  durch  die  dortige  Unsitte, au 
die  Kranken  zu  küssen  u.  s.  w.  herrulirt,  in  von  Schakaleig  u 
O  von  Eseln,  in  2  von  Pferden  und  in  einem  Talle  von  «nem  j  ; 
esc?  Die  Zahl  der  Todesfälle  betrug  3  =  0,36  Vvoz  Mortehtafi 

was  mit  den  Statistiken  der  übrigen  Pasteurinstitute  ubeiei 
stimmt.  Das  französische  Gesetz,  wonach  jeder  von  einem  to  ^ 
wütigen  Hund  gebissene  oder  nur  berührte  Hund  getoWt 
soll,  existiert  in  Tunis  noch  nicht,  so  dass  ganze  E^denmi 
Tollwut  schon  beobachtet  wurden,  wofür  dei  Belichters 
L  o  i  r  einige  Beispiele  anfiilirt. 

Im  Institut  Pasteur  zu  B  o  rd  e  aji  x,  welches  ani 
1.  Mai  1900  eröffnet  wurde,  sind  im  Laufe  eines  Jaln es  (  •  •  - 

1901)  gerade  100  Personen  behandelt  worden.  Die  51°  •_  <  * 

gleich  Null.  Die  Behandlung  war  in  den  meisten  ballen  o-j  “  j 

nach  den»  Bisse,  0  mal  1  Tag.  15  mal  3  Tage  u11(\\\Vb  sse  stannn- 
als  15  Tage  nach  dem  Bisse  begonnen  worden.  Die  Bisst 


19.  August  1902. 


MtTENCHEEER  ME  DI  CENTS  CHE  WO  Ö11EH  S  CflRIFT. 


tUi  m  S8  Ea  len  von  Hunden,  in  10  von  Katzen,  in  einem  von  einem 
Seliw  ein  und  1  von  einem  Kaninchen.  Eine  Neuerung,  welche  sich 
sehr  bewahrt  hat,  wurde  eingeführt:  die  verdächtigen  Hunde 
welche  den  Biss  ausgeführt  haben,  werden  von  der  Polizei  in  die 
Stalle  des  Instituts  gebracht  und  hier  eine  bestimmte  Zeit  hin- 

Maf  1902  e°baClltUU8:  Sehalten'  (Annales  de  l'institut  Pasteur, 

fet. 

Therapeutische  Notizen. 

Brom  hä  mol  eignet  sich  nach  Dr.  v.  Matzner- Birkenfeld 
zu  längerem  Gebrauch,  wenn  die  Bromwirkung  nach  dem  Ab¬ 
klingen  schwerer  epileptischer  oder  hysterischer  Ivrampftormen 
noch  weiter  ankalten  soll,  ferner  bei  Hysterie  ohne  Krampfanfälle 
Nemasthenie  mit  darniederliegender  Ernährung.  Die  übliche  Do' 
sierung  ist  Haemol.  bromat.  2,0  täglich  2—3  mal  in  Oblaten. 

,  7;.11.SeAn.hamoi  belästigt  den  Verdauungstraktus  weniger  als 
das  tieie  Arsen  und  ist  daher  in  allen  Fällen  zu  empfehlen  in 
denen  bisher  Pillulae  asiaticae  oder  F  o  w  1  e  r  sehe  Tinktur  an¬ 
gewendet  wurden,  also  bei  Psoriasis,  Lichen,  Neuralgie  bei  Herpes 
zoster  u.  a.  Eine  zweckmässige  Ordination  ist  (nach  Bartelt): 
Rp.:  Arsenohaemoli  5  0 

Succ  et  pulv.  rad.  Liquirit.  1*25 
Mucilag.  gum.  arab.  q.  s.  u.  f 
pilul.  N.  50.  Obduce  lacca. 

S-  3  Piben  tägüch;  jeden  4.  Tag  um  1  Pille  steigen  bis  10  pro  Tag 
(Die  Heilkunde  1902,  Mai.)  1  j»  g  ö' 

„.Eas  P^nin  wird  von  Frankl -Wien  bei  schmerzhaften 
gyiuikologischen  Erkrankungen  angelegentlichst  empfohlen  (Tlier 
Monatsh.  1902,  6).  Dasselbe  bewährt  sich  vor  allen  Dingen  bei 
S-JMH’mem  von  Dysmenorrhoe  und  bei  schmerzhaften  Adnex- 
^iiMwioUU1eU‘  •  Ä|au  kann  es  eutweder  innerlich  geben  in  Dosen 
^Ichtliyop"  m  F°im  V°U  Vaginalkugeln  in  derselben  Dosis  mit 

Dionin  0,03 

Ichthyol.  0,2 

Butyr.  Cacao  2,0 

ad  globul.  vaginal. 

Dle  Anwenduüg  einer  Dioninglyzerinlösung  zum  Tränken  der 
lampons  wird  wegen  der  Ungleichheit  der  Dosierung  wider- 

1  (llGU, 

Kr. 

neu^rer  Zeit.  so  vielfach  empfohlene  Kakodyl- 

Monat^h  ?qn9  d  m  n  S  T1  wl?  E  d  1  e  f  s  e  11  “«teilt  (Therap. 
Monatsh.  1902,  6),  schon  im  Jahre  1804  von  Joch- 

leiai  and  im  Jahre  1800  von  Renz  in  die  Praxis 
ein  geführt  worden.  Das  Mittel  scheint  dann  deswegen  wieder 
«S?  gekommen  zu  sein,  weil  sich  bei  seinem  unaus- 

iw  Iw  •  Gf.b  VCJl  em  selir  widerlicher  knoblauchartiger  Geruch 
der  Exspirationsluft  einstellte.  jV. 


1407 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

rinc,  . .  ,  .  ,  München,  19.  August  1902. 

m  o  n  1>aS  Abschiedsgesuch  des  b.  Kultusministers  Dr.  v.  L  a  n  d  - 

Stelle  Vr  lblS,  lUltenU  10‘  AagllSt  L  Js-  genehmigt  und  an  seiner 
v  lerige  ausserordentliche  Gesandte  in  Wien  Freiherr 

Ki.i™  I  «  ,  ,Urü,IZ  zum  Staatsminister  des  Innern  für 
ivucnen-  und  Schulangelegenheiten  ernannt. 

Bavern  U.nd  Verordnungsblatt  für  das  Königreich 

neu  eiae  k-  Verordnung  über  die  Errich  t  u  n  g 

heim  it  ^  ®  1  fk  a11“,t  e  r.  111  Starnberg,  Wolfratshausen,  Dürk- 
der  iL;Y  Ill&beit.  und  Gemunden.  Gleichzeitig  mit  der  Errichtung 
oben  1 1  llnteil  Bezirksämter  wird  das  Bezirksamt  Mün- 

-p  .  aufgehoben  und  das  Bezirksamt  München  I  erhält  die 

deneI«detehiSimD^rkAaift  M.üllcben"  Jedes  Bezirksamt  umfasst 
den  Amtsgerichtsbezirk,  das  in  St.  Ingbert  noch 

bezirk  „1,,,,  Blieskastel,  d.  l.  den  gleichnamigen  Amtsgerichts¬ 
bach  und  w  f1.6  .Gemeillden  Bliesdahlieim,  Breitfurt,  Niedergail¬ 
amt  ÄST’  T,  ?e  beim  Distrikte  Hornbach  und  Bezirks- 
i  ÄS  verbleiben.  Die  4  ersten  der  oben  genannten 

zu  beginnen  am  L  °ktober  d-  J-  ihre  Wirksamkeit 

kam  ^vie^ins  ill LÜ  r*  1  e  r  b,e  f  u  S  n  i  s  de  r  II  o  m  ö  o  p  athe  n 
in  No  3i  itoimut  Bezi1^rnabl‘1le  aut  unseren  Parlamentsbericht 
ZentralaussclnStl^för1?’  <  e“  Verhandlungen  des  ärztlichen 
1.  Js  zur  Snracht  das  Gl^sslfrzogtum  Hessen  am  23.  Juni 
ärztl  Ver  d  p  ^ Passus  (Korrespondenzbl.  d. 

Aufliebuuo  TU  ■  1 rao?t-1H?S8e“-  No.  7)  lautet:  „Zu  Punkt  VIII, 
gibt  der  vf,  ■?  Luspensierbefugms  der  homöopathischen  Aerzte 
ab  dtS  ‘Hm\Geh-  B  ">  ™  e  r  1  in  g)  ale  ErktSg 

Befumdl  tlVw?1-  sicherer  Aussicht  stellt,  nach  welchem  die 
InnÄfbdLÄÄ  °5?e  J— wort«  wird,  in  welchen 
zu  erlassen«  Ai?  ff  ^  Umkreises  eine  den  Anforderungen  der 
tbeke  S  n iZ  /^sprechende  homöopathische  Apo- 

der  liSer  i  f  it  n!  /T,1!,,-'1«’  I!ilt  Dr-  H  «  8  8  -  Mainz  sprAt 
willen  n»  “  ff  Brtnl'img  eines  langgehegten  Wunsches 

gehen  mit  T  d  betoilt-  dass  besonders  in  Mainz  das  Vor¬ 

igen  mit  grosser  Freude  begrüsst  werden  würde“ 

K  ranken  han1«  E  r  r  1  ^  b  .t  u  n  g  eines  3.  städtischen 
i  aus  es  in  München  wurden  kürzlich  im  Magi- 


deiao  MTi:fmUng-eU,  f  uiafll1t  Hiernach  besteht  Aussicht,  dass  in 
(lei  2.  Hälfte  nächsten  Jahres  mit  dem  Bau,  der  3  Jahre  in  \n- 

spiucli  nehmen  wird,  begonnen  werden  kann.  Das  Krankenhaus 
?a<M)aRetteAlln0rdennilgetU  dei’  Neuzeit  entsprechen  wird,  wird  für 

ÄSSSfÄ  DieKosteu  werdeß  sick  aaf  -d 

~  Au  dem  Geburtsliause  E  s  m  a  r  c  li  s  in  Tönning-  wurde 
eine  Gedenktafel  angebracht.  Die  Inschrift  Hütet  in 
bese“  Hiiuse  wurde  der  ruhmgekrönte  Gelehrte  und  Chiriir«- 
Wirkliche  Geheime  Rat  Dr.  Johannes  Friedrich 
August  v.  Esmarch  am  9.  Januar  1823  geboren.“ 

,  ~  Pe?k  Russland.  Im  Dorfe  Aksai  (Kreis  Tschernyh  T-m 

des  Gouy.  Astrachan  sind  seit  dem  3.  Juli  20  Erkrankungen  unter 
pest verdächtigen  Symptomen  festgestellt  worden  von  denen  10 
einen  tothehen  Ausgang-  genommen  hatten.  —  Aegypten  ln  der 
Aoche  vom  25  Juli  bis  1.  August  sind  2  neue  Erkrankungen  und 
1  lodesfaH  an  der  Pest  festgestellt,  alle  in  Alexandrien.  —  Britisch 
?m1T!,eT  ,.In,d^  Präsidentechaft  Bombay  kamen  während  der 
.'  I1  abgelautenen  Woche  1150  Erkrankungen  (und  750 
I odestalle)  an  der  Pest  zur  Anzeige,  davon  in  der  Stadt  Bombav  30 
(29),  m  Stadt  und  Hafen  Karachi  27  (20).  (V  d.  K.  G -A.) 

—  Hi  der  31.  Jahres woehe,  vom  27.  Juli  bis  2.  August  1902 
y?n  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterbhchkeit  Ludwigshafen  mit  41.7,  die  geringste  Solingen  mit 
0  .  lodesfallen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
ailer  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Königshütte;  an  Masern 
m  Oberhausen,  Augsburg;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Bamlier«-- 
an  Unterleibstyphus  in  Bromberg.  h’ 

~  ,.D.r-  Tbeophil  T  r  u  m  p  p,  prakt.  Arzt  in  Bangkok  wurde 
^  om  Könige  von  Siam  zum  Generalarzt  der  siamesischen  Armee 
mit  dem  Range  eines  Majors  im  Generalstabe  ernannt. 
(Hochschulnachrichten.) 

Professor  der'  Augenheükunde  f und ' 'vormaliger  ’ lai^jlilifiJeVbirek' 

ist  Twe|i^  5‘  !BV  Dei\uelle  Lehrstuhl  für  Hautkrankheiten 
ist  I  lof.  Di.  Eduard  J  acobi  übertragen  worden. 

(;,1'eifsival'l'  Vom  diesjährigen  Ophthalmologenkongress 
if  Heidelberg  wurde  Professor  Dr.  O.  Schirmer,  Direktofde? 
ömversita  s-Augenklinik,  zun,  Delegierten  für  den  internationalen 
medizinischen  Kongress  (1903)  zu  Madrid  gewählt. 

l- .  Ieide)bei‘g.  Die  neuerrichtete  Professur  für  Kehlkonf- 
vrankheden  ist  Prof.  Dr.  Jurasz  übertragen  worden. 

i  uneben.  Dr.  Rud.  Weinland,  Privatdozent  für  Che- 
nne  an  der  Universität  München  und  erster  Assistent  am  Labora- 
tommi  tur  angewandte  Chemie,  hat  einen  Ruf  als  ausserordent- 

ÄS' pbarmMeut,sche 

für  sein  Werk  „Zellenstudien,  Heft  4,  Ueber  die  Natur  der’ Centro- 
*  deu  Süebelpreis  der  Senkenbergischen  Stiftung  in  Frank- 
fuit  a.  M.,  dei  alle  vier  Jahre  vergeben  wird 

der  Mdilwlernanut01'-  Holtw"rä«  *“» 

i  Sanne7  I,ei'  pHvatdozent  für  Elektrotherapie  Dr 

Professor  Rß  fS,telle  -B  a  b  °  w  s  zum  ausserordentlichen 

Iioiessoi  dei  Therapeutik  und  Materia  medica  ernannt 

l  adua.  Habilitiert:  Dr.  P.  Bolognini  Privatdozent  nn 
der  medizinischen  Fakultät  zu  Bologna,  für  Pädiatrie. 

'  a  rJ  s-  Dr-  <;  a  11  c  >'e  r  wurde  als  Nachfolger  Fourniers 
nanntPr°feSSOr  d®r  Klinik  ftir  Hautkrankheiten  und  Syphilis  er- 

HabiliEert:  Dr-  A.  M  argulies  für  Neurologie  und 
Psychiatrie  an  der  deutschen  medizinischen  Fakultät. 

Rennes.  Dr.  Le  Damany  wurde  zum  Professor  der 
Hygiene  und  gerichtlichen  Medizin  ernannt 

Dr-  V®1*1  Prl™tdoZent  an  der  nnali- 
zinisdien  rakultat  zu  Parma,  für  Medizin. 

S  t.  Pete  r  s  h  u  r  g.  Habilitiert:  Dr.  P.  A  w  r  o  r  o  w  für  -ill- 
gemeine  Pathologie  an  der  militärmedizinischen  Akademie 
T,„.  r  s  f  11  a  ll-  Habilitiert:  Dr.  T  schernia  k  o  w  s  k  v 
rur  h?dOZeilt  an  der  mediziniSöhen  Fakultät  zu  Kiew,  für  C'lii- 

n,.  1  ® n;  Habilitiert:  Dr.  O.  Grosser  für  Anatomie  und 

l)i.  Iv.  Grass  b  erge  r  für  Hygiene. 

(Todesfälle.) 

T-m.  ,P,rof-  Dr-  Le  feb  vre,  früher  Professor  der  Pathologie  und 
Direktor  der  medizinischen  Klinik  in  Löwen. 

Dr.  C.  Taruffi,  früher  Professor  der  pathologischen  Ana¬ 
tomie  zu  Bologna. 

Tr,.  -V1-  l'r  Nowatzky,  früher  Professor  der  chirurgischen 
Klinik  zu  Moskau. 

.  .  Pr-  A.  Walther,  Privatdozent  für  Physiologie  an  der 
militarmedizinisehen  Akademie  zu  St.  Petersburg. 


Personalnachrichten. 


(Bayern.) 


Niederlassung:  Dr.  Dagobert  Borchardt,  appr  1899  in 
Nürnberg.  Dr.  Willi.  Frhr.  v.  Ebner,  appr.  1890,  in  Nürnberg! 


1408 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


31.  August  1.  Js.  einzu- 


reiclien. _  Die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse  in  Höchstadt  a.  A..  Be- 

w  erber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 


Erledigt:  Die  dritte  Bezirksarztsstelle  1.  Klasse  für  den  ’S  er- 
waltungsbezirk  München.  Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vor¬ 
schriftsmässig  belegten  Gesuche  bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K.^  Re¬ 
gierung,  Kammer  des  Innern,  bis  zum 
n 

l'ei  der  ihnen  Vorgesetzten  Iv.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis 
zum  1.  September  d.  .T.  einzureichen. 

Ernannt:  Der  seitherige  Hilfsarbeiter  des  Kreismedizinai- 
ref ereilten  bei  der  k.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  von  Ober¬ 
bayern,  prakt.  Arzt  Dr.  Ignaz  Sendtner  in  München,  zum  Be¬ 
zirksarzte  I.  Klasse  bei  dieser  Kreisstelle. 

Seitens  des  Generalstabsarztes  der  Armee  wurden  zu 
Unterärzten  ernannt  und  mit  Wahrnehmung  offener  Assistenz¬ 
arztstellen  beauftragt:  die  einjährig-freiwilligen  Aerzte  Richard 
1>  e  s  t  1  m  ey  e  r  des  1.  Train-B&t.  im  10.  Feld-Art.-Reg.  und 
Franz  Molir  des  1.  Schweren  Reiter-Reg.  im  9.  Feld-Art.-Reg. 

Abschied  bewilligt:  Dem  Oberarzt  Dr.  Berthold  Mayer  der 


Landwehr  1.  Aufgebots  (Aschaffenburg). 

Befördert:  Zum  Stabsarzt  der  Oberarzt  Dr.  August  Beckli 
der  Reserve  (Nürnberg);  zu  Assistenzärzten  in  der  Reserve  die 
Unterärzte  Dr.  Heinrich  Weigel  (Hof);  Dr.  Hermann  Wolff 
und  Dr.  Josef  Dobner  <1.  München),  Dr.  Franz  Wiest  (Bam¬ 
berg),  Dr.  Hans  W  i  m  m  e  r,  Josef  Thönnessen  und  Dr.  Paul 
Fre’dy  (I.  München),  Dr.  Adam  Bauereisen  (Erlangen),  Dr. 
Alfred  Falk  (I.  München),  Dr.  Hugo  Neuli  äuser  (Nürnberg), 
Ernst  M  a  i  (Würzburg),  Dr.  Haus  Sch  m  i  1 1  (Zweibrücken),  Karl 
Sclireitmiille  r  (Gunzenhausen),  Dr.  Josef  R  u  n  t  e  (W  iirz- 
burg),  Johannes  Hiittig  (Bayreuth),  Hugo  Voss  ( Würzburg,), 
Dr.  Robert  S  t  r  ö  li  1  e  i  n  (Aschaffenburg)  und  Dr.  Robert  Driver 

(Wiirzburg).  T 

Gestorben:  Dr.  Ignaz  Auer,  k.  Bezirksarzt  I.  Klasse  m 

Freising,  61  Jahre  alt. 


Korrespondenzen. 

Zur  Morphin-Scopolamin-Narkose. 

Zu  den  von  mir  in  No.  27  dieses  Blattes  gemachten  Mit¬ 
teilungen  über  Morphin-Scopolamin-Narkose  möchte  ich  hinzu¬ 
fügen.  dass  nach  mir  gewordenen  Mitteilungen  sich  die  Narkose 
vorderhand  nicht  zur  Anwendung  im  allgemeinen  empfiehlt.  Ver 
seliiedene  Individuen  scheinen  sich  den  Wirkungen  beider  Mittel 
gegenüber  nicht  so  zu  verhalten,  wie  es  nach  den  gewissenhaft 
vorgenommenen  Untersuchungen  und  Anwendungen  bei  einer 
grossen  Zahl  von  Narkosen  schien.  Es  müssen  daher  weitere  sorg¬ 
fältige  Untersuchungen  vorhergehen,  ehe  die  Narkose  in  dieser 
oder  einer  anderen  Form  zur  Anwendung  empfohlen  werden  kann. 
Wir  haben  selbst  nur  absolut  günstiges  erfahren. 

B.  Iv  o  r  f  f  -  Freiburg  i/B. 


Erwiderung  auf  die  Bemerkurgsn  zum  Artikel:  „Untersuchungen 
über  Physiologie  und  Pathologie  der  Ureteren-  und  Nierenfunk- 
tion  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  verdünnenden  Nieren¬ 
tätigkeit  nach  Flüssigkeitszufuhr“  (Münch,  med.  Wochensclir. 

1902,  No.  32)  von  Dr.  Friedrich  Straus. 

Die  Herren  G.  Kövesi  und  W.  Röth-Sehulz  führten 
in  ihrer  Arbeit  „U  eher  St  ö  r  ungen  der  w  a  s  s  e  r  s  e  z  er¬ 
uierenden  Tätigkeit  diffus  er  k  rankte  r  N  iere  n“ 
(Beil.  klin.  Wochensclir.  1900,  No.  15)  den  Verdünnungsversuch  in 
die  funktionelle  Nierendiagnostik  ein.  Sie  untersuchten  in  dieser 
Arbeit  das  Verhalten  der  Verdünnungssekretion  normaler  und 
diffus  erkrankter  Nieren  (Nephritis  parenehym.  et  interstitial., 
Nieren  bei  kompensiertem  Herzfehler  und  bei  sehr  gestörter  Kom¬ 
pensation).  Dass  sie  dies  taten,  dies  anzuführen,  hole  ich  hiermit 
gerne  nach. 

Nach  einer  anderen  Richtung  indessen  bewegten  sich  meine 
Untersuchungen.  Sie  beschäftigten  sich  mit  einseitigen,  chirur¬ 
gischen  Nierenerkrankungen  und  in  einem  Teile  mit  dem  Studium 
der  Differenz  zwischen  den  Sekreten  der  linken  und  rechten 
Niere  durch  Analyse  des  durch  Flüssigkeitszufuhr  verdünnten  und 
aus  der  einzelnen  Niere  gesondert  aufgefangenen  Harnes. 

Was  die  von  clenHerrenK.  undR.  angeführte  Arbeit  der  Herren 
G.  v.  I  1 1  y  6  s  und  G.  Iv  ö  v  e  s  i:  ..Der  Verdünnungsver¬ 
such  im  Dienste  der  funktionellen  Nieren- 
d  i  a  g  n  o  s  t  i  k“  betrifft  (Berl.  klin.  Wochensclir.  1902,  No.  15), 
so  darf  ich  mir  wohl  gestatten,  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
dass  diese  Arbeit  am  14.  April  d.  J.  erschien,  also  10  Tage,  nachdem 
ich  am  4.  April  auf  dem  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Chirurgie  über  meine  Untersuchungen  vorgetragen  hatte  und 
2  Tage,  bevor  ich  darüber  auf  dem  Kongress  für  innere  Medizin, 
am  16.  April,  vortrug. 


Dr.  Braehmer  |. 

Am  3.  August  wurde  der  langjährige  Vorsitzende  des  Auf¬ 
sichtsrats  unserer  Kasse,  der  Geheime  Sanitätsrat  Dr.  Otto 
B  r  a  elimer-  Berlin,  von  einem  längeren  schweren  Herzleiden 
durch  den  Tod  erlöst. 

ln  ihm  verliert  die  Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutsch¬ 
lands,  der  er  als  Wohltäter  und  stiftendes  Mitglied  augehörte,  einen 


ihrer  überzeugtesten  Freunde,  der  Unterzeichnete  Vorstand  der 
Kasse  aber  nicht  bloss  einen  allezeit  bewährten  Mitarbeiter,  son¬ 
dern  ein  Vorbild  selbstlosester  Kollegialität  und  treuester  Pflicht¬ 
erfüllung.  ,  ... 

Sein  Andenken  wird  bei  uns  stets  in  hohen  Ehren  gehalten 

werden. 

B  e  r  1  i  n,  den  10.  August  1902. 

Der  Aufsichtsrat  Das  Direktorium 

der  Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands  (früher 

Zentralhilfskasse.) 

gez.  Dr.  W  i  n  d  e  1  s,  Dr.  Bensch, 

stellvertret.  Vorsitzender.  Obmann. 


Generalrapport  über  die  Kranken  der  k.  bayer  Armee 

für  den  Monat  Juni  1902. 


Iststärke  des  Heeres: 

66  406  Mann,  —  Invaliden,  199  Kadetten,  149  Unteroff.-Vorschüler. 


1.  Bestand  waren  am 

31.  Mai  1902  : 

Mann 

' 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Unter- 

offiz.- 

Vor- 

schüler 

1666 

— 

3 

7 

( 

im  Lazarett: 

1109 

— 

3 

18 

2.  Zugang:  ] 

im  Revier: 

3030 

— 

21 

— 

| 

in  Summa: 

4189 

— 

24 

18 

Im  Ganzen 

sind  behandelt: 

5855 

— 

27 

25 

°/oo  der  Iststärke : 

88,2 

— 

135,7 

167,8 

dienstfähig : 

4200 

— 

19 

21 

°/oo  der  Erkrankten : 

717,3 

— 

703,7 

840,0 

gestorben : 

16 

— 

-  - 

— 

°/oo  der  Erkrankten : 

2,7 

— 

— 

— 

3.  Abgang : 

invalide : 

30 

— 

— 

— 

dienstunbrauchbar : 

16 

— 

— 

- - 

anderweitig : 

272 

— 

1 

2 

.  in  Summa: 

4534 

— 

20 

23 

in  Summa: 

1321 

— 

7 

2 

4.  Bestand 

°/oo  der  Iststärke : 

19,9 

— 

35,2 

13,4 

bleiben  am 

|  davon  im  Lazarett: 

9)0 

— 

3 

2 

30.  Juni  1902: 

l  davon  im  Revier: 

371 

— 

4 

— 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten: 
3  an  Pyämie,  1  an  Unterleibstyphus,  2  an  Lungentuberkulose, 
1  an  tuberkulöser  Bauchfellentzündung,  1  an  Genickstarre,  1  an 
akutem  Gelenkrheumatismus  (kompliziert  mit  Herzbeutelentzün¬ 
dung),  4  an  Lungenentzündung,  1  an  eitriger  Brustfellentzündung, 
1  an  chronischer  Entzündung  des  Herzmuskels  und  der  Herzinnen¬ 
haut,  1  an  Schädelbruch.  . 

Ausserdem  kamen  noch  3  Todesfälle  ausserhalb  militärärzt¬ 
licher  Behandlung  vor:  1  Mann,  der  nach  Einleitung  des  In¬ 
valid  itätsverfalirens  einstweilen  zu  seinen  Familienangehörigen  be¬ 
urlaubt  worden  war,  starb  infolge  von  Lungentuberkulose;  2  Mann 
endeten  durch  Selbstmord  (davon  1  durch  Erscliiessen,  1  durch  Er¬ 
tränken).  . 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  nn 
Monat  Juni  19  Mann. 


Morbiditätsstatistikd.lnfektionskrankheitenfür  München. 

in  der  31.  Jahreswoche  vom  27.  Juli  bis  2  August  1902. 

Beteiligte  Aerzte  123.  —  Brechdurchfall  16  (19*),  Diphtherie  u. 
Kroup  6  (5),  Ervsipelas  9  (8),  Intermittens,  Neuralgia  interin. 
1  (1).  Kindbettfieber  —  (1),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 

Morl »ill i  17  (24),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  2  (1),  Parotitis 

epidem.  2  (1),  Pneumonia  crouposa  6  (7),  Pyämie,  Septikämie 
—  (  ),  Rheumatismus  art.  ac.  14  (8),  Ruhr  (Dysenteria)  .(  )> 

Scarlatina  1  ( — ),  Tussis  convulsiva  31  (37),  Typhus  abdominalis  -— 
(— ),  Varicellen  5  (2,  Variola,  Variolois  —  (— ),  Influenza  1  (  — )• 
Summa  110  (114).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  31.  Jahreswoche  vom  27.  Juli  bis  2.  August  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen  ;  Masern  —  ( — *)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Kroup  l  (-),  Rotlauf  3  (1),  Kindbettfieber  —  (-),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w-)  1  ( — ),  Brechdurchfall  11(6),  Unterleib-Typhus 
(— ),  Keuchhusten  6  (5),  Kruppöse  Lurgenentzündung  1  (1),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  19  (24),  b)  der  übrigen  Organe  7  (7),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
1  (2),  Unglücksfälle  4  (2),  Selbstmord  1  (4),  Tod  durch  fremde 
Hand  -(-)..  ,  . 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  194  (195),  Verbältniszahl  aut 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  Allgemeinen  19,9  (20,0),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  10,1  (12,9). 

*'»  Die  oineoklammcrton  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Miihlthaler’s  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München 


ftle  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöehentl 
ln  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bosen 
Breis  in  Deutschi.  u.  Oest.-Ungam  vierteljährl.  6  M 
ms  Ausland  8.—  Jt.  Einzelne  No.  80  -*J.  ’ 


MÜNCHENER 


?nmu1!'5en  Afnd  z°  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Arnulfsirasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J  F  Leh- 
mann,  Heustrasse  20.  -  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEMOINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


nerausgegeben  von 

Ä  MSr  y»«>.  «,.■«*  f,.„« 


Erlangen. 


München. 


No.  34.  26.  August  1902, 


München 


Redaktion;  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
\ erlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  Institute  für  spezielle  Pathologie  der  Universität  Pavia 

(Prof.  L.  Devot  o). 

Zur  Kenntnis  der  Präzipitinwirkung  und  der  Eiweiss¬ 
körper  des  Blutserums. 

\  on  Dr.  M.  A  s  c  o  1  i,  Assistenten  am  Institute. 

In  seiner  grundlegenden  Arbeit  über  Immunität  gegen  Pro¬ 
teide  wies  Myers  nach,  dass  das  Blutserum  von  Kaninchen,  die 
mit  aus  Blutserum  verschiedener  Tierarten  bereiteten  Globulinen 
behandelt  worden  sind,  die  Eigenschaft  hat,  mit  den  betreffen¬ 
den  Globulinlösungen  zusammengebracht  einen  Niederschlag  zu 
geben;  Myers  lieferte  gleichzeitig  den  Nachweis,  dass  diese 
Ballung  keineswegs  streng  spezifisch  ist,  da  z.  B.  ein  Oclisen- 
go  ulin  immunsei  um  auch  in  einer  aus  Schaf  serum  gewonnenen 
Globulinlösung  einen  Niederschlag  hervorruft.  Weitere  Beispiele 
der  nicht  strengen  Spezifität  der  präzipitierenden  Sera  sind  kürz¬ 
lich  von  Linossier  und  Lemoine,  H  a  1  b  a  n  und  Land- 
stemer  angeführt  worden;  ich  selbst  habe  mich  in  noch  im  vori¬ 
gen  Jahre  ausgeführten,  nicht  publizierten  Untersuchungen  über¬ 
zeugen  können,  dass  das  Blutserum  von  Kaninchen,  die  je  mit 
Pferde-,  Maulesel-,  Schaf-,  Menschenserumglobulinlösungen  rich¬ 
tig  behandelt  worden  sind,  mit  jeder  der  erwähnten  Lösungen 
einen  zwar  quantitativ  verschiedenen,  in  jedem  Palle  aber  deut¬ 
lichen  Niederschlag  gibt;  so  bestehen  z.B.  kaum  quantitative  Diffe¬ 
renzen  in  der  Fällung,  wenn  Mauleselglobulinimmunserum  mit 
i  .lulesel-  oder  Pferdeserumglobulinlösung  versetzt  wird  und  das 
gleiche  findet  mit  Pferdeglobulinimmunserum  statt;  viel  schwä¬ 
cher  und  quantitativ  abnehmend  in  folgender  Reihe  sind  die 
Niederschläge,  wenn  Ochsen-,  Schaf-,  Menschenserumglobulin- 
iosungen  zu  denselben  Immunseris  hinzugesetzt  werden.  Ent¬ 
sprechende  Unterschiede  sind  zu  bemerken,  wenn  Ochsen-,  Schaf-, 
Menschenglobulinimmunsera  mit  denselben  Lösungen  versetzt 
r  derselben  \  ersuchsreihe  hatte  ich  Gelegenheit  zu  be- 

o  ac  teil,  dass  gegen  durch  fraktionierte  Aussalzung  mit  Ammon- 
.  at  gewonnene  Pferdeserumglobulin-  und  Eiweissfraktionen 
eines  und  desselben  Serums  (Pferdeserum)  gerichtete  Immunsera 
nicht  nur  mit  der  je  zur  Behandlung  des  serumliefernden  Kanin¬ 
chens  verwendeten  Fraktion,  sondern  mit  allen  anderen  Frak- 
Ionen  ebenfalls  einen  Niederschlag  gaben,  Tatsachen,  die  kürz- 
ich  von  R  ostoski  hervorgehoben  worden  sind;  aber  auch  hier 
sind  gleichfalls  erhebliche  quantitative  Unterschiede  in  der 
Menge  des  mit  den  verschiedenen  Fraktionen  erhaltenen  Nieder- 
sc  lages  zu  konstatieren.  Aehnliche  Verhältnisse  sind  kürzlich 
. on  e  r  m  e  y  e  r  und  Pick  für  das  Eierei weiss  festgestellt 
worden  und  führten  diese  Autoren  zu  dem  Schlüsse,  dass  von 
einer  absolut  spezifischen  Wirkung  der  Präzipitine  auf  die  ein¬ 
zelnen  aus  dem  Eiklar  gewonnenen  Eiweisskörper  nicht  die  Rede 
sein  kann. 

Was  die  Verwertung  der  biologischen  Reaktion  zu  forensi- 
senen  Zwecken  anbetrifl't,  wie  sie  von  Deutsch,  Uhlenhut, 
a.ssermann  und  Schuetze  vorgeschlagen  worden  ist,  so  wird 
cieseibe  durch  die  erwähnten  Tatsachen  prinzipiell  nicht  beein- 
wachtigt  und  zwar  genügt  ihre  Kenntnis  und  die  nähere  Berück- 
'•icntignng  der  quantitativen  Verhältnisse  um  eventuelle  Irr- 
tumer  zu  vermeiden. 

No.  34. 


Vom  theoretischen  Standpunkte  erscheinen  hingegen  seine 
Beobachtungen  bezüglich  des  Studiums  der  Wirkungsweise  der 
präzipitierenden  Sera  nicht  ohne  Interesse  und  erscheint  es  uns 
geboten,  dieselben  etwas  eingehender  zu  betrachten. 

Es  ist .  zunächst  bei  der  Analyse  der  auseinandergesetzten 
J  atsachen  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  die  biologische  Reaktion 
nach  dem  Masstabe  jeder  anderen  in  der  Weise  zu  beurteilen  ist, 
dass  ein  positiver  Ausfall  einer  und  derselben  Reaktion  gegen¬ 
über  zwei  vorliegenden  Substanzen  nicht  ohne  weiteres  berechtigt, 
dieselben  als  m  ihrer  Konstitution  identisch  anzusprechen.  Wenn’ 
z.  B.  ein  durch  Behandlung  von  Versuchstieren  mit  dem  Blut¬ 
serum  eines  bestimmten  Individuums  einer  anderen  Tierart  ge¬ 
wonnenes  Immunserum  mit  dem  Blutserum  von  anderen  Indivi¬ 
duen  der  ersteren  Tierart  einen  Niederschlag  gibt,  der  vorläufig 
in  keiner  Beziehung  von  demjenigen  zu  unterscheiden  ist,  der 
bei  Zusatz  des  Immunserums  zu  dem  zur  Behandlung  dienenden 
Serum  entsteht,  so  wird  kaum  jemand  daraufhin  behaupten,  dass 
diese  Sera  verschiedener  Individuen  derselben  Spezies  unter¬ 
einander  identisch  sind;  es  ist  hingegen  in  diesem  speziellen  Falle 
wohl  anzunehmen,  dass  die  zweifellos  existierenden  individuellen 
Unterschiede  der  untersuchten  Blutsera  durch  die  zur  Verwen¬ 
dung- gekommene  biologische  Reaktion,  wenigstens  in  der  Weise, 
wie  sie  bisher  zur  Anwendung  gekommen  ist,  nicht  zu  Tage  ge¬ 
treten  sind. 

.  Wenn  es  demnach  der  positive  Ausfall  der  biologischen  Re¬ 
aktion  nicht  gestattet  daraufhin  Substanzen  als  identisch  anzu¬ 
sprechen,  so  genügt  hingegen  der  negative  Ausfall  derselben  um 
gewisse  Körper  von  anderen  die  Reaktion  gebenden  ohne  weiteres 
als  different  zu  trennen,  unter  der  natürlichen  Voraussetzung, 
dass  dieselbe  unter  im  übrigen  vollständig  gleichen  Versuchs¬ 
bedingungen  ausgeführt  wird. 

Nach  \  orausscliiekung  dieser  Bemerkungen  sind  zunächst 
die  quantitativen  Unterschiede,  die  bei  Versetzung  eines  und  des¬ 
selben  Immunserums  mit  Seris  von  Tieren  verschiedener  Art  her¬ 
vortreten,  zu  erörtern. 

Wenn  z.  B.  ein  Pferdeserumimmunserum  mit  Pferdeserum 
einen  starken,  mit  Menschenserum  einen  schwachen  Niederschlag 
gibt,  so  sind  zwei  Möglichkeiten  bezüglich  des  quantitativen 
Unterschiedes  der  entstandenen  Fällung  zu  erwägen :  entweder 
enthält  das  Immunserum  mehrere  (in  diesem  Falle  wenigstens 
zwei),  verschiedene  Anteile  der  beiden  Sera  fällende  Präzipitine, 
von  denen  das  eine  einen  beiden  Seris  gemeinsamen  Anteil,  das 
andere  einen  zweiten  Bestandteil,  der  sich  nur  im  Pferdeserum 
voi  findet,  fällt,  oder  es  ist  das  Präzipitin  des  Immunserums  ein¬ 
fach  und  im  Menschenserum  nur  weniger  fällbare  Substanz  vor¬ 
handen.  Es  ist  leicht,  den  Wert  dieser  zweiten  Annahme  in  den 
aus  derselben  folgerichtig  hervorgehenden  Konsequenzen  einer 
experimentellen  Prüfung  zu  unterziehen :  es  wäre  nämlich  auf 
Grund  derselben  zu  erwarten,  dass  bei  gleich  bleibenden  Immuii- 
i-ei  ummengen  der  Zusatz  eines  Ueberschusses  Menschenserum 
zu  dem  Gemische  (Pferdeserumimmunserum  -f-  Menschenserum) 
den  erheblichen  quantitativen  Unterschied  in  der  Fällung-  im 
\  ergleiclie  zu  jener  mit  Pferdeserum  erhaltenen  zum  Verschwin¬ 
den  bringen  würde;  der  Ausfall  des  Versuches  entspricht  aber 
nicht  im  geringsten  einer  solchen  Voraussetzung,  da  der  Unter¬ 
schied  ebenso  oder  noch  deutlicher  hervortritt.  Zu  Gunsten  der 
zuerst  erhobenen  Möglichkeit  spricht  hingegen  der  Umstand,  dass 
wir  das  entgegengesetzte  Resultat  bei  Ausführung  des’  ent- 


1410 


MUENCHENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHBIB'E 


No.  34. 


sprechenden  Versuches  mit  Menschenserum«^ 
ton  Wird  dieses  mit  Menschen-,  andererseits  mit  Eierd^eru 
versetzt,  so  fällt  mit  letzterem  der  Niederschlag  auch  beiZu^ 
eines  TTeberschusses  desselben  schwachei  aus  als  1 
serum  ein  Befund,  der  kaum  mit  der  Annahme  eines  einzigen 

Präzipitins  in  Einklang  gebracht  werden  durfte,  da  «  nicht  r«ht 

verständlich  wäre,  wieso  ein  und  dieselbe  prazipitable  > 
dcnsclln  Präzipitinen  gegenüber  sich  verschieden  verhielte. 
\uch  unter  Berücksichtigung  der  von  Halb  an  und  U»  _ 
ft  einer  betonten  hemmenden  Wirkung  der  hinzugelugte 
Normalsera  dürfte  das  verschiedene  zu  Tage  tretende  ^  haltms 
zwischen  hemmender  Wirkung  und  prazipitabler  Substanz  n 
dlmSben  Normalserum  bei  Versetzung  mit  verschiedenen 
Tmmunseris  schwer  mit  der  Annahme  eines  einzigen  Prazipit  . 

111  EWenT8n^nbrSThon  die  Betrachtung  solcher  quantitativer 
Unterschiede  in  der  Menge  des  Niederschlages  bei  Emwku  ^ 
ein  und  desselben  Immunserums  auf  verschiedene  Substanze 
die  Vermutung  nahe  legt,  dass  diese  Präzipitine  komplexer  Natur 
s“en  ™d  eine  Reihe  verschiedener  fallender  Bestandtedc  em- 
halten  so  schien  es  geboten,  auf  Grund  der  von  Ehrlich 
geführten  und  in  der  ihm  üblichen  meisterhaften  Wetse  appU- 
zirten  Methode  der  elektiven  Absorption  einen  tielcren  Pml»l 
in  diese  Verhältnisse  zu  gewinnen.  Es  bieten  ja  solche  Ve  , 

ähvSen  von  dem  Aufschlüsse,  die  von  denselben  bezüglich  der 
Wirkungsweise  der  prazipit ierenden  Sera  zu  erwarten  sind  auch 
von  einem  anderen  Gesichtspunkte  nicht  geringes  Interesse,  dass 
sic  es  nämlich  ermöglichen,  wie  aus  folgenden  Untersuchungei 
hervorgehen  wird,  verschiedene  Bestandteile  gewissei  Körper  a 
different  auseinanderzuhalten,  und  in  dieser  Hinsicht  8«^“ 
sind  einerseits  auf  anderen  Methoden  basierenden  Einteilung 
derselben  Nachdruck  zu  verleihen  und  sie  zu  bestätigen,  ander  i- 
seits  den  komplizierten  Bau  und  die  Existenz  untereinander  ver- 
schiedener  Komponenten  in  solchen  Körpern,  die  %isher 
hcitlich  aufgefasst  worden  sind,  zu  entdecken;  es  ist  mit  Wah 
scheinliclikeit  zu  erwarten,  dass  solchen  Untersuchungen  m  Zu¬ 
kunft  breitere  und  mannigfaltige  Verwendung  Vorbehalt«  .  . 

Bevor  ich  an  die  Besprechung  der  Versuche  selbst ;  heran- 

trete,  erscheint  es  zweckmässig,  noch  einige,  cie  Vm-keit 

treffende  Details,  welche  eine  Vorbedingung  der  Brauchbarkeit 
der  verwendeten  Methoden  selbst  darstellen,  etwas  naher  zu  b 
sprechen.  Da  meine  Untersuchungen  dann  gipfelten,  qualitative 
Unterschiede  durch  die  elektive  Absorption  nachzuweisen  war  e= 
notwendig,  zunächst  die  Möglichkeit  einer  vollständigen  Ent 
fermmg  bestimmter  Bestandteile  der  aufeinander  einwirkenden 
Flüssigkeiten  durch  dieselbe  festzustellen.  Es  ist  nämlich  voi 
Lin  s  i  e  r  und  I.  e  m  o  i  n  e,  und  kürzlich  von  E  i  s  e  n  b  e  g 
bei  der  Analyse  der  quantitativen  Bmdungsverhaltmsse  \on  < 
zipitinen  und  prazipitabler  Substanz  darauf  hingewiesen  werfen, 

dass  das  Resultat  der  Präzipitmreaktion  dadurch  charaktensiert 

ist  dass  ausser  dem  entstandenen  Prazipitum  m  der  betreffender 
Flüssigkeit  ITeberschüsse  beider  reagierenden  Substanzen  neben¬ 
einander  nachweisbar  sind.  Ich  hatte  gleidifalls  Gelegenheit, 
bei  meinen  seit  längerer  Zeit  im  Gange  befindlichen  Unter¬ 
suchungen  ähnliche  Verhältnisse  zu  beobachten  );  was  speziell 
die  uns  zunächst  interessierende  Frage  der  Trennung  verschie¬ 
dener  präzipitabler -Substanzen  durch  die  elektive  Absorption  be¬ 
trifft,  so  hilft  der  Zusatz  eines  Überschusses  der  betreffenden 
präzipitablen  Substanz  bei  gleichzeitiger  Berücksichtigung  de 
zeitlichen  Verhältnisse  in  befriedigender  Weise  über  diese  Hmd 
nisse  zum  Ziele  hinaus,  da  der  Versuch  zeigt,  dass,  wenn  em 
bestimmtes  Immunserum  mit  einem  Überschuss  einer  be 
stimmten  präzipitablen  Substanz  im  Kontakt  gewesen  ist  ein 
weiterer  Zusatz  derselben  keine  wahrnehmbare  Präzipitation 
Lhr  hervorruft,  im  Gegensätze  zu  jener,  die  durch  Versetzung 
desselben  Gemisches  mit  #  einer  anderen  von  den  durch 
(h,  in  Rede  stehende  Immunserum  präzipitablen  Substanzen, 
entsteht;  Tatsachen,  die  nach  den  vorhergehenden  Auseinander¬ 
setzungen  eine  Differenzierung  dieser  Substanzen  ohne  weiteres 

rechtfertigen. 


n  Ks  möge  nebenbei  hervorgehoben  sein,  dass  vielleicht  die 

Verhältnisse  zurückzutuhreu  ist. 


Freilich  war  es  bei  unseren  Versuchen  angezeigt,  wieder 
nicht  unnötiger  Weise  exzessive  Mengen  de: r  ' verschiedeneytr - 
zipitablen  Substanzen  zu  verwenden,  weil  die i  auf  d 
bewirkte  Verdünnung  des  Immunserums  auch  das  deutliche  11 
“  n  der  Wirkung  der  noch  intakten  P— -  -  te 
wendigerweise  beeinträchtigen  und  gegebenenfalls  hatte 

hindern  können.  ^  vollständigen  Abläufe  der  Reaktion  ein 

längeres  Verweilen  der  Röhrchen  im  Brutschrank  erforderlich  ist 
so  hat  mich  die  Verhütung  der  dabei  stattfindenden  1  auln 
einioe  Zeit  auf  gehalten;  anfangs  suchte  ich  diesem  Bebel  durch 
Zusatz  einer  5  proz.  Karbolsäure,  20  proz.  Glyzermlosung  wie 
sio  Koch  in  seinem  Tb- Agglutinationsstudien  angewandt  hat) 
im  Verhältnisse  von  1 : 10  und  mehr,  wenn  es  sich  um  Liweiss- 
lösungen  anstatt  Seris  handelte,  soweit  es  ohne  Eintreten  von 
Trübung  zulässig  ist,  vorzubeugen;  mit  besserem  Erfolge  habe 
ich  in  letzterer  Zeit  den  von  A  r  t  h  u  s  vorgeschlagenen  Zusatz 
gleicher  Volumina  3  proz.  Natriumflnoridlosung  erprobt 

Nachdem  sich  auf  diese  Weise  die  Brauchbarkeit  der  k 
thode  der  elektiven  Entziehung  zur  Trennung  verschiedener  Prä¬ 
zipitine  und  präzipitabler  Substanzen  bei  Berncksichti^ng  der 
erwähnten  Vorsichtsmassregeln  in  vollem  Masse  bewahrt  hatte, 
ging  ich  daran,  an  der  Hand  derselben  zu  prüfen,  inwieweit  auch 
durch  die  biologische  Reaktion  sich  Unterschiede  m  den  von 
Unmmarsten  F  u  ld  und  Spiro,  Pick  dargestellten 
Serumglobulinfraktionen  (Fibrino-,  Eu-,  Pseudoglobulin)  nimh- 
weisen  Hessen  und  ob  es  möglich  wäre  auch  im  Serumalbumm 
die  Existenz  verschiedener  Körper  nachzuweisen. 

Das  Euglobulin  wurde  aus  Pferdeserum  durch  Dialyse  ge¬ 
wonnen,  abfiltriert,  abgepresst,  4  mal  mit  destilliertem  asse 
aufgenommen,  darauf  ein  Teil  direkt  m  physiologisc  er 
Salzlösung  aufgelöst,  ein  anderer  im  \  aeuum  geteoc^et 
und  zur  Herstellung  weiterer  Losungen  aufbewal  , 
andererseits  wurden  die  Eu-  und  Ps^obulm  mk- 
tionen  ebenfalls  aus  Pferdeserum  nach  Picks  Vorschn 
durch’ fraktionierte  Fällung  mit  Ammoiisulfat  dargestellt  und 
durch  viermaliges  Wiederauflösen  und  Fallen  gereinigt.  Au 
Serumalbumin  wurden  auf  dieselbe  Weise  3  Fraktionen  ent¬ 
sprechend  Sättigung  mit  Ammonsulfat  im  Verhältnis  von  1^ 
und  17,5  nach  Hofmeister  (d.  li.  12,5  resp.  17,5  •  - 

oesättigter  Ammonsufatlösung  zu  10  Vol.  Serum)  und  kalt- 
a-esättigter  Lösung  gewonnen.  In  einer  anderen  \  ersuch&iu  t 
wurden  aus  Serumeiweiss  zwei  Fraktionen  (15  und  kaltgesattig  e 
Lösung)  dargestellt.  Bei  der  Darstellung  der  Serumalbum  - 
fraktionen  kam  es  mir  bei  diesen  Versuchen  nicht  so  sehr  darauf 
an  nach  Fraktionen  mit  bestimmten  Fällungsgrenzen  zu  fahnden 
als  prinzipiell  die  Anwesenheit  verschiedener  Substanzen  im 

Serumeiweiss  festzustellen.  _  ,  . 

Mit  frisch  bereiteten  Lösungen  dieser  Fraktionen  m 

0,85  proz.  Kochsalzlösung  wurden  nun  Kaninchen  su  vU  ™ 
behandelt,  anderen  Kaninchen  wurden  VoHseruxu  Serum 
globulin  und  Albuminlösungen  eingespritzt.  Die  aut  diese 
Weise  gewonnenen  Immunsera  wurden,  n  u  i  w  e  n  n  ■  1 
sich  stark  wirksam  erwiesen,  mit  entsprechend^ 
(homologen)  und  nicht  entsprechenden  (heterologen)  fnsche 
Fraktionlösungen  versetzt  und  zwar  mit  jenem  gerat L 
wendigen  ITeberschüsse  derselben,  damit  nach  einer  es 
Einwirkungszeit  ein  weiterer  Zusatz  der  betreffenden  Losung 
der  durch  Zentrifugieren  gewonnenen  klaren  Flüssigkeit,  keir 

Niederschlag  mehr  hervorrief.  <  ,  . 

Es  ergab  sich  nun  im  allgemeinen  das  Resultat,  dass 
denjenigen  Fällen,  in  denen  die  Immunsera 
a  u  f  d  ieho  m  ologen  Fraktionen  (nämlich  diejenigen 
die  zur  Immunisierung  des  betreffenden  Tieres  benutzt  wur  en) 
eingewirkt  hatten,  der  weitere  Zusatz  de 
nicht  homologen  Fraktionen  oder  von  V  ol 
Berum  keinen  Niederschlag  mehr  bewirkte 
während  in  den  anderen  Fallen  in  d  e  n  e  i 

Wirkung  auf  nicht  homologe  Losungen  e 
schöpft  war,  sie  ihr  Fällungsvermogen  g  c  p  c  n  ^ 

Über  den  homologen,  b  e  z  w.  oft  auch  gegen 

stimmte  andere,  nicht  homologe  Fraktionen 
und  gegenVollserum  nicht  eingebusst  hatten  ). 


2)  Um  Missverständnissen  vorzubeugen,  mochte  ich  hon  m 
heben,  dass  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  be.  geeigneter  WaM 


26.  August  1902. 


Im  folgenden  ist  an  der  Hand  einiger  Beispiele  kurz  be¬ 
stalten11’  ^  ^  S°lche  Versuche  in  ihren  Einzelheiten  ge- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1411 


Pferdeserum  b  e  - 


IV. 


S  e  r  u  m  von  K  a  u,i  u  c  b  e  n,  m  i  t 

handel  t. 

(Sera  mnl  Globulinlösungen  werden  immer  mit  gleichem  Volumen 
opioz.  Natnumfluoridlösung  versetzt,  darauf  zentrifugiert) 

I.  20  Tropfen  Serum  +  60  Tr.  Euglobulinlös.  =  +  " 
nach  24  Stdn.  zenirifugieit; 

10  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  4  Tr.  Pferdeserum  =  + 

+  6  „  Euglobulinlös.  =  — 

TT  m  dto  +  6  »  Pseudoglobulinlös.  =  + 

II.  20  Tropfen  Serum  +  60  Tr  Pseudoglobulinlös.  =  + 
nach  24  Stdn.  zentrifugiert; 

10  Pr.  der  klar.  Flüss.  +  4  Tr.  Pferdes.  =  -f 

in  ^°'  +  6  »  Euglobulinlös.  =  + 

TTT  rn  dto-  +11  „  Pseudoglobulinlös.  =  — 

II.  20  Tropfen  Serum  4-  60  Tr.  Serumalbumin  I  Fr  =  + 

™  nach  24  Stdn  zentrifugiert; 

0  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  4  Tr.  Pferdes.  =  -(- 

d4o>  +6  »  Serumalb.,  I.  Fr.  =  — 

20  Tropfen  Serum  +  60  Tr.  Serumalbumin,  II.  Fr.  =  4- 
nach  24  Stdn.  zentrifugiert; 

10  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  4  Tr.  Pferdes.  =  + 

dto  +  6  „  Serumalb.,  II.  Fr.  =  — 

\ .  20  Tropfen  Serum  +  60  Tr.  Serumalbnmin,  III.  Fr.  =  4- 
nach  24  Stdn.  zentrifugiert; 

10  Tr.  der  klar.  Flüss  +  4  Tr.  Pferdes.  =  -{- 

dto-  +6  „  Serumalb.,  III.  Fr.  =  — 

VI.  15  Tropfen  Serum  +  60  Tr.  Pferdeserum  =  f 
nach  24  Stdn.  zentrifugiert; 

10  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  4  Tr.  Pferdes.  =  + 

+  dl°-  +  6  »  Pseudoglobulinlös.  =  — 

+6  „  Serumalb.  I.  Fr.  =  — 

Serum  von  Kaninchen,  mit  Pseudoglobulin  be¬ 
hau  d  e  1  t. 

I.  10  Tropfen  Serum  +  30  Tr.  Euglobulin  =  + 

nach  24  Stdn.  zentrifugiert; 

10  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  8  Tr.  Euglob  =  — 

d^°-  +  8  „  Pseudoglob.  =  + 

d*0-  +6  „  Pferdeser.  =  + 

II.  7  Iropfen  Serum  +  30  Tr.  Pseudoglobulin  =  -f- 

nach  24  Stdn.  zentrifugiert; 

10  Tr.  der  klar.  Flüss.  -4-  8  Tr.  Euglob.  =  — 

d4°-  +  8  „  Pseudoglob.  =  — 

0  dto.  +6  „  Pferdeser.  =  — 

Serumalbumin,  in  2  Fraktionen  getrennt  (a  bP 
Serum  von  Kaninchen,  behandelt  mU  Frak¬ 
tion  a. 

I.  30  Tropfen  Serum  +  30  Tr.  Serumalbumin  Frakt.  a  =  + 

na°h  24  Stdn.  zentrifugiert; 

20  Tr.  der  klar.  Flüss  +  8  Tr.  Serumalb.  Fr.  a  =  - 

on  d4°-  +  8  »  Serumalb.  Fr.  b  =  — 

dto.  +  4  „  Pferdeser.  =  — 

II.  30  Tropfen  Serum  +  30  Tr.  Serumalbumin  Frakt.  b  =  4- 

oe  m  ,  nach  24  Stdn.  zentrifugiert  ; 
on  dh-  der  klar.  Flüss.  +  8  Tr.  Serumalb.  Fr.  a  =  + 

d^0,  +  8  „  Serumalb.  Fr.  h  =  — 

dto.  +8  „  Pferdeser.  =r  + 

Es  treten  demnach  auch  durch  die  bio- 
ogische  Reaktion  qualitative  Unterschiede 
i  en  u '  und  Pseudoglobulinfraktionen 
•  ,  °  \  u  nd  a  u  c  h  das  Serumeiweiss  erweist 

outhAt8  nl  i  eVnheitH°her  Körper,  sondern 
Wi  ?!  f‘ne  ®eihe  ’»■  Bestandteilen,  welche 
06!  zunehmender  Sättigung  mit  Ammonsulfat 

bfoWnai;delD  au,8f.aUen  und  sioh  durch 
!  S^ehe  Reaktion  als  verschiedenartig 

*■  '‘'"i"1  lassen.  Weiter  ist  bewiesen, 

d  1  e  dul'ch  Behandlung  von  Versuchs- 

weMe^lönnten  m!!Tufgm“ZeU  Mch  solclM  Fraktionen  bereitet 
teten  Frä/inum ’  1  !  d,'.e  gegen  eme  andere  Fraktion  gericli- 

bei  Innehahuno-6  Sp..  Ia^tia  lsie*’fn  vermögen;  icli  seihst  hin  zwar 
st'iri-  u-i  ,  tun»  dei  betonten  Vorbedingungen  (Verwendung  von 
z  PhaWer,  Seris  uud  frfsch  hergestellten  Lösungen  def  l  rä 

S  i \tr  ®u.hstanzen)  solchen  Verhältnissen  nicht  begegnet  1 

aktion  für  bestimmtere  erörterte+n  SPezifltät  der  biologischen  Re- 
Bedinmi  J  f +  Komponenten  der  Eiweisskörper  würden  die 
die  Knni  0  1  euieu  solchen  Fall  dann  gegeben  sein  wenn  alle 

ÄS  T1"''  Fraktion,  gegen  welche  die  ri  zi  il  £ 
anderen  ]I“m1unsenims  wirksam  sind,  auch  in  einer 

wesend  wäien  dargestellten,  nicht  homologen  Fraktion  an- 


1 1  er  en  mit  Yollseris  erzielten  Immunsera 
einen  Komplex  untereinander  differenter 
Präzipitine  enthalten,  von  denen  jedes,  mög- 
icherwei8e  jede  Gruppe  ihren  Angriffspunkt 

i  di  f  fei  enteil  Komponenten  der  entsprechen¬ 
de  n  JN  ormalsera  habe n. 

Nach  dem  Nachweise  so  komplizierter  Verhältnisse,  war  die 
zunächst  sich  aufdrangende  Frage,  ob  die  bei  Tieren  ver¬ 
schiedener  Spezies  und  verschiedenen  Tieren  derselben  Art,  durch 
Behandlung  mit  ein  und  demselben  Normalserum  entstandenen 
I  razipitme  untereinander  gleichartig  seien.  Die  Möglichkeit  der 
Losung  dieser  Frage  war  gleichfalls  an  der  Hand  der  Methode 
der  elektiven  Entziehung  gegeben,  indem  aber  in  dieser  Ver¬ 
suchsreihe  umgekehrt  den  fällbaren  Substanzen  ein  solcher 
Ueberschuss  von  Immunserum  hinzuzusetzen  war,  dass  ein 
weiteres  Hinzufügen  desselben  nach  Ablauf  der  Reaktion  keine 
Niederschlagsbildung  mehr  hervorrief.  Wenn  nun  von  zweien 
aus  verschiedenen  Tieren  durch  Behandlung  mit  denselben  Sub¬ 
stanzen  gewonnenen  Immunseris,  je  eines  seine  Wirkung  auf  die 
betreffenden  prazipitablen  Substanzen  erschöpft  hatte,  dabei  aber 
ein  weiterer  Zusatz  des  anderen  Immunserums  zu  denselben  Ge¬ 
mischen  wieder  eine  Fällung  bewirkte,  war  damit  der  Beweis  ge¬ 
liefert,  dass  die  Präzipitine  der  zwei  Sera  nicht  übereinstimmten. 
Es  war  von  vornherein  zu  erwarten,  dass  ein  solches  Verhalten 
nicht  m  allen  Fallen  deutlich  hervortreten  würde,  und  dem¬ 
gemäss  geboten,  die  Wahl  auf  besonders  günstige  Versuchs- 
ec  mgungen  zu  treffen,  um  einen  solchen  Sachverhalt  in  prä¬ 
gnanter  Weise  hervortreten  zu  lassen. 

Tatsächlich  konnte  ich  auch,  als  ich  zu  Anfang  die  Sera 
verschiedener .  gegen  Eiklar  immunisierter  Kaninchen  prüfte 
Unterschiede  m  ihren  Präzipitinen  nicht  auffinden.  Andere  Re- 
suhate  ergaben  sich  aber,  als  ich,  von  theoretischen  Erwägungen 
ezug-lich  der  An-  und  Abwesenheit  geeigneter  Rezeptoren  aus¬ 
gehend,  Kaninchen  und  Meerschweinchen  mit  demselben  de- 
fibrmierten  Hundeblut  behandelte.  Die  Untersuchung  der  best- 
1  all  enden  Sera  je  eines  Meerschweinchens  und  Kaninchens  ergab 
folgenden  Befund: 

a  =  Serum  vom  Kaninchen,  behandelt  mit  Hundeblut, 
b  —  ,  erum  vom  Meerschweinchen,  behandelt  mit  Hundeblut. 

I.  30  Tropfen  a  4-  3  Tr.  1  proz.  Hundeserum  =  -(- 
nach  16  Stdn  zentrifugiert- 

6  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  15  Tr.  a  =  ’- 

6  dto.  +15  „  b  =  + 

II.  30  Tropfen  b  +  3  Tr.  1  proz.  Hundeserum  =  + 
nach  16  Stdn  zentrifugiert;  * 

6  Tr.  der  klar.  Flüss.  +  15  Tr.  a  ==  + 

6  dto.  +15  „  b  =  - 

Es  zeigt  dieser  mit  demselben  Resultate  öfters  wieder¬ 
holte  Versuch,  dass  mit  Sicherheit  wenigstens 
relativ  quantitative  Differenzen  in  den 
diversen  Präzipitinen  der  zwei  untersuchten 
S  e  r  a  bestanden  .  Eine  weitere  höchst  merkwürdige  Eigen- 
seia  t,  welche  letztere  infolge  der  Behandlung  erlangt  hatten, 
ist  aber  im  stände,  uns  auch  die  qualitativen  Unterschiede  ihrer 
-Präzipitine  klarzulegen:  es  fällte  nämlich  das  Im¬ 
munes  er  um  obiger  Meerschweinchen  normales 
Kaninchen  serum,  nicht  aber  normales  Meer- 
scliwei  liehen  ser  um  da®  Immun  serum  des  Ka¬ 
ninchens,  normales  Meerschweinchen-,  nicht 
aber  normales  Kaninchenserum,  woraus  ohne 
weiteres  hervorgeht,  dass  jene  Inununsera,  obgleich  durch  die¬ 
selbe  Behandlung  gewonnen,  qualitativ  verschiedene  Präzipitine 
enthielten. 

Dafür,  dass  auch  individuelle  Unterschiede  in  den  von 
Tieren  derselben  Spezies  gebildeten  Präzipitinen  existieren 
können,  besitze  ich  gleichfalls  einige  Anhaltspunkte,  welche  ich 
zu  einer  besonderen  Versuchsreihe  auszubilden  gedenke. 

Wenn  wir  den  Tatsachen,  die  aus  den  vorausgehenden 
Untersuchungen  hervorgehen,  allein  das  Wort  überlassen,  so 
ist  durch  diese  bewiesen,  dass  in  der  Bildung 
der  Vielheit; von  Präzipitinen,  die  sich  in  den 
gegen  Normalsera  gerichteten  Immunseris 
vorfinden,  bei  geeigneter  Versuchsanordnung 
qualitative  und  relativ  quantitative  Art- 
™l^hiede  Tage^  treten  können;  dass 

egen  dieselben 


nämlich  verschiedene  Tiere  «■ 


1* 


1412 


MUENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCIIENSGIIRI^ 


No.  34. 


Substanzen  zum  Teil  verschiedene  Präzipi¬ 
tine  bilden,  können.  ,  , . 

Währungen  hier  Platz  zu  gewahren:  Liegt  ja  ment  a  8 
rp  c  Wertes  welcher  der  Feststellung  neuei 

nT  ^Lntat t  der  aus  denselben  hervortretenden  Bo- 

warteten  Voraussetzungen  entsprechen  ode  „u 

halb  gestattet,  unsere  Befunde  einer  analytischen  Prüfung 

“"‘T  «gegenwärtigen  wir  uns,  dass  die  gegen  verschiedene  am 
Blutserum  gewonnene  Fraktionen  gerichteten  Immunsera  die 
selben  einerseits  nicht  streng  spezifisch  fällen,  dass  aber  a"1’" 

SC  durch  die  elektive  Entziehung  das  Merkmal  der  Spezifität 
eines  Mes  teer  Wirkung  aufgedeckt  werden  kann,  so  ist  diejn 

Beobachtungen  ohne  weiteres  zu  entnehmen  dass  jene  F  k 

tioneu  in  <-ewissen  Bestandteilen  einander  ähnlich  sind,  e 
<>  ebenenf alls,  dass  sie  in  ihnen  übereinstimmen,  wahrend  andere 
Komponenten  derselben  verschiedenartig 

und  dass  demnach  anf  ein  und  dieselbe  Praktmn  mehrer^  P^ 
7:nitine  „leichzeitig  ihre  Wirkung  entfalten.  Aus  diesen  Re 

Wen  gSt  zwar  noch  nicht  mit  Sicherheit  hervor,  dass  an  dem- 
fnnden  geilt  zwa ‘  „j  verschiedene  Präzipitine  an  ver¬ 

schiedener  Stelle  eingreifen  können,  ähnlich  der  Auffassung  von 
N  e  n  c  k  i  und  Sieber,  dass  gewisse  Eiweissriesenmolekel  v  - 
mi»-e  ihrer  Seitenmolekel  verschiedene  Fermentwirkungen  zu 
entfalten  im  stände  seien;  es  geht  uns  nämlich  jede  Sicherheit 
ab  (lass  die  auf  chemischem  Wege  dargestellten  Fraktionen  emm 
einzigen  ei nhei fliehen  Körper  darstellen.  Bei  den  Schwierig¬ 
keiten  die  einer  direkten  Beweisführung  im  Wege  stehen, 
scheint  aber  eine  andere  Beobachtung,  die  wir  zu  machen  Gc 
legenheil  hatten,  jener  Auffassung  das  Wort  zu  reden:  es  sind 
nämlich  die  Immunsera  im  stände,  auch  ^t  Sp^W^uUeii 
der  präzipitablen  Substanzen  einen  schwachen  Niederschlag 
“ehe  So  füllen  Z.B.  wirksame  Pferde-  oder  Ochsenserum- 

r  '  urt  Wittes  Pepton.  Eine  ähnliche  Beob- 

lmmunsera  schwach  Wittes  repiux  ,-i1iVnj0  wübma' 

achtung  stammt  von  Eostoski,  der  auf  die  f aUende  W nW 

eines  Bence- Jones- Immunäerums  anf  menschliches  Blu 

Berum  hinwies.  Der  Umstand,  dass  bei  der  zur  Albumose-  und 

Peptonbildung  führenden  Spaltung  der  grossere  Teil  der  pra 

zipitablen  Substanz  verschwindet,  während  ein  geringerer  nocl 

bestehen  bleibt,  legt  es  nahe,  anzunehmen,  dass  gewisse  Kom 

plexe  des  Eiweissmoleküls  (Seitenketten,  Seitenmoleke!)  m 

welche  bestimmte  Präzipitine  eingreifen,  durch  die  statt 

gefundene  Verdauung  zerstört  wurden,  wahrend  andere,  noch 

den  Peptonmolekülen  gehörende  Komplexe  den  stark  positive 

Ausfall  der  Reaktion  bedingen. 

Nach  alledem  sind  wir  der  Ansicht,  dass  unsere  Versuehs- 
ergebnisse.  geeignet  sind,  der  Wahrscheinlichkeit  der  Vorstel¬ 
lungen  die  Ehrlich  über  die  Zusammensetzung  des  Eiweiss- 
moleltüls  ausgesprochen  hat,  Nachdruck  zu  verleihen  und  dass 
unsere  Befunde  die  von  verschiedenen  Seiten  angefochene  fepe 
xifltät  der  Präzipitine  in  ihr  Recht  wieder  einsetzen,  indem  sie 
einige  Bedingungen  ihrer  Wirkung,  sowie  ihre  Auffassungsweise 
in  dem  Sinne  präzisieren,  dass  nämlich  die  verschiedenen, 
in  ein  und  demselben  Immunserum  verkom¬ 
menden  Pr  äzipitineihreWirkung  spezi f isc 

auf  bestimmte  Komponenten  (Ehrliehs  Re- 
eeptoren)  der  Riesen  ei  w  eis  smolek  ule  ent- 
falten  ln  diesem  Sinne  ist  auch  zuerst  die  Spezifität  der 
Hämolysinwirkung  von  Ehrlich  und  Morgenroth  er¬ 
kannt  und  klargelegt  worden. 

Die  auseinandergesetzten  Befunde  erscheinen  uns  geeignet, 
einige  von  Obermeyer  und  Pick  beobachtete  Tatsachen, 
die  sie  zu  der  Annahme  führten,  dass  die  Präzipitinbildung  von 
den  Eiweisskörpern  unabhängig  sei,  in  ein  anderes  Licht  zu 
stellen  und  für  dieselben  eine  verschiedene  Deutung  zuzulassen. 
()  b  e  r  m  eyer  und  Pick  sind  nämlich  der  Ansicht,  dass  die 
Präzipitinbildung  von  einem  durch  die  chemische  Reinigung 
von  den  Ei  weisskörpern  nur  schwer  trennbaren  Körper  abhang 
und  dass  präzipitinogene  und  präzipitable  Substanzen  keine  Ei- 


weisskörper  sind,  erste, is  weil  durch  Trypsinv^daming  er¬ 
haltene  Spaltungsprodukte  etarf»»  "Sunptdukten 

ÄT  ihnen  durch  .  die  empfin“ 

Deuingcn,  _  „iaftirnrner  mehr  nachweisbar  sind, 

Reaktionen  keine  Eiweisskorper  mun  Biuret- 

7weitens  weil  Verdauungsgemische,  die  keine  mn 
reaktion  mehr  aufweisen,  mit  entsprechenden  Immimseus 
lvn-il-toristische  Niederschlagsbildung  hervorrufen.  Es  hat 
a-mze'jfnuge  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  jener  so  lang  um¬ 
strittenen  über  die  Eiweissnatur  der  Fmmente  dre  terzheh  du  h 
die  schönen  Untersuchungen  von  Nencki  und  ^lelDc 
P  e  k  e  1  h  a  r  i  n  g  einer  definitiven  Losung  naher  geh  < 
worden  sind.  Es  sind  gegen  die  Beweiskräftigkeit  der  Bef u  ■ 
von  Obermeyer  und  Pick,  dass  praz^rtmogene  und  pr 
zipitable  Substanzen  keine  Eiweisskorper  sind,  die  dentischen 

Eimvände  welche  gegen  die  Argumente,  die  gegen  die  Eiwe  ... 
Einwande,  vreia  *  ^  Beld  geführt  wurden,  anzufuhren,  vor 

allem  die  geringe  Empfindlichkeit  der  bekannten  Eiweissreagcn- 
tien  die  sich  auf  1:100  000  beläuft,  wahrend  mit  wirksamen 
Iimnunseris  die  biologische  Reaktion  noch  Verdünnung« 

von  über  einer  Million  (Ringprobe)  positiv  ausfallen  kann. 

Wenn  also  die  Beobachtungen  von  Obermeyer  und 

P  i  Ck  die  von  ihnen  gezogenen  Schlüsse  nicht  streng 

gen,  so  muss  allerdings  zugegeben  werden,  dass  auch  der  irt 

Gegenbeweis  schwer  zu  erbringen  ist:  haben  ja  doch  langwierige, 
eiegenDewcib  pw^cher  die  Eiweissnatuv 

mühevolle  Untersuchungen  namhaf  tei  I  ebener  me  ^ 

des  Pepsins  noch  nicht  über  jeden  Zweifel  erhoben. 

Nach  dem  oben  gelieferten  Nachweise  der  Vielheit  prazipi- 

tabier  t^önmiteirin  einer  und  derselben  Eiweissf?ktion 

scheinen  uns  aber  die  Befunde  von  Obermeyer  u 
welche  allein  sich  gegen  die  Eiweissnatur  der  P^ipitaWen  Sub¬ 
stanzen  ausgesprochen  haben,  im  Gegensätze  zu  hrerAnnÄm 
sehr  wohl  mit  der  Eiweissnatur  derselben  in  Einklang  zu  steuern, 

;  der  zu  krystallinisehen  Endprodukten  führenden,  fortschre 
tenden  Spaltung  der  Eiweisskörper  können  nämlich  m  bestimm¬ 
ten  Zeitpunkten  solche  intermediäre  _  Zwischenprodu  v  e  ^ 
stehen  in  welchen  die  gewöhnlichen  Eiweissreaktionen  nu 

starker  Konzentration  der  betreffenden  Substanzen  (also  nur  untei 

bestinnnten  günstigen  Bedingungen)  positiv  ausfaRen  wahrend 
c  in  Teil  der  präzipitablen  Komponenten  noch  so  weit  erhaltu 
ist,  dass  sie  bei  der  unvergleichlich  grösseren  Empfindhcl^ut 
der  biologischen  Reaktion  sowohl  im  Tierkorper  die  B  h 
Imiuunsubstaiizen  he, wo, rufen,  als  auch  in  vitro  noch  in  staten 
Verdünnungen  den  charakteristischen  Niederschlag  nnt  Imm 
seris  geben. 


Wenn  also  an  der  Verwertbarkeit  der  biologischen  Reaktion 
zum  Nachweis  von  Eiweisskörpern  festzuhalten  ist,  so  geben 
uns  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchungen  einige  Anhalts 
punkte  zur  Beurteilung  der  Befunde,  die  bei.  ihrer  Anwem  u  , 
zur  Verfolgung  der  Eiweisskörper  im  Organismus  wie  wir  sie 
unlängst  vorgeschlagen  haben,  erhoben  werden  Boi  der  Re 
Bprechung  des  bei  jener  Gelegenheit  erbrachten  Nachweises,  dass 
das  Eiereiweiss  im  zirkulierenden  Blute  nach  Genuss  roher  Eie  , 
ti  Nephritikern  auch  im  Harne,  aufgefunden  werden  kann, 
drückte  ich  mich  folge, , dermassen  aus:  Beim 
scheu  kann  also  das  Eiereiweiss  ohne  Einbussung  der  g 
Schaft,  von  spezifischen  Seris  gefällt  zu  werden,  also  wahrschei 
lieh  ohne  tiefgreifende  Veränderung,  sicher  ohne  vorherige 
Wandlung  in  Serum  oder  Organeiweiss  resorbiert  werden .  . 
vorliegenden  Untersuchungen  erlauben  es,  etwas  naher  zu  P 
zitieren  wie  weit  jene  Befunde  es  zulassen,  auf  die  Torrn,  uut 
welcher  die  Resorption  sich  vollzieht,  Rückschlüsse  zu  ziehen 
Der  hervorgehobene  Umstand,  dass  bei  dem  Zustandekommen 
der  Niederschläge  eine  Fülle  von  Präzipitinen  und  pra«pttabk« 
Komponenten  im  Spiele  ist,  und  dass  naturgemass  die  Anweso 
heit  je  eines  derselben  zum  positiven,  wenn  auch  schwacher 
Ausfälle  der  Reaktion  ausreicht,  zeigt,  dass  es  nicht  erlau  >  J»  > 
auf  Grund  desselben  die  Anwesenheit  unveränderten 
weisses  anzuuehmen;  es  ist  vielmehr  angemessen,  die  positiv 
Reaktion  nur  als  Nachweis  der  unveränderten  1  • 
weisskörper  oder  ihrer  S  p  altu  ngspro  duk  t  e 
zu  betrachten,  eine  Spaltung,  die  aber  nicht  bis  zu  de 
linischen  Produkten  reichen  darf,  da  denselben,  soweit  bis  j  - 
bekannt  (Leucin  nach  persönlicher  Erfahrung),  die  I  alngkeit 


26.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


geht,  mit  Immunseris  die  Reaktion  in  vitro  auszulösen  und  im 
Tierorganismus  die  Entstehung  von  Präzipitinen  hervorzurufen 
Pa  vi  a,  14.  Juli  1902. 

Lite  r  a  t  u  r: 

Walter  Myers:  Centralbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  28  No  8/9 
G.  Li  nossier  und  G.  H.  Lern  eine:  Compt.  rend.  Biol  1902 

r/h"  Sr  n„b 'i”ul  Ltanp.tf.1“er:  m«W  A  t“ 

.  ein.  1J0_,  No.  12.  -  Eostoski:  Ibid.  1902,  No  18  _  p  o  b  e  v 
meyer  und  EP.  Pick- Wien:  Klin.  Rundschau  1902',  No.  lö! 

M  f  rV  iE  1  S  b  eI  g‘  Bul1,  Aca(h  Sc.  Cracovie,  Mai  1902  — 
M.  A  1 1  h  u  s:  Compt.  rend.  Biol.  1902.  —  E.  F  u  1  d  lUKi  K  Sn  i  r  ,»• 
Hoppe-Seylers  Zeitselir.  f.  physiol.  Cliem.  Bd.  31  —  E  p  picl- 
Beitr.  z.  ehern.  Physiol.  und  Path.  Bd.  1.  _  M  Nennl-i  ,™i 

C  f 1  pboV‘:  1?°P? -'SeylerS  Zeitsclu'  f-  Phys.  Chem.  Bd.  32.  - 
^  B  e  k  e  |  1  a  1  1 11  s:  Hoppe-Seylers  Zeitselir.  f.  phys.  Cliem 
Bd.  3o.  —  I  Ehrlich  und  J.  Morgenroth:  Beil  klin 
Wochenschr.  1899—1900—1901.  —  M.  AscolP  Müncl  ,  P  ' 
Wochenschr.  1902,  No  10.  -  r.  Eh  rlicli:  SauerstolÄltiS 
des  Organismus.  Berlin,  Hirschwald,  1885. 


1413 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Basel 
(Direktor:  Prof.  Dr.  Er.  Müller). 

Ueber  den  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisskörper 
der  Exsudate  und  des  Urins. 

\  Oll  Dr.  Rudolf  S  t  a  e  h  e  1  i  n,  I.  Assistenzarzt  der  Klinik. 

In  seiner  Arbeit  „Ueber  autolytische  Vorgänge  in  Ex¬ 
sudaten  m  Ko.  28  dieser  Wochenschr.  beschreibt  ümbe  r  einen 
durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisskörper,  der  in  Exsudaten  vor- 
kommL  Ich  habe  mich  auf  Veranlassung  von  Herrn  Prof. 

rr*  “,u.llef  Sft  mehr  als  einem  Jahre  mit  dieser  Substanz 
beschäftigt,  fand  aber  bisher  nicht  Zeit,  die  Untersuchung  so¬ 
weit  zu  fuhren,  wie  ich  wollte.  Die  Publikation  U  m  bers  ver¬ 
anlasst  mich  nun,  jetzt  schon  mitzuteilen,  was  ich  bisher  ge¬ 
funden  habe. 

Veranlassung  zu  der  Arbeit  bildeten  Untersuchungen  über 
die  Unterscheidung  zwischen  Exsudaten  und  Transsudaten, 
welche  schon  seit  fast  3  Jahren  an  der  Basler  medizinischen 
Klinik  ausgefuhrt  werden.  Es  sollte  festgestellt  werden,  ob  die 
von  einigen  Seiten1)  gemachte  Angabe  richtig  ist,  wonach  in 
entzündlichen  Ergüssen  der  Körperhöhlen  Essigsäure  schon  in 
der  Kalte  eine  Trübung  hervorruft,  während  der  negative  Aus¬ 
fall  der  Reaktion  für  die  Abwesenheit  entzündlicher  Prozesse 
e  arakteristisch  ist.  Ein  solches  differentialdiagnostisches  Merk¬ 
mal  wurde  deswegen  von  grossem  Wert  sein,  weil  die  bisherige 
Unterscheidung  mittels  des  spezifischen  Gewichts  bekanntlich 
keineswegs  genügt  und  der  Eiweissgehalt,  welcher  ja  das  spe¬ 
zifische  Gewicht  bedingt '),  nicht  nur  von  der  Natur  des  Krank¬ 
heitsprozesses  abhängig  ist,  sondern  in  hohem  Masse  durch  den 
Ernährungszustand  des  Individuums  beeinflusst  wird. 

......  B  m  b  er  sagt,  er  halte  es  für  möglich,  dass  die  Essigsäure- 

tallung  in  serösen  Ergüssen  eine  pathognomonische  Bedeutung 
m  dieser  Hinsicht  erlangen  könne.  Das  ist  mit  einer  gewissen 
Einschränkung  tatsächlich  der  Fall.  Wie  schon  Runeber^) 
betont,  kann  auch  in  nichtentzündlichen  Ergüssen  Essigsäure- 
zusatz  eine  Trübung  hervorrufen.  Die  Eifahrungen  der  Basler 
edizinischen  Klinik  bestätigen  das  vollkommen.  In  allen  ent- 
zun  ic  len  Exsudaten  konnte  bei  einer  geringen  Menge  ver- 
■J*.*11,1  61  ssigsäure  m  der  Kälte  eine  starke  Trübung  konstatiert 
ctn!.  C1  den  nichtentzündlichen  blieb  sie  meist  aus,  doch  er- 
ougte  bisweilen  auch  m  sicheren  Transsudaten,  selbst  in  solchen, 

...  ,  C  enen,  dle  .  Sektion  die  Abwesenheit  von  Entzündungs- 
i  "S?\beStaÜ^  Essigsäure  eine  geringe  Trübung.  Da  aber 

d,o  l  u-  £n?  lmmer  nur  äusserst  schwach  ausfiel,  so  wird  hie- 
tuich  die  Bedeutung  dieser  Reaktion  als  eines  wertvollen  diffe- 
ren t la  Idi  agnos  tischen  Hilfsmittels  nicht  beeinträchtigt, 
wnv  V a  nUn  CJle  Jla8’n°stische  Wichtigkeit  dieser  Reaktion  klar 
ag,6S  nah£  zu  untersuehen,  welcher  Natur  die  Substanz  ist, 
exsndof durch  Essigsäure  ausfällt.  Ich  habe  daher  11  Pleura- 
p  •,  e+-V°n  \  ^  atieuten,  1  Peritonealexsudat  von  tuberkulöser 
ntomtis  und  2  Aszitesflüssigkeiten  auf  diesen  Körper  unter- 

SahnRTil?.ibe1rgi  BeH-  kliu-  Wochenschr.  1897,  S.  710.  _ 
1902,  8  701  UbUCh  d‘  klin'  Entersuchungsmetlioden,  III.  Aufl., 

berg-  Deutth  ^  f‘  klil1'  Med->  Bd-  28.  _  Rune- 

•  i  S;  Arch  l  klm.  Med.,  Bd.  34,  S,  1;  Bd.  35,  S.  2GG. 

’  Ku  nebe  rg:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1897  8  710 

No.  34. 


sucht.  Die  Reindarstellung  stiess  insofern  auf  Schwierigkeiten, 
als  der  durch  Essigsäure  erzeugte  Niederschlag  nicht  einlach 
mittels  Filtration  gewonnen  werden  konnte.  Die  ganze  Flüssig¬ 
keit  wird  dabei  nämlich  durch  Azidalbuminbildung  in  eine 
schleimig-gallertige  Masse  verwandelt,  welche  keine  Filter  pas¬ 
siert.  Bisweilen  konnte  durch  Verdünnen  diese  Konsistenz  Ver¬ 
änderung  vermieden  werden;  meistens  aber  wurde  so  verfahren, 
c  ass  das  ganze  Exsudat  mit  grossen  Mengen  von  Alkohol  versetzt 
und  der  Niederschlag  mit  Wasser  extrahiert  wurde.  Wenn  man 
rasch  arbeitet,  löst  sich  der  Körper  gut  und  kann  dann  durch 
Essigsaurezusatz  wieder  gefällt  und  so  vom  Serumalbumin  ge¬ 
trennt  werden,  das  durch  Alkohol  ebenfalls  nur  wenig  koaguliert 
wird  Der  Niederschlag  wurde  dann  durch  Waschen  mit  essig- 
saurehaltigem  Wasser,  Alkohol  und  Aether  oder  durch  Dialyse 
gereinigt.  Die  Ausbeute  schwankte  von  0,2  bis  1,4  Prom. 

Die  Substanz  gibt  Biuret-,  M  i  1 1  o  n  sehe  und  Xanthoprotein¬ 
reaktion,  starke  Furfurolreaktion  nach  M  o  1  i  s  c  h,  Adam- 
kifwicz  sehe  und  Liebermann  sehe  Reaktion.  Die  Re¬ 
aktion  auf  leicht  abspaltbaren  Schwefel  ist  stark  positiv  Durch 
Kochen  in  neutraler  Lösung  fällt  der  Körper  nicht  aus,  auch 
nicht  durch  Dialyse.  Durch  Halbsättigung  mit  Ammonsulfat 
wird  er  gefallt,  ebenso  durch  Sättigung  mit  Magnesiumsulfat. 
Bei  Zusatz  von  wenig  Essigsäure  zu  der  wässerigen  Lösung  fällt 
er  aus,  m  einem  mässigen  Ueberschuss  von  Essigsäure  löst  er  sich 
wieder.  Stumpft  man  die  Säure  ab,  so  fällt  er  wieder  aus,  setzt 
man  noch  mehr  Alkali  bis  zur  neutralen  oder  schwach  alkalischen 
Reaktion  zu,  so  löst  er  sich  wieder.  Beim  Verdauen  mit  Pepsin 
und  Salzsäure  bildet  sich  ein  Niederschlag,  der  sich  bei  Fort¬ 
setzung  der  Verdauung  wieder  teilweise  löst. 

Dieses  Verhalten  bei  der  Pepsinverdauung  hat  schon 
i  aijkull  )  bei  einem  Körper,  den  er  durch  Essigsäurefällung 
aus  Exsudaten  gewonnen  hatte,  beobachtet  und  er  hat  deshalb 
an  JNukleoalbumin  gedacht.  Aus  diesem  Grund  hat  er,  wie  mir 
Herr  Prof.  Hammarsten  brieflich  mitzuteilen  die  Güte 
hatte,  den  bei  der  Pepsinverdauung  entstandenen  Niederschlag 
auf  Phosphor  untersucht  und  zwar  mit  positivem  Erfolg.  Mir 
ist  es  dagegen  ebensowenig  wie  Umber  gelungen,  in  dem 
Körper  Phosphor  nachzuweisen,  obschon  ich  4  mal  darnach  °-e- 
sucht  und  1  mal  7  g  dev  Substanz  zur  Untersuchung  verwendet 
labe.  . Es  besteht  somit  eine  Differenz  zwischen  Paijkull 
einerseits,  U  mber  und  mir  andrerseits.  Dass  Paijkull  mit 
unreinem  Material  gearbeitet  hätte,  ist  wohl  ausgeschlossen,  da 
er  die  Substanz  durch  3  maliges  Auflösen  in  Wasser  mit  Hilfe 
von  möglichst  wenig  Alkali  und  Ausfällen  mit  Essigsäure,  end¬ 
lich  durch  Auswaschen  gereinigt  hat.  Also  scheint  Paijkull 
einen  anderen  Körper  als  wir  in  Händen  gehabt  zu  haben.  Herr 
Prof.  Ilammarsten  schreibt,  dass  die  Substanz  P  a  i  j  - 
k  u  1 1  s  nur  in  gewissen  Exsudaten  vorhanden  war,  und  hält  sie 
für  ein  Nukleoproteid,  welches  man  regelmässig  aus  Leukocyten 
und  Eiterkörperchen  erhält. 

Der  regelmässig  in  den  entzündlichen  Exsudaten  vorhandene 
Ei  weisskörper  kann  aber  kein  Nukleoalbumin  sein.  Umber 
gibt  an,  er  stehe  den  Müzinen  nahe  und  nennt  ihn  deshalb 
Serosamuzin.  Es  ist  vielleicht  verfrüht,  einem  Eiweisskörper, 
dessen  Natur  noch  nicht  besser  aufgeklärt  ist,  einen  solchen 
IN  amen  zu  geben.  Es  könnte  sonst  leicht  noch  mehr  Verwirrung 
m  die  Nomenklatur  der  Eiweisschemie  gebracht  werden  als  schon 
besteht.  Der  Name  ist  besonders  deshalb  nicht  zutreffend,  weil 
erhebliche  Unterschiede  gegenüber  den  Müzinen  vorhanden  sind. 
Umber  selbst  führt  als  solche  die  Ergebnisse  der  Elementar¬ 
analyse  und  den  minimalen  Gehalt  an  reduzierender  Substanz  an. 
Uebrigens,  wenn  es  auch  gelungen  wäre,  erhebliche  Mengen  re¬ 
duzierender  Substanz  nachzuweisen,  so  wäre  damit  die  Muzin¬ 
natur  des  Körpers  noch  nicht  bewiesen,  da  sich  auch  aus  an¬ 
deren  Eiweisskörpern  Kohlehydrate  gewinnen  lassen.  Gelang  es 
doch  Langstein  j,  in  allen  untersuchten  Eiweisstoffen  des 
Eierklars  Chitosamin  nachzuweisen.  Er  sagt;  deshalb  °) :  „Es 
dürfte  zu  einer  verhängnisvollen  Verwirrung  führen,  wenn  man 
alle  Kohlehydrat  abspaltenden  Eiweisstoffe  als  Müzine  bezeichnen 
wollte.  Vor  allein  müsste  man  die  im  Tierreich  vorkommenden 
Eiweisstoffe  mit  wenigen  Ausnahmen  als  Müzine  bezeichnen  und 

4)  lief,  von  H  a  m  m  arsten  in  Malys  Jaliresber  f  Tier¬ 
chemie,  XXV.,  1892,  s.  558. 

2  bangstein:  Beitr.  z.  chem.  Phys.  u.  Patli.,  Bd.  1,  S.  83. 

°)  a.  a.  O.,  S.  95. 


2 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  S4. 


1414 _ 

es  würde  z.  B.  das  Albumen  des  Eies,  das  „Eiweiss“  als  ana¬ 
tomischer  Begriff,  dann  überhaupt  kein  Eiweiss,  sondern  nur 

Müzine  enthalten“.  •  ^  tx- 

Der  in  Erage  stehende  Eiweisskörper  steht  durch  seine  Los- 

licddnlts Verhältnisse  den  Globulinen  näher  als  den  Muzmen. 
Dass  er  durch  Sättigung  mit  Magnesiumsulfat  und  Halbs attigung 
mit  Ammonsulfat  ausfällt  und  sich  in  überschüssiger  Essigsäure 
leicht  löst,  hat  er  mit  den  Globulinen  gemein  Er  unterscheid 
sich  aber  wieder  von  ihnen  dadurch,  dass  er  durch  Dialyse  nicht 
gefällt  wird.  Eür  die  Stellung  des  Körpers  wäre  es  wichtig,  den 
bei  der  Pepsinverdauung  entstehenden  Niederschlag  genauer  zu 
kennen.  Er  kann  vielleicht  der  Dysalbumose  Kühnes  ent¬ 
sprechen.  Leider  habe  ich  bisher  noch  nicht  genug  Material  sam¬ 
meln  können,  um  diesen  Niederschlag  genauer  zu  untersuchen. 

Da  wir  also  über  die  Stellung  des  Eiweisskörpers  noch  im  Un¬ 
klaren  sind,  möchte  ich  vorschlagen,  ihn  einstweilen  noch  den 
durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisskorper  der  Exsudate 

nennen. 

Ich  versuchte  nun  festzustellen,  ob  der  durch  Essigsäure  fall¬ 
bare  Eiweisskörper,  der  häufig  im  Urin  auftritt,  identisch  sei  mit 
dem  der  Exsudate.  Leider  gelang  es  mir  bisher  aus  Mangel  an 
Zeit  und  an  Material  nicht,  die  Untersuchung  zu  Ende  zu  fuhren. 
Ich  möchte  hier  nur  einiges  erwähnen,  was  ich  bisher  ge  un  en 
habe.  Ich  habe  vorerst  nur  ikterischen  Urin  in  Arbeit  genommen, 
weil  in  diesem  die  Trübung  durch  Essigsäure  besonders  reichlich 

ausfällt.  •  . 

Dass  häufig  im  Urin  durch  Zusatz  von  Essigsäure  in  der 
Kälte  eine  Trübung  auftritt,  ist  schon  lange  bekannt. 
Reissner7)  hat  sie  schon  1862  nachgewiesen  und  er  sah  die 
Substanz,  welche  die  Trübung  bedingt,  als  Muzin  an.  Spater 
hat  Leube8)  einen  ähnlichen  Körper  beschrieben  und  Para¬ 
albumin  genannt.  Hofmeister")  hat  ihn  als  muzinahnliche 
Substanz  bezeichnet  und  P  o  s  n  e  r  10)  hat  sich  ihm  angeschlossen. 
Fürbringer11)  hat  einen  ebenfalls  durch  Essigsäure  fall 
baren  Eiweisskörper  mit  der  Bence-Jones  sehen  Albumose 
in  gleiche  Linie  gestellt.  Werner12)  hat  mitgeteilt  dass  m 
einem  Harn,  der  nur  Globulin  und  kein  Albumin  enthielt,  durch 
Essigsäure  schon  in  der  Kälte  eine  Fällung  zu  erreichen  war 
Er.  Müller13)  hat  dann  den  Körper  genau  untersucht  und  aut 
Grund  seiner  Fällbarkeit  durch  Sättigung  mit  Magnesium¬ 
sulfat  als  Globulin  angesprochen.  Später  hat  ihn  Huppert  ) 
auf  Grund  seiner  Aehnlichkeit  mit  dem  Nukleoalbumin  der  Galle 
als  Nukleoalbumin  bezeichnet.  Obermayer1')  hat  dann  auf 
das  regelmässige  reichliche  Vorkommen  im  ikterischen  Urin  hin¬ 
gewiesen  und  gestützt  darauf,  dass  er  Phosphor  nachweisen 
konnte,  die  Meinung  geäussert,  die  Substanz  bestehe  wenigstens 
teilweise  aus  Nukleoalbumin.  Doch  hat  er,  wie  er  selbst  angibt, 
keinen  reinen  Körper  in  Händen  gehabt.  Seither  wurde  die  uns 
interessierende  Substanz  als  Nukleoalbumin  angesehen  und  auch 
Ott10)  schloss  sich  dieser  Meinung  an,  obschon  es  ihm  nicht 
gelang,  Phosphor  nachzuweisen.  Er  suchte  die  Ursache  dafür, 
dass  in  der  Asche  die  Phosphorreaktion  negativ  ausfiel,  in  seiner 
Methode  der  Reindarstellung  und  glaubte  durch  die  Anwendung 
starker  Salzsäure  das  Nuklein  abgespalten  zu  haben.  P  i  chl  er 
und  Vogt 17)  sahen  den  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweiss¬ 
körper  im  Harn,  den  sie  wie  Schreiber18)  nach  Kompression 
des  Thorax,  ferner  nach  Behinderung  der  Nierenzirkulation  beob¬ 
achteten,  auch  als  Nukleoalbumin  an.  Endlich  hat  Jo  11  es1) 


n  Reissner:  Vircliows  Arch.,  Bd.  24,  S.  191. 

s)  Leube:  Sitzungsber.  d.  phys.-med.  Societät  zu  Erlangen, 

Lief.  10,  Jahrg.  1878.  . 

»)  Hofmeister:  Zeitsclir.  f.  pliys.  Chemie,  Bd.  4,  1880, 

K  253. 

lu)  1*  o  s  n  e  r:  Vircliows  Arc-h.,  Bd.  104,  S.  497.^ 

D  F  ü  r  bringe  r:  Berl.  klin.  W  ocliensclir.  1 8 1 8,  7. 
i-i  Werner:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1883,  No.  4G. 

13)  jy j._  Müller:  Mitteil.  a.  d.  med.  Klinik  zu  Würzburg,  I., 

1885,  S.  259.  ,  ,  , 

14)  Huppert  in  Neubauer  und  Vogel:  Anleitung  zui 

Analyse  des  Harns,  9.  Aull.,  1890,  S.  277. 

Obermayer:  Centralbl.  f.  klin.  Med.,  13.,  189-,  S.  1. 
v')  Ad.  Ott:  Verliandl.  d.  Ivongr.  f.  inn.  Med.,  XIII.,  1SJ.>, 
S.  490;  Zeitsclir.  f.  Heilk.,  XVI.,  1895,  S.  177. 

IT)  Pichler  und  Vogt:  Centralbl.  f.  klin.  Med.,  Io.,  1894, 

15)  Schreiber:  Arch.  f.  experim.  Fath.,  19.,  1885,  S.  255; 

20,  1886,  S.  80.  c  no« 

IU)  Ad.  J  olles:  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie,  2o.,  1898,  S.  -30. 


im  Harn  von  Patienten,  die  an  Eiterungen  litten,  und  von 
Pseudoleukämiekranken20)  eine  Substanz  durch  Essigsau  io 
fällt,  die  er  als  Nukleoliiston  erklärt  barm  )  <!««<*“•  « 

unter  Senators  Leitung  200  Ur.ne  untersucht  hat.  ist  der 
Ansicht,  dass  es  sich  in  den  meisten  Fällen  um  Glob nlin  handelt, 
weil  er  den  Körper  in  stärkerer  Essigsäure  leicht  löslich,  m  Sal 

petersäure  unlöslich  fand. 

Die  ganze  Frage  wurde  durch  Iv.  A.  H.  M  ö  r  n  e  1  )  in  ein 
neues  Licht  gerückt.  Monier  wies  nach,  dass  die  un  Bomdm 
Urin  fast  immer  nach  Essigsäurezusatz  auftretende  Trübung 
durch  Albumin  bedingt  ist,  welches  durch  Chondroitmschwefe  - 
säure,  Nukleinsäure  oder  Taurocholsäure  niedergeschlagen  wild. 
Die  in  pathologischen  Zuständen  auftretende  stärkere  Fallu  g 
wird  bedingt  durch  stärkeren  Eiweissgehalt  des  Urins  allein  od 
verbunden  mit  vermehrter  Ausscheidung  eiweissfallender  SuL 
stanzen,  also  namentlich  beim  Ikterus  Taurocholsäure  Ich  ver¬ 
suchte  nun  zu  entscheiden,  ob  die  im  ikterischen  Harn  bei  Essig¬ 
säurezusatz  auf  tretende  Trübung  nur  durch  dre  von  Morn  e 
nachgewiesenen  Eiweissverbindungen  bedingt  werde  ot  er 
eine  andere  Substanz  dabei  beteiligten  *  Zu  diesem l /weck  untei- 
suchte  ich  zuerst  auf  Phosphorsäure.  Der  durch  Essigsäure  er¬ 
zeugte  Niederschlag  wurde  durch  wiederholtes  Losen  m  4  proz. 
Natronlauge  und  Fällen  mit  verdünnter  Essigsäure  gereinig  , 
dann  mit  Soda  und  Salpeter  geschmolzen  und  die  Asche  mit 
molybdaensaurem  Ammon  auf  Phosphor  untersucht.  Als  die  Re¬ 
aktion  negativ  ausfiel,  schien  die  Möglichkeit  nicht  ausg 
schlossen,  dass  der  Körper  durch  die  Methode  gespalten  worden 
sei.  Deshalb  wurde  eine  weitere  Portion  ohne  Anwendung  von 
Alkali  nur  durch  Waschen  mit  essigsäurehaltigem  Wasser,  Alko¬ 
hol  und  Aether  gereinigt  und  auf  Phosphor  untersucht.  uc  i 
so  liess  sich  kein  Phosphor  nachweisen.  Also  konnte  es  sich  nie 
um  Nukleoalbumin  handeln.  Durch  24  stündige  Digestion  mit 
Salzsäure  wurde  keine  reduzierende  Substanz  abgespalten,  wie 
übrigens  schon  Fr.  Müller  ")  und  O  1 1  ")  gezeigt  haben.  Auch 
Schwefelsäure  konnte  nach  der  Digestion  mit  Salzsaure  nicht 
nachgewiesen  werden.  Somit  konnte  auch  die  Chondroitm- 
schwefelsäure  keine  wesentliche  Rolle  spielen.  \  on  den  S 
stanzen,  welche  M  örne  r  anführt,  kam  also  nur  noch  Taurochol¬ 
säure  in  Betracht.  Um  zu  entscheiden,  ob  taurocholsaures  L  - 
weiss  die  einzige  durch  die  Essigsäure  gefällte  Substanz  sei,  wurde 
der  Urin  mit  der  gleichen  Menge  gesättigter  Ammonsulfatlosung 
versetzt,  wodurch  eine  starke  Trübung  entstand,  und  filtriert. 
Im  Filtrat  erzeugte  Essigsäure  nur  eine  geringe  Trübung,  we  c  e 
wohl  durch  taurocholsaures  Eiweiss  bedingt  sein  konnte.  Der 
Rückstand  wurde  mit  halbgesättigter  Ammonsulfatlosung  ge¬ 
waschen  und  in  Wasser  gelöst.  In  dieser  Lösung  zeigte  Essig¬ 
säure  eine  starke  Trübung.  Diese  konnte  nicht  auf  taurochol- 
saurem  Eiweiss  beruhen,  da  ja  die  Gallensauren  durch  Ammon¬ 
sulfat  nicht  freigemacht  werden  und  nicht  auf  das  Eiweiss  ein¬ 
wirken  können,  sondern  in  Lösung  bleiben.  Der  durch  Ainmon- 
sulfat  gebildete  Niederschlag  musste  daher  eine  andere  bubstanz 
sein.  Eine  andere  Portion  Urin  wurde  durch  Alkohol  gefallt,  der 
Niederschlag  wurde  mit  Alkohol  gewaschen  und  in  Wasser  gelost. 
In  der  Lösung  erzeugte  Essigsäurezusatz  eine  Trübung.^  uci 
hier  ist  taurocholsaures  Eiweiss  ausgeschlossen,  da  die  Gallen¬ 
säuren  in  den  Alkohol  übergehen  mussten.  Es  muss  also  ein 
durch  Essigsäure  fällbarer  Eiweisskörper  vorhanden  sein,  der 
nicht  den  von  Mörner  nachgewiesenen  entspricht.  D leser 
zeigt  mit  dem  der  Exsudate  grosse  Aehnlichkeit.  Beide  haben 
miteinander  gemein,  dass  sie  durch  Sättigung  mit  Magnesium- 
sulfat  und  Halbsättigung  mit  Ammonsulfat  ausfallen,  durch  ver¬ 
dünnte  Essigsäure  gefällt  und  durch  überschüssige  wieder  ge¬ 
löst  werden,  sämtliche  Eiweissreaktionen  geben,  m  Natronlauge 
gelöst  werden,  ohne  ihre  Fällbarkeit  durch  Essigsäure  zu  ver¬ 
lieren.  Diese  Tatsachen  lassen  die  Vermutung  aufkommen,  dass 
in  Exsudaten  und  in  gewissen  ürinen  ein  ähnlicher,  durch  Essig¬ 
säure  fällbarer  Eiweisskörper  vorkommt,  der  den  Globulinen  nahe¬ 
stehen  dürfte.  Ob  es  der  gleiche  Körper  ist  und  welche  Stellung 


20)  Derselbe:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  34.,  1898,  S.  53. 

21)  Sarzin:  Ueber  Nukleoalbumin  im  Harn.  Inaug.-Di.  s„ 

Berlin  1894.  ,  .  ico-, 

22)  K.  A.  H.  M  ö  r  n  e  r:  gkandinav.  Arch.  f.  Phys.,  0.,  ISA » 

23) 'a.  a.  O.,  S.  201. 

24)  a.  a.  O.,  S  .180. 


26.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1415 


er  in  der  Reihe  der  Eiweisstoffe  einnimmt,  lässt  sich  nach  den 
bisherigen  Untersuchungen  noch  nicht  entscheiden. 

Anschliessend  möchte  ich  noch  hinzufügen,  dass  auch  im 
Serum  von  Vesikatorenblasen,  wie  sie  an  der  Basler  medizinischen 
Klinik  zum  Zweck  der  Agglutination  bei  Typhuskranken  gesetzt 
werden,  durch  verdünnte  Essigsäure  ein  ziemlich  starker  Nieder¬ 
schlag  entsteht,  der  sich  im  Ueberschuss  sehr  leicht  wieder  löst. 
Wegen  der  geringen  Menge  von  Material  konnte  aber  die  Natur 
dieses  Körpers  nicht  genauer  festgestellt  werden. 


Aus  der  orthopädischen  Anstalt  von  Dr.  Peter  Bade  in  Hannover. 


Zur  Frühdiagnose  der  angeborenen  Subluxatio  und 

Luxatio  coxae. 


Von  Dr.  Peter  Bade  in  Hannover. 


In  der  Literatur  sind  verschiedene  Fälle  von  Subluxationen 
dos  Hüftgelenks  kongenitaler  Natur  beschrieben  worden,  so 
namentlich  von  Zenker,  Schede,  Joachimsthal  und 
kürzlich  von  Walther  (Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  14). 
W  a  1 1  h  e  r  beschreibt  10  Fälle,  die  dem  Material  der  Lange- 
schen  Klinik  in  München  entstammen.  Im  Anschluss  an  diese 
lälle  sei  es  mir  gestattet,  auf  eine  Beobachtung  hinzuweisen,  die 
mit  den  Walther  sehen  Befunden  in  Einklang  steht,  eine  Be¬ 
obachtung,  die  ich  im  Jahre  1900  an  dem  Studium  von  150 
Luxationsröntgenogrammen  der  IL  o  f  f  a  sehen  Klinik  machte. 
Ich  stellte  damals  fest,  dass  in  mehr  als  25  Proz.  der  Fälle  bei 
zweifellos  einseitiger,  angeborener  Hüftluxation  auch  Verände¬ 
rungen  im  Hüftgelenk  der  gesunden  Seite  vorhanden  waren.  Es 
handelte  sich  im  wesentlichen  immer  um  eine  zu  weite  Pfanne, 
um  ein  abgeflachtes  oberes  Pfannendach,  so  dass,  wenn  man  die 
Stelle  des  Kopfes  auf  dem  Röntgenogramm  verdeckte,  jeder  un¬ 
befangene  Beobachter  die  Pfanne  für  eine  typische  Luxations¬ 
pfanne  erklären  musste  (Bade:  Wiener  klin.  Rundschau  1900, 
No.  45,  46,  48).  Diese  Befunde  sind  namentlich  von  Joachims- 
t  h  a  1  bestätigt  worden.  Dieser  zeigte  auf  dem  vorjährigen 
Chirurgenkongress  und  diesjährigen  Kongress  für  chirurgische 
Orthopädie  Röntgenogramme,  welche  an  der  einen  Seite  typische 
Luxatio  coxae,  an  der  anderen  Seite  Veränderungen  des  Gelenkes 
zeigten,  die  als  Vorstufe  zur  Luxation  anzusehen  waren.  Auf 
Grund  dieser  Befunde  gewinnt  die  Frage  nach  der  Aetiologie 
und  namentlich  nach  der  Frühdiagnose  der  Luxation  und  der 
davon  abhängenden  zweckmässigen  Behandlung  wieder  an  Inter¬ 
esse. 


Walther  erkennt  die  Wichtigkeit  dieser  Frage,  indem  er 
die  Forderung  stellt,  die  Behandlung  möglichst  frühzeitig  zu  be¬ 
ginnen,  wenn  es  sich  bei  der  kongenitalen  Luxation  in  Wirklich¬ 
keit  nicht  um  ein  angeborenes  Leiden,  sondern  nur  um  die  an¬ 
geborene  Disposition  zur  Luxation  handle.  Wäre  nur  eine  Dis¬ 
position  vorhanden,  so  müsse  es  Aufgabe  der  Therapie  sein,  das 
völlige  Austreten  des  Kopfes  aus  einer  zu  weiten  Pfanne  zu 
verhindern. 

Ls  handelt  sich  also  darum,  möglichst  frühzeitig  die  Dia¬ 
gnose  angeborene  Luxation  oder  Subluxation  zu  stellen. 


Lorenz  hat  an  1000  Neugeborenen,  die  er  im  Wiener  Fin¬ 
delhaus  auf  kongenitale  Hüftluxation  hin  untersuchte,  nicht  ein 
einziges  Mal  die  Luxation  nachweisen  können.  Diese  Tatsache 
scheint  mehr  für  die  angeborene  Disposition  zur  Luxation  zu 
sprechen.  G  r  a  w  i  t  z  dagegen  stellte  an  7  Leichen  von  Neu¬ 
geborenen  das  \  orhande-nsein  einer  wirklich  angeborenen  Luxatio 
coxae  fest.  Damit  ist  bewiesen,  dass  schon  bei  der  Geburt  eine 
vollständig  ausgebildete  Luxatio  coxae  vorhanden  sein  kann. 
Andererseits  beweisen  die  Befunde  von  Walther  und  mir, 
dass  es  auch  ausserdem  noch  eine  angeborene  Disposition  zur 
Luxation  geben  kann.  Diese  Disposition  zeigt  sich  in  Verände¬ 
rungen,  welche  erstens  die  Pfanne,  zweitens  den  Kopf  und  das 
obere  Femurende  und  drittens  die  Stellung  des  Kopfes  zur  Pfanne 
betreffen.  Aus  diesen  Veränderungen,  die  in  ihrem  geringsten 
Grade  eine  kleine  Abflachung  des  Pfannendaches  zeigen,  die  in 
ihrer  stärksten  Ausbildung  die  typische  kongenitale  Luxation 
nnt  der  weiten  Pfanne,  dem  Fehlen  des  oberen  Pfannendaches, 
der  Verdickung  des  unteren  Pfannenbodens,  dem  Hochstand  des 
atrophischen,  antevertierten  Kopfes  repräsentieren,  und  zwischen 
t  lesen  Extremen  die  verschiedensten  Abstufungen  erkennen 
assen,  so  die  Zenker  sehe  Subluxation  und  die  Lange  sehe 
uxatio  supracotyloidea,  aus  dieser  Skala  von  Veränderungen 


muss  man  unbedingt  als  letzte  LTrsaohe  der  Luxation  einen  de- 
generativen  Prozess  ansprechen,  der  schon  im  Uterus  einsetzt 
und  bisweilen  die  Luxation  hervorruft,  bisweilen  nur  solche  ana¬ 
tomische  Verhältnisse  schafft,  die  uns  berechtigen,  von  einer  Dis¬ 
position  zur  Luxation  zu  sprechen.  Beides,  Luxation  sowohl,  wie 
die  Disposition  zur  Luxation,  bringt  der  Patient  mit  auf  die 
Welt.  Unser  Bestreben  muss  dahin  gehen,  beides  möglichst  bald 
zu  erkennen. 

Die  sichere  Erkennung  der  Luxation  ist  in  den  ersten  Lebens¬ 
monaten  aber  gar  nicht  so  einfach,  um  so  schwieriger  das  Er¬ 
kennen  einer  Disposition  zur  Luxation.  Der  sicherste  Weg  zur 
Erkenntnis  dürfte  noch  der  Röntgenapparat  sein.  Aber  ein  sol¬ 
cher  ist  nicht  in  der  Hand  jedes  Arztes.  Gerade  der  praktische 
Arzt  jedoch  ist  derjenige,  welcher  zuerst  die  Erkrankung  des 
Hüftgelenkes  erkennen  muss,  wenn  frühzeitig  eine  zielbewusste 
Therapie  eingreifen  soll.  Endlich  sind  auch  die  Röntgenunter¬ 
suchungen  von  Neugeborenen  wegen  der  Unruhe  der  Kinder 
nicht  ganz  leicht  auszuführen,  und  nur  mit  möglichst  kurzer 
Exposition  werden  genügend  gute  Bilder  geschaffen.  Ein  In¬ 
strumentarium  aber,  das  dies  leistet,  kann  sich  kein  praktischer 
Arzt  anschaffen. 

W  ir  müssen  also  nach  unseren  bekannten  Untersuchungs¬ 
methoden  greifen,  der  Inspektion,  der  Palpation  und  der  Men- 
suration.  Da  die  anatomischen  Verhältnisse  der  Hüftgelenks¬ 
gegend  beim  Neugeborenen  und  Säugling  jedoch  so  zarte  und 
feine  sind,  so  wird  man  kaum  in  stände  sein,  die  Diagnose  auf 
kongenitale  Luxation  der  Hüfte  zu  stellen,  viel  weniger  noch  .die 
Diagnose  der  Disposition  zur  Luxation.  Die  Zeichen  der  aus- 
gebildeten  Luxation,  der  Hochstand  der  Trochanterspitze,  die 
Verschieblichkeit  des  Kopfes  sind  sehr  schwer  beim  Neu¬ 
geborenen  nachzuweisen.  Was  die  Trochanterspitze  anlangt,  so 
wird  man  beim  Lntersuchen  vieler  Hüftgelenke  überhaupt  finden, 
dass  ihr  Stand  nicht  immer  ganz  konstant  in  der  Roser- 
Nolatonschen  Linie  liegt;  was  die  Verschieblichkeit  des 
Kopfes  betrifft,  so  ist  ausgesprochene  Verschieblichkeit  natürlich 
beweisend;  aber  ganz  geringe  Verschieblichkeit  findet  man  oft 
bei  sonst  gesunden  Hüftgelenken  auch,  wenn  die  Pfanne  weit 
und  die  Kapsel  etwas  schlaff  ist.  Eine  Verkürzung  ist  natürlich 
bei  der  physiologischen  Beugestellung  der  Extremität  im  Ilüft- 
und  Kniegelenk  auch  sehr  schwer  nachzuweisen.  Endlich  fällt 
der  sonst  charakteristische  Gang  natürlich  fort. 

Es  dürfte  demnach  bei  der  Kleinheit  der  Verhältnisse,  die" 
das  Hüftgelenk  des  Neugeborenen  für  die  Diagnosenstellung  uns 
darbietet,  jeder  kleine  diagnostische  Fingerzeig  erwünscht  sein. 
Einen  solchen  stellt  meines  Erachtens  die  Art  der  Falten¬ 
bildung  am  Oberschenkel  des  Neugeborenen 
dar. 

Wenn  wir  den  Oberschenkel  des  Neugeborenen  von  vorne  be¬ 
trachten,  so  fallen  uns  ausser  der  Inguinalfalte  zwei  Hautfalten 
auf.  Die  erste,  die  Adduktoren  falte,  liegt  zwischen  der 
Adduktorenkulisse  und  dem  Quadrizeps  cruris,  sie  zieht  von  vorn 
oben  aussen  nach  unten  innen.  Die  zweite  Falte  liegt  etwas 
tiefer,  näher  dem  Kniegelenk  zu  und  beginnt  etwas  mehr  median- 
wärts.  Sie  ist  nicht  so  scharf  ausgeprägt  wie  die  Adduktorenfalte 
und  wird,  je  älter  das  Kind  wird,  schwächer  werden.  Diese 
beiden  Falten  sind  bei  einem  normalen  Kinde,  wie  verschiedene 
Untersuchungen  am  Säugling  mir  bewiesen,  an  beiden  Extremi¬ 
täten  gleichmässig  ausgebildet  und  stehen  ganz  gleich  hoch.  Legt 
man  die  kindlichen  Oberschenkel  fest  nebeneinander,  so  dass  das 
Becken  gerade  gestellt  ist,  und  die  Kniegelenke  möglichst  durch¬ 
gedrückt  sind,  so  wird  man  bemerken,  dass  der  an  der  Innen¬ 
fläche  sichtbare  Endpunkt  der  Adduktorenfalte  mit  dem  der 
anderen  Seite  zusammenfällt.  Dies  ist  jedoch  bei  einem  Säug¬ 
ling,  der  angeborene  Luxation  der  Hüfte  oder  nur  Disposition 
dazu  hat,  nicht  der  Fall,  wie  ich  mich  an  einer  kleinen  Patientin, 
durch  deren  Untersuchung  ich  erst  auf  dieses  kleine  Hilfsmittel 
aufmerksam  wurde,  überzeugen  konnte. 

Eine  Dame,  deren  erste  Tochter,  5  Jahre  alt,  mit  Luxatio 
coxae  congenita  dextra,  von  mir  behandelt  worden  war,  brachte 
bald  nach  der  Geburt  ihres  zweiten  Töchtercliens  dieses  zur  Unter¬ 
suchung,  aus  Angst,  es  könne  dasselbe  Leiden  haben  wie  die 
Schwester.  Bei  der  Untersuchung  des  sehr  kräftigen,  kleinen, 
etwa  2  Monate  alten  Mädchens  waren  beide  Köpfe  vorne  neben 
der  pulsierenden  Arterie  zu  fühlen,  an  beiden  Seiten  gleich  hoch 
und  gut.  Eine  Verschiebung  nach  oben,  auch  bei  Beugestellung, 
konnte  ich  nicht  nachweisen.  Beide  Troehanterenspitzen  standen 
etwa  y2  cm  über  der  It  o  s  er  sehen  Linie.  Die  Extremitäten 

2* 


1416 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


schienen  gleich  lang  und  gleiehmässig  gut  entwickelt.  Eine 
Röntgenaufnahme  war  bei  dem  Zappeln  des  Kindes  nicht  auszu¬ 
führen.  So  konnte  ich  also  nicht  ganz  sicher  behaupten,  dass 
alles  an  den  Hüften  in  Ordnung  sei,  denn  der  geringe  Hochstand 
der  Trochanterenspitze  musste  immer  etwas  verdächtig  erscheinen. 
Bei  dieser  Kleinen  nun  machte  ich  die  Beobachtung,  dass  die 
rechte  Adduktorenfalte  etwas,  ca.  y2  cm,  höher  stand  als  die 
linke,  dass  die  Endpunkte  der  Adduktorenfalten  nicht  zusammen¬ 
liefen.  Das  war  auch  der  Mutter  aufgefallen  und  ein  Grund 
weswegen  sie  das  Kind  zur  Untersuchung  brachte.  Auf  Grund 
dieser  kleinen  Asymmetrie  in  der  Faltenbildung  und  in  Anbetracht 
der  Luxation  bei  der  andern  Schwester  war  ich  nun  der  Ansicht, 
dass  auch  hei  dieser  Kleinen  eine  kongenitale  Luxation  vorliege. 
Ich  forderte  die  Dame  nach  y2  Jahre  zur  Nachuntersuchung  ihres 
Töchterchens  auf.  Dann  konstatierte  ich  denselben  Befund,  nur 
war  der  Kopf  rechts  vome  etwas  deutlicher  palpabel  als  links. 
Die  Asymmetrie  in  der  Faltenbildung  war  etwas  auffälliger  noch 
als  das  erste  Mal.  Diesmal  gelang  mir  mit  60  cm  Funkenlange 
eine  Momentaufnahme  des  kindlichen  Beckens  in  6  Sekunden. 
Die  Platte  bewies  deutlich  das  Vorhandensein  einer  Luxatio  supra- 
cotyloidea  dextra  congenita. 

Im  Anschuss  an  diese  Beobachtung  habe  ich  bei  Neu¬ 
geborenen,  soweit  ich  Gelegenheit  habe,  solche  zur  1  ntersuchung 
zu  bekommen,  immer  auf  die  Adduktorenfalte  geachtet,  aber 
bis  jetzt  noch  keine  Asymmetrie  wieder  gesehen.  Es  ist  natürlich 
erklärlich,  dass  der  Spezialarzt  für  Orthopädie  nur  wenig  Ge¬ 
legenheit  hat,  normale  Kinder  zu  untersuchen.  Meistens  be¬ 
kommt  er  das  ausgebildete  Leiden  zu  sehen.  Daher  wird  auch 
meine  Beobachtung  von  der  Asymmetrie  der  Adduktorenfalten 
bei  kongenitaler  Luxation  oder  Disposition  zur  Luxation  in  erstci 
Linie  von  dem  praktischen  Arzte  und  Geburtshelfer  nachgeprüft 
werden  können,  die  ja  sehr  viel  häufiger  Neugeborene  und  Säug¬ 
linge  zu  sehen  Gelegenheit  haben  als  ich.  W  ird  von  diesen  nun 
eine  Asymmetrie  bemerkt,  so  liegt  der  \  erdacht  einer  kongeni¬ 
talen  Hüfterkrankung  nahe.  Das  Kind  muss  genau  beobachtet 
werden.  Auf  die  Weise  wird  man  gewiss  manchen  Fall  von  an¬ 
geborener  Hüftluxation  schon  entdecken,  bevor  die  Kinder  laufen 
lernen.  Man  kann  dann  sein  therapeutisches  Handeln  nach  der 
sicheren  Diagnose  richten.  Handelt  es  sich  um  eine  ausgebildete 
angeborene  Luxation,  so  wird  man  nach  dem  Vor  schlage 
Lorenz5  verfahren  und  mit  der  Reposition  warten,  bis  das 
Kind  bettrein  ist ;  handelt  es  sich  jedoch  nur  um  eine  Disposition 
zur  Luxation,  so  wird  möglichst  frühzeitig  die  Schedesche  Ab¬ 
duktionsschiene  anzuwenden  sein,  und  sobald  das  Kind  gehen 
lernt,  der  Lange  sehe  Gürtel. 


im  zweiten  Bande  seines  Werkes  „Der  Mensch“,  pag.  102  ff.,  die 
Angaben  über  den  platten  Fuss  der  Neger  richtig  gestellt  hat, 
scheint  es  mir  bei  der  weiten  Verbreitüng,  die  der  alte  Glaube 
noch  findet,  nicht  überflüssig,  Ihnen  in  Kürze  das  Resultat  meiner 
Untersuchungen  —  g'estützt  auf  das  Material,  das  ich  Ihnen  vor 
lege  —  mitzuteilen. 

Der  Kernpunkt  ist:  der  Neger  hat  einen  ebenso  gewölbten 
Fuss  wie  der  Weisse. 

Wenn  Sie  die  vorliegenden,  wahllos  an  Bord  auf  genommenen 
Abdrücke1)  durchblättern  —  Name,  Alter  und  Stammort  finden 
Sie  auf  jedem  verzeichnet  —  so  bemerken  Sie  durchweg  eine 
grösstenteils  stark  ausgesprochene  Wölbung.  Sie  sehen  ferner, 
dass  die  mediale  Zirkumferenzlinie  eine  überall  deutlich  nach 
medial  konkave  Schweifung  zeigt,  und  drittens  konstatiert  man 
eine  offenkundige  Adduktion  des  Vorfusses.  Nirgends  liegt  das 
Naviculare  dem  Boden  auf  —  alles  Eigenschaften,  die  ein  Bes 
planus  nicht  zeigen  dürfte. 

Als  Ganzes  imponiert  der  Negerfuss  durch  eine  Breite  und 
Grösse,  die  einen  LTrberliner  wohl  zu  einem  Vergleich  mit  den  be¬ 
liebten  Spreekähnen  begeistern  könnte.  Auffallend  ist  weiter  die 
helle,  gelbliche  Färbung  der  Planta  pedis,  die  sie  mit  der  Vola 
rnanus  teilt.  Die  Zehen  stehen  meist  voneinander  getiennt, 
namentlich  ist  die  grosse  Zehe  stark  medialwärts  gerichtet 
(Fig.  2,  3,  4).  Die  zweite  Zehe  hat  oft  gleiche  Länge  mit  der 
grossen  (Fig.  2,  5),  manchmal  überragt  sie  diese  sogar  aber  die 
Regel  ist  das  keineswegs,  in  den  meisten  Fällen  ist  die  grosse 
Zehe  länger.  Hierin  —  in  der  fächerartigen  Ausbreitung  aller 
Zehen,  deren  jede  die  geradlinige  Fortsetzung  ihres  Metatarsus 
ist,  und  in  der  meist  grösseren  Länge  der  zweiten  Zehe  gleicht 


Fig.  1.  Suaheli  (Dar -es- Salaam). 


Fig.  2.  Suaheli  (Zanzibar). 


Der  Bau  des  Negerfusses.*) 

Von  Dr.  Max  Herz,  z.  Zt.  am  orthopädischen  Ambulatorium 
des  Wiener  allg.  Krankenhauses  (Prof.  Dr.  A.  Lorenz). 

M.  II. !  Seit  langem  zieht  sich  durch  unsere  Kenntnis  und 
Literatur  die  Behauptung,  der  Neger  habe  einen  „platten  Fuss‘ . 
Die  meist  verbreitete  Anschauung  darüber  gibt  wohl  IL  o  f  f  a 
in  der  neuesten  Auflage  (1902)  seines  Lehrbuches  der  orthopädi¬ 
schen  Chirurgie  wieder,  die  ich  kurz  zitieren  darf.  Hier  unter¬ 
scheidet  der  Autor  streng  zwischen  einem  akquirierten  Pes  valgus 
und  dem  kongenitalen  Pes  planus.  Letzter  ist  eine  Rasseneigen- 
tümliehkeit  des  Negers.  Verschieden  in  ihrer  Aetiologie  dieser 
ist  erworben,  jener  angeboren  —  haben  beide  gemeinsam  den 
Mangel  einer  Fusswölbung.  Die  Tuberositas  des  Naviculare  liegt 
beim  Pes  planus  der  stützenden  Unterlage  auf  und  bildet  den 
tiefst  gelegenen  Punkt  des  inneren  Fussrandes;  während  jedoch 
hier  das  Lageverhältnis  zwischen  Talus  und  Naviculare  ein  nor¬ 
males  ist,  überragt  beim  Pes  valgus  der  Taluskopf  das  Schiff¬ 
bein  nach  innen  zu.  Es  ist  kein  G  rund  zu  der  Annahme  vor¬ 
handen,  dass  der  platte  Fuss  zur  Plattfussbildung  disponiert  sei. 
Dieser  stellt  vielmehr  nur  einen  Schönheitsfehler  dar  und  beein¬ 
trächtigt  die  Leistungsfähigkeit  des  Individuums  nicht  im  ge¬ 
ringsten. 

Also  ein  ganz  flacher  F uss,  der  lediglich  den  Gesetzen  der 
Aesthetik  nicht  entspricht;  aber  da  man  wohl  darauf  bei  unseren 
schwarzen  Brüdern  nicht  allzuviel  Wert  legt,  für  uns  nicht  weiter 
von  Interesse  und  Belang. 

Nun  hatte  ich,  als  ich  im  letzten  Herbst  als  Schiffsarzt  die 
ostafrikanische  Küste  besuchte,  reichlich  und  oft  Gelegenheit, 
diese  Behauptung  als  Irrtum  zu  erkennen.  Obwohl  nun,  wie  ich 
mich  nach  meiner  Rückkehr  überzeugen  konnte,  bereits  Ranke 

*)  Vortrag,  gehalten  auf  dem  1.  Kongresse  der  deutschen 
Gesellschaft  für  orthopäd.  Chirurgie,  am  1.  April  1902  zu  Berlin. 


Fig.  3.  Somali  (Kilwa). 


Fig  4.  Makua  (Mozambique). 


Fig,  5.  Suaheli  (Lindi).  Fig.  6.  Araber  (Aden). 

der  Negerfuss,  wie  auch  Ranke  hervorhebt,  dem  antiken  Ideal 
eines  Fusses,  von  dem  eben  S  c  h  u  1  z  e  -  Naumburg  in  seiner 
„Kultur  des  weiblichen  Körpers“  ein  erschöpfendes  Bild  ent¬ 
worfen  hat.  Der  Negerfuss  in  seiner  natürlichen  Ausgestaltung 

i)  Fig.  l — g  geben  Abdrücke  von  Schwarzen  verschiedener 
Stämme  wieder. 


26.  Aug’ust  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


und  der  durch  schlechtes  Schuhwerk  verkrüppelte  der  Weissen _ 

welcher  entspricht  da  wohl  eher  den  ästhetischen  Gesetzen« 
Der  Fuss  des  Schwarzen  ist  ausserordentlich  fleischig,’  die 
Muskulatur  kräftig  entwickelt;  namentlich  sind  die  Ad-  und  Ab- 
duk tionsmuskeln  des  Hallux  ungemein  differenziert,  so  dass  der 
iS  eger  mit  dem  lusse  greifen  kann,  so  klemmt  z.  B.  der  Silber¬ 
arbeiter  auf  Zanzibar  bei  der  Arbeit  den  Gegenstand  mit  der 
grossen  Zehe  an  die  übrigen  fest. 

Diese  ganze  massive  Ausbildung  der  Fussmuskulatur,  die  der 
Schwarze  dem  Barfussgehen  verdankt,  ist  meines  Erachtens  der 
Hauptgrund  gewesen,  die  irrtümliche  Behauptung  vom  platten 
Busse  des  Negers  aufzustellen.  Es  ist  das  fast  eine  optische 

Falle>  der  des  20  jährigen  Chamis  und  der  des 
19  jährigen  Mabruk  (beides  Suaheli)  (Fig.  7  und  8),  scheinen  auf 


1417 


Fis.  7. 


Fig.  8. 


den  ersten  Blick  fast  das  Bild  des  platten  Fusses  zu  bieten.  Aber 
einmal  ist  auch  hier  das  Tuberculum  des  Naviculare  nicht  der 
tiefste  Punkt;  betrachten  Sie  weiter  die  konkave  mediale  Zir- 
kumferenzlinie  und  die  Adduktion  des  Vorfusses,  so  sehen  Sie, 
dass  es  sich  auch  hier  nicht  um  diese  Deformität  handelt.  Zur 
Erhärtung  dessen  kann  ich  noch  hinzufügen,  dass  eine  manuelle 
Untersuchung  ein  hohes  Knochengerüst  nachwies,  das  nur  mit 
Muskelmassen  ausgefüllt  war;  die  Wölbung  war  hier  verdeckt 

Das  gibt  ja  zu  denken  Anlass  über  den  Wert  des  Russabdruckes 
überhaupt. 


Fig.  9. 

Ich  darf  wohl  noch  kurz  auf  eine  andere  Eigenschaft  des 
•A  egeriusses  lnnweisen,  die  ausser  Fritzsche  auch 
•  o  achimsthal  in  seiner  Arbeit  „Ueber  selbstregulatorische 
organge  am  Muskel“  (Zeitschr.  f.  orthopäd.  Chir.  IV.  Bd.,  IT.  12) 
erwähnt  Das  ist  die  auffallende  Länge  des  Tuber  calcanei,  das 
beim  Schwärzen  weit  nach  hinten  hinausragt.  Im  Zusammen- 
h  amit  Joachimsthal  wies  das  auch  experimentell 
uaei  —  bteht  die  kurze,  schmale,  fast  schmächtige  Wade  des 
-  egers  Der  Calcaneus  bietet  hier  einen  längeren  Hebelarm, 
im  zu  bewegen  bedarf  es  nur  einer  geringen  Kraft,  daher  die 
he,  kurze  V  ade.  Man  wird  dieses  lange  Tuber  wohl  als  Rassen- 
No.  34. 


eigenschaft  betrachten  müssen.  Es  Hesse  sich  denken,  dass  es 
eine  Art  Anpassung  an  den  Gang  des  Schwarzen  sei,  der,  um 
seinen  mit  voller  Sohle  eben  und  flach  auftretenden  Fuss  abzu- 
wickeln  einer  stärkeren  Kraft  (oder  -  es  kommt  auf  das  Gleiche 
hinaus  eines  längeren  Hebelarmes)  bedürfe  als  der  Weisse 
dessen  beschuhter  Fuss  durch  den  Absatz  bereits  etwas  plantar- 
nektiert  steht.  Diese  Annahme  ist  indes  unrichtig,  weil  der  Fuss 
der  Griechen  und  Römer,  die  gleichfalls  völlig  eben  auftraten, 
dieses  lange  Tuber  nicht  zeigt,  wie  wir  uns  an  antiken  Bildwerken 
leicht  überzeugen  können. 

Die  Verhältnisse  am  Negerbein  demonstriert  sehr  schön 
I  ig.  9,  ein  Bild,  das  ich  der  grossen  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 
Kollegen  Joachimsthai  verdanke.  Das  Hnks  stehende  Bein 
von  einem  Dinkaneger,  zeigt  deutlich  das  lange  Tuber  und  die 
entsprechende  Wade,  im  Gegensatz  zu  dem  Beine  eines  gleich¬ 
altrigen  Weissen. 

Ich  denke.  Sie  werden  sich  durch  das  vorliegende  Material, 
dessen  Ergebnisse  ich  durch  viele  Untersuchungen  am  Lande  in 
Wasser-  und  Sandabdrücken  bestätigt  fand,  davon  überzeugen 
dass  der  Neger  keinen  platten  Fuss  hat,  weder  der  Suaheli  noch 
cei  Somali,  noch  der  Makua  und  Kaffer,  ebensowenig  wie  der 
Araber  und  Inder.  Wie  weit  überhaupt  die  Aufstellung  des  Be¬ 
griffes  eines  Pes  planus  berechtigt  ist,  das  werden  weitere  Unter¬ 
suchungen  ergeben. 

Lud  wenn  man  nun  dem  Neger  diesen  Schönheitsfehler  an- 
streicht,  so  wollen  wir  doch  gerecht  sein.  Geben  Sie  also,  m  II 

unseren  schwarzen  Brüdern  endgültig  die  Schönheit  ihres  Fusses 
wieder ! 


Vorschlag  zum  bequemen  Aufblasen  von  Luftkissen. 

\  on  Dr.  Landgraf,  Krankenhausarzt  in  Bayreuth. 

.  „  ekelhafte  und  gefährliche  Aufblasen  der  Luftkissen  mit 
1  en  Munde  durfte  bald  ausser  Gebrauch  kommen,  wenn  man  auf 

proitThube' 61Se  vertlilu‘t’  die  ich  im  hiesigen  Krankenhause  er- 

...  -^Fan  ersetzt  das  Ventil  durch  ein  solches,  wie  es  bei  den  Luft- 
reden  der  b  ahrrader  gebräuchlich  ist,  und  das  man  für  wenig 
d  111  •]edeTr  J 'ahrradhandlung  bekommt.  Dann  kann  man  die 
1  udlin8  dos  Luftkissens  mit  einer  gewöhnlichen  Fahrradluftpumpe 
sauber  bequem  und  für  deu  Kranken,  der  ruhig  auf  dem  Kissen 
m  gen  bleiben  kann,  angenehm  vornehmen.  Ich  iveiss  wohl,  dass 
i  on  einer  Luftkissenfabrik  bereits  eine  Vorrichtung  in  den  Handel 
gebracht  wurde,  die  auf  demselben  Prinzip  beruht,  allein  mein  Ver¬ 
fahren  hisst  sich  auch  bei  jedem  älteren  Kissen  anwenden  bezw 
improvisieren.  ^ 

Noch  bequemer  wäre  es  freilich,  wenn  die  Industrie  künftig 
nur  Luftkissen  in  den  Handel  brächte,  deren  Ventile  mit  dem 
Normalgewinde  der  Fahrradreifen  versehen  sind,  da  wohl  auch  im 
kleinsten  Orte  eine  Luftpumpe  auf  zutreiben  ist. 


Aus  der  neuen  Heilanstalt  für  Lungenkranke  zu  Schömberg, 

O.-A.  Neuenbürg. 

Ueber  die  Beziehungen  von  Körperbewegungen, 
Körperwärme  und  Albumosurie  zu  einander  und 
zum  Fieber  im  Verlaufe  der  Phthise. 

Von  Dr.  G.  Schröde  r,  dirig.  Arzt  und  Dr.  Th.  B  r  ü  h  1, 

Assistenzarzt. 

(Schluss.) 

V  ii  haben  nun  zunächst  unser  Augenmerk  darauf  gerichtet, 
ob  und  wann  bei  fieberhafter  Phthise  Albumosen  im  Urin  auf- 
treten. 

Albumosen  fanden  wir  also  im  Urin  nur  bei  unseren  Schwer- 
k ranken,  während  all  die  Fälle  mit  subfebriler  Temperatur,  die 
wir  klinisch  zu  den  Fiebernden  rechnen  mussten,  solche  vermissen 
Hessen.  Hinsichtlich  des  Auftretens  der  Albumosurie  bei  fieber- 
haftei  chronischer  Lungentuberkulose  stimmen  wir  also  mit 
K  i  e  h  1,  M  a  1 1  li  e  s  und  ihren  Schülern  überein:  Dieselbe  wird 
vielfach  vermisst.  Bei  unseren  Fällen  mit  positivem  Urin- 
bef  unde,  die  sich  sämtlich  im  vorgeschrittenen  Stadium  der  kaver¬ 
nösen  Phthise  befanden,  ist  interessant,  dass  fast  stets  gleich¬ 
zeitig  mit  dem  Auftreten  von  Albumosurie  der  Urin  die  Diazo- 
reaktion  zeigte.  Ebensowenig,  wie  nach  unserer  Ansicht  die  letz¬ 
tere  stets  ein  prognostisch  übles  Zeichen  zu  sein  braucht,  ist  es 
erstere.  So  entfieberten  sich  die  Fälle  2  und  3  (Tab.  IVa)  lang¬ 
sam  und  zeigten  Gewichtszunahme  trotz  Albumosurie.  Bei  Fall  4 
(IVa)  verlief  analog  einigen  Tierversuchen  von  Krehl  und 

3 


1418 


MUENCHENER  MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Matthes  die  Albumosurie  ohne  Temperaturanstieg.  Wir 
hatten  es  mit  Kollaps  zu  tun. 

Tabelle  IV  a 


— 

Urinuntersuchung 

Urinuntersuchung 

a 

Fieber- 

auf 

auf  Albumosen 

Bemerkungen 

No 

D 

oi 

typus 

Albumen 

Diazo 

Methode 

Viethode 

in 

A  |l 

3  (Bang) 

1 

II 

remitt. 

1 

neg. 

neg. 

neg. 

neg. 

Käsige  Pneumonie. 

2 

II 

intermitt 

neg. 

neg. 

pos. 

susp. 

3 

III 

remitt. 

neg. 

pos. 

susp. 

pos. 

4 

III 

asthenisch 

neg. 

pos 

pos. 

pos. 

Schwerer  Kollaps¬ 
zustand. 

5 

III 

intermitt 

neg. 

pos. 

pos. 

pos. 

0 

III 

remitt. 

neg. 

neg. 

susp. 

susp. 

7 

III 

intermitt. 

neg. 

pos. 

pos. 

pos. 

8 

III 

intermitt. 

neg. 

pos. 

pos. 

pos. 

In  Agone  untersucht. 

Tabelle  IV b. 

Phthisiker  mit 

subfebriler  Temperatur. 

1 

III 

subfebr. 

neg. 

neg 

neg. 

_ 

Nach  Methode  B 
wurde  in  dieser 

2 

II 

subfebr. 

neg 

neg. 

neg. 

Serie  nicht  unter- 

3 

11 

subfebr. 

neg. 

neg. 

neg. 

— 

sucht. 

4 

III 

subfebr 

neg. 

neg. 

neg 

— 

Sämtliche  Kranke 
waren  stunden- 

5 

n 

subfebr. 

neg. 

neg. 

neg 

weise  am  Tage 

6 

ii 

subfebr. 

neg. 

neg. 

neg. 

— 

ausser  Bett  und 
in  der  Liegehalle. 

7 

m 

subfebr 

neg. 

neg. 

neg. 

8 

ii 

subfebr. 

neg. 

pos. 

neg. 

— 

Begleitaffektion 

Meningitis  tuber- 

9 

ui 

subfebr. 

neg. 

neg. 

neg. 

bulosa. 

10 

m 

subfebr. 

neg. 

neg. 

neg. 

l  - 

11 

ii 

subfebr. 

neg. 

neg. 

neg. 

|  _ 

Es  wäre  nun  gewiss  möglich,  dass  nicht  fiebernde  Phthisiker 
oder  solche  mit  labiler  Körperwärme  und  subfebrilen  Tempera¬ 
turen  nach  Körperbewegungen  eine  derartige  Aenderung  des  Ei- 
weissstoffwechsels  erführen,  dass  Albumosurie  die  Folge  wäre. 
Letztere  bedeutete  dann  für  die  Therapie  ein  wohl  zu  beachtendes 
Symptom.  Unsere  nach  dieser  Richtung  hin  angestellten  Unter¬ 
suchungen  ergaben  folgende  Resultate. 

Weiter  untersuchten  wir  den  vor  und  nach  dem  Gange  ge¬ 
lassenen  Urin  der  in  Tabelle  I  aufgeführten  Nichttuberkulösen 
auf  Albumosen  und  erhielten  jedesmal  ein  negatives  Resultat. 

Wir  fanden  also  bei  Lungenkranken,  denen  regelmässige 
Körperbewegungen  gestattet  waren,  nach  einem  k  u  r  - 
gemässen,  den  Kräften  entsprechenden  Gange 
trotz  der  regelmässig  im  After  entstandenen 
abnormen  Steigerung  der  Temperatur  niemals 
deutlich  Albumosen  im  Urin.  Nur  2  mal  (Gruppe  CI  und  ) 
war  der  Befund  suspekt,  1  mal  (Gruppe  C  2)  vor  und  nach  dem 
ordinierten  Spaziergange  unsicher.  Gruppe  CI  litt  an  starker 
Bronchoblennorrhoe,  hatte  also  grössere  Eiweissverluste  durch  sein 
Sputum;  Fall  C4  zeigte  anormal  grosse  Tagesschwankungen  der 
Temperatur  mit  Neigung  zu  Kollaps  infolge  starker  Anämie; 
Fall  C  2  Hessen  wir  aus  psychischen  Gründen  kleine  Spazier¬ 
gänge  machen,  obwohl  er  subfebrile  Temperaturen  hatte. 

Es  ist  uns  natürlich  nicht  gestattet,  die  sub  Tab.  IV  b  auf¬ 
geführten  Kranken  mit  subfebrilen  Temperaturen  zum  Zwecke 
eines  Versuches  gehen  zu  lassen.  Wir  hätten  dann  möglicher¬ 
weise  bei  mehreren  derselben  Albumosurie  erhalten.  Es  ist  selbst¬ 
verständlich,  dass  bei  diesen  Kranken  schwerere  Stoffwechsel¬ 
störungen  vorliegen,  und  wohl  begreiflich,  dass  unzweckmässige 
Bewegungen  gesteigerten  Eiweisszerfall  zur  Folge  haben. 

Ueberblicken  wir  nun  unsere  Untersuehungsreihen,  so  glau¬ 
ben  wir  manches  Beachtenswerte  gefunden  zu  haben. 

Wir  müssen  annehmen,  dass  die  regelm  äs  s  i  g 
und  am  deutlichsten  bei  Nichttuberkulösen 
gefundene  Temperatursteigerung  im  After 

nach  Körperbewegungen  nicht  pathogno- 
monisch  für  Tuberkulose  ist,  vielmehr  eine 

lokaleHyperthermiegenannt  werden  muss,  be- 


No. 


a 

p 

•  r-* 

C3 
( J2 


Temperatur 

vor  dem 
Spaziergang 

nach  dem 
Spaziergang 

Mund  After 

Mund  After 

Tabelle  V.  Phthisiker,  denen  Bewegung  verordnet  wurde. 


Urinuntersuchungen  auf 


Albumen 


Diazo 


Albumosen 

vor  dem  Spaziergang 

nach  dem  Spaziergang 

Methode  A  (  Methode  B 

Methode  A  Methode  B 

Bemerkungen 


A.  Patienten  mit  grosser  Leistungsfähigkeit 


I 

37,0 

37,3 

37,2 

38,1 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

I 

36,8 

36,9 

36,9 

37,3 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

I 

36,9 

37,2 

37,0 

37,8 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

II 

36,7 

36,9 

36,9 

37,6 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

11 

37,2 

37,5 

37,2 

38,0 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

Gruppe  A  umfasst  fieberfreie  Kranke, 
welchen  täglich  4—5  Stunden  Be¬ 
wegung  gestattet  wurde.  Dauer 
des  Versuchsganges  5/4  Stunden. 


B.  Patienten  mit  beschränkter  Leistungsfähigkeit. 


1 

2 

3 

4 

5 


1 

2 

3 

4 

5 

6 


II 

36,9 

37,2 

37,0 

37,9 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ' 

negativ 

II 

37,0 

37,2 

37,1 

37,5 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

II 

36,8 

37,4 

36,9 

37,9 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

II 

37,0 

37,8 

37,2 

38,3 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

II 

36,7 

37,0 

36,9 

37,7 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

C.  Patienten 


Komplikation  :  Lues  *  ; 

Kranke  gingen  täglich  2—3  Stdn. 

Dauer  des  Versuchsganges  1  Stde. 
Körperwärme  in  Fall  4  labil. 


mit  labiler  Temperatur  und  stärker  reduzierter  Leistungsfähigkeit. 

Bronchoblennorrhoe. 


starke  Anaemie. 


11 

36,8 

37,7 

36,7 

38,1 

negativ 

negativ 

negativ 

— 

suspekt 

— 

III 

37,1 

37,5 

37,2 

37,7 

negativ 

negativ 

suspekt 

suspekt 

suspekt 

— 

II 

36,2 

37,5 

36,0 

37,7 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

II 

35,8 

36,9 

35,9 

37,1 

negativ 

negativ 

negativ 

— 

suspekt 

— 

III 

36,7 

37,7 

37,3 

38,4 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

I 

36,1 

36,9 

36,2 

37,5 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

negativ 

Gruppe  C  ging  täglich  1  —  l1/2  Stunde. 
Dauer  des  Spazierganges  Zwecks  der 
Untersuchung  des  Harns  l/2  Stunde. 


26.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCH E  WOCHENSCHRl FT. 


1419 


dingt  durch  Wärmestauung,  welche  vielleicht 
durch  die  beim  Gehen  gesteigerte  Arbeit  der 
unteren  Extremitätenmuskeln  und  den  in  den 
G  e  f  ä  s  se  n  ihres  Bereiches  erhöhten  Blutdruck 
zu  Stande  kommt.  Es  tritt  daher  ebensowenig’  bei  dieser 
Hyperthermie,  wie  bei  der  künstlich  erzeugten  (Wärmestich,  Brut¬ 
ofen)  Albumosurie  ein.  Letztere  beobachten  wir  im  allgmeinen 
nui  bei  weit  voi geschrittener  Bhthise  mit  erheblichen  Störungen 
des  M  ärmehaushaltes.  Sie  wird  möglicherweise  mitbenutzt 
werden  können,  um  bei  Phthisikern  mit  labiler  und  subfebriler 
Temperatur,  denen  aus  anderen  Gründen  mässige  Körper¬ 
wegungen  keinen  Schaden  stiften.  Das  Nichtauftreten  von  Albu¬ 
mosurie  ist  ein  Beweismittel  dafür,  dass  die  nach  Körper¬ 
bewegungen  bei  sonst  fieberfreien  Lungenkranken  im  After 
beobachtete  Temperatursteigerung  nicht  als  echtes  Fieber  an¬ 
zusehen  ist.  Diese  lokale  Erhöhung  der  Körper¬ 
wärme  ist  bei  der  Phthise  weder  diagnostisch 
noch  prognostisch  zu  verwerten. 

Die  Therapie  darf  und  kann  auf  dieses  Phänomen  keine 
Rücksicht  nehmen.  Niemals  haben  wir  deshalb  unseren  Kran¬ 
ken  die  körperliche  Bewegung’  zu  beschränken.  Verhängnisvolle 
therapeutische  Irrtümer  würden  die  Folge  sein. 

Bei  allen  fieberfreien  Lungenkranken,  selbst  wenn  sie  genanntes 
Phänomen  zeigen,  ist  möglichste  Steigerung  der  Körperbewegung 
anzustreben,  weil  nur  so  unserer  Ansicht  nach  die  absolut  un¬ 
nütze  und  sogar  schädliche  Fettmast  vermieden,  vielmehr  Fleisch¬ 
mast  mit  Stärkung  der  Muskulatur  erreicht  werden  kann.  Darin 
liegt  für  den  Phthisiker  das  Heil,  während  eine  prolongierte 
Liegekur  mit  Rücksicht  auf  die  nach  Körperbewegung  be¬ 
obachtete  Steigerung  der  Aftertemperatur  für  zahlreiche  Kranke 
eine  direkte  Schädigung  bedeuten  würde. 

Wir  können  endlich  zum  Schlüsse  nicht  umhin,  wiederholt 
der  Mundmessung  das  Wort  zu  reden. 

Bei  fieberlosen  Kranken  waren  in  der  Ruhe  die  Unterschiede 
zwischen  Mund-  und  Aftertemperatur  normal.  Bei  Patienten 
welche  labile  oder  subfebrile  Temperaturen  aufwiesen,  wurden  die 
Differenzen  grösser.  Es  zeigten  sich  stärkere  Unregelmässig¬ 
keiten,  ebenso  bei  tätigen  Nichttuberkulösen. 

Da  wir  wissen,  dass  die  Erhöhung  der  Kör¬ 
pertemperatur  im  Rektum  nach  Bewegungen 
nicht  als  Fieber  aufzufassen  ist,  so  wird  bei 
allen  Kranken,  denen  Spaziergänge  mit  Rück¬ 
sicht  auf  den  Zustand  des  Leidens  ordiniert 
werden  müssen,  die  Mundmessung  ein  klareres 
Bild  über  die  Temperaturverhältnisse  ge¬ 
währen  als  die  Aftermessung,  welche  leicht 
Verwirrung  stiften  kann.  Es  ist  vorauszusetzen,  dass 
im  Munde  unter  den  oben  angegebenen  Kautelen  gemessen  wird. 
Wir  können  also  ohne  Sorge  die  Mundmessung  in  der  Phthiseo- 
therapie  beibehalten,  welche  aus  praktischen  und  ästhetischen 
Gründen  allein  der  Aftermessung  vorzuziehen  ist.  Die  Furcht 
unseren  Kranken  dadurch  Schaden  zu  stiften,  ist  unbegründet. 
Dieselbe  müsste  vielmehr  in  uns  aufkommen,  wenn  bei  Anwen¬ 
dung  der  Aftermessung  eine  falsche  Beurteilung  der  erhaltenen 
Zahlen  Platz  greift. 

Literaturverzeichnis. 

i or\n 1 "  Chvostek  und  Stromayr:  Wien.  klin.  Wochenschr. 
1896,  No.  47;  Ref.  d.  Centralbl.  f.  innere  Med.  1897,  No.  10.  — 

"•  G  i  1 1  e  p  s  i  e:  Albumosurie  bei  chronischen  Nierenkrankheiten. 
Lancet  1896,  11.  Juli;  Ref.  d.  Centralbl.  f.  innere  Med.  No.  10,  1897. 

—  3.  Haun:  Ueber  alimentäre  Albumosurie.  Zeitschr.  f.  prakt. 

Aerzte  1897,  No.  23;  Ref.  d.  Centralbl.  f.  innere  Med.  1898,  No.  28. 
~4’  Höchstetter:  Dissert.,  Erlangen  1895.  —  5.  Haack: 
Beitrag  zur  experimentellen  Albumosurie.  Arcli.  f.  exper.  Patbol. 
v  38.  Bd.  —  6.  Krebl:  Gegenwärtige  Kenntnisse  über 

me  Beziehungen  der  Wärmeproduktion  im  Fieber.  XVI.  Kongress 
t.  innere  Med.  1898.  —  7.  Krebl  und  Matth  es:  Wie  entstellt 
me  Temperatursteigerung  des  fiebernden  Organismus?  Arcli.  f. 

exper.  Patbol.  u.  Pharmakol.,  Bd.  38,  S.  284  u.  ff.  _  8.  D  i  e  - 

Tn’\büU:  Untersuchungen  über  den  Eiweisszerfall  im  Fieber  etc. 
lbid  Bd.  40.  —  9.  Dieselben:  Ueber  febrile  Albumosurie. 
Deutsch.  Areh.  f.  klin.  Med.  54  Bd.  —  10.  M  a  1 1  b  e  s:  Berl.  klin. 

ochenscbr.  1894,  No.  23.  —  11.  O  1 1:  Ist  die  bei  Phthisikern  nach 
oicnten  Körperanstrengungen  auftretende  Temperatursteigerung 
als  Ineber  zu  betrachten?  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  50,  1901. 

—  12.  Penzoldt  und  Birg  eien:  Ueber  den  Einfluss  der 
Körperbewegung  auf  die  Temperatur  Gesunder  und  Kranker. 
Munch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  15,  16  u.  17.  —  13.  S  c  h  n  e  i  - 

e1-  Uie  normale  Temperatur  bei  initialer  Lungentuberkulose  in 


Ruhe  und  Bewegung.  Dissert.,  Breslau  1901.  —  14.  S  c  h  r  ö  - 
d  (’ i  .  Lener  das  Lieber  im  Verlaufe  der  chronischen  Lungentuber¬ 
kulose.  Meissens  Beiträge  etc.,  Wiesbaden,  Bergmann,  1901.  — 
15.  Schulthess:  Ueber  die  Beziehungen  des  Fiebers  'zum  Auf¬ 
treten  von  Albumosen  im  Harn.  Dissert.,  Jena  1895.  _  16  Der¬ 
selbe:  Weitere  Erfahrungen  über  die  Beziehungen  zwischen 
Fieber  und  Albumosurie.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd  60  — 
17.  B  a  n  g:  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1898,  No.  2.  —  IS.  Frl. 
Dr.  Blu  hm:  Zeitschr.  f.  Tub.-  u.  Heilstättenwesen  Bd.  II,  S.  309. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  des  Dresdener  Stadtkranken¬ 
hauses  F  riedrichstadt. 


Zur  Frage  der  Genese  der  Lungentuberkulose. 

V on  Dr.  Georg  Schmor  1. 

(Schluss.) 

R  i  b  b  e  r  t  stellt  sich  den  Gang  der  Spitzehinfektion  fol- 
gendermassen  vor.  Die  inhalierten  lebenden  Tuberkelbazillen  ge¬ 
langen,  soweit  sie  nicht  bereits  in  den  grösseren  Luftwegen 
liegen  bleiben  und  von  hier  durch  die  Exspiration  bezw.  Ex¬ 
pektoration  wieder  entfernt  werden,  in  die  Alveolen  hinein.  Ein 
Teil  von  ihnen  bleibt  liegen  und  geht  zu  Grunde.  Die  übrig  blei¬ 
benden  treten  aus  den  Alveolen  in  den  Lymphstrom  über.  Der 
Uebertritt  erfolgt  wahrscheinlich  ganz  besonders  in  den  Alveolen 
der  Spitzenteile,  welche  den  Bazillen  wegen  der  hier  herrschenden 
Anämie  und  der  ungünstigen  V entilationsverhältnisse  am  ehesten 
die  Möglichkeit  g’ewähren,  in  das  Gewebe  einzudringen.  Mit  dem 
Lymphstrom  werden  die  Bazillen  den  bronchialen  Lymphdrüsen 
zugeführt,  wo  sie  sich  nach  und  nach  in  gTÖsserer  Menge  an¬ 
sammeln  und  ansiedeln  und  die  charakteristische  Gewebs- 
reaktion  auslösen.  Durch  Vermittlung  der  letzteren  gelangen 
sie  ins  Blut  und  werden  durch  den  Blutstrom  den  Lungen 
zugeführt,  in  denen  sie  besonders  den  Spitzen  teilen  haften 
bleiben ,  hier  verlassen  sie  den  Blutstrom  und  gelangen  teils  in 
die  kleinen  Lymphknötchen,  die  sich  überall  in  der  Nähe  der  Ge¬ 
isse.  befinden,  teils  aber,  wie  R  i  b  b  e  r  t  neuerdings  annimmt, 
vorwiegend  in  die  Alveolen,  von  wo  aus  sie  durch  die  Exspira¬ 
tionsbewegungen  den  Alveolargängen  bezw.  den  feinsten  Bron¬ 
chiolen  zugeführt  werden.  In  letzteren  bleiben  sie  dann  wegen 
dei  Engigkeit  des  Lumens  stecken  und  rufen  die  spezifischen 
Veränderungen  hervor. 

Die  Bazillen  machen  also  gewissermassen  eine  Art  Rund¬ 
reise,  denn  sie,  bezw.  ihre  Nachkömmlinge,  gelangen  genau  an 
den  gleichen  Ort  (die  Alveolen  der  Spitze)  zurück,  wo  sie,  wenig¬ 
stens  zum  grossen  Teil,  in  den  Lymphstrom  übertraten.  Es  er¬ 
hebt  sich  hier  aber  sofort  die  Frage:  warum  kommen  denn  die 
durch  den  Blutstrom  den  Spitzenteilen  zugeführten  Bazillen  zur 
Entwicklung  und  lösen  die  spezifische  Erkrankung  aus,  während 
dies  durch  den  Luftstrom  genau  denselben  Stellen  zu¬ 
geführten  Bazillen  nicht  bezw.  nur  ausnahmsweise  möglich  ist? 
Warum  geht  nicht  auch  ein  Teil  der  vermittels  des  Blutstroms 
nach  den  Alveolen  gebrachten  und  hängen  bleibenden  Bazillen 
zu  Grunde  und  warum,  treten  nicht  auch  die  übrig  bleibenden 
wieder  in  den  Lymphstrom  über,  um  das  Spiel  von  neuem  zu  be¬ 
ginnen  ?  Warum  bleiben  nicht  auch  die  inhalierten,  aus  den 
Alveolen  in  den  Lymphstrom  übergetretenen  Bazillen  in  jenen 
in  den  Lymphstrom  eingeschaltenen  Lymphknötchen  haften, 
bezw.  warum  werden  nicht  auch  die  inhalierten  Bazillen  aus  den 
Alveolen  durch  die  Exspirationsbewegungen  in  die  Alveolargänge 
befördert  und  bleiben  in  letzteren  stecken?  Man  sollte  doch  er¬ 
warten,  dass  das  was  den  mit  dem  Blutstrom  zugeführten  Ba¬ 
zillen  recht  ist,  für  die  durch  Inhalation  an  die  nämliche  Stelle 
gelangten  Bazillen  billig  sein  müsste  und  dies  um  so  mehr,  als 
R  i  b  b  e  r  t  in  seiner  ersten  Arbeit  (Universitätsprogramm) 
unter  Bezugnahme  auf  C  o  r  n  e  t  hervorhebt,  dass  die  Ober¬ 
fläche  der  Alveolen  einen  für  das  Bazillenwachstum  ganz  be¬ 
sonders  geeigneten  Boden  abgibt. 

R  i  b  b  e  r  t  hat  diesen  Widerspruch,  der  in  seiner  Darstellung 
liegt,  selbst  gefühlt  und  greift,  um  ihn  zu  lösen,  zu  der  Hypo¬ 
these,  dass  die  Zahl  der  durch  Inhalation  in  die  Alveolen  ge¬ 
langten  Bazillen  in  weitaus  der  Mehrzahl  der  Fälle  eine  zu  ge¬ 
ringe  sei,  um  eine  wirksame  Infektion  hervorzurufen,  während 
sie  in  den  Lymphknoten,  in  denen  sie  sich  allmählich  in  immer 
grösserer  Menge  ansammeln,  die  erforderlichen  Entwicklungs¬ 
bedingungen  finden.  Es  ist  nun  R  i  b  b  e  r  t  gewiss  darin  bei¬ 
zustimmen,  dass,  wenn  in  die  Alveolen  nur  eine  geringe  Anzahl 


3* 


1420 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


von  Bazillen  gelangt,  eine  lokale  Infektion  ausbleiben  kann,  und  , 
dass  es  wahrscheinlich  ist,  dass  die  Bazillen,  soweit  sie  nicht  den 
Schutzvorrichtungen  des  Organismus  erliegen,  in  dieLymphbahnen 
übertreten  und  vielleicht  auch,  dass  sie  durch  den  Lymphstrom 
den  Bronchialdrüsen  zugeführt  werden,  wenngleich  hier  schon 
der  Umstand  Bedenken  erregen  muss,  dass  ja  in  die  Lymphbahncn 
innerhalb  der  Lungen  zahlreiche  Lymphknötchen  eingeschaltet 
sind,  in  denen  ewentuell  die  Bazillen  stecken  bleiben  könnten. 
Zuzugeben  ist  ferner,  dass  die  Bronchialdrüsen  unter  der  Ein¬ 
wirkung  der  sich  in  ihnen  in  grösserer  Zahl  ansammelnden  Ba¬ 
zillen  tuberkulös  erkranken  werden.  Aber  ist  es  denn  sicher 
und  durch  einwandsfreie  Untersuchungen  nachgewiesen,  dass  in 
den  tuberkulösen  Lymphdrüsen  so  ausserordentlich  häufig,  wie 
man  es  in  Anbetracht  der  Häufigkeit  der  Lungentuberkulose 
annehmen  müsste,  Tuberkelbazillen  in  grösserer  Menge 
in  die  Blutbahn  gelangen  und  besonders,  dass  sie  auch  in 
grösserer  Za  hl  durch  den  Blutstrom  den  Spitzen  zugeführt 
werden  ? 

Man  sucht  in  der  Arbeit  Ribberts  vergeblich  nach  einei 
Antwort  auf  diese  Frage.  Nun  soll  durchaus  nicht  verkannt 
werden,  dass  der  strikte  Beweis,  dass  auf  dem  B  1  u  t  w  e  g  den 
Lungenspitzen  grössere  Bazillenmengen  als  durch  In¬ 
halation  zugeführt  werden,  nicht  zu  erbringen  ist,  da  wir 
weder  wissen,  wieviel  Bazillen  durch  den  Luftstrom  oder  durch 
den  Blutstrom  in  die  Alveolen  der  Spitze  gelangen,  noch  wie¬ 
viel  Bazillen  zu  einer  wirksamen  Infektion  überhaupt  nötig  sind, 
aber  es  war  meines  Erachtens  unbedingt  notwendig,  dass  R  i  b  - 
b  e  r  t  für  seine  (allerdings  nirgends  direkt  ausgesprochene)  An¬ 
nahme  wenigstens  Wahrscheinlichkeitsgründe  anführte,  da  ohne 
solche  seine  Theorie  völlig  in  der  Luft  schwebt.  Wenn  ich  es 
nun  auch  R  i  b  b  e  r  t  überlassen  könnte,  solche  W  ahrscheinlich- 
keitsgründe  anzuführen,  so  ist  dieser  Punkt  doch  von  so  grosser 
Bedeutung,  dass  ich  näher  auf  ihn  eingehen  möchte.  Bei  ge¬ 
nauerer  Berücksichtigung  der  für  den  Uebertritt  der  Bazillen 
aus  den  tuberkulösen  Lymphdrüsen  in  die  Blutbahn  und  für  ihre 
Verschleppung  durch  den  Blutstrom  in  Betracht  kommenden 
anatomischen  Verhältnissen  lässt  sich  nämlich  zeigen,  dass  die 
Annahme,  dass  unter  besagten  Umständen  nach  den  Spitzen¬ 
teilen  Bazillen  in  grösserer  Zahl  gelangen,  höchst  unwahrschein¬ 
lich  ist. 

Bei  der  Form,  in  welcher  die  Tuberkulose  der  Bronchial¬ 
drüsen  —  sei  sie  isoliert,  d.  h.  ohne  gleichzeitige  Lungenaffektion, 
sei  sie  von  einer  solchen  begleitet  —  gewöhnlich  auftritt,  sind 
die  Tuberkel,  wie  ich  auf  Grund  von  in  dieser  Hinsicht  an- 
gestellten  Untersuchungen  gefunden  habe,  meist  bazillenarm, 
ausserdem  sind  die  in  der  Nähe  und  im  Bereich  der  tuberkulösen 
Veränderungen  gelegenen  Gefässe  in  der  Regel  undurchgängig 
für  den  Blutstrom,  da  sie  durch  obliterierende  Entzündung  oder 
durch  Thrombose  häufig  schon  zu  einer  Zeit  verschlossen  sind, 
wo  von  einer  Verkäsung  oder  gar  Erweichung  noch  wenig  zu 
erkennen  ist.  Unter  solchen  Umständen  ist  die  Möglichkeit,  dass 
Bazillen  in  reichlicheren  Mengen  in  die  Blutbahn  ge¬ 
langen  und  besonders,  dass  sie  in  grösserer  Zahl  gerade  in  die 
Lungenspitzen  verschleppt  werden,  so  gut  wie  ausgeschlossen. 

Günstiger  für  den  Eintritt  der  Bazillen  in  die  Blutbahn  und 
ihre  Verschleppung  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  schnell  ver¬ 
käsenden  und  erweichenden  Lymplidrüsentuberkulosen,  wie  sie 
nicht  allzuselten  bei  Kindern  und  jugendlichen  Individuen, 
seltener  dag'egen  bei  Personen  übei’  30  Jahren  mit  anthrakotischen 
Lymphdrüsen  gefunden  werden.  Denn  hier  sind  einerseits 
häufig  —  nicht  konstant  —  Bazillen  in  grösserer  Menge  vor¬ 
handen,  andererseits  trifft  man  hier  mitunter  im  Bereich  der  ver¬ 
kästen  und  in  Erweichung  begriffenen  Massen  kleine,  für  den 
Blutstrom  noch  durchgängige  Gefässe.  Und  wenn  es  mir  auch 
bei  zahlreichen  Untersuchungen  solcher  Lymphdrüsen  bisher 
noch  niemals  gelungen  ist,  im  Lumen  oder  in  der  Wand  solcher 
Gefässe,  welche  mitunter  schon  deutliche  Zeichen  der  Nekrose 
erkennen  lassen,  Tuberkelbazillen  nachzuweisen,  so  ist  doch  die 
Möglichkeit  und  Wahrscheinlichkeit,  dass  unter  solchen  Um¬ 
ständen  etwas  zahlreichere  Bazillen  in  die  Blutbahn  eintreten, 
nicht  zu  bestreiten.  Aber  auch  hier  ist  die  Wahrscheinlichkeit, 
dass  die  in  das  Blut  gelangten  Bazillen  in  relativ  grösseren 
Mengen  in  die  Gefässe  der  Lungenspitze  eingeschwemmt  werden, 
eine  geradezu  minimale,  denn  die  Bazillen,  welche  in  den  Blut¬ 


strom  eintreten,  gelangen  ja  —  abgesehen  von  den  sehr  seltenen 
Fällen,  in  denen  eine  verkäste,  erweichte  Lymphdrüse  ihren  In¬ 
halt  direkt  in  einen  arrodierten  zur  Spitze  führenden  Arterien¬ 
ast  entleert,  und  abgesehen  von  den  ebenfalls  sehr  seltenen,  von 
Aufrecht IC)  beschriebenen,  übrigens  akute  Miliartuberkulosen 
betreffenden  Fällen,  bei  denen  die  Bazillen  die  Wand  eines  mit 
einer  verkästen  Lymphdrüse  verwachsenen  Arterienastes  all¬ 
mählich  durchwachsen,  gar  nicht  in  das  direkt  der  Lunge  zu- 
fliessende  Blut,  sondern,  da  die  Bronchial venen,  in  die  ja  die 
Venen  der  Bronchialdrüsen  einmünden,  ihr  Blut  teils  in  die 
Lungenvenen,  teils  in  die  Azygos  entleeren,  zunächst  ins  linke 
bezw.  ins  rechte  Herz.  Die  nach  dem  linken  Herzen  gelangten 
Bazillen  kommen  für  die  Lungeninfektion  1  j  überhaupt  nicht  in 
Betracht,  da  sie,  soweit  sie  nicht  im  arteriellen  Blutstrom  zu 
Grunde  gehen,  in  den  Organen  des  grossen  Kreislaufes  abgelagert 
werden,  wo  sie  eventuell  metastatische  Herde  hervorrufen  können. 
Es  bleiben  demnach  für  die  Lungeninfektion  nur  die  dem  rechten 
Herzen  zugeführten  Bazillen  übrig.  Diese  werden  hier  einer 
relativ  grossen  Menge  Blut  bei  gemengt,  welches  nicht  bloss  den 
Lungenspitzen,  sondern  auch  den  übrigen  Lungenabschnitten 
zufliesst.  Dass  unter  solchen  Umständen  den  Spitzen,  welche  ja 
kaum  den  zwanzigsten  Teil  des  Gesammtvolumens  der  Lunge  ein¬ 
nehmen  und  nach  den  R  i  b  b  e  r  t  sehen  Anschauungen  überdies 
noch  hinsichtlich  ihrer  Blutversorgung  schlechter  gestellt  sind 
als  die  übrigen  Abschnitte,  Bazillen  in  relativ  grösseren  Mengen 
zufli essen,  ist  im  allerhöchsten  Grade  unwahrscheinlich.  Und 
wenn  unter  solchen  Umständen  der  Lungenspitze  überhaupt  Ba¬ 
zillen  zugeführt  werden,  so  kann  dies  jedenfalls  nur  in  der  Weise 
geschehen,  dass  die  Bazillen  in  vereinzelten  Exemplaren  an  ver¬ 
schiedene  Stellen  der  Lungenspitze  gelangen,  da  der  Nachweis, 
dass  die  Bazillen  in  den  Lymphdrüsengefässen  in  zusammen¬ 
hängenden  Klümpchen  übertreten,  und  dass  letztere  bei  dei 
Passage  durch  das  rechte  Herz  nicht  zerstört  werden,  jedenfalls 
noch  nicht  erbracht  ist  und  die  Annahme,  dass  die  Gefässe  der 
Lungenspitze  für  embolische  Prozesse  eine  besondere  Disposition 
besässen,  ebenfalls  durch  nichts  erwiesen  ist  ).  Gelangen  aber 
die  Bazillen  nur  in  einzelnen  Exemplaren  an  verschiedene  Stellen 
der  Lungenspitze,  so  ist  nicht  einzusehen,  warum  sie  nicht  auch 
demselben  Schicksal  verfallen  sollen,  welches  nach  R  i  b  b  e  r  t 
den  inhalierten  Bazillen  beschieden  ist. 

Diese  auf  Grund  theoretischer  Erwägungen  erhobenen  Ein¬ 
wände  gegen  die  R  i  b  b  e  r  t  sehe  Theorie  werden  nun  auch  ganz 
wesentlich  durch  tatsächliche  Beobachtungen  gestützt,  auf 
welche  ich  später  zurückkommen  werde.  Hier  möchte  ich  zu¬ 
nächst  noch  auf  die  übrige  Beweisführung  Ribberts  ein¬ 
gehen  und  an  erster  Stelle  erwähnen,  dass  man  in  einer  grösseren 
Anzahl  von  florid  und  chronisch  verlaufenden  Lungenphthisen 
ältere  tuberkulöse  Prozesse  in  den  Bronchialdrüsen  überhaupt 
nicht  nachweisen  kann.  Die  Lymphdrüsen  sind  allerdings  in 
solchen  Fällen  fast  stets  erkrankt;  dass  diese  Erkrankung  aber 
älter  sei  als  der  Lungenprozess  ist  häufig  nicht  nachzuweisen,  im 
Gegenteil  ist  es  sowohl  nach  dem  makroskopichen  als  auch  nach 
dem  mikroskopischen  Verhalten  der  betreffenden  Drüsen  nicht 
zu  bezweifeln,  dass  eine  tuberkulöse  Infektion  relativ  frischen 
Datums  vorliegt. 

Es  sei  übrigens  in  dieser  Hinsicht  auch  auf  eine  kurze  Notiz 
von  Einstein,  einem  Schüler  Baumgartens,  hin¬ 
gewiesen  19),  nach  welchem  öfters  bei  schon  starken  tuberkulösen 
Lungenveränderungen  die  Bronchialdrüsen  gesund  ‘ )  gefunden 
werden. 

Es  soll  nun  aber  durchaus  nicht  geleugnet  werden,  dass 
Fälle  Vorkommen,  bei  denen  die  vorhandene  tuberkulöse  Spitzen¬ 
affektion  unzweifelhaft  kürzere  Zeit  bestanden  hat,  als  eine 
gleichzeitig  vorhandene  Bronchialdrüsentuberkulose.  Dass  in 
solchen  Fällen  die  jüngere  Lungentuberkulose  in  dem  von  R  i  b  - 
b  e  r  t  betonten  Abhängigkeitsverhältnis  von  der  älteren 


1C)  Verband!  d.  Deutsch,  patliolog.  Gesellsch.  1901. 

17)  Die  Bronchialarterien  sind  so  wenig  bedeutend,  dass  die 
Wahrscheinlichkeit,  dass  gerade  in  sie  Bazillen  gelangen  sollten, 
gleich  null  ist. 

1S)  Vergl.  auch  Birch-Hirschfeld:  Arch.  f.  klin.  Med., 


Bd.  51.  inAO 

Arbeiten  aus  dem  Tübinger  pathologischen  Institut  100— 
so)  Ich  habe  in  solchen  Fällen  in  den  bei  der  makroskopischen 
Untersuchung  gesund  erscheinenden  Drüsen  bei  mikroskopischer 
Prüfung  regelmässig  Tuberkel  gefunden. 


26.  August  1902. 


MÜENCHENER  MEDiClNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1421 


Bronchialdrüsentuberkulose  steht,  ist  zwar  möglich,  aber  im 
Hinblick  auf  die  oben  gemachten  Ausführungen  und  auf  später 
zu  gebende  Darlegungen  unwahrscheinlich,  und  wenn  R  i  b  b  e  r  t 
meint,  dass  der  aerogene  Ursprung  der  Spitzenaffektion  in  solchen 
Fällen  um  deswillen  unwahrscheinlich  sei,  weil  kaum  anzunehmen 
sei,  dass  später  aspirierte  Bazillen  im  Lungengewebe  gehaftet 
haben  sollten,  während  das  letztere  die  früher  eingeatmeten, 
nach  den  Bronchialdrüsen  gelangten  Bazillen  durchgelassen  habe, 
so  ist  demgegenüber  darauf  hinzuweisen,  dass  es  durchaus  nicht 
sicher  erwiesen  ist,  dass  die  nach  den  Bronchialdrüsen 21)  ge¬ 
langten  Bazillen  tatsächlich  das  Lungengewebe  passiert  haben, 
denn  es  ist  sehr  gut  möglich,  dass  die  Bazillen  von  der  Schleim¬ 
haut  des  untersten  Trachealabsehnittes  und  der  grösseren  Bron¬ 
chien  aus,  wo  ja  auch  nach  R  i  b  b  e  r  t  s  Ansicht  ein  Teil  der 
inhalierten  Tuberkelbazillen  liegen  bleibt,  in  den  Lymphstrom 
eingedrungen  sind,  da  die  Bronchialdrüsen  ihre  Lymphe  ja  auch 
aus  diesen  Teilen  beziehen.  Ferner  aber  kann,  falls  die  nach  den 
Bronchialdrüsen  gelangten  Bazillen  tatsächlich  früher  bis  in  die 
Alveolen  aspiriert  und  mit  dem  Lymphstrom  verschleppt  wurden, 
die  Möglichkeit  kaum  bestritten  werden,  dass  sie  hier  bei  ihrem 
Durchtritt  Veränderungen  hervorriefen,  welche  ein  Haften 
später  inhalierter  Bazillen  begünstigten. 

Derartige  Fälle  von  älteren  Bronchialdrüsentuberkulosen 
neben  so  frischen  und  so  wenig  ausgedehnten  Lungentuberku¬ 
losen,  dass  sie  für  die  in  Rede  stehende  Frage  des  Beginnes  der 
Lungentuberkulose  in  Betracht  kommen  könnten,  sind  übrigens 
nach  meinen  Erfahrungen  recht  selten.  Ich  habe  in  den  letzten 
Jahren  unter  einem  Sektionsmaterial  von  nahezu  4000  Sektionen 
nur  42  Fälle  von  Lungentuberkulose  gesehen,  bei  denen  die  Er¬ 
krankung  noch  so  wenig  ausgedehnt  war,  dass  man  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  einen  Schluss  auf  den  Ausgangspunkt  ziehen 
konnte. 

In  20  Fällen  habe  ich  genaue  Untersuchungen  über  das  Ver¬ 
halten  der  Bronchialdrüsen  angestellt,  aber  nur  in  8  Fällen 
tuberkulöse  Veränderungen  in  ihnen  gefunden,  die  nach  ihrem 
morphologischen  Charakter  älter  waren,  als  die  gleichzeitig  vor¬ 
handene  Lungenaffektion;  unter  diesen  8  Fällen  befinden  sich 
aber  4,  bei  denen  es  sich  nur  um  verkreidete,  also  abgeheilte 
tuberkulöse  Herde  handelt,  von  denen  die  ganz  frische  Spitzen¬ 
affektion  unmöglich  abhängig  gemacht  werden  konnte.  Es  bleiben 
demnach  nur  4  Fälle  übrig,  bei  denen  man  einen  Zusammenhang 
der  Lungenaffektion  und  der  Bronchialdrüsenaffektion  im  R  i  b  - 
b  e  r  t  sehen  Sinne  annehmen  könnte.  Es  geht  demnach  Ribbert 
entschieden  zu  weit,  wenn  er  behauptet,  dass  bei  beginnender 
Lungentuberkulose  fast  ausnahmslos  ältere  Bronchial¬ 
drüsenaffektionen  gefunden  werden. 

Ribbert  gründet  seine  Theorie  weiterhin  darauf,  dass 
allgemein  angenommen  werde,  daiss,  wenn  zu  einer  bereits  längere 
Zeit  bestehenden  Knochen-,  Gelenks-  oder  Urogenitaltuberkulose 
eine  tuberkulöse  Spitzenaffektion  hinzutritt,  letztere  auf  häma¬ 
togenem  Wege  entstanden  sei.  Es  ist  nun  durchaus  nicht  zu 
bestreiten,  dass  in  solchen  Fällen  hämatogen  entstandene  Lungen¬ 
tuberkulosen  Vorkommen,  und  ich  selbst  werde  später  über  solche 
berichten.  Es  fragt  sich  aber  doch,  ob  die  hämatogene  In¬ 
fektion  sich  in  derartigen  Fällen  in  der  Spitze  zuerst  und 
vorwiegend  lokalisiert,  und  ob,  wenn  unter  solchen  Verhältnissen 
während  der  klinischen  Beobachtung  das  Auftreten  einer  Spitzen¬ 
affektion  festgestellt  oder  bei  der  Sektion  eine  solche,  die  in  der 
Regel  schon  weiter  fortgeschritten  ist,  gefunden  wird,  die 
aerogene  Infektion  völlig  auszuschliessen  bezw.  so  wenig  wahr¬ 
scheinlich  ist,  dass  sie  gegenüber  der  hämatogenen  Infektion 
nicht  in  Betracht  kommen  könnte.  Um  mit  dem  zweiten  Teil 
der  Frage  zu  beginnen,  halte  ich  eine  aerogene  Infektion  nicht 
nur  für  möglich,  sondern  auch  für  wahrscheinlich.  Die  Ge¬ 
legenheit  zu  einer  solchen  ist  gerade  bei  derartigen  Individuen, 
die  an  sich  schon  für  Tuberkulose  disponiert  sind,  jederzeit  in 
hohem  Grade  vorhanden,  da  ja  bei  Genitaltuberkulose  stets,  bei 
Knochen-  und  Gelenktuberkulosen,  sobald  Fistelbildungen  vor¬ 
handen  sind,  Tuberkelbazillen  an  der  Oberfläche  des  Körpers  ge¬ 
langen,  wo  sie  mit  der  Kleidung  bezw.  Wäsche  in  Berührung 
kommen,  eintrocknen  und  auf  diese  Weise  leicht  zerstäubt  und 

21)  Ich  habe  hier  selbstverständlich  nur  die  Fälle  von  Lympli- 
driisentuberkulose  im  Auge,  bei  denen  eine  Infektion  von  benach¬ 
barten  Lymphdriisengruppen  ausgeschlossen  ist. 

No.  34. 


inhaliert  werden  können.  Uebrigens  ist,  wenn  sich  in  solchen 
Fällen  eine  Spitzenaffektion  bemerkbar  macht,  auch  mit  der 
Möglichkeit  zu  rechnen,  dass  schon  längere  Zeit,  ja  vielleicht 
schon  vor  dem  Ausbruch  der  extrapulmonal  gelegenen  —  schein¬ 
bar  primär  auftretenden  —  Tuberkulose  ein  latenter  älterer 
Spitzenherd  bestand,  und  dass  derselbe  unter  dem  Einfluss  der 
durch  die  manifeste  extrapulmonal  gelegene  Tuberkulose  sich 
entwickelnden  Schwächung  des  Organismus  sich  plötzlich  ver- 
grösserte  und  so  der  klinischen  Untersuchung  zugängig  wurde. 

Ich  halte  bei  derartigen  Fällen  einen  aerogenen  Ursprung 
solcher  bei  der  Autopsie  meist  schon  etwas  weiter  vorgeschrit¬ 
tenen  Spitzenaffektion  um  deswillen  für  sehr  wahrscheinlich, 
weil  ich  bei  den  von  mir  seit  dem  Erscheinen  der  ersten 
Ribbert  sehen  Arbeit  in  dieser  Hinsicht  angestellten  Unter¬ 
suchungen  in  Fällen  von  älterer  Tuberkulose  der  Bronchial-, 
Hals-  und  Lumbaldrüsen,  sowie  der  Gelenke,  Knochen  und  des 
I* 1  rogenitalapparates,  bei  denen  weiter  vorgeschrittene  und  in¬ 
folgedessen  in  ihrer  Genese  nicht  eindeutige  Lungenaffektionen 
fehlten,  ausnahmslos  nachweisen  konnte,  dass  die  durch  hämato¬ 
gene  Infektion  bedingte  Tuberkeleruption  in  den  Lungen  keines¬ 
wegs  ausschliesslich  oder  auch  nur  vorwiegend  in  der  Spitze 
lokalisiert  war. 

Wegen  der  grossen  Wichtigkeit,  welche  denselben  für  die 
hier  in  Rede  stehende  Frage  zukommt,  führe  ich  dieselben  im 
Auszuge  an,  zumal  ihre  Zahl  eine  verhältnismässig  geringe  ist, 
was  sich  leicht  daraus  erklärt,  dass  es  nur  sehr  selten  vorkommt, 
dass  Individuen  mit  primärer,  extrapulmonal  gelegener  Tuber¬ 
kulose  zu  einer  Zeit  sterben,  wo  kurz  vor  dem  Tode  ein  Ueber- 
tritt,  und  zwar  höchst  wahrscheinlich  der  erste  Uebertritt,  relativ 
spärlicher  Tuberkelbazillen  in  die  Blutbahn  erfolgt  ist. 

1.  22  jähriger  Maurer  (No.  20)  f  an  tuberkulöser  Meningitis. 

Tuberkulose  beider  Nebenhoden,  der  Samenblasen  und  der 

Prostata.  Miliare  Tuberkel  in  beiden  Hoden.  Spärliche  miliare 
und  submiliare  Tuberkel  in  der  Milz,  in  den  Nieren  und  in  der 
Leber. 

In  beiden  Unterlappen  der  Lunge  Hypostase  und  vereinzelte 
Schluckpneumonien.  Die  Oberlappen  gut  lufthaltig,  mässig  blut¬ 
reich.  Beide  Lungenspitzen  sind  frei  von  tuberkulösen  Verände¬ 
rungen22).  In  den  unteren  Partien  der  Oberlappen  und  zwar  teils 
nahe  der  Pleura,  teils  mitten  im  Parenchym,  nicht  besonders  zahl¬ 
reiche  miliare  und  stecknadelkopfgrosse  Tuberkel,  ebensolche 
finden  sich  auch  in  den  vorderen  und  seitlichen  Abschnitten  der 
Unterlappen  und  im  rechten  Mittellappen.  Hilusdriisen  anthra- 
kotisch,  aber  ohne  tuberkulöse  Veränderungen. 

2.  18  jähriger  Kellner  (No.  65)  f  an  tuberkulöser  Meningitis. 

Verkäsung  des  rechten  Nebenhodens,  des  rechten  Vas  deferens 

und  der  rechten  Samenblase.  Erbsengrosse  in  Erweichung  be¬ 
griffene  Herde  in  der  Prostata.  Sehr  vereinzelte  miliare  bis  steck¬ 
nadelkopfgrosse  Tuberkel  in  beiden  Nieren,  in  der  Milz  und  in  der 
Leber. 

Die  linke  Lungenspitze  verwachsen,  aber  frei  von  tuberkulösen 
Eruptionen,  ebenso  die  rechte  Spitze.  In  den  mittleren  und  unteren 
Abschnitten  der  Oberlappen,  sowie  in  beiden  Unterlappen,  in  denen 
vereinzelte  Schluckpneumonien  sich  finden,  ganz  vereinzelte  hirse- 
korn-  bis  stecknadelkopfgrosse  Tuberkel. 

3.  42  jähriger  Bäcker  (No.  183)  f  an  tuberkulöser  Meningitis. 

Ausgedehnte  Verkäsung  beider  Hoden  und  Nebenhoden. 

Tuberkulöse  Fisteln  am  Skrotum.  Verkäsung  der  Samenblasen. 
Vereinzelte  tuberkulöse  Geschwüre  in  der  Harnblase.  Käsige 
Herde  in  der  Prostata.  Spärliche  miliare  Tuberkel  in  der  Milz,  in 
den  Nieren  und  in  der  Leber. 

Beide  Lungenspitzen  verwachsen,  abgesehen  von  vereinzelten 
kleinen  anthrakotischen  Schwielen  und  Knoten,  welche  sich  bei 
der  mikroskopischen  Untersuchung  frei  von  Tuberkulose  erweisen, 
lassen  sich  in  ihnen  keine  Veränderungen  nachweisen.  In  den 
seitlichen  Abschnitten  beider  Oberlappen,  sowie  im  zungenförmigen 
Fortsatz  des  linken  Oberlappens  und  in  beiden  Unterlappen  finden 
sich  mehrere  subpleural  gelegene,  keilförmige  Herde,  in  deren  Be¬ 
reich  die  Pleura  verdickt  und  mit  fibrinösen  Auflagerungen  be¬ 
deckt  ist  und  frische  miliare  Tuberkel  erkennen  lässt.  Auf  der 
Schnittfläche  treten  hier  in  dem  dunkelrot  gefärbten,  luftleeren, 
ziemlich  derben  Lungengewebe  zahlreiche,  dichtstehende  miliare 
Tuberkel  hervor,  die  teilweise  verkäst  sind  und  hier  und  da  kon- 
fluieren,  die  keilförmigen  Herde  sind  scharf  von  der  Umgebung 
abgesetzt.  An  den  zuführenden  Bronchien  keine  Veränderungen. 
Im  Mittellappen  und  rechten  Unterlappen  mitten  im  Parenchym 
ein  kirschkerngrosser,  gelbgrauer,  derber  Herd,  der  sich  aus  dicht 
stehenden,  miliaren  Knötchen  zusammensetzt.  In  einer  Hilusdrüse 
ein  erbsengros^er,  verkalkter  Herd. 


22)  Um  möglichst  sicher  zu  gehen,  wurden  die  Lungenspitzen 
nach  der  Untersuchung  im  frischen  Zustand  in  allen  hier  bespro¬ 
chenen  Fällen  in  Formalin  und  Alkohol  gehärtet  und  dann  in 

1  mm  dicke  Scheiben  mit  dem  Rasiermesser  zerlegt,  bei  verdäch¬ 
tigen  Befunden  wurde  mikroskopisch  untersucht. 


4 


1422 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


4.  und  5.  betreffen  Individuen,  die  an  tuberkulöser  Menin-  I 
sitis  gestorben  sind,  welche  sieh  ebenfalls  an  Genitaltuberkulose 
angeschlossen  hatte.  Auch  liier  fanden  sieh  miliare  Tuberkel  in 
Milz,  Leber  und  Nieren.  Der  Lungenbefund  entsprach  dem  bei 
Fall  2  beschriebenen. 

6.  23  jährige  Frau  (No.  426)  f  au  Lungenembolie. 

Fungus  des  linken  Kniegelenks  (ohne  Fistelbildung),  Throm¬ 
bose  der  linken  Vena  cruralis  und  iliaca.  Verkäsung  der  Inguinal- 
driisem  links.  Spärliche  miliare  Tuberkel  in  Milz,  Nieren  und 

Leber.  ,  .  „  .  .  . 

Beide  Lungenspitzen  verwachsen  mit  kleinen,  schiefrig  mrtu- 
rierten  Schwielen.  In  der  rechten  Spitze  ein  halberbsengrosser, 
völlig  verkreideter  und  durch  schiefrig  gefärbtes  Bindegewebe 
abgekapselter  Herd.  Sonst  die  Spitze  völlig  frei  von  frischen, 
tuberkulösen  Veränderungen  (auch  mikroskopisch). 

Im  linken  Oberlappen,  7  cm  unterhalb  der  höchsten  Erhebung 
der  Spitze  ein  stecknadelkopfgrosser,  graugelb  gefärbter  Tuberkel 
mitten  im  Parenchym.  Im  zungenförmigen  Fortsatz  des  linken 
Oberlappens  und  in  den  vorderen  Abschnitten  des  linken  Unter¬ 
lappens  werden  8  gleiehbes'chaffene  Herde  gefunden.  Rechte 
Lunge  frei  von  Tuberkulose.  Eine  Hilusdriise  völlig  verkreidet. 
Sonst  in  den  Bronchialdrüsen  keine  frische  Tuberkulose. 

7.  21  Jahre  alter  Mann  (No.  684),  f  an  perniziöser  Anämie. 

An  der  linken  Seite  der  Trachea,  dicht  oberhalb  der  Bifur¬ 
kation  eine  walnussgrosse,  verkäste  und  in  Erweichung  begi  illene 
Lymphdrüse.  Sehr  spärliche  kleinstecknadelkopfgrosse  und  miliare 
Tuberkel  iu  Milz,  Nieren  und  Leber. 

Die  Lungenspitzen  nicht  verwachsen,  lassen  nirgends  tuber¬ 
kulöse  Veränderungen  erkennen.  Im  zungenförmigen  Fortsatz  des 
linken  Oberlappens  3  stecknadelkopfgrosse,  von  einem  dunkelroten 
Saum  umgebene,  verkäste  Tuberkel.  In  der  Spitze  des  linken 
Unterlappens  4  dicht  nebeneinander  stehende,  kleinpfefferkorn¬ 
grosse,  runde,  käsige  Knoten,  die  von  einem  schmalen  roten  Hof 
umgeben  werden.  Im  rechten  Mittellappen  und  in  den  seitlichen 
und  vorderen  Partien  des  rechten  Unterlappens  etwa  6  stecknadel¬ 
kopfgrosse  verkäste  Tuberkel.  Lymphdriisen  am  Hilus  beider 
Lungen  ohne  Veränderungen. 

8.  32  jähriger  Schneider  (No.  340),  f  «n  Meningitis  tuberculosa. 

Karies  des  1.  und  2.  Lendenwirbels  (ohne  Fistelbildung), 

Cystitis,  vereinzelte  miliare  und  stecknadelkopfgrosse,  graugelb 
gefärbte  Tuberkel  in  Milz,  Nieren  und  Leber.  Hypostase  in  beiden 
Unterlappen  mit  vereinzelten  Schluckpneumonien.  Bronchitis  in 
beiden  Unterlappen. 

Linke  Lunge  nirgends  verwachsen,  rechte  Spitze  durch  strang¬ 
förmige  Adhäsionen  an  die  Brustwand  angeheftet.  Beide  Spitzen 
frei  von  Tuberkulose.  In  den  vorderen,  seitlichen  und  unteren 
Partien  der  Ober-  und  Unterlappen  sehr  vereinzelte  miliare  bis 
stecknadelkopfgrosse  Tuberkel,  welche  teils  subpleural,  teils  in  der 
Mitte  des  Parenchyms  sitzen  und  nirgends  iu  Gruppen  zusammen¬ 
stehen.  Bronchialdrüsien  intakt.  Lumbaldrüsen  verkäst. 

9.  26  jähriges  Mädchen,  j  au  Eklampsie  (grosse  Blutung  in  das 
Kleinhirn). 

Abgesehen  von  den  für  die  Eklampsie  charakteristischen  Ver¬ 
änderungen:  Kirschgrosse  verkäste  und  erweichte  Lymphdrüse 
in  der  rechten  Supraklavikulargrube.  In  der  linken  Niere  bei  Be¬ 
sichtigung  mit  blossem  Auge  2  Stecknadelkopf  grosse  Tuberkel  (bei 
der  mikroskopischen  Untersuchung  ausserdem  noch  einige  wenige 
submiliare)  ebenso  in  der  Milz. 

Lungenspitzen  nicht  verwachsen,  zeigen  keine  tuberkulösen 
Veränderungen.  Im  zungenförmigen  Fortsatz  des  linken  Ober¬ 
lappens  und  im  rechten  Mittellappen,  sowie  in  den  seitlichen 
Partien  des  rechten  Unterlappens  vereinzelte  miliare  bis  steck¬ 
nadelkopfgrosse  Tuberkel  (zusammen  etwa  15). 

10.  17  jähriger  Kellner  (No.  732). 

Tuberkulöse  Meningitis.  Ausgedehnte  Verkäsung  der  bron¬ 
chialen,  trac-healen  und  Halslymphdrüsen.  Ganz  vereinzelte  miliare 
Tuberkel  in  der  Milz,  in  den  Nieren  und  in  der  lieber.  Ver¬ 
käsung  vereinzelter  mesenterialer  Lymphdriisen.  In  Heilung  be¬ 
griffenes  tuberkulöses  Geschwür  an  der  lleocoekalklappe. 

Lungen  nirgends  verwachsen,  im  allgemeinen  gut  lufthaltig, 
in  den  hinteren  Partien  stärkerer  Blutgehalt,  in  beiden  Unter¬ 
lappen  Schluckpneumonien. 

Spitze  beiderseits  völlig  frei  von  tuberkulösen  Veränderungen. 
In  den  vorderen  Partien  beider  Unterlappen  mässig  zahlreiche, 
isoliert  stehende,  stecknadelkopfgrosse,  käsige  Knötchen.  Im 
rechten  Mittellappen  vereinzelte  miliare  Knötchen,  ebenso  in  den 
mittleren  und  unteren  Abschnitten  der  Unterlappen;  sie  sind  hier 
jedoch  so  wenig  zahlreich,  dass  man  zahlreiche  Scheiben  durch¬ 
mustern  muss,  ehe  man  sie  findet. 

11.  -f-  an  tuberkulöser  Perikarditis  (No.  285). 

Erweichung  einer  an  der  Bifurkation  der  Trachea  gelegenen 

bronchialen  Lymphdrüse,  Frische  Tuberkulose  einer  benachbarten 
Lymphdrüse.  Vereinzelte  miliare  Tuberkel  in  Milz  und  Nieren. 

In  den  Spitzen  beider  Unterlappen  bemerkt  man  pfefferkorn¬ 
grosse.  scharf  abgesetzte  Herde,  welche  aus  sehr  dicht  stehenden 
miliaren  und  submiliaren  Tuberkeln  sich  zusammensetzen,  da¬ 
neben  linden  sich  stecknadelkopfgrosse,  isoliert  stehende  Knötchen 
iu  den  unteren  Partien  beider  Oberlappen.  Die  eigentlichen 
Spitzenteile  vollständig  frei,  nur  im  linken  Oberlappen  8  cm  unter¬ 
halb  der  höchsten  Erhebung  der  Spitze  ein  halberbsengrosser 
käsiger  Herd.  Hie  und  da  in  dem  Lungengewebe  vereinzelte 
hirsekofn-  bis  stecknadelkopfgrosse  Tuberkeleruptionen,  welche 
meist  wie  die  übrigen  Herde  in  der  Nähe  der  Pleura  sitzen,  die 
Spitzen  aber  vollständig  frei  von  solchen  Knötchen. 


12.  31  Jahre  alter  Mann  (No.  682),  f  an  tuberkulöser  Menin- 
°*i  tis. 

Verkäsung  einzelner  tiefer  Halslymphdrüsen.  Bronchial¬ 
drüsen  intakt.  In  Milz,  Nieren  und  Leber  ganz  vereinzelte  miliare 

Tuberkel.  . 

An  der  Basis  des  linken  Oberlappens  und  zwar  m  den  seit¬ 
lichen  Abschnitten  eine  Gruppe  von  6  grauweissen,  durchschei¬ 
nenden  miliaren  Tuberkeln,  im  rechten  Mittellappen  2  stecknadel¬ 
kopfgrosse  graugelbe  Tuberkel, 
absolut  frei  von  Tuberkulose. 

13.  4  nionatl.  Kind  (No.  207),  -f 
Genau  an  der  Bifurkation  der 


Sonst  nirgends  Tuberkel.  Spitzen 


an  M agenda r m kata r rh . 
Trachea  sitzt  eine  gut  kirsch¬ 


grosse,  verkäste,  z.  T.  erweichte  Bronchialdrüse,  welche  mässig 
fest  mit  den  umgebenden  Teilen  verwachsen  erscheint. 

Rechte  Lungensiptze  absolut  frei  von  tuberkulösen  Verände¬ 
rungen,  dagegen  findet  man  in  den  basalen  Teilen  dies  rechten 
Oberlappens  4  ganz  typische  hirsekorngrosse  Tüberkelkuötclien 
und  zwar  sämtlich  etwa  y2— 1  cm  unter  der  Pleura.  Nur  ein 
einziger  sitzt  mehr  zentral wärts  nach  dem  Luugenhilus  zu.  An 
den  seitlichen  Abschnitten  des  Unterlappens  4  ebenfalls  dicht  unter 
der  Oberfläche  gelegene,  grau  durchscheinende,  teils  miliare,  teils 
submiliare  Knötchen.  An  der  Basis  der  1  nterlappen  und  zwai 
nahe  der  medialen  Kante  bemerkt  man  1  cm  von  der  Pleuraober- 
fläclie  entfernt  einen  kleinerbsie'n grossen,  gelben,  käsigen  Herd 
im  Lungengewebe,  welch  letzteres  hier  intensiv  gerötet,  von 
kleinen  llämorrhagien  durchsetzt  erscheint  und  von  zahlreichen 
kleinsten  Tuberkelknötchen  infiltriert  ist. 

In  Milz  und  Nieren  vereinzelte  miliare  bis  Stecknadelkopf  - 

grosse  Tuberkel. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  einer  der  linken  Spitzt 
entnommenen,  etwa  2  ccm  grossen  Scheibe  findet  sich  ein  einziges 
Tuberkelknötchen  mit  typischen  Riesenzellen  und  Verkäsung. 

14.  (4  Jahr  altes  Kind. 

An  der  Bifurkation  der  Trachea,  sowie  an  dem  untersten 
Abschnitte  der  Trachea  bemerkt  man  zahlreiche  stark  vergrösserte 
Lymphdriisen  von  ziemlich  derber  Konsistenz.  Am  grössten  sind 
dieselben  an  der  Bifurkation  der  Trachea,  wo  sie  fast  die  Grösse 
einer  kleinen  Kirsche  erreichen.  Beim  Einschneiden  erweisen 
sich  dieselben  fast  vollständig  in  eine  homogene,  gelbweisse, 
käsige  Masse  verwandelt.  Das  gleiche  Aussehen  zeigen  die  den 
rechten  Hauptbronchus  umgebenden  Lymphdriisen,  welche  im 
Zentrum  erweicht  und  mit  den  am  Luugenhilus  eintretenden  Blut¬ 
gefässen  fest  verwachsen  sind.  Es  lässt  sich  aber  nirgends  nacli- 
weisen,  dass  die  Verkäsung  auf  die  Gefässwand  übergegriffen 
oder  dass  ein  Einbruch  der  erweichten  Massen  in  Bronchien  oder 
Blutgefässe23)  stattgefunden  hat.  Auch  am  Hilus  der  linken 
Lunge  finden  sich  verkäste,  bis  erbsengrosse  Drüsen. 

Die  rechte  Spitze  ist  gut  lufthaltig  und  lässt  nirgends  tuber¬ 
kulöse  Vieränderungen  erkennen.  Letztere  beginnen  erst  2  cm 
genau  senkrecht  unterhalb  der  Spitze  und  nehmen  den  ganzen 
übrigbleibemlen  Teil  des  Oberlappens  ein.  An  den  seitlichen  und 
unteren  Partien,  etwa  der  Axillarlinie  entsprechend,  findet  sich 
hier  dicht  unter  der  Pleura  eine  fast  kirschkerngrosse  Kaverne, 
die  rings  von  verkästem  Gewebe  umgeben  wird.  Die  Kaverne  ent¬ 
hält  schmierig  erweichte  Käsemassen.  Die  Verkäsung  ist  in  der 
nächsten  Umgebung  der  Kaverne  am  festesten  und  dichtesten, 
weiter  periphierwärts  löst  sich  die  Verkäsung  in  einzelne  verkäste 
Knoten  und  Knötchen  auf,  welche  Dis  zum  Lungenliilus  heran¬ 
reichen  und  andrerseits  bis  an  die  mediale  und  untere  Fläche  des 
Lungenlappens  herani eicht.  Im  Unterlappen  finden  sich  ganz  ver¬ 
einzelte  miliare  käsige  Knötchen.  I111  Mittellappen  an  seinem  un¬ 
teren  Rande,  mitten  im  lufthaltigen  Gewebe,  ein  stecknadelkopf¬ 
grosser,  scharf  umschriebener,  käsiger  Herd. 

Die  linke  Spitze  ist  ebenfalls  lufthaltig  und  fast  genau  in 
derselben  Ausdehnung  wie  die  rechte  Spitze  frei  von  Tuberkulose. 
Erst  iy2  cm  unterhalb  der  Lungenspitze  tritt  mitten  im  lufthaltigen 
Gewebe  ein  stecknadelkopfgrosser  käsiger  Herd  vor.  Mehrere 
dergleichen  Herde  trifft  man  nahe  der  Basis  des  Oberlappens. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  rechten  Spitze 
zwei  isoliert  stehende,  im  interstitiellen  Gewebe  gelegene  Tuberkel. 

An  der  hinteren  Fläche  des  Unterlappens,  l  cm  oberhalb  der 
Basis  ein  erbsengrosser,  scharf  umschriebener,  käsiger  Herd,  in 
dessenUmgebung  feine  miliare  Knötchen  sichtbar  sind.  Auch  der 
letzterwähnte  Herd  sitzt  unmittelbar  unter  der  Pleura.  Die  Plieura 
ist  bei  beiden  Lungen  getrübt  und  mit  fibrinösen  Auflagerungen 
bedeckt. 

15.  iy4  Jahre  altes  Kind,  |  an  Pneumonie. 

Ausgedehnte  fibrinöse  Pneumonie  im  linken  Unterlappen. 
Abgeheilte  Diphtherie.  Spärliche  miliare  Knötchen  in  Milz  und 
Nieren. 

An  der  Bifurkation  der  Trachea  eine  stark  vergrösserte,  fast 
bohnengrosse  Lymphdrüse,  welche  im  allgemeinen  graurot  gefärbt 
erscheint  und  stark  durchfeuchtet  ist,  Auf  der  Schnittfläche  treten 
mehrere  bis  halberbsengrosse,  käsige  Herde  hervor,  in  deren  Um¬ 
gebung  vereinzelte  miliare  Tuberkel  sichtbar  sind.  Die  übrigen 
Lymphdriisen  leicht  vergrössert  und  geschwollen,  aber  ohne  sicht¬ 
bare  Tuberkulose. 

Beide  Spitzen  gut  lufthaltig,  ohne  tuberkulöse  Veränderungen. 
An  der  Basis  des  linken  Oberlappens  an  der  hinteren  Fläche  be¬ 
merkt  man  zwei  stecknadelkopfgrosse,  scharf  umschriebene,  kä- 

-3)  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  finden  sich  in  der 
Wand  eines  Lungenarterienastes  3  frei  ins  Lumen  hineinragende, 
riesenzellenhaltige  Tuberkel. 


26.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


sige  Herde.  Sonst  finden  sich  nirgends  in  der  Lunge  makroskopisch 
nachweisbare  tuberkulöse  Veränderungen. 

In  den  mitgeteilten  Fällen  hat  unzweifelhaft  eine  Infektion 
des  Mutes  mit  Tuberkelbazillen  stattgefunden;  denn  die  in  den 
Nieren,  in  der  Milz  und  Leber,  sowie  in  den  Meningen  gefun¬ 
denen  tuberkulösen  Veränderungen  können  nur  durch  hämato¬ 
gene  Infektion  entstanden  sein.  Auch  in  den  Lungen  hat  sieh 
eine  Ansiedlung  der  in  der  Blutbahn  kreisenden  Tuberkelbazillen 
vollzogen  und  zu  einer  Eruption  von  Tuberkeln  geführt,  denn 
ein  andersartiger  Ursprung  der  letzteren  ist,  wenn  auch  nicht 
völlig  ausgeschlossen,  so  doch  im  höchsten  Grade  unwahrschein¬ 
lich. 

Prüft  inan  nun,  in  welchen  Teilen  der  Lunge  in  diesen 
Fallen  bei  denen  unzweifelhaft  nur  wenig  Tuberkelbazillen  in 
che.  Blutbahn  gelangt  sind,  die  Tuberkulose  lokalisiert  ist,  so 
ergibt,  sich,  dass  nicht,  wie  man  nach  der  R  i  b  b  e  r  t  sehen 
Iheorie  erwarten  sollte,  die  Spitzen  ausschliesslich  oder  wenig¬ 
stens  vorwiegend  befallen  sind,  sondern  dass  gerade  diese  Teile 
mit  Ausnahme  von  2  Fällen  keine  tuberkulösen  Veränderungen 
aufweisen,  und  dass  auch  in  den  erwähnten  2  Fällen  die  in  der 
Spitze  lokalisierten  Herde  gegenüber  den  anderen  wesentlich  an 
Grösse  Zurückbleiben,  also  wahrscheinlich  erst  später  als  diese 
entstanden  sind.  Unsere  Beobachtungen  zeigen  demnach  besser 
als  alle  auf  Grund  nicht  eindeutiger  pathologischer  Befunde  an- 
ges teilten  theoretischen  Erwägungen,  dass  die  von  R  i  b  h  e  r  t 
angenommene  Prädisposition  der  Lungenspitzen  für  die  hämato¬ 
gene  Infektion  nicht  oder  zum  mindesten  nicht  in  dem  Masse 
besteht,  dass  dieselbe  als  feststehende  Tatsache  angesehen  werden 
und  zur  Grundlage  einer  in  ihren  Konsequenzen  sehr  weit¬ 
gehenden  Theorie  dienen  kann. 

Nun  könnte  man  freilich  hier  einwenden,  dass  die  Zahl  der 
ungeteilten  Beobachtungen  eine  zu  geringe  sei,  um  einen  so 
weitgehenden  Schluss  zu  gestatten.  Diesem  Einwand  möchte  ich 
mit  dem  Hinweis  begegnen,  dass  diese  Fälle  aus  einem  Sektions¬ 
material  von  insgesamt  2300  Sektionen  die  einzigen  sind,  bei 
denen  die  zu  einer  eindeutigen  Beurteilung  der  vorliegenden 
Frage  erforderlichen  Bedingungen :  „sichere  frische  hämatogene 
Infektion  und  Fehlen  älterer  Lungenveränderungen“  gegeben 
waren. 

Ich  kann  ihnen  nur  3  Beobachtungen  an  die  Seite  stellen, 
bei  denen  vielleicht  eine  im  Anschluss  an  eine  ältere 
Bronchialdrüsen-  bezw.  Knochentuberkulose  entstandene  frische 
Spitzenaffektion  vorliegt,  bei  der  die  tuberkulösen  Herde  Erbsen¬ 
grösse  nicht  überschreiten.  Freilich  ist  es ‘nicht  möglich,  mit 
gleich  grosser  Bestimmtheit  wie  bei  den  vorher  geschilderten 
Fällen  den,  hämatogenen  Ursprung  zu  erweisen,  da  in  den  be¬ 
treffenden  Fällen  sichere  Spuren  einer  Blutinfektion  mit  Tu¬ 
berkelbazillen,  wie  sie  bei  den  an  erster  Stelle  erwähnten  Fällen 
iu  den  in  Milz,  Nieren  und  Leber  nachweisbaren  miliaren  Tu¬ 
berkeln  gegeben  sind,  nicht  aufzufinden  waren.  Ihre  Genese 
muss  daher  zweifelhaft  bleiben. 

Lnsere  Beobachtungen  mahnen  aber  auch  zur  Vorsicht  in 
der  Verwertung  der  von  v.  Baumgarten  bei  seinen  Tierver¬ 
suchen  erhaltenen  Resultate  für  menschliche  Verhältnisse.  Fs 
\ann  ja  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  die  von  dem  genannten  Autor 
bei  seinen  Versuchstieren  erzeugte,  der  menschlichen  Phthisis 
pulmonum  so  ausserordentlich  ähnliche  Affektion  hämatogenen 
Ursprungs  ist,  und  insbesondere,  dass  hier  die  Tuberkulose  in 
cen  Spitzen  begonnen  hat;  dass  aber  durch  diese  Versuche  auch 
iur  die  Mehrzahl  der  menschlichen  Lungenphthisen  der  hämato¬ 
gene  Ursprung  wahrscheinlich  gemacht  ist,  kann  nicht  als  er- 
wiesen  angesehen  werden,  und  wenn  auch  beim  Menschen  einzelne 
lalle  Vorkommen  mögen,  in  denen  eine  in  der  Spitze  beginnende 
-t  uberkulöse  hämatogenen  Ursprungs  ist,  so  steht  doch  der  Be- 
vreis  dafür,  dass  diese  Entstehungsweise,  wie  v.  B  a  u  m  garte  n, 

L  i  b  b  e  r  t  und  Aufrecht  annehmen,  die  vorherrschende  sei, 
yu-  äufig  noch  aus.  Im  Gegenteil  zeigen  unsere  Beobachtungen, 
a.ss  iei  fiischer  Infektion  der  Blutbahn  mit  relativ  wenig  zahl¬ 
reichen  Tuberkelbazillen  diejenigen  Lungenteile,  in  denen  in 
cer  Mehrzahl  der  Fälle  nach  der  klinischen  Beobachtung  und 
jiach  pathologisch-anatomischen  Befunden  die  primäre  mensch¬ 
liche  Lungenphthise  beginnt,  fast  ausnahmslos  frei  von  Tuber- 
'ii  ose  bleiben,  und  es  erscheint  daher  sehr  zweifelhaft,  dass  die 
Lungentuberkulose  vorwiegend  hämatogenen  Ursprungs  ist. 


1423 


Meines  Erachtens  bildet  nach  Ausschluss  der  hämatogenen 
Infektion  die  Inhalation  die  Hauptquelle  für  die  Infektion  der 
.unge  mit  1  uberkelbazillen.  Nur  im  Kindesalter  spielt  auch  der 
Lymphstrorn  in  dieser  Hinsicht  eine  bedeutende  Rolle.  Für  den 
aerogenen  Ursprung  der  Tuberkulose  sprechen  ganz  besonders 
die  Birch  - Hirschfeld  sehen  Befunde,  welche  lehren,  dass 
die  Tuberkulose  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  in  den  Spitzen¬ 
bronchien  beginnt.  Wie  ich  bereits  in  den  von  mir  gemachten 
Diskussionsbemerkungen  24)  ausgeführt  und  auch  in  einer  kurzen 
Mitteilung  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. “)  bemerkt  habe, 
kann  ich  auf  Grund  eigener  Untersuchungen  die  Bircli- 
II  i  r  s  ch  f  el  d  sehen  Befunde  im  wesentlichen  bestätigen. 
Ohne  auf  Einzelheiten  einzugehen,  die  ich  mir  für  eine  spätere 
Publikation  Vorbehalte,  möchte  ich  hier  nur  wiederholen,  dass 
ich  unter  einem  Gesamtsektionsmaterial  von  rund  4000  Sektionen 
42  )  für  die  Frage  des  Beginns  der  Lungentuberkulose  verwert¬ 
bare  Fälle  gefunden  habe. 

In  4  Fällen  trat  der  Beginn  unter  dem  Bilde  einer  in  der 
Spitze  gelegenen  zirkumskripten  käsigen  Pneumonie  hervor, 
deren  Grösse  bei  Betrachtung  mit  blossem  Auge  zwischen  der 
eines  Pfefferkorns  und  der  eines  Kirschkernes  schwankte.  Bei 
der  mikroskopischen  Untersuchung  ergab  sich  das  typische  Bild 
einer  käsigen  Pneumonie  mit  massig  zahlreichen  Riesenzellen. 
Beziehungen  der  tuberkulösen  Herde  zu  kleinsten  Bronchien, 
welche  darauf  hindeuteten,  dass  der  Ausgangspunkt  in  diese  zu 
verlegen  sei,  traten  dabei  nicht  hervor,  ebenso  waren  Verände¬ 
rungen  an  den  im  Bereich  und  in  der  unmittelbaren  Nachbar¬ 
schaft  der  käsigen  Pneumonie  gelegenen  Blutgefässen,  wie  sie 
Aufrecht  beschrieben  hat,  nicht  festzustellen;  nur  in  einem 
lalle  fand  sich  an  einem  kleinen  Arterienast  eine  beginnende 
obli terierende  Entzündung. 

Bei  einem  5.  Fall  von  beginnender  Spitzentuberkulose  war 
der  Ausgangspunkt  in. einem  verkästen,  subpleuralen, 'halberbsen¬ 
grossen  Lymphknoten  zu  suchen,  von  dem  aus  eine  Dissemination 
von  miliaren  Tuberkeln  auf  die  umgebende  Pleura  und  das  an¬ 
grenzende  Lungengewebe  erfolgt  war. 

In  den  übrigen  Fällen  aber  bestanden  deutliche  Beziehungen 
der  tuberkulösen  Herde  zu  den  Spitzenbronchien.  25  Fälle  zeigten 
genau  dasselbe  Bild,  wie  es  Birch-Hirschfeld  in  seiner 
letzten  Arbeit  geschildert  hat.  Im  Verlauf  eines  Astes  dritter 
bis  fünfter  Ordnung  des  vorderen,  meist  aber  des  hinteren 
Spitzenbronchus  lagen  erbsen-  bis  kirschgrosse  verkäste  Herde, 
die  mitunter  schon  erweicht  waren.  In  Anbetracht  der  Grösse 
dieser  Herde,  welche  schon  auf  das  umgebende  Lungengewebe 
Übergriffen,  war  es  nicht  möglich,  mit  Sicherheit  zu  ent¬ 
scheiden,  ob  der  Ausgangspunkt  der  Tuberkulose  iu  der  Bron¬ 
chialwand  oder  in  dem  angrenzenden  Lungengewebe  zu  suchen 
war aber  die  nahen  Beziehungen,  in  welchen  die  Herde  zu 
den  Bronchien  standen,  machten  es  doch  wahrscheinlich,  dass 
sie  von  der  Wand  der  letzteren  ihren  Ausgang  genommen  hatten. 
Es  erscheint  mir  diese  Annahme  um  so  wahrscheinlicher,  als 
ich  bei  den  10  übrigbleibenden  Fällen  meiner  Beobachtungsreihe 
nachweisen  konnte,  dass  die  Tuberkulose,  welche  hier  Spitzen¬ 
bronchien  5.  und  7.  Ordnung  betraf,  streng  auf  die  Bronchial¬ 
wand  beschränkt  war.  Eine  sekundäre  Infektion  der  Bronchial¬ 
schleimhaut  war  in  diesen,  sowie  in  den  ersterwähnten  Fällen 
auszuschliessen,  da  im  Verbreitungsbezirk  der  tuberkulösen 
Bronchien  entweder  überhaupt  keine  oder  keine  älteren  tuber¬ 
kulösen  Herde  bestanden. 

Die  Lokalisation  der  beginnenden  Tuberkulose  in  der  Bron¬ 
chialschleimhaut  ist  kaum  anders  zu  erklären,  als  dass  die  die 
Infektion  auslösenden  Bazillen  durch  Inhalation  zugeführt 
wurden.  Denn  für  die  Annahme,  dass  die  Infektion  der  Bron¬ 
chialwand  auf  dem  Blut-  oder  Lvmphwege  erfolgt  sei,  ist 
schlechterdings  kein  Anhaltspunkt  gegeben. 

Nach  dem  von  Birch-Hirschfeld  und  von  mir  zu¬ 
sammengetragenen  Material  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die 


-*)  Verhandl.  d.  Deutsch,  patbolog.  Gesellscli.,  4.  Tagung,  1901. 

■”)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901. 

26)  Ich  zähle  hier  die  oben  erwähnten  Fälle,  bei  denen  die  be¬ 
ginnende  Lungentuberkulose  sicher  hämatogenen  Ursprungs  war, 
nicht  mit. 

27 )  Vgl.  die  diesbezüglichen  Einwände  von  Ziegler  (Real- 
enzyldopädie  von  Eulenbur  g.  3.  AuflO  und  von  Askanazy 
(B  a  u  m  gart  e  n  s  Jahresbericht  1899). 


4* 


1424 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Spitzentuberkulose  ihren  Ausgang  vorwiegend  von  mittleren  und 
kleineren  Bronchien  nimmt.  Allerdings  ist  die  Zahl  der  wel 
kräftigen  eindeutigen  Fälle  noch  nicht  so  gross,  um  m  dieser 
Hinsicht  ein  sicheres  Urteil  zu  gestatten,  zumal,  wie  unsere  Be¬ 
obachtungen  lehren,  sicherlich  auch  Fälle  verkommen,  bei  denen 
die  erste  Ansiedlung  der  Tuberkelbazillen  m  den  Endverzwei- 
gungen  der  Bronchien  erfolgt.  Weitere  Untersuchungen  zur 
Klarstellung  dieser  wichtigen  Frage  sind  sehr  dringend  not¬ 
wendig  Ich  behalte  mir  vor,  später  auf  die  von  mir  hier  nur 
kurz  besprochenen  Fälle  eventuell  unter  Verwertung  neuen  Ma¬ 
terials  zurückzukommen. 

Ueber  den  Einfluss  chronischer  Lungentuberkulose 
auf  Psyche  und  Nerven. 

Von  Dr.  med.  H.  Engel. 

(Schluss.) 

Schwer  ist  es,  die  Ursache  dieser  launenhaften  Stim¬ 
mungslabilität  der  Lungenkranken  zu  ergründen,  ln  vielen 
Fällen  ist  sie  wohl  die  Folge  grosser  Willensschwäche, 
wie  sie  durch  chronisches  Kranksein,  durch  die  Abhängigkeit  von 
dem  Willen  der  Krankheit,  durch  allzugrosse  Berücksichtigung 
und  Schonung  von  seiten  der  Angehörigen  so  leicht  entsteht.  Der 
Kranke  verliert  die  Herrschaft  über  sich  selbst  und  gibt  jeder 
äusseren  Beeinflussung  seines  Gemütslebens  nach.  Nicht  un¬ 
wesentlich  wirkt  in  zweiter  Linie  der  M  a  n  g  e  1  e  r  n  ste  r  Be  - 
t  ä  t  i  g  u  n  g  bei  erhaltener  geistiger  Kapazität  mit.  V  or  allen 
Dingen  wird  sich  dadurch  die  schon  oben  erwähnte  Planesuc  i  . 
vieler  chronisch  Tuberkulöser  erklären.  Der  noch  allzeit  regsaine 
Geist  findet  auf  diese  Weise  einige  Befriedigung.  Es  ist  cha¬ 
rakteristisch,  wie  viel  der  Kranke  von  seiner  „Zukunf  spiic  , 
wohl  deshalb,,  weil  ihm  die  Gegenwart  nichts  zu  bieten  pflegt. 
Die  verloren  gegangene  geistige  Elastizität  fuhrt  solche  Tendenzen 
nicht  rechtzeitig  zur  vernünftigen  Norm  zuruck  und  die  ge¬ 
bauten  Luftschlösser  müssen  deshalb  nach  kurzer  Zeit  wieder 
zusammenfallen.  —  Schliesslich  kann  man  bei  der  Regelmassig¬ 
keit  mit  welcher  dieses  hervorstechendste  Symptom  der  psy¬ 
chischen  Alteration  im  Verlauf  der  Tuberkulose  m  Erscheinung 
tritt,  doch  wohl  nicht  umhin,  den  Gedanken  an  eine  spezifische 
Wirkung  der  Tuberkulose  an  sich,  an  eine  durch  chronische 
Intoxikation  hervorgerufene  zerebrale  Schwache 
resp.  Reizbarkeit  unter  die  Ursachen  mitaufzunehmen.  Die 
oben  in  ihrer  Entstehung  geschilderte  Schwäche  der  Energie  und 
Selbstbeherrschung  koinzidiert  damit  nicht.  —  Warum  sollen 
die  im  Körper  chronisch  zirkulierenden  Tuberkulotoxme  mch, 
ebenfalls  zerebrale  Wirkung  entfalten  können  wie  andere  Gifte  f 
In  vielen  Fällen  berechtigt  schon  die  Tatsache,  dass  der  Schla 
auch  des  fieberlosen  Lungenkranken  durch  ständige  Träume  ge¬ 
wöhnlich  aufregender  Natur,  geschädigt  wird,  zu  der  Annahme 
einer  abnormen,  fortgesetzten  Reizung  der  Hirnganglien.  I  erner 
findet  die  Hypothese  eines  solchen  durch  Tuberkulo- 
t  o  x  i  n  e  hervorgerufenen  Effektes  erstens  in  der  Beobachtung 
eine  Stütze,  dass  Tuberkulininjektionen  oft  die  oben  definierte 
psychische  Insuffizienz  anzuregen  oder  deutlich  zu  prononcieren 
vermögen;  zweitens  zeigen  sich,  an  anderen  für  das  ärztliche 
Auge  besser  kontrollierbaren  Teilen  des  Gesamtnervensystems 
(ich  meine  die  peripheren  Nerven  und  Vasomotoren),  oft  ganz 
evidente,  toxische  Einflüsse  der  chronischen  Tuberkulose. 

Da  sind  zunächst  die  häufigen  G  e  f  ä  s  s  n  e  r  v  e  n  Sto¬ 
rungen  hervorzuheben,  erkenntlich  am  raschen  Farbenwechsel, 
ausgelöst  durch  minimalste  äussere  Einflüsse  oder  auch  ohne 
eigentliche  Ursache,  ferner  Schweissausbrüche,  ebenfalls  ohne 
eigentliche  oder  nur  geringe  somatische  und  psychische  Motive, 
dann  abnorme  Gefässfüllung  der  Haut  (kalte,  blasse  Haut  einer¬ 
seits,  oft  in  deutlich  zirkumskripten  Bezirken  so  an  den 
Fingern  und  Füssen  — ,  heisse,  gerötete  Haut  andrerseits,  wie 
umschriebene  Wangenrötung  oder  allgemeine,  oft  sehr  lästig  als 
Hitzegefühl  empfundene  Blutfülle  der  Haut).  An  dieser  Stelle 
wäre  auch  die  oft  schon  frühzeitig  auftretende  Beschleunigung 
und  Irregularität  des  Pulses  zu  nennen,  welche  nach  Turb  a  n ') 
ebenfalls  auf  chronische  Tuberkulinintoxikation  der  Herzganglien 
bei  mangelhafter  Antitoxinbildung  zurückzuführen  ist.  Der 

2)  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Lungentuberkulose.  Wiesbaden 

1S99.  S.  11. 


Erethismus  der  Vasomotoren  und  des  Herzens  bei  chromschei 
Tuberkulose  ist  eine  schon  zu  oft  betonte  Tatsache,  als  dass 
es  weiterer  Ausführungen  bedürfte.  —  Auch  die  Nachtschweisse 
der  Phthisiker  unterliegen  sicher  einem  toxisch-nervosen  Emflu^ 

(s.  Cor  net2 3).  —  Hie  Mitleidenschaft  des  Sympathikus  und 
Vagus,  konstatierbar  an  einseitiger  Erweiterung  der  Pupille, 
Rekurrenslähmung,  Pulsverlangsamung,  beruht  wohl  mehr  aut 
lokalen  Schädlichkeiten  (Zerrung,  Kompression)  als  aut  In¬ 
toxikation.  —  Dagegen  sind  die  mannigfachen  troplion  e  u  r  o  - 
tischen  Störungen  bei  chronischer  Lungentuberkulose 
sicher  ein  häufiger  Ausdruck  der  langsamen  Vergiftung  des 
Organismus.  So  ist  die  oft  schon  frühzeitige  Macies  nicht  m 
allen  Fällen  durch  eigentliche  anatomisch-pathologische  Ver¬ 
änderungen  im  Magendarmtraktus  verursacht  und  schreitet  oft 
trotz  andauernd  guter  Nahrungsaufnahme,  trotz  Fieberlosigkeit 
und  Körperruhe  unaufhaltsam  fort  oder  bleibt  wenigstens  be¬ 
stehen.  Manche  von  Jugend  auf  magere  Personen,  bei  denen 
alle  Ernährungsanstrengungen  nichts. nützen,  tragen  nicht  bloss 
die  Disposition,  sondern  oft  schon  die  noch  okkulte  Krankhei 
mit  sieh  herum,  deren  Inkubationsdauer  oder  vielmehr  ver¬ 
borgene  Existenz  ja  bekanntlich  Jahre  betragen  kann  Ferner 
sind  die  häufigen  Ernährungsstörungen  der  Schleimhäute 

(Pharynx-,  Konjunktival-,  Mittelohrkatarrhe, Endometntiden  etc.) 

gewiss  auch  eine  solche  Aeusserung  der  konstitutionellen  Schä¬ 
digung  durch  tuberkulöse  Stoffwechselprodukte.  Auch  die  bei 
Phthisikern  abnorm  häufigen  Zahnkaries,  dann  die  atiologisc  i 
scheinbar  unerklärlichen  Mastdarmfisteln  fallen  ursächlich  m 
dieses  Gebiet. 

Die  peripheren  Nerven  unterliegen  ebenfalls  oft,  m 
der  Form  von  Neuralgien  und  Neuritiden,  dem  Einflüsse  der 
Toxinresorption  (Cornet  1.  c.).  Es  sind  da  vor  allen  Dingen 
die  Sensibiltätsstörungen  zu  nennen,  Parästhesien  und  Hyper¬ 
ästhesien  der  Haut,  neuralgische  Schmerzen  m  den  unteren 
Extremitäten  und  Gelenken,  an  den  Muskelinsertionen  etc  über 
die  man  so  häufig  klagen  hört  („Ziehen  in  den  Beinen  ,  fort¬ 
währende  Muskelunruhe!).  Die  bei .  Tuberkulosen 
häufig  gesteigerten  Sehnenreflexe  —  von  30  Patienten,  die  ich 
darauf  prüfte,  hatten  18  evidente  Steigerung  der  Patellar- 
reflexe  —  legen  den  Gedanken  an  eine  spinale  Erkrankung  nahe. 
Es  handelt  sich  dabei  aber  gewöhnlich  nur,  wie  auch  bei  der 
abnormen  sexuellen  Erregbarkeit  vieler  Tuberkulösen  um  eine 
Teilerscheinung  der  allgemeinen  Nerven¬ 
überreizung  und  Nervenschwäche. 

Sicherlich  ist  man  berechtigt,  von  einer  zur  Neurasthenie 
und  Nervosität  disponierenden  Tuberkulose  zu  reden  (ner¬ 
vöse  Tuberkulose),  und  ich  stehe,  nicht  an,  auch  die 
Neurasthenie  der  Tuberkulösen  im  wesentlichen  als  eine  Aeusse¬ 
rung  der  chronischen  Intoxikation  des  Gesamtorganismus  anzu- 
selien.  Nervosität,  Neurasthenie,  Hysterie  können  ganz  ent¬ 
schieden,  ohne  dass  äussere  Einflüsse  (Lebensweise  der  Kranken 
etc.)  als  Ursachen  mitzuspielen  brauchen,  durch  die  Tuberkulose 
an  sich,  als  eine  chronische  Intoxikationskrankheit,  hervor¬ 
gerufen  resp.  bei  schon  vorhandener  Anlage  prononciert  werden. 

Die  Neurastheniker  sind  unter  den  Tuberkulosen 
ganz  ausserordentlich  häufig  und,  wenn  man  sich  die  Kranken 
daraufhin  ansieht,  so  findet  man  fast  bei  jedem  ein  oder  das 
andere,  in  diesem  Sinne  zu  deutende  Symptom..  Viele  der  eben 
geschilderten  Intoxikationserscheinungen  koinzidieren  ja  auch 
mit  dem  nervösen  Symptomenkomplex  der  Neurasthenie  und 
auch  das  psychische  Verhalten  der  Kranken  bietet  manches  von 
dem  Bild  der  bei  den  Neurasthenikern  zu  beobachtenden,  ab¬ 
normen  geistigen  und  seelischen  Konstitution.  Es  ist  da  vor 
allem,  als  bisher  noch  nicht  erwähnt,  die  schnelle  Erschöpfbar¬ 
keit,  das  geistige  Ermüdungsgefühl  zu  nennen,  wel¬ 
ches  methodisches  Denken  und  richtige  Konzentration  der  Ge¬ 
danken  beim  Lesen  und  bei  der  Unterhaltung  unmöglich  macht. 
Es  ist  unglaublich,  was  alles  von  einem  Tuberkulösen  oft  in 
Angriff  genommen  wird,  ohne  dass  jemals  ein  ernstes  Ziel  er¬ 
reicht  würde.  Ich  sah  einmal  bei  einem  Patienten  6  Gram¬ 
matiken  verschiedener  Sprachen  liegen  und  auf  meine  klage, 
ob  er  auch  alle  durchstudiert  hätte,  erfolgte  die  Antwort:  „Ich 
habe  alle  angefangen,  aber  sie  strengen  mich  alle  zu  sehr  an  . 
Der  Patient  war  notabene,  quoad  pulmones,  ganz  leicht  krank. 


3)  Die  Tuberkulose.  Wien  1899.  S.  35G. 


26.  August  1902. 


JMUENCHEATEß  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


—  Auch  die  sehr  häufig  zu  beobachtende  T  i  m  i  d  i  t  ä  t  und 
Alenschen  scheu  der  Tuberkulösen  muss  wohl  einer  be¬ 
stehenden  Neurasthenie  zur  Last  gelegt  werden.  Heinzel- 
m  a  n  n  (1.  c )  bemerkt  ganz  richtig,  dass  „von  manchen  Lungen¬ 
kranken  halb  unbewusst  ausschliesslich  untergeordnete  Gesell¬ 
schaft  aufgesucht  wird,  da  der  Verkehr  mit  diesen  sie  nicht  so 
sehr  anstrengt  und  aufregt»  -  gewiss  ein  ausgesprochen  neur- 
asthenisches  Symptom!  —  Noch  häufiger  äussert  sich  die  Neur¬ 
asthenie  der  Tuberkulösen  in  der  Eorm  der  abnormen  Reizbar¬ 
keit  mit  einer  allgemein  gesteigerten  Lebhaftigkeit  des  Vor¬ 
stellungslebens  und  einer  daraus  resultierenden  unüberwind- 
n- ion  Abhängigkeit  der  Stimmung  vom  augen- 
blick  liehen  körperlichen  Befinden.  Es  stimmt 
tlas  sehr  wohl  mit  den  oben  geschilderten  raschen  Uebergängen 
vom  „himmelhochjauchzend»'  zum  „zu  Tode  betrübt»  überein. 
V  iele  I  uberkulose  sind  ihrer  leichten  Erregbarkeit  wegen 
eine  wahre  crux  medicorum.  Eine  Kranke  pflegte  vor  jeder 
Untersuchung  m  förmliche  Angstzustände  zu  verfallen,  andere 
brechen  bei  ganz  geringen  Verschlimmerungen  im  körperlichen 
Befinden  m  Tranen  aus  oder  geben  sich  Todesgedanken  hin  etc. 

Sehr  häufig  hört  man  auch,  von  den  Patienten  selbst,  Klagen 
über  beständige  innere  Unruhe,  einen  unbezwinglichen 
Drang  nach  fortwährender  Tätigkeit,  nach  unausgesetzter  gei¬ 
stiger  und  körperlicher  Beschäftigung,  welcher  sich  in  ruhelosem 
Hasten  und  Streben  im  Beruf,  in  aufreibender  Vielgeschäftigkeit 
und  irrationeller  Lebensführung  äussert.  Solche  Symptome 
zeigen  sich  oft  auch  schon  vor  dem  eigentlichen  Ausbruch  resp. 
vor  Erkennung  der  Krankheit.  Ein  Patient  erzählte  mir,  er  habe 
m  seinem  Beruf  nie  so  viel  geleistet  und  leisten  wollen  als 
vor  seiner  Erkrankung.  Solche  Erscheinungen  sind  nichts  an¬ 
deres  als  der  Ausdruck  einer  durch  die  Krankheit  verursachten 
stimulierenden  Nervenreizung.  —  Von  den  körperlichen 
Symptomen  der  tuberkulösen  Neurasthenie  tritt  vor  allen  Dingen 
die  abnorme  Empfindlichkeit  des  Kranken  gegen 
selbst  geringe  Steigerungen  der  Körpertemperatur  hervor. 
Während  bei  nervenstarken  Personen  oft  ganz  beträchtliches 
lieber  subjektiv  unempfunden  bleibt,  reagiert  ein  Nervöser  be- 
reits  auf  37,6  (Mundmessung!)  mit  grosser  Abgeschlagenheit, 
x  röstein,  neuralgischen  Schmerzen  im  Rücken  und  in  allen 
Gliedern;  ja,  die  Empfindlichkeit  kann  so  weit  steigen,  dass  eine 
nicht  ganz  in  der  Norm  sich  haltende  Tagesschwankung  ohne 
Ueberschreitung  der  oberen  Grenze  unangenehm  empfunden  wird. 
Ein  Kranker  gab  mir  an,  dass  er  sich  krank  fühle,  wenn  er 
Morgens  um  10  Uhr  statt  36,7  z.  B.  36,9  gemessen  habe,  dagegen 
sich  wohl  befinde,  wenn  die  Temperatur  Nachmittags  v.on  37,4 
auf  o7,3  (an  und  für  sich  höhere  Temperaturen  als  die  des  Vor¬ 
mittags!)  abfalle.  Viele  neurasthenische  Patienten  kommen  so 
weit,  dass  sie  ohne  Thermometer  angeben  können,  ob  ihre 
Körpertemperatur  zur  gegebenen  Zeit  überhaupt  steigt  oder  füllt, 
ob  sie  normal  oder  anormal  ist.  Manche  Disposition  zu  raschen 
I  leberreaktionen  auf  geringe  äussere  Schädlichkeiten  mag  ihre 
Ursache  m  einer  abnormen  Reizbarkeit  des  Nervensystems, 
speziell  des  Wärmezentrums  haben  und  liegt  darin  vielleicht  der 
Schlüssel  zur  bisher  noch  nicht  gefundenen  Erklärung,  warum 
Überhaupt  der  eine  Tuberkulöse  fiebert,  der  andere  nicht.  — 

1  erner  muss  hier  die  rasche  körperlicheErmüdbarkeit 
bei  nervöser  Tuberkulose  genannt  werden,  die  gewöhnlich  in  den 
Morgenstunden  besonders  ausgesprochen  ist.  Der  Patient  begibt 
sic  i  mit  normalem  Kräftegefühl  auf  den  Spaziergang,  kehrt  aber 
schon  nach  %  oder  %  Stunde  vollständig  erschöpft  auf  seinen 
Liegestuhl  zurück.  —  Auch  die  nervösen  Magenstö¬ 
rungen  sind  bei  Tuberkulose  sehr  häufig  und  braucht  man, 
wenn,  man  das  im  Auge  behält,  nicht  immer  das  einzige  dia¬ 
gnostische  Heil  in  einer  Anazidität  oder  Magenektasie  zu 
suc  en.  .  Charakteristisch  für  die  psychogene  Entstehung  einer 
yspepsie  ist  die  evidente  Zunahme  der  Symptome  bei  Auf¬ 
regungen,  Verstimmungen  und,  nicht  in  letzter  Linie,  bei  ge¬ 
ringen  Temperatursteigerungen,  wie  sie  im  Verlauf  der  chro¬ 
nischen  Tuberkulose  stets  vorzukommen  pflegen.  Gar  nicht  selten 
ifct  „Magenverstimmung»  bei  nervösen  Kranken  das  erste  sub¬ 
jektive  Symptom  eines  niedrigen  tuberkulösen  Fiebers.  Die 
Kranken  kommen  mit  der  Erklärung  zum  Arzt,  sie  hätten  sich 
den  Magen,  verdorben.  Das  bei  tuberkulösem  Fieber  sehr  wirk¬ 
same  Aspiiin  verhilft  dann  in  solchen  Fällen  schon  in  ganz  ge¬ 
ringen  Dosen  (0,5  pro  dosi)  zur  richtigen  Diagnose  ex  juvantibus. 

No.  34. 


1425 


Die  Magenbeschwerden  verschwinden  prompt  mit  dem  künst¬ 
lich  erreichten  Abfall  der  Temperatur  und  die  eigentliche  Ur¬ 
sache  des  Uebels,  welche  man  ursprünglich  im  Magen  vermutete, 
lasst  sich  auf  diese  Weise  von  dort  in  die  Lunge  verlegen. 

Der  Begriff  der  hysterischen  Phthise,  bei  welcher 
mannigfache  hysterische  Störungen  dem  Krankheitsverlauf  ihr 
eigentümliches  Gepräge  geben,  ist  schon  von  Cornet  (1.  c.) 
aufgestellt  worden.  In  solchen  Fällen  verdanken  Medikamente, 
Hetol-  und  Tuberkulininjektionen  ihren  Effekt  oft  nur  rein 
psychischen  Faktoren.  Bei  einem  mir  bekannten  Kranken 
dessen  Temperaturerhöhungen  stets  nach  Injektion  von  geringen 
Hetoldosen  verschwanden,  war  dasselbe  Resultat  mit  destilliertem 
Wasser  sub  indicatione  „Iletol»  zu  erreichen  (hysterisches 
Fieber?).  Auch  Cornet  betont,  dass  Hysterie  und  Nerven¬ 
leiden  überhaupt  unter  dem  Finfluss  der  Lungentuberkulose  er- 
heblich  verschlimmert  werden  oder  aus  dem  Latenzstadium 
iei  vortreten  können.  Damit  stimmen  die  obigen  psychologischen 
Beobachtungen  über  Prononcierung  der  Charakteranlage  bei 
Tuberkulose  sehr  wohl  überein.  Bezüglich  der  Neurasthenie 
möchte  ich  den  Cornet  sehen  Satz,  wie  gesagt,  dahin  er¬ 
weitern,  dass  sie  überhaupt,  und  in  vielen  Fällen  einzig  und 
allein,  der  chronischen  Lungentuberkulose 
ihre  eigentliche  Entstehung  verdankt,  und  zwar 
ebenso  wie  die  vasomotorischen,  trophoneurotischen,  neuritisehen 
Störungen  und  einige  der  zerebralen  Symptome  (Stimmungs¬ 
labilität)  durch  chronische  Einwirkung  tuber¬ 
kulöser  Toxine  auf  das  Gesamtnervensystem. 

Was.  nun  die  Behandlung  der  psychischen  und  ner¬ 
vösen  Störungen  im  allgemeinen  betrifft,  so  lassen  sich  darüber 
ebensowenig  Lehrsätze  auf  stellen  und  Normen  abfassen  wie  eine 
genau  definierte  und  präzisierte  Diagnostik  und  Symptomato¬ 
logie.  Im  obigen  sind  bereits  vielfache  Anweisungen  enthalten 
re&p.  mit  Leichtigkeit  aus  dem  Beobachteten  zu  entnehmen. 
Auch  hat  IL  einzel  m  a  n  n 4)  allgemein  verwendbare  Regeln 
der  psychischen  Behandlungsweise  bereits  niedergelegt.  Dazu 
noch  einige  Ergänzungen ! 

i  Die  Wirksamkeit  einer  psychischen  Behandlung  liegt  einzig 
und  allein  in  der  richtigen  individuellen  Erkennung 
des  Seelenzustandes,  der  Grundstimmung  und  der  Charakter¬ 
anlage  des  Patienten.  Dass  diese  Aufgabe  des  Arztes  eines 
grossen  Aufwandes  von  Zeit  und  Geduld  bedarf,  ist  nach  obigem 
leicht  verständlich.  Durch  anfängliche  Misserfolge  darf  man 
sich  nicht  entmutigen  lassen.  Wenn  der  Patient  fühlt,  dass  sein 
Aizt  sich  Mühe  gibt,  ihm  auch  seelisch  und  menschlich  näher 
zu  treten,  und  schliesslich  auch  tatsächlich  näher  tritt,  so  wird 
das  zur  Behandlung  der  Tuberkulose  so  wichtige  Vertrauensver¬ 
hältnis  zwischen  Arzt  und  Patient  von  vornherein  ein  kon¬ 
solidiertes  sein.  Dass  dieses  psychologische  Studium  einem 
Sanatoriumsarzte,  der  in  ständigem  Kontakt  mit  seinen  Pa¬ 
tienten  steht,  leichter  fallen  wird  als  dem  Arzt  des  offenen  Kur¬ 
orts,  ist  klar.  Aber  auch  dem  ersteren  ist  diese  Aufgabe  durch 
die  meist  grosse  Zahl  der  Patienten  und  die  starke  Inanspruch¬ 
nahme  seiner  Zeit  sehr  erschwert.  In  so  nahe  Beziehung  zu  seinen 
Kianken,  dass  er  seiner  psychologischen  Diagnose  ganz  sicher 
sein  kann,  tritt  auch  der  Sanatoriumsarzt  gewöhnlich  nur  bei 
den  chronisch  Bettlägerigen  und  bei  seinen  Tischnachbarn.  Das 
ärztliche  Ideal  eines  Lungensanatoriums  sollte  deshalb  nicht 
in  einer  möglichst  hohen  Zahl  von  Aufnahmemöglichkeiten 
liegen.  80  und  100  Patienten  sind  für  einen  dirigierenden  Arzt 
entschieden  zu  viel;  30  bis  40  wären  nach  meiner  Meinung  das 
Maximum.  Leider  stehen  dieser  Forderung  meist  materielle 
Interessen  (Rentabilitätsbedenken)  im  Wege! 

Wenn  nach  Ileinzelmann  die  W  illensbeein- 
flussung  des  Patienten  in  der  psychischen  Behandlung1  die 
Hauptsache  ist  und  die  Prognose  um  so  schlechter  wird,  je  grösser 
der  I  ngehorsam  des  Kranken,  so  liegt  in  der  bedingungslosen 
Befolgung  dieses  Satzes  für  den  Sanatoriumsarzt  der  gebildeten 
Stände  eine  gewisse  Gefahr.  Aerztliche  Tyrannei 
stösst  dort  leicht  auf  Widerstand  und  macht  die  Patienten  kopf¬ 
scheu  und  widerspenstig.  Der  Kranke  muss  jederzeit  in  die 
Gründe  ärztlicher  Befehle  und  Verbote  Einsicht  haben  und  sie 
einsehen  und  soll  sich  der  Arzt  auch  da  keine  Zeit  und  Mühe 

*)  1.  c.  und  Deutsche  Medicinalztg.  1895,  No.  48:  Zur  Lungen¬ 
tuberkulosebehandlung. 


5 


1426 


verdriessen  lassen.  Der  kategorische  Imperativ  ist  nur  selten 
anwendbar,  bei  Erwachsenen  fast  nie.  Der  Arzt  darf  sich  nie 
über  den  Patienten,  nur  ihm  menschlich  gleich  stellen 
wollen.  Er  soll  nur  dem  Sanatorium,  nie  dem  Patienten  gegen¬ 
über  Autokrat  sein.  So  wird  es  z.  B.  während  der  Behandlung 
eines  Kranken  oft  zweckmässig,  gesundheitliche  Bedenken  ge¬ 
ringerer  Art  im  Interesse  des  psychischen  Gleichgewichts  des 
Patienten  fallen  zu  lassen.  Kirchenbesuch  sollte  aus  diesem 
Grund  bei  religiösen  Patienten,  wenn  es  irgend  geht,  nicht  ver¬ 
boten  werden  etc.  Es  wird  in  solchen  Sachen  ebenfalls  Rück- 
sicht  auf  Naturell  und  Temperament  des  einzelnen  genommen 
werden  müssen.  1  Tnd  um  nicht  solche,  aus  psychologischen 
Gründen  gegebene  Erlaubnisse  in  Widerspruch  mit  Verboten 
bei  anderen  Patienten  zu  bringen,  und  um  sich  nicht  dein  Vor¬ 
wurf  der  ärztlichen  Launenhaftigkeit  auszusetzen,  wird  auch 
solche  unterschiedliche  Behandlung  dem  einzelnen  Patienten 
gegenüber  in  entsprechender  Weise  motiviert  werden  müssen. 

In  der  Entscliliessung  über  Heim  reis  e,  Beendigung  der 
Kur,  Wiederaufnahme  der  Arbeit  muss  sich  der  Arzt  ebenfalls 
oft  von  psychischen  Rücksichten  leiten  lassen.  Es  wäre  gewiss 
das  beste,  wenn  sich  jeder  Tuberkulöse,  auch  der  relativ  Leicht¬ 
kranke,  einer  jahrelangen  Kur  ohne  Unterbrechung  unterziehen 
würde  und  könnte.  Gewöhnlich  sind  ja  aber  Geduld  und  Mittel 
nach  mehreren  Monaten  bereits  erschöpft.  Heimweh,  Unruhe, 
Angst  um  Verlust  der  Stellung,  Geldsorgen  stellen,  sobald  sie  sich 
in  ausgiebigem  Masse  bei  den  Patienten  melden,  einen  weiteren 
Erfolg  durch  Eortsetzung  der  Kur  sehr  in  I  rage.  Objektive 
Besserung  des  Lungenbefunds  ist  ja  in  den  wenigen  V  ochen 
oder  höchstens  Monaten,  zu  denen  sich  die  Patienten  in  solchen 
Fällen  eventuell  verstehen,  doch  so  wie  so  nicht  zu  erwarten  und 
die  weitere  Hebung  des  Allgemeinzustands,  welche  in  dieser 
erreicht  werden  könnte,  pflegt  durch  die  fortgesetzte  Aufregung 
und  Unlust,  in  welcher  sich  der  Patient  befindet,  imaginär  zu  wer¬ 
den.  Auch  ein  „mit  urkräftigem  Behagen“  sich  meldendes 
Arbeitsbedürfnis  des  Patienten  darf  beim  Arzt  in  obiger 
Entscheidung  eine  mitbestimmende  Rolle  spielen.  Ueberhaupt 
sollte  dem  Verlangen  des  Patienten  nach  Betätigung  auch 
während  der  Kur,  wenn  irgend  möglich.  Gehör  geschenkt  werden. 
Die  Erlaubnis  zu  geistiger  Arbeit  in  bestimmten  Stunden  (Fach- 
und  Sprachstudium)  darf  wohl  jedem  fieberfreien  Patienten  ge¬ 
geben  werden ;  bei  mangelnder  Initiative  sollte  der  Arzt  gegebenen 
Falls  den  Kranken  sogar  dazu  anregen.  Tägliche,  wenn  auch  nur 
kurze,  aber  ernste  systematische  Beschäftigung  wirkt  oft  Wunder 
auf  die  psychische  Kontinenz  der  Patienten  und  beugt  zugleich 
einer  vollständigen  Entwöhnung  des  Kranken  von  jeglicher  posi¬ 
tiven  Thätigkeit  vor,  welche  das  Dolce  far  niente  schliesslich  zum 
Lebensprinzip  macht.  Viele  reiche  Lungenkranke,  die  ihren 
ganzen  Lebenszweck  in  dem  Besuch  geeigneter  Kurorte  finden, 
könnten  ganz  gut  arbeiten  und  würden  sich  dabei  körperlich  und 
seelisch  wohler  fühler. 

Wenn  die  Chance  für  den  leistungsfähigen  chronisch 
Lungenkranken  besteht,  seinen  Beruf  unter  klimatisch  günsti¬ 
geren  Bedingungen  auszuüben  als  in  der  Heimat  (Kaufleute, 
Aerzte  etc.),  so  hat  die  Ausnützung  dieser  Möglichkeit  in  vielen 
Fällen  nicht  bloss  hygienische,  sondern  auch  psychische  Vorteile. 
Eine  Wiederaufnahme  der  Tätigkeit  im  früheren,  vor  der  Er¬ 
krankung  gepflogenen  Masstabe  verbietet  die  Gesundheit.  Es  wird 
deshalb  für  den  Tuberkulösen  besser  sein,  den  alten  Verhältnissen, 
die  nur  Versuchungen  oder  Enttäuschungen  und  Verbitterungen 
durch  den  stets  vor  Augen  liegenden  Vergleich  mit  früheren 
„besseren  Zeiten“  mit  sich  bringen,  aus  dem  Wege  zu  gehen. 

Bietet  sich  für  einen  Tuberkulösen  die  Möglichkeit,  eine  Ehe 
einzugehen  oder  soll  über  die  Realisation  einer  Verlobung 
entschieden  werden  —  wirklich  schwere  Fälle  kommen  dabei  von 
vornherein  nicht  in  Betracht  — ,  so  sollte  der  um  seinen  Rat  be¬ 
fragte  Arzt  nach  meiner  Meinung  nur  dann  sich  ein  definitives 
Urteil  über  diese  Frage  erlauben,  wenn  er  auch  den  Gemüts¬ 
zustand,  die  seelischen  Bedingungen  und  Bedürfnisse  des  oder  der 
Betreffenden  kennt.  Es  wird  dann  gewiss  mancher  ärztliche 
Konsens  auch  in  Fällen  gegeben  werden,  die  nicht  gerade  dem 
ersten  Stadium  der  Krankheit  angehören.  Es  ist  nämlich,  ab¬ 
gesehen  von  einer  geordneten  Befriedigung  des  bei  vielen 
Tuberkulösen  vorhandenen  sexuellen  Bedürfnisses,  ein  ruhiges 
Familienleben  bei  gegenseitiger  Neigung  der  Eheleute  und  vollem 
Verständnis  für  einander,  eine  vernünftige  Beaufsichtigung  des 


No.  34. 


Kranken,  ermunternder  Zuspruch,  Aufheiterung  und  Ablenkung 
durch  den  gesunden  Teil  für  einen  I  uberkulösen,  der  solchei 
Dinge  bedarf  (Hypochonder,  Neurastheniker  etc.),  oft  von  nicht 
zu  unterschätzendem  V orteil  (s.  auch  G  e  r  h  a  r  d  t :  Ueber  die 
Eheschliessung  Tuberkulöser;  Zeitschr.  f.  Tub.  u.  Heilstätten¬ 
wesen  Bd.  I).  Der  Arzt  wird,  von  diesem  Gesichtspunkt  aus, 
auch  darnach  fragen,  ob  der  gesunde  Teil  dem  Naturell  und  Tem¬ 
perament  des  Kranken  ein  gewisses  Gegengewicht  bietet.  Sind 
diese  psychischen  Bedingungen  vorhanden,  fehlen  materielle  Be¬ 
denken,  so  darf  der  Arzt  gewiss  oft  zustimmenden  Rat  erteilen, 
und  auch  die  Verwandten  sollten  dann  dem  armen  Tuberkulösen, 
der  Erfüllung  seiner  Wünsche  und  seinem  Verlangen  nach  rela¬ 
tivem  .Lebensglück  nicht  aus  Standesvorurteilen  oder  religiösen 
Differenzen  in  den  Weg  treten.  Stets  aber  soll  der  Arzt,  wenn 
es  sich  nicht  um  ganz  leichte  Fälle  mit  bereits  jahrelangem 
gesundheitlichen  Gleichgewicht  handelt,  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  Kindererzeugung  im  sozialen  Interesse  und,  falls  die 
Frau  krank  ist,  im  Interesse  dieser  nach  Kräften  vermieden 
werden  muss.  Ferner  darf  der  Arzt  nicht  vergessen,  im  ge¬ 
gebenen  Fall  beide  Teile  vor  der  Eheschliessung  über  die  Ge¬ 
fahr  der  Ansteckung  und  ihre  Vermeidung  zu  belehren.  Fort¬ 
bestehender  tuberkelbazillenhaltiger  Auswurf  ist  nach  der  Auf¬ 
fassung  wohl  der  meisten  Aerzte,  selbst  in  leichten  Fällen,  ein 
prinzipieller  Hinderungsgrund  für  Eheschliessung.  Ob  der  Arzt 
zu  einem  solchen  apodiktischen  Urteil  in  jedem  lall  berechtigt 
ist,  scheint  mir  zweifelhaft,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Ehe  aus 
genannten  Gründen  vielleicht  einen  günstigen  Einfluss  auf  den 
Gesundheitszustand  des  Kranken  auszuüben  vermag,  lang  ge¬ 
hegte  und  dann  schliesslich  getäuschte  Hoffnungen  aber  schweren 
Schaden  bringen  können.  Der  vom  Arzte  so  oft  und  taute  de 
mieux  gegebene  Rat  eines  Heiratsaufschubs,  in  der  Hoffnung, 
dass  eine  Kur  oder  Kurfortsetzung  und  ihre  positiven  Erfolge 
die  Ehe  vom  medizinischen  Standpunkt  aus  später  eher  recht- 
fertigen  werde,  führt  nur  in  den  leichten  Fällen  zu  solcher  voll¬ 
befriedigenden  Lösung.  In  schwereren  aber  bringt  der  durch  das 
Warten  bedingte  dauernde  oder  womöglich  aussichtslose  Ver¬ 
lobungszustand,  die  Ungewissheit  über  Erfüllung  der  V  ünsche, 
dem  Kranken  je  länger,  je  grössere  psychische  und  dadurch  in¬ 
direkt  auch  gesundheitliche  Nachteile.  So  kann  es  in  solchen 
schwereren  Fällen  schliesslich  zur  Aufgabe  des  Arztes  werden, 
eine  Entscheidung  im  einen  oder  im  anderen  Sinne  herbei¬ 
zuführen.  Erscheint  dann  die  psychische  Gefahr  eines  Ver¬ 
lobungsbruches  zu  gross,  steht  der  Arzt  auf  diese  Weise 
vor  dem  Dilemma  einer  Interessenvertretung  seines  Patien¬ 
ten  oder  des  gesunden  Teils,  so  kann,  denke  ich,  die 
offene  Aufklärung  des  Gesunden  über  den  Zustand  des 
Kranken,  über  die  noch  oder  später  vielleicht  wieder  drohende 
Gefahr  der  Ansteckung  das  ärztliche  Gewissen  beruhigen  und 
beruhigt  zugleich  das  Gewissen  des  Kranken.  Sie  ist  auch  der 
beste  Prüfstein  für  die  „Wahrheit  der  Gefühle“.  Eine  von  zwei 
chronisch  Tuberkulösen  beabsichtigte  Eheschliessung  bringt  für 
den  Arzt  die  schwierigsten  Konflikte.  Das  instinktive  Urteil 
spricht  dagegen,  namentlich  in  nicht  ganz  leichten  oder  ungleich 
vorgeschrittenen  Fällen  mit  der  eventuellen  Gefahr  einer  Re¬ 
infektion  des  einen  durch  den  anderen  Teil.  Die  mühevoll  wieder 
befestigte  Gesundheit  des  ersteren  Teils  soll  in  solchen  Fällen 
nicht  von  neuem  riskirt  werden  und  müssen  dann  auch  psychische 
Vorteile  geopfert  werden.  Sind  beide  Teile  ansteckungsfähig, 
beide  gleich  leicht  oder  gleich  schwer  krank,  so  fallen  diese  Be¬ 
denken  allerdings  Weg.  Aus  der  Gleichheit  der  durch  die  Krank¬ 
heit  geschaffenen,  äusseren  und  inneren  Lebensbedingungen 
pflegen  die  Beteiligten  sogar  eine  gewisse  Berechtigung  zur  Ehe¬ 
schliessung  herauszulesen,  namentlich  in  Fällen  grosser  gegen¬ 
seitiger  Zuneigung.  Es  kann  schliesslich  der  —  immerhin  seltene 
—  Fall  eintreten,  dass  rein  menschliche  Gründe  die  rein  ärzt¬ 
lichen  besiegen  dürfen.  Nebenumstände  —  äussere  und  innere 
machen  da  jeden  Fall  zu  einem  Problem  für  sich. 

Dass  vom  Arzt  die  Diagnose  vor  einem  Tuberkulösen  nie  ge¬ 
heim  gehalten  werden  soll,  im  Interesse  des  Kranken  selbst,  ist 
ja  jetzt  allgemein  richtig  erkannt.  Verlangt  der  Patient  aber, 
sei  es  beim  Eintritt  oder  beim  Austritt  aus  der  ärztlichen  Be¬ 
handlung,  Mitteilung  über  Prognose,  so  sollten  diese,  falls 
sie  nicht  unbedingt  günstig  lauten,  erst  dann  offene  sein,  wenn 
der  Arzt  den  Seelenzustand  des  Patienten  genau  geprüft  resp. 
im  Verlauf  der  Kurbehandlung  erkannt  hat.  Das  dem  Kranken 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


26.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


gegebene  prognostische  Urteil  kann  ja  dann  nötigen  Falls  bei  den 
Verwandten  brieflich  oder  mündlich  rektifiziert  werden.  Dass 
m  den  schwereren  Stadien  der  Krankheit  geschickte  Lüge  die 
hauptsächlichste  ärztliche  Kunst  darstellt,  braucht  wohl  kaum 
erwähnt  zu  werden. 

Was  nun  zum  Schluss  die  Behandlung  der  neur- 
a  s  t  h  e  n  i  sehen  Beschwerden  Tuberkulöser  betrifft,  so 
muss,  weil  auch  hier  die  seelischen  Störungen  im  Mittelpunkt 
der  Krankheit  stehen,  die  psychische  Beeinflussung  des 
1  all  eil  teil  m  erste  Linie  gestellt  werden.  Einen  oft  mit  Erfolg 
verwendbaren  Angriffspunkt  gibt  hierbei  die  gewöhnlich  mit 
.Neurasthenie  gepaarte  Aengstlichkeit  solcher  Patienten.  Wenn 
man  ihnen  sagt,  dass  sie  durch  ihre  Willensschwäche  Nervosität 
der  Heilung  ihrer  Lungen  selbst  im  Wege  ständen,  so  pflegen 
diese  Worte  ihren  psychischen  Eindruck  nicht  zu  verfehlen;  die 
Patienten  geben  sich  oft  von  da  ab  grössere  Mühe,  gegen  ’ilire 
Stimmungen  aufzukommen.  Man  braucht  nicht  zu  fürchten, 
dass  sie  dabei  in  den  gegenteiligen  Fehler  des  Leichtsinns  und  der 
Nachlässigkeit  verfallen.  Ein  Neurastheniker  wird  es  nie  über 
sich  bringen,  sich  körperlich  nicht  zu  schonen.  Man  muss  eben 
bedenken,  dass  der  Neurastheniker  die  Beschwerden,  über  welche 
er  klagt,  auch  wirklich  somatisch  empfindet  und  darunter  körper¬ 
lich  leidet.  Gewöhnlich  steht  das  Aussehen  solcher  nerven¬ 
schwacher  Lungenkranker  mit  ihren  Klagen  im  Einklang  und 
wechselt  mit  den  Schwankungen  in  ihrem  Befinden  —  gewiss  ein 
Zeichen,  dass  nicht  alles  eitel  Einbildung  zu  sein  pflegt.  Man 
darf  nicht  vergessen,  dass  bei  solchen  Patienten  als  wirkliches 
Krankheitssubstitut  die  Tuberkulose  ihrer  Lungen  vorliegt,  deren 
Krankheitsäusserungen  vom  Neurastheniker  wirklich  empfun¬ 
den  werden,  welche  Fähigkeit  andere  Lungenkranke  nicht  zu  be¬ 
sitzen  pflegen^—  au  fond  ein  gewisser  Vorteil  für  den  lunge n  - 
k  r  a  n  k  e  n  Neurastheniker !  Er  wird  nicht  so  schnell  aufgelegt 
sein,  leichtsinnige  Dummheiten  zu  machen  wie  andere,  denen 
„gar  nichts  fehlt“.  Bei  neurasthenischen  Tuberkulösen  wird  aus 
psychischen  Gründen  auch  eine  öftere  Untersuchung  der  Lungen 
vorgenommen  werden  müssen  als  bei  den  übrigen.  Wenn  der 
Patient  hört,  dass  „in  den  Lungen  alles  gut  gehe“,  so  wirkt  das 
oft  auf  seine  Stimmung  für  längere  Zeit  wohltuend.  Auch  den 
sonstigen  Klagen  solcher  Kranken  wird  der  Arzt  stets  ein  offenes 
Ohr  leihen  müssen  und  sie  nicht  mit  indifferenten  Scherzen  ab- 
speisen  dürfen.  Der  neurasthenische  Patient  muss  stets  den 
Eindruck  haben,  dass  gerade  sein  Wohl  dem  Arzte  besonders  am 
Herzen  liegt. 

Stets  wird  man  bei  tuberkulösen  Neurasthenikern  den  Ver¬ 
brauch  etwaiger  Stimulantia  (Alkohol,  Tabak)  oder  aus 
anderen  Gründen  (Hustenreiz,  Durchfall)  gegebener  B  e  - 
ruhigungs  mittel  (Codein,  Opium)  einer  besonderen  Kon¬ 
irolle  unterstellen  müssen.  Da  der  Neurastheniker  stets  das  Ver¬ 
langen  hat,  seine  „Nerven  zu  beruhigen“,  so  neigt  er  leicht  zu 
Exzessen  in  dieser  Hinsicht  und  sucht  sich  die  entsprechenden 
fittel,  wie  z.  B.  Codein,  Brom  etc.,  oft  unter  der  Angabe  von 
quälendem  Hustenreiz,  Schlaflosigkeit  etc.,  zu  verschaffen.  Die 
bei  Neurasthenie  stets  vorhandene  Willensschwäche  wirkt  eben¬ 
falls,  im  obigen  Sinne,  ungünstig.  Diesem  „videant  medici“  steht 
andererseits  das  oft  unumgängliche  Postulat  entgegen,  den  Neur¬ 
astheniker  und  seine  tatsächlichen  körperlichen  Empfindungen 
durch  greifbares  therapeutisches  Handeln  zu  be¬ 
ruhigen.  Man  wird  deshalb  z.  B.  bei  einem  solchen  Kranken  mit 
tuberkulösem  Fieber  eher  zu  antipyretischen  Massregeln  greifen 
müssen,  als  bei  anderen;  natürlich  darf  der  Patient,  trotz  schein¬ 
barer  Entfieberung,  das  Bett  nicht  verlassen,  ehe  nicht  schliess- 
ic  i  auch  ohne  Antifebrilia  normale  Temperaturen  erreicht  sind. 

Die  Hauptspaziergänge  der  neurasthenischen  Tuber¬ 
kulösen  mit  leichter  Ermüdbarkeit  sollten  auf  den  Nachmittag 
verlegt  werden,  zu  welcher  Tageszeit  Mattigkeitsgefühle  nicht  so 
schnell  einzutreten  pflegen. 

Die  gastrischen  Störungen  bei  nervöser  Tuberku¬ 
lose  können  am  ehesten  durch  fortwährenden  Wechsel  in  den 
Speisen  gebessert  werden.  Dabei  braucht  man  in  der  Auswahl 
reise  ben  nicht  solche  V  orsicht  zu  entfalten,  wie  bei  wirklich 
Magenkranken.  Im  Gegenteil  dürfen  besondere  Gelüste  ohne 
solche  Rücksicht  befriedigt  werden.  Ich  sah  einen  Kranken  mit 
stark  ausgeprägter  nervöser  Dyspepsie  am  Ostermorgen  nüchtern 
5  harte  Eier  essen,  nach  denen  er  gerade  enormes  Verlangen  hatte 
sein  Magen  war  an  den  folgenden  Tagen  besser  denn  je. 


1427 


Ein  fortgesetztes  Lavieren  und  Probieren  führt  oft  zu  den  besten 
Resultaten.  Ueberhaupt  ist  bei  der  Neurasthenie,  weil  das  medi¬ 
zinische  Können  hier  mit  einer  Art  Hydra  zu  kämpfen  hat,  Ge  - 
d  u  1  d  die  beste  Waffe  des  Arztes ! 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Zum  Abschluss  der  Neuorganisation  des  Deutschen 
Aerztevereinsbundes. 

.  Wenn  der  Königsberger  Aerztetag  die  Worte  des  Herrn 
L<>  l>ker:  „Nur  eine  starke  und  allezeit  aktionsbereite  Exekutive 
kann  bei  den  heutigen  Verhältnissen  die  Ziele  des  Aerztevereins¬ 
bundes  fördern“  mit  lebhaftem  Beifall  auf  nahm,  so  verfuhr  er 
nur  folgerichtig,  wenn  er  sich  dafür  entschied,  für  den  Bund  die 
Rechtsfähigkeit  zu  erwerben.  In  der  Tat  bietet  jedem  Verein  der 
Besitz  der  Rechtsfähigkeit  in  die  Augen  springende  Vorteile;  man 
muss  sich  deshalb  hass  verwundern,  dass  noch  3  von  den  an¬ 
wesenden  Abgeordneten  in  dieser  Frage  eine  abweichende  Stellung 
einnalimen.  Allerdings  musste  aus  der  Besprechung  dieses  Gegen¬ 
standes  der  mit  dem  Gang  der  Dinge  nur  halbwegs  Vertraute 
die  Summe  ziehen,  dass  weder  der  Berichterstatter  des  Geschäfts- 
ausschusses  noch  der  grösste  Teil  der  übrigen  Redner  sich  über¬ 
mässig  in  die  einschlägigen  Bestimmungen  der  Gesetzgebung  ver¬ 
tieft  hätten.  Auch  wage  icli  —  unbeschadet  meiner  Hochachtung 
vor  der  Weisheit  der  Herren  Juristen  — ,  von  dem  rechtskundigen 
Berater,  welcher  dem  engeren  Ausschuss  beim  Entwerfen  der 
neuen  Satzungen  zur  Seite  gestanden,  zu  behaupten,  dass  er  bei 
seinem  Vorschlag  die  Ausfülirungsbestimmungen  der  Satzungen, 
welche  eist  im  vorigen  Jalire  in  Hildeslieim  vom  Aerztetage  an¬ 
genommen  worden  sind  und  welche  gerade  erst  durch  die  Rechts¬ 
fähigkeit.  des  Bundes  ihren  wirklichen  Wert  erhalten  sollen,  über 
Gebühr  ausser  Acht  gelassen  hat.  Der  Geschäftsausschuss  wird 
daher  kaum  umhin  können,  nach  Eingang  der  von  den  Vereinen 
i  erlangten  Abänderungsvorschläge  von  neuem  in  eine  sehr  ein¬ 
gehende  Beratung  des  ganzen  Entwurfs  einzutreten.  Weil  aber 
der  Verein,  dessen  Vorsitz  zu  führen  ich  die  Ehre  habe,  ausser 
stände  ist,  sich  bis  zum  1.  November  dieses  Jahres  über  den  Ent- 
Avurf  schlüssig  zu  machen,  so  muss  ich  es’für  meine  eigene  Person 
unternehmen,  Vorschläge  zu  machen;  ich  hoffe,  sie  werden  nicht 
dadurch  an  Wert  verlieren,  dass  ich  mich  für  den  Leipziger  wirt¬ 
schaftlichen  Verband  schon  mit  Erfolg  um  die  Rechtsfähigkeit 
bemüht  habe,  also  auf  diesem  Gebiete  über  einige  Erfahrung 
verfüge. 

Es  heisst  nun  im  Entwurf  der  neuen  Satzungen:  㤠 1:  Der 
Deutsche  Aerztevereinsbund  hat  den  Zweck,  die  ärztlichen  Ver¬ 
eine  Deutschlands  zu  gegenseitiger  Anregung  und  gemein- 
s  a  m  er  Betätigung  auf  dem  Gebiete  der  wissenschaftlichen, 
praktischen  und  sozialen  Beziehungen  des  ärztlichen  Standes  zu 
vereinigen“,  und  ferner:  .,§  9:  Zur  Führung  der  Geschäfte  des 
Aerztevereinsbundes  wird  ein  Generalsekretär  angestellt“,  und 
über  diesen  selbst  heisst  es  in  den  Hildesheimer  Beschlüssen: 
*».•••  ilim  Hegt  ob,  die  Interessen  des  ärztlichen  Standes,  sowohl 
die  ethischen  Avie  die  wirtschaftlichen,  dauernd  und  ener¬ 
gisch,  auch  in  der  Öffentlichkeit,  zu  vertreten“.  Zur  Förderung 
und  \  ertretung  wirtschaftlicher  Interessen  ist  aber  schlechter¬ 
dings  ein  Avirtschaftlielier  Geschäftsbetrieb  vonnöten,  und  in  der 
lat  hat  ja  auch  der  Aerztevereinsbund  jetzt  schon  einen  wirt¬ 
schaftlichen  Geschäftsbetrieb  — -  durch  seine  Auskunftstellen  für 
ärztliche  Vakanzen  in  Hamburg  und  Berlin  und  sein  ärztl.  Vereins¬ 
blatt  — •,  welcher  durch  die  Tlebernalime  des  letzteren  in  eigenen 
A  erlag  nur  noch  gesteigert  werden  soll.  Nach  dem  Gesetz  erlangen 
^  ereine,  welche  rein  ideale  ZAArecke  verfolgen,  die  Rechts¬ 
fähigkeit  durch  Eintragung  in  das  Vereinsregister  seitens  des  zu¬ 
ständigen  Amtsgerichts,  dagegen  Vereine,  deren  ZAveck  auch  nur 
irgendwie  auf  einen  wirtschaftlichen  Geschäftsbetrieb  gerichtet 
ist,  durch  staatliche  Verleihung.  Demgemäss  kann  der  Aerzte¬ 
vereinsbund  die  Rechtsfähigkeit  nur  durch  staatliche  Verleihung 
und  niemals  durch  Eintragung  in  das  Vereinsregister  erhalten. 

Da  nun  im  Gesetz  selbst  keine  Bedingungen  angegeben  wer- 
den,  unter  welchen  der  Staat  einem  Verein  mit  wirtschaftlichem 
Geschäftsbetrieb  die  Rechtsfähigkeit  A’erleihen  muss,  dies  Adel¬ 
mehr  ganz  und  gar  dem  Ermessen  der  Verwaltungsbehörden  über¬ 
lassen  ist,  so  wäre  es  eigentlich  rnüssig,  darüber  zu  streiten,  ob 
beim  Nachsuchen  der  Rechtsfähigkeit  von  der  Hauptver- 
s  a  in  m  1  u  n  g  g  eneh  m  igte  Satzungen  einzureichen  sind  oder 
ob  schon  ein  Entwurf  zu  solchen,  von  einem  Ausschuss  bearbeitet, 
genügt.  Tatsache  ist  aber,  dass  die  Behörden  einen  Verein  hin¬ 
sichtlich  seiner  Bestrebungen  nur  prüfen  können,  wenn  sie  in 
der  Lage  sind,  seine  bündigen  Satzungen  einzusiehen,  und  Tatsache 
ist,  dass  die  Behörden  die  von  der  Hauptversammlung  des  nach¬ 
suchenden  Vereins  genehmigten  Satzungen,  und  zwar  in  Ur-  und 
Abschrift,  einzufordern  pflegen,  also  genau  ebenso  verfahren,  AA'ie 
es  für  die  Eintragung  von  Vereinen  mit  nichtwirtschaftlichem  Ge¬ 
schäftsbetrieb  im  Gesetz  vorgeschrieben  ist.  So  ist  dem  Leipziger 
wirtschaftlichen  Verbände  die  Rechtsfähigkeit  verliehen  worden 
durch  Ministerialentscldiessung  „auf  Grund  von  §  22  des  Bürger¬ 
lichen  Gesetzbuches  und  in  Gemässbeit  der  bei  der  V  e  r  - 
bandsversammlung  in  Hildesheim  endgültig 
angenommenen  Satzungen“.  Dass  das  hier  in  Frage 
kommende  preussische  Ministerium  gerade  beim  Aerztevereins¬ 
bund  von  den  herkömmlichen  Gepflogenheiten  abgehen  wird,  ist 

5* 


1428 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


doch  von  vornherein  nicht  sehr  wahrscheinlich,  neshalbvillnir 
os  besser  erscheinen,  dem  Gesuch  um  Verleihung  der  Rechtsfähig¬ 
keit  lieber  die  alten,  vom  Aerztetag  selbst  anerkannten  und  daher 
vollgültigen  Satzungen,  als  den  von  der  Hauptversammlung  des 
Bundes  noch  nicht  genehmigten  und  wahrlich  m  mehr  als >  einem 
Punkte  recht  bedenklichen  Entwurf  des  engeren  Ausschusses  bei- 

/Ul<  '"sehr  bedenklich  erscheint  beispielsweise  das  in  Aussicht  ge¬ 
nommene  Anerkennungsrecht  des  Vorsitzenden.  Wer  kennt  den 
Mann,  der  später  einmal  dieses  Amt  bekleiden  wird,  und  ver¬ 
bürgt  dafür,  dass  in  alle  Zeiten  dieses  Recht  loyal  gehandhabt 
wird?  Wer  aber  weiss,  was  die  Zukunft  bringt,  wer  vermag 
vorauszusehen,  unter  was  für  neuen,  vielleicht  von  der  Mehrheit 
zunächst  nicht  verstandenen,  Gesichtspunkten  sich  einmal  i  _ 
Vereine  bilden  werden?  Selbst  unter  den  jetzt  noch  zu  Recht  be 
stehenden  Satzungen  ist  die  Aufnahme  des  Leipziger  Verbandes 
in  den  Aerztevereinsbund  nicht  ohne  einige  Schwierigkeiten  vor 
sich  gegangen.  Ein  Mittel  aber,  wie  man  den  Vorsitzenden  selbs . 
gegen  seinen  Willen  zur  Anerkennung  irgend  eines  \  eremes  zwingen 
will  fehlt  im  Entwurf  durchaus,  es  wird  sich  auch  kaum  eine 
Form  für  einen  solchen  Zwang  Anden  lassen.  Für  sehr  bedenklich 
halte  ich  ferner  die  Bestimungen  über  die  Mitgliedschaft  und  das 
Aufhören  derselben,  auch  das  Fehlen  von  Bestimmungen  darüber, 
wann  und  wie  der  Bund  aufzulösen  und  wem  in  solchem  Falle 
das  etwa  vorhandene  \  ennögen  zufällt,  u.  a.  m. 

Aber  der  neue  Entwurf,  welcher  auch  in  Königsberg  von  ver¬ 
schiedenen  Seiten  bekämpft  wurde,  war  ja  vorgeschlagen  unter 
der  Voraussetzung,  dass  die  Rechtsfähigkeit  durch  Eintragung 
beim  Amtsgericht  angestrebt  werden  müsse.  Bei  staatlicher  \  ei- 
leihung  desselben  ist  die  Anerkennung  der  satzungsmassigen  Vor¬ 
schriften  über  die  Mitgliedschaft  einzig  und  allein  Sache  der  mass¬ 
gebenden  Verwaltungsbehörden.  Werden  von  dieser  die  Zwec  ve 
anerkannt,  so  ist  und  bleibt  es  für  sie  ganz  unerheblich,  wie  sich 
die  Mitglieder  des  Vereins  nennen,  ob  sie  physische  Personen,  ob 
sie  Vereine  mit  dem  Recht  der  juridischen  Person  oder  ohne  das¬ 
selbe  sind  oder  ob  alle  3  Arten  von  Rechtssubjekten  gleichzeitig 
die  Mitglieder  bilden.  Sollten  sich  aber  dennoch  aus  den  be¬ 
stehenden  Verhältnissen  Schwierigkeiten  ergeben,  so  wurden  diese 
sich  meines  Erachtens  sehr  leicht  beheben  lassen.  Man  braucht 
dann  nur  dem  S  2  der  bisherigen  Satzungen  diese  Fassung  zu  geben  : 

Dem  Aerztevereinsbunde  kann  jeder  deutsche,  wissenschaftlich 
geprüfte  und  staatlich  anerkannte  Arzt  beitreten,  welcher  einem 
sich  nur  aus  solchen  zusammensetzenden  Aerzteverein  angehort. 
Diese  Vereine  bilden  die  Wahlkörper  für  den  Aerztetag.“ 

Und  so  würden  eigentlich  die  bisherigen  Satzungen  genügen, 
wenn  nicht  durch  die  Einsetzung  des  Generalsekretärs  eine  Er¬ 
gänzung  dieser  unbedingt  erforderlich  wäre.  Denn  auch  für  Ver¬ 
eine  mit  staatlich  verliehener  Rechtsfähigkeit  muss,  falls  neben 
dem  Vorstand  für  gewisse  Geschäfte  besondere  Vertreter  bestimmt 
sind,  dieses  in  den  Satzungen  selbst  vorgesehen  sein.  Deshalb 
müsste  den  alten  Satzungen  etwa  folgender  Paragraph  angefugt 
werden:  „Zur  Führung  der  Geschäfte  wird  ein  Arzt  als  General¬ 
sekretär  angestellt;  er  führt  dieselben  im  Hauptamt,  bekommt  Ge¬ 
halt  und  hat  Anspruch  auf  Ruhegehalt“. 

Dass  der  Generalsekretär  ein  Arzt  sein  und  auf  Praxis  ver¬ 
zichten  muss  und  dass  er  Gehalt  bekommt,  ist  eine  grundlegende 
Bestimmung  und  gehört  in  die  Satzungen,  nicht  in  die  Ausführungs¬ 
bestimmungen.  Einige  Bemerkungen  mögen  hier  anbei  gestattet 
sein.  Ich  habe  mich  sehr  gewundert,  dass  —  im  Zeitalter  des 
deutschen  Sprachreinigungsvereins  —  der  frühere  gut  deutsche 
Geschäftsführer  durch  den  gräulich  fremdwörtlichen  General¬ 
sekretär  ersetzt  worden  ist.  Noch  mehr  aber  war  ich  verblüfft, 
als  ich  im  Königsberger  Kassenbericht  las,  wie  hoch  oder  viel¬ 
mehr  wie  nieder  das  Gehalt  desselben  bemessen  ist.  Der  Mann, 
„auf  dessen  Tätigkeit  die  Augen  sämtlicher  dem  Bunde  ungehöriger 
Aerzte  gerichtet  sind  und  von  dem  erwartet  wird,  dass  durch  seine 
Arbeit  unsere  Wünsche  und  Hoffnungen  in  kräftigster  Weise  ver¬ 
treten  und  in  wesentlich  schnellerem  Tempo,  als  bisher,  gefördert 
werden“,  der  Mann,  welcher  in  erster  Linie  berufen  ist,  das 
Schicksal  unseres  Standes  zu  leiten  und  welchem  die  schwere 
Pflicht  auferlegt  ist,  fortwährend  auf  der  Wacht  zu  stehen,  er  „hat 
nicht  allein  Anspruch  auf  volles  Vertrauen  aus  unserer  Mitte“, 
er  muss  auch  losgelöst  sein  von  den  kleinlichen  Sorgen  und  Mühen 
der  Alltäglichkeit.  Wenn  aber  unser  Generalsekretär  seinen  Wohn¬ 
sitz  in  Berlin  haben  muss,  wo  die  Preise  für  die  Wohnung  und  alle 
Lebensbedürfnisse  sehr  teuer  sind,  so  kann  ich  das  jetzige  Gehalt  mit 
nicliten  als  entsprechend  betrachten.  Es  wäre  aber  auch  auf  alle 
Fälle  ein  Fehler,  das  Gehalt  nach  den  Privatverhältnissen  des 
jeweiligen  Stelleninhabers  zu  bemessen.  Und  traurig,  übeiaus 
traurig  müsste  es  wahrlich  um  uns  und  um  unseren  Stand  be¬ 
stellt  sein,  wenn  wir  die  Tätigkeit  unseres  einzigen  Sachwalters 
nicht  besser  entlohnen  könnten  oder  wollten!  Die  Direktoren 
des  Bundes  der  Landwirte  und  der  Generalsekretär  der  national- 
liberalen  Partei  beziehen  im  Vergleich  zu  unserem  fürstliche  Ge¬ 
hälter;  ich  bezweifle  sehr,  dass  der  eben  neuangestellte  Sekretär 
der  Konservativen  die  Geschäfte  der  Partei  um  einen  so  gering 
bemessenen  Lohn  besorgt,  selbst  der  Redakteur  einer  nur  einigei- 
massen  grossen  sozialdemokratischen  Zeitung  bekommt  ein  gleiches 
oder  höheres  Gehalt. 

Auf  Grund  aller  dieser  Erwägungen  komme  ich  zu  dem 
Schluss,  dass  eine  Neuberatung  der  Satzungen  durch  den  nächsten 
Aerztetag  nicht  allein  wegen  der  für  die  Erlangung  der  Rechts¬ 
fähigkeit  zu  machenden  Ergänzung,  sondern  auch  noch  wegen 
mancher  zu  erhoffenden  Verbesserung  notwendig  werden  wird. 


Für  sehr  verbesserungsbedürftig  und  auch  der  Verbesserung  fähig 
halte  ich,  um  noch  einen  Punkt  herauszugreifen,  die  Bestimmung, 
dass  zwei  und  mehrere  Vereine  ihr  Mandat  auf  einen  um  c 
selben  Abgeordneten  übertragen  können.  Die  Fassung  des  neuen 
Entwurfs  trägt  noch  ein  viel  längeres  Gesi  eilt,  denn  da  finde  . 
die  Uebertragung  sogar  nur  durch  die  Mitgheder,  d.  h.  die  A 
geordneten  selbst,  statt;  die  Abgeordneten  konnten  dann .die Sache 
hübsch  unter  sich  abmachen.  Diese  Einrichtung  hat  ja  bekannt¬ 
lich  recht  sonderbare  Blüten  getrieben.  Es  ist  ein  offenes  Ge¬ 
heimnis,  lass  schon  mehrere  Monate  vor  dem  Aerztetage  ein 
Liebeswerben  beginnt  um  die  Vertretung  derjenigen  V eu  u‘  ’ 
welche  für  gewöhnlich  einen  Abgeordneten  nicht  schicken.  .  o 
vertraten  z.  B.  in  Königsberg  drei  Abgeordnete  je  5  einer  6,  zwei 
io  10  und  einer  sogar  13  Vereine,  und  darunter  sind  Abgeordnete, 
welche  nicht  einmal  einem  der  von  ihnen  vertretenen  Veieine 
selbst  als  Mitglied  zugehören,  also  im  besten  Falle  nur  eine  sein 
lose  Fühlung  mit  diesen  zu  halten  vermögen.  Dass  so  viele  Ver¬ 
eine  sich  fernhalten,  ist  sicherlich  im  Interesse  unserer  Sache 
selbst  sehr  zu  bedauern,  denn  nicht  allem  die  Teilnahme  an  den 
Verhandlungen,  sondern  auch  die  durch  den  Aerztetag  verm  tt 
persönliche  Bekanntschaft  und  die  durch  diesen  gebotene  Gelegen¬ 
heit  zur  gegenseitigen  Aussprache  wirkt  m  hohem  Masse  auf 
klärend,  belehrend,  anregend  und  die  gemeinsamen  Interessen  for- 
dernd  Aber  unentschuldbar  ist  es,  wegzubleiben  und  die  Stimmen 
anderen  zu  übertragen,  denn  dadurch  erhalten  einige  wenige  Ab¬ 
geordnete  ein  Uebergewicht,  welches  diese  hauptsächlich,  odei 
Stiger  gesagt  ausschliesslich,  bei  den  Wahlen  in  die  Wagschale 
werfen.  Denn  für  gewöhnlich  werden  die  Abstimmungen  nach  der 
Mehrzahl  der  anwesenden  Abgeordneten  und  nur  m  sehr 
einzelten  Ausnahmefällen  —  in  Königsberg  gar  nicht,  m  Hildes¬ 
heim  1  mal  —  durch  Stimmzettel,  d.  h.  nach  der  Kopfzahl  dei 
vertretenen  Vereinsmitglieder,  vorgenommen.  Die  Wahlen  werden 
aber  stets  nach  der  letzteren  Weise  vollzogen  Es  will  mir  ferne! 
auch  richtiger  erscheinen,  wenn  der  Generalsekretär  nicht  nur. 
wie  schon  in  den  Bestimmungen  vorgesehen,  von  dei  \\  ahlbarkeir, 
sondern  auch  von  der  Wahlfähigkeit  zum  Ausschuss  ausgeschlossen 
wird  unbeschadet  seines  selbstverständlichen  Rechtes,  einer  > 
ein  zu  verfreten.  Der  Geschäftsausschuss  ist.  gewissennassen 
seine  Vorgesetzte  Behörde,  er  hat  dessen  Beschlüsse  auszufuhren 
und  die  Anordnungen  des  Vorsitzenden  zu  befolgen  Niemand  aber 
in  der  Welt  kann  sich  seine  Vorgesetzten  und  seine  Aufsiclits 
behörde  selbst  wählen. 

Bei  der  Prüfung  der  bis  zum  1.  November  eingegangenen 
Wünsche  der  Vereine  wird  der  Geschäftsausschuss  sehen,  dass  es 
sich  um  mehr  als  eine  bloss  redaktionelle  Aenderung  des  neuen 
Entwurfs  handelt.  Die  ausserordentliche  Wichtigkeit  der  ganzen 
Angelegenheit  sollte  ihn  doch  veranlassen,  den  ganzen  Entwurf 
nochmals  dem  Aerztetage  vorzulegen,  gleichviel  ob  am  1. 
kommenden  Jahres  wichtige  Verträge  abzusch^en  sind  oder 
nicht  Ist  es  bisher  gegangen,  wird  es  auch  eine  kleine  Spanne 
Zeit  noch  weiter  gehen  -  und  ich  glaube  nicht,  dass  auf  der  Welt 
noch  ein  zweiter  Verein  besteht,  der  sich  seine  Satzungen  nicht 
selbst  gibt,  sondern  das  einem  Beauftragten  uberlasst. 

Leipzig-Connewitz,  23.  Juli  1902.  Hartmann. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Franz  Mracek- Wien :  Atlas  der  Hautkrankheiten,  mit 
einem  Grundriss  der  Pathologie  und  Therapie  derselben.  Miin 

eher ,* Verlag  von  J.  F.  Lehmann. 

Die  Dermatologie  verdankt  Mrafek  eine  Reihe  verdienst¬ 
licher  Arbeiten,  aus  denen  sich  seine  beiden  Atlanten  über  Syphi¬ 
lis  und  venerische  Krankheiten  sowie  über  Hautkrankheiten  un 
sein  neues  umfassendes  Handbuch  der  Hautkrankheiten  hervor¬ 
heben.  Vor  uns  liegt  der  Atlas  der  Hautkrankheiten  des  ausge¬ 
zeichneten  Wiener  Eachk  oll  egen,  und  die  Aufnahme,  welche 
dieser  Atlas  in  dermatologischen  Kreisen  wie  unter  den  prak¬ 
tischen  Aerzten  gefunden  hat,  ist  die  beste  Kritik  und  Em¬ 
pfehlung  zugleich.  Trotzdem  muss  man  sagen,  dass  das  Buch 
gerade  unter  den  allgemeinen  Praktikern  des  ärztlichen  Berufes 
noch  mehr  Verbreitung  gewinnen  sollte,  als  es  bislang  der  Fall 
war.  Findet  man  doch  in  dem  Werke,  das  die  rührige  Verlags¬ 
firma  in  hervorragender  Weise  ausgestattet  hat  und  für  einen 
billigen  Preis  verkauft,  alles  das  zusammengefasst  und  im  Bilde 
dargestellt,  was  der  Kollege,  welcher  sich  nicht  ausschliesslich  mit 
Dermatologie  befasst,  unbedingt  von  diesem  Zweige  der  Heil¬ 
kunde  wissen  muss.  Abgesehen  von  63  farbigen  Tafeln  und 
39  schwarzen  Abbildungen,  welche  die  wichtigsten  Affektionen  der 
Haut  wiedergeben,  findet  man  im  ersten  Teil  das  Buches  eine 
Pathologie  und  Therapie  der  Dermatosen,  welche  sich  durch  Klar  - 
heit  und  Präzision  auszeichnen.  Man  darf  wohl  sagen, .  dass  dieser 
Teil  geradezu  ideal  für  den  Kollegen  von  der  allgemeinen  Praxis 
ist.  Dass  die  Infektionskrankheiten,  ausser  Varicellen  und  Mor- 
billen,  nicht  mit  einbegriffen  sind,  thut  dem  Werke  keinen  Ab¬ 
bruch.  Es  liegt  dies  daran,  dass  dieselben  auf  Mraceks  Ab¬ 
teilung  keine  Aufnahme  finden  dürfen,  Doch  sind  deren  Er- 


26.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1429 


scheinungen  dem  praktischen  Arzte  ja  geläufig  genug.  Auch  der 
Spezialist  wird  sowohl  den  Text  als  die  Abbildungen  gelegentlich 
mit  Vorteil  einsehen.  Letztere  bewegen  sich  im  allgemeinen  auf 
einer  vortrefflichen  Höhe  der  Ausführung,  und  einzelne  Tafeln 
smd  von  wundervoller  Naturtreue.  Es  seien  nur  genannt  die 
Reproduktionen  des  Milium  (2),  Erythema  multiforme  (6),  der 
Psoriasis  serpiginosa  (20),  des  Lichen  ruber  planus  (22),  Eczema 
lnaigiiiatum  (26),  der  Prurigo  (29),  der  Naevi  verrucosus  und  pig¬ 
mentosus  unilateralis  (35,  36),  sowie  des  Lichen  pilaris  (38).  Auch 
die  Vitiligo  (41),  der  Lupus  erythematosus  naris  (42),  das  Carci¬ 
noma  penis  (54,  55),  sowie  Favus  (56),  Herpes  tonsurans  macu- 
losus  (57)  und  orbicularis  (58)  sind  ausgezeichnet  reproduziert. 
Em  Voizug  des  Buches,  welcher  besonders  vermerkt  zu  werden 
verdient,  sind  die  jedes  Blatt  der  Abbildungen  begleitenden  kur¬ 
zen  Notizen  aus  der  Anamnese  und  den  Befunden  der  Kranken¬ 
geschichte.  Durch  die  Wiedergabe  des  Textes  neben  dem  Bilde 
der  betreffenden  Hautkrankheit  wird  das  Verständnis  der  Tafeln 
in  dei  geschicktesten  Weise  gefördert ;  besonders  übersichtlich 
wird  das  Studium  des  Textes  durch  den  gesperrten  Druck  jener 
Sätze,  welche  die  für  die  Erkennung  des  Falles  wichtigsten 
Punkte  enthalten.  Alles  in  allem  darf  Mraöeks  Atlas  der 
Hautkrankheiten  rückhaltlos  und  warm  empfohlen  werden. 

II  o  p  f  -  Dresden. 


Gustav  V  o  g  e  1  -  Würzburg:  Leitfaden  der  Geburtshilfe. 

Für  praktische  Aerzte  und  Studierende.  Mit  216  Abbildungen. 
Stuttgart,  E  n  k  e.  402  S. 

Der  Verfasser  hat  sich  zur  Aufgabe  gemacht,  einen  Leit¬ 
faden  der  Geburtshilfe  zu  bearbeiten,  welcher  sich  vor  allein 
den  Verhältnissen  des  praktischen. Arztes  an¬ 
passt.  W  enn  1  o  g  e  1,  von  diesem  Gesichtspunkte  ausgehend, 
den  Bedürfnissen  des  praktischen  Arztes  nach  der  Seite  der 
Therapie  hin  in  allererster  Linie  gerecht  zu  werden  wünscht, 
wenn  er  namentlich  hervorhebt,  dass  ihm  nicht  nur  die  opera¬ 
tive  Therapie  vor  Augen  schwebt,  sondern  dass  auch  der  medi¬ 
kamentösen  Behandlung  die  ihr  gebührende  Stellung  ein¬ 
geräumt  werden  soll,  so  wird  er  sich  mit  diesem  Gedanken  die  Zu¬ 
stimmung  aller  Praktiker  gesichert  haben.  Freilich  ist  dadurch 
—  wie  der  A  erfasser  selbst  betont  —  die  pathologische  Anatomie 
in  einen  engen  Rahmen  gedrängt  worden,  immerhin  erfährt  sie 
in  einzelnen  Kapiteln,  z.  B.  bei  den  Anomalien  der  Eihäute  und 
dei  Plazenta,  bei  den  Missbildungen,  den  Beckenanomalien,  eine 
ür  einen  Leitfaden  durchaus  genügende  Berücksichtigung. 

Es  ist  dem  Verfasser  gelungen,  das  zu  schaffen,  was  er  im 
Vorwort  als  sein  Ziel  hinstellt.  Die  grosse  Anzahl  der  meist  vor¬ 
trefflichen  Abbildungen  geben  dem  Inhalt  eine  Klarheit,  die 
namentlich  dem  Studierenden  zu  gute  kommen  wird.  Manche 
der  Abbildungen  sind  durchaus  originell,  wie  z.  B.  die  Lage  des 
Metreurynters  in  der  Zervix  und  im  Uterus. 

Die  Besprechung  der  infektiösen  Erkrankungen  im  Wochen¬ 
bett  ist  durch  zahlreiche  Fieber-  und  Pulskurven  erläutert.  Doch 
würde  sich  ein  noch  ausführlicheres  Eingehen  auf  das  Verhalten 
des  Pulses  bei  den  verschiedenen  Arten  der  puerperalen  Wund¬ 
infektion  sehr  empfehlen. 

_  Bei  der  Eklampsie  tut  Verfasser  sehr  wohl,  vor  den 
. 'l  1  r  ss en  sehen  Inzisionen  in  der  Privatpraxis  zu  warnen, 
wu  er  auch  die  Symphyseotomie  als  einen  für  diese  Verhältnisse 
nicht  m  Betracht  kommenden  Eingriff  mit  vollem  Recht  ver¬ 
nachlässigt. 

Wir  wünschen  dem  handlichen,  kleinen  Lehrbuch  eine 
reundliche  Aufnahme.  G.  Frickhinger  -  München. 


G.  W.  Jakoby:  Elektrotherapie.  Aus  dem  Sammelwerk : 
A  System  of  Physiologie  Tlierapeutics.  Philadelphia.  P.  Bla- 
kistons  Son  and  Co.  1901. 

Von  den  zwei  dicken  Bänden,  die  hier  vorliegen,  behandelt 
er  erste  die  Theorien  über  die  Elektrizität,  die  verschiedenen 
Arten  der  Anwendung  derselben  und  die  physikalischen  Gesetze, 
we  c  o  licr  in  Betracht  kommen  \  ferner  finden  wir  in  ihm  eine 
genaue  Schilderung  der  Apparate,  die  zur  Erzeugung  der  ver¬ 
schiedenen  Stromarten  verwendet  werden,  unter  Berücksichtigung 
der  neuen  Errungenschaften  in  der  Elektrizitätslehre  und  der 
e  vtioteehnik.  Von  den  zahlreichen  Abbildungen  entstammen 
viele  deutschen  Werken  und  den  Katalogen  von  deutschen  Firmen 
\  nschmann,  Reiniger  u.  a.),  es  lässt  sich  aber  doch 


andererseits  aus  diesem  Buche  ersehen,  wie  erfolg'reich  die 
amerikanische  Technik  in  neuerer  Zeit  im  Bau  von  elektrothera- 
peutischen  Apparaten  mit  der  deutschen  Industrie  in  Wettstreit 
Witt.  Die  Darstellung  der  Lehre  von  der  Elektrizität  ist  unter 
Vermeidung  langer  theoretischer  Erörterungen  immer  klar  und 
wohl  auch  für  Studenten  leicht  verständlich. 

Im  zweiten -Band  (323  Seiten)  bringt  Jakoby,  der  als 
Neurologe  am  deutschen  Hospital  in  New-York  tätig  ist,  zuerst 
eine  Zusammenfassung  über  das,  was  uns  die  „Elektrophysiologie 
und  die  Elektropathologie“  lehrt,  d.  h.  er  schildert  die  Folge¬ 
erscheinungen,  welche  die  Anwendung  der  verschiedenen  Arten 
des  elektrischen  Stromes  auf  das  gesunde  und  das  kranke  Nerven¬ 
system  bedingt.  Wir  finden  da  Altbekanntes,  wie  die  Lehre  vom 
Elektrotonus,  von  der  Entartungsreaktion  u.  s.  w.  in  guter  Form 
wiedergegeben,  aber  auch  seltenere  Erscheinungen,  wie  die  myo- 
klonische  und  die  myasthenische  Reaktion  sind  hier  erschöpfend 
erörtert.  Ein  besonderes  Kapitel  behandelt  die  Ursachen  des 
Todes  durch  Elektrizität. 

Besonders  ausführlich  ist  die  Heilwirkung  der  Elektrizität, 
die  Elektrotherapie  behandelt.  Die  Art  der  Anwendung  des 
elektrischen  Stromes  bei  den  verschiedenen  Nervenkrankheiten 
und  bei  inneren  Leiden  wird  genau  erörtert.  Die  Abschnitte  über 
die  Elektrizität  bei  chirurgischen  Eingriffen  (Galvanokaustik 
u.  s.  w.),  in  der  Augenheilkunde  (Elektromagnet),  in  der  Gynäko¬ 
logie  und  bei  der  Behandlung  von  Hautkrankheiten  sind  von 
Spezialärzten  in  den  betreffenden  Disziplinen  abgefasst.  Durch¬ 
wegs  wird  die  Heilkraft  der  Elektrizität  stark  überschätzt.  Die 
neueste  Behandlungsmethode  ist  durchaus  nicht  immer  die  beste! 

Der  A  orzug  des  Werkes  liegt  in  den  theoretischem.  Er¬ 
örterungen  und  in  der  Zusammenfassung  unseres  AVissens  über 
die  Einwirkung  des  elektrischen  Stromes  auf  den  menschlichen 
Körper.  Dass  die  Bücher,  deren  Ausstattung  eine  vorzügliche 
ist,  eine  grosse  Verbreitung  in  deutschen  Aerztekreisen  oder  gar 
eine  Uebersetzung  ins  Deutsche  erfahren  werden,  glaubt  Referent 
nicht.  Immerhin  ist  die  vorliegende  Darstellung  der  Elektrizität 
in  der  Medizin  zur  Zeit  die  modernste  und  die  alte  AVelt  muss, 
wenn  sie  sich  nicht  wie  in  der  Technik,  so  auch  in  der  AVissen- 
schaft  von  Amerika  überflügeln  lassen  will,  einen  heissen  Kampf 
aufnehmen.  L.  R.  M  ü  1 1  e  r  -  Erlangen. 

Augenärztliche  TJnterrichtstafeln  für  den  akademischen 
und  Selbstunterricht.  Herausgegeben  von  Professor  Magnus. 
Breslau  1902.  J.  M.  Ker  n. 

Im  Heft  XX III  wird  von  Prof.  G  r  e  e  f  f  auf  einer  grossen 
chromo-lithographierten  Tafel  von  1,23  m  Länge  und  0,70  m 
Breite  der  grob  anatomische  und  mikroskopische  Bau  der  Augen¬ 
lider  sehr  instruktiv  dargestellt.  AVie  alle  Magn'us  sehen 
Tafeln  erfüllt  besonders  diese  den  Zweck,  im  Ilörsaal  oder  Stu¬ 
dierzimmer  aufgehängt,-  als  bequemes  Hilfsmittel  für  stete 
Wiederauffrischung  des  Gedächtnisses  zu  dienen  und  auch  die 
Zeichnung  an  die  Tafel  zu  ersetzen.  S  e  g  g  e  1. 

Neueste  Journalliteratur. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  Bd.,  68.  1.  Heft,  Berlin, 
Hirschwald,  1902. 

1)  Goldner:  800  Radikaloperationen  nach  Bassini  und 
deren  Dauerresultate.  (I.  Chirurg.  Universitätsklinik  weiland  Ilof- 
rat  Albert  in  Wien.) 

Ausführlicher  statistischer  Bericht  mit  kurzer  Wiedergabe  der 
Krankengeschichten  über  800  im  Zeitraum  von  5  Jahren  operierte 
Leistenhernien,  darunter  70  bei  Frauen.  4GG  Fälle  wurden  nach 
über  2  Jahren  nachuntersucht  und  ergaben  35  =  7.5  Proz.  Rezidive. 
Als  Rezidiv  wurde  bei  dieser  Berechnung  angesehen:  1.  wenn 
neuerlich  durch  den  äusseren  Leistenring  ein  Bruch  vortritt; 

2.  wenn  eine  deutliche  Lücke  in  der  Muskelnaroe  vorhanden  ist, 
durch  die  sich  ein  kleiner  Bruchsack  beim  Husten  vorwölbt  und  3., 
wenn  eine  Kruralhernie  sich  auf  der  operierten  Seite  entwickelt 
bat.  Im  letzteren  Falle  ist  anzunehmen,  dass  durch  die  Muskelnaht 
das  Lig.  Foup.  vom  horizontalen  Schambeinast  abgezogen  wird 
und  so  durch  den  Verschluss  der  einen  Bruchpforte  eine  Erweite- 
rung  der  anderen  hervorgerufen  wird.  Störungen  im  Wundverlauf 
wurden  in  12,5  Proz.  der  Fälle  beobachtet,  tiefe  Suppuration  in 
2,2  Proz.  Bei  den  35  rezidivierten  Fällen  war  10  mal  Eiterung  ein¬ 
getreten,  25  Fälle  waren  per  primam  geheilt.  Die  reaktionslose 
Heilung  ist  demnach  nicht  das  einzig  entscheidende  für  .den  guten 
Dauererfolg.  Die  Entlassung  der  Kranken  erfolgte  in  der  Regel 
schon  am  14.  Tag;  schwere  Arbeit  soll  aber  erst  nach  3  Monaten 
wieder  aufgenommen  werden.  Bezüglich  weiterer  Einzelheiten 
muss  auf  das  Original  verwiesen  werden. 


1430 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  W 0 CHEN S CHKIE T . 


No.  34. 


4)  Karew  ski -Berlin:  Ueber  diffuse  adhäsive  Peritonitis 
infolge  von  Appendizitis. 

Die  chronische  adhäsive  Peritonitis  nach  Appendizitis  tritt 
in  2  Formen  auf:  entweder  beschränkt  sie  sich  aut  die  rechte 
Bauchseite  und  führt  durch  Bildung  von  schwartigen  'Verwach¬ 
sungen  zur  Entstehung  grosser  Pseudotumoren,  deren  richtige  Be¬ 
urteilung  vor  der  Operation  oft  unmöglich  ist.  oder  sie  verbreitet 
sich  über  den  ganzen  Bauchraum  und  führt  ohne  Ausscheidung 
von  grösseren  fibrinösen  Massen  zur  "Verwachsung  säintlicliei 
Baucheingeweide  und  schliesslich  zur  totalen  Obliteration  dei 
Peritonealhöhle.  Die  letztere  Form,  die  diffuse  adhäsive  1  eri- 
tonitis.  ist  durchaus  nicht  immer  die  Folge  einer  akuten  allge¬ 
meinen  Peritonitis,  sie  kann  sich  ebensowohl  an  eine  schleichende 
Appendizitis,  die  niemals  zu  einem  ausgesprochenen  Anfall  ge¬ 
führt  hat.  wie  an  eine  perforative  Erkrankung  anscliliessen,  sie 
kann  nach  scheinbarer  Heilung  infolge  spontanen  Durchbruches 
oder  nach  einer  Abszesseröffnung  mit  dem  Messer  ohne  Resektion 
des  Wurmfortsatzes,  ja  sogar  trotz  radikaler  Operation  zur  Ent¬ 
wicklung  kommen.  In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  um  ver¬ 
schleppte  perforative  Appendizitis,  welche  zunächst  nur  zirkum¬ 
skripte  Eiterung  hervorgerufen  hat;  von  dem  ursprünglichen  Herd 
aus  erfolgt  eine  kontinuierliche,  schleichende  Fortentwicklung 
entzündlicher  Vorgänge  an  der  Serosa,  die  keine  Ausscheidung 
flüssiger  Substanzen,  sondern  solche  fibroplastisclier  Natur  nach 
sich  ziehen.  Die  Erkrankung,  die  K.  an  der  Hand  von  11  Kranken¬ 
geschichten  schildert,  führt  zur  Aufhebung  der  Peristaltik  und  da¬ 
mit  zum  Ileus.  Die  Prognose  ist  schlecht:  von  K.s  Kranken  konn- 
ton  nur  4  gerettet  werden.  Für  die  Therapie  ist  daraus  zu  folgern, 
dass  nach  allen  schweren  Anfällen  von  Appendizitis  die  Resektion 
des  Frozessus  indiziert  ist;  K.  will  sie  schon  2—3  Wochen  nach  dem 

Anfall  vornehmen.  ,  ,  . 

(1)  M  e  r  m  ingas:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Blutergelenke. 

(Chirurg.  Universitätsklinik  König  in  Berlin.) 

M.  hat  3  Fälle  von  Blutergelenken  zu  beobachten  Gelegenheit 
gehabt;  er  nennt  als  charakteristische  Merkmale  der  Erkrankung: 
sie  kommt  zu  Stande  ohne  oder  nach  leichtem  Trauma:  sie  be¬ 
fällt  meist  das  Kniegelenk;  sie  stört  anfangs  den  Patienten  gar 
nicht  oder  nur  vorübergehend  im  Gehen;  sie  zeigt  grosse  Neigung 
zu  Rezidiven  im  gleichen  oder  in  anderen  Gelenken;  sie  hat  als 
konstanten  Effekt  eine  Verdickung  des  Gelenkes  mit  oder  ohne 
Schmerzen,  mit  mehr  oder  weniger  starker  Bewegungsbeschrän¬ 
kung;  sie  führt  zur  Stellungsanomalie  im  Sinne  der  Subluxation 
und  der  Valgus-  resp.  Varusstellung.  Die  Therapie  besteht  in  Im¬ 
mobilisation  des  Gelenkes  in  der  günstigsten  Stellung. 

8)  Lessing:  Ueber  frühzeitige  operative  Behandlung  un¬ 
komplizierter  intra-  und  paraartikulärer  Frakturen.  (Städtisches 
Krankenhaus  Altona.) 

Während  L.  bei  unkomplizierten  Diaphysenfrakturen  nur  in 
den  seltensten  Fällen  die  Indikation  zum  operativen  Eingreifen 
für  gegeben  hält,  empfiehlt  er  die  Operation  auf  Grund  einer  Reihe 
von  anderweitig  publizierten  (R  e  li  n,  Kocher  und  Helfe- 
r  i  c  li)  und  selbst  beobachteten  Fällen  für  solche  Frakturen  det 
Epiphysen  und  der  benachbarten  Diaphysenteile,  die  grosse  Nei¬ 
gung  zur  Dislokation  zeigen  und  durch  die  gewöhnlichen  Verband¬ 
methoden  nicht  in  korrigierter  Stellung  zu  erhalten  sind.  Sind 
diese  Bedingungen  gegeben,  so  soll  der  Entschluss  zur  Operation 
möglichst  bald  gefasst  werden,  um  stärkere  Muskelatrophie  und 
narbige  Schrumpfung  der  Weichteile  zu  vermeiden. 

Die  L.  sehen  Beobachtungen  beziehen  sich  zunächst  auf 
3  Frakturen  des  Collum  eliirurgicum  humeri,  bei  denen  nach  der 
Nahtvereinigung  der  Fragmente  vollkommene  Heilung  mit  tadel¬ 
loser  Funktion  erfolgte.  Bei  2  weiteren  Fällen  von  mit  Luxation 
des  Kopfes  komplizierten  Splitterfrakturen  am  oberen  Humerus¬ 
ende  wurden  durch  Herausnahme  des  Kopfes  gute  Resultate  er¬ 
zielt.  Endlich  führte  die  Operation  bei  einem  Bruche  des  Cond, 
ext.  humeri  zu  vorzüglicher  Heilung  mit  tadelloser  Funktion  des 
Armes.  Bei  der  Fraetura  supracondylica  und  der  Fraktur  des 
Cond.  int.  humeri  glaubt  L.  die  Operation  meist  entbehren  zu 
können. 

10)  Muscatello  -  Catania:  Ueber  einen  nicht  gewöhn¬ 
lichen  Fall  von  Kephalokele  und  über  die  postoperative  Hydro- 
kephalie. 

M.  entfernte  bei  einem  14  Tage  alten,  atrophischen,  hereditär- 
luetischen  Kinde  eine  Encephaloeystomeningoeele  occipitalis.  die 
fast  1%  mal  so  gross  war,  wie  der  Kopf  des  Kindes.  Es  erfolgte 
zunächst  Heilung,  doch  ging  das  Kind  5%  Monate  nach  der  Opera¬ 
tion  an  Ilydrokephalus  zu  Grunde.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  des  abgetragenen  Sackes  zeigte  folgende  bemerkenswerte 
Verhältnisse:  1.  Die  Flüssigkeit  im  Hirn-  und  Meniugealsack  ent¬ 
hielt  grosse  Mengen  von  Leukocyten;  2.  die  Gewebsmasclien  der 
weichen  Hirnhäute  und  die  Nefvensubstanz  "waren  von  Rundzellen 
infiltriert  und  serös  durchtränkt;  3.  auf  der  I’ia  und  Arachnoidea 
fanden  sich  Fibrinablagerungen:  4.  die  Endothelzellen  der  Arach¬ 
noidea  waren  aufgequollen  und  zeigten  Neigung  zur  Ablösung;  es 
bestand  demnach  eine  einfache  exsudative  Entzündung  der 
weichen  Hirnhäute.  M.  sieht  in  dieser  serösen  Leptomeningitis  die 
Ursache  des  nach  der  Operation  auftretenden  Ilydrokephalus;  die 
Meningitis  ist  wahrscheinlich  auf  die  kongenitale  Syphilis  zurück¬ 
zuführen.  . 

H)  Mus  ca  teil  o- Catania:  Ueber  die  Diagnose  der  Spina 
bifida  und  über  die  postoperative  Hydrokephalie. 

M.  beschreibt  G  Fälle  von  Spina  bifida  und  gibt  im  Anschluss 
einige  Bemerkungen  über  die  Diagnose  und  Nomenklatur  ihrer 
einzelnen  Formen.  Ein  Fall  von  reiner  Meningocele  spinalis  wurde 


mit  Erfolg  operiert.  Ein  zweiter  operierter  Fall  betraf  eine  ober¬ 
flächlich  ulzerierte  Myelocystomeningocele  thoracica,  bei  deion 
Trägerin  schon  zur  Zeit  der  Operation  leichter  Ilydrokephalus 
nachzuweisen  war;  der  Ilydrokephalus  zeigte  nach  der  im  übrigen 
erfolgreichen  Operation  langsame  Zunahme. 

Was  die  Entstehung  der  Hydrokephalie  bei  Spina  bifida  und 
Keplialocele  anbetrifft,  so  haben  M.  die  eigenen  Fälle  und  das 
Studium  der  Literatur  gelehrt,  dass  sie,  wenn  sie  eine  primäre  ist, 
auf  Ursachen  beruht,  die  im  intrauterinen  Leben  gewirkt  haben, 
besonders  auf  Lues  (s.  die  obige  Arbeit  M.s);  tritt  sie  dagegen 
erst  im  extrauterinen  Leben  oder  nach  einer  Operation  auf,  so  ist 
sie  in  den  meisten  Fällen  auf  eine  angeborene  (Myelomeningocele) 
oder  erworbene  (Meningocele,  Myelocystocele)  Ivontinuitats- 
trennung  in  der  Hautbekleidung  des  Tumors  zuruckzufuhren. 
Diese  ist  gefolgt  von  pyogener  Infektion,  die  entweder  zu  akuter 
Meningitis  oder  zu  einer  langsam  fortschreitenden,  chronischen 
Form  von  Meningitis  serosa  diffusa  führt,  welche  die  Ursache  der 
Hydrokephalie  ist.  Ans  diesem  Grunde  sind  die  unmittelbaren  und 
Endresultate  der  Operationen  von  Spinae  bifidae  ulceratae  m  der 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  ungünstige,  welches  auch  die  ana¬ 
tomische  Form  der  Spina  bifida  sein  mag. 

12)  Kleinere  Mitteilungen:  ,  ..  ,  o 

Bä  lir -Hannover:  Der  Oberschenkelknochen  als  statisches 

Holländer-Berlin:  Zur  Methode  der  Rhinoplastik. 

2)  T  h  i  e  m  -  Cottbus:  Ueber  die  erfolgreiche  operative  Ent¬ 

fernung  einer  im  linken  Hinterhauptslappen  entstandenen  Hohl¬ 
geschwulst.  , .  ,  ,  _ _ 

3)  F  r  a  n  k  e  -  Braunschweig:  Ueber  die  Blutcysten  am 
Schädel  (Hämatokele,  Sinus  pericranii)  und  ihre  Behandlung. 

5)  Hochenegg- Wien:  Resultate  bei  operativer  Behand¬ 
lung  karzinomatöser  Dickdarmgeschwülste.  . 

7)  A  li  s  c  li  ü  t  z:  Ueber  den  Verlauf  des  Ileus  bei  Darm- 
karzinom  und  den  lokalen  Meteorismus  des  Coekum  bei  tief¬ 
sitzendem  Dickdarmverschluss.  (Chirurgische  Klinik  Breslau.) 

9)  Lex  er:  Myome  des  Mastdarms.  (Chirurg.  Universitäts¬ 
klinik  von  B  e  r  g  m  a  n  n  -  Berlin.) 


Iv  \  Ull  !►  V  l  All  ‘1  ^  ^  _ 

Yort  r  ä  g  e  a  n  f  de  m  31.  Chirurgenkongres  s. 


Re¬ 


ferate  s.  No.  15—17  d.  Wochenschr. 


Heineke-  Leipzig. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  64.  Bd.,  1.— 3.  Heft. 

Juni  1902.  Leipz:g,  Vogel.  . 

1)  Perez:  Die  Influenza  in  chirurgischer  Beziehung. 

(Chirurgisches  Institut  Rom.)  . 

Bezüglich  der  psychischen  und  nervösen  Storungen  im  Ver¬ 
laufe  der  Influenza  glaubt  Verfasser,  dass  dieselben  von  der  Ein¬ 
wirkung  der  Stoffwechselprodukte  des  Influenzabazillus  abh.iiR.1» 
sind  Auf  experimentellem  Wege  konnte  Verfasser  Herde  im  Ge¬ 
hirn  erzeugen,  die  mikroskopisch  und  kulturell  Influenzabazillen 
erkennen  bessern  Ferner  hat  er  sorgfältig  Gehirnschnitte  aoh  mit 
Influenzabazillen  geimpften  Tieren  untersucht  und  dieselben  nach 
den  Methoden  von*N  i  *  *  rund  G  o  1  g  i  behandelt.  Es  ergaben  « »ch 
charakteristische  Veränderungen  der  Zellen,  die  mit  Wahrschein 
lichkeit  als  Ursache  der  klinischen  Störungen  angesprochen  wei- 

üdi  ^vü.  dpn  Hirnhäuten  konnte  P.  experimentell  Verände¬ 

rungen  erzeugen,  die  den  beim  Menschen  beobachteten  entsprechen. 
An  den  peripheren  Nerven  Hessen  sich  mit  aller  Sicherheit  Neuri¬ 
tiden  vermittels  der  Influenzabazillen  hervorrufen,  die  Bazillen 
konnten  regelmässig  in  den  entzündeten  Nerven  nachgewiesen 
werden.  Am  Auge  Hessen  sich  an  sämtlichen  Teilen  Entzundunger 
vermittels  des  Pfeifferschen  Bazillus  erzeugen. 

2)  Bucker:  Ueber  Ileus,  bedingt  durch  seltenere  Formen 
von  Volvulus.  (Garnisonslazarett  Brandenburg  a.  H.) 

1.  Fall.  Volvulus  des  Jejunums,  Coekums  und  aufsteigenden 

Kolons.  Tod  nach  12  Stunden. 

2  Fall  Volvulus  einer  Ileumschlinge  durch  ein  Mesentenai- 
loch  hindurch.  Bauchschnitt.  Aufdrehung  Heilung. 

3)  D  i  e  t  z  e  r:  Ein  Fall  von  Sclienkelhalsfraktur  mit  vei 

längerung  des  Beines.  (Kölner  Bürgerspital.)  . 

Die  Verlängerung  betrug  2  cm  und  war  dadurch  bedingt,  dass 
sich  der  sehr  steil  gestellte  Schenkelhals  in  die  obere  Partie  des 
Trochanter  major  eingekeilt  hatte:  Schenkelhals  und  Femurschaft 

bildeten  fast  eine  gerade  Linie.  .  ,  _  . 

4)  .Ten  ekel:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Knochensaikome 

des  Oberschenkels.  (Chirurg.  Klinik  Göttingen.)  , 

35  Fälle.  21  wurden  amputiert,  bei  10  exartikuliert.  _  mal 
wurde  eine  Probeinzision  gemacht,  1  mal  wurde  die  Exkochleation. 
1  mal  die  Exstirpation  mit  Knoelienabmeisselung  gemacht.  4  raue 
sind  dauernd  geheilt,  seit  G%  bis  15%  Jaliren.  Von  diesen  4  win¬ 
den  3  amputiert,  ein  Patient  ist  der  mit  Exkochleation  behandel  . 
Aus  der  Literatur  sind  G  Dauerheilungen  bekannt  Von  den  ins¬ 
gesamt  10  Dauerlieiliingen  sind  0  durch  die  Amputation,  -  dm<  i 
die  Exartikulation.  2  durch  das  Evidement  erzielt.  Bei  den  Sar¬ 
komen  im  unteren  Femurdrittel  genügt  die  Amputation.  Gegen¬ 
über  dem  Vorschläge  der  Resektion  —  Mikulicz,  Wiesinger 
_  vorhält  sich  Verfasser  ziemlich  skeptisch.  . 

5)  v  a  n  d  r  B  r  i  e  1  e:  Ein  Fall  von  isolierter  Durchschnei- 
dung  des  Nervus  sympathicus  bei  Stichverletzung.  (Kranken 

anstatt  Sudenburg-Magdeburg.) 

Stichwunde  zwischen  vorderem  Rande  des  Steinokl  ul 
mastoideus  und  dem  vorderen  Ohrrande:  Verengerung  der  nP1)  e’ 
geringe  Ptosis,  Exophthalmus  auf  der  verletzten  Seite.  Kenn. 
Veränderung  der  Bulbusspanniuig,  keine  Sekretionsauomalien,  keine 


26.  August  1902. 


MltE  K  C  HE  NEU  MEDICIKISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1431 


Veränderung  von  Puls  und  Atmung,  keine  vasomotorischen  Stö¬ 
rungen.  ' 

^  a  l  d  v  o  g  e  1:  Ueber  Nierenverletzungen.  (Chirurg 
Klinik  der  Charite  Berlin.)  v 

23  Fälle.  Die  Nieren  Verletzungen  kommen  grösstenteils  da- 
duicli  zn  Stande,  dass  die  Niere  entweder  direkt,  z.  B.  vom  Rade 
zerquetscht  wird,  oder  dass  die  Niere  hei  nachgebender  Muskula- 
tm  die  ganze  Druckwirkung,  wie  beim  Sturz  auslialten  muss 

Gestorben  sind  3  Patienten. 

Für  die  Operation  ist  ausschlaggebend  die  Blutung,  sowohl 
die  mit  dem  I  rin  zu  Tage  tretende,  wie  die  perirenale.  Die  Opera¬ 
tion  wurde  in  des  Verfassers  Fällen  4  mal  gemacht,  3  mal  die 

■1™al  der  König  sehe  Schnitt.  Im  allgemeinen 
huldigt  Iv  ö  li  i  g  konservativen  Orundsiitzeii. 

7)  Rommel:  Spontane  Ruptur  der  Scheide  mit  kolossalem 
Darmvorrall. 

Die  Verletzung  betraf  eine  38  jährige  Frau  und  war  beim 
Heben  eines  schweren  Kessels  eingetreten.  Das  vorgefallene 
Dunndarmpacket  hatte  über  Mannskopfgrösse,  eine  Schlinge  war 
vom  Mesenterium  abgerissen.  Mühsame,  unvollständige  Reposi¬ 
tion  der  Darme.  Exitus.  Bei  der  Sektion  fand  sich  in  der  Vagina 
em  Loch  von  4  cm  Durchmesser. 

8)  R.  Beckmann  -  Lodz:  Ein  neuer  Dampfsterilisator  für 
chirurgische  und  bakteriologische  Zwecke. 

Die  Bescln eibung  muss  in  der  Arbeit  selbst  nachgesehieon 

werden. 

9)  P.  Beckmann:  Pneumotomie  wegen  Fremdkörper. 
(Krankenanstalt  Sudenburg-Magdeburg.) 

Ein  11  jähriger  Knabe  aspirierte  währenddes  Spielens  einen 
Grashalm.  Bald  darnach  Stechen  in  der  rechten  Brustseite  Fieber 
Dampfung,  Probepunktion  ergab  Eiter.  Nach  3  Wochen  Eröff¬ 
nung  des  in  der  Lunge  gelegenen  Eiterherdes.  In  demselben  fand 
sich  die  Grasähre.  Heilung. 

•D  1°)  Göbell:  Ein  Beitrag  zur  sogen.  Autoplastik  nach  der 
Kadikaloperation  des  Carcinoma  mammae.  (Chirurg.  Klinik  Kiel.) 

Die  nach  der  Radikaloperation  des  Mammakarzinoms  zurück- 
bleibenden  grossen  Defekte  können  durch  Lappen  vom  Rücken  her 
oder  durch  Lappen,  welche  die  gesunde  Mamma  einscliliessen,  ge¬ 
deckt  werden.  2  Krankengeschichten  illustrieren  die  Art  des  Ver¬ 
fahrens. 

11)  A.  Neu  mann:  Ueber  subkutane  Darmrupturen  nach 
Bauchkontusionen.  (Friedrichshain-Berlin.) 

Ein  aus  einer  Höhe  von  5  m  auf  den  Bauch  gefallener  Patient 
■winde  ö  Stunden  nach  dem  Unfall  bei  schon  schweren  Allgemein¬ 
erscheinungen  laparotomiert.  Darmschlingen  stark  ftbrinös  be¬ 
schlagen,  im  Jejunum  ein  talergrosses  Loch.  Naht.  Heilung. 
Im  1  riedriclishain  wurden  während  der  letzten  20  Jahre  133  Patien¬ 
ten  mit  Bauchkontusionen  behandelt.  Wenn  man  die  Fälle  ein¬ 
teilt  in  solche,  die  durch  eine  mehr  umschriebene  Gewalt  und 
solche,  die  durch  eine  mehr  breite  Gewalt  verursacht  wurden  so 
ergeben  sich  für  die  erste  Gruppe  08  Fälle  mit  17  Darmrupturen 
für  die^  zweite  58  mit  nur  4  Darmrupturen.  Unter  den  letzteren 
waren  30  Ueberfahr  ungen,  und  bei  diesen  war  der  Magendarmtrak- 
tus  nur  einmal  verletzt.  Das  prägnanteste  Symptom  der  erfolgten 
Darm  Verletzung  ist  die  tetanische  Spannung  der  Bauchmuskeln. 
Doch  kann  dies  Symptom  auch  vorhanden  sein  bei  fehlender  Darm¬ 
verletzung  und  umgekehrt.  Die  vom  Verfasser  mitgeteilten 
-1  Krankengeschichten  illustrieren  das  wechselnde  Bild  der  Bauch¬ 
kontusion  mit  Darmverletzung.  Von  allen  21  Patienten  ist  mit 
Ausnahme  des  oben  erwähnten  kein  einziger,  trotz  Operation  ge¬ 
heilt  worden. 

+.*,A™N,itzSclle:  Magenblutung  bei  Appendizitis.  (Paulinen- 
stift  Wiesbaden.) 

... .  IJn  Verlaufe  einer,  auf  Grund  einer  Appendizitis  entstandenen 
tounchen  Peritonitis  trat  eine  reichliche  Magenblutung  ein.  Bei 
nei  Sektion  fanden  sich  an  der  grossen  Kurvatur  unzählige  tlaclie, 

.  ecknadelkopl’-  bis  hirsekorngrosse  Gesckwürelien.  Mikroskopisch 
erwiesen  sich  dieselben  als  Substanzverluste  an  den  Driisen- 
scmauclien  mit  Nekrose  der  angrenzenden  Partien.  Die  Blutun»- 
ist  erfoigt  aus  diesen  Schleimhautnekrosen,  die  wohl  auf  Grund 
der  Sepsis  entstanden  waren. 

13)  Max  Cohn:  Ein  Fall  von  protrahierter  Chloroform¬ 
wirkung  mit  tödlichem  Ausgange.  (Moabit-Berlin.) 

, le  -1  jährige  Patientin  wurde  wegen  doppelseitiger  Adnex- 
fnm  k?“g  laparotomiert.  Dauer  der  Operation  1  Stunde,  Cliloro- 

yn  i  Ifriln’aU^\17^  g  (!!)‘  Nach  2  Ta^eu  Ikterus,  Albuminurie  mit 
/ahn  eichen  Zylindern.  Kein  Fieber,  keine  Pulsbeschleunigung. 
Exitus  am  5.  Tage  im  Koma. 

ri  Bei  d<;r  Selition  fand  sich  eine  ausgedehnte  Epithelnekrose 
n-i  gewundenen  Harnkanäliclien  und  degenerative  Veränderungen 
an  den  Leberzellen. 

A  ^‘fasser  glaubt  die  Todesursache  auf  eine  protrahierte 
-  oiolormwirkung  beziehen  zu  müssen.  (Die  verwendete  Dosis 
ciuoiotorm  ist  allerdings  ganz  ungewöhnlich  gross.) 

weber:  Ueber  die  operative  Behandlung  veralteter 
EU  bogenluxationen.  (Hospital  Mariae  Magdalenae  St.  Petersburg.) 

.  .*  Grund  zweier  Fälle  —  1  Arthrotomie.  1  Resektion  _ 

und  einem  sorgfältigen  Literaturstudium  kommt  Verfasser  zu  dem 
i,i<i-o+-SS’  <las?  da®  Normal  verfahren  bei  den  veralteten  Ellbogen- 
uxationen  die  Arthrotomie  bilden  soll.  Dabei  sind  alle  Knociien- 
nngmente  mul  Osteophyten  zu  entfernen,  am  besten  bewährt  sich 

koehersche  Schnitt,  in  schweren  Fällen  darf  die  äussere 
(les  Trizeps  über  seinem  Ansatz  am  Olekranon  durcli- 
bcnnitten  werden.  Nur  wo  die  Arthrotomie  nicht  zum  Ziele  führt. 


ist  die  Resektion  indiziert,  als  primäre  Operation  auch  dann  wo 
eine  grossere  Fraktur  und  Dislokation  des  Condylus  internus ’ vor- 
Hegt  Im  kindlichen  Alter  ist  die  Resektion  kontraindiziert. 

n~  V  i  e  1  o’  'D!e  Tuberkulose  der  Schambeinsymphyse. 
(Krankenhaus  Sudenburg-Magdeburg.)  J  F  y 

2  Fälle.  In  der  Literatur  finden  sich  G  Fälle. 

IG)  Schräder:  Zur  Kenntnis  pulsierender  Plexus- 
gesch  wulste  m  der  Fossa  supraclavicularis.  (F  r  iedric  h  sehe 
Privatklinik  Leipzig.) 

Es  handelte  sich  um  ein  cystiseli  erweichtes  Fibrosarkom  des 
i  lexus,  das  seinen  Ausgang  von  einer  der  Nervenscheiden  sre- 
nonmiQu  hatte.  Die  durch  dasselbe  bedingten  und  lange  vor  dem 
Sichtbarwerden  des  Tumors  eingetretenen  Schmerzen  betrafen  be¬ 
sonders  den  N.  radialis.  Der  Tumor  zeigte  deutliche  Pulsation 
und  machte  so  die  Differentialdiagnose  zwischen  Aneurysma  und 
1  lexustumor  sehr  schwierig. 

Der  Tumor  konnte  mit  Erhaltung  der  grossen  Nervenstämme 
ausgeschält  werden.  Glatte  Heilung. 

17)  Kappeier  -  Konstanz :  Meine  Erfahrungen  über 
Magenresektion  wegen  Karzinom. 

,  ,rMit  den  schon  früher  mitgeteilten  13  Fällen  verfügt  K  über 
o0  Magenresektionen.  Sein  Verfahren  ist  im  allgemeinen  das  nach 
B  1 1 1  r  o  t  h-kydigier,  nur  die  Anlegung  der  Naht  geschieht  in 
einer  besonderen,  eine  Nahtlücke  an  der  Vereinigungsstelle  sicher 
vermeidenden  Weise. 

Operativen  Erfolg  hatte  K.  in  22  Fällen,  d.  h.  22  Kranke 
überlebten  die  Operation  um  3  Wochen.  8  Kranke  starben  im  An¬ 
schluss  an  die  Operation:  1  an  Magendilatation  und  Erschöpfung 
1  an  Gangrau  des  Kolon,  1  an  Peritonitis  infolge  technischen 
Fehlers  1  an  Peritonitis  ohne  Nahtlücke,  2  an  Erschöpfung,  2  an 
Lungenkomplikationen.  Von  den  mit  Erfolg  Operierten  starben 
io  an  Rezidiv  in  den  ersten  4  Jahren,  im  Durchschnitt  nach  1  Jahr 
und  0(4  Monaten,  ton  den  nicht  Rezidi vierten  starben  2  in  der 
4.  \\  oche  nach  der  Operation  an  Lungengangrän,  1  nach  4  Mona- 
U'ii  an  Lungentuberkulose,  1  an  Herzschlag  (nach  10  Monaten), 

1  an  Aszites  und  Erschöpfung,  1  an  Gangrän  des  rechten  Beines, 

1  an  einer  Frühgeburt,  alle  im  1.  Jahre.  Eine  37jälirige  Patientin 
Start)  nach  _o  Monaten  an  Rektumkarzinom,  eine  nach  4  Jahren 
und  i  Monaten  an  Meningitis.  3  Kranke  leben  und  sind  gesund 
und  zwar  einer  2  Jahre  und  3  Monate,  und  2  mal  7  Monate  nach  der 
Operation. 

18)  Ritter:  Eine  leicht  verstellbare  Gewichtsstütze  für 

?,en.„V  °  ,kmann  sehen  Streckverband.  (Chirurgische  Klinik 
G  rei  f  s  w  a  Id.) 

?„)er  abgebildete  Apparat  ist  zu  beziehen  von  Karbow- 
Greifswald. 

/ril.19)  Bau.m:  Ein  grosser  tuberkulöser  Mesenterialtumor. 
(Chirurg.  Klinik  Greifswald.) 

Grosses  tuberkulöses  Lymphom  im  Mesenterium  und  all¬ 
gemeine  miliare  tuberkulöse  Peritonitis  bei  einem  24  jährigen 
Mann.  Exstirpation  derselben  mitsamt  50  cm  Jejunum.  Hei¬ 
lung.  Im  resezierten  Darm  fand  sich  ein  das  Lumen  bereits  ver¬ 
engernder  tuberkulöser  Tumor.  Krecke. 

Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  32. 

G.  Perthes:  Ueber  Fremdkörperpunktion. 

Veranlasst  durch  die  auch  nach  genauer  Lokalisation  des 
Fremdkörpers  (nach  Levy-Dorn  etc.)  zuweilen  beobachteten 
Schwierigkeiten  der  Auffindung  besonders  kleiner  Fremdkörper 
empfiehlt  P.  während  der  Durchleuchtung  eine  Nadel  auf  den 
Fremdkörper  einzustossen,  so  dass  diese  letzteren  berührt  und  in 
situ  belassen  mit  Sicherheit  bei  der  Operation  auf  den  Fremd¬ 
körper  führen  muss.  P.  verwendet  hiezu  an  der  Spitze  lanzen- 
tonnig  angeschliffene  Nadeln,  die  in  einem  Nadelhalter  mit  Holz¬ 
hacken  geführt  werden;  letztere  bleiben  auf  dem  Fluoreszenz- 
schirni  unsichtbar.  Es  ist  nötig,  die  Achse  der  Punktionsnadel 
m  die  Strahlenricktung  einzustellen,  selbe  erscheint  dann  als 
Punkt,  diesen  bringt  man  mit  den  Fremdkörperstellen  zur  Deckung 
und  stosst  dann  die  Nadel  ein  (so  tief  als  man  vorher  die  Lage  des 
Fremdkörpers  durch  approximative  Tiefenbestimmung  geschätzt 
hat).  Nun  lässt  man  die  Nadel  los  und  macht  eine  drehende  Be¬ 
wegung  in it  dem  Körperteil.  Ist  die  Nadel  noch  nicht  bis  auf  den 
Fremdkörper  gedrungen,  so  ist  zwischen  dem  einen  Ende  des 
Striches  (der  Nadel)  und  dem  Fremdkörperschatten  noch  eine 
Distanz,  deren  Grösse  erkennen  lässt,  um  wie  viel  die  Nadel  noch 
tiefer  gestossen  werden  muss.  Die  gestellte  Aufgabe  ist  erreicht, 
v  enn  der  Schatten  der  Nadel  und  des  Fremdkörpers  auch  bei  ver¬ 
schiedenen  Drehungen  des  durchleuchteten  Körperteils  mit¬ 
einander  in  Berührung  bleiben  und  so  gibt  die  Nadel  dann  bei  der 
sich  anschliessenden  Operation  den  Wegweiser  zum  Fremdkörper 
ab.  Die  Methode  hat  sich  P.  in  zahlreichen  Fällen  gut  bewährt, 
sie  ermöglicht,  mit  kleinen  Inzisionen  in  S  c  li  l  e  i  c  h  scher 
Anästhesie  auszukommen  und  erspart  wesentlich  Zeit.  S  e  li  r. 

Archiv  für  Gynäkologie.  66.  Bd.  2.  Heft.  Berlin  1902. 

1)  Ludwig  Bl  um  reich:  Ueber  den  Einfluss  totaler  Urin¬ 
verhaltung  auf  den  Organismus  gravider  und  nicht  gravider 
Tiere.  (Aus  dem  tierphysiologischen  Laboratorium  der  k.  land¬ 
wirtschaftlichen  Hochschule.  Direktor:  Prof.  Zuntz.) 

Ein  zweiter  Beitrag  zur  Eklampsiefrage. 

Bei  13  schwangeren  und  15  nichtschwangeren  Kaninchen 
wurden  beide  Nieren  entfernt,  erstere  starben  nach  durchschnitt¬ 
lich  05,  letztere  nach  70  Stunden  unter  Krämpfen  von  sehr  ein- 


1432 


MUENCHENER  MEIHOIHISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  34. 


heitlichem  Charakter.  Demnach  kann  die  Eklampsie  wohl  sicher 
nicht  als  eine  unverfälschte  Urämie  aufgefasst  werden  des 
weiteren  bildet  die  Summe  der  urämischen  lieize  em  Iviamplgitt, 
dem  gegenüber  sich  das  Gehirn  der  graviden  Tiere  nicht  anders 
verhält  als  das  der  nicht  graviden. 

2)  Hermann  Mülle  r:  lieber  die  Entstehung  der  Eklampsie, 

Die  Eklampsie  ist  eine  anatomisch  wie  klinisch  vollkommen 
einheitliche  Krankheit,  welche  durchaus  das  Bild  einer  Vergiftung 
darstellt.  Von  den  drei  Kardinalsymptomen:  nervöse  Erschei¬ 
nungen  Nierenstörung  und  Fieber,  ist  das  Fieber  eine  selbständige 
Erscheinung,  welche  die  Eklampsie  von  anderen  Konvulsionen 
und  von  anderen  Vergiftungen  unterscheidet  und  die  Eklampsie 
Vergiftung  als  eine  bakterielle  charakterisiert.  ...  .  _ 

M  ü  1 1  e  r  gelangt  zu  dem  Schluss:  Die  Eklampsie  ist  nui  eine 
besondere  Form  des  Resorptionsfiebers,  das  Gift,  welches  beide  Er¬ 
scheinungen  hervorruft,  ist  dasselbe,  es  entsteht  dadurch,  dass  die 
im  Geschlechtskanal  angesammelten  Sekrete  und  abgestorbenen 
Gewebsmassen  durch  Mikroorganismen  eine  Zersetzung  erfahren. 
Der  Unterschied  ist  nur  graduell,  indem  das  Eklampsiegitt  ein 
hochwertigeres  Gift  darstellt,  dessen  plötzliche  Aufnahme  m  die 
Zirkulation  die  ganz  akute,  schwere  Allgememvergittung  bedingt. 
Die  Therapie  hat  sich  demnach  zu  richten  gegen  die  Giftb  ldu ng 
und  gegen  die  Resorption;  symptomatisch  sollen  keine  Naikotika 
gegeben  werden,  sondern  Hydrotherapie  und  Analeptika  in  An¬ 
wendung  kommen. 

3)  Trespe-  Coeslin:  Beitrag  zur  Kraurosis  vulvae.  (Aus 
der  gynäkologischen  Abteilung  des  Krankenhauses  der  Elisa- 
betliinerinnen  zu  Breslau,  Prof.  Dr.  Pfannenstiel.) 

Auf  Grund  histologischer  Untersuchung  ist  Kraurosis  vulvae 
als  eine  Erkrankung  zu  bezeichnen,  bei  welcher  es  ohne  vorher- 
»•e»-angene  Geschwürsbildung  oder  Syphilis  auf  der  Basis  chro¬ 
nischer  Entzündung  zu  degenerativen  Veränderungen  der  ein¬ 
zelnen  Schichten  der  Epidermis  und  der  oberen  Koriumschichten 
kommt.  Die  Aetiologie  ist  nicht  geklärt.  T.  beobachtete  3  Falle 
davon  wurden  2  mit  Exzision  der  ganzen  Vulva  behandelt  uhd 
dadurch  der  eine  dauernd  geheilt.  Nichtoperative  Therapie  bleibt 
ohne  jeden  Einfluss  auf  den  Krankheitsprozess  in  der  Haut. 

4)  Fritz  H  i  t  s  c  li  m  a  n  n  und  Otto  Th.  L  i  n  d  e  n  t  h  a  1:  Zur 
Frage  der  Verwertbarkeit  der  Lungenschwimmprobe  bei  Keim- 
gehalt  der  Uterushöhle.  (Aus  der  I.  Universitäts-Frauenklinik 
mul  dem  pathol.-anat.  Institute  in  Wien.) 

In  Lungen,  welche  nicht  geatmet  haben,  kann  durch  anaerobe 
Bazillen  (Erreger  der  Tympania  Uteri)  Gas  gebildet  werden,  so 
dass  der  positive  Ausfall  der  Lungenschwimmprobe  weder  bei 
frischen,  noch  bei  faulen  Früchten  die  Frage  entscheiden  kann, 
ob  das  Kind  gelebt  hat  oder  nicht,  wenn  nicht  die  Wirksamkeit 
gasbildender  Bakterien  auszuschliessen  ist.  Mitteilung  ein¬ 
schlägiger  Beobachtungen. 

5)  Max  Stolz:  Zur  Kenntnis  des  primären  Tubenkarzinoms. 
(Aus  der  k.  k.  Universitäts-Frauenklinik  in  Graz;  Vorstand:  Prof. 
Dr.  A.  y.  Itosthorn.) 

Das  Karzinom  der  Tube  entsteht  entweder  aus  dem  Tuben- 
epitliel  oder  aus  Resten  des  W  o  1  f  f  sehen  Ganges,  sehr  oft  ist 
das  Tubenkarzinom  aber  sekundär  entstanden.  Die  Opeiation 
muss  möglichst  radikal  Vorgehen,  daher  vom  Abdomen  aus  und 
natürlich  beide  Adnexe  entfernen.  In  dem  mitgeteilten  I  alle 
von  wahrscheinlich  primärem  Tubenkarzinom  waren  die  mitent- 
f ernten  regionären  Lymphdriisen  schon  karzinomatös  erkrankt. 
Die  Patientin  befand  sich  jedoch  4  Monate  nach  der  Operation  voll¬ 
ständig  wohl. 

0)  W.  Zangemeiste  r:  Ueber  Albuminurie  bei  der  Ge¬ 
burt.  (Universitäts-Frauenklinik  zu  Leipzig.) 

Sorgfältige  Untersuchungen  an  einer  grossen  Zahl  von 
Schwangeren,  Kreissenden  und  Puerperen  über  Urinmenge  und 


Urinbestandteile  ergaben  zahlreiche  interessante  Beobachtungen, 
von  welchen  nur  ein  Teil  hier  angeführt  werden  kann.  Die  Urin- 
menge  steigt  während  der  Schwangerschaft  an  und  fällt  während 
der  Geburt  um  etwa  %  des  erreichten  Wertes.  Ca.  40  Proz.  aller 
Schwangeren  zeigen  in  den  letzten  3  Monaten  der  Schwangerschaft 
Albuminurie,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  und  4—5  Proz.  Zy¬ 
linder.  Diese  zwei  Symptome  nehmen  nahe  der  Geburt  an  In¬ 
tensität  und  Häufigkeit  zu,  so  dass  der  Zylindergehalt  des  G  e  - 
b  urts  urins  wegen  dieser  Häufigkeit  nicht  als  pathologisch  zu 
betrachten  ist,  ebensowenig  wie  geringe  Eiweissmengen  im  letzten 
Monat  der  Schwangerschaft.  Schwangeren-  und  Geburtsalbuminurie 
sind  aber  ihrem  Wesen  nach  verschieden. 

7)  Hermann  Palm:  Kongenitale  Vergrösserung  einer  nor¬ 
mal  gebauten  Niere  bei  Defekt  der  anderen:  ein  Beweis  für  die 
Tätigkeit  der  Nieren  im  embryonalen  Leben.  (Aus  der  Universi¬ 
täts-Frauenklinik  in  Göttingen;  Dir.:  Geh.-R.  Prof.  Dr.  Runge.) 

Bei  einem  Neugebornen  bestand  Nabelschnurbruch  und 
Atresia  am,  ausserdem  fehlte  die  Symphyse.  Am  2.  Tage  Opera¬ 
tion  des  Bruches,  am  28.  Tage  Exitus.  Die  vorhandene  rechte 
Niere  zeigte  sich  verhältnismässig  etwa  um  y3  vergrössert  und 
zwar  waren  die  Nierenläppchen  vermehrt,  sie  müssen  in  ver¬ 
mehrter  Zahl  angelegt  worden  sein  infolge  funktionellen  Reizes. 
Tierversuche  über  kompensatorische  Nierenhypertrophie  be¬ 
stätigten  die  Annahme. 

8>  Walter  Albert:  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatz 
Müllers:  „Ueber  die  Entstehung  der  Eklampsie“. 

0)  Derselbe:  Die  Aetiologie  der  Eklampsie.  (Aus  der 
k.  Frauenklinik  in  Dresden.) 


Albert  beansprucht  gegenüber  Müller  die  Priorität  tüi 
die  Theorie:  Die  Eklampsie  stellt  eine  Intoxikation  dar,  welche 
durch  Stoffwechselprodukte  von  Mikroben  der  Deculua  ver¬ 
ursacht  ist;  die  Eklampsie  beruht  also  auf  einer  latenten  Mikroben- 
endometritis  in  der  Schwangerschaft.  In  2  von  0  lallen  liessen 
sich  ein  wandsfrei  Mikroben  nach  weisen,  in  allen  0  hallen  zeigten 
sich  herdweise  und  strichweise  kleinzellige  Infiltration  und  um¬ 
schriebene  Eiteransamadungen  in  der  Decidua.  ...  M 

10)  Scliauta:  Berichtigung  gegenüber  D  o  b  b  e  r  t  (dieses 

Al<  cha  u  t.  a  vertritt  den  prinzipiellen  Standpunkt,  dass  der 
für  die  Operation  einer  Extrauterinschwangerschaft  ein¬ 
zuschlagende  Weg  der  abdominale  sein  solle,  ebenso  K  u  s  t  ne  r. 

Anton  H  engge-  Greifswald. 

Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  47.  Band, 

3.  Heft.  —  Stuttgart,  F.  Enke.  I9ü2. 

1)  A  Stauder- Wiirzburg:  Ueber  Sarkome  des  Ovariums. 

St/  berichtet  zunächst  über  20  einschlägige  Fälle  aus  der 
Würzburger  Frauenklinik,  von  denen  5  Rundzellensarkome, 

2  Spindelzellensarkome,  7  Mischgeschwülste  und  0  Endotheliome 
waren  Die  20  Fälle  wurden  bei  205  Ovariotomierten  gefunden, 
also  in  0,78  Proz.  Sie  kamen  relativ  häufig  im  jugendlichen  Alter, 
speziell  schon  vor  dem  20.  Lebensjahre  zur  Beobachtung.  1  atho- 
gnomonische  Charakteristika  in  Bezug  auf  die  Diagnose  existieren 
nicht.  Die  Prognose  ist  bei  einseitigem  Sitz  und  rechtzeitiger 
Operation  nicht  ungünstig.  S.s  Durchschnittsmortalität  betrug 
31.58  Proz.;  die  7.  Todesfälle  verteilten  sich  auf  einen  Zeitraum 
von  1  Tag' bis  V„  Jahr  nach  der  Operation.  Die  im  Verhältnis 
zu  Karzinomen  günstigen  Dauererfolge  erklären  sich  teils  aus  dem 
grossen  Prozentsatz  an  einseitigen,  zu  Metastasen  wenig  hm- 
neigenden  Ovarialsarkomen,  teils  aus  der  meist  vorhandenen  Mög¬ 
lichkeit,  glatt  zu  operieren,  da  die  Tumoren  gut  gestielt  und  tiei 

von  Adhäsionen  sind.  .  „  .  .  T. 

Das  andere,  anscheinend  gesunde  Ovanum  soll  bei  I  rauen 
jenseits  der  40  er  stets  entfernt  werden,  bei  jüngeren  Personen 
kann  man  es  sitzen  lassen. 

2)  Robert  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Einmündung  des  linken  Ureters 
in  eine  Utero  vaginalcyste  des  W  o  1  f  f  sehen  Ganges. 

M.  beschreibt  die  genannte  Missbildung,  welche  an  der  Leiche 
eines  Neugeborenen  gefunden  wurde,  und  knüpft  daran  eingehende 
entwicklungsgeschichtliche  Erörterungen.  Zum  Refeiat  nicht  ge- 
oiu’Dot. 

3)  c.  II.  st  ratz -den  Haag:  Uterustorsion  bei  Myom  und 
akuter,  nichtentzündlicher  Hämatosalpinx. 

8t.  operierte  eine  57  jähr.  Virgo,  die  seit  Jahresfrist  einen  be¬ 
weglichen  Tumor  im  Abdomen  (Myom)  gehabt  hatte  und  plötzlich 
mit  heftigen  Schmerzen  im  Unterleib  erkrankt  war.  Bei  der 
Laparotomie  zeigte  sich  eine  akut  entstandene  Torsion  des  inneren 
Muttermundes,  die  zu  venöser  Hyperämie  und  (Jedem  aller  ober¬ 
halb  der  Torsionsstelle  liegenden  Teile  des  Genitaltraktes,  sowie 
zu  peritonitischer  Reizung  mit  Aszites  und  frischen  Adhäsionen 
geführt  hatte.  Pat.  wurde  geheilt. 

Str.  deutet  den  Fall  als  eine  mit  der  Uterustorsion  zusammen 
entstandene  akute  doppelte  Hämatosalpinx  und  tritt  der  Auf¬ 
fassung  entgegen,  dass  es  sich  um  eine  chronische,  durch  die 
Torsion  erst  akut  gewordene  Hämatosalpinx  gehandelt  habe. 

4)  W.  Z  an  gern  ei  st  er -Leipzig:  Klinische  Beiträge  zur 
Frage  der  Wochenbettsmorbidität. 

In  seiner  vorwiegend  statistischen  Arbeit  versucht  Z.  zu  ei- 
mitteln,  ob  es  berechtigt  ist,  von  einer  Verschiedenheit  der 
schweren  septischen  Erkrankungen  und  der  leichten  sog.  „Eiu- 
tagsfieber“  zu  sprechen,  ferner  ob  Anhaltspunkte  für  die  Ursachen 
dieser  verschiedenen  Wochenbettsfieber  gewonnen  werden  können. 

Die  Frage,  ob  eine  qualitative  Verschiedenheit  beider  Fieber 
vorhanden  ist,  kann  vom  klinischen  Standpunkt  bejaht  werden. 
Als  Ursachen  der  Eintagsfieber  kommen  weder  Handkeime  noch 


Keime  der  äusseren  Genitalien  oder  der  \  agina  in  I  rage.  Die- 
selben  sind  daher  auch  nicht  durch  den  Touchierakt  verschuldet 
und  eine  noch  weiter  gesteigerte  Desinfektion  der  Hände  (durch 
Handschuhe  u.  dgl.)  ist  aussichtslos  für  eine  weitere  Verminderung 
der  Morbidität  im  Wochenbett.  Die  Entstehung  dieser  Fieber  er¬ 
klärt  Z.  mit  B  u  m  m  durch  Resorption  von  W  u  n  d  - 
sekreten.  Als  Wundflächen  kommen  hierbei  Dammrisse, 
Zervix  und  Plazentar  stelle  in  Betracht.  Praktisch  am  wichtigsten 
ist  hiervon  die  Zervix.  .  & 

Z.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die  meisten  unserer  heutigen 
Wochenbettfieber  nicht  durch  Infektionen  intra  partum  bedingt 
sind.  Die  Leistungen  unserer  Asepsis  und  Antisepsis  bei  der  Ge¬ 
burt  werden  daher  weniger  in  der  Morbidität  als  in  der  Mortalität 
zum  Ausdruck  kommen. 

5)  K.  Fett-  Marburg:  Ein  weiterer  Beitrag  zum  mikro¬ 
skopischen  Nachweis  von  Eindringen  des  Alkohols  in  die  Haut 
bei  der  Heisswasseralkoholdesinfektion. 

F.  weist  experimentell  und  mikroskopisch  nach,  dass  bei  Be¬ 
handlung  der  Haut  mit  einer  wässerigen  Kupfernitratlösung 
nur  wenig  oder  gar  kein  Ferrocyankupfer  in  die  Epidermis  ein- 
dringt,  während  bei  Gebrauch  einer  alkoholischen  Lösung 
die  ganze  Epidermis  und  das  subkutane  Bindegewebe  damit  nn- 
bibiert  wird.  Die  auf  Ahlfelds  Veranlassung  gemachten  Ver¬ 
suche  stellen  einen  neuen  Beweis  für  die  Ueberlegenheit  der  Ileiss- 
wasser-Alkolioldesinfektion  der  Hände  dar. 

Jaffe-  Hamburg. 


26.  August  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1433 


Centralblatt  für  Gynäkologie.  19u2.  No.  33. 

1)  W.  A  1  b  e  r  t  -  Dresden :  Sterile  Dauerhefe  und  ihre  vagi¬ 
nale  Verwertung. 

Die  vor  1  Jahre  empfohlene  Behandlung  entzündlicher  Er¬ 
krankungen  der  Vagina  und  Zervix  mit  steriler  Dauerhefe  hat  sicli 
seitdem  stetig  bewährt.  Am  geeignetsten  sind  Fälle  von  hart¬ 
näckigem  Fluor  und  Erosionen  der  Portio.  Zur  nachträglichen  Be¬ 
handlung  der  Uterushöhle  empfiehlt  A.  nach  M  e  n  g  e  s  Vorschlag 
die  intrauterine  Aetzung  mit  30— 50  proz.  Formalinlösung.  Auch 
zur  Vorbehandlung  der  Scheide  bei  vaginalen  Operationen,  speziell 
Köliotomien,  hat  sich  die  Hefebehandlung  bewährt,  wie  A.  bei 
02  Laparotomien  und  53  vaginalen  Operationen,  besonders  Kolpor- 
rhaphien,  feststellen  konnte. 

2)  A.  v.  M  a  g  n  u  s  -  Königsberg:  Ueber  reine  puerperale 
Staphylokokkenpyämie. 

Bei  Puerperalpyämie  wurden  bisher  teils  im  Lochialsekret, 
teils  im  Blut  und  den  metastatischen  Abszessen  folgende  Bakterien 
gefunden:  Streptococcus  pyogenes,  Staphylococcus  pyog.  aur.  und 
albus,  Bacterium  coli  und  Pneumocoecus  Fraenkel.  Die  Frage, 
ob  ausser  dem  erstgenannten  eine  der  anderen  Bakterienarten 
allein  im  Stande  ist,  eine  pyämische  Infektion  hervorzurufen, 
war  bisher  unentschieden,  v.  M.  beschreibt  nun  einen  Fall  von 
Puerperalpyämie,  wo  es  im  Anschluss  an  die  intra  partum  erfolgte 
Infektion  der  Uterushöhle  durch  Verschleppung  der  darin  nach¬ 
gewiesenen  Kokken  zu  metastatischen  Eiteransammlungen  im 
Schultergelenk,  in  der  Mamma,  einem  unteren  Lungenlappen  und 
einem  Oberschenkel  kam.  Die  bakteriologische  Untersuchung  so¬ 
wohl  des  Uterinsekrets  als  der  aus  den  Metastasen  gewonnenen 
Flüssigkeiten  ergab  eine  Reininfektion  mit  Staphylo- 
c  o  c  c.  pyog.  aureus.  In  der  Literatur  fand  v.  M.  9  analoge 
Fälle,  darunter  nur  4  ednwandsfreie.  Für  die  Diagnostik  und 
Prognose  lässt  sieh  ein  Unterschied  zwischen  Staphylokokken-  und 
Streptokokkenpyämie  nicht  erkennen. 

3)  H.  B  a  c  h  mann-  Innsbruck:  Ueber  einen  Fall  von  kon¬ 
servativem  Kaiserschnitt  vor  dem  Geburtseintritt  wegen  eines 
im  Becken  festgewachsenen  Ovarialdermoids  und  Exstirpation 
desselben. 

Erledigt  sich  durch  die  Ueberschrift.  Mutter  und  Kind 
wurden  4  Wochen  nach  der  Operation  gesund  entlassen. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  33. 

1)  G.  L  e  o  p  o  1  d  -  Dresden:  Zur  Verhütung  der  Augenent¬ 
zündung  der  Neugeborenen  durch  Credeisierung. 

In  den  deutschen  Anstalten  ist  seit  25  Jahren  die  Blennorrhoe 
von  28  Proz.  nur  auf  20  Proz.  herabgegangen  und  noch  jetzt  sind 
31  Proz.  aller  blinden  Kinder  blennorrhöeblind!  Da  nach  den  Er¬ 
fahrungen  des  Verfassers  an  ungefähr  30  000  Kindern  die  Blen¬ 
norrhoe  mit  Sicherheit  verhütet  werden  kann,  wenn  das  von 
C  r  e  d  e  angegebene  Verfahren  genau  eingehalten  wird,  so-  wird 
die  Methode  eben  noch  nicht  allgemein  genug  und  genau  genug 
angewendet.  Die  ungünstigen  Angaben  von  Cramer  aus  der 
Bonner  Frauenklinik  führt  Verfasser  auf  die  dort  gehandliabte 
Methode  zurück.  Eine  schwere  Reaktion  nach  richtig  ausgeführter 
Credeisierung  ist  dem  Verfasser  noch  nie  vorgekommen.  Das 
C  rede  sehe  Verfahren  ist  vollkommen  ungefährlich,  wenn  man 
sich  strikte  an  die  von  Crede  gegebenen  Vorschriften  hält.  Statt 
der  2  proz.  Lösung  genügt  übrigens  auch  die  1  proz.,  welche  nie 
eine  Reizung  hervorruft,  die  irgend  eine  erhebliche  Bedeutung 
hätte.  Die  von  Hirsch  gegen  die  Credeisierung  vorgebrachten 
Einwände  können  nicht  anerkannt  werden.  L.  ist  für  die  obliga¬ 
torische  Einführung  der  Methode,  die  ohne  Bedenken  in  die  Hand 
der  Hebammen  gelegt  werden  kann. 

2)  W.  A.  F  r  e  u  n  d  -  Berlin:  Ueber  die  Beziehungen  gewisser 
geheilter  Lungenphthisen  zur  Gelenkbildung  am  ersten  Rippen¬ 
knorpel. 

'Verfasser  kam  durch  seine  Untersuchungen  zur  Anschauung, 
dass  es  sehr  verkürzte  erste  Rippenknorpel  gibt,  welche  dann  eine 
.  erenS'erung,  schwächere  Horizontalneigung  und  Schwerbeweg- 
lichkeit  der  oberen  Brustapertur  bewirken.  Dadurch  ist  eine  Dis¬ 
position  zur  Erwerbung  der  tuberkulösen  Phthise  gegeben.  Wenn 
nun  angeboren  eine  Gelenkbildung  zwischen  I.  Rippenknorpel  und 
Mamibrium  stemi  besteht,  so  ist  ein  gewisser  Schutz  gegen 
1  hthise  vorhanden.  Derartige  Gelenke  können  nun  auch  erworben 
werden  und  dadurch  steigen  die  Aussichten  für  die  Heilung  eines 
Limgenspitzenkatarrhs.  Jedoch  gewährleistet  die  Bildung  eines 
solchen  Gelenkes  durchaus  nicht  sicher  die  Heilung  einer  Spitzen¬ 
tuberkulose.  Nach  der  praktischen  Seite  hin  glaubt  der  Verfasser, 
nass  bei  uacligewiesenem,  auf  Stenose  der  oberen  Apertur  be- 
imiendem  Habitus  phtliisicus  und  rezidivierender  Spitzenaffekt ion 
es  indiziert  ist,  die  Durchschneidung  des  ersten  Rippenknorpels 
auszutuhren,  damit  die  Möglichkeit  einer  solchen  Gelenkbildung 
vergrossert  wird. 

3)  A.  Gross -Kiel:  Zur  Prognose  der  Meningitis  tuber- 


...  '  Erfasser  beschreibt  unter  Anführung  der  einschlägigen 
nneratur  einen  Fall,  einen  17  jährigen  Hausknecht  betreffend,  bei 
der  durch  Lumbalpunktion  entleerten  Flüssigkeit 
i  Ufe  ■•isam't“feste  Stäbchen“  gefunden  wurden.  Es  erfolgte  Hei- 
vm-g‘  ASpater  trat  eiue  doppelseitige  Lungenspitzenaffektion  lier- 
An  der  DiaSU0Se  „Meningitis“  konnte  ein  Zweifel  nicht  be- 


4)  E.  Senger  -  Krefeld:  Ueber  einen  operativ  geheilten  Fall 
extensivster  Pyometra  bei  einem  Uterus  bicomis  puerperalis. 

_  Die  Diagnose  betreff  der  Natur  des  grossen  Tumors  bei  der 
25  jährigen  Frau  konnte  erst  während  der  Operation  gestellt 
werden.  Durch  eine  zweite  Operation  wurde  der  Uterus,  der  sich 
bei  der  ersten  Operation  ganz  mit  Eiter  gefüllt  gezeigt  hatte,  ex- 
stirpiert.  Das  eine,  gesunde  Uterushorn  wurde  erhalten. 

5)  V  .  Schrank  -  AV  iesbaden:  Ueber  einen  Fall  von  seröser 
Osteomyelitis  am  Hinterhaupte,  der  eine  Meningocele  vor¬ 
täuschte. 

Die  eigenartige  Erkrankung  entwickelte  sich  bei  dem  4  jälir. 
Patienten  anscheinend  im  Anschluss  an  ein  Trauma  und  bestand 
das  erste  Symptom  in  Haarausfall  über  der  erkrankten  Stelle. 
Die  Geschwulst,  in  der  Nähe  der  kleinen  Fontanelle  befindlich, 
hatte  die  Grösse  eines  halben  Apfels.  Zeichen  von  Lues  oder 
Tuberkulose  Hessen  sich  nicht  auffinden.  Auf  die  Natur  der  Krank¬ 
heit  führte  erst  die  Operation,  welche  einen  günstigen  Erfolg  hatte, 
namentlich  auch  hinsichtlich  der  psychischen  Funktionen,  welche 
vorher  gelitten  hatten.  Die  diagnostische  Täuschung  wurde  be¬ 
sonders  auch  durch  den  Knochenwall  hervorgerufen,  welcher  die 
betreffende  Stelle  umgab. 

6)  V.  B  r  u  n  n  -  Berlin:  Zur  Kenntnis  von  den  Fremdkörpern 
der  Harnblase. 

Bei  einem  25  jährigen  Kranken,  der  infolge  eines  Traumas 
Blasenstörungen  hatte,  und  infolge  dessen  ausgespült  werden 
musste,  glitt  während  der  Spülung  der  ganze  Nelatonkatheter  in 
die  Blase  und  musste  mittels  Sectio  alta  entfernt  werden.  Bei  der 
Operation  heftete  Verfasser  die  vordere  Blasenwand  breit  an  die 
Bauchwand  an  und  tamponierte  den  unteren  Wundwinkel.  Dieses 
Verfahren  scheint  sich  zur  Venneidung  der  prävesikalen  Phleg¬ 
mone  zu  bewähren. 

7)  Fr.  S  c  h  o  e  1  e  r  -  Berlin:  Ueber  die  Schieioperation  bei 
angeborener  Lähmung  des  Musculus  rectus  externus. 

Unter  2330  Schieioperationen  wurde  nur  5  mal  ein  unregel¬ 
mässiger  Operationsverlauf  verzeichnet,  darunter  2  mal  bei  kon- 
komitierendem  Schielen,  3  mal  bei  Augen,  die  wegen  Lähmungs- 
schielens  operiert  wurden.  Bei  letzteren  Fällen  wurde  durch  die 
Operation,  resp.  die  Lostrennung  der  Sehne,  der  Glaskörperraum 
eröffnet,  jedesmal  ohne  bleibenden  Nachteil.  Es  scheint,  dass  bei 
diesen  angeborenen  Formen  die  Sehne  der  Muskeln  die  Stelle  der 
Sklera  vertreten  kann,  so  dass  der  Glaskörperraum  bei  der  Los¬ 
trennung  der  Sehne  miteröffnet  werden  muss. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  33. 

D  Fr.  Koenig:  Methodik  und  Erfolge  der  Fussgelenks- 
resektion. 

Nach  einem  in  der  Sitzung  der  Freien  Vereinigung  der  Chi¬ 
rurgen  Berlins  am  9.  Juni  1902  gehaltenen  Vortrag. 

Mit  Berufung  auf  eine  frühere  Veröffentlichung  über  obiges 
Thema  eines  seiner  ehemaligen  Assistenten  führt  K.  an  Prä¬ 
paraten  die  von  ihm  angegebene  Methode  vor,  wobei  er  haupt¬ 
sächlich  auch  die  Vorteile  gegenüber  dem  L  a  n  g  e  n  b  e  c  k  sehen 
Verfahren  hervorhebt.  Als  Beweis  für  die  günstigen  Erfolge,  die 
durch  obige  Methode  erzielt  wurden,  folgt  die  Vorführung  einer 
Anzahl  geheilter  Fussresezierter. 

2)  E.  FI  o  f  f  m  a  n  n  -  Greifswald:  Ueber  Verschluss  von  De¬ 
fekten  am  knöchernen  Schädel  durch,  der  Nachbarschaft  ent¬ 
nommene  Knochenplättchen. 

Nach  einer  Demonstration  in  der  Märzsitzung  des  Greifs- 
walder  medizinischen  Vereins.  Referat  hierüber  s.  diese  Wochen¬ 
schrift  1902,  No.  16,  pag.  679. 

3)  P.  Mühlens  -  Hamburg:  Beiträge  zur  Frage  der  gegen¬ 
wärtigen  Verbreitung  der  Malaria  in  Nordwestdeutschland. 
(Schluss  folgt.) 

4)  Fr.  V  o  1  h  a  r  d  -  Giessen:  Ueber  einen  Fall  von  Tumor 
der  Cauda  equina. 

Nach  einem  in  der  medizinischen  Gesellschaft  in  Giessen  am 
4.  März  1902  gehaltenem  Vortrag. 

Die  Mitteilung  bietet  hauptsächlich  deswegen  reges  Interesse. 
Aveil  sie  das  etwas  schwieriger  erscheinende  Kapitel  der  Segment¬ 
diagnostik  des  Rückenmarks  mit  ziemlich  erschöpfender  Angabe 
aller  neueren  Arbeiten  hierüber  berührt,  andererseits  zugleich 
einen  Beweis  liefert,  wie  wichtig  und  erfolgreich  die  richtige 
Stellung  der  Diagnose  in  einem  derartigen  Falle  ist.  Es  handelte 
sich  hier  um  einen  gutartigen  Tumor  der  Cauda  equina,  bei 
welchem  die  bereits  vorgeschlagene  Operation,  wie  auch  die  nach- 
herige  Sektion  ergab,  Aron  sicherem  lebensrettendem  Erfolg  be¬ 
gleitet  gewesen  wäre,  wenn  der  Patient  nicht  Arorzeitig  an  den 
Komplikationen  seines  Leidens  (Pyelonephritis  mit  Urämie)  zu 
Grunde  gegangen  wäre. 

5)  L.  Feilchenfeld  -  Berlin:  Erythema  Simplex  margi- 

natum.  ■  1  l  *]' 

6)  E  1  s  c  h  n  e  r-Dühringshof :  Perforation  oder  Kaiserschnitt. 

Kasuistische  Mitteilung  dreier  weiterer  Fälle  als  Ergänzung 

zu  den  von  Zanke  in  No.  29  dieser  Wochenschrift  bereits  an¬ 
geführten. 

7)  Ki  on  ka  -  Jena:  Zur  Frage  nach  der  Giftigkeit  der 
Präservesalze. 

Ein  Wort  zur  Abwehr. 

8)  Byk-  Berlin:  Zur  Schädlichkeit  des  Präservesalzes. 

9)  ,  V.  Lissauer  -  Berlin:  Bismutose  bei  Diarrhöen  kleiner 
Kinder. 


No.  34. 


1434 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  an  ca.  30  Kindern  gewonnene  Erfahrung  über  obiges  Prä 
parat  liat  ergeben,  dass  dasselbe  ein  recht  brauchbares  Unter¬ 
stützungsmittel  bei  der  diätetischen  Behandlung  der  auf  dyspep- 
t  isolier  Basis  beruhenden  Darmkatarrhe  der  Kinder  ist.  Die  Wirk¬ 
samkeit  ist  sicher  nicht  geringer  als  diejenige  der  bisher  zumeist 
gebrauchten  Präparate;  seine  Unschädlichkeit  lässt  den  Nachteil 
der  schweren  Einnehmbarkeit  gern  in  den  Kauf  nehmen.  Im 
übrigen  schliesst  sich  Verfasser  den  günstigen  Berichten  früherer 
Autoren  an.  (Kuck,  M  a  nass  e,  Witt  hau  er,  Kiinkler, 
B  o  b  e  1  e  s  c  u). 

10)  H.  H  e  y  m  a  n  n  -  Berlin:  Ueber  Chielin. 

Das  Präparat  stellt  einen  Pflanzenstoff  dar,  der  aus  der 
Tulpenzwiebel  (Bulbus  Tulipeae)  gewonnen  wird.  Es  ist  von 
bräunlicher  Farbe,  dick,  klebrig,  von  angenehmem  Geruch,  lässt 
sich,  ohne  Residuen  zu  hinterlassen,  leicht  verreiben,  ist  in  Wasser 
leicht  löslich  und  nicht  giftig. 

Das  bisher  nur  in  der  Tierpraxis  mit  Erfolg  angewendete 
Mittel  hat  Verfasser  nun  auch  gegen  Hautkrankheiten  des  Men¬ 
schen  in  Anwendung  gezogen  und  zwar  in  zwei  Formen,  als 
S  a  1  b  e  (Creme)  hauptsächlich  als  Kosmetikum,  sowie  bei  in- 
liltrierten  chronischen  Ekzemen  mit  Schuppen  oder  Knötchen  und 
in  Seife,  welche  sich  vorzüglich  für  Erkrankungen  des  Drüsen¬ 
apparates  eignet.  M.  Lacher. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  33.  1)  S.  Fe  dem- Wien:  Ueber  Blutdruckmessung  am 
Menschen. 

Durch  seine  langjährigen  Blutdruckmessungen  konnte  sich 
Verfasser  überzeugen,  dass  der  N.  splanchnicus  die  grösste  Be¬ 
deutung  für  den  Blutdruck  besitzt,  indem  reflektorisch  durch  den¬ 
selben  eine  Erhöhung  desselben  zu  stände  kommen  kann;  ferner 
konnte  F.  nackweisen,  dass  der  Blutdruck  an  der  Itadialis  bei 
Frauen  von  der  Zeit  der  Entwicklung  bis  zum  Klimakterium  von 
einer  Menstruation  bis  zur  anderen  eine  regelmässige,  auch  nicht 
durch  die  Schwangerschaft  unterbrochene  Kurve  auf  weist.  Hin¬ 
sichtlich  des  normalen  Blutdrucks  bezeichnet  F.  als  untere  Grenze 
50 — (»0  mm.  Quecksilber  an  der  Radialis.  Diese  Angabe  stimmt 
mit  den  Ergebnissen  der  meisten  anderen  Experimentatoren  wenig 
überein.  Der  Grund  hierfür  liegt  vor  allem  darin,  dass  bei  den 
bisher  geübten  Methoden  der  direkten  Blutdruckmessung  —  meist 
durch  das  Tierexperiment  - —  der  normale  Blutdruck  wahrschein¬ 
lich  niemals  gemessen  worden  ist.  Vor  allem  ist  aber  hervor¬ 
zuheben,  dass  der  Blutdruck  an  den  verschiedenen  Stellen  des  Ge- 
fiisssystems  ein  verschiedener  sein  kann.  Verfasser  fand,  dass  der 
Blutdruck  an  den  2  Körperhälften  um  30—40  mm  differieren  kann. 
Die  Messungen  mit  dem  Sphygmomanometer  von  Basch,  an 
dessen  hinreichender  Verlässlichkeit  F.  nach  wie  vor  festhält,  er¬ 
geben,  dass  z.  B.  bei  der  Menstruation  die  obere  und  die  untere 
Körperhälfte  verschiedene  Blutdruckwerte  aufweisen. 

2)  R.  K  o  e  n  i  g  s  t  e  i  n  -  Wien:  Ueber  Anreicherung  der 
Tuberkelbazillen  im  Sputum  (nach  Hesse). 

Das  Ergebnis  der  Untersuchungen  lautet:  Heydenagar  und 
Ileydenbouillon  sind  elektive  Nährböden  für  die  Tuberkelbazillen. 
Die  Anreicherung  der  Tuberkelbazillen  im  Sputum  gelingt  regel¬ 
mässig.  Nicht  alle  Bazillen  im  Sputum  sind  vermehrungsfähig. 
Zusatz  von  Menschenblut  zum  Nährboden  begünstigt  die  Entwick¬ 
lung  der  Tuberkelbazillen  nicht.  Der  Schleim  ist  ein  wesentlicher 
Faktor  bei  der  Anreicherung  der  Tuberkelbazillen  auf  dem 
Hesse  sehen  Nährboden. 

3)  P.  F  1  e  g  e  r  -  Leipzig:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Syringo¬ 
myelie  und  über  die  bei  dieser  Krankheit  vorkommenden  Haut¬ 
störungen.  (Schluss .  folgt.) 

Grassmann  -  München. 

Wiener  medicinische  Presse. 

No.  30.  R.  v.  Stenitzer-  Wien :  Zur  Klinik  der  freien  iso¬ 
lierten  Cysticerken  des  IV.  Ventrikels. 

Als  augenfälligstes  Symptom  zeigte  sich  bei  dem  tödlich  ver¬ 
laufenen  Fall  das  ganz  konstante  Auftreten  von  Schwindel  und 
Erbrechen  bei  einem  bestimmten  Lagewechsel,  nämlich  der  Lage¬ 
rung  auf  die  linke  Seite.  R.  Schmidt  hat  dieselbe  Erscheinung 
bei  einzelnen  Tumoren  der  Kleinhirnhemisphären  gefunden  und 
auf  die  vorübergehende  Druckbelastung  und  Verlegung  des  Aquae¬ 
ductus  Sylvii  bezw.  der  Vena  magna  Galeni  zurückgeführt. 

No.  31  und  32.  C.  R  a  v  a  s  i  n  i  -  Triest:  Zur  Kasuistik  der 
Fremdkörper  der  Harnblase  und  Harnröhre. 

R.  bereichert  die  Kasuistik  um  14  Fälle,  eine  Reihe  davon 
betrifft  sich  selbst  katlieterisierende  Prostatiker.  Diese  bedienen 
sich  oft  alter  und  verdorbener  Katheter,  von  denen  gelegentlich 
(‘in  Stück  abbricht  und  in  der  Blase  zurückbleibt.  Die  glücklichen 
Erfolge  der  B  o  1 1  i  n  i  scheu  Operation  beugen  auch  diesem  Vor¬ 
kommnis  vor. 

No.  30  und  31.  A.  Buraczy  nski-Wien:  Kasuistische 
Mitteilungen. 

a)  Ein  Fall  Arthromeningitis  luetica.  b)  Zwei  Fälle  von 
Endarteriitis  luetica  cerebri,  davon  der  eine  bei  einer  erst  24jähr. 
Patientin,  wo  der  Exitus  bereits  innerhalb  ca.  %  Jahren  nach  der 
Infektion  eingetreten  ist. 

No.  32.  N  e  u  g  e  b  a  u  e  r  -  Warschau:  Ein  interessanter  Fall 
von  zweifelhaftem  Geschlecht. 


Eingehende  Beschreibung  des  Falles,  bei  dem  heute  noch  nach 
10  jähriger  ärztlicher  Beobachtung  der  jetzt  18  jährigen,  als  Mäd¬ 
chen  erzogenen  Person  eine  bestimmte  Diagnose  des  Geschlechtes 
bei  dem  fehlenden  Nachweis  einer  Geschlechtsdrüse  durchaus  un¬ 
möglich  ist.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  ein  Individuum 
männlichen  Geschlechtes.  Bergeat  -  München. 

Italienische  Literatur. 

Pose  lii:  Keuchhusten  und  Vaccination.  (Gazzetta  degli 
ospedali  1902,  No.  27.) 

Das  oft  erörtere  Thema  eines  Antagonismus  zwischen  Per¬ 
tussis  und  Vaccination  erörtert  P.  und  kommt  zu  einem  positiven 
Resultat.  Die  Vaccination  soll  in  einer  Stick- 
h  u  s  t.  e  n  e  p  i  <1  e  m  i  e  prophylaktische  u  n  d  k  n  rat!  v  e 
Wirkung  gezeigt  habe  n. 

Cambiasso:  Schnelle  Heilung  einer  Lungentuberkulose 
durch  Serum  Maragliano.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902.  No.  27.) 

Der  Fall  betraf  ein  12  jähriges  Mädchen,  welches  seit  3  Mo¬ 
naten  an  Tuberkulose  erkrankt  und  ohne  Erfolg  behandelt  war. 
Injektionen  ä  1  ccm  beseitigten  nach  etwa  1  wöchentlicher  An¬ 
wendung  das  Fieber,  dann  nach  und  nach  alle  anderen  Symptome: 
Husten,  bazillenhaltiges  Sputum,  Naclitscliweisse,  Abmagerung 
binnen  4  Monaten.  C.  glaubt,  dass  diese  schnellen  Heilungen  für 
solche  Fälle  typisch  sind,  wo  Mischinfektionen  fehlen  und  die  Er¬ 
scheinungen  der  tuberkulösen  Toxikämie  am  ausgesprochensten 
sind. 

Mori:  Ueber  die  Splenopneumonie  Grancher.  (Gazzetta 
degli  ospedali  1902,  No.  24.) 

Charakteristisch  für  die  italienische  medizinische  Literatur 
ist  die  Benennung  vieler  Krankheitsformen  nach  den  Namen  der¬ 
jenigen  Autoren,  welche  zunächst  über  dieselben  geschrieben  oder 
auf  bestimmte  Modifikationen  derselben  aufmerksam  gemacht 
haben.  Der  deutsche  Leser,  welchem  die  verschiedenen  Modi¬ 
fikationen,  unter  welchen  die  Pneumonie  auftreten  kann,  ganz  ge¬ 
läufig  sind,  so  gut  wie  das  Bild  der  klassischen  Form,  wird  doch 
einigermassen  erstaunt  sein,  wenn  er  9  Formen  von  Pneumonie 
exakt  mit  dem  Namen  von  medizinischen  Autoren  belegt  findet. 
So  zählt  M.  in  vorliegender  Abhandlung  auf: 

1.  Die  idiopathische  Kongestion  der  Lunge  oder  Morbus 
Woillez  (1838); 

2.  die  Splenopneumonie  Grancher  (1SS3); 

3.  die  Influenzapneumonie  Finkler  (1889); 

4.  die  Streptokokkenpneumonie  Lucatello  (1890); 

5.  die  Pneumonie  mit  disseminierten  Herden  Galvagni  (1890); 

0.  andere  Varietäten  der  Streptokokkeupneumonie  Wasser¬ 
mann  (1893); 

7.  andere  Varietäten  der  Streptokokkenpneumonie  P.  Dcuny 
(1898); 

S.  die  kongestive  Pneumonie  Potain  (1895); 

9.  die  indurative  Pneumonie  Fränkel  (1896). 

In  der  vorliegenden  Abhandlung  schreibt  M  o  r  i,  Schüler 
Galvagnis,  in  Modena  über  die  bekannte  subakute  Form  der 
Pleuropneumonie,  welche  unter  dem  Bilde  einer  Pleuritis  verläuft 
mit  mässigem,  oft  gar  nicht  oder  nur  schwach  rötlichen  Sputum, 
mit  geringem  Exsudat,  ausgedehnter  Hepatisation  oder*,  wie  der 
Autor  will,  Splenisation. 

Die  Besserung  erfolgt  ohne  die  für  die  gewöhnliche  Pneu¬ 
moniekrisis  charakteristischen  Symptome  in  langsam  regelmässig 
fortschreitendem  Tempo  unter  Temperaturabfall  und  unter  Auf¬ 
hellung  der  Dämpfung  meist  von  unten  nach  oben. 

Wenn  auch  nach  den  Angaben  Granchers  bei  wieder¬ 
holten  Probepunktionen  kein  Pleuraexsudat  gertinden  wurde,  so 
legt  M.  Gewicht  darauf,  dass  in  seinem  Falle  ein  spärliches  Ex¬ 
sudat  durch  die  Punktion  nachzuweisen  war. 

Corvini:  Beitrag  zur  Akromegalie.  (II  Morgagni  1902, 
März.) 

Ueber  Akromegalie  und  Exophthalmus  spricht 
sich  der  Autor  folgendermassen  aus:  Hyperostose  des  Orbitalteiles 
des  Stirnbeins,  sowie  des  Keilbeins  und  des  Oberkiefers  kann  den 
Bulbus  hervordrängen  und  so  zum  Zustandekommen  des  Symptoms 
Veranlassung  geben. 

Eine  andere  Entstehungsart  ist  die,  dass  die  Hypertrophie 
der  Glandula  pituitaria  eine  direkte  Kompression  des  Sinus  caver¬ 
nosus  veranlasst  oder  zu  einer  Thrombose  des  Sinus  führt.  Diese 
Zirkulationsstörungen  pflanzen  sich  bis  zum  peri-  und  retro¬ 
bulbären  Venennetze  fort  und  bedingen  Exophthalmuserschei¬ 
nungen.  An  diese  letztere  Art  der  Entstehung  wird  man  denken 
müssen  l>ei  sehr  unvermitteltem  und  stürmischem  Eintritt  des 
Phänomens  und  wenn  dann  bald  darauf  ein  Stillstand  und  ein 
Stationärbleiben  eintritt. 

Indessen  beschreibt  bei  Akromegalie  die  grössere  Mehrzahl 
der  Autoren  die  Augen  als  klein  und  von  den  Lidern  gleichsam 
bedeckt. 

In  dem  Falle,  welchen  C.  schildert,  war  die  Schilddrüse 
kleiner  als  normal  und  eine  Persistenz  der  Thymus  nicht  nach¬ 
zuweisen.  ein  Beweis,  dass  die  sogen,  chemische  Theorie,  welche 
eine  Analogie  zwischen  Glandula  thyreoidea  und  Glandula  pitui¬ 
taria  zum  Ausgangspunkte  nimmt,  nicht  haltbar  ist. 

Statt  einer  exzessiven  Entwicklung  der  grossen  Schamlippen. 
Klitoris  und  Vagina,  wie  ihn  die  Mehrzahl  der  Autoren  beschreibt, 
waren  im  Falle  C.s  äussere  Genitalien,  wie  der  Uterus,  auffallend 
in  der  Entwicklung  zurückgeblieben. 


1435 


26.  August  1902.  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


P  a  p  i :  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Adipositas  dolorosa. 
(Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  24.) 

Die  Kasuistik  dieser  von  Henry  und  Dercum  auf¬ 
gestellten  Krankheitsform  verfügt  nach  P.  bis  zum  Jahre  1898 
nur  über  11  Fälle.  Der  neue  Fall,  welchen  r.  hinzufügt, 
scheint  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  dem 
M  y  x  ö  d  e  m  z  u  habe  n,  wenigstens  envies  sich  eine  Thyreoidea- 
kur  als  wirksam.  Ferner  erstreckte  sich  die  Volumsveränderung 
durch  Fettablagerung  im  Unterhautgewebe,  wie  die  intermittie¬ 
renden  Schmerzanfälle  auch  auf  das  Gesicht,  welches  sonst  von 
der  Adipositas  dolorosa  verschont  zu  werden  pflegt. 

Sacconaghi:  lieber  Läsionen  innerer  Organe  durch 
Verbrennungen.  (Lo  sperimentale,  fase.  V — VI,  1902.) 

Dieselben  bestehen  in  allgemeiner  venöser  Hyperämie 
der  inneren  Organe,  in  morphologischen  Veränderungen  der 
roten  Blutkörperchen  und  Hämoglobinämie,  in  verhältnis¬ 
mässiger  numerischer  Zunahme  der  roten  Blutkörperchen, 
in  der  Bildung  von  Thrombusembolien,  parenchymatöser 
Aenderung  der  Organe  im  allgemeinen,  in  Desquamation 
des  Gefässendothels,  in  parenchymatöser  Nierenveränderung 
und  in  Hämoglobinausscheidung  durch  die  Nieren,  in  pneu¬ 
monischen  Veränderungen  durch  den  Pneumokokkus,  in  gastro¬ 
intestinalen  Ulzerationen  durch  Thrombose,  in  Veränderungen 
des  Körpers  und  der  protoplasmatischen  Fortsätze  der  Nerven¬ 
zellen.  Der  Autor  erörtert  die  Art  des  Zustandekommens  und  die 
Bedeutung  dieser  Befunde  je  nach  dem  Grade  der  Ausdehnung, 
der  Dauer  der  Verbrennung,  der  individuellen  Resistenz  u.  s.  w. 
Als  accidentelle  Prozesse  sind  u.  a.  noch  zu  erwähnen:  Fett¬ 
embolien,  Sepsis,  mykotische  Embolien. 

G  u  y  o  t:  Ueber  den  Befund  von  basophilen  Granulationen 
in  roten  Blutkörperchen  bei  Hämoglobinurie  macht  G.  Mit¬ 
teilung  aus  der  Genueser  Klinik.  Dieser  Befund  wurde  bisher 
bei  verschiedenen  Blutkrankheiten,  so  der  Chlorose,  der  perniziösen 
Anämie,  aber  auch  der  Bleiintoxikation,  erhoben.  Die  patho¬ 
genetische  Bedeutung  derselben  ist  bis  jetzt  noch  ziemlich  zweifel¬ 
haft.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  27.) 

Par  o  di:  Ueber  den  Nachweis  der  Tuberkelbazillen  im 
Sputum  durch  das  von  Hesse  angegebene  Kulturverfahren. 
(Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  24.) 

Von  allen  bisher  angegebenen  Kulturverfahren,  welche  dazu 
dienen  sollten,  den  Tuberkelbazillus  im  Sputum  schnell 
zur  Proliferation  zu  bringen  und  so  eine  Diffe- 
rentialdiagnose  zu  ermögliche  n,  ist  das  von  Hesse 
angegebene  von  verschiedenen  Autoren,  so  von  R  ö  m  er,  J  o  c  li  - 
m  a  n  n,  F  r  ä  n  k  e  1  u.  s.  w.  bestätigt.  Dasselbe  besteht  darin, 
dass  man  einem  Agar- Agar-Nährboden  die  Somatose  Heyden 
(Dresden),  dargestellt  aus  Hühnerei-Eeiweiss,  zusetzt. 

P.  prüfte  die  Angaben  II  e  s  s  e  s  in  der  Maragliano  sehen 
Klinik  in  Genua  und  bestätigt  ausdrücklich  die  konstante  reich¬ 
liche  und  schnelle  Entwicklung  der  Tuberkelbazillen  in  einem  an 
denselben  wenig  reichen  Sputum. 

P.  betrachtet  hierdurch  den  Beweis  für  geliefert,  dass  sich 
die  Tuberkelbazillen  im  Sputum  immer  in  einem  entwicklungs¬ 
fähigen  Zustand  befinden  und  dass  durch  die  Hessesche  Me¬ 
thode'  eine  schnelle  Differentialdiagnose  in  wenigen  Stunden  er¬ 
möglicht  ist. 

Die  Entwicklung  der  pyogenen  Pilze  würde  durch  diese  Zu¬ 
sammensetzung  des  Nährbodens  verhindert,  während  die  Anwesen¬ 
heit  des  Schleimes  im  Sputum  die  Entwicklung  der  in  ihm  ein¬ 
gebetteten  Tuberkelbazillen  begünstige. 

De  Gaetano:  Zur  Kasuistik  der  Luxation  des  Köpfchens 
des  Os  capitatum  der  Handwurzel  teilt  der  Autor  einen  Fall  mit 
(II  policlinico,  März  1902),  ein  anderer  ist  von  C  liopart  bekannt 
gemacht;  beide  betrafen  Fleischer.  An  der  Leiche  ist  diese  Luxa¬ 
tion  nicht  zu  stände  zu  bringen.;  sie  hat  zur  Voraussetzung  eine 
gewisse  Erschlaffung  und  Dehnbarkeit  des  Bandapparates  der 
H  aiulwurzelknochen. 

D  o  n  z  e  1 1  o  erörtert  (Lo  sperimentale,  fas«.  VI)  die  pyogene 
Eigenschaft  des  E  berth  sehen  Bazillus. 

Derselbe  kann  zur  Eiterbildung  Veranlassung  geben:  1.  durch 
eine  verminderte  Virulenz,  2.  durch  den  Grad  der  Immunität,  wel¬ 
chen  die  Versuchstiere  besitzen,  3.  durch  verminderte  organische 
Resistenz  derjenigen  Tiere,  welche  von  Natur  refraktär  sind,  und 
endlich  bei  demselben  Tiere  durch  die  Natur  des  von  der  Ein¬ 
wanderung  des  Typhusbazillus  betroffenen  Gewebes. 

D.  erklärt  auf  Grund  seiner  Experimente  diese  Eiterbildung 
folgendennassen :  Die  abgeschwächten  Infektionsträger  sind,  je 
nach  der  Vitalität  der  Gewebe,  in  welche  sie  gelangen,  zu  einer 
beschränkten  Existenz  und  zu  einem  langsameren  oder  schnelleren 
Untergang  bestimmt.  Die  Zerstörung  derselben  setzt  die  zum 
Körper  der  Bazillen  gehörigen  Nukleoproteide  in  Freiheit  und 
wir  wissen  durch  die  Studien  von  Büchner,  O  r  1  o  f  f ,  Gasser 
und  B  u  r  c  i,  dass  bei  den  Typhusbazillen  die  pyogene  Eigenschaft 
abhängig  ist  von  den  Proteinen,  welche  die  grösste  chemotaktische 
Eigenschaft  besitzen. 

Neues  Journal  für  Hygiene. 

Ans  der  italienischen  medizinischen  Literatur  haben  wir  zu 
erwähnen  eine  neue,  der  Hygiene  dienende  Zeitung 
aus  P  a  v  i  a,  von  Prof.  D  e  v  o  t  o  u  n  d  D  r.  Moreschi 
herausgegeben  unter  dem  Titel:  „Die  Arbeit“,  2  mal  im  Monat 
erscheinend  (il  lavoro,  Pavia,  tipogr.  cooperativa).  Die  uns  zu¬ 
gehende  Nummer  V  enthält  u.  a.  von  Fedrazzini  einen  Artikel: 
Die  Anstrengung  und  der  Kropf.  Der  Autor  sieht  in  der  An¬ 


strengung  der  Gebirgsbewohner,  im  Tragen  schwerer  Lasten,  im 
beständigen  Steigen  und  den  durch  dasselbe  bewirkten  Gefässver- 
änderungen  das  ätiologische  Hauptmoment  des  Kropfs,  ohne 
welches  die  Krankheit  nur  ein  sporadisches  Dasein  führen  würde. 

Ein  Aufsatz  von  M.  Venco  (giornale  l’Unione  femminile  di 
Milano)  handelt  von  den  gesundheitlichen  Schäden  der  fabrik- 
mässigen  Seidenerzeugung,  welche  besonders  Kinder  von 
9  Jahren  betreffen,  welche  sich  in  mangelhaft  ventilierten  Räumen 
meist  bis  zu  18  Stunden  des  Tages  mit  den  Seidenraupen  be¬ 
schäftigen;  namentlich  gilt  dies  für  die  Abruzzen  und  für  Süd¬ 
italien  überhaupt.  Neuerdings  habe  der  Minister  Baceelli  über 
diese  Schäden  eine  Untersuchung  veranstaltet. 

II  a ger-  Magdeburg-N. 

Skandinavische  Literatur.*) 

L.  Kraft  (D):  Die  akute  hämorrhagische  Pankreatitis. 
(Hospitalstidende,  No.  15,  10  u.  17.) 

Auf  12  Krankengeschichten  gestützt,  gibt  der  Verfasser  eine 
monographische  Darstellung  der  akuten  hämorrhagischen  Pan¬ 
kreatitis.  ln  9  Fällen  wurde  die  Diagnose  erst  durch  die  Sektion, 
in  einem  Falle,  der  auch  letal  verlief,  durch  eine  explorative 
Laparotomie  gestellt;  in  2  Fällen  wurde  die  Diagnose  klinisch 
gestellt;  diese  2  Kranken  genasen.  Verfasser,  der  die  Sym¬ 
ptomatologie  und  Diagnose  genau  angibt,  empfiehlt  eine  stimu¬ 
lierende,  symptomatische  Behandlung,  verwirft  die  Exstirpation 
von  Pankreas,  glaubt  in  den  2  letzten  Fällen  günstige  Wirkung  von 
Pankreatin  gesehen  zu  haben. 

C.  O.  .1  e  n  s  e  li  (P):  Einige  Versuche  mit  Krebsgeschwülsten. 
(Ibid.,  No.  19.) 

Es  gelang  dem  Verfasser,  ein  typisches  Karzinom,  das  bei 
einer  weissen  Maus  auftrat,  weiter  auf  andere  Mäuse  zu  über¬ 
tragen.  Im  Verlaufe  eines  Jahres  hat  er  die  Geschwulst  auf  eine 
grosse  Anzahl  Mäuse  transplantiert,  im  ganzen  durch  8  Genera¬ 
tionen.  Verfasser  hat  keine  Parasiten  in  der  Geschwulst  finden 
können.  Transplantation  der  Geschwulst  auf  Kaninchen  und 
Meerschweinchen  misslang  immer,  Transplantation  auf  graue 
Mäuse  gelang  in  einzelnen  Fällen.  Es  zeigte  sich,  dass  das  Krebs¬ 
gewebe,  im  Eisschränk  aufbewahrt,  sich  jedenfalls  4  Tage  am 
Leben  halten  kann ').  10  Mäuse  wurden  mit  Geschwulstgewebe, 

das  auf  die  eben  erwähnte  Weise  aufbewahrt  wurde,  geimpft; 
4  starben  an  zufälliger  Infektion,  bei  2  entwickelte  das  Karzinom 
sich  weiter. 

Von  grossem  Interesse  ist  es,  dass  Verfasser  durch  Injektion 
des  gequetschten  Geschwulstgewebes  auf  Kaninchen  ein  spezifi¬ 
sches  Heilserum  gegen  die  Geschwüste  der  Mäuse  hat  darstellen 
können.  Der  glückliche  Erfolg  der  Anwendung  des  Serums  wurde 
sowohl  klinisch  als  pathologisch-anatomisch  (durch  Mikroskopie) 
bestätigt.  Kontrollversuche  mit  normalem  Kauinchenserum  zei¬ 
gen,  dass  dieses  Serum  keinen  Einfluss  auf  die  Geschwülste  hat. 
Spontane  Resorption  der  Geschwülste  hat  Verfasser  nie  gesehen, 
so  dass  die  spezifische  Wirkung  des  Serums  ohne  Zweifel  schuld 
an  der  Heilung  der  Tiere  ist.  In  dänischen  wissen- 
s  c  li  a  f  1 1  i  c  h  e  n  Kreisen  heg  t  m  an  grosse  Er  w  a.  r  - 
t  u  n  g  e  n  von  neuen  Versuchen,  die  der  ausge¬ 
zeichnete  F  orscher  versprochen  h  a  t.  Jeden¬ 
falls  zur  Kenntnis  der  Biologie  der  Krebs¬ 
geschwülste  sind  seine  Versuche  von  grosser 
Bedeut  un  g. 

H.  V  i  1  a  n  d  t  (D) :  Eine  leicht  ausführbare  Methode  zur  Ein¬ 
richtung  der  hinteren  Hüftverrenkung.  (Ibid.,  No.  23.) 

Verfasser  hat  in  2  Fällen  sehr  leicht  eine  rechtsseitige  Hiift- 
luxation  nach  hinten  auf  folgende  Weise  reponiert:  Der  Patient 
wurde  in  linker  Seitenlage  chloroformiert;  während  der  Narkose 
wurde  er  in  die  Rückenlage  gedreht.  Verfasser  setzte  seine  rechte 
Schulter  unter  den  rechten  Poples  des  Patienten  und  stützte  seine 
beiden  Hände  fest  um  Telvis  zwischen  Spina  ilei  ant.  sup.  und  inf., 
mit  gekreuzten  Daumen  und  mit  den  vier  anderen  Fingern  der 
linken  Hand  über  das  Cap.  femoris.  Verfasser  richtete  sich  jetzt 
langsam  auf,  indem  ein  Assistent  das  Bein  des  Patienten  fest  und 
dicht  an  seinen  Rücken,  der  rechten  Schulter  entlang,  hielt.  Es 
gelang  leicht,  die  Einrichtung  auszuführen. 

Prof.  .1.  Scliou  (D):  Ein  Fall  von  Exophthalmus  pulsans. 
(Ugeskrift  for  Läger,  No.  23.) 

Heilung  durch  Unterbindung  der  Art.  carotis  int.  Verfasser 
behauptet  wie  Slomannj,  dass  man  in  solchen  Fällen  immer 
Carotis  int.  und  nicht  Carotis  commun.  unterbinden  muss,  da 
sonst  leicht  Rezidiv  eiutreten  kann  wegen  Blutzufuhr  durch  kol- 
laterale  Verbindungen,  besonders  durch  Art.  carotis  ext. 

C.  Dons  (D):  Merkwürdiger  Fall  von  Zwillingsgeburt. 
(Ibid.,  No.  25.) 

Die  erste  Geburt  traf  am  5.  März  1900  um  10  Uhr  Nachm, 
ein.  Dauer  der  Geburt:  0 y2  Stunden.  Das  Kind  war  am  Leben. 
Gewicht  2000  g.  Die  Mutter  glaubte,  dass  das  Kind  4  Wochen 
zu  früh  geboren  war.  Die  Blutung  war  ziemlich  stark  in  der  Nacli- 
geburtsperiode,  wurde  durch  die  Lösung  der  Plazenta  gestillt. 


*)  Nach  jedem  'Autornamen  wird  durch  die  Buchstaben  D,  F, 
N  oder  S  angegeben,  ob  der  Verfasser  Däne,  Finnländer,  Norweger 
oder  Schwede  ist. 

b  Nach  späteren  Versuchen  viel  länger. 

")  Slomann:  Der  pulsierende  Exophthalmus.  Dissertation. 
Kopenhagen  1898. 


1436 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIER. 


No.  34. 


Puerperium  normal.  Die  zweite  Geburt  traf  am  29.  Mäiz  des¬ 
selben  .Jahres  um  2  Uhr  Vorm,  ein,  also  23  Jage  nach  der  eisten 
Geburt.  Die  Dauer  der  Geburt:  4y2  Stunden.  Das  Kind  war  am 
Leben,  ausgetragen.  Gewicht:  3000  g.  Puerperium  normal.  Die 
zwei  Säuglinge  sind  Mädchen,  leben  noch  und  gedeihen.  .  Nach  der 
ersten  Geburt  trat  keine  Milchsekretion  ein;  der  Säugling  wurde 
vorläufig  künstlich  genährt,  nach  der  zweiten  Geburt  fing  die 
Milchsekretion  an,  und  die  Zwillinge  bekamen  dann  alle  beide 
Brust.  Die  Mutter,  eine  verheiratete  Bäuerin,  ist  37  Jahre  alt, 
hat  früher  2  mal  geboren. 

Prof  Niels  II.  Finsen  (D)  und  Georges  Dreyer  (1>): 
Untersuchungen  über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  Blattern 
vaccine.  (Meddelelser  fra  Finsens  medicinske  Lysinstitut, 

Bd.  4,  Mai.)  A  ..  .  . 

Finsens  Entdeckung,  dass  das  Suppurationsstadium  bei 
Variola  ausbleibt,  wenn  man  die  chemischen  Strahlen  des  luchtes 
ausschliesst,  scheint  gegen  das  Faktum  zu  streiten,  dass  die  che¬ 
mischen  Strahlen  eben  bakterientötend  wirken.  Dr.  Moir s)  hat 
auch  aus  theoretischen  Gründen  gegen  Finsen  s  Vanolabehand- 
lnng  protestiert.  Spätere  Erfahrungen  haben  die  segensreiche 
Wirkung  der  Finsen  scheu  Methode  glänzend  bestätigt,  und  man 
ist  genötigt,  zuzugeben,  dass  in  Bezug  auf  die  Blattern  die  ent¬ 
zündungerregende  Wirkung  des  Lichtes  viel  grössere  Bedeutung 
als  seine  bakterientötende  hat.  Es  wäre  doch  vielleicht  möglich, 
dass  der  Krankheitserreger  der  Blattern  sich  dem  Einflüsse  des 
Lichtes  gegenüber  anders  als  die  übrigen  Mikroorganismen  ver¬ 
hielt;  auch  einige  Untersuchungen  in  der  Impfanstalt  zu  Han¬ 
nover* * 4)  könnten  darauf  deuten.  Die  Verfasser  beweisen  doch 
durch  eine  grössere  lleilie  Versuche,  dass  starkes  Licht  einen  st  11 
schädlichen  Einfluss  auf  die  Vaccine  hat.  Da  auch  die  Temperatur 
30_40°  die  Vaccine  schwächt,  muss  diese  unter  denselben  Kau- 
telen  als  Bakterien  und  ihre  Gifte,  also  in  der  Kälte  und  in 
dunklen  (eventuell  roten)  Gläsern  aufbewahrt  werden. 

Prof.  Niels  R.  F  insen  (D) :  Behandlung  von  Erysipelas 
durch  Ausschliessung  der  chemischen  Strahlen  des  Sonnen¬ 


lichtes.  (Ibidem.) 

Verfasser  hat  schon  1894  empfohlen,  die  Behandlung  von 
Erysipelas  „im  roten  Zimmer“  zu  versuchen.  Iv  r  u  k  e  n  b  erg  °) 
hat  dieses  Jahr  diese  Behandlung  mit  ausgezeichnetem  Erfolg  be¬ 
nutzt.  Verfasser  publiziert  7  Fälle,  in  welchen  er  ohne  sicheren 
Erfolg  das  rote  Zimmer  angewendet  hat,  er  rät  jedoch,  die  Ver¬ 
suche  fortzusetzen.  Die  Behandlung  hat  jedenfalls  den  Vorteil, 
unschädlich  zu  sein. 

Prof.  H  o  w  i  t  z  (D) :  Behandlung  von  Krebs  durch  Erf i*ie- 
rung.  (Kopenhagen  1902.) 

Verfasser  hat  voriges  Jahr  vor  dem  V.  nordischen  chirur¬ 
gischen  Kongresse  zu  Kopenhagen  empfohlen,  Krebs,  insbeson¬ 
dere  in  inoperablen  Fällen,  durch  Erfrierung  mit  Chlorathyl 
zu  behandeln.  Er  referiert  34  Krankengeschichten  (Cancer  uteri, 
vaginae,  mammae),  in  welchendieseBeliandlung  angewendet  wurde. 
Anstatt  Chloräthyl  wurde  später  Anestile  oder  fliessende  Kohlen¬ 
säure  benutzt.  Verfasser  behauptet,  dass  der  lokale  Prozess  da¬ 
durch  begrenzt  werden  kann,  die  Rezidive  können  dadurch  cou- 
piert  werden,  und  man  kann  eine  Besserung  des  Allgemeinbefin¬ 
dens  erreichen.  In  günstigen  Fällen  glaubt  Verfasser,  dass  Hei¬ 
lung  eintreten  kann.  Durch  die  Kältewirkung  wird  das  kankröse 
Gewebe  zerstört,  und  ein  Granulationsgewebe  mit  normaler  Epi¬ 
thelbildung  entsteht.  . 

A.  Bo  eg  (D):  Epidemiologischer  Beitrag  zur  Aetiologie 

der  Lungenphthisis.  (Diss.,  Kopenhagen,  154  S.) 

Verfasser,  der  10  Jahre  Amtsarzt  auf  den  Faröerinseln  war, 
hat  eine  sorgfältige  Untersuchung  über  die  Ausbreitung  der 
Lungentuberkulose  auf  diesen  sparsam  bevölkerten,  isolierten 
Felseninseln  (ca.  12  000  Einwohner)  angestellt.  Auf  354  Kranken¬ 
geschichten  gestützt,  glaubt  er  bewiesen  zu  haben,  dass  die 
Lungentuberkulose  kontagiös  ist,  dass  eine  individuelle  Disposition 
vorausgesetzt  werden  muss,  während  es  keine  spezifische,  erbliche 


Disposition  gibt. 

W.  R  a  g  e  r  (D) :  Luxatio  coxae  congenita.  (Diss.,  Kopen¬ 
hagen,  360  S.,  60  Abbildungen  von  Präparaten.) 

Die  Abhandlung  hat  besonders  Wert  als  eine  Monographie  der 
angeborenen  Hüftverrenkung.  Verfassers  eigenes  pathologisch¬ 
anatomisches  Material  stammt  teils  aus  dem  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Institut  zu  Wien,  teils  aus  dem  Museum  Saxtorphianum 
und  dem  Kinderhospitale  zu  Kopenhagen,  sein  klinisches  Material 
aus  der  Klinik  für  Verkrüppelte  und  verschiedenen  Spitälern 

Kopenhagens.  .  , 

J.  Stein  (D):  Von  der  Herzschwäche  bei  Mitralfehlern. 

(I)iss.,  Kopenhagen,  120  S.) 

Gestützt  sowohl  auf  Krankengeschichten,  Sektionsbetunde  und 
mikroskopische  Untersuchung  eines  ziemlich  bedeutenden  Ma¬ 
terials,  als  auf  einige  Versuche  über  Kaninchen,  zieht  Verfasser  im 
Gegensätze  zu  Iv  r  e  h  1  den  Schluss,  dass  eine  chronische  Myo¬ 
karditis  verhältnismässig  selten  die  Herzinsuffizienz  verursacht, 
jedenfalls  wenn  Febris  rheumatica  die  Ursache  des  Klappen¬ 
fehlers  ist  oder  Einfluss  auf  den  späteren  Verlauf  gehabt  hat.  Zur 


»)  The  Lancet,  29.  Sept.,  pag.  739,  1894;  Treatment  of  small 

pox  by  exclusion  of  the  Chemical  rays  of  daylight. 

4)  Medizin,  statist.  Mitteilungen  des  Kais.  Gesundheitsamtes, 
Bd.  5,  II.  2,  pag.  94. 

°)  Ueber  die  Behandlung  des  Erysipels  Im  roten  Zimmer. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  13. 


Erklärung  dieser  Insuffizienz  bleibt  Verfasser  bei  dem  Begriff 
„Herzmüdigkeit“. 

V.  Maar  (D):  Der  Einfluss  des  Nervensystems  auf  die 
Drüsensekretion,  besonders  in  Bezug  auf  die  Verhältnisse  in 
den  Lungen.  (Diss.,  Kopenhagen  1902,  120  S.) 

Die  Abhandlung  wird  dieses  Jahr  in  Skandinav.  Archiv  für 
Physiologie  in  der  deutschen  Sprache  erscheinen. 

E.  B  ruusgaar  d  (N):  Periphere  Phlebitis  im  Verlauf  der 
sekundären  Syphilis.  (Norsk  magazin  for  lägevidenskab,  April.) 

Unter  326  an  sekundärer  Syphilis  leidenden  Männern  in  der 
Abteilung  für  Hautkrankheiten  der  Universitätsklinik  hat  man 
5  mal  Phlebitis  syphilitica  beobachtet.  Verfasser  führt  die 
Krankengeschichten  der  4  von  diesen  5  Fällen  an;  unter  61 1 
Weibern  wurden  4  Fälle  dieser  Krankheit  beobachtet,  wovon  2 
referiert  werden.  Die  Untersuchungen  umfassen  die  Zeit  vom 
Jahre  1893  bis  1901. 

Wilhelm  Magnus  (N):  Ein  Pall  von  Herpes  zoster,  von 
Muskelatrophien  begleitet.  (Ibidem,  Mai.) 

2  Wochen  nach  einem  Herpes  zoster  entlang  dem  rechten 
Unterarm  entwickelte  sich  Atrophie  der  Mm.  infraspinatus,  del- 
toideus,  triceps,  brachioradialis,  flexores  digit.,  intei’ossei  und 
der  kleinen  Muskeln  des  Daumens  und  des  5.  Fingers.  Die  atro- 
phierten  Muskeln  zeigten  Degenerationsreaktion.  Nach  einigen 
Monaten  verschwand  die  Atrophie  mit  Ausnahme  von  der  der 
kleinen  Muskeln.  Verfasser  glaubt,  dass  dasselbe  Virus,  das  den 
Herpes  verursacht  hat,  die  vorderen  grauen  Hörner  der  Medulla 
angegriffen  und  eine  poliomyelitisähnliche  Affektion  hervor¬ 
gerufen  hat. 

Fredrik  Grön  (N):  Von  merkuri eilen  Exanthemen.  (Ibidem, 

Mai.) 

Auf  11  Krankengeschichten  gestützt,  bespricht  Verfasser  die 
merkuriellen  Exantheme.  Die  Hauptformen  sind:  Inunktions- 
folliculitis,  Erythema  scarlatiniforme,  Erythema  haemorrhagicum, 
Erythema  exsudativum  multiforme,  Pemphigus.  Verfasser  be¬ 
hauptet,  dass  es  sich  in  seinen  Fällen  in  der  Tat  um  den  Einfluss 
des  Quecksilbers  und  nicht  um  Verunreinigung  handelt,  auf 
welche  Neisser  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat. 

Reidar  Gording  (N) :  Chorea  electrica  (H  e  n  o  c  h)  — 
Physostigmin.  (Ibidem,  Juni.) 

Verfasser  referiert  einen  Fall  bei  einem  12  jährigen  Mädchen, 
das  genas  durch  Behandlung  mit  Physostigmin.  Das  Kind  war 
früher  %  Jahre  mit  Arsenik  behandelt  worden,  ohne  Besserung. 
Es  wurde  täglich  1—2  mal  -1  mg  Physostigminum  salicylicum 
injiziert.  Im  Verlaufe  eines  Monats  nach  Anfang  des  Gebrauches 
des  Salzes  war  das  Kind  gesund.  Im  Ganzen  wurden  16  mg 
angewendet.  Es  traten  keine  Intoxikationssymptome  auf,  mit  Aus¬ 
nahme  von  wenig  Nausea  nach  den  letzten  Dosen  von  je  1  mg. 

S.  H  o  1 1  h  (N) :  Kineskopie,  eine  neue  Methode  zur  Bestim¬ 
mung  der  Refraktion  des  Auges.  (Ibidem,  Juni.) 

Diese  speziell  für  Augenärzte  lesenswerte  Abhandlung  ist 
auch  im  Les  annales  d’oeulistique,  Bd.  127,  pag.  241,  April  1902 
veröffentlicht  worden. 

8.  M  ad  sen  (N):  Ueber  die  bewegliche  Niere  vom  Stand¬ 
punkt  des  internen  Arztes.  (Nordiskt  medicinskt  Arkiv.  Inre 
Medio.,  Abt.  II,  H.  1.) 

Auf  100  Fälle  gestützt  hat  Verfasser  seine  Untersuchungen 
nach  der  symptomatischen  und  therapeutischen  Seite  hin  an¬ 
gestellt,  und  soweit  es  auf  klinischem  Wege  möglich  ist,  versucht, 
über  Aetiologie  und  Pathogenese  sich  Klarheit  zu  verschaffen.  Die 
Abhandlung  gibt  eine  gute  Uebersicht  von  dem  landläufigen  Stand¬ 
punkte  der  internen  Aerzte  gegenüber  diesem  Leiden. 

W.  Törnqvist  (S):  Ueber  Diagnose  und  Behandlung  der 
subkutanen  Kontusionsrupturen  des  Darms.  (Ibidem.  Kirurgi. 
Abt.  II,  H.  1.) 

3  Fälle  werden  referiert.  Sämmtlich  betrafen  sie  den  Dünn¬ 
darm,  in  2  Fällen  Jejunum,  iin  3.  den  unteren  Teil  des  Ileum; 
in  keinem  der  Fälle  irgend  welche  äussere  Spuren  des  Unfalles.  Die 
Patienten  wurden*  in.  der  chirurgischen  Klinik  zu  Lund  operiert. 
Der  erste  Fall  nahm  nach  einem  anfänglich  vielversprechenden 
Verlauf  doch  nachträglich  einen  tödlichen  Ausgang,  die  beiden 
letzteren  führten  zur  Heilung.  Verfasser  erwähnt  in  seiner  Epi¬ 
krise  die  Aetiologie,  Diagnose  und  Behandlung.  Die  bald  nach 
dem  Unfall  eintretende  und  stetig  fortschreitende  Steigerung  der 
Pulsfrequenz  (bei  Abwesenheit  anderer  auf  intraperitoneale  Blu¬ 
tung  deutender  Symptome),  die  rasche  Verschlechterung  des  All¬ 
gemeinbefindens,  an  Umfang  zunehmende  Dämpfung  über  der  Ge¬ 
gend  des  Traumas,  Rigidität  der  Bauchwand,  spontaner  Schmerz 
und  Druckempfindlichkeit  sind  die  Kardinalsymptome.  Verfasser 
warnt  davor,  Opium  und  Morphium  vor  der  Operation  oder  vor 
dem  Zeitpunkt,  wo  die  ungefährliche  Art  der  Verletzung  mit 
Sicherheit  hat  konstatiert  werden  können,  zu  reichen.  Verfasser 
bespricht  eingehend  die  Operationstechnik,  verwirft  die  Spülung 
der  Peritonealhöhle  mit  Kochsalzlösung,  legt  grosses  Gewicht  auf 
eine  ausgiebige  Drainage. 

E.  Stangenberg  (S) ;  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Ver¬ 
hältnisses  zwischen  Diphtherie  und  Ohrenkrankheiten.  (Ibidem.) 

Unter  1000  Diphtheriekranken  traf  Verfasser  bei  24,3  Proz. 
auf  einen  krankhaften  Zustand  in  den  Gehörorganen  teils  ohne, 
teils  mit  objektiven  Veränderungen  von  der  Art,  dass  er  Anlass 
hatte,  denselben  mit  der  diphtheritischen  Infektion  in  Zusammen¬ 
hang  zu  bringen.  Verfasser  meint  deshalb,  dass  die  Aeusserung 
folgenden  Inhaltes:  „Hingegen  ist  die  primäre  Rachendiphtherie 
nach  Mitteilungen  der  Wiener  Aerzte  nur  selten  mit  Ohraffektioneu 


26.  August  1902. 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


143? 


kompliziert“,  welche  wir  in  der  im  vorigen  Jahre  erschienenen 
neuen  Auflage  von  Pollitzers  Lehrbuch  finden,  nicht  berech¬ 
tigt  ist.  Sowohl  die  von  L  e  w  i  n  "),  als  die  vom  Verfasser  ver¬ 
öffentlichten  Untersuchungen  zeigen  deutlich,  dass  die  bisher  land¬ 
läufige  Auffassung  von  dem  Verhältnisse  zwischen  Diphtherie  und 
Ohrenkrankheiten  mehr  auf  Vermutungen  als  tatsächlichen  Be¬ 
obachtungen  begründet  war. 

Carl  Schoug  (S):  Ein  Fall  von  Tetanus,  mit  Tetanusanti¬ 
toxin  behandelt.  Heilung.  (Hygiea,  Juni.) 

Verfasser  beschreibt  einen  schweren  Fall  von  Tetanus;  der 
Patient  genas  durch  Anwendung  von  T  i  z  z  o  n  i  s  Tetanusanti¬ 
toxin  (M  e  r  c  k). 

Patrik  H  a  g  1  u  n  d  (S):  lieber  W  o  1  f  f  s  Transformations¬ 
gesetz  und  funktionelle  Orthopädie.  (Upsala  läkareförenings 
forhandlingar,  Juni.) 

Verfasser  gibt  eine  speziell  für  Nichtspezialisten  bestimmte 
Uebersiclit  über  die  historische  Entwicklung  und  den  Inhalt  des 
Wolf  f  sehen  Transformationsgesetzes  und  seine  Bedeutung  für 
die  orthopädische  Chirurgie  und  dadurch  auch  eine  Darstellung 
des  wichtigsten  Teils  von  Wolffs  nun  abgeschlossener,  unver¬ 
drossener  Wirksamkeit  im  Dienste  der  Chirurgie.  Ausserdem  be¬ 
handelte  Verfasser  einige  Hauptrichtungen  in  dem  nun  herrschen¬ 
den.  in  bedauerlichem  Grade  gehässigen  Streite  um  das  Trans¬ 
formationsgesetz.  besonders  soweit  er  die  sogen.  Krahntheorie 
betrifft.  Aus  den  hinzugefügten  Reflexionen  des  Verfassers  geht 
hervor,  dass  er  in  seiner  Auffassung  der  Skelettdeformitäten  der 
W  o  1  f  f  -  R  o  u  x  sehen  Anschauungsweise  huldigt,  und  dass  nach 
seiner  Ansicht  von  den  vielen  Angriffen  gegen  W  o  1  f  f  und  seine 
Darstellungen  es  noch  keinem  gelungen  ist,  in  nennenswertem 
Grade  die  grosse  für  die  Ensteliung  und  Entwicklung  einer  ratio¬ 
nellen  Orthopädie  in  gewissem  Grade  grundlegende  Bedeutung 
von  W  o  1  f  f  s  3y2  Dezennien  langer  zielbewusster  Forschung  zu 
mindern. 

Prof.  .J.  W.  Runeberg  (F):  Ueber  die  sogen.  Harnzylinder 
in  klinisch-diagnostischer  Beziehung.  (Finska  läkaresällskapets 
handlingar,  Mai.) 

Verfasser  bespricht  die  verschiedenen  Ansichten  von  dem  Ur¬ 
sprung  der  Harnzylinder;  er  glaubt,  dass  sie  hauptsächlich  von 
derselben  Art  sind,  nämlich  dass  sie  aus  dem  koagulierten,  ur¬ 
sprünglich  fliessenden  Inhalt  der  Lichtung  der  Harnkanälchen  be¬ 
stehen.  Ihre  verschiedenen  Formen  sind  von  der  ungleichen  Be¬ 
schaffenheit  des  Inhalts  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  derselbe  koagu¬ 
lierte,  bedingt.  Verfasser  hat  schon  früher  den  diagnostischen 
Wert  der  Harnzylinder  gezeigt6 7).  Er  teilt  die  Zylinder  in  zwei 
Gruppen,  je  nachdem  sie  von  inflammatorischem  oder  nicht  in¬ 
flammatorischem  Ursprung  sind.  Die  ersten  sind  mit  Leukocyten, 
roten  Blutkörperchen,  Zellkernen  u.  dergl.  bedeckt,  in  den  anderen 
findet  man  gar  nicht  oder  sehr  selten  Exsudatzellen.  Verfasser 
zeigt  ferner  die  diagnostische  Bedeutung  dieser  zwei  Hauptformen. 

Oskari  Heikel  (F):  Neue  Beobachtungen  von  wiederholter 
Tubarschwangerschaft  bei  derselben  Frau.  (Ibidem.) 

Früher  haben  Forsströ  m  und  L  i  n  d  b  1  o  m,  Assistenten 
der  gynäkologischen  Klinik  des  Prof.  Engström  zu  Helsingfors, 
30  wiederholte  Tubarschwangerschaften  aus  der  Literatur  ge¬ 
sammelt.  Verfasser  berichtet  82  neue  Fälle,  von  welchen  4  aus 
der  oben  erwähnten  Klinik. 

Otto  Engström  (F) :  Zur  Kenntnis  der  primären  Sarkome 
des  Beckenzellgewebes.  (Ibidem.) 

Verfasser  veröffentlicht  4  eigene  und  IG  früher  publizierte 
Fälle,  und  gibt  eine  Darstellung  von  der  Pathologie  und  Behand¬ 
lung  derartiger  Geschwülste. 

Dr.  med.  Adolph  H.  Meyer-  Kopenhagen. 

Inaugiiral-Dissertationen. 

Universität  Bonn.  Juni  und  Juli  1902. 

20.  Katt  Winkel  Willi.:  Klinische  Erfahrungen  mit  Jequiritol 
und  Jequiritolserum. 

27.  Kirschbaum  Julius:  Ueber  die  Erfolge  der  chirurgischen 
Behandlung  der  Perityphlitis. 

28.  Weder  hake  Karl  Joseph:  Ueber  Dormiol. 

29.  Kemp  Johannes:  Beiträge  zur  Kasuistik  der  diffusen  sym¬ 
metrischen  Lipome  des  Halses  (M  adelung  scher  Fetthals). 

30.  B  ähren  s  Arthur:  Die  Iletolbehandlung  der  Lungenschwind¬ 
sucht. 

31.  M  o  h  r  Friedrich :  Beobachtungen  über  die  progressive  Para¬ 
lyse  bei  Frauen. 

32.  Greven  Paul:  Beiträge  zur  Kasuistik  der  Aktinomykose. 

33.  Stoffels  Heinrich:  Ueber  einen  Fall  von  Osteoidsarkom  der 
Tibia. 

34.  Re  no  Karl:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Darmintussusception. 

35.  B  1  o  e  b  a  um  Carl:  Ueber  Kranioklasie. 

30.  W  i  t  tmers  Fritz:  Ueber  maligne  Tumoren  des  Kolon. 

37.  Ermann  Daniel:  Ueber  eine  Methode  zur  Feststellung  der 
in  den  menschlichen  Fäzes  enthaltenen  Gewichtsmengen  von 
Bakterien. 

38.  Lorent  Jakob:  Ueber  Ileus  nach  Trauma. 

39.  Gossling  Max:  Ueber  Nasenrachenfibrome. 


6)  Siehe  das  Referat  in  der  Münch,  med.  Woclienschr.  No.  23, 
1902,  pag.  980. 

7)  Nord.  med.  Arkiv  1901.  Abteil.  II,  IT.  1,  pag.  1. 


Universität  Erlangen.  Juli  1902. 

14.  Holm  Reimer:  Ueber  einen  Fall  geheilter  Invagination. 

15.  Euler  Hermann:  Ueber  den  Verlauf  der  Magen  Verdauung 
unter  verschiedenen  physikalischen  Einflüssen. 

Universität  Freiburg.  Juli  1902. 

33.  Ehrle  Ernst:  Ueber  einen  Fall  von  Strumametastase  am 
Schädel. 

34.  Nolte  Paul:  Die  Methoden  der  Radikaloperation  bei  chro¬ 
nischen  Ohreiterungen. 

35.  C  o  li  n  Bruno:  Ueber  Inokulationskarzinome. 

30.  Orth  Heinrich:  Ueber  einen  eigentümlichen  Fall  von  Ileus. 

37.  T  e  ekle  n  b  u  r  g  Ferdinand:  Ueber  akute  gelbe  Leberatrophie, 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Fälle  von  protrahierter 
Dauer. 

38.  Briiel  Eduard:  Ueber  einen  Fall  von  chronischer  Osteo¬ 
myelitis  der  Skapula,  bei  dem  die  Sequestrotomie  die  temporäre 
Resektion  der  Klavikula  notwendig  machte. 

39.  Ullmann  Isidor:  Ueber  Tubercula  dolorosa. 

40.  Engelbrecht  Erich :  Ueber  einen  Fall  eines  branehiogenen 
Karzinoms. 

41.  Cohn  Max:  I.  Ueber  zentrale  Linsenmyopie  infolge  Sklerose 
des  Linsenkerns,  II.  Ueber  Rückbildung  von  Cataracta  trau¬ 
matica. 

Universität  Giessen.  Juni  und  Juli  1902. 

21.  Heinsberger  Paul:  Zur  Kasuistik  der  retrobulbären 
Neuritis  optica  auf  hereditärer  Grundlage. 

22.  Spiegelhoff  Johannes  Hermann:  Beitrag  zur  Lehre  von 
der  Conjunctivitis  blennorrhoica. 

23.  Faller  Emil:  Ueber  die  Totalinkrustation  der  Pferdeleber1). 

24.  C  u  r  s  c  li  mann  Fritz:  Bietet  der  quere  Fiuidalscknitt  bei  der 
Sectio  caesarea  (G.  Fritsch)  gegenüber  dem  Längsschnitt 
durch  die  Corpuswand  Vorteile? 

25.  Bartels  Ernst:  Cysticercus  fasciolaris.  Anatomie,  Beiträge 
zur  Entwicklung  und  Umwandlung  in  Taenia  crassicollis '-). 

20.  G  rips  Wilhelm:  Ueber  einen  pyogenen  Mikroorganismus  des 
Schweines 7). 

Universität  Greifswald.  Juni  1902. 

21.  Henning  Martin:  Ueber  Gangrän  beider  Beine  infolge  von 
Embolie. 

22.  Leick  Lothar:  Ein  seltener  Fall  von  Missbildungen  (Spalt¬ 
hand  und  Spaltfüsse). 

23.  Schirmer  Eugen:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  der 
Spina  bifida. 

24.  Hartmann  Max:  Ueber  Perisplenitis  und  Perihepatitis 
nodosa. 

Juli  1902. 

25.  Lemke  Maximilian:  Ueber  hysterische  und  epileptische 
Krampfzustände  und  eigenartige  Zwangshandlungen  in  einem 
Falle  degenerativen  Irreseins. 

20.  Knecht  Ernst:  Zur  Operation  des  Prolapsus  ani  et  reeti. 

27.  E  d  1  i  eh  Max:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Aphasie. 

28.  Franck  Wilhelm:  Untersuchungen  über  pathogene  Hefe. 

Universität  Halle.  Juli  1902. 

24.  S  t  e  1  z  n  e  r  Helena  Friederike:  Resultate  und  Dauererfolge  bei 
SO  Fällen  von  vaginalen  Totalexstirpationen  bei  Prolaps,  aus 
den  Kliniken  von  Basel  und  Halle. 

25.  T  o  o  p  Ernst:  Ueber  den  Einfluss  der  Atmung  und  Bauchpresse 
auf  die  motorische  Funktion  des  Magens. 

Universität  Marburg.  Juni  und  Juli  1902. 

15.  Baumhöfener  Hr.  Friedr.  Willi.:  Die  mit  chronischer 
Nephritis  komplizierten  Geburtsfälle  der  Marburger  Ent¬ 
bindungsanstalt  aus  den  Jahren  1883 — 1900. 

10.  Eichel  Clemens:  Ueber  einen  Fall  von  Melanom  beim  Pferde. 

17.  Genth  Adolf  W. :  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
Einwirkung  infizierter  Verbände  auf  aseptisch  gesetzte  Wun¬ 
den  des  Augapfels  nebst  Bemerkungen  über  Augenverbände 
überhaupt. 

18.  Gluszezewski  Joli. :  Die  akute  halluzinatorische  Verwirrt 
heit  als  Initialstadium  bei  Melancholie. 

19.  Hess  Otto:  Ueber  Stauung  und  chronische  Entzündung  in  der 
Leber  und  den  serösen  Höhlen.  (Habilitationsschrift.) 

20.  Koerber  Herrn.:  Ueber  Gliorna  und  Pseudoglioma  retinae. 

21.  Mohrmann  Rud.:  Ueber  die  Entstehung  des  Puerperal¬ 
fiebers  auf  hämatogenem  Wege 

22.  Reinhardt  Karl  Willi.:  Untersuchungen  der  Butter  der 
Marburgev  Gegend  auf  ihren  Bakteriengehalt. 

Universität  München.  Juli  1902. 

09.  Sasaki  H.:  Ueber  die  Sauerstoffinhalationen. 

70.  Groedel  Theodor:  Ueber  die  physiologische  Wirkung  von 
Calcium-Natrium-  und  Kaliumchloridbädern,  insbesondere  auf 
den  Blutdruck. 

71.  Eiehler  Felix:  Ueber  die  Komplikation  von  Fibromyomen 
mit  Adenocarcinoma  corporis  Uteri. 

72.  Henning  Emil:  Ueber  wahre  Zwerchfellhernien  nebst  einem 
neuen  Fall. 


’)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 
2)  Ist  Dissertation  der  philos.  Fakultät. 


1438 


MUENCHENER  MEDIC1NTSC1LE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


73.  Hess  Max:  Ueber  Perforationen  bei  Oesophaguskarzinom  und 
einen  Fall  von  Oesophaguskarzinom  mit  Perforation  in  die 
rechte  Lunge. 

74.  Iv  ö  h  n  1  e  i  n  Georg:  Ein  Fall  von  Naevus  linearis  verrucosus. 

75.  Marburg  Otto:  Ueber  45  osteoplastische  Amputationen 
nach  Pirogoff,  G  r  i  1 1  i  und  Bier. 

70.  Bauer  Fritz:  Ueber  kryptogenetische  Septico-Pyämie. 

77.  W  itte  Johannes:  Studien  über  das  Verhältnis  von  elastischen 
Fasern  und  Tuberkelbazillen  im  tuberkulösen  Sputum. 

78.  Kelim  Otto:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  multiplen  Sar- 
komatose. 

79.  W  olfer  Otto:  Ein  Fall  von  Hysterie  und  hysterischer  Psy¬ 
chose  im  Anschluss  an  Aethereinwirkung. 

80.  liiemann  Hermann:  Ein  Fall  von  Zehenkarzinom. 

81.  Binswanger  Eugen:  Ueber  mesenterialen  Duodenalver¬ 
schluss.  .  m 

82.  II  ü  1 1  i  g  Johannes:  Pseudoleukämie  und  lymphatische  tuber¬ 
kulöse. 

83.  Alb  recht  Eugen:  Ueber  den  Untergang  der  Kerne  m  den 
Erythroblasten  der  Säugetiere.  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der 
Kerndegeneration. 

84.  Wilczynski  Tadeusz:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Sarkome 
der  Lendenwirbelsäule. 

85.  Gramer  Moritz:  Ein  Fall  von  marantischer  Thrombose  im 
Sinus  longitudinalis  und  in  einer  Lungenvene. 

80.  Gift  Philipp:  Stieltorison  bei  einem  grossen  subserösen  Myom 

des  Uterus.  , 

87.  Katzen  stein  Leopold:  Ueber  amyotrophische  Lateral¬ 
sklerose  (nebst  zwei  Fällen). 

88.  Fleischmann  Paul:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Lehre  von 
den  diffuseitrigen  Entzündungen  der  Gallenblase. 

89.  Weiss  Georg:  Ueber  eitrige  Peritonitis  im  Anschluss  an 
Periproctitis  und  Retroperitonealphlegmone. 

90.  Deichstetter  Heinrich:  Ueber  einen  Fall  von  primärem 
Schweissdrüsenkarzinom. 

91.  Peckert  Fritz  Joachim:  Zur  Kasuistik  der  Embolie  der 
Lungenarterien. 

92.  Ruh  wand  1  Franz:  Ueber  multiple  Divertikelbildung  im 
Intestinaltraktus. 

93.  P  r  i  e  s  a  c  k  August:  Ein  Fall  von  Alveolarechinococcus  der 
Leber. 

94.  Frankel  Alfred:  Ueber  Lungengangrän. 

Universität  Rostock.  Juni— August  1902. 

15.  Adam  Georg:  Zum  periodischen  Irresein. 

10.  Becker  Hugo:  Pharmakologische  Untersuchungen  über  einige 
Morphinderivate. 

17.  Büttner  Otto:  Die  Eklampsie  im  Grossherzogtum  Mecklen¬ 
burg-Schwerin  während  der  Zeit  vom  1.  Juli  1885  bis  zum 
31.  Dezember  1891.  (Habilitationsschrift.) 

18.  Ehrich  Karl:  Die  Gesichtslagen  in  der  Münchener  Universi¬ 
täts-Frauenklinik  in  den  Jahren  1896 — 1900. 

19.  Grubel  Walther:  Ueber  die  Luxation  der  Linse  in  die  vor¬ 
dere  Kammer. 

20.  Haupt  Hans  Georg:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schwefel¬ 
kohlenstoffvergiftung. 

21.  Kasten  Friedrich:  Ueber  den  therapeutischen  Wert  der 
Nebennierensubstanz. 

22.  Kawachi  Saburo:  Beitrag  zur  Kenntnis  von  der  alimentären 
Glykosurie  e  saccharo. 

23.  Kayser  Johannes:  Beitrag  zur  Differentialdiagnose  zwischen 
den  echten  Tuberkelbazillen  und  den  beiden  säurefesten  Ba¬ 
zillen,  Grasbazillus  Thimothee-Görbersdorf  und  Butterbazillus 
Rabinowitsch. 

24.  Krische  Friedrich:  Ein  Fall  von  primärem  Krom- 
pecher  sc-hen  diäisenartigem  Oberflächenepithelkrebs  in  ge¬ 
schlossenem  Atherom. 

25.  Kühn  Adolf:  Weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Nerven- 
verlaufs  in  der  Rückenhaut  von  Iiana  fusca.  (Habilitations¬ 
schrift.) 

26.  L  ii  n  e  b  u  r  g  Ernst:  Beiträge  zur  Entwicklung  und  Histo¬ 
logie  der  Knäueldrüsen  in  der  Achselhöhle  des  Menschen. 

27.  Mrosack  Gerhard:  Ueber  zwei  durch  Milch  verursachte 
Typhusepidemien. 

28.  Sc  hultze  Paul:  Beitrag  zur  Lehre  der  psychischen  und  ner¬ 
vösen  Erkrankungen  infolge  von  Verletzungen  und  Unfall. 

29.  Wagner  B.:  Zur  Kenntnis  der  erworbenen  und  an¬ 
geborenen  Rechtslage  des  Herzens. 

30.  Wollenberg  Gustav  Albert:  Klinische  Erfahrungen  über 
die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  Geosot  (Guajacolum 
valerianicum). 

31.  Yagi  Itsuro:  Einiges  über  Adstringentien  und  deren  Ersatz¬ 
mittel  in  der  Augenheilkunde. 

Universität  Strassburg.  Juli  1902. 

17.  Re  iss  Emil:  Der  Brechungskoeffizient  des  Blutserums  als 
Indikator  für  den  Eiweissgehalt. 

18.  Bürkle  Franz  Josef:  Venöse  Stauung  als  Ursache  von 
Hämatocele  retrouterina. 

19.  Weeber  M.:  Ueber  Uterus  bicornis  unicollis  und  seine  Be¬ 
ziehungen  zu  Schwangerschaft  und  Geburt. 

20.  Haag  Alphons:  Ein  seltener  Fall  von  teleangiektatischem 
hämatocystischem  Uterusmyom  mit  Gravidität. 


21.  Schaeffer  Gustav:  Zur  Frage  der  Behandlung  der  Uterus¬ 
ruptur. 

22.  Theodore  Ernst:  Experimenteller  Beitrag  zur  zeitlichen 
Entwicklung  der  sekundären  Degeneration  im  Hunderücken¬ 
mark. 

23.  Guleke  Nicolai:  Beitrag  zur  Statistik  des  Mammakarzinoms. 

24.  Lichtenberg  Fritz:  Ueber  die  Beweglichkeit  des  Beckens 
von  Neugeborenen. 

Universität  Tübingen.  Juli  1902. 

30.  Eh  mann  Joseph:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Refraktion 
des  aphakisclien  staroperierten  Auges. 

31.  G  ii  n  z  e  1  Gustav:  Ueber  die  Entwickelung  des  Karzinoms  in 
Narben,  besonders  den  Geschwürsnarben  des  Magens. 

32.  Kallenberger  Walter:  Ueber  Kombination  von  Tuber¬ 
kulose  und  Karzinom  der  Mamma. 

33.  K  ohrt  Gottfried:  Ueber  Geburt  beim  engen  Becken  nach  dem 
Material  der  Tübinger  Universitäts-Frauenklinik. 

34.  Maier  Friedrich  Jacob:  Zur  Aetiologie  der  Chorioiditis  disse¬ 
minata. 

35.  Magenau  Friedrich:  Ein  Fall  von  Geburtserschwerung  durch 
kongenitale  Hydronephrose  nebst  einer  Zusammenstellung  ähn¬ 
licher  Fälle  aus  der  Literatur. 

36.  Schmid  Paul  Constantin:  Anatomischer  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  der  Dermoide. 

37.  Veit  Eugen:  Statistische  Uebersicht  über  die  in  den  Jahren 
1896  bis  1901  in  der  Tübinger  Augenklinik  beobachteten  Augeu- 
krankheiten. 

Universität  Würzburg.  Juli  1902. 

35.  Anspach  Adam:  Ein  Fall  von  schwerer  Verbrühung  und 
Gangrän  beider  unterer  Extremitäten. 

36.  C  li  i  1  i  a  n  Otto:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Vergiftungen  mit 
Nitrobenzol,  Dinitrobenzol,  Paranitrochlorbenzol  und  Dinitro- 
chlorbenzol  durch  Alkohol. 

37.  Meissner  Paul:  Symmetrie  bei  Geschwulstbildungen. 

38.  Nieveling  Wilhelm:  Ueber  Polypenbildungen  im  Magen¬ 
darmkanal  und  einen  seltenen  Fall  von  Papilloma  nud  Krebs 
des  Rektums. 

39.  Staude  r  Alfons:  Ueber  Sarkome  des  Ovariums. 

40.  Stein  Wilhelm:  Ueber  Darmgeschwüre  bei  Urämie. 

41.  Stier  Heinrich:  Die  Tuberkulose  der  Mamma  und  der 
axillaren  Lymphdrüsen  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Ge 
schwülsten  der  Mamma. 

42.  Wagner  Willy:  Ein  Fall  von  sogen,  gliomatöser  Hyper¬ 
trophie  des  Pons  und  der  Medulla  oblongata. 

43.  Weber  Ernst:  Ueber  die  geschichtliche  Entwicklung  der 
anatomischen  Kenntnisse  von  den  weiblichen  Geschlechts¬ 
organen. 

44.  Weiss  Richard:  Ueber  2  Fälle  von  primärem  Leberkrebs, 
nebst  Bemerkungen  über  die  Beziehungen  des  Leberkarzinoms 
zur  Cirrhose. 

45.  Wey  ermann  Hans:  Geschichtliche  Entwicklung  der  Ana¬ 
tomie  des  Gehirns. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Verein  Freiburger  Aerzte. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  30.  Mai  1902. 

Herr  Goldmann:  Ueber  Osteitis  deformans  und  ver¬ 
wandte  Erkrankungen  des  Knochensystems.  (Mit  Kranken¬ 
vorstellung  und  Projektionsbildern  von  anatomischen  Prä¬ 
paraten.) 

An  der  Hand  von  Projektionsbildern,  die  zum  Teil  den 
Originalabhandlungen  von  Sir  James  Paget  entnommen,  zum 
Teil  nach  Skeletten  im  „Royal  College  of  Surgeons  London“ 
gemacht  waren,  entwarf  der  Vortragende  ein  klinisches  und  ana¬ 
tomisches  Bild  der  von  Sir  James  Paget  im  Jahre  1876  zu¬ 
erst  beschriebenen  „Osteitis  deformans“.  Eingehender  erörterte 
er  die  charakteristischen  Veränderungen  an  den  langen  Röhren¬ 
knochen  der  unteren  Extremitäten,  insbesondere  die  Elongations- 
erscheinungen  an  ihnen  und  die  „Säbelscheidenform“  der  Tibia. 
Er  verglich  diese  Veränderungen  mit  jenen,  die  bei  der  Lues 
hereditaria  tarda  (Fournier)  angetroffen  werden.  Aus  seiner 
eigenen  Erfahrung  teilte  er  zwei  Eälle  mit,  bei  denen  der  Osteitis 
deformans  völlig  entsprechende  Knochenbefunde  angetroffen 
wurden.  Besonders  schön  liess  sich  die  Erkrankung  an  Röntgen¬ 
bildern,  die  demonstriert  wurden,  verfolgen. 

In  dem  einen  Falle  (32  jährige  Dame)  hatte  die  Knochen¬ 
erkrankung  in  früher  Jugend  begonnen,  stetige',  langsame  Fort¬ 
schritte  gemacht  und  jetzt  schon  hochgradige  Verdickungen,  Ver¬ 
krümmungen  und  Strukturveränderungen  der  Tibia  veranlasst. 
Eine  Ursache  war  nicht  zu  eruieren.  Jodkali  brachte  allein  eine 
Linderung  der  subjektiven  Beschwerden  herbei. 

In  dem  2.  Falle  (9  jähriger  Knabe)  war  der  Knochenbefund 
der  gleiche  wie  im  ersten.  Nur  war  neben  den  unteren  Extremi¬ 
täten  der  Humerus  der  einen  Seite  affiziert.  Hier  hat  die  Unter- 


26.  August  1902. 


MUEN  CHEN  ER  MEDIC1NISCIIE  WOCHENSCHRIFT 


1439 


sucliung  der  Eltern  und  eine  bei  dem  Patienten  später  aufgetretene 
Iritis  die  hereditär  luetische  Natur  der  Erkrankung  aufgedeckt. 

Der  Vortragende  steht  nicht  an,  die  Knochenerkrankung  bei 
der  Osteitis  deformans  und  bei  der  Lues  hereditaria  tarda,  vom 
pathologisch-anatomischen  Standpunkte  betrachtet,  für  identisch 
zu  erklären. 

Und  doch  wird  von  Paget  und  allen  späteren  Autoren  die 
luetische  Natur  der  Osteitis  deformans  in  Abrede  gestellt.  Als 
wesentliche  Gründe  für  diese  Auffassung  werden  angeführt: 

1.  Das  Fehlen  sonstiger  luetischer  Symptome  bei  der 
Osteitis  deformans. 

2.  Die  Erfolglosigkeit  der  antiluetischen  Behandlung. 

3.  Das  späte  Auftreten  der  Erkrankung,  das  auch  die  An¬ 
nahme  einer  hereditären  Lues  ausschliessen  soll. 

Hiergegen  macht  der  Vortragende  geltend,  dass  auch  bei  der 
Lues  hereditaria  tarda  häufig  ausser  der  Knochenerkrankung 
anderweitige  Läsionen  vermisst  werden.  Sehr  wahrscheinlich 
ist  in  solchen  Fällen  eine  in  frühester  Kindheit  aufgetretene 
primäre  Lokalerkrankung  unbeachtet  geblieben,  was  sehr  wohl 
bei  der  Osteitis  deformans  auch  der  Fall  gewesen  sein  könnte. 
Ferner  bemerkt  er,  dass  die  Erfolglosigkeit  der  antiluetischen 
Behandlung  ein  unsicheres  Kriterium  für  die  Diagnose  luetischer 
Erkrankungen  abgiebt  und  führt  aus  der  Literatur  Fälle  an, 
bei  denen  neben  einer  typischen  Osteitis  deformans  zweifellose 
luetische  Affekte  bestanden,  die  gleichfalls  bei  der  antiluetischen 
Behandlung  unbeeinflusst  blieben. 

Vor  Allem  wandte  sich  der  Vortragende  gegen  die  Annahme, 
die  Osteitis  deformans  sei  eine  Erkrankung  ausschliesslich  des  [ 
höheren  Alters.  Auch  die  Lues  hereditaria  tarda  kann  erst 
aussergewöhnlich  spät,  ebenso  wie  die  Osteitis  deformans  ausser- 
gewöhnlich  früh  (eigene  Beobachtung)  in  die  Erscheinung  treten. 
Der  Vortragende  stellte  fest,  dass  in  etwa  70  Proz.  der  mit¬ 
geteilten  Fälle  von  Osteitis  deformans  die  Elongation  der 
langen  Röhrenknochen  erwähnt  wird.  Ueberaus  häufig  wurden 
Längendifferenzen  z.  B.  der  beiden  Tibiae  notiert,  die 
allein  auf  eine  Verlängerung  der  einen  Seite  zurückgeführt 
werden  darf.  Alle  diese  Befunde  deuten  darauf  hin,  dass  der 
Beginn  der  Erkrankung  in  die  Periode  des  epiphysären 
Längswachstumes  der  Röhrenknochen  zurückliegt,  wenn 
anders  nicht  ein  „interstitielles“  Längenwachstum  der  Röhren-  | 
knochen  supponiert  wird. 

Wenn  auch  der  Vortragende  weit  davon  entfernt  ist,  die 
Osteitis  deformans  als  eine  hereditär-luetische  Affektion  anzu¬ 
sprechen,  so  möchte  er  die  ihm  prinzipiell  wichtige  erscheinende 
Thatsache  festlegen,  dass  die  Osteitis  deformans  eine  Erkran¬ 
kung  darstellt,  die  in  den  Wachstums  jahren  anhebt 
und  erst  in  der  zweiten  Lebens  hälfte  ihre  wesentliche 
Blüte  zeitigt. 

Endlich  erwähnte  der  Vortragende  das  Vorkommen  von 
Osteitis  deformans-ähnlichen  Erkrankungen  bei  Tieren.  Er  de¬ 
monstrierte  ein  Skelett  eines  Huhnes  (aus  der  Sammlung  des 
College  of  Surgeons  London),  an  dem  die  langen  Röhrenknochen 
abenteuerliche  Auftreibungen  und  Verunstaltungen  erfahren 
hatten  und  besprach  die  von  D  o  r  (Revue  de  Chirurgie  1902, 
10.  April)  vertretene  Ansicht,  dass  die  „K 1  e  i  e  n  k  r  a  n  k  h  e  i  t“ 
des  Pferdes  eine  der  Osteitis  deformans  analoge  Krankheit  dar¬ 
stelle.  Der  Vortragende  verspricht  sich  von  einer  experimentellen 
Untersuchung  Aufschlüsse  über  die  zahlreichen,  bisher  un¬ 
erforschten  Probleme  der  Systemerkrankungen  des  Knochens. 

Im  Anschluss  an  den  obigen  Vortrag  demonstriert  Gold- 
m  a  n  n  zwei  Fälle  von  periostealem  Sarkom  der  Tibia,  in  denen 
er  mit  ausgezeichnetem  Erfolge  eine  konservative  Behandlung 
durchgeführt  hat.  Beide  Fälle  sind  vor  2  Jahren  operiert  worden. 

In  dem  ersten  Fall  befand  sich  das  Sarkom  im  oberen  Tibiadrittel. 
Nach  Resektion  der  betreffenden  Knochenpartie  wurde  die  unter¬ 
halb  ihres  Köpfchens  durchtrennte  Fibula  in  den  zentralen  Tibia¬ 
stumpf  implantiert  (Verfahren  von  II  a  h  n).  Es  trat  vollständige 
Fixation  ein:  jetzt  ist  die  implantierte  Fibula  fast  der  gesunden 
Tibia  an  Dicke  gleich.  (Durch  Röntgenaufnahmen  erwiesen.) 

Im  2.  Falle  wrar  das  Sarkom  am  unteren  Tibiadrittel  lokali¬ 
siert.  Die  Kontinuität  der  Tibia  wurde  nach  Entfernung  des  er¬ 
krankten  Abschnittes  dadurch  hergestellt,  dass  ein  entsprechendes 
Stück  der  Fibula  reseziert  und  die  Knochenenden  mit  Draht  ver¬ 
näht  wurden.  (Verfahren  von  v.  Bergman  n).  Die  anfangs  be¬ 
merkbare  Muskelatrophie  an  dem  verkürzten  Gliede  ist  durch  ent¬ 
sprechende  Behandlung  völlig  beseitigt  worden. 

(Autoreferat.) 


Herr  Stegmann:  a)  lieber  neuere  Operationsverfahren 
für  die  Entfernung  von  Halsdrüsen,  b)  Demonstrationen. 

Die  Tuberkulose  der  Halsdrüsen  ist  meist  die  erste  Lokali¬ 
sation  der  Tuberkulose  im  menschlichen  Körper;  die  Halsdrüsen 
bieten  den  ersten  Schutzwall  gegen  die  Tuberkelbazillen,  die  vom 
Luftstrom  in  Mund  und  Rachen  getragen  und  von  den  Lymph- 
bahnen  in  die  Lymphdrüsen  des  Halses  geführt  werden.  Vor¬ 
tragender  hat  die  Beobachtung  gemacht,  dass  sehr  häufig  bei  ein¬ 
seitiger  Erkrankung  der  Halsdrüsen  die  Lungenspitze  der 
gleichen  Seite  tuberkulös  affiziert  war.  Sind  daher  die  Drüsen 
des  Halses  tuberkulös  erkrankt,  so  empfiehlt  sich  eine  möglichst 
baldige  und  gründliche  Entfernung.  Die  Operation  der  Hals¬ 
drüsen  ist  nur  bei  Publikum  und  Arzt  in  Verruf  gerathen,  weil 
die  Operation  erstens  bei  Erkrankung  mehrerer  zerstreut  liegen¬ 
der  Drüsen  eine  entstellende  und  zweitens  in  Folge  der  Rezidive 
eine  unzulängliche  ist.  Es  empfiehlt  sich  daher  ein  Operations¬ 
verfahren,  wie  es  von  Dower  angegeben  ist,  wie  es  im  hiesigen 
Diakonissenhaus  seit  mehreren  Jahren  mit  dem  besten  kos¬ 
metischen  und  therapeutischen  Erfolg  angewandt  ist.  Das 
Wesentliche  des  Verfahrens  ist  die  Bildung  eines  Hautlappens, 
durch  welchen  die  Möglichkeit  gegeben  ist,  den  ganzen  Hals  frei¬ 
zulegen.  Der  Hautschnitt  verläuft  etwas  unterhalb  des  unteren 
Kieferrandes  bis  etwa  zur  Spitze  des  Proc.  mastoideus,  wendet 
sich  dort  in  langsamem  Bogen  nach  abwärts  zum  Vorderrand  des 
Kukullaris  und  endigt  etwas  oberhalb  der  Klavikula.  Der  ITaut- 
lappen  wird  nun  zurückpräpariert,  die  oberflächlichen  Drüsen 
entfernt  und  bei  Erkrankung  der  tieferen  Schicht  der  Muse, 
sternocleidomastoideus  etwa  in  seiner  Mitte  temporär  durchtrennt 
und  die  Vena  jugularis  von  den  sie  oft  völlig  einmauemden,  er¬ 
krankten  Drüsen  befreit.  Schliesslich  wird  der  N.  accessorius,  in 
dessen  Verlauf  fast  immer  erkrankte  Drüsen  zu  finden  sind, 
sauberpräpariert.  Auch  die  Fossa  supraclavicularis  ist  voll¬ 
ständig  zugänglich.  Bei  Ausräumung  der  Submaxillargegend 
entsteht  öfters  eine  entstellende  Schiefstellung  des  Mundes,  die 
durch  die  Durchtrennung  der  mit  der  Art.  und  Vena  maxillaris 
ext.  emporsteigenden  Anastomose  des  N.  cervicalis  I  und  des 
Ramus  marginalis  des  N.  facialis  bedingt  ist.  Diese  Schief¬ 
stellung  zu  beseitigen,  wurde  nachträglich  auf  der  anderen  Seite 
die  Maxillaris  ext.  freigelegt  und  ein  etwa  1  cm  langes  Stück 
der  Anastomose  mit  vollem  kosmetischem  Erfolg  reseziert;  es 
gleicht  sich  übrigens  die  Schiefstellung  des  Mundes  nach  Jahren 
spontan  aus.  —  Der  Vortragende  demonstriert  nun  einige  Pa¬ 
tienten,  an  welchen  die  Operation  mit  bestem  Resultat  in  kos¬ 
metischer  und  therapeutischer  Beziehung  ausgeführt  wurde. 
Ausserdem  macht  er  an  der  Hand  mehrerer  Fälle  auf  die  vorzüg¬ 
lichen  Ergebnisse  des  Kocher  sehen  Kragenschnittes  bei 
Kropfoperationen  aufmerksam  und  führt  zuletzt  einen  inter¬ 
essanten  Fall  von  Thyreoptose  mit  intrathorazischer  Struma  vor, 
bei  welchem  die  Resektion  des  tief  hinter  dem  Sternum  sitzenden 
hühnereigrossen  Knotens  durch  Emporziehen  mittels  Seidenliga¬ 
turen  gelang,  die  mit  langen  Nadelhaltern  durch  die  Struma  ge¬ 
legt  waren.  (Autoreferat.) 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  8. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  14.  Mai  1902. 

V orsitzender :  Herr  G  e  n  z  m  e  r. 

Herr  Sobernheim:  Die  neueren  Anschauungen  auf 
dem  Gebiete  der  Lehre  von  der  Immunität. 

Seitdem  Pasteur  zuerst  die  Möglichkeit  der  Immuni¬ 
sierung  mit  Hilfe  abgeschwächter  Bakterienkulturen  gezeigt  hatte, 
ist  man  auf  diesem  Wege  alsbald  in  erfolgreicher  Weise  vor¬ 
gegangen  und  hat  für  die  meisten  Infektionserreger  ganz  all¬ 
gemein  die  Tatsache  bestätigt  gefunden,  dass  Tiere,  denen  zu¬ 
nächst  eine  krankmachende  Dosis  eines  pathogenen  Mikroorganis¬ 
mus  einverleibt  wird,  nach  Ablauf  der  Reaktion  über  deutliche 
Immunität  verfügen. 

Vortragender  bespricht  die  verschiedenen,  früher  zur  Er¬ 
klärung  der  erworbenen  bezw.  künstlich  erzeugten  Immunität 
gegebenen  Hypothesen,  weist  deren  Unhaltbarkeit  nach  und  zeigt, 
dass  erst  durch  die  Arbeiten  Behrings  und  E  h  r  1  i  c  h  s  der 
entscheidende  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  des  Immunitäts¬ 
phänomens  gewonnen  wurde.  Die  weitere  Forschung  deckte  be- 


1440 


No.  34. 


MUENCHENER  MEDIOINISC1IE  WOCHENSCHRIFT. 


merkenswerte  Unterschiede  in  dem  Charakter  der  Immunität  bei 
den  verschiedenen  Infektionen  auf  und  liess  die  Notwendigkeit 
zu  Tage  treten,  den  Zustand  eigentlicher  Infektions- 
festigkeit  von  dem  der  Giftfestigkeit,  antibak¬ 
terielle  Immunität  von  antitoxischer,  antibak¬ 
terielle  Immunsera  von  antitoxischen  Seris 
streng  zu  scheiden.  Die  Ergebnisse,  zu  denen  das  von  zahlreichen 
Forschern  unternommene  Studium  der  Eigenschaften,  Herkunft 
und  Wirkungsweise  der  spezifischen  Schutzstoffe  des  Immun¬ 
serums  führte,  veranlassen  Ehrlich  schliesslich  zur  Auf¬ 
stellung  seiner  bekannten  Seitenkettentheorie. 

Diese  Ehrlich  sehe  Hypothese  wird  an  der  Hand  schema¬ 
tischer  Zeichnungen  vom  Vortragenden  ausführlich  erläutert 
und  deren  experimentelle  Begründung  sowohl  für  die  anti- 
toxischen  als  auch  für  die  antibakteriellen  Immunsera  im  ein¬ 
zelnen  dargetan.  Im  besonderen  wird  betont,  wie  dadurch  die 
früher  scheinbar  unvermittelt  sieh  gegenüberstehenden  Anschau¬ 
ungen  von  dem  bakteriellen  Ursprung  der  spezifischen  Antikörper 
einerseits,  ihrer  Erzeugung  durch  den  tierischen  Organismus 
andererseits  in  befriedigender  Weise  in  Einklang  gebracht  und 
dem  Verständnis  näher  geführt  worden  sind. 

Den  Schluss  des  Vortrages  bildete  der  Hinweis  auf  die 
physiologisch  bedeutsame  Tatsache,  dass  die  bei  der  Bakterien¬ 
immunität  gemachten  Erfahrungen  sich  nicht  auf  dieses  eng  um¬ 
grenzte  Gebiet  nur  beschränken,  vielmehr  allgemeine  Gültigkeit 
besitzen,  insofern,  als  der  Organismus  auf  die  Einverleibung  der 
allerverschiedensten  Zellelemente,  ja  auch  auf  die  Zufuhr  ge¬ 
wisser  gelöster,  eiweissartiger  Substanzen  mit  der  Erzeugung  von 
Gegenstoffen  zu  antworten  pflegt.  Die  Analogie  der  antitoxischen 
und  antibakteriellen  Immunsera  mit  den  immunisatorisch  er¬ 
zeugten  Hämolysinen,  Präzipitinen  u.  s.  w.  hat  der  Ehrlich- 
scheu  Hypothese  nicht  nur  eine  neue  und  sehr  wichtige  Stütze, 
sondern  zugleich  auch  den  Charakter  einer  Lehre  von  allgemeiner 
physiologischer  Bedeutung  verliehen. 

Besprechung:  Herr  Weher  wirft  die  Frage  auf,  oh 
die  Bakterien  als  solche  oder  nur  ihre  Gifte  als  die 
eigentliche  Ursache  der  Krankheit  anzusehen  seien. 

Herr  Sobernheim  erwidert,  dass  ohne  Zweifel  letzteres 
der  Fall,  da  man  im  stände  sei,  aus  Bakterienkulturen  Giftstoffe 
zu  gewinnen,  welche  genau  die  gleiche  spezifische  Erkrankung 
liervorrüfen,  wie  die  lebenden  Infektionserreger.  Auch  wo  der 
Nachweis  derartiger  Giftstoffe  bisher  nicht  gelungen,  sei  deren 
Existenz  doch  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen. 

Herr  Weber  hebt  hervor,  dass  wir  diese  Gifte  aber  bisher 
nicht  in  chemisch  greif  b  a  r  e  r  Form  darstellen,  sondern 
nur  Beobachtungen  über  ihre  Wirkungen  machen  können.  Die 
Lehre  von  den  Toxinen  und  Antitoxinen  ist  daher  noch  eine  Hypo¬ 
these,  wenn  auch  eine  sehr  wahrscheinliche  und  der  Gewissheit 
nahe  kommende.  Eine,  wenn  auch  nicht  vollkommene,  Immunität 
gegen  manche  Gifte  kann  durch  langsame  Ge  wöhnung  an  die¬ 
selben  erzeugt  werden.  Hier  kennt  man  die  chemische  Zusammen¬ 
setzung  der  Gifte,  weiss  aber  nicht,  welche  Veränderungen  im 
Körper  die  Immunität  herbeiführen,  z.  B.  bei  Arsenik,  Nikotin; 
Alkohol.  Bestehe  liier  eine  Analogie  mit  der  durch  die  Bakterien¬ 
gifte  hervorgerufenen  Immunität? 

Herr  Sobernheim  bestreitet,  dass  wir  es  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  künstlich  erzeugten  bezw.  erworbenen  Bakterien¬ 
immunität  nur  mit  Theorien  zu  tun  hätten.  Es  sei  hier  vielmehr 
ein  ganz  gewaltiges  Tatsachenmaterial  während  der 
letzten  Jahre  zusammengetragen  worden  und  nur  die  Erklä¬ 
rung  sei  vielfach  mehr  oder  weniger  hypothetischer  Natur. 
Wenn  man  die  Gifte  und  die  mit  ihnen  wohl  unmittelbar  iden¬ 
tischen  immunisierenden  Substanzen  auch  noch  nicht  in  chemisch 
reiner  Form  habe  gewinnen  können,  so  sei  man  doch  im  stände, 
mit  ihnen  auf  das  genaueste  zu  experimentieren. 

Die  G  e  w  öhnung  an  das  Arsen  und  ähnliche  Stoffe  sei 
k  eine  echte  I  m  m  u  n  i  t  ä  t  und  führe  nicht  zur  Entwickelung 
von  spezifischen  Antikörpern  im  Blut  der  betreffenden  Individuen. 
1  >as  letztere  sei  eben  das  charakteristische  Merkmal  für  die 
eigentliche,  durch  Bakterien  erzeugte  Immunität. 

Herr  Genzme  r  wirft  die  Frage  auf,  ob  denn  nicht  bei  der 
Behandlung  mit  chemischen  Giften  oder  bei  fortgesetztem  Genuss 
derselben  doch  auch  im  Blute  oder  Serum  der  Tiere  ähnliche  Ver¬ 
änderungen  nachgewiesen  werden  könnten,  wie  nach  der  Ein¬ 
führung  von  Bakteriengiften  mit  analogen  Eigenschaften. 

Herr  Sobern  li  e  i  m  verneint  das  im  allgemeinen  auf  das 
entschiedenste,  wie  z.  B.  Versuche  mit  Tetanustoxin  auf  der  einen, 
mit  Strychnin  auf  der  anderen  Seite  gezeigt  hätten.  Beide  Zu¬ 
stände  müssen  streng  auseinander  gehalten  werden.  Die  Gewöh¬ 
nung  an  Alkohol,  Morphium,  Kokain  etc.  lässt  keine  spezifischen 
Antikörper  im  Blute  entstehen.  Nur  gewisse  Giftstoffe  eiweiss- 
a  r  t  i  g  e  r  Natur  (Schlangengift,  Abrin,  Iticin  etc.)  verhalten  sich 
hier  ähnlich  wie  die  Bakteriengifte,  indem  sie  die  Möglichkeit  der 
Immunsierung  und  Antitoxinerzeugung  bieten. 


Herr  Nebel  thau  bezweife’t.  ob  die  vom  Vortragenden  er¬ 
wähnten  Versuche  von  Wassermann  in  der  Tat  für  die 
E  h  r  1  i  c  li  sehe  Theorie  verwendet  werden  könnten. 

Herr  R  i  s  e  1  wünscht  zu  erfahren,  welche  Zellen  des  Tier¬ 
körpers  denn  eigentlich  der  spezifischen  Beeinflussung  unterliegen. 

Herr  Sobernhei  m  erwidert,  dass  das  wahrscheinlich  für 
jedes  Gift  besondere  Zellen  seien;  freilich  sei  das  bisher  noch  nicht 
mit  Bestimmtheit  für  alle  Infektionskrankheiten  ermittelt;  bei 
dem  Typhus  und  bei  der  Cholera  seien  als  Bildungsstätte  für  die 
Antikörper  namentlich  das  Knochenmark  und  die  Milz  anzusehen, 
bei  dem  Tetanus  wahrscheinlich  Gehirn  und  Rückenmark. 

Die  Wassermann  sehen  Versuche  zeigen  freilich  noch  eine 
Lücke;  es  fehlt  der  endgültige  und  einwandfreie  Nachweis, 
dass  die  im  Gehirn  des  normalen  Tieres  vorhandenen  Stoffe  die¬ 
selben  seien  wie  die  im  Immunserum  gefundenen. 

Herr  Tsclier  m  a  k  hebt  hervor,  dass  die  Ehrlich  sehe 
Theorie  von  der  anpassungsweisen  inneren  Sekretion  der  Immun¬ 
körper  sehr  gut  übereinstimme  mit  unseren  neueren  Kenntnissen 
von  der  anpassungsweisen  äusseren  Sekretion  im  Intestinaltrakt 
und  mit  dem  plausiblen  Gedanken  an  eine  gleichfalls  anpassungs¬ 
weise  innere  Sekretion  überhaupt.  Die  Idee  der  quantitativen  und 
qualitativen  Anpassung  der  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen  und  die 
Idee  der  spezifischen  Reizbarkeit  derselben  (Pawlow)  haben  die 
Physiologie  der  Sekretion  völlig  umgestaltet.  Zwischen  den 
Immunkörpern  und  den  Fermenten  bestehen  mehrfache  Analogien, 
so  die  spezifische  Beziehung  zwischen  Ferment  und  Substrat 
(E.  Fischer).  Einen  Unterschied  bedeutet  vielleicht  das  Ge¬ 
bundenwerden  der  Immunkörper,  während  die  katalytisch  wirk¬ 
samen  Seitenketten  der  Fermente  anscheinend  am  Eiweisskern 
haften  bleiben.  Doch  scheinen  sich  künstlich  die  wirksamen 
Seitenketten  bestimmter  Fermente,  so  jene  des  Trypsins  (Hüfner) 
und  der  Diastase  (Barth-Zulkowsk  i),  abspalten  zu  lassen, 
ohne  ihre  Wirksamkeit  zu  verlieren. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  17.  J  uni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  E.  Fraenke  1. 

Schriftführer :  Herr  Molt -recht. 

I.  Demonstrationen: 

1.  Herr  Molt  recht  demonstriert  Magen  und  Duodenum 
eines  7  j  ä  hrigen  Mädche  n  s,  welches  an  Blutung'  aus  einem 
Ulcus  duodeni  zu  Grunde  gegangen  war.  Die  Pat.  litt  an  einer 
eitrigen  Wurmfortsatzerkrankung,  welche  zur  Peritonitis  geführt 
hatte.  Der  Tod  war  ganz  plötzlich  erfolgt,  nachdem  reichlich 
schwarzes  Blut  durch  den  Stuhl  abgegangen  war.  Bei  der  Ob¬ 
duktion  fand  sich  neben  der  Peritonitis  etc.  im  Magen  ein  über 
mannesfaustgrosser,  schwarzroter  Blutklumpen,  welcher  einen  völ¬ 
ligen  Ausguss  des  Magens  darstellte,  desgleichen  ein  Ausguss  des 
Duodenums,  ferner  noch  reichlich  Blut  in  den  tieferen  Darm¬ 
abschnitten.  ln  der  Magenschleimhaut,  nahe  der  Einmündung  der 
Speiseröhre,  lag  ein  schmales,  etwa  1(4  cm  langes,  scharf  räudiges 
Geschwür,  in  dessen  glattem  Grunde  die  Muskularis  sichtbar  war. 
Ein  zweites,  bohnengrosses  Geschwür  von  gleichem  Bau  fand  sich 
im  Pylorusring.  Aus  beiden  konnte  eine  so  profuse  Blutung  nicht 
erfolgt  sein.  Etwa  1(4  ein  unterhalb  des  Pylorus  fand  man  da¬ 
gegen  ein  kreisrundes,  etwa  %  cm  im  Durchmesser  betragendes, 
kraterförmiges  Geschwür  mit  derben,  glatten,  etwas  erhabenen 
Rändern  und  glattem,  die  Muskularis  blosslegendem  Grunde, 
dessen  Umgebung  nichts  Besonderes  darbot.  Im  Grunde  des  Ge¬ 
schwürs  lag  eine  in  Stecknadelkopfgrösse  arrodierte,  für  eine  feine 
Sonde  bequem  durchgängige  Arterie,  welche  sich  als  Arteria 
gastro-duodenalis  erwies.  Aus  dieser  hatte  also  die  Blutung  statt¬ 
gefunden.  Auffallend  ist  bei  diesem  Fall  das  geringe  Alter  der 
Pat.,  das  multiple  Auftreten  von  Magen-  und  Darmgeschwüren 
und  das  Vorkommen  eines  Duodenalgeschwürs  beim  weiblichen 
Geschlecht,  welches  beim  Manne  etwa  10  mal  häufiger  auftritt 
als  bei  der  Frau.  Das  vorliegende  Ulcus  hat  mit  der  Peritonitis 
und  der  Wurmfortsatzerkrankung  nichts  zu  tun,  sondern  ent¬ 
spricht  in  seinem  Bau  durchaus  einem  alten,  typischen  Ulcus  ex 
digestione. 

Herr  E.  Eraenkel  berichtet  über  grosse  Metastasen,  die 
von  einem  nur  kleinen  primären  Karzinom  ausgegangen  sind. 
Solange  diese  Metastasen  innere  Organe  betreffen,  sind  sie  von 
geringer  praktischer  Bedeutung,  anders  aber,  wenn  es  sich  um 
leicht  zu  palpierende  Gegenden  handelt,  wie  Hals  und  Leisten¬ 
gegend.  Herr  Fr.  will  heute  nur  über  die  sekundären  Karzinome 
der  Halsregion  reden.  Man  findet  oft  grosse  Tumoren  der  Hals- 
lymphdrüsen,  deren  Natur  durch  Probeexzision  festgestellt  wer¬ 
den  muss.  Handelt  es  sich  dann  um  Karzinome,  so  ist  die  se¬ 
kundäre  Natur  des  Tumors,  der  durch  seine  Grösse  oft  das  ganze 
Krankheitsbild  beherrscht,  bewiesen  und  es  bedarf  nun  einer  ge¬ 
nauen  Untersuchung  der  Wurzelgebiete  dieser  Lymplidrüsen.  Es 
gelingt  oft  nicht,  den  primären  Tumor  zu  finden,  da  er  sehr  ver¬ 
steckt  liegen  kann,  wie  z.  B.  im  Sinus  piriformis,  und  da  oft  nur 
einer  kleine  primäre  Geschwulst  vorliegt,  welche  grosse  Drüsen¬ 
metastasen  gemacht  haben  kann.  So  hat  F.  einen  Fall  gesehen, 
bei  welchem  eine  Ausräumung  der  Halsdrüsen  einer  Seite  vor¬ 
genommen  wurde  und  wo  man  dann  bei  der  Obduktion  (Pat.  starb 
an  einer  Blutung")  ein  primäres  Karzinom  der  Epiglottis  fand. 


26.  August  1902. 


MUENCHEHER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1441 


Ein  weiterer  Sitz  solch  kleiner,  versteckter  Tumoren  kann 
der  Oesophagus  sein.  Fr.  legt  den  Oesophagus  eines  Mannes  vor, 
welcher  zwischen  den  Köpfen  des  Sterno-cleido-mastoideus  eine 
Geschwulst  aufwies,  die  inzidiert,  später  entfernt  wurde.  Mikro¬ 
skopisch  handelte  es  sich  um  Plattenepithelkrebs.  Schon  nach 
3  Wochen  waren  grosse  lokale  Rezidive  vorhanden,  nach  8  Wochen 
erfolgte  der  Tod.  Bei  der  Obduktion  fand  sich  der  vorliegende 
kleine,  warzige  Tumor  des  Oesophagus  an  der  Bifurkationsstelle. 
Da  keine  Stenose,  keine  Schluckbeschwerden  vorhanden  waren, 
ist  es  erklärlich,  dass  die  Aufmerksamkeit  sich  nicht  auf  den 
Oesophagus  gerichtet  hatte. 

Ein  anderer  Pat.  zeigte  zunächst  als  einziges  Symptom 
Drüsenschwellung  am  Halse,  später  Lähmungen  in  beiden  Armen. 
Man  diagnostizierte  einen  malignen  Tumor  der  Wirbelsäule.  Die 
Obduktion  ergab  nun  ausser  den  schon  makroskopisch  als  Krebs¬ 
metastasen  imponierenden  Drüsenschwellungen  ein  kleines  Kar¬ 
zinom  des  Oesophagus,  ebenfalls  an  der  Bifurkation  (Demon¬ 
stration).  Es  handelt  sich  hier  um  die  infiltrierende  Form  des 
Karzinoms.  Durch  Ueberwuchern  ltrebsiger  Drüsen  auf  die 
Wirbelsäule  ist  es  zu  einer  schweren  Zerstörung  der  letzteren  ge¬ 
kommen.  2  Wirbel  am  Uebergang  von  Hals-  in  Brustwirbel¬ 
säule  sind  völlig  vernichtet  und  ein  starker  Gibbus  daselbst  ent¬ 
standen.  Sehr  gut  illustriert  diese  Knochenveränderung  die  de¬ 
monstrierte  Röntgenplatte.  Am  stärksten  sind  der  7.  Hals-  und 

1.  Brustwirbel  zerstört,  die  anderen  sind  stark  komprimiert. 

Fr.  hält  es  für  angezeigt,  da,  wo  Drüsentumoren  am  Halse 
auftreten,  vor  ihrer  Exstirpation  eine  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  vorzunehmen,  um  entscheiden  zu  können,  ob  nicht  nur 
Metastasen  vorliegen.  Zu  achten  ist  darauf,  dass  die  Probe¬ 
exzision  in  gehöriger  Tiefe  vorgenommen  wird.  Findet  man  dann 
Karzinom,  so  ist  es  ja  sicher,  dass  man  Metastasen  vor  sich  hat, 
schwerer  ist  die  Entscheidung  beim  Sarkom. 

Diskussion:  Herr  S  i  m  m  onds  hat  ebenfalls  mehrfach 
die  Erfahrung  gemacht,  dass  Lyinphdrüsentumoren  am  Halse  sich 
bemerkbar  machten,  bevor  die  primäre  Geschwulst  in  Kehlkopf 
und  Rachen  gefunden  war.  Ein  paarmal  gab  der  mikroskopische 
Nachweis  eines  Kankroids  in  den  Drüsen  erst  den  Anlass  zu 
einer  genaueren  Revision  jener  Organe.  Kürzlich  bekam  er  eine 
eiterähnliche  Flüssigkeit  aus  einem  spontan  perforierten  Abszess 
am  Halse  zu  untersuchen;  mikroskopisch  fand  sich  erweichter 
Plattenepithelkrebs.  Erst  dann  wurde  bei  genauer  Inspektion  des 
Kehlkopfeingangs  der  primäre  Tumor  entdeckt. 

Herr  Edlefsen  fragt,  wie  häufig  von  den  Anatomen 
Drüsenmetastasen  am  Hals  bei  Magenkrebsen  beobachtet  werden. 

Herr  Schottmüller  hat  einen  Fall  gesehen,  bei  dem  die 
Drüsengeschwulst  am  Halse  als  Abszess  imponierte,  bis  eine  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  ihre  krebsige  Natur  ergab.  Der  Pat. 
ging  dann  nach  1(4  Jahren  an  Oesophaguskrebs  zu  Grunde. 

Herr  Fraenkel:  Man  beobachtet  nicht  selten  schon  sehr 
frühzeitig  bei  Oesophagus-  und  Magenkrebsen  Drüsenmetastasen 
in  den  Supraklavikulardriisen  und  zwar  besonders  links,  wie  schon 
von  Virchow  angegeben.  Die  Drüsen  sind  oft  gar  nicht  gross, 
doch  sehr  hart,  so  dass  man  schon  bei  diesem  Befunde  bisweilen 
die  Diagnose  auf  Magen-  oder  Oesophaguskrebs  stellen  kann,  wie 
es  ihm  selbst  bisweilen  bei  Obduktionen  gelungen  ist. 

Herr  Simmonds:  Ueber  Nebennierenblutungen.  (Der 
Vortrag  wird  in  extenso  publiziert.) 

Vortr.  kommt  auf  Grund  von  Beobachtungen  von  12  Fällen 
und  der  in  der  Literatur  gemachten  Mitteilungen  zu  folgenden 
Resultaten : 

1.  Kleine  Ekchymosen  der  Nebennieren  kommen  bei  ver¬ 
schiedenen  Infektionskrankheiten  häufig  vor  und  sind  als  toxische 
Blutungen  aufzufassen. 

2.  Hämorrhagische  Infarzierung  beider  Nebennieren  führt 
oft  unter  peritonitisartigen  Erscheinungen  zum  Tode.  Der 
Symptomenkomplex  kann  indes  auch  fehlen. 

3.  Nebennierenblutungen  können  gelegentlich  zu  mächtigen, 
operative  Eingriffe  bedingenden  Hämatomen  führen. 

4.  Nebennierenblutungen  kommen  unter  folgenden  Beding¬ 
ungen  vor: 

a)  durch  traumatische  Einflüsse  (hierher  sind  auch  die  bei 
Neugeborenen  beobachteten  Blutungen  meist  zu  rechnen) ; 

b)  bei  hämorrhagischer  Diathese; 

c)  durch  Nebennierenvenenthrombose; 

d)  durch  bakterielle  Kapillarembolien. 

Die  Venenthrombose  stellt  die  häufigste  Ursache  dar;  näclist- 
dem  am  häufigsten  veranlassen  die  Kapillarembolien  Blutungen. 

5.  Die  Thrombosen  können  Stamm  oder  Hauptäste  der  Neben- 
merenvene  betreffen,  sie  kommen  in  beiden  oder  nur  in  dem  rechts¬ 
seitigen  Organ  vor.  Sie  sind  als  marantische  Thrombosen  auf¬ 
zufassen,  kommen  in  der  Regel  nur  bei  chronisch  erkrankten  In¬ 
dividuen  vor.  Die  eigenartige  Gefässverteilung  der  Nebennieren 
begünstigt  ihre  Entstehung.  Eine  primäre  Nebennierenerkran¬ 
kung  liegt  in  derartigen  Fällen  nicht  vor. 

6.  Auf  Bakterienembolien  beruhende  Blutungen  wurden  auch 
111  Fällen  beobachtet,  wo  weder  klinisch  noch  anatomisch  eine 


septische  Erkrankung  nachgewiesen  worden  war.  In  allen  der¬ 
artigen  I  ällen  ist  daher  das  Organ  auf  Bakterien  zu  untersuchen. 

(.  Einseitige  Nebennierenblutungen  können  nach  Resorption 
des  Extravasats  zu  Verödung  des  Organs  führen. 

Diskussion:  Herr  Lau  enstein  fragt,  ob  Herr  S. 
auch  die  malignen  Tumoren  bei  seinen  Untersuchungen  berück¬ 
sichtigt  habe,  ferner  ob  bei  den  durch  Blutungen  bedingten  Zer¬ 
störungen  der  Nebenniere  Bronce-skin  beobachtet  sei. 

Herr  S  c  h  o  1 1  m  ii  1 1  e  r  beobachtete  einen  akut  erkrankten 
und  im  Kollaps  zu  Grunde  gegangenen  Mann,  dessen  Sektion 
ausser  hämorrhagischer  Infarzierung  beider  Nebenniei*en  gar 
nichts  ergab.  Die  Erklärungen,  die  Herr  Simmonds  gegeben 
hat,  erscheinen  ihm  sehr  einleuchtend.  Nur  das  möchte  er  be¬ 
tonen,  dass  alle  die  Fälle,  in  denen  durch  die  Thrombose  beide 
Nebennieren  ausgeschaltet  werden,  wohl  bald  zu  Grunde  gehen. 
Nur  diejenigen  können  ausheilen,  wo  ein  Rest  normalen  Gewebes 
bleibt,  welcher  die  Funktion  übernehmen  kann.  Herrn  Lauen- 
stein  bemerkt  er,  dass  bei  so  plötzlich  auftretenden  Zerstörungen 
der  Nebennieren  eine  Bronzehaut  wohl  nicht  zur  Entwicklung 
kommen  könne. 

Herr  Philipp:  M.  H.!  Ich  habe  hier  das  Präparat  eines 
Falles  von  Nebennierenblutung  beim  Neugeborenen,  das  im  Hafen¬ 
krankenhause  zur  Sektion  kam. 

Die  kleineren  Hämotrhagien  der  Nebenniere  in  den  Leichen 
von  Fötus  und  Neugeborenen  sind  sehr  häufig;  Maf  fei  fand  bei 
90  Früchten  75  mal  teils  Kongestion,  teils  Apoplexien,  ich  selbst 
habe  mehrere  Früchte  daraufhin  untersucht  und  vermisste  bei 
keiner  eine  kleine  Apoplexie.  Ueber  umfangreichere  Blutungen 
jedoch,  die  die  Grösse  der  Nebennieren  verändern,  liegen  nur  ver¬ 
einzelte  Mitteilungen  vor  und  zwar  von  Maf  fei,  Steffens, 
F  i  e  d  1  e  r,  A  li  1  f  e  1  d  und  Besser,  In  den  Fällen  von 
Fiedle  r  und  A  h  1  f  e  1  d  war  die  apoplektisclie  Nebenniere  von 
Hühnereigrösse,  in  dem  Fall  von  Besser,  den  Sie  hier  im  Atlas 
der  gerichtlichen  Medizin  abgebildet  sehen,  etwas  kleiner.  In 
unserem  Fall  ist.  sie  gut  hühnereigross.  Die  Blutung  hat  hier, 
wie  die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  in  das  Parenchym 
stattgefunden.  Die  Substanz  der  Nebennieren  ist  durch  dieselbe 
auseinandergerissen  worden,  so  dass  wir  an  verschiedenen  weit 
von  einander  entfernten  Teilen  Bruchstücke  derselben  finden.  Die 
linke,  in  ihrer  Grösse  normale  Nebenniere  zeigt  mikroskopisch 
Spuren  von  Blutungen. 

Aus  der  Anamnese  unseres  Falles  ist  bemerkenswert,  dass, 
nach  Angabe  der  Hebamme,  die  Geburt  eine  ziemlich  schwere  war; 
das  Kind  kam  stark  aspliyktisck  zur  Welt,  erholte  sich  jedoch  in 
einigen  Tagen  ganz  gut.  Am  5.  Lebenstage  bemerkte  die  Heb¬ 
amme,  dass  es  etwas  blass  aussah,  sich  aber  ganz  wohl  befand. 
Am  Abend  dieses  Tages  begann  es  plötzlich  zu  keuchen  und  zu 
zucken,  dazu  kam  eine  Art  Krampf  und  im  Verlaufe  einer  halben 
Stunde  starb  es. 

Aus  dem  Sektionsberichte  ist  hervorzuheben,  dass  sich  in 
der  Bauchhöhle  eine  grössere  Menge  flüssigen  Blutes  fand.  Zahl¬ 
reiche  kleine  Blutungen  zeigten  sich  auf  den  Schädeldeckknochen, 
einige  kleine  auf  der  Oberfläche  des  Herzens,  im  vorderen  Mittel¬ 
fellraum  und  auf  dem  Zwerchfell. 

Für  die  Entstehung  der  Nebennierenblutung  beim  Neu¬ 
geborenen  werden  verschiedene  Ursachen  angegeben:  Zunächst 
der  Geburtsakt  selbst,  während  dessen  der  periphere  Kreislauf 
gehemmt  wird,  so  dass  sich  in  den  inneren  Organen,  besonders 
in  der  Bauchhöhle,  das  Blut  staut.  Jeder  Druck  auf  die  Leber 
und  damit  auf  die  Vena  cava  hindert  den  Rückfluss  aus  den 
Nebennierengefässen  noch  mehr.  Da  die  Nebennieren  die  weich¬ 
sten  Organe  des  Unterleibes  sind,  so  entsteht  hauptsächlich  in 
ihnen  Kongestion  und  Blutung.  Eine  schwere  und  langdauernde 
Geburt  wird  dieses  Moment  noch  verstärken. 

In  gleicher  Weise  wirkt  eine  allgemeine  venöse  Stauung  in¬ 
folge  mangelhafter  Entwicklung  des  Lungenkreislaufes. 

In  unserem  Fall,  wo  nach  schwerer  Geburt  ein  stark 
asphyktisches  Kind  geboren  wurde,  wirken  diese  beiden  Momente 
zusammen. 

Ferner  werden  noch  als  ursächlich  angesehen:  Fettdegene¬ 
ration  und  Amyloiddegeneration  der  Nebennieren  und  zufällige 
Momente,  wie  Thrombose  der  Nierenvene,  die  Reposition  eines 
Nabelbruches. 

Klinisch  sind  die  Symptome  der  Blutung  zu  ungenau,  um 
zu  einer  sicheren  Diagnose  zu  führen,  wenn  nicht  auf  beiden 
Seiten  deutlich  ein  Tumor  in  der  Nierengegend  zu  palpieren  ist. 

Bei  dem  Fehlen  aller  anderweitigen  Krankheitssymptome 
wird  man  jedoch  bei  plötzlichem  Tode  eines  Neugeborenen  in  den 
ersten  Lebenstagen  an  die  Nebennierenblutung  denken  müssen. 

Bei  der  Sektion  kann,  wie  in  unserem  Fall,  zu  einem  Irrtum 
leicht  Anlass  gegeben  werden,  indem  der  Verdacht  einer  Neu¬ 
bildung  nahe  liegt. 

Herrn  Lochte  ist  es  aufgefallen,  dass  bei  langem  Liegen 
der  Leichen,  wobei  sich  Gasorgane  bilden,  die  Nebennieren  am 
ehesten  und  stärksten  von  der  Gasfäulnis  ergriffen  werden.  Das 
Nebennierenparenchym  und  seine  Gefässe  sind  sehr  leicht  zer- 
reisslich,  weshalb  gerade  in  diesem  Organ  leicht  Blutungen  zu 
stände  kommen. 

Herr  E.  F  r  aenlcel  fragt  Herrn  S  i  m  m  o  n  d  s,  ob  seine 
Sektionstechnik  bei  den  Nebennieren  von  der  üblichen  (dem  Durch¬ 
schneiden  in  situ)  abweicht.  Er  selbst  habe  nur  wenige  Er¬ 
fahrungen  über  Nebennierenblutungen.  Grössere  Hämorrhagien 


1442 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


■würden  der  Beobachtung  natürlich  auch  beim  einfachen  Durch¬ 
schneiden  des  Organs  nicht  entgehen,  aber  auch  davon  habe  er 
nur  einen  Fall  gesehen,  in  dem  es  ausserdem  sekundär  zur  Bil¬ 
dung  von  Knochen  in  dem  hämorrhagischen  Herd  gekommen  sei. 
Weiter  fragt  er  Herrn  S  i  m  m  o  n  d  s,  wie  sich  bei  grossen  Neben¬ 
nierenblutungen  das  Ganglion  coeliacum  verhalte.  Bei  den  durch 
Tuberkulose  verursachten  Zerstörungen  der  Nebennieren  fänden 
sich  doch  oft  hochgradige  Veränderungen  in  diesem  Ganglion. 

Mit  der  Erklärung  des  Herrn  S  i  m  m  o  n  d  s,  dass  die  Throm¬ 
bosen  für  die  Blutungen  verantwortlich  gemacht  werden  müssen, 
ist  Fr.  nicht  einverstanden.  Er  hält  diese  Thromben  nicht  für 
marantische,  denn  sonst  sei  es  doch  auffallend,  dass  in  anderen, 
sonst  bevorzugten  Venen,  wie  den  Schenkelvenen,  keine  Thromben 
vorhanden  gewesen  seien.  Seiner  Ansicht  nach  ist  es  umgekehrt: 
Erst  entstehen  die  Blutungen  und  durch  sie  wird  die  Thromben¬ 
bildung  veranlasst.  Nur  bei  akuter  Entstehung  von  Thromben 
könne  man  sich  auch  das  Auftreten  von  Blutungen  erklären,  des¬ 
halb  müsse  man  nachselien,  ob  hier  ältere  oder  frische  Thromben 
vorliegen. 

Herrn  Lochte  gegenüber  betont  Fr.  den  Unterschied  zwi¬ 
schen  den  durch  Fäulnis  entstandenen  lufthaltigen  Organen  und 
den  durch  den  Bac.  emphysem.  bedingten  sog.  „Schaumorganen“. 
Bei  letzteren  werden  die  Nebennieren  gerade  äusserst  selten  be¬ 
troffen.  Fr.  hat  bei  menschlichen  Nebennieren  niemals  solche  Gas¬ 
bildung  beobachtet.  Wichtig  ist  die  leichte  Zerreisslichkeit  des 
Organs,  auf  welche  Herr  Lochte  hingewiesen  hat.  Die  Neben¬ 
niere  ist  im  Bereich  der  Marksubstanz  oft  so  weich,  dass  man  sie 
wie  ein  Buch  auseinanderklappen  kann. 

Herr  Lochte  wollte  nicht  über  die  durch  den  Bac.  em- 
physem.  bedingten  Schaumorgane  reden,  sondern  nur  über  die 
Gasentwicklung  durch  Fäulnis,  wobei  mehrere  Bakterien,  beson¬ 
ders  Bact.  coli,  beteiligt  sind,  und  erwähnen,  dass  oft  in  Fällen, 
wo  Leber  und  Niere  von  Gas  ganz  frei  seien,  solches  sich  in  der 
Nebenniere  reichlich  finde. 

Herr  Simmonds:  Ich  habe  glücklicherweise  nicht  so  viel 
Erfahrung  wie  Herr  Lochte  über  Fäulnisveränderungen  der 
Nebenniere,  da  bei  uns  die  Autopsien  frühzeitig  ausgeführt  werden. 
Darin  stimme  ich  ihm  bei,  dass  die  grosse  Weichheit  des  Organs 
die  Hämatombildungen  begünstigt.  Die  grosse  Weichheit  ist  aber 
auch  die  Ursache,  weshalb  bei  unvorsichtiger  Behandlung  des  Or¬ 
gans  so  viele  pathologische  Veränderungen  unentdeckt  bleiben.  Ich 
pflege  daher  die  Nebennieren  nicht  in  situ  zu  zerschneiden,  sondern 
sie  sorgfältig  herauszupräparieren.  Das  Ganglion  coeliacum  habe 
ich  in  einem  Teil  der  Fälle  auch  mikroskopisch  untersucht,  niemals 
indes  nennenswerte  Veränderungen  angetroffen.  Sicherlich  hat 
Herr  S  c  li  o  1 1  m  ü  1 1  e  r  darin  Recht,  dass  die  Ausdehnung  der 
blutigen  Infiltration  bei  der  Entstehung  der  klinisch  wahrnehm¬ 
baren  Störungen  ein  wichtiger  Faktor  ist;  indes  kommen  doch  auch 
Fälle  vor.  wo  eine  enorme  hämorrhagische  Infarzierung  beiderseits 
erfolgt,  ohne  dass  Symptome  beobachtet  werden.  Bronzefärbung 
ist  in  keinem  meiner  Fälle  zu  beobachten  gewesen  und  es  ist  auch 
nicht  wahrscheinlich,  dass  eine  so  rasche  Zerstörung  des  Organs 
diesen  Effekt  haben  wird.  Trotzdem  liegen  aber  auch  in  dieser 
Richtung  positive  Angaben  in  der  Literatur  vor.  Herrn 
Fraenkel,  der  die  Durchblutung  des  Organs  für  das  Primäre, 
die  Thrombose  für  das  Sekundäre  hält,  möchte  ich  erwidern,  dass 
die  mikroskopische  Untersuchung  mit  Sicherheit  erkennen  lässt, 
dass  die  älteren  geschichteten  Thromben  in  der  Zentralvene  und 
den  Hauptästen  sitzen,  dass  hingegen  die  kleineren  Venen  neu  mit 
frisch  geronnenem  Blut  erfüllt  sind;  wäre  die  Blutung  des  Organs 
das  Primäre,  so  müsste  die  erste  Thrombenbildung  in  den  kleinen 
Venen  ihren  Sitz  haben  und  später  erst  würde  die  Gerinnung  des 
Blutes  in  den  grösseren  Venen  folgen.  Als  weiteren  Beweis  gegen 
seine  Anschauung  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  in  den 
4  Fällen,  wo  Kapillarembolien  die  Blutung  veranlasst  hatten, 
diese  sekundär  nicht  zu  Thrombose  der  Vene  führte.  Dass  der 
Verschluss  der  Nebennierenvene  starke  Hämorrhagien  in  dem 
Organ  veranlassen  kann,  scheint  mir  fraglos,  da  neben  der  Zentral¬ 
vene  nur  wenige  zarte  in  die  Venae  diaphragmaticae  mündende 
Gefässe  das  Venenblut  aus  der  Nebenniere  ableiten.  Als  maran¬ 
tische  hatte  ich  die  Thromben  aufgefasst,  weil  sie  bei  vorher  er¬ 
krankten  Individuen  spontan  ohne  nachweisbare  lokale  Verände¬ 
rungen  aufgetreten  waren.  Ein  wirklicher  Marasmus  ist  bei  der 
Bildung  des  marantischen  Thrombus  doch  nicht  immer  vorhanden. 
Denken  Sie  doch  an  die  Sinusthrombose  bei  Clilorotischen,  bei  akut 
erkrankten  Kindern  u.  s.  w.  In  meinen  Fällen  habe  ich  andere 
Venenthrombosen  gleichzeitig  nicht  gefunden;  das  will  aber  nichts 
gegen  die  Auffassung  der  Thrombenbildung  als  marantische 
sagen. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  10.  Juni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Curschmann. 
Schriftführer :  Herr  Brau  n. 

Herr  W  i  1  m  s  zeigt,  anschliessend  an  Herrn  Friedrichs 
Demonstration  B  i  e  r’scher  Amputationsstümpfe  in  der  vorigen 
Sitzung,  einen  Mann,  bei  dem  ein  sehr  brauchbarer  tragfähiger 
Unterschenk  eistumpf  durch  Ueberschlagen  der  erhaltenen  Achilles¬ 
sehne  über  die  Sägefläche  der  Knochen  gewonnen  wurde. 

Herr  Köster  stellt  vor; 


1.  Einen  Fall  von  Myotonia  congenita,  dessen  Vater  und 
Bruder  gleichfalls  an  dieser  Affektion  leiden.  Die  Myotonie  ist  an 
den  Muskeln  des  Nackens  und  Halses  und  der  Extremitäten,  be¬ 
sonders  an  der  Muskulatur  der  Unterarme  und  Hände  gut  aus¬ 
geprägt,  während  im  Gesicht  und  an  den  Augenmuskeln  myo- 
tonische  Erscheinungen  fehlen.  Bei  dem  Kranken  stellte  sich  vor 
5  Jahren  ohne  jedwede  Schmerzen  und  allmählich  zunehmend  eine 
Atrophie  des  rechten  Daumenballens  und  Kleinfingerballens  und 
der  Mm.  interossei  der  rechten  Hand  ein.  Ein  halbes  Jahr  später 
schwanden  die  analogen  Muskeln  der  linken  Hand.  Vor  4  Jahieu 
wurden  die  Muskeln  der  Oberarme  und  Schultern,  vor  ca. 

3 1/  Jahren  die  der  Unterarme  atrophisch.  \  or  3  Jahren  schwand 
die  Gesichtsmuskulatur  und  es  traten  Bulbärerscheinungen  auf. 
Patient  verschluckte  sich  von  da  ab  fast  bei  jeder  Mahlzeit  und 
seine  Sprache  wurde  verwaschen  und  monoton.  Elektrisch  liess 
sich  die  typische  myotonische  Reaktion  in  den  nicht  oder  nur 
wenig  atrophischen  Muskeln  (z.  B.  Deltoides,  Biceps,  Pectoralis 
major)  gut  nachweisen,  während  in  den  Muskeln  der  rechten  und 
linken  Hand  zum  Teil  eine  Herabsetzung  und  sogar  ein  Fehlen 
jeder  Erregbarkeit  sich  vorfand.  Es  handelt  sich  also  um  eine  Kom¬ 
bination  von  Myotonia  congenita  und  spinalei 
progressiver  Muskelatrophie,  welch  1  e  t  z  t  e  i  e 
d  u  rch  frühes  Auftreten  von  B  u  1  b  ä  r  s  y  m  ptomen 
sich  auszeichnet.  Vortragender  weist  darauf  hin,  dass  von 
.Toll  y,  Bernhardt,  H  offmann  u.  a.  derartige  Kom¬ 
binationen  von  Myotonie  und  spinaler  Muskelatrophie  beschlieben 
worden  sind,  dass  man  aber  nach  dem  spärlichen,  bisher  vor¬ 
liegenden  Material  noch  nicht  berechtigt  sei  zu  der  Annahme 
eines  kausalen  Zusammenhanges  der  beiden  Krankheiten. 

2.  Einen  Fall  von  traumatischer  Fazialislähmung  mit  Lokali¬ 
sation  der  Lähmung  in  der  Gegend  des  Ganglion  geniculi.  Es 
handelt  sich  um  einen  Arbeiter,  der  im  Jahre  1868  durch  Ueber- 
fahrenwerden  eine  Fraktur  des  rechten  Felsenbeines  erlitt.  Als 
der  vor  dem  Unfall  völlig  gesunde  Kranke  aus  der  mehrere  Tage 
anhaltenden  Bewusstlosigkeit  erwachte,  war  er  auf  dem  rechten 
Ohre  taub  und  mit  einer  Lähmung  des  rechten  Fazialis  behaftet. 
Andere  Gehirnnerven  als  der  7.  und  8.  waren  nicht  gelähmt.  Der 
Geschmack  auf  der  rechten  Zungenhälfte  soll  verschwunden  sein. 
Die  Untersuchung  ergab,  dass  Patient  eine  Lähmung  der  ganzen 
rechten  Gesichtshälfte  und  eine  Akustikustaubheit  besass.  Andere 
Nerven,  speziell  der  Sympathikus  und  Trigeminus,  waren  frei  von 
Störungen,  ebenso  das  Gaumensegel  und  Zäpfchen.  Auf  den 
vorderen  4/5  der  rechten  Zunge  schmeckt  Patient  nichts,  während 
im  linken  Chordagebiet  der  Geschmack  ungestört  ist.  Elektrisch 
fehlt  jede  Erregbarkeit  auf  der  rechten  Gesichtshälfte  mit  Aus¬ 
nahme  des  rechten  Levator  menti  und  Depressor  amguli  oris,  deren 
Innervation  wahrscheinlich  von  der  linken  Seite  übernommen 
worden  ist.  Auf  dem  rechten  Auge  fehlt  noch  heute,  d.  h.  33  Jahre 
nach  Eintritt  der  Lähmung,  jede  orbitale  Tränenabsondexung. 
Während  auf  der  rechten  Seite  ein  in  den  Bindehautsack  gelegtes 
Fliesspapier  völlig  trocken  bleibt,  ist  ein  in  den  linken  Kon- 
junktivalsack  gelegtes,  1  cm  breites  Papier  nach  %  Stunden 
35  cm  Aveit  durchfeuchtet. 

Die  Lähmung,  d.  li.  die  Kontinuitätsunterbrechung  des  la- 
zialis,  muss  hier,  Avie  Vortragender  durch  frühere  Untersuchungen 
ausführlich  dargetlian  hat,  in  der  Gegend  des  Ganglion  geniculi 
erfolgt  sein.  Auf  diese  Lokalisation  Aveist  uns  ausser  der 
Akustikustaubheit  der  Verlust  der  Tränensekretion  hin.  Die 
excitolacrimalen  Fasern  treten  nach  den  Untersuchvmgen  des  Vor¬ 
tragenden  im  Fazialisstamm  herunter,  um  diesen  in  der  Gegend 
des  Knieganglions  im  N.  petrosus  superficialis  major  wieder  zu 
verlassen.  Auch  die  Geschmacksfasern  der  Chorda  treten,  von 
unten  kommend,  in  diesen  Nerven  über  und  werden  daher  aou  einex 
Läsion  in  der  Gegend  des  Ganglion  geniculi  mitbetroffen.  Während 
die  gustato rischen  Fasern  in  das  Ganglion  Gassei’i  gelangen, 
ziehen  die  excitolacrimalen  durch  Vermittelung  des  2.  Quintus- 
astes  (N.  subcutaneus  malae)  durch  eine  konstante  Anastomose 
in  den  N.  lacrimalis  des  1.  Astes  und  mit  diesem  zur  Tränendrüse. 

3.  Einen  Fall  von  allgemeiner  und  totaler  Anästhesie  bei 
einem  22  jährigen  Arbeiter.  Als  der  Kranke  vor  einem  Jahre  zürn 
ersten  Male  der  Poliklinik  zuging,  machte  er  folgende  Angaben: 
Er  stürzte  im  Juni  1900  13  m  hoch  herab  und  durchschlug  mit  dem 
unverletzt  bleibenden  Kopf  den  iy2  Zoll  dicken  I  ussboden  einet 
Kiste.  Nach  10  Minuten  langer  BeAVUSStlosigkeit  arbeitete  er 
weiter  und  hat  bis  heute  nicht  mit  dev  Arbeit  ausgesetzt.  Ebenso¬ 
wenig  hat  er  irgend  welchen  Anspruch  auf  Unfallrente  erhoben. 
Drei  Tage  nach  dem  Unfall  tropfte  geschmolzenes  Pech  auf  den 
rechten  Unterarm  und  Handrücken,  ohne  dass  er  etAx-as  davon 
merkte.  Seitdem  wurde  ihm  klar,  dass  er  am  ganzen  Körper  nichts 
fühlte.  Weder  Tast-  noch  Schmerzreize,  noch  heisse  oder  kalte 
Temperatur  will  er  Avalirnehmen.  Auch  hat  er  kein  Gefühl  für  die 
Lage  seiner  Glieder,  Aveiss  nicht,  ob  er  die  Zunge  vorstreckt,  den 
Mund  öffnet  u.  s.  w.  Den  Gang  muss  er,  um  nicht  zu  fallen,  mit 
den  Augen  kontrollieren.  Libido  und  Wohllustgefühl  beim  Coitus 
sind  A’erschAvunden,  doch  soll  die  Erektionsfähigkeit  nicht  gelitten 
haben.  Stuhl-  und  Harndrang  besitzt  er,  ebenso  Hunger-  und 
Durstgefühle.  Die  vor  einem  Jahre  bei  der  Aufnahme  des  Kranken 
vorgenommene  Untersuchung  ergab  einen  muskulösen,  mässig  ge- 
nährten  Mann  von  gesunden  inneren  Organen.  Die  Pupillen  waren 
gleichweit,  reagierten  prompt.  Die  Hirnnerven  xvaren  frei  von 
Störungen.  Auf  der  Haut  lebhafter  Autographismus.  Die  Patellar- 
reflexe  gesteigert,  ebenso  die  Achillessehnenreflexe  bis  zur  An¬ 
deutung  A7on  Fussklonus.  Alle  Hautreflexe  deutlich  vorhanden. 
Dnick  auf  die  beiden  Hypochondrien,  namentlich  rechts,  ruft  eine 


26.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDicmiSOHE  W 0 CHENSCiERlET. 


144Ö 


unklare  dumpfe  Empfindung  hervor.  Auf  der  Haut  des  ganzen 
Körpers  war  der  Kranke  gefühllos  und  spürte  weder  Berührungen, 
noch  Nadelstiche,  noch  heisse  oder  kalte  Temperaturen.  Aus¬ 
genommen,  d.  h.  fühlend  für  alle  die  genannten  Reize,  waren 
die  behaarten  Partien  der  Achilleshöhlen,  der  Schamberg,  die 
Rima  pudendi  bis  zu  dem  Beginn  des  Hodensackes,  der  Eingang 
der  Harnröhre  und  zwei  schmale,  spindelförmige  symmetrische 
Zonen  über  der  Gegend  des  Leistenkanales  beiderseits.  Er  fühlt 
nicht,  ob  seine  Finger  gekrümmt  oder  gestreckt  sind,  ob  er  geht 
oder  steht,  doch  setzt  er  hinzu:  „Ich  fühle  es  nicht,  aber  ich  weiss 
es.“  Mitunter  zuckt  er  zusammen,  wenn  er  unvermutet  bei  ge¬ 
schlossenen  Augen  in  eine  anästhetische  Stelle  gestochen  wird 
und  trotzdem  bestreitet  er,  dass  er  eine  Empfindung  von  dem 
Stiche  gehabt  habe.  Wenn  er  den  Stich  mit  den  Augen  kon¬ 
trolliert,  zuckt  er  nie  zusammen.  Im  letzten  Jahre  trat  eine  Aende- 
rung  des  Befundes  ein.  Patient  erblindete  hysterisch  auf  dem 
linkem  Auge,  der  Geruch  ging  verloren  und  nur  beizende  Sachen 
werden  jetzt  schwach  wahrgenommen.  Die  rechte  Achselhöhle 
bekam  Gefühl  für  alle  Qualitäten  und  dasselbe  galt  für  2  brillen¬ 
artig  die  Augenhöhlen  umrahmende  runde  Zonen  von  der  Grösse 
eines  silbernen  5  Markstückes.  Auch  die  Augäpfel  fühlten  wieder 
vollständig.  Während  der  Demonstration  sticht  sich  Patient,  zum 
Beweise  seiner  totalen  Anästhesie  6 — 15  cm  lange  Nadeln  bis  an 
den  Knopf  in  die  verschiedensten  Teile  seines  Körpers.  So  bohrt 
er  sich  z.  B.  eine  15  cm  lange  Nadel  durch  die  Muskulatur  des 
Oberschenkels.  Er  zerschlägt  sich  auf  dem  Kopf  ein  3  cm  dickes 
Tannenbrett  und  einen  Ziegelstein,  den  er  von  einem  Neubau  mit¬ 
gebracht  hat.  Der  im  Verlaufe  der  letzten  2  Jahre  mehrfach  vor¬ 
genommene  Schlaf  versuch  ist  nie  gelungen,  jedoch  gibt  Patient 
an,  dass  er  zu  Haus  zu  jeder  Tageszeit  sofort  einschlafe,  wenn 
er  sich  lange  auf  ein  Sopha  oder  Bett  ausstrecke. 

Vortragender  geht  sodann  auf  die  übrigen  ca.  20  bisher  in  der 
Literatur  auffindbai'en  allgemeinen  totalen  Anästhesien  ein  (Be¬ 
obachtungen  von  R  e  i  d,  Strümpell,  A  r  n  d  t,  W  e  s  t  p  h  a  1, 
O  p  penhei  m  u.  a.)  und  stellt  fest,  dass  ein  grosser  Teil  post- 
traumatisch,  der  kleinere  Teil  nach  akuten  Infektionskrankheiten 
oder  im  Verlaufe  chronischer  Nervenkrankheiten  entstanden  ist. 
Während  gewöhnlich  die  Reflexe  in  solchen  Fällen  fehlen,  waren 
sie  im  vorliegenden  Falle  gesteigert.  Die  Beteiligung  der  Sinnes¬ 
nerven  findet  sich  bei  vielen  Fällen  in  ähnlicher  Weise  wie  bei 
dem  unseren.  Der  anscheinende  Widerspruch,  dass  Patient  die 
Lage  seiner  Glieder  nicht  zu  „fühlen“  aber  zu  „wissen“  behauptet, 
dass  er  bei  mangelnder  Kontrolle  durch  das  Auge  mitunter  bei 
einem  Stiche  zusammenfährt,  erklärt  sich  aus  dem  Intaktsein  des 
1.  sensiblen  Neurons.  Die  Anästhesie  ist  in  diesem  Falle  im  Gehirn 
und  zwar  in  der  Rinde  lokalisiert.  Die  Prognose  ist  auch  im  vor¬ 
liegenden  Falle  wie  meistens  nicht  günstig.  Denn  die  Anästhesie 
besteht  mit  nur  geringfügigen  Aenderungen  schon  im  3.  Jahre. 

(Autoreferat.) 

Herr  F  r  ey  t  a  g  demonstriert  einen  Kranken,  an  dem  in  der¬ 
selben  Weise,  wie  an  zwei  früher  Operierten,  Prof.  Friedrich 
ein  doppelseitiges,  hartnäckiges  Empyem  der  Highmorshöhle  der 
Heilung  zugeführt  hat. 

Bei  den  Highmorshöhlenempyemen  alten  Bestandes,  wo  schon 
Eröffnungen  von  Mund-  oder  Nasenhöhle  her  ohne  bleibenden  Er¬ 
folg  bewerkstelligt  worden  sind,  kommt  es  darauf  au,  eine  voll¬ 
kommene  Uebersiclit  über  die  Höhle  zu  gewinnen,  die  ganze 
kranke  Schleimhaut  zu  entfernen  und  fortan  die  Kommunikation 
mit  der  Highmorsliöhle  zu  erhalten.  Wenn  hiebei  erreicht  werden 
kann,  dass  die  Operation  ohne  kosmetische  Entstellung,  mit  Ver¬ 
meidung  der  Highmorshöhlenmundfistel,  zur  Heilung  führen  kann, 
so  ist  es  ein  doppelter  Gewinn. 

Um  ihn  zu  erreichen,  wurde  der  Nasenflügel  abgeklappt,  die 
nasale  und  faziale  Wand  der  Higmorshölile  gleächweit  abgetragen, 
die  kranke  Schleimhaut  sorgfältig  ausgeräumt  und  dann  der  Nasen¬ 
flügel  wieder  angelegt.  Bei  dem  demonstrierten  Kranken,  welcher 
seit  14  Jahren  an  stinkenden  Empyemen  litt,  führte  dieses  Vor¬ 
gehen  beiderseits  zu  einem  vollen  Erfolg. 

Herr  Heller  demonstriert  einen  Papptriangelverband  für 
Humerusfrakturen,  der  von  dem  Grundgedanken  der  alten 
Middeldorpf  sehen  Triangel  ausgeht,  sich  von  dieser  jedoch 
wesentlich  dadurch  unterscheidet,  dass  der  Unterarm  nicht  wie  bei 
dieser  nach  abwärts  fixiert  wird,  sondern  auf  einer  senkrecht  sich 
an  die  Triangel  ansetzenden  Unterarmschiene  in  vollkommen  freier 
Haltung  ruht,  und  dass  der  Abduktionswinkel  kein  konstanter  ist, 
sondern  beliebig  geändert  werden  kann.  Die  Herstellung  des  Ver¬ 
bandes  ist  folgende:  Ein  breiter,  langer  Pappstreifen  wird  vom 
Rippenbogen  bis  in  die  Axilla  an  den  Thorax  angelegt,  dort  um¬ 
gebogen,  so  dass  er  als  Schiene  der  Innenseite  des  Oberarms  an¬ 
liegt,  sodann  vom  Ellenbogen  rechtwinklig  nach  abwärts  geführt 
und  an  dem  Thoraxteile  befestigt.  An  den  einzelnen  Abschnitten 
sind  nun  entsprechende  Modifikationen  vorzunehmen.  Der  Thorax¬ 
teil  soll  etwa  25  cm  breit  sein  und  sich  nach  der  Axilla  zu  ver¬ 
jüngen;  an  die  schmälere  Humerusschiene  muss  sich  an  ihrem 
unteren  Ende  die  Unterarmschiene  rechtwinklig  nach  vorne  an¬ 
setzen;  die  Länge  des  Sclilusstückes  endlich  ist  nach  dem  für  den 
einzelnen  Fall  gewünschten  Abduktionswinkel  zu  bemessen.  Die 
sorgfältig  gepolsterte  Schiene  wird  unter  Extension  am  recht¬ 
winklig  gebeugten  Vorderarm  mit  breiten  Cambrikbinden  an 
Thorax,  Schulter  und  Arm  fixiert  und  durch  leichtes  Ueberwickeln 
mit  Gips-  oder  Stärkebinden  dem  ganzen  genügende  Festigkeit 
gegeben.  Die  Vorteile  des  Verbandes  bestehen  in  seiner  leichten 
Herstellbarkeit  und  Anpassungsfähigkeit  an  die  Grösse  des  Pa¬ 
tienten  und  die  Bedingungen  des  einzelnen  Falles,  in  seiner 


Leichtigkeit  und  Bequemlichkeit,  in  der  Möglichkeit  einer  ambu¬ 
lanten  Behandlung  und  der  Gewährleistung  guter  Ileilresultate. 

Herr  Kroenig  demonstriert:  1.  Fabrikmässig  in  Cumol 
sterilisiertes  Katgut  (s.  diese  Wochenschrift  1901,  No.  44); 
2.  Sublaminpastillen  (Schering)  als  Händedesinfektions¬ 
mittel. 

Die  Frage  der  Händedesinfektion  darf  heute  in  dem  Sinn  als 
entschieden  angesehen  werden,  dass  keine  Methode  existiert, 
welche  die  Hände  sicher  keimfrei  macht.  Der  Operateur  muss 
sich  damit  abfinden,  dass  nur  eine  relative  Keimarmut  erzielt 
werden  kann.  K.  hat  sich  bei  seinen  Versuchen  auf  den  prak¬ 
tischen  Standpunkt  gestellt  und  folgende  Frage  zu  beantworten 
gesucht:  Wann  ist  die  Hautoberfläche  so  desinfiziert,  dass  sie  mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit  nicht  mehr  infizieren  kann?  Es  wird 
z.  B.  folgender  Fall  zu  Grunde  gelegt:  Man  ist  genötigt,  einen 
Abszess  mit  virulenten  Streptokokken  zu  eröffnen,  oder  man  hat 
eine  septisch  infizierte  Wöchnerin  zu  untersuchen  gehabt,  kurz 
danach  muss  man  eine  aseptische  Operation,  sagen  wir  eine  La¬ 
parotomie  ausführen.  Auf  welche  Weise  verhüten  wir  am 
Sichersten  die  Uebertragung  der  Keime  und  schützen  die  zu 
operierende  Frau  vor  einer  Infektion.  Um  diese  Frage  zu  lösen, 
schienen  Tierversuche  unumgänglich  notwendig,  weil  nur  diese 
eine  absolute  Analogie  mit  den  klinischen  Verhältnissen  gestatten. 
Versuche  mit  dem  Streptococcus  pyogenes  verbieten  sich,  weil  der 
Kliniker  unmöglich  seine  Hände  mit  so  gefährlichem  Material 
häufiger  beschicken  darf.  Es  wurde  der  Mikrococcus  tetragenus 
verwertet,  weil  dieser  für  Menschen  nicht  pathogen,  dagegen 
virulent  für  gewisse  Versuchstiere,  vor  allem  für  Mäuse  und  für 
Meerschweinchen  ist,  während  er  in  seiner  Resistenz  den  Eiter¬ 
bakterien  ungefähr  gleich  kommt.  Von  den  Resultaten  erwähnt 
Kr.  nur,  dass  die  mechanische  Reinigung  mit  Seife  und  Bürste 
oder  mit  der  Schleich  sehen  Marmorseife  (10,  15  und  20  Minuten 
fortgesetzt)  die  Haut  noch  so  wenig  keimarm  macht,  dass  sämt¬ 
liche  Versuchstiere  an  der  Tetragenusinfektion  zu  Grunde  gingen. 
Bessere  Resultate  ergab  die  mechanische  Desinfektion  in  Ver¬ 
bindung  mit  der  chemischen  Desinfektion.  Es  wurde  zunächst 
das  Sublimat  in  wässeriger  Lsung  in  der  üblichen  Konzentration 
1,0 — 1000,0  verwendet.  Die  Resultate  besserten  sich  wesentlich; 
nur  ganz  vereinzelt  gingen  noch  einige  Mäuse  und  Meerschwein¬ 
chen  an  Tetragenus  zu  Grunde.  Das  Sublimat  hat  in  der  Praxis, 
besonders  des  vielbeschäftigten  Operateurs,  aber  zweifellos  Nach¬ 
teile;  dadurch,  dass  das  Sublimat  eine  stark  ätzende  Wirkung  aus¬ 
übt,  entsteht  oft  auf  der  Haut  ein  schuppendes  Ekzem,  ein  Um¬ 
stand,  der  ausser  der  Unannehmlichkeit,  dass  es  den  Arzt  fast 
gesellschaftsunfähig  macht,  auch  noch  den  Nachteil  in  sich 
schliesst,  dass  die  spätere  Desinfektion  sehr  erschwert  ist,  weil 
—  wie  Haegier  mit  Recht  betont  —  nur  eine  gut  gepflegte  Hand 
auch  gut  desinfiziei’t  werden  kann. 

Wenn  K  r  ö  n  i  g  und  B  1  u  m  b  e  r  g  statt  des  Sublimats  das 
Sublamin  empfehlen,  so  sind  sie  bei  der  Wahl  dieses  Mittels  nicht 
willkürlich  vorgegangen,  sondern  sie  sind  von  ganz  bestimmten 
Grundsätzen  ausgegangen,  zu  welchen  sie  durch  die  von  Paul 
und  Krönig  schon  früher  gefundenen  gesetzmässigen  Bezieh¬ 
ungen  zwischen  Lösungszustand  und  Wirkungswert  der  Des¬ 
infektionsmittel  geführt  wurden.  Die  von  Paul  und  Krönig 
angesteilten  grossen  Versuchsserien  zeigten,  dass  bei  Quecksilber¬ 
salzen  in  reine  n  Lösungen  der  Desinfektionswert  im  allgemeinen 
steigt  nach  Massgabe  des  Dissoziationsgrades;  sobald  es  sich  aber 
um  Lösungen  mit  organischen  Verbindungen  handelt,  ist  die  Kon¬ 
zentration  der  Metallionen  von  geringerer  Bedeutung.  Kr.  demon¬ 
striert  die  bezüglichen  Tabellen  aus  der  Arbeit  (Iv  r  ö  n  i  g  und 
Paul:  Die  chemischen  Grundlagen  der  Lehre  von  der  Giftwirkung 
und  Desinfektion.  Sep.-Abdruck  a.  d.  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infek- 
tionskrankh.  1897,  Bd.  25.) 

Da  bei  der  Desinfektion  der  Hautoberfläche  das  Quecksilber¬ 
salz  mit  organischen  Substanzen  in  Berührung  kommt,  so  ist  bei 
der  Wahl  des  Quecksilbersalzes  zur  Desinfektion  der  Haut  nicht 
in  erster  Linie  die  Desinfektionskraft  des  betreffenden  Salzes  in 
reinen  Lösungen  massgebend,  sondern  es  können,  weil  bei  Gegen¬ 
wart  organischer  Substanzen  alle  Quecksilbersalze,  wie  schon 
Behrin  g  nachgewdesen  hat,  im  allgemeinen  nach  Massgabe 
ihres  Gehaltes  an  Quecksilber  desinfizieren,  auch  solche  Queck¬ 
silbersalze  gewählt  werden,  welche  gewisse  Vorteile  vor  dem 
Sublimat  bei  der  Desinfektion  der  Hautoberfläche  haben.  Es 
kommen  hier  als  Eigenschaften  in  Betracht  eine  möglichst  ge¬ 
ringe  Aetzwirkung  und  möglichst  starke  Tiefenwirkung  im  Ge¬ 
webe.  Vorversuche  lagen  vor  von  Schaeffer  und  Blumberg 
aus  der  Breslauer  Klinik;  aus  diesen  Untersuchungen  ging  hervor, 
dass  eine  Aethylendiaminverbindung  des  Silbers  (Argentamin)  sich 
durch  eine  starke  Tiefenwirkung  bei  Einwirkung  auf  tierische  Ge¬ 
webe  auszeichnete.  Dies  gab  Veranlassung,  die  Firma  Scheridfcg 
zu  ersuchen,  eine  Aethylendiaminverbindung  des  Quecksilbers  her¬ 
zustellen.  Es  bedurfte  langwieriger  Versuche,  ehe  eine  Verbindung 
gefunden  wurde,  welche  in  den  für  die  Praxis  brauchbaren  Pa¬ 
stillenformen  in  den  Handel  gebracht  werden  konnte.  Allen  An¬ 
forderungen  genügt  z.  Z.  das  Sublamin,  ein  Quecksilberäthylendia¬ 
minsulfat.  Soweit  die  Untersuchungen  ergeben  haben,  und  diese 
decken  sich  im  allgemeinen  mit  denen  von  Paul  und  S  a  r  w.  e  y 
aus  der  Tübinger  Klinik,  ist  das  Sublamin  bei  der  Desinfektion 
der  Haut  dem  Sublimat  gleichwertig.  Das  Sublamin  hat  vor  dem 
Sublimat  den  grossen  Vorteil  voraus,  dass  es  nicht  ätzend  wirkt, 
dass  es  keine  Fällung  mit  Blut  gibt,  so  dass  die  Hände  nach  den 
Operationen  durch  einfaches  Absptilen  wieder  vom  Blut  gereinigt 
werden  können.  Kr.  desinfiziert  ausschliesslich  mit  Sublamin  und 


1444 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


trotz  reichlichen  Gehrauchs  bei  grosser  operativer  Tätigkeit  zeigen 
seine  und  die  Hände  seiner  Assistenten,  welche  früher  oft  unter 
dem  schuppenden  Ekzem  zu  leiden  hatten,  keine  Reizerscheinungen. 
Es  wird  verwendet  in  wässeriger  Lösung  in  einer  Konzentration 
1,0:1000,0 — 1,0:300,0,  je  nachdem  die  Hände  infektionsverdächtig 
sind  oder  nicht.  Man  kann  die  Konzentration  noch  steigern,  ohne 
dass  Heizerscheinungen  auf  treten.  Wenn  Schleich  neuerdings 
vor  dem  Sublamin  warnt,  weil  es  infolge  seiner  grossen  Tiefen¬ 
wirkung  von  der  Hautoberfläche  zu  stark  resorbiert  würde,  so  dass 
Intoxikationserscheinungen  bei  dem  Operateur  zu  fürchten  wären, 
so  kann  Kr.  dies  nur  als  Gespenstersehen  beizeichnen.  Kr.  fügt 
hinzu,  dass  er  auch  bei  der  Nahtseide,  welche  er  im  allgemeinen 
nach  der  Koch  ersehen  Methode  sterilisiert,  an  Stelle  des  Subli¬ 
mats  das  Sublamin  in  einer  Konzentration  1,0:300,0  verwendet, 
um  bei  gleich  starker  Entwicklungshemmung  den  Heiz  des  Subli¬ 
mats  im  Gewebe  auszusehliessen. 


3.  einen  klinischen  Fall,  welcher  besonderes  Interesse  des¬ 
wegen  verdient,  weil  es  sich  um  ein  gleichzeitiges  Vorkommen  des 
Karzinoms  im  Uterus  und  Magen  handelte.  Beide  Karzinome 
sind  als  primäre  Bildungen  anzusprechen  und  kamen  in  noch 
operablem  Zustande  zur  Operation.  Kr.  operierte  in  2  Sitzungen, 
zunächst  wurde  die  abdominelle  Totalexstiraption  des  Uterus  mit 
Ausräumung  der  hypogastrischen  Drüsen  nach  Freilegung  der 
Ureteren  gemacht.  Einige  Wochen  später  wurde  in  einer  zweiten 
Sitzung  die  Resektion  des  Pylorus,  eines  Teils  des  Duodenums  und 
des  Magens  ausgeführt;  der  Magenrest  wurde  blindsackartig  ver¬ 
schlossen  und  dann  eine  Verbindung  des  Magenrestes  mit  dem 
Jejunum  hergestellt  nach  der  K  o  c  li  e  r  sehen  Methode  der  Gastro- 
jejunostomia  antecolica  inferior.  Pat.  hat  beide  Eingriffe  gut 
überstanden.  Zurzeit  ist  nur  die  lange  Narbe  vom  Processus  ensi- 
formis  bis  zur  Symphyse  noch  sichtbar.  Pat.  befindet  sich  zur 
Zeit  der  Demonstration  in  der  4.  Woche  nach  der  Operation. 


Herr  Curschmann:  Zur  Technik  der  subkutanen  und 
innerlichen  Gelatineanwendung  bei  Blutungen. 

Ich  habe  schon  vor  längerer  Zeit,  nicht  lange  nachdem  die 
ersten  Mitteilungen  über  das  Verfahren  aus  Frankreich  zu  uns 
gekommen  waren,  Ihnen  die  Methode  der  subkutanen  Gelatine¬ 
injektionen  bei  grossen,  der  chirurgischen  Hilfe  unzugänglichen 
Blutungen  als  wirksam  empfohlen.  Nach  meinen  und  nach 
meines  Assistenten  Wagner  Mitteilungen  folgten  rasch  zahl¬ 
reiche  Publikationen,  die  die  Brauchbarkeit  des  Verfahrens  be¬ 


stätigten. 


Die  theoretischen  Erörterungen  über  die  Wirkungsweise  der 
Methode  haben  mit  ihrer  praktischen  Verwertung  nicht  gleichen 
Schritt  gehalten.  Noch  heute  herrschen  in  dieser  Richtung  Un¬ 
klarheiten  und  Widersprüche.  Auch  in  meiner  Klinik  begon¬ 
nene  experimentelle  und  mikroskopische  Untersuchungen  muss¬ 
ten,  da  sie  kein  rechtes  Ergebnis  in  Aussicht  stellten,  wieder 
aufgegeben  werden. 


Wir  haben  uns  aber  durch  die  Lücken  in  der  Theorie  von 
der  praktischen  Weiterverwendung  des  Verfahrens  nicht  abhalten 
lassen  und  ich  kann  heute  meine  früheren  Erfahrungen  be¬ 
stätigen  und  erweiternd  sagen,  dass  ich  unter  allen  nichtchirur¬ 
gischen  oder  überhaupt  unmittelbar  auf  die  blutende  Stelle  an¬ 
wendbaren  Methoden  keine  kenne,  die  dem  Gelatineverfahren 
in  Bezug  auf  Wirksamkeit  an  die  Seite  gestellt  werden  könnte. 


Neben  der  subkutanen  Anwendungsweise  hat  sich  die  Ein¬ 
verleibung  der  Gelatine  vom  Magen  aus  in  letzter  Zeit  mehr  und 
mehr  Freunde  erworben.  Ich  habe  den  Eindruck,  dass  auch  diese 
Darreichungsform  nicht  allein  örtlich  bei  Magen-  und  Darm¬ 
blutungen,  sondern  auch  bei  Blutungen  aus  entfernteren  Teilen 
von  deutlicher  Wirkung  ist.  Freilich  ist  sie  der  subkutanen 
Anwendung  nicht  an  die  Seite  zu  stellen  und  meines  Erachtens 
vorzugsweise  zur  Nachbehandlung  nach  schweren  Blutungen  und 
prophylaktisch  bei  Neigung  zu  Rückfällen  angezeigt. 

Subkutan  pflegen  wir  das  Mittel  in  der  Klinik  gewöhnlich 
so  anzuwenden,  dass  baldmöglichst  nach  Eintritt  der  Blutung 
4,0  g,  an  den  folgenden  Tagen  je  2,0  g  Gelatine  in  Lösung  in¬ 
jiziert  und  diese  Einspritzungen  darauf  nach  Bedürfnis  noch 
mehrmals  mit  einem  Tag  Pause  wiederholt  werden.  Wir  haben 
zu  diesen  Einspritzungen  uns  nach  der  Vorschrift  von  Carnot- 
Lancereaux  anfänglich  einer  2  proz.  Lösung  bedient.  Doch 
bat  dieses  Verfahren  insofern  Nachteile  und  Unbequemlich¬ 
keiten,  als  man  verhältnismässig  grosse  Mengen  von  Flüssigkeit 
einspritzen  muss.  Sie  sind  für  den  Praktiker  nicht  recht  hand¬ 
lich  und  empfindliche  Kranke  scheuen  die  durch  die  Flüssig¬ 
keit  smenge  bedingte  schmerzhafte  Ilautspannung.  Wir  vermeiden 
diese  Nachteile  seit  längerer  Zeit  dadurch,  dass  wir  20  proz. 
Gelatinemischungen  mit  Wasser  zur  Anwendung  bringen.  Die 
Dosis  von  4  g  Gelatine  ist  dadurch  auf  eine  Gesamtmenge  von 
nur  20  g  Injektionsflüssigkeit  herabgesetzt,  die  mit  einer  kleinen 


Spritze  bequem  an  einer  einzigen  Stelle  der  Haut  eingespritzt 
werden  kann. 

Das  20  proz.  Gelatine-Wassergemenge  ist  nicht  flüssig,  son¬ 
dern  gallertig  fest..  Wenige  Minuten  Eintauchen  des  die  Masse 
enthaltenden  Fläschchens  genügt  aber,  sie  so  zu  verflüssigen, 
dass  sie  leicht  durch  eine  verhältnismässig  enge  Kanüle  zu 
treiben  ist. 

Wir  halten  abgemessene  Mengen  von  20  proz.  Lösung  sterili¬ 
siert  in  sicher  verschlossenen  Fläschchen  vorrätig  und  haben  so 
die  Injektionsmasse  in  bequemster  Form  jeden  Augenblick  bereit. 

Noch  ein  Wort  über  die  Sterilisierung  der  Masse! 
Es  war  von  vornherein  klar,  dass  ihr  besondere  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden  sei,  da  zur  Bereitung  der  Injektionsflüssigkeit  ja 
nur  die  käufliche  weisse  Gelatine  verwandt  werden  kann,  bei 
deren  fabrikmässiger  Herstellung  der  Asepsis  kaum  Beachtung 
geschenkt  werden  wird.  Zu  ganz  besonderer  Vorsicht  fordern 
aber  in  der  fraglichen  Richtung  einige  neuere  Beobachtungen 
auf,  die  den  Nachweis  virulenter  Tetanusbazillen  in  der  Gelatine 
erbrachten. 

Eine  nach  meiner  Erfahrung  sichere  Sterilisierung  der  Lö¬ 
sung'  wird  in  unserer  Krankenhausapotheke  *)  in  folgender  Whise 
erzielt:  Nach  der  üblichen  Neutralisation  wird  durch  die  Lösung, 
gemäss  der  Anaerobie  der  Tetanusbazillen,  eine  halbe  Stunde 
lang  bei  36 — 38"  C.  ein  Kohlensäurestrom  durchgeleitet.  Der 
Flüssigkeit  wird  dann  V»  Proz.  Karbolsäure  zugesetzt.  Sie  wird 
darauf  in  Fläschchen  gefüllt,  die  je  20  g  der  Lösung  fassen  und 
mit  Watte  keimdicht  verschlossen  werden.  Die  Fläschchen 
werden  nun  noch  2  mal  je  V*  Stunde  mit  1  Tag  Pause  im 
Dampfstrom  erhitzt.  Längeres  Erhitzen  würde  die  Gerinnbar¬ 
keit  der  Gelatine  beeinträchtigen.  Der  Karbolsäurezusatz  hat 
in  der  angegebenen  Stärke  nach  reichlichen  Erfahrungen  keiner¬ 
lei  Schädigung  des  Kranken  und  keine  Beeinträchtigung  der 
Wirksamkeit  des  Verfahrens  zur  Folge. 

Wenn  die  so  sterilisierten  und  wohl  verschlossenen  Gelatine¬ 
fläschchen  in  Blechkasten  aufgehoben  werden,  deren  Deckel  einen 
mit  5  proz.  Karbolsäurelösung  getränkten  Flanellappen  enthält, 
so  ist  ihr  Inhalt  längere  Zeit  aseptisch  und  wirksam  zu  erhalten. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  5.  J  u  n  i  1902. 

Herr  Kirste  berichtet  über  einen  Fall  von  Leberabszess 
nach  einer  Pneumonie  des  linken  unteren  Lungenlappens.  Am 
13.  V.  02  wurde  K.  zu  einem  49  Jahre  alten  Patienten  gerufen, 
der  vor  8  Tagen  in  Hamburg  plötzlich  erkrankt  war.  Der  Kranke 
hatte  dort  plötzlich  eiuen  Schüttelfrost  bekommen  und  starkes 
Stechen  in  der  linken  Seite  gespürt.  Er  sei  dann  unter  grossen  An¬ 
strengungen  von  Hamburg  heim  nach  Nürnberg  gereist  und  hier 
in  einem  sehr  desolatem  Zustande  angekommen.  Ein  zu  Rate  ge¬ 
zogener  Arzt  habe  dann  erklärt,  dass  es  sich  um  eine  linksseitige 
Rippenfellentzündung  handele.  Als  K.  am  8.  Krankheitstage  den 
Kranken  sah,  fand  er  einen  gut  genährten  Mann  vor,  der  in  klarer 
Weise  den  Verlauf  seiner  Krankheit  erzählte  und  dabei  bemerkte, 
dass  er  sich  seit  heute  bedeutend  besser  fühle.  Anamnestisch 
teilt  er  mit,  dass  er  früher  stets  gesund  gewesen  sei,  nur  vor 
20  Jahren  habe  er  auf  leiner  Reise  in  Spanien  den  Typhus  akqui¬ 
riert.  Bei  der  Untersuchung  fand  sich  1.  h.  u.  eine  Dämpfung  bis 
zur  Spitze  der  Skapula,  Knisterrasseln  über  dem  1.  unteren  Lungen¬ 
lappen,  rechts  über  die  ganze  Lunge  zerstreut  grossblasige  Rassel¬ 
geräusche.  Am  Herzen  war  nichts  abnormes  wahrzunehmen,  der 
Puls  war  klein,  ca.  90  in  der  Minute,  Temperatur  38,2°.  Die  Leber 
war  stark  vergrössert,  auf  Druck  nicht  schmerzhaft,  die  Venen 
der  Bauchdecken  nicht  erweitert.  Milz  war  nachweisbar  ver¬ 
grössert.  Urin  frei  von  Ehveiss  und  Zucker,  kein  Ikterus,  keine 
Hämorrhoidalknoten.  Das  Sputum  war  braunrot  gefärbt,  die 
Zunge  stark  belegt. 

Die  Diagnose  lautete  zunächst:  Pneumonie  des  linken  unteren 
Lungenlappens  und  zwar  wurde  angenommen,  dass  die  Krisis  eiu- 
getreten  sei,  da  unter  starkem  Schweissausbruch  die  Temperatur 
stark  heruntergegangen  war.  Ob  die  Vergrösserung  der  Leber 
schon  früher  bestanden  hatte,  liess  sich  nicht  eruieren. 

Nach  2  Tagen  trat  plötzlich  ein  Schüttelfrost  auf.  Temp.  39,3. 
Puls  100,  klein.  Von  jetzt  ab  wiederholten  sich  die  Schüttelfröste 
öfter,  der  Puls  blieb  stets  klein,  über  100.  Es  war  jetzt  klar,  dass 
es  sich  nicht  mehr  um  eine  einfache  Pneumonie  handelte,  sondern 
es  wurde  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  ein  Leberabszess  an¬ 
genommen.  Bei  der  grossen  Schwäche  des  Kranken  und  da  sich 
kein  Anhaltspunkt  bot,  wo  der  Abszess  in  der  Leber  sich  befand, 


*)  Das  Verfahren  ist  von  dem  Vorsteher  der  Apotheke,  Herrn 
Dr.  Stich,  ersonnen,  der  die  hier  folgenden  Angaben  schon  in 
der  Pharm. -Zeitg.,  No.  41,  Jahrg.  1902,  gemacht  hat. 


26.  August  1902. 


MITEN CTIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1445 


so  wurde  von  einem  chirurgischen  Eingriff  abgesehen  und  es  trat 
am  21.  Y.  der  Exitus  letalis  ein. 

Die  Sektion  ergab:  Infiltration  des  1.  unteren  Lungenlappens, 
sehr  schlaffes  Herz,  der  ganze  Herzmuskel  blass  und  atrophisch, 
an  den  grossen  Gelassen  keine  Veränderungen.  Die  Leber  fast 
um  die  Hälfte  ihres  normalen  Volumens  vergrössert,  von  hell¬ 
brauner  Farbe,  im  rechten  Leberlappen  an  der  konvexen  Seite 
ca.  2  Querfinger  unter  der  Oberfläche  ein  Abszess  von  der  Grösse 
eines  kleinen  Apfels.  Der  Eiter  war  gelb,  die  Abszesswand  un¬ 
eben,  zerklüftet,  flottierend  und  fetzig.  Leider  wurde  der  Eiter 
nicht  bakteriologisch  untersucht.  Milz  leicht  vergrössert,  Nieren 
normal. 

IC.  spricht  sich  noch  des  näheren  über  das  Entstehen  der 
Leberabzesse  aus  und  ist  der  Ansicht,  dass  es  sich  hier  um  einen 
metastatischen  Leberabszess  gehandelt  hat,  dass  derselbe  höchst 
wahrscheinlich  durch  Einwanderungen  von  Pneumokokken  ent¬ 
standen  ist. 

Herr  Weigel  demonstriert  ein  von  ihm  durch  Total¬ 
resektion  gewonnenes,  von  einem  9jährigen  Mädchen  stammendes 
Präparat  einer  rechtsseitigen  Unterkieferhälfte.  Die  Operation 
war  durch  ein  auf  den  aufsteigenden  Ast  übergreifendes  myelo¬ 
genes  Riesenzellensarkom  nötig  geworden,  welches,  vom  Körper 
ausgehend,  die  ICortikalis  sowohl  nach  innen  wie  nach  aussien  halb¬ 
kugelig  vorgewölbt  hatte  und  nach  der  Mundhöhle  zu  durch¬ 
gebrochen  war,  in  der  Weise,  dass  es  eine  breite,  den  Raum  vom 
Eckzahn  bis  zum  letzten  Mahlzahn  einnehmende,  oberflächlich 
ulzerierte  Masse  bildete. 

Es  findet  hierauf  eine  sehr  lebhafte  Diskussi  o  n  ii  b  e  r 
neuere  Arzneimittel  (Aspirin,  Dionin,  Heroin,  Tannalbin, 
Tannigen,  Urotropin  etc.)  statt. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  Februar  1902. 

Herr  Rudolph  Eischi  demonstriert  ein  1  y3  Jahre  altes 
Kind,  das  an  den  4  oberen  Schneidezähnen  seines  Milchgebisses 
typische  Hutchinson  sehe  halbmondförmige  Erosionen  dar¬ 
bietet  Die  Geschwister  der  Kleinen  wurden  von  F.  wegen  here¬ 
ditärer  Lues  behandelt,  während  sie  selbst  bisher  keinerlei  syphi¬ 
litische  Erscheinungen  darbot.  Er  bespricht  weiter  die  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  derartiger  Veränderungen  an  den  Zähnen 
und  die  Seltenheit  des  Vorkommens  derselben  bei  den  Milchzähnen. 

Herr  Leopold  Fischt  spricht  über  die  Seekrankheit. 

Nach  einigen  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  Aetiologie 
der  Affektion.  besonders  über  die  Ursachen  der  Schiffsbewegung, 
bringt  Herr  F.  ein  über  300  Fälle  umfassendes  kasuistisches  Ma¬ 
terial.  das  sich  auch  auf  Tiere  erstreckt. 

Therapeutisch  wurde  neben  der  subkutanen  Morphininjektion 
die  Bromisierung  nach  Beard  wirksam  gefunden.  Von  der  Be¬ 
obachtung  ausgehend,  dass  die  Retinagefässe  im  Anfalle  verengert 
sind,  wandte  der  Vortr.  Tieflagerung  des  Kopfes,  später  nebstdem 
Einwickelungen  der  Extremitäten  mit  elastischen  Binden  an.  die 
selbst  in  schweren  Fällen  einen  leidlichen  Zustand  zur  Folge 
hatten.  Oeftere  Zufuhr  trockener,  fester  Nahrung  i§t  zu  empfehlen. 

Sitzung  vom  28.  F  e  b  r  u  a  r  1902. 

Herr  Eckstein  demonstriert  ein  neugeborenes  Kind,  das 
er  wegen  Hernia  funiculi  umbilicalis  operierte. 

Herr  G  ö  t  z  1  demonstriert  einen  Patienten  mit  Prostata¬ 
hypertrophie  und  einer  parenchymatösen  Eiterung  der  Prostata 
infolge  Selbstkatheterismus,  dessen  Beschwerden  nach  Massage 
der  Prostata,  bei  der  sich  massenhaft  Eiter  entleerte,  schwanden. 

Herr  Bissau  bespricht  4  interessante  Fälle  von  Abortus, 
weiter  einen  Fall  von  Hymenalblutung  nach  stürmischer  Ko- 
habitation.  O.  W. 


Rostocker  Aerzteverein. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  12.  Juli  1902. 

Herr  Kobert:  Ueber  die  Schwierigkeiten  bei  der  Aus¬ 
wahl  der  Kranken  für  die  Lungenheilstätten  und  über  den 
Modus  der  Aufnahme  in  dieselben.  (Der  Vortrag  ist  in  No.  33 
dieser  Wochenschrift  erschienen.) 

Herr  Zabel:  Ueber  das  Zwerchfellphänomen. 

Herr  E  h  r  i  c  h :  Das  Operieren  im  ersten  Aetherrausehe. 

Vortragender  berichtet  über  die  Erfahrungen,  die  in  der 
Rostocker  chirurgischen  Klinik,  speziell  in  der  Poliklinik,  mit 
der  Verwendung  des  ersten  Aetherrausch.es  zu  Anästhesierungs¬ 
zwecken  gemacht  wurden.  Die  Methode,  auf  die  von  Sudeck 
hingewiesen  worden  ist,  beruht  auf  der  Beobachtung,  dass  nach 
wenigen  Inhalationen  von  Aether  sich  ein  Rauschzustand  ein¬ 
stellt,  in  dem  bei  den  meisten  Menschen  die  Schmerzempfindung 
vollständig  aufgehoben  ist,  während  die  taktile  Sensibilität  und 
die  Motilität  noch  erhalten  sind.  E.  betrachtet  das  Verfahren 
als  eine  sehr  wertvolle  Bereicherung  unserer  Methoden  der  An¬ 


ästhesierung  und  hält  die  Verwendung  desselben  namentlich  in 
den  Fällen  indiziert,  wo  die  Erzielung  der  Lokalanästhesie 
grössere  Schwierigkeiten  bereitet  oder  ganz  versagt,  die  Ein¬ 
leitung  einer  allgemeinen  Narkose  aus  bestimmten  Gründen  ver¬ 
mieden  werden  soll.  Bisher  wurde  es  von  ihm  nur  bei  kurz¬ 
dauernden  Eingriffen,  der  Spaltung  von  Phlegmonen,  Exstir¬ 
pation  von  Karbunkeln,  Zahnextraktionen,  ferner  zur  Einrich¬ 
tung  von  Frakturen,  der  Vornahme  Schmerzhafter  Verband¬ 
wechsel  etc.,  geübt,  während  S  udeck  es  auch  bei  länger  dauern¬ 
den  Operationen  mit  Erfolg  angewandt  hat.  Die  Vorzüge  der 
Methode  sind  folgende.  Die  Technik  ist  eine  überaus  einfache 
und  erfordert  keine  besondere  Einübung:  es  werden  ca.  30  ccm 
Aether  in  die  Maske  —  E.  verwendet  die'  J  u  i  1 1  a  r  d  sehe  — 
gegossen,  und  nach  wenigen  tiefen  Inspirationen  des  Pat.  kann 
man  den  Eingriff  schmerzlos  ausführen,  bei  oberflächlicher 
Atmung  muss  man  etwas  länger  warten.  Die  Zeitdauer,  die  die 
Anästhesierung  in  Anspruch  nimmt,  ist  dementsprechend  die 
denkbar  kürzeste,  ein  Vorteil,  der  die  Methode  für  poliklinische 
Zwecke  besonders  brauchbar  erscheinen  lässt.  (TJeblo  Nach¬ 
wirkungen  fehlen  fast  vollständig.)  Die  Pat.  sind  bereits  während 
der  Anlegung  des  Verbandes  wieder  ganz  wach. 

Zum  Erbrechen  kam  es  überhaupt  nicht,  selbst  nicht  bei 
Patienten,  bei  denen  der  Aetherrausch  gleich  nach  dem  Essen 
zur  Anwendung  kam. 

Der  besondere  Vorzug  vor  den  Narkoticis,  die  bislang  bei 
kurzdauernden  Eingriffen  hauptsächlich  verwandt  wurden,  be¬ 
steht  in  der  völligen  Hngefährlichkeit  des  Verfahrens.  Selbst  bei 
Patienten  mit  nicht  intakten  Respirationsorganen,  bei  denen  die 
allgemeine  Aethernarkose  kontraindiziert  gilt,  erscheint  die  Ein¬ 
leitung  des  Aetherrausch.es  ganz  unbedenklich. 

Versagt  hat  die  Methode  unter  einigen  60  Fällen  eigentlich 
nur  2  mal,  bei  sehr  aufgeregten,  nervösen  weiblichen  Personen, 
die  nach  wenigen  Aetherinhalationen  in  einen  hochgradigen, 
deliriumartigen  Erregungszustand  gerieten,  eine  Beobachtung, 
die  auch  von  anderer  Seite  gemacht  worden  ist.  Dagegen  erwies 
sie  sich  selbst  bei  sehr  muskelkräftigen  Männern  stets  als  aus¬ 
reichend.  Während  Sudeck  die  Analgesie  im  Aetherrausch 
als  eine  fast  reine  medikamentöse  Wirkung  des  Aethers  auffasst, 
glaubt  E.  dem  psychischen  Moment  eine  etwas  grössere  Bedeu¬ 
tung  beimessen  zu  müssen  und  hält  eine  suggestive  Einwirkung 
auf  den  Pat.  durch  persönliches  Zureden  und  Beruhigung  des¬ 
selben  für  die  Erzielung  prompter  Erfolge  für  empfehlenswert. 

Physikalisch-medicinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  Juli  1902. 

Herr  v.  Frey:  Kleinere  Mitteilungen  physiologischen 
Inhalts,  betreffend 

1.  Den  Ortssinn  der  Haut.  E rühere,  in  der  Gesell¬ 
schaft  mitgeteilte  Untersuchungen  des  Vortragenden  haben  er¬ 
geben,  dass  man  bei  der  Prüfung  des  Ortssinnes  der  Haut  nicht 
eine,  sondern  3  Raumschwellen  zu  unterscheiden  habe,  nämlich 
die  Simultan,-  die  Sueoessiv-  und  die  Richtungsschwelle.  Die 
Untersuchungen,  über  die  der  Vortragende  beute  berichtet,  be¬ 
treffen  die  Simultanschwelle.  Ausgeführt  wurden  dieselben 
mittels  zweier  Hebel,  die  durch  einen  Elektromagneten  nieder¬ 
gedrückt  werden.  Es  hat  sich  nun  ergeben,  dass  bei  simultaner 
Reizung  2  benachbarte  Tastpunkte,  d.  h.  an  behaarten  Stellen 
2  Haarbälge  nur  unterschieden  werden  können,  wenn  sie  minde¬ 
stens  20  mm  auseinanderliegen  (Vorderarm),  dann  aber  auch  nur 
unter  günstigen  Bedingungen,  oft  genügen  erst  100  mm.  Wenn 
2  Punkte  gleichzeitig  gereizt  werden,  so  unterstützen  sich  die 
Reize.  Namentlich  kann  man  konstatieren,  dass  bei  simultaner 
unterschwelliger  Reizung  eine  Summation  derart  eintritt,  dass 
eine  Tastempfindung  ausgelöst  wird.  Die  Summation  tritt  auch 
noch  ein,  wenn  die  Reizpunkte  soweit  auseinander  liegen,  dass 
sie  als  getrennt  empfunden  werden.  In  Fällen,  wo  die  Unter¬ 
scheidung  zweier  Punkte  möglich  ist,  kann  die  Versuchsperson 
jedoch  noch  nicht  lokalisieren;  d.  h.  sie  kann  nicht  angeben,  ob 
die  gereizten  Stellen  in  der  Längsrichtung  oder  in  der  Qucr- 
richtung  des  Gliedes  auseinanderliegen. 

2.  Den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Mus¬ 
kelzuckung. 

3.  Den  sogen,  laugenhaften  und  metallischen 
Geschmack.  Wenn  man  Geschmacksempfindungen  analy- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  34. 


1446 


siercn  will,  muss  man  die  Lösungen  möglichst  verdünnt  nehmen : 
es  treten  dann  die  einzelnen  Geschmackskomponenten  allmählich 
hervor.  So  kann  man  bei  Laugen  zunächst  einen  süssen  Ge¬ 
schmack  konstatieren,  bevor  der  bittere  auftritt.  Bei  noch  ge¬ 
ringeren  Konzentrationen  der  Lösungen  fand  Vortragender  schon 
den  spezifischen  laugenhaften  Geschmack  auftreten.  Wie  er 
ferner  konstatieren  konnte,  handelt  es  sich  dabei  aber  nicht  um 
einen  eigentlichen  Geschmack,  sondern  um  eine  Geruchsempfin¬ 
dung,  weil  die  Empfindung  bei  geschlossener  Nase  fehlt.  Ganz 
ähnlich  ist  es  mit  dem  sogen,  metallischen  Geschmack.  Auch  hier 
handelt  es  sich  um  eine  Geruchsempfindung  und  ganz  geringe 
Verdünnungen  von  Metallsalzen  genügen  Schon,  um  ihn  hervor¬ 
zurufen.  Der  metallische  Geruch  ist  sehr  andauernd  und  bleibt 
bisweilen  stundenlang  zurück. 

Was  die  Ursache  dieser  Goruchsempfindung  anlangt,  so 
glaubt  Vortragender,  dass  beim  laugenhaften  Geschmack  das 
Ammoniak,  das  sich  bei  der  Berührung  von  verhornten  Epithelien 
mit  der  Lauge  in  geringen  Mengen  entwickelt,  eine  Rolle  spielt. 
Heber  die  Entstehung  des  metallischen  Geruches  ist  zur  Zeit  noch 
nichts  Sicheres  bekannt. 

Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  22.  .T  u  1  i  1 902. 

Die  Mikroorganismen  der  Dysenterie. 

C  h  a  ntemesse  glaubt,  nun  endlich  in  sicherer  Weise  die 
Natur  und  die  Bolle  der  beiden  Hauptagentien  der  Dysenterie  fest¬ 
stellen  zu  können.  Die  epidemische  oder  die  sporadisch  auftretende 
Ruhr  wird  durch  die  Kultur  von  zwei  durchaus  verschiedenen  Mi¬ 
krobenarten,  einer  Amöbe  und  eines  Bazillus,  im  Darmkanal  er¬ 
zeugt. 

1.  Die  Amöbendysenterie  entwickelt  sich  mehr  in 
sporadischer  wie  in  epidemischer  Weise;  sie  befällt  besonders  den 
erwachsenen  Menschen.  Zuweilen  kann  sie  den  Kranken  in  we¬ 
nigen  Wochen  dahinraffen,  gewöhnlich  hat  sie  aber  einen  chro¬ 
nischen,  wenig  febrilen  Verlauf.  Die  Kranken  zeigen  häufige 
Stühle,  welche  Schleim,  Blut,  Eiter,  Amöben  enthalten.  Die  Krank¬ 
heit  dauert  Monate  und  Jahre  mit  Perioden  von  Obstipation  und 
Diarrhoe;  sie  kann  in  Heilung  übergehen  oder  mit  Erschöpfung, 
Darmperforation  und  besonders  mit  einem  Leberabszess  enden. 
Diese  Varietät  der  Dysenterie  hat  nur  eine  gelänge  Tendenz  zu 
epidemischer  Ausbreitung.  Von  Wichtigkeit  ist,  dass  das  Blut 
dieser  Kranken  den  Dysenteriiebazillus  nicht  agglutiniert  (Osler). 

2.  Die  bazilläre  Dysenterie  ist  besonders  epi¬ 
demischen,  infektiösen  Charakters;  sie  kann  rasch  den  Tod  herbei- 
fiihren  durch  ihr  eigenes  Virus  oder  sie  verursacht  sehr  häufig, 
in  chronischer  Weise  sich  entwickelnd,  Ulzierationen  und  beträcht¬ 
liche  Verdickungen  der  Darmwandungen.  Unabhängig  von  ihrem 
epidemischen  Charakter  kann  diese  Varietät  in  isolierten  Fällen 
auch  als  Komplikation  bei  verschiedenen  chronischen  Krankheiten 
auftreten.  Sie  wird  verursacht  durch  einen  spezifischen  Bazillus, 
welcher  im  Darmkanal,  in  den  Wandungen  des  Dickdarms, 
in  den  Mesenterialdrüsen,  in  der  Milz  und  oft  in  anderen  paren- 
chyrrfatösen  Organen  sich  vermehrt  und  welcher  durch  das  Blut 
der  Kranken,  die  seit  einer  gewissen  Reihe  von  Tagen  von  der 
Ruhr  ergriffen  sind,  agglutiniert  wird. 

Seit  14  Jahren  wurden  über  diese  Befunde  zahlreiche  Kontroll- 
untersuchungen  in  der  ganzen  Welt  gemacht;  Leute,  welche  sich 
der  Einnahme  dieser  Bakterienart  unterzogen,  hatten  die  voll¬ 
ständig  charakteristische  Dysenterie.  Wie  wichtig  diese  Resultate 
sind,  versteht  man,  wenn  man  die  hohe  Mortalität  der  Dysenterie 
unter  verschiedenen  Völkerschaften  der  Erde  in  Betracht  zieht, 
die  nach  Colin  grösser  sein  soll  wie  jene  an  Pest,  Gelbfieber  und 
Cholera. 

Die  pestartigen  Krankheiten  im  Jahre  1901. 

Proust  gibt  hier  einen  zusammenfassenden  Bericht  über 
die  Cholera-,  Gelbfieber-  und  Pestepidemien,  welche  im  Jahre  1901 
auf  der  ganzen  Erde  geherrscht  haben;  letztere  nehmen  natür¬ 
lich  den  breitesten  Rahmen  ein.  Die  den  Ratten  als  Ueberträger 
der  Epidemien  zugeschriebene  Rolle  zeigt  sich  immer  mehr  als 
hervorstechendes  Moment;  die  sanitäre  Ueberwacliung  dieser  Tiere 
und  deren  möglichste  Vernichtung  ist  daher  unbedingte  Notwendig¬ 
keit.  Die  Ratten  entgehen  oft  der  Desinfektion  der  Schiffe  durch 
Schwefelsäure,  indem  sie  in  Teile  des  Schiffes,  welches  von  der¬ 
selben  nicht  betroffen  werden,  schlüpfen.  Gegen  die  Mosquitos 
hingegen,  welche  die  Hauptträger  des  Gelbfieberkontagiums  sind, 
wirkt  die  Schwefelsäure  vollständig  genügend;  leider  zerstört  die¬ 
selbe  auch  gewisse  Waren. 

L  a  v  e  r  a  n  verlangt  systematische  Desinfektion  aller  auf 
Gelbfieber  verdächtigen  Schiffe  mit  Schwefelsäure. 

R  o  u  x  erinnert  an  die  von  den  Amerikanern  auf  den  Antillen 
erzielten  Resultate  und  die  Untersuchungen  von  Ritz,  wonach 
das  Virus  des  gelben  Fiebers  unsichtbar  wie  das  der  Pocken  und 
sogar  nach  Passage  durch  ein  Berkefieldfilter  noch  wirksam  sei. 

Ster  n. 


27.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  Ge¬ 
sundheitspflege 

zu  München  am  17.,  18.,  19.  und  20.  September  1902. 

Tagesordnung: 

Dienstag,  den  10.  September,  8  Uhr  Abends:  Gesellige  Ver¬ 
einigung  und  Begriissung  iin  Hofbräuhauskeller  (innere  \\  iener- 
strasse  12). 

Mittwoch,  den  17.  September,  9  Uhr  Vormittags:  Erste  Sitzung 
im  grossen  Festsaale  des  Hotel  Bayerischer  Hof  (Promenade¬ 
platz  19).  Eröffnung  der  Versammlung.  Rechenschaftsbericht 
und  geschäftliche  Mitteilungen.  I.  Die  hygienische  Ueberwacliung 
der  Wasserläufe.  Referenten:  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  A.  G  ü  r  t  n  e  r- 
Jena,  Wasserbauinspektor  S  c  li  ii  m  a  n  n  -  Berlin.  —  Frühstücks¬ 
pause.  _ II.  Der  Einfluss  der  Kurpfuscher  auf  Gesundheit  und 

Leben  der  Bevölkerung.  Referent:  Dr.  med.  K.  Grassmann - 
München.  —  G  Uhr  Abends:  Festessen  mit  Damen  im  grossen  Saale 
des  alten  Rathauses  (Frieds  des  Gedeckes  ohne  Wein  5  Mark). 

Donnerstag,  den  18.  September,  9  Uhr  Vormittags:  Zweite 
Sitzung.  III.  Wechselbeziehungen  zwischen  Stadt  und  Land  in 
gesundheitlicher  Beziehung.  Referent:  Regierungs-  und  Geh. 
Med.-Rat  Dr.  E.  R  o  t  li  -  Potsdam.  —  IV.  Das  Bäckergewerbe  vom 
hygienischen  Standpunkt  für  den  Beruf  und  die  Konsumenten. 
Referent:  Prof.  Dr.  R.  E  m  m  e  r  i  c  h  -  München.  —  Von  SV2  Uln- 
Nachmittags  Besichtigungen:  1.  Schulhausbauten,  2.  Volksbad, 

3.  Elektrizitätswerk  an  der  Staubstrasse,  4.  Armenversorgungs¬ 
haus,  5.  Oestlicher  Friedhof,  0.  Waisenhaus.  —  Abends  7  Uhr: 
Fest  in  sämtlichen  Räumen  des  Künstlerhauses  (Maximilians¬ 
platz  24),  gegeben  von  der  Stadt  München. 

Freitag,  den  19.  September,  9  Uhr  Vormittags:  Dritte 
Sitzung.  V.  Bericht  über  die  von  den  Städten  eingegangenen 
Fragebogen,  betr.  die  Fürsorge  für  bestehende  und  die  Beschaffung 
neuer  kleiner  Wohnungen.  Referent:  Oberbürgermeister  Dr. 
E  b  e  1  i  n  g  -  Dessau.  —  VI.  Feuchte  Wohnungen:  Ursache,  Ein¬ 
fluss  auf  die  Gesundheit  und  Mittel  zur  Abhilfe.  Referenten:  Re¬ 
gierungs-  und  Medizinalrat  Dr.  Abel-  Berlin,  Baupolizeidirektor 
II.  O  1  s  li  a  u  s  e  n  -  Hamburg.  —  Abends  5  Uhr:  Mit  Allerhöchster 
Genehmigung  Sr.  K.  Hoheit  des  Prinzregenten:  Festvorstellung 
im  Prinzregententheater  „Die  Meistersinger“  von  R.  W  a  g  n  e  r. 

Samstag,  den  20.  September:  Gemeinsamer  Ausflug  auf  den 
im  Besitze  der  Stadt  München  befindlichen  und  zum  Wasser¬ 
versorgungsgebiet  gehörigen  Taubenberg. 

T  e  i  1  n  a  li  m  e  a  n  der  Versam  m  1  u  n  g:  Die  Teilnahme 
an  der  Versammlung  in  München  ist  nur  den  Mitgliedern  des 
Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  gegen  Vor¬ 
zeigung  ihrer  Mitgliedkarte  gestattet.  Nach  §  2  der  Satzungen 
ist  zur  Mitgliedschaft  jeder  berechtigt,  der  Interesse  an  öffent¬ 
licher  Gesundheitspflege  hat  und  den  Jahresbeitrag  von  G  Mark 
zahlt.  Die  Mitgliedkarte  für  das  Jahr  1902  berechtigt  zur  Teil¬ 
nahme  an  der  Versammlung,  d.  li.  zur  Teilnahme  an 
den  Sitzungen  und  geselligen  Vereinigungen  des  Vereins 
und  an  allen  Besichtigungen,  zum  Bezug  der  Festschrift,  der 
Karten  für  das  Festessen,  für  das  Fest  im  Künstlerhause,  zum 
Theater  und  für  den  Ausflug  auf  den  Taubenberg.  Für  Damen 
der  Mitglieder  werden  Karten  unentgeltlich  abgegeben,  die  die¬ 
selben  Berechtigungen  wie  die  Mitgliedskarten  gewähren. 

Das  Anmeldebureau  im  Hotel  „Bayerischer  Hof“ 
(Promenadeplatz  19.  I.  Stock,  im  Marmorsaal)  ist  geöffnet:  Diens¬ 
tag,  den  IG.  September  von  Vormittags  11  Uhr  bis  Abends  G  Uhr, 
an  den  übrigen  Tagen  von  Vormittags  8  Uhr  bis  nach  Schluss  der 
Sitzung. 

Dienstag,  den  16.  September  von  7 — 10  Uhr  Abends  befindet 
sich  das  Anmeldebureau  im  Begriissungslokal  „Hofbräuhaus- 
keller“  innere  Wienerstrasse  12. 

Im  Bureau  werden  auch  Anmeldungen  neuer  Mitglieder  ent¬ 
gegengenommen.  Behörden,  Stadtgemeinden  und  Korporationen 
können  dem  Verein  mit  einem  oder  mehreren  Vertreteni  als  Mit- 
gieder  beitreten  und  zahlen  für  jeden  Vertreter  G  Mark  pro  Jahr. 


Verband  Deutscher  Bahnärzte 

5.  Versammlung  zu  M  ii  n  c  h  e  n.  am  18. /19.  September  1902. 

Progra  m  m. 

Mittwoch,  den  17.  September  1902.  Abends  8  Uhr:  Begriissung 
der  Gäste  und  ihrer  Damen  im  Hotel  „Roter  Hahn“. 

Donnerstag,  den  18.  September  1902.  Vormittags  9  Uhr: 
Sitzung  des  Ausschusses  des  Verbandes  deutscher  Bahnärzte. 
Sitzungslokal  neben  dem  Königssalon  des  Zentralbahnhofes.  Nach¬ 
mittags  2  Uhr:  Allgemeine  Sitzung  im  Saale  des  Hotels  „Bayer 
rischer  Hof“. 

Eröffnung  der  Versammlung  durch  den  Geschäftsführer.  — 
Geschäftliche  Mitteilungen  seitens  des  Vorsitzenden.  —  Universi¬ 
tätsprofessor  Dr.  Eversbusch  -  München:  Praktische  Prüfung 
des  Farbensinns  mit  den  beim  Eisenbahnbetriebe  gebräuchlichen 
Signallichtern.  —  Dr.  Zeitlmann  -  München:  Die  Erkrankungs-, 
Invaliditäts-  und  Sterblichkeitsverhältnisse  der  bayerischen  Eisen¬ 
balmbediensteten.  —  Hofrat  Dr.  Stich-  Nürnberg:  Entwurf  eines 
einheitlichen  Formulars  für  die  Untersuchung  des  Personals  in 
Bezug  auf  körperliche  Tauglichkeit  samt  Instruktion  für  den 
untersuchenden  Bahnarzt.  —  Dr.  R  a  ab  -  Nürnberg:  Der  Alkohol- 


26.  August  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN SCHRIET. 


1447 


missbrauch  bei  dem  niederen  Eisenbahnpersonal  und  dessen  Ver- 
liütung.  —  Die  Rettungseinrichtungen  bei  den  verschiedenen 
deutschen  Eisenbahnverwaltungen.  Referenten:  Sanitätsrat  Dr. 
Sch  Wechten  -  Berlin,  Dr.  Beck-  Mengen  (Württemb.),  Dr. 
B  1  u  m  e  -  Philippsburg  (Baden),  Hofrat  Dr.  Beetz-  München, 
Dr.  Gilbert-  Dresden. 

Abends  7  Uhr:  Gemeinsames  Festessen  mit  Damen  im  Hotel 
„Bayerischer  Hof“. 

Freitag,  den  19.  September  1902.  Vormittags  9  Ulif:  Fort¬ 
setzung  der  Verhandlungen  (in  einem  noch  zu  bestimmenden  Lo¬ 
kale),  falls  dieselben  am  Tage  vorher  nicht  zu  Ende  geführt  werden 
konnten.  Besichtigung  des  Rettungswagens  und  Rettungszimmers 
im  Zentralbahnhofe  und  eines  neuen  preussischen  Arztwagens. 
Vormittags  11  Uhr:  Gemütlicher  Frühschoppen  nach  Münchener 
Art  im  k.  Hofbräuliaus  (Kartensaal).  Nachmittags  2  Uhr:  Treff¬ 
punkt  im  Cafe  Luitpold,  Briennerstrasse  8.  Alsdann  je  nach  Wahl 
Besichtigung  der  Stadt,  Besuch  des  Museums  für  Wohlfahrtsein¬ 
richtungen,  der  physikalisch-therapeutischen  Abteilung  im  Kran¬ 
kenhaus  1.  I.,  des  Volksbades,  der  Volksheilstätte  zu  Planegg  unter 
sachkundiger  Führung. 

Bei  genügender  Teilnehmerzahl  ist  für  Samstag,  den  20.  Sep¬ 
tember  ein  Ausflug  an  den  Tegernsee  oder  Starnberger  See  (Rott- 
mannshölie,  Bismarckturm)  beabsichtigt. 


Verschiedenes. 

Ueber  Neuerungen  an  elektrischen  Bogen¬ 
lichtbädern  schreibt  uns  die  elektrotechnische  Fabrik 
Reiniger,  Gebbert  &  Schall  in  Erlangen:  Bei  den  bis¬ 
herigen  Bogenlichtbädern  für  Gleichstrom  wurde  dem  Umstände 
nicht  Rechnung  getragen,  dass  eine  Bogenlampe  mit  senkrecht 
stehenden  Kohlen  infolge  des  kraterförmigen  Ausbrennens  der 
oberen  positiven  Kohle  ihr  Licht  kegelförmig  nach  unten  wirft. 
Dadurch  erhielt  der  in  dem  Lichtkasten  sitzende  Patient  auf  seiner 
oberen  Körperhälfte  nur  wenig  Bogenlichtstrahlen.  Ausserdem 
ging  sehr  viel  Licht  verloren,  da  die  nach  hinten  gerichteten,  dem 
Zentrum  des  Kastens  abgewendeten  Lichtstrahlen  durch  ihre  un¬ 
günstige  Richtung  kaum  in  das  Innere  des  Kastens  reflektiert 
werden  konnten.  Die  Firma  fertigt  daher  nunmehr  Bogenlicht- 
bäder  an,  bei  welchen  die  Kohlen  mit  ihrem  unteren  Ende  nach 
dem  Innern  des  Kastens  zu  geneigt  sind,  so  dass  der  von  dem 
Krater  der  oberen  positiven  Kohle  ausgehende  Lichtkegel  kon¬ 
zentrisch  in  das  Innere  des  Lichtbades  strahlt.  Dadurch  wird 
nicht  allein  die  Lichtquelle  ausserordentlich  viel  besser  aus- 
geniitzt,  sondern  auch  die  Bestrahlung  eine  viel  gleichmässigere. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

Münche  n,  2G.  August  1902. 

—  Zur  Vorbereitung  des  XIV.  internationalen  medi¬ 
zinischen  Kongresses  in  Madrid  (23. — 30.  April  1903) 
hat  sich  ein  Deutsches  Reichs-Komitee  unter  dem  Vorsitze  der 
Herren  V  ircho  w  und  v.  Bergmann  gebildet,  das  einen  Auf¬ 
ruf  zur  Teilnahme  an  dem  Kongress  erlässt.  Vorträge  können  bei 
dem  Schriftführer  des  Komitees,  Prof.  Dr.  C.  Pos  n er,  Berlin 
SW.,  Anlialtstr.  7,  angemeldet  werden.  Die  Mitgliedschaft  des 
Kongresses  kann  schon  jetzt  durch  Einzahlung  von  30  Pesetas 
=  20  Mark  50  Pf.  bei  dem  Reisebureau  Carl  Stange  n,  Berlin  W., 
Friedriclistr.  72,  erworben  werden,  welches  als  offizielles  Verkelirs- 
bureau  fungiert,  und  alle  Auskünfte  über  Reise,  Wohnung  u.  dergl. 
erteilt,  auch  auf  Wunsch  das  vorläufige  Programm  des  Kongresses 
übersendet.  Die  Mitglieder  erhalten  für  ihren  Beitrag  ausser  den 
noch  bekannt  zu  gebenden  Reisevergünstigungen  ein  Exemplar 
eines  Allgemeinen  Berichtes  über  die  Arbeiten  des  Kongresses,  so¬ 
wie  der  Verhandlungen  derjenigen  Sektion,  bei  der  sie  sich  ein¬ 
geschrieben  haben.  Die  Damen  der  Mitglieder  gemessen  die  den 
Mitgliedern  zustehenden  Reisevergünstigungen  etc.,  falls  für  die¬ 
selben  eine  Damenhafte  zu  12  Pesetas  gleich  8  Mark  gelöst  wird. 

—  Der  langjährige  Medizinalreferent  des  Grossherzogtums 
Baden,  Geheimrat  Dr.  Battlehne r,  ist  in  den  Ruhestand 
getreten.  Als  sein  Nachfolger  wurde  Medizinalrat  Dr.  Greift  in 
Mannheim  berufen. 

• —  Die  durch  den  Tod  des  Oberstabsarztes  Dr.  Kühler  er¬ 
ledigte  Stelle  eines  Referenten  bei  der  Medizinalabteilung  des 
preuss.  Kriegministeriums  ist  dem  Oberstabsarzt  Dr.  P  a  a  1  z  o  w  in 
Spandau  übertragen  worden. 

—  In  Dresden  werden  von  dem  zu  diesem  Zwecke  ge¬ 
gründeten  Verein  in  der  Zeit  vom  0.  bis  25.  Oktober  d.  J.  Fort¬ 
bildungskurse  für  Aerzte  abgehalten  werden;  nähere 
Auskunft  gibt  die  auf  dem  Umschlag  dieser  Nummer  abgedruckte 
Anzeige. 

—  Nach  dem  Tode  des  Herrn  Prof.  Reinebot  li  in  Halle 
werden  vom  1.  Oktober  d.  J.  ab  die  Herren  Prof.  Dr.  Rudolf 
Kob  er  t  und  Dr.  Hermann  Kramer  in  Rostock  die  Redaktion 
der  „Zeitschrift  f  ii  r  Iv  rankenpfle  g  e“  übernehmen. 

—  Cholera.  In  Kairo  sind  vom  30.  Juli  bis  5.  August 
Ui  Choleraerkrankungen  und  152  Todesfälle  gemeldet. 

—  Pest.  Russland.  Nach  einer  amtlichen  Erklärung  im 
Regierungsanzeiger  vom  10.  August  sind  in  Odessa  vom  22.  Juli 
bis  zum  2.  August  neue  Fälle  pestverdächtiger  Erkrankungen  nicht 
vorgekommen.  Die  5  Personen,  welche  bis  zum  22.  Juli  erkrankt 
waren,  wurden  als  genesen  betrachtet.  Am  2.  und  3.  August 
waren  in  das  städtische  Krankenhaus  neuerdings  2  Erkrankte, 


beides  Ortseinwohner,  eingeliefert  worden  mit  den  Krankheits¬ 
erscheinungen,  die  auch  bei  jenen  ersten  5  Kranken  beobachtet 
worden  waren.  Die  Kranken  wurden  unverzüglich  abgesondert; 
in  betreff  ihrer  Wohnungen,  des  Hausrats,  sowie  der  Personen,  die 
mit  ihnen  in  Berührung  gekommen  waren,  wurde  das  Nötige  ver¬ 
anlasst.  Nach  weiteren  Mitteilungen  vom  11.  August  hatte  die 
Zahl  der  pestartigen  Erkrankungen  in  Odessa  angeblich  eine  Zu¬ 
nahme  erfahren.  In  Aksai  sind  zufolge  einer  amtlichen  Erklärung 
im  Reg.-Anzeiger  vom  10.  August  neue  verdächtige  Erkrankungen 
seit  dem  28.  Juli  nicht  beobachtet.  Von  den  seit  dem  Ausbruch  der 
Seuche  erkrankten  28  Personen  waren  16  gestorben;  eine  war  voll¬ 
ständig  genesen,  von  den  übrigen  11  Kranken  gingen  9  der  Wieder¬ 
herstellung  entgegen.  Nach  einer  Mitteilung  vom  6.  August  hatten 
die  nach  Aksai  entsandten  ärztlichen  Sachverständigen  erklärt, 
dass  die  betreffenden  Erkrankungen  durch  die  „sibirische  Pest" 
veranlasst  seien.*)  —  Aegypten.  Vom  2.  bis  5.  August  sind  aus 
Alexandrien  5  Pestfälle  (2  Pesttodesfälle)  und  aus  Tukh  1  Pestfall 
gemeldet.  —  Hongkong.  In  der  Zeit  vom  15.  Juni  bis  5.  Juli  sind 
125  Fälle  von  Pest  zur  Anzeige  gelangt;  dieselben  sind  alle 
tödlich  verlaufen.  —  Kapland.  In  der  Zeit  vom  29.  Juni  bis 
12.  Juli  sind  noch  3  neue  Erkrankungen  an  der  Pest  in  Tort 
Elizabeth  beobachtet,  und  2  Pestleichen  ebendaselbst  gefunden. 
Vom  12.  bis  23.  Juli  waren  weitere  Pestfälle  in  der  Kolonie  nicht 
bekannt  geworden. 

—  Pocken.  Grossbritannien.  Während  der  vier  Berichts¬ 
wochen  des  Monats  Juli  sind  zufolge  neuerer  Mitteilung  in  London 
nacheinander  58,  51,  48,  23  Pei'sonen  an  den  rocken  erkrankt  und 
15,  13,  13,  4  der  Seuche  erlegen.  Am  Ende*  des  Monats  befanden 
sich  noch  326  Pockenkranke  in  den  Spitälern  Londons  in  Behand¬ 
lung,  gegen  814  am  Ende  des  Juni.  Ausserhalb  Londons  starben 
während  der  letzten  Juliwoche  3  Personen  an  den  Pocken,  und 
zwar  je  1  in  Tottenham,  Birmingham  und  Swansea. 

—  In  der  32.  Jahres  wache,  vom  3.  bis  9.  August  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Bonn  mit  40,5,  die  geringste  Schöneberg  mit  6,4  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Königshütte;  an  Masern  in 
Flensburg,  Lübeck;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Elberfeld. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Als  Nachfolger  Gerhardts  sind,  Zeitungsnach¬ 
richten  zufolge,  vorgeschlagen:  F.  M  ü  1 1  e  r -  München,  v.  Noor¬ 
den  -  Frankfurt  a.  M.  und  K  r  e  h  1  -  Tübingen. 

Göttinge  n.  Dem  Privatdozenten  der  Chirurgie  Dr.  S  u  1  - 
t  a  n  hierselbst  ist  der  Professortitel  verliehen  worden. 

A  1  g  i  e  r.  Dr.  S  o  u  1  i  e  wurde  zum  Professor  der  allgemeinen 
Pathologie,  Mikrobiologie  und  Parasitologie  ernannt. 

Auge  r  s.  Dr.  M  o  t  a  i  s  wurde  zum  Professor  der  ophthal- 
mologischen  Klinik  ernannt. 

Kopenliage  n.  Am  7.  September  wird  die  feierliche  Ein¬ 
weihung  des  hiesigen  neuen  Seruminstituts  stattfinden. 

Rio-de-Janeiro.  Dr.  P.  de  A 1  m  e  i  d  a  M  a  g  a  1  h  a  e  s 
wurde  zum  Professor  der  Pathologie  und  medizinischen  Klinik  er¬ 
nannt. 

T  o  u  r  s.  Dr.  Parisot  wurde  zum  Professor  der  Histologie 
ernannt. 

W  i  e  n.  Prof.  Dr.  Gustav  Riehl  in  Leipzig  wurde  zum 
ordentl.  Professor  der  Dermatologie  und  Syphilis  an  der  Universität 
Wien  ernannt. 

(Todesfälle.) 

In  Meran  starb  der  Nestor  der  dortigen  Aerzte  Hofrat  Dr. 
v.  T  a  p  p  e  i  n  e  r.  T.  lieferte  als  einer  der  ersten  den  experimen¬ 
tellen  Nachweis  von  der  Uebertragbarkeit  der  Tuberkulose.  Er 
hat  ausserdem  die  grössten  Verdienste  um  das  Aufblühen  des  Kur¬ 
ortes  Meran. 

Der  frühere  Professor  der  Embryologie  an  der  Universität 
Wien,  Dr.  Leopold  Schenk,  der  durch  sein  Buch:  „Einfluss  auf 
das  Geschlechtsverhältnis  des  Menschen  und  der  Tiere“  eine 
traurige  Berühmtheit  erlangt  hat,  ist  gestorben. 

in  Ofen-Pest  starb  der  Professor  der  medizinischen  Chemie 
Dr.  Paul  P  1  o  s  s,  57  Jahre  alt. 

Der  Generalstabsarzt  der  russischen  Armee  Adolf  v.  R  e  in  - 
m  ,e  r  t  ist  gestorben. 

In  Swakopmund  ist  Assistenzarzt  Dr.  B  o  r  r  am  31.  Juli  au 
Typhus  gestorben. 

(Berichtig  unge  n.)  In  der  Arbeit  des  Herrn  Dr. 
Reiche:  „Die  Dauererfolge  der  Heilstättenbehandlung  Lungen¬ 
schwindsüchtiger“,  d.  W.  No.  33,  sind  folgende  Druckfehler  zu  ver¬ 
bessern:  S.  1370  1.  o.  muss  es  heissen:  „Heilbehandlung“  statt  Zeit¬ 
behandlung;  S.  1372,  Sp.  2,  Z.  25:  „Die  üblichen  mehrmona¬ 
tigen  Heilstättenkuren“  statt  mehrmaligen,  und  ebenda  Z.  64: 
„in  diesen  allein“  statt  in  diesen  allen. 

Ferner  sind  in  der  Arbeit  des  Herrn  Prof.  G.  Klein:  „Zur 
Geschichte  der  Extraktion  und  Expression  des  nachfolgenden 
Kopfes“  d.  Wochensehr.  No.  31  folgende  Fehler  zu  korrigieren: 
Auf  S.  1310  muss  es  im  Abschnitt  „Der  Vollständigkeit  halber“ 
statt  1694  richtig  heissen  1649,  wie  auch  gleich  darnach  und  im 
Literaturverzeichnis  richtig  geschrieben  ist.  Ferner  im  Abschnitt 
„Et  aduenant  cela  ’■ — “  am  Schlüsse  nicht  „Vers  le  las“,  sondern 
vers  le  bas. 


*)  Mit  dem  Namen  „sibirische  Pest“  wird  in  Russland  all¬ 
gemein  der  Milzbrand  belegt. 


MUENCHENER  MEDIClNlSCÜE  WO CIlEN SCHRIET. 


1448 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Erledigt:  Die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse  in  Preising.  Be¬ 
werber  um  dieselbe  haben  ihre  vorscliriftsmässig  belegten  Gesuche 
bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis 
zum  5.  September  1.  J.  einzureichen.  —  Die  Bezirksarztstellen 

I.  Klasse  in  Wolfratshausen,  St.  Ingbert  und  Dürkheim  sind  zu 
besetzen.  Bewerber  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 
bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis 
zum  1.  September  <1.  J.  einzureichen.  —  Die  Bezirksarztstelle 
I.  Klasse  in  Neustadt  a.  A.  Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vor¬ 
schriftsmässig  belegten  Gesuche  bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K.  Re¬ 
gierung,  Kammer  des  Innern,  bis  zum  1.  September  einzureichen. 

Verzogen:  Sedlmair  Franz  Xaver  von  Amerdingen,  Bez.- 
Amts  Nördlingen,  nach  Königstein,  Bez.-Amts  Sulzbach. 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  Bezirksarzt 
I.  Klasse  Dr.  Gustav  Büschel  in  Neustadt  a.  A.  seinem  An¬ 
suchen  entsprechend  wegen  nachgewiesener  physischer  Gebrech¬ 
lichkeit  unter  Anerkennung  seiner  langjährigen  treuen  Dienst¬ 
leistung. 

Zugeteilt:  der  Generaloberarzt  Dr.  Petri,  Garnisonsarzt 
beim  Gouvernement  der  Festung  Ingolstadt,  unter  Stellung  zur 
Disposition  mit  der  gesetzlichen  Pension  als  diensttuender  Sanitäts¬ 
offizier  dem  Bezirkskommando  Nürnberg. 

Befördert:  zum  Oberarzt  der  Stabsarzt  Dr.  Kolb,  Bataillons¬ 
arzt  im  3.  Train-Bat. 

Ernannt:  zum  Korpsarzt  des  III.  Armeekorps  der  mit  Wahr¬ 
nehmung  der  Geschäfte  dieses  Korpsarztes  beauftragte  General¬ 
oberarzt  Dr.  Schiller,  unter  Beförderung  zum  Generalarzt; 
zum  Garnisonsarzt  beim  Gouvernement  der  Festung  Ingolstadt  der 
Generaloberarzt  Dr.  Hekenberger,  Regimentsarzt  im  11.  Inf.- 
Iieg. ;  zum  Chefarzt  des  Garnisonslazaretts  München  der  Ober¬ 
stabsarzt  Dr.  Fischer,  Regimentsarzt  im  7.  Feld- Art. -Reg;  zu 
Regimentsärzten  die  Oberstabsärzte  Dr.  Hummel,  Dozent  beim 
Operationskurs  für  Militärärzte,  im  7.  Feld-Art.-Reg.;  Dr. 
Fleisch  mann  im  9.  Feld-Art.-Reg.;  zum  Dozenten  am  Opera¬ 
tionskurs  für  Militärärzte  der  Stabsarzt  Dr.  F  r  i  e  d  r  i  c  h,  Ba¬ 
taillonsarzt  im  1.  Iuf.-Reg. ;  zu  Bataillonsärzten  die  Oberärzte 
Dr.  Hasslaue  r  vom  9.  Inf.-Reg.,  Dr.  Voigt  vom  14.  Inf. -Reg., 
beide  unter  Beförderung  zu  Stabsärzten. 

Versetzt:  der  Oberstabsarzt  Dr.  Seel,  Reg. -Arzt  im  9.  Feld- 
Art.-Reg.,  zum  11.  Inf.-Iteg.;  der  Stabsarzt  Dr.  Büx,  Bataillons¬ 
arzt  im  23.  Inf.-Reg.,  zum  1.  Inf.-Reg. 


Korrespondenz. 

Zur  Geschichte  der  Extraktion  und  Expression  des  nachfolgenden 

Kopfes. 

Einem  Wunsche  des  Herrn  Dr.  H.  Michaelis  entsprechend 
füge  ich  meinem  Aufsatze  in  No.  31  dieser  Wochenschrift  folgendes 
hinzu:  Ich  habe  Herrn  M  ichaelis  das  Thema  und  die  Mehrzahl 
der  hierfür  nötigen  Bücher  aus  meiner  Privatsammlung  gegeben. 
Herr  Michaelis  hat  die  Untersuchung  zum  grössten  Teile  in 
meiner  Wohnung  und  unter  meiner  dauernden  Mitarbeit,  späterhin 
selbständig  ausgeführt  und  einen  Teil  der  Ergebnisse  selbst  ge¬ 
funden,  wie  ich  dies  in  meinem  Aufsatze  schon  klargelegt  zu  haben 
glaubte.  Ich  denke,  den  Anteil  des  Herrn  Michaelis  an  den 
Ergebnissen  dieser  Untersuchung  jetzt  genügend  hervorgehoben  zu 
haben.  Dr.  G.  Klein. 


Amtlicher  Erlass. 

(Bayern.) 

No.  3810.  München,  den  3.  August  1902. 

K.  Staatsministerium  des  Innern. 

An  die  k.  Regierungen,  Kammern  des  Innern. 

Betreff:  Die  V erhandlungen  der  Aerzte- 
kammern  im  Jahre  1901. 

Auf  die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  Bayerns  vom 
28.  Oktober  1901  ergeht  nach  Einvernahme  des  k.  Obermedizinal¬ 
ausschusses  nachstehende  Verbescheidung: 

1.  Die  Revision  der  k.  Allerhöchsten  Verordnung  vom  20.  Die>- 
zernber  1875,  die  Vergütung  für  ärztliche  Amtsgeschäfte  betr.,  ist 
in  Verhandlung  begriffen. 

2.  Bezüglich  der  Anträge  der  Aerztekammern,  die  Novelle 
zum  Krankenversicherungsgesetz  betr.,  wird  auf  Ziffer  10  der  Ent- 
scldiessung  des  k.  Staatsministeriums  des  Innern  vom  27.  Juli  1901, 
die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1900  betr.,  Bezug 
genommen. 

Ob  und  inwieweit  hiezu  eine  weitere  Einvernahme  der  ärzt¬ 
lichen  Standesvertretung  veranlasst  erscheine,  wird  dabei  er¬ 
wogen  Averden. 

3.  Was  das  beantragte  Vorgehen  gegen  die  öffentlichen  An¬ 
preisungen  von  Heilmitteln  und  Heilmethoden  anbelangt,  so  finden 
darüber  Verhandlungen  im  Bundesrate  statt,  Avelche  noch  nicht 
zum  Abschluss  gediehen  sind. 

4.  Hinsichtich  der  Anregung,  Warnungen  gegen  Sclnvindel- 
mittel  und  Heilkünstler  zu  erlassen,  muss  Erwägung  von  Fall  zu 
Fall  Vorbehalten  bleiben,  Avie  in  der  Entschliessung  des  k.  Staats- 


No.  34. 


ministeriums  des  Innern  vom  20.  September  1901  an  die  k.  Polizei¬ 
direktion  München  bereits  angedeutet  wurde. 

5.  Die  Anträge,  die  Schulhygiene  betr.,  wurden  dem  zu 
ständigen  k.  Staatsministerium  des  Innern  für  Kirchen-  und 
Schulangelegenheiten  zur  Würdigung  mitgeteilt. 

0.  Der  Anregung,  eine  Warnung  vor  dem  Studium  der  Medizin 
an  die  Absolventen  der  bezüglichen  Mittelschulen  ergehen  zu 
lassen,  sind  nur  die  Aerztekammern  von  Mittelfranken  und  von 
Unterfrauken  und  Aschaffenburg  beigetreten. 

Es  besteht  kein  Anlass,  zu  derselben  Stellung  zu  nehmen. 

7.  Den  auf  Abänderung  einzelner  Bestimmungen  der  k.  Aller¬ 
höchsten  Verordnung  vom  29.  Dezember  1900,  die  Zubereitung  und 
Feilhaltung  der  Arzneien  in  den  Apotheken  betr.,  abzielendeu  Be¬ 
schlüssen  der  Aerztekammern  kann  entspi-echeud  der  gutachtlichen 
Aeusserung  des  K.  Obermedizinalausschusses  im  Hinblick  auf 
den  erst  kurzen  Bestand  der  bezeichneten  Verordnung  eine  Folge 
nicht  gegeben  Averden. 

8.  Der  Antrag  auf  Gewährung  der  Postportofreiheit  bei  Ein¬ 
sendung  der  Zählkarten  für  die  Morbiditätsstatistik  der  Infektions¬ 
krankheiten  au  die  Amtsärzte  wurde  dem  k.  Staatsministerium 
des  k.  Hauses  und  des  Aeussern  zur  zuständigen  Würdigung 
übermittelt. 

9.  Bezüglich  des  Antrages  der  oberbayerischen  Aerztekammer. 
Zustellungen  an  Aerzte  in  rein  persönlicher  Angelegenheit  des 
Empfängers  betr.,  wird  auf  die  Ministerialbekanntmachung  vom 
28.  April  1901,  die  Vereinfachung  des  dienstlichen  Verkehrs  betr., 
hingewiesen,  wonach  in  geeigneten  Fällen  der  unmittelbare  Ge¬ 
schäftsverkehr  mit  Privatpersonen  den  Behörden  bereits  vor¬ 
geschrieben  ist. 

10.  Der  Antrag  der  oberbayerischen  Aerztekammer,  die  Visi¬ 
tation  der  Stallungen  durch  die  Bezirkstierärzte  betr.,  ist  zu  all¬ 
gemein  gehalten  und  entbehrt  einer  genügenden  Begründung, 
weshalb  derselbe  zu  einer  Berücksichtigung  sich  nicht  eignet. 

11.  Der  Antrag  der  oberpfälzischen  Aerztekammer,  dass 
künftig  alle  diejenigen  Nummern  des  Reichsgesetzblattes,  in 
Avelclien  für  die  amtsärztliche  Tätigkeit  Avichtige  reichsgesetzliche 
Bestimmungen  enthalten  sind,  den  Amtsärzten  auf  Staatskosten 
zur  Verfügung  gestellt  werden  mögen,  wurde  vorläufig  zur  Kennt¬ 
nis  genommen;  weitere  Erhebung  und  Würdigung  werden  er¬ 
folgen. 

12.  Bezüglich  des  Antrages  der  oberbayerischen  und  mittel- 
fränkischen  Aerztekammer  auf  regelmässige  Veröffentlichung  der 
Verhandlungen  des  verstärkten  Obermedizinalausschusses  wird 
bemerkt,  dass  eine  Veröffentlichung  nicht  in  allen  Fällen  an¬ 
gemessen  erscheinen  kann,  und  dass  auf  eine  solche,  soAveit  Be¬ 
denken  nicht  bestehen,  wie  bisher  wird  Bedacht  genommen 
Averden. 

13.  Der  Antrag  der  pfälzischen  Aerztekammer,  dass  die  Zu¬ 
lassung  zur  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  in  Zukunft 
schon  unmittelbar  nach  dem  praktischen  Jahre  gewährt  werden 
möge,  kann  als  sackförderlich  nicht  erachtet  werden. 

14.  In  Bezug  auf  den  Antrag  der  pfälzischen  Aerztekammer, 
die  Ausschreibung  und  Besetzung  ärztlicher  Stellen  an  Staats¬ 
anstalten  betr.,  Avurde  mit  dem  k.  Staatsministerium  der  Justiz 
ins  Benehmen  getreten. 

Ein  Exemplar  der  anruhenden  drei  Abdrücke  gegenwärtiger 
Entschliessung  ist  dem  Vorsitzenden  der  Aerztekammer  zur  Kennt¬ 
nisnahme  und  geeigneten  Verständigung  der  ärztlichen  Bezirks- 
Vereine  zuzustellen. 

gez.  Dr.  Frhr.  v.  Feilitzsch. 


Morbiditätsstatistikd.  Infektionskrankheitenflir  München. 

in  der  32.  Jahreswoche  vom  3  bis  9.  August  1902. 
Beteiligte  Aerzte  107.  —  Brechdurchfall  35  (16*),  Diphtherie  U. 
Krupp  3  (6),  Erysipelas  9  (9),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  (1).  Kindbettfieber  —  ( — ),  Meningitis  cerebrospin.  —  ( — ), 

Morbilli  16  (17),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  1  (2),  Parotitis 

epidem.  1  (2),  Pneumonia  crouposa  2  (6),  Pyämie,  Septikämie 

—  (-),  Rheumatismus  art.  ac.  14  (14),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 

Scarlatina  4  (!),  Tussis  convulsiva  37  (31),  Typhus  abdominalis  — 
( — ),  Varicellen  2  (5',  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  —  (1). 
Summa  124  (110).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  32.  Jahreswoche  vom  3.  bis  9.  August  1902. 
Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen  :  Masern  2  ( — *)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Krupp  —  (1),  Rotlauf  2  (3),  Kindbettfieber  —  ( — ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  (1),  Brechdurchfall  11  (11),  Unterleib-Typhus  — 
(— ),  Keuchhusten  9  (6),  Kruppöse  Lurgenentzündung  2  (1),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  31  (19),  b)  der  übrigen  Organe  6  (7),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
7  (1),  Unglücksfälle  1  (4),  Selbstmord  —  (I),  Tod  durch  fremde 
Hand  -  (-). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  210  (194),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  21,6  (19,9),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  12,5  (10,1). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  VorAVoehe. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München 


Die  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöehentl. 
In  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Boeen 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest. -Ungarn  vierteliährl.  6  M. 
ins  Ausland  8.—  Jt.  Einzelne  No.  80  -4. 


Münchener 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  W OCHENSCHKHT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausg-egeben  von 

0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  W.  v.  Leube,  G,  Merkel,  J.  v.  Michel 

München.  Freiburg  L  B.  München.  Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin. 


F,  Penzoldt, 

Erlangen. 


No.  35.  2.  September  1902,  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Amnlfstrasse  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


H.  v.  Ranke,  F.  v,  Winckel, 

München.  München. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Marburg. 

Ueber  das  Wesen  des  Diabetes.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Otto  Hess,  Oberarzt  der  Klinik. 

Das  Tierexperiment,  welches  manche  Frage  des  gesunden 
und  kranken  Stoffwechsels  gelöst  hat,  schien  auch  dazu  berufen 
zu  sein,  die  Erkenntnis  des  in  seiner  Aetiologie  und  in  seinem 
V  esen  so  rätselhaften  Diabetes  zu  fördern,  nachdem  es  ge¬ 
lungen  war,  beim  Tier  ein  dem  Symptomenbild  des  menschlichen 
Diabetes  völlig  entsprechendes  Krankheitsbild  hervorzurufen. 

Auf  die  verschiedenste  Weise  lässt  sich  experimentell 
Diabetes  erzeugen:  durch  Eingriffe  in  das  Nervensystem,  durch 
\  ergif tungen  und  durch  Drüsenexstirpation ;  als  Typen  dieser 
3  Gruppen  nenne  ich  die  Piqüre  Bernards1)  aus  dem 
Jahre  1849,  die  Phlorhizinvergiftung  v.  Merings 
aus  dem  J ahre  1886  und  die  Pankreasexstirpation 
v.  Merings  und  Minkowskis  aus  dem  Jahre  1889.  — 
Von  weniger  grossem  Interesse  ist  der  Diabetes  nach  Verletzung 
des  Unterwurms  des  Kleinhirns  beim  Kaninchen  (E  ckha  r  d), 
nach  Verletzung  des  obersten  Brustganglions  des  Sympathikus 
(des  Ganglion  stellatum),  der  reflektorische  Diabetes  nach  elek¬ 
trischer  Reizung  des  zentralen  Endes  der  Nervi  vagus,  depressor, 
ischiadicus,  der  toxische  Diabetes  nach  Curare-,  Morphin-, 
Strychnin-,  Amylnitrit-,  CO- Vergiftung,  endlich  der  inkonstant 
auftretende  Diabetes  nach  Speicheldrüsen-  und  Schilddrüsen- 
exstirpation. 

.  Dm  Piqüre,  ein  Einstich  an  der  Spitze  des  Calamus 
scriptorius  im  4.  Ventrikel,  ruft  bei  verschiedenen  Tieren  einen 
i  or übergehenden  Diabetes-  hervor  und  versagt,  wenn  die 
Leber  glykogenfrei  oder  aus  jedem  Zusammenhänge  mit  dem 
Nervensystem  gelöst  ist,  ebenso  nach  Durchschneidung  des 
Neu  us  splanchnicus.  Es  handelt  sich  bei  ihr  demnach  (ebenso 
wahrscheinlich  auch  bei  den  anderen  Glykosurien  nach  Eingriffen 
in  das  Nervensystem  und  bei  vielen  Vergiftungen)  um  eine 
durch  nervöse  Vorgänge  vermittelte  „Ausschüttung  des  Glykogen- 
lorrates  in  der  Leber“,  um  eine  „h  epatogene  Glyko- 
s  u  r  i  e“  (v.  N  o  o  r  d  e  n). 

Ganz  andere  Verhältnisse  bietet  der  Phlorhizin- 
diabetes.  Durch  konsequente  Darreichung  des  Glykosides 
Fhlorhizin,  per  os  oder  subkutan,  gelingt  es  bei  Mensch  und  Tier, 
einen  dauernden  Diabetes  schwerster  Form  zu  erzeugen.  Doch 
le  Sehnlichkeit  desselben  mit  dem  echten  menschlichen  Diabetes 
hegt  nur  in  den  Symptomen,  nicht  in  der  Aetiologie;  denn  der 
Blutzucker  ist  bei  dem  Phlorhizindiabetes  vermindert, 
Rnd  diese  Verminderung  ist  die  Folge  einer  primären  Vergiftung 
er  Ni  eie  und  einer  daraus  resultierenden  Insuffizienz  des 
•Nierenfilters,  die  normale  Blutzuckermenge  zurückzuhalten. 
Zum  Ersätze  des  verloren  gegangenen  Zuckers  werden  fort¬ 
während  neue  Zuckermengen  im  Organismus  gebildet,  doch  nur 
um  durch  die  insuffiziente  Niere  herausgeschwemmt  zu  werden. 

*)  Nach  einem  Vortrage. 

^  9  Vollständige  Literaturzusammenstellungen  finden  sich  bei 
Jser:  „Die  Erkrankungen  des  Pankreas“  in  Nothnagels  Hand- 
Duell  der  spez.  I'ath.  u.  Therap.  Bd.  XVIII  und 

Paris  3898°  m  ”DiabiHe  Pnncrßatique“.  Travaux  de  Physiologie.. 

No.  35. 


Im  Gegensätze  zu  diesem  „renalen  Diabetes“*2)  steht  der 
Diabetes .  nach  Pankreasexstirpation.  Er  ist  die 
Folge  einer  primären  Vermehrung  des  Blutzuckers,  einer 
II  y  p  e  i  g  1  y  k  ä  m  i  e  infolge  verminderten  Zuckerverbrauches 
im  Organismus.  Die  Glykosurie  ist  sekundär,  da  auch  das  ge¬ 
sunde  Nierenfilter  nur  einer  bestimmten  Konzentration  des 
Blutzuckers  gewachsen  ist.  Es  liegt  somit  dem  Pankreasdiabetes 
dieselbe  Störung  des  Stoffwechsels  wie  dem  menschlichen  Dia¬ 
betes  zu  Grunde,  nämlich  die  Störung  des  Zuckerver¬ 
brau  c  li  e  s,  und  auch  seine  Symptome,  wie  Polyurie,  Poly¬ 
phagie,  Polydipsie,  Abmagerung,  Kräfteverfall,  Ausscheidung 
von  Azeton  und  Azetessigsäure  etc.  stimmen  durchaus  mit  den 
Symptomen  des  Diabetes  mellitus  des  Menschen  überein. 

Was  lag  unter  diesen  Bedingungen  näher  als  die  Hoffnung, 
durch  wissenschaftliche  Ausbeutung  des  Pankreasdiabetes  dem 
Wesen  und  vielleicht  auch  der  Therapie  des  menschlichen  Dia¬ 
betes  näher  zu  treten?  Eine  Unsumme  von  Arbeit  ist  aufgewandt 
worden  und  wenn  wir  auch  ein  wesentliches  Stück  vorwärts  ge¬ 
kommen  sind,  so  liegt  die  endgültige  Lösung  der  Diabetesfrage 
doch  noch  in  weiter  Ferne.  Es  soll  eine  kurze  Schilderung  der 
wichtigsten  Theorien  versucht  werden. 

Auf  den  Zusammenhang  zwischen  Diabetes  und  Pankreas¬ 
erkrankung  wurde  Cowley  bereits  im  Jahre  1788  aufmerksam; 
weitere  Erfahrungen  sammelten  C  hopart,  Bright,  Fre- 
l  i  c  h  s,  Bouchardat,  Lanceraux  u.  a.  Es  fanden  sich 
Pankreas  Veränderungen  in  Form  von  Atrophie,  Verfettung, 
Induration,  Steinbildung,  Karzinom,  Cysten,  Abszess,  Blutung, 
Nekrose. 

Audi  die  Versuche,  diese  klinischen  Erfahrungen  durch 
das  Tierexperiment  zu  stützen,  liegen  bereits  lange  Zeit  zurück; 
die  Totalexstirpation  des  Pankreas  scheiterte  jedoch  stets  an 
gewissen  Schwierigkeiten,  welche  erst  v.  Mering  und  M  i  n  - 
k  o  w  s  k  i  im  J ahre  1889  zu  überwinden  lehrten.  Die  Grund¬ 
bedingungen  für  das  Gelingen  der  Operation  beim  Hunde  sind: 
1.  strenge  Asepsis  und  2.  die  Schonung  gewisser  Gefässverbin- 
dungen,  welche  mitten  durch  das  Pankreasgewebe  verlaufen  und 
gleichzeitig  Duodenum  und  Pankreas  mit  Blut  versorgen,  der 
Arteria  und  Vena  pancreatico-duodenalis  superior  und  inferior3). 
Verstösse  gegen  die  Asepsis  führen  fast  ausnahmlos  zu  tödlicher 
Peritonitis,  Unterbindung  der  genannten  Gefässe  zur  Nekrose 
eines  Teiles  des  Duodenums  und  damit  ebenfalls  zu  Peritonitis. 

Im  Anschluss  an  die  grundlegenden  Beobachtungen 
v.  M  erings  und  Minkowskis  beschäftigte  sich  eine  grosse 
Anzahl  anderer  Autoren  aller  Länder  mit  derselben  Frage4).  Ich 
möchte  einige  Resultate  dieser  Forschungen  liervorheben. 

Das  Pankreas  ist  eine  echte  Drüse,  d.  h.  es  besitzt  einen 
Ausführungsgang,  durch  welchen  ein  der  Resorption  der  Nah¬ 
rungsstoffe  dienendes  Sekret  in  den  Dünndarm  geleitet  wird. 
Der  normale  pankrea tische  Saft  enthält  3  Fermente:  ein 

9  Die  Existenz  eines  spontanen  „renalen  Diabetes“  beim 
Menschen  ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  erwiesen;  cf.  Lepine: 
Semaine  medicale  6.  XI.  01  und  Minkowski:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1902,,  S.  637. 

9  Eine  gute  Abbildung  dieser  Gefässe  findet  sich  bei  H  6  d  o  n, 
loc.  cit.  p.  13. 

9  Einen  ausführlichen  Ueberblick  gibt  neuerdings  II  e  d  o  n: 
..Physiologie  normale  et  pathologique  du  pancreas.“  Paris, 
Masson  et  Cie.,  1901. 

1 


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No.  35. 


1450 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


proteolytisches  Ferment,  das  Trypsin,  welches 
die  Spaltung  der  Eiweisskörper  vollendet  und  dieselben  bi&  in 
ihre  kristallinischen  Endprodukte  überführen  kann  (Kutscher 
und  Seemann6),  ein  amylolytisches  Ferment,  die 
Pankreasdiastase,  welche  Amylum  und  Glykogen  durch 
Verzuckerung,  d.  h.  durch  Umwandlung  in  Dextrine,  Maltose, 
Dextrose  zur  Resorption  vorbereitet,  und  endlich  das  Steapsin, 
welches  die  Fette  teils  spaltet,  teils  in  eine  äusserst  feine,  nach 
CI.  Bernard  auch  bei  saurer  Reaktion  beständige,  der  Milch 
ähnliche  Emulsion  verwandelt. 

Ein  Verlust  dieser  Fermente,  die  notwendige  Folge  der 
totalen  Pankreasexstirpation,  wird  naturgemäss  eine  erhebliche 
Verschlechterung  der  Ausnutzung  von  Eiweiss,  Kohlehydraten 
und  Fett  zur  Folge  haben.  So  beträgt  nach  Abelmann, 
Sandmeyer  u.  a.  und  eigenen  Versuchen  °)  der  Eiweiss- 
Verlust  im  Kote  ca.  50  Proz.;  der  Verlust  an  Kohle¬ 
hydra  t  e  n  ist  geringer,  ca.  20 — 40  Proz.,  weil  diastatische 
Fermente  im  Körper  weit  verbreitet  sind;  emulgierte  Fette, 
z.  B.  Milch,  gehen  etwa  zur  Hälfte,  niclitemulgierte  fast  völlig 
verlustig. 

Es  ist  auffallend,  dass  nach  partieller  Pankreasexstir¬ 
pation,  selbst  dann,  wenn  das  zurückgebliebene  mitunter  nur 
wenig  umfangreiche  Stück  gar  nicht  mit  dem  Darme  in  Ver¬ 
bindung  stand,  z.  B.  unter  die  Bauchdecken  transplantiert  war, 
die  Ausnutzung  der  Nahrungsstoffe  stets  als  etwas  besser  ge¬ 
funden  wurde  wie  nach  totaler  Exstirpation  (cf.  Versuch  II  des 
Anhanges).  Eine  Erklärung  hierfür  ist  vielleicht  in  der  An¬ 
nahme  zu  suchen,  dass  die  von  dem  zurückgelassenen  Pankreas- 
stiiek  gebildeten  Fermente  resorbiert  und  auf  den  Darm  aus- 
geschieden  werden  ).  Diese  Annahme  wird  dadurch  gestützt, 
dass  Injektionen  von  Pankreasemulsionen  in  das  Peritoneum 
ebenfalls  eine  Besserung  der  Resorption  bewirken  (Cappa- 
relli).  Am  besten  lässt  sich  die  Wirkung  der  im  Pankreas 
enthaltenen  Fermente  demonstrieren,  wenn  man  dem  pankreas¬ 
losen  Tiere  rohes  Pankreas  zur  Nahrung  zulegt;  dann  wird  die 
Ausnutzung  der  Eiweisskörper  und  Fette  erheblich  besser 
(A  b  e  1  m  a  n  n) ;  sie  kann  nach  Sandmeyer  sogar  normal 
werden. 

Neben  dieser  Störung  der  Resorption  ruft  die  Pankreas¬ 
exstirpation  jedoch  eine  zweite  bereits  erwähnte  schwere  Stöiung 
des  Gesamtstoffwechsels  hervor,  einen  Diabetes  mellitus. 

Der  Diabetes  kommt  nach  totaler  Exstirpation  unbedingt 
zu  stände ;  er  fehlt  nach  partieller  Exstirpation  oder  nach 
Transplantation  eines  Drüsenstückes  entfernt  vom  Darme,  z.  B. 
unter  die  Bauchhaut,  wenn  das  im  Organismus  verbleibende 
Stück  eine  gewisse  Grösse  besitzt.  Ganz  kleine  Stücke,  etwa 
y  — yi5  des  Gesamtpankreas,  können  die  Ausbildung  eines 
schweren  Diabetes  nicht  verhindern;  etwas  grössere,  ca.  1/  8  / 12’ 
lassen  eine  leichte  alimentäre  Form  des  Diabetes  zu  stände  kom¬ 
men  ;  noch  grössere,  14 — bä,  ersetzen  das  Gesamtpankreas  voll¬ 
ständig  (v.  Mering  und  Minkowski);  Sandmeyer 
zeigte,  dass  auch  nach  Zurücklassung  grösserer  Drüsenreste  sich 
mit  der  Zeit  ein  leichter  und  später  mit  fortschreitender  Atrophie 
des  Stückes  ein  schwerer  Diabetes  entwickeln  kann. 

Wir  sehen  also,  dass  das  Pankreas  neben  seiner  „äusseren 
(digestiven)  Sekretion“,  der  Sekretion  des  Pankreas¬ 
saftes,  noch  eine  „innere  Sekretion*  )  vermittelt,  welche 
dem  Zuckerverbrauche  im  Organismus  dient,  dass  es  demnach 
ausser  seiner  Tätigkeit  als  echte  Drüse  (man  vergleiche  da¬ 
mit  die  Lunge,  Niere,  Tränendrüse  und  Speicheldrüsen)  Funk- 


°)  Kutscher  und  Seemann:  „Zur  Kenntnis  der  Verdau- 
ungsvorgänge  im  Dünndarm.“  Hoppe-Seylers  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chemie  XXXIV,  Heft  5/6,  1902. 

°)  Hess:  „lieber  Plasmon-Tropon.“  Münch,  med.  Wochen¬ 
sehr.  1901,  13.  ,  „ 

•)  Vergl.  auch  Rosenberg:  „Ueber  den  Einfluss  des  Pan¬ 
kreas  auf  die  Resorption  der  Nahrung.“  Pflügers  Arch.  Bd.  70, 


S.  371.  .  , 

s)  Die  Versuche,  die  innere  Sekretion  mit  den  „L  a  n  g  e  r  - 
h  a  n  s  sehen  Insel  n“  —  Drüsenzellgruppen  im  Zentrum  der 
Aeini  ohne  Ausführungsgang  —  in  Beziehung  zu  bringen,  scheinen 
einiges  für  sich  zu  haben  (Diamare:  Internat.  Monatssclir.  f. 
Anal.  XVI,  S.  155,  Abbild.).  Diese  Inseln  gehen  nach  Unter¬ 
bindung  des  Duct.  Wirsungianus  nicht  zu  Grunde  (S  s  o  b  o  1  e  w, 
Schulze:  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.  56,  S.  491)  und  werden  andrer¬ 
seits  bei  Diabetikern  öfters  degeneriert  gefunden,  während  das 
übrige  Pankreas  intakt  war  (Opie:  Journ.  of  experim.  med. 
1900/1901).;  s.  neuerdings  Schmidt:  d.  Wochenschr.  190‘-,  S.  51. 


tionen  vollzieht,  wie  wir  sie  bei  unechten  Drusen  finden 
(Nebenniere,  Thyreoidea,  Thymus,  Milz).  Wir  besitzen  übrigens 
Analoga  bei  anderen  Drüsen;  wir  wissen,  dass  z.  B.  die  Leber 
neben  ihrer  äusseren  Sekretion,  der  Gallebildung,  durch  innere 
Sekretionen  eine  wichtige  Rolle  im  Stoffwechsel  der  Eiweiss¬ 
körper,  der  Fette  und  Kohlehydrate  spielt;  wir  dürfen  annehmen, 
dass  z.  B.  der  Hoden  ausser  dem  Sperma  Stoffe  liefert,  welche 
für  die  Entwicklung  des  wachsenden  Organismus  notwendig 
sind. 

Die  äussere  und  innere  Funktion  des  Pankreas  vollziehen 
sich  völlig  unabhängig  voneinander.  Nur  de  Dommicis 
behauptet  auf  Grund  seiner  Versuche  einen  gewissen  Zusammen¬ 
hang  zwischen  beiden  Sekretionen.  Es  beweisen  jedoch  die 
Transplantationsversuche  Minkowskis,  bei  welchen  d  e  r 
Diabetes  ausbleibt,  direkt,  dass  die  innere . Funktion 
nicht  an  die  Anwesenheit  des  pankreatischen  Saftes  im  Darme 
oder  überhaupt  nur  an  die  Sekretion  des  Pankreassaftes  ge¬ 
bunden  ist;  denn  auch  bei  völlig  ausbleibender  Saftsekretion 
braucht  kein  Diabetes  aufzutreten.  Andrerseits  konnte  Thiro- 
1  o  i  x  bei  intakter  Saftsekretion  eines  transplantierten  Stückes 
einen  schweren  Diabetes  feststellen,  welcher  auf  cystisclie  De¬ 
generation  des  Stückes  zu  beziehen  war.  Ich  will  hier  anfügen, 
dass  auch  in  den  Fällen  von  echtem  Pankreasdiabetes  ")  in  der 
menschlichen  Pathologie  keine  Resorptionsstörung  und  umge¬ 
kehrt  bei  Pankreas-Fettdiarrhöen  kein  Diabetes  vorhanden  zu 
sein  braucht. 

Wir  kommen  auf  die  Frage  nach  dem  Wesen  der  inneren 
Sekretion  des  Pankreas  zurück,  welche  mit  der  Frage  iden¬ 
tisch  ist:  „Welche  Vorgänge  spielen  sich  nach  der  Pankreas¬ 
exstirpation  im  Stoffwechsel  des  Organismus  ab? 

Schon  Minkowski  präzisierte  zwei  Möglichkeiten.  Er 


sagt :  , 

Entweder  kommt  nach  der  Pankreasexstirpation  eine  be¬ 
stimmte  Funktion  des  Pankreas  resp.  eine  vom  Pankreas 
in  den  Organismus  gesandte  Substanz  in  Wegfall,  auf 
deren  Fehlen  der  Diabetes  zurückzuführen  ist,  oder  es  h  ä  u  f  t 
sich  eine  abnorme,  unter  normalen  Verhältnissen  durch  das 
Pankreas  paralysierte  Substanz  im  Organismus  an,  durch 
deren  Vorhandensein  der  Diabetes  zu  stände  kommt. 


Diese  letztere  Theorie,  die  man  auch  als  „humorale  be 
zeichnen  kann,  würde  eine  Autointoxikation  und  zwar 
eine  dyskrasische  oder  histogene  Autointoxi¬ 
kation  (Senator)9 10)  nach  Wegfall  des  Pankreas  supponieren 
und  würde  vielleicht  in  den  Vergiftungserscheinungen,  welche 
im  Gefolge  des  Diabetes  auftreiben  können  (Koma  etc.),  eine 

Stütze  finden.  . 

Oder  endlich,  wir  kombinieren  beide  Theorien  und  nehmen 
an,  das  Pankreas  habe  die  Aufgabe,  eine  für  den  Zuckerumsatz 
notwendige  Substanz  zu  liefern  und  ferner  auf  gewisse  Stoff¬ 
wechselprodukte  entgiftend  zu  wirken.  Durch  diese  Auffassung 
würden  wir  eine  Beziehung  zu  den  Funktionen  der  Schild¬ 
drüse  und  Nebennieren  finden,  denen  ebenfalls  neben 
der  Lieferung  einer  für  Gehirn  und  Nervensystem  lebenswich¬ 
tigen  Substanz  eine  entgiftende11)  Wirkung  zugesprochen  worden 
ist  (Buse  h  a  n  u.  a.). 

Es  hat  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  die  genannten  Theorien 
experimentell  zu  erhärten. 

Den  Nachweis  der  für  den  Zuckerverbraueh  not¬ 
wendigen  Substanz  hat  besonders  Lepine  versucht. 
L  e  p  i  n  e  nimmt  an,  dass  das  Pankreas  ein  „g  1  y  k  o  lyti¬ 
sches“,  den  Zuckerverbrauch,  bedingendes  Ferment  er¬ 
zeuge,  welches  in  Blut  und  Lymphe  übergehe,  in  den  Leuko- 
cyten  auf  gespeichert  werde  und  mit  Zerfall  derselben  seine  Wir 


9)  Vielleicht  ist  jeder  Diabetes  mellitus  des  Menschen  ein  Pan¬ 
kreasdiabetes  (H  a  n  s  e  m  a  n  n,  M  i  n  lc  o  w  s  k  i) ;  denn  der  nega¬ 
tive  Befund  am  Pankreas  post  mortem  beweist  nichts  gegen  eine 
Funktionsanomalie  desselben  intra  vitam. 

i»)  Senator:  „Die  Autointoxikationen  und  ihre  Behand¬ 
lung.“  Deutsche  Klinik  1901. 

m  Auf  die  Annahme,  dass  der  Organismus  des  Tieres  nach 
Entfernung  der  Schilddrüse  ein  Gift  enthalte,  welches  die  spe 
zifische  von  der  Schilddrüse  —  bei  Morbus  Basedowii  im  Ueber- 
niass  _  erzeugte  Substanz  zu  paralisieren  im  stände  sei,  gründet 
sich  die  moderne  Serotherapie  des  Morbus  Basedowii  mit  dem 
Serum  schilddrüsenloser  Hammel  (vergl.  Möbius,  MI.  Ver  ■ 
mitteldeutsch.  Psych.  u.  Neurol.  u.  Münch,  med.  Wochenschr.  UU-, 
S.  834). 


2.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1451 


kung  auf  den  Zucker  des  Blutplasmas  entfalte.  Er  fand,  dass 
im  normalen  Aderlassblute  der  Zuckergehalt  nach  einiger  Zeit 
sinke,  und  glaubt,  diese  „Glykolyse“  auf  Fermentwirkung  zurück¬ 
führen  zu  müssen,  weil  dieselbe  in  Uebereinstimmung  mit  an¬ 
deren  fermentativen  Prozessen  bei  höherer  Temperatur  (54  bis 
58  °)  sistiere,  ein  bestimmtes  Temperaturoptimum  (50—52  °)  be¬ 
sitze  und  durch  niedere  Temperaturen  in  ihrem  Eintritt  ver¬ 
zögert  werde,  weil  sich  ferner  durch  Zentrifugieren  des  Blutes 
mit  Na  Cl-Lösung  energisch  glykolytisch  wirkende  Flüssigkeiten 
darstellen  liessen.  Er  zieht  als  Beweis  die  Tatsache  heran,  dass 
die  Diastase,  das  amylolytische  Enzym  des  Speichels  und 
des  Pankreas,  durch  Behandeln  mit  H,  S04  1  prom.  in  ein 
glykolytisches  Enzym  übergeführt  werden  könne, 
und  kennzeichnet  endlich  den  ganzen  Prozess  als  einen  „vitalen“, 
da  durch  Reizung  der  Pankreasnerven  oder  des  peripheren 
Vagusstumpfes  das  glykoly tische  Vermögen  des  Blutes  erhöht 
werden  könne.  Diese  normale  Glykolyse  soll  nach 
Lepine  beim  Diabetes  vermindert  sein.  Lepine 
wies  diese  Verminderung  sowohl  beim  Menschen,  als  auch  ex¬ 
perimentell  an  150  Hunden  mit  Pankreasdiabetes  nach. 

Die  Theorie  Lepinea  hat  viele  Anfeindungen  erfahren. 
Was  die  Theorie  an  sich  anlangt,  so  konnten  Nasse  und 
K  a  t  z  die  Umwandlung  der  amylolytischen  Enzyme  in  glyko- 
lytische  nicht  bestätigen;  es  suchten  ferner  Seegen,  Ivatz, 
Colenbrander,  Minkowski  u.  a.  nachzuweisen,  dass 
die  Glykolyse  kein  vitaler  Vorgang  sei,  da  z.  B.  das  zellen¬ 
tötende  Chloroform  die  Glykolyse  nicht  hindere,  sie  im  Gegen¬ 
teil  steigere,  da  die  Glykolyse  auch  in  faulem  Blute  zu  stände 
komme  und  2 — 3  Stunden  nach  der  Blutentnahme,  wenn  die 
Lebensbedingungen  schlechter  würden,  am  stärksten  sei  u.  dgl.  m. 
Der  Nutzanwendung  der  Le  pineschen  Theorie  auf  den  Dia¬ 
betes  steht  endlich  das  Faktum  entgegen,  dass  sowohl  beim 
menschlichen  wie  beim  experimentellen  Diabetes  nicht  regel¬ 
mässig  eine  Verminderung  der  Glykolyse  nachgewiesen  werden 
konnte. 

Es  kann  somit  dieser  Theorie,  so  geistreich  sie  ist  und  so 
sicher  gestützt  sie  erschien,  keine  allgemeine  Gültigkeit  zuge¬ 
sprochen  werden.  Ein  Teil  der  berichteten  Einwände  wurde 
übrigens  später  von  Lepine  dadurch  zurückgewiesen,  dass  er 
den  Angriffspunkt  des  Fermentes  statt  in  das  Blut  in  die  Ge¬ 
webe  verlegte. 

Auch  die  zweite  erwähnte  Theorie,  welche  den  Diabetes  auf 
die  Anhäufung  einer  giftigen  Substanz  im  Or¬ 
ganismus  zurückführt,  kann  noch  nicht  als  sicher  bewiesen 
gelten,  wenn  auch  einige  positive  Resultate .  für  sie  zu  sprechen 
scheinen. 

Schon  Minkowski  versuchte  den  Nachweis  dieses  Giftes 
zu  erbringen.  Er  transfundierte  das  Blut  eines  diabetischen 
Hundes  einem  gesunden  Hunde,  ohne  bei  dem  letzteren  Diabetes 
erzeugen  zu  können,  und  bemerkt  dazu,  dass,  so  wichtig  und 
beweiskräftig  ein  positiver  Ausfall  dieses  Versuches  gewesen 
wäre,  der  negative  gar  nichts,  d.  h.  nichts  für,  aber  auch 
nichts  gegen  die  Annahme  einer  Giftübertragung  beweise,  da  ja 
der  gesunde  Hund  sein  normales  Pankreas  besitze,  dem  es  ein 
leichtes  sei,  den  Giftüberschuss  im  Organismus  zu  paralysieren 
(man  erinnere  sich  an  die  Leistungsfähigkeit  kleiner  Pankreas¬ 
teile).  Derselbe  Einwand  gilt  für  einen  Versuch  II  e  d  o  n  s, 
welcher  das  Blut  eines  pankreaslosen  Hundes  einem  Hunde  mit 
geringer  Zuckerausscheidung  (nach  teilweiser  Entfernung  des 
Pankreas)  injizierte  und  keine  Steigerung  des  Diabetes  erzielte; 
auch  hier  war  ja  noch  funktionierendes  Pankreasgewebe  vor¬ 
handen. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  negativen  Versuchen  gelang  es 
Lepine  neuerdings  12),  bei  einem  mittelgrossen  Meerschwein¬ 
chen  dadurch  eine  mehrtägige  Glykosurie  hervorzurufen,  dass  er 
demselben  das  wasserverdünnte  Alkoholextrakt  von  5  g  Blut  eines 
pankreaslosen  Hundes  injizierte,  während  dieselbe  Menge  Ex¬ 
trakt  aus  normalem  Hundeblut  nur  eine  rasch  verschwindende 
Glykosurie  erzeugte.  Man  könnte  aus  diesen  Versuchen  folgern, 
lass  der  diabetische  Organismus  spezifisch  „diabetogene  Stoffe“ 
(„leukomaines  diabetogenes“)  enthalte.  Die  Spezifität  dieser 
Stoffe  wird  jedoch  dadurch  in  Frage  gestellt,  dass  sich  auch  aus 

1J)  Lepine:  „Sur  l’existcnce  de  leucomaines  diabetogenes“. 
Perl.  klin.  Wochen  sehr.  1902,  IG. 


dem  Blute  von  Nichtdiabetikern,  besonders  Pneumonikem,  diese 
Stoffe  darstellen  liessen  (Lepine  et  Boulud  13). 

Dieselben  Bedenken  lassen  sich  gegen  Versuche  von  Leo14) 
erheben,  welcher  Hunde  diabetisch  machte,  indem  er  ihnen  pro 
Kilo  100  ccm  Urin  von  Diabetikern  oder  Extrakt  aus  dia¬ 
betischem  Urin  injizierte  (zur  Kontrolle  diente  normaler,  künst¬ 
lich  mit  Zucker  versetzter  Urin).  Denn  auch  der  Urin  von 
Nichtdiabetike  rn  kann  bei  Hunden  diabetogen  wirken 
(Lepine  et  Boulud ls). 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  das  Pankreas  eine  diese 
hypothetische  Giftsubstanz  neutralisierende  Sub¬ 
stanz  erzeuge,  wurden  Pankreasemulsionen,  wässrige  und  Gly¬ 
zerin-Pankreasextrakte  per  os,  subkutan,  intravenös,  intraperi¬ 
toneal  bei  zuckerkranken  Hunden  eingeführt  (W  i  1 1  i  a  m  s  , 
H  e  d  o  n,  Capparell  i),  in  der  Hoffnung,  eine  Verminderung 
des  Diabetes  zu  erreichen.  Alle  diese  Versuche,  welche  im  Hin¬ 
blick  auf  die  Erfolge  der  Schilddrüsentherapie  von  vorneherein 
nicht  aussichtslos  erschienen,  riefen  keine  Besserung,  oft  sogar 
Verschlimmerung  des  Diabetes  hervor. 

II  e  d  o  n  endlich  suchte  die  N  eutralisationssub- 
stanz  nicht  im  Pankreas,  sondern  im  B  1  u  t  e  des  gesunden 
Tieres;  er  liess  Hunde  mit  Pankreasdiabetes  fast  verbluten 
und  transfundierte  ihnen  dann  direkt  in  die  Jugularvene  das  Blut 
gesunder  Hunde  bis  zum  Verbluten  der  letzteren;  ein  Erfolg,  d.  h. 
eine  Herabsetzung  der  Glykosurie  konnte  nur  in  einem  Falle 
vorübergehend  konstatiert  werden.  De  Domini  cis  erhielt 
sogar  bei  einem  Pankreashunde  nach  Injektion  des  Pfortader¬ 
blutes  eines  gesunden  Hundes,  der  sich  auf  der  Höhe  der  Fleisch¬ 
verdauung  befand,  eine  Steigerung  der  Zuckerausscheidung  auf 
das  Doppelte,  eine  Tatsache,  die  Lepine  unter  den  vorliegenden 
Bedingungen  auf  das  Ueberwiegen  des  „saecharifizieren- 
den  Fermentes“  über  das  „glyko  lytische  Fer¬ 
ment“  im  Pfortaderblute,  II  e  d  o  n  dagegen  wegen  der  Glyko¬ 
genarmut  des  pankreaslosen  Hundes  nicht  auf  eine  Zuckermehr¬ 
bildung  im  Organismus,  sondern  auf  die  Umwandlung  der  durch 
die  Transfusion  eingeführten  Nährsubstrate  in  Zucker  zurück¬ 
führt. 

Ich  selbst  ging  in  einer  Reihe  von  Ver¬ 
suchen10)  von  der  Annahme  aus,  dass  der  ge¬ 
sunde  Organismus  dieses  supponierte  Neu¬ 
tralisationsprodukt  gerade  dann  in  beson¬ 
derer  Menge  enthalten  müsse,  wenn  ihm  eine 
erhöhte  Menge  von  Giftsubstanz  zugeführt 
und  damit  das  Pankreas  zu  vermehrter  innerer 
Sekretion  angeregt  worden  sei  —  und  habe  deshalb 
zunächst  gesunden  Hunden  grössere  Mengen  (50 — 150  ccm) 
Blutserum  pankreasloser  Hunde  intravenös  eingeführt  und  dann 
das  mehrere  Stunden  später  (9 — 14  s.  Versuche)  entnommene 
Blutserum  dieser  gesunden  Hunde  —  die,  wie  schon  Min¬ 
kowski  feststellte,  nicht  diabetisch  werden  (s.  o.),  so  dass  eine 
äusserst  prompte  Neutralisierung  der  eingeführten  Giftstoffe 
angenommen  werden  muss  —  wiederum  zuckerkranken  Hunden 
injiziert  und  hoffte,  falls  jetzt  eine  bedeutende  Verminderung 
der  Glykosurie  der  letzteren  oder  eine  auffallende  Aenderung  in 
den  anderen  Diabetessymptomen  eintrete,  auf  diese  Weise  ge- 
wissermassen  indirekt  den  Nachweis  des  Giftes  und  Gegengiftes 
zuführen. 

Bei  einzelnen  dieser  Tiere  liess  sich  zwar  am  Tage  der 
Seruminjektion  ein  deutliches  Absinken  des  Zuckers  konstatieren 
(s.  Versuch  I  und  III);  doch  dieser  Erfolg  ging  rasch  vorüber 
und  fehlte  bei  anderen  Tieren  gänzlich  (s.  Versuch  II).  Es 
konnten  ferner  die  zum  Tode  führenden  Intoxikationserschei¬ 
nungen  (Schwäche,  Azetonurie,  Konvulsionen  und  besonders  die 
Herzverfettung,  die  bei  allen  Hunden  kolossal 
und  als  direkte  Todesursache  an  zu  sehen  war) 
in  keinem  Falle  durch  die  Seruminjektion  verzögert  werden. 

Es  haben  somit  auch  diese  Versuche,  abgesehen  von  den  ge¬ 
nannten  Schwankungen  in  der  Zuckerausscheidung,  die  sichere 
Schlüsse  nicht  zulassen,  zu  keinem  greifbaren  Resultate  geführt. 

15)  Lepine  et  Boulud:  „Sur  la  glycosurie  asphyxique“. 
Compt.  rend.  de  l'acad.  des  Sciences,  10.  3.  1902. 

u)  Leo:  „Ueber  Wesen  und  Ursache  der  Zuckerkrankheit“. 
Berlin  1900. 

16)  L  6  p  ine  et  Boulud:  „Substance  diabetogene  dans 
rurine“.  Lyon  medical,  27.  5.  1900,  p.  127. 

Il!)  Einige  Versuchsprotokolle  findep  sich  inj  Anhang. 

1* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


1452 


Der  negative  oder  nicht  eindeutige  Ausfall  aller  dieser  Ver¬ 
suche,  Gifte  und  Gegengifte  des  Stoffwechsels  im  Organismus 
nachzuweisen,  hat  bereits  zu  dem  Vorschläge  geführt  (v.  Cyon, 
Adler,  G  o  e  b  e  1  u.  a. 17),  man  sollte  die  Autointoxikations¬ 
hypothese  völlig  aufgeben  und  annehmen,  dass  die  innere  Sekre¬ 
tion  gewisser  Organe  nicht  eine  Giftsubstanz  zu  neutralisieren, 
sondern  ausschliesslich  unter  Einwirkung  auf  das  Nervensystem 
gewisse  trophische,  den  Blutlauf  und  Stoffwechsel  regulierende 
und  anregende  Funktionen  zu  vermitteln  habe. 

Es  erübrigt  noch,  kurz  auf  die  „n  ervöse  n“  Theorien  des 
Pankreasdiabetes  einzugehen,  welche  ebenfalls  eine  gewisse  Be¬ 
rechtigung  haben,  da  wir  wissen,  dass  Verletzungen  des  Nerven¬ 
systems  nicht  nur  einen  vorübergehenden  (Piqüre),  sondern  auch 
einen  länger  dauernden  Diabetes  auslösen  können  (Gehirnver¬ 
letzungen,  Apoplexien  7ä). 

17)  v.  Cyon:  Pflügers  Arch.,  Nov.  1901;  Adler:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1902,  S.  570;  Goebel:  Ibidem,  S.  835. 

JS)  Folgender  interessante  Fall  eines  länger  dauernden  Dia¬ 
betes  nach  Apoplexie  wurde  vor  kurzer  Zeit  in  der  me¬ 
dizinischen  Klinik  zu  Marburg  beobachtet: 

Clara  Sch.,  59  Jahre  alt,  früher  Seiltänzerin,  erlitt  am  25.  XII. 
1901  unter  Schwindelgefühl  einen  apoplektischen  Insult,  welcher 
Verlust  der  Sprache,  Lähmung  des  rechten  Fazialis,  des  rechten 
Armes  und  rechten  Beines  zur  Folge  hatte.  Während  des  1.  Auf¬ 
enthaltes  in  der  Klinik  vom  26.  XII.  1901  bis  24.  I.  1902  w  a  r 
der  Urin  bei  gemischter  Diät  dauernd  zucker¬ 
frei.  Bei  der  Entlassung  bestand  noch  eine  geringe  Behinderung 
der  Sprache,  sowie  eine  geringe  spastische  Parese  im  rechten  Fa- 


Es  sind  dies  die  Theorien  von  Chauveau-Ivauf- 
m  a  n  n,  T  li  i  r  o  Po  i  x.  Lancerau  x,  der  Gebrüder  Cavaz- 
z  a  n  i  u.  a.  Diese  Theorien  nehmen  auf  die  nahen  Beziehungent 
zwischen  Nervensystem,  Pankreas  und  Leber  bezug  und  führen: 
den  Diabetes  auf  eine  „Vermehrung  der  Zuckerbildung  in  der 
Leber“  zurück.  Chauveau  und  Kauf  m  a  n  n  nehmen  an, 
dass  das  Pankreas  die  Zuckerbildung  in  der  Leber  reguliere  und 
zwar  sowohl  direkt,  als  durch  den  Svmpathicus  und  2  Zentra, 
ein  Hemmungszentrum  für  die  Zuckerbildung  in  der  Medulla 
oblongata,  auf  welches  das  Pankreas  reizend,  ein  Reizungs¬ 
zentrum  im  oberen  Zervikalmark,  auf  welches  es  hemmend  wirke. 

zialis  und  den  rechten  Extremitäten.  Eine  Zunahme  dieser  Motili¬ 
tätsstörungen  führte  Pat.  am  10.  II.  02  wieder  in  die  Klinik  und 
jetzt  wurde  ein  Diabetes  mellitus  festgestellt. 
Bei  der  Aufnahme  fanden  sich  5,5  Proz.  Zucker;  am  15./10.  II.  02 
wurden  bei  97  g  Kohlehydraten  in  der  Nahrung  1930  ccm  I  lin 
mit  75  g  Zucker  (3,9  Proz.)  entleert;  unter  allmählicher  Ent¬ 
ziehung  der  Kohlehydrate  sank  die  Zuckerausscheidung  und  der 
Urin  war  am  23. /24.  II.  02  bei  völliger  Kohlehydratentziehung: 
zuckerfrei.  Nach  einer  Kohlehydratabstinenz  von  14  Tagen  stei¬ 
gerte  sich  die  Toleranz  auf  60  g  Kohlehydrate.  Entlassung  am 
18.  III.  02  unter  einer  Gewichtszunahme  von  5  Pfund  und  Besse¬ 
rung  der  Motilitätsstörungen.  Bei  der  3.  Aufnahme  am  31.  III.  02. 
enthielt  der  Urin  3,2  Proz.  Zucker;  die  Toleranz  betrug  bei  der 
Entlassung  am  28.  IV.  02  120  g  Kohlehydrate;  die  Gewichts¬ 
zunahme  4  Pfund.  Die  Ferrichloridreaktion  trat  nur  ganz  voi  iibei- 
gehend  und  schwach  während  der  Kohlehydratentziehung  auf.  Am 
2S.  und  29.  VII.  02  stellte  sich  Pat.  wieder  vor:  Urin  völlig 
zucker  f  r  e  i. 


Versuch  1.  (Prot  Nr.  8.j 

Weisser  Terrier  Q.  9.  11.  00  Totalexstirpation  des  Pankreas1)  (in  Morphium-Aethernarkose) ;  Subkutane  Infusion  von  o00  erm 
physiol.  NaCl-Lösung2);  am  Schluss  der  Operation  wurden  130  ccm  Urin  mit  2,4  Proz.  D  (=  3,12  g)3),  am  folgenden  Morgen  255  ccm 

mit  5,4  Proz.  (=  13,77  g  D)  durch  Katheter  entleert.  Pas  folgende  ergibt  die  Tabelle  : 


Datum 

1900 

Gewicht 

kg 

Tem¬ 

peratur 

Nahrung 

Urin 

Bemerkungen 

Menge  4) 
(spez. 
Gew.) 

Pathol.  Be¬ 
standteile 
ausser  D 

N5) 

D6) 

D  :  N 

10.— 11.  XI. 

6,4 

38.7  M 

38.8  A 

Milch 

Fleisch 

600 

(1052) 

Spur  Eiweiss 

10,92 

(+7,3) 

43,8 

4,01 

11.— 12.  XI. 

6,0 

39,9 

38,6 

Fleisch 

440 

(1057) 

Aceton 

positiv 

10,259 

(+  7,4) 

32,56 

3,1 

12.— 13  XI. 

5,6 

38,5 

38,5 

Fleisch,  Tropon, 
Plasmon 

400 

(aufgefüllt 

dto. 

8,35 

(+3,4) 

25,6 

3/6 

13.— 14.  XI. 

5,7 

38,5  M 

ca  300  g  Fleisch 
100  ccm  NaCl- 
Lös.  subkutan 

500 

(1046) 

Spur  Eiweiss 
Aceton  . 
schwach  + 

9,59 

(4-  V) 

28,5 

2,97 

13.  XI.  3l/i  Uhr  Nm.  Entziehung 
v.  ca.  1 00  ccm  Blut  aus  d.  linken 
Femoralvene.  (S.  hint.  Tabelle.) 

14.-15.  XI. 

5,4 

39,0 

ca.  450  g 
Fleisch 

470 

(aufgefüllt) 

dto. 

13,552 

(+5,5) 

25,85 

1.9 

(14.  XI.  11  Uhr  V.  Infusion  v. 
50  ccm  Bl  utserum  (s.  hint  Ta¬ 
belle)  in  die  rechte  Femoralvene. 

15.-16.  XI. 

5,3 

38,2 

sehr  wenig 

Fleisch 

500 

(aufgefüllt) 

dto 

5,936 

(+3,0) 

15,0 

2,53 

16.— 17.  XI. 

5,02 

34,6 

sehr  wenig 
350  ccm  NaCl- 
Lös.  subkutan 

350 

(aufgefüllt) 

dto. 

5,096 

(+3,0) 

10,5 

2,06 

17.— 18.  XI. 

5,01 

31,3 

dto. 

300 

(aufgefüllt) 

Aceton 
stark  -|- 

3,125 

(+  2,2) 
6,6 

2,11 

Eiterung  der  Bauchwunde. 

18.— 19.  XI. 

5,08 

35,2 

35,6 

ca.  80  g 
Fleisch 

300 

(aufgefüllt) 

dto. 

3,309 

(+2,1) 

6,3 

1,9 

19.— 20.  XI. 

4,8 

34,8 

0 

250  ccm  NaCl- 
Lös.  subkutan 

305 

(aufgefüllt) 

dto. 

2,989 

(+  1,5) 
4,575 

1,5 

sehr  matt. 

20.-21.  XI. 

4,75 

33,8 

0 

400  ccm  NaCl- 
Lös.  subkutan 

21.  XI.  Vorm.  5  Uhr  Exitus  letalis. 

Sektion:  Herz  im  höchsten 
Grade  der  Verfettung  (lehm¬ 
farbig). 

Zum  13.— 14.  XT.  Von  der  dem  Versuchshunde  am  13.  XI.  3’/«  Uhr  N.  entzogenen  Blutmenge  werden  50  ccm  Serum,  die  sich 
im  Brütofen  abgeschieden  hatten,  um  6'/2  Uhr  N.  einem  kleinen  gesunden  Rattenpinscher  (Gewicht  5,12  Iv)  in  die  linke  Femoralvene 
injiziert;  der  von  demselben  am  anderen  Morgen  entleerte  Urin  ist  zuckerfrei.  _ 

Zum  14. _ 15.  XI.  14.  XI.  V.  8  Uhr  werden  dem  Rattenpinscher  ca.  100  ccm  Blut  entzogen  und  die  im  Brutofen  abgeschiedene 

Serummenge  (ca,  50  ccm)  wiederum  dem  Versuchshunde  um  11  Uhr  V.  in  die  rechte  Femoralvene  injiziert. 

Resultat:  Am  Tage  der  Seruminjektion  zeigt  sich  ein  deutliches  Absinken  des  Quotienten  D:N;  dasselbe  ist  auf 
eine  (relative)  Verminderung  der  Zuckerausscheidung  im  Verhältnis  zu  der  infolge  der  grösseren  Fleischzufuhr  vermehrten 
Stickstoffausscheidung  zurückzuführen. 

1)  Für  die  liebenswürdige  Unterstützung  bei  den  Operationen  danke  ich  auch  an  dieser  Stelle  Herrn  Dr.  Brandt  herzlicbst, 

2)  Die  subkutane  Infusion  von  Kochsalzlösung  erwies  sich  besonders  bei  hungernden  und  brechenden  Hunden  als  treffliches 
Mittel  zur  Aufrechterhaltung  der  Kräfte ;  durch  ihre  Anwendung  gelang  es  bei  einzelnen  Tieren,  Allgemeininfektionen  wirksam  zu  bekämpfen. 

s)  Nach  fast  allen  Totalexstirpationen  erschien  die  Zuckerausscheidung  unmittelbar  im  Anschluss  an  die  Operation  (bis  zu 
5,6  Proz.),  nur  in  einem  Falle  (Prot.  Nr.  9)  erst  7  Stunden  später.  (Nach  Minkowski  ist  die  Zuckerausscheidung  am  1.  Tage  meist 
gering;  nach  Sandmeyer  tritt  sie  frühestens  8  Stunden  nach  der  Operation  auf. 

4)  Die  24  ständige  Urinmenge  wurde  jeden  Morgen  zu  bestimmter  Zeit  durch  Katheterisieren  abgegrenzt.  (Es  wurden  nur 

weibliche  Hunde  nach  Spaltung  der  Scheide  verwandt.) 

b)  N-bestimmung  nach  Kjeldahl. 

°)  D-bestimmung  durch  Polarisation  vor  und  nach  der  Vergährung. 


145: 


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1454 


MUEKCHEHER  MEDICIHISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Versuch  III.  (Prot.  Nr.  18) 

Schäferhund  9.  25.  HI.  02  Exstirpation  des  Pankreas  mit  Tr«nsp,anU«^o„  ^Je"';,.Ucker  entleer,. 

Verband.  —  Höchste  Temp.  39,5.  Direkt  im  Anschluss  an  (Pe  Operation  J'erc  cn  (  n c kürf rei>  IV.  02.  Entfernung  <les  Irans- 
A"'  Verband  (ve,.l.  Vers.  ,1,.  Das  heitere  gibt  die  «X - 


Datum 

1902 


Tem¬ 

peratur 


Urin 


2. -3  IV. 

3. -4.  IV. 


4. -5.  IV. 

5.  6.  IV. 

<*,.—7.  IV. 


7.-8.  IV. 


8.-9.  IV. 


38,4  M 


38,5 


38,5 


38,1 


38,2 


38,4 


38,5 


Nahrung 

Menge 
(spez.  Gew.) 

Patholog. 
Bestandteile 
ausser  D 

N 

D 

1 

D  :  N 

460  g 

reines  Rind¬ 
fleisch 

470 

(1050) 

— 

10,449 

(+  3,8) 

31,96 

3,05 

170  g 

Rindfleisch 

290 

(1046) 

— 

6,772 

(fl-  5,6) 

16,24 

2,4 

240  g 

Rindfleisch 

310 

(1049) 

— 

6,913 

(-F  5,6) 

17,36 

2,5 

300  g 

Rindfleisch 

280 

(1053) 

Aceton 
schwach  -f- 

6,476 

(+  3>6) 
18,48 

2,8 

ca.  100  g 
Rindfleisch 

200 

(104z) 

dto. 

4,178 

(+4,0) 

8,0 

1,9 

geringe 

Mengen 

Kochfleisch 

212 

(1057) 

£  Acetonj 
,*■  stark  +  % 

5,68 

(+  7,4) 
15,68 

2,8 

fast  0 

120 

(1059) 

dto. 

4,43 

(+7,4) 

8,88 

2 

Bemerkungen 


Morgens  Entfernung  des  Drüsen¬ 

restes  (s.  o.). 


Wunde  gut. 


6  IV  8  Uhr  Morgens.  Infusion  von 
60  ccm  Blutserum  in  die  rechte 
Schenkelvene  (s.  liint.  Tabelle). 


geringe  Fresslust. 


9  IV  M.  8  Uhr  heim  Kathetcrisiercn  kurze 
tonische  Krämpfe  und  Kxitus  unter  dem 
Bilde  der  Herzlähmung  Sektion:  Herz 
im  höchsten  Grade  verfettet  (1  ehm- 
farbig). 


Zum  6.— 7.  IV.  Die  dem  Versuchshunde  injizierten  w  ccm  oeium  w»  —  * 

“f  ‘ f  Femoralvene  injiziert  (dev 

Urin  desselben  bleibt  zuckörfrei). 

ö  IV  Morgens  8  Uhr.  Blutentziehung  bei  diesem  gesunden  Ilunde. 

Besold  X'  rÄX  des  Quotienten  D=N  infoige  Vermin- 

derung  der  Zulkerausscheidung,  jedoch-keine  Besserung  der  Sohwacheersoheinungen. 


Pankreasexstirpation  müsse  desshalb  eine  doppelte  Hemmung  der 
Zuckerproduktion  beseitigen  und  schweren  Diabetes  liervorruien 

Auch  diesen  Theorien  kann  ein  schwerwiegender  Einwand 
gemacht  werden.  Denn  es  handelt  sich  beim  Diabetes  offenbar 
nicht  um  eine  Vermehrung  der  Zuckerbildung,  sondern  um  eine 
Störung  des  Zuckerverbrauchs,  eine  Tatsache,  die 
Minkowski,  Schabad  u.  a.  experimentell  gestutzt  haben. 

Die  vorliegenden  Zeilen  enthalten  den  Versuch,  die  wichtig¬ 
sten  Theorien  über  das  Wesen  des  Diabetes,  soweit  sie  beim  ex¬ 
perimentellen  Diabetes  gewonnen  wurden,  kurz  darzulegen,  um 
zu  zeigen,  wie  weit  wir  noch  von  der  wahren  Erkenntnis  des¬ 
selben  entfernt  sind.  Mögen  weitere  Forschungen  zum  Ziele 
führen!  Denn  es  gilt  nicht  nur  theoretische  Fragen  zu  losen; 
wir  dürfen  vielmehr  die  Hoffnung  hegen,  durch  die  richtige  Ei 
kenntnis  der  Ursachen  und  des  Wesens  des  Diabetes  zu  einer 
ätiologisch-spezifischen  Therapie  desselben  zu  gelangen. 

Für  jetzt  allerdings  haben  fast  noch  die  Worte  Gültigkeit, 
mit  welchen  Ererichsim  Jahre  1884  das  Schlusskapitel  seiner 
Monographie  „Ueber  den  Diabetes“,  welches  vom  Wesen  des  Dia¬ 
betes  handelt,  beschliesst :  „Das  Räthsel  dieser  Sphinx  dürfte 
noch  lange  ungelöst  bleiben  und  noch  manches  Menschenkind 
ihm  ziun  Opfer  fallen,  ehe  die  Lösung  gefunden  sein  wird.  Aber 
von  welcher  Krankheit  gilt  nicht  dasselbe,  wenn  wir  mit  Ernst 
nach  dem  Wesen  derselben  fragen?  Hier,  wie  überall  in  der 
Heilkunde,  gilt  es,  nicht  voreilig  abzuscliliessen  und  da  von 
wahrer  Erkenntnis  zu  reden,  wo  in  der  Tat  nur  ein  mehr  oder 
minder  beglaubigtes  Vermuten  vorliegt.“ 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  München. 

Zur  hämolytischen  Wirkung  des  normalen  Menschen- 

serums. 

Von  Prof.  Martin  Hahn  und  Dr.  R.  Trommsdorff. 

Die  Erscheinungen  der  Hämolyse  haben  in  den  letzten 
Jahren  mit  Recht  Hie  Aufmerksamkeit  weiter  medizinischer 
Kreise  in  Anspruch  genommen.  Es  handelt  sich  um  eine  e- 
aktion,  die  in  schneller  und  leicht  auszuführender  Weise  die 
Orientierung  über  eine  enzymartige  Wirkung  des  Blute*  ge¬ 
staltet,  uie  zwar  an  sich  ziemlich  bedeutungslos  ist,  aber  wegen 


ihrer  engen  Beziehungen  zuin  bakteriziden  Vermögen  des  Flute, 
und  damit  zur  natürlichen  Resistenz  schon  jetzt  eine  grosse  W  Hei¬ 
ligkeit  gewonnen  hat  und  vielleicht  auch  zur  Losung  ernährungs¬ 
physiologischer  Probleme  beitragen  wird.  Als  eine  der  grössten 
Errungenschaften  auf  diesem  Gebiete  nach  der  mehr  praktischen 
Seite  hin  darf  man  die  durch  die  Arbeiten  Ehrlielis  um 
seiner  Schüler,  sowie  Bordets  u.  a.  gewonnene  Erkenntnis 
bezeichnen,  dass  der  Immunkörper  bezw.  Zwischenkorper  (  m 
ceptor)  eines  Serums  nicht  durch  jedes  beliebige  Komplement 
reaktiviert  werden  kann.  Schon  Ehrlich  hat  wiederholt 
hervorgehoben,  dass  diese  Anschauungsweise  auch  ihre  praktisch! 
Bedeutung  für  die  Serotherapie  gewinnen  muss,  dass  ein  künst¬ 
lich  erzeugter  Immunkörper  nur  eben  dann  seine  volle  W  lrksam- 
keit  im  menschlichen  Organismus  entfalten  kann,  wenn  er  duic.i 
das  menschliche  Serum  komplettiert  wird.  Von  diesem  Gesichts¬ 
punkte  aus  muss  auch  das  Studium  der  Hämolyse,  sowohl  dei 
normalen  wie  der  spezifischen,  mit  menschlichem  Serum  ein 
hervorragendes  Interesse  gewinnen.  Wir  haben  daher  versue  i  , 
zunächst  bezüglich  der  normalen  Hämolyse  durch  Menschenserum 
festzustellen,  wie  dieselbe  durch  Zusatz  von  inaktivem  Hammel¬ 
und  Pferdeserum  beeinflusst  wird.  Es  wurden  diese  beiden  liei 
spezies  gewählt  als  solche,  die  für  die  praktische  Gewinnung 
grösserer  Mengen  von  spezifisch  bakteriziden  Sens  in  Betiac  r 
kommen.  Von  vornherein  war  es  klar,  dass  das  Studium 
normalen  Hämolyse  durch  Menschenserum  nicht  zu  bindenden 
Schlüssen  bezüglich  der  Wirksamkeit  spezifisch  a  enzi 
Tiersera  im  menschlichen  Organismus  führen  konnte,  lmmei- 
ldn  hofften  wir  auf  diese  Weise  feststellen  zu  können,  ob  im  all¬ 
gemeinen  normales  inaktives  Hammel-  und  Pferdeserum  e 
hämolytische  Wirkung  des  normalen  Menschenserums  zu  unter¬ 
stützen  oder  zu  hindern  vermag  und  so  eine  Grundlage  für  wei^ 
tere  Versuche  über  den  Ablauf  spezifisch  bakterizider  und  hämo¬ 
lytischer  Vorgänge  unter  den  gleichen  Bedingungen  zu  ge¬ 
winnen,  wie  wir  sie  bereits  in  Angriff  genommen  haben. 

Als  Material  diente  uns  menschliches  Plazentarblutserum, 
welches  uns  durch  die  Güte  des  Herrn  Geheimrat  Professor 
v.  W  i  n  ekel  stets  in  frischem  und  sterilem  Zustande  zur  er 
fügung  stand.  Die  Blutkochsalzlösungen  waren  sämtlich 
und  zum  Versuche  wurden  immer  2  oem  der  Lösung  verwandt. 
Die  Beobachtung  erfolgte  2  Stunden  hindurch  bei  37  ,  danacn 
wurden  die  Röhrchen  im  Eisschrank  aufbewahrt  und  nacn 


2.  September  1902. 


1455 


MUENCHENER  MEDICI'NISCl IE  WOCHENSCHRIFT. 


24  Stunden  kontrolliert.  Bekanntlich  löst  Menschenserum  Ka¬ 
ninchen-  und  Meerschweinchenblut  sehr  rasch.  Setzt  man  zum 
Meerschweinchenblut  inaktives  Hammelserum  und  nach  lVz  stän¬ 
diger  Digestion  bei  37  0  zu  dieser  Mischung  aktives  Menschen¬ 
serum,  so  tritt  gegenüber  den  Kontrollproben  eine  Verzögerung 
der  Lösung  in  dieser  Mischung  ein,  die  aber  in  diesem  Falle 
bei  der  ausgiebigen  und  schnellen  Wirkung  des  Menschenserums 
nicht  so  stark  in  Erscheinung  tritt.  Bei  der  Hämolyse  des 
Kani  nchen blutes  wird  die  Verhinderung  der  hämolytischen  Wir¬ 
kung  erst  bei  Zusatz  von  grossen  Dosen  inaktiven  Hammelserums 
(3  ccm  auf  Vz  ccm  aktives  Menschenserum)  deutlich.  Ebenso 
bewirkt  der  Zusatz  von  inaktivem  Hammelserum  eine  Verzöge¬ 
rung  der  Hämolyse,  die  Menschenserum  auf  Rinder-  und  Pferde¬ 
blut  ausübt.  Die  Mengen  von  Hammelserum,  welche  zur  Ver¬ 
zögerung  bezw.  zur  Verhinderung  der  Lösung  erforderlich  sind, 
variieren  in  einzelnen  Fällen  allerdings  ganz  erheblich.  Es 
kommt  hier  vor  allem  auch  auf  das  Lösungsvermögen  an, 
welches  das  betreffende  Menschenserum  an  sich  besitzt.  Im  all¬ 
gemeinen  kann  man  sagen,  dass  bei  gutlösendem  Menschenserum 
schon  0,5  ccm  inaktives  Hammelserum  eine  deutliche  Verzöge¬ 
rung  der  Wirkung  hervorruft.  Bei  schlecht  lösendem  Serum, 
das  also  z.  B.  erst  in  Mengen  von  2  ccm  innerhalb  von  30  Mi¬ 
nuten  oder  länger  eine  vollständige  bezw.  auch  unvollständige 
Lösung  herbeiführte,  trat  häufig  auf  Zusatz  von  kleinen  Mengen 
(bis  0,5  ccm)  inaktiven  Hammelserums  sogar  eine  Beschleunigung 
des  Lösungsvorganges  ein,  und  erst  grosse  Dosen  (2 — 3  ccm)  des 
inaktiven  Serums  führten  eine  Verzögerung  herbei.  Die  be¬ 
schleunigende  Wirkung  kleiner  Dosen  trat  allerdings  mitunter 
auch  bei  Verwendung  von  gut  lösendem  Menschenserum  ein.  Die 
gleichen  Erscheinungen  konnten  beobachtet  werden,  wenn  man 
Rinder-  und  Hammelblut  durch  Menschenserum  unter  Zusatz 
von  inaktivem  Pferdeserum  zu  lösen  versuchte.  Und  auch  frem¬ 
des,  inaktives  Menschenserum  wirkte  entsprechend.  Sehr  be- 
m  erkenswert  i  s  t  d  a  g  e  g  e  n,  dass,  wenn  man  die 
Menge  des  Zwischenkörpers  durch  Zusatz  von 
inaktiviertem  Serum  desselben  Menschen  ver¬ 
stärkte,  eher  die  Hämolyse  beschleunigt 
wurde  und  selbst  sehr  grosse  Dosen  keine  V  e  r  - 
1  a  n  g  s  a  m  ung  hervor  riefen. 

Als  Beispiele  seien  die  folgenden  Versuche  angeführt,  die 
aus  einer  grossen  Anzahl  von  Versuchsreihen  herausgegriffen 
sind : 


I.  Wirkung  des  Hammelserums 


5  Proz. 
Pferde- 
Blut 

inaktives 

Haminel- 

Serum 

physiol. 

NaCl- 

Lösung 

aktives 

Mensch.- 

Serum 

Resultat 

1. 

2  cc. 

_ 

2,0  cc. 

2  cc. 

15  Min.  fertig  gelöst. 

2. 

dto. 

0,25  cc. 

1,75  „ 

dto. 

25 

yy  >)  yy 

3. 

dto 

0,5  „ 

1,5  „ 

dto. 

1/2  Std.  fertig. 

4. 

dto. 

L0  „ 

1,0  „ 

dto. 

1  Std  fertig. 

5. 

dto. 

2,0  „ 

— 

dto. 

24  Std.  wenig  Lösung. 

II. 

In  kleinen  Dosen  beschleunigende  Wirkung  des 
Hammelseru m  s. 

1. 

2  cc. 

— 

1,0  cc. 

1  cc. 

6  Minuten  fertig. 

2. 

dto. 

0,5  cc. 

0,5  „ 

dto. 

21/*  „ 

3. 

dto. 

1,0  „ 

— 

dto. 

24  Std.  keine  Lösung. 

III.  Wirkung  des  Pferdeserums. 


5  Proz. 
Rinder- 
Blut 

inaktives 

Pferde- 

Serum 

physiol. 

NaCl- 

Lösung 

aktives 
Mensch. - 
Serum 

Resultat 

1. 

2  cc. 

— 

2,0  cc. 

2  cc. 

10  Min.  vollst,  gelöst. 

2. 

dto. 

0,1  cc. 

1,9  „ 

dto. 

12  „ 

3. 

dto. 

0,25  „ 

1,75  „ 

dto. 

15  „  ,,  ,, 

4. 

dto. 

0,5  „ 

1,5  „ 

dto. 

20  ,,  „  ,, 

5. 

dto. 

1,0  „ 

1,0  „ 

dto. 

l1/*  std.  „ 

6. 

dto. 

2,0  „ 

— 

dto. 

24  Std.  wenig  gelöst. 

IV.  Wirkung  des  fremden  Menschenserums. 


5  Proz. 
Rinder- 
Blut 

inaktives 
Mensch  - 
Serum 

physiol. 

NaCl- 

Lösung 

aktives 
Mensch .- 
Serum 

Resultat 

1. 

2  cc. 

— 

2,0  cc. 

2  cc. 

10  Min.  völlig  gelöst. 

2. 

dto. 

0,1  cc. 

1,9  „ 

dto. 

12 

yy  yy  yy 

3. 

dto. 

0,25  „ 

1,75  „ 

dto. 

1J  ,,  ,,  „ 

4. 

dto. 

0,5  „ 

1,5  „ 

dto. 

24  Std.  unvollst.  Lös. 

5. 

dto. 

1,0  „ 

1,0  „ 

dto. 

desgl. 

6. 

dto. 

2,0  „ 

— 

dto. 

24  Std.  wenig  gelöst. 

V.  Wirkung  desselben  inaktiven  Menschenserums. 


1. 

2  cc. 

— 

5,0  cc. 

2  cc. 

15  Min.  fertig  gelöst 

2. 

dto. 

0,5  cc. 

4,5  „ 

dto. 

15 

yy  yy  yy 

3. 

dto. 

1,0  „ 

4,0  „ 

dto. 

yy  yy  yy 

4. 

dto. 

2,0  „ 

3,0  „ 

dto. 

12  „  „  », 

5. 

dto. 

3,0  „ 

2,0  „ 

dto. 

H  ,,  ,,  ,, 

6. 

dto. 

5,0  „ 

— 

dto. 

7 

•  yy  yy  yy 

Um  diesen  Erscheinungen  auf  den  Grund  zu  kommen,  such¬ 
ten  wir  zunächst  festzustellen,  ob  die  Pferdeblutkörperchen  über¬ 
haupt  den  Zwischenkörper  des  Hammelserums  binden  und  ob 
andererseits  der  Zwischenkörper  zum  menschlichen  Komplement 
passt.  Behandelt  man  Pferdeblutkörperchen  mit  inaktivem 
Hammelserum,  und  entfernt  dann  die  Zwischenflüssigkeit  nach 
2  ständiger  Digestion,  so  ergibt  sich,  dass  die  Blutkörperchen 
vom  Menschenserum  nach  dieser  Behandlung  bald  etwas 
schneller,  bald  gleich  schnell,  wie  die  nicht  behandelten  Blut¬ 
körperchen  gelöst  werden.  Mitunter  aber  bleibt  die  Lösung  der 
vorbehandelten  Blutkörperchen  sogar  ganz  aus.  Es  scheint  auch 
hier  von  Bedeutung  zu  sein,  ob  es  sich  um  ein  an  sich  gut  lösen¬ 
des  oder  erst  in  hohen  Dosen  wirkendes  Menschenserum  handelt. 
Die  Resultate  lagen  mithin  so,  dass  durch  diese  Art  der  Ver¬ 
suchsanordnung  keine  sichere  Entscheidung  zu  treffen  war.  Erst 
Versuche,  in  denen  wir  durch  Behandlung  des  Menschenserums 
mit  Pferdeblut  bei  0°  den  Zwischenkörper  für  Pferdeblut  aus 
dem  Menschenserum  entfernten,  zeigten  uns,  dass  tatsächlich  das 
Hammelserum  die  Blutkörperchen  nicht  präpariert,  denn  von 
so  behandeltem  Menschenserum  wurden  nunmehr  auch  Pferde¬ 
blutkörperchen  überhaupt  nicht  mehr  gelöst,  und  zwar  auch 
solche  nicht,  die  mit  Hammelserum  vorbehandelt  waren.  Setzte 
man  dagegen  inaktives  Menschenserum  hinzu,  so  trat  sofort 
wieder  Lösung  ein.  Also  entscheidend  ist  in  allen  diesen  Ver¬ 
suchen  nur  die  Gegenwart  des  menschlichen  Zwisehenkörpers  im 
Serum.  Wo  er  in  genügender  Menge  vorhanden  ist,  da  wird  auch 
nur  dieser  von  den  Blütkörperchen  gebunden  und  der  Zwischen¬ 
körper  des  Hammelserums  bleibt  frei  in  der  Flüssigkeit.  Ist 
der  menschliche  Zwischenkörper,  wie  das  in  schlecht  lösen¬ 
dem  Serum  der  Fall  sein  kann,  vielleicht  in  geringerer  Menge 
vorhanden,  so  scheinen  sich  die  Aviditätsverhältnisse  zu  ändern 
und  so  kann  gelegentlich  eben  durch  kleine  Dosen  von  inaktivem 
Hammelserum  eine  Bindung  des  Zwischenkörpers  an  die  Blut¬ 
körperchen  bewirkt  und  damit  eine  Beschleunigung  der  Lösung 
h,ervorgerufen  werden.  Mit  den  ersterwähnten  Tatsachen  stimmt 
auch  gut  überein,  dass  frisches  Hammelserum  an  sich  Rinder¬ 
und  Pferdeblut  in  einem  von  uns  angestellten  Versuche  nicht 
löste.  Dieselben  Resultate  wurden  durch  die  gleichen  Versuchs¬ 
anordnung  für  die  Beziehungen  des  Hammelzwischenkörpers  zu 
Kaninchenblutkörperchen  erhalten. 

Erwähnt  sei  hier  gleich,  dass  durch  Behandlung  des  Men¬ 
schenserums  mit  Pferdeblut  bei  0°  nur  der  Pferdeblutzwischen- 
körper  entfernt  wird,  das  Serum  aber  noch  gegen  Rinderblut 
wirksam  bleibt,  eine  Tatsache,  die  entschieden  geeignet  ist,  die 
Anschauungen  von  der  Pluralität  der  normalen  Zwischenkörper 
(Ehrlich,  Morgenroth  u.  a.)  zu  stützen. 

Zur  Erklärung  der  verhindernden  Wirkung  des  Hammel¬ 
und  Pferdeserums,  sowie  des  fremden  inaktiven  menschlichen 
Serums  in  den  obigen  Fällen  von  Hämolyse  möchten  wir  die  so¬ 
genannte  Komplementablenkung,  die  von  Neisser  und 


um 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


W  e  clisl)  e  r  g ')  in  Fällen  von  spezifischer  Bakterizidie  be¬ 
obachtet  wurde,  heranziehen.  P.  Th.  Müller  )  hatte  ähn¬ 
liche  Beobachtungen,  wie  wir,  auch  schon  in  Fällen  normaler 
Hämolyse  gemacht,  und  sie  auf  die  Gegenwart  von  Antihämo¬ 
lysinen  zurückgeführt.  Metschnikoff  )  hatte  derartige 
Erscheinungen  durch  normal  vorkommende  Anticytase  erklärt, 
eine  Anschauung,  die  Li  p  stein4)  durch  eine  Anzahl  von  \  ei- 
suchen  zu  widerlegen  unternommen  hat.  Für  unseren  Fall,  wo 
auch  inaktiviertes  Serum  der  eigenen  Spezies  das  Phänomen  ge¬ 
zeigt  hat,  erscheint  uns  die  Annahme  eines  Antikörpers  wenig 
wahrscheinlich.  Ueberhaupt  erscheint  es  im  Interesse  des  wissen¬ 
schaftlichen  Fortschrittes  auf  diesem  Gebiete  notwendig,  sich 
von  der  Annahme  von  Antikörpern  möglichst  solange  fernzu¬ 
halten,  als  nicht  die  exaktesten  experimentellen  Beweise  für  eine 
solche  Auffassung  vorliegen:  Andernfalls  bedeutet  die  Ein¬ 
führung  neuer  Antikörper  in  die  Theorie  nichts  weiter,  als  dass 
man  die  beobachtete  Erscheinung  durch  ein  neues  Wort  um¬ 
schreibt. 

Nach  N  e  i  s  s  e  r  und  Wechsberg  besteht  das  Wesen  der 
Komplementablenkung  darin,  dass  „bei  bestimmten  Aviditätsver- 
hältnissen  ein  Uebersehuss  von  Amborezeptoren  ablenkend  und 
gleichsam  verdünnend  auf  das  Komplement  wirkt.  Das  Kom¬ 
plement  verbindet  sich  dann  nicht  mit  den  an  die  Bakterien  \ei- 
ankerten  Amborezeptoren,  sondern  mit  den  überschüssigen  freien 
Amborezeptoren,  während  die  an  die  Bakterien  verankerten 
Amborezeptoren  komplementfrei  bleiben.  Da  aber  nur  die  mit 
Hilfe  der  Amborezeptoren  verankerten  Komplemente  bakterizid 
wirken,  so  wird  in  dem  beschriebenen  I  alle  die  Bakterizidie  aus- 
bleiben“  (L  i  p  s  t  e  i  n).  Auf  unseren  Fall  übertragen,  würde  der 
im  allgemeinen  nicht  von  den  Blutkörperchen  verankerte,  frei 
in  der  Flüssigkeit  befindliche  Zwischenkörper  des  PIampiel-, 
Pferde-,  fremden  Menschenserums  das  menschliche  Komplement 
gebunden  und  es  auf  diese  Weise  einem  Teil  der  Blutkörperchen, 
die  sich  mit  menschlichem  Zwischenkörper  beladen  hatten,  ent¬ 
zogen  haben.  Deswegen  blieb  die  Lösung  bei  hohen  Dosen  von 
inaktivem  Hammelserum  aus,  bezw.  war  unvollständig.  Es 
könnte  auf  den  ersten  Blick  wunderbar  erscheinen,  dass  hier  das 
menschliche  Komplement  eine  grössere  Affinität  z.  B.  zum  Ham- 
melzwischenkörper  zeigt,  als  zu  seinem  eigenen  Zwischenkörper. 
Man  muss  aber  immer  bedenken,  dass  hier  eben  der  menschliche 
Zwischenkörper  wahrscheinlich  schon  die  Blutkörperchen  ver¬ 
ankert  hat,  also  eine  neue  Verbindung  entstanden  ist,  deren 
Affinität  zum  Komplement  nicht  mehr  die  gleiche  zu  sein 
braucht,  wie  die  des  nichtgebundenen  Zwischenkörpers. 

Es  sind  uns  auch  einige  Fälle  vorgekommen,  wie  oben  er¬ 
wähnt,  in  denen  die  mit  Hammelserum  vorbehandelten  Blut¬ 
körperchen  gar  nicht  mehr  vom  Menschenserum  gelöst  wurden, 
während  bei  gleichzeitiger  Mischung  von  Hammelserum,  Blut¬ 
körperchen  und  Menschenserum  in  gleichen  Mengenverhältnissen 
Lösung  eintrat  und  die  von  den  vorbehandelten  Blutkörperchen 
gewonnene  überstehende  Flüssigkeit  sogar  schnellere  Lösung 
zeigte.  Bemerkenswerter  Weise  handelte  es  sich  hier  um  ein 
Menschenserum,  das  an  sich  die  Blutkörperchen  schlecht  löste. 
Hier  könnte  man  die  von  Ehrlich  und  Sachs  )  für  solche 
atypische  Fälle  gegebene  Erklärung  heranziehen,  wonach  „ein 
Amborezeptor  (Hammel)  an  sich  unbefähigt,  sich  mit  der  Zelle 
zu  verbinden,  durch  die  Verankerung  des  Komplements  eine  Er¬ 
höhung  seiner  Affinität  erfährt  und  dadurch  erst  reaktionsfähig 
wird“.  Man  müsste  in  diesem  Falle,  wie  in  den  Fällen,  in  denen 
kleine  Dosen  von  Hammelserum  beschleunigend  wirkten,  an¬ 
nehmen,  dass  hier  ein  Mangel  an  Zwischenkörper  im  mensch¬ 
lichen  Serum,  das  ja  an  sich  schlecht  löste,  vorhanden  war.  Dann 
wären  die  Zellen  nicht  vom  menschlichen  Zwischenkörper  voll- 
-tändig  besetzt,  und  die  inzwischen  eingetretene  Verbindung, 
llammelzwischenkörper-Mensehenkomplement,  könnte  infolge 
ihrer  grösseren  Affinität  von  den  Zellen  verankert  werden. 

Die  beobachteten  Erscheinungen  betreffen  zwar  vorläufig  nur 
ein  sehr  kleines  Gebiet  der  enzymatösen  Wirksamkeit  des  mensch¬ 
lichen  Serums,  sie  zeigen  aber  jedenfalls,  dass  in  Fällen  von 
noimaler  Hämolyse  fremde  Zwischenkörper  ablenkend  auf  das 
menschliche  Komplement  wirken  können,  und  somit  unter  Um- 

')  Münch,  med.  Woclienselir.  1901,  S.  697. 

-i  (’entralbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  XXIX,  S.  860. 

:1i  Iäiinmunite  dans  les  maladies  infectieuses,  pag.  Slö. 

'i  Centralbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  XXXI,  S.  404. 

*)  Beil.  klm.  Wochenschr.  1902,  S.  490. 


ständen  eine  ungünstige  Wirkung  hervorbringen.  Damit  ist  aber 
auch  die  von  Ehrlich  vertretene  Anschauung  gerechtfertigt, 
dass  bei  serotherapeutischen  Versuchen  zunächst  festgestellt 
werden  muss,  wie  das  eingeführte  fremde  inaktive  Immunsei  um 
in  dem  betreffenden  Fall  sich  zu  dem  menschlichen  Komplement 
verhält,  ob  seine  Wirkung  überhaupt  vom  menschlichen  Serum 
aktiviert  wird,  und  ob  nicht  unter  Umständen  sogar  die  normale 
bakterizide  Wirkung,  welche  z.  B.  Menschenserum  auf  Typhus- 
bazillcn  ausübt,  durch  die  Komplementablenkung,  welche  das 
fremde  Serum  hervor  ruft,  ungünstig  beeinflusst  wird. 


Aus  dem  Elisabeth-Krankenhaus  Kassel. 

Die  pernasale  Tubage. 

Von  Dr.  Franz  Kuhn. 

Anschliessend  an  meinen  vor  einiger  Zeit  in  dem  Central¬ 
blatte  für  Chirurgie  erschienenen  Artikel1)  über  perorale  In¬ 
tubation,  in  dem  ich  zeigte,  wie  gut  es  möglich,  mit  Hilfe  eines 
Metallschlauches  das  Innere  der  Luftwege,  des  Kehlkopfes  und 
der  Trachea  mit  der  Aussenluft  und  der  Oberfläche  des  Körpers 
ohne  Tracheotomie  in  dauernde  Wegverbindung  zu  bringen  und 
in  solcher  auf  längere  Zeit  zu  erhalten,  sei  es  zum  Zwecke  der 
Atmung,  Lufteinblasung  oder  Zufuhr  von  Chloroform  und  an¬ 
deren  narkotisierenden  Gasen,  soll  als  Fortsetzung  und  Vervoll¬ 
ständigung  der  Frage  hier  in  Kürze  ein  Verfahren  von  Intubation 
Besprechung  finden,  welches  für  viele  Fälle  noch  geeigneter  und 
unter  bestimmten  Voraussetzungen  noch  wesentlich  leistungs¬ 
fähiger  ist  als  die  perorale  Tubage. 

Es  besteht  dieses  neue  Verfahren  in  der  Einführung  eben 
desselben  Tubus,  der  bei  der  peroralen  Methode  durch  den  Mund 
geführt  wird,  durch  die  Nasen  weg  e. 

Die  Technik  des  Verfahrens  ist  einfach  und  für  jeden,  der 
sich  einige  Male  damit  versucht,  leicht  zu  erlernen;  die  Leistungs¬ 
fähigkeit  des  Verfahrens  ist  eine  in  die  Augen  springende  und 
berechtigt  zu  weitgehenden  Erwartungen. 

Wenn  ich  in  dem  folgenden  die  Vorzüge  der  Methode  in 
Kürze  skizziere,  verweise  ich  auf  die  alsbald  folgenden  kasui¬ 
stischen  Mitteilungen  aus  meiner  Klinik J). 

Die  Vorzüge  des  per  nasalen  Verfahrens,  vor  allem 
auch  gegenüber  der  peroralen  Tubage,  zu  der  die 
Indikation  für  viele  Fälle  natürlich  auch  fernerhin  zu  Recht 
bestehen  bleibt,  sind  folgende : 

1.  Die  A  t  m  u  n  g  ist  durch  ein  pernasales  Rohr  natür¬ 
licher  und  nähert  sich  mehr  der  physiologischen  Respiration, 
bei  welcher  der  Luftstrom  durch  die  Nase  nach  dem  Larynx 
geht.  Dabei  ist  die  Kurve,  welche  das  Metallschlauchrohr  be¬ 
schreibt,  eine  flachere,  was  die  Reibung  des  Luftstroms  sehr  ver¬ 
ringert  und  sehr  zur  Erleichterung  des  Luftein-  und  Austrittes 
beiträgt.  Diese  Reibung  des  Luftstromes,  die  mit  der  Weite  des 
Rohres  bekanntlich  abnimmt,  ist  begreiflicherweise  bei  der 
Länge  der  Metallschlauch-Tubageröhren  für  alle  Fragen  dieser 
Art  von  Intubation,  ob  peroral  oder  pernasal,  sehr  zu  berück¬ 
sichtigen.  Man  wird,  was  hier  nur  nebenbei  Erwähnung  finden 
soll,  daher  auch  die  Rohre  so  weit  zu  gestalten  suchen  als  mög¬ 
lich;  wenn  dies  bei  dem  in  das  Innere  reichenden  Rohre  seine 
Grenzen  hat,  so  wird  es  für  das  äussere  zum  Trichter  gehende 
Leitungsrohr  sehr  in  Geltung  bleiben.  Dieses  nur  nebenbei. 

2.  Das  pernasal  eingelegte  Tubagerohr  kommt  besser  zu 
liegen  als  das  perorale ;  das  erstere  lässt  vor  allem  den  M  u  n  d 
ganz  frei,  was  das  perorale  zunächst  nicht  tut.  Auch  die 
Befestigung  ist  leichter  und  angenehmer  und  natürlicher.  Der 
Rachen  kann  ebensogut,  teilweise  besser,  austamponiert  werden, 
weil  das  Rohr  der  hinteren  Rachenwand  anliegt.  Bei  dieser 
Tamponade  empfiehlt  es  sich  namentlich,  zuerst  einen  Schwamm, 
der  an  einem  Faden  befestigt  ist,  einzulegen.  Kommt  dieser  in 
einen  Teil  der  Speiseröhre,  hinter  den  Aditus  laryngis  und  den 
Kehlkopf  zu  liegen,  so  gibt  er  einen  vollständigen  Verschluss  der 
Speiseröhre  nach  oben  ab.  Am  besten  liegt  aber  der  Schwamm 
hinter  dem  pernasalen  Tubagerohr.  Kommen  dann  von  vorne 
auf  das  Rohr  Kompressen  (wenn  man  keimfrei  arbeitet,  auch 
sterile)  zu  liegen,  so  ist  der  Abschluss  des  Rachens  für  Mund- 

x)  F.  Kulin:  Die  perorale  Intubation.  Centralbl.  f.  Chirurg. 
1901,  No.  52. 

-)  vergl.  Floren:  Kasuistik  der  peroraleu  und  pernasalen 
Tubage.  Therapeut.  Monatsh.  1902,  Okt. 


2.  September  1902. 


Operationen  ein  fast  idealer  zu  nennen.  Seine  Zuverlässigkeit, 
auch  bei  starken  Würg-  und  Brechbewegungen,  habe  ich  des 
öfteren  erprobt. 

Die.  Zunge  kann  weit  vorgezogen,  wenn  solches  erwünscht, 
oder  auch  nach  hinten  gedrängt  werden.  Ein  Atmungshindernis 
kann  sie  ja,  wie  bekannt,  bei  dem  Einliegen  des  Rohres  nicht 
abgeben. 

Der  Mund  und  der  Gaumenbogen,  die  Uvula  und  der 
Zungengrund,  der  Mundboden,  die  Innenseite  der  Wangen  werden 
sehr  gut  zugänglich.  Indem  nämlich  der  Unterkiefer  so  weit 
nach  unten  und  hinten  gedrängt  werden  darf,  als  seine  Artikula¬ 
tion  es  gestattet,  können  die  Kiefer  ad  maximum  dilatiert  werden. 
Eine  Abklemmung  der  Luftwege  und  des  Kehlkopfeinganges 
durch  den  nach  hinten  sinkenden  Unterkiefer  und  Zungengrund 
ist  ausgeschlossen  und  mir  durch  die  häufige  Erfahrung  bewiesen. 
Eine  bequemere  und  ausgiebigere  Zugänglich¬ 
keit  der  hintere  n  Mund-  und  Rachen  teile,  o  h  n  e 
Angst  vor  Asphyxie,  Aspiration,  Würgen  oder 
Erbrechen  ist  nicht  denkbar. 

Zur  ferneren  Vervollständigung  der  Annehmlichkeiten  sol¬ 
cher  Arrangements  bei  Mundoperationen  dient  noch  die,  dass  bei 
der  Tubage  der  Narkotiseur  stets  zur  Seite  bleibt  und  die  Maske 
weitab  vom  Gesichte  ist,  sowie  die  Möglichkeit,  die  Narkose 
raschestens  wieder  zu  vertiefen,  was  noch  erörtert  werden  soll. 

3.  Ein  besonderer  Vorzug  der  pernasalen  Tubage  ist  des 
ferneren  in  dem  Wegfall  aller  Würg-  und  Brechbewe- 
g  unge  n  gegeben,  wie  sie  sonst  die  Narkose  begleiten  und 
namentlich  bei  Operationen  an  Mund,  Hals  oder  Gesicht  sehr 
störend  werden.  Da  nämlich  das  nasal  liegende  Metallrohr  sich 
bei  seinem  Austritt  aus  der  Choane  zunächst  der  hinteren  Rachen¬ 
wand  anlegt  und  von  dieser  aus  nach  dem  Larynx  umbiegt, 
berührt  es  den  Zungengrund,  von  dem  aus  Würgen  und  Erbrechen 
sehr  leicht  ausgelöst  wird,  gar  nicht.  Es  fällt  daher  zunächst 
das  Würgen,  das  beim  Elachw erden  der  Narkose  bei  der  per- 
oralen  Tubage  beobachtet  werden  kann,  bei  der  pernasalen  In¬ 
tubation,  in  welcher  Tiefe  der  Narkose  der  Patient  immer  sich 
befindet,  weg,  weil  der  Tubageschlauch  den  Zungengrund  nicht 
reizt.  Aber  aüch  das  gewöhnliche,  durch  das  Chloroform  allein 
bedingte  Würgen  fehlt,  wenigstens  soweit,  als  es  den  Operateur 
stören  könnte,  weil  das  Hochkommen  von  Speisen  durch  die  Tam¬ 
ponade  des  Rachens  unmöglich  und  durch  leichten  Druck  auf  die 
Tamponade  von  seiten  des  Operateurs  zu  verhüten  ist.  Zudem 
fehlt  schon  dem  Brechakt  seine  erste,  wichtigste  Voraussetzung, 
nämlich  der  Schluss  der  Glottis. 

4.  Ein  integrierender  Vorzug  der  pernasalen  Tubage  gegen¬ 
über  der  peroralen  verdient  besondere  Beachtung,  nämlich  der, 
dass  das  pernasale  Rohr  auch  im  wachen  Zustande  gut  vertragen 
wird,  und  zwar  nicht  nur  beim  Aufwachen  des  Narkotisierten, 
sondern  auch  später  noch  auf  viele  Stunden,  und  zwar  ohne  son¬ 
derliche  Unbequemlichkeit,  ohne  Husten,  ohne  Würgen  oder  Er¬ 
brechen.  Selbst  Trinken  von  Flüssigkeiten  oder  Nahrungsauf¬ 
nahme  ist  möglich. 

Diese  Tatsache  ist  wichtig;  denn  sie  ermöglicht  ein 
Offenhalten  der  Luftwege  unter  allen  Voraussetzungen  auf  viele 
Stunden,  selbst  Tage,  was  unter  Umständen,  z.  B.  wenn  die  Luft¬ 
passage  im  Gefolge  einer  Operation  sich  fraglich  gestalten  könnte 
(wie  bei  Strumen  mit  häutiger  Degeneration  der  Trachealringe 
oder  bei  Glottisödem  oder  sonstiger  Verlegung  der  Luftwege), 
sehr  von  Bedeutung  ist. 

5.  Noch  ein  Wort  über  das  Instrumentarium:  Auch  dieses 
ist  bei  der  pernasalen  Intubation  zunächst  einfacher:  ein  ein¬ 
facher  Metallschlauch  genügt  allen  Ansprüchen.  Er  wird  in  einer 
Länge  von  20 — 25  cm  mittels  stark  gebogenen  Mandrins  durch 
den  unteren  Nasengang,  erst  nach  dem  Cavum  pharyngis,  dann 
unter  Leitung  des  Zeigefingers  der  linken  Hand  nach  dem  Kehl¬ 
kopfeingang  geführt. 

In  der  engen  Nase  liegt  der  Schlauch  ruhig  und  unverscliieb- 
lich;  ein  Befestigungsschild  ist  kaum  nötig.  Jeder  Seiden-  oder 
Gummifaden,  um  das  äussere  Rohrende  gelegt,  würde  genügen. 

Auch  das  Zerbeissen  des  Rohres  durch  einen  ungestümen 
Patienten,  wie  es  bei  der  peroralen  Tubage  möglich  ist  und  wes¬ 
halb  die  Erfindung'  eines  zwischen  diu  Zähne  reichenden  Konus 
zum  Schutze  des  Metallrohres  nötig  war,  ist  bei  der  pernasalen 
Tubage  ausgeschlossen. 

No.  35. 


1457 


Soweit  die  Vorzüge  der  pernasalen  vor  der  peroralen  In¬ 
tubation.  Dass  natürlich  alle  sonstigen  vorteilhaften  Eigen¬ 
heiten,  die  in  der  peroralen  Intubation  liegen  und  an  anderen 
Stellen3)  geschildert  wurden,  auch  dem  pernasalen  Verfahren 
nicht  fehlen,  bleibt  zu  erwähnen. 

So  bleibt  vor  allem  der  Methode  erhalten : 

a)  Die  Ausschaltung  der  Reflexe  von  seiten  der 
oberen  Luftwege,  der  Nase  und  des  Rachens,  welche  zu  reflek¬ 
torischer  Asphyxie  etc.  führen; 

b)  die  absolute  Gewährleistung  für  das  Offensein  der 
Luftwege,  trotz  Glottiskrampf,  trotz  Blutens  und  Würgens; 

c)  das  F  e  r  n  s  e  i  n  der  Chloroformmaske  vom 
Munde  und  Gesichte  des  Patienten  und  die  Bedienung  der  Maske 
ohne  Behinderung  des  Operateurs;  ferner 

d)  die  unmittelbare,  momentane  Vertiefung  der 
Narkose,  sobald  es  gewünscht  wird,  mit  relativ  geringen  Mengen 
von  Chloroform;  und  endlich 

e)  die  Kontinuierlichkeit  der  Narkose  ohne 
Unterbrechung  des  Operierenden. 

Wenn  in  dem  Vorliegenden  die  beiden  Methoden  der  per¬ 
oralen  und  der  pernasalen  Tubage4)  einander  gegenüber  gestellt 
wurden,  verwahre  ich  mich  ausdrücklich  dagegen,  dass  die  letz¬ 
tere  der  ersteren  Konkurrenz  machen  sollte.  Sie  werden  beide 
gerne  nebeneinander  bestehen  und  in  edlem  Wettbewerb  ruhig 
dem  Ermessen  des  Narkotiseurs  es  überlassen,  welchem  Wege 
derselbe  bei  Einführung  des  Rohres  den  Vorzug  geben  will. 


Aus  dem  St.  Vincenz-Krankenhaus  zu  Hanau  (leitender  Arzt: 

Sanitätsrat  Dr.  Noll). 

Zur  Kenntnis  der  Knochenmetastasen  bei  Schild¬ 
drüsentumoren. 

Von  Dr.  med.  Richard  Wagner,  Arzt  am  St.  Vincenz- 

Krankenhaus. 

Die  malignen  Schilddrüsentumoren,  welche  mit  Vorliebe  in 
bereits  kropfig  entarteten  Drüsen  zur  Entwicklung  gelängen, 
machen  bekanntlich  nächst  den  Lungen  am  meisten  im  Knochen¬ 
system  Metastasen,  so  dass  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  J)  ausdrücklich 
betont,  man  solle  in  allen  Fällen,  wo  Knochentumoren  vorliegen, 
die  den  klinischen  Eindruck  von  Sarkomen  machen,  eine  Struma¬ 
metastase  mit  in  den  Bereich  seiner  Erwägungen  ziehen,  ohne 
sich  durch  die  in  der  Anamnese  angegebene  lange  Dauer  der 
Geschwulst  beirren  zu  lassen.  Als  Beweis  für  die  Richtigkeit 
dieser  Lehre  will  ich  den  von  mir  vor  kurzem  im  St.  Vincenz- 
Krankenhaus  zu  Hanau  beobachteten  Fall  mitteilen,  wo  lediglich 
durch  Ausschluss  aller  sonstigen  Möglichkeiten  mit  der  Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose  einer  vorhandenen  Metastase  im  linken 
Femurhals,  ausgehend  von  einem  Neoplasma  in  der  Struma,  ge¬ 
rechnet  wurde.  Die  Sektion  bestätigte  diese  Annahme.  Ich 
halte  mich  zu  dieser  Mitteilung  um  so  mehr  berechtigt,  als  ja 
solche  Beobachtungen  nicht  allzu  häufig  Vorkommen  und  jeden¬ 
falls  Interesse  beanspruchen. 

Krankengeschichte:  M.  R.,  Witwe,  48  Jahre  alt,  aus  Gr.-A.. 
wurde  am  30.  XI.  1901  in  das  Krankenhaus  aufgenommen.  Die 
Krau  stammt  aus  gesunder  Familie,  will  als  Mädchen  skrofulös 
(geschwollene  Halsdrüsen)  gewesen  sein,  mit  14  Jahren  Menses, 
drei  gesunde  Kinder  im  Alter  von  14  bis  22  Jahren,  normale,  leichte 
Geburten.  Abort  oder  Frühgeburt  hat  nie  stattgefunden.  Letzte 
Menstruation  war  vor  4  Monaten.  Der  vorhandene  Kropf  soll  sich 
schon  in  den  Mädchenjahren  entwickelt  haben,  hat  nie  Be¬ 
schwerden  verursacht;  ein  Stärkerwerden  in  der  letzten  Zeit  ist 
nicht  bemerkt  worden,  nur  will  Patientin  seit  einigen 
T  a  g  e  n  b  e  i  m  Schl  u  c  k  e  n  ein  Gef  ii  hl  de  r  „S  p  a  n  - 
n  u  n  g“  li  a  b  e  n. 

Vor  nicht  länger  als  0  Wochen  bekam  die  Frau  Schmerzen 
in  der  linken  Hüfte  und  Oberschenkel,  welche  nach  14  Tagen  bei 
Bettruhe  und  Einreibungen  bedeutend  zurückgingen.  Am  14.  XI. 
1901,  Abends  beim  Zubettgehen,  wurde  Patientin,  als  sie  das  rechte 
Bein  erhob  und  so  einen  Moment  allein  auf  dem  linken  Bein  stand, 
ganz  plötzlich  von  so  heftigen  Schmerzen  in  der  linken  Hüfte  be¬ 
fallen,  dass  die  Frau  noch  bei  Ankunft  des  alsbald  erschienenen 


3)  K  r  u  g:  Die  perorale  Tubage  nach  Iv  u  h  n.  Wien.  med. 
Wochenschr.  1902,  No.  7. 

F,  Kuhn:  Technik  der  peroralen  Tubage.  Deutsch,  med. 
Wochenschr.  1902,  No.  30. 

*)  Instrumente  gefertigt  von  Evens  &  Pi  st.  o  r,  Kassel. 

9  Verhandlungen  des  Chirurgenkongresses  1893,  XXY1I: 
lieber  Knochenmetastasen  des  Schilddrüsenkrebses.  Deutsch. 
Chirurg.  1901,  Lief.  38:  Die  Krankheiten  der  Schilddrüse. 

3 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1458 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


•Vrztes  wie  „wahnsinnig“  geschrieen  haben  soll.  Sie  fiel  nicht  um, 
sondern  wurde  vom  Stehen  aus  ins  Bett  gehoben.  Seit  dieser  Zeit 
lie-t  Patientin  anhaltend,  hält  ihr  Bein  ziemlich  unbeweglich  und 
hat  beständig  mehr  oder  weniger  arge  Schmerzen  im  linken  Ober- 
Schenkel 

S  t  a  t.  praes.:  Leidlich  gut  genährte  Frau  von  fahler  Haut¬ 
farbe.  Gesichtsausdruck  entschieden  leidend.  Puls  voll  und 
weich,  regelmässig,  80  Schläge  in  der  Minute.  Temperatur  normal. 
Pupillen  gleich  und  mittelweit,  reagieren  prompt.  Urin  hat  ein 
spezifisches  Gewicht  von  1018,  enthält  weder  Eiweiss  noch  Zucker. 

Zu  beiden  Seiten  des  Halses  finden  sich  am  vorderen  Rande 
des  Muse,  sternocleidomastoideus  bis  zum  Kieferwinkel  verein¬ 
zelte,  etwas  verschiebliche  hasel-  bis  walnussgrosse  Geschwülste 
von  fest-weicher  Konsistenz.  Dicht  oberhalb  des  Brustbeins  liegt 
ziemlich  symmetrisch  am  Halse  ein  gut  faustgrosser,  umschrie¬ 
bener,  mit  Haut  und  Muskeln  nicht  verwachsener,  gleichmassig 
derber  Tumor,  der,  wenn  jtucli  von  vorn  und  seitlich  gediuckt., 
keinerlei  Atembeschwerden  verursacht.  Nur  beim  Schlucken  von 
festeren  Speisen  will  die  Frau  zwar  keine  eigentlichen  Schmerzen, 
auch  keine  Behinderung,  sondern  bloss  ein  unbestimmtes  Ziehen  im 

Kropf  seit  etwa  3  Tagen  haben. 

Lungen  und  Herz  sind  ohne  krankhafte  \ eranderung.  i>ie 
Leber  reicht  in  der  rechten  Mammillarlinie  vom  unteren  Rand  der 
VI.  Rippe  bis  zum  Rippenbogen,  ihr  Rand  ist  scharf.  Auch  die 
übrigen  Bauchorgane  erscheinen  gesund. 

Das  linke  Bein,  im  ganzen  etwas  schwächer  an  Umfang  als 
das  rechte,  wird  im  Hiift-  und  Kniegelenk  leicht  gebeugt,  adduziert 
und  nach  innen  rotiert  gehalten  und  wird  in  dieser  Lage  vom 
anderen  Bein  gestützt.  Die  ganze  linke  Inguinalgegend  ist  leicht 
infiltriert,  bis  bohnengrosse,  schmerzlose  Lymphdrüsen  sind  ver¬ 
einzelt  vorhanden.  Oberhalb  des  Poupart  sehen  Bandes  fühlt 
man  in  der  Tiefe  eine  schmale,  geringe  Resistenz,  die  nach  Angabe 
des  anwesenden  behandelnden  Arztes  vor  8  Tagen  noch  viel  grösser 
gewesen  sein  soll.  Der  ganze  linke  Oberschenkel  ist  zwar  gegen 
Fingerdruck  empfindlich,  jedoch  ruft  jede  Berührung  des  vorderen 
unteren  Femur  offenbar  die  hefügsten  Schmerzen  hervor,  während 
ein  ziemlicher  Druck  auf  den  Trochanter  kaum  schmerzhaft  be¬ 
zeichnet  wird.  Patientin  richtet  sich  im  Bett  selbständig  auf 
und  kann  hier  im  Sitzen,  wenn  sie  den  Oberschenkel  mit  beiden 
Händen  umgreifen  und  stützen  darf,  das  Bein  nach  allen  Rich¬ 
tungen  ausgiebig  bewegen,  wobei  die  Ferse  auf  der  Unterlage 
schleift.  Der  Trochanter  ist  nicht  verbreitert  und  hat  bei  allen 
Stellungen  des  Oberschenkels  seinen  normalen  Stand.  Im  Liegen 
macht  die  Frau  aus  Angst  vor  Schmerzen  nicht  den  geringsten  Ver¬ 
such,  zu  einer  aktiven  Bewegung  des  Beines.  Passiv  gelingt  es 
bei  sorgfältigstem  Halten  und  Heben  des  ganzen  Beines  ausgiebige 
Bewegungen  im  Hüftgelenk  auszuführen,  nur  muss  man  jede  Ex¬ 
tension  vermeiden.  Der  geringste  Zug  an  der  Ferse  ruft  laute 
Schmerzäusserung  hervor. 

Die  Wirbelsäule  ist  gerade,  nichts  von  lordotischer  Haltung 
bemerkbar.  Druck  auf  die  einzelnen  Dornfortsätze  bedingt  keine 
Schmerzhaftigkeit,  ebensowenig  wird  solche  geäussert,  wenn  man 
mit  einem  warmen  Schwamm  über  die  Rückenwirbelsäule  fährt. 

Die  Articulatio  sacro-iliaca  ist  beiderseits  ohne  jeden  ent¬ 
zündlichen  Prozess. 

Bei  der  Messung  beider  unterer  Extremitäten  findet  man 
keinerlei  Differenz. 


Bemerkungen  zur  Diagnose:  Die  diagnostischen  Er¬ 
wägungen  mussten  nach  Ausschluss  aller  sonstigen  etwa  in  Be¬ 
tracht  kommenden  entzündlichen  Prozesse  sehr  bald  an  die 
Existenz  eines  mit  Zerstörung  des  Knochengewebes  einher¬ 
gehenden  malignen  Neoplasmas  im  Schenkelhals  denken  lassen. 
(Zur  Zeit  stand  der  Röntgenapparat  im  Krankenhause  nicht  zur 
Verfügung.)  Eine  solche  Neubildung  erklärte: 

1.  den  ziemlich  akuten  Krankheitsverlauf; 

2.  die  urplötzlich  aufgetretene  ausserordentlich  heftige 
Schmerzattacke  vom  14.  XI.,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Kor- 
tikalis  des  Schenkelhalses  durch  die  momentan  stärkere  Be¬ 
lastung  des  linken  Beines  verletzt  worden  war; 

3.  den  infolgedessen  hervorgerufenen,  zur  Zeit  aber  schon 
sehr  im  Zurückgehen  begriffenen  entzündlichen  Prozess  in  den 
bedeckenden  Weich  teilen; 

4.  die  Beweglichkeit  im  Gelenk  selbst  und  die  ausserordent¬ 
lich  heftigen  Schmerzen  bei  der  geringsten  Extension,  sowie  bei 
Druck  auf  den  distalen  Teil  des  Femur. 

Wenngleich  die  vorhandene  Struma  objektiv  ohne  weiteres 
keinen  direkten  Anhaltspunkt  für  ein  metastasierendes  Neo¬ 
plasma  bot,  wurde  sie.  immerhin  als  suspekt  angesehen,  zumal 
da  die  Geschwulst  beim  Schlucken  doch  neuerdings  zu  stören 


schien. 

Therapie:  Lagerung  des  linken  Beines  zwischen  zwei 

schmale  Sandsäcke.  Subkutan  Morphium. 

Von  dem  weiteren  Krankheitsverlaufe  will  ich  nur  erwähnen, 
dass  am  4.  XII.  von  einer  Infiltration  der  linken  Inguinalgegend 
und  einer  Resistenz  in  der  Tiefe  oberhalb  des  Lig.  Poupartii  nichts 
mehr  nachweisbar  war.  Das  Allgemeinbefinden  der  Frau  ging  be- 
s  .lig  zurück,  ihr  Aussehen  wurde  ausgesprochen  kachektisch. 


Am  3.  I.  02  wurde  über  zunehmende  Schluckbeschwerden  geklagt. 
Die  Struma  nimmt  entschieden  an  Umfang  zu.  16.  I.  Es  stellen 
sieh  dyspnoische  Erscheinungen  ein.  Puls  wird  f  requentei un¬ 
regelmässiger.  Temperatur  Abends  39,2 0  G.  in  der  Achselhöhle. 

Nichts  Pneumonisches  nachweisbar. 

18.  I.  Die  dyspnoisehen  Beschwerden  nehmen  zu.  Subtebrue 
Temperaturen.  Lungen  frei.  24.  I.  Unter  dem  Bilde  einer  allge¬ 
meinen  Intoxikation  (zwei  Tage  komatös)  Exitus. 

Eine  vollständige  Sektion  konnte  bei  der  Patientin  aus 
äusseren  Gründen  nicht  stattfinden.  Ich  musste  mich  darauf  be¬ 
schränken,  den  linken  Femur  und  die  Struma  in  Eile  zu  exstir- 
pieren.  Bei  der  Luxation  des  Oberschenkelkopfes  aus  der  Pfanne 
brach  der  mürbe  Schenkelhals  durch.  Die  Präparate  wurden 
au  das  pathologische  Institut  nach  Marburg  geschickt. 

Bericht  über  die  Präparate  (Privatdozent  Di*.  Borrmann): 

In  der  Schilddrüse  befindet  sich  ein  ca.  walnussgrosser,  grau- 
weisser,  leicht  rosa  gefärbter  Knoten,  der  nicht  scharf  abgegrenzt 
und  histologisch  ein  Spindelzellensarkom  mit  zahlreichen  Iliesen- 
zollen  ist.  Die  ganze  übrige  Schilddrüse  bietet  histologisch  das 
typische  Bild  der  in  soliden,  seltener  in  hohlen  Schläuchen 
wachsenden,  jugendlichen  Struma.  Im  Zentrum  teils  schleimiges, 

teils  derbfaseriges  Bindegewebe. 

Mit  diesem  Tumor  stimmen  überein  die  gefetzten  Geschwulst¬ 
massen  im  Schenkelhals  des  linken  Femur.  Hier  geht  dei  Tumoi 
noch  mehrere  Zentimeter  in  die  Knochensubstanz  hinein,  wie 
man  nach  dem  Aufsägen  erkennen  kann.  Ausserdem  finden  sich 
in  der  Markhöhle  des  Femur  noch  multiple  bis  kleinnussgrosse 
Metastasen  von  grauweisser  Farbe  und  markiger  Beschaffenheit, 
die  histologisch  genau  dasselbe  Bild  bieten.  Später  wurde  mir 
noch  mitgeteilt,  dass  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  sich 
in  der  Schilddrüse  ganz  in  der  Nähe  des  beschriebenen  Knotens 
weitere  kleine  Tumoren  fanden.  Ob  diese  als  Lokalmetastasen 
aufzufassen  sind  oder  auf  Serienschnitten  mit  dem  primären 
Tumor  kontinuierlich  Zusammenhängen  würden,  muss  dahin  ge¬ 
stellt  bleiben.  Letzteres  ist  wohl  das  Wahrscheinlichste.  In  durch¬ 
ziehenden  Venen  waren  deutliche  Geschwulstthromben  vorhanden. 

Um  jedem  etwaigen  Bedenken,  ob  es  sich  nicht  um  ein 
primäres  Knochensarkom  mit  Schilddrüsenmetastasen  gehandelt' 
haben  könnte,  zu  begegnen,  führe  ich  gleich  die  Gründe  an, 
welche  für  den  Sitz  des  metastasierenden  Tumors  in  der  Schild¬ 
drüse  sprechen : 

1.  das  Fehlen  weiterer  Metastasen  in  den  übrigen  Organen; 

2.  das  seltene  Vorkommen  metastatischer  Geschwulstknoten 
in  der  Schilddrüse  und  demgegenüber 

3.  die  Vorliebe  der  Schilddrüsentumoren,  gerade  im  Knochen  - 
system  Metastasen  zu  setzen; 

4.  das  Vorhandensein  weiterer  absolut  sicherer  meta¬ 
statischer  Sarkomknoten  in  der  Markhöhle  des  1.  Femur ; 

5.  die  diffuse  Ausbreitung  des  Tumors  in  der  Schilddrüse 
und  demgegenüber 

6.  die  scharfe  Begrenzung  der  Knochentumoren; 

7.  vielleicht  auch  noch  die  zahlreichen  Einbrüche  der  Tumor¬ 
massen  in  die  Venen  der  Schilddrüse,  die  für  einen  längeren 
Bestand  des  Schilddrüsensarkoms  sprechen  könnten. 

Unser  Fall  muss  also  wohl  so  aufgefasst  werden,  dass  in 
einer  Struma  parenchymatosa  an  einer  zirkumskripten  Stelle  ein 
Spindelzellensarkom  sich  entwickelte.  Dies  brach  sehr  frühzeitig 
in  das  Blutgefässystem  hinein  und  setzte  neben  kleinen  Meta¬ 
stasen  in  der  Markhöhle  des  1.  Femur  eine  grössere  und  sehr 
schnell  wachsende  Metastase  im  Halse  dieses  Knochens,  so  dass 
in  der  ersten  Zeit  das  ganze  Krankheitsbild  lediglich  von  dieser 
Metastase  aus  beherrscht  wurde. 

Im  allgemeinen  bieten  die  langen  Röhrenknochen  für  Meta¬ 
stasen  am  Skelett  keineswegs  eine  Prädilektionsstelle,  viel  öfters 
scheinen  die  platten  Knochen  befallen  zu  werden,  und  zwar  zu¬ 
nächst  die  des  Schädels,  dann  das  Brustbein,  die  Rippen  und 
die  Beckenknochen 2).  Solche  Metastasen  entstehen  in  der 
Regel  ausnehmend  frühzeitig  und  kommen  zumeist  solitär  vor. 
Aber  während  das  an  und  für  sich  schon  seltenere  Schilddrüsen¬ 
sarkom  kaum  ein  J ahr  überdauert,  wissen  wir,  dass  die  mit  ganz 
besonderer  Vorliebe  ins  Knochensystem  metastasierende  Form 
des  Schilddrüsenkrebses,  die  als  Adenokarzinom,  malignes  Ade¬ 
nom  bezeichnet  wird,  ein  ausserordentlich  langsames,  über  Jahre 
hinausgehendes  Wachstum  zeigt. 

Was  die  Frage  der  Operabilität  von  Knochenmetastasen  be¬ 
trifft,  so  ist  jeder  Tumor,  der  das  klinische  Bild  einer  Schild¬ 
drüsensarkommetastase  auf  weist,  für  den  Chirurgen  ein  Noli 
me  tangere.  Dagegen  wird  bei  einer  Karzinommetastase  in  ge¬ 
eigneten  Fällen,  wie  auch  v.  Eiseisberg  in  den  oben  an¬ 
geführten  Arbeiten  erörtert,  ein  chirurgisches  Eingreifen  zum 

2)  Cf.  Dr.  F.  Li  mach  er:  Virch.  Arch.  Bd.  151,  Supplement- 
j  band,  pag.  146  ff. 


2.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET. 


1459 


mindesten  berechtigt  sein,  ja  es  ist  vielleicht  unter  Umständen 
sogar  die  Exstirpation  des  primären  Schilddrüsentumors  in  Be¬ 
tracht  zu  ziehen.  Handelt  es  sich  freilich  um  multiple  Meta¬ 
stasen,  so  ist  natürlich  auch  hier  beim  Adenom  jedes  operative 
Vorgehen  ausgeschlossen3). 

Aus  dem  Alexandra-Stift  für  Frauen  zu  St.  Petersburg. 

Beitrag  zur  Gelatinebehandlung  der  Melaena  neo¬ 
natorum. 

V on  Dr.  E.  Fuhrmann. 

Die  Therapie  der  Melaena  neonatorum  ist  in  der  letzten  Zeit 
wiederholt  Gegenstand  verschiedener  Arbeiten  geworden,  die  ins¬ 
gesamt  bestrebt  sind,  eine  Lanze  zu  brechen  für  die  subkutane 
Gelatinein  j  ektion. 

Wer  das  niederschmetternde  Bild  einer  rapid  verlaufenden 
Melaena  gesehen  und  sich  von  der  Machtlosigkeit  aller  älteren 
blutstillenden  Mittel  überzeugt  hat,  der  wird  mit  Freuden  und 
Zuversicht  zu  jedem  neuen  Mittel  greifen,  das  einig-©  Aussicht 
aut  Erfolg  zu  versprechen  scheint.  Und  dieses  ist  nach  den 
vorausgegangenen  Arbeiten  über  die  blutstillende  Eigenschaft  der 
Gelatine  für  die  letztere  der  Fäll. 

Auch  ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  im  Laufe  des  Winter¬ 
semesters  1901 — 1902  unter  den  zahlreichen,  meiner  Obhut  an¬ 
vertrauten  Säuglingen  im  Alexandra-Stift  für  Frauen  3  Fälle 
von  Melaena  zu  beobachten,  von  denen  1  Fall  zur  Sektion  ge¬ 
langte,  die  beiden  anderen  als  geheilt  entlassen  werden  konnten. 
Der  verschiedenen  Arbeiten  über  die  Gelatinebehandlung  ge¬ 
denkend,  und  im  Hinblick  auf  meine  eigenen  Erfahrungen  bei 
Ilämophilikern  u.  dergl.  beschloss  ich,  auch  in  meinen  Fällen 
von  Melaena  zur  subkutanen  Injektion  einer  2  proz.  Gelatine¬ 
lösung  zu  greifen.  Und  es  war  mir  eine  Genugtuung,  in  zwei 
Fällen  günstige  Resultate  erzielt  zu  haben,  wie  sie  auch  —  was 
ich  später  aus  der  Literatur  ersah  - — -  schon  von  anderen  Autoren 
beobachtet  waren.  Da  das  Verfahren  aber  noch  nicht  allgemein 
verbreitet  zu  sein  scheint,  so  glaube  ich  mich  berechtigt,  meine 
Fälle  zu  veröffentlichen. 

Bevor  ich  an  die  Darlegung  meiner  Beobachtungen  gehe, 
möchte  ich  vorausschicken,  dass  es  sich  in  allen  3  Fällen  um  die 
Melaena  vera  handelte,  die  Döllner1)  als  Melaena 
idiopathica  bezeichnet  wissen  möchte.  Ich  glaube,  dass 
man  diese  am  2.,  spätestens  am  3.  Tage  gesunde  Kinder  be¬ 
fallende  Melaena  durchaus  —  und  strenger  als  es  bisher  ge¬ 
schehen  —  scheiden  müsse  von  jener  später  auftretenden  Form, 
die  —  eine  Folge  verschiedener  konstitutioneller  Krankheiten 
oder  septischer  Natur  —  den  Namen  Melaena  überhaupt  nicht 
führen  sollte.  Allenfalls  liesse  sich,  im  Gegensatz  zur  Melaena 
v  e  r  a,  noch  von  einer  Melaena  symptomatica  reden ; 
vielleicht  aber  wäre  es  besser,  in  diesen  Fällen  schlechtweg  die 
Bezeichnung  „Haemorrhagia  intestinalis  ex  haemophilia,  sep- 
tica“  oder  dergl.  zu  wählen. 

Die  echte  Melaena  hat  ihr  typisches  Bild.  Sie  setzt  mit 
grosser  Pünktlichkeit  am  2.  oder  3.  Tage  ein,  urplötzlich,  und 
befällt  dabei  fast  ausschliesslich  starke  und  gesund  aussehende 
Kinder;  auch  lassen  sich  meistens  —  und  dieses  ist  wichtig  — • 
kaum  irgendwelche  Komplikationen  während  der  Geburt :  wie 
Extraktion,  Zangen,  protrahierte  Geburt  oder  dergl.  anschuldigen. 
Dieses  letztere  ist  wichtig,  indem  Darmblutungen,  wie  v.  P  reu- 
sehen  )  hervorhebt,  als  Teilerscheinung  bei  Verletzungen  des 
Hirns  oder  der  Hirnhäute  auftreten  können.  So  sind  mir  selbst 
neuerdings  2  I  älle  begegnet,  wo  die  Säuglinge  unter  Blutbrechen 
mul  umfangreichen  Extravasaten  eingingen  und  die  Sektion 
Blutergüsse  unter  die  Dura  ergab,  als  Folge  einer  protrahierten 
Geburt,  die  eine  Zange  bezvv.  eine  schwierige  Extraktion  erfordert 
hatte.  Dieses  wären  dann  die  Fälle  von  Melaena  symptomatica. 

Dagegen  ist  e  si  typisch  für  Melaena,  dass 
sie  keine  Veränderungen  an  den  inneren  Or¬ 
ganen  zeigt  und  nur  der  oft  prall  mit  Blut  gefüllte  Darm 
der  einzige  positive  Sektionsbefund  ist,  ausgenommen  natürlich 
die  Erscheinungen  der  hochgradigen  sekundären  Anämie.  Ob 

3)  Cf.  Dr.  K.  Middeldorpf:  Zur  Kenntnis  der  Knochen¬ 

metastasen  bei  Schilddrüsentumoren  (Versammlung  der  deutschen 

Gesellschaft  für  Chirurgie  1S94,  XIII). 

')  Döllner:  Münch,  med.  Wochensehr.  1902. 

")  v.  Pr  eu  sehen:  Centralbl.  f.  Gynäkologie  1894. 


es  sich  in  der  Pathogenese  der  Melaena  vielleicht  wirklich  um  die 
Gefässwand  schädigende  Substanzen  handelt,  mag  dahingestellt 
bleiben,  unwahrscheinlich  braucht  diese  Annahme  keineswegs  zu 
sein,  vielmehr  sollte  sie,  wie  ich  weiterhin  ausführen  will,  in  der 
Therapie  berücksichtigt  werden.  Hier  sei  auch  nochmals  betont, 
dass  eine  ganze  Reihe  von  I  ällen  echter  Melaena  zweifellos  spon¬ 
tan  heilen  kann;  zu  diesen  müssen  wohl  alle  durch  Eisenchlorid 
u.  dergl.  geheilte  Fälle  gezählt  werden,  ist  doch  diese  Thera¬ 
pie,  wie  IL oltschmidt  )  mit  Recht  hervorhebt,  von  vorn¬ 
herein  als  machtlos  anzusehen. 

Paul  Car  not4 * *)  war  es,  der,  zuerst  im  Jahre  1896  und 
dann  1898,  in  der  Gelatine  ein  hervorragendes  blutstillendes 
Mittel  empfehlen  zu  dürfen  glaubte,  doch  hat  er  dieselbe  nur 
äusserlich  angewandt  und  warnt  eindringlich  vor  dem  sub¬ 
kutanen  Gebrauch.  Lanoereaux  und  Paulesco  haben 
darauf  in  Paris  die  Gelatine  subkutan  injiziert  bei  Aneurysmen 
der  Aorta  und  wollen  von  dieser  Therapie  einen  guten  Erfolg  ge¬ 
sehen  haben.  A.  Fraenkel ’’),  der  daraufhin  einen  Fall  von 
Aortenaneurysma  mit  Gelatineinjektionen  behandelt,  spricht  sich 
mit  grosser  Zurückhaltung  über  den  Wert  dieser  Therapie  aus 
und  verweist  auf  die  heilkräftige  Wirkung  der  gleichzeitig  durch¬ 
geführten  strengen  Bettruhe.  Litten0)  schliesst  sich  der  An¬ 
sicht  Fraenkel s  an.  Nun  wollen  ja  seitdem  verschiedene 
Autoren  gute  Heilerfolge  der  subkutanen  Injektion  zuschreiben. 
Es  ist  diese  Behandlungsweise  bei  Blutungen  verschiedensten 
Ursprungs  in  Anwendung  gebracht  worden;  so  bei  Blutern 
(Hahn7),  IL  e  y  m  a  n  n s)  u.  a.) ;  desgleichen  haben  Ham¬ 
melbacher  und  Pisohinger“)  und  T  li  ieme 10)  bei 
Lungenblutungen  gute  Erfolge  beobachtet  und  Schwabe11) 
bei  hämorrhagischer  Nephritis. 

Alle  diese  Autoren  nehmen  an,  dass  die  Gelatine  die  Ge¬ 
rinnungsfähigkeit  des  Blutes  erhöhe  und  so  die  Blutung  zum 
stehen  bringe.  Wenn  nun  auch  über  manche  unwillkommene 
Nebenerscheinung  berichtet  wird,  wie  Temperatursteigerung, 
Schmerzhaftigkeit  und  unter  Umständen  Hautnekrose  und  gar 
Hämoglobinurie,  so  scheint  das  Mittel  doch  des  Versuches  wert. 

Ich  möchte  nun  kurz  über  meine  Fälle  berichten,  um  dann 
zum  Schluss  noch  einige  Worte  in  Betreff  der  Gebrauchsweise 
folgen  zu  lassen. 

Fall  I.  Kind  der  Ii.,  Knabe,  geboren  am  1.  II.  1902  um 
10  Uhr  Vormittags,  vollkommen  ausgetragen,  51  cm  lang,  wiegt 
3380  g,  Kopfumfang  37  cm.  Die  Geburt  gebt  gut  und  leicht  vor 
sich;  Dauer  derselben  20  Stunden.  Keine  Kunsthilfe,  keine 
Asphyxie.  Die  Mutter  ist  eine  Erstgebärende,  seit  2  Jahren  ver¬ 
heiratet,  anscheinend  gesund.  Die  Schwangerschaft  verlief  nor¬ 
mal.  Der  Vater  des  Kindes  soll  gesund  sein,  Potatorium  und  Lues 
in  Abrede  gestellt. 

1.  II.  Das  Kind  ist  ruhig,  schläft  gut,  schreit  dazwischen 
laut  und  kräftig. 

2.  II.  Am  Morgen  nichts  Auffallendes.  Gewicht  3170  g.  Gegen 
2  Uhr  plötzlich  kopiöses  Blutbrechen,  teils  frischen,  teils  koagu¬ 
lierten  Blutes,  gleichzeitig  gehen  auch  per  anum  grosse  Mengen 
Blutes  ab;  von  da  ab  ungefähr  halbstündlich  Blutbrechen  und 
blutige  Stühle.  Das  Kind  verfällt  zusehends.  Es  wird  Liq.  ferri 
sesquichlor.  gleichzeitig  per  os  und  im  Klysma  veroi’dnet.  Ferner 
erhält  das  Kind  nur  gekühlte  Milch  vom  Löffel.  Um  7y8  Uhr  Vor¬ 
mittags  —  öy3  Stunden  nach  dem  ersten  Anzeichen  der  Erkran¬ 
kung  —  ist  das  Kind  ganz  matt,  Hautdecken  und  Schleimhäute 
wachsbleich  und  schlaff.  Die  Haut  ist  kühl  und  klebrig  feucht. 
Nun  werden  je  20  ccm  einer  2  proz.  Gelatine-Kochsalzlösung  sub¬ 
kutan  an  der  Aussenseite  der  beiden  Schenkel  injiziert.  Das  Kind 
wird  zwischen  Wärmeflaschen  gebettet.  Die  Blutung  setzt  in 
der  gleichen  Weise  fort;  um  12  Uhr  Nachts  nochmals  die  gleiche 
Menge  Gelatine  medianwärts  vom  inneren  Band  der  Schulter¬ 
blätter.  Um  1  Uhr  Nachts  Exitus  letalis. 

Hier  mag  betont  werden,  dass  irgend  welche  Hirnsymptome 
in  diesem,  wie  auch  in  den  weiteren  Fällen  durchaus  vermisst 
wurden.  Pupillen  gleich  weit  und  reagieren  gut,  keine  Krämpfe, 
Schlucken  gut,  Herztöne  gut  und  gleichmässig  u.  s.  w. 

Sektionsbefund.  Leiche  eines  gut  ausgetragenen  Kin¬ 
des.  Hautdecken  blass,  leicht  ikteriscli.  In  der  Bauchhöhle  wenige 
Tropfen  einer  klaren  serösen  Flüssigkeit.  Die  Pleuren  leer.  Im 
Perikard  gleichfalls  etwas  klare,  gelbe  Flüssigkeit.  Herz  von  nor- 


3)  Holtschmidt:  Münch,  med.  Wochenschr.  1902. 

4)  Paid  C  a  r  not:  La  presse  medicale  1898. 

5)  A.  Fraenkel:  Sitzungsbericht  des  Vereins  für  innere 
Med.,  zitiert  nach  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1900. 

7)  Hahn:  Münch,  med.  Wochenschr.  1899. 
s)  Hey  mann:  Münch,  med.  Wochenschr.  1900. 
s)  Hammelbacher  und  Piscliinger:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1901. 

10)  T  hie  me:  Münch,  med.  Wochenschr.  1902. 

1J)  Schwabe:  Münch,  med.  Wochenschr.  1900. 


3* 


1460 


MUENCPIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


maler  Grösse.  Herzfleisch  selir  blass.  Klappen  und  Getane  nor¬ 
mal  Lungen  srtark  mit  Luft  gefüllt,  hellrot,  aut  der  Schmttflaete 
ziemlich  trocken.  Pleuren  zart.  MUz  braunrot,  von  derbei  Kon¬ 
sistenz,  Leber  eher  etwas  klein,  Gewebe  blass,  etwas  gelblich, 
Zeichnung  eben  wahrnehmbar.  Nieren  klein,  fötale  Lappung,  Ge¬ 
webe  blass,  Harnsäureinfärkte  in  den  Pyramiden.  Magen  staik 
auf  betrieben,  dunkelschwarzrot;  schon  im  Oesophagus  schwarzrote 
Koagula  dieselben  füllen  auch  den  Magen  aus,  sowie  auch  das 
stark  gedehnte  Duodenum,  letzteres  ist  bis  zum  I  mfang  eines 
starken  Zeigefingers  aufgetrieben.  Im  ganzen  Darmkanal  ins  zum 
Mastdarm  findet  sieh  nur  koaguliertes  Blut.  Die  Schleimhaut  zart, 
durchweg  ohne  auffallende  Veränderungen.  Auch  die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  der  Darmwand  ergab  nichts  I  ätio¬ 
logisches.  Am  Hirn  und  an  den  Hirnhäuten  nichts 

Fall  II  Kind  der  P..  Knabe,  geboren  am  2.>.  XII.  1901  am 
0  Uhr  Nachmittags.  Vollkommen  ausgetragen.  Gewicht  408)0  g. 
bei  einer  Körperläuge  von  52  cm.  Kopfumfang  30  ein  Spontane 
Geburt,  Dauer  derselben  IS  Stunden.  Mutter,  /\\eitgeb<u ende, 
stammt  aus  gesunder  Familie,  selbst  gesund  und  kräftig.  \  atei 

angeblich  gesund.  __ 

20  XII.  Kind  normal.  Gewicht  3920  g. 

27.  XII.  Gewicht  3810  g.  Das  Kind  saugt  gut. 

28.  XII.  Gewicht  3700  g.  Unruhig;  ziemliche  Menge  Blut  im 
Stuhl,  zum  Teil  noch  frisch.  Big.  ferri  sesquiehl.  per  os.  Kmd 
wird  abgesetzt  —  stündlich  gekühlten  dünnen  Tee.  Die  Stuhle 
bleiben  auch  weiterhin  stark  blutig.  Am  Abend  um  8. Uhr  je  zu 
•20  ccm  Gelatinelösung  unter  die  Haut  der  Oberschenkel.  Kmd 

ist  matt  und  bleich.  Wärmeflaschen. 

29.  XII.  Die  der  Injektion  unmittelbar  folgenden  Stuhle  ent¬ 
halten  schon  bedeutend  weniger  Blut.  Temp.  37,8. 

30.  XII.  Gewicht  3480  g.  Von  da  an  stetige  Gewichts¬ 
zunahme.  ,  ...  iQno 

Fall  III.  Kind  der  M.,  Mädchen,  geboren  am  13.  v.  190-, 

um  7V2  Uhr  Nachmittags,  vollkommen  ausgetragen,  Länge  50  cm. 
Gewicht  3300  g.  Kopfumfang  35  cm.  Dauer  der  Geburt  1(>  Stun¬ 
den.  Mutter  Erstgebälirende,  gesund.  Vater  angeblich  gesund. 
Kind  schreit  gleich  nach  der  Geburt  kräftig  und  laut. 

14.  V.  Gewicht  3200  g.  Das  Kind  wird  3  mal  angelegt. 

Typisches  Mekonium. 

15.  V.  Um  IVo  Uhr  Morgens  plötzlich  grosse  Mengen  teils 
frischen,  teils  geronnenen  Blutes  auf  den  Windeln.  Um  8  I  ln 
neuerdings  kopiöse  blutige  Entleerung  per  anum.  Gewicht 
2990  g  (!).  Kind  sehr  matt,  stöhnt  kläglich;  sehr  bleich,  Haut 
kühl.  ~  Um  9  Uhr  Gelatineinjektion,  je  zu  25  ccm  zwischen  den 
Schulterblättern.  VTirmefla sehen.  Kind  abgesetzt,  erhält  nur  ge¬ 
kühlten,  dünnen  Thee. 

15.  V.  Abends.  Auf  die  Injektion  stand  die  Blutung  sofoit. 

Temperatur  im  Rektum  35,1.  . 

10.  V.  Keine  frische  Blutung.  Stuhl  sehr  dunkel,  erinnert  an 
Kindspech.  Gewicht  2890  g.  Kind  wird  3  mal  angelegt. 

17.  V.  Gewicht  2790  g.  Stuhl  graugelb.  4  mal  am  Tage. 

18.  V.  Gewicht  2840  g. 

Von  da  ab  stetige  Gewichtszunahme.  Temperatur  zeigte  seit 
dem  16.  V.  keine  Erhöhung. 

Im  I.  Falle  Hess  uns  die  Gelatine  vollständig  im  Stich,  aller¬ 
dings  konnte  ich  erst  spät  zur  Injektion  schreiten.  Im  III.  Falle 
war  die  plötzliche  Wendung  zur  Besserung  doch  sehr  auffallend. 
Der  II.  Fall  war  sehr  leicht  und  es  hat  den  Anschein,  dass  ei 
ohne  den  Eingriff  zur  Heilung  neigte12).  Somit  möchte  ich 
jedenfalls  auch  meinerseits  zur  Gelatinebehandlung  raten. 

Vor  allen  Dingen  kommt  es  aber  darauf  an,  möglichst  f  r  ii  h 
zu  injizieren  und  in  nicht  zu  geringer  Menge.  Zur  Injek¬ 
tion  eignet  sich  wohl  am  besten  die  Gegend  zwischen  den 
Schulterblättern,  hier  ist  das  Unterhautzellgewebe  sehr  locker, 
die  Injektionsflüssigkeit  wird  ungeheuer  rasch  resorbiert,  wozu 
wohl  auch  die  Lagerung  des  Kindes  auf  dem  Rücken  beitragen 
mag.  Auch  ist  nicht  zu  unterschätzen,  dass  hier  die  Injektions¬ 
stellen  nicht  mit  den  Exkrementen  in  Berührung  kommen. 
Ferner  kommt  es  auch  auf  die  Gelatinelösung  an ;  die  2  p  r  o  z. 
Lösung  sollte  wohl  immer  mit  Hilfe  einer 
physiologischen  Kochsalzlösung’  her  gestellt 
werden.  (Also  etwa  in  der  Form:  Rp.  Gelatinae  albae  1,0, 
Natr.  chlor,  chemiee  pur.  0,3,  Aq.  dest.  50,0.)  Es  muss  nämlich 
ein  Teil  der  unangenehmen  Komplikationen  wohl  dem  Mangel 
an  Natron  zugeschrieben  werden.  So  hat  T  hi  eine  (1.  c.)  nach 
Gelatineinjektionen  ohne  Natron  Hautnekrosen  beobachtet. 
Endlich  möchte  ich  meinerseits  auf  die  grösseren  Mengen 
Hinweisen,  die  gut  resorbiert  werden  und  gleichzeitig  zweien  In¬ 
dikationen  genügen,  von  denen  die  eine  gewiss  allgemein  als 
dringend  anerkannt  werden  dürfte,  ich  meine  die  Infusion  von 
Flüssigkeit,  um  die  unmittelbaren  Folgen  des  grossen  Blutver¬ 
lustes  zu  beheben ;  und  zweitens  dürfte  die  Melaena  denn  doch  in 
manchen  Fällen  auf  Intoxikation  beruhen.  Dann  wäre  die  durch 


ausgiebige  Injektionen  herbeigeführte  „Spülung  des  Or¬ 
ganismus“  die  zweite  von  den  angedeuteten  Indikationen. 
Ich  injiziere  stets  mindestens  40 — 50  ccm  auf  einmal. 


i-)  in  diesem  Fall  stieg  die  Temperatur  nachträglich  (37,8), 
was  ich  auch  sonst  in  Uebereinstimmung  mit  anderen  Autoren 
nach  Gelatineinjektionen  beobachtet  habe. 


Aus  der  Dr.  V  ulpiussehen  orthopädisch-chirurgischen  Heil¬ 
anstalt  in  Heidelberg. 

Ein  neuer  Bewegungsapparat. 

Von  Oscar  V  ulpius. 

Wir  besitzen  eine  ganze  Reihe  von  Vorrichtungen,  welche 
unseren  heinleidenden  Patienten  das  Gehen  zu  ermöglichen  bezw. 
zu  erleichtern  bestimmt  sind.  Und  zwar  lassen  sich  2  Arten  von 
solchen  Apparaten  unterscheiden:  Die  einen  rollen  mit  dem 
Kranken  fort,  cs  sind  dies  die  einfachen  Laufstühle  wie  die  kom¬ 
plizierten  Laufwagen  mit  Krücken  und  Suspensionsgestell. 
Andere  Apparate  sind  stabil,  der  Patient  bewegt  sich  m  denselben 

vorwärts  —  Laufharren.  .  . 

Mit  Hilfe  von  Stuhl  und  Barren  kann  der  m  den  Beinen 
geschwächte  Patient  sich  fortbewegen  unter  2  Voraussetzungen: 
Erstlieh  muss  das  Terrain  eben  sein,  zweitens  muss  der  Wille  zum 
Gehen  vorhanden  sein.  Letzteres  trifft  nun  keineswegs  immer 
zu,  insbesondere  macht  es  oft  rechte  Mühe,  Kinder  zum  Gehen 
zu  bewegen.  Und  was  das  Terrain  anlangt,  so  wäre  es  ja  zur 
Kräftigung  der  Muskulatur  häufig  recht  erwünscht,  wenn  ein 
Steigen  auf  mässig  geneigter  Bahn  ermöglicht  würde.  . 

In  beiderlei  Hinsicht  bedeutet  nun.  ein  Apparat  einen  er¬ 
heblichen  Fortschritt,  der  seit  einem  halben  Jahr  m  meinem 
Gymnastiksaal  in  Gebrauch  ist. 

Die  der  Konstruktion  zu  Grunde  liegende  Idee  ist  von  der 
Firma  II  e  1  d  m  a  n  n  &  Be  n  d  e  r,  Holzwaarenfabrik  in  Bens- 
heim  (Hessen)  —  dieselbe  hat  den  Apparat  zum  D.R.P.  ange¬ 
meldet  —  in  geschickter  Weise  und  solider  Ausführung  in  die 
Praxis  übertragen  worden. 

Der  tägliche  Gebrauch  des  Apparates  durch  eine  grosse.  Zahl 
von  Patienten  hat  mich  von  dem  Wert  desselben  überzeugt,  so 
dass  ich  mich  für  berechtigt,  ja  verpflichtet  halte,  den  Kollegen 
eine  Beschreibung  desselben  zu  geben. 

Der  Apparat  stellt  einen  Barren  mit  starken  Griffstangen  aa 
da-,  der  auf  einem  Rahmengestell  b  ruht 

Die  H  dme  d*-s  Harrens  lassen  sich  auf- 
und  abwärts  verschieben  und  in  jeder  Höhe 
feststellen.  Der  Boden  e  besteht  aus  schmalen, 
ineinander  gefalzten  Leisten  und  gleicht  einer 
Jalousie,  die  endlos  beweglich  ist.  Er  gleitet 
auf  einer  grossen  Zahl  von  Gummirollen, 
welche  unter  dem  Boden  so  verteilt  sind, 
dass  eine  Ei  Senkung  desselben  unter  der 
Last  des  Uebenden  nicht  möglich  ist  und 
dass  die  Bewegung  ungemein  leicht  vor  sich 
geht.  — 

Auf  beiden  Seiten  des  Barrens  sind 
Krücken  dd  angebracht,  welche  auf 
Spiralfedern  ruhen  und  bequem  d' 
seitlich  und  der  Höhe  nach  ver¬ 
stellbar  sind.  Sie  können  dadurch 
für  jede  Körpergrösse  und  für 
jede  Brustbreite 
leicht  angepasst 
werden. 

Am  vorderen 
Ende  des  Stell¬ 
rahmens  befin¬ 
den  sich  am 
Kopfende  des 
Barrens  2  grosse 
Schrauben  e,  sie 
ermöglichen  es 
ohne  jede  Schwie¬ 
rigkeit,  dem  Ap¬ 
parat,  spez.  dem 
gleitend.  Boden 
jede  beliebige 
Neigung  zumlio- 
rizont  zu  geben. 

Ein  Schwungrad  f  reguliert  die  Bewegung  des  rollenden  Bodens, 
die  durch  eine  Bremsschraube  g  nach  Wunsch  gehemmt  bezw. 
aufgehoben  werden  kann. 

Zu  beiden  Seiten  des  Gleitbodens  angeschraubte  kussbretter 
hh  dienen  dazu,  nach  Wahl  nur  ein  Bein  üben  zu  lassen,  während 
das  andere  auf  dem  feststehenden  Rahmengestell  ruht. 

Vor  den  Krücken  endlich  befindet  sich  eine  ebenfalls  \  er¬ 
stellbare  Reckstange  i. 


2.  September  1902. 


MUENClIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1461 


Die  Art  der  Verwendung  des  Apparates  und  seine  grossen 
V  orzuge  lassen  sich  der  Abbildung  ohne  weiteres  entnehmen.  Der 
Roden  wird  zunächst  festgebremst,  der  Patient  auf  denselben 
gestellt  wobei  er  sich  auf  die  entsprechend  angepassten  Krücken 

r;  I1I.oll"e  •StÜtft  oder  sich  an  das  Reck  hängt,  so  dass  in  keinem 
lall  die  Beine  die  volle  Korperlast  zu  tragen  haben.  Dann  wird 

der  Roden  freigegeben,  der  alsbald  durch  die  Schwere  der  Beine 
zu  rollen  beginnt  und  den  Patienten  zwingt,  auszuschreiten.  Je 
schneller  die  Gangart  desselben,  desto  rascher  auch  die  Um¬ 
drehung  des  endlosen  Bodens. 

Allmählich  kann  die  Arbeitsleistung  durch  Schieferstellen 
des  Bodens  gesteigert  werden. 

Die  Vorzüge  des  Apparates  sind  gegenüber  den  bisher  zum 
Gehen  lernen  gebrauchten  Vorrichtungen  sehr  einleuchtend- 

Dei-  Apparat  zwingt  zum  Gehen.  Letzteres  wird  ermöglicht 
unter  beliebig  weitgehender  Entlastung  der  Beine  und  unter  will¬ 
kürlicher  Dosierung  der  Arbeitsleistung  durch  Schiefstellen  des 
Bodens.  Der  Apparat  ist  für  Kinder  und  Erwachsene  zu  ge¬ 
brauchen. 

Der  Apparat  empfiehlt  sich  überall  da,  wo  ein  Patient  an  den 
Gebrauch  der  Beine  allmählich  wieder  gewöhnt  werden  soll.  Er 
kann  aber  auch  zu  Bewegungskuren,  zu  Bergsteigübungen  im 
/immer  u.  dergl.  sehr  gut  verwendet  werden. 


Aus  dem  Hygiene-Institut  der  Universität  Zürich. 

lieber  ein  einfaches  Bakterienfilter  zur  Filtration 
kleiner  Flüssigkeitsmengen. 

Von  Privatdozent  Dr.  W.  S  i  1  b  e  r  s  c  h  m  i  d  t,  Assistenten  am 

Institut. 


.  Bedürfnis,  behufs  Filtration  kleiner  Flüssigkeitsmengen 

einen  einfachen  Apparat  zur  Verfügung  zu  haben,  welcher,  bei 
sicherer  Funktionierung,  handlich  und  leicht  sterilisierbar  ist, 
wird  zurzeit  wohl  allgemein  anerkannt  werden.  In  den  letzten 
Jahren  sind  auch  verschiedene  derartige  Bakterienfilter  ange¬ 
geben  worden.  Im  folgenden  möchte  ich  ein  weiteres  nach  meinen 
Angaben  hergestelltes  Modell  empfehlen,  das  mir  schon  gute 
Dienste  geleistet  hat. 

Fig  1.  ('/,)  Fig.  3  (•/,)  Fig.  2.  (’/x) 


•• ,  d)ei"  -^PPai’at  besteht  aus  einem  dickwandigen  Reagens- 
o  li  r  c  h  e  n  mit  seitlichem  Ansatz,  aus  einer  Filter kerze 
und  aus  einer  durchlöcherten  Gummikappe.  Die  ans  Por- 
-e“eSn  aaff^tigte  Filter  kerze  ist,  wie  dies  in  den  bei- 
t'Sn.n  AbblldVngen  veranschaulicht  ist,  von  zylindrischer 

«enn  öetinTem  °be£en  £reiten  Rand  und  mit  einer  unteren,  ab¬ 
gerundeten  Kuppe.  Der  Rand  und  der  o  b  e  r  e  T  e  i  1  des  Filters 

dass  n,!raa  1Grt+  (mmFlg‘  1  durch  Schraffierung  angedeutet),  so 
R(SLr  t  --lei\UlAere  TeÜ  als  Filter  dient-  Das  Filter  ist  mit  dem 
i  E  n°ffC  ieU  mittels  einer  eng  anschliessenden,  oben  mit  einer 
Der  verseheuen  (Fig.  2)  G  u  m  m  i  k  a  p  p  e  verbunden. 

thch?.Ansatz  wird  mit  Watte  verschlossen.  Die  Sterili- 
uag  geschieht  am  einfachsten  im  Autoklaven:  Das  Filter  wird 
nna  i  ausgeglüllt-  (lie  Gummikappe  wird  in  Wasser  ausgekocht, 
zusammengestellte  Apparat  wenige  Minuten  im  Auto- 

L-riA  AV  120lerwärmt  Topf  würde  bei  vor- 

schraru  I  h!  ,zl'r'g  der  Kerze  nebst  Reagensröhrclien  im  tteissluft- 
riihiSl  WObl/a(:h  zur  Sterilisierung  genügen).  Ein  kleines  Glas- 

net'/on  u  Wwd  aber  den  seitlichen  Ansatz  gesteckt,  um  das  Be- 
''/an  der  Watte  zu  vermeiden. 


No.  35. 


Die  Filtration  gieht  in  der  Weise  vor  sich  dass  nachdem  riq« 
seitliche  Ansatzröhrchen  mit  der  Säugpumpe  verbunden  worden 
isfi  die  zu  filtrierende  Flüssigkeit  mittels  Pipette  in  die  Aushöhhmg 
der  Kerze  gebracht  wird;  dabei  ist  darauf  zu  achten  dass  die 
h  Bissigkeit  nicht  über  den  Rand  hinausreicht,  um  ein  Durchsickern 
zwischen  Gummikappe  und  Filter  zu  vermeiden.  Bei  richtiger 
nicht  allzustarker  Aspiration  geht  die  Filtration  rasch  vor  sfeh! 
ccm  einer  Bouillonkultur  werden  in  einigen  Minuten  filtriert 

v  n  PL  fvT- d  »  r»  •».  »«  .«bt.  .1,  dass  die  G  „  m  m  i  kappe 
*Ut  SCl  !  ®lne  Gummikappe  kann  mehrmals  benutzt 

werden,  sobald  der  Verschluss  aber  nicht  mehr  vollkommen  ist 
eibe  ersetzt  werden.  Die  Filterkerze  wird  nach  jedem 
äcwm  r  n  Wasser  gewaschen,  ausgekocht,  getrocknet  und  aus- 
ge glüht.  Das  Ausgluhen  kann  in  einem  kleinen  Muffelofen  oder 
und  dies  betrachte  ich  als  einen  grossen  Vorteil  gegenüber  den 
grosseren  Kerzen,  auch  mit  einem  gewöhnlichen  Brenner  vor¬ 
genommen  werden.  Die  Kerzen  sind  dauerhaft;  ich  habe  einige 
derselben  schon  etwa  10  mal  benutzt,  ohne  dass  die  Gebrauchs- 
fahigkeit  darunter  gelitten  hätte. 

Ist  die  Filtration  beendigt,  so  werden  Gummikappe  und  Filter 
zusammen  abgenommen;  um  ein  Ausfliessen  des  Rückstandes  zu 
vermeiden,  kann  das  Lumen  mit  einem  kleinen  Gummipfropfen 
verschlossen  werden.  Bei  sorgfältiger  Handhabung  scheint  mir 
das  nicht  notwendig.  Das  Filtrat  kann  in  demselben  Röhrchen  auf¬ 
bewahrt  oder  mit  steriler  Pipette  aspiriert  und  weiter  verarbeitet 
werden;  im  ersteren  Falle  genügt  es,  das  Röhrchen  mit  steriler 
Watte  zu  verschliessen. 


Der  Apparat  eignet  sich  nicht  nur  zur  Filtration  von  Kul¬ 
turen;  es  können  auch  eiweisshaltige  Substrate  (Urin,  Aszites- 
ddss!gkeR  etc.)  filtriert  werden,  welche  als  Nährböden  oder  zur 
1  liifung  auf  Hämolysine,  Präzipitine  u.  s.  w.  verwertet  werden 
können..  Für  den  Kliniker  und  für  den  praktischen  Arzt  wird 
der  kleine  Apparat  für  die  Sterilisierung  von  Lösungen  und 
von  Medikamenten,  welche  eine  höhere  Temperatur  nicht  er¬ 
tragen,  auch  von  Wert  sein. 

Neben  der  6  cm  langen  wird  noch  eine  kürzere  3,5  cm  lange 
Kerze  hergestellt  (Fig.  3). 

Ls  können  ziemlich  grosse  Mengen  I  lüssigkeit  (25  ccm  und 
noch  mehr)  in  einem  Apparat  filtriert  werden ;  selbstverständlich 
sind  auch  etwas  grössere  Röhrchen  verwendbar.  Der  Hauptvorteil 
besteht  darin,  dass  auch  ganz  geringe  Mengen  (1  ccm  und  sogar 
noch  weniger)  ohne  grossen  Verlust  das  Filter  passieren,  durch 
\  erlängeiung  der  Glasur  aussen  und  innen  wird  die  filtrierende 
Fläche  noch  weiter  reduziert. 

Durch  Verwendung  verschiedener  poröser  Materialien  und 
durch  Herstellung  von  Kerzen  verschiedener  Dicke  könnten  die 
in  neuerer  Zeit,  aufgetauchten  Fragen  der  Filtrierbarkeit  gewisser 
Ki  ankheitserreger  oder  einiger  Eiweisskörper  eingehender  ge¬ 
prüft  werden. 

Die  Sterilisierung  im  Autoklaven  hat  häufig  eine  Ansamm¬ 
lung  von  etwas  Wasser  im  Röhrchen  zur  Folge,  das  Wasser  ver¬ 
dunstet  aber  ziemlich  rasch;  für  genaue  quantitative  Unter¬ 
suchungen  (Bestimmung  des  Gehalts  an  Toxin  etc.)  kann  mittels 
Aspiration  bei  gleichzeitigem  gelinden  Erwärmen  das  Verdunsten 
beschleunigt  werden  '). 


Ein  neues  Mittel  gegen  Dekubitus. 

Von  Sanitätsrat  Dr.  S  t  r  ä  t  e  r,  Oberarzt  des  Marienhospitals, 

in  Düsseldorf. 

Da  Dekubitus  durch  Druck  entsteht,  so  ist  die  Behandlung 
immer  darauf  gerichtet  gewesen,  die  gefährdete  oder  bereits 
durchgelegene  Stelle,  welche  sich  meistens  in  der  Gegend  der 
beiden  letzten  rudimentären  Dornfortsätze  des  Kreuzbeins  be¬ 
findet,  vor  Druck  zu  schützen.  Man  bedient  sich  zu  diesem 
Zwecke  der  Luft-,  Wasser-,  Spreu-,  etc.-Kissen.  Alle  haben  den 
Uebelstand,  dass  sie  nur  dann  ihren  Zweck  erfüllen,  solange  der 
Kranke  unbeweglich  liegen  bleibt,  was  tatsächlich  fast  niemals 
vorkommt.  Macht  er  nur  eine  geringe  Bewegung,  so  liegt  er 
mit  der  schmerzhaften  oder  bereits  wunden  Stelle  auf  dem  Rande 
der  Kissen  und  die  affizierte  Hautpartie  wird  von  neuem  ge¬ 
reizt.  Daher  ist  es  auch  so  schwer,  einen  Dekubitus  bei  fort¬ 
dauernder  Bettlage  zur  Heilung  zu  bringen. 

Ich  habe  nun  eine  Unterlage  konstruiert,  die  sich  dem 
Kranken  in  jeder  Beziehung  anpasst.  Sie  beruht  auf  demselben 
Prinzip  und  besteht  aus  einer  10  cm  breiten  und  12  cm  langen 

’)  Die  Miniaturfilter  werden  von  der  Firma  Wagner  &  Münz 
in  München  hergestellt.  Der  Apparat  kostet  mit  der  grösseren  Kerze 
1.25  M.,  mit  der  kleineren  1  M.  Die  Firma  liefert  ferner  einen 
kleinen  ganz  bequemen  Dreifuss  zum  Aufstellen  des  Röhrchens 
während  der  Aspiration. 


4 


1452 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Filzunterlage,  die  eine  Oeffnung  von  4  cm  Durchmesser  hat  und 
auf  der  oberen  Fläche  mit  Klebestoff  versehen  ist,  vermittels 
dessen  sic  am  Körper  fest  anhaftet,  deshalb  jede  Bewegung  des 
Kranken  mitmacht  und  so  die  schmerzhafte  oder  wunde  Stelle 

in  jeder  Lage  vor  Druck  schützt. 

Die  seit  6  Monaten  von  befreundeten  Kollegen  und  mir  an- 
gestellten  Versuche  haben  ergeben,  dass  die  Schutzplatte  in  jeder 
Weise  ihren  Zweck  erfüllt.  Nach  Anlage  derselben  ist  der  Schmerz 
sofort  verschwunden.  Ohne  jede  weitere  Medikation  wird  die 
hochrot  gefärbte,  sezernierende,  durchgelegene  Hautstelle  inner¬ 
halb  24  Stunden  blassrot ;  nach  weiteren  24  Stunden  hat  sie  sich 
in  einen  Schorf  verwandelt.  Der  trockene  Schorf  lässt  sich  nach 

r _ q  Tagen  entfernen;  unter  demselben,  ist  die  Haut  wieder 

normal.  Zweckmässigerweise  lässt  man  die  Schutzplatte  noch 
länger  liegen  oder,  falls  sie  inzwischen  zu  locker  geworden  sein 
sollte,  was  bei  starker  Schweissekretion  Vorkommen  kann,  er¬ 
setzt  man  sie  durch  eine  neue.  , 

Es  hat  sich  als  praktisch  erwiesen,  die  Oeffnung  m  der 
Schutzplatte  exzentrisch  anzulegen,  so  am  Kreuzbein,  Tro¬ 
chanter,  Vertebra  colli  prominens. 

Die  folgenden  Fälle  geben  Zeugnis  für  die  Wirksamkeit  des 

Mlt  Bei*  einer  TS  jährigen  Dame,  die  ich  wegen  einer  grossen  iinilti- 
lokulären  Ovariencyste  operiert  hatte,  heilte  der  o  Jage  nach  dei 
Oneration  GiusrötrctenG  DGkiibitus  in  WGiiigGii 

Einer  77  jährigen  Patientin  mit  Schenkelhalsfraktur  wurde  der 
heftige  Schmerz  über  dem  Kreuzbein  nach  Anlage  der  Schutzplattc 

sofort  beseitigt  und  Dekubitus  verhindert.  r»0vniütn«  einer 

Innerhalb  4  Monaten  3  mal  auttretender  Dekubitus  emei 
7t)  jährigen  Frau  wurde  jedesmal  nach  Anlage  der  Schutzplatt, 
in  wenigen  Tagen  zur  Heilung  gebracht. 

bemerkenswert  war  auch  ein  Fall  von  vorgeschrittener  Lun¬ 
gentuberkulose  bei  einem  Manne  von  36  Jahren.  Infolge  ständigen 
T Jegens  auf  dem  Kücken  trat  Dekubitus  am  Kreuzbein  aut, clei 
mich  Anlage  der  Schutzplatte  sofort  schmerzlos  war  und  m  wei 
„(>n  Tagen  heilte.  Bald  darauf  trat  Perforation  der  rechten  Lunge 
ein  mit  folgendem  Pneumothorax,  welcher  es  dem  Kranken  un- 
mÜLdicii  machte,  auf  dem  Rücken  zu  liegen.  In  Seitenlage  bildete 
sich  schon  nach  2  Tagen  Dekubitus  auf  dem  rechten  Trochanter. 
Auch  dieser  heilte  nach  wenigen  Tagen  nach  Anlegung  dei  Schutz 
platte.  Der  Schmerz  war  sofort  verschwunden. 

Ein  69  jähriger  Diabetiker  litt  an  spontaner  Gangrän  des  lecli- 
ten  Fusses  umf  wurde  dieserhalb  am  Unterschenkel  amputiert, 
r  Tage  nach  der  Amputation  trat  Dekubitus  am  Kreuzbein  auf. 
'Vieh  Anlegung  der  Schutzplatte  verwandelte  sich  das  nassende 
Geschwür  in  einen  Schorf,  welcher  sich  nach  (»  Tagen  entfernen 

Sßei  einer  84  jährigen  Patientin,  die  an  chronischer  Bronchitn* 
litt,  trat  oberflächlicher  Dekubitus  am  Kreuzbein  aut  ^cMem 
die  Schutzplatte  angelegt  war,  sagte  sie:  „Jetzt  fühle  ich  nichts 
mehr“.  Der  sehr  schmerzhafte  Dekubitus  heilte  in  wenigen  la»ei . 

Die  Schutzplatte  gegen  Durchliegen  hat  für  die  Kranken 
noch  den  Vorzug-,  dass  sie  ihnen  keinerlei  Unbequemlichkeiten 
bereitet,  ja  nicht  einmal  als  Unterlage  empfunden  wird  wahrend 
dieselben  auf  den  Gummi-Luft-  oder  -Wasserkissen  anfangs  sehr 
wenig  bequem  liegen  und  sich  oft  gar  nicht  daran  gewöhnen. 

Einen  Nachteil  habe  ich  bei  dem  Gebrauch  der  Schutz- 
platten  niemals  konstatieren  können,  speziell  war  die  umgebende 
Haut,  auf  welcher  sie  festkleben,  niemals  auch  nur  in  der  ge¬ 
ringsten  Weise  gereizt.  Die  Haut  ist  eben  nur  gegen  Druck 
empfindlich  und  verträgt  ihn  auf  die  Dauer  nicht;  einen  solchen 
übt  die  Schutzplatte  aber,  wie  die  Erfahrung  m  mehr  als 

40  Fällen  gezeigt  hat,  nicht  aus.  _  . 

Die  Schutzplatte  wird  von  dem  „Medizin.  Ein-  und  Aus¬ 
fuhrhaus  (Inh.:  F.  u.  W.  Serres)“  Hochdahl-Düsseldorf  her¬ 
gestellt, 

Beitrag  zur  unblutigen  Phimosen-Behandlung. 

Aus  der  Praxis  für  die  Praxis. 

Von  Dr.  med.  Orlipski,  Arzt  zu  Halberstadt. 

Es  scheint  mir  immer  noch  nicht  genügend  bekannt  zu  sein, 
welche  vortrefflichen  Erfolge  man  auf  unblutigem  Wege  mittels 
Dehnung  in  der  Therapie  selbst  hochgradigster  Phimosen  erzielen 
kann.  Wenigstens  höre  ich  noch  häufig,  dass  vom  ärztlichen 
Publikum  der  operative  Weg  als  der  allein  gang-bare  und  zum 
Ziele  führende  betrachtet  wird.  Wenn  nun  auch  neulich  erst 
in  No.  7  dieser  Wochenschrift  von  berufener  Seite  (V  e  n  z  e  1  - 
Bonn)  der  mechanischen  Behandlung  der  Phimose  das  Wort  ge¬ 
redet  worden  ist,  so  kann  es  meines  Erachtens  einer  noch  nicht 
Allgemeingut  der  Aerzteschaft  gewordenen  Heilmethode  nichts 


schaden,  wenn  ihr  auch  von  anderer  Seite  Lobredner  entstehen, 
und  darum  glaube  ich  mit  dieser  kurzen  Mitteilung  auf  ein  ge¬ 
wisses  Interesse  rechnen  zu  dürfen. 

Ich  habe  die  mechanische  Dehnungsbehandlung  nicht  nur 
bei  Kindern,  sondern  auch  bei  Erwachsenen  mit  gutem  Erfolge 
verbucht.  Ich  bahne  mir,  genau  wie  Wenzeles  beschreibt,  erst 
mit  einer  Pinzette  einen  Weg-  durch  den  Engpass  der  Vorhaut¬ 
mündung  und  dehne  nun  bis  zu  einem  gewissen  Grade  so  lange 
und  so  oft,  bis  es  mir  gelingt,  ein  nach  Art  der  gefensterten 
Nasenspekula  konstruiertes  Dilatatorium  einzuführen.  Das 
kann  schon  in  der  ersten  Sitzung,  spätestens  in  der  zweiten 
Sitzung  geschehen.  Unter  Benutzung  der  am  Ende  des  Dila¬ 
tators  befindlichen  Schraube  erweitere  ich  in  vorsichtiger  Weise 
das  Instrument  und  damit  die  verengte  Vorhaut  und  lasse  es 
etwa  5  Minuten  geöffnet  unter  der  gedehnten  Vorhaut  liegen. 
Indem  ich  diese  Prozedur  einmal  in  der  horizontalen  und  dann 
in  der  vertikalen  Ebene  vornehme,  erreiche  ich  eine  Dehnung 
der  Vorhaut  nach  allen  Richtungen  hin.  Diese  Behandlung  er¬ 
folgt  je  nach  Bedürfnis  mehrere  Male  hintereinander  m  grosse¬ 
ren0  Zwischenräumen,  die  Patienten  erhalten  den  Rat,  zu  Hause 
öfters  zu  versuchen,  die  Vorhaut  über  die  Eichel  zuruck  zu 
schieben  und  auf  diese  Weise  den  in  der  Sitzung  erreichten 
Dehnungseffekt  zu  unterstützen.  Für  die  Phimosen  der  Er¬ 
wachsenen  habe  ich  mir  ein  besonderes  Dehnungsinstrument  kon¬ 
struieren  lassen,  welches  aus  4  Branchen  besteht,  die  aneinander 
liegend  eingeführt  und  dann  durch  Schraubenbenutzung  von¬ 
einander  entfernt  werden  können.  Hierdurch  erreiche  ich  eine 
Dehnung  nach  allen  4  Richtungen  zu  gleicher  Zeit.  F  ür  Kinder 
erscheinen  mir  die  gefensterten  Spekula  empfehlenswerter,  weil 
bei  ihrer  Anwendung  die  Druckgefahr  eine  geringere  ist.  Ich 
bin  mit  dieser  Methode  stets  zum  Ziele  gekommen  und  habe  mit 
ihr  nicht  nur  Erfolge  auf  Zeit,  sondern  Dauererfolge  er¬ 
zielt. 


Arzt  und  Unfallgesetz.1) 

Von  Prof.  Dr.  W.  Müller  in  Rostock. 

M.  IT,!  Einer  Aufforderung,  nicht  dem  inneren  Drange 
folgend,  habe  ich  mein  Thema  gewählt,  welches  sich  den  Vor¬ 
trägen  der  Herren  Geffken,  Lechler  und  Martius  an¬ 
reiht  und  das  ja  in  neuerer  Zeit  so  viel  bearbeitet  und  diskutiert 
worden  ist.  Ich  beabsichtige  dabei  nicht,  in  erschöpfender 
Weise  die  hier  spielenden  Fragen  zu  behandeln,  sondern  wesent¬ 
lich  auf  Grund  eigener  Ergebnisse  und  Erfahrungen  und  nur  mit 
Einflechtung  weniger  statistischer  Tatsachen  einige  Hauptpunkte 
zu  berühren,  welche  Bezug  haben  auf  die  Tätigkeit  der  Aerzte 
bei  der  Durchführung  des  Unfallversicherungsgesetzes. 

18  Jahre  sind  ja  ins  Land  gegangen,  seitdem  die  Aerztewelt 
und  speziell  die  Chirurgie  unter  dem  Einfluss  der  Unfallgesetz¬ 
gebung  stehen.  Licht-  und  Schattenseiten  des  grossartigen  Ge¬ 
setzes  haben  wir  ja  wohl  fast  alle  kennen  gelernt  und  erfahren 
wir  täglich.  Wer  an  der  Bedeutung  des  Gesetzes  etwa  noch 
zweifeln  sollte,  der  braucht  nur  ganz  flüchtig  vergleichend  die 
Berichte  des  Reichsversicherungsamtes  anzusehen.  Gestatten 
Sie  einige  wenige  Zahlen: 

Im  Jahre  1899  waren  tätig  im  Reiche: 

113  Berufsgenossenschaften, 

928  Sektionen, 

1106  Mitglieder  der  Genossenschaftsvorstände, 

5  837  Mitglieder  der  Sektionsvorstände, 

229  anges teilte  (besoldete)  Beauftragte, 

1  026  Schiedsgerichte, 

4 195  Arbeitervertreter, 

5154  374  Betriebe, 

17  847  642  versicherte  Personen, 
also  etwa  %  der  Gesamtbevölkerung  des  Reiches. 

Die  Zahl  der  Unfälle,  für  welche  1899  zum  ersten  Male 
Entschädigungen  gezahlt  wurden,  belief  sich  auf  100  462  (80 

mehr  als  1898 !).  .  , 

Darunter  Unfälle  mit  tödlichem  Ausgang  8124,  mit  dauernd- 
dc-r  Erwerbsunfähigkeit  1326.  Ueberhaupt  zur  Anzeige  gelangt 
sind  in  dem  Berichtsjahre  bei  den  Berufsgenossenschaften 

406  779  Unfälle  (d.  i.  30  000  mehr  als  1898!). 

')  Abgekürzt  nach  einem  Vortrage  im  Rostocker  Aerzteverein. 


MUEN CIIEN ER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT 


1463 


2.  September  1902. 


leb  führe  diese  Zahlen  an,  weil  sie  mir  eine  deutliche  Spruche 
zu  reden  scheinen,  weil  sie  zeigen,  ein  welch  mächtiger  Faktor  die 
Tätigkeit  des  Unfallversicherungsinstituts  im  öffentlichen  Leben 
geworden  ist,  wie  diese  Tätigkeit  ins  Riesenhafte  anwächst. 
I1  iir  die  hier  im  Lande  besonders  interessierende  landwirt¬ 
schaftliche  Arbeiterbevölkerung  ergibt  sich  das  Anwachsen 
der  Ansprüche  aus  folgendem  Vergleich: 

1889,  also  2  Jahre  nach  Ausdehnung  des  Gesetzes  auf  die 
landwirtschaftlichen  Berufszweige,  kamen  im  ganzen  Reiche 
zur  Entschädigung  6631  landwirtschaftliche  Unfälle,  1899  da¬ 
gegen  51  287 ! 


1  iir  die  übrigen  Berufsgenossenschaf  teil  berechnen  sich  diese 
Vergleichszahlen  (ausser  Baugewerk-  und  Tiefbauberufsgenossen- 
scliaft) 


1889  =  31 019  entschädigte  Unfälle, 

1899  =  104  811 

Berücksichtigt  man  dabei,  dass  die  Zahl  der  Versicherung's- 
liehmer  sich  in  dem  Zeiträume  von  10  Jahren  zwar,  wie  die 
Bevölkerung  überhaupt,  vermehrt  hat,  aber  auch  nicht  annähernd 
in  dem  Verhältnis  der  Zunahme  der  Unfallentschädigungen,  so 
sagen  uns  diese  Zahlen  ausser  manchem  andern  m.  E.  auch,  dass 
sich  die  Welt  der  Versicherten  recht  gut  und 
jedenfalls  mit  wachsendem  Verständnis  in 
die  Wohltaten  der  grossartigen  Gesetzgebung 
einzuleben  verstanden  hat.  In  erfreulicher  Weise 
war  dabei  nicht  nur  die  aufklärende  Belehrung  der  Betriebs¬ 
leiter  und  ihrer  Angestellten  und  der  ausführenden  Behörden 
fördernd,  sondern  auch  die  Mitwirkung  der  Aerzte,  ohne  die  ja 
die  gerechte  Durchführung  des  Gesetzes  eine  Unmöglichkeit 
wäre,  ln  unerfreulicher  Weise  hat  sich  andrerseits  vielfach  die 
hetzende  und  habgierige  Tätigkeit  falscher  Anwälte,  z.  T.  höchst 
fragwürdige  Elemente,  der  speziellen  Unfall- Winkelkonsulenten 
geltend  gemacht,  die  an  sich  ordentliche  arbeitsame  Menschen 
unzufrieden  zu  machen  wussten  und  sie  anspornten,  aus  der 
neuen  Gesetzgebung  herauszupressen,  was  sich  irgend  heraus¬ 
pressen  liess  —  oft  zum  Nachteil  ihrer  Mitarbeiter. 

Im  Rheinland  z.  B.  gab  es  früh  schon  Bezirke,  auf  die  man 
unschwer  schliessen  konnte  aus  der  Art  des  Schemas,  nach  wel¬ 
chem  die  Klagen,  das  ganze  Vorgehen  irregeleiteter  Arbeiter  ein¬ 
gerichtet  war.  Nun,  m.  H.,  wie  oft  wir  alle  Gelegenheit  haben, 
die  wachsende  Sehnsucht  nach  Rente,  die  Sucht  zur  Ueber- 
trei bring  der  Beschwerden  zu  beobachten,  darüber  brauche  ich 
in  diesem  Kreise  wohl  nichts  zu  sagen.  Ich  berühre  da  nach 
den  Lichtseiten  des  Gesetzes  eine  wahre  Plage  für  den  Aerzte- 
stand,  eine  wahre  Schatte  ns  eite  der  sozialen  Ge¬ 
setzgebung. 

Die  so  häufig  ärztlicherseits  zu  hörende  Klage,  dass  der 
Arzt  kaum  mehr  im  stände  sei,  Unfallverletzte  dauernd  zu 
heilen,  hat  ihre  Berechtigung,  und  jeder  Arzt,  der  sich  mit  der 
praktischen  Unfallheilkunde  beschäftigt  und  auch  schon  vor 
der  modernen  Gesetzgebung  in  gleichem  Sinne  tätig  war,  wird 
den  enormen  Unterschied  in  beregter  Frage  zwischen  einst  und 
jetzt  bestätigen.  Nie  ist  mir  persönlich  der  Unterschied  so  klar 
gewesen  als  während  meiner  langjährigen  Tätigkeit  in  der 
industriereichen  Stadt  Aachen.  Aus  dem  dicht  angrenzenden 
Lande  Belgien  kamen  viele  Arbeiter  in  unser  Krankenhaus, 
welche  die  Wohltaten  der  Unfallgesetzgebung  nicht  hatten. 
Diese  brauchten  oft  nur  die  Hälfte,  ein  Drittel  der  Zeit  bis  zur 
Wiederherstellung  der  Arbeitsfähigkeit  als  die  meisten  unserer 
Landsleute!  Auch  diese  Tatsache  redet  unzweideutig.  Jeden¬ 
falls  möchte  ich  hier  soviel  vorwegnehmen  und  darin  werden 
Sie .  mir  wohl  alle  beistimmen :  Wir  müssen  solchen 
Zeiterscheinungen  gegenüber  auf  der  Hut 
sem,  sie  stehen  einer  wirklich  gerechten 
Durchführung  der  Sozialgesetzgebung  als 
ernstes  Hindernis  im  AV  e  g  e. 

,  Folgern  Sie,  m.  H.,  daraus  nicht,  dass  ich  es  etwa  für  die 
Aufgabe  der  Aerzte  halten  möchte,  der  Anwalt  der  Berufs- 
k*  'Wissenschaften  zu  sein,  die  Geschäfte  dieser  zu  besorgen. 
Ganz  gewiss  nicht.  Was  die  rein  ärztliche  Tätigkeit  angeht, 
so  gehört  unser  Mitempfinden  schon  a  priori  eher  dem  leidenden 
j  1  Güter,  ihm  sollen  wir  unsere  Fürsorge  unbedingt  angedeihen 
assen ;  ich  sage,  was  die  rein  ärztliche  Tätigkeit  be- 
tiifft,  und  das  bringt  mich  auf  den  ersten  Teil  meines  eigent¬ 
lichen  Themas. 


Das  Unfallversicherungsgesetz  verlangt  vom  Arzte  nicht  nur 
ärztliche  I  ätigkeit,  deren  Aufgaben  hier  keine  anderen  sein 
können  als  diejenigen,  welche  die  ärztliche  Ethik  überhaupt  vor¬ 
schreibt.  ln  diesem  Sinne  erkenne  ich  mit  anderen  eine  beson¬ 
dere  Unfallheilkunde  als  Spezialität  nicht  an,  das  tun  auch  nicht 
alle  Vertreter  dieser  Spezialität,  d.  h.  solche,  deren  Tätigkeit  vor¬ 
nehmlich  der  Behandlung  von  Unfallkranken  gewidmet  ist. 


Anders  steht  es  mit  der  so  häufig  in  Wort  und  Schrift 
ventilierten  Frage  der  Begutachtu  n  g  Unfallverletzter.  Sie 
.bildet  eigentlich  das  punctum  saliens,  das  aller  Voraussicht  nach 
noch  lange  Zeit  einer  einheitlichen  Auffassung  seitens  der 
Aerzte  harren  wird.  Wie  viel  unliebsamer  Streit  ist  nicht  schon 
durch  Begutachtungen  unter  den  Kollegen  angeregt  worden,  wie 
oft  sind  solche  die  Quelle  tiefgehender  Verstimmungen  gegen¬ 
über  den  ausführenden  Organen  resp.  Behörden  gewesen !  Die 
Gründe  dafür  sind  keineswegs  nur  in  der  Verschiedenheit  der 
ärztlichen  Ansichten  bei  konkreten  Fällen  zu  suchen.  Diver¬ 
gierende  Ansichten,  wofern  sie  nur  in  sachlicher  Weise  zur  Gel¬ 
tung  gebracht  werden,  sind  unvermeidlich  und  die  ausführenden 
Organe  sind  sich  seit  Beginn  der  Geltung  des  Gesetzes  bewusst, 
dass  sie  mit  solchen  zu  rechnen  haben,  und  sind  in  anerkennens¬ 
werter  Weise  bestrebt,  die  Differenzen  in  einer  Weise  zum  Aus¬ 
gleich  zu  bringen,  die  man  im  ganzen  und  grossen  als  durchaus 
human  und  gewiss  nicht  als  arbeiterfeindlich  bezeichnen  kann. 
Das  gilt  hauptsächlich  von  der  Jurisdiktion  des  Reichsversiche¬ 
rungsamtes  und  den  analogen  Instanzen  anderer  Länder.  Eine 
wie  wichtige  Rolle  den  Aerzten  durch  die  Aufgabe  der  Begut¬ 
achtungen  Unfallverletzter  zufällt,  das  sollte  eigentlich  von  allen 
Aerzten  gleielmiässig  anerkannt  werden  und  alle  sollten  bestrebt 
sein,  sich  in  den  Geist  dieses  Zweiges  der  sozialen  Gesetzgebung 
so  weit  hineinzuleben,  dass  sie  sich  über  die  Tragweite  ihrer 
Gutachten,  über  die  Bedeutung  derselben  im  Sinne  einer  ge¬ 
rechten  Durchführung  der  Unfallversicherungsgesetze  ganz  klar 
wären.  Aber  wie  verschieden  werden  in  Wirklichkeit  diese  Dinge 
noch  immer  beurteilt ! 

Kauf  m  a  n  n,  der  Verfasser  des  bekannten  Lehrbuches  der 
Unfallkrankheiten,  sagte  bei  Gelegenheit  der  I.  Sitzung  der 
Sektion  für  Unfallheilkunde  auf  der  Naturforschervorsammlung 
in  Vien  (1894):  „Die  Unfallheilkunde  ist.  heute  noch  für  die 
Mehrzahl  der  Aerzte  mehr  eine  Gefühlssache  als  eine  Wissens¬ 
sache“.  Viele,  die  sich  jahrelang  mit  der  Begutachtung  Ver¬ 
letzter  befasst  und  Einblick  in  andere  Gutachten  genommen 
haben,  werden  dieser  Ansicht  unbedingt  beipflichten.  Aber  ich 
möchte  behaupten,  dass  in  den  8  Jahren,  welche  seitdem  ins  Land 
gegangen  sind,  vieles  bereits  besser  geworden  ist.  Gar  mancher, 
der  sich  früher  von  den  Aufgaben  der  sozialen  Gesetzgebung 
in  gedachtem  Sinne  fern  gehalten  hatte,  ist  aus  der  Reserve 
hervorgetreten,  hat  sich  vertraut  gemacht  mit  den  Forderungen 
der  Gesetzgebung,  besonders  auch  in  formaler  Hinsicht. 
Aber  trotzdem  wird  doch  gerade  die  formale  Seite  tagtäglich  in 
oft  geradezu  hohn  sprechend  er  Weise  unbe¬ 
rücksichtigt  gelassen  und  das  gereicht  dem  Aerzte- 
stand  gewiss  nicht  zum  Vorteil. 


Es  liegt  in  der  Verschiedenheit  der  Veranlagung  begründet, 
dass  einerseits  mancher  Arzt  bei  noch  geringer  Erfahrung  und 
mässigen  Kenntnissen  treffende,  logische  Gutachten  abzufassen 
im  stände  ist  und  bei  genügender  Gelegenheit  bald  ein  Routinier 
wird,  dessen  Gutachten  in  formaler  Beziehung  an  massgebendem 
Orte  imponieren,  dass  weiter  so  mancher  ein  vortrefflicher,  er¬ 
fahrener,  begabter  Arzt  ist,  der  in  seinem  Leben  es  nicht  lernt, 
ein  objektives  Gutachten  abzugeben.  So  kann  es  kommen, 
dass  ein  erster  Gutachter  einen  Unfallpatienten  für  geheilt  und 
arbeitsfähig  erklärt,  ein  zweiter  ihm  nur  auf  Grund  seiner 
subjektiven  Klagen  50 — 75  Proz.  Rente  zuspricht.  Dies 
liegt  nicht  nur  im  Bereich  der  Möglichkeit,  es  ereignet  sich  dieser 
Fall  sehr  häufig  und  trotzdem  können  beide  Gutachter  bona  fide 
handeln.  Aber  für  die  ausführenden  Organe,  für  die  entschei¬ 
denden  Instanzen  erwachsen  aus  solchen  Differenzen  unendlich 
viele  Schreibereien,  viel  Mühe  und  Arbeit,  ehe  sie  in  tunlichst 
gerechter  Weise  zu  ihren  Entscheidungen  kommen.  Dass  es 
dabei  olme  Reibungen,  ohne  Erregungen,  ohne  Kränkung  ärzt¬ 
lichen  Selbstbewusstseins  oft  genug  nicht  hergeht,  ist  eine  be¬ 
trübende,  aber  in  absehbarer  Zeit  kaum  zu  vermeidende  Tatsache. 
Gleichwohl  glaube  ich,  kann  gerade  hier  ein  sehr  wirksamer  Hebel 
einsetzen,  auf  welchen  so  oft  schon  von  berufener  Seite  hinge- 

4* 


1 434 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


wiesen  worden  ist,  um  die  Stellung  der  Aerzte 
gegenüber  allen  in  Betracht  kommenden  Fak¬ 
toren  zu  verbessern.  Dazu  ist  in  erster  Lime  aber  er¬ 
forderlich,  dass  wir  alle  Anteil  nehmen  an  der  praktischen,  vor 
allem  aber  an  der  tunlichst  gerechten  Durchführung  der 
sozialen  Gesetzgebung,  dass  wir  bestrebt  sind,  weiter  und  weiter 
zu  lernen  aus  den  praktischen  Ergebnissen  ihrer  Anwendung, 
wie  ja  auch  der  Gesetzgeber  und  die  ausführenden  Organe  viel¬ 
fach  erst  lernen  mussten,  und  danach  Verbesserungen  des  Ge¬ 
setzes  und  seiner  Handhabung  schon  vielfach  sich  notwendig  er¬ 
wiesen  haben  und  wohl  auch  in  Zukunft  sich  noch  erweisen 

WO  Es  Hesse  sich  das  Gesagte  durch  eine  ganze  Fülle  von  Bei¬ 
spielen  aus  der  Praxis  leicht  illustrieren.  Man  braucht  nur  ein¬ 
mal  einige  Jahrgänge  der  Monatsschr.  f.  Unfallheilkunde  u.  In¬ 
validenwesen  (Thiem)  durchzublättern.  Das  Studium  der¬ 
selben  ist  lehrreich  für  jeden  und  zeigt  die  Ergebnisse  der  Er¬ 
fahrungen  auf  seiten  der  Aerzte  wie  der  ausführenden  Organe 
und  Behörden  —  im  grossen  und  ganzen  in  Form  eines  s  t  e  t  e  n 
Fortschritte  s.  Dieser  bezieht  sich  aber  nicht  allein  aut  das 
wachsende  Interesse,  auf  die  allgemeiner  werdende  Mitwirkung 
der  Aerzte  an  der  Lösung  so  segensreicher  Einrichtungen,  wie  sie 
die  Unfallgesetzgebung  involviert,  sondern  auch,  und  das  mochte 
ich  ganz  besonders  hervorheben,  auf  den  Einfluss  der  Gesetz¬ 
gebung  auf  Fragen  wissenschaftlicher  Forschung,  wissenschaft¬ 
licher  Erkenntnis,  wachsender  Sorgfalt  in  der  ärztlichen  Be¬ 
obachtung  und  Behandlung.  Ich  stehe  nicht  an,  zu  behaupten, 
dass  in  dieser  Beziehung  die  moderne  Gesetzgebung  schwer¬ 
wiegenden  Nutzen  gestiftet  hat  und  erinnere  nur  einmal  an  die 
Frage  der  Nachbehandlung  jetzt  und  vor  2  Dezennien.  Bei  aller 
Last  und  Mühe,  die  vielen  Aerzten  tagtäglich  aus  der  neuen 
Gesetzgebung  erwächst;  sie  hat  auch  Vorteile  (nicht  nur 
materieller  Art) ;  sie  hat  auch  Anregu  n  g  nach  vielen  Seiten 
hin  gebracht  und  das  sollten  wir  dankbar  alle  anerkennen !  Eine 
ganze  Reihe  bestimmt  formulierter  Fragestellungen,  wichtiger 
Enqueten  —  ich  erinnere  nur  an  die  Frage  „Neurose  nach 
Trauma“,  „Hernien  und  Trauma“,  Osteomyelitis  und  Trauma“, 
„Thrombose  und  Trauma“  und  andere  mehr  —  haben  wertvolle 
Abhandlungen  gezeitigt,  und  immer  und  immer  wieder  tauchen 
neue,  zum  Teil  sehr  anregende  Fragen  in  dieser  Richtung  aut, 
die  der  Wissenschaft  nicht  minder,  als  der  immer .  besseren 
Durchführung  der  Unfallgesetze  zu  gute  kommen.  Leider  wird 
diesen  Fragen  auch  heute  noch  lange  nicht  das  allgemeine  ärzt¬ 
liche  Interesse  entgegengebracht,  das  sie  ohne  Zweifel  verdienen. 
Darin  liegt  auch  ein  wesentlicher  Grund  dafür,  dass  die  Ver¬ 
teilung  der  ärztlichen  Mitwirkung  bei  Handhabung  der  sozialen 
Gesetzgebung  noch  nicht  nach  einem  so  allgemeinen  Plane  er¬ 
folgen  kann,  wie  es  im  Interesse  des  Aerztestandes  wünschens¬ 
wert  wäre.  ..... 

Wie  gesagt,  es  kann  sich  hier  nicht  um  Gleichmässigkeit 
der  Ansichten  handeln,  es  wäre  ein  Unding,  zu  erwarten, 
dass  in  konkreten  Fällen  seitens  mehrerer  Gutachter  m  der 
Beurteilung  eines  Falles,  in  der  Diagnose  jemals  etwa 
nach  einem  Schema  verfahren  werden  könnte.  In  fonnalei  Le 
ziehung  aber  sind  Schemata,  wie  sie  sich  an  der  Hand  dei  Ei 
fahrung  ja  vielfach  herausgebildet  haben,  keine  Erschwerung, 
sondern  vielmehr  eine  Erleichterung  der  ärztlichen  Gutachter 
tätigkeit  und  zumal  für  Anfänger  kann,  abgesehen  von 
manchen  oft  kaum  bestimmt  zu  beantwortenden  Einzelfragen 
in  den  Formularen,  das  Frageformular  nur  förderlich  sein.  Sind 
doch  diese  Formulare  vielfach  ganz  in  Uebereinstimmung  mit 
den  ärztlichen  Ratschlägen  entstanden  und  allmählich  vervoll¬ 
kommnet  worden.  Weitere  Erfahrungen  dürften  noch  weitere 
Vervollkommnung  auch  hier  zeitigen  und  die  letzten  Scliwieng- 
lieiten  hinsichtlich  der  richtigen  Beurteilung  und  Beantwortung 
von  Einzelfragen  noch  aus  dem  Wege  räumen  helfen,  iibei  die 
mit  Recht  noch  vielfach  geklagt  wird. 

Ich  meine  damit  nicht  allein  die  Beurteilung  der  Arbeits¬ 
fähigkeit,  nach  Prozenten,  wie  sie  jetzt  von  den  meisten  Berufs- 
genossenschaften  gewünscht  wird,  sondern  z.  B.  auch  die  \  ei- 
logenlieit,  in  welche  so  mancher  Anfänger  gerät,  wenn  er  die 
Erwerbsschädigung  nicht  nach  dem  Berufe  des  Verletzten,  son¬ 
dern  nach  dem  allgemeinen  Arbeitsmarktc  beurteilen  soll,  odei 
wenn  der  Arzt,  auch  der  in  der  „sozialen  Medizin“  erfahrene, 
ein  Urteil  abgeben  soll,  ob  ein  Verletzter  oder  Erkrankter  „noch 


%  des  ortsüblichen  Tagelohnes  verdienen  kann“  u.  dgl.  m.  Wie 
häufig  müssen  wir  gerade  da  den  Weg  der  vollkommenen 
Objektivität  verlassen! 

Den  letzteren  aber  stets  bei  der  Gutachter¬ 
tätigkeit  streng  innezuhalten,  ist  das  v  o  i 

nehmste  Ziel,  welchesder  Aerztestand  1  “ _s  e 1  n  ®  r 

Mitwirkung  an  der  Durchführung  der  Unfall  - 
gesetze  im  Auge  haben  soll.  Diese  Forderung  muss 
immer  und  immer  wieder  inter  collegas  betont  werden  und  soll 
auch  schon  an  die  Spitze  gestellt  werden  beim  Unterricht  der 
Anfänger,  mag  letzterer,  wie  es  gewiss  wünschenswert  erscheint, 
in  besonderer  Form,  als  Spezialfach,  geübt  werden,  mag  ei 
in  den  klinischen  Unterricht  eingeflochten  sein.  Es  kann  vom 
Arzte  nicht  gefordert  werden,  dass  er  all  die  Fragen,  die  seitens 
der  ausführenden  Organe  an  ihn  gerichtet  werden,  präzise  mit 
„ja“  oder  „nein“  beantwortet.  Es  entspricht  der  Objektivität 
oft  weit  mehr,  wenn  der  Gutachter  auch  zu  rechter  Zeit  das 
„ignoramus“  ausspricht,  mag  er  es  zunächst  nur  auf  sich  selber 
beziehen.  Wird  dann  der  Weg  der  Einholung  weiterer  Gutachten 
betreten,  so  liegt  darin  keine  Kränkung  für  den  ersten  Erachter, 
sondern  meist  doch  nur  das  richtige  Bestreben,  zu  einei  tunlichst 
gerechten  Beurteilung  des  Emzelfalles  zu  kommen. 

Mit  viel  mehr  Grund  entsteht  oft  das  Gefühl  der  Kränkung 
durch  die  Form,  in  welcher  ein  zweites  oder  drittes  Gutachten 
abgefasst  erscheint.  Das  bringt  mich  auf  einen  weiteren  wich¬ 
tigen  Punkt :  die  Verletzung  der  guten  kollegialen 
Sitte  durch  die  Form  mancher  Gutachten. 
Diese  Frage  freilich  fällt  zusammen  mit  einer  so  oft  schon  be¬ 
tonten  Forderung  im  ärztlichen  Berufe,  die  nach  dem  natür¬ 
lichen  ärztlichen  Ehrenkodex  sich  von  selber  beantwortet.  Dit 
Gutachten  sollen  sich  ebenso  wie  die  ärztlichen  Konsilien  tun¬ 
lichst  der  K  r  i  t  i  k  der  Vorgutachter  enthalten,  wenigstens  der 
beleidigenden  Kritik,  auch  schon  der  Kritik,  die  den  Vor¬ 
gutachter  zu  diskreditieren  geeignet  ist.  Es  könnte  überflüssig 
erscheinen,  diese  Frage  hier  zu  streifen.  Aber,  m,  H.,  jeder, 
der  Gelegenheit  hat,  öfters  vergleichenden  Gutachtenstudien  ob¬ 
zuliegen,  wird  bestätigen,  dass  auch  diese  formale  Seite  der 
Gutachten  nicht  selten  Unerhörtes  bietet.  Das  ist  bedauerlich 
und  fördert  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  weder  bei  den 
Versicherungsnehmern,  noch  bei  den  ausführenden  Organen. 
In  ganz  besonderem  Masse  sind  da  mit  Recht  die  sog.  „Ge¬ 
fälligkeitsatteste“  abfällig  zu  beurteilen,  mit  deren  Ausstellung 
man  stets  vorsichtig  sein  sollte! 

Irrtümer  werden  wie  in  der  Diagnose  so  auch  folgerichtig 
im  Gutachten  oft  und  werden  gelegentlich  von  jede  m  be¬ 
gangen,  das  ist  nicht  nur  „menschlich“,  sondern  auch  noch  be¬ 
sonders  „ärztlich“.  Solche  Irrtümer  des  Gutachters  „X“  ge¬ 
gebenenfalls  richtig  zu  stellen,  ist  eine  berechtigte  Aufgabe  des 
Gutachters  „V“,  aber  dieser  soll  dabei  eine  sachliche,  nie¬ 
mals  eine  persönliche  (oder  wo  etwa  durch  die  Fragestellung  ge¬ 
boten,  höchstens  entschuldigende,  erklärende)  Form  wählen. 

Bei  Beherzigung  dieses  Grundsatzes  lässt  sich  viel  Bittei- 
keit  vermeiden.  Eine  andere  in  dem  Gutachten  zum  Ausdruck 
gebrachte  Auffassung  eines  konkreten  Falles  aber  hat  nichts 
Verletzendes  und  wer  darüber  ägriert  ist,  der  ist  eben  zu  seinem 
eigenen  Nachteil  zu  empfindlich. 

Anders  liegt  oder  besser  lag  die  Frage  der  Empfindlichkeit 
der  Gutachter  gegenüber  einer  Gepflogenheit,  die  bis  vor  wenigen 
Jahren  nicht  selten  bei  den  Schiedsgerichtsentscheidungen  an¬ 
zutreffen  war.  Erscheint  es  schon  unbegreiflich  und  gänzlich 
verfehlt,  dass  aus  Laien  zusammengesetzte  Schiedsgerichte  ohne 
jeglichen  Sachverständigen-Beisitzer  ihre  Entscheidungen  ^ge¬ 
troffen  haben,  so  lag  etwas  den  ärztlichen  Stand  geradezu  Ver¬ 
letzendes  in  vielen  Entscheidungen,  die  öfter  entgegen  den  ärzt¬ 
lichen  Gutachtern  gefällt  wurden  mit  der  einzigen  Begründung, 
dass  das  Schiedsgericht  sich  durch  den  „Augenschein“  überzeugt 
habe,  dass  der  „X“,  entgegen  den  ärztlichen  Ansichten,  doch 
um  so  und  so  viel  in  seiner  Erwerbsfähigkeit  geschädigt  sei. 
Ich  habe  es  erlebt,  dass  leicht  zu  entlarvende  Simulanten  auf 
diese  Weise,  d.  h.  unter  Nichtbeachtung  aller  ärztlichen 
Erachten  unverliiiltnismässig  hoch  entschädigt  wurden.  Nun, 
diese  Art  von  Gesetzesausführung  fällt  ja  den  neueren  Bestim¬ 
mungen  zufolge  weg,  wir  haben  jetzt  auch  ^  bei  den  Schied— 
gerichten  die  ärztliche  Mitwirkung  vor  der  Entscheidung  sozu¬ 
sagen  als  unerlässliche  Vorbedingung.  Ein  weiterer  Teil  des 


1465 


.^lUENCHEXER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


2.  September  1902. 


eingangs  erwähnten  Fortschrittes  in  den  Ausführungsbestim¬ 
mungen  der  sozialen  Gesetzgebung! 

Ich  habe  bislang  im  wesentlichen  die  Arbeiterunfallver¬ 
sicherung  im  Sinne  gehabt.  Ich  möchte  meine  Ausführungen 
nicht  beenden,  ohne  auch  noch  der  ärztlichen  Tätigkeit  gegen¬ 
über  den  Privatunfallversicherungen  gedacht  zu  haben. 

Da  liegt  die  Gefahr  des  Abweichens  vom  streng  objektiven 
Wege  a  priori  noch  etwas  näher.  Ich  berühre  damit  eine  heikle 
Frage,  denn  wenn  irgendwo,  so  begegnen  wir  gerade  in  diesem 
Zweig  der  ärztlichen  Gutachtertätigkeit  mannigfachen  Ent¬ 
gleisungen  aus  sozialer  Rücksicht !  Heiner  Auffassung  nach 
soll  der  Arzt  auch  hier  keinen  andern  Grundsätzen  huldigen  als 
dem  der  Objektivität,  er  soll  nicht  in  dem  Sinne  der  Anwalt 
seiner  Privatklientel  sein,  dass  er  ihr  hilft,  über  Gebühr  Ent¬ 
schädigung  zu  verlangen. 

In  einem  der  bekanntesten  Handbücher  der  Unfallheilkunde 
ist  die  Tatsache  berichtet,  dass  ein  Arzt  ein  Unfallattest,  das 
für  den  Versicherungsnehmer  nach  Ansicht  des  Gerichts  wohl  zu 
günstig  ausgefallen  war,  nachträglich  durch  Eid  bestätigen 
sollte,  worauf  er  geäussert  habe,  er  sei  im  Glauben  gewesen,  da 
es  sich  um  ein  Unfallattest  gehandelt  habe,  käme  es  so  genau 
nicht  darauf  an. 

Wenn  jedes  Gutachten  „an  Eidesstatt  abgegeben“  gefordert 
würde,  wären  solche  schwere  Missverständnisse  wohl  ein  für  alle¬ 
mal  abgeschnitten. 

Es  leitet  mich  dieses  Beispiel  unschwer  zum  Schlüsse  meiner 
Ausführungen.  Ich  habe  den  Schwerpunkt  der  ärztlichen  Mit¬ 
wirkung  bei  der  Durchführung  der  Unfallgesetzgebung  in  die 
Gutachtertätigkeit  verlegt.  Vorbedigung  für  diese  ist  selbst¬ 
verständlich  die  Forderung,  die  für  uns  alle  gilt,  dass  wir  Hand 
in  Hand  mit  den  Fortschritten  der  ärztlichen  Kunst  und  Wissen¬ 
schaft  die  Unfallkranken  behandeln,  beobachten  und  beurteilen. 
Wer  den  einzelnen  nach  seiner  Ansicht  nicht  selbst  genügend 
beurteilen  kann,  der  bedarf  der  Mitwirkung  anderer  (Spezia¬ 
listen).  Einmalige  Untersuchungen  geben  oft  eine  ungenügende 
Handhabe  zur  Beurteilung.  Wo  dies  der  Fall,  müssen  Beob¬ 
achtung,  wiederholte  Untersuchungen  mit  allen  zu  Gebote 
stehenden  Hilfsmitteln  erfolgen. 

Was  aber  die  Grundsätze  bei  Abfassung  aller  Gutachten 
betrifft,  so  bringt  kaum  eine  andere  Formel  jene  Grundsätze  so 
präzise  zum  Ausdruck  als  die  uns  allen  bekannte:  „Unparteiisch 
nach  bestem  Wissen  und  Gewissen“. 

Wer  diese  Formel  als  Richtschnur  bei  all  seinen 
Attesten  und  Gutachten  nimmt,  d^er  vermeidet  un¬ 
liebsame  Kollisionen  mit  allen  korrekt  denkenden  Kollegen,  der 
fördert  nach  Kräften  die  gerechte  Durchführung  der  segens¬ 
reichen  sozialen  Gesetzgebung. 


Teilweise  und  veränderte  Arbeitsfähigkeit. 

Von  Dr.  L.  H  o  e  f  1  mayr  in  München. 

Immer  mehr  macht  sich  in  den  letzten  Jahren  in  den  Kreisen 
der  Aerzte  das  Bestreben  bemerkbar,  Kranke  mit  rein  funktio¬ 
nellen  Störungen  oder  Unfallkranke,  bei  denen  die  objektiv  nach¬ 
weisbaren  Symptome  verschwinden,  und  nur  noch  subjektive, 
meist  nervöse  Beschwerden  vorhanden  sind,  möglichst  frühzeitig 
wieder  zur  Arbeit  anzuhalten.  Man  geht  dabei  von  der  Ansicht 
aus,  dass  das  Faulenzen  und  die  hierdurch  geförderte  Selbst¬ 
beobachtung  am  meisten  die  Arbeitslust  und  den  Eintritt  der 
Arbeitsfähigkeit  hintanhalten.  Der  Erfolg  hat  uns  Recht  ge¬ 
geben.  Wenn  man  es  versteht,  dem  Kranken  das  Misstrauen  zu 
nehmen,  als  veranlasse  man  ihn  zur  Arbeit,  weil  man  seine  An¬ 
gaben  über  Beschwerden  nicht  glaube,  und  wenn  man  ihm  klar 
macht,  dass  die  Arbeit  in  seinem  Fall  ein  besserer  Heilfaktor  ist, 
wio  alle  andere  äussere  oder  innere  Behandlung,  dann  erlebt 
man  es  fast  jedesmal,  dass  der  Patient  in  einigen  Wochen  oder 
Monaten  seine  Arbeitsfähigkeit  wieder  vollkommen  erlangt  und 
ass  er  selbst  über  den  Verlauf  der  Besserung  erstaunt  ist. 

Es  ist  nun  wohl  klar,  dass  ein  solcher  Kranker  nicht  vom 
ersten  Tage  an  wieder  so  arbeiten  kann,  wie  vor  seiner  Erkran¬ 
kung-  oder  vor  seinem  Unfall.  Würde  ihn  auch  nicht  eine  meist 
wirklich  vorhandene  Innervationsschwäche  oder  Schmerzen  an 
dein  ausgiebigen  Gebrauche  seiner  Muskeln  hindern,  so  ist  es  doch 
die  durch  die  meist  lange  ausgesetzte  Arbeit  entstandene  Ent¬ 
wöhnung  von  angestrengter  Muskeltätigkeit,  welche  es  als  ver- 
No.  35. 


nünftig  erscheinen  lässt,  den  Kranken  langsam  und  allmählich 
wieder  an  seine  frühere  Beschäftigung  gehen  und  sich  nach  und 
nach  einarbeiten  zu  lassen.  Auch  der  Wunsch  des  Arztes,  dass 
der  Patient  noch  eine  Zeit  lang  die  Möglichkeit  hat,  hydro- 
! her apeutische  oder  sonstige  therapeutische  Anwendungen  neben 
der  Arbeit  zu  gebrauchen,  und  genügend  Zeit  zur  Erholung 
durch  Ruhe  und  Aufenthalt  im  Freien  aufzuwenden,  wäre  bei 
diese  Frage  zu  berücksichtigen.  So  ist  es  z.  B.  für  viele  Neur¬ 
astheniker,  die  in  allen  möglichen  Behandlungen  gewesen  sind, 
von  grösstem  Vorteil,  wenn  man  sie  Vormittags  arbeiten  und 
Nachmittags  baden  und  spazieren  gehen  lässt.  Mit  dem  wieder¬ 
kehrenden  Selbstvertrauen  und  der  neu  entstehenden  Kraft 
kommt  dann  ganz  von  selbst  der  Moment,  in  dem  der  Patient 
den  Arbeitstag  verlängert  und  die  Zeit  nach  der  Arbeit 
und  an  Sonn-  und  Feiertagen  als  genügend  zur  Erholung  findet. 
Nun  steht  aber  einem  solchen  Vorgehen  von  Seite  des  Patienten 
und  Arztes  das  Krankenversicherungsgesetz,  wie  es  heute  besteht, 
hindernd  im  Wege.  Nach  diesem  gibt  es  nur  ein  erwerbsfähiges 
oder  ein  erwerbsunfähiges  Mitglied  der  Kasse.  Ein  Zwischen¬ 
ding,  das  in  den  von  uns  angeführten  Fällen  so  notwendig  wäre, 
eine  teilweise  Arbeitsfähigkeit,  gibt  es  nicht.  Arbeitet  der  Ge¬ 
nesende  auch  nur  eine  halbe  Stunde  im  Tag,  so  gilt  er  für 
arbeitsfähig  und  verliert  seine  Krankenunterstützung.  Da  nun 
aber  ein  halber  Tag  Arbeit  nur  halben  Verdienst  und  oft  bei  der 
schwächeren  Arbeitskraft  des  Genesenden  nicht  einmal  diesen 
bringt,  und  andererseits  jedes  Krankengeld  wegfällt,  so  ist  der 
Arbeitswillige  in  einer  schlechteren  Page  als  der  Faulenzer,  der 
auf  den  wohlgemeinten  Vorschlag  des  Arztes  überhaupt  gar  nicht 
eingeht.  Dabei  muss  man  noch  berücksichtigen,  dass  gerade 
solche  Leute  sich  gut  verköstigen  müssen,  um  nicht  rückfällig 
zu  werden. 

Man  hat  ja  nun  versucht,  derartige  Patienten  in  eigens  dazu 
eingerichteten  Anstalten  für  Beschäftigungstherapie  über  diese 
Febergangsperiode  hinweg  zu  bringen.  Aber  das  wirkliche  Ein¬ 
arbeiten,  wie  es  in  dem  gewohnten  Milieu  mit  allen  seinen  hygie¬ 
nischen  und  sozialen  Nachteilen  in  unseren  Fällen  geschieht, 
kann  man  nicht  ersetzen  und  abgesehen  davon  läge  es  doch  wohl 
im  Interesse  der  Krankenkassen  und  der  Aerzte,  dass  die  Kran¬ 
kenunterstützung,  die  während  der  Kur  in  solchen  Instituten 
voll  gewährt  wird,  möglichst  frühzeitig  wenigstens  teilweise,  wie 
wir  es  erstreben,  in  Wregfall  kommt.  (Die  Berechtigung  und 
Nützlichkeit  solcher  Institute  soll  durch  diese  Erörterungen  in 
keiner  Weise  angetastet  werden!) 

Obigen  Ausführungen  entsprechend  wäre  es  anzustreben, 
dass  bei  der  bevorstehenden  Revision  des  Krankenversicherungs¬ 
gesetzes  eine  Bestimmung  aufgenommen  würde,  die  es  in  ge¬ 
eigneten  Fällen  dem  Arzte  ermöglicht,  einen  Kranken  oder  Ge¬ 
nesenden  als  teilweise  arbeitsfähig  zu  erklären.  Eine  Bestim¬ 
mung  nach  Prozenten,  wie  sie  bei  der  Begutachtung  von  Unfall¬ 
kranken  eingeführt  ist,  möchte  ich  jedoch  keinesfalls  eingeführt 
wissen;  es  würde  wichtiger  sein,  die  teilweise  Arbeitsfähigkeit 
nach  Stunden  bestimmen  zu  lassen,  während  für  die  übrig¬ 
bleibende  Tageszeit  das  ebenfalls  nach  Stunden  leicht  aus¬ 
zurechnende  Krankengeld  zu  beziehen  wäre. 

Vom  Verwaltungsstandpunkt  aus  sind  keine  besonderen 
Schwierigkeiten  zu  erwarten,  da  eine  solche  Berechnung  in 
einem  Augenblick  gemacht  werden  kann  und  da  derartige  Kranke 
stets  nur  in  geringer  Zahl  vorhanden  sein  werden.  Aber  es  sollte 
wenigstens  durch  das  Gesetz  den  Krankenkassen  die  Möglichkeit 
gegeben  werden,  in  solchen  Fällen  den  Absichten  des  Arztes  ent- 
gegenzukommen.  Bis  jetzt  besteht  diese  nicht. 

Meine  Versuche  bei  verschiedenen  Krankenkassen,  dies¬ 
bezüglich  etwas  zu  erreichen,  sind  sehr  verschieden  ausgefallen. 
Einige  haben  von  vorneherein  auf  Grund  der  gesetzlichen,  auch 
in  ihren  Statuten  festgelegten  Bestimmungen  von  kurzer  Hand 
abgelehnt,  eine  andere  wieder  benutzte  die  Mitteilung,  dass  der 
Kranke  als  teilweise  arbeitsfähig  zu  betrachten  sei,  um  dem¬ 
selben  das  Krankengeld  sofort  ganz  zu  entziehen,  und  liess  sich 
auch  nicht  mehr  eines  Besseren  belehren.  Nur  eine  grosse  Fabrik¬ 
krankenkasse  resp.  deren  mir  persönlich  bekannte  Direktoren 
genehmigten  meinen  Plan. 

Ein  Analogon  der  von  mir  befürworteten  teilweisen  Ar¬ 
beitsfähigkeit  haben  wir  bei  den  privaten  Unfallversicherungs¬ 
gesellschaften.  Wäre  eine  schlechte  Erfahrung  damit  gemacht 
worden,  so  hätten  diese  längst  eine  Aenderung  getroffen. 

5 


1466 


MUENC1IENER  MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Der  Umstand,  dass  die  von  mir  angeregte  Neuerung  den 
Interessen  von  Kassen  und  Aerzten  entspricht,  dürfte  wohl  auch 
als  günstig  zu  berücksichtigen  sein. 

Schwieriger  liegen  die  Verhältnisse,  wenn  es  sich  um  die 
veränderte  Arbeitsfähigkeit  handelt.  Eine  solche  besteht  meiner 
Ansicht  nach  in  den  Fällen,  in  denen  ein  Arbeiter  durch  lang 
jährige  Beschäftigung  in  einem  und  demselben  Spezial  teil  seines 
Handwerks  dauernd  Schädigungen  ausgesetzt  ist,  die  nur  einen 
ganz  bestimmten  Teil  seines  Organismus  erkranken  lassen,  wäh¬ 
rend  der  übrige  Körper  gesund  und  arbeitsfähig  bleibt.  Einige 
Beispiele  mögen  es  kurz  erläutern:  Ein  Kesselschmied  leidet  an 
progressiver  Schwerhörigkeit,  die  zur  Taubheit  führen  muss, 
wenn  er  dem  Getöse  beim  Nieten  im  Kessel  sich  nicht  entziehen 
kann  —  ein  Kunstschlosser  bleibt  heiser  und  wird  schliesslich 
aphonisch,  wenn  er  dauernd  den  Säuredämpfen  beim  Aetzen  des 
Metalls  ausgesetzt  bleibt  —  ein  Fabrikschreiner,  der  jahrelang 
nur  poliert  hat  und  an  Beschäftigungsneuritis  im  rechten  Arm 
leidet,  kann  seine  Nervenschmerzen  und  Bewegungshemmung 
im  Arm  nicht  verlieren,  wenn  er,  aus  der  Behandlung  zur  Arbeit 
zurückgekehrt,  wieder  dauernd  polieren  muss. 

Solche  Leute  sind  für  die  Arbeit,  die  ihre  Erkrankung 
herbeigeführt  hat,  gewiss  nicht  mehr  als  arbeitsfähig  zu  be¬ 
trachten,  während  sie  für  jede  andere  meist  vollkommen  zu  ge¬ 
brauchen  sind. 

Sache  einer  humanen  Gesetzgebung  wäre  es  nun,  solchen 
Leuten  mit  veränderter  Arbeitsfähigkeit  einen  gewissen  Schutz 
vor  Arbeitslosigkeit  zu  gewähren.  Denn  sehr  häufig  hört  man 
als  Arzt  von  einem  Patienten,  dem  man  bei  der  Entlassung  sagt, 
er  müsse  sich  eine  andere  Art  der  Arbeit  in  seiner  F  abrik  er¬ 
bitten  :  „Ja,  Herr  Doktor,  damit  darf  ich  nicht  kommen,-  sonst 
werde  ich  ausgestellt.  Kranke  Leute  kann  man  nicht  brauchen. 
Man  könnte  wohl  eine  gesetzliche  Bestimmung  ungefähr  folgen¬ 
den  Sinnes  in  Erwägung  ziehen :  Hat  ein  Arbeiter  durch  dauernde 
Beschäftigung  in  einer  Sparte  des  Betriebes  eine  Schädigung 
seiner  Gesundheit  erlitten,  die  nach  dem  Gutachten  eines  Arztes 
auf  die  anhaltend  gleichmässige  Arbeit  zurückzuführen  ist,  so 
ist  die  Weigerung  des  Arbeiters,  diese  spezielle  Arbeit  weiterhin 
zu  versehen,  allein  kein  Grund  zur  Entlassung. 

Ich  verkenne  nicht,  dass  es  grosse  Schwierigkeiten  hat,  ge¬ 
rade  in  solchen  Fragen  mit  gesetzlichen  Schutzbestimmungen 
etwas  wirklich  Gerechtes  und  Brauchbares  zu  erreichen,  aber 
andererseits  muss  zugegeben  werden,  dass  unsere  ganze  soziale 
Gesetzgebung  aus  solchen  Anfängen  herausgewachsen  ist.  In 
den  von  mir  berührten  Punkten  kommen,  was  sonst  auch  nicht 
stets  zum  Vorteil  eines  neuen  Vorschlages  anzuführen  ist,  die 
Interessen  beider  Parteien,  d es  Arztes  und  des  Patienten,  in 
Frage,  während  niemand  geschädigt  wird. 


Humor  in  der  Unfallversicherung. 

Mitgeteilt  von  Sanitätsrat  Dr.  Eduard  Fischer  in  Magde¬ 
burg. 

Der  Arbeiter  A.  B.  in  C.  erlitt  am  1.  V.  1890  einen  Bruch  des 
rechten  Unterschenkels,  der  so  gut  heilte,  dass  B.  —  freilich  erst 
nach  einer  Schiedsgerichtsverhandlung  —  eine  Rente  von  25  Proz. 
zugebilligt  erhielt.  Da  B.  im  Laufe  der  langen,  seit  dem  Unfall 
verflossenen  Jahre  sich  dem  Vagabondieren  ergeben  hatte,  so  dass 
er  in  dieser  Zeit  42  mal  seinen  Wohnsitz  wechselte,  ist  es  mir  nur 
2  mal  gelungen,  ihn  zu  untersuchen,  das  letzte  Mal  mit  dem  Erfolg, 
dass  die  Rente  aufgehoben  werden  konnte,  was  vom  Schiedsgericht 
und  Reichsversicherungsamt  bestätigt  wurde;  trotzdem  bildet  das 
Aktenstück  einen  stattlichen  Band  von  205-  Seiten,  da  B.  durch  eine 
grosse  Schreibseligkeit  ziemlich  gewandten  Stiles  die  Beamten  der 
Berufsgenossenschaft  über  seine  Aufenthaltsorte  auf  dem  Laufen¬ 
den  erhielt,  auf  die  Entziehung  der  Rente  mit  allerlei  Beschwerden 
über  den  Vertrauensarzt,  Klageliedern  über  die  ungerechte  Be¬ 
handlung  seitens  des  Vorstandes  und  ähnlichen  Eingaben  ant¬ 
wortete'.  Fast  alle  diese  Schriftstücke  enthalten  einen  köstlichen 
Humor,  der,  voll  von  Erinnerungen  an  die  Gymnasialzeit  des  Ver¬ 
letzten,  eine  weitere  Verbreitung  verdient. 

Auf  den  ersten  ablehnenden  Bescheid  antwortet  B.  entrüstet: 
„Der  Bescheid  ist  mir  um  so  unverständlicher,  als  es  im  Sinne  des 
Gesetzgebers  unbedingt  nicht  gelogen  hat,  dein  unverschuldet  von 
einem  Unfall  Betroffenen  ein  vae  victis  zuzurufen“.  Als  ihm  sein 
Koffer  mit  den  Quittungsformularen  „auf  unerklärliche  Weise“ 
abhanden  gekommen  ist,  schreibt  er  an  den  Vorstand:  „O  Vare, 
Vare,  redde  mihi  legiones  meas;  ceterum  censeo  —  ich  brauche 
neue!“  Als  er  nach  vielfachem  Suchen  am  Rhein  aufgefunden 
und  zur  Untersuchung  nach  Köln  beordert  wird,  wreist  er  die  Vor¬ 
würfe  wegen  seines  unstäten  Lebenswandels  auf  enggeschriebener 


Karte  zurück,  in  der  er  die  ganze  Schuld  an  dem  häutigen 
Wohnungswechsel  der  Berufsgenossenschaft  zuweist:  „V  enn  ich 
mehr  Anlage  zum  Schriftsteller  hätte,  so  könnte  mir  das  alles 
Stoff  zu  einem  Roman  geben  und  ich  mir  selbst  bildlich  Vor¬ 
kommen  wie  ein  moderner  Don  Quixote,  denn  ich  habe  schon  mit 
mehr  denn  Windmühlen  zu  kämpfen  gehabt“.  Bei  der  Gestellung 
in  Köln  kam  er  nicht  gleich  zuerst  an  die  Reihe,  führte  sich  bei 
mir  mit  den  zürnenden  Worten  ein:  „Quo  usque  tandem,  wie  lange 
soll  ich  denn  warten,  verehrter  Herr  und  Freund?“;  erwiderte  aut 
die  Frage  nach  seiner  Beschäftigung:  „Ich  unterwerfe  diejenige 
Frucht,  'welche  Franz  Drake  einst  nach  Europa  gebracht,  einem 
Schälungsverfahren“,  und  als  ich  ihm  auf  seine  Bitte,  die  Rente 
auf  einmal  zu  zahlen,  da  die  allmonatlichen  Wege  nach  der  Post 
ihm  doch  allmählich  lästig  geworden  seien,  entgegnete,  diese  Muhe 
könne  er  sich  wahrscheinlich  in  Zukunft  ersparen,  da  ich  ihn  tur 
ausgeheilt  und  nicht  mehr  geschädigt  hielte,  empfahl  er  sich  mit 
den  geflügelten  Worten:  „Es  gibt  noch  Richter  in  Berlin!“  Der 

1  —  *  —-1 - mathe- 


grossen 
Gegen- 
zu  Ge- 
herum- 


Entziehungsbescheid  wird  mit  folgendem  Ausbruch 
malischer  Weisheit  begrüsst:  „Ich  hatte  bisher  mit  dem 
Rechenmeister  Not  zu  kämpfen,  sonst  hätte  ich  mit  dei 
partei  schon  längst  ganz  anders  abgerechnet;  derselben 
fallen  soll  ich  als  pythagoräisclier  Lehrsatz  in  der  Welt 
laufen,  indem  das  gesunde  Bein  die  Rolle  der  Hypothenuse,  das 
verletzte  die  einer  armseligen  Kathete  übernehmen  muss!“  Nach¬ 
dem  ihm  die  Berufungsgegenschrift  zugestellt  ist,  antwortet  er: 
„Für  das  feierliche  Requiem  seitens  des  Vorstandes,  sage  ich 
meinen  verbindlichsten  Dank  mit  dem  Bemerken,  dass  ich  die  ver¬ 
zuckerte  Pille  nicht  schlucken  kann.  Glaubt  denn  die  Genossen¬ 
schaft.  dass  alles  blind  ist  und  sie  allein  den  Teilapfel  abscliiessen 
kann?  Da  will  ich  ihr  die  Lehre  geben:  Incidit  in  Scyllam,  qui 
vult  vitare  Charybdim!  Mein  bestes  Beweismittel,  das  Zeugnis 
eines  Arztes,  der  fast  ebenso  gescheit  ist,  wie  der  Dr.  Fischer 
in  Magdeburg,  wird  einfach  wie  eine  Flasche  Sekt  kalt  gestellt. 
Fiat  justitia!“  Die  Zusammensetzung  des  Schiedsgerichtes,  ausser 
den  Arbeitgebern  „lauter  unbekannte  Grössen“,  dem  er  seine  Zu¬ 
weisung  zur  Last  legt,  nötliigt  ihm  die  Worte  ab:  „Vor  uralten 
Zeiten  lebte  in  Griechenland  ein  Mann,  der  hiess  Diogenes,  der 
ojng  am  hellen  Tage  mit  einer  brennenden  Laterne  umher  und 
suchte  Menschen,  aber  die  Lichtstrahlen  der  Laterne  blendeten  ihn 
so,  dass  er  sie  vor  lauter  Lichtflut  nicht  sah;  mir  geht  es  mit  der 
Entscheidung  des  Schiedsgerichtes  ebenso,  und  wenn  ich  auch 
Röntgenstrahlen  zu  Hilfe  nehmen  wollte,  so  finde  ich  in  Wahr¬ 
nehmung  meiner  Interessen  keine  mich  überzeugenden  Gründe, 
sondern  nur  ein  Volkssprichwort,  welches  von  Krähen  handelt. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Joh.  Schmidt  und  Fr.  Weis;  Die  Bakterien.  Natur- 

historische  Grundlage  für  das  bakteriologische  Studium  mit 
einem  Vorwort  von  Ch.  Hansen.  Aus  dem  Dänischen  über¬ 
setzt  von  Porsild.  205  Figuren.  416  S.  Verlag  von  Gustav 
Fischer.  Preis  7  M. 

In  einer  kurzen  Vorrede  empfiehlt  der  bekannte  lief  en- 
forscher  Hansen  das  Werk  seiner  in  Deutschland  bisher  un¬ 
bekannten  Landsleute.  Das  Buch  will  mehr  die  theoretische  als 
die  praktische  Seite  der  Bakteriologie  darstellen  und  eine  wissen¬ 
schaftliche  Grundlage  bilden  für  weitergehendes  Studium  der 
Bakteriologie,  sei  es,  dass  letzteres  theoretische,  sei  es,  dass  es 
rein  praktische  Zwecke  verfolgt. 

Dementsprechend  ist  auf  268  Seiten  ziemlich  ausführlich 
die  Morphologie  und  Biologie  geschildert,  die  Morphologie  wohl 
etwas  zu  ausführlich,  die  Biologie  ist  recht  gut  und  geschickt 
geschrieben  und  dieser  Abschnitt  stellt  entschieden  den  wert¬ 
vollsten  und  originellsten  Teil  des  Buches  dar.  Sehr  knapp  sind 
die  pathogenen  Eigenschaften  der  Bakterien  geschildert  (5  Seiten 
über  Toxine  im  allgemeinen  Teil  ist  alles).  Gänzlich  ungenügend 
ist,  was  über  Agglutination  gesagt  ist  (eine  einzige  Anmerkung 
von  14  Zeilen  auf  p.  234!).  Kein  Leser  wird  dadurch  von  der 
Ausführung  und  Bedeutung  der  „W  i  d  a  1“  sehen  Probe  (sic) 
einen  Begriff  bekommen. 

Im  speziellen  Teil  wird  dem  Mediziner  die  Schilderung  der 
pathogenen  Arten  öfters  zu  kurz  sein.  Eine  Differentialdiagnose 
fehlt  fast  ganz,  die  pathogene  Bedeutung  ist  nur  mit  zwei  Worten 
gestreift.  Ueberhaupt  macht  der  ganze  spezielle  Teil  den  Ein¬ 
druck,  sehr  wenig  eigenes  zu  enthalten.  Dass  unter  den  205  Ab¬ 
bildungen  kaum  ein  Original  ist,  verstärkt  diesen  Eindruck  noch 
erheblich.  Die  nicht  pathogenen  Arten  sind  relativ  etwas  aus¬ 
führlicher  behandelt,  aber  auch  hier  fehlt  scheinbar  ausgedehnte 
eigene  Erfahrung.  Lieber  die  bakteriologische  Technik  enthält 
das  Buch  absichtlich  fast  nichts,  was  bei  einem  einführenden 
Buche  doch  etwas  befremdet. 

Sehr  zu  bedauern  ist  die  Annahme  der  willkürlichen  und 
höchst  unpraktischen  Definition  von  M  i  g  u  1  a  für  „Bazillus  * 


2.  September  1902. 


1467 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


und  „Bakterium“,  nach  der  „Bazillus“  die  beweglichen,  „Bak¬ 
terium“  die  unbeweglichen  Stäbchen  umfasst.  Es  werden  so 
die  nächstverwandten  sporentragenden  Arten  auseinandergerissen 
(„Bacterium  anthracis“  steht  an  einer  andern  Stelle  des  Buches 
wie  „Bacillus  subtilis“),  die  koliartigen  beweglichen  und  un¬ 
beweglichen  Formen  sind  ebenso  unglücklich  getrennt  (Bacterium 
lactis  aerogenes  und  Bacillus  coli).  Unter  Bakterium  finden  sich 
hintereinander  aufgezählt:  Bacterium  anthracis,  Bacterium  pneu¬ 
moniae  (==  Streptococcus  lanceolatus),  Bacterium  pneumonicum 
(F  r  i  e  d  1  ä  nders^  Pneumonieorganismus),  Bacterium  tubercu- 
losis,  Bacterium  diphtheriae,  womit  doch  wohl  jeder  Versuch 
einer  naturwissenschaftlichen  Gliederung  aufgegeben  erscheint. 
Schon  die  Gruppierung  jedes  Genus  in  pathogene  und  nichtpatho- 
gene  Arten  stellt  mit  der  Absicht  naturwissenschaftliche  Prin¬ 
zipien  in  den  Vordergrund  zu  stellen  in  schwer  zu  vermittelndem 
Gegensatz.  Zitate  fehlen  wohl  absichtlich  fast  ganz.  Trotz  dieser 
Mängel  vermag  auch  dieses  Buch  bei  dem  grossen  Bedürfnis  nach 
bakteriologischen  Werken  die  Ansprüche  eines  gewissen  Leser¬ 
kreises  im  wesentlichen  zu  befriedigen. 

K  B.  L  e  h  m  a  n  n. 

D  u  n  b  a  r  und  Thumm:  Beitrag  zum  derzeitigen  Stande 
der  Abwasserreinigungsfrage,  mit  Berücksichtigung  der  bio¬ 
logischen  Reinigungsverfahren.  München  und  Berlin,  R.  Ol¬ 
den  bourg,  1902.  141  Seiten.  Preis  4  M. 

In  vorliegender  Arbeit  geben  die  Autoren  zunächst  einen  Be¬ 
richt  über  die  Tätigkeit  des  letzten  Jahres  und  über  die  Be¬ 
obachtungen,  welche  in  dieser  Zeit  bei  der  Kläranlage  in  Ham¬ 
burg-Eppendorf  mit  dem  Oxydationsverfahre  n  ge¬ 
macht  wurden.  Sie  ziehen  aber  den  Kreis  ihrer  Betrachtungen 
noch  weiter,  indem  sie  alle  seit  1897  dabei  gemachten  Er¬ 
fahrungen  zur  allgemeinen  Kenntnis  bringen  und  auch  die  übri¬ 
gen  angewendeten  Klärverfahren  einer  kritischen  Besprechung 
unterziehen.  Ausserdem  erfahren  eine  Reihe  technischer  Be¬ 
triebe,  wie  die  Zuckerfabrikation,  die  Bier¬ 
brauerei,  Presshefefabrikation  und  Leder- 
fabrikatio  n,  in  denen  das  Oxydationsverfahren  für  die 
Reinigung  ihrer  Abwässer  eingeführt  ist,  eine  besondere  Be¬ 
leuchtung. 

Die  ausserordentlich  zahlreichen  und  eingehenden  Unter¬ 
suchungen  über  die  Verhältnisse  und  Leistungen  des  Oxydations- 
vei fahre-ns  sind  um  so  wertvoller,  als  letzteres  mehr  und  mehr 
berufen  zu  sein  scheint,  andere  Verfahren  zu  verdrängen.  So 
macht  es  ganz  den  Eindruck,  als  ob  das  B  e.r  ieselungs- 
S  y  stem  an  Bedeutung  gegenüber  dem  biologischen  Rei¬ 
nigungsverfahren  abnähme,  da  durch  letzteres  nicht  nur 
eine  durchgreifendere  Reinigung  der  Wässer  gewährleistet  wird, 
sondern  auch  die  kostspieligen  Rieselanlagen  in  Wegfall  kommen. 
Den  Mitteilungen  über  die  Ergebnisse  der  experimentellen  Prü- 
fung  gehen  theoretische  Erwägungen  über  die  Zersetzungsvor¬ 
gänge  im  Oxydationskörper  voraus,  welche  vielleicht  nicht  in 
allen  Punkten  von  der  Allgemeinheit  geteilt  werden.  Ihnen  folgen 
untei  Skizzierung  der  Hamburger  Kläranlage  die  Wirkungen  des 
einfachen  und  doppelten  Oxydationsver¬ 
fahrens,  des  Einflusses  gröberen  oder  feineren 
Material  s,  sowie  der  Oxydationskörper  überhaupt ; 
die  Bedeutung  der  Reinig  u  n  g,  L  ü  f  t  u  n  g  und  des  L  e  er¬ 
st  e  h  e  n  s  der  Filter,  die  Ursachen  der  Schlammbil¬ 
dung,  der  Verlust  bei  Reinigung  der  Schlacken, 
^eit  und  Dauer  der  Reinigung  u.  s.  w.  Auch  das 
l1  aulverfahren  wird  in  eingehender  Weise  in  seiner  Be¬ 
deutung  gewürdigt. 

Durch  die  Einfügung  des  u  m  fangreichen  Ana¬ 
lysenmaterials  und  Beigabe  von  zahlreichen 
Kostenberechnung  e  n,  nebst  den  Vergleichen  mit 
anderen  Verfahren  gewinnt  das  Buch  ganz  bedeutend  an  Wert. 

Die  Verfasser  kommen  auf  Grund  ihrer  Studien  zu  dem  Re¬ 
sultat,  dass  die  an  der  Hamburger  Anlage  gemachten  günstigen 
rfahrungen  geeignet  sind,  das  Oxydationsverfahren 
für  die  Mehrzahl  der  Fälle  bei  Neuanlagen  dringend  empfehlen 
zu  können,  da  es  in  der  verschiedensten  Weise  anwendbar  ist. 

Das  Studium  dieses  lehrreichen  Buches  ist  deshalb  wegen  der 
üUe  von  interessantem  und  beachtenswertem  Material  allen 
nteressenten  aufs  Wärmste  empfohlen. 

R.  O.  Neuma  n  n  -  Kiel. 


H.  Kionka;  Grundriss  der  Toxikologie,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  klinischen  Therapie.  Leipzig,  Verlag 
von  Veit  &  Co.,  1901.  Preis  11  M. 

Obwohl  in  den  letzten  Jahren  der  Büchermarkt  mit  wert¬ 
vollen  loxikologien  bereichert  wurde,  muss  das  Erscheinen  vor¬ 
liegenden  Werkes  doch  hochwillkommen  geheissen  werden.  Es 
hält  zwischen  den  grossen  und  ausführlichen  Handbüchern,  die 
mehr  zu  Spezialstudien  bestimmt  sind,  und  den  oft  höchst  dürf¬ 
tigen  Kompendien  die  Mitte  und  dient,  wie  der  Verfasser  im  Vor¬ 
worte  erwähnt,  den  Studierenden  als  Lehrbuch,  den  praktischen 
Aerzten  als  Nachschlagebuch,  weshalb  besonders  die  Therapie  bei 
Vergiftungen  ausführlich,  aber  doch  mit  sorg'fältig'er  Auswahl 
besprochen  ist.  Auch  die  klinischen  Symptome  und  die  patho¬ 
logisch-anatomischen  Befunde  bei  Vergiftungen  sind  gebührend 
berücksichtigt.  \  on  den  Methoden  des  Giftnachweises  sind  be¬ 
sonders  diejenigen  hervorgehoben,  welche  der  praktische  Arzt 
leicht  ausführen  kann,  wie  die  mikroskopischen  und  spektro¬ 
skopischen  Methoden.  Eine  dem  Buche  beigefügte  Spektraltafel 
dürfte  vielen  erwünscht  sein. 

Dem  allgemeinen  Teile  des  Buches  —  Bestimmung  des  Be¬ 
griffes  Gift,  die  Giftwirkung  und  ihre  Bedingungen,  Wesen  der 
Giftwirkung,  das  Erkennen  einer  Vergiftung,  Therapie  der  Ver¬ 
giftungen  —  schliesst  sich  der  spezielle  an,  bei  dem  eine  Tren¬ 
nung  der  akuten  Vergiftungen  von  den  chronischen  durchgeführt 
ist.  Diese  Trennung  hat  Verfasser  zum  grossen  Teile  wohl  aus 
dem  Grunde  gewählt,  um  die  Stoffe,  welche  zu  akuter  Vergiftung 
führen,  übersichtlich  einzuteilen  in  Aetzgifte  und  lokal  reizende 
Gifte,  in  Blut-  und  Parenchymgifte,  in  Methämoglobinbildner, 
in  Nervengifte  und  in  Herzgifte.  Ohne  Trennung  der  akuten 
von  den  chronischen  Vergiftungen  wäre  diese  Einteilung  nicht 
möglich,  da  manche  Stoffe  in  kleinen  Mengen  dem  Organismus 
einverleibt  und  zu  chronischen  Vergiftungen  führend,  bald  eine 
Giftwirkung  auf  die  parenchymatösen,  bald  auf  die  nervösen 
Organe  ausüben. 

Di^  klare  Darstellung,  insbesondere  bei  Schilderung  von 
Untersuchungsmethoden,  machen  das  Buch  besonders  wertvoll. 

J  odlbauer. 

R.  Olshausen:  Beitrag“  zur  Lehre  vom  Mechanismus 
der  Geburt.  Stuttgart  1901.  F.  Enk  e. 

Olshausen  erläutert  in  den  vorliegenden  Mitteilungen 
verschiedene  noch  strittige  Punkte  aus  der  Lehre  des  Geburts¬ 
mechanismus.  Er  stützt  seine  hierüber  schon  früher  geäusserten 
Anschauungen  durch  neue  Beweismittel. 

Die  Hauptergebnisse  der  Untersuchungen  lassen  sich  in  fol¬ 
gende  Sätze  zusammenfassen : 

Der  Uterus  steht  bei  Kreissenden  annähernd  senkrecht  auf 
der  Beckeneingangsachse,  bei  Mehrgebärenden  und  bei  Hänge¬ 
bauch  liegt  er  vor  ihr.  In  der  Erweiterungszeit  vor  dem  Blasen¬ 
sprung  wirkt  der  allgemeine  Inhaltsdruck,  in  der  Austreibungs¬ 
zeit  und  nach  dem  Blasensprung  aber  kommt  es  in  der  Regel  zum 
Fruchtachsendruck.  Dies  wird  wahrscheinlich  gemacht  durch  die 
Mehrzahl  der  Gefrierdurchschnitte  Kreissender,  durch  die  geringe 
Menge  des  Nachwassers  (besonders  bei  Erstgebärenden),  durch 
manche  Erscheinungen  im  Mechanismus  normaler  und  patho¬ 
logischer  Geburten  (Senkung  des  Hinterhauptes,  seine  tiefe  Ein¬ 
stellung  beim  allgemein  gleichmässig,  beim  ankylotisch  schräg 
verengten  Becken).  Die  Wehen  haben  neben  der  Bauchpresse  bis 
zur  Geburt  des  Kopfes  grosse  Bedeutung.  Die  Einwirkung  des 
Rumpfes  auf  den  Kopf  ist  der  wesentlichste  Grund  für  die  sogen, 
zweite  Drehung  des  Kopfes.  Diese  wird  bedingt  und  eingeleitet 
durch  das  Nachvornetreten  des  Rumpfes,  vollendet  und  gesteigert 
aber  durch  den  Einfluss  des  Beckenbodens.  Die  Austrittsbewe¬ 
gung  des  Schädels  begreift  sich  in  ihrem  grössten  und  letzten 
Teile  dadurch,  dass  der  Schädel  bei  ihr  zum  einarmigen  Ilebcd 
wird  und  der  Fruchtwirbelsäulendruck  nun  das  Kinn  nach  ab¬ 
wärts  treibt,  somit  dadurch  den  Schädel  um  die  quere  Achse  dreht. 

A.  Gessner  -  Erlangen. 


G.  Müller:  Kursus  der  Orthopädie  für  praktische  Aerzte. 

Mit  25  Abbildungen  im  Text,  Verlag  von  O.  E  n  s  1  i  n,  Berlin, 
1902. 

Verfasser  hat  die  Form  von  10  Vorlesungen  gewählt,  um  in 
„präziser  und  ungekünstelter  Vortragsweise“  Interesse  für  die 
Orthopädie  zu  erwecken. 


5* 


1468 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  35. 


Es  wäre  wohl  zweckmässig  gewesen,  wenn  M..  schon  m  der 
Vorrede  seine  Auffassung  von  der  Orthopädie  und  ihren  Grenzen 
hervorgehoben  hätte.  Er  rechnet  zu  ihr  nur  die  unblutig-mecha¬ 
nische  Behandlung,  verzichtet  also  auf  grosse  Gebiete  und  wich¬ 
tige  Methoden,  welchen  wir  den  Aufschwung  der  Orthopädie  mit¬ 
verdanken.  Es  behandelt  das  etwa  7  Druckbogen  starke  Buch 
im  wesentlichen  nur  die  mechanische  Orthopädie  und  in  1  olge 
des  recht  beschränkten  Raumes  nicht  alle  Kapitel  gleich  aus- 

M.  ist  eifriger  Anhänger  der  Apparatbehandlung  und  steht 
noch  auf  dem  Standpunkt,  dass  dieselbe  bei  der  Iluftluxation 
gleichwertig  mit  den  modernen  Verfahren  sei.  Aus  der  einseiti¬ 
gen  Verwendung  mechanischer  Methoden  erklärt  es  sich  auch, 
dass  M.  für  die  Behandlung  des  Genu  valgum  6  Monate  bis 
mehrere  Jahre  rechnet,  einen  Zeitraum,  den  heute  wohl  niemand 

opfern  wird.  . 

Nicht  ganz  zutreffend  ist  die  Darstellung  der  unblutigen 

Einrenkung  der  angeborenen  Hüftverrenkung,  wahrend  die 
Schilderung  der  eigenen  Apparatbehandlung  des  Verf.  unverhalt- 

nismässig  breit  ausgefallen  ist. 

Dafür  hat  dann  wieder  die  spinale  Kinderlähmung  nur 
kurzen,  die  Gruppe  der  spastischen  Lähmungen  gar  keinen  Raum 

Der  Druck  ist  gut,  Druckfehler  wie  „Phelbs“,  „Callot“  fallen 
unangenehm  auf.  ^  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Neisser:  Stereoskopischer  medizinischer  Atlas.  Oph¬ 
thalmologie,  redig.  von  U  h  t  h  0  f  f.  Leipzig  1902.  J.  A. 
Barth.  Preis  einer  Eolge  5  M. 

Die  5.  Folge  bringt  ganz  hervorragend  gute  Abbildungen 
von  En-  und  Ektropium,  eines  Gumma  des  oberen  und  unteren 
Lides,  eines  syphilitischen  Kondylomes,  von  Frühjahrskatarrh 
und  Tuberkulose  der  Bindehaut,  eines  Leukomes  der  Hornhaut 
mit  Symblepharon.  Keratokonus,  kavernösen  Tumors  der  Orbita 
und  von  Orbitalphlegmone  mit  beginnender  Eintrocknungs¬ 
keratitis.  Diese  12  Fälle  sind  aus  der  ophthalmologischen  I.  Uni¬ 
versitätsklinik  zu  Wien  von  Prof.  Elschnig  ausgewählt  und 
mit  einem  von  ihm  hierzu  konstruierten  Apparat  aufgenommen 
worden.  Mit  einem  guten,  auch  von  der  Verlagsbuchhandlung 
gelieferten  stereoskopischen  Apparate  geben  die  Tafeln  so  über¬ 
raschend  naturgetreue  und  zugleich  charakteristische  Darstel¬ 
lungen,  dass  sie  die  klinische  Vorstellung  fast  vollständig  zu  er¬ 
setzen  im  Stande  sind.  . 

Die  6.  Folge  bringt  12,  nach  einer  neuen  stereophotographi- 

sclien  Methode  von  Doc.  Dr.  Heine  angefertigte  Tafeln  mit 
Originaldarstellungen  aus  der  vergleichenden  und  entwicklungs¬ 
geschichtlichen  Hirntopographie.  Mittels  dieser  Methode  wird 
die  Lage  des  Gehirnes  im  Schädel  durch  succesive  Aufnahme 
auf  dieselbe  Platte  so  dargestellt,  als  befände  sich  ersteres  in 
einer  durchsichtigen  (gläsernen)  Hülle.  Die  Technik  der  Her¬ 
stellung  wird  vom  Erfinder  beschrieben  und  bedarf  nur  noch  ge¬ 
ringer  Vervollkommnung.  Es  sind  jedoch  die  plastischen  Bilder 
verschiedener  Tierhirne  einer-,  embryonaler  und  ausgebildeter 
Menschenhirne  andererseits  dadurch,  dass  sie.  ihre  ganz  genaue 
Lage  im  Schädel  einnehmen,  so  ungewöhnlich  instruktiv,  dass  sie 
schon  jetzt  in  entwicklungsgeschichtlicher,  vergleichend-  und 
topographisch-anatomischer  Hinsicht  ein  äusserst  wertvolles 
Hilfsmittel  zur  Selbstbelehrung  und  für  den  Anschauungsunter¬ 
richt  bieten.  Auch  der  Anthropologe  und  Chirurg  wird  sie  mit 
Interesse  betrachten.  Segge  . 


W.  Weressajew:  Bekenntnisse  eines  Arztes.  Ueber- 
setzung  aus  dem  Russischen.  Verlag  von  Robert  Lutz  m 
Stuttgart.  Preis  2  M. 

Ungezügelte  Subjektivität  mit  allen  ihren  Vorzügen  und 
Mängeln  ist  die  Signatur  dieses  Buches.  In  glänzender  Sprache, 
mit  dem  psychologischen  Geschick  eines  geborenen  Ronian- 
schreibers  gibt  W.  ein  Bild  seiner  Entwicklung  als  Arzt.  Wie 
lebhaft  weiss  er  die  ersten  Eindrücke  auf  der  Klinik  zu  schildern, 
die  erste  Sektion,  die  Härten,  welche  die  Lehrzwecke  der  Klinik 
den  Kranken  bisweilen  zumuten  müssen,  den  ersten  Eindruck 
des  gebärenden  Weibes,  den  ersten  Todesfall  infolge  einer  Ope¬ 
ration,  die  Zweifel  an  dem  Wert  der  medizinischen  Wissenschaft 
und  hinwiederum  die  Begeisterung  des  jungen  Mediziners  für 
seinen  Beruf,  seine  nosophobischen  Anwandlungen  und  schliess¬ 


lich  die  Examina.  Er  scheut  sogar  nicht  davor  zuruck,  sich  selbst 
einer  gewissen  Lächerlichkeit  preiszugeben  wegen  der  über¬ 
triebenen  Gewissenhaftigkeit  und  Unbeholfenheit,  die  ihn  zur 
Ausübung  der  Praxis  geradezu  unfähig  machten,  da  er  m  Gegen¬ 
wart  der  Kranken  seine  diagnostischen  und  therapeutischen 
Notizen  hervorholte  und  schliesslich  nicht  einmal  den  Mut  hatte, 
auf  eigene  Verantwortung  eine  Bandwurmkur  emzuleiten.  Von 
der  Unzulänglichkeit  seiner  Ausbildung  ganz  zu  Boden  gedruckt, 
kehrt  er  zurück,  um  unter  harten  Entbehrungen  an  Spitalern 
weiter  zu  lernen.  Sein  Ungeschick  bei  Vornahme  einer  Tracheo¬ 
tomie,  nach  welcher  das  Kind  stirbt,  lässt  ihn  auf  operative  1  atig- 
keit  für  alle  Zeit  verzichten.  Diese  Erlebnisse  umgibt  ein  Ge¬ 
webe  von  kritischen  Reflexionen  über  den  ärztlichen  Beruf,,  die 
durch  ihre  neurasthenisch  hypochondrische  Färbung  literarisch 
erst  recht  effektvoll  werden;  vor  einer  sachverständigen 
ruhigen  Kritik  können  sie  jedoch  nicht  bestehen  und  sie 
verletzen  oft  durch  eine  unnötig  herabwürdigende  Ausdrucks¬ 
weise.  Es  sind  die  Gedanken  eines  jungen  Mannes,  den  der 
Gegensatz  zwischen  hochgesteckten  Idealen  und  wirklichen 
Dingen  und  Menschen  einmal  in  Gefahr  gebracht  hat,  an  seinem 
Beruf  irre  zu  werden.  Bei  seinem  Naturell  wären  dem  ^  erfasser 
ähnliche  Kämpfe  und  Zweifel  gewiss  nicht  erspart  geblieben, 
wenn  er  sich  der  Theologie  oder  Jurisprudenz  oder  irgend  einem 
Berufe  gewidmet  hätte,  wo  dem  Mann  eine  besonders  hohe  innere 
Verantwortlichkeit  auf  erlegt  ist.  In  Bezug  auf  die  so  wie  tige 
individuelle  ärztliche  Ethik  und  individuelle  Ausbildung 
bietet  die  Schrift,  selbst  wenn  man  von  spezifisch  russischen 
Dingen  absieht,  manches  Beherzigenswerte,  auch  für  die  aka¬ 
demischen  Lehrer,  welche  die  jungen  Aerzte  ja  nicht  bloss  zu 
unterrichten,  sondern  auch  zu  erziehen  haben.  Objektiver,  und 
daher  wertvoller  wird  das  Buch,  wo  es  den  Antivivisektionisten 
eine  treffende  Abfertigung  gibt,  wo  es  von  den  Beziehungen  des 
Arztes  zum  Publikum  handelt,  von  dem  in  Russland  noch  be¬ 
stehenden  Hilfezwang,  von  der  sozialen  Lage  des  Aerztesta.ndeo, 
namentlich  des  russischen  Landschaftsarztes,  von  bedenklichen 
ärztlichen  Versuchen  u.  s.  w.  Auffallend  arm  ist  der  scharfe 
Kritiker  und  Grübler  Weressajew  an  eigenen  positiven 
Vorschlägen;  an  ihre  Stelle  pflegt  das  Zugeständnis  zu  treten, 
dass  äussere  Verhältnisse  stärker  sind  als  unser  guter  Wille  und 
ein  Ausweg  nicht  zu  finden  ist.  Die  Schwächen  der  Schrift 
treten  mit  besonderer  Schärfe  zu  Tage,  wenn  wir  sie  von  einem 
zweiten  Gesichtspunkt  beurteilen:  sie  ist  ausdrücklich  auch  für 
Laien  bestimmt.  Sicher  wird  ein  hochgebildeter  und  welt¬ 
erfahrener  Laie  auch  dieses  Buch  mit  Nutzen  lesen,  mancher 
wird  es  mit  erhöhter  Wertschätzung  des  ärztlichen  Berufes  aus 
der  Hand  legen  und  sich  mit  dem  Verfasser  durch  alle  Zvveifel 
zu  dem  Bekenntnis  durchdenken  und  durchringen:  „Ich  glaube 
an  die  Medizin“.  Um  so  mehr  sind  wir  uns  aber  klar  darüber, 
dass  in  den  Händen  des  grossen  Publikums  das  Buch  keinen 
Nutzen  stiften  wird.  Wenn  W.  schon  in  dem  U ebereifer  eines 
Reformators  glaubte,  die  Laien  —  welche  positive  Rolle  er  ihnen 
zudenkt,  sagt,  er  nicht  —  zu  Richtern  und  Helfern  herbeirufen 
zu  müssen,  so  war  die  Anlage  des  Buches  erst  recht  ein  Fehler, 
er  durfte  sich  der  Pflicht  weiser  Mässigung  in  Stoff  und  Wort 
erst  recht  nicht  verschliessen.  Für  die  allermeisten  wird  das 
Buch  die  Dienste  eines  aufregenden  Romans  tun,  den  Zweck 
einer  tiefgründigen  Aufklärung,  welche  die .  Laien  zu  kom¬ 
petenten  Beurteilern  machen  könnte,  aber  nie  erfüllen.  el 
den  minder  gebildeten,  von  Sensation  zu  Sensation  hastenden 
Lesern  werden  nur  die  aufregenden  Eindrücke  haften  und 
die  sehr  wohlfeile  Entrüstung  und  Geringschätzung,  welche 
Verf  steigert,  indem  er  die  Mediziner,  wenn  auc  i  nur 
hypothetisch,  mit  Kraftausdrücken,  wie  verlogen,  armselig, 
Mörder,  Auguren  u.  dgh,  überreich  bedenkt.  V  as  soll  das 
Publikum  denken,  wenn  es  Sätze  liest,  wie  „das  Bestehen  eines 
ärztlichen  Studiums  ist  nicht  denkbar  ohne  Beiseitelassen  jeder  (  I 
auch  nur  elementaren  Humanität“,  wenn  in  der  blühendsten 
Sprache  die  Medizin  und  das  Können  der  Aerzte  verhöhnt  wird 
wenn  ein  Arzt  selbst  da  auf  seinen  Beruf  schilt,,  wo  soziale  i  o 
seine  Bemühungen  vereitelt.  Wie  soll  das  Publikum  die  .  rüg 
Schlüsse  und  Denkfehler  richtig  würdigen,  mit  denen  der  junge, 
unreife  Brausekopf  über  die  Medizin  philosophiert;  wozu  werden 
ihm  in  aller  Länge  und  Breite  wirkliche  oder,  scheinbare  Herz¬ 
losigkeiten  einzelner  Aerzte  wiederum  in  rücksichtsloser 
Schärfe  vorgeführt  ?  Diesen  höchst  leidenschaftlich  geschriebenen 


2.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1469 


Szenen  und  Argumentationen  fehlt  fast  jedesmal  das  aus¬ 
reichende  Gegengewicht  belehrender  und  auf  klärender  Vernunft¬ 
gründe,  die  eigentlich  die  Hauptsache  bilden  sollten,  statt  dessen 
aber  in  resigniertem  und  nüchternem  Tone  hintennach  kommen. 
Wer  wird  das  Buch  oft  genug  lesen,  um  diese  Gegengründe 
auf  sich  wirken  zu  lassen?  Wozu  ferner  werden  alle  die  Irrwege 
und  nach  heutigen  Anschauungen  sträflichen  Uebergriffe  der 
Syphilisforschung  bis  zum  Jahre  1850  zurück  mit  aktenmässiger 
Treue  vorerzählt?  Glaubt  Verf.  wirklich,  dass  es  der  Aufreizung 
der  Laien  bedarf  und  die  Aerzte  nicht  im  stände  wären,  aus  sich 
selbst  heraus  mit  solchen  Gewissenlosigkeiten  aufzuräumen  ?  Für 
Deutschland  hoffen  wir  das  bestimmt.  Einige  grosse  Fragen 
lassen  die  „Bekenntnisse“,  denen  das  Versöhnende  fast  ganz  und 
vor  allem  der  überlegene  Humor  ganz  fehlt,  dem  Leser  unbeantwortet. 
Was  hat  den  Verf.  auch  in  den  Zeiten  der  schwersten  Zweifel 
bei  der  Medizin  festgehalten?  Würde  er  heute  seinen  Beruf  als 
Arzt  mit  irgend  einem  anderen  vertauschen  wollen?  Warum 
haben  zu  allen  Zeiten  grosse  Geister  und  wahrhaft  humane  Cha¬ 
raktere  den  Beruf  eines  Arztes  ergriffen,  ihn  mit  Begeisterung 
ausgeübt  und  in  ihm  ihre  Befriedigung  gefunden? 

W.  vergisst  nur  zu  leicht,  dass  in  der  heutigen  streitbewegten 
Zeit  ein  schlimmes  Wort  über  die  Medizin  durch  hundert  gute 
nicht  aufzuwiegen  ist.  Die  Zeiten  sind  zu  ernst  zu  geistreichen 
Antithesen,  aus  denen  das  Volk  doch  meist  nur  durch  Agitatoren 
das  grell  aufgeputzte  Contra  beigebracht  bekommt. 

Wenn  Verfasser,  der,  nach  seinem  Vorwort  zu  schliessen,  der 
Kritik  nicht  gerne  weicht,  auch  uns  nicht  gelten  lassen  will,  so 
möge  er  das  Begleitzirkular  lesen,  mit  dem  eine  gewinnbegierige 
Leipziger  Verlagsfirma  sein  Buch  unter  dem  Titel  „Beichten 
eines  praktischen  Arztes.  Versehen  und  Fehlschlüsse“  in  die 
Welt  schickt.  „Mit  wahrhaft  verblüffender  Offenheit“,  heisst  es 
da,  „geisselt  der  Verfasser  die  offen  liegenden  Schäden  des  medi¬ 
zinischen  Studiums,  der  Schulmedizin  und  der  ganzen  ärztlichen 
Praxis,  deren  Geheimnisse  mit  ängstlicher  Sorgfalt  bis  jetzt  be¬ 
hütet  wurden.  Kein  Wunder,  wenn  diese  rücksichtslose  Auf¬ 
deckung  der  Krebsschäden  der  Medizin  einen  wahren  Sturm  der 
Entrüstung  in  ärztlichen  Kreisen  hervorgerufen  haben.“  Was 
haben  wir  Aerzte  von  all  den  Lesern  zu  hoffen,  die  mit  diesem 
Rezept  an  die  Lektüre  gehen?  Die  Verlagsbuchhandlung  weiss 
hoffentlich  nicht,  welche  Gewalt  und  Schmach  zugleich  sie  damit 
dem  Buche  Weressajews  antut,  aber  es  zeigt  dieser  Pro¬ 
spekt,  zu  welcher  Sorte  von  Aufklärung  dasselbe  sich  miss¬ 
brauchen  lässt  und  welcher  Mitarbeit  für  unseren  Stand  wir 
uns  von  der  Laienwelt  zu  versehen  haben. 

Wir  schliessen  mit  einem  Vergleich.  In  gewissem  Sinn  tritt 
W.  als  Arzt  unseres  leidenden  ärztlichen  Standes  und  der  Medizin 
auf,  gewiss  mit  den  besten  Absichten.  Aber  im  Grunde  er¬ 
innert  er  uns  sehr  oft  an  den  Professor  seines  Buches,  der  seine 
Patientin  bis  aufs  Hemd  auszieht,  dann  schonungslos  vor  den 
Zuschauern  untersucht,  um  dann  festzustellen,  dass  er  ihr  nicht 
helfen  könne.  W.  macht  es  unserer  Medizin  nicht  viel  besser. 
Und  das  alte  primum  non  nocere  hat  er  in  den  Wind  geschlagen. 

L.  Külz:  Antwort  auf  die  Beichten  des  Arztes  Weres- 

s  a  j  e  w.  (36  S.)  Leipzig,  Verlag  von  August  Hoffman  n. 

In  den  meisten  Punkten  mit  uns  auf  demselben  Boden  stehend, 
ist  die  Kritik  K.s  fast  ausschliesslich  ablehnend.  In  Form  eines 
belehrenden,  an  W.  persönlich  gerichteten  offenen  Briefes  ver¬ 
wahrt  er  sich  dagegen,  dass  der  ärztliche  Stand  sich  etwa  mit 
jenen  Bekenntnissen  zu  identifizieren  hätte;  dieselben  seien 
vielmehr  der  Ausdruck  einer  neurasthenisch-pessimistischcn  Auf¬ 
fassung  bei  einem  Manne,  der  mehr  oder  minder  in  seiner  Be¬ 
rufswahl  sich  vergriffen  habe.  Es  sei  verkehrt  und  unrecht,  die 
Verfehlungen  einzelner  dem  ganzen  Stande,  die  Unvollkommen¬ 
heiten  des  Könnens  und  Wissens  und  die  in  den  sozialen  Ver¬ 
hältnissen  liegenden  Hindernisse  der  medizinischen  Wissen¬ 
schaft  als  solchen  zur  Last  zu  legen.  Speziell  auch  mit  Bezug 
auf  deutsche  Verhältnisse  fällt  es  dem  Verf.  nicht  schwer,  durch 
Beispiele  des  täglichen  ärztlichen  Lebens  die  Schroffheiten  und 
Einseitigkeiten  Weressajews  auf  das  Tatsächliche  zurück¬ 
zuführen.  Den  Zukunftsgedanken  über  medizinische  Anthropo¬ 
logie  und  „Anthropotechnik“  kann  K.  so  wenig  wie  wir  einen 
Geschmack  abgewinnen.  Dr.  B  e  r  g  e  a  t. 


Neueste  Journalliteratur. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  64.  Band,  4.  Heft. 
Juni  1902.  Leipz:g,  Vogel. 

20)  K  r  o  g  i  u  s  -  Helsingfors:  Ueber  die  primären  Sarkome 
des  Sinus  frontalis. 

Die  Geschwulst  betraf  einen  29  jährigen  Patienten  und  be¬ 
stand  über  5  Jahre.  Die  Operation  brachte  glatte  Heilung.  Mikro¬ 
skopisch  erwies  sicli  der  Tumor  als  ein  Spindelzellensarkom, 
welches  die  knöcherne  Stirnwand  allenthalben  durchwachsen  hatte. 
Das  Knochengewebe  war  dadurch  in  immer  kleinere  Stücke  zer¬ 
sprengt.  Verfasser  hat  den  Schnitt  zur  Operation  längs  der  Haar- 
grenze  geführt  und  glaubt,  denselben  behufs  Vermeidung  einer 
Entstellung  empfehlen  zu  können. 

Aus  der  Literatur  sind  bisher  noch  7  Fälle  bekannt  geworden. 

21)  Schmieden:  Hygroma  colli  cysticum  congenitum. 
(Chirurgische  Klinik  Bonn.) 

Der  beschriebene  Tumor  betraf  die  linke  Submaxillargegend 
eines  13  jährigen  Mädchens,  dem  schon  im  ersten  Lebensjahre 
eine  Geschwulst  entfernt  worden  war.  Die  Geschwulst  bestand 
aus  vielen  grösseren  und  kleineren  Cysten,  die  zum  Teil  Blut,  zum 
Teil  gelbliche  Flüssigkeit  enthielten.  Die  Geschwulst  zeigte  mit 
dem  umgebenden  Gewebe  sehr  feste'  Verbindungen,  besonders  auch 
mit  der  Parotis. 

Verfasser  rechnet  den  Fall  zu  den  cystischen  Lymphangiomen. 
Ihr  Hauptbestandteil  sind  Bindegewebszüge  von  sehr  wechselnder 
Breite  und  unregelmässiger  Form,  in  welcher  dieCysten  eingestreut 
liegen.  Die  letzteren  sind  mit  Epithel  ausgekleidet.  Zwischen  die 
Parotisläppchen  ist  die  Drüse  derart  eingedrungen,  dass  sie  den 
Drüsenkörper  in  zahllose  kleinste  Läppchen  zerrissen  hat.  Häufig 
fanden  sich  Kommunikationen  einiger  Cysten  mit  Venen,  die  wohl 
als  sekundär  entstanden  aufgefasst  wrerden  müssen.  Weiter  ent¬ 
hielt  die  Geschwulst  viel  glatte  Muskulatur  und  zahllose  An¬ 
häufungen  lymphadenoiden  Gewebes. 

22)  Wolter- Köln:  Ueber  Myositis  ossificans  traumatica 
mit  Bildung  von  Lymphcysten. 

W.  beschreibt  sehr  genau  2  Fälle  von  ossifizierender  Myositis 
im  Quadriceps  femoris,  die  sich  innerhalb  einiger  Wochen  nach 
einem  Trauma  ausgebildet  hatte.  Das  Merkwürdigste  in  beiden 
Fällen  bestand  darin,  dass  sich  in  der  ossifizierenden  Muskel¬ 
geschwulst  eine  Cystenbildung  zeigte  von  8: 3:1%  und  von 
7:5:2  cm  Durchmesser  mit  klarem,  bernsteingelben  Inhalt  von 
synoviaähnlicher  Beschaffenheit,  der  im  2.  Falle  etwas  Blut  bei¬ 
gemischt  enthielt.  Verfasser  führt  aus,  dass  diese  Cysten  als 
Lymphcysten  auf  traumatischer  Basis  anzusehen  seien. 

Betreffs  des  Ausgangspunktes  der  Ossifikationsvorgänge 
glaubt  Verfasser  auf  Grund  seiner  Präparate,  dass  sowohl  Periost 
Avie  intermuskuläres  Bindegewebe  sich  je  nach  der  ihnen  inne- 
Avohnenden  Intensität  aktiv  daran  beteiligen.  Es  gibt  Fälle,  avo 
nur  das  Bindegewebe  und  der  Knochen  überhaupt  nicht  beteiligt 
ist;  das  Trauma  Avar  kein  sehr  intensives.  Erst  bei  starkem 
Trauma  wird  das  Periost  in  Mitleidenschaft  gezogen. 

23)  N  ö  s  s  k  e:  Untersuchungen  über  die  als  Parasiten  ge¬ 
deuteten  Zelleinschlüsse  im  Karzinom.  (Pathologisches  Institut 
Leipzig.) 

Die  wesentlichen  Ergebnisse  von  des  Verfassers  Unter¬ 
suchungen  wurden  schon  auf  dem  diesjährigen  Chirurgenkongresse 
vorgetragen  (s.  das  entspr.  Referat).  Bei  der  Bedeutung,  die  der 
unter  Marchands  Leitung  ausgeführten  Arbeit  des  Verfassers 
ZAveifellos  zuzuerkennen  ist,  soll  doch  aber  auch  hier  kurz  darauf 
eingegangen  Averden. 

Nach  einer  literarischen  Uebersicht  über  die  bisher  als  Kar¬ 
zinomparasiten  beschriebenen  Gebilde,  berichtet  Verfasser  über 
seine  eigenen  Untersuchungen,  die  zunächst  eine  Nachprüfung  der 
von  P  1  i  m  in  e  r  erhobenen  Befunde  zum  ZAveck  hatten.  1’  1  i  m  - 
mer  hat  bei  der  Untersuchung  A’on  1278  (!)  Karzinomen  1130  mal 
die  A’on  ihm  als  Parasiten  gedeuteten  Gebilde  gefunden:  runde 
Körper  mit  sog.  Kern  und  einer  Kapsel.  N  ö  sske  untersuchte 
87  Karzinome  und  10  nicht  karzinomatöse  Tumoren,  meistens 
Sarkome.  Die  P 1  i  m  m  e  r  sehen  Körperchen  fehlten  völlig  in  den 
Karzinomen  der  Haut  und  der  mit  Plattenepithel  überdeckten 
Schleimhäute  (Lippe,  Zunge,  Pharynx,  Oesophagus,  Vagina,  Portio, 
Anus).  Regelmässig  fanden  sich  die  Körperchen  in  den  Karzi¬ 
nomen  der  Mamma.  Aehnliche  Befunde  hat  auch  Gaylord  bei 
einer  Nachprüfung  der  Pli  mm  ersehen  Angaben  erhoben. 

Bezüglich  der  Bedeutung  der  Flimmer  sehen  Körperchen 
kommt  N.  zu  dem  Schluss,  dass  dieselben  nichts  Aveiter  als  be¬ 
stimmt  charakterisierte,  mit  einer  gerinnungsfähigen,  nach  Kon¬ 
zentration  und  Quantität  sehr  wechselnden  Substanz  erfüllte, 
hauptsächlich  im  Protoplasma  von  Drüsenkarzinomzellen  sich 
findende,  gelegentlich  aber  auch  in  wuchernden  Drüsenzellen  gut¬ 
artiger  GeschAvülste  und  bei  entzündlichen  Prozessen  vorkommende 
Vakuolen  darstellen. 

Zum  Schluss  führt  N.  aus,  dass  auch  den  von  a\  Leyden 
und  Feinberg  beschriebenen  Gebilden  irgend  Avelche  Bedeutung 
nicht  zukommt.  Krecke. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  15.  Bd. 
5.  Heft. 

1)  W  a  g  n  e  r  -  Karlsruhe:  Ueber  die  Therapie  bei  Gravidität, 
kompliziert  durch  Karzinom  des  Uterus. 

Vaginale  Totalexstirpation  eines  im  5.  Monat  schAvangeren 
Uterus  mit  Portiokarzinom.  Operation  leicht,  ohne  vorherige  Ver- 


1470 


No.  35. 


MUEN CHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


kleinerung  (los  Uterus  durch  Entleerung  des  Fruchtwassers. 
10  Monate  post  oper.  ausgedehntes  Rezidiv.  Verfasser  rät  in  allen 
Fällen,  in  denen  Schwangerschaft  durch  Karzinom  kompliziert 
ist,  den  vaginalen  Operationsweg  durch  Entleerung  und  Ent¬ 
fernung  der  Gebärmutter  zu  wählen.  Im  I. — IV.  Monat  erfordert 
die  Totalexstirpation  keine  Entleerung  der  Uterushöhle,  im  V. — VI. 
Monat  kann  die  Verkleinerung  durch  Ablassen  des  Fruchtwassers 
nötig  werden.  Bei  lebensfähigem  Kind  ist  dem  vaginalen  Kaiser¬ 
schnitt  der  Vorzug  zu  geben,  wenn  nicht  besondere  Indikationen 
den  abdominalen  Weg  vorschreiben. 

2)  IC.  I*.  Ulesko-Stroganowa-St.  Petersburg:  Die 
anatomischen  Veränderungen  des  Eibettes  bei  der  extrauterinen, 
interstitiellen  Schwangerschaft. 

Haselnussgrosse  Vorwölbung  der  Uteruswand  in  der  Nähe 
des  Ursprungs  des  rechten  Ligam.  rotundum  mit  einer  erbsen¬ 
grossen  Oeffnung.  in  der  sich  ein  dreiwöchentliches  Ei  vorwölbte. 
Untersuchung  und  Beschreibung  des  keilförmig  exzidierten  inter¬ 
stitiellen  Eibettes. 

3)  M.  Hoenigsberg-AVien:  Ein  Fall  von  angeborener 
Missbildung  des  Urogenitaltraktes. 

Das  Präparat  stammt  von  einem  18  jährigen  Mädchen.  Uterus 
unicornis  dexter,  Mangel  der  linken  Niere,  der  linken  Nebenniere 
und  des  Ureters.  An  Stelle  der  linken  Tube  rudimentäres  Horn. 
Das  linke  Ovarium  liegt  im  grossen  Becken  an  der  Linea  ter- 
minalis;  der  Hilus  ovarii  ist  mit  dem  Mesokolon  der  Flexur  durch 
zwei  straffe  Bauchfellfalten  verbunden.  Paraovariuin  fehlt.  Be¬ 
merkenswerte  Abweichungen  zeigt  die  Gefäss  Versorgung  der 
linken  Seite,  besonders  des  Ovarium s,  das  in  atypischer  AVeise 
vou  zwei  Arterien  versorgt  wird.  Der  Ursprung  der  Arteria 
ovarica  entspricht  dem  Anschein  nach  der  Arteria  renalis,  die  im 
weiteren  Verlauf  verkümmert  ist.  Das  Endstück  der  Art.  ovarica 
geht  zum  Hilus  ovarii.  Daneben  geht  eine  gleichstarke  Arterie 
ins  Ovarium,  die  aus  der  Art.  epigastrica  inferior  ihren  Ursprung 
nimmt. 

4)  E.  H  e  r  m  a  n  n  -  Prag:  Ein  Beitrag  zur  Stellungsfrage 
des  Adenoma  malignum  in  der  Onkologie. 

40jälirige  Frau.  Seit  4  Jahren  starker  schleimiger  Ausfl-uss. 
Blutung.  An  Stelle  der  Portio  apfelgrosser,  derber,  höckeriger, 
exulzerierter.  leicht  blutender  Tumor,  der  auf  die  Scheide  über¬ 
greift.  Parametrien  stark  infiltriert.  Patientin  wurde  im  Ver- 
laufe  von  21/,  Jahren  wiederholt  exkochleiert  und  kauterisiert. 
Jetzt  Befund  derart,  dass  die  infiltrierte  Scheide  in  einen  tiefen, 
leicht  blutenden  Krater  übergeht.  Allgemeinbefinden  der  Patientin 
gut.  Starker  zähschleimiger  Abfluss  mit  dem  Charakter  des  reinen 
Zervixschleimes. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  öfter  exzidierter  Stückchen 
ergab  in  einem  fast  rein  bindegewebigen  Grundstock  langgestreckte 
und  gewundene  Drüsen,  Drüsen  mit  evertierendem  und  inver¬ 
tierendem  AVucherungstypus,  alle  durch  schmälere  und  breitere 
Bindegewebssepte  geschieden  und  durchwegs  mit  einschichtigem, 
scharf  charakterisiertem  Zylinderepithel  ausgekleidet. 

Verfasser  hält  für  diese  Geschwulst,  die  klinisch  maligne, 
histologisch  gutartig  ist,  bei  der  bis  dahin  jede  Anaplasie  fehlt, 
die  Bezeichnung  Adenoma  malignum  für  gerechtfertigt.  Seinem 
bisherigen  Verlauf  nach  spricht  der  Fall  für  die  Existenzberechti¬ 
gung  derartiger  Geschwülste  als  eigene  Geschwulstspezies. 

5)  A.  H  e  n  g  g  e  -  Greifswald:  Beobachtungen  von  gutartiger 
Mehrschichtung  des  Epithels  im  Corpus  uteri. 

Beschreibung  einer  Oberflächenepithelwucherung  mit  stelleu- 
weiser  Wucherung  des  Drüsenepithels  des  Corpus  uteri  bei  einer 
Frau  von  44  und  einer  Frau  von  49  Jahren.  Charakter  der  Wuche¬ 
rung  gutartig.  Ursache  unbekannt.  Einzelheiten  über  diese  bis 
jetzt  noch  nicht  beschriebene  Epithelveränderung  sind  im  Original 
nachzulesen. 

(»)  Neek  und  N  a  u  w  e  r  k  -  Chemnitz:  Zur  Kenntnis  der 
Dermoidcysten  des  Ovariums. 

In  einer  kindskopfgrossen  Ovarialeyste  fanden  sich  vier  von 
einander  getrennt  liegende  Dermoide,  zwei  von  der  Grösse  einer 
Bohne,  zwei  walnussgross.  Die  Ergebnisse  der  Untersuchung 
dieser  Dermoide  können  in  kurzem  Referat  nur  zum  Teil  angeführt 
werden.  Zwei  Cysten  zeigen  Abweichungen  von  den  AAr  i  1  in  s  - 
sehen  Befunden.  Sie  setzen  sich  lediglich  aus  Bestandteilen 
zweier  Keimblätter,  des  Ektoderm  und  Mesoderm,  zusammen, 
während  Bestandteile  des  inneren  Keimblattes  auf  allen  Serien¬ 
schnitten  fehlten.  Ebenso  fehlen  in  einer  dieser  Cysten  die  von 
AV  i  1  m  s  auf  der  Innenseite  der  Eierstockdermoide  stets  ge¬ 
fundenen  Vorsprünge.  Der  Bau  dieser  Cyste,  die  eine  reine 
Dermoidcyste  nur  mit  dem  Bau  der  äusseren  Haut  und  ihrer 
Anhänge  darstellt,  sowie  die  Untersuchung  der  Wandbesehaffen- 
liei't  beliebig  gewählter  Dermoide  lassen  einen  Zusammenhang  mit 
Follikeln  sehr  unwahrscheinlich  erscheinen  und  sprechen  mehr  für 
die  selbständige  Bildung  von  Dermoidcysten  des  Ovariums  ohne 
genetische  Beziehung  zu  den  Follikeln. 

AV  e  i  n  b  r  e  n  n  e  r  -  Erlangen. 


Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten.  35.  Bd., 

3.  Heft.  1902. 

Hitzig-  Halle:  Alte  und  neue  Untersuchungen  über  das 
Gehirn.  III.  (Mit  Abbildungen.) 

Eine  Reihe  von  A'ersuelien  einfacher  Freilegung  der  Pia  an 
verschiedenen  Regionen  des  Hundegehirns  hat  ergeh, n,  dass  dieser 
Eingriff  Krankheitserscheinungen  zur  Folge  hat.  die  sich  nur 
quantitativ,  aber  nicht  qualitativ  von  den  Folgen  lokalisierter  Ex 


stirpationen  oder  anderer  Eingriffe  an  den  entsprechenden  Gehirn¬ 
regionen  unterscheiden.  Die  A’ersuclie  haben  ferner  erwiesen, 
dass  auch  von  anderen  Regionen  als  von  der  Sehsphäre  M  u  n  k  s, 
nämlich  auch  vom  Gyrus  sigmoides  aus  Seli  Störungen  her¬ 
vorgebracht  werden  können  und  zwar  bei  strengem  Ausschluss 
aller  durch  AVundinfektion  oder  Nebenverletzungen  bedingten  Ver- 
suclisfehler. 

F.  Queu  sei  -Leipzig:  Zur  Kenntnis  der  psychischen  Er¬ 
krankungen  durch  Bleivergiftung.  (Mit  zwei  Tafeln.) 

In  ausführlicher  Besprechung  der  klinischen  und  anatomischen 
Zeichen  der  E  n  c  e  p  li  a  lopathia  s  a  t.  urni  n  a  teilt  der  Ver¬ 
fasser  mehrere  eigene  Krankengeschichten  und  einen  auch  mikro¬ 
skopisch  in  allen  Einzelheiten  sorgfältig  festgestellten  Sektious- 
befund  mit. 

AV.  Spiel  m  ey  er-  Halle:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der 

Enkephalitis.  (Mit  einer  Tafel.) 

Die  Mitteilung  betrifft  einen  anatomisch  untersuchten  Fall, 
in  dem  es  sich  nach  den  Darlegungen  des  A^erfassers  um  einen  in 
Schüben  verlaufenden  nichteitri  g  e  n  enkeplial  irischen  Pro¬ 
zess  handelte,  der  disseminierte,  mikroskopisch  kleine  bis  hirse¬ 
korngrosse  Herde,  vornehmlich  im  Marklager  des  Gross-  und  Klein¬ 
hirns  erzeugte  und  sich  klinisch  in  einigemale  wiederholten  epi- 
leptiformen  Anfällen,  zum  Schluss  unter  dem  Bilde  des  senilen 
Blödsinns,  äusserte. 

AL  Probst-AVien:  Zur  Anatomie  und  Physiologie  des 
Kleinhirns.  (NI it  drei  Tafeln.) 

Um  die  Funktionen  des  Kleinhirns  und  seine  Beziehungen  zu 
anderen  Teilen  des  Zentralnervensystems  klarzulegen,  hat  P.  viel¬ 
fache  Exstirpations-  und  Durchschneidungsversuche  an  Hunden 
und  Katzen  gemacht.  Nach  den  Ergebnissen  dieser  Experimente 
steht  das  Kleinhirn,  indem  es  von  der  Peripherie  her  auf  mannig¬ 
fachen  Bahnen  sensible  Eindrücke  empfängt  und  diese  auf  den 
motorischen  Apparat  in  gewissem  Sinne  überträgt,  dem  geordneten 
Spiel  der  willkürlichen  Alnskeln  in  Dienste  der  Körperhaltung  wie 
der  gewollten,  der  anatomischen  und  der  reflektorischen  Bewegung 
als  Regulator  vor.  Störungen  im  Kleinhirn  oder  seinen  zu- 
bezw.  ableitenden  Bahnen  bewirken  eine  Ordnungsstörung  in  der 
Aluskeltätigkeit,  das  Bild  der  zerebralen  Ataxie. 

G.  Al  ex  an  der- Wien:  Zur  Klinik  und  pathologischen 
Anatomie  der  sogen.  ,, rheumatischen“  Fazialislähmung.  (Alit 
einer  Tafel  und  zwei  Zinkographien.) 

Ein  56  jähriger  Mann  starb  infolge  verjauchten  Speiseröhren¬ 
krebses  26  Tage  nachdem,  angeblich  durch  Zugluft  auf  einer  Bahn¬ 
fahrt,  vollkommene  linksseitige  „rheumatische“  Fazialislähmung 
plötzlich  bei  ihm  aufgetreten  war.  Der  anatomische  Befund  ergab 
(üne  degenerative  Entzündung  des  Nervus  fazialis  und  des  Ganglion 
geniculi,  wobei  die  rein  degenerativen  Veränderungen  (Zerfall  der 
Achsenzylinder  und  Markscheiden)  den  ganzen  Nervenstamm  peri¬ 
pher  vom  äusseren  Knie,  die  peripheren  Aeste,  sowie  das  Ganglion 
geniculi  betrafen,  während  die  entzündlichen  Veränderungen 
(kleinzellige  Infiltration)  sich  auf  das  Knieganglion  und  den  im 
Fazialiskanal  verlaufenden  Abschnitt  des  Gesichtsnerven  be¬ 
schränktem.  Im  knöchernen  Iv  a  n  a  1  selbst  bestanden  keinerlei 
Eutzündungserschieiinungen  oder  sonstige  pathologische  Verände¬ 
rungen.  Bakterien  konnten  nicht  als  Krankheitserreger  nach¬ 
gewiesen  werden. 

St.  Kekule  v.  Stradonitz:  Ueber  die  Untersuchung  von 
Vererbungsfragen  und  die  Degeneration  der  spanischen  Habs¬ 
burger. 

Zur  Beurteilung  der  „erblichen  Belastung“  einer  Person  ist 
die  Aufstellung  von  Ahnentafeln  der  Benützung  von  Stamm¬ 
bäumen  vorzuziehen,  d.  h.  es  sollen  alle  Personen,  möglichst 
viele  Generationen  hinauf,  von  denen  die  in  Frage  kommende  ab¬ 
stammt,  untersucht  und  dabei  noch  möglichst  viele  Geschwister 
der  zu  berücksichtigenden  Ahnen  in  Betracht  gezogen  werden. 
Das  Beispiel  der  spanischen  Habsburger  zeigt,  dass  selbst  bei  den 
regierenden  Familien,  deren  Ahnentafeln  sich  hinsichtlich  der  Per¬ 
sönlichkeiten  am  weitesten  zurückverfolgen  lassen,  das  Material 
bezüglich  der  Eigenschaften  historisch  weniger  hervorstechender 
Familienglieder  noch  vielfach  sachverständiger  Ergänzung  bezw. 
Erschliessung,  bedarf. 

K  i  r  c  h  h  off-  Neustadt  in  Holstein: 
trum  im  medialen  Kern  des  Sehhügels. 

Im  Anschluss  an  einen  Fall  linksseitiger  Parese  der  unteren 
Gesichtsmuskulatur,  die  bei  unwillkürlichem  Minenspiel, 
z.  B.  Lachen  im  Affekt,  sehr  deutlich  hervortrat,  bei  stärker  aus¬ 
geführter  will  k  ii  r  1  i  c  li  e  r  Mimik  dagegen  vollständig  ver¬ 
schwand,  mit  dem  anatomischen  Befund  eines  Eiweich u ngsherd es 
im  rechten  Sehhügel,  der  den  ganzen  medialen  Kern  zerstört  hatte, 
bespricht  der  Verfasser  analoge  Alitteilungen  aus  der  Literatur 
und  neigt  zu  der  Annahme  eines  mimischen  Zentrums  im  Thala¬ 
mus,  welches  in  dessen  mittlerem  Drittel  der  oberen  Arentrikel- 
oberfläche  zugekehrt  liegt,  d.  h.  in  der  Gegend  des  medialen  Kerns. 

L.  Kaplan-  Herzberge-Berlin:  Nervenfärbungen  (Neuro¬ 
keratin,  Markscheide,  Achsenzylinder).  Ein  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  des  Nervensystems.  (Alit  einer  Tafel.) 

Es  ist  dem  Verfasser  gelungen,  in  der  Färbung  mit  Säure¬ 
fuchsin  und  Differenzierung  nach  P  a  1  in  Müller  scher  Flüssig¬ 
keit  vorbehandelter  Präparate  des  Nervensystems  eine  elektive 
Darstellungsmethode  für  das  Neurokeratingerüst  zu  finden  und  mit 
dessen  Hilfe  die  Struktur  und  Verteilung  des  Ewald-Kühne- 
sclien  N  euro  k  e  r  a  t  i  n  s  zu  studieren.  Färbung  mit  A  n  t  h  r  a  - 
ceneisengallustinte  ergab  bei  sonst  gleich  behandelten 


Ein  mimisches  Zen- 


2.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1471 


Präparaten  eine  elektive  Tinktion  der  A  c  li  s  e  n  z  y  1  i  n  d  e  r  oder 
vielmehr  der  perifibrillären  Achsenzylinderkittsubstanz  und  noc  h 
eines  Bestandteils  der  Markscheide,  nämlich  der  Zwischentrichter¬ 
kittsubstanz  an  den  Einkerbungen  und  Schnörringen.  Die  Färbun»- 
zeigte  aber  nur  die  Achsenzylinder  der  markhaltigen  Nervenfasern”; 
die  perifibrilläre  Substanz  der  Ganglienzellen,  im  transmedullären 
Grau  bezw.  in  marklosen  Fasern  blieb  ungefärbt.  Daher  ergab 
sich  die  Folgerung,  dass  die  Axoplasmasubstanz  im  markhaltigen 
Teil  der  Nervenfaser  zu  einer  ganz  besonderen,  in  nahen  Be¬ 
ziehungen  zur  Markscheide  stehenden  Substanz  differenziert  ist. 
die  der  1  erfasser  Myelo-axostro  m  a  nennt.  Dieses  Axo- 
stroma  entwickelt  sich  gleichzeitig  mit  der  Markscheide  und  geht 
mit  ihi  zu  Giun.de.  Aus  den  mit  der  neuen  Färbung  gewonnenen 
Befunden  und  aus  der  neueren  Literatur  über  dies  vielumstrittene 
Gebiet  seid i esst  der  \  erfasser,  dass  der  Achsenzylinder  nicht  ein 
in  die  Länge  ausgewachsener  Teil  einer  Ganglienzelle  sei,  sondern 
ein  zusammengesetztes  Entwicklungsprodukt  jenes  G  e  ’w  e  b  e  s. 
welches  als  Nervenfaser  an  den  Achsenzylinderfortsatz  der  Gan¬ 
glienzelle  sich  anscliliesst.  Dennoch  wird  die  Lehre  vom  Neuron 
in  der  Form  erhalten,  dass  die  Nervenfaser  mit  der  angeschlossenen 
(Janglienzelle  eine  Betriebseinheit,  gewissermassen  eine  soziale 
Einheit  darstelle,  nachdem  wenigstens  beim  Erwachsenen  die  in 
der  Faser  repräsentierte  Gesamtheit  von  Zellen  ihre  funktionelle 
und  ökonomische  Selbständigkeit  im  Laufe  der  Entwicklung  voll¬ 
ständig  eingebüsst  habe. 

A.  Boetti  ge  r- Hamburg:  Erwiderung  auf  die  „sachlichen 
Bemerkungen  etc.“  des  Herrn  Prof.  Krause. 

S.  A  u  e  r  b  a  c  h  -  Frankfurt  a.  M. :  Nachtrag  zu  dem  Artikel 
über  myasthenische  Paralyse.  (Im  2.  Heft  dieses  Bandes,  vergl. 
lief,  in  No.  14  dieser  Woohensclir.) 

Die  Kranke  ist  im  Februar  dieses  .Jahres  an  Itespirations- 
hilimung  gestorben.  Obduktion  wurde  nicht  vorgenommen. 

Ij.  M  inor-  Moskau:  Nachruf  auf  Prof.  A.  Koschewni- 
k  0  f  Ja  m  i  n  -  Erlangen. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  21.  Bd.  5  u 
6.  Heft.  1902. 

II.  Stark:  Die  psychogene  Pseudomeningitis.  (Aus  der 
medizinischen  Klinik  in  Heidelberg.) 

Beschreibung  eines  Patienten,  der  das  ausgesprochene  Krank¬ 
heitsbild  von  Meningitis  cerebrospinalis  bot.  Der  Kranke  war 
schon  in  verschiedenen  (14)  anderen  Krankenhäusern,  wo  die  Dia¬ 
gnose  auf  Hydroceplialus  acutus,  Cerebrospinalmeningitis  chro¬ 
nica,  Tetanus  traumaticus  gestellt  wurde.  Es  handelte  sich  aber 
lediglich  um  ein  psychisch  abnormes  Individuum,  das  teils  durch 
wissentlichen  Betrug,  teils  auf  „unbeabsichtigtem  psychogenen 
M  ege  im  stände  war,  eine  organische  Krankheit  vorzutäuschen, 
die  so  getreu  imitiert  war,  dass  ihre  wahre  Natur  ärztlicher  Be¬ 
obachtung  meist  entging.  Während  seiner  langen  Spitalpraxis  hat 
der  betreffende  Patient  wohl  einen  oder  mehrere  Fälle  von  Menin¬ 
gitis  gesehen,  die  sich  seiner  Psyche  so  lebhaft  einzuprägen  ver¬ 
mochten,  dass  eine  „Reproduktion  auf  psychogenem  Wege  gelegent¬ 
lich  zum  Vorschein  kam“. 

Rolly:  Ueber  periependymäre  Wucherung,  Kanalbildung 
und  abnorme  Entwicklungsvorgänge  am  kindlichen  Rücken¬ 
mark.  (Aus  der  Heidelberger  Kinderklinik.) 

Auf  Grund  mikroskopischer  Forschungen  kommt  R.  zu  dar 
I  ebei zeugung,  dass  sämtliche  um  den  Zentralkanal  herumliegende 
Zellen  direkt  aus  der  V  and  des  Zentralkanals  hervorgegangen 
also  Ependymzellen  sind,  und  dass  diese  Zellen  in  Gebilde 
übergehen  können,  die  sich  in  nichts  mehr  von  den  Glia- 
zellen  unterscheiden.  Entwicklungsanomalien,  wie  Offenbleiben 
<lcs  Zentralkanals,  W  ucherung  der  Zellen  desselben  zu  Strängen, 
Zellnestern,  sekundären  Kanälen  finden  sich  verhältnismässig 
häufig  und  sind  dann  oft  auch  mit  diffuser  Wucherung  der  Glia 
verbunden. 

JV.  Strohmayer  - Jena:  Zur  Kritik  der  „subkortikalen“ 
sensorischen  Aphasie. 

Verfasser  war  in  der  Lage,  einen  reinen  Fall  von  sensorischer, 
nach  L  i  c  h  t  h  e  i  m  „subkortikaler“  Aphasie  zu  beobachten.  Bei 
einem  Kranken,  der  an  ausgesprochener  Hirnlues  litt,  war  die  will¬ 
kürliche  Sprache  und  Schrift  ebenso  wie  das  Schriftverständnis 
erhalten;  trotz  intaktem  Hörvermögen  war  dagegen  das  Sprach¬ 
verständnis,  das  Diktatschreiben  und  das  Nachsprechen  aufge¬ 
hoben. 

.  üer  Leichenöffnung  fand  sich  ein  kleiner  Erweichungsherd 

im  linken  Thalamus  opticus,  in  den  Schläfenlappen  konnte  aber 
keine  makroskopische  Erkrankung  nachgewiesen  werden.  Da¬ 
gegen  zeigten  sich  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  in  den 
lemporalwindungen,  dort,  wo  die  Endstationen  des  Schnecken¬ 
nerven  zu  suchen  sind,  schwere  Veränderungen  an  den  Ganglien¬ 
zellen,  auch  in  den  Meningen  waren  dort  die  Zeichen  frischerer 
luetischer  Entzündung  nachzuweisen.  Verfasser  ist  gegen  die 
1  uferscheidung  von  Zentrums-  und  Leitungs-(„subkortikaler“) 
Aphasie;  eine  solche  konnte  durch  Sektionen  bisher  noch  nicht  ge¬ 
nügend  begründet  werden.  Er  macht  den  verständigen  Vorschlag, 
(he  bisherige  Nomenklatur  dieses  klinischen  Bildes  aufzugeben 
und  durch  die  anatomisch  nichts  präjudizierende  Bezeichnung 
„reine  Worttaubheit“  zu  ersetzen. 

■r  ’ 11  •s:.a  z  z  i  n  i:  Klinische  und  pathologisch-anatomische 
eitrage  über  Aphasien.  (Aus  dem  pathologisch-anatomischen 
Laboratorium  der  Irrenanstalt  in  Rom.) 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 


Sarkomatose 


N  o  n  n  e  -  Hamburg-Eppendorf:  Ueber  diffuse 
der  Pia  mater  des  ganzen  Zentralnervensystems. 

Die  Neubildung  stellte  sich  in  diesem  Falle  als  eine  gleicli- 
mässige  Infiltration  der  Leptomeningen  des  Hirns  und  Rücken¬ 
markes  dar,  welche  teilweise  auf  das  benachbarte  nervöse  Ge- 
webe  übergewuchert  war.  Es  gelang  nicht,  irgend  eine  Stelle'  als 
pi  imäre  anzusprechen;  die  sarkomatose  Zellinfiltration  war  aller¬ 
orts  gleiclnnässig  entwickelt,  sie  nahm  ihren  Ausgang  von  den 
Endothelien  der  die  Gelasse1  umgebenden  Lymphsücke,  also  den 
sogen.  Perithelien.  In  der  Zartheit  der  sarkomatösen  Durch¬ 
wucherung  der  weichen  Häute  soll  dieser  Fall  einzig  dastelien. 
Makroskopisch  konnte  kaum  etwas  krankes  am  Gehirn  und 
Rückenmark  gefunden  werden,  erst  die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  legte  die  Verhältnisse  klar  und  machte  die  klinischen 
Erscheinungen  verständlich;  die  Neubildung  senkte  sich  mit  den 
Gelassen  der  Pia  in  die  Spalten  des  Zentralnervensystems  ein. 
Der  anatomische  Befund  hat  manche  Aelinlichkeit  mit  dem  Auf¬ 
treten  der  Syphilis  an  Gehirn-  und  Rückenmarkshäuten. 


Theodor  Zahn:  Zur  Kenntnis  der  vererbten  Rückenmarks¬ 
ki  ankheiten  und  der  Degeneration  der  Vorderseitenstrangreste. 
(Aus  der  psychiatrischen  Klinik  in  Würzburg.) 

Aus  dieser  eingehenden  Mitteilung  ist  wieder  zu  ersehen, 
welch  wechselvolles  Bild  die  hereditären  Rückenmarksdegenera- 
tionen  bieten,  und  dass  es  oft  nicht  möglich  ist,  eine  solche  einer 
der  bisher  bekannten,  typischen  Form  zuzuteilen. 

F  inkelnbur  g:  Beitrag  zur  Symptomatologie  und  Dia¬ 
gnostik  der  Gehirntumoren  und  des  chronischen  Hydrokephalus. 

Aus  dem  ungemein  reichen  neurologischen  Material  der  Bonner 
medizinischen  Klinik  werden  hier  die  ungeschminkten  und  dadurch 
sehr  lehrreichen  Erfahrungen  über  die  Diagnose  und  die  Lokali¬ 
sation  von  Gehirnerkrankungen  und  über  das  Resultat  der  opera¬ 
tiven  Eingriffe  mitgeteilt.  L.  R.  Müller-  Erlangen 


Archiv  für  Hygiene.  44.  Bd.  1.  Heft.  1902. 

1)  M.  Wilde-  München:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Alexin¬ 
wirkung  durch  Absorption. 

Der  ausführlichen  Arbeit  sind  folgende  Schlussätze  zu  ent¬ 
nehmen: 

Die  bakterizide  und  hämolytische  Wirkung  der  Alexine  von 
Rinder-,  Hunde1-  und  Kaninchenserum  kann  durch  Kontakt  mit 
lebenden  und  besonders  abgetöteten  Bakterien,  Hefezellen,  roten 
Blutkörperchen  und  zertrümmerten  Organzellen,  durch  unlösliche 
Eiweisstoffe  (Aleuronat)  A7ollständig  beseitigt  werden.  Die  Auf¬ 
hebung  der  aktiven  Eigenschaften  der  Sera  erfolgt  durch  Bindung 
des  Alexius  an  den  Reaktionskörper  und  beruht  auf  chemischer 
und  physikalischer  Absorption.  Von  Einfluss  ist  dabei  Menge  des 
Serums,  Zeit  und  Temperatur,  welche  miteinander  in  Verbindung 
treten.  Eine  Regeneration  des  einmal  gebundenen  Alexius  findet 
nicht  statt. 

Auch  im  Tierkörper  kann  die  Bindung  des  Alexius  eintreten, 
so  dass  Meerschweinchen  der  intraperitonealen  Infektion  einer 
an  sich  nicht  tödlichen  Dosis  von  Cholera-  und  Typhusbazillen 
erliegen,  wenn  zugleich  mit  diesem  eine  gewisse  Menge  solch’ 
absorbierenden  Materials  den  Tieren  einverleibt  wird. 

Das  Absorptionsvermögen  der  oben  genannten  Substanzen 
wird  durch  Erhitzen  auf  Siedetemperatur  nicht  aufgehoben. 

2)  F.  Krause-  Posen:  Beitrag  zur  kulturellen  Typhus¬ 
diagnose. 

Den  vielen  bereits  bekannten  Typhusnährbödan  wird  vom 
Verf.  ein  neuer  hinzugefügt.  Das  Prinzip  beruht  darauf,  dass  die 
Typhusbakterien  zu  Involutionsformen  und  Aus¬ 
läufer  b  i  1  d  u  n  g  i  n  d  e  n  Kolonien  angeregt  werden. 

Der  Nährboden  besteht  daher  aus  einem  Agar  gelatine- 
g  e  m  i  s  c  h  (1  Proz.  Agar  und  13  Proz.  Gelatine),  welches  bei 
37  0  gerade  so  weich  ist,  dass  die  Ausläufer  der  Typhuskolonie 
ungehindert  sich  ausbreiten  können.  100  ccm  des  Nährbodens 
müssen  0,3“  Proz.  Milchsäure  enthalten  und  es  muss  demselben 
ausserdem  2,5  Proz.  Harnstoff  zugesetzt  werden. 

Die  T  y  p  huskolonie  n  erhalten  dann  sowohl  in  der 
Platten,-  als  auch  in  der  Stichkultur  nach  24 — 48  Stunden  cha¬ 
rakteristische  Ausläufe  r,  während  die  Colikolo- 
n  i  e  n  durch  einen  glassplitt  er  ähnlichen  H  o  f  in  ihren 
tiefliegenden  Kolonien  besonders  hervortreten. 

R.  O.  Neum  a  n  n  -  Kiel. 


Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1902. 
40.  Bd.  3.  Heft. 

1)  Iv  o  1  b  -  München:  Die  Verbreitung  der  bösartigen  Neu¬ 
bildungen  in  Süddeutschland  und  Schlussfolgerungen  über  ihre 
Aetiologie. 

Die  Krebssterblichkeit  scheint  im  Westen  Süddeutschlands 
geringer  zu  sein  als  im  Osten.  Am  höchsten  zeigt  sie  sich  im 
ganzen  Süden  zwischen  Donau  und  Alpen  bis  zum  Wiener  Becken. 
Auch  das  hessische  Rheintal  zeigt  eine  beträchtliche  Sterblichkeit. 
Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  die  Tertia  r  f  o  r  in  a  tion  und 
das  I)  i  1  u  v  i  u  m  einen  befördernden  Einfluss  ausübte,  in  dem 
Sinne,  als  der  Wasserreichtum  der  Gegend,  die  moorigen  und 
sumpfigen  Strecken  eine  Rolle  spielen. 

Aus  den  Hausendemien  und  lokalen  Endemien  muss  auf  einen 
Parasiten  als  Krebserreger  geschlossen  werden,  frei¬ 
lich  spielen,  auch  hier  die  Disposition  und  Gelegenheit  zur  Infektion 
eine  Rolle;  auch  das  Geschlecht  ist  von  Bedeutung.  Die  italienische 
Rasse  scheint  etwas  seltener  befallen  zu  werden  als  die  ger¬ 
manische.  Krebs  und  T  u  b  e  r  k  ulo.se  üben  keinen  entschieden 


1472 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


fördernden  Einfluss  auf  einander  aus,  sie  seliliessen  sich  aller¬ 
dings  geg(  nseitig  auch  nicht  aus. 

Verf.  wünscht,  (lass  prophylaktisch  bis  zur  definitiven  Ent¬ 
scheidung  der  Aetiologie  der  Krankheit  Krebskranke  und  ihre 
Abgänge  als  ansteckungsverdächtig  behandelt  werden. 

2)  L.  P  a  u  1  -  Breslau:  Ueber  die  Bedingungen  des  Ein¬ 
dringens  der  Bakterien  der  Inspirationsluft  in  die  Lungen. 

Durch  zahlreiche  Versuche  an  Kaninchen  wurde  festgestellt, 
dass  bei  hohem  Keimgehalt  der  Luft  mit  der  Inspirationsluft  sehr 
zahlreiche  Bakterien  bis  in  die  Lungen  gelangen  und  zwar  bis  in 
die  Alveolen  und  feinsten  Bronchien.  Andrerseits  konnte  fest- 
gestellt  werden,  dass  von  dem  reichlich  bakterienhaltigen  Schleim 
des  II'  spirationstraktus  durch  Losreissen  feinster  Tröpfchen  Mikro¬ 
organismen  in  die  Lungen  gelangen  können. 

Zweifellos  ist  der  Weg  durch  die  Bronchien,  welchen  die 
Bakterien  in  die  Lunge  nehmen,  der  gewöhnlichere  als  der  durch 
die  Lymphbahnen.  Trotz  der  Aufnahme  vieler  Bakterien  in  die 
Lunge  kann  man  doch  eine  Iv  e  i  m  a  r  m  u  t  konstatieren,  welche 
ihren  Grund  in  der  schnellen  Beseitigung  der  eingedrungenen 
Keime  hat.  Die  Beseitigung  erfolgt  entweder  mittels  des  Lymph- 
stromes  oder  durch  bakterizide  Stoffe  des  schleimigen  Sekretes 
resp.  durch  Fliagocytose. 

8)  Quensel  -  Stockholm:  Untersuchungen  über  das  Vor¬ 
kommen  von  Bakterien  in  den  Lungen  und  bronchialen  Lymph- 
drüsen  gesunder  Tiere. 

Durch  diese  Arbeit  findet  die  vorhergehende  in  gewisser  Weise 
ihre  Bestätigung  und  gleichzeitig  eine  Erweiterung.  Bei  den 
Untersuchungen,  die  sich  auf  Kälber,  Schafe,  Pferde,  Binder  und 
Schweine  erstreckten,  finden  sich  in  den  Lungen  mit  Sicher¬ 
heit  Ke  i  m  e,  wenn  auch  in  geringer  Anzahl.  Auch  bei  der 
Untersuchung  von  94  L  y  m  p  h  d  r  li  s  e  n  wurden  in  28  Fällen 
Keime  nachgewiesen,  am  häufigsten  in  den  vom  Schwein  stam¬ 
menden  Proben.  Unter  den  gefundenen  Keimen  fanden  sich  patho¬ 
gene  und  nichtpathogene. 

4)  Hüne  r  mann:  Bakteriologischer  Befund  bei  einer 
Typhusepidemie. 

Die  Typhusepidemie,  welche  beim  Infanterieregiment  No.  70 
in  Saarbrücken  ausbrach,  umfasste  88  Fälle.  Bei  diesen  war  die 
Wi  dal  sehe  Probe  in  Verdünnung  1:100  nur  in  42  Proz.  der 
Fälle  positiv.  Die  weitere  Untersuchung  ergab,  dass  die  gefun¬ 
denen  Erreger  mit  dem  bekannten  Typhusbakterium  nicht  über- 
einstimmten.  Von  T  y  phus  unterschieden  sie  sich  in  Trauben¬ 
zuckerbouillon  und  in  Neutralrotagar,  sowie  durch  die  grosse 
Virulenz  gegenüber  Kaninchen,  von  B  a  c  t.  coli  durch  das  Wachs¬ 
tum  auf  Kartoffel,  Milch  und  Indolbildung.  Die  Stäbchen  ähneln 
dem  Bacillus  Bremensis  febris  gastricae,  dem 
Faratyphus  von  Schottmülle  r  und  dem  bei  der 
Itumflether  Fleischvergiftungsepidemie  gefun¬ 
denen  Bakterium. 

5)  R  a  b  i  n  o  witsch-  Berlin:  Ueber  desinfizierende  Wand¬ 
anstriche  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Tuberkulose. 

Untersucht  wurden  Amphibolinfarbe,  Hyperolin- 
färbe,  Zoncafarbe,  Emaillefarbe,  Porzellan¬ 
emaillefarbe,  P  e  f  t  o  n,  B  1  e  i  w  e  i  s  s  und  Zinkweiss¬ 
ölfarbe  und  w  e  i  s  s  e  Wasserfarb  e.  Es  zeigte  sich,  dass 
die  Porzellanemaillefarben  von  Rosenzweig  und 
B  a  u  m  a  n  n  in  Kassel,  die  Emaillefarbe  und  die  Zonca- 
f  a  r  b  e  hervorragende  keimvernichtende  Eigenschaften,  besonders 
dem  tuberkelbazillenhaltigen  Sputum  gegenüber  aufweisen.  Da 
die  Porzellanemaillefarben  auch  gegen  Desinfektionsmittel  wider¬ 
standsfähig  sind  und  leichte  Streichbarkeit  und  grosse  Deckkraft 
aufweisen,  so  werden  sie  besonders  für  Krankenhäuser  empfohlen. 

(fl  P  f  u  h  1  -  Berlin:  Vergleichende  Untersuchungen  über  die 
Haltbarkeit  der  Ruhrbazillen  und  der  Typhusbazillen  ausser¬ 
halb  des  menschlichen  Körpers. 

It  u  lir-  und  Typhusbazillen  wurden  auf  .ihre  Halt¬ 
barkeit  geprüft  in  feuchter  Gartenerde,  im  trocknen  Sande,  in 
feuchter  Torfstreu,  au  Leinwand  angetrocknet,  im  Wasser,  im 
Selterswasser,  in  Milch,  in  der  Butter  und  im  Gervaiskäse.  Im 
allgemeinen  sind  die  Ruhrerreger  nicht  so  resistent  wie  die  Typhus - 
bakteriell,  namentlich  vertragen  sie  die  Austrocknung  schlecht. 
Jedoch  halten  auch  sie  sich  im  Mittel  2 — 3  Wochen  in  der  ver¬ 
schiedenen  Medien,  so  dass  eine  Weiter  Verbreitung  recht  wohl 
auf  diesem  Wege  erfolgen  kann.  Es  müssen  also  prophylaktisch 
zur  \  erhütung  der  Weiter  Verbreitung  dieselben  Vorsiclitsinass- 
regeln  bei  der  Ruhr  ergriffen  werden  wie  bei  dem  Typhus. 

7)  P  e  t  r  u  s  c  h  k  y  -  Danzig:  Versuche  zur  spezifischen  Be¬ 
handlung  des  Typhus  abdominalis. 

8)  Ivolle  und  Otto- Berlin:  Vergleichende  Wertprüfungen 
von  Pestserum  verschiedener  Herkunft. 

9)  Schüde  r  und  P  roskauer  -  Berlin:  Versuche  mit  dem 
fahrbaren  Trinkwasserbsreiter  von  ßietschel  &  Henne¬ 
berg. 

I )er  von  der  Firma  Rietschel  &  Henneberg  gelieferte 
fahrbare  Trinkwasserbereiter  erfüllt  in  seiner  jetzigen  um¬ 
gearbeiteten  Gestalt  folgende  Bedingungen:  Pro  Stunde  werden 
normalerweise  300  Liter  Trinkwasser  geliefert.  Die  Höchsttem¬ 
peratur  des  gewonnenen  Wassers  ist  5°  über  der  Eintrittstem- 
peratur.  Die  Reinigung  des  Wassers  von  erdigen  Beimengungen 
lässt  sich  leicht  erreichen.  Das  Wasser  wird  vollständig  steril. 
Der  Kessel  ist  von  Kesselstein  leicht  zu  befreien.  Alle  Teile  des 
Kessels,  welche  mit  dem  Trinkwasser  in  Berührung  kommen,  sind 
vorher  sterilisierbar.  Das  Maximalgewicht  des  fahrbaren  Appa¬ 
rates  beträgt  insgesamt  1300  kg. 


Die  Prüfung  des  Apparates  bezw.  die  Prüfung  des  sterilisier¬ 
ten  Wassers  ergab,  dass  die  dem  Wasser  zugesetzten  Cho¬ 
lera-,  T  y  p  hus-  und  R  u  li  r  b  a  k  t  e  r  i  e  n  mit  Sicherheit  ab¬ 
getötet  werden.  Auch  bei  doppelter  Leistung  (000  Liter)  des  Appa¬ 
rates  war  die  Sterilisation  eine  ausgiebige. 

R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  3.  1902. 

3)  Gri  m  m  e  -  Marburg:  Eie  wichtigsten  Methoden  der  Bak¬ 
terienfärbung  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Membran,  den  Proto¬ 
plasten  und  die  Einschlüsse  der  Bakterienzelle.  (Fortsetzung.) 

2)  Toyama- Tokio:  Ueber  die  Widerstandsfähigkeit  der 
Pestbazillen  gegen  die  Winterkälte  in  Tokio. 

Die  Untersuchungen  wurden  im  Februar  und  März  bei 
einer  Mindesttemperatur  von  —2,5 0  ausgeführt.  Die  Lebens¬ 
fähigkeit  und  die  Virulenz  der  Pestbakterien  wurde  nicht 
verringert,  sie  erhielt  sich  im  Gegenteil  besser  als  in  der  Brut¬ 
wärme.  Die  Virulenz  war  nach  3  Monaten  fast  unverändert. 
Bei  37°  gezüchtete  Bakterien  zeigten  dagegen  nach  5G  Tagen  eine 
bedeutende  Abnahme  der  Virulenz.  Die  Bildung  von  Involu¬ 
tionsformen  wurde  in  der  Kälte  gehemmt.  Die  Wachs¬ 
tumsgeschwindigkeit  wurde  in  der  Kälte  zuerst  ein 
wenig  verringert,  nach  3  Monaten  war  sie  aber  grösser  als  bei  den 
bei  37  0  gehaltenen  Kulturen. 

3)  A.  de  Schweinitz  and  M.  D  o  r  s  e  t  -  Washington: 
The  composition  of  the  tubercle  bacilli  derived  from  various 
animals. 

4)  L.  ,T  e  li  1  e  -  Wien:  Ueber  eine  neue  Bakterienart  im 
Sputum. 

Verfasser  hat  etwa  in  30  Fällen  von  Tuberkulose,  Lungen¬ 
gangrän,  Pneumonie,  Bronchitis  und  Typhusbronchitis  aus  dem 
abgespülten  Sput  u  m  einen  dem  Fraenkel  sehen  Pneu- 
m  oniekokkus  ähnlichen  Organismus  gezüchtet,  der  aber  stets 
grösser  und  plumper  aussah  und  in  seinen  Kulturen  einen  ausser¬ 
ordentlichen  P  o  1  y  m  o  r  p  li  i  s  m  u  s  aufwies.  Das  Bakterium 
entfärbt  sich  leicht  nach  Gram,  wächst  nie  auf  Gelatine,  dagegen 
üppig  auf  Löffler-  und  Pferdeserum.  Die  Kolonien  sind  hell,  gross, 
irisierend.  Bei  45°  gehen  sie  leicht  zu  Grunde.  In  den  Kulturen 
finden  sich  überwiegend  lange,  unbewegliche,  vielfach  gekrümmte, 
zum  Teil  gegliederte  Fäden  neben  kurzen,  unbeweglichen  Stäbchen. 
Kapseln  konnten  nicht  beobachtet  werden.  Gewöhnlich  finden  sich 
die  Organismen  vermischt  mit  Influenza-  und  Fried¬ 
länderbakterie  n.  Für  Meerschweinchen  scheinen  die  Kul¬ 
turen  pathogen  zu  sein,  allein  die  Tiere  gingen  erst  später  ein. 
Aus  denselben  konnten  die  fraglichen  Organismen  wieder  gezüchtet 
werden. 

Ob  sie  mit  der  Krankheit  in  irgend  welchem  Zusammenhang 
stehen,  liess  sich  noch  nicht  definitiv  ermitteln,  auch  war  es  bis¬ 
her  unmöglich,  wegen  des  Polymorphismus  zu  sagen,  welchen  Platz 
die  Bakterien  im  System  haben  würden. 

5)  A.  S  c  1  a  v  o  -  Siena:  Ueber  die  toxischen  Lähmungen  kar- 
bunkulöser  (milzbrandiger)  Natur. 

Aelinlich  wie  man  nach  Diphtherieheilserum  - 
injektionen  zuweilen  Lähmungen  bei  den  Versuchstieren  an 
den  Extremitäten  auftreten  sah,  so  konnte  Verfasser  nach  Injek¬ 
tionen  von  Antimilzbrandserum  und  Milzbrand- 
k  u  1 1  u  r  bei  9  Kaninchen  (von  352)  beobachten,  dass  die  sen¬ 
siblen  und  motorischen  Funktionen  der  hinteren  Extremitäten  ver¬ 
nichtet  waren.  Es  handelte  sich  hier  offenbar  um  eine  Affektion 
des  Rückenmarkes.  Die  Lähmungen  zeigten  sich  am  16. — 31.  Tage, 
worauf  die  Tiere  meist  eingingen.  Eine  2.  Injektion  in  ein  schon 
gelähmtes  Kaninchen  hatte  keine  Allgemeininfektion  zur  Folge. 

6)  A.  B  o  r  i  n  i  -  Turin:  Die  Leukocytose  nach  Digitalis¬ 
gebrauch  bei  Pneumonieinfektion. 

Nach  Injektionen  mit  Digital  in  tritt,  wie  schon  Gazza 
gezeigt  hat,  starke  Leukocytose  ein,  ähnlich  wie  nach  Injek¬ 
tionen  mit  Aleuron.  Bei  Digitalininjektionen  wird  jedoch  die 
Pneumonie  günstig  beeinflusst,  was  nach  Einspritzung  mit  Aleuron 
nicht  der  Fall  ist.  Es  erhält  sich  auch  eine  Hyperleukocytose 
nach  Digitalininjektion  viel  länger  als  eine  nach  Aleuroininjek- 
tion  gewonnene.  Wahrscheinlich  wirkt  auch  die  Digitalininjektion 
auf  Herz  und  Gefässe  günstig. 

7)  G  r  o  m  a  k  o  w  s  k  y  -  Kiew:  Diplococcus  pneumoniae  bei 
chronischer  Bronchitis. 

In  dem  Sputum  von  33  an  typischer  primärer  chro¬ 
nischer  Bronchitis  erkrankten  Soldaten  wurde  stets  der 
Fraenkel  sehe  Pneumonieerreger  gefunden.  Spritzte 
man  das  Sputum  in  Quantitäten  von  1 — 1(4  ccm  Kaninchen  sub¬ 
kutan  ein,  so  konnte  keine  Septikämie  hervorgerufen  werden, 
wenn  dagegen  frisch  gesammeltes  Sputum  mit  Bouillon  vermischt 
24  Stunden  bei  Bruttemperatur  gestanden  hatte,  und  dann  ein¬ 
gespritzt  wurde,  so  gingen  die  Tiere  in  den  meisten  Fällen  zu 
Grunde.  Verfasser  findet  es  zweckmässiger,  die  Virulenz  der 
Pneumokokken  nicht  zu  prüfen,  wenn  sie  rein  gezüchtet  sind, 
sondern  wenn  sie  sich  noch  im  Sputum  befinden,  da  in  Rein¬ 
kulturen  die  Virulenz  rasch  verloren  geht. 

8)  C.  Gor  ini-Rom:  Ueber  die  bei  den  Hornhautvaccine- 
herden  vorkommenden  Zelleinschlüsse.  (Schluss.) 

9)  S  e  y  d  e  w  i  t  z  -  Greifswald:  Untersuchungen  über  die 
keimtötende  und  entwicklungshemmende  Wirkung  des  Lyso- 
forms. 


2.  September  1902. 


MUE  N CH  EN  ER  MEDICINISCI  I  E  WOCHENSCHRIFT. 


1473 


Lösungen  von  1 — 4  proz.  Lysol  sind  im  Stande,  Aussaaten 
von  Bakterien  abzutöten  und  zwar  wirkt  eine  2  proz.  Lösung  etwa 

_ 8  mal  so  schnell  wie  eine  1  proz.  Coli,  Diphtherie, 

T  y  p  h  u  s,  S  t  r  e  p  tokokken  und  Choler  a  gingen  in  3  proz. 
Lösung  nach  2  Minuten  zu  Grunde.  Staphylokokken 
brauchten,  um  abzusterben.  3  Minuten.  Bei  4  proz.  Lösung  waren 
alle  Bakterien  in  einer  Minute  abgestorben.  In  Kulturen 
dringt  das  Lysoform  nur  allmählich  ein.  weshalb  die  Abtötung 
längere  Zeit  erfordert;  dagegen  können  Bouillonkulturen  leichter 
durch  das  Desinfiziens  vernichtet  wei’den.  Milzbrandsporen 
wurden  vernichtet,  wenn  sie  22  Tage  in  Konzentrationen  von 
1:500 — 1:800  gelegen  hatten.  Handbürsten,  welche  mit 
S  t  a  p  li  y  loko  k  k  e  n  und  Coli  infiziert  wurden,  konnten  nach 
G  ständigem  Einwirken  einer  5  proz.  Lysollösung  als  steril  be¬ 
funden  werden.  Weitere  interessante  Einzelheiten  sind  im  Ori¬ 
ginal  nachzulesen. 

10)  K  o  k  u  b  o  -  Göttingen:  Die  kombinierte  Wirkung  che¬ 
mischer  Desinfektionsmittel  und  heisser  Wasserdämpfe. 

Die  Wirkung  des  reinen  Wasser  da  m  pf  es  und  die 
Wirkung  von  Wasserdampf  unter  Zusatz  von  Sublimat  1:1000 
waren  gleich.  Es  wurden  Kartoffelbazillen  in  130  Minuten, 
Trommelschlägerbazillen  in  7 — 8  Minuten,  Milzbrand  in 
1  Minuten  abgetötet.  Der  Zusatz  von  Schwefelsäure  zum 
dampfenden  Wasser  verbesserte  die  Desinfektionswirkung  nicht, 
dagegen  ein  Zusatz  von  Essigsäure.  Günstiger  wie  Wasser¬ 
dampf  wirkten  auch  Zusätze  von  Karbolsäure  und  Tri- 
k  r  e  s  o  1  und  ätherische  O  e  1  e,  dagegen  Kreolin.  Be- 
s  o  r  <•  i  n  und  Chloroform  verbesserten  die  Wirkung  kaum. 
Cliinosol  und  Nitrobenzol  stehen  in  ihrer  Desinfektions¬ 
wirkung  ungefähr  dem  Trikresol  gleich. 

R.  O.  Ne  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  34. 

1)  J.  O  r  t  h  -  Göttingen:  lieber  einige  Zeit-  und  Streitfragen 
aus  dem  Gebiete  der  Tuberkulose. 

Verfasser  beschäftigt  sich  in  diesem  2.  Teile  hauptsächlich 
mit  den  Anschauungen,  welche  das  Wesen  der  Perlsucht,  resp. 
deren  Verhältnis  zur  Menschentuberknlose  betreffen  und  kommt 
zunächst  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Perlsucht  des  Rindes  diejenige 
Krankheit  ist  und  bleibt,  welche  der  Tuberkulose  des  Menschen 
entspricht.  Verfasser  hat  im  Verein  mit  E  s  s  e  r  -  Göttingen  nun 
neue  Versuche  angestellt,  ob  die  menschliche  Tuberkulose  auf 
Tiere,  speziell  Kälber,  Schweine,  Ziegen  übertragen  werden  kann. 
Es  gelang,  auf  ein  Kalb  menschliche  Tuberkulose  zu  übertragen, 
so  dass  bei  dem  Tiere  eine  progrediente,  tödliche  Tuberkulose  ent¬ 
stand.  Auch  bei  einem  Schwein  und  3  Ziegen  fielen  die  Versuche 
positiv  aus.  Damit  ist  die  Koch  sehe  Behauptung,  dass  mensch¬ 
liche  Tuberkulose  nicht  auf  das  Vieh  übertragen  werden  könne, 
widerlegt.  Es  ist  bis  jetzt  nichts  beigebracht  worden,  was  gegen 
die  Identität  von  Perlsucht  und  Tuberkulose  spräche.  Das  perl¬ 
süchtige  Vieh  kann  also  nicht  ohne  Gefahr  für  den  Menschen  sein. 
Die  Vorbeugungsmassregeln  dürfen  daher  nicht  vernachlässigt 
werden. 

2)  II.  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin:  Zur  Frage  der  Beziehungen 
zwischen  perniziöser  Anämie  und  Magendarmkanal.  (Schluss 
folgt.) 

3)  Mir  coli  und  S  o  1  e  r  i  -  Genua:  lieber  den  Stoffwechsel 
bei  Tuberkulösen.  (Schluss  folgt.) 

4)  T  a  u  s  c  h  -  Berlin:  Zwei  Fälle  von  Lysolvergiftung. 

In  dem  ersten  der  mitgeteilten  Fälle  befand  sich  die  31  jährige 
Patientin,  welche  2  Esslöffel  Lysol  aufgenommen  hatte,  anfäng¬ 
lich  in  einem  sehr  schwer  kranken  Zustande,  der  sich  während  der 
Magenspülung  noch  verschlechterte,  dann  aber  besserte,  so  dass 
Heilung  eintrat.  Bei  dem  54  jährigen  zweiten  Kranken  war  der 
anfängliche  Zustand  nicht  so  ernst,  doch  erfolgte  der  tödliche  Aus¬ 
gang  an  einer  Pneumonie  der  Unterlappen. 

5)  M.  Klopstock  -  Berlin:  Beitrag  zur  Differenzierung  von 
Typhus-,  Koli-  und  Ruhrbazillen. 

Verfasser  arbeitete  mit  2  Nährböden,  von  denen  der  eine 
Milchzucker,  Kochsalz  und  Nutrose,  der  andere  statt  des  Milch¬ 
zuckers  Traubenzucker  enthielt.  Sowohl  der  Typhus-  wie  der  Ruhr- 
bazillus  Hessen  den  ersteren  Nährboden  dauernd  unverändert, 
während  Bacterium  coli  innerhalb  24  Stunden  Säure  bildete.  In 
dem  2.  Nährboden  trat  durch  Bacterium  coli  und  Typhusbazillus 
binnen  24  Stunden  Säurebildung  ein  sowie  Gerinnung,  durch  die 
Ruhrbazillen  nur  Säurebildung.  Grass  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  34. 

1)  E.  Grunmach  und  A.  Wiede  mann:  Ueber  die 
aktinoskopische  Methode  zur  exakten  Bestimmung  der  Herz¬ 
grenzen. 

Mit  Hilfe  des  von  E.  G  r  u  n  m  a  c  li  neu  konstruierten  aktino- 
skopischen  Mass-  und  Zeichenapparates,  der  hauptsächlich  bei  auf¬ 
rechter  oder  sitzender,  aber  auch  bei  horizontaler  und  zwar  absolut 
sicherer  Einstellung  der  Versuchsperson  zur  Massvorrichtung  An¬ 
wendung  finden  kann,  wurden  zahlreiche  Untersuchungen  der 
Herzgrenzen  hei  gesunden  und  kranken  Personen  unter  verschie¬ 
denen  Bedingungen  mittels  der  X-Strahlen  ausgeführt. 

Aus  dieser  Versuchsreihe  zur  Bestimmung  der  Herzgrenzen 
hei  verschiedener  Körperstellung  dürfte  besonders  hervorgehen, 
dass  mit  Apparaten,  die  nur  bei  horizontal  gelagerten  Personen 
Herzmessungen  auszuführen  gestatten,  Herzvergrösserungen  mäs- 
sigen  Grades,  z.  B.  akute  Dilatationen  infolge  von  Ueberau  streng- 


ung  oder  starkem  Alkoholgenuss,  der  Untersuchung  leicht  ent¬ 
gehen  können.  Deshalb  werden,  um  Fehlerquellen  zu  vermeiden, 
Ilerzmessungen  in  der  Regel  bei  aufrechter  oder  sitzender  Stellung 
der  Versuchsperson  auszuführen  und  nur  so  gewonnene  Werte 
der  Herzgrenzen  zur  Feststellung  der  Wirkung  z.  B.  nach  Ueber- 
anstrengungen,  Intoxikationen  oder  differenten  Bädern  von  aus¬ 
schlaggebender  Bedeutung  sein.  Aus  den  Experimentalunter¬ 
suchungen  ergibt  sich  ferner  die  praktisch  wichtige  Leistung  der 
aktinoskopischen  Methode  zur  e  x  a  lc  t  e  n  Bestimmung  der  Ilerz- 
grenzen  und  die  Uebeirlegenheit  dieser  Methode  gegenüber  dem 
alten  Untersuchungsverfahren  durch  die  Perkussion,  deren  Lei¬ 
stung  allen  Anforderungen  an  Zuverlässigkeit  nicht  genügt,  aber 
nunmehr  aufs  genaueste  durch  die  X-Strahlen  kontrolliert  werden 
kann.  Bezüglich  der  Wertschätzung  der  absoluten  und  relativen 
Herzdämpfung  gegenüber  den  durch  die  aktinoskopische  Methode 
gewonnenen  Herzbildern  ging  aus  den  Untersuchungen  der  höhere 
Wert  der  relativen  Dämpfung  hervor,  da  diese  den  mit  dem  neuen 
Apparate  gezeichneten  Herzfiguren  in  einem  grossen  Prozentsatz 
sehr  nahe  kommt,  ohne  dieselben  jedoch  an  Zuverlässigkeit  zu 
erreichen  und  mit  denselben  in  der  Form  übereinzustimmen. 

2)  P.  M  ü  h  1  e  n  s  -  Hamburg:  Beiträge  zur  Frage  der  gegen¬ 
wärtigen  Verbreitung  der  Malaria  in  Nordwestdeutschland. 

Aus  diesen  Ausführungen  lässt  sich  entnehmen,  dass  die 
Malariafrage  in  den  nordwestdeutschen  Marschen  und  den  an¬ 
grenzenden  Geestgebieten  wieder  erhöhte  Aufmerksamkeit  bean 
spracht.  Seit  dem  Jahre  11)01.  mehr  noch  im  Jahre  1902,  tritt, 
die  Malaria  wieder  in  einzelnen  Gegenden  epidemisch  auf,  nach¬ 
dem  seit  20 — 30  Jahren  Fieberarkrankungen  zur  Seltenheit  ge¬ 
worden  waren.  Die  Fälle  haben  bisher  gutartigen  Charakter.  Die 
Ausbreitung  beschränkt  sich  auf  die  Marsch  und  die  daran  un¬ 
mittelbar  angrenzenden  Gebiete  der  Geest,  entsprechend  der  Ver¬ 
breitung  der  Anopheles  und  ihrer  Larven,  welch  letztere  in  den 
Wasseransammlungen  der  Marsch  (insbesondere  den  „Kuhlen“ 
und  „Schloten“)  ihre  Entwicklungsstätte  haben. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdient  nach  Ansicht  des  Verf. 
die  Beobachtung,  dass  die  meisten  der  Erkrankten  nicht  in  ärzt¬ 
licher  Behandlung  sind,  dass  viele  überhaupt  kein  Chinin  nehmen 
und  dass  unter  den  Kranken  besonders  viele  Schulkinder  sind. 

Die  Ursachen  des  plötzlichen  Wiederauftretens  endemischer 
Malaria  an  verschiedenen  Orten  zugleich  konnte  vorläufig  noch 
nicht  sicher  festgestellt  werden.  Untersuchungen  darüber  sind 
im  Gange. 

Nach  den  Beobachtungen  des  Verf.  wäre  eine  weitere  Zunahme 
der  Malaria  in  nächster  Zeit  zu  erwarten. 

3)  F.  B  a  n  n  e  s  -  Gleiwitz  O.-S.:  Zur  Kasuistik  der  Luxatio 
carpo-metacarpea. 

Mitteilung  eines  Falles  von  dorsaler  Luxation  des  2.  und 
3.  Metakarpalknochens  mit  Röntgenbildern. 

4)  .T.  M  a  r  e  k  -  Ofen-Pest:  lieber  die  Entstehungsweise  der 
Atemgeräusche.  (Schluss  folgt.) 

5)  M.  Levy-Dorn:  Sternum,  Brustaorta  und  Wirbelsäule 
im  Röntgenbilde. 

Abbildung  von  Zeichnungen  eines  Röntgenbildes  nach  den 
von  Holzknecht  angegebenen  Durchleuchtungsrichtungen. 

Das  allerdings  etwas  umständliche  Verfahren  wird  von  Verf. 
für  geeignete  Fälle  sehr  empfohlen. 

6)  P.  H  a  1  le  r  -  Saratow:  Rose  und  Scharlach  gleichzeitig 
bei  derselben  Person. 

7)  E.  M  ü  1 1  e  r  -  Minden:  Beitrag  zur  Pneumoniestatistik. 

8)  H  o  1  z  -  Berlin:  Ein  einfacher  Apparat  zur  Xolpeurynter- 
massage.  (Mit  Abbildung.) 

9)  Atmann  -  Erfurt:  Zum  elektrischen  Luftbad. 

M.  Lache  i\ 

Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  32.  Jahrg.  No.  16. 

Oskar  Bernhard:  Ein  Fall  von  mehreren  penetrierenden 
Stichwunden  des  Bauches.  Exstirpation  der  durchschnittenen 
Milz.  (Aus  dem  Kreisspital  Oberengadin  in  Samaden.) 

Beschreibung  und  Epikrise  eines  vielfach  interessanten  Falles 
(ausser  Titelangaben:  zentrale  Zwerchfell  wunde,  Milz  nicht  —  wie 
gewöhnlich  —  prolahicrt,  Blut  mikroskopisch  ohne  Veränderung 
nach  der  Milzexstirpation;  Platzen  der  Bauchwunde,  wegen  Altera¬ 
tion  der  Fibrinbildung?,  günstige  Beeinflussung  der  Granulationen 
durch  Besonnung). 

W.  Kesselbach:  Zum  Aspirationsverfahren  bei  deszen¬ 
dierendem  Krupp  tracheotomierter  Diphtheriekranker.  (Aus  dem 
Kantonsspital  Altdorf.) 

Der  frappant  günstige  Ausgang  eines  Falles  wird  in  erster 
Linie  der  Serumtherapio  zugeschrieben,  welche  eine  rechtzeitige 
Lösung  des  Pfropfens  bewirkte;  so  konnte  dieser  gerade  noch  aspi¬ 
riert  werden. 

Paravicini  jr.  -  Albisbrunn:  Der  Hemiplegiker  auf  dem 
Zweirad. 

Der  Kranke,  der  noch  deutliche  Paresen  einer  Unterextremität 
und  Schwindel  hatte,  konnte  vollkommen  beschwerdefrei  rad- 
faliren.  Dr.  O.  Pis  e  li  i  n  g  e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No..  34.  1)  Di  P  u  p  o  v  a  c  -  Wien:  Zur  Technik  der  Nearthro- 
senbildung  bei  ankylosierten  Gelenken. 

Tierversuche  zeigen,  dass  es  durch  Zwischenlagerang  von 
resorbierbaren  Plättchen  gelingt,  die  knöcherne  Wiedervereinigung 
von  resezierten  Gelenksenden  zu  verhüten.  Analoge  Versuche  am 


No.  35. 


1474 


MFENCUENEE  MEDICTNISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


Menschen  sind  mit  ■wechselndem  Erfolge  nachgemacht  worden. 
Verfasser  beschreibt  einen  Fall,  in  welchem  er  bei  der  24jälirigen  | 
Patientin,  welche  ein  steifes  Ellenbogengelenk  aufwies,  die  Ellen¬ 
bogengelenkskörper  möglichst  glättete  und  dann  Magnaliumplätt- 
clien  dazwischen  legte.  6  Wochen  nach  der  Operation  konnte  durch 
Röntgenaufnahme  konstatiert  werden,  dass  ein  feiner  Gelenkspalt 
zwischen  den  beteiligten  Knochenflächen  bestand.  Das  schliess- 
liehe  funktionelle  Resultat  war  nicht  gerade  sehr  günstig,  vielleicht 
auch  aus  dem  Grunde,  dass  die  Nachbehandlung  nicht  entsprechend 
durchgeführt  werden  konnte.  Jedenfalls  ermutigt  der  Fall  zu 
äln fliehen  Versuchen. 

2)  N.  Damianos-Wien:  Appendizitis  bei  Linkslagerung 
des  Coekums. 

Hinsichtlich  der  Behandlung  der  Appendizitis  vertritt  Ver¬ 
fasser  auf  Grund  der  Erfahrungen  an  95  Fällen  den  Standpunkt,  | 
möglichst  bald  zu  operieren.  Bei  Appendizitis  Simplex  war  kein 
Todesfall  infolge  der  Operation  zu  verzeichnen.  Von  den  Fällen 
mit  allgemeiner  Peritonitis  konnte  immerhin  noch  fast  ein  Viertel  | 
durch  die  Operation  gerettet  werden.  Die  Operation  darf  nicht  j 
vom  Bestehen  eines  Abszesses  abhängig  gemacht  werden.  In  dem 
speziell  beschriebenen  Falle,  einen  IS  jährigen  Taschner  betreffend, 
hatte  vor  der  Operation  kein  Zeichen  darauf  hingedeutet,  dass  das  j 
Coekum  mit  dem  Wurmfortsätze  links  gelagert  war.  ln  einem 
zweiten  mitgeteilten  Falle  zog  der  Processus  vermif.  ebenfalls  nach 
links;  der  Kranke  starb  einige  Zeit  nach  der  Operation  an  einem 
in  den  Bauchraum  durchgebrochenen  Abszess,  der  zwischen  Dünn-  j 
darmschlingen  abgesackt  vorhanden  gewesen  war.  Aus  einem  Vor-  j 
wiegen  der  lokalen  Symptome  kann  übrigens  nicht  auf  Verlagerung 
dos  Coekums  nach  links  geschlossen  werden.  Verfasser  bespricht 
dann  noch  des  näheren  die  Lageanomalien  des  Coekums,  auf  deren 
Einzelheiten  hier  nicht  eingegangen  werden  kann. 

3)  P.  F  1  e  g  e  r  -  Leipzig:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Syringo¬ 
myelie  und  über  die  bei  dieser  Krankheit  vorkommenden  Haut¬ 
störungen. 

Bei  dem  20  jährigen  Kranken  fand  sich  Muskelatrophie  an 
den  oberen  Extremitäten,  Analgesie  und  Thermoanästhesie  bei 
fast  vollkommen  intaktem  Tastgefühl,  Skoliose,  halbseitige  Bulbär- 
symptome,  Herabsetzung  der  Reflexe  an  den  oberen  und  Er-  j 
liühuug  an  den  unteren  Extremitäten,  ferner  trophische  Störungen  J 
an  der  Haut.  Verfasser  bespricht  eingehend  die  Differential¬ 
diagnose  an  der  Hand  der  Literatur,  sowie  die  sehr  verschieden¬ 
artigen  Hautanonialien,  welche  der  Syringomyelie  eigen  sind. 

G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 


Französische  Literatur. 

Bar d-Genf:  Klinische  und  experimentelle  Untersuchungen 
über  den  Druck  bei  Pleuraergüssen.  (Revue  de  medecine,  März  u. 
April  1902.) 

Die  genauere  Kenntnis  der  Druckverhältnisse  bei  Ergüssen  in 
den  Brust f (41  raum  ermöglicht,  deren  Grade  oder  Veränderungen 
festzustellen  und  so  die  Diagnose  zu  erleichtern.  Nach  diesen 
umfangreichen  Untersuchungen  kann  diese  Messung  in  einer  für 
die  Klinik  genügenden  Weise  geschehen,  aber  sie  erfordert  Vor- 
sichtsmassregeln,  welche  in  den  bisherigen  Arbeiten  nicht  beob¬ 
achtet  worden  sind.  Das  Verfahren,  welches  die  exaktesten  An¬ 
gaben  über  den  intrapleuralen  Flüssigkeitsdruck  macht,  beruht 
auf  Beobachtung  desselben  in  einer  Glastube,  welche,  mit  einer 
Kanüle  verbunden,  vertikal  längs  des  Brustkorbes  des  sitzenden 
Kranken  angebracht  ist  und  nach  Art  des  Spiegels  eines  Wasser¬ 
reservoirs  funktioniert.  Aus  den  Untersuchungsresultaten  der  ein¬ 
gehenden  Arbeit  R.s  sei  hier  nur  das  Wichtigste  angeführt.  Im 
Gegensatz  zu  der  klassischen  Ansicht,  dass  die  flüssigen  Ergüsse 
einen  positiven  Druck  darstellen,  welcher  von  10 — 30  mm  Queck- 
silber  schwanke,  ergab  sich,  dass  der  Oberfi ächendruck  der  aus¬ 
gedehntesten  Exsudate  bei  der  Inspiration  sicher  immer  negativ, 
bei  der  Exspiration  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  ebenfalls 
negativ  ist.  Die  Experimente  am  Kaninchen  zeigen,  dass  es  un¬ 
möglich  ist,  einen  positiven  Druck  der  intrapleuralen  Flüssigkeit 
zu  erhalten.  Der  plötzliche  Tod  in  Füllen  ausgedehnten  Exsudats 
kann  daher  dem  raschen  Eintreten  eines  positiven  Inspirations¬ 
druckes,  was  durch  Nachlass  der  kompensatorischen  Kräfte  (Er¬ 
schöpfung  der  accessorischen  Atemmuskeln)  der  Fall  ist,  zuge¬ 
schrieben  werden.  Der  mechanische  Einfluss  der  flüssigen  Er¬ 
güsse  ist  im  Gegensatz  zu  den  gasförmigen  unabhängig  von  ihrem 
Druck  und  vollständig  ihrem  Volumen  unterworfen.  Für  die 
Praxis  ergibt  sich  die  Lehre,  die  Aspirationspunktionen  vermittels 
eines  einfachen  Syphons  zu  machen,  was  in  allen  Fällen  unter 
einfachen  Vorsichtsmassregeln  vorzunehmen  möglich  ist.  Man 
kann  so  (hm  Druck  zu  wiederholten  Malen  im  Verlaufe  der  Flüssig¬ 
keitsentnahme  messen;  wichtig  ist  es,  jedesmal  sich  zu  ver¬ 
gewissern.  dass  keine  Luftblase  in  der  Flüssigkeitssäule  sich 
findet,  gegen  Ende  der  Punktion  muss  man  auch  daran  denken, 
dass  der  Druck  durch  die  Applikation  der  Kanüle  auf  die  Lungen- 
oberfliiehe  sich  falsch  darstellen  kann,  die  Unbeweglichkeit  der 
Flüssigkeit  in  der  Glassäule  belehrt  einen  darüber.  Jeder  Zufall 
der  Punktion,  jede  Komplikation  wird  hierbei  vermieden  und,  was 
noch  das  Wichtigste  ist.  man  erhält  das  beste  therapeutische  Re¬ 
sultat.  wenn  man  sich  zur  Regel  macht,  mit  der  Punktion  auf¬ 
zuhören.  sobald  der  reine  Inspirationsdruck  schwach  negativ  wird 
(das  Flüssigkeitsniveau  in  der  Glassäule  0.01 — 0,02  cm  unter  dem 
Punktionsniveau  bleibt).  B.  glaubt,  dass  die  Anwendung  des 
Syphons,  nach  seiner  Methode  geregelt,  allein  es  ermöglicht,  die 
Entleerung  auf  die  notwendige  Menge  zu  beschränken;  sie  gibt  das 
Mittel,  die  Tliorakocentese  mit  grösserer  Sicherheit  auszuführen 


und  besonders  mit  günstigeren  Resultaten,  als  sie  Aspirations¬ 
apparate  geben. 

Constant  Mathis:  Zwei  Fälle  von  Malariapolyneuritis. 
(Iltid.,  April  1902.) 

Den  in  der  Literatur  bekannten  20  Fällen  dieser  Affektion 
fügt  M.  2  weitere,  durch  verschiedene  Einzelheiten  interessante 
hinzu.  Sie  wurden  in  Guyana  beobachtet;  der  eine  betraf  einen 
zu  Zwangsarbeit  verurteilten  Weissen,  welcher  am  Nervus  cubi- 
talis  einen  wahren  Knoten  nach  Art  der  Lepraknoten  hatte,  der 
andere  einen  Schwarzen,  welcher  ganz  ausgesprochene  Motilitäts¬ 
störungen  —  komplette  Lähmung  der  Unterextremitäten  —  auf¬ 
wies. 

Marandon  de  Montyel:  Behandlung  des  epileptischen  An¬ 
falls  durch  die  Bettruhe.  (Ibid.,  Mai  1902.) 

Verfasser,  Chef  eines  grossen  Asyls  für  Epileptiker,  versuchte 
diese  jetzt  so  vielgerühmte  Therapie  bei  19  seiner  Patienten,  führt 
die  bei  jedem  mit  demselben  gemachten  Erfahrungen  an,  die  jedoch 
nur  bei  einem  Patienten  günstige  waren,  und  kommt  auf  Grund 
derselben  zu  folgenden  Verhaltungsmassregelu.  In  erster  Linie 
versichert  er  sich  über  Dauer,  Intensität  und  Symptome  des  epi¬ 
leptischen  Anfalls  und,  wenn  all  diese  Punkte  genau  eruiert  sind, 
verordnet  er  bei  dem  nächsten  Anfall  die  Bettruhe.  Wird  damit 
kein  günstiges  Resultat  erzielt,  was  fast  immer  der  Fall  ist,  so 
greift  er  wieder  auf  die  alte  Therapie  zurück,  welche  für  den 
Kranken  viel  angenehmer  ist. 

Charles  Valentino:  Die  rhythmischen  Kopfbewegungen 
(M  u  s  s  e  t  sches  Zeichen)  bei  Aortenaffektionen.  (Ibid.) 

V.  hatte  Gelegenheit,  diese  rhythmischen  Bewegungen  bei 
einem  Kranken  mit  Aorteninsuffizienz  genau  zu  beobachten  und  re¬ 
sümiert  im  Anschluss  an  diesen  und  einen  weiteren,  von  Prof. 
It  o  li  d  o  t  in  Bordeaux  ihm  zur  Verfügung  gestellten  ähnlichen 
Fall  die  Literatur  über  die  14  bis  jetzt  beschriebenen  Fälle  dieser 
Art.  S  davon  betrafen  Aortenaneurysma.  5  Aorteninsuffizienz  und 
1  Pleuritis;  letzteren  (von  Frenkel  publiziert)  findet  V.  nicht 
ganz  einwandfrei.  Hingegen  scheinen  Aorteninsufüzienz  und 
Aneurysma  des  Aortenbogens  bei  der  Pathogenese  des  M  usset- 
sehen  Zeichens  eine  völlig  ähnliche  Rolle  zu  spielen.  Was  nun  die 
Erklärung  dieses  Zeichens  betrifft,  so  ist  bei  beiden  Affektionen 
eine  Blutstauung  vorhanden  und  diese  Kopfbewegungen  sind  ein 
Zeichen  dieses  gleichzeitig  vorhandenen,  mit  der  Diastole  zu¬ 
sammenhängenden  Blutrefluxes.  Der  klinische  Wert  dieser  Affek¬ 
tion  liegt  darin,  dass  bei  Ausscheidung  jeder  nervösen  Störung 
(Tic  douleureux  u.  s.  w.)  und  der  genannten  Beobachtung  von 
F  r  e  n  k  e  1  dessen  Vorhandensein,  das  meist  sehr  klar  und  aus¬ 
geprägt  ist,  unmittelbar  die  Aufmerksamkeit  des  Arztes  auf  die 
Herzgegend  lenken  muss  und  für  ihn  das  erste  Anzeichen  einer  bis 
dahin  latenten  oder  nicht  erkannten  Herzaffektion  bilden  kann. 

V  a  s  c  h  i  d  e  und  Vurpas:  Das  psychische  Schwindel¬ 
gefühl.  (Ibid.) 

Verfasser  halten  das  Schwindelgefühl,  welches  manche  Leute 
beim  Blick  von  einem  erhöhten  Standpunkt  in  die  Tiefe  erfasst, 
nicht  für  ein  solches  Gefühl  an  sich,  sondern  für  eine  wirkliche 
Obsession,  welche  zu  den  Zuständen  gehört,  wovon  z.  B.  die  Platz¬ 
angst  (Agoraphobie)  nur  eine  weitere  klinische  Modifikation  ist. 
Anführung  eines  Falles. 

Rogen:  Ueber  Anomalien  der  Genitalien.  (Presse  medicale 
1902,  No.  24.) 

It.  gibt  einen  kurzen  üeberbliek  über  die  verschiedenen  Arten 
des  Hermaphroditismus,  über  die  in  der  Literatur  niedergelegten 
Fälle  und  beschreibt  sodann  eingehend  den  von  ihm  selbst  be¬ 
obachteten  Fall  eines  Gynandroiden,  wo  es  sich  um  sogen,  trans¬ 
versalen  Hermaphroditismus  handelte.  Das  19  jährige  Individuum 
(Kellner),  ward  Zeitlebens  als  Mann  angesehen  und  starb  in  diesem 
Alter  an  Diphtherie.  Es  zeigte  sich,  dass  die  äusseren  Geschlechts¬ 
organe,  d.  li.  Penis,  Perineum,  Urethra  nach  dem  männlichen 
Typus  entwickelt  waren,  während  die  inneren  Organe,  Uterus 
und  Ovarien,  vollständig  weiblichen  Typus  hatten.  Die  Vagina 
hatte,  anstatt  sich  nach  aussen  zu  öffnen,  die  Form  angenommen, 
welche  beim  Manne  die  Ueberreste  der  Müller  sehen  Gänge 
zeigen.  Das  Ovarium  war  bloss  einseitig  vorhanden  (2  Abbild.). 
R.  hält  den  Ausdruck  Hermaphroditismus  für  Fälle  dieser  Art, 
wovon  2  weitere  von  B  o  u  i  1 1  a  u  d  und  Luigi  de  Grecchio, 
aber  mit  wohlentwickelter  Prostata,  beschrieben  sind,  nicht  für 
zutreffend,  sondern  für  weit  besser  obige  Bezeichnung  (Gynan- 
droid).  Durch  Rektaluntersuchung  konnte  man  übrigens  (las  Ge¬ 
schlecht  eruieren:  man  fühlte  im  vorliegenden  Falle  den  Uterus 
und  den  Mangel  einer  Prostata. 

Louis  Bruandet:  Experimentelle  Coccidienkarzinose. 
(Ibid.,  No.  34.) 

I».  präparierte  aus  2  Coccidienarten,  die  beim  Kaninchen  ge¬ 
funden  wurden  (in  der  Leber  und  in  einem  Cysticercus  des  Epi- 
ploon)  eine  wässerige,  aseptische  Flüssigkeit,  welche  keinen  Leber¬ 
oder  Cysticercusinhalt  mehr  enthalten  durfte,  und  machte  damit 
Impfungen  bei  Kaninchen  und  einigen  anderen  Tieren;  das  Re¬ 
sultat  war  die  Entstehung  von  epithelialen  und  karzinomatösen 
Neubildungen  bei  verschiedenen  dieser  Tiere.  Als  Schlussergebnis 
seiner  Untersuchungen,  welche  er  jedoch  keineswegs  für  abge¬ 
schlossen  und  definitiv  angesehen  wissen  möchte,  führt  I».  an,  dass 
eine  bemerkenswerte  Analogie  zwischen  der  Coccidienkrankheit 
und  der  Karzinose  bestehe;  es  sei  jedoch  diese  Regel  erwiesen,  dass 
man,  um  einen  Epithelialparasiten  rein  zu  züchten,  ihn  auf  Epithel 
verpflanzen  muss. 

E.  Tavel:  Die  Natriumsalzlösung  in  der  Chirurgie.  (Revue 
de  Chirurgie,  Mai  1902.) 


M  tlEN  CI  J  ENER  MED  101  NISCHE  WOCIIENSCILRlh  i\ 


il.  September  1902. 


1475 


F  ussend  auf  den  Forschungen  Buchne  r  s,  welcher  in  exak¬ 
ter  Weise  den  konservierenden  Einfluss  der  physiologischen  (und 
noch  stärkeren)  Kochsalzlösung  auf  die  bakterientötende  Kraft 
der  Körpersäfte  nachgewiesen  hatte,  machte  T.  schon  seit  längeren 
Jahren  (1892)  in  der  Chirurgie  von  dieser  aseptischen  Wirkung  der 
Kochsalzlösung  Gebrauch.  Er  beschreibt  in  dieser  Arbeit  aus¬ 
führlichst  seine  experimentellen  Studien  über  diese  Frage,  welche 
ihn  zu  dem  Resultate  brachten,  statt  der  gewöhnlichen  physio¬ 
logischen  Kochsalzlösung  folgende  Zusammensetzung  zu  wählen: 
0,75  Na  CI  :  100,0  -(-  0,25  Na.  C03  :  100,0,  welche,  in  obiger  Weise 
benannt,  nicht  nur  den  entsprechenden  Gehalt  an  Blutsalz,  son¬ 
dern  auch  dessen  alkalische  Reaktion  besitzt.  Die  Lösung  findet  in 
sehr  ausgedehnter  Weise  Verwendung  als  desinfizierendes  Mittel 
bei  Siedetemperatur  wie  bei  Körpertemperatur  und  in  erkalteter 
Form.  Sie  dient  zu  Irrigationen  bei  Wunden,  zu  subkutanen  oder 
intraperitonealen  Injektionen  und  hat  als  aseptisches  Reinigungs¬ 
mittel  in  einer  Reihe  von  Fällen  die  prima  reunio  und  tadellose 
Heilung  herbeigeführt.  Zur  Sterilisation  der  Instrumente  hin¬ 
gegen  ist  diese  NaCl-Lösung  nicht  zu  verwenden,  zu  diesem  Zwecke 
empfiehlt  T.  2  proz.  Boraxlösung  (nach  Seiler). 

Potarea  -  Crajova:  Eine  neue  Operationsmethode  der 
Hämorrhoiden.  (Ibid.) 

Dieses  von  Vercesco  im  Jahre  1900  auf  dem  XIII.  inter¬ 
nationalen  medizinischen  Kongress  mitgeteilte  Verfahren  besteht 
in  kurzem  darin,  einen  Korkpfropfen  (mit  Kupferhalter  präpariert) 
in  den  Anus  (nach  entsprechender  Dilatation)  einzuschieben  (siehe 
Abbildungen);  rings  um  die  Analöffnung,  an  der  Grenze  zwischen 
Ilaut  und  Schleimhaut,  fixiert  man  quer  von  aussen  nach  innen 
in  Abständen  von  je  1  cm  sogen.  Karlsbader  Stecknadeln,  welche 
gleichzeitig  in  den  Schleimhaut-Hautrand  und  in  den  Korkpfropfen 
eindringen.  Es  wird  nun  rasch  ein  zirkulärer  Hautschnitt  ge¬ 
macht,  die  Haut  zurückgeschoben  und  das  Paket  der  Varizen, 
welches  auf  dem  Korkzylinder  fixiert  bleibt,  exzidiert.  Sind  auch 
extrarektale  Varizen  vorhanden,  so  wird  die  äussere  Haut  in  ent¬ 
sprechender  Ausdehnung  exzidiert.  Die  Nähte  werden  sodann  pro¬ 
portional  zu  den  entfernten  Nadeln  angelegt.  Die  ganze  Operation, 
deren  Heilerfolg  ein  tadelloser  war,  soll  höchsten  15 — 20  Minuten 
dauern,  mit  Ausnahme  der  für  die  Narkose  oder  die  Rachikokaini- 
sation  nötigen  Zeit.  In  den  5  von  P  o  t  a  r  c  a  operierten  Fällen 
erfolgte  die  Vernarbung  in  10 — 14  Tagen.  Als  Vorteile  dieser  Me¬ 
thode  gegenüber  den  anderen  führt  er  folgende  an:  1.  Erfordert 
sie  nicht  die  zahlreichen  und  schwierigen  Vorbereitungen  innerer 
und  äusserer  Asepsis,  welche  z.  B.  bei  der  Whiteliea  d  scheu, 
der  jetzt,  wohl  verbreitetsten  Operationsart  der  Hämorrhoiden, 
wenigstens  eine  Woche  in  Anspruch  nimmt.  2.  Garantiert  sie  für 
die  Reinheit  und  Blutleere  des  Operationsfeldes  während  der  ganzen 
Operationszeit  dadurch,  dass  die  Afteröffnung  vollständig  ver¬ 
schlossen  und  die  Mastdarm  wände  dilatiert  sind;  diese  Vorteile 
sind  besonders  hervorzuheben  vor  allen  anderen,  bis  jetzt  gebräuch¬ 
lichen  Methoden,  3.  Bildet  sie  einen  neuen  Sphincter  ani  unter 
den  besten  physiologischen  Bedingungen.  4.  Kürzt  sie  mehr  wie 
jede  andere  Methode  den  Operationsakt  ab,  wras  für  den  Chirurgen 
und  besonders  für  die  Kranken,  meist  blutarme  Hämorrhoidarier, 
welchen  Blutverluste  möglichst  zu  ersparen  sind,  ein  grosser  Vor¬ 
teil  ist.  Die  6  Abbildungen  illustrieren  trefflich  die  Methode. 

Cat  hei  in:  Die  Unschädlichkeit  der  epiduralen  Injek¬ 
tionen  im  Kindesalter.  (Revue  mensuelle  -  des  maladies  de  l’en- 
l'ance,  April  1902.) 

C.  hat  bis  jetzt  nach  dieser,  von  ihm  erdachten,  Methode 
11  Kinder  behandelt,  4  Knaben  und  7  Mädchen,  und  zwar  wegen 
Incontinentia  urinae,  meist  mit  Erfolg.  Das  Alter  schwankte 
zwischen  7  und  15  Jahren  und  die  Zahl  der  Punktionen  zwischen 
1  und  9;  die  Gesamtzahl  der  Injektionen  betrug  51.  Die  gewöhn¬ 
liche  Injektionsflüssigkeit  war  physiologische  Kochsalzlösung,  in 
der  Dosis  von  5 — 15  ccm,  so  dass  ein  und  dasselbe  Kind  bis  zu 
85 — 40  ccm  dieses  Serums  erhielt.  In  anderen  Fällen  hatte  C. 
(bei  7  Kranken)  y2 — 1  proz.  Kokainlösung  injiziert,  ohne  dass  der 
geringste  Zufall  eintrat.  Unter  jenen  51  Injektionen  hatte  ein  Kind 
ein  einzigesmal  Abends  Erbrechen,  -wobei  aber  nur  10  ccm  injiziert 
worden  sind.  Merkwürdigerweise  wurden  alle  Fälle  ambulant 
behandelt  und  brauchten  nach  diesen  Injektionen  nicht  das  Bett 
zu  hüten.  Die  kleine  Operation  wird  beinahe  ebenso  wie  beim 
Erwachsenen  ausgeführt,  ist  keineswegs  schmerzhaft  und  selbst 
bei  den  ungeschicktesten  Kindern  nicht  schwierig.  Sie  kann  also 
ohne  Gefahr  beim  Kinde  wie  beim  Erwachsenen  vorgenommen 
werden;  sie  ist  vor  allem  eine  Methode  der  Beruhigung  und 
Schmerzstillung,  kann  aber  auch,  dank  der  reichen,  im  Rücken¬ 
markskanal  vorhandenen  Venenplexus,  eine  Methode  allgemeiner 
Resorption  sein. 

Haushalter  u.  G  u  e  r  i  n  -  Nancy:  Stoffwechselstörungen 
beim  Myxödem,  nach  dem  Urinbefunde  geschätzt.  (Ibid.,  Mai 
1902. 

Die  Untersuchungen  wurden  an  2  Kranken  mit  Myxödem, 
einem  25-Jährigen  und  einem  Kinde  von  0  Jahren  ausgeführt  und 
ergaben  folgendes  Resultat,  das  jedoch  Verfasser  nur  als  vor¬ 
läufiges  anselien  möchten.  Der  N-Koeffizient  ist  merklich  unter 
dem  gewöhnlichen  Mittel.  Die  Harnstoff-  und  Ilarnsäureabsonde- 
rung  zeigt  eine  beträchtliche  Verminderung.  Die  Ausscheidung 
von  Chlor  im  Vergleich  zur  totalen  N-Menge  ist  bedeutend  ver¬ 
mehrt.  Die  Verhältniszahl  der  Phosphormenge  zeigt  eine  relativ 
intensive  Phosphaturie.  Die  Ausscheidung  von  Magnesia  ist  ge¬ 
ring  im  Vergleich  zu  jener  von  Calcium,  welche  eine  enorme  Pro¬ 
portion  erreicht.  Diese  Tatsachen  lehren  in  überzeugender  Weise, 


dass  die  Unterdrückung  des  stimulierenden  und  zugleich  regu¬ 
lierenden  Einflusses,  welchen  die  Schilddrüsenresektion  normaler¬ 
weise  ausübt,  Störungen  im  Stoffwechsel  herbeiführt. 

Felix  B  a  u  d  o  u  i  n  -  Tours:  Die  tuberkulöse  Cirrhose  im 
Kindesalter.  (Ibid.) 

Die  2  Fälle,  welche  hier  B.  in  ihrem  Verlaufe  genau  beschreibt. 
Kinder  im  Alter  von  13  und  11  Jahren  betrafen  und  beide  tödlich 
endeten  (autoptischer  Befund)  sind  für  Verfasser  ein  aus¬ 
gesprochener  Beweis,  dass  es  eine  rein  tuberkulöse  Lebercirrhose 
im  Kindesalter,  also  eine  4.  Kategorie  von  Cirrhose  neben  den 
schon  beschriebenen  3  Arten  (1.  tuberkulöse  Lebercirrhose  mit 
Herzaffektion,  2.  Lebercirrhose  von  gleichzeitig  tuberkulösen  und 
mit  Alkoholismus  behafteten  Kindern,  3.  Lebercirrhose  mit  gleich¬ 
zeitiger  tuberkulöser  Peritonitis)  gibt.  In  dem  einen  der  beiden 
Fälle  zeigten  2  aufeinander  folgende  Laparotomien  die  Unversehrt¬ 
heit  des  Peritoneums,  der  histologische  Sektionsbefund  in  dem 
anderen  die  tuberkulöse  Natur  des  cirrhotischen,  rein  systemati¬ 
sierten  Prozesses.  Bei  beiden  Kindern  hat  sich  die  Cirrhose 
ohne  Beteiligung  des  Herzens  entwickelt  und  erst  in  einem  vor¬ 
gerücktem  Stadium  der  Infektion  wurden  die  3  serösen  Häute 
gleichzeitig  ergriffen;  diese  verschiedenen  Erscheinungen  sind  kli¬ 
nisch  und  anatomisch  festgestellt  worden.  Uebrigens  glaubt  B.. 
dass  in  einer  Anzahl  von  Fällen  eine  Cirrhose  mit  Bauchfelltuber¬ 
kulose  existieren  muss,  wo  der  Beginn  sich,  wie  hier,  nur  auf 
erstere  beschränkt,  um  schliesslich  die  grosse  Peritonealserosa  zu 
befallen.  Was  hier  praktisch  bewiesen  ist,  dafür  gab  es  schon 
genügend  theoretische  Gründe:  Bei  einer  Infektion  des  Organismus 
gehen  die  Bazillen  oder  deren  Toxine  notwendigerweise  durch  die 
Leber,  welche  sie  zurückhält;  ist  ihre  reizende  Wirkung  langsam 
genug,  damit  sich  die  verschiedenen  Phasen  der  „Leberdefensive“ 
entwickeln,  so  können  sie  ebenso  wie  der  Alkohol  Cirrhose  ver¬ 
ursachen. 

L.  G.  Simon-Paris:  Ein  Fall  von  Spasmus  nutans  (Tic 
Salaam).  (Ibid.) 

Ein  typischer  Fall  dieser  Affektion  bei  einem  15  Monate  alten 
Kinde:  Beginn  in  der  ersten  Kindheit,  wie  immer  vor  den  ersten 
20  Monaten,  ohne  erkennbare  Ursache,  Zitterbewegungen  des 
Kopfes  von  vorn  nach  rückwärts,  mit  leichter  seitlicher  Neigung, 
welche  sehr  rasch,  regelmässig,  wenig  ausgedehnt  sind,  komplett 
während  des  Schlafes  oder  bei  abgelenkter  Aufmerksamkeit  des 
Kindes  aufhören;  rascher  Nystagmus,  welcher  meist  bilateral  ist. 
Zuweilen  partizipieren  die  Muskeln  des  Stammes  und  der  Schultern 
au  den  Zitterbewegungen.  S.  glaubt,  man  könne  2  Kategorien 
des  Tic  Salaam  unterscheiden:  Die  eine  kann  das  Vorstadium 
der  Epilepsie  bilden  und  zeichnet  sich  durch  isolierte  Attacken, 
2 — 10  oder  mehr  pro  Tag  aus  und  ist  besonders  charakteristisch, 
wenn  während  des  Anfalls  Bewusstseinsverlust,  Blässe,  Pupillen¬ 
erweiterung  vorhanden  ist;  diese  Kinder  sind  meist  hereditär  be¬ 
lastet  (alkoholischer  Vater,  epileptische  Eltern)  und  erfahren  spe¬ 
ziell  Besserung  durch  Brom.  Bei  der  zweiten  Kategorie  von  Fällen 
tritt  der  Tic  nicht  in  isolierten  Anfällen  auf,  sind  die  intelektuellen 
Funktionen  nie  gestört,  besteht  nicht  obige  hereditäre  Belastung 
und  tritt  nach  2,  4  Monaten  oder  später  vollständige  Heilung  ein, 
ohne  dass  sich  später  Epilepsie  einstellt;  zu  letzterer  Kategorie  ge¬ 
hört  vorliegender  Fall. 

C  h  a  put:  Die  verschiedenen  Arten  von  chirurgischer  An¬ 
ästhesie  (Aether,  Chloroform,  Chloräthyl,  Kokain  lokal  und 
lumbal).  (Presse  medicale  1902,  No.  47.) 

Ch.  gibt  aus  der  Summe  seiner  Erfahrungen  —  er  zog  be¬ 
sonders  die  40G  chirurgischen  Fälle,  welche  vom  1.  April  1901  bis 
1.  Mai  1902  mit  Anästhesie  behandelt  worden  sind,  in  Betracht  — 
folgendes  Resume.  Die  lokale  Kokainanästhesie  scheint  zu¬ 
gleich  mit  der  Chloräthylnarkose  die  empfehlenswerteste  für  die 
kleinen  Operationen,  für  furchtsame  Patienten  und  solche,  die 
mit  einer  Diathese  behaftet  sind,  zu  sein,  sie  kann  angewandt  wer¬ 
den  bei  oberflächlichen  Laparotomien,  bei  Hernien  u.  s.  w.,  ist  aber 
kontraindiziert  bei  Kindern  und  für  komplizierte  Laparotomien. 
Die  R  a  c  hikolcainisatio  n  ist  die  Methode  der  Wahl  für 
alle  Operationen  an  den  Unterextremitäten,  am  Anus  und  Rektum, 
den  Geschlechts-Harnorganen  bei  Männern  und  Weibern;  sie  ist 
indiziert  bei  den  Operationen  am  Thorax  und  bei  schwierigen 
Laparotomien,  wenn  die  Allgemeinnarkose  gefährlich  ist.  Diese 
nur  ist  bei  Kindern  möglich,  ist  die  Methode  der  Wahl  für  mittel¬ 
schwere  und  schwere  Operationen  an  Körperstollen  oberhalb  des 
Beckens  bei  sonst  gesunden  Leuten.  Kontraindiziert  ist  sie  immer 
bei  schlechtem  Allgemeinbefinden.  Der  A  e  t  h  e  r  ist  das  beste 
allgemeine  Narkotikum,  er  ist  nur  kontraindiziert  bei  alten  Leuten, 
bei  Fettsucht,  bei  Husten,  bei  Operationen  an  Gesicht  und  Kopf; 
oft  wird  er  schlecht  vertragen  (wegen  des  Geschmackes).  Das 
Chloroform  sei  nur  eine  Ausnahmemethode,  welche  in  den 
Fällen  zur  Anwendung  komme,  wo  die  anderen  Methoden  nicht 
erlaubt  sind.  Das  Chloroform  ist  das  Antidot  des  Aethers  und 
umgekehrt. 

Fernand  Cat  hei  in:  Der  graduierte  Blasendiviseur.  (Ibid., 
No.  48.) 

Das  sehr  sinnreich  nach  den  Angaben  Guyons  konstruierte 
Instrument  gestattet  die  Einführung  einer  (elastischen)  biegsamen 
und  nach  Belieben  ausdehnbaren  Scheidewand  in  die  Blase,  so  dass 
diese  vollständig  in  2  Hälften  geteilt  ist  und  in  glücklicher  Weise 
den  Katheterismus  der  Ureteren  zum  getrennten  Auffangen  des 
Urins  ergänzt.  Die  Einzelheiten  dos  Instruments  und  seines  Ge¬ 
brauchs  sind  nur  vermittels  der  Zeichnungen  verständlich. 

Ster  n. 


1478 


No.  35. 


MUENCII  KN  KU  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Russische  Literatur. 

A.  T  a  u  b  e  r:  Ueber  die  Beseitigung  undurchgängiger 
Strikturen  des  Oesophagus  durch  temporäre  Gastrotomie. 
(Wojenno-med.  Journal,  Januar  1902.) 

lh>i  einem  Manne  und  einer  Frau,  welche  beide  au  einer  für 
die  kleinsten  Sonden  undurchgängigeu,  durch  Verschlucken  kau¬ 
stischer  Flüssigkeit  verursachten  Verengerung  des  Oesophagus 
litten,  hat  Verf.  nach  Anlegung  einer  gastrischen  Fistel  eine 
Wiederherstellung  der  Wegsamkeit  der  Striktur  eint  roten  sehen. 
Dies  Resultat,  wurde  erhalten  nach  8  Tagen  im  ersten  und  nach 
21  Tagen  im  zweiten  Fall;  es  war  so  vollständig,  dass  die  Er¬ 
nährung  durch  den  Mund  wieder  möglich  wurde  und  zwar  auf 
die  Dauer.  Die  früher  unmögliche  Einführung  der  Magensonde 
konnte  jetzt  anstandslos  ebenso  durch  den  Mund  als  durch  die 
Magenfistel  (retrograde  Sondierung)  ausgeführt  werden. 

Was  war  die  Ursache  so  einer  unerwartet  günstigen  Wirkung 
der  temporären  Gastrotomie  auf  die  ösophageale  Striktur  V  Vert. 
erblickt  sie  nicht  in  der  Magenfistel  selbst,  sondern  in  dem  bei 
dieser  Operation  ausgeführten  Annähen  eines  Teiles  der  Magen¬ 
wand  an  die  Bauchdecken.  Diese  Gastropexie  hat,  indem  sie  eine 
permanente  Ausdehnung  der  gastro-ösophagealen  Oeffnung  b©- 
w  irkte,  nach  Verf.  Meinung  die  narbigen  Falten,  welche  das  Lumen 
dos  Oesophagus  verschlossen,  zur  Abflachung  gebracht  und  so  die 
Permeabilität  dieses  Kanals  wieder  hergestellt. 

Etwas  später  hot  sich  dem  Verf.  die  Gelegenheit,  diese  Hypo¬ 
these  bei  der  Obduktion  eines  anderen  Kranken  zu  prüfen.  Es 
handelte  sich  in  diesem  Falle  um  einen  älteren  Mann,  bei  dem 
wegen  einer  ebenfalls  undurchgängigen  Striktur  des  Oesophagus 
vor  2  Jahren  die  Gastrotomie  ausgeführt  wurde.  Einige  Zeit  nach¬ 
her  konnte  Fat.,  wie  die  oben  erwähnten  Kranken,  sich  per  os 
ernähren,  ohne  dass  man  bei  ihm  irgend  eine  mechanische  Dila¬ 
tation  der  Stenose  vorgenommen  hätte.  Der  Mann  ging  nun  au 
den  Folgen  einer  Inversion  des  Magens  durch  die  noch  bestehende 
Bauchfistel  zu  Grunde.  Dies  ereignete  sich  unter  dem  Einfluss 
einer  starken  Anstrengung  und  führte  zur  Einklemmung  und 
Gangrän  des  prohibierten  Organs.  Als  Reste  der  ehemaligen  Ver¬ 
engerung  fand  man  in  der  Leiche  nur  einige  kaum  merkliche 
Längsfalten  im  unteren  Teil  des  Oesophagus. 

Sich  auf  diese  3  Beobachtungen  stützend,  schlägt  Verf.  vor, 
die  narbigen  Strikturen  des  Oesophagus  durch  die  Gastropexie 
ohne  Gastrotomie  zu  behandeln.  Dazu  sollte  man  immer  im  frühen 
Stadium  des  Uebels,  solange  der  Kranke  noch  nicht  durch  langes 
Fasten  erschöpft  ist,  operieren.  In  späteren  Perioden  wäre  die 
Gastrostomie  jedenfalls  nicht  zu  entbehren.  Bei  der  einfachen 
Gastropexie  wegen  Verengerung  des  Oesophagus  müsste  man  ein 
besonderes  Gewicht  auf  das  Aunähen  an  die  Bauchdecken  gerade 
des  oberen  Teils  der  vorderen  Magenwand  legen,  um  so  eine 
maximale  Dilatation  der  gastro-ösophagealen  Oeffnung  zu  be- 

wirken.  . 

L.  Len  ie  witsch:  Das  Oleum  terebinthinae  bei  Gebar- 

mutterblutungen.  (Medizinskoje  Obosrenije  1902,  No.  0.) 

Seit  ca.  5  Jahren  bedient  sich  Verf.  mit  Erfolg  bei  der  Be¬ 
handlung  uteriner  Blutungen  der  mit  Oleum  terebinthinae  getränk¬ 
ten  Wattebäuschchen,  welche  in  die  Gebärmutterhöhle  eingeführt 
werden. 

Dabei  werden  zuerst  die  Wände  des  Zervikalkanals  mit  einer 
25  proz.  Lösung  von  Karbolsäure  in  Glyzerin  touchiert  und,  wenn 
nötig,  die  Zervix  unmittelbar  darauf  mit  H  e  g  a  r  sehen  Sonden 
dilatiert.  Alsdann  tamponiert  man  die  Uterushöhle  mit  Gaze¬ 
streifen,  die  5 — 10  Proz.  Jodoform  enthalten  und  die  man  ins  Oleum 
terebinthinae  eintaucht.  Diese  Gazestreifen  werden  ganz  nass 
(ohne  vorherige  Expression)  in  die  Gebärmutter  eingeführt;  das 
untere  Ende  des  Tampons  muss  frei  in  die  Scheide  hineinhängen. 
Die  Scheide  selbst  wird  abgewischt  und  mit  trockener  hydrophiler 
Watte  tamponiert.  Die  Kranke  verbleibt  im  Bette.  Nach  un¬ 
gefähr  2  Stunden,  wenn  die  durch  das  Oleum  terebinthinae  be¬ 
dingten  Uterinkoliken  ziemlich  heftig  werden,  entfernt  man  den 
Tampon.  Im  Falle  man  Patientin  nicht  bald  Wiedersehen  kann, 
gibt  man  ihr  eine  Dosis  Ergotin.  Während  der  nächsten  3  oder 
4  Tage  hat  die  Frau  einen  mehr  oder  weniger  starken  serös¬ 
blutigen  Ausfluss.  Mit  seinem  Verschwinden  schwindet  auch  die 
Metrorrhagie  gewöhnlich.  Nur  selten  wäre  man  gezwungen,  einen 
zweiten  mit  Oleum  terebinthinae  getränkten  Tampon  (4—5  Tage 
nach  dem  ersten)  in  den  Uterus  einzulegen. 

Diese  Behandlung  ist,  nach  Verf.,  ein  sicheres,  wenngleich 
manchmal  nur  temporäres  Mittel  gegen  Uterusblutungen.  Sie  ist 
hauptsächlich  angezeigt  bei  interstitiellen  Myomen  und  Endo¬ 
metritis  liaemorrliagica,  besonders  wenn  das  Tamponnement  ohne 
Herunterziehen  des  Uterus  und  künstliche  Dilatation  der  Zervix 
gelingt,  und  auch  bei  Metro-  und  Menorrhagien  des  Klimakteriums. 
Gegen  die  Blutungen  post  partum  hat  aber  Verf.,  aus  Furcht  vor 
Luftembolien,  das  Verfahren  nicht  angewandt. 

R.  W  reden:  Bildung  einer  Nase  auf  Kosten  eines  Fingers. 
(Roussky  Wratsch  1902,  No.  19.) 

Anno  1874  hat  ein  englischer  Chirurg,  .1.  Hardie,  in  einem 
Falle  kompletter  Zerstörung  der  Nase  dieselbe  durch  Implantation 
der  kleinen  Phalanx  des  linken  Zeigefingers  wieder  herzustellen 
gesucht  Da  das  von  Herrn  W  rede  n  angewandte  Verfahren 
eigentlich  nur  eine  Vervollkommnung  der  11  a  r  il  i  e  sehen  Me¬ 
thode  ist,  so  muss  diese  letztere  hier  kurz  beschrieben  werden. 
Hardie  ist  in  seinem  Falle  folgendermassen  zu  Werke  ge¬ 
gangen:  Nach  Abtragung  der  Haut  der  zu  implantierenden  Finger¬ 
spitze  erhob  er  auf  der  volaren  Fläche  der  betreffenden  3.  Phalanx 
2  llautlappen,  die  er  mit  den  lateralen  Weichteilen  der  Nase  ver¬ 


nähte.  Die  benutzte  Hand  wurde  3  Monate  lang  in  Kontakt  mit 
dem  Gesicht  durch  einen  aus  Diachylonstreifen  bestehenden  Ver¬ 
band  immobilisiert.  Nachher  separierte  man  allmählich  (dazu 
brauchte  man  mehrere  Tage)  die  implantierte  kleine  Phalanx  von 
dem  übrigen  Finger  und  entfernte  den  Verband.  Das  Resultat 
war  nicht  befriedigend,  da  die  transplantierte  Phalanx  infolg*' 
narbiger  Retraktion  in  die  Apertura  pyriformis  hineinsank. 

Nun  hat  Herr  W  rede  n  in  2  Fällen  von  Nasenzerstörung 
dieses  Verfahren  mit  bedeutenden  Verbesserungen  angewandt. 
Dieselben  bestanden  erstens  in  der  Anwendung  (für  die  Wieder¬ 
herstellung  des  Nasenrückens)  des  4.  Fingers  der  linken  Ilaml 
(anstatt  des  in  funktioneller  Beziehung  wichtigeren  Zeigefingers). 
Zweitens  hat  Verf.  mit  der  3.  auch  die  2.  Phalanx  transplantiert. 
Eine  weitere  wichtige  Verbesserung  bestand  in  folgendem:  Vor 
der  Vornahme  der  Transplantation  des  Fingers  wurden  der  Nagel, 
dessen  Matrix  und  die  Weichteile  der  Fingerspitze  entfernt  und 
die  Spitze  des  Knochens  von  ihrem  Periost  entblösst,  damit  man 
sie  in  eine  kleine  in  der  vorderen  Fläche  des  Processus  nasalis 
des  Stirnbeins  angebrachte  Grube  einlegen  und  einheilen  könnte. 

Nach  Vollendung  (unter  lokaler  Kokainanästhesie)  dieser 
Operationsmanöver  immobilisierte  man  den  ganzen  Arm  mittels 
eines  Gipsverbandes  in  solcher  Weise,  dass  der  4.  Finger  in  der 
Richtung  der  medialen  Linie  des  Gesichts  verblieb,  während  die 
Hand  mit  dem  Processus  nasalis  des  Stirnbeins  einen  Winkel  von 
40  0  bildete.  Der  Kranke  konnte  somit  anstandslos  sich  ernähren. 
Nach  Verfiuss  eines  Monates  entfernte  man  den  Gipsverbanu  und 
schritt  sogleich  zur  Amputation  (immer  unter  lokaler  Kokain¬ 
anästhesie)  des  4.  Fingers  im  Phalango-Metakarpalgelenk  und  zur 
Bildung  einer  Nasenscheidewand  aus  der  von  den  übrigen  Teilen 
der  Hand  jetzt  vollkommen  separierten  1.  Phalanx.  Dazu  brauchte 
man  nur  diese  1.  Phalanx  auf  der  2.  (die  untere  Hälfte  des  Nasen¬ 
rückens  bildenden)  Phalanx  zu  beugen  und  deren  freies  Ende  durch 
einige  Nähte  in  eine  am  unteren  Ende  der  Apertura  pyriformis  an¬ 
gebrachte  kleine  Vertiefung  zu  befestigen. 

Dies  sind  die  wesentlichsten  Züge  der  W  reden  sehen  Opera¬ 
tion.  Was  aber  deren  kosmetische  Resultate  betrifft,  so  ist  es  un¬ 
möglich,  darüber  bei  einfacher  Lektüre  des  betreffenden  Artikels 
zu  urteilen.  Zwar  sagt  Verfasser,  sein  Verfahren  verschaffe  eine 
solide  knöcherne  Stütze  für  die  Nase,  deren  Profil  sich  unter  dem 
Einflüsse  der  Narbenretraktion  nicht  mehr  verändert,  aber  er  gibt 
uns  nicht  photographische  Abbildungen  seiner  Patienten,  sich  mit 
einer  einfachen  schematischen  Zeichnung  begnügend,  die  selbst¬ 
verständlich  nur  das  Operationsverfahren,  nicht  aber  seinen  Er¬ 
folg  illustriert.  Jedoch  macht  Verfasser  die  Bemerkung,  dass  er 
sich  in  der  Periode  der  ersten  Versuche  befindet  und  dass  seine 

Methode _ wie  auch  alle  neuen  Operationsverfahren  —  noch  eine 

weitere  Ausbildung  erfahren  muss. 

A.  Solo  wie  ff:  Ein  neues  Zeichen  von  Tetanie.  (Roussky 
Wratsch  1902,  No.  20.) 

In  2  Fällen  von  Tetanie  bei  Jünglingen  hat  Verfasser,  neben 
den  Phänomenen  von  Trousseau  und  Chvostek,  ein  noch 
nicht  beschriebenes  Symptom  beobachtet,  das  in  rhythmischen  und 
ziemlich  heftigen  Kontraktionen  der  linken  Hälfte  des  Zwerchfells 
bestand.  Dieselben  waren  sichtbar  und  fühlbar,  mit  den  Herz¬ 
systolen  synchronisch  und  von  einer  Einziehung  der  unteren  Inter¬ 
kostalräume  begleitet.  Zu  gleicher  Zeit  vernahm  man  ein  leises 
Pfeifen  oder  Giemen,  welches  durch  Eindringen  von  Luft  in  die 
bei  jeder  systolischen  Kontraktion  des  Zwerchfells  plötzlich  ge¬ 
dehnte  Lunge  entstand.  Solche  spasmodische  diaphragmale  Zuck¬ 
ungen  - —  deren  wirkliche  Existenz  Verfasser  auch  durch  Unter¬ 
suchung  mittels  Röntgenstrahlen  festzustellen  in  der  Lage  war  — 
ereignen  sich,  nach  Solowieffs  Meinung,  infolge  einer  direkten 
Reizung  des  linken  N.  phrenicus  (der  sich  bei  Tetanisehen  in  einem 
Zustande  von  Uebererregbarkeit  befindet)  durch  die  Herzbewe¬ 
gungen.  Sie  lassen  nach  nur  bei  tiefer  Inspiration  und  bei  grösse¬ 
ren  Kraftanstrengungen.  Das  neue  Symptom  der  Tetanie  schlägt 
Verfasser  vor,  mit  dem  Namen  „Phrenikusphänomen“  zu  be¬ 
zeichnen. 

L.  Gokieloff:  Das  heisse  Wasser  bei  der  Behandlung  des 
durch  Wirkung  der  Antiseptica  entstandenen  akuten  Ekzems. 
(Berichte  der  Kaukasischen  medizinischen  Gesellschaft,  Februar 
1902.) 

Entgegen  der  allgemein  verbreiteten  Meinung,  das  Ekzem  ver¬ 
trage  die  Feuchtigkeit  nicht,  hat  Verfasser  die  Erfahrung  gemacht, 
dass  ein  vortreffliches  Mittel  zur  Behandlung  akuter  ekzematöser 
Ausschläge  —  solcher  nämlich,  die  durch  eine  lokale  Wirkung 
reizender  Stoffe,  besonders  antiseptischer  Substanzen,  manchmal 
auch  unter  einem  einfachen  feuchten  Verband  entstehen  —  in  der 
Anwendung  des  heissen  Wassers,  so  heiss  wie  Patient  es  nur  ver¬ 
tragen  kann,  bestehe.  Der  befallene  Teil  wird  in  das  heisse  Wasser 
mehrmals  nacheinander  (jedes  Mal  nur  auf  kurze  Zeit)  eingetaucht 
oder  man  begiesst  ihn  mit  Wasser  von  genügend  hoher  Temperatur. 
Dabei  lindert  sich  zuerst  das  Jucken,  dann  schwinden  die  Eut- 
zündungserscheinungen  und  die  Genesung  erfolgt  rasch.  Im  An¬ 
fangsstadium  der  Eruption  angewandt,  sei  diese  Behandlung  fähig, 
eine  Abortivwirkung  auf  die  durch  lokal**  Irritation  bedingten 
Ekzeme  auszuüben. 

W.  Nemtschenkoff:  Eine  neue  Behandlung  des  Tra¬ 
choms  durch  saturierte  Karbolsäurelösung.  (Wojenno-med.  Jour¬ 
nal,  April  1902.) 

In  43  Fällen  von  tracliomatöser  Augenentzündung  hat  Ver¬ 
fasser  vortreffliche  Erfolge  durch  subkonjunktivale  Einspritzungen 
einer  5  proz.  Lösung  von  Karbolsäure  erhalten. 


2.  September  1902. 


MIXEN  CI  I ENER  MEDICTN  IS  CII E 


WOCHENSCHRIFT. 


1477 


Die  Injektionen  wurden  mit  der  P  r  avaz  selten  Spritze  an 
jedem  Augenlide  an  2  Punkten  vorgenommen:  an  der  äusseren 
und  an  der  inneren  Kommissur,  und  zwar  in  die  beim  Heraus¬ 
stülpen  des  Lides  entstehende  konjunktivale  Falte.  An  jedem  dieser 
Punkte  wurde  ein  Viertel  des  Inhaltes  der  Spritze  eingeführt.  Die 
Lösung  wurde  so  nahe  als  möglich  an  die  Schleimhaut  deponiert 
und  dabei  ganz  langsam  zu  Werke  gegangen,  um  eine  zu  starke 
Dehnung  der  Gewebe  zu  meiden.  Bei  ängstlichen  Subjekten 
machte  man  die  Einspritzungen  durch  die  Augenliderhaut.  Die 
Schmerzempfindung  war  ziemlich  bedeutend  im  ersten  Augenblicke, 
verschwand  aber  rasch,  da  die  Karbolsäure,  wie  bekannt,  lokal- 
anästhetisch  wirkt.  Bald  nach  der  Injektion  nahmen  die  Sym¬ 
ptome  okulärer  Reizung  (Ausfluss,  Schmerzen,  perikorneale  Hyper¬ 
ämie)  in  solchem  Masse  ab,  dass  Patienten  eine  ungewohnte 
Euphorie  seitens  ihrer  Augen  fühlten.  Aber  später  erfolgte  eine 
subkonjunktivale  entzündliche  Reaktion:  die  Augenlider  schwollen 
an  und  es  zeigte  sich  ein  serös-eitriger  Ausfluss.  Um  das  Auge 
nicht  zu  erwärmen,  wurde  kein  Okklusivverband  angelegt.  Vom 
nächsten  Tage  an  nahm  die  pälpebrale  Schwellung  ab.  so  dass  die 
Lider  geöffnet  werden  konnten.  Man  fand  jetzt  die  Konjunktiva 
stark  hyperämisch;  die  Trachomkörner  erschienen  röter  wie  zu¬ 
vor  und  waren  wie  versunken  in  der  geschwollenen  Schleimhaut. 
Nach  10 — 14  Tagen  schwinden  diese  reaktiven  Erscheinungen 
vollkommen  und  dann  schwinden  auch  die  Trachomkörner.  Manch¬ 
mal  aber  braucht  man  dazu  eine  zweite  oder  sogar  dritte  Ein¬ 
spritzung  an  Punkten,  wo  die  trachomatösen  Läsionen  noch  be¬ 
stehen.  Bei  Wiederholen  der  Einspritzungen  müssen  dieselben  in 
Zwischenräumen  von  10 — 12  Tagen  gemacht  werden. 

Es  ist  hervorzuheben,  dass  die  Karbolsäure  nur  auf  die  Tra¬ 
chomkörner  selbst  wirkt,  die  narbigen  Veränderungen  und  papil¬ 
lären  Exkreszenzen  aber  nicht  beeinflusst.  Letztere  erheischen  die 
Kauterisation  mit  Cuprum  sulfuricum  in  Substanz. 

Die  beschriebene  Behandlung  wird  natürlich  nicht  auf  beiden 
Augen  zugleich  eingeleitet.  Man  fängt  mit  dem  am  meisten  er¬ 
krankten  Auge  an  und  erst  nach  5 — 7  Tagen  geht  man  zur  Be¬ 
handlung  des  anderen  Auges  über. 

Die  subkonjunktivalen  Einspritzungen  einer  5  proz.  Lösung 
von  Karbolsäure,  wenn  sie  mit  allen  Kauteleu  der  Asepsis  vor¬ 
genommen  werden,  hätten  keine  Nachteile.  Verfasser  erblickt  in 
ihnen  das  wirksamste  und  bequemste  Mittel  zur  Bekämpfung  der 
granulösen  Ophthalmie,  besonders  bei  Arbeitern  und  Soldaten.  Da 
der  Kranke  nur  einmal  wöchentlich  beim  Arzte  erscheinen  muss,  so 
braucht  er  seine  Arbeit  oder  den  Militärdienst  nicht  zu  unter¬ 
brechen.  Es  entsteht  dadurch  auch  für  den  Arzt  eine  bedeutende 
Zeitersparnis. 

W.  Bialobschesky:  Der  Phosphor  bei  der  Behandlung 
der  Alopecia  areata.  (Medizinskoje  Obosrenije  1902,  No.  9.) 

Verfasser  hat  bei  der  Area  Celsi  günstige  Resultate  nach  inner¬ 
lichem  Gebrauch  einer  Mischung  a’oh  Phosphor  und  Arsen  be¬ 
obachtet.  Die  von  ihm  gebrauchte  Formel  war  folgende: 


Phosphori .  0,06 

Solve  in: 

Olei  olivar.  q.  s. 

Adde : 

Acidi  arsenicosi .  0,10 


Extr.  et  pulv.  liquirit.  q.  s. 

F.  pilul.  No.  CXX  collodio  obduct. 

I)S.  Täglich  1 — 4  Pillen  zu  nehmen. 

Diese  Pillen  werden  2 — 3  Monate  lang  gebraucht  mit  mehreren 
Unterbrechungen  für  eine  Woche.  Die  Bildung  neuer  Alopecie- 
herde  zessiere  nach  einem  Monat  und  das  Wiederwachsen  der 
Haare  beginne  bald  nachher. 

Weliamowitsch:  Die  Formaldehydderivate  bei  der 
Behandlung  des  Intertrigo,  der  Hyperhydrosis  und  einiger 
Formen  des  Ekzems.  (Medizinskoje  Obosrenije  1902,  No.  9.) 

Neben  schon  bekannten  Tatsachen,  betreffend  die  günstige 
Wirkung  des  Tannoforms  auf  Schweisse  und  Intertrigo,  enthält  der 
Aufsatz  eine  interessante  Notiz  über  die  Behandlung  des  inter- 
digitalen  Ekzems  des  Fusses.  Diese  peinliche  und  den  gewöhn¬ 
lichen  Mitteln  äusserst  refraktäre  Erkrankung  ist,  nach  Verfasser, 
von  dem  Intertrigo  der  Bromhydrosis  streng  zu  scheiden.  Sie 
zeige  sich  nämlich  bei  Leuten,  die  an  Fusseliweissen  nicht  im 
mindesten  leiden,  entstehe  jedoch  meistens  während  der  heissen 
Jahreszeit.  Eine  Interdigitalfalte  am  Fusse,  welche  bis  dahin  ganz 
trocken  und  gesund  aussah,  rötet  sich  plötzlich  und  wird  stark 
pruriginös.  12 — 24  Stunden  später  entsteht  dort  eine  seröse  Ex¬ 
sudation;  die  Haut  wird  mazeriert  und  bedeckt  sich  mit  sehr 
schmerzhaften  Fissuren.  Das  starke  Jucken  raubt  den  Schlaf; 
die  Schmerzen  machen  das  Gehen  fast  unmöglich.  Alle  Mittel 
versagen,  mit  Ausnahme  des  Tannoforms,  welches  diese  Art  des 
Ekzems  zu  kurieren  rasch  im  Stande  wäre.  In  Verfassers  Be¬ 
obachtungen  genügte  es,  die  kranke  Stelle  mehrmals  täglich  mit 
einer  Mischung  von  1  Teil  Tannoform  und  4  Teilen  eines  indiffe¬ 
renten  Pulvers  zu  bestreuen,  um  das  Jucken,  die  seröse  Exsudation 
und  die  Fissuren  in  3 — 4  Tagen  zu  beseitigen. 

Laryngo-Rhinologie. 

1)  B.  Fraenltel  -  Berlin:  Pachydermie  und  Karzinom  nebst 
Bemerkungen  über  die  Entwickelung  und  die  mikroskopische 
Diagnose  des  Karzinoms.  Mit  12  Tafeln  und  4  Abbildungen  im 
Text.  (Arch.  f.  Laryngol.  u.  Rliinolog.  Bd.  13,  Heft  1.) 


Im  Anschluss  au  2  Fälle  von  Larynxkrebs,  die*  operativ  ge¬ 
heilt  wurden,  bespricht  Fraenkel  Pathologie  und  Differential¬ 
diagnose  von  Karzinom,  Pachydermie,  Tuberkulose  und  Lues  und 
führt  uns  an  der  Hand  einer  Reihe  von  Serienschnitten  der  opera¬ 
tiv  entfernten  Tumoren  anschauliche  Bilder  der  Erkrankungs¬ 
herde  vor,  die  namentlich  in  ihrer  differentialdiagnostischen  Be¬ 
deutung  zwischen  Pachydermie  und  Karzinom  Interesse  bieten. 
Details  müssen  im  Original  nachgelesen  werden.  ' 


2)  u.  3)  Die  K  i  1 1  i  a  n  sehe  Radikaloperation  chronischer 
Stirnhöhleneiterungen. 

I.  Iv  r  a  u  s  -  Freiburg  i.  Br.:  Historische  Entwickelung  der 
Methode,  an  der  Hand  der  Kasuistik  bearbeitet. 

1  •  Öustav  Killian  - Freiburg  i.  Br.:  Weiteres  kasuistisches 
Material  und  Zusammenfassung.  Mit  2  Tafeln  und  0  Abbildungen 
im  Text.  (Ibid.)  ö 

Die  Arbeit  K  r  a  u  s’  berichtet  uns  an  der  Hand  von  9 


in  ex- 
den  Eut¬ 
in  der 
in  extenso 


genau 


am 

ge- 


tenso  angeführten  Kranken-  und  Operationsgeschichten 
wicklungsgang  der  Killian  sehen  Operationsmethode 
folgenden  Publikation  teilt  Killian  5  weitere  Fälle 
mit  und  bespricht  anschliessend  unter  kritischer  Beleuchtung  der 
anatomischen,  physiologischen  und  pathologischen  Verhältnisse 
das  endgültige  Resultat  seiner  Erfahrungen,  die  er  in  der 
Ende  der  Arbeit  noch  einmal  zusammengefassten  und 
schilderten  Operationstechnik  niederlegt. 

Sowohl  in  Bezug  auf  Heilung  als  in  kosmetischer  Beziehung 
sind  die  Operationsresultate  vorzügliche.  Das  Wesentliche  der 
Killian  sehen  Methode  besteht  darin,  dass  er  unter  Erhaltung 
einer  Supraorbitalknochenspange  (Erhaltung  des  oberen  Randes 
der  Orbita  aus  kosmetischen  Rücksichten)  die  ganze  Vorderwand 
und  den  Boden  der  Stirnhöhle  reseziert,  um  eine  Verödung  der 
starrwandigen  Stirnhöhle  zu  erzielen.  Durch  die  Resektion  des 
Stirnhöhlenbodens  ist  den  Weichteilen  der  Orbita  die  Möglichkeit 
gegeben,  in  die  Stirnhöhle  einzudringen  und  durch  Anlagerung  an 
die  zerebrale  Wand  derselben  einen  Teil  der  ursprünglichen  Stirn¬ 
höhle  auszufüllen.  Im  weiteren  Verlauf  der  Operation  wird  der 
Processus  frontalis  des  Oberkiefers  reseziert,  wodurch  eine  aus¬ 
giebige  Freilegung  und  Resektion  der  meist  miterkrankten  vorderen 
und  eventuell  auch  mittleren  Siebbeinzellen  ermöglicht  und  ein 
breiter  Zugang  zu  der  Nase  geschaffen  wird.  Wenn  nötig,  lässt 
sich  von  dieser  Stelle  aus  auch  die  Keilbeinhöhle  in  Angriff  nehmen. 
Bei  Erkrankung  beider  Stirnhöhlen  werden  beide  hintereinander 
in  einer  Operation  eröffnet  und  —  im  Gegensatz  zu  der  früheren 
Methode  —  das  Septum  interfrontale  reseziert.  Die  ursprüng¬ 
liche  Schnittführung  in  Y-Form  wird  bei  beiderseitiger  Stirnhöhlen¬ 
eröffnung  zweckmässiger  Weise  durch  je  einen  bogenförmigen 
Schnitt  unter  Erhaltung  einer  Hautbrücke  von  der  Glabella  zur 
Nase  aus  kosmetischen  Rücksichten  ersetzt.  Die  sehr  instruk¬ 
tiven  Abbildungen  erleichtern  wesentlich  das  Verständnis  der 
Operationsmethode. 


4)  K  i  1 1  i  a  n  -  Freiburg  i.  Br.:  Hilfsmittel  für  den  laryngo- 
rhinologischen  Unterricht.  Mit  7  Abbildungen.  (Ibid.) 

Zur  Demonstration  der  komplizierten  Verhältnisse  der  Nase 
und  ihrer  Nebenhöhlen  liess  Killian  ein  Modell  in  vergrössertenn 
Masstabe  anfertigen,  das  ebenso  Avie  die  übrigen  in  der  Arbeit 
abgebildeten  Modelle  zur  Einführung  in  das  Gebiet  der  Laryngo- 
Rliiuologie  und  zur  Einübung  der  Technik  ein  Avertvolles  Unter¬ 
stützungsmoment  bilden  dürfte.  Die  Apparate  und  Modelle  sind 
von  der  Instrumentenfabrik  F  i  s  c  li  e  r  in  Freiburg  i/Br.  zu  be¬ 
ziehen  und  bestehen  aus: 

1.  Phantom  zur  Einübung  der  Sondierungen  unter  Leitung 
des  Kehlkopfspiegels, 

2.  Bronchoskopiephantom  und 

3.  Vorlesungsmodell  der  Nase  und  ihrer  Nebenhöhlen. 

5)  Johann  F  ein-  Wien:  Zur  Operation  der  adenoiden  Wuche¬ 
rungen  im  Nasenrachen.  Mit  6  Abbildungen.  (Ibid.) 

Angabe  einer  modifizierten  Nasenrachenkürette.  Die  Aende- 
rung  besteht  in  einer  bajonettförmigen  Abknickung  des  Schaftes 
und  einer  seitlichen  Abbiegung  des  Griffes,  wodurch  ein  grösserer 
Aktionsradius  ermöglicht  Avird.  Die  in  3  Grössen  angefertigten 
Küretten  sind  durch  H.  Reine  r,  Wien  I,  Franzenring  22,  zu  be¬ 


ziehen. 

0)  u.  7)  II  e  y  m  a  n  n  -  Berlin:  Ein  neuer  Watteträger  und 
ein  neuer  Pulverbläser  für  den  Kehlkopf.  Mit  2  Abbildungen;  und 

R  i  c  h  t  e  r  -  Plauen  i.  AT.:  Ein  neuer  Zerstäuber  für  Nase, 
Bachen,  sowie  Kehlkopf.  Mit  1  Abbildung.  (Monatsschrift  für 
Ohrenheilkunde  etc.  1902,  No.  3.) 

Abbildung  und  Beschreibung  der  betreffenden  Apparate. 

S)  V  e  i  s  -  Frankfurt  a.  M. :  Ein  Beitrag  zum  Verlaufe  von 
Larynxtuberkulose  in  der  Gravidität.  (Ibid.  No.  4.) 

Unter  Bezugnahme  auf  das  Referat  Kuttners  (cf.  diese 
Wochenschrift  1902,  No.  1.  S.  3S,  Referat  No.  10)  berichtet  V  e  i  s 
über  einen  Fall  Aon  Kelilkopflungenphtliise  bei  einer  23  jährigen 
Primapara,  bei  der  nach  Ablauf  der  Schwangerschaft  der  tuberku¬ 
löse  Prozess  progredient  fortscliritt  und  rasch  unter  hohem  Fieber 
zum  Tode  führte.  Auf  Grund  der  in  der  Literatur  niedergelegten 
diesbezüglichen  Erfahrungen,  denen  sich  V  e  i  s’  Fall  als  weiterer 
anschliesst,  erblickt  Autor  in  der  b  e  g  inne  n  d  e  n  Larynxtuber¬ 
kulose  bei  nicht  sehr  weit  vorgeschrittener  Lungenerkrankung  eine 
absolute  Indikation  zur  Einleitun g  des  Abortus. 

9)  Choussaud:  Prothese  mittels  Paraffininjektionen. 
(Methode  Eckstein.)  Mit  2  Abbildungen.  (IieA'ue  hebdoma- 
daire  de  laryngologie  etc.  1902,  No.  13.) 

Nach  eingehender  Besprechung  der  Geschichte  und  Entwick¬ 
lung  der  Paraffininjektionen  empfiehlt  Choussaud  das  neuer¬ 
dings  von  E  ckstein  venvandte  Paraffin  und  berichtet  an- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


1478 


scliliessend  über  2  nach  dieser  Methode  behandelte  Fälle  aus  der 
M  oure  scheu  Klinik,  von  denen  der  erste  ein  negatives,  der  zweite 
ein  schönes,  positives  Resultat  ergaben.  Die  Krankengeschichten 
sind  in  extenso  angeführt,  und  die  dem  zweiten  Fall  beigefugten 
2  Photographien  des  Kranken  vor  und  nach  der  Injektion  lassen 
das  schöne  kosmetische  Resultat  durch  Beseitigung  der  Sattelnase 
gut  erkennen.  Den  Schluss  bilden  Erwägungen  über  zweckmassi¬ 
gen  weiteren  Ausbau  dieser  Paraffin  inj  ektionstherapie  auch  an 
anderen  Teilen  des  Gesichtsschädels. 

10)  J  o  a  1  -  Mont-Dore:  Pharyngitis  sicca  und  Morbus  Brighti. 

(lbid.  No.  10.)  ,.x  _  .  ,  . 

J  o  a  1  weist  erneut  auf  den  Zusammenhang  —  ähnlich  wie  hei 
Diabetes  —  zwischen  Pharyngitis  sicca  und  Nephritis  hin.  In  all 
den  Fällen,  in  denen  die  Pharyngitis  nicht  die  Folge  einer  etwa 
bestehenden  Nasen-  oder  Nasenrachenaffektion  darstellt,  sollte  man 
den  Urin  auch  auf  Eiweiss  untersuchen,  um  eine  im  Entstehen  be¬ 
griffene  Nephritis  möglichst  frühzeitig  zu  diagnostizieren.  Bis¬ 
weilen  wird  diese  trockene  Pharyngitis  als  Vorläufer  einer  Nephri¬ 
tis  manifest,  noch  ehe  Eiweiss  im  Urin  nachgewiesen  werden  kann. 

5  Krankengeschichten  sind  in  extenso  der  Arbeit  beigegeben. 

11)  Delli  e-Ipres:  Paraffininjektionen  bei  Difformitaten 
der  äusseren  und  Erkrankungen  der  inneren  Nase.  (Ibid.  No.  2-.) 

Die  bisher  angegebenen  Methoden  finden  eine  kritische  Be¬ 
sprechung.  Ausser  bei  den  bereits  früher  erwähnten  Difformitaten 
des  Nasengerüstes  (Sattelnase  etc.)  konnte  Autor  auch  durch  su  D- 
m  u  k  ö  s  e  Paraffininjektionen  unter  die  Schleimhaut  der  Nasen¬ 
muscheln  Erfolge  erzielen  in  den  Fällen,  in  denen  sei  es  durch 
operative  Massnahmen,  sei  es  aus  pathologischen  Ursachen  —  eine 
Atrophie  der  Muscheln  und  dadurch  eine  zu  grosse  Weite  des 
Cavum  nasi  bestand.  So  wurde  z.  B.  bei  der  Rhinitis  atrophica 
durch  submuköse  Paraffininjektionen  das  Volumen  der  unteren 
Muscheln  dauernd  vergrössert,  und  hierdurch  eine  Verengerung  des 
zu  weiten  Cavum  nasi  erzielt.  Als  Folge  sah  Autor  die  Stagnation 
und  Eintrocknung  des  Sekretes  schwinden  und  auch  die  sekundäre 
Pharyngitis  sicca  besser  werden.  Auch  bei  genuiner  Ozaena  sah 
4utor  durch  eine  gleiche  Therapie  wenigstens  symptomatische 
Besserung.  Je  nach  dem  Ort  der  Einspritzung  (Haut,  Schleimhaut) 
und  dem  zu  erreichenden  Resultat  muss  die  Zusammensetzung  des 
Paraffins  eine  verschiedene  sein.  Der  Schluss  der  Arbeit  enthalt 
die  Angabe  des  Instrumentariums  und  die  Beschreibung  der 
Technik. 

12)  Brindel  - Bordeaux:  Neue  Behandlungsmethode  der 
Ozaena  mittels  interstitieller  Parafläninjektionen.  (Ibid.  No.  -o.) 

Auch  in  der  M  o  u  r  e’schen  Klinik  wurden  mit  auffallendem, 
raschem  Erfolg  Ozaenakranke  mit  Paraffininjektionen  behandelt. 
Das  flüssige  Paraffin  wurde  in  die  hinteren  Enden  der  unteren 
Muscheln  injiziert,  und  der  Effekt  war  neben  Verengerung  der 
vorher  zu  Aveiten  Nasenhöhlen  eine  Beseitigung  der  Sekretstag¬ 
nation,  dadurch  Ilintanhaltung  der  Krustenbildung  und  Verschwin¬ 
den  des  Foetors.  Bei  einigen  der  Kranken  zeigte  sich  auch  eine 
Aenderung  in  der  Qualität  des  Sekretes.  Ob  der  Erfolg,  der  bei 
einer  Reihe  von  Kranken  bereits  mehrere  Monate  anhalt,  ein 
dauernder  sein  wird,  muss  die  Zukunft  ergeben.  10  Kranken¬ 
geschichten  in  extenso. 

13)  Sebileau:  Die  Tracheotomie  zur  Behandlung  der 
krikotrachealen  Papillome.  (Annales  des  maladies  de  l’oreille  etc. 
1002,  No.  4.) 

Im  Anschluss  an  einen  nach  dieser  Methode  behandelten  Fall 
empfiehlt  Sebileau  bei  ähnlichen  Affektionen,  auch  bei  Fremd¬ 
körpern,  ein  gleiches  Vorgehen:  Lagerung  des  Patienten  nach 
T  rendelen  b  u  r  g,  Fixierung  und  Hervorziehung  der  Trachea 
mittels  zweier  vom  Assistenten  zu  haltender  Nähte,  Operation 
o  h  n  e  Kanüle  und  primären  Nahtverschluss  der  Operationswunde. 

14)  T  a  p  t  a  s  -  Constantinopel:  Nebennierenextrakt  bei  intra¬ 
nasalen  Operationen.  (Ibid.) 

T  a  p  t  a  s  operierte  eine  grosse  Anzahl  intranasaler  Affektionen 
(Kristen,  Deviationen,  papillomatöse  Hypertrophien  etc.)  bei  Ver¬ 
wertung  einer  Abkochung  von  Nebennierenextrakt  unter  voll¬ 
kommener  Blutleere  und  schildert  die  hierdurch  bedingten  Vor¬ 
leih'  gegenüber  den  bisherigen  Massnahmen  bei  alleiniger  Kokain¬ 
anästhesie.  Er  empfiehlt  auch  für  Warzenfortsatzoperationen 
Tamponade  mit  präparierter  Nebennierenextraktgaze  zur  Vermei¬ 
dung  der  Blutung  und  grösserer  Uebersichtlichkeit  des  Operations¬ 
feldes. 

15)  Licht  w  i  tz  -  Bordeaux :  Die  Behandlung  des  Ohren- 
und  Nasenlupus  mittels  heisser  Duft.  (Archives  internationales 
de  laryngologie  etc.  1902,  No.  1.) 

Das  von  Holländer  angegebene  Instrumentarium  zur 
Iledsslufttlierapie  ermöglicht  es  nicht,  den  Hitzegrad  der  Luft  zu 
messen  und  zu  dosieren.  Um  diesem  Mangel  abzuhelfen,  verwandte 
Lichtwitz  die  von  Lermoyez  und  Mahn  bei  der  intra¬ 
nasalen  Heisslufttherapie  angegebenen  Tuben  und  Apparate  (cf. 
(liest'  Wochenschrift  1900,  No.  43,  S.  1588,  lief.  No.  5),  an  Stelle  der 
zum  Betrieb  verwandten  komprimierten  Luft  den  von  ihm  an¬ 
gegebenen  „propulseur  d’air  chaud“.  Diese  Modifikation  ermög¬ 
licht  eine  genaue  Dosierung  des  Temperaturgrades  der  heissen 
Luft,  ein  exakteres  Arbeiten  mit  Erzeugung  eines  zirkumskripten 
Brandschorfes  unter  Erhaltung  Arorliandener  gesunder  Hautinseln. 
Eine  Erhitzung  der  Luft  auf  ca.  80°  genügt  zu  einer  erfolgreichen 
Verschorfung.  Die  Heissluftapplikation  ist  wenig  schmerzhaft 
und  erfordert  keine  allgemeine  oder  lokale  Anästhesie;  der  Opera- 
tionsnachsclnnerz  ist  unbedeutend.  Die  Heilung  der  Schorfe  er¬ 
folgt  rasch  ohne  entstellende  Narbenbildung.  Ob  die  bis  jetzt  er¬ 
folgreich  behandelten  Fälle  als  dauernd  geheilt  zu  betrachten  sind, 


lässt  sich  erst  nach  einer  längeren  Beobachtung  über  eine  Reihe 
von  Jahren  hin  beurteilen. 

IG)  Mignon-Nizza:  Die  B-olle  der  Nasenhöhlen  in  der 
Prophylaxe  und  Behandlung  der  Lungen-  und  Kehlkopf  tuber¬ 
kulöse.  (Ibid.  No.  2.) 

Unter  Berücksichtigung  der  physiologischen  Bedeutung  der 
Nasenatmung  (Reinigung  und  Erwärmung  der  Respirationsluft, 
Sättigung  mit  Wasserdämpfen),  der  bakteriziden  Eigenschaft  des 
Nasenschleimes  und  der,  im  Vergleich  zu  den  weiteren  Ab¬ 
schnitten  des  Respirationstraktus,  relativen  V  iderstandsfähigkeit 
des  Cavum  nasi  gegen  die  Tuberkulose  macht  Mignon  auf  die 
Bedeutung  der  ausschliesslichen  Nasenathmung  als  1  lopli.A  lakti- 
kum  aufmerksam  und  weist  auf  die  Vorzüge  hin,  die  auch  bereits 
an  Tuberkulose  erkrankten  Personen  die  freie  Nasenatmung  im 

Gegensatz  zu  der  Mundatmung  gewährleistet. 

Hecht-  München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Göttingen.  April— August  1902. 

9.  Abesser  M.:  lieber  die  Herkunft  und  Bedeutung  der  in  den 
sogen.  Naevi  der  Haut  vorkommenden  Zellhaufen. 

10  Axmacher  F. :  Beitrag  zur  Behandlung  der  Sklerose  der 
Paukenhöhle,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Pilokarpins. 

11.  Bahr  F.:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Fremdkörpern  in 

der  Harnblase.  . 

12.  Bennecke  A.:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Parovarialcystome. 

13.  Berkofsky  K.:  Vergleichversuche  zwischen  Jodipin-  und 
Salometliode. 

14.  Faber  O.:  Beitrag  zur  Statistik  der  Klappenfehler  des 
rechten  Herzens. 

15.  G  ä  de  k  e  II. :  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  von  Varizen 
und  varikösen  Geschwüren  des  Unterschenkels. 

IG.  Graff  A.:  Ein  Fall  von  KLeinhimtumor.  Beitrag  zur  Sym¬ 
ptomatologie  und  Diagnostik  der  Kleinhirngeschwülste. 

17.  II  ei  ne  mann  A.:  Zur  Statistik  der  in  der  medizinischen 
Klinik  zu  Göttingen  beobachteten  Fälle  von  akuten  und  chro¬ 
nischen  Intoxikationen. 

IS.  Heissmeyer  L.:  Beitrag  zur  Statistik  der  Pleuritis. 

19*  Nit  sc  he  P.:  Ueber  Gedächtnisstörung  in  zivei  Fällen  von 
organischer  Gehirnkrankheit. 

20.  Reinhard  F.:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  operativ  be¬ 
handelten  Fälle  von  Cholelithiasis. 

21.  R  u  11  g  e  C. :  Ueber  die  Basedow  sehe  Krankheit. 

22.  Schl  epegrell  J.:  Ueber  Tuberkulose  der  Mundhöhle. 

23.  G.  Schulze:  Beitrag  zur  Statistik  der  Herzklappenfehler 
auf  Grund  der  vom  1.  April  1882  bis  zum  21.  Dezember  1900  in 
der  medizinischen  Klinik  zu  Göttingen  beobachteten  Fälle. 

24.  S  a  1  i  e  H. :  Ueber  die  Erfolge  der  Tuberkulinbehandlung  bei 
Konjunktivaltuberkulose. 

25  Wolter-Peksen  J. :  Die  Fälle  von  Diabetes  mellitus,  be- 
’  handelt  in  den  Jahren  1888—1900  in  der  Kgl.  medizinischen 
Universitätsklinik  zu  Göttingen. 

Universität  Kiel.  Juni  und  Juli  1902. 

71.  Krücke  Ludwig:  Ein  Fall  von  eitrig  entzündeter  Pacliy- 
meningitis  haemorrliagica  bei  Diphtherie. 

72.  Küchenho  f  f  Norbert:  Ueber  den  otitischen  Gehirnabszess 
und  seine  Folgeerscheinungen,  insbesondere  die  sensorische 
Aphasie. 

73.  Waltermann  Anton:  Die  Laparotomie  bei  Darminvagina- 
tion  im  Kindesalter. 

74.  Grevsen  Lauritz:  Ueber  die  in  der  Kieler  chirurgischen 
Klinik  im  Etatsjahre  1899/1900  vorgekommenen  Fälle  von 
Herniotomie. 

75.  Krause  Paul:  Zur  Kasuistik  der  Exstirpation  des  Ganglion 
Gasseri.  Mitteilung  eines  Falles  aus  der  Kieler  chirurgischen 
Klinik,  bei  welchem  die  Operation  in  imgewöhnlicher  Weise 
und  mit  gutem  Erfolge  vollzogen  wurde. 

7G.  Meyer  Fritz:  Ueber  die  Endresultate  der  operativen  Behand¬ 
lung  tuberkulöser  Lymphome. 

77.  W  agener  Oskar:  Ueber  die  Methoden  der  Freilegung  des 
Herzens  zur  Vornahme  der  Naht  nach  Verletzungen. 

7S.  W  i  1  p  Johannes:  Zur  Kasuistik  der  Kukullarislähmungen. 

79.  D  e  i  t  m  e  r  Franz:  Ueber  einen  Fall  von  fötaler  Peritonitis. 

80.  Müller  Reinhold:  Die  Gallensteinoperationen  der  chirur¬ 
gischen  Klinik  zu  Kiel  aus  den  Jahren  1899 — 1901. 

81.  II  off  mann  Wilhelm:  Zur  Kasuistik  der  Duodenalstenose 
und  deren  Behandlung  durch  Gastroenterostomie. 

82.  Leefhelm  Friedrich:  Ein  Fall  von  Epitheliom  des  Unter¬ 
kiefers  nebst  Bemerkungen  über  die  Epitheliome  der  Kiefer 
im  allgemeinen. 

83.  Bergemann  Walter:  Ueber  die  in  der  Kieler  chirurgischen 
Klinik  in  den  Etatsjahren  1899/1900  vorgekommenen  Fälle 
von  Osteomyelitis  acuta. 

84.  L  iihmann  Otto:  Ein  Fall  von  Spindelzellensarkom  des 
Uterus  mit  multipler  Metastasenbildung. 

85.  Nicks  Wilhelm:  Zwei  Beiträge  zur  Kasuistik  der  Tuber¬ 
culosis  heniiosa. 

8G.  Sauer  Fritz:  Ueber  einen  eigentümlichen  Fall  von  Luxatio 
patellae  lateralis.  Absprengung  eines  Stückes  von  der  Patella 
und  Verhakung  derselben  an  der  Kaute  des  Condylus  externus 
femoris.  _ 


2.  September  1902. 


MTJENCHENER  MEDIC1NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1479 


87.  Ti  t  schack  Fritz:  Zur  Kasuistik  des  Mal  perforant  du  pied 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  hereditären  Anlage. 

88.  Buchholz  Otto:  Bruchoperationen  bei  Kindern  in  den  ersten 
zwei  Lebensjahren. 

89.  Mehnert  Gottreich:  Ein  seltener  Fall  von  Splitterfraktur 
der  oberen  Tibiaepiphyse  mit  Zerreissung  der  Arteria  poplitea 
und  nachfolgender  Gangrän  des  Unterschenkels  bei  einem 
Tabiker. 

90.  Müller  Heinrich:  Ueber  die  in  der  Kieler  chirurgischen 
Klinik  in  den  Jahren  1S99,  1900  und  1901  beobachteten  Fälle 
von  Kryptorchismus. 

91.  Roosen-Runge  Caesar:  Ueber  die  Bedeutung  des  Trauma 
in  der  Aetiologie  der  disseminierten  Fettgewebsnekrose. 

92.  W  aldschmidt  Max:  Ueber  die  Erfahrungen  bei  der  opera¬ 
tiven  Behandlung  von  Retrodeviationen  des  Uterus  durch  Ver¬ 
kürzung  und  Fixation  der  Ligamenta  rotunda. 

Universität  Leipzig.  Oktober  1901. 

97.  Gebhardt  Curt:  Chloroform  oder  Aether? 

98.  K  weiter  Fritz:  Ueber  die  Hernien  der  Linea  alba. 

99.  Piltz  Max:  Die  Kompressionsfrakturen  der  Wirbelsäule. 

100.  Rabe  Wilhelm:  Ueber  die  therapeutische  Verwendung  des 
Aspirin  (Acetylsalizylsäure). 

101.  Schafe  r  Heinrich:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  des  primären 
Tubenkarzinoms. 

102.  St  oh  mann  Friedrich:  Behandlung  der  Endometritis  post 
abortum  und  post  partum  mit  intrauteriner  Formalinätzung. 

103.  Wagner  Abraham:  Ein  Beitrag  zur  Diagnose  des  Darm¬ 
krebses. 

November  1901. 

104.  Jacobi  Siegfried:  Ueber  Gravidität  im  rudimentären  Horn 
des  Uterus  bicornis. 

105.  Kanin  Nathan:  Ueber  chirurgische  Analgesie  mittels  Ivo- 
kainisierung  des  Rückenmarkes. 

100.  Magnus  Fritz:  Ueber  Schleimhauterysipele  der  Luftwege. 

107.  So  liege  Max:  Beitrag  zur  Behandlung  des  Gebärmutter¬ 
krebses  am  Ende  der  Schwangerschaft. 

108.  Winter  Bruno:  Ein  Fall  von  Cysticercus  cellulosae  im 
III.  Ventrikel  des  Gehirns. 

109.  Grund  mann  Paul:  Fibromyom  der  vorderen  Scheiden¬ 
wand  mit  Druckusur  derselben. 

110.  Heilemann  Hugo:  Das  Verhalten  der  Muskelgefässe 
während  der  Kontraktion. 

111.  Iv aulfers  Karl:  Ueber  einen  Fall  von  lumbo-sakral-kypho- 
tischem  Becken. 

112.  Itöhrig  Martin:  Ueber  den  angeborenen  Verschluss  des 
Tkarynx  und  des  Oesophagus. 

113.  Sam  1  and  Fritz:  Zur  operativen  Behandlung  der  Granulöse 
unter  besonderer  Berücksichtigung  der  gegen  dieselbe  ge¬ 
machten  Einwände  und  der  Rezidivfrage. 

114.  Bamberg  Johannes:  Beiträge  zur  Lehre  vom  primären 
Leberkarzinom. 

Dezember  1901. 

115.  Cassens  Wiard:  Zur  Totalexstirpation  des  Kehlkopfes 
wegen  Karzinom. 

11G.  Böckelmann  Carl:  Gleichzeitiges  Vorkommen  von  Kar¬ 
zinomen  der  Ovarien  und  des  Uteiruskörpers. 

117.  Hentzschel  Arthur:  Ueber  Uterusabszess  und  die  Fähig¬ 
keit  der  Gonokokken,  Bindegewebe  und  Muskulatur  eitrig  ein¬ 
zuschmelzen. 

118.  Prinz  Leopold:  Ueber  klassischen  Kaiserschnitt  bei 
Eklampsie. 

119.  Seiler  Franz:  Ueber  Spätepilepsie. 

120.  T  idem  an  Hermann:  Ueber  die  Indikation  der  Entfer¬ 
nung  des  zweiten  Ovarium  bei  Tumorbildung  des  anderen 
Ovarium. 

121.  Weiss  Hugo:  Das  Wesen  der  wichtigsten  Störungen  der 
Magentätigkeit  bei  der  chronischen  Lungenschwindsucht. 
(Preisgekrönte  Arbeit.) 

122.  Schiff  Fritz:  Ueber  einen  Fall  von  Symblepharon  con- 
genitum  des  linken  Oberlides,  verbunden  mit  Syndaktylie  und 
Hypospadie. 

ioi'  Rrand.es  Richard  Max:  Amputatio  foetus  intrauterina. 

24.  K  er  k  siek  Wilhelm:  Ueber  Dysenterie-Leberabszess  in 
Kamerun. 

125.  Overhof  Heinrich:  Zur  Therapie  des  Uterus,  speziell  des 
Portiokarzinoms. 

12G.  Z  o  1  k  i  Leo:  Beiträge  zur  Lehre  von  den  gutartigen  Tumoren 
der  Mandel. 

ml'  ülemm  Richard:  Beitrag  zur  Maladie  des  Tics  impulsifs. 

i-S.  Key  her  Paul:  Die  Beziehungen  zwischen  der  klinischen  und 

190  t)aktei’iellen  Aetiologie  der  Pleuritis. 

-9.  N  eu  m  ann  Wladislaus:  Ueber  progressive  perniziöse  Anä¬ 
mie,  mit  Berücksichtigung  von  30  Sektionsfällen  aus  dem 
pathoiogisch-a-mitomischen  Institut  zu  Leipsig  aus  den  Jahren 
1889—1899. 

Io0.  Mehlhorn  Werner:  Ein  Beitrag  zu  der  Lehre  von  den 
Hautödemen. 

Januar  1902. 

o  p  ü  li  n  e  Walther:  8  Fälle  von  Pankreaskrebs. 

—  R  all  u  sen  Hermann:  Ueber  die  verschiedenen  Methoden  der 
abdominellen  Totalexstirpation  des  Uterus. 


3.  Scliinze  Wilhelm :  Beitrag  zur  kongenitalen  Lungeu- 
syphilis. 

Februar  1902. 

4.  v.  Beesten  Heinrich  Alexander:  Kasuistischer  Beitrag  zur 
Lehre  von  der  Magen  Verletzung. 

5.  Fl  ist  er  Willi:  Ueber  Schussverletzungen  peripherer  Nerven. 
G.  Heuer  Klemens:  Ueber  Hufeisenniere. 

7.  Littauer  Max:  Ueber  den  Regenerationsmodus  der  Leuko- 
cyten. 

8.  Töpfer  Hans  Willi:  Ueber  Muskeln  und  Knorpeln  in  den 
Tonsillen. 

9.  Apelt  Friedrich:  Ueber  die  Endotheliome  des  Ovariums. 

10.  C  o  h  n  1  ictor:  Ein  Fall  von  Hernia  diaphragmatica  congenita 
beim  Kinde  als  Beitrag  zur  klinischen  Diagnose. 

11.  H  o  m  a  n  n  Paul:  Ueber  Bubonen  und  ihre  neuere  medikamen¬ 
töse  Therapie,  insbesondere  Mercurcolloid. 

12.  Schwinke  Siegfried:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Adams- 
Stokes  sehen  Krankheit. 

13.  Tribukait  Clemens:  Ein  Fall  von  Ovarialdermoid  bei 
gleichzeitig  bestehendem  infantilem  Habitus  der  Genitalorgane. 

14.  Tugendreich  Gustav:  Der  Krebs  in  den  Provinzen  Ost- 
und  Westpreussen  (Beitrag  zur  Krebsstatistik). 

15.  E  b  e  r  s  b  a  c  h  Hugo:  Ueber  ein  Ureterdivertikel. 

IG.  Kaiserling  Otto:  Zur  Lehre  der  chronischen  Myositis. 

17.  Krüger  Johannes:  Ueber  Chorea  gravidarum. 

18.  Raffel  Richard:  Ueber  die  Aetiologie  der  traumatischen 
Syringomyelie. 

19.  W  olt  ha  us  Heinrich:  Ein  Beitrag  zur  Therapie  des  chro¬ 
nischen  Ekzems. 

20.  Zimmermann  Reinhard:  Ueber  die  Glyzerinbehandlung 
der  Nephrolithiasis. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Verein  Freiburger  Aerzte. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  27.  Juni  1902. 

Herr  K  i  1  1  i  a  n:  Demonstration  eines  Nasenphantoms. 

Herr  v.  Eicken  berichtet  über  einen  in  der  laryngo-rhi uo- 
logisclien  Universitätsklinik  in  Freiburg  i/Br.  beobachteten  Fall 
von  Sarkom  des  Oesophagus,  welches  unter  dem  Bilde  eines  tief¬ 
sitzenden  Speiseröhrenabszesses  verlief.  Als  erstes  Symptom  trat 
intensiver  Schluckschmerz  auf,  zu  dem  sich  bald  Fieber  und  stei¬ 
gendes  Unvermögen  zu  schlucken  gesellten.  Später  wurde  viel 
Eiter  von  üblem  jauchigen  Geruch  und  nekrotische  Gewebsfetzen 
ausgewürgt.  In  den  letzten  Tagen  erfolgten  schwere  Blutungen 
aus  der  Speiseröhre,  wegen  derer  noch  die  Gastrostomie  vorge¬ 
nommen  wurde.  Die  anatomische  Diagnose  lautete  auf:  Phleg¬ 
mone  oesopliagi  dissecans.  Erst  die  mikroskopische  Untersuchung 
klärte  die  Sachlage  auf.  Es  handelt  sich  um  ein  von  der  Sub¬ 
mukosa  ausgehendes,  zwischen  Mukosa  und  Muskularis  hinein¬ 
wucherndes  mischzelliges  Sarkom,  welches  grosse  Tendenz  zu 
nekrotischem  Zerfall  zeigt.  Neben  Spindelzellen  finden  sich  mittel- 
grosse  und  zum  Teil  sehr  grosse  runde  und  ovale  Zellen  mit  grossen 
Kernen,  von  denen  viele  meist  atypische  Mitosen  aufweisen; 
ausserdem  zahlreiche  Riesenzellen. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  der  Deutsch.  Zeitsclir. 
f.  Chir.) 

Herr  Ziegler:  Ueber  Rhachitis  und  Osteomalacie.  Mit 
Projektionsbildern. 

Rhachitis  und  Osteomalacie  zeigen  die  gemeinsame  Er¬ 
scheinung,  dass  das  Skelett  in  mehr  oder  minder  grosser  Aus¬ 
breitung  weich  und  nachgiebig  oder  auch  abnorm  brüchig  wird, 
Bei  der  Rhachitis  wird  dies  im  allgemeinen  darauf  zurückgeführt, 
dass  sich  statt  eines  festen  Knochens  nur  osteoides  Gewebe  bildet, 
bei  der  Osteomalacie  soll  dagegen  eine  Entkalkung  des  vor¬ 
handenen  Knochens  stattfinden.  Es  fehlt  indessen  nicht  an 
Autoren,  welche  annehmen,  dass  auch  bei  der  Osteomalacie  das 
kalklose  Knochengewebe  neu  gebildet  sei,  oder  dann  wenigstens 
neben  der  Entkalkung  des  alten  Knochens  auch  eine  Neubildung 
von  osteoidem  Gewebe  vorkomme.  Es  wird  ferner  auch  die  Mei¬ 
nung  vertreten,  dass  bei  Kindern  neben  der  Neubildung  von 
osteoidem  Gewebe  auch  eine  Entkalkung  von  bereits  aus¬ 
gebildeten  Knochen,  eine  Osteomalacie,  vorkomme. 

Herr  Ziegler  weist  unter  Demonstration  von  Projektions- 
bildem  nach,  dass  in  der  Tat  Rhachitis  und  Osteomalacie  ein¬ 
ander  näher  .stehen  als  gewöhnlich  angenommen  wird. 

Eine  Entkalkung  von  alten  Knochen  ist  bei  der  Osteomalacie 
festgestellt  und  bildet  eine  charakteristische  Erscheinung.  Da¬ 
neben  kommt  aber  auch  eine  Neubildung  von  osteoidem  Gewebe 
vor,  und  zwar  nicht  nur  da,  wo  Brüche,  Knickungen  und  Bie¬ 
gungen  des  Knochens  eingetreten  sind,  auch  nicht  nur  da,  wo  der 
Knochen  häufigen  Stosswirkungen  ausgesetzt  ist,  sondern  auch 
da,  wo  solche  mechanische  Einwirkungen  nicht  angenommen 


1480 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


werden  können,  so  z.  B.  in  der  Diploe  des  Schädeldaches.  Ein¬ 
geleitet  werden  diese  osteoiden  Gewebsneubildungen  durch  eine 
Wucherung  des  Periostes  und  des  Endostes,  wobei  im  Innern  des 
Knochens  das  Mark  durch  eine  von  der  bindegewebigen  Be¬ 
deckung  der  Knochenbalken  ausgehenden  fibrösen  Gewebsneu¬ 
bildung  verdrängt  wird. 

Bei  Rhaehitis  tritt  die  Bildung  von  osteoidem  Gewebe  in 
den  Vordergrund  und  findet  sich  sowohl  periostal  als  auch 
endostal.  Manche  Bilder  sprechen  dafür,  dass  auch,  neben  ge¬ 
wöhnlicher  Knochenresorption  durch  Osteoklasten,  eine  Hali- 
sterese,  eine  Entkalkung  fertiger  Knochen  verkommt,  doch  stösst 
der  sichere  Nachweis  dieses  Vorganges  auf  grosse  Schwierig¬ 
keiten.  Die  Neubildung  des  osteoiden  Gewebes  vollzieht  sich  in 
derselben  Weise  wie  bei  der  Osteomalacic.  Zellig  fibröse  V  uehe- 
rungen  des  Periostes  und  des  Endostes  leiten  den  Prozess  ein; 
das  osteoide  Gewebe  entsteht  innerhalb  dieses  Gewebes  durch 
metaplastische  Vorgänge.  Die  bekannten  Wachstumsstörungen 
an  den  endochondralen  Ossifikationsgrenzen  der  knorpelig  prä- 
formierten  Knochen  sind  Folgezustände  der  pathologischen  V  u- 
cherung  des  Endostes  und  Periostes,  welche  an  den  Diaphyscn- 
enden  einen  besonders  hohen  Grad  zu  erreichen  pflegt. 

Die  V orgänge  am  Knochen  sind  darnach  bei  Osteomalacie 
und  bei  Rhaehitis  einander  sehr  ähnlich.  Die  bestehenden  \  er- 
schiedenheiten  lassen  sich  darauf  zurückführen,  dass  bei  der  er- 
steren  fertig  entwickelter  oder  bereits  in  Rückbildung  begriffener 
Knochen,  bei  der  letzteren  wachsender  Knochen  erkrankt. 

Die  Annahme  einer  nahen  Beziehung  zwischen  Osteomalacie 
und  Rhaehitis  wird  sodann  auch  durch  experimentelle  Unter¬ 
suchungen  von  Morpurgo  unterstützt.  M  o  r  p  u  r  g  o,  unter 
dessen  weissen  Versuchsratten  sich  zahlreiche  Fälle  von  .Osteo- 
malacie  zeigten,  konnte  aus  dem  Organismus  der  erkrankten 
Ratten  einen  Kokkus  züchten,  dessen  Einimpfung  bei  alten 
Ratten  eine  der  Osteomalacie,  bei  jungen  Ratten  eine  der  Ilha- 
chitis  entsprechende  Knochenkrankheit  erzeugte.  I  ibröse  Wu¬ 
cherungen  des  Periostes  und  des  Endostes,  die  zur  Bildung 
osteoiden  Gewebes  führten,  zeigten  sich  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  der  Rhaehitis  und  der  Osteomalacie  des  Menschen.  Ob  die 
Rhaehitis  und  die  Osteomalacie  des  Menschen  die  nämlichen  Ur¬ 
sachen  haben,  lässt  sich  zurzeit  nicht  sagen.  Wahrscheinlich  ist, 
dass  die  Erkrankungen  des  Periostes  und  des  Endostes,  welche 
bei  demselben  Vorkommen,  durch  toxisch  wirkende  Schädlich¬ 
keiten,  die  vielleicht,  wie  bei  den  Ratten,  die  Produkte  einer  oder 
verschiedener  Infektionen  sind,  zu  stände  kommen.  Die  Ur¬ 
sache  der  Skeletterkrankung  in  einer  mangelhaften  Kalkzufuhr 
zu  suclten  und  darnach  die  therapeutischen  Massnahmen  zu 
treffen,  dazu  bietet  das  genauere  Studium  des  Wesens  der  Er¬ 
krankungen  keinerlei  Handhabe,  sie  scliliesst  vielmehr  die  Rich¬ 
tigkeit  der  darüber  aufgestellten  Hypothesen  aus. 

(Autoreferat.) 


Psychologisch-forensische  Vereinigung  in  Göttingen 

Im  Laufe  des  Sommersemesters  sind  eine  Anzahl  praktischer 
Juristen  und  Aerzte,  soAvie  Angehörige  der  juristischen,  philo¬ 
sophischen  und  medizinischen  Fakultät  unserer  Hochschule  zu 
einer:  Göttinger  psychologisch -  forensischen 

V  e  reinig  u  n  g  zusammengetreten,  welche  sich  die  Erörterung 
der  Grenzgebiete  ZAvischen  Philosophie,  Medizin  und  Jurisprudenz 
zur  Aufgabe  gestellt  hat,  d.  h.  die  Besprechung  solcher  wissen¬ 
schaftlicher  und  praktischer  Fragen,  welche  für  mindestens  ZAvei 
der  bezeichneten  Gebiete  von  Interesse  sind. 

Es  sollen  in  jedem  Semester  ca.  2  Versammlungen  stattfinden, 
bei  denen  aus  einem  der  erwähnten  Gebiete  ein  Vortrag  gehalten 
wird,  dem  sich  freie,  zwanglose  Diskussionen  anscliliessen. 

Bei  der  am  1.  Juli  stattgehabten  ersten  Versammlung  fanden 
sich  eine  grosse  Anzahl  AA'issenschaftlicher  und  praktischer  Ver- 
treter  der  erwähnten  Berufe  ein. 

Zum  Vorsitzenden  wurde  Landgerichtspräsident  H  einrot  li. 
zu  seinen  Vertretern  Prof.  Dr.  E.  Müller  (Psychologie)  und 
Prof.  Dr.  Craiuer  (Psychiatrie)  gewählt.  Die  Kassenführung 
besorgt  Prof.  Dr.  jur.  v.  II  i  p  p  e  1,  die  Schriftführung  Privatdozent 
Dr.  med.  Weber. 

Sodann  hielt  Prof.  C  r  a  m  e  r  den  angekündigten  Vortrag 
über:  Die  sogen.  Degeneration  im  Zusammenhang  mit  dem  Straf- 
und  Zivilrecht. 

Vortragender  versteht  unter  „Degeneration“  eine  angeborene 
minderwertige  Veranlagung  des  Individuums  in  körperlicher  und 
dadurch  auch  in  psychischer  Beziehung.  Die  durch  die  Beobach¬ 
tung  festzustellenden  Zeichen  der  Degeneration  sind  die  als  kör¬ 
perliche  „Stigmata“  bezeichneten  bekannten  Entwicklungs¬ 


hemmungen  einzelner  Organe,  AA'ie  Gesichts-,  Schädel-,  1  Un¬ 
bildung  etc.  Für  sich  allein  haben  die  körperlichen  Degenerations¬ 
zeichen  keine  besondere  pathologische  Bedeutung,  wie  ihr  Vor¬ 
kommen  bei  vielen  völlig  normalen  und  leistungsfähigen  Menschen 
beweist.  Viel  Aviclitiger  sind  die  „psychischen  Stigmata“,  AA’orunter 
Vortragender  alle  Formen  von  Nerventic,  ferner  gewisse  mit  Angst 
einhergehende  ZAvang’szustände  (auch  konträrsexuelle  Empfin¬ 
dungen),  endlich  Defekte  auf  einzelnen  Gebieten  des  geistigen 
Lebens  zusammenfasst.  Zu  den  letzteren  gehören  namentlich  aus¬ 
gesprochene  ethische  Defekte  bei  erhaltener  oder  sogar  hochent¬ 
wickelter  Intelligenz,  besondere  Begabung  für  einen  bestimmten 
WisseuszAA'eig  bei  ausgesprochener  l  nfäliigkeit  auf  anderen  Ge¬ 
bieten  des  AllgemeiiiAvissens;  dann  eine  geAvisse  Disharmonie  in 
der  ganzen  Lebensführung,  eine  stark  hervortretende  Impulsivität 
des  Handelns,  Züge,  Avelclie  namentlich  die  sogen.  Degeneres 
superieures  (..Instahles.  Desetiuilibres“)  der  I  ranzoseii  kenn¬ 
zeichnen.  Das  Vorhandensein  eines  oder  des  anderen,  namentlich 
der  körperlichen  Degenerationszeichen  rechtfertigt  es  noch  nicht, 
ein  Individuum  als  Degenerierten  zu  bezeichnen.  Es  bedarf  dazu 
der  Häufung  einer  Anzahl  A’on  körperlichen  und  psychischen  De¬ 
generationszeichen.  Ein  derartiger  Degenerierter  ist  aber  noch 
nicht  geisteskrank  im  medizinischen  oder  juristischen  Sinne.  Je¬ 
doch  wird  der  Strafrichter  nicht  selten  dazu  kommen,  einem  der¬ 
artigen  Menschen  mildernde  Umstände  zuzubilligen,  wenn  der 
Sachverständige  eine  Häufung  solcher  Degenerationszeichen, 
namentlich  auch  psychischer,  bei  ihm  nachweist. 

Dagegen  können  auf  dem  Boden  der  Degeneration  leicht 
Geisteskrankheiten  entstehen,  Avelclie  in  ihrem  Verlauf,  ihren  Sym¬ 
ptomen  mancherlei  für  ihre  Entstehung  charakteristische  Zeichen 
auf  weisen.  Diese  Kranken  unterliegen  natürlich  in  zivil-  und 
strafrechtlicher  Hinsicht  denselben  Bestimmungen  wie  die  übri¬ 
gen,  aus  einer  anderen  Ursache  geisteskrank  Gewordenen.  I  einet 
haben  die  Degenerierten  die  Eigentümlichkeit,  dass  sie  unter  be¬ 
sonderen  Verhältnissen,  namentlich  unter  der  Einwirkung  irgend- 
Avelcher  schädlicher  Beize,  den  Anforderungen,  welche  an  ihre 
geistige  Leistungsfähigkeit  gestellt  Averden.  eher  versagen,  als 
nicht  degenerierte  Individuen.  Solche  besondere  Reize  sind  hoch¬ 
gradige  Affekte,  Alkoholgenuss  (besonders  bei  den  Intoleranten), 
und  bei  Frauen  die  Zeiten  der  Menstruation  und  Schwangerschaft. 

Liegen  bei  einem  Degenerierten  derartige  Momente  zur  Zeit 
der  Begehung  einer  strafbaren  Handlung  vor,  so  wird  der  Sach¬ 
verständige  häufig  zu  dem  Schluss  kommen,  dass  einer  der  Zu¬ 
stände  des  §  51  Str.-G.-B.  A’orliegt. 

Vortragender  Aveist  dann  darauf  hin,  AA’ie  bei  allen  Begut¬ 
achtungen  solcher  Grenzzustände  eine  strenge  Individualisierung 
erforderlich  ist.  Damit,  gelingt  es  aber  auch,  auf  Grund  der  v  o  r  - 
h  a.  n  d  e  n  e  n  gesetzlichen  Bestimmungen  jedem  einzelnen  Fall 
gerecht  zu  Averden.  W  e  b  e  r  -  Göttingen. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 
Sitzung  vom  28.  Mai  1902. 
Vorsitzender :  Herr  C.  F  raenkel. 


Herr  Franz:  Demonstration  einiger  junger  menschlicher 
Eier. 

Herr  Franz  bespricht  die  Aron  Peters  an  einem  jungen 
menschlichen  Ei  und  die  vom  Grafen  Spee  am  MeerscliAvem- 
ehenei  gefundenen  Vorgänge  bei  der  Eieinbettung.  Dann  demon¬ 
striert.  er  2  schwangere  Uteri  mit  Eiern,  einen  von  der  3. — 4.  Woche 
und  einen  vom  3.  Monat  der  Gravidität.  Ausserdem  zeigt  er  mikro¬ 
skopische  Durchschnitte  durch  Uterus  und  Ei  vom  3.  SchAvangci- 
schaftsmonat,  Zeichnungen  über  Plazentarentwicklung  und  die 
Verhältnisse  der  Eihäute  in  den  ersten  Monaten  der  Schwanger- 

schaft.  .. 

Besprechung:  Herr  F  raenkel  hebt  hervor,  dass  die 
vom  Vortragenden  erwähnte  rasche  und  tiefgreifende  Zer¬ 
störung  der  Schlei  m  h  a  u  t  des  Uterus  durch  das  sich 
einbettende  Ei  einigermassen  auffällig  erscheine,  und  richtet  die 
Frage  an  den  Vortragenden,  ob  diese  Beobachtung  über  jeden 
Zweifel  sichergestellt  sei. 

Herr  F  r  a  n  z  bejaht  dies,  da  soavoIü  Peters  Avie  Graf  S  p  e  e 
diesen  Vorgang  in  der  nämlichen  Weise  hätten  konstatieren 


Herr  F  r  a  e  n  k  e  1  fragt  weiter,  ob  schon  ettvas  genaueres 
über  die  Zeit  bekannt  sei,  die  beim  Menschen  bis  zur  Einbettung 
des  Eies  verstreicht. 

Herr  F  r  a  n  z  erwidert,  dass  das  nicht  der  Fall,  dass  man 
hier  vielmehr  auf  Schätzungen  angeAviesen  sei. 

Herr  Tscliermak  bemerkt  zu  der  ersten  Frage  des  Herrn 
F  raenkel,  dass  im  Hühnereiweiss  bereits  ein  tryptisclies  Fer¬ 
ment  nacligeAviesen  sei  (G  a  y  o  n  1875  und  besonders  M  r  o  - 
czoAvski  1889),  welches  auch  einen  zerstörenden  Einfluss  aut 
das  benachbarte  GeAvebe  ausüben  könnte. 

Herr  F  r  aenkel  hebt  demgegenüber  hervor,  dass  der  Körper 
doch  sonst  über  einen  goAvisscn  Selbstschutz  gegen  Substanzen 
A’erfiige,  die  er  hervorbringe,  wenn  denselben  auch  sonst  schäd¬ 
liche  Eigenschaften  inneAvohnten. 

Herr  Fries  erinnert  zu  der  Frage,  A'on  welchen  Einflüssen 
die  Einbettung  des  Eies  abhänge,  an  neuere  Untersuchungen,  die 
an  eine  von  dem  verstorbenen  Breslauer  Embryologen  B  o  r  n 


2.  September  1902. 


'.!  i’ IHN  KR  JV1  EDI  CIN  I  S(  M  IE  WOCI I ENSCIIRIFT. 


1481 


hmterlassene  Vorstellung  anknüpfen,  dass  nämlich  (las  Corpus 
luteum  verum  als  eine  Drüse  mit  innerer  Sekretion  zu  betrachten 
sei  und  in  das  Blut  diejenigen  Stoffe  abzusondern  habe,  welche 
den  1  terus  für  die  Anheftung  des  Eies  vorbereiten  und  überhaupt 
den  Anstoss  zu  den  die  Gravidität  begehenden  Veränderungen  im 
Organismus  gebe.  Diese  Idee  sei  von  Fränkel  und  Colin  in 
Breslau  experimentell  verfolgt  worden  und  das  im  „Anatomischen 
Anzeiger"  (Nov.  1901)  vorläufig  mitgeteilte  Ergebnis  ihrer  an 
Kaninchen  angestellten  Untersuchung  gehe  dahin,  dass  tatsächlich 
das  Luteingewebe  des  Ovariums  die  Funktion  besitze,  die  In¬ 
sertion  des  Eies  im  Uterus  zu  veranlassen  und  bei  Entfernung 
der  Corpora  lutea  die  Einnistung  ausbleibe.  Ob  sich  dieses  Er¬ 
gebnis  bei  weiterer,  sicher  notwendiger  Nachprüfung  bestätigen 
werde,  bleibe  freilich  abzuwarten. 

Herr  Urfey:  Ueber  Placenta  marginata  und  circurn- 
vallata.  (Mit  Demonstrationen.) 

Nach  einer  kurzen  Schilderung  des  anatomischen  und  kli¬ 
nischen  Verhaltens  werden  an  der  Hand  mehrerer  Schemata  die 
bisherigen  Theorien  über  die  Entstehung  dieser  Anomalie  er- 
läutert.  Urspiünglich  hielt  man  das  Ganze  für  einen  ringförmig 
auftretenden  weissen  Infarkt,  der  durch  entzündliche  Verände¬ 
rungen  der  Uterusschleimhaut  bedingt  sei.  v.  II  e  r  f  f  u.  a.  gehen 
von  der  Annahme  aus,  dass  bei  der  Plazentarbildung  ausser  der 
beiotina  die  benachbarte  Partie  der  Vera  herangezogen  werde, 
indem  letztere  durch  die  exzentrisch  in  sie  eindringenden  Zotten 
gespalten  und  aufgerollt  werde.  Das  Choriun  solle  dann  erst 
sekundär  über  diese  neu  hinzugewonnenen  Partien  hinüber- 
wachsen.  Bei  bestehender  Endometritis  werde  es  aber  daran  ge¬ 
hindert,  indem  dann  schon  frühzeitig  eine  fibrinöse  Verklebung 
von  Vera  und  Reflexa  an  dieser  Stelle  eintrete.  Nach  Klei  n 
soll  am  Aufbau  der  Plazenta  ausser  der  Serotina  der  „Rand- 
reflexa  benannte,  besser  entwickelte  und  drüsenreiche  Nachbar- 
abschnitt  der  Reflexa  beteiligt  sein.  Wird  dieser  Teil  infolge 
endometritischer  Prozesse  schwartig  verdickt  und  starr,  so  kann 
sich  das  wachsende  Ei  erst  weiter  oberhalb  ausdehnen,  wird  aber 
schliesslich  doch  bei  immer  zunehmendem  Innendruck  den  Wider¬ 
stand  der  Randreflexa  überwinden,  sie  nach  aussen  umklappen 
und  so  den  wallartigen  Rand  entstehen  lassen.  Die  allen  bis¬ 
herigen  Theorien  gemeinschaftliche  Annahme  einer  alten  Endo¬ 
metritis  dürfte  wohl  oft  schwer  zu  beweisen  sein,  ebenso  wie  das 
gürtelförmige  Auftreten  dieses  Prozess.es.  Plausibler  scheint  eine 
auf  Wachstumsbehinderung  fussende  Erklärung,  auf  die  u.  a.  be¬ 
reits  Ahlfeld  aufmerksam  gemacht  hat.  Wir  fanden  bei  Pla¬ 
centa  marginata  fast  immer  den  Plazentaransatz  in  einem  stark 
ausgebildeten  Uterushorn.  Wenn  dies  Horn  in  den  ersten 
Schwangerschaftsmonaten  stärker  wächst  als  der  übrige  Uterus¬ 
körper,  muss  an  der  Uebergangsstelle  eine  Stauchung  der  Eihäute 
stattfinden.  Das  Chorion  und  eventuell  auch  das  Amnion  wer¬ 
den  eine  Falte  bilden,  in  welche  von  aussen  die  Reflexa  hinein- 
iagt.  Diese  kalte  haben  wir  bei  allen  Marginatae  leicht  nach- 
weisen  und  durch  Auseinanderziehen  des  Chorion  ausgleichen 
Können.  (Das  Nähere  wird  mit  dem  Ergebnis  der  mikroskopi¬ 
schen  Untersuchung  anderweitig  ausführlich  veröffentlicht 
werden.) 

.  Herr  B  u  m  m:  Zur  Therapie  der  Eklampsie.  (Der  Vortrag 
wird  in  dieser  Wochenschrift  veröffentlicht.) 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  24.  Juni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Curschma  n  n. 

Schriftführer :  Herr  B  r  a  u  e  r. 

,  ,  'lei'r  Möllmann:  Demonstration  zum  Katheterismus 
uei  u  reteren. 

,im.  ,IUT  K  ° 1 1  m  a  n  n  demonstrierte  ein  für  den  Katheterismus 
in-.,1,'1’.™  bestimmtes  neueres  Oystoskop,  welches  —  wie  das 
,\<n,llte  .'"»ffcre  Modell  von  Casper  —  2  elastische  Ufeter- 
1,1  Mcacüzeitig  in  sich  birgt.  Das  K.sche  Instrument  ist 
7 „  .  nach  dem  gleichen  Frinzipe  gebaut  wie  sein  älteres  nur 

i  erneu  Katheter  bestimmtes  Instrument  (siehe  z.  B.  Nitze- 
S,mfIaiooA?CheS  CentraJbl.  f.  d.  Kränkln  d. Harnorgane,  I.Bd.,  II. 9, 
L1  .  Mso  wie  jenes  einen  Verschlussehieber  und 

Tv  ‘  ,'snahüie  der  Optik  in  allen  Teilen  auskochbar. 

Die  Einrichtung,  welche  es  ermöglicht,  das  Cystoskop  statt 
‘  m.e“  omzigen  Katheter  gleichzeitig  mit  zwei  solchen  zu  ver- 
das«  ei?.e  iehv.  einf<acke;  sie  besteht  in  der  Hauptsache  darin, 
A, i  .  1  10  in’  :  bchieberdeckel  abgeschlossene  Katheterrinne  eine 
‘  '  i|*t‘  Ai'-o!?*1  erhielt’  durch  welche  dieselbe  in  eine  linke  und  eine 
IPilff  >  U  Oe  getrennt  wird.  Die  periphere  Fortsetzung  der  beiden 
m  geschieht  in  zwei  gesonderten  Rohren,  deren  Konstruktion 


aber  eine  andere  ist,  als  diejenige,  wie  sie  bei  dem  älteren  In¬ 
strument  das  einfache  Rohr  trug.  Bei  der  älteren  Einrichtung 
bestand  dieses  Ende  der  Kathetei-führung  aus  3  Teilen,  während 
bei  der  neueren  Einrichtung  nur  ein  einziger  Teil  vorhanden  ist 
welcher  sich,  abgesehen  von  den  2  Richtungsmuffen,  nicht  weiter 
zerlegen  lässt;  seine  Befestigung  am  peripherischen  Teil  des 
Soliieberdeckels  geschieht  durch  eine  einfache  Schraubvomchtuug 
Diese  neue  Konstruktion  soll,  iveil  sie  einfach  ist  und  trotzdem 
Genügendes  leistet,  daher  künftighin  für  diejenigen  Instrumente, 
welche  nur  einen  Katheter  in  sich  tragen,  benutzt  Averden. 

K.  liess  das  beschriebene  Instrument  weniger  darum  au- 
feitigen,  A\eil  er  glaubte,  dass  Cystoskope  für  ZAArei  Ureterkatlieter 
Besseres  leisten  als  solche  mit  einem  einzigen,  sondern  mehr  um 
einer  gegenwärtig  herrschenden  Geschmacksrichtung  eine  Kon¬ 
zession  zu  machen.  K.  glaubt,  dass  die  öftere  Nachfrage  nach 
derartigen  Instrumenten  in  der  Hauptsache  dem  Umstande  zuzu¬ 
schreiben  ist,  dass  Casper,  der  erste  Erfinder  dieser  neueren 
Modelle,  zugleich  derjenige  war,  der  das  meiste  wichtige  klinische 
Beobaehtungsmaterial  jüngeren  Datums  über  den  fraglichen 
Gegenstand  geliefert  hat.  Ein  Umstand  durchaus  nicht  neben¬ 
sächlicher  Art  spricht  sogar  zu  Gunsten  derjenigen  Uretercysto- 
skopo.  Avelehe  nur  einen  Katheter  besitzen;  er  ergibt  sich  am 
schnellsten  aus  dem  folgenden  Zahlenvergleich,  Avelcher  absolut 
genommen  natürlich  nur  für  die  hier  erwähnten  K. sehen  In¬ 
strumente,  relativ  genommen  aber  auch  für  alle  anderen  Gültig¬ 
keit  hat;  Gesamtumfang  des  für  einen  Katheter  bestimmten  In¬ 
strumentes  25  Charr.;  Stärke  des  hierzu  benutzbaren  elastischen 
Katheters  7  Charr.  Gesamtumfang  des  für  2  Katheter  bestimmten 
Insti  umentes  -<  (  harr. ;  Stärke  jedes  einzelnen  der  ZAvei  hier¬ 
für  benutzbaren  elastischen  Katheter  5  Charr. 

Das  ^  für  2  Katheter  bestimmte  Instrument  ist  also  um 
2  Charrierenummern  im  Gesamtumfange  dicker  als  das  andere, 
jeder  der  2  elastischen  Katheter  jedoch  um  2  Cliarrierenummerii 
dünner  als  der  des  einfachen  Instrumentes.  Bei  dem  alten  ein¬ 
fachen  Instrument  ist  sonach  die  Möglichkeit  gegeben,  trotz  eines 
geringeren  Gesamtumfanges  des  Cystoskops  einen  dickeren  ela-' 
stischen  Katheter  zu  benutzen,  was  jedes  für  sich  einen  Vorteil 
bedeutet. 

Ueber  die  Anwendungsart  des  neuen  Modells  ist  nichts  beson¬ 
deres  zu  sagen;  sie  ist  genau  die  gleiche  Avie  hei  dem  Casper - 
sehen  jüngeren  Modell.  Bezüglich  des  älteren  einfachen  Instru¬ 
mentes  möge  aber  hier  noch  bemerkt  werden,  dass  sich  seine  Hand¬ 
habung  auch  bei  Einführung  eines  zweiten  Katheters  als  wirk¬ 
lich  recht  leicht  herausstellt.  Die  Notwendigkeit,  das  Cystoskop, 
nachdem  der  eine  Katheter  herausgehoben  ist  —  es  geschieht  dies 
bekanntlich  durch  Herausziehen  des  Deckels  und  Wiederein- 
schieben  desselben  unterhalb  des  Katheters  — ,  mit  einem  zweiten 
elastischen  Katheter  zu  versehen,  bedingt  nicht  eine  Unannelim- 
keit,  welche  in  Betracht  kommt. 

Das  neuere  Instrument  stammt,  ebenso  Avie  das  ältere  aus 
der  mechanischen  Werkstatt  von  C.  G.  Heyneman  n  in  Leipzig. 

Diskussion;  Herr  Fütli;  Herr  Professor  K  o  1 1  m  a  n  n 
sprach  davon,  dass  hei  Benutzung  des  mit  einem  eingeschobenen 
Prisma  arbeitenden  Cystoskops,  mit  dem  er,  Avie  er  sich  ausdrückt, 
um  die  Ecke  sieht,  zur  Sondierung  der  Ureteren  eine  grössere 
Technik  nicht  nötig  ist  als  bei  dem  gerade  auf  den  Ureter  zu¬ 
gehenden  Instrumente  und  deshalb  wird  man  im  Anfang  bei  An¬ 
wendung  des  ersteren  schon  eher  einmal  auf  Schwierigkeiten 
stossen.  Ich  selber  habe  es  mehrere  Male  als  praktisch  befunden, 
die  Portio  mit  einer  Kugelzange  anzuhaken  und  sie  an  derselben 
nach  verschiedenen  Richtungen  zu  beAvegen.  Dabei  geht  das  Tri¬ 
gonum  entsprechend  mit  und  man  ist  so  in  der  Lage,  die  Ureteren- 
mündung  gewissermassen  dem  Katheter  entgegegenzuführen.  Auf 
diese  Weise  gelang  es  mir  besonders  in  einem  Falle,  in  dem  ieli 
mich  schon  länger  bemüht  hatte  —  es  handelte  sieh  um  ein  links¬ 
seitiges  Nierenkarzinom  — ,  auffallend  leicht,  den  linken  Ureter 
zu  sondieren.  Im  einzelnen  gestaltete  sich  das  Verfahren  so,  dass 
ich  mit  der  einen  Hand  die  Zange  des  Cystoskops  hielt  und  mit 
der  anderen  die  Kugelzange  bezw.  die  Portio  und  das  Trigonum 
dirigierte.^  Von  einer  Assistenz  wurde  dann  der  Ureterkatlieter 
je  nach  Kommando  vor-  und  rückwärts  geschoben. 

Mittels  dieses  Anhakens  der  Tortio  kann  man  sich  gewiss  auch 
in  solchen  Fällen  die  Uretermündung  leichter  sichtbar  machen, 
in  denen  infolge  entzündlicher  Schwellung  des  Orificium  intern  um 
das  Trigonum  stark  unterhalb  des  Orifizialrandes  liegt  oder  die 
Blasenschleimhaut  Aron  so  vielen  Falten  und  Grübchen  besetzt  ist, 
dass  die  Unterscheidung,  ob  Ureterenmündung  oder  Faltungspro- 
dukt,  schwer  ist.  Kalischer,  nach  dessen  bekanntem  Werke  über 
die  Erkrankungen  der  Aveiblichen  Harnröhre  und  Blast«  diese  Mög¬ 
lichkeiten  zitiert  sind,  empfiehlt  in  solchen  Fällen,  mit  dem  vorderen 
Ende  des  Instrumentes  etwas  nach  abAvärts  zu  drücken,  um  da¬ 
durch  nach  Möglichkeit  die  Niveaudifferenzen  auszugleichen,  oder 
mit  dem  Finger  in  die  Scheide  zu  gehen  und  das  Grübchen  dem 
Cystoskopfenster  entgegenzustülpen,  falls  es  nicht  gelingt,  den 
Ejakulationswirbel  hervorströmen  zu  sehen. 

Ob  anderwärts  dies  Anhaken  der  Portio  zu  den  genannten 
Zwecken  schon  empfohlen  ist,  ist  mir  nicht  bekannt.  Jedenfalls 
AATollte  ich  die  guten  «Erfahrungen,  die  ich  persönlich  damit  machte, 
liier  zur  Sprache  bringen. 

Herr  Brüning: 

Kinder  mit  ,,0dda“. 


Zur  Frage  der  Ernährung  kranker 


14S2 


MUEN(  III'.XEU  AI EDICTX ISC1IE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


IE  berichtet  über  die  am  Leipziger  Kinderkrankenhaus  an 
87  Kindern  mit  der  neuen  v.  Hering  sehen  Kindernahrung 
()  d  d  a  an  gestellten  Ernährungsversuche.  Das  Alter  der 
Kinder  schwankte  zwischen  2  l  agen  und  1  "i  Jahren,  betrug  abei 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  weniger  als  1  Jahr.  48  Kinder  standen 
in  klinischer,  39  in  poliklinischer  Behandlung.  Die  Dauer  der 
Oddadarrcichung  betrug  durchschnittlich  5—6  Wochen.  Die 
T  a  g  e  s  m  e  n  g  e  n  schwankten  zwischen  10  und  180  g.  Odda 
wurde  stets  als  Zusatz  zur  Milchnahrung  und  nur  in  18  kli¬ 
nischen  Fällen  vorübergehend  als  a  1 1  e  i  n  i  g  e  Nahrung  gegeben. 
In  der  Mehrzahl  der  Fälle,  unter  87  E  allen  61  mal,  handelte  es 
sich  um  krankhafte  Affektionen  der  Digestions- 
o  r  g  a  n  e  (Dyspepsien,  Enterokatarrhe,  Gastroenteritiden  und 
Enteritiden,  chronische  Obstipation  und  Dysenterie) ;  in  vielen 
Fällen  bestanden  Komplikationen  von  seiten  anderer  Or¬ 
gane  (Anämie,  Rhachitis,  hereditäre  Lues,  Intertrigo  u.  dgl.).  Die 
R  esultate  waren  bei  dem  klinischen  Materiale  weniger  gün¬ 


stig  als  bei  den  poliklinisch  mit  Oddazusatz  genährten  Kindern; 
bei  den  letzteren  waren  in  einer  Reihe  von  Fällen  ganz  erfreu¬ 
liche  Erfolge  zu  verzeichnen.  (Die  ausführliche  Arbeit  über  die 

Versuchsreihe  erscheint  in  der  Therapie  der  Gegenwart.) 

Diskussion:  Herr  .1.  Lange  ist  der  Ansicht,  dass  die 
Empfehlung  des  Herrn  Brüning  etwas  verfrüht  sein  dürfte. 
Die  von  B.  mitgeteiten  Resultate  erscheinen  nicht  so  glänzend, 
als  dass  sie  nicht  mit  anderen  Ernährungsmethoden  erreichbar 
wären.  Prinzipiell  ist  daran  festzuhalten,  dass  auch  dem 
v.  Mering  sehen  „Odda“  der  gleiche  Fehler  anhaftet  wie  den 
meisten  Kindermehlen:  der  zu  geringe  Fettgehalt.  Die  Kinder¬ 
nahrung  „Odda“  enthält  nach  der  ersten  Analyse  von  v.  M  ering 
4  78  Froz.  Fett,  nach  den  Angaben  auf  den  in  den  Handel  ge¬ 
langenden  Packeten  6,5  Proz.  Bedenkt  man,  dass  diese  Nahrung 
mit  etwa  dem  12  fachen  Volumen  Wasser  verdünnt  wird,  so 
schrumpft  die  Fettmenge  fast  auf  dieselben  zu  geringen .  Werte 
zusammen  wie  bei  den  eigentlichen  Kindermehlen.  Qualitativ 
handelt  es  sich  um  andere  Fette.  Hoher  Lecithin-  und  Vitellin¬ 
gehalt  sollen  eine  günstige  Wirkung  auf  Wachstum,  Knochen¬ 
bildung  und  Nervengewebe  ausüben.  Insbesondere  der  Nachweis 
für  stärkeren  Ansatz  für  Nervengewebe  erscheint  zunächst  noch 
recht  hypothetisch.  Die  an  nur  wenigen  Kindern  ausgeführten 
Versuche  Langes  ergaben  Resultate,  wie  sie  auch  mit  anderen 
Nährmitteln  ohne  Schwierigkeiten  erzielt  wurden.  Es  handelt 
sich  sicherlich  um  ein  ganz  gutes  Präparat  —  wenn  es  Kindern 
nach  dem  ersten  Lebenssemester,  womöglich  mit  Milch  zusammen, 
verabreicht  wird;  ob  es  aber  hält,  was  v.  Mering  will,  nämlich 
vom  3.  Lebensmonate  eine  ausreichende  Nahrung  ohne  Milch¬ 
zusatz  darzustellen,  das  bedarf  noch  sehr  der  Bestätigung.  Der 
Preis  von  M.  1.25  für  400  g  ist  nicht  billig,  da  der  Konsum  ziem¬ 
lich  gross  ist. 

Herr  F  riedeman  n  stimmt  den  Ausführungen  Herrn 
Langes  bei  und  hält  die  Einführung  neuer  Kindermehle  nicht 
für  wünschenswert. 

Herr  B  r  ii  n  i  n  g  wiederholt,  dass  bei  einer  Anzahl  von  Kin¬ 
dern  durch  Ernährung  mit  Odda  eine  sehr  erhebliche  Gewichts¬ 
zunahme  erzielt  worden  sei. 

Die  Herren  L  a  n  g  e  und  I1  riedem  a  n  n  bemerken,  dass 
das  auch  bei  reiner  Milchnahrung  vorkomme  und  an  sich  nichts 
für  den  Wert  des  Odda  beweise. 


Herr  Köster  spricht  über  die  ätiologischen  Beziehungen 
der  Chorea  zu  Infektionskrankheiten,  insbesondere  zur  rheu¬ 
matischen  Affektion.  (Der  Vortrag  ist  in  No.  32  d.  Woehenschr. 
abgedruckt.) 


Sitzung  vom  8.  Juli  1902. 

Vorsitzender :  Herr  B  a  h  r  d  t. 

Schriftführer :  Herr  Brau  n. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herr  Köster:  Ueber 
die  ätiologischen  Beziehungen  der  Chorea  zu  Infektionski  ank- 

heiten,  insbesondere  zur  rheumatischen  Affektion. 

Herr  Windscheid  möchte  gegen  die  Einseitigkeit  der  vom 
Vortragenden  besprochenen  W  o  1 1  e  n  b  e  r  g  sehen  Theorie  sich 
wenden.  Es  geht  nicht  an.  fast  alle  Fälle  von  Chorea  als  Infektion 
erklären  zu  wollen.  Vor  allem  ist  der  Begriff  der  Infektion  zu  weit 
gefasst.  Gewiss  gibt  es  infektiöse  Chorea,  aber  diese  tritt  nur  nach 
Infektionskrankheiten  auf:  Typhus,  Scharlach,  Influenza,  und  der 
Typus  dieser  Fälle  ist  die  nach  akutem  Gelenkrheumatismus  auf- 
i  rötende  Chorea.  Wenn  aber  der  Vortragende  in  einer  zerklüfteten 
Tonsille  bei  einem  Kinde  den  Nachweis  einer  vorher  durchgemach- 
ton  Infektion  erblickt  und  dementsprechend  die  nachfolgende 
Chorea  als  eine  infektiöse  erklärt,  so  kann  W.  ihm  darin  nicht  bei- 
stimmen.  Es  wird  überhaupt  viel  zu  viel  die  Chorea  als  eine 
einzige  Krankheit  betrachtet.  Der  Begriff  Chorea  ist  ein  Symp- 
t  omenkomplex,  der  sehr  verschiedenartige  Aetiologien  haben  kann. 
Man  denke  nur  an  den  enormen  Unterschied  in  ätiologischer  Be¬ 
ziehung  zwischen  einer  echten  hysterischen  Chorea  und  einci 
solchen,  die  im  Anschluss  an  einen  apoplek'tischeu  Insult,  meistens 


durch  Beteiligung  des  Sehliügels,  entsteht!  Bei  beiden  ist  der 
Symptomenkomplex  völlig  derselbe.  Wenn  man  daher  auch  der 
infektiösen  Chorea  gewiss  einen  grossen  Raum  zubilligen  kann, 
so  darf  man  doch  darüber  nicht  das  Suchen  auch  nach  anderen 
ätiologischen  Möglichkeiten  vergessen  und  dieser  Gefahr  unterliegt 

pntsphiptfpil. 


w  nlipnhp  r  sr-hp  Theorie 


Herr  C  B  a  c  k  h  a  u  s  bemerkt  bezüglich  des  ätiologischen  Zu¬ 
sammenhangs  von  Chorea  und  Gravidität  (infolge  veränderten 
Stoffwechsels),  dass  er  früher  (1899)  in  einem  Vortrage  in  der 
Leipziger  geburtshilfl.  Gesellschaft  die  Sonderstellung  der  Chorea 
gravidarum  bestritten  habe.  Die  Beantwortung  dieser  Frage  sei 
'von  besonderer  Bedeutung,  da  hiermit  zugleich  die  praktisch  wich¬ 
tige  Frage  erledigt  werde,  ob  bei  Chorea  gravidarum  die  Untei- 
brechung  der  Schwangerschaft  indiziert  sei.  B.  glaubt  nicht  dass 
bei  der  Chorea  während  der  Gravidität  ein  engerer  ursächlicher 
Zusammenhang  bestehe,  wohl  könne  die  Schwangerschaft  auf  die 
Schwere  der  Erkrankung  einen  Einfluss  ausüben.  Dos  Knmk- 
heitsbild  bei  Chorea  gravidarum  erscheine  allerdings  öfter 
schwerer,  doch  sei  zu  bedenken,  dass  überhaupt  die  Chorea  bei 
Erwachsenen  einen  schwereren  Verlauf  nehme  als  bei  Kindern; 
bei  letzteren  betrage  die  Mortalität  5  Proz.,  dagegen  bei  Er¬ 
wachsenen  ca.  20  Proz.  Eine  einheitliche  Auffassung  sei  noch 
nicht  erzielt.  Bezüglich  der  Behandlung  hätten  sich  Z  w  e  i  f  e  1 
und  J  o  1 1  y  im  vorigen  Jahre  auf  der  Naturforscherversammlung 
zu  Hamburg  in  einer  gemeinsamen  Sitzung  der  Neurologen  und 
Geburtshelfer  ganz  bestimmt  für  Unterbrechung  der  Schwanger¬ 
schaft  in  jedem  Falle  von  Chorea  gravidarum  ausgesprochen. 
B.  fragt  den  Herrn  Vortragenden,  ob  er  auf  Grund  seines  Materials 
die  grössere  Heftigkeit  der  celiten  Chorea  bei  Personen  jenseits 
des  Kindesalters  bestätigen  könne. 


Herr  Köster  (Schlusswort):  Herr  Windsclieid  scheint 
mich  in  manchen  Punkten  nicht  verstanden  zu  haben.  Ich  habe 
mich  vorwiegend  mit  den  infektiösen  Formen  der  Chorea  m 
meinem  Vorfrage  beschäftigt,  nicht  weil  ich  die  Chorea  stets  für 
infektiös  halte,  sondern  weil  ich  durch  ausführliche  Einbeziehung 
der  nicht  infektiösen  Aetiologien  in  meinen  Vortrag  die  durch  die 
Wahl  des  Themas  gezogenen  Grenzen  hätte  erheblich  überschreiten 
müssen  Auch  habe  ich  ausdrücklich  betont,  dass  ich  ausschliess¬ 
lich  ein  kritisches  Referat  der  wesentlichsten  über  die  Aetiologie 
der  infektiösen  Cliorea  verbreiteten  Anschauungen  habe 
geben  wollen  und  dass  icli  die  nicht  infektiösen  Aetiologien  nur 
insoweit  berücksichtigen  würde,  als  dies  zum  Verständnis  un¬ 
bedingt  erforderlich  sei.  Ich  selbst  habe  mich  durchaus  nicht  als 
unbedingten  Anhänger  der  W  o  1 1  e  n  b  e  r  g  sehen  Theorie  be¬ 
zeichnet.  glaube  aber,  dass  man  den  Tatsachen  Rechnung  tragen 
und  eine  Chorea  z  B.  dann  als  infektiös  bezeichnen  muss,  wenn 
eine  Angina  oder  ein  Schnupfenfieber,  eine  Bronchitis,  eine  Otitis 
oder  dergl.  dem  Ausbruch  der  Chorea  unmittelbar  vorausgegangen 
ist.  Selbst  diejenigen,  welche  nur  dem  Gelenkrheumatismus 
choreogene  Tätigkeiten  zusprechen,  werden  bei  den  anerkannten 
engen  Beziehungen  zwischen  Gelenkrheumatismus  und  Angina 
auch  die  letztere  als  einen  Ausdruck  der  rheumatischen  Infektion 
und  zur  Erzeugung  einer  Chorea  für  fähig  ansehen  müssen.  Der 
Begriff  der  rheumatischen  Infektion  muss  eben  weiter  gefasst 
werden  als  früher,  wie  ich  dies  auf  Grund  der  Wollenbe  l  g  - 
sollen  Theorie  in  meinem  Vortrag  auseinander  gesetzt  habe.  Die 
Choreafrage  wird  durch  die  möglichst  genaue  Erforschung  der 
vorausgegangenen  rheumatischen  Infektion  keineswegs  verein¬ 
facht,  sondern  eher  erschwert.  Denn  es  bedarf  einei  lecht  gc 
n auen  Anamnese  und  Untersuchung,  um  in  jedem  Falle  nach¬ 
zuweisen,  ob  und  auf  welchem  Wege  eine  Infektion  vorher  statt¬ 
gefunden  hat.  Wenn  ich  also  auf  71,15  Proz.  infektiöse  Chorea 
gekommen  bin,  so  habe  ich  einfach  den  Tatsachen  in  möglichst 
objektiver  IV eise  Rechnung  getragen.  Ich  gebe  Herrn  Wind- 
s  c  h  e  i  d  zu,  dass  die  Fälle  von  Chorea,  bei  denen  sich  hyper¬ 
trophische  und  zerklüftete  Tonsillen  oder  Geräusche  am  Herzen 
als  wahrscheinliches  Residuum  einer  vorausgegangenen  rheu¬ 
matischen  Infektion  fanden,  nicht  mit  voller  Bestimmtheit  den 
Anspruch  auf  die  Bezeichnung  „infektiöse  Chorea“  machen 
können.  Es  ist  dies  aber  an  sicli  ganz  unwesentlich,  da  ich  Hin¬ 
über  4  derartige  Fälle  verfügte,  durch  welche  sieb  die  Prozent  zahl 
'  der  infektiösen  Fälle  von  71,15  nur  auf  74,3  Proz.  erhöbt  liab  ‘ii 
I  würde.  Auch  ich  halte  gleich  Herrn  Wind  scheid  die  Chorea 
für  einen  Symptomenkomplex,  der  einer  einheitlichen  Aetiologie 
entbehrt  und  ich  glaube,  dass  ich  dies  in  meinem  Vortrage  ge¬ 
nügend  deutlich  hervorgehoben  habe.  Befanden  sich  doch  unter 
meinen  125  Fällen  35.  bei  denen  sieb  keinerlei  vorausgegangene 
Infektion  nachweisen  Hess.  Daher  habe  ich  zum  Schluss  meiner 
Ausführungen  den  Anspruch  O  p  penlieims  herangezogen,  det 
die  Chorea  in  Bezug  auf  ihre  Entstehung  in  Analogie  zur  Epi¬ 
lepsie  setzt,  da  beide  Erkrankungen  durch  Vererbung,  durch  re¬ 
flektorische  Ursachen,  durch  psychische  mul  körperliche  Traumen 
und  schliesslich  durch  Infektion  wie  Intoxikation  hervorgerufen 
werden  können.  Die  Frage  des  Herrn  Backhaus,  ob  a|mlicl1 
wie  bei  der  Chorea  gravidarum  auch  bei  den  infektiösen  <  hoiea- 
forrnen  Leute  in  vorgeschritteneren  Jahren  schwerer  erkranken 
als  junge  Individuen,  kann  ich  nicht  direkt  bejahend  beantworten. 
Es  gibt  bei  Personen  von  20—40  Jahren  schwere  und  leichte  in¬ 
fektiöse  Choreaerkrankungen,  sowie  es  auch  schwere  und  leichte 
rheumatische  Infektionen  gibt.  Gerade  in  dem  erwähnten  Bebeus- 
alter  kann  übrigens  eine  geringfügige  rheumatische  Infektion 
leicht  übersehen  werden  und  andererseits  muss  stets  der  veraacn 


2.  September  1902. 


MUENÖHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1488 


bestehen,  dass  es  sich  um  eine  degenerative  Form  der  Chorea 
handelt,  welche  bekanntlich  stets  eine  trübe  Prognose  hat. 

Mitteilungen  aus  dem  Diakonissen  hause. 

Herr  J.  Lange  demonstriert: 

1.  Einen  Fall  von  A  d  d  i  s  o  n  scher  Krankheit,  der  beson¬ 
deres  Interesse  bietet  durch  die  Entwicklung  der  Haut-  und 
Schleimhautpigmentierung  während  seiner  klinischen  Behandlung, 
durch  den  akuten  Beginn  der  Erkrankung  und  durch  die  schnelle 
und  zunächst  fortdauernde  Besserung  der  subjektiven  Symptome 
im  Anschluss  an  die  Verabreichung  von  Nebennierensubstanz. 
Die  Bronzefarbe  blieb  dabei  bestehen,  verbreitete  sich  sogar  weiter. 
Auf  Tuberkulininjektion  reagierte  Patient  nicht,  so  dass  die  ge¬ 
wöhnlich  angeführte  Tuberkulose  der  Nebennieren  vermutlich 
ätiologisch  in  diesem  Falle  nicht  in  Betracht  kommt.  Eine  ge¬ 
nauere  Veröffentlichung  des  Falles  soll  gelegentlich  nach  längerer 
Beobachtungsdauer  erfolgen. 

Diskussion:  Herr  C.  Backhaus  erwähnt,  dass  er  im 
vorigen  .Talire  einen  schweren,  klinisch  typischen  Fall  von  Morbus 
Addisonii  ebenfalls  mit  Nebennierenextrakt  behandelt  hat,  doch 
ohne  Besserung  zu  erzielen.  Der  Fall  war  besonders  auch  patho¬ 
logisch-anatomisch  sehr  bemerkenswert,  da  er  das  recht  seltene 
Vorkommnis,  eine  hochgradige  Atrophie  der  Nebennieren  aufwies. 
B.  wird  später  eingehender  berichten. 

2.  Einen  Fall  von  myasthenischer  Paralyse,  oder  Bulbär- 
paralyse  ohne  anatomischen  Befund  (Oppenheim),  oder 
Myasthenia  gravis  pseudoparalytica  (J  o  1  1  y).  Der  sehr  typische 
Fall  betrifft  ein  21  jähriges  junges  Mädchen  mit  partieller  Opli- 
thalmoplegia  externa,  sowie  mit  der  charakteristischen  schnellen 
Erschöpfung  der  Muskelkraft,  hier  besonders  an  den  oberen  Ex¬ 
tremitäten,  Nacken-  und  Rumpfmuskulatur.  Die  von  J  o  1 1  y  be¬ 
schriebene  myasthenische  Reaktion  wird  in  klassischer 
Weise  demonstriert.  Ausführliche  Publikation  erfolgt  in  nächster 
Zeit. 

Diskussion:  Herr  Köster:  Zu  der  hochinteressanten 
Ermüdungsreaktion,  welche  uns  Herr  Lange  soeben  demon¬ 
strierte,  möchte  ich  bemerken,  dass  ich  eine  typische  Ermüdungs¬ 
reaktion  bei  Phthisikern  und  Krebskranken  im  vorgeschrittenen 
Stadium  und  besonders  schön  bei  perniziös  Anämischen  wiederholt 
durch  systematische  Untersuchung  feststellen  konnte.  Schliess¬ 
lich  möchte  ich  daran  erinnern,  dass  ich  bei  experimentell  an  Ka¬ 
ninchen  erzeugter  chronischer  Schwefelkohlenstoffvergiftung  eine 
sehr  ausgesprochene  Ermüdungsreaktion  beobachtet  habe,  welche 
anfangs  mit  Steigerung,  späterhin  mit  Herabsetzung  der  elek¬ 
trischen  Erregbarkeit  sich  verknüpfte  Die  Rollen  des  Induktions¬ 
apparates  mussten  vom  Auftreten  der  ersten  Zuckung  (Reizung 
vom  N.  ischiadicus  aus  mit  Einzelschlägen  des  Oeffnungsstromes) 
an  gerechnet  infolge  der  Ermüdung  allmählich  um  30 — 50  mm 
einander  genähert  werden,  um  überhaupt  eine  Kontraktion  des 
Muskels  zu  erzielen. 

Herr  Windscheid  bemerkt,  dass  die  Myasthenie  ja 
zweifellos  eine  sehr  seltene  Krankheit  sei,  aber  doch  wahrschein¬ 
lich  häufiger,  als  man  denkt,  denn  sicher  werden  einige  Fälle  öfters 
übersehen  und  als  Neurasthenie  gedeutet.  Bildet  doch  das  Haupt¬ 
symptom  der  Myasthenie,  die  leichte  Ermüdbarkeit  der  Musku¬ 
latur,  auch  ein  Hauptsymptom  der  einfachen  Neurasthenie.  W. 
möchte  daher  die  Kollegen  ersuchen,  bei  diesen  Klagen  immer  auf 
die  Eigenart  der  Myasthenie  zu  achten,  nämlich  auf  die  Kom¬ 
bination  von  Schwäche  der  von  Gehirnnerven  versorgten  Muskeln 
mit  Schwäche  der  Rumpf-  oder  Extremitätenmuskeln,  eine  Ver¬ 
bindung,  die  sich  bei  der  Neurasthenie  nie  findet.  Der  Nachweis 
der  myasthenischen  elektrischen  Reaktion  ist  nicht  durchaus  not¬ 
wendig  zur  Diagnose  des  Leidens. 

Herr  Braun  demonstriert  einen  neuen  Fall  von  operativ 
geheilter  Milzruptur. 

Ein  38  jähriger  Mann  fiel  am  11.  .Juni  vom  Bock  eines  nicht 
beladenen  Lastwagens,  den  er  führte.  Die  Räder  sollen  ihm  über 
den  Körper  gegangen  sein.  Er  wurde  bewusstlos  aufgehoben, 
und  erbrach  einmal.  2  Stunden  nach  der  Verletzung  wurde  er 
ins  Diakonissenhaus  gebracht.  Der  Mann  war  jetzt  halb  bei  Be¬ 
wusstsein,  reagierte  auf  Anrufen,  roch  stark  nach  Alkohol.  Ueber 
dem  linken  Rippenbogen,  in  der  Axillarlinie,  war  ein  Rippenbruch 
nachweisbar.  Sonst  fand  sich  keine  äussere  Verletzung,  der  Mann 
war  nicht  anaemisch,  am  Abdomen  war  nichts  Abnormes  nach¬ 
weisbar.  Der  Puls  war  schwach,  besserte  sich  auf  Kamplier.  Im 
Laufe  der  nächsten  10  Stunden  stellten  sich  die  Zeichen  einer  zu¬ 
nehmenden  intraabdominalen  Blutung  ein.  Dämpfung  in  den  ab¬ 
hängigen  Teilen  des  Leibes,  welche  bei  Lagewechsel  sich  ver¬ 
änderte  und  nur  links  bestehen  blieb;  die  Leberdämpfung  war  er¬ 
halten.  Leib  bretthart  gespannt,  überall  schmerzhaft;  wieder¬ 
holtes  Erbrechen.  Zunehmende  Anämie.  Verschlechterung  des 
Pulses  bis  zum  Verschwinden,  starke  Erregung  abwechselnd  mit 
Bewusstlosigkeit.  Deshalb  wurde  12  Stunden  nach  der  Verletzung 
die  Bauchhöhle  in  der  Mittellinie  geöffnet.  Sie  war  mit  enormen 
Mengen  flüssigen  und  geronnenen  Blutes  gefüllt.  Ein  Griff  in  die 
Milzgegend  förderte  dieses  Organ  zu  Tage.  Es  war  ganz  in  zwei 
Stücke  zerrissen,  jedes  Stück  hing  an  einem  Stiel,  aus  der  Riss¬ 
fläche  sickerte  langsam,  Tropfen  für  Tropfen,  Blut  hervor.  Die 
beiden  Milzhälften  wurden  nach  Unterbindung  der  Stiele  entfernt, 
das  im  Abdomen  enthaltene  Blut,  so  weit  das  ohne  Schwierigkeit 
möglich  war,  durch  Austupfen  entfernt  und  die  Bauchwunde  ver¬ 


wird 

Man 


näht.  Nun  wurden  2  Liter  Kochsalzlösung  in  die  Vena  mediana 
cubiti  injizirt,  ein  integrierender  und  wichtiger  Teil  der  Therapie 
derartiger  Verletzungen.  Sofort  erwachte  der  Kranke,  der  vorher 
nicht  fühlbare  Puls  wurde  fast  normal  und  blieb  es  auch  weiter¬ 
hin.  Es  folgte  ungestörte  Rekonvaleszenz,  am  5.  Juli  hat  der 
Kranke  das  Bett  verlassen  und  fühlte  sich  bis  auf  eine  noch  vor¬ 
handene  Schwäche  wohl.  Die  Blutuntersuchung  ergibt  eine 
starke  Verminderung  der  roten  und  Vermehrung  der  weissen 
Blutkörperchen.  (Zahl  der  roten  Blutkörperchen  am  20.  VI. 
2  470  000  —  am  3.  Juli  2  300  000  — ,  Zahl  der  weissen  Blutkörper¬ 
chen  an  beiden  Tagen  24  700,  Hämoglobingehalt  70  Proz.)  Sonst 
sind  irgend  welche  Ausfallserscheinungen  nicht  bemerkbar.  Die 
Lymphdrüsen  sind  nicht  geschwollen. 

Herr  B.  weist  auf  die  Förderung  hin,  welche  die  Kenntnis 
und  Behandlung  der  Milzruptur  durch  Herrn  Trendelenburg 
und  seine  Schüler  gewonnen  hat.  Seit  der  Publikation  T  r  e  n"- 
delenb  urgs  über  diesen  Gegenstand  (Deutsch,  med.  Wocheu- 
selir.  1890)  haben  sich  die  operativ  behandelten  Milzrupturen  sehr 
vermehrt  und  es  sind  jetzt  schon  20—30  mit  Glück  operierte  Fälle 
bekannt. 

Herr  Braun  demonstriert  ferner  die  in  seinem  Operations¬ 
saal  übliche  Verwendung  der  Naht-  und  Unterbindungsfäden. 
Das  Material  ist  der  von  ihm  empfohlene  Celloidinzwirn  '),  der 
nach  dem  grossen  Vertrieb  des  Verfertigers  (A.  Scliaedel  in 
Leipzig)  zu  urteilen,  eine  sehr  weite  Verbreitung  gefunden  hat. 
Seide  lässt  sich  aber  in  gleicher  Weise  verwerten.  Der  Faden 
auf  einen  Glasstab  aufgewickelt,  wie  die  Abbildung  zeigt, 
fasst  den  Glasstab 
nebst  den  Anfang  des 
Fadens  mit  der  linken 
Hand  und  wickelt  mit 
der  rechten  Hand,  in¬ 
dem  man  den  Faden 
unter  fortwährendem  Ziehern  des  Glasstabes  abwechselnd  nach 
rechts  und  links  über  den  bereits  gewickelten  Teil  lierumschliigt. 
So  entsteht  ein  regelmässiger  lockerer  Knäuel.  Schliesslich  wird 
das  Ende  des  Fadens  einige  Male  zirkulär  um  den  Knäuel  herum¬ 
geführt  und  mit  einem  Tropfen  Jodoformkollodium  festgeklebt, 
ebenso  werden  die  Knäuelränder  mit  einer  Spur  Jodoformkollodium 
versehen.  Jetzt  kann  der  Glasstab  entfernt  werden,  ohne  dass  der 
Knäuel  seine  Form  verliert  und  der  Fadenanfang  kann  fortlaufend 
herausgezogen  werden.  Jeder  dieser  Knäuel  wird  in  einen  kleinen 
nussförmigen  Glasbehälter  (Ligaturkugel)  gelegt,  wie  sie  von 
L  a  u  r 2)  empfohlen  worden  sind.  Sie  haben  sich  B.  als  sehr  prak¬ 
tisch  erwiesen,  besonders  nachdem  er  sie  (von  G  o  e  s  s  e,  Leipzig, 
Hartelstr.  4)  aus  verschiedenfarbigem  Glas  (gelb,  blau  und  weiss) 
machen  liess,  für  starke,  mittlere  und  feine  Fäden.  (Demon¬ 
stration.)  Sie  werden  mit  ihrem  Inhalt  im  strömenden  Dampf 
sterilisiert  und  dann  bis  zum  Gebrauch  in  Sublimat  aufbewahrt. 
Ihre  Vorteile  bestehen  in  dem  Schutz,  den  sie  dem  Faden  gegen 
nachträgliche  Infektion  gewähren,  und  ferner  darin,  dass  man. 
die  Glaskugel  in  der  linken  Hohlhand  fassend,  den  in  ihr  ent¬ 
haltenen  Faden  fortlaufend,  ohne  Unterbrechung,  zu  Unter¬ 
bindungen  gebrauchen  kann. 

Herr  J.  Lange  demonstriert  ferner  ein  Präparat  von 
Thymushyperthrophie  bei  plötzlichem  Tode  eines  8  monatlichen 
Säuglings,  Avobei  vermutlich  die  grossen  Gefässe,  Aorta,  Pul- 
monalis  und  die  Vv.  caA’ae  durch  die  dieselben  umgreifende 
Thymus  dauernd  gedrückt  Avurden  und  eine  kolossale  Hypertrophie 
des  ganzen  Herzens  bedingten.  Der  Tod  ist  vielleicht  als  Herztod 
aufzufassen  Avie  bei  gewissen  Fällen  von  Struma  substernalis. 
Die  Trachea  ist  frei.  Von  einem  „Status  lymphaticus“  im  Sinne 
Palt  aufs  kann  hier  nicht  die  Rede  sein. 

Herr  Lämmerhirt  demonstriert  den  Kehlkopf 
Kindes  mit  multiplen  Papillomen  der  Kehlkopf  Schleimhaut. 


eines 


Herr  v.  Criegern  berichtet  über  einen  Kranken  mit 
gallenhaltigem  pleuritischen  Exsudat. 

M.  H.!  Diese  dunkelbraune  Flüssigkeit,  die  ich  Ihnen  hier  zu 
zeigen  mir  die  Ehre  gebe,  habe  ich  am  19.  Juni  durch  die  Punktion 
aus  der  linken  Pleurahöhle  einer  Frau  gewonnen.  Gestatten  Sie 
mir.  Ihnen  zunächst  das  Nötigste  über  die  Kranke  mitzuteilen. 
Sie  ist  49  Jahre  alt,  Wäscherin,  lebt  vom  Manne  getrennt,  der  ein 
notorischer  Trunkenbold  und  Herumtreiber  ist.  Als  Schulmädchen 
ist  sie  nach  ihrer  sehr  bestimmten  Angabe  wegen  eines  tuber¬ 
kulösen  GeschAvüres  am  linken  Naseneingang  operiert  worden. 
Späterhin  hat  sie  noch  Syphilis  durchgemacht  —  erst  noch  vor 
3  Jahren  wurde  sie  in  unserer  Poliklinik  Avegen  einer  Ophthalmo¬ 
plegie  antiluetisch  behandelt,  mit  dem  Erfolge  völliger  Heilung. 
Seit  einem  halben  Jahre  nun  Aval*  sie  stark  abgeinagert,  hatte 
Atemnot  und  Beklemmung  bekommen,  ferner  Brustschmerz,  auch 
Husten,  durch  den  indessen  niemals  Auswurf  befördert  wurde. 
Dabei  hatte  sie  Aveder  Fieber  noch  Nachtschweisse  gehabt.  Im 
Vordergrund  ihrer  Beschwerden  stand  die  stetige  Abnahme  der 
Kräfte.  Am  22.  V.  wurde  wegen  dieser  Klagen  von  anderer  Hand 
die  linke  Pleura  punktiert,  und  mir  wurde  die  Kranke  am  24.  VI. 
überwiesen  mit  der  Diagnose  „Carcinoma  pulmonis“  und  der  Notiz, 
dass  das  Pleuraexsudat  sehr  viel  Blut  enthalten  habe.  Der  Status 
praesens  am  24.  VI.  liess  diese  Diagnose  nicht  ungerechtfertigt  er¬ 
scheinen:  Die  Frau  war  stark  abgemagert,  die  Haut  bildete  Aveite, 
sackige  Falten,  die  auf  früher  vorhandenen  Fettpolster  schliessen 
Hessen,  und  zeigte  miliare  Angiome,  ein  Befund,  dem  ich  zwar, 


9  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  15 — 16. 


2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  15. 


1484 


No.  35. 


MtfENOIIENEtl  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


nebenbei  bemerkt,  keinerlei  diagnostischen  Wert  beimessen  kann, 
da  ich  ihn  öfter  bei  nicht  krebskranken  Leuten  finde,  als  um¬ 
gekehrt,  der  aber  mit  Rücksicht  auf  die  abweichenden  Anschau¬ 
ungen  anderer  Autoren  hier  bemerkt  werden  mag.  An  der  linken 
Nasenspitze  und  dem  linken  Nasenloch  fanden  sich  weissliche, 
etwas  deformierte  Narben  (wohl  Folgen  der  Operation  des  tuber¬ 
kulösen  Geschwürs  in  der  Kindheit),  auf  der  linken  Hornhaut  ein 
Leukom.  Auf  der  rechten  Seite  bestand  Lungenschall  vorn  herab 
bis  zur  (*.  Rippe,  neben  dem  Sternum  noch  durch  eine  zweifinger¬ 
breite  Zone  von  der  6.  Rippe  ab  eingeengt  (Verlagerung  des  Her¬ 
zens!);  hinten  fand  sich  bei  aufrechter  Haltung  eine  noch  nicht 
handbreite  Dämpfung;  bei  rechter  Seitenlage  liess  sich  deutlich  das 
Vorhandensein  von  freier  Flüssigkeit  nachweisen.  Die  linkt*  Seite 
war  kleiner  als  die  rechte;  sie  gab  überall  gedämpften  Schall,  der 
besonders  hinten  und  unten  sehr  intensiv,  aber  nirgends  ohne  eine 
Spur  von  tympanitischean  Beiklang  war.  Weder  Lungen-  noch 
nerzgrenzen  konnten  bestimmt  werden,  freie  Flüssigkeit  liess  sich 
nicht  nachweisen.  Das  Atemgeräusch  war  bronchial,  am  lautesten 
hinten  oben  neben  den  ersten  4.  Dorsalwirbeln,  an  der  Seite  unten 
kaum  zu  hören,  und  strahlte  etwas  nach  rechts  aus.  Das  Röntgen¬ 
bild  ergibt:  Totale  Verdunkelung  des  linken  Lungenfeldes,  Aus¬ 
hebung  des  rechten,  Verlagerung  des  Mediastinums  nach  rechts, 
geringe  Menge  freier  Flüssigkeit  rechts  (ich  erlaube  mir.  Ihnen  hier 
diese  Photographie  herumzureichen).  Die  Kranke  verschlimmerte 
sich  weiter  und  am  19.  VI.  wurde  wieder  eine  Punktion  der  linken 
Seite  vorgenommen.  Hs  wurden  (»00  ccm  Flüssigkeit  entleert, 
dann  erfolgte  kein  weiteres  Ausfliessen;  die  Erleichterung  war  nur 
ganz  gering,  der  objektive  Befund  kaum  geändert,  im  Röntgen¬ 
bilde  ein  geringes  Zurückgehen  des  Mediastinums  festzustellen 
(ich  reiche  Ihnen  hier  die  zweite,  nach  der  Punktion  auf  genommene 
Photographie  herum,  die  das  recht  schön  erkennen  lässt),  aber 
keine  Aufhellung  des  linken  Lungenfeldes.  Die  bei  der  Punktion 
entleerte  Flüssigkeit  nun  ist  es,  welche  Sie  hier  sehen.  Zuerst 
fällt  natürlich  der  Blutgehalt  derselben  ins  Auge,  und  nach 
längerem  Stehen  setzt  sich  eine  untere,  blutkörperchenreiche 
Schicht  ab,  von  der  sich  diese  zweite,  entschieden  anders  gefärbte 
abziehen  lässt.  Dieselbe  enthält  nur  mehr  wenig  Blut,  ist  kaum 
oder  gar  nicht  dichroitisch  und  erzeugt  beim  Schütteln  rahmig 
gelben  Schaum,  kurz  sie  erinnert  in  ihrem  Verhalten  sehr  an  den 
bekannten  bierbraunen  Urin  bei  Ikterus.  Noch  auffälliger  unter¬ 
scheiden  sich  beide  Schichten  bei  etwa  10  facher  Verdünnung  mit 
Wasser.  Die  untere  Partie  erscheint  dann  fleischwasserähnlich, 
während  die  obere  dunkelgelbe  Färbung  zeigt,  die  eigentlich  fast 
genau  der  Farbe  entspricht,  die  wir  sonst  an  solchen  Pleura¬ 
exsudaten  wahrzunehmen  gewohnt  sind.  Schüttelt  man  diese 
obere  Schicht  mit  Chloroform  aus,  so  reisst  dies  in  grosser  Menge 
einen  gelben  Farbstoff  nieder,  der  sich  durch  die  G  m  e  1  i  n  sehe 
Reaktion  als  Gallenfarbstoff  zu  erkennen  gibt.  Auch  an  der  nur 
mit  etwas  Wasser  verdünnten  ursprünglichen  Flüssigkeit,  am 
besten  aber,  wie  mir  schien,  am  unverdünnten  Exsudat,  nachdem 
man  mit  Alkohol  die  Hauptmenge  des  Blutfarbstoffes  und  einen 
grossen  Teil  des  Eiweisses  entfernt  hat,  erhält  man  die  Gallen¬ 
farbstoff  rea  ktion,  und  zwar  stets  in  solcher  Intensität,  dass  dies 
auf  das  Vorhandensein  von  grossen  Quantitäten  schliessen  lässt, 
wie  es  ja  auch  der  Augenschein  lehrt.  Nun  aber  kommt  die 
Hauptfrage:  „Wie  kommt  der  Gallenfarbstoff  in  das  Pleura¬ 
exsudat  und  kann  man  seine  Anwesenheit  etwa  diagnostisch  ver¬ 
werten,  da  ja  doch  der  Befund  einer  solchen  Menge  in  dieser  so 
oft  besichtigten  Flüssigkeit  nicht  häufig  ist?“  Hs  bestehen  offen¬ 
bar  zwei  Möglichkeiten:  erstens  kann  der  Gallenfarbstoff  durch 
eine  Gallenfistel  aus  den  Gallenwegen  in  die  Pleura  gelangt  sein. 
Da  die  Anamnese  bezüglich  vorausgegangener  Leberkrankheiten 
keinen  Anhalt  bietet  und  auch  die  Verbindung  zwischen  der  Leber 
und  der  linken  Pleura  nicht  die  kürzeste  ist,  erregt  dies  Be¬ 
denken.  Es  finden  sich  jedoch  besonders  in  der  alten  Literatur 
verstreute  Nachrichten  über  ähnliche  Fisteln,  und  zwar  hat  es 
sich  dann  meist  um  durchgebrochene  Echinokokken  gehandelt. 
Wenn  auch  die  Anamnese  keinen  Anhalt  bot,  so  haben  wir  doch 
auf  Bernsteinsäure  gefahndet,  indessen  ohne  positiven  Erfolg. 
Mehr  verspricht  eine  andere  Ueberlegung.  Stammt  der  Gallen¬ 
farbstoff  aus  den  Gallenwegen,  so  wird  er  von  gallensauren  Salzen 
begleitet  sein,  vorausgesetzt,  dass  diese  keiner  anderen  Eliminie¬ 
rung  unterliegen  als  jener.  Aber  es  gelang  mir  nicht,  den  positiven 
Ausfall  einer  der  mir  bekannten  Proben  auf  Gallensäuren  zu 
sehen,  insbesondere  auch  nicht  den  der  Pettenkofe  r  sehen.  Es 
wird  demnach  schwer  angehen,  wegen  der  Anwesenheit  von 
Gallenfarbstoff  in  unserem  Exsudate  auf  das  Vorhandensein  einer 
Gallenfistel  zu  schliessen,  und  wir  müssen  uns  wohl  mehr  der 
zweiten  Möglichkeit  zuneigen,  nämlich  der,  dass  sich  derselbe 
erst  im  Exsudate  selbst  gebildet  hat  und  zwar  aus  Blutfarbstoff. 
Bekanntlich  hat  Virc  li  o  w  1847  zuerst  in  alten  Blutextravasaten 
einen  kristallinischen  gelben  Farbstoff  studiert,  den  er  Häma¬ 
toidin  genannt  hat.  Es  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  hierüber  eine 
kleine  Literatur  entwickelt;  heute  weiss  man,  dass  das  Virchow- 
sclie  Hämatoidin  nichts  anderes  ist  als  eben  Gallenfarbstoff.  Und 
in  unserem  Falle  bestellt  nun  offenbar  schon  lange  Zeit  ein  blut¬ 
haltiges  Exsudat  in  der  Pleura,  das  sich  unter  günstigen  Be¬ 
dingungen  für  diese  Umwandlung  befindet.  So  würden  wir  nun 
zwar  einen  wesentlichen  diagnostischen  Nutzen  von  unserem  im 
ersten  Augenblicke  so  frappierenden  Befunde  nicht  haben,  als 
vielleicht  einen  Hinweis  darauf,  dass  die  Dauer  der  Krankheit 
gewiss  beträchtlich  gewesen  ist,  indessen  glaubte  ich  mir  doch 
wegen  der  Seltenheit  derselben  diese  Demonstration  gestatten  zu 
sollen. 


N  a  c  li  t  r  a  g.  Kurz  nach  der  obigen  Demonstration  ist  die 
Kranke  ihrem  Leiden  erlegen  und  von  Herrn  Professor  Saxer 
seziert  worden.  Seiner  Güte,  sowie  der  des  Herrn  Geheimrat  Prof. 
M  a  r  c  h  a  n  d  verdanke  ich  eine  Abschrift  des  Sektiousprotokolles. 
aus  der  ich  folgendes  hier  anfügen  will:  Die  linke  Pleura  war  stark 
verdickt  und  von  stark  liöckrigen  Geschwulstknoten  durchsetzt, 
ihre  Höhle  enthielt  reichlich  Flüssigkeit,  die  derjenigen  völlig  ent¬ 
sprach.  welche  im  Leben  durch  Punktion  gewonnen  wurde.  Die 
linke  Lunge  war  stark  zusammengedrückt,  völlig  luftleer,  der 
grösste  Tlühendurchmesser  betrug  nur  11  cm,  der  grösste  Quer¬ 
durchmesser  nur  G — 7  ein:  sie  war  völlig  durchsetzt  von  kleinen 
Karzinomknoten.  Auch  die  rechte  Lunge  war  von  zahlreichen 
kleinen  Karzinomknoten  durchsetzt.  In  der  rechten  Pleura  eine 
kleinere  Menge  von  gleichfalls  hämorrhagischem  Exsudat.  Kar¬ 
zinommetastasen  in  den  bronchialen  und  retroperitonealen 
Lymphdrüsen  und  der  rechten  Niere.  Leber  klein,  von  (luetischen) 
Narbensträngen  durchzogen,  enthält  im  linken  Lappen  einen 
kleinen,  obsoleten  Echinokokkus 

Angeregt,  durch  den  Umstand,  dass  der  von  den  abgesetzten 
Blutkörperchen  abgegossene,  bierbraune  Teil  unseres  Exsudats 
Hei  starker  Verdünnung  dieselbe  hellgelbe  Färbung  zeigte,  die 
gewöhnlich  dem  durch  Punktion  gewonnenen  Exsudat  zukommt, 
iiabe  ich  seither  die  Punktionsflüssigkeit  in  7  weiteren  Fällen  von 
Pleuritis  (sicher  tuberkulösen  und  wahrscheinlich  tuberkulösen 
Ursprungs)  auf  das  Vorhandensein  von  Gallenfarbstoff  unter 
sucht  und  zwar  bisher  stets  mit  positivem  Erfolg.  Es  fanden  sich 
zwar  immer  nur  geringe  Spuren;  indessen  schien  mir  doch  einiger- 
massen  eine  Parallele  vorhanden  zu  sein  zwischen  der  Menge  der 
gleichzeitig  vorhandenen  roten  Blutkörperchen  resp.  Schatten,  die 
ja  bekanntlich  in  keinem  Exsudate  fehlen,  und  vielleicht  auch  der 
Dauer  des  Krankheitsprozesses.  Sollte  sich  das  alles  auch  bei 
einem  grossen  Materiale  bestätigen,  so  kann  man  folgende  Sätze 
für  die  diagnostische  Verwertbarkeit  dieses  Befundes  aufstellen: 

1.  Das  Vorkommen  von  Gallenfarbstoff  in  pleuritischen  Ex¬ 

sudaten  ist  sehr  häufig;  in  Spuren  hat  es  keine  diagnostische  Be¬ 
deutung.  i 

2.  In  den  seltenen  Fällen,  in  denen  es  sehr  reichlich  ist,  be¬ 
deutet  es  einen  stärkeren  Blutgehalt  des  Exsudats,  jedoch  mit 
der  Modifikation,  dass  es  auf  längeres  Bestehen  desselben  hinweist. 

3.  Nur  wenn  sich  gleichzeitig  auch  gallensaure  Salze  nach¬ 
weisen  lassen,  sollte  man  das  Bestehen  einer  Gallenfistel  ver¬ 
muten. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  J  uni  1902. 

1.  Herr  Krecke:  Operation  eines  Hirntumors.  (Mit 

Kranken  Vorstellung.) 

M.  H. !  Lassen  Sie  mich  Ihnen  in  aller  Kiii’ze  über  eine 
am  19.  IX.  1900  vorgenommene  Operation  eines  Hirntumors  be¬ 
richten.  Ich  bemerke  von  vornherein,  dass  das  erzielte  Resultat 
kein  ideales  genannt  werden  darf,  immerhin  dürfte  der  Fall  aus 
mehreren  Gründen  Ihr  Interesse  in  Anspruch  nehmen. 

Es  handelt  sich  um  eine  damals  27  jährige  Patientin.  Die¬ 
selbe  gab  an,  im  November  1899  mit  dem  Rade  gestürzt  und  auf 
die  linke  Kopfseite  gefallen  zu  sein.  Einige  Zeit  nach 
dem  Sturz  Iv  r  i  b  b  e  1  n  und  Zucken  im  linken  Bein.  Nach 
vorübergehender  Besserung  Schwächegefühl  im  linken 
Arm.  Im  Juni  1900  heftiges  fortwährendes  Erbrechen  mit 
hochgradigen  rechtsseitigen  Kopfschmerze  n.  Gleichzeitig 
Flimmern  vor  den  Augen  und  Abnahme  an  Sehkraft,  be¬ 
sonders  links. 

Nach  verschiedenen  Behandlungsversuchen  konsultierte  Pa¬ 
tientin  im  Juli  Herrn  Kollegen  Seif,  der  die  Diagnose  auf  einen 
Tumor  im  oberen  Teil  der  rechtsseitigen  Zentralwindung,  iin  Bein¬ 
zentrum,  stellte,  zur  sofortigen  Operation  riet  und  mich  zuzog. 
Leider  leistete  die  Patientin  den  eindringlichen  Vorstellungen  des 
Herrn  Kollegen  Seif  keine  Folge.  Erst  als  Anfang  September 
am»  1 1  k  o  m  m  e  n  e  E  r  b  lind  u  n  g  eingetreten  war,  kam  sie  am 
ir>.  September  zur  Operation  in  meine  Anstalt. 

Ueber  die  diagnostischen  Punkte  der  Krankengeschichte  wird 
vielleicht  Herr  Seif  noch  einige  Worte  sagen.  Ich  nenne  nur 
kurz  die  bei  der  Untersuchung  gefundenen  objektiven  Zeichen: 
Sehvermögen  völlig  erloschen,  Augenhintergrund 
zeigt  beiderseits  die  Zeichen  der  Stauungspapille.  Die 
Gegend  der  rechten  Zentralwindung  auf  Beklopfen  empfindlich. 
Zungen-  und  Fazialisbewegungen  völlig  frei.  Bewegungen  des 
linken  Armes  sämtlich  schwächer  wie  rechts,  am  linken  Bein 
Hüft-  und  Kniebewegungen  normal,  Fuss-  und  Zehenbewegungen 
vollkommen  aufgehoben.  Steigerung  der  Reflexe  links,  leichte 
Sensibilitätsstörungen.  Klagen  über  heftigen  Druck  im  Kopf. 
Von  Zeit  zu  Zeit  leichte  klonische  Zuckungen  im  linken  Bein.  Nach 
diesem  Befund  musste  ich  mich  der  Seif  sehen  Diagnose:  „Tumor 
im  oberen  Teil  der  rechten  Zentralfurche“  vollkommen  ansehliessen 
und  legte  am  19.  IX.  diesen  Teil  des  Gehirns  frei. 

Bildung  eines  W  agne  r  sehen  Lappens.  Nach  Spaltung  der 
Dura  präsentierte  sich  sofort  im  oberen  Teil  der  Wunde  ein  etwas 
über  taubeneigrosser  dunkelblauroter  Tumor.  Leichte  Auslösung 
desselben.  Dabei  plötzlich  ausserordentlich  reichlicher  Abfluss 
von  Liquor  cerebro-spina lis.  Sorgfältige  Revision  der  Wunde  auf 
etwaige  Tumorreste.  Dabei  ziemlich  lebhafte  Blutung  aus  einer 


2.  September  1902. 


MUENCHENER 


MEDICINISOHE 


WOCHENSCHRIFT. 


1485 


Vene,  die  die  Tamponade  der  Wunde  nötig  machte.  Darüber  der 
Lappen  vorläufig  zurückgeklappt. 

Der  Tumor  mass  2:2y2  cm,  war  auf  der  Schnittfläche  von 
graurotlicher  narbe,  mit  grauweissen  Einsprenkelungen.  Mikro¬ 
skopisch  erwies  er  sich  als  Spindelzellensarkom,  wie  Herr 
Dr.  D  ii  r  c  k  mir  zu  bestätigen  die  Güte  hatte. 

•  ,  !?e!'  V®rIiuf  war  fieberfrei.  Von  Anfang  an  bestand  sehr 
reichlicher  Abfluss  von  Zerebrospinalflüssigkeit  und  dazu  gesellte 
sich  am  zweiten  Tage  ein  Hirnvorfall,  der  nach  und  nach  ge¬ 
waltige  Dimensionen  bis  zur  Grösse  einer  Mannesfaust  annahm 
Von  der  Oberfläche  desselben  stiessen  sich  bei  jedem  Verband¬ 
wechsel  matsche  Gehimteile  ab.  Mit  Entstehung  des  Hirn¬ 
prolapses  trat  nun  gleichzeitig  eine  ziemlich  beträchtliche  Parese 
der  ganzen  linken  Körperhälfte  einschliesslich  Fazialis  und  Hypo- 
glossus  auf.  Die  Blindheit  blieb  völlig  gleich,  die  Kopfschmerzen 
und  das  Erbrechen  waren  jedoch  seit  der  Operation  gänzlich  ver¬ 
schwunden. 

Patientin  verliess  die  Anstalt  am  25.  Oktober,  also  5  Wochen 
nach  der  Operation,  bei  gutem  Allgemeinbefinden,  aber  noch  be¬ 
stehender  linksseitiger  Parese,  hühnereigrossem  Hirnprolaps, 
massiger  Absonderung  von  Liquor  cerebro-spinalis.  Der  Hirn¬ 
prolaps  bildete  sich  nur  sehr  langsam  zurück  und  war  erst  im 
Sommer  1901  ganz  verschwunden.  Jetzt  findet  man  nur  noch 
den  etwas  über  die  Schädeloberfläche  hervorragenden  Knochen¬ 
lappen  und  die  lebhaft  pulsierende  Schädellücke.  Fazialisparese 
ist  nahezu,  Hypoglossuslähmung  ganz  verschwunden,  die  Parese 
der  linken  Hand  und  des  linken  Beines  bestehen  noch  an  der  Hand 
sind  besonders  die  Extensoren,  am  Bein  die  vom  Peroneus  ver¬ 
sorgten  Muskeln  gelähmt.  Das  Allgemeinbefinden  der  Patientin 
ist.  sehr  gut,  ihre  einzigen  Klagen  beziehen  sich  auf  das  Unver¬ 
mögen,  zu  sehen.  Nach  der  Untersuchung  des  Kollegen  Z  e  n  lce  r 
besteht  vollständige  Atrophie  des  Sehnerven:  Papillen  porzellan- 
weiss,  Gefässe  eng  und  atropliiert. 

M.  H. !  Bei  der  Kürze  der  mir  zugemessenen  Zeit  will  ich 
mich  in  Bezug  auf  allgemeine  Bemerkungen  ganz  kurz  fassen. 
Der  Fall  ist  ein  Schulfall  für  die  Tumoren  am  oberen  Teil  des 
Sulcus  Rolandi.  Für  die  Chirurgen  sind  die  Tumoren  der 


Zentralfurche,  am  häufigsten  die  Veranlassung  zu  chirurgischen 
Eingriffen  gewesen,  nach  v.  Bergman  n  unter  116  Operationen 
87  mal.  Hier  wandelt  die  chirurgische  Therapie  auf  durchaus 
sicheren  Bahnen,  und  v.  Bergmann  empfiehlt  ja  auch,  die 
Operation  bei  Gehirntumoren  auf  die  der  motorischen  Region 
und  der  ihr  benachbarten  Hirnprovinzen  im  allgemeinen  zu  be¬ 
schränken. 


Der  Erfolg  der  Operation  ist  insofern  ein  vollständiger,  als 
die  Patientin  seit  1 %  Jahren  rezidivfrei  ist.  Wenn  trotzdem 
der  Zustand  der  Patientin  in  Anbetracht  der  Blindheit  und  der 
noch  vorhandenen  Parese  kein  erfreulicher  genannt  werden  kann, 
so  ist  dafür  nicht  die  Operation  verantwortlich,  sondern  nur  die 
späte'Ausf  ührung  derselben.  Wäre  die  Patientin  dem 
Rate  des  Kollegen  Seif  gefolgt  und  hätte  sich  2  Monate  früher 
operieren  lassen,  zu  einer  Zeit,  wo  das  Sehvermögen  noch  vor¬ 
handen  war,  so  wäre  sicher  das  Augenlicht  erhalten  geblieben. 
Vielleicht  wäre  es  damals  auch  noch  nicht  zu  dem  starken  Ilirn- 
prolaps  gekommen,  der  ja  wohl  zum  Teil  als  Ursache  der  noch 
bestehenden  Parese  angesehen  werden  muss.  Der  Fall  mahnt  uns 
darum  vor  allen  Dingen,  bei  ähnlichen  Erscheinungen  die  Ope¬ 
ration  möglichst  frühzeitig  auszuführen.  Dann  werden  die  ope¬ 
rativen  Erfolge  diejenige  Vollkommenheit  erreichen,  die  wir  im 
Interesse  unserer  Kranken  fordern  müssen. 

Im  Anschlüsse  an  den  Vortrag  verbreitete  sich  Herr  Seif 
eingehend  über  Diagnose,  Verlauf  und  Therapie  von  Gehirn¬ 
tumoren. 

Sodann  sprach  Herr  T  r  u  m  p  p  über  Aetiologie  und  Therapie 
dir  Magen-Darm-Krankheiten  im  Säuglingsalter.  (Publikation 
des  Vortrages  erfolgt  voraussichtlich  anderweitig.) 

Der  sich  anschliessende  Vortrag  von  Theilhaber:  Ueber 
Ui sache  und  Behandlung  der  Insuffizienz  des  nichtschwangeren 
Uterus  wird  später  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  veröffent¬ 
licht  werden. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Juni  1902. 

rw,Ir^rr  e  1 11 1  e  1 11  Kilt  den  interessanten  Krankheits-  und 
p  aV°+fbetUnd  eines  Knterleibsbruches  mit.  Bei  einer  30jähr. 
WoJ-i  er  vor  2  Jahven  Bass  in  is  Radikaloperation  eines 
Shehen  rechtsseitigen  Leistenbruches  mit  Erfolg  be- 
»  A;:,ein  Bruchband  war  in  der  Folge  nicht  mehr  getragen,  der 
h„m®  f  vou  Baucheingeweide  in  der  operierten  Gegend  nicht  mehr 
Rn, pW  W+°rdeu'  Vor  3  Wochen  traten  nun  plötzlich  in  der  rechten 
einp  fi/r01’ten£egencl  Schmei'ze11  auf,  zugleich  bemerkte  dort  Pat. 
e  teste,  unbewegliche  Geschwulst,  bald  erfolgte  auch  Erbrechen, 


das  sich  nach  einigen  Stunden  nochmals  wiederholte.  3G  Stunden 
nach  Beginn  der  Erscheinungen  fand  II.  bei  der  grazilen,  blassen 
Frau  eine  mannsfaustgrosse,  kaum  verschiebliche,-  derbe  Ge- 
schwulst,  deren  grösster  Durchmesser  der  Verlaufsrichtung  des 
1  oupai  t  sehen  Bandes  entsprach.  Letzteres  war  wegen  der 
Grösse  und  des  starken  Gespanntseins  der  Geschwulst  nicht  sicher 
fühlbar,  so  dass  die  Entscheidung,  ob  es  sich  um  ein  Rezidiv  des 
vor  2  Jahren  exstirpierten  Leistenbruches  oder  um  einen  ein¬ 
geklemmten,  frisch  entstandenen  Schenkelbruch  handelte,  nicht 
mit  Bestimmtheit  gewonnen  werden  konnte.  Annähernd  über  die 
Geschwulstmitte  verlief  eine  lineäre,  völlig  glatte  Operationsnarbe. 
Direkt  oberhalb  derselben  in  Chloroformnarkose  langer  Schräg¬ 
schnitt.  welcher  sofort  in  derbes,  von  dem  früheren  Eingriff  zu- 
i  iickgebliebenes  Narbengewebe  fiel,  so  dass  die  Isolierung  des 
Bruchsackes  nur  in  kurzen  Messerzügen  mit  Vorsicht  betätigt 
werden  musste  und  nur  langsam  von  statten  ging.  Gleichwohl 
wurde  die  Eröffnung  der  freien  Bauchhöhle  nicht  vermieden. 
Letztere  wurde  sofort  vorläufig  durch  einen  Gazetampon  ver¬ 
schlossen  und  in  der  Freilegung  des  Bruchsackes  fortgefahren. 
Bald  wurde  der  Ursprung  des  letzteren  aus  der  S  c  he  nkel- 
biuchpforte  klar;  er  wurde  eröffnet,  nach  Entleerung  ziemlich 
reichlicher  Mengen  hämorrhagischen  Bruchwassers  stellte  sich  als 
Inhalt  ein  8  cm  langes.  4  cm  breites,  plattes,  schwarzblaues  Netz¬ 
stück  dar  mit  starken  Stauungserscheinungen  und  thrombosierten 
Gefässen.  Durch  die  nicht  verengte,  für  die  Kleinfingerspitze  fast 
durchgängige,  glattwandige  Bruchpforte  tritt  der  sehr  dünne  Netz¬ 
stiel  frei  in  die  Bauchhöhle  ein,  und  ist  im  Bereich  des  Bruchsack¬ 
halses  2  mal  um  seine  Achse  gedreht,  nirgends  mit  dem  Bruchsack 
verwachsen.  Letzterer  ist  stark  verdickt,  die  Serosa  hochrot, 
sammetartig.  Das  hervorgezogene  Netz  wird  oberhalb  der  Tor¬ 
sionsstelle  abgetragen,  der  Stumpf  in  die  Bauchhöhle  versenkt. 
Sodann  Nahtverschluss  der  Bauchfellwunde  in  der  Leistengegend, 
weiter  Verschluss  des  obersten  Endes  des  Schenkelbruchsackes 
durch  Tabaksbeutelnaht,  Abtragung  des  letzteren.  Bruchpforten¬ 
verschluss  durch  Salzers  Pectineusfaszienmuskellappen,  Haut- 
nalit.  Heilung  per  prim.  reun. 

Bei  der  anschliessenden  eingehenden  epikritischen  Erörterung 
der  geschilderten  Beobachtung  weist  II.  u.  a.  auf  die  grosse  Selten¬ 
heit  der  innerhalb  eines  Bruchsackes  entstehenden  Netztorsion  hin, 
über  deren  sichere  Beobachtung  als  erster  Oberst  _  cf.  Cen¬ 

tral)  ,1.  f.  Chirurgie  1S82,  No.  27  —  berichtet  hat.  Derselben  stehen 
mehrere  Mitteilungen  von  intraabdominellen  Netztorsionen,  in  der 
Literatur  gegenüber.  Aeussere  mechanische  Einwirkungen  als 
Entstehungsursachen  konnten  in  dem  berichteten  Falle  nicht  fest¬ 
gestellt  werden:  die  oben  erwähnte  starke  Verdünnung  des  Netz¬ 
stieles  war  vielleicht  begünstigende  Ursache.  Die  starke  Span¬ 
nung  der  grossen  Bruchgeschwulst  war  der  örtlichen  Orientierung 
zum  Zwecke  der  Feststellung,  ob  Leistenbruchrezidiv  oder  frische 
Schenkelbrucheinklemmung,  bei  der  an  sich  engen  räumlichen 
Begrenzung  der  beiden  Bruchpforten  gegeneinander  nicht  förder¬ 
lich,  so  dass  die  unbeabsichtigte  Eröffnung  der  freien  Bauchhöhle 
dicht  oberhalb  der  BruchgescliwUlst  bei  der  derben  narbigen  Be¬ 
schaffenheit  der  Gewebsteile  des  Operationsgebietes  zu  entschul¬ 
digen  ist.  In  Bezug  auf  die  klinischen  Anzeichen  der  Netztorsion 
und  Netzeinklein mung  glaubte  H.  keine  sicher  unterscheidenden 
Merkmale,  auf  stellen  zu  können;  die  Zeichen  beider  Störungsformen 
dürften  sich  vielleicht,  je  nach  der  Höhe  ihrer  Entwicklung,  an¬ 
nähernd  gleichwertig  verhalten.  Dabei  soll  im  Auge  behalten 
werden,  dass  der  Netzbrucheinklemmung  im  allgemeinen  im  Ver¬ 
gleich  zur  Darmeinklemmung  ein  weniger  stürmischer  Verlauf 
eigentümlich  ist,  dass  aber  jene  durch  Fortschreiten  des  Ent¬ 
zündungsprozesses  von  dem  Bruchsack  auf  die  Bauchhöhle  durch 
Darmlähmung  ebenso  sicher  letal  verlaufen  kann,  wie  die  Darm¬ 
einklemmung.  Therapeutisch  kommt  nur  operatives  Handeln  in 
Betracht.  Ferner  wird  hervorgehoben,  dass  noch  vor  wenigen 
Jahrzehnten  von  gewichtiger  Seite  das  Vorkommen  von  wahrer 
Netzeinklemmung  in  Abrede  gestellt  und  durch  klinische  und  ex¬ 
perimentelle  Arbeit  zu  begründen  versucht  wurde.  Dieser  Tat¬ 
sache  gegenüber  erinnert  Heinlein  daran,  dass  ein  früheres 
verdientes  Mitglied  der  Gesellschaft,  Heinrich  Stadelmann, 
bereits  im  Jahre  1852  auf  Grund  kasuistischer  Mitteilung  einer 
Reihe  von  Bruchschnitten  die  baldigste  operative  Beseitigung  der 
Einklemmung  der  Eingeweidebrüche  im  allgemeinen  und  der  Netz¬ 
brüche  im  besonderen  mit  Nachdruck  zur  Forderung  erhob  und 
„den  frühzeitigen,  innerhalb  der  ersten  24  Stunden  der  Einklem¬ 
mung  verrichteten  Bruchschnitt  —  bei  kleineren  Brüchen  —  als 
eine  wenig  eingreifende,  bezüglich  der  Unterleibsentzündung  ge¬ 
fahrlose  Operation“  bezeichnete.  (S  t  s.  interessante  Mitteilungen 
finden  sich  in  der  Deutsch.  Klinik,  Jahrg.  1851,  No.  51  und  Jahrg. 
1852,  No.  10.) 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  London. 

(Eigener  Bericht.) 

Juli  1902. 

Allgemeine  Betrachtungen  über  London  und  den  dort 
herrschenden  Alkoholismus. 

Als  Bulwer  in  seinem  bekannten  Werke :  „Die  letzten 
Tage  von  Pompeji“  den  Himmel  beschrieb,  wie  er  sich  in  jenen 
Tagen  über  der  unglücklichen  Stadt  ausspannte,  da  mag  ihm 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


1486 


wohl  der  Himmel  Londons  als  Muster  vorgeschwebt  haben. 
Während  der  drei  Wochen,  die  ich  in  London  zubrachte,  bekam 
ich  nicht  einmal  ein  Stückchen  wahrhaft  blauen  Himmels  zu 
sehen  und  wir  waren  doch  in  der  guten  Jahreszeit  und  das 
Wetter,  wie  man  mir  immer  versicherte:  „very  nice“.  Ich  bin 
der  Ueberzeug'ung,  dass  dieser  aschenfarbene  Himmel  einen 
grossen  Einfluss  auf  den  Gemüts-  und  Gesundheitszustand  der 
Bewohner  ausübt,  und  ich  erinnere  mich,  gerade  in  London  in 
der  grossen  Halle  des  Natural-History-Museums  etwas  gesehen 
zu  haben,  was  als  Beweis  dieser  Theorie  dienen  kann.  Dort  be¬ 
finden  sich  in  Glaskästen,  in  denen  auf  kunstvoll  nachgeahmtem 
Boden  verschiedene  Tiere,  bezw.  deren  Anpassung  an  die  Ver¬ 
hältnisse  der  Umgebung,  gezeigt  werden.  Den  Lesern,  die  D  a  r  - 
w  i  n  s  Lehre  kennen,  brauche  ich  darüber  ja  nichts  weiter  zu 
sagen.  Es  fällt  mir  natürlich  auch  nicht  ein,  mit  dem  an¬ 
geführten  Beispiel  etwa  behaupten  zu  wollen,  dass  der  Londoner 
sich  der  Farbe  seines  Himmels  anpasst,  aber  mutatis 
mutandis,  bin  ich  doch  überzeugt,  dass  der  Londoner  Himmel 
seinen  Einfluss  auf  die  Bewohner  ausübt.  Wenigstens  habe  ich 
selbst  das  stark  empfunden.  Ich  stand,  dem  Rate  des  weisen 
Bädecker  folgend,  ziemlich  zeitig  auf  und  dadurch  gelang  es 
mir  manchmal,  einige  Strahlen  der  Sonne  zu  erwischen,  soweit 
man  das,  was  sich  durch  die  dicke,  aschenartige  Atmosphäre 
Bahn  brach,  noch  Strahlen  und  Sonne  nennen  konnte.  Jeden¬ 
falls  schmerzten  mich  nie  die  Augen,  wenn  ich  dieser  Sonne 
auch  noch  so  fest  ins  Antlitz  sah,  und  der  Himmel  über  meinem 
Haupte  blieb  immer  gleich  grau,  wie  schweres  Unwetter  drohend. 
Ich  wurde  ordentlich  melancholisch  und  bekam  Heimweh  nach 
unserem  römischen  Himmel.  „Und  im  Winter,  wie  ist  s  denn 
da?“,  fragte  ich  meine  Wirtin:  „Oh,  da  muss  ich  den  ganzen 
Tag  Licht  brennen  und  dass  man  dann  oft  nicht  die  Lland  vor 
den  Augen  sehen  kann,  werden  Sie  ja  wohl  schon  gehört  haben. 
Aber  wir  haben  doch  ein  gutes  Mittel  gegen  den  schrecklichen 
Nebel:  feinen  Whisky.“ 

Das  ist’s ;  ein  paar  Gläser  guten  Whiskys  machen  Nebel, 
Kohlendunst,  Feuchtigkeit  und  alles  erträglich.  Der  Schnaps 
ist  ja  überall  im  Norden  der  grosse  Tröster  der  Mühseligen  und 
Beladenen;  aber  nirgends  wird  dieser  Tröster  so  sehr  in  An¬ 
spruch  genommen,  als  gerade  in  London.  U eberall,  an  allen 
Ecken  und  Enden  der  Riesenstadt  sieht  man  die  riesigen,  pracht¬ 
vollen  Lampen  der  Bars  aufleuchten  und  sie  locken  nicht  ver¬ 
gebens,  denn  alle  diese  zahllosen  Lokale  sind  erfüllt  mit  Männern 
und  Frauen,  die  stehend  und  hastig,  wie  hier  alles  geschieht, 
einige  Gläser  Whisky  oder  die  schweren,  englischen  Biere 
hinunterstürzen.  Viel  seltener  als  bei  uns  sieht  man  Limonade¬ 
oder  Eiswasserverkäufer,  obwohl  die  Hitze  während  meines  Auf¬ 
enthalts  sicher  nichts  zu  wünschen  übrig  liess.  Diese  unschäd¬ 
lichen  Erfrischungsmittel  scheinen  sich  beim  Volk  keiner  be¬ 
sonderen  Beliebtheit  zu  erfreuen,  der  Alkoholteufel  hält  hier  alle 
in  seinen  Banden,  man  sieht  überall  sinnlos  Betrunkene,  be¬ 
sonders  auch  Frauen  und  das  war  es,  was  mir  in  London  den 
nachhaltigsten  und  schmerzlichsten  Eindruck  gemacht  hat.  Da¬ 
mit  hängt  es  wohl  auch  zusammen,  dass  man  überall  so  elende, 
verlumpte  Gestalten  sieht,  gegen  die  der  ärgste  neapolitanische 
Lazzaroni  noch  einen  günstigen  Eindruck  macht.  Es  mag  Zu¬ 
fall  sein,  dass  ich  bei  den  wenigen  Autopsien,  denen  beizuwohnen 
ich  Gelegenheit  hatte,  jedesmal  sklerotische  Alterationen  der 
Aorta  und  der  Arterien  sah,  aber  dass  die  Trunksucht  bezw. 
ihre  Folgen  sich  auch  in  den  Krankenhäusern  etc.  sehr  unlieb¬ 
sam  bemerkbar  machen,  ist  klar.  Was  nützen  dagegen  alle  Be¬ 
strebungen  der  Regierung,  der  Temperenzler  und  dergleichen? 
Man  erschwert  den  Speiserestaurants  die  Konzession  für  W  ein- 
und  Bierverkauf  und  dieselben  helfen  sich,  indem  sie  ihren 
Gästen  die  gewünschten  Getränke  vom  nächsten  Shop  oder  Bar 
holen  lassen  und  für  den,  der  nur  trinken  will,  gibt’s  ja  Bars 
genug.  Solange  die  Regierung  nicht  den  Mut  hat,  die  Schnäpse 
und  starken  Biere  mit  solch  hoher  Steuer  zu  belegen,  dass  sie 
durch  alkoholfreie  Getränke  oder  doch  das  leichte  Lagerbier  ver¬ 
drängt  werden,  wird  die  Alkoholklage  nicht  leicht  verschwinden. 

Die  kolossale  Grösse  der  Stadt  und  der  ausserordentliche 
Verkehr  bringt  auch  noch  viele  andere  sanitäre  und  hygienische 
Misstände  mit  sich;  Unglücksfälle,  nervöse  Krankheiten, 
Schwierigkeit,  die  Abfälle  etc.  zu  entfernen,  die  Strassen  rein 
zu  halten  etc.  Als  ich  englischen  Unterricht  bei  einer  Tochter 
Albions  nahm  und  zu  den  Worten  „town“  und  „city“  kam,  wollte 


ich  Rom  eine  City  nennen,  wofür  mich  meine  Lehrerin  auslachte. 
Jetzt  werde  ich  nicht  mehr  darauf  bestehen,  aus  der  „town  Rom 
eine  „city“  zu  machen.  Meiner  Ansicht  nach  sollte  man  Städte 
nicht  ins  Unendliche  wachsen  lassen  und  besonders  in  London 
jede  weitere  Um-  und  Einbauung  zu  verhindern  und  noch  mehrere 
Parks  einzuschieben  versuchen,  denn  die  vorhandenen  reichen 
schon  längst  nicht  mehr  aus,  um  diesem  unabsehbaren  Häuser¬ 
gewirr  mit  seinen  zahllosen  Fabriken  und  Schornsteinen  Luft 
zuzuführen.  Die  Londoner  suchen  sich  ja  insofern  zu  helfen, 
dass  jeder,  der  es  machen  kann,  eines  der  netten  und  sehr  be¬ 
quem  eingerichteten  Häuschen  in  den  äusseren  V  ierteln  bezieht, 
oder  gleich  jeden  Abend  aufs  Land  hinaus  fährt.  Dadurch  wird 
das  Zentrum  der  Riesenstadt  allerdings  immer  mehr  entvölkert 
(d.  h.  für  die  Nacht),  aber  die  Luft  und  der  Himmel  der  armen, 
reichen  Stadt  wird  dadurch  auch  nicht  verbessert.  Ein  witziger 
deutscher  Kollege,  der  in  London  eine  gute  Praxis  hat,  beklagte 
sich  darüber  und  sagte  mir :  „Bei  dieser  fortschreitenden  De¬ 
zentralisation  müssen  wir  zu  Grunde  gehen,  meine  Patienten  zer¬ 
streuen  sich  nach  allen  Richtungen  und  überhaupt  werden 
dabei  weniger  krank.“  Aber  leider  kann  nur  ein  verschwindend 
kleiner  Teil  sich  den  Luxus  einer  Landwohnung  leisten,  die 
meisten  müssen  in  der  Riesenstadt  ausharren  und  für  sie  sucht 
man  so  gut  als  möglich  vorzusorgen.  Für  grosse  Uebel  gewaltige 
Heilmittel.  Es  gibt  unzählige  Krankenhäuser,  sogar  spezielle  für 
Herzkranke,  Krebskranke,  Vegetarianer  etc.  Wenn  man  eine 
Karte  von  London  betrachtet,  auf  der  die  Krankenhäuser,  bezw. 
Ambulanzstellen  rot  eingezeichnet  sind,  kann  man  sich  leicht 
davon  überzeugen,  wie  gut  deren  Anordnung  ist,  um  sie  bequem 
von  jedem  Punkt  erreichen  zu  können.  Oeffentliche  Bäder  sind 
ebenfalls  sehr  zahlreich  vertreten,  und  wenn  auch  viele  davon 
nicht  an  besonderer  Eleganz  leiden  und  nicht  als  Muster  moderner 
Bäder  gelten  oder  noch  viel  weniger  mit  dem  Müll  er  sehen 
Volksbad  in  München  konkurrieren  könnten,  so  sind  sie  doch 
—  für  Londoner  Verhältnisse  wenigstens  —  billig. 

Auch  im  „Rowton-house“  (das  für  den  den  Lesern 
dieser  Zeitschrift  schon  lange  bekannten  Albergopopo  1  a  r  e 
in  Mailand  vorbildlich  war,  aher  von  demselben  weitaus  über¬ 
troffen  wurde)  und  im  „P  e  o  p  1  e’s  P  a  1 1  a  c  e( ,  nächst  dem 
riesigen  London-Hospital,  diesen  nur  für  die  Volkswohlfahrt 
bestimmten  Anstalten,  sind  die  Preise  so  niedrig,  wie  sie  nie 
in  unserem  Institut  für  physische  Therapie  sein  können. 

Sehr  unzeitgemäss  und  für  solche  Riesenstadt  doppelt 
schauderhaft  ist  die  Art,  "wie  die  Abfälle  entfernt  werden.  In 
alten  Kisten  oder  Körben  werden  sie  von  den  Hausbewohnern  an 
den  Rand  des  Fussteiges  gestellt,  wo  ich  diese  unverdeckten  Be¬ 
hälter  oft  noch  um  9  Uhr  Morgens  und  später  stehen  sah.  End¬ 
lich  kommt  ein  offener  Karren  und  die  betreffenden  Bediensteten, 
welche  den  mannigfachen  Inhalt  der  Kisten  —  gewiss  nicht 
staubfrei  —  ihrem  Karren  einverleiben.  In  diesem  Fall  sind  die 
Berliner  mit  ihren  verschlossenen  Wagen  und  ebensolchen 
eisernen  Behältern  den  Londonern  doch  weit  über.  Peinliche 
Reinlichkeit  und  Ordnung  habe  ich  aber  in  den  verschiedenen 
Krankenhäusern  gefunden.  Grosse  Säle  für  wenige  Kranke,  Luft 
und  Licht,  reine  Wäsche  und  im  allgemeinen  sehr  gute  Bade¬ 
einrichtungen.  Doch  über  die  Krankenhäuser,  besonders  auch 
das  German-Hospital,  will  ich  im  nächsten  Brief  etwas  ausführ¬ 
licher  berichten.  Dr.  Giovanni  G  a  1 1  i. 


Verschiedenes. 

Eine  neue  Verwendung  des  Troikarts. 

Bei  Phlegmonen  und  ausgedehnten  Eiterungen,  überhaupt 
überall  da,  wo  Gegenöffnungen  nötig  sind,  wraren  bisher  die  Lister- 
sonde  und  das  Messer  im  Gebrauch.  Man  kann  sich  aber  von  der 
Anfangsöffmmg  des  Eiterherdes  aus  viel  leichter  eine  Gegenöffnung 
verschaffen.  Ich  erreiche  dies  durch  einen  Troikart  und  meine 
hier  einen  solchen,  wie  man  ihn  zur  Punktion  der  Hydroeele  odei 
des  Abdomens  oder  der  Gelenkhöhlen  braucht.  Derselbe  nauss 
armiert  sein  mit  der  über  die  Troikartspitze  hin-  und  hersclneb* 
baren  Hülse.  Hat  man  mit  dem  Messer  die  erste  Oeffnung  ge¬ 
macht.,  und  glaubt  man  von  da  aus  Gegenöffnungen  anlegen  zu 
müssen,  so  schiebt  man  die  Hülse  bis  über  die  Troikartspitze  um 
geht  nun  stumpf  durch  die  Eiterhölile  hindurch  und  bis  an  d  i  e 
Hautgegend  heran,  wo  man  die  Haut  verdünnt  und  sich  vonvolben 
sieht;  alsdann  zieht  man  die  Hülse  zurück  und  schiebt  den  iroi- 
kart  selbst  mit  seiner  Spitze  vor  und  macht  nun  durch  einen  Sticii 
die  Gegenöffnung.  Die  Hülse  lässt  man  vorläufig  liegen,  bis  man 
sich  schlüssig  ist.  ob  man  einen  Drain  einführen  oder  ob  man  von 
der  Gegeuöff innig  aus  wreiter  spalten  will;  entschliesst  inan  sich 


September  1Ö02. 


MÜENGTiKffEft  MEMCmiSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1487 


fürs  erstere,  so  hat  man  eben  mit  der  liegen  gelassenen  Hülse 
den  Vorteil,  in  aller  Ruhe  und  Sicherheit,  und  namentlich  ohne  noch 
einmal  dem  Kranken  Schmerzen  zu  machen,  den  Drain  durch  die 
Wunde  durchführen  zu  können,  denn  der  Drain  lässt  sich  durch 
die  Hülsenkanüle  schieben.  Das  Anstechen  von  Gegenöffnungen 
nach  obiger  Methode  vereinfacht  ganz  wesentlich  das  Operations¬ 
verfahren,  verkürzt  die  Narkose  oder  es  macht  unter  Umständen 
die  letztere  ganz  unnötig.  Dies  Verfahren  hilft  ebenso  erleichternd 
und  schmerzlindernd  auch  bei  den  nur  kurze  Zeit  nachhaltenden 
örtlichen  Schmerzstillungen;  der  Troikart  erspart  ferner  manche 
Aufregung  und  manches  Messer,  das  sonst  so  leicht  stumpf  wurde 
beim  Anlegen  von  Gegenöffnungen  auf  der  Listersonde. 

A.  Rahn-  Krippen  a.  Elbe. 

Therapeutische  Notizen. 

Zur  Arseniktherapie  bei  Phthise  (s.  Ausf.  von 
Dr.  Cybulski  No.  33  d.  W.)  teilt  uns  Herr  Dr.  La  quer  mit, 
dass  in  Davos,  Arosa,  Hohenhonnef,  Schömberg  u.  s.  w.  vielfach 
die  von  einem  holländischen  Arzte  t  e  n  Kate  Hoedemaker 
angegebenen  Arsen-Salizyl-Pillen  bei  Behandlung  des  Fiebers 
von  Lungenkranken  mit  Erfolg  angewandt  werden.  Die  Verord¬ 
nung  lautet: 

Rp.  Ac.  arsenic.  0,01 

Natr.  salicyl.  10. 

Arnyli  q.  s.  u.  f.  ope  aqu.  dest.  q.  s.  pil.  No.  100. 

Ne  consp.  S.  3— 4  mal  tgl.  nach  der  Mahlz.  10  Pillen  zu  nehmen. 

Turban-Davos  in:  „Die  Anstaltsbehandlung  im  Hoch¬ 
gebirge“,  1899,  Wiesbaden,  E.  F.  Bergmann,  und  Schroe  d  &  r  - 
Schömberg  in  Meissens  „Beiträge“,  ersch.  ebendaselbst,  heben 
den  Wert  dieser  Verordnung  hervor. 

Kassowitz’  Ausführungen  über  die  angebliche 
W  i  rkungslosigkeit  des  Diphtherieheilserums 
ei  falnen  in  den  Thierap.  Monatsh.  No.  7  u.  S  eine  sehr  energische 
Abweisung  durch  Siegert-  Strassburg  und  Erich  M  ü  1 1  e  r  - 
Berlin.  Beide  weisen  nochmals  nachdrücklich  darauf  hin,  dass  die 
Diphtheriemortalität  mit  Einführung  des  Diphtherieheilserums  in 
ganz  auffälliger  Weise  gesunken  ist.  Kr. 

Ueber  die  Wirksamkeit  verschiedener  Band¬ 
wurmmittel  hat  Sobotta  einige  Beobachtungen  angestellt 
(Thierap.  Monatsh.  1902,  8).  Als  bestes  Mittel  bewährte  sich  dar¬ 
nach  1  ilixextrakt  in  Dosen  von  7 — 8  g.  Diese  Dosis  genügt  auch 
für  Erwachsene,  wenn  man  schon  vorher  für  ausgiebige  Darm¬ 
entleerung  sorgt.  Toxische  Erscheinungen  wurden  dabei  nicht  be¬ 
obachtet,  wenn  inan  bald  nach  Einnehmen  des  Mittels  für  schleu¬ 
nige  und  reichliche  Darmentleerung  sorgt.  Statt  des  Riciiiusöles 
kann  man  zum  Entfernen  des  Filixextraktes  auch  Senna 
nehmen.  Tv-„ 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ü  nclie  n,  2.  September  1902. 

—  Wie  aus  einer  von  der  preussischen  Regierung  veranstal¬ 
teten  Umfrage  hervorgeht,  hat  die  Anstellung  von  Schul¬ 
arzt  e  n  in  der  Umgebung  von  Berlin  im  letzten  Jahre  bedeutende 
Fortschritte  gemacht.  Eine  ganze  Reihe  von  Vororten  hat  Schul¬ 
ärzte  aufgestellt.  In  Neu-Weissensee  beschloss  die  Gemeinde¬ 
vertretung  in  ihrer  letzten  Sitzung,  einen  Schularzt  anzustellen, 
während  die  Schaffung  dreier  weiterer  Schularztstellen  in  Aussicht 
genommen  wurde.  Von  den  grösseren  Vororten  ist  nur  Wilmers¬ 
dorf  der  Frage  bisher  nicht  nähergetreten.  Rummelsburg  hat  sich 
entschieden  gegen  die  Anstellung  von  Schulärzten  erklärt.  An¬ 
erkannt  wurde,  dass  gerade  in  diesem  Orte  mit  seiner  starken 
Arbeiterbevölkerung  Kinderkrankheiten  häufig  genug  auftreten. 
Das  Institut  der  Schulärzte  wäre  bei  der  Armut  eines  erheblichen 
Teiles  der  Einwohner  nur  dann  von  wirklichem  Nutzen,  wenn  es 
möglich  wäre,  die  erkrankten  Kinder,  besonders  bei  den  häufig 
au?1^enc\en  Augen-  und  Ohrenleiden,  in  einer  Gemeindeanstalt 
auf  Gemeindekosten  behandeln  zu  lassen.  Da  dies  zur  Zeit  der 
finanziellen  Schwierigkeiten  wegen  nicht  möglich  ist,  will  man 
erst  die  Erfolge  abwarten,  die  andere  Vororte  mit  den  Schulärzten 
erzielen.  In  Ober-Schöneweide,  wo  ein  Schularzt  angestellt  ist, 
sind  die  leitenden  Kreise  auf  die  neue  Einrichtung  nicht  sonder¬ 
lich  gut  zu  sprechen.  Sie  behaupten,  es  handle  sich  dabei  um 
eine  kostspielige  Modefrage  ohne  wirkliche  Vorteile  für  die  Kinder, 
und  weisen  darauf  hin,  dass  sich,  trotz  der  energischen  Tätigkeit 
des  Schularztes,  die  Masern  unter  den  Schulkindern  nicht  haben 
eindammen  lassen.  Dagegen  ist  man  in  Lichtenberg  mit  der 
Tätigkeit  der  Schulärzte  sehr  zufrieden,  ebenso  in  Pankow  und 
Reinickendorf.  In  den  meisten  Vororten  beträgt  das  jährliche 
Honorar  für  jeden  Schularzt  500  M„  wofür  die  Aerzte  in  jeder 
Woche  zwei-  oder  dreimal  die  Klassen  und  die  einzelnen  Kinder  zu 
besichtigen  oder  zu  untersuchen  haben,  um  darüber  dem  Gemeinde- 
i  orstande  Bericht  zu  erstatten. 

~  .Wi.e  das  Komitee  des  XIV.  internationalen 
medizinischen  Kongresses  in  Madrid  mitteilt,  wurden 

Kongressteilnehmern  folgende  Fahrpreisermässigungen  ge- 
,va;!rt:  Von  der  nordspanischen  Eisenbahn,  ebenso  von  Madrid 
c  i  Saragossa  und  Alicante  50  Proz.;  von  den  fran-  j 


„Napolitana“  und 
Kompagnie  (span.) 

Rome,  erteilen  un- 


zösischen  Eisenbahnen  (Ost,  Süd,  Nord,  West,  P.-L.-M., 
Staatseisenbahn  und  Orleansbahn)  50  Proz.;  von  der  Navigazione 
generale  Italiana,  der  Compagnia  „Puglia* , 

„Siciliana“  50  Proz.;  von  der  transatlantischen 
33  Proz. 

Die  „Voyages  Pratiques“,  Paris,  9  rue  de 
entgeltlich  Auskunft  über  alle  die  Reise  betreffenden  Fragen. 

Das  Wohnungsbureau  in  Madrid  ist  konstituirt  und  wolfe  man 
sich  zur  Sicherung  passender  Wohnung  direkt  an  dasselbe  wenden 
(Bureau  des  logements,  Faculte  de  Medecine,  Madrid). 

oitiäge,  v  eiche  in  das  definitive  Programm  aufgenommen 
werden  sollen,  sind  bis  1.  Januar  1903  dem  Generalsekretariat  an¬ 
zumelden. 

—  Geheimrat  Virchow  ist  am  30.  v.  Mts.  von  Harzburo- 
wo  er  nach  Beendigung  seiner  Kur  in  Teplitz  mehrere  Wochen 
verweilt  hatte,  nach  Berlin  zurückgekehrt.  Das  Befinden  des 
gleisen  Geleinten  gab  in  letzter  Zeit  leider  neuerdings  zu  ernsten 
Besorgnissen  Anlass. 

—  Seinen  70.  Geburtstag  feierte  am  29.  d.  Mts.  Geh.  San.-Ilat 
Dr.  Brock  in  Berlin,  Generalsekretär  der  Deutschen  Balneo- 
logischen  Gesellschaft  und  hochverdient  um  die  Begründung  und 
Entwicklung  der  freien  Arztwahl  bei  den  Krankenkassen.  ° 

Im  pi eussischen  Kultusministerium  hat  in  vergangener 
Woche  unter  dem  Vorsitze  des  Ministerialdirektors  Althoff 
eine  Konferenz  von  Sachverständigen  in  der  Cholerafrage 
stattgefunden. 


C  li  o  1  e  r  a.  Russland.  Nach  den  im  Regierungsanzeiger 
vom  15.  August  veröffentlichten  amtlichen  Mitteilungen  traten  in 
den  bedeutenderen  Städten  der  Mandschurei  längs  der  chinesischen 
Ostbahn  —  nach  den  bis  zum  13.  August  eingegangenen  Be¬ 
richten  —  die  Erkrankungen  an  der  Cholera  in  dem  oisherigen 
Umfange  auf,  nur  in  Inkou  war  eine  Abnahme  der  Seuche  beob¬ 
achtet.  Die  im  Bereiche  Sibiriens  von  der  Cholera  betroffenen 
Oite  hatten  zumeist  nur  vereinzelte  Fälle  g’ehabt.  —  Aegypten. 
Vom  29.  Juli  bis  zum  4.  August  waren  in  ganz  Aegypten  18o  neue 
Erkrankungen  (und  278  Todesfälle)  au  der  Cholera  amtlich  fest¬ 
gestellt,  davon  in  Kairo  73.  Unter  allen  Neuerkrankten  (bezw. 
Gestorbenen)  befanden  sich  nur  2  (2)  Europäer  in  Kairo;  von  den 
278  Todesfällen  entfielen  117  auf  die  Spitäler,  ln  Behandlung  be¬ 
fanden  sich  am  4.  August  insgesamt  1U9  Cholerakranke.  In  den 
betroffenen  Ortschaften  sind  Choleraspitäler  errichtet  und  alle 
Massregeln  getroffen,  um  die  Verbreitung  der  Seuche  zu  ver¬ 
hindern;  in  Kairo  hat  die  Sanitätskommission  die  dauernde  Schlies- 
sung  aller  städtischen  Brunnen,  deren  Wasser  verunreinigt  er¬ 
scheint,  empfohlen,  zugleich  um  der  weiteren  Ausbreitung  des 
Typhus  in  der  Stadt  entgegenzuwirken  Die  Gesamtzahl.  der 
Cholerafälle  in  Aegypten  vom  15.  Juli  bis  <j.  August  betrug  an¬ 
geblich  981;  819  derselben  waren  tödlich  verlaufen.  Nach  dem 
amtlichen  Bulletin  quarantenaire  hiebdomadaire  vom  14.  August 
waren  vom  5.  bis  13.  August  in  Alexandrien  an  der  Cholera  8  Per¬ 
sonen  erkrankt  und  6  gestorben,  darunter  1  Europäer,  in  Kairo, 
woselbst  am  G.  August  52  Cholerakranke  im  Bestände  waren,  sind 
vom  7.  bis  13.  August  92  Personen  neu  erkrankt  und  8G  der  Cho¬ 
lera  erlegen.  Anderweitigen  Nachrichten  zufolge  sind  vom  7.  bis 
einsclil.  13.  August  in  ganz  Aegypten  2G4  Erkrankungen  (und 
184  Todesfälle)  an  der  Cholera  zur  amtlichen  Kenntnis  gelangt, 
darunter  79  (70)  in  Kairo.  —  Philippinen.  Während  der  ersten 
Hälfte  des  Monats  Juli  sind  in  Manila  G55  Personen  an  der  Cho¬ 
lera  erkrankt  (und  504  gestorben),  in  den  Provinzen  4G40.  Unter 
den  in  Manila  Erkrankten  befanden  sich  nur  3  Europäer.  — 
China.  Nach  den  vom  Gesundhieitsamte  in  Shanghai  veröffent¬ 
lichten  Angaben  sind  dort  unter  der  chinesischen  Bevölkerung 
während  der  3  Wochen  vom  16.  Juni  bis  G.  Juli  zusammen 
366  Choleratodesfälle  zur  amtlichen  Kenntnis  gelangt.  Gleich¬ 
zeitig  wurden  unter  den  rund  7000  nichtchinesischen  Bewohnern 
von  Shanghai  nacheinander  2,  2,  4  Fälle  von  Cholera  gemeldet. 
Aus  Nanking  wurde  unter  dem  3.  Juli  gemeldet,  dass  auch  dort 
und  in  Chinkiang  die  Cholera  unter  der  chinesischen  Bevölkerung 
ausgebrochen  sei.  —  Korea.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom 
18.  August  sind  im  nordwestlichen  Teil  von  Korea  Cholerafälle 
festgestellt  worden.  - —  Japan.  In  der  Stadt  Karatsu  war  zufolge 
einer  Mitteilung  vom  1.  Juli  die  Cholera  seit  einigen  Tagen  er¬ 
loschen  und  in  den  benachbarten  Distrikten  nach  amtlichen  Mit¬ 
teilungen  in  Abnahme  begriffen.  Auf  der  Insel  Iki  im  Hafen  von 
Katsumoto,  wo  seit  dem  14.  Juni  gleichfalls  die  Cholera  aus¬ 
gebrochen  war,  sind  3  Fälle  festgestellt  worden  und  2  der  Er¬ 
krankten  gestorben.  Während  die  Stadt  Nagasaki  bis  zum  1.  Juli 
von  der  Cholera  verschont  geblieben  war,  sind  an  Bord  des  seit 
dem  27.  Juni  daselbst  in  Quarantäne  liegenden  japanischen 
Dampfers  „Fujisan  Maru“  7  Erkrankungen  an  Cholera  vorge- 
kommen. 

—  Pest.  In  der  Woche  vom  1.  bis  8.  August  sind  7  Er¬ 
krankungen  festgestellt,  davon  6  in  Alexandrien,  1  in  Tukli.  Vom 
8.  bis  15.  August  sind  aus  Alexandrien  4  Erkrankungen  und 
1  Todesfall  an  der  Pest  gemeldet.  —  Aden.  Nach  einer  in 
Britiscli-Ostindien  am  23.  Juli  eingegangenen  amtlichen  Nachricht 
waren  in  Aden  2  an  der  Pest  erkrankte  Heizer  des  Dampfers 
„Hispania“  an  Land  gesetzt.  —  Britisch-Ostindien.  In  der  Prä¬ 
sidentschaft  Bombay  sind  während  der  am  25.  Juli  abgelaufenen 
Woche  1581  neue  Erkrankungen  (und  1040  Todesfälle)  an  der  Pest 
zur  Anzeige  gelangt,  darunter  34  (30)  in  der  Stadt  Bombay,  17  (13)* 
in  Stadt  und  Hafen  von  Karachi.  —  Vereinigte  Staaten  von  Ame¬ 
rika.  Aus  San  Franzisko  sind  am  19.,  25.,  29.  Mai  und  am  13., 
19.,  20.  Juli  je  1  Erkrankung  und  je  1  Todesfall  an  der  Pest  ge- 


1488 


MTJENCHENER  MEDICINISCITE  WOCHENSCHRIFT* 


No.  35. 


m:  Brasilien.  MH te  August  wurden  in  Rio  de  .Janeiro  5  fest-  ! 

todesfälle  festgestellt  und  auch  in  Viktoria  sind  am  20.  August 
pestverdächtige  Fälle  beobachtet.  —  Queensland.  In  Townsville 
ist  zufolge  einer  Mitteilung  vom  19.  August  wieder  1  Pesttodes¬ 
fall  vorgekommen. 

_  In  der  33.  Jahreswoche,  vom  10. — 16.  August  1902,  hatten 

von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Königshütte  mit  35,2,  die  geringste  Flensburg  mit 
7.1  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Masern  in  Oberhausen,  an  Diphtherie 
und  Krupp  in  Bamberg  und  Gleiwitz.  V.  d.  Iv.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

E  r  1  a  n  g  e.n.  Die  Umwandlung  der  ausserordentlichen  Pro¬ 
fessur  für  Hygiene  und  Bakteriologie  an  der  k.  Universität  Er¬ 
langen  in  eine  ordentliche  Professur  wurde  genehmigt. 

'  C  h  icag  o.  Dr,  G.  E.  Kriege  r  in  Chicago  ist  zum  ordent¬ 
lichen  Professor  der  Chirurgie  am  Harvey  Medical  College  in 
Chicago  ernannt  worden.  Er  war  ehemals  Assistent  an  der  chi¬ 
rurgischen  Klinik  zu  Würzburg,  später  erster  Hausarzt  am 
deutschen  Hospital  zu  New-York,  Direktor  am  Chicago-Hospital 
und  Medizinalinspektor  am  Chicago  Health  Departement. 

Bologna.  Habilitiert:  Dr.  A.  Gnu  di  für  medizinische 

Pathologie.  . 

Boston.  Drei  Frauen,  welche  an  der  Bostoner  Universität 
den  medizinischen  Doktorgrad  errangen,  sind  jetzt  Mitglieder  des 
Lehrkörpers  dieser  Universität;  Dr.  Sara  Sweet  liest  über  Augen¬ 
heilkunde,  1  )r.  B  u  c  li  m  a  n  n  -Caliil  über  Gynäkologie,  Dr. 
Martin  Coon  hält  Vorlesungen  über  die  Morphologie  der  Tiere. 

Genua.  Habilitiert:  Dr.  S.  Genta  für  Oto-Rhino-Laryngo- 
logie. 

G  r  a  z.  Habilitiert:  Dr.  W.  Scholz  für  innere  Medizin. 

K  r  a  k  a  u.  Privatdozent  Dr.  A.  Rosner  wurde  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  ernannt. 

Laus  a  n  n  e.  Dr.  A.  M  e  r  m  o  d  wurde  zum  ausserordent¬ 
lichen  Professor  der  Otologie  und  Laryngologie  an  Stelle  des  ver¬ 
storbenen  Prof.  Secretan  ernannt. 

Mail  a  n  d.  Fräulein  Dr.  Rina  Martio  ist  zum  Professor 
der  Anatomie  an  die  Universität  Mailand  berufen  worden. 

Mode  n  a.  Dr.  G.  G  a  1 1  i,  Privatdozent  an  der  medizinischen 
Fakultät  zu  Parma,  habilitierte  sich  für  chirurgische  Pathologie. 

Moskau.  Habilitiert:  Dr.  Maliutin  für  Oto-Rhino- 
Laryngologie. 

(Todesfälle.) 

Dr.  Pasternazki,  Professor  der  inneren  Medizin  an  der 
militärmedizinischen  Akademie  zu  St.  Petersburg. 

Der  holländische  Dermatologe  Dr.  Broes  van  Doert 
ist  nach  kurzer  Krankheit  verstorben. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Max  Klar  zu  Albisheim  und  Dr.  Hans 
Schmitt  zu  Landstuhl.  Dr.  S  t  o  e  c  k  1  e  (nicht  S  t  ö  r  k  1  a), 
approb.  1900,  als  Assistenzarzt  an  der  Kreisirrenanstalt  Wer  neck. 

Verzogen:  Dr.  Jul.  Oster  von  Kandel  und  Dr.  G  u  n  d  1  i  n  g 
von  Landstuhl. 

Ernannt:  Der  Privatdozent  mit  dem  Titel  und  Rang  eines 
ausserordentlichen  Professors  und  Leiter  der  Kinderpoliklinik  im 
Iteisingerianum  Dr.  Karl  S  e  i  t  z  ohne  Aenderung  seiner  Lehrauf¬ 
gabe  zum  ausserordentlichen  Professor  in  der  medizinischen 
Fakultät  der  k.  Universität  München;  der  Privatdozent  mit  dem 
Titel  und  Rang  eines  ausserordentlichen  Professors  an  der  k.  Uni¬ 
versität  München  Dr.  Fritz  V  o  i  t  zum  ausserordentlichen  Pro¬ 
fessor  in  der  medizinischen  Fakultät  der  k.  Universität  München 
und  demselben  die  Leitung  der  medizinischen  Poliklinik  über¬ 
tragen. 

Befördert:  Der  ausserordentliche  Professor  an  der  k.  Uni¬ 
versität  Erlangen  Oberstabsarzt  ä  la  suite  des  Sanitätskorps  Dr. 
Ludwig  II  e  i  m  zum  ordentlichen  Professor  der  Hygiene  und  Bak¬ 
teriologie  in  der  medizinischen  Fakultät  der  k.  Universität  Er¬ 
langen. 


Korrespondenz. 

Zur  Ernennung  des  seitherigen  Professors  der  Dermatologie  Dr. 
Schweninge  r  zum  Professor  der  Geschichte  der  Medizin. 

I  n  ein  ganz  eigentümliches  Licht  wird  die  be¬ 
kannte  Erteilung  eines  Lehrauftrages  für  Geschichte  der  Medicin 
an  der  Berliner  Hochschule  durch  die  Auslassung  der  ,, Kreuz¬ 
zeitung“  gesetzt,  die  da  lautet:  „Charakteristisch  für  die  Unkennt¬ 
nis  weiter  Kreise  über  Universitätsverhältnisse  ist  wiederum  die 
Art,  wie  die  Erteilung  eines  neuen  Lehrauftrages  an  Professor 
Scliweninger  vielfach  besprochen  wird.  Jeder,  der  nur 
„ein  wenig“  (soll  wohl  heissen:  intim)  mit  den  Dingen  vertraut  ist, 
weiss,  dass  es  sich  allein  darum  gehandelt  hat,  die  Klinik  der 
Hautkrankheiten,  der  Prof.  Scliweninger  Vorstand,  mit  der 
Poliklinik  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  zu  vereinigen. 
Nachdem  nun  S  c  h  w  eninger  auf  seinen  Lehrauftrag  für  Haut¬ 
krankheiten  verzichtet  hatte,  musste  ihm,  der  eine  etatsmässige 
Professur  bekleidet,  ein  anderer  Lehrauftrag  erteilt  werden.  Hier 
bei  waren  naturgemäss  seine  Wünsche  in  erster  Linie  (also  nicht 
seine  Leistungen)  massgebend,  und  so  hat  er  einen  Lehrauftrag 
für  Geschichte  der  Medizin  und  ausserdem  für  Allgemeine  Patho¬ 


logie  und  Therapie  erhalten.  Dass  Scliweninger  auf  diesen  „Ge¬ 
bieten“  (es  war  nur  von  Geschichte  der  Medizin  die  Rede)  noch  nichts 
literarisch  geleistet  habe  (wo  sind  seine  Leistungen  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Geschichte  der  Medizin  V),  trifft  nicht  zu,  ist  aber  auch 
für  uns  (auch  für  die  Disziplin  und  die  Lernenden?)  ohne  Inter¬ 
esse.  Denn,  wie  die  Dinge  lagen,  handelte  es  sich  um  die  Frage: 
ob  die  Unterrichtsverwaltung  einen  Mann,  der  wegen  seiner  her¬ 
vorragenden  Verdienste  um  den  Fürsten  Bismarck  zum  Professor 
ernannt  worden  war,  jetzt,  nachdem  Fürst  Bismarck  nicht  mehr 
unter  den  Lebenden  weilt,  einfach  aufgeben  und  fallen  lassen 
sollte.  Diese  Frage  stellen,  heisst  sie  beantworten.  Dass  sich  die 
Unterrichtsverwaltung  zu  einem  so  pietätlosen  Vorgehen  nicht 
hergegeben  hat,  können  wir  nur  mit  aufrichtiger  Genugthuung  be- 
grüssen.  Und  was  schliesslich  den  umstrittenen  Lehrauftrag  be¬ 
trifft,  so  trösten  wir  uns  auch  damit,  dass  bei  der  Lernfreiheit  der 
Studierenden  niemand  gezwungen  ist,  bei  Herrn  Schweninge  r 
zu  hören,  falls  ihm  dessen  Vorlesungen  nicht  Zusagen  sollten.“ 

Unserer  Ansicht  nach  war  es  früher  schon  ein  Fehler’,  für 
Verdienste  um  den  Fürsten  Bismarck  eine  etatsmässige  Professur 
der  Hautkrankheiten  zu  verleihen.  Eine  solche  darf  doch  nur  für 
Verdienste  um  diesen  Zweig  der  Wissenschaft  verliehen  werden. 
Ausserdem  hatte  die  Professur  für  Hautkrankheiten  sogar  einen 
unangenehm  juckenden  Beigeschmack  gerade  als  Belohnung  für 
hervorragende  Verdienste  um  den  Fürsten  Bismarck,  der  doch 
nicht  hautkrank  war.  Statt  der  Professur  hätte  man  damals  viel 
richtiger  eine  hohe  Dotation  oder  eine  höchste  Ehrung,  etwa  den 
schwarzen  Adlerorden,  verleihen  können  und  sollen,  und  das  hätte 
man  selbst  jetzt  noch  nachholen  können,  aus  wissenschaftlichen 
Gründen  Hätte  dagegen  nichts  eingewendet  werden  können.  Statt 
dessen  aber  wieder  eine  Professur  resp.  einen  Lehrauftrag  und 
zwar  zur  Abwechslung  diesmal  die  der  Geschichte  der  Medizin  (und 
der  Allgemeinen  Pathologie  und  Therapie)  als  Ersatz  für  die  ver¬ 
lassene  der  Hautkrankheiten  zu  verleihen,  ist  ein  zu  ernster  Schritt, 
um  ihn  mit  der  Bemerkung  abzutun,  dass  ja  die  Lernfreiheit  an 
unseren  Hochschulen  etwaige  Nachteile  verhüten  werde.  Das 
klingt  fast  wie  Hohn. 

Die  Hereinziehung  der  Verdienste  um  die  Person  des  Fürsten 
Bismarck  in  den  Kampf  für  eine  richtigere  und  höhere  Wert¬ 
schätzung  eines  Wissenschaftszweiges  heisst  nichts  anderes,  als 
ein  Gaukelpiel  treiben,  um  kritiklose  Köpfe  zu  liaranguieren.  Die 
Pietät  gegen  den  Schöpfer  des  Deutschen  Reichs  wäre,  wenigstens 
in  wissenschaftlichen  Kreisen,  sicher  eher  gesteigert  worden,  als 
das  Gegenteil,  wenn  man  einen  anerkannten  Fehlgriff  jenes  be¬ 
seitigt  hätte,  anstatt  ihn  zu  erneuern,  ja  zu  verschlimmern.  Auch 
hätte  die  Unterrichtsverwaltung  wissen  müssen,  dass  seit  kurzem 
eine  „Gesellschaft  für  Geschichte  der  Medizin“  besteht,  deren 
Streben  dahin  geht,  Forschung,  Studium,  Lehre  und  Darstellung 
dieser  von  der  seither  notgedrungen  mehr  oder  weniger  ihnen  an¬ 
haftenden  Liebhaberpflege  zur  strengen  Methode  der  neueren 
historischen  Wissenschaft  überzuführen,  was  selbstverständlich 
durch  Hochschullehrer,  die  doch  hierbei  zuerst  in  Betracht  kommen, 
ohne  tüchtige  oder  gar  ohne  jede  historische  Vorbildung  nicht  ge¬ 
schehen  kann.  Wie  können  Lehrer  ohne  derartige,  allergründ- 
lichste  Vorbildung  medizinisch  - historische  Semi¬ 
nare  e  i  n  f  ii  h  r  e  n  und  leiten,  die  unserer  Ueber- 
zeugung  nach  vor  allem  in  Zukunft  notwendig 
s  i  n  d,  soll  der  seitherige  zum  richtigen  Betrieb  geändert  werden? 

Dass  auch  dieser  Kampf  auf  das  politische  Gebiet,  vielmehr 
in  politische  Zeitungen  übergeleitet  worden  ist,  ist  sehr  zu  be¬ 
dauern;  denn  dadurch  wird  der  allein  beabsichtigte  wissenschaft¬ 
liche  Charakter  desselben  gefährdet.  H.  B. 


Morbiditätsstatistikd.  Infektionskrankheitenfür  München- 

in  der  33.  Jahreswoche  vom  10  bis  16.  August  1902. 

Beteiligte  Aerzte  97.  —  Brechdurchfall  29  (35*),  Diphtherie  u. 
Krupp  4  (3),  Erysipelas  8  (9),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  ( — );  Kindbettfieber  —  ( — ),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 
Morbilli  15  (16),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  2  (1),  Parotitis 
epidem.  2  (1),  Pneumonia  crouposa  4  (2),  Pyämie,  Septikämie 
—  (  — ),  Rheumatismus  art.  ac.  12  (14),  Ruhr  (Dysenteria)  2  ( — ), 
Scarlatina  —  (4),  Tussis  convulsiva  24  (37),  Typhus  abdominalis  1 
( — ),  Varicellen  2  (2;,  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  —  ( — ). 
Summa  106  (124).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  33.  Jahreswoche  vom  10.  bis  16.  August  1902. 

Bevölkerungszahl :  493  932. 

Todesursachen ;  Masern  1  (2*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  — ( — ),  Rotlauf  —  (2),  Kindbettfieber  1( — ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  4  (1),  Brechdurchfall  6(11),  Unterleib-Typhus  — 
(— ),  Keuchhusten  4  (9),  Kruppöse  Lungenentzündung  1  (2),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  2  1  ^31),  b)  der  übrigen  Organe  4  (6),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
3  (7),  Unglücksfälle  2  (1),  Selbstmord  2  ( — ),  Tod  durch  fremde 
Hand  1  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  SterbtfUle  183  (210),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,8  (21,6),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  10,5  (12,5). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  ln  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalcr’s  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München 


Die  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöohentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen! 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Unsrarn  vierteljährl  6  JC 
ins  Ausland  8.—  M..  Einzelne  No.  80  4. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zü  ädressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Henstrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  W OCHENSCHRIFT 

(früher  Ärztliches  intelligenz-blatt) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

0. ».  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  ßollinger,  H.  Cursehmann,  W.  v.  Leute,  G,  Merkel,  J.  v.  Michel,  F,  Penzoldt,  H.  v.  Ranke  F  v  Winckel 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  w.wu,™  ...  '  1  .  ITMILHCI, 


Würzburg. 


Nürnberg. 


Berlin. 


Erla:  gen. 


München. 


München 


No.  36.  9.  September  1902, 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  pharmakologischen  Institut  in  Kiel. 


Ueber  das  Verhalten  einiger  Glukoside,  sowie  über 
die  Entstehung  gepaarter  Glukuronsäuren  im  Tier¬ 
körper.*) 

Von  A.  Falck. 


E.  Fischer  und  O.  P  i  1  o  t  y  haben  in  ihrer  Mitteilung 
über  die  Synthese  der  Glukuronsäure  sich  auch  über  deren  Ent¬ 
stehung  im  Organismus  ausgesprochen.  Indem  sie  darauf  hin- 
weisen,  dass  die  Bildung  der  Glukuronsäure  aus  Glukose  durch 
Oxydation  sehr  unwahrscheinlich  sei,  sprechen  sie  die  Ansicht 
aus  '),  „dass  beim  Durchgang  von  Kampher  oder  Chloral  durch 
den  Tierkörper  zunächst  eine  Verbindung  derselben  oder  ihrer 
Umwandlungsprodukte  mit  Traubenzucker  entsteht,  in  welcher 
die  Aldehydgruppe  des  letzteren  festgelegt  und  vor  weiterer 
Oxydation  geschützt  ist  und  dass  dann  diese  Zwischenprodukte 
durch  weitere  Oxydation  in  Kampherglukuronsäure  und  Uro- 
chloralsäure  übergehen“.  Später  hat  sich  E.  Fischer  über 
diese  gepaarten  Säuren  dahin  ausgesprochen '),  dass  sie  „höchst 
wahrscheinlich  glukosidartige  Verbindungen  des  Ivampherols  und 
des  Tri chloräthylalkohols  mit  der  Glukuronsäure  sind“.  Diese 
Aussprüche  E.  Fischers  darf  man  wohl  dahin  ergänzen,  dass 
z.  B.  aus  dem  Kampher  zunächst  das  Kampherol  und  aus  diesem, 
unter  Verbindung  mit  Traubenzucker,  das  Kampherolglukosid 
entsteht,  das  darauf,  unter  Erhaltung  der  glukosidartigen  Ver¬ 
bindung,  zur  Kampherolglukuronsäure  oxydiert  wird  oder  all¬ 
gemeiner  ausgedrückt:  die  Alkohole  und  Phenole,  welche  im 
I  ierkörper  in  gepaarte  Glukuronsäuren  umgewandelt  werden, 
werden  zunächst  mit  Traubenzucker  zu  einem  Glukosid  vereinigt 
und  dieses  dann  zur  Säure  oxydiert. 

Es  schien  mir  möglich,  durch  Untersuchungen  am  Tiere  über 
die  Richtigkeit  dieser  Annahme  Aufschluss  zu  erhalten. 

Die  Glukoside  werden  z.  T.  sehr  leicht  in  ihre  Bestandteile 
zerlegt.  Diese  Spaltung  kann  auch  im  Tierkörper  erfolgen. 
Daher  muss,  wenn  aus  dem  Verhalten  des  Harns  ein  Schluss 
gezogen  werden  soll,  zu  den  Untersuchungen  ein  Glukosid  ge¬ 
wählt  werden,  dessen  mit  Glukose  verbundener  Paarling  in  dem 
Tierkörper  nicht  in  gepaarte  Glukuronsäure  umgewandelt  wird. 
Denn  wollte  man  dem  Tiere  z.  B.  T richlo r ä thylgl nkosi d  geben, 
so  würde  man  ans  dem  Nachweis  der  Urochloralsäure  nicht 
schliessen  können,  dass  die  Säure  durch  Oxydation  des  Glukosids 
entstanden  sei,  weil  dieses  im  Tiere  hätte  gespalten  werden 
können:  aus  dem  bei  dieser  Zerlegung  gebildeten  Alkohol  muss 
abor  T  rochloralsäure  entstehen. 


.  Schmiedeberg  hat  für  den  Benzylalkohol  naohge- 
w  lesen  ),  dass  er  durch  tierisches  Gewebe  zu  Benzoesäure  oxy¬ 
diert  wird.  Mit  Rücksicht  hierauf  habe  ich  zu  meinen  Unter¬ 
suchungen  das  Benzylglukosid,  sowie  seine  Derivate  benutzt,  von 
denen  man  annehmen  muss,  dass,  falls  sie  in  dem  Tiere  ge¬ 
spalten  werden,  im  Harn  ITippursiäuren,  aber  nicht  gepaarte 
Glukuronsäuren  nachweisbar  sind. 


,  .  Na<*  einem  Vortrag,  gehalten  am  7.  Juli  1902  im  physio¬ 

logischen  Verein  in  Kiel. 

T  Berichte  d.  deutsch,  ehern.  Gesellsch.  1891,  Jahrg.  24,  8.  524. 
>  Berichte  d.  deutsch,  ehern.  Gesellsch.  1893,  Jahrg.  20,  S.  2405. 

No.  36. 


Hunde  und  Kaninchen  erhielten  Gaben  von  je  5  g  Benzyl¬ 
glukosid,  Gaben  von  3,5  und  8  g  des  Nitroderivats :  in  dem  Harn 
konnten  gepaarte  Glukuronsäuren  nicht  nachgewiesen  werden, 
wohl  aber  Hippursäuren.  Diese  sind  zweifellos,  nachdem  die 
sehr  leicht  spaltbaren  Glukoside  im  Tiere  zunächst  zerfallen 
waren,  in  normaler  Weise  entstanden. 

Leider  war  die  zur  Verfügung  stehende  Menge  der  Glukoside 
sehr  gering.  Deshalb  konnten  Versuche  mit  Einspritzung  unter 
die  Haut  oder  in  das  Blut  noch  nicht  ausgeführt  werden,  Unter¬ 
suchungen,  deren  Ergebnisse  von  den  bisher  erhaltenen  ver¬ 
schieden  sein  könnten.  Ich  muss  mir  deshalb  Vorbehalten,  diese 
Lücke  in  meiner  Untersuchung  der  Benzylglukoside  selbst  aus¬ 
zufüllen,  sobald  neue  Mengen  dieser  Stoffe,  mit  deren  Dar¬ 
stellung  wir  bereits  beschäftigt  sind,  zur  Verfügung  stehen. 

B  a  u  m  a  n  n  hat  in  seinen  Mitteilungen  über  ■  Aether- 
schwef eisäuren  auf  das  verschiedene  Verhalten  kleiner  und 
grosser  Gaben  Phenol  hingewiesen.  Gestützt  auf  seine  Ver¬ 
suche  sagt  er  ):  „Nach  stärkeren  Phenolgaben  treten  aber  noch 
weitere  Veränderungen  des  Harns  ein;  derselbe  lenkt  die  Ebene 
des  polarisierten  Lichtes  nach  links  ab.  Diese  Linksdrehung  des 
Harns  tritt  nicht  ein  nach  kleineren  Dosen  von  Phenol“. 

Nachdem  inzwischen  festgestellt  war,  dass  nach  Darreichung 
von  I  henol  im  Harn  eine  gepaarte  Glukuronsäure  ausgeschieden 
wird,  hielt  ich  es  für  möglich  —  mit  Rücksicht  auf  die  so  be¬ 
stimmt  ausgesprochenen  Angaben  Baumanns  über  das  ver¬ 
schiedene  Verhalten  kleiner  und  grosser  Gaben  Phenol  — ,  unter 
Benutzung  des  Phenolglukosid  zum  Ziel  zu  gelangen. 

Ein  ca.  7  kg  schwerer  Hund  erhielt  1  g  Phenolglukosid : 
der  in  den  nächsten  Stunden  entleerte  Harn  enthielt  gepaarte 
Glukuronsäure.  Da  die  in  1  g  Glukosid  enthaltene  Menge  Phe¬ 
nol  (0,37  g)  nicht  vergiftend  wirkt  und  nicht  zu  den  stärkeren 
Phenolgaben  Bau  m  a  ii  n  s  gerechnet  werden  kaitn,  so  war  das 
Ergebnis  dieses  Versuches,  wreil  positiv,  für  die  Untersuchung 
von  grösster  Bedeutung. 

Da  die  Angaben  Baumanns  als  Grundlage  für  die  Deu¬ 
tung  der  Versuchsergebnisse  dienen  sollten,  so  erschien  es  mir 
notwendig,  sie  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prüfen.  Deshalb  erhielt 
derselbe  Hund  einige  Tage  später  0,37  g  Phenol:  der  in  den 
nächsten  Stunden  entleerte  Harn  enthielt  gepaarte  Glukuron¬ 
säure  !  Da  dies  Ergebnis  B  a  u  m  a  n  n  s  Angabe  widerspricht, 
so  erhielten  5  Hunde  Gaben  von  0,05 — 0,5  g  Phenol :  auch  nach 
Einspritzung  der  kleinsten  Menge  konnte  in  dem  Harn,  der  in 
den  ersten  2  Vs  bis  3  Stunden  entleert  wurde,  g-epaarte  Glukuron¬ 
säure  nachgewiesen  werden.  Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor, 
dass  selbst  dann,  wenn  recht  kleine  Mengen  Phenol  in  das  Blut 
und  zu  den  Geweben  gelangen,  wie  es  schon  normal  infolge  der 
Darmfäulnis  geschieht,  stets  ein  Teil  (bis  über  30  Proz.)  in  ge¬ 
paarte  Glukuronsäure  umgewandelt  wird3 * 5). 

Wie  konnte  B  a  u  m  a  n  n  dieses  Verhalten  des  Phenol  über¬ 
sehen  ?  Wohl  nur  deshalb,  weil  er  bei  seinen  Untersuchungen 
den  meist  erst  nach  ca.  24  Stunden  von  den  Tieren  freiwillig  ent- 

3)  Arcli.  f.  exper.  Path.  u.  Pharm.  1881,  Bd.  14,  S.  291. 

I  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  1879,  Bd.  3,  S.  159. 

5)  Auch  nach  kleinen  Gaben  Benzol,  sowie  solcher  Phenole, 
für  welche  bisher  nur  die  Ausscheidung  als  Aetber Schwefelsäuren 
festgestellt  wurde,  sind  im  Harn  gepaarte  Glukuronsäuren  nach¬ 
weisbar. 


1 


1490 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


leerten  Harn  untersuchte :  solche  Hammischung  kann  optisch- 
inaktiv  erscheinen,  während  der  Ham  von  bestimmten  Stunden 
Linksdrehung  erkennen  lassen  würde. 

Nachdem  Baumanns  Angabe  über  das  Verhalten  kleiner 
Phenolgaben  als  unrichtig  erkannt  war,  musste  für  den  Versuch 
mit  Phenolgl ukosi d  die  Annahme  berücksichtigt  werden,  dass  das 
Glukosid  in  dein  Tierkörper  zunächst  in  seine  Bestandteile  zer¬ 
legt  wurde:  das  so  frei  gemachte  Phenol  würde,  genau  so  wie  das 
für  sich  in  den  Körper  eingeführte,  in  die  gepaarte  Glukuron- 
säure  u mge wandelt.  Obwohl  diese  Erklärung  nicht  zurück¬ 
gewiesen  werden  konnte,  so  habe  ich  doch  die  Untersuchung  des 
Phenolglukosid  fortgesetzt  und  bisher  folgendes  festgestellt. 

5  Hunde  erhielten,  in  den  Magen  oder  unter  die  Haut  gc 
spritzt.  Gaben  bis  zu  6  g  Phenolglukosid.  Von  dem  in  6  g  Gluko¬ 
sid  enthaltenen  Phenol  (=  2,22  g)  konnten  in  dem  Harn 
ca.  60  Proz.  wieder  nachgewiesen  werden:  40  Proz.  waren  ver¬ 
schwunden,  während  T  a  u  b  e  r  feststellte,  dass  von  ca.  0,5  g 
Phenol,  dem  Hunde  gegeben,  45  Proz.  zerstört  werden.  Sulfate 
waren  in  dem  Harn,  2  bis  2V»  Stunden  nach  der  Einnahme  des 
Glukosids,  nicht  mehr  nachzuweisen,  dagegen  war  die  Menge  der 
gepaarten  Schwefelsäuren  erheblich  vermehrt.  Von  dem  m  6  g 
Glukosid  enthaltenen  Phenol  wurden  ca.  16  Proz.  als  Phenol- 
schwefelsäure,  ca.  44  Proz.  als  Phenolglukuronsäure  ausge¬ 
schieden. 

Diese  Tatsachen  sind  vereinbar  mit  der  Annahme,  dass  das 
Glukosid  im  Tierkörper  gespalten  werde.  Diese  Zerlegung  kann 
aber  nicht  schnell  erfolgen,  ’  weil  sonst  schon  nach  2  g  Glukosid 
heftige  Krämpfe  eintreten  müssten.  Diese  treten  aber  selbst 
dann  nicht  hervor,  wenn  man  dem  Hunde  6  g  Glukosid  =  2,22  g 
Phenol  (d.  h.  0,3  g  Phenol  für  1  kg  Körpergewicht)  gibt,  während 
sie  sich  schnell  schon  nach  0,5  g  Phenol  (entsprechend  0,07  g 
Phenol  für  1  kg)  einstellen. 

Das  Glukosid  ist  somit  relativ  ungiftig,  jedoch  nicht  un¬ 
wirksam,  da,  nach  Einspritzung  von  2  g  unter  die  Haut  oder 
3  g  und  mehr  in  den  Magen,  in  dem  Harn  Zucker  nachweisbar 
ist ;  diese  Glukosurie  kann  vielleicht  mit  der  nach  Phlorhizin 
beobachteten  verglichen  werden. 

Diese  Wirkung  konnte  leider  aus  Mangel  an  Material  noch 
nicht  völlig  klargestellt  werden,  doch  wird  dies  demnächst  ge¬ 
schehen,  sobald  die  Neudarstellung  des  Glukosids  beendet  ist.  Ich 
muss  mir  deshalb  Vorbehalten,  alsdann  auch  die  "V  eränderungen 
des  Glukosids  im  Tierkörper  weiter  zu  verfolgen:  ich  hoffe,  dass 
eine  genaue,  quantitativ  und  zeitlich  vergleichende  Untersuchung 
des  Phenol  und  seines  Glukosid  es  möglich  machen  kann,  ein 
besseres  Urteil  über  die  oben  erwähnte  Annahme  der  Entstehung 
der  gepaarten  Glukuronsäuren  abzugeben. 

Aus  der  königl.  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Göttingen 
(Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  E  b  s  t  e  i  n). 

Einfluss  des  Levicowassers  auf  den  Stoffwechsel 

(Nach  einem  gemeinschaftlich  mit  Dr.  phil.  Iggena,  Assistent 

am  landwirtschaftlichen  Institut,  durchgeführten  Versuch.) 

Von  Privatdozent  Dr.  med.  Ernst  Schreiber. 

Die  günstige  Wirkung  des  Levicowassers,  das  bereits  im 
17.  Jahrhundert  gegen  Blutarmut,  Skrofulöse,  Nerven-  und 
Hautkrankheiten  etc.  angewandt  wurde,  ist  allgemein  anerkannt. 
Deshalb  muss  es  auffällig  erscheinen,  dass  bis  jetzt  nur  ein  Ver¬ 
such,  nämlich  von  Ewald  und  D  r  o  n  k  e  (Berl.  klin.  W  oehen- 
sclir.  1892,  S.  456  u.  486)  unternommen  ist,  auf  experimentellem 
Wege  eine  Erklärung  für  die  günstige  Heilwirkung  zu  suchen. 
Auch  über  den  Einfluss  der  beiden  wirksamen  Bestandteile  des 
Levicowassers,  des  Arsens  und  des  Eisens,  liegen  nur  spärliche 
Untersuchungen  vor.  Speziell  über  die  Wirkung  des  Arsens  in 
pharmakologisch  kleinen  Dosen  finden  sich  in  der  Literatur  nur 
wenige  Versuche,  während  über  die  Wirkung  toxischer  Dosen 
eine  grössere  Reihe  Untersuchungen  gemacht  ist.  Ausser  dem 
bereits  von  Ewald  und  Dronke  zitierten  Giess  sehen  Ver¬ 
such  (Arch.  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  8,  S.  175)  fin¬ 
den  sich  noch  mehrere  Tierversuche  von  Schmidt  und 
Stiirzwage  sowie  von  F  o  k  k  e  r  und  ein  am  Menschen  an- 
gestellter  Versuch  von  Salt  et,  die  indessen  nicht  jeder  Kritik 
standhalten,  sowie  endlich  noch  ein  einwandsfreier  Versuch  von 
W  e  i  s  k  e,  welcher  zu  dem  Resultat  kommt,  dass  unter  der  An¬ 
wendung  von  kleineren  Dosen  Arsen  beim  Hammel  eine  bessere 


Ausnutzung  des  Futters  und  ein  reichlicherer  Ansatz  von  Ei- 
weiss  eintreten,  wie  das  auch  die  anderen  genannten  Unter¬ 
sucher  gefunden  haben  (s.  Voit:  Handbuch  der  Physiologie 
von  II  e  r  m  a  n  n,  VI.  Bd.,  1.  Teil,  S.  182).  Ueber  die  Wirkung 
des  Eisens  auf  den  Stoffwechsel  im  allgemeinen  finden  sieh 
2  ältere  Versuche  von  Rabuteau,  der  eine  Steigerung  der 
Harnstoffausscheidung  bei  gleicher  (?)  Ernährung  beobachtet 
haben  will,  und  von  J.  M  u  n  k,  der  keinen  Einfluss  unter  der 
Darreichung  von  Eisenchlorid  konstatieren  konnte  (s.  Voit: 

1.  c  .S.  180). 

In  neuerer  Zeit  dagegen  ist  in  ausgedehnterem  Masse  der 
Einfluss  des  Eisens  auf  den  Hämoglobingehalt  des  Blutes  ge¬ 
nauer  studiert  worden,  z.  B.  von  Abderhalden.  Im  allge¬ 
meinen  ergab  sich  aus  diesen  Versuchen  eine  günstige  Beein¬ 
flussung  der  krankhaften  Blutveränderungen,  wie  bei  der 
Chlorose  etc.,  die  aber  bei  den  einzelnen  Präparaten  sehr  ver¬ 
schieden  gross  war.  Es  mag  übrigens  erwähnt  werden,  dass  von 
v.  Noorden  (Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Therap.  VIII.  Bd., 
S.  164)  unter  der  Darreichung  von  Arsen  eine  Zunahme  der 
Blutkörperchen  und  des  Hämoglobingehaltes  konstatiert  wurde, 
die  erstere  wurde  auch  von  Ewald  und  Dron  k  e  unter .  der 
Einwirkung  des  Levicowassers  beobachtet.  Im  Allgemeinen 
nimmt  man  an,  dass  die  anorganischen  und  organischen,  be¬ 
sonders  die  kohlensauren  Eisensalze  günstiger  wirken,  als  gerade 
die  schwefelsauren  Eisenwässer,  zu  denen  das  Levicowassei .  ge¬ 
hört,  Bekanntlich  enthält  das  Levicowasser  neben  der  arsenigen 
Säure  noch  Eisen  in  Form  von  schwefelsauren  Eisensalzen 
(ebenso  wie  das  Roncegno-  und  das  Guberwasser)  und  zwar  in 
saurer  Lösung,  so  dass,  wie  Ewald  und  D  r  onke  richtig  be¬ 
merken,  „eine  Wechselbeziehung  beider  pharmakodynamischer 
Agentien  von  vornherein  nicht  ausgeschlossen  ist“.  Die  Zu¬ 
sammensetzung  des  Starkwassers  ist  folgende: 


Tabelle  1. 

In  10,000  g  Starkwasser  sind  enthalten : 

Saures  schwefelsaures  Kalium .  0,068  g 

>}  Natrium . 0,108  „ 

’’  Ammonium . 0,081  „ 

Schwefelsaures  Calcium . ” 

„  Magnesium . 4, 773  „ 

„  Zink . 3,178  „ 

Kupfer .  0,723  „ 

„  Blei . °>019  » 

„  Mangan . 0,145  „ 

Eisenoxydul . •  46,027  „ 

„  Aluminium  .  2,697  „ 

Freie  Schwefelsäure . 19>999  ” 

Arseniksäureanhydrid . 9,060  „ 

Kieselsäureanhydrid . 9,330  „ 

Organischer  Kohlenstoff  .........  •  0,127  „ 

Lithium,  Strontium,  Kobalt,  Nickel,  Antimon,  |  g pUren 
Chlor,  Phosphorsäure,  Titansäure  •  ■  •  •  1 _ 


Summe  der  gelösten  Bestandteile  78,577  g. 

Es  lassen  sich  also  die  Versuchsergebnisse  über  Arsen  und 
Eisen  nicht  ohne  weiteres  auf  das  Levicowasser  übertragen,  ich 
führe  sie  deshalb  auch  nicht  eingehender  an.  Es  war  unter 
diesen  Umständen  ein  dankenswertes  Unternehmen,  die  Ein¬ 
wirkung  des  Levicowassers  auf  den  Stoffwechsel  zu  untersuchen. 
Ewald  und  D  r  onke  führten  ihren  Versuch  an  einer  21  jalir. 
Erzieherin  durch,  die  an  Neurasthenie  mit  Magendarmerschei- 
nungen  litt,  und  zwar  teilten  sie  den  Versuch  in  zwei  Abschnitte 
von  20  resp.  8  tägiger  Dauer.  Unter  der  Darreichung  des  Arsens 
trat  eine  völlige  Heilung  der  Kranken  ein.  Die  anfangs  geringe 
Nahrungsaufnahme  steigerte  sich  mit  der  Besserung  des  Allge¬ 
meinbefindens,  ebenso  schwanden  im  Laufe  der  Behandlung  die 
Magendarmevscheinungen.  Das  Resultat  der  \  ersuchsreihe  selbst 
ergab  einen  sehr  erheblichen  Ansatz  von  Stickstoff  in  beiden 
Perioden,  und  zwar  betrug  der  Stickstoffansatz  in  der  ersten 
Periode  45,90  g,  entsprechend  1294,38  g  Fleisch  und  in  der 
zweiten  Periode  37,82  g  Stickstoff,  entsprechend  1066,5  g  Fleisch. 
Dem  Stickstoffansatz  entsprach  eine  Gewichtszunahme  von 
9  Pfund.  Ewald  und  Dronke  bezeichnen  daher  das  Resultat 
ihrer  Untersuchungen  mit  vollem  Recht  als  ein  sehr  günstiges. 
Sie  selbst  geben  aber  zu,  dass  „die  Versuchsordnung  dem  ge¬ 
wöhnlichen  Schema  von  Ernährungsversuchen  nicht  entspräche  . 
Man  darf  fordern,  dass  auch  eine  Periode  mit  gleichmässiger  Er¬ 
nährung  ohne  Arsen  stattgefuiiden  hätte,  um  den  Einfluss  der 
Ernährung  allein  dem  des  Levicowassers  gegenüber  vergleichen 
zu  können.  Ich  gehöre  nicht  zu  denjenigen,  „welche  den  Erfolg 


9.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


nicht  sowohl  dem  Levicowasser  als  den  günstigen  Verhältnissen, 
in  welche  die  Patientin  versetzt  war,  zuschreiben  wollen“,  sondern 
nach  unseren  klinischen  Beobachtungen,  welche  ich  an  anderer 
Stelle  mitteilen  werde,  glaube  ich,  dass  der  Erfolg  in  der  Tat 
durch  Levicowasser  bedingt  ist.  Aus  der  von  Ewald  und 
Dr  o  nke  gewählten  Versuchsanordnung,  die  allerdings  dem 
praktischen  Gebrauch  des  Arsenwassers  am  meisten  nachkommt 
geht  aber  meines  Erachtens  nicht  hervor,  wieviel  von  der  günsti¬ 
gen  V  irkung  auf  Konto  des  Arsens  und  wieviel  auf  das  der 
zweckmässigeren  Ernährung  kommt.  Denn  dass  ein  Teil  sicher 
durch  die  diätetische  Behandlung  bedingt  ist,  ist  wohl  kaum  zu 
bestreiten,  zumal  im  Laufe  der  Zeit  mit  Besserung  der  gastrischen 
Beschwerden  und  der  Appetitlosigkeit,  die  Nahrungszufuhr  eine 
reichlichere  wurde. 

.  Aus  diefem  Grunde,  und  um  jeden  Einwand  zu  beseitigen, 
schien  es  mir  wünschenswert,  den  Versuch  an  einem  gesunden 
Individuum  mit  allen  für  einen  exakten  Stoffwechselversuch 
nöthigen  Vorsichtsmassregeln  zu  wiederholen.  Allerdings  liess 
sieh  dieser  nicht  in  der  langen  Dauer  durchführen,  wie  der 
Ewald  sehe,  und  er  entspricht  daher  nicht  vollkommen  der  in 
praxi  geübten  Einverleibung  des  Arsenwassers.  Wenn  auch  für 
die  Annahme  Ewalds  und  D  r  o  n  k  e  s,  dass  in  einer  kürzeren 
Zeit  eine  Wirkung  des  Arsenwassers  nicht  einträte,  keine  abso¬ 
luten  Beweise  Vorlagen,  so  erschien  es  doch  ratsam,  zu  dem  Ver¬ 
such  von  Anfang  an  das  wirksamere  Starkwasser  zu  nehmen. 

Ich  wiederholte  den  Versuch  an  mir  selbst  in  zwei  Perioden 
von  6  tägiger  Dauer.  Die  Menge  der  aufgenommenen  Nahrung 
war  in  beiden  Perioden  konstant  die  gleiche.  Leider  schwankt 
aber  der  Stickstoffgehalt  derselben  etwas,  er  war  in  der  zweiten 
Periode  etwas  höher,  ich  komme  darauf  bei  der  Besprechung  der 
Resultate  noch  einmal  zurück.  Die  aufgenommene  Nahrungs¬ 
menge  betrug  nämlich  pro  Tag  490  g  Milch,  250  g  Fleisch,  150  g 
Kartoffelbrei,  50  g  Butter  und  150  g  Brot. 

Die  Analysen  wurden  zum  grössten  Teil  in  dem  Herrn  Prof. 
Lehmann  unterstellten  Laboratorium  des  landwirtschaftlichen 
Instituts  gemacht.  lieber  die  Untersuchungsmethoden  selbst  sei 
folgendes  bemerkt: 

Die  Untersuchung  der  Nahrungsmittel  und  des  Kotes  er¬ 
streckte  sich  auf  Trockensubstanz,  Stickstoff,  Fett  und  Asche.  Die 
gefundenen  Werte,  ausgenommen  bei  Milch  und  Butter,  sind  auf 
absolut  trockene  Substanz  umgerechnet.  Von  dem  Fleisch,  Brot 
und  Kartoffelbrei  wurde  eine  Durchschnittsprobe  aus  der  für  die 
ganze  Periode  berechneten  und  abgewogenen  Menge  genommen,  in 
nussgrosse  Stücke  zerkleinert,  in  tarierten  Glasschalen  gewogen 
und  bei  95 0  im  Wassertrockenschrank  getrocknet.  Vor  der  zweiten 
Wägung  wurde  aus  dem  Fleische  und  Kartoffelbrei,  um  die  weitere 
Verarbeitung  desselben  zu  erleichtern,  die  Hauptmenge  des  Fettes 
durch  Aether  extrahiert  und  nach  dem  Trocknen  gewogen.  Ge¬ 
trocknet  blieben  die  Substanzen  ca.  24  Stunden  an  der  Luft  stehen, 
damit  sie  sich  mit  dem  Wassergehalt  derselben  ausglichen:  sogen. 
..gev  ogen-lufttroekene“  Substanz.  Unverzüglich  wurden  sie  dar¬ 
aut  in  der  H  e  n  n  e  b  e  r  g  sehen  Mühle  gemahlen  und  soweit  zer¬ 
kleinert,  dass  die  Gesamtmenge  durch  das  1  mm-Sieb  ging,  und 
dann  Proben  für  die  absolute  Trockensubstanz  (zugleich  ..Analysen¬ 
trockensubstanz“)  entnommen.  Diese  Trockensubstanzbestim- 
muug  wurde  in  L  i  e  b  i  g  sehen  Enten  ausgeführt,  und  zwar  wur¬ 
den  in  denselben  3  g  Substanz  5  Stunden  lang  in  einem  Trocken¬ 
apparat  auf  105 — 110 0  unter  gleichzeitiger  Durchleitung  von 
Wasserstoff  erhitzt,  alsdann  der  Wasserstoff  durch  trockene  Luft 
verdrängt  und  die  Enten  nach  dem  Erkalten  gewogen.  Die  Trock¬ 
nung  wurde  bis  zur  Gewichtskonstanz,  welche  in  der  Regel  schon 
nach  dem  zweiten  3  stündlichen  Erhitzen  eintrat,  wiederholt.  Die 
1  rockuung  des  Kotes  musste  etwas  modifiziert  werden,  weil  bei 
zu  langem  und  starkem  Erhitzen  im  Trockenapparat  Fettsäuren 
und  stickstoffhaltige  Substanz  ausgetrieben  wurden,  so  dass  Ge¬ 
wichtskonstanz  kaum  zu  erzielen  war.  Es  stellte  sich  heraus,  dass 
ein  dreistündliches  Erhitzen  bei  100  0  in  zwei  Absätzen  zu 
genügenden  Vergleichsresultaten  führte.  Der  Stickstoffgehalt 
wurde  in  2  g,  bezw.  bei  stickstoffreichen  Substanzen  in  1  g,  nach 
uer  von  W  i  1 1  f  a  h  r  t  h  modifizierten  K  j  e  1  d  a  li  1  sehen  Methode 
unter  Zusatz  von  20  ccm  konzentrierter  Schwefelsäure  und  einem 
tropfen  Quecksilber  bestimmt.  Bei  Butter  und  Milch  wurden 
ca.  5  bezw.  20  g  in  vorher  tarierten  Kölbchen  abgewogen  und  oxv- 
diert.  Zur  Fettbestimmung  in  der  festen  Substanz  wurden  3  g 
ui  eine  aus  fettfreiem  Fliesspapier  hergestellte  Patrone  gebracht, 
<iese  bei  95°  2  Stunden  lang  getrocknet  und  vermittels  des 
>  °  x  n  i  e  t  sehen  Extraktionsapparates  24  Stunden  lang  extrahiert, 
gi  Aetlierrückstand  wurde  nach  zweistündlichem  Trocknen  ge- 
Die  Fettbestimmung  in  der  Milch  geschah  ebenfalls  ge- 
lcütsanaiytisch,  die  in  der  Butter  nach  Gerber.  Zur  Aseiie- 
e Stimmung  wurden  3  g  Substanz  im  Porzellantiegel  über  kleiner 
unterhalb  Rotglut  langsam  verascht.  In  der  weiss-  bis 
g  augeLirbten,  aber  kohlenfreien  Asche  wurde  der  Gehalt  an 
vo  i  <  nsjiure  ermittelt,  welcher,  von  der  Rohasche  abgezogen,  die 
lieferte.  Die  Analyse  der  Nahrungsmittel  ergab  fol- 

ge?Me  Zusammenstellung: 


1491 


Tabelle  2. 

Analytische  Belege  für  die  Nahrungsmittel. 


Trocken¬ 

substanz 


Stickstoff  Fett 


Asche 


in  absolut  trock,  Substanz 


Proz. 

Milch  I .  10,53 

II .  14,14 

HI .  10,89 

Fleisch  I .  94,73 

II .  92^81 

Kartoffelbrei  I  .  .  .  94,30 

II  .  .  .  93,03 

Butter .  87,04 

Brot .  92,38 

Dazu  sei  bemerkt,  dass  Brot  und  Butter  für  die  mnze 

Periode  reichten,  Fleisch  I.,  sowie  Kartoffelbrei  I.  wurden”  vom 

!•— 1 6-  Tage  incl.,  Fleisch  II.  und  Kartoffelbrei  II.  vom  7. _ 12.  Tage 

Milch  I.  vom  1 — 5.  Tage  inc-1.,  Milch  II.  vom  6.-8.  Tage  incl.  und 
Milch  III-  vom  9.— 12.  Tage  genossen.  Aufgenommen  wurden  mit 
diesei  Xalnimg“  in  der  I.  PcriodG  von  1. — 6.  Xcige  folgende  Mengen i 


Proz. 

0,494 

0,408 

0,554 

13,55 

14,22 

1,70 

1,68 

0,109 

1,62 


Proz. 

2.78 
3,77 
2,50 
8,00 
3,20 
1,69 

1.79 
86,18 

0,28 


Froz. 

0,788 

0,86 

0,836 

9,42 

7.78 
7,85 
9,26 
1,67 

1.78 


Tabelle  3. 

I.  Periode:  Tag  1.- 


-6. 


Ges. -Menge 


luft¬ 

trocken 


absolut 

trocken 


Milch 
5640  g 


Fleisch 
1500  g 


Kartoffelbrei 
900  g 


Butter 
309  g 


623,49 


Stick¬ 

stoff 

g 


27,04 


Fett 


Asche  «[Sf1- 
Substanz 


g 


166,09 


301,95 


590,64 


63,66 


158,52 


45,12 


44,22 


g 


554,64 


546,42 


284,76 


4,14 


45,90 


19,08 


265,68 


3,27  !  258,54  5,02 


261,12 


Brot 
900  g 


640,89 


592,08 


9,60 


1,68 


16,02 


576,06 


Summa 


107,71 


640,73 


129,46 


2203,92 


i  i 

In  der  II.  Periode  vom  7. — 12.  Tage  wurde  dagegen  11,34  g  N 
mehr  und  29,63  g  Fett  weniger  genossen,  wie  sich  aus  der  Ta¬ 
belle  4  ergibt.  Diese  Ungleichheit  war  bedingt  durch  die 
wechselnde  Zusammensetzung  des  Fleisches  und  der  Milch;  die 
von  vornherein  abgewogenen  und  sterilisierten  Nahrungsmittel 
hielten  sich  leider  nicht  bis  zum  Schlüsse  des  Versuches,  so  dass 
ich  gezwungen  war,  in  der  II.  Periode  andere  zu  wählen.  In 
dieser  II.  Periode  nahm  ich  ausserdem  3  mal  täglich  2  Esslöffel 
Starkwasser  mit  einem  Gehalt  von  0,2  mg  Arseniksäureanhydrit 
und  138  mg  schwefelsaurem  Eisenoxydul,  im  ganzen  also  täglich 
0,6  mg  Arsen  und  414  mg  Eisen. 

Die  Ausscheidungen  durch  den  Kot,  der  durch  Kohle  ab¬ 
gegrenzt  wurde,  geben  die  beiden  Tabellen  5  und  0  (mit  den  ana¬ 
lytischen  Belegen  Tabelle  6  a)  wieder  und  die  Ausscheidungen 
durch  den  Harn  die  Tabellen  7  und  8. 

Tabelle  4. 

II.  Periode:  Tag  7 — 12.  (Arsenperiode.) 


Ges.-Menge 

luft¬ 

trocken 

absolut 

trocken 

Stick¬ 

stoff 

g 

Fett 

g 

Asche 

g 

organ. 

Substanz 

g 

Mich 
5640  g 

— 

— 

28,52 

164,88 

47,38 

580,93 

Fleisch 
1590  g 

637,35 

591,60 

73,50 

91,50 

40,20 

551,40 

Kartoffelbrei 
900  g 

360,45 

337,44 

4,16 

94,50 

22,92 

314,52 

Butter 

300  g 

— 

3,27 

258,54 

5,02 

261,02 

Brot 

900  g 

640,89 

592,08 

9,60 

1,68 

16,02 

576,06 

Summa 

I 

119,05 

611,10 

131,51 

2284,03 

1* 


1492 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Tabelle  5. 

I.  Periode:  Kot  vom  1. — 6.  Tage. 


Ges.-Menge 

frisch 

s 

luft¬ 

trocken 

absolut 

trocken 

Stick¬ 

stoff 

g 

Fett 

g 

Asche 

g 

organ. 

Substanz 

g 

73  4,0 

145,15 

137,10 

7,26 

24,21 

23,94 

113,16 

Tabell  e  6. 

II.  Periode:  Kot  vom  7. — 12.  Tage. 


Ges.-Menge 

frisch 

luft¬ 

trocken 

absolut 

trocken 

Stick¬ 

stoff 

g 

Fett 

g 

Asche 

g 

organ. 

Substanz 

g 

889,2 

169,96 

159,53 

8,58 

44,00 

27,45 

132,08 

Tabelle  Ga. 

Analytische  Belege  für  den  Kot. 


Trocken¬ 

substanz 

Stickstoff 

Fett 

Ast  he 

in  absolut  trock.  Substanz 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Kot  der  I.  Periode 

94, 45 

5,29 

18,07 

17,46 

Kot  der  II.  Periode  . 

93,86 

5,38 

27,58 

17,21 

I. 

Tabelle  7. 

Periode :  Harn  pro  die. 

IT. 

Tabelle  8. 

Periode:  Harn  pro  die. 

Tag 

Ges.-Menge 

ccm 

Ges- 

Stickstoff 

g 

Tag 

Ges.-Menge 

ccm 

Ges.- 

Sticksloff 

g  . 

1. 

1265 

14,32 

7. 

1248 

18,63 

2. 

1098 

15,23 

8. 

1340 

18,40 

3. 

1070 

16,27 

9. 

1142 

18,04 

4. 

1156 

17,54 

10. 

1035 

17,39 

5. 

1068 

16,95 

11. 

1184 

18,61 

6. 

1150 

17,89 

12. 

1306 

19,82 

Sa. 

6807 

98,20 

Sa. 

7255 

110,89 

Wenn  wir  nun  an  die  Betrachtung  der  Tabellen  herangehen, 
so  ergibt  sich  zunächst  die  Frage:  Wie  verhält  sich  die  Aus¬ 
nutzung  der  Nahrungsmittel  in  den  beiden  Perioden? 

In  der  I.  Periode  wurden  aufgenommen  107,71  g  K. 
durch  den  Kot  abgegeben  ....  7,26  g  N. 

mithin  wurden  resorbiert  ....  100,45  g  N.  pro  die,  also 

16  74  g  N.  =  93,26  Proz. 

In  der  II.  Periode  wurden  aufgenommen  119,05  g  N. 
durch  den  Kot  abgegeben  ....  8,58  g  N. 

mithin  wurden  lesorbiert  ....  110,47  g  N.  pm  d'e,  also 

18,41  g  N.  =  92,79  Proz 

Aus  dieser  Uebersicht  über  Stickstoffeinfuhr  wie  -ausfuhr 
ergibt  sich  zunächst,  dass  der  N  in  der  Arsenperiode  um 
0,47  Proz.  weniger  ausgenutzt  wTurde,  als  in  der  arsenfreien 
Periode.  Das  ist  nun  eine  geringe  Differenz,  auf  die  ganze  auf¬ 
genommene  Stickstoffmenge  umgerechnet  beträgt  sie  nur  1,32  g, 
so  dass  in  Wirklichkeit  nicht  11,34  g,  sondern  10,02  g  Stickstoff 
in  der  zweiten  Periode  mehr  resorbiert  wurden. 

Für  die  Ausnutzung  des  Fettes  ergibt  sich  folgendes: 

In  der  I.  Periode  wurden  aufgenommen  640,73  g  Fett 
durch  den  Kot  abgegeben  .  .  .  24.21  g  Fett 
mithin  wurden  resorbiert  ....  616,52  g  Fett  =  96,22  Proz. 
In  der  II.  Periode  wurden  aufgenommen  611,10  g  Fett 
durch  den  Kot  abgegeben  .  .  .  44,00  g  Fett 
mitbin  wurden  resorbiert  ....  567,10  g  Fett  =  92,79  Proz. 

Diese  Zahlen  zeigen,  dass  während  die  Stickstoffausnutzung, 
wie  wir  eben  gesehen  haben,  kaum  Differenz  erfährt,  die  Fett¬ 
ausnutzung  dagegen  um  3,43  Proz.  schlechter  war.  Es  wurden, 
n  ie  sich  aus  den  Zahlen  ergibt,  49,42  g  Fett  weniger  verdaut, 
so  dass  die  oben  gegebene  scheinbare  Mehraufnahme  von  Fett 
(29,63  g)  sich  in  das  gerade  Gegenteil  verwandelt.  Diese 
schlechtere  Ausnutzung  des  Fettes  erklärt  sich  durch  die  leicht 
abführende  Wirkung,  die  das  Arsenwasser  bei  mir  hatte,  wie 
auch  ein  Vergleich  der  beiden  Kotmengen,  sowohl  im  frischen 


wie  im  luftrocknen  Zustande  ergibt.  Es  ist  ja  eine  bekannte 
Tatsache,  dass  in  solchen  Fällen  die  Fettresorption  stärker  leidet, 
als  die  Stickstoff-  und  Kohlehydrat  Ausnutzung.  Die  abführende 
Wirkung  erklärt  sich  wohl  dadurch,  dass  ich  von  vornherein 
meinem  an  das  Levicowasser  nicht  gewöhnten  Körper  das  Stark¬ 
wasser  zuführte.  Bei  den  klinischen  Beobachtungen,  wo  die  an¬ 
fängliche  Darreichung  des  Schwachwassers  den  Körper  an  das 
Levicowasser  gewöhnt,  habe  ich  die  abführende  Wirkung  nicht 
beobachtet.  Ich  bin  daher  der  Ansicht,  dass  die  schlechtere  Aus¬ 
nutzung  des  Fettes  nicht  direkt  dem  Levicowasser,  sondern 
höchstens  indirekt  durch  die  Versuchsanordnung  zuzuschrci- 
ben  ist. 

Was  nun  die  Stickstoffbilanz  anbetrifft,  so  ergibt  sich  fol¬ 
gendes  : 

In  der  I.  Periode  wurden  resorbiert 

pro  die 

durch  den  Harn  wieder  verloren  .  . 
mithin  wurden  vom  Körper  zugesetzt 
In  der  II.  Periode  wurden  resorbiert 

pro  die  18,41  g  N. 
durch  den  Harn  wieder  verloren  .  .  18,46  g  N. 


16,74  g  N. 
17,18  g  N. 

0,44  g  N. 


(Mittel  der  ganzen  Periode.) 
(Mittel  der  letzten  4  Ta»e.) 


(Mittel  der  ganzen  Periode.) 
(Mittel  der  letzten  4  Tagf.) 

mithin  wurden  vom  Körper  zugesetzt  0,05  g  N. 

Zur  Erklärung  der  angegebenen  Zahlen  füge  ich  hinzu,  dass 
ich  für  die  pro  Tag  resorbierte  N-Menge  das  Mittel  aus  der  in 
den  einzelnen  Perioden  resorbierten  Gesamtstickstoffmenge  ge¬ 
nommen  habe,  da  die  Resorption  in  den  wenigen  Tagen  wohl 
kaum  so  erhebliche  Schwankungen  gehabt  haben  wird,  dass  sie 
sich  nicht  ausgeglichen  hätten.  .  Für  die  pro  Tag  durch  den 
Harn  verloren  gegangene  Stickstoffmenge  17,18  g’  resp.  18,45  g 
nehme  ich  das  Mittel  von  den  letzten  4  Tagen  der  einzelnen 
Perioden.  Wie  ein  Blick  auf  die  Tabelle  7  und  8  lehrt,  würde 
in  der  1.  Periode  das  Stickstoffgleichgewicht  etwa  am  3.  Tage 
erreicht,  ein  Vergleich  der 


Stickstoffeinfuhr 
und  Ausfuhr 


IC*  74 

-tr’nn  ^  ergibt  hier  noch  eine  N.-Retention  von 
16,27  g  ° 


während  am  4.  Tage 


0,47  g, 

0,b0  g  vom  Körper  abgegeben  werden: 
16,74  N.-Aufnahme 
17.54  N -Ausfuhr 
0.80. 


Während  der  2.  Periode  bin  ich  bereits  am  2.  Tage  voll¬ 
kommen  im  Stickstoffgleichgewicht  gewesen,  die  Einnahme  be¬ 
trug  für  diese  Periode  18,41  g  und  die  Ausfuhr  an  diesem  Tage 
18,40  g.  Mithin  glaube  ich  mich  berechtigt,  vom  3.  Tage  ab  das 
Mittel  für  die  Stickstoffausfuhr  nehmen  zu  dürfen. 

Ich  verlor  also  während  der  ersten  Periode  täglich  0,44  g 
Stickstoff,  während  ich  in  der  Arsenperiode  nur  täglich  0,05  ein- 
büsste,  d.  h.  0,39  weniger.  Diese  Zahl  würde  noch  grösser,  wenn 
ich  annehmen  wollte,  dass  ich  erst  nach  3  Tagen  das  Stickstoff- 
gleichgewicht  erreicht  hätte.  Ich  hätte  dann  in  der  ersten  Periode 
0,73  g  Stickstoff  verloren  und  in  der  Arsenperiode  0,19  g  Stick¬ 
stoff,  wie  aus  folgender  Berechnung  hervorgeht: 

I.  Periode  täglich  resorbiert . 16,74  g  N. 

„  ausgeschiedim  ....  17,47  g  N 

,,  vom  Körper  abgegeben  0,73  g  N. 

II.  Periode  täglich  resorbiert . 18,41  g  N. 

„  ausgeschieden  ....  18,60  g  N. 

„  vom  Körper  abgegeben  0,19  g  N. 

mithin  Differenz  0,54  g  N. 

Aus  den  angegebenen  Berechnungen  geht  hervor,  dass  das 
Arsen  bei  mir  im  stände  war,  eine  Stickstoffersparnis  herbei¬ 
zuführen.  Mein  Gewicht  (145  Pfd.)  änderte  sich  in  der  Arsen¬ 
periode  nicht.  Damit  stimmt  mein  Versuchsergebnis  mit  den  von 
Ewald  und  Dronke  erzielten  überein.  Ich  glaube  daher,  dass 
man  in  der  Tat  die  von  den  verschiedensten  Klinikern  bestätigten 
ausserordentlich  günstigen  Wirkungen  des  Levioowassers  durch 
seinen  den  Stickstoffansatz  fördernden  Einfluss  erklären  muss. 
Wenn  mich  unsere  klinischen  Erfahrungen  bereits  veranlassen, 
das  Levicowasser  für  die  oben  genannten  Zustände  zu  empfehlen, 
so  tue  ich  es  jetzt  um  so  mehr  auf  Konto  des  experimentellen 
Nachweises. 

Zum  Schluss  erlaube  ich  mir,  meinem  hochverehrten  Lehrer 
und  Chef,  Herrn  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Ebstein,  für  das  der 
Arbeit  gewidmete  lebhafte  Interesse,  sowie  Herrn  Prof.  Leh¬ 
mann  für  sein  mir  so  oft  erwiesenes  gütiges  Entgegenkommen 
meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 


9.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1493 


Aus  der  medizinischen  Klinik  und  Poliklinik  zu  Bonn 
(Direktor :  Geheimrat  Schnitze). 

Beitrag  zur  Behandlung  der  Ruhr  mit  Radix  Ipeca- 

cuanhae. 

Von  Dr.  Julius  Strasburger, 

Privatdozent  und  Assistenzarzt  der  Poliklinik. 

Tn  der  Aprilsitzung  des  Rostocker  Aerztevereins  lenkte  Prof. 
K  o  1)  e  r  t  ’)  die  Aufmerksamkeit  auf  die  antidysenterischen 
Eigenschaften  der  Ipecacuanhawurzel  und  sieht  sich,  im  An¬ 
schluss  an  das  Auftreten  der  Ruhr  bei  unseren  Soldaten  in  China 
und  nach  ihrer  Rückkehr  von  dort,  veranlasst,  das  Mittel  bei  den 
Praktikern  in  Erinnerung  zu  bringen. 

Im  Anschluss  an  einen  geschichtlichen  Rückblick  sagt  K  o  - 
bert:  „Ich  gehöre  zur  Partei  derjenigen,  welche  diese  damals 
zahllosemale  geprüfte  Wirkung  bei  dysenterischen  Durchfällen 
nicht  für  völlig  aus  der  Luft  gegriffen  halten.“ 

In  unseren  gebräuchlichen  Lehrbüchern  wird  nun  allerdings 
bei  Besprechung  der  Ruhrbehandlung  der  Ipecacuanha  durchweg 
Erwähnung  getan.  Man  muss  jedoch  zugeben,  dass  das  Medika¬ 
ment  in  der  Regel  erst  an  zweiter  oder  dritter  Stelle  genannt 
wird,  neben  zahlreichen  anderen  Stoffen,  die  als  Ruhrmittel  nur 
massige  Beachtung  beanspruchen  können.  Im  Gegensatz  hierzu 
steht  die  grosse  Wertschätzung,  deren  sich  die  „Ruhrwurzel“ 
in  den  Tropen  erfreut.  Wird  sie  doch  z.  B.  von  englischen 
Aerzten  in  Indien  geradezu  als  Spezifikum  gepriesen *  2). 

Es  dürfte  im  Anschluss  an  diese  Verschiedenheit  der  Auf¬ 
fassungen  von  Interesse  sein,  zwei  kürzlich  hier  beobachtete  Fälle 
von  tropischer  Ruhr  bekannt  zu  geben,  bei  denen  die  Behandlung 
mit  Ipecacuanha  sehr  auffallende  Erfolge  zu  verzeichnen  hatte. 

Der  erste  Kranke,  Emil  B.,  23  Jahre  alt,  wurde  vom  10.  XII. 
1001  bis  zum  15.  Y.  1902  in  der  medizinischen  Klinik  zu  Bonn  be¬ 
handelt.  —  Für  die  gütige  Erlaubnis  zur  Veröffentlichung  dieses 
Falles  sage  ich  Herrn  Geheimrat  Schultze  meinen  ergebensten 
L)auk.  —  Der  Patient  überstand  im  16.  Lebensjahr  Diphtherie,  war 
sonst  stets  gesund.  Er  diente  4  Jahre  bei  der  Marine.  Ende  Juli 
1000,  bei  den  Wirren  in  China,  war  er  längere  Zeit  auf  den 
Märschen  genötigt,  schmutziges,  nicht  abgekochtes  Wasser  zu 
trinken.  Er  bekam  danach  schleimige  Stühle,  die  am  6.  Tag- 
blutig  wurden.  Die  Entleerungen  erfolgten  etwa  15  mal  täglich. 
Nach  8  Wochen  versah  B.  wieder  seinen  Dienst,  fühlte  sich  aber 
noch  schwach  und  magerte  stark  ab;  sein  Stuhl  war  ziemlich 
dünn.  Im  April  1001  nach  Europa  zurückgekehrt,  wurde  er  vom 
Militär  entlassen  und  beschäftigte  sich  anderweitig.  Am  1.  Mai 
setzten  von  neuem  blutige  Durchfälle  ein,  7 — 8  mal  am  Tage.  Der 
Patient  begab  sich  Ende  Juni  in  ein  Krankenhaus,  wo  er  bis  An¬ 
fang  Dezember  1901  verblieb.  Die  blutigen  Defäkationen  hielten 
aber  Tag  und  Nacht  an.  Der  Kranke  verspürte  starkes  Schneiden 
im  Leibe  und  Appetitlosigkeit.  Das  Körpergewicht  war  angeblich 
von  155  auf  115  Pfund  gesunken. 

Wir  erhoben  in  der  Klinik  folgenden  Status  praesens: 
Ernährungszustand  mässig  reduziert.  Geringe  Blässe.  Kein 
Oedem.  Lungen  und  Herz  ohne  Besonderheit.  Das  Abdomen  ist 
etwas  eingezogen,  diffus  druckempfindlich,  besonders  in  den  oberen 
Partien.  Milz  und  Leber  sind  nicht  vergrössert.  Per  rectum 
fühlt  man  nichts  Besonderes;  am  palpierenden  Finger  haftet  kein 
Blut.  Der  Urin  enthält  weder  Eiweiss,  noch  Zucker.  Das  Nerven¬ 
system  weist  keine  Abnormität  auf.  Der  Stuhl  ist  dünn,  enthält 
reichlich  Schleim  und  Blut.  In  den  ganz  frischen,  warm  auf¬ 
gefangenen  Entleerungen  finden  sich  zahlreiche  grosse  Amöben, 
die  bis  40,«  messen  und  ausser  einem  Kern  und  eingeschlossenem 
Detritus  eine  Anzahl  roter  Blutkörperchen  enthalten.  Auf  dem 
heizbaren  Objekttisch  untersucht,  kriechen  sie  mit  erheblicher  Ge¬ 
schwindigkeit  durch  das  Gesichtsfeld.  Abgesehen  von  den  Amöben 
bemerkt  man  noch  Exemplare  von  Megastoma  entericum,  in  leb¬ 
hafter  Bewegung  begriffen. 

Es  handelte  sich  nach  diesem  Befund  um  einen  Fall  von 
typischer,  in  China  akquirierter  Amöbendysenterie,  die  seit 
5/4  Jahren  bestand,  zeitweise  gebessert,  aber  nie  ganz  geheilt 
worden  und  seit  7  x/3  Monaten  wieder  in  ein  akutes  Stadium 
eingetreten  war.  Die  Behandlung  wurde  nun  energisch  in  die 
Hand  genommen.  Der  Patient  musste  das  Bett  hüten  und  er¬ 
hielt  strenge  Diät.  Nacheinander  fanden  die  verschiedensten 
Medikamente  Anwendung.  Ich  zähle  auf:  Rizinusöl,  Opium, 
Darmausspülungen  mit  Aluminium  acetico  tartar.  (14 — Vs  proz.), 
später  lange  Zeit  hohe  Einläufe  von  Vs  proz.  Tanninlösung;  inner¬ 
lich  des  weiteren  Tannokol  und  Bismutum  subnitricum  etc.  Die 
ersten  6  Wochen  zeigte  sich  so  gut  wie  kein  Erfolg.  Es  wurden 

’)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  S.  1027. 

2)  S.  u.  a.  Scheube:  Die  Krankheiten  der  warmen  Länder. 
2.  Aufl..  Jena  1900.  S.  520. 

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im  Durchschnitt  täglich  7  Stühle  produziert.  Dann  kamen 
2  Wochen  entschiedener  Besserung;  auf  3 — 4  tägige  Verstopfung 
folgte  je  ein  Tag  mit  2 — 3  Stühlen.  Letztere  waren  aber  noch 
dünn  und  enthielten  etwas  Schleim  und  Blut.  Während  dieser 
Zeit  nahm  das  Körpergewicht  um  2  kg  zu.  Ohne  nachweisbare 
äussere  Ursache  stellte  sich  jedoch  wieder  eine  Verschlechterung 
des  Befindens  ein,  die  Stühle  nahmen  dasselbe  Aussehen  wie 
Anfangs  an  und  enthielten  wieder  Amöben.  Wir  mussten  uns 
am  18.  Februar  1902  das  Geständnis  ablegen,  dass  die  Krankheit 
im  wesentlichen  wieder  auf  dem  Standpunkt  wie  vor  2  Monaten 
angelangt  sei. 

Nunmehr  verordneten  wir  Pulv.  Ipecac.  1,0  (das  von  uns 
gebrauchte  Medikament  war  laut  Ausweis  des  Apothekers  Kio- 
Ipecäcuanha),  dazu  Tct.  Opii  spl.  gtt.  10.  Eine  Dosis  Morgens 
und  eine  Nachmittags  zu  nehmen.  Beidemale  wurde  ein  Teil 
des  Pulvers  erbrochen.  Trotzdem  fiel  der  Erfolg  auf,  denn  schon 
am  nächsten  Tag  schloss  sich  eine  entschiedene  Besserung  an. 
Als  8  Tage  später  der  Stuhl  wieder  blutig  wurde,  wiederholten 
wir  die  Behandlung,  diesmal  aber  mit  je  25  Tropfen  Opium¬ 
tinktur,  die  der  Kranke  14  Stunde  vor  dem  Pulver  einnahm. 
Wieder  zeigte  sich  bereits  am  nächsten  Tag  der  Wechsel.  Die 
Fäzes  waren  bald  durchaus  normal  geformt.  Bei  mittlerer  Diät 
bestand  etwas  Obstipation.  Im  übrigen  fühlte  sich  der  Patient 
bis  auf  geringe  Leibschmerzen  gesund  und  wurde  2  Monate 
später  aus  der  Klinik  entlassen  mit  10,6  kg  Gewichtszunahme. 
Ende  Juni  erschien  er  allerdings  wieder  in  der  Poliklinik  mit 
einem  Rezidiv  und  amöbenhaltigen  Fäzes.  Durch  die  Eingabe 
von  5  g  Ipecacuanha  im  Verlauf  mehrerer  Tage  konnte  dieses 
wieder  vollkommen  beseitigt  werden.  Die  Ipecacuanha  hat  also 
in  diesem  Fall  zwar  kein  Rezidiv  verhütet,  aber  doch  zu  drei 
verschiedenen  Malen  prompt  gewirkt,  nachdem  andere  Mittel 
vorher  lange  Zeit  ohne  Effekt  geblieben  waren.  Den  Erfolg  dem 
zu  gleicher  Zeit  gereichten  Opium  zuzuschreiben,  ist  nicht  an¬ 
gängig,  da  Opium  ja  schon  früher  ohne  jeden  dauernden  Effekt 
gegeben  worden  war. 

Der  zweite  Fall,  Wilhelm  K.,  38  Jahre  alt,  stammt  aus  der 
Poliklinik.  Ich  verdanke  ihn  der  Freundlichkeit  der  Herren  Prof. 
Leo  und  Prof.  Sch  m  i  d  t.  Vor  2  Jahren  wurde  R.  in  Südafrika, 
von  Ruhr  befallen  und  nicht  wieder  von  ihr  verlassen.  Vor  einem 
Jahre  gesellte  sich  dazu  Malaria,  die  auf  reichliche  Chiningaben 
verschwand.  Anfang  des  Jahres  1902  wurde  die  Dysenterie  in 
Hamburg  ohne  Erfolg  behandelt.  Als  R.  am  5.  II.  1902  die  Poli¬ 
klinik  aufsuchte,  bestand  ca.  10  mal  täglich  blutiger  Durchfall. 
Der  Status  praesens  ergab:  Blasses  Aussehen,  kein  Fieber. 
Lungen  und  Herz  frei.  Die  Milz  ist  vergrössert  fühlbar,  nicht 
druckempfindlich.  Desgleichen  die  Leber.  Das  Colon  descendens 
lässt  sich  als  harter  Strang  palpieren.  Der  Leib  zeigt  keinen 
Druckschmerz.  Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker.  Blut  ohne 
Malariaparasiten.  Der  frisch  entleerte  Stuhl  ist  dünn,  schleimig- 
blutig  und  enthält  zahlreiche  typische  Amöben. 

Der  Fall  ist  dem  zuerst  geschilderten  ziemlich  ähnlich.  Es 
wurden  im  Laufe  eines  Tages  mittlere  Mengen  von  Ipecacuanha- 
pulver  gegeben.  3  Tage  später  erklärte  der  Patient,  erheblich 
gebessert  zu  sein.  Als  ich  ihn  Endo  J  uni  aufsuchte,  fügte  er 
noch  hinzu,  dass  er  sich  seit  dieser  Zeit  vollkommen  wohl  fühle 
und  normale  Stuhlentleerungen  habe. 

Die  günstige  Wirkung  der  Ipecacuanha  bei  unseren  beiden 
Ruhrfällen  war  sehr  deutlich  ausgesprochen.  Wenn  nun  bei 
anderen  Gelegenheiten,  gerade  in  unseren  Gegenden,  ein  Erfolg 
vermisst  wird,  so  findet  dies  vielleicht  seine  Erklärung  in  der 
verschiedenen  Aetiologie  der  Dysenterie.  Gerade  in  der  letzten 
Zeit  ist  ja  bekanntlich  durch  die  Untersuchungen  von  Kruse 
diese  Frage  ihrer  Lösung  wesentlich  näher  gerückt.  Wir  wissen 
jetzt,  dass  die  Tropendysenterie  meist  durch  Amöben,  die  ein¬ 
heimische  Ruhr  in  der  Regel  durch  spezifische  Bazillen  hervor¬ 
gerufen  wird.  Dass  die  Ipecacuanha  gegen  Amöbendysenterie 
in  vielen  Fällen  hilft,  beweisen  die  Erfahrungen  der  Tropenärzte 
und  wird  durch  unsere  beiden  Beobachtungen  nur  wieder  be¬ 
stätigt.  In  wie  weit  hingegen  dies  Medikament  auf  die  bazilhii  o 
Ruhr  einen  Einfluss  hat,  ist  natürlich  eine  ganz  andere  Frage. 
So  sagt  Kruse3):  „Was  die  Behandlung  unserer  Ruhr  angeht, 
so  möchte  ich  hier  nur  feststellen,  dass  es  vorläufig  kein  Spe¬ 
zifikum  für  sie  gibt.“  Und  auf  persönliche  Anfrage  teilte  mir 
Herr  Professor  Kruse  freundlichst  mit,  dass  bei  der  Ruhiepi- 
demie,  die  er  im  Kreise  Ruhrort  zu  untersuchen  Gelegenheit  fand, 
Ipecacuanha  häufig,  aber  ohne  jeden  Erfolg  verabreicht  worden 
war.  Bei  der  Sammlung  weiterer  Erfahrungen  über  die  Behand- 

3)  Deutsche  Aerzteztg.,  15.  Jan.  1902. 

2 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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lung  der  Dysenterie  mit  Ipecacuänha  wäre  also  die  Frage  nach 
der  jeweiligen  Aetiologie  an  erster  Stelle  zu  berücksichtigen. 


Das  Heroinum  hydrochloricum  als  Anaphrosidiacum. 

Von  Dr.  Arthur  S  t  r  a  u  s  s,  Spezialarzt  für  Haut-  und  Harn¬ 
krankheiten  in  Barmen. 

Mitteilungen  über  die  anaphrodisierende  Wirkung  des  salz¬ 
sauren  Morpliindiessigsäureester,  der  unter  dem  Namen  Ileroi- 
num  hydrochloricum  von  den  Farbenfabriken  vorm.  Fr.  Bayer 
&  Co.  in  die  Therapie  eingeführt  worden  ist,  liegen  bisher  in  der 
Literatur  nicht  vor.  Alle  dieses  Mittel  betreffenden  Arbeiten  er¬ 
strecken  sich  auf  seine  Eigenschaft,  vorzugsweise  die  Respira¬ 
tionsorgane  zu  beeinflussen,  und  zwar  eine  hustenreizstillende 
Wirkung  auf  diese  auszuüben.  In  diesem  Sinne  wird  es  all¬ 
gemein  gelobt.  Nur  eine  Veröffentlichung  beschäftigt  sich  mit 
Versuchen  und  Erfahrungen  in  der  Gynäkologie,  diejenige 
Dr.  Mirtls  aus  dem  Maria-Theresia- Frauenhospital  in  Wien 
(Wiener  klin.  Rundschau  1899,  No.  29),  nach  welcher  das  Heroi¬ 
num  hydrochl.  schon  in  geringen  Dosen  ohne  Nebenwirkungen 
eine  prompte,  schmerzstillende  Wirkung  hei  para-  und  peri- 
metritischen  Entzündungen,  sowie  bei  Adnexerkrankungen  ent¬ 
faltete,  in  der  Form  von  in  die  Vagina  eingeführten  Tampons. 

Im  folgenden  möchte  ich  über  das  Resultat  meiner  Versuche 
berichten,  welche  ich  mit  dem  Heroinum  hydrochl.  bei  sexuellen 
Erregungszuständen,  sowie  bei  gesteigerten  und  schmerzhaften 
Erektionen  erzielte,  diese  so  häufigen  Begleiterscheinungen 
akuter  Entzündungen  der  Erkrankungen  der  Harnwege. 

Zunächst  prüfte  ich  das  Heroin  in  einer  Reihe  von  Fällen 
(10)  von  Pollutiones  nimiae.  Es  handelte  sich  zumeist  um  junge 
Leute,  welche  mich  mit  der  Klage  konsultierten,  dass  sie  allzu 
häufig,  zwei-,  drei-  bis  viermal  wöchentlich  an  nächtlichen  Samen¬ 
ergüssen  litten,  und  als  Folge  derselben  am  anderen  Tage  ein 
grosses  Schwächegefühl  hätten.  Häufig  klagten  diese  jungen 
Leute  auch  über  Kreuzschmerzen  und  mehr  oder  weniger  starkes 
Eingenommensein  des  Kopfes.  In  allen  diesen  Fällen  nahmen 
die  Pollutionen  unter  der  Einwirkung  des  Heroin  an  Häufigkeit 
schnell  ab.  In  einem  Falle,  bei  einem  21jährigen  jungen  Manne, 
der  fast  nächtlich  von  Pollutionen  geplagt  wurde,  war  in  der 
nächsten  Woche  keine  einzige  aufgetreten,  und  zwar  unter  der 
Einwirkung  von  je  0,01  ITeroin  als  Pulver  abendlich  genommen. 
Auch  in  den  folgenden  Wochen  waren  die  Pollutionen  selten  und 
das  Befinden  besserte  sich  zusehends.  Im  allgemeinen  gab  ich’ 
in  der  ersten  Woche  jeden  Abend  ein  Pulver  und  liess  dann,  je 
nach  der  Häufigkeit,  2 — 3  Abende  pausieren.  Natürlich  liess  ich 
auch  allgemeine  Vorschriften  (Schlafen  auf  harter  Matraze,  auf 
der  Seite,  nicht  zu  kräftige  Mahlzeiten  Abends,  Vermeiden 
geistiger  Getränke,  kalte  Abreibungen,  oft  auch  lauwarme)  be¬ 
obachten.  In  diesen  Fällen  habe  ich  konstatieren  können,  dass 
das  Heroin  von  derselben  guten  Wirkung  ist,  wie  das  Bromkali 
in  Verbindung  mit  Kampher  und  Lupulin,  ohne  die  Ueber- 
zeugung  gewonnen  zu  haben,  dass  es  vor  diesen  Mitteln  einen 
besonderen  Vorzug  hätte. 

Eine  zweiteGruppe  vonFällen  erstreckte  sich  auf  jene  Formen 
von  sexueller  Neurasthenie,  in  denen  es  infolge  von  geschlecht¬ 
lichen  Ausschweifungen  zu  physischer  Impotenz,  zu  Samenfluss 
und  jenen  nervösen  Beschwerden  gekommen  war,  die  meist  die 
Folge  von  Onanie  sind:  Schwäche,  Mangel  an  Selbstbewusstsein, 
Kopfschmerzen,  Müdigkeit,  Gedächtnisschwäche  etc.  Hier  wirkte 
in  4  Fällen  das  Heroin  nicht  so  prompt,  wie  in  den  Fällen  ge¬ 
steigerter  Pollutionen,  ln  einem  Falle  liess  es  ganz  im  Stiche; 
die  hier  vorhandene  Spermatorrhöe  wich  nicht,  obwohl  ich  mit 
der  Heroinbehandlung  (abendlich  ein  Suppositorium  ä  0,01)  In¬ 
stillationen  mit  Arg.  nitric.  auf  den  Samenhügel  verband.  Da¬ 
gegen  hatte  es,  in  derselben  Form  angewandt,  in  einem  anderen 
Falle  eine  schnelle  und  nachhaltige  Wirkung.  Auch  hier  war 
namentlich  die  in  Folge  von  exzessiver  Onanie  aufgetretene  Sper- 
matorrhöe  zu  bekämpfen,  die  so  stark  war,  dass  sogar  bei  Husten- 
stössen  und  beim  Springen  Entleerungen  von  Samen  erfolgten. 
Hier  trat  schon  nach  3  Suppositorien,  ä  0,01  abend¬ 
lich  eingeführt,  eine  bedeutende  Besserung  ein.  Der  be¬ 
treffende  junge  Mann  ist  im  Verlauf  einiger  Wochen  völlig  ge¬ 
heilt  worden.  In  den  beiden  anderen  Fällen  genügte  Heroin 
(abendlich  0.01)  allein  nicht,  die  Spermatorrhöe  zu  beseitigen. 
Erst  in  Verbindung  mit  örtlicher  Behandlung  und  allgemeinen 


diätetischen  und  hygienischen  Massnahmen  vollzog  sieh  die  Hei¬ 
lung. 

Eine  dritte  Gruppe  von  Erkrankungen  der  Harnwege  betraf 
das  grosse  Gebiet  der  Gonorrhöe,  namentlich  der  akuten  und 
subakuten,  mit  ihren  Begleiterscheinungen,  wie  Nebenhoden- 
entzündung,  Voi Steherdrüsenentzündung,  Erkrankungen  der  hin¬ 
teren  Harnröhre  und  der  Blase.  In  etwa  20  Fällen  der  ver¬ 
schiedensten  Art  gab  ich  das  Heroin  zur  Beseitigung  von  Erek¬ 
tionen,  von  Schmerzen  in  den  IToden  resp.  in  der  Harnröhre  bei 
akuter  Entzündung,  sowie  bei  Blasenkatarrh ;  ferner 
bei  den  Beschwerden,  die  mit  der  Vorsteherdrüsenent¬ 
zündung  einhergehen.  Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich 
diese  Fälle  einzeln  ausführen.  Fast  stets  sah  ich  gute  Erfolge. 
Die  Schmerzen  liessen  nach,  die  Erektionen  desgleichen,  die 
Kranken  wurden  ruhiger  und  auch  die  entzündlichen  Erschei¬ 
nungen  schienen  mir  günstig  beeinflusst  worden  zu  sein.  Es 
ist  selbstredend,  dass  eine  allgemeine  und  örtliche  Behandlung 
die  Hauptbehandlung  bildete,  aber  es  ist  jedenfalls  das  Heroin 
ein  wichtiges  Unterstützungsmittel  derselben  und  es  kann  auch 
hier  in  abendlichen  Dosen  ä  0,01  innerlich  oder  in  der  Form  von 
Suppositorien  warm  empfohlen  werden. 

Endlich  prüfte  ich  das  Heroin  bei  operativen  Eingriffen,  bei 
denen  Erektionen  und  Schmerzen  im  Gefolge  sind,  namentlich 
nach  Phimosenoperationen,  welche  unter  dem  Verbände  oft 
schmerzhafte  Erektionen  und  Schlaflosigkeit  zur  Folge  haben, 
liier  wirkt  das  Fleroin  sehr  besänftigend,  beruhigend  und 
schlafbringend.  Ich  konnte  das  mehrfach  eklatant  fest¬ 
stellen,  wenn  ich  zunächst  nichts  gab  und  unruhige  Nächte 
folgten.  Eine  Dosis  von  0,01  Heroin  brachte  den  Operierten 
Erquickung,  die  sie  sofort  meist  am  nächsten  Tage  ungefragt 
konstatierten.  Einigemale  wirkte  es  besser  als  Sulfonal  oder 
Bromkali. 

Nach  allen  diesen  Versuchen  eignet  sich  das  Heroin  jeden¬ 
falls  ausgezeichnet  für  alle  jene  Fälle  in  der  Urologie,  bei  denen 
i  es  sich  darum  handelt,  anaphrodiatisehe  Zustände,  sowie  auch 
j  entzündliche,  und  schmerzhafte  Erscheinungen  günstig  zu  beein¬ 
flussen.  In  allen  Fällen  wurde  es  anstandslos  vertragen;  irgend¬ 
welche  unangenehme  Nebenwirkungen  wurden  niemals  be¬ 
obachtet.  Auch  auf  den  Verdauungstraktus  blieb  es  ohne  den 
ungünstigen  obstipierenden  Einfluss  des  Morphins.  Es  kann, 
weil  es  der  unangenehmen  Nebenwirkungen  dieses  Mittels  er¬ 
mangelt,  als  ein  vorzügliches  anaphrodisierendes,  sowie  bei  opera¬ 
tiven  Eingriffen  und  bei  Entzündungen  der  Harnwege  als  reiz- 
lind  schmerzstillendes  Ersatzmittel  desselben  empfohlen  werden, 
sowohl  in  der  Form  von  innerlichen  Gaben,  als  auch  in  der¬ 
jenigen  von  Suppositorien. 


Aus  dem  Laboratorium  der  Krankenhausapotheke  München  r/1. 

Die  Dauerhefepräparate  des  Handels. 

Von  Oberapotheker  Dr.  phil.  Rudolf  Rap  p. 

In  der  medizinischen  Presse  und  auch  in  dieser  Zeitschrift 
ist  schon  des  öfteren  der  therapeutische  Wert  der  Hefe  be¬ 
handelt  worden.  Unbestritten  steht  ihr  Erfolg  bei  Furunkulose, 
Obstipationen  und  bei  Katarrhen  der  Vagina;  empfohlen  wird 
Hefe  ferner  bei  Anthrax,  Akne,  Skorbut,  selbst  akuten  Infek¬ 
tionskrankheiten,  dann  bei  Diabetes  und  Krebs.  Es  finden  aber 
auch  Aufzeichnungen  von  schädlichen  Folgen  nach  Hefeein¬ 
nahme,  herbeigeführt  durch  Weiterwuchern  der  eingeführten 
Hefemassen,  in  der  Literatur  Erwähnung. 

liefe  lässt  sich  nur  kurze  Zeit  auf  bewahren;  selbst  im  Eis¬ 
schranke  nimmt  sie  bald  unangenehmen,  käseartigen  Geruch  an. 
Man  wird  schon  deshalb  zu  medizinischer  Verwendung  den 
Dauerhefepräparaten  den  Vorzug  geben  müssen.  Von  solchen 
sind  verschiedene  im  Handel;  auf  Grund  mehrjähriger  Erfahrung 
auf  diesem  Gebiete  sollen  im  folgenden  vergleichende  Versuche 
über  die  bekanntesten  unter  ihnen  mitgeteilt  werden.  Zunächst 
aber  seien  einige  allgemeine  Gesichtspunkte  für  die  Herstellung 
medizinisch  brauchbarer  Hefepräparate  erörtert. 

Der  therapeutische  Wert  der  Hefe  beruht  nicht  direkt  auf 
den  Lebensvorgängen  derselben,  sondern  scheint  durch  ihren 
Gehalt  an  Enzymen  bedingt  zu  sein.  In  einer  ausführlichen  Ex- 
perimen t al u ntersuchung  über  die  „Einwirkung  steriler  Dauerheft' 
auf  Bakterien“  hat  L.  G  e  r  e  t ')  gezeigt,  dass  auch  getötete,  aber 


’)  Münch,  meil.  Wochensehr.  1901,  No.  40. 


9.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICI  NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1495 


noch  gärkräftige  Dauerhefe  in  vitro  bei  Zuckerzusatz  eine  bak¬ 
terizide  Wirkung  ausübt.  Die  Lebenstätigkeit  ist  also  dazu 
durchaus  nicht  nötig.  Da.  ferner  gärunwirksame  sterile  Dauer¬ 
hefe  oder  gä  wirksame  ohne  Zuckerzusatz  eine  viel  geringere 
Wirkung  äussern,  so  muss  man  schliessen,  dass  der  Gärungs¬ 
vorgang  als  solcher  mit  der  bakteriziden  Wirkung  zusammen¬ 
hängt.  Die  alkoholische  Gärung  des  Zuckers  wird  nun  nicht, 
wie  man  früher  glaubte,  durch  die  Lebenstätigkeit  der  Ilefezellen 
bewerkstelligt,  sondern,  wie  E.  Büchner  1897  zeigte,  durch 
ein  abtrennbares  Enzym,  die  Zymase.  Die  Erhaltung  der  Zymase 
muss  also  für  ein  Verfahren,  welches  medizinisch  brauchbare 
llefoprä parate  liefern  soll,  erste  Bedingung  sein.  Für  die  Wir¬ 
kung  der  Dauerhefe  dürften  ferner  auch  die  in  den  Zellen  vor¬ 
handenen  proteolytischen  Enzyme  grosse  Wichtigkeit  besitzen, 
welche  Martin  H  a  h  n  ')  zuerst  im  Pressaft  aus  Bierhefe  nach¬ 
gewiesen  und  gemeinschaftlich  mit  L.  Ger  et3)  unter  dem 
Namen  Hefe-Endotrypsin  ausführlich  beschrieben  hat.  Diese 
ei  weissverdauenden  Enzyme  scheinen  wirkliche  Kampfenzyme  zu 
sein,  welche  mit  den  Hefezellen  konkurrierende  Organismen, 
z.  B.  Bakterien,  zurückdrängen  und  sie  in  ihren  Lebensäusse- 
rungen  hemmen.  Sie  wirken  bei  niederen  Temperaturen  (10  bis 
25  0  C.)  langsam,  viel  stärker  aber  zwischen  30  und  45  0  C.  und 
werden  erst  bei  55  bis  60  0  C.  zerstört ;  sie  sind  bedeutend  re¬ 
sistenter  als  die  Zymase,  welche  schon  bei  35  bis  40°  C.  ziemlich 
rasch  vernichtet  wird,  wahrscheinlich  infolge  Verdauung  durch 
das  gleichzeitig  anwesende  Endotrypsin.  Diese  verdauende  Wir¬ 
kung  des  letzteren  Stoffes  tritt  natürlich  nur  bei  Gegenwart  von 
Wasser  in  Erscheinung,  nicht  also  in  einem  möglichst  ge¬ 
trockneten  Präparate. 

Die  Zymase  repräsentiert  von  allen  bisher  bekannten  Inhalt¬ 
stoffen  der  ITefe  den  unbeständigsten,  welcher  am  leichtesten 
zerstört  wird.  Ihre  Anwesenheit  in  einem  Hefepräparate  bildet 
demnach  einen  guten  Beweis  für  zweckmässiges  und  schonendes 
Verfahren  bei  Herstellung  derselben;  wenn  die  Zymase  gärkräftig 
erhalten  blieb,  werden  auch  die  übrigen  Zellinhaltsstoffe  noch 
unverändert  vorhanden  sein. 

Für  die  therapeutische  Verwendung  ist  endlich  das  Vor¬ 
handensein  lebender  Hefezellen  in  einem  Hefepräparat  keines¬ 
wegs  wünschenswert ;  bei  Verabreichung  per  os  können  Ver¬ 
dauungsstörungen  eintreten;  besonders  bedenklich  sind  solche 
Präparate  aber,  wenn  es  sich  um  Ausspülungen  innerer  Körper¬ 
höhlen  handelt,  wie  in  der  Gynäkologie. 

Auf  Grund  dieser  Betrachtungen  sollen  die  gegenwärtig  be¬ 
kanntesten  Hefepräparate  nunmehr  einem  Vergleiche  unterzogen 
werden.  Als  für  medizinische  Zwecke  ungeeignet,  weil  bei  der 
Bereitung  die  wichtigsten  Enzyme  zerstört  wurden,  scheiden  so¬ 
fort  die  durch  Extraktion  aus  Hefezellen  hergestellten,  als  Ersatz 
für  Fleischextrakt  dienenden  Genussmittel,  wie  Aubron,  Siris, 
Wuk,  Ovos  u.  s.  w.  aus.  Es  verbleiben  dann  d  i  e  Präparate, 
welche  im  wesentlichen  aus  den  ILefezellen  selbst  bestehen.  Hin 
Hefe  haltbar  zu  machen,  muss  der  Wassergehalt  derselben, 
welcher  in  frischem  Zustande  60 — 70  Proz.  beträgt,  auf  ein 
Minimum  herabgesetzt  werden.  Dies  gelingt  auf  zwei  Wegen. 
Entweder  werden  die  Hefezellen  zunächst  bei  Zimmertemperatur, 
dann  bei  30  0  und  erst  schliesslich  bei  höherer  Temperatur  ge¬ 
trocknet;  die  Zellen  bleiben  dabei  in  der  Regel  trotz  aller  Aus¬ 
trocknung  am  Leben  und  vermehrungsfähig.  Oder  man  trägt, 
die  durch  Abpressen  äusserlich  getrocknete  Hefe  in  wasserent- 
zichende,  aber  sonst  möglichst  indifferente  Mittel  —  als  solches 
hat  sich  besonders  das  Azeton  bewährt  —  ein,  wäscht  dann  mit 
Aether  und  trocknet  schliesslich  bei  45 0  C. ;  die  Hefezellen 
werden  dabei  durch  das  Eindringen  des  wasserentziehenden 
Mittels  getötet  und  können  sich  nicht  mehr  vermehren. 

Nach  dem  ersten  Verfahren  sind  bcispielweise  folgende  Ilcfe- 
präparate  hergestellt : 

a)  Furonculine  oder  trockenes  Bierhefepräparat,  Verfahren 
von  H.  de  Pury,  dargestellt  von  der  A.-G.  für  industrielle  Bak¬ 
teriologie  La  Zyma  in  Montreux.  Dasselbe  stellt  mikroskopisch 
ein  Gemisch  von  getrockneten  Ilefezellen  und  von  Stärke  dar. 4) 


-)  Berichte  d.  Deutsch,  chemischen  Gesellschaft  31,  200  (1898).. 

3)  Zeitschr.  f.  Biologie  40,  117  (1900). 

4)  Nach  Abschluss  dieser  Arbeit  wurde  mir  noch  ein  Hefe¬ 
präparat,  genannt  „Levurinose“,  übersandt.  Dasselbe  ist  sowohl 
iiusserlich,  als  auch  in  seiner  Zusammensetzung  der  Furonculine 
vollständig  nachgebildet.  Es  muss  als  eine  schwer  zu  kon¬ 
trollierende  Mischung  von  Hefezellen  und  Stärke  be¬ 
zeichnet  werden. 


b)  Levure  de  Biere  Seeurite,  dargestellt  von  Societe  anonyme 
„Seeurite“  in  Tirlemont  (Belgiquo). 

c)  Bierhefetabletten  nach  Prof.  Dr.  Boos  in  Freiburg  i.  B., 
bezogen  durch  die  Glockenapotheke  in  Freiburg. 

d)  Hefetabletten,  bezogen  von  einer  Münchner  Firma. 

Nach  dem  zweiten  Verfahren  kommt  ein  Präparat  in  den 

Handel : 

e)  Sterile  Azeton-Dauerhefe  (Zymin),  hergestellt  von  Anton 
Schröder.  München.  Landwehrstrasse  43.  Die  Bereitungs¬ 
weise  ist  kürzlich  von  R.  Albert,  E.  Büchner  und  dem 
Verfasser  an  anderer  Stelle  ausführlich  beschrieben  worden5). 

Die  fünf  Dauerhefepräparate  sind  vergleichend  untersucht 
worden  auf : 

I.  Wassergehalt, 

II.  Gärkraft. 

III.  Keimgehalt, 

IV.  verdauende  Wirkung, 

V.  bakterizide  Wirkung. 

Eine  Zusammenstellung  der  Resultate  findet  sich  im  fol¬ 
genden  : 

I.  Wassergehaltsbestim  in  u  n  g. 

Dieselbe  wurde  bei  105  0  C.  bis  zur  Gewichtskonstanz  aus¬ 
geführt. 

Gefunden  Trockensubstanz  fyezw.  Wassergehalt 


a)  Furonculine . 

87,6 

Proz. 

12,4 

b)  Levure  de  biere ,  Söcurite  . 

90,7 

9,3 

c)  Hefetabletten  n.  Prof.  Roos 

87,9 

12,1 

d)  Münchner  Hefetabletten  .  . 

88,5 

11,5 

e)  Sterile  Azetondauerhefe  (Zymin) 

94,5 

5,5 

Je  trockener  ein  Hefepräparat  ist,  je  trockener  es  aufbewahrt 
wird,  desto  länger  halten  sieh  die  Enzyme  wirksam,  desto  weniger 
treten  die  proteolytischen  Enzyme  in  Aktion. 


II.  G  ä  r  k  r  a  f  t  b  e  s  t  i  m  m  u  n  g. 


Dieselbe  wurde  in  der  Weise  angestellt,  dass  je  2  g  Hefe  und 
4  g  Rohrzucker  mit  10  ccm  Wasser  angerührt  und  in  Erlenmeyer- 
külbehen  von  100  g  Inhalt  mit  Meissl  schein  Schwefelsäurever- 
schluss  und  B  u  n  s  e  n  schein  Gummiventil  der  CO.,- Verlust,  durch 
Wägen  vor  und  nachher  bestimmt  wurde.  Um  eine  Vermehrung 
der  Hefezellen  und  Bakterien  hinanzulialten,  wurde  Tliyinol  und 
Toluol  beigegeben.  Am  Schlüsse  wurde  die  in  den  Gärkölbchen 
angesammelte  Kohlensäure  durch  Luft  verdrängt.  Auf  gestellt 
wurden  die  Proben  bei  22 — 24  0  C. 


Bestimmung  I 


a)  Furonculine  ........  0 

b)  Levnre  de  biere,  Söcuritö  .  .  0,6  g  CO2 

c)  Hefetabletten  n.  Prof.  Roos  0 

d)  Münchner  Hefetabletten  .  .  0 

e)  Sterile  Azetondauerhe  fe(Zymin)  1,06  gC04 


Gärungsvermögen  besitzt  demnach  nur 
(Zymin)  und  Levure  de  liiere  Seeurite. 


Bestimmung  II 


0,5 


c 


0 

g  CO2 
0 
0 

1,10  gC02 
Azeton-Dauerhefe 


ifjO 

d  a  d 
ö  ö 


bo 

e 

5, 

G 


III.  II  e  b  e  r  den  Kei  m  g  e  li  a  1 1. 

Je  0,5  g  fein  gepulverte  Substanz  wurde  in  5  ccm  sterilem 
Wasser  gleic-hmässig  verteilt.  H  i  e  r  v  o  n  wurden 

je  0,1  ccm  steril  in  je  2  Röhrchen  Bierwürze, 

je  0,5  ccm  steril  in  je  2  Röhrchen  Bierwürze-Gelatine, 

je  0,1  ccm  steril  in  je  2  Rökrclien  Fleischwasser-Gelatine 

gegeben  und  in  bekannter  Weise  mittels  des  Plattenverfalirens 
untersucht. 

(Tabelle  siebe  nächste  Seite.) 

Furonculiue  und  Levure  de  biere  Seeurite  enthalten  nach  diesen 
Untersuchungen  grosse  Mengen  von  lebenden  Hefezellen;  ebenso 
bedeutend  ist  bei  beiden  der  Gehalt  an  Bakterien.  Azeton-Dauer¬ 
hefe  (Zymin)  hingegen  ist  frei  von  lebenden  Hefezellen  und  ent¬ 
hält  nur  wenige  Bakterien,  wie  solche  z.  B.  jedes  Trinkwasser  in 
dieser  Menge  aufweist. 

IV.  Verdau  ungsversuc  h  e. 

Nach  einigen  Vorversuchen  wurden  dieselben  ausgeführt 
a)  durch  einfaches  Ueberscliichten  von  Hefeauszügen  über  Karbol¬ 
gelatine  oder  b)  durch  Verdauenlassen  von  Fibrin. 

a)  4  g  des  Hefepräparates  wurde  mit  12  ccm  Wasser  und  etwas 
Thymol  bei  25°  C.  36  Stunden  lang  aufgestellt.  Nach  dieser  Zeit 
wurden  die  Proben  zentrifugiert  und  filtriert.  Von  diesem  Filtrat 
wurde  je  1  ccm  über  5  proz.  Karbolgelatine  in  möglichst  gleich- 
weiten  Röhrchen  überschichtet.  In  die  Flüssigkeit  wurde  ein 
Stückchen  Thymol  gegeben.  Die  Grenze  zwischen  Flüssigkeit 
und  Gelatine  wurde  markiert.  Die  Proben  wurden  bei  Zimmer¬ 
temperatur  gehalten.  Ausserdem  wurde  nach  Schluss  des  Ver¬ 
suches  die  verflüssigte  Schicht  abgegossen  und  zur  Wägung  ge¬ 
bracht. 

b) .  Feuchtes,  ausgewaschenes  Fibrin  wurde  mit  dem  doppelten 
Gewichte  des  o.bigen  Auszuges  bei  37°  C.  aufgestellt  und  die 
Verdauung  beobachtet.  Als  Antiseptikum  diente  hier  Chloroform 
und  Thymol. 


9 


Berichte  d.  Deutsch,  chemischen  Gesellschaft  35,  2376 


(1902). 


2* 


1406 


MUENCIIENER  MED1CINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Es  ergab 

in  Bierwürze 

in  Bierwürze-Gelatine 

in  Fleisch wasser  Gelatine 

a)  Furonculine 

Gärung  am  2.  Tage 

19  200  Hefekolonien  in  je  0,1  g 
Substanz 

in  je  0,1  g  Substanz  42  240  Kolon. 

b)  Levure  de  biere,  Securitö 

Gärung  am  2.  Tage 

13  200  Hefekolonien  in  je  0,1  g 
Substanz 

20  280  Kolonien. 

c)  Hefetabletten  nach  Prof.  Roos 

keine  Gärung  nach  10  Tagen 

1500  Kolonien  einer  Torula- 
art;  ausserdem  Schimmel  und 
Mykoderma 

300  Gelatine  nicht  verflüssigende 
Kolonien. 

1  Gelatine  verflüssigende  Kolon. 

d)  Münchner  Hefetabletten 

in  einer  Probe  Gärung  am  4.  Tage 

mehrere  Hefekolonien  und  Ober¬ 
flächenschimmel 

1  verflüssigende  Kolonie. 

e)  Sterile  Azetondauerhefe  (Zymin) 

keine  Gärung  nach  10  Tagen 

keine  Hefekolonien 
Oberflächenschimmel 

12  verflüssigende  Kolonien. 

Verflüssigte  Gelatine¬ 
schicht  nach  14  Tagen 

Fibrin 

bei  3T°  C. 

verdaut 

nach  4  Tg. 

in  mm 

in  g  ange¬ 
geben 

a)  Furonculine  .  .  . 

4 

1,12 

nicht 

b)  Levure  de  biere,  Securite  .  . 

10 

1,92 

gut 

c)  Hefetabletten  n.  Prof.  Roos 

18 

3,81 

gut 

d)  Steril e Azeton dauerhef e (Zymin) 

14 

2,45 

gut 

Y.  Bakterizide  Wirkung. 

ln  No.  4(5  der  Münchener  ined.  Wochenschrift  1901  hat 
L.  G  e  r  e  t.  solche  Versuche  mit  steriler  Dauerhefe  veröffentlicht. 
Meine  Versuchsanordnung  war  dieselbe.  In  2,5  ccm  Bouillon  und 
2.5  ccm  40  proz.  Rohrzuckerlösung  und  einer  Spur  CaCo3  (alles 
steril)  wurde  ein  Tropfen  einer  eintägigen  Typhus-  oder  Staphylo¬ 
kokkusbouillonkultur  und  1  g  der  präparierten  Hefe  gleiclimässig 
verteilt.  Da,  wie  bei  dem  Kapitel  über  den  Keimgehalt  mitge-^ 
teilt  wurde,  Furonculine  und  Levure  de  biere  eine  grosse  Menge* 
von  lebenden  Hefezellen  enthalten,  in  der  Azeton-Dauer- 
liele  (Zymin)  aber  keine  vorhanden  sind,  so  konnte  keine  ver¬ 
gleichende  Untersuchung  angestellt  werden,  bevor  die  zu  unter¬ 
suchenden  Präparate  nicht  in  dieser  Hinsicht  einigermassen  ein- 
nnder  gleichgestellt  waren.  Um  dies  zu  erreichen,  liess  ich  auf 
jedes  Präparat  15  Minuten  lang  Azeton  und  nach  dem  Absaugen 
15  Minuten  lang  Aether  einwirken.  Dadurch  wurden  wohl  die 
1  eben, <1  eil  Hefezellen  in  den  Präparaten  abgetötet,  die  vor¬ 
handenen  Enzyme  jedoch  nicht  geschädigt,  was  dadurch  bewiesen 
wird,  dass  Levure  de  biöre  Securite  nach  dieser  Behandlung  noch 
stark  bakterizide  Wirkung  zeigte  (siehe  die  Tabelle).  Als  Kon¬ 
trolle  zu  diesen  Versuchen  diente  dieselbe  Hefe,  die  bei  100°  C. 
io  Stunden  lang  erhitzt  worden  war.  Levure  de  biere  Securite  und 
Azeton-Dauerhefe  (Zymin)  mussten  sogar  noch  höher,  und  zwar 
auf  120°  c,  erhitzt  werden,  bis  die  ganze  Gärkraft  verloren  ging; 
dann  war  in  allen  Präparaten  kein  Enzym  und  dementsprechend 
auch  keine  bakterizide  Wirkung  mehr  naehzuweisen. 


a)  Versuche  mit  Bacill.  Typh. 


Proben  entnommen: 

Sofort 

nach 

Aussaat 

nach 

6  Stun¬ 
den 

nach 

24Stun- 

den 

nach 

48Stun- 

den 

a)  Furonculine . 

3  240 

10  680 

21  840 

Kol.  pro  Oese 

CD 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

1  920 

39  120 

51360 

CD 

b)  Levure  de  biere,  Sdcurite  .  . 

1550 

420 

160 

9 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

3  720 

4  320 

10  920 

CD 

c)  Hefetabletten  n.  Prof.  Roos 

9  840 

8  520 

13  920 

CD 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

11  040 

13  920 

24  000 

CD 

d)  Sterile  Azetondauerhefe  (Zymin) 

10  200 

1476 

0 

0 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

12  360 

24  200 

CD 

CD 

b)  Versuche  mit  Stap 
a)  Furonculine . 

tiylococ< 
3  360 

3.  pyoge 

1  680 

n.  aur. 

37  680 

CD 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

3  600 

11520 

CD 

C/D 

b)  Levure  de  biere,  Securite 

5  520 

1620 

12 

2 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

9  840 

51840 

CD 

CD 

c)  Hefetabletten  n.  Prof  Roos 

3  480 

18  240 

CD 

CD 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

3  600 

46  080 

CD 

cn 

d)  Sterile Azetondauerhefe(Zymin) 

2  880 

1  440 

4 

2 

„  erhitzt,  als  Kontrolle 

9  960 

30  480 

CD 

CD 

ln  Uebereinstimmung  mit  den  Resultaten  von  L.  Ger  et  er¬ 
gibt  scli  aus  diesen  Tabellen,  dass  nur  gärwirksame  Ilefezellen 
von  den  hier  untersuchten  Hefepräparaten  Azeton-Dauerhefe 
(Zymin)  und  Levure  de  Biere  Securitß  —  pathogene  Keime  abzu¬ 
töten  vermögen,  während  nicht  gärkräftige  oder  durch  Erhitzen  der 
Zymase  beraubte  Hefenpräparate  diese  Eigenschaft  entbehren. 


Schliesslich  seien  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  dieser 
fünf  Dauerhefepräparate  kurz  zusammengestellt: 

I.  Den  geringsten  Wassergehalt  besitzt  weitaus  Azeton- 
Dauerhefe  (Zymin),  dann  folgt  Levure  de  Biere  Securite  mit 
um  zwei  Drittel  vergrössertem  Wassergehalt. 

II.  Die  höchste  Gärkraft  kommt  Azeton-Dauerhefe  (Zymin) 
zu,  dann  folgt  Levure  de  Biere  Securite  mit  etwa  halb  so  grosser 
Gärwirkung;  die  übrigen  Präparate  zeigen  überhaupt  keine  Gär¬ 
kraft. 

III.  Als  pi*aktisch  steril  und  insbesondere  frei  von  lebenden 
Ilefezellen  können  nur  die  Azeton-Dauerhefe  (Zymin)  und  die 
Hefetabletten  der  Münchener  Firma,  die  aber  keine  Gärkraft 
besitzen,  bezeichnet  werden.  Levure  de  Biere  Securite  enthält 
grosse  Mengen  lebender  Hefe. 

IV.  Die  verdauende  Wirkung  war  am  stärksten  bei  den  Hefe¬ 
tabletten  nach  Prof.  R  o  o  s,  die  aber  überhaupt  keine  Gär¬ 
wirkung  und  grosse  Mengen  lebender  Hefe  aufweisen;  dann  folgt 
Azeton-Dauerhefe  (Zymin). 

V.  Bakterizide  Wirkung  besitzen  nur  Azeton-Dauerhefe 
(Zymin)  und  Levure  de  Biere  Securite,  welch  letztere  aber  den 
Nachteil  eines  hohen  Gehaltes  an  lebenden  Hefezellen  auf  weist. 

Als  Gesamtresultat  ergibt  sich  demnach  eine  beträchtliche 
1  Überlegenheit  der  Azeton-Dauerhefe  (Zymin). 


Zur  Darmwirkung  des  Atropins. 

Von  Dr.  Paul  Ostermaier  in  München. 

Unter  diesem  Titel  berichtete  ich  vor  IVa  Jahren  in  dieser 
Wochenschrift  (No.  49,  1900)  über  die  auffallend  günstige  Wir¬ 
kung,  die  ich  durch  Atropin  in  einem  Falle  von  mechanischem 
Ileus,  sowie  in  verschiedenen  Fällen  von  Darmfunktionsstörungen 
beobachtete.  Einen  Fall  jedoch  verwertete  ich  damals  nicht, 
da  ich  ihn  nicht  auf  Rechnung  des  Atropins  setzen  zu  dürfen 
glaubte,  sondern  ein  zufälliges  post  hoc  vermutete!  Es  war  fol¬ 
gender  : 

30.  IX.  1900.  P.  L.,  Pfründner,  68  Jahre,  klagte  seit  ca.  5  Stun¬ 
den  über  schmerzhafte  Anschwellung  in  der  rechten  Leistengegend. 
Daseihst  taubeneigrosse,  nicht  besonders  druckempfindliche  Hern, 
incarc.  Allgemeinbefinden  ungestört.  Nach  viertelstündigem 
vergeblichem,  schonendem  Taxisversuch  1  mg  Atrop.  sulf.  sub¬ 
kutan  in  der  Nähe  der  Bruchpforte.  Nachdem  die  Spritze  gereinigt 
und  wieder  verpackt  war,  war  die  Hernie,  als  ich  nun  wieder  mit 
der  Taxis  beginnen  wollte,  verschwunden. 

Seither  konnte  ich  jedoch  folgende  weitere  5  Fälle  beob¬ 
achten  : 

28.  I.  1901.  ,T.  N..  Pfründner,  80  Jahre.  Seit  langer  Zeit  be¬ 
steht  rechtsseitige  irreponible,  kleinkindskopfgrosse  Inguinalhernie, 
die  sich  seit  3  Stunden  jedoch  erheblich  vergrössert  hatte  und  sehr 
schmerzhaft  wurde.  Ebensolange  besteht  Brechneigung,  zu¬ 
nehmende  Auftreibung  des  Leibes,  Sistieren  der  Flatus.  Pat.  hat. 
schon  seit  2  Stunden  am  Bruche  „fest  herumgedrückt“.  Der  prall¬ 
gespannte  Skrotalbrucli  ist  inkarzeriert,  an  der  Bruchpforte  sehr 
druckempfindlich.  Puls  10S,  klein,  unregelmässig.  Keine  Taxis, 
dagegen  1  mg  Atr.  subkutan,  diesmal  in  den  Vorderarm.  Beim 
nunmehrigen  Ergreifen  der  Hernie  ohne  Taxisversuch  sofortige 
spontane  Reposition  mit  subjektiver  und  objektiver  Besserung; 
Puls  76,  voll,  regelmässig.  Am  21.  IV.  01  Wiederholung  der  Ein¬ 
klemmung  unter  fast  gleichen  Erscheinungen.  Diesmal  wollte  ich 
es  ohne  Atropin  probieren.  Taxis  zuerst  ohne,  dann  mit  Chloro¬ 
formnarkose.  Eine  halbstündige  Arbeit,  die  zum  Glück  dem  Pat. 
nicht  schadete,  benimmt  mir  alle  Lust  zu  event.  weiteren  Ver¬ 
gleichen. 

6.  II.  01.  A.  N.,  Pfründner,  66  Jahre.  Nach  mehrstündigem 
heftigem  Hustenreiz  plötzliches  Auftreten  einer  hühnereigrossen, 
schmerzhaften  Geschwulst  in  der  linken  Leistengegend.  Seit 
7  Stunden  besteht  Hern,  inguin.  incarc.  sin.  mit  Auftreibung  des 


9.  September  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Abdomens  Erbrechen,  Gassperre;  Puls  102,  ziemlich  voll,  regel- 
massig  Keine  Taxis;  1  mg  Atr.  subkutan  in  den  Yorderanir 
<  ine  halbe  Stunde  spater  abermals  1  mg.  Nach  etwa  2  Minuten 
Puls  96°  eP°Siti0n  Uml  Wiedereintritt  völligen  Wohlbefindens“ 

i  i i i.i ’  iW  R->  rii\  atiere,  50  Jahre.  Seit  ca.  10  Stunden 
>esteht  sehr  schmerzhafte,  taubeneigrosse,  prallgespannte,  linlts- 
seitige,  mkarzerierte  Leistenhernie.  Pot.  hat  sich  früher  schon 
-“jj?  e^folö reich  mit  Taxis  selbst  behandelt.  Diesmal  jedoch 
£ a.1'uckbnnfeilTgar  nicht  gelingen.  Allgemeinbefinden 
imgestoit,  Puls  normal.  Keine  Taxis,  1  mg  Atr.  in  den  Vorder¬ 
arm;  nach  einer  Viertelstunde  abermals  1  mg;  2  Stunden  später 
nochmals  2  mg,  diesmal  in  der  Gegend  der  Bruchpforte,  worauf 
lif1  (^Minuten  die  Hernie  spontan  zurückgeht.  In  den  nächsten 
Jagen  Klagen  über  grosse  Trockenheit  im  Munde,  sonst  kein» 
Storung.  ’ 

...  7-1J‘  °2-  W.  B„  Pfründnerin,  SO  Jahre,  klagt  seit  0  Stunden 

über  Schmerz  und  Schwellung  in  der  linken  Leiste,  wo  eine  wal¬ 
nussgrosse,  harte,  inkarzerierte  Cruralhernie  besteht,  Schwindel 
Krechnmgung,  Aufgetriebenheit  des  Leibes,  Sistieren  der  Flatus! 

uls  .L.,  gut.  Keine  Taxis;  ly,  mg  Atr.  sulf.  subkutan  in  die  Ge- 
gegend  der  Bruchpforte.  Nach  2  Minuten  Spontanreposition,  so- 
lort  Al  ohlbefinden.  Puls  84. 

S<?-  Efl'ülldnerin,  75  Jahre.  Seit  3  Stunden 
bringt  Pat.  ihren  Bruch  nicht  mehr  zurück,  was  ihr  sonst  leicht 
gelang.  Ls  handelt  sich  um  einen  rechtsseitigen,  ca  taubenei¬ 
grossen,  eingeklemmten  Schenkelbruch,  der  sehr  schmerzhaft  ist, 
Pei  deu  scll01ienden  Repositionsversuchen,  die  von 
Seite  der  Umgebung  gemacht  wurden,  laut  aufschreit.  Allgemein¬ 
befinden  nicht  gestört.  Keine  Taxis.  2  Minuten  nach  1  mg  Atr. 
subkutan  in  den  Vorderarm  Spontanreposition. 

Aus^  dem  Umstande,  dass  sich  in  allen  meinen  Fällen  (leider 
ist  die  Zahl  eine  sehr  kleine,  nur  6)  das  Atropin  so  vorzüglich 
bewährte,  bin  ich  nun  weit  entfernt,  den  Schluss  zu  ziehen,  es 
müsse  immer  so  gehen.  Es  mögen  die  Fälle  auch  recht  leichte 
gewesen  sein.  Die  Spontanreposition  gelang  4  mal  sofort  nach 
der  ersten,  1  mal  sofort  nach  der  zweiten  und  1  mal  sofort  nach 
der  dritten  Atropininjektion.  Ob  der  Ort  der  Injektionsstelle 
(Gegend  der  Bruchpforte  oder  Vorderarm)  dabei  von  Einfluss 
war,  möchte  ich  bezweifeln.  Eine  günstige  Beeinflussung  des 
Allgemeinzustandes  in  subjektiver  und  objektiver  Beziehung  trat 
stets  nach  der  ersten  Injektion  beinahe  momentan  ein.  Der 
Grund,  warum  ich  diese  Fälle  publiziere,  ist  jedoch  lediglich  der, 
die  Atropinfrage  wieder  in  Fluss  zu  bringen,  die  —  wie  ich 
sagen  möchte  leider  seit  Monaten  in  ein  unverdientes  Stocken 
geraten  ist. 

Die  Belladonna  stand,  hauptsächlich  in  Salbenform,  sel¬ 
tener  im  Klysma  verabreicht,  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  bei  eingeklemmten  Brüchen  in  hohem  Ansehen, 
und  zwar  nicht  nur  bei  erfahrenen  Praktikern,  sondern  auch 
bei  berühmten  Chirurgen.  Die  nicht  kleine,  oft  sehr  inter¬ 
essante,  meist  französische  Literatur  fst  aus  den  Arbeiten  von 
1  >  a  nzel  [1],  Hage  n  [2]  und  S  c  h  u  1  z  [3]  ziemlich  voll¬ 
ständig  zusammenzustellen.  Hier  möchte  ich  nur  hervorheben, 
dass  Reiche  [4]  seinerzeit  sich  äusserte:  „Seit  richtiger  An¬ 
wendung  der  Belladonna  wird  vielleicht  nicht  mehr  der  4.  Teil 
der  Herniotomien  gemacht  wie  früher“  und  dass  R  a  de¬ 
in  a  c  h  e  r  )  sehr  darüber  erbittert  ist,  dass  eine  so  vorzügliche 
Behandlung  unter  seinen  Kollegen  so  wenig  bekannt  ist.  Da 
man  aber  durch  die  Belladonnabehandlung  die  Herniotomie  er¬ 
setzen  wollte  oder  sie  wenigstens  viel  zu  lange  hinausschob,  so 
konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  erstere  immer  mehr  in  Miss- 
kredH-  und  schliesslich  beinahe  ganz  in  Vergessenheit  geriet. 
Allerdings  nur  beinahe,  denn  im  Jahre  1890  erschien  aus  dem 
Sc  hmiede  b  e  r  g  sehen  Laboratorium  zu  Strassburg  von  Kurt 
Hagen  [2]  eine  Arbeit,  in  deren  erstem  Teil  er  über  die  bei 
Inkarzerationen  durch  Belladonnapräparate  erzielten  Erfolge 
aus  der  Praxis  seines  Vaters  berichtet  und  die  er  in  einem 
zweiten  Teil  durch  Experimente  an  Katzen  und  Kaninchen 
pharmakologisch  zu  begründen  sucht.  Dies  ist  ihm,  soweit  ich 
zu  urteilen  vermag,  nun  auch  glänzend  gelungen.  Er  kommt  zu 
<  em  Schluss.  Die  Atropiuwirkung  beruht  auf  einer  Erregung 
der  Peristaltik,  die  1—2  Minute  nnach  der  Injektion 
gleichzeitig  mit  einer  Verengerung  der  Mesenterialgefässe  in  die 
Krscheinuitg  tritt. 

Während  nun  bei  der  Applikation  in  Salbenform  die  Wir- 
kung  erst,  sehr  spät  eintrat,  durchschnittlich  nach  18  Stunden, 

9  Rademachers  „Erfahrungsheillehre“  3.  Aufl.,  p.  121: 

,.  ",  scheint,  das  Praktischnützliche  unserer  heutigen  Literatur 
sinkt  in  der  Springflut  des  Unnützlichen  gar  leicht  zu  Boden  und 
entzieht  sich  den  Blicken  derer,  die  desselben  hoch  bedürftig 

waren. 

No.  36. 


1497 


wurde  die  Sache  schon  wesentlich  besser,  als  Hagen  scn.  an- 
hng,  Belladonnalösungen  zu  injizieren.  Bei  Dosen  von  0,05 — 0,2 
war  die  Durchschnittsdauer  nur  mehr  11,  um  sich  bei  den  Atrö- 
pimnjektionen  nach  einer  Gesamtdose  von  1 — iy2  mg  auf  4  bis 
5  Stunden  zu  verringern.  Die  Injektionen  wurden  meist  in 
3  4  ständigen  Zwischenräumen  in  Dosen  von  0,025—0,05  Extr. 
Bell,  und  %  mg  Atrop.  wiederholt.  Dieser  Zeitdauer  gegenüber 
muss  es  auffallen,  dass  bei  Verwendung  des  Infuses  per  elysma 
aus  Blättern,  ^  besonders  wenn  bei  der  häuslichen  Bereitung 
noch  „einige“  frische  Tollkirschen  zugesetzt  wurden,  relativ  liäm 
fig  eine  sofortige  Spontanreposition  zur  Beobachtung  gelangte, 
wobei  es  freilich  öfters  zu  den  allerschwersten  Vergiftungs¬ 
erscheinungen  kam.  Es  scheint  eben,  dass  je  nach  dem  Fall 
eine  ganz  bestimmte  Dosis  Atropin  im  Blute 
kieisen  muss,  bis  die  für  den  Darm  notwendige 
Wirkungerzielt  wi  r  d.  Die  Dosis  dürfte  zwischen  1  mg 
und  10  mg  liegen,  mag  vielleicht  noch  höher  sein.  Ich  halte  es 
daher  für  das  zweckmässigste,  einer  nicht  zu  kleinen 
Anfangsdose,  z.  B.  von  1 — 2  mg  in  kurzen,  viel¬ 
leichthalbstündigen  Pausen  so  lange  114  mgzu- 
z  u  legen,  bis  die  Darm  Wirkung  erzielt  ist  oder 
bis  Vergiftungserscheinungen  eine  weitere  Gabe  verbieten.  Dieser 
Art  der  Medikation  gebe  ich  auch  in  letzterer  Zeit  bei  schweren 
Darmatonien,  wie  ich  glaube,  mit  Nutzen  den  Vorzug  gegenüber 
d*  n  früheren  kleineren,  seltenen,  aber  mehrere  Tage  notwendigen 
Dosen. 

V  t  un  auch  beim  ^ftropin  die  letale  Dosis  von  der  toxischen 
sehr  weit  entfernt  zu  liegen  scheint,  so  ist  die  Zahl  der  Fälle,  in 
denen  5  mg  auf  einmal  zur  Verwendung  kamen,  doch  noch  keine 
so  grosse,  dass  man  heute  schon  berechtigt  wäre,  mit  Sicherheit 
anzunehmen,  dass  sich  wie  bisher  auch  künftig  immer  die  schein¬ 
bar  schweren  Vergiftungserscheinungen  nach  einigen  Tagen  als 
völlig  harmlos  heraussteilen  müssen.  Auch  in  dieser  Beziehung 
dürfte  die  oben  in  Erwägung  gezogene  Art  der  Verabreichung 
den  Vorzug  verdienen. 

Was  nun  die  Wirkungsweise  des  Atropins  betrifft,  so  be¬ 
haupteten  seiner  Zeit  B  e  z  o  1  d  und  B  1  ö  b  a  u  m,  dass  es  die 
Peristaltik  lähme,  Keuchel  aber,  und  später  Rossbach, 
gleich  Hage  n,  dass  es  dieselbe  anrege.  Dagegen  kommt  T  r  a  - 
v  e  r  s  a  [5]  1898  auf  Grund  exakter  Versuche  an  Hunden  und 
Pferden  wieder  zu  dem  Schlüsse,  Atropin  sei  bei  Darmobstruk¬ 
tion  kontraindiziert,  weil  es  die  Darmkontraktionen  hemme,  da  es 
die  Ganglien-  und  Nervenelemente  der  Darmwand  lähme.  Viel¬ 
leicht  beruht  dieser  Widerspruch  der  Pharmakologen  auf  einer 
Verschiedenheit  der  Grösse  der  angewandten  Dosen,  die  das  eine 
Mal  schwach  toxisch,  das  andere  Mal  der  letalen  nahe  waren, 
ähnlich  wie  es  Binz  [6]  bei  dem  Streite  über  den  Einfluss  des 
Atropins  auf  die  Athmung  nachzuweisen  vermochte.  Die  Er¬ 
fahrungen  aber  am  Krankenbette,  und  gerade  die  neueste  Zeit 
ist  reich  an  solchen  Erfahrungen,  sprechen  ausnahmslos  und 
unzweideutig  dafür,  dass  Atropin  die  Peristaltik 
a  n  r  e  g  t,  und  dass,  um  dies  zu  erreichen,  je  nach 
der  Art  der  Erkrankung  k  1  e  i  n  e  re  oder  grössere 
Gaben  nötig  sind.  Niemals  trat  weder  nach  kleinen,  noch 
nach  den  grössten  Dosen  eine  Lähmung  der  Peristaltik  ein,  wenn 
Peristaltik  vorher  vorhanden  war,  und  stets  trat  eine  solche  bei 
genügender  Dose  ein,  wenn  sie  vorher  fehlte  und  auch  beiden 
grössten  Gabe  n  war  sie  dann  niemals  eine  zu  starke,  son¬ 
dern  immer  eine  normale. 

Ausser  dieser,  oder  besser  gesagt  gleichzeitig  mit 
dieser  die  Peristaltik  anregenden  W  i  r  k  u  n  g 
besitzt  das  Atropin  eine  krampfstillende, 
durch  die  eine  stürmische  Peristaltik  beruhigt  wird  und  krampf¬ 
hafte  Darmkontraktionen  universeller  Natur,  wie  sie  z.  B.  bei  der 
Bleikolik  bestehen,  oder  partieller,  wie- wir  sic  bei  den  auf  gewisse 
Darmabschnitte  lokalisierten  spastischen  Zuständen  in  Form 
eines  Tetanus  sehen,  sicher  behoben  werden.  Diese  krampf- 
stillende  Wirkung  beruht  nun  nach  Traversa  [5]  auf  einer 
Lähmung  der  nervösen  Elemente  in  der  Darmwand.  Die  weitere 
Annahme  T  ravers  a’s  aber,  dass  durch  diese  Lähmung  der 
Ganglien  die  Peristaltik  aufgehoben  werde,  ist  eine  irrige,  denn 
sie  scheint  sofort  wieder  durch  direkte  Wirkung  auf  die  glatten 
Muskelfasern  des -Darms  in  normalem  Grade  ang-eregt  zu  werden. 

Wie  verwickelt  diese  Verhältnisse,  betreffend  die  lähmende 
und  die  erregende  Wirkung  des  Atropins  auf  die  Peristaltik,  vom 

3 


1498 


MÜENCHENER  MEDICINISCjlE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


pharmakologischen  Standpunkte  aus  sein  müssen,  erhellt  am  ^ 
besten  aus  den  einzelnen  Bemerkungen  in  den  neuesten  Auf¬ 
lagen  der  verschiedenen  Arzneimittellehren.  Da  kann  man  lesen : 
„Das  A.  lähmt  die  Peristaltik“,  „das  A.  regt  die  Peristaltik  an“, 
„es  geht  der  die  Peristaltik  lähmenden  Wirkung  häufig  eine  er¬ 
regende  voraus“,  „das  A.  lähmt  alle  glatten  Muskelfasern  des 
Körpers“,  „das  A.  regt  in  kleinen  Dosen  durch  direkte  Wirkung 
auf  die  Muskulatur  die  Peristaltik  an“,  „in  grösseren  Dosen  wird 
die  Darmmuskulatur  durch  Lähmung  ihrer  nervösen  Elemente 
zum  Erschlaffen  gebracht“  u.  s.  w.  Es  ist  vermutlich  kein  Zu 
fall,  wenn  Penzoldt[7],  der  an  anderer  Stelle  erwähnt,  dass 
A.  sowohl  störende,  nutzlose  Peristaltik  beseitigt,  als  fehlende 
anregt,  1900  diesen  Satz,  der  zweifellos  der  Erfahrung  am  Kran¬ 
kenbett  entsprungen  ist,  in  seiner  klinischen  Arzneibehandlung 
nicht  aufgenommen  hat. 

Auf  der  narkotischen  Wirkung,  die  gleichfalls  dem  Atropin 
in  nicht  geringem  Grade  eigen  ist,  kann  dieser  lähmende  Ein¬ 
fluss  auf  die  Peristaltik  oder  die  antispasmodische  Eigenschaft, 
wie  sie  auch  genannt  wird,  wohl  nicht  beruhen.  Denn  bei  den¬ 
jenigen  spastischen  Zuständen,  bei  denen  der  Spasmus  durch  eine 
tiefer  abwärts  sitzende  Atonie  bedingt  ist,  und  diese  sind  ent¬ 
schieden  die  häufigsten,  wirken  sogar  stärkere  Narkotika,  wie 
z.  B.  die  Opiate,  gar  nicht,  weil  der  notwendige  Endeffekt,  die 
Behebung  der  Atonie,  durch  dieselben  nicht  erreicht  wird;  auch 
wird  durch  sie  häufig  die  stürmische  Peristaltik  nicht  behoben, 
nämlich  wenn  ihr,  wie  so  oft  beim  mechanischen  Ileus,  eine 
schwere  Atonie  zu  Grunde  liegt,  ln  Ql’  diesen  Fällen  ist  das- 
Atropin  das  souveräne  Mittel. 

Ohne  Einfluss  jedoch  ist  die  narkotische  Wirkung  sicher 
nicht  bei  den  Einklemmungen,  wo  sie  zur  Entspannung  der 
Bruchpforte  nicht  unwesentlich,  wenn  auch  weniger  als  die  des 
Opiums  oder  Chloroforms  beizutragen  vermag.  Bei  den  letzteren 
Mitteln  ist  dieser  entspannende  Einfluss  wahrscheinlich  der 
einzige,  den  sie  auf  eingeklemmte  Brüche  auszuüben  vermögen, 
weshalb  die  erzielten  Resultate  stets  weit  hinter  denen  der  Bella¬ 
donna  zurückgestanden  sind. 

Die  Verengerung  der  Mesenterialgefässe  nun,  wie  sie 
H  agen  [2]  gefunden,  ist  nach  zweifacher  Richtung  von  grosser 
Bedeutung.  Von  vielen  Seiten  wird  betont,  und  jeder,  der  ein¬ 
mal  Atropin  einem  kollabierten  Darmkranken  injiziert  hat,  wird 
dies  bestätigen,  dass  derselbe  über  Erwarten  schnell  aus  dem 
Kollaps  herauskommt,  dass  beinahe  momentan  die  vorher  leere 
oder  schlecht  gefüllte  Radialis  einen  kräftigen,  vollen  Puls  auf¬ 
weist,  der  nicht  mehr  arrhythmisch  ist  und  der,  wenn  er  vorher 
sehr  beschleunigt  war,  verlangsamt  wird  und,  wenn  er  verlang¬ 
samt  war,  wieder  etwas  in  der  Frequenz  steigt.  Das  Darm¬ 
mittel  muss  gleichzeitig  zum  Herzmittel  werden,  wenn  das  im 
Pfortadergebiet  angestaute  Blut  zu  den  vorher  schlecht  ernährten 
inneren  Organen,  besonders  dem  Gehirn  und  dem  Herz,  abgeleitet 
wird.  Sahli  [8]  wendet,  wie  er  sagt,  schon  seit  längerer  Zeit 
mit  Vorteil  Atropin  an,  um  pathologisch  verminderte  Puls¬ 
frequenz  zu  steigern  und  gewisse  Pulsarrhythmien  zu  beseitigen. 
Ob  sich  diese  Anwendung  auf  bestimmte  Zustände  bezieht,  die 
mit  der  weiter  oben  geschilderten  splanchni sehen  Stauung  Zu¬ 
sammenhängen,  lässt  sich  auis  seiner  Andeutung  nicht  ent¬ 
nehmen.  Vielleicht  trägt  zu  der  günstigen  Beeinflussung  des 
Kollapses  auch  die  narkotische  Wirkung  einen  kleinen  Teil  bei; 
denn  auch  durch  Morphium  wird,  allerdings  seltener  bei  Darm-, 
als  bei  Ilerzaffektionen,  ein  gesunkener  Blutdruck  wieder  zur 
Norm  erhöht.  Was  aber  eine  Verengerung  der 
M esenterialgef ässe  bei  Inkarzerationen  be¬ 
ll  eilte  t,  liegt  klar :  es  müssen  die  räumlichen  Ver¬ 
hältnisse  im  eingeklemmten  Bezirk  auf  das 
günstigste  beeinflusst  werden. 

Bei  der  Frage  des  Zustandekommens  einer  Einklemmung 
haben  die  handgreiflichen  mechanischen  Verhältnisse  stets  den 
Mittelpunkt  des  Interesses  gebildet.  Aber  auch  andere  Dinge 
sind  hiebei  von  Wichtigkeit.  Warum  treten  im  Bruchsacke  der¬ 
artige  Zustände  ein,  dass  der  zuführende  oder  abführende 
Schenkel  des  Darmrohres  eine  Knickung  erfährt,  warum  kommt 
es  an  der  Bruchpforte  zu  einem  Ventil-  oder  zu  einem  Keilver¬ 
schluss,  oder  warum  kommt  es  im  Bruchsack  zu  einer  Inkarzera¬ 
tion  durch  Invagination  oder  Achsendrehung?  Tritt  im  Bruch¬ 
sack  durch  die  Vorwärtsbewegung  des  Darminhaltes  ein  räum¬ 
liches  Missverhältnis  ein,  so  wird  der  Darm  mit  einer  abnormen 


Muskeltätigkeit  reagieren,  deren  Endeffekt  im  ungünstigen  Fall 
ein  atonischer  Zustand,  vieleicht  von  allerkleinstem  (räum 
liehen)  Umfang  ist  (für  stärkere  Dehnung  hat  dies  jalvoc  h  e  r 
experimentell  nachgewiesen),  auf  welchen  atonischen  Zustand 
das  anstossende  höhere  Darmstück  mit  gesteigerter  Motilität  (mit 
Spasmus  oder  vermehrter  Peristaltik)  antworten  wird.  Dies  sind 
aber  Funktionsstörungen,  die  ihrerseits  wieder  das  räumliche 
Missverhältnis  ungünstig  beeinflussen  müssen,  und  dies  wird 
wieder  die  Atonie  vermehren  —  ein  bedenklicher  circulus  vitiosus. 
Je  nach  der  Enge  der  Bruchpforte  und  dem  Füllungsgrade  des 
Darms  wird  dem  eingeklemmten  Stück  mehr  oder  weniger  (oder 
unter  Umständen  gar  nicht),  schneller  oder  langsamer  nach¬ 
rückender  Inhalt  zugeführt..  Tritt  nun  in  günstig  gelagerten 
Fällen  eine  spontane  Reposition  ein,  so  kann  das  nur  dadurch 
geschehen,  dass  entweder  durch  gesteigerte  motorische  Tätigkeit 
des  nicht  eingeklemmten  Darmes  der  eingeklemmte  aus  dem 
Bruchsack  herausgezogen  wird,  oder  dass  im  atonischen  Stück 
sich  wieder  peristaltische  Bewegungen  einstellen,  dass  der  nach¬ 
teilige  Spasmus  gelöst  wird  und  die  räumlichen  \  erhältnisse  im 
Bruchsacke  wieder  günstiger  werden,  was  wiederum  auf  die 
motorische  Tätigkeit  des  eingeklemmten  Darmes  vorteilhaft 
wirken  muss:  Diesmal  ein  Circulus  heilsamer  Art.  Aehnliche 
Bedingungen  werden  auch  durch  eine  schonende  Taxis  geschaffen. 
Das  Atropin  aber  erleichtert  durch  seine  vielseitigen  Fähigkeiten 
das  Zustandekommen  der  für  die  Restitutio  notwendigen  natür¬ 
lichen  Faktoren  in  zartester  Weise,  der  gegenüber  die  schonendste 
Taxis  noch  ein  brutales  Verfahren  genannt  werden  muss. 

In  vielen  Krankheitsprozessen  nun,  die  zum  mechanischen 
Ileus  führen,  spielen  bei  ihrem  Entstehen  gleichfalls  die  gestörte 
motorische  Funktion,  die  Atonie  und  der  Spasmus,  und  der 
Füllungsgrad  der  Mesenterialgefässe  eine  hervorragende  Rolle. 
Beim  Zustandekommen  einer  Spontanheilung  müssen  Aende- 
rungen  dieser  Verhältnisse  in  erster  Linie  in  Frage  kommen. 
Und  Spontanheilungen  gibt  es:  „Es  kommt  nicht  selten  vor,  dass 
Patienten,  die  von  den  Aerzten  aufgegeben  sind,  oft  unerwarteter 
Weise  genesen“,  schreibt  Graser.  Warum  sollte  dabei  eine 
Beeinflussung  durch  Atropin  völlig  ausgeschlossen  sein?  Wenn 
Kü  nun  eil  [9]  auch  sagt:  „Soviel  steht  fest,  dass  ein  richtiger 
mechanischer  Ileus  durch  Atropin  nicht  beeinflusst  wird“,  so 
könnte  es  doch  möglich  sein,  dass  in  dieser  F  r  a  g  e  das 
letzte  Wort  noch  nicht  gesprochen  ist. 

Auf  Grund  von  G  ungünstigen  Ausgängen  bei  ca.  45  publi¬ 
zierten  Fällen  von  mit  Atropin  behandeltem  Heus,  wurden  gegen 
eine  solche  Behandlung  verschiedene  Einwände  erhoben,  zum 
Teil  mit  Recht,  zum  Teil  aber,  wie  ich  glaube,  mit  Unrecht.  Mit 
vollem  Rechte  wurde  von  chirurgischer  Seite  hervorgehoben,  dass 
bei  den  lleuskranken,  die  bisher  schon  viel  zu  spät  zur  Operation 
kamen,  die  notwendige  Operation  durch  die  Atropindarreichung 
einen  weiteren  bedauerlichen  Aufschub  erlitt.  Sie  weisen  auf  die 
durch  das  Atropin  hervorgerufene  verderbliche  Verschleierung 
des  Krankheitsbildes  und  die  dadurch  bedingte  Verschleppung 
der  Fälle  hin.  Es  sei  mir  ferne,  diesen  wohlbegründeten  Ein¬ 
wurf  auch  nur  im  geringsten  entkräften  zu  wollen;  das  wäre 
auch  gar  nicht  möglich.  Betonen  möchte  ich  nur,  um  die  Schuld 
vom  Atropin  abzuwälzen,  dass  es  nicht  nur  zu  lange,  sondern 
auch  zu  spät  und  in  viel  zu  kleinen  Dosen  zur  Verwendung  kam. 
Wird  man  künftig  in  den  dazu  geeigneten  Fällen  innerhalb 
4 — 5  Stunden  in  kurzen  (halbstündigen?)  Pausen  Atropin  bis  zu 
10  mg  (wenn  keine  Vergiftungserscheinungen  eintreten)  in¬ 
jizieren  und  sofort  zur  Operation  schreiten,  wenn  nach  6  bis 
8  Stunden  (von  der  1.  Injektion  gerechnet)  ein  gesichertes 
Resultat  nicht  erzielt  ist,  dann  wird  man  der  Gefahr  der  Ver¬ 
schleppung  aus  dem  Wege  gehen.  Ist  die  Atropinbehandlung 
eingeleitet,  dann  kann  man  die  Chancen  eines  Erfolges  durch 
Magen-  und  Darmspülung  noch  wesentlich  verbessern. 

Geb  eie  [10]  schreibt  anlässlich  eines  ungünstigen  Aus¬ 
ganges  bei  einer  Kotsteinobturation :  „Das  Atropin  hätte  bei 
dem  ohnehin  nicht  grossen  Stein  wirken  müssen.“  Ich  würde 
seine  Ansicht  voll  teilen,  wenn  der  betreffende  Pa¬ 
tient  nicht  3  mg,  sondern  10  mg  erhalten  hätte. 

Wenn  von  atropingegnerischer  Seite  gesagt  wurde,  die  einzelnen 
ungünstigen  Fälle  beweisen  genügend,  die  günstigen  beweisen 
nichts,  so  ist  dies  kein  einwandsfreier  Standpunkt:  audiatur  et 
altera  pars. 


9.  September  1902 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1499 


Vielfach  hat  man  behauptet,  dass,  was  das  Atropin  ver¬ 
möge,  das  leisten  die  Opiate  viel  besser.  Dabei  hat  man  wohl 
übersehen,  dass  die  überwiegende  Anzahl  von  Patienten  Opiate 
in  hinreichender  Dosis  bereits  erhalten  hatten,  dass  sich  unter 
den  Opiaten  das  Krankheitsbild  zusehends  verschlechterte,  das 
dann  unter  Atropin  wie  mit  einem  Zauberschlag  zum  günstigen 
umschlug. 

Um  mich  gegen  den  Vorwurf  eines  ungerechtfertigten  Opti¬ 
mismus  zu  Gunsten  des  Atropins  zu  decken,  sei  es  mir  hier  ge¬ 
stattet,  im  Wortlaut  einige  Stellen  einer  Arbeit  von  Bios  [11] 
aus  der  unter  Prof.  Beckers  Leitung  stehenden  chirurgischen 
Abteilung  des  Karlsruher  städt.  Krankenhauses  zu  zitieren,  um 
sie  durch  die  grosse  Verbreitung  dieser  Wochenschrift  einem 
weiteren  Leserkreis  zugänglich  zu  machen. 

„In  der  Nachbehandlung  (der  Appendizitisoperation)  ist  das 
Atropin  neuerdings  das  souveräne  Mittel  geworden.  Es  vereinigt 
in  sich  die  schmerzstillenden  Eigenschaften  des  Morph,  mit  spe¬ 
zieller  günstiger  Beeinflussung  der  Darmmotilität.  Bei  der  Per¬ 
forationsperitonitis  wandten  wir  das  Atropin  an  dem  1.  oder  2.  Tag 
post  oper.  an,  wenn  sich  die  Peritonitis  gelegt  hatte  und  die  Darrn- 
atonie  sich  zum  paralytischen  Ileus  steigerte.  Die  Wirkung  war 
('ine  auffallende:  Die  quälenden  Spannungschmerzen  schwanden, 
es  stellte  sich  Schlaf  ein  oder  doch  eine,  im  Gegensatz  zu  dem 
kurz  vorher  bestehendem  Bilde  der  Jaktation  wunderbare  Be¬ 
ruhigung  und  oft  auf  die  erste  Dosis  schon  eine  geregelte  Peri¬ 
staltik.  Nicht  weniger  gefährlich  ist  das  Stadium  des  mecha¬ 
nischen  Ileus,  das  eintritt,  wenn  eine  Woche  post  oper.  die  Granu¬ 
lationen  zwischen  den  Darmschlingen  anfangen,  fester  zu  werden 
und  zu  schrumpfen  .  .  .“  „Die  Darmatonie  mit  ihren  sehr  quälen¬ 
den  subjektiven  Beschwerden  nach  der  kalten  Amputation  wird 
durch  Atropin  ebenso  günstig  beeinflusst.  Es  ist  oft  geradezu  er¬ 
staunlich,  wie  die  heruntergekommenen  Pat.  nach  Atropin  sich 
wohl  fühlen  und  die  Peristaltik  sich  zu  heben  beginnt  .  .  .“  „Wir 
lernten  so  Morph,  und  Opium  in  der  Nachbehandlung,  wie  in  der 
internen  Behandlung  der  Appendizitis  überhaupt,  ganz  ent¬ 
behren  .  .  .“  „Wir  haben  schon  10  mg  innerhalb  5  Stunden  ge¬ 
geben  ohne  nennenswerte  Vergiftungserscheinungen.“ 

Diese  Worte,  die  nicht  verfehlen  werden,  allenthalben  Ein¬ 
druck  zu  machen,  veranlassen  hoffentlich  manchen,  der  bisher 
behauptet  hat,  das  was  Atropin  leistet,  das  vermag  Opium  eben¬ 
sogut,  ja  noch  besser,  das  Atropin  selbst  zu  versuchen  und  sich 
selbst  von  der  oft  geradezu  zauberhaften  Wir- 
k  u  n  g  zu  überzeugen.  Er  wird  diesen  Entschluss  nicht  zu  be¬ 
reuen  haben. 

Erwähnen  möchte  ich  noch,  dass  es  zweckmässig  ist,  jedes¬ 
mal  frische  Lösungen  zu  verwenden,  da  sonst  die  Injektionen 
durch  die  frei  werdende  Schwefelsäure  (beim  Atr.  sulf.,  dem 
einzig  zweckmässigen  Präparat)  äusserst  schmerzhaft  werden. 

Um  nun  wieder  auf  die  eingangs  mitgeteilten  6  Fälle  von 
Inkarzerationen  zurückzukommen,  sei  hier  noch  auf  die  Vorteile 
einer  Reposition  durch  Atropin  aufmerksam  gemacht:  Eine 
Massenreduktion,  die,  \vie  L  a  n  z  [12]  betont,  auch  ohne  An¬ 
wendung  von  nennenswerter  Kraft  möglich  ist,  sowie  das  Zurück¬ 
gehen  eines  gangränösen  Darms,  ist  hier  ausgeschlossen.  Diese 
häufigen  üblen  Folgen  der  Taxis  haben  Lanz  [12]  veranlasst, 
in  einem  Artikel:  „Weg  mit  der  Taxis“  vor  ihrer  An¬ 
wendung  dringend  zu  warnen  und  vorzuschlagen,  sofort  die 
ITerniotomie  zu  machen.  Aber  noch  ein  anderes  schlimmes  Er¬ 
eignis  ist  denkbar.  Es  kann  bei  der  Taxis  ein  durch  Invagination 
oder  Achsendrehung  inkarzerierter  Darm  zurückgehen  und  In¬ 
vagination  und  Achsendrehung  fortbestehen.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  bei  der  Atropinbehandlung  eine  solche  Hernie  nur  zurück¬ 
geht,  wenn  Volvulus  und  Invagination  beseitigt  ist. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  die  Vermutung  aussprechen,  dass 
unser  Arzneischatz  im  Atropin  ein  Mittel  be¬ 
sitzt,  das  neben  der  Digitalis,  neben  Jod,  Quecksilber,  Chinin 
und  den  vorzüglichen  Narkotizis  und  Anästhetizis  an  erster 
Stelle  genannt  zu  werden  verdient. 

Besonders  aber  sei  hier  noch  hervorgehoben,  dass  der  Zweck 
dieser  Zeilen  ausschliesslich  der  sein  soll,  zu  empfehlen,  bei 
ä  usscren  Inkarzerationen  die  At-ropiubehand- 
lung  an  Stelle  der  Taxis,  nicht  aber  der  Her- 
uiotomie  treten  zu  lassen,  beim  Ileus  aber  die¬ 
selbe  an  Stelle  der  ungeeigneten  Opiumthera- 
pie  einzuleiten  nicht  aber  um  einen  opera¬ 
tiven  Ein  g  r  i  f  f,  wenn  ein  solcher  sich  nicht  aus  anderen 
( Künden  verbieten  sollte,  länger  als  höchstens  einige 
Stunden  hinauszuschieben. 


Litera t u r : 

1.  Danzel:  Herniologische  Studien,  1854  und  1855.  — 
2.  Ilagen:  Ueber  die  Wirkung  des  Atropin  bei  inkarzerierten 
Hernien.  Dissert.,  Strassburg  1890.  —  3.  Schulz:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1901,  No.  33.  —  4.  Reiche:  Deutsche  Klinik  1854. 
— •  «>•  G.  Traversa:  Natura  e  mecanismo  di  azione  delTatr.  etc. 
Policlinico  IV.  Med.  S.  601.  —  6.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1896, 
No.  40.  —  7.  P  e  n  z  o  1  d  t  und  S  t  i  n  t  z  i  n  g„  Bd.  IV,  1,  S.  493.  — 
8.  Sahli:  Kongr.  f.  innere  Med.  1903,  S.  60.  —  9.  Kümmell: 

Deutsche  med.  Wochenschr.  1901,  No.  27,  Vereinsbeil.  _  10.  G  e  - 

bele:  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  33.  —  11.  Bios:  Bei¬ 
träge  zur  klin.  Chirurgie  32,  2,  1902  —  12.  Lanz:  Münch,  med. 
Wochenschr.  1902,  No.  5. 


Aus  der  gynäkologischen  Abteilung  des  Krankenhauses  der  Elisa- 
bethinerinnen  in  Breslau  (Prof.  Pfannenstiel). 

Zur  Frage  der  Uterusruptur  in  frühen  Monaten  der 

Schwangerschaft. 

Von  Dr.  Karl  Kober,  Assistenzarzt, 

Perforationen  des  nicht  graviden  Uterus  oder  des  Uterus 
in  den  ersten  Monaten  der  Schwangerschaft  sind  überaus  selten 
Gegenstand  operativer  Eingriffe  geworden.  Wohl  den  meisten 
der  vielbeschäftigten  Gynäkologen  ist  es  gelegentlich  einmal  vor¬ 
gekommen,  dass  bei  intrauterinen  Eingriffen  ihre  Sonde,  ihre 
Kürette  plötzlich  in  bedeutende  Tiefe  eindrang.  Dabei  hat  es 
sich  wohl  fast  immer  um  eine  Perforation  der  Uteruswand  ge¬ 
handelt  ;  das  zufällige  Hineingelangen  des  Instrumentes  in  das 
Tubenlumen,  woran  dgcli  überhaupt  nur  bei  Verwendung  der 
Sonde  zu  denken  wäre,  scheint  mir  doch  ein  zu  seltenes  Vor¬ 
kommnis  zu  sein.  Wenn  der  Eingriff  unter  allen  Kautelen  der 
Anti-  bezw.  Asepsis  geschah,  dann  hat  dies  Missgeschick  auch 
weiter  nichts  auf  sich.  Man  wird  nur  davor  abstehen,  weitere 
intrauterine  Manipulationen,  Spülungen  vorzunehmen.  Ein 
leichter  Temperaturanstieg,  etwas  grössere  Schmerzempfindlich¬ 
keit  der  Unterbauchgegend  ist  vielleicht  die  einzige  Antwort  auf 
dieses  Vorkommnis. 

Die  Mehrzahl  der  Fälle  von  Perforationen  in  den  ersten  Mo¬ 
naten  der  Gravidität  haben  ihre  Ursache  in  dem  verbrecherischen 
Bestreben,  eine  vorzeitige  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
herbeizuführen.  Unzweckmässige  Instrumente,  von  unkundiger 
Hand  verwendet,  bringen  da  die  Durchbohrung  der  Gebärmutter 
zu  stände.  Die  dann  meist  sich  anschliessende  Peritonitis  macht 
ärztliche  Hilfe  nötig;  dass  die  Perforation  als  solche  das  Ein¬ 
greifen  des  Arztes  erfordert  hätte,  ist  mir  aus  der  Literatur  nicht 
bekannt.  Es  ist  daher  gewiss  von  Interesse,  wenn  ich  in  nach¬ 
folgenden  Zeilen  über  einen  Fall  berichte,  bei  dem  eine  Per¬ 
foration  des  Uterus  im  2.  Monat  der  Gravidität  von  einer  so 
lebensgefährlichen  Blutung  gefolgt  war,  dass  schliesslich  die 
Exstirpation  des  Organes  nötig  wurde.  Der  Fäll  ging  in  Ge¬ 
nesung  über. 

W.  E„  24  J„  1901,  J.-No.  240. 

Die  Patientin  stammt  aus  gesunder  Familie:  bis  auf  rheuma¬ 
tische  Beschwerden  war  sie  früher  stets  gesund.  Die  Periode  setzte 
mit  dem  14.  Lebensjahre  ein.  war  regelmässig,  massig  stark  und 
dauerte  4 — 5  Tage.  Vor  ca.  1  Jahr  machte  Pat.  ihre  erste  Ent¬ 
bindung  durch,  die  durch  den  Forceps  beendet  werden  musste. 
Es  erfolgte  eine  schwere  Nachblutung,  die  nur  mit  Mühe  erfolg¬ 
reich  bekämpft  werden  konnte.  Nur  langsam  erholte  sich  die 
Patientin  wieder;  sie  litt  zeitweise  stark  unter  Beschwerden  von 
seiten  ihres  Herzens,  als  deren  Grund  das  Vorhandensein  einer 
Mitralinsuffizienz  aufgedeckt  wurde.  Seit  nunmehr  6  Wochen  ist 
sie  wiederum  verfallen;  starke  vorhandene  Herzbeschwerden 
lassen  es  durchaus  wünschenswert  erscheinen,  die  Schwangerschaft 
zu  unterbrechen.  Der  behandelnde  Arzt  ging  nun  in  der  Weise 
vor,  dass  er  in  einer  Sitzung  —  ohne  den  Eintritt  von  Wehen 
abzuwarten  —  die  TJterushöhle  soweit  dilatierte,  dass  er  eine 
ziemlich  schmale,  scharfe  Kürette  einführen  und  mit  ihr  die  Ent¬ 
fernung  der  Frucht  vornehmen  konnte.  An  den  Eingriff  schloss 
sich  sofort  eine  profuse  Blutung;  die  Patientin  wurde  fast  pulslos. 
Erst  nach  fester  Tamponade  des  Uterus,  der  Scheide,  reichlicher 
Anwendung  von  Exzitantien  gelang  es,  sie  wieder  zu  sich  zu 
bringen.  Die  Blutung  kam  zum  Stillstand.  Nach  2  Tagen  wurde 
der  Tampon  entfernt;  bald  setzte  wiederum  eine  heftige  Blutung 
ein.  die  eine  erneute  Tamponade  nötig  machte.  Nunmehr  wurde 
Herr  Professor  Pfannenstiel  konsultiert,  dessen  Meinung 
zunächst  dahin  ging,  dass  vielleicht  noch  Eihaut-  oder  Plazentar¬ 
reste  zurückgeblieben  seien  und  die  Blutung  unterhielten.  Eine 
daraufhin  vorsichtig  unter  Leitung  des  Fingers  ausgeführte  Abrasio 
zeigte  indess,  däss  die  Uterushöhle  leer  war.  Die  Blutung  kam 
nicht  zum  Stillstand.  Dagegen  liess  sich  hinter  dem 
leicht  vergrösserten  antef Iektierten  Uterus 
(>ine  deutliche,  teigige  Resistenz  fest  stellen 
und  es  drängte  sich  auf  Grund  dieses  Befundes 

3* 


1500 


MUEN CIIEN ER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


(F  i  o  b  e  r  w  av  nicht  vorhanden)  die  Ansicht  an  f, 
dass  es  s  i  c  h  mit  der  grössten  W a  hrscheinlich- 
k  e  i  t  u  m  eine  Perforation  des  Uterus  handle  mit 
Verletzung  eines  grösseren  Gefässes,  die  so- 
av  o  hl  zu  den  Blutunge  n  nach  aussen  als  a  u  c  h  z  u  r 
Ausbildung  eines  retrouterinen  Blutergusses 
g  e  f  ü  li  r  t  h  a  b  e.  Die  Ueberführung  der  Patientin  in  unser 
Krankenhaus  erschien  nötig  und  kam  auch  bald  zur  Ausführung. 

Kaum  war  die  Patientin  hier  angelangt,  so  machte  auch  schon 
Avieder  eine  heftige  Blutung  die  Tamponade  erforderlich.  Nach 
-IS  Stunden  wurde  der  Tampon  entfernt;  auf  einige  Stunden  blieb 
alles  ruhig.  Dann  aber  setzte  —  wieAArohl  Patientin  die  äusserste 
Kulie  beobachtete  - —  Avieder  eine  stärkere  Blutung  ein  und  ver- 
anlasste,  zu  tamponieren.  Dies  Wechselspiel  wiederholte  sich 
durch  5  Tage.  Als  nun  aber  keine  Besserung  eintrat,  Patientin 
immer  schwächer  wurde  und  leichte  Temperatursteigerungen  ein¬ 
zusetzen  begannen,  schien  eine  weitere  Behandlung  in  demselben 
Sinne  Avie  bisher  unstatthaft.  Herr  Professor  Pfannen  stiel 
entschloss  sicli  zu  folgendem  Plan.  In  Narkose  sollte  die  Uterus¬ 
höhle  soAveit  dilatiert  werden,  dass  sie  eine  Austastung  mit  dem 
Finger  gestattete.  Das  bei  dieser  Untersuchung  gewonnene  Resultat 
sollte  das  weitere  Vorgehen  bestimmen:  die  Naht  des  Risses, 
Unterbindung  des  blutenden  Gefässes  in  loco  oder  des  Stammes 
der  Arterie  kamen  in  Frage.  Als  ultima  ratio  wurde  auch  die 
Totalexstirpation  des  Uterus  erwogen.  Die  Tastung  ergab  nun, 
dass  die  hintere  Uteruswand  in  der  Höhe  des  inneren  Mutter¬ 
mundes  von  einer  Perforation  durchsetzt  w ar,  die  bequem  den 
Finger  passieren  liess,  der  nun  in  eine  zirka  kleinfaustgrosse,  mit 
Blut  gefüllte  Höhle  (die  Hämatocele  retrouterina)  gelangte.  Sie 
entleerte  während  der  Untersuchung  ihren  übelriechenden  Inhalt. 
Da  der  Riss  recht  gross  war,  seine  Ränder  sich  stark  zersetzt 
erAviesen,  die  ganze  Uterusmuskulatur  eine  so  stark  brüchige 
Beschaffenheit  autwies,  dass  die  Portio  bei  vorsichtigem  Anziehen 
fast  zirkulär  abriss,  erschien  die  Totalexstirpation  als  das  zweck- 
massigste  Verfahren.  Sie  wurde  in  der  typischen  Weise  aus¬ 
geführt;  beide  Adnexe  Avurden,  Aveil  sie  völlig  normal  waren, 
zurückgelassen.  Nur  in  einer  Hinsicht  wurde  von  dem  sonst  bei 
uns  gebräuchlichen  Verfahren  abgewichen.  Es  wurde  wegen  der 
doch  sicher  leicht  infiziert  gewesenen  Hämatocele  kein  völliger 
Verschluss  der  Peritonealhöhle  vorgenommen,  sondern  auf 
4N  stunden  ein  schmaler  Jodoformgaze  streifen  in  der  suspekten 
Gegend  eingeführt,  ln  25  Minuten  Avar  die  Operation  beendet; 
die  Rekonvaleszenz  verlief  glatt.  Am  15.  Tag  nach  dem  Eingriff 
verliess  Patientin  geheilt  unser  Krankenhaus. 


Fibrin 
auflngcrmigen 


Riss  in  Folge  forcierter 
Dilatation. 


Perforation  durch  die  Kürette 
verursacht. 


Kiickfiäehe  des  Uterus  (2/„  der  natürl.  Grösse.) 

Das  gcAVounene  Präparat,  das  zu  skizzieren  Herr  Kollege 
K  rö  m  e  r  die  Liebenswürdigkeit  hatte,  entspricht  in  seiner  Grösse 
dem  normalen  Uterus.  Die  Unterseite  des  Organes  bietet  keine 
Besonderheiten.  Grosses  Interesse  beansprucht  indes  die  Ober¬ 
seile.  ZAvei  GoAvebsdefekte  fallen  uns  sofort  ins  Auge.  Der  eine 
ha)  seinen  Sitz  nahe  dem  Fundus,  liegt  ziemlich  genau  in  der 
Mittellinie  und  hat  eine  Länge  von  ca.  1  cm.  Seine  Ränder  sind 
scharf;  die  in  ihn  eingeführte  Sonde  gelangt  glatt  in  die  Uterus¬ 
höhle.  Der  ZAveite  Defekt  ist  ungleich  grösser;  er  hat  unregel¬ 
mässig  zerfetzte  Ränder.  Sein  Sitz  findet  sieh  in  der  Höhe  des 
inneren  Muttermundes  etwas  nach  rechts  von  der  Mittellinie.  Um 
ihn  herum  finden  sich  an  der  Uterusfläche  Fibringerinnsel.  Die 
Fingerkuppe  dringt  durch  den  Riss  leicht  in  das  Uterusinnere  ein. 
Der  auf  der  Schleimhautseite  entsprechende  Defekt  ist  weit  grösser; 
seine  Länge  beträgt  ca.  2%  cm.  Eine  mikroskopische  Untersuchung 
der  1'terusAvand  Avurde,  um  das  Präparat  nicht  zu  zerstören,  zu¬ 
nächst  nicht  vorgenommen. 

Wenn  wir  nun  jetzt  den  Fall  einer  Würdigung  unterwerfen, 
so  können  Avir  bei  Anerkennung  der  Berechtigung  des  künst¬ 
lichen  Aborts  die  Art  seiner  Ausführung  doch,  nicht  als  ein- 
Avaudsfrei  gelten  lassen.  Es  ist  durchaus  unangebracht,  die  Aus¬ 
räumung  eines  Abortes  in  einer  Zeit  vorzunehmen,  in  der  noch 
keine  Spur  von  Wehen  vorhanden  ist.  Die  scliAversten  Nach¬ 
blutungen  sind  dann  meist  die  Folge  \’on  solchem  Vorgehen.  Ge- 
Aviss  ist  ja  zuzugeben,  dass  die  schwere  Blutung  in  unserem  Falle 


nicht  allein  durch  eine  Atonie  bedingt  war,  sondern  hauptsäch¬ 
lich  wohl  durch  die  Rupturierung  des  Uterus  hervorgerufen  war. 
Allein  einen  geAvissen  Anteil  mag  sie  dabei  doch  Avohl  auch  ge¬ 
habt  haben. 

Wie  steht,  es  nun  mit  der  Perforation  des  Uterus? 
War  sie  vermeidbar?  Diese  Frage  möchte  ich  mit  „ja“  beant¬ 
worten.  Es  ist  Sache  des  Gefühles,  zu  rechter  Zeit  zu  merken, 
wann  das  dilatierende  Instrument  anfängt,  die  Uteruswand  zum 
Bersten  zu  bringen.  In  einem  solchen  lalle  wird  man  dann 
lieber  von  einem  augenblicklichen  weiteren  "\  ergehen  abstehen, 
einen  Laminariastift  einlegen  und  den  Eingriff  auf  den  folgenden 
Tag  verschieben  —  namentlich  dürfte  sich  das  für  solche  Fälle 
Avie  den  vorliegenden  empfehlen,  da  der  Fremdkörper  noch  kräftig 
AArehen anregend  wirkte.  Handelt,  es  sich  nicht  um  Ausräumung 
eines  Abortes,  sondern  um  Exploration  der  Uterushöhle  aus  einem 
anderen  Grunde,  und  Avill  man  durchaus  in  einer  Sitzung  den 
Eingriff  beenden,  dann  empfiehlt  es  sich,  das  Gewebe  des  inneren 
Muttermundes  durch  multiple  Inzisionen  einzukerben,  am  besten 
mit  einem  geknöpften  Messer.  Von  diesem  Verfahren  haben  wir 
bei  Austastungen  der  Gebärmutter,  wenn  starker  Widerstand 
gerade  am  inneren  Muttermund  zu  überwinden  war,  ausgiebigen 
Gebrauch  gemacht  und  waren  mit  dem  Erfolg  sehr  zufrieden. 

Was  nun  die  zweite  Perforation  im  Fundus  angelit,  die 
offenbar  durch  die  Kürette  gesetzt  worden  ist,  so  legt  sie,  wenn 
sie  auch  klinisch  keine  wesentlichen  Erscheinungen  gemacht  hat, 
die  Frage  nahe:  „Was  ist  bei  der  Abortbehandlung  zweck¬ 
mässiger,  den  Finger  oder  die  Kürette  zu  verwenden?“  Im 
Jahre  1898  erhitzte  diese  Frage  die  Gemüter  lebhaft;  von  einer 
Seite  erscholl  der  Ruf:  Weg  mit  der  Kürette  (bei  der  Abort¬ 
behandlung).  Mir  scheint  aus  Gründen  der  Asepsis  die  Aus¬ 
räumung  mit  dem  Instrument  schon  das  zweckmässigere  Ver¬ 
fahren  zu  sein;  dann  aber  ist  es  doch  sicher  auch  das  schonen- 
dere,  kann  ohne  Narkose  ausgeführt  werden,  Avas  doch  bei  Ver- 
Avendung  des  Fingers  kaum  angängig  ist.  In  der  Hand  des  Ge¬ 
übten  wird  die  Kürette  nie  einen  Schaden  anrichten;  der  in 
unserem  Falle  begangene  Fehler  lag  in  der  Verwendung  eines 
scharfen,  schmalen  Instrumentes.  Ein  entschuldigendes  Moment 
bildete  aber  die  Mürbheit  und  Weichheit  der  Uteruswand.  Bei 
Ausräumung  von  Aborten  sind  bei  der  weichen  Beschaffenheit 
der  Uteruswand  nur  breite  stumpfe  Küretten  zu  benützen. 

Nun  noch  ein  Wort  über  die  eingeschlagene  Therapie.  Es 
wurde,  Avie  bereits  erwähnt,  in  unserem  Fall  die  Totalexstir¬ 
pation  des  Uterus  vorgenommen.  Eine  eventuelle  Unterbindung 
der  Art.  uterin,  dextr.  Aväre  unzweckmässig  geAvesen;  zunächst 
hätte  eine  rasche  Ausbildung  des  Kollateralkreislaufes  leicht  das 
Resultat  stören  können,  dann  aber  Avar  der  Gewebsriss  zu  gross 
und  die  Wunde  infiziert,  als  dass  man  auf  eine  Heilung  durch 
Narbenbildung  hätte  rechnen  können.  Wenn  man  also  ganz  kon- 
servativ  hätte  Vorgehen  wollen,  hätte  man  eine  Naht  des  De¬ 
fektes  vornehmen  müssen.  Dies  erschien  indes  aus  mehreren 
Gründen  unzweckmässig.  Der  Eingriff  selbst  hätte  sicher  die¬ 
selbe  Zeit  oder  noch  mehr  in  Anspruch  genommen.  Man  hätte 
die  Zervix  spalten,  eventuell  den  Douglas  öffnen  müssen,  um 
sich  den  Riss  deutlich  zu  Gesicht  zu  bringen.  Die  Naht,  wäre 
bei  der  konstatierten  Brüchigkeit  der  Gewebe  ausserordentlich 
schAvierig,  vielleicht  überhaupt  nicht  angängig  gewesen.  Ferner 
ist  es  eine  bekannte  Tatsache,  dass  Narben  der  UterusAvand  im 
Falle  einer  späteren  Gravidität  die  Gefahr  der  Uterusruptur 
nahe  legen.  Die  Literatur  kennt  eine  Anzahl  von  Fällen,  in 
denen  Kaiserschnittnarben  bei  einer  späteren  Schwangerschaft 
Ritz  von  Uterusrupturen  wurden.  Ja  selbst  Narben  von  Per¬ 
forationen  durch  die  Kürette  herrührend  scheinen,  Avie  ein  im 
vorigen  Jahre  von  Herzfeld  berichteter  Fall  lehrt,  diese  Ge¬ 
fahr  nahe  zu  legen.  Zudem  hätte  die  Narbe  noch  im  unteren 
Uterinsegment  gelegen,  der  Gegend,  die  doch  in  der  Austreibungs¬ 
periode  die  stärkste  Dehnung  erfährt.  Schliesslich  kam  auch 
der  Gesichtspunkt  noch  in  Betracht,  dass  die  Patientin  der  Ge¬ 
fahr,  noch  einmal  gravid  zu  werden,  für  immer  überhoben 
bleiben  sollte. 

Wenn  ich  nun  am  Schluss  meiner  Arbeit  die  aus  ihr  ge- 
Avonnenen  Resultate  kurz  resümiere,  so  möchte  ich  sei  in  fol¬ 
gende  Sätze  zusammenfassen : 

Die  Ausräumung  eines  Abortes  geschehe 
nie,  bevor  W  eheu  eingetreten  sin  d. 


Ö.  September  1902. 


MüENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Eine  forcierte  Dilatation  des  Uterus  ist 
wegen  der  Gefahr  schwerer  Gewebszerreis- 
jungen  zu  unterlassen;  statt  dessen  mag  in 
den  frühen  (ersten  3)  Monaten  der  Gravidität 
die  allmähliche  Dilatation  durch  Lamina  ria, 
in  den  späteren  durch  Metreuryse  Verwendung 
finden. 

Sind  Wehen  vorhanden  und  ist  genügende 
Erweiterung  ein  getreten,  aber  war  die  Aus- 
stossung  der  Frucht  eine  nur  unvollkommene, 
dann  empfiehlt  sich  für  die  Entfernung  der 
zurückgebliebenen  Massen  zunächst  die  Ver¬ 
wendung  des  Doppellöffels.  Sollte  er  sich 
nicht  wirksam  erweisen,  dann  mag  die  Kürette 
i  n  i  h  r  Recht  treten;  nur  ist  der  Gebrauch  von 
breiten,  stumpfen  Instrumenten  erforderlich. 

Nunmehr  habe  ich  noch  die  angenehme  Verpflichtung, 
meinem  früheren  hochverehrten  Chef  Herrn  Prof.  Pfannen- 
s^tiel  für  seine  Anregung  zur  Arbeit  und  Ueberlassung  des 
Falles  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen. 


1501 


geworfen.  Ein  eigentümlicher  Zufall  wollte  es,  dass  der  prak- 
tische  Arzt  Dr  .  M  in  A.  unmittelbar  nach  dem  Einsturz  den  Ort 
und  die  Uuglucksstatte  passierte  und  bei  den  Rettungsarbeiten  zu¬ 
gegen  sein  konnte.  Er  berichtet,  dass  der  Kopf,  mit  dem  Ge¬ 
sichte  auf  Backsteinen  liegend,  sich  von  Balken  und  Schutt  frei 
befand  Ueber  dem  Körper  lag  ein  Balken  quer  über  den  Rücken, 
senkrecht  zu  diesem  ein  zweiter,  welcher  die  ganze  linke  Seite  be¬ 
deckte  Der  Verletzte  wurde  nach  Hinwegräumen  des  Schuttes 
nach  Hause  getragen.  Hiebei  bemerkte  man,  dass  das  linke 
Bein  nach  aussen  rotiert  und  stark  abduziert  war.  Der  Verun¬ 
glückte  war  bei  Bewusstsein,  klagte  über  Schmerzen  im  linken 
Bein,  im  Kücken  und  Kreuzbein.  Aeusserlicli  waren  Kontusionen 
und  zahlreiche  Hautaufschürfungen  geringgradiger  Art  wahrnehm¬ 
bar.  Die  Schmerzen  erstreckten  sich  allmählich  auf  den  Unter- 
l(‘ib  und  die  Brust,  es  erfolgte  häutiges  Erbrechen,  es  gingen  keine 
flatus  ab.  Die  Atlimung  wurde  frequent  und  oberfläcldieh  und 
unter  Unruhe  und  Kollapserscheinnngen  erfolgte  am  4  Tage  nach 
der  Verschüttung  der  Tod.  Die  Temperatur,  welche  am  2  Tage 
auf  über  38°  gestiegen  war,  fiel  am  3.  Tage  auf  37,7. 

Aus  diesen  Mitteilungen  des  behandelnden  Arztes  geht  her¬ 
vor,  dass  anfänglich  die  subjektiven  Beschwerden  sich  auf  die 
Quetschungen  und  die  Duxation  beschränkten,  dagegen  im  weiteren 
Verlaufe  sich  die  Störungen  von  Seiten  des  Magens  und  Darmes 
deutlichei  zeigten.  Leibschmerz,  Aufhören  der  Elatus,  Erbrechen 
und  Kollaps  bekunden  den  Eintritt  der  Inkarzerationserschei¬ 
nungen,  welchen  B.  unterlag. 


Unfallverletzung  mit  Todesfolge. 

Tod  durch  Inkarzeration  einer  traumatischen  Hernia  dia- 

phrag-matica. 

\  on  Landgerichtsarzt  Dr.  E  r  d  t  in  Schweinfurt. 

Zerreissungen  des  Zwerchfells  durch  Trauma  werden  öfter 
bei  schweren  tödlichen  Unglücksfällen  als  Nebenbefunde  ange¬ 
troffen,  doch  sind  Fälle  von  Zwerchfellrupturen  mit  Hernien¬ 
bildung,  bei  welchen  die  Inkarzeration  der  entstandenen  Hernie  die 
alleinige  Todesursache  bildet,  immerhin  selten.  Es  dürfte  des¬ 
halb  der  im  Lachstehenden  erwähnte  Fäll,  welcher  zur  gericht¬ 
lichen  Obduktion  kam,  einiges  Interesse  erwecken. 

Veranlassung  zur  Entstehung  von  traumatischen  Zwerch¬ 
fellhernien  geben  meistens  Stichverletzungen.  So  berichtet 
v.  Frey  (Wiener  klin.  Wochenschr.  1893)  über  33  Stichver¬ 
letzungen  des  Zwerchfells,  von  denen  4  geheilt  wurden,  29  starben. 
Bei  21  hievon  war  die  Inkarzeration  der  in  die  Brusthöhle  ein¬ 
gedrungenen  Baucheingeweide  Todesursache.  T  h  o  m  a  (Münch, 
med.  Wochenschr.  1899)  hat  253  Fälle  von  Hem.  diaphr.  spur! 
getroffen,  217  links,  36  rechts,  wovon  der  grösste  Teil  trauma¬ 
tischen  Ursprungs  war.  Bergmann  (Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1898)  beschreibt  einen  Fall  von  Stichverletzung  des 
Zwerchfells,  welche  erst  nach  10  Monaten  durch  Inkarzeration 
des  in  die  linke  Brusthöhle  eingetretenen  Magens  plötzlich  zum 
Tode  führte.  *  . 

In  unserem  Falle  handelt  es  sich  um  Einwirkung  einer 
schweren  stumpfen  Gewalt  (Auffallen  von  Balken),  welche  die 
ganze  linke  Seite  des  Körpers  betraf.  Die  Zwerchfellruptur 
war  mit  Rippenfraktur,  jedoch  ohne  Verletzung  der  Lungen 
kompliziert.  Albert  (Lehrb.  d.  Chir.)  bezeichnet  diese  Kom¬ 
plikation  als  ziemlich  selten.  Malgaigne  macht  aufmerk¬ 
sam,  dass  eine  im  Bereich  des  muskulösen  Teiles  des  Zwerch¬ 
fells  befindliche  Ruptur  meist  durch  Contre-coup  hervorgebracht 
M erde.  Weil  (Maschka:  Handb.  d.  ger.  Med.)  erwähnt  als 
Ursache  der  nicht  sehr  häufigen  Zwerchfellrupturen  das  Auffallen 
schwerer  Lasten,  Sturz  aus  grosser  Höhe,  U  ob  erfahre  n  werden . 
Von  37  genau  beobachteten  Fällen  (Popp:  Deutsche  Zeitschr. 
f.  Chir.)  waren  1  mal  Ueberfahrenwerden,  1  mal  Drehbewegung, 
1  mal  Ueberanstrengung,  10  mal  Sturz  von  grosser  Höhe,  ausser¬ 
dem  Schuss-  und  Stichverletzungen  Ursache,  dass  die  Ein¬ 
geweide  in  die  Brusthöhle  drangen;  in  diesen  Fällen  befanden 
sich  32  mal  die  Baucheingeweide  in  der  linken,  5  mal  in  der 
rechten  Brusthöhle.  Die  Zeit  von  der  Verletzung  bis  zum  Tode 
schwankte  von  wenigen  Minuten  bis  zu  mehreren  Jahren. 

Der  Verlauf  des  vor  kurzem  beobachteten  Falles,  welcher 
durch  Ruptur  des  Zwerchfells  mit  Entstehung  einer  Hernie 
durch  Inkarzeration  derselben  tödlich  endete,  war  folgender: 

In  H.  wurde  ein  kleines  Wohnhaus  umgebaut  und  es  sollte  das 
Dachgebälke  um  30  cm  in  die  Höhe  geschoben  werden.  Der  ledige, 
24  jährige  Zimmergeselle  B.  war  bei  dem  Heben  des  Balkengefüges 
beschäftigt  und  versuchte,  -während  der  Bauführer  kurze  Zeit  ab¬ 
berufen  wurde,  durch  schräge  Bolzen  das  Gebälk  zu  unterkeilen. 
Dadurch  kam  das  Hauptgewicht  auf  einen  Punkt,  die  Balken  ge¬ 
rieten  in  Bewegung,  fielen  zusammen  und  stürzten  herab.  Obwohl 
B.  die  Bewegung  bemerkte  und  zu  entfliehen  suchte,  wurde  er 
dennoch  von  den  herabstürzenden  Balken  getroffen  und  zu  Boden 
No.  36. 


Ein  Transport  in  eine  Klinik  war  nach  den  Angaben  des  be¬ 
handelnden  Arztes  wegen  des  desolaten  Zustandes  nicht  rätlich, 
die  Luxation  konnte  nicht  reponiert  werden,  da  B.  auch  leichte 
Narkose  nicht  vertrug. 

Auf  Antrag  der  k.  Staatsanwaltschaft  erfolgte  am  Tage  nach 
dem  Tode  die  gerichtliche  Obduktion.  Aus  dem  Sektionsprotokolle 
sind  folgende  Ergebnisse  bemerkenswert,  welche  der  Hauptsache 
nach  viedergegeben  werden  sollen. 


Der  äussere  Befund  ergab  eine  ca.  40  cm  breite,  blauschwarze 
Verfärbung  der  ganzen  linken  Körperseite,  liervorgerufen  durch 
Bluterguss  unter  die  Haut  bis  in  die  tieferen  Muskelpartien. 
(Diese  Verfärbung  entspricht  der  Lage,  in  welcher  ein  schwerer 
Balken  auf  B.  angetroft'en  wurde.)  Zahlreiche  Haut  Verletzungen, 
ausgedehnt  auf  dem  Rücken  zwischen  den  Schulterblättern  (Lage 
des  2.  Balkens)  bestehen  nur  aus  oberflächlichen  Hautabschür¬ 
fungen:  nirgends  tiefgreifender  Bluterguss. 

Das  linke  Bein  ist  stark  abduziert,  der  Schenkelkopf  befindet 
sich  nicht  im  Gelenke.  Trotz  der  Todtenstarre  ist  das  gestreckte 
Bein  an  der  Hüfte  beweglich. 

Die  linke  Brustseite  ist  hervorgewölbt,  auf  Druck  Plätschern 
im  Innern  hörbar;  Tympanie. 


„  ,,  I?  innere  Besichtigung  ergibt  folgenden  Stand  des  Zwerch¬ 
fells:  Rechts,  oberer  Rand  der  5.,  links  unterer  Rand  der 
0.  R  l  p  p  e.  Nach  Entfernung  des  Brustbeins  zeigt  sich  das 
Z  w  e  r  c  h  f  e  11  in  einer  Ausdehnung  von  Handbreite 
nahe  den  Rippen  in  seinem  muskulären  Teile 
unregel  m  ä  s  s  i  g  zerrissen,  mit  Blut  getränkt,  der 
starkgefüllte  Magen  nebst  einem  grossen  Teile 
des  Colon  transversum  und  einem  Stücke  Netz 
in  die  Brusthöhle  eingetreten,  die  ganze  linke 
Brustseite  bis  zur  2.  Rippe  ausfüllend. 

Der  Magen  stand  aufrecht,  die  grosse  Kurvatur  lag  den  Rip¬ 
pen  an,  die  kleine  war  dem  Mittelfellraum  zugekehrt. 

Von  der  linken  Lunge  erblickte  man  oberhalb  des  linken 
Sternoklavikulargelenkes  ein  schmales  Stückchen  von  Dreimark 
stuckgrösse  und  blassgrauer  Farbe.  Da  sich  der  gefüllte  Magen 
und  Darm  durch  den  Riss  nicht  zurückbringen  lässt,  wird  dieser 
erweitert  und  die  natürliche  Lage  hergestellt.  Bei  dem  Herab- 
senken  des  Magens  ergisst  sich  eine  grosse  Menge  dünner  Flüssig¬ 
keit  aus  dem  Munde.  (Dies  ist  durch  die  Behebung  der  an  der 
Pars  cardiaca  durch  Emporsteigen  des  Magens  entstandenen  In¬ 
karzeration  leicht  erklärlich.) 


In  der  Tiefe  der  Brusthöhle  befindet  sich  etwa  14  Liter  blutig 
seröser  Flüssigkeit.  Die  linke  Lunge  zeigt  sich  stark  komprimiert, 
blassgrau.  Der  Herzbeutel  ist  voll  s  Händig  in  die 
rechte  Brusthöhle  gedrängt  und  komprimiert  den  rechten 
Mittellappen  der  Lunge. 

Bei  Besichtigung  der  Innenseite  der  linken  Brusthöhle  zeigen 
sich  die  0.,  7.,  8.  und  9.  Rippe  in  der  Axillarlinie  (der  blauschwarzen 
Verfärbung  entsprechend)  gebrochen,  die  Pleura  costalis  in  einer 
Ausdehnung  von  5  cm  an  der  7.  Rippe  zerrissen.  Die  Pleura  pul- 
monalis  ist  unverletzt. 


Der  Unterlappen  der  rechten  Lunge  ist  stark  blutreich,  der 
Mittellappen,  fleischähnlich  aussehend,  luftleer.  Die  Bronchialäste 
zeigen  Verkalkungen,  sind  mit  zähem,  rötlichem  Schleim  bedeckt. 
Das  Herz  zeigt  schlaffe  Muskulatur,  Blutfüllung  im  rechten  Vor¬ 
hof,  sonst  keine  krankhaften  Störungen.  Klappen  intakt.  (NB.  Soll 
früher  an  Gelenkrheumatismus  gelitten  haben.) 

Der  Befund  der  Bauchhöhle  ergibt  einen  Bluterguss  von  Nuss¬ 
grösse  in  der  Milz  an  der  äusseren  Fläche  (welche  der  Pars  costalis 
diaphragm.  anliegt).  Die  Beckenmuskulatur  ist  blutgetränkt,  be¬ 
sonders  der  Ileopsoas. 

Der  Femurkopf  ist  nicht  gebrochen;  er  findet  sich  nach  vorne 
und  unten  gegen  das  eirunde  Loch  luxiert  (Luxatio  obturatoria). 

Am  linken  Hoden  ist  sow'ohl  an  der  Haut  des  Hodensackes, 
als  an  der  Oberfläche  des  Hodens  selbst,  bläuliche  Verfärbung 
(Bluterguss)  wahrzunehmen. 


4 


1502 


MUENCILENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Die  Wirbelsäule  und  Beckenknochen  zeigen  keine  Beschädi¬ 
gungen,  die  Besichtigung  der  Kopf  höhle  bietet  nichts  Erwähnens¬ 
wertes. 

Als  Todesursache  muss  die  Zerreissung  des  Zwerchfells  mit 
Eintritt  des  Magens  und  Hannes  in  die  Brusthöhle  und  In¬ 
karzeration  dieser  Eingeweide  angenommen  werden. 

Gegen  die  Annahme,  dass  der  Tod  durch  die  Zerreissung 
der  Pleura  infolge  von  Rippenbruch  und  daraus  entstehender 
infektiöser  Pleuritis  eingetreten  sein  könnte,  spricht  die  Beob¬ 
achtung  und  der  Ar erlauf  des  Krankenbettes,  welches  die  Ein- 
*  klemmungserscheinungen  deutlich  vorwiegend  erscheinen  liess. 
Die  Behinderung  der  Atmung  lässt  sich  aus  der  Kompression 
des  linken  und  des  Mittellappens  der  rechten  Lunge  erklären. 

Leichtenstern  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1874)  glaubt, 
dass  in  solchen  Fällen  die  enorme  Ausdehnung  des  im  Thorax 
inkarzerierten  Magens  resp.  Kolons  nicht  nur  zu  einer  wesent¬ 
lichen  Behinderung  der  Respiration,  sondern  auch  der  Zir¬ 
kulation  führe.  Die  Veränderung  der  Druckverhältnisse  in  der 
Brusthöhle  und  vielleicht  die  mechanische  Verdrängung  des  Her¬ 
zens  nach  rechts  spielen  eine  nicht  unwesentliche  Rolle.  Die  Art 
der  Entstehung  der  Einklemmung  hat  Leichtenstern  in 
vivo  beobachtet  und  beschrieben.  Es  handelte  sich  hiebei  um 
eine  kongenitale  Diaphragmahernie,  durch  welche  infolge  In¬ 
karzeration  des  Magens  der  Tod  herbeigeführt  wurde. 

Leichtenstern  füllte  den  Magen  des  Patienten 
mit  Wismuth  und  blähte  ihn  auf;  die  Schirmunter¬ 
suchung  liess  das  Wismuth  an  der  Magenwandung  als 
feinkörnige  Flecken  erscheinen.  Ein  mit  Quecksilber 
gefüllter  Schlauch  wurde  sodann  eingeführt;  das  Dia¬ 
gramm  zeigte  deutlich,  wie  die  Sonde  in  der  Gegend  der 
Kardia  eine  starke  Krümmung  machte,  bergauf  ging  und  sich 
an  der  Kuppe  des  Magens  bogenförmig  umbog.  Daraus  schloss 
Leichtenster  n,  dass  die  Pars  cardiaca  eine  Knickung  er¬ 
fuhr,  Pylorus  resp.  Duodenum  unter  der  Kardia  wieder  durch 
das  Loch  des  Zwerchfells  in  die  Bauchhöhle  gelangten. 

In  dem  Falle  B.  war  die  Lage  des  Magens  die  gleiche;  als 
infolge  allmählicher  Senkung  des  gefüllten  Magens  die  Knickung 
an  der  Pars  cardiaca  aufgehoben  wurde,  ergoss  sich  aus  dem 
Munde  der  Leiche  in  grösserem  Bogen  ein  Teil  des  Magen¬ 
inhaltes. 

Die  Diagnose  am  Lebenden  ist  in  manchen  Fällen  schwierig; 
Verwechslung  mit  Ilämato-Pneumothorax  erscheint  möglich. 
Struppler  (Münch,  med.  Wochenschr.  1901)  betont,  dass  die 
Hervorwölbung  der  betr.  Thoraxhälfte,  die  plätschernden  Ge¬ 
räusche,  die  Volum  Veränderung  nach  Aufnahme  flüssiger  Nah¬ 
rung  und  unabhängig  von  den  Bewegungen  des  Herzens  und  der 
Lunge  Anhaltspunkte  zur  Diagnose  geben.  Die  Orthodiagraphie, 
ja  schon  einfache  Schirmuntersuchung  —  wie  in  dem 
Leichtenstern  sehen  Falle  —  wird  gleichfalls  die  Erken¬ 
nung  in  vivo  ermöglichen.  Leichtenstern  macht  aufmerk¬ 
sam,  dass  manche  Fälle  von  isolierter  Dextrokardie  die  Annahme 
eines  Zwerchfelldefektes  und  Eintritt  der  Baucheingeweide  in 
die  Brusthöhle  nahelegen. 

Im  beschriebenen  Falle  B.  konnte  es  sich  um  Einriss  eines 
schon  bestehenden,  kongenitalen  Zwerchfelldefektes  infolge  des 
Traumas  nicht  handeln.  Schwalbe  (Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1899)  fordert  Nachweis  des  Traumas  und  macht  auf  die 
verschiedene  Beschaffenheit  der  Ränder  aufmerksam.  Während 
die  Bruchpforten  bei  lange  bestehenden  oder  kongenitalen  De¬ 
fekten  sehnig,  dünn  und  abgerundet  sind  und  ihr  Sitz  meist 
hinter  dem  Sternum  am  Foramen  oesophageiun  sich  befindet, 
waren  bei  B.  die  Ränder  zerrissen,  zackig,  befanden  sich  im 
muskulären  Teile  an  der  Pars  costalis.  Das  Bestehen  einer  schon 
früher  vorhandenen  und  durch  das  Trauma  eingerissenen  Oeff- 
nung  im  Diaphragma  kann  daher  im  B. sehen  Falle  ausgeschlossen 
werden. 

Gegen  den  verantwortlichen  Bauleiter  wurde  Untersuchung 
eingeleitet;  da  aber  die  Erhebungen  das  Vorhandensein  eines 
strafbaren  Verschuldens  nicht  ergaben,  erfolgte  Einstellung  des 
Verfahrens. 


Ein  Riesenlipom. 

Von  Dr.  H.  Pfeiffer  in  Pasewalk. 

Schon  häufig  hat  die  Beobachtung  gezeigt,  dass  nichtbös¬ 
artige  Geschwülste  zu  einer  geradezu  fabelhaften  Grösse  an- 
wachsen  können,  ohne  das  Allgemeinbefinden  des  betreffenden 


Individuums  wesentlich  zu  beeinträchtigen.  Der  Zufall  brachte 
mich  dazu,  eine  gleiche  Beobachtung  zu  machen.  Ich  wurde  bei 
Gelegenheit  der  im  Dorfe  herrschenden  Diphtherieepidemie  zu 
einer  kleinen  Patientin  in  der  Familie  H.  gerufen.  Nach  der 
Untersuchung  derselben,  die  sich  auch  auf  Perkussion  und  Aus¬ 
kultation  der  Lungen  bezog,  und  der  Seruminjektion  sagte  die 
im  andern  Bett  befindliche  Grossmutter  zu  mir,  dass  sie  an 
leichtem  Husten  litte,  ich  solle  ihr  etwas  dafür  geben,  aber  das 
müsste  sie  mir  gleich  sagen,  „Klopfen  und  Horchen“  ginge  bei 
ihr  nicht.  Nach  meinen  zweifelnden  Worten  zog  sie  ihr  Hemd 
in  die  Höhe  —  und  was  ich  da  zu  sehen  bekam,  lehrt  ein  Blick 
auf  die  nebenstehende  Abbildung  zunächst  besser  als  alle  Worte. 

Wir  haben  es  mit  der  S4  jährigen  Taglöhnersfrau  H.  aus  Z„ 
einem  Dorfe  bei  Pasewalk,  zu  tun.  Die  Frau  ist  mittelgross  mit 
leidlich  kräftigem  Knochenbau  und  massigem  Fettpolster.  Ap¬ 
petit  und  Stuhlgang  seien  trotz  ihres  hohen  Alters  gut,  wie  sie 
angibt;  sie  habe  5  Kinder  gehabt  und  sei  nie  wesentlich  krank  ge- 
wesen.  lieber  ihre  Geschwulst,  den  Anfang  und  das  Wachsen  der¬ 
selben  erzählt  sie  mir  folgendes:  ln  ihrem  54.  Lebensjahre  habe 
sie  zum  erstenmale  die  Geschwulst  bemerkt,  sie  sei  von  der  Grösse 
eines  halben  Apfels  gewesen  und  habe  ihren  Sitz  gehabt  am 
unteren  Ende  des  Genicks  —  sie  zeigt  die  Gegend  des  7.  Hals-  und 
1.  Brustwirbels.  Trotzdem  die  Geschwulst  gewachsen  sei,  dabei 
sich  sehr  langsam  vergrössert  habe,  sei  sie  in  keiner  Weise  davon 
in  ihrer  Arbeitsfähigkeit  oder  ihrem  Wohlbefinden  beeinträchtigt 
worden.  Nach  etwa  8 — 9  Jahren,  gegen  ihr  63.  Lebensjahr,  habe 
die  Geschwulst  die  Grösse  eines  halben  Kindskopfes  erreicht; 
während  sie  bis  dahin  breit  aufgesessen  habe  und  halbkugelig  ge¬ 
wesen  sei,  habe  sie  nunmehr  angefangen,  Kugelform  anzunehmen 
und  durch  ihr  Eigengewicht  herabzuhängen;  mit  diesem  Zeitpunkte 
sei  die  Geschwulst  schneller  gewachsen  und  sei  auch  mit  ihrem 
oberen  Rande  mehr  und  mehr  hinuntergerückt.  Auf  meine  Frage, 
warum  sie  zu  jener  Zeit  das  Gewächs  nicht  habe  entfernen  lassen, 
antwortete  die  Frau,  dass  sie  wohl  einen  Arzt  danach  gefragt 
habe;  als  sie  aber  über  das  Ungefährliche  belehrt  sei,  habe  sie 
gemeint,  da  sie  mit  63  Jahren  doch  nicht  recht  mehr  arbeiten 
könne,  könne  sie  sie  auch  behalten  (!).  Im  Laufe  der  letzten 
beiden  Jahrzehnte  sei  dann  das  Wachstum  der  Geschwulst  lang¬ 
sam,  unaufhaltsam  Aveiter  vorgeschritten  bis  zu  der  jetzigen 
Grösse. 

Wie  haben  es  mit  einem  Riesenlipom  zu  tun,  das  wie  ein 
vollgepfropfter  Rucksack  über  den  Rücken  herabhängt.  Seine 
obere  Grenze  hat  das  Gewächs  in  der  Höhe  der  Schulterblatt¬ 
gräten,  die  untere  Grenze  der  Basis,  die  im  allgemeinen  runde 
Form  hat.  geht  über  den  Dornfortsatz  des  12.  BrustAvirbels,  die 
seitlichen  Grenzen  gehen  über  die  beiden  Schulterblattwinkel,  und 
der  Umfang  der  Basis  beträgt  75,0  cm.  Der  Umfang  der  Ge- 
schwulst  in  der  Sagittalebene  misst  von  oberer  zu  unterer  Basis¬ 
grenze  68  cm.  Von  der  Basis  aus  verbreitert  sich  das  Lipom,  um 
nach  etwa  %  seiner  Länge  zu  seinem  grösstem  Umfange  — 
85  cm  —  anzuwaehsen,  dann  läuft  es  in  einen  schiefen,  abgeplat¬ 
teten,  mit  dem  stumpfen  Ende  nach  links  weisenden  Kegel  aus, 
der  seinerseits  3 — 4  knollenartige,  eiergrosse  Verdickungen  hat. 
Die  Konsistenz  der  Fettgeschwulst  ist  im  grossen  und  ganzen 
Aveieli,  sie  fühlt  sich  an,  wie  der  Leib  eines  sehr  fettleibigen 
Patienten;  nirgends  fühlt  man  eine  festere  oder  derbere  Partie  im 
Gewebe.  Umfasst  man  die  Basis  der  Gesclnvulst  mit  beiden 
Händen,  so  nimmt  man  in  der  Tiefe  Pulsation  wahr;  ob  diese 
aber  von  einer  oder  mehreren  Arterien  lierrülirt,  lässt  sich  nicht 
entscheiden. 

Es  Avar  schAver,  das  GeAvicht  der  ganzen  Geschwulst  zu  be¬ 
stimmen.  Auf  die  Wage  gelegt,  war  die  Unterstützung  durch  die 
breite  Basis  zu  gross.  Das  Gewicht  einer  Menge  aufgehäuften, 
frisch  geschlachteten  Fettes,  dessen  Volumen  dem  der  Geschwulst 
fast  gleich  war,  betrug  nahezu  30  Pfund.  Nach  meiner  und  der 
Schätzung  der  Schwester,  die  ein  über  den  andern  Tag  die  Ge- 
schAvulst  revidieren  und  verbinden  muss  und  dabei  häufig  hebt, 
wiegt  die  Geschwmlst  28  bis 
30  Pfund.  Die  Haut  des 
Lipoms  und  ihre  Farbe  zei¬ 
gen  dieselbe  Beschaffenheit 
Avie  am  Körper.  Dicht  an 
der  Basis  sind  einige  quer¬ 
verlaufende  Striae  Avalirzu- 
nelnnen.  Die  unter  der  Ge- 
schw-ulst  befindliche,  sich 
nach  dem  Rücken  umschla¬ 
gende  Hautfalte  ist  fast 
immer  in  mazeriertem  Zu¬ 
stande,  Avie  häufig  unter  der 
Mamma  einer  fetten  Frau. 

Von  der  Mitte  abwärts  sind 
auf  allen  Seiten  Adele  Venen 
unter  der  Haut  zu  sehen,  die 
sich,  je  näher  dem  Apex  der 
Geschwulst,  mehr  und  mehr 
schlängeln  und  zu  einem 
ziemlich  engmaschigen  Netz  sich  vereinigen,  dabei  nimmt  auch 
der  Durchmesser  der  Venen  nach  unten  zu,  einige  «ind  von  Blei¬ 
stiftdicke. 

Der  ganze  Apex  des  Lipoms  wird  von  einer  Reihe  von  Epithel¬ 
defekten  eingenommen  (auf  der  Abbildung  an  der  dunkleren 


9.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1503 


Färbung  zu  erkennen),  zur  Zeit  im  ganzen  8,  deren  Grösse  und 
Tiefe  verschieden  ist,  einzelne  sind  markstückgross,  andere  nahezu 
wie  ein  Handteller.  Diese  ulzerierten  Partien,  deren  Grund  von 
blassen,  mürben  und  weichen  Granulationen  bedeckt  ist,  nässen 
stark,  sondern  reichlich  Sekret  ab;  die  kleineren  zeigen  Neigung, 
sich  zentrale  ärts  mit  Epithel  zu  bedecken,  andere  vergrössern 
sich,  gänzlich  zum  Schwinden  zu  bringen  sind  sie  nicht;  kurz,  ihrem 
Aussehen,  \  erhalten  und  der  Hartnäckigkeit  nach,  jedem  Hei- 
luugsversucli  zu  widerstehen,  zeigen  diese  ulzerierten  Flächen 
starke  Aehnlichkeit  mit  Unterschenkelgeschwüren.  Die  in  jenem 
Dorfe  stationierte  Schwester  touchiert  bisweilen  die  Granula,  be¬ 
streut  alles  mit  Zinkpuder,  polstert  gut  mit  Holzwatte  und  zieht 
dann  über  die  ganze  Geschwulst  einen  bis  an  die  Basis  reichenden 
Leinenbeutel,  der  nach  Art  eines  Rucksackes  mit  Tragebändern 
versehen  ist.  Der  alten  Frau  wird  dadurch  das  Tragen  wesent¬ 
lich  erleichtert,  und  die  Verbandstoffe  sitzen  gut. 


Wenn  auch  Frau  II.  sich  eines  guten  Wohlbefindens  erfreut, 
so  ist  sie  durch  die  Grösse  und  vor  allem  das  Gewicht  des  Lipoms 
sehr  behindert.  Sie  muss,  um  das  Gleichgewicht  zu  behalten, 
stets  beim  Gehen  vornübergeneigte  Haltung  —  bis  fast  zu  einem 
Winkel  von  45  0  —  einnehmen.  Gewöhnliche  Lehnstühle  kann  sie 
nicht  benützen,  sie  hat  sich  einen  besonderen  Stuhl  konstruieren 
lassen  mit  niedriger,  aber  breiter  Lehne,  auf  die  sie  die  massige 
Geschwulst  auflegt  —  sie  hat  so  einen  guten  Unterstützungspunkt. 
Sie  schläft  sitzend,  und  lehnt  sich  seitwärts  an  ein  an  die  Wand 
gelegtes  Kissen. 


Nachtrag. 

Bei  einem  kürzlich  erfolgten  Besuche,  den  ich  der  Frau  II. 
machte,  nachdem  ich  sie  ein  Vierteljahr  nicht  gesehen  hatte,  fand 
ich  die  alte  Frau  recht  matt  vor,  sie  hatte  eine  Infiuenza  Über¬ 
stunden;  und  ihre  Kräfte  waren  sehr  im  Verfall.  Das  Lipom 
hatte  die  bekannte  Grösse,  alles  war  beim  alten,  nur  die  Ulzera 
waren  zum  Teil  verschwunden,  und  zwar  gerade  die  ältestem:  an 
deren  Stelle  waren  vollständige  Hautdefekte  getreten.  Epidermis, 
Korium  und  Tela  subcutanea  waren  nicht  mehr  vorhanden,  man 
erblickt  an  deren  Stelle  verschieden  grosse  Löcher,  meistens  von 
Talerumfang,  mit  einem,  w  ie  mit  einem  Locheisen  geschlagenen 
scharfen  Rande,  durch  welche  die  Fettmassen  der  Geschwulst, 
angeordnet  zu  ungleich  grossen,  mit  ihrer  Faszie  überzogenen  Fett¬ 
läppchen.  hindurchsahen;  und  diese  Löcher  sassen  alle  an  Stellen, 
wo  die  Geschwulst  knollenartige  Auftreibungen  hatte  ■ —  also  alle 
zweifellos  durch  die  Druckusur  allmählich  entstanden.  Mehrere 
solcher  vollständiger  Hautverluste  waren  noch  im  Entstehen  be¬ 
griffen. 


Zur  akuten  Formalinvergiftung. 

Von  Dr.  A  u  g.  G  e  r  1  a  c  li,  Stadtarzt  in  Lauchheim. 

Im  Anschluss  an  2  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlichte 
Fälle  über  akute  Formalinvergiftung  von  Klüber1)  und 
Zorn 2)  möchte  ich  hier  einen  weiteren  von  mir  beobachteten 
Fall  folgen  lassen : 

„Am  15.  Oktober,  Abends  S  Uhr  wurde  ich  eiligst  zu  der 
21  jährigen  Dienstmagd  V.  R.  gerufen,  ohne  Angabe  des  Grundes. 

Um  9  Ulir  dort  angekommen,  erfuhr  ich,  Patientin  habe  sich 
Avegen  Unwohlsein  um  G  Uhr  zu  Bett  begeben;  nach  etwa  y2  Stunde 
sei  jemand  in  ihr  Zimmer  gekommen,,  habe  sie  „laut  schnaufen 
und  stöhnen“  gehört,  sie  angerufen  und  geschüttelt,  aber  nicht 
zum  Bewusstsein  zu  bringen  vermocht. 

Das  Mädchen  lag  schweratmend  zu  Bett,  35  Ateimziige  pro 
Minute,  Puls  90,  aber  kräftig  und  regelmässig,  der  ganze  Körper 
ist  leicht  mit  Scliweiss  bedeckt,  Temperatur  in  der  Achselhöhle 
37,8.  Der  Hornhautreflex  ist  gut. 

Durch  lautes  Anrufen,  Schütteln  und  Kneifen  erwacht  sie, 
bleibt  liegen,  starrt  mich  gläsern  an.  Ich  versuche,  sie  an  der 
ITand  zum  Aufsitzen  zu  bringen,  da  erbricht  sie  plötzlich  ein  wenig; 
(las  Erbrochene  zeigt  einen  scharf  stechenden  Geruch.  Patientin 
ist  wieder  völlig  bewusstlos  und  atmet  angestrengt  weiter. 

Ein  Blick  auf  den  Tisch  belehrt  mich  über  alles:  Patientin 
war  3  Tage  vorher  bei  mir  gewesen,  hatte  wegen  starken  Fluor 
albus  zu  Spülungen  Formalin  (S  c  h  e  r  i  n  g)  bekommen,  ebenso 
innerlich  eine  Kal.  jodat.-Solution.  Allem  Anschein  nach  hatte  sie 
das  Formalin  nun  innerlich  genommen,  der  Geruch  des  Erbrochenen 
war  der  charakteristische  Formaldehydgeruch.  Die  Diagnose  war 
also  leicht  gestellt. 

Da  Patientin,  ausser  dem  Wenigen  in  meiner  Gegenwart,  noch 
nicht  erbrochen  hatte,  hiess  es  schnell  den  Magen  entleeren. 
Schlucken  konnte  sie  wegen  der  Bewusstlosigkeit  nicht,  Apo¬ 
morphin  war  nicht  vorhanden,  Magenschlauch  auch  nicht  (Ent¬ 
fernung  zu  meiner  Wohnung  betrug  1  Stunde).  Also  hiess  es 
schnell  etwas  improvisieren:  Der  Nachbar,  ein  Wirth,  musste 
schnell  einen  Weinschlauch  hergeben,  ein  Trichter  war  aus  der 
Haushaltung  schnell  beschafft.  Der  Schlauch  wurde  am  einen 
Ende  mit  der  Scheere  geglättet  und  abgerundet  und  gut  eingeölt. 
Zwei  Personen  hielten  Patientin  aufrecht  sitzend,  eine  hielt  den 
Kopf,  so  gelang  die  Einführung  des  Schlauches  und  die  Magen¬ 
spülung;  es  kam  viel  Schleim  und  ziemlich  viel  Speisereste,  kein 
Blut,  alles  nach  Formaldehyd  riechend. 


Erbrechen  folgte  nicht  mehr  nach;  Patientin  wurde  öfters  auf¬ 
gerüttelt,  kam  aber  nie  recht  zu  Bewusstsein,  nur  einmal  konnte 
ihr  ein  tüchtiger  Schluck  Rothwein  beigebracht  werden. 

Da  der  Puls  gut  war  und  das  Gift  ja  nach  Möglichkeit  ent¬ 
fernt,  ging  ich  weg  mit  dem  Auftrag,  Patientin  öfters  aufzurütteln 
und  ihr,  wenn  möglich,  viel  Wasser  zu  trinken  zu  geben. 

Am  folgenden  Morgen  8  Uhr  war  ich  wieder  dort;  im  wesent¬ 
lichen  war  noch  der  gleiche  Zustand  vorhanden,  Puls  80,  Atmung 
30.  Auf  Anrufen  öffnete  sie  ein  wenig  die  Augen  und  stiess 
lallende  Laute  aus,  wie  im  Rausch;  zum  Bewusstsein  kam  sie 
nicht. 

Urin  hatte  sie  nicht  gelassen;  deshalb  wird  Katheter  ein¬ 
gelegt;  es  entleerten  sich  nur  3 — 4  Tropfen  dunklen  Urins. 

Nachmittags  1  Uhr  sah  ich  Patientin  wieder;  inzwischen  war 
seit  10 Uhr  3 mal  Stuhlgang  erfolgt,  den  letzten  sah  ich,  er  war  diar- 
rhoisch,  stark  übelriechend,  Adel  Schleim  dabei,  Blut  sah  ich  nicht; 
es  wurde  mir  aber  gesagt,  im  ersten  Stuhl  seien  Blutklümpchen  (?) 
gewesen. 

Seit  dem  ersten  Stuhl  war  Patientin  bei  leidlichem  Bewusst¬ 
sein.  Puls  und  Atmung  Avie  früh  Morgens,  Temperatur  3G,9.  Sie 
klagte  noch  über  starken  Schwindel  und  Brennen  im  Hals,  die 
Mundschleimhaut  sah  normal  aus;  bei  einem  Versuch,  zu  stehen, 
fiel  Pat.  gleich  um.  Sie  konnte  mir  jetzt  erzählen:  Gestein  Abend 
habe  sie  schon  zu  Bett  gelegen,  habe  dann  noch  ihre  Arznei  ein¬ 
nehmen  wollen;  da  aber  kein  Löffel  vorhanden  gewesen  sei,  habe 
sie  einen  Schluck  genommen;  gleich  nachher  habe  sie  Brennen 
im  Halse  gespürt  und  gedacht,  sie  müsse  die  Arzneien  Avohl  ver- 
Avechselt  haben;  weiter  wisse  sie  nichts  mehr.  Es  liess  sich  nun 
feststellen,  dass  sie  aus  dem  200  g  haltenden  (NB.  sechseckigen 
mit  rotem  Etikett)  Glas  2  mal  je  1  Esslöffel  zu  Spülungen  ge¬ 
braucht  hatte;  der  in  dem  Glas  befindliche  Rest  betrug  etwa 
100  ccm,  sie  hatte  demnach  etwa  GO — 70  ccm  geschluckt.  Das 
Formalin  war  das  offizineile  Formaldehyd,  solut.  Schering  (also 
35  proz.). 

Erbrechen  war  nicht  mehr  eingetreten,  Urin  konnte  sie  nicht 
lassen.  Sie  bekam  nun  Adel  Wasser  (bei  einer  Nachbarin  war 
Wernarzer  vorrätig)  und  Milch  zu  trinken. 

Abends  nach  9  Uhr  kam  ich  abermals  zur  Patientin;  es  war 
inzwischen  5  oder  G  mal  Avenig  Urin  gegangen,  im  ganzen  doch 
fast  y4  Liter,  dunkelgelb,  etwas  trüb.  Puls  75,  Atmung  24,  Tem¬ 
peratur  37,0. 

Angeordnet  Avurde  fleissiges  Weitertrinken  des  Wassers  und 
leichte  Suppen.  •  j 

Die  Untersuchung  des  Urins  ergab  Spuren  von  Ehveiss,  keinen 
Zucker,  kein  Blut,  keine  Formalinbestandteile,  jedoch  deutlich 
Ameisensäure.  (Letztere  Reaktion  stellte  ich  erst  an,  nachdem 
ich  inzwischen  den  K  1  ü  b  e  r  sehen  Fall  gelesen  hatte.) 

Am  nächsten  Tage  früh  8  Uhr  waren  Puls  und  Atmung  an¬ 
nähernd  normal;  sie  hatte  ziemlich  gut  geschlafen,  noch  leichte 
Kopfschmerzen,  konnte  gut  im  Zimmer  umhergehen;  Nahrung  war 
gut  vertragen  Avorden.  2  mal  Stuhlgang  in  der  Nacht,  Aveicli, 
aber  ohne  Schleim.  Etwa  y2  Liter  Urin,  dunkler,  ohne  Eiweiss. 

Als  ich  am  folgenden  Tage  wieder  kam,  fand  ich  Patientin  in 
der  Küche  beschäftigt,  sie  fühlte  sich  ganz  wohl  und  hatte  guten 
Appetit. 

Die  wesentlichen  Symptome  dieser  unzweifelhaften  akuten 
Formalinvergiftung  waren  also:  15  stiindige  starke  Bewusst¬ 
losigkeit  (Rauschzustand),  starker  Schwindel,  etwa  12  stiindige 
Anurie,  leichte  Nierenreizung,  leichter  Darmkatarrh,  beschleu¬ 
nigte  Atmung,  leicht  beschleunigte  Herztätigkeit. 

Vergleicht  man  diesen  Fall  mit  den  beiden  früher  veröffent¬ 
lichten  Fällen,  so  ergibt  sich  ein  gewisses  Zusammentreffen  der 
Symptome:  Bei  dem  Ivlii  berschen  Fall  traten  mehr  Erschei¬ 
nungen  von  seiten  des  Sensoriums  auf,  bei  dem  Zorn  sehen 
mehr  Beteiligung  des  Darmtraktus  und  der  Nieren;  bei  dem  inei¬ 
nigen  am  hervorstechendsten  ebenfalls  Symptome  von  seiten  des 
Zentralnervensystems,  gleichzeitig  aber,  wenn  auch  geringer, 
Nieren-  und  Darmerscheinungen. 

Auch  aus  diesem  Fall,  der  zwar  mit  den  beiden  früheren 
eine  geAvisse  Gesetzmässigkeit  teilt,  kann  natürlich  noch  nichts 
Allgemeines  über  die  Wirkung  des  Formaldehyds  auf  den  Or¬ 
ganismus  geschlossen  werden,  vielmehr  werden  dies  erst  viele 
weitere  Beobachtungen  ermöglichen. 


Nachschrift  zu  dem  „Bericht  über  eine  Wieder- 

käuerfamilie“ 

in  dieser  Wochenschrift  No.  31,  S.  1293. 

Zu  meinem  unliebsamen  Erstaunen  brachte  eine  grosse  Reihe 
von  Tageszeitungen  eine  Inhaltsangabe  über  den  obengenannten 
Aufsatz;  dadurch  wurde  der  wissenschaftlichen  Mitteilung  ein 
sensationeller  Beigeschmack  gegeben,  was  ich  bedauere.  Ein 
Gutes  aber  hatte  das  Bekanntwerden  derselben  in  weiteren 
Kreisen,  es  gingen  mir  mehrere  Zuschriften  zu,  welche  von  ganz 
ähnlichen  Fällen  berichteten.  Ich  bin  allerdings  nicht  in  der 
Lage,  die  Richtigkeit  der  einzelnen  Angaben  zu  prüfen;  merk¬ 
würdig  erscheint  nur  auch  hier  wieder  die  Uebereinstimmung  der 

4* 


b  Münch,  med.  Wocliensclir.  1900,  No.  41,  pag.  1416. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  4G,  pag.  15S8. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


1504 


einzelnen  Schilderungen  sowohl  untereinander  als  mit  den  früher 
beschriebenen  Fällen. 

So  teilt  mir  ein  Herr  aus  Berlin  mit,  dass  bei  ihm  „ganz  so“, 
wie  ich  es  beschrieben  hätte,  der  Akt  des  Wiederkauens  vor  sich 
ginge.  Seine  Schwester  in  Hamburg  habe  dieselbe  Angewohnheit, 
ferner  vermute  er,  dass  seine  Mutter  Ituminantin  gewesen  wäre. 
Er  selbst  sei  ein  starker  und  hastiger  Esser.  Seit  Kinderjahren 
habe  er  die  Gewohnheit  des  Wiederkauens  und  hätte  dabei  niemals 
einen  üblen  Geschmack  oder  irgend  welche  Beschwerden. 

Ein  42  jähriger  Beamter  aus  W.  bei  Würzburg  schreibt:  „Seit 
meinem  11.  Lebensjahre  leide  ich  an  dem  widerwärtigen  Wieder¬ 
kauen“,  er  schildert  die  Erscheinungen  dann  eingehend,  woraus 
zu  ersehen  ist,  dass  das  „widerwärtig“  in  ästhetischer,  nicht  in 
somatischer  Bedeutung  aufzufassen  ist,  und  spricht  die  Ueber- 
zeugung  aus,  dass  der  Vorgang  der  Rumination  bei  ihm  durch 
zu  hastiges  Verzehren  grosser  Mahlzeiten  bedingt  wäre.  Herr  Th. 
erklärt  sich  bereit,  zur  eingehenden  Untersuchung  nach  Erlangen 
zu  kommen. 

Aus  Remscheid  erhielt  ich  eine  Mitteilung  von  einer  Frau, 
die  nach  ihrer  Verheiratung  „mit  Staunen“  wahrgenommen  hat, 
dass  ihr  Mann  ca.  y2  Stunde  nach  dem  Essen  die  eingenommenen 
Speisen  noch  einmal  heraufbefördere  und  durchkaue.  Sie  könne 
diesen  Vorgang  jetzt  seit  6  Jahren  beobachten. 

Ein  Herr  aus  Wien  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  er 
von  dem  „Uebel“  des  Wiederkauens  durch  eine  Kaltwasserkur 
(Halbbäder  und  Abreibungen  des  Magens),  welche  ihm  Herr  Pro¬ 
fessor  Winternitz  verordnet  habe,  geheilt  worden  sei. 

Durch  einen  eingehenderen  Selbstbericht  eines  72  Jahre  alten 
Herrn  G.  S.  in  Hannover  erfahre  ich,  dass  er  schon  seit 
00  Jahren  (!)  der  Gewohnheit  des  Wiederkauens  nachkommt  und 
dass  auch  sein  Vater,  der  80  Jahre  alt  wurde,  Ruminant  war. 
Er  schreibt  u.  a.:  „Das  Behagen  beim  Wiederkauen  stellt  sich  auch 
bei  mir  ein  und  ich  habe  ein  Unbehagen,  wenn  das  Wiederkauen 
nicht  zu  stände  kommt;  ich  nehme  dann  Wasser  oder  andere 
leichte  Flüssigkeit  zu  mir,  um  das  Wiederkauen  zu  fördern.“ 

Ein  32  jähriger  Gastwirt  aus  einem  kleinen  Orte  bei  Königs¬ 
berg  i.  Pr. '  tut  mir  auf  einer  Postkarte  zu  wissen,  dass  er,  so¬ 
lange  er  denken  könne,  die  aufgenommenen  Speisen  Wiederkauen 
müsse,  gerade  so  wie  es  in  der  Zeitung  geschildert  gewesen  wäre, 
„ich  kann  gut  essen  und  trinken  und  habe  keine  Magen¬ 
beschwerden“. 

Schliesslich  bekam  ich  noch  ein  längeres  Schreiben  von  einem 
Herrn  R.  W.  in  Rostock.  Er  teilt  mir  mit,  dass  er  seit  seiner 
Kindheit  bis  heute  die  meisten  der  genossenen  Speisen  und  zwar 
oft  „stundenlang“  wiederkaue.  Bei  grösseren  Radtouren  bleibt 
das  Wiederaufstossen  der  Mahlzeit  häufig  aus,  dann  stellt  sich 
aber  auch  vollständige  Appetitlosigkeit  und  Unlustgefühl  ein. 
„In  Gesellschaft  habe  ich  das  Aufstossen  nach  Möglichkeit  unter¬ 
drückt,  weil,  wenn  ich  verstohlen  kaue,  gewöhnlich  angenommen 
wird,  ich  kaue  Tabak,  was  ich  nie  getan  habe.  Zuhause  suche 
ich  das  Wiederaufstossen  der  Speisen  ebenfalls  zu  unterlassen, 
da  meine  Frau  es  nicht  gerne  sieht,  gänzlich  kann  ich  es  jedoch 
nicht  vermeiden.“ 

Aus  den  hier  mitgeteilten  Zuschriften  lässt  sich  entnehmen, 
dass  das  Wiederkauen  beim  Menschen  kein  aussergewöhnlich 
seltenes  Vorkommnis  ist1).  Die  davon  betroffenen  Leute  suchen, 
da  sie  sich  vollständig  wohl  dabei  fühlen  und  gar  keine  Be¬ 
schwerden  davon  haben,  die  ärztliche  Hilfe  gewöhnlich  nicht 
nach  und  bemühen  sich  auch  die  „üble  Gewohnheit“  ihrer  Um¬ 
gebung  zu  verbergen.  So  kommt  es,  dass  sowohl  in  ärztlichen 
Kreisen  als  auch  bei  Laien  wenig  von  dem  menschlichen  Wieder¬ 
kauen  bekannt  ist. 

Für  die  Behandlung  scheint  mir  der  von  einem  der 
Zusender  gegebene  und  befolgte,  allerdings  naheliegende  Rat, 
langsam  zu  essen  und  gleich  das  erstemal  sorgfältig  zu  kauen, 
recht  verständig.  Das  Wiederhochkommen  der  Speisen  ist  nach 
Möglichkeit  hintanzuhalten.  Dass  eine  zweckmässig  durch¬ 
geführte  Llydrotherapie  günstigen  (suggestiven)  Einfluss  dabei 
hat,  ist  durchaus  glaubwürdig.  Wenn  aber,  wie  mehrfach  be¬ 
richtet  wird,  bei  der  Unterdrückung  des  Wiederkauens  dauernd 
stärkere  Beschwerden  auftreten,  so  ist  von  einer  weiteren  Be¬ 
handlung  abzusehen,  denn  die  Ruminatio  humana  ist  wohl  nicht 
als  eine  krankhafte,  sondern  mehr  als  eine  merkwürdige  Er¬ 
scheinung  aufzufassen.  L.  R.  Müller-  Erlangen. 


Ueber  Stickstoff  sammelnde  Bakterien  und  ihre 
Bedeutung  für  die  Landwirtschaft.* *) 

Von  Stabsarzt  Dr.  Jacobitz  in  Halle  a.  S. 

M.  H.!  Jahrhunderte  lang  hatte  man  geglaubt,  dass  der  in 
der  Natur  nur  in  verhältnismässig  geringer  Menge,  im  Ammoniak, 
in  der  salpetrigen  und  Salpetersäure  und  ihren  Salzen  sich  vor¬ 


J)  K.  Loewe  (Ueber  Ruminatio  humana.  Münch,  med. 
Woclienschr.  1892,  No.  27)  konnte  15  Fälle  von  menschlichem 
Wiederkauen  beobachten. 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Verein  der  Aerzte  zu  Halle  a.  S.  am 
30.  April  1902. 


findende  gebundene  Stickstoff  allein  an  der  Einälixung 
und  dem  Stoffwechsel  der  Fflanzen  beteiligt  sei,  während  die  ganze 
grosse,  frei  in  der  Atmosphäre  vorhandene  Menge 
dieses  Gases  hierbei  gar  nicht  oder  so  gut  wie  gar  nicht  in 
Betracht  kommen  sollte.  Einen  Vorgang  allerdings  kannte  man, 
bei  dem  freier  Luftstickstoff  in  den  gebundenen  Zustand  über- 
gefiihrt  wird.  Beim  Gewitter  nämlich,  beim  Durchschlagen  des 
elektrischen  Funkens  durch  ein  Gemisch  von  Stickstoff,  Sauer¬ 
st  off  und  Wasserdunst  wird  salpetrig-  und  salpetersaures 
Ammoniak  gebildet,  das  mit  dem  Regen  in  den  Boden  gelangt. 
Doch  ist  die  so  dem  Boden  zugeführte  Menge  gebundenen  Stick¬ 
stoffs  nur  sehr  gering,  sie  beträgt  nicht  annähernd  so  a  iel,  als 
notwendig  ist,  um  den  Stickstoffgehalt  des  Bodens  auf  der  zur 
Erzeugung  dei'  jährlichen  Ernten  genügenden  Höhe  zu  eihalten. 
Dass  aber  der  Stickstoffgehalt  mancher  Boden¬ 
art  e  n,  die  d  a  u  e  r  n  d  ungedüngt  bleiben,  von  grosser 
Beständigkeit  ist,  das  lehren  uns  Wald  und  Wiese,  wo  die 
Vegetation  dem  Boden  stetig  Stickstoff  entnimmt,  ohne  dass  der¬ 
selbe  irgendwie  erschöpft  wird,  das  zeigt  uns  weiter  die  z.  B.  hier 
in  Halle  auf  dem  Versuchsfelde  des  landwirtschaftlichen  In¬ 
stituts  gemachte  Beobachtung,  dass  eine  Parzelle,  die  20  Jahre  hin¬ 
durch  ununterbrochen  mit  Winterroggen  bebaut  worden  ist,  ohne 
dass  jemals  Stickstoffdünger  zugeführt  wurde, 
trotzdem  keine  Vermi  n  derung  des  Ernteertrages  aufwies. 

In  allen  diesen  Fällen  kommt  als  Stickstoffquelle  das 
frei  in  der  Atmosphäre  vorhandene  Nitrogenium 
in  Betracht.  Durch  irgend  welche  Vorgänge  im  Boden  muss  das¬ 
selbe  also  in  gebundenen  Zustand  übergeführt  und  so  den  Pflanzen 
nutzbar  gemacht  werden.  Und  dass  dies  tatsächlich  der  Lall,  dass 
auch  der  freie  Luftstickstoff  eine  Rolle  im  Haushalte  der  Natur 
zu  spielen  bestimmt  ist,  dass  auch  er  an  dem  Kreislauf  des  Lebens 
teilnimmt,  das  haben  uns  Forschungen  der  neuesten  Zeit  gelehrt, 
und  die  letzten  Errungenschaften  auf  diesem  Gebiete  scheinen 
darauf  hinzudeuten,  dass  die  Mitwirkung  des  ungebundenen  Stick¬ 
stoffes  noch  eine  grössere  ist,  als  man  zuerst  und  bislang  allgemein 
angenommen  hatte. 

H  e  1 1  r  i  e  g  e  1  und  W  i  1 1  f  a  r  t  h  haben  Mitte  der  achtziger 
Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  auf  Grund  sorgfältiger  und 
mustergiltiger  Untersuchungen  den  Beweis  erbracht,  dass  die 
schon  von  P  1  i  n  i  u  s  erwähnte,  längst  bekannte  und  von  dei 
Praxis  ausgenutzte  Tatsache,  dass  die  Kultur  von  Leguminosen 
die  Kraft  eines  stickstoffarmen  Bodens  für  die  folgenden  Ernten 
in  ganz  hervorragendem  Masse  zu  erhöhen  vermöge,  darin  ihre 
Ursache  habe,  dass  diese  Pflanzen  ihr  Stickstoffbedürfnis  nicht 
nur  aus  dem  im  Boden,  sondern  auch  aus  dem  frei  in  der  Luft 
vorhandenen  Anteil  dieses  Elements  zu  decken  vermögen.  Doch 
nicht  die  Schmetterlingsblütler  selbst  besitzen  die  Fähigkeit  den 
Luftstickstoff  zu  assimilieren,  sondern  sie  bedürfen 
hierzu  der  Unterstützung  gewisser  Mikroorganismen  des 
Bodens,  die  in  den  an  ihren  Wurzeln  entstandenen  Knöll¬ 
chen  sich  ansiedeln.  Dass  diese  Wurzelknöllchen  mit  der  Assimi¬ 
lation  des  freien  Stickstoffs  in  einem  ursächlichen  Zusammenhang 
stehen,  ersehen  wir  aus  der  Beobachtung,  dass  ein  sichtliches 
Wachst  u  m  der  Leguminosen  im  stickstoffarme  n 
Bode  n  immer  erst  nach  Entwicklung  der  Knöllchen 
statthat.  Die  Tatsache  aber,  dass  im  sterilisierten  und  während 
der  Vegetationszeit  steril  erhaltenen  Boden  eine  Bildung  dieser 
Wurzelanschwellungen  niemals  vor  sich  geht,  beweist,  dass 
schliesslich  eine  im  Boden  liegende  Ursache  hierbei  die  ausschlag¬ 
gebende  Rolle  spielen  muss.  Als  diese  Ursache  haben  sich  nun,  wie 
eben  erwähnt,  bestimmte  Mikroorganismen  des  Bodens 
herausgestellt.  Diese  reinzuzüchten  war,  nachdem  die  bahn¬ 
brechenden  Untersuchungen  Hellriegels  durch  Nach¬ 
prüfungen  voll  und  ganz  bestätigt  und  seine  daraus  gezogenen 
Schlüsse  und  Lehrsätze  in  der  wissenschaftlichen  Welt  fast  all¬ 
gemeine  Anerkennung  gefunden  hatten,  die  nächste  Aufgabe. 
Denn  nur  mit  Hilfe  von  Reinkulturen  war  es  ja  möglich, 
das  Wesen  der  Stickstoffanreicherung  durch  die  in  die  Pflanze 
eingedrungenen  und  in  den  Knöllchen  sich  findenden  Bodenbak¬ 
terien  näher  zu  studieren.  Die  Reinzüchtung  gelang  zuerst 
Beyerinck,  nach  ihm  haben  sich  noch  Frank,  Praz- 
m  o  w  s  k  i  u.  a.  dieser  Aufgabe  unterzogen  und  auch  in  der  Litera¬ 
tur  die  Ergebnisse  ihrer  Untersuchungen  mitgeteilt.  Nach  dem 
heutigen  Stande  unseres  Wissens  handelt  es  sich  hier  um  eine 
bestimmte  Bakteriena  r  t,  um  den  von  Beyerinck  „B  a  - 
c  i  1 1  u  s  r  a  d  i  c  i  c  o  1  a“  genannten  Mikroorganismus.  Die  i  n 
den  Wurzelknöllchen  der  einzelnen  Schmetter¬ 
lingsblütler  sich  vorfindenden  spezifischen  Bak¬ 
terie  n  unterscheiden  sich  zwar  durch  gewisse,  kleine,  äussere 
Kennzeichen  im  Aussehen,  im  Wachstum  und  auch  dadurch,  dass 
sie  infolge  dauernder  Gewöhnung  in  der  Regel  nur  gerade  bei  der 
Pflanzenart  Knöllchenbildung  veranlassen,  sich  also  gerade  nur 
für  die  virulent  erweisen,  an  die  sie  allmählich  im  Laufe  der  Jahre 
angepasst  sind,  sie  sind  aber  trotzdem  nur  Varietäten  ein 
und  derselben  Art.  Versuche  von  N  o  b  b  e  und  H  i  1 1  n  e  r, 
denen  es  durch  besondere  Anordnung  gelang  z.  B.  mit  Hilfe  von 
Erbsenbakterien  bei  der  Bohne,  Wicke  und  Linse  reichliche  Knöll¬ 
chenbildung  hervorzurufen,  haben  uns  das  bewiesen.  Ihre  Be¬ 
funde  sind  im  hiesigen  hygienischen  Institut 
nachgeprüft  und  bestätigt  worden. 

Der  Bacillus  radicicola  stellt  ein  kleines,  schlankes, 
lebhaft  bewegliches  Stäbchen  dar.  Die  Grösse  der  Stäbchen 
schwankt,  man  findet  neben  sehr  kleinen  auch  grössere,  meist 


9.  September  1902. _ MUENCHENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHEIFT. 


weniger  lebhaft  bewegliche.  Sporenbildung  ist  nicht  be¬ 
obachtet.  Die  F  ii  r  b  u  ng  gelingt  mit  den  gewöhnlichen  Anilin¬ 
farben.  allerdings  in  der  Kälte  nur  schlecht,  am  besten,  wenn  man 
sie  etwas  erwärmt.  Der  Gram  scheu  Färbung  sind  die  Stäbchen 
nicht  zugänglich.  Die  geeignetsten  Nährböden  bilden  Agar  und 
Gelatine  mit  Zusatz  von  wässrigen  Auszügen  der  Blätter  und 
Stengel  der  Leguminosen  und  Asparagin  und  Traubenzucker,  doch 
gelingt  die  Züchtung  auch  leicht,  wenn  man  die  Pflanzenauszüge 
fortlässt  und  nur  Asparagin  und  Traubenzucker  in  bestimmtem 
■Verhältnis  zufügt.  Erheblich  schwieriger  ist  dieselbe  allerdings 
auf  den  gewöhnlichen  Nährböden,  auf  Fleischgelatine  und  Fleisch¬ 
agar.  doch  kommt  man  auch  hier  zum  Ziele.  Die  Reaktion  des 
Nährbodens  ist  am  besten  schwachsauer.  Die  Gelatine  wird 
langsam  verflüssigt.  Nach  5—7  Tagen  werden  auf  der  Asparagin- 
Iraubenzucker-Gelatineplatte  die  ersten  Kolonien  als  kleine,  weisse 
Punkte  sichtbar.  Diese  nehmen  dann  langsam  an  Grösse  zu 
werden  mehr  mattglänzend,  wachsen  schliesslich  bis  zu  ca.  1  ccm 
im  Durchmesser  und  zeigen  etwa  das  Aussehen  eines  grossen 
Stearintropfens.  Während  sich  auf  schräg  erstarrtem  Asparagin- 
Traubenzuckeragar  ein  meistens  farbloser,  vielleicht  etwas  grau- 
weisslicli  aussehender,  stark  fadenziehender  Belag  bildet,  ist  der¬ 
selbe  auf  gewöhnlichem  Agar  mehr  weisslicli  aussehend  und  nicht 
fadenziehend.  In  einem  Dekokt  der  Leguminosenblätter  oder 

-stengel  ohne  Zusatz  von  Gelatine  oder  Agar  tritt  nach  3 _ 4  Tagen 

eine  leichte,  allmählich  zunehmende  Trübung  auf,  es  bilden  sich 
kleine,  zarte  Häutchen,  die  im  Laufe  der  nächsten  Tage  zu  Boden 
sinken  und  hier  einen  flockigen  Niederschlag  bewirken,  während 
die  obersten  Schichten  der  Flüssigkeit  klar  werden.  Das  T  e  m  - 
peratur optimum  für  das  Wachstum  des  Bac.  radicieola  liegt 
bei  Zimmertemperatur,  zwischen  60—70°  stirbt  er  sicher  ab 
während  er  bei  0°  und  auch  noch  darunter  noch  lebensfähig 
bleiben  soll.  Einer  besonderen  Form  des  Bac.  radicieola 
muss  noch  gedacht  werden:  In  den  Knöllchen  flnden  sich  näm¬ 
lich  neben  den  Stäbchen  noch  eigentümliche,  Y -förmige,  ver¬ 
zweigte  oder  auch  an  dem  einen  Ende  geschwollene,  bimförmige 
oder  auch  kugelige  Gebilde,  die  sogen.  „Bakteroiden“.  In  künst¬ 
lichen  Kulturen  sieht  man  dieselben  gewöhnlich  nicht,  doch  haben 
H  i  1 1  n  e  r  und  Stutzer  auch  in  diesen  die  Bakterienbildung 
erreicht,  und  zwar  dadurch,  dass  sie  den  Nährsubstraten  Wurzei¬ 
extrakt  von  Leguminosen  oder  saure  phosphorsaure  Salze  oder 
endlich  auch  organische  Säure  hinzusetzten.  Nach  der  fast  all¬ 
gemein  angenommenen  Anschauung  stellen  diese  Gebilde  I  n  - 
volutionsf ormen  des  Bacillus  radicieola  dar. 

Die  Infektion  der  Pflanzen  und  die  K  n  ö  1 1  c  li  e  n- 
b  i  1  d  u  n  g  geht  nun  in  der  Weise  vor  sich,  dass  die  lebhaft  be¬ 
weglichen  Stäbchen  sich  an  den  jüngeren,  nicht  allzuweit  von  der 
Wurzelspitze  entfernten  Wurzelhaaren  ansammeln.  Durch  ge¬ 
wisse,  von  den  Bakterien  gebildete  Stoffe  nehmen  die  Haare  eigen¬ 
tümliche  Verkrümmungen  an,  werden  gelockert,  quellen  auf  und 
ermöglichen  so  den  Mikroorganismen  den  Eintritt.  Hier  ver¬ 
mehren  sich  die  Bazillen  und  bilden  den  zunächst  das  Wurelliaar, 
dann  auch  die  Rindenzellen  der  Wurzel  selbst  durchwachsenden 
Infektionsschlauch  oder  -faden,  in  dem  zahlreiche  Bakterien  in 
einem  Schleim  eingebettet  sind.  In  der  Wurzel  wird  nun  das 
Rindengewebe  durch  das  Eindringen  der  Mikroorganismen  zu  leb¬ 
hafter  Wucherung  angeregt,  die  in  der  Knöllchenbildung  ihr  Ende 
findet.  ’  - 

Dass  der  eben  kurz  beschriebene  Bac.  radicieola  auch 
tatsächlich  im  stände  ist,  freien  atmosphärischen 
Stickstoff  zu  assimilieren,  und  so  die  Schmetterlings¬ 
blütler  nicht  nur  befähigt,  auf  stickstoffarmem  Boden  gut  zu  ge¬ 
deihen,  sondern  diesen  auch  dadurch  mit  Stickstoff  anzureichem, 
ist  durch  Versuche  von  B  e  y  e  r  i  n  c  k,  Frank,  Berthelot  und 
vor  allem  von  Maze  sichergestellt,  die  gezeigt  haben,  dass  der 
genannte  Bazillus  auch  in  geeigneten,  künstlichen  Nährsubstraten 
Luftstickstoff  in  erheblicher  Menge  zu  binden  vermag.  Man  ver¬ 
wendet  zu  diesem  Nachweis  möglichst  stickstoffarme  Nährböden, 
durch  die  Luft  gesaugt  oder  getrieben  wird,  die  zuvor  eine  Vorlage 
mit  Natronlauge  und  eine  mit  Schwefelsäure  passiert  hat,  also  frei 
von  gebundenem  Stickstoff  ist.  Durch  Bestimmung  und  Berech¬ 
nung  wird  der  Stickstoff gehalt  vor  und  nach  dem  Versuch  fest¬ 
gestellt  und  aus  der  Differenz  ergibt  sich  dann,  ob  event.  Anreiche¬ 
rung  stattgefunden  hat  oder  nicht. 

Als  Stelle,  wo  die  Assimilation  dieses  Gesetzes  vor  sich 
geht,  müssen  wir  auf  Grund  beweiskräftiger  Versuche  verschie¬ 
dener  Autoren  die  Wurzelknöllchen  selbst  ansehen. 

Darüber  aber,  wie  die  Fixierung  geschieht  und  i  n 
w  elcher  Form  eigentlich  das  elementare  Stickgas 
von  den  Pflanzen  aufgenommen  wird,  ist  bisher  noch  keine 
Uebereinstimmung  erzielt  worden.  Die  einen  halten  es  für  am 
wahrscheinlichsten,  dass  die  Leguminosen  den  in  den  Bakteroiden 
m  Form  von  Eiweissubstanzen  niedergelegten  freien  Luftstickstoff 
durch  Auflösen  und  Aufzehren  sich  aneignen  und  für  sich  ver¬ 
werten.  Von  anderer  Seite  aber  sind  hiergegen  immerhin  be¬ 
achtenswerte  Einwände  erhoben  und  geltend  gemacht  worden. 
Jedenfalls  bedürfen  die  verschiedenen  Hypothesen  noch  vollkräf¬ 
tiger  Beweise. 

Ebenso  ist  das  Verhältnis  zwischen  Wirts- 
P  flanze  und  den  eingedrungenen  Knöllchenbakterien 
noch  nicht  geklärt.  Es  handelt  sich  dabei  nach  der  einen  Ansicht 
um  einen^  Fall  von  echter  Symbiose,  indem  die  Fflanze  den 
Bazillen  Zucker  liefert,  die  organische  Nahrung,  deren  sie  be¬ 
dürfen,  während  die  Mikrobien  ihrerseits  der  Pflanze  den  Stick- 


1505 


Stoff  zugänglich  machen.  Andere  haben  die  Auffassung,  dass  nicht 
ein  Zusammenwirken,  sondern  ein  K  a  m  p  f  zwischen  Pflanze  und 
Bakterien  statthat,  bei  dem  ein  Teil  der  letzteren,  nachdem  sie  in 
die  Pflanze  eingedrungen  sind,  von  dieser  vernichtet  und  auf- 
gezehit  wild,  die  Pflanze  aber  selbst  an  ihrem  Körper  hierbei 
Schädigungen  erleidet.  Endlich  hat  man  auch  das  Verhältnis  von 
Papilionaceen  und  Bac.  i*adicicol.  als  einen  Parasitismus,  ein 
Schmarotzen  der  ersteren  auf  dem  Bazillus  betrachtet.  ’  Die 
Pflanzen  locken  die  Bakterien  an,  bieten  denselben  günstige  Be¬ 
dingungen,  damit  sie  den  für  ihr  eigenes  Gedeihen  so  notwendigen 
Stickstoff  sammeln,  um  sie  nachher  zu  vernichten  und  das  in 
ihrem  Körper  aufgespeicherte  kostbare  Nährmaterial  sich  an¬ 
zueignen.  Wie  dem  auch  sei,  so  viel  wissen  wir  heute 
sicher,  dass  die  in  den  Wurzelanschwellungen 
der  Leguminosen  lebenden  Knöllchenbakterien 
ungebundenen  Stickstoff  zu  assimilieren  ver¬ 
möge  n.  Ob  sie  diese  Fähigkeit  aber  auch  allein  für  sich  unter 
natürlichen  Verhältnissen  im  Boden  besitzen,  darüber  sind  wir 
heute  noch  nicht  unterrichtet.  Wohl  aber  kennen  wir  andere  i  m 
Boden  hausende  Mikroorganismen,  denen  auch 
ohne  jede  Vereinigung  mit  höheren  Pflanzen 
die  Kraft,  elementaren  Stickstoff  in  demselben 
anzureichern,  innewo  li  n  t.  Wahrscheinlich  häufen  die¬ 
selben  den  atmosphärischen  Stickstoff  in  irgend  einer  Form  in 
ihrer  Leibsubstanz  und  damit  im  Boden  an.  Den  höheren  Pflanzen 
kommt  der  so  gesammelte  Luftstickstoffvorrat  dann  dadurch  zu 
gute,  dass  sie  die  abgestorbenen  Mikroorganismen  entweder  direkt 
oder  durch  Vermittlung  anderer  Bakterien  für  sich  zu  verwerten 
vermögen.  Genauere  Kenntnisse  über  die  sehr  komplizierten  Vor¬ 
gänge  haben  wir  noch  nicht. 

Zu  dieser  Gruppe  Stickstoff  sammelnder  Bakterien  gehört  der 
anfangs  von  mir  erwähnte,  aus  der  Parzelle  des  hiesigen  land¬ 
wirtschaftlichen  Instituts  isolierte  Spaltpilz,  dessen  nähere  Be¬ 
schreibung  allerdings  noch  aussteht,  von  dem  wir  aber  wissen, 
dass  er  auch  in  künstlichen  Nährsubstraten  nicht  unerhebliche 
Mengen  von  Stickstoff  zu  sammeln  vermag. 

Weiter  gehört  hierher  das  von  dem  russischen  Forscher 
W  inograds  k  y  aus  dem  Gartenboden  des  Instituts  für 
experimentelle  Medizin  in  Petersburg  isolierte 
,.C  lostridium  Pasteuri  a  n  u  m“.  Dieses  ist  ein  nur  an¬ 
aerob,  nicht  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden,  sondern  nur  auf 
Möhren-  und  Kartoffelscheiben  wachsendes,  1—2  /j.  breites  und 
2  mal  so  langes  Stäbchen,  das  mittelständige  Sporen  bildet,  die 
eine  spindelförmige  Anschwellung  bewirken.  Auf  Kartoffel-  und 
Möhrenscheiben  entstehen  kleine,  nicht  über  1  mm  im  Durch¬ 
messer  betragende,  warzige,  gelblich  aussehende  Kolonien.  Zucker¬ 
haltige  Nährflüssigkeit  werden  hauptsächlich  unter  Bildung  von 
Buttersäure  vergoliren.  Die  Fähigkeit,  Luftstickstoff  zu  binden, 
ist  nach  Winogradskys  Mitteilungen  nicht  unerheblich. 
Derselbe  fand  z.  B.  nach  einem  20  tägigen  Versuch,  zu  dem  500  ccm 
einer  stickstoffreien  Dextroselösung  benutzt  worden  waren, 
28.27  mg  Zunahme.  Winogradsky  hat  das  Clostridium  dann 
auch  noch  in  verschiedenen  anderen  Erdproben,  so  in  solchen,  die 
aus  Südrussland  stammten,  nachweisen  können.  In  Deutsch¬ 
land  ist  dasselbe  nach  den  bisherigen  Angaben  von  Behrens 
im  Kalkgestein  des  badischen  Taubertales  gefunden  worden  *). 
Genauere  Untersuchungen  und  Nachprüfungen  der  von  W  i  n  o  - 
g  r  a  d  s  k  y  den  genannten  Mikroorganismen  zugeschriebenen 
physiologischen  und  biologischen  Eigenschaften  sind  bisher  noch 
nicht  erfolgt. 

.  Schliesslich  ist  noch  von  einem  von  dem  Rittergutsbesitzer 
Caro  n  auf  dem  Boden  .seines  Gutes  Ellenbach  reingeziieh- 
teten  Mikroorganismus,  dem  Bacillus  ellenbachensis  a, 
die  Fähigkeit,  Stickstoff  zu  sammeln,  behauptet  worden.  Caron 
hat,  namentlich  durch  die  Untersuchungen  Berthelots  und 
A\  i  n  o  g  ra  dskys  veranlasst,  diesbezügliche  Prüfungen  seines 
Ellenbacher  Bodens  vorgenommen  und  hierbei  schliesslich  einen 
Spaltpilz  gefunden,  der  nach  von  ihm  angestellten  Topfversuchen 
eine  Stickstoffanreicherung  des  Bodens  bewirkte.  Hierdurch  er¬ 
mutigt,  ging  er  mit  ebenso  günstigem  Erfolge  zu  Versuchen  im 
Grossen  über  und  hat  seit  1893  die  Impfung  des  Saatgetreides  mit 
diesem  Bakterium  in  seinem  Betrieb  eingeführt.  Der  Bacillus 
ellenbachensis  ist  hinsichtlich  seiner  morphologi¬ 
schen  und  biologischen  Eigenschaften  viel  um¬ 
stritten  worden  und  auch  heute  sind  die  Meinungen  über  ihn 
noch  nicht  geklärt  und  geeignet.  Die  einen  haben  ihn  als  identisch 
mit  dem  Bac.  megatherium,  die  anderen  mit  dem  Heu¬ 
bazillus  betrachtet,  andere  behaupten,  dass  er  dem  Wurzel- 
b  a  z  i  1 1  u  s  nahestehe,  wieder  andere,  dass  er  zu  der  Anthrax- 
g  r  u  p  p  e  gehöre,  F  rank  glaubt,  dass  er  nichts  anderes,  als 
sein  Bac.  terrigenus  sei.  Soviel  ist  heute  wohl  mit  Sicher¬ 
heit  zu  sagen,  dass  der  Bac.  ellenbach.  mit  keinem  der  genannten 
Mikrobien  identisch  ist,  sondern  eine  Art  für  sich  bildet,  die  wohl 
in  die  Gruppe  der  heubazillenähnlichen  Mikroorganismen  gehört, 
denen  er  besonders  in  manchen  kulturellen  Eigentümlichkeiten 
sehr  ähnelt.  Es  handelt  sich  also  um  ein  Stäbchenbakterium  mit 
abgerundeten  Ecken,  das  kleiner  als  der  Bac.  megatherium  und 
deutlich  breiter  als  .  der  Bac.  subtilis,  also  äusserlich  schon  von 
diesem  verschieden  ist.  Der  Bazillus,  der  einzeln,  oft  zu  zweien 
hintereinander  gelagert  oder  auch  zu  langen  Scheinfäden  an¬ 
geordnet  sich  findet,  besitzt  Eigenbewegung,  die  ganz  an  die 


9  Auch  Vortr.  fand  das  Clostridium  in  Gartenerde. 


1506 


HTJEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


(los  Bac.  subtilis  erinnert.  Er  bildet  mittelständige  Sporen, 
unterscheidet  sich  aber  in  der  Art  der  Sporexiauskeimung  von 
Bac.  subtil,  und  megatli.  Auf  den  gewöhnlichen  N  ä  li  r  in  e  d  i  e  n 
wächst,  er  ohne  Schwierigkeiten.  Seine  Kolonien  auf  der  Gela¬ 
tine  platte,  die  er  verflüssigt,  ähneln  denen  des  Heubazillus.  In 
B  o  u  i  1 1  o  n  bildet  er  anfangs  leichte  Trübung  der  Flüssigkeit 
und  bald  an  der  Oberfläche  ein  Kahmhäutchen.  Sein  Wachstum 
auf  schräg  erstarrtem  A  g  a  r  bietet  nichts  besonders  Charakteri¬ 
stisches,  es  entsteht  ein  grauweisser  Feberzug.  Der  Caronsche 
Bazillus  wächst  bei  Zimmertemperatur  und  auch  bei  37  °.  Die 
Färbung  gelingt  leicht  mit  den  gewöhnlichen  Anilinfarben, 
auch  nach  der  G  r  a  m  sehen  Methode  ist  er  färbbar. 

Darüber,  w  i  e  der  Bac.  eilen  b.  die  Ernteerträge 
erhöht,  ob  er  den  Stickstoff  organischer  Bodenbestandteile  auf- 
scldiesst  oder  ob  er  selbst  atmosphärischen  Stickstoff  assimiliert, 
hat  Caro  n  keine  bestimmte  Ansicht  geäussert.  Mit  der  Frage, 
ob  ihm  diese  letztgenannte  Eigenschaft  tatsächlich  zukommt, 
haben  sich  eine  ganze  Reihe  von  Untersuchern  beschäftigt,  die 
meisten  allerdings  mit  einem  negativen  Resultat.  Allein  S  t  o  - 
klasa  hat  immer  wieder  von  neuem  für  den  Bazillus  das  Ver¬ 
mögen,  freien  Stickstoff  zu  binden,  behauptet.  Bei  uns 
im  hygienischen  Institut  angestellte  Unter¬ 
suchungen  gestatten  allerdings  den  Schluss, 
d  a  ss  der  Bac.  eile  n  b  a  c  h.  in  künstlichen  Nähr- 
s  u  b  strafen  diese  Fähigkeit  besitzt,  .1  e  d  o  c  li  nur 
in  so  geringem  G  r  a  d  e,  dass  es  mindestens 
zweifelhaft  ist,  ob  seine  Wirksamkeit  bei  einer 
Anreicherung  des  L  u  f  t  s  t  i  c  k  s  t  o  f  f  s  im  Boden 
überhaupt  mit  in  Betracht  ko  m  m  t.  Bemerkt  sei  noch, 
dass  die  an  verschiedenen  Orten  im  Grossen  augestellten  Feld- 
v  e  r  s  u  c  h  e  zum  Teil  recht  widersprechende  Ergebnisse  gezeitigt 
haben.  Die  praktischen,  durchaus  günstigen  Erfahrungen 
C  a  rons  mit  dem  genannten  Bazillus  lassen  es  aber  trotzdem 
nicht  zu.  seine  Wirksamkeit  ohne  weiteres  in  Abrede  zu  stellen, 
und  man  muss  immerhin  an  die  Möglichkeit  denken,  dass  derselbe 
unter  ganz  bestimmten,  vielleicht  selten  sich  vorfindenden  Boden¬ 
verhältnissen  in  dem  besprochenen  Sinne  zu  wirken  im  stände  ist. 

Zum  Schluss  sei  noch  erwähnt,  dass  man  bereits  versucht 
hat,  die  Ergebnisse  der  bakteriologischen  Bodenuntersuchung  für 
die  Praxis  dienstbar  zu  machen  Man  hat  sowohl  Reinkulturen 
der  Knöllchenbakterien  als  auch  solche  des  Caron  sehen  Bazillus, 
die  ersteren  unter  dem  Namen  Nitragin,  die  letzteren  unter 
der  Bezeichnung  A 1  i  n  i  t  als  Düngemittel  in  den  Handel  ge¬ 
bracht.  Die  erwarteten  Erfolge  sind  aber  nicht  eingetreten,  man 
hatte  sogar  die  Fabrikation  des  Nitragin  aufgegeben,  allerdings 
jetzt  wieder,  auf  Grund  neuerer  Untersuchungen  über  die  zur 
vollen  Wirksamkeit  der  Knöllehenbakterien  notwendigen  Be¬ 
dingungen,  begonnen,  ein  neues  Nitragin  herzustellen.  Ob  dies 
den  Erwartungen  entsprechen  wird,  lässt  sich  naturgemäss  nicht 
voraussehen. 

Wenn  nun  auch  der  Bac.  radicicol  a,  ferner  das  von 
dem  hiesigen  Versuchsfelde  isolierte  Bakte- 
r  i  u  m,  weiter  das  Clostridium  Pasteurianu  m  und 
vielleicht  auch  der  B  a  c  i  1 1.  ellenbachensis  bisher  die 
einzigen  sicher  bekannten  stickstoffsammelnden  Spaltpilze  sind, 
so  können  wir  doch  heute  schon  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
behaupten,  dass  ausser  diesen  noch  eine  ganze  Reihe  anderer 
Mikroorganismen  im  Boden  vorhanden  sind,  die  die  gleiche  Fähig¬ 
keit  in  mehr  oder  minder  hohem  Grade  besitzen.  Es  wird  also 
Aufgabe  weiterer  bakteriologischer  Forschung  sein,  diese  so  gün¬ 
stig  wirkenden  Kleinwesen  mit  Hilfe  geeigneter  Untersuchungs¬ 
methoden  aufzufinden,  ihre  kulturellen  und  biologischen  Eigen¬ 
schaften  zu  studieren  und  für  die  Landwirtschaft  nutzbar  zu 
machen. 


Zum  65.  Geburtstage  des  Prof.  S.  v.  Basch. 

Von  Dr.  Alexander  Strubell  in  Dresden. 

Es  gibt  Menschen,  die  auf  der  grossen  Heerstrasse  des  Lebens 
gleichsam  im  Triumphe  einherfahren.  Als  Militärs,  als  Staats¬ 
männer  steigen  sie  rasch  von  Stufe  zu  Stufe,  als  Gelehrte  werden 
sie  rasch  bekannt.  Man  verschlingt  ihre  Arbeiten,  ohne  viel 
Kritik  daran  zu  üben,  es  sterben  plötzlich  alle  Vordermänner 
und  nun  ruft  man  sie  von  Universität  zu  Universität,  zu  Kö¬ 
nigen  und  Kaisern.  Feiert  ein  solcher  Mann  ein  Jubiläum,  so 
werden  ihm  auf  wissenschaftlichen  Kongressen  Ovationen  be¬ 
reitet  und  von  allen  Orten  kommen  Kollegen,  Bewunderer  und 
Schmeichler,  um  dem  Lieblinge  des  Glückes,  der  so  viel  Er¬ 
gebenheit  mit  feinem  Lächeln  entgegennimmt,  die  grosse  und 
edle  Hand  zu  schütteln.  Zu  diesen  Beglückten  gehört  S.  v.  Basch 
nicht,  der  am  9.  September  dieses  Jahres  seinen  65.  Geburtstag 
feiert.  Vielmehr  kann  man  von  ihm  sagen,  dass  er  meistens 
im  Schatten  gestanden  hat,  im  Schatten  grosser  Vorgänger  und 
mächtiger  Gegner,  dass  sein  Leben  gleichsam  auf  einem  Neben- 
gelcise  langsamer  verlaufen  ist;  hat  er  doch  das  Ziel,  das  jene 
Beglückten  mit  40  Jahren  erreichten,  den  Titel  und  Charakter 
eines  Ordinarius,  erst  jetzt  als  Sechziger  erhalten.  Wie  alles 


im  Leben,  so  hat  auch  das  seinen  Grund:  Jene  Beglückten,  von 
denen  wir  sprechen,  wissen  oft  den  Diplomaten,  den  geschmei¬ 
digen  Weltmann  mit  dem  Gelehrten  zu  vereinigen,  verfügen  über 
mächtige,  weitverzweigte  Verbindungen  u.  s.  w. 

Basch  ist  stets  nur  er  selbst  geblieben :  ein  stiller,  ernster 
Gelehrter,  treu  und  ehrlich,  rückhaltslos  in  der  \  erteidigung 
seiner  Ueberzeugung.  Wer  ihn  zum  ersten  Male  sieht  in  seinem 
kleinen  Laboratorium,  eine  alte  Seidenmütze  auf  dem  kahler- 
werd enden  Haupte,  wie  er,  gehüllt  in  ein  kurzes,  über  und  über 
mit  Blut  bespritztes  Mäntelchen,  vergnügt  rauchend  herum¬ 
hantiert,  wird  jedenfalls  den  Eindruck  haben,  dass  dieser  Mann 
allen  äusseren  Schein  verachtet.  Aber  die  Verwunderung  über 
solche  Aeusserlichkeiten  wird  zur  Bewunderung,  zur  Verblüffung, 
sobald  man  Basch  bei  der  Arbeit  sieht.  Wenn  irgendwo,  so 
gilt  beim  Experimentieren  der  Satz:  Können  heisst  Kunst.  Was 
Paderews  k  i,  was  Eugen  d’A  1  b  e  r  t  und  Emil  Sauer  auf 
dem  Gebiete  der  Klaviertechnik  sind,  das  ist  Basch  auf  dem 
Gebiete  des  Tierexperimentes.  Für  ihn  gibt  es  keine  Schwierig¬ 
keiten,  die  von  ihm  geschaffene  und  ausgebildete  Methodik  des 
Kreislaufexperimentes  ist  schon  schwierig  genug.  Aber  Basch 
ist  auch  sein  eigener  Mechaniker,  Glasbläser,  Schlosser  u.  s.  w. 
Alle  die  komplizierten  Apparate  seines  Institutes  sind  von  seiner 
Hand  gemacht  und  in  seinem  Laboratorium  feiert  die  experi¬ 
mentelle  Technik  seit  Karl  Ludwig,  dessen  Schüler  Basch 
ist,  die  höchsten  Triumphe. 

Baschs  Lebenslauf  ist  merkwürdig  genug.  Geboren  zu 
Prag  am  9.  September  1837  hat  er  daselbst  das  Gymnasium 
absolviert  und  3  Semester  Medizin  studiert.  Er  ging  dann  nach 
Wien  und  trat  1858,  also  mit  21  Jahren  mit  einer  Arbeit  über  das 
cbylopoetische  und  uropoetische  System  der  Blatha  orientalis  an 
die  O effentl i chkei t .  Die  Arbeit  erschien  in  den  Sitzungsberichten 
der  k.  Akademie  der  Wissenschaften.  Seine  ersten  Studien  gal¬ 
ten  der  vergleichenden  Anatomie ;  dann  war  er  llistologe,  dann 
pathologischer  Anatom.  Als  solcher  sollte  er  auch  in  Mexiko 
wirken;  denn  nachdem  er  5  Jahre  im  allgemeinen  k.  k.  Kranken¬ 
hause  in  Wien  tätig  gewesen  war,  ging  er  nicht  als  Abenteurer, 
sondern  weil  ihm  dort  eine  Professur  für  pathologische  Anatomie 
in  Aussicht  gestellt  worden  war,  mit  Kaiser  Maximilian  nach 
Mexiko.  Sein  Aufenthalt  dort  bildet  den  historischen  Hinter¬ 
grund  seines  Lebens;  bei  all  den  politischen  Wirren,  in  die  er 
in  Mexiko  als  Leibarzt  des  Kaisers  Maximilian  hineingezogen 
wurde,  hat  B  a  s  c  h  es  dennoch  fertig  gebracht,  dort  wissenschaft¬ 
lich  tätig  zu  sein.  Er  ist  durch  seine  Dysenteriearbeit,  wie  ihm 
kein  Geringerer  als  V  i  r  c  li  o  w  persönlich  zugestand,  einer  der 
Mitbegründer  der  neuen  bakteriologischen  Richtung  geworden. 
Aber  nicht  allzu  lange  sollte  er  Müsse  für  wissenschaftliche 
Studien  haben.  Der  Zusammenbruch  der  von  Napoleon  III.  auf¬ 
gebauten  kaiserlichen  Herrlichkeit  stürzte  auch  Basch  in 
schwere  Gefahren.  Einer  meiner  Freunde,  ein  Lieblingsschüler 
Baschs,  sah,  als  er  diesen  kürzlich  besuchte,  auf  einem  Tisch¬ 
chen  ein  kleines  Stück  Tuch  von  wunderlich  fremdartiger  Farbe. 
Auf  seine  Frage,  wras  das  sei,  antwortete  Baschs  Gattin :  „Ach, 
das  hat  mein  Mann  getragen,  als  er  im  Gefängnisse  sass“.  Mein 
Freund  war  äusserst  betroffen;  er  wusste  nicht,  dass  der  alte 
Herr  sich  jemals  hatte  etwas  zu  Schulden  kommen  lassen.  Die 
Aufklärung  erfolgt  auf  dem  Fusse:  Mit  diesem  Stück  Tuch,  gross 
genug,  um  einen  Badeschurz  zu  bilden,  als  einziger  Bekleidung, 
hatte  der  kleine,  zarte  Mann  wochen-  und  monatelang,  von  Fieber¬ 
frost  geschüttelt,  in  dumpfen  mexikanischen  Kerkern  ge¬ 
schmachtet,  bis  er  herausgeführt  wurde,  um  seinem  kaiserlichen 
Herrn  in  der  letzten  schweren  Stunde  zur  Seite  zu  stehen.  Nach 
dem  Tode  Kaiser  Maximilians  wurde  Base  li  freigelassen  und 
kehrte  1868  in  die  Heimat  zurück.  Hier  hatte  er  die  traurige 
Pflicht,  S.  M.  dem  Kaiser  Franz  Joseph  die  klägliche  Kunde  vom 
Tode  seines  Bruders  zu  überbringen.  Baschs  Verdienste  um  das 
Erzhaus  Oesterreich  wurden  später  durch  die  Verleihung  des 
hohen  Ordens  der  eisernen  Krone  anerkannt,  dazu  wurde  er  in 
den  Ritterstand  erhoben. 

Er  hatte  nun  die  Absicht,  als  pathologischer  Anatom  weiter* 
zu  arbeiten,  aber  er  fand  keine  Stelle,  und  so  habilitierte  er  sich 
denn,  um  der  Wissenschaft  treu  zu  bleiben,  1869  in  Wien  für 
experimentelle  Pathologie  und  betrat  hiermit  das  Feld,  auf  dem 
er  die  meisten  Lorbeeren  geerntet  hat,  sein  eigentliches  Arbeits¬ 
gebiet,  In  den  folgenden  33  Jahren  seines  Lebens  bis  heute  hat 
Basch  grösstenteils  auf  diesem  Gebiete  unermüdlich  gearbeitet 


9.  September  19Ö2. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1507 


und  trotz  Neid  und  Missgunst,  der  Ungunst  der  Verhältnisse 
sich  seinen  Platz  unter  der  Sonne  erkämpft.  1877  wurde  er  auf 
Anregung  Karl  Ludwig  s,  der  ebenso  wie  Brücke  sein 
Meister  war,  zum  Extraordinarius  befördert.  Mit  vielen  Kämpfen 
errang  Basch  sich  1881  das  Laboratorium,  das  er  noch  heute 
leitet,  und  trat  in  diesem  Jahre  auch  als  Abteilungsvorstand  in 
die  allgemeine  Poliklinik  ein.  Im  Juni  des  Jahres  1902  wurde 
Basch  der  Titel  und  Charakter  eines  Ordinarius  verliehen. 
Den  Sommer  verbringt  er  seit  25  Jahren  praktizierend  in 
Marienbad. 

Die  Zahl  von  Baschs  Arbeiten  ist  Legion  und  ich  muss 
darauf  verzichten,  ein  nur  annähernd  vollständiges  Verzeichnis 
derselben  zu  geben;  ein  solches  Verzeichnis  müsste  schon  deshalb 
gänzlich  unvollständig  sein,  als  Basch  seit  15  Jahren  fast  alles 
durch  seine  Schüler  publizieren  lässt.  Er  schreibt,  wie  er  selbst 
sagt,  nur  alle  10  Jahre  einmal  ein  Buch.  Das  Hauptwerk  seines 
Lebens :  Die  Physiologie  und  Pathologie  des 
Kreislaufes  ist  eine  Monumentalarbeit :  aere  perennius.  Karl 
Ludwig,  Baschs  Lehrer,  nannte  dieses  Buch  eine  Mathe¬ 
matik  in  Worten,  ein  stolzes  Lob  aus  dem  Munde  des  grossen 
Physiologen!  In  seinem  neuesten  Werke  über  Arteriosklerose 
sucht  Basch  die  Ergebnisse  des  Experimentes  mit  denen  der 
Klinik  in  Einklang  zu  bringen. 

Am  bekanntesten  ist  Basch  wohl  durch  sein  Sphygmo¬ 
manometer  geworden.  Er  hat  durch  diesen  ingeniös  konstruier¬ 
ten  Apparat  die  klinische  Blutdruckmessung  eigentlich  inaugu¬ 
riert,  ein  Verdienst,  das  in  seinem  Vaterlande  Oesterreich  und 
speziell  in  Wien  vielfach  unterschätzt,  ja  unterdrückt,  jedenfalls 
weniger  geschätzt  wird  als  in  Deutschland,  wo  kein  Geringerer 
als  der  verstorbene  Ziemssen  einmal  auf  einem  Kongresse 
Basch  halb  im  Scherz,  halb  im  Ernst  als  A  u  e  n  b  r  u  g  g  e  r 
den  Zweiten  anredete.  Baschs  Hauptverdienst  ist  es  aber, 
dass  er  die  Lehre  vom  Kreislauf  in  den  Bahnen  seines  grossen 
Lehrers  Ludwig  und  über  diesen  hinaus  weiter  entwickelt  hat ; 
die  Versuche  mit  dem  von  ihm  selbst  konstruierten  doppelten 
Kreislaufmodell,  deren  Resultate  er  dann  auf  das  Thierexperi¬ 
ment  und  den  Menschen  übertragen  hat,  seine  Methode  der  mit 
der  Arteriendruckmessung  kombinierten  Messung  des  Druckes 
im  linken  Vorhof  haben  uns  ein  vorher  nicht  geahntes  tieferes 
Verständnis  der  Vorgänge  im  Kreislauf  ermöglicht  und  unsere 
Vorstellungen  über  denselben  einer  in  vielen  Dingen  völligen  Re¬ 
volution  unterworfen.  Baschs  Lehre  von  der  Lungen- 
Schwellung  und  Lungenstarrheit  ist  eine  der  wich¬ 
tigsten  Früchte  dieser  exakten  Methodik. 

Sein  unermüdlicher  Kampf  gegen  die  Kompensationstheorie 
Traubes  sichert  ihm  ein  bleibendes  Gedächtnis.  Ein  bleiben¬ 
des  Denkmal  hat  sich  Basch  aber  auch  an  einem  anderen  Orte 
gesetzt  und  das  ist  in  den  Herzen  seiner  Schüler,  denen  er  mit 
rührender  Treue  anhängt. 

Heute  sind  es  65  Jahre  her,  dass  er  das  Licht  der  Welt  er¬ 
blickte.  Und  so  sei  denn  ihm,  dem  verehrten,  hochverdienten 
Manne  von  ganzem  Herzen  ein  Glückwunsch  dargebracht.  Möge 
ihm  ein  froher  Lebensabend  besehieden  sein  und  möge  ihm  noch 
lange  vergönnt  sein,  was  stets  sein  Ideal  war :  Otium  litte- 
ris  et  scientiae! 


Bericht  über  das  Konzentrationslager  Merebank 

(Natal). 

V on  Dr.  Leo  Hoenigsberger. 

Wohl  die  brennendste  Frage  in  der  Geschichte  des  süd¬ 
afrikanischen  Krieges  bildeten  die  Konzentrationslager,  viel¬ 
umstritten  war  der  Grund  ihrer  Errichtung  und  die  Art  der 
m  ihnen  den  Insassen  gegenüber  geübten  Behandlung.  In  letz¬ 
terer  Beziehung  hatte  ich  während  meines  unlängst  stattgehabten 
Aufenthalts  in  München  gelegentlich  mehrerer  von  mir  gehal¬ 
tener  Vorträge  zu  der  Frage  Stellung  genommen  auf  Grund 
meiner  früher  gemachten  Erfahrungen,  die  sich  durchaus  nicht 
mit  der  über  die  Konzentrationslager  allgemein  verbreiteten  An¬ 
sicht  deckten.  Nunmehr  wieder  nach  Südafrika  zurückgekehrt, 
hatte  ich  das  höchste  Interesse  daran,  einen  Einblick  in  den 
gegenwärtigen  Stand  der  Dinge  zu  gewinnen,  wozu  sich  mir  Ge¬ 
legenheit  bot  durch  den  Besuch  der  Konzentrationslager,  die  sieh 
in  der  Nähe  meines.  Landungsplatzes,  Durban  in  Natal,  be¬ 
finden.  Der  Besuch  wurde  mir  von  den  britischen  Behörden 


bereitwilligst  gestattet,  wie  jedem,  der  den  Zweck  seines  Be¬ 
suches,  sei  es  auch  für  mehrere  Tage,  genügend  begründet.  Ich 
gab  meinerseits  als  Grund  an,  als  früherer  Ambulanzarzt  der 
Buren  mich  von  dem  Zustand  vieler  mir  bekannter  Familien, 
sowie  von  der  allgemeinen  Einrichtung  der  Lager  überzeugen 
zu  wollen.  Unter  Führung  des  Oberarztes  Dr.  Hardy  machte 
ich  die  Runde  durch  die  sanitären  Anstalten  des  grössten  der 
hier  angelegten  Sammellager,  Merebank,  um  dann  von  meinem 
Führer  allein  gelassen  im  Kreise  alter  und  neuer  Bekannter 
meine  Eindrücke  zu  vervollständigen,  deren  Schilderung  ich  hie- 
mit  gebe: 

Die  in  der  Nähe  von  Durban  befindlichen  Konzentrations¬ 
lager  bestehen  aus  3  in  demselben  Stile  angelegten  Abteilungen, 
Jacobs,  Wendworth  und  Merebank,  mit  zusammen  ungefähr 
15  000  Insassen,  von  denen  gegenwärtig  8264  auf  das  zu  schil¬ 
dernde  Merebank  kommen.  Ungefähr  je  3  Kilometer  von¬ 
einander  entfernt  sind  diese  3  Abteilungen  in  einer  Küsten¬ 
niederung  gelegen,  die  teilweise  an  die  Durban-ILafenbucht  an¬ 
grenzt  und  durch  eine  Vorgebirgshü  gelkette  von  der  2  Kilometer 
entfernten  offenen  See  entfernt  ist.  Diese  Lage  bedingt  eine 
beträchtliche  Bodenfeuchtigkeit  in  der  Umgebung,  die  mir  bei 
der  Hinfahrt  nicht  das  günstigste  Urteil  über  die  gesundheit¬ 
liche  Lage  erweckte.  Doch  fand  ich  die  Lager  selbst  an  voll¬ 
ständig  trockenen,  im  Umkreis  noch  durch  Drainage  ausgiebig 
geschützten,  ansteigenden  Stellen,  in  denen  besonders  für  Lei¬ 
tungen  guten  Trinkwassers  gesorgt  ist.  Die  Lager  machen  mit 
ihren  Wellblechhäuschen  äusserlich  den  Eindruck,  wie  ihn  ent¬ 
stehende  Minenstädte  darzubieten  pflegen.  Beim  Eintritt  in  das 
Lager  findet  man  regelmässig  angelegte  Häuserreihen,  mit  zweck¬ 
dienlichen  Buchstaben-  und  Nummernbezeichnungen,  die  ziem¬ 
lich  breite  sandige  Strassen  zwischen  sich  einschliessen,  während 
die  Verpflegungsanstalten,  wie  Spital,  Apotheke,  Bäckerei,  Metz¬ 
gerei  etc.,  sowie  die  öffentlichen  Zwecken  dienenden  Gebäude  auf 
entsprechenden  freien  Plätzen  errichtet  sind. 

Das  Spital  zunächst,  bestehend  aus  Wellblechbaracken  mit 
innerer  Holzverschalung,  machte  einen  wohltuenden  Eindruck 
durch  Ordnung  und  Reinlichkeit,  besonders  aber  durch  die  ziem¬ 
liche  Leere  der  zahlreichen  Betten.  Ich  traf  im  ganzen  20  Pa¬ 
tienten  darin,  meist  Typhusrekonvaleszenten.  Eine  grössere  An¬ 
zahl  Berufspflegerinnen  waren  in  Küche  und  Krankensälen  be¬ 
schäftigt,  unterstützt  von  zahlreichen  Burenfräuleins,  die,  als 
Pflegerinnen  eingekleidet,  sich  dem  Krankendienst  widmen. 
Unter  anderen  traf  ich  dort  die  Schwester  des  mir  aus  dem 
Feldzug  bekannten  unglücklichen  Kommandanten  Scheepers,  der 
standrechtlich  von  den  Engländern  erschossen  worden  war. 

Die  Einrichtung  des  Spitals  ist  eine  den  Grundsätzen  mo¬ 
derner  Kranken-  und  Gesundheitspflege  entsprechende,  mit 
hohen,  gut  zu  lüftenden  und  belichteten  Sälen  und  besonders 
ist  in  der  Typhusbaracke  der  Bäderbehandlung  zweckmässigst 
Rechnung  getragen.  Eigene  Baracken  für  kontagiöse  Krank¬ 
heiten  sind  vorhanden,  hervorzuheben  ist  die  Isolierungsstation 
für  die  kontagiös-exanthematischen  Krankheiten.  Dieselbe  be¬ 
steht  aus  der  Verdachtsabteilung,  in  welcher  der  Patient  bis 
zur  Feststellung  der  Diagnose  gehalten  wird,  und  der  eigent¬ 
lichen  Isolierabteilung,  welche  die  festgestellte  ansteckende 
Erkrankung  aufzunehmen  hat. 

Für  die  Unschädlichmachung  der  Se-  und  Exkrete  ist  aus¬ 
giebig  gesorgt:  Mit  Kreolin  teilweise  gefüllte,  luftdicht  schlies- 
sende  Behälterkarren  sind  in  grosser  Anzahl  bestimmt,  die  Aus¬ 
scheidungen  nach  einer  Zentralstation  zu  bringen,  von  wo  aus  sie 
weitergepumpt  und  ausser  Bereich  der  Schädlichkeit  gebracht 
werden.  Ebenso  war  die  Desinfektion  und  Sterilisation  der  Ge¬ 
brauchsgegenstände,  besonders  der  Wäsche,  in  chemischer  und 
thermischer  Weise  sorgfältig  durch  Anlage  grosser  Apparate  ge- 
handliabt.  Für  Wegschaffung  der  Abwässer  etc.  ist  eine  aus¬ 
gedehnte,  teilweise  freilich  offene  Kanalisation  angelegt.  Für 
die  chirurgische  Abteilung  besteht  eine  zweckmässig  gebaute  und 
ausgestattete  Operationsbaracke,  ebenso  für  Entbindungen  ein 
eigener  Saal,  der  aber  trotz  der  nicht  seltenen  Geburten  von  dem 
Vorurteil  der  Frauen  gemieden  wird. 

6  Aerzte  und,  3  Apotheker  sorgen  für  die  medizinischen  Be¬ 
dürfnisse  der  Insassen  des  Lagers,  für  die  durchschnittlich  täg¬ 
lich  240  Ordinationen  aus  der  reichhaltig  ausgestatteten  Apo¬ 
theke  an  die  meist  ambulanten  Patienten  verabfolgt  werden.  Der 
Diät  der  Kranken  war  das  nebenstehend  angegebene  Schema 


15Ö8 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


der  englischen  Militärspitäler  zu  Grunde  gelegt,  wobei  die  iiber- 
sehri ftliche  Bezeichnung  der  einzelnen  Rubriken  den  Grad  der 
Diät  von  der  leichtesten  zur  kräftigeren  angibt  und  je  nach  dem 


Diätgrad,  der  für  den  Kranken  verordnet  ist,  besteht  die  ein¬ 
zelne  JYlahlzeit  für  Frühstück,  Mittag-  und  Abendessen  aus  den 
darunter  rubrizierten  Nahrungsmitteln. 


Militärhospitäler:  Artilcel,  die  verschiedene  Diät  für  den  Tag  bildend. 


Ausschliessl. 

Milch 

Milch 

Beeftea 

Huhn 

Konvaleszenz 

Braten 

V  ariiert 

Milch  3  pints 

Brot 

12  Unz 

Rindfl. 

8  Unz. 

Huhn 

V* 

Fleisch : 

Braten 

Rind-  10  Unz. 

Fleisch : 

Reis 

2  „ 

Brot 

14  „ 

Brot 

16  Unz. 

Rind-  8  Unz. 

Kotelett 

Schaf- 10  „ 

Rind-  „i,„  ,p„;„  i  o  TTrw 

Milch 

3  pints 

Salz 

7*  „ 

Kartoffel 

8 

Schaf-  8 

)) 

oder 

ohne  Bein 

Scliaf  ^  ^  ^  unz*. 

Zucker 

lUnz. 

Thee 

7*  „ 

Salz 

V* 

» 

Brot  16 

Steak 

8  Unz. 

mit  Bein 

15  „ 

Zucker 

iv*  » 

Thee 

J/4 

Kartoffel  8 

Brot 

18  Unz 

Brot 

18  „ 

Milch 

6  „ 

Zucker  D/2 

Salz  4/2 

Kartoffel  8  „ 

Kartoffel 

14  „ 

Butter 

1  „ 

Milch 

6 

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Thee  7* 

Salz 

V*  „ 

Salz 

7*  „ 

Butter 

2 

Zucker  l3/4 

Thee 

74  „ 

Thee 

74  „ 

Milch  6 

Zucker 

17*  » 

Zucker 

17*  „ 

Butter  1 

Milch 

6  „ 

Milch 

G  „ 

Gemüse  4 

Gemüse  4  „ 

Gemüse 

6  „ 

Mehl  7  4 

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Butter 

1  „ 

Butter 

1  „ 

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Milch  1  pint 

Milch 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Thee  1  pint 

Thee 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Brot 

4  Unz 

Brct 

5  Unz. 

Brot 

6  Unz. 

Brot  6  Unz. 

Brot 

6  Unz. 

Brot 

6  Unz 

Butter 

V*  » 

Butter 

7* 

Butter  1 

n 

Butter 

V3  » 

Butter 

73  » 

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essen. 


Milch  1  pint 


Reismilch  1  pint 

Beeftea 

15  Unz. 

Huhn  8  Unz. 

Suppe 

15  Unz. 

Fleisch 

8  Unz. 

Brot  4  Unz. 

Brot 

4  „ 

gebraten  od.  gek. 

Fleisch 

8  „ 

Brot 

6  „ 

Zucker  1  „ 

als  Chickentea  zu¬ 

Brot 

4  „ 

Kartoffel 

8  „ 

bereitet  12  Unz. 

Kartoffel 

8  „ 

Gemüse 

4  „ 

Brot  4  „ 

Kartoffel  8  „ 

Fleisch 

Brot 

Kartoffel 

Gemüse 


Abendessen. 


Milch  1  pint 

Milch 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Thee 

1  pint 

Brot 

4  Unz. 

Brot 

5  Unz. 

Brot 

6  Unz. 

Brot 

6  Unz. 

Brot 

6  Unz. 

Butter 

72  „ 

Butter 

72  „ 

Butter 

72  „ 

Butter 

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Thee 

Brot 

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12  Unz. 
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Ausser  den  in  der  Tabelle  vorgesehenen  Krankenmahlzeiten 
wies  das  Buch  zahlreiche  ärztlich  verordnete  Extrarationen  auf. 

Von  den  Bewohnern  des  Lagers  waren  im  Mai  1902 
954  Männer,  3461  Frauen,  3849  Kinder,  auf  welche  eine  tägliche 
Durchschnittserkrankung  von  je  7,75;  30,25  und  38,5  sich  ver¬ 
teilt.  Die  Sterblichkeit  für  Monat  Mai  betrug  7  Erwachsene  und 
11  Kinder  oder  18,96  Prom.  bezw.  34,2  Prom.  per  Jahr  oder  zu¬ 
sammen  26,02  Prom.  per  Jahr.  Die  Todesursachen  dieser 
18  Fälle  verteilten  sich  f olgendermassen :  Pneumonie  2,  Broncho¬ 
pneumonie  3,  Krupp  2,  Marasmus  2,  chronische  B  r  i  g  h  t  sehe 
Krankheit  1,  Malaria  1,  Typhus  3,  Kinderdiarrhöe  4.  Verglichen 
mit  der  Sterblichkeit  des  Monats  Mai  betrug  diejenige  der  3  vor¬ 
hergehenden  Monate  die  folgenden  Zahlen,  bei  jedesmal  ge¬ 
ringerer  Bevölkerung  im  vorhergehenden  Monat,  da  die  Flücht¬ 
lingstransporte  vom  Inlande  immer  Zunahmen.  Die  Todesfälle 
waren  im  Februar  36,  im  März  33,  im  April  23.  Von  der  exakten 
Prozentualberechnung  sowie  Erhebung  der  damaligen  Morbidität 
musste  ich  der  Umständlichkeit  halber  absehen. 

Ein  Bild  von  der  Nahrungsversorgung  der  gesunden  Mit¬ 
glieder  des  Lagers  gibt  folgende  Rationstabelle  pro  Woche. 

Erwachsene  Unter  12  Jahr.  Unter  5  Jahr. 


Fleisch 

4  lb. 

3  lb. 

— 

Brot 

7  lb. 

37a  lb. 

— 

Kaffee 

7  Unz. 

7  Unz. 

— 

Zucker 

14  „ 

14  „ 

— 

Kartoffel 

372  lb. 

3‘/2  lb. 

— 

Salz 

372  Unz. 

372  Unz. 

— 

Milch 

— 

— 

4  Büchsen 

Seife 

8  Unz. 

8  Unz. 

4  Unzen 

Mehl 

— 

— 

372  lb. 

Holz 

28  lb. 

28  lb. 

23  lb. 

Die  zur  Unterkunft  bestimmten  Wcllblechbaracken  sind  in 
je  4 — 6  quadratische  Einzelräume  von  5  m  Ausdehnung  und 
314  m  Höhe  eingeteilt,  in  denen  je  4  bis  6  Personen  Aufnahme 
finden.  Grösseren  Familien  sind  2  oder  mehr  ineinander  gehende 
Räume  angewiesen.  Der  Fussboden  ist  gehärtet  und  mit  Säcken 
belegt,  während  der  Anblick  der  nackten,  auf  ein  Balkengerüst 
genagelten  Wellblechwände  den  Wunsch  einer  Verbesserung  er¬ 
weckt,  der  auch  leicht  erfüllt  werden  könnte  durch  Auskleiden 


der  Wände  mit  Säcken  zum  Schutz  gegen  die  sehr  intensive 
Wärmestrahlung,  besonders  im  subtropischen  Sommer.  Selbst¬ 
hilfe  hat  hiebei  das  nötige  zu  veranlassen.  Vor  den  Türen  sieht 
man  die  Bewohner  mit  der  Zubereitung  des  Mahles  beschäftigt, 
was  in  der  Regenzeit  seine  Schwierigkeiten  hat,  die  aber  auch 
hier  die  Findigkeit  der  Boeren  leicht  überwindet.  Im  all¬ 
gemeinen  sehen  die  Leute  wohlgenährt  aus,  wenn  ich  auch  bei 
vielen  meiner  Bekannten,  besonders  bei  Frauen,  das  sonst  so  be¬ 
häbige  Fettpolster  erheblich  geschwunden  fand. 

Gelegenheit  zur  Beschäftigung  ausserhalb  der  häuslichen 
Pflichten  ist  genügend  vorhanden.  Viele  der  männlichen  In¬ 
sassen  sind  als  Beamte  in  den  Bureaus  gegen  gute  Bezahlung  be¬ 
schäftigt,  viele  als  Arbeiter  im  Lager  mit  einem  täglichen  Lohn, 
von  1  bis  714  M.  variierend.  Jungen  Mädchen  ist  es  gestattet,  als 
Dienstboten  in  der  Stadt  sich  zu  verdingen,  wovon  jedoch  bei  dem 
Gefühl  der  Selbständigkeit  seitens  der  Buren  selten  Gebrauch  ge¬ 
macht  wird.  Die  natürlich  fühlbare  Eintönigkeit  wird  durch 
Erholungspausen  erleichtert,  daher  werden  Pässe  zum  Besuch  der 
Stadt  —  50  pro  Tag  — -  bewilligt,  Badelustige  können  sich  nach 
7  Uhr  Morgens  bis  Abends  zum  Strande  begeben.  Ausserdem 
werden  wöchentlich  60  Rekonvaleszenten  gratis  für  einen  Tag  mit 
der  Eisenbahn  nach  der  Küste  gesandt.  Die  Sorge  für  das 
geistige  Wohl  ist  nicht  vernachlässigt.  Während  der  Gottesdienst 
bei  den  Buren  unerlässlich  ist,  nahm  die  Schule  nur  eine  unter¬ 
geordnete  Stelle  ein.  Im  Lager  ist  für  beides  gesorgt.  Für  die 
Schule  sind  aus  den  gebildeteren  Bewohnern  des  Lagers  zahl¬ 
reiche  als  Lehrer  und  Lehrerinnen  angestellt,  die  gegen  ein  Ge¬ 
halt  von  80  bis  100  M.  monatlich  Unterricht  erteilen. 

Im  vertraulichen  Gespräche  mit  vielen  meiner  alten  Freunde 
und  Bekannten  suchte  ich  über  die  Stimmung  in  Bezug  auf  die 
erfahrene  Behandlung  Aufschluss  zu  erhalten.  Um  mancherlei 
gegenwärtig  Unerreichbares,  z.  B.  Erlaubnis  für  Frauen,  ihren 
kriegsgefangenen,  in  Spitälern  befindlichen  Gatten  sich  zuge¬ 
sellen  zu  dürfen  u.  a.  m.,  wurde  meine  Vermittlung  angerufen, 
im  allgemeinen  jedoch  herrschte  volle  Zufriedenheit  und  nur  die 
Freiheitsbeschränkung  warf  ihre  Schatten  auf  das  sonst  so  un¬ 
gebundene  Gemüt  der  Beengten.  Doch  die  Morgenröte  de3 
nahenden  Friedens  hatte  schon  ihren  Glanz  vorausgesendet  und 
aller  Sehnen  bildete  „der  schöne  Tag,  da  endlich  der  Soldat  ins 


9.  September  1902. 


MUENCHENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1509 


Leben  heimkehrt,  in  die  Menschlichkeit“  und  zu  ilnn  die  hier 
Beengten.  Möge  ihr  Sehnen  bald  erfüllt  werden. 

T)  u  r  b  a  n,  Natal. 


Ein  Beitrag  zur  Bekämpfung  der  sexuellen  Krank¬ 
heiten:  Das  belgische  Merkblatt  für  Geschlechts¬ 
krankheiten. 

Von  Dr.  rned.  II  o  p  f,  Spezialarzt  für  Hautkrankheiten 

in  Dresden. 

Schon  im  Jahre  1897,  als  die  Leprakonferenz  in  Berlin  tagte, 
und  Belehrte  aus  allen  Kulturstaaten  zusammenkamen  zur  Be 
ratlnmg  von  Abwelirmassregeln  gegen  die  schon  ganz  erloschen 
geglaubte,  fast  vergessene  und  nun  wieder  neu  aufgetauchte 
Seuche,  schon  1897  wurden  auf  der  damaligen  Versammlung 
Stimmen  laut,  welche  ein  gleich  energisches  Vorgehen  der  rnass- 
gebenden  Instanzen  gegenüber  der  Syphilis  und  den  venerischen 
Krankheiten  forderten. 

Es  ist  ein  nicht  genug  zu  würdigendes  Verdienst  der  belgi¬ 
schen  Regierung,  hierin  den  ersten  entscheidenden  Schritt  getan, 
nämlich  die  Anregung  internationaler  Verständigung  über  dies 
Problem  gegeben  zu  haben.  1899  tagte  in  Brüssel  die  erste  Kon¬ 
ferenz  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten;  auf  derselben 
waren  alle  Kulturstaaten  der  fünf  Kontinente  vertreten  und  zwar 
beteiligten  sich  an  den  Beratungen  und  Beschlussfassungen  nicht 
nur  ärztliche  \  ertreter,  sondern  auch  Männer  aus  den  übrigen 
Ständen,  in  deren  Wirkungskreis  das  Geschlechtsleben  des  Men¬ 
schen  mit  hinüberspielt,  waren  zugegen.  Die  Ergebnisse  der  ersten 
Konferenz  sind  seinerzeit  an  dieser  Stelle  eingehend  berichtet 
worden.  Inzwischen  hat  aber  die  belgische  Regierung  einen  neuen 
Schritt  im  Kampfe  gegen  die  sexuellen  Krankheiten  getan,  den 
zur  allgemeinen  ärztlichen  Kenntnis  zu  bringen  der  Zweck  vor¬ 
liegender  Mitteilung  ist.  Der  oberste  belgische  Gesundheitsrat 
hat  nämlich,  analog  dem  deutschen  Tuberkulosemerkblatt,  ein 
Merkblatt  über  die  Gefahren  der  Geschlechtskrankheiten  heraus¬ 
gegeben  und  damit  gezeigt,  dass  es  ganz  gut  möglich  ist,  auch  auf 
diesem  heiklen  Gebiete  das  Licht  der  Wissenschaft  bis  in  die 
dunkelsten  Tiefen  dringen  zu  lassen,  ohne  dass  das  öffentliche 
Sittlichkeitsgefühl  Schaden  erleidet.  Die  Ueberschrift  der  Merk¬ 
blätter  zeigt  von  vornherein  an,  dass  diese  aufklärenden  Worte  dem 
grossen  Publikum  gelten:  „Instructions  pratiques  ä  l’usage  des 
administratious  et  du  p  u  b  1  i  c  pour  prevenir  l’apparition  des 
maladies  transmissibles  et  combattre  leur  propagation.“  Wir  be¬ 
ziehen  uns  hier  nur  auf  das  uns  speziell  interessierende  M  e  r  k  - 
blatt  über  Syphilis  und  Tripper.  Der  Vorgang  der 
belgischen  Sanitätsbehörden  ist  ein  derartig  wichtiger  Schritt  vor¬ 
wärts,  dass  es  wohl  angezeigt  erscheint,  von  dem  Texte  Kenntnis 
zu  geben.  Um  jedoch  nicht  zu  weitschweifig  zu  werden,  wollen 
wir  hier  nur  die  wichtigsten  und  interessantesten  Abschnitte  der 
beregten  Veröffentlichung  Revue  passieren  lassen. 

1.  S  y  p  h  i  1  i  s. 

„Die  Syphilis  ist  eine  der  ansteckendsten  Krankheiten,  deren 
Verbreitung  mit  Rücksicht  auf  die  durch'  sie  bedingten  persön¬ 
lichen  wie  sozialen  Schädigungen  energisch  bekämpft  werden  muss.  . 

Die  Syphilis  ist  keineswegs  ausschliesslich,  wie  man  zu 
glauben  geneigt  ist,  eine  Krankheit  der  Unzucht,  sondern  sie  be¬ 
droht  die  ehrbare  Ehefrau  wie  das  unschuldige  Kind.“ 

Die  folgenden  Sätze  betonen,  dass  die  Krankheit  zu  schwerem 
Siechtum  und  Tode  führen  kann,  der  Grund  vielfacher  Fehl¬ 
geburten  und  der  grossen  Kindersterblichkeit  ist,  demnach  eine 
entvölkernde  Wirkung  zeitigt. 

„Die  Syphilis  wird  stets  direkt  oder  indirekt  von  einer  syphi¬ 
litischen  Person  erworben. 

Die  Kenntnis  ihrer  Uebertragungs weisen  ist  darum  von 
grösster  Wichtigkeit.  Die  häufigste  Uebertragungsweise  (Ge¬ 
schlechtsverkehr)  ist  zu  bekannt,  als  dass  man  darauf  besonders 
hinweisen  müsste.  Wichtig  ist  es,  zu  wissen,  dass  die  ansteckenden 
Prozesse  sich  meist  an  den  Schleimhäuten  der  Geschlechtsorgane 
und  des  Mundes  zeigen.  Aus  diesem  Grunde  vermag  auch  durch 
Küssen  Ansteckung  zu  erfolgen.  Dieselbe  droht  auch  bei  der  Luft¬ 
einblasung  von  Mund  zu  Mund  von  den  syphilitischen  Neu¬ 
geborenen  und  bei  der  Aussaugung  von  Wunden  durch  einen  an¬ 
steckend  erkrankten  Mund. 

Das  Stillen  der  Kinder  verbreitet  die  Syphilis  ausserordentlich 
Das  Vorhandensein  sekundärer  Mundaffektionen  bei  syphilitischen 
Säuglingen  macht  letztere  zu  sehr  gefährlichen  Wesen  für  eine  ge¬ 
sunde  Amme.  Letztere  wiederum  bildet,  wenn  angesteckt,  eben¬ 
falls  eine  Gefahr  für  ihr  später  anvertraute  gesunde  Säuglinge . . . 

Eine  Ansteckung  vermag  auch  durch  eine  krank  gewordene 
Hebamme  zu  erfolgen,  sei  es  bei  der  Entbindung  selbst,  sei  es  ge¬ 
legentlich  irgendwelcher  der  Wöchnerin  oder  dem  Kinde  später 
zu  leistenden  Hiilfeleistungen  .  .  . 

Die  indirekte  oder  mittelbare  Uebertragung  vermag  durch 
lebendige  oder  leblose  Träger  zu  erfolgen.  Sie  trägt  hauptsäch¬ 
lich  an  Stellen  grosser  Menschenansammlungen  und  in  den 
Schichten  der  Bevölkerung,  wo  mehrere  Familien  zusammen- 
wohnen,  zur  Verbreitung  der  Syphilis  bei.  Es  genügt  dazu  die 
Berührung  eines  verunreinigten  Gegenstandes  mit  einer  wunden 
Laut-  oder  Schleimhautstelle.  Trinkgläser,  Löffel.  Bleistifte, 


reuermuier,  Kurz  aue  uegenstanue  der  Wirtschaft  oder  des 
tors  können  die  Uebertragung  des  Syphilisgiftes  vermitteln. 

Saughütchen.  Pfeifen,  Blasinstrumente,  Glasbläsermund 
stücke,  Rasiermesser,  Mutterspiegel,  Zungenspatel,  Ilöllenstein- 
stifte,  Skarifikationsmesser  und  Lanzetten  vermögen  die  Syphilis 
ebenfalls  zu  übertragen  und  sie  da  zu  verbreiten,  wo  man  ihr  am 
wenigsten  zu  begegnen  glaubt.“ 

Des  weiteren  wird  in  dem  Merkblatt  darauf  hingewiesen,  dass 
der  Ursprung  jeder  Syphilis  schliesslich  auf  die  venerische  An¬ 
steckung  zurückführt,  dass  das  jugendliche  Alter  von  17  und 
18  Jahren  der  Statistik  nach  die  Zeit  der  häufigsten  Ansteckungen 
bildet  und  dass  die  Anfangserscheinungen  der  Syphilis  bezüglich 
der  Uebertragung  die  gefurchtesten  sind.  Die  Abwelirmassregeln 
seien  dreifache,  nämlich  moralische,  administrative  und  thera¬ 
peutische.  Die  Aerzte  werden  aufgefordert  alles  zu  tun,  um  die 
schweren  Schädigungen  der  Syphilis,  welchen  der  Kranke  und 
seine  Mitmenschen  ausgesetzt  sind,  zu  verhüten,  Sie  sowohl,  wie 
die  öffentlichen  Krankenanstalten  sollen  Druckblätter  über  die 
Gefahren  der  Syphilis  an  die  interessierten  Patienten  zur  Vertei¬ 
lung  gelangen  lassen. 

Der  zweite  Teil  des  Abschnittes  über  Syphilis  der  belgischen 
Merkblätter  wendet  sich  zu  den  Massregeln,  mittels  deren  die 
Krankheit  zu  bekämpfen  und  deren  allgemeine  Kenntnis  ins  Volk 
zu  tragen  ist: 

„Die  Hauptquelle  der  Syphilis  ist  die  Prostitution.  Die  jungen 
Prostituierten  müssen  als  die  allergefährlichsten  betrachter 
werden.  Die  Prostitution  Minorenner  sollte  mit  allen  Kräften 
bekämpft  werden.  Da  jedes  syphilitische  Individuum  sein  Leiden 
während  der  gesamten  ansteckenden  Periode,  welche  4 — 5  Jahre 
dauert,  auf  die  Personen  seiner  Umgebung  zu  übertragen  vermag, 
sollte  es  sich  so  lange  jeder  die  Uebertragung  vermittelnden  un¬ 
mittelbaren  wie  mittelbaren  Berührung  enthalten. 


Die  richtige  Erkennung  der  Krankheit  und  ihre  frühzeitige 
Behandlung  sind  prophylaktisch  bedeutungsvolle  und  die  Wahr¬ 
scheinlichkeit  der  Ansteckung  herabmindernde  Faktoren. 

Die  Syphilis  ist  keineswegs  eine  unheilbare  Krankheit,  doch 
wird  die  Heilung  nur  durch  eine  mehrere  Jahre  fortgesetzte  ärzt¬ 
liche  Behandlung  und  Beobachtung  erreicht.  Dieselben  sind  auch 
dann  erforderlich,  wenn  sich  das  Leiden  durch  äusserlich  sicht¬ 
bare  Zeichen  nicht  bemerkbar  macht. 

Die  Ansteckung  geschieht  gewöhnlich  durch  die  Schleimhaut¬ 
erkrankungen.  Diese  müssen  durch  die  geeigneten  Mittel  so 
schnell  als  möglich  zur  Heilung  gebracht  werden  .  .  . 

Da  der  Tabak  die  Schleimhaut  des  Mundes  reizt,  ist  er  eine 
Hauptursache  des  Auftretens  solcher  syphilitischer  Munderschei¬ 
nungen.  Ein  Syphilitischer  sollte  deshalb  nicht  rauchen. 

Die  Syphilis  ist  vererblich,  besonders  durch  die  Mutter,  zu¬ 
mal  wenn  dieselbe  nur  ungenügend  behandelt  wurde. 

Ein  Syphilitischer,  welcher  in  den  ersten  Jahren  nach  der 
Ansteckung  heiratet,  stellt  für  seine  Frau  sowohl.  Avie  für  die  der 
Ehe  entspringenden  Kinder  eine  Quelle  der  Gefahr  dar. 


Das  Kind  eines  syphilitischen  Vaters  oder  einer  syphilitischen 
Mutter  darf  niemals  einer  Amme  anvertraut  werden.“ 

Soweit  die  Aufklärungen  über  die  Syphilis  und  ihre  Be¬ 
kämpfung!  Das  Blatt  beschäftigt  sich  des  weiteren  mit  dem 
Tripper,  dessen  französische  Bezeichnung  „Blennorrhagie“  einen 
gesellschaftlich  passableren  Namen  darstellt,  als  es  das  Wort 
Tripper  tut.  In  einem  deutschen  Merkblatt  Aviirde  man  jedoch 
kaum  mit  der  Signifikation  Blennorrhoe  oder  Gonorrhöe  aus- 
kommen,  sondern  müsste  sich  wohl  oder  übel  des  Ausdrucks 
Tripper  bedienen. 


2.  Tripper. 

„Der  Tripper  (Gonorrhöe)  ist  eine  häufige,  ausserordentlich 
ansteckende  Krankheit,  die  auf  der  Anwesenheit  eines  wohl- 
bekannten,  besonderen  Kleinlebewesens  beruht  und  sich  durch 
den  G e s c h  1  ec li t s a’ e r k e h r  übertragen  lässt. 

Wie  die  Syphilis,  mit  welcher  sie  nur  bezüglich  des  Modus 
der  Ansteckung  (Geschlechtsverkehr)  eine  Aelmlichkeit  hat,  ver¬ 
dient  auch  der  Tripper  die  grösste  Aufmerksamkeit,  da  er  die  Ge¬ 
sellschaft  mit  schweren  Gefahren  bedroht. 

Von  vielen  Personen  ganz  mit  Unrecht  als  eine  gutartige 
Krankheit  angesehen,  ruft  der  Tripper  manchmal  scliAvere  Kom¬ 
plikationen,  selbst  todbringende,  hervor. 

Der  Trippereiter  erzeugt,  ins  Auge  gebracht,  eine  der  ge- 
fiirehtesten  Entzündungen,  die  den  Verlust  des  Augenlichtes  zur 
Folge  haben  kann.  Dieselbe  wird  besonders  häufig  bei  neu¬ 
geborenen  Kindern  beobachtet. 

Die  soziale  Wichtigkeit  des  Trippers  tritt  besonders  in  die 
Augen,  Avenn  man  seine  Beziehungen  zur  Ehe  und  zur  Mutter¬ 
schaft  betrachtet.  Wie  die  Syphilis  trifft  der  Tripper  jedenfalls  auch 
die  Unschuldigen.  Er  zieht  bei  der  Frau  oft  Unfruchtbarkeit  nach 
sich,  indem  er  entweder  deren  Zeugungsorgane  schwer  verändert 
oder  sie  derart  krank  macht,  dass  ihre  chirurgische  Entfernung 
notwendig  wird.  Demnach  ist  auch  der  Tripper  ein  Faktor  der 
Entvölkerung. 

Der  Tripper  ist  eine  heilbare  Krankheit.  Aber  seine  gründ¬ 
liche,  endgültige  Heilung,  erfordert  gewöhnlich  eine  viel  längere 
Zeit  als  man  gemeinhin  annimmt. 

Der  Erreger  der  Krankheit  kann  noch  lange  nach  dem  Ver- 
schwinden  auch  der  letzten  sichtbaren  Spur  einer  Absonderung 
Aveiter  vorhanden  sein  und  aufs  neue  zu  Rückfällen  führen,  Avenn 
irgend  ein  zufälliger  reizender  Anlass  hinzukommt. 


1510 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3G. 


IVrsonen,  welche  früher  tripperkrank  gewesen  sind,  haben 
die  Verpflichtung,  sich  vor  ihrer  Vermählung  ganz  genau  von  dem 
absoluten  (lelieiltsein  des  Leidens  zu  überzeugen.  Alle  Männer 
müssen  über  die  Schwere  der  Zufälle  aufgeklärt  werden,  denen 
sie.  wenn  noch  ungeheilt,  die  Frau  und  später  die  Kinder  aus- 
sctzeii.“ 

Soweit  das  belgische  Merkblatt  für  venerische  Krankheiten! 
Ls  stellt,  wie  gesagt,  das  erste  Dokument  dar,  mit  dem  sich  eine 
Legierung  in  ihren  Bestrebungen  der  sexuellen  Hygiene  und  Pro¬ 
phylaxe*  an  die  grosse  Menge  wendet.  Schon  früher  haben  ver¬ 
schiedene  dermntologisch-venereologische  Kliniker  ihren  veneri¬ 
schen  Patienten  gedruckte  Erläuterungen  über  ihre  Krankheiten 
und  Vorschriften  für  zweckmässiges  Verhalten  in  die  Hände  ge¬ 
geben.  Auch  eine  Reihe  bekannter  Dermatologen  teilten  an  ihre 
kranke  solche  Merkblätter  in  der  richtigen -Erkenntnis  aus,  dass 
um  die  Unwissenheit,  die  Missachtung  der  geschlechtlichen  Kränk¬ 
lichen.  sowie  die  Unterschätzung  ihrer  Uebertragbarkeit  Schuld  an 
der  immer  wachsenden  Verseuchung  der  Bevölkerung  tragen. 

Nun  ist  diese  Art  der  Aufklärung  auch  von  amtlicher  Seite 
beschritten  worden. 

Hoffentlich  stellt  sich  der  Weg  als  ein  gangbarer  und  das  Be- 
st rohen  desselben  als  ein  segensreicher  Fortschritt  im  Kampfe 
gegen  die  Feinde  der  Menschheit,  die  Krankheiten,  heraus! 


Referate  und  Bücher anzeigen. 

Dr.  Werner  Rosenthal:  Die  Pulsionsdivertikel  des 
Schlundes  (Anatomie,  Statistik,  Aetiologie).  Leipzig,  Verlag  j 
von  G.  Thieme,  1902.  135  S.  Preis  M.  3.60. 

Es  ist  ein  Wagnis,  nach  der  vortrefflichen,  vor  2  Jahren  er-  j 
echienenen  Arbeit  von  Starck  das  gleiche  Thema  in  Angriff  j 
zu  nehmen,  allein  der  Verfasser  hat  es  verstanden,  in  der  vor¬ 
liegenden,  ausserordentlich  gründlichen  Monographie  den  um-  j 
fassenden  Stoff  in  einer  Weise  zu  behandeln,  dass  dieselbe  ge¬ 
wiss  nicht  nur  der  Starck  sehen  Arbeit  an  die  Seite  gestellt 
werden  kann,  sondern  auch  in  mancher  Hinsicht  eine  Ergänzung 
und  Erweiterung  derselben  bedeutet.  Denn,  wie  Verfasser  selbst 
hervorhebt,  hat  Starck  den  Schwerpunkt  seiner  Arbeit  auf  die 
Symptomatologie,  Diagnostik  und  Therapie  der  Pulsionsdiver¬ 
tikel  gelegt,  während  die  Pathogenese  nur  kürzer  behandelt  ist. 
R.  dagegen  vertieft  sich  mehr  in  die  Ursachen  und  die  Ent¬ 
stehungsweise  der  vorliegenden  Anomalie  und  nimmt  in 
kritischer  Weise  Stellung  zu  den  bisher  aufgestellten  Hypo¬ 
thesen.  Mit  grossem  Fleiss  hat  R.  das  sorgfältig  gesichtete 
Material  zusammengetragen  und  konnte  so  einerseits  mehrere 
falsche  Beobachtungen  der  früheren  Autoren  ausmerzen,  anderer¬ 
seits  aber  auch  manche  bisher  übersehene  oder  noch  nicht  ge¬ 
nügend  verwertete  Fälle  heranziehen ;  dazu  bringt  er  ausserdem 
5  neue  noch  nicht  veröffentlichte  Beobachtungen. 

Was  die  Gruppierung  des  umfangreichen  Stoffes  betrifft,  so 
hat  nach  des  Referenten  Meinung  durch  die  vielen  Unterkapitel  i 
die  ITebersichtliehkeit  entschieden  gelitten;  R.  hat  3  grosse  Haupt¬ 
gruppen  aufgestellt :  die  Pulsionsdivertikel  I.  des  Pharynx, 
II.  des  eigentlichen  Oesophagus,  IIT.  die  an  der 
Oesophagus-Pharynxgrenze  (sog.  „Grenzdiver- 
t  i  k  e  1“  nach  Rosenthal).  Bei  allen  3  Gruppen  finden  sich 
dargestellt  die  anatomischen  Beobachtungen,  das  klinische 
Material  sowie  die  Aetiologie. 

In  der  I.  Gruppe  referiert  R.  nur  über  4  einschlägige  Fälle; 
die  II.  umfasst,  anatomisch  charakterisiert,  die  Divertikel 
über  Stenosen  des  Oesophagus,  die  Traktionspulsionsdivertikel 
und  endlich  die  sog.  epibronchialen  (nach  Brosch)  Divertikel, 
bei  denen  freilich  nach  R.s  Ansicht  die  Mitwirkung  von  T raktion 
nicht  ausgeschlossen  werden  kann;  klinisch  beobachtet  werden 
skizziert  Divertikel  im  oberen;  mittleren  und  unteren  Drittel  des 
Oesophagus  (letztere  als  sog.  epiphrenische  D.).  Bei  der  Aetio- 
logic  dieser  II.  Gruppe  findet  auch  die  neue  R  i  b  b  e  r  t  sehe  Ab¬ 
handlung  (Virchows  Archiv,  167.  Bd.,  1.  H.)  Berücksichtigung. 
Weitaus  das  grösste  Kapitel  ist  das  der  III.  Gruppe  (der  Grenz¬ 
divertikel),  von  denen  R.  nach  strengster  Kritik  120  lalle  zu- 
sannnengestellt  hat.  Den  63  davon  durch  Sektion  siehergestell- 
tesn  fügt  er  noch  5  sorgfältig  untersuchte  eigene  Beobach¬ 
tungen  an ! 

Die  Aetiologie  dieser  Grenzdivertikel  erfährt  eine  ganz  be¬ 
sonders  ausgedehnte  Besprechung;  die  Hypothesen  von  der  trau¬ 
matischen  sowie  die  von  der  kongenitalen  Anlage  werden  nach 
kritischer  Prüfung  zurückgewiesen  und  diese  Divertikel  als  er¬ 
worbene,  aber  ganz  allmählich  sich  ausbildende  Anomalien  an¬ 
genommen.  „Es  müssen  dabei  jmjner  zwei  Reihen  von  Be¬ 


dingungen  Zusammenwirken,  von  denen  die  eine  eine  primäre 
Ausstülpung  oder  Schwächung  der  Wand  bewirkt,  die  andere 
eine  Stauung  der  Speisen  an  der  betreffenden  Stelle“;  für  beide 
Momente  bringt  R.  Anhaltspunkte  an  der  Hand  bestimmter 
Fälle. 

So  bietet  die  Arbeit  mit  ihrem  sorgfältigen  Literaturnach¬ 
weis  ein  wohl  abgerundetes  Ganze;  dazu  ist  sie  klar  und  flüssig 
geschrieben.  Bei  der  peinlichen  Gewissenhaftigkeit  aber,  mit 
der  das  Material  zusammengestellt  und  kritisch  gesichtet  ist, 
wird  sie  für  jeden  künftigen  Beobachter,  sei  er  Kliniker  oder 
Anatom,  von  grossem  Wert  sein.  H.  M  e  r  k  c  1  -  Erlangen. 


Dr.  Max  Fraenkel  -  Berlin :  Die  Samenblasen  des  Men¬ 
schen.  Mit  4  lithographierten  Tafeln.  Berlin  1901.  Verlag  von 
August  H  irschwald. 

In  einer  dankenswerten  monographischen  Studie  hat  der 
Verfasser  die  Resultate  von  Untersuchungen  zusammengestellt, 
die  er  unter  der  Leitung  W  aldeyers  in  dessen  Institut  über 
die  menschlichen  Samenblasen  angestellt  hat.  Die  Literatur 
über  diese  Gebilde  ist  nicht  gerade  reichhaltig,  und  das  Unter¬ 
nehmen  Fraenkel  s,  unsere  Kenntnisse  über  die  anatomischen 
und  physiologischen  Verhältnisse  der  Samenblasen  zu  erweitern 
und  zu  vertiefen,  ist  einem  tatsächlichen  Bedürfnisse  ent¬ 
sprungen,  um  so  mehr,  als  die  Vervollkommung  unserer  thera¬ 
peutischen  Bestrebungen  in  der  neueren  Zeit  uns  gelehrt  hat,  der 
Beteiligung  der  Samen  blasen  an  verschiedenen  pathologischen 
Vorgängen  am  Urogenitalapparate  (Gonorrhoe,  Tuberkulose, 
Neoplasma)  unsere  Aufmerksamkeit  in  einem  höheren  Grade  zu¬ 
zuwenden,  als  bisher  das  wohl  im  allgemeinen  der  Fall  gewesen 


war. 

Struktur  und  topographische  Beziehungen 
der  Samenblasen  werden  von  Fraenkel  in  eingehender  Weise 
erörtert,  und  sein  ganz  besonderes  Augenmerk  hat  der  Verfasser 
der  Blutversorgung  der  Organe  zugewendet.  Es  ist  bis 
jetzt  noch  von  keiner  Seite  darauf  aufmerksam  gemacht  worden, 
dass  der  Reichtum  der  Samenblasen  an  arteriellen  Gefässen  ein 
so  sehr  beträchtlicher  ist,  wie  das  diese  neuesten  Untersuchungen 
ergeben  haben. 

In  nicht  minder  ausführlicher  und  übersichtlicher  Weise  hat 
Fraenkel  den  mikroskopischen  Bau  dargestellt.  Von 
den  3  Schichten,  der  bindegewebigen,  der  Muskel-  und  der 
Schleimhautschicht  kommt  der  letzteren  das  grösste  Interesse 
zu.  In  der  strittigen  Frage,  ob  in  den  Samenblasen  Drüsen 
vorhanden  sind  oder  nicht,  stellt  sich  Fränkel  auf  Grund 
seiner  Befunde  an  Serienschnitten  durch  die  Samenblasen  aller 
Alterstufen  auf  den  Standpunkt,  welchen  Kölliker  und 
Guelliot  gegenüber  Ilenle,  Gegenbauer,  Hyrtl  u.  a. 
einnehmen.  Die  grubigen  Vertiefungen,  die  Ausbuchtungen  in 
der  Schleimhaut  seien  nicht  als  Drüsen  anzusprechen;  um  jene 
als  besondere  Organe  ansehen  zu  können,  müssten  sie  „eine 
Aenderung  im  Bau,  eine  Verfeinerung  der  Schleimhaut“  auf¬ 
weisen;  deswegen  könne  in  den  genannten  Gruben  doch  Sekretion' 
stattfinden,  so  gut  als  auf  der  Schleimhaut  selbst.  Was  die  Art 
und  Form  des  Epithels  des  Stratum  mucosum  betrifft,  hat 
F  raenkel  stets  zylindrische  Zellen  vorgefunden.  Auch  zu 
diesem  Punkte  ist  die  Auffassung  unter  den  Forschern  noch 
keine  einheitliche. 

Das  Samen  blasensekret  baschreibt  F  raenkel  als 
eine  grauweissliche,  manchmal  bräunlich  tingierte,  geruchlose 
Masse,  von  rahmartiger  Konsistenz,  alkalischer  Reaktion.  Er 
ist  der  Ansicht,  dass  das  Hauptquantum  der  Flüssigkeit  des 
Samens  in  den  Samenblasen  sezerniert  werde.  Schon  durch  ein 
paar  frühere  Untersuchungen  ist  festgestellt  worden,  dass  die 
Samenblasen  keineswegs  ausschliesslich  nur  Reservoire  für 
Hodensekret  darstellen,  sondern  dass  in  ihnen  auch  eine  eiweiss¬ 
haltige  Flüssigkeit  produziert  werde.  Die  reichliche  arterielle 
Blutversorgung  der  Organe  spräche  nach  Fraenkel  dafür, 
dass  die  Hauptproduktion  dieser  Flüssigkeit  bei  der  Libido  vor 
sich  gehe.  Die  funktionelle  Bedeutung  des  Sekretes  ist  nicht 
sicher  gestellt.  Abgesehen  von  Schleim,  Spermatozoen,  weissen 
Blutkörperchen,  Epithelien,  finden  sich  im  Inhalte  der  Samen¬ 
blasen  konstant  noch  jene  amorphen,  nicht  krystallinischen, 
transparenten  Gebilde,  welche  R  o  b  i  n  „Sympexions“  ge¬ 
nannt  hat,  über  deren  chemische  Zusammensetzung  und  physio¬ 
logische  Eigenschaft  zur  Zeit  noch  so  gut  wie  nichts  bekannt  ist. 


1511 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


9.  September  1902. 


Ein  kurzer  Hinweis  auf  die  Pathologie  der  Samen¬ 
blasen,  der  sich  auf  die  eingehenderen  Darstellungen 
Guelliots  stützt,  illustriert  in  prägnanter  Weise,  welch’ 
grosse  Bedeutung  einer  genaueren  Kenntnis  der  Anatomie  und 
Physiologie  der  Samenblasen  zukommt. 

Die  Reproduktion  der  die  topographischen  und  histo¬ 
logischen  Verhältnisse  darstellenden  Abbildungen  ist  als  eine 
sehr  gute  zu  bezeichnen.  Br.  J  esionek. 

Dr.  L.  Knapp -Prag:  Grundzüg'e  der  gynäkologischen 
Massagebehandlung.  Ein  Leitfaden  für  Studierende  und 
Aerzte.  Berlin  1902.  Fischers  med.  Buchhandl.  (H.  Iv orn- 
f  e  1  d).  Preis  M.  1.80. 

lieber  den  Wert  der  Massage  in  der  Gynäkologie  kann  man 
geteilter  Meinung  sein;  sie  ist  und  bleibt  ein  zweischneidiges 
Schwert,  namentlich  in  der  Hand  des  nicht  speziell  gynäko¬ 
logisch  ausgebildeten  Arztes,  weil  unter  allen  Umständen  —  und 
das  betont  K.  auch  selber  ausdrücklich  —  vor  ihrer  Anwendung 
eine  ganz  sichere,  durchaus  eindeutige  Diagnose  notwendig  ist; 
und  das  ist  oft  genug  auch  dem  Geübtesten  nicht  möglich. 

Dem  Leitfaden  von  K  napp  liegt  ein  ausserordentlich 
fleissiges  Literaturstudium  zu  Grunde,  und  es  enthält  in  der  Tat 
alles,  was  wir  über  die  gynäkologische  Massage  wissen.  Sehr 
klar  und  übersichtlich  sind  die  Indikationen  und  die  Kontraindi¬ 
kationen  für  die  Anwendung  der  Massage  bei  den  einzelnen 
Leiden  gegeben.  Auch  die  Technik  in  ihrer  mannigfaltigen  Aus¬ 
übung  ist  ausführlich  und  sehr  anschaulich  beschrieben.  Auf 
Schritt  und  Tritt  erkennt  man  die  grosse  Erfahrung  und  Uebung 
des  Autors,  der  ein  begeisterter  Lobredner  für  die  Erfolge  der 
Massage  in  der  Gynäkologie  ist. 

Für  die  Erlernung  der  Massage  etc.  hat  K.  ein  Phantom  an¬ 
gegeben  (cfr.  auch  Centralbl.  f.  Gynäkol.  1901,  No.  47).  Ob 
dieses  sich  in  der  Praxis  bewähren  wird,  mag  die  Zeit  lehren; 
mir  will  es  scheinen,  als  wären  die  gynäkologischen  Krankheits¬ 
bilder  doch  zu  wenig  „typisch“,  um  die  Erlernung  ihrer  Dia¬ 
gnostik  und  Therapie  zum  Gegenstände  eines  Phantomkurses 
machen  zu  können. 

Der  Inhalt  des  Büchleins  ist  durchaus  übersichtlich  zu¬ 
sammengestellt,  so  dass  die  Orientierung  keine  Schwierigkeiten 
bereitet.  Am  Schlüsse  finden  wir  ein  fast  vollständiges  Litera¬ 
turverzeichnis. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  der  K.sehe  Leitfaden 
von  jede  m  mit  Interesse  gelesen  werden  wird,  mag  er  nun  ein 
Anhänger  ausgedehnter  Massagebehandlung  in  der  Gynäkologie 
sein  oder  nicht.  Max  Henkel-  Berlin. 

Dr.  med.  Oskar  V  ulpius:  Das  •Krüppelheim.  Im  Auf-, 
trag  Ihrer  königlichen  Hoheit  der  Frau  Grossherzogin  Luise  von 
Baden  bearbeitet.  Heidelberg  1902.  Carl  Winters  Universi- 
tii  tsbuchhandlung. 

Der  Verfasser  berichtet  über  die  Ergebnisse  einer  Reise, 
die  er  zum  Studium  der  Krüppelheime  unternommen  hat,  und 
regt  in  dankenswerter  Weise  die  Frage  der  Krüppelfürsorge  an. 
Zur  Zeit  existieren  Anstalten  für  Krüppelhafte  in  Deutschland 
und  Frankreich,  in  der  Schweiz,  in  Dänemark,  Schweden  und 
Finnland. 

Die  Münchener  Zentralanstalt  für  krüppelhafte  Kinder  ist 
das  älteste  Krüppelheim.  Es  wurde  durch  die  Hochherzigkeit 
eines  Münchener  Bürgers,  Johann  Edler  v.  Kurz,  im  Jahre  1832 
begründet  und  beschränkte  sich,  da  bei  dem  damaligen  tiefen 
Stande  der  Orthopädie  eine  ärztliche  Behandlung  aussichtlos  er¬ 
schien,  auf  die  Erziehung  der  krüppelhaften  Kinder.  Bei  den 
in  den  letzten  Jahrzehnten  gegründeten  Anstalten,  wie  z.  B.  der 
Musteranstalt  in  Kopenhagen  (150  Betten),  wird  dagegen  mit 
Recht  die  ärztliche  Behandlung  in  den  Vordergrund  gestellt  und 
jeder  Zögling  muss  sich  derselben  unterziehen,  ehe  mit  einer  be¬ 
sonderen  Erziehung  begonnen  wird.  Auch  in  Deutschland  haben 
wir  bereits  ähnlich  eingerichtete  Anstalten,  z.  B.  in  Nowawes  bei 
Potsdam  (150  Betten),  in  Krakau  bei  Magdeburg  (160  Betten) 
und  an  anderen  Orten. 

Die  Frage  der  Krüppelfürsorge  ist  speziell  für  Bayern  von 
grösster  Wichtigkeit.  Zur  Zeit  existiert  in  Bayern  keine  Stelle, 
Wo  unbemittelte  orthopädische  Kranke  unentgeltliche  Behand¬ 
lung  von  fachärztlicher  Seite,  d.  h.  durch  einen  ortho¬ 
pädischen  Chirurgen,  finden.  Die  Folge  davon  ist,  dass  in  einer 
Stadt  wie  München,  nach  der  Schätzung  des  Referenten  alljähr¬ 


lich  mindestens  100  Menschen  zum  Krüppel  werden,  die  durch 
eine  sachgemässe  und  rechtzeitige  Behandlung  sicher  hätten  ge¬ 
rettet  werden  können.  Diese  Zustände  sind  auf  die  Dauer  un¬ 
haltbar  und  werden  später  noch  eine  ausführliche  Darstellung  an 
dieser  Stelle  finden.  F.  Lange-  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  innere  Medicin.  1902.  No.  33,  34  u.  35. 

II.  Ivun:  lieber  die  Ausscheidungskurve  gerinnungsalte- 
rierender  Eiweissubstanzen  im  Harn  während  der  Pneumonie. 

Veranlasst  durch  die  Arbeiten  von  Le  nobel  und  Loch- 
b  i  li  1  e  r,  die  im  Harn  bei  Pneumonie  Eiweissubstanzen  mit  ge- 
rinnungsalterierenden  Eigenschaften  nachwiesen,  bestimmt  Verf. 
die  Menge  ihrer  Ausscheidung  bei  Pneumonie. 

Die  Menge  wurde  geschätzt  an  der  Biuretreaktion,  die  die 
Körper  gaben.  Die  Eiweisskörper  wurden  getrennt  in  einen  in 
Essigsäure  löslichen,  durch  Sättigung  mit  Kochsalz  gewonnenen 
Körper  (Kochsalzkörper)  und  einen  in  Essigsäure  unlöslichen 
Körper  (Essigsäurekörper)  nach  einem  in  der  Arbeit  genau  be¬ 
schriebenen  Verfahren.  Die  durch  Anstellung  der  Biuretreaktion 
geschätzte  Menge  wurde  hin  und  wieder  durch  Iteindarstellung 
der  Körper  kontrolliert.  Der  Kochsalzkörper  wurde  als  albumosen- 
artig,  der  Essigsäurekörper  als  ein  Nukleoproteid  nachgewiesen. 

Das  Ergebnis  der  Ausscheidung  dieser  Körper  in  35  Pneu¬ 
moniefällen  war  folgendes: 

„ln  allen?  typisch,  d.  li.  kritisch  verlaufenden  Fällen  verhielt 
sich  der  Kochsalzkörper  so,  dass  er  im  Beginn  der  Pneumonie 
in  geringer  Menge  vorhanden  war,  dann  täglich  an  stieg,  auf  seinem 
Höhepunkt  durch  einige  Tage  verblieb,  um  dann  ziemlich  plötzlich 
am  Vortage  der  Krise  abzufallen  oder  gar  ganz  zu  verschwinden 
und  nach  der  Krise  wieder  in  geringer  Menge  durch  einige  Tage 
zu  erscheinen  oder  auch  nicht  mehr  aufzutreten. 

Der  durch  Essigsäure  fällbare  Körper  tritt  im  Anfang  stärker 
als  der  Kochsalzkörper  auf,  steigt  ebenfalls  in  den  ersten  Tagen 
rasch  an,  und  zwar  rascher  und  höher  als  der  Kochsalzkörper, 
bleibt  nicht  so  lange  wie  dieser  auf  der  Höhe  und  fällt  auch  wieder 
rascher  ab.  Man  kann  also  sagen,  er  ist  ihm  fast  immer  um 
1 — 2  Tage  voraus.“ 

Eine  Abweichung  von  dieser  ganz  typischen  Ausscheidung  bei 
normal  verlaufenden  Pneumonien  deutete  auf  eine  nicht  glatt  ver¬ 
laufende,  lytisch  auslaufende,  Schwankungen  unterworfene  (z.  B. 
Influenza)  oder  letal  endende  Pneumonie. 

No.  34.  B.  Spiet  hoff:  Blutdruckmessungen  bei  Morbus 
Basedow. 

Verf.  stellte  bei  20  Fällen  mit  Morbus  Basedow  in  der  Jenenser 
Universitäts-Poliklinik  Blutdruckmessungen  an  und  benutzte  dazu 
den  Blutdruckmesser  von  Biva-Kocci,  sowie  den  von 
v.  Recklinghausen  angegebenen  Apparat.  Das  Ergebnis 
ist,  dass  der  Blutdruck  bei  Morbus  Basedow  nicht  konstant,  ver¬ 
ändert  ist.  Bei  schweren  Formen  kommen  Blutdruckerniedrigungen 
und  -Erhöhungen  vor,  bei  leichteren  Formen  entfernt  sich  der 
Druck  nicht  wesentlich  von  der  Norm. 

No.  35.  Ludwig  Braun:  Ueber  das  „Wanderherz“. 

Verf.  bespricht  zunächst  die  normale  Beweglichkeit  des  Her¬ 
zens  und  die  anatomischen  Verhältnisse  dabei.  Vermehrte  Beweg¬ 
lichkeit  des  Herzens  ist  begleitet  von  anderen  pathologischen  Ver¬ 
änderungen,  z.  B.  Grössenzunahme  des  Herzens  oder  Erweiterung 
der  Aorta  ascendens  und  wird  als  Kardioptosis  bezeichnet.  Die 
Kardioptosis  ist  stets  sekundär;  eine  primäre,  idiopathische,  auf 
angeborenen  Mangel  in  der  Entwicklung  des  elastischen  Gewebes 
des  Gefässystems  beruhende  Kardioptosis  kennt  Verf.  nicht.  Herz¬ 
beschwerden  allein  auf  erhöhte  Beweglichkeit  des  Herzens 
(Wanderherz)  zurückzuführen,  ist  unberechtigt.  Die  Herz¬ 
beschwerden  sind  durch  Veränderung  des  Herzens  oder  seiner 
Umgebung  zu  erklären  oder  sie  sind  nervöser  Natur.  Den  Be¬ 
griff  Wanderherz  sollte  man  deshalb  überhaupt  streichen. 

K.  L  i  e  p  e  1 1  -  Berlin. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  68.  Bd.,  2.  Heft,  Berlin, 
Hirschwald,  1902. 

13)  F  i  c  k  -  Leipzig:  Bemerkungen  zur  Wolfsrachenbildung. 

Die  interessanten  Bemerkungen  F.s  sind  ohne  die  Abbildungen 

schwer  verständlich  und  muss  deshalb  auf  das  Original  verwiesen 
werden. 

14)  Payr:  Beiträge  zur  Frage  der  Frühoperation  bei 
Appendizitis.  ((Chirurg.  Universitätsklinik  Graz.) 

An  der  Klinik  Nicoladonis  wird  seit  einiger  Zeit  «lie 
prinzipielle  Frühoperation  der  Appendizitis  ausgeführt;  P.  teilt 
die  bei  9  Fällen  gewonnenen  Erfahrungen  mit  und  bekennt  sich 
auf  Grund  derselben  als  unbedingter  Anhänger  dieser  Methode. 
Bei  der  Unsicherheit  der  genauen  Diagnose  der  einzelnen  Formen 
der  Appendizitis  gelingt  es  durch  prinzipielle  Frühoperation,  Fälle 
zu  retten,  die  sonst  der  allgemeinen  Peritonitis  zum  Opfer  fallen 
würden;  ausserdem  verhütet  die  Operation  die  so  überaus  häu¬ 
tigen  Rezidive  und  die  in  allen  Stadien  der  Erkrankung  auftreten¬ 
den  schweren  und  lebensgefährlichen  Komplikationen.  Die  Mor¬ 
talität  der  Friihoperation  berechnet  P.  aus  einer  Anzahl  von  Sta¬ 
tistiken  mit  ca.  2  Proz.,  während  die  der  exspektativen  Behand¬ 
lung  12  Proz.  beträgt.  Der  Eingriff  ist  im  Frühstadium  der  Er¬ 
krankung  technisch  sehr  leicht,  die  Infektionsgefahr  für  das  Bauch- 


1512 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36, 


feil  gering.  Kurze  Dauer,  meist  kleine  Bauch  wandschnitte,  ein¬ 
fache  Wundverhältnisse  uml  Einzeitigkeit  sind  iüs  besondere  Vor¬ 
teile  anzusehen.  Wenn  der  Prozess  auf  den  Wurmfortsatz  be¬ 
schränkt  ist,  kann  die  Bauchwunde  völlig  geschlossen  werden; 
wenn  tamponiert  werden  muss,  empfiehlt  P.  präventive  Durch¬ 
legung  von  Seidenfädeu  durch  Peritoneum  und  Muskelschicht,  die 
nach  einigen  Tagen  geknotet  werden. 

Auch  nach  Ablauf  der  ersten  48 — GO  Stunden  will  P.  trotz 
der  dann  viel  schlechteren  Aussichten  stets  operieren,  ln  diesen 
Fällen  soll  der  Wurmfortsatz  nur  entfernt  werden,  wenn  er  ohne 
Verletzung  intakter  Teile  zugänglich  ist.  Beim  Vorfinden  von  pro¬ 
gredienten  oder  diffusen  Formen  von  Peritonitis  empfiehlt  I\,  von 
Spülungen  Abstand  zu  nehmen  und  trockene  .Todoformgazestreifen 
nach  allen  Richtungen  vorzuschieben. 

17)  v.  W  i  s  t  i  n  g  li  a  u  s  e  n  -  Reval:  Zur  Kasuistik  der 
retrograden  Inkarzeraticnen. 

Beschreibung  zweier  Fälle  von  retrograder  Inkarzeration  von 
Dünndarmschlingen  in  Leistenhernien;  im  einen  Falle  bestand 
Gangrän  der  80  cm  langen  in  den  Bauchraum  hineinragenden 
Schlinge. 

19)  Busalla:  Ueber  plastische  Deckung  von  Knochen¬ 
höhlen,  nebst  einem  Fall  von  osteoplastischem  Ersatz  des  Os 
cuboides.  (Chirurg.  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  Altona.) 

Von  allen  Methoden  der  Osteoplastik  hat  bisher  nur  die  An¬ 
wendung  gestielter  Haut-Periost-Knochenlappen  nach  Müll  e  r 
befriedigende  Resultate  ergeben,  während  die  Einheilung  toter 
oder  frischer  Knochenstücke  von  anderen  Menschen  oder  derselben 
Person  in  den  Defekt  (Heteröplastik,  Homoplastik,  freie  Auto¬ 
plastik)  fast  stets  misslingt.  B.  ging  bei  einem  'Patienten,  bei 
dem  das  Os  cuboides  und  Teile  der  angrenzenden  Fusswurzel- 
knoehen  wegen  Tuberkulose  operativ  entfernt  waren,  so  vor,  dass 
er  von  der  äusseren  Fläche  des  Caleaneus  einen  Haut-Periost- 
Knochenlappen  alnneisselte  und  in  den  Defekt  hineinschlug;  die 
Brücke  wurde  nach  4  Wochen  durchschnitten.  Der  Knochenlappen 
heilte  gut  ('in,  das  funktionelle  Resultat  war  sehr  befriedigend. 

28)  K  i  r  c  hliei  in:  Ueber  die  sogen,  diffuse,  wahre  Mamma¬ 
hypertrophie  (Billroth)  und  ihr  Verhältnis  zum  Fibrom.  (Chi¬ 
rurg.  Universitäts-Poliklinik  Leipzig.) 

Der  von  K.  beobachtete  Fall  betrifft  eine  15  jährige  Jungfrau; 
die  Anschwellung  der  Mammae  bestand  seit  °/4  Jahren.  Die 
rechte  Mamma  wurde  exstirpiert  (7  Pfund  Gewicht),  die  linke 
durch  sektorenförmige  Exzisionen  verkleinert;  ya  Jahr  später 
wurde  auch  die  zweite  Mamma  wegen  erneuten,  wenn  auch  ge¬ 
ringen  Wachstums  auf  Wunsch  der  Patientin  exstirpiert.  Voll¬ 
kommene  Heilung.  Die  Tumoren  bestanden  fast  ganz  aus  Binde¬ 
gewebe  von  vermehrtem  Kernreichtum;  in  den  peripheren  Ab¬ 
schnitten  war  Oedem  des  Bindegewebes  nachzuweisen.  Das 
Drüsengewebe  trat  an  Masse  gegen  das  Stützgewebe  vollkommen 
zurück  und  wurde  im  wesentlichen  durch  das  tubulöse  Astwerk 
der  Milchgänge  dargestellt.  Makroskopischer  und  mikroskopischer 
Befund  sind  ausführlich  beschrieben. 

Im  Anschluss  an  42  aus  der  Literatur  gesammelte  Fälle  von 
doppelseitiger  Mammahypertrophie  bespricht  K.  ferner  die  kli¬ 
nischen  Erscheinungen,  die  Aetiologie  und  Therapie  der  Erkran¬ 
kung.  Die  Auffassung  der  Mammahypertrophie  als  einheitliches 
Krankheitsbild  hält  K.  nicht  für  berechtigt;  als  gut  charakteri¬ 
sierte  Gruppe  lassen  sich  nur  die  Graviditätshypertrophien  heraus¬ 
hoben,  die  auch  allein  den  Namen  der  Hypertrophie  rechtfertigen, 
da  hier  das  Wachstum  des  Organs  mit  Steigerung  der  Funktion 
einhergeht  und  mit  Sinken  derselben  wieder  zurückgeht.  Die 
Hypertrophien  ausserhalb  der  Gravidität,  speziell  die  Pubertäts¬ 
hypertrophien,  lassen  die  Zusammenfassung  zu  einem  einheit¬ 
lichen  Krankheitsbilde  nicht  zu;  die  Trennung  .  ihrer  einzelnen 
Formen  ist  aber  nur  durch  weitere  eingehende  mikroskopische 
Untersuchungen  zu  ermöglichen.  Die  Bindegewebswucherung  der 
Pubertätshypertrophie  trägt  oder  trug  wenigstens  im  Falle  K.s 
pathologischen  Charakter;  die  Bezeichnung  als  Hypertrophie  ist 
demnach  für  diese  Gruppe  nicht  zutreffend.  Wahrscheinlich 
nehmen  die  Mammahypertrophien  ausserhalb  der  Gravidität  eine 
Mittelstellung  ein  zwischen  Entzündung  und  Neubildung;  K. 
schlägt  vor,  dieselben  als  diffuses  Fibrom  zu  bezeichnen. 

29)  Kleinere  Mitteilungen. 

S  c  h  am  -  Dresden:  Ein  Fall  von  Luxation  des  Fusses  nach 
hinten. 

15)  S  p  r  e  n  g  e  1  -  Braunschweig:  Versuch  einer  Sammel¬ 
forschung  zur  Frage  der  Frühoperation  bei  akuter  Appendizitis 
und  persönliche  Erfahrungen. 

IG)  Lengemann:  Die  Erkrankungen  der  regionären 
Lymphdrüsen  beim  Krebs  der  Pars  pylorica  des  Magens.  (Chi¬ 
rurg.  Klinik  in  Breslau.) 

18)  Ritte  r:  Die  natürlichen  schmerzlindernden  Mittel  des 
Org’anismus.  (Chirurg.  Klinik  in  Greifswald.) 

20)  S  t  r  a  u  s  s  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Diagnostik  der  physio¬ 
logischen  und  pathologischen  Nierenfunktion. 

21)  Ehrhardt:  Ueber  die  Folgen  der  Unterbindung 
grosser  Gefässtämme  in  der  Leber.  (Chirurg.  Klinik  in  Königs¬ 
berg.) 

22)  S  o  n  n  e  n  b  u  r  g  -  Berlin:  Lungenkomplikationen  bei 
Appendizitis. 

2.°»)  v.  K  a  h  1  d  e  n  -  Freiburg:  Ueber  Karzinomrezidive. 

24)  Payr:  Ueber  die  Ursache  der  Stiel drehung  intraperi¬ 
toneal  gelegener  Organe.  (Chirurg.  Klinik  in  Graz.) 

25)  F  r  i  e  d  r  i  c  li  -  Leipzig:  Zur  bakteriellen  Aetiologie  und 
zur  Behandlung  der  diffusen  Peritonitis. 


2G)  S  a  m  ter-  Königsberg:  Ueber  Exarticulatio  pedis  mit 
dem  Zirkelschnitt. 

27)  Derselbe:  Ueber  den  Wundverlauf  nach  Bruch¬ 
operationen. 

Vorträge  auf  dem  31.  Chirurgenkongress.  (Referate  siehe 
No.  15—17  dieser  Woclienschr.)  Heineke  -  Leipzig. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie.  Red.  von  P.  v.  Bruns. 

3  l.  Bd.  mit  1  Porträt  u.  27  Abb.  i.  Text,  24  Taf.  Jubiläums¬ 
band  für  Vinzenz  Czerny.  Tübingen,  Laupp,  1902. 

Der  34.  Band  der  Beiträge  ist  Vinc.  Czerny  zum  25 jährigen 
Jubiläum  als  Direktor  der  Heidelberger  Klinik  von  früheren  und 
jetzigen  Assistenten  Czernys  gewidmet  und  mit  dessen  Porträt 
o’eziert. 

Ricli.  Werner  gibt  experimentelle  Epithelstudien,  über 
Wachstum,  Regeneration,  Amitosen-  und  Riesenzellenbildung 
des  Epithels,  in  denen  er,  durch  E.  Fürsts  Arbeit  angeregt,  die 
Resultate  der  Einwirkung  des  Aetliersprays  (Kältetraumas)  auf 
die  Gewebe,  speziell  die  Epidermis  studiert,  die  bei  allen  Geweben 
als  entzündliche  Veränderung  zu  betrachten,  die  grösstenteils 
durch  direkte  Schädigung  der  Zelle,  zum  kleinsten  Teil  durch 
chemotaktische  Wirkung  der  Aetherdämpfe  hervorgerufen  wird, 
und  teilt  hauptsächlich  auch  klinische  Erfahrungen  mit,  d.  h.  die 
Besserung  der  Granulationen  und  schnelleres  Vorschieben  des 
Epidermisrandes  bei  Fussgeschwüren,  die  täglich  1 — 3  mal  1  bis 
15  Sekunden  lang  (meist  unter  Fettschutz)  mit  dem  Aetherspray 
behandelt  wurden.  W.  sieht  in  der  F  ü  r  s  t  sehen  Methode  das 
richtigste  Mittel  zur  Beförderung  des  Hautersatzes. 

E.  v.  Meye r  bespricht  einen  seltenen  Fall  von  akuter  Ent¬ 
zündung  des  Wurmfortsatzes  und  dadurch  bedingter  Inkarzera¬ 
tion  des  Dünndarms  iin  Anschlüsse  an  einen  Fall  von  Askariden¬ 
konvolut  im  pathologisch  veränderten  Wurmfortsatz,  und  gibt 
weiterhin  einen  Beitrag  zur  Exstirpation  des  primären  Scheiden¬ 
karzinoms  mit  Perforation  des  Mastdarms. 

W.  Zaugemeist  e  r  berichtet  über  primäres  Tubenkarzi¬ 
nom  und  bespricht  dabei  die  betreffende  Literatur  und  3  eigene 
Fälle  (zusammen  51  Fülle),  die  0,31  Proz.  aller  Laparotomien, 
(1,33  Proz.  der  wegen  Tubenerkrankungen  ausgeführten)  in  der 
Heidelberger  Klinik  darstellen. 

Beruh,  v.  Beck  gibt  weitere  Erfahrungen  über  operative 
Behandlung  der  diffusen  eitrigen  Peritonitis  und  berichtet  über 
100  Fälle,  deren  Indikation,  Verlauf  etc.  er  bespricht,  in  94  der¬ 
selben  war  freies  Exsudat  in  der  Bauchhöhle  vorhanden,  2  mal 
handelte  es  sich  um  perforiertes  Magengeschwür,  2  mal  um  Ulcus 
duodeni,  1  mal  um  Gangrän  eines  Meckel  sehen  Divertikels  etc., 
in  GG  Fällen  um  Wurmfortsatzerkrankungen,  wovon  G2  mit  Gan¬ 
grän  und  Perforation  desselben,  4  Fälle  mit  Empyema  proc.  vermi¬ 
formis.  32  mal  wurde  der  mediane,  G8  mal  der  laterale  Bauch- 
schnitt  ausgeführt,  91  mal  liess  sich  der  Herd  chirurgisch  angreifen; 
GG  mal  Resectio  proc.  vermiformis,  v.  B.  gibt  den  betreffenden 
Operierten  zur  Anregung  der  Darmtätigkeit  allabendlich  Oelklys- 
men  zu  100 — 250  g,  die  die  Nacht  im  Darme  behalten  werden,  Mor¬ 
gens  Kamillenwasserkly stiere  zu  250  g.  Bei  fortgesetztem  Auf- 
stossen  und  Erbrechen  wird  1 — 2  mal  der  Magen  ausgespült,  zur 
Regelung  der  Peristaltik  wird  meist  1 — 2  Tage  post  operationein 
1 — 3  mg  Atropin  (meist  mit  etwas  Morphium)  injiziert.  Die  Peri- 
typlilitisperitonitisfälle,  die  in  den  ersten  24  Stunden  nach  Be¬ 
ginn  der  Peritonitis  operiert  wurden,  sind  alle  genesen,  die  vom 
3.  Tag  ergaben  %  Todesfälle,  die  am  4.  Tag  operierten  erlagen 
stets  rasch  ihrer  Sepsis;  das  Heilresultat  der  Perityphlitisperitoni¬ 
tisfalle  überhaupt  ist  55  Proz.;  die  Prophylaxis  dieser  Peritonitis 
besteht  nach  v.  B.  am  besten  darin,  dass  alle  Fälle  von  Perityphlitis, 
bei  denen  Verdacht  auf  Gangrän  und  Perforation  vorliegt,  sofort 
im  Anfall  operiert  werden  und  so  für  Entfernung  des  gefährlichen 
Krankheitsherdes  durch  Resektion  des  gangränösen  Fortsatzes  ge¬ 
sorgt  wird,  auch  für  die  Peritonitis  überhaupt  muss  frühzeitige 
Erkennung  und  sofortige  Einleitung  chirurgischer  Behandlung  als 
das  beste  Mittel  zur  Heilung  angesehen  werden  und  hat  v.  B. 
bei  seinen  Fällen  diffuser  eitriger  Peritonitis  54  Proz.  Heilungen 
erzielt,  er  gibt  eine  kurze  Darstellung  der  Krankengeschichten 
sämtlicher  100  Fälle. 

H.  Gehle,  zur  Kasuistik  der  chronischen.  Coekumtuberku- 
lose,  teilt  3  neue  Fälle  dieser  Erkrankung  mit,  die  er  nach  ana¬ 
tomischem  Befund  und  Symptomen  etc.  analysiert. 

O.  Steinthal  gibt  aus  dem  Stuttgarter  Diakonissenhaus 
Erfahrungen  über  Gastroenterostomie,  die  er  in  den  letzten 
3  Jahren  28  mal  ausführte  (14  mal  bei  Magenkrebs,  12  mal  bei  gut¬ 
artigen  Erkrankungen);  so  ungünstig  im  allgemeinen  die  Resultate 
bei  Karzinom  (da  5  nicht  mehr  vom  Krankenlager  sich  erhoben; 
G,  die  in  gutem  Zustande  entlassen  wurden,  doch  meist  vor  1  Jahr 
starben),  so  erfreulich  sind  die  Resultate  bei  gutartigen  Magen¬ 
affektionen,  von  10  kamen  9  zu  voller  Genesung.  St.  gibt  auch 
Ratschläge  betreffs  der  Technik  und  rät,  im  allgemeinen  keine  zu 
lange  Schlinge  zu  nehmen. 

Ara.  Schiller  gibt  Beiträge  zur  pathologischen  Bedeu¬ 
tung  der  Darmparasiten,  besonders  für  die  Perityphlitis,  und  gibt 
darin  interessante  Kasuistik,  u.  a.  einen  Fall  von  Askariden,  die 
durch  eine  Flobertschussöffnimg  in  die  freie  Bauchhöhle  gelangten; 
den  Fall  einer  Gallenblasenausräumung,  bei  der  ein  Spulwurm  zur 
Verlegung  des  Choledochusabflusses  geführt  hatte  und  erst  nach 
18  Tagen  lebend  extrahiert  wurde;  auch  Fälle,  die  für  die  Aus¬ 
wanderung  der  Askariden  in  die  Bauchhöhle  sprechen,  oder  in 
denen  durch  solche  bedingtekleine Epitheldefekte  zum  Eintreten  von 
septischen  Stoffen  und  Peritonitis  Anlass  gaben,  werden  erwähnt; 


9.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


«lrs  weiteren  Fälle,  in  denen  Trichokephalus  dispar.  (in  grosser 
Menge)  zu  schweren  gastrischen  Störungen  mit  Fieber  Leih 
schmerz  etc.  Anlass  gab;  und  speziell  Falle  von  Tvphlitis  mit  An¬ 
häufung  von  Oxyuris  vermic.  im  Wurmfortsatz  ‘ 

demMurBphyLLo|ffr  *"*  Erfah™«“  ttb»  Operationen  mit 

0  .  c  k  belichtet  zur  Behandlung  der  Verätzungen  der 

Speiseröhre  und  des  Magens  mit  Gastroenterostomie  und  Jeiuno- 
stomie.  —  Friedr.  Mer  mann  berichtet  (zur  Frage  der  Heilbarkeit 
der  tuberkulösen  Meningitis)  über  einen  Fall  auffallender  Besserung 
der  meningitischen  Symptome  mit  einer  Maserneruption,  die 
dann  allerdings  später  von  Rezidiv  und  Tod  gefolgt  waren  und 
kommt  zum  Schluss,  dass  Intermissionen  von  mehrtägiger  Dauer 
nicht  seltenes  sind,  dass  aber  auch  tatsächliche  „Heilungen“  reso 
Scheinheilung  von  mehrmonatlicher  Dauer  Vorkommen  können 
wahrend  welcher  die  Betreffenden  nervengesund  erscheinen. 

•1  Eq^'hP  1  a  a  t  z  berichtet  über  Heilung  einer  Kranken  nach 
ihrer  3.  Magenoperation. 

O.  S  i  m  o .n  gibt  einen  Beitrag  zur  Kenntnis  der  intra- 
thoiazischen  Strumen  im  Anschluss  an  einen  schweren  Fall  bei 
oo  jahr.,_  seit  dem  10.  Lebensjahre  an  Atembeschwerden  leidenden 
lat  ,  bei  dem  die  verkalkte  Wand  einer  intrathorazischen  Struma¬ 
cyste  nach  Resektion  des  Manubrium  Storni  wegen  fester  Ver¬ 
wachsungen  nicht  ausgeschält  werden  konnte,  resp.  nur  inzidiert 
und  heraufgenäht  wurde,  Pat.  an  Pneumonie  erlag,  so  dass  das 

Präparat  der  grossen  Struma  intrathor.  genauer  beschrieben  werden 
kann. 

Herrn.  Kaposi  berichtet  über  einen  Fall  von  Anurie  mit 
Ikterus,  Jungst  über  einen  geheilten  Fall  von  Unterbindung 
der  Artena  subclavia  am  Aortenbogen  (wegen  Schussverletzung), 
A.  Stein  über  110  Blasensteinoperationen,  die  grosse  Mehrzahl 
nach  Litholapaxien  und  hohen  Steinschnitten,  die  er  betr.  Resul¬ 
taten  und  Operationstechnik  bespricht  und  in  tabellarischer  Ueber- 
siclit  registriert.  Osc.  Kulpins  —  zur  orthopädisch-chirur¬ 
gischen  Behandlung  von  Fällen  schwerer  spinaler  Kinder¬ 
lähmung,  besonders  von  sogen.  Handgängern  . —  bespricht  u.  a. 
'Lsolc.ke  Handgänger,  die  durch  entsprechenden  orthopädischen 
Eingriff  wieder  zu  Fussgängern  gemacht  wurden  und  zeigt  an 
y3  Dutzend  schwerer  Lähmungen,  dass  man  auch  solchen  nicht 
mehr  machtlos  gegenüber  steht,  sondern  durch  Vereinigung  mecha¬ 
nischer  und  chirurgischer  Orthopädie  (auch  bei  erwachsenen  Pat  ) 
noch  recht  grossen  Nutzen  leisten  kann. 

Em  v.  H  er  ezel  gibt  einen  Beitrag  zur  totalen  Exstir¬ 
pation  des  karzinomatösen  Magens  und  zeigt  durch  einen  Fall, 
in  dem  %  des  Magens  von  der  bösartigen  Geschwulst  ergriffen 
war,  dass  das  Fehlen  des  Magens  betr.  Ausnutzung  der  Nahrungs¬ 
mittel  keine  besondere  Störungen  mit  sich  bringt,  bespricht 
U  solche  Totalexstirpationen  (mit  19,5  Proz.  Mort.),  in  50  Proz 
war  der  Oesophagus  direkt  mit  dem  Duodenum  zu  vereinigen. 

.  *  '•  ®  c  b  m  i  d  t  referiert  über  die  B-adikaloperation  der 

Spina  bifida  und  plädiert  für  die  Operation  so  früh  als  tunlich, 
da.  bei  Zuwarten  die  Prognose  ungünstiger  ist.  Die  jetzige  Methode 
der  Radikaloperation  mit  32  Proz.  Mort,  direkt  nach  der  Operation 
imd  nur  18  Proz.  Heilungen  sei  zu  gefährlich  und  deshalb  em¬ 
pfiehlt  er  ein  Vorgehen,  bei  dem  die  Cyste  unter  strengster  Anti¬ 
sepsis  treigelegt,  der  Sack  nicht  eröffnet,  sondern  nur  durch  Punk¬ 
tion  entleert  und  zum  Verschluss  der  Knochenlücke  benützt  wird, 
indem  man  nach  der  Entleerung  die  sich  berührenden  Aussen- 
llaclien  des  Sackes  vernäht,  so  dass  das  Involut  einen  festen  Tam¬ 
pon  auf  die  Knochenlücke  bildet  und  darüber  die  entsprechend 
verkürzten  Hautlagen  mit  Zapfennähten  vereinigt.  3  mit  gutem 
Erfolg  so  operierte  Fälle  werden  im  Anschluss  mitgeteilt. 

A.  N  e  h  r  körn  gibt  histologische  und  experimentelle  Bei¬ 
trage  zur  Frage  der  Schnittführung  und  Nahtmethode  bei  La- 
paiotomien  nach  Untersuchung  von  15  Laparotomienarben  beim 
Menschen  und  entsprechenden  experimentellen  Studien.  Danach 
haben  die  Aponeurosenwunden  die  besten  Chancen  zu  rascher  und 
völliger  Heilung,  wenn  primär  ihre  Wundflächen  wieder  lineär 
auf  einandergepasst  werden  und  Beeinträchtigungen  der  Ernährung 
durch  Schnürung  und  Spannung  vermieden  wird. 
i  Cuarl  V‘  E.ick.en  —  ein  Kragenknopf  im  linken  Haupt- 
Di  onchus  —  teilt  eine  interessante  Fremdkörperkrankengeschichte 
(mit.  Kill  ia  nscher  direkter  Bronchoskopie  beobachtet)  mit.  in  der 
<  a  Extinktion  nach  Tracheotomie  durch  ein  in  Narkose  appliziertes 
oronchoskoplsches  Rohr  gelang,  obgleich  zwischen  Aspiration  und 
Extraktion  ein  Zeitraum  von  4 y2  Monaten  verstrichen  war  und  sich 
ein  Lungenabszess  im  Oberlappen  gebildet  hatte,  v.  E.  betont  die 
W  ichtigkeit  vorheriger  Studien  am  Modell,  bei  denen  man  die  Wir¬ 
kung  und  Chancen  der  Extraktionsinstrumente  abwägen  lerne. 

M  a  tano  witsch  erörtert  die  Dauerresultate  der  Bas- 
s  i  n  i  sehen  Radikaloperation  bei  Leistenbrüchen,  im  Anschluss 
•ui  1(1(5  Fälle  (12(5  Operationen),  d.  h.  94  Fälle  Bass  ini  scher 
Operation  (7(1  einseitige,  18  doppelseitige),  darunter  12  inkarzerierte, 
n  i  (‘ponibl?  waren,  ein  Patient  doppelseitiger  Pneumonie  und 
Myodegeneration  erlag.  Die  Nachuntersuchungen  mindestens  zwei 
•laluv  nach  der  Operation  ergaben  2,5  Proz.  Rezidive.  Nach  den 
Mittheilungen  der  Literatur  berechnet  M.  für  die  B  a  s  s  i  n  i  sehe 
Operation  3,6,  für  die  Ko  eher  sehe  3.8  Troz.  Rezidive;  er  kommt 
zum  S(,hluss,  dass  die  C  z  e  r  n  y  sehe  Radikaloperation  bei  Kindern 
wegen  Einfachheit  mul  guter  Dauerresultate  unentbehrlich  ist, 
das  k  o  c  li  e  r  sehe  Verfahren  besonders  bei  mittelschweren  und 
un Komplizierten  Fällen  ebenfalls  gute  Resultate  gibt,  dass  bei 
schweren  Fällen  und  einfacher  liegenden  inkarzerierten  Hernien 
(he  Bassinische  Radikaloperation  das  meiste  leistet  und  als 
-Normal verfahren  anzusehen  sei.  Betreffs  der  Technik  empfiehlt 


1513 


sich,  die  Obhquusaponeurose  nicht  zu  weit  von  der  Umgebung  los¬ 
zulosen  und  die  Nahte  nicht  zu  fest  zu  knüpfen,  hohe  Abbindung 
des  Bmohsackes  und  exakte  Bildung  der  hinteren  Leistenkanal- 
nioht  ^  lin^ei^erunft  beeinträchtigt  die  Dauerresultate  nach  M. 

Prof.  C.  Marwedel  bespricht  Wanderniere  und  Gallen¬ 
stein,  u.  a.  ihr  überwiegendes  Vorkommen  bei  Frauen  (70 _ 80  Proz  ) 

und  die  Möglichkeit,  dass  die  bewegliche  Niere  durch  Stamm- 
die  sie  in  den  Gallenwegen  erzeugt,  event.  zu  Gallensteinbildung 
An  lass  geben  kann.  Eine  Reihe  von  Fällen  zeigen,  dass  rechts¬ 
seitige  Wanderniere  zu  Ikterus  zu  führen  vermag,  dessen  Eintritt 
meist  ziemlich  plötzlich,  dessen  Intensität  wechselt  mul  meist  nach 
kurzer  Dauer  schwindet;  nach  M.  kann  eine  rechtsseitige  Wander¬ 
niere  alle  Symptome  eines  Gallensteinleidens  (typische  Kolik- 
anfalle,  Gallenstauung  etc.)  machen,  ohne  dass  eine  Erkrankun- 
der  Gallenwege  selbst  besteht.  Die  Störungen  im  Gebiet  der  Gallem 
wege  entstehen  entweder  durch  direkten  Druck  der  Niere  auf  die 
Gallengange  unter  Anteversion  des  oberen  Nierenpols  oder  durch 
Zug  am  Lig.  hepato-duodenale  (bei  hochgradiger  Wanderniere 
event.  auch  durch  Zug  am  Duodenum).  Es  ist  deshalb  in  diffo- 
rentialdiagnostischer  und  therapeutischer  Hinsicht  besonders  bei 
Frauen  wichtig,  bei  Gallensteinoperationen  dem  Verhalten  der  Niere 
grösseres  Augenmerk  zu  schenken,  event.  Bandagenbehandlung 
oder  lumbale  Nephropexie  einzuleiten.  Bei  Komplikation  mit 
Gallensteinen,  die  Beseitigung  per  Laparotomie  erheischen,  em¬ 
pfiehlt  sich  gegebenen  Falls  Nephropexie  in  der  gleichen  Sitzung 
vom  Bauchschnitt  aus  in  Form  von  Transfixation  der  Niere. 

Hugo  St  arck  berichtet  über  multiple  kartilaginäre 
Exostosen  und  deren  klinische  Bedeutung  und  bespricht  u.  a. 
die  durch  Autopsie  bei  der  Operation  bestätigte  Diagnose  einer 
Kompressionsmyelitis  in  der  Gegend  des  3. — 4.  Dorsalwirbels  ver¬ 
anlassenden,  in  den  Wirbelkanal  vordringenden  Exostose,  deren 
Entfernung  allerdings  die  Rückenmarkserscheinungen  nicht  be¬ 
seitigte. 

.  T  I  o  r  d  a  n  gibt  eine  Mitteilung  über  Thoraxresektionen 

bei  Empyemfisteln  und  ihre  Endresultate  und  bespricht  darin 
21  Beobachtungen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  End¬ 
resultate,  die  sämtlich  die  Thoraxresektion  nach  S  c  h  e  d  e,  2  mal 
mit  Entrindung  nach  Delorme  kombiniert,  betrafen.  Um  ein 
Auseinanderhalten  der  Esthlander  sehen  Operation  und  der 
Schedesehen  zu  ermöglichen,  empfiehlt  J.  den  Ausdruck  Thorako- 
plastik  fallen  zu  lassen,  die  erstere  Operation  als  multiple  -Rippen¬ 
resektion,  die  letztere  als  Thoraxresektion  zu  bezeichnen.  Zweifel¬ 
los  ist  in  auffallender  Häufigkeit  der  hintere  Thoraxraum  Sitz  der 
die  Fistel  unterhaltenden  Eiterhöhle  und  betont  deshalb  ,T.,  dass 
für  die  unter  die  Scapula  sich  erstreckenden  Fistelgänge  die 
Esthlander  sehe  Methode  nicht  in  Frage  kommen*  kann  und 
iMn  die  Schede  sehe  Methode  die  Freilegung  der  hinteren  Fistel¬ 
kanäle  ermöglicht;  erstere  hat  deshalb  nur  beschränkte  Indikation, 
da  sie  nicht  erhebliche  Retraktion  voraussetzt  und  nur  bei  par¬ 
tiellen  vorderen  oder  seitlichen  Empyemen  tunlich  ist.  beim  Gros 
der  wirklich  veralteten  Empyeme  ist  die  Simon-Estlander- 
selie  Methode  deshalb  unzulänglich,  da  man  ohne  breite  Eröffnung 
der  Eiterhöhle  überhaupt  nicht  im  stände  ist,  die  Grenzen  der 
letzteren  zu  bestimmen.  Die  praktische  Erfahrung  hat  die  Rich¬ 
tigkeit  der  S  c  h  e  d  e  sehen  Annahme,  dass  die  verdickte  Pleura 
costalis  ein  Hindernis  für  die  Heilung  ist,  bestätigt  und  legt  .T.  spez. 
grosses  Gewicht  auf  die  vorgängige  genaue  Diagnose  der  intra¬ 
thorazischen  Verhältnisse  und  sieht  in  einem  Vorakt,  d.  h.  Ex- 
plorativschnitt  (Resektion  der  2  an  die  Fistel  angrenzenden  Rippen 
nebst  Pleuraschwarte)  das  einzige  zuverlässige  Nüttel  hierzu.  Nach 
J.  verdient  die  Schede  sehe  Vorschrift  der  Bildung  eines  Iiaut- 
muskellappens  mit  oberer  Basis  den  Vorzug  vor  anderweitigen 
Modifikationen  und  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die  Schnitt¬ 
führung,  die  das  Schulterblatt  in  den  Lappen  einbezieht,  deshalb 
zweckmässig,  da  die  Ausheilung  gerade  durch  Höhlenbilduhgen  an 
der  Hinterseite  oft  verhindert  wird.  J.  hält  es  für  zweckmässig, 
den  Lappen  etwas  grösser  zu  machen,  als  den  Grenzen  des  späteren 
Knochendefektes  entspricht,  der  Allgemeinzustand  (speziell  der 
Zustand  von  Lunge  und  Herz)  muss  entscheiden,  ob  die  Resektion 
des  Thorax  in  einem  Zug  mittels  einer  starken  Schere  oder 
schonender  (nach  Sehe  d  e)  in  2  Abteilungen  zuerst  als  sub¬ 
periostale  Rippenresektion  und  dann  Durchtrennung  der  Zwiselien- 
rippen räume  und  Pleuraschwarte  ansgeführt  wird.  Die  Resektion 
der  Brustwand  soll  also  so  weit  ausgedehnt  werden,  bis  die 
Empyemhöhle  von  jeglicher  Knocheniiberdachung  befreit  ist.  das 
Zurückbleiben  eines  einzelnen  eine  Hohlraumbildung  ermöglichen¬ 
den  Rippenstückes  kann  bei  starker  Retraktion  der  Lunge  den 
Erfolg  vereiteln.  J.  vermeidet  die  Anwendung  von  Antiseptizis 
bei  der  Operation  und  empfiehlt  Kombination  der  S  e  h  e  d  e  sehen 
Operation  mit  der  Delorme  sehen  Entrindung,  in  welch  letz¬ 
terer  er  eine  den  Erfolg  unterstützende  Methode  sieht,  die  in 
jedem  Fall  von  schwartiger  Degeneration  der  Lungenpleura  ver¬ 
sucht  werden  sollte.  Wenn  auch  zugegeben  wird,  dass  die  Thorax¬ 
resektion  einen  recht  schweren  Eingriff  darstellt,  so  hatte  J.  doch 
bloss  1  Todesfall  unmittelbar  nach  der  Operation  zu  verzeichnen, 
von  19  statistisch  verwertbaren  Fällen  wurden  12  völlig  geheilt, 

2  sind  als  fast  geheilt  zu  betrachten,  11  wurden  wieder  arbeits¬ 
fähig.  Bei  der  nach  Jahren  angestellten  Nachuntersuchung  ergab 
sich  die  Tatsache,  dass  der  durch  die  Operation  gesetzte  Knochen- 
defekt  in  8  Fällen  vollkommen  regeneriert  war,  und  kann  deshalb 
bei  Kindern,  falls  die  Indikation  vorliegt,  <1  ie  Thoraxresektion  um 
so  eher  vorgenommen  werden  und  soll  deshalb  besonders  im 
Kindesalter  der  richtige  Zeitpunkt  zur  Ausführung  der  Operation 
nicht  versäumt  werden,  da  die  Regeneration  nur  dann  zu  idealen 


No.  3G. 


1514 


M  UENCTIENEK  ME  DI  CI  NISCIIE  WO  CHEN  SCHRIET. 


Hoilresultaten  führt,  wenn  die  retra liierte  Lunge  sich  ausdehnen 
kann.  Hei  tuberkulösen  Phnpyemfisteln  sind  nach  J.  die  Chancen 
(h‘s  Eingriffs  im  ganzen  sehr  gering,  die  Operation  sollte  nur  in  eiu- 
zelnon.  besonders  günstig  gelagerten  Fällen  und  bei  gutem  All- 
gemeinzustand  ausgeführt  werden 

Otto  Simon  teilt  zwei  Fälle  seltener  Vulvatumoren  mit, 
S  t  e  u  d  el  gibt  eine  Mitteilung  zur  Behandlung  und  Operation  der 
Muskelbrüche,  Friedr.  Völker  bespricht  die  Behandlung  der 
Frakturen  mit  primärer  Knochennaht  im  Anschluss  an  ti  M- 
pliysenfrakturen  (4  des  Unterschenkels),  die  in  der  Heidelbergei  K  1- 
nik  mit  Naht  behandelt  wurden.  Eine  wesentliche  Abkürzung  der  Be¬ 
handlung  wurde  hiedurch  nicht  erzielt,  meist  eine  verzögerte  Kon¬ 
solidation  beobachtet.  E.  Lob  stein  gibt  Beiträge  zur  opera- 
Behandlung  der  Blasengeschwülste  und  darin  eine  u  eber¬ 
sämtlicher  in  den  letzten  20  Jahren  in  der  Heidelberger 
v  beobachteten  Blasengeschwülste  (71),  wovon  48  operiert 
(mit  33  Proz.  Mortalität),  davon  42  mit  hohem  Blasjen- 
17  betrafen  gutartige,  31  bösartige  Geschwülste  (12  Sar- 


tiven 
sieht 
Klini' 
wurden 
schnitt; 


l  l  uciuucu  Jjuuu  Ufev,,  - - r,  - 

kome,  19  Karzinome)  und  werden  die  Krankengeschichten  kurz  mit¬ 
geteilt.  W.  Rindfleisch  berichtet  über  nahtlose  Darmaus¬ 
schaltung  (Invaginationsmethode),  W.  Peter  sen  über  Hei¬ 
lungsvorgänge  im  Karzinom.  W  ii  r  t  h  v.  M  ü  r  t  h  e  n  a  u  be¬ 
spricht  die  modernen  Prinzipien  in  der  Behandlung  der  pene¬ 
trierenden  Bauchwunden  und  schildert  speziell  im  Anschluss  an 
entsprechende  Kasuistik  die  in  der  Heidelberger  Klinik  geübte 
Technik;  er  kommt  zum  Schluss,  dass  in  der  Kriegspraxis  bei 
penetrierenden  und  perforierenden  lcleinkalibrigen  Gewehrschuss- 
Verletzungen  des  Abdomens  die  exspektativ-operative,  bei.  gross 
kalibrigen  die  operative  Behandlung  durch  Laparotomie  in  den 
Vordergrund  tritt  und  dass  letztere  bei  Unterleibsverletzten  mit 
beginnender  Peritonitis  und  Anzeichen  innerer  Verblutung  prin¬ 
zipiell  in  jedem  Fall  vorzunehmen  ist.  Bei  Bauchschussverletzten 
mit  Friedenswaffen  ist  die  möglichst  baldige  Laparotomie  angezeigt 
(jedenfalls  bei  Sicherstellung  der  Diagnose  auf  Perforation  sofort 
vorzunehmen),  der  exspektativen  Behandlung  gebührt  hier  (nament¬ 
lich  bei  Stichverletzungen)  nur  dann  der  Vorzug,  wenn  die  Mög¬ 
lichkeit  geboten  ist,  bei  eventuell  beginnender  Peritonitis  oder 
drohender  innerer  Verblutung  sofort  zu  laparotomieren.  Die 
Opium-  und  Morphiumbehandlung  vor  Sicherstellung  der  Diagnose 
ist  zu  verwerfen,  auf  dem  Schlachtfeld  aber  etwa  in  Form  iou 
Tabletten  zu  empfehlen.  Die  Anwendung  des  Murphyknopfes  zur 
Dünndarmvereinigung  von  Ende  zu  Ende,  zu  Gastroenterostomie 
und  Enteroanastomose  ist  anzuraten  besonders  bei  lange  dauern¬ 
den  operativen  Eingriffen,  zu  widerraten  bei  Dickdarm  Vereinigung 
von  Ende  zu  Ende.  Die  einreihige  Bauchdeckennaht  mit  tief¬ 
greifenden  Knopfnähten  (mittels  Seide  oder  besser  Silkworm)  ist 
besonders  auch  im  Felde  andern  Bauchdeckennähten  vorzuziehen. 
Zum  Schluss  gibt  er  eine  kurze  Uebersicht  der  in  der  Literatur 
seit  1890  niedergelegten  Kasuistik  der  Friedenspraxis  und  der 
Militärliteratur.  —  Der  gleiche  Autor  bespricht  weiterhin  die 
Dauerresultate  der  vaginalen  Uterusexstirpationen  an  der  chi¬ 
rurgischen  Klinik  in  Heidelberg  1878—1900,  speziell  deren  End¬ 
resultate  und  berücksichtigt  dabei  152  kurz  mitgeteilte  Falle  (ol 
wegen  Karzinom,  30  wegen  Myom,  29  wegen  Endometritis  und 
10  wegen  Adnextumoren  etc.  ausgeführter  vaginaler  Uterus¬ 
exstirpationen).  A.  Blau  gibt  Beiträge  zur  Klinik  und  opera¬ 
tiven  Behandlung  der  Ovarialtumoren  und  referiert  darin  über 
die  1877 _ 1900  an  Czernys  Klinik  operierten  Fälle  (391  ab¬ 

dominale  Ovariotomen,  2  sakrale  und  4  mit  vaginaler  Total¬ 
exstirpation  des  Uterus  vorgenommene).  Prof.  H.  Braun  gibt 
eine  Mitteilung  über  angeborenen  Verschluss  des  Dünndarms  und 
seine  operative  Behandlung,  bespricht  im  Anschluss  an  einen 
betr.  Fall  und  die  reiche  in  der  Literatur  deponierte  Kasuistik 
die  verschiedenen  Formen  des  kongenitalen  Darmverschlusses  und 
speziell  deren  Diagnose  und  operative  Behandlung,  welch  letztere 
19  mal  als  Enterostomie  (erfolglos)  ausgeführt  wurde.  B.  schlägt 
bei  Annahme  eines  kongenitalen  Darmverschlusses  vor,  etwa  am 
2._3.  Lebenstag  in  der  Medianlinie  mit  einem  kleinen,  unterhalb 
des  Nabels  geführten  Schnitt  das  Abdomen  zu  öffnen,  nach  Fest¬ 
stellung  einer  Dünndarmatresie  die  beiden  verschlossenen  Darm- 
emlen  nebeneinander  einzunähen  und  zu  eröffnen  und  später 
durch  Dupuytren  sehe  oder  sonstige  Darmklemme  die  Verbin¬ 
dung  herzustellen,  was  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  bietet  als  eine 


zweite  Laparotomie  und  Enteroanastomose  mit  Naht. 


Sehr. 


Archiv  für  Gynäkologie.  66.  Bd.  3.  Heft.  Berlin  1902. 

D  Hjalmar  Bergholm:  Ueber  Mikroorganismen  des 
Vaginalsekretes  Schwangerer.  (Aus  dem  Laboratorium  dei  ge¬ 
burtshilflich-gynäkologischen  Universitätsklinik  in  Ilelsingfors. 
Vorstand:  Prof.  G.  Heinricius.) 

Die  unter  entsprechenden  Kautelen  vorgenommene  Unter¬ 
suchung  des  Vaginalsekretes  von  40  Schwangeren  ergab  stets  saure 
Reaktion  dieses  Sekretes.  Von  den  gefundenen  Bakterien  waren 
mir  wenige  obligate  Anaeroben.  Es  wurden  weder  Stapliylococcus 
pyogenes  noch  Bacterium  coli  angetroffen.  Die  Flora  des  Vulva- 
sekretes  zeigte  sich  wesentlich  verschieden  von  der  des  Vaginal¬ 
sekretes.  (9  Mikrophotographien.) 

2)  \V.  Poten:  Die  Verschleppung  der  Chorionzotten. 

Auf  Grund  der  Untersuchung  von  7  neuen  Fällen  scliliesst. 
Poten,  dass  Verschleppung  abgerissener  Chorionzotten  in  die 
mütterliche  Blutbahn  wahrscheinlich  in  jeder  Schwangerschaft 
vorkommt.  Seines  Erachtens  hat  jedoch  diese  V  erschleppung 
weder  eine  physiologische  noch  eine  pathologische  Bedeutung  für 
den  mütterlichen  Organismus  (entgegen  den  Anschauungen  von 


J.  Veit  Ref.),  ausser  in  Fällen  von  maligner  Entartung  des  Cho¬ 
rions  (Syncytioma  malignum)  und  von  Uebertragung  der  Lues 
durch  Choc  en  retour  auf  die  gesunde  Mutter  bezw.  von  der  post¬ 
konzeptionell  infizierten  Mutter  auf  das  Kind. 

3)  Max  W  e  g  s  c  h  e  i  d  e  r  -  Berlin:  Einiges  aus  der  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie  des  Aetios  von  Amida.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Medizin. 

Aetius  lebte  um  540  n.  Chr.  am  Hofe  in  Byzanz  als  Arzt 
und  hinteriiess  in  einem  Sammelwerk  von  1<>  Bänden  einen  wert¬ 
vollen  Ueberblick  über  die  medizinische  Wissenschaft  seiner  Zeit. 
W  e  g  s  c  li  e  i  d  e  r  gibt  hier  einen  Auszug  aus  dem  von  ihm  über¬ 
setzten  10.  Band,  der  über  Geburtshilfe  und  Frauenkrankheiten 
handelt. 

4)  Josef  v.  Breitenberg:  Ein  Fall  von  akutem 
Hydramnion  bei  eineiigen  Drillingen.  (Aus  der  geburtshilflichen 
Klinik  in  Innsbruck.  Vorstand:  Professor  Ehrendorfer.) 

Eine  37  jährige  I.  Para  gebar  3  lebende  weibliche  Früchte 
von  25,  20  und  21,5  cm  Länge  mit  einer  gemeinsamen  Plazenta 
und  einem  gemeinsamen  Chorion.  Die  Ursache  des  Hydramnion. 
das  sich  innerhalb  dreier  Wochen  entwickelt  hatte  und  einen 
Bauchumfang  von  102  cm  veranlasste,  liess  sich  nicht  nachweisen. 

5)  Wilh.  D  a  r  g  e  r:  Zur  Kenntnis  der  Kraurosis  vulvae. 
(Aus  Dr.  Pr  o  cli  ow  nick  s  Privatklinik  in  Hamburg.) 

Auf  Grund  eines  mikroskopisch  untersuchten  Falles  ist 
D  arger  geneigt,  die  Kraurosis  als  primäre  Gefässerkrankuug 
anzusehen  mit  sekundärem  Oedem  des  Papillarkörpers  und  spä¬ 
teren  atrophischen  Vorgängen.  Bestätigt  sich  fernerhin  diese  An¬ 
nahme.  so  lässt  sich  die  Kraurosis  den  rein  entzündlichen,  fast 
ausnahmslos  infektiösen  Erkrankungen  der  obersten  Hautschicht 
( Pruritus  vulvae)  gegenüberstellen.  Therapeutisch  führt  die  Ex- 
cisio  vulvae  am  ehesten  zur  Heilung. 

6)  J.  Voigt:  Ueber  gleichzeitiges  Bestehen  von  papillären 
Adenomen  in  Niere  und  Uterus  mit  Metastasenbildung.  (Aus  der 
k.  Frauenklinik  in  Dresden.) 

Die  Erkrankung  betraf  eine  38  jährige  Frau.  T  nmittelbar 
nach  Entfernung  des  myomatösen  Uterus  durch  supravaginale 
Amputation  wurde  ein  Tumor  in  der  Gegend  der  linken  Niere  ge¬ 
fühlt.  Am  23.  Tage  nach  der  Myomotomie  starb  die  Frau  plötzlich 
an  Lungenembolie.  Es  fand  sich  ein  mannskopfgrosser  Tumor  der 
linken  Niere,  welcher  in  die  Vena  cava  inf.  durchgebrochen  war 
und  allenthalben  Metastasen  veranlasst  hatte.  Der  Nierentumor 
und  die  Metastasen  zeigten  mikroskopisch  unleugbare  Aehnlich- 
keit  mit  Geschwulstknoten  in  den  Myomen  und  V  o  i  g  t  hält  es 
für  sehr  naheliegend,  den  Ursprung  auf  eine  gemeinsame  Basis 
zurückzuführen,  nämlich  auf  Reste  der  Urniere,  welche  in  der 
Niere  und  im  Uterus  eingeschlossen  waren  und  zum  Ausgang  für 
die  gleichen  malignen  Neubildungen  wurden. 

7)  Georg  Fleck:  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Hydrorrhoea 
gravidarum.  (Aus  der  k.  Universitäts-Frauenklinik  in  Göttingen. 
Direktor:  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Runge.) 

Bei  einer  30  jährigen  VT.  Gravida  trat  im  4.  Monat  der 
Schwangerschaft  plötzlich  Abgang  von  blutig  wässeriger  Flüssigkeit 
ein  und  von  da  ab  bestand  kontinuierlich  wTässeriger  Ausfluss,  zu¬ 
letzt  mit  häufiger  Blutbeimengung.  Nach  spontaner  Geburt  des 
lebenden  Kindes  und  der  Plazenta  zeigte  sich  eine  Placenta  mar- 
ginata.  die  Eihäute  waren  nur  im  Bereich  der  Plazenta  erhalten, 
so  dass  die  Eihöhle  nur  eine  tellerförmige  Schüssel  darstellte.  Die 
Frucht  hatte  sich  also  in  der  nackten  und  offenen  Uterushöhle 
bis  zur  Reife  entwickelt.  Wohl  infolge  der  Raumbeschränkung 
hei  mangelndem  Fruchtwasser  zeigte  das  Kind  Kontrakturen  der 
Flexoren. 

8)  Richard  v.  Braun-Fernwald:  Zur  Aetiologie,  Dia¬ 
gnostik  und  Therapie  der  Extrauteringravidität. 

Die  zahlreichen  Theorien  über  die  Aetiologie  der  Extrauterin¬ 
gravidität  werden  kritisch  besprochen;  wahrscheinlich  wirken  ver¬ 
schiedene  Ursachen  zusammen.  Zumeist  wird  die  Extrauterin¬ 
gravidität  durch  Blutung  vorzeitig  unterbrochen,  wobei  das  Ei  ent¬ 
weder  in  der  Tube  liegen  bleibt  oder  aus  derselben  austritt,  dabei 
ist  der  Tubenabort  weit  häutiger  als  die  Ruptur.  Die  Diagnose 
kann  in  jedem  Stadium  die  grössten  Schwierigkeiten  bereiten  und 
die  Unterscheidung  zwischen  Ruptur  bezw.  Abort  und  akut  ein 
Ileus  kann  unmöglich  sein.  Die  Therapie  wird  in  neuester  Zeit 
wieder  etwas  konservativer,  doch  erscheint  die  dabei  gegenüber 
der  Patientin  übernommene  Verantwortung  in  gewisser  Hinsicht 
grösser  als  bei  operativem  Vorgehen,  da  die  Erfolge  der  Operation 
vorzügliche  sind.  Für  die  Operation  empfiehlt  Br.  den  abdomi¬ 
nellen  Weg;  in  unkomplizierten,  frühen  Fällen  operiert  er  vom  hin¬ 
teren  Scheidengewölbe  aus.  Nach  Laparotomie  leistete  das  Ein¬ 
giessen  von  warmer,  steriler  Kochsalzlösung  in  die  Bauchhöhle 
wiederholt  gute  Dienste.  Mitteilung  von  17  eigenen  Beobachtungen. 

Anton  H  e  n  g  g  e  -  Greifswald. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  34  u.  35. 

No.  34.  1)  A.  Theilhaber-  München:  Ein  neues  Spe¬ 

kulum. 

Nach  Aufzählung  der  Nachteile  der-  gewöhnlichen  Spekula  be¬ 
schreibt  Th.  das  von  ihm  angegebene  Modell,  welches  eine  Nach¬ 
bildung  des  kurzen  B  a  n  d  1  sehen  Spekulums  ist,  aber  einige  Modi¬ 
fikationen  aufweist.  Das  Spekulum  ist  vorn  10,  hinten  12  cm  lang, 
trichterförmig  gebaut,  da  die  äussere  Oeffnung  1 — 12  cm  weiter  als 
die  innere  ist,  und  wird  aus  Milchglas  und  Hartgummi  angefertigt. 
Zu  haben  bei  M  e  t  z  e  1  e  r  in  München. 


9.  September  1902. 


MtTENCIIENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


1515 


t“\P-  H  a  S  en-Torn:  Was  ist  intraabdomineller  Druck? 
n.  Meyer  hat  vor  kurzem  (ref.  in  dies.  Wochensehr  1902  No  23 
p  975)  den  intraabdominellen  Druck  für  ein  Phantasiegespenst’  er- 
klart.  H  ist  anderer  Ansicht.  Er  betont  die  Wichtigkeit  der 
Körperhaltung  —  ob  horizontal  oder  aufrecht  —  für  die  Versuche 
und  halt  einen  beständigen  allgemeinen  Druckwechsel  in  der 
Bauchhöhle  für  erwiesen;  für  gewöhnlich  ist  der  Druck  positiv  er 
kann  aber  auch  negativ  werden.  Nach  II.  ist  der  positive  intra- 
abdominelle  Druck  die  alleinige  Ursache  der  Hernienbildun--  Vis 
Ausgieichsmitte1  der  Druckdifferenzen  dienen  das  Omentum,  das 
Gefassnetz  der  Bauchhöhle,  die  Appendices  epiploicae  und  die  Ver- 
la gerungsf  ähigkeit  der  Darmschlingen. 


No.  85.  1)  L.  Knapp -Prag:  Zur  Kasuistik  des  Accouche- 

ment  force  unter  Anwendung  von  B  o  s  s  i  s  Dilatator. 

Der  von  Leopold  unlängst  warm  empfohlene  Dilatator  von 
Rossi  (cf.  diese  Wochensclir.  1902,  No.  20,  p.  848)  wird  auch  von 
1\.  sehr  gerühmt.  K.  berichtet  über  eine  Erfahrung  an  einer  mori¬ 
bunden  28  jährigen  Phthisika,  wo  der  Muttermund  für  knapp 
”  mgei  durchgängig  war  und  bei  der  es  in  7  Minuten  gelang 
denselben  völlig  zu  eröffnen.  Die  Frucht  war  allerdings  tot.  Die 
( lesamtdauer  der  künstlichen  Entbindung  belief  sich  auf  nur 
10  Minuten. 

IV.  meint,  dass  der  Kaiserschnitt  sich  hierdurch  besonders  bei 
Eklampsie,  in  Agone  und  plötzlichen  Todesfällen  Gebärender  we¬ 
sentlich  einschränken  lassen  wird. 

2)  F.  A  li  1  f  e  1  d  -  Marburg:  Die  Zukunft  unseres  Heb¬ 
ammenstandes. 

A.  klagt  über  die  Mängel  der  jetzigen  Hebammenschülerinnen. 
P’  unteiw  irft  die  ihm  vom  Kreisarzt  als  geeignet  überwiesenen 
Schülerinnen  nochmals  einer  geistigen  und  körperlichen  Prüfung, 
ln  einer  IG  jährigen  Zusammenstellung  fand  er  reichlich  ein  Vier¬ 
teil.  das  den  einfachen  Forderungen  nicht  genügte.  A.  hält  die 
Forderungen,  die  Hebamme  müsse  aus  dem  Dorfe  selbst  sein  und 
jeder  Ort  müsse  seine  eigene  Hebamme  haben,  auf  die  Dauer  nicht 
mehr  für  haltbar.  A.  verlangt  überall  Berufshebammen  und 
wünscht,  dass  das  Hebammenwesen  der  Provinzialverwaltung 
wieder  genommen  und  einer  Abteilung  des  Ministeriums  der  me- 
diziniselien  Angelegenheiten  unterstellt  würde. 

8)  Jahreiss  -  Augsburg:  Zwei  vaginale  Kaiserschnitte  bei 
Eklampsie. 

..  ^ 011  den  beiden  nach  Dührssens  Methode  operierten 

Fallen  verlief  der  erste  günstig,  der  zweite  letal. 


4)  V .  Grusde  w- Kasan:  Urethroplastik  nach  der  Idee  von 
Subbotin  in  der  gynäkologischen  Praxis. 

Die  \ on  Subbotin  sehr  geistvoll  erdachte  Operation  zur 
Beseitigung  der  Epispadie  und  Ektopie  der  Harnblase  beruht  auf 
dem  Prinzip,  die  untere  Partie  des  Rektums  der  Länge  nach  bis 
zum  Anus  abzugrenzen,  dies  Abgrenzungsgebiet  mit  der  Blase  zu 
verbinden  und  damit  eine  komplementäre  Harnblase  resp.  eine 
neue,  vom  übrigen,  fäkalen  Teil  des  Rektums  gesonderte  und  mit 
eigenem  Sphinkter  versehene  Urethra  zu  bilden.  Das  Resultat  der 
von  S.  operierten  Fälle,  wobei  das  Steissbein  reseziert  wurde,  war, 
dass  der  urethrale  Teil  des  Rektums  vom  fäkalen  völlig  ab¬ 
gesondert  blieb;  die  Patientinnen  schieden  nach  der  Operation 
den  Urin  von  den  Fäzes  gesondert  ab,  wobei  beide  willkürlich 
zurückgehalten  werden  konnten. 

G.  hat  die  Operation  auch  auf  die  gynäkologische  Praxis  aus¬ 
gedehnt,  speziell  auf  mit  grösseren  Zerstörungen  der  Urethra  ein¬ 
hergehenden  Vesikovaginalfisteln.  Hierbei  konnte  er  die  Exzision 
des  Steissbeins  und  Durchschneidung  der  hinteren  Rektalwand  ganz 
umgehen.  Seine  Operation  ist  eine  Kombination  der  Episiokleisis  mit 
dei  8  u  b b o ti n sehen  Urethroplastik,  deren  Beschreibung  jeder  Chi¬ 
rurg  und  operierende  Gynäkolog  im  Original  nachlesen  muss.  Den 
Zugang  zum  Operationsgebiet  erreichte  G.  durch  einfache  Erweite- 
lung  des  Analrings.  In  dem  von  ihm  operierten  sehr  komplizierten 
Falle  handelte  es  sich  um  eine  grosse  Blasenscheiden-  und  kleine 
Rektovaginalfistel,  hochgradige  Strikturen  der  Vagina,  völlige  Zer¬ 
störung  der  Harnröhre  und  Cystitis  nebst  Pyelitis.  Es  gelang  G. 
in  8  glänzend  durchgeführten  Operationen,  die  Patientin  von 
ihren  Beschwerden  zu  befreien. 

Die  Subbotin  -  Grusdew  sehe  Operation  dürfte  als  eine 
wertvolle  Bereicherung  der  plastischen  Chirurgie  anzusehen  sein. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  34.  Bd.,  3.  u.  4.  Heft. 

J.  A.  Schabad:  Die  Diphtherie  und  der  Diphtheriebazillus 
bei  Scharlach.  Beitrag  zur  Kombination  des  Scharlachs  mit  Di¬ 
phtherie.  (Aus  dem  Peter-Paulhospital  in  St.  Petersburg.) 

Umfangreiche  Arbeit,  welche  die  Komplikation  von  Scharlach 
mit  Diphtherie  behandelt;  dieses  Zusammentreffen  kann  in  jedem 
Zeitpunkt  der  Scharlacherkrankung  eintreten;  gesichert  ist  die 
Diagnose  nicht  nur  durch  Vorhandensein  von  Diphtheriebazillen, 
sondern  es  müssen  auch  klinische  Diphtheriesymptome  vorhanden 
sein.  Die  Virulenz  der  bei  Scharlach  gefundenen  Diphtherie¬ 
bazillen  ist  eine  sehr  verschiedene;  manchmal  scheinen  sie  auch 
nls  Saprophyten  ohne  besondere  pathologische  Bedeutung  bei 
Scharlach  vorzukommen. 

A.  Tobeitz:  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  Scharlachs. 
(Aus  dem  Laboratorium  der  Grazer  mediz.  Klinik.) 

T.  wendete  —  angeregt  durch  Pujador  —  bei  Scharlach 
innerlich  das  Oleum  therebinthinae  rectif.  bis  25  Tropfen  pro  die 
an  und  fand  diese  Medikation  prophylaktisch  gut  zur  Verhütung 
von  Albuminurie  und  Nephritis;  wo  diese  Affektionen  schon  be¬ 


standen,  horten  sie  nach  Darreichung  des  Mittels  auf.  Schädliche 
Nebenwirkungen,  etwa  auf  die  Niere  selbst,  kamen  nicht  zur  Be¬ 
obachtung;  die  günstigen  Befunde  können  auch  nicht  durch  Zufall 
<x  ei  geringe  Infektiosität  der  Epidemien  erklärt  werden  sondern 
scheinen  dem  Mittel  zuzuschreiben  zu  sein.  _  Ferner  untersucht*' 
1.,  ob,  wie  von  E  r  vant  behauptet  worden,  das  Auftreten  von 
Pepton  im  Harn  von  Scharlachkranken  immer  auf  Komplikationen 
hin  weise  und  daher  prognostisch  ungünstig  sei;  er  kommt  aber 
dazu,  diese  Frage  zu  verneinen  und  dem  Auftreten  von  Pepton 
im  Harn  eine  prognostische  Bedeutung  abzusprechen. 
tt  ,  11 1  m  a  11 11  "  Osnabrück  und  Pritzsche  -  Landsberg- 
Ueber  Sauglmgsernährung.  (Aus  der  Provinzial-IIebainmen- 
lehranstalt  zu  Osnabrück.) 

Ol©  Verf.  behandeln  die  Diätetik  und  Verdauungsphysiolog-ie 
des  Säuglings.  Sie  erklären  sich  als  Gegner  der  von  Sch  le  - 
Singer  u.  a.  vertretenen  Ernährung  mit  Vollmilch  von  Anfang 
an,  aber  auch  als  Gegner  der  zu  grossen  Milchverdünnungen  mil 
Wasser.  Sie  beginnen  mit  Milch  und  einer  GOprom.  Milchzucker¬ 
lösung  zu  gleichen  Teilen,  steigen  alsbald  mit  dem  Milchzusatz 
und  kommen  im  Lauf  des  4.  Monats  auf  Vollmilch.  Im  7.  Monat 
kommt  dazu  Fleischbrühe  und  Amylaceen.  Zahlreiche  physio¬ 
logische  und  andere  Details,  Tabellen  sind  im  Original  nachzu¬ 
sehen. 


W .  P.  Shukowsky:  Angeborener  syphilitischer  Pem¬ 
phigus  ohne  Affektion  der  Fussohlen  und  Handteller.  (Aus  der 
Kinderabteilung  der  Gebäranstalt  zu  St.  Petersburg.) 

Krankengeschichte  eines  Falles  mit  Sektionsbefund;  es  han¬ 
delte  sich  bei  einem  Neugeborenen  um  angeborene  Syphilis;  am 
Rumpf  und  den  Extremitäten  bestand  hochgradiger  Pemphigus. 
Handteller  und  Fussohlen  waren  davon  frei  geblieben,  während 
sonst  das  Befallensein  gerade  dieser  Partien  mit  Pemphigus  bei 
kongenitaler  Lues  die  Regel  bildet. 


Johann  Landau-  Krakau :  Geschichte  des  St.  Ludwig¬ 
kinderspitals  in  Krakau,  umfassend  den  25  jährigen  Zeitraum 
vom  Jahre  1876 — 1900. 

'  S.  A.  v  a  n  L  eer:  Einige  Formeln  für  das  Kindesalter. 

Mehrere  medizinisch-mathematische  Formeln  für  Durch¬ 
schnittsberechnung  von  Längen-  und  Gewichtsmassen. 

Referate.  Lichten  stein  -  München. 


Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  56.  Bd.  Heft  1  u.  2. 

1)  F.  So  et  beer:  Ueber  Phosphaturie.  (Aus  der  Kinder¬ 
klinik  zu  Heidelberg.) 

Die  Phosphaturie  des  G  jährigen  Mädchens  beruhte  auf  einer 
extrem  verstärkten  Ilarnkalkaussclieidung  bei  entsprechender 
Fäzeskalkverminderung.  Schmerzattacken  des  Unterleibes,  Diek- 
(larmkatarrh,  Hambeschaffenheit  und  Ernährungsstörung  kenn¬ 
zeichnen  die  Phosphaturie. 

2)  J.  S  c  h  o  e  d  e  1  -  Chemnitz:  Einseitige  Bildungsfehler  der 
Blustwandung  und  der  entsprechenden  oberen  Gliedmasse. 

Zu  kurzer  Wiedergabe  ungeeignet. 

3)  M.  A  dam:  Nahrungsmengen  künstlich  ernährter  Kinder 
nebst  einem  neuen  Vorschlag  zur  Nahrungsmengenberechnung. 
(Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Graz.) 

Verf.  bestimmt  nach  dem  Vorgehen  seines  Lehrers  Esche- 
r  i  e  h  die  tägliche  Nahrungsmenge  des  Säuglings  derart,  dass  er 
%  des  dem  Alter  nach  ihm  zukommenden  Volumens  von  Gaert- 
n  e  r  scher  Fettmilch  mit  seinem  Gewicht  multipliziert  und  den 
zur  Erreichung  des  ganzen  Volumens  nötigen  Rest  als  Gproz. 
Zuckerlösung  zufügt.  Durch  verschieden  starken  Eiweissgehalt 
sind  alle  Variationen  zwischen  vorsichtiger  und  kräftiger  Er¬ 
nährung  dabei  leicht  durchzuführen. 


4)  Gonser:  Ueber  akute  Osteomyelitis  im  Kindesalter  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Endresultate.  (Aus  dem  Kinder¬ 
spital  in  Basel.) 

Zu  kurzer  Wiedergabe  ungeeignet. 


5)  Nord  li  e  i  m :  Beobachtungen  an  einem  natürlich  ge¬ 
nährten  Kinde. 

Durch  den  Umstand,  dass  dem  Säugling  die  Bestimmung  der 
Grösse  der  Mahlzeiten  wie  der  Pausen  im  wesentlichen  ganz  über¬ 
lassen  blieb,  gewinnt  die  an  und  für  sich  interessante  Beobachtung 
besonderes  Interesse. 


G)  Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Berlin:  a)  Wiehu  r a: 

2  Fälle  von  Anencephalie. 

Im  Anschluss  an  2  Fälle  aus  Heubners  Klinik  werden 
die  Aetiologie  dieser  Missbildungen  und  deren  Lebenserschei¬ 
nungen  besprochen.  (Mit  5  Abbildungen.) 

b)  O  1  o  f  f :  Erfahrungen  über  die  B  ü  1  a  u  sehe  Aspirations¬ 
drainage  bei  der  Behandlung  eitriger  Brustfellergüsse. 

Von  15  Fällen  heilten  7  nach  durchschnittlich  58  Tagen.  Verf. 
ist  geneigt,  in  der  Heberdrainage  für  viele  Fälle  einen  Ersatz  der 
Rippenresektion  zu  sehen. 

c)  S  kor  min:  Ueber  die  verschiedenen  Formen  des  Ikterus 
im  Säuglingsalter. 

Dieselben  werden  nach  ätiologischen  Gesichtspunkten  behandel  t 
nls  gutartiger  hämatogener  I.  neonatorum,  I.  septicus,  Winc köl¬ 
sche  Krankheit,  intestinaler  Infektionsikterus.  I.  pleiochromicus. 
I.  catarrhalis,  I.  toxieus,  I.  bedingt  durch  akute  Leberatroph  io, 
I.  durch  kongenitale  Anomalien  der  Gallengänge,  r.  durch  Peri¬ 
phlebitis  congenita. 

7)  S  c  h  o  e  n  -  L  a  d  u  i  e  w  s  k  i  -  Lemberg:  Ueber  Kalomel  in 
der  Kinderheilkunde. 


1516 


No.  36. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Yerf.  will  „als  Epigone  des  unsterblichen  T  müsse  au  auf- 
treten“,  um  den  guten  Huf  des  Kalomel  zu  rehabilitieren,  da  zum 
grössten  Schaden  der  leidenden  Kinderwelt  der  Kalomel  in  Ver¬ 
gessenheit  geraten  könnte.  Er  empfiehlt  ihn  als  Desinfiziens  des 
Verdauungsapparates,  als  ableitendes  Mittel,  obwohl  er  dabei  „nie 
einen  eklatantem  Erfolg  gesehen“,  ferner  als  Diuretikum,  Anti- 
syphilitikum  und  Ophthalmikum.  Hei  der  \  erabreichung  von 
Kalomel  rät  Verf.  2  stündlich  nach  dem  Pulver  einen  Kaffeelöffel 
Kali  ehloricum  (1 — 2  proz.)  nehmen  zu  lassen  (!).  Pie  Wirkung 
scheint  ihm  „eine  im  Magen  und  Darin  üusserst  stark  bakterizide 
und  antifermentative“  zu  sein  (!!).  Selbst  der  Ductus  clioledochus 
wird  durch  Kalomel  gründlich  desinfiziert  (!!!).  Die  Wirkung 
des  Kalomel  ist  vielfach  so  eklatant,  rasch,  sicher,  „dass  sie 
geradezu  an  das  Wunderhafte  grenzt“. 

8)  A.  Horst:  Erstickung  durch  Aspiration  nekrotischer 
Massen  aus  einer  perforierten,  tuberkulösen  trachealen  -L.ym.pli- 


drüse.  .  , 

Kleine  Mitteilungen:  Steinhardt-  Nürnberg:  Ein 
Fall  von  Hemia  ventralis  lateralis  congenita. 

V  ereinsberi  c  h  t.  L  i  t  e  r  a  t  u  r  b  e  r  i  c  h  t. 

Carl  Gerhardts  Werden  und  Walten  von  H  e  u  b  n  e  r. 

Siegert-  Strassburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  35. 

1 )  E.  v.  N  i  e  s  s  1  -  Leipzig:  lieber  Stauungserscheinungen 
im  Bereiche  der  Gesichtsvenen  bei  der  progressiven  Paralyse. 

Verf.  betont,  dass  bei  Paralytischen  sehr  häufig  eine 
Cynnose  des  Gesichtes  zu  beobachten  ist.  Besonders  wichtig  ist 
hiebei  die  Beteiligung  der  Augenlider  in  Begleitung  einer  mehr 
oder  minder  ausgesprochenen  Ptosis.  Auf  diese  Erscheinungen 
legt  Verf.  ein  ziemlich  hohes  diagnostisches  Gewicht.  Es  können 
allerdings  auch  andere  Krankheiten  mit  der  Cyanose  des  Gesichtes 
einhergehen,  doch  ist  das  Zeichen  ein  Wink,  an  progressive  Para¬ 
lyse  zu  denken.  Das  Wesen  der  letzteren  fasst  N.  auf  als  eine 
Gefässlähmung  der  verschiedensten  Aetiologie. 

2)  J.  M  orgenroth  und  H.  Sach  s- Frankfurt  a.  M.:  Ueber 
die  quantitativen  Beziehungen  von  Amboceptor,  Komplement 
und  Antikomplement. 

Eignet  sich  nicht  zu  kurzem  Auszug. 

3)  O  Z  e  1 1  e  r  -  Berlin:  Beitrag  zur  Chirurgie  der,  Gallen¬ 


wege.  , 

Einige  von  Verf.  gemachte  Beobachtungen  sind  geeignet,  die 
Schwierigkeiten  der  Differentialdiagnose  zwischen  obturierendem 
Verschluss  des  Ductus  clioledochus  oder  Kompression  des  Ganges 
von  aussen,  etwa  durch  eine  bösartige  Neubildung  des  Pankreas 
oder  Narbenstränge  zu  beleuchten.  VTie  einer  der  mitgeteilten 
Fälle  zeigt,  gelingt  es  auc  h  nach  e.  Laparotomie  nicht  immer, 
einen  im  Duktus  sitzenden  Stein  zu  finden.  Sobald  nun  in  einem 
Kalle  die  Ursache  des  Choledochusverschlusses  nicht  erkannt  wer¬ 
den  kann,  wählt  Verf.  zur  Sondierung  jetzt  stets  den  W  eg  vom 
Duodenum  und  der  Papille  her,  indem  er  quer  zur  Längsrichtung 
des  Darmes,  genau  in  der  Mitte  des  absteigenden  Duodenumteiles 
einschneidet  und  dann  die  Sondierung  der  Papille  vornimmt.  Verf. 
gibt  eine  Krankengeschichte,  aus  der  der  Nutzen  des  Verfahrens 
ersehen  werden  kann.  Ferner  wird  ein  E  all  berichtet,  clei  untei 
der  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  „Choledochusverschluss  durch 
einen  eingeklemmten  Gallenstein“  zur  Operation  kam,  wo  es  sich 
aber  um  einen  Leberkrebs  handelte.  Bei  der  Operation  des  b  alles 
wurde  die  Vena  portae  verletzt,  die  Kranke  starb  3  Stunden  nach 
dem  Eingriff. 

4)  H.  S  trau  ss -Berlin:  Zur  Erage  der  Beziehungen  zwi¬ 
schen  perniziöser  Anämie  und  Magendarmkanal. 

Verf.  hat  in  10  Fällen  von  perniziöser  Anämie  das  Verhalten 
der  Leukocyten  in  der  Magenschleimhaut  untersucht  und  fand  in 
der  Hälfte  derselben  eine  starke,  2  mal  eine  mittelstarke  Ver¬ 
mehrung,  3  mal  keine  ausgeprägte  Veränderung.  Eine  bestimmte 
Beziehung  zum  Verhalten  des  Drüsenparenchyms  konnte  nicht 
festgestellt  werden.  Der  Befund  kann  in  eine  gewisse  Parallele 
zur  Lymphocytenvermehrung  im  Blute  bei  Fällen  von  perniziöser 
Anämie  gesetzt  werden.  Im  2.  Teile  seiner  Arbeit  berichtet  Verf. 
über  den  Einfluss  künstlich  erzeugter  Koprostase  auf  die  Blut- 
zusammensetzung.  Bei  den  an  Kaninchen  vorgenommenen  Ver¬ 
suchen  konnte  ausser  leichter  Vermehrung  von  Leukocyten  keine 
auffallende  Abweichung  vom  normalen  Blutbild  gefunden  werden. 
Die  hämolytische  Kraft  des  Serums  zeigte  bei  chronischer  Ob¬ 
stipation  am  Menschen  keine  Unterschiede  gegenüber  Nicht- 
obstipierten.  In  Bezug  auf  die  Entstehung  perniziöser  Anämie 
bei  chronischen  Erkrankungen  des  Magendarmkanals  ist  Verf.  der 
Ansicht,  dass  eine  individuelle  Disposition  die  Hauptrolle  spielt, 
wenn  sie  auch  noch  nicht  wissenschaftlich  definiert  weiden  kann. 
Die  praktischen  Erfolge  einer  Diätbehandlung  der  perniziösen 
Anämie  sprechen  für  einen  Zusammenhang  zwischen  der  Krank¬ 
heit  und  dem  Zustande  des  Magendarmkanals. 

5)  Mircoli  und  S  o  1  e  r  i  -  Genua:  Ueber  den  Stoffwechsel 

bei  Tuberkulösen. 

Die  reinen  Tuberkulösen  zeigen  in  der  ersten  progressiven 
Phase  der  Krankheit  bei  geringer  Tendenz  zur  Produktion  von 
autitoxischen  Erscheinungen  und  von  bindegewebigen  Sklerosen 
die  tiefsten  Mittelzahlen  von  Harnstickstoff;  bei  den  Formen  mit 
Tendenz  zur  Abgrenzung  sind  die  Mittelzahlen  höher;  bei  der  sog. 
Pyotuberkulose-Komplikation  mit  Staphylo-  und  Streptokokken- 
näliert  sich  der  Stickstoff  wert  den  normalen  Mittelzahlen.  Tiefer 
1 1  a  rnstickstoffprozentsatz  bedeutet  daher  das  Bestehen  einer  reinen 
latenten  Tuberkulose.  Grass  mann  -  München. 


Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  35. 

1)  Bai  sch -Tübingen:  Ueber  die  Gefährlichkeit  der 
T  a  v  e  1  sehen  Kochsalzsodalösung  bei  subkutaner  Anwendung. 
(Schluss  folgt.) 

2)  W.  Weich  ardt-  Dresden:  Experimentelle  Studien  über 
die  Eklampsie. 

Verf.  geht  von  dem  Gedanken  aus,  dass  der  Mangel  an  Anti¬ 
toxin  gegen  die  aus  den  Syneytialzellen  frei  werdenden  Gifte  das 
eigentlich  Ausschlaggebende  für  die  Genese  der  Eklampsie  sei. 
Einer  Anzahl  Kaninchen  wurde  unter  aseptischen  Kautelen  am 
Ohr  von  Blut  vollkommen  befreites,  in  physiologischer  Kochsalz¬ 
lösung  fein  verteiltes  menschliches  Plazentargewebe  von  Zeit  zu 
Zeit  injiziert,  bis  das  Blutserum  dieser  Tiere,  wie  sich  am  hängen¬ 
den  Tropfen  leicht  nackweisen  lässt,  Plazentargewebe  löste. 

In  derartigem  syncytiolysinhaltigen  Kaninchenserum  wurde 
wiederum  blutleeres "  menschliches  Plazentargewebe  durch  Ver¬ 
reiben  sorgfältigst  verteilt  und  je  1  ccm  dieser  Emulsion  unter 
aseptischen  Kautelen  kräftigen  weiblichen  Kaninchen  an  der  Ohr 
wurzel  injiziert.  Durch  das  Syncytiolysin  waren  die  Syneytial¬ 
zellen  aus  ihrem  Molekularverbande  gelöst  und  die  jetzt  frei 
werdenden  Toxine  waren  in  so  grosser  Menge  vorhanden,  dass 
die  normalerweise  vorhandenen  Antitoxine  des  Kaninchenorganis¬ 
mus  zu  ihrer  Sättigung  nicht  genügten. 

Während  6  Kaninchen  die  Injektion  reaktionslos  ertrugen, 
starben  3  von  den  Tieren  unter  Krämpfen,  und  zwar  stets  nach 
einer  Latenzzeit  von  3  Tagen. 

In  den  Kaninchenleichen  waren  alle  die  für  Eklampsie  charak¬ 
teristischen  Erscheinungen  nachweisbar:  anämische  und  hämor¬ 
rhagische  Lebernekrosen,  Thrombosen  kleinerer  Gefässe  und 
albuminös  getrübte  Nierenepithelien. 

3)  A.  Blumenthal  -  Berlin:  Typhus  ohne  Darmerschei- 
nung’en. 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  am  28.  April  1902 
gehaltenen  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  Wochensclir., 
No.  19,  pag.  815. 

4)  II.  Neumann-Berlin:  Bemerkungen  zur  Barlow- 
schen  Krankheit. 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  am  16.  Mai  1902 
gehaltenen  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  Wochensehr., 
No.  26,  pag.  1114. 

5)  B.  F  i  s  c  h  e  r  -  Bonn:  Fremdkörper  in  der  Herzwand  und 
Karies  der  Wirbelsäule  bei  einem  13  jährigen  Knaben. 

Kasuistische  Mitteilung  nach  einem  in  der  Sitzung  der  Nieder- 
rheinischen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  am  17.  Fe¬ 
bruar  1902  gehaltenen  Vortrag  mit  Demonstration. 

6)  J.  Marek-  Ofen-Pest:  Ueber  die  Enstehungsweise  der 
Atemgeräusche.  (Schluss  aus  No.  34.) 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet.  (Die  Arbeit  wird 
in  extenso  im  Arch.  f.  wissenschaftl.  u.  prakt.  Tierheilk.  publiziert.) 

7)  V.  Zangemeister  u.  M.  Wagner:  Ueber  die  Zahl 
der  Leukocyten  im  Blute  von  Schwangeren,  Gebärenden  und 
W  öchnerinnen. 

Kurzer  Nachtrag  zu  dem  Aufsatz  in  No.  31. 

8)  H.  C  i  t  r  o  n  -  Berlin:  Zur  Technik  der  mechanischen  Be¬ 
handlung  des  Hydrops. 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  am  16.  Juni  1902 
gehaltenen  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschr., 
No.  26,  pag.  1114.  Lacher-  München. 

f  AA'  . 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  35.  1)  E  1  s  c  h  n  i  g  -  Wien:  Diagramm  der  Wirkungs¬ 

weise  der  Bewegungsmuskeln  des  Augapfels. 

E.  hat  das  Schnabel  sehe  Diagramm  in  der  Weise  ver¬ 
ändert,  dass  die  Abhängigkeit  der  Wirkung  jeden  Muskels  von  der 
Stellung  des  Auges  aus  dem  Diagramm  sofort  erkannt  werden 
kann.  Bezüglich  des  Diagramms  selbst  ist  die  im  Original  ge¬ 
gebene  Zeichnung  zu  vergleichen. 

2)  L.  Harm  er- Wien:  Klinik  der  Oesophagoskopie. 

Verf.  berichtet  über  die  an  50  Fällen  gemachten  Erfahrungen 

unter  eingehender  Darstellung  der  Technik  des  Verfahrens,  wie 
es  an  der  Klinik  von  Chiari  geübt  wird.  Es  werden  immer  die 
M  i  li  u  11  c  z  sehen  geraden  Röhren  verwendet,  welche  bei 
sitzender  Stellung  des  Kranken  eingeführt  werden,  während  die 
Untersuchung  selbst  in  Rückenlage  des  Patienten  gemacht  wird, 
nachdem  vorher  der  Kehlkopfeingang  anästhesiert  worden  ist.  In 
den  6  Fällen,  wo  wegen  Fremdkörpern  untersucht  wurde,  konnten 
dieselben  jedesmal  mit  der  Pinzette  entfernt  werden,  ohne  dass 
Verletzungen  gesetzt  wurden.  Schwieriger  erweist  sich  natürlich 
die  Entfernung  der  Fremdkörper,  welche  in  strikturierten  Stellen, 
wie  sie  durch  Laugenverätzung  bewirkt  werden,  sitzen.  Bei 

10  Fällen  handelte  es  sich  um  Fremdkörpergefühl,  wenigstens 
konnte  ein  Fremdkörper  faktisch  nicht  aufgefunden  werden.  In 

11  Fällen  wurde  ein  Karzinom  der  Speiseröhre  mittels  des  In¬ 
strumentes  beobachtet.  Doch  kann  auch  auf  diesem  Wege  die 
Diagnose  des  Karzinoms  nicht  immer  sicher  gestellt  werden. 
1  mal  wurde  Hautemphysem  nach  geringfügiger  Verletzung  der 
Oesophagusschleimhaut  beobachtet. 

3)  H.  H  a  berer-  Wien:  Ueber  einen  seltenen  Fall  von  Spät¬ 
rezidiv  nach  Karzinom.  .... 

Mitteilung  eines  Falles,  in  welchem  bei  einem  75  jährigen 
Manne,  der  vor  14  Jahren  wegen  eines  Unterkieferkarzinoms  in 


9.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1517 


der  B  i  11  r  ot  li  sehen  Klinik  operiert  worden  war,  neuerdings  ein 
Karzinom  der  linken  Mundhöhlenhälfte  zur  Beobachtung  gelangte. 
Yerf.  kommt  zur  Anschauung,  dass  es  sich  hier  tatsächlich  um 
ein  nach  dieser  langen  Zeit  aufgetretenes  Spätrezidiv  von  Kar¬ 
zinom  handle.  Grassmann-München. 

Italienische  Literatur. 

Ardissone:  Ein  Fall  von  Persistenz  des  Foramen  Botalli. 
(II  Morgagni,  Juli  1902.) 

Zur  Kasuistik  der  obigen  Anomalie  führt  A.  einen  Fall  an, 
in  welchem  die  Trägerin  ein  Alter  von  78  Jahren  erreichte,  und 
doch  handelte  es  sich  um  eine  elliptische  Oeffnnng  von  11  und 
5  mm  Durchmesser.  Das  Herz  zeigte  sich  in  allen  Dimensionen 
enorm  hypertrophisch  und  das  Myokard  fettig  degeneriert.  Die 
Diagnose  lautete:  Mitralinsuffizienz,  relative  Insuffizienz  der  Tri- 
cuspidalis,  Persistenz  des  Foramen  ovale. 

Das  bemerkenswerteste  Zeichen  bei  der  Auskultation  war  am 
Ra  n  d  e  der  Sternalinsertion  der  linken  3.  Rippe 
ein  präsystolisches  Geräusch,  welches  sich 
langsam  abschwächte  nach  der  Spitze  hin, 
während  es  in  transversaler  Richtung  deutlich  blieb.  Dieser  Be¬ 
fund,  im  Verein  mit  der  hochgradigen  Cyanose  erleichterte  die 
Diagnose. 

Villani:  Bemerkungen  zur  Semiotik  des  Herzens.  (II 
Morgagni,  Juni  u.  Juli  1902.) 

So  lautet  der  Titel  der  umfang-  und  inhaltreichen,  aus  der 
inneren  Klinik  Bolognas  hervorgegangenen  Arbeit,  deren  Inhalt 
wir  hier  nur  kurz  zu  skizzieren  vermögen. 

Ein  grosser  Teil  derselben  ist  der  Ausbildung  der  Unter¬ 
suchungsmethoden  gewidmet;  namentlich  betont  V.,  wie  die  dor¬ 
sale  Untersuchungsmethode  die  Differentialdiagnose  der  Herz¬ 
geräusche  erleichtert. 

So  z.  B.  soll  das  systolische  Geräusch,  welches  durch  arterio¬ 
sklerotische  Dilatation  der  Aorta  ascendens  entsteht,  im  Gegensatz 
zum  Geräusch  der  Aortenstenose  selten  im  Rücken  abwärts  an  der 
Wirbelsäule  zu  hören  sein,  sondern  nur  an  einer  mehr  um¬ 
schriebenen  Stelle  der  Fossa  supraspinata  dextra. 

Auch  das  durch  Anämie  bedingte  Herzgeräusch,  welches  seine 
grösste  Intensität  über  der  Pulmonalarterie  hat,  ist  im  Rücken  und 
an  der  Y\  irbelsäule  nicht  zu  hören,  nur  in  der  Fossa  supraspinata 
sinistra,  dem  obersten  Teil  der  linken  Achselhöhle  und  ab¬ 
geschwächt  weiter  in  der  Linea  axillaris.  Auch  bei  allen  übrigen 
Geräuschen  und  bei  den  Affektionen  des  Myokardiums  ist  die 
Dorsalauskultation  ein  nicht  zu  verachtendes  Hilfsmittel  zur 
Diagnose. 

Auch  über  die  Spaltung  des  zweiten  Tones  resp.  die  Verdoppe¬ 
lung  desselben  bei  Mitralstenose  handelt  der  Verfasser  ausführ¬ 
lich,  ferner  über  die  Wichtigkeit  der  Palpation  eines  Fremitus  bei 
gewissen  Herzfehlern  mit  den  Fingerspitzen.  Eine  Anzahl  von 
Krankengeschichten  illustriert  die  Angaben  und  Beobachtungen 
des  Autors,  von  denen  manche  bisher  in  den  Lehrbüchern  über 
Herzkrankheiten  nicht  gefunden  werden  dürften. 

Dionisi:  Ueber  atheromatöse  Fylephlebitis.  (II  policliuico 
Mai  1902.) 

Anlässlich  der  Beobachtung  eines  Falles  von  Pfortader¬ 
verkalkung  im  pathologisch-anatomischen  Institut  zu  Rom 
macht  D.  darauf  aufmerksam,  dass  derartige  Fälle  geeignet  sind, 
die  Anschauung  Thomas  von  der  Entstehung  der 
Arteriosklerose,  i.  e.  dass  dieselbe  abhängig  von 
den  mechanischen  Bedingungen  des  Blutlaufs 
sei,  zu  stützen. 

Es  handle  sich  in  den  Fällen  von  Pfortaderverkalkungen,  ob¬ 
wohl  dieselben  fast  immer  mit  entzündlichen  Prozessen,  Leber- 
cirrhose  oder  chronische  Peritonitis  kombiniert  Vorkommen,  doch 
nicht  um  eine  Fortleitung  der  Entzündung  auf  die  Intima,  son¬ 
dern  diese  Fortleitung  erstrecke  sich  nur  auf  die  Adventitia.  Die 
Muskularis  der  Gefässe  zeigt  keine  Zeichen  von  Entzündung  und 
die  Hyperplasie  der  Intima  ist  abhängig  von  der  Stasis  und  Druck¬ 
erhöhung  in  der  Pfortader. 

Zanaldi:  Heroin  soll  blutdruckerniedrigend  wirken.  (Gaz- 
zetta  degli  ospedali  1902,  No.  51.) 

Es  empfiehlt  sich  dasselbe  in  all’  den  Fällen,  wo  man  bei  ab¬ 
norm  erhöhtem  Blutdruck  ein  Ersatzmittel  für  das  Morphium 
sucht.  Die  Erniedrigung  des  Blutdrucks  tritt  meist  erst  nach 
24  Stunden  ein;  sie  beträgt  über  10  mm. 

De  Renzi:  Ueber  Diabetes.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902, 
No.  60.) 

In  einer  von  F  i  1 1  i  p  a  1  d  i  registrierten  Vorlesung  über  Dia¬ 
betes  betont  der  Neapolitaner  Kliniker  die  Beteiligung  des 
Rückenma  r  k  s  bei  dieser  Krankheit.  Dieselbe  geht  von  ein¬ 
facher  Schwäche,  Fehlen  der  Reflexe,  gewissen  unwillkürlichen, 
automatischen  Bewegungen  der  unteren  Extremitäten  bis  zu  Läh¬ 
mungen,  schweren  Störungen  der  Sensibilität,  Dissoziation  der 
Empfindungen.  Das  Rückenmark  kann,  wie  auch  experimentell 
an  diabetisch  gemachten  Tieren  festgestellt  wurde,  bei  Diabetes 
Befunde  wie  bei  Syringomyelie  bieten. 

Ferner  betont  De  Renzi,  dass,  trotzdem  das  legitime  Ende 
mancher  Diabetiker  an  Tuberkulose  zu  erfolgen  scheine,  doch  diese 
Kranken  sich  fast  einer  gewissen  Immunität  gegen 
den  Bazillus  Koch  zu  erfreuen  scheinen.  Auf  dem  Sektions¬ 
tisch  hat  man  mikroskopisch  oft  das  Bild  der  Tuberkulose;  es 
fehlen  aber  miliare  Tuberkel  und  die  Kulturen  aus  dem  Kaveruen- 
nihalt  ergeben  meist  den  Diplococcus  Fränltel,  fast  nie  den 
K  o  c  li  sehen  Tuberkelbazillus. 


P  a  n  c  i  n  i  und  B  e  n  e  n  a  t  i:  Ueber  einen  Fall  von 
Addison  scher  Krankheit  mit  Schwellung  der  Thymusdrüse, 
Hyperthrophie  der  Glandula  thyreoidea  und  Glandula  pituitaria. 
(II  policliuico,  April  u.  Mai  1902.) 

1  on  der  umfassenden  Abhandlung  der  Autoren  über  das 
Thema  Morbus  Addison  interessiert  am  meisten  die  Erörterung 
der  Frage  der  Pigmentbildung.  Mit  Waldeyer,  Schwalbe, 
K  a  p  o  s  i  und  Port  vertreten  die  Autoren  den  Standpunkt, 
dass  das  Pigment  nicht  aus  dem  Blutpigment 
stammt,  sondern  ein  Produkt  der  Zellen  des  Rete 
M  a  I  p  i  g  h  i  i  s  t.  Es  wird  durch  eine  exzessive  Tätigkeit  des 
Protoplasmas  dieser  Zellen  erzeugt.  Da  es  von  dieser  seiner 
Bildungsstätte  durch  die  Blutbahn  weggeschafft  wird,  so  erklärt  es 
sich,  wie  man  bei  Addison  gelier  Krankheit  Pigment  in  den 
Lymphdrüsen  und  in  seltenen  Fällen  auch  in  inneren  Organen 
findet. 

Wie  ist  die  unleugbare  Beziehung  zwischen  der  Pigment¬ 
produktion  der  M  a  1  p  i  g  h  i  sehen  Zellen  und  der  Nebennieren¬ 
läsion  aufzufassen? 

Das  Pigment  ist  vielleicht  als  ein  Produkt  innerer  Sekretion 
der  Zellen  aufzufassen  und  hat  die  Bedeutung,  einen  Schutz  zu 
gewähren  gegen  die  Lichtstrahlen  und  noch  mehr  gegen  die  che¬ 
mischen  Strahlen.  Vielleicht  ist  die  übermässige  Ausscheidung 
dieser  Produkte  als  toxisch  wirkend  aufzufassen:  die  toxischen 
Produkte  werden  ins  Blut  resorbiert  und  durch  die  Nebennieren 
entgiftet  und  unschädlich  gemacht. 

Ein  aus  der  Nebenniere  dargestellter  Parenchymsaft  enthält 
ein  Chromogen,  welches  an  der  Luft  eine  karminrote  Färbung 
annimmt  und  nach  Krukenbe  r  g  Reaktionen  bietet  wie  das 
Brenzkatechin.  Der  Nebennierensaft  experimentell  Fröschen  in¬ 
jiziert  bleicht  die  Haut  derselben  und  in  einigen  Fällen  von 
Addison,  welche  mit  Nebennierensaftinjektionen  behandelt  wurden, 
hat  man  die  dunkle  Hautfärbung  sich  merklich  aufhellen  sehen. 
Andere  Erfahrungen  scheinen  mehr  für  eine  Art  Kompensations¬ 
verhältnis  zwischen  M  a  1  p  i  g  h  i  sehen  Zellen  und  ihrer  Pigment¬ 
bildung  und  der  Neibennierentätigkeit  zu  sprechen.  In  manchen 
Fällen  von  Addison  kommt  es  nicht  zu  Melanodermie  und  solche 
Fälle  zeichnen  sich  nach  Greenhow  durch  eine  ganz  rapide 
Entwicklung  der  allgemeinen  und  zum  Tode  führenden  Sym¬ 
ptome  aus. 

O  e  c  o  n  i  und  F  ornaca:  Ueber  Diplokokkämie  mit  Spät¬ 
lokalisation  in  der  Lunge.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  54.) 

Zu  der  Frage:  Ist  die  Eintrittspforte  des  infektiösen  Agens 
bei  Pneumonie  das  Blut  oder  sind  es  die  Luftwege?  bieten  die 
Autoren  aus  der  B  o  z  z  o  1  o  sehen  Klinik  in  Turin  in  vorstehender 
Beobachtung  einen  beachtenswerten  Beitrag.  Pier  a  cini  und 
B  a  n  t  i  sind  diejenigen  italienischen  Autoren,  welche  f  ü  r 
den  Infektion  s  m  odus  durch  die  Blutbahn  am 
lebhaftesten  eingetreten  sind  und  ihn  im  Gegensatz 
zu  dem  auf  dem  Wege  der  Atmung  nicht  nur  für  den  häufigen, 
sondern  wahrscheinlich  für  den  ausschliesslichen  halten. 

Longo:  Bakteriologischer  Befund  in  einem  Falle  von 
Noma.  (II  policliuico  1902,  Mai.) 

L.,  Assistent  an  der  Kinderklinik  zu  Rom,  hat  die  Zahl  der 
für  Noma  als  ätiologisch  hingestellten  Mikroorganismen  um  einen 
neuen  vermehrt.  Derselbe  soll  grosse  Aehnlichkeit  mit  Proteus 
vulgaris,  auch  mit  dem  von  B  a  b  e  s  als  ätiologisch  angesehenen 
Pilze  haben  und  ferner  soll  er  ausgedehnte  Nekrosen  erzeugen, 
auch  in  Bezug  auf  Begleitsymptome  beim  Versuchstier  die  meiste 
Aehnlichkeit  mit  dem  Krankheitsverlauf  bei  Noma  bieten. 

C  li  i  a  d  i  n  i:  Wie  lange  erhält  sich  ein  Diphtherieheilserum 
wirksam?  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  60.) 

Nach  den  von  C.  im  pharmakologischen  Institut  zu  Bologna 
an  verschiedenen  Serumarten,  auch  dem  Behring  sehen,  an- 
gestellten  Prüfungen  sind  nach  einer  Dauer  von  4  Jahren  die 
Antitoxine  des  Serums  unwirksam,  mit  3  Jahren  ist  die  Kraft 
derselben  schon  erheblich  herabgesetzt.  2  Jahre  lang  kann 
ein  Sern  m  gut  s  ein  e  W  irksamkeit  b  e  w  a  h  r  e  n,  Ver¬ 
änderung  der  physischen  Beschaffenheit  (Trübung)  braucht  nicht 
diese  Wirksamkeit  zu  beeinträchtigen.  Antiseptische  Zusätze  haben 
auf  die  Wirksamkeit  der  Toxine  keinen  Einfluss.  Das  Licht  und 
Temperaturdifferenzen,  wie  sie  für  gewöhnlich  in  Betracht  kom¬ 
men,  schädigen  die  Wirksamkeit  nicht. 

Messedaglia  und  C  o  1  e  1 1  i  veröffentlichen  aus  der 
inneren  Klinik  Paduas  ihre  Untersuchungen  über  den  Gefrier¬ 
punkt  der  Galle.  (II  Morgagni,  Mai  1902.) 

Derselbe  soll  bei  der  frischen  Rindergalle  zwischen  —  0,540 
und  — -  0,580  liegen. 

Bei  der  Galle,  welche  aus  23  menschlichen  Leichen  kryo¬ 
skopisch  untersucht  wurde,,  waren  die  Schwankungen  bedeutend 
grösser  und  die  Autoren  stellten  als  geringste  Zahl  A  =  —  0,630 
und  —  1,050  als  grösste  fest.  Eine  praktische  Wichtigkeit  dürfte 
die  Ivryoskopie  der  Galle  wohl  kaum  beanspruchen. 

Buonsanti:  Zum  Bericht  der  k.  preussischen  Kommission 
zum  Studium  der  Maul-  und  Klauenseuchenbehandlung  nach  der 
Baccelli  sehen  Methode.  (II  policliuico  1902.  Juni.) 

Bekanntlich  haben  Löffler  und  Uhlen  hut  li  (Deutsche 
med.  Woeliensehr.  No.  14,  1902)  die  günstigen  Erfolge  der  von 
Baccelli  inaugurierten  intravenösen  Sublimattherapie  bei  Maul¬ 
und  Klauenseuche  -  nicht  bestätigen  können.  B.,  Direktor  der 
Veterinärschule  in  Mailand,  will  in  der  vorliegenden  Abhandlung 
diese  Frage  der  Wirksamkeit  des  Verfahrens  nicht  berühren, 
sondern  ihre  Entscheidung  der  Zukunft  überlassen;  aber  er  wendet 
sich  gegen  die  in  dem  Bericht  mehrfach  wiederholten  Angaben 
von  der  Gefährlichkeit  dieser  Injektionen  und  beweist  durch  seine 


1518 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


eigenen  und  andere  Versuche,  dass  die  Toleranz  des  Rindviehes 
gegen  diese  Behandlungsart  eine  allgemeine  ist.  Läsionen,  wie 
sie  (irawitz  beschrieben  habe,  seien  in  der  Tat  der  Maul-  und 
Klauenseuche  eigentümlich  und  keineswegs  dem  Sublimat  zuzu¬ 
schreiben. 

Masini:  lieber  die  Resistenz  der  Kolloidsubstanz  der 
Schilddrüse  gegen  Fäulnis  in  der  Leiche.  (11  policlinico  1902, 
Juni.) 

Der  obige  Autor  berichtet  aus  dem  Institut  für  gerichtliche 
Medizin  zu  Kassa ri:  Die  Schilddrüse  soll  verhältnismässig  schnell 
der  Fäulnis  anheimfallen  und  sich  innerhalb  12 — 13  Tagen  bei 
einer  Temperatur  von  etwa  1.0°  und  in  massig  feuchtem  Raum 
vollständig  auflüsen. 

Dagegen  widersteht  die  Ivolloidsu  bst  anz 
d  e  m  F  iiulnisprozesse  in  gleich  e  in  G  r  a  d  e  w  i  <e  die 
f  i  b  r i n ö sen  Gewebe  und  gestattet  noch  lange 
Zeit  eine  Identifizierung  d  e  r  Lei  c  h  e. 

Mazzarotto:  Ein  Fall  von  wahrer  Superfötation. 
(Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  54.) 

In  der  Geburtskunde  unterscheidet  man  bekanntlich  zwischen 
Superfoecundatio,  i.  e.  Befruchtung  mehrerer  Eier  derselben  Ovu¬ 
lationsperiode  durch  verschiedene  Coitus,  und  zwischen  Super¬ 
fötation,  i.  e.  der  Befruchtung  von  Eiern  verschiedener  Ovulation 
nacheinander.  Für  diese  Superfötation  gibt  es  nach  M.  keine  oder 
jedenfalls  nur  wenige  gut  beglaubigte  Beispiele.  M.  bereichert 
die  Kasuistik  um  einen  Fall  prägnanter  Art.  Eine  42  jährige 
VIII.  Para  gebar  am  20.  März  ein  gut  ausgetragenes  Kind  von 
3070  Gramm.  Am  20.  März  während  des  Säugens  trat  eine  Wehe 
ein  und  es  erfolgte  die  Geburt  einer  frischen,  gut  erhaltenen 
Frucht,  welche  als  eine  3  monatliche  von  M.  konstatiert  wurde. 
Auffallend  erscheint,  dass  der  normal  entwickelte  Fötus  6  Tage 
vor  dem  unvollkommen  entwickelten  ausgestossen  wurde.  Dafür, 
dass  es  sich  um  eine  wahre  Superfoetatio  handelte,  spricht  das 
frische  Aussehen  der  zweiten.  3  monatlichen  Frucht. 

M  a  s  i  redet  der  Beleuchtung  durch  Acetylengas  in  hygie¬ 
nischer  Beziehung  das  Wort  auf  Grund  von  Experimenten,  welche 
er  in  den  Annali  d’igiene  sperimentale  1902  veröffentlicht. 

Diese  Beleuchtung,  welche  sich  seit  dem  Jahre  1895  in 
Italien  einer  beständigen  Zunahme  erfreut,  wie  der  Verbrauch  von 
Kalziumkarbid  beweist,  bietet  gegen  die  anderen  Beleuchtungs¬ 
arten  folgende  Vorzüge:  Kie  gibt  ein  weisses,  ruhiges  Licht,  reich 
an  violetten  Strahlen  und  dem  Auge  zuträglich.  Den  Sauerstoff  der 
Luft  konsumiert  sie  in  geringerem  Grade  als  die  anderen  Be¬ 
leuchtungsarten  mit  Ausnahme  des  elektrischen  Lichts.  Sie  er¬ 
zeugt  weniger  Kohlensäure  und  Wasserdampf  als  die  anderen 
Lichtquellen,  ausgenommen  die  elektrische,  ebenso  weniger  Wärme. 
Sie  erzeugt  kein  Ammoniak,  keine  salpetrige  Säure,  keinen 
Schwefelwasserstoff  (?  Ref.),  kein  Kohlenoxyd.  Die  Explosions¬ 
gefahr  ist  die  gleiche  wie  beim  Gas  und  beim  Petroleum  (?  Ref.). 
Die  Kosten  sind  geringer  wie  die  der  anderen  Beleuchtungsarten; 
zu  ihrer  Einrichtung  bedarf  es  keiner  besonderen  Arbeit,  da  man 
einen  Gasometer  in  jedem.  Kaum,  am  besten  in  einem  offenen, 
anbringen  kann. 

Die  Erzeugung  des  Acetylens  erfordert  kein  technisches  Per¬ 
sonal.  die  Kosten  der  Einrichtung  wie  des  Verbrauchs,  auch  der 
Lampen  und  der  Leitung  sind  ganz  erheblich  billiger  als  die  bei 
Gas  und  elektrischem  Licht  (?  Ref.). 

Hager-  Magdeburg-N. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Bonn.  August  1902. 

40.  Blake  .T.  E.:  Versuche  über  Vioform,  mit  besonderer  Be¬ 
ziehung  auf  dessen  möglichen  Gebrauch  als  ein  Ersatzmittel 
für  Jodoform  in  der  konservativen  Behandlung  tuberkulöser 
Gelenke. 

41.  Frank  Moses:  Ueber  Trachealstenosen  und  deren  Behand¬ 
lungsmethoden. 

h2.  van  Husen  Hermann:  Beobachtungen  über  200  Fälle  von 
progressiver  Paralyse  bei  Männern. 

43.  Jungbluth  Georg:  Experimentelle  Untersuchungen  über 
den  Einfluss  des  Alkohols  auf  das  putride  Fieber. 

44.  Roe  mer  Theodor:  lieber  die  Wendungsoperation  nach  der 
Statistik  der  Bonner  Frauenklinik. 

45.  Breli  mer  Karl:  Ueber  die  operative  Behandlung  der  Tu¬ 
moren  des  Kleinhirns. 

40.  I)  ramm  er  Carl:  Ueber  radikale  und  konservative  Therapie 
bei  Hodentuberkulose. 

47.  Günther  Anton:  Ueber  Atresia  ani. 

48.  Höynck  Paul:  Ein  Fall  von  ischämischer  Lähmung  nach 
Arterienverschluss  mit  anatomischen  Untersuchungen  der 
Nerven  und  Muskeln. 

49.  Richter  Heinrich:  Behandlung  der  Strikturen  der  männ¬ 
lichen  Harnröhre.  Nach  Kraukenmaterial  der  k.  Chirurg.  Uni¬ 
versitätsklinik  in  Bonn  aus  den  Jahren  1895 — 1900. 

50.  Schwenker  Otto:  Beiträge  zur  Prognose  und  Therapie 
schwerer  Verbrennungen. 

Universität  Erlangen.  August  1902. 

10.  S  a  k  a  m  o  t  o  Ikutaro:  Ueber  2  Fälle  von  \V  e  i  1  scher  Krank¬ 
heit. 

17.  C  o  n  s  t  a  n  t  i  n  i  d  e  s  Janko:  Klinische  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Dystrophia  musculorum  progressiva. 

IN.  Rad  icke  Paul:  Schützt  das  Empyem  vor  Erkrankung  an 
Lungentuberkulose  ? 


19.  Ham  a  j  i  W.:  Ein  Fall  von  doppelseitiger  progressiver  totaler 
Ophthalmoplegie. 

20.  B  e  n  c  k  e  r  Hermann:  Cystennieren  einer  Missgeburt. 

21.  Fuchs  Richard  Friedrich:  Zur  Physiologie  und  Wachstums¬ 
mechanik  des  Blut  gef  ässystems.  (II.  Mitteilung.)  Habili¬ 

tationsschrift. 

22.  En  sl  in  Richard:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Darm- 
invaginationen  infolge  von  Darmtumoren. 

23.  Briigel  Paul:  Ein  Fall  von  Pyämie  im  Anschluss  au  einen 
subphrenischen  Abszess  bei  chronischer  Cholelithiasis. 

24.  Bi  ekel  man  u  Albert:  Ueber  angeborene  Verschliessung  des 
Mastdarms  und  Afters  und  die  Missbildungen  im  Bereiche  des 
inneren  und  äusseren  Dammes. 

25.  Schütt  Eduard:  Allgemeine  pharmakodynamische  Wir¬ 
kungen  von  Toxinen  und  Fermenten. 

Universität  Halle.  August  1902. 

20.  Bau  in  gar  th  Hans:  Cor  biloculare  mit  Dextrokardie. 

27.  Hövel  Paul  Clemens:  Ueber  Ulcus  serpens  corneae,  seine 
Ursachen  und  seine  Folgen. 

28.  Loening  Karl:  Die  Behandlung  der  Schussverletzungen  des 
Abdomen  im  Frieden  und  im  Kriege. 

29.  Marquardt  Lenz:  Die  Wirkung  der  Schwitzbäder  bei 
Lebercirrliose. 

30.  Na  über  t  Carl:  Ueber  Elephantiasis  unter  Anführung  eines 
im  S.-S.  1901  in  der  k.  c-liir.  Univ.-Klinik  zu  Halle  a.  S.  beob¬ 
achteten  Falles  von  Elephantiasis  eruris  sinistri  lymphor- 
rliagica. 

31.  Seyfferth  Paul:  Ueber  die  Prognose  der  Kolonkarzinome. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  4.  Juni  1902. 

Vorsitzender :  Herr  0.  Fraenkel. 

Herr  Stieda  berichtet  über  einen  Fall  von  Atresia  ani 
praeputialis  (mit  Demonstration  des  Präparates). 

Es  handelte  sich  um  einen  3  Tage  alten  Knaben,  der  in  wenig 
gutem  Zustande  in  die  chirurgische  Klinik  mit  einem  voll¬ 
kommenen  angeborenen  Darmverschl  us  s  eingeliefert 
wurde.  Es  zeigte  sich  bei  bestehender  Atresia  ani  an  der  Untei- 
seite  des  Penis  ein  perlschnurartiger,  geschlängelter  Strang,  der 
prall  gefüllt  durch  seine  sehr  dünne  Wandung  einen  grünschwärz¬ 
lichen  Inhalt  durchschimmern  liess,  um  am  Präputialumschlage 
mit  einer  kleinen  knötchenförmigen  weisslichen  Anschwellung  zu 
endigen. 

Es  wurde  eine  pro  ktoplasti  sehe  Operation  aus¬ 
geführt,  die  ohne  Schwierigkeit  von  Statten  ging.  Bei  der  Eröff¬ 
nung  des  strangartigen  Gebildes  an  der  Penisunterseite  entleerte 
sich  Mekonium  von  demselben  Aussehen,  Avie  aus  der  neu  an¬ 
gelegten  Afteröffnung.  Man  konnte  ferner  einen  durch  das  Skro¬ 
tum  nach  dem  Rektum  hinziehenden  Strang  fühlen,  und  durch  die 
eröffnete  Stelle  am  Strang  bei  Druck  auf  die  Umgebung  Mekonium 
weiter  austreten  sehen.  <  _  . 

24  Stunden  post  Operationen!  erfolgte  der  Exitus  letalis.  Bei 
der  Sektion  gelang  es  unschwer  durch  Sondierung  einen  Gang 
nachzuweisen,  der  von  der  vorderen  Zirkumferenz  des  Rektal¬ 
rohres  durch  das  Skrotum  hindurch  zur  Peniswurzel  verlief,  sich 
hier  in  das  Lumen  des  äusserlicli  schon  sichtbaren,  ganz  oberfläch¬ 
lich  gelegenen  Stranges  an  der  Unterseite  des  Penis  fortsetzte  und 
ohne  in  den  Fräputialsaek  einzumünden,  blind  endigte.  Ausser 
einem  Offenbleiben  des  Foramen  ovale  und  einer  Durchgängigkeit 
des  Ductus  Botalli  bestanden  keine  angeborenen  Anomalien, 
linkerseits  war  eine  Erweiterung  des  Ureters  bis  zu  Bleistiftdicke, 
sowie  des  Nierenbeckens  A'orlianden,  infolge  Kompression  durch 
die  sehr  gefüllte  und  stark  dilatierte  Flexura  sigmoidea. 

Vortragender  führt  dann  noch  die  verschiedenen  bei  Kindern 
männlichen  Geschlechtes  bekannten  Arten  \ron  Atresia  ani  mit 
sogen,  i  n  n  e  r  e  n  (cum  fistula  A’esicali,  uretlirali)  und  ä  u  s  s  e  r  e  n 
Fistel  n  (cum  fistula  perineali,  serotali,  suburethrali)  auf  und 
glaubt  für  den  A'orliegenden  Fall  von  Atresia  ani  prae¬ 
putialis  Unregelmässigkeiten  bei  der  Dammbildung  als  Ent¬ 
stehungsursache  annehmen  zu  müssen. 

(Der  Fall  soll  an  anderer  Stelle  ausführlich  Aviedergegebeu 
werden.) 

Herr  Tschermak:  Neueres  über  die  Gliederung  der 
Hirnrinde. 

Der  Vortragende  erinnert  zuerst  an  die  geschichtliche  Ent¬ 
wicklung  der  Lehre,  dass  das  Gehirn  aus  ungleichwertigen  1  eilen 
zusammengesetzt  sei,  die  Hirnrinde  demgemäss  eine  funktionale 
Gliederung  nach  sogen.  Zentren  aufweise.  Er  beschränkt  sich 
hier  darauf,  vorzüglich  auf  Grund  der  Forschungen  Flech¬ 
sig  s,  die  neueren  Anschauungen  über  die  tektonische 
Gliederung  (d.  h.  Gliederung  nach  Ursprung  oder  Endigung  der 
verschiedenen  Fasersysteme)  der  menschlichen  Hirnrinde  und 
deren  Beziehung  zur  funktionalen  Felderung  zu  besprechen. 
Flechsigs  myelogcnetisches  Grundgesetz  besagt,  dass  1.  die 


9.  September  19ÖÖ. 


mttenchener  mediciniscre  Wochenschrift. 


I  asern  eines  und  desselben  Systems,  also  die  Neuronen  von  homo¬ 
loger  Beziehung  nach  Ursprung  und  Endigung,  zu  gleicher  Zeit 
ihre  Markhülle  erhalten;  2.  die  Markscheidenentwicklung  vom 
Zelleib  (Perikaryon)  entlang  dem  Achsenzylinder,  also  ccllulo- 
fugal  fortschreitet;  3.  die  Reihenfolge  in  der  Markscheidenent¬ 
wicklung  der  verschiedenen  Systeme  eine  gesetzmässige  ist,  wobei 
die  zentralaxonen  Systeme  im  allgemeinen  sich  früher  ent¬ 
wickeln  als  die  distalaxonen.  Ausgehend  von  seiner  Entdeckung 
bezüglich  der  Sehstrahlung  und  von  seinen  entwicklungs¬ 
geschichtlichen  Studien  an  Rückenmark  und  Oblongata  ist 
i  lechsig  auf  Grund  eines  Serienschnittmaterials  von 
43  Gehirnen,  die  41  Stadien  zwischen  8.  Monat  ante  und  8'/>  Mo¬ 
nate  post  partum  repräsentieren  —  zur  Aufstellung  von  36  Rin- 
denfeldem  von  typischer  Lage,  Ausdehnung  (im  Durchschnitt 
20  ccm)  und  Reihenfolge  gelangt. 

Seine  Zeittafel  (vom  Vortragenden  wiedergegeben) 
unterscheidet  3  chronologische  Gruppen :  X.  10  P  r  i  m  o  r  d  i  a  1  - 
g  e  biete,  welche  bei  der  reifen  Geburt  überwiegend  markhaltig 
sind,  II.  21  (No.  11  31)  Intermediärgebiete,  welche 
sieh  von  der  Geburt  bis  zum  Schlüsse  des  ersten  Monats  ent¬ 
wickeln,  III.  5  (No.  32  36)  Terminal  gebiete,  welche  erst 
nach  Ablauf  des  1.  Monates  mit  der  Markbildung’  beginnen.  Die 
Primordialgebiete  zeigen  durchweg’s  doppelsinnige  Verbindung 
mit  der  subkortikalen  Region  (durch  zentralaxone  wie  distal- 
axone  Systeme).  Die  Summe  der  um  die  Zentralfurche  gelegenen 
Primoi  dialgebiete  deckt  sich  mit  der  von  0  li  a  r  c  o  t  klinisch 
abgegrenzten  Zone  motrice,  die  um  die  Fissura  calcarina  ge¬ 
legenen  mit  der  Sehsphäre  Menschen  s.  Flechsig  be¬ 
trachtet  die  Primordialgebiete  als  (sensorisch-motorische)  Sinnes¬ 
sphären.  Die  Verwertung  der  entwicklungsgeschichtlichen  Fel- 
derung  wird  wohl  zu  einer  feineren  Abgrenzung  der  Sinnes¬ 
sphären,  d.  li.  der  Einstrahlungsgebiete  der  Sinnesleitungen, 
führen,  als  sie  die  Pathologie  bisher  zu  geben  vermochte:  so  be¬ 
züglich  des  Ausschlusses  des  Gyrus  angularis  von  der  Sehsphäre, 
des  vorderen  Drittels  der  ersten  Temporalwindung  von  der  Iiör- 
sphäre  u.  a. 

Neben  der  chronologischen  Verschiedenheit  hat  Flechsig 
tektonische  Differenzen  in  der  menschlichen  Hirnrinde  fest¬ 
gestellt  und  darauf  seine  Lehre  von  der  tektonischen 
Dualität  der  Hirnrinde  begründet,  welche  die  vom  Vor¬ 
tragenden  wiedergegebene  tektonische  Tafel  veranschaulicht 
(nicht  zu  verwechseln  mit  der  chronologischen  Tafel!).  Die 
.Luterscheidung  ist  durch  die  ungleichmässige  Verteilung  der 
Stabkranzsysteme,  d.  li.  der  zwischen  Rinde  und  subkortikaler 
Region  verlaufenden  Systeme  gegeben.  Es  erweisen  sich  nämlich 
alle  10  Primordialgebiete,  sowie  die  ersten  5  Intermediärgebiete 
CN°.  11  15),  also  15  der  36  Felder  als  stabkranzhaltig,  während 
die  übrigen  21  Felder,  wenigstens  bis  zum  Alter  von  3*4  Monaten, 
keine  Stabkranzbündel  (regulär  nur  vereinzelte  Stabkranzfaserig 
ganz  ausnahmsweise  und  an  wechselnden  Stellen  atypische,  ab- 
errierte  Stabkranzbündel)  aufweisen.  Bis  zu  dieser  Grenze  für 
die  Übersichtlichkeit  sind  bereits  alle  bekannten  Stabkranz¬ 
bündel  markhaltig  und  an  die  15  Stabkranzfelder  verteilt.  Eine 
spätere  Ausbreitung  der  Bündel  auf  die  bisher  stabkranzlosen 
Zwischenfelder  ist  sehr  unwahrscheinlich.  Die  menschliche 
Hirnrinde  erscheint  demnach  in  zweierlei  Felder  gegliedert :  in 
Stabkranzgebiete  und  in  stabkranzlose  Binnen-  oder  Kom¬ 
missurenfelder;  die  letzteren  sind  bloss  mit  anderen  Rinden¬ 
stellen,  also  durch  ungekreuzte  oder  via  Balken  gekreuzte  Binnen¬ 
fasern  verknüpft.  Obzwar  kurze  Binnenfasern  auch  in  den  Stab- 
ranzgebieten  nicht  fehlen,  sind  doch  die  Binnenfelder  durch  den 
Stabkranzmangel  (die  letztentwickelten  oder  Terminalgebiete 
noch  durch  den  Zusammenhang  mit  den  langen  Binnensystemen) 
hinlänglich  charakterisiert.  Die  Stabkranzfelder  uin- 
scldiessen  das  Gehirn  als  ein  Ring,  welcher  um  die  Zentralfurche 
durch  die  Fissura  Sylvii  verläuft  und  den  Balken  umgreift;  zu¬ 
dem  bilden  sie  die  Occipitalkappe  mit  dem  Cuneuszipfel  und  die 
Kieme  Insel  am  Gyrus  subangularis.  —  Die  Binnen  gebiete 
nehmen  geschlossen  den  Stirnpol  und  die  vordere  Hälfte  der 
zweiten  Stirnwindung,  die  zweite  und  dritte  Schläfewindung, 
endlich  den  grössten  Teil  des  Scheitellappens  ein. 

Gegen  die  Flechsigsche  Lehre  von  der  tektonischen 
Dualität  der  Hirnrinde,  welche  in  Gegensatz  tritt  zu  der  bis¬ 
herigen  Vorstellung  einer  allgemeinen  Stabkranzvertei- 
ung  in  der  Hirnrinde  (mit  striktem  Aneinandergrenzen  oder  mit 


1519 


Randmischung  der  verschiedenen  Systeme),  haben  zahlreiche 
forscher  Widerspruch  erhoben.  Dieselben  bestreiten  entweder 
das  myelogcnetische  Grundgesetz  überhaupt  und  erklären  die 
chronologische  Gliederung  als  ein  äusserliches  Produkt  kon¬ 
zentrisch  fortschreitender  Markbildung  (Vogt)  oder  ungleich¬ 
seitige!  \  askularisation  (M  o  n  a  k  o  w).  Demgegenüber  ist  u.  a. 
an  den  unleugbar  systematischen  Charakter  der  Mark¬ 
scheidenentwicklung  in  Rückenmark  und  Oblongata  und  an  das 
sozusagen  sprungweise  Fortschreiten  in  der  Entwicklung  der 
Rindenfelder  zu  erinnern.  Andererseits  wurde  che  tektonische 
Dualität  bestritten  durch  die  Angabe  von  Stabkranzgehalt  auch 
dei  Binnenfelder  auf  Grund  von  pathologischer  Sekundär¬ 
degeneration.  Doch  stehen  einer  solchen  Schlussfolgerung  die 
Einwände :  unreine  Läsion,  eventuell  fernabliegende  Zirkulations¬ 
störung  (II  i  t  z  i  g),  Durchflechtungskompression  (R  othman  n) 
entgegen.  Bezüglich  der  Tierversuche  (IT.  Munk)  ist  zu  be¬ 
merken,  dass  die  Binnengebiete,  z.  B.  das  parietale,  bei  Hunden 
(mit  kaum  20  Feldern:  Döllken)  und  niederen  Affen  zweifel¬ 
los  weit  beschränkter  sind  als  beim  Menschen,  dessen  Vorrang 
m  der  Hirnausbildung  in  erster  Linie  gerade  die  Binnenfelder 
zu  betreffen  scheint. 


Die  Rindenhistologie  hat  neuerdings,  im  Gegensätze 
zu  der  früheren  Vorstellung  eines  allgemein  gleichmässigen  Baues 
der  Hirnrinde  (M  eynert),  sehr  erhebliche  regionale  Differenzen 
aufgedeckt,  welche  die  Schichtungsweise  und  die  Zelltypen  be¬ 
treffen  (Hammerberg,  Schlapp,  S.  Meyer,  Nissl,  St.Ramon 
y  C  a  j  a  1).  Das  Hauptinteresse  war  dabei  allerdings  auf  die  Ge¬ 
winnung  eines  detaillierten  Strukturbildes,  nicht  so  sehr  auf 
exakte  Abgrenzung  bestimmter  Rindenterritorien  gerichtet ;  eine 
solche  bezüglich  der  Riesenpyramidenzellen  hat  Kolmer 
(Nissl)  gegeben.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  den 
myelogenetischen  Rindenfeldern,  speziell  den  Stabkranzgebieten, 
ebensolche  Strukturareale  entsprechen. 


Bezüglich  der  funktionalen  Bedeutung  der  myelo¬ 
genetischen  Rindengliederung  ist  einerseits  an  die  teils  erwiesene, 
teils  sehr  wahrscheinliche  Uebereinstimmung  der  Primordial¬ 
gebiete  mit  den  funktionalen  Sinnessphären  zu  erinnern.  Anderer¬ 
seits  liegt  für  die  Binnengebiete  —  angesichts  ihrer  späteren  Ent¬ 
wicklung,  ihres  Stabkranzmangels,  ihrer  Verknüpfung  durch 
zum  Teil  lange  Binnensysteme,  ihrer  anscheinend  immer  ge- 
lingeren  Ausbildung  auf  den  tieferen  Stufen  der  Tierreihe  —  die 
Hypothese  einer  höheren  Funktion  gewiss  nahe,  speziell  einer 
Verknüpfung  oder  Assoziation  der  Sinneseindrücke  als  Vorbedin¬ 
gung  des  höheren  psycho-physischen  Lebens.  Gewisse  klinische 
Beobachtungen  bei  Erkrankung  der  Binnengebiete,  z.  B.  gewisse 
Formen  von  Sprachstörung  oder  partieller  Amnesie  bei  Erkran¬ 
kung  des  Scheitellappens,  lassen  sich  schon  heute  hiefür  an¬ 
führen.  Gewiss  liefert  die  Erforschung  der  myelogenetischen 
und  tektonischen  Gliederung,  Flechsigs  Lehre  von  der  tek¬ 
tonischen  Dualität  der  Hirnrinde  nicht  unmittelbar  funktionale 
Daten,  doch  schafft  sie  für  die  Physiologie  und  Pathologie  der 
Hirnrinde  eine  ausserordentlich  wertvolle  Grundlage  und  bietet 
zahlreiche  heuristische  Hypothesen  zur  weiteren  Arbeit. 


B  esprec  li  u  n  g:  Herr  Nebelthau  weist  auf  den  grossen 
Wert  der  Flechsig  sehen  Methode  für  den  Nachweis  gewisser 
Projektionssysteme  hin.  Es  sind  gerade  diejenigen.  Systeme  früh¬ 
zeitig  deutlich  markhaltig,  deren  Funktion  uns  zur  Zeit  am  ver¬ 
ständlichsten,  da  sie  zu  den  Sinnessphären  führen.  Die  Anschau¬ 
ung  Flechsig  s,  dass  in  seinen  Assoziationszentren  Projektions- 
fasern  von  erheblicher  Menge  nicht  auftreten,  hat  einen  starken 
Widerspruch  erfahren,  so  von  Siemerling,  Vogt,  Mo  n  a  - 
k  ow  u.  a.  Auch  Römer,  der  mit  Vortragendem  G  kindliche  Ge¬ 
hirne  untersuchte,  konnte  feststellen,  dass  sich  ausserhalb  der 
Sinnessysteme  Projektionsfasern  entwickeln.  Für  die  Beurteilung 
der  Flechsig  sehen  Auffassung  von  der  Gehirnoberfläche  dürfte 
die  genaueste  klinische  Beobachtung  mit  nachfolgender  anatomi¬ 
scher  Untersuchung  von  Bedeutung  sein.  Einer  Erklärung  be¬ 
darf  vor  allen  Dingen  noch  die  Auffassung  der  Assoziations- 
Zentren. 


Herr  Aschaffenburg  macht  darauf  aufmerksam,  dass 
die  hervorragendsten  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Hirnanatomie, 
z.  B.  Nissl,  Vogt,  S  a  c  li  s,  Sie  in  erling  die  Richtigkeit  der 
Flechsig  sehen  Beobachtung  anzweifeln ;  Flechsig  habe 
ausserdem  in  seinen  Anschauungen  fast  von  Jahr  zu  Jahr  grund¬ 
legende  Wandlungen  gezeigt,  so  dass  man  auch  heute  nicht  wissen 
könne,  ob  er  das,  was  er  jetzt  als  letzte  Wahrheit  bezeichnet,  nicht 
schon  binnen  kurzem  wieder  wesentlich  verändern  wird.  A.  hält 
vor  allem  die  physiologischen  Schlüsse  Flechsigs,  der  sogar 
alle  möglichen  psychischen  Leiden  in  bestimmter  Weise  lokali¬ 
sieren  und  oft  schon  bei  den  betreffenden  Kranken  durch  die  blosse 


1520 


MtJEtt CIIENER  MEDIClNlSClIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


äussere  Untersuchung  diagnostizieren  will,  für  ausserordentlich  ge-  1 

wagt.  . 

Herr  Tscliermak  betont  demgegenüber  aut  das  ent¬ 
schiedenste,  dass  F  1  e  e  h  s  i  g  seine  eigentlichen  grundlegenden 
Ansichten  niemals  geändert  habe;  im  einzelnen  freilich  hätten  sich 
seine  Vorstellungen  auf  Grund  der  tatsächlichen  Befunde  und  der 
fortschreitenden  Ergebnisse  seiner  Forschungen  logisch  weiter  ent¬ 
wickelt. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Eine  modifizierte  Methode  des  Schröpf  ens 
beschreibt  S.  Eubinstein  in  den  Therap.  Monatsh.  1902,  t>. 
Die  Methode  besteht  darin,  dass  an  den  Schröpfköpfen  ein  Rohr 
mit  Hahn  angebracht  ist,  aus  welchem  mittels  einer  Spritze  die 
Luft  ausgesaugt  wird.  Nach  einer  Mitteilung  von  It.  v.  J  &  k  sch 
in  No.  7  derselben  Zeitschrift  hat  dieser  Autor  denselben  Apparat 
schon  vor  10  Jahren  angegeben.  Kr- 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  n  c  li  e  n,  G.  September  1902. 

_  No.  41  des  Gesetz-  und  Verordnungsblattes  veröffentlicht 

die  Allerhöchste  Verbescheidung  der  Landratsbesch  1  üs  s  e 
der  8  bayerischen  Regierungsbezirke  und  die  Rechnungsübei - 
sicliten  über  die  Kreis- Ausgaben  und  -Einnahmen  für  das  Jahr  1902. 

1  )ie  Ausgaben  für  Wohltätigkeitszwecke  und  Erziehungsinstitute, 
für  Blinden-,  Taubstummen-,  Gebär-  und  Irrenanstalten  figurieren 
darin  mit  grossen  rosten;  zur  Ermöglichung  spezialärztlicher 
Ohrenuntersuchung  der  Taubstummen,  sowie  für  den  besonderen 
Unterricht  der  mit  Hörresten  Begabten  haben  mehrere  Kreise  be¬ 
sondere  Aufwendungen  beschlossen.  Für  A  e  r  z  t  e  in  ar  m  e  n 
Gegenden  gewähren  aus  Kreismitteln  Remunerationen:  Obei- 
bayern  7412  li.,  Niederbayern  4900  M.,  Pfalz  2200  M.,  Oberpfalz 
11000  M.,  Oberfranken  9300  M.,  Mittelfranken  6300  M.,  Unter¬ 
franken  14  450  M.,  Schwaben  und  Neuburg  830  M.,  somit  alle 
Kreise  zusammen  5G372  M.  (1901:  56  072  M.).  Zur  Unterstützung- 
dürftiger  Hebammen  bezw.  des  pfälzischen  Hebammenvet- 
eins  bewilligte  der  pfälzische  Landrat  400  M.  und  der  mittel¬ 
fränkische  zur  Unterstützung  an  die  zu  Repetitionskursen  einzu¬ 
berufenden  Hebammen  500  M. 

_  Für  das  tierärztliche  Studium  ist  nunmehr  durch 

eine  Bekanntmachung  des  Reichskanzlers  vom  2G.  Juli  1902  das 
Reifezeugnis  eines  Gymnasiums,  Realgymnasiums,  einer  Obei- 
realschule  oder  einer  als  gleichstehend  anerkannten  höheren  Lehr¬ 
anstalt  vorgeschrieben.  Die  neue  Bestimmung  tritt  am  1.  Juli  1903 
in  Kraft. 

—  Zur  Erne  n  nung  Sc  li  weningers  zum  Pro¬ 
fessor  der  Geschichte  der  Medizin  wird  uns  noch 
geschrieben:  „Die Kreuzzeitung  hat  Recht.  Dass  Schweninger 
auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  der  Medizin  noch  nichts  geleistet 
habe,  trifft  nicht  zu.  Er  hat  im  S.-S.  1902  in  einem  Berliner 
studentischen  Verein  einen  Vortrag  über  „Medizinische  Moden“ 
gehalten,  d.  h.  abgelesen,  damit  man  ihm  nicht  wieder  etwas  nach- 
reden  könne,  was  er  nicht  gesagt  habe.  Dieser  Vortrag  ist  in  der 
„Zukunft“  No.  39  vom  28.  Juni  1902  abgedruckt.  Dort  heisst  es 
auf  S.  504  (Anfang  des  zweiten  Absatzes):  „Wer  nun  nicht  die 
Zeit  oder  die  Fähigkeit  zum  Historiographen  hat  —  und  ich 
bekenne  offen,  dass  beides  mir  fehlt  — “.  Sapienti  sat.“ 

_  Mit  Ermächtigung  des  grossherzoglich  badischen  Mini¬ 
steriums  des  Innern  hat  die  grossherzogliche  Badeanstalten- 
Kommission  zu  Baden-Baden  beschlossen,  auch  in  diesem  Jahre 
theoretisch-praktische  Kurse  der  physikalisch¬ 
diätetischen  Heilmethoden  und  der  Balneo- 
ther  a  p  i  e  für  Aerzte  und  Studierende  der  Medizin  einzurichten. 
Diese  Kurse  finden  in  den  mustergültigen  grossherzoglichen  Bade¬ 
anstalten  zu  B  a  d  en-B  a  d  e  n  statt  und  ist  der  Inhalt  derselben 
den  praktischen  Bedürfnissen  der  Aerzte  angepasst.  Folgende 
Herren  sind  mit  der  Abhaltung  der  Vorträge  und  praktischen 
Uebungen  betraut:  Geheimrat  Prof.  Dr.  Bäumler  -  Freiburg: 
Die  Balneotherapie  in  ihrem  Verhältnis  zur  Gesamtmedizin. 
Medizinalrat  Dr.  Frey:  Hydrotherapie,  ihre  Methodik  und  prak¬ 
tische  Einführung  in  ihre  Anwendungsformen.  Dr.  Gilbert: 
Diätetik  in  der  Balneotherapie  und  diätetischen  Heilmethoden. 
Dr.  Heiligenthal:  Die  physikalische  Therapie  der  funktio¬ 
neilen  Neurosen.  Medizinalrat  Dr.  Neumann:  Die  Thermo- 
therapie  mit  Demonstrationen  im  grossherzoglichen  Landesbad. 
Ilofrat  Dr.  Obkircher:  1.  Die  Thermen,  ihre  Anwendungs¬ 
weise  und  Indikation;  2.  Die  Massage  und  Heilgymnastik  und  ihre 
Stellung  in  der  Therapie;  3.  Inhalationstherapie  mit  Demon¬ 
stration;  4.  Demonstration  der  grossherzoglichen  Badeanstalten. 
Dr.  li  ö  s  s  1  e  r:  Chemie  der  Mineralquellen  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  Quellprodukte  und  der  medizinischen  Deutung 
der  Quellenanalysen.  Hofrat  Prof.  Dr.  Steinmann-  Freiburg: 
Die  geologischen  Beziehungen  der  Thermen.  Der  Beginn  der  auf 
8  Tage  berechneten  Kurse  ist  auf  den  13.  Oktober  gelegt.  Die 
Anmeldungen  zur  Teilnahme  haben  spätestens  bis  zum  10.  Oktober 
zu  erfolgen  unter  gleichzeitiger  Einsendung  eines  Teilnehmer¬ 
beitrages  von  20  M.  —  zur  Deckung  der  laufenden  Unkosten  — 
an  einen  der  Schriftführer  der  Balneologischen  Kurse  der  gross- 
lierzogl.  badischen  Badeanstalten-Kommission:  Dr.  W.  H.  Gilbert 


oder  Dr.  Curt  Hoff  mann- Baden-Baden  und  erteilen  diese 
Herren  bereitwilligst  jedwede  gewünschte  weitere  Auskunft 

—  Gegen  einen  Berliner  Arzt  ist  wegen  Verstoss  gegen  die 
vom  Kultusminister  Dr.  G  o  s  s  1  e  r  erlassenen  Anordnungen  über 
die  Vivisektion  vom  Vorstande  des  Tierschutzvereins  An¬ 
zeige  erstattet  worden.  Der  betr.  Arzt  soll  in  seiner  Wohnung  die 
Vivisektion  ausgeübt  haben.  Das  Polizeipräsidium  hat  die  An¬ 
gelegenheit  zur  weiteren  Verfügung  an  den  Kultusminister  über¬ 
wiesen. 

—  Die  Jahresversammlung  der  Belgischen 
Gesellschaft  für  Chirurgie  findet  vom  8 — 10.  September 
in  Brüssel  statt.  Auf  der  Tagesordnung  stehen:  Behandlung  der 
Appendizitis;  Behandlung  der  Frakturen;  Asepsis  (Vorbereitung 
der  Hände,  des  Operationsfeldes  und  des  Naht-  und  Unter¬ 
bindungsmateriales).  Ausserdem  wird  das  Projekt  der  Gründung 
einer  Internationalen  Gesellschaft  für  Chirurgie  besprochen 
werden. 

_ _ _  Oberstabsarzt  a.  D.  Dr.  Gotthold  Pann  w  i  t  z,  General¬ 
sekretär  des  Deutschen  Zentralkomitees  zur  Errichtung  von  Heil¬ 
stätten  für  Lungenkranke,  ist  zum  Professor  ernannt  -worden. 

_  Der  Kurator  des  Petersburger  Lehrbezirkes  und  frühere 

Direktor  des  Instituts  für  Experimentalmedizin  Vasili  v.  Anrep 
ist  zum  Direktor  des  Medizinaldepartements  des  russischen  Mini¬ 
steriums  des  Innern  ernannt  worden.  Zum  Direktor  des  Instituts 
für  Experimentalmedizin  wurde  der  Staatsrat  Winogradski 
ernannt. 

(Hochschulnachrichten.) 

B  e  r  1  i  n.  Der  Privatdozent  für  experimentelle  Psychologie 
Dr.  Friedrich  Schn  m  a  n  n,  Assistent  am  psychologischen  Seminar 
der  Universität,  wurde  zum  Professor  ernannt. 

Pra  g.  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  E.  H  ering 
wurde  zum  ordentlichen  Professor  der  allgemeinen  und  experi¬ 
mentellen  Pathologie  an  der  deutschen  Universität  in  Prag  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Bei  Schluss  der  Redaktion  dieser  Nummer  (der  wegen  des 
katholischen  Feiertags  am  Montag  früher  erfolgen  muss)  erhalten 
wir  die  Trauerkunde,  dass  Rudolf  Virchow  am  5.  ds.  in 
seinem  Heim  in  Berlin,  das  er  nach  langer  Abwesenheit  vor  we¬ 
nigen  Tagen  noch  erreicht  hätte,  gestorben  ist.  Das  Ereignis 
kommt  nicht  unerwartet,  die  schlimmen  Berichte  der  letzten 
Wochen  hatten  auf  die  nahe  bevorstehende  Katastrophe  genügend 
vorbereitet,  der  Gedanke  aber,  dass  nun  auch  der  grösste  der 
Reformatoren,  denen  wir  den  glänzenden  Aufschwung  der  Medizin 
im  vorigen  Jahrhundert  verdanken,  von  uns  geschieden  ist,  wirkt 
darum  nicht  minder  erschütternd.  Virchows  Wirken  ist  be¬ 
reits  anlässlich  der  Feier  seines  70.  Geburtstages  im  Jahre  1891 
in  dieser  Wochenschrift  von  berufener  Seite  gewürdigt  worden. 
Eine  neuerliche  abschliessende  Darstellung,  wie  sie  der  Bedeutung 
des  Mannes  entspricht,  wird  folgen. 

(Berichtigung.)  In  No.  35,  S.  1483,  Sp.  2,  Z.  2G  v.  u. 
ist  zu  lesen:  „gallenfarbstoffhaltiges  pleuritisches  Exsudat“  statt 
gallenhaltiges;  ferner  ebenda  S.  1484,  Sp.  1,  Z.  39  v.  o.  „reichlich“ 
statt  rahmig  und  ebenda  Z.  44  v.  o.  „hellgelbe“  statt  dunkelgelbe. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Gestorben:  Dr.  Heinrich  Amon,  k.  Strafanstaltsarzt  a.  D.  in 
München. 


Morbiditätsstatistikd.lnfektionskrankheitenfür  München. 

in  der  34  Jahreswoche  vom  17  bis  23.  August  1902. 
Beteiligte  Aerzte  93.  —  Brechdurchfall  30  (29*),  Diphtherie  u. 
Krupp  3  (4),  Erysipelas  3  (8),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  1().  Kindbettfieber  —  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 

Morbilli  9  (15),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  1  (2),  Parotitis 
epidem.  2  (2),  Pneumonia  crouposa  4  (4),  Pyämie,  Septikämie 

—  (  - ),  Rheumatismus  art.  ac.  9  (12),  Ruhr  (Dysenteria). — -(2), 

Scarlatina  4  ( — ),  Tussis  convulsiva  27  (24),  Typhus  abdominalis  1 
(1),  Varicellen  6  (2’,  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  —  (  ). 
Summa  99  (10G).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  34.  Jahreswoche  vom  17.  bis  23.  August  1902. 
Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  —  (1*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  1  (-),  Rotlauf  1  (-),  Kindbettfieber  2  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  —  (4),  Brechdurchfall  10  (6),  Unterleib-Typhus  — 
(— ),  Keuchhusten  6  (4),  Kruppöse  Lungenentzündung  3  (1),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  31  (21),  b)  der  übrigen  Organe  8  (4),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
1  (3),  Unglücksfälle  3  (2),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  210  (183),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  21,6  (18,8),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  12,4  (10,5). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdrucken*  a.G,,  München. 


t)Io  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöehentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5-6  Botren.’ 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Unerarn  vierteljährl.  6  JL 
ins  Ausland  8. —  Ji.  Einzelne  No.  80  -J. 


MÜNCHENER 


Zuwendungen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J  F  Leh¬ 
mann,  Henstrasse  20.  -  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEJJ10INISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Gh.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  W.  v.  Leute,  G.  Merkel,  J.v,  Mi 

München.  Freiburg  i.  B.  r ... _ .  _  . 


München. 


Leipzig. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


F.  Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 

Erlangen.  München.  München 


No.  37.  16.  September  1902, 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
\  erlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  2U. 


49.  Jahrgang. 


In  in  ein  o  ri  am  Rndolfi  \MrclroNv. 


Sumtno  cum  increnio 
Morbos  illustravit; 
Explorando  mortuos 
Vivos  adjuvavit. 

Vitae  persecutus  est 
Intima  arcana 
Et  ubique  somnia 
Dissipavit  vana. 


,,Omnisu  dixit  .,cellula 
E  cellula  exorta“; 

Tum  doctrinae  lucidae 
Patefacta  porta. 

Quae  reliquit  opera 
Perdiu  vigebunt  — 

Magna  liaec  vestigia 
Non  evanescebunt. 

A.  W. 


Originalien. 

Zum  Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und 

Unfallskranken. 

^  on  Ilofrat  Dr.  R.  v.  II  ö  s  s  1  i  n,  dirigierendem  Arzt  der  Kur¬ 
anstalt  Neuwittelsbach  bei  München. 

Der  Zusammenhang  zwischen  Trauma  und  Hysterie  ist  ge¬ 
wiss  m  vielen  Fällen  ein  ganz  anderer,  als  der  Unfallkranke  seihst 
angibt. 

Dass  bei  einer  bestehenden  Hysterie  nach  einem  Unfall,  sei 
er  mit  einer  Verletzung  oder  auch  nur  mit  einem  grossen  Schreck 
verbunden,  eine  Aggravation  eintreten  kann,  dass  aus  einer  laten¬ 
ten  Hysterie  durch  ein  Trauma  eine  paroxysmale  werden  kann, 
leugne  ich  ebensowenig,  wie  dass  bei  einem  Gesunden  nach  einem 
Trauma,  besonders  wenn  es  mit  Commotio  cerebri  einhergeht,  sich 
eine  schwere  Neurose  entwickeln  kann. 

Aber  ebenso  überzeugt  bin  ich,  dass  sehr  viele  der  sogen,  trau¬ 
matischen  Neurosen  lediglich  als  Produkte  der  Uebertreibung 
und  Simulation  anzusehen  sind,  die  sich  um  so  häufiger  zeigen 
werden,  je  schwerer  wir  Aerzte  als  Gutachter  uns  entschlossen, 
das  Kind  beim  rechten  Namen  zu  nennen. 

Wenn  wir  im  Anschluss  an  ein  Trauma  hysterische  Erschei- 
nungen  beobachten,  müssen  wir  an  die  Mögliclikeit  denken,  dass 
ci  vianke  schon  vor  dem  Unfall  hysterisch  gewesen  sein  kann. 
Rei  der  dem  hysterischen  eigenen  Charakterveranlagung  nützt  er 
.  n  Unfall  für  sich  aus,  übertreibt  bestehende  Beschwerden  und 
simuliert  neue  dazu.  Dies  ist  besonders  dann  sehr  wahr¬ 
scheinlich,  wenn  die  angegebenen  Folgen  in  gar  keinem 
er  aältnis  zu  dem  erlittenen  Unfall  stehen,  wenn  mit  dem  Un- 
&  weder  eine  schwere  Verletzung,  noch  ein  grosser  psvchischer 

No.  37. 


Schock  verbunden  war.  Der  Nachweis,  dass  der  Kranke  schon 
vor  dem  T  rauma  hysterisch  war,  ist  oft  nicht  zu  erbringen,  da¬ 
gegen  kann  sehr  oft  mit  Bestimmtheit  erwiesen  werden,  dass  die 
Beschwerden,  die  der  Kranke  als  Unfallsfolge  beschreibt,  gar 
nicht  vorhanden,  sondern  übertrieben  oder  simuliert  sind;  für 
den  Nachweis  der  Simulation  gibt  die  Untersuchung  des  Gesichts¬ 
feldes  sehr  wichtige  Anhaltspunkte,  besonders  wenn  ein  röhren¬ 
förmiges  Gesichtsfeld  besteht,  wie  es  Greef  in  der 
Berl.  klin.  V  ochenschr.  No.  21  d.  J.  beschreibt.  Mir  war 
der  Name  röhrenförmiges  Gesichtsfeld,  der  mir  das  Symptom 
sehr  wohl  zu  charakterisieren  scheint,  nicht  bekannt,  dagegen 
habe  ich  in  ärztlichen  Gutachten,  welche  ich  in  Unfall-  und  Ent¬ 
schädigungssachen  abzugeben  hatte,  dieses  Symptom  schon  seit 
längerer  Zeit  verwertet,  allerdings  nicht  ganz  im  Sinne  Greefs. 
Bei  Gelegenheit  eines  Vortrages,  den  in  der  Münchener  gynäko¬ 
logischen  Gesellschaft  Herr  Sittmann  über  die  Hysterie 
hielt,  habe  ich  in  der  Diskussion  das  Verhalten  des  Gesichts¬ 
felds,  wie  es  Greef  beschreibt,  erwähnt.  Für  mich  war  aber 
diese  Form  des  Gesichtsfeldes,  welches  bei  Entfernung  des  Fixier¬ 
punktes  vom  Auge  in  seinem  Durchmesser  nicht  zunimmt,  nicht 
charakteristisch  für  Hysterie,  sondern  nur  charakteristisch  für 
Simulation.  Finde  ich  ausser  diesem  Gesichtsfeld  keine  Sym¬ 
ptome,  welche  die  Diagnose  Hysterie  stellen  lassen,  so  halte  ich 
den  Kranken  auf  Grund  dieses  Gesichtsfeldbefundes  nicht  für 
einen  Hysterischen,  sondern  für  einen  Simulanten ;  finde  ich 
aber  andere  unzweifelhafte  Symptome,  die  für  bestehende 
Hysterie  sprechen,  so  sage  ich,  es  handelt  sich  um  einen  Hyste¬ 
rischen,  der  simuliert.  Simuliert  ist  das  röhrenförmige  Gesichts¬ 
feld  unter  allen  Umständen,  ob  der  Kranke  hysterisch  ist,  oder 
nicht.  Symptome,  die  physikalisch  unmöglich  sind,  wie  das 
Gleichbleiben  des  Gesichtsfclddurclnnessers  bei  verschiedenen 

1 


1522 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Entfernungen  des  fixierten  Punktes,  können  nie  wirkliche  Krank¬ 
heitssymptome  sein,  sondern  geben  den  untrüglichen  Beweis,  dass 
der  Kranke  unrichtige  Angaben  über  seine  Empfindungen  macht. 
Dass  wir  gerade  bei  Hysterischen  sehr  oft  diese  Erfahrung 
machen,  liegt  im  Wesen  der  Hysterie,  in  den  der  Hysterie  eigen¬ 
tümlichen  Charakterveränderungen,  zu  denen  auch  die  Neigung 
zu  übertreiben,  zu  lügen,  zu  simulieren  gehört.  In  welch  raffi¬ 
nierter  Weise  Hysterische  zu  simulieren  verstehen,  zeigt  in  be¬ 
sonders  schöner  Weise  ein  Fall  von  hysterischer  Pseudomeningitis, 
den  S  tarck  im  5.  Heft  des  21.  Bandes  der  Deutsch.  Zeitsohl .  f. 
Nervenheilk.  veröffentlicht.  Dem  Kranken  war  es  gelungen,  in 
einer  Reihe  von  Krankenhäusern  und  Kliniken  das  Bild  einer 
schweren,  fieberhaften  Gehirn-  und  Rückenmarksei  krankung, 
speziell  einer  Meningitis  vorzutäuschen,  so  dass  nicht  nur  wieder¬ 
holt  die  Lumbalpunktion,  sondern  sogar  eine  operative  Eröffnung 
des  Wirbelkanals  vorgenommen  wurde,  während  es  sich  stets  nur 
um  erlogene  Anamnese  und  vorgetäuschte  Krankheitszustände 
handelte. 

Es  liegt  weder  im  Interesse  solcher  Kranker,  noch  im  Inter¬ 
esse  des  ärztlichen  Ansehens,  wenn  diese  simulierten  Krankheits¬ 
erscheinungen  mit  allen  möglichen  Heilmethoden,  Medikamenten, 
physikalischer  Therapie,  Hypnose,  gynäkologischen  und  anderen 
Operationen  behandelt,  statt  einfach  als  Simulation  erkannt  und 
dadurch  zu  raschem  Verschwinden  gebracht  werden. 

Es  gelingt  freilich  oft  schwer,  die  Simulation  objektiv  zu  er¬ 
kennen,  nicht  nur  zu  vermuten,  und  darum  müssen  wir  auch  be¬ 
strebt  sein,  sichere  Methoden  zur  Entlarvung  der  Simu¬ 


lanten  auszubilden.  Gerade  bei  derartigen  Kranken,  bei 
denen  es  uns  darum  zu  tun  ist,  den  Nachweis  der 
Simulation  zu  führen,  scheint  mir  die  Konstatierung  des  von 
G  r  e  e  f  treffend  röhrenförmig  genannten  Gesichtsfeldes  sehr 
wertvoll  zu  sein,  wie  überhaupt  die  Simulation  durch  keine  Prü¬ 
fungen  so  sicher  wie  durch  die  optischen  nachgewiesen  werden 
kann.  Noch  ein  anderes  Symptom,  welches  ich  vor 
Jahren  paradoxe  Kontraktion  der  Antagonisten 
genannt  habe,  lässt  sich  für  den  Nachweis  der  Simu¬ 
lation  sehr  oft  verwerten.  Ich  habe  auf  dieses  ^Sym¬ 
ptom  seit  jener  Zeit  bei  einer  grossen  Zahl  von  Krank¬ 
heitsfällen,  bei  durch  organische  Erkrankung  bedingten  Paresen 
und  Paralysen,  bei  funktionellen  Lähmungen  und  endlich  bei 
allen  denjenigen  Kranken  geachtet,  welche  über  eine  nach  einem 
Trauma  zurückbleibende  Schwäche  einer  Extremität  zu  klagen 
haben.  Die  Prüfung  wird  in  folgender  Weise  vorgenommen:  Ich 
verlange  die  Ausführung  einer  bestimmten  Bewegung,  z.  B.  Beu¬ 
gung  im  Ellenbogengelenk  und  Annäherung  der  Hand  an  das 
Gesicht  (Abbildung  I);  dabei  erschwere  ich  durch  eine  ent¬ 
sprechende  Widerstandsbewegung  diese  Bewegung,  indem  ich  den 
Ellenbogen  des  Untersuchten  auf  meiner  linken  Hand  ruhen 
lasse  und  durch  Druck  meiner  rechten  Handfläche  gegen  die 
Volarfläche  des  Handgelenks  des  Untersuchten  der  Flexion  im 
Ellenbogengelenk  entgegenarbeite.  Den  Widerstand,  welchen  ich 
*  der  Bewegung  des  Untersuchten  entgegensetze,  bemesse  ich  nach 
der  Kraftleistung  des  letzteren.  Je  kräftiger  der  Untersuchte  die 
Bewegung  ausführt,  um  so  stärker  kann  der  Widerstand  sein, 
und  umgekehrt.  Nie  soll  der  Widerstand  so  gross  sein,  dass  da¬ 


durch  die  Ausführung  der  Bewegung  unmöglich  gemacht  wird, 
die  Bewegung  soll  nur  erschwert  und  verlangsamt  werden. 

Tn  dem  Augenblick,  in  welchem  ich  meinen  Widerstand 
plötzlich  auf  gebe,  schnellt  der  Vorderarm,  wie  eine  schnellende 
Feder  in  der  Richtung  der  intendierten  Bewegung,  im  gegebenen 
Fall  also,  gegen  das  Gesicht  des  Untersuchten.  Genau  das  gleiche 
Verhalten  beobachten  wir  ceteris  paribus  bei  allen  anderen  Be¬ 
wegungen.  Mit  dem  plötzlichen  Auf  hören  des 
Widerstandes  schnellt  das  Glied  immer  in  die 
Richtung  der  intendierten  Bewegung.  Es 
ist  leicht,  für  jede  Parese  oder  Funktionsstörung  die 
richtige  Widerstandsbewegung  zu  finden;  in  den  nebenstehen¬ 
den  Zeichnungen  I — III  ist  ersichtlich,  wie  solche  Widerstands¬ 
bewegungen  auszuführen  sind.  Das  soeben  beschriebene  \  er¬ 
halten  beobachten  wir  bei  allen  Gesunden,  ferner  bei 
allen  durch  organische  Erkrankungen  bedingten  Lähmungen, 
soweit  es  sich  nicht  um  absolute  Paralysen,  welche  die  Aus¬ 
führung  einer  Bewegung  überhaupt  verbieten,  sondern  um  Pa¬ 
resen  handelt.  Je  bedeutender  die  Parese  ist,  einen  um  so  ge¬ 
ringeren  Widerstand  dürfen  wir  nun  anwenden.  Haben  wir  z.  B. 
eine  Parese  des  rechten  Armes  infolge  einer  Apoplexie  und  ich 
lasse  eine  Elevation  im  Schultergelenk  ausführen,  während  ich 
durch  leichtes  Andrücken  des  rechten  Oberarms  an  den  Rumpf 
diese  Bewegung  erschwere,  so  schnellt  der  Arm  in  der  Richtung 
der  Elevation,  sowie  ich  meinen  W  iderstand  plötzlich  aufgebe. 
Ich  habe  seit  Jahren  bei  jeder  anatomisch  begründeten  Parese 
hierauf  geachtet  und  noch  nie  eine  Ausnahme  gefunden.  Eine 
Ausnahme  ist  auch  bei  normalem  Gelenkapparat  aus  mecha¬ 
nischen  Gründen  unmöglich.  Eine  Ausnahme  ist  nur  möglich, 
wenn  schmerzhafte  Gelenkerkrankungen  vorliegen,  die  den  Kran¬ 
ken  veranlassen,  eine  beabsichtigte  Bewegung  durch  gleichzeitige 
Kontraktion  der  Antagonisten  willkürlich  oder  reflektorisch  zu 


hemmen.  Ganz  anders  aber  ist  das  Verhalten  bei  simulierten  und 
den  sog.  funktionellen  oder  hysterischen  Lähmungen.  Lässt  man 
derartige  Kranke  eineBewegung  mit  der  scheinbar  paretischen  Ex¬ 
tremität  ausführen,  so  fühlt  man  sofort,  dass  gar  kein  energischer 
Versuch  gemacht  wird,  den  Widerstand,  den  man  der  Bewegung 
entgegensetzt,  zu  überwinden;  wird  wirklich  ein  gewisser  Kraft¬ 
aufwand  geleistet,  dann  geschieht  es  nicht  mit  denjenigen  Mus¬ 
keln,  welche  die  verlangte  Bewegung  ausführen  müssten, 
sondern  es  werden  gleichzeitig  die  Antago¬ 
nisten  kontrahiert  (durch  einfaches  Befühlen  der 
Muskeln  gelingt  durchaus  nicht  immer  der  Nachweis,  dass 
die  Antagonisten  kontrahiert  werden),  so  dass  die 
Muskeln  gegenseitig  ihre  Wirkung  aufheben,  oder  es  werden 
überhaupt  alle  Muskeln  der  Extremität  gleichzeitig  gespannt,  so 
dass  es  zu  keinem  Bewegungseffekt  kommt.  Infolge  dessen 
schnellt  nun  das  untersuchte  Glied  beim 
plötzlichen  Auf  hören  des  Widerstandes  nicht 
in  die  Richtung  der  verlangten  Bewegung, 
weil  eine  Intention,  das  Glied  in  diese  Richtung  zu  bringen,  über¬ 
haupt  gar  nicht  gemacht  wurde;  diese  Kranken  machen  keinen 
Versuch,  die  von  ihnen  geforderte  Bewegung  auszuführen,  son¬ 
dern  sie  wollen  den  Untersucher  davon  überzeugen,  dass  sie  eben 
nicht  die  Kraft  haben,  die  von  ihnen  verlangte  Bewegning  aus¬ 
zuführen;  um  diesen  Zweck  zu  erreichen,  kontrahieren  sie  Mus¬ 
keln,  welche  ein  Zustandekommen  der  verlangten  Bewegung 
direkt  verhindern.  Man  mache  nur  selbst  den  Versuch,  eine 
Muskelschwäche  vorzutäuschen  und  man  wird  sich  leicht  von 
diesem  Verhalten  überzeugen  können.  Bei  Hysterischen  ist  die 
Kraft,  welche  sie  aufwenden,  um  einen  ihnen  entgegengesetzten 
Widerstand  mit  einer  scheinbar  paretischen  Extremität  zu  über¬ 
winden,  viel  geringer,  als  es  den  im  gewöhnlichen  Leben  ge¬ 
leisteten  Funktionen  entspricht.  Sie  ist  tatsächlich  oft  gleich  Null, 


16.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1526 


j. 

so  dass  nach  diesem  Kriterium  eine  absolute  Paralyse  vorliegen 
müsste,  während  wir  doch  sehen,  dass  der  Patient  mit  dieser 
gleichen  Extremität  geht,  hebt  oder  andere  Funktionen  ausübt. 
Dass  es  sich  bei  diesen  sogen,  hysterischen  Lähmungen  meist  um 
absichtliche  Täuschungen  handelt,  steht  für  mich  fest,  daher 
kommt  es  auch  zu  oft  vor,  dass  wir  Hysterische  ihre  angeb¬ 
lich  gelähmten  Extremitäten  frei  bewegen  sehen,  wenn  dieselben 
sich  ganz  sicher  unbeobachtet  glauben.  Allerdings  können 
Monate  vergehen,  bis  es  einmal  gelingt,  eine  derartige  normale 
Kraftleistung  einer  angeblich  gelähmten  Extremität  zu  be¬ 
obachten.  Ich  halte  diese  Lähmungen  der  Hysterischen  ebenso 
für  simuliert,  A\de  viele  andere  Krankheitserscheinungen;  ich  war 
so  z.  B.  noch  immer  in  der  Lage,  das  bei  Hysterischen  auftretende 
Fieber,  das  nicht  durch  andere  interkurrente  Krankheiten  er¬ 
klärt  werden  konnte,  als  simulierte  Temperatursteigerung  zu 
entlarven.  Ich  darf  vielleicht  einige  Fälle  kurz  erwähnen. 

Hysterisches  Mädchen  mit  Ovarie,  heftigen  Schmerzen  im 
Unterleib.  In  Narkose  objektiv  negativer  Befund  an  den  Geni¬ 
talien.  Unter  Steigerung  der  Abendtemperatur  bis  39.0  in  der 
Achsel  gleichzeitig  heftigere  Reizerscheinungen  an  den  Genitalien. 
Grosse  Druckempfindlichkeit  der  Parametrien  und  des  Uterus;  auf 
Grund  der  abendlichen  Temperatursteigerungen  wird  nun  doch 
vom  beigezogenen  Gynäkologen  an  eine  Peri-  und  Parametritis 
gedacht.  Da  das  Allgemeinbefinden  nicht  dem  einer  Fiebernden 
entspricht,  wird  vom  4.  Tage  an  das  Thermometer  aus  der  Axilla, 
wo  39,0  abgelesen  wurde,  unmittelbar  in  den  Darm  gelegt,  wo  das 
Thermometer  unter  Kontrolle  5  Minuten  liegen  bleibt.  Hier 
wird  37,4  abgelesen.  Mit  der  Entlarvung  hören  auch  die  anderen 
Krankheitserscheinungen  auf. 

Ein  anderer  Fall: 

Eine  Hysterische  klagt  seit  einigen  Tagen  über  Schmerzen  in 
den  Knie-  und  Fussgelenken,  auch  in  beiden  Handgelenken.  Mor¬ 
gens  und  Abends  kleine  Temperatursteigerungen  37,5  bis  38,5  in 
axilla.  Die  Gelenke  sind  zwar  druckempfindlich,  aber  nirgends 
geschwellt.  Die  Kranke  macht  objektiv  keinen  fiebernden  Ein¬ 
druck.  Es  wird  nun  auch  das  Thermometer  unmittelbar  aus  der 
Axilla,  wo  38,3  abgelesen  wurde,  in  den  After  gelegt,  es  bleibt  dort 
5  Minuten  unter  Kontrolle  liegen,  nach  welcher  Zeit  37,3  abge¬ 
lesen  wird. 

Wir  haben  in  solchen  Fällen  regelmässig  gesehen,  dass 
die  nächsten  Achseltemperaturen  auch  normale  waren,  mit 
anderen  Worten,  dass  die  Kranken  sich  überzeugten,  dass  ihre 
Manipulation  durchschaut  wurde. 

Dass  es  wirklich  hysterisches  Fieber  gibt,  muss  man  ja  nach 
den  vielen  Angaben  hierüber  glauben;  ich  selbst  habe  nie  ein 
solches  beobachtet  und  in  diesbezüglichen  mir  bekannten  Publi¬ 
kationen  die  strikte  Angabe,  dass  eine  streng  kontrollierte  Anal¬ 
messung  vorlag,  stets  vermisst. 

Ebenso  sind  ja  viele  andere  Erscheinungen  der  Hysterie,  wie 
motorische  Krampfanfälle,  Respirationskrämpfe  u.  s.  w.  simu¬ 
liert,  was  zur  Evidenz  daraus  hervorgeht,  dass  alle  diese  Dinge 
sofort  aufhören,  wenn  man  den  Kranken  ganz  in  der  Lland  hat 
und  er  die  Ueberzeugung  gewinnt,  dass"  diesen  simulierten  Krank- 
heitserseheinungen  nicht  die  geringste  Beachtung  geschenkt 
wird.  Aber  wir  machen  die  Erfahrung,  dass  die  Hysterischen,  die 
in  dieser  Weise  alle  möglichen  Krankheitserscheinungen  simu¬ 
lieren,  gerade  die  schwersten  Fälle  sind,  und  wenn  es  auch  leicht 
gelingt,  unter  geeigneten  äusseren  Verhältnissen  die  simulierten 
Symptome  zum  Verschwinden  zu  bringen,  ist  in  diesen  Fällen, 
in  welchen  so  schwer  simuliert  wird,  die  Prognose  recht  trübe; 
hier  nehme  ich  nur  die  jugendlichen  Formen  aus.  Bei  Kindern 
habe  ich  z.  B.  oft  das  Bild  der  Chorea  major  beobachtet;  kaum 
sind  sie  einige  Tage  in  der  Anstalt,  so  hören  die  Anfälle  auf 
und  kommen  die  Kinder  nach  der  Entlassung  in  entsprechende 
pädagogische  Behandlung,  so  können  sie  gesund  bleiben. 

Bei  den  Hysterischen  ist  die  Simulation  und  Uebertreibung 
nur  ein  Symptom  der  Allgemeinerkrankung,  der  psychischen  Ver¬ 
änderung,  der  abnormen  Charakteranlage.  Finden  wir  daher 
neben  einer  ausgesprochenen  hysterischen  Veranlagung  ein  oder 
mehrere  Erscheinungen,  die  wir  für  simuliert  oder  übertrieben 
kalten,  so  werden  wir  diese  Simulation  ebenso  unter  die  Sym¬ 
ptome  der  Hysterie  rechnen  und  den  Kranken  nicht  wie  einen 
Simulanten,  sondern  wie  einen  Hysterischen  behandeln.  Ebenso 
werden  wir  uns,  wenn  wir  uns  gutachtlich  über  einen  derartigen 
Hysterischen  zu  äussern  haben,  dahin  aussprechen,  dass  der 
Kranke  zwar  übertreibt,  und  die  oder  jene  Symptome  simuliert, 
dass  aber  diese  Simulation  nur  eine  Teilerscheinung  der  Grund¬ 
krankheit,  der  Hysterie  sei.  Wir  werden  vielleicht  auch  darauf 
hinweisen,  wenn  es  sich  um  einen  Unfallkranken  handelt,  dass 
auch  bei  Flysterischen,  die  keine  Rentenansprüche  machen,  ge¬ 
nau  die  gleichen  Uebertreibungen  und  Simulationen  Vorkommen. 


Nun  finde  ich  die  beiden  weiter  oben  geschilderten,  sicheren 
Simulationszeichen,  das  röhrenförmige  Gesichtsfeld  und  die  para¬ 
doxe  Kontraktion  der  Antagonisten,  bei  sehr  vielen  Unfall¬ 
kranken,  bei  denen  gar  keine  anderen  Anhaltspunkte  für  Hysterie 
vorliegen,  in  welchen,  wenn  die  simulierten  und  übertriebenen 
Beschwerden  nicht  in  Betracht  gezogen  werden,  überhaupt  kein 
Krankheitssymptom  mehr  überbleibt.  In  diesen  Fällen  müssen 
wir  uns  eben  doch  anders  verhalten.  Es  geht  nach  meiner  An¬ 
sicht  zu  weit,  wenn  wir  bei  einem  Menschen,  der  in  der  aus¬ 
gesprochenen  Absicht,  einen  materiellen  Nutzen  zu  erzielen, 
Krankheitssymptome  vortäuscht,  aus  ganz  unkontrollierbaren  und 
unwahrscheinlichen  Beschwerden,  sowie  aus  den  als  übertrieben 
und  simuliert  erkannten  Erscheinungen  eine  Unfallsneurose  kon¬ 
struieren  wollen. 

Klagen  Kranke  über  alle  möglichen  Beschwerden,  die  sich 
durch  einen  objektiven  Organbefund  nicht  erklären  lassen,  son¬ 
dern  nur  durch  eine  hypochondrische  Verstimmung,  so  bin  ich 
nur  geneigt,  diesen  Kranken  Glauben  zu  schenken  und  eine  nach 
Unfall  entstandene  Depression  anzunehmen,  wenn  diese  Kranken 
dabei  keine  Symptome  darbieten,  welche  als  simuliert  erkannt 
werden;  der  wirkliche  Hypochonder  gibt  seine  krankhaften  Sen¬ 
sationen  an,  er  simuliert  aber  keine  Krankheitserscheinungen ; 
der  Nachweis  der  Simulation,  der  beabsichtigten  Täuschung  des 
Arztes,  spricht  also  gegen  Hypochondrie  und  spricht  dafür,  dass 
auch  die  anderen  subjektiven  Beschwerden  nicht  wirklich  em¬ 
pfunden,  sondern  nur  erlogen  sind.  Wenn  wir  objektive  Anhalts¬ 
punkte  finden,  um  bei  suspekten  Unfallkranken  die  Simulation 
aufzudecken  und  dadurch  zur  Einstellung  der  nicht  gebührenden 
Rente  behilflich  sind,  so  nützen  wir  der  guten  Sache.  Denn 
durch  das  häufige  Vorkommen  von  Uebertreibungen  oder  direkter 
Simulation  von  T  infallfolgen  musste  das  Ansehen  einer  so  wohl¬ 
tätigen  Einrichtung,  wie  sie  durch  die  Unfallgesetzgebung  ge¬ 
troffen  wurde,  entschieden  leiden.  Man  hat  schon  viel  darüber 
gesprochen,  dass  durch  die  Unfallgesetzgebung  eine  Korruption 
unter  den  von  Unfällen  Getroffenen  gezüchtet  worden  sei,  dass 
die  Begehrlichkeit  und  die  höchst  unmoralische  Bestrebung,  statt 
eines  für  Arbeit  geleisteten  Lohnes  eine  durch  Uebertreibungen 
erpresste  Rente  zu  erhalten,  durch  das  Gesetz  entstanden  sei.  Es 
ist  ganz  natürlich,  dass  in  Folge  der  vielfachen  ungünstigen  Ein¬ 
drücke,  welche  die  Aerzte  bei  der  Untersuchung  von  Unfallkranken 
gewinnen,  diesen  letzteren  leicht  ein  zu  grosses  Misstrauen  ent¬ 
gegengebracht  wird.  Je  leichter  wir  im  stände  sind,  eine  Ueber¬ 
treibung  objektiv  nachzuweisen,  um  so  günstiger  werden  wir  den¬ 
jenigen  begutachten,  bei  dem  eine  derartige  Uebertreibung  nicht 
nachgewiesen  werden  kann,  der  also  wirklich  die  Rente  verdient. 
Bei  allen  denjenigen  Unfallkranken,  bei  denen  der  objektive  Be¬ 
fund  die  von  den  Kranken  angegebenen  Beschwerden  erklärt,  habe 
ich  das  Symptom  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antagonisten 
regelmässig  vermisst;  dagegen  konnte  ich  sehr  häufig  Unfall¬ 
kranke,  welche  trotz  völlig  normaler  anatomischer  Verhältnisse 
noch  über  verminderte  Leistungsfähigkeit  klagten,  durch  den 
Nachweis  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antagonisten  bei 
Widerstandsbewegungen  der  Simulation  überführen. 

Seit  etwas  mehr  als  einem  Jahr  habe  ich  nicht  weniger  als 
37  mal  dieses  Phänomen  notiert  in  Fällen,  über  welche  bereits 
Vorgutachten  von  anderen  Aerzten  Vorlagen.  35  von  diesen 
Kranken,  die  alle  eine  höhere  Rente  beanspruchten,  als  die  Be- 
rufsgenossenchaft  ihnen  zugebilligt  hatte,  waren  auch  von  meinen 
Vorgutachtern  ungünstig  beurteilt  worden.  Entweder  wurde  von 
denselben  das  Bestehen  einer  Unfallfolge  oder  einer  Erwerbs¬ 
beschränkung  in  Abrede  gestellt  oder  aber  es  wurden  die  Be¬ 
schwerden  als  unglaubwürdig,  übertrieben  und  mit  dem  objek¬ 
tiven  Befund  nicht  erklärlich  bezeichnet.  Der  Nachweis  der 
Uebertreibung  oder  der  Simulation  war  in  keinem  Fall  mit 
Sicherheit  erbracht  worden,  in  vielen  der  Fälle  war  auch  noch 
eine  Rente,  wenn  auch  reduziert  gegenüber  den  Forderungen 
des  Verletzten,  zugebilligt  worden,  weil  eben  doch  ein  sicherer 
Beweis  für  die  Uebertreibung  nicht  geführt  werden  konnte. 
Durch  den  Nachweis  der  paradoxen  Kontraktion  der  Anta¬ 
gonisten,  durch  den  Nachweis,  dass  der  Kranke  vielfach  ganz, 
andere  Muskeln  kontrahiert,  als  er  kontrahieren  müsste,  um  die 
verlangten  Bewegungen  auszuführen,  gelang  es  mir  häufig,  den 
Verletzten  mit  Bestimmtheit  der  Täuschung  zu  überführen. 
Wiederholt  war  es  mir  auch  möglich,  den  Richter  selbst  von  der 
beabsichtigten  Simulation  zu  überzeugen. 


1* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1524 


Besonders  auffallend  gestaltet  sich  das  Phänomen,  wenn 
man  die  Schultermuskulatur  untersucht  und  zu  diesem  Zweck 
den  stehenden  Kranken  auffordert,  den  horizontal  seitwärts  aus- 
gestreckten  Arm  abwärts  zu  bewegen,  also  den  Arm  gegen  den 
Rumpf  zu  adduzieren.  Während  der  Arm  seitlich  hinausgestreckt 
wird,  leistet  man  durch  leichtes  Gegenhalten  am  Handgelenk 
(Abbild.  III)  einen  mässigen  Widerstand,  der  den  Arm  in  der 
horizontalen  Stellung  hält,  während  der  Kranke  den  Versuch 
machen  soll,  den  gestreckten  Arm  dem  Rumpf  zu  nähern.  Lässt 
man  den  Widerstand  durch  plötzliches  Nachgeben  mit  der  Hand 
aufhören,  so  muss  natürlich  der  Arm  sofort  federnd  nach  unten 
schnellen.  Nur  bei  denjenigen  Kranken,  welche,  statt  den  Arm 
abwärts  zu  bewegen,  den  Deltoideus  und  andere  Muskeln  kon¬ 
trahieren,  die  die  Adduktion  im  Schultergelenk  verhindern,  bleibt 
der  Arm  ausgestreckt.  Es  ist  dies  absolut  beweisend  für  Simu¬ 
lation. 

Ich  möchte  nun  einige  Beispiele  anführen,  in  welcher  Weise 
das  Symptom  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antagonisten  sich 
verwerten  liess. 


.T.  P.,  47  Jahre  alt,  Arbeiter,  erlitt  am  22.  III.  1900  eine  Kon¬ 
tusion  der  Brust;  infolge  dieser  Kontusion  sei  er  noch  heute  nicht  in 
vollem  Grade  arbeitsfähig  und  hat  daher  gegen  die  Herabsetzung 
der  Rente  von  40  Proz.  auf  20  Proz.  Berufung  ergriffen.  Die  Ent¬ 
scheidung  der  Berufsgenossenschaft  stützte  sich  auf  das  Gutachten 
ihres  Vertrauensarztes,  welcher  objektiv  nur  geringe  Veränderung 
findet  und  den  Eindruck  hat,  dass  der  Kranke  stark  übertreibt. 
Bei  der  Untersuchung  des  Kranken  finde  ich  keine  Veränderung  der 
Brustorgane.  Bei  der  Prüfung  der  groben  Kraft  der  Arme  zeigt 
sich,  dass  der  Kranke  gar  keinen  Versuch  macht,  den  seiner  Muskel¬ 
bewegung  entgegengesetzten  Widerstand  zu  überwinden,  so  dass 
beim  plötzlichen  Aufgeben  des  Widerstandes  keine  schnellende  Be¬ 
wegung  eintritt.  Da  weder  Veränderungen  an  den  Gelenken,  noch 
an  "den  Muskeln  bestehen,  so  kann  nur  Simulation  vorliegen.  Die 
Berufung  wird  abgewiesen. 

M.  W.,  20  Jahre,  Arbeiter,  erlitt  am  3.  \  II.  9<  Kontusion 
des  rechten  Schienbeins.  Schon  im  Vorgutachten  werden  die  An¬ 
gaben  des  W.  als  unglaubwürdig  und  übertrieben  bezeichnet.  Bei 
der  Untersuchung  findet  sich  nichts,  als  eine  massige  Verdickung 
an  der  Tibia.  Ich  lasse  nun  den  Kranken,  dessen  Oberschenkel¬ 
muskulatur  ganz  normal  entwickelt  und  dessen  Kniegelenk  frei 
beweglich  ist,  eine  Extension  im  Kniegelenk  ausführen,  während 
ich  durch  Druck  auf  die  Vorderseite  des  Fussgelenkes  das  Bein  an 
der  Streckung  hindere.  Lasse  ich  nun  plötzlich  aus,  so  muss  der 
Unterschenkel  in  der  Richtung  der  Streckbewegung  schnellen,  bei 
dem  Untersuchten  bleibt  das  Knie  flektiert,  weil  er  eben  keinen 
ernsten  Versuch  der  Extension  gemacht  hat,  sondern  um  seine 
Kraftlosigkeit  zu  beweisen,  gleichzeitig  mit  den  Streckmuskeln 
auch  die  Antagonisten  ausspannt.  In  der  Natur  der  Krankheit 
liegt  dies  Verhalten  keinesfalls,  sondern  es  handelt  sich  um  eine 
willkürliche  Anspannung  der  unrichtigen  Muskeln,  um  den  Arzt 
zu  täuschen.  Die  Berufung  wurde  abgewiesen. 

J.  N.,  30  Jahre,  Arbeiter,  Splitterbruch  des  rechten  Armes. 

Die  Muskulatur  des  rechten  Vorder-  und  Oberarmes  ist  noch 
etwas  weniger  gespannt,  als  auf  der  linken  Seite,  auch  ist  der  Um¬ 
fang  des  Armes  etwas  geringer  als  der  des  linken.  Dabei  sind 
aber  alle  Bewegungen  im  Ellenbogengelenk  völlig  frei.  Lasse  ich 
nun  den  Arm  ausstrecken,  während  ich  durch  einen  mässigen 


Widerstand  gegen  die  verlangte  Bewegung  den  Arm  im  Ellenbogen¬ 
gelenk  gebeugt  halte,  so  verharrt  der  Arm  beim  plötzlichen  Nach¬ 
lass  des  Widerstandes  in  dieser  Stellung,  statt  in  die  Streckstellung 
zu  schnellen,  ein  Beweis  dafür,  dass  der  Patient  gar  nicht  den  Ver¬ 
such  gemacht  hat,  meinen  Widerstand  zu  überwinden.  Auf  Grund 
dieses  Befundes  kann  dem  Wunsche  des  Kranken  um  Renten¬ 
erhöhung  nicht  entsprochen  werden. 


Ich  könnte  die  Zahl  ähnlicher  Untersuchungsergebnisse  be¬ 
liebig  vermehren,  fürchte  aber,  damit  die  Geduld  meiner  ver¬ 
ehrten  Leser  zu  sehr  in  Anspruch  zu  nehmen.  Dagegen  möchte 
ich'  noch  einige  Fälle  erwähnen,  die  dafür  sprechen,  dass  das 
Fehlen  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antagonisten  bei  Wider¬ 
standsbewegungen  gegen  hysterische  resp.  simulierte  Lähmungen 
spricht. 

Ich  erinnere  mich  an  3  Fälle,  in  welchen  ich  nach  den  übri¬ 
gen  Erscheinungen  geneigt  war,  eine  funktionelle  Störung  resp. 
Simulation  anzunehmen,  in  welchen  aber  das  Fehlen  der  para¬ 
doxen  Kontraktion  der  Antagonisten  auffiel.  In  allen  3  Fällen 
stellte  es  sich  heraus,  dass  wirklich  eine  organische  Störung 


vorlag. 

In  einem  Fall  handelt  es  sich  um  einen  seit  Jahren  hysterischen 
Herrn;  derselbe  bekam  während  einer  Behandlung  in  meiner  An¬ 
stalt  eine  Parese  des  linken  Beines;  die  paradoxe  Kontraktion  der 
Antagonisten  fehlte;  das  Bein  verhielt  sich  bei  Widerstands 
bewegungeil,  wie  ein  gesundes  (Knie)  Bein.  Im  Verlauf  mehrerer 
Monate  traten  ausgesprochene  spastische  Symptome  im  linken  Bein 
ein,  welche  dafür  sprachen,  dass  doch  eine  zerebrale  Störung  mit 
konsekutiven  Veränderungen  in  den  Pyramidenbahnen  eingetreten 
war. 


In  einem  anderen  Fall,  es  handelt  sich  auch  um  einen  seit 
Jahren  für  hysterisch  gehaltenen  Kranken,  machte  sich  eine  auf¬ 
fallende  Kraftlosigkeit  der  Arme  bemerkbar;  ich  hielt  die  Paresen 
für  hysterisch,  war  aber  überrascht,  das  Symptom  der  paradoxen 
Kontraktion  der  Antagonisten  bei  Widerstandsbewegungen  nicht 
zu  finden.  Eine  wiederholte  Untersuchung  ergab  Analgesie  und 
Tbermanästhesie  im  Gebiet  bestimmter  Zervikalsegmente  und 
gleichzeitige  Veränderung  der  elektrischen  Erregbarkeit  an  den 
Muskeln  der  Arme.  Ich  konnte  nun  die  Diagnose  einer  beginnen¬ 
den  Syringomyelie  stellen. 

Der  3.  Fall  betraf  eine  Unfallkranke;  die  Kranke 
klagte  über  eine  Schwäche  im  rechten  Daumen,  die  nach 
einer  Schnittverwundung  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  zu¬ 
rückgeblieben  sei;  objektiv  war  bei  oberflächlicher  Untersuchung 
ausser  der  etwas  druckempfindlichen  Narbe,  nichts  nachzuweisen; 
der  Arzt  hatte  daher  Abweisung  der  Rentenansprüche  beantragt 
und  die  Klagen  als  unglaubwürdig  bezeichnet.  Bei  der  Unter¬ 
suchung  mit  Widerstandsbewegung  fiel  mir  sofort  auf,  dass  das 
Phänomen  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antagonisten  negativ 
ausfiel,  dass  also  der  Verdacht  auf  Simulation  doch  wohl  un¬ 
begründet  sei.  Eine  genaue  Untersuchung  ergab,  dass  doch  Ver¬ 
änderungen  in  der  Daumenballenmuskulatur,  besonders  im  Ad- 
ductor  pollicis  brevis,  bestanden.  Daraufhin  wurde  die  verlangte 
Rente  gewährt. 

Ich  selbst  habe  den  Eindruck  gewonnen,  dass  die  oben  be¬ 
schriebene  Prüfung  mit  plötzlich  nachlassenden  Widerstands¬ 
bewegungen  nicht  nur  eine  sehr  rasche  Unterscheidung  der  or¬ 
ganischen  und  der  funktionellen  Paresen,  sondern,  wie  schon  er¬ 
wähnt,  vor  allem  auch  einen  sicheren  Nachweis  der  Simulation 
ermöglicht.  Ich  möchte  daher  die  Kollegen,  welche  viel  mit  Un¬ 
fallkranken  zu  tun  haben,  um  eine  Nachprüfung  des  geschilderten 
Verfahrens  bitten. 


Aus  der  Dr.  Decker  sehen  Privatheilanstalt  für  Magen-  und 
Darmkranke  zu  München. 

Zur  Diagnose  des  Sanduhrmagens.*) 

V on  Dr.  J.  Decker. 

Zu  den  schwierigsten  Diagnosen  auf  dem  Gebiete  der  Magen¬ 
erkrankungen  gehört  die  des  chronischen  Magengeschwürs,  weil 
die  Symptome,  unter  denen  dasselbe  auftritt,  so  vielgestaltig  sind, 
dass  es  schwer  ist,  sie  in  einen  einheitlichen  Rahmen  zusammen¬ 
zufügen.  Hand  in  Hand  mit  der  Schwierigkeit  der  Diagnose 
geht  auch  die  Schwierigkeit  der  Heilung,  insofern  als  Rezidive 
leider  nur  allzuhäufig  sind  und  selbst,  nach  erfolgter  Heilung 
Komplikationen  eintreten  können,  die  das  Leben  des  Patienten 
in  ernstester  Weise  gefährden. 

Gestatten  Sie  mir,  m.  H.,  heute  Abend  eine  dieser  Kompli¬ 
kationen  an  der  Hand  von  2  Fällen  meiner  Praxis  zu  besprechen 
und  zwar  die  des  sogen.  Sanduhrmagens. 

Die  Literatur  über  diese  Komplikation  ist  eine  verhältnis¬ 
mässig  nicht  sehr  grosse  und  dürfte  dies  wohl  damit  Zusammen¬ 
hängen,  dass  die  Diagnose  desselben  grossen  Schwierigkeiten  be¬ 
gegnet  und  daher  viele  Fälle  unerkannt  bleiben.  In  manchen  der 
veröffentlichten  Fälle  hat  auch  erst  die  Probelaparotomie  die 
Diagnose  ermöglicht. 

Soweit  ich  die  Literatur  überblicken  konnte,  scheint  diese 
Form  Veränderung  des  Magens,  freilich  sehr  selten,  auch  an¬ 
geboren  vorzukommen;  in  der  grössten  Mehrzahl  der  Fälle  ist  sie 
dagegen  akquiriert  und  zurückzuführen  auf:  1.  strikturierendes 
Karzinom,  2.  perigastrische  Verwachsungen  und  3.  auf  Na'rben- 
kontrakturen  im  Anschluss  an  ein  Ulcus.  Aetiologisch  am 
häufigsten  dürften  wohl  die  letzteren  sich  geltend  machen. 

Bevor  ich  zur  Besprechung  der  Symptome  übergehe,  möchte 
ich  Ihnen  die  Krankengeschichte  der  beiden  Fälle  vorführen,  die 
für  die  Entwicklung  der  Krankheit  sehr  instruktiv  sind. 

Frl.  Sch.,  28  Jahre  alt,  erkrankte  im  IG.  Lebensjahre  an 
Bleichsucht  uml  Magenkrämpfen.  Uebelkeit  und  Erbrechen 
selten.  Starke  Abmagerung.  Diagnose:  Magengeschwür.  Auf 
verordnete  strenge  Diät  langsame  Besserung.  Durch  13  Jahre  hin¬ 
durch  wechselten  sodann  Schmerzen,  Uebelkeit  und  Erbrechen 
mit  y, — 1  jährigen  beschwerdefreien  Pausen  ab.  Im  26.  Lebens¬ 
jahr  wurden  die  Schmerzen  heftiger  und  kontinuierlicher;  es  stellte 
sich  ausserdem  starkes  Druck-  und  Völlegefühl  ein.  Auf  eine 
2  malige  Kur  im  hiesigen  Krankenhaus  1.  il.  I.  verschwanden  die 
Beschwerden  eine  Zeitlang  fast  vollständig,  kehrten  aber  nach 
1  ys  Jahr  wieder,  der  Druck  nach  dem  Essen  wurde  unerträglich 
und  das  Erbrechen  sehr  schmerzhaft.  Fortwährende  Uebelkeit, 
gänzliche  Appetitlosigkeit  und  beim  Essen  immer  das  Gefühl,  dass 
der  Magen  zu  wenig  fassen  könne. 


*)  Vortrag,  gehalten  im  Münchener  ärztlichen  Verein  am 
14.  Mai  1902. 


16.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCILE  WOCHENSCHRIFT. 


1525 


In  diesem  Zustande  trat  Pat.  in  meine  Behandlung.  Meine 
Diagnose  lautete  auf  chronisches  Magengeschwür.  Da  dem  Er¬ 
brochenen  häufig  Blut  beigemischt  war,  nahm  ich  mit  Rücksicht 
nul  die  Gefahr  einer  eventuellen  Blutung  eine  Magenausspülung 
nicht  vor  und  verordnete  Pat.  eine  14  tägige  strenge  Diät-  und 
Liegekm,  v  äliiend  welcher  die  Beschwerden  fast  vollständi0' 
nachliessen.  Nach  diesen  14  Tagen  stand  Pat.  auf  und  erhielt 
leichte  Eleischdiät.  Schon  nach  mehreren  Tagen  traten  ohne 
irgend  eine  äussere  Veranlassung,  die  alten  Beschwerden  mit  er- 
ntutci  Heftigkeit  v  ledei  auf  und  kam  ich  infolgedessen  zur  Ueber- 
zeugung,  dass  iigend  eine  Komplikation  des  Ulcus  vorliegen  müsse. 
Ich  nahm  daraufhin  eine  Ausspülung  des  Magens  vor  und  war 
überrascht,  nach  anfänglichem  klaren  Ausfiiessen  der  Spülflüssig¬ 
keit  plötzlich  Speisereste  aus  dem  Trichter  ausfiiessen  zu  sehen 
Damit  war  die  Situation  geklärt.  Es  unterlag  keinem  Zweifel, 
dass  der  Magen  aus  2  Säcken  bestand,  von  denen  der  dem  Pylorus 
zunächst  gelegene  Teil  die  Speisereste  enthielt.  Auf  Grund  dieses 
Symptoms  stellte  ich  die  Diagnose  auf  Sanduhrmagen  und  nahm 
zur  Sicherstellung  derselben  eine  Aufblähung  des  Magens  mit 
CD,  vor.  Hierbei  zeigte  sich  eine  ungleiclimässige  Auftreibung 
des  ziemlich  kleinen,  nach  links  gelegenen  Magens.  In  der  Mitte 
des  aufgetriebenen  Magens  konnte  man  deutlich  eine  Furche  er¬ 
kennen,  die  der  Einschnürungsstelle  entsprechen  musste. 


Ich  beobachtete  nun  bei  dieser  Untersuchung  ein  Phänomen, 
das  bisher  noch  nicht  beschrieben  worden,  aber  gewiss  zur  Siehei- 
steilung  der  Diagnose  beizutragen  im  stände  ist.  Setzte  ich  das 
iiünohi  auf  den  Pylorusteil  des  aufgeblähten  Magens  auf  und 
übte  mit  der  Hand  einen  Druck  auf  den  Kardialteil  aus,  so  konnte 
mau  deutlich  ein  quatschendes  Geräusch  durchgepresster  Gase 
erkennen  und  umgekehrt.  Uebte  ich  aber  einen  Druck  mit  dem 
Finger  auf  die  Einschnürungsstelle  aus,  so  blieb  im  Magen  alles 
ruhig,  im  höchsten  Falle  hörte  man  ein  leises  Geräusch  wie  aus 
weiter  Ferne.  Auf  diese  Weise  konnte  ich  die  Stelle  der  Ein¬ 
schnürung  ganz  genau  feststellen  und  erwies  sich  diese  Bestim¬ 
mung  bei  der  Laparotomie  auch  als  vollständig  zutreffend  und 
möciice  ich  daher  auf  dieses  neue  Symptom  besonders  aufmerksam 
machen.  Auch  die  elektrische  Durchleuchtung  des  Magens  er¬ 
wies  sich  als  diagnostisch  sehr  gut  verwertbar.  Während  man 
bei  derselben  bei  normaler  Figuration  des  Magens  eine  gleich- 
massig  leuchtende  Fläche  sieht,  sah  man  in  unserem  Falle  eine 
ungleielimässig,  in  der  Mitte  stark  beschattete,  leuchtende  Fläche, 
die  uns  dasselbe  Bild  wie  bei  der  Aufblähung  lieferte. 


Pat.  entschloss  sich  zur  Operation  und  wird  Ihnen  Herr  Prof. 
Schmitt  über  dieselbe  des  Näheren  berichten.  2  Monate  nach 
derselben  blieb  Pat.  beschwerdefrei.  Alsdann  stellten  sich  neben 
Uebeikeiten  Schmerzen  in  der  rechten  Seite  und  das  Gefühl 
starken  schmerzhaften  Zerrens  ein,  das  sich  beim  Gehen  ver¬ 
stärkte.  Da  schon  bei  der  Laparotomie  eine  heftige  Perigastritis 
konstatiert  worden  war,  lag  der  Verdacht  nahe,  dass  sich  frische 
Verwachsungen  gebidet  haben  und  die  erneuten  Beschwerden  ver¬ 
ursachen  konnten.  Ausserdem  musste  auch  an  die  Möglichkeit 
gedacht  werden,  dass  sich  die  Gastroplastik  als  ungenügend  er¬ 
wiesen  resp.  die  neue  Narbe  sich  wieder  kontrahiert  habe.  Nun 
ländlich  ausserdem  rechts  in  der  Gegend  des  Pylorus  eine  finger¬ 
starke,  derbweiche  Verdickung,  die  mich  an  eine  muskuläre  Hyper¬ 
trophie  des  Pylorus  denken  liess,  um  so  mehr,  als  sich  der  ziem¬ 
lich  kleine  Magen  nach  der  Operation  als  ddatiert  erwies.  Die 
tapfere  Pat.  entschloss  sich  zur  zweiten  Laparotomie  und  fanden 
wit  bei  derselben  in  der  Tat  zahlreiche  ausgedehnte  perigastrische 
\  erwaclisungen  und  an  der  Stelle,  die  ich  als  muskuläre  Pylorus- 
hypertrophie  gedeutet,  einen  fingerdicken  Strang  zwischen  Magen 
und  vorderer  uauchwand.  Seit  dieser  zweiten  Operation,  die  vor 
S  Monaten  stattfand,  ist  Pat.  vollständig  gesund  und  hat  an 
Körpergewicht  bedeutend  zugenommen. 

Die  zweite,  27  jährige  Pat.,  Frl.  li.,  erkrankte  vor  G  Jahren 
an  Magenschmerzen,  die  4 — G  Wochen  andauerten  und  dann  wieder 
füi  längeie  Zeit  vollständig  verschwanden.  Erbrechen  war  nicht 
vorhanden.  Die  Beschwerden  kehrten  jedes  Jahr  1—2  mal  wieder 
und  nahmen  vor  2  Jahren  so  zu,  dass  sie  fast  täglich  sich  eiu- 
steilten.  Erbrechen  war  auch  jetzt  noch  selten  und  trat  nur  ein 
nach  schweren  Speisen.  Dasselbe  wurde  aber  seit  November 
vorigen  Jahres  häufiger  und  stellte  sich  auch  nach  den  leichtesten 
Speisen  ein.  Von  dieser  Zeit  an  hatte  Pat.  oft  das  Gefühl,  als  ob 
der  Magen  platzen  wollte  und  war  der  Brechakt  selber  stets  mR 
den  heftigsten  Schmerzen  verbunden.  Ausserdem  traten,  bald 
gleichzeitig  mit  den  Magenschmerzen,  bald  unabhängig  von  den 
selben,  Schmerzen  rechts  und  links  vom  Magen  auf. 

Auch  in  diesem  Falle  lautete  anfangs  meine  Diagnose  auf 
chronisches  Magengeschwür,  wahrscheinlich  kompliziert  durch 
Verwachsungen  mit  den  Nachbarorganen.  Auf  strenge  Diät  und 
Liegekur  erfolgte  auch  hier  ein  Nachlassen  der  Beschwerden, 
die  sich  aber  beim  Aufstehen  und  bei  kompakterer  Nalirungs- 
zufuhr  sofort  wieder  einstellten.  Die  Ausspülung  und  Aufblähung 
des  Magens  ergab  auch  hier  das  Vorhandensein  eines  Sandulir- 
niagens,  der  durch  die  Laparotomie  bestätigt  wurde.  Die  Ein 
Schnürung  lag  auch  hier,  wie  im  ersten  Fall,  genau  in  der  Mitte 
des  Magens. 


Bezüglich  der  Ausspülung  möchte  ich  auf  ein  sehr  beachtens¬ 
wertes  Moment  hinweisen.  Es  empfiehlt  sich  nämlich,  die  Pa¬ 
tenten  auszuspülen,  nachdem  sie  ein  Zeitlang  vorher  in  sitzender 
jesp.  stehender  Stellung  zugebracht.  Spülen  Sie  dagegen  den 
atienten  im  Bett  aus,  so  kann  Sie  das  Symptom,  dass  bei  der 
.  usspiilung  zuerst  reines  Wasser  und  dann  erst  Speisereste  ab- 
No.  37. 


lliossen,  im  Stiche  lassen,  indem  bei  der  horizontalen  Lage  der 
Inhalt  des  Pylorusteiles  sich  leichter  in  den  kardialen  Sack  ent- 
Je«!™u  infolgedessen  dann  bei  der  Ausspülung  sofort  ge¬ 

trübte  Flüssigkeit  abfliesst.  Ausserdem  empfiehlt  es  sich  aus  dem- 
selben  Grunde,  den  Pat.  bei  der  Ausspülung  den  Oberkörper  nach 
«ler  Seite,  wo  der  Magen  liegt,  beugen  zu  lassen. 


Wenn  feie  diese  beiden  Krankengeschichten  analysieren,  dann 
finden  Sie  in  ihnen,  zeitlich  genau  abgegrenzt,  die  einzelnen  Ent- 
wicklungsphasen  der  Krankheit  deutlich  wiedergegeben.  Heide 
Patienten  sind  vor  einer  Reihe  von  J ahren  an  Magengeschwür 
ei  krankt,  das  ausheilte  und  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  re- 
zidivierte.  Solange  der  Geschwürsgrund  ein  eng  lokalisierter  war, 
blieb  die  Narbenbildung  ohne  schädliche  Wirkung  und  die  Pa¬ 
tienten  fühlten  sich  daher  in  diesen  Stadien  der  Vernarbung 
fiei  von  Beschwerden.  Aber  die  immer  wiederkehrenden  Re¬ 
zidive  haben  die  Geschwürsfläche  allmählich  immer  mehr  ver- 
grössert  und  damit  trat  die  Schattenseite  der  von  der  Therapie 
erstrebten  Narbenbildung  ein,  es  bildeten  sich  an  dieser  Stelle 
Narbenkontrakturen  und  je  mehr  dieselben  fortschritten,  um  so 
kontinuierlicher  wurden  die  Beschwerden.  Der  Mageninhalt 
konnte  nur  mehr  unter  den  schmerzhaftesten  Zerrungen  der 
stenosierten  Stelle  vom  kardialen  Teil  in  den  Pylorusteil  hin¬ 
durchgepresst  werden  und  auch  umgekehrt  konnte  der  stag¬ 
nierende  Inhalt  des  Pylorusteiles  nur  unter  den  schmerzhaftesten 
Zerrungen  der  Stenose  wieder  erbrochen  werden. 

Deshalb  ist  das  hervorstechendste  Symptom  dieser  Erkran¬ 
kung  äusserst  heftiger  Schmerz  im  Magen,  der  sich  vom  Magen¬ 
krampf  beim  einfachen  Ulcus  dadurch  unterscheidet,  dass  er  viel 
länger  andauert  und  weniger  ein  Krampf  als  ein  intensiver 
Spannungsschmerz  ist,  wie  bei  zu  starker  künstlicher  Aufblähung 
des  Magens  mit  CÜS.  Ein  ferneres  charakteristisches  Zeichen  ist, 
dass  der  Schmerz  nicht  unmittelbar  nach  dem  Erbrechen  auf- 
hört,  sondern  noch  ca.  Yz  Stunde  andauert.  Der  Schmerz  wird 
eben  hier  nicht  nur  wie  bei  anderen  Magenerkrankungen  durch 
den  Reiz  des  stagnierenden  Mageninhaltes  hervorgerufen,  son¬ 
dern  auch  und  hauptsächlich  durch  die  intensiven  Zerrungen, 
die  durch  den  Brechakt  an  der  stenosierten  Stelle  stattfinden. 
Nur  dadurch,  dass  die  Patienten  nur  flüssige  Nahrung  und  auch 
diese  nur  in  nicht  zu  grossen  Portionen  geniessen,  lassen  sich  die 
Schmerzen  einigermassen  mildern.  Differentialdiagnostisch  zu 
verwerten  scheint  mir  auch  der  Umstand  zu  sehr,  dass  die 
Schmerzen,  die  bei  Liegekur  und  flüssiger  Diät  verschwanden, 
sofort  wieder  in  alter  Heftigkeit  einsetzten,  als  die  Patienten 
wieder  auf  standen  und  eine  kompaktere  Nahrung  zu  sich  nahmen. 
Das  tut  ein  einfaches  Ulcus  nicht.  Lassen  bei  demselben  in  der 
gewöhnlich  14  Tage  dauernden  Ruhekur  die  Schmerzen  nach, 
dann  dürfen  sie  unter  keinen  Umständen  sofort  wieder  auftreten, 
wenn  I  atient  auf  steht  und  eine  kompaktere  Nahrung  zu  sich 
nimmt.  So  unbedeutend  dieser  Umstand  an  und  für  sich  scheinen 
mag,  so  messe  ich  ihm  doch  eine  besondere  pathognomonische  Be¬ 
deutung  bei  der  Diagnose  des  Sanduhrmagens  bei. 

Das  zweite  Hauptsymptom  ist  das  Erbrechen,  in  Eolge  der 
schweren  Passierbarkeit  der  Striktur  erfolgt  dasselbe  gewöhnlich 
nicht  in  einem  Guss,  sondern  in  kleinen  Portionen.  Ist  die 
Stenose  aber  sehr  eng  geworden,  so  kann  das  bis  dahin  regel¬ 
mässig  auftretende  Erbrechen  ausbleiben,  weil  dieselbe  nichts 
mehr  durchlässt.  Damit  tritt  aber  für  den  Patienten  ein  äusserst 
qualvoller  Zustand  ein,  der  nur  durch  regelmässige  Ausspülungen 
einigermasser  erleichtert  werden  kann. 

J e  nach  dem  Sitze  der  V erengerung  wird  das  Erbrechen  bald 
früher,  bald  später  nach  der  Nahrungsaufnahme  auftreten.  Ist 
die  Stenose,  was  wohl  selten  Vorkommen  dürfte,  nahe  der  Kardia, 
dann  wird  das  Erbrechen,  wie  bei  einer  Oesophagusstenose,  bald 
nach  der  Nahrungsaufnahme  erfolgen;  ist  sie  nahe  dem  Pylorus, 
erfolgt  es  gegen  Ende  der  Verdauung;  sitzt  sie  aber,  wie  in 
unseren  Fällen,  in  der  Mitte  des  Magens,  dann  beginnt  das  Er¬ 
brechen  gewöhnlich  2 — 3  Stunden  nach  dem  Essen. 


Wenn  somit  die  eigentümliche  Art  des  Auftretens  des 
Schmerzes  und  Erbrechens  den  Verdacht  auf  Sanduhrmagen  in 
uns  erwecken  muss,  so  wird  dieser  Verdacht  doch  erst  zur  Sicher¬ 
heit,  wenn  wir  nachweisen  können: 

1.  Dass  bei  Ausspülung  des  Magens  anfangs  das  Wasser  rein 
ausfiiesst  und  dalrn  plötzlich  Speisereste  nachfolgen. 

2.  Dass  das  Wasser,  das  man  durch  die  Schlundsonde  in  den 
Magen  eingeführt  hat,  in  die  Tiefe  verschwindet,  ohne  wieder 
zum  Vorschein  zu  kommen.  Es  wird  dies  dann  der  Fall  sein, 


V 

f'4 


1526 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


wenn  der  Pylorussack  grösser  ist  wie  der  Kardiasack  und  infolge¬ 
dessen  das  Wasser  zu  seinem  Speiseninhalt  fassen  kann,  ohne 
überzulaufen.  Es  ist  deshalb  für  jeden  Fall  geraten,  2  Trichter 
Wasser  hintereinander  einlaufen  zu  lassen. 

3.  Dass  nach  Aufblähung  des  Magens  mit  Luft  oder  C02  eine 
ungleichmässige  Auftreibung  sieh  zeigt,  bei  der  meistens  eine 
Einschnürung  deutlich  zu  erkennen  ist.  Besonders  chai  ak¬ 
teristisch  ist  hierbei,  wenn  sich  zuerst  der  kardiale  Sack  aufbläht 
und  erst  nachträglich  der  Pylorussack. 

4.  Dass  bei  elektrischer  Durchleuchtung  des  Magens  eine  un- 
gleichmässig  leuchtende,  an  der  Stelle  der  Einschnürung  be¬ 
schattete  Fläche  sich  zeigt. 

5.  Dass  sich  bei  Aufblähung  des  Magens  das  Phänomen 
zeigt,  dass  bei  Druck  auf  die  eine  Magenhälfte  ein  Geräusch 
durchgepresster  Luft  deutlich  zu  vernehmen  ist,  dass  dagegen 
dieses  Geräusch  bei  Druck  auf  die  Einschnürungsstelle  fehlt. 

Zum  Schluss  noch  einige  allgemeine,  praktische  Bemer¬ 
kungen.  Dass  Patienten,  die  jahrelang  von  derartigen  heftigen 
Schmerzen  heimgesucht  sind,  in  ihrem  Nervensystem  stark  er¬ 
schüttert  werden,  ist  sehr  begreiflich;  nur  das  Gegenteil  könnte 
uns  wundern.  Nun  haben  Sie  aus  der  Krankengeschichte  ei- 
fahren,  dass  die  Beschwerden  bei  absolut  strenger  Diät  anfangs 
bessser  wurden  und  anscheinend  ganz  unmotiviert  sich  wieder 
verschlimmerten.  Weim  Sie  nun  einen  solchen  Patienten  immer 
wieder  untersuchen  und  keinen  greifbaren  Anhaltspunkt  für  die 
Erklärung  der  Schmerzen  finden,  was  liegt  da  näher,  als  die 
Schmerzen  in  Zusammenhang  mit  der  ja  in  der  Tat  vorhandenen 
Nervosität  zu  bringen  und  das  ganze  Leiden  für  nervös  zu  er¬ 
klären.  Je  weiter  wir  aber  in  das  Verständnis  der  einzelnen 
Krankheitserscheinungen  eindringen,  um  so  mehr  engt  sich  der 
Kreis  der  von  uns  für  rein  nervös  gehaltenen  Erkrankungen  ein 


und  wir  überzeugen  uns  immer  mehr,  dass  doch  häufiger  als  wir 
glauben  die  organische  Veränderung  irgend  eines  Organs  die 
Ursache  für  die  nervösen  Beschwerden  abgibt. 

Beim  zweiten  Fall  hätte  ein  Symptom  ebenfalls  leicht  zu 
der  Diagnose  „nervös“  verleiten  können.  Die  Pat.  empfand 
nämlich  schon  bei  der  leichtesten  Berührung  der  Magengegend 
intensive  Schmerzen,  die  nur  als  Hyperästhesie  der  Haut  ge¬ 
deutet  werden  konnten.  Jetzt,  wo  die  Pat.  geheilt  ist,  ist  auch 
diese  Hyperästhesie  verschwunden,  womit  erwiesen  ist,  dass  die¬ 


selbe  in  direktem  ursächlichen  Zusammenhang  mit  der  Magen¬ 
erkrankung  gestanden.  Deshalb  seien  wir  mit  der  Diagnose 
„nervös“  sehr  zurückhaltend. 


Zur  chirurgischen  Therapie  des  Sanduhrmagens.*: 

Von  Prof.  Dr.  Adolf  Schmitt  in  München. 

Die  chirurgische  Behandlung  des  Sanduhrmagens  ist  häufig 
etwas  schwieriger  wie  jene  der  übrigen  mit  Stenosenerschei¬ 
nungen  einhergehenden  Magenerkrankungen,  weil  beim  Sanduhr¬ 
magen  die  Verhältnisse  oft  komplizierter  und  vielgestaltiger  sind 
und  weil  es  im  einzelnen  Fall  gar  nicht  leicht  ist,  unter  den 
verschiedenen  möglichen  Operationsverfahren  das  richtige  aus¬ 
zuwählen. 

Beim  stenosierenden  Pyloruskarzinom  z.  B„  das  nicht  mehr 
durch  Resektion  entfernt  werden  kann,  oder  bei  der  gutartigen, 
narbigen  Pylorusstenose,  die  sich  infolge  ihrer  Derbheit  oder 
wegen  Verwachsungen  mit  der  Nachbarschaft  nicht  zur  Pyloro- 
plastik  eignet  (die  Resektion  kommt  ihrer  im  Verhältnis  zur  Gut¬ 
artigkeit  der  Erkrankung  grossen  Gefährlichkeit  wegen  doch  nur 
selten  in  Betracht),  ist  die  Wahl  eigentlich  nur  zwischen  den 
verschiedenen  Modifikationen  der  Gastroenterostomie  zu  treffen 
und  bei  dem  Widerstreit  der  Meinungen  und  nach  den  veröffent¬ 
lichten  Resultaten  kann  man  sich  vorstellen,  dass  es  in  der  Tat 
vielfach  Sache  der  Erfahrung  ist,  die  der  einzelne  Chirurg  mit 
einer  bestimmten,  von  ihm  vorwiegend  geübten  Methode  gemacht 
hat,  ob  er  die  vordere  oder  die  hintere  Gastroenterostomie  aus¬ 
führt,  oh  er  Hilfsoperationen,  die  Enteroanastomose  z.  B.,  für 
nützlich  und  notwendig  hält  u.  s.  w.  —  die  Indikation  zur  Gastro- 
enteroanastomie  an  sich  ist  im  allgemeinen  leicht  zu  stellen. 
Beim  Sanduhrmagen  kommen  von  vornherein  mehr  Operations- 
methoden  in  Betracht  als  bei  der  Pylorusstenose;  allen  gemein¬ 
sam  ist  natürlich  der  Zweck,  die  oft  ungemein  heftigen  Be¬ 
schwerden  und  Schmerzen,  die  Erscheinungen  der  Stenose,  das 


eigentümlich  auftretende  Erbrechen,  die  Erweiterung  des  einen 
oder  beider  Magensäcke  zu  beseitigen.  Es  ist  einleuchtend,  dass 
bei  der  ungemein  grossen  Verschiedenheit  der  einzelnen  I  alle 
und  hei  der  Mannigfaltigkeit  der  Komplikationen,  die  sich  am 
erkrankten  Magen  finden,  von  einem  schematischen  Vorgehen, 
von  einer  „Normalmethode“  nicht  gesprochen  werden  kann. 

Als  Operationsverfahren  kommen  in  Frage:  1.  Die  digi¬ 
tale  oder  instrumenteile  Erweiterung  der 
E  insehn  ii  r  u  n  g  durch  stumpfe  Dehnung  von  einem  Magen- 
sclmitte  aus  (als  L  o  r  e  t  a  sehe  Methode  bezeichnet)  ;  2.  die 
Gastroplastik  nach  Art  der  Pyloroplastik  bei  gut¬ 
artigen  Pylorusstenosen  (H  ei  neke  - Mikulicz)  quere 

Vernähung  einer  Längsinzision  in  die  einschnürende  1  artie, 

3.  die  Gastroanastomose  (W  ö  1  f  1  e  r  ')  —  Herstellung 
einer  Verbindung  zwischen  den  beiden  Magensäcken;  4.  die 
Gastroenterostomie  (Hacker,  W  ö  1  f  1  e  r)  —  '\  erbin- 
dung  zwischen  einem  der  beiden  Magensäcke  und  dem  untersten 
Duodenum  bezw.  einer  oberen  Jejunumschlinge;  5.  die  Resek¬ 
tion  der  einschnürenden  Partie;  endlich  6.  die  Kombination  ver¬ 
schiedener  dieser  Methoden. 

Ich  habe  im  letzten  Jahre  drei  F  älle  von  Sanduhrmagen 
operiert  (im  Verhältnis  zu  den  recht  zahlreichen  operativen  Ein¬ 
griffen  am  Magen  eine  geringe  Zahl);  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  ')  teilt 
mit,  dass  er  unter  100  Fällen  von  Magenoperationen,  die  er  inner¬ 
halb  dreier  Jahre  ausführte,  7  Fälle  von  Sanduhrmagen  fand. 
Unter  den  82  Fällen  von  Magenoperationen,  die  ich  in  den 
letzten  214  Jahren  ausführen  oder  mitbeobachten  konnte,  habe 
ich  keinen  weiteren  Fall  gesehen;  von  den  3  Sanduhrmagen 
stammen  2  aus  der  Praxis  des  Herrn  Kollegen  Dr.  Deck  e  r, 
in  dessen  Privatheilanstalt  ich  die  beiden  Fälle  operierte;  über 
das  Symptornenbild,  das  in  diesen  beiden  1  allen  die  Diagnose 
vor  der  Laparotomie  zu  stellen  erlaubte,  hat  Decker  oben 
berichtet;  der  3.  Fall  entstammt  der  k.  chirurgischen  Klinik. 
Auch  hier  konnte  ich  die  Diagnose  „Sanduhrmagen“  vor  der 
Operation  stellen,  allein  die  Ursache  der  Einschnürung  war, 
wenigstens  zur  Zeit  der  Operation,  eine  andere  als  in  den  beiden 
ersten  Fällen,  bei  denen  typische  Ulcusnarben  die  Einschnürung 
verursachten;  hier  hatte  sich  auf  dem  Boden  des  Ulcus  bezw. 
seiner  Narbe  ein  Karzinom  der  kleinen  Kurvatur 
entwickelt. 

Es  handelte  sich  in  dem  Falle  (I)  aus  der  chirurgischen  Klinik 
(auf genommen  14.  IX.  01)  um  einen  32  Jahre  alten  Schlosser,  der 
vor  9  Jahren  einen  hartnäckigen  Magenkatarrh  durchmachte.  Im 
Anschluss  daran  blieben  ständig  Schmerzen  im  Magen  bestehen, 
die  last  regelmässig  1  y3  Stunden  nach  dem  Essen  auftraten.  \  or 
3  Jahren  hatte  Patient  zum  erstenmale  Blutbrechen  —  der  be¬ 
handelnde  Arzt  diagnostizierte  Magengeschwür.  Seit  dieser  Zeit 
trat  Blutbrechen  wiederholt  auf,  zuletzt  im  Mai  1901.  Nach  dem 
Genüsse  von  leichten  Speisen  trat  kein  Erbrechen  auf.  das  sonst 
oft  bestand,  doch  hatte  Patient  immer  das  Gefühl  von  Schwere 
und  Geblähtsein  des  Magens.  Patient  ist  schlecht  genährt,  mager 
und  blass.  Beim  Aufblähen  des  Magens  steht  die  untere  Magen¬ 
grenze  2  Querfinger  breit  unterhalb  des  Nabels;  der  Magen  scheint 
etwas  vertikal  gestellt.  Oberhalb  und  unterhalb  des  Nabels  er¬ 
kennt  man  am  aufgeblähten  Magen  eine  leicht  ausgeprägte 
Schn  ii  r  f  urclie;  der  nach  rechts  gelegene  Abschnitt  des 
Magens,  der  pylorisclie  Theil,  bläht  sich  erst  sekundär  auf,  d.  h. 
es  wird  erst  links  von  der  Mittellinie  eine  deutliche  Vorwölbung 
sichtbar,  bis  nach  einigen  Sekunden  auch  rechts  die  Aufblähung 
und  damit  die  erwähnte  Schnürfurche  erkennbar  wird.  Der 
Pylorusteil  erscheint  dabei  etwas  grösser  als  der  kardiale  Teil. 
Ein  wenig  nach  rechts  von  der  Einschnürung,  2  Querfinger  ober¬ 
halb  des  Nabels,  dicht  an  der  Mittellinie,  ist  eine  leichte  Resistenz 
zu  fühlen,  besonders  wenn  der  Magen  aufgebläht  ist;  die  Resistenz 
erscheint  leicht  höckerig,  uneben.  Der  ausgeheberte  Mageninhalt 
enthält  viel  freie  Salzsäure.  Die  Spülflüssigkeit  läuft  bald  ganz 
rein  ab;  lässt  man  aber  den  Kranken  auf  die  linke  Seite  legen 
oder  im  Sitzen  sich  nach  links  beugen,  so  werden  von  neuem 
reichliche  Speisereste  bei  der  weiteren  Spülung  ent¬ 
leert.  Bei  zwei  Ausspülungen  fand  sich  die  Spülflüssigkeit  etwas 
blutig  gefärbt.  .  . 

Auf  Grund  der  Anamnese,  die  auf  früheres  Ulcus  ventricuh 
mit  Sicherheit  hinwies,  ferner  auf  Grund  des  objektiven  Befundes 
—  Einschnürung  bei  aufgeblähtem  Magen,  dessen  beide  Teile  zeit¬ 
lich  verschieden  gebläht  wurden  und  des  auffallenden  Verhaltens 
bei  der  Magenspülung,  Spülwasser  läuft  klar  ab.  in  Seitenlage 
werden  danach  wieder  reichliche  Mengen  von  Speiseresten  ent- 

’)  Wölf  ler:  Ueber  die  Gastroanastomose  beim  Sanduhr¬ 
magen.  Beitr.  z.  klin.  Cbir.,  Bd.  XIII,  H.  1.  (Mit  ausführlichem 
Literaturverzeichnis.) 

'-)  v.  Eiseisberg:  Zur  Kasuistik  des  Sanduhrmagens.  Ver- 
handl.  d.  Deutsch.  Gesellsch.  f.  Chir.  1899.  (Mit  Literaturangaben.) 


*)  Nach  einem  Vortrage  im  ärztlichen  Verein  in  München. 


16.  September  1902. 


MUENCHENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1527 


leert  — ,  liess  sich  die  Diagnose  Sand  u  h  r m  agen  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  stellen.  Die  höckerige  Resistenz  am  oberen 
Magenrande  und  das  zeitweise  Auftreten  von  Blutbeimischung  bei 
der  Ausspülung,  sowie  der  äüsserst  schlechte,  kachektische  All¬ 
gemeinzustand  liess  trotz  des  relativ  jugendlichen  Alters  und  der 
reichlichen  freien  Salzsäure  im  Magensaft  die  Annahme  eines 
K  a  r  z  i  n  o  m  s  auf  dem  Boden  des  früheren  Ulcus  bezw.  einer 
Narbe  gerechtfertigt  erscheinen. 

Bei  der  am  27.  IX.  01  ausgeführten  Laparotomie  fand 
sieh  das  Karzinom  an  der  kleinen  Kurvatur  so  gelegen,  dass  ein 
Drittel  der  letzteren  dem  pylorisclien,  zwei  Drittel  dem  kardialen 
teil  des  Magens  angehörten.  Der  ans  drei  über  wallnussgrossen, 
harten  Knoten  bestehende  Tumor  war  mit  dem  unteren  Rande 
der  Leber  breit  verwachsen,  im  Lig.  liepato-gastricum  waren 
mehrere  harte  Drüsen  fühlbar.  Eine  Exstirpation  des  Tumors 
schien  deshalb,  sowie  mit  Rücksicht  auf  den  sehr  schlechten  Zu¬ 
stand  des  Kranken  nicht  ratsam.  Die  Umgebung  des  Tumors  er¬ 
wies  sich  bis  auf  Daumenbreite  ringsum  derb  infiltriert  (Narbe). 
Ton  dem  Tumor  nach  abwärts  zogen  mehrere  breite  peritonitische 
Adhäsionen  fächerförmig  gegen  die  grosse  Kurvatur  hin.  Ent¬ 
sprechend  dem  Tumor  fand  sich  eine  deutliche  Einsattelung  des 
Magens  in  der  Art,  dass  die  grosse  Kurvatur  gegen  die  kleine 
hingezogen  und  dadurch  der  Magen  in  2  Säcke  geteilt  wurde;  von 
diesen  Säcken  war  der  kardiale  der  wesentlich 
g  r  ö  ssere.  Bei  der  Aufblähung  des  Magens  schien  das  Ver¬ 
hältnis  umgekehrt  zu  sein,  es  schien  deT  pylorische  Teil  grösser, 
doch  fand  sich  bei  der  Operation,  dass  der  grössere  kardiale  Sack 
zum  Teil  unter  dem  Rippenbogen  in  der  Zwerchfellwölbung  ver¬ 
deckt  lag,  so  dass  nur  sein  unterer  Abschnitt  bei  der  Aufblähung 
bemerkbar  wurde,  während  an  dem  etwas  vertikal  stehenden 
Organ  der  pylorische  Sack  deutlicher  hervortrat;  auch  an  diesem 
Abschnitte  konnte  nach  seinem  Volumen  eine  Dilatation  an¬ 
genommen  werden.  Die  Passage  zwischen  den  beiden  Magen¬ 
säcken  erschien  durchaus  nicht  übermässig  eng  —  ich  schätzte  nach 
der  Eröffnung  des  Magens  die  Weite  auf  gut  2(4 — -3  Querfinger¬ 
breite  — ,  doch  war  die  peristaltische  Kraft  des  stark  erweiterten 
und  in  seiner  Wandung  verdünnten  kardialen  Sackes  sicher  er¬ 
heblich  vermindert  und  nur  schwer  im  stände,  die  Ingesta  vom 
tiefstehenden  Grunde  des  kardialen  Sackes  über  die  Einsattelung 
an  der  grossen  Kurvatur  hinweg  in  den  pylorisclien  Sack  zu  be¬ 
fördern.  Da  die  Verbesserung  in  der  Entleerung  des  grösseren 
kardialen  Sackes  und  die  Ausschaltung  der  Passageerschwerung 
am  meisten  Vorteil  versprach,  machte  icli  nach  Lösung  einiger 
Stränge  auf  der  vorderen  Magenwand  in  typischer  Weise  die 
Gastroenter  ostomi  a  posterior  (retrocolica)  mit 
kurzem,  zuführenden  Schenkel.  In  den  ersten  Tagen  post,  operat. 
bestand  etwas  Singultus  und  Brechneigung;  doch  erholte  sich' 
Patient  rasch,  vertrug  bald  auch  reichliche  Nahrungszufuhr  ohne 
Beschwerden  und  hatte  bei  seiner  Entlassung  am  9.  XI.  01  über 
S  Pfund  zugenommen. 

Anfangs  Mai  1902,  0(4  Monate  post  operat.,  sah  ich 
den  Kranken  wieder  —  er  sieht  vortrefflich  aus,  verdaut 
gut,  erbricht  nicht,  fühlt  sich  völlig  gesund  und  erklärt 
Meli  für  vollständig  arbeitsfähig,  doch  hat  er  von  der 
Gewichtszunahme  von  ca.  25  Pfund  seit  der  Operation  in 
letzter  Zeit  wieder  etwas  verloren  (ca.  9  Pfund),  wie  er  glaubt, 
weil  er  sein-  schwere  und  anstrengende  Arbeit  leisten  müsse.  Bei 
6er  Aufblähung  des  Magens  ist  eine  Einkerbung  nicht  erkennbar, 
die  untere  Magengrenze  reicht  bis  Fingerbreit  unter  die  Nabellinie, 
der  Tumor  ist  als  undeutliche  Resistenz,  anscheinend  nicht  grösser 
ids  vor  der  Operation,  zu  fühlen.  Jedenfalls  hat  die  Gastro¬ 
enterostomie  hier  vollauf  ihre  Schuldigkeit  getan. 

Der  Sanduhrmagen  war  in  diesem  Falle  wohl  schon  primär 
durch  die  schrumpfende  Ulcusnarbe,  die  breit  in  der  kleinen 
Kurvatur  lag  und  auf  die  vordere  und  hintere  Magenwand  Über¬ 
griff,  bedingt  worden;  das  sekundär  in  der  Narbe  entstandene 
Karzinom  mag  die  Schrumpfung  und  damit  die  Einkerbung 
des  Magens  vermehrt  haben;  die  peritonitischen  Stränge  tragen 
zur  Bildung  des  Sanduhrmagens  nach  ihrer  Lage  wohl  nichts 
bei,  sie  können  aber  sehr  gut  die  Schmerzen  und  Beschwerden 
von  seiten  des  Magens  vermehrt  haben. 

Weit  komplizierter  bezüglich  des  operativen  Verfahrens  ge¬ 
staltete  sich  der  zuerst  von  mir  operierte,  auf  Grund  des  von 
Kollegen  Dr.  Decker  geschilderten  Symptomenkomplexes  als 
Sanduhrmagen  diagnostizierte  Fall. 

II.  Frl.  Sch.  (Fall  I  bei  Dr.  Decke  r),  28  Jahre  alt,  leidet 
seit  ihrem  16.  Lebensjahre  an  Bleichsucht  und  Magenbeschwerden, 
die  abwechselnd  mit  relativ  guten  Zeiten  über  10  Jahre  bestanden. 
Danach  andauernde  Schmerzen,  Druck  und  Gefühl  von  Völle  im 
Magen.  Wiederholte  Ulcusliur  bringt  Besserung  auf  2  Jahre,  dann 
neue,  unerträgliche  Beschwerden.  Erbrechen,  starke  Abmagerung. 
Neue  Ulcuskur  ohne  Erfog.  Aufblähung  mit  Kohlensäure  zeigt 
eine  deutliche  Einschnürung;  Plätschergeräusch  bei  Druck  auf 
einen  der  beiden  Magenabschnitte,  das  fehlt,  wenn  an  der  Ein- 
niiinchingsstelle  gedrückt  wird.  Sondenphänomen:  Spülwasser 
läuft  erst  ganz  klar  ab,  dann  entleert  sich  plötzlich  wieder  Speist* 
bei  weiterer  Ausspülung.  Bei  der  Laparotomie  am  6.  XI.  00 
land  sich  die  ganze  Vorderfläche  des  Magens  leicht  gerötet,  mit 
ausgedehnten  flächenhaften,  aber  zarten  und  dünnen  peritoni- 
tischen  Adhäsionen  überzogen.  Gegen  das  Lig.  gastro-eolicum  zu 


wurden  die  Stränge  etwas  derber  und  zogen  das  Colon  trans- 
■\  ersum  bis  auf  1 — 2  cm  Abstand  gegen  die  grosse’  Kurvatur  hin. 
1  ngefähr  in  der  Mitte  des  Magens  fand  sich  dieser  durch  eine 
breite,  derbe,  scheinbar  zirkulär  den  ganzen  Magen  umfassende 
N  a  r  b  e  in  zwei  annähernd  gleich  g  r  o  s  se  Säcke 
geteilt.  Die  grosse  Kurvatur  erwies  sich  etwas  tiefer  ein¬ 
gezogen  als  die  kleine,  doch  war  auch  an  letzterer  die  Einkerbung 
sehr  deutlich  erkennbar.  Die  Höhe  der  Einschnürung,  von  der 
grossen  zur  kleinen  Kurvatur  gemessen,  betrug  ca.  5  cm.  die  Breite 
der  Narbe,  in  der  Längsrichtung  des  Magens  gemessen,  ca.  7  cm. 
Die  beiden  Säcke  zusammengerechnet,  stellte  sich  eine  recht  be¬ 
trächtliche  Erweiterung  des  Magens  heraus.  Soweit  sich  bei  der 
Starrheit  der  Narbe  durch  Einstülpung  der  vorderen  Magenwand 
am  Rande  der  Narbe  schätzen  liess,  war  die  Stenose  eine  sehr 
enge,  kaum  für  einen  Finger  durchgängig.  Bei  der  ziemlich  gleich 
grossen  Ausdehnung  der  beiden  Magensäcke  lag  der  Gedanke  nahe, 
nach  V  ölflefs  (1.  c.)  Vorgang  eine  Verbindung  der  beiden 
Säcke,  durch  Gastroanastomose  herzustellen.  Die  Schwierigkeit 
für  diese  Operation  lag  aber  einmal  in  der  relativ  bedeutenden 
Breite  und  in  der  grossen  Starrheit  der  Narbe,  welche  ein  An¬ 
einanderfügen  der  Säcke  erschweren  musste,  dann  aber  auch 
darin,  dass  sich  insbesondere  der  pylorische  Sack  infolge  von  offen¬ 
bar  auf  seiner  Hinterfläche  liegenden  Adhäsionen  nur  schwer 
gegen  den  kardialen  Sack  anziehen  liess,  während  mir  ein 
stärkeres  Anziehen  des  letzteren  wegen  der  an  ICardia  bezw.  Oeso¬ 
phagus  wohl  eintretenden  Spannung  untunlich  erschien.  Ich 


führte  desshalb  die  Gastroplastik  nach  Analogie  der  Pyloro- 
plastik  aus,  indem  ich  einen  durch  die  stenosierende  Narbe  durch 
und  beiderseits  über  ihren  Rand  2  cm  in  gesundes  Gewebe  reichen¬ 
den  Längsschnitt  von  10  cm  Länge  in  der  vorderen  Magenwand 
anlegte.  Dabei  liess  sich  feststellen,  dass  die  Stenose  in  der  Tat 
nur  für  wenig  mehr  als  einen  Finger  durchgängig  war.  Das  Innere 
des  Magens,  das  sich  nun  ziemlich  weit  übersehen  liess,  zeigte 
keine  frischen  Geschwüre,  die  hintere  Magenwand  war  zum  Teil 
von  Narbe  frei,  so  dass  diese  nicht  ganz  zirkulär  war.  sondern  nur 
ca.  %  der  Zirkumferenz  des  Magens  betraf.  Nach  Vernäliung  der 
Längsinzision  in  quer  zur  Magenachse  gestellter  Richtung  durch 
doppelte  Nahtreihe  war  die  Sanduhrform  zwar  nicht  vollständig 
beseitigt,  aber  die  Einkerbung  doch  so  bedeutend  verringert,  dass 
eine  wesentlich  freiere  Verbindung  zwischen  den  beiden  Magen- 
säckeu  angenommen  werden  durfte,  die  sich  bei  der  Einstülpung 
auf  3 — 4  Querfinger  Weite  schätzen  liess.  Da  die  Naht  in  der 


derben  Narbe  nicht  ganz  leicht  anzulegen  war  und  einige  Fäden 
beim  Knüpfen  durefirissen.  suchte  ich  bei  der  zweiten  Knopf  naht¬ 
reihe  möglichst  viel  von  der  gesunden  Magenwand  von  beiden 
Seiten  zu  fassen  und  beizuziehen.  Am  ersten  Tage  post  operat. 
trat  einigemale  Erbrechen  auf.  der  Leib  war  etwas  aufgetrieben, 
vom  dritten  Tage  ab  normaler  Verlauf;  Milch  wurde  vom  zweiten 
Tage  an  gegeben,  vom  vierten  Tage  ab  legierte  Suppen,  Milch, 
vom  achten  Tage  ab  Kalbswürstchen,  Bries  u.  dergl.  Die  Ver¬ 
dauung  war  gut,  Schmerzen  nach  der  Nahrungsaufnahme  in  den 
ersten  4  Wochen  aber  noch  in  mässigem  Grade  vorhanden.  Nach 
einer  von  Schmerz,  Erbrechen  und  sonstigen  Beschwerden  freien 
Pause  begannen  2  Monate  nach  der  Gastroplastik  von  neuem 
intensive  Schmerzen  am  Magen,  bald  auch  die  Zeichen  von  Re¬ 
tention  des  Mageninhaltes,  ab  und  zu  Erbrechen,  kurz  Symptome, 
die  zum  Teil  auf  die  früheren  und  jedenfalls  auch  frisch  nach  der 


Operation  am  Magen  entstandenen  entzündlichen  Verwachsungen, 
auf  eine  Perigastritis,  hinwiesen,  zum  Teil  aber  auch  auf 
erschwerte  Entleerung  des  Magens  und  Retention  durch  eine  Ste¬ 
nose  bezogen  werden  mussten;  das  Ergebnis  der  Ausspülungen 
wies  auf  eine  derartige  Störung  jedenfalls  hin  und  da  mau  an 
eine  Wiederverengerung  der  bei  der  ersten  Operation  er¬ 
weiterten,  den  Sanduhrmagen  bedingenden  Stenose  oder  an 
eine  n  e  u  entstandene  Verengerung,  auf  Avelche  eine  finger¬ 
dicke  Resistenz  in  der  Pylorusgegend  hinwies,  denken  musste, 
lag  die  Indikation  zu  einer  neuen  Operation  vor,  die  auch 
von  der  Patientin  gewünscht  wurde.  Die  zweite  Laparo- 
t  o  m  i  e  wurde  am  20.  X.  01,  über  10  Monate  nach  der 
ersten,  ausgeführt.  Es  fanden  sich  in  der  Tat  zahlreiche  Ver¬ 
lötungen  des  Magens  durch  entzündliche  Adhäsionen  gegen  die 
Leber,  das  Querkolon  und  leichtere  Verwachsungen  mit  der  vor¬ 
deren  Bauchwand,  letztere  wurde  ohne  Mühe  und  ohne  Blutung 
stumpf  gelöst,  die  übrigen  soweit  möglich  nach  doppelter  Unter¬ 
bindung  durchtrennt,  so  besonders  ein  daumenbreiter,  derber 
Strang,  der  über  den  Pylorus  nach  der  Lebe  r 
u  n  d  der  vorderen  Bauchwand  z  o  g.  Die  Sanduhr¬ 
form  des  Magens  war  nur  eben  angedeutet;  um  aber  sicher  über 
die  Weite  der  ehemaligen  Stenose  orientiert  zu  sein,  schnitt  ich 
dicht  an  der  gut  tastbaren  Nahtlinie,  etwas  gegen  die  Ivardia  zu, 
die  vordere  Magenwand  ein,  so  dass  ich  2  Finger  in  das  Magen¬ 
innere  einführen  konnte  —  die  ehemalige  Stenose  war 
sicher  für  4  Finger  bequem  durc  h  gängig  — ,  hier 
konnte  das  Hindernis  nicht  sitzen.  Dieses  fand  sich  vielmehr  am 
Pylorus,  der  an  einer  deutlichen,  derben  Verdickung  —  die 
ganz  den  Eindruck  einer  festen  Narbe  machte  —  gut  kenntlich 
war.  Es  machte  durchaus  den  Eindruck  und  schien  auch  nach  der 
Anamnese  am  wahrscheinlichsten,  dass  in  der  Zeit  zwischen 
erster  und  ^weiter  Operation  eine  intensive 
Perigastritis  abgelaufen,  sowie  ein  neues  Ulcus 
a  m  Pylorus  entstanden  und  vernarbt  war  und  so 
eine  Pylorusstenose  verursachte;  bei  der  ersten  Operation 
war  der  Pylorus  bestimmt  frei  von  Narbe  oder  Verdickung,  er 

2* 


1528 


wurde,  da  sich  ja  dort  Geschwüre  mit  besonderer  Vorliebe  lokali¬ 
sieren.  genau  untersucht.  Auf  entzündliche  Vorgänge,  die  sich 
in  der  Pylorusregion  abgespielt  hatten,  wies  auch  der  oben  er¬ 
wähnte  derbe  Strang  hin,  der  seinerseits  sehr  wohl  zu  einer  Er¬ 
schwerung  der  Passage  beitragen  konnte.  Um  nun  möglichst  vor 
jeder  Passagebehinderung  geschützt  zu  sein,  machte  ich  nach 
Vemähung  der  Probeinzision  in  der  vorderen  Bauchwand  die 
typische  Gastroenterostomia  posterior  (retrocolica) 
und  zwar  etwas  kardialwärts  von  dem  Sitze  der  ehemaligen  Ein¬ 
schnürung.  Der  Wundverlauf  war  völlig  normal. 

Wolil  bestanden  noch  ca.  5  Wochen  nach  dieser  zweiten 
Operation  zeitweise  Schmerzen  in  der  Magengegend,  besonders 
nach  den  Mahlzeiten,  die  auf  Perigastritis  hindeuteten,  aber 
die  Stenosenerscheinungen  schwanden  sofort  vollständig  und  die 
Beschwerden  verminderten  sich  allmählich  so,  dass  die  Patientin 
sich  jetzt  ganz  wohl  fühlt,  fast  alle,  nicht  allzu  schweren  Speisen 
geniessen  kann ;  sie  hat  im  Winter  fleissig  getanzt  und  nach  ihrer 
Mitteilung  bedeutend  an  Gewicht  zugenommen.  Dass  sich  zwi¬ 
schen  erster  und  zweiter  Operation  ein  neues  Ulcus  entwickelt 
hat,  das  nach  seiner  Abheilung  (Pat.  wurde  entsprechend  be¬ 
handelt)  eine  narbige  Stenose  am  Pylorus  verursachte,  ist  nach 
dem  Operationsbefunde  zweifellos.  Ich  glaube,  dass  eine  schon 
primär  ausgeführte  Gastroenterostomie  diesem  üblen  Zufall  hätte 
Vorbeugen  können;  übrigens  sind  schon  mehrere  Fälle  beschrieben, 
in  denen  nach  dem  ersten  operativen  Eingriff  (nach  Gastroplastik 
besonders)  weitere  (2  und  3!)  Operationen  erforderlich  waren, 
teils  wegen  Bildung  von  neuen  Geschwüren,  teils  um  Ver¬ 
wachsungen,  die  heftige  Beschwerden  machten,  zu  lösen  u.  s.  w. 
(cf.  v.  Eiseisberg:  1.  c.  —  Schwarz:  Mitteil.  a.  d.  Grenz¬ 
geb.  d.  Med.  u.  Chir.,  Bd.  V,  H.  4  u.  5.  —  Wiener  klin.  Wochen¬ 
schrift  1896,  p.  548.) 

In  meinem  3.  Falle  (Fall  II  Dr.  Deckers)  war  die  jetzt 
27  jälirige  Patientin,  Frl.  H.,  vor  6  Jahren  an  Magenbeschwerden 
erkrankt,  die  nach  4—6  Wochen  für  längere  Zeit  schwanden,  um 
dann  in  jedem  Jahre  wiederzukehren.  Seit  2  Jahren  fast  täglich 
heftige  Beschwerden.  Erbrechen  selten.  Seit  y2  Jahr  häufiges 
schmerzhaftes  Erbrechen,  starkes  Spannungsgefühl  am  Magen 
und  in  seiner  Umgebung.  Aufblähung  lässt  deutliche  Einkerbung 
erkennen;  Ausspülung  im  Sitzen  ergibt  erst  klare,  darnach  mit 
Speise  gemischte  Flüssigkeit.  Diagnose:  Sanduhrmagen  nach 
Ulcus.  Da  trotz  Ulcuskur,  entsprechender  Diät  u.  s.  w.  die  Be¬ 
schwerden  bestehen  bielben,  wird  am  30.  III.  02  die  Laparo- 
t  omie  ausgeführt.  Es  findet  sich  der  Magen  überzogen  mit  viel¬ 
fachen  peritonitischen,  flächenhaften  Strängen,  die  gegen  den 
pylorischen  Teil  des  Magens  zunehmen  und  doi't  den  Magen  nach 
hinten  wie  gegen  die  Debet'  hin  fixieren.  Der  obere  Abschnitt 
des  Duodenums  ist  durch  die  Adhäsionen  ganz  verdeckt  und 
schwer  sichtbar  zu  machen.  Der  Magen  selbst  ist  ungefähr  i  n 
seiner  Mitte  eingeschnürt,  so  dass  er  durch  eine 
5  cm  lange,  3  cm  breite  Narbe  in  einen  etwas 
grösseren  kardialen  und  einen  kleineren  pylo¬ 
rischen  Sack  geteilt  wird;  der  kardiale  Sack  liegt  noch 
zum  Teil  unter  dem  Rippenbogen,  sein  Fundus  steht  etwas  höher 
als  jener  des  pylorischen  Teiles,  da  der  ganze  Magen  leicht  vertikal 
gestellt  ist.  Gleichzeitig  ist  der  p.vlorische  Sack  etwa  um  45° 
um  seine  Längsachse  in  der  Art  gedreht,  dass  die 
kleine  Kurvatur  mehr  nach  vorne,  die  grosse  mehr  nach  hinten 
gerichtet  ist.  Die  Wandung  des  kardialen  Sackes  lässt  trotz 
deutlicher  Ektasie  eine  Atrophie  der  Magenmuskulatur  nicht  er¬ 
kennen.  Trotz  Lösung  zahlreicher  Verwachsungen  gelingt  es 
nicht,  die  beiden  Magensäcke  an  der  derben  einschnürenden  Narbe 
vorbei  einander  so  zu  nähern,  dass  die  Wölfl  er  sehe  Gastro- 
anastomose  ohne  erhebliche  Spannung  sich  hätte  ausführen  lassen, 
besonders  der  pylorische  Sack  des  Magens,  der  fest  fixiert  wrar. 
iiess  sich  zu  wenig  mobilisieren.  An  eine  Resektion  der  Ein¬ 
schnürung  war  bei  dem  elenden  Zustande  der  Pat.  und  den  vielen 
Vei'wachsungen  nicht  zu  denken:  die  Gastroplastik  aber  schien  mir 
nicht  ratsam,  die  Narbe  war  äusserst  derb  und  fest,  ich  musste 
fürchten,  bei  der  quei'en  Vernäliung  auf  erhebliche  Schwierigkeiten 
zu  stossen,  und  fürchtete  auch  nach  den  Erfahrungen  im  voi'igen 
Falle,  dass  eine  neuerdings  einsetzende  Perigastritis  neue  Stränge 
bilden  und  dadurch  die  Möglichkeit  neuer  Vei'wachsungen  und 
Passageerschwerung  bedingen  könnte.  Durch  eine  möglichst  fi'eie 
und  sichere  Entleerung  des  Magens,  an  dem  so  lange  Jahre 
Ulzerationsprozesse  sich  abgespielt  hatten,  hoffte  ich  die  Aus¬ 
heilung  etwa  noch  bestehender  Ulzerationen  und  vor  allem  die 
Neubildung  eines  Ulcus,  das  im  vorigen  Falle  zu  einer  Pylorus¬ 
stenose  trotz  Gastroplastik  geführt  hatte,  verhüten  zu  können. 
Ich  machte  deshalb  am  kardialen  Sack,  der  sich  nach  Unter¬ 
bindung  und  Lösung  einiger  Adhäsionen  gut  umklappen  und  vor¬ 
wälzen  liess.  die  hintere  Gastroenterostomie.  Nach 
Eröffnung  des  Magens  konnte  ich  die  Striktur  abtasten;  sie  war 
oben  für  einen  Finger  durchgängig,  die  Narbe  betraf 
mehr  als  %  der  ganzen  Zirkumferenz  des  Magens  und  fühlte  sich 
auch  vom  Mageninnem  aus  enorm  fest  und  derb  an.  Aus  dem 
oröffneten  kardialen  Magen,  der  vor  der  Operation  völlig  leer  aus- 
gespiilt  war.  floss  eine  ungewöhnlich  grosse  Menge  klaren  Magen¬ 
schleimes  ab  -  trotz  aller  Sorgfalt  floss  bei  Wechsel  der  ganz 


No.  37. 


durchtränkten  abschliessenden  Kompressen  doch  noch  ein  wenig 
Magensaft  in  die  Bauchhöhle;  darauf  ist  es  wohl  zuriickzuführeii, 
dass  in  den  ersten  4 — 5  Tagen  post  Operationen»  leichte  peri- 
tonitische  Reizerseheinungen  bestanden  (Meteorismus  massigen 
Grades,  Druckempfindlichkeit  besonders  in  der  Magengegend, 
einige  Male  Erbrechen,  2  Tage  lang  Temperaturen  bis  38.5,  Puls 
bis  130).  Diese  Erscheinungen  waren  am  5.  Tag  geschwunden. 
Flatus  und  Stuhl  gingen  spontan  ab,  von  da  an  völlig  normaler 
Verlauf,  Heilung  p.  p.  Pat.  stand  nach  16  Tagen  auf,  hat  sich 
ausserordentlich  erholt  und  ist  bei  tadelloser  Verdauung  frei  xon 
allen  Beschwerden. 

Es  wurde  demnach  in  den  3  Fällen  von  Sanduhrmagen 

2  m  a  1  die  Gastroenterostomia  retrocolica  po¬ 
sterior  allein,  1  mal  die  Gastroplastik  und  10  Mo¬ 
nate  später  die  hintere  Gastroenterostomie  au>- 
geführt  (in  Fall  II  auch  noch  bei  der  zweiten  Laparotomie  eine 
Inzision  in  die  vordere  Magenwand,  um  die  Durchgängigkeit  der 
durch  Gastroplastik  erweiterten  Stenose  zu  prüfen).  In  allen 

3  Fällen  war  ausserdem  eine  mehr  oder  weniger  ausgedehnte 
„G  a  s  t  r  o  1  y  s  i  s“,  die  Lösung  voxx  peritonealen  Verwachsungen, 
erforderlich.  Von  dem  grossen  Nutzen,  den  die  Gastrolysis  bei 
solchen  Verlötungen  besonders  für  die  Beseitigung  von  Schmer¬ 
zen  und  die  Besserung  der  motorischen  Funktion  des  Magens 
hat,  habe  ich  mich  auch  in  einer  Reihe  anderer  Fälle  iiberzeixgen 
können ;  nach  Appendizitis  z.  B.,  die  in  ihren  vei’schiedenen  An¬ 
fällen  zu  .  Peritonitis  und  Verwachsungen  geführt  hatte  xxxxd 
ausserhalb  des  Anfalles  operiert  wurde,  habe  ich  auch  bei  glat¬ 
testem  Wundverlauf  später  wiederholt  heftigste  Magenschmerzen 
und  Verdauungsbeschwerden  gesehen,  die  nach  Lösung  der  den 
klagen  umgebenden  Stränge  und  Schwielen  verschwanden.  Dass 
nach  lang  bestehendem  Magenulcus  in  der  Umgebung  des  Magens 
Entzündung  (Perigastritis)  und  Vei’wachsungen  häufig  ent¬ 
stehen,  ist  bekannt ;  die  Beseitigung  derartiger  Stränge  u.  s.  w. 
übt  in  Verbindung  mit  dem  sonstigen  Eingriff  natürlich  auch 
beim  Sanduhrmagen  wohltätigsten  Einfluss  aus. 

Nach  den  Erfahrungen  an  den  3  von  mir  operierten  Fällen 
und  nach  dem  Eindi’ucke,  den  ich  über  die  Ei’folge  der  verschie¬ 
denen  Operationsverfahren  aus  der  Literatur  gewonnen  habe, 
möchte  ich  die  Anwendbarkeit  der  einzelnen  Methoden  folgender- 
massen  abwägen: 

Die  Gastroenterostomie  bietet,  wo  sie  anwendbar 
ist,  die  grössten  Vorteile  bezüglich  der  prompten  und  sicheren 
Entleerung  des  Magens,  der  Beseitigung  der  durch  die  Narbe 
oder  ein  etwa  gleichzeitig  noch  bestehendes  Ulcus  bedingten  Be¬ 
schwerden  und  ei'möglicht  am  ehesten  die  Abheilung  eines  solchen 
Ulcus;  sie  beugt  wegen  der  prompten  Entleerung  am  sichersten 
der  Entstehung  von  neuen  Geschwüren  vor  und  schaltet  von 
vorneherein  am  besten  die  Unannehmlichkeiten  einer  etwa  neu, 
von  einem  bestehenden  oder  schon  abgeheilten  Geschwür  aus  sich 
entwickelnden  Stenose,  am  Pylorus  z.  B.,  aus  (cf.  Fall  II).  Die 
Gastroenterostomie  allein  kann  sei  b  st  v  e  i’s  t  ä  n  d  1  i  ch  nur  am 
kardialen  Magensack,  am  „Vormagen“,  angelegt  werden ; 
dieser  Vormagen  ist,  wie  meine  und  viele  der  beschriebenen  Fälle 
zeigen,  in  einem  sehr  grossen  Prozentsatz,  mindestens  in  der 
Hälfte  der  Fälle  nicht  wesentlich  kleiner,  ebenso  gross  oder 
sogar  grösser  wie  der  pyloi'ische  Magensack,  der  „Nachmagen“; 
in  ihm  stauen  sich  zunächst  die  Ingesta  vor  der  zum  Nachmagen 
führenden  Stenose,  die  Beseitigung  dieser  Stauung  wird  also 
sicher  angezeigt  und  für  den  Kranken  von  Vorteil  sein.  Die  von 
W  ö  1  f  1  e  r  (1.  c.)  ausgesprochene  Befürchtung,  dass  die  Eta- 
blierung  einer  Magen-Dünndarmfistel  am  kardialen  Sacke  „iden¬ 
tisch  wäre  mit  einer  dauernden  Verzichtleistung  auf  die  Tätig¬ 
keit  des  zweiten  Magens“,  vennag  ich  nicht  zu  teilen.  Der  zweite 
(Nach-)  Magen  ist  in  vielen  Fällen  ganz  sicher  in  seiner  mo¬ 
torischen  und  chemischen  Funktion  schon  stark  beeinträchtigt; 
er  ist  häufig  erweitert  infolge  Inaktivitätsatrophie  und  mus¬ 
kulärer  Insuffizienz;  die  Narhe  bildet  eine  Unterbrechung  in  der 
Muskulatur,  in  den  Gefässen  und  Nexwen  des  Magens,  so  dass 
die  Muskelbewegung  des  „ersten“  Magens  sich  an  der  Narbe  er¬ 
schöpft  und  seine  Tätigkeit  nicht  mehr  auf  den  „zweiten“  Magen 
zu  übertragen  vermag;  dadurch  kommt  es  zur  Inaktivitäts- 
ati'ophie,  da  die  unter  grosser  Anstrengung  vom  ersten  in  den 
zweiten  Magen  gepumpten  Nahrungsmittel  in  letzterem  lange 
Zeit  liegen  hleiben  und  zu  einer  mehr  oder  weniger  starken 
Ektasie  Veranlassung  geben  (nach  Wölflerl.  c.  p.  232  u.  233). 
Die  motorische  Funktion  eines  so  erweiterten  Magenteiles  mit 
atrophischer  Muskulatur  wird  also  wohl  recht  gering  sein  und 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


16.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1529 


dass  auch  seine  chemische  Funktion  vermindert  oder  verändert 
ist,  unterliegt  nach  den  bei  Magenektasien  sonst  gemachten  Er¬ 
fahrungen  keinem  Zweifel.  Uebrigens  glaube  ich,  dass  der  Ver¬ 
zicht  auf  die  Tätigkeit  des  zweiten  Magens  auch  dadurch  in  seiner 
Bedeutung  vermindert  wird,  dass  ja  das  etwaige  Produkt  dieses 
Magenteiles  an  Salzsäure  u.  s.  w.  durch  den  Pylorus  hindurch 
in  das  Duodenum  und  von  diesem  aus  mit  der  Galle  und  dem 
I  ankreassekret  in  den  am  Magen  angehefteten  abführenden 
Dünndarmschenkel  abfli essen  kann  (letzteres  verlangen  wir  ja 
bei  jeder  Gastroenerostomie).  Auch  zeigt  die  Erfahrung,  dass 
die  Erleichterung  und  Beschleunigung  der  Magenentleerung  bei 
Gastroenterostomie  wegen  Pylorusstenose  für  die  Verdauung 
und  Ernährung  an  sich  keine  besondere  Schädigung,  bei  ek- 
tatischem  und  atrophischem  Magen  aber  besonders  für  die 
Wiederherstellung  der  motorischen  Funktion  erhebliche  Vorteile 
mit.  sich  bringt3).  Ist  also  der  Vormagen  nicht  wesent¬ 
lich  kleiner  wie  der  Nachmagen,  ist  er  ebensogross 
oder  gar  grösser  wie  letzterer  und  bilden  nicht  allzu  aus¬ 
gedehnte,  unlösbare  Verlötungen  unüberwindbare  technische 
Schwierigkeiten,  was  sicher  nur  selten  der  Fall  sein  wird,  möchte 
ich  die  Gastroenterostomie  am  kardialen  Teil  des  Sand- 
ulirmagens  wegen  der  vorliegenden  grossen  Vorteile  an  erster 
Stelle  empfehlen.  Welche  Methode  der  Gastroenterostomie  den 
\  orzug  verdient,  soll  hier  nicht  erörtert  werden ;  ich  persönlich 
übe  fast  ausschliesslich  die  G.-E.  retrocolica  posterior  (Hacker- 
sche  Methode)  mit  der  von  Petersen4)  besonders  empfohlenen 
Modifikation  —  möglichst  kurzer  zuführender  Schenkel  —  und 
bin  sehr  zufrieden  damit;  ich  habe  z.  B.  in  den  letzten  40  nach 
dieser  Methode  ausgeführten  Gastroenterostomien  keinen  Todes¬ 
fall  und  niemals  den  sonst  so  gefürchteten  Circulus  vitiosus 
erlebt.  In  meinen  3  Fällen  von  Sanduhrmagen  hat  die  G.-E. 
völlige  Beseitigung  aller  Beschwerden  und  vortrefflichen  Er¬ 
nährungszustand  erreicht. 

Die  Gastroanastomose  liefert  zweifellos  eine  vorzüg¬ 
liche  Verbindung  zwischen  den  beiden  Magensäcken,  besonders 
wenn  sie  wie  in  dem  W  ö  1  f  1  e  r  sehen  Falle  unterhalb  der  Ste¬ 
nose  nahe  der  Kurvatur  an  den  einander  zugekehrten  Wölbungen 
der  beiden  Säcke  ausgeführt  werden  kann,  was  möglich  ist,  wenn 
die  schrumpfende  Narbe  oben  an  der  kleinen  Kurvatur  sitzt  und 
die  grosse  Kurvatur  gleichsam  zu  sich  heraufzieht.  Die  An¬ 
legung  einer  Gastroanastomose  auf  der  Vorderfläche  des  Magens, 
mit  Ueberlagerung  der  Einmündungsstelle,  wie  es  v.  Eiseis¬ 
berg  (1.  c.  Fig.  3)  zeichnet,  hat  den  grossen  Nachteil,  dass  dem 
doch  sehr  oft  ektatischen  und  atonischen  Vormagen  die  grosse 
Arbeit  zugemutet  werden  muss,  den  Mageninhalt  aus  seinem 
tief  ausgebuchteten  Fundus  heraus  über  den  „Sporn44  hinweg¬ 
zuheben  und  zu  pumpen,  welcher  durch  die  hinter  der  Anastomose 
hegende  Narbenpartie  beim  Gegeneinanderklappen  der  beiden 
Magenhälften  entstehen  wird.  Ist  der  kardiale  Magen  erheblich 
kleiner  als  der  pylorische  Sack,  wenn  also  die  Stenose  näher  der 
Kardia  liegt,  oder  sind  beide  Magenabschnitte  in  ihrer  Grösse 
nicht  sehr  verschieden  und  lassen  sie  sich  ohne  zu  grosse,  durch 
Verwachsungen  bedingte  Spannung  aneinander  bringen  und  ver¬ 
einigen,  am  besten  möglichst  nahe  der  grossen  Kurvatur  und 
ohne  Spornbildung,  ist  die  Narbenbrücke  zwischen  den  beiden 
Säcken  nicht  allzu  breit  und  fehlen  die  Zeichen,  dass  noch  ein 
Ulcus  an  der  Narbe  oder  an  anderer  Stelle  des  Magens  besteht, 
dann  tut  die  Gastroanastomose  sicher  gute  Dienste,  da  sie  eine 
weite  Verbindung  zwischen  den  beiden  Säcken  herstellt  und  die 
Ausnützung  der  ganzen  Magenverdauung  gestattet.  Bei  Ver¬ 
dacht  oder  ^ei  Gewissheit,  dass  noch  Ulzerationsprozesse  be¬ 
stehen,  ist  die  Gastroenterostomie  wenn  irgend  möglich  vorzu¬ 
ziehen,  da  bei  ihr  infolge  der  rascheren  und  sichereren  Ent¬ 
leerung  des  Magens  die  Chancen  für  die  Ausheilung  und  Ver¬ 
hütung  von  Geschwüren  erfahrungsgemäss  sehr  günstige  sind, 
wahrend  die  Gastroanastomose,  welche  dem  Magen  die  ganze  ihm 
zukommende  Arbeit  überlässt,  wohl  für  ein  etwa  noch  bestehendes 
Geschwür  in  der  Narbe,  weit  weniger  aber  für  Geschwüre  an 
anderen  Magenstellen  (Pylorus  z.  B.)  heilwirkend  oder  für  neue 
Geschwüre  prophylaktisch  wirkend  sein  wird. 


3)  cf.  P  e  t  e  r  s  e  n  und  M  a  c  h  o  1:  Beiträge  zur  Pathologie  und 
J  lierapie  der  gutartigen  Magenkrankheiten.  Bruns’  Beitr.  z.  klin. 
Clnr.,  Bd.  XXXIII,  H.  2,  1902. 


4)  Pete 
U--E.  Bruns’ 


No.  37. 


rsen:  Anatomische  und  chirurgische  Beiträge  zur 
Beitr.  z.  klin.  Cliir.,  Bd.  XXIX,  H.  3,  1901. 


Die  Gastroplastik  —  Längsinzision  mit  querer  Ver¬ 
nähung  die  einfachste  und  am  raschesten  ausführbare,  wohl 
auch  am  meisten  bis  jetzt  ausgeführte  Operation,  hat  den  Nach¬ 
teil,  dass  sie  i  n  der  Narbe,  also  in  schlechtem  Gewebe  ausgeführt 
werden  muss,  dass  bei  ihr  leicht  ein  in  der  Narbe  etwa  noch  be¬ 
stehendes  Geschwür  angeschnitten  werden  kann,  dass  in  dem 
Narbengewebe  die  Gefahr  neuer  Schrumpfung  und  Verengerung, 
des  Rezidivs  der  Stenose  besteht,  dass  sie  weiter  bei  grossem  kar¬ 
dialen  Sack  mit  tiefem  Fundus  die  Arbeit  des  Vormagens,  die 
Hubhöhe  für  die  Ingesta  bis  zur  erweiterten  Stenose,  nicht 
wesentlich  verringert.  Bei  verhältnismässig  kleinen,  schmalen 
Narben  mit  erheblicher  Stenosenbildung,  bei  nicht  tief  ausge¬ 
buchtetem  kardialen  Magenfundus,  beim  Fehlen  von  Geschwüren 
und  intensiveren  Verwachsungen,  besonders  auch  in  der  Pylorus- 
gegend,  wo  mit  neuer  Passageerschwerung  gerechnet  werden 
muss,  bei  der  durch  starke  Verwachsungen  bedingten  Unmöglich¬ 
keit  die  Gastroenterostomie  oder  Gastroanastomose  auszuführen 
und  bei  schlechtem  Allgemeinzustand  der  Kranken,  der  eine  mög¬ 
lichst  rasche  Ausführung  der  Operation  verlangt,  mag  die  Gastro¬ 
plastik  am  I  lat.ze  sein.  In  meinem  lalle  II  habe  ich  übrigens 
gesehen,  dass  die  quere  Vernähung  einer  grossen  Längsinzision 
durch  eine  breite  Narbe  auch  nicht  erheblich  rascher  ausführbar 
ist,  als  eine  Gastroenterostomie,  die  sich  im  gegebenen  Falle  durch 
den  Murphyknopf  noch  wesentlich  abkürzen  lässt.  Bei  kleiner, 
beweglicher  Narbe,  die  nur  einen  Teil  der  Zirkumferenz  des 
Magens  an  der  Einschnürungsstelle  betreffen,  kann  mit  der 
Gastioplastik  ganz  gut  die  Exzision  der  Narbe,  eine  partielle 
Magenresektion  verbunden  werden.  Auch  kleinere  Geschwüre 
sind  schon  mitexzidiert  worden. 

Findet  sich  nach  Eröffnung  des  Magens,  dass  bei  der  Gastro¬ 
plastik  die  Erweiterung  der  Stenose  nicht  vollkommen  sicher  ge¬ 
nügend  werden  würde,  oder  werden  noch  weitere  Narben  oder  Ge¬ 
schwüre  entdeckt,  könnte  an  die  Gastroplastik  sofort  die  Gastro¬ 
enterostomie  angeschlossen  werden. 

Eine  vollständige  quere  Resektion  der  steno¬ 
siel  ten  I  artie  nach  Art  der  Billroth  sehen  Pylorusresektion 
ivird  sich  wohl  nur  in  seltenen,  günstig  gelagerten  Fällen,  mit 
nicht  allzu  breiter,  gut  beweglicher  Narbe,  nicht  allzu  vielen 
Verwachsungen  und  relativ  kräftigem  Zustand  des  Kranken  aus¬ 
fühl  en  lassen.  Die  straffe  Fixation  eines  oder  beider  Magenteile, 
besonders  des  kardialen,  durch  solche  Verwachsungen  mit  der 
Nachbarschaft,  mit  Leber,  Pankreas  u.  s.  w.  könnte  die  Sicher¬ 
heit  dei  zirkulären  Magennaht  in  höchstem  Grade  gefährden. 
Die  totale  Resektion  der  Narbe  mit  Vernähung  der  beiden  Magen¬ 
teile  und  Zurücklassung  des  narbigen  Teiles,  nach 
Analogie  der  Darmausschaltung,  wird  wohl  kaum  jemals  zulässig 
ei  scheinen,  die  sogen.  L  o  r  e  t  a  sehe  Operation  aber,  die  stumpfe 
Dehnung  der  Stenose  von  einem  Magenschnitt  aus,  ist  wegen 
ihier  vollständigen  LTnsicherheit  bezüglich  der  Wiedervereng’e- 
rung  beim  Sanduhrmagen  wohl  kaum  jemals  zulässig. 

Der  angeborene  Sanduhrmagen  wird  wohl  sehr  selten 
Anlass  zu  operativer  Behandlung  geben  —  das  Organ  ist  an  den 
Zustand  adaptiert,  es  macht  keine  oder  nur  geringe  Beschwerden; 
dass  ein  Sanduhrmagen  überhaupt  besteht,  wird  häufig  erst  bei 
der  Sektion  entdeckt. 

Der  erworbene  Sanduhrmagen  aber,  gleichviel  ob  er 
durch  schrumpfende  Ulcusnarbe,  durch  Karzinom  oder  starke 
Stränge  bedingt  ist,  macht  oft  die  heftigsten  Beschwerden  und 
schwersten  Ernährungsstörungen;  er  bildet  ein  dankbares  Objekt 
für  die  operative  Behandlung  und  es  empfiehlt  sich  sehr,  die 
Operation  nicht  hinauszuschieben,  bis  der  Kranke  ganz  elend  ge¬ 
worden  ist,  da  durch  Ausspülungen,  die  den  pylorischen  Teil  des 
Sanduhrmagens  ja  doch  meist  nicht  erreichen  und  entlasten,  ob¬ 
wohl  er  es  am  nötigsten  hätte,  höchstens  eine  bald  vorübergehende 
Erleichterung,  aber  keine  dauernde  Beseitigung  der  vielen  Be¬ 
schwerden  erreicht  werden  kann.  Wenn  unter  der  Diagnose  Ver¬ 
wachsungen  am  Magen  nach  Ulcus,  Magenstenose  u.  s.  w.  operiert 
oder  bei  unsicherer  Diagnose  wegen  heftiger  Magenbeschwerden 
die  Probelaparotomie  gemacht  wird,  ist  eine  recht  genaue  Be¬ 
trachtung  des  möglichst  weit  zugänglich  gemachten  Magens  sehr 
anzuraten;  der  Sanduhrmagen  wird  gewiss  manchmal  über¬ 
sehen,  besonders  wenn  ein  kleiner  kardialer  Sack  hoch  oben 
unter  der  Zwerchfellwölbung  liegt. 

Anmerkung:  Eine  ausführliche  Zusammenstellung  der 
Literatur  wird  in  der  demnächst  erscheinenden  Dissertation  des 
Kollegen  W  i  s  1  i  c  e  n  u  s  enthalten  sein. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1530 


Grundsätze  der  Syphilisbehandlung. 

Von  Dr.  E.  v.  Düring  in  Konstantinopel. 

Seit  Jahren  ist  die  Frage  nach  den  Grundsätzen  für  eine 
zweckmässige  Syphlisbehandlung  nicht  von  der  Tagesordnung 
verschwunden.  Während  die  Mehrzahl  der  Autoritäten  und 
Praktiker  Anhänger  der  chronisch-intermittierenden  Behand¬ 
lungsmethode  nach  Fournier-Neisser  sind,  wird  von  der 
anderen  Seite,  in  letzter  Zeit  z.  B.  besonders  eingehend  und  be¬ 
redt  von  B  1  a  s  c  h  k  o,  weiter  von  H  e  u  s  s,  Caspary  u.  a.  m., 
diese  Methode  bekämpft  und  die  symptomatische  Behandlungs¬ 
methode  verteidigt.  Auf  beiden  Seiten  werden  mit  theoretischen 
Erwägungen  mehr,  als  mit  praktischen  Ergebnissen  die  leitenden 
Grundsätze  verfochten.  Die  Anhänger  der  chronisch  inter¬ 
mittierenden  Methode  führen  überdies  Statistiken  vor  zur  Stütze 
ihrer  x\nsiehten,  die  den  praktischen  Beweis  erbringen  sollen, 
dass  die  Häufigkeit  des  Tertiarismus  und  anderer  Folgeerschei¬ 
nungen  der  Syphilis  direkt  abhängig  sind  von  einer  genügenden 
oder  „ungenügenden“  Behandlung. 

In  solchen  Fragen  mit  theoretischen  Gründen  den  Gegner 
überzeugen  zu  wollen,  ist  ein  missliches  Ding;  denn  unsere 
theoretisch-wissenschaftlichen  Anschauungen  sind  schwankende 
Dinge  und  stehen  häufig  mehr  unter  dem  Einfluss  unserer  sonsti¬ 
gen  praktischen  Ansichten,  als  umgekehrt. 

Mit  Statistiken,  d.  h.  mit  den  Statistiken,  die  die  Syphi- 
lidologen  bis  heute  machten,  ist  aber  absolut  nichts  und  absolut 
alles  zu  beweisen;  ganz  besonders  nicht  mit  den  Statistiken 
F  ourniers,  dessen  grosse  Beredsamkeit  und  blendender  Stil 
ihn  selbst  und  andere  leider  nur  schon  zu  lange  darüber  täusch¬ 
ten,  dass  durch  häufige  Wiederholung  ein  Irrtum  doch  niemals 
Wahrheit  wird.  Vielleicht  werden  die  letzten  Arbeiten  über 
die  Folgen  der  hereditären  Syphilis  und  über  Parasyphilis,  die 
von  Fournier  selbst  oder  unter  seiner  Autorität  veröffentlicht 
sind,  eine  gewisse  Reaktion  hervorrufen;  denn  zweifellos  sind 
Fourniers  Veröffentlichungen  mehr  glänzend,  als  wissen¬ 
schaftlich  und  kritisch.  Dass  man  aus  F  ourniers  Statistiken 
genau  das  Gegenteil  beweisen  kann  von  dem,  was  der  Verfasser 
beabsichtigt,  ist  sicher,  und  in  einem  Falle  von  Seligsohn1) 
in  sehr  guter  Weise  ausgeführt  worden. 

Die  eigenartige  Arbeit  an  einem  Massenmaterial  bei  Unter¬ 
suchungen  über  endemische  Syphilis  in  Kleinasien  hat  mir  das 
Studium  statistischer  Fragen  und  statistischer  Werke  in  den 
letzten  Jahren  nahe  gelegt.  Je  länger  ich  mich  damit  beschäftige, 
um  so  grösser  erkenne  ich  die  Schwierigkeiten;  ich  verstehe  jetzt 
die  Berechtigung  der  sarkastischen  Aeusserungen,  die  auf  dem 
Brüsseler  Kongress  über  unsere  Syphilisstatistiken  laut  ge¬ 
worden  sind. 

Um  zu  Syphilisstatistiken  zu  kommen,  müssen  wir  ganz 
andere  Grundlagen  haben  und  ganz  besonders  erst  Vorstudien 
über  Statistik  überhaupt  machen! 

Wir  sind  uns  ja  über  die  grundlegendsten  Fragen  nicht  ein¬ 
mal  einig.  Wir  wissen  nichts  Bestimmtes  über  die  Verbreitung 
der  Syphilis2);  wir  sind  nicht  darüber  einig,  wie  viele  vom 
Hundert  tertiäre  Syphilis  bekommen;  ja  wir  sind  uns  offenbar 
nicht  einmal  ganz  darüber  klar,  was  sekundär  und  tertiär  ist. 
Denn  sonst  wäre  es  ganz  unmöglich,  dass  z.  B.  Fournier  und 
Ehlers  die  Ilauptzahl  oder  eine  grosse  Zahl  der  Tertiären  im 
zweiten  Jahre  angeben.  Entweder  wir  verstehen  unter  tertiären 
Symptomen  etwas  verschiedenes,  oder  die  Syphilis  in  Paris  und 
Kopenhagen  entwickelt  sich  anders,  als  an  anderen  Orten.  Denn 
fast  überall,  und  so  auch  nach  meinen  Erfahrungen  hier  im 
Orient,  fällt  die  Häufigkeit  der  tertiären  Syphilis  ins  dritte  bis 
fünfte  Jahr  nach  der  Infektion. 

Wenn  wir  uns  nun  über  so  grundlegende  Fragen  unklar  und 
uneinig  sind  —  wo  wollen  wir  denn  eine  Basis  für  Statistiken  ge¬ 
winnen? 

J)  So  weist  z.  B.  Seligsohn  nach,  dass  durch  eine  andere, 
aber  durchaus  logischere  Gruppierung  der  F  ourni  er  sehen 
Zahlen  es  sich  ergibt,  dass  gar  keine  Behandlung  in  Bezug 
auf  den  Tertiarismus  günstigere  Zahlen  gibt,  als  eine  Behandlung 
von  einjähriger  Dauer  u.  s.  w. 

2)  Gerade  diese  Frage  hat  mich  beschäftigt,  und  ich  habe  die 
Unmöglichkeit  eingesehen,  mit  einiger  Sicherheit  aus  konventio¬ 
nellen  Daten  Rückschlüsse  auf  die  Häufigkeit  der  Syphilis  über¬ 
haupt  zu  ziehen.  S.  die  besten  Versuche  in  dieser  Hinsicht  bei 
B  1  a  s  c  h  k  o. 


Sämtliche  Statistiken  —  ich  wiederhole  hier  Altbekanntes, 
oft  Gesagtes  —  welche  den  Zusammenhang  zwischen  Häufigkeit 
des  Tertiarismus  und  ungenügender  Behandlung  beweisen  sollen, 
kranken  an  dem  einen  Fehler,  dass  wir  über  die  Häufigkeit  der 
Syphilis  überhaupt,  und  über  die  Zahl  der  überhaupt,  wenn  auch 
ungenügend  Behandelten  gar  nichts  wissen. 

Darüber  kann  doch  im  Ernst  eine  Meinungsverschiedenheit 
nicht  bestehen,  dass  de  facto  —  nicht  nur  im  Sinne  Fournier- 
Neissers  —  die  Zahl  der  ungenügend  Behandelten,  ja  gar 
nicht  Behandelten  bei  weitem  ein  Vielfaches  beträgt  von  der  Zahl 
der  nur  einigermassen  genügend  Behandelten.  Ich  bin  über¬ 
zeugt,  dass  in  Deutschland  und  in  Frankreich  noch  lange  nicht 
ein  Viertel  der  Patienten  behandelt,  sicher  nicht  genügend  be¬ 
handelt  wird. 

Zunächst  kommt  die  Abneigung  der  Patienten  gegen  die 
Behandlung  und  gegen  die  Kosten  derselben  in  Betracht.  Man 
hat  gut  dem  Patienten  sagen,  er  müsse,  auch  ohne  Symptome, 
nach  einiger  Zeit  die  Behandlung  wiederholen!  Bei  vielen  hält 
es  schon  schwer,  während  des  Bestehens  einer  floriden  Syphilis 
sie  zur  gewissenhaften  Beobachtung  aller  "V  orschriften  anzu¬ 
halten. 

Die  erwähnte  Abneigung  und  Leichtsinn  spielen  hier  eine 
grosse  Rolle.  Allerdings  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  bei  dem 
gebildeten  Publikum  hierin  eine  gewisse  Erziehung  zu  bemerken 
ist;  gleichwohl  ist  auch  unter  ihnen  die  Zahl  der  „Negativen“ 
nicht  gering.  Wenn  man  schon  während  des  Bestehens  der  Sym¬ 
ptome  Schwierigkeiten  hat  —  wie  viel  weniger  werden  dann  ge¬ 
sunde,  kräftige,  etwas  leichtsinnige  Menschen  sich  zu  einer  Be¬ 
handlung  entschliessen,  wenn  ihnen  nichts  zu  fehlen  scheint. 

Weiter  gibt  es  doch  auch  sehr  viele  Spezialisten,  praktische 
Aerzte,  die  gar  nicht  Anhänger  der  chronisch-intermittierenden 
Methode  sind. 

Und  schliesslich  das  Gros  der  arbeitenden  Klassen,  die  doch 
sicherlich  eine  beträchtliche  Prozentzahl  der  Syphilitiker  stellen, 
werden  doch  zweifellos  weitaus  in  der  grossen  Mehrzahl  höchstens 
dann  behandelt,  wenn  sie  sehr  sichtbare,  sie  störende  Erschei¬ 
nungen  haben. 

Unbedeutende  Rezidive,  einzelne  Papeln  werden  mit  einem 
Hausmittel,  mit  einem  „blutreinigenden  Kräuterthee“,  höchstens 
mit  etwas  Höllenstein  —  aber  nicht  spezifisch  behandelt.  Sie 
heilen  spontan. 

Also  jedenfalls  kann  man  sagen,  dass  allerhöchstens  ein 
Viertel  aller  Syphilitiker  einigermassen  „genügend“  behandelt 
wird.  Demgemäss  müssen  sich,  auch  wenn  die  Behandlung  gar 
keinen  Einfluss  hätte,  unter  100  Tertiären  die  Verhältnis¬ 
zahlen  der  „ungenügend“  (-f-  gar  nicht)  Behandelten  zu  den  „ge¬ 
nügend“  Behandelten  =  75 :  25  stellen  —  was  absolut  nicht  der 
Fall  ist.  Noch  viel  weniger  aber  finden  wir  eine  Verhältniszahl 
wie  etwa  95 :  5,  oder,  noch  viel  auffallender,  wie  98 :  2,  die  sich 
ergeben  müsste,  wenn  bei  den  genügend  Behandelten  die  Zahl 
der  Tertiären  von  10  Proz.  der  Infizierten  auf  1 — 3  Proz.  herunter¬ 
ginge!  De  facto  zeigen  alle  Statistiken  nur  wenige  Prozente 
Unterschied  zwischen  den  Zahlen  der  genügend  und  ungenügend 
Behandelten. 

Selbst  die  beste  Statistik  der  Verteidiger  der  F  ournier- 
N  e  i  s  s  e  r  sehen  Methode,  die  Raff  sehe,  beweist  höchstens, 
worauf  schon  Blaschko  aufmerksam  macht,  dass  eine  Be¬ 
handlung  überhaupt  —  noch  nicht  einmal  etwa  eine  ge¬ 
wissenhaft  durchgeführte  symptomatische  — ,  sondern 
eine  Behandlung  überhaupt  geeignet  ist,  die  Prognose  in  Be¬ 
zug  auf  den  Tertiarismus  zu  verbessern. 

Wir  stimmen  Raff  demgemäss  vollständig  bei  —  aber  auch 
gegen  seine  eigene  Arbeit  — ,  dass  wohl  noch  lange  Zeit  ver¬ 
gehen  kann,  ehe  die  Richtigkeit  der  Methode  statistisch  be¬ 
wiesen  oder  widerlegt  sein  wird.  Also  mit  Statistiken 
können  weder  wir  unseren  Gegnern,  noch  unsere  Gegner  uns  vor¬ 
läufig  etwas  anhaben. 

Wissenschaftlich- theoretische  Erwägungen  anderer  Art  könn¬ 
ten  uns  nun  zur  Wahl  einer  Methode  bestimmen.  Die  Entschei¬ 
dung  der  Frage,  ob  das  Hg  mikrobizid  oder  als  Antikörper 
wirkt,  würde  zweifellos  von  entscheidendem  Einfluss  auf  die 
Grundsätze  der  Syphilisbehandlung  sein  —  aber  sie  ist  eben  doch 
noch  nicht  entschieden.  Da  wir  uns  hier  auf  absolut  hypo¬ 
thetischem  Boden  bewegen,  so  wird,  worauf  ich  schon  hindeutete, 
sehr  häufig  die  theoretische  Erklärung  durch  die  praktische  An- 


16.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1531 


sicht,  nicht  die  praktische  Ansicht  durch  die  Theorie  bestimmt 
werden ! 

Wenn  uns  also  Statistik  und  theoretisch-wissenschaftliche 
Begründung  im  Stich  lassen,  so  bleibt  uns  doch  wohl  vorläufig 
nichts  übrig,  als  uns  auf  unsere  „Eindrücke“  zu  verlassen  — 
trotz  der  Geringschätzung,  mit  der  man  vom  IV ert  der  Eindrücke 
spricht  und  Statistiken  verlangt.  Denn  die  Reihe  und  Fülle  der 
„Eindrücke  muss  beim  denkenden  Arzte  das  erzeugen,  was  wir 
„Erfahrung“  nennen!  IJnd  Raff  selbst,  der  eine  Bemerkung 
gegen  die  „Eindrücke“  macht,  sagt  pag.  7 :  „Diesem  Eindruck 
(dass  Hg  in  gewissem  Umfange  vor  dem  Tertiarismus  schützt) 
kann  sich  niemand  entziehen,  der  bei  einer  grösseren  Anzahl 
tertiärer  Fälle  festgestellt  hat,  wieviele  von  ihnen  gar  nicht  mit 
Hg  behandelt  worden  sind“.  Die  kleine  Berechnung,  die  ich 
oben  angestellt  habe,  könnte  doch  auch  diesen  „Eindruck“  er¬ 
schüttern  ! 

Die  heute  herrschenden  Anschauungen  bringen  es  mit  sich, 
dass  viele  von  uns  Syphilidologen  als  überzeugte  Anhänger  der 
chronisch-intermittierenden  Behandlung  in  die  Praxis  treten. 
Zweifel,  die  bei  uns  aufsteigen,  bringen  uns  in  eine  sehr  schwie- 
rige  innere  Lage.  Statistik  und  theoretische  Erwägungen  ver¬ 
mögen  uns  keine  sichere  Ueberzeugung  zu  geben;  wir  selbst 
haben,  wenn  auch  durch  gewisse  „Eindrücke“  und  Erfahrungen 
stutzig  gemacht,  doch  eine  zu  schwere  Verantwortung,  um  durch 
Unterlassen  einer  chronisch-intermittierenden  Behandlung  viel¬ 
leicht  spätere  Rückfälle  zu  veranlassen  —  wie  soll  der  einzelne 
die  Verantwortung  auf  sich  nehmen,  an  seinen  Kranken  selbst  die 
entscheidenden  Erfahrungen  zu  sammeln?  Und  wie  viele  Jahre 
sind  dazu  nötig? 

Diese  Erfahrungen  hat  mir  nun  ohne  mein  Zutun  meine 
eigenartige  Praxis  gegeben.  Und  besonders  auf  Grund  meiner 
praktischen  Erfahrungen,  viel  weniger  durch  Statistik  und 
Theorie,  bin  ich  zu  meinen  Grundsätzen  für  die  Syphilisbehand¬ 
lung  gekommen. 

Das  Material,  welches  mir  während  länger  als  einem  Jahr¬ 
zehnt  zur  Beobachtung  gedient  hat,  ist  ein  sehr  eigenartiges  und 
hat  in  einem  Teile  den  ausserordentlichen  Vorzug,  dass  die 
Patienten  einem  fast  nie  ganz  aus  den  Augen  kommen;  in  einem 
anderen  Teile  hat  man  Gelegenheit,  die  Erfolge  der  verschieden¬ 
sten  Methoden  mit  einander  zu  vergleichen. 

Die  E remdenkolonie  einer  Stadt  wie  Konstantinopel  ist  immer¬ 
hin  nur  ein  Kleinstädtchen  in  einer  grossen  Stadt.  Man  kennt 
den  grösseren  Teil  der  besseren  Familien,  besonders  der  jungen 
Leute  aus  der  deutschen,  österreichischen,  englischen,  französi¬ 
schen  Kolonie  und  der  Levantiner.  Man  trifft  sie  im  Vereins¬ 
haus,  im  Klub,  in  Gesellschaften,  auf  der  Strasse;  man  kann 
jeder  Zeit  sie  persönlich  über  ihr  Befinden  fragen  oder  unver¬ 
dächtig  Erkundigungen  einziehen;  ja,  ein  nicht  geringer  Teil  der 
jungen  Leute  muss  sich  wieder  an  uns  Wenden,  wenn  sie  ihr 
Leben  versichern  lassen  wollen. 

Wenn  man  nun  unter  dieser  Klasse  nur  eine  kleinere  An¬ 
zahl  —  einige  siebzig  —  während  einer  längeren  Reihe  von  Jahren 
verfolgen  kann,  so  ist  diese  Zahl  zur  Aufstellung  von  Statistiken 
nicht  geeignet  —  gleichwohl  bilden  diese  Patienten  ein  vorzüg¬ 
liches  Feld  um  Erfahrungen  zu  sammeln.  Ueber  den  Gesund¬ 
heitszustand  dieser  Patienten  habe  ich  mich  mit  der  denkbar 
genauesten  Sicherheit  unterrichten  können,  ich  bin  ihr  Arzt  ge¬ 
blieben,  ich  habe  ihre  Kinder  gesehen,  oder  habe  sie  sonst  be¬ 
obachtet. 

Unter  diesen  Patienten  sind  nun  nicht  wenige,  die  nach  ein 
oder  zwei  Behandlungen  die  Begeisterung  an  der  Sache  verloren; 
die  wohl  kamen,  wenn  sie  wieder  Symptome  hatten,  oder  eine 
Behandlung  nach  längerer  Zeit  begannen,  wenn  man  sie  sehr  er¬ 
mahnte.  Aber  sie  waren  doch  sehr  nachlässig  in  der  Durch¬ 
führung  der  Behandlung.  Nun,  diese  Patienten  sind  jetzt  über 
5,  6,  10  ja  12  Jahre  hinweg,  zum  Teil  verheiratet,  Väter  gesunder 
Kinder,  subjektiv  und  objektiv  vollständig  gesund  —  ohne  dass 
sie  die  klassische  Behandlungsmethode  durchgemacht  haben. 
Ob  sie  nach  20  Jahren  oder  später  ein  Syphilid  oder  Syphilis 
des  Nervensystems  bekommen  werden,  weiss  ich  nicht  —  dass 
davor  aber  selbst  die  konsequenteste  Eournier  sehe  Methode 
mcht  schützt  —  dafür  habe  ich  traurige  Beweise! 

Auf  der  anderen  Seite  sah  ich  unter  meinen  Dauerpatienten 
solche,  die  kräftig  und  gesund  waren,  aber  ein  unregelmässiges 
Leben  führten;  besonders  viel  kneipten,  bis  tief  in  die  Nacht 


spielten,  oder  auch  solche,  die  als  Handlungsreisende  oder  als 
Inspektoren  für  grössere  Institute  viel  unterwegs  waren  und 
nicht  legelmässig  leben  konnten,  bei  ihnen  folgten  sich  die  Re¬ 
zidive,  rasch,  sie  wurden  sehr  ausgiebig  behandelt  —  und  trotz¬ 
dem  sind  eine  Reihe  von  ihnen  mit  tertiären  Erkrankungen  ge¬ 
kommen  und  sind  eigentlich  auch  objektiv  nie  recht  gesund. 

Dann  kommt  die  Klasse  derer,  die  nervös,  neurasthenisch, 
hysterisch,  anaemisch,  kachektisch  sind  —  diese  Patienten  behält 
man  nur  sehr  ungleichmässig,  sie  wechseln  alle  Augenblick  Arzt 
und  Behandlung  •  ;  bei  ihnen  ist  die  Behandlung  besonders 

schwierig,  denn  das  Hg  greift  sie  an,  und  kaum  ausgesetzt,  macht 
die  Syphilis  von  neuem  Symptome.  Hier  ist  von  dem  Fest¬ 
halten  eines  starren  Prinzipes  schon  gar  nicht  die  Rede  —  man 
muss  die  Behandlung  durchaus  den  gegebenen  Bedingungen  an¬ 
passen. 

Wenn  ich  nun  diese  Reihen  meiner  Patienten  miteinander 
vergleiche,  so  habe  ich  daraus  den  Eindruck  gewonnen,  dass  — 
soweit  wir  für  Heilung  im  Einzelfalle  Beweise  erwarten  können 
—  ein  grosser  Teil  meiner  Patienten  mit  recht  geringen  Dosen 
Hg  geheilt  worden  ist;  dass  bei  anderen  Patienten  von  vorne- 
herein  die  Symptome  sehr  rebellisch  sind,  aus  Ursachen,  die  in 
ihrer  Konstitution  oder  in  ihrer  Lebensweise  bedingt  sind.  Und 
obwohl  in  diesen  Fällen  —  de  facto,  nicht  aus  Prinzip  —  die 
Grundsätze  der  chronisch-intermittierenden  Methode  angewendet 
sind,  so  sind  die  Resultate  doch  nicht  so  günstig,  wie  in  der 
ersten  Gruppe. 

Natürlich  habe  ich  auch  nicht  wenige  Fälle,  in  denen  ich 
aus  alter  Ueberzeugung  und  weil  die  Patienten  es  wünschten, 
die  chronisch-intermittierende  Methode  durchgeführt  habe,  vor 
J ahren  —  dass  die  äussere  Anwendung  des  Hg  in  dieser 
Form  gefährlich  sei,  kann  ich  nicht  behaupten. 

Als  ganz  eigenartiges  Beobachtungsmaterial  steht  mir  nun 
das  Massenmaterial  der  endemischen  Syphilis  in  Kleinasien  zur 
Verfügung.  Venn  auch  meiner  Ansicht  nach  von  früheren  Be¬ 
obachtern  die  Prozentzahl  der  Tertiären  bei  endemischer  Syphilis 
zu  hoch  angegeben  ist  —  auch  von  mir  selbst  früher3)  — ,  so 
beträgt  sie  doch  mindestens  25 — 30  Proz.  aller  Fälle.  Diese 
Patienten  haben  nun  weitaus  in  der  Mehrzahl  gar  keine  Behand¬ 
lung  durchgemacht  oder  eine  einmalige,  oft  ganz  verhängnis¬ 
volle  Räucherungs-  und  Hungerkur.  Ihre  ungenügende  Haut- 
und  Mundpflege,  Unterernährung,  Unreinlichkeit,  Ungeziefer 
sind  wohl  unterstützende  Reize,  die  beim  Fehlen  der  Behandlung 
zu  der  hohen  Zahl  von  Syphiliden  der  Haut  und  der  Schleim¬ 
häute  Veranlassung  geben. 

Dass  eine  geringe  Menge  Hg  und  das  Fehlen  der  eben  an¬ 
geführten  äusseren  Umstände  schon  einen  grossen  Einfluss  haben 
auf  die  grössere  oder  geringere  Höhe  der  Zahl  des  Tertiarismus, 
dafür  geben  wieder  meine  Erfahrungen  im  Innern  Kleinasiens 
den  Beweis. 

In  den  kleinen  Städten  im  Innern  leben  meist  die  wohl¬ 
habenderen  Grundbesitzer,  wenigstens  während  eines  grossen 
Teils  des  J ahres  und  die  Handwerker.  Hier  sind  die  hygienischen 
Bedingungen  günstiger  und  es  gibt  Arzt  und  Apotheker.  Hier 
ist  die  tertiäre  Syphilis  sehr  viel  seltener  als  auf  dem  Lande. 
Anfänglich  glaubte  ich,  dass  die  Syphilis  überhaupt  auf  die 
Dörfer  beschränkt  sei.  Aber  die  Erfahrungen  der  letzten  Jahre, 
mehrmonatlicher  Aufenthalt  in  solchen  Städten,  hat  uns  den 
Beweis  geliefert,  dass  auch  hier  Syphilis  massenhaft  vorkommt 
—  aber  sie  wird  eben,  wenn  auch  nach  unseren  Ideen  ungenügend, 
behandelt ! 

So  hat  sich  bei  mir  zunächst  die  Ueberzeugung  befestigt, 
dass  wir  in  vielen  Fällen  mit  bedeutend  geringeren  Dosen,  als 
die  chronisch-intermittierende  Methode  verlangt,  das  erreichen 
können,  was  wir  erstreben.  Aber  eine  andere  sehr  ernste  Er¬ 
fahrung  hat  mich  zum  Gegner  der  klassischen  chronisch -inter¬ 
mittierenden  Methode  gemacht. 

Meine  Gegnerschaft  richtet  sich  übrigens  vorwiegend  gegen 
die  innerliche  Darreichung  des  Hg,  also  speziell  gegen  die 
klassische,  auch  in  den  südlichen  Ländern  noch  unbedingt  die 
Oberhand  behauptende  Methode  Fourniers. 

Ich  erwähnte  schon  oben,  dass  ich  —  immer  in  der  Hand 
eines  denkenden,  individualisierenden  Arztes  —  die  Gefahren  der 

chronisch-intermittierenden  Behandlung  bei  ausser  lieber 

_ •  ■,  »  •  r  r  rr 

8)  S.  meine  diesbezüglichen  Studien  über  endemische  Syphilis 
im  Archiv  für  Dermatologie  und  Syphilis  1902. 


3* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1532 


Anwendung  nicht  hoch  anschlagen  möchte.  Gleichwohl  bin  ich 
gegen  dieselbe,  weil  ich  sie  für  unnötig  halte;  ich  werde  bei  Dar¬ 
legung  meiner  Grundsätze  noch  näher  darauf  eingehen. 

Diese  Methode,  besonders  die  der  Injektionen,  kann  nie  so 
verhängnissvoll  werden,  schon  aus  dem  Grunde,  weil  der  Patient 
zum  Arzt  kommen  muss,  unter  Beobachtung  bleibt;  bei  der 
Schmierkur  gilt  das  nur  beschränkt,  aber  doch  viel  mehr,  als 
bei  der  innerlichen  Darreichung  des  Hg.  Also  k  a  n  n  der  Arzt 
doch  eher  individualisieren.  Und  Neuras thenische.  Anämische 
zwingen  den  Arzt  zur  Aenderung  der  Behandlung  —  Pillen 
schlucken  sie,  wie  ich  aus  massenhaften  Beispielen  erfahren  habe, 
ruhig  weiter ;  besonders  wenn  sie  von  einer  Autorität  verschrieben 
und  ihre  Neurasthenie  und  Anämie  als .  „syphilitische“  be¬ 
zeichnet  sind. 

Was  ich  als  Eolgezustände  der  chronisch-intermittierenden 
Methode  bei  innerer  Darreichung  des  Hg  gesehen  habe,  ist  ge¬ 
radezu  erschreckend  und  verdichtet  sich  für  mich  zu  einer 
schweren  Anklage  der  Eournier  sehen  Methode. 

Schon  in  einer  Dissertation  von  G.  v.  Wedel,  die  im  Jahre 
1896  auf  meine  Veranlassung  geschrieben  ist,  wird  darauf  hin¬ 
gewiesen  : 

„Es  ist  leicht,  dem  Praktiker  zuzurufen,  er  müsse  indivi¬ 
dualisieren.  Die  Patienten  kommen  von  der  Autorität  mit 
fertigen  Vorschriften  zum  Praktiker  zurück.  Sie  haben  es 
schriftlich,  dass  sie  in  den  nächsten  4  Jahren  so  und  so  viel 
Behandlungen  in  so  und  so  viel  Zwischenräumen  machen  sollen. 
Häufig  genügt  ihnen  diese  von  der  Autorität  gegebene  Vor¬ 
schrift;  sie  behandeln  sich  selbst.  Was  weiss  der  Spezialist,  der 
den  Kranken  einmal  untersucht  hat,  aber  von  der  Individualität 
des  Kranken  und  den  Antezedentien  im  Krankheitsverlauf,  die 
doch  nur  durch  fortgesetzte  und  lang  währende  Beobachtungen 
kennen  gelernt  werden  können.  Der  Kranke  geht  nach  einigen 
Jahren  noch  einmal  in  die  Sprechstunde  (der  Autorität),  und 
es  wird  bei  Wiederauftreten  von  Symptomen  die  Behandlungs¬ 
dauer  wieder  auf  Jahre  festgelegt.  So  treffen  wir  Kranke,  die 
—  viel  klüger  als  ihre  Aerzte,  denn  sie  haben  ja  eine  schriftliche 
Anweisung  für  ihre  Behandlung  —  jahrelang  Hg  gleichsam  als 
Nahrungsmittel  nehmen.“ 

Was  hier  steht,  ist  der  Ausdruck  der  traurigen  Erfahrungen, 
die  ich  gerade  mit  den  Patienten  in  Konstantinopel  gemacht 
habe.  Es  sind  nicht  etwa  obskure  Aerzte,  sondern  erste  Autori¬ 
täten,  die  so  die  Syphilitiker  behandeln  —  und  die  trotzdem  von 
der  Pflicht  des  Individualisieren  und  von  der  Möglichkeit  des 
Individualisieren  sprechen. 

Geradezu  trostlos  sind  die  Folgen  der  internen  chronisch¬ 
intermittierenden  Methode.  Ist  vielleicht  in  etwas  die  mit  em¬ 
pfindlicherem  Nervensystem  begabte  romanische  und  überhaupt 
die  südeuropäische  Rasse  Ursache,  dass  wir  in  diesen  Ländern 
häufiger  Syphilis  des  Zentralnervensystems  sehen  —  für  mich 
unterliegt  es  gar  keinem  Zweifel,  dass  die  geradezu  erschrecken¬ 
den,  mit  den  Erfahrungen  aller  anderen  Länder  im  Widerspruch 
stehenden  Statistiken  Eourniers  und  die  zahlreichen  Fälle 
von  schwerer  Neurasthenie,  Anämie,  Kachexie  und  Syphilis  des 
Nervensystems,  die  ich  in  Konstantinopel  gesehen  habe,  eine 
Folge  der  inneren,  chronischen  Darreichung  des  Hg  sind.  Ich 
habe  oft  die  grössten  Schwierigkeiten  gehabt,  die  Patienten 
zum  Aufgeben  der  ihnen  schriftlich  mitgegebenen,  auf  Jahre  fest¬ 
gelegten  Behandlung  zu  veranlassen,  und  es  ist  ganz  unglaublich, 
wie  schwere  Fälle  von  Tertiarismus  ich  bei  solchen  Patienten 
gesehen  habe.  Warum  fehlen  diese  Erfahrungen  nun  bei  den 
von  mir  von  vorneherein  behandelten  Südländern  ?  Sollten  die  eben 
erwähnten  Erfahrungen  etwa  daraus  zu  erklären  sein,  dass  nur 
die  schweren,  unheilbaren  Fälle  der  nach  auswärtiger  Vorschrift 
behandelten  Kranken  schliesslich  noch  zu  mir  kamen?  Ich 
kann  dem  entgegenhalten,  dass  mir  sehr  zahlreich  frische,  d.  h. 
im  ersten  oder  zweiten  Jahre  der  Behandlung  stehende  Fälle  zu- 
kamen,  die  nach  denselben  Grundsätzen  in  Konstantinopel  be¬ 
handelt  waren,  bei  denen  trotz  monatelang  fortgesetzter  interner 
Darreichung  des  Hg  die  Symptome  nicht  schwinden  wollten  — 
die  nun  bei  Aussetzen  der  Behandlung  von  selbst  schwanden,  und 
zwar  doch  wohl,  weil  die  Anämie,  die  Verdauungsstörungen  der 
Patienten  nach  Aussetzen  des  Hg  wie  von  selbst  aufhörten ! 

Leider  zwingen  uns  die  Verhältnisse  —  poliklinische  Massen¬ 
behandlungen,  Reisende  • —  und  manchmal  die  Bequemlichkeit, 
in  Bezug  auf  die  innere  Darreichung  des  Hg  Konzessionen  zu 


machen.  Für  kürzere,  Aushilfskuren  mag  man  sie  hin  und 
wieder  anwenden.  Aber  die  chronisch-intermittierende  innerliche 
Darreichung  des  Hg  halte  ich  nach  meinen  nicht  geringen  Er¬ 
fahrungen  für  direkt  schädlich,  ja  durch  die  Schwächung  des 
Organismus  direkt  für  eine  der  unterstützenden  Ursachen  des 
Tertiarismus  und  der  Syphilis  der  Nervensystems. 

Es  ist  hier  auch  der  Platz,  ein  Wort  über  gewisse  sogen, 
parasyphilitische  Erkrankungen,  besonders  über  Tabes  und  pro¬ 
gressive  Paralyse  zu  sagen.  Dass  Syphilis  an  und  für  sich  nicht 
die  Ursache  dieser  Erkrankungen  ist,  darüber  kann  gar  kein 
Zweifel  bestehen,  denn  unter  zehntausenden  von  Syphilitikern 
hier  in  Kleinasien  findet  man  kaum  einen  Tabetiker  oder  Para¬ 
lytiker!  Und  Glücks  Erfahrungen  in  Bosnien  sind  die 
gleichen.  Es  müssen  also  andere  Ursachen  alleine,  vielleicht 
unterstützt  durch  die  Syphilis,  zur  Tabes  und  Paralyse  führen. 
Dass  aber  bei  nervösen,  neurasthenischen  Individuen  eine  schwere 
Schwächung  des  Organismus  und  Schädigung  des-  Nervensystems 
durch  länger  fortgesetzte  innere  Darreichung  von  Hg  eintritt, 
ist  doch  wohl  recht  begreiflich  und  wahrscheinlich. 

Es  ist  denen,  die  ihre  Erfahrungen  an  einem  so  zu  Ver¬ 
gleichen  auffordernden  Material  machen,  wie  ich,  durchaus  nicht 
zu  verargen,  wenn  sie  für  die  Häufigkeit  der  Tabes  und  Paralyse 
bei  Syphilitikern  in  Frankreich  mindestens  ebensosehr  die 
Schädigungen  des  Nervensystems  durch  übertriebene,  zur  Anämie 
und  chronischen  Erkrankungen  der  Verdauungsorgane  führende 
innere  Darreichung  des  Hg  anschuldigen,  als  die  Syphilis. 

Bei  dieser  Methode  noch  vom  Individualisieren  zu  sprechen, 
wirkt  fast  komisch.  Die  Patienten  bringen  auf  ein  Jahr,  ja 
auf  mehrere  Jahre  ihre  Behandlung  schriftlich  mit.  Und  Medi¬ 
kamente  schlucken  tut,  trotz  aller  Reaktion  dagegen,  der  Durch¬ 
schnittsmensch  gewissenhaft.  Dazu  kommt,  dass  es  bequem,  dis¬ 
kret,  billig  und  reinlich  ist,  wenn  man  seine  Syphilis  zu  Hause 
mit  Pillen  behandeln  kann  —  Gründe  genug,  die  Patienten  zum 
festen  Vertrauen  auf  die  Autorität  zu  veranlassen.  Die  F  o  1  - 
g  e  n  sehen  aber  mehr  andere  Leute. 

Also  gerade  die  Methode,  welche  schon  an  und  für  sich  die 
schlechteste  ist,  ist  es,  die  ohne  jede  ärztliche  Aufsicht,  ohne 
Kontrole,  als  Schablone  dem  grossen  Publikum  —  und  damit 
dem  Gros  der  Praktiker  —  in  vielen  Ländern  empfohlen  wird. 

Dass  sich  damit  die  Schädlichkeiten  der  an  und  für  sich  viel 
weniger  zweischneidigen,  stets  ärztliche  Kontrolle  verlangenden 
Injektionskur  selbst  in  der  Hand  des  enragiertesten  Propliy- 
laktikers  gar  nicht  vergleichen  lassen,  liegt  auf  der  Hand. 

Ich  kann  meine  Erfahrungen  dahin  zusammenfassen,  dass 
im  allgemeinen  eine  weit  geringere  Menge  von  Quecksilber  hin¬ 
reicht,  um  die  Patienten  von  Tertiarismus  und  den  übrigen  Fol¬ 
gen  der  Syphilis  zu  bewahren,  als  diejenige  ist,  welche  im  Laufe 
einer  chronisch-intermittierenden  Behandlung  nach  Neisser- 
F  ournier  angewandt  wird ;  dass  weiter  zweifellos  die  Queck¬ 
silberbehandlung  vor  dem  Tertiarismus  schützt;  dass  für  das 
Auftreten  des  Tertiarismus  aber  trotz  Quecksilber  andere  Fak¬ 
toren,  Anämie,  Neurasthenie,  Fieber,  Alkohol,  unregelmässige 
Lebensweise,  geistige  Ueberanstrengungen,  Sorgen,  Aufregungen, 
von  der  grössten  Bedeutung  sind. 

Schliesslich  behaupte  ich  direkt  auf  Grund  meiner  Er¬ 
fahrungen  —  Statistik  habe  ich  nicht  — ,  dass  ein  lang  fort¬ 
gesetzter  innerlicher  Gebrauch  von  Quecksilber  zu  den  eben  an¬ 
geführten  Ursachen  für  das  Auftreten  des  Tertiarismus  und  Er¬ 
krankung  des  Nervensystems  hinzutritt. 

Was  nun  die  praktische  Ausführung  der  Behandlung  an¬ 
geht,  so  stehe  ich  auf  einem  mehr  vermittelnden  Standpunkt, 
ich  bin  weder  ein  Anhänger  der  chronisch-intermittierenden 
Methode,  noch  der  rein  symptomatischen  Behandlung.  Ich 
glaube  an  einen  bestimmten  Nutzen  einer  Präventivbehandlung. 
Es  ist  bedauerlich,  dass  das  Wort  so  todgehetzt  ist,  und  dass  es 
jeder  für  sich  in  Anspruch  nimmt:  das  Individualisieren  scheint 
mir  das  Wesentliche. 

Bei  der  grossen  Unsicherheit  unserer  theoretischen  Anschau¬ 
ungen,  die  doch  immer  dem  augenblicklichen  Stande  unserer 
Kenntnisse  in  der  Pathologie  angepasst  sind,  und  mit  den  sich 
jetzt  erst  bildenden,  rasch  veränderlichen  Erfahrungen  in  der 
Bakteriologie  und  Humoralpathologie  sich  ändern  müssen,  kommt 
mir  jeder  schroff  prinzipielle,  auf  theoretische  Erwägungen 
gegründete  Standpunkt  etwas  unberechtigt  vor.  Und  da  auf 
beiden  Seiten  ernste  Leute  stehen,  an  deren  Streben,  richtig  zu 


10.  September  1902. 


MtJENCHENEH  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1533 


sehen  und  die  Erkenntnis  zu  finden,  nicht  zu  zweifeln  ist,  und 
da  auf  beiden  Seiten  die  Fehler,  die  man  der  betreffenden 
Methode  vorwirft,  bestritten  werden  —  so  wird  wohl  auch  hier 
die  Wahrheit  in  der  Mitte  liegen.  Ich  habe  schon  in  meinen 
klinischen  "S  orlesungen  über  Syphilis  darauf  hingewiesen,  dass 
mir  in  praxi  ein  so  gewaltiger  Unterschied  zwischen  beiden 
Methoden  nicht  vorzuliegen  scheint  —  die  Rezidive  der  Syphilis 
zwingen  eben  jeden  Arzt  zu  wiederholten  Behandlungen  und  die 
Verschiedenheit  der  Naturen,  die  grössere  Empfindlichkeit  oder 
L  nempfmdlichkeit  gegen  Quecksilber  zwingt  schon  eo  ipso  zum 
1  ndividualisieren. 

Wogegen  ich  midi  aber  mit  aller  Entschiedenheit  erhebe, 
das  ist  das  zum  Gesetzerheben  d,er  chronisch-intermittierenden 
Methode  und  gegen  die  jeder  Kritik  baaren  Schlussfolgerungen, 
die  von  gewisser  Seite  auf  das  Unterlassen  einer  solchen  Behand¬ 
lung  gebaut  werden. 

Zwei  Punkte  sind  bei  der  Behandlung  nicht  aus  dem  Auge 
zu  verlieren:  1.  dass  die  Syphilis  und  viele  ihrer  Erscheinungen 
auch  spontan  zurückgehen ;  und  2.  dass  die  individuelle  Empfind¬ 
lichkeit  —  sowohl  des  Individuums,  wie  der  Symptome  —  gegen 
Quecksilber  ausserordentlich  verschieden  ist. 

Wann  ist  nun  die  Behandlung  zu  beginnen?  Auch  hier 
nehme  ich  gewissermassen  einen  vermittelnden  Standpunkt  ein. 
Sobald  die  Diagnose  wirklich  sicher  ist,  kann  man  die  Be¬ 
handlung  beginnen.  Nun  ist  meiner  Ansicht  nach  —  und  je 
grösser  meine  Erfahrung  wird,  desto  unsicherer  bin  ich  in  der 
Diagnose  — mehr  als  die  Hälfte  aller  Eiille  zweifelhaft.  In  der  ^ 
Mehrzahl  der  Fälle,  als  Regel,  warte  ich  deshalb,  bis  weitere  Er¬ 
scheinungen  der  Syphilis  aufgetreten  sind.  Ich  warte  aber  auch 
noch  aus  einem  anderen  Grunde.  Gerade  die  erste  Behandlung 
gibt  uns  einen  guten  Massstab  für  die  eben  erwähnte  individuelle  1 
Empfindlichkeit  gegen  Quecksilber  und  bestimmt  damit  unser 
weiteres  Tun. 

In  dem  Zuwarten  sehe  ich  in  keiner  Weise  einen  Nachteil  ! 
für  den  Kranken;  ich  halte  es  für  gut,  sich  selbst  und  dem  ! 
Kranken  die  Tatsächlichkeit  der  Krankheit  ad  oculos  demon¬ 
striert  zu  haben.  Andererseits  halte  ich  aber  auch  alle  Angaben, 
dass  der  Verlauf  der  Syphilis  gestört,  unregelmässig  werde,  durch  ' 
frühzeitige  Behandlung  für  vollkommen  unberechtigt.  In  allen  I 
Fällen,  in  denen  eine  besonders  mächtige  Sklerose  oder  Neigmag  ! 
zum  Verfall,  auffallendes  allgemeines  Uebelbefinden,  beginnende 
Anämie  eine  schwerere  Infektion  anzukünden  scheinen,  beginne 
ich  die  Behandlung  sofort,  und  habe  nie  einen  Nachteil  davon  ge¬ 
sehen  4). 

Ich  ziehe  allen  Präparaten  das  Hg  salicylic.  vor,  und  zwar 
gebe  ich  sofort  starke  Dosen,  2  Injektionen  wöchentlich  von 
0,08—0,1. 

Bei  den,  sicher  100  000  weit  übersteigenden  Injektionen,  die  j 
ich  selbst  und  meine  Assistenten  seit  6  Jahren  gemacht  haben,  I 
ist  mir  niemals  ein  ernster  Zufall  vorgekommeu.  Ich  stimme  mit  I 
Blaschko  darin  überein,  dass  die  Paraffinembolien  vollständig 
bedeutungslos  sind.  Ich  habe  übrigens  erst  bei  2  Patienten 
diesen  Zufall  erlebt,  und  zwar  bei  einem  Patienten  2  mal.  Irgend¬ 
welche,  über  die  nächsten  24  Stunden  hiuausgehende  Folgen 
habe  ich  nicht  gesehen. 

Die  erste  Behandlung  wird  fortgesetzt,  bis  alle  Symptome 
verschwunden  sind  und  dann  noch  etwas  f ortgef ahren ;  wenn 
z.  B.  nach  der  6.  oder  7.  Injektion  alle  Symptome  verschwunden 
sind,  so  erhält  der  Patient  im  ganzen  10  Injektionen. 

Dass  ich  natürlich  alle  übrigen  allgemeinen  und  speziellen 
Verbal tungsmassregeln  gebe,  wie  jeder  Arzt,  in  Bezug  auf  Mund¬ 
pflege,  Lebensweise,  versteht  sich  von  selbst. 

Von  grossem  Nutzen  sind  die  türkischen  Bäder.  Ich  lasse 
fast  alle  Patienten  am  Tage  vor  der  Injektion  oder  unmittelbar 
nach  der  Injektion  ins  türkische  Bad  gehen. 

Für  alle  Schleimhautaffektionen,  auch  die  merkuriellen, 
hat  sich  mir  Chromsäurelösung  in  Konzentrationen  von  2  bis 
20  Proz.,  sofort  neutralisiert  durch  Spülung  mit  gesättigter 
Lösung  von  Natron  bicarbonicum,  ausserordentlich  bewährt. 

Im  zweiten  Monat  nach  der  Injektionskur  muss  der  Patient 
täglich  0,50 — 1  g  J  odkali  nehmen  und  sich  am  Ende  des  zweiten 

9  Einige  solche  Vorurteile,  ohne  Beweis,  schleppen  sich  durch 
die  Lehrbücher.  So  auch  die  Angabe,  dass  eine  extragenitale  In¬ 
fektion  häufig  schwerer  verliefe,  als  eine  genitale.  Aus  hunderten 
Fällen  kann  ich  das  Unberechtigte  dieser  Angabe  erweisen. 


Monats  -  wenn  er  bis  dahin  nicht  durch  ein  Rezidiv  von  selbst  zu 
mir  geführt  wird  wieder  melden.  Ich  untersuche  ihn  und  wenn 
er  sowohl  frei  von  Symptomen  ist,  als  auch  subjektiv  sich  wohl 
befindet,  so  entlasse  ich  ihn,  um  ihn  nach  14  Tagen,  und  nach 
abeimals  14  Tagen  nochmals  zu  untersuchen.  Hat  er  nach  Ab¬ 
lauf  des  dritten  Monats  keine  Erscheinungen,  so  leite  ich  doch 
eine  leichte  Behandlung  ein,  die  Hälfte  von  der  in  der  ersten 
Behandlung  verabfolgten  Dosis.  Und  so  fahre  ich  fort,  indem 
ich  die  Behandlungen  sehr  bald  entfernter  mache,  so  dass  auf 
das  zweite  und  dritte  Jahr  oft  nur  zwei  oder  gar  eine  Behandlung’ 
kommt. 

Von  beiden  Seiten  wird  man  mir  entgegenhalten,  dass  in 
dieser  Art  der  Behandlung  kein  richtiges  Prinzip  sei. 

Vielleicht.  Aber  ich  bin  eben  von  der  Anhängerschaft  der  chro¬ 
nisch-intermittierenden  Methode  aus  auf  diesen  Weg  gekommen; 
ich  weiss  nicht  sicher,  trotz  aller  Auseinandersetzungen  der  ver¬ 
schiedenen  Autoren,  ob  das  Hg  bakterizid  oder  antitoxisch  wirkt; 
ich  weiss  aber,  dass  diese  Dosen  nichts  schaden.  Und  ich  über¬ 
lege  mir,  dass  ein  Rezidiv  nicht  immer  gerade  unbedingt  mit, 
äusserlich  sichtbaren  Symptomen  zu  verlaufen  braucht,  dass  das 
Wiedererwachen  und  Inzirkulationtreten  der  Mikroben  vielleicht 
unter  der  „Schwelle  einer  Eruption“  bleiben  und  sich  nur  durch 
geringes  allgemeines  Uebelbefinden,  Abgeschlagenheit,  unruhigen 
Schlaf,  Appetitlosigkeit  und  Blässe  äussern  kann.  Da  mir  in 
solchen  Fällen  eine  Quecksilberkur  gute  Dienste  geleistet  hat, 
da  ich  einen  Schaden  nie  gesehen  habe  und  bis  jetzt  eher  noch 
ein  Anhänger  der  bakteriziden  Wirkung  des  Hg  bin,  so  stelle  ich 
mich  auch  nicht  auf  den  ausgesprochenen  Standpunkt  der  sym¬ 
ptomatischen  Behandlung.  Ich  erkenne  sogar  eine  gewisse  Be¬ 
rechtigung  der  intermittierenden  Behandlung  an,  betone  aber 
nochmals,  dass  bei  der  klassischen  Form  der  Behandlung  im  all¬ 
gemeinen  viel  grössere  Dosen  Hg  verbraucht  werden,  als  nötig. 

Gegen  die  F  ournier-Neisser  sehe  Methode  wird  noch 
ein  Grund  angeführt,  der  in  gewisser  Weise  berechtigt,  durch 
Verallgemeinerung  aber  übertrieben  wird. 

Man  sagt,  dass  bei  der  Einleitung  von  wiederholten  Behand¬ 
lungen  auch  dann,  wenn  keine  Symptome  bestehen,  die  Wirkung 
des  Hg  ausbleibt,  uns  im  Stiche  lässt  gerade  dann,  wenn  wir  es 
brauchen,  wenn  also  während  einer  Behandlung  oder  unmittelbar 
nach  ihr  Erscheinungen  auftreten. 

Dass  eine  Gewöhnung  an  das  Hg  eintritt,  und  dass  bei  kritik¬ 
loser,  übertriebener  Merkurialisierung  des  Körpers  selbst  be¬ 
deutende  Dosen  von  Hg  ohne  jeden  Einfluss  auf  syphilitische 
Symptome  bleiben,  ist  eine  allgemeine  Erfahrung.  Zweifellos 
nach  meiner  Erfahrung  tritt  die  Wirkungslosigkeit  viel  häufiger 
und  viel  verhängnisvoller  bei  innerer  Darreichung  ein. 

Aber  eine  Tatsache  darf  hier  nicht  vergessen  werden.  Es 
handelt  sich  da  meistens  um  Fälle,  die  überhaupt  sehr  hartnäckig 
sind  und  sehr  zu  Rückfällen  neigen.  Diese  Fälle  erfordern,  ganz 
unabhängig  von  den  allgemeinen  Grundsätzen,  nach  denen  ein 
Arzt  handelt,  stets  eine  sehr  überlegte  Anwendung  des  Hg.  Man 
kann  bei  solchen  Patienten  sehr  häufig  gezwungen  sein,  auf  das 
einzelne  Symptom  wenig  Gewicht  zu  legen  und  auf  eine  Behand¬ 
lung  einzelner  Symptome  zu  verzichten.  Nicht  selten  sieht  man, 
wenn  eine  allgemeine  Behandlung,  eine  Badekur,  ein  Gebirgs- 
aufentlialt  den  allgemeinen  Ernährungszustand  gebessert,  ge¬ 
hoben  hat,  solche  Symptome  von  selbst  verschwinden,  oder  nach 
einer  Pause  von  einigen  Monaten  auf  Dosen  von  Hg  verschwin¬ 
den,  die  vor  dieser  Pause  vollständig  wirkungslos  blieben.  Also 
hier  werden  sich  tüchtige  Aerzte,  seien  sie  Prophylaktiker  oder 
Symptomatiker,  immer  auf  gleichem  Wege  treffen. 

Allerdings  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  gerade  die  Neigung 
solcher  Patienten,  immer  noch  eine  Autorität,  noch  einen  Arzt  zu 
konsultieren,  zu  unglaublichen  Missbräuchen  führt.  Immer 
wieder  werden  die  schon  mit  Hg  übersättigten  Organismen 
wieder  einer  anderen  ILg-Behandlung  unterworfen,  und  die  Er¬ 
fahrungen,  die  man  auf  diesem  Gebiete  macht,  sind  sehr  trübe 
und  es  ist  besser,  nicht  in  Einzelheiten  einzugehen. 

Für  die  Mehrzahl  der  normalen  Fälle  kann  ich  aber  die  Ge: 
fahr  der  Gewöhnung  und  das  Versagen  des  Hg  im  kritischen 
Moment  nicht  so  gross  anschlagen.  Wenn  nach  einer  Behand¬ 
lung  unmittelbar  wieder  ein  Symptom  auftritt,  so  lasse  ich  mich 
von  folgenden  Grundsätzen  leiten.  War  die  Behandlung  ener¬ 
gisch  und  ist  das  Symptom  unbedeutend,  z.  B.  eine  Papel  an  der 
Zunge,  so  lasse  ich  zunächst  nur  eine  lokale  Behandlung  ein- 


No.  37 


4 


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treten  —  und  komme  häufig  damit  aus.  Denn  Syphilissymptome 
heilen  auch  spontan! 

War  die  Behandlung  eine  sehr  milde,  so  nehme  ich  sie  ein¬ 
fach  wieder  auf. 

Tritt  das  Symptom  an  einem  durch  die  Erkrankung  ge¬ 
fährdeten  Organ  auf,  handelt  es  sich  z.  B.  um  eine  Iritis,  so 
nehme  ich  die  Behandlung  natürlich  sehr  energisch  wieder  auf 
und  habe  ein  Versagen  durch  Gewöhnung  nicht  gesehen. 

Ich  kann  es  nicht  genug  betonen,  dass  meiner  Ansicht  in 
praxi  der  Unterschied  der  Behandlung  in  der  Hand  gewissen¬ 
hafter,  individualisierender  Aerzte  nicht  sehr  gross  ist  zwischen 
beiden  Methoden;  dass  aber  zweifellos  in  der  chronisch-inter¬ 
mittierenden  Methode  für  eine  grosse  Zahl  von  Aerzten  die  Ge¬ 
fahr  des  Schablonisierens,  Charlatanisierens  liegt.  Blaschlco 
hat  vollständig  recht,  wenn  er  darauf  hinweist,  dass  durch  solche 
Erfahrungen  den  Antimerkurialisten  in  die  Hände  gearbeitet 
wird. 

Ich  muss  es.  mir  versagen,  in  Einzelheiten  der  Behandlung 
näher  einzugehen  —  es  handelte  sich  hier  nur  um  Aufstellung 
der  Grundsätze. 

Castamuni,  24.  Mai  1902. 


Aus  dem  kgl.  hygienischen  Institute  der  Universität  Berlin. 

Untersuchungen  über  die  Wirkung  des  Sublamins 
(Öuecksilbersuifat-aethylendiamin)  als  Desinfektions¬ 
mittel. 

Von  Dr.  M.  Blumberg,  Spezialarzt  für  Frauenkrankheiten 
und  Chirurgie  in  Berlin. 

Ueber  die  im  folgenden  geschilderten  Versuche  habe  ich 
schon  kurz  in  einem  Vortrage  auf  dem  vorjährigen  Chirurgen¬ 
kongress1 * 3)  berichtet.  In  dem  Vortrag  war  es  jedoch  bei  der  Kürze 
der  zu  Gebote  stehenden  Zeit  nicht  möglich,  die  Einzelheiten 
der  angestellten  Versuche  so  eingehend  zu  schildern,  wie  dies  für 
eventuelle  Nachprüfungen  erforderlich  ist.  Diese  genaueren 
Angaben  zu  bringen  ist  der  Zweck  dieses  Aufsatzes;  zugleich 
füge  ich  auch  einige  Bemerkungen  über  die  praktische  Verwen¬ 
dung  des  Sublamins  bei. 

Nachdem  durch  meinen  früheren  Chef,  Herrn  Geheimrat 
v.  Mikulicz  der  Anstoss  dazu  gegeben  worden  war,  dass  man 
die  Frage  der  Sterilisierbarkeit  der  Hände  und  Haut  bei  Opera¬ 
tionen  einer  erneuten  scharfen  experimentellen  wie  klinischen 
Revision  unterwarf,  ist  eine  überaus  umfangreiche  Literatur 
über  diesen  Gegenstand  die  Folge  gewesen.  Während  anfangs 
die  von  der  Mikulicz  sehen  Schule  auf  Grund  der  Gott¬ 
stein  sehen  und  meiner  Untersuchungen  vertretene  Ansicht, 
die  sieh  der  früher  schon  von  K  rönig  ausgesprochenen  näherte, 
heftigem  Widerstand  begegnete,  ist  sie  in  den  letzten  Jahren 
fast  allseitig  akzeptiert  worden;  es  wird  heute  der  Beweis  als  er¬ 
bracht  angesehen,  dass  es  bisher  keine  Methode  gibt,  welche  eine 
völlige  Sterilisierung  der  Hände  und  Haut  gewährleistet.  Wenn 
man  vor  Anstellung  zahlreicher  Versuchsreihen  die  Hoffnung 
liegen  mochte,  dass  es  entweder  besonders  vervollkommne- 
ten  mechanische  n  Desinfektionsmethoden  oder  der  Kom¬ 
bination  .  mechanischer  und  chemischer  Desinfektion  ge¬ 
lingen  müsste,  die  Hände  von  allen  Keimen  zu  befreien,  so  hat 
sich  durch  Untersuchungen,  die  ich  in  Gemeinschaft  mit  Prof, 
lvroenig  an  der  Leipziger  Universitäts-Frauenklinik  ange¬ 
stellt  habe '),  sowie  kurz  darauf  durch  die  Arbeiten  von  Paul 
und  Sarweys),  von  Schenk  und  Z  a  u  f  a  1 4)  u.  a.  gezeigt, 
dass  die  rein  mechanische  Methode  mittels  der  Schleich  sehen 
Seife  ganz  verblüffend  schlechte  Resultate  ergibt.  Ich  möchte 
hier  nur  ein  Beispiel  aus  unseren  eigenen  Untersuchungen  an- 
fiihren:  Nachdem  die  mit  Tetragenusbouillonaufschwemmung 
infizierten  Hände  mit  Schleich  scher  Seife  10  Minuten  lang 
in  exakter  Weise  nach  den  Angaben  des  Autors  gewaschen  waren, 
Hessen  sich  von  den  Händen  noch  so  viel  Keime  entnehmen,  dass 
die  13  damit  geimpften  Mäuse  sämtlich  innerhalb  2 — 5  Tagen 

')  Arcli.  f.  ltlin.  Chirurgie,  G4.  Bd,  Heft  3. 

-)  Kr  oenig  und  Bl  um  her  g:  Beiträge  zur  Hände¬ 
desinfektion.  Monographie  1900;  ferner:  Vergleichende  Unter¬ 
suchungen  über  den  Wert  .  .  .  Münch,  med.  Wochenschi*.  1900, 
No.  29  u.  30. 

3)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901. 

4)  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  45. 


No.  37. 


an  Tetragenusseptikämie  starben.  Dieses  Resultat,  welches  durch 
die  nachfolgenden  Autoren  in  ähnlicher  Weise  bestätigt  wurde, 
muss  den  Wunsch,  durch  rein  mechanische  Mittel  unsere 
Hände  zu  sterilisieren  leider  als  ein  pium  desiderium  er¬ 
scheinen  lassen. 

Wie  unsere  Untersuchungen  ferner  lehrten,  müssen  wir  auch 
die  A  h  1  f  e  1  d  sehe  Heisswasser- Alkohol-Desinfektion  als  durch¬ 
aus  unzureichend  ansehen,  und  —  indem  ich  bezüglich  der 
näheren  Begründung  auf  unsere  früheren  Abhandlungen  ver¬ 
weise  —  will  ich  nur  hervorheben,  dass  das  bei  weitem  günstigste 
Resultat  in  den  Untersuchungen,  welche  ich  gemeinsam  mit  Proi. 
Kroenig  an  der  Klinik  unseres  früheren  Chefs,  Herrn  Ge¬ 
hei  mrat  Zweifel  ausgeführt  habe,  uns  die  Kombination 
der  mechanischen  Desinfektion  mit  der  Im¬ 
prägnation  der  Haut  mit  einer  Quecksilber  - 
salzlösung  ergeben  hat.  Schon  vom  theoretischen 
Standpunkt  aus  ist  der  Erfolg  einer  derartigen  Desinfektions¬ 
methode  sehr  wahrscheinlich,  wissen  wir  doch  schon  seit  langem, 
dass  wässrige  Quecksilbersalzlösungen  sich  mit  der  Oberhaut 
unserer  Hände  ausserordentlich  intensiv  verbinden.  Es  ist  be¬ 
kannt,  dass,  wenn  man  sich  oft  mit  Sublimat  desinfiziert,  man 
jederzeit  auf  den  Händen  die  Quecksilberreaktion  erzeugen  kann, 
indem  durch  Auftropfen  von  Schwefelammon  infolge  des  noch 
anhaftenden  Sublimats  Braun-  bezw.  Schwarzfärbung  der  Hände 
eintritt.  So  begegnete  es  Herrn  Geheimrat  v.  Mikulicz,  dass, 
als  er  ins  Schwefelbad  in  Baden  bei  Wien  stieg,  sich  seine  Hände 
und  Unterarme  infolge  des  in  der  Oberhaut  noch  befindlichen 
Sublimats  schwarz  färbten,  so  dass  ihn  die  Mitbadenden  erstaunt 
fragten,  ob  er  denn  „schmiere“,  und  doch  waren  schon  viele  Tage 
seit  der  letzten  Desinfektion  mit  Sublimat  vergangen. 

Wir  wissen  nun  weiter,  dass  die  Quecksilberverbindungen 
auch  in  eiweisshaltigen  Lösungen,  also  im  Blutserum, 
ausserordentlich  starke  entwicklungshemmende  Eigenschaften 
haben.  Für  die  operative  Praxis  aber  dürfen  wir  dann  die  Des¬ 
infektion  unserer  Hautoberfläche  als  genügend  ansehen,  wenn 
bei  Uebertragung  von  Teilen  oder  Abschabseln  der  Haut  durch 
die  mitübertragene  Quecksilber  Verbindung  eine  derartige  ent¬ 
wicklungshemmende  Kraft  noch  ausgeübt  wird,  dass  die  etwa  auf 
der  Haut  noch  befindlichen  Bakterien  im  Tierkörper  nicht  zur 
Entwicklung  kommen  können,  oder,  wie  Krönig  es  kurz  aus- 
gedrückt  hat:  die  Haut  ist  dann  genügend  desinfiziert,  wenn  sie 
nicht  mehr  infizieren  kann. 

Bedingung  für  die  Wahl  einer  bestimmten  Queck¬ 
silberverbindung  ist,  dass  dieselbe  in  möglichst  tiefe 
Teile  der  Haut  einzudringen  vermag. 

Bei  der  Desinfektion  unserer  Hände  werden  zur  Zeit  ge¬ 
wöhnlich  Sublimatlösungen  angewendet,  es  lässt  sich  jedoch  nicht 
leugnen,  dass  gerade  das  Sublimat  auch  grosse  Nachteile  hat. 
Es  ist  ein  starkes  Aetzmittel  und  kann  von  einer  nicht  geringen 
Zahl  von  Aerzten  überhaupt  nicht  angewendet  werden,  da  sie 
ein  heftiges  Ekzem  darnach  bekommen.  Abgesehen  von  diesen 
Aerzten,  die  eine  direkte  Idiosynkrasie  gegen  Sublimat  haben,  er¬ 
zeugt  bei  intensiverer  Anwendung  das  Sublimat  fast  bei  allen 
Händen  eine  gewisse  Rauhheit  und  Sprödigkeit.  Handelte  es  sich 
hier  nur  um  kosmetische  Rücksichten,  so  könnten  wir  leicht  dar¬ 
über  hinweggehen,  wir  wissen  jedoch  jetzt  durch  exakte  Unter¬ 
suchungen,  dass  selbst  bei  leichten  Rauhheiten,  bei  unbedeutender 
Schuppung  der  Haut  eine  wiederholte  Desinfektion  der  Haut 
immer  schwieriger  wird.  Ich  will  hier  nur  an  Beobach  1  ungen 
erinnern,  die  ich  an  der  Mikulicz  sehen  Klinik  gemacht 
habe :  hier  konnte  ich  von  den  Händen  mehrerer  Assistenten 
nach  der  Desinfektion  keine  Keime  entnehmen,  nur  von  ganz 
oberflächlichen  Epidermisunebenheiten  dieser  selben  Hände 
Hessen  sich  überaus  reichliche  Bakteren  gewinnen. 

Die  gute  Beschaffenheit  der  Hautober¬ 
fläche  ist  also  ein  erstes  Erfordernis  für  das  Gelingen 
der  Desinfektion,  ein  Postulat,  dessen  hohe  Bedeutung  alle 
Autoren  übereinstimmend  anerkennen;  ich  nenne  nur 
Schleich,  Gottstein,  II  a  e  g  1  e  r  etc. 

Bei  dieser  starken  Reizwirkung  des  Sublimats  ist  es  natür¬ 
lich  ausgeschlossen,  in  gewissen  Fällen,  wo  es  erwünscht  wäre, 
eine  noch  höhere  Konzentration  des  Sublimats  als  die  übliche 
anzuwenden. 

Ein  weiterer  Nachteil  des  Sublimats  besteht  in  seiner  man¬ 
gelnden  Tiefenwirkung,  welche  speziell  bezüglich  der  Ilautdes- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


16.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDIÜINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1535 


Infektion  von  D  o  6  d  erlein,  von  Gottstein,  von  mir  nach¬ 
gewiesen  ist.  Hie  beiden  ersteren  Autoren  schabten  mit  einem 
Skalpell  Haut  in  o  Schichten  ab  und  konnten  nun  nach  weisen, 
dass,  wenn  die  obersten  Schichten  schon  desinfiziert  waren,  in 
den  tief  eien  Teilen  der  Haut  sich  noch  Reime  zur  Entwicklung 
bringen  Hessen. 

Meine  eigenen  Versuche  in  dieser  Beziehung  stellte  ich  in 
der  W eise  an,  dass  ich  nach  sehr  gründlicher  Besinfektion  von 
den  Händen  Keime  zu  entnehmen  und  mittels  verfeinerter  Unter¬ 
suchungsmethoden  zur  Entwicklung  zu  bringen  suchte.  Darauf 
wurden  auf  diese  desinfizierten  Hände  sterile  Gummihandschuhe 
gezogen  und  längere  Zeit  operiert.  Es  folgte  nun  wiederum  die 
Prüfung  auf  den  Keimgehalt  der  Hände  mittels  derselben 
Methode.  Es  zeigte  sich  hier,  dass  in  20  Untersuchungen  nur 
einmal  auch  nun  von  den  Händen  keine  Keime  zur  Ent¬ 
wicklung  zu  bringen  waren,  dass  dagegen  in  allen  übrigen  Eällen, 
auch  wenn  unmittelbar  nach  der  Desinfektion  die  Hände 
steril  zu  sein  schienen,  doch  nach  der  zweiten  Entnahme 
Keime  aufgingen;  stets  aber  war  selbst  dann,  wenn  vor  dem  An¬ 
ziehen  der  Handschuhe  Keime  aufgingen,  die  Zahl  derselben  er¬ 
heblich  kleiner  als  diejenigen,  die  nach  Ausziehen  der  Hand¬ 
schuhe  auf  den  Nährboden  übertragen  wurden.  Dieses  Ergebnis 
hisst  sich  wohl  nur  so  erklären,  dass  während  des  Operierens  die 
in  den  tieferen  Hautschichten  befindlichen  Keime  an 
die  Oberfläche  gelangt  sind  und  so  erst  der  bakteriologischen 
Untersuchung  zugänglich  wurden. 

Aber  gerade  darauf  kommt  es  an,  die  Haut  in  möglichst 
tiefen  Schichten  mit  einem  Quecksilbersalz  zu  imprägnieren; 
hierbei  war  es  auch  schon  a  priori  wahrscheinlich,  dass  Sublimat 
wegen  seiner  Eiweissfällung  nicht  gerade  das  bestgewählte  sei, 
da  man  annehmen  kann,  dass  es  durch  die  Eiweissfällung  dem 
tieferen  Eindringen  des  Desinfiziens  gewissermassen  einen  Wall 
entgegenstelle. 

Diese  Erwägungen  führten  Prof.  B.  Kroenig  -  Leipzig 
und  m  ich  dazu,  nach  einem  Quecksilbersalz  zu  suchen,  welches 
von  solcher  Reizlosigkeit  wäre,  dass  man  es  in  beliebig  hohen 
Konzentrationen  anwenden  kann  und  das  uns  dadurch  in  Fällen, 
wo  unsere  Hände  mit  hochvirulentem  Eiter  in  Berührung  ge¬ 
kommen  sind  etc.,  eine  grössere  Sicherheit  für  eine  Desinfektion 
gewähre ;  ausserdem  sollte  die  Tiefenwirkung  möglichst 
gesichert  sein. 

Wir  Hessen  uns  von  der  chemischen  Fabrik  von  Schering 
in  Berlin  eine  Verbindung  des  Quecksilbercitrats  mit  Aethylen- 
diamin  hersteilen,  indem  wir  an  die  Erfolge  dachten,  welche  die 
Verbindung  des  Silbers  mit  Aethylendiamin,  des  Argentamin, 
gerade  durch  seine  Tiefenwirkung  bei  der  Behandlung  der 
Gonorrhoe  zu  verzeichnen  hat;  ich  weise  hier  nur  auf  die  Ar¬ 
beiten  von  J.  Schäffer  und  von  m  i  r  hin  5). 

Mit  dieser  Quecksilbercitratäthylendiaminlösung  stellten 
wir  nun  an  der  k.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Leipzig  ausge¬ 
dehnte  experimentelle  Versuche  an,  und  wir  konnten  feststellen, 
dass  dieses  Präparat  einerseits  bezüglich  der  desinfizierenden 
Eigenschaften  dem  Sublimat  nicht  nachsteht,  andererseits  aber 
selbst  in  höchsten  Konzentrationen  (2  proz.)  keine  Spur  von 
Reizerscheinungen  auf  der  Haut  der  Hände  hinterliess.  Zudem 
konnten  wir  —  wenigstens  bei  mit  Bakterien  gleichmässig  durch¬ 
setzten  ausgeschnittenen  Milzen  von  Mäusen  —  eine  grössere 
Tiefenwirkung  gegenüber  dem  Sublimat  nachweisen. 

Wir  hatten  die  Freude,  dass  kurz  nach  Erscheinen  unserer 
Arbeiten  der  Wert  des  Präparates  auch  von  anderer  Seite 
nachgeprüft  wurde,  und  zwar  von  den  Herren  Schenk  und 
Z  a  u  f  a  1  an  der  Prager  Universitäts-Frauenklinik  des  Herrn 
Prof.  S  a  e  n  g  e  r.  Diese  Autoren  kamen  nun  zu  einem  überaus 
günstigen  Resultat :  bei  15  Desinfektionsversuchen  mit  Queck¬ 
silbercitratäthylendiamin  1 ;  300  blieben  alle  Platten  steril, 
ebenso  bei  7  Versuchen  mit  dem  Präparat  in  einer  Konzentration 
von  1 :  1000.  Zum  Vergleich  sei  erwähnt,  dass  dieselben  Autoren 
unter  gleicher  Versuchsanordnung  bei  Anwendung  des  1  prom. 
Sublimats  unter  10  Versuchen  9  mal  Sterilität  und  1  mal  Wachs¬ 
tum  von  Bakterien  erzielten.  Schenk  und  Zauf  al  empfehlen 
daher  zur  Desinfektion  der  Hände  und  Haut  das  Quecksilber- 
■  - - •  '  1  '  l'H 

*)  Schaffe  r:  Ueber  die  Bedeutung  der  Silbersalze  für  die 
Therapie  der  Gonorrhöe.  Münch,  med.  Wochenschr.  1895.  No.  28 
und  29.  Blumberg:  Experimentelle  Untersuchungen  über  Des¬ 
infektion  im  Gewebe  tierischer  Organe.  Zeitschr.  f.  Hygiene  189S. 


äthylendiamin  auf  Grund  ihrer  V ersuche  in  einer  Konzentration 
von  1  :!000.  Auch  P  a  u  1  und  S  a  r  w  e  y,  welche  nach  ihrer  be¬ 
kannten  Methode  das  Präparat  untersuchten,  kamen  zu  dein 
Schluss,  dass  das  Quecksilberäthylendiamin  bezüglich  seiner  Des¬ 
infektionskraft  „ungefähr  dasselbe  leistet  wie  die  Für- 
b  ringer  sehe  Methode“  (d.  i.  die  in  drei  Akten  bestehende 
Seifenwasser- Alkohol-Sublimat-Methode),  welche  jetzt  als  die 
beste  gilt  und  deshalb  trotz  ihrer  Kompliziertheit  die  allgemeinste 
Anwendung  findet. 

Einen  Uebelstand  suchten  wir  nun  noch  abzustellen,  der  für 
die  Handlichkeit  des  Präparates  von  grösster  Wich¬ 
tigkeit  ist:  das  Quecksilbercitratäthylendiamin  ist  eine  Flüs¬ 
sigkeit.  Durch  zahlreiche  Versuche  ist  es  nun  der  S  c  he¬ 
rin  g  sehen  Fabrik  gelungen,  durch  die  Verbindung  des  Queck¬ 
silbersulfats  mit  Aethylendiamin  ein  festes  Präparat 
herzustellen,  welches  sieh  momentan  bis  zu  höchsten  Konzen¬ 
trationen  in  Wasser  löst. 

Meine  Versuche  am  kgl.  hygienischen  Institut  zu  Berlin 
gingen  nun  dahin,  zu  prüfen,  ob  auch  dieses  Präparat  die  er¬ 
wähnten  Eigenschaften  hat.  Was  zunächst  die  Beeinflussung  der 
Haut  anbetrifft,  so  zeigte  sich  auch  hier  nie  auch  nur  eine  Spur 
von  Reizerscheinungen,  vielmehr  waren  die  Hände  stets  überaus 
weich  und  zart  nach  der  Desinfektion. 

Die  bakteriologische  Prüfung  ergab  nun  folgendes: 

Die  Untersuchungsmethode  war  diejenige,  die  ich  gemeinsam 
mit  Kroenig  an  der  Leipziger  LTniv. -Frauenklinik  ausgearbeitet 
habe:  Zunächst  werden  die  Hände  mit  einer  Bouillonaufschwem¬ 
mung  des  Micrococcus  tetragenus,  welcher  für  Mäuse  hochpatho¬ 
gen,  für  Menschen  dagegen  nicht  pathogen  ist,  eingerieben  und 
dann  5  Minuten  lang  antrocknen  gelassen.  Es  folgt  die  Des¬ 
infektion  mit  den  zu  prüfenden  Desinfektionsmitteln,  darauf 
werden  die  Hände  mit  sterilem  Wasser,  dann  mit  steriler 
Bouillon  und  schliesslich  mit  einer  eiweisshaltigen  Körperflüssig¬ 
keit,  in  meinen  Versuchen  sterilem  Rinderblutserum,  gründlich 
abgespült.  Dann  folgt  die  Entnahme  der  etwa  auf  den  Händen 
nun  noch  befindlichen  Bakterien  in  der  Weise,  dass  die  Hände 
mit  sterilem  Marmorstaub  und  steriler  Bouillon  mehrere  Minuten 
lang  abgerieben  und  dieser  Marmorstaubbouillonpressaft  in  ste¬ 
rilen  Schalen  aufgefangen  wird.  Dieser  Pressaft  wird  nun  einer 
Anzahl  Mäusen,  etwa  9,  zu  gleichen  Teilen  subkutan  injiziert. 
Aus  der  Zahl  der  jetzt  noch  der  Tetragenusseptikämie  erliegenden 
Mäuse  lässt  sich  nun  ein  Schluss  auf  die  Leistungsfähigkeit  des 
Desinfektionsverfahrens  ziehen.  Jedoch  können  wir  auch  mit 
dieser  Methode  nur  Vergleichs  werte  erhalten,  so  dass  es 
nötig  ist,  unter  denselben  Versuchsbedingungen  stets  Parallel¬ 
versuche  mit  einem  bekannten  Desinfektionsmittel  zu  machen; 
ich  wählte  zu  diesem  Zweck  einerseits  Sublimat,  andererseits  das 
Quecksilbercitratäthylendiamin,  dessen  Wirkungsweise  uns  aus 
unseren  früheren  Versuchen  bekannt  ist. 

Auf  die  näheren  Einzelheiten  und  die  Begründung  der 
Methode  möchte  ich  hier  nicht  weiter  eingelien,  da  dieselben 
ausführlich  niedergelegt  sind  in  der  von  K  roenig  und  m  i  r 
publizierten  Monographie  „Beiträge  zur  Händedesinfektion“, 
1900,  und  in  unserem  Aufsatz  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
1900:  „Vergleichende  Untersuchungen  über  den  Wert  der  mecha¬ 
nischen  und  Alkoholdesinfektion  der  Hände  gegenüber  der  Des¬ 
infektion  mit  Quecksilbersalzen,  speziell  dem  Quecksilberäthylen¬ 
diamin“. 

Nur  soviel  möchte  ich  hervorheben,  dass  unsere  Prüfungs¬ 
methode  durch  die  Einschaltung  des  Tierversuches  sich 
den  bei  Operationen  vorhandenen  Verhält¬ 
nissen  enganschliesst  und  mithin  zuverlässigere 
Schlüsse  auf  die  Leistungsfähigkeit  eines 
Desinfektionsverfahrens  gestattet,  als  die 
f rü  heren  M ethoden . 

In  dem  ersten  Versuch  wurde  zunächst  das  Quecksilber¬ 
sulfa  t äthylendiamin  mit  dem  Quecksilberci tra t äthylendiamin 
in  seiner  Wirksamkeit  verglichen,  und  zwar  wurden  3  prom.  Lö¬ 
sungen  angewandt. 

Versuch  vom  1.  II.  1901. 

Von  der  zweiten,  auf  Schrägagar  gezüchteten  Generation 
einer  aus  dem  K.  hygienischen  Institut  zu  Breslau  bezogenen 
Tetragenuskultur,  die  ich  zweimal  hintereinander  durch  den  Tier¬ 
körper  (Maus)  geschickt  hatte,  wurde  eine  weisse  Maus  subkutan 
geimpft.  Nachdem  sie  der  Tetragenusinfektion  erlegen  ist,  wird 
die  Hälfte  ihrer  Milz  einer  zweiten  Maus  subkutan  beigebracht. 

4* 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37 


1536 


Von  der  im  mikroskopischen  Präparat  unzählige  Tetragenuskokken 
auf 'weisenden  Milz  dieser  zweiten  Maus  wird  eine  Agarplatte  ge¬ 
gossen  und  von  einer  der  reichlich  gewachsenen  Tetragenus¬ 
kolonien  nach  zwei  Tagen  auf  Agarröhrchen  weiter  geimpft.  Die 
weitere  Züchtung  des  Tetragenus  erfolgte  nun  stets  von  dieser 
Kultur  aus  auf  Schrägagar. 

Von  der  —  von  da  an  gerechnet  —  5.  Generation  des  Tetra¬ 
genus  werden  nun  am  31.  I.  01  20  Agarröhrchen  geimpft  und  im 
Brutschrank  bei  37,6 0  24  Stunden  lang  gelassen  bis  zur  Anstellung 
des  Versuches  am  1.  II.  01  Nachmittags  6  Uhr. 

Am  1.  II.  01  wird  der  reichliche  Kulturrasen  dieser  20  Agar¬ 
röhrchen  in  einen  sterilen  Porzellanmörser  mit  steriler  Bouillon 
übertragen  und  durch  Verreiben  mit  sterilem  Porzellanpistill  eine 
Kakterienaufsehwemmung  hergestellt.  Die  Hälfte  dieser  Tetra- 
genus-Bouillonaufschwemmung  wird  auf  den  Händen  des  Herrn 
Dr.  Weigert  gründlich  verrieben  und  5  Minuten  lang  antrocknen 
gelassen.  Nun  folgte  5  Minuten  lange  Waschung  mit  42°  C. 
warmem  Wasser,  steriler  Bürste  und  Schmierseife;  die  Hände 
wurden  dann  durch  Abspülen  mit  Wasser  von  anhaftendem  Seifen¬ 
schaum  befreit  und  hierauf  5  Minuten  lang  in  2  Litern  einer 
42°  C.  warmen  Lösung  von  Quecksilber  s  u  1  f  a  t  äthylendiamin 
3: 1000  mit  Hilfe  einer  sterilen  Bürste  gewaschen.  Dann  Abspülen 
der  Hände  mit  reichlicher  Aq.  dest.  ster.,  danach  mit  ys  Liter 
steriler  Bouillon.  Die  Entnahme  der  nun  noch  etwa  auf  den 
Händen  befindlichen  Keime  erfolgte  in  der  Weise,  dass  etwas 
sterile  Bouillon  und  dazu  steriler  Marmorstaub  in  die  Hohlhand 
gebracht  und  nun  hiermit  5  Minuten  lang  alle  Teile  der  Hände 
sorgfältig  gegeneinander  gerieben  wurden.  Dieser  Marmorstaub- 
Bouillonbrei  wird  nun  aus  den  Händen  ausgepresst  und  in  sterilen 
Petrischalen  aufgefangen,  der  letzte  noch  der  Handoberfläche  an¬ 
haftende  Rest  von  Marmorstaub  wird  mit  sterilem  Messer  von 
allen  Teilen  der  Hand  abgeschabt  und  ebenfalls  in  die  Petrischalen 
übertragen.  Der  so  gewonnene  Marmorstaub-Bouillonpressaft 
w  ird  mittels  graduierter,  sterilisierter  Spritze  zu  gleichen  Teilen 
10  weissen  Mäusen  subkutan  injiziert. 

Die  zweite  Hälfte  der  Tetragenussuspension  wird  in  gleicher 
Weise  auf  den  Händen  des  Herrn  Dr.  Leopold  5  Minuten  lang 
verrieben.  Die  Desinfektion  und  Entnahme  erfolgte  in  derselben 
Weise  wie  bei  Herrn  Dr.  Weigert,  nur  dass  statt  Quecksilber¬ 
sulfat  äthylendiamin  eine  3  prom.  Lösung  von  Quecksilber- 
e  i  t  r  a.  t  äthylendiamin  verwendet  wurde.  (Diese  Lösung  stellte 
ich  so  her.  dass  ich  auf  2  Liter  Aq.  dest.  ster.  42,857  g  der  von  der 
Sc  he  ring  sehen  Fabrik  mir  gelieferten  Originallösung  nahm; 
100  g  der  Originallösung  enthalten  10,0  g  Quecksilbercitrat,  4  g 
Aethylendiamin,  86  g  Wasser;  in  100  g  der  Lösung  sind  mithin 
14  g  Quecksilbercitrat  -|-  Aethylendiamin  enthalten;  6  g  Queck- 

silbercitrat  -4-  Aethylendiamin  mithin  m  — — —  =  42,857  g).  Der 

14 

Marmorstaubbouillonpressaft  wird  8  weissen  Mäusen  zu  gleichen 
Teilen  subkutan  injiziert. 

Von  derselben  zu  Anfang  des  Versuchs  hergestellten  Tetra- 
gcnusbouillönaufschwemmung  werden  3  Kontrollmause  subkutan 
geimpft;  dieselben  starben  nach  2—3  Tagen  an  Tetragenus- 
septikämie,  die  Sektion  ergab  Riesenmilzen,  in  welchen  sich  reich¬ 
lichste  Tetragenuskokken  nachweisen  liessen. 

Von  den  Quecksilbersulfatäthylendiamin-Mäusen  starben  5, 
von  den  Quecksilbercitratäthylendiamin-Mäusen  4  an  Quecksilber¬ 
vergiftung:  diese  Mäuse  zeigten  bei  der  Sektion  kleine  Milzen,  in 
welchen  trotz  genauester  mikroskopischer  Untersuchung  sich  kein 
Tetragenus  nachweisen  liess,  zum  Teil  hatten  sie  starken  Durch¬ 
fall  gehabt. 

Auch  von  allen  übrigen  Mäusen  ist  bei  einen 
Monat  hindurch  fortgesetzter  Beobachtung 
keine  an  Tetragenus  gestorben. 

In  diesem  Versuch  ist  also  trotz  der  In¬ 
fizierung  der  Hände  mit  einem  überaus  reich¬ 
lichen  und  höchst  virulenten  Infektions¬ 
material  keine  Infektion  der  geimpften 
T  li  i  e  r  e  erfolgt,  mithin  in  bakteriologischer  Beziehung  ein 
voller  Erfolg  zu  verzeichnen,  soweit  er  durch  die  Versuchs- 
methode  überhaupt  zu  erweisen  ist. 

Hm  nun  die  Wirkung  des  Quecksilberäthylendiamins  mit  der 
des  Sublimats  zu  vergleichen,  wurde  folgender  Versuch  an¬ 
gestellt  : 

Der  Tetragenusstamm,  welcher  zu  diesem  Versuch  verwandt 
wurde,  war  von  der  im  ersten  Versuch  benutzten  Generation 
durch  Fortzüchtung  teils  auf  Agar-Agar,  teils  durch  Ueberimpfung 
auf  weisse  Mäuse  gewonnen.  Am  28.  II.  01  werden  von  einem 
Agarröhrchen,  auf  welchem  Tetragenus  reichlich  gewachsen,  21 
Schrägagarröhrchen  geimpft  und  bis  zum  nächsten  Tage  im  Brut¬ 
schrank  bei  37  0  gelassen  Von  dem  Rasen  dieser  21  Röhrchen 
wird  eine  Bouillonaufschwemmung  in  ganz  derselben  Weise  w'ie 
beim  ersten  Versuch  hergestellt;  auch  im  übrigen  ist  die  Versuchs¬ 
anordnung  die  gleiche  wie  in  diesem.  Das  erste  Drittel  der  Tetra- 
genusaufschwemmung  wird  5  Minuten  lang  auf  den  Händen  des 
Herrn  Dr.  Ehrlich  verrieben.  Es  folgte  dann  Waschung  mit 
43"  warmem  Leitungswasser,  Schmierseife,  Bürste  5  Minuten  lang, 
die  Seif«1  wurde  nun  zunächst  mit  Leitungswasser,  dann  mit  Aq. 
dest.  ster.  abgespült;  hierauf  Desinfektion  mit  43°  warmer 
3  prom.  Quecksilber  su  lfatäthylendiaminlösung 
3  Minuten  lang,  unter  Anwendung  einer  sterilen  Bürste. 


Schliesslich  wurden  «lie  Hände  mit  reichlich  Aq.  «h'st. 
ster..  dann  mit  Bouillon,  darauf  mit  sterilem  Rinderblut¬ 
serum  und  schliesslich  wieder  mit  Bouillon  abgespült.  Nun 
folgte  die  Entnahme  mittels  Bouillon  und  Marmorstaub.  Von 
dem  Pressaft  wurden  9  Mäuse  geimpft.  —  Mit  dem  zweiten  Drittel 
der  Aufschwemmung  wurde  in  gleicher  Weise  ein  Versuch  an  den 
Händen  des  Herrn  K  olbe  angestellt.  Die  Desinfektion  erfolgte 
hier  ebenso  wie  bei  Herrn  Dr.  Ehrlich,  nur  wurde  als  Des- 
infiziens  nicht  Quecksilbersulfatäthylendiamin  (Sublamin),  son¬ 
dern  Sublimat  1:1000  angewandt  und  zwar  5  Minuten  lang. 
Auch  hier  wurden  schliesslich  9  Mäuse  geimpft.  —  Das  dritte 
Drittel  der  Aufschwemmung  wurde  auf  die  Hände  des  Labora¬ 
toriumsdieners  des  K.  hygienischen  Instituts  aufgebracht;  hier 
wurde  —  unter  sonst  gleichen  Versuchsbedingungen  —  als  Dex- 
infiziens  Quecksilbersulfatäthylendiamin  1  :  1000  5  Minuten  lang 
angewandt.  Der  Marmorstaubbouillonpressaft  wurde  ebenfalls 
9  Mäusen  subkutan  injiziert. 

Zur  Kontrolle  wurden  wiederum  zwei  weisse  Mäuse  mit  der 
Originaltetragenusbouillonaufschwemmung  geimpft. 

Die  Kontrollmause  starben  hier  nach  1 — 114  Tagen  an  Tetra¬ 
genus,  die  Milzen  waren  bei  der  Sektion  sehr  stark  vergrössert, 
und  es  liessen  sich  in  jedem  von  ihnen  angefertigten  mikro¬ 
skopischen  Präparat  sehr  reichliche  Tetragenuskokken  nach¬ 
weisen.  Das  Ergebnis  dieses  Versuches  war  nun  insofern  ein 
überaus  günstiges,  als  hier  von  den  sämtlichen  27  geimpften 
Mäusen  innerhalb  einer  Beobachtungszeit  von  4  Wochen  im 
ganzen  nur  3  an  Quecksilberintoxikation  starben,  und  zwar  2  von 
den  Sublimatmäusen,  2  resp.  4  Tage  nach  der  Impfung,  und  eine 
Queeksilbersulfatäthylendiamin(3 :1000)-Maus  nach  13  Tagen; 
diese  3  Mäuse  hatten  kleine  Milzen,  in  denen  kein  Tetragenus 
nachweisbar  war.  Alle  übrigen  24  Mäuse  sind  am 
Leben  geblieben.  In  diesem  Versuch  ist  also  die  Ein¬ 
deutigkeit  des  Resultats  so  gut  wie  gar  nicht  gestört  durch  den 
sonst  so  häufigen  Tod  der  Mäuse  an  Quecksilberintoxikation. 

Ich  möchte  nicht  verfehlen  noch  besonders  darauf  hinzu¬ 
weisen,  dass  wir  nicht  etwa  annehmen,  es  sei  durch  diese  Des¬ 
infektion  die  ITandoberfläche  vollständig  keimfrei  gemacht. 
Das  wird,  wie  erwähnt,  mit  keiner  der  bekannten  Desinfektions¬ 
methoden  erreicht.  Dagegen  sind  wir  durch  das  Ergebnis  unserer 
Tierversuche  zu  der  Behauptung  berechtigt,  dass  Hautbakterien 
welche  bei  Abimpfung  auf  künstliche  Nährböden  nach  An¬ 
wendung  unserer  Desinfektionsmethode  sich  etwa  zur  Entwick¬ 
lung  bringen  lassen  sollten,  der  Operationswu  n  d  e  nicht 
schaden  können,  da  ja  mittels  dieser  Methode  Hände,  auf  welche 
vorher  absichtlich  pathogene  Keime  gebracht  sind,  so  desinfiziert 
werden,  dass  übertragene  Hautabschabsel  empfängliche  Tiere 
nicht  mehr  infizieren. 

Um  nun  den  Resistenzgrad  des  Tetragenus  zu  prüfen,  stellte 
ich  noch  einen  Versuch  mit  1  prom.  Sublimat  an,  indem  ich  die 
Dauer  des  Desinfektionsverfahrens  verkürzte,  und  zwar  auf  je 
3  Minuten,  also  Seifenwasserwaschung  3  Minuten  und  Sublimat 
(1  prom.)  3  Minuten;  der  Versuch  wurde  an  Herrn  cand.  med. 
N  e  u  m  a  n  n  ausgeführt.  Es  zeigte  sich  nun,  dass  hier  inner¬ 
halb  der  ersten  3  Tage  nach  der  Impfung  von  7  Mäusen  5  starben, 
und  zwar  4  an  Sublimat  Vergiftung;  die  fünfte  wies  je¬ 
doch  eine  vergrösserte Milz  mit  überaus  reich¬ 
lichen  Tetragenuskokken  auf. 

Bei  der  Herabsetzung  der  Desinfektionsdauer  hatte  also  auch 
das  Sublimat  nicht  hingereicht,  um  einen  vollen  Erfolg  des  Ver¬ 
fahrens  zu  erzielen. 

Was  die  praktische  Anwendung  des  Sublamins  betrifft,  so 
will  ich  nur  hervorheben,  dass  das  Präparat  von  Herrn  Prof. 
Kroenig  in  seiner  ausgedehnten  operativen  Praxis  bei  sämt¬ 
lichen  Laparotomien  und  sonstigen  Operationen  zur  Desinfektion 
der  Hände  und  Haut  mit  ausgezeichnetem  Erfolge  angewandt 
wird,  und  dass  die  Hände  bei  dauerndem  Gebrauch  des  Sublamins 
sich  beständig  in  tadellosem  Zustand  befinden. 

Herr  Prof.  Kroenig  hatte  die  Güte,  mich  zur  Veröffent¬ 
lichung  folgenden  Berichtes  zu  autorisieren :  „Prof.  Iv  r  o  e  n  i  g 
braucht  in  seiner  Klinik  Sublamin  in  Konzentrationen  von  1 :  500 
bis  1 :  1000  zur  Desinfektion  der  Hände  und  der  Haut  der  zu 
Operierenden.  Sobald  die  Hände  mit  infektionsverdäch tigern 
Material  in  Berührung  gekommen  sind,  wird  die  Konzentration 
auf  1 :  300  bis  1  :  200  gesteigert,  ohne  dass  jemals  eine  Reiz- 
erscheinung  der  Hände  beobachtet  worden  wäre.  Ausserdem 
wird  die  Seide  ebenfalls  mit  wässriger  Sublaminlösung  1 :  300 
gekocht,  in  Anlehnung  an  das  Kocher  sehe  Verfahren,  nur 
mit  der  Aeliderung,  dass  an  Stelle  des  Sublimats  die  Lösung 


lö.  September  19Öä. 


MTIENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIFT. 


von  Sublamin  1 :  300  gesetzt  wird.  Die  aus  der  Fabrik  be¬ 
zogenen  Stränge  No.  1  und  2  werden: 

1.  in  Aether  gelegt  für  12  Stunden; 

2.  in  Alkohol  12  Stunden; 

3.  10  Minuten  gekocht  in  ungefärbtem  Sublamin  1:300; 

4.  aufgespult  mit  gereinigten  Händen; 

5.  die  Spulen  10  Minuten  lang  vor  der  Operation  in  der¬ 
selben  Sublaminlösung  nochmals  gekocht; 

6.  die  Fäden  aus  derselben  Sublaminlösung,  in  der  sie  zu¬ 
letzt  gekocht  sind,  zugereicht.“ 

Der  \  orzug  der  Reizlosigkeit  des  Sublamins  ist  gegenüber 
dem  Sublimat  von  grösster  Bedeutung,  da  ja  nach  den  Unter¬ 
suchungen  Haeglers  u.  a.  über  die  Wichtigkeit  der  Haut¬ 
pflege  für  das  Gelingen  der  Händedesinfektion  kein  Zweifel  be¬ 
stehen  kann ;  eine  Hand,  die  auch  nur  eine  Spur 
eines  Ekzems  aufweist,  kann  nie  in  genügen¬ 
der  Weise  desinfiziert  werden. 

Aus  den  mitgeteilten  "V  ersuchen  glaube  ich  nun  folgende 
Schlüsse  ziehen  zu  dürfen : 

Das  Quecksilbersulfatäthylendiamin  (S  u  b  1  a  m  i  n)  ist  ein 
Desinfektionsmittel,  welches  folgende  Eigenschaften  hat : 

1.  Es  steht  dem  besten  der  bekannten  Des¬ 
infektionsmittel,  dem  Sublimat,  an  Desinfek¬ 
tion  s  k  r  a  f  t  nicht  nach. 

2.  Es  hat  vor  dem  Sublimat  den  Vorzug  vor¬ 
aus,  dass  es  selbst  in  höchsten  Konzentra¬ 
tionen  die  Haut  nicht  reizt. 

3.  Es  gewährt  infolge  seiner  Reizlosigkeit 
die  Möglichkeit,  in  Fällen,  wo  unsere  Hände 
mit  einem  hochvirulenten  Infektionsstoff  in 
Berührung  gekommen  sind,  durch  beliebig 
hohe  Steigerung  der  Konzentration  der  Lö¬ 
sung  eine  noch  grössere  Desinf ektionswir 
k  u  n  g  zu  erzielen  als  mit  Sublimat. 

4.  Es  übt  voraussichtlich  eine  viel  grössere 
Tiefenwirkung  aus  als  Sublimat. 

5.  Sublamin  ist  ein  Salz,  das  sich  momentan 
selbst  in  hoher  Konzentration  in  Wasser  löst, 
während  Sublimat  bezw.  Sublimatpastillen 
einer  bedeutend  längeren  Zeit  zu  ihrer  Lösung 
bedürfen;  ein  Moment,  welches  bei  der  Anwendung  des  Des¬ 
infektionsmittels  in  der  Praxis  von  einer  gewissen  Annehmlich¬ 
keit  ist. 

6.  Sublamin  lässt  sich  in  Form  von  Pastil¬ 
len  h  erstellen,  die  sich  bedeutend  schneller 
als  Sublimatpastillen  lösen. 


Aus  dem  Allgemeinen  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf 

(II.  medizinische  Abteilung;  Oberarzt  Dr.  Schütz). 

Glykosurie  und  Tabes. 

Von  Dr.  med.  Ernst  Meyer,  Assistenzarzt. 

So  vielfach  Krankheiten  der  nervösen  Organe  und  Glykos¬ 
urie  sich  vergesellschaften  und  so  mannigfach  die  Beziehungen 
zwischen  beiden  sein  können,  so  hat  doch  die  Verbindung  von 
Tabes  und  Diabetes  seit  langer  Zeit  ein  besonderes  Interesse  er¬ 
regt. 

Beide  können  in  zweifacher  Beziehung  zueinander  stehen. 

Es  ist  bekannt,  dass  auf  Grund  eines  bestehenden  Diabetes 
sich  sekundär  nervöse  Störungen  etablieren  können,  die  durch 
ihre  Lokalisation  in  den  Hintersträngen  (W  illiamson  ’), 
Kalmus *  2 *),  H  e  n  s  a  y  s)  oder  als  Polyneuritis  tabesähnliche 
Krankheitsbilder  Vortäuschen  können. 

Hinsichtlich  der  anderen  Möglichkeit,  dass  eine  bestehende 
Tabes  Glykosurie  im  Gefolge  hat,  ist  die  Literatur  viel  reicher 
und  sind  die  Mitteilungen  viel  präziser.  Strauss4)  hat  vor 
einiger  Zeit  die  verschiedenen  Meinungen  zur  Erklärung  dieser 
Kombination  zusammengefasst.  Es  sei  hier  noch  einmal  kurz 
daran  erinnert. 


')  British  Medical  Journal  1804. 

2)  Zeitsclir.  f.  klin.  Med.  Bd.  XXX. 

s)  Dissertation,  Strassburg  1807. 

4)  Neurol.  Centralbl.  1800. 

No.  37. 


1537 


Einschlägige  Fälle  sind  beschrieben  von  Althaus5), 
Eulenburg ü),  Oppenheim7),  F  i  s  c  h  e  r s),  Grube  "), 
Reumont  ’"),  G  u  i  n  o  n  und  Soucques  ”),  N  aunyn  “) 
u.  a.,  und  werden  gedeutet  entweder  als  zufälliges  Zusammen¬ 
treffen  oder  als  Uebergreifen  des  tabischen  Prozesses  auf  den 
Boden  des  IV.  Ventrikels  (Oppenheim,  Reumont). 
( i  uinon  und  S  oucques  sehen  in  dieser  Kombination  den 
Ausdruck  der  engen  Beziehungen,  die  die  famille  arthritique  und 
die  famille  neuropathique  verbinden  sollen. 

N  a  u  n  y  n  erklärt  die  Zuckerausscheidung  bei  den  Erkran¬ 
kungen  der  nervösen  Zentralorgane  so,  dass  er  —  analog  dem 
motorischen  —  ein  nutritives  und  sekretorisches  Neuron  suppo- 
niert,  das  —  wie  jenes  mit  dem  Muskel  —  mit  einer  sezemieren- 
den  oder  trophisch  wirksamen  (Pankreas-,  Leber-  u.  s.  w.)  Zelle 
in  Verbindung  steht  und  dessen  Alteration  sich  in  einer  anor¬ 
malen  Tätigkeit  dieser  Zelle  äussert.  Des  weiteren  redet  Nau- 
n  y  n  einer  Prädisposition  das  Wort,  zu  der  sich  das  auslösende 
Moment  (also  die  Tabes  eventuell)  gesellen  müsse,  um  diesen 
„organischen“  Diabetes  zu  erzeugen;  was  jedes  dieser  Momente 
für  sich  allein  nicht  leisten  könne,  vermöge  vielleicht  ihre  Ver¬ 
einigung.  Damit  will  er  die  Tatsache  erklären,  dass  bei  der 
grossen  Verbreitung  der  Tabes  in  relativ  wenig  Fällen  sich  eine 
Zuckerausscheidung  im  Urin  nachweisen  lässt. 

Um  nun  der  Lösung  dieser  Fragen  näher  zu  kommen,  hat 
Strauss13)  Versuche  gemacht  über  die  Auslösbarkeit  alimen¬ 
tärer  Glykosurie  bei  Tabikern,  indem  er  von  dem  allgemeinen  Ge¬ 
danken  ausgeht,  dass  durch  die  Darreichung  von  Traubenzucker 
eine  eventuelle  latente  Disposition  zum  Diabetes  bei  einer  be¬ 
stimmten  Krankheitsgruppe  offenbar  werden  musste  —  d.  h.  ob 
für  diesen  Krankheitstypus  eine  Herabsetzung  der  Assimilations¬ 
grenze  für  Traubenzucker  charakteristisch  sei. 

Das  Resultat  war,  dass  —  unter  Hinzurechnung  analoger 
Versuchsfälle  von  Bloch  und  van  Oordt  —  unter  40  Tabi¬ 
kern  nur  bei  einem  einzigen  eine  alimentäre  Glykosurie  sich  aus- 
lösen  liess  —  und  dieser  eine  war  schwer  mit  Diabetes  belastet, 
denn  sein  Vater  war  zuckerkrank  und  die  Mutter  litt  an  epilep¬ 
tischen  Krämpfen  und  an  Schlucklähmung. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtung,  dass  von  40  Tabikern  nur 
ein  mit  Diabetesbelasteter  zur  Glykosurie  disponierte, 
meint  Strauss,  der  Tabes' als  solcher  keinen  wesentlichen  Ein¬ 
fluss  auf  die  Entstehung  der  Zuckerausscheidung  beimessen  zu 
dürfen  (jedoch  bezieht  er  das  nur  auf  Fälle  ohne 
Bulbärsymptome)  und  weist  —  mit  Naunyn  —  auf  die 
hohe  Bedeutung  der  Heredität  und  Prädisposition  hin.  Er  er¬ 
innert  an  den  Einfluss,  den  eine  schwere  Neurasthenie  für  das 
Zustandekommen  einer  Glykosurie  hat,  und  an  die  Tatsache, 
dass  sehr  viele  Tabiker  gleichzeitig  Neurastheniker  sind,  und 
rechnet  in  den  Fällen  anamnestischer  Syphilis  mit  der  Möglich¬ 
keit  einer  luetischen  Erkrankung  des  Pankreas  oder  der  zuleiten¬ 
den  Nerven.  Er  kommt  —  für  Tabesfälle  ohne  Bulbär- 
erscheinungen  —  zu  dem  Schluss,  dass  „das  Auftreten  von 
Glykosurie  bei  Tabischen  sich  erklären  lasse,  ohne  dass  man  den 
eigentlichen  tabischen  Prozess  an  sich  für  die  Glykosurie  ver¬ 
antwortlich  machen  m  u  s  s“. 

In  Fällen  mit  Ergriffensein  des  Bulbus  gibt  er  die  Möglich¬ 
keit  einer  Erkrankung  am  Boden  des  IV.  Ventrikels  zu. 

Ich  bin  in  der  Lage,  einen  einschlägigen  Fall  mitteilen  zu 
können,  der  hier  auf  der  II.  medizinischen  Abteilung  (Oberarzt 
Dr.  Schütz)  beobachtet  wurde.  Ich  lasse  einen  kurzen  Auszug 
der  Krankengeschichte  hier  folgen. 

Frühere  Anamnese  ohne  Belang.  Fühlt  sich  seit  ca.  S  Mo¬ 
naten  schwach  und  ist  seitdem  erheblich  abgemagert;  häufig 
Schwindelgefühl. 

Seitdem  sehr  heftiges  Durstgefühl.  Seit  langer  Zeit  Abnahme 
des  Sehvermögens,  in  den  letzten  Monaten  Flimmern  vor  den 
Augen. 

Keine  Beschwerden  beim  Gehen  und  Stehen.  Kein  Doppel¬ 
sehen.  Keine  lanzinierenden  Schmerzen  oder  Pariisthesien. 

Sphinkteren  intakt. 

r’)  Sklerosen  des  Rückenmarks.  1884. 

°)  Virckows  Archiv  1885. 

7)  Berl.  klin.  Wochensehr.  1885. 

8)  Centralbl.  ,f.  Nervenheilk.  1880. 

")  Neurol.  Centralbl.  Bd,  XIV. 

10)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1880. 

“)  Archives  de  Neurologie  1891/92. 

12)  Diabetes  mellitus.  Nothnagels  spez.  Patliol.  u.  Therapie. 

13)  Neurol.  Centralbl.  1899. 


5 


1538 


MHENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIEE. 


No.  37* 


Potus  in  massigem  Grade  konzediert.  Gonorrhoe  konzediert, 
luetische  Infektion  strikt  negiert  (I’at.  hat  auch  nie  Sekundär- 
erscheinungen  beobachtet). 

Keine  hereditäre  Belastung. 

Status:  Robuster  Mann.  Reichliches  Fettpolster.  Alter: 
00  Jahre.  Acne  rosacea. 

Zunge  belegt,  kommt  gerade  heraus. 

Lungen:  Massiges  Emphysem,  chronische  Bronchitis. 

Herz  überlagert.  Töne  rein.  Keine  wesentliche  Akzentuation. 
Keine  periphere  Arteriosklerose. 

Abdomen  normal  konfiguriert,  keine  palpablen  Anomalien. 

Leber,  Milz  normal. 

Im  Urin  Zucker,  kein  Eiweiss.  Urinmenge  vermehrt,  hohes 
spezifisches  Gewicht. 

Nervensystem:  Patellarreflexe  fehlen,  auch  mit  Jendrassik 
nicht  auszulösen.  Hypotonie  der  unteren  Extremitäten.  Motili¬ 
tät  und  rohe  Kraft  intakt.  Keine  deutliche  Ataxie.  Romberg  -|— 
Hypalgesie  an  den  unteren  Extremitäten  und  am  Rumpf.  Keine 
Verlangsamung  der  Schmerzleitung.  Im  übrigen  Sensibilität  intakt. 

Pupillen  r.  —  1.,  mittelweit,  reagieren  bei  konzentr.  Beleuch¬ 
tung  langsam  und  träge.  Linksseitige  Abduzensparese,  doppel¬ 
seitige  Optikusatrophie.  Cataract.  iucipiens.  (Der  Befund  der 
Augen  ist  kontrolliert  von  Herrn  Prof.  Deutschmann.) 

Der  Zuckergehalt  hei  der  Aufnahme,  nachdem  Patient  draussen 
gemischte  Kost  gegessen  hatte,  betrug  5,2  Proz. 

Es  wurde  darauf  strenge  Zuckerdiät  verabreicht,  gleichzeitig 
Sal.  Carolin.  Bei  dieser  Ernährung  anfänglich  6  Proz.  Zucker, 
später  schwankt  der  Gehalt  zwischen  3  und  5  Proz.,  nachdem 
Patient  5  Wochen  ausschliesslich  antidiabetische  Kost  gehabt  hat: 
4,8  Proz. 

Es  wurde  dann  —  unter  Beibehaltung  der  Zuckerdiät  —  ein 
Traitement  mixte  eingeleitet.  Während  dieser  Zeit  bei  häufigen 
Untersuchungen  keine  wesentliche  Veränderung  in  der  Zucker¬ 
menge,  am  Schluss  der  Kur  5  Froz. 

Von  nun  ab  gemischte  Kost,  dabei  ungefähr  die  gleiche  Zucker¬ 
ausfuhr,  wie  bei  antidiabetischer  Diät,  schwankt  zwischen  4  und 
0  Proz.;  nachdem  Patient  10  Wochen  gemischte  Kost  gegessen: 
4  Proz. 

Bei  Darreichung  von  100  g  Traubenzucker  findet  keine  ver¬ 
mehrte  Zuckerausfuhr  statt;  in  dem  daraufhin  gelassenen  Urin 
4,G  Proz. 

Es  wird  dann  noch  einmal  ein  Versuch  mit  strenger  Zucker¬ 
diät  gemacht,  ohne  dass  die  Zuckermenge  sich  geändert  hätte 
(zwischen  4,2  und  5,4  Proz.). 

Dann  musste  der  Mann  auf  seinen  Wunsch  entlassen  werden. 

Darf  man  die  Glykosurie  in  diesem  Falle  mit  Recht  als  von 
der  Tabes  abhängig  betrachten? 

Ist  die  Tabes  das  Primäre? 

Nun  —  ich  glaube,  man  darf  das  mit  gutem  Recht  an¬ 
nehmen  — ,  selbst  wenn  die  zeitliche  Aufeinanderfolge  sich  weder 
durch  objektive  Beobachtung,  noch  durch  anamnestische  Daten 
seitens  des  Patienten  konstatieren  lässt.  Letzteres  ganz  einfach 
deshalb,  weil  der  Patient  auch  heute  noch  keinerlei  Beschwerden 
von  seiner  Tabes  hat  und  erst  der  eingetretene  Diabetes  ihn 
ins  Krankenhaus  geführt  hat.  Zweifellos  handelt  es  sich  um  eine 
echte  Tabes  und  nicht  um  tabesähnliche  Pseudobilder,  und  diesen 
absolut  gutartigen,  nicht  ins  ataktische  Stadium  getretenen 
Krankheitstypus  muss  man  bei  dem  Alter  des  Patienten 
(60  Jahre!)  wohl  als  lange  bestehend  anerkennen. 

Gegen  ein  zufälliges  Nebeneinanderbestehen  sträubt  sich  das 
gesunde  Kausalitätsbedürfnis  und  —  etwas  wissenschaftlicher !  — 
spricht  dagegen  das  Resultat  der  diätetischen  Versuche. 

Denn  es  handelt  sich  in  diesem  Falle  um  eine  Glykosurie 
bei  Tabes,  wo  die  Zuckerausscheidung  —  von  geringeren  Schwan¬ 
kungen  abgesehen  —  im  wesentlichen  dieselbe  blieb,  ohne  jeden 
Einfluss  der  Ernährung,  ganz  gleich,  ob  man  die  Kohlehydrate 
völlig  fernhielt  oder  ob  man  sie  absichtlich  in  grösserer  Menge 
zuführte. 

Man  muss  deshalb  annehmen,  dass  es  sich  nicht  um  eine 
genuine  Stoffwechselerkrankung  handelt,  sondern  dass  die  Zucker¬ 
ausscheidung  hier  von  einer  Stelle  reguliert  wird,  die  diätetischen 
Beeinflussungen  nicht  zugänglich  ist. 

In  dem  vorliegenden  Falle  war  es  sehr  verlockend,  eine 
Schmierkur  einzuleiten,  doch  musste  man  —  auch  ohne  Reu- 
m  o  n  t  s  negatives  Resultat  —  sich  von  vornherein  darüber  klar 
sein,  dass  dieselbe  ohne  Erfolg  bleiben  würde.  Denn  die  Zucker¬ 
ausscheidung  bei  Tabes  hat  mit  einem  sogen.  Diabetes  syphiliticus 
nichts  gemein.  Hemptenmacher14)  hat  kürzlich  die  Fälle 
von  Diabetes  syphiliticus  zusammengestellt  und  verlangt  als  Con¬ 
ditio  sine  qua  non  für  die  Diagnose,  dass  —  nach  stattgehabter 
Infektion  —  die  Glykosurie  auf  Diät  nicht  reagiere,  auf  spe¬ 
zifische  Behandlung  aber  verschwinde.  Den  Sitz  einer  solchen 

14)  Mitteilungen  aus  den  Hamburger  Staatskrankenanstalten 
1901,  Bd.  III,  Heft  4. 


Affektion  verlegt  er  an  den  Boden  des  IV.  Ventrikels;  die  Affek¬ 
tion  selbst  erklärt  er  in  seinem  Falle  für  eine  spezifische  Gefäss- 
erkrankung,  für  andere  Fälle  kommt  noch  die  Möglichkeit  einer 
gummösen  Entzündung  oder  Neubildung  in  Betracht. 

In  unserem  Fall  aber  ist  die  Glykosurie  nicht  auf  dem  Boden 
einer  Lues,  sondern  einer  Tabes  aufgetreten. 

Ohne  an  der  Tabes-Syphilis-Frage  rühren  zu  wollen  ■ — 
eine  frühere  Lues  ganz  allgemein  vorausgesetzt  —  könnte  es  sich 
hier  ja  nur  um  eine  sogen,  „metasyphilitische“  Affektion  handeln, 
d.  h.  um  Degenerationen  nervöser  Elemente,  die  auf  Quecksilber 
und  auf  Jod  nicht  reagieren  können.  In  unserem  speziellen  Fall 
war  anamnestisch  keine  Lues  nachzuweisen,  auch  fanden  sich 
objektiv  keine  Zeichen  frischer  oder  überstandener  Syphilis. 

Im  Bilde  einer  Tabes  aber  sind  ganz  gewöhnlich  zerebrale 
Kernerkrankungen,  die  in  unserem  Fall  ganz  einwandsfrei  in  der 
Abducensparese  sich  dokumentieren.  Diese  Affektionen  stellen 
sich  dar  als  primäre  Degenerationen  einer  physiologisch  zu¬ 
sammengehörigen  Ganglienzellengruppe,  und  eine  solche  nehmen 
wir  zur  Erklärung  der  Glykosurie  an  in  dem  Claude  Bernard- 
schen  Zentrum  am  Boden  des  IV.  Ventrikels  und  setzen  sie  ana¬ 
log  der  Erkrankung  des  Abducenskernes. 

Wir  berufen  uns  darauf,  dass  auch  Oppenheim,  Reu- 
fflont  und  Naunyn  bei  Tabesfällen  mit  Bulbärsymptomen 
eine  solche  Auffassung  für  zulässig  halten,  und  erinnern  daran, 
dass  Weichselbaum la)  in  einem  Falle  von  Diabetes  mul¬ 
tiple  Sklerose  des  Gehirns  und  Rückenmarks  fand,  speziell  zwei 
Herde  in  der  Rautengrube. 

Da  in  unserem  Fall  die  Zuckerausschei¬ 
dung  völlig  unabhängig  ist  von  der  Kohle¬ 
hydrataufnahme,  da  die  Assimilationsfähig¬ 
keit  des  Körpers  für  Kohlehydrate  gar  nicht 
alteriert  ist  (Traubenzuckerzufuhr!)  so  sch  Hessen 
wir  für  diesen  Tabesfall  (mit  Bulbuserkrankung !), 
dass  die  Glykosurie  nicht  die  Folge  ist  einer 
genuinen  primären  S  t  o  f  f  w  e  c  h  s  e  1  e  r  k  r  a  n  k  u  n  g, 
sondern  dass  sie  der  symptomatische  Aus¬ 
druck  einer  tabischen  Kernaffektion  am  B  o  - 
d  e  n  des  IV.  Ventrikels  ist,  dass  es  sich  also  ge¬ 
wiss  e  r  m  a  s  s  e  n  um  eine  t  a  b  i  s c  li  e  P  i  q  ü  r  e  han¬ 
delt. 

Ich  bin  Herrn  Oberarzt  Dr.  Schütz  für  die  gütige  Ueber- 
lassung  des  Falles,  sowie  für  die  Durchsicht  dieser  Arbeit  herz¬ 
lich  verpflichtet. 


Aneurysma  varicosum  eines  Saphenaastes  als 
Schenkelbruch  fehldiagnostiziert.* *) 

Von  Dr.  Florian  Hah  n,  Spezialarzt  für  Chirurgie. 

M.  II.!  Ich  erlaube  mir.  Ihnen  über  einen  Fall  zu  be¬ 
lichten,  den  ich  am  15.  I.  operiert  habe  und  Herrn  Kollegen 
Dr.  Treu  m  a  n  n  verdanke. 

Es  handelt  sich  um  eine  39  jährige  Frau,  die  7  mal  entbunden 
hat,  zuletzt  am  7.  I.  1902.  8  Tage  nach  der  Entbindung  stand  sie 
auf.  Die  Hebamme  bemerkte  in  der  linken  Schenkelbeuge  eine 
grosse  Geschwulst,  die  sie  für  einen  Bruch  ansprach,  brachte  der 
Frau  eine  Bandage  mit  einer  riesigen  Pelotte  und  legte  sie  auf 
den  Tumor.  Nach  kaum  einer  Stunde  schon  musste  die  Frau 
wegen  heftiger  Schmerzen  an  der  Stelle  des  Bruchbandes  dasselbe 
abnehmen  und  sich  ins  Bett  legen,  zugleich  war  eine  Schwellung 
der  Haut  aufgetreten,  die  im  Verein  mit  den  zunehmenden  Schmer¬ 
zen  die  Frau  veranlasste,  ärztliche  Hilfe  in  Anspruch  zu  nehmen. 
Herr  Kollege  Treu  mann  diagnostizierte  einen  irreponiblen, 
über  faustgrossen  Schenkelbruch,  der  Netz  enthielte  und  bat  mich, 
die  Frau  gegien  Abend  zu  besuchen.  Ich  fand  in  der  linken 
Schenkelbeuge  einen  über  mannsfaustgrossen,  beweglichen,  nach 
unten  scharf  abgrenzbaren  Tumor,  der  sich  in  das  Abdomen  durch 
den  Schenkelring  kontinuierlich  foi’tsetzte,  es  war  ein  daumendicker 
Strang  zu  fühlen,  der  sich  in  den  Annulus  cruralis  externus  hinein 
verfolgen  liess.  Nach  dem  Befunde  und  auf  die  Angabe  der  Frau 
hin,  seit  Jahren  an  dem  „Bruch“  zu  leiden  —  nur  sei  er  jetzt  im 
Wochenbett  grösser  geworden  —  jedoch  eine  Beschwerde  nie  ge¬ 
habt  zu  haben,  nahm  ich  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Herrn 
Kollegen  einen  verwachsenen,  irreponiblen  Netzbruch  an  und 
dachte  mir,  es  sei  vielleicht  post  partum  noch  eine  grössere  Netz¬ 
partie  in  den  Bruchsack  ausgetreten,  zumal,  da  die  Frau  an  dem 
Tage  zum  erstenmale  vom  Wochenbett  aufstand.  Ich  dachte  mir 
also,  es  hätte  durch  den  letzten  Partus  die  Bruchpforte  eine  Er¬ 
weiterung  erfahren. 


1 '’)  Zitiert  bei  Oppenhei  m  :  Berl.  klin.  Wochenschr.  1885. 

*)  Vortrag,  gehalten  im  ärztlichen  Verein  Nürnberg  am 
17.  IV.  1902. 


16.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1539 


W  ir  verordneten  zunächst  Priessnit  z’sehen  Umschlag  und 
liessen  das  Bettende  hochstellen.  In  der  Nacht  erfolgte  StuhfgaSg 
spontan  Aufstossen,  Erbrechen  und  dergl.  hatte  nie  bestandet 
frHjte.n  syuiptome  einer  Behinderung  der  Darmpassage  oder 
^ner  ^errunS'  des  Darmes  durch  den  vermeintlichen  Netzstran»- 
Das  Allgemeinbefinden  war  gut,  kein  Fieber,  keine  Pulsverände- 
nnig.  Am  nächsten  Morgen  war  der  objektive  Befund  derselbe, 
auch  das  subjektive  Befinden  blieb  unverändert.  Gleichwohl 
einigten  wir  uns,  einen  operativen  Eingriff  vorzuschlagen  in  der 
Annahim  eines  irreponiblen,  event.  strangulierten  Netzbruchieis 
namentlich  deshalb,  weil  wir  wegen  des  Oedems  der  Haut  einen 
fr  sehen  entzündlichen  Brozess  im  Bruchsackinhalt  nicht  aus 
sch hessen  konnten,  drängten  aber  nicht  besonders.  Die  Frau  ent 
schloss  sich  rasch  und  am  Nachmittag  wurde  zur  Operation  in 
Ohloioformnarkose  geschritten.  Schrägschnitt  in  gewöhnlicher 
M  eise  bis  auf  die  Bruchsackhüllen.  Die  Umgebung  derselben  be¬ 
stand  aus  derben,  diffusen  Verwachsungen,  die  mit  der  Schere 
und  teilweise  mit  dem  Messer  gelöst  werden  mussten;  dann  erst 
gelangte  man  auf  den  eigentlichen  (vermeintlichen)  Bruchsack 
Dei  Inhalt  schimmerte  dunkelblaurot  durch  die  Wand,  die  Kon¬ 
sistenz  des  Bruch  Inhaltes  war  ziemlich  fest.  Auffallend  waren 
einige  Einkerbungen  namentlich  am  Fundus.  Am  Fundus  wo  zu- 
nachst  die  Isolierung  begann,  schlängelte  sich  eine  Vene  nach  der 
Hinterwand  -  so  schien  es  die  Vene  durchschnitt  ich  und 

/n’rvX/f  1 2  rC1  °bw1‘  -Nun  kamen  zwei  Q«er  verlaufende  Wülste 
zu  Gesicht,  die  an  \  anzen  erinnern  mussten.  Aber  immer  noch 

blieb  nach  oben,  nach  dem  Schenkelring  zu,  die  Hauptmasse  des 
Tumors  bostel,™.  und  von  dieser  versprach  ich  m  r  „äch  dem  bis 
l,e rigen  Befund  eine  TJeberraschung,  da  ich  nicht  ohne  wSteres 
um  n  Zusammenhang  mit  den  als  Varizen  gedeuteten  queren 
V a  l  lsten  *  hersteilen  wollte  und  konnte.  Dieser  Tumor  war  aber 
v  eitei  nichts  als  ein  apfelgrosser,  tumorartiger  Varix.  Lateral- 

Stran-  anfühff  V-erlie.f  die  V‘  saph-  ^  sich  als  solider 

'  V  -ö.  a+^uklt<?’  lcl1  präparierte  sie  frei  und  an  der  Stelle,  wo 
<  oi  eigentliche  Tumor  ihr  anhaftete,  riss  die  sehr  brüchige  Wand 
des  Tumors  ein;  es  entleerten  sich  einige  Tropfen  flüssigen  Blutes 
aus  dem  Tumor;  ohne  weitere  Versorgung  der  Oeffnung  erfolgte 
aweh  kerne  wertere  Blutung.  Nun  verfolgte  ich  die  Saphena  weiter 
zentralwarts  es  mussten  noch  einige  Seitenäste  der  Vene  unter- 

i'"!jden  w,e.ia  t"  ~  zn  ihrem  Uebergang  in  die  V.  cruralis.  Bis 
dicht  an  die  Emmundungsstelle  fühlte  sich  die  Saphena  solid  an 

kuapp  an  dl®ser  stelIe  wurde  sie  abgebunden,  die  Vene  durch- 
s<  hnitten  und  nun  der  Tumor  im  ganzen  entfernt.  Ich  hebe 

dass  an.  dei‘  Fossa  °valis  und  vor  dem  Annulus  cruralis  ex- 
teanus  sich  3  bohnengrosse,  harte  Drüsen  fanden,  eingebettet  in 

denselben  derben  Schwielen, 
wie  sie  um  den  ganzen  Tumor 
herum  sich  vorfanden;  denn  so 
erklärt  sich  unser  Befund  bei 
der  äusseren  Untersuchung,  wo 
sich  ein  etwTa  daumendicker 
Strang  ins  Abdomen  fortzu¬ 
setzen  schien.  Nun  exstirpierte 
ich  noch  einen  Teil  des  Sapliena- 
astes,  dem  der  Tumor  angehörte, 
peripherwärts  resp.  median- 
wärts  und  auch  noch  ein  Stück 
der  Saphena  peripherwärts  und 
vernähte  diq.  grosse  Wunde  nach 
Anlegen  einer  Gegenöffnung. 
Von  einer  ausgedehnteren  Va¬ 
rizenoperation  musste  aus  äusse¬ 
ren  Gründen  Abstand  genommen 
werden.  Auf  den  Verband  legte 
ich  einen  Sandsack,  stellte  das 
Bettende  hoch  und  schärfte  der 
Frau  ein,  nachdem  sie  erfahren 
hatte,  um  was  es  sich  gehandelt 
hatte,  sich  recht  ruhig  im  Bette  zu  verhalten.  Das  Gespenst  der 
Lungenembolie  durch  Gerinnselverschleppung  schwebte  mir  vor. 
Es  erfolgte  glatte  Heilung,  in  den  ersten  Tagen  trat  leichte  Tem- 
peratursteigerung  ein.  Nach  12  Tagen  konnte  die  Frau  ans  der 
Klinik  geheilt  entlassen  werden. 

Es  handelte  sich  also,  m.  H.,  um  einen  geschwulstartigen  Varix 
eines  Astes  (hochabgehenden)  der  V.  saphena  magna,  um  ein 
Aneurysma  varicosum,  und  diesem  seltenen  Befunde  zuliebe 
freue  ich  mich  über  die  Fehldiagnose.  Bei  dem  Befunde  der 
äusseren  Untersuchung  bin  ich  sicher,  dass  jeder  Kollege  unsere 
Diagnose  „Netzbruch“  ohne  Zaudern  bestätigt  hätte.  Ich  habe 
6  läge  nach  dieser  Operation  eine  Frau  mit  stranguliertem  Netz¬ 
bruch  operiert,  hei  welcher  der  Befund  und  das  Allgemein¬ 
befinden  ganz  und  gar  dem  in  unserem  Falle  glich,  und  die 
zahlreichen  Fälle  von  Netzbrüchen,  die  ich  hier  im  Kranken¬ 
haus  als  Assistent  mitbeobachtete,  unterschieden  sich  in  nichts 
von  dem  Befund  bei  unserer  Patientin.  Eine  Erscheinung  darf 
ich  Ihnen  aber  doch  nicht  verschweigen,  die  ich  allerdings  erst 
post  operat.  richtig  würdigte,  nämlich  die  stärkere  Entwicklung 
von  Varizen  an  der  linken  Extremität  von  den  Zehen  bis,  zum 
Knie  im  Gegensatz  zur  gesunden  rechten  Seite.  Aber  ich 
glaube  nicht,  dass  wir,  selbst  wenn  wir  dieses  Phänomen  richtig 
gedeutet  hätten,  die  richtige  Diagnose  gestellt  hätten. 


Im 


Stehen  wurde  die  Frau  nicht  untersucht,  da  es  nicht  rätlich  er¬ 
schien,  und  die  Untersuchung  mit  Zuhilfenahme  der  Bauch¬ 
presse  hatte  in  unserem  Falle  auch  keinen  Aufschluss,  ob  Hernie 
oder  nicht,  ergeben,  da  verwachsene  Netzhernien  den  Bruchsack¬ 
hals  verschliessen.  Uebrigens  ist  es  möglich,  dass  die  Varizen 
der  unteren  Extremität  auch  durch  einen  verwachsenen  Netz¬ 
bruch  und  Druck  auf  die  V.  saphena  sich  ausgebildet  hätten, 
so  dass  dieses  Symptom  der  stärkeren  Varizenausbildung  nicht 
unbedingt  gelten  kann. 

Die  Lage  des  Tumors  in  unserem  Falle,  sein  langes  Be¬ 
stehen,  seine  zirkumskripte  Gestalt,  die  Kontinuität  nach  dem 
Abdomen  zu  sind  lauter  Anzeigen  für  bestehende  Hernie. 

Entschuldbar  ist  meines  Erachtens  die  Fehldiagnose.  Solche 
geschwulstartige  Varizen  im  Gebiete  der  Vena  saphena  magna 
und  ihrer  Aeste  sind  sehr  selten  und  noch  seltener  haben  sie 
zu  Verwechslungen  mit  Hernien  Veranlassung  gegeben. 

In  der  Literatur  sind  einige  Fälle  niedergelegt.  So  berichtet 
M  ü  1 1  e  r  -  Rostock  9  von  einem  49  jährigen  Mann,  der  seit  meli- 
reren  Monaten  ein  Bruchband  trug  wegen  eines  angeblichen 
Schenkelbruchs.  Die  Gegend  des  Bruches  wurde  schmerzhaft 
so  dass  der  Arzt  einen  eingeklemmten  Bruch  annahm.  In  der 
Klinik  wurde  aber  eine  frische  Thrombophlebitis  am  Oberschenkel 
festgestellt  frei  bestehendem  Oedem  bis  zum  Knie  herunter.  Dicht 
unterhalb  des  Lig.  Pouparti  fand  sich  ein  aprikosengrosser 
schmerzhafter  Tumor,  von  dem  es  zweifelhaft  blieb,  ob  es  sich 
um  strangulierten  Netzbruch  oder  entzündlichen  Varix  handelt. 
Der  Tumor  stellte  sich  als  ein  aneurysmatischer,  entzündlicher 
I  Varixknoten  heraus.  Exzision  des  Sackes,  Resektion  eines  10  cm 
langen  Stückes  der  Saphena  dicht  unterhalb  der  Fossa  ovalis 
Glatter  Verlauf. 

Der  Fall  lag  zur  Diagnosenstellung  günstiger  wegen  gleich¬ 
zeitig  bestehender  Thrombophlebitis,  so  dass  wenigstens  eine  Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose  gestellt  werden  konnte. 

Auf  die  diagnostischen  Schwierigkeiten  derartiger  Geschwülste 
umist  auch  O.  Loos-)  hin,  der  aus  der  Tübinger  Klinik  einen 
Fall  eines  geschwulstartigen  Varix  im  Gebiete  der  Vena  saphena 
magna  publiziert  hat;  der  Tumor  war  5  cm  dick  und  10  cm  lang 
und  hatte  seinen  Sitz  an  der  medianen  Seite  der  Kniekehle.  Zwar 
konnte  in  diesem  Falle  kaum  eine  andere  Diagnose  gestellt  werden, 
aber  die  von  ihm  aus  der  Literatur  zusammengestellten  Fälle  illu¬ 
strieren  das  wechselreiche  Bild  solcher  Tumoren.  Ich  entnehme 
der  Arbeit  von  O.  Loos  folgende  Fälle:  „J.  Grossmann  beob¬ 
achtete  eine  faustgrosse  Geschwulst  an  der  Innenseite  des  1.  Ober¬ 
schenkels.  Der  im  Laufe  von  12  Jahren  aus  einer  haselnuss¬ 
grossen  Geschwulst  herangewachsene  Tumor  wurde  als  Sarkom 
diagnostiziert  und  erst  bei  der  Operation  als  Venektasie  erkannt. 

ln  einem  Falle  von  S  e  g  o  n  d  handelte  es  sich  um  eine  etwa 
walnussgrosse,  „irreponible“  Geschwulst  im  Verlaufe  der  V.  saph. 
von  teigiger  Konsistenz,  „die  ihr  Volumen  bei  Ilustenstössen 
nicht  veränderte“.  Der  Tumor,  welcher  jahrelang  als  Hernie  be¬ 
trachtet  worden  war,  wurde  erst  bei  der  Operation  erkannt. 

Ueber  einen  ähnlichen  Fall  wurde  von  Dawbarn  berichtet. 
Bei  einer  GO  jährigen  Frau  fand  sich  unter  dem  Leistenband  ein 
hühnereigrosser  Tumor,  der  bei  Pressen  sich  v.ergrösserte,  bei 
Taxisversuchen  verschwand.  Wahrscheinlichkeitsdiagnose:  „ein¬ 
geklemmter  Bruch“.  Die  Operation  ergab  eine  sackartige  Er¬ 
weiterung  der  V.  saphena.  —  In  der  anschliessenden  Diskussion 
teilt  Brewer  einen  Fall  mit,  wo  ein  doppelseitiger  Varix  der 
Saphena  eine  doppelseitige  Cruralhernie  vorgetäuscht  hatte, 
ferner  gibt  Walker  an,  einige  analoge  Beobachtungen  gemacht 
zu  haben.“ 

Einen  dem  unsrigen  analogen  Fall  beschreibt  Böger- 
Osnabrück 3).  In  der  rechten  Schenkelbeuge  eines  22  jährigen 
Mädchens  bemerkte  man  beim  Stehen  eine  gänseeigrosse,  weich 
anzufühlende  Geschwulst,  welche  in  horizontaler  Lage  fast  völlig 
verschwand,  beim  Aufstehen  sogleich  wieder  hervortrat.  Die 
Geschwulst  wurde,  wie  auch  von  verschiedenen  anderen  Seiten, 
für  einen  Schenkelbruch  gehalten,  stellte  sich  aber  bei  der  Ope¬ 
ration  als  ein  grosser  Varix  der  V.  saphena  kurz  vor  ihrem  Ein¬ 
tritt  in  die  V.  femoralis  heraus.  Die  Geschwulst  bestand  schon 
seit  dem  G.  Jahre  und  hatte  damals  Taubeneigrösse.  Pat.  trug 
schon  seinerzeit  jahrelang  Bruchband.  Dann  sei  der  Bruch  ver¬ 
schwunden,  bis  mit  dem  19.  Jahre  wieder  eine  Geschwulst  auftrat. 

In  der  Leipziger  Klinik  wurde  wiederum  ein  Bruchband  ver¬ 
ordnet.  Im  ganzen  war  von  nicht  weniger  als  fünf  Seiten  aus 
die  Diagnose  „Bruch“  gestellt  worden  und  wer  weiss,  wie  oft  noch 
späterhin  sie  bestätigt  worden  wäre. 

Unter  den  angeführten  Fällen  der  Literatur  war  also  nie 
die  richtige  Diagnose  gestellt  worden,  nur  in  dem  Falle  Müller- 
Rostock  kam  ein  Var  ix  als  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  in  Be¬ 
tracht  gegenüber  einer  Netzhernie. 

Betrachten  wir  unser  Präparat,  so  zeigt  der  Tumor  im  ganzen 
etwa  Traubenform;  nach  oben  medianwärts  sitzt  der  apfelgrosse 
Hauptteil,  dem  sich  nach  unten  zu  ein  pflaumengrosser  Varix  an- 
schliesst,  und  dieser  setzt  sich  fort  in  2  querverlaufende  Wülste 


9  Arch.  f.  ldin.  Chir.,  Bd.  66. 

2)  Beitr.  z.  ldin.  Chir.,  Bd.  28,  1900,  p.  G54  (enthält  auch  die 
hiezu  gehörigen  Literaturangaben). 

9  Centralbl.  f.  Chir.  1902,  No.  17,  p.  478. 


5* 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1540 

von  Kleinfingerdicke.  Das  Ganze  ist  noch  teilweise  überkleidet 
von  dicken  Schwarten.  Die  Wände  der  Varizen  sind  stark  ver¬ 
dickt,  das  Lumen  ist  ausgefüllt  von  zum  grössten  Teil  geronnenem 
Blut.  Lateralwiirts  schliesst  sich  an  an  den  Tumor  die  5  ena 
saphena  und  diese  ist  ausgefüllt  von  einem  grösstenteils  organi¬ 
sierten  Thrombus  mit  deutlichem  spaltförmigen  Lumen.  Der 
Thrombus  endet  knapp  —  etwa  y2  cm  —  vor  der  Einmündungs¬ 
stelle  der  Saphena  in  die  Femoralis  (dicht  an  der  Abbindungs¬ 
stelle),  indem  er  kuppenförmig  ins  Lumen  der  Saphena  hineinragt. 
Ein  Lumen  ist  an  der  Kuppe  nicht  zu  erkennen,  d.  h.  der  Thrombus 
im  ganzen  ist  noch  nicht  kanalisiert.  Zwischen  Thrombus  und 
Saplienawand  finden  sich  zarte,  fibrinöse  Verklebungen.  V  ie  weit 
sich  der  Thrombus  peripherwärts  erstreckte,  ist  ungewiss,  da  ein 
reseziertes  Stück  der  Saphena  verloren  ging. 

Der  Zustand  des  Thrombus  gibt  uns  Aufklärung  über  die 
Dauer  der  Thrombose,  sie  stammt  jedenfalls  find  gewiss  erst  aus 
dem  letzten  Wochenbett.  Das  Auffallende  ist,  dass  die  Pa¬ 
tientin  gar  keine  Beschwerden  hatte  von  der  Thrombose,  sie 
hatte  keine  Ahnung  davon,  eine  Erfahrung,  die  öfter  gemacht 
wird.  Es  kommen  jedenfalls  viel  mehr  Saphenathrombosen  vor, 
als  man  gemeinhin  anzunehmen  geneigt  ist.  Durch  die  Throm¬ 
bosierung  der  V.  saph.  nahm  der  an  sich  grosse  \  arix  in  der 
letzten  Zeit  post  partum  an  Ausdehnung  rasch  und  bedeutend 
zu,  die  noch  vermehrt  wurde  durch  Anlegung  eines  Bruchbandes 
mit  unsinnig  grosser  Pelotte.  Dass  keine  1  axisversuche  an  der 
vermeintlichen  Netzhernie  vorgenommen  wurden,  erwähne  ich 
nur  nebenbei,  betone  aber  die  verhängnisvollen  Folgen,  die  in 
solchen  Fällen  durch  Verschleppung  von  Thrombenmaterial  er¬ 
folgen  können.  Dass  bei  dem  oben  erwähnten  Fall  von  Daw- 
bar  kein  Unglück  geschah,  ist  wohl  mehr  Zufall  und  Glück 
gewesen. 

M.  II. !  Die  Ihnen  eben  mitgeteilte  Beobachtung  hat  mir 
zu  Ueberlegungen  Veranlassung  gegeben,  die  sich  beziehen  auf 
die  operative  Behandlung  der  Varizen  der  unteren  Extremitäten. 

Als  operative  Massnahmen  kommen  in  Betracht  die 
Schede  sehe  perkutane  Umstechung  der  Saphena,  die  T  r  e  n  - 
delenburg  sehe  Ligatur  der  Saphena  bezw.  die  Modifikation 
dieser  Operation,  die  Durchschneidung  der  Vene  bezw.  Re¬ 
sektion  eines  5 — 10  cm  langen  Stückes  der  Saphena,  die 
Madelung  sehe  Varizenausschälung  im  Anschluss  an  die  Re¬ 
sektion  der  Saphena.  Nur  erwähnen  will  ich  die  von  Kramer4) 
seit  10  Jahren  angeblich  mit  gutem  Erfolg  geübte  Längsspaltung 
thrombosierter  Varizen  und  Ausräumung  der  Thromben.  Als 
Radikaloperation  kommt  sie  als  zu  schonend  ebensowenig  in  Be¬ 
tracht  wie  die  Schede  sehe  Operation.  Schede  machte 
mehrfache  perkutane  Umstechungen  der  Saphena  in  Abständen 
von  1  cm  und  knotete  die  Katgutfäden  über  Bäuschchen  auf  der 
äusseren  Haut.  So  sollte  eine  Verödung  des  Gefässrohres  ein- 
treten.  Schede  will  damit  Dauerheilungen  erzielt  haben. 
Aber  nicht  selten  kam  es  vor,  dass  das  Gefässrohr  wieder  durch¬ 
gängig  wurde  oder  dass  sich  kollaterale  Venenbahnen  aus¬ 
bildeten.  Und  diese  Erfahrung  hat  auch  Trend  elenburg 
veranlasst,  zunächst  die  Durchschneidung,  späterhin  die  Re¬ 
sektion  eines  grösseren  Stückes  der  Saphena  prinzipiell  vorzu¬ 
nehmen.  Gleichwohl  traten  Rezidive  auf  und  zwar  wiederum 
wegen  der  sich  bildenden  Kollateralen,  andrerseits  auch  von  den 
oberhalb  der  Resektionsstelle  gelegenen  Seitenästen  der  Saphena, 
und  um  diese  zu  vermeiden,  hat  man  die  Resektion  nicht  mehr 
im  mittleren  Drittel  des  Oberschenkels  vorgenommen,  sondern 
im  oberen  Drittel.  Da  solche  Seitenäste  erfahrungsgemäss  schon 
dicht  an  der  Einmündungsstelle  der  Saphena  in  die  Cruralis  sich 
vorfinden  (Vv.  pudendae  ext.,  Vv.  epigastricae  inguinales  und 
superficiales),  hat  sich  als  das  radikalste  Verfahren  der  Varizen¬ 
operation  die  Resektion  an  dieser  Stelle  herausgestellt,  und  diese 
Stelle  ist  auch  deshalb  die  einzig  richtige,  weil  sich  noch  bei 
Resektion  im  oberen  Drittel  gezeigt  hat,  dass  ein  Parallelast  der 
Saphena  nicht  selten  vorkonnnt.  Man  ist  dann  überrascht,  wenn 
man  den  Stamm  der  Saphena  hoch  hinauf  reseziert  hat,  nach 
kurzer  Zeit  ein  Rezidiv  zu  sehen,  der  Trendelenburg  sehe 
Kompressionsversuch  fällt  wieder  positiv  aus  und  als  Ursache 
fungiert  der  Parallelast;  dieser  soll  gar  nicht  so  selten  sein. 
Unter  17  Fällen  hat  G  r  z  e  s ’)  ihn  2  mal  gefunden.  Mit  Rück¬ 
sicht  auf  die  hochabgehenden  Aeste  und  auf  das  Vorkommen 
eines  Parallelastes  ist  in  neuerer  Zeit  wiederholt  die  Resektion 
der  Saphena  dicht  an  der  Einmündungsstelle  in  die  Cruralis  an 
der  Fossa  ovalis  mit  M  a  d  el  u  n  g  scher  Varizenausschälung 


vorgenommen  worden.  Es  ist  ohne  weiteres  ersichtlich,  dass  nui 
bei  einem  derartigen  Vorgehen  von  einer  Radikaloperation  der 
Varizen  die  Rede  sein  kann,  streng  theoretisch  genommen 
müssen  alle  anderen  Massnahmen,  was  Dauererfolg  anlangt, 
minderwertig  sein. 

Die  Gründe,  die  bei  der  Varizenbildung  massgebend  sind, 
setze  ich  als  bekannt  voraus  und  betone  nur,  dass  bei  der  vari¬ 
kösen  Erweiterung  der  Venen  der  unteren  Extremität  dieselben 
unter  einem  abnorm  hohen,  also  pathologischen  Drucke  stehen, 
der  wegen  der  Insuffizienz  der  Klappen  der  V.  saphena  und  der 
Klappenlosigkeit  der  Femoralis,  Iliaca  und  Cava  der  Blutsäulc 
vom  Varixknoten  bis  zum  rechten  Herzen  entspricht  bezw.  bis 
zu  der  Ligaturstelle  der  resezierten  Vene.  Ist  nun  nicht  dicht 
an  der  Einmündungsstelle  der  Saphena  reseziert  worden,  so  lastet 
dieser  Druck  auf  den  wenigen  Seitenästen  der  Saphena  und 
wird  hier  schädlich  wirken,  soferne  nicht  durch  eine  Thrombose 
in  der  Saphena  Varizenbildung  hier  hintangehalten  wird,  oder 
aber  es  tritt  das  Ereignis  ein,  das  ich  schon  vorher  erwähnt 
habe,  dass  nämlich  ein  Parallelast  der  Saphena  ganz  und  gar 
übersehen  wird  und  dadurch  gleichsam  der  Status  quo  ante  er¬ 
halten  bleibt. 

Die  Operation  kann  stets  ohne  allgemeine  Narkose 
(„Schleich“)  vorgenommen  werden  und  gestaltet  sich  keineswegs 
schwieriger,  wenn  die  Resektion  an  der  Stelle  der  Einmündung 
in  die  Cruralis  gemacht  wird,  und  diese  Stelle  sollte  in  Zukunft 
der  Ort  der  Wahl  des  Beginns  der  Operation  sein.  Die  langen 
Narben,  die  in  der  Regel  nach  der  sich  anschliessenden 
Madelung  sehen  Varizenausschälung  Zurückbleiben,  liegen 
sehr  oberflächlich  und  sind  für  den  Träger  keineswegs  störend, 
selbst  wenn  sie  in  die  Kniekehle  zu  liegen  kommen. 

Fälle  von  hohen  Resektionen  der  Saphena  sind  in  der 
Literatur  schon  ziemlich  zahlreich  niedergelegt.  Schon  im 
Jahre  1892  hat  Mafia  kowski  einige  Fälle  publiziert, 
Karewski  u.  a.  haben  das  gleiche  Verfahren  empfohlen,  das 
er  auch  warm  empfiehlt,  wenn  es  sich  um  frische  variköse 
Phlebitis  handelt.  Die  Heilung  erfolge  rasch  und  dauernd. 

Neuerdings  hat  die  hohe  Resektion  der  Saphena  eine  be¬ 
deutend  erweiterte  Indikationsstellung  erfahren  durch  Müller- 
Rostock.  Er  rät  nämlich  auf  Grund  des  Z  auf  al  sehen  Ge¬ 
dankens,  bei  eitriger  Sinusthrombose  durch  die  Unterbindung 
der  V.  jugul.  int.  einer  Verschleppung  der  Thromben  nach  dem 
Herzen  vorzubeugen,  auch  bei  der  gutartigen  Thrombose  und 
bei  der  Thrombophlebitis  des  Unterschenkels  (mit  Geschwüren, 
phlegmonösen  Prozessen  u.  s.  w.)  die  hohe  Unterbindung,  besser 
Resektion  der  Saphena,  ehe  sie  thrombosiert  ist,  vorzunehmen. 
Nicht  allein  das.  Er  empfiehlt,  auch  in  den  Fällen  die  hohe 
Resektion  zu  machen,  in  denen  die  Saphena  bis  zur  Einmündung 
in  die  Femoralis  thrombosiert  gefunden  wird,  nicht  in  der  Ab¬ 
sicht,  einer  Gerinnselverschleppung  vorzubeugen,  sondern  um 
die  Thrombophlebitis  als  Lokalerkrankung  abzukürzen.  An  die 
Resektion  muss  sich  dann  die  Exstirpation  der  erkrankten  \  enen 
naturgemäss  anschliessen.  Die  Gefahren  eines  derartigen  Vor¬ 
gehens  (Thrombenverschleppung)  werden  gewöhnlich  überschätzt. 
„Vielleicht  wirkt  die  an  der  Einmündungsstelle  der  Saphena  in 
die  Femoralis  befindliche  Venenklappe,  trotzdem  sie  undicht  ist, 
im  Sinne  des  gefahrlosen  Abschlusses  des  Thrombus.“  Diese 
Vermutung  bestätigt  unser  Präparat. 

Die  Kasuistik  der  hohen  Saphenaresektion  bei  infektiösen 
Venenthrombosen  ist  noch  klein,  doch  sprechen  die  von  Müller 
publizierten  Fälle  und  die  pathologisch-anatomischen  Erwägungen 
für  Gefahrlosigkeit  des  operativen  Eingriffs  und  fordern  zur 
Nachahmung  auf.  Und  hiebei  verweise  ich  auf  die  vor  kurzem 
erst  erschienene  Publikation  Trendelenburgs0),  die  puer¬ 
perale  Pyämie  durch  Resektion  grosser  Venenstämme  (Flypo- 
gastricae  und  Spermaticae)  operativ  zu  bekämpfen. 

Allein  weniger  die  weitgehende  Indikationsstellung  der 
Saphenaresektion  beabsichtigte  ich  in  meinen  Ausführungen  zu 
befürworten,  obwohl  ich  ganz  und  gar  damit  einverstanden  bin, 
ich  lege  viel  mehr  Gewicht  darauf,  dass  womöglich  prinzipiell  die 
hohe  Resektion  der  Saphena  vorgenommen  wird,  mit  Made¬ 
lung  scher  V arizenausschälung,  wenn  man  sich  schon  ent- 
schliesst,  eine  radikale  Varizenoperation  auszuführen.  Meine 
Gründe  sind  die:  die  Gefahren  der  hohen  Resektion,  selbst  bei 
Thrombose,  sind  nicht  grösser  als  die  der  tieferen,  die  Operation 


4)  Centralbl.  f.  Chir.  1901.  37. 

F)  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  28.  2.  1900. 


°)  Diese  Wochenschr.  1902,  13. 


16.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wird  nicht  erschwert;  ausserdem  können  Rezidive  auf  treten,  aus¬ 
gehend  von  den  hochabgehenden  Venenästen,  oder  es  wird  der 
Parallelast  der  Saphena  übersehen. 

Im  allgemeinen  habe  ich  das  Gefühl,  dass  der  evident  gün¬ 
stige  Erfolg  einer  Saphenaresektion  mit  folgender  Varizenaus¬ 
schälung  ä  la  Madelung  noch  lange  nicht  ins  Bewusstsein 
der  praktischen  Aerzte  übergegangen  ist,  dass  sich  die  Kollegen 
durch  eine  einfache  und  noch  dazu  ungefährliche  Operation  viel 
Mühe  und  Zeit  bei  langwierigen  Ulzera  und  Ekzemen  ersparen 
könnten  und  vielen  Patienten  das  oft  monatelange  Krankenlager 
wesentlich  abgekürzt  würde. 

Ein  Fall  von  Menstruatio  praecox. 

Von  Dr.  Otto  S  t  ö  m  m  e  r  in  Plattling. 

In  unserem  gemässigten  Klima  fällt  bekanntlich  der  Eintritt 
der  Menstruation  in  die  Zeit  vom  12.  bis  17.  Lebensjahre  und 
geht  unsere  heutige,  hauptsächlich  durch  Pflüger  begründete 
Anschauung  über  das  Zustandekommen  derselben  dahin,  dass 
durch  das  Reifen  der  Follikel  reflektorisch  eine  arterielle  Kon¬ 
gestion  der  inneren  Geschlechtsorgane  hervorgerufen  wird,  welche 
zum  Fi  ei  werden  des  Eies,  zur  Ovulation,  und  zur  Hyperämie 
des  Uterus  mit  Blutung,  zur  Menstruation,  führt;  mit  der  inne¬ 
ren  geschlechtlichen  Entwicklung  geht  parallel  die  der  Brust¬ 
drüsen,  die  Behaarung  der  Schamgegend  und  der  Achselhöhle, 
sowie  die  Zunahme  des  Fettpolsters.  Von  Einfluss  auf  den  Be¬ 
ginn  dieser  allgemeinen  Geschlechtsreife  ist  das  Klima,  wie  uns 
die  Tatsache  lehrt,  dass  in  südlichen  Ländern  die  Mädchen  durch¬ 
schnittlich  schon  mit  8—12  Jahren  menstruiert  sind;  ferner  ist 
bekannt,  dass  Bewohnerinnen  der  Städte  und  namentlich  intelli¬ 
gente  Kinder  zeitiger  menstruiert  sind  als  die  des  Landes,  dass 
also  sitzende  Lebensweise  und  Anregung  des  Geistes  den  Eintritt 
beschleunigen,  während  schlechte  soziale  Verhältnisse,  psychische 
Depressionen  und  Krankheiten  denselben  verzögern. 

Ls  gehört  zu  den  grössten  Seltenheiten,  wenn  die  Menstrua¬ 
tion  schon  im  ersten  Dezennium  sich  zeigt,  und  kennt  die  Litera¬ 
tur  bis  zum  Jahre  1889  nur  64  solcher  Fälle1).  Hiernach  trat 
diese  Menstruatio  praecox  19  mal  im  1.,  15  mal  im  2.,  8  mal  im 
3.,  l  n.al  im  4.,  je  3  mal  im  5.,  6.,  7.,  9.  und  10.  und  1  mal  im 
8.  Lebensjahr  auf;  in  3  Fällen  fand  die  Menstruation  sogar  schon 
von  Gehurt  an  statt  und  zwar  in  typischer  Wiederkehr,  nicht  als 
einmalige  Vaginalblutung,  wie  sie  ja  öfter  beobachtet  wird. 
In  den  meisten  Fällen  traten  die  Menses  ohne  alle  Vorboten  und 
Beschwerden  auf,  nur  in  5  Fällen  wurden  solche  erwähnt :  all¬ 
gemeines  Unbehagen,  Mattigkeit,  Appetitlosigkeit,  Kopfkon¬ 
gestionen.  Die  Blutung  dauerte  2 — 5,  meistens  3  Tage ;  sie  war 
nur  in  einigen  Fällen  sehr  stark  und  kehrte  fast  ausnahmslos  alle 
4  Wochen  wieder;  Abweichungen,  z.  B.  mehrmonatlicher  Typus, 
kamen  nur  in  vereinzelten  Fällen  zur  Beobachtung.  Die  Ent¬ 
wicklung  der  Brüste  und  der  äusseren  Genitalien  fehlte  nur  in 
3  Fällen,  während  in  einem  anderen  Falle  Brüste  und  äussere 
Geschlechtsteile  entwickelt  waren,  aber  keine  Menstruation,  son¬ 
dern  vikariierende  Magenblutung  vorhanden  war.  Dass  es  sich  bei 
Menstruatio  praecox  um  eine  wirkliche  Ovulation,  nicht  um 
blosse  Genitalblutung  handelt,  ward  in  7  Fällen  durch  den  Ein¬ 
tritt  von  Konzeption  bewiesen:  3  Mädchen  wurden  im  8.  Lebens- 
jahie,  das  eine  von  einem  o  monatlichen  Fötus,  das  zweite  von 
einem  9  monatlichen  toten  und  das  dritte  von  einem  lebenden 
Kinde  entbunden;  2  Mädchen  gebaren  im  9.  Jahre  reife  Kinder; 
in  2  Fällen,  in  welchen  das  eine  9  jährige  Mädchen  von  einem 
3  monatlichen  Embryo  und  das  andere  von  einem  nur  24  Stunden 
lebenden  Kinde  entbunden  worden  war,  starben  die  Mütter  bald 
nach  der  Niedex-kunft  an  Phthisis. 

Da  jeder  neue  Fall")  von  Menstruatio  praecox  für  die  Klä¬ 
rung  dieser  seltenen  Erscheinung  von  Wichtigkeit  ist,  möchte  ich 
nicht  versäumen,  den  64  Fällen  die  folgende  Beobachtung  hinzu¬ 
zufügen. 

Marie  W.  ist  das  Kind  eines  Schreiners  im  Dorfe  O.  Letzterer 
ist  36  Jahre  alt,  gesund  und  kann  sich  während  seines  ganzen 
Lebens  nur  an  eine  einzige  Krankheit,  Lungenentzündung  im 
11.  Jahre,  erinnern.  Die  Mutter  ist  31  Jahre  alt,  schmächtig  ge- 


9  vide  Eugen  Rudel:  Beitrag  zur  Pathologie  der  Men¬ 
struatio  praecox.  Inauguraldisseitation,  Wttrzbui'g  1889. 

9  Aus  neuerer  Zeit  haben  Hofacker  (Deutsch,  med. 
V  ochenschr.  1898,  Vereinsbeilage  No.  30.  S.  224)  und  Klein 
(Deutsch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  3)  über  Fälle  von  Frühreife 
mit  Menstruatio  praecox  belichtet. 


1541 


baut,  hat  ihre  Menstruation  seit  dem  16.  Lebensjahre,  alle 
4  Wochen,  aber  nicht  ganz  regelmässig;  vom  17—19.  Jahre  litt  sie 
an  Chlorose  mit  Amenorrhoe,  sonst  nur  an  häufigen  Mandelent¬ 
zündungen.  Der  Grossvater  väterlicherseits  lebt  noch,  die  Gross¬ 
mutter  hatte  6  Kinder,  war  gesund  und  starb  mit  58  Jahren  im 
Beginn  des  Klimakteriums.  Der  Grossvatei’  mütterlicherseits, 
Potator,  starb  mit  36  Jahren  rasch;  die  Grossmutter,  welche  i hre 
Regeln  immer  sehr  stark  hatte,  gebar  10  Kinder,  darunter  Zwil¬ 
linge,  und  Starb  mit  47  Jahren  an  Lungenphthise.  Von  2  Brüdern 
ist  einer,  der  immer  schwächlich  war,  im  3.  Lebensjahre  gestorben, 
der  andere  ist  7*  Jahre  alt;  2  Schwestern  zeigten  keinerlei  Früh¬ 
reife,  eine  ist  im  4.  Jahr  an  Diphtherie  gestorben,  die  andei'e  war 
immer  ki'änklich  bis  zum  5.  Lebensjahre  und  ist  jetzt  7  Jahre  alt. 

Marie  selbst  kam  am  15.  September  1S92  als  sehr  grosses, 
schweres  Kind  zur  Welt.  Sie  litt  in  den  ersten  8  Wochen  an 
Brechen  und  Dui'chfall  und  magerte 
so  sehr  ab,  dass  sie  aufgegeben 
wurde;  erst  als  ihr  statt  der  bis¬ 
her  nur  ungenügend  verdünnten 
Kuhmilch  Milch  mit  Eichelkaffee 
gei'eicht  wurde,  nahm  sie  wieder 
zu  und  fiel  schon  mit  einem  halben 
Jahre  durch  starke  Entwicklung 
der  Brüste  auf;  jedoch  war  sie  erst 
mit  vollendetem  ersten  Lebensjahr 
im  stände,  sich  selbst  aufzusetzen 
und  bekam  auch  um  diese  Zeit  die 
ersten  Zähne;  6  Wochen  später  be¬ 
gann  sie  zu  laufen  Als  sie  1  y3  Jahre 
alt  war,  stellte  sich,  nachdem  einige 
Zeit  vorher  mehrtägiger  milcli- 
weisser  Fluss  vorausgegangen  war, 
ohne  irgend  welche  Zeichen  des 
Unbehagens  die  erste  Genitalblu¬ 
tung  ein;  diese  war  schwach,  deut¬ 
lich  rot,  dauerte  ein  paar  Tage  und 
wiederholte  sich  von  da  an  ohne 
Störung  des  Allgemeinbefindens 
regelmässig  alle  4  Wochen  unter 
starkem  Wachstum  des  Körpers,  so 
dass  sie  mit  4  Jahren  bereits 
42  Pfund  wog.  Vom  Ende  des 
5.  Lebensjahres  an  trat  die  Men¬ 
struation  nur  mehr  alle  6— 8  Wochen 
auf,  dunkelrot,  3 — 4  Tage  lang. 

Als  ich  das  Mädchen  nach  eben  vollendetem  6.  Lebensjahre  zum 
erstenmale  sah,  fand  ich  ein  gesundes,  grosses  und  klüftig  aussehen¬ 
des  Kind ;  stark  O-förmiggekiümmte  Bieinedeuteten,auf  iiberstandene 
Rliachitis  hin.  Die  Brüste  sprangen  deutlich  lialbkugelfönnig  vor; 
auf  den  stark  gewulsteten,  grossen  Schamlippen  fanden  sich  spär- 
liclie,  dunkle,  ziemlich  lange  Haare;  die  Achselhöhle  war  frei  von 
Haarwuchs.  In  dem  auffallend  grossen  Unterleib  konnte  ich 
ausser  dicken  Bauchdecken  keinerlei  pathologische  V eräudeiuug 
nach  weisen;  der  Appetit  war  gut,  der  Stuhl  regelmässig,  Harn- 
bescliwerden  wurden  negiert.  Von  einer  innerlichen  Untersuchung 
per  rectum  musste  ich  Abstand  nehmen,  da  schon  die  äussere 
Untersuchung  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden  war,  das 
Kind  sich  mit  Händen  und  Füssen  stiäubte  und  mit  Gewalt  von 
der  Mutter  ins  Zimmer  liereingezeirt  und  ausgezogen  werden 
musste,  so  dass  ich  nicht  wusste,  ob  es  mehr  Furcht  oder  Scham 
oder  Eigensinn  wäie.  Im  September  1900  hörten  die  Menses,  nach¬ 
dem  sie  zuletzt  nur  mehr  in  8  wöchentlichen  Pausen  gekommen 
waren,  plötzlich  auf,  ohne  dass  ii'gend  eine  Störung,  Krankheit 
oder  sonstige  iiussei'e  Veranlassung  vorausgegangen  wäre.  Um 
diese  Zeit  liess  auch  das  auffallende  Wachstum  nach  und  die 
Brüste  verkleinerten  sich  wieder;  und  als  ich  das  Mädchen  vor 
kurzem  wieder  sah.  fand  ich  es  für  ihr  Alter  von  9  )4  Jahren 
nicht  besonders  gross  (127  cm),  auch  nicht  gerade  dick  und  die 
Brüste  nur  wenig  grösser  als  in  diesem  Alter  normal.  Geistig  ist 
das  Kind  ziemlich  geweckt,  zeigt  sich  in  der  Schule  talentiert,  ist 
aber  etwas  faul.  Das  Schamgefühl  ist  ziemlich  ausgeprägt,  sie 
sprach  und  spricht  nie  von  ihrer  Blutung,  auch  mit  den  Eltern 
nicht.  Sie  spielt  immer  mit  Mädchen,  nicht  mit  Knaben,  und  zwar 
lieber  mit  klelnei'en.  Masturbation  kam  nicht  vor. 

Dieser  neueste  Fall  von  Menstruatio  praecox  zeigt  beim  Ver¬ 
gleich  mit  den  übrigen  die  eine  merkwürdige  Abweichung,  dass 
die  Menses,  nachdem  sie  zu  Beginn  des  6.  Lebensjahres  seltener 
geworden  waren,  zu  Ende  des  8.  Jahres  ganz  sistierten,  ohne  dass 
Klimawechsel,  Chlorose  oder  eine  sonstige  Gesundheitsstörung  da¬ 
für  verantwortlich  gemacht  werden  konnte  Es  legt  diese  Erschei¬ 
nung-  den  Gedanken  nahe,  dass  im  ersten  Lebensjahre,  vielleicht 
im  Anschluss  an  den  Darmkatarrh  unter  Vermittlung  des  Bak¬ 
terium  coli  eine  Affektion  der  inneren  Genitalien  entstand,  welche 
sich  ohne  innere  Untersuchung  nicht  nachweisen  liess,  durch 
deren  Reiz  es  aber  zur  Kongestion  und  zur  Ovulation  bezw.  Men¬ 
struation  kam,  wie  bei  regulären  Katamenien,  und  zwar  solange, 
als  dieser  Reiz,  diese  Affektion  anhielt,  id  est  bis  zum  Ende  des 
8.  Lebensjahres.  Es  wäre  aber  auch  möglich,  dass  die  Rliachitis 
mit  den  Anstoss  zur  Frühreife  des  Genitalapparates  gegeben 
hätte,  als  Kompensation  für  die  mangelhafte  Knochenentwick- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1542 


lung;  und  drittens  können  wir  noeli  an  eine  Vererbung  geschlecht¬ 
licher  Produktivität  denken,  da  die  eine  Grossmutter  10  Kinder, 
darunter  Zwillinge,  die  andere  6  Kinder  und  die  Mutter  bis  jetzt 
5  Kinder  hatte;  so  dass  hier  vielleicht  3  Faktoren  zusammen¬ 
gewirkt  haben. 

Diese  theoretischen  Deduktionen  erhalten  eine  festere  Grund¬ 
lage  durch  einen  Blick  auf  die  Literatur.  Die  meisten  der  64  F  alle 
sind  zwar  nur  mangelhaft  beschrieben  und  beobachtet,  27  über¬ 
haupt  nur  erwähnt,  aber  manche  lassen  doch  Schlussfolgerungen 
zu;  die  exaktesten  lassen  jedenfalls  diejenigen  6  Fälle  zu,  welche 
zur  Sektion  gekommen  sind,  und  wurden  hiebei  5  mal  Geschwülste 
der  inneren  Genitalien  gefunden :  Eierstockssarkom,  tuberkulöse 
Eierstocksgeschwulst  mit  Eiterhöhlen,  doppelseitige  Eierstocks¬ 
cysten,  Hterusfibromyom  und  Tuberkel  in  beiden  Eierstöcken  bei 
allgemeiner  Tuberkulose;  es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass 
liier  die  Tumoren  direkt  den  Anstoss  zur  Entwicklung  der  inneren 
Genitalien  und  zur  Menstruation  in  der  oben  besprochenen  Weise 
gegeben  haben.  Im  6.  Falle  lag  Hydrokephalus  vor,  wobei  sich 
an  den  Genitalien  nichts  Krankhaftes  vorfand,  nur  waren  Uterus 
und  Ovarien  so  gross  wie  bei  Erwachsenen ;  es  ist  naheliegend, 
liier  das  Wachstum  dieser  Teile  auf  zentrale  Beeinflussung  zu¬ 
rückzuführen,  da  wir  in  der  Literatur  noch  2  analoge  Fälle  vor¬ 
finden,  nämlich  einen  weiteren  Hydrokephalus  und  eine  Apo¬ 
plexie  durch  Kopfverletzung;  auch  2  Fälle  von  Eklampsie  wären 
hierher  zu  rechnen.  Von  sonstigen  Krankheiten  werden  erwähnt 
4  mal  Rhachitis,  2  mal  Tuberkulose  (ausser  den  zur  Sek¬ 
tion  gekommenen  2  Fällen)  und  einmal  Aszites  (vielleicht  mit 
Genitalaffektion).  In  2  Fällen  wird  über  Masturbation  berichtet 
und  ist  es  begreiflich,  dass  auch  hierdurch  eine  Hyperämie  der 
inneren  Genitalien  hervorgerufen  werden  kann,  welche  zur  Men¬ 
struation  führt.  In  4  Fällen  endlich  muss  an  eine  Vererbung -ge¬ 
schlechtlicher  Individualität  gedacht  werden:  In  dem  einen  hatte 
die  Mutter  11  Kinder,  darunter  einmal  Drillinge  und  einmal 
Zwillinge,  in  einem  zweiten  hat  die  Mutter  in  5  Jahren  7  reife 
Kinder  zur  Welt  gebracht  und  alle  selbst  gesäugt,  in  einem 
dritten  Falle  hatte  die  Mutter  15  Kinder  und  in  einem  vierten 
wird  erzählt,  dass  das  betreffende  Mädchen  im  11.  Jahre  ein  ge¬ 
sundes,  8  Pfund  schweres  Kind  gebar,  welches  selbst  wieder  sehr 
rasch  wuchs,  so  dass  es  nach  einem  Jahre  38  Pfund  wog.  ITeber- 
haupt  ist  mit  Rücksicht  darauf,  dass  die  Menstruatio  praecox 
weitaus  am  häufigsten  in  den  beiden  ersten  Lebensjahren,  3  mal 
sogar  schon  unmittelbar  nach  der  Geburt  auftrat,  die  Annahme 
nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  auch  schon  eine  Anlage  im 
Ei  bestehen  kann,  welche  einen  partiellen  Riesenwuchs  zur 
Folge  hat. 


Fremdkörper  im  Mastdarm. 

Kasuistischer  Beitrag. 

Von  Assistenzarzt  Dr.  Scherenberg. 

Es  ist  alles  schon  einmal  dagewesen,  wenn  man  Ben  Akiba 
glauben  darf.  Nachstehend  beschriebener  Fall  lässt  aber  an  der 
Glaubwürdigkeit  dieses  oft  zitierten  Weisen  berechtigte  Zweifel 
auf  kommen. 

Erschien  da  vor  einiger  Zeit  in  der  Poliklinik  des  städtischen 
Krankenhauses  zu  Ulm,  an  dessen  chirurgischer  Abteilung  ich 
Assistenzarzt  war,  ein  etwa  30  jähriger  Mann,  dem  die  innere  Angst 
und  Aufregung  aus  dem  Gesicht  sah.  Nach  einigen  verlegen  ge¬ 
stammelten  Worten  zog  Patient  einen  glänzenden  Gegenstand  aus 
der  Tesche  und  präsentierte  meinen  erstaunten  Augen  (‘ine  Rad- 
fahrerluftpumpe;  er  gab  an,  dass  er  sich  vor  2  Tagen  ein  solches 
Instrument  in  den  After  eingeführt  habe,  um  sich  ein  Klystier  zu 
gehen;  dabei  sei  es  seinen  Fingern  entglitten  und  in  den  Darm 
gerutscht,  in  dem  es  sich  noch  befinde.  Sein  Arzt,  den  er  zu 
Kate  gezogen  habe,  habe  sich  vergeblich  bemüht,  den  Fremd¬ 
körper  wieder  zu  entfernen,  und  schicke  ihn  jetzt,  damit  er  sich, 
nötigenfalls  durch  eine  Operation,  davon  befreien  lasse.  In  der 
Zwischenzeit  habe  er  mehrmals  regelrechten  Stuhlgang  gehabt 
ohne  Schmerzen;  besondere  Beschwerden  habe  er  nicht. 

Die  einfache  Digitalaustastung  des  Rektums  ergab  nun  zu¬ 
nächst  einen  negativen  Befund.  Bei  der  bimanuellen.  in  Rücken¬ 
lage  des  Patienten  ausgeführten  Untersuchung  fühlte  dann  die  auf 
den  Bauchdecken  palpierende  linke  Hand  2  Querfinger  über  der 
Symphyse  in  der  Medianlinie  eine  Resistenz,  die  Kreisform  und 
2 — 3  cm  Durchmesser  hatte;  sie  setzte  sich  in  die  Tiefe  des  kleinen 
Beckens  hinein  zylinderförmig  fort  und  war  noch  auf  mehrere 
Zentimeter  abtastbar.  Offenbar  handelte  es  sich  um  das  obere 
Ende  der  in  der  Flexura  sigmoidea  sitzenden  Luftpumpe.  Der 
Versuch,  sie  gegen  den  After  hinzuschieben,  gelang  leicht;  beim 
Tieferdrücken  des  oberen  Endes  fühlte  der  im  Rektum  liegende, 


möglichst  hoch  hinaufgeführte  Zeigefinger  den  unteren  Pol  in  Form 
einer  glatten,  kreisförmigen  Fläche.  Unter  vorsichtigem  Drücken 
und  Schieben  seitens  der  linken  Hand  von  den  Bauchdecken  aus 
bei  gleichzeitiger  Führung  des  unteren  Endes  durch  den  in  den 
Mastdarm  eingeführten  Zeigefinger  der  rechten  Hand  war  es  mög¬ 
lich,  den  eigenartigen  Fremdkörper  allmählich  zu  Tage  zu  fördern. 

Es  war  in  der  Tat  eine  Radfahrerluftpumpe,  die  mit  dem 
dünneren  Ende,  welches  das  zum  Einschrauben  des  Sehlauchs  an¬ 
gebrachte  Loch  in  der  Mitte  seiner  Platte  trug,  nach  oben  im  Darm 
gesessen  hatte.  Sie  hatte  folgende  Masse:  eine  Länge  von  IG  cm 
in  zusammengeschobenem,  von  28y2  cm  in  ausgezogenem  Zustande, 
einen  Durchmesser  am  oberen  Pol  von  23  mm,  am  unteren,  der 
durch  den  Handgriff  des  Kolbens  etwas  verbreitert  wurde,  von 
20  mm.  Das  Gewicht  betrug  120  g. 

Was  den  Mann  bewogen  haben  konnte,  sich  diese  Stahl¬ 
rohre  einzuführen,  ob  er  wirklich  sich  hatte  ein  Klystier  geben 
wollen,  was  mit  Hilfe  dieses  Instrumentes  immerhin  möglich  ge¬ 
wesen  wäre,  oder  ob  nicht  viel  mehr  die  Motive  in  der  patho¬ 
logisch-sexuellen  Sphäre  zu  suchen  gewesen  sein  dürften,  bleibt 
zweifelhaft.  Da  der  Fremdkörper  mangels  scharfer  Kanten  und 
Ecken  Verletzungen  der  Darmwand  nicht  hervorrufen  konnte 
und  bald  wieder  entfernt  wurde,  blieb  die  Heimtücke  der  Luft¬ 
pumpe,  den  Fingern  des  Unvorsichtigen  zu  entschlüpfen,  für 
diesen  ohne  schlimmere  Folgen. 

Ich  habe  mir  die  sonderbare  Klystierspritze  zur  Erinnerung 
an  diesen  wohl  noch  nicht  dagewesenen  Fall  aufbewahrt. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Die  Anstellungsverhältnisse  der  k.  b.  Amtsärzte. 

Bezirksarzt  Dr.  Heissler  hat  in  seiner  den  gleichen  Be¬ 
treff  behandelnden  Arbeit  (Münch,  med.  Wochensehr.  1902.  No.  32) 
nur  die  Verhältnisse  der  Amtsärzte  sensu  strictiore  —  also  der  Be¬ 
zirksärzte  bei  den  Distriktspolizeibehörden  und  der  Landgerichts¬ 
ärzte  —  in  Betracht  gezogen. 

Es  dürfte  jedoch  interessieren,  auch  einiges  über  die  An¬ 
stellungsverhältnisse  der  Hausärzte  an  den  Strafanstalten  zu  er¬ 
fahren,  denen  ja  bekanntlich  nach  einer  Funktionsdauer  von  3  bis 
7  Jahren  auch  Titel,  Rang  und  Gehalt  eines  k.  Bezirksarztes 
I.  Klasse  verliehen  werden.  Eine  Ausnahme  hievon  macht  nur 
der  Hausarzt  bei  dem  Zellengefängnisse  Nürnberg,  der  gleich 
b  ei  der  Anstellung  pragmatische  Rechte  und  den  Gehalt 
eines  Landgerichtsarztes  erhält. 

Die  Bedingungen  für  Anstellung  im  Dienste  desk.  Staats¬ 
ministeriums  des  Innern  sind  in  mehrfachen  Erörte¬ 
rungen  in  der  Abgeordnetenkammer  von  dem  Minister  des  Innern 
dargelegt  worden;  hiernach  wird  in  diesem  Ministerium  nur  auf 
Qualifikation  und  auf  die  seit  der  Prüfung  für  den  ärztlichen 
Staatsdienst  zurückgelegten  Lebensjahre  und  ausserdem  noch  da¬ 
rauf  gesehen,  dass  der  Bewerber  um  eine  Amtsarztstelle  das 
50.  Lebensjahr  nicht  oder  nicht  allzu  lange  überschritten  habe, 
letzteres  wohl  aus  dem  Grunde,  dass  die  Pensionslast  nicht  zu 
sehr  und  zu  schnell  wachse. 

Abweichend  hievon  sind  nach  der  bisherigen  Praxis  die 
Grundsätze,  nach  denen  das  k.  Staatministerium  der 
Justiz  bei  der  Anstellung  der  Hausärzte  verfährt. 

Gefordert  wird  die  1.  oder  2.  Note  in  der  Prüfung  für  den 
ärztlichen  Staatsdienst.  Auf  die  seit  der  Prüfung  für  den  ärzt- 
ielien  Staatsdienst  zurückgelegten  Lebensjahre  und  auf  das  noch 
nicht  überschrittene  50.  Lebensjahr  wird  nicht  gesehen,  wfle  denn 
das  letzte  halbe  Jahr  Ernennungen  sowohl  noch  aus  dem  Kon¬ 
kursjahre  1873  als  auch  schon  aus  dem  Prüfungsjahre  1897 
gebracht  hat. 

Gefordert  wurde  ferner  bis  in  die  jüngste  Zeit  herein  Zu¬ 
gehörigkeit.  zu  einem  christlichen  Bekenntnisse  —  siehe  Protokoll 
der  J  '’i'zb’kc  mmer  dev  Pfalz  vom  Jahre  1901  (siehe  hierzu  Ziffer  14 
der  Entschli°ssung  des  k.  Staatsministeriums  des  Innern  vom 
3.  August  1902.  die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre 
1901  betreffend  |  Seite  1448  dieses  Jahrganges),  wonach  das 
k.  Staatsministerium  des  Innern  wegen  der  Ausschreibung  u  n  d 
Besetzung  ärztlicher  Stellen  an  Strafanstalten  mit  dem  k.  Staats- 
niiuisterium  der  Justiz  ins  Benehmen  getreten  istl  — .  in  einem 
Falle,  der  wohl  vereinzelt  geblieben  sein  dürfte,  wurde  Zugehörig¬ 
keit  zur  katholischen  Religion  zur  Bedingung  gemacht. 

Es  sind  also  die  Anstellungsverhältnisse  der  Strafanstalts¬ 
ärzte  im  allgemeinen  ungünstig:  relativ  günstig  sind  sie  nur  in 
denjenigen  Fällen,  in  welchen  beim  ‘Ministerium  des  Innern  eine 
Anstellung  als  Amtsarzt  nicht  mehr  oder  noch  nicht  er¬ 
folgen  würde.  Von  der  Verschiedenheit  der  in  den  beiden  ge¬ 
nannten  Ministerien  geltenden  Grundsätzen  dürfte  es  wohl  auch 
lierriiliren.  dass  Strafanstaltsärzte,  sobald  sie  pragmatische  Rechte 
haben,  nicht  mehr  w  i  e  früher  vom  Ministerium  des 
Innern  als  Amtsärzte  herübergenommen  werden. 

Drossbac  h. 


16.  September  1902. 


MÜElsr CHENER  MEDiciNlSCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1543 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Diagnostic  et  Traitement  des  Maladies  infectieuses  par  le 
Schmitt,  1  roiesseur  a  la  I  aculte  de  medeeine  de 
Nancy.  Paris,  Librairie  J.  B.  Bailiiere  et  fils,  1902. 

Das  Buch  ist,  wie  Ver'f.  in  seiner  Vorrede  betont,  für  den 
Studierenden  und  Praktiker  bestimmt,  der  nicht  Gelegenheit 
hat,  die  gewaltige  Spezialliteratur  genügend  zu  verfolgen  und  zu 
würdigen. 

Im  ersten  Teil  behandelt  Verf.  in  knapper  und  klarer  Weise 
das  Wesen  und.  die  Wirkungsarten  der  pathogenen  Mikroorganis¬ 
men  und  bespricht  alsdann  die  Schutz-  und  Verteidigungsmittel 
des  Organismus  gegen  dieselben.  Wir  finden  hierbei  eine  aus- 
i  ehrliche  Darstellung  der  Metschnikof  f  sehen  Theorie  und 
eine  Würdigung  der  neuen  und  neuesten  Lehren  vom  Wesen  der 
bakterizid  resp.  antitoxisch  wirkenden  Körper  im  Serum. 

Die  allgemeine  Diagnostik,  den  2.  Teil,  leitet  Verf.  u.  a.  mit 
einem  sehr  beherzigenswerten  Kapitel  über  gewisse  feststehende 
pathognomonische  Symptome  und  ihre  wahre  Bedeutung  ein. 
Dann  folgt  die  Besprechung  der  anatomisch-pathologischen  Vor¬ 
gänge  bei  Infektionskrankheiten  im  allgemeinen  und  im  beson¬ 
deren,  so  der  Veränderungen  des  Blutes,  der  serösen  Flüssig¬ 
keiten  etc..  Besonders  praktisch  und  klar  ist  die  Schilderung 
der  bakteriologischen  Untersuchung,  ohne  sich  dabei  in  allzu 
spezialistische  Methodik  zu  verirren. 

Bei  Besprechung  der  Anwendung  von  Bakterienprodukten 
zur  Diagnostik  schätzt  Verf.  die  diagnostische  Bedeutung  des 
K  o  c  h  sehen  Tuberkulins  nicht  hoch  ein  und  bestreitet  ihm  sogar 
seine  Spezifizität. 

In  dem  Kapitel  der  Serodiagnostik,  speziell  der  Aggluti¬ 
nation,  nimmt  naturgemäss  die  G  r  u  b  e  r  -  W  i  d  a  1  sehe  Re¬ 
aktion  den  hervorragendsten  Platz  ein.  Uebereinstimmend  mit 
den  allgemeinen  klinischen.  Erfahrungen  hält  Verf.  den  positiven 
Ausfall  dieser  Reaktion  bei  einer  Verdünnung  von  1:50  für  dia¬ 
gnostisch  beweisend. 

Der  Ehrlich  sehen  Diazoreaktion  räumt  Verf.  in  der  Dia¬ 
gnostik  des  Abdominaltyphus,  wie  die  besten  deutschen  Kenner 
desselben,  keine  hohe  Bedeutung  ein. 

Das  3.  Kapitel  bespricht  in  knapper  und  doch  erschöpfender 
Form  die  Prophylaxe,  die  wichtigste  Waffe  im  Kampfe  gegen 
die  Infektionskrankheiten,  in  Abschnitten  über  obligatorische 
Anmeldung,  Isolierungsmassregeln,  Assanierung  und  Desinfek¬ 
tion  von  Menschen  und  Gegenständen.  Alsdann  folgt  die  Be¬ 
handlung  der  Therapie  der  Infektionskrankheiten,  die  mit  einer 
bei  dem  knappen  Rahmen  des  Buches  auffallend  ausführlichen 
Besprechung  der  antiseptischen  Medikamente  beginnt.  An  diese 
schließet  sich  eine  kurze  Darstellung  der  Wirkung  von  Kälte, 
Wärme  und  Licht  an.  Die  letztere  hätte  vielleicht  eine  etwas 
breitere  Behandlung  verdient. 

Mit  gebührender  Ausführlichkeit,  aber  doch  knapper  Dar¬ 
stellung  bespricht  Verf.  Theorie  und  Methodik  der  Immuni¬ 
sierung  und  die  Serumtherapie. 

Bei  der  Abhandlung  des  Diphtherieheilserums,  das  Verf. 
übrigens  therapeutisch  recht  hoch  stellt,  fällt  dem  deutschen 
Leser  das  Fehlen  des  Namens  B  e  h  r  i  n  g  nicht  angenehm  auf. 
3)as  Typhusheilserum  (Vidal-Chantemesse)  beurteilt 
Verf.  nach  den  Erfahrungen  von  Chantemesse  recht 
günstig. 

Alsdann  folgt  die  Besprechung  der  Diätetik  und  der  all¬ 
gemein  ionisierenden  Verfahren  und  endlich  die  Schilderung 
der  „Eliminateurs“,  der  diaphoretischen  und  diuretischen  Mittel. 

Das  Schlusskapitel  behandelt  in  sehr  praktischer  und  de¬ 
taillierter  Form  die  Fieberbehandlung  durch  Antipyretika  und 
Hydrotherapie  und  schliesslich  die  Therapie  der  Entzündungen 
und  Exsudate.  In  dem  letzten  Kapitel  ist  wohl  der  gerade  für 
den  Praktiker  so  wichtigen  mechanischen  resp.  chirurgischen  Be¬ 
handlung  ein  etwas  gar  zu  kurzer  Raum  gegönnt. 

Alles  in  Allem  haben  wir  ein  Werk  vor  uns,  daß  die  Fülle 
der  spezialistisehen  F orschungen  auf  dem  weiten  Gebiet  der  Dia¬ 
gnostik  und  Therapie  der  Infektionskrankheiten  in  wirklich 
praktischer,  knapper  und  dabei  hinreichend  erschöpfender  Form 
vereinigt.  II.  C  urschmann  jun.-Heidelberg. 

Dr.  W.  Stoeltzner  und  Dr.  B.  S  a  1  g’  e :  Beiträge  zur 
Pathologie  des  Knochenwachstums.  Mit  8  Tafeln  in  Helio- 


Verlag  von  S.  Karger,  Karlstrasse  15. 


graviire.  Berlin  1901. 

Preis  12  M. 

Die  Verfasser  bringen  eine  zusammenfassende  Darstellung 
der  Rachitisuntersuchungen,  die  im  Laufe  der  letzten  6Vz  Jahre 
an  der  II  e  u  b  n  e  r  sehen.  Klinik  ausgeführt  worden  sind.  Auf 
en  reichen  Inhalt  dieser  wertvollen  Untersuchungen  näher  ein¬ 
zugehen,  ^ist  an  dieser  Stelle  unmöglich;  erwähnt  sei  nur,  dass 
es  den  Verfassern  nicht  gelungen  ist,  an  ihren  Versuchstieren 
echte  Rhachitis  zu  erzeugen.  Zum  Schluss  wird  der  Versuch  ge¬ 
macht,  eine  neue  Theorie  der  Rhachitis  aufzustellen.  Gewisse 
Analogien  im  klinischen  und  anatomischen  Verhalten  des  Myx¬ 
ödems  und  der  Khachitis  scheinen  den  Verfassern  dafür  zu 
sprechen,  dass  auch  die  A  e  t  i  o  1  o  g  i  e  beider  Krankheiten  eine 
ähnliche  ist.  Wie  das  Myxödem  durch  die  Insuffizienz  der 
Schilddrüse  entsteht,  so  könnte  die  Rhachitis  durch  die  mangel¬ 
hafte  Funktion  eines  anderen  für  den  Haushalt  des  Organismus 
wichtigen  Organes  bedingt  sein. 

Die  Verfasser  glauben  aus  theroretischen  Gründen,  dass  die 
Nebennieren  dieses  Organ  darstellen  und  vermuten  speziell  in 
der  Erkrankung  der  Nebennierenrinde  die  Ursache  der  Erkran¬ 
kung  an  Rhachitis.  Ein  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Theorie 
auf  Grund  von  pathologisch-anatomischen  Untersuchungen  steht 
zur  Zeit  noch  aus.  Zunächst  haben  die  Verfasser  sich  darauf 
beschränken  müssen,  ihrer  Theorie  durch  therapeutische  Ver¬ 
suche  —  die  in  Behandlung  von  rhachitisclien  Kindern  mit 
Nebennierensubstanz  bestanden  und  zum  grossen  Teile  günstige 
Ergebnisse  hatten  —  eine  Stütze  zu  geben. 

Dem  Buche  sind  vortrefflich  ausgeführte  Photogramme 
tpr.  Saig  e)  von  mikroskopischen  Präparaten  und  rhachitischen 
Knochen  beigefügt.  Die  Lektüre  des  Textes  (Dr.  Stoeltzner) 
wird  durch  die  klare  und  lebendige  Behandlung  des  an  und  für 
sich  spröden  Stoffes  sein-  erleichtert.  F.  L  a  n  g  e  -  München. 


C.  L  r  e  u  s  und  A.  Kolisko:  Die  pathologischen  Becken¬ 
formen.  Leipzig  und  Wien  1900.  F.  Deut  icke.  I.  Bd. 
1.  Teil:  Preis  12  M. ;  111.  Bd.,  1.  Teil:  Preis  14  M. 

In  dem  vorliegenden,  gross  angelegten  Werke  wird  auf 
Grund  sehr  eingehender,  ausgedehnter,  selbständiger  Unter¬ 
suchungen  eine  zusammenhängende  pathologisch-anatomische 
Darstellung  der  Regelwidrigkeiten  des  knöchernen  Beckens  ge¬ 
geben,  wie  sie  der  grossen  geburtshilflichen  Bedeutung  dieses 
Skelettabschnittes  entspricht.  Dabei  findet  besonders  die  Art, 
wie  die  verschiedensten  pathologischen  Verhältnisse  die  Gestalt 
und  die  Grösse  des  Beckens  beeinflussen,  die  eingehendste  Be¬ 
rücksichtigung.  Das  ganze  Werk  wird  3  starke  Bände  umfassen, 
die  wiederum  in  einzelnen  Abteilungen  erscheinen. 

ln  dem  vorliegenden  ersten  Teile  des  ersten  Bandes  werden 
in  den  einleitenden  Abschnitten  zunächst  besprochen:  Entwick¬ 
lung  und  gegenwärtiger  Stand  der  Beckenlehre,  die  Becken¬ 
messung,  die  graphische  und  bildliche  Darstellung  (erstere  wird 
verworfen!),  die  Entstehung  der  Beckenform  (Einfluss  des 
Knochenwachstums,  Wachstumsdruck  der  Beckenorgane,  Druck 
der  Rumpflast,  Resistenz  der  Beckenknochen  und  -knorpel,  Ein¬ 
fluss  der  Muskeln  und  Bänder),  endlich  die  Einteilung-  der 
Beckenformen.  Als  vollkommenste  und  wissenschaftlichste  Ein¬ 
teilung  sehen  die  Verfasser  eine  vom  genetischen  Gesichtspunkte 
ausgehende  an,  und  sie  teilen  dementsprechend  die  patho¬ 
logischen  Becken  folgendermassen  ein : 

1.  Abnorme  Becken  als  Folge  von  Störungen  der  embryo¬ 
nalen  Entwicklung  und  des  extrauterinen  Wachstums.  II.  Ab¬ 
norme  Becken  als  Folge  von  Erkrankungen  der  Beckenknochen 
und  ihrer  Synchondrosen.  III.  Abnorme  Becken  als  Folge  von 
V  irbelsäulenanomalien.  IV.  Abnorme  Becken  als  Folge  von 
Anomalien  der  unteren  Extremitäten.  V.  Abnorme  Becken  als 
Folge  von  Anomalien  des  Zentralnervensystems. 

Nach  dieser  Einteilung  enthält  die  erste  Abteilung  des 
Werkes :  1.  Die  Missbildungsbecken  (pygopagische  Becken, 

Becken  mit  angeborenen  Spaltbildungen,  Becken  mit  Ossi¬ 
fikationsdefekten  des  Kreuzbeines).  2.  Die  Assimilationsbecken 
(Becken,  deren  regelwidrige  Form  Ausdruck  einer  abnormen 
Niveaubeziehung  zwischen  erster  Anlage  des  Os  ilei  und  jener 
des  gewöhnlich  das  Os  sacrum  bildenden  Wirbelsäulenabschnittes 
ist).  3.  Die  Zwergbecken.  Dieser  letzteren  Abteilung  wird  eine 
interessante  Abhandlung  über  Zwerge  und  Zwergwuchs  im  all¬ 
gemeinen  vorausgeschickt.  Es  wird  unterschieden  zwischen 


1544 


chondrodystrophischen,  echten,  cretinistischen,  rhaclii tischen  und 
hypoplas  tischen  Zwergen.  Sodann  werden  diese  einzelnen 
Beokenformen  mit  Ausnahme  des  rhachitischen,  das  nach  der 
Einteilung  erst  in  einer  späteren  Abteilung  zu  besprechen  ist, 
abgehandelt. 

Da  den  Verfassern  aus  der  Untersuchung  der  in  der  ersten 
Abteilung  bearbeiteten  Beckenformen  klar  geworden  war,  dass 
für  die  Ausbildung  der  Beckengestalt  der  Entwicklung  und  dem 
Wachstum  der  Knochen  eine  viel  grössere  Bedeutung  zuzuschrei¬ 
ben  sei,  als  ihr  bisher  zugeschrieben  wird,  und  dass  die  Be¬ 
lastungstheorie  von  v.  Meyer  und  Li  tzmann  eine  zu  weit 
gehende  Anwendung  finde,  so  beschlossen  sie,  zunächst  jene 
Beckenformen  zu  bearbeiten,  bei  denen  der  Einfluss  der  Rumpf¬ 
last  auf  die  Beckengestaltung  am  deutlichsten  zum  Ausdruck  ge¬ 
langen  muss.  So  erschien  zunächst  der  erste  Teil  des  III.  Ban¬ 
des,  der  die  Beckenformen  bei  Regelwidrigkeiten  der  V  irbelsäule 
(Spondylosthesis-,  Kyphosen-,  Skoliosen-  und  Kyphoskoliosen¬ 
becken)  enthält. 

Beide  Abteilungen  bringen  eine  Darstellung  des  Themas, 
wie  sie  in  ähnlicher  Weise  bisher  noch  nicht  geboten  wurde,  und 
es  ist  den  Verfassern  vortrefflich  gelungen,  die  oft  etwas  spröde 
Materie  in  eine  Eorm  zu  kleiden,  die  das  Studium  des  Werkes 
zu  einem  Genuss  macht.  Die  vorliegenden  Arbeiten  werden 
einer  strengen  Kritik  unterworfen,  zu  der  die  Verfasser  ihre  ein¬ 
gehenden  Studien  an  den  grossartigen  Beckensammlungen  der 
Wiener,  Grazer  und  Prager  Institute  berechtigten.  Dem  be¬ 
scheidenen  Ausspruch:  „Nicht  um  Anerkennung  zu  ernten,  ist 
dieses  Buch  geschrieben,  sondern  einzig  und  allein  um  der  Sache 
zu  dienen“,  darf  man  getrost  erwidern,  dass  letzteres  in  reichstem 
Masse  der  Fall  ist,  denn  Breus  und  Kolisko  erwerben  sich 
durch  die  Herausgabe  des  Werkes  ein  grosses  und  bleibendes 
Verdienst  um  die  Beckenlehre. 

Die  Ausstattung  der  beiden  vorliegenden  Abteilungen  ist 
vortrefflich.  A.  Gessner  -  Erlangen. 

Oscar  Vogt:  Neurologische  Arbeiten.  Erste  Serie :  Bei¬ 
träge  zur  Gehirnfaserlehre.  Erster  Band:  Cäcilie  und  Oscar 
Vogt:  1.  Zur  Erforschung  der  Gehirnfaserung;  2.  Atlas  der 
Markreifung  des  Kindergehirns  während  der  ersten  4  Lebens- 
monate  und  ihre  methodologische  Bedeutung.  Mit  175  Tafeln 
und  60  Figuren  im  Text.  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer, 
1902.  Preis  80  M. 

Kaum  ist  der  2.  Band  des  Dej  er  in  eschen  Werkes  (Anatomie 
des  centres  nerveux,  Paris  chez  R  u  e  f  f)  erschienen,  so  kommt 
in  Deutschland  als  9.  Band  der  Denkschriften  der  medizinisch¬ 
naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  zu  Jena  ein  Tafelwerk  des 
menschlichen  Gehirns  zu  stände,  das  alles  bisher  Dagewesene 
weit  hinter  sich  lässt. 

Das  Werk  von  Oskar  Vogt  und  seiner  Frau  ist  kein  Lehr¬ 
buch  wie  das  D  e  j  e  r  i  n  e  s,  sondern  ein  beispiellos  grossartig 
angelegter  Alias  des  Gehirns.  Stellen  wir  zunächst  fest,  dass 
der  1.  Band  allein  neben  dem  erklärenden  Texte  175  Lichtdruck¬ 
tafeln  enthält,  welche  28  cm  breit  und  36  cm  hoch  sind,  dass 
diese  Tafeln  mittels  Lichtdruck  die  getreue  Wiedergabe  von 
mikroskopischen  Schnitten  durch  das  ganze  Menschenhirn  dar¬ 
stellen,  welche  mit  der  W  eigert  sehen  Methode  gefärbt  sind; 
endlich,  dass  diese  Schnitte  mittels  elektrischem  Projektions¬ 
apparat  direkt  photographiert  oder  gezeichnet  werden  konnten. 

Zu  diesem  Behufe  hat  Vogt  in  Berlin  ein  eigenes  neuro- 
biologisches  Zentralinstitut  gegründet,  in  welchem  unter  der 
Leitung  seiner  treuen  Mitarbeiterin  Frau  L.  Bosse  eine  ganze 
Schaar  Zeichnerinnen  beschäftigt  ist. 

Der  genannte  1.  Band  ist  nur  der  Anfang  des  von  V  o  g  t 
geplanten  Monumentes  des  menschlichen  Gehirns.  Sein  Pro¬ 
gramm  ist  folgendes : 

I.  Das  Studium  jugendlicher  und  erwachsener  Gehirne,  an 
welchen  a)  eine  möglichst  detaillierte  topographische  Zerglie¬ 
derung  der  weissen  Substanz  durchgeführt,  b)  an  einer  Ein¬ 
teilung  der  grauen  Substanz  in  ihre  natürlichen  Unterabteilungen 
mitgearbeitet  wird. 

II.  Mit  Hilfe  der  Degenerationsmethode  sollen  die  Fase¬ 
rungen  der  einzelnen  topographischen  Bezirke  analysiert  und  auf 
diesem  Wege  soll  an  dem  Aufbau  einer  systematischen  Faser¬ 
anatomie  gearbeitet  werden. 


No.  3 1. 


111.  Nach  Durchführung  dieser  die  erste  Grundlage  bil¬ 
denden  Arbeit  will  Vogt  durch  andere  Methoden  in  noch  fer¬ 
nere  Details  der  Gehirnfaserung  einzudringen  sich  bemühen. 

Als  Material  werden  nicht  nur  normale  Menschengehirne, 
sondern  zur  Vergleichung  auch  Gehirne  von  Affen,  Katzen, 
Hunden,  Kaninchen,  Igeln  und  Selachiern  benutzt. 

Man  sieht,  Vogt  hat  es  fertig  gebracht,  ein  Unternehmen 
ins  Leben  zu  rufen,  vor  welchem  bis  jetzt  jeder  Hirnanatom 
zurückschreckte,  nämlich  das  ganze  Detail  des  menschlichen 
Hirnbaues  Schnitt  für  Schnitt  naturgetreu,  zunächst  topo¬ 
graphisch  und  dann  histologisch,  darzustellen,  soweit  unsere  For¬ 
schungsmethoden  reichen.  Dass  die  Anatomie  des  Gehirns  an 
sich  allein  nicht  etwa  nur  ebenso  kompliziert  und  ebenso  gross¬ 
artig  als  die  Anatomie  des  ganzen  übrigen  menschlichen  Körpers, 
sondern  sogar  viel  komplizierter  ist,  das  weiss  man  eigentlich 
schon  lange,  aber  Vogts  Werk  wird  es  graphisch  darstellen. 
Zu  diesem  ebenso  kühnen  wie  meisterhaften  Werke  deutschen 
Fleisses  wünschen  wir  dem  Verfasser  und  seinen  treuen  Ge¬ 
hilfen  von  Herzen  Glück.  Wir  wünschen  aber  auch,  dass  es 
in  der  wissenschaftlich-medizinischen  Welt  die  gebührende  An¬ 
erkennung  finde.  Dr.  A.  F  o  r  e  1. 

Jahrbuch  der  praktischen  Medizin.  Kritischer  Jahres¬ 
bericht  für  die  Fortbildung  der  praktischen  Aerzte.  Heraus¬ 
gegeben  von  Prof.  Dr.  J.  S  c  h  w  a  1  b  e  -  Berlin.  Jahrgang  1902. 
Stuttgart,  Verlag  von  F.  Enke,  1902.  Preis  10  M. 

Das  bekannte  Sammelwerk  kritisch  gehaltener  Referate  liegt 
in  einem  Umfang  von  573  Seiten  vor.  In  der  Anordnung  des 
Stoffes  sind  die  im  vorigen  Jahre  eingeführten  Neuerungen  bei¬ 
behalten  worden.  Zu  den  bisherigen  Mitarbeitern  ist  Heinz- 
Erlangen  für  den  Abschnitt  über  Pharmakotherapie  getreten. 
Auch  dieser  Band  stellt  wieder  ein  vortreffliches  Hilfsmittel  für 
die  literarische  Weiterbildung  des  praktischen  Arztes  dar.  G. 

Die  bei  der  ersten  deutschen  Aerztestudienreise  besuchten 
Nordseebäder.  Herausgegeben  im  Aufträge  des  Komitees  zur 
Veranstaltung  ärztlicher  Studienreisen  in  Bade-  und  Kurorte  von 
Dr.  W.  H.  Gilbert-  Baden-Baden,  P.  Meissner  -  Berlin, 
A.  Oliven-  Berlin.  Berlin  1902.  Verlag  „Die  medizinische 
Woche“. 

Der  vorliegende  Reisebericht  bringt  zunächst  Einiges  über 
die  noch  kurze  Geschichte  der  Aerzte-Studienreisen,  über  ihre 
technische  und  finanzielle  Organisation,  sodann  die  gedrängte  Be¬ 
schreibung  der  vorjährigen  Reise.  Die  hygienischen  und  bal- 
neologischen  Verhältnisse  der  einzelnen  Bäder  fanden  seitens  der 
Badeärzte  im  2.  Teile  des  Berichtes  eingehende  Darstellung.  Das 
mit  hübschen  Illustrationen  geschmückte  Buch  wird  für  die  Teil¬ 
nehmer  der  Reise  eine  wertvolle  Erinnerung,  aber  auch  für  andere 
Aerzte  ein  praktischer  Führer  für  die  Nordseebäder  sein.  G. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  4.  1902. 

1)  A.  Grimme-  Marburg:  Die  wichtigsten  Methoden  der 
Bakterienfärbung  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Membran,  den 
Protoplasten  und  die  Einschlüsse  der  Bakterienzelle.  (Fort¬ 
setzung.) 

2)  G  a  b  r  i  t  s  c  li  e  w  s  k  y:  Ueber  die  Bedeutung  der  Kalzium¬ 
salze  für  Bakterien. 

Zu  gewöhnlichen  Bouillon-,  Agar-  und  Gelatinenährböden 
wurde  2  proz.  Natronoxalatlösung  in  verschiedenen  Proportionen 
von  0,1 — 1.0  ccm  pro  5,0  ccm  Nährmedium  zugesetzt,  was  0.04  bis 
0,4  Proz.  Natronoxalat  entspricht.  Dadurch  fiel  der  Kalk  aus. 
Auf  diese  relativ  dekalzinierten  Nährböden  wurden 
Diphtheri  e-  und  Pseudodiphtheriebazillen,  Milz- 
b  r  a  n  d.  Pyocyaneus  und  Staphyloko  k  k  e  n  geimpft. 
Nebenbei  fand  auch  Uschinski  -  Nährboden  ohne  Kalzin  m 
und  ein  Nährboden,  bei  dem  das  Kalzium  durch  Ivohlens  ii  u  r  e 
ausgefällt  war,  Verwendung. 

Es  zeigte  sich,  dass  die  Anwesenheit  des  Kalkes  doch  von 
Bedeutung  ist,  da  in  dem  Wachstum  der  einzelnen  Arten  Ver¬ 
schiedenheiten  auf  traten;  so  konnten  z.  B.  auf  Uschinski- 
Näilirböden  Diphtherie-  u  n  d  P  s  e  u  d  o  d  i  p  htherie- 
b  a  z  i  1  1  e  n  ohne  Kalzium  überhaupt  nicht  wachsen,  während  sich 
(las  Wachstum  auf  den  relativ  dekalzinierten  Nähr¬ 
böden  bei  den  Diphtherie-  und  anderen  Bazillen  ganz  anders  ver¬ 
hielt.  Es  scheint  hier  im  wesentlichen  auf  die  Wirkung  der 
O  x  a  1  a  t  e  anzukommen,  durch  welche  eine  Hemmung  der  Ver¬ 
mehrung  und  eine  Schädigung  der  zymogenen  Eigenschaften  der 
Bakterien  zu  stände  kommt.  Diese  Salze  erweisen  sich  deshalb 
als  giftig,  weil  sie  das  in  den  Zellen  enthaltene  und  für  das  lebende 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


16.  September  2902. 


MTJENCI-IENER  MEPICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1545 


iihorfliliiTn*1  Uotwendige  Kalzium  in  unlösliches  Kalziumoxalat 

3)  Abott  und  Beruey  -  Pennsylvania:  The  influence  of 

alcoholic  mtoxication  upon  certain  factors  concerned  in  the  nhe- 
nomenon  of  haemolysis..  1 

4)  II  1  a  v  a  -  Prag:  Leuconostoc  hominis  und  seine  Rolle  bei 
den  akuten  exanthematischen  Krankheiten  (Scharlach,  Masern 
Flecktyphus). 

Bei  verschiedenen  Affektionen  der  Mundhöhle,  Angina  phleg¬ 
monosa,  diphtherica,  searlatinosa,  morbillosa,  ebenso  bei 
Rhinitis  morbillosa,  diplitlierica  und  im  Blute 
i)ei  Scharlach,  Masern  und  Flecktyphus,  auch  in 
k  iinos  e  n  /  a  h  n  e  n  und  im  Darm  bei  endemischer 
I*  y  s  e. 11 1  e  r  V',  wur.(le  vom  Verf-  eine  Art  Strept  o  k  o  k  k  e  n 
gelnnden.  welche  sich  vom  Strept.  pyogenes  durch  ihre 
Sch  leim  hüllen  unterscheiden  und  deshalb  den  Namen 
B  e  u  c  o  nostoc  ho  m  i  n  i  s  erhalten  haben.  Am  besten  gedeiht 
dieser  Leuconostoc  in  Zopf  scher  Bouillon  oder  Saccha- 
roscagar  oder  auf  Zuckerrübenagar.  Der  Zucker  wird  unter 
M  llclisaurebildung  zersetzt.  In  Bouillon  bildet  sich  eine  Flaut 
die  später  bedeutend  dicker  wird  und  dann  am  Boden  des  Glases 
einen  gelatinös  knorpeligen  Niederschlag  bildet.  Auf  Zucker- 
agar  entstehen  halbkugelige  himbeerartige,  glasige  Kugeln  die 
fest  in  den  Nährboden  eingewachsen  sind.  M  i  k  r  osk  o  p  j  s  c  li 
bilden  sich  mehr  oder  weniger  lange  Ketten,  die  mit  Kapseln  resp 
II  u  1 1  e  n  umgeben  sind.  Der  Streptokokkus  färbt  sich  nacli 

Gr  ^ e  1  g  e  r  t,  die  Hülle  färbt  sich  mit  Karbolfuchsin: 

alkalische  Farben  lösen  die  Hülle  teilweise  auf. 

In  t  r  a  venöse  Injektionen  bei  Mäusen,  Ratten.  * 
Meerschweinchen,  Katzen,  Hunden,  Schweinen  mit  Reinkulturen 
luden  negativ  aus.  S  u  b  k  utane  Injektionen  führten  zu¬ 
weilen  zu  Abszessen.  Eine  Immunisierung  mit  den  so  wenig  viru¬ 
lenten  Streptokokken  konnte  nicht  erzielt  werden. 

Verf.  glaubt,  dass  der  Organismus  bei  den  exanthematischen 
Krankheiten  eine  Rolle  spielt. 

5)  W  i  1  d  b  o  t  z  -  Bern:  Erwiderung  auf  die  Mitteilung  von 
Hei  in  Dr.  Thal  mann  ,,Zur  Biologie  der  Gonokokken“. 

ui  G  r  o  m  a  k  o  w  s  k  y  -  Kiew:  Diplokokkus  im  Sputum  als 
Antagonist  der  pyogenen  Staphylo-  und  Streptokokken. 

Boi  einigen  Erkrankungen,  besonders  bei  t  u  b  e  r  k  u  löse  r 
u  n  d  chronischer  Bronchitis,  finden  sich  im  Sputum 
Mikroorganismen,  die  sowohl  an  Pneumokokken  als  auch 
an  Streptokokken  erinnern,  mit  diesen  aber  nicht  identisch 
sind.  Sie  färben  sich  nach  G  r  a  m  und  unterscheiden  sich  von 
den  erstgenannten  scheinbar  nur  durch  die  Grössenverhältnisse. 

1\  ichtig  erscheint,  dass  die  Bouillonkultur  dieses  Bak- 
b'i  iiiuifi  aut  S  t  a  p  h  y  i  o  k  o  k  k  e  n  aus  dem  Sputum  chronisch  er¬ 
krankter  Lungen  und  Bronchien  und  ebenso  auf  den  Strept o- 
c  o  c  c  u  s  pyogene  s  aus  Abszessen  bakterizid  wirkt. 

Ti  I  e  t  e  r  s  s  o  n  -  Upsala :  Ueber  die  Lebensbedingungen  des 
Tuberkuloseerregers  in  der  Salzbutter. 

I  iir  die  widersprechenden  Resultate,  die  bei  den  verschiedenen 
Untersuchungen  der  Butter  auf  Tuberkelbazillen  zu  Tage  getreten 
sind,  macht  Petersson  den  Salzgehalt  und  Azidität 
der  Lutter  verantwortlich.  In  seinen  Versuchen  wurden  verschie¬ 
dene  Buttersorten,  welche  verschiedene  Salzgehalte  und  Säuregrade 
aufwiesen,  mit  Tuberkelbazillen  infiziert  und  Tieren  eingespritzt. 
Hierbei  zeigte  sich,  dass  überall  eine  Abu  a  h  in  e 
d  e  r  \  i  r  u 1 e  n  z  der  der  Butter  zu  gesetzten  Bak¬ 
terien  wahrzunehmen  war.  Nur  wenn  die  Menge  der 
znge setzen  Bakterien  klein  war,  wurde  die  Infektionsfähigkeit 
völlig  aufgehoben. 

8)  Galli-Valerio:  Botriocephalus  latus  Brems,  chez  le 
chat. 

Der  bei  Katzen  gefundene  Botriocephalus  ist  nach  des 
Verf.  Untersuchung  B.  latus,  nicht  B.  decipiens,  wie 
Ariola  glaubt. 

9)  .1  a  c  o  b  i  t  z  -  Halle:  Ueber  Immunisierungsversuche  mit 
dem  Kraus  sehen  Bazillus  der  Kanincheninfluenza. 

Es  gelang  dem  Verf.  trotz  mehrfacher  und  ausgedehnter  Ver¬ 
sa«  he  nicht,  eine  I  m  m  u  n  i  s  i  e  r  u  n  g  der  K  a  ninchen  gegen 
1  n  f  1  u  e  li  z  a  zu  erzielen.  Zuerst  wurden  Versuche  mit  a  k  t  i  v  e  r, 
später  mit  passiver  Immunisierung  gemacht,  aber  beides 
ohne  Erfolg.  Eine  agglutinierende  Wirkung  wurde  eben¬ 
falls  vermisst.  Die  Resultate  stehen  mit  den  von  Volk  erzielten 
im  Einklang. 

bh  V  e  r  n  e  y  -  Zürich:  Ueber  die  gegenseitige  Wirkung  auf¬ 
einanderfolgender  Immunisierungen  im  tierischen  Organismus. 
(Schluss  folgt.) 

siten  ^  G  1  e  m  s  a  '  Hamburg:  Färbemethoden  für  Malariapara- 

Naeli  vielen  Bemühungen  hat  Verf.  durch  Reindarstellung  der 
iin  Methylenblau  enthaltenen  Körper  ein  Färbe  verfahren  ausge- 
arheitet,  welches  bequem  ist  und  sehr  gute  Resultate  ergibt:  Man 
stellt  sich  eine  beliebige  Menge  einer  0,8  prom.  Lösung  des 
•'zur  II  her,  ebenso  eine  0,05  prom.  wässerige  Eosinlösung 
•  Losin  Höchst  extra  wasserlöslich).  Dann  giesst  man  in  ein  gra¬ 
duiertes.  genügend  weites  Reagensglas  10  ccm  der  Eosinlösung 
um!  I  ccm  Azurlösung  zusammen  und  überschüttet  damit 
die  mit  der  blutbestrichenen  Seite  nach  unten  liegenden  Präparate 
mi  Blockschälchen.  Nach  15—30  Minuten  ist  die  Färbung  beendet. 

/  s  ^°l"t  alsdann  das  Abspülen  mit  Wasser  und  die  Untersuchung 
ui  säurefreiem  Kanadabalsam. 

!*•)  V  o  g  e  s  -  Buenos- Aires:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  An¬ 
wendung  des  Formaldehydgases  zur  Desinfektion. 


\erf.  schlagt  vor,  die  Desinfektion  mit  Formaldehyd  im 
V  a  k  u  um  vorzunehmen.  Seine  diesbezüglichen  Versuche  führten 
zu  dem  Resultat,  dass  die  Desinfektion  von  Testobjekten  jeder 
Art  m  e  i  n  er  Stunde  beendigt  war.  Auf  seine  Veranlassung  wurde 
bereits  in  B  uenos- A  i  r  e  s  bei  der  Einrichtung  eines  neuen 
•  Sc  lld<?s  em  ilörartiger  grösserer  Vakuumapparat  zur  Des¬ 

infektion  des  Reisegepäcks  gebaut.  R.  o.  n  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902  No.  3fi. 

D  B  e  1 1  m  a  n  n  -  Heidelberg:  Ueber  Herpes  laryngis  (men- 
strualis),  nebst  Bemerkungen  über  den  menstruellen  Herpes. 

Bei  einei  2. >  jährigen,  an  sekundärer  Lues  leidenden  Frau 
wurde  eine  Bläscheneruption  in  der  linken  Kehlkopfhälfte  be¬ 
obachtet,  gleichzeitig  mit  einer  unzweifelhaften  Herpeseruption 
an  der  Nase.  Diese  Kombination,  sowie  der  Umstand,  dass 
Herpeseruptionen  bei  der  Patientin  später  wiederholt  zusammen- 
tallend  mit  den  Menses  auftraten  und  zwar  an  verschiedenen 
Körperstellen,  lässt  den  bestimmten  Schluss  zu.  dass  es  sich  hier 
um  einen  Herpes  laryngis  und  zwar  um  ein  menstruelles  Exan¬ 
them  handelt,  eine  Form,  welche  offenbar  sehr  selten  ist. 

.  ^  o  1  f  f  -  Königsberg  i.  Pr.:  Hämatologischer  Befund 

bei  einem  Fall  von  schwerer  Bleianämie,  zugleich  ein  Beitrag 
zur  Hämatopoiese. 

Es  handelte  sich  um  einen  30  jährigen  Maler,  der  10  mal  an 
Bleikolik  litt  und  unter  zunehmender  Schwäche  starb.  Ueber  die 
Einzelheiten  des  Blutbefundes  muss  das  Original  verglichen 
werden.  Im  allgemeinen  handelte  es  sich  um  eine  leichte  Insuf¬ 
fizienz  des  Knochenmarks  gegenüber  der  Granulocytenbilduiv 
ome  stärkere  gegenüber  der  Erythrocytenbildung,  sowie  um  eine 
myeloide  Funktion  der  Milz.  Verf.  glaubt,  dass  die  Auffassung 
ihre  Berechtigung  hat,  dass  auch  bei  der  myeloiden  Leukämie 
di«1  Milz  und  wahrscheinlich  auch  die  Lymplidrüsen  mveloid  meta- 
plasieren. 

3)  T.  K  a  spar  e  k  und  T\.  T  e  u  n  e  r  -  Prag:  Ueber  einen  Fall 
von  Ausbruch  der  Tollwut  7  Monate  nach  der  Pasteur  sehen 
Schutzimpfung. 

Der  betreffende  Hund,  der  mit  Sicherheit  als  wutkrank  be¬ 
funden  wurde,  hatte  4  Kinder  gebissen,  von  welchen  ein  Tjähr 
kräftiges  Mädchen,  nachdem  2  Wochen  nach  dem  Biss  die  Schutz¬ 
impfung  ausgeführt  worden  war,  an  den  Erscheinungen  der  rasen¬ 
den  Wut  erkrankte  und  nach  8  Tagen  zu  Grunde  ging.  Die  Dia 
gnose  war  auch  durch  subdurale  Impfung  von  Kaninchen  be¬ 
stätigt  worden.  Die  übrigen  Kinder  sind  bis  heute1  gesund.  Das 
gestoi bene  Kind  war  am  Haiulgelenk  gebissen  worden,  aber  auch 
die  übrigen  Kinder  all«*  an  den  Händen  und  Vorderarmen,  so  dass 
(ln  Lokalisation  des  Risses  wohl  keine  solche  Bedeutung  inne- 
wohnt,  als  bisher  angenommen  wurde.  Interessant  ist  der  Fall 
auch  in  Bezug  auf  die  Prognose  der  Pasteur  sehen  Schutz¬ 
impfung  und  zwar  hinsichtlich  der  langen  Zeit  bis  zum  Ausbruche 
der  Krankheit.  Die  Verf.  können  auf  Grund  ihrer  Erfahrungen 
nicht  annehmen,  dass  die  Länge  der  Inkubationsdauer  abhängig 
sei  von  der  Länge  der  Nervenstrecke,  von  der  Infektionsstelle  bis 
zum  Gehirn. 

4)  .1  o  a  c  h  i  m  s  t  h  a  1  -  Berlin:  Beiträge  zur  Lehre  von  dem 
Wesen  und  der  Behandlung  der  angeborenen  Verrenkungen  des 
Hüftgelenks.  (Schluss  folgt.) 

5)  J.  ,T  o  s  e  p  h  -  Berlin:  Ueber  einige  weitere  operative 

Nasenverkleinerungen.  (Vgl.  hierzu  Münch,  med.  Wochenschr. 
1901.  No.  4G.)  Gras  s  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift..  1902.  No  36. 

1)  E.  v.  L  e  y  den  und  F.  Blumenthal- Berlin :  Vorläufige 
Mitteilungen  über  einige  Ergebnisse  der  Krebsforschung  auf 
der  I.  medizinischen  Klinik. 

Veranlasst  durch  die  Mitteilungen  über  die  experimentellen 
Versuche  von  Je  n  s  e  n  -  Kopenhagen,  werden  analoge  Unter¬ 
suchungen  aus  der  I.  medizinischen  Klinik  in  Berlin  angeführt, 
aus  denen  hervorgeht,  dass  die  therapeutische  Richtung  derselben, 
d.  h.  die  Serumbehandlung  des  Karzinoms,  berechtigt  und  ratio¬ 
nell  zu  sein  scheint. 

2)  Gustav  K  i  1 1  i  a  n  -  Freiburg  i/B.:  Die  diagnostischen  und 
therapeutischen  Leistungen  der  modernen  direkten  endo¬ 
skopischen  Untersuchungsmethoden  bei  Fremdkörpern  in  den 
Luft-  und  Speisewegen. 

Referat,  erstattet  in  der  laryngologisehen  Sektion  d«*r 
1».  Jahresversammlung  der  British  Medical  Association  in  Man¬ 
chester  am  30.  Juli  1902. 

3j  E.  J  e  n  d  r  a  s  s  i  k  -  Ofen-Pest:  Ueber  neurasthenische 
Neuralgien.  (Schluss  folgt.) 

4.1  Karfunkel-  Cudowa:  Eine  neue  Methode  des  Nach¬ 
weises  von  Jodalkalien  im  Blute. 

Die  in  der  dermatologischen  Universitätsklinik  von  N  eis  sei* 
und  dem  mineralogischen  Institut  der  Universität  Breslau  aus- 
gefiilirten  Untersuchungen  führten  zu  einer  äusserst  empfindlichen, 
aut  physikalischen  Gesetzen,  dem  sogen.  ..Pleochromismus“  (mit 
der  Richtung  wechselnde  farbige  Absorption  doppelbrochender  Kör¬ 
per  im  polarisierten  Licht)  beruhenden  Reaktion  der  Jodhämin¬ 
kristalle.  Ion  Interesse  ist.  dass  mit  dieser  Methode  nach  Gaben 
von  1 — 2  g  Jodkali  schon  nach  5  Minuten  im  Blut  Jod  nachweis¬ 
bar  war,  und  dass  ferner  noch  am  5.  bis  (i.  Tage  nach  Einnahme 
derselben  Dosis  Jod  im  Blute  nachgewiesen  werden  konnte. 

5)  B  a  i  s  c  h  -  Tübingen:  Ueber  die  Gefährlichkeit  der 
T  a  v  e  1  sehen  Kochsalzsodalösung  bei  subkutaner  Anwendung. 
(Schluss  aus  No.  35.) 


1546 


M  U  EN  CI  JENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Die  von  Tavol  1892  als  Sterilisations-  und  Irrigationsflüssig- 
krir  angegebene  Kombination  einer  Lösung  von  7,5  g  Kochsalz  und 
2.5  ir  kalzinierter  Soda  auf  1000  g  Wasser  sollte  die  Fähigkeit  be¬ 
sitzen.  infektiöse  Keime  zu  töten,  ohne  den  Geweben  zu  schaden. 
!>ie  Untersuchungen  in  der  Tübinger  Universitäts-Frauenklinik  er- 
irah,  n  nun,  dass  zwar  die  erster**  Eigenschaft  in  relativ  beschränk¬ 
tem  Grade  der  Lösung  zukommt,  die  letztere  aber  sicher  nicht. 
Es  werden  0  Fälle  von  mehr  oder  weniger  starker  Gangrän  der 
Haut  nach  subkutaner  Anwendung  der  Tave Ischen  Lösung  be¬ 
schrieben.  Die  durch  das  Natriumkarbonat  bedingte  gangränes- 
zierende  Wirkung  tritt  nur  dann  nicht  auf,  wenn  die  Lösung  durch 
die  Zirkulation  sofort  wieder  entfernt  und  durch  die  Nieren  aus¬ 
geschieden  wird,  wie  das  hei  der  intravenösen  und  intraperitonealen 
Injektion  der  Fall  ist. 

0)  H.  N  e  u  m  a  n  n  -  Berlin:  Bemerkungen  zur  Barlow- 
schen  Krankheit.  (Schluss  aus  No.  35.) 

Referat,  siehe  diese  Wochenschrift  No.  20.  pag.  1114.) 

7)  TL  ,T  u  n  g  e  b  1  o  d  t  -  Volkmarsen:  Kaiserschnitt  an  einer 
plötzlich  verstorbenen  Schwangeren,  mit  Extraktion  eines 
lebenden  gesunden  Kindes;  und 

S)  Thiele-  Hooksiel:  Ueber  Malaria  in  der  jeverschen 
Marsch. 

Kasuistische  Mitteilungen  aus  der  ärztlichen  Praxis. 

F.  L. 

Corresponrlenz'blatt  für  Schweizer  Aerzte.  32.Jahrg.  No.  17 

C.  Meyer- Wirz:  Zur  forensischen  Bedeutung  des  Puer¬ 
peralfiebers.  (Vortrag,  gehalten  in  der  Züricher  kantonalen  Aerzte- 
gesell  schaff.) 

Kritische  Besprechung  der  Aetiologie  und  der  praktischen 
Konsequenzen. 

F.  W  u  h  r  m  a  n  n  -  Kilchberg-Zürich:  Die  bewegliche  Niere 
und  ihre  Anteversion.  (Schluss  folgt.)  Pischinger. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  30.  1)  K.  II  o  o  r  -  Klausenburg:  Beiträge  zum  Wert  der 

Sympatnikusresektion  gegen  Glaukom. 

Durch  die  Resektion  des  Ganglium  eerv.  supr.  wurde  bei  dem 
04  jährigen  Kranken  am  linken  Auge  eine  Besserung  erzielt, 
weiche  über  3  Monate  nach  der  Operation  unverändert  anhielt. 
Trotz  Besserung  der  zentralen  Sehschärfe  schränkte  sich  das  Ge¬ 
sichtsfeld  noch  mehr  ein.  Rechts  blieb  das  sehr  stark  geschwächte 
Sehvermögen  unverändert.  Die  Resektion  des  Sympathikus  hatte 
eine  Verengerung  der  Pupillen  und  eine  Verminderung  des  intra- 
okulären  Druckes  zur  Folge,  Erscheinungen,  welche  noch  an- 
dauern.  Eine  am  linken  Auge  früher  vorgenommene  Sklerotomie 
erzielte  eine  ganz  ähnliche  Besserung. 

21  A.  Pilcz-Wien:  Ueber  postoperatives  Irresein. 

Vorzugsweise  werden  nach  gynäkologischen  Operationen  und 
solchen  am  Auge  Geistesstörungen  beobachtet.  Die  Mehrzahl 
dieser  Fälle  zeigt  Prädisposition  durch  Heredität.  Auszuscheiden 
ist  das  Delirium  tremens  und  gewisse  senile  Psychosen.  Im 
Kindesalter  scheinen  sehr  wenige  derartige  Störungen  sich  zu 
ereignen.  Wichtig  für  die  Entstehung  ist  der  Gesamtzustand  vor 
der  Operation.  Auch  psychische  Faktoren  kommen  natürlich  in 
Betracht.  Es  gibt  übrigens  auch  eine  Art  präoperativer  Psy¬ 
chosen.  Eine  gewisse  Bedeutung  beansprucht  sicher  auch  die 
Narkose.  Früher  kamen  häufiger  derartige  Geistesstörungen  in¬ 
folge  von  Sepsis  vor.  Klinisch  zeigen  sich  Formen  von  Amentia, 
hysterischen  Delirien  und  besonders  melancholische  Zustände.  Die 
Prognose  wird  besonders  durch  die  Gefahr  des  Suizidiums  getrübt. 

3)  T^  H  a  r  m  e  r  -  Wien:  Klinik  der  Oesophagoskopie. 

Dieser  2.  Teil  der  Arbeit  bringt  die  Krankengeschichten  von 
5  Fällen,  wo  es  sich  um  Narbenstrikturen  handelte.  Die  Erleich¬ 
terung  der  Sondierung  wurde  durch  die  Oesophagoskopie  nicht 
immer  erreicht.  Bei  8  anderen  Fällen  handelte  es  sich  um  sel¬ 
tenere  oder  diagnostisch  schwierigere  Krankheiten,  z.  B.  Kardio- 
spasmus.  Ueble  Zufälle  sind  übrigens  bei  der  Oesophagoskopie 
nicht  völlig  ausgeschlossen,  doch  in  der  Tat  sehr  vereinzelt;  es 
kommen  hie  und  da  Perforationen,  besonders  bei  Karzinomen, 
sowie  Halsphlegmonen  vor.  Grassmann  -  München. 

Rumänische  Literatur. 

Balacescu:  Die  Behandlung  der  Vesikovaginalfisteln. 
(Revista  de  Chirurgie  1902,  No.  6.) 

Die  von  B.  geübte  Operationsmethode  besteht  darin,  dass  die 
Vaginal  wand  von  der  Blase  um  die  Fistel  herum  auf  1  y2 — 2  cm 
weit  abpräpariert  und  so.  durch  zwei  seitliche  Einschnitte,  ein  vor¬ 
derer  und  ein  hinterer  Vagina llappen  hergestellt  wird.  Die  blu¬ 
tig«»  Blasenwand  wird  durch  versenkte  Nähte  aneinandergelegt, 
wodurch  die  vesikalen  Fistelränder  gegen  das  Vesikallcavum  ge¬ 
stülpt  werden.  Ebenso  werden  auch  die  Vaginallappen  genäht 
und  dabei  die  vaginale  Fistelöffnung  gegen  die  Scheide  hin  ge¬ 
stülpt.  Auf  diese  Weise  wird  eine  feste  Vereinigung  erzielt  und 
die  Heilung  geht  glatt  von  statten. 

P.  II  eres  c  u:  Die  Steine  der  Prostatagegend.  (Spitalul 
1902,  No.  ll.)l 

Es  handelt  sich  gewöhnlich  um  eingewanderte  Harnsteine, 
welche  sich  in  einem  Divertikel  der  prostatischen  Harnröhre  fest- 
setzen  und  hier  weiterwachsen.  In  sehr  seltenen  Fällen  sind  es 


wahre  Prostatasteine,  welche  ihren  Sitz  im  Parenchym  dieser 
Drüse  haben  und  auch  eine  ganz  spezielle  chemische  Zusammen¬ 
setzung  zeigen.  Dieselben  sind  glasig,  gelb  mit  weissen  Punkten, 
pnrzellanähnlicli,  sehr  hart,  können  mit  dem  Messer  nicht  gekratzt 
worden  und  bestehen  hauptsächlich  aus  neutralem  phosphorsaurom 
Kalk,  kohlensaurem  Kalk  und  Prostatasekret.  Ihr  Ausgangspunkt 
dürfte  infektiöser  Natur  sein. 

Constantin  Zamfirescu:  Ueber  Nephritis  syphilitica 
acuta  praecox.  (Ibidem.) 

Diese  Erkrankungsform  ist  im  allgemeinen  selten,  doch  von 
grossem  praktischem  Interesse;  sie  erscheint  im  2.  Monate  nach 
der  Infektion,  hat  am  meisten  Aelinliclikeit  mit  der  skarlatinösen 
Nephritis  und  verlangt  ausser  einer  symptomatischen  auch  eine 
energische  spezifische  Behandlung.  Verf.  beschreibt  2  selbstbeob¬ 
achtete  Fälle,  welche  mit  Heilung  endeten. 

Torna  Jonnescu:  Die  Resektion  des  Sakralsympathikus. 
(Revista  de  Chirurgie  1902.  No.  7—8.) 

Nach  Darlegung  der  anatomischen  Verhältnisse  des  Becken¬ 
sympathikus  beschreibt  .T.  die  Resektionsmethoden  von  Jaboulay 
und  Ruggi  und  gelangt  schliesslich  zur  Beschreibung  seines 
eigenen  Operationsmodus,  bestehend  in  Resektion  und  gänzlicher 
Entfernung  beider  Sakralsympathici.  Nach  Eröffnung  der  Bauch¬ 
höhle  durch  einen  Medianschnitt  werden  die  Viszera  des  in 
Trendelenburgscher  Lage  befindlichen  Patienten  gegen 
das  Diaphragma  hin  gedrängt  und  durch  2  breite  Er¬ 
weiterer  die  Ränder  der  Bauch  wunde  weit  auseinander  go- 
*  halten.  Auf  diese  Weise  wird  das  Operationsfeld  leicht 
zugänglich  gemacht  und  gut  beleuchtet.  Durch  einen 

rechtsseitigen  pararektalen  Schnitt  wird  das  Peritoneum  in  der 
Höhe  des  Promontoriums  und  nach  innen  vom  Ureter  inzidiert, 
der  Schnitt  nach  abwärts  verlängert  und  so  der  rechte  Sakral¬ 
sympathikus  freigelegt  und  exzidiert.  Hierauf  wird  das  Rektum 
bis  zum  Steissbeine  abgelöst  und  nach  links  gezogen,  wodurch 
auch  der  linke  Sakralsympathikus  blossgelegt  wird  und  exzidiert 
werden  kann.  .T.  hat  seine  Methode  bei  tabetischen  Schmerzen 
der  unteren  Extremitäten,  bei  Vaginismus  und  hartnäckigen  Neur¬ 
algien  dos  Ischiadikus  mit  gutem  Erfolge  angewendet.  Nach¬ 
teilige  Folgen  wurden  bei  keinem  Operierten  beobachtet. 

G.  Antone  scu:  Eine  neue  Methode  der  künstlichen  At¬ 
mung  bei  Asphyxie  der  Neugeborenen.  (Spitalul  1902,  No.  12 — 13.1 

Dieselbe  besteht  darin,  dass  mit  der  linken  Hand  Nacken  und 
Hinterkopf  des  Neugeborenen  gestützt  werden,  während  mit  der 
rechten  Hand  ruckweise  Hebebewegungen  des  kindlichen  Thorax 
ausgeführt  werden. 

Gh.  Proca:  Ueber  die  Tuberkulosenherde  in  Bukarest. 

(Ibidem.) 

P.  hat  statistisch  zu  ermitteln  gesucht,  in  welchen  Strassen 
der  Hauptstadt  die  Fälle  von  Tuberkulose  gehäuft  oder  nach¬ 
einander  Vorkommen,  und  eine  Liste  dieser  Krankheitsherde  auf¬ 
gestellt,  damit  durch  geeignete  hygienische  Massregeln  dem  Fort- 
selireiten  der  Krankheit  entgegengearbeitet  werde.  Er  konnte 
im  Laufe  seiner  Studien  feststellen,  dass  während  gewisse  Strassen 
gar  keine  Tuberkulose  auf  weisen,  in  anderen  dieselbe  mit  Vorliebe 
auf  tritt  und  zwar  namentlich  in  den  von  der  armen  Bevölkerung 
bewohnten  Vierteln.  Trat  Tubeikulose  in  einem  bis  dahin  frei¬ 
gebliebenen  Hause  auf.  so  konnte  man  in  einem  relativ  kurzen 
Zeiträume  ähnliche  Fälle  in  demselben  Hause  oder  in  benach¬ 
barten  beobachten,  ein  deutlicher  Beweis  für  die  Kontagiosität  der 
in  Rede  stehenden  Krankheit. 

.T.  E  1 1  i  n  g  e  r:  Die  Behandlung  der  Migräne  durch  die  Sym- 
|  pathektomia  cervico-thoracica.  (Revista  de  Chirurgie'  1902.  No.  8.) 

E.,  welcher  diese  Frage  zum  Gegenstände  seiner  Inaugural¬ 
dissertation  gemacht  hat.  gelangt  nach  kritischer  Besprechung 
aller  gegen  Migräne  empfohlenen  Mittel  zum  Schlüsse’,  dass  in 
hartnäckigen  Fällen  nur  obige  vonThoma  Jonnescu  empfohlene 
und  geübte  Methode  Heilung  bringen  kann.  Dieselbe  besteht  in 
Exzision  beider  Halssympathici  und  des  ersten  Ganglions  des 
Prustsympathikus.  Nachteilige  Folgen  hat  die  Operation  nicht,. 

V.  Sion  und  V.  Negel:  Ueber  eine  durch  Trinkwasser  ver¬ 
ursachte  Hausepidemie,  Typhus  simulierend,  hervorgerufen  durch 
einen  Kolibazillus  mit  atypischen  Charakteren.  (Spitalul  1902, 
No.  14—15.) 

Die  W  i  d  a  1  sehe  Serumreaktion  gibt  keine  absolute  Sicher¬ 
heit  für  Typhus,  da  dieselbe  auch  bei  anderen  Erkrankungsformen 
positiv  ausfallen  kann.  Von  den  6  Familienmitgliedern,  welche 
unter  typhusähnlichen  Erscheinungen  fast  gleichzeitig  erkrankten, 
kam  ein  24  jähriger  Mann  zur  Sektion  und  wurde  eine  linksseitig«* 
Hirnembolie  und  Bronchopneumonie  konstatiert,  aber  keinerlei 
Spuren  eines  wahren  Typhus,  trotzdem  reichliche  Diarrhöe  be¬ 
standen  hatte.  Bei  all  diesen  Kranken  —  ausser  einem  einzig«vn. 
Avelcher  sich  in  Rekonvaleszenz  befand  —  wurde  aus  dem  Blute 
ein  kurzer,  beweglicher,  sich  mit  G  r  a  m  nicht  färbender  Bazillus 
kultiviert,  aber  bei  keinem  wurde  «1er  E  b  e  r  t  h  -  G  a  f  f  k  y  sehe 
Bazillus  gefunden.  Nichtsdestoweniger  war  die  W  i  d  a  1  sehe  Re¬ 
aktion  bei  allen  positiv  ausgefallen.  Als  Ausgangspunkt  dieser 
Epidemie  wurde  ein  infizierter  Hausbrunnen  gefunden,  aus  wel¬ 
chem  ähnliche  Razillen  gezüchtet  werden  konnten. 

C.  Par  hon  und  M.  Gold  stein:  Ueber  den  kontra¬ 
lateralen  Plantarreflex.  (Ibidem.) 

Bei  vielen  Hemiplegischen  wird  folgende  Erscheinung  beob¬ 
achtet:  Reizt,  man  leicht  die  Fussohle  der  gesunden  Seite,  so  er¬ 
folgt,  ausser  dem  gewöhnlichen  Reflex  dieser  Seite,  noch  «*ine 


16.  September  1Ö02. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1547 


Beugebewegung  der  Zehen  der  gelähmten  Seite.  Mitunter 
beugen  sich  nur  die  2  letzten  Zehen  oder  nur  die  letzte.  In  sel- 

S-im1  i“  faUr  Stdle  der  Beugung  eine  reflektorische 

stieckung  beobachtet,  dies  namentlich  in  den  Fällen,  wo  auch  an 
der  gesunden  Seite  der  Plantarreflex  in  Zehenstreckung  besteht, 
l.  und  G.  sind  der  Ansicht,  dass  dieser  kontralaterale  Reflex  auf 
konateraJ.e  Bllseiu  des  Rückenmarks  zurückzuführen  sei 
und  dass  dei  Ausfall  der  betreffenden  Hirninnervation  das  Zu¬ 
standekommen  desselben  begünstige. 

Cli.  Orescu:  Die  adenoiden  Vegetationen.  (Ibidem) 
ü.  betont  die  Notwendigkeit  der  frühzeitigen  Diagnose  ade¬ 
noider  Vegetationen  des  Nasenrachenraumes  bei  Kindern  nach¬ 
dem  m  einem  grossen  Prozentsätze  der  Fälle  die  Krankheit  sich 
mit  eitriger  Mittelohrentzündung  kompliziert.  Die  beste  Behand¬ 
lungsmethode  ist  die  frühzeitige  chirurgische  Entfernung. 

Dr.  E.  T  off-  Braila. 


Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Breslau.  Juli  und  August  19U2. 

II  o  f  f  m  a  n  n  Adolph:  Die  geburtshilfliche  Bedeutung  der 
fötalen  llydrokephalie.  Klinische  und  poliklinische  Beob¬ 
achtungen  von  Oktober  1893  bis  Oktober  1901. 

1  u  c  h  s  Bernhard:  Die  Oberkiefer-  und  Gaumengeschwülste 
aus  den  Jahren  1891—1901. 

Pau!  Ludwig:  Leber  die  Bedingungen  des  Eindringens  der 
Bakterien  der  Inspirationsluft  in  die  Lungen. 

Schmidt  Heinrich:  Beitrag  zur  diätetischen  und  operativen 
Behandlung  der  diabetischen  Gangrän,  sowie  der  senilen  und 
spontanen  Gangrän. 

Fröhlich  Fritz:  Ein  Fall  von  Itankenangiom  der  unteren 
Extremität. 

Teu  her  Karl:  Ueber  Sehnennähte. 

W  robel  August:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  malignen  Hoden- 
geschwulste. 

i  1 1  n  e  r  Hugo:  Ein  kasuistischer  Beitrag  zur  Kenntnis  der 
C  hlorzmk  v  erg  if  t  ung. 

Bachmann  Oskar:  Ueber  den  Wert  der  sog.  Wehenmittel. 
Breslauer  Erich:  Beitrag  zur  Behandlung  der  bösartigen 
Iviefergeschwulste. 

Grospietsch  Viktor:  100  Magensaftuntersuchungen  zur 
Bestimmung  der  freien  Salzsäure  und  der  Gesamtazidität  unter 
normalen  \  erhältnissen  für  Breslau  und  Schlesien. 

G  a  u  s  Friedrich:  Beitrag  zur  Nahrungsaufnahme  und  Nah¬ 
rungsausnutzung  des  Neugeborenen. 

Gildemeister  Eugen:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Mesen- 
tenaltumoren. 

Reich  Otto:  Zur  Methodik  der  Bestimmung  des  Ammoniaks 
im  Harn. 

V  !  1  111  f  n  11  Joseph:  Ueber  die  Beziehungen  kariöser  Zähne  zu 
Schwellungen  der  submaxillaren  Drüsen  bei  Kindern. 

Universität  Jena.  Juli  1902. 

Nichts  erschienen. 

August  1902. 

Gaus  Lothar:  Ueber  ausgedehnte  Aderhaut-Netzhaut- Ver¬ 
änderungen  nach  Contusio  bulbi  ohne  Skleralruptur. 

G  i  e  s  e  c  k  e  Konrad:  Zur  pathologischen  Anatomie  der  Irido- 
dialyse.  .  i 

J  ahr  Rudolf:  Ueber  künstliche  Reifung  immaturer  Katarakte 
durch  Massage. 

Klemm  Wilhelm:  Menstruatio  praecox. 

Mannes  Alexander:  Ein  Fall  von  posttyphöser  Lähmung 
mit  begleitenden  psychischen  Störungen  (K  orsako  w  sehe 
Psychose). 

M  ü  1  le  r  Ernst:  Zur  Statistik  der  Aneurysmen. 

S  p  i  e  t  h  o  f  f  Bodo:  Ueber  den  Blutdruck  bei  Morbus  Basedow. 

Universität  Strassburg.  August  1902. 

T  h  e  o  d  o  r  e  Ernst:  Experimenteller  Beitrag  zur  zeitlichen  Ent¬ 
wicklung  der  sekundären  Degeneration  im  Hunderückenmark. 

c  li  a  a  f  f  Ernst:  Die  Methoden  der  Behandlung*  des  Kerato¬ 
konus. 

M  unsch  V  iktor:  Ueber  einen  Fall  von  spontaner  zirkum¬ 
skripter  Hautgangrän. 

Lehmann  Willibald:  Ueber  die  Blutmenge  der  Plazenta. 


34, 

35. 
30. 

37. 

38. 

39. 

40. 

41. 

42. 

43. 

44. 

45. 
40. 

47. 

48. 


18. 

19. 

20. 

21. 

22 

oo 

24. 

25. 
20. 

27. 

28. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

9.  Versammlung  des  Vereins  süddeutscher  Laryn- 

gologen. 


G 


zu  Heidelberg  am  19.  Mai  1902. 
ckiirzter  Bericht  des  Schriftführers  Dr.  Av eil is  -  Frankfurt  a.  M. 

Unter  der  regen  Beteiligung  von  73  Mitgliedern  wurde  die 
Versammlung  durch  den  Vorsitzenden  Fischen  ich  eröffnet. 
Des  verstorbenen  Mitgliedes  Robinson  in  Baden-Baden  wurde 
ehrenvoll  gedacht.  Die  nächste  (zehnte)  Versammlung  soll  zu 
('liier  besonders  festlichen,  sich  auf  2  Tage  ausdehnenden  Sitzung 
sich  gestalten,  für  die  Geh.  Rath  Moritz  Schmidt  als  Eliren- 
lnäsident.  Prof.  Jnrasz  und  Prof.  Seifert  zu  Vorsitzenden 
gewählt  werden.  Die  Mitgliederzahl  ist  auf  206  angewachsen. 


Wissenschaftliche 

Eulenstein:  Demonstration 


Sitzung, 
eines  Fremdkörpers 


dem  linken  Ductus  Stenonianus. 

Im  Ausführungsgang  der  linken  Parotis 
Mundende  mit  steiniger  Kruste  überzogene 
hatte  Anlass  zur  Speichelsteinbildung  gegeben. 

Diskussion:  Iv  i  1 1  i  a  n  -  Worms  berichtet 


aus 


akuten  Vereiterung  der  Gland. 


steckte  eine  am 
Borste.  Diese 


von  einer 


dringen 


parot,  die  ebenfalls  auf  dem  Ein- 
Es  wurde  von  aussen  chirurgisch 


b  leibuig;  Ein  Kragenknopf  im  linken  Haupt- 


einer  Borste  beruhte, 
eingegriffen. 

v.  Eicken 
bronchus. 

Der  Fremdkörper  hatte  linksseitige  Lungen-  und  Rippenfell¬ 
entzündung  zur  Folge.  Ueber  dem  linken  Unterlappen  absolute 
Dampfung  und  im  II.  Interkostalraum  Kaverne.  3  schichtiges 
Sputum  expektoriert.  Der  Knopf  stack  im  Anfangsteil  des  linken 
Hauptbronchus.  E.  schildert  die  enormen  Schwierigkeiten  die  du» 
Entfernung  auf  bronchoskopischem  Wege  machte  —  es  musste  eine 
besondere,  mit  Schlitz  für  die  gesunde  Lunge  versehene  Kanüle 
zur  Unterhaltung  der  Atmung  und  die  Tracheotomie  angewendet 
werden  —  und  beschreibt,  wie  es  mittels  eines  besonders  kon¬ 
struierten  Häckchens  gelang,  den  Fremdkörper  zu  entfernen 
Wiederum  ein  glänzender  Beweis  der  Iv  i  1 1  i  a  n  sehen  bronclio- 
skopischen  Technik. 

.  K  i  1 1  i  a.  n  -  Freiburg  demonstriert  ein  Lungenpräparat  eines 
infolge  aspirierten  Fremdkörpers  verstorbenen  Kindes  das  ihm 
Dr.  Thost  zur  Verfügung  gestellt  hat.  Es  handelte  sich  um  die 
Blechhulse  eines  Federhalters.  Leider  war  ein  entsprechend 
dünnes  Rohr  zur  Trac-heoskopie  nicht  vorhanden,  mit  dem  9  mm- 
Rolir  gelang  die  Extraktion  nicht.  Auch  erwies  sich  die  Tracheo¬ 
tomie  inferior  als  unpraktisch  wegen  des  auftretenden  Haut¬ 
emphysems.  Mahnung,  die  neue  Technik  rechtzeitig  zu  erlernen 
und  sich  mit  genügenden  Instrumenten  zu  versehen. 

Feiner  zeigt  Killian  eine  Reihe  schöner  plastischer  Prä¬ 
parate,  die  sein  \  orgehen  bei  der  Radikaloperation  chronischer 
Stirnhöhleneiterungen  erläutern. 

Trotz  Resektion  der  vorderen  und  unteren  Stirnhöhlenwand 
bleibt  eine  Knochenspange  am  oberen  Rand  der  Orbita  stehen, 
die  entstellende  Einsenkung  verhindern  soll.  Das  schöne  kos¬ 
metische  Resultat  konnte  Iv.  an  Bildern  und  Patienten  beweisen. 
I  eruer  zeigte  Iv.  ein  sehr  grosses  Vorlesungsmodell  zur 
Erläuterung  der  Nasenanatomie. 

R  e  i  n  e  w  a  1  d  -  Giessen:  Demonstration  eines  Spülappa- 

i’citcs. 

Fabrikant  ist  Holzhauer-  Marburg.  Er  dient  rhino-  und 
otologischen  Zwecken  und  macht  eine  Assistenz  oft  entbehrlich. 

Fisch  enich  -  Wiesbaden.  Den  zuerst  von  A  v  e  1 1  i  s  be¬ 
schriebenen  Vorgang  der  Verkäsung  eines  Kieferhöhlenempyems 
bestätigt  F  i  s  c  h  e  n  i  c  li  durch  drei  eigene  Beobachtungen.  Er 
fand  besonders  charakteristisch  bei  zweien  derselben  eine  starke 
Entwicklung  des  lateralen  Schleimhautwulstes,  der  den  Abfluss  des 
Höhleninhaltes  spontan  und  auch  bei  künstlicher  Durchspülung  sehr 
erschwerte.  Es  lässt  sich  leicht  denken,  dass  durch  solchen  Schleim¬ 
hautwulst  die  Eindickung  des  Eiters  zu  Käse  begünstigt  wird. 
Zugleich  lasst  I.  das  \  orhandensein  des  Wulstes  als  ein  Zeichen 
chronischer  Eiterung  auf. 

Diskussion:  A  v  e  1 1  i  s  schlägt  vor,  nicht  jede  Eite¬ 
rung  in  der  Nähe  oder  in  der  Highmorshöhle  schlechtweg  als 
Empyem  zu  bezeichnen;  z.  B.  seien  Tuberkulose,  Osteomyelitis 
des  Oberkiefers,  Frakturen  des  Knochens  etc.  a  potiori  zu  be¬ 
nennen.  Ob  die  beobachteten  Fälle  von  Verkäsung  einen  akuten 
Anfang  hatten,  lässt  sich  nicht  erweisen.  Die  Anfrage  an  die  Ver¬ 
sammlung,  ob  überhaupt  jemand  den  chronischen  Beginn 
eines  Nebenhöhlenempyems  beobachtet  hat,  bleibt  ohne  Antwort. 

Eulenstein  erwähnt  ebenfalls  einen  Fall  mit  käsigen 
Massen,  der  nach  einmaliger  Ausspülung  heilte. 

Dreyfuss  bestätigt  speziell  die  rasche  Heilung. 

L  ü  d  e  r  s  sah  zwei  von  der  Kieferhöhle  aus  operierte  Keil¬ 
beinhöhlen,  wo  die  käsigen  Massen  so  dick  waren,  dass  man 
sie  nicht  ausspülen  konnte. 

Kahsnitz  erwähnt  einen  übelriechenden  Kalkstein  in  ein¬ 
gedickter  Masse,  den  er  in  der  Kieferhöhle  fand  und  der  durch 
Arrosion  eine  schwere  Blutung  gemacht  hat. 

Krebs  erwähnt  das  Abfliessen  eitriger  Massen  aus  der  Stirn¬ 
höhle  in  die  Kieferhöhle. 

A  v  e  1 1  i  s:  Nicht  jeder  Befund  von  „Käse“  ist  eine  Verkäsung 
des  Empyems.  Letztere  stellt  das  Ende  eines  Prozesses  dar,  der 
nur  noch  als  Fremdkörper  wirkt  und  dessen  Heilung  sofort  mög¬ 
lich  ist.  Mit  dem  „Pyosinus“,  d.  h.  Einfliessen  von  Eiter  aus 
anderen  Höhlen  in  die  Kieferhöhle,  ist  die  Verkäsung  nicht  zu  ver¬ 
wechseln,  denn  beim  Pyosinus  ist  die  Kieferhöhle  gar  nicht  er¬ 
krankt  gewesen,  es  ist  nur  ein  mechanischer,  kein  patho¬ 
logischer  Vorgang. 

Avellis  -  Frankfurt  a.  M. :  Unterscheidungsmerkmale 
zwischen  der  reinen  Supraorbitalneuralgie  und  dem  entzünd¬ 
lichen  Stirnhöhlenschmerz. 

Neuralgie  beginnt  plötzlich  und  ohne  Katarrh,  hat  Paroxys- 
men  mit  freien  Intervallen,  während  der  Stirnhöhlendruck  allmäh¬ 
lich  beginnt  und'  die  Intensität  geringeren  Wechsel  aufweist. 
Neuralgie  hat  typische  Druckpunkte  (Foramen  supraorbit.,  Nasal¬ 
punkt,  Palpepralpunkt  etc.),  während  der  Stirnhöhlenschmerz  nicht 
der  anatomischen  Verbreitung  des  Nerven  folgt,  sondern  der  Figur 
der  Höhle  („Klopfschmerzgrenze“).  Durchleuchtung  kann  posi- 


1548 


•  MTJENCITENER  MEDIOINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


tivos  Resultat  geben,  beim  Stirnhölilenschmerz  fehlt  zentrale 
Irradiation.  Konstanter  Druck  mildert  Neuralgie,  steigert  Stim- 
hölilenschmerz.  Aeussere  Temperatureinflüsse  rut'en  neuralgischen 
Schmerz  hervor,  bei  diesen  zeigt  sich  auch  Veränderung  der  Haut- 
cmpflndliclikeit.  Alkohol  steigert  Stirnhöhlenschmerz,  Muskel¬ 
bewegungen  die  Neuralgie.  Entzündliches  Oedem  des  mittleren 
Muschelkopfes  vermisst  man  selten  beim  Stirnhöhlenschmerz,  end¬ 
lich  klärt  der 
manchmal  erst 


Erfolg  der  Behandlung  die  Differentialdiagnose, 
die  LTobeeröft'nung. 


Kan- Leiden:  Ueber  die  Entfernung  des  Bodens  und  der 
vorderen  VI and  der  Stirnhöhle  als  Hilfsoperation  bei  dei  Ex¬ 
stirpation  hochgelegener  retrobulbärer  Orbitaltumoren. 

Vortragender  bringt,  obwohl  Ausländer,  seine  vorwiegend 
Chirurgen  interessierende  Arbeit  in  tadelloser  deutscher  Sprache 


zur  Verlesung. 

Seifert-  Würzburg:  Die  Angina  chronica  lacunaris. 

Beschreibung  des  klinischen  Bildes  dieser  häutigen  Erkran¬ 
kung,  Hinweis  auf  die  Störungen  der  Stimme  dabei,  Knollengefühl, 
Niesreiz.  Schlitzung,  Abtragung  und  auch  Auslöffelung  der 
Lakunen  mit  S  c  h  ä  f  f  e  r  scher  Sonde  werden  empfohlen. 

Diskussion:  W  o  1  f.f  empfiehlt  Tonsillotomie.  Sch  u  - 
m  a  c  h  e  r  II  betont  die  Fehldiagnose  zwischen  sekundärer  Syphilis 
und  Mandelpfröpfe.  Juras  z  empfiehlt  die  Schlitzung  auch  bei 
der  akuten  Tonsillitis.  Eulenstein  warnt  davor,  weil  er 
Phlegmone  dabei  bekommen  habe.  Kahsnitz  spült  die  La¬ 
kunen  antiseptisch  aus.  Seifert  befürwortet  die  Reinigung  der 
Lakunen  bei  der  akuten  Tonsillitis. 

Bettmann  -  Heidelberg:  Ueber  Herpes  laryngis. 

Patientin  litt  an  differenten  Körperstellen  an  Herpes,  dessen 
Ausbruch  der  Menstruation  jedesmal  um  eine  Woche  vorausging. 
Es  handelt  sich  also  um  ein  Menstrualexantliem,  das 
auch  im  Kehlkopf  Erscheinungen  machte.  (S.  a.  S.  1545  d.  No.) 

K  i  1 1  i  an  -  Worms:  Akuter  Verschluss  der  Speiseröhre  bei 
einem  5  jährigen  Kinde.  Beseitigung  auf  ösophagoskopischem 


w  Cg  c. 

Ein  Stück  Kalbfleisch  tamponierte  den  untersten  Teil  des 
Oesophagus  vollkommen  aus,  so  dass  kein  Tropfen  Wasser  hin- 
durchging.  Es  wurde  mit  der  Zange  auf  ösophagoskopischem 
Wege  gänzlich,  aber  unter  grosser  Mühe  entfernt.  Heilung.  IJeber- 
h  genlieit  der  Oesopliagoskopie  vor  dem  äusseren  chirurgischen 
Eingriff. 

D  r  ey  f  u  s  s  -  Strassburg:  Rhino-Laryngologie  und  Sprach¬ 
heilkunde. 

Nach  einer  kurzen  geschichtlichen  Einleitung  betont  D.  den 
Nutzen  des  engeren  Zusammenwirkens  zwischen  Laryngologen 
uml  Spracliärzten  und  empfiehlt  der  jüngeren  Generation,  sich 
neben  der  lthino-,  Laryngo-  und  Gtologie  auch  der  Sprachheil¬ 
kunde  zu  widmen  und  bei  Stottern,  Stammeln,  Aphasie  etc.  selbst 
als  Arzt  und  Lehrer  aufzutreten.  Auch  die  Vertretung  der  Sprach¬ 
heilkunde  an  der  Universität  wird  verlangt  und  die  Verdienste 
G  utzmanns  in  seinen  Kursen  hervorgehoben. 

Diskussion:  Flatau:  Wo  bleibt  die  Stimme?  Er  ver¬ 
misst  die  Hervorhebung  einer  Stimmhygiene,  wie  sie  zuerst  von 
A  v  e  1 1  i  s  formuliert  wurde  und  schlägt  die  Organisation  einer 
Zentralstelle  für  die  Vereinigung  der  Stimm-  und  Sprachbildung 
auf  der  gemeinsamen  Grundlage  der  klinischen,  physiologischen 
und  phonetischen  Wissenschaften  vor.  (Leider  fehlte  es  an  Zeit, 
diesen  fruchtbaren  Gedanken  zu  diskutieren.) 


Z  ö  p  f  f  e  1  -  Norderney:  Die  pneumatische  Therapie. 

V.  gibt  einen  U eberblick  über  die  Wirkungen  der  pneumatischen 
Therapie,  speziell  verdichteter  und  verdünnter  Luft.  Die  pneu¬ 
matischen  Kabinette  sind  veraltet.  Die  verbesserten  Goebel- 
schen  Apparate  werden  empfohlen  und  sind  durch  Vortragenden  in 
N  o  rderne  y  und  Nizza  eingerichtet.  Durch  die  Einatmung 
komprimierter  Luft  wird  die  vitale  Lungenkapazität  dauernd  er¬ 
höht,  die  Ausatmungskraft  nimmt  zu.  Der  Blutdruck  wird  günstig 
geändert.  Phthisische  Anlage  eignet  sich  vor  allem  zur  pneu¬ 
matischen  Therapie,  initiale  Spitzentuberkulose  wird  günstig  be¬ 
einflusst,  ferner  Pleuritis,  chronische  Bronchitis,  Asthma,  Em¬ 
physem.  Besonders  befriedigt  ist  Z.  von  der  pneumatischen 
Therapie  bei  gleichzeitigem  Aufenthalt  an  der  See. 

W  o  1  f  f  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Behandlung  der  Ozaena. 

Um  auf  die  trockene  Schleimhaut  reizend  einzuwirken,  gibt 
W.  Jodnatrium  in  Tagesdosen  von  % — V2  S  UI1(1  setzt  diese  Medi¬ 
kation  lange  Zeit  fort,  während  gleichzeitig  die  üblichen  Aus¬ 
spülungen  vorgenommen  werden. 

Killian-  Freiburg  stellt  eine  Patientin  vor,  die  beim  leisen 
Phonieren  nur  das  linke  Stimmband  zur  Mittellinie  führt,  bei 
lauter  Phonation  aber  beide  Stimmbänder  normal  bewegt.  Pa¬ 
tientin  hat  eine  reine  helle  Stimme.  Hinweis  auf  einseitige 
hysterische  Bewegungsstörungen. 

Hegener  -  Heidelberg:  Demonstration  von  Projektions¬ 
bildern  und  Stereophotogrammen. 

Vortragender  gibt  einen  stereoskopischen  Atlas  von  Bildern 
der  Siebbeinregion  menschlicher  Embryonen  heraus,  die-  er  in  der 
Freiburger  Halsklinik  aufgenommen  hat  und  zeigt  heute  eine 
Reihe  von  Projektionsbildern,  die  die  Kil  Mansche  Lehre  von 
der  Entwicklung  des  Siebbeines  und  der  Muscheln  belegen. 

Nach  Schluss  der  Sitzung  fand  das  übliche  Festessen  statt  und 
der  Abend  sah  eine  grosse  Zahl  der  Teilnehmer  in  dem  gastlichen 
Hause  von  Prof.  .1  urasz  freundschaftlich  vereint.  Die  nächste 
Sitzung  findet  Pfingstmontag,  und  -Dienstag  11)03  statt. 


Greifswalder  medizinischer  Verein. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  5.  Juli  1902. 

Vorsitzender :  Herr  G  r  a  w  i  t  z.  Schriftführer :  Herr  B  uss  0. 

1.  Herr  Solger:  Demonstration  mit  Goldchlorid  impräg¬ 
nierter  Zahnkanälchen. 

Indem  es  L  e  s  s  i  n  g  -  Hamburg  schon  vor  langen  Jahren  ge¬ 
lang,  mit  Blei-  und  Chromsalzen  in  den  Zahnkanälchen  einen  dich¬ 
ten  Niederschlag  hervorzurufen,  widerlegte  er  die  alte  Auffassung, 
dass  die  Kanälchen  mit  Kalksalzen  erfüllt  seien.  Solger  ver¬ 
suchte  seinerseits  mit  negativem  Erfolge,  die  Kanälchen  nach  dei 
G  o  1  g  i  sehen  Methode  zu  imprägnieren,  dagegen  gelang  ihre  Dar¬ 
stellung  durch  Goldchlorid  in  einer  Anzahl  von  Fällen. 

2.  Herr  Uhlen  huth:  Neue  Ergebnisse  meiner  weiteren 
Untersuchungen  über  die  Unterscheidung  der  verschiedenen 
Blutarten. 

U  h  1  e  n  h  u  t  h  berichtet  über  die  praktische  Verwendbarkeit 
der  von  ihm  angegebenen  Methode,  vermittels  des  Blutserums 
spezifisch  vorbehandelter  Tiere  die  Blutarten  genau  zu  be¬ 
stimmen  und  festzustellen.  Es  ist  ihm  gelungen,  die  _  von 
früheren  Prozessen  herrührenden  Asservate,  die  der  preussische 
Justizminister  dem  hygienischen  Institut  in  Greifswald  zur  Prü¬ 
fung  der  Methode  eingesandt  hat,  vor  Einsichtnahme  der  Akten 
unzweifelhaft  und  richtig  zu  bestimmen.  Es  sind  im  Ganzen 
23  forensisch  interessante  Fälle  untersucht  worden.  Durch  die¬ 
selben  wurden  u.  a.  einmal  Schweineblut,  einmal  Hühneiblut, 
einmal  Menschenblut  und  in  dem  kürzlich  hier  verhandelten 
Verfahren  gegen  den  Eustmörder  I  epno  r  in  denselben  Kleidern 
Menschenblut  und  Schafblut  in  verdächtigen  Flecken  nach¬ 
gewiesen.  Ulilenhut h  bespricht  den  Gang  der  forensischen 
Blutuntersuchung,  der  mit  den  chemischen  Reaktionen,  der 
Teichman  n  sehen  Probe  begann,  um  zunächst  einmal  fest¬ 
zustellen,  ob  überhaupt  Blut  in  den  fraglichen  Flecken  vorhanden 
sei,  denn  die  Serumreaktion  fällt  auch  positiv  aus  mit  anderem 
von  der  spezifischen  Tierart  herrührendem  Eiweiss.  Erst  nach¬ 
dem  also  im  allgemeinen  festgestellt  sei,  dass  die  fraglichen 
Flecke  vom  Blute  herrühren,  beginne  die  spezifische  Blutunter¬ 
suchung  zur  Bestimmung  der  Blutart.  Die  spezifische  Unter¬ 
suchung  erfordert  viel  Uebung  und  sollte  nach  IT.s  Vorschlag 
unter  staatliche  Kontrolle  gestellt  werden,  da  dem  Ungeübten 
folgenschwere  Irrtümer  unterlaufen  könnten.  Die  weiteren 
Untersuchungen  U.s  auf  diesem  Gebiete  gehen  von  folgenden 
von  ihm  gemachten  Beobachtungen  aus :  Das  Serum  eines 
mit  ITühnereiereiweiss  vorbehandelten  Ka¬ 
ninchens  erzeugt  in  einer  Hühnerblutlösung 
eine  sehr  viel  schneller  auftretende  und  sehr 
viel  stärkere  Trübung  wie  in  einer  Hahnen¬ 
blut  1  ö  s  u  n  g,  wenn  das  Blut  von  geschlechts- 
reifen  Tieren  he  r  rühr  t.  Der  Unterschied  ist  so  er¬ 
heblich,  dass  U.  im  stände  ist,  beide  Blutarten  von  einander  zu 
unterscheiden.  Er  glaubt,  dass  es  sich  hier  um  eine  „G  e  - 
schlechtsr  eaktion“  handelt,  und  ist  damit  beschäftigt, 
festzustellen,  ob  sich  auch  bei  anderen  Tieren  und  beim  Menschen 
derartige  Geschlechtsreaktionen  auffinden  lassen. 

3.  Herr  Moritz  gibt  zur  Frage  der  Errichtung  einer 
Lungenheilstätte  bei  Greifswald  einen  allgemeinen  orientieren¬ 
den  Bericht  darüber,  ob  es  zweckmässig  sei,  Lungenheilstätten 
zu  errichten,  in  welchen  Stadien  der  Krankheit  die  Phthisiker 
denselben  überwiesen  werden  sollten  und  endlich  ob  unsere  Ge¬ 
gend  sich  zur  Errichtung  einer  Heilstätte  eigne.  Die  guten 
Erfahrungen,  die  man  in  guten  Anstalten  bei  der  Behandlung 
der  Tuberkulose  nach  der  Brehmer-Dettweiler sehen 
Methode  gemacht  hatte  einerseits,  das  Fiasko  der  spezifischen 
Tuberkulinbehandlung  andrerseits  haben  zu  dem  rapiden  An¬ 
wachsen  der  Heilstättenbewegung  geführt.  Es  folgen  zahlen- 
mässige  Angaben,  aus  denen  die  Ueberlegenheit  der  hygienisch¬ 
diätetischen  Behandlung  gegenüber  der  Krankenhausbehandlung 
hervorgeht.  Nun  sind  aber  die  Heilstätten  nicht,  wie  das  wohl 
in  dem  ursprünglichen  Plane  lag,  rein  humanitäre  Schöpfungen, 
sondern  die  Heilstättenbewegung  in  dem  heutigen  grossartigen 
Masstab  ist  nur  durch  das  Eingreifen  der  gesetzlichen,  der  Ar¬ 
beiterfürsorge  dienenden  Organisationen,  hauptsächlich  der 
Alters-  und  Invaliditätsversicherungsanstalten  möglich  geworden. 
Diese  haben  ein  grosses  reales  Interesse  an  der  Verringerung  der 
Tuberkulosemortalität  und  Verlängerung  der  Arbeitsfähigkeit 
der  Tuberkulosekranken.  Diese  haben  deshalb  vermöge  ihrer 


.16.  September  1902. _ MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Kapitalkräftigkeit  die  schnelle  Schaffung  zahlreicher  Heilstätten 
finanziell  ermöglicht,  in  der  bestimmten  Hoffnung,  dass  diese 
Anstalten  „wirtschaftlich  rentabel“  würden,  indem  die  ungeheure 
an  Tuberkulöse  zu  zahlende  Summe  durch  "Verlängerung’  der 
Arbeitsfähigkeit  erheblich  verringert  würde.  Ob  die  an  die 
Heilstätten  geknüpften  Erwartungen  nach  dieser  Richtung  hin 
wirklich  erfüllt  werden,  erscheint  höchst  zweifelhaft  auf  Grund 
der  Ergebnisse  des  Tuberkulosekongresses  zu  Berlin  und  der 
Berechnungen  von  II  a  m  m  e  r  (Münch,  med.  Wochensehr  1902 
No.  26). 

Der  Grund  hierfür  liegt  vielleicht  darin,  dass  bezüglich  der 
Belegung  dei  Heilstätten  nicht  in  geeigneter  \ V eise  verfahren 
wird.  Die  Versicherungsanstalten  schicken  nur  solche  Phthisiker 
in  die  Heilstätten,  die  im  allerersten  Stadium  der  Erkrankung 
stehen,  weil  nur  bei  diesen  zu  erwarten  ist,  dass  sie  durch  Wieder¬ 
erlangung  voller  Arbeitsfähigkeit  die  auf  ihre  Heilung  verwandten 
Kosten  wieder  einbringen  werden.  Es  wäre  aber  möglich,  dass 
die  Ueberlegenheit  der  Anstaltsbehandlung  gegenüber  der  freien 
Behandlung  hauptsächlich  bei  den  schwereren  Tuberkulosen  zur 
Geltung  käme,  deren  günstige  Beeinflussung  ja  gerade  auch  den 
Ruhm  der  Anstaltsbehandlung  begründet  hat,  bei  denselben 
Fällen  also,  die  man  derzeit  von  der  Heilstättenbehandlung  mög¬ 
lichst  ausschliesse.  Obschon  nun  der  wirtschaftliche  Wert  der 
Heilstättenbehandlung  in  dem  eben  angedeuteten  Sinne  noch 
keineswegs  erwiesen  ist,  so  sind  sie  doch  als  segenbringend  und 
zwar  nicht  nur  in  rein  humanitärem  Sinne  zu  begriissen.  Die 
Kranken  selbst  werden  zu  dem  für  sie  selbst  zweckmässigsten 
Verhalten  angeleitet  und  zur  Vorsicht  und  Reinlichkeit  hinsicht¬ 
lich  ihres  Auswurfs  gewöhnt  und  damit  wird  die  Gefahr  der  Aus¬ 
breitung  der  Tuberkulose  und  diese  selbst  erheblich  eingeschränkt. 
Diesei  letzteren  Gefahr  würde  noch  viel  mehr  begegnet  werden, 
wenn  man  auch  den  schwerer  Erkrankten  Aufnahme  gestattete 
und  damit  zahlreiche  Infektionsherde  aus  der  Allgemeinheit  aus¬ 
geschaltet  würden.  Auch  hierdurch  würden  im  weiteren  Sinne 
sich  die  Heilstätten  in  hohem  Masse  wirtschaftlich  rentieren. 

Die  Spezialfrage,  ob  die  Anlage  einer  Heilstätte  in  unserer 
Gegend  zu  empfehlen  sei,  muss  bejaht  werden.  Die  grossen  Wal¬ 
dungen  in  der  Umgegend  von  Greifswald  bieten  die  Möglichkeit, 
die  Anstalt  gegen  Wind  und  Staub  zu  schützen.  Es  ist  durchaus 
wünschenswert,  die  Kranken  in  ihrem  heimatlichen  Klima  zu 
heilen,  weil  nach  Rückkehr  der  Geheilten  aus  wärmerem,  mil¬ 
derem  Klima  in  die  rauhere  Heimat  die  Gefahr  einer  erneuten 
Erkrankung  sehr  viel  grösser  ist.  Die  Kosten  der  Errichtung 
einer  Heilstätte  von  60 — 80  Betten  ohne  Bauplatz  und  Inventar 
würden  sich  mindestens  auf  150  000 — 200  000  M.,  die  Betriebs¬ 
kosten  jährlich  auf  etwa  70  000  M.  belaufen. 


Naturhistorisch-Mediziniscfrer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  27.  Mai  1902. 

1.  Herr  Bettmann:  Ueber  eine  besondere  Form  des 
Lupus  vulgaris  (Lupus  miliaris  disseminatus). 

B.  demonstriert  eine  26  jährige  Patientin  mit  folgendem 
Krankheitshilde:  Ueber  das  ganze  Gesicht  zerstreut  findet  sich 
eine  grosse  Menge  miliarer  isolierter  Effloreszenzen,  die  am 
dichtesten  an  der  Stirn  und  den  Augenlidern  stehen,  weniger  dicht 
an  der  Nase,  den  Wangen  und  der  Kinngegend  Ein  Teil  dieser 
kleinen  Effloreszenzen  —  wohl  die  frischesten  —  erscheint  deut¬ 
licher  papulös,  dabei  intensiver  rot;  andere  —  ältere  —  Effiores- 
zenzen  sind  mehr  braunrot,  liegen  im  Niveau  der  Haut  oder  sind 
sogar  etwas  eingesunken  und  zeigen  Andeutung  einer  Vernarbung. 
An  den  allermeisten  Effloreszenzen  ist  im  Zentrum  ein  kleinster, 
weisslicher  Punkt  sichtbar,  der  auf  den  ersten  Blick  Avohl  auf  eine 
beginnende  eitrige  Einschmelzung  schliessen  liesse,  in  Wirklichkeit 
aber  ein  Milium  darstellt. 

Die  Affektion  begann  bei  der  Kranken  im  Juni  1900  an  der 
Stirn  und  breitete  sich  in  wenigen  Monaten  über  das  ganze  Ge¬ 
sicht  aus.  Dann  sind  noch  einige  Knötchen  an  den  Fingern  und 
in  der  letzen  Zeit  auch  an  den  Vorderarmen  entstanden  Die 
Kranke  hat  \Ton  der  Affektion,  abgesehen  von  dem  kosmetischen 
Nachteil,  keine  Beschwerden.  Sie  leidet  seit  frühester  Kindheit, 
gleich  einem  ihrer  Brüder,  an  Ichthyosis,  einem  Zustand,  der  zu 
der  oben  geschilderten  Hautaffektion  in  keine  Beziehung  gebracht 
Averden  kann.  Die  Patientin  war  nie  ernstlich  krank,  sie  hat 
speziell  niemals  Erscheinungen  irgend  einer  Form  der  Tuberkulose 
dargeboten.  EbensoAvenig  sind  in  der  Familie  der  Patientin  — 
soweit  sich  das  ermitteln  lässt  —  tuberkulöse  Erkrankungen  voi’- 
gekommen. 

Die  geschilderte  Hautaffektion  liesse  nach  ihrem  groben 
Aussehen,  nach  der  Grösse  der  einzelnen  Knötchen  und  ihrer  Ver- 


1549 


teilung  im  Gesicht  vielleicht  zunächst  an  Acne  vulgaris  denken. 
Aber  es  ergibt  sich  eine  vollkommene  Verschiedenheit  von  dieser 
Afh  ktion  nach  Al  t  und  Zeitdauer  der  EntAvickelung  der  ein¬ 
zelnen  Knötchen,  nach  ihrer  Persistenz  und  der  Art  ihrer  schliess- 
li ehen  Involution  wie  nach  dem  Mangel  der  Erscheinungen  einer 
akuten  oder  subakuten  Follikulitis. 

Anhaltspunkte  für  die  Diagnose  ergeben : 

1.  Die  weiche  und  matsche  Beschaffenheit  der  Knötchen  (mit 
dem  leicht  aufgesetzten  Höllensteinstift  lassen  sich  die  Knöt¬ 
chen  ohne  weiteres  herausbohren). 

2.  Das  Verhalten  gegen  Glasdruck.  Drängt  man  durch  einen 
aufgelegten  Glasspatel  das  Blut  aus  den  einzelnen  Knötchen,  so 
bleibt  ein  bräunliches,  gelatinöses,  leicht  durchscheinendes  In¬ 
filtrat  sichtbar. 

Beide  Momente  legen  die  Diagnose  des  Lupus  vulgaris  nahe 
und  es  ist  versucht  worden,  diese  Aveiter  zu  stützen. 

1.  Die  mikroskopische  Untersuchung  junger  exzidierter 
Effloreszenzen  ergibt,  dass  es  sich  um  eine  Bildung  Avohl  ab¬ 
gegrenzter  Knötchen  in  der  Cutis  handelt,  die  ihrem  Bau  nach 
Epitlieloidtuberkeln  entsprechen;  in  diesen  findet  sich  zentrale 
Verkäsung  und  an  einzelnen  Stellen  das  Vorhandensein  von 
Riesenzellen  in  kleinen  Gruppen. 

Die  makroskopisch  als  Milien  angesprochenen  Gebilde  im 
Zentrum  der  Knötchen  erweisen  sich  mikroskopisch  als  kleine 
Epithelcysten. 

2.  Die  Untersuchung  auf  Tuberkelbazillen  in  einer  grösseren 
Anzahl  \’on  Schnitten  blieb  negativ. 

3.  Injektion  von  8  mg  Alt-Tuberkulin  ergab  bei  der  Pa¬ 
tientin  eine  sehr  prägnante  lokale  Avie  allgemeine  Reaktion. 

4.  Die  Ueberimpfung  eines  Knötchens  auf  ein  Tier  konnte 
leider  nicht  vorgenommen  werden. 

Nach  den  geschilderten  Charakteren  der  einzelnen  Knötchen, 
ihrem  mikroskopischen  Bau  und  dem  positiven  Ausfall  der  Tuber¬ 
kulinreaktion  ist  unser  Fall  dem  seltenen  Krankheitsbilde  unter¬ 
zuordnen,  von  dem  einzelne  Fälle  als  Acne-Lupus,  Lupus  miliaris, 
Lupus  follicularis  disseminatus  etc.  beschrieben  Avorden  sind,  und 
das  als  eine  besondere,  klinisch  Avohl  abgegrenzte  Form  der  Ilaut- 
tuberkulose  aufgefasst  werden  muss.  Der  mangelnde  Fund  der 
Tuberkelbazillen  schliesst  die  Diagnose  nicht  aus;  ihr  Nachweis 
ist  in  einem  F alle  von  Finger  geglückt. 

Diskussion:  Herren  Jordan,  Fl  ein  er,  Sack, 
Bettmann. 

2.  Herr  Petersen:  Ueber  Heilungsvorgänge  beim 
Karzinom. 

P.  kommt  zu  folgenden  Schlussätzen: 

1.  Die  Karz  inomzellen  stellen  im  biologischen  Sinne 
eine  dem  Körper  fremde  und  schädliche  Zellart  dar. 

2.  Der  Körper  produziert  daher  beim  Karzinom  ähnliche 
Schutzstoffe  (Cytolysine),  wie  etwa  nach  der  Ein¬ 
führung  von  fremden  Blutkörperchen. 

3.  Neben  diesen  Schutzstoffen  kann  auch  noch  die  Binde¬ 
gewebswucherung  in  beschränktem  Masse  dem  Ein¬ 
dringen  der  Karzinomzellen  in  den  Körper  entgegenwirken. 

4.  Je  nach  der  Bösartigkeit  des  Karzinoms  haben  diese 
Schutzmassnahmen  des  Organismus  einen  sehr  verschiedenen 
Erfolg;  in  sehr  vielen  Fällen  sind  sie  vollkommen  machtlos,  in 
anderen  aber  führen  sie  zu  einem  grösseren  oder 
geringeren  Untergang  von  Karzinom  zellen; 
vereinzelt  können  sie  sogar  eine  Ausheilung 
des  Karzinoms  herbeiführen. 

5.  Diese  Heilungsvorgänge  im  Karzinom 
sind  häufig  charakterisiert  durch  das  Auf¬ 
treten  von  Riesen  zellen.  Diese  K  a  r  z  i  n  o  m  - 
Riesenzellen  sind  von  sehr  verschiedener  Form,  Grösse 
und  Histogenese;  sie  können  leicht  den  falschen  Ver¬ 
dacht  einer  das  Karzinom  komplizierenden 
Tuberkulose  erwecken. 

6.  Die  zuerst  von  dem  Primärtumor  sich  loslösenden  und 
diskontinuierlich  in  den  Organismus  eindringenden  Zellen  ver¬ 
fallen  den  Schutzkräften  desselben  am  ersten;  sehr  häufig 
gehen  die  ersten  Metastasen  eines  Karzinoms 
wieder  zu  Grunde  und  es  muss  dann  gewissennassen  der 
Boden  in  der  Umgebung  des  Karzinoms  erst  mit  zerfallenen 
Karzinomzellen  gedüngt  sein,  ehe  Aveiterc  Karzinomzellen  in  dem¬ 
selben  zu  gedeihen  vermögen. 


1550 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Hierauf  beruht  wahrscheinlich  auch  der  auffallende  Um¬ 
stand,  dass  das  Karzinom,  welches  so  frühzeitig 
und  so  ausgedehnt  in  die  Blutbahn  einblicht, 
doch  so  selten  auf  dem  Blutwege  s i c  h .  v  er¬ 
breitet;  es  gehen  die  in  die  Blutbahn  ein  ge¬ 
drungenen  Karzinom  zellen  in  ausgedehntem 
Masse  zu  Grunde  und  nur  unter  besonderen  Umständen 
vermögen  sie  zu  haften  und  sich  weiter  zu  entwickeln. 

Der  Vortrag,  welcher  ausführlich  in  den  „Beitr.  z.  klin. 
Chir.“  erscheint,  wird  erläutert  durch  mikroskopische  Demon¬ 
strationen  und  Projektionsbilder. 

Diskussion:  Herren  F  1  e  i  n  e  r,  Petersen. 

3.  Herr  Hammer:  Heber  die  Heilstättenbehandlung  der 
Tuberkulose.  (Der  Vortrag  ist  in  No.  26  dieser  Wochenschr. 
erschienen.) 

Diskussion:  Herren  Fleiner,  Mittermeier,  Hammer. 


Naturwissenschaftl.-medizinische  Gesellschaft  zu  Jena" 

(Sektion  für  Heilkunde.) 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  Juni  1902. 

Herr  Skutsch  bespricht  die  verschiedenen  Methoden  der 
Myomoperationen  und  demonstriert  einige  diesbezügliche  b  alle. 

a)  Frau  J.  R.,  43  Jahre  alt,  hat  4  mal  geboren,  zuletzt  vor 
5  Jahren.  Nach  der  letzten  Geburt  blieb  der  Leib  stark;  seit 

1  Jahre  starke  Blutungen.  . 

Die  Untersuchung  ergab  einen  harten  Tumor  von  Form  und 
Grösse  eines  etwa  32  Wochen  graviden  Uterus.  An  der  Vorder¬ 
fläche  ziemlich  nahe  der  Symphyse  Hessen  sich  deutlich  bei  äusse¬ 
rer  Untersuchung  beide  Ligg.  rotunda  und  die  Adnexe  tasten,  so 
dass  schon  hieraus  zu  erkennen  war,  dass  der  Tumor  vom  oberen 
Teil  der  hinteren  Korpuswand  ausging. 

Es  wurde  die  Amput  atio  supravaginalis  mittels 
Laparotomie  gemacht,  dabei  das  von  S.  für  diese  Operation  meist 
geübte  Verfahren  angewandt,  das  eine  Kombination  der  Methoden 
von  Schröder,  Zweifel,  Chrobak  darstellt.  Abbinden 
des  rechten  Ligamentes  lateral  von  den  Adnexen  bis  zur  Zervix 
herab  mit  Partienligaturen,  Abpräparieren  eines  vorderen  Peri- 
tonea  llappens,  dann  umgreift  die  nächste  Partienligatur  die 
schlanke  Zervix,  weitere  Partienligaturen  das  linke  Ligament  lateral 
von  den  Adnexen.  Abtrennung  der  Ligamente,  Amputation  in  der 
Zervix.  Ausbrennen,  dann  Ausschneiden  der  Zervixschleimhaut. 
Einige  Knopfnähte  vereinigen  die  vordere  mit  der  liintei'en  Zervix- 
wand;  über  diese  Nahtlinie  wird  der  vordei’e  Peritoneallappen  nach 
hinten  geklappt  und  mit  dem  Peritoneum  der  hinteren  Wand  der 
Zervix  vernäht.  Uebernähung  der  Schnittfläche  der  Ligamente. 
Schluss  der  Bauchwunde.  Alle  Nähte  und  Ligaturen  in  der  Bauch¬ 
höhle  mit  Cumolkatgut. 

Die  Heilung  ist  ohne  Störung  erfolgt. 

b)  Frau  H.  K.,  32  Jahre  alt,  leidet  seit  dem  20.  Jahre  an  Vor¬ 
fall  des  Uterus.  Heirat  mit  24  Jahren.  Eine  Geburt  vor  4  Mo¬ 
naten,  Inzisionen  in  die  prolabierte  Zervix,  Forceps.  Das  Kind 
starb  nach  2  Stunden.  Der  Arzt,  der  die  Entbindung  leitete,  kon¬ 
statierte  einen  mannskopfgrossen  Tumor  der  Wand  des  Coi*pus 
utei’i.  Fieber  im  Wochenbett. 

Die  Untersuchung  ergab:  Vaginalportion  vor  der  Vulva, 
Scheide  z.  T.  invertiert,  Zervix  verlängert.  Die  Zervix  geht  nach 
oben  in  einen  kugligen  Tumor  über  etwa  von  der  Grösse  eines 
18  Wochen  graviden  Corpus  uteri.  Per  rectum  konnte  man  deut¬ 
lich  beiderseits  von  der  unteren  hinteren  Partie  des  Tumors  die 
Adnexe  abgehend  fühlen.  Hieraus  ergab  sich,  dass  der  Tumor 
wesentlich  dem  Fundus  uteri  angehörte. 

In  diesem  Falle  wurde  bei  der  noch  jugendlichen  Frau,  deren 
einziges  Kind  bald  nach  der  Geburt  gestorben  war,  beschlossen, 
konservierend  zu  operieren  und  die  abdominale  Enuklea¬ 
tion  zu  machen. 

Nach  Hervorleiten  des  Tumors  sah  man  hinten,  weit  unten 
am  Tumor  die  Adnexe  abgehen;  es  handelte  sich  also  um  einen 
Tumor  der  vorderen  oberen  Korpuswand.  Längsschnitt  über  die 
vordere  Fläche,  etwa  10  cm  lang;  nachdem  die  Muskulatur  ca.  1  cm 
durchtrennt  ist.  lässt  sich  die  bindegewebige  Kapsel  gut  erkennen; 
während  der  Assistent  manuell  die  Zervix  komprimiert,  wird  der 
kugelige  Tumor  leicht  mit  geringem  Blutverlust  enukleiert,  ohne 
dass  das  Cavum  uteri  eröffnet  wird.  Die  Höhle  verkleinert  sich 
gut  durch  Kontraktion  und  wird  in  3  Etagen  durch  Ivatgutknopf- 
nähte  geschlossen.  Hierauf  wird  wegen  des  Prolapses  der  Uterus 
an  die  Bauchwand  fixiert  und  zwar  in  der  Weise,  dass  lateral  von 
der  Uteruswundlinie  das  Uterusperitoneum  mit  dem  Parietalperi¬ 
toneum  in  der  ganzen  Länge  der  Uteruswunde  vernäht  wird,  so 
dass  diese  innerhalb  der  Bauchwunde  extraperitoneal  zu  liegen 
kommt.  Darüber  wird  die  Bauchwunde  geschlossen.  Der  ent¬ 
fernte  Tumor  hat  einen  Umfang  von  30ya  cm. 

Die  Rekonvaleszenz  verlief  ungestört  bis  auf  eine  mässige 
Eiterung  in  der  Bauchwunde.  Da  ti'otz  der  Ventroflxation  die 
lange  Zervix  noch  tief  herabragte,  wurde  noch  Amputation  der 
Portio  ausgeführt. 

c)  Frau  F.  H.,  49  Jahre  alt,  hat  8  mal  geboren.  Sehr  profuse 
Blutung  seit  3  Wochen.  Die  Untersuchung  ergab  einen  gleich- 


mässig  vergrösserten  Uterus,  Grösse  ungefähr  wie  bei  10  Wochen 

Gravidität.  ,  _  .  ,  , 

In  diesem  Falle  wurde  die  vaginale  fotalexstir- 
p  a  t  i  o  n  gemacht.  Mit  der  Schei’e  wird  die  Portio  ringsherum 
Umschnitten,  weitere  Scherenschläge  machen  den  unteren  Teil  der 
Zervix  ringsherum  frei.  Eröffnung  des  Peritoneum  der  Excavatio 
vesico-uterina,  Vernähung  mit  dem  vorderen  Scheidenwundrand. 
Eröffnung  des  Douglas  sehen  Raumes,  Vernähung  des  Peri¬ 
toneum  mit  dem  liintei'en  Scheidenwundrand.  Umstechung  und 
Abtrennung  der  Tarametrien.  Der  Uterus  erweist  sich  als  so 
gross,  dass  er  nicht  ohne  weiteres  hervorgeleitet  werden  kann. 
Es  wird  daher  vom  Muttermund  beginnend  die  vordere 
Uterus  wand  median  succesive  bis  zum  Fu  n  d  u  s 
hin  gespalten,  dabei  mit  immer  höher  in  die  Schnittflächen 
eingesetzten  Zangen  augezogen,  bis  es  gelingt,  den  Uterus  in  die 
Scheide  zu  bringen.  Jetzt  werden  die  Ligamente  schrittweise  vom 
Uterus  abgetrennt  und  iibernäht.  Einnähen  der  Stümpfe  in  die 
Ecken.  Schluss  der  Peritonealscheidenwunde. 

Die  Länge  des  Schnittes  in  der  vorderen  Wand  des  entfernten 
Uterus  beträgt  14  cm.  Auf  der  Hinterwand  des  Korpus  sitzt  ein 
kugeliges  submuköses  Myom  von  4  cm  Durchmesser. 

Die  Heilung  ist  glatt  erfolgt. 

Weiterhin  berichtet  Herr  S.  über  einen  Fall  von  weit  vor¬ 
geschrittener,  interligamental  entwickelter  Tubarschwangei- 
schaft 

Frau  L.  P.,  39  Jahre  alt,  hat  5  mal  geboren,  zuletzt  vor 
7  Jahren.  Vor  0  Jahren  Blinddarmentzündung.  Letzte  Men- 
struation  vor  7 y>  Monaten;  seit  dieser  Zeit  Schmelzen  in  der 
rechten  Unterbauchgegend,  besonders  zur  Zeit  der  erwarteten 
Regeln.  Seit  3  Monaten  haben  die  Schmerzen  so  zugenommen, 
dass  Patientin  bettlägerig  wurde.  Häufiger  Urindrang.  Vor 
3  Wochen  eine  1  tägige  Blutung. 

Die  Untersuchung  ergab  einen  festen,  aus  dem  Becken  bis 
21  cm  über  die  Symphyse  emporragenden  Tumor.  Nichts  von 
Kindesteilen  zu  erkennen,  keine  Herztöne  zu  hören.  Der  Mutter¬ 
mund  ist  ganz  links  zu  fühlen,  hierher  verdrängt  durch  einen 
rechts  tief  bis  in  die  Spinallinie  herabreichenden  Abschnitt  des 

Tumors.  .  ,  , 

Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  präsentierte  sich  der  blaulich- 
graue  Tumor,  von  Adhäsionen  bedeckt;  erst  nachdem  der  Schnitt 
über  den  Nabel  empor  verlängert  ist,  wird  freies  Peritoneum  er¬ 
reicht.  Rechts  geht  das  Parietalperitoneum  unmittelbar  auf  den 
Tumor  über.  Hinten  am  Tumor  ist  Netz  adhärent;  nachdem  dieses 
abgelöst,  blutet  die  freigemachte  Stelle  der  Tumoroberfläche  un- 
gemein  reichlich;  jeder  Stichkanal  bei  den  Umstechungsvei suchen 
blutet  von  neuem.  Die  Blutung  ist  so  erheblich,  dass  ein  Gaze¬ 
beutel  nach  Mikulicz  auf  die  blutende  Stelle  geführt  wird. 
Jetzt  wird  der  Tumor  vorn  median  eingeschnitten;  nach  Durch¬ 
trennung  der  Wand  erscheint  der  Kopf  eines  mazerierten,  32  cm 
langen  Fötus;  dieser  wird  herausgezogen,  die  Nabelschnur  durch¬ 
trennt;  kein  Fruchtwasser.  Jetzt  lassen  sich  die  anatomischen 
Verhältnisse  klarer  erkennen.  Eingehen  in  den  Fruchtsack  und 
Entgegeutasten  von  der  Scheide  (durch  einen  Assistenten)  zeigen, 
dass  nun  der  tief  ins  Becken  herabragende  Tumorabschnitt  ver¬ 
schwunden  ist,  dass  er  nicht  der  Zervixwand  selbst  angehörte,  son¬ 
dern  interligamental  tief  herabragend  die  Zervix  stark  nach  links 
herübergedrängt  hatte.  Das  jetzt  erkennbare  Corpus  uteri  ist  vei- 
grössert  und  liegt  ganz  nach  links  herüber;  die  rechte  Seitenkante 
geht  breit  in  den  Tumor  über.  Die  Plazenta  sitzt  hinten,  ent¬ 
sprechend  der  Stelle,  wo  beim  Lösen  der  Adhäsionen  die  starke 
Blutung  eingetreten  war.  Der  schlechte  Zustand  der  Frau,  sowie 
Störungen  der  Narkose  lassen  von  weiteren  Versuchen,  den  ganzen 
Fruchtsack  auszulösen,  Abstand  nehmen.  Die  Sackwand  wird  in 
den  unteren  Teil  der  Bauchwunde  eingenäht;  die  Plazenta  bleibt  zu¬ 
rück,  die  Nabelschnur  sowie  Gazestreifen,  welche  den  Sack  füllen, 
werden  nach  aussen  geleitet.  Der  oberste  Teil  der  Bauchwunde 
wird  geschlossen  bis  auf  die  Stelle,  wo  der  Gazebeutel  nach 
Mikulicz  herausgeleitet  ist.  Verband. 

Nach  2  Tagen  wurde  der  Mikulicztampon  entfernt,  die  Stelle 
der  Bauchwand  durch  Sekundärnaht  geschlossen.  Unter  Behand¬ 
lung  mit  Salizylsäureeinstreuungen,  sowie  Ausspülungen  des 
Sackes  mit  Borsäurelösungen  war  der  weitere  Verlauf  ein  durch¬ 
aus  günstiger.  Die  Plazenta  stiess  sich  in  einzelnen  Stücken  ab, 
der  Sack  schrumpfte,  die  Oeffnung  schloss  sich  durch  Granu- 

lo+mriOTi 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  17.  Juli  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Goldsclimidt. 

Herr  Epstein  stellt  einen  Fall  von  Lupus  serpiginosus, 
der  sich  an  beiden  Händen  und  Vorderarmen  entwickelte,  vor. 

Herr  August  B  eckh  demonstriert:  1.  eine  durch  Laparotomie 
bei  einer  52  jährigen  Frau  entfernte,  fast  mannskopfgrosse  links¬ 
seitige  Parovarialcyste  mit  blutig-serösem  Inhalt  (mit  anderthalb¬ 
maliger  Stieldrehung);  beide  Ovarien,  kleincystisch  degeneriert, 
wurden  ebenfalls  entfernt;  Ventroflxation  des  retroflektierten 
Uterus  und  vordere  und  hintere  Kolporrhapliie  wegen  Scheiden¬ 
vorfalls.  Heilung. 

2.  Ein  bei  einer  53  jährigen  Virgo  entferntes  gewaltiges 
Cystadenoma  pseudomucinosum  des  rechten  Ovariums  mit 


16.  September  1902. 


MTJElSr CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1551 


38  Liter  Cystenflüssigkeit;  2  malige  Stieldrehung;  keine  Verwach¬ 
sung,  weder  mit  Darm  noch  vorderer  Bauchwand.  Grösster  Leibes¬ 
umfang  140  cm.  Entfernung  zwischen  Symphyse  und  Nabel  36  cm 
zwischen  Nabel  und  Processus  xiphoideus  68  cm!  Heilung. 

3.  Emen  wegen  Prolapsrezidiv  per  vaginam  totalexstfrpierten 
Uterus  einer  42  jährigen  Frau.  Vorfall  bestand  seit  20  Jahren; 
Oktober  1S99  Kolporrhaphia  anterior  und  posterior;  Januar  1900 
Ventrofixation;  im  Juli  1900  zum  ersten  Male  in  der  Sprechstunde 
des  Vortragenden  mit  der  Angabe,  seit  April  wieder  die  alten  Be¬ 
schwerden  zu  haben,  welche  am  13.  XI.  1900  die  Veranlassung 
zu  einer  2.  Laparotomie  gaben,  wobei  sich  zeigte,  dass  der  seiner¬ 
zeit  mit  Silkworm  fixierte  Uterus  sich  vollständig  losgerissen  hatte. 
Abei  malige  \  entiofixation  mit  3  Seidennähten;  wiederholte  vordere 
und  hintere  Scheidenplastik.  Patientin  wird  nach  6  jähriger  Ehe 
zum  1.  Male  gravide  (mit  erstem  Manne  9  Jahre  steril  verheiratet). 
Anfangs  März  1902  Forceps  nach  Inzisionen  und  manuelle  Pla¬ 
zentarlösung  in  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Erlangen. 
5  Wochen  nach  der  Entbindung  wieder  Prolaps  vorhanden,  weshalb 
am  28.  \.  1902  die  Totalexstirpation  vorgenommen  werden  muss, 
da  Patientin  endlich  von  ihrem  Leiden  befreit  sein  will.  Operation 
nach  Döderlein;  die  von  beiden  Tubenecken  nach  der  vorderen 
Bauchwand  ziehenden  breiten  Ventrofixationsadhäsionen  etwa  8  bis 
10  cm  lang  gedehnt;  vordere  und  hintere  Kolporrliaphie  zum 
3.  Male.  Glatte  Heilung. 

4.  Einen  ebenfalls  wegen  Prolaps  und  auf  Ivurettement  nicht 
sistierter  Blutungen  exstirpierten  Uterus  einer  59  jährigen  Frau, 
ebenfalls  mit  vorderer  und  hinterer  Scheidenplastik.  Heilung. 

5.  Eine  von  einer  32  jährigen  Frau  stammende  linksseitige 

Ovarialcyste  mit  Pyosalpinx 

.  und  6-  eine  von  einer  33  jährigen  Frau  stammende  rechts¬ 
seitige  Pyosalpinx;  bei  beiden  durch  Laparotomie  gewonnenen 
Fällen  ausgedehnte  Verwachsungen  mit  dem  Darm,  welche  zu 
Ablösung  der  Serosa  des  Dünndarms  führten,  so  dass  zahlreiche 
Serosanähte  gelegt  werden  müssen;  der  2.  Fall  kompliziert  durch 
totalen  Uterusprolaps  bei  komplettem  Dammriss;  Ventrofixation 
und  Plastik.  Heilung. 

Sitzung  vom  14.  August  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Hahn  stellt  einen  Knaben  mit  Lupus  der  behaarten 
Kopfhaut  vor.  Die  Affektion  soll  im  Anschluss  an  ©inen  Stein¬ 
wurf  entstanden  sein. 

Herr  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  1.  demonstriert  einen  jungen  Mann 
mit  Situs  viscerum  inversus, 

2.  bringt  Mitteilungen  über  den  2.  Jahresbericht  der  Nürn¬ 
berger  Lungenheilstätte  Engelthal. 

Herr  Hadelich  berichtet  über  seine  Resultate  in  der 

Keuchhustenbehandlung. 

Sitzung  vom  21.  August  1902. 

Vorsitzender:  Herr  v.  Rad. 

Herr  v.  Rad  demonstriert: 

1.  einen  Patienten  mit  Akromegalie.  36  jähriger  Mann,  der 
früher  stets  gesund  gewesen  sein  will,  kommt  wegen  sehr  heftiger 
in  der  Stirngegend  lokalisierter  und  gegen  beide  Ohren  zu  aus- 
strahlender  Kopfschmerzen  in  die.  Sprechstunde.  Die  weitere 
Anamnese  ergibt  nichts  Besonderes.  Von  den  Veränderungen  am 
Kopf  und  den  Händen  will  weder  der  Patient,  noch  seine  Frau 
etwas  bemerkt  haben.  Eine  Photographie  aus  früherer  Zeit  er¬ 
gibt  jedoch,  dass  früher  dieselben  noch  nicht  bestanden  haben. 
Bei  der  Untersuchung  des  für  seine  Jahre  gealtert  aussehenden 
Patienten  ergibt  sich  folgender  Befund:  Psyche  frei.  Der  Schädel 
ist,  leicht  vergrössert,  die  Haut  über  demselben  ist  wulstig  und 
lässt  sich  leicht  in  Falten  Zusammenlegen.  Die  Gesichtszüge  sind 
derbe  (Facies  leontina).  Die  Perkussion  der  Stirngegend  ist  ziem¬ 
lich  schmerzhaft.  Die  Nase  ist  plump  und  stark  vergrössert  Die 
Zunge  ist  breit  und  dick,  etwas  verlängert,  stark  rissig.  In  der 
Nase  finden  sich  Polypen.  Der  Augenhintergrund  ist  ohne  Befund, 
auch  erweist  sich  das  Gesichtsfeld  als  normal.  Die  Schilddrüse 
ist  nicht  zu  fühlen.  Das  Sternum  ist  entschieden  verbreitert  und 
verdickt,  der  Schwertfortsatz  springt  leicht  vor.  Ueber  der  Haut 
der  Brust  und  des  Rückens  finden  sich  zahlreiche,  dunkel  pig¬ 
mentierte  Fibrome.  Eine  auffallend  starke  Entwicklung  weisen 
ferner  die  Hände  auf,  die  Finger  sind  vergrössert  und  verdickt, 
wurstförmig.  Die  Füsse,  die  Schlüsselbeine,  die  Wirbelsäule  zeigen 
sich  nicht  verändert. 

Die  Untersuchung  der  inneren  Organe  und  des  Urins  ergibt 
normale  Verhältnisse. 

2.  einen  Pall  von  Thomson  scher  Krankheit.  D.,  20  Jahre 
alt,  Soldat  im  21.  Inf.-Regt.,  ist  väterlicherseits  polnischer  Ab¬ 
kunft,  arbeitete  vor  seiner  Einstellung  zum  Militär  als  Steinhauer. 
Pat.  hat  von  jeher  sehr  unregelmässig  gelebt,  viel  ge  tranken.  Sein 
jetziges  Leiden  führt  er  darauf  zurück,  dass  er  vor  3  Jahren 
mehrere  kalte  Nächte  im  Freien  zubrachte;  seitdem  bemerke  er 
bei  Bewegungen  eine  plötzlich  auftretende  Steifigkeit  in  seinen 
Muskeln,  die  nach  kurzer  Zeit  nachlasse.  Beim  Militär  habe  sich 
«ein  Leiden  besonders  unangenehm  geltend  gemacht,  so  habe  er 
beim  Kommando  „Marsch“  nie  mit  den  anderen  antreten  und  fort¬ 
marschieren  können.  Auch  beim  Grüssen  und  den  Gewehrübungen 
sei  er  sehr  behindert  gewesen.  Manchmal  sei  er  auch  beim  Oeffnen 
und  Schliessen  des  Mundes  durch  eine  plötzlich  auftretende 
Steifigkeit  behindert.  In  den  Morgen-  und  Vormittagsstunden  | 


stelle  sich  die  Steifigkeit  der  Muskeln  viel  stärker  ein  als  gegen 
Abend.  b  ** 


Die  1  rage,  ob  in  seiner  Familie  das  gleiche  Leiden  schon  vor¬ 
gekommen  sei,  stellt  er  ganz  bestimmt  in  Abrede,  Sein  Vater 
soll  nur  viel  an  Rheumatismus  leiden. 

.  ,.Pat-  zeiS't  eine  ausserordentlich  gut  entwickelte,  hypervolu- 
mmose  Muskulatur.  Im  Bereiche  der  Gehirnnerven  und  Gesichts¬ 
muskeln  bestehen  keinerlei  Störungen. 

Bei  allen  Bewegungen  der  Extremitäten  ist  die  myotonische 

Storung  sehr  deutlich.  Der  Krampf  lässt  meistens  nach  5 _ 20  Se- 

künden  nncb  und  kann  P<it.  d<inn  seine  Muskeln  frei  bewe°*en 
Bei  Perkussion  der  Muskeln  erfolgt  eine  deutliche  träge  tonische 
Anspannung  mit  Nachdauer  der  Kontraktion.  Bei  direkter  fara- 
discher  und  galvanischer  Muskelreizung  deutliche  myotonische 
Reaktion.  Das  rhythmische  Undulieren  der  Muskulatur  bei  sta¬ 
biler  Anwendung  des  konstanten  Stromes  war  nur  bei  sehr  hohen 
Stromstärken  (25  M.-A.)  und  nach  mehrfachem  Wenden  des 
Stromes  nachweisbar. 

Den  H  ahn  stellt  einen  Patienten  vor  mit  einem  grossen 
Lipom  der  linken  Schultergegend,  das  im  Innern  einen  faustgrossen 
derben,  höckerigen  Knoten  (Sarkom?)  enthält.  (Der  Vortra^  er¬ 
scheint  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 


Herr  H.  Koch  berichtet  über  einen  schweren  Fall  von 
Keuchhusten  mit  nachfolgender  Polyneuritis. 

Ein  3  jähriges  Mädchen  kam  am  30.  April  d.  J.  wegen  Keuch¬ 
husten  in  meine  Behandlung.  Die  Erkrankung  war  keine  leichte 
und  hatte  einen  sehr  wechselnden  Verlauf,  indem  sich  mehrmals 
recht  schwere  Bronchitiden  und  katarrhalische  Pneumonien  ein¬ 
stellten. 


Schon  schien  das  Kind  seit  Ende  J uli  der  Genesung  entgegen¬ 
zugehen,  als  es  ganz  plötzlich  am  16.  d.  Mts.  von  neuem  mit  hef¬ 
tigem  Fieber  erkrankte.  Es  hatte  sich  eine  Pneumonie  im  rechten 
Unterlappen  eingestellt. 

Am  18.  Morgens  zeigte  sich  bei  der  Visite  eine  Parese  beider 
Beine  mit  Herabsetzung  der  Sensibilität  und  Erlöschen  der  Pa- 
tellarreflexe,  ferner  eine  vollständige  Lähmung  beider  Arme,  nur 
die  Finger  konnten  schwach  gebeugt  werden.  Die  Sensibilität 
wmr  symmetrisch  bis  zur  Mitte  beider  Oberarme  vollständig  er¬ 
loschen. 


Auch  die  Nackenmuskulatur  war  gelähmt.  Das  Kind  konnte 
seinen  Kopf  nicht  mehr  halten,  er  baumelte  wie  ein  lose  ange¬ 
bundener  Körper  am  Rumpf. 

An  den  Augen  war  keine  Veränderung.  Die  Pupillen  waren 
gleich  und  reagierten  auf  Lichteinfall  In  der  Nacht  vom  1S./19. 
stellten  sich  unter  grosser  Unruhe  mässige  Anzeichen  von  Dys¬ 
phagie  ein,  die  sich  rasch  so  steigerten,  dass  am  20.  Morgens  nichts 
mehr  geschluckt  werden  konnte.  Am  20.  Abends  8  Uhr  trat  plötz¬ 
lich  der  Tod  ein.  Das  Bewusstsein  war  bis  wenige  Stunden  vor 
dem  Tode  erhalten. 

Die  Temperatur  war  stets  zwischen  39  und  40,5.  Nur  am 
19.  Morgens  war  sie  normal  und  bedeutete  den  kritischen  Abfall 
der  Pneumonie. 

Am  20.  Morgens  zeigten  sich  diffuse  Ronclii  über  die  ganze 
Lunge  verbreitet. 

Der  Puls  war  stets  entsprechend  der  hohen  Temperatur  und 
zeigte  nichts  Besonderes.  Auch  am  Herzen  war  nichts  Besonderes 
nachzuweisen. 

Der  Urin,  der  meist  ins  Bett  gelassen  wurde,  konnte  erst  am 
letzten  Tag  untersucht  werden  und  zeigte  einen  mässigen  Eiweiss¬ 
gehalt. 

Der  Stuhlgang  war  retardiert  und  musste  durch  Klysmen  er¬ 
zielt  werden. 

Wenn  ich  nun  rekapituliere,  so  haben  wir  eine  ziemlich  lange 
dauernde,  schwere  Erkrankung  an  Keuchhusten,  bei  welcher  sich 
plötzlich  im  Rekonvaleszenzstadium  eine  schwere  Nachkrankheit 
einstellt. 

Dieselbe  setzt  mit  einer  Pneumonie  ein,  die  kritisch  verläuft. 
Ihren  schweren  Charakter  bekommt  die  Erkrankung  durch  eine 
aufsteigende  Lähmung  der  peripherischen  Nerven.  Wir  haben  es 
also  zweifellos  mit  einer  akuten  Polyneuritis  zu  tun,  wie  sie  ja 
nicht  ganz  selten  bei  anderen  Infektionskrankheiten  vorkommt, 
beim  Keuchhusten  jedoch  sicher  zu  den  allergrössten  Seltenheiten 
gehört. 

Herr  Landau  demonstriert  die  für  das  medizinisch-histo¬ 
rische  Kabinet  des  germanischen  Museums  erworbenen  Bildnisse 
alter  Aerzte  und  bringt  zu  den  einzelnen  biographische  Notizen. 


Unterelsässischer  Aerzteverein. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  19.  Juli  1902. 

I.  Demonstrationen: 

Herr  W  o  1  f  f  stellt  2  Kinder  von  5  resp.  6  Jahren  vor  mit 

Lichen  ruber  planus. 

Herr  H.  W.  Freund  zeigt  den  von  K  ehre  r  angegebenen 
elektrischen  Heissluftschwitzkasten,  der  ihm  zur  Resorption  von 
parametrischen  Exsudaten  gute  Dienste  erwies. 

Herr  v.  Recklinghausen  demonstriert  die  TJrachus- 
cyste  eines  30  jährigen  Mannes,  analog  den  viel  kleineren  von 
Luschka,  Wutz  beschriebenen  Tumoren.  Auch  Blasendiver¬ 
tikel  wurden  irrtümlicherweise  als  Urachuscysten  beschrieben. 
Die  extraperitoneal  gelegene  Geschwulst  kann  als  Enterokystom 
nicht  angesehen  werden. 


1552 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Herr  M.  B.  Schmidt  demonstriert  einen  Fall  von  plötz¬ 
licher  Zerreissung  der  Aortenklappe  und  des  vorderen  Mitral¬ 
segels,  sowie  von  mehreren  Rupturen  der  Aorta.  (Wird  in  dieser 
Wochenschrift  in  extenso  publiziert.) 

In  der  Diskussion  berichtete  Herr  A.  Cahn  über  einen 
F  all  von  tödlicher  Aorte  n  k  1  a  p  p  e  n  r  u  p  t  u  r  infolge 
von  schwerer  Quetschung  des  Thorax. 

II.  Vorträge: 

Herr  W  o  1  f  f :  Die  deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung 
der  Geschlechtskrankheiten. 

W.  gibt  die  Geschichte  der  Entstehung  dieser  Gesellschaft, 
ihre  Zwecke  und  eine  Mitteilung  des  bisher  Erreichten.  Das  ein¬ 
ladende  Zirkular  wird  den  Vereinsmitgliedern  übergeben  mit  der 
warmen  Aufforderung,  durch  den  Beitritt  die  gute  Sache  zu 
unterstützen. 

Herr  Hoche  spricht  über  spinale  Kinderlähmung. 

Aetiologisch  darf  jetzt  deren  infektiöser  Charakter  als  sichei 
gelten,  und  zwar  wegen  des  epidemischen  Auftretens,  der  posi- 
1  iven  Bef unde  in  der  Spinalflüssigkeit,  sowie  der  Möglichkeit  de i 
experimentellen  Erzeugung..  Die  Lokalisation  in  der  grauen 
Säule  hängt  ab  von  der  arteriellen  Gefässverteilung.  Die  Längs¬ 
ausdehnung  des  Prozesses  begünstigt  der  bei  Kindern  offene 
Zentralkanal.  Therapeutisch  darf  man  für  später  vielleicht  auf 
Serumbehandlung  hoffen  in  frischen  Fällen;  in  alten  Fällen 
bietet  die  Sehnenplastik  (siehe  folgenden  Vortrag)  ausgezeichnete 
Aussichten  für  die  Wiederherstellung  der  Funktion. 

Herr  Lange:  Sehnenplastik  bei  Lähmungen. 

In  kurzer  Besprechung  des  Wesens  und  der  Methoden  der 
Sehnenplastik  empfiehlt  Lange  diese  moderne  Behandlung  der 
Kinderlähmung  zu  allgemeinerer  Anwendung'.  Grobmechanisch 
vorgestellt,  wird  ziemlich  unbekümmert  um  die  vorgeschriebene 
Funktion  der  einzelnen  noch  vorhandenen  Muskelkräfte  ihre 
Summe  als  ein  gegebenes  Kraftquantum  aufgefasst,  welches  nach 
Bedarf  der  wiederherzustellenden  Ausfälle  verteilt  und  äquili¬ 
briert  wird.  Selbst  funktionell  ganz  differente  Muskeln  können 
mit  gutem  Erfolge  für  einander  substituiert  werden,  und  diese 
physiologisch  interessante  Tatsache  ist  für  die  umfangreiche  An¬ 
wendbarkeit  der  Methode  von  der  grössten  Bedeutung.  Wichtig 
ist  ferner,  dass  nach  Beseitigung  von  Kontrakturen  Muskeln,  die 
infolge  ihrer  Untätigkeit  völliger  Inaktivitätsatrophie  verfallen 
waren,  sich  wieder  erholen  und  kräftigen  können.  Lange 
streift  kurz  die  Technik  der  Operation  und  bespricht  an  der  Hand 
typischer  Beispiele  die  einzelnen  operativen  Eingriffe.  In 
manchen  Fällen  können  wir  mit  der  einfachen  Sehnenver¬ 
kürzung  zum  Ziele  kommen,  wofür  die  Verkürzung  der  Sehne 
des  Extensor  carpi  rad.  bei  partieller  Radiuslähmung  in  über¬ 
raschender  Weise  zeugt.  Die  plastische  Sehnenverlänge¬ 
rung  wird  meist  als  Teiloperation  bei  komplizierten  Sehnen¬ 
überpflanzungen  ausgeführt.  Der  Hauptschwerpunkt  des  Ver¬ 
fahrens  liegt  in  der  eigentlichen  S  ehnenüberpflanzung, 
die  meist  in  der  absteigenden  oder  aktiven  Methode  ausgeführt 
wird  (Vulpius).  Die  Sehne  des  kraftspendenden  Muskels  wird 
mit  einem  Teil  in  ihrem  Verlauf  belassen,  während  1  oder  2  seit¬ 
liche  Zipfel  abgespalten  und  zur  Kraftübertragung  auf  die 
Sehnen  der  gelähmten  Muskeln  überpflanzt  werden.  Als  die  auf¬ 
steigende  oder  passive  Methode  wird  das  Verfahren  bezeichnet, 
bei  dem  die  Sehne  des  gelähmten  Muskels  seitlich  an  die  un¬ 
geteilte,  in  ihrem  Verlauf  belassene  Sehne  des  Kraftspenders 
implantiert  wird.  Indirekte  Sehnen  Überpflanzung 
nannte  Mainzer  einen  sinnreichen  Notbehelf,  wobei  er  eine 
benachbarte  dritte  Sehne  benutzte,  um  die  sonst  unmögliche  Ver¬ 
bindung  zwischen  Kraftspender  und  Kraftempfänger  herzustellen. 
L  a  n  g  e  -  München  befürchtete  eine  nachträgliche  Dehnung  der 
bei  der  Plastik  benutzten  gelähmten  Seimen  und  damit  eine  Ge¬ 
fährdung  des  Dauerresultates,  weshalb  er  die  sog.  periostale 
Sehnenüberpflanzung  ausführte.  Er  leitete  die  Sehne 
oder  den  Sehnenzipfel  des  kraftspendenden  Muskels  an  den  für 
die  gewünschte  Wirkung  erforderlichen  Knochenansatzpunkt  und 
vernähte  sie  hier  direkt  mit  dem  Periost.  Bei  dem  Versuch 
L  a  n  g  e  s,  den  gelähmten  Quadrizeps  durch  den  Bizeps  und 
Semitendinosus  zu  ersetzen,  waren  die  Sehnen  beider  Muskeln  zu 
kurz,  um  an  der  Tub.  tibiae  vernäht  werden  zu  können.  Er  ver- 
einig-to  deshalb  die  Sehnen  vor  dem  Knie  und  ersetzte  das 
fehlende  Stück  durch  eine  Reihe  Seidenfäden,  welche  er  am 
Periost  der  Tub.  tibiae  festnähte.  Die  Fäden  heilten  reaktionslos 
ein,  es  bildete  sich  um  dieselben  eine  künstliche  Sehne 


aus  richtigem  Sehnengewebe,  welche  das  Resultat  garantierte. 
Auf  diese  Weise  gelang  zum  erstenmale  der  Ersatz  des  gelähmten 
Quadrizeps  in  funktionell  ausreichender  Weise.  Später  wandte 
L  a  n  g  e  die  Bildung  künstlicher  Sehnen  aus  Seide  auch  da  an, 
wo  die  Sehne  des  Kraftspenders  zu  schwach  war,  um  zwecks 
Plastik  geteilt  werden  zu  können,  und  erweiterte  das  Anwendungs¬ 
gebiet  derselben  noch  allgemeiner,  da  er  15 — 20  cm  lange  Seiden¬ 
fäden  mit  guter  Funktion  einheilen  lassen  konnte.  Nachdem 
jetzt  mehrere  hundert  Operationen  an  den  verschiedensten  Fällen 
ausgeführt  wurden,  darf  man  wohl  sagen,  dass  die  Sehnenplastik 
ein  souveränes  Heilmittel  in  der  Therapie  der  Kinderlähmung 
geworden  ist  und  dass  in  der  Tat  die  meisten  Patienten  der¬ 
selben  zugänglich  sind,  da  totale  Lähmungen  sehr  selten  sind. 
Eine  Reihe  erfolgreich  operierter  Fälle  sollen  in  einer  der 
nächsten  Sitzungen  demonstriert  werden. 

Die  70.  Jahresversammlung  der  British  Medical 

Association 

zu  Manchester  vom  29.  Juli  bis  1.  August  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

Referent  möchte  über  den  allgemeinen  und  sozialen  Teil  des 
Kongresses  nur  bemerken,  dass  Manchester  seinen  Ruf  als  Regen¬ 
stadt  glänzend  bewährt  hat  und  dass  im  übrigen  die  verschiedenen 
Festlichkeiten,  die  ja  einen  so  bedeutenden  Teil  aller  wissenschaft¬ 
lichen  Kongresse  ausmachen,  in  altgewohnter  Weise  von  statten 
gingen.  Interessant  war,  dass  die  mit  diesen  Versammlungen 
stets  verbundene  Ausstellung  ärztlicher  Apparate  u.  dgl.  m.  dies¬ 
mal  auch  eine  Abteilung  für  Motorfahrzeuge,  sowie  eine  weitere 
für  sanitäre  Einrichtungen  enthielt.  Nach  diesen  kurzen  Vor¬ 
bemerkungen  gehen  wir  sogleich  zu  den  Arbeiten  der  einzelnen 
Sektionen  über  und  beginnen  mit  der  Chirurgie. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

Die  Sitzung  vom  30.  Juli  wurde  eröffnet  durch  einen  längeren 
Vortrag  von  Henry  Morris-  London  über  die  Behandlung  der 
inoperablen  Krebse.  Redner  fasste  unter  diesem  Namen  nach 
englischer  Sitte  alle  malignen  Geschwülste  zusammen.  Nach  ein¬ 
gehender  Beschreibung  der  einzelnen  Krebsformen,  die  als  in¬ 
operabel  gelten  können,  sowie  der  zu  ihrer  Behandlung  angewen¬ 
deten  Methoden  stellte  er  folgende  Thesen  zur  Diskussion:  1.  Die 
Serumbehandlung  maligner  Geschwülste  hat  bisher  bei  Kar¬ 
zinomen  keinerlei  Erfolge  gehabt;  Injektionen  mit  der  Coley- 
schen  Flüssigkeit  bringen  bei  weniger  wie  50  Prozent  der  Fälle 
von  Spindelzellensarkomen  Nutzen,  bei  anderen  Sarkomarten  und 
bei  Karzinomen  sind  sie  erfolglos;  da  sie  in  jedem  Falle  äusserst 
gefährlich  sind,  so  dürfen  sie  nur  in  wirklich  inoperablen  Fällen 
als  letztes  Hilfsmittel  versucht  werden.  2.  Die  Beatsonsclie 
Behandlung  des  Brustkrebses  durch  Kastration  und  Thyreoidin 
hat  nur  bei  Brustkrebsen  Erfolge,  bei  ihnen  übrigens  auch  nur 
in  seltenen  Fällen.  3.  Für  Ulcus  rodens  gibt  es  keine  bessere  Be¬ 
handlungsmethode  wie  die  F  i  n  s  e  n  sehe  Dichtmethode;  auch  ope¬ 
rable  Fälle  sollten  wegen  der  Sicherheit  des  Erfolges  und  des 
glänzenden  kosmetischen  Resultates  nach  Finsen  behandelt  wer¬ 
den,  wenn  auch  zuzugeben  ist,  dass  die  Methode  in  Ausnahmsfällen 
versagt;  dann  kann  man  immer  noch  die  Exzision  versuchen. 

4.  Alle  malignen  Geschwülste  sollen  womöglich  frühzeitig  ope¬ 
riert  werden,  da  dies  die  einzige  Methode  ist,  die  Erfolg  verspricht. 

5.  Die  Indikationen  zur  Operation,  die  heute  gültig  sind,  müssen 
von  Zeit  zu  Zeit  revidiert  werden,  namentlich  auch  müssen  sogen, 
radikale  Operationen  bei  manchen  Tumoren  abgeschafft  und  durch 
palliative  ersetzt  werden  (Magendarmkanal).  6.  Alle  Versuche, 
den  Krebs  durch  innere  Mittel  zu  heilen,  sind  bisher  fehlgeschlagen. 
Zum  Schlüsse  seiner  Rede  betonte  Morris  noch  die  grosse  Be¬ 
deutung  der  Krebshospitäler  und  der  damit  verbundenen  Labo¬ 
ratorien  für  die  Erforschung  dieser  Krankheit. 

In  der  Diskussion  sprach  B  e  a  t  s  o  n  über  seine  Behandlung 
des  Mammakrebses,  die  er  aber  nur  in  inoperablen  Fällen  an¬ 
wendet.  Die  besten  Erfolge  ergibt  die  Kastration  bei  Frauen  jen¬ 
seits  der  40,  die  aber  noch  menstruieren,  nebenbei  gibt  er  Thy¬ 
reoidin  0,2— 0,3  täglich  3  mal.  Lokale  Rezidive  verschwinden  dabei 
oft  rasch  und  vollständig,  Drüsenmetastasen  werden  langsamer 
beeinflusst,  viszerale  und  Knochenmetastasen  gar  nicht.  Für  ihn 
steht  es  fest,  dass  der  Krebs  keine  ganz  hoffnungslose  Erkrankung 
ist,  da  es  Fälle  spontaner  Heilung  gibt.  Gegen  starke  Schmerzen 
gibt  er  Phenacetin  in  grossen  Dosen  (2 — 3  g  täglich),  dies  wirkt 
gut  und  macht  Morphium  entbehrlich. 

Bryant-  London  hat  sehr  gute  Erfolge  mit  den  Röntgen¬ 
strahlen  gehabt,  doch  sollen  nur  wirklich  inoperable  Karzinome 
damit  behandelt  werden.  Die  Schmerzen  verschwinden,  Ulzera- 
tionen  überhäuten  sich  und  Tumoren  (auch  in  den  Drüsen)  ver¬ 
schwinden.  Auch  bei  Uterus-  und  Rektumkarzinomen  sah  er  gute 
Erfolge. 

W  i  1  d  -  Manchester  hat  ebenfalls  spontane  Rückbildung  von 
Krebsen  gesehen,  von  den  vielen  unblutigen  Methoden  und  von 
Medikamenten  hat  er  nie  Erfolge  gesehen,  gegen  den  Schmerz  ver¬ 
wendet  er  Opium,  das  auch  von  S  n  o  w  -  London  warm  empfohlen 
wird,  der  im  übrigen  in  12  Fällen,  bei  denen  nach  B  e  a  t  s  o  n 
kastriert  und  behandelt  wurde,  keine  Erfolge  sah.  J  e  s  s  e  1 1  - 


IG.  September  1902. 


MÜENOUENElt  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


1553 


London  hat  5  mal  nach  Beatson  behandelt,  2  mal  wurden  die 
Schmerzen  gebessert,  die  Tumoren  oder  Ulzerationen  wurden  nie 
günstig  beeinflusst.  Eine  Reihe  von  Rednern  sprachen  noch  teils 
für,  teils  wider  den  Nutzen  der  Röntgenstrahlen  bei  Karzinomen; 
31  a  nders  -  London  hat  auch  von  Teslaströmen  Nutzen  gesehen. 

Es  folgten  kürzere  Vorträge  über  die  Paraffinbehandlung  der 
Nasendefcrmitäten  von  J.  P.  zum  Busch  und  Walker  Downie 
sowie  die  Demonstration  eines  neuen  Anastomosenknopfes  von 
Stanmore  Bishop  und  ein  Vortrag  von  Valentine  -  New- 
York  über  die  Diagnose  der  Urethralerkrankungen. 

Am  31.  .T uli  eröffnete  Thomas  M  y  1  e  s  -  Dublin  eine  Dis¬ 
kussion  über  die  Behandlung  der  Tuberkulose  der  Hoden,  der 
Samenblasen,  der  Prostata  und  der  Blase.  Redner  hält  die  Tuber¬ 
kulose  der  Nebenhoden  häufig  für  primär,  von  ihr  aus  werden 
die  Samenblasen  und  die  Prostata  sekundär  infiziert;  die  Blase 
eiluankt  sekundär  von  der  Niere  aus.  Finden  sich  nur  einige  iso¬ 
lierte  Herde  im  Nebenhoden,  so  genügt  die  alleinige  Entfernung 
der  erkrankten  Stellen  mit  Betupfung  mit  Formalin  (5  proz.L  Sind 
zu  gleicher  Zeit  auch  Vesic.  seminales  und  Prostata  leicht  er¬ 
krankt,  so  operiert  er  nicht.  Bei  schwerer  Erkrankung  (Ver¬ 
eiterung)  eines  Hodens  ohne  Beteiligung  anderer  Organe  soll  der¬ 
selbe  entfernt  werden;  sind  andere  Organe  erkrankt,  so  wird  ex- 
spektativ  behandelt.  Bel  alleiniger  Erkrankung  beider  LToden 
müssen  beide  entfernt  werden,  doch  erfolgen  leicht  psychische 
Störungen.  Besteht  gleichzeitig  Lungentuberkulose,  so  soll  auch 
die  kleinste  Operation  unterbleiben.  Eine  chirurgische  Behandlung 
der  Blasentuberkulose  ist  meist  nicht  indiziert,  weil  erfolglos. 

N.  Senn-  Chicago  betont  die  Wichtigkeit  einer  roborierenden 
Allgemeinbehandlung  vor,  neben  und  nach  etwaigen  Operationen. 
Jodoform  ist  von  grossem  Nutzen,  da  es  die  Phagocytose  anregt. 
Sind  beide  Hoden  erkrankt,  so  verweigert  er  die  Operation.  Bei 
Nierentuberkulose  legt  er  die  Niere  frei  und  wäscht  das  Innere 
und  das  Becken  mit  .Todchlor  aus.  Valentine-  New-Yovk  be¬ 
tont  die  Notwendigkeit  der  Prophylaxe.  Da  Tripper  sehr  zu  Tuber¬ 
kulose  disponiert,  so  sollen  die  Gonorrhöen  sorgfältiger  behandelt 
werden,  wie  das  bisher  geschieht.  Murphy  hat  von  der  chi¬ 
rurgischen  Behandlung  der  Blasentuberkulose  keinen  Nutzen  ge¬ 
sehen.  die  Tuberkulose  des  Hodens  behandelt  er  mit  Auskratzungen 
und  Jodoform.  Jordan  L 1  o  y  d  -  Birmingham  betont,  dass  das 
Genitalsystem  und  das  Urinsystem  seine  eigene  Tuberkulose  habe, 
die  erst  spat  von  einem  System  auf  das  andere  übergreife.  Er 
hält  primäre  Tuberkulosen  der  Samenblasen  oder  der  Prostata 
für  nicht  sehr  selten  und  empfiehlt  die  Entfernung  dieser  Organe 
vom  Damme  aus.  Das  Urinsystem  wird  fast  immer  von  der  Niere 
aus  infiziert.  M  a  c  e  w  e  n  -  Glasgow  spaltet  die  Epididymis,  kratzt 
alle  Herde  aus.  appliziert  Jodoform,  vernäht  die  Epididymis  und 
schliesst  die  Hautwunde  ohne  Drainage.  In  leichten  Fällen  macht 
er  nur  Jodoforminjektionen.  Das  Vas  deferens  entfernt  er  mög¬ 
lichst.  hoch  oben,  die  Samenbläschen  exzidiert  er  vom  Damme  aus. 
Bei  der  Blasentuberkulose  haben  alle  Operationen  nur  palliativen 
Wert.  Rutherf  ord-Morison  -  Newcastle  bekämpft  den 
Pessimismus  der  Vorredner,  er  entfernt  auch  bei  weitgehender 
Verbreitung  der  Genitaltuberknlose  den  Hoden.  Von  Jodoform  hat 
er  bei  keiner  Form  der  Tuberkulose  den  geringsten  Nutzen  gesehen. 
F.  A.  South  am  hält  es  für  ganz  erlaubt,  beide  Hoden  zu  ent¬ 
fernen,  psychische  Störungen  sind  selten;  bei  der  Kastration 
wegen  Prostatahypertrophie  sind  sie  ja  häufig,  doch  handelt  es 
sich  dabei  um  alte  Leute,  während- die  Tuberkulösen  meist  im 
besten  Mannesalter  stehen. 

Dann  sprach  E.  Owen-  London  über  die  Behandlung  der 
chronischen  Pankreatitis  durch  den  Bauchschnitt.  Tn  2  Fällen, 
in  denen  nur  eine  Probelaparotomie  gemacht  worden  war,  ver¬ 
schwanden  alle  Symptome,  besonders  auch  der  Ikterus,  so  dass 
3  erf.  eine  spontane  Heilung  dieser  Krankheit  für  möglich  und 
wahrscheinlich  hält;  ähnliche  Fälle  werden  von  mehreren  An¬ 
wesenden  erzählt. 

^  Rushton  Parker-  Liverpool  empfiehlt  auf  Grund  von  über 
300  Operationen  die  frühzeitige  und  gründliche  Entfernung  der 
tuberkulösen  Lymphome.  Redner  hält  jede  andere  Behandlung 
für  unzureichend  und  nutzlos  und  scheut  auch  vor  den  grössten 
Eingriffen  nicht  zurück,  wenn  er  nur  alles  Krankhafte  entfernt. 
(Ob  er  das  in  den  meisten  Fällen  kann,  ist  doch  sehr  fraglich.  Ref.) 

Dann  sprach  Mc  Adam  E  e  c  1  e  s  -  London  über  den  Wert 
des  retinierten  Hodens.  Nur  sehr  selten,  vielleicht  nie  kommt 
ein  im  Leistenkanal  zurückgehaltener  Hoden  dazu,  Spermatozoon 
zu  produzieren.  Auch  nach  der  Befestigung  im  Hodensack  durch 
Operation  erreicht  er  fast  nie  diese  Fähigkeit.  Redner  empfiehlt 
trotzdem  im  allgemeinen  nicht  die  Entfernung  bei  Hernienopera¬ 
tionen  (Hernien  komplizieren  den  Zustand  überaus  häufig),  son¬ 
dern  rät  an,  den  Hoden  in  die  Bauchhöhle  zu  schieben;  es  besteht 
keinerlei  Gefahr,  dass  der  im  Bauche  befindliche  Hoden  später 
bösartig  entartet.  (Diese  Operation  wurde,  soweit.  Ref.  bekannt, 
schon  vor  mehreren  Jahren,  z.  B.  von  K  r  a  s  k  e,  ausgeführt  und 
ist  durchaus  nicht  neu.) 

Rutherford  M  o  r  i  s  o  n  zeigte  dann  seine  Inzision  zur  Frei¬ 
legung  des  Gallensystems.  Dieselbe  durchsetzt  den  ganzen  rech¬ 
ten  Rektus  transversal  und  gibt  guten  Zugang.  Unter  43  Fällen 
trat  nur  1  mal  später  ein  Bruch  in  der  Narbe  auf. 

Am  1.  August  hielt  Freyer  -  London  einen  Vortrag  über  die 
totale  Exstirpation  der  Prostata  von  der  Blase  aus.  Wir  über¬ 
gehen  Redners  Polemik  gegen  diejenigen,  welche  (und  wohl  mit 
Recht.  Ref.)  bezweifelt  haben,  dass  man  die  Prostata  mit  ihrer 
Kapsel  ohne  Störung  der  Venen  und  der  Samenleiter  entfernen 


kann.  Redner  hat  jedenfalls  den  grössten  Teil  der  Prostata  im 
letzten  Jahre  in  21  Fällen  entfernt  und  nur  2  Fälle  verloren  (1  am 
24.  Jage  an  akuter  Manie,  1  am  9.  Tage  an  plötzlicher  Herz- 
lälunung),  die  übrigen  19  Fälle  konnten  mit  vorzüglichem  funk¬ 
tionellen  Resultate  entlassen  werden.  In  einzelnen  Fällen  gelingt 
es,  die  Prostata  in  toto  zu  entfernen  ohne  Verletzung  der  Urethra 
und  der  Duct.  ejacul. ;  in  anderen  werden  die  Seitenlappen  jeder 
für  sich  entfernt,  aber  zugleich  die  Harnröhre  durchgerissen  und 
zum  Teil  mitentfernt,  auch  werden  hierbei  die  Duktus  zerrissen; 
aber  auch  in  diesen  Fällen  traten  keinerlei  unliebsame  Störungen 
auf.  Alexander  -  New-York  zeigte  an  prächtigen  Photo¬ 
grammen  die  anatomischen  Verhältnisse  der  Prostata  und  ihrer 
Kapsel.  Praktisch  wichtig  ist  besonders,  dass  der  Teil  der  Drüse, 
welcher  unter  und  hinter  den  Duct.  semin.  liegt,  niemals  Obstruk¬ 
tionserscheinungen  hervorruft,  sondern  nur  der  Teil,  welcher  ober¬ 
halb  der  Urethra  liegt.  Der  sogen.  Mittellappen,  in  welchem 
übrigens  mit  Vorliebe  Karzinome  sich  entwickeln,  ist  stets  ein 
Auswuchs  eines  Seitenlappens.  Er  selbst  entfernt  die  Prostata 
häufig,  aber  nur  vom  Damm  aus.  Auch  Parker  S  y  m  s  -  New-York. 
der  früher  von  der  Blase  her  operiert  hat.  ist  zur  Dammroute 
zurückgekehrt,  die  er  in  21  Fällen  mit  glänzendem  Erfolge  be¬ 
treten  hat.  Er  zeigt  eine  Art  Kolpeurynter,  der  in  der  Blase  auf¬ 
gebläht  wird  und  welcher  die  Prostata  nach  abwärts  drängt  und 
die  Blutstillung  erleichtert.  Reginald  H  a  r  r  i  s  o  n  -  London  hat 
die  Operation  von  der  Blase  aus  7  mal  ausgeführt.  5  mal  mit  gutem 
Erfolge.  M  a  cewen  -  Glasgow  ist  zur  perinealen  Route  zurück¬ 
gekehrt:  er  drainiert  in  einer  Voroperation  die  Blase  vom  Damm 
aus,  die  Prostata  schrumpft  darnach  gewöhnlich  und  lässt  sich 
leicht  in  einer  zweiten  Sitzung  ausschälen. 

D  a  1  z  i  e  1  -  Glasgow  berichtete  über  30  Fälle  von  Gastro¬ 
enterostomie  wegen  gutartiger  Erkrankung  des  Magens  und  Edo- 
b  o  h  1  s  -  New-York  empfahl  bei  chronischer  Nierenkrankheit  die 
Niere  freizulegen  und  ihre  Kapsel  in  weitem  Umfang  abzulösen. 

Abteilung  für  innere  Medizin. 

Am  30.  Juli  eröffnete  Clifford  A  1 1  b  u  1 1  - Cambridge  eine 
Diskussion  über  die  Ursachen,  die  Diagnose  und  die  Behandlung 
der  Magenerweiterung.  Nach  einer  eingehenden  Würdigung  der 
Verdienste  Kuss  m  a  u  1  s  schlug  Redner  vor,  die  Diskussion 
hauptsächlich  auf  die  atonische,  nicht  obstruktive  Form  der 
Magenerweiterung  zu  beschränken.  Was  die  akute  Magenerwei¬ 
terung  anlangt,  so  glaubt  er,  dass  dieselbe  dadurch  zu  stände 
kommt,  dass  der  schon  etAvas  erweitei’te  Magen  den  Darm,  an  der 
TJebergangsstelle  von  Duodenum  und  Jejunum  komprimiert.  Die 
Ursachen  der  chronischen  Eiuveiterung.  ihr  Zusammenhang  mit 
Gastroptosis  und  Krankheiten  anderer  Organe  wird  ausführlich 
betont  und  dann  mitgeteilt,  dass  die  Diagnose  eigentlich  nur  durch 
die  Magensonde  gestellt  werden  kann.  Wie  Redner  dann  weiter 
ausführt,  ist  diese  Methode  aber  bei  englischen  Privatpatienten 
kaum  ausführbar  (doch  nur,  AAreil  die  Aerzte  sich  nicht  die  Mühe 
geben,  die  Kranken  von  der  Notwendigkeit  der  Prozedur  zu  über¬ 
zeugen.  Ref.).  Ein  fastender  normaler  Magen  enthält  stets  20  bis 
30  ccm  klarer  Flüssigkeit;  Mengen,  die  100  ccm  überschreiten,  sind 
sicher  abnorm,  auch  darf  der  Saft  keine  als  solche  erkennbaren 
Speisereste  enthalten.  Die  Behandlung  besteht  wenn  möglich  in 
Anwendung  der  Magensonde,  in  Regelung  der  Diät  mit  Vermei¬ 
dung  von  Flüssigkeiten:  hydrotherapeutische  Massnahmen  sind 
empfehlenSAvert.  ebenso  die  Verabreichung  von  Papain.  Ruhe  vor 
und  nach  dem  Essen  ist  nötig.  Bei  mageren  Personen  ist  oft  eine 
Mastkur  erfolgreich. 

N.  Bardswell-Banchory  betont  die  Häufigkeit,  mit  derTuber- 
kulöse  an  Magenerweiterung  erkranken;  erwarnt  deshalb  vor  der  in 
Sanatorien  üblichen  Ueberernährung,  Aron  der  er  häufig  schlimme 
Folgen  gesehen  hat.  Rroadbent  -  London  spricht  über  Blu¬ 
tungen  aus  dilatierten  Magen  ohne  weitere  erkennbare  Ursache 
und  empfiehlt,  die  Erweiterung  mit  Sulphokarbollösungen  Abends 
auszuspülen. 

Murser  -  Baltimore  und  S  a  v  i  1 1  -  London  snrachen  über 
diagnostische  Aufblähung  des  Magens,  letzterer  empfiehlt  das  sog. 
Salisbury  regime  zur  Behandlung.  Der  Kranke  bekommt 
dabei  nur  rohes  Fleisch  zu  essen  und  darf  während  der  Mahlzeiten 
nichts  trinken.  Für  sehr  wichtig  hält  er  die  Galvanisation  der 
N.  hypogastricJ.  Obwohl  sich  die  Diskussion  durch  die  Beteiligung 
A'ieler  Redner  recht  lange  hinzog,  kam  doch  für  den  Fremden 
nichts  von  Bedeutung  zum  Vorschein. 

Dann  sprach  Mitchell  B  a  n  k  s  -  Liverpool  über  die  Behand¬ 
lung  der  Magenerweiterung  durch  Gastroplikation,  Er  empfiehlt 
ein  6  Zoll  langes  und  3  Zoll  breites  Stück  aus  der  vorderen  Magen¬ 
wand  zu  entfernen.  Ein  von  ihm  1899  so  operierter  Fall  ist  bisher 
gesund  geblieben. 

Carl  v.  Noorden  -  Frankfurt  hielt  einen  Vortrag  über  die 
diätetische  Behandlung  der  chronischen  Schrumpfniere. 

Er  ist  auf  Grund  genauer  Stoffwechselversuche  zur  Ueber- 
zeugung  gekommen,  dass  bei  akuten  Nierenkrankheiten  stickstoff¬ 
haltige  Nahrung  nur  in  geringen  Mengen  gegeben  werden  darf, 
dass  man  dagegen  bei  chronischen  Erkrankungen  ziemlich  grosse 
Mengen  geben  darf  und  muss.  Wasser  darf  bis  zu  1500  ccm  per 
Tag  getrunken  werden,  mehr  Flüssigkeit  ist  des  Herzens  wegen 
nicht  erlaubt.  Rotes  Fleisch  darf  ebensogut  gegeben  Averden  Avio 
weisses;  Behandlupgen  in  Karlsbad  und  Marienbad  wirken  direkt 
schädlich.  Im  allgemeinen  sind  derartige  Kranke  am  besten  in 
einem  Sanatorium  aufgehoben. 

Am  31.  Juli  sprach  B  u  z  z  a  r  d- London  über  die  Differential- 
diagnose  zwischen  funktionellen  und  organischen  Lähmungen. 


3554 


MUENCJIENER  MEHICTNISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


MorkAviirdigerAvoise  begann  Redner  seine  Ausführungen  mit 
der  Behauptung,  dass  kontinentale  Autoren  den  Ausdruck  ..funk¬ 
tionelle“  Störungen  so  gut  wie  gar  nicht  kennen,  sondern  dieselben 
immer  als  ..hysterische“  bezeichnet  en.  Stets  sind  die  dia¬ 

gnostischen  Schwierigkeiten  sehr  gross;  selten  oder  nie  wird  bei 
funktioneller  Hemiplegie  das  Gesicht  mitbetroffen.  Charakte¬ 
ristisch  ist  auch  der  Gang  der  Kranken.  Boi  Armlähmungen  ist 
folgendes  Symptom  von  Bedeutung:  Bei  funktionellen  Kontrak¬ 
turen  gelingt  es.  in  einer  Bewegung  den  Arm,  die  Hand  und 
die  Finger  zu  strecken;  dies  ist  hei  organischen  Kontrakturen 
unmöglich.  Bei  Lähmungen  der  unteren  Extremitäten  ist  Ba¬ 
li  i  n  s  k  i  s  Zehenphänomen  von  grosser  Bedeutung,  sein  Vor¬ 
handensein  spricht  mit  Sicherheit  für  eine  organische  Läsion. 
Wichtig  ist  auch,  dass  hei  funktionellen  Lähmungen  der  Patellar- 
reflex  gar  nicht  oder  doch  nur  sehr  schwer  ausgelöst  werden  kann. 
Ueberaus  häufig  werden  die  ersten  Symptome  der  multiplen 
Sklerose  (massige  und  vorübergehende  Lähmungen  einer  Extremi¬ 
tät)  fälschlich  als  hysterische  gedeutet,  ein  Umstand,  der  von 
Broadbent  bestätigt  wird.  .Tudson  B  u  r  y  -  Manchester  hält 
B  a.  b  i  n  s  k  i  s  Boflex  durchaus  nicht  für  ausschlaggebend,  da  er 
auch  bei  funktionellen  Störungen  beobachtet  wird.  Reynolds- 
Manchester  weist  auf  die  grosse  Zunahme  der  funktionellen  Er¬ 
krankungen  resp.  der  Simulation  hin,  die  sich  seit  Einführung  der 
Arbeiterentschädigungsgesetze  auch  in  England  bemerkbar  macht. 
Mott-  London  glaubt,  dass  die  von  ihm  angegebene  Cholin- 
analvse  des  Blutes  wohl  zur  Differentialdiagnose  verwendbar  sei. 
Bei  Zerstörung  von  Nervensubstanz  wird  das  Cholin  vermehrt, 
man  muss  5 — 10  ccm  Blut  abzapfen,  dies  wird  mit  der  8  fachen 
Menge  Alkohol  behandelt,  um  die  Kaliumsalze  auszufällen:  die 
übrigbleibenden  Cholinkristalle  werden  mit  Alkohol  ausgewaschen. 
Farves  S  t  e  w  a  r  t  -  London  legt,  grosses  Gewicht  auf  die  Stellung 
der  gelähmten  Glieder,  die  bei  organischer  Lähmung  natürlich  be¬ 
stimmten  anatomischen  Gesetzen  gehorcht,  bei  funktioneller  jedoch 
mehr  weniger  willkürlich.  Eine  Beihe  schöner  Projektionsbilder 
illustrieren  das  Gesagte.  M  a  c  C  o  r  m  a  c  -  Belfast  sprach  be¬ 
sonders  noch  über  die  Augenlähmungen  und  betonte  ausserdem, 
dass  bei  organischen  Erkrankungen,  besonders  bei  disseminierter 
Sklerose,  nicht  so  selten  auch  funktionelle  Symptome  vorhanden 
sind.  Dreschfeld  -  Manchester  hat  Babinskig  Reflex  nie 
bei  Hysterischen  gefunden,  wohl  aber  bei  anderen  Erkrankungen, 
wie  solchen  des  Nervensystems,  z.  B.  bei  Skorbut.  Immerhin  be¬ 
deutet  er  ein  wichtiges  differentialdiagnostisches  Symptom.  Dann 
sprach  Hastings  G  i  1  f  o  r  d  -  Reading  über  Infantilismus  und 
Senilismus,  worunter  er  eine  zu  späte,  resp.  zu  frühe  Entwicklung, 
namentlich  auch  der  Geschlechtsfunktionen  versteht.  Weitere  Vor¬ 
träge  von  Poynton  und  Pa  ine  über  die  Bakteriologie  der  Arthri- 
1  is  rlieumatica.  von  Cliowry-Mut  h  u  über  Sanatoriumsbehand¬ 
lung  der  Phthisiker  und  von  Campbell-  London  über  seltenere 
Formen  der  Basedo  w  sehen  Krankheit  seien  nur  kurz  erwähnt. 

Abteilung  für  Pathologie. 

Am  BO.  .Tuli  eröffnete  W.  M  o  1 1  -  London  eine  Diskussion  über 
die  Pathologie  der  Nervendegeneration.  Bedner  beschränkte  sich 
liaupsäehlieh  auf  den  chemischen  Teil  der  Frage.  Er  hat  gefunden, 
dass  nach  Durchschncidung  des  N.  iscliiadicus  der  Plioshorgelialt 
des  Bückenmarkes  umgekehrt  proportional  zur  Färbefähigkeit  des 
Markes  mit  M  a  r  c  h  i  scher  Lösung  schwankt.  Er  schliesst  daraus, 
dass  das  Lecithin  des  normalen  Nervengewebes  in  Fett  und 
Glyzerinphosphorsäure  gespalten  wird.  Im  Liquor  cerebrospinalis 
tritt  dann  Cholin  auf.  Bei  allgemeiner  Paralyse,  Beri-Beri  und 
anderen  Nervenkrankheiten  ist  der  Cholingehalt  des  Blutes  erhöht 
und  schlägt  Bedner  vor.  diesen  Umstand  als  differentialdiagnosti¬ 
sches  Symptom  zwischen  organischer  und  funktionaler  Erkran¬ 
kung  des  Nervensystems  zu  benutzen.  (Siehe  auch  unter  Ab¬ 
teilung  für  Medizin.  Bef.)  Der  Stimulus,  der  von  den  Nerven¬ 
zellen  ausgeht,  ist  von  Wichtigkeit  bei  der  Degeneration  der 
Nervenzellen:  durchschneidet  man  die  hinteren  Wurzeln,  so  re¬ 
generiert  sich  der  Nerv  weniger  rasch.  Die  Zellen  des  Neuri- 
leinmas  sind  seiner  Meinung  nach  wichtige  Faktoren  bei  der  De¬ 
generation  der  Achsenzylinder. 

Purves  Stewart-  London  demonstriert  zahlreiche  Prä¬ 
parate  zur  Regeneration  durchschnittener  Nerven.  Stets  treten 
im  distalen  Ende  degenerative  Veränderungen  auf,  auch  wenn  es 
direkt  an  das  zentrale  genäht  wurde.  Primäre  Vereinigung  ohne 
Degeneration  gibt  es  nicht.  Auch  das  proximale  Segment  degene¬ 
riert  in  seinem  äussersten  Ende.  Redner  beschreibt  dann  genau 
die  Vorgänge  bei  der  Bildung  neuer  Nervenfasern  und  betont  die 
grosse  Bedeutung  der  Zellen  des  Neurilemmas  bei  der  Neubildung 
der  Achsenzylinder  und  der  Markscheiden.  Im  distalen  Segment 
eines  durchschnittenen  Nerven  gehen  dieselben  Vorgänge  einher, 
nur  erreichen  hier  die  neugebildeten  Nervenfasern  nicht  ihre  ATolle 
Reife.  Redner  wendet  sich  auf  Grund  seiner  Studien  gegen  die 
Neurontheorie  Waldeyers,  die  er  durch  die  Fibrillentheorie 
A  p  A  t  h  y  s  ersetzen  will.  Von  grosser  Wichtigkeit  ist  das 
Zentralnervensystem,  da  ohne  die  von  ihm  ausgesandten  Reize 
die  neugebildeton  Fasern  des  distalen  Endes  nie  zur  Reife  kommen. 
Sh  er  rington  und  H  o  r  s  1  e  y,  die  ebenfalls  in  die  Diskussion 
eingriffen.  verteidigten  die  Neuronlehre. 

W  ar  ring’  ton  -  Liverpool  sprach  dann  über  die  Anatomie 
des  Nervensystems  bei  einem  Falle  von  afrikanischer  Lethargie 
(Schlafkrankheit).  Es  handelte  sich  in  den  von  ihm  untersuchten 
Fällen  um  eine  subchronische  Leptomeningitis.  Ueberall  im  Ge¬ 
hirn  fand  sich  perivaskuläre  Rundzelleninfiltration.  Mikroorganis¬ 
men  konnte  er  nicht  finden. 


Am  31.  .Tuli  sprach  W  oodhead  -  Cambridge  über  den  Platz 
der  bakteriologischen  Diagnose  in  der  Medizin.  Der  Vortrag  be¬ 
rücksichtigte  namentlich  die  Diphtherie  und  war  gegründet  auf 
BO  (100  Untersuchungen  bei  12172  Kranken,  die  Redner  während 
der  letzten  3  Jahre  ausgeführt  hat.  Nach  seinen  Beobachtungen 
glaubt  Bedner.  dass  Fälle,  bei  denen  die  langen  Diphtheriebazillen 
gefunden  werden,  Adel  gefährlicher  sind  als  solche,  bei  denen  die 
typische  Form  vermisst  wird.  Fanden  sich  die  langen  Bazillen 
in  Reinkulturen,  so  fand  man  eine  Sterblichkeit  von  21.4  Proz., 
bei  Anwesenheit  von  langen  und  kurzen  betrug  die  Mortalität 
20  Proz.,  bei  kurzen  und  atypischen  Bazillen  18  Proz..  bei  irregu¬ 
lären  Formen  allein  17,3,  bei  alleiniger  Anwesenheit  kurzer  Ba¬ 
zillen  sank  die  Mortalität  auf  3  Proz.  In  Mischinfektionen  mit 
Streptokokken  hatten  die  langen  Diphtheriebazillen  e'ne  Sterblich¬ 
keit  von  24,5.  die  kurzen  eine  solche  von  10.4  Proz.  Bei  Misch¬ 
infektionen  mit  Staphylokokken  hatten  die  langen  eine  Sterblich¬ 
keit  von  42,5,  die  kurzen  eine  solche  von  11,9  Proz.  W  o  odhe  a  d 
empfiehlt  dringend,  die  Absonderung  für  Diphtheriekranke  auf 
mindestens  9  Wochen  zu  verlängern,  da  in  seltenen  Fällen  sogar 
noch  nach  dieser  Zeit  Diphtheriebazillen  gefunden  werden. 

Der  nächste  Vortrag  von  F  i  r  t  h  und  Horrocks  handelte 
über  die  Lebensfähigkeit  von  Typhusbazillen  im  Boden  und  auf 
Kleidungsstücken.  Die  Bedner  haben  gefunden,  dass  sich  Typhus¬ 
bazillen  wenigstens  18  Zoll  tief  in  festliegende  Erde  waschen  lassen 
und  dass  sie  darin  bis  74  Tage  am  Leben  bleiben.  Die  Lebens¬ 
dauer  im  Boden  hängt  ausschliesslich  von  der  Feuchtigkeit  des¬ 
selben  ab  und  nicht  etwa  davon,  ob  er  verunreinigt  ist  oder  nicht. 
Tn  Torfboden  stirbt  der  Bazillus  sofort.  Es  fand  sich  ferner,  dass 
Typhusbazillen  leicht  durch  die  Luft  von  trockener  Erde  oder 
Sand  AA'eit  himveggeführt  werden  konnten.  Ferner  liess  sich  fest- 
stellen.  dass  noch  am  87.  Tage  lebende  Typhusbazillen  von  Uni¬ 
formsstücken  (Khaki  und  Serge)  gezüchtet  werden  konnten.  Zum 
Schlüsse  weisen  die  Redner  darauf  hin.  dass  auch  die  gewöhnliche 
Hausfliege  Typhusbazillen  verschleppen  kann,  und  zwar  passieren 
dieselben  nicht  durch  ihren  Verdauungskanal,  sondern  haften  am 
Körper  der  Fliege.  Es  gibt  also  ausser  dem  Wasser  noch  eine 
Reihe  von  anderen  Verbreitungs wegen  des  Typhus,  die  namentlich 
auch  in  Feldzügen  zu  berücksichtigen  sind. 

Abteilung  für  Kinderkrankheiten. 

Am  30.  .Tuli  eröffnete  R  o  t  c  h  -  Harvard  University  eine  Dis¬ 
kussion  über  die  Veränderungen  der  Milch  in  der  Säuglings¬ 
ernährung.  Er  verlangt,  dass  die  Milch  nicht  nur  von  gesunden 
Tieren  stamme,  sauber  aufgefangen  und  unverfälscht  und  ohne 
Verunreinigung  dem  Säugling  zugeführt  werde,  sondern  er  ver¬ 
wirft  auch  die  bisher  meist  übliche  Mischung  der  Milch  durch 
Mutter  oder  Pflegerin.  Er  verlangt  die  Einrichtung  bestimmter 
Milchlaboratorien,  die  im  Zusammenhang  mit  Kuhställen  stehen 
und  in  denen  die  Milch  genau  analysiert  und  nach  Rezeptur  des 
Arztes  für  jedes  Kind  täglich  gemischt  wird.  In  Amerika  haben 
die  Gordon  Walker-Laboratorien,  die  diesem  Zwecke  dienen,  sich 
durchaus  bewährt.  Die  Milch  wird  hier  nicht  nur  verdünnt,  son¬ 
dern  auch  nach  Wunsch  des  Arztes  mit  Fett,  Zucker,  Kasein  etc. 
versetzt,  um  jedem  Falle  gerecht  zu  werden.  Baginsky- 
Berlin  teilt  mit,  dass  er  ähnliche  Einrichtungen  in  Deutschland 
ins  Leben  gerufen  hat  und  mit  ihnen  sehr  zufrieden  ist. 

H.  de  Rothschild-  Paris  hält  derartige  Laboratorien  für 
überflüssig,  da  die  Mutter  unter  Leitung  des  Arztes  alles  Nötige 
zuhause  machen  könne;  auch  Pritchard  -  London  schliesst  sich 
dieser  Meinung  an,  er  hat  das  Gordon  Walker-Laboratorimn  in 
London  versucht,  findet  es  aber  für  praktische  Zwecke  Adel  zu 
teuer.  Northup  -  New-York  verteidigt  dagegen  vom  Stand¬ 
punkt  des  praktischen  Arztes  die  Laboratorien  auf  das  lebhafteste. 

31.  .Tuli.  H.  S  t  i  1  e  s  -  Edinburgh  sprach  über  die  Chirurgie 
des  Zentralnervensystems  im  Kindesalter.  Während  bei  Spina 
bifida  und  Meningocelen  schöne  Erfolge  erzielt  wurden,  hat  die 
Behandlung  des  Hydrocephalus  internus  congenitus,  sowie  des 
M  ikrokephalus  bisher  keine  Erfolge  gezeitigt.  Auch  die  tuber¬ 
kulöse  Meningitis  sollte  nicht  operiert  werden,  die  Meningitis 
basilaris  posterior  Avird  dagegen  häufig  durch  Lumbal-  oder  Ven¬ 
trikelpunktion  resp.  durch  Ventrikeldrainage  günstig  beeinflusst. 
Bei  Drucklähmungen  (Abszess)  bei  Spondylitis  muss  man  die 
Laminektomie  machen.  Bei  Epilepsie  kann  man  nur  dann  Er¬ 
folge  hoffen,  wenn  man  durch  Entfernung  eines  Teiles  der  Dura 
ein  dauerndes  Ventil  schafft.  Thelwall  Thom  a  s  -  Liverpool 
glaubt,  dass  durch  systematische  Kollodiumbepinselung  von  Spina 
bifida  viele  Operationen  vermieden  werden  können;  auch  Dun- 
Liverpool  hat  Adele  Fälle  spontan  heilen  sehen.  Er  verwirft 
übrigens  die  Injektionen  mit  .Tod  und  empfiehlt  die  Exzision.  Bei 
Meningitis,  ausser  bei  der  tuberkulösen  Form,  hat  er  bei  direktem 
Eingehen  in  die  Seitenventrikel  öfters  Erfolge  gesehen.  Bei  Hydro- 
kephalus  empfiehlt  er  dauernde  Drainage  nach  aussen.  Verschie¬ 
dene  Orthopäden  sprachen  dann  noch  über  die  Behandlung  der 
Spondylitis  mit  portablen  Apparaten. 

Abteilung  für  Hautkrankheiten. 

30.  Juli.  Der  Sekretär  der  Sektion  Dr.  Lancashire  las 
einen  Vortrag  des  leider  am  persönlichen  Erscheinen  A’erhinderten 
Dr.  F  r  e  und-  Wien  über  die  Behandlung  der  Hautkrankheiten 
durch  Licht  und  Elektrizität.  Freu  n  d  ist  zu  der  Ueberzcugung 
gekommen,  dass  alle  diese  Methoden  auf  derselben  physikalischen 
Grundlage  beruhen  und  dass  die  Wirkung  der  Strahlen  auf  den 
Körper  gerade  AA'ie  bei  chemischen  Substanzen  von  der  Dosierung 
abhängig  ist.  Tn  schwachen  Dosen  befördern  die  Strahlen  or 


16.  September  1902. 


MITENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1555 


gallische  Vorgänge,  wie  das  Wachsen  der  Haare  etc.,  in  stärkeren 
setzen  sie  die  Lebensfähigkeit  herab  und  erzeugen  Entzündungen 
I,le,  Ohmschen  Wirkungen  aller  lichttherapeutischen  Methoden 
sind  ähnlich  die  physiologischen  stehen  in  direktem  Verhältnis 
zur  Intensität  der  Bestrahlung  und  im  umgekehrten  zur  Wellen¬ 
länge.  ,  i  ome  von  hoher  Frequenz  wirken  nur  durch  die  Funken¬ 
entladungen  und  sind  der  Lichttherapie  zuzuzählen.  Sie  sind  von 
.Nutzen  bei  Pruritus  und  Lupus  erythematodes.  Röntgenstrahlen 
sind  von  Erfolg  bei  Herpes  tonsurans,  Favus,  Sykosis  und  Ilyper- 
Ä  h;  überall  da,  wo  es  sich  um  Entfernung  von  Haaren 
handelt,  bakterizide  Wirkung  besitzen  sie  nicht.  Gegen  Lunus 
vulgans  wirken  Röntgenstrahlen  und  Finsens  Methode  gleich 
gut,  die  Behandlung  dauert  etwa  gleich  lange  und  der  kosmetische 
Ei  folg  ist  derselbe.  Redner  empfiehlt,  zuerst  die  grossen  Flächen 
nach  Röntgen  zu  behandeln,  zurückbleibende  kleinere  Herde 
nach  L  insen  Hie  ultraviolette  Lampe  hat  die  Finseulampe 
noch  nicht  verdrängen  können,  da  letztere  eine  grössere  Tiefen¬ 
wirkung  entfaltet. 

S  eq  u  ei  ra- London  hat  SU  Fälle  von  Ulcus  rodens  mit 
Rontgenstrahlen  behandelt  und  34  geheilt,  die  übrigen  sind  meist 
noch  unter  Behandlung,  Rezidive  bei  zu  frühem  Aussetzen  der 
Behandlung  sind  häufig,  lassen  sich  aber  stets  durch  erneute  Be¬ 
strahlung  beseitigen.  Trotz  dieser  guten  Erfolge  empfiehlt  Verf. 

,Z1U1’  Exzision  geeigneten  Fälle  mit  dem  Messer  zu  behandeln 
\\  irkliche  Epitheliome  werden  zuweilen  ebenfalls  durch  die  Be¬ 
strahlung  günstig  beeinflusst,  Drüsenmetastasen  aber  nicht  Re¬ 
zidivknoten  in  der  Haut  nach  Mammaamputationen  weichen  oft 
dei'  Bestrahlung.  Lupus  wird  temporär  geheilt  durch  die 
X-Strahlen,  doch  sind  häufige  Rezidive  zu  erwarten.  Lupus  ery¬ 
thematodes  wird  gar  nicht  beeinflusst.  Häufig  bleiben  nach  der 
Röntgenbestrahlung  hässliche  Teleangiektasien  der  Haut  zurück 
S.  E.  Höre- London  hat  mit  Malcolm  Morris  2  Jahre  lang 
in  grossem  Masstabe  die  Finsenbehandlung  geprüft.  Er  warnt 
vor  Ueberschätzungen  des  Wertes  dieser  Methode.  Betupfung  der 
Steilen  mit  Pyrogallol  oder  Hydrarg.  nitr.  erhont  die  Wirksamkeit 
der  Strahlen  bedeutend.  Blaue  Strahlen  sind  wirksamer  als  ultra¬ 
violette.  Auch  M  c  L  e  v  i  -  London  empfiehlt  die  Betupfung  der 
zu  bestrahlenden  Stellen,  er  empfiehlt  reine  Karbolsäure,  schwache 
Jodlösung  mit  Eisessig  und  1  proz.  Lösung  von  Kal.  permang.  Er 
wie  auch  Pli.  S.  Abraham-  London  haben  Nutzen  von  der 
L  liisenbehandlung  und  den  Röntgenstrahlen  bei  Lupus  erythema¬ 
todes  gesehen.  Norman  Walker  ist  enttäuscht  über  die  Licht¬ 
behandlung  des  Lupus,  hat  aber  von  Röntgenstrahlen  grossen 
Nutzen  gesehen;  auch  bei  Ulcus  rodens,  das  in  geeigneten  Fällen 
exzidiert  werden  sollte,  haben  sich  die  Röntgenstrahlen  bewährt 
\\  1 1  d  -  Manchester  spricht  über  die  Gefahren  der  Röntgenbestrah¬ 
lung,  er  sah  unter  anderem  Panophthalmitis  auftreten. 


tarnet  und  Radcliffe  Crocker  -  London  berichten  über 
ihre  Erfahrungen  mit  Tuberkulin  (T.  R.)  in  der  Behandlung 
des  Lupus  vulgaris.  Wenn  das  Mittel  auch  besonders  bei  den 
ulzerösen  Formen  junger  Leute  manchmal  gut  wirkt,  so  versagt 
es  doch  bei  anderen  Formen  sehr  häufig;  auch  ist  es  sehr  teuer, 
langwierig  in  der  Anwendung  und  schmerzhaft,  weshalb  von  seiner 
Anwendung  abgeraten  wird. 


Abteilung  für  Pharmakologie. 

30.  Juli.  Sir  Lauder  Brunton  -  London  eröft'nete  eine  Dis¬ 
kussion  über  die  Nebenwirkungen  der  Arzneimittel,  sowie  über 
Toleranz  und  Idiosynkrasie.  Aus  -dem  recht  interessanten  Vor¬ 
trage,  der  sich  naturgemäss  zu  einem  kürzeren  Referate  nicht 
eignet,  sei  nur  folgende,  von  Brunton  sehr  gelobte  Behandlung 
der  Appendizitis  hervorgehoben.  Er  gibt  2  stündlich  Natr.  salicyl. 
m  Dosen  von  1,0  und  10  bis  15  Tropfen  Tinct.  Belladonnae.  Beide 
Mittel  sind  so  lange  zu  nehmen,  bis  die  ersten  Symptome  auf¬ 
treten,  also  Ohrensausen  und  Trockenheit  des  Mundes,  Erweite¬ 
rung  der  Pupillen  und  Pulsbeschleunigung.  Treten  diese  Zeichen 
auf,  so  ist  das  betreffende  Mittel  auszusetzen  oder  sehr  zu  ver¬ 
mindern. 

Am  31.  J  uli  sprach  Ralph  Stockmann  -  Glasgow  über  den 
therapeutischen  Wert  des  Arsenik  und  seine  toxischen  Neben- 
Wirkungen.  Redner  sowmhl  wie  die  übrigen  in  die  Diskussion 
eingreifenden  Aerzte  sprachen  besonders  über  die  im  vorigen 
Jahre  in  Manchester  beobachteten  massenhaften  Fälle  von 
Arsenikvergiftungen  durch  Bier  und  raten,  bei  Verabreichung  von 
Arsenik  sorgfältig  auf  die  ersten  Anzeichen  einer  drohenden"  Ver¬ 
gütung  zu  achten,  da  schwere  Symptome  oft  sehr  rasch  und  un¬ 
vermutet  auftreten. 

Dann  sprach  Nestor  T  i  r  a  r  d  -  London  über  die  lokale  und 
allgemeine  Behandlung  der  Diphtherie.  Redner  gibt  zuerst  inter¬ 
essante  Ausweise  über  den  Widerstand,  den  die  Serumbehandlung 
auch  heute  noch  in  England  antrifft.  Zahlreiche  Fanatiker  und 
Antimenschen,  sowie  religiöse  Narren  machen  es  sich  zur  Aufgabe, 
den  Wert  dieser  Behandlung  herabzusetzen  oder  sie  als  sündhaft 
und  der  Bibel  widersprechend  zu  bezeichnen.  Auch  die  Aerzte 
haben  namentlich  in  den  ärmeren  Gegenden  noch  immer  die  Nei¬ 
gung,  die  Kinder  erst  dann  in  die  Spitäler  zu  schicken,  wenn  es 
zu  spät  ist,  selbst  aber  das  Serum  nicht  anzuwenden.  Trotzdem 
hat,  auch  in  England  die  Serumbehandlung  grosse  Erfolge  aufzu¬ 
weisen.  Redner  spricht  dann  noch  über  die  Intubation,  die  er  der 
Tracheotomie  weit  vorzieht. 


Abteilung  für  Hygiene  und  Gewerbekrankheiten. 

Am  30.  Juli  eröft'nete  King  A  1  c  o  c  k  -  Burslen  eine  Dis¬ 
kussion  über  den  Wert  systematischer  Untersuchungen  von  Ar- 


u  ,nf lo  Pffhrlic.hen  Betrieben.  Die  Diskussion  berücksicli- 

dim  (1°  V  ^lilltlnisse  iu  deu  grossen  Töpfereien  und 

den  hier  auttietenden  Plumbismus.  Nach  Ansicht  fast  aller 
Redner  ist  es  unvermeidlich,  dass  jeder  Arbeiter  eine  gewisse 
Menge  Blei  wahrend  der  Arbeit  absorbiert.  Pflicht  des  Ai^tes  ist 

<vv,:,.,(|hLV.UI(  :  |Zn1  ,di'S,S  dle  Sicherheitslinie  nicht  überschritten 

»xdohHlete  Individuen  sind  sofort  zu  entlassen.  Bond- 
loole  untersucht  m  seinem  Distrikte  alle  Frauen  und  jungen  Per¬ 
sonen  1  mal  monatlich.  Kolik  und  Magendarmstörungen  kommen 
viel  mehr  bei  Anstreichern  wie  in  Töpfereien  vor;  hier  ist  besonders 
aut  etwaige  Schwangerschaft  und  auf  Anämie  zu  achten  Bei 
diesen  anämischen  Mädchen  sind  regelmässige  Blutuntersuchungen 
notig  und  bei  zunehmender  Anämie  ist  die  Arbeit  auszusetzen, 
iut  man  dies  nicht,  so  wird  mau  nicht  selten  Fälle  erleben,  wo 
Mädchen  ohne  bedeutende  Symptome  zu  zeigen,  plötzlich  bewusst¬ 
los  werden  und  sterben.  Der  Bleisaum  fehlt  sehr  häufig  und 
zwar  nicht  nur  bei  zahnlosen  Individuen.  Prophylaktisch  empfiehlt 
er  täglich  Schwefel  innerlich  zu  geben.  Auch  andere  Redner  be¬ 
tonen  die  Wichtigkeit  periodischer  Blutzählungen,  Y  o  u  n  <*■ - 
Liverpool  auch  für  die  Phosphorindustrie.  Oliver-  NewcastFe 
dlf  Häufigkeit  der  akuten  explosivartig  auftretenden 
1  odestalle  durch  Bleivergiftung  betont,  empfiehlt  neben  sorgfälti¬ 
ger  üeberwachung  durch  den  Arzt  besonders  bessere  Ventilation 
und  Beseitigung  des  Staubes  in  den  Töpfereien;  dann  das  Tragen 
von  Respiratoren,  Abwechslung  in  der  Beschäftigung,  gute  Er¬ 
nährung  und  sofortige  Entfernung  von  der  Arbeit"  wenn  Zeichen 
der  Vergiftung  auftreten. 


D  e  a  r  d  e  n  -  Manchester  spricht  dann  noch  über  die  Ge- 
werbekrankh  eiten  der  Färber  mit  Anilinfarben. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

30.  Juli.  G  a  1  a  b  i  n  -  London  eröffnet  eine  Diskussion  über 
die  moderne  Indikation  zum  Kaiserschnitt.  Nach  Betonuiw  der 
überaus  ungleichen  Statistiken  über  die  mütterliche  und  kindliche 
Sterblichkeit  des  Kaiserschnittes  sowie  der  übrigen  bei  Geburts¬ 
hindernissen  angewendeten  Methoden  kommt  Redner  zu  dem 
Schluss,  dass  die  Sterblichkeit  der  Mütter  bei  der  Embryotomie 
ungefähr  doppelt  so  hoch  ist  wie  beim  Kaiserschnitt,  und  dass  letz¬ 
terer  deshalb  stets  zu  empfehlen  ist,  wenn  ein  mit  der  Baucli- 
chirurgie  vertrauter  Arzt  zu  haben  ist.  Für  den  praktischen  Ar/., 
kommt  meistens  nur  die  Embryotomie  in  Frage.  Kastriert  soll  nur 
bei  gleichzeitiger  Anwesenheit  eines  Fibroms  oder  eines  malEnon 
Tumors  werden.  Bei  Plazenta  priivia  ist  der  Kaiscrschnitt”nur 
indizieit,  \\  enn  gleichzeitig  Eklampsie  auftritt,  bei  der  sogen,  ver¬ 
borgenen  accidentellen  Blutung  ist  der  Kaiserschnitt  oft  indiziert. 
Murdoch  Cameron  sprach  über  seine  eigenen  Erfahrungen  an 
oO  Kaiserschnitten.  Er  empfiehlt,  durch  Andrücken  eines  Pessars 
an  den  Uterus  die  Blutung  zu  verringern  und  die  Uteruswunde  mit 
Ivatgut  zu  nähen.  Er  fügt  stets  die  Kastration  durch  Resektion  der 
Tuben  hinzu.  Munro  K  e  r  r  empfiehlt  bei  konservativem  Kaiser¬ 
schnitt  die  Fundusinzision  nach  Fritsc  h,  während  Spencer - 
London  davor  warnt,  da  es  leicht  zu  Verwachsungen  der  Narbe 
mit  Eingeweiden  kommt.  Im  allgemeinen  waren  die  schottischen 
Redner  ziemlich  konservativ,  sie  wollen  nur  dann  operieren,  wenn 
die  Konjugata  weniger  wie  2%  Zoll  beträgt.  Die  gleichzeitige 
Sterilisation  verwerfen  sie.  Die  Einleitung  der  künstlichen  Früh¬ 
geburt  halten  sie  im  allgemeinen,  namentlich  in  der  Hospital¬ 
praxis,  für  sehr  gefährlich. 


Spencer-  London  spricht  über  abdominale  Hysterektomie 
bei  Fibromen.  Er  hat  14  mal  nach  Doyens  Methode  operiert  und 
empfiehlt  diese  Methode  als  die  beste.  Man  soll  übrigens  stets  die 
Totalexstirpation  machen,  da  in  der  zurückbleibenden  Zervix  sich  gar 
nicht  so  selten  maligne  Geschwülste  bilden.  Kleinere  Geschwülste 
enukleirt  er  von  der  Scheide  aus.  Die  Diskussion  beschäftigte  sich 
vor  allem  mit  der  Frage,  ob  es  ratsam  sei,  die  Scheidenwunde  zu 
schliessen  oder  nach  der  Scheide  zu  drainieren.  Eine  Einigung 
über  diese  Frage  wurde  nicht  erzielt. 

Am  31.  Juli  demonstrierte  Curatulo  -  Rom  ein  Spekulum 
zur  Behandlung  der  Frauenkrankheiten  mit  Eicht.  Dann  sprach 
Harrison  -  New-York  über  die  Aetiologie,  Diagnose  und  Be¬ 
handlung  der  Extrauterinschwangerschaft.  Obwohl  das  Vor¬ 
kommen  von  Ovarialgravidität  erwiesen  ist,  kommen  praktisch 
eigentlich  nur  die  Tubenschwangerschaften  in  Betracht.  Ihre 
Aetiologie  ist  noch  dunkel,  auch  ist  noch  unsicher,  ob  eine  Dezidua 
in  der  Tube  gebildet  wird.  Ruptur  ist  nicht  das  gewöhnliche  Ende 
der  Schwangerschaft,  der  Fötus  geht  vielmehr  häufig  viel  früher 
zu  Grunde.  Kann  man  die  Diagnose  vor  dem  Tode  des  Fötus 
machen,  so  entferne  man  den  Sack  vom  Bauch  aus.  Bei  Hämato- 
cele  verhalte  man  sich  abwartend.  Bei  Ruptur  mit  schwerem 
Kollaps  operiere  man  sofort.  Tubenaborte  sind  sehr  häufig,  Rup¬ 
turen  dagegen  ziemlich  selten.  In  der  Diskussion  nahmen  die  An¬ 
wesenden  im  allgemeinen  einen  ziemlich  aktiven  Standpunkt  ein. 
Eine  diagnostizierte  Tubenschwangerschaft  ist  vom  Bauche  aus 
zu  entfernen,  auch  bei  Hämatocelen  warte  man  nicht  zu  lange, 
sondern  entferne  sie  von  der  Scheide  aus.  Sehr  empfohlen  werden 
grosse  Dosen  von  Strychnin  (35  Tropfen  des  Liqu.  Stryclmb  und 
Koehsalzinfusionen  vor  und  während  der  Operation  eines  geplatz¬ 
ten  Sackes. 

J  ardine  -  Glasgow  hielt  dann  einen  Vortrag  über  den  Ge¬ 
brauch  des  Chlorkaliums  bei  Fällen  von  habituellem  Absterben 
des  Fötus  in  den  späteren  Schwangerschaftsmonaten.  Er  gibt 
3  mal  täglich  0,8  und  hat  trotz  regelmässiger  Anwendung  für 
6  Monate  keine  üblen  Nebenwirkungen  gesehen.  Der  Erfolg 


No.  37. 


1556 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


scheint  ein  guter  zu  sein.  Mehrere  Anwesende,  die  auf  Rat  von 
S  i  m  p  so  n  das  Mittel  versucht  haben,  halten  es  für  völlig  nutzlos. 

De-r  nächste  Vortrag  handelte  über  die  Eklampsie  als  eine 
Folge  mangelhafter  Schilddrüsentätigkeit  und  die  Behandlung 
mit  Thyreoidin.  Nicholson-  Edinburgh  glaubt,  dass  die 
Schilddrüse  einen  Stoff  ausscheidet,  der  zur  Erhaltung  eines  nor¬ 
malen  Stoffwechsels  unbedingt  notwendig  ist.  M  ährend  der 
Schwangerschaft  wird  mehr  von  diesem  Stoff  verbraucht  und  die 
Schilddrüse  hypertrophiert  um  den  gesteigerten  Anforderungen 
entsprechen  zu  können.  Manchmal  versagt  sie  nun  m  der 
Schwangerschaft  und  es  treten  toxische  Substanzen  m  das  Blut 
über  und  erzeugen  den  eklamptischen  Anfall.  Füttert  man  nun 
mit  Thyreoidin,  so  wird  einerseits  der  fehlende  Stoff  dem  Körper 
„•eüefert  und  andererseits  wird  die  Diagnose  gehoben,  da  das 
Thyreoidin  die  Gefässe  erweitert.  Man  muss  grosse  Dosen  geben 
und  „Tliyreodismus“  erzeugen,  um  gute  Resultate  zu  erzielen. 

Der  letzte  grössere  Vortrag  war  von  Hart-  Edinburgh  und 
handelte  über  die  Behandlung  des  Uterusvorfalls.  Er  empfiehlt 
Amputation  der  Zervix  und  hintere  und  vordere  Elytrorrhaphie. 
In  schweren  Fällen  kommt  die  Ventrofixation  sowie  die  Total- 
exstirpation  des  Uterus  und  der  Scheide  in  Frage.  L  d  e  b  o  li  l  s  - 
New-York  will  in  jedem  Falle  ausser  den  vaginalen  llastiken  die 
Ventrofixation  sowie  die  Zervixamputation  machen.  Er  zieht  übri¬ 
gens  laterale  Kolporrhaphien  vor.  ln  schweren  FanenenUenite'i 
Gebärmutter  und  Scheide.  Er  legt  ein  besonderes  Gewicht  daiaut, 
seine  Kranken  früh,  schon  nach  8  Tagen  aufstehen  und  aibeiten 
zu  lassen.  I  n  g  1  i  s  -  P  a  r  s  o  n  s  -  London  empfiehlt  wiederum 
seine  Methode,  Chininlösungen  in  die  breiten  Mutterbänder  zu 
spritzen  ln  über  GO  Fällen,  deren  Operationen  langer  wie  2  Jahre 
zurückliegen,  ist  völlige  Heilung  eingetreten,  auch  in  sehr 
schweren  Fällen  und  trotz  nachfolgender  Geburten  hat  sich  die 
Methode  bewährt.  G  a  1  a  b  i  n  -  London  empfiehlt  nach  allen 
Operationen  Jahre  lang  ein  Hodgepessar  tragen  zu  lassen.  Bei 
wohlhabenden  Kranken  kann  man  statt  dessen  mehrmonatlicke 
Bettruhe  nach  der  Operation  verordnen.  Er  entfernt  die  ganze 
muskulöse  Wand  der  Vagina  und  das  Mittelstück  des  Levator  am, 
wonach  die  Seitenteile  aneinander  genäht  werden. 

C  a  m  e  r  o  n  spricht  dann  noch  über  die  Behandlung  der 
Fibroide,  nur  ein  Drittel  aller  Fälle  bedürfen  der  operativen  Be¬ 
handlung.  Er  wendet  häufig  die  Kastration  an  und  ist  mit  dem 

Resultate  derselben  sehr  zufrieden. 

Es  folgen  noch  ein  Vortrag  Curatulos  ubei  die  Wnkunö 
der  Quellen  von  Salsomaggiore,  sowie  ein  weiterer  von  M  c  C  a  n  n 
über  Vaginofixation.  J-  B-  zum  Busch-  London. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Clinical  Society  of  Manchester. 

Sitzung  vom  20.  Mai  1902. 

A.  W.  W.  Lea  berichtete  über  seine  Erfahrungen  bei  Fällen 
von  Enteroptose.  Unter  einer  Beobachtungsreihe  von  000  Frauen 
will  er  die  Anomalie  54  mal  angetroffen  haben.  Er  hat  oftmals 
das  Colon  transversum  gerade  oberhalb  der  Symphyse  liegend  ge¬ 
funden  und  den  Magen  unterhalb  des  Nabels.  Bei  <0  1  roz.  die^1 
Fälle  war  eine  Nierensenkung  zu  konstatieren.  Gleichzeitig  landen 
sich  oftmals  Verlagerungen  der  Gebärmutter,  l’rolaps  und  Letro- 
liexion.  oder  auch  es  fanden  sich  Adhäsionen  infolge  von  Becken¬ 
peritonitis.  Als  ätiologische  Momente  sind  zu  nennen:  allgemeine 
Schwächezustände  und  Muskelatrophie,  Anämie  und  Verdauungs¬ 
störungen,  ferner  Gravidität,  Peritonitis  und  namentlich  das 
Tragen  von  engen  Korsetts,  wodurch  die  Bauckmuskulatui  atio- 
pkiert  und  die  Eingeweide  durch  das  Gewicht  der  angebangten 
Kleider  heruntergezogen  werden.  Die  klinischen  Erscheinungen 
sind  variabel  und  stehen  nicht  immer  in  direktem  Verhältnis  zu 
den  anatomischen  Veränderungen.  Obstipation  hartnäckigster  Art 
ist  ein  gewöhnliches  Symptom,  zuweilen  aber  treten  Attacken  von 
Diarrhöe  auf.  Das  Abdomen  ist  schlaff  nud  nach  beiden  Seiten 
hin  prominent.  Die  Mm.  reeti  klaffen  gewöhnlich  sogar  bis  zu 
mehreren  Zentimetern.  Auch  der  Magen  ist  ganz  häufig  dilatieit. 
Aortenpulsation  ist  in  vielen  Fällen  sehr  markiert.  Die  Behand¬ 
lung  wird  neben  der  Beseitigung  aller  ätiologischen  Momente  die 
Regelung  der  Verdauung  und  namentlich  die  Stärkung  der  Muskeln 
der  Bauchwand  betreffen,  ln  letzterer  Hinsicht  sind  gut  aus¬ 
geführte  gymnastische  Hebungen  folgender  Art  von  grossem 
Werte:  1.  Patientin  legt  sich  mit  gekreuzten  Armen  flach  hm  und 
hebt  sich  alsdann  in  die  sitzende  Stellung;  2.  Patientin  erhebt  m 
liegender  Stellung  das  gestreckte  Bein  (resp.  alle  beide)  bis  zu 
rechtwinkliger  Stellung  zum  Abdomen;  ö.  Tiefatmen.  Jede  Uebung 
soll  je  G  bis  12  mal  Morgens  und  Abends  ausgeführt  werden.  In 
Bezug  auf  Leibbinden  ist  zu  betonen,  dass  dieselben  bis  unterhalb 
der  Hüften  hinunterreichen  müssen,  um  die  Baucheingeweide  von 
unten  her  emporzuheben,  andernfalls  gewähren  dieselben  keine  Er¬ 
leichterung.  Zum  Schluss  erwähnt  Redner  die  verschiedenen  chi¬ 
rurgischen  Eingriffe,  welche  in  Betracht  kommen  können,  nament¬ 
lich^  auch  die  Resektion  von  Haut  und  Faszie  der  Abdominalwand. 
Am  zweckmässigsten  sei  es,  die  Ränder  der  Mm.  recti  frei  zu  legen 
und  dieselben  in  einer  gemeinsamen  Scheide  zu  vereinigen.  Bei 
Symptomen  von  Peritonealadhäsionen  kommt  eventuell  auch  eine 
Probelaparotomie  in  Betracht.  Pkilippi-Bad  Salzscklirt. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  9.  September  1902. 

Rudolf  V  i  r  c  h  o  w  R 

Hoch  ist  kein  Jahr  vergangen,  seit  von  allen  Völkern  des 
Erdenrundes,  soweit  die  Kultur  vorgedrungen  ist,  Abgesandte 
in  der  Hauptstadt  des  Deutschen  Reiches  zusammenströmten, 
um  einem  Fürsten  im  Reiche  der  Wissenschaft  eine  Huldigung 
zu  bereiten,  wie  sie  noch  keinem  vor  ihm  zuteil  geworden  ist. 
Obwohl  die  Feier  einem  Achtzigjährigen  galt,  glaubte  doch  da¬ 
mals  noch  keiner,  der  die  scheinbar  unverwüstliche  körperliche 
und  geistige  Frische  des  greisen  Gelehrten  zu  bewundern  Ge¬ 
legenheit  hatte,  dass  seine  körperliche  Kraft  so  bald  gebrochen 
sein  würde.  Und  heute  ist  wieder  der  Name  Virehow  in 
Aller  Munde;  trauernd  steht  die  ganze  zivilisierte  Welt  an  der 
Bahre  des  grossen  Mannes,  der  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch 
dem  Kulturleben  seiner  Zeit  den  Stempel  seines  Geistes  auf¬ 
gedrückt  hat.  In  Berlin,  wo  Virehow  zu  den  volkstümlichen 
Persönlichkeiten  gehörte,  ist  die  Teilnahme  an  seinem  ITin- 
scheiden  eine  allgemeine;  vom  Tage  seiner  Rückkehr  aus  Ilarz- 
burg  an  wurden  täglich  Berichte  über  sein  Befinden  veröffent¬ 
licht,  und  schon  wenige  Stunden  nach  seinem  Tode  war  die  Nach¬ 
richt  durch  die  ganze  Stadt  verbreitet.  Alle  Zeitungen  bringen 
ausführliche  Aufsätze  über  sein  Leben  und  Wirken;  auch  in 
denjenigen,  welche  seine  politischen  Anschauungen  bekämpft 
hatten,  wird  seiner  immensen  Bedeutung  für  die  Wissenschaft 
und  die  praktische  Hygiene  rückhaltlose  Anerkennung  gezollt. 

Heute  wurde  er  zur  letzten  Ruhe  bestattet.  Die  lrauer- 
feier  gestaltete  sich  zu  einer  imposanten  Huldigung  der  Stadt 
Berlin  für  das  Andenken  ihres  grossen  Ehrenbürgers,  der 
Wissenschaft  für  ihren  Reformator,  der  politischen  Körper¬ 
schaften  und  Vereine  für  eines  ihrer  hervorragendsten  Mit¬ 
glieder.  Die  Leiche  war  im  grossen  Saal  des  Rathauses  auf¬ 
gebahrt,  der  ebenso  wie  der  ganze  Weg  von  der  Strasse  bis  zum 
Saal  in  einen  Palmen-  und  Lorbeerhain  umgewandelt  war. 
Ausser  dem  Magistrat  und  den  Stadtverordneten,  welche  voll¬ 
zählig  erschienen  waren,  nahm  fast  der  ganze  Lehrkörper  der 
Universität,  Minister  Studt  und  v.  Rheinbaben,  Ver¬ 
treter  anderer  Ministerien,  eine  Reihe  hervorragender  Par¬ 
lamentarier,  Anton  v.  Werner  als  Vertreter  der  Akademie 
und  viele  persönliche  Freunde  Virchows  und  fremde  Abord¬ 
nungen  an  der  Trauerfeier  teil.  Unter  den  Klängen  einer  vom 
Domchor  intonierten  Ode  betritt  die  Familie  des  Entschlafenen 
den  Saal  und  bald  darauf  ergreift  der  Geistliche  das  Wort.  Mit 
voller  Würdigung  der  geistigen  Grösse  Virchows  zeichnete 
er  in  scharfen  Umrissen  ein  charakteristisches  Bild  des  Geistes¬ 
helden,  dem  niemals  das  Wahrscheinliche,  sondern  immer  nur 
das  Erwiesene,  das  Unzweifelhafte  zum  Ausgangspunkt  weiteren 
Forschens  werden  durfte.  Der  Grundzug  in  allen  seinen  Arbeiten 
war  die  Kritik,  und  eben  dadurch  gelang'  es  ihm,  sicheren 
Schrittes  zur  Erkenntnis  des  Wahren  durchzudringen.  So 
wurde  er  ein  weithin  leuchtendes  Licht,  an  dem  viele  andere  ihre 
Fackel  entzündet  haben  und  so  das  Licht  hinaustrugen  in  die 
Welt,  so  dass  es  nun  überall  leuchtet,  wo  seine  Wissenschaft  ge¬ 
lehrt  wird.  Aber  dieses  Licht  hat  nicht  nur  geleuchtet,  sondern 
auch  erwärmt;  er  hat  seine  Wissenschaft  auch  dem  Gemeinwohl 
nutzbar  zu  machen  gewusst  und  viele  Tausende  von  Kranken 
geniessen  in  unseren  Krankenhäusern  die  Früchte  seines  Schaf¬ 
fens.  Einer  der  stärksten  Vorkämpfer  im  Kampfe  der  Mensch¬ 
heit  gegen  den  Tod,  ist  er  nun  selbst  dem  Tode  zum  Opfer  ge¬ 
fallen,  und  doch  fühlen  wir  gerade  hier  die  Ohnmacht  des  Todes, 
denn  bei  dieser  Trauerfeier  umweht  uns  ein  Hauch  der  Un¬ 
sterblichkeit. 

Nachdem  der  Geistliche  seine  Rede  beendet  hatte,  hielt 
W  a  1  d  e  y  e  r  eine  kurze  Ansprache.  Er  erinnerte  an  das  F  est, 
das  am  13.  Oktober  des  vorigen  J ahres  zu  Ehren  V  i  r  c  h  o  w  s 
im  Abgeordnetenhause  gefeiert  wurde,  dem  nun  so  bald  diese 
Trauerfeier  im  Rathause  folgen  sollte.  Abgeordnetenhaus  und 
Rathaus  bezeichnen  zugleich  die  Stätten,  an  denen  ein  grosser 
Teil  von  Virchows  Wirken  sich  entfaltete.  Aber  über  dem 
allem  steht  das,  was  der  Entschlafene  der  Wissenschaft  gewesen 
ist;  er  war  der  Mann,  den  Johannes  Müller  vorausgeahnt 
hatte,  der  auf  Grund  der  Erfahrung  die  Pathologie  erforschen 


16.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1557 


nnd  neu  begründen  sollte.  Und  darum  ist  uns  Virchow  in 
Wirklichkeit  nicht  gestorben,  was  sein  Auge  erschaut,  seine  Hand 
erschaffen,  sein  Geist  ersonnen  hat,  das  ist  unsterblich.  Nach 
diesen  gewissermassen  offiziellen  Worten  trat  Waldeyer 
dicht  an  den  Sarg  heran,  um  als  Freund  dem  Freunde  noch  einen 
warmen  Abschied sgruss  zuzurufen. 

Nach  ihm  sprach  Albert  Träger,  welcher  besonders  der 
Gewissenhaftigkeit  und  des  unermüdlichen  Eifers  gedachte,  mit 
dem  Vircho  w  seine  so  unendlich  vielseitige  Kraft  in  den 
Dienst  der  parlamentarischen  Arbeit  gestellt  hat;  und  zum 
Schluss  ergriff  der  Oberbürgermeister  Kirschner  das  Wort. 
Ei  entiollte  ein  Eild  von  dem  mehr  als  40  jährigen  segensreichen 
Wirken,  welches  Virchow  im  Dienste  der  Stadt  entfaltet 
hat,  erwähnte  die  zahlreichen  z.  T.  hochbedeutsamen  Einrich¬ 
tungen,  welche  ihm  ihre  Entstehung  verdanken.  Und  auch  zu 
einer  Zeit,  als  er  längst  als  I  tirst  im  Reiche  der  Wissenschaft 
anerkannt  war,  verschmähte  er  es  nicht,  als  Bürger  seiner  Stadt 
gemeinsam  mit  seinen  Mitbürgern  für  das  Wohl  des  Gemein¬ 
wesens  zu  arbeiten.  Wenn  daher  die  städtischen  Behörden  von 
der  Familie  des  Entschlafenen  die  Erlaubnis  erbaten,  die  Trauer¬ 
feier  für  R  udolf  9  irchow  im  Rathause  zu  veranstalten, 
so  sollte  damit  den  Gefühlen  der  Verehrung,  der  Dankbarkeit 
und  der  Liebe  Ausdruck  gegeben  werden,  welche  alle  Kreise  der 
Bürgerschaft  für  ihren  grossen  Mitbürger  empfinden. 

Nachdem  der  Oberbürgermeister  geendet  hatte,  wurde  der 
Sarg  unter  den  feierlichen  Klängen  eines  Liedes  vom  Katafalk 
gehoben  und  zur  Strasse  heruntergetragen;  von  hier  aus  setzte 
sich  sehr  bald  der  ganze  schier  endlose  Zug  in  Bewegung.  Der 
ganze  etwa  eine  Stunde  lange  Weg  vom  Rathause  zum  Kirchhof 
war  von  einer  dichtgedrängten  Menschenmenge  umrahmt,  und 
wo  der  Sarg  vorbeikam,  da  entblössten  sich  in  andächtigem 
Schweigen  Aller  Häupter;  es  schien,  als  ob  ganz,  Berlin  dem 
Toten  das  Geleite  gab.  So  bewegte  sich  der  Zug  zum  Friedhof, 
wo  unter  den  Trauerklängen  der  Musik  und  nach  dem  Segens¬ 
spruch  des  Geistlichen  die  sterblichen  Ueberreste  Rudolf 
Virchows  der  Erde  übergeben  wurden.  M.  K. 


Briefe  aus  China. 

(Eigener  Bericht.) 

China  ist  in  den  letzten  Jahren  so  in  den  Vordergrund 
unseres  Gedankenkreises  getreten,  dass  man  fast  von  einer  Neu¬ 
entdeckung  dieses  originellsten  aller  Reiche  reden  kann.  Den 
bisher  erschienenen  „Ostasiatischen  Briefen“,  die  zumeist  aus 
nordchinesischen  Städten  geschrieben  wurden,  ein  Pendant  aus 
dem  Süden  an  die  Seite  zu  stellen,  soll  in  folgendem  unsere  Auf¬ 
gabe  sein.  .  1  :  ;  i  |  j  ; 

Die  Bewohner  des  „himmlischen  Reiches“  unterscheiden 
selbst  sehr  wohl  zwischen  Nord-  und  Südchinesen  und  behaupten, 
dass  das  Klima  seinen  Einfluss  auf  die.  so  verschiedene  Kon¬ 
stitution,  die  Anlagen  und  Aussprache  des  Volkes  habe. 

Unsere  ärztliche  Wissenschaft  und  Kunst  ist  bisher  auf  zwei 
V  egen  mit  Nord-  wie  Südchinesen  in  Berührung  gekommen, 
einmal  in  den  Vertragshäfen  oder  fremden  Kolonien  durch  Re- 
gicrungs-  und  Zivilhospitäler  und  die  dortigen  Aerzte,  dann  im 
Innern  des  Landes  durch  englische,  amerikanische,  schwedische 
und  deutsche  Missionsärzte,  deren  es  jetzt  224  gibt.  Unter  letz¬ 
teren  finden  wir  auch  60  Doktorinnen.  Es  tritt  uns  hier  die 
merkwürdige  Tatsache  entgegen,  dass  das  verknöcherte  China 
mehr  (wenn  auch  fremde)  Aerztinnen  besitzt  als  das  moderne 
Deutschland.  Nächst  Indien  ist  aber  auch  wohl  kaum  ein  Reich 
der  Erde  so  für  lady-doctors  prädisponiert,  wie  China,  wo  alles 
Männliche  vom  Weiblichen  durch  eine  grosse,  gemachte  Kluft 
getrennt  ist,  mag  es  sich  nun  im  Prinzip  um  Sonne  oder  Mond, 
Himmel  oder  Erde,  Gutes  oder  Böses  handeln,  oder  um  die  Men¬ 
schen  selbst. 

Den  nachhaltigsten  Eindruck  von  allen  modernen  Aerzten 
hat  wohl  der  am  10.  August  vorigen  Jahres  verstorbene  Ameri¬ 
kaner  Dr.  John  G.  Kerr  auf  die  Chinesen  ausgeübt,  welcher 
^>cit  1854  in  Kanton  als  Missionsarzt  gewirkt  hat.  Ein  Jahr  vor 
feinem  Ende  war  es  ihm  noch  vergönnt,  sein  50  jähriges  Doktor¬ 
jubiläum.  zu  feiern,  von  Hoch  und  Niedrig  gleich  geehrt. 
Während  des  chinesisch-japanischen  Krieges  diente  sein  Hospital 
den  1  rauen  und  Kindern  des  chinesischen  Vizekönigs  von  Kan¬ 
ton  als  Zufluchtsstätte,  weil  dieser  wohl  wusste,  dass  die  Japaner 


nicht  auf  ein  Hospital  mit  der  roten  Kreuzflagge  sch i essen 
würden. 

Südchina  ist  das  Land  der  Steinoperationen.  So  hat 
Dr.  K  e  r  r  in  seinem  tatenreichen  Leben  mehr  als  1300  mal  die 
Lithotomie  ausgeführt.  Als  einst  ein  europäischer  Minister  in 
Peking  am  Blasenstein  erkrankte,  konnte  man  keinen  kundigeren 
Arzt  in  China  finden,  als  unseren  jugendfrischen  Nestor.  Nach 
Peking  gerufen,  führte  er  die  Operation  mit  günstigem  Erfolg 
aus.  Aber  nicht  nur  in  der  Behandlung  von  Patienten,  sondern 
auch  in  der  Ausbildung  von  mehr  als  100  chinesischen  Schülern 
hat  sich  K  e  r  r  ein  bleibendes  Denkmal  gesetzt.  Zu  diesem 
Zweck .  übersetzte  er  mehr  als  12  medizinische  Werke  ins 
Chinesische. 

Der  Chinese  lernt  schwer  eine  fremde  Sprache;  um  nun  gar 
dem  medizinischen  Unterricht  in  einer  fremden  Sprache  mit  Er¬ 
folg  beiwohnen  zu  können,  muss  er,  wie  in  Hongkong  z.  B„  die 
englischen  Schulen  durchlaufen  haben.  lieber  die  dortigen  Stu¬ 
denten  hörte  ich  von  deutschen  Kollegen,  welche  wie  fast  alle 
Hongkonger  Aerzte  an  der  Erteilung  des  Unterrichts  parti¬ 
zipieren,  Klagen  über  das  Auffassungsvermögen.  Von  den 
57  Studierenden  am  Hongkong  College  of  Medicine  for  Chinese 
sind  21  wieder  abgesprungen,  24  studieren  noch  und  nur  12  haben 
das  Examen  bestanden.  Unter  letzteren  befindet  sich  auch 
Dr.  Sun  Yat  Sen,  der  sich  als  „Reformer“  einen  Namen  ge¬ 
macht  hat. 

Für  die  im  Lande  wohnenden  Aerzte  hat  sich  natürlich  eine 
andere  Praxis  herausgebildet,  sie  lernen  zuerst  Chinesisch  und 
erteilen  dann  den  medizinischen  Unterricht  in  der  Landes¬ 
sprache.1)  Die  Kommission  für  Nomenklatur  hat  da  eine  ge¬ 
waltige  Arbeit  geleistet.  Denn  selbstverständlich  mussten  für  die 
meisten  anatomischen,  physiologischen,  histologischen  u.  s.  w.  Be¬ 
griffe,  soweit  nicht  schon  unzweideutige  Ausdrücke  Vorlagen, 
die  passendsten  Bezeichnungen  ausgewählt  oder  gebildet  werden. 
Die  chinesische  Schrift  bot  hier  eine  grosse  Schwierigkeit ;  doch 
ist  dies  Problem  mit  viel  Geschick  gelöst  worden.  Bekanntlich 
hat  jedes  Wort  sein  eigenes  Schriftzeichen2),  Charakter  genannt, 
das  einfach  oder  aus  mehreren  anderen  zusammengesetzt  sein 
kann.  Die  Kommission  hat  sich  nun  folgendermassen  geholfen: 
Jedem  Zeichen,  welches  einen  Knochen  des  Kopfes  bedeuten  soll, 
Wurde  der  Charakter  „Kopf“  angegliedert,  jedem  Knochen  des 
Arms  das  Armzeichen  u.  s.  w.  Man  sieht  also  beim  Lesen  der 
Zeichen  direkt,  welchem  Körperteil  sie  angehören,  und  hat  somit 
eine  mnemotechnische  Hilfe  von  grossem  Wert  gewonnen,  da 
man  sonst  kaum  die  vielen  Zeichen  behalten  könnte. 

Auch  das  Grammsystem  liegt  jetzt  in  seinen  Bezeichnungen 
vor.  Denn  bisher  beherrschte  die  englische  Unze  und  Drachme 
unumschränkt  dieses  Gebiet.  Freilich  wird  noch  manche  Welle 
den  gelben  Fluss  hinunterrollen,  bis  der  Chinese  ein  tüchtiger 
Chemiker  geworden  ist.  Denn  mit  der  Genauigkeit  steht  er  auf 
schlechtem  Fuss.  Die  stereotypen  Antworten,  welche  ich  bei  der 
Anamnese  auf  die  Frage  nach  der  Dauer  der  Erkrankung  erhalte, 
lauten  etwa:  „Sehr  lange.“  Wie  lange?  „Einige  Monate.“  Wie 
viele  Monate?  „Zwei  Monate  und  etliche  Tage.“  Smith 
prophezeit  daher  wohl  mit  Recht,  dass  die  erste  Generation  chi¬ 
nesischer  Chemiker  viele  ihrer  Jünger  verlieren  wird.  Denn 
wenn  der  bezopfte  Mann  dann  „einige  10  g“  eines  Stoffes  mit 
..etlichen  10  g“  eines  anderen  Stoffes  mischt,  ward  kein  anderes 
Resultat  zu  erwarten  sein,  als  dass  eben  alles  gelegentlich  in  die 
Luft  fliegt. 

Hongkong  hat  eine  merkwürdige  Blüte  der  Vermischung 
chinesischer  und  europäischer  Medizin  geliefert.  Tn  dem  Tung 
V  a-Ho-spital  für  Chinesen  gibt  es  zwei  Abteilungen.  Jeder 
Patient  kann  selbst  wählen,  ob  er  nach  einheimischer  oder  nach 
fremder  Methode  behandelt  werden  soll.  Der  Hausarzt  für  die 
europäische  Medizin  ist  ein  intelligenter  Chinese,  der  seine  Aus¬ 
bildung  am  Hongkong  College  erhalten  hat.  Ich  sah  ihn  bei 
schweren  Malariafällen  Chinininjektionen  unter  Beobachtung 

9  Bisher  sind  folgende  medizinische  Werke  ins  Chinesische 
übersetzt  oder  neu  erschienen:  Anatomie,  Physiologie,  Pharmako¬ 
logie,  Innere  Medizin,  Chirurgie,  Pathologie,  Gynäkologie,  Geburts¬ 
hilfe,  Kinder-,  Augen-,  Haut-,  Geschlechtskrankheiten;  Therapie, 
Diagnose,  Krankheiten  von  China,  Fiebererkrankungen,  Infektions¬ 
krankheiten,  Vokabularium  der  Medizin,  Vokabularium  der  Krank¬ 
heiten,  Vokabularium  der  Arzneimittel,  Vokabularium  für  Ana¬ 
tomie,  Physiologie,  Histologie,  Pharmakologie  und  Pharmazie. 

2)  Solcher  Zeichen  gibt  es  jetzt  über  50  000. 


1558 


MUEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


aller  aseptischen  Kautelen  machen.  Auch  zeigte  er  mir  die  ersten 
Halbmondformen  der  Malariaparasiten,  nach  denen  ich  damals 
im  Hongkonger  Regierungshospital  vergeblich  gefahndet  hatte. 
Hier  im  Tungwa-Hospital  waren  sie  bei  jedem  zweiten  oder 
dritten  Fall  zu  finden.  Mit  der  chirurgischen  Tätigkeit  in  diesem 
Krankenhaus  war  es  noch  nicht  gut  bestellt,  doch  soll  jetzt  ein 
neuer  Operationssaal  und  Räume  für  die  Aufnahme  von  Patienten 
geschaffen  werden.  Die  Oberleitung  über  die  Abteilung,  welche 
den  Regeln  der  europäischen  Behandlungsweise  folgt,  liegt  in 
den  Händen  eines  Regierungsarztes.  Bei  meinem  letzten  Besuch 
lagen  aber  die  Patienten  beider  Abteilungen  noch  durcheinander 
in  den  Sälen.  Charakteristisch  für  die  chinesische  Behandlungs¬ 
methode  erschienen  mir  die  vielen  Holzkästchen,  welche  in  dem 
Hof  aufgestellt  waren.  Für  jeden  Patienten  ist  eines  bestimmt. 
Täglich  wird  der  Rest  des  Dekoktums  in  das  Kästchen  geschüttet, 
so  dass  sich  der  Kranke  selbst  überzeugen  kann,  dass  er  auch 
eine  gehörige  Dosis  heilbringender  Arzneien  erhalten  hat. 

Dr.  G.  Olp  p. 


V  erschiedenes. 

Eine  Uni  versal-Schr. eil)  platte,  von  zwei  Hildes¬ 
heimer  Lehrern  konstruiert,  geht  uns  von  der  Holzwarenfabrik 
E  e  i  s  e  in  Hildesheim  zur  Besprechung  zu.  Der  der  Platte  bei¬ 
gegebene  Prospekt  misst  derselben  u.  a.  folgende  Vorzüge  bei: 
Durch  die  schwache  Neigung  der  Platte,  1  :  5,  erhält  das  Schreib¬ 
heft  eine  für  das  Auge  günstigere  Lage,  so  dass  zum  besseren  Sehen 
ein  Vornüberneigen  des  Körpers  nicht  mehr  nötig  ist.  Da  die 
Platte  20  cm  resp.  10  cm  über  den  Tischrand  vorragt,  so  kann  der 

Schreibende  seinen  Sitz,  ohne  durch 
die  Zarge  des  Tisches  gehindert  zu 
werden,  vorrücken.  Dadurch  erhal¬ 
ten  aber  die  Unterarme  eine,  unge¬ 
zwungene  Lage  und  können  den  Ober¬ 
körper  sicher  unterstützen.  Der  Vor¬ 
derrand  ist  mit  einem  Brustausschnitt 
versehen,  damit  jeglicher  Druck  auf 
die  Magengegend  vermieden  werde. 
Ferner  beansprucht  sie  wenig  Raum 
und  kann  nach  Gebrauch  beiseite  ge¬ 
stellt  werden,  sie  ist  leicht  transpor¬ 
tabel  und  kann  an  beliebiger  Stelle 
gebraucht  werden,  sie  kann  von  alt 
und  jung  benutzt  werden,  sie  kann  in  Schülerstuben  oder  Inter¬ 
naten  allgemeine  Verwendung  finden,  da  an  einem  Tische  sich 
mehrere  Platten  ansetzen  lassen.  Mit  Hilfe  des  Bockuntersatzes 
kann  die  Platte  auch  als  Tischstehpult  benutzt  werden.  Nach 
eigener  Kenntnisnahme  scheint  uns  die  Platte,  die  u.  a.  von  Prof. 
Hermann  Cohn-  Breslau  empfohlen  wird,  den  Anforderungen, 
die  an  ein  rationelles  Schreibpult  zu  stellen  sind,  zu  entsprechen. 
Sie  ermöglicht  bequemen  Sitz  und  gerade  Körperhaltung  und  ist 
dabei  äusserst  einfach  und  dementsprechend  billig.  Der  Preis  be¬ 
trägt  M.  0,75,  für  den  Untersatzhock  zum  Gebrauch  als  Stehpult 
M.  2.25. 


Therapeutische  Notizen. 

Gegen  Epilepsie  verwendete  Pantschen  ko- 
St.  Petersburg  das  Cerebrinum-Poehl,  ein  Gemenge  der 
drei  im  Gehirn  enthaltenen  Cerebroside,  welches  sowohl  zum 
inneren  Gebrauch  in  Form  von  Pulvern  und  Tabletten  als  auch 
in  Form  einer  besonders  hergestellten  sterilisierten  Lösung  in 
zugeschmolzenen  Glasampullen  zu  subkutanen  Injektionen  em¬ 
pfohlen  wird.  Besonders  geeignet  für  die  Cerebrinbehandlung 
sind  nach  P.  diejenigen  Epileptiker,  die  entweder  keine  Brom¬ 
therapie  durchgemacht  haben  oder  die  Behandlung  mit  Cerebrin 
erst  längere  Zeit  nach  der  Brombehandlung,  d.  h.  nach  vollständiger 
Ausscheidung  des  Brom,  beginnen.  Die  Wirkung  erfolgt  bei  sub¬ 
kutaner  Einführung  rascher  wie  bei  innerlichem  Gebrauch,  im 
übrigen  besteht  ein  Unterschied  nicht.  Eine  besondere  Diät  ist 
nicht  erforderlich,  es  genügt  eine  gewisse  Einschränkung  des 
Fleischkonsums  und  Bevorzugung  von  Milch  und  Vegetabilien. 
(Allg.  med.  Central-Ztg.  1902,  No.  71.)  R-  S. 


G  e  g  e  n  p  a  r  e  n  c  h  y  m  a  t  ö  s  e  Blutungen  (nach  Ope¬ 
rationen  in  der  Nase  etc.)  empfiehlt  H  e  c  h  t  -  Beuthen  3— 5  proz. 
t'hininlösungen: 

Rp.  :  Chinin,  hvdrochlor.  3,0 — 5,0 
Sp'rit.  rectificat.  15,0 
Aq.  dest.  ad  500,0 

Dem  Chinin  ist  auch  die  blutstillende  Wirkung  von 
Duc  li  a  r  d  s  und  E  k  1  u  n  d  s  Cliinin-Ergotin-Pdlen  zuzuschreiben. 
(Ther.  d.  Gegenw.  1902,  9.)  R-  S. 

Innerliche  Gelatinebehandlung  bei  Hämo¬ 
philie'  hat  II  e  s  s  e  -  Sebnitz  mit  gutem  Erfolg  versucht.  Ein 
s  jähriger  Knabe,  hereditär  belasteter  Hämophile.  bei  dem  alle  er¬ 
denklichen  therapeutischen  Massnahmen,  darunter  auch  eine  drei¬ 


monatliche  Trinkkur  mit  Levicowasser  ohne  jeglichen  Erfolg  ge¬ 
blieben  waren,  erhielt  6  Monate  lang  pro  Tag  200  g  einer  10  proz. 
Gelatinelösung  mit  Beimengung  von  Himbeersaft  oder  Zitronen¬ 
saft.  Die  Kur  wurde  sehr  gut  vertragen,  der  Erfolg  war  sehr  be¬ 
friedigend.  nicht  nur  hinsichtlich  des  Allgemeinbefindens  und  des 
Ernährungszustandes,  sondern  Patient  blieb  auch  von  den  früher 
häufigen  schweren  Nasenblutungen  verschont,  Gelenkblutungen 
traten  nicht  mehr  auf.  bei  äusseren  Insulten  entstehen  zwar  noch 
Ekchymosen,  aber  nicht  mehr  in  der  früher  beobachteten^  Aus¬ 
dehnung.  so  dass  also  doch  eine  günstige  Beeinflussung  der  Krank¬ 
heit  selbst  angenommen  werden  darf.  Da  eine  früher  eingeleite  e 
vierwöchige  Kur  bei  demselben  Pat.  ohne  Wirkung  geblieben  war, 
nimmt  II.  an,  dass  der  nunmehrige  Erfolg  von  der  langen  Dauer 
der  Behandlung  abhängig  war.  (Ther.  d.  Gegenw.  1902,  99 

IV.  ü. 


Nachdem  in  neuerer  Zeit  mehrfach  darauf  hingewiesen  wurde, 
dass  der  Wirkungswert  der  Digitalis-  und  Stro- 
phanthusdroge  und  der  daraus  hergestellten  Präparate  je  nach 
Umständen  in  enorm  weiten  Grenzen  schwankt  —  weshalb  Kober t 
und  G  o  1 1 1  i  e  b.  sowie  F  r  aenkel  die  Forderung  einer  staat¬ 
lichen  Kontrollstation  für  die  Prüfung  der  pharmakodynamisehen 
Wirkung  aller  offizineilen  Drogen  und  Präparate,  welche  auf  ein¬ 
fachem  chemischem  Wege  nicht  genügend  geprüft  werden  können, 
erhoben  — ,  hat  nunmehr  die  Universitätsapotheke  m  Rostock 
(Dr  Brunnen  gra  b  er)  es  unternommen.  Digitalisblatter,  Digitalis- 
und  Strophanthustinktur  mit  pliarmakodynamischem  Titre  in  den 
Handel  zu  bringen.  Die  frisch  gesammelten  Blätter  werden  inner¬ 
halb  weniger  Stunden  im  Vakuum  schnell  getrocknet,  wodurch  der 
bei  dem  bisher  üblichen  langsamen  Trocknen  eintretende  Fermen- 
tierungsprozess  vermieden  und  die  Spaltung  der  Digitalisglykoside 
verhindert  wird.  Die  Tinkturen  werden  aus  frischen,  wirksamen 
Blättern  bezw.  Samen  hergestellt.  Die  Präparate  wurden  von 
Prof.  Robert  geprüft,  der  die  Digitalisblätter  als  vorzüglich  ge- 
eignet  zu  ärztlicher  Anwendung  empfiehlt  und  die  Stroplianthus- 
tinktur  als  eine  sehr  stark  wirkende  bezeichnet.  (Dr.  A.  W  o  1  f  f  - 
Rostock:  Ueber  die  physiologische  Dosierung  von  Digitalisprapa- 
raten.  Therapie  der  Gegenwart  1902,  Heft  9.)  R-  S. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  16.  September  1902. 

—  Zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  be¬ 
absichtigt  Dr.  Max  G  o  e  t  z  -  Leipzig  der  diesjährigen  Plenarver¬ 
sammlung  des  k.  sächsischen  Landesmedizinalkollegiums  folgende 
Anträge  vorzulegen:  I.  Die  k.  Staatsregierung  wolle  die  gewerbs¬ 
mässige  Ausübung  der  Heilkunde  durch  nichtapprobierte  Peisonen 
auf  landesgesetzlichem  Wege  verbieten  und  unter  Strafe  stellen. 
II.  Die  k.  Staatsregierung  wolle  bereits  vor  Erlass  eines  solchen 
Gesetzes  den  Amtsblättern  die  Aufnahme  von  Kurpfuscher-  und 
Geheimmittelanzeigen  verbieten.  Zur  Begründung  führt  G.  an, 
dass  die  Kurpfuscherei  in  Deutschland  durchaus  nicht  ausdrück¬ 
lich  erlaubt,  sondern  nur  mangels  bezüglicher  gesetzlicher  Bestim¬ 
mungen  nicht  unter  Strafe  gestellt  sei.  Die  Ausübung  der  Ur  ¬ 
kunde  unterstehe  der  Gewerbeordnung  nur  insoweit,  als  diese 
ausdrückliche  Bestimmungen  darüber  enthalte  (§  G).  Das  seien 
ausser  §  6  die  §§  29,  30,  53,  56a,  SO,  144  und  147,  und  in  diesen 
Paragraphen  sei  die  Ausübung  der  Heilkunde  durch  Nichtappro¬ 
bierte  nur  indirekt  erwähnt  in  §  56a  (Ausübung  der  Heilkunde  im 
TTmherzielien).  Die  weitere  Ausgestaltung  der  Gesetzgebung  über 
den  Betrieb  der  Heilkunde  unterliege  der  Landesgesetzgebung, 
und  kein  Reichsgesetz,  insbesondere  auch  nicht  die  Gewerbe¬ 
ordnung.  hindere  die  Landesgesetzgebung,  die  Kurpfuscherei  nicht 
nur  zu  regeln,  sondern  auch  zu  verbieten.  Die  oben  erwähnte  \oi 
sehrift  des  §  6  der  Gewerbeordnung  wurde  in  den  Motiven  zu  dem 
Entwürfe  einer  Gewerbeordnung  für  den  Norddeutschen  Bund 
vom  Jahre  1S09  in  folgender  Weise  begründet:  „Die  Landesgesetze 
über  die  Ausübung  der  Heilkunde  mussten  Vorbehalten  werden, 
weil  cs  nicht  in  der  Absicht  liegen  kann,  durch  die  Gewerbe 
ordnung  in  die  Medizinalverfassung  der  einzelnen  Bundesstaaten 
weiter  einzugreifen,  als  es  notwendig  ist.  um  für  das  ärztliche  mm 
das  Apothekergewerbe,  wie  es  in  §  29  geschehen,  die  4  reiziigigkei 
herzustellen.  Es  bewendet  daher  nicht  nur  bei  den  Bestim- 
muntren  über  die  Pflichten  der  Aerzte  n.  s.  w.,  sondern  auch  be 
den  Vorschriften  über  die  Bestellung  des  Hilfspersonals  für  die 
kleine  Chirurgie  (der  Heilgehilfen)  und  der  Hebammen.“  Aus  §  > 
der  Gewerbeordnung  und  aus  den  oben  angeführten  Motiven  gehe 
hervor,  dass  die  Gewerbeordnung  ein  Hindernis  für  das  A  erbot 
der  Kurpfuscherei  nicht  biete. 

_  Aus  Anlass  des  am  18.  nnd  19.  September  in  München 

stattfindenden  deutschen  Bahnärztetages  lässt  die 
k.  preuss.  Eisenbahndirektion  Berlin  einen  Rettungs-  un 
A  r  z  t  w  a  g  e  n  nach  München  befördern,  der  im  Zentralbahnhot 
München  zur  Besichtigung  aufgestellt  wird.  Auch  die  General¬ 
direktion  der  k.  b.  Staatseisenbahnen  stellt  einen  ihrer  Rettungs¬ 
wagen  aus.  Solche  Rettungswagen  sind  in  Bayern  in  München, 
Augsburg,  Bamberg,  Ingolstadt,  Kempten.  Nürnberg,  Regensbuig, 
Rosenheim,  Weiden  und  Würzburg  hinterstellt.  Jeder  dieser 
Wagen  ist  für  den  Transport  von  10  Verletzten  eingerichtet  mm 
mit  10  Tragbahren  ausgestattet,  welche  auf  besonderen  Ständern 


16.  September  1902. 


MTTEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1559 


jiiit  Gr  und  Seher  Federanordnung  an  beiden  Längswänden  in 
zwei  Keihen  übereinander  aufgestellt  sind.  Die  Wagen  haben 
Ofenheizung,  Gasbeleuchtungseinrichtung,  Eiskasten,  Toilette  und 
eine  grosse  Anzahl  praktischer  Einrichtungsgegenstände  zur  Pflege 
der  Verwundeten,  ärztliche  Instrumente  etc.,  auch  werden  stets 
Erfrischungen  (Kognak,  Wein,  Fleischextrakt,  Cnokolade)  mit¬ 
geführt. 

■  Die  Stiafkannner  in  Berlin  verurteilte  in  2.  Instanz  einen 
vom  Schöffengericht  freigesprochenen  Zahntechniker,  der  sich  als 
Spezialist  für  Zahn-  und  Mundkrankheiten  bezeichnet  hatte.  Das 
Gericht  erkannte  somit,  entgegen  früheren  Entscheidungen  die 
Bezeichnung  ,,S  p  e  z  i  a  1  i  s  t“  als  arztähnliche  n  T  i  t  e  1  an. 

—  Der  Kaiser  hat  in  Abänderung  der  Verordnung  über  die 
Ehrengerichte  der  Offiziere  im  preussische n 
H  eere  bestimmt,  dass  in  dem  ehrengerichtlichen  Verfahren  gegen 
einen  Offizier  die  den  Ehrengerichten  unterworfenen  Sanitäts¬ 
offizier  e  der  Marine  und  der  Schutztruppen  als  Zeugen  nicht  zu 
vereidigen  sind,  sondern  die  Richtigkeit  ihrer  Aussage  auf  Ehre 
und  Pflicht  zu  versichern  haben. 

—  Einen  interessanten  Vergleich  z  w  i  s  c  li  e  n  f  r  a  n  - 
zösischer  und  englischer  Mortalität  stellt  das  Brit. 
med.  Journ.  (6.  Sept.)  auf  Grund  französischer  Statistiken  an.  Zu¬ 
nächst  ist  auffallend,  dass  in  Frankreich  die  Todesursache  nur 
von  einem  Drittel  der  Sterbefälle  bekannt  ist,  während  man  über 
die  Ursachen  des  Todes  von  2  Dritteln  der  Bevölkerung  nichts 
weiss.  Die  Sterblichkeitsziffer  betrug  im  Jahre  1900  auf  3000  Ein¬ 
wohner  in  Frankreich  21,9,  sie  übertraf  zum  4.  Male  in  11  Jahren 
die  Geburtsziffer,  die  nur  21,4  betrug.  Ein  Sechstel  aller  Geburten 
waren  illegitim,  gegen  ein  Fünfundzwanzigstel  in  England.  Die 
Geburtsziffer  ist  die  niedrigste  in  Europa,  gegen  35,0  in  Deutsch¬ 
land,  39,3  in  Ungarn  und  28,7  in  England.  Die  Sterblichkeit  in 
Paris  war  20,0,  gegen  18,8  in  London.  In  Paris  betrug  die  Sterblich¬ 
keit  an  Phthise  4,01,  in  London  nur  1,75  auf  1000.  Die  Sterblich¬ 
keit  an  Infektionskrankheiten  war  verhältnismässig  doppelt  so 
gross  in  Paris  als  in  London;  nur  Diphtherie  macht  mit  einer  Mor¬ 
talität  von  1,27  in  London  gegen  0,78  in  Paris  eine  Ausnahme;  dies 
dürfte  vielleicht  auf  die  allgemeinere  Anwendung  des  Diphtherie¬ 
serums  in  Paris  zurückzuführen  sein.  Auch  in  den  Provinzstädten 
waren  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  wesentlich  schlechter  als 
in  ähnlich  gelagerten  englischen  Städten;  so  starben  in  Havre 
(110  000  Einw.)  320  Personen  an  Typhus  und  021  an  Diarrhöe,  da¬ 
gegen  in  dem  ungefähr  ebenso  grossen  Brighton  nur  11,  resp.  94; 
ebenso  in  Toulon  (73  000  Einw.)  118  Todesfälle  an  Typhus  und 
230  an  Diarrhöe,  dagegen  in  Devonport  (08  000  Einw.)  nur  13, 
resp.  35. 

—  Unterm  22.  Juli  d.  J.  hat  das  neue  englische  Feuer¬ 
bestattungsgesetz  (Cremation  Act  1902)  die  königliche 
Sanktion  erhalten  und  wird  am  1.  April  1903  in  Kraft  treten. 
Durch  dieses  Gesetz  erhält  die  Feuerbestattung  in  England  ihren 
rechtmässigen  Platz  neben  der  Erdbestattung  und  werden  alle  Vor¬ 
kehrungen  getroffen,  um  einen  geordneten  Vollzug  zu  gewähr¬ 
leisten.  Insbesondere  wird  Misbraueli  der  Feuerbestattung  mit 
schweren  Strafen  bedroht.  Wer  absichtlich  falsche  Angaben  macht, 
um  die  Verbrennung  einer  Leiche  zu  bewirken,  wird  mit  Zucht¬ 
haus  bis  zu  2  Jahren  bestraft;  geschieht  dies  mit  der  Absicht,  da¬ 
durch  ein  begangenes  Verbrechen  zu  verheimlichen,  so  erhöht  sich 
die  Strafe  auf  5  Jahre. 

—  Die  33.  Versammlung  des  Vereins  der  siid- 
westdeutschen  Irrenärzte  wird  am  1.  und  2.  Novem¬ 
ber  in  Stuttgart  stattfinden.  Vorträge  sind  bis  spätestens  Anfang 
Oktober  anzumelden  Die  Versammlung  wird  am  ersten  Tag  in 
dem  Vortragsaal  des  Landesgewerbemuseums,  am  zweiten  Tag 
in  dem  Bürgerspital  abgehalten  werden.  Falls  beabsichtigt  wird, 
Kranke  vorzustellen,  so  ist  Gelegenheit  gegeben,  diese  auf  der 
Irrenabteilung  des  Bürgerspitales  unterzubringen.  Geschäfts¬ 
führer  sind  die  Herren  Sanitätsrat  Dr.  Fauser,  Urbanstr.  70/11, 
und  Sanitätsrat  Dr.  Wildermut h,  Königstr.  20/1. 

—  Der  Beginn  des  von  Privatdozent  Dr.  Koeppe  für  die 
F  o  rtbildungskurse  für  Aerzte  in  Giessen  ange¬ 
kündigten  Kurses  über  physikalische  Chemie  in  der  Medizin  ist 
auf  Wunsch  der  Teilnehmer  auf  den  20.  Oktober  festgesetzt 

worden. 

—  In  Berlin  feierte  Sanitätsrat  Dr.  Salomon  N  e  u  m  a  n  n  das 
seltene  Fest  des  60  jährigen  Doktorjubiläums;  er  war  Senior  der 
Berliner  Stadtverordnetenversammlung  und  hat  als  Mitglied  dieses 
Kollegiums  sich  Verdienste  um  die  sanitären  Verhältnisse  Berlins 
erworben.  Mit  Vircliow  zusammen  hat  er  u.  a.  die  Errichtung 
des  statistischen  Amtes  der  Stadt  Berlin  durchgesetzt. 

—  Cholera.  Russland.  In  Sibirien  hat  sich  die  Cholera  im 
Bereiche  des  Amurschen  Gouvernements  ausgebreitet.  Am 
9.  August  in  Wladiwostok  der  1.  Fall,  seither  bis  14.  August  12  Er- 
krankungs-  und  5  Todesfälle.  —  Aegypten.  Während  der  am 
18.  August  abgelaufenen  Woche  sind  nach  amtlichen  Ausweisen  in 
ganz  Aegypten  1127  Cholerafälle  und  791  Choleratodesfälle  fest¬ 
gestellt.  Allein  in  Kairo  kamen  während  dieser  Woche  150  Cholera- 
lälle  gegen  97  während  der  Vorwoche  zur  Anmeldung. 
Während  der  am  25.  August  abgelaufenen  Woche  hat  die 
Seuche  sowohl  in  Ober-  wie  in  Unterägypten  weitere  Ausdehnung 
gewonnen:  in  dieser  Woche  wurden  144  Ortschaften  neu  betroffen 
und  2040  Cholerafälle  (sowie  1550  Choleratodesfälle)  festgestellt, 
gegen  1J27  (791)  in  der  Vorwoche.  Von  den  1550  Choleratodes¬ 
fällen  der  letzten  Berichtswoche  entfielen  683  auf  die  Cholera¬ 
spitäler,  867  kälnen  ausserhalb  der  Krankenhäuser  vor;  unter  den 
Verstorbenen  befanden  sich  6  Europäer,  ferner  erlag  u.  a.  der 


Gesundheitsinspektor  des  Distrikts  Tala  der  Provinz  Menefieh  in 
Ausübung  seines  Berufes  der  Cholera.  Am  2.  September  wurde  in 
Port  Said  ein  Todesfall  an  der  Cholera  festgestellt. 

—  Pest.  Aegypten.  In  der  Zeit  vom  15.  bis  28.  August 
sind  6  Erkrankungen  und  5  Todesfälle  an  der  Pest  —  alle  in 
Alexandrien  —  festgestellt.  —  Britiseh-Ostindien.  In  der  Präsident¬ 
schaft  Bombay  sind  während  der  am  1.  August  abgelaufenen 
Woche  2270  neue  Erkrankungen  (und  1474  Todesfälle)  an  der  Pest 
zur  Anzeige  gelangt,  darunter  39  (28)  in  der  Stadt  Bombay  und 
15  (<)  in  Stadt  und  Hafen  von  Karachi.  Im  Vergleich  zur  Vor¬ 
woche  war  hiernach  eine  Zunahme  der  Pesttodesfälle  um  434, 
der  gemeldeten  Erkrankungen  um  689  eingetreten.  Nach  der 
Zählung  vom  Jahre  1901  lebten  in  der  Präsidentschaft  18  481362 
Personen,  von  denen  im  April  insgesamt  49  062  und  im  Mai  d.  ,T. 
3<  856  gestorben  sind.  Während  der  am  8.  August  abgelaufenen 
Woche  sind  in  der  Präsidentschaft  Bombay  3461  Erkrankungen 
(u.  2225  Todesfälle)  an  Pest  angezeigt.  —  Kapland.  Die  Gesamt¬ 
zahl  der  in  der  Kapkolonie  seit  dem  Ausbruch  der  Pest  be¬ 
obachteten  Erkrankungen  (bezw.  Todesfälle)  an  dieser  Seuche  be¬ 
trug  nach  dem  letzten  Ausweise  vom  26.  Juli:  907  (347),  davon  ent¬ 
fielen  745  (362)  auf  die  Kaplialbinsel,  135  165)  auf  Port  Elizabeth 
13  (4)  auf  Mosselbay  und  14  (6)  auf  8  andere  Ortschaften. 

—  In  der  34.  Jahreswoche,  vom  17.  bis  23.  August  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Beutlien  mit  35,3,  die  geringste  Lübeck  mit  7.9  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Königshütte;  an  Masern  in  Heidelberg. 

—  In  der  35.  Jahreswoche,  vom  29.  bis  30.  August  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb- 
lichhkeit  Ludwigshafen  mit  35.5,  die  geringste  Flensburg  mit  5  1 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Masern  in  Brandenburg  und  Metz;  au 
Diphtherie  und  Krupp  in  Bamberg.  V.  d.  Iv.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Erlangen.  Die  Funktion  eines  Oberarztes  an  der  chirur¬ 
gischen  Klinik  der  k.  Universität  Erlangen  wurde  dem  I.  Assisten¬ 
ten  dieser  Klinik,  Dr.  Wilhelm  B  u  1 1  e  r  s,  in  widerruflicher  Weise 
übertragen. 

Greifs  w  a  1  d.  Dr.  Mülle  r,  früher  Assistent  von  Geheim¬ 
rat  C  u  rsch  m  a  n  n,  wurde  dem  Ministerium  als  Oberarzt  der 
medizinischen  Klinik  vorgeschlagen.  Geheimrat  Prof.  Dr.  L  a  n  - 
d  o  i  s,  Direktor  des  physiologischen  Instituts,  der  an  einer  Pleu¬ 
ritis  schwer  erkrankt  war,  befindet  sich  auf  dem  Wege  der  Besse¬ 
rung. 

J  e  n  a.  Der  Privatdozent  Dr.  Ernst  Hertel  ist  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  an  der  medizinischen  Fakultät  der  hiesigen 
Universität  ernannt  worden. 

Bologna.  Habilitiert:  Dr.  P.  L.  G  a  r  d  i  n  i  für  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie. 

Iv  o  p  e  n  h  a  g  e  n.  Am  9.  September  fand  die  feierliche  Ein¬ 
weihung  des  Staatsseruminstituts  statt.  Die  Eiuweiliungsrede 
wurde  von  Prof.  Karl  Julius  Salomonsen  gehalten  vor  einer 
sehr  repräsentativen  Versammlung  von  Männern  der  Wissen¬ 
schaften.  Aerzten,  Staats-  und  kommunalen  Beamten.  Unter  den 
ausländischen  Gelehrten,  welche  der  Einweihung  beiwohnten,  wur¬ 
den  insbesondere  bemerkt  die  Herren  Geheimrat  Ehrlich,  Ge¬ 
heimrat  Weigert,  Prof.  Libbertz  und  Prof.  Lassar  aus 
Deutschland,  Prof.  Arrheniu  s,  Prof.  Itetzius  und  Dr.  S  e  - 
lauder  aus  Schweden,  Prof.  H  o  1  s  t  und  der  Lepraforscher 
Armauer  - Hansen  aus  Norwegen,  Dr.  Heymanns  aus 
Belgien.  Dr.  Dean  (Direktor  des  Jennerinstituts),  Dr.  B  u  1 1  o  c  k 
und  Prof.  W  oodhea  d  aus  England,  Dr.  M  ü  n  t  e  r  aus  Buffalo. 
Das  Institut  wird  das  Serum  für  einen  Preis  von  25  Oere 
(ca.  2S  Pf.)  pro  Einzeldosis  liefern.  Das  Institut  ist  ein  stilvolles 
Gebäude,  sehr  modern  und  praktisch,  jedoch  nicht  verschwen¬ 
derisch  eingerichtet  und  mit  guten  Ställen  für  Pferde,  Ziegen, 
Meerschweinchen  u.  s.  w.  sowohl  als  auch  mit  einem  Froschteiche 
versehen.  Anlässlich  der  Einweihung  erhielten  der  Direktor  des 
Instituts,  Prof.  Salomonsen,  das  Ehrenkreuz  der  Danebrogs- 
männer  und  das  Kommandeurkreuz  des  preussischen  Kronen¬ 
ordens,  der  Direktor  des  Laboratoriums  des  Instituts,  Dr.  med. 
Thorvald  M  adse  n  das  Ritterkreuz  des  Danebrogordens  und  das 
Ritterkreuz  des  roten  Adlerordens.  Das  Laboratorium  für  medi¬ 
zinische  Bakteriologie  hat  anlässlich  der  Einweihung  als  Mutter¬ 
institution  des  Seruminstituts  eine  300  Seiten  grosse  Festschrift 
herausgegeben.  Unter  den  in  englischer  Sprache  gedruckten 
Abhandlungen  der  Festschrift,  die  später  teilweise  referiert  werden 
sollen,  ist  am  meisten  bemerkenswert  eine  Abhandlung  über  die 
chemischen  Verhältnisse  bei  der  Hämolyse  von  Prof.  A  rrhenius 
und  Dr.  Th.  M  adse  n.  —  Dr.  med.  C.  Lorentzen,  Spezialist 
für  Verdauungskrankheiten,  und  Dr.  med.  E.  Ehler  s,  Spezialist 
für  Hautkrankheiten,  wurden  zu  Professoren  (tit.)  ernannt. 

Neapel.  Habilitiert:  Dr.  G.  Velo  für  operative  Medizin. 

Lausanne.  Dr.  Iv.  Strzyzowski  wurde  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  der  medizinischen  Chemie  ernannt. 

P  a  v  i  a.  Habilitiert:  Dr.  E.  V  e  r  a  1 1  i  für  Histologie. 

Philadelphia.  Dr.  Th.  G.  A  sh  ton  und  Dr.  .1.  L.  Su¬ 
linger  wurden  zu  Professoren  der  medizinischen  Klinik  ernannt. 

Prag.  Die  Privatdozenten  Dr.  H.  Schloff  er  (Chirurgie), 
Fr.  Kleinh  a  n  s  und  L.  Iv  n  a  p  p  (Geburtshilfe  und  Gynäkologie) 
wurden  zu  ausserordentlichen  Professoren  an  der  deutschen  medi¬ 
zinischen  Fakultät  ernannt. 

Saint.  Louis.  Dr.  G.  L.  Noyes  wurde  zum  Professor  der 
Augenheilkunde  am  Missouri  Medical  College  ernannt. 


1560 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  W O CHEN S CIIRIEf . 


No.  37. 


Saragossa.  I>r.  O.  Oaroin  wurde  zum  Professor  der 

all.n'eiiH'iueu  Pathologie  ernannt. 

'1'  u  r  i  n.  Der  au-serordentliclie  Professor  an  der  medizinischen 
Fakultät  zu  Koni  Pr.  G.  D’Urso  wurde  zum  ordentlichen  Pro¬ 
fessor  der  chirurgischen  Pathologie  ernannt. 

W  a  r  s  c  li  a  u.  Der  Privatdozent,  an  der  militärmedizinischen 
Akademie  zu  St.  Petersburg  Dr.  Gendre  wurde  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  der  Physiologie  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Pr.  B.  Alcina  y  Rance,  Professor  der  Tlierapeutik  und 
Materia  medica  zu  Cadix. 

Dr.  L.  Switalski,  Privatdozent  für  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie  zu  Warschau. 

Dr.  J.  A.  S.  B  runell  e,  Professor  der  Chirurgie  zu  Montreal. 

(B  e  r  i  c  h  t  i  g  u  n  g.)  In  No.  35  dieser  Wochenschrift  muss  es 
b<  i  dem  Referat  über:  „U  ntersu  c  huug  e  n  ü  her  die  k  e  i  m  - 
t  ö  t  e  n  d  e  u  n  d  e  n  t  w  i  c  klungshe  m  m  ende  W  i  r  k  u  n  g 
d  e  s  L  y  s  o  f  o  r  m  s“  heissen  auf  S.  1473,  1.  Spalte,  Zeile  1  und  14 
statt  Lysol  Lysofo  r  m. 


Personalnachrichten. 

(Bayer  n.) 

Urlaub  bewilligt:  Dem  Oberarzt  Dr.  F  u  li  r  m  a  n  n  ä  la  suite 
des  Sauitätskorps  vom  1.  Oktober  d.  J.  au  auf  weitere  4  Monate. 

Wieder  angestellt:  Der  Stabsarzt  Dr.  Weindel  mit  seinem 
Ausscheiden  aus  der  Ostasiatischen  Besatzungsbrigade  unter  Stel¬ 
lung  ä  la  suite  des  Sauitätskorps  mit  seinem  früheren  Patent  und 
dem  2.  Inf.-Reg.  Zur  Dienstleistung  zugeteilt. 

Gestorben:  Dr.  Otto  IV  ispaue  r,  k.  Hof  rat,  prakt.  Arzt  in 
Traunstein,  G9  Jahre  alt.  Dr.  Emil  Matheus,  prakt.  Arzt  in 
Waldfischbach,  30  Jahre  alt. 


Worbiditätsstatistikd.  Infektionskrankheitenfür  München. 

in  der  35.  Jahreswoche  vom  24  bis  30.  August  1902. 

Beteiligte  Aerzte  100.  —  Brechdurchfall  2G  (30*),  Diphtherie  u. 
Krupp  G  (3),  Erysipelas  7  (3),  Jntermittens,  Neuralgia  interm. 

Kindbettfieber  3  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  1  (— ), 

Morbilli  10  (9),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  1  (1),  Parotitis 
epidem.  1  (2),  Pneumonia  crouposa  5  (4),  Pyämie,  Septikänue 
—  ( - Rheumatismus  art.  ac.  15  (9),  Ruhr  (Dysenteria)  —  (— ), 
Scarlatina  1  (4),  Tussis  convulsiva  44  (27),  Typhus  abdominalis  — 
(1),  Varicellen  5  (6),  Variola,  Variolois  —  (— ),  Influenza  —  (— ). 
Summa  125  (99).  Kgl-  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  35.  Jahreswoche  vom  24.  bis  30.  August  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen :  Masern  1  ( — *)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  2  (1),  Rotlauf  -  (1),  Kindbettfieber  —  (2),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  (— ),  Brechdurchfall  8  (10),  Unterleib-Typhus  - 
(— ),  Keuchhusten  6  (6),  Kruppöse  Lurgenentzündung  2  (3),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  33  (31),  b)  der  übrigen  Organe  4  (8),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  (— ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
3  (1),  Unglücksfälle  4  (3),  Selbstmord  —  (3),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  235  (210),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  24,2  (21,6),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  14,1  (12,4). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Morbiditätsstatistik  der  Infektionskrankheiten  in  Bayern:  Juni1)  und  Juli  1902. 


Regierangs 
bezirke 
bezw. 
Städte  mit 
über  30,000 
Ein¬ 
wohnern 


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Oberbayern 

Niederbay. 

Pfalz 

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Oberfrank. 

Mittelfrank. 

Unterfrank. 

Schwaben 

Summe 


3t '3  333 
97;  120 
123  440 


tot; 

115 

172 

04 

202 


1G0 

140 

239 

136 

290 


1132,1918 


Augsburg8) 

Bamberg 

Hof 

Kaiserslaul. 

Ludwigshaf. 

München8) 

Nürnberg 

Pirmasens 

Regensburg 

Würzburg 


25 

19 
G 
4 

23 

58 

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3 

20 
18 


49 

14 

4 

7 

215 
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166 
33 : 
44 
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Diphtherie, 

Croup 

Erysipelas 

Influenza 

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Variolois 

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überhaupt 

'  Zahl  derbe- 

:  teil.  Aerzte 

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32 

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26 

15 

— 

— 

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114 

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3 

141 

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59 

126 

3 

3 

4 

13 

— 

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158 

85 

63 

58 

46 

38 

54 

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5 

6 

2 

2 

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218 

210 

2 

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36 

5 

269 

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7 

2 

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47 

— 

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21 

27 

124 

104 

2 

2 

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69 

52 

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64 

5 

2 

2 

3 

4 

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101 

66 

11 

11 

25 

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265 

190 

2 

2 

81 

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129 

142 

1 

60 

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26 

23 

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347,358 

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67 

73 

85 

99 

— 

— 

47 

43 

— 

— 

l0A 

127 

10 

7 

4 

2 

— 

4 

6 

— 

— 

2 

1 

— 

— 

2 

3 

18 

— 

— 

2 

4 

— 

— 

14 

o 

4 

9 

12 

10 

5 

_ 

1 

1 

1 

_ 

_ 

3 

5 

3 

1 

1 

1 

19 

15 

2 

3 

3 

7 

— 

5 

4 

16 

89 

— 

■  - 

— 

— 

— 

44 

35 

7 

10 

7 

6 

— 

— 

— 

— 

36 

7 

— 

— 

2 

— 

13 

11 

— 

— 

9 

1|  — 

— 

45 

18 

8 

— 

1 

4 

13 

5 

— 

— 

90 

25 

Bevölkerungsziffern:  Oberbayem  1'323  818,  Niederbayern  678,192, 
Pfalz  831,678,  Oberpfalz  553,841,  Oberfranken  608,116,  Mittelfranken  815,895,  Unter¬ 
franken  650,766,  Schwaben  713,681.  —  Augsburg  89,170,  Bamberg  41,823,  Hof  32,781, 
Kaiserslautern  48,310,  Ludwigsbafen  61,914,  München  499  932,  Nürnberg  261,081, 
Pirmasens  30,195,  Regensburg  45.429,  Würzburg  75,499. 

Einsendungen  fehlen  aus  den  Aemtern  Bruck,  Friedberg,  Bogen,  Grafenau, 
Wegscheid,  Neumarkt,  Neunburg  v./W.,  Stadtsteinach,  Eichstätt,  Fürth,  Gunzen¬ 
hausen,  Neustadt  a./A  ,  Ilofheim,  Königshofen,  Mellrichstadt,  Oclisenfurt.  Würz- 
b'irg,  Augsburg,  Kaufbeuien,  Nördliugen  und  Oberdorf. 

Höhere  Erkrankungszahlen  (ausser  von  obigen  Städten)  werden  gemeldet 
aus  folgenden  Aemtern  bezw.  Orten: 

Brechdurchfall:  Stadt  Ludwigsbafen  245  beh.  Fälle,  hierunter  153  und 
58  bei  Kindern  im  1.  und  bezw.  2.  bis  5.  Lebensjahre;  Stadt-  und  Landbezirke 
Frebing  und  Amberg  je  34,  Traunstein  und  Günzburg  je  30,  Aemter  Speyer  33, 
Zweibrücken  31  beh.  Fälle 

Diphtherie,  Croup:  Aemter  Landau  i.  Pf.  17  (in  der  [Stadt  Landau), 
Gerolzhofen  12  beh.  Fälle. 

Influenza:  Stadt-  und  Landbezirk  Forchheim  27,  Aemter  Altötting  33, 
Zweibrücken  18,  Ilersbruck  21,  Würzburg  17  beh.  F^älle. 

Morbilli:  Fortsetzung  der  Epidemien  in  den  Aemtern  Ebersberg  (33  be¬ 
handelte,  zahlreiche  nicht  behandelte  Falle),  Dingolfing  (Abnahme),  Vilsbiburg 
(33  beh.  Fälle',  Neustadt  a /H.  (in  Neustadt  und  Meckenheim)  Waldmünchen  (im 
Westen  des  Bezirkes,  Schulschluss  in  Hiltersried),  Wunsiedel  (101  beh.  Fälle), 
Weissenburg  (in  Treuchtliugen  und  Pfraunfeld  alle  Schulen  geschlossen),  Alzenau 
(in  Schöllkrippen,  hier  äusserst  heftig,  teilweise  mit  Pseudocroup,  Schnepr  en- 
bach,  Kiombach  und  neben  Tussis  in  Sommerkahl),  Memmingen  (in  der  Stadt) 
und  Zusmarshausen  (im  ärztl.  Bezirke  Altenmünster,  besonders  in  Ilennhofen). 
Epidem.  Auftreten  ferner  in  den  Bezirken  München  I  (28  beh  Fälle  in  Feldmoching), 
Landau  i.  Pf  (in  Oö'enbaeh)  Nabburg  (laut  Schulanzeige  in  Diendorf  und  Tau- 
ehersdorf),  Forchheim  (in  der  Stadt,  47  beh.  Fälle,  gutartig),  Ebern  (im  östlichen 
Teile  des  Bezirkes),  Kitzingen  (in  Repperndorf),  Kempten  (in  Altusried  und  Wild¬ 
poldsried)  und  Krumbacb  (in  Balzhausen). 

Rubeolae:  Stadt  Nürnberg  20  beh.  Fälle,  ferner  häufigere  Erkrankungen 
in  Füssen. 

Parotitis  epidemica:  Epidemisches  Auftreten  in  Landau  i.  Pf.  und 
Ilbesheim,  ferner  in  Herbolzheim  (Uffenheim). 

Scarlatina:  Epidemisches  Auftreten  in  Selchenbach  (Kusel);  Amt  Neu¬ 
stadt  a./WN.  54  beh.  Fälle. 


Tussis  convulsiva:  Fortdauer  der  Epidemien  in  den  Aemtern  Gries¬ 
bach  (alleuthalben  verbreitet,  selten  ärztlich  behandelt;  häufigere  Todesfälle  au 
Folgekrankheiten),  Laudaua/I,  Landau  i  /F'f  (noch  in  Landau,  Dammheim, 
Offenbich),  Ludwigshafen  (noch  häufig  in  Böhl,  Iggelheim,  Neuhofen ,  Oggeis- 
heim,  aber  wesentlich  Abnahme),  Neustadt  a /H.  (neben  Morbillis  in  Neustadt 
und  Meckenhe  m),  Pegnitz  (seit  Anfang  Juni  in  Pegnitz  und  Umgebung,  selten 
ärztlich  behandelt),  Ilersbruck  (in  Ilersbruck)  und  Alzenau  (in  Krombach  neben 
Morbillis).  Epidemisches  Auftreten  ferner  in  den  Aemtern  Germersbeim  (in 
Rheinzabern),  Weissenburg  (in  Ellingen,  Schulschluss),  Donauwöith  (iu  Wemding 
und  Umgegend),  Krumbacb  (in  Krombach  und  Hü’ben)  und  Memmingen  (iu 
Steinbaeh)  Aemter  Rockenhausen  41,  Neustadt  a  /WN  26  beh.  Fäl’e. 

Varicellen:  Epidemie  in  Altfalter  (Nabburg)  laut  Schulanzeige;  im  Amte 
Landau  a.,I.  nur  mehr  sporadisches  Auftreten;  Stadt-  und  Landbezirk  Kempten 
16  beh.  Fälle. 

Aus  dem  Amte  Pirmasens  wird  gemeldet,  dass  bei  einer  Schulvisitation  in 
Fehrbach  sämtliche  106  Kinder  mit  Conjunctivitis  cat  behaftet  waren, 
deren  Ursache  iu  dem  bei  Abbruch  eines  Hauses  verbreiteten  Staub  zu  suchen. 

Im  Interesse  möglichster  Vollständigkeit  vorliegender  Statistik  wird  um 
regelmässige  und  rechtzeitige  (bis  längstens  20.  des  auf  den  Beriehts- 
monut  folgenden  Mouats)  Einsendung  der  Anzeigen  bezw.  von  Fehl¬ 
anzeigen  ersucht,  womöglich  unter  anmerkuugsweiser  Mittheiluug  von  F.pi- 
demien.  Zur  Vermeidung  von  Doppelzählungen  erscheint  es  wünschenswerte 
dass  Fälle  aus  sog.  Greuzpraxis  entweder  dem  Amtsärzte  des  einschlägigen 
Amtes  oder  dem  K.  Statistischen  Bureau  unter  Ausscheidung  nach  Aemtern 
mitgetbeilt  werden. 

Meldekarten  nebst  Umschlägen  zur  portofreien  Einsendung  an  das 
K.  Statistische  Bureau  sind  durch  die  k.  Bezirksärzte  zu  erhalten.  Diese  Karten 
dienen  ebenso  zu  sog.  S  ammel k ar te  n ,  welch’  letztere  zur  Vermeidung  von 
Verzögerungen  ohne  Rücksicht  auf  etwa  ausständige  Anzeigen  gleich¬ 
falls  bis  längstens  20.  jeden  folgenden  Monats  einzusenden  wären.  Allenfalls 
später  eingekommene  Meldungen  wollen  auf  der  nächstfolgenden  Karte  als 
Nachträge  gekennzeichnet,  aufgenommeu  werden.  Noch  in  Händen  be¬ 
findliche  sog.  Postkarten  wären  aufzubrauchen,  jedoch  durch  Angabe  der 
behandelten  Id  fl  uenz.  afälle  zu  ergänzen  und  gleichfalls  u  n  ter  Um  sc  h  lag  ein- 
znsenden.  —  Sog.  Zählblättchen  dagegen  werden  vom  K  Statistischen  Bureau 
weder  beschafft  noch  versendet. 


i)  Einschliesslich  einiger  seit  der  letzten  Veröffentlichung  (No  32)  eingelaufener  Nachträge.  -  a)  Im  Monat  Juni  1902  einschliesslich  der  Nach 
trage  1140  —  a)  23  mit  26.  bezw.  27.  mit  3t  Jahreswoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  iu  München.  —  Druck  von  E.  Mülilthaier's  Buch-  und  KuiiaLiruvkeiev  A.G.,  München. 


Die  Münch  Med  Wochensehr,  erscheint  wftohentl 
ln  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bosen 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest. -Ungarn  vierteliährl  6  M. 
ms  Ausland  8.—  M..  Einzelne  No.  80  *j. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktion 

moI!^lf8ua<!Se  26‘  ~  ^  Abonnement  an  J.  F.  Leh- 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

°~r’  SÄ  °Är’  w^e’  Ä  J'«  L»  «•».«»-».  L »•  W'nckel, 


Herlin. 


Erlangen. 


München. 


München. 


No.  38.  23.  September  1902,  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 

_  Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  2U. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 


Aus  der  I.  medizinischen  Abteilung  des  Eppendorfer  Kranken¬ 
hauses  m  Hamburg  (Direktor:  Prof.  Dr.  Lenhartz). 

Zur  Pathogenese  des  Typhus  abdominalis. 

Yon  Dr.  H.  S  chottmiiller. 

In  meinen  Mitteilungen  über  Paratyphus1)2)  habe  ich 
hei  vorgehoben,  dass  ich  von  Juni  bis  Dezember  1899  und  im 
Jahr  1900  bei  allen  dem  Krankenhaus  Hamburg-St.  Georg  zu¬ 
gegangenen  Typhusfällen  bakteriologische  Blutuntersuchungen 
ausgeführt  habe  und  bei  50  Fällen  des  Jahres  1899  40  mal 
=  80  Proz.,  bei  den  69  Fällen  des  Jahres  1900  58  mal,  also  in 
84  Proz.  im  Blute  der  Kranken  intra  vitam  Typhusbazillen  nach- 
weisen  konnte. 

Es  würde  diesen  Angaben,  welche  den  hohen  dia¬ 
gnostischen  Wert  der  Blutuntersuchung  bei  Typhus  ab¬ 
dominalis  im  Gegensatz  zu  den  Resultaten  früherer  Autoren  ) 
hinreichend  illustrieren,  und  die  inzwischen  auch  durch  andere 
Untersucher4)5)")')8)  Bestätigung  gefunden  haben,  kaum  etwas 
hinzuzufügen  sein,  wenn  nicht  meine  Befunde  auch  noch  in 
anderer  als  diagnostischer  Beziehung  einiges  Interesse  böten. 

Nachdem  die  Fortführung  meiner  Unter- 
s  u  c  h  u  n  g  e  n  auf  der  Abteilung  von  Herrn  Prof.  Lenhartz 
nn  Eppendorfer  Krankenhaus  im  Jahre  1901/02  bei  101  Typhus- 
kranken  84  mal  also  in  84  Proz.  der  Fälle  ein  positives  Resultat 
erzielt  (cf.  hierzu  Lenhartz **),  mithin  zu  Ergebnissen 
geführt  hat,  welche  im  völligen  Einklang  mit 
meinen  Beobachtungen  aus  dem  Jahre  1899  und 
mit  den  aus  diesen  gezogenen  Schlussfolge¬ 
rungen  stehen,  möchte  ich  in  folgenden  Zeilen  auf  diese 
näher  eingehen. 

Vorausschicken  möchte  ich  ein  Wort  über  die  Methode  der 
Untersuchung,  obgleich  sie  wohl  vielfach  geübt  wird. 

•  V  ie  Sittmann,  Stern  u.  a.  entnehme  ich  das  Blut  einer 
,lc  nach  Umstanden  etwas  durch  eine  Gummibinde  gestauten  Arm¬ 
vene  und  zwar  mittels  der  leicht  und  sicher  zu  sterilisierenden 
Glasspritze  von  L  u  e  r  -  Paris. 


)  Schottmiiller:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  No.  32. 
/  Derselbe:  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankh.  1901, 
30,  pag.  395.  —  cf.  auch  Lenhartz:  Mikroskopie  u.  Chemie 
Krankenbett.  3.  Auti.,  1900,  p.  52. 

9  Literaturangaben  s.  in  Volkmanns  Samml.  klin.Vortr.,  N 
T1  138:  Richard  Stern:  Klinisch-bakteriologische  Beiträge 
athologie  u.  Therapie  des  Abdominaltyphus. 

9  Aldo  Gas  teil  an  i:  Sul  Reporto  del  Bacillo  Tipico 
Sangue.  La  Riforma  Medica  1900,  Vol.  I.,  pag.  63,  76. 

9  Max  Auerbach  u,  E.  Unger:  Ueber  den  Nachweis 


Bd. 

am 

No. 


F„ 

zur 

nel 


von 


Deutsche  med.  Wochen- 


Typhusbazillen  im  Blut  Typhuskranker 
schrift  1900,  pag.  796. 

t  i  0)  Bufus  C  ° 1  e:  Frequency  of  Typhoid  Bacilli  in  the  Blood. 
•Johns  Hopkins  Hospital  Bulletin,  Vol.  XII.,  1901.  pag.  203. 

■  ,  j  "W*  'i°  11  ^  '  Hewlett:  On  the  presence  of  typhoid  bacilli 

'  .  /He  blood  of  typhoid-fever  patients.  Medical  Record  1901, 

\  ol.  (>0,  22. 

■  ^1*  J-  Courmont:  Diagnostic  preevie  de  la  fievre  typhoide 
**  3  .  vonstation  du  bacille  d’Eberth  dans  le  sang.  La  semaine 
medicale  1902,  1. 

,  .  •*)  Lenhartz:  Ueber  den  diagnostischen  Wert  der  bakterio¬ 

logischen  Blutuntersuchung.  v.  Leyden-Festschrift,  Bd.  I.  (Die 

ih  i  gemachte  Angabe  hat  sich  inzwischen  etwas  geändert, 

et.  oben.) 

No.  38. 


Die  betreffende  Hautstelle  wird  zur  Vereinfachung  des  Ver 
iahrens  nur  mit  Aether  gereinigt.  Aus  demselben  Grunde  ver- 

V1/'  auch  darauf,  die  zu  pungierende  Vene  durch  einen 
Hautschnitt  1  reiz  ulegen.  Die  Einstichwunde  wird  nach  der  Blut¬ 
entnahme  durch  ein  Zinkpflaster  geschützt  Irgendwelche  Nach 
teile  für  den  Patienten  haben  wir  bei  diesem  VeHalmln  trotz  sehr 
vieler  Untersuchungen  nie  gesehen. 

Spritze  ist  zweckmässigerweise  mit  einer  ziemlich  dicken 
Hohlnadel  zu  armieren,  damit  das  Blut  leicht  und  schnell  in  die 
fepntze  einstromen  kann.  Man  vermeidet  dadurch  Gerinnsel- 
bildung  und  Kürzt  die  ganze  Manipulation  wesentlich  ah.  Der 
j»  u t druck  ist  meist  so  stark,  dass  der  Stempel  schon  dadurch 
zui uckgeschoben  wird  und  ein  Zug  fast  überflüssig  ist.  Wir  ver¬ 
wenden  Spritzen,  die  20  ccm  Flüssigkeit  fassen,  da  geringe  Blut¬ 
mengen  nicht  immer  ein  positives  Resultat  gewährleisten.  Aus 
der  Spritze  lassen  wir  das  gewonnene  Blut  in  flüssig  gehaltene 
aut  abgekuhlte  Agarröhrchen  laufen  und  zwar  beschicken 
wir  jedes  etwa  6  ccm  Agar  enthaltende  Röhrchen  mit  2—3  ccm 
Blut.  Nach  erfolgter  Mischung  wird  der  Inhalt  der  Röhrchen  in 
'. vbalen  gegossen.  Ich  lege,  wie  Kühnau  u.  a.,  grossen  Wert 

tifranf’  dilS  ,Blut  mit  Agar  zu  ui  is  eben  und  nicht  etwa  auf 
dm  Oberfläche  von  Agar  anszugiessen  oder  statt  mit  Agar  mit 
Bouillon  zu  vermischen.  Die  Beobachtung  auf  keimender  Kolonien 
ist  bei  der  erstgenannten  Methode,  durch  welche  die  ausgesäten 
veime  fixiert  werden,  viel  leichter.  Das  Blut  wird  verdünnt  und 
seine  wachstumhemmende  Wirkung  dadurch  ebensogut  wenn 
mellt  besser,  wie  hei  der  Verwendung  von  Bouillon  eingeschränkt 
l  einer  erhält  man  ein  klares  Bild  über  die  Zahl  der  in  einer  be¬ 
stimmten  Menge  enthaltenen  Keime  und  endlich  sind  etwaige  Ver¬ 
unreinigungen  leicht  als  solche  zu  erkennen.  Meist  handelt  es 
sudi  um  einige  Staphylokokken-  oder  Pseiulodiphtheriekolonien  die 
oltenbar  aus  der  durchstochenen  Hautschicht  stammen;  niemals 
cina  ich  bewegliche  typhiTSiihnliche  Stäbchen  als  Verunreinigung. 

Einen  Vorteil  bietet  die  Benutzung  von  Bouillon  nach  unseren 
umfangreichen  Kontroll Untersuchungen  nicht. 

\V  enn  auch  hei  der  von  uns  aus  praktischen  Gründen  ge¬ 
wählten  Konzentration  in  gewissen  Fällen  Keime  an  der  Ent¬ 
wicklung  durch  die  bakterizide  Wirkung  des  Blutes  gehindert 
werden,  so  ist  eine  stärkere  Verdünnung  des  Blutes  mit  Agar 
als  1:3  im  allgemeinen  zur  Erzielung  positiver  Kul¬ 
tur  resultate  nicht  erforderlich,  andrerseits  würde  ich  auch 
nicht  raten,  das  Verhältnis  nach  der  entgegengesetzten  Seite  zu 
verschieben.  Die  hergestellten  Blutkulturen  werden  nun  bei  Brut- 
temperatur  von  37°  gehalten  und  in  den  nächstfolgenden  Tagen 
regelmässig  kontrolliert.  Man  erkennt  dann  die  Typhuskolonien 
als  tiefgrünschwarze  Punkte  im  Innern  des  Nährbodens,  die  all¬ 
mählich  bis  zu  Linsengrösse  heranwachsen.  Noch  grösser  ent¬ 
wickeln  sich  die  Oberflächenkolonien,  welche  einen"  dunkel- 
grauen  Farbenton  zeigen.  Das  Aussehen  der  Kolonie  und  die 
Feststellung,  dass  dieselbe  aus  beweglichen  Stäbchen  besteht,  ge¬ 
nügt  z  u  n  ä  c  li  s  t  völlig,  um  die  Krankheit  als  eine  typhöse  zu 
charakterisieren.  Man  braucht  dazu  nicht  erst  die  Identifizierung 
der  Keime  durch  die  verschiedenen  kulturellen  und  biologischen 
Proben  abzuwarten. 


Wie  gesagt  wurde  die  Blutuntersucliung  bei  allen  Typhus- 
kranken  in  den  ersten  12  Stunden  nach  erfolgter  Aufnahme 
vorgenommen,  ohne  Rücksicht  auf  die  Höhe  des  Fiebers  etc. 
Ich  wollte  zunächst  auf  diese  Weise  feststellen,  welcher  Wert  der 
Methode  in  diagnostischer  Beziehung  beizumessen  ist.  Die 
Tabelle  gibt  über  die  Resultate  dieser  Untersuchungen  Auskunft. 
Zur  Lösung  anderer  Fragen  wurde  dann  bei  einer  Anzahl  von 
Patienten  (17)  die  Blutuntersuchung  in  verschiedenen  Zeit¬ 
räumen  wiederholt,  und  zwar  im  ganzen  28  mal,  von  diesen  fielen 
75  Proz.  positiv  aus.  Dabei  ist  aber  zu  berücksichtigen,  dass  die 
Entnahme  mehrfach  absichtlich  kurz  vor  der  Entfieberung  vor¬ 
genommen  wurde.  Ausserdem  wurde  von  Fall  42  noch 
2  mal  vergeblich  das  Blut  bakteriologisch  geprüft. 


als  der  .Patient  nach  8  fieberfreien 


Tagen 


unter 


1 


1562 


MUENCHENER  MEDlClNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


hohem  Fieber  an  einer  kruppösen  Pneumonie  erkrankt 
war.  Die  Zusammenstellung  ergibt  die  Tatsache,  dass 
es  uns  bei  50  Fällen  39  mal  gelang,  aus  dem  am  1.  Tage  des  Kran¬ 
kenhausaufenthaltes  entnommenen  Blute  in  verschiedenen  Sta¬ 
dien  der  Krankheit  die  spezi tiselicn  Erreger  nachzuweisen.  In 
einem  Fall  (49),  bei  dem  die  erste  Untersuchung  negativ  aus¬ 
gefallen  war,  wurde  bei  einem  Rezidiv  später  ein  positiver  Be¬ 
fund  erhoben,  so  dass  der  Nachweis  der  Bazillen  überhaupt  in 
80  Proz.  gelang. 

Vielleicht  hätte  sich  die  Zahl  noch  erhöhen  lassen,  wenn  wir 
bei  einzelnen  Fällen,  die  anfangs  nur  negatives  Resultat  er¬ 
gaben,  die  Untersuchung  hätten  wiederholen  können.  Ab¬ 
gesehen  von  Fall  17  war  das  aus  äusseren  Gründen  nicht  möglich. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  kritischen  Betrachtung*  der 
gesammelten  Erfahrung,  so  wäre  zunächst  zu  bemerken,  dass 
nach  Massgabe  unseres  Materials  wesentlich  mehr  Männer  als 
Frauen  untersucht  wurden.  Immerhin  sind  wir  in  der  Lage  zu 
konstatieren,  dass  das  Geschlecht  keinen  Einfluss  auf  die  bak¬ 
teriologischen  Befunde  ausübt,  was  ja  auch  von  vornherein  höchst 
unwahrscheinlich  gewesen  wäre. 

In  der  beigefügten  Tabelle  sind  Kinder  nicht  angeführt, 
unter  den  Kranken  meiner  Untersuchungsreihe  aus  dem  Jahre 
1900  aber  befinden  sich  10  Kinder.  Wenn  diese  beschränkte  Zahl 
ein  Urteil  gestattet,  so  geht  es  dahin,  dass  im  jugendlichen  Lebens¬ 
alter  Typhusbazillen  nicht  ganz  so  häufig  und  auch  nicht  in 
solcher  Menge  als  bei  Erwachsenen  in  entsprechender  Quantität 
Blut  nachgewiesen  werden  können.  Diese  Tatsache  steht  im 
Einklang  mit  der  Beobachtung,  welche  wir  eben  auch  bei  unseren 
10  Kindern  machen  konnten,  dass  der  Typhus  im  Kindesalter  im 
allgemeinen  weniger  schwer  und  unter  milderen  Fiebererschei- 
nungen  als  bei  Erwachsenen  zu  verlaufen  pflegt. 

Ueber  das  Verhältnis  von  Krankheitstagen  und  positivem 
Blutbefund  gibt  unsere  Zusammenstellung  ein  anschauliches  Bild. 

Als  erster  Krankheitstag  ist  immer  der  angesehen  worden, 
an  welchem  mutmasslich  das  Fieber  begonnen  hat,  nicht  etwa  der, 
an  welchem  die  Patienten  das  Bett  auf  suchen  mussten.  Trotzdem 
verfügen  wir  über  Beobachtungen,  welche  sich  auf  die  ersten  Tage 
der  Erkrankung  beziehen. 

Der  früheste  Termin,  welcher  sich  im  primärem  Stadium 
des  Fiebers  für  unsere  Forschung  bot,  war  der  2.  Krankheitstag 
(Fall  21).  Es  ist  bemerkenswert,  dass  hier  schon  Bazillen  ge¬ 
züchtet  werden  konnten.  Für  den  3.,  4.,  5.  etc.  Fiebertag  liegen 
zahlreiche  positive  Befunde  vor.  Dass  aber  auch  schon  am 
1.  Fiebertag  die  Blutentnahme  Erfolg  verspricht,  dafür  möchte 
ich  als  Beweis  anführen,  dass  es  uns  mehrfach  gelungen  ist, 
innerhalb  der  ersten  24  Stunden  eines  beginnenden  Re-  ( 
zidivs,  auch  wenn  2 — 3  fieberfreie  Wochen  voraufgegangen  waren, 
die  spezifischen  Krankheitserreger  aus  dem  Blute  zu  kultivieren. 
Der  Einwurf,  es  könnten  die  zu  diesem  Zeitpunkt  angetroffenen 
Bazillen  noch  von  der  primären  Fieberperiode  her  im  Blute 
kreisen,  dürfte  wohl  von  niemandem  erhoben  werden,  dessen¬ 
ungeachtet  habe  ich  auch  über  diesen  Punkt  zahlreiche,  in  der 
Tabelle  nicht  angeführte  Untersuchungen  zu  verzeichnen,  aus  i 
denen  hervorgeht,  dass  nach  Ablauf  des  Fiebers  das  Blut  steril 
befunden  wird. 

Wie  sich  dann  auf  der  Höhe  der  Erkrankung  das  bakterio¬ 
logische  Ergebnis  gestaltet,  das  zeigen  zahlreiche  Stichproben, 
die  während  der  2.  und  3.  Krankheitswoche  vorgenommen  wur¬ 
den.  Der  Nachweis  der  Bazillen  gelingt  in  dieser  Zeit  fast  aus¬ 
nahmslos,  sofern  es  sich  um  schwere  oder  mittelsclrwere  Fälle 
handelt.  Nur  bei  3  Patienten  von  124,  deren  Krankheit  aller¬ 
dings  einen  sehr  milden  Verlauf  nahm,  konnte  ich  während  ihrer 
kurzen,  zwischen  39  und  40  0  schwankenden  Continua  kein  posi¬ 
tives  Resultat  erhalten,  freilich  konnte  eine  Wiederholung  der 
Untersuchung  nicht  vorgenommen  werden.  Anders  stellt  sich  das 
Untersuchungsergebnis  dar,  wenn  es  sich  um  Fälle  handelt, 
welche  entweder  nach  Ablauf  der  Continua  im  amphibolischen 
Stadium  oder  überhaupt  wenige  Tage  vor  völliger  Entfieberung 
zur  Beobachtung  kommen  oder  welche  nur  unter  Febris  re- 
mittens  oder  gar  intermittens  ablaufen. 

Solche  Fälle  sind  es  hauptsächlich,  bei  denen  unsere  Methode 
zuweilen  im  Stich  gelassen  hat.  Immerhin  lehrt  andererseits  ein 
Blick  auf  die  Tabelle,  dass  eine  ganze  Zahl  erfolgreicher  Unter¬ 
suchungen  auch  im  amphibolischen  Stadium  oder  bei  remittieren¬ 
dem  und  intermittierendem  Fiebertypus  ausgeführt  sind,  und 
ebenso  kann  ich  berichten,  dass  ich  mehrmals  noch  auf  Blut- 


platten  vom  4.  letzten  Fiebertag  Typhuskolonien  fand.  Wie  ich 
schon  oben  hervorhob,  ergab  aber  eine  nach  der  Entfieberung  vor- 
genommene  Untersuchung  des  Blutes  niemals  ein  positives 
Resultat.  Dass  sich  das  bakteriologische  Ergebnis  beim  Rezidiv 
mit  dem  der  primären  Erkrankung  deckt,  sofern  es  sich  nur  um 
gleich  schwere  Krankheitsbilder  handelt,  ist  oben  auch  schon  an¬ 
gedeutet  worden.  Als  Beispiel  dieser  häufig  gemachten  Erfahrung 
diene  Fall  45. 

Endlich  habe  ich  noch  eines  sehr  interessanten  Befundes  zu 
gedenken.  Gar  nicht  so  selten  beobachtet  man  in  der  Rekonvales¬ 
zenz  Typhuskranker  plötzliche  ephemere  Temperatursteigerungen 
bis  40  11  und  höher,  man  fürchtet  ein  Rezidiv,  aber  schon  bis  zum 
nächsten  oder  übernächsten  Tag  ist  die  Temperatur  zur  Norm  zu¬ 
rückgekehrt,  und  wenn  nicht  ein  ähnliches  Ereignis  nochmal 
oder  Rezidiv  eintritt,  verläuft  die  Genesung  ungestört.  Die  kli¬ 
nische  Untersuchung  vermag  eine  Ursache  für  die  allarmierende 
Temperaturerhöhung  nicht  ausfindig  zu  machen,  es  fehlt  mithin 
die  rechte  Erklärung  für  diese  Art  der  Fiebererscheinung.  Ich 
wenigstens  habe  mich  dabei  niemals  mit  der  Annahme  eines 
nachgewiesenen  oder  vermutheten  Diätfehlers  als  causa  peccans 
beruhigen  können. 

Einige  Male  nun  konnten  bei  solchen  sporadischen  Tempera¬ 
turanstiegen  im  Blute  der  betreffenden  Patienten  Typliuskeime, 
wenn  auch  in  spärlicher  Zahl  nachgewiesen  werden.  Daneben 
sind  auch  verschiedentliche  negative  Resultate  zu  verzeichnen. 

Nichtsdestoweniger  dürften  die  positiven  Fälle  dieser 
Art  als  Beleg  dafür  dienen,  dass  als  Ursache  der  vorübergehenden 
Temperatursteigerung  die  Anwesenheit  der  Bazillen  im  Blute  an¬ 
zusehen  ist.  Die  Misserfolge  in  anderen  Fällen  sprechen  nicht 
gegen  diese  Auffassung,  da  es  sich  ja  sicher  nicht  um  eine 
grössere  Zahl  von  Mikroorganismen  im  kreisenden  Blute  handelt, 
wofür  die  niedrigen  Zahlen  bei  den  positiven  Fällen  sprechen. 

Nachdem  wir  so  über  den  Ausfall  der  bakteriologischen 
Untersuchung  im  allgemeinen  während  der  einzelnen  Fieber¬ 
perioden  des  Typhus  abdominalis  berichtet  haben,  möchte  ich  die 
Aufmerksamkeit  noch  auf  die  Zahl  der  Kolonien  und  auf  den 
Zeitpunkt  ihres  sichtbaren  Auftretens  in  den  Blutkulturen  lenken. 
Was  den  letzten  Punkt  anlangt,  so  konnte  ich  bei  meinen  ersten 
124  Fällen  vor  Ablauf  der  ersten  24  Stunden  nach  Anlegung  der 
Kulturen  nur  ausnahmsweise  in  denselben  Kolonien  makro¬ 
skopisch  erkennen,  dagegen  sind  uns  in  letzter  Zeit  mehrfach 
Fälle  vorgekommen,  bei  denen  schon  nach  ca.  20  Stunden  Kolo¬ 
nien  deutlich  sichtbar  waren  und  so  vor  Ablauf  einer  eintägigen 
klinischen  Beobachtungsdauer  die  Diagnose  bakteriologisch  be¬ 
stätigt  werden  konnte.  Soviel  ist  aber  sicher,  dass  Kulturen  von 
24  ständigem  Alter  nur  sehr  spärliche  Kolonien  erkennen  lassen 
im  Vergleich  zu  der  Gesamtzahl  der  überhaupt  aufkeimenden 
Kolonien.  Ein  grösserer  Teil  der  Bakterienansiedelungen  ist  dann 
am  Beginn  des  2.  Tages  wahrnehmbar,  aber  eine  an  den  nächst¬ 
folgenden  Tagen  vorgenommene  Revision  der  Platten  lehrt,  dass 
sehr  häufig  am  3.  und  4.  Tag,  ja  sogar  noch  am  5.  und  6.  Tag 
die  Zahl  der  entwickelten  Keime  angewachsen  ist.  Unter  ge¬ 
wissen  Umständen  vermisst  man  aber  noch  am  2.  Tage  jegliches 
Wachstum  und  erst  nachdem  die  Platten  länger  als  48  Stunden 
im  Brutschrank  gestanden  haben,  bemerkt  man  die  ersten  Kolo¬ 
nien.  Wie  die  Tabelle  zeigt,  konstatiert  man  dieses  späte  Er¬ 
scheinen  der  Kolonien  namentlich  dann,  wenn  die  Blutentnahme 
in  einem  späteren  Stadium  der  Erkrankung,  nicht  im  Beginn  der¬ 
selben  stattgefunden  hat.  Es  bedarf  keines  Kommentars,  dass  die 
soeben  besprochene  protrahierte  Entwicklung  der  Keime  zu  Kolo¬ 
nien,  die  sich  bei  der  von  mir  gewählten  Konzentration  der  Blut¬ 
agarkulturen  fast  immer  2 — 3  Tage,  zuweilen  noch  länger  hin¬ 
zieht,  auf  die  im  Blute  wirkenden  bakteriziden  Kräfte  zurück¬ 
zuführen  ist.  Wenn  bei  verschiedenen,  in  gewissen  Intervallen 
wiederholten  Blutkulturen  eines  einzelnen  Falles  eine  zunehmende 
Verzögerung  der  Keimentwicklung  (cf.  z.  B.  42)  beobachtet  wird, 
so  kommt  darin  die  mit  dem  Fortschreiten  der  Krankheit  stei¬ 
gende  bakterizide  Wirkung  des  Blutes  zum  Ausdruck.  Dem¬ 
gemäss  wurde  das  verhältnismässig  frühe  Auftreten  von  Kolonien, 
schon  vor  Ablauf  des  ersten  Bruttages,  bei  gewissen  Fällen  damit 
zu  erklären  sein,  dass  bei  eben  diesen  Patienten  das  Blut  zunächst 
noch  relativ  geringe  bakterizide  Kraft  besitzt.  Auch  darauf 
möchte  ich  noch  hinweisen,  dass,  wie  mir  scheint,  nicht  allein 
dem  in  den  Blutkulturen  noch  fortwirkenden  bakterienfeindlichen 
Körper  die  Entwicklungshemmung  zuzuschreiben  ist,  sondern 
dass  auch  die  Bazillen  an  sich  schon  durch  ihren  Aufenthalt 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1563 


im  vasculären  Blut  geschädigt  sein  müssen  und  sich  schon  des¬ 
halb  nur  langsam  in  der  Agarkultur  vermehren. 


Für  diese  Annahme  dürfte  unter  anderem  der  Umstand 
sprechen,  dass  auch  dann,  wenn  ich  nur  sehr  geringe  Mengen 
Blut,  z.  B.  einen  Tropfen  für  eine  Agarplatte,  verwendete,  wie  es 
bei  einigen  Kontrolluntersuchungen  geschah,  auch  in  diesem  Fall 
die  Kolonien  (3  an  Zahl)  relativ  spät  und  in  erheblichem  zeitlichen 
Abstand  sichtbar  wurden,  obgleich  doch  in  dieser  Verdünnung 
von  einer  schädigenden  Wirkung  des  Blutes  nicht  wohl  die  Rede 
sein  kann. 

Was  nun  die  Zahl  der  durch  das  geübte  Kulturverfahren 
nachzuweisenden  Keime  anlangt,  so  schwankt  dieselbe,  wie  ein 
Blick  auf  die  Tabelle  lehrt,  in  sehr  bedeutenden  Grenzen.  Zu¬ 
nächst  muss  ich  bemerken,  dass  schon  die  Menge  der  Kolonien 
auf  den  einzelnen  1  latten  von  ein  und  derselben  Blutentnahme 
nicht  unerhebliche  Differenzen  aufweist,  und  weiter,  dass  einmal 
bei  einem  Patienten  innerhalb  weniger  Stunden  2  bakteriologische 
Untersuchungen  vorgenommen  werden  konnten,  die  pro  100  ccm 
256  und  175  Kolonien  ergaben.  Daraus  folgt  schon,  dass  die  bei 
den  einzelnen  Patienten  gewonnenen  Zahlen  dem  Zufall  in  ge¬ 
wissem  Grade  unterworfen  sind  und  nur  ein  ungefähres  Bild  der 
tatsächlichen  Verhältnisse  geben.  Immerhin  lässt  sich  bei  Be¬ 
rücksichtigung  des  Gesamtmaterials  sagen,  dass  im  allgemeinen 
die  Keimzahl  im  geraden  Verhältnis  zur  Höhe  des  Fiebers  und 
Schwere  des  Falles  steht.  Ist  die  Zahl  trotz  hohem  Fieber  und 
schwerem  Krankheitsbild  relativ  niedrig,  so  darf  man  wohl  daraus 
schliessen,  dass  das  Fieber  fallen  wird.  Aber  freilich  spielen  in¬ 
dividuelle  Verhältnisse  auch  hier  eine  grosse  Rolle,  und  Aus¬ 
nahmen  von  der  eben  aufgestellten  und  ganz  allgemein  gültigen 
Regel  kommen  nicht  selten  zur  Beobachtung. 

Bessere  Vergleichswerte  bilden  die  Keimzahlen,  welche 
wiederholte  Blutuntersuchungen  bei  ein  und  derselben  Person  im 
Verlauf  der  Krankheit  liefern.  Fast  immer  entspricht  da  Stei¬ 
gen  bezw.  Fallen  der  Zahlen  einer  entsprechenden  Fieberbewegung 
für  die  nächsten  Tage.  Hinweisend  auf  No.  16,  18,  45,  führe  ich 
dafür  noch  folgenden  Fall  an : 


8. 

20. 

29. 

33. 


Frau,  47  Jahre. 

Kr.-Tag  massige  Continua  (lyt/abfallend) 
„  schwere  Recrudesc. 
n  »  »> 

*  y*  )) 

Exitus. 


60  Kol.  pro  100 

130  „  „  100 

298  „  „  100 

750  „  „  100 


ccm 

» 

V 


Ziehen  wir  nun  aus  den  vorstehenden  Mitteilungen  unsere 
Schlussfolgerungen,  so  steht  zunächst  der  hohe  diagnostische  Wert 
der  Blutuntersuchung  ausser  allem  Zweifel  und  dürfte  an  Zu¬ 
verlässigkeit  von  keiner  anderen  Methode  erreicht  werden.  Wir 
haben  darin  ein  Mittel,  in  einem  sehr  hohen  Prozentsatz  der 
Fälle  und  namentlich  in  einem  sehr  frühen  Stadium  der 
Krankheit  den  Erreger  derselben  innerhalb  von  ca.  24 — 30  Stun¬ 
den  mit  derartiger  Sicherheit  nachzuweisen,  dass  eine  negative 
oakteriologische  Blutuntersuchung  bei  hochfiebernden  und  schwer¬ 
kranken  Patienten,  bei  dem  klinische  Symptome  eine  sichere 
Diagnose  nicht  stellen  lassen,  die  Annahme  eines  Typhus  so  gut 
wie  ausschliesst.  Was  die  Technik  anlangt,  so  ist  dieselbe  bei 
der  in  Rede  stehenden  Methode  mindestens  nicht  schwieriger  und 
umständlicher,  als  die  der  anderen  bakteriologischen  Unter¬ 
suchungsarten.  Von  diesen  hat  die  Roseolenuntersuchung  unserem 
Verfahren  gegenüber  von  vornherein  schon  den  Nachteil,  dass 
sie  bei  einem  nicht  geringen  Prozentsatz  der  Fälle  überhaupt 
nicht  in  Frage  kommt,  wenn  nämlich  die  Effloreszenzen  fehlen 
oder  doch  erst  im  weiteren  Verlauf  der  Krankheit  auf  treten. 
Der  Nachweis  der  Typhusbazillen  im  Stuhlgang  ist  bislang  noch 
mit  Schwierigkeiten  verknüpft  gewesen,  wofür  schon  der  Um¬ 
stand  spricht,  dass  keine  der  ersonnenen  Methoden  allgemeine 
Anerkennung  gefunden,  sondern  bald  durch  eine  neue  ersetzt 
wurde.  Ob  das  vor  kurzem  von  v.  Drygalski  und  C  o  n  r  a  d  i 
bekanntgegebene  Verfahren  geeignet  ist,  gleiche  Resultate  zu 
liefern  wie  die  Blutuntersuchung  namentlich  im  frühen  Stadium 
der  Krankheit  muss  noch  weiteren  Prüfungen  Vorbehalten  bleiben. 


Dass  endlich  der  Nachweis  der  Typhusbazillen  im  Blute  ein 
wertvolleres  diagnostisches  Hilfsmittel  ist  als  die  Gruber- 
W  i  d  a  1  sehe  Serumreaktion,  bedarf  nach  allem,  was  darüber  ge¬ 
schrieben  ist,  keiner  weiteren  Auseinandersetzung.  Das  Serum 
einer  erheblichen  Zahl  unserer  Untersuchten  verhielt  sich  zur  Zeit, 
als  die  Blutkultur  schon  die  Diagnose  gesichert  hatte,  im  Sinne 
der  genannten  Probe  noch  indifferent. 


Es  ist  uns  aber  in  der  Blutplattenkultur  nicht  nur  ein  dia¬ 
gnostisches  Hilfsmittel  an  die  Hand  gegeben,  sondern  auch  für 
die  Piognose  ergeben  sich  aus  dem  Verfahren,  wie  ich  oben  schon 
andeutete,  manche  Schlüsse,  welche  die  klinische  Beurteilung  des 
Falles  zu  ergänzen  geeignet  sind.  Man  muss  sich  dabei  nur  ver¬ 
gegenwärtigen,  dass  die  Schutzkräfte,  welche  dem  Körper  zur 
Verfügung  stehen,  individuell  erheblich  verschieden  sind,  und 
darf  nicht  erwarten,  dass  es  möglich  wäre,  eine  Zahlenskala  auf¬ 
zustellen,  an  der  man  schematisch  die  Prognose  ablesen  könnte. 
So  ist  z.  B.  der  Kranke,  welcher  von  allen  Untersuchten  die 
höchste  Keimzahl  aufwies  (Fall  24)  genesen. 

Gleichwohl  darf  man  wohl  sagen,  dass  eine  absolut  niedrige 
Keimzahl  während  der  Akme  die  Aussicht  auf  Abfall  des  Fiebers 
bietet,,  dass  umgekehrt  hohe  Zahlen  meist  ein  schweres  Krank¬ 
heitsbild  begleiten. 

Liegen  mehrere  Untersuchungsergebnisse  vor,  so  spricht 
Sinken  oder  Fallen  der  Keimzahl  für  eine  gleiche  Tendenz  des 
Fiebers.  Bei  einigen  letal  verlaufenden  Fällen  zeigten  die  Keim¬ 
zahlen  eine  progressive  Steigerung. 

Meines  Erachtens  sind  die  vorstehenden  Feststellungen  auch 
dazu  angetan,  in  gewisser  Weise  unsere  Anschauungen  über  die 
Pathologie  des  Typhus  zu  beeinflussen  bezw.  zu  stützen.  Man 
hegte  bisher  vielfach  wohl  noch,  wenn  ich  recht  unterrichtet  bin, 
die  Anschauung,  dass  sich  die  Typhusbazillen  zunächst  im  Lymph- 
apparat  des  Darmes  ansiedeln  und  sich  dort  der  Krankheitspro¬ 
zess  zunächst  und  zur  Hauptsache  abspielt.  Von  hier  aus  finde 
dann  eine  Weiterbeförderung  der  Bazillen  auf  dem  Blutwege  in 
andere  Organe  statt.  Angesichts  meiner  Beobachtungen  nun, 
welche  dartun,  dass  die  Bazillen  vom  ersten  Fiebertage  ab,  und 
ich  kann  wohl  behaupten  während  der  ganzen  Fieberdauer  zum 
Teil  in  recht  erheblicher  Menge  im  Blute  kreisen,  dass  ins¬ 
besondere  die  Fieberschwankungen  von  einem  Steigen  resp.  Fallen 
der  Menge  der  Keime  im  Blut  begleitet  werden  (hohe  Zahlen 
während  der  Continua,  niedrige  im  amphibolischen  Stadium, 
Wiederauf  treten  der  Keime  bei  ephemeren  Tempera  tursteige- 
rungen  etc.),  in  Anbetracht  dieser  Tatsachen  glaube  ich,  dass  das 
Krankheitsbild,  speziell  das  Fieber  bei  Typhus  durch  die  An¬ 
wesenheit  der  Bazillen  im  Blut,  dem  für  "bakterielle  Gifte  em¬ 
pfindlichsten  Organ  des  Körpers,  sehr  wesentlich  beeinflusst, 
wenn  nicht  beherrscht  wird.  Ziehe  ich  zum  Vergleich  die  Er¬ 
gebnisse  unserer  Blutuntersuchungen  bei  septischen  Erkran¬ 
kungen  (Endocard.  ulc.,  puerperale  Sepsis  etc.)  heran,  Krankheits¬ 
formen,  deren  Wesen  ja  in  der  Blutinfektion  besteht,  so  haben 
wir  da  nur  unter  156  Fällen  in  50  Proz.  intra  vitam  ein  positives 
Resultat  zu  verzeichnen9),  da  diese  Untersuchungen  in  genau  der¬ 
selben  Weise  wie  bei  den  Typhuskranken  ausgeführt  wurden,  so 
dürfte  der  Gegenüberstellung  der  gewonnenen  Zahlen  kein  Be¬ 
denken  entgegenstehen.  Es  wäre  also  durchaus  logisch,  jeden 
Typhus  als  Bakteriämie  oder  Sepsis  aufzufassen.  Uebrigens  sind 
gewisse  Typhusfälle  schon  mit  diesem  Namen  bezeichnet  worden, 
und  zwar  diejenigen,  bei  denen  in  den  Organen  Typhusbazillen 
gefunden  wurden,  ohne  dass  der  Darm  die  bei  unserer  Krankheit 
gewöhnlich  zu  beobachtenden  Veränderungen  dargeboten  hätte. 
Es  sind  derartige  Fälle  eine  ganze  Reihe  in  der  Literatur  be¬ 
schrieben  worden,  auch  wir  verfügen  über  eine  einschlägige, 
absolut  einwandsfreie  Beobachtung;  schon  intra  vitam  fand  ich 
bei  dem  klinisch  typischen  Typhus  im  Blut  die  spezifischen  Er¬ 
reger.  Es  handelte  sich  um  ein  1  jähriges  Kind,  dessen  Ge¬ 
schwister  gleichzeitig  dieselbe  Krankheit  unter  ebendenselben,  in 
jeder  Beziehung  charakteristischen  Symptomen  durchmachten. 

Diese  Fälle,  welche  der  ihnen  von  manchen  Autoren  ein¬ 
geräumten  Sonderstellung  als  Typhussepsis  durch  die 
Blutuntersuchungen  entkleidet  sind,  erachte  ich  für  geeignet, 
die  oben  skizzierte  Auffassung  über  die  Pathogenese  des  Abdomi¬ 
nalis  zu  bestätigen,  sie  beweisen  jedenfalls,  dass  zum  Bilde  des 
Typhus  die  Dannveränderungen  nicht  unbedingt  erforderlich 
sind,  mithin  kann  in  dieser  Affektion  nicht  der  Ilauptkrankheits- 
herd  gesehen  werden.  Dazu  kommt  noch,  dass  die  Ausdehnung 
und  Zahl  der  Darmgeschwüre  ganz  unabhängig  ist  von  der 
Schwere  des  Falles. 

Wenn  ich  mir  erlauben  darf,  im  Anschluss  an  vorstehende 
Schlussfolgerungen,  die  sich  auf  bakteriologische  Beobachtungen 

°)  Diese  Angaben  sind  mit  gütiger  Erlaubnis  meines  Chefs 
Herrn  Prof.  L/en  hart  z  seinem  demnächst  erscheinenden  Werk: 
„Die  septischen  Erkrankungen“  entnommen. 


I* 


1564 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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welchem  Krank- 
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Art 

des 

Fiebers 

Gesamtzahl  der 

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Typhuskolonien 
nach  einem 
Wachstum  von 

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Ausgang 

der 

Krankheit 

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Grad  | 

Tage 

Tagen 

1 

30 

4. 

41 

18 

Continua 

lytisch 

abfallend 

2 

2 ; 

5 

*) 

1 

50 

Exitus 

(Pneumonie) 

2 

20 

9. 

41 

6 

Continua 

21 

39 

71 

• 

640 

Exitus 

3 

18 

14. 

39,7 

14 

Remittens 

0 

0 

Heilung 

4 

29 

17. 

40  ! 

4 

Remittens 

0 

. 

0 

dto. 

5 

17 

5. 

41,2 

30 

Continua 

39 

99 

. 

500 

dto. 

5 

17 

19. 

39,8 

16 

Intermittens 

0 

. 

. 

0 

dto. 

6 

39 

7. 

40,6 

5 

Unregelm. 

Continua 

227 

327 

1800 

Exitus 

6 

39 

2t  Sldn. 
poslmori. 

• 

• 

• 

In 

),5  ccm  unzä 
Kolonien 

älige 

Heilung 

7 

31 

20. 

40 

25 

Remittens 
spät.  Recrudesc. 

0 

• 

• 

0 

8 

20 

5. 

40,2 

20 

Remittens 

0 

• 

0 

dto. 

9 

29 

4. 

40,6 

9 

Remittens 

0 

. 

0 

dto. 

10 

19 

9. 

40 

34 

Continua 
lyt.  abfallend 

0 

• 

. 

0 

dto. 

11 

15 

7. 

40,2 

12 

Remittens 

7 

• 

40 

dto. 

12 

19 

13. 

40 

34 

Remittens 

10 

13 

70 

dto. 

13 

15 

14. 

39,5 

1 

Remittens 

0 

• 

0 

dto. 

14 

28 

5. 

40,6 

9 

Remittens 

24 

26 

32 

180 

dto. 

15 

25 

15. 

40,6 

11 

Continua 

27 

46 

• 

260 

dto. 

16 

26 

4. 

40,5 

64 

Continua 

45 

61 

66 

550 

dto. 

16 

26 

20. 

40,5 

48 

Amphibol 
bis  37,8  rect. 

1 

2 

4 

20 

dto. 

16 

26 

29. 

39,6 

39 

Recrudescz. 

Remittens 

0 

5 

13 

70 

dto.. 

16 

26 

37. 

40,2 

31 

dto. 

0 

2 

3 

15 

dto. 

16 

26 

47. 

39,6 

24 

dto. 

0 

1 

, 

5 

dto. 

16 

• 

79. 

39,8 

0 

Sporad. 

Ephemera- 

0 

• 

• 

0 

dto. 

17 

30 

7. 

39,2 

7 

Remittens 

0 

. 

. 

0 

dto. 

17 

30 

13. 

38,7 

1 

dto. 

0 

. 

0 

dto. 

18 

26 

9. 

39,4 

19 

Continua 
lytisch  abfall. 

1 

• 

• 

5 

Exitus 

18 

26 

11. 

40,6 

17 

dto. 

. 

. 

1 

• 

5 

dto. 

18 

26 

21. 

40,9 

7 

Recrudescz. 

Continua 

1 

102 

132 

172 

950 

dto. 

18 

26 

26. 

40,5 

1 

dto. 

55 

73 

107 

113 

1250 

dto. 

18 

26 

postmort 

. 

. 

. 

. 

. 

35000 

19 

18 

14 

40,5 

28 

Continua 

95 

113 

119 

, 

740 

Heilung 

19 

18 

31. 

40,2 

il 

Remittens 

6 

10 

. 

. 

50 

dto. 

20 

39 

9. 

39 

9 

Intermittens 

0 

|  . 

. 

0 

dto. 

21 

25 

2. 

38,9 

6 

Continua 
dann  Remitt. 

4 

8 

10 

• 

50 

dto. 

22 

2C 

13. 

39 

34 

Continua 

22 

i  43 

48 

300 

dto. 

22 

2C 

21. 

40,9 

26 

dto. 

108 

183 

198 

110C 

dto. 

2: 

2t 

27. 

40,2 

20 

Remittens 

0 

3 

3 

5 

1  i0 

dto. 

22 

2C 

41. 

6 

dto. 

0 

. 

0 

dto. 

5>£ 

U 

6. 

39,5 

10 

Intermittens 

9 

A3 

19 

20 

100 

dto. 

24 

21 

25. 

40,6 

7 

Continua 
lytisch  abfall 

210 

326 

353 

364 

202C 

dto. 

2? 

2t 

11. 

39,2 

11 

dto. 

1 

7 

1  8 

11 

13 

70 

dto. 

u 

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welchem  Krank- 

tstag  fand  die  Ent¬ 

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Art 

des 

Gesamtzahl  der 
Typhuskolonien 
nach  einem 
Wachstum  von 

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Ausgang 

der 

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1  1 

2  1 

3  | 

4 

rZL  u* 

lahr 

5® 

Grad 

Tage 

Tagen 

26 

23 

10. 

40,9 

12 

|| 

Continua 

146. 

303 

333 

1800 

Heilung 

26 

23 

12. 

40,7 

10 

dto. 

75 

79 

• 

• 

440 

dto. 

27 

18 

8. 

40,4 

60 

dto. 

19 

41 

• 

• 

210 

dto. 

27 

18 

55. 

39,8 

5 

Remittens 

0 

0 

0 

o 

0 

dto. 

28 

21 

8. 

40,8 

17 

Continua 

37 

52 

57 

. 

570 

dto. 

29 

15 

11. 

39,7 

8 

Remittens 

10 

17 

25 

• 

100 

dto. 

30 

27 

7. 

46 

28 

dto. 

0 

5 

6 

30 

dto. 

31 

37 

40. 

39,5 

20 

Continua 

5 

• 

. 

25 

dto. 

32 

19 

4. 

40 

11 

Recidiv. 

Remittens 

14 

83 

97 

• 

490 

dto. 

33 

22 

29. 

39,3 

9 

Continua 

0 

6 

, 

. 

40 

Exitus 

34 

20 

4. 

40,2 

16 

Massige  Con- 

9 

13 

. 

70 

Herzschw. 

Heilung 

34 

20 

16. 

38,9 

4 

tinua 

Intermittens 

0 

0 

dto. 

35 

25 

5. 

40 

23 

Mässige  Con- 

3 

9 

. 

• 

50 

dto. 

35 

25 

12. 

39,6 

16 

tinua 

dto. 

8 

19 

23 

130 

dto. 

35 

25 

36. 

39,4 

9 

Intermittens 

0 

. 

. 

0 

dto. 

36 

19 

9. 

40,1 

Remittens 

3 

8 

. 

40 

dto. 

37 

29 

9. 

39,3 

7 

dto. 

0 

, 

• 

0 

dto. 

38 

22 

8. 

40,3 

18 

Continua 

14 

37 

38 

, 

190 

dto. 

39 

19 

6. 

40,8 

33 

dto. 

15 

30 

a 

• 

150 

dto. 

39 

19 

25. 

40 

8 

Recrudescz. 

4 

• 

50 

dto 

40 

36 

46. 

39,7 

10 

Remittens 

Continua 

71 

108 

119 

600 

dto. 

41 

19 

15. 

39,8 

18 

dto. 

6 

8 

12 

• 

60 

Exitus 

41 

19 

18. 

40,2 

15 

dto. 

0 

7 

• 

40 

dto. 

42 

20 

6. 

41,3 

31 

dto. 

19 

61 

74 

. 

260 

Heilung 

42 

20 

19. 

40,4 

18 

Amphibol 

. 

2 

• 

• 

10 

dto. 

42 

20 

25. 

39 

12 

stad. 

dto. 

0 

7 

9 

13 

70 

dto. 

42 

20 

46. 

41,4 

8 

Pneumonia 

0 

5. 15 

0 

dto. 

42 

20 

50. 

40,5 

4 

croup. 

dto. 

0 

0 

dto. 

43 

23 

5. 

40,5 

27 

Continua 

2 

4 

8 

• 

40 

dto. 

43 

23 

15. 

40 

17 

dto. 

0 

1 

. 

5.3 

20 

dto. 

** 

44 

32 

30. 

40,1 

5 

Remittens 

1 

6.4 

4 

dto. 

45 

32 

8. 

40,5 

21 

Continua 

57 

108 

123 

, 

610 

Exitus 

45 

32 

15. 

40,4 

14 

Remittens 

0 

5 

7 

8 

40 

dto. 

45 

32 

t.  des 

39 

3 

Continua 

0 

8 

10 

15 

70 

dto. 

45 

32 

Recidiv 
3.  des 

40,3 

1 

dto. 

0 

23 

46 

51 

320 

dto. 

46 

33 

Recidiv 

7. 

40,7 

14 

dto. 

20 

37 

42 

260 

dto. 

47 

20 

8. 

40,3 

8 

Remittens 

2 

5 

9 

40 

Heilung 

48 

17 

7. 

40,6 

16 

Continua 

22 

45 

52 

260 

• 

49 

30 

9. 

39,7 

11 

Continua 

0 

, 

. 

0 

Heilung 

49 

3C 

31. 

40 

7 

Remittens 

Continua 

0 

0 

2 

15 

dto. 

5C 

26 

ä.d.Rec 

6. 

40 

8 

(kurz) 

Continua 

• 

18 

27 

34 

170 

dto. 

*)  NB.  Die  Zahlenangaben  über  die  bei  den  einzelnen  Fällen  gewachsenen  Kolonien  sind  untereinander  nur  in  der  Reibe 
vergleichbar,  in  welcher  die  Keimzahl,  pro  100  ccm  berechnet,  angegeben  ist,  da  die  Menge  des  zur  Kultur  verwendeten  Blutes  bei  den 
einzelnen  Fällen  nicht  gleich  gross  war. 

**)  Noch  am  5.  resp.  6.  Tag  sind  neue  Kolonien  auf  getreten. 


am  Lebenden  gründen,  der  Frage  näher  zu  treten,  wie  sich 
im  Hinblick  auf  die  Feststellungen  wohl  der  Gang  des  typhösen 
Infektionsprozesses  gestaltet,  so  möchte  ich  folgendes  ausführen, 
ohne  etwa  den  Anspruch  erheben  zu  wollen,  damit  etwas  zu  sagen, 
was  nicht  auch  schon  früher  gedacht  oder  ausgesprochen  ist. 

Ich  nehme  an,  dass  Typhusbazillen  an  irgend  einer  Stelle  des 
Magendarmtraktus  in  die  Darmwand  eindringen  —  ob  die  Lokal¬ 
infektion  unter  Bildung  eines  makroskopisch  sichtbaren  patho¬ 
logischen  Produktes  vor  sich  geht  oder  nicht,  lasse  ich  dahin¬ 
gestellt  sein  —  und  sich  dort  in  den  Lymphgefässen  an  der  Ein¬ 
gangspforte  vermehren.  Von  da  aus  findet  dann  eine  Weiterver¬ 
breitung  der  pathogenen  Mikroorganismen  in  die  abführenden 
grösseren  Lymphbahnen  und  die  zugehörigen  Lvmphdrüsen 
statt.  Man  kann  sich  nun  vorstellen,  dass  es  Fälle  gibt, 
bei  denen  der  Krankheitsprozess  in  dem  oben  bezeich- 


neten  Gebiet  lokalisiert  bleibt  und  bald  zur  Heilung  kommt, 
genau  so  wie  eine  Streptokokkenlymphangitis  an  äusseren  Teilen 
des  Körpers  heilen  kann,  ehe  sie  zu  einer  Blutinfektion  führt. 
Damit  wäre  eine  Erklärung  gegeben  für  jene  leichtesten  Fälle 
von  Typhus  (Typhus  abortivus,  afebrilis,  Typhe  en  petite  dose 
etc.  cf.  Curschnjann:  Der  Unterleibstyphus;  pag.  275  ff.). 

In  den  meisten  Fällen  schreitet  aber,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  die  Krankheit  fort  und  für  jene  dürfte  die  bisherige 
lokale  Entwicklung  des  Leidens  das  Stadium  der  Inkubation 
des  klinischen  Krankheitsbildes  bedeuten.  Es  erfolgt  nämlich, 
wenn  die  Krankheitsparasiten  den  schützenden  Wall  der  Mesen¬ 
terialdrüsen  überwunden  haben,  eine  Infektion  des  grossen 
Lymphstammes  und  damit  des  Blutes,  gerade  -wie  bei  septischen 
Erkrankungen  nach  Wundinfektionen  von  einem  lymphangi- 
tisclien  oder  thrombophlebi tischen  Herd  aus  eine  Einschwemmung 


1565 


2ö.  September  1902. _  MUENCHENER  MEBICHSTISCHE  WOCIIENSCIIRIFT. 


von  Streptokokken  ins  Blut  eintritt.  Mit  dem  Blutstrom  ge¬ 
langen  die  spezifischen  Erreger  in  die  verschiedenen  Organe  um 
dort  entweder  mehr  oder  weniger  charakteristische  Erscheinungen 
hervorzurufen  oder  nur  deponiert  zu  werden. 


Bass  die  Entstehung  der  Roseolen  und  der  jüngst 
von  E.  Fraenkel  nachgewiesenen  Entzündungsherde  im 
Knochenmark  nur  so  zu  erklären  sind,  darüber  herrscht 
wohl  kein  Zweifel  mehr.  Aber  analog  möchte  ich  auch 
entschieden  dafür  eintreten,  dass  die  Affektionen  des 
lymphatischen  Apparates  im  Barm  als  Metastasen,  entstanden 
durch  Einschleppung  der  Bakterien  auf  dem  Blutwege,  auf 
zufassen  sind.  Schon  Baumgarten  zog  bei  Besprechung  der 
Pathologie  des  Typhus  in  seinem  Lehrbuch  der  pathologischen 
Mykologie  diese  Möglichkeit  in  Erwägung,  liess  sie  aber  fallen  zu 
Gunsten  der  landläufigen  Theorie,  welche  die  typhösen  Verände¬ 
rungen  der  Follikulargebilde  des  Bannes  durchweg  auf  direkte 
Einwanderung  der  Parasiten  von  der  Oberfläche  der  Schleimhaut 
her  zurückführt.  Ber  genannte  Autor  widerlegt  die  Ansicht, 
nach  welcher  die  Barmaffektionen  bei  Typhus  durch  die  vom 
Blute  zugeführten  Keime  veranlasst  würden,  mit  dem  Einwurf, 
dass  man  sonst  eine  ,,ganz  besondere  Prädisposition  der  genannten 
Apparate  (Follikel)  für  die  Wucherung  der  Typhusbazillen  an¬ 
nehmen“  müsste.  Eine  solche  möchte  ich  in  der  Tat  annehmen. 
Sehen  wir  doch  bei  Typhuskranken  sehr  häufig  Lymphdrüsen  ge¬ 
schwollen,  welche  dem  Barmtraktus  sehr  fern  liegen,  und  auch  bei 
Sektionen  finden  sich  z.  B.  die  Bronchialdrüsen  entzündlich  ver¬ 
ändert,  worauf  auch  Curschmann  hinweist  (pag.  227).  Wenn 
somit  für  diese  Gebilde  eine  Prädisposition  feststeht,  kann  es 
nicht  schwer  sein,  für  den  anatomisch  nahe  ver¬ 
wandten  Follikelapparat' im  Barm  ein  gleiches  zu  folgern. 
Ferner  beweist  auch,  ganz  abgesehen  von  anderen  Krankheiten, 
der  i  undort  der  Roseolen,  dass  wir  mit  einer  gewissen,  uns  zu¬ 
nächst  noch  unerklärten  "V  orliebe  der  pathogenen  Keime  zu 
rechnen  haben,  an  ganz  bestimmten  Körperstellen  entzündliche 
Erscheinungen  hervorzurufen.  Aber  auch  Baumgarten 
kommt  bei  der  von  ihm  bevorzugten,  Theorie  nicht  ohne  die 
Voraussetzung  einer  Prädisposition  aus,  denn  warum  sollten  sich 
sonst  die  den  ganzen  Barmtraktus  passierenden  Bazillen  nur 
in  den  Follikeln  ansiedeln? 


V  eiter  dürfte  die  kurze  Schilderung  des  Falles  45  dazu  bei¬ 
tragen,  die  vorliegende  F  rage  zu  klären.  Ber  Patient  machte 
einen  schweren  Typhus  von  29  tägiger  Bauer  durch,  war  3  Tage 
fieberfrei,  dann  setzt  ein  schweres  Rezidiv  ein,  in  dem  er  am 
6.  Tage  an  Herzschwäche  zu  Grunde  geht.  Im  Barm  finden  sich 
durchweg  tiefe,  gereinigte  Geschwüre,  ausserdem  aber  frische 
markige  Schwellung  der  Randpartien  vieler  Ge¬ 
schwüre  und  einer  Anzahl  anderer  Plaques  und  Follikel.  Nur 
ein  Plaque  zeigt  im  Zentrum  in  hirsekorngrosser  Ausdehnung 
beginnende  Verschorfung.  Bie  Geschwüre  rühren  offenbar  von 
der  ersten  Fieberperiode  her,  die  markige  Schwellung  ist  im  Re¬ 
zidiv  entstanden.  Soll  mau  nun  annehmen,  dass  während  der  3. 
und  4.  Krankheitswoche  die  zweifellos  im  Barmkanal  massenhaft 
vorhandenen  Typhusbazillen  die  Barmschleimhaut  nicht  affi- 
zierten,  dann  aber  mit  Beginn  des  Rezidivs,  Anfang  der  5  Woche, 
wie  auf  ein  gegebenes  Zeichen  in  die  Geschwürsränder  und  in 
bisher  verschonte  Plaques  und  Follikel  eindringen,  und  so  die 
vielen  bei  der  Sektion  zu  beobachtenden  Herde  markiger  Schwel¬ 
lung  erzeugen.  Liegt  es  nicht  viel  näher,  sich  den  Hergang  so 
vorzustellen  und  sich  überhaupt  das  Eintreten  eines  Rezidivs  so 
zu  erklären,  dass  von  irgend  einem  der  im  Körper  nach  der  Ent¬ 
fieberung  noch  zurückgebliebenen  Bazillendepots,  mag  dies  nun 
in  der  Milz  oder  im  Knochenmark  oder  im  Lymphsystem  zu 
suchen  sein,  ein  neuer  Einbruch  der  Krankheitskeime  in  die  Blut¬ 
bahn  erfolgt  und  dass  auf  diese  Weise  eine  Ansiedlung  der  Mi¬ 
kroben  in  dem  Follikelapparat  des  Bannes  stattfindet.  Biese  Auf¬ 
fassung  würde  meiner  Meinung  nach  am  besten  das  plötzliche 
und  gleichzeitige  Aufflackern  des  Prozesses  an  vielen  und 
zerstreuten  Punkten  im  Barm  erklären.  Uebrigens  heben  schon 
E.  Fraenkel  und  Simmonds  10)  hervor,  welche  Bedeutung 
für  das  Verständnis  der  Rezidive  ihrer  Beobachtung  zukommt, 
dass  sich  die  Typhuserreger  sehr  lange  in  der  Milz  halten.  Ich 
kann  hier  nur  andeuten,  dass  ich  jenen  beistimme,  welche  ge- 
schwürige  Prozesse  an  anderen  Stellen  des  Körpers,  vor  allem  die 


10)  Die  ätiologische  Bedeutung  des  Typhusbazillus.  Verlag 
von  Leopold  Voss.  pag.  10. 

No.  38. 


Ulzerationen  im  Larynx  oder  auch  in  der  Scheide,  wo  ich 
zweimal  im  Beginn  eines  schweren  Typhus  mehrere  markstück¬ 
grosse,  schorfbedeckte  Geschwüre  unter  indifferenter  Behandlung 
sich  reinigen  und  heilen  sah,  auch  als  Metastase  der  spez.  Ba¬ 
zillen  auffassen  möchte.  Wenn  die  bakteriologische  Forschung 
F.  F  r  a  e  n  k  e  1  s  in  diesen  der  Bakterienwelt  sehr  exponierten 
Geschwüren  wohl  Eiterkokken,  nicht  aber  Typhusbazillen  fand, 
so  dürfte  das  nicht  als  ausschlaggebend  anzusehen  sein. 

Bie  Frage,  ob  bei  Typhuskranken  eine  Vermehrung  der 
Erreger  im  Blute  selbst  intra  vitam  (eine  postmortale 
habe  ich  öfters  nacliweisen  können)  stattfindet,  oder  ob  nur 
während  der  Fieberperiode  eine  beständige  Einschwemmung  aus 
den  Lymphbahnen  erfolgt,  habe  ich  nicht  entscheiden  können. 
Weil  dem  Blute  noch  in  vitro  dem  Typhusbazillus  gegenüber 
eine  so  erhebliche  bakterizide  oder  entwicklungshemmende 
Kraft  innewohnt,  wie  sehr  wenig  anderen  pathogenen  Keimen 
gegenüber,  eine  Tatsache,  welche  ich  durch  zahlreiche  ver¬ 
gleichende  Versuche  kennen  lernte,  so  neige  ich  der  Anschauung 
zu,  dass  die  Vermehrungsfähigkeit  der  Mikroben  im  Blute,  so 
lange  es  dem  Lebenseinfluss  nicht  entzogen  ist,  eine  recht  be¬ 
schränkte  ist,  nur  bei  den  foudroyant  letal  verlaufenden 
Fällen,  bei  denen  entweder  die  Antitoxine  in  so  geringer  Menge 
vorhanden  oder  die  Zahl  der  einströmenden  Bazillen  eine  so  grosse 
ist,  dass  die  bakteriziden  Kräfte  paralysiert  werden,  dürfte  eine 
schrankenlose  Entwicklung  der  Parasiten  in  Frage  kommen  und, 
wie  eben  angegeben,  erklärlich  sein. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  zu  Strassburg. 

Ueber  traumatische  Herzklappen-  und  Aorten- 

Zerreissung.*) 

Von  Prof.  Br.  M.  B.  Sch  m  i  d  t,  I.  Assistenten. 

M.  II. !  In  der  Biskussion  über  traumatische  Entstehung 
von  Herzklappenerkrankungen,  wTelche  in  Rücksicht  auf  die  Un¬ 
fall  sentschädigung  in  neuer  Zeit  lebhafter  geführt  wird,  hat  man 
sich  auf  Fälle  gewöhnlicher  verruköser  oder  ulzeröser  Endo¬ 
karditis  berufen,  bei  denen  die  klinische  Geschichte  auf  einen 
Zusammenhang  mit  einem  Tage  oder  Wochen  vorhergegangenen 
Trauma,  namentlich  einem  Sturz  hinweist.  Indessen  ganz  reine, 
unzweifelhafte  Beobachtungen  dieser  Art  weist  die  bisher  vor¬ 
liegende  Kasuistik  nicht  auf:  Bei  Chvosteks1)  Patienten 
z.  B.  ist  die  Endokarditis  nicht  als  Effekt  der  lokalen  Verletzung, 
sondern  nur  als  Teilerscheinung  einer  allgemeinen  traumatischen 
Pyämie  aufzufassen,  bei  Leyden2)  der  Zusammenhang  der  akuten 
Klappenentzündung  mit  einem  Fall  sehr  zweifelhaft  u.  s.  w. 
Bie  klinische  Beobachtung  spricht  dafür,  dass  nach  einer  Brust¬ 
quetschung  sich  schleichend  ein  Leiden,  namentlich  Stenose  der 
Klappen  des  linken  Herzens  entwickeln  kann  [Oppenheim 
(nach  Stern8),  A  1  b  u  1 1 4),  Ritter5),  Heidenhain  °), 
Riedinger')];  es  liegt  bisher  meines  Wissens  nur  ein  Sek¬ 
tionsbefund  darüber  vor  in  dem  Fall  von  Kundrat8),  in 
welchem  das  Herz  durch  einen  nur  in  die  Rippe  dringenden 
Schuss  eine  Kontusion  erfuhr;  doch  ist  die  unmittelbare  Be¬ 
ziehung  der  Verdickung  des  freien  Mitralisrandes  zu  der  Ver¬ 
letzung  deshalb  nicht  zweifellos,  weil  nach  letzterer  zugleich  eine 
Sprengung  des  Vorhofsendokards  und  eine  Perikarditis  ein- 
getreten  war. 

Hauptsächlich  kommen  für  die  ganze  Frage  die  Zer¬ 
re  i  s  s  u  n  g  e  n  von  Klappen  mit  oder  ohne  entzündliche  Auf¬ 
lagerungen  auf  den  Rändern  in  Betracht,  deren  anatomischer 
Charakter  nicht  mit  dem  gewöhnlichen  Bilde  des  perforierenden 
Klappenaneurysmas  übereinstimmt,  und  es  liegen,  allerdings  in 
geringer  Zahl,  derartige  Beobachtungen  vor,  in  deren  Anamnese 

*)  Nach  einem  im  unterelsässischen  Aerzteverein  am  19.  Juli 
1902  gehaltenen  Vortrag. 

’)  Chvo  stelc:  Wiener  med.  Presse  1877,  S.  1281. 

2)  Leyden:  Chariteannalen  1894,  XIX.  Jahrg.,  S.  99. 

3)  Iiicli.  Stern:  Die  traumatische  Entstehung  innerer  Krank¬ 
heiten,  Teil  I,  1896. 

4)  Al  butt:  St.  George’ s  Hosp.  Rep.  1S70;  Schmidts  Jalirb. 
Bd.  163,  S.  22. 

s)  Ritter:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1889,  S.  699. 

°)  Heidenhain:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  Bd.  41,  1895, 
S.  286. 

7)  Riedinger:  Monatsschr.  f.  Unfalllieilk.  1894,  S.  351. 
Fall  II. 

s)  Kundrat:  Wiener  med.  Wochensclir.  1884,  Vereinsbericht 

S.  164. 

3 


MLJEN CHE  NER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1566 


pr 


eine  äussere  Einwirkung  auf  den  Körper  eine  Rolle  spielt,  einer¬ 
seits  eine  besonders  starke  Kraftanstrengung,  z.  B.  Heben 
schwerer  Lasten  (von  Bari  e  ')  als  „spontane  Rupturen“  be¬ 
zeichnet),  andererseits  eine  direkt  den  Thorax  treffende,  kom- 
rimierende  oder  erschütternde  Gewalt,  so  Hufschlag,  Puffer- 
)uetschung,  Sturz  aus  grösserer  Höhe  (Baries  „traumatische 
Rupturen“);  und  sie  betreffen,  ebenso  wie  die  nur  am  Lebenden 
untersuchten  Insuffizienzen,  welche  unter  ähnlichen  äusseren  Be¬ 
dingungen  plötzlich  einsetzten,  fast  stets  das  Aortenostium.  Ich 
beschränke  mich  hier  auf  die  Besprechung  der  nach  direkter 
Brustquetschung  entstandenen  und  kann  von  solchen  anatomisch 
konstatierten  Aorteninsuffizienzen  nur  6  Beispiele  aus  der 
Literatur  anführen,  die  von  B  i  g  g  s  "),  V  e  ö  "),  Duroziez  '") 
(F.  I),  Barie  (Obs.  XIII),  Hayden13),  Strassmann14), 
ferner  einen  Fall  (N.  W  e  i  s  s  '"),  der  das  Pulmonalostium  betraf. 
In  ihnen  fand  man  bald  eine  vertikal  eindringende,  bald  eine 
quere  Spalte  in  einer  Klappe  und  namentlich  eine  Abreissung 
einer  solchen  (bei  Yeo  zweier)  von  ihrer  Insertion.  An  den 
Atrioventrikularsegeln  selbst  sind  traumatische  Zerreisisungen 
nicht  gesehen,  nur  einmal  von  Barie  (Obs.  XXXIY,  p.  319)  an 
der  Mitralis,  von  Todd  (Baries  Obs.  XXXYI1I)  an  der 
Trikuspidalis  eine  Durchtrennung  der  Sehnenfäden  und  von 
Legend  re10)  Abreissung  eines  Papillarmuskels  des  linken 
Ventrikels  beschrieben  worden. 


Die  Frage  gipfelt  darin,  ob  eine  auf  den  Thorax  einwirkende 
Gewalt  eine  g  e  s  u  n  d  e  Klappe  zum  Bersten  bringen  kann;  denn 
das  unterliegt  ja  keinem  Zweifel,  dass  bei  bestehender  Endo¬ 
karditis,  welche  schon  die  Tendenz  zur  Zerstörung  des  Klappen¬ 
gewebes  in  sich  trägt,  eine  äussere  Einwirkung  dieses  Ereignis 
herbeiführen  kann.  Das  bisher  beigebrachte  Material  wird  von 
manchen  noch  nicht  als  beweiskräftig  angesehen;  dies  kam  neuer¬ 
dings  zum  Ausdruck  auf  dem  internationalen  medizinischen 
Kongress  in  Paris,  wo  im  Anschluss  an.  das  Referat  von 
Castiaux  und  Laugier 17)  über  das  Thema  von  massgeben¬ 
der  Seite  Zweifel  geltend  gemacht  wurden.  Der  Grund  liegt 
darin,  dass  teils  das  vorherige  Bestehen  einer  Endokarditis  nicht 
sicher  auszuschliessen,  teils  der  kausale  Zusammenhang  mit  einem 
Trauma  nicht  klar  ist;  denn  in  der  Regel  waren  Monate  und 
Jahre  bis  zum  Eintritt  des  Todes  verflossen.  Es  fehlt  an  Fällen, 
in  denen  bald  nach  einem  evidenten  Trauma  eine  unzweifelhafte 
frische  Ruptur  in  unkompliziertem  Zustand  anatomisch  demon¬ 
striert  werden  konnte. 


Ich  bin  in  der  Lage,  Ihnen  über  eine  Beobachtung  zu  be¬ 
richten,  welche  diesen  Anforderungen  gerecht  wird,  und  das 
Präparat  hier  vorzulegen. 

Dasselbe  stammt  von  einem  85  jährigen  Mann  (A.  Iv.,  sez. 
(1.  13.  IV.  1901),  welcher  bei  Nacht  aus  dem  Klosettfenster  —  ob 
demjenigen  des  1.  oder  2.  Stockes,  war  nicht  zu  eruieren  —  herab- 
gestiirzt  und  2  Stunden  später  unter  demselben  im  Hofe  tot  auf¬ 
gefunden  worden  war.  Danach  ist  es  unbekannt,  ob  der  Tod  so¬ 
fort  nach  dem  Fall  eingetreten  ist;  nach  dem  Sektionsbefund 
möchte  ich  es  annehmen;  denn  das  gesamte  Blut  war  flüssig, 
und  die  geringe  Fettembolie  der  Lungen  spricht  nicht  dagegen, 
da  dieselbe  ja,  wie  vielfältige  Erfahrungen  lehren,  momentan  sich 
ausbilden  kann.  Offenbar  ist  das  Individuum  auf  die  linke  Körper- 
und  speziell  Thoraxseite  aufgefallen;  denn  ich  fand  Frakturen  an 
10  linksseitigen  Kippen  2 — 3  cm  neben  den  Köpfchen  mit  Ver¬ 
letzung  der  Pleura  durch  ein  Fragment  und  massigem  Bluterguss 
(300  ccm)  in  die  Brusthöhle,  Hautschürf ungen  am  linken  Ellen¬ 
bogen,  Querfraktur  des  linken  Humerus  dicht  über  dem  Gelenke, 
mehrfache  Rupturen  in  der  Milz  und  zwei  an  der  Vorderfläche  des 
linken  Leberlappens,  Zerreissung  der  linken  Alt.  renalis  und  sub¬ 
peritonealen  Bluterguss  um  dieselbe.  Ausserdem  bestand  eine 
Querfraktur  des  3.  Brustwirbels  mit  leichter  kypliotisclier  Krüm¬ 
mung.  Die  hintere  Aortenklappe  trägt  einen 
ihre  ganze  Dicke  durchsetzenden  winklig  g  e  - 
knie  k  teil  Bis  s,  die  Spitze  des  Winkels  nach  rechts  gekehrt 
und  etwas  unterhalb  des  Schliessungsrandes  liegend,  der  obere 
Schenkel  endet  dicht  unter  dem  Nodulus  Arantii,  der  untere  an  der 


1‘)  Barie:  Revue  de  medecine  1881,  p.  133,  309,  482. 

!")  B  i  g  g  s:  Cit.  nach  Ster  u,  S.  11. 

n)  B.  Yeo:  Med.  Times  and  Gazette  1878.  I,  p.  180. 

12)  Duroziez:  L’Union  med.  1880,  I,  No.  72  u.  73. 

J®)  Hayden:  Dublin  Quart.  Journ.  1807;  ref.  bei  Drey- 
l'uss:  These  de  Paris,  1890. 

1J)  Strassmann:  Zeitsehr.  f.  klin.  Med.  Bd.  42,  S.  347. 
1901. 

13)  N.  Weiss:  Wiener  med.  Presse  1-875,  No.  1  und  2. 

1C)  Legend  re:  Soc.  anatorn.  de  Paris  1839,  p.  195. 

17)  Castiaux  und  Laugier:  XIII.  Congres  Internat,  de 
med.,  Paris  1900;  T.  10,  med.  lögale  p.  33. 


Ansatzstelle  der  Klappe;  so  ist  ein  dreieckiges  Läppchen  gebildet, 
an  dessen  Basis  man  an  der  dem  Sinus  Valsalvae  zugekehrten 
Fläche  eine  kleine  kalkige  Härte  fühlt.  Jedoch  ist  die  letztere 
nicht  gebrochen,  der  Riss  läuft  durch  veränderte  Klappensub¬ 
stanz,  seine  Ränder  sind  fetzig,  leicht  blutig  gefärbt;  auch  in  der 
linken  Klappe  eine  kleine  Kalkeinlagerung  an  der  Hinterfläche, 
aber  nichts  von  emlokarditischen  Effloreszenzen  oder  von  Schrum¬ 
pfungen.  Ausserdem  findet  sich  an  der  unteren  Fläche 
d  e  s  v  o  r  d  e  r  e  n  Mitralsegels  ein  2  m  m  langer  Ein¬ 
riss  mit  blutiger  Färbung  in  der  nächsten  Umgebung,  und  zwar 
liegt  derselbe  genau  über  dem  Ansatz  einer  Chorda  tendinea  2.  Ord¬ 
nung,  welche  etwas  entfernt  vom  freien  Rand  an  der  Fläche 
inseriert.  Im  übrigen  sind  die  Mitralis  und  ihre  Selnientäden 
ebenso  wie  die  rechtsseitigen  Klappen  unverändert,  das  Herz 
etwas  atrophisch,  das  Myokard  frei  von  Degenerationen. 

Will  man  den  Mechanismus  dieser  Klappenzerreissung  näher 
bestimmen,  so  darf  man  wohl  eine  Verstärkung  der  Herzaktion, 
die  von  manchen  Seiten  als  massgebend  dafür  betrachtet  wurde, 
ausser  acht  lassen.  Offenbar  ist  es  der  mechanische  Druck  des 
Aortenblutes,  welcher  die  arterielle  Klappe  sprengte,  und  zwar 
im  Zustand  ihrer  stärksten  Dehnung,  also  unmittelbar  nach  Be¬ 
ginn  der  Diastole,  während  die  Aortenklappen  geschlossen  und 
die  Aorta  thoracica  maximal  gefüllt  waren.  Mit  Rücksicht  auf 
die  möglichen  Ursachen  einer  solchen  Zerreissung  möchte  ich 
nicht,  wie  B  a  r  i  6  will,  eine  Kompression  der  Brustaorta  mit 
Rückstauung  des  Blutes  gegen  die  Klappen  als  notwendig,  son¬ 
dern  schon  die  Erschütterung  der  Blutsäule  als  wirksam  ansehen ; 
ein  prall  mit  Flüssigkeit  gefülltes  Rohr  kann  bei  starker  Er¬ 
schütterung  und  beim  Auffallen  bersten,  auch  ohne  dass  von 
zwei  Seiten  ein  Druck  darauf  einwirkt.  Diese  Vorstellung 
harmoniert  auch  am  besten  mit  den  Ergebnissen  von  Baries 
Versuchen,  der  an  menschlichen  Leichen  das  Arteriensystem  von 
der  Karotis  oder  Femoralis  aus  prall  mit  Wasser  füllte  und  durch 
Hammerschläge  gegen  die  vordere  Brustwand  wiederholt  eine 
Zerreissung  der  Aortenklappen  erzielte. 

Eine  Schwierigkeit  liegt  nur  darin,  die  gleichzeitige 
Ruptur  an  Semilunar-  und  Mitralklappe  zu  erklären.  In  allen 
bisherigen  Beobachtungen  waren,  soweit  nicht  grossartigere  Zer¬ 
trümmerungen  des  Herzens  Vorlagen,  entweder  die  arteriellen 
oder  die  venösen  Ostien  Sitz  der  Verletzung,  je  nachdem  das 
Trauma  in  der  einen  oder  anderen  Phase  der  Herzaktion  einge¬ 
wirkt  hatte.  Ich  glaube,  der  Einriss  in  dem  Mitralsegel  lässt  sich 
als  Konsequenz  der  Aortenklappenruptur  auffassen:  Nach  Ein¬ 
tritt  der  letzteren  hat  der  plötzliche  Rückstrom  des  Aortenblutes 
durch  die  Rissöffnung  in  den  hinteren  Ventrikel  die  offene 
Mitralis  gewaltsam  emporgeworfen  und  dabei  die  partielle  Ab¬ 
lösung  von  ihrem  Haftpfeiler,  der  Chorda  tendinea,  bewirkt. 

Der  Fall  kann  als  Beweis  dafür  dienen,  dass  in  einer  den 
Thorax  treffenden  äusseren  Gewalteinwirkung  die  Möglichkeit 
gegeben  ist,  eine  Klappe  zu  sprengen,  ohne  dass  eine  Endokarditis 
besteht,  welche  die  Gefahr  einer  spontanen  Destruktion  in  sich 
trägt. 

Schliesslich  weise  ich  auf  die  multiplen  Einrisse 
in  der  Aorta  hin,  welche,  mit  fetzigen  Rändern  versehen, 
sicherlich  ebenfalls  als  Wirkung  des  Traumas  anzusehen  sind: 
3  stehen  untereinander  an  der  rechten  Wand  der  Aorta  thoracica 
descendens,  schräg  emporsteigend,  1,5 — 3  cm  lang,  der  vierte  quer- 
verlaufende  gehört  der  Aorta  abdominalis,  4  cm  über  ihrer  Bi¬ 
furkation,  an;  an  seinem  unteren  Rand  steht  eine  grössere  Kalk¬ 
platte  an,  die  3  oberen  liegen  ausserhalb  der  fibrösen  und  z.  I. 
verkalkten  Verdickungen,  welche  in  grösserer  Zahl  die  Intima 
einnehmen.  Mit  Ausnahme  des  dritten,  welcher  nur  bis  in  die 
Media  führt,  durchtrennen  diese  Spalten  die  Gefässwand  bis 
auf  die  Advcntitia,  und  dieRänder  sind  überall  mehr  oder  weniger 
weit  abgeschält.  Der  Befund  ist  bemerkenswert  im  Hinblick 
darauf,  dass  in  neuerer  Zeit  für  eine  immer  grössere  Zahl  von 
dissezierenden  Aneurysmen  die  Ursache  in  einem  vorausgegange¬ 
nen  Trauma  gesucht  wird.  Diese  Entstehungsweise  wird  in  der 
Regel  aus  dem  ausgebildeten  Zustand  des  Aneurysmas  er¬ 
schlossen;  die  Vorstadien  desselben,  wie  sie  hier  vorliegen,  un¬ 
mittelbar  nach  der  Verletzung,  hat  man  selten  Gelegenheit  zu 
beobachten. 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aus  der  Heidelberger  medizinischen  Klinik  (Geh.-Rat  Erb). 

Ueber  traumatische  Nephritis. 

Von  Dr.  H.  C  ursch  m  a  n  n  jun. 

Durch  die  Reform  unserer  Unfallgesetzgebung  hat  die  Frage 
der  traumatischen  Entstehung  von  Krankheiten  für  die  ärztliche 
V  isst nsc halt  ein  allgemeines,  ein  aktuelles  Interesse  gewonnen. 
Auch  der  innere  Mediziner  ist  heutzutage  häufiger  als  früher  vor 
die  Frage  gestellt:  Kann  die  oder  jene  innere  Krankheit  nicht 
auch  durch  eine  traumatische  Einwirkung  hervorgerufen,  resp. 
kann  ihre  Entstehung  durch  eine  solche  mechanische  Läsion  und 
deren  Folgen  nicht  begünstigt  werden?  So  haben  wir  die  trau¬ 
matische  Entstehung  von  Krankheiten  der  Lunge,  der  Pleura, 
des  Herzens  und  anderer  Organe  kennen  gelernt,  und  selbst  in 
dem  dunklen  und  viel  umstrittenen  Gebiet  der  Aetiologie  der 
Rückenmai kskrankheiten  nimmt  der  Unfall  einen  immer  g-rös- 
seren  Raum  ein. 

Eines  der  am  wenigsten  bearbeiteten  Kapitel  dieses  Gebietes 
ist  nun  das  der  traumatischen  Nephritis.  Nicht  als  ob  die 
Kenntnis  derartiger  Erkrankungen  erst  neueren  Datums  wäre. 
Im  Gegenteil,  schon  1839  betont  der  Franzose  Rayer  das  Vor¬ 
kommen  der  „Ai  ephrite  traumatiqueu,  ohne  allerdings  zwischen 
eitrigen  Entzündungen  der  Niere  post  trauma  und  echter  Ne¬ 
phritis  in  unserem  Sinne  einen  rechten  Unterschied  zu  machen. 
In  den  50  er  und  60  er  J ahren  haben  dann  Vogel,  Holmes, 
B  i  1 1  r  o  t  h,  B  ä  u  m  1  e  r  u.  a.  Fälle  von  traumatischer  Nephritis 
veröffentlicht. 

\  on  chirurgischer  Seite,  besonders  durch  die  Arbeiten  von 
S  i  m  o  n,  Maas  und  K  ii  s  t  e  r,  wurde  ihre  Eigenart  auf  dem 
Wege  der  klinischen  Beobachtung  und  auch  des  Tierexperiments 
verfochten. 

Die  innere  Medizin  hat  der  traumatischen  Aetiologie  der 
Nephritis  stets  skeptisch  gegenüber  gestanden.  E.  Wagner 
führt  sie  als  recht  zweifelhaft  an  und  Senator  erwähnt  in  der 
reichen  Fülle  der  ätiologischen  Möglichkeiten  die  Unfallsent¬ 
stehung  nicht  einmal. 

ln  neuester  Zeit  hat  nun  Stern  die  Frage  der  Nephritis 
traumatica  in  allgemein  pathologischer  und  klinischer  Hinsicht 
eingehend  behandelt  und  das  bisher  bekannte  Material  gesichtet 
und  geordnet.  Er  kommt  zur  Aufstellung  verschiedener  Gruppen 
der  Krankheit,  unter  denen  ich  als  in  ihrer  traumatischen  Eigen¬ 
art  am  besten  begründet  und  auch  für  unseren  Fall  massgebend 
nur  die  eine  hervorheben  möchte :  nämlich  die  Gruppe 
jener  lange  Zeit,  über  Jahresfrist,  dauernden 
Eiweiss-  und  Zylinderausscheidungen  nach 
Nierenläsionen  traumatischer  Art,  bei  denen 
es  nie  zur  Ausbildung  sonstiger  nephritischer 
Symptome  kommt. 

Zu  diesen  Fällen  scheint  mir  nun  auch  der  zu  gehören,  über 
den  ich  in  folgendem  kurz  berichten  möchte. 

Der  medizinischen  Klinik  zu  Heidelberg  wurde  am  3.  XII. 
1901  ein  Patient  zur  Erstattung  eines  Gutachtens  überwiesen, 
in  dem  die  Frage  der  eventuell  traumatischen  Entstehung  einer 
seit  längerer  Zeit  beobachteten  Albuminurie  entschieden  werden 
sollte.  Meinem  hochverehrten  Chef  Herrn  Geh.-Rat  E  r  b  sage 
ich  an  dieser  Stelle  für  die  Ueberlassung  des  Falles  und  das  Inter¬ 
esse,  das  er  an  dessen  Bearbeitung  genommen  hat,  meinen  er¬ 
gebensten  Dank. 

Aus  den  Akten  und  den  Aussagen  des  Pat.  liess  sich  etwa 
folgende  Vorgeschichte  entnehmen: 

Pat.  L.  stammt  aus  gesunder  Familie  und  will  als  Kind  nie 
ernstlich  krank  gewesen  sein,  speziell  nie  an  Scharlach,  Diphtherie 
und  Halsentzündungen  anderer  Art  gelitten  haben.  Seitdem  er 
herangewachsen  ist,  arbeitet  er  in  dem  angestrengten  Beruf 
eines  Tiefbauarbeiters  und  war  bis  zu  seinem  Unfall  stets  kräftig 
mal  leistungsfähig.  Potatorium  und  venerische  Infektion  werden 
entschieden  negiert. 

Am  3.  Juli  1899  verunglückte  Tat.  nun  auf  folgende  Art:  Er 
bediente  gerade  die  Kurbel  zur  Oeffnung  eines  Schleusentors,  als 
ein  Schiff  mit  grosser  Gewalt  gegen  dies  Schleusentor  getrieben 
wurde.  Hierdurch  geriet  die  Kurbel  in  wirbelnde  Bewegung;  H. 
wurde  gepackt  und  soll  mehrere  Male  in  die  Höhe  und  dann  auf 
den  Boden  geschleudert  worden  sein.  Der  Verunglückte  wurde 
besonders  an  der  rechten  Seite  von  Brust  und  Bauch  getroffen, 
aber  auch  der  linke  Unterschenkel  und  Fuss  erlitten  erhebliche 
Quetschungen.  Nach  dem  Unfall  war  Pat.  etwa  %  Stunde  lang 
schwer  benommen,  nicht  ganz  bewusstlos. 

Als  ihn  der  behandelnde  Arzt  noch  an  demselben  Abend  sah, 
stand  Tat.  noch  unter  der  Wirkung  des  schweren  Schocks.  An 
äusseren  Verletzungen  bestanden  leichte  Quetschungen  des  Hinter¬ 


1567 


an, 


kopfes,  des  rechten  Beines  und  Armes,  erhebliche  Verrenkung  des 
linken  Fusses  und  eine  starke  Quetschung  der  rechten  unteren 
1  hoiaxh.dfte  und  der  rechten  Bauchseite,  auf  der  sich  auch  eine 
grössere  Hautabschürfung  fand. 

Pat.  litt  an  Uebelsein  und  Erbrechen.  Der  Leib  war  in 
toto  ziemlich  aufgetrieben  und  druckempfindlich.  In  de  r 
rechte  n  I>  auch  seite,  in  der  Nierengege  n  d,  w  a  r 
eine  kopfgrosse  Geschwulst  durch  Palpation 
deutlich  abzugr  enze  n. 

Die  Urinentleerung  war  an  diesem  und  den  folgenden  Tagen 
stark  behindert.  Zuerst  best  a  n  d  A  n  u  r  i  e.  I >ann  wurden 
mit  Anstrengung  und  Schmerzen  nur  geringe  Mengen  Urin  auf 
einmal  entleert.  lieber  die  Beschaffenheit  des  Urins  finden  wir 
leider  —  trotz  dieser  auf  eine  Nierenläsion  hindeutenden  Sym¬ 
ptome  —  keine  Angaben.  Tat.  selbst  weiss  über  diesen  Punkt  wie 
über  die  ersten  Tage  nach  dem  Unfall  überhaupt,  keine  genauen 
Angaben  zu  machen. 

Leber  den  späteren  \  erlauf  der  Erkrankung  erfahren  wir 
leider  nicht  viel.  Pat.  war  noch  ca.  4 — G  Wochen  bettlägerig- 
krank.  Noch  Anfang  August  war  die  oben  "be¬ 
schriebene  Resistenz  resp.  Geschwulst  in  de  r 
rechten  Nierengegend  in  verkleinertem  Umfan  g 
p  a  1  p  a  b  e  1.  Von  anderen  Erscheinungen  ist  das  Auftreten  eines 
pleuritisclien  Exsudates  1.  h.  u.  bemerkenswert.  Ueber  Erschei¬ 
nungen  von  Seiten  der  Harnorgane  erfahren  wir  nichts.  Das 
Interesse  des  behandelnden  Arztes  und  auch  späterer  Beurteiler 
wendet  sich  von  jetzt  ab  hauptsächlich  der  Fussgelenkquetschung 
und  anderen  äusseren  Verletzungen  des  Pat.  zu. 

In  einem  Gutachten  vom  Mai  1900  finden  wir  denn  auch  diese 
Kontusionen,  die  die  Arbeitsfähigkeit  des  Pat.  noch  immer  beein¬ 
trächtigten.  eingehend  gewürdigt.  Eine  beiläufige  Notiz  gibt 
dass  der  Urin  keine  pathologischen  Bestandteile  enthalte. 

Die  lokalen  Beschwerden  sowohl,  wie  eine  allgemeine  kör¬ 
perliche  und  nervöse  Depression  verliessen  unseren  Unfallkranken 
j  nicht,  sondern  scheinen  sich  im  Sommer  1900  eher  gesteigert  zu 
haben.  Irgend  welche  akute  Erscheinungen  traten  in  der  ganzen 
1  Zeit  nicht  auf.  Pat.  scheint,  wie  so  viele  Unfallkranke,  ein  häufiger 
‘  Besucher  seiner  Kassenärzte  geworden  zu  sein.  Bei  Gelegenheit 
einer  solchen  Untersuchung  fand  Dr.  H.  in  Sp.  im  Herbst  1900 
zum  erstenmal  geringe  Mengen  von  Albuinen  im  Urin  des  Pat. 
Die  Beschaffenheit  des  Urins  war  völlig  normal,  er  war  hell  und 
klar  und  wurde  in  normaler  Menge  entleert. 

Eine  Erkrankung  der  unteren  Harnwege,  eine  Urethritis  oder 
Gystitis  bestanden  nicht,  noch  hatten  jemals  bestanden.  —  Da  die 
Arbeitsfähigkeit  des  Pat.  sich,  wie  gesagt,  nicht  gebessert  hatte, 
erfolgte  eine  nochmalige  Einweisung  in  die  chirurgische  Klinik 
zu  Heidelberg  zum  Zwecke  einer  Begutachtung  im  Januar  1901. 
Ausser  den  Residuen  der  alten  Verletzungen  und  der  Neurasthenie 
wurde  auch  hier  wieder  eine  geringe,  nicht  ganz  konstante  Albu¬ 
minurie  gefunden.  Irgend  welche  andere  Symptome  der  Nephritis, 
sowohl  was  Beschaffenheit  des  Urins,  als  Veränderungen  von 
Seiten  des  Herzens  anbetrifft,  fehlten. 

Im  Oktober  1901  erfolgte  zur  Nachprüfung  der  Erwerbsfähig¬ 
keit  abermals  eine  Untersuchung  in  der  chirurgischen  Klinik, 
die  neben  den  anderen  Symptomen  wieder  die  geringe  Eiweiss- 
aussclieidung  feststellte.  Damals  wurde  von  chirurgischer  Seite 
zur  Beurteilung  eines  kausalen  Zusammenhangs  der  Albuminurie 
mit  dem  Unfall  des  Pat.  dessen  Ueberweisung  in  die  medizinische 
Klinik  angeregt. 

Am  3.  XII.  01  bot  Pat.  folgenden  Status:  Mittelgrosser,  leid¬ 
lich  genährter  Mann.  Gesichtsfarbe  etwas  blass,  Schleimhäute 
und  Lippen  desgleichen.  Gesiclitsziige  etwas  schlaff,  nicht  ge¬ 
dunsen.  Keine  Drüsenschwellungen,  kein  Exanthem.  Nirgends 
eine  Spur  von  Oedemen.  Lungen  perkutorisch  und  auskultatorisch 
völlig  normal.  Das  Herz  zeigte  ganz  normale  Grenzen  (III.  bis 
I.  Rippe,  linker  Steriialrand,  etwas  einwärts  von  der  linken 
Mammillarlinie).  Der  Spitzenstoss  war  im  Liegen  kaum,  im  Stehen 
schwach  fühlbar,  nicht  verbreitert,  im  V.  Interkostal  raum  etwas 
einwärts  von  der  linken  Mammillarlinie.  Die  Herztöne  waren 
rein.  II.  Pulmonal-  und  Aortenton:  beide  vielleicht  etwas  lauter 
klappend  als  normal. 

Der  Puls  war  äqual,  regulär,  von  normaler  Spannung  und 
Füllung,  keine  Rigidität  des  Arterienrohres.  Auch  die  Art.  tempor. 
nicht  geschlängelt,  nicht  abnorm  palpabel.  Frequenz  zwischen 
G4  und  70. 

Der  Blutdruck  (Inittels  des  G  ä  r  t  n  e  r  scheu  Tonometers  ge¬ 
messen  am  Mittelfinger  der  linken  Hand)  war  etwas  geringer  als 
normal,  zwischen  80  und  90  mm  Hg,  erreichte  niemals  100. 

Die  Abdominalorgane,  Magen,  Darm,  Leber  und  Milz  zeigten 
keine  Veränderungen.  Beide  Nieren  waren  nicht  palpabel,  auf 
Druck  weder  die  linke,  noch  die  rechte  Nierengegend  besonders 
empfindlich.  A'on  einer  Vergrösserung  der  rechten  Niere  (siehe 
Anamnese)  oder  einer  abnormen  Resistenz  in  ihrer  Gegend  war 
nichts  zu  fühlen. 

Das  Nervensystem  wies  einige  charakteristische  Symptome 
der  Neurasthenie  auf. 

Das  Sehvermögen  war  Aröllig  normal,  keine  subjektiven  Er¬ 
scheinungen  einer  Erkrankung  des  Augenhintergrundes. 

Zu  allen  Zeiten  der  Beobachtung,  also  sowohl  nach  24  stündigef 
Bettruhe,  wie  nach  längerem  Spazierengehen,  wies  der  Urin  die¬ 
selbe  geringe  Eiweissausscheidung  auf. 

Der  Urin  wär  von  rotgelber  Farbe,  völlig  klar,  sauer,  ohne 
Sediment.  Die  Menge  schwankte  zwischen  1200  und  1000  ccm  pro 
Tag,  das  spezifische  Gewicht  zwischen  1015  und  1025. 

Der  Urin  war  frei  von  Zucker. 


2* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1568 


Die  Eiweissmenge  betrug  stets  etwa  %  Prom.  Esbach.  Beim 
Zentrifugieren  liess  sich  (aus  dem  Urin  jeder  Tageszeit)  ein  mini¬ 
males  Sediment  gewinnen,  das  mikroskopisch  enthielt:  in  spär¬ 
licher  Anzahl  hyaline  und  granulierte  Zylinde  r, 
die  erste  ren  seltener,  w  i  e  die  letzteren,  bis¬ 
weilen  zylindroide,  wenig  Epithelien  und  einige 
Leukocyten.  Ausserdem  ziemlich  viel  Urate  (Wetzsteinformen 
und  amorph). 

Dieser  mikroskopische  Befund  blieb  bei  jeder  Untersuchung 
ziemlich  derselbe.  Ausserdem  sei  bemerkt,  dass  der  steril  aufge¬ 
fangene  Katheterurin,  wie  die  Abimpfung  bewies,  keine  Keime 
enthielt. 

Pat.  wurde  ca.  10  Tage  beobachtet  und  musste  dann  aus 
äusseren  Gründen  entlassen  werden. 

Die  beantragte  Unfallsrente  war  eine  ziemlich  beträchtliche, 
da  die  Form  der  Erkrankung  uns  in  prognostischer  Hinsicht  nicht 
ganz  klar  war. 

Wenn  wir  nun  zur  Epikrise  des  Falles  übergehen,  müssen 
wir  uns  zuerst  die  Frage  beantworten :  Kann  nicht  schon  vor  dem 
Unfall  eine  latent  verlaufende  interstitielle  Nephritis  bestanden 
haben?  Man  kann  das  nicht  unbedingt  verneinen,  da  der  Urin 
des  Patienten  früher  nicht  untersucht  worden  ist.  Patient  war 
aber  vor  dem  Unfall  völlig  gesund  und  arbeitsfähig  und  hatte 
keine  Erkrankung  durchgemacht,  aus  der  sich  eine  solche 
schleichende  Nephritis  entwickeln  konnte. 

Die  andere  Frage,  ob  sich  diese  Nephritis  wohl  nach  dem 
Unfall,  aber  nicht  auf  Grund  des  Unfalls  entwickelt  haben 
konnte,  scheint  mir  leichter  abzutun.  Es  würde  spitzfindig  sein, 
wenn  man  bei  dem  absoluten  Mangel  anderer  Aetiologien  (akute 
Infektionskrankheiten,  Blei,  Gicht,  Arteriosklerose,  Alkohol  und 
Lues)  ein  zweifellos  starkes  Trauma  der  Niere  als  1  rsache  einer 
späteren  Erkrankung  ausschliessen  will.  Es  sei  denn,  dass 
man  die  traumatische  Entstehung  der  Nephritis  überhaupt 
leugnet. 

Die  Frage:  War  der  geschilderte  Unfall  geeignet,  -eine 
Nieren  Verletzung  hervorzurufen,  können  wir  unbedingt  bejahen. 
Wir  kennen  aus  den  Arbeiten  von  Simon,  Maas,  Küster 
u.  a.  die  verschiedenartigsten  direkten  und  indirekten  Gewalt¬ 
einwirkungen,  die  zu  Nierenläsion  geführt  haben. 

Unser  Patient  wurde  mit  grösster  Gewalt  von  der  Winden¬ 
kurbel  gegen  die  untere  Brusthälfte  und  die  rechte  Bauchseite 
getroffen  und  dann  auf  den  Boden  geschleudert.  Wir  können 
also  zwischen  direkter  und  indirekter  Gewalteinwirkung  wählen. 
Küster  hat  als  Ursache  mancher  Nierenverletzungen  an¬ 
genommen,  dass  bei  reflektorisch  bewirkter,  plötzlich  eintretender 
starker  Bauchpresse  durch  die  plötzliche  Erhöhung  des  intra¬ 
abdominellen  Drucks  eine  derartige  Steigerung  des  Flüssigkeits¬ 
drucks  in  der  Niere  bewirkt  werde,  dass  cs  zu  einer  Sprengung 
der  Nierensubstanz  käme.  Eine  derartige  hydraulische  Nieren¬ 
sprengung  können  wir  in  unserem  Fall  ausschliessen,  da  diese 
starke  Risse,  vom  Nierenbecken  ausgehend,  bewirkt  und  damit 
zu  heftigen  Blutungen  führt.  Und  Hämaturie  hat  in  unserem 
Fall,  wie  ich  noch  unten  ausführen  will,  wahrscheinlich  gefehlt. 

Der  schwere  allgemeine  Schock,  der  bei  Nierenverletzungen 
fast  nie  fehlt,  bestand  auch  bei  unserem  Pat..  Der  Arzt  hielt  den 
Zustand,  wie  ich  noch  nachtragen  möchte,  für  durchaus  lebens¬ 
gefährlich. 

Das  von  vielen  Autoren  bei  Nieren  Verletzungen  beobachtete 
Erbrechen  hat  auch  nach  dem  Unfall  unseres  Pat.  bestanden, 
ebenso  starker  Meteorismus.  Der  wesentlichste  Befund  jedoch 
war  der  einer  grossen  palpablen  Geschwulst¬ 
bildung  in  der  rechten  Nierengegend,  die  noch 
einige  Wochen  bestand  und  später  völlig  zurückging. 

Diese  Geschwulstbildung  in  der  Nierengegend  durch  Blut¬ 
erguss  in  das  paranephritisclie  Gewebe  ist  auch  in  fast  allen 
Fällen  von  subkutaner  Nierenverletzung  von  Maas,  Küster, 
R  e  c  z  e  y  u.  a.  beobachtet.  Oft  waren  diese  Hämatome,  wie  in 
unserem  Falle,  von  beträchtlichem  Umfang,  von  Kopfgrösse,  und 
wölbten  die  Bauchdecken  erheblich  vor.  Eine  blutige  Quetschung 
der  Bauchdecken,  wie  sie  bei  unserem  Pat.  beobachtet  wurde, 
wurde  häufig,  aber  nicht  konstant  gefunden,  natürlich  nur  bei 
d i rekten  Gewalteinwirkungen. 

Mehr  oder  weniger  starke  Störungen  der  Harnentleerung 
sind,  wie  die  meisten  Autoren  hervorheben,  als  Folge  der  sub¬ 
kutanen  Nieren  Verletzungen  ungemein  häufig,  aber  nicht  ganz 
konstant.  Es  kann  auf  reflektorischem  Wege  zur  völligen  Anurie 
kommen,  auch  wenn,  wie  dies  natürlich  meist  der  Fall  sein  wird, 
nur  eine  Niei*e  verletzt  worden  ist.  Häufiger  als  die  komplete 
Anurie  sind  allerdings  die  Oligurie  und  Poikilurie,  die  häufig, 


und  unter  Schmerzen  stattfindende  Entleerung  kleiner  Mengen 
von  Urin.  Unser  Pat.  litt  direkt  nach  dem  Unfall  an  Anurie, 
die  dann  einer  typischen  Oligurie  und  Poikilurie  Platz  machte. 

Ein  wichtiges  Symptom  der  Nieren  Verletzung  aber,  die 
Hämaturie,  ist  bei  unserem  Pat.  nicht  beobachtet  worden.  In 
dem  Bericht  des  behandelnden  Arztes  finden  wir  zwar  die 
Störungen  der  Urinentleerung  genau  geschildert,  über  die  Be¬ 
schaffenheit  desselben  aber  kein  Wort. 

Es  ist  nun  nicht  unmöglich,  dass  der  Urin  des  Pat.  durch 
einen  Zufall  der  Besichtigung  und  Untersuchung  des  Arztes  ent¬ 
zogen  wurde.  Dem  Einwand  gegenüber,  dass  die  Hämaturie  vom 
Pat.  wohl  stets  selbst  als  ein  besonders  alarmierendes  Symptom 
dem  Arzt  gemeldet  wird,  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  in 
einer  grossen  Anzahl  von  Fällen  solcher  subkutanen  Nieren¬ 
läsionen  die  Hämaturie  als  recht  geringfügig  und  für  den  Laien 
nicht  erkennbar  geschildert  wird.  Auch  die  Dauer  der  Häma¬ 
turie  ist  häufig  eine  so  geringe,  dass  sie  schon  deshalb,  besonders 
im  Privathaus,  übersehen  werden  kann. 

Aber  wenn  auch  in  unserem  Falle  die  Hämaturie  wirklich 
gefehlt  hat,  so  bewiese  das  doch  nichts  gegen  die  Diagnose  der 
N i er en verletz ung.  Bei  Maas,  Reczey,  Perey  Platon  u.  a. 
finden  wir  eine  Reihe  von  Fällen  (etwa  8)  zusammengestellt,  in 
denen  trotz  schwerer  Nierenverletzung,  die  zum  Teil  durch  Opera¬ 
tion  oder  Sektion  bestätigt  wurde,  die  Hämaturie  makroskopisch 
und  mikroskopisch  nicht  nachzuweisen  war.  Eine  Erklärung 
dieser  auffallenden  Tatsache  können  wir  mit  Küster  leicht 
darin  finden,  dass  es  sich  in  solchen  Fällen  um  Risse  in  der 
Kapsel  und  Rindensubstanz,  die  von  den  Kelchen  und  dem 
Nierenbecken  entfernt  liegen,  handelt  und  daher  eine  Blutung 
leichter  in  das  paranephri  tische  Gewebe,  als  in  das  Nierenbecken 
stattfinden  kann. 

Wenn  wir  uns  nun  nach  dem  ätiologischen  Zusammenhang 
zwischen  Trauma  und  Nephritis  bei  unserem  Patienten  Umsehen, 
so  müssen  wir  uns  mit  der  zunächst  auffallenden  Tatsache  ab- 
finden,  dass  zwischen  dem  Unfall  und  der  Entdeckung  der  Al¬ 
buminurie  ein  relativ  langer  Zeitraum  liegt.  Zur  Erklärung  sei 
bemerkt,  dass  die  Eiweissmenge  stets  eine  derartig  geringe  war, 
dass  sie  bei  einer  Untersuchung,  die  sich  ausschliesslich  auf  die 
Folgen  äusserer  Verletzungen  richtete,  dem  Untersucher  wohl  ent¬ 
gehen  konnte.  (Der  Urin  gab  zeitweise  bei  keiner  Probe,  als  der 
mit  Essigsäure-Ferrocyankalium,  eine  Eiweissreaktion  in  Gestalt 
einer  minimalen  Trübung,  enthielt  aber  mikroskopisch  dann  stets 
Zylinder.) 

Ausserdem  scheint  früher,  wie  zwei  Beobachtungen  aus  der 
chirurgischen  Klinik  zeigen,  die  Eiweissausscheidung  bei  unserem 
Patienten  nicht  ganz  konstant  gewesen  zu  sein ;  ein  Grund  mehr, 
dass  sie  dem  Untersucher  bei  einer  nur  einmaligen  Untersuchung 
des  Uri  ns  entgehen  konnte.  Diesen  intermittierenden  Charakter 
der  Eiweissausscheidung  finden  wir  übrigens  auch  in  einem  von 
T  h  i  e  m  publizierten  Fall  von  traumatischer  Nephritis  ähnlicher 
Art  erwähnt. 

Also  liegt  es  nicht  fern,  anzunehmen,  dass  die  Albuminurie 
längere  Zeit,  bevor  sie  entdeckt  wurde,  schon  bestanden  hat,  sich 
wahrscheinlich,  wie  bei  allen  analogen  Fällen,  direkt  an  den 
Unfall  anschloss. 

Wie  haben  wir  uns  nun  weiter  das  klinische  Bild  unseres 
Falles  zu  deuten?  Der  ganze  objektive  Befund  stimmt  auf¬ 
fallend  ir.it  dem  Krankheitsbild,  das,  wie  schon  erwähnt,  Stern, 
wohl  besonders  auf  Billroths  und  Till  man  ns  Vorgang 
hin.  fixiert  hat,  mit  der  traumatischen  zirkumskrip¬ 
ten  interstitiellen  Nephritis,  bei  der  länger,  selbst 
über  Jahre  dauernde  Albuminurie  und  Zylinderausscheidung  be¬ 
obachtet  wird,  während  sonst  alle  anderen  Erscheinungen  der 
Nephritis  ausbleiben.  Sektionsbefunde  fehlen  noch,  aber  höchst¬ 
wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  zirkumskripte  entzündliche 
Herde  im  direkten  Anschluss  an  die  Verletzung  der  Niere. 

Auch  in  unserem  Fall  liess  der  mikroskopische  Harnbefund, 
das  konstante  Auftreten  von  spärlichen  granulierten  und  hyalinen 
Zylindern  eine  gewöhnliche  interstitielle  Nephritis  erwarten. 
Aber  schon  die  Menge  und  das  spezifische  Gewicht  zeigten  ein 
von  dem  des  Schrumpfnierenharns  abweichendes  Verhalten :  Die 
Tagesmenge  schwankte  zwischen  1000  und  1600,  das  spezifische 
Gewicht  zwischen  1015  und  1025. 

Charakterisiert  wird  unser  Fall  vor  allem  durch  das  Fehlen 
aller  Veränderungen  der  Kreislaufsorgane  :  Bei  einer  so  lang  Iw- 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1569 


stehenden  Nephritis  finden  wir  keine  Spur  von  Hypertrophie  des 
linken  Herzens,  keine  abnorme  Spannung  und  Rigidität  des 
Pulses  resp.  des  Arterienrohrs.  Ja,  der,  wie  schon  ZiemsSen 
hervorhob,  feinste  Gradmesser  für  die  nephritische  Kreislauf  - 
Störung,  die  Steigerung  des  Blutdrucks,  fehlt  in  unserem  Fall 
willig.  Ein  Parallelfall,  der  kurze  Zeit  darnach  von  uns  be¬ 
obachtet  wurde,  illustriere  das  Auffallende  dieses  Verhaltens: 
Bei  einem  älteren  Manne,  der  in  seinem  Allgemeinzustand  und 
(lern  Verhalten  des  Urins  das  typische  Bild  der  genuinen 
Schrumpfniere  bot,  fehlte  ebenfalls  die  Herzhypertrophie  und  die 
Rigidität  des  Pulses,  sein  Blutdruck  betrug  aber  stets  —  bei  Bett¬ 
ruhe  gemessen  —  zwischen  150 — 160  mm  Hg  (Gärtners  Tono¬ 
meter),  also  30 — 40  mm  über  der  Norm.  Unser  Patient  hin¬ 
gegen  hatte  meist  einen  Blutdruck  zwischen  80  und  90  mm  Hg, 
selbst  ausser  Bett  und  im  Sitzen  gemessen. 

Gerade  die  letztgenannten  Momente,  das  Fehlen  der  typischen 
nephri tischen  Herz-  und  Krexslaufserscheinungen,  berechtigen 
uns  also  vor  allem,  unseren  I  all  der  Gruppe  der  traumatischen 
Nephritis  interstitialis  circumscripta  einzureihen. 

Die  anatomische  Erklärung  der  Eigenart  dieser  Fälle  durch 
einen  zirkumskripten  entzündlichen  Prozess,  wie  ihn  vor  Stern 
iibiigens  auch  Z  iemssen  schon  für  eine  Anzahl  besonders 
schleichend  und  gutartig  verlaufende  Fälle  von  Nephritis  inter¬ 
stitialis  angenommen  hat,  erscheint  nach  zwei  Seiten  sehr  plau¬ 
sibel:  Erstens  trifft  ein  Unfall  in  den  allermeisten  Fällen  nur 
eine  Niere.  Wir  wissen  nun,  dass,  falls  die  andere  Niere  unver¬ 
letzt  bleibt  und  normal  fuidvtionieren  kann,  diese  zur  Aus¬ 
scheidung  der  harnfähigen  Substanzen  vollauf  genügt.  Und 
wenn  wir  nun  ferner  in  der  betroffenen  Niere  nur  einen  um¬ 
schriebenen,  nicht  allgemein  ausgebreiteten  interstitiellen  Prozess 
annehmen,  so  können  wir  leicht  einsehen,  dass  dadurch  der  dele¬ 
täre  Einfiuss  aut  Herz  und  Gefäsisystem  - — -  dessen  Qualität 
ganz  dahingestellt  bleiben  mag  —  in  Fortfall  gerät. 

Diagnostisch  zu  beweisen  wäre  die  einseitige  Erkrankung 
übrigens  durch  den  Katheterismus  der  Ureteren  und  gesonderte 
Untersuchung  des  Harns.  Aus  äusseren  Gründen  wurde  diese 
Methode  bei  unserem  Pat.  unterlassen. 

Pathologich-anatomisch  liegen  über  Fälle  unserer  Art  noch 
keine  Erfahrungen  vor.  Ein  Sektionsbefund  wurde  nie  erhoben, 
denn  sämtliche  bisher  veröffentlichte  Fälle,  die  von  Billrot h, 
B  ä  u  m  1  e  r,  Beck,  T  h  i  e  m  u.  a.,  endeten,  da  sie  wie  unser 
Fall  ohne  jede  Komplikationen  von  Seiten  anderer  Organe,  be¬ 
sonders  des  Herzens,  verliefen,  innerhalb  Monate,  im  B  i  1 1  r  o  t  h- 
schen  lall  in  mehr  wie  einem  Jahr,  günstig  und  gingen  in 
völlige  Heilung  über.  1  illmanns  hat  jedoch  in  seiner  grund¬ 
legenden  experimentellen  Arbeit  über  die  Einheilung  aseptischer 
Fremdkörper  resp.  toter  Organteile  in  Leber  und  Niere  gezeigt, 
ivie  es  im  Anschluss  an  die  Narbenbildung  zu  zirkumskripten 
interstitiellen  Entzündungen  kommen  kann.  Er  fand  schon 
2  Monate  nach  der  Verletzung  in  einiger  Entfernung  von  der 
Barbe  Parenchymzellen  in  lebhafter  Kernwucherung,  massenhaft 
. lusgewanderte  Leukocyten  und  den  Beginn  einer  ausgedehnten 
( refäss-  und  Bindegewebsneubildung,  die  sich  über  relativ  grosse 
Abschnitte  des  Organs  erstreckte  und  das  normale  Parenchym 
hier  zum  grössten  Teil  zerstört  hatte. 

Diesen  Befund  hat  später  Grawitz  durch  ähnliche  Tier¬ 
experimente  bestätigt. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  einer  Erwägung  Ausdruck 
geben,  die  sich  mir  beim  Studium  des  einschlägigen  Materials 
aufgedrängt  hat:  Wenn  wir  die  auffallend  leichte  Lädierbarkeit 
des  Nierenparenchyms  ins  Auge  fassen,  die  Tatsache  z.  B.,  dass 
inan  nach  M  enges  A  organg  schon  durch  blosse  Palpation 
einer  A\  anderniere  relativ  beträchtliche  Albuminurie  hervorrufen 
kann,  alsdann  dass  man  auch  nach  leichten  Unfällen  (Erschütte¬ 
rungen  etc.)  längerdauernde  Albuminurie  auftreten  sieht,  so  liegt 
es  vielleicht  nicht  fern,  gerade  unter  jenen  leichten,  latent  und 
gutartig  verlaufenden  Formen  von  Schrumpf niere,  wie  sie 
Ziemssen  beschrieb,  sich  nach  einem  Unfall  in  der  Anamnese 
umzusehen.  Vielleicht  würde  man  häufiger,  als  man  bisher  an- 
nimmt,  eine  traumatische  Aetiologie  dieser  Nephritisform  finden. 

Literatur. 

1.  Simon:  Chirurgie  der  Nieren.  II.  Stuttgart  1876.  — 

2.  M  a  a  s:  Klinische  und  experimentelle  Untersuchungen  über  die 
subkutanen  Quetschungen  und  Zerreissungen  der  Nieren.  Deutsche 
Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  X,  1878.  —  3.  E.  Röczey:  Ueber  subkutane 
Nieren  Verletzungen.  Wien.  Klinik  1888.  —  4.  E.  Grawitz:  Ueber 


l 

I 


Nierenverletzungen.  Arch.  f.  klin.  Cliir.,  Bd.  38.  —  5.  E.  Küster: 
Die  chirurgischen  Krankheiten  der  Nieren.  1.  Hälfte  Deutsche 
Chir.  1896.  -  6.  E.  Wagner:  Der  Morbus  Brigthii  Ziemssen! 
Handbuch,  Bd.  IX.  , —  7.  S  en  at  o  r:  Die  Erkrankungen  der  Nieren 
Nothnagels  Handbuch,  Bd.  XIX.  —  8.  Billrot  h:  Chirurgische 
Erfahrungen  in  Zürich  1860—1867.  Arch.  f.  klin.  Chir.,  Bd.  X.  — 

9.  I  i  a  uz.  Zur  Kasuistik  der  subkutanen  Nierenverletzungen.  _ 

10.  Th  i  ein:  Handbuch  der  Unfallerkrankungen.  Stuttgart  1898. 

-  11.  T  illmanns:  Interessante  Veränderungen  der  Leber  und 

Nieren  nach  Trauma.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  19,  1884.  — 
12.  Beck:  Neue  Beobachtungen  über  Zerreissungen  lebenswich¬ 
tiger  Organe  des  Unterleibs.  —  13.  Stern:  Ueber  traumatische 

Entstehung  innerer  Krankheiten.  Jena  1900. _ 14.  Percy  Patoir 

British  med.  .Tourn.  1900. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  städtischen  Louisenhospitals  zu 
Dortmund  (dirig.  Arzt:  Oberarzt  Dr.  Burghart). 

Zur  Kasuistik  der  traumatischen  Pneumonie. 

Von  Dr.  med.  Otto  Schild, 
z.  Zt.  Assistenzarzt  am  Bürgerkrankenhaus  Elberfeld. 


Traumen,  insbesondere  Traumen  der  Brust,  sind  als  ätio¬ 
logisches  Moment  für  die  Entstehung  genuiner  Pneumonien 
heute  noch  nicht  von  allen  Klinikern  anerkannt.  Das  zeigt 
ein  Blick  in  die  neuen  und  neuesten  Lehrbücher  der  inneren 
Medizin.  Der  Grund  dafür  ist  in  den  Schwierigkeiten  zu  suchen, 
die  sich  der  Erkennung  der  „traumatischen“  Pneumonie  als  sol¬ 
cher  besonders  in  Krankenhäusern  entgegenstellen.  Wie  schon 
Litten  in  seiner  Arbeit  im  Jahre  1882,  die  diese  Aetiologie 
als  etwas  ganz  Neues  klarlegte  und  aufdeckte,  treffend  ausführt, 
kommt  der  Verletzte,  wenn  neben  der  Lungenaffektion  äussere 
Verletzungen  (Rippenfrakturen  etc.)  bestehen,  auf  die  chirur¬ 
gische  Abteilung,  wo  die  innere  Affektion  der  äusseren  Verletzung 
gegenüber  natürlich  in  den  Hintergrund  tritt,  oder  die  äussere 
Verletzung  ist  derart,  dass  auf  eine  genaue  innere  Exploration 
im  Interesse  des  Kranken  überhaupt  verzichtet  werden  muss. 
Fehlt  dagegen  eine  äussere  Verletzung,  so  gelangt  .der  Patient 
zwar  auf  die  innere  Abteilung,  aber  seine  Pneumonie  wird  in 
den  meisten  Fällen  nicht  als  eine  Kontusions-,  sondern  als  eine 
gewöhnliche  Pneumonie  aufgefasst,  weil  der  Kranke,  welcher 
selbst  den  Unfall  nicht  als  die  Ursache  seiner  inneren  und  noch 
dazu  einige  Tage  später  auftretenden  Lungenaffektion  ansieht, 
denselben  dem  Arzte  vollkommen  verschweigt.  Es  muss  demnach 
die  persönliche  Erfahrung  des  einzelnen  Klinikers  seine  Stellung 
zur  Frage,  ob  es  traumatische  Pneumonien  gebe,  bestimmen. 
Litten  gebührt  das  Verdienst,  durch  seine  Arbeit  über  die 
durch  Kontusion  erzeugten  Erkrankungen  der  Brustorgane  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Kontusionspneumonie  die  Auf¬ 
merksamkeit  auf  die  bis  zum  Jahre  1882  scheinbar  vollkommen 
unbekannte  Aetiologie  resp.  Form  der  Pneumonien  gelenkt  zu 
haben.  Nur  wenige  Autoren  schlossen  sich  der  Litten  sehen 
Lehre  an ;  Gerhardt  pflegte  schon  vor  18  J ahren,  wie  mir 
Herr  Oberarzt  Dr.  Burghart  mitteilte,  in  seinen  Vorlesungen 
das  Trauma  mit  als  gelegentliches  ätiologisches  Moment  anzu¬ 
führen.  ln  den  letzten  Jahren  erst  hat  sich  wohl  infolge  der 
Entwicklung  der  auf  Unfälle  und  Unfallfolgen  sich  beziehenden 
kasuistischen  und  statistischen  Literatur,  hervorgerufen  durch 
die  Unfallgesetzgebung,  ein  Umschwung  insofern  eingestellt,  als 
die  Mehrzahl  der  Kliniker,  teils  bedingungslos  bejahend,  teils 
zwar  mehr  oder  weniger  verklausuliert,  aber  doch  nicht  abspre¬ 
chend,  die  Frage  behandelt.  Um  nur  kurz  eines  der  meist¬ 
gelesensten  Werke  zu  zitieren,  so  schreibt  Strümpell:  „Pneu- 
moniker  aus  der  körperlich  schwer  arbeitenden  Klasse  geben  zu¬ 
weilen  an,  infolge  schweren  Hebens  oder  infolge  eines  Stosses 
gegen  die  Brust  erkrankt  zu  sein.  Wahrscheinlich  ist  in  solchen 
Fällen  das  hiernach  auftretende  Seitenstechen  meist  nicht  die 
Folge  des  Traumas,  sondern  ein  Symptom  der  bereits  vorher  in 
der  Entwicklung  begriffenen  Krankheit.  Doch  mag  immerhin 
in  einzelnen  Fällen  ein  vorhergehendes  Trauma  durch  die  Schä- 
di  guug  des  Lungengewebes  das  Zustandekommen  der  Infektion 
erleichtern.“ 

Tillmanns  z.  B.  spricht  bei  der  Besprechung  von  Brust¬ 
kontusionen  nichts  von  einer  eventuell  daraus  folgenden  entzünd¬ 
lichen  Infiltration  der  Lunge  u.  s.  w.  Ein  wesentliches  Verdienst, 
einen  Umschwung  angebahnt  zu  haben,  scheint  nur  Stern  zu¬ 
zukommen,  der  in  seinen  klinischen  Studien  über  traumatische 
Entstehung  innerer  Krankheiten  die  erste  grosse  Statistik  über 
traumatische  Pneumonien  gab.  Ster  u  stellt  die  bis  dahin 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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publizierten  kleineren  Statistiken  von  Litten,  Demuth, 
Jiirgensen  etc.  zusammen  und  fügt  die  in  der  Breslauer 
Klinik  gewonnene,  eigene,  bei  weitem  grösste  hinzu.  Insgesamt, 
berichtet  er  über  3693  Fälle  von  Pneumonien.  Nimmt  man  aus 
den  von  ihm  mitgeteilten  Zahlen  den  Durchschnitt,  so  ergibt  sich 
ein  Prozentsatz  von  traumatischen  Pneumonien  in  Höhe  von 
rund  1,6  Proz.  Die  Zahl  dürfte  indes  wohl  zu  hoch  gegriffen 
sein,  da  sie  durch  die  Statistik  Bittens,  der  unter  seinen 
320  Pneumonien  innerhalb  eines  Zeitraums  von  6  Jahren  14  mal 
den  Ursprung  durch  Kontusion  nachweisen  konnte  (=  4,4  Proz.) 
allzusehr  beeinflusst  wird.  Litten  selbst  erklärt  seinen  hohen 
Prozentsatz  durch  einen  besonderen  Umstand,  nämlich  durch 
zahlreiche  Unglücksfälle  beim  Bau  der  Berliner  Stadtbahn. 
Scheidet  man  die  L  i  t  t  e  n  sehe  Statistik  aus,  so  ergibt  sich  ein 
durchschnittlicher  Prozentsatz  von  rund  1,3  unter  insgesamt 
3373  Pneumonien.  Es  wäre  wünschenswert,  dass  weitere  Sammel- 
berichte  grosser  Anstalten  veröffentlicht  würden,  welche  eine 
Kontrolle  dieser  Zahl  auf  ihre  Allgemeingültigkeit  ermöglichen 
würden.  Ich  möchte  glauben,  dass  sie  sich  eher  noch  um  einige 
Zehntel  niedriger  als  höher  stellen  würde.  J edenf alls  ist  der 
Prozentsatz  ein  recht  kleiner,  und  es  scheint  mir  erlaubt,  solche  j 
Fälle,  welche  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  auf  Traumen 
zurückzuführen  sind,  zu  veröffentlichen.  Ein  solcher  kam  seiner¬ 
zeit  im  Louisenhospital  zur  Beobachtung: 

II.  Tr.,  Zugführer  (in  aktivem  Dienst),  G4  Jahre  alt,  wurde 
am  12.  Februar  1902,  Abends,  eingeliefert.  Patient  gibt  an,  vor 
2  Tagen  plötzlich  erkrankt  zu  sein.  Am  Vormittag  dieses  Tages, 
also  am  10.  II.  02,  fiel  er  infolge  Glatteis  auf  der  Strasse  hin  und 
zwar  auf  die  rechte  Seite.  Infolge  heftiger  Schmerzen  in  der 
rechten  Seite,  besonders  in  der  rechten  Brustseite,  war  es  ihm  un¬ 
möglich,  sich  ohne  Hilfe  zu  erheben,  so  dass  er  von  Vorüber¬ 
gehenden  aufgehoben  und  in  seine  Wohnung  gebracht  werden 
musste.  Vor  dem  Fall  will  Patient  durchaus  gesund  gewesen  sein, 
habe  keinerlei  Schmerzen,  keine  sonstigen  Beschwerden,  des  Be¬ 
sonderen  weder  Husten,  noch  Auswurf  etc.  gehabt.  Im  Bette  er¬ 
holte  er  sich  allmählich  von  dem  Unfall,  der  keine  schlimmen 
Folgen  zu  haben  schien;  doch  trat  am  Spätabend  desselben  Tages 
plötzlich  heftiger  Frost  ein.  Auch  am  folgenden  Tage  stellten  sich 
Schüttelfröste  ein.  Patient  fühlte  sich  sehr  elend,  so  dass  ein  Arzt 
hinzugerufen  wurde.  Inzwischen  stellte  sich  Fieber  ein,  so  dass 
Patient  die  Hilfe  des  Spitals  am  2.  Tage  nach  dem  Unfall  auf¬ 
suchte.  Bei  der  Aufnahme  klagte  er  über  heftige  rechtsseitige 
Brustschmerzen  beim  Atmen,  Schmerzen  in  beiden  Beinen,  Kopf¬ 
schmerzen,  Kurzatmigkeit,  geringen  Auswurf. 

Status  praesens:  Patient,  ein  Mann  von  64  Jahren,  zeigt 
mittlere  Statur,  relativ  kräftigen  Knochenbau,  gut  entwickelte 
Muskulatur,  geringes  Fettpolster.  Die  Hautfarbe  ist  normal.  Ge¬ 
sichtsfarbe  bläulich  rot.  Auf  Brust  und  Abdomen  vereinzelt  kleine 
Angiome.  Keine  Exantheme,  keine  Oedeme.  Temperatur  39,5  per 
axillam.  Puls  112,  regelmässig,  Pulswelle  hoch,  massige  Span¬ 
nung.  A.  radialis  geschlängelt,  ihre  Wand  sklerotisch.  Pupillen 
gleich  weit  beiderseits,  prompt  reagierend.  Sensorium  frei.  Zunge 
grauweiss  belegt.  Der  Bau  des  Thorax  ohne  Abnormitäten. 
Zeichen  von  Verletzungen  desselben,  Rippenfrakturen,  Infrak¬ 
tionen,  Blutaustritte  etc.  sind  nicht  aufzufinden.  Die  rechte 
Thoraxhälfte  bleibt  bei  der  Atmung  erheblich  hinter  der  linken 
zurück.  Atmung  stark  dyspnoiscli.  Die  untere  Lungengrenze  vorn 
in  der  Mammillarlinie  am  oberen  Rand  der  VII.  Rippe,  in  der 
Axillarlinie  unterer  Rand  der  VII.,  neben  der  Wirbelsäule  in  Höhe 
des  XI.  Proc.  spinosus  der  Brustwirbel.  Untere  Grenze  schlecht 
verschieblich.  Die  oberen  Grenzen  normal  verschieblich.  Rechts 
hinten  oben  in  Höhe  des  II.  bis  V.  Brustwirbeldorns  Dämpfung 
und  Bronchialatmen.  Pektoralfremitus  verstärkt.  Rechts  vorn 
oben  in  einem  kleinen  Bezirk  Dämpfung,  Bronchialatmen  und 
Knisterrasseln.  Rechts  Mittel-  und  Unterlappen,  sowie  links  die 
ganze  Lunge  frei. 

Herz  zeigt  normale  Grenzen;  Spitzenstoss  schwach,  innerhalb 
der  Mammillarlinie.  Herztöne  leise,  rein.  Abdomen  von  normaler 
Wölbung,  nicht  aufgetrieben,  nicht  druckempfindlich,  Hepar,  Lien 
•  non  ipalpabel.  Refiexe  normal.  Keine  Motilitäts-  noch  Sensi¬ 
bilitätsstörungen. 

Urin  klar,  dunkel,  schwach  sauer.  Albumen  als  starke 
Trübung  vorhanden.  Chlorideausscheidung  stark  vermindert. 
Sanguis-,  Saccliar.-,  Indikan-,  Diazoreaktion  negativ. 

Diagnose:  Rechtsseitige  Oberlappenpneumonie. 

T  h  e  r  a  p  i  e:  Ruhe,  Alkoholika,  Tct.  Opii  benzoica. 

Der  weitere  Verlauf  gestaltete  sich  folgendennassen: 

.  Am  13.  II.  Morgens  39,  Abends  39,5.  Puls  112,  schwach, 
Iiespirat.  32.  Starke  Cyanose;  Haut  feucht,  Gesicht  mit  Scliweiss 
bedeckt,  Expektoration  gering.  Sputum  schleimig,  eitrig. 

14.  II.  Temperatur  39,3—39,5.  Puls  128.  Ilespir.  36.  Dys¬ 
pnoe  stärker;  im  allgemeinen  keine  Veränderung.  Therapie: 
Digitalis,  Kampher. 

15.  II.  Temperatur  39,3—39,6.  Puls  118.  Ilespir.  40.  Ange¬ 
strengteste  Tätigkeit  der  auxiliären  Atemmuskulatur.  Cyanose 
stärker.  Lippen  trocken.  Gesicht  mit  Scliweiss  bedeckt.  Haut 
feucht.  Die  Dämpfung  wie  Bronchialatmen  über  den  ganzen 
überlappen  sich  erstreckend.  Pektoralfremitus  deutlich  verstärkt. 
T  herapie:  Digitalis,  Kampher. 


16.  II.  Morgens  9  Uhr.  Temperatur  3S,7.  Puls  108.  Ilespir.  40. 
Agone.  11  Uhr  Exitus  letalis. 

Die  Sektion  ergab:  rneumonia  crouposa  lob.  super,  dextr. 
Emphysema  pulm.  dextr.  et  sin.  (Unterlappen).  Hypertrophia  ven- 
tricul.  sin.  Stauungsleber,  Stauungsniere.  Arteriosklerose. 

Keine  Zeichen  einer  mechanischen  Verletzung  des  Brustkorbes 
oder  der  Organe  oder  sonst  eines  Körperteils. 

In  dem  Safte,  der  von  der  Schnittfläche  des  infiltrierten 
Lungenlappens  gewonnen  wurde,  wurden  massenhaft  typische 
Pneumokokken  nachgewiesen. 

Das  Trauma  und  die  Entzündung  des  Lungengewebes  folgen 
so  auffallend  aufeinander,  dass  der  kausale  Zusammenhang  der 
Pneumonie  mit  dem  erlittenen  Unfall  zum  mindesten  wahrschein¬ 
lich  ist.  Nur  wenige  Stunden  nach  dem  Unfall,  und  Schüttel¬ 
fröste  deuten  an,  dass  der  Körper  sich  auf  eine  höhere  Tem¬ 
peratur  einzustellen  im  Begriff  ist.  In  den  Litten  sehen 
Fällen  war  die  pneumonische  Infiltration  durchweg  nach  2  Tagen 
nach  dem  Trauma  feststellbar.  Ob  im  obigen  Falle  der  Zeit¬ 
punkt  der  Aufnahme  —  nach  2  Tagen  mit  dem  Auftreten 
der  objektiven  Symptome  zusammenfällt,  ist  nicht  feststellbar. 
Bemerkenswert  ist  im  vorliegenden  Falle,  dass  das  Trauma  die 
rechte  Brusthälfte  direkt  getroffen  hat  und  die  Pneumonie  sich 
rechtsseitig  lokalisierte,  ferner  insofern,  als  ersichtlich,  wie  ge¬ 
ring  die  Zeit  sein  kann,  welche  zwischen  Trauma,  Infektion  der 
Lunge  mit  Pneumokokken  und  Ausbruch  der  eigentlichen  Pneu¬ 
monie  verstreicht.  Der  nähere  Vorgang  bei  der  Infektion  der 
Lunge  durch  das  Trauma  kann  auf  zweierlei  Weise  gedeutet 
werden.  Entweder  hat  die  heftige  Erschütterung  des  Thorax 
und  des  ganzen  Körpers  eine  momentane  starke  Beeinflussung 
der  Zirkulation,  besonders  der  der  rechten  Brusthälfte,  oder  eine 
mechanische  Läsion  des  Parenchyms  der  Lunge  zur  unmittel¬ 
baren  Folge  gehabt  und  dadurch  Aussäung  und  Ansiedlung  von 
Pneumokokken  aus  den  oberen  Luftwegen  oder  einem  in  der 
Nähe  belegenen  latenten  Pneumokokkenherde  herbeigeführt. 

Die  Prädisposition  zu  der  gesetzten  Läsion  des  Lungen- 
parenchvms  würde  in  dem  V  erlust  der  Elastizität,  dem  „Volumen 
au c tum“  der  emphysematosen  Lunge  zu  suchen  sein.  Eine  me¬ 
chanische  Aetiologie  scheint  mir  das  Näherliegende  zu  sein. 

Zum  Schluss  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht,  Herrn  Ober¬ 
arzt  Dr.  Burghart  meinen  ergebensten  Dank  für  die  gütige 
IJeberweisung  des  skizzierten  Talles  auszusprechen. 


Aus  dem  hygienischen  Institute  der  Universität  Wien. 

Ueber  den  Bazillus  des  malignen  Oedems  (Vibrion 

septique). 

Von  R.  Grassberge  r  und  A.  Sc  hatten  froh. 

Die  mannigfachen  Beziehungen,  welche  die  Buttersäurebak¬ 
terien  zu  pathologischen  Prozessen  aufweisen  (Rauschbrand,  Gas¬ 
phlegmone),  veranlassten  uns,  uns  auch  mit  einer  Gruppe  von 
Bakterien  eingehender  zu  beschäftigen,  deren  Eigenschaften,  so¬ 
weit  man  aus  der  Literatur  einen  Schluss  ziehen  konnte,  sie  als 
nahe  Verwandte  der  Buttersäurebakterien  erscheinen  liessen :  mit 
den  Bazillen  des  malignen  Oedems. 

Da  wir  demnächst  unsere  gesamten  Untersuchungen  über 
die  Bakterien  des  Rauschbrands  und  der  Gasphlegmone  ausführ¬ 
lich  zu  veröffentlichen  gedenken,  und  im  Anschluss  an  dieselben 
auch  die  Bazillen  des  malignen  Oedems  besprechen  wollen,  genügt 
es,  an  dieser  Stelle  das  Wichtigste  zu  ihrer  Charakterisierung 
hervorzuheben. 

Pathologisch-anatomisch  ist  „malignes  Oedem“  gewiss  ein 
Sammelname,  der  in  keiner  Weise  hinsichtlich  der  Erreger  des¬ 
selben  einen  bestimmten  Aufschluss  gibt.  Zweifellos  ist  auch  von 
pathologischen  Prozessen  Gasphlegmone  und  Rauschbrand  mit 
„malignem  Oedem“  häufig  zusammengeworfen  worden,  was  bei 
dem  wechselnden  Bilde  beider  Affektionen  wohl  verständlich 
erscheint,  die  Sichtung  der  Literaturbefunde  aber  ungeheuer  er¬ 
schwert. 

In  bakteriologischer  Hinsicht  lässt  sich  bei  genauer  Kennt¬ 
nis  der  Buttersäurebazillen,  speziell  auch  der  Rauschbrandbazillen, 
verhältnismässig  leicht  eine  Gruppe  von  Bakterien  abgrenzen, 
die  durch  eine  Reihe  konstanter  Merkmale  ausgezeichnet  sind, 
und  wegen  ihrer  regelmässig  zu  beobachtenden  biologischen  Eigen¬ 
schaften  —  entsprechend  der  Literaturbenennung  —  als  die 
Bazillen  des  malignen  Oedems  lcat’  exochen  bezeichnet  werden 
können. 


23.  September  1902. 


MüENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


.  Unsere  Untersuchungen  über  diese  Gruppe  von  Bakterien 
sind  mit  4  Stammen  angestellt.  Der  eine  davon  ist  der  Original- 
stammP  asteurs  (vibrion  septique),  den  wir  der  freundlichen 
Vermittlung  Herrn  Prof.  Metschnikoffs  verdanken,  der 
zweite  wurde  aus  Erde  isoliert,  der  dritte  aus  der  Peritoneal- 
flussigkeit  eines  an  Kolik  verstorbenen  Pferdes,  der  vierte  Stamm 
stammt  aus  einer  Gasphlegmone“  des  Menschen,  und  wurde  uns 
m  freundlichster  Weise  von  Herrn  Dr.  Ghon  überlassen 

Die  Beschreibung  dieser  Bakterien,  wie  wir  sie  in  folgendem 
geben,  deckt  sich  vielfach  mit  Angaben  der  Literatur,  soweit  die¬ 
selben  sich  auf  das  charakteristische  Bild  beziehen,  das 

LbL  6  “  T’  °  °  ’  °  “  f  f  k  y’  S  a  n  f  e  1  i  «  e  u.  a.  gesehen 

Folgende  kulturelle  und  biologische  Eigentümlichkeiten  sind 
hervorzuheben : 

1.  Der  Oedembazillus  zeigt  bei  verschiedenen  Kulturbedin- 
gungen  regelmässige  Stäbchen,  Fäden  und  Klostridien  in  wech¬ 
selnder  Menge.  Bei  Behandlung  der  Trockenpräparate  mit  Jod 
weisen  die  Vegetationen  fast  regelmässig  reichliche  Mengen  von 
Granulöse  auf,  die  hierbei  seltener  einen  blauschwarzen,  meist 
einen  rothbraunen  Farbenton  zeigt.  Wir  werden  seinerzeit  be¬ 
richten,  m  welcher  Weise  sich  diese  Färbungsunterschiede  diffe¬ 
rentialdiagnostisch  verwerten  lassen,  und  unter  welchen  Bedin¬ 
gungen  die  Stäbchen  frei  von  Granulöse  sind. 

i  ■  1S*  em  breiig  anaerobes  Bakterium  und  zeigt  schwache 

Ins  lebhafte  Eigenbewegung ;  durch  das  E  r  m  e  n  g  h  e  m  sehe  Ver¬ 
fahren  lassen  sich  peritriche  Geissein  in  grosser  Zahl  nachweisen. 

•  m-  ^ei'  0edembazillus  bddet  in  den  Kulturen  und  im  Tiere 
reichlich  Sporen,  insbesondere  befähigt  ihn  im  ersteren  Falle 
hierzu  das  Wachsthum  auf  sterilem  Fleische,  auf  welchem  häufig 
buchstäblich  jedes  Stäbchen  versport.  Es  ergeben  sich  hinsicht- 
hch  des  morphologischen  Verhaltens  bei  der  Versporung  und  hin¬ 
sichtlich  der  Erzeugung  asporogener  Rassen  von  Oedembazillen 
bemerkenswerte  Eigentümlichkeiten,  deren  genauere  Detaillierung 
von  uns  später  mitgeteilt  werden  soll. 

4.  Sowohl  bei  20 0  C.  als  auch  bei  Bruttemperatur  wächst 
er  leicht  auf  den  gebräuchlichen  Nährböden.  Die  Kolonien  in 
Gelatine  stellen  kugelige,  mit  trüber  Flüssigkeit  erfüllte  Hohl¬ 
raume  dar,  die  Kolonien  in  Agar  sind  niemals  glatt  konturiert, 
sondern  weisen  stets  zahlreiche  Ausläufer  auf.  In  Gelatinestich¬ 
kulturen,  in  denen  regelmässig  rasche  Verflüssigung  auftritt,  sieht 
man  häufig  vom  Vegetationszentrum  aus  strahlenförmige  Aus¬ 
läufer  in  den  Nährboden  eindringen. 

5.  In  biologisch-chemischer  Hinsicht  charakterisiert  sich  der 
Oedembazillus  als  Fäulnis-  und  Gärungserreger.  In  ersterer  Be¬ 
ziehung  sind  seine  Zersetzungen  nicht  sehr  weitgehend,  zum  Teil 
wohl  deshalb,  weil  ihm  die  Fähigkeit,  koaguliertes  Eiweiss  wieder 
m  Losung  zu  bringen,  regelmässig  zu  fehlen  scheint.  Als 
Garungserreger  greift  er  die  Zucker  —  speziell  Dextrose  wurde 
bisher  untersucht  leicht  an.  Er  bildet  aus  letzterer  neben 
iuchtigen  Säuren,  wie  Buttersäure  und  Ameisensäure,  Milchsäure 
und  regelmässig  kleine  Mengen  von  Aethylalkohol. 

In  Milch  wird,  soferne  überhaupt  Wachstum  eintritt,  das 
Kasein  durch  Säurewirkung  gefällt,  und  das  Koagulum,  wie 
Analysen  des  Stickstoffgehalts  der  Molke  ergaben,  nicht  wieder 
in  Lösung  gebracht.  Hiebei  wird  auch  Gasbildung  gesehen.  Die 
Molke  zeigt  einen  wechselnden  Stickstoffgehalt,  davon  her¬ 
rührend,  dass  nicht  alle  Stämme  in  gleicher  Weise  und  auch  nicht 
gleich  regelmässig  das  Kasein  vor  der  Fällung  zum  Teil 
weitergehend  verändern  und  lösliche  Stickstoffprodukte  daraus 
bilden.  Die  Milchkultur  zeigt  entweder  einen  molkenartigen  oder 
einen  leichten  Fäulnisgeruch,  Unterschiede,  die  nach  unseren  bis¬ 
herigen  Erfahrungen  zum  Teil  auf  Rassenverschiedenheiten  der 
Stämme,  zum  Teil  auf  Einflüsse  zurückzuführen  sind,  welche  mit 
der  Vorbehandlung  der  zur  Aussaat  verwendeten  Kulturen  Zu¬ 
sammenhängen. 

7.  Charakteristisch  ist  die  Entwicklung  in  bei  80  0  rasch  er¬ 
starrtem  Rinderserum.  In  diesem  Nährboden  tritt  unter  leb¬ 
hafter  Gasbildung,  die  denselben  zerklüftet,  üppiges  Wachstum 
ein.  Hierbei  wird  meist  reichlich  Flüssigkeit,  die  noch  gerinn¬ 
bares  Eiweiss  enthält,  ausgepresst,  und  weisen  die  Kulturen  gleich¬ 
zeitig  einen  urinösen,  bezw.  einen  Geruch  nach  Schwefelwasser¬ 
stoff  auf.  Eine  L  ö  s  u  n  g  des  geronnenen  Serumeiweisses  erfolgt 
nicht,  was  auch  daraus  geschlossen  werden  konnte,  dass  in 
Peptonbouillon  eingebrachte  Würfel  von  koaguliertem  Serum 
selbst  nach  Wochen  unverändert  blieben. 


1571 


8-  Der  Oedembazillus  bildet  lösliche  Toxine,  doch  ist  es  uns 
bisher  nicht  gelungen,  dieselben  in  ähnlicher  Konzentration  wie 
die  Rauschbrandgifte  herzustellen. 

9.  Der  Oedembazillus  ist  für  Meerschweinchen,  anscheinend 
ohne  abgesehwacht  werden  zu  können,  hochgradig  pathogen.  Die 
Bazillen  sind  postmortal  gelegentlich  im  Herzblut  anzutreffen, 
und  finden  sich  regelmässig  noch  intra  vitam  auf  der  Oberfläche 
der  Leber.  Hiebei  bilden  sie  stets,  wenn  auch  manchmal  nur  in 
vereinzelten  Exemplaren,  längere  oder  kürzere  Fäden. 

Ueberblickt  man  die  angeführten  Merkmale,  so  ergibt  sich 
dass  der  Oedembazillus  durch  eine  Reihe  von  Eigenschaften 
(räscho  Gelatineverflüssigung ,  Erregung  von  Eiweissfäulnis, 
-p  G  1  ’T.  a  v  °.  1  0  b  i  1  d  u  n  g  etc.)  dem  „fäulniserregenden“ 
Buttersaurebazillus  sehr  nahe  kommt.  Er  unterscheidet  sich  aber 
von  demselben,  abgesehen  von  morphologischen  Differenzen,  durch 
das  fl  e  h  1  e  n  der  Fähigkeit,  die  geronnenen  Eiweisskörper  wieder 
m  Losung  zu  bringen.  Gegenüber  dem  Rauschbrandbazillus,  der 
geradezu  den  Typus  des  echten  Buttersäurebazillus  repräsentiert, 
sind  aber  so  zahlreiche  Unterschiede  vorhanden,  dass  es  fast 
schwerer  fiele,  Ärmlichkeiten  anzugeben.  Solche  bestehen  höch¬ 
stens  hinsichtlich  des  makroskopisch  beobachteten  pathologischen 
Bildes  im  Meerschweinchenkadaver,  kulturell  sind  die  beiden 
Bakterien  aber  sehr  leicht  von  einander  zu  unterscheiden.  Das 
Wachstum  m  Gelatine,  wobei  der  Rauschbrandbazillus  sehr  oft 
keine  Verflüssigung  bewirkt,  die  Entwicklung  in  er- 
starrtem  Serum,  das  für  den  Rauschbrandbazillus  ein  schlechter 
Nährboden  ist.,  der  nie  von  Gasblasen  durchsetzt  erscheint,  das 
völlige  Fehlen  der  Fäulniserscheinungen  in  allen  Rauschbrand- 
kulturen  sind  allein  Merkmale,  die  die  Differentialdiagnose  er¬ 
möglichen.  Hierzu  kommt  noch  ein  wichtiger  Punkt,  die 
Aetliylalkoholbildung  aus  Dextrose,  die  niemals  in 
Rauschbrandreinkulturen  beobachtet  wird. 

Auch  der  Leberbefund  lässt  sich  für  die  Differentialdia<mose 
verwerten,  da  m  rauschbrandigen  Kadavern  niemals  die  charakte¬ 
ristische  Fadenbüdung  auf  der  Leber,  wie  sie  der  Oedembazillus 
bei  der  Meerschweincheninfektion  zeigt,  beobachtet  wurde. 

I  ur  che  Differentialdiagnose  zwischen  Rinderrauschbrand 
und  Wundbrand  m  der  Praxis  empfiehlt  sich  vielleicht  am  ein¬ 
fachsten  die  Prüfung  der  fraglichen  Kultur  mittels  spezi- 
rischen  Serums  an  Meerschweinchen.  * 

Durch  wiederholte  Injektionen  von  Rauschbrandgiftlösungen 
gewannen  wir  bei  einem  jetzt  schon  seit  1V2  Jahren  behandelten 
Jungrinde  ein  stark  antitoxisches  und  antiinfektiöses  Serum,  das 
m  kleinen  Dosen  vor  sämtlichen  in  unserem  Besitze  befindlichen 
Rauschbrandstämmen  (aus  Amerika,  der  Schweiz,  Niederöster¬ 
reich  und  Bayern  stammend)  Meerschweinchen  schützte,  hin¬ 
gegen  letztere  vor.  der  tödlichen  Infektion  mit  4  verschiedenen 
Stämmen,  des  malignen  Oedembazillus  nicht  bewahrte. 

Es  wird  übrigens  noch  eingehenden  Studiums  bedürfen,  um 
festzustellen,  in  welchem  Umfange  beim  Rinde  ein  natürlicher 
Infektionsprozess  vorkommt,  der  durch  die  Bazillen  des  malignen 
Oedems  hervorgerufen  wird. 

.  Von  unseren  4  Oedembazillenstämmen  verursachten  3,  in 
Reinkultur  (Meerschweinchensaft)  Jungrindern  injiziert,  gering¬ 
fügige  bis  hochgradige,  auch  zur  Abszedierung  führende  Schwel¬ 
ungen,  ohne  dass  es  hierbei  zu  schweren  Allgemeinerscheinungen 
gekommen  wäre,  während  der  vierte,  aus  der  Peritonealflüssigkeit 
cs  Pferdes  isolierte  Stamm  ein  Kuhkalb  bei  subkutaner  Appli¬ 
kation  in  60  Stunden  tötete. 

Der  bei  der  Sektion  desselben  erhobene  Befund,  der  makro¬ 
skopisch  von.  den  Veränderungen,  die  der  Rauschbrand  beim  Rinde 
setzt,  sich  nicht  unterscheiden  Hess,  wird  später  ausführlich  mit¬ 
geteilt  werden. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses 
zu  Barmen  (Oberarzt :  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Heusne  r). 

Der  Extensionsverband  nach  Heusner. 

Von  Dr.  Hans  W  ü  1  f  i  n  g,  Assistenzarzt. 

Der  Extensionsverband  hat  in  neuerer  Zeit  bei  der  Behand¬ 
lung  von  Frakturen  und  von  Gelenkaffektionen  der  unteren  und 
auch  dei  oberen  Extremität  immer  mehr  Anhänger  gefunden.  Die 
weiteste  Verbreitung  hat  zur  Zeit  wohl  noch  immer  der  Heft¬ 
pflasterstreckverband,  und  doch  wird  jeder,  der  denselben  viel  an¬ 
gewandt  hat,  auch  seine  Nachteile  kennen  und  zu  würdigen 
wissen.  Zunächst  sind  die  oft  recht  unangenehmen  Ekzeme  zu 

3* 


1572 

erwähnen,  die  so  häufig  bei  zarter  Haut,  besonders  bei  Kindern 
auftreten  und  die  Anwendung  der  Extension  direkt  vereiteln, 
dann  die  starken  Schmerzen,  die  durch  das  Abziehen  der  Heft¬ 
pflasterstreifen  jedesmal  verursacht  werden,  besonders  an  behaar¬ 
ten  Körperstellen,  wenn  man  diese  nicht  vorher  gründlich 
rasiert  hat. 

End  wenn  dann  das  Heftpflaster  nicht  kleben  will,  oder  an 
der  Unrechten  Stelle  sich  anheftet,  wenn  die  klebenden  Seiten 
aneinander  haften  und  kaum  mehr  zu  trennen  sind  —  was  ja  bei 
richtiger  Technik  nicht  Vorkommen  dürfte,  in  AV  irklichkeit  sich 
jedoch  nicht  immer  vermeiden  lässt  — ,  so  haben  diese  kleinen 
ärgerlichen  Zutaten  wohl  schon  manchem  die  Extension  über¬ 
haupt  mehr  oder  weniger  verleidet. 

Alle  diese  Nachteile  finden  sich  nicht  bei  den  Extensions¬ 
verbänden,  die  Herr  Geheimrat  TI  e  u  s  n  e  r  bereits  vor  einigen 
Jahren  angegeben,  in  den  letzten  Jahren  aber  noch  wesentlich 
verbessert  hat.  Während  sie  in  ihrer  ursprünglichen  Form  noch 
etwas  umständlich  waren  —  es  wurden  I  ilzstreifen,  die  durch  auf¬ 
genähte  Leinwand  verstärkt  waren,  als  Extensionsstoif  benutzt  -  , 
sind  sie  in  ihrer  jetzigen  Form  gerade  so  schnell  und  noch  ein¬ 
facher  anzulegen  wie  ein  Heftpflasterstreckverband.  Die  Heus- 
n  e  r  sehen  Extensionsverbände  werden  zwar  zur  Zeit  in  einzelnen 
Kliniken,  z.  B.  von  TI  e  1  f  e  r  i  c  h,  H  o  f  f  a,  L  ob  leer  u.  a.  an¬ 
gewandt,  aber  eine  allgemeine  Anwendung,  die  sie  ihrer  Vorzüge 
wegen  verdienen,  haben  sie  noch  nicht  gefunden.  Vereinzelt  sind 
auch  Beschwerden  laut  geworden  über  nicht  genügend  festes  und 
nicht  genügend  langes  Haften  der  TI  e  u  s  n  e  r  sehen  Streckver- 
bände,  sowie  über  Reizung  der  Haut  durch  dieselben.  Ich  er¬ 
laube  mir  daher,  den  Extensionsverband,  wie  wir  ihn  hier  fast 
täglich  anlegen  und  in  allen  Fällen  damit  zufrieden  sind,  sowie 
die  Technik  seiner  Anlegung  in  folgendem  zu  beschreiben. 

Zur  Anlegung  des  Extensionsverbandes  nach  Heusuer  ge¬ 
hören: 

1.  Ein  Sprayapparat.  Derselbe  besteht  aus  einer  gewöhn¬ 
lichen,  etwa  100 — 150  ccm  fassenden  Flasche,  sowie  einem 
T-förmig  geformten  Röhrchen,  das  in  einem  durchlochten  Kork¬ 
stöpsel  seinen  Halt  findet.  Der  senkrechte  Schenkel  dieses'  T 
überragt  nach  unten  den  Stöpsel  nur  um  ca.  Vz  cm,  neben  dem¬ 
selben  ist  noch  ein  zweites  Röhrchen  in  den  Stöpsel  eingelassen, 
das  mit  seyiem  unteren  Ende  in  die  Flüssigkeit  eintaucht,  mit 
dem  anderen  an  der  dem  Mundstück  gegenüberliegenden  Oeffnung 
des  horizontalen  T-Schenkels  endigt. 

2.  Die  Sprayflüssigkeit.  Die  Zusammensetzung  derselben  ist 

wie  folgt  : 

Rp.:  Ol.  ricini  3,0 

Resin  Damarrh. 

Coloph.  äa  10,0 

Terebinth.  1,0 

Aether 
Spirit. 

Ol.  therebinlh.  aa  55,0 
Filtra 

Die  Anfertigung  und  richtige  Mischung  dieser  Masse  ist 
nicht  ganz  einfach,  es  müssen  dabei  verschiedene  Technizismen  | 
angewandt  werden,  wodurch  es  gelungen  ist,  die  Flüssigkeit 
absolut  reizlos  zu  machen  ’).  _  | 

3.  Extensionsstreifen  von  verschiedener  Breite  und  Länge,  je 
nach  dem  zu  extendierenden  Glied  und  dem  Alter  des  Patienten,  j 
Man  kann  dazu  starke  Flanellbinden  benutzen,  wir  verwenden  ^ 
jetzt  ausschliesslich  einen  weissen,  wolligen,  flanellähnlichen  Stoff, 
sog.  Buckskin  oder  Moleskin,  der  recht  starken  Zug  verträgt  und 
in  jedem  Tuchgeschäft  zu  billigem  Preise  erhältlich  ist.  Die  j 
Streifen  kann  man  sieh  aus  grösseren  Stücken  des  Extensions¬ 
stoffes  in  gewünschter  Länge  und  Breite  leicht  selbst  reissen. 
Sie  werden  so  breit  gemacht,  dass  sie  zusammen  fast  die  ganze 
Oberfläche  des  Gliedes  bedecken,  um  möglichst  viele  Haftpunkte  i 
zu  gewinnen. 

Sehr  wichtig  ist  die  Technik,  die  richtige  Art  und  Weise  der  j 
Anlegung  unseres  Extensionsverbandes.  Der  Klebestoff  wird 
nicht  etwa  auf  das  Glied  oder  gar  auf  die  Extensionsstreifen  ein¬ 
gepinselt,  sondern  das  zu  extendierende  Glied  wird  vermittels  des 
mit  dem  Munde  angeblasenen  Sprayapparates  von  allen  Seiten 

’)  Aus  diesen  Gründen  verfertigen  auch  wir  die  Flüssigkeit 
nicht  selbst,  sondern  beziehen  dieselbe  aus  der  Schwanen- Apotheke 
Barmen,  welche  sie  in  tadelloser  Qualität  liefert.  Daselbst  sind 
auch  alle  anderen  Gegenstände  erhältlich,  welche  zu  dem 
Heusuer  sehen  Extensionsverband  erforderlich  sind. 


No.  38. 


leicht  eingestäubt,  aus  einer  Entfernung  von  Vz—%  m.  Nachdem 
die  Knöchel  durch  schmale  Wattekränzchen  geschützt  sind,  wird 
der  Extensionsstreifen  angelegt  und  zwar  so,  dass  derselbe  überall 
glatt  anliegt  und  keine  Falten  bildet,  dann  wird  derselbe  mit  einer 
weichen  Mullbinde  fest  angewickelt.  Das  feste  Anlegen  darf  aber 
nicht  etwa  durch  Zug,  sondern  nur  durch  sorgfältiges  „Nach¬ 
streichen“  bewirkt  werden,  indem  man  mit  der  linken  Hand  jede 
Bindentour  überstreicht  und  andrückt,  möglichst  ohne  sogen. 
„Renverses“  zu  machen. 

Wenn  der  Verband  länger  liegen  soll,  wird  noch  eine  Stärke¬ 
binde  über  die  weiche  Binde  gewickelt,  wobei  natürlich  auch  jedci 
Zug-  vermieden  werden,  vielmehr  jede  Tour  mit  der  linken  Hand 
festgestrichen  werden  muss. 

Ein  solcher  richtig  angelegter  Verband  kann  dann  lange, 
wochen-,  monatelang  liegen  bleiben,  ohne  dass  er  lästig  wird. 
Man  kann  an  demselben  einen  beliebig  starken  Zug  ausüben,  den 
Zug  kann  man  bis  zur  Zerreissung  der  Extensionsstreifen  steigern, 
ohne  dass  der  Verband  abrutschen  würde.  Und  zwar  braucht  man 
mit  dem  Anhängen  der  gewünschten  Gewichte  nicht  zu  warten, 
dasselbe  kann  vielmehr  unmittelbar  nach  Anlegung  des  Verbandes 
geschehen. 

Das  Abnehmen  eines  solchen  Streckverbandes  lässt  sich  in 
der  denkbar  einfachsten  Weise  bewerkstelligen:  Nach  Abnahme 
der  Bindentouren  werden  die  Extensionsstreifen  einfach  abge¬ 
zogen,  was  gar  keine  Schmerzen  verursacht,  der  Klebestoff  lässt 
sich  mit  etwas  Olivenöl  oder  auch  mit  wenig  Spiritus  leicht  von 
der  Haut  entfernen. 

Die  Extensionsstreifen  können  gewaschen,  geplättet  und  dann 
noch  mehrere  Male  wieder  benützt  werden,  und  so  besitzt  unsei 
Verband  auch  noch  den  Vorzug  grosser  Billigkeit,  während  Heft¬ 
pflaster  in  guter,  brauchbarer  Qualität  ziemlich  teuer  ist. 

Eine  hübsche  und  einfache  Modifikation  dieser  Streckver¬ 
bände  hat  Dr.  B  r  u  n  s,  früher  Assistenzarzt  hier,  angegeben. 
Die  Umwicklung  des  Gliedes  fällt  dabei  überhaupt  fort,  über  das 
1  mit  der  Sprayflüssigkeit  eingestäubte  Glied  wird  einfach  ein  vor¬ 
her  auf  gerollter  Trikotschlauch  gezogen,  dessen  unten  über- 
!  stehendes  Ende  vorne  und  hinten  eingeschnitten  wird.  An  den 
beiden  seitlichen  Hälften  wird  dann  der  Gewichtszug  befestigt. 

Die  Gegenstände,  die  wir  zu  unseren  Streckverbänden  be¬ 
nützen,  sind  nun  ferner  noch  zu  den  verschiedensten  anderen 
Zwecken  verwendbar.  Ein  wichtiger  Faktor  ist  dabei,  dass  die 
Sprayflüssigkeit,  nach  der  bakteriologischen  Untersuchung  von 
Herrn  Dr.  Marckwald,  Prosektor  am  städt.  Krankenhaus  hier, 
frei  von  Keimen,  also  aseptisch  ist.  Man  kann  dieselbe  also  ohne 
Sorge  auf  oder  in  die  Nähe  von  Wunden  bringen.  So  kann  man 
bei  Laparotomiewunden  einen  praktischen,  nicht  rutschenden 
Verband  in  folgender  Weise  hersteilen:  Nachdem  man  auf  die  ge¬ 
nähte  Wunde  selbst  einen  schmalen  aseptischen  Gazestreifen  ge¬ 
legt  hat,  wird  die  Haut  an  Bauch  und  Rücken  mit  unserem 
Spray  eingestäubt.  Sodann  wird  eine  längere  sterilisierte  Binde 
aus  Extensionsstoff  in  Zirkel  touren,  die  sich  dachziegelförmig 
decken,  ums  Abdomen  gelegt.  Dieser  Verband  schützt  nicht  nur 
die  Wunde  sicher  gegen  sekundäre  Infektion,  sondern  verleiht 
auch  dem  Abdomen  einen  den  Kranken  oft  recht  angenehmen 
Halt.  In  ähnlicher  Weise  lassen  sich  improvisierte  Leibbinden 
zur  Nachbehandlung  von  Laparotomien  herstellen. 

Die  Extensionsstreifen  und  Sprayflüssigkeit  können  ferner 
verwandt  werden  zu  gürtelförmigen  Zugverbänden  bei  Becken¬ 
brüchen,  bei  Rippenfrakturen  statt  des  zirkulären  Heftpflaster¬ 
verbandes,  ferner  zu  seitlichen  Zügen,  die  nicht  rutschen  dürfen, 
bei  der  Behandlung  von  Verkrümmungen  der  Gliedmassen,  von 
Skoliosen  u.  s.  w. 

Sehr  wichtige  Dienste  leistet  uns  endlich  die  Sprayflüssigkeit 
bei  der  Anlegung  von  Heusner  sehen  Filzkorsetts.  Die  Stütz¬ 
mieder  derselben  sind  hergestellt  aus  einer  Unterlage  von  weichem 
Filz,  welcher  mit  gestärkten  Gazebinden  in  3 — 4  facher  Lage  sehr 
fest  umwickelt  wird.  Zwischen  diesen  Lagen  werden  handbreite 
Streifen  einer  Art  Rohrgeflecht  eingeschaltet,  welches  im  Verein 
mit  Filz-  und  Gazebinden  ein  Gerüst  von  grosser  Festigkeit, 
Leichtigkeit  und  Schmiegsamkeit  bildet  ')•  Durch  vorheriges  Be¬ 
stäuben  der  Haut  wird  das  so  wichtige  glatte  und  faltenlose  An¬ 
legen  des  weichen  Filzes  ganz  bedeutend  erleichtert,  und  vor 
allem  wird  dadurch  verhindert,  dass  sich  während  des  Umwickelns 

2)  Näheres  darüber  s.  Deutsche  med.  Wochensehr.  1892,  No.  10; 
L.  Heusner:  „Ueber  die  Behandlung  der  Wirbelkaries“. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


23.  September  1902. 


_ MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Falten  bilden,  da  sich  der  Filz  ja  nun  über  der  Haut  nicht  mehr 
verschieben  kann. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  beiläufig  erwähnen,  das«  die 
Extensionsverbande  nach  Heusner  auch  wohl  in  der  Kriegs- 
ciirurgie  mit  Vorteil  Anwendung  finden  könnten,  anstatt  des 
Heftpflasters,  das  ja  dem  Verderben  durch  Feuchtigkeit  und 
Hitze  m  hohem  Grade  ausgesetzt  ist. 


1573 


Aus  dem  Krankenhause  Bergmannstrost  (Prof.  Oberst)  in 

Halle  a.  S. 

Ueber  die  Luxatio  tibiae  anterior. 

Von  Dr.  Brüning,  Assistenzarzt. 

Die  Luxationen  im  Kniegelenk  gelten  allgemein  für  sehr 
seltene  Ae  riet  zu  ngen.  Eine  Arbeit  von  Gramer1)  aus  dem 
-Jahre  1895  zeigte  jedoch,  dass  sich  in  der  Literatur  Aufzeich¬ 
nungen  über  eine  grössere  Anzahl  von  Fällen  finden.  Es  gelang 

ramer  aus  den  deutschen,  französischen  und  englischen 
Zeitschriften  270  Falle  zu  sammeln,  deren  erster  freilich  schon 
aut  (  elsu  s  zurückgeht. 

,  ?f  al  * a  ’  g.n,e’  der. zuerst  im  Zusammenhang  die  Luxationen 
der  1  ibia  bespricht,  teilt  dieselben  in  so  zahlreiche  (15)  Unter¬ 
abteilungen  ein,  dass  dadurch  die  Hebersicht  sehr  erschwert  wird. 
I)em  praktischen  Bedürfnisse  genügt  es  vollkommen,  wenn  man 
Abweichungen  des  Unterschenkels  nach  vorn  und  hinten,  innen 
und  aussen  unterscheidet;  als  seltenste  Form  wäre  eventuell  noch 
die  Kotationsluxation  zu  nennen. 

Vergleicht  man  die  verschiedenen  Formen  nach  ihrer  Häufig¬ 
keit,  so  ergibt  sich  unter  Benutzung  des  von  Cra  m  e  r  ge¬ 
sammelten  Materials,  dass  hei  weitem  die  häufigste  Luxations- 
forn,  die  nach  vorn  mit  40,4  Proz.  ist,  dann  folgt  die  nach  hinten 
(19,6  Proz.),  nach  aussen  (17,8  Proz.)  und  schliesslich  die  Lu¬ 
xation  nach  innen  mit  nur  6,3  Proz.;  hierbei  ist  kein  Unterschied 
zwischen  vollständiger  und  unvollständiger  Luxation  gemacht. 

Das  funktionelle  Resultat  war  bei  den  seitlichen  Luxationen 
am  günstigsten,  während  bei  der  Luxation  nach  vorn,  also  der 
häufigsten,  das  Endresultat  im  allgemeinen  am  schlechtesten  aus- 
hel.  Dieses  Verhalten  ist  sehr  leicht  erklärlich  aus  der  Art  der 
JN ebenverletzungen,  von  denen  allein  die  Prognose  abhängt.  Die 
Getasse  und  Nervenstämme  in  der  Kniekehle  werden  am  meisten 
gespannt  beim  Ausweichen  der  Tibia  nach  vorn.  Eine  Verletzung 
der  Art  popl.  hat  aber  in  jedem  Falle  die  Gangrän  des  Unter¬ 
schenkels  zur  Folge  gehabt. 

Lon  vollständigen  Luxationen  der  Tibia  nach  vorn,  auf  die 
ich  hier  nur  näher  eingehen  will,  waren  bis  1895  im  ganzen  97 
bekannt.  Da  m  fast  allen  Fällen  die  anatomische  Bestätigung  der 
lagnose  (Kontrolle  durch  Röntgenaufnahme)  fehlt,  so  muss 
dahingestellt  bleiben,  ob  es  sich  nicht  tatsächlich  bei  einer  An¬ 
zahl  dieser  als  vollständig  beschriebenen  Luxationen  um  unvoll¬ 
ständige  gehandelt  hat. 

Seit  1895  sind  noch  6  Fälle  von  vollständiger  Luxation  der 
Jibia  nach  vorn  bekannt  gegeben. 

Kj  aer  )  berichtete  1896  über  einen  solchen  Fall.  Die  Re¬ 
position  gelang  ihm  leicht,  jedoch  musste  er  nach  monatelanger 
Behandlung  noch  zur  Amputation  des  Oberschenkels  schreiten 

.  Wegen  Zerreissung  der  Art.  popl.  eine  ausgedehnte  Gangrän 
eingetreten  war. 

Die  anderen  5  Fälle  stehen  insofern  einzig  da,  als  die  Ver¬ 
letzung  gleichzeitig  erfolgte.  Farnes3)  berichtet: 

18  Bergleute  fuhren  zusammen  in  einen  Schacht  ein.  Aus 
unbekannter  Ursache  verlor  der  Maschinist  die  Leitung  über  das 
Jnebwerk  und  der  Fahrstuhl  stürzte  aus  einer  Höhe  von 
Ellen  in  die  Tiefe.  5  der  Bergleute  zogen  sich  hierbei  eine 
bux.  tibiae  anterior  zu. 

(1,-r  K„ili  Ti’  J,ahre  alt-  Die  Kondylen  des  rechten  Femur  in 
lZ  die  Haut  darüber  stark  gespannt, 

lid.  oiJ  d;yle,n  der  Tibia  sind  2  Zoll  nach  oben  verschoben  und  deut- 
i<  li  abzutasten.  Im  Kniegelenk  kein  Erguss. 

gross  wio  hoi’  r“7  ^ahre:  Pie  Verschiebung  ist  hier  nicht  ganz  so 
ruunizS?  b  Quemss  der  Haut  in  der  Kniekehle,  jedoch  kom- 
SiL  liil  Wunde  nicht  mit  der  Gelenkhöhle.  Ausgedehnte 
ugillationen  am  Oberschenkel.  Starker  Erguss  ins  Gelenk. 

_  iiA-  V-  K.,  66  Jahre.  Status  wie  II,  ebenfalls  das  linke  Knie 


Bm  21  Jahre-  Dieser  Fall  gleicht  in  jeder  Beziehung 
<,  ,  ••  uur  W11'd  er  dadurch  komplizierter,  dass  noch  ein 

Schragbruch  de *r  luxii wten  Tibia  mit  starker  Dislokation  hinzukam. 

Erguss  ms mÄ.  F011  1  olme  Hautverletzuug  und  ohne 

n.  J/ie  Verletzten  kamen  direkt  nach  dem  Unfall  in  Behandlung 

Zug  ™aOSjlXrrDraekf0rt  TOI'gen0mmen  un"  sel,,Dff  leicl"  «»»* 

Kiss™  ohne1'i'5enddlwe]Ll?s“fene“,™i 

wegen  extendiert.  1  uraxtui 

-  n  r  Nafh  U,  Taffen  w,irde  mit  Bewegungen  begonnen  nach 
m°nateU  arbeiteten  4  der  Leute,  ohne  Beschwerden  zu  haben  Sie 
smd  angewiesen  eine  Kniekappe  zu  tragen.  Fall  IV  ist  ungünstig 
verlaufen.  Es  besteht  eine  Lähmung  der  Extensoren  am  ^UnteS 

gestützt  werden^  KmegeIenk  muss  durch  einen  Schienenapparat 

Vor  kurzem  hatten  wir  im  Krankenhause  Bergmannstrost 
Gelegenheit,  einen  Fall  von  Luxatio  tibiae  ant.  zu  beobachten,  der 
dadurch  an  Interesse  gewinnt,  dass  wir  in  der  Lage  waren, 
Kontgenphotogramme  davon  anzufertigen,  was  meines  Wissens 
bislang  anderwärts  noch  nicht  geschehen  ist. 

Dm  m  den  gebräuchlichsten  Lehrbüchern  vorhandenen  Ab¬ 
bildungen  von  Luxationen  des  Unterschenkels  betreffen  vor¬ 
wiegend  unvollständige  Luxationen;  eine  so  schwere  Verschie¬ 
bung  der  Knochen,  wie  sie  unser  Fall  zeigt,  scheint  bisher  über¬ 
haupt  noch  nicht  beobachtet. 

A.  W.,  Knecht,  45  .Talire,  wurde  beim  Füttern  der  Pferde  von 
d  u m ge worf en  und  mehrfach  getreten.  Er  verlor  das  Bo- 

J 30  T  ev  Uber  <len  Mechanismus  der  Verletzung  nichts 
,/  eies  auzugeben  vermag.  Ein  hinzugerufener  Arzt  fixierte  die 
Vi^t'<T',,'ltat..auf  eiuer  Schiene  und  veranlasste  am  nächsten  Tage 
die  Ueberfuhrung  des  Verletzten  nach  Bergmannstrost. 

Nach  Entfernung  des  Notverbandes  fiel  sofort  die  Verkürzung 
des  linken  Beines  und  die  Verdickung  des  Knies,  sowie  das  starke 
7  rominieren  der  Femurkondylen  nach  hinten  auf.  so  dass  schon 
dm ch  die  Inspektion  die  richtige  Diagnose.  Luxation  im  Knie 
werten  konnte.  Als  anderweitig  VevlSzunien 
fanden  sich  noch  ein  Bruch  des  rechten  Schulterblattes  und  des 
•  >.  rechten  Mittelhandknochens. 

„„h.D^.feaaiiere  Untersuchung  der  linken  unteren  Extremität  er- 
gab.  Die  Temperatur  der  Unterschenkel  ist  herabgesetzt  Der 
Unterschenkel  und  Fuss  sind  blaurot  verfärbt.  Dicht' unter  der 
Kmeschmbe  ist  die  livide  Hautfärbung  scharf  abgegrenzt 

mn  dnseKn-erin0rmale-n  Und  bIälllich  gefärbten  Haut  läuft  rings 
mn  das  Knie  herum  ein  ca.  2  Finger  breiter  blasser  Hautstreifen 

J  mEft-remltat  vollkommen  gestreckt,  Unterschenkel  und  Fuss 
sind  leicht  nach  aussen  rotiert.  Der  Unterschenkel  erscheint 
ca.  4  Finger  breit  verkürzt.  Auf  der  Hinterseite  der  Kniegelenks¬ 
gegend  springen  die  Kondylen  des  Oberschenkels,  besonders  des 
ausseren,  unter  starker  Spannung  der  Haut  sehr  deutlich  hervor 

C°rlyL  ext  ist  die  Haat  stark  verdünnt  und  sugilliert;' 
«Jesgleuhen  aber  in  geringerem  Grade  über  dem  Condvl.  int.  Die 
Kondylen  der  Tibia,  deren  Gelenkfläche  besonders  innen  deutlich 
zu  palpieren  ist,  springen  stark  nach  vorn  vor  (Fig  I)  Die  Pa 


Fig.  1. 


>  Justus  Crame  r:  Dissert.,  Würzburg  1S95. 
")  Kjaer:  Hildebrandts  Jahresbericht  1896. 

'  Lames:  British  medical  Journal  1900. 

No.  38. 


tella,  durch  einen  starken  Bluterguss  nach  vorn  gedrängt  ist 
leicht  beweglich  und  steht  mit  ihrem  oberen  Rande  leicht  gegen 
das  Os  femoris  geneigt. 

,.  ,pn  der .  Fussohle  ist  an  einer  über  handtellergrossen  Stelle 
die  Epidermis  blasig  abgehoben.  Nach  Angabe  des  Patienten  hat 
seine  Frau  ihm  hier  einen  heissen  Ziegelstein  gegengelegt  da  er 
m  dem  Fuss  „ein  kaltes  Gefühl“  hatte. 

...  .Per  Pute  der  Art.  tib.  postica  ist  nicht  zu  fühlen.  Die  Sensi¬ 
bilität  ist  von  der  Mitte  des  Unterschenkels  abwärts  erloschen, 
Fuss  und  Zehen  können  nicht  bewegt  werden. 

Die  Röntgenaufnahme  bestätigt  die  Diagnose  Totalluxation  der 
idua  nach  vorn.  Die  Tibia  hat  die  Gelenkfläche  des  Femur  völli- 
verlassen  und  ist  nach  vorn  und  um  7ya— 8  cm  nach  oben  verschoben! 
Gleichzeitig  ist,  wie  aus  einer  Aufnahme  von  vorn  hervorgeht  die 
Tibia  leicht  medianwärts  verschoben.  Das  Os  femoris  ist  nach 
laaea’  cbe  Tibia  nach  aussen  gedreht.  Die  Patella  steht  in  einem 
\\  mkel  's  on  20 u  zum  Oberschenkel  geneigt.  Absprengungen  von 

4 


1574 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Femur  oder  der  Tibia  sind  nicht  vorhanden 

Die  Reposition  wurde  18.  Stunden  nach  dei  ’S  ei  letzuu-,  in 
Chlorofomnai-kose  von  Prof.  0  b  er  st  leicht  vollaogen  dmch  Zug 
lK‘i  geringer  Flexion  und  durch  duckten  Druck  aut 


Knochenteilen  vom 
(Fig.  2). 

Die  Reposition 


ringer 
kondylen. 


Fig.  2. 

Desinfektion  der  Hautabschürfungen  Abtragung  der  Dlasen 
auf  der  Fussolile,  Lagerung  auf  eine  Volkma n  sehe  ^Schiene. 

Unmittelbar  nach  der  Reposition  war  in  dei  Alt.  tib  post 
noch  kein  Puls  zu  fühlen;  beim  nächsten  Verbandwechsel,  am 
•_>.  Tage,  fühlte  man  ihn  jedocli  deutlich.  Die  Sensibilitatsstorungen 
liiiiifvHm  sich  erst  nach  geraumer  Zeit  zurück.  _ 

Im  weiteren  Verlauf  wurde  an  der  äusseren  unteren  Seite  des 
Knies  ein  thalergrosses  Stück  der  Haut  gangränös  die  über  d e 
Feinurkondylen  so  stark  gespannt  gewesen  war.  Die  AN  unde  heute 

*1<ltt’\n  der  Fussohle  bildete  sich  entsprechend  der  erwähnten 
Rlase  im  Umfange  von  fast  Handtellergrösse  Gangrän  aus;  Haut. 
Fascie  plantar.,  Beugesehnen  wurden  nekrotisch;  die  I^Pf°®nf 
II  bis  IV  Mittelf ussknocheus  lagen  m  der  grossen  A\  unde  frei. 

Die  Muskulatur  des  Unterschenkels  "nd  J^Tb  und  ulter- 
ständig  gelähmt.  Reizung  des  Nervenstammes  obeihalb  und  unte 
halb  des  Capit  fibulae  ruft  keine  Zusammenziehung  des  Muskels 
hervorf8  Faradische  und  galvanische  Erregbarkeit  der  Muskeln 

ist  fast  ganz  erloschen.  u  ,  ,  T 

Die  Sensibilität  ist  am  ganzen  Unterschenkel  wiedeigekehit.  I 
Gebiete  des  Hautastes  des  Nerv,  peroneus  wird  einfache  Le 
rühnnig  und  Temperaturunterschied  ebenso  empfunden,  e\ie  an 
der  unverletzten  Extremität.  Spitz  und  stumpf  werden  in  üem 

genannten  Gebiet  nicht  unterschieden  „lytischen 

Unter  diesen  Umständen  konnte  von  einer  Plastischen 
Deckung  des  Defektes,  Freilegung  und  event  Naht .des Nerve 
ein  gutes  funktionelles  Resultat  nicht  erwartet  weiden,  es  wuidc 


deshalb  —  4  Monate  nach  der  Verletzung  —  die  Amputation  nach 
ti  :  ,r0f  f  gemacht.  Der  Stumpf  ist  jetzt  (0  Monate  nach  d 

Verlegung)  gut  belastungsfähig; 

D-is  Kniegelenk  kann  bis  zu  einem  Winkel  von  ca.  »euem, 

Ina  vollkommen  Reoti-eckt  werte»;  keltte  abnorme  seitliche  Bc- 
wco-iichkeit  kein  Erguss  im  Gelenk.  , 

"  Das  elelHHsche  Verhalten  ist  dasselbe,  wie  bereits  angegeben. 

Wenn  wir  die  bisher  bekannten  104  Fälle  von  Luxation  der 
Tibia  nach  vorne  (97  Fälle  bei  Gramer,  5  bei  E  am  es  1  von 
K  i  a  e  r  und  unseren  Fall)  näher  betrachten,  so  ergibt  sich  dass 
die  Verletzung  —  aus  leicht  verständlichen  Gründen  —  last  nui 
bei  Männern  beobachtet  worden  ist;  von  diesen  sind  alle  Lebens 
alter  vertreten,  welche  in  einem  Berufe  tätig  sind,  der  grossei e 
körperliche  Anstrengungen  erfordert  oder  die  Arbeiter  maschi¬ 
nellen  Verletzungen  aussetzt. 

Bei  weitem  am  häufigsten  kamen  die  Luxationen  zu  stände 
durch  Fall  aus  grösserer  Höhe  auf  die  Eüsse,  dann  durch  direkte 
Gewalt,  entweder  durch  einen  Schlag  von  hinten  gegen  den 
Unterschenkel  oder  von  vorn  gegen  das  lemur.  Ueber  die  Starke 
der  Verschiebung  der  Tibia  bei  den  vollständigen  Luxationen  und 
die  dadurch  bedingte  Verkürzung  der  Extremität  konnten  bisliei, 
wenn  die  anatomische  Untersuchung  nicht  möglich  war,  nur  ganz 
ungenaue  Angaben  gemacht  werden.  „Die  Verkürzung  wurde 
wie  es  bei  M  a  1  g  a  i  g  n  e  heisst,  „von  verschiedenen  Beobachtern 
auf  2  2V:>  und  bis  auf  3  und  4  Zoll  geschätzt;  man  sieht  aber 
nicht,’ dass  die  Beobachter  bemüht  gewesen  wären,  die  scheinbare 
Verkürzung  genügend  von  der  wahren  zu  unterscheiden.  ie 
Fälle  von  denen  in  den  verschiedenen  Lehrbüchern  Abbildungen 
vorhanden  sind,  zeigen  sämtlich  nur  eine  unmerkliche  oder  doch 
nur  geringe  Verkürzung.  Eine  so  beträchtliche  Verschiebung,  wie 
sie  in  unserem  Falle  durch  die  Röntgenaufnahme  nachgewiesen 
wurde,  ist  bisher  bei  konservativ  behandelten  Fallen  überhaupt 
110ch  nicht  mit  Sicherheit  beobachtet  worden. 

In  allen  Fällen  von  Luxation  der  Tibia  nach  vorne  muss 
es  zu  einer  Zerreissung  der  Ligamenta  cruciata  und  zu  aus¬ 
giebigen  Kapselrissen  kommen;  sie  sind  stets  gefunden  worden, 
wenn  man  Gelegenheit  hatte,  Einblick  in  das  Gelenk  zu  nehmen; 
häufig  ist  ausserdem  das  Ligament,  laterale  externum,  in  vielen 
Fällen  auch  das  Lig.  lat.  intern,  zerrissen;  jedoch  sind  zweifellos 
Fälle  beobachtet  worden,  in  denen  beide  Seitenbander  unvei- 
sehrt  geblieben  sind. 

In  unserem  Falle  konnte  eine  Verletzung  der  Seitenbänder 
nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen  werden.  _  . 

Ueber  die  Stellung,  welche  die  Kniescheibe  bei  der  m  Rede 
stehenden  Verletzung  einnimmt,  finden  sich  bei  den  Autoren  ver¬ 
schiedene  Angaben. 

Malgaigne  gibt  an,  dass  die  Kniescheibe  fast  immer  mit 
iher  hinteren  Fläche  glatt  auf  der  Gelenkfläche  der  Tibia  liegt; 
in  einigen  seltenen  Fällen  sei  sie  nur  in  einem  Winkel  von  etwa 
45  0  getreu  das  Femur  geneigt.  Nach  Hoff  a  ist  die  Patella  steil 
nach  hinten  gerichtet  und  lehnt  sich  gegen  die  Femurrolle  an 

oder  liegt  der  Tibia  wie  ein  Deckel  auf.  _ 

Unsere  Beobachtung  stimmt  mit  diesen  Angaben  insofern 
nicht  überein,  als  in  unserem  Falle  die  Patella  nur  wenig  um 
20  0  —  gegen  das  Femur  geneigt  war. 

Da  das  Lig.  patellae  stets  unversehrt  bleibt  und  die  Streck¬ 
muskulatur  des  Oberschenkels -immer  erschlafft  ist,  so  kann  die 
Stellung  der  Patella  nur  durch  mehr  oder  weniger  starken  Blut¬ 
erguss,  den  Grad  der  Verschiebung  des  Unterschenkels  und  der 
Winkelstellung  der  Tibia  zum  Femur  bestimmt  sein.  ^ 

Leichen  versuche,  die  auf  Veranlassung  von  Prof.  Oberst 
von  Dr.  R  o  1  o  f  f  vorgenommen  wurden,  ergaben,  dass  bei  einer 
Verschiebung  des  Unterschenkels  bis  zu  5  cm  bei  gefülltem  oder 
nichtgefülltem  Gelenk  die  Patella  seltener  eine  leichte  Neigung 
gegen  das  Os  femoris  zeigte.  Niemals  lag  die  Patella  der 

Tibia  auf.  ,  .  .  , 

Bezüglich  der  Komplikationen  der  Verletzung  lassen  sich 

von  den  104  bisher  bekannten  Fällen  leider  nur  72  verwerten, 
in  denen  sich  genauere  Angaben  finden.  In  18  dieser  Falle 
(25  Proz.)  waren  Komplikationen  vorhanden;  von  diesen  18  lallen 
endeten  7  =  38  Proz.  mit  dem  Tode.  Die  Komplikationen  be¬ 
standen  grösstenteils  in  Querrissen  der  stark  gespannten  Haut 
in  der  Kniekehle  mit  oder  ohne  Läsion  der  Nerven  oder  Gefasse. 
Bei  den  18  komplizierten  Luxationen  war  6  mal  die  Art.  poplitea 
verletzt  (ausserdem  war  bei  den  nicht  mit  Hautwunden  kom¬ 
plizierten  Fällen  3  mal  die  Arteria  popl.  subkutan  durchrissen). 


23.  September  1902. 


In  allen  diesen  Fallen  führte  die  Verletzung  der  Arterie  zur 
Gangrän  des  Unterschenkels. 

.  Ueber  die  -^erven Verletzungen  bei  Luxatio  tibiae  finden  sich 
mn  wenige  und  grossen  teils  so  unsichere  Aufzeichnungen  dass 
sich  bestimmte  Schlüsse  daraus  nicht  ziehen  lassen;  auch  in  un- 
serem  lalle  muss  es  dahingestellt  bleiben,  ob  es  sich  um  Zerreis- 
sung  oder  eine  starke  Quetschung  des  Nerven  gehandelt  hat. 

GfiqP  \  T  beschriebenen  Fällen  kam  es  16  mal 
(16,3  Proz.)  zur  Amputation  des  Unterschenkels  wegen  Gangrän 
öden  anderweitiger  grosser  Weichteilwunden.  Von  diesen  16  Am¬ 
putierten  starben  2  an  Sepsis. 

\  on  sämtlichen  104  Fällen  kam  es  15  mal  zum  Exitus  letalis 
und  zwar  4  mal  an  Nebenverletzungen,  1  mal  an  Delirium  tre¬ 
mens,  1  mal  an  Karbolvergiftung,  2  mal  aus  unbekannter  Ur¬ 
sache,  7  mal  an  Sepsis. 

Von  diesen  letzten  7  Fällen  stammen  2  (1881  u.  18901  ans 
der  antiseptischen  Zeit. 

Die  Prognose  der  Verletzung  hängt  -  abgesehen  von  der 
begleitenden  Weichteilverletzung  —  zu  einem  guten  Teil  von  der 
Zeit  ab  die  von  der  Entstehung  der  Luxation  bis  zur  Reposition 
verstrichen  ist.  Leider  ist  hierüber  in  der  Literatur  nichts  Be- 
stimmtes  verzeichnet.  In  unserem  Falle  hatte  die  Verletzung 
18  Stunden  vor  der  Einlieferung  in  das  Krankenhaus  statt- 
gel  linden.  Diese  Zeit  genügte,  um  in  der  Fussohlc  -  begünstigt 
durch  den  Druck  des  gegengelegten  heissen  Ziegelsteines  —  irre¬ 
parable  Zirkulationsstörungen  hervorzurufen.  Es  ist  nicht  un¬ 
wahrscheinlich,  dass,  wenn  bei  günstigen  äusseren  Verhältnissen’ 
die  Reposition  unmittelbar  nach  der  Verletzung  möglich  gewesen 
\\iiie  auch  die  tiefgehende  Gangrän  etc.  vermieden  worden  wäre 

Die  Reposition  gelang  in  allen  frischen  Fällen  leicht  durch 
Zug  und  direkten  Druck  bei  leichter  Flexion  oder  auch  geringer 
Ilyperextension  des  Unterschenkels;  in  2  veralteten  Fällen  musste 
die  Kesektion  gemacht  werden. 

Die  günstig  verlaufenden  Fälle  geben  meist  ein  ganz  gutes 
tu n k t lonelles  Resultat;  so  konnten  verschiedene  Verletzte  später 
ihrer  Militärpflicht  genügen;  auch  in  den  Fällen,  in  denen  eine 
Lockerung  des  Kniegelenks  zurückblieb,  war  dieselbe  nie  so  gross 
dass  das  Tragen  von  Apparaten  nötig  war.  Erhebliche  Be- 
wegungsbeschrankungen  resultierten  nie.  9  mal  (und  in  unserem 
halle)  blieb  eine  Peroneuslähmung  bestehen,  die  1  mal  das  Tragen 
einer  Schiene  notig  machte.  Ausgedehnte  Gangrän  des  Fusses 
führte  m  unserem  Falle  zur  osteoplastischen  Amputation  des 
Unterschenkels  nach  P  i  r  o  g  o  f  f. 

Dass  die  komplizierten  Luxationen  die  schlechteren  Resul¬ 
tate  lieferten,  ist  verständlich. 


MUENOHENER  MEPiCiNlSCllE  WOCHENSCHRIFT. 


1575 


Aus  dem  chemisch-mikroskopischen  Laboratorium  von  Dr.  M. 
und  Dr.  Ad.  J  o  1 1  e  s  in  Wien. 

Eine  einfache  Methode  zur  quantitativen  Bestimmung 
der  Eiweisskörper  im  Blute  für  klinische  Zwecke. 

Von  Adolf  Jolles  in  Wien. 

.  bekanntlich  erfolgt  die  quantitative  Bestimmung  der  Ei- 
weisskorper  im  Blute  in  der  Weise,  dass  man  entweder  mittels 
blutiger  Schröpf köpfe  entnommenes  Blut  (ca.  0,8—1  g)  oder 
durch  tiefen  Einstich  gewonnenes  Blut  (5—8  Tropfen)  in  einem 
mit  Kautschukkappen  verschlossenen  Kölbchen  abwägt  und  einer 
Stickstoffbestimmung  nach  Kjeld  ah  1  in  der  von  Jak  sch 
angegebenen  Modifikation  unterwirft;  aus  der  Menge  des  ge- 
^undenen  Stickstoffes  wird  durch  Multiplikation  mit  dem  Faktor 
J'7Ö  dle  Menge  des  vorhandenen  Eiweisses  berechnet.  Es  ist 
se  stverständlicji,  dass  diese  Methode  keine  absoluten,  sondern 
nur  relative  Werte  liefern  kann,  nachdem  im  Blute  auch  geringe 
Mengen  anderer  N-haltiger  Substanzen,  wie  Harnstoff,  Ammoniak, 
ainsauie,  Xanthinbasen  etc.,  enthalten  sein  können,  deren 
Stickstoff  auch  als  Eiweiss  in  Rechnung  gelangt.  Aber  wie 
Jakseh  ganz  richtig  bemerkt,  gestattet  diese  Methode  ein 
gieichmassiges  Arbeiten  und  liefert  daher  wertvolle  Vergleichs- 
r.  täte.  Allerdings  ist  zu  berücksichtigen,  dass  diese  Methode 
eine  analytische  Wage  und  eingestellte  Lösungen  voraussetzt,  da¬ 
tier  eine  gewisse  Präzision  in  der  Ausführung  verlangt,  zu  welcher 
nicht  immer  die  nötige  Zeit  vorhanden  ist.  Ueberdies  ist  zu  er- 
Wiigen,  dass  bei  einer  chemischen  Blutuntersuchung,  die  geeignet 
erscheint,  uns  ein  einigermassen  anschauliches  Bild  über  die  Blut¬ 
beschaffenheit  zu  gewähren,  ausser  der  Bestimmung  des  Eiweisses 


noch  eine  ganze  Reihe  anderer  erforderlich  ist.  Das  hiezu  not¬ 
wendige  Blutquantum  ist  aber  ein  relativ  grosses,  gegen  dessen 
Entnahme  nicht  selten  gewichtige  Gründe  geltend  gemacht  wer¬ 
den  können.  Aus  diesem  Grunde  wird  auch  bei  der  klinischen 
Blutuntersuchung  in  der  Regel  auf  die  Bestimmung  aller  jener 
Blutelemente  verzichtet,  die  grössere  Blutmengen  beanspruchen. 
Diese  Tatsache  ist  jedenfalls  zu  bedauern,  da  die  Bedeutung  der 
chemischen  Blutuntersuchung  für  diagnostische  Zwecke  sich 
um  so  wertvoller  gestalten  wird,  je  mehr  vergleichbare  Daten 
und  Relationen  zur  Bestimmung  gelangen.  Diese  Erwägungen 
haben  mich  bereits  seit  einigen  Jahren  veranlasst,  mich  mit  der 
Ausarbeitung  solcher  einfacher  Methoden  zu  beschäftigen  welclio 
gestatten,  m  minimalen,  dem  Individuum  jederzeit  leicht  zu  ent¬ 
nehmenden  Blutquantitäten  diagnostisch  wichtige  Blutbestand- 
teile  mit  genügender  Verlässlichkeit  zu  bestimmen. 

Im  nachstehenden  beschreibe  ich  eine  Methode  zur  quanti¬ 
tativen  Bestimmung  der  Eiweisskörper  im  Blute,  welche  gestattet 
mit  0,2  ccm,  bei  einiger  üebung  auch  mit  0,1  ccm  Blut  zu  voll¬ 
ständig  brauchbaren  Resultaten  zu  gelangen.  Bei  einiger  Uebung 
ist  es  keineswegs  zu  befürchten,  dass  die  geringe  Menge  der  an¬ 
gewandten  Substanz  Ungenauigkeit  im  Resultate  verursacht. 
Dies  wird  besonders  dadurch  vermieden,  dass  die  Methode  eine 
gasvolumetrische  ist,  also  die  abgelesene  Menge  ein  relativ  grosses 
Volumen  einnimmt,  so  dass  die  Ablesezahlen  hier  weniger  das 
esultat  beeinflussen,  als  es  Wägefehler  bei  so  geringen  Substanz¬ 
mengen  tun  würden.  Dass  diese  Erwägungen  allgemein  an¬ 
erkannt  sind,  beweist  der  zunehmende  Gebrauch  der  gasvolu¬ 
metrischen  Methoden,  besonders  in  der  technischen  Analyse,  wo 
ja  das  hier  massgebende  Motiv,  Schwierigkeit  in  der  Beschaffung 
genügender  Mengen  des  Untersuchungsmaterials,  nicht  vorhanden 
ist  und  trotzdem  diese  Methoden  durch  ihre  Genauigkeit  be¬ 
friedigen. 

Meine  Methode  basiert  nun  auf  folgender  Tatsache. 

Die  Oxydationsversuche  mit  Eiweisskörpern  ')  haben  ergeben, 
dass  die  Eiweisskörper  des  Blutes  nach  der  Oxydation  einen  be- 
stmimten,  sehr  beträchtlichen  Prozentsatz  ihres  Stickstoffes  bei 
der  Einwirkung  von  unterbromigsaurem  Natron  in  Gasform  ent¬ 
weichen  lassen.  Wie  ich  mich  durch  Versuche,  deren  ziffern- 
mässige  Resultate  später  folgen  werden,  überzeugt  habe,  beträgt 
der  volumetrisch  entwickelbare  Stickstoff  im  Blute  zwischen  79,9 
bis  81,3  Proz.  des  Gesamtstickstoffes. 

d*ese  Beobachtung  fussend,  habe  ich  das  nachstehende 
V  erfahren  ausgearbeitet,  welches  an  Stelle  der  K  j  e  1  d  a  h  1  sehen 
Bestimmung  die  Abmessung  des  entwickelten  Gasvolumens  setzt 
wobei  ich  hauptsächlich  den  Vorteil  im  Auge  hatte,  in  ganz  ge¬ 
lingen  Blutmengen,  wie  sie  leicht  jedem  Patienten  entnommen 
werden  können,  und  in  relativ  kurzer  Zeit  ohne  Zuhilfenahme 
von  titrierten  Lösungen  den  Stickstoffgehalt  im  Blute  zu  be¬ 
stimmen.  Die  erforderliche  Blutmenge  beträgt  0,2  ccm,  nach¬ 
dem  aus  dieser  Blutmenge  ca.  4—5  ccm  Stickstoff  entwickelt  wer¬ 
den,  so  dass  sich  Schwankungen,  die  auf  einen  abnormen  Stick¬ 
stoffgehalt  des  Blutes  schliessen  lassen,  mit  voller  Schärfe  be¬ 
obachten  lassen.  Bei  einiger  Uebung  kann  man  auch  mit  0,1  ccm 
Blut  sehr  gut  vergleichbare  Resultate  erzielen.  Der  chemische 
Vorgang  bei  der  Bestimmung  beruht  darauf,  dass  der  Stickstoff 
des  Eiweisses  in  schwach  saurer  Lösung  durch  Permanganat  in 
der  Kochhitze  bei  Einhaltung  bestimmter  Verhältnisse  in  über¬ 
wiegender  Menge  in  Harnstoff  überführbar  ist,  und  dass  der 
Amidstickstoff  in  alkalischer  Lösung  unter  ganz  bestimmten  Be- 
dingungen  quantitativ  durch  unterbromigsaures  Natron  abge¬ 
spalten  und  gemessen  werden  kann.  Es  sei  jedoch  ausdrücklich 
an  dieser  Stelle  bemerkt,  dass  für  die  analytischen  Zwecke  die 
peinlich  genaue  Einhaltung  des  Oxydationsvorganges,  namentlich 
in  Bezug  auf  Temperatur-  und  Konzentrationsverhältnisse,  über¬ 
flüssig  ist,  nachdem  der  sekundäre  Zerfall  des  Harnstoffes  in 
Ammoniak  und  Kohlensäure  die  Exaktheit  der  Methode  in  keiner 
V  eise  beeinflusst,  indem  ja  bekanntermassen  auch  Ammoniaksalze 
durch  Bromlauge  quantitativ  ihren  Stickstoff  in  Gasform  ab¬ 
geben. 

Der  Prozentsatz  des  entwickelten  Stickstoffes  ist  für  jeden 
Eiweisskörper  konstant  und  beträgt  für  Serumalbumin  81,10  Proz., 
für  Oxyhämoglobin  91,30  Proz.  etc.  des  Gesamtstickstoffes.  Nach¬ 
dem  im  Blute  bekanntlich  verschiedene  Arten  von  Eiweisskörpern 

„  .  ')  Adolf  .Tolles:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Eiweisskörper. 
Zeitschr.  f.  pliysiol.  Chemie  Bd.  XXXII,  g.  3G1 _ 392. 

4* 


1576 


MtJENCSENER  MEDlCINISCHE  WOCHENSCHRIFt. 


No.  38. 


Vorkommen,  so  musste  der  Prozentsatz  des  volumetrisch  ent¬ 
wickelbaren  Stickstoffes  erst  experimentell  —  und  zwar  bei  Men¬ 
schenblut  —  ermittelt  werden.  Wenn  somit  durch  Vergleiche 
fest  gestellt  ist,  welches  Verhältnis  zwischen  Gesamtstickstoff  und 
volumetrisch  messbarem  Stickstoff  bei  Blut  besteht,  so  kann  man 
auf  Grund  dieses  Verhältnisses  aus  dem  volumetrisch  gemessenen 
Stickstoff  durch  einfache  Multiplikation  mit  dem  hier  gütigen 
Paktor  den  Gesamtstickstoff  finden. 

Wie  aus  den  nachfolgenden  Beleganalysen  hervorgeht,  be¬ 
wegt  sich  das  Verhältnis  von  volumetrisch  entwickelbarem  Stick¬ 
stoff  zum  Kjeldahlstickstoff  in  Prozenten  für  die  praktisch  m 
Betracht  kommenden  Fälle  in  engen  Grenzen  und  betragt  im 
Mittel  80,5  Proz.,  d.  h.  man  muss  den  volumetrisch  gemessenen 
N  mit  7,86  multiplizieren,  um  den  Gehalt  des  Blutes  an  Eiweiss¬ 
körpern  zu  bestimmen.  Allerdings  muss  zugegeben  werden,  dass 
die  Methode  insofern  mit  einem  kleinen  Fehler  behaftet  ist,  als 
der  Faktor  nicht  in  allen  Fällen  gleich  ist,  sondern  Schwan¬ 
kungen  um  ca.  2  Proz.  aufweist.  Es  muss  aber  andererseits  be¬ 
rücksichtigt  werden,  dass  derselbe  Einwand  bezüglich  der  Er¬ 
mittelung  der  Eiweisskörper  des  Blutes  aus  dem  N-Gehalte  nach 
K  j  e  1  d  a  h  1  durch  Multiplikation  mit  6,25  geltend  gemacht  wer¬ 
den  kann.  Die  Anwesenheit  anderer  N-haltiger  Substanzen  wird 
weder  in  dem  einen,  noch  in  dem  anderen  i  alle  in  Betracht  ge¬ 
zogen,  so  dass  den  Resultaten  dieser  Methode  ebenso  wie  denen 
der  Iv  j  e  1  d  a  h  1  sehen  nur  eine  relative  Bedeutung  zugesprochen 

werden  kann.  » 

Die  Ausführung  der  Methode  ist  folgende: 

Nach  erfolgtem  Einstich  an  den  seitlichen  Teilen  der  Fin¬ 
gerspitzen  oder  am  Ohrläppchen  entnimmt  man  mit  der  Kapillar¬ 
pipette  durch  Ansaugen  genau  0,2  ccm  Blut,  wobei  der  Eintritt 
von  Luftblasen  zu  vermeiden  ist.  Der  Einschnitt  soll  ausgiebig 
sein,  so  dass  das  Blut  von  selbst,  ohne  Drücken  und  Massieren, 
gleich  in  grossen  Tropfen  herausquillt.  Wenn  die  Pipette  bis  zur 
Marke  vollgesogen  ist,  wird  die  Spitze  derselben  mit  einem  rin¬ 
ger  zugehalten,  mit  destilliertem  Wasser  abgespiilt  und  die  Pipette 
in  ein  Bechergläschen,  in  welchem  sich  ca.  120  ccm  destilliertes 
Wasser  befindet,  entleert.  Man  spült  hierauf  die  Pipette  mit  dem 
im  Becherglase  befindlichen  destillierten  Wasser  3 — 4  mal  aus 
und  ist  dann  sicher,  die  entnommene  Blutquantität  quantitativ 
entleert  zu  haben.  Nunmehr  setzt  man  1  ccm  konzentrierte 
Schwefelsäure  (spezifisches  Gewicht  1,84)  hinzu,  erhitzt  den  In¬ 
halt  auf  einem  Drahtnetze  bei  kleiner  Bunsenflamme  zum  mässi- 
gen  Kochen  und  setzt  hierauf  aus  einer  Glashahnbürette  Per¬ 
manganatlösung  hinzu,  welche  im  Liter  8  g  KMn04  enthalt.  Die 
Oxydation  geschieht  derart,  dass  das  Permanganat  in  Portionen 
von  etwa  2 — 3  ccm  auf  einmal  zugesetzt  wird  und  das  durch  das 
fortwährende  massige  Kochen  entweichende  Wasser  ersetzt  wird; 
das  Volumen  der  Flüssigkeit  soll  nicht  unter  ca.  50  ccm  sinken. 
Gegen  den  Schluss  des  Prozesses  zersetzt  sich  die  Permanganat- 
lösung  beim  Kochen  unter  Abscheidung  von  Braunstein,  der  bei 
ca.  La  stündigem  Kochen  wieder  in  Lösung  geht.  Ist  dies  nicht 
der  Fall,  so  ist  der  Prozess  als  beendigt  anzusehen.  In  der  Regel 
schwankt  der  Permanganatverbrauch  für  0,2  ccm  Blut  zwischen 

10 _ 15  Com.  Der  verbleibende  geringe  Braunsteinniederschlag 

wird  durch  Zusatz  einiger  Tropfen  Oxalsäurelösung  unter  Kochen 
entfernt  und  hierauf  der  Inhalt  des  Becherglases  bis  auf  etwa 
25  ccm  eingedampft.  Nunmehr  lässt  man  das  Bechergläschen 
durch  Einstellen  in  kaltes  Wasser  auf  Zimmertemperatur  ab¬ 
kühlen,  bringt  ein  Stückchen  Lackmuspapier  in  das  Bechergläs- 
chen  und  neutralisiert  mit  Lauge  (32 11  Be),  mit  der  Vorsicht, 
dass  das  Bechergläschen  fortdauernd  von  kaltem 
Wasser  umspült  wird.  Der  Zusatz  der  Lauge  soll 
sehr  langsam  erfolgen,  und  zwar  so  lange,  bis  der  letzte 
Laugenzusatz  eine  sehr  schwach  alkalische  Reaktion  hervorruft. 
Hierbei  beginnt  sich  ein  flockiger  Niederschlag  von  Manganoxy- 
dulliydrat  abzuscheiden  und  das  Lackmuspapier  wird  gebläut. 

Alsdann  geht  man  sofort  an  die  volumetrische  N-Bestimmung 
dieser  Flüssigkeit  heran,  wozu  man  einen  Apparat,  II  ä  m  o - 
protometer  ’)  genannt,  verwendet,  der  nach  dem  Prinzipe  des 
Knop  - Wagner  sehen  Azotometers  hergestellt  wurde.  Die 
Grössenverhältnisse  des  Schüttelgefässes  und  der  Apparat  sind 
aus  beist ehender  Figur  ersichtlich.  Man  bringt  nun  die  I  liissig- 
keit  quantitativ  in  das  mit  einem  Gummistopfen  luftdicht  ver- 


scliliessbare  Schüttelgefäss,  wobei  man  darauf  zu  achten  hat,  dass 
die  Gesamtflüssigkeit  in  dem  Schüttelgefäss  nicht  wesentlic 
mehr  als  80  ccm  betragen  soll.  Das  zweite  kleinere  Gef  ass  wird  mit 
25  ccm  einer  Bromlösung  versetzt,  die  80  g  Natriumhydroxyd 
und  25  g  Brom  im  Liter  enthält,  und  in  das  Schüttelgefäss  vor¬ 
sichtig  hineingestellt.  Nun  wird  das  Schüttelgefäss  mit  einem 
doppelt  durchbohrten  Gummi¬ 
stopfen  verschlossen,  in  dessen 
einer  Durchbohrung  sich  eine 
kurze-  Glasröhre  befindet,  wäh¬ 
rend  in  der  anderen  eine  eben¬ 
falls  kurze,  zweckmässig  nach 
unten  schräg  abgeschnittene 
Glasröhre  angebracht  ist,  die 
vorteilhaft  noch  kurz  unter  dem 
Glasstopfen  eine  seitliche  Oeff- 
nung  besitzt,  um  das  Aufsteigen 
etwa  beim  Schütteln  in  die 
Röhre  gespritzter  Flüssigkeit  zu 
verhindern ;  dieses  Rohr  ist  durch 
einen  engen  Gasschlauch  mit 
dem  Hämoprotometer  verbunden, 
der  aus  zwei  kommunizierenden 
in  0,5  ccm  geteilten  Büretten  be¬ 
steht.  ln  diesen  Büretten,  von 
denen  eine  mit  dem  Schüttel¬ 
gefäss  verbunden  ist,  die  andere 
ein  unteres  seitliches  Ausfluss¬ 
rohr  mit  Quetschhahn  besitzt, 
wird  destilliertes  Wasser  auf 
gleiches  Niveau  gebracht,  und  ‘ h 
der  Stand  des  Meniscus  ab¬ 
gelesen.  Nunmehr  wird  der  » 

Quetschhahn  von  dem  Druckaus-  '  ■ 
gleichsrohre  im  Gummistopfen 

des  Schüttelgefässes  und  somit  dieses  geschlossen  und  nochmals 
das  Niveau  der  Wassersäulen  auf  Gleichstellung  untersucht. 
Hierauf  wird  das  Schüttelgefäss,  das  zweckmässig  eine  Wärme¬ 
isolierhülle  besitzt,  um  eine  Temperaturerhöhung  durch  das  An¬ 
fassen  mit  der  Hand  möglichst  zu  vermeiden,  was  aber  übrigens 
durch  das  Anfassen  mittels  irgend  eines  schlechten  Wärmeleiters 
erreicht  wird,  vorsichtig  geneigt, ‘und  sobald  die  Gasentwicklung 
eingeleitet  ist,  das  Gefäss  derart  geschüttelt,  dass  ein  Aufspritzen 
der  mit  dem  Hämoprotometer  verbundenen  Glasröhre  vermieden 
wird.  Dieses  Schütteln  wird  dann  so  lange  fortgesetzt,  bis  die 
Wassersäule  in  dem  Hämoprotometer  durch  das  sich  ent¬ 
wickelnde  Gas  nicht  mehr  zurückgedrängt  wird,  während  man 
gleichzeitig  den  Niveauunterschied  der  beiden  Büretten  durch 
Ablassen  am  anderen  Rohre  bis  auf  ca.  1  ccm  ausgleicht.  Nach 
ca.  10  Minuten  langem  Stehen  —  zum  Zwecke  des  Temperatur¬ 
ausgleiches  —  wird  das  Niveau  der  Wassersäulen  des  ITämoproto- 
meters  genau  gleichgestellt  und  dann  abgelesen,  um  wie  viel  das 
Wasservolumen  gesenkt  wurde.  Die  abgelesenen  Kubikzentimeter 
Stickstoff  werden  dann  unter  Berücksichtigung  der  Temperatur 
und  des  Barometerstandes  nach  bekannter  Methode  in  Grammen 
Stickstoff  berechnet,  indem  man  bei  der  entsprechenden  Tem¬ 
peratur  und  dem  entsprechenden  Barometerstand  das  Gewicht 
von  1  ccm  Stickstoff  aus  Tabellen  entnimmt.  Bei  der  volumetri¬ 
schen  Bestimmung  hat  man  darauf  zu  achten,  dass  die  im  Ap¬ 
parat  befindliche  Flüssigkeit  Zimmertemperatur  hat,  demzufolge 
soll  der  Apparat  nur  an  einem  Orte  stehen,  wo  er  Temperatur¬ 
schwankungen  nicht  ausgesetzt  ist.  Die  Röhren  vom  Apparat 
sind  derart  angebracht,  dass  die  entsprechenden  Teilstriche  ab¬ 
solut  in  einer  Ebene  liegen,  und  muss  die  Ablesung  zu  Beginn 
und  nach  Abschluss  des  Versuches  sich  ganz  gleichartig  gestalten. 
Selbstverständlich  ist  der  Apparat  von  Zeit  zu  Zeit  auf  dichten 
Verschluss  zu  prüfen. 


i)  Hergestellt  in  der  optisch-mechanischen  Werkstätte  von 
Karl  Reichert  in  Wien. 


Bestimmung  des  Verhältnisses  von  volu  in  e  t  ri¬ 
sch  e  m  Stickstoff  zum  Kjedahlstickstoff  im 
menschlichen  Blute. 

Eine  abgewogene  Blutmenge  wurde  mit  den  entsprechend 
grösseren  Mengen  Reagentien  oxydiert,  auf  ein  bestimmtes  Vo¬ 
lumen  aufgefüllt  und  hiervon  der  Stickstoff  volumetrisch  be¬ 
stimmt.  Gleichzeitig  wurde  mit  einer  anderen  abgewogenen 
Menge  desselben  Blutes  eine  Stickstoffbestimmung  nach  Kjel- 


53.  September  1905. 


dahl  vorgenommen.  Drittens  wurde  nach  dem  beschriebenen 
ei  alnen  m  0  2  ccm  Blut  der  Stickstoff  volumetrisch  bestimmt 
um  darzutun,  dass  durch  die  verwendeten  kleinen  Mengen  die 
Genauigkeit  nicht  wesentlich  alteriert  wird,  und  viertens  wurde 
in  jedem  Falle  das  spezifische  Gewicht  des  Blutes  bestimmt. 

Beispiel: 

300  ccm  Mfgfftnlt1  WUrde“  °Xy<llert'  das  O^UonsprMakt  auf 

742  1"  =  mg“8  S  ergabeD  5’56  ccm  N  bel  18 " 

742  mmB  =“,3=2  mg,6®  g  5'6°  ccm  N  bel  18  ° 

1  ccm  N  bei  18 °  und  742  mm  B  -  1,12715  mg  N. 
o'  hti{U  8  ®lut  lieferteu  nach  Kjeld  ah  1  3, 007  Proz  N 

and  3738°’mmB  =%sfl  S?N  fc)^  ^  CCm  N  20 ' 1 

1  ccm  N  bei  20  0  und  738  mm  B  =  1,1102  mg  N 
4.  Spezifisches  Gewicht  des  Blutes  3  OG9 
Prozentgehalt  an  volumetrisch  gefundenem  N: 

a)  2,50  Proz.  I 

b)  2,44  „  l 

c)  2,46  „  | 

Die  nachfolgende  Tabelle  fasst  die  erhaltenen  Resultate  zu¬ 
sammen  : 


MTTF NCITE NER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


157? 


Tabelle  II. 


Mittel  2,46  Proz. 


Tabelle  I. 


_2  W 
T3  © 

ß  § 

©  s 

'S  9 

3S 


Laufende 

N  ummer 

Stickstoff 
nach  Kjel¬ 
dahl  pro 
100  ccm  Blul 

Stickstoff 

volumetrisch 

pro 

100  ccm  Blut 

Spez. 

Gewicht 

Verhältnis  von 
volumetrischem 
zum  Kjeldahl-N 
in  Prozenten 

1 

2,913 

2,365 

1,057 

81,2 

2 

3,326 

2,680 

1,059 

80,6 

3 

3,440 

2,779 

1,058 

80,8 

4 

2,872 

2,309 

1,053 

80,4 

5 

3,291 

2,669 

1,055 

81,1 

6 

2,968 

2,371 

1,058 

79,9 

7 

3,285 

2,671 

1,060 

81,3 

8 

3,154 

2,539 

1,056 

80,5 

9 

3,022 

2,424 

1,057 

80,2 

10 

3,363 

2,724 

1,059 

81,0 

Im  Mittel  80,7 

Die  hier  erhaltenen  Zahlen  sind 

Volumprozei 

rte,  d.  h.  Gramm 

Spez. 

Gewicht 


Stickstoff 

nach 

Kjeldahl 


Stickstoff 

volumetrisch 


Verhältnis  von 
volumetrischem 
Stickstoff  zum 
Kjeldahlstickstoff 
in  Prozenten 


1,062 


3,007 


2  I  1,064 
1,066 


3,154 


1,054 


3,62 

3,20 


1,062 


3,59 


1,059 


3,09 


1,057 


10  1,064 


2,98 

3,21 

3,05 

3,24 


2,44 
2,46  }  2,46 
2,50 
2  52 

2^55  \  2,55 
2,58  J 

2,92  I 

2,92  \  2,92 
2,94 

2,54 
2,50  }  2,52 
2,52 

2,86 

2,88  \  2,88 

2,90  j 

2,54  1 

"2,48  2,51 
2,52  j 

2,38  ) 

2,36  2,38 

Jh40  J 

2,56  f 

2.58  2,58 

2.61  J 

2,46) 

2.45  2,46 

2.46  j 

2,64] 

2.62  2,61 

2.59  | 


81,8 


80,8 


80,6 

79,5 


80,2 


81,2 


79,8 


80,3 


80,6 

80,5 


Im  Mittel  80,5 


v  AUS.den  erhaltenen  Zahlen  geht  zunächst  hervor,  dass  das 
Verhältnis  von  volumetrischem  Stickstoff  zum  Kjeldahlstickstoff 
nn  menschlichen  Blute  ein  für  klinische  Zwecke  genügend  kon¬ 
stantes  ist  und  sich  zwischen  79,5  bis  81,8  Proz.  bewegt.  Im 
ittel  resultiert  die  Zahl  80,5.  Ich  habe  überdies  bei  einer  Reihe 
von  Individuen  den  Stickstoff  im  Blute  nach  Kjeldahl  be¬ 
stimmt  und  unter  Berücksichtigung  des  spezifischen  Gewichtes 
des  Blutes  berechnet,  wie  viel  Gramm  Stickstoff  im  Liter  Blut 
enthalten  sind.  Andererseits  wurde  bei  denselben  Individuen  auf 
volumetrischem  Wege  festgestellt,  wie  viel  Gramm  Stickstoff  in 
0,2  ccm  Blut  enthalten  sind  und  ebenfalls  auf  1  Liter  Blut  um¬ 
gerechnet.  Aus  diesen  Zahlen  ergeben  sich  nachstehende  Re¬ 
lationen  zwischen  den  beiden  Stickstoffmengen : 

No.  38. 


r  rDure!1  DlYlslon  mit  dem  spezifischen  Gewichte  erhält  man 
die  Gewichtsprozente.  Für  vergleichende  Zwecke  sind  die  Volurn- 
prozente  entschieden  vorzuziehen,  da  die  Ermittelung  des  spe- 
zifischen  Gewichtes  hierbei  entfällt.  Aus  den  Ergebnissen  der 
abeile  II  gellt  hervor,  dass  sich  bei  Anwendung  von  0,2  ccm 
Blut  genügend  konstante  Relationen  zwischen  dem  auf  volume¬ 
trischem  Wege  gefundenen  Stickstoff  und  dem  Kjeldahlstickstoff 

7QgQebpn'  ?)ieoi/,a!1,Ie11  m  Prozenten  bewegen  sich  zwischen 
^9,9  Proz.  bis  81,3  Proz.;  im  Mittel  resültiert  die  Zahl  80,7  Proz. 

welche  mit  der  aus  der  Tabelle  I  resultierenden  Mittelzahl  von 
80,o  Proz.  fast  übereinstimmt.  Wir  können  somit  an  der  Re¬ 
lation  80,5  Proz.  für  die  volumetrischen  Stickstoffbestimmungen 
festhalten.  Nachdem  der  Stickstoffgehalt  nach  Kjeldahl  so¬ 
mit  1,24  mal 2)  so  viel  beträgt  als  der  volumetrisch  gefundene 
Stickstoff,  so  ist  letzterer  mit  7,76  (1,24  X  6,25)  zu  multiplizieren, 
um  den  entsprechenden  Eiweissgehalt  zu  finden. 

Beispiel: 

0,2  Blut  lieferten  bei  der  volumetrischen  Bestim¬ 
mung  4,8-  ccm  N  bei  20  0  und  738  mm  B  —  5,340  mg  N 

FixvPP  100  9oU4BiUt  Sil^.  enthalteu  5’340  X  7,76  X  500  =  20719  mg 
Liweiss  =  20,(2  Proz.  Enveiss. 

Die  volumetrische  Methode  kann  natürlich  auch  zur  quanti¬ 
tativen  Bestimmung  der  Eiweisskörper  im  Serum  ver¬ 
wendet  werden.  Ich  habe  jedoch  von  der  Ausarbeitung  dieser 
Methode  für  Blutserum  abgesehen,  weil  einerseits  nach  den 
Lj  ntersuchungen  von  Jaksch3)  und  G  o  1  d  b  a  c  h  4)  der  Ei- 
wei.ssgehalt  des  Serums  eine  konstante  Zahl  zu  sein  scheinf,  und 
andererseits  die  quantitative  Trennung  von  Blut  in  Blutkörper¬ 
chen  und  Serum  noch  viel  zu  wünschen  übrig  lässt. 

Quantitative  Bestimmung  des  bei  der  Oxy¬ 
dation  verbrauchten  Sauerstoffes. 

Ich  möchte  darauf  aufmerksam  machen,  dass  es  wünschens- 
vvcit,  ist,  die  I  ermanganatmenge  zu  messen,  die  zur  Oxydation 
verbraucht  wird.  Das  Verfahren  involviert  gar  keine  Kompli¬ 
kation,  indem  man  den  Zusatz  der  Permanganatlösung  aus  einer 
Bürette  macht  und  den  Ueberschuss  an  Permanganat  mit  ein¬ 
gestellter  Oxalsäure  zurücktitriert.  Der  Zusatz  muss  immer  in 
gleicher  Weise  erfolgen,  um  vergleichbare  Zahlen  erhalten  zu 
können.  Es  kann  selbstverständlich  keine  Rede-  davon  sein,  dass 
aus  dem  Ausfälle  des  Permanganatverbrauches  Schlüsse  auf  die 
Menge  der  in  dem  Blute  vorhandenen  Eiweisskörper  resp.  orga¬ 
nischen  Stoffen  gezogen  werden  können;  trotzdem  kann  der  Per¬ 
manganat-  resp.  Sauerstoffverbrauch  von  Wert  sein,  um  auf 
abnorme  \  eränderungen  in  der  Blutzusammensetzung  hin  • 
zuweisen. .  In  normalen  Fällen  wird  der  Sauerstoffverbrauch  und 
der  Liweissgehalt  annähernd  parallel  gehen.  Eine  wesentliche 

2)  100 :  80,5  =  x :  1. 

*)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  23,  188,  1893. 

4)  L.  Goldbach:  Heber  den  Stickstoff-  und  Wassergehalt 
des  Blutes.  Zeitschr.  f.  Heilkunde  Bd.  XVII,  S.  417. 


5 


1578  _ .... 

weise  im  Blute  einiger  schwerer  Diabetiker  niear  g 
gehalt  und  hohen  Sauerstoffverbrauch  konstatieren  könne  . 

Es  wird  mm  die  Aufgabe  von  Kliniken  sein,  festzustellen, 
inwieweit  die  quantitative  Besthumung  der  Eiwei^korj^.  so¬ 
viel  der  verbrauchten  Sauerstoftmenge  im  Blute  »ee  g 
scheint^  den  diagnostischen  Wert  der  Blutuntersuchung  zu  er- 

höhen. 


M UENCHENEK  MEDXCllnSCHn ;  WOCHENSCHRIFT 


No.  38. 


1 

2 

3 

4 

5 

G 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 


Schwerer  Diabetes, 
Schwerer  Diabetes . . . 

Lebercirrhose . . 

Lebercirrhose . 

Leukämie  . 

Syphilis . 

Syphilis . 

Akute  Nephritis . 

Sekund.  Anämie  . . . . 
Chron.  Nephritis  . . .  • 
Chron.  Nephritis 

Basedow . 

Katarrh.  Ikterus . 

Influenza  mit  Fieber 


Stickstoff 
in  100  ccm  Blut 
nach  der 
volumetrischen 
Methode 

~IT 

2,426 
2,479 
2,399 
2,304 
1,836 
2,971 
3,185 
3,283 
2,043 
2,851 
2,820 
2,971 
2,243 
2,381 


Berechnet 

auf 

Eiweiss 


B  lu  t  u  n  t  er  suc  h  u  n  gen  mit  spe  z  .eile  r  Ber  «ek  _ 

sichtigung  des  ktickstoii 

Ich  habe  in  einigen  pathologischen  K'1“ 

mit  spezieller  Berücksichtigung  des  Stickstotteehaltes 
durchzuführen  Gelegenheit  gehabt,  und  lasse  nachstehend  die 
Th  trltate  folgen.  Die  Stickstoffbestimmung  erfolgte  in  allen 
Fällen"  nach  der  volumetrischen  Methode,  und  der  Gehalt  des 
Blutes  an  Eiweisskörpern  wurde  durch  Multiplikation  mi  e 
Faktor  7,76  berechnet. 


weisse 


4,130  000 
4,050  000 
4,602  000 
4,700  000 
3,030  000 
5,450  000 

5.800  0C0 
4,260  000 
3,040  000 
4,73)000 
4,650  000 

4.800  000 
3,720  000 
4,920  000 


7  600 

7  300 

8  450 
8100 

49  600 

7  900 

8  450 
6  200 
5  900 

8  300 

7  600 

9  200 
10  500 

8  800 


no  gl  obin 

mometer- 

zahl) 

Eisen 

'Ferrometer- 

zahl) 

V  erbrauchte 
sauerstoffmenge 

n  g  pro  100  ccm 
Blut 

72 

78  I 

14,02 

76 

82 

14,48 

75 

70 

10,56 

78 

72 

10,17 

55 

58 

11,13 

85 

83 

14,35 

93 

94 

14,26 

65 

64 

12,08 

50 

58 

9,47 

75 

73 

10,17 

78 

76 

11,23 

82 

81 

14,47 

60 

56 

10,81 

90 

92 

15,03 

Die  Zahl  der  untersuchten  Fälle  ist  viel  zu  gering,  um  aus 
den  erhaltenen  Daten  irgend  welche  Schlüsse  ziehen  zu  können, 
th  "mich  daher  mit  der  blossen  Angabe,  dass  in  den 

untersuchten  Fällen  von  Diabetes  mellitus  Lebe 

cirrh.se,  katarrhalischem  “F^Vhoff  r“  P 
und  Anämie  ein  verminderter  Stickst 
Eiweissgehalt  im  Blute  konstatiert  wurde.  Bei  den 
untersuchten  Fällen  von  S  y  p  h  11 1  s,  B  a  s  ed  o  w  und  c  , 

nischer  Nephritis  bewegen  sich  die  Zahlen  m  _ 
malen  Grenzen,  während  bei  akuter  Nephri  1  s  un 
im  Fieber  bei  einem  Falle  von  Influenza  der  Li- 
wcissgehalt  erhöht  ist.  Es  bleibt  Kliniken  überlassen,  diese 
Ergebnisse  an  einem  grösseren  Krankenmaterial  nachzuprnf 

Ulld  7 um  ^Schlüsse  gebe  ich  der  Hoffnung  Ausdruck,  dass  die 
voluTet  rische  Methode  der  Stickstoff  bestimmung  im 
-Blute,  welche  nur  eine  m  i  n  i  m  a  1  e  B  1  u  t  m  e  n  g  e  e  r  o  r 
dert  und  in  ihrer' Ausführung  sich  wesentlich  ein 
facher  gestaltet  als  die  K  j  eldahl  sehe  Methode,  dabei 
11  e  s  u  1 1  a  t  e  liefert,  die  für  klinische  ^  w  e  c  v  e  i  n 
jeder  Hinsicht  befriedigen,  einen  erweiterten  E 
gang  in  die  Methodik  der  klinischen  Blutuntersuchung  finden 

wird.  _ 

Akuter  Verschluss  der  Speiserönre  bei  einem 
5jährigen  Kinde.*) 

Beseitigung  mit  Hilfe  der  Oesophagoskopie. 

Von  Dr.  J  o  h.  A  u  g.  K  i  1 1  i  a  n  in  W  orms. 

M.  II.!  Ich  möchte  einen  Fall  hier  zur  Sprache  bringen, 
in  welchem  sich  die  Oesophagoskopie  gut  bewährt  hat,  sowohl  bei 
Stellung  .1«  Diagnose,  als  euch  bei  der  Durchführung  einer  er- 
fohrreichen  Therapie.  Durch  die  Arbeiten  v.  Hacker  , 
Ko  senheims,  Gott  stein  s  u.  a.  ist  das  Interesse  für  die 
Oesophagoskopie  neu  belebt  worden.  Trotzdem  steht  man  ihr  m 
weiten  Kreisen  noch  recht  kühl  gegenüber.  Ich  glaube  nun, 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  IX.  Versammlung  des  Vereins  süd¬ 
deutscher  Laryngologen. 


dass  Erfahrungen,  wie  die  folgende,  wohl  geeignet  sind,  uns  für 
<1U  End^Felmiai-1  dieses  Jahres  wurde  mir  aus  dem  städtischen 

ssssiis 

ÄiÄÄ’verbin^B  £ 

=■  sassrisilgH 

der  Junge  Jedoch  gut  Kind  nun  bei 

von  ihm  gemieden  worden.  Vor  l  lagen  uane 

das  charakteristische  matte,  gurgelnde  Geräusch,  das  beim  ^mk 
in  der  Speiseröhre  entsteht,  wenn  sie  verschlossen  oder  hochgradig 
verengt  ist,  und  gleich  darauf  würgte  der  Junge  das  " a^ 
wieder  heraus.  Es  wurde  in  einer  Schale  aufgefaugon  \m<\  < 

fand  demselben  in  Spuren  Trümmer  von  Fasern  weissen  Fleisches 
SSt  Auf  Grund  dieser  Wahrnehmung  und  der  Vor¬ 
geschichte  des  Falles  wurde  die  Diagnose  auf  Verstopfung  dei 
Speiseröhre  durch  genossenes  Kalbfleisch  über  einer  Aetzstiiktu 
nSteen  Grades  gestellt.  Da  der  kleine  Patient  recht  aufgeregt 
und  ungeberdig  war,  so  musste  Narkose  zu  Hilfe  genommen  mei¬ 
den.  ln  derselben  führte  ich  zunächst  eine  9  mm  weite  und e y 
r,lu,..  or.  ianee  Röhre  in  die  Speiseröhre  ein.  Dieselbe  gi 
St  mcT.äbwfrt8  bis  sie  in  einer  Entfernung  von  20  cm  von 
i  .m  fi-pion  Rand  der  oberen  Schneidezahne  auf  ein  Ilinderni 
stiess  welches'  dem  weiteren  Vordringen  Halt  gebot.  Beim  Hinem- 
hlicken  sali  man  nach  Reinigung  des  Gesichtsfeidesdassd^u^ 
ivi-e  Rand  der  Röhre  einer  weisslichen,  faserigen,  trockenen  IV  ^ 
■uifsass  die  wie  zusammengestampft  aussah,  deren  Konsi 
dln-ch  AndSngen  der  Röhre  sieh  als  festweich  ertasten  lie«s  und 
welche  einem  Tampon  gleich  die  Speiseröhre  so  vollständig 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1579 


füllte,  diiss  nirgends  eine  Spur  eines  in  die  Tiefe  führenden 
Spaltes  sich  erkennen  liess.  Offenbar  war  diese  Masse  das  vor 
2  Tagen  genossene  Kalbfleisch. 

Um  dasselbe  zu  entfernen,  griff  ich  zunächst  zu  dem  stumpfen 
Häkchen,  weil  dieses  Instrument  unter  allen  das  Gesichtsfeld1  am 
wenigsten  einengt.  Das  Häkchen  wurde  zwischen  Fleischmats“ 
imd  Speiserohrenwand  vorgeschoben,  dann  die  stumpfe  Spitze 
nach  der  Achse  des  Oesophagus  gedreht  und  herausgezogen  1  Es 
kam  nichts  mit  heraus.  Auf  weitere  Anwendung  des  Häkchens 
wurde  verzichtet,  weil  mir  die  Möglichkeit  nahe  zu  liegen  schien 
t  demselben  die  gespannte  Speiseröhren  wand  zu  verletzen  u 
zu  durchstossen.  Deshalb  nahm  ich  die  Zange  zur  Hand  und 
»  langte  die  geöffneten  Branchen  derselben  unter  genauer  Kontrolle 
des  Auges  in  die  Fleischmasse  hinein,  schloss  dieselben  und  konnte 
Itdzt  ein  kleines  Bündel  Fleischfasern  herausbringen.  In  dieser 
Weise  wurde  nun  weiter  vorgegangen  und  unter  Aufwendung 
einiger  Geduld  liess  sich  denn  allmählich  eine  deutliche  Vermin¬ 
derung  der  Fleischmasse  erzielen.  Als  dieselbe  bis  zu  einem  ge¬ 
wissen  Grade  gediehen  war,  stellten  sich  günstigere  Verhältnisse 
ein,  indem  die  verstopfende  Masse  etwas  beweglich  wurde  und 
Ränder,  Kanten -und  Zacken  dem  Blicke  darbot,  welche  für  einen 
Zangenangriff  geeigneter  waren.  Zuletzt  erschien  eine  grössere 
I  leischzacke  in  sehr  vorteilhafter  AVeise  im  Gesichtsfeld,  setzte 
jedoch,  nachdem  sie  gefasst  war,  dem  Zuge  einen  solchen  AVider- 
stand  entgegen,  dass  ich  es  für  das  Geratenste  hielt,  sie  zunächst 
loszulassen  und  mich  zu  vergewissern,  ob  nicht  vielleicht  doch 
Speiserohrenwand  mitgefasst  worden  sei.  Die  Zangenbranchen 
erwiesen  sich  aber  frei  von  Blut  und  auch  das  Gesichtsfeld  hatte 
sich  ganz  rem  erhalten.  Unter  genauester  Kontrolle  des  Auges 
wurde  die  Zacke  dann  nochmals  gefasst  und  dann  kräftig  ange¬ 
zogen.  Ein  grosses  Fleischstück  kam  zum  AMrschein.  Inzwischen 
war  die  ösophagoskopische  Röhre  bis  ans  Ende  hinabgeglitten  und 
betand  sich  in  unmittelbarer  Nähe  der  Kardia.  Dem  Auge  bot 
sich  jetzt  ein  ganz  anderes  Bild  dar.  Die  Lichtung  der  Speiseröhre 
war  frei;  nur  Spuren  von  Fleischfasern  klebten  noch  an  ihren 

'  i  "ll611  ’  man  sal‘  ,lie  von  der  anliegenden  Aorta  mitgeteilten  Er¬ 
schütterungen  der  Oesophaguswand  und  hörte  das  eigentümliche 
respiratorische  Geräusch,  welches  im  offenen  Oesophagus  auftritt 
wenn  er  durch  Einführung  einer  starren  Röhre  die  sozusagen  tra- 
cheale  Fähigkeit  erlangt  hat,  die  Aussenluft  ein-  und  austreten 
zu  lassen.  Zur  weiteren  Orientierung  wurde  nun  die  kurze  Röhre 
entfeint  und  eine  längere,  ebenfalls  0  mm  weite  eingeführte.  Die- 
selbe  glitt  anstandslos  durch  die  Kardia  hindurch  in  den  Magen 
dessen  grosse  Kurvatur  in  einem  Abstand  von  etwa  3(1  cm  von 
den  oberen  Schneidezähnen  erreicht  wurde.  Eine  Striktur  der 
Speiseröhre  war  aber  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  AVenn  dem¬ 
nach  überhaupt  eine  narbige  Veränderung  der  Oesophaguswand 
vorhanden  war.  so  musste  sie  derart  gewesen  sein,  dass  sie  einem 
zylindrischen  Körper  von  mindestens  9  mm  Manteldurchmesser 
einen  g - “  1  " 


anz  freien  Durchgang  gestattete. 


Der  Verschluss  der  Speiseröhre  oberhalb  der  Kardia  war  nun 
offenbar  dadurch  zu  stände  gekommen,  dass  ein  grosses  Stück 
Heisch  an  dieser  Stelle  stecken  blieb  und  zwar  entweder,  weil  es 
zu  umfangreich  war,  um  überhaupt  hier  durchtreten  zu  können, 
oder  weil  hier  eine  Einbusse  an  Dehnbarkeit  der  Oesophagus¬ 
wand  infolge  narbiger  Veränderung  stattgehabt  hatte,  oder  weil 
hier  ein  Krampf  der  Ringmuskulatur,  ein  Cardiospasmus  auf- 
trat.  Zu  Gunsten  dieser  letzten  Annahme  sprach  die  feste  Ein¬ 
klemmung  des  zuletzt  entfernten  und  zuerst  geschluckten  Fleisch¬ 
stückes, 


Der  Junge  erwachte  bald  aus  der  Narkose  und  konnte  so¬ 
gleich  Wasser  trinken,  wonach  er  gierig  verlangte.  Einige 
Stunden  später  ass  er  eine  Schleimsuppe.  Von  nun  ab  ging  die 
Ernährung  gut  von  statten,  und  der  kleine  Patient  erholte  sich 
rasch  wieder. 

So  war  es  denn  mit  Hilfe  der  Oesophagoskopie  gelungen,  die 
verstopfte  Speiseröhre  wieder  frei  zu  machen  und  die  Operation 
zu  vermeiden. 


Wenn  man  die  medizinische  Tagesliteratur  verfolgt,  so  sieht 
man  in  derselben  fortwährend  Mitteilungen  auftauchen  über 
Fremdkörperentfernungen  aus  der  Speiseröhre  durch  Oesophago- 
tomie  oder  Gastro tomie.  Es  kann  nun  gar  keinem  Zweifel  unter¬ 
liegen,  dass  man  in  dem  weitaus  grösseren  Teil  dieser  Fälle  mit 
Hilfe  der  Oesophagoskopie  ohne  Operation  hätte  zum  Ziele  ge¬ 
langen  können.  Keineswegs  soll  jedoch  verschwiegen  werden, 
dass  es  selbst  hervorragenden  Oesophagoskopikern  in  verein¬ 
zelten  Fällen  nicht  gelungen  ist,  einen  Fremdkörper  auf  natür¬ 
lichem  Wege  herauszubringen,  der  dann  durch  die  Operation  mit 
Erfolg  entfernt  wurde.  Dafür  ist  es  aber  mit  Sicherheit  zu  er¬ 
warten,  dass  mit  der  zunehmenden  Vervollkommnung  der  öso- 
phagoskopisc.lien  Technik  solche  Fälle  immer  seltener  sein 
werden.  Es  sei  hier  an  den  unlängst  aus  der  Freiburger  Flals- 
klinik  mitgeteilten  Fall  erinnert,  wobei  ein  im  untersten  Oeso- 
phagusabschnitt  festsitzendes  Gebiss  als  Ganzes  nicht,  in  Stücken 
aber  mit  Leichtigkeit  auf  natürlichem  Wege  herausbefördert 


werden  konnte,  nachdem  es  ösophagoskopisch  in  situ  mittels  der 
galvanokaustischen  Schlinge  zerschnitten  worden  war1).  So 
mögen  denn  zum  Schlüsse  die  Worte  v.  Hackers  hier  folgen, 
die  mir  um  so  beherzigenswerter  erscheinen,  als  sie  von  einem 
Chirurgen  herrühren:  „Es  kann  wohl  kein  Zufall  sein,  dass  mir 
m  einer  Reihe  von  ca..  27  Fällen  mit  Hilfe  der  Oesophagoskopie 
c  le  Entfernung  des  im  normalen  oder  verengten  Oesophagus 
steckenden  Fremdkörpers  immer,  mit  Ausnahme  eines  Falles  von 
Karzinom,  ohne  den  geringsten  Schaden  für  den  Kranken  ge¬ 
lang,  und  dass  ich  deshalb  seit  dem  Jahre  1887  keine  Oesophago- 
tomie  wegen  eines  Fremdkörpers  mehr  ausführen  musste  2).“R 


Zwei  Fälle  von  Fremdkörpern  des  Uterus. 

Von  Dr.  E.  Toff,  Frauenarzt  in  Braila  (Rumänien). 

Obwohl  die  Fälle,  wo  Fremdkörper  in  der  Gebärmutter  ge¬ 
funden  werden,  nicht  zu  den  grossen  Seltenheiten  gehören,  so 
sind  doch  derartige  Vorkommnisse  vom  praktischen  Standpunkte 
genügend  interessant,  um  kasuistische  Mitteilungen  zu  recht- 
fertigen. 

Meist  handelt  es  sich  um  abortive  Eingriffe,  durch  welche 
Sondenstücke  oder  sondenähnliche  Fremdkörper  in  die  Gebär¬ 
mutter  gelangen;  in  anderen  Fällen  sind  dieselben  therapeuti- 
s/chen,  oder  seltener  akzidentellen  Ursprungs.  Der  weiter  unten 
angeführte  Fall  I  scheint  ein  Unikum  zu  sein,  sowohl  was  die 
Natur  des  Fremdkörpers,  als  auch  was  die  Zeit,  während  welcher 
derselbe  im  TJteruskavum  beherbergt  wurde,  anbetrifft.  AVenig- 
stens  habe  ich  einen  ähnlichen  in  der  mir  zur  Verfügung  stehen¬ 
den  Literatur  nicht  gefunden. 

Fall  I.  18.  Juni  1899.  Die  31  jährige  AVitwe  A.  G.  kommt 
nut  der  Klage  m  die  Sprechstunde,  dass  sie  seit  etwa  einem  Jahre 
an  Gebarmutterschmerzen  und  weissem  Flusse  leide  und  dass  sie 
oft  kurze  Fäden  in  der  abgehenden  Flüssigkeit  bemerke.  Ana- 
mnestiscli  lässt  sich  feststellen,  dass  Patientin  früher  immer  ge¬ 
sund  war  und  3  Kinder  normal  geboren  hatte.  Vor  einem  Jahre 
abortierte  sie  im  3.  Monate  der  Schwangerschaft;  da  die  Nach¬ 
geburt  nicht  abging  und  starke  Blutungen  auftraten,  liess  sie  sich 
in  ein  Krankenhaus  aufnehmen.  Dortselbst  wurde  durch  Ope¬ 
ration  (Kürettierung)  die  Plazenta  entfernt  und  ihr  mehrere  Jodo¬ 
formgazetampons  eingelegt.  Am  folgenden  Tage  wurden  die  Tam¬ 
pons  entfernt  und  Waschungen  gemacht,  welche  durch  einige  Tagt' 
fortgesetzt  wurden.  Kurz  nach  ihrer  Entlassung  aus  dem  Kranken¬ 
hause  traten  heftige  Schmerzen  in  Bauch  und  Kreuz  auf.  Die¬ 
selben  hielten  seither  mit  kurzen  Unterbrechungen,  wenn  auch  mit 
geringerer  Intensität,  an  und  sind  namentlich  während  der  Pe¬ 
riode  äusserst  heftig.  Ausserdem  stellte  sich  reichlicher  Ausfluss 
aus  den  Genitalien  ein.  welcher  trotz  mehrfacher  Behandlung  nicht 
weichen  wollte.  Fieber  bestand  niemals.  Zeitweilige  Verstopfung 
mitunter  schmerzhaftes  Urinieren. 

Durch  bimanuelle  Palpation  wurde  die  Gebärmutter  in  Ante- 
version,  hart,  sehr  gross  und  schmerzhaft  gefunden.  Adnexen 
auf  Druck  ebenfalls  sehr  empfindlich,  bieten  aber  sonst  nichts 
Abnormes.  Die  Portio  sehr  dick,  rot  und  wundig;  aus  dem 
Muttermunde  entleerte  sich  ein  zäher,  graugrüner  Schleim.  Die 
Sonde  drang  auf  5 — 0  cm  leicht  ein. 

Die  Kranke  wurde  aufgefordert,  sich  nach  einigen  Tagen 
wieder  vorzustellen  und  die  erwähnten  Fäden,  falls  sie  noch  solche 
im  Ausflusse  finden  sollte,  mitzubringen.  Dies  geschieht  und  bringt 
Pat.  einige  2—3  cm  lange,  dünne  Fäden  mit,  welche  mikroskopisch 
als  Baum wollfä den  leicht  erkennbar  sind.  Die  Diagnose,  dass  sich 
in  der  Gebärmutterhöhle  ein  vergessener  Jodoformgazetampon 
befinde,  war  somit  ziemlich  plausibel  und  wurde  im  weiteren  A7er- 
laufe  auch  vollauf  bestätigt.  Nach  vorhergehender  Erweiterung 
mit  (hohlen)  Laminariastiften,  konnte  ich  einen  fest  zusammeii- 
gedrückten,  von  grünem,  krümmeligem,  übelriechendem  Schleim 
durchsetzten  Tampon  extrahieren,  welcher  aus  einem  30  cm  langen 
und  etwa  2  Querfinger  breiten,  dünnen  Gewebestreifen  bestand. 
Die  Nachbehandlung  bestand  im  wesentlichen  in  antiseptischen 
intrauterinen  Spülungen  und  konnte  Pat.  vollkommen  wiederher¬ 
gestellt  werden. 

Fall  II.  20.  Sept.  1900.  E.  F.,  27  jährige  IV.  Para  befindet 
sich  im  4.  Alonate  der  Gravidität  und  beruft  den  Arzt  wegen 
starker  Gebärmutterblutungen.  Patientin  liegt  im  Bette  in  einer 
förmlichen  Blutlache,  ist  sehr  blass  und  hat  häufige  Olinmachts- 
an Wandlungen.  Temp.  39,8°.  Puls  120. 

Nach  antiseptischer  Reinigung  und  Entfernung  von  zahl¬ 
reichen.  grossen  Blutklumpen  aus  der  Vagina,  war  die  Gebär¬ 
mutter  fast  kindskopfgross,  weich  und  nach  vorne  gebeugt  zu 
tasten.  Muttermund  für  einen  Finger  bequem  durchgängig  und 
fühlte  man  das  Uteruskavum  von  der  Plazenta  und  vielen  lockei'en 
Blutgerinnseln  erfüllt.  Bei  den  Versuchen,  die  Plazenta  zu  lösen, 
fühlte  ich  plötzlich  einen  ziemlich  schmerzhaften  Stich  in  die 
Fingerkuppe  und'  konnte  nach  vieler  Mühe  ein  5  cm  langes  und 
2y2  mm  dickes,  blutig  durchquollenes  Holzstäbchen  extrahieren. 


9  Deutsche  med.  AVoclierschr.  1900.  S.  51. 

2)  Handbuch  d.  prakt.  Cliir.,  I.  Aufl.,  Bd.  II,  S.  425. 

5* 


1Ü6U 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Die  Gebärmutter  wurde  dann  digital  und  mit  ßecamiersclier 
Kürette  von  ihrem  Inhalte  befreit  und  reichliche  antiseptische 
Spülungen  (Sublimat  1:5000)  vorgenommen.  Während  2  Tagen 
waren  noch  febrile  Schwankungen  zu  bemerken,  dann  kehrte  die 
Temperatur  zur  Norm  zurück  und  die  Frau  erholte  sich  rasch. 

Das  im  obigen  Falle  extrahierte  Stäbchen  ist  ein  Wurzel- 
stiick  von  Hellebor us  niger,  ein  hierorts  vom  Volke  zu 
abortiven  Zwecken  vielfach  benützes  Mittel.  Es  gibt  Weiber, 
welche  dies  gewerbsmässig  betreiben  und  eine  grosse  Geschick¬ 
lichkeit  im  Einführen  derartiger  Stäbchen  in  den  Muttermund, 
resp.  die  Gebärmutter,  besitzen  und  auf  diese  Weise  oft  Abortus 
bewirken,  mitunter  auch  die  betreffenden  Patientinnen  septisch 
infizieren.  Leider  steht  man  diesen  Fällen  mit  gebundenen 
Händen  gegenüber,  da  die  Patientin,  dem  Gesetze  nach,  Mit¬ 
schuldige  ist  und  man  die  dem  Arzt  übrigens  unbekannte  Ur¬ 
heberin  des  kriminellen  Abortus  nicht  denunzieren  kann,  ohne 
die  Kranke  ebenfalls  dem  Gerichte  auszuliefern  und  so  das  ärzt¬ 
liche  Geheimnis  preiszugeben. 

Ob  die  im  Helleborus  niger  enthaltenen  Glykoside  an  sich 
genügend  örtlich  reizen,  um  Fehlgeburt  zu  bewirken,  ist  mir 
zweifelhaft.  Ich  glaube  eher,  dass  es  sich  um  Quellwirkung,  wie 
bei  Laminaria,  oder  öfters  um  Perforierung  der  Fruchtblase 
handle. 


Ein  Fall  von  gewohnheitsmässigem  Digitalismissbrauch. 

Von  Dr.  C.  Schubert  in  Cudova. 

Der  über  Jahre  sich  erstreckende  gewohnheitsmässige  Ge¬ 
brauch  von  Digitalis  kommt  nicht  allzu  häufig  zur  Beobachtung. 
Es  fehlt  dem  Herzmittel  die  narkotische  Wirkung,  die  bei  an¬ 
deren  Heil-  oder  Genussmitteln  die  Veranlassung  zu  chronischem 
Abusus  wird.  Immerhin  führt  dann  und  wann  die  Erleichterung, 
die  zumal  bei  Herzkranken  die  Darreichung  des  Fingerhut¬ 
krautes  zur  Folge  hat,  zu  immer  häufigerer  Anwendung  des¬ 
selben,  bis  sie  für  den  Organismus  schliesslich  zum  Bedürfnis 
geworden  ist.  Der  folgende,  von  mir  jahrelang  beobachtete  Fall 
ist  wegen  der  beträchtlichen  Zeitspanne,  über  die  er  sich  er¬ 
streckt,  und  wegen  des  erheblichen  Quantums  der  regelmässig 
verbrauchten  Digitalis  vielleicht  nicht  ohne  Interesse. 

Der  Fabrikschmied  Karl  M.  zu  P.,  meinem  früheren  Wohnorte, 
war  hei  mir  in  den  Jahren  1894 — 96  als  Krankenkassenmitglied 
ständig  in  Behandlung.  Derselbe  hatte  seinen  Angaben  nach  im 
Jahre  1871  einen  Gelenkrheumatismus  durchgemacht,  war  damals 
9  Wochen  lang  bettlägerig  und  in  der  Folge  noch  3  Jahre  lang- 
leidend  gewesen.  WTährend  der  oben  angegebenen  Zeit  bestand  eine 
Mitralinsuffizienz  mit  Hypertrophie  des  linken  Ventrikels;  jährlich 
mehrmals  auftretende  Kompensationsstörungen  — •  Pulsfrequenz 
120 — 150.  hydropische  Erscheinungen  —  nötigten  dann  zur  Bett¬ 
ruhe  und  Gebrauch  von  Digitalis,  worauf  für  einige  Zeit  leidliches 
Wohlbefinden  eintrat. 

Da  die  anfallsfreien  Intervalle  immer  kürzer  wurden,  kam  M. 
im  Dezember  1896  in  den  Genuss  der  Invalidenrente  und  schied 
damit  aus  der  Krankenkasse  aus.  Da  dadurch  auch  die  freie  ärzt¬ 
liche  Behandlung  in  Wegfall  kam,  gebrauchte  er  seit  dieser  Zeit 
regelmässig  das  ihm  früher  verordnete  Digitalisinfus  (1,5:150)  auf 
eigene  Faust  weiter.  Der  Patient  und  seine  Angehörigen  machten 
mir  hierüber  folgende  Angaben: 

M.  pflegt  von  seiner  Medizin  täglich  gegen  Abend  einige 
Esslöffel  voll  zu  nehmen;  wenn  er  dies  unterlässt,  hat  er  sofort  über 
dyspnoische  Beschwerden  und  Schlaflosigkeit  zu  klagen.  Er  ist 
bei  solchem  Verfahren  befähigt,  leichtere  häusliche  Verrichtungen 
vorzunehmen.  Ist  er  zeitweise  genötigt,  mehr  zu  arbeiten,  so 
muss  er  behufs  Erhöhung  seiner  körperlichen  Leistungsfähigkeit 
auch  tagsüber  während  der  Arbeit  mehrere  Esslöffel  der  Medizin 
einnehmen.  Erkundigungen,  die  ich  in  der  betreffenden  Apotheke 
einzog,  ergaben  in  der  Tat  den  Bezug  von  wöchentlich  1,  zuweilen 
2  Flaschen  des  Digitalisinfuses  in  der  oben  angegebenen  Stärke 
von  dem  genannten  Zeitpunkte  an.  Da  M.  zur  Bestreitung  seiner 
Lebensansprüche  in  der  Hauptsache  auf  seine  spärliche  Invaliden¬ 
rente  angewiesen  ist,  so  ist  als  sicher  anzunehmen,  dass  er  bei 
der  für  ihn  so  beträchtlichen  Ausgabe  die  Medizin  auch  in  der 
geschilderten  Weise  verwendet.  Ende  September  1901  hatte  ich 
Gelegenheit,  ihn  noch  einmal  genauer  zu  untersuchen.  Der  Be¬ 
fund  war  folgender: 

Schlecht  genährter,  dyspnoisc-her  Manu,  Bulbi  etwas  vor¬ 
stehend.  Spitzenstoss  bis  dreifingerbreit  ausserhalb  der  Mammillar- 
linie  stark  vorwölbend  sichtbar.  Grenzen  der  Herzdämpfung  oben 
3.  Interkostal  raum,  links  dreifingerbreit  jenseits  der  Mammillar- 
linie,  rechts  einfingerbreit  vom  rechten  Sternalrande.  Lautes 
systolisches  Blasen  über  der  linken  Herzkammer,  an  der  Spitze 
am  lautesten;  leiseres  systolisches  Geräusch  in  der  Aorta, 
II.  Aortenton  paukend.  Undeutlicheres  Geräusch  an  Stelle  des 

I.  Trikuspidal-  und  Pulmonaltones;  II.  Pulmonalton  verstärkt. 
Puls  gross,  hart,  gespannt,  regelmässig,  Frequenz  56.  Leberrand 
zw*  ifingerbreit  unterhalb  des  Rippenbogens  palpabel.  Urin  Spuren 
von  Albumen. 


Auffallend  ist  hierbei  die  gegen  früher  ausgesprochene  Puls- 
verlangsamung,  zweifellos  eine  Digitaliswirkung. 

Im  Laufe  des  Winters  verschlimmerte  sich  der  Zustand  erheb¬ 
lich,  trotz  Steigerung  der  Digitaliszufuhr,  am  24.  März  1902  trat 
der  Exitus  ein. 

Nach  vorsichtiger  Schätzung  hat  Patient  seit  Anfang  1897 
mindestens  500—600  g  Digitalis  konsumiert. 


Ueber  die  Beziehungen  von  Körperbewegungen, 
Körperwärme  und  Albumosurie  zu  einander  und  zum 
Fieber  im  Verlauf  der  Phthise. 

Entgegnung  auf  die  Arbeit  von  Schröder  und  B  r  ü  h  1  in 
No.  33  u.  34  d.  W.  von  Dr.  A.  Ott,  Heilstätte  Grünewald 

bei  Wittlich. 

In  dem  oben  genannten  Aufsatz  haben  die  Verfasser  den  Ver¬ 
such  gemacht,  die  von  mir  in  der  Arbeit:  „Ist  die  bei  Phthisikern 
nach  leichten  Körperanstrengungen  auftretende  Temperatursteige¬ 
rung  als  Fieber  zu  betrachten?“1)  niedergelegten  Resultate  bezw. 
die  daraus  gezogenen  Schlussfolgerungen  anzufechten;  es  sind 
ihnen  dabei  jedoch  eine  Anzahl  von  Irrtümern  unterlaufen,  so  dass 
ich  gezwungen  bin,  dieselben  an  dieser  Stelle  richtig  zu  stellen 
Die  Verfasser  stellen  folgende  Behauptungen  auf: 

1.  Die  Beziehungen  der  Albumosurie  zum  chronischen  Fieber 
der  Lungenkranken  sind  noch  nicht  geklärt;  das  soll  heissen, 
Albumosurie  ist  hier  kein  konstanter  Befund  und  demnach  das 
Vorkommen  von  Albumosen  kein  Beweis  dafür,  dass  es  sich  um 
echtes  Fieber  handelt.  Beweis:  einige  willkürlich  herausgegriffene 
Angaben  aus  der  Literatur,  nach  denen  mehrfach  das  Suchen  nach 
Albumose  im  Urin  fiebernder  Lungenkranker  erfolglos  war.  Dem 
muss  entgegengehalten  werden,  dass  das  Gleiche  auch  für  andere 
Fieber  aus  der  Literatur  entnommen  wrerden  kann  und  dass  z.  B. 
nach  der  Zusammenstellung  von  Schultess  bei  etwa  10  Proz. 
aller  Fiebernden  insgesamt  Albumosen  vermisst  werden.  Damit 
ist  doch  noch  keineswegs  bewiesen,  dass  hier  Albumosen  nicht 
vorhanden  waren,  sondern  nur,  dass  man  sie  nicht  gefunden  hat. 
sei  es  wegen  allzu  geringer  Menge,  sei  es  wegen  mangelhafter 
Empfindlichkeit  der  Untersuchungsmethode.  Dass  es  bei  den  von 
den  Verfassern  aus  der  Literatur  zusammengestellten,  übrigens 
keineswegs  vollständigen,  Angaben  in  einem  höheren  Prozentsatz 
der  Fall  ist,  erklärt  sich  leicht  aus  dem  so  überaus  wechselnden 
Typus  des  Fiebers  bei  der  Tuberkulose;  beim  Hektiker  z  B.  ist 
es  doch  ganz  gut  möglich,  dass  Morgens  bei  normaler  Temperatur 
die  Albumosen  fehlen  oder  nur  in  so  geringer  Menge  vorhanden 
sind,  dass  sie  dem  Nachweis  entgehen,  während  sie  Abends  leicht 
aufzufinden  sind.  Aelinlich  können  die  Verhältnisse  auch  häufig  bei 
Tuberkulösen  liegen.  Bemerkenswert  ist,  dass  dieVerf.  selbst  unter 
S  ausgesprochen  Fiebernden  Albumose  nur  1  mal  vermissten;  dass 
sie  dieselbe  in  den  subfebrilen  Fällen  keinmal  fanden,  liegt  an  der 
Mangelhaftigkeit  ihrer  Methode,  wovon  weiter  unten  noch  die 
Rede  sein  soll.  Jedenfalls  gilt  hier,  wie  auch  sonst  in  der  Me¬ 
dizin,  der  Satz,  dass  positive  Resultate  viel  mehr  Beweiskraft 
besitzen  als  negative.  Endlich  ziehen  die  Verf.  aus  dem  Nicht¬ 
vorkommen  von  Albumosen  im  Urin  beim  Penzoldt  sehen 
Symptom  selbst  den  Schluss,  dass  hier  kein  Fieber  vorhanden  sei: 
also  hätte  es  ihnen  im  gegenteiligen  Falle  doch  als  Beweis  für 
das  Vorhandensein  von  Fieber  gegolten. 

2.  Sollen  6  von  den  in  meiner  Tabelle  aufgeführten  Fällen 
als  verdächtig  bezüglich  der  normalen  Temperatur  erscheinen; 
37,4  bis  37,5  im  After  könne  nur  selten  beim  Phthisiker  eine  nor¬ 
male  Temperatur  genannt  werden.  Ueber  diesen  Punkt  lässt  sich 
streiten;  weder  dafür,  noch  dagegen  ist  bis  jetzt  ein  zwingender 
Beweis  erbracht  worden.  Die  Mehrzahl  der  Autoren  hält  aber 
trotz  Marx  und  Schneider  noch  daran  fest,  dass  37,5  im 
After  als  Maximum,  namentlich  wenn  es  Nachmittags  eintritt,  wie 
in  meinen  Fällen,  noch  als  normal  zu  bezeichnen  ist.  Indes,  selbst 
wenn  wir  aus  meiner  Tabelle  alle  Kranken,  die  in  der  Ruhe  über 
37,3  im  After  gemessen  haben,  fortlassen  (es  sind  deren  10),  so 
bleibt  das  Prozentverhältnis  der  sicheren  und  wahrscheinlichen 
Albuuiosebefunde  ziemlich  unverändert,  nämlich  6  von  15  oder 
40  Proz  sichere  und  11  von  15  oder  73  Proz.  sichere  und  unsichere 
zusammengenommen. 

3.  Die  Verf.  behaupten,  dass  Albumosurie  im  Anschluss  an 
das  P  e  n  z  o  1  d  t  sehe  Symptom  beim  Phthisiker  nicht  auftrete; 
in  der  Tat  ist  in  Tabelle  V  das  Resultat  jedesmal  als  negativ 
bezeichnet,  nur  2  mal  als  suspekt;  damit  stehen  sie  in  direktem 
Gegensatz  zu  meinen  Resultaten.  Wer  sich  indes  die  von  den 
\  erf.  benützte  Methode  näher  ansieht,  der  wird  finden,  dass  sie 
die  an  und  für  sich  schon  nicht  sehr  empfindliche  Methode  —  ent¬ 
gehen  doch  nach  M  a  1 1  li  e  s  etwa  35  Proz.  der  Albumosen  der 
Fällung  durch  Alkohol  —  noch  möglichst  unempfindlich  gemacht 
haben.  So  nehmen  sie  einmal  nur  10  ccm  Urin,  Schultess 
schreibt  25—30  ccm  vor  (ich  selbst  nahm  regelmässig  25),  dann 
benützen  sie  96  proz.  (es  handelt  sich  hier  offenbar  um  Volum¬ 
prozente.  entsprechend  etwa  94  Gewichtsprozenten)  Alkohol,  statt 
absoluten,  der  99  Gewichtsprozente  enthält;  der  die  Albumosen 
enhaltende,  zum  grössten  Teil  aus  Phosphaten  bestehende  Nieder¬ 
schlag  wurde  in  15  ccm  Wasser  gelöst  und  endlich  die  Biuretprobe 
nicht  durch  Ueberschichten,  sondern  durch  Mischen  der  alkali¬ 
sierten  Lösung  mit  Kupfersulfat  angestellt;  durch  die  Eigenfarbe 
des  Kupfers  wird  aber  eine  schwache  Biuretreaktion  leicht  ver- 


')  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  50. 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


deckt,  ganz  besonders  wenn  man  die  viel  zu  starke  lOproz  Kupfer¬ 
sulfatlösung  beniitzt.  Infolge  all  dieser  Fehlerquellen  ist  es  kein 
uudei,  wenn  den  \erf.  die  beim  Penzoldt  sehen  Symptom 
entsprechend  der  geringen  Höhe  und  kurzen  Dauer  des  Fiebers 
nur  sehr  kleinen  Albumosenmengen  entgingen.  Da  die  Kontroll- 
probe  von  Ban  g  nicht  empfindlicher  ist,  als  die  Alkoholprobe  — 
es  entgeht  auch  hier  ein  Teil  der  Albumosen  der  Fällung,  da  nur 
durch  Aussalzen  bei  saurer  und  bei  alkalischer  Reaktion  eine 
Flüssigkeit  albumosefrei  gemacht  werden  kann  — ,  und  da  bei 
ihr  die  anderen  oben  erwähnten  Fehlerquellen  nicht  vermieden 
wurden,  so  ist  es  natürlich,  dass  sie  mit  derselben  die  gleichen 
negativen  Resultate  erhielten.  Damit  die  Verfasser  eventuell  in 
der  Lage  sind,  ihre  Versuche  mit  besserem  Erfolg  zu  wiederholen, 
will  ich  ihnen  liier  kurz  beschreiben,  wie  man  der  Alkoholmethode 
die  grösstmögliche  Empfindlichkeit  zu  geben  im  stände  ist.  Man 
nimmt  25—30  ccm  Urin  (je  mehr,  desto  besser  natürlich),  giesst 
dieselben  unter  Umrühren  in  das  6  fache  Quantum  absoluten 
Alkohols  und  lässt  stehen,  bis  der  Niederschlag  sich  gut  abgesetzt 
bat.  dann  giesst  man  den  Alkohol,  soweit  das  ohne  Verluste  mög¬ 
lich  ist,  ab  und  filtriert  den  Rest  und  bringt  den  ganzen  Nieder¬ 
schlag  auf  ein  möglichst  kleines  Filter,  lässt  den  am  Filter  haften¬ 
den  Alkohol  verdunsten,  bringt  das  Filter  in  eine  kleine  Porzellan¬ 
schale,  zerreisst  es  mit  dem  Glasstab,  setzt  2  bis  3  ccm  Wasser 
hinzu  und  erwärmt,  ohne  zum  Sieden  kommen  zu  lassen,  bis  der 
Niederschlag  sich  gelöst  hat,  filtriert  dann  durch  ein  ganz  kleines 
Filter,  das  nachher,  ebenso  wie  die  Stücke  des  ersten  Filters, 
vorsichtig  mit  dem  Glasstab  ausgedrückt  wird.  An  einem  kleinen 
Teil  des  Filtrates  erfolgt  die  Prüfung  auf  Mucin,  Nukleoalbumin 
und  Albumin,  die  nacheinander  an  demselben  Quantum  ausgeführt 
werden  kann;  mit  dem  anderen  Teil  stellt  man  die  Biuretprobe  an, 
in  der  Weise,  dass  man  die  Flüssigkeit  alkalisiert  und  nun  mit 
Hilfe  einer  Pipette  eine  sehr  dünne,  höchstens  1  proz.  Kupfer¬ 
sulfatlösung  darüber  schichtet.  Wenn  man  das  Reagensglas  nun 
gegen  ein  Blatt  weisses  Papier  hält  und  zwar  nicht  dicht  daran, 
sonst  fällt  zu  viel  Licht  hindurch,  sondern  einige  Zentimeter  davon 
entfernt,  so  kann  man  auch  bei  sehr  geringen  Albumosenmengen 
den  roten  Ring  an  der  Berührungsstelle  beider  Flüssigkeiten  noch 
deutlich  erkennen.  Wenn  die  Verfasser  in  dieser  verfeinerten 
Weise  ihre  Versuche  wiederholen  wollen,  so  werden  sie  zweifel¬ 
los  zu  ähnlichen  Resultaten  kommen,  wie  ich.  Dann  werden  sie 
auch  ihren  Schluss,  dass  das  Penzoldt  sehe  Phänomen  nur  eine 
lokale  Hyperthermie  der  Aftergegend  ist  —  ein  Schluss,  in  dem 
ihnen  auch  auf  ihre  negativen  Resultate  bezüglich  des  Auftretens 
von  Albumosen  hin  nur  wenige  beistimmen  werden  —  aufgeben 
müssen,  ebenso  wie  die  Ansicht,  dass  die  bisher  als  die  zuver¬ 
lässigste  Methode  angesehene  Aftermessung  Verwirrung  stiften 
könne  und  deshalb  zu  gunsten  der  ein  klares  Bild  gebenden  Muncl- 
messung  aufzugeben  sei. 


Erinnerungen  an  Karl  Gerhardt. 

Von  Fr.  M  a  r  t  i  u  s. 

(Karl  Adolf  Christian  Jakob  Gerhar  d  t,  1833  zu 
Speyer  geboren,  studierte  von  1850  an  in  Würzburg,  promovierte 
dort  185G  mit  einer  Abhandlung  „Beitrag  zur  Lehre  der  erworbenen 
Lungenatelektase“,  wurde  1860  Privatdozent  und  1  Jahr  darauf 
auf  Grund  seiner  Arbeit  über  den  Stand  des  Zwerchfells  ordent- 
licher  Professor  und  Direktor  dör  medizinischen  Klinik  in  Jena. 
1872  kam  er  in  gleicher  Stellung  als  Nachfolger  Bambergers 
nach  Würzburg,  1885  nach  Berlin.  Am  21.  Juli  1902  starb  er 
nach  längerer  Krankheit  auf  seiner  Besitzung  Gamburg  in  Baden. 

Hier  fand  er  seine  letzte  Ruhestätte.) 

Als  Gerhardt  im  Jahre  1885  nach  Frerichs  Tode 
aus  W  ürzburg  an  die  Universität  Berlin  berufen  wurde  und  hier 
die  II.  medizinische  Klinik  übernahm,  war  er  52  Jahre  alt. 
Ein  Mann  von  mittlerer  Grösse,  breitschultrig,  stämmig,  mit 
frischer,  blühender  Gesichtsfarbe,  aber  bereits  ergrautem  Bart 
und  Haar,  einfach  in  Kleidung  und  Haltung,  aber  fest  und 
sicher  im  Auftreten,  in  seiner  ganzen  Erscheinung  eher  an  einen 
wetterharten  Landwirt  oder  Oberförster  als  den  weltbekannten 
Arzt  und  Gelehrten  gemahnend  —  so  sahen  wir,  seine  neuen 
Assistenten,  ihn  vor  uns.  Denn  mit  der  neuen  Klinik  übernahm 
der  Chef  auch  einen  neuen  ärztlichen  Stab.  Nur  Friedrich 
M  ü  1 1  e  r,  sein  vertrauter  Lieblingsschüler  und  Assistent  aus  der 
Würzburger  Zeit,  begleitete  ihn  nach  Berlin.  Wir  anderen, 
Paul  Ehrlich,  W.  Landgraf  und  ich  waren  ihm  fremd  und 
sollten  uns  erst  auf  den  neuen  Chef  einarbeiten. 

Der  erste  Eindruck,  den  Gerhardt  machte,  war  tief  und 
nachhaltig.  Das  war  kein  Mann,  der  mit  sich  spassen  liess. 
(„V oilä  un  homme  serieux“,  sagte  später,  wie  Grawitz  er¬ 
zählt,  ein  hoher  türkischer  Arzt,  der  die  Klinik  besuchte.)  Kurz, 
knapp,  klar  waren  die  ersten  Fragen,  ebenso  kurz  und  entschieden 
die  ersten  Befehle  und  Aufträge.  Die  klaren,  leuchtenden  Augen, 
aus  denen  am  Krankenbett  menschliches  Mitgefühl  und  tiefstes 
Wohlwollen  leuchteten,  blickten  im  Dienst  stahlhart  und  fest. 
Sie  sprachen  von  einem  Willen,  der  keinen  Widerspruch  duldete. 


Dementsprechend  bekam  der  genau  geregelte  Dienst  an  der 
Klinik  von  vorneherein  einen  militärisch  straffen  Zuschnitt.  Es 
ist  kein  Zufall,  wenn  die  militärisch  geschulten  Stabsärzte,  die 
als  Assistenten  an  der  Klinik  fungierten,  Gerhardt,  wie  er  oft 
ausgesprochen  hat,  falls  sie  wissenschaftlich  genügten,  dienstlich 
besonders  angenehm  waren.  Es  entsprach  das  ganz  der  innersten 
Seite  seines  Wesens.  Wie  er  selbst  ein  Mann  der  strengsten 
1  flichterfüllung  war,  so  verlangte  er  auch  von  seinen  Assistenten 
absolute  Zuverlässigkeit.  Es  gehörte  fast  zu  dten  moralischen 
Unmöglichkeiten,  dass  während  der  Klinik  an  den  Krankenge¬ 
schichten  etwas  fehlte  oder  nicht  in  Ordnung  war,  ein  plötzlich 
geforderter  Apparat  nicht  zur  Stelle  war  oder  versagte.  Nicht 
selten  wurde  dadurch  bei  der  bekannten  Tücke  des  Objekts  die 
Klinik  auch  für  den  sorgsamen  und  aufmerksamen  Assistenten 
zur  Angstpartie.  Man  war  täglich  von  neuem  froh,  wenn  wieder 
einmal  alles  glücklich  abgelaufen  war. 

So  erzog  er  systematisch  zur  Genauigkeit  und  Pflichttreue. 
Aber  und  das  rechne  ich  ihm  hoch  an  —  die  Charakterschule, 
in  die  er  uns  nahm,  ging  noch  viel  weiter.  Z.  B.  verlangte  er 
von  uns,  dass  wir  —  jeder  auf  dem  ihm  zugewiesenen  Gebiete  — 
in  der  Klinik  vor  dem  grossen  Ilörerkreise  der  Studierenden  völlig 
aus  dem  Stegreif  und  ohne  Vorbereitung  experimentelle  Mass¬ 
nahmen  klinischer  Art  ausführten,  z.  B.  Pulskurven  aufnahmen, 
elektrische  Untersuchungen  machten  u.  dergl.  m.,  Dinge,  zu  deren 
Durchführung  eigentlich  die  Ruhe  und  Sannnlutng  des  Ex¬ 
perimentierzimmers  gehört.  Entschuldigungen,  wenn  es  einmal 
nicht  klappte,  g’ab  es  nicht.  So  lernten  wir  Geistesgegenwart, 
Selbstbeherrschung,  Ruhe  im  kritischen  Moment,  Eigenschaften, 
die  für  den  Arzt  ebenso  wichtig  und  für  seine  Erfolge  mit  ent¬ 
scheidend  sind,  wie  für  den  Soldaten.  Wohl  weiss  ich,  dass  diese 
Experimente  am  Kranken  in  der  Klinik  in  erster  Linie  den 
Zweck  hatten,  die  Studierenden  zu  belehren  und  ihnen  zu  zeigen, 
wie  es  gemacht  wird.  Aber  ich  bin  überzeugt,  dass  Gerhardt 
in  der  Art,  wie  er  sie  ausführen  liess,  auch  die  Schulung  seiner 
Assistenten  mindestens  mit  im  Auge  hatte.  Jedenfalls  wurde 
dieser  Zweck  in  hervorragendem  Masse  erreicht.  Man  musste 
immer  auf  alles  gefasst,  immer  „gefechtsbereit“  sein.  Ging  alles 
gut,  dann  bekam  man  wohl  einmal  als  Belohnung  einen  zu¬ 
friedenen  Blick  des  Chefs.  Ging  es  schief  oder  schwach,  so  ge¬ 
nügte  eine  ganz  kurze  scharfe  Bemerkung  vor  der  versammelten 
Klinik  zu  dem  festen  Entschlüsse,  das  darf  dir  nicht  wieder 
passieren.  Wenn  aber  einer  gar  ängstlich  vor  einer  plötzlich  ge¬ 
stellten  Aufgabe  zurückschreckte  oder  im  kritischen  Moment  ver¬ 
sagte,  so  hatte  er  für  immer  bei  ihm  verspielt. 

Lebhaft  erinnere  ich  mich  eines  solchen  kritischen  Momentes. 
Es  handelte  sich  um  eine  schwere  Kehlkopfstenose  auf  luetischer 
Basis,  die  durch  tägliche  Einführung  einer  Sonde  offen  gehalten 
wurde.  Die  Einführung  der  Sonde  war  bei  den  eigentümlichen 
vorliegenden  Verhältnissen  nicht  leicht  und  erforderte  grosse 
technische  Gewandtheit  und  besondere  Einübung-  auf  den  vor¬ 
liegenden  I  all.  Der  Kranke  wurde  in  der  Klinik  vorgestellt.  Ich 
vertrat  den  zufällig  abwesenden  Stationsarzt,  der  bis  dahin  täg¬ 
lich  die  Sondierung  vorgenommen  hatte.  Gerhardt  wollte 
die  Einführung  der  Sonde  den  Studierenden  selbst  demonstrieren. 
Aber,  wie  das  so  geht,  auch  dem  grossen  Meister  —  und  Ger- 
h  a  r  d  t  war  bekanntlich  ein  laryngoskopischer  Techniker  aller¬ 
ersten  Ranges  —  passiert  einmal  etwas  menschliches.  Die  Sache 
missglückte.  Nach  dem  zweiten  vergeblichen  Versuche  wandte 
sich  Gerhardt  ärgerlich  und  ohne  zu  beachten,  dass  der  eigent¬ 
liche  Techniker  fehlte,  an  mich  mit  den  Worten:  „Machen  Sie’s. 
Sie  sind  ja  darauf  eingeübt.“  Tatsächlich  hatte  ich  in  diesem 
Falle  ebensowenig,  wie  er  selbst,  je  die  Sonde  eingeführt.  Aber 
ich  kannte  meinen  Chef.  Ohne  ein  Wort  der  Aufklärung  ging 
ich  kurz  entschlossen  an  die  Sache  heran  und  siehe  da  —  es 
glückte  gleich  beim  ersten  Versuch  glatt  und  anstandslos.  „Da 
sehen  Sie,  was  die  Uebung  tut“,  sagte  Gerhardt  befriedigt. 
Ein  ängstliches  Versagen  hätte  er  nie  verziehen.  So  erzog  er  — 
bewusst  und  unbewusst  —  zur  Entschlossenheit  und  Geistesgegen¬ 
wart. 

Gewiss  —  ein  bequemer  Chef  war  Gerhardt  nicht.  Wer 
aber,  ohne  zu  scheitern,  durch  seine  Schule  gegangen  war,  der 
nahm  als  Mensch  und  Arzt  einen  sicheren  Gewinn  fürs  Leben 
mit  fort.  Vor  allem  auch  als  Arzt.  Denn  wie  er  strengste  Pflicht¬ 
erfüllung  im  Dienst  überhaupt  verlangte,  so  verlangte  er  auch 
eine  iiusserst  genaue  und  sorgfältige  Krankenuntersuchung. 


1582 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Flüchtiges  Wesen  war  ihm  ebenso  verhasst,  wie  Augendienerei. 
„Blender“  hielten  sieh  an  der  Klinik  nicht  lange.  „Diagnostische 
Irrtümer  beruhen  viel  häufiger  auf  mangelhafter  Untersuchung, 
als  auf  irrtümlicher  Schlussfolgerung“,  war  einer  seiner  Lieb¬ 
lingssätze.  Mit  anderen  Worten  :  „Dummheit  lässt  sich  verzeihen, 
Bummligkeit  nicht.  Und  das  Bummeln  verlernte  man  schnell 
an  der  G  erliardt  sehen  Klinik. 

G  e  r  li  a  r  d  t  s  klinischer  Vortrag  war  einfach,  ruhig,  sehr 
klar,  ganz  sachlich,  möglichst  den  Fall  oder  die  Frage  er¬ 
schöpfend.  Alle  Effekthascherei  lag  ihm  völlig  fern.  Zu  Ger- 
h  a  r  d  t  ging  in  die  Klinik,  wer  ernsthaft  etwas  lernen  wollte. 

Gegen  die  Kranken  war  er,  wenn  auch  wortkarg,  so  doch 
stets  voller  Rücksicht.  Nichts  konnte  ihn-  mehr  in  Harnisch 
bringen,  als  wenn  ein  ungeschickter  Praktikant  sich  beim  Aus¬ 
kultieren  auf  den  Kranken  stützte  oder  ihn  sonstwie  bei  seiner 
Untersuchung  unnütz  belästigte. 

So  war  Gerhardt  seinem  ganzen  Wesen  nach  der  geborene 
Kliniker.  Und  dieser  Mann  mit  der  kurzen,  knappen,  sicheren 
Art  stand,  als  er  nach  Berlin  kam,  auf  der  Höhe  seines  Könnens 
und  seines  wissenschaftlichen  Ruhmes.  Schon  mit  28  Jahren 
ordentlicher  Professor  und  Direktor  einer  Klinik,  hatte  er  in  J ena 
und  Würzburg  reichlich  Zeit  gehabt,  seine  Eigenart  voll  aus¬ 
reifen  zu  lassen.  In  der  physikalischen  Diagnostik  auf  streng 
exakter,  naturwissenschaftlicher  Grundlage  lag  seine  eigentliche 
Grösse.  Wie  er  als  einer  der  ersten  nach  T  ii  r  k  und  C  z  e  r  m  a  k 
die  Laryngoskopie  wissenschaftlich  und  technisch  zur  vollen  Ent¬ 
faltung  und  Blüte  hatte  bringen  helfen,  war  er  in  der  physi¬ 
kalischen  Untersuchung  des  Herzens  und  der  Lungen  anerkannter 
Meister  und  der  würdigste  Nachfolger  T  rauhes.  Aber  auch 
für  den  machtvoll  aufstrebenden  Chemismus  in  der  Medizin  hatte 
er  besonderes  Verständnis  und  ausgesprochene  Vorliebe.  Seine 
aus  den  sechziger  Jahren  stammende  Eisenchloridreaktion  bei 
Diabetes  ist  dafür  typisch. 

Dazu  kam  seine  pathologisch-anatomische  Schulung,  deren 
Anfänge  auf  Virchows  Würzburger  Zeit  zurückführten. 
Seine  klinischen  Epikrisen  der  Obduktionsergebnisse  waren 
Muster  ihrer  Art.  Ohne  jeden  Versuch  einer  Beschönigung  wur¬ 
den  etwaige  klinische  Irrtümer  zugegeben  und  die  Ursachen  ihrer 
Entstehung  besprochen  und  aufgeklärt.  Nie  versäumte  er  ohne 
zwingenden  Grund  eine  klinische  Obduktion.  Der  Gang  mit  ihm 
zusammen  ins  pathologische  Institut  war  für  uns  immer  ein 
Ereignis.  Man  war  jedemal  sicher,  etwas  zu  lernen.  Und  die 
Herren  Obduzenten  erklärten  mir  damals  öfter,  dass  es:  ihnen 
eine  besondere  Freude  sei,  für  Gerhardt  klinische  Leichen¬ 
öffnungen  vorzunehmen.  Sie  rühmten  seine  Schärfe  der  Auf¬ 
fassung  und  sein  eindringendes  Verständnis.  So  kamen  die  — 
cs  darf  wohl  ausgesprochen  werden,  da  es  sich  um  längst  histo¬ 
risch  gewordene  Dinge  handelt  —  damals  bei  den  eigentümlichen 
Verhältnissen  des  Berliner  pathologischen  Instituts  etwas  miss¬ 
liebig  gewordenen  oder  gefürchteten  klinischen  Obduktionen  zu 
unserer  Freude  durch  Gerhardt  wieder  in  das  richtige  Ver¬ 
hältnis. 

Kein  Wunder,  dass  sich  bald  ein  äusserst  lebhaftes  wissen¬ 
schaftliches  Leben  an  der  II.  medizinischen  Klinik  entwickelte. 
Und  doch  liess  Gerhardt  jedem  seiner  Assistenten  und  Schüler 
völlig  seine  Eigenart.  Er  griff  wenig  oder  gar  nicht  in  die  Arbeit 
des  einzelnen  ein.  Wohl  regte  er  gelegentlich  eine  bestimmte 
Frage  an,  sonst  aber  liess  er  jeden  arbeiten,  was  und  wie  er  wollte. 
Nur  dass  etwas  Ordentliches  geleistet  werde,  verlangte  er.  Wer 
nicht  von  sich  aus  etwas  zuwege  brachte,  das  sich  sehen  lassen 
konnte,  an  dem  vei’lor  er  bald  das  Interesse.  So  erzog  er  auch 
wissenschaftlich  zur  Selbständigkeit.  In  jener  Zeit  entstanden 
unter  anderem  ein  Teil  der  berühmten  Blut  Untersuchungen  Paul 
E  h  r  1  i  c  h  s,  die  bekannten  Stoffwechseluntersuchungen 
Fr.  Müll  e  r  s  und  später  v.  Noorden  s,  meine  Arbeiten  aus 
dem  Gebiete  der  Elektrodiagnostik  und  der  Herzstosslehre. 
Andererseits  war  Gerhardt  aber  auch  der  erste,  der  einen 
tatsächlichen  wissenschaftlichen  Erfolg  eines  seiner  Assistenten 
und  Schüler  rückhaltlos  anerkannte  und  die  praktischen  Kon¬ 
sequenzen  daraus  zog.  Wer  eine  wirkliche  Leistung  aufzuweisen 
hatte,  war  von  dem  Augenblicke  seiner  wohlwollenden  Förderung 
sicher. 

Hand  in  Hand  mit  dem  Aufblühen  der  Klinik  —  sowohl  als 
Lehrinstitut,  wie  als  wissenschaftlich  befruchtende  Arbeitsstätte 
—  wuchs  in  Berlin  Gerhardts  überragende  Stellung  als  Arzt 
und  Konsiliarius.  Anfänglich  freilich  fand  bei  den  Kollegen 


seine  manchmal  zu  wortkarge  und  kurz  angebundene  Art  nicht 
immer  das  richtige  Verständnis.  Aber  das  dauerte  nicht  lange. 
Die  grosse  Mehrzahl  der  Aerzte  erkannte  schnell  unter  der  rauhen 
Schale  den  goldenen  Kern.  Die  Sicherheit  seines  ärztlichen 
Blickes  und  die  Reinheit  seines  Charakters  Hessen  sich  nicht  ver¬ 
kennen.  Vor  allem  gewann  das  hilfesuchende  Publikum  selbst 
schnell  Vertrauen  und  hielt  ihm,  dem  treuen  Manne,  die  lreue. 

Noch  nicht  lange  —  eben  2  Jahre  —  war  Gerhardt  in 
Berlin,  als  die  welthistorische  Tragödie  begann,  in  deren  Anfang 
ihm  die  ärztlich  führende  Rolle  zufiel  und  die  seinen  Namen 
schnell  durch  alle  Welt  trug,  die  Krankheit  Kaiser  Friedrichs  III. 
Man  kann  nicht  an  Karl  Gerhardt  zurückdenken,  nicht  von 
ihm  sprechen,  ohne  die  leidenschaftlich  bewegten  und  aufregen¬ 
den  Kämpfe  zu  berühren,  die  an  das  traurige  Geschick  des  Lieb¬ 
lings  der  deutschen  Nation  sich  knüpften.  Wo  lag  die  Schuld,  die 
Verfehlung?  Die  Geschichte  hat  längst  gerichtet.  Nicht  den 
ganzen  traurigen  Verlauf  dieser  medizinischen  Tragödie  wieder 
aufzurollen,  kann  meine  Absicht  sein.  Für  uns  Aerzte  gibt  es 
kaum  eine  beschämendere  Periode  in  der  Geschichte.  Nur  an 
Gerhardts  Anteil  an  derselben  soll  erinnert  werden,  muss 
erinnert  werden,  wenn  wir  den  ganzen  Mann,  wie  er  war,  als 
Arzt  scharfsinnig  in  der  Diagnose,  gewandt  und  seiner  selbst 
sicher  in  der  Technik,  als  Mensch  ehrlich,  mutig  und  treu  uns 
wieder  vergegenwärtigen  wollen.  Kein  junger  Mediziner  sollte 
versäumen,  den  kurzen,  nur  16  Druckseiten  umfassenden,  aber 
um  so  inhaltreicheren  Bericht  Gerhardts  über  die  Krankheit 
Kaiser  Friedrichs  III.  (Kaiserliche  Reichsdruckerei,  Berlin  1888) 
zu  lesen.  Selten  wohl  ist  eine  schwierige,  gleich  verantwortungs¬ 
volle  und  folgenschwere  Diagnose  so  frühzeitig  mit  derselben 
Klarheit,  Sicherheit  und  Entschiedenheit  begründet  und  aus¬ 
gesprochen  worden,  wie  damals  von  Gerhardt  die  Karzinom¬ 
diagnose  beim  Kronprinzen.  Und  ebenso  klar  und  sicher  wurden 
die  praktischen  Konsequenzen  gezogen.  Es  verlohnt  sich,  in  den 
Hauptsätzen  Gerhardt  selbst  noch  einmal  wieder  zu  hören. 

„Wenn  auch,“  sagt  er,  „einige  Fälle  von  Krebssarkom  und 
einer  von  Kehlkopfkrebs  durch  Entfernung  der  Geschwulst  vom 
Munde  aus  geheilt  worden  waren,  so  lag  doch  bei  einer  so  flachen 
und  mit  dem  Stimmbande  in  solcher  Breite  ohne  irgend  sicht¬ 
bare  Begrenzung  zusammenhängenden  Geschwulst,  bei  der  man 
sagen  konnte,  dass  sie  aus  dem  Inneren  des  geschwollenen  Stimm¬ 
bandes  sich  hervordränge,  keine  Möglichkeit  vor,  vom  Munde  aus 
Heilung  zu  erzielen,  wenn  die  Annahme  des  Krebses  sicher  stand. 
In  diesem  Falle  musste  von  jeder  Operation  vom  Munde  her  ab¬ 
gesehen  werden  und  durfte  nur  nach  den  schon  vor  18  J ahren 
von  Desormeaux  so  klar  dargelegten  Grundsätzen  verfahren 
werden.  Man  musste  den  Kehlkopf  spalten.  Das  ist  bei  den 
heutigen  Hilfsmitteln  eine  fast  gefahrlose  Operation,  die  man 
selbst  wegen  gutartiger  Geschwülste,  selbst  an  Kindern  und 
Greisen  unbedenklich  vornimmt.  Nur  auf  diesem  Wege  konnte 
es  möglich  werden,  mit  klarem  Einblick  das  Uebel  mit  der  Wurzel 
auszurotten  und  sicher  keinen  Krankheitskeim  im  Kehlkopf  zu¬ 
rückzulassen.  Die  Diagnostik  des  inneren  Arztes  hatte  so  früh 
als  möglich  die  Natur  des  Uebels  klargestellt.  Die  chirurgische 
Hilfeleistung  hatte  den  denkbar  günstigsten  Fall  vor  sich,  einen 
vollkräftigen,  riesenstarken  Körper,  bei  dem  es  galt,  ein  überaus 
kleines  Gewächs  von  etwa  Vs  cm  Durchmesser  mit  der  Wurzel 
auszurotten.  Der  Sitz  der  Geschwulst,  die  am  Stimmbandrand 
hervorragte,  musste  die  Hinwegnahme  sehr  erleichtern.  Keine 
Statistik  kann  die  ganze  Wahrscheinlichkeit  dauernd  günstigen 
Erfolges  voll  wiedergeben,  die  in  diesem  Falle  bestand.  Denn' in 
keinem  Falle  war  die  Krankheit  so  früh,  ich  möchte  sagen,  im 
Keime  erkannt,  die  Konstitution  des  hohen  Kranken  war  die 
denkbar  kräftigste.  Alle  Hilfsmittel  standen  zu  Gebote.“  —  „Am 
Abend  des  20.  waren  alle  Vorbereitungen  für  die  Operation  ge¬ 
troffen.  Am  folgenden  Vormittage  sollte  operiert  werden.“ 

Aber  es  kam  anders.  Wie  und  wodurch,  das  ist  bekannt 
genug.  Auch  wer  Mackenzie  bona  fides  —  wenigstens  an¬ 
fänglich  —  zuzugestehen  g'eneigt  ist,  muss  zwei  Tatsachen  an¬ 
erkennen,  die  selbst  Mackenzies  rabulistische  Dialektik  bei 
seinem  späteren  Rechtfertigungsversuch  nicht  aus  der  Welt 
schaffen  konnte,  erstens,  dass  er  selbst  durch  das  zuversichtliche 
Versprechen  baldigster  Heilung  ohne  Operation  diese  letztere  ver¬ 
hindert  hat,  und  zweitens,  dass  durch  den  ganzen  späteren  Ver¬ 
lauf  der  Krankheit  Gerhardts  Frühdiagnose  nur  bestätigt 
und  damit  seine  Vorschläge  als  die  allein  sachgemässen  und 
allein  die  Rettung  ermöglichenden  gerechtfertigt  sind.  Rein 


23.  September  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCÜRIEt. 


1S83 


objektiv  ist  damit  entschieden,  auf  welcher  Seite  Irrtum,  und 
Verfehlung  gelegen  haben.  Das  deutsche  Volk  aber  hat  alle  Ur¬ 
sache,  am  frischen  Grabe  Karl  Ge  r  h  a  r  d  t  s  ein  Lorbeerreis 
niederzulegen  mit  der  Widmung:  Hier  ruht  ein  grosser  Arzt  und 
ein  treuer  deutscher  Mann. 

Aerztliche  Standesangeiegenheiten. 

Die  Auswüchse  des  Krankenkassenwesens  in  England. 

Nach  brieflichen  Mitteilungen  von  Dr.  Hirne  in  Bradford. 

Die  Verhältnisse  liegen  in  England  eigenartig,  insofern  es  dort 
keine  staatlichen  oder  städtischen  Krankenkassen  gibt  und  durch 
eine  grosse  Zahl  von  Wohltätigkeitsanstalten  die  Arbeit  des  Arztes 
bei  Kassenmitgliedern  in  einer  Weise  entwertet  ist,  die  nach 
m  a  ndie  r  R  i  c  li  t  u  n  g  hin  noch  schlimmer  ist  als  i  n 
Deutschland  oder  —  nach  den  Schilderungen  von  E 1  - 
linger  auf  der  diesjährigen  Versammlung  des  Wirtschaftlichen 
Verbandes  in  Königsberg  (Med.  Reform  No.  ü  u.  10)  — in  Oeste  r- 
reich. 

Ein  Kampf  der  Aerzte  mit  den  Arbeiterkrankenkassen  (Wor- 
king-mens  Sick  Clubs,  auch  Beneüt  Clubs  und  Societies  genannt) 
oder  Krankenvereinen  währt  auch  in  England  schon  seit  Jahren. 
Es  gibt  dort  sehr  viele  solcher  Gesellschaften  und  manche  haben 
ein  grosses  Kapital  angesammelt,  das  sich  auf  Millionen  von 
Pfund  Sterling  beziffert.  Einzelne  Kassen  sind  sehr  klein  und 
auf  die  Arbeiter  in  bestimmten  Fabriken  oder  Betrieben  be¬ 
schränkt.  Sie  sind  alle  von  den  Arbeitern  allein,  ohne  Beteiligung 
der  Arbeitgeber,  begründet  und  geleitet.  Frauen  sind  nur  in  sehr 
wenigen  „Clubs“  zugelassen;  mit  der  staatlichen  oder  städtischen 
Verwaltung  stehen  sie  in  gar  keinem  Zusammenhang.  Sie  haben 
manchmal  sonderbare  Namen,  z.  B.  Free  gardners,  Free  rangers 
(freie  Wanderer),  Odd-Fellows,  Forresters,  Buffaloes  u.  s.  w.  Die 
Odd-Fellows  and  Forresters  (Förster,  Waldbewohner)  sind  am 
meisten  vertreten.  Erstere  hat  0 — 8  Millionen  Vermögen. 

Sie  bezahlen  Krankengeld  („sick-pay“)  an  die  Mitglieder  und 
geben  auch  der  Familie  einen  Beitrag,  gewöhnlich  in  der  Form 
von  Sterbegeld  bei  einem  Todesfall  in  der  Familie.  Diese  grossen 
Kranken  vereine  haben  Zweigvereine  im  ganzen  Königreich;  letz¬ 
tere  besorgen  ihre  Geschäfte  selbständig,  wählen  ihre  eigenen 
Aerzte  und  Beamten  und  zahlen  nur  eiüen  geringen  Prozentsatz 
ihrer  Einnahme  an  die  Zentralstelle.  Im  Verwaltungsrat  dieser 
Zentrale  hat  jeder  Distrikt,  der  viele  tausend  Mitglieder  umfassen 
kann,  je  einen  Vertreter.  Jeder  Distrikt  sendet  immer  nur  einen 
Vertreter,  möge  daselbst  nur  ein  oder  eine  Mehrzahl  von  Klubs 
vorhanden  und  die  Zahl  der  Vereinsmitglieder  eine  schwankende 
sein. 

Der  „Klubdoktor“  wird  vom  Klub,  nicht  von  der  Zentralstelle 
gewählt.  Seine  Pflichten  sind,  die  Heilmittel  (Medizin  eingeschlos¬ 
sen)  parat  zu  halten  und  zu  verteilen,  bei  Krankheitsfällen  die 
nötigen  Zeugnisse  über  Arbeitsunfähigkeit  auszustellen.  Es  ist 
nicht  allgemein  gebräuchlich,  dass  die  in  den  Krankenverein  Ein¬ 
tretenden  sich  vorher  einer  Untersuchung  durch  den  Klubdoktor 
zu  unterziehen  haben. 

Die  Bezahlung  des  Clubdoktors  ist  sehr  verschieden,  beträgt  pro 
Mitglied  und  Jahr  durchschnittlich  nur  3  Schilling,  ln  einer  sehr 
grossen  Anzahl  von  Orten  betra'gt  sie  nur  2  Schilling,  in  sehr  we¬ 
nigen  Orten  5  Schilling. 

Seit  ungefähr  10  Jahren  hat  eine  Bewegung  dafür  eingesetzt, 
die  verschiedenen  Klubs  der  grösseren  Städte  zu  vereinigen  und 
einen  oder  zwei  Doktoren  zu  engagieren,  die  ihre  ganze  Tätigkeit 
nur  den  Klubmitgliedern  widmen  ohne  die  Berechtigung  zur  Privat¬ 
praxis.  Sie  erhalten  in  der  Stadt  Bradford  z.  B.  250  Pfd.  Sterl. 
im  Jahr  und  ausserdem  freie  Wohnung,  Kohlen  und  Gas.  Einer 
dieser  Doktoren  hat  einen  Gehilfen  für  die  Zubereitung  der  Medi¬ 
zin.  Auch  steht  ihnen  Pferd,  Kutsche  und  Kutscher  zur  Ver¬ 
fügung,  welche  Vergünstigung  mit  ca.  300  Pfd.  im  Jahre  ver¬ 
anschlagt  werden  kann.  Entbindungen  zu  machen,  gehört  nicht  zu 
den  Pflichten  dieser  Klubdoktoren;  auch  sind  Frauen  und  Kinder 
(die  Familienbehandlung  in  den  deutschen  Kassen)  nicht  mit  ein¬ 
geschlossen  in  den  Pflichtenkreis. 

An  Krankengeld  („sick-pay“)  erhält  das  Mitglied  durchschnitt¬ 
lich  1  Schilling  pro  Tag;  in  Bradford  entfallen  durchschnittlich  im 
Jahr  auf  jedes  Mitglied  14  Krankheitstage  und  14  Schilling  Kran¬ 
kengeld. 

Die  Beschäftigung  als  Klubdoktor  ist  bei  den  Aerzten  eine  ver¬ 
hasste  („detested“),  was  hauptsächlich  seinen  Grund  hat  in  der 
sehr  unangenehmen  Abhängigkeit  des  Arztes  von  den  auf  niedrig¬ 
sten  Lebensgewohnheiten  stehenden  Patienten,  die  sich  angewölmt 
haben,  den  Arzt  zu  behandeln  wie  „niggers“.  Nur  Aerzte  mit  sehr 
niedrigen  Ansprüchen,  Aerzte  zweiter  Klasse,  nehmen  solche  Klub¬ 
stellen  an;  von  ihnen  wird  verlangt,  dass  sie  den  Klubpatienten 
mehr  Aufmerksamkeit  und  rüege  widmen,  als  irgend  einem  Privat¬ 
patienten.  Beispielsweise  erwartet  ein  Klubpatient  mit  einem 
Schnupfen  („a  cold“)  den  Besuch  eines  Klubarztes  einen  jeden  Tag; 
hält  er  sich  für  vernachlässigt,  so  beklagt  er  sich  beim  Klubvor¬ 
stand  und  der  Klubdoktor  hat  im  Vorstand  zu  erscheinen,  dessen 
Sitzungslokal  sich  gewöhnlich  in  einer  Kneipe  befindet.  Hier  wird 
ihm  vom  Kläger  in  mehr  anzüglicher  als  anständiger  Weise  seine 
Nachlässigkeit  vorgeworfen,  und  hat  der  Doktor  sich  zu  verteidigen. 

Der  ganze  Aerztestand  in  England  ist  einmütig  in  seiner  Oppo¬ 
sition  gegen  die  geplante  Verschmelzung  der  Klubs,  hauptsächlich, 
weil  bisher  die  Stellung  des  Arztes  zu  unlauterer  Profitmacherei 


von  seiten  des  leitenden  Klubvorstandes  ausgenützt  zu  werden 
pflegte.  W  enn  beispielsweise  bei  den  Mitgliedern  für  den  Arzt 
eine  Jahressumme  von  350  Pfd.  ausgeschrieben  ist,  werden  im 
Kontrakt  mit  dem  Arzt  dem  letzteren  250  Pfd.  ausgesetzt,  so  dass 
in  den  Händen  des  Vorstandes  ein  Profit  von  100  Pfd.  verbleibt. 
Dagegen  protestiert  der  Aerztestand,  bezeichnet  es  als  „unwürdig“, 
die  Anstellung  des  Klubdoktors  für  solchen  Missbrauch  heranzu¬ 
ziehen.  Leider  aber  gibt  es  auch  in  England  einen  Uebertluss  an 
Aerzten,  die  jung,  unerfahren,  arm  oder  mit  geringem  Gefühl  für 
Anstand  oder  Standeswürde  begabt  sind,  und  solche  unwürdige  Be¬ 
dingungen  annehmen,  trotzdem  sie  von  den  Standesgenossen  als¬ 
dann  missachtet,  oftmals  in  Verruf  getan  („ostracised“)  werden. 

Eine  andere  in  England  brennende  Frage  ist,  ob  auch  besser 
Situierten  der  Zutritt  zu  den  Krankenvereinen  gestattet  sein  soll. 
Man  nimmt  nicht  an,  dass  sehr  viele  solcher  Mitglieder  tatsächlich 
vorhanden  sind,  aber  die  Klubdoktors  beschweren  sich  sehr  ener¬ 
gisch  darüber;  sie  verlangen  im  Prinzip,  dass  die  Vorteile  der  frei¬ 
willigen  Arbeiterversicherung  gegen  Krankheit  auch  nur  dem  Kreis 
der  Arbeiter  und  der  Arbeiterklubs  zukommen  soll.  Es  kommt  vor, 
dass  ein  Arbeiter  und  Kassenmitglied  zu  Reichtum  gelangt,  aber 
dennoch  verlangt,  im  Klub  zu  bleiben,  um  für  2 — 3  Schilling  im 
Jahr  seinen  Doktor  zu  haben.  Deshalb  ist  verlangt  worden  von 
den  Aerzten,  dass  das  Recht,  Kassenmitglied  zu  sein  oder  zu 
bleiben,  von  der  Höhe  des  Lohnes,  den  das  Mitglied  erhält,  ab¬ 
hängig  sein  soll.  Die  Arbeiter  sind  dieser  Auffassung  nicht  gün¬ 
stig  gestimmt;  sie  nehmen  jeden  als  Mitglied  auf,  den  sie  gewinnen 
können.  Dazu  kommt  noch,  dass  der  Arbeiterstand  dem  Doktor 
gegenüber  gern  und  jederzeit  seinen  Klassengeist  herauskehrt. 
Der  Arbeiter  fühlt  wohl  die  gewisse  Ueberlegenlieit  des  Arztes  an 
Bildung  und  in  der  Lebensauffassung,  wird  sie  aber  nicht  an¬ 
erkennen;  jede  Behinderung  einer  Bewegung  zu  gunsten  des 
Aerztestandes  wird  von  ihm  als  ein  Sieg  der  Arbeiterklasse  auf¬ 
gefasst.  Wie  die  „gelernten  Arbeiter“  und  die  in  den  Gewerk¬ 
schaften  organisierten  besser  gezahlten  Arbeiter  sich  zur  Kranken¬ 
unterstützung  resp.  -Versicherung  stellen,  ist  nicht  bekannt.  Die 
bezügliche  deutsche  Literatur  erwähnt  nichts  davon,  und  befasst 
sich  allem  Anschein  nach  der  organisierte  Arbeiterstand  mit  dem 
Krankenkassenwesen  in  ganz  anderer  Weise  als  in  Deutschland. 
Es  wäre  wichtig,  nach  der  Richtung  hin  etwas  über  englische  Ver¬ 
hältnisse  und  deren  Tendenz  für  die  Zukunft  kennen  zu  lernen. 

Ein  letztes  schwerwiegendes  Moment,  welches  hemmend  auf 
eine  Aufwärtsbewegung  des  Standes  der  Klubdoktoren  und  der 
Aerzte  in  England  überhaupt  einwirkt,  und  welches  in  den  letzten 
Jahren  sogar  noch  ein  weiteres  Sinken  des  durchschnittlichen  Ein¬ 
kommens  verursacht  hat,  das  liegt  in  dem  Vorhandensein  der  vielen 
öffentlichen  Heilanstalten  für  ansteckende  Kranke.  Jüngst  erst 
sind  zahlreiche  solche  Hospitäler  von  den  Munizipalbehörden  neu 
errichtet  worden,  auf  Grund  der  Anzeigepflicht  für  jeden  gefähr¬ 
lichen  ansteckenden  Krankheitsfall:  Public  Health  Act  1875  and 
„Notification“  1878.  Nicht  alle  gemeldeten  Fälle,  aber  die  Mehr¬ 
zahl  derselben  kommt  in  das  Krankenhaus.  Die  städtischen  Be¬ 
hörden  bauen  sehr  gern  solche  Hospitäler;  sie  haben  das  Recht, 
jeden  Patienten  zur  Beobachtung  dem  Hospital  zu  überweisen; 
auch  die  ländlichen  Behörden  schaffen  sich  ihr  Hospital  und  be¬ 
legen  es  möglichst  ausgiebig.  Auf  diese  Weise  verliert  der  prak¬ 
tische  Arzt  sein  Einkommen  von  allen  denen,  die  ins  Hospital 
kommen.  Einen  noch  grösseren  Schaden  erleiden  die  Aerzte  von 
den  öffentlichen  Krankenhäusern,  den  „medical  charities“,  welche 
Kranke  aller  Art  aufnehmen.  Sie  erhalten  sich  durch  freiwillige 
jährliche  oder  durch  dauernde  Beiträge  von  Wohltätern.  Jeder 
Patient  wird  aufgenommen,  ob  arm  oder  reich,  ob  mit  einer  an¬ 
steckenden  Krankheit  oder  mit  einer  Verletzung  behaftet,  wegen 
eines  Splitters  im  Finger  oder  wegen  einer  vorübergehenden  Kon¬ 
stipation.  Es  ist  zu  einem  Wettlauf  unter  den  verschiedenen  Wohl¬ 
tätigkeitsanstalten  gekommen,  dass  am  Ende  des  Jahres  das 
Komitee  der  Anstalten  sich  mit  20 — 30 — 40  000  Tatienten  brüsten 
will  (auf  anderer  Leute  Kosten!!).  Ein  Hospital  in  B.  hat  den 
Rekord,  dass  10  000  Zähne  in  seinen  Mauern  gezogen  wurden,  wie 
sein  Prospekt  besagt,  und  dass  sie  20  000  könnten  ausreissen  lassen, 
wenn  die  Mittel  des  Hospitals  reichen  würden. 

Die  Fabrikanten  haben  an  der  Gründung  solcher  Hospitäler 
ihren  besonderen  Vorteil  auf  folgende  Weise:  Der  Fabrikbesitzer 
eröffnet  z.  B.  eine  Subskriptionsliste  mit  Beiträgen  von  1 — 10  sh. 
Er  hat,  wenn  die  Liste  herumgegangen  ist,  eine  nicht  bestimmte 
Anzahl  von  Geldanweisungen,  Empfehlungen  für  Behandlung  etc. 
in  dem  Hospital  zu  seiner  Verfügung.  Er  kann  diese  Anweisungen 
irgend  einem  beliebigen  Arbeiter  geben  oder  sonstwie  dieselben 
in  der  Stadt  verteilen.  Schändlicher  Misbraucli  kann  mit  den¬ 
selben  getrieben  werden.  Den  Personen  mit  leichtesten  Beschwer¬ 
den,  Armen,  Reichen,  allen  Ansprüchen  überhaupt  muss  auf  Grund 
solcher  Anweisungen  im  Hospital  nachgekommeu  werden.  Die 
praktischen  Aerzte  verlieren  in  tausenden  von  Fällen  ihre  Patien¬ 
ten.  An  dieser  Ausplünderung  der  praktischen  Aerzte  sind  die 
Chefärzte  in  den  Hospitälern  ebensosehr  schuldig,  als  das  Vor¬ 
standskomitee.  Zwar  sind  diese  Chefärzte  nicht  für  ihren  Dienst 
bezahlt,  aber  selbstverständlich  nützt  es  dem  Renommö  eines 
jeden  Arztes,  ein  Chefarzt  in  einem  solchen  Hospital  zu  sein.  Geht 
der  Patient  eines  Privatarztes  in  das  Hospital,  wird  dort  von 
Dr.  X.  behandelt,  sehr  nett,  sehr  zuvorkommend,  mit  guter  Diät 
versorgt,  so  ist  1, gegen  100  zu  setzen,  dass  nach  dem  Verlassen  des 
Hospitales  der  Dr.  X.  bei  dem  Kranken  der  Hausarzt  wird.  Diese 
ganze  Krankenhausfrage  hat  sich  zu  einer  sehr  ernsten  zugespitzt. 
Das  Publikum  ist  geradezu  demoralisiert  durch  die  Hospitäler; 
ein  wohlhabender  Mann  scheut  sich  nicht,  die  Mildtätigkeit  der  auf 
freiwillige  Beiträge  angewiesenen  Hospitäler  in  Anspruch  zu 


1584 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  88. 


nehmen,  selbst  für  die  kleinste,  vorübergehende  Krankheit.  Nie¬ 
mand  fragt  dort  nach  den  Vermögensverhältnissen.  Je  grösser  der 
Zulauf,  desto  höher  der  Ruhm  des  Komitees.  Die  2  Hauptzeit¬ 
schriften,  Laucet  und  British  medical  Journal,  haben  fast  in  jeder 
Nummer  polemische  Artikel.  Ein  praktikabler  Weg  aus  den  ver¬ 
fahrenen  Hospitalverhältnissen  hat  noch  von  keinem  Kritiker  nach¬ 
gewiesen  werden  können.  Gerade  das  letzte  Moment,  welches  von 
Engländern  für  den  Niedergang  des  ärztlichen  Standes  angezogen 
wird,  ist  von  grossem  Belang  für  Deutschland.  Wem  fielen  nicht 
die  Anklänge  an  die  Poliklinikenfrage,  an  die  sentimentale  Ueber- 
fiirsorge  für  Syphilitische,  an  die  unentgeltliche  Behandlung  in 
gewissen  Instituten,  mit  dem  Namen  von  grossen  Aerzten  an  der 
Spitze  der  Verwaltung  ein?  Die  allzu  gefühlvollen  „medizinisch¬ 
sozialen“  Kollegen  sollten  stutzig  werden  durch  die  hier  aus 
England  kommend™  Klagen.  Der  Referent  ist  der  Meinung,  dass 
es  ganz  so  schlimm,  wie  in  Oesterreich  und  England,  noch  nicht 
in  Deutschland  ist,  dass  in  dem  Kampf  der  einzelne  Arzt  noch 
nicht  so  weit  zurückgedrängt  ist,  und  dass  es  noch  Zeit  ist,  den 
deutschen  Arzt  vor  dem  Versinken  in  Verhältnisse,  wie  sie  von 
England  und  Oesterreich  geschildert  sind,  zu  schützen.  L.  Pft'r. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Prof.  Friedrich  Schultze  -  Bonn :  Die  Krankheiten  der 
Hirnhäute  und  die  Hydrokephalie.  Spezielle  Patho¬ 
logie  und  Therapie,  herausgegeben  von  Hofrat  Prof. 
Dr.  Nothnagel  in  Wien.  IX.  Bd.,  III.  Teil,  I.  Abteilung. 
258  S.  Preis  M.  6.40.  Wien  1901,  bei  Alfred  Holder. 

In  dem  vorliegenden  Bande  des  N  othnagel  sehen 
Sammelwerkes  haben  die  Krankheiten  der  Hirnhäute  eine  er¬ 
schöpfende  und  übersichtliche  Darstellung  erhalten. 

Der  Gegenstand  der  ersten  Kapitel  sind  die  Pachy- 
meningitis  haemorrhagica  interna  und  die  me¬ 
nin  gea  len  Blutungen.  Hier  wird  die  Schilderung  der 
anatomischen  Verhältnisse  durch  Uebersiehtsbilder  und  Zeich¬ 
nungen  mikroskopischer  Schnitte  in  anschaulicher  Weise  er¬ 
gänzt.  Es  sei  hervorgehoben,  dass  für  die  Entstehung  der 
Pachymeningitis  haemorrhagica  interna  nach  der  Ansicht  des 
Verfassers  beide  Anschauungen  zu  Recht  bestehen,  so  dass  also 
einmal  die  Blutung  das  Primäre  ist,  das  andere  Mal  aber  eine 
selbständig  einsetzende  aktive  Wucherung  und  Entzündung  der 
inneren  Schichten  der  Dura.  Als  Leitmotiv  für  den  Versuch 
einer  Erkennung  der  Krankheit  bleiben  die  Berücksich¬ 
tigung  der  Ursachen,  besonders  auch  des  chronischen  Alkoholis- 
mus,  des  vorgeschritteneren  Lebensalters  und  das  schubweise  Auf¬ 
treten  von  Benommenheit  und  Koma,  die  sich  mit  verschieden 
starken  kortikalen  Reiz-  und  Lähmungserscheinungen  verbinden. 

Es  entspricht  der  praktischen  Bedeutung  des  Gegenstandes, 
dass  der  grösste  Raum  des  Buches,  150  Seiten,  der  Darstellung 
der  Meningitis  acuta  gewidmet  ist,  wobei  jedoch  die 
syphilitischen  Erkrankungen,  die  durch  Oppenheim  und 
Kahane,  und  die  epidemische  Meningitis,  die  durch 
v.  Leyden  und  Goldscheider  besprochen  werden,  aus- 
scheiden. 

Der  verbleibende  überreiche  Stoff  ist  durch  eine  zweckmäs¬ 
sige  Gliederung  in  eine  übersichtliche  Form  gebracht  worden. 
So  werden  bei  den  einzelnen  Arten  der  Leptomeningitis  5  Haupt¬ 
gruppen  nach  ihren  Ursachen  und  Ursprungsorten  unterschieden. 
In  den  allermeisten  Fällen  sind  es  Mikroorganismen,  die 
in  die  Schädelhöhle  eindringen.  Bei  der  traumatischen 
Meningitis  gelangen  sie  in  der  einfachsten  Weise  in  die 
Hirnhäute.  Die  nächste  Gruppe  umfasst  die  Meningitis  nach 
entzündlichen  Erkrankungen  benachbarter  Organe,  die  oto¬ 
gene,  rhinogene,  ophthalmogene  Meningitis  und  die 
Entzündung  von  zerebralen  und  spinalen  Erkran¬ 
kungsherden  aus,  nach  erysipelatösen  und  phlegmonösen 
Prozessen,  Furunkeln  am  Kopfe  und  Halse. 

In  einer  3.  Gruppe  werden  die  Entzündungen  der  Hirnhäute 
in  ihrem  Zusammenhänge  mit  dem  grossen  Heer  der  all¬ 
gemeinen  Infektionskrankheiten  besprochen,  von 
der  Influenza  und  Lungenentzündung  bis  zu  der  Tripper¬ 
erkrankung  und  zur  Tuberkulose.  In  einer  4.  und  5.  Gruppe 
finden  die  Meningitiden  bei  Intoxikationen  und  bei  Stoff¬ 
wechselkrankheiten  und  nach  sonstigen  Schädigungen,  wie  Er¬ 
kältungen,  Insolation  und  Ueberanstrengung,  eine  kritische  Be¬ 
urteilung. 

Bei  der  Darstellung  der  pathologisch-anatomischen 
Verhältnisse  werden  neben  den  Gewebsveränderungen 
die  bisher  dabei  aufgefundenen  Mikroorganis  m  e  n  ein¬ 


gehend  berücksichtigt  und  durch  Abbildungen  mikroskopischer 
Schnitte  erläutert. 

Es  wird  betont,  dass  sich  die  Veränderungen  bei  der  eitrigen 
Hirnhautentzündung  bis  auf  ätiologische  Abweichungen  durch¬ 
aus  mit  den  Veränderungen  bei  der  epidemischen  Zerebrospinal- 
meningitis  decken  und  dass  auch  eine  otogene  Meningitis  vom 
Scheitel  bis  zum  Pferdeschwanz  reichen  kann,  wie  auch  stets 
zugleich  das  Gehirn  mitverändert  ist.  Aber  die  ganze  Aus¬ 
dehnung  der  Veränderungen,  ihre  Intensität  oder  überhaupt  ihr 
Vorhandensein  wird  vielfach  erst  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  offenbar. 

Diese  Schilderungen  geben  die  Grundlage  für  den  folgenden 
Abschnitt,  den  klinischen  Teil,  in  dem  uns  der  Verf.  das  wech¬ 
selnd  bunte  Bild  der  Krankheitserscheinungen  und  des  Verlaufes 
in  prägnanter  Schärfe  und  in  plastischer  Form  entrollt.  Um 
die  Haupt trias,  die  Nackensteifigkeit,  den  Kopfschmerz  und  die 
Hyperästhesien,  gruppieren  sich  die  übrigen  Symptome :  Er¬ 
brechen,  Schwindelgefühl  und  die  sonstigen  Gehirnerschei¬ 
nungen.  Aus  der  Fülle  der  Einzelheiten  sei  hier  nur  weniges 
hervorgehoben.  So  wird  bei  dem  Verhalten  des  Pulses  nicht 
so  sehr  die  Verlangsamung  als  vielmehr  die  grosse  Labilität  als 
auffallend  und  einigermassen  charakteristisch  bezeichnet.  Das 
kahnförmige  Eingezogensein  der  Bauchdecken  wird  oft  vermisst 
und  häufig  genug  ein  aufgetriebenes  Abdomen,  besonders  bei  Kin¬ 
dern  mit  tuberkulöser  Meningitis  angetroffen.  Wie  bei  vielen 
anderen  Symptomen,  so  besteht  auch  bei  dem  Verhalten  der 
Sehnenreflexe  ein  auffälliger  Wechsel  in  der  Stärke.  Die  Tem¬ 
peratur  steigt  bei  der  tuberkulösen  Meningitis  nicht  so  extrem 
hoch  wie  bei  der  eitrigen  und  bei  beiden  zeigen  sich  sehr  un¬ 
regelmässige  Remissionen.  An  die  klinischen  Symptome 
schliessen  sich  die  Ergebnisse  der  Lumbalpunktion  an. 

Gab  der  Verfasser  bis  hierher  die  Bausteine,  aus  denen  sich 
das  Gebäude  der  Meningitis  zusammensetzt,  so  wird  nunmehr 
über  die  Gruppierung  dieser  Bausteine  bei  dem  Aufbau  der  ein¬ 
zelnen  Formen  berichtet,  und  zunächst  bei  der  häufigsten  Er¬ 
krankungsform,  bei  der  tuberkulösen  Meningitis  der 
Erwachsenen  und  der  Kinder.  Der  Verfasser  vertritt  hierbei  den 
Standpunkt,  dass  angesichts  so  mancher,  im  gleichen  Sinne 
lautender  Sektionsbefunde  die  Ausheilung  einer  tuberkulösen 
Meningitis  nichts  weniger  als  unwahrscheinlich  erscheint,  dass 
aber  ein  unbedingt  sicherer  Beweis  für  eine  solche  Heilung  noch 
nicht  erbracht  ist.  Die  verschiedenen  Verlaufsarten  werden  nach 
dem  Hauptsitz  der  Veränderungen,  der  Ivonvexitäts-  und  der 
Basilarmeningitis  abgeteilt.  Die  Erkennung  und  die  Unter¬ 
scheidung  der  akuten  Meningitis  von  den  funktionellen  Nerven¬ 
krankheiten,  den  anderen  organischen  Nervenkrankheiten  und 
von  anderweitigen  Krankheitszuständen  hat  eine  gesonderte  er¬ 
schöpfende  kritische  Darstellung  gefunden.  Wegen  der  vielen 
wertvollen  Einzelheiten  und  praktischen  Fingerzeige  sei  hier  auf 
das  Original  verwiesen.  Durch  die  kurze  Mitteilung  von  Kran¬ 
kengeschichten  aus  der  eigenen  Beobachtung  wird  die  Schwierig¬ 
keit  der  Diagnosenstellung  erläutert,  welche  zuweilen  die  Er¬ 
kennung  des  Zustandes  geradezu  unmöglich  machen  kann.  Bei 
der  Therapie  findet  neben  der  inneren  besonders  auch  die 
moderne  c  hirurgische  Behänd]  u  n  g,  ihre  Anzeige¬ 
stellung,  ihre  Aussichten  und  bisherigen  Leistungen  eine  ein¬ 
gehende  Besprechung.  Der  Verfasser  berichtet  seine  Erfahrungen 
über  die  Lumbalpunktion  als  Behandlungsmethode,  der 
er  sich  etwas  skeptisch  gegenüberstellt.  Für  therapeutische 
Zwecke  wendet  er  sie  in  Fällen  ausgedehnter  tuberkulöser 
Meningitis  nicht  mehr  an,  und  am  günstigsten  beurteilt  er  ihre 
Wirkung  bei  der  serösen  Meningitis. 

Der  letzte  Abschnitt  des  Buches  ist  der  Darstellung 
der  Hydrokephalie  gewidmet.  Die  pathologische  Ana¬ 
tomie  wird  durch  Abbildungen  von  Präparaten  und  Schnitten 
erläutert,  und  die  klinischen  Zeichen  an  der  Hand  bezeichnender 
Krankheitsgeschichten  geschildert  und  vertieft.  Die  Differential¬ 
diagnose  gegenüber  den  in  Betracht  kommenden  Zuständen  ist 
von  besonderem  Interesse. 

Der  Verfasser  hat  es  verstanden,  in  dem  anregend  und  flüssig 
geschriebenem  Buche  in  vollendeter  Weise  die  Fülle  der  in  der 
Literatur  niedergelegten  Angaben  mit  seinen  eigenen  wertvollen 
Beobachtungen  zu  verschmelzen  zu  klaren  und  abgerundeten  Bil¬ 
dern  dieser  verwickelten  Zustände,  wobei  er  sich  ebenso  fern 


23.  September  1902. _ MPENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1585 


IihH  von  einem  einseitigen  Schematismus  wie  von  einer  über¬ 
trieben  skeptischen  Zersplitterung  der  .Krankheitsformen. 


Mag  sich  der  Leser  Rats  erholen  wollen  über  pathologisch¬ 
anatomische  Verhältnisse  oder  über  bakteriologische  Befunde 
über  klinische  Zeichen  und  diagnostische  Merkmale,  über  thera¬ 
peutische  Methoden  und  Eingriffe  oder  über  Angaben  und  über 
Kritik  der  Literatur  bis  in  die  jüngste  Zeit  hinein,  überall  wird 
er  m  dem  Buche  eine  umfassende  und  fördernde  Auskunft  finden. 
Wohltuend  berührt  besonders  die  überlegene  Kritik,  der  man  es 
anmerkt,  dass  man  sich  auf  dem  eigensten  Arbeitsgebiet  des  Ver¬ 
fassers  befindet,  dessen  Forschungen  wir  hier  eine  wesentliche 
Erweiterung  unserer  Kenntnisse  zu  verdanken  haben. 

Privatdozent  Dr.  Kurt  Brandenburg  -  Berlin. 


Theodor  v.  Jürgensen:  Lehrbuch  der  speziellen  Patho¬ 
logie  und  Therapie.  895  Seiten.  Preis  15  M.  Leipzig-  1902, 
Verlag  von  Veit  &  Comp.  Vierte,  neubearbeitete  und  ver¬ 
mehrte  Auflage.  Mit  zahlreichen  Abbildungen  im  Text. 

Deni  Altmeister  Adolf  K  u  s  s  m  a  u  1  zum  80.  Geburtstag  ge¬ 
widmet  liegt  J  ii  r  ge  nsens  bekanntes  Lehrbuch  in  neuer  Auf¬ 
lage  voi  uns.  In  einem  Bande  wird  in  gleichmässiger  Weise 
die  gesamte  spezielle  Pathologie  und  Therapie  einschliesslich  der 
Haut-  und  Kinderkrankheiten  behandelt.  Die  pathologische 
Anatomie,  besonders  auch  die  mikroskopische,  wird  bei  jeder 
Krankheit  in  knapper,  klarer  Weise  berücksichtigt.  Wenn  nötig, 
wird  die  Darstellung  von  guten  Abbildungen  begleitet. 

Gegenüber  der  3.  Auflage  weist  die  4.  manche  Verbesserung 
auf.  Was  zunächst  die  äussere  Ausstattung  anlangt,  so  ist  der 
Druck  bedeutend  verbessert  besonders  durch  Verwendung-  starker 
Schrift  und  auch  häufiger  Anwendung  von  Petit.  Man  findet 
sich  in  der  neuen  Auflage  viel  leichter  zurecht.  Die  erhöhte 
Uobersichtlichkeit  wurde  u.  a.  durch  häufigere  Absätze  erzielt. 

An  manchen  Stellen  wurde  der  Text  gekürzt,  an  vielen  er¬ 
weitert;  die  Darstellung  ist  dadurch  klarer  geworden.  Die  Er¬ 
gebnisse  der  modernen  Statistik,  die  Fortschritte  in  der  Serum¬ 
therapie  wurden  in  den  entsprechenden  Kapiteln  verarbeitet. 

Die  grosse  Erfahrung  des  Autors  auf  dem  gesamten  Gebiete 
und  in  einer  Tätigkeit,  welche  die  Bedürfnisse  des  praktischen 
Arztes  am  besten  zu  erkennen  lehrt,  sichert  auch  der  neuen  Auf¬ 
lage  die  bisherige  Beliebtheit  bei  den  Praktikern  und  Stu¬ 
dierenden.  W.  Zinn -Berlin. 


W.  R.  Gowers:  Epilepsie.  II.  Auflage.  Deutsche  auto¬ 
risierte  .Ausgabe  von  Dr.  Max  W  e  i  s  s.  Leipzig  u.  Wien,  Franz 
D  e  u  t  i  c  k  e,  1902.  336  Seiten.  Preis  7  M. 


Gowers  stützt  sich  auf  3000  Beobachtungen  von  Spital¬ 
patienten.  So  gross  dieses  Material  ist,  so  fällt  doch  seine  Ein¬ 
seitigkeit  auf,  die  sich  unter  anderem  darin  dokumentiert,  dass 
in  keinem  der  Fälle  mit  bedeutenderem  psychischem  Defekt  die 
Krankheit  mehr  als  20  Jahre  dauerte.  So  sind  auch  die  psy¬ 
chischen  Aeusserungen  der  Epilepsie  sehr  unvollständig  beschrie¬ 
ben.  Immerhin  sind  viele  Zusammenstellungen,  z.  B.  die  Sta¬ 
tistik  der  Erblichkeitsverhältnisse,  von  grossem  Werte.  Auch 
ist  Gowers  im  stände,  alles  Wichtige  mit  Beispielen  seiner 
eigenen  Erfahrung  zu  illustrieren,  die  allerdings  etwas  kurz  und 
nirgends  in  Form  ganzer  Krankengeschichten  gegeben  Werden 
(bei  einer  Beobachtung  —  pag.  205  —  fehlt  sogar  der  Nachweis 
der  Epilepsie). 


Für  Verf.  besteht  die  P  athologie  der  Epilepsie  bekannt- 
hell  in  einem  labilen  Zustande  der  Nervenmoleküle,  welcher  un- 
/( *tige,  zu  starke  und  deshalb  ungeordnete  Entladungen  lierbei- 
i  lihrt.  Durch  diese  Annahme  ist  natürlich  noch  wenig  erklärt. 
In  den  Details  finden  sich  da  und  dort  etwas  gewagte  Theorien. 
Bei  den  anatomischen  Befunden  wird  die  zuerst  von  Chaslin 
beschriebene  Kandgliose,  die  gewiss  von  Bedeutung  ist,  ignoriert. 

Bemerkenswert  erscheint  der  Nachweis,  dass  den  epilep¬ 
tischen  Anfällen  oft  hysterische  folgen.  Gowers  be¬ 
zeichnet  aber  diese  Mischung  von  zweierlei  Anfällen  als  Hystero- 
Lpilepsie,  während  z.  B.  hei  Charcot  dieser  Name  eine  reine 
Hysterie  bezeichnet,  die  in  den  Anfällen  eine  äussere  Aehnlich- 
keit  mit  der  Epilepsie  annimmt. 

Ffin  Buch  von  Gowers  ist  natürlich  immer  interessant, 
lehrreich  und  gut  geschrieben,  das  vorliegende  zumal  wird  bei 
denen,  welche  die  Kürze  der  grösseren  Vollständigkeit  vorziehen, 


dem  B  ins  wange  rsehen  Lehrbuch  Konkurrenz  machen.  — 
Dm  Lebersetzung  lässt  aber  etwas  zu  wünschen  übrig. 

Bleuler-  Burghölzli. 

Handbuch  der  Therapie  innerer  Krankheiten,  in  7  Bänden, 
herausgegeben  von  DDr.  F.  P  e  n  z  o  1  d  t  -  Erlangen  und 
ß.  S  t  i  n  t  z  i  n  g  -  J ena.  Dritte,  umgearbeitete  Auflage.  Verlag 
von  G.  Fischer  in  Jena,  1902. 

Bisher  liegen  7  Lieferungen  von  dem  Werke  vor.  Das  Er¬ 
scheinen  der  3.  Auflage  schon  so  kurze  Zeit  nach  der  ersten  be¬ 
weist  am  besten,  in  welch  grossem  Maasstabe  die  hervorragenden 
Qualitäten  des  grossen  Sammelwerkes  demselben  Eingang  in  die 
Kreise  der  Aerzteschaft  gebahnt  haben,  denen  es  heute  tatsäch¬ 
lich  ein  unentbehrliches  Eüstzeug  geworden  ist.  Lieber  Einzel¬ 
heiten  der  Umarbeitung  soll  nach  Erscheinen  des  ganzen  Werkes 
berichtet  werden ;  für  heute  begnügen  wir  uns  mit  dem  Hinweise 
auf  das  Neuerscheinen  des  Handbuches. 

Grassmann  -  München. 

Dr.  Alban  Köhler:  Knochenerkrankung-en  im  Röntgen- 
bilde.  Mit  20  Tafeln  und  17  Figuren  im  Text.  Wiesbaden,  Ver¬ 
lag  von  J.  F.  Berg  m  a  n  n,  1901. 

Der  Wert  des  Röntgenbildes  für  die  Diagnose  von  groben 
Knochenveränderungen  (Frakturen,  Luxationen  und  Fremd¬ 
körper)  wird  jetzt  von  allen  Chirurgen  anerkannt  und  ist  durch 
eine  ganze  Anzahl  vortrefflicher  Mikrophotographien  erwiesen. 
Dagegen  wird  die  Bedeutung  des  neuen  Verfahrens  für  die  Er¬ 
kenntnis  feinerer  Knochenveränderungen,  wie  z.  B.  der 
Atrophie,  der  Sklerose  und  der  entzündlichen  Veränderungen 
noch  nicht  allgemein  gewürdigt  und  vielfach  sogar  in  Zweifel 
p<  zogen.  Zum  I  eil  liegt  dies  daran,  dass  die  Röntgendiagnose 
solcher  Veränderungen  grosse  Anforderungen  an  die  photo¬ 
graphische  Technik  stellt,  zum  Teil  daran,  dass  die  Deutung 
solcher  Bilder  auch  wenn  sie  tadellos  gelungen  sind  —  durch¬ 
aus  nicht  einfach  ist. 

LTm  so  verdienstvoller  ist  das  vorliegende  Buch,  welches  fast 
ausschliesslich  solche  schwer  herzustellenden  und  schwer  zu 
deutenden  Röntgenbilder  bringt.  Aus  dem  Inhalt  seien  besonders 
hei  \  orgehoben  die  ganz  ausgezeichneten  Aufnahmen  von 
Knochen-  und  Gelenktuberkulosen,  Knochenatrophie,  Osteo¬ 
myelitis,  Lues,  Knochenembolie  und  Rhachitis.  Ein  kurz  ge¬ 
haltener  und  frisch  geschriebener  Text  erleichtert  das  Studium 
des  vorzüglichen  Buches,  das  allen  Röntgenphotographen  warm 
empfohlen  sei.  F.  Lange- München. 


Gustav  Zimmermann  -  Dresden :  Die  Mechanik  des 
Hörens  und  ihre  Störungen.  Mit  4  Abbildungen  im  Texte. 
Wiesbaden,  Bergmann,  1900.  Preis  M.  2.80. 


Zimmer  m  a  n  n  sucht  nachzuweisen,  dass  die  H  elm- 
h  o  1 1  z  sehe  Theorie  von  der  schalleitenden  Funktion  der  Gehör¬ 
knöchelchenkette  unrichtig  ist,  und  dass  die  letztere  nur  zur 
Akkommodation  diene. .  Die  Schallfortpflanzung  aber  geschehe 
in  molekular  fortschreitenden  Wellen  durch  das  Trommelfell  hin¬ 
durch  und  von  da  durch  die  Luft  des  Mittelohres  direkt  auf  die 
Schneckenkapsel  und  die  an  ihrer  Innenwand  ausgespannten 
Radiärfasern. 

Diese  neue  Theorie  Zimmerma  n  n  s  ist  nach  der  Ansicht 
des  Referenten  nicht  im  stände,  die  Schwerhörigkeit  bei  den 
Störungen  in  der  Gehörknöchelchenkette  zu  erklären.  Bei  Steig¬ 
bügelankylose  z.  B.  besteht  bekanntlich  hochgradige  Schwerhörig¬ 
keit  füi  Sprache.  Da  nach  der  neuen  Theorie  der  Steigbügel 
mit  dem  Hören  gar  nichts  zu  tun  hat,  sucht  Zimmer  mann 
die  Schwerhörigkeit  dadurch  zu  erklären,  dass  das  kranke  Ohr 


zwar  noch  alle  Schallwirkungen  hört,  dass  dieselben  aber  infolge 
Störung  der  Akkommodation  nicht  mehr  deutlich  unterschieden 
werden  können  und  infolgedessen  zu  einem  wirren  und  tiefen 
Sausen  Zusammenflüssen.  Auf  diese  Art  entstehe  das  Sausen 
bei  der  Stapesankylose.  Die  Tatsache,  dass  die  subjektiven  Ge¬ 
räusche  in  der  nächtlichen  Ruhe  nicht  aufhören,  sucht  er  da¬ 
durch  zu  erklären,  dass  die  Perzeptionsfasern  eine  Zeitlang  noch 
in  erregtem  Zustande  verharren.  Nun  ist  es  aller  eine  bekannte 
Tatsache,  dass  das  Sausen  bei  manchen  Patienten  mit  Stapes¬ 
ankylose  nach  jahrelangem  Bestände  vollständig  aufhört.  Nach 
Z  i  m  m  e  r  m  a.  n  n  müsste  also  das  Gehör  wieder  ganz  gut  wer¬ 
den,  es  besser t  sich  aber  tatsächlich  nach  dem  Verschwinden  der 
subjektiven  Geräusche  um  gar  nichts. 


15S6 


MUENCHENEK  MEDIClNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Im  übrigen  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  einer  eingehenden  Be¬ 
sprechung,  von  welcher  umsomehr  Umgang  genommen  werden 
kann,  als  in  der  otiatrischen  Literatur  bereits  teils  zustimmende, 
teils  ablehnende  Kritiken  vorliegen.  Am  ausführlichsten  hat  sich 

1 ,  s  C  h  weil  e  r  im  50.  Bd.  des  Arch.  f.  Ohrenheilk.  geäussert. 
Da  ich  im  allgemeinen  die  gleichen  Bedenken  habe,  wie  der 
letztere,  sei  hier  auf  dessen  Besprechung-  verwiesen. 

Dr.  Scheibe-  München. 

Handbuch  der  Schulhygiene  von  Dr.  Leo  Burgerstein 
und  Dr.  Aug.  Netolitzky  in  Wien.  Mit  350  Abbildungen. 

2.  umgearbeitete  Auflage.  Verlag  von  Gustav  Fischer  in 
Jena.  Preis  20  M. 

Das  Werk,  das  in  seiner  ersten  Auflage  einen  massig  starken 
Band  des  W  ey  Ischen  Handbuches  der  Hygiene  ausmachte  und 
schon  in  dieser  Form  viel  Beifall  fand,  hat  sich  in  der  neuen 
Auflage  auf  mehr  als  das  doppelte  vergrössert  (von  429  auf 
997  Seiten)  und  auch  die  Zahl  der  Abbildungen  ist  verdoppelt. 
Man  mag  darüber  streiten,  ob  4  Seiten  über  Malaria  und  eben¬ 
soviel  über  Pest  in  ein  Handbuch  der  Schulhygiene  gehören, 
man  mag  auch  über  einzelne  Auffassungen  verschiedener  Mei¬ 
nung  sein,  stets  wird  man  aber  das  Werk  als  eine  ausserordent¬ 
lich  fleissige  und  gewissenhafte  Leistung  bezeichnen  müssen. 
Die  Literatur  ist  in  weitestem  Umfang  benützt  und  auf  das 
sorgsamste  zitiert.  Ein  ähnlich  vollständiges  Werk  über  Schul¬ 
hygiene  besass  die  deutsche  Literatur  bisher  nicht  und  auch  in 
anderen  Sprachen  dürfte  kaum  eines  existieren,  das  den  ge¬ 
waltigen  Stoff  so  umfassend,  übersichtlich  und  streng  wissen¬ 
schaftlich  verarbeitete.  K.  B.  Lehmann-  W ürzburg. 

Th.  Kocher  und  de  Quervain:  Enzyklopädie  der 
gesamten  Chirurgie.  Leipzig  1901  u.  1902,  E.  C.  W.  Vogel, 
ln  25  Lieferungen  ä  2  M.,  I.  Bd.  bis  lv  32  M. 

Von  der  bis  jetzt  mit  Lieferung  22  bis  zum  Buchstaben  Op 
gediehenen  Enzyklopädie,  die  bis  Oktober  a.  c.  fertig  werden  soll, 
gelten  die  schon  früher  besprochenen  Vorzüge ;  Ausstattung  und 
Druck  sind  gut.  Ziegler-  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  36  u.  37. 

No.  30.  1)  Robert  Meyer:  Zur  Frage:  „Was  ist  intra¬ 

abdomineller  Druck?“ 

Ergänzende  Bemerkungen  zu  M.s  Ausführungen  in  No.  22 
des  Gentralbl.  f.  Gyn.  Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

2)  L.  P  i  n  c  u  s  -  Danzig:  Der  Belastungskolpeurynter. 

Der  von  P.  zur  Behandlung  chronischer  Beckenexsudate  an¬ 
gegebene  Quecksilberluftkolpeurynter  war  in  seiner  bisherigen  Ge¬ 
stalt  für  einige  Formen  unzweckmässig,  so  bei  sehr  tief  sitzenden 
Exsudaten,  bei  geringen  Raumverhältnissen  der  Vagina  u.  a. 
Diesem  Uebel  hilft  P.  jetzt  durch  eine  eigenartige  Konstruktion 
des  Apparates  ab,  der  eine  herzförmige  Gestalt  mit  Einsenkung 
am  Fundus  erhielt.  Der  aufgeblasene  Kolpeurynter  „hat  die  Ge¬ 
stalt  eines  Uterus  bicomis  mit  tiefem  muldenförmigen  Einschnitt11. 
(Zu  haben  bei  Hahn  &  L  ö  c  h  e  1  in  Danzig.) 

3)  K.  Czerwenka  - Wien:  Ein  Nähinstrument  mit  Seiden¬ 
behälter. 

Das  Instrument  soll,  ähnlich  wie  das  kürzlich  von  Eisen- 
berg  (cf.  diese  Wochenschr.  1902,  No.  21,  p.  888)  beschriebene, 
verhüten,  dass  der  Operateur  während  des  Nähens  den  Faden 
berührt.  Der  Apparat  ähnelt  dem  Langenbeck  sehen  Nadel¬ 
halter  und  trägt  in  einer  hohlen  Branche  den  Seidenbehälter.  Das 
ganze  Instrument  nebst  Sonde  kann  ausgekocht  werden  und  ist 
dann  gebrauchsfertig.  (Zu  haben  bei  Löblsch  &  Dohnal  in 
Wien  für  25  Kronen.)  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

No.  37.  1)  O.  P  o  1  a  n  o  -  Giessen:  Zur  Anwendung  der  Heiss- 
lufttherapie  in  der  Gynäkologie. 

P.  berichtet  über  seine  weiteren  Erfahrungen,  die  er  mit  der 
vor  Jahresfrist  empfohlenen  Heisslufttherapie  nach  Bier  in  der 
Gynäkologie  gemacht  hat.  Von  den  anfangs  empfohlenen  hohen 
Temperaturen  bis  150°  C.  ist  er  abgekommen;  er  verwendet  nur 
noch  120—125°  C.  und  beginnt  mit  115“. 

Die  Indikationen  des  Verfahrens  bieten  besonders  alte,  harte 
Beckenexsudate,  ferner  solche,  die  mit  eitriger  Einschmelzung 
einhergehen,  und  zur  Nachbehandlung  auch  inzidierte  Exsudate; 
ferner  eignen  sich  zur  Behandlung  die  adhäsive  Beckenperitonitis 
(spez.  Perimetritis  posterior),  der  Infantilismus  der  weiblichen 
Genitalien  und  die  Amenorrhoe  nach  Kehrers  Vorschlag.  Ganz 
ungeeignet  für  Heissluftbehandlung  ist  die  Endometritis.  Dagegen 
hatte  P.  noch  Erfolg  in  je  1  Fall  von  Aktinomykose  der  Bauch¬ 
decken,  von  Bauchdeckenfistel  bei  tuberkulöser  Peritonitis  und 
von  Pyosalpinx  duplex  gonorrhoica. 

Als  absolute  Gegenanzeige  muss  auch  in  jedem  Falle  etwa 
vorhandenes  Fieber  gelten. 


2)  R.  G  r  a  (lenwitz  -  Breslau:  Tetanus  nach  Gelatine¬ 
injektion. 

Es  handelte  sich  um  eine  54  jährige  Frau  mit  Karzinom  der 
Portio,  die  wegen  profuser  Blutung  eine  subkutane  Gelatine¬ 
injektion  bekam.  G  Tage  später  trat  Trismus  auf.  ln  dem 
aii  der  Einstichstelle  entstandenen  Abszess  fand  Graden- 
w  i  t  z  typische  Tetanusbazillen.  Trotz  Injektion  von 
Behrings  Tetanusantitoxin  trat  12  Stunden  später  der  Exitus 

ein.  _  Es  ist  dies  der  8.  in  der  Literatur  beschriebene  Fall  von 

Tetanus  als  Folge  von  Gelatineinjektion  (von  Krug,  Geru- 
1  a  n  o  s,  Georgi,  Lorenz  (2),  Bonitz  und  K  u  h  n). 

3)  Th.  II.  van  de  Velde-  Haarlem :  Die  Hebotomie. 

Unter  „Iiebotomi  e“  versteht  Verf.  die  Durchtrennung 

des  Schambeins  statt  der  Symphyse  zur  Entbindung  beim  engen 
Becken.  Auf  Grund  der  Operationen  glaubt  er,  dass  die  Hebotomie 
bestimmt  ist,  die  Symphyseotomie  zu  ersetzen  und  die  Perforation, 
hohe  Zange,  Sectio  caesarea  und  künstliche  Frühgeburt  ganz  oder 
teilweise  zu  verdrängen. 

Die  Operation  wurde  im  ganzen,  inkl.  v.  d.  V.s  Fallen, 
5  mal  ausgeführt,  stets  mit  Erfolg  für  Mutter  und  Kind.  Als 
Wiederentdecker  der  Operation,  die  an  sich  so  alt  ist  wie  die 
Symphyseotomie,  nennt  v.  d.  V.  G  i  g  1  i,  der  seine  bekannte  Draht¬ 
säge  zuerst  für  die  extramediäre  Spaltung  des  Beckenringes  kon¬ 
struierte  und  empfahl. 

Einzelheiten  der  Operation  müssen  im  Original  nachgelesen 
werden. 

4)  J.  Kocks-  Bonn:  Zur  Sterilisationsfrage. 

K.  erinnert  zunächst  daran,  dass  er  schon  1878  die  galvano- 
kaustisehe  Obliteration  beider  Tubenostien  als  Methode  der 
künstlichen  Sterilisation  empfohlen  habe.  Es  folgt  dann  ein 
philosophischer  Exkurs  über  die  Frage,  ob  das  Ausbleiben  der 
Menses  bei  Phtliisischen  als  Heilbestrebung  der  Natur  aufzufassen 
sei  (P  i  n  c  u  s)  und  daher  eventuell  künstlich  hervorgerufen  wer¬ 
den  dürfe,  oder  ob  die  Menses  einfach  infolge  der  bestehenden 
Anämie  aufhören  (Neu  mann).  K.  steht  auf  dem  Standpunkt, 
dass  die  Sterilisation  oder  die  Kastration  auf  alle  Fälle  bei  solchen 
Kranken  indiziert  sei. 

Als  neue  Methode  der  Sterilisation  hat  K.  in  einem  Falle  dae 
künstliche  Bildung  einer  Schleimhautklappe  am  äusseren  Mutter¬ 
mund  gemacht,  die  er  zu  weiteren  Versuchen  empfiehlt.  Er  löste 
hierzu  die  Schleimhaut  dicht  über  und  unter  dem  Orifie.  ext.  durch 
einen  kleinen  Bogenschnitt  und  schloss  die  Wunde  durch  3  feine 
Nähte.  Die  gebildeten  Schleimhautfalten  wirkten  dann  als  Ventil, 
das  die  Sekrete  heraus-,  das  Sperma  jedoch  nicht  eintreten  lassen 
sollte.  Leider  hat  K.  über  das  spätere  Schicksal  seiner  Operierten 
nichts  wieder  gehört. 

5)  L  a  n  g  s  d  o  r  f  f  -  Emmendingen:  Atresia  vaginae. 

Beschreibung  eines  Falles  von  angeborenem  Verschluss  der 

Scheide  bei  einem  19  jähr.  Mädchen.  Es  war  zu  starkem  Ilämato- 
kolpos  gekommen,  der  zu  Harnverhaltung  geführt  hatte.  Pat. 
wurde  durch  Punktion  und  Jodoformgazetamponade  geheilt. 

Nach  der  Beschreibung  handelte  es  sich  übrigens  um  eine 
Atresia  liymenalis,  nicht  vaginalis.  Als  Dicke  der  Verschluss¬ 
membran  bezeichnet  L.  selbst  ya  cm.  Von  einem  Fehlen  oder 
einer  Verengerung  der  Scheide  verlautet  nichts. 

Jaffe-  Hamburg. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose  und  Heilstättenwesen.  HI.  Bd. 

Heft  4. 

Mo  eil  er  und  Kayserling:  Ueber  die  diagnostische 
und  therapeutische  Verwendung  des  Tuberkulins. 

Ob  die  Grundlage  der  ganzen  diagnostischen  Ausführung 
richtig  ist,  „in  die  Heilstätte  gehören  nur  Tuberkulöse“,  das  ist 
durchaus  noch  nicht  so  entschieden,  als  wie  die  Verfasser  an¬ 
nehmen.  Wir  müssen  uns  aber  die  Erörterung  darüber  für  eine 
andere  Stelle  aufsparen.  Die  Verf.  beschreiben  zuerst  die  dia¬ 
gnostische  Verwendung  des  Tuberkulins.  Wieder  die  alte  Sache: 
Man  sagt,  diese  Impfungen  tun  ja  niemandem  etwas  Böses,  und 
dann  wird  auf  gezählt:  Temperatursteigerung  über  38,7.  Schüttel¬ 
frost,  Brustbeklemmung,  ausgesprochenes  Krankheitsgefühl,  Kopf¬ 
schmerzen,  Schwindel,  Uebelkeit,  Erbrechen,  Gliederziehen, 
Rücken-  und  Kreuzschmerzen,  heftiges  Durstgefühl,  Gefühl 
von  Schwere  auf  der  Bimst,  Stechen  in  der  Seite;  „ob¬ 
jektiv  bieten  die  Kranken  das  typische  Bild  der  Hochfiebern¬ 
den“.  Darf  man  alles  dies  einem  Menschen  zufügen,  bloss  weil 
man  sich  nicht  getraut,  eine  klinische  Diagnose  zu  stellen?  Und 
zwar  deshalb  nicht,  weil  diese  Diagnose  doch  falsch  sein  und  bei 
dem  oben  angeführten  Grundsätze  ein  nicht  tuberkulöser  Lungen¬ 
kranker  in  der  Heilstätte  verbleiben  könnte.  Der  zweite  Teil  be¬ 
handelt  die  therapeutische  Verwendung  des  Tuberkulins.  Beide 
Teile  sind  durch  zahlreiche  Tabellen  und  Kurven  belegt. 

Klaus  H  a  ns  s  e  n  -  Bergen:  Der  Kampf  gegen  die  Tuber¬ 
kulose. 

Ein  VorkfngX  den  der  Verf.  1899  für  die  Mitglieder  des 
S  torthing  ab  hielt  und  der  von  der  eben  genannten,  den  Kranken 
allerlei  Uebles S^tffigenden  Methode  durch  die  Wärme  einer  in  der 
Einleitung  geradezu  rührenden  Menschenliebe  vorteilhaft  absticht. 
Neues  wird  darin  nicht  geboten. 

Carl  Reitter  jun.-Wien:  Die  Lohgerberei  in  ihrer  Be¬ 
ziehung  zur  Tuberkulose. 

Verf.  hat  alle  in  der  Literatur  niedergelegten  Beobachtungen 
über  die  Tuberkulose  der  Lohgerber  gesammelt,  um  zu  prüfen, 
was  an  der  darüber  bestehenden  Volksmeinung  Wahres  sei.  „Es 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1587 


ergibt  sich,  dass  einmal  die  Ansicht,  die  Lohgerber  seien  gegen 
Tuberkulose  relativ  gefeit,  bisher  nur  auf  ungenauen  und  sta¬ 
tistisch  nicht  wissenschaftlichen  Angaben  beruht,  andrerseits  aber 
auch  die  Gegenmeinung  viel  an  präziser  Beweiskraft  zu  wünschen 
übrig  lässt.“ 

G.  Sehroed  er:  lieber  neuere  Medikamente  und  Nähr¬ 
mittel  bei  der  Behandlung  der  Tuberkulose. 

B.  P  a  v  1  0  w  s  k  a  j  a:  Die  Heilstätte  Taitzi  (Russland). 

Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

\ 

Virchows  Archiv.  Bd.  169.  Heft  1.  1902. 

1)  A  r  n  o  1  d  -  Heidelberg:  Ueber  Plasmosomen  und  Granula 
der  Nierenepithelien. 

Bei  supravitalen  und  vitalen  Färbungen  der  Epithelien  der 
Harnkanälchen  konnte  A.  nachweisen,  dass  sich  Granula  be¬ 
sonders  in  dem  inneren  Drittel  mit  Neutralrot,  im  basalen,  äusseren 
Drittel  mit  Methylenblau  färben.  Die  Stäbchen  der  Nieren- 
epithelien  zeigen  einen  granulösen  Bau. 

2)  .T.  Almkvist  -  Stockholm:  Ueber  die  Emigrationsfähig¬ 
keit  der  Lymphocyten.  (Aus  dem  Laboratorium  des  städtischen 
Gesundheitsamtes  in  Stockholm.) 

A.  fand  neben  uninukleären  und  multinukleären  Leukocyten 
schon  nach  20 — 40  Minuten  im  Sekrete  des  Peritoneums,  das  durch 
Einspritzen  von  Bakterienkulturen  gereizt  war,  auch  L  y  m  p  li  o  - 
cy  teil.  Da  er  nicht  annehmen  kann,  dass  Lymphe  aus  den 
Stomata  des  Peritoneums  ausgeflossen  sei,  hält  er  einen  Beweis 
für  die  Annahme  einer  aktiven  Emigrationsfähigkeit  der  Lympho¬ 
cyten  erbracht. 

3)  W.  P.  .T  oukovski:  2  seltene  Fälle  von  Hemicephalia 
nebst  Prosoposchisis,  kompliziert  mit  Hernia  naso-frontalis. 
Klinische  Beobachtungen  und  anatomische  Untersuchungen.  (Aus 
der  Kinderabteilung  der  Gebäranstalt  zu  St.  Petersburg.) 

In  beiden  Fällen  wurden  die  Kinder  mit  den  Fruchthäuten, 
die  am  Kopfe  verwachsen  waren,  geboren.  Das  eine  Kind  lebte 
7  Tage,  das  andere  20  Stunden,  beide  gingen  unter  tetanisclien 
Krämpfen  und  unter  Abnahme  der  Temperatur  zu  Grunde.  Als 
ätiologisches  Moment  nimmt  der  Verf.  Syphilis  an. 

4)  G.  Schi  ekele:  Ueber  die  Herkunft  der  Cysten  der 
weiblichen  Adnexe,  ihrer  Anhangsgebilde  und  der  Adenomyome 
des  lateralen  Tubenabschnittes.  (Aus  dem  pätliolog.  Institut  der 
Universität  Strassburg  i.  E.) 

Der  Schluss  der  Arbeit  folgt  erst  im  nächsten  Heft. 

5)  F.  Miodowski:  Beitrag  zur  Pathologie  des  primären 
und  sekundären  Gallengangskarzinoms.  (Aus  dem  patholog.  In¬ 
stitut  der  k.  Universität  Breslau.) 

Es  wird  im  Abschnitt  a.  über  4  von  M.  beobachtete  Fälle  von 
primären  Gallengangskarzinomen  berichtet,  deren  Träger  an 
Cholämie  zu  Grunde  gingen  durch  Versehliessung  der  Abflusswege 
der  Galle;  im  4.  Falle  weniger  infolge  Stenosierung  durch  den 
primären  Tumor  als  durch  grosse,  karzinomatöse  Lymplidriisen. 
Im  Anschluss  an  diese  eigenen  Fälle  registriert  M.  nach  41  Gallen¬ 
gangskarzinome  anderer  Autoren. 

Im  Abschnitt  b  wird  ein  Fall  beschrieben,  in  dem  ein  pri¬ 
märes  Coekumkarzinom  durch  seine  Metastasen  ein  Karzinom  der 
Gallenwege  vortäuschte. 

Ein  Anhang  fügt  dann  noch  der  Darstellung  von  Hepatikus- 
karzinomen  von  Schulze  einen  durch  enorme  Grösse  des  Tumors 
bemerkenswerten  Sammlungsfall  an. 

(!)  Kleine  Mitteilungen. 

a)  Bleich  r  ö  d  e  r:  Die  Funktionsprüfung  der  Mitralklapp  3 
bei  der  Herzsektion.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Berlin.) 

Die  beschriebene  Methode  zeigt,  wie  durch  Aufgiessen  von 
Wasser  die  Funktionsfähigkeit  der  Mitral-  und  Trikuspidalklappen 
bei  der  V  i  r  c  li  o  w  sehen  Sektionsmethode  geprüft  werden  kann. 

b)  B.  Kozlowski:  Das  Konservieren  und  Färben  von 
mikroskopischen  Präparaten  der  Harnsedimente.  (Aus  dem 
Sopliien-Hospital  des  Grafen  Bobrinskoi  in  Smela.) 

Die  Sedimente  werden  mit  1  proz.  Eosinlösung  gefärbt  und 
in  Fa  rr  an  t  scher  Lösung  (M  e  r  c  k  -  Darmstadt)  eingeschlossen. 

Ivonr.  Schneider  -  Erlangen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902  No.  37. 

Nekrolog  auf  R.  Virchow  von  W.  Waldeyer. 

1)  S.  T  a  1  m  a  -  Utrecht:  Intraglobulare  Methämoglobinämie 
beim  Menschen. 

Der  in  der  Literatur  noch  nicht  beschriebene  Zustand  be¬ 
steht  darin,  dass  ein  kleiner  Teil  des  Oxyhämoglobins  in  den  Blut¬ 
zöllen  selbst  zu  Methämoglobin  wird,  was  mit  dem  Leben  noch 
vereinbar  ist,  während  das  im  Serum  gelöste  Methämoglobin  alle 
Organe  mehr  oder  weniger  krank  macht.  Bei  Menschen  konnte 
Verf.  bisher  3  mal  diese  Erscheinung  feststellen,  die  natürlich  nur 
spektroskopisch  erkannt  werden  kann.  Der  Artikel  bringt  die 
eingehende  Krankengeschichte  dieser  3  seltenen  Fälle,  von  denen 
einer  geheilt  wurde.  Unter  den  klinischen  Symptomen  erscheinen 
C.vauose  und  Beklemmungsanfälle.  Die  Ursache  der  Krankheit 
scheint  in  Bildung  gewisser  noch  nicht  bekannter  Toxine  im  Darm 
zu  liegen. 

2)  D  o  r  e  n  d  o  r  f  -  Berlin:  Ueber  das  Zustandekommen  der 
inspiratorischen  Glottisverengerung  bei  doppelseitiger  Postikus- 
paralyse. 

Vergl.  das  Referat  S.  115S  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1902. 

3)  S.  Korse  h  u  n  -  Charkow  und  J.  M  orgenroth  -  Frank¬ 
furt  a.  M.:  Ueber  die  hämolytischen  Eigenschaften  von  Organ¬ 
extrakten. 


Eignet  sich  nicht  zum  kurzen  Auszug. 

4)  J  o  a  c  li  i  m  s  t  h  a.  1- Berlin:  Beiträge  zur  Lehre  vom  Wesen 
und  der  Behandlung  der  angeborenen  Verrenkungen  des  Hüft¬ 
gelenks. 

Vergl.  das  Referat  S.  815  der  Münch,  med.  Woclienschr.  1902. 

G  fass  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  37. 

1)  U  h  1  e  n  h  u  t  h  -  Greifswald:  Praktische  Ergebnisse  der 
forensischen  Serodiagnostik  des  Blutes. 

Vortrag,  gehalten  im  Medizinischen  Verein  in  Greifswald  am 
5.  Juli  1902.  Referat  siehe  diese  Wochenschr.  No.  37,  pag.  1548. 

'2)  Danielsohn  und  Hess-  Berlin:  Alkohol  und  Subla- 
min  als  Händedesinfektionsmittel;  und 

3)  F  ü  r  b  r  i  n  g  e  r  -  Berlin:  Bemerkungen  zu  obiger  Ab¬ 
handlung. 

Vergleichende  Untersuchungen  auf  der  inneren  Abteilung  des 
Krankenhauses  Friedrichshain  ergeben,  dass  der  Alkohol  als  Des¬ 
infektionsmittel  durch  keine  bis  jetzt  empfohlene  Methode  ersetzt 
wird,  dass  aber  andererseits  dem  von  K  rö  ni  g  und  B  1  u  in  e  u  - 
b  e  r  g  eingeführten  Sublamin  (Quecksilbernitrat-Aethylendiamin) 
der  Vorzug  vor  dem  bei  der  F  U  r  b  r  i  u  g  e  r  sehen  Methode  an¬ 
gewandten  Sublimat  zukommt. 

4)  II.  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin:  Ueber  osmotische  und  chemische 
Vorgänge  am  menschlichen  Chylus.  (Schluss  folgt.) 

Nach  einem  am  12.  Mai  1.  J.  im  Verein  für  innere  Medizin 
gehaltenen  Vortrage.  Referat  siehe  diese  Wochenschr.  No.  21, 
pag.  893. 

5)  Viktor  K  1  i  n  g  m  ü  1 1  e  r  -  Breslau:  Ein  Fall  von  Lepra 
tuberosa  aus  Oberschlesien. 

Kasuistische  Mitteilung.  Die  Infektion  erfolgte  wahrschein¬ 
lich  in  Russland. 

6)  E.  J  e  n  d  r  a  s  s  i  k  -  Ofen-Pest:  Ueber  neurasthenische 
Neuralgien.  (Schluss  aus  No.  3G.) 

J.  sucht  eine  klinisch  strenge  Trennung  der  neurasthenischen 
Neuralgien  von  den  echten  Neuralgien  festzustellen.  Während  die 
letzteren  der  Einwirkung  von  Narkoticis  und  der  chirurgischen 
Behandlung  zugänglich  sind,  zeigt  sich  bei  den  echten  neurasthe¬ 
nischen  Formen  trotz  aller  Medikamente  und  wiederholten,  selbst 
eingreifenden  Operationen  höchstens  ein  vorübergehender  Erfolg. 
Aussicht  auf  Heilung  gibt  nur  eine  Behandlung  des  Grundleidens. 
Die  Differentialdiagnose  allerdings  ist  nicht  immer  leicht.  F.  L. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  37.  1)  M.  Prob  st- Wien:  Ueber  die  Bedeutung  des 

Sehhügels. 

Unter  ausführlichem  Eingehen  auf  die  Literatur  bespricht 
Verf.  die  grosse  Reihe  experimenteller  Versuche  über  Sehhügel¬ 
verletzungen,  sowie  die  Beobachtungen  der  klinischen  Forscher, 
welche  alle  zu  höchst  widersprechenden  Angaben  über  die  Funktion 
des  Organs  geführt  haben.  Die  Ursache  dieser  Widersprüche  sucht 
Verf.  in  der  mangelhaften  und  nicht  einheitlichen  Methodik  der 
Versuche  und  besonders  in  dem  Fehlen  der  anatomischen  Unter¬ 
suchung  der  Fälle.  P.  selbst  hat  eine  grosse  Anzahl  von  Experi¬ 
menten  an  Hunden  und  Katzen  vorgenommen  und  ein  eigenes  In¬ 
strument  zur  isolierten  Verletzung  des  Sehhügels  angegeben.  Er 
sah  eine  Reihe  von  Erscheinungen  darnach  eintreten,  von  denen 
nur  die  Hemianopsie  bleibend  war.  Auf  die  zahlreichen  Details 
der  Untersuchung  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Verf. 
kommt  zum  Schlüsse,  dass  dem  Sehhügel  eine  sehr  mannigfache 
Funktion  zukommt  und  er  als  eine  Hauptschaltestation  zwischen 
Hirnrinde  und  Peripherie  aufzufassen  ist,  wo  die  verschiedensten 
Empfindungen  und  Eindrücke  teils  peripher,  teils  zentral  um¬ 
gesetzt  werden. 

2)  A.  Schnell  e  r  -  Wien:  3  Fälle  von  Entbindungslähmung 
am  Arme.  Bemerkungen  über  die  Beziehungen  dieser  Läh¬ 
mungsform  zum  angeborenen  Schiefhals. 

Im  ersten  der  3  im  Original  abgebildeten  Fälle  handelte  es 
sich  um:  Beckenendlage,  Manualhilfe,  Caput  obstipum  dextrum, 
typische  Duchen  ne-E  r  b  sehe  Plexuslähmung  des  rechten 
Armes;  im  zweiten  um  Zangenentbindung,  Anwendung  des 
B  r  a  u  n  sehen  Hakens  zur  Extraktion  der  Schulter  und  atypische 
Plexuslähmung  des  rechten  Armes;  im  dritten  Falle  um  Zangen¬ 
geburt,  Caput  obstipum  sin.,  ausgedehnte  Plexuslähmung  des 
linken  Armes,  okulo-pupilläre  Symptome  am  linken  Auge.  In 
allen  3  Fällen  handelt  es  sich  um  prognostisch  schwere  Läh¬ 
mungen.  Der  Zusammenhang  zwischen  Caput  obst.  und  Läh¬ 
mung  ist  wohl  darin  zu  suchen,  dass  die  schwere  Entbindung 
einerseits  die  Zerreissung  des  Kopfnickers,  andrerseits  eine  Zer¬ 
rung  des  Plexus  herbeigeführt  hat. 

3)  J.  B  erd  ach  und  A.  H  e  r  z  o  g  -  Trifail;  Ein  Fall  von 
traumatischer  isolierter  Luxation  des  Metacarpus  indicis. 

Die  Verf.  geben  zunächst  eine  Zusammenstellung  ähnlicher 
Fälle  aus  der  Literatur  und  beschreiben  dann  unter  genauer  Dar¬ 
legung  des  Mechanismus  die  von  ihnen  bei  einem  Bergarbeiter 
beobachtete  seltene  Verletzung,  die  nach  der  ganzen  Sachlage 
durch  Hebelwirkung  entstanden  ist.  Es  erfolgte  Heilung  bisher 
ohne  Rezidiv. 

Im  Feuilleton  findet  sich  ein  Referat  von  E.  Finger- Wien: 
Auf  welche  Weise  kann  man  die  Prophylaxe  der  venerischen 
Krankheiten  durch  Errichtung  von  Heilbehandlungs-  und 
Pflegestätten  am  besten  erleichtern? 

Grassmann  -  München. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  38. 


1588 

Inaugural- Dissertationen . 

Universität  Freiburg.  August  11H)2. 

•12.  Ili  lile  brau  dt  Wilhelm:  Die  erste  Lebereutwicklung  beim 
Vogel. 

43.  Sellentin  Lothar:  'lieber  einen  Fall  von  Magenkarziuom 
mit  Metastasen  im  Darm  und  Peritoneum,  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  Verbreitungsart  des  Krebses. 

44.  Schumacher  Gerhard:  Zur  Kenntnis  der  malignen 
Chorionepitheliome. 

45.  Freund  Heinrich:  lieber  die  Fibromyome  der  Ligamente  des 
Uterus. 

40.  Jacobsohn  Julius:  Feber  die  Ilernien  und  subse rosen 
Lipome  der  Linea,  alba. 

47.  Uehberg  Franz:  Untersuchungen  über  die  Adenome  der 
‘  Niere  und  ihre  Entwicklung. 

48.  Diepgen  Paul:  Ueber  2  Fälle  von  Thoracopagus. 

Universität  Leipzig.  März  11)02. 

21.  Bia  ly  Felix:  Ueber  die  Luxation  des  Os  lunatum. 

22.  Elias  Otto:  Erfahrungen  über  Epilepsiebehandlung  nach 
T  o  ulouse  und  11  i  e  h  e  t  in  einer  Irrenanstalt. 

23.  Iv  a  1 1  m  a  n  n  Georg:  Ueber  2  dem  Atherom  ähnliche  Ge¬ 
schwulstformen  am  Kopfe. 

24.  Osann  Ernst:  Ueber  Gehörshalluzinationen  bei  Ohrenaffek¬ 
tionen. 

25.  Schm  i  ncke  Richard:  Der  Druclibruch  von  perityplilitischen 
Abszessen  in  die  Harnblase. 

20.  Schlicht  Arthur:  Uel>er  die  Behandlung  gangränöser  Her¬ 
nien.  unter  besonderer  Berücksichtigung  von  30  in  der  chirur¬ 
gischen  Universitätspoliklinik  von  Herrn  Geh.  Med.-Rat  Prof. 

1  )r.  T  r  e  ndel  e  n  b  u  r  g  zu  Leipzig  behandelten  Fällen  (Jahr¬ 
gang  1890—1900). 

27.  Dörfer  Karl:  Ueber  die  rhacliitischen  Deformitäten  der 
unteren  Extremitäten  an  der  Universitätspoliklinik  für  ortho¬ 
pädische  Chirurgie. 

28.  Franke  Karl:  Ueber  einen  akut  verlaufenden  Fall  von  Dia¬ 
betes  mellitus,  veranlasst  durch  eine  Pankreasverletzung  (Pan- 
creatitis  liaemorrhagica). 

29.  Neu  mann  Richard:  Ueber  Tuberkulose  der  Nasen¬ 
schleimhaut. 

30.  Saupe  Alfred:  Ein  Fall  von  basaler  Lues. 

31.  Hör  witz  Jakob:  Beiträge  zur  Pathologie  und  Therapie  der 
gonorrhoischen  Epididymitis. 

32.  Boeckel  Karl:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Malum  sub- 
occipitale. 

33.  Boeder  Paul:  Ueber  das  kompensatorische  Wachstum  der 
Niere. 

April  1902. 

34.  Berger  Karl:  Ein  Fall  von  Psammokarzinom  des  Ovarium. 

35.  Graf  Fritz:  Zur  Kasuistik  der  Ureterenimplaiitation  in  der 
Blase. 

30.  IL  an  son  Wilhelm:  Ueber  den  klinischen  Wert  der  quanti¬ 
tativen  Harnsäurebestimmung  nach  der  Methode  von  Ruhe- 
m  a.  n  n. 

37.  Hof  m  an  n  Wilhelm:  Ein  Fall  von  primärer  isolierter  Ton- 
sillartuberkulose. 

38.  Singer  Curt:  Ueber  Sehstörungen  nach  Blutverlust. 

39.  Taaks  Arnold:  Ursachen-  des  Abortus. 

40.  Beckmann  Otto:  Zur  Statistik  und  Therapie  der  Placmta 
praevia. 

4L  Go  edel  Rudolf:  Ueber  einen  Fall  von  einem  jahrelangen 
reaktionslosen  Verweilen  eines  Eisensplitters  in  der  Iris. 

42.  Lewin  Max:  Ueber  den  Nachweis  und  die  diagnostische  Be¬ 
deutung  des  Pepsins  im  menschlichen  Magensaft. 

43.  Neumeister  Albreeht:  Die  Ruptur  des  schwangeren 
Uterus. 

-14.  Seidel  Alfred:  Ueber  die  Geschwülste  der  Thymus. 

45.  Walther  Fritz:  Ueber  einen  Fall  von  multipler  Gelenk¬ 
erkrankung  bei  Tabes  mit  besonderer  Beteiligung  der  Wirbel¬ 
säule. 

Mai  1902. 

40.  F  riese  Otto:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  der  Peri¬ 
karditis. 

47.  Henke  Richard:  Ueber  die  sekundäre  Sehnennaht  und  die 
Sehnennaht  bei  Sehnendefekten. 

48.  N  e  b  e  1  Arthur:  Ueber  Puerperalfieber  und  dessen  Behand¬ 
lung. 

49.  Schi  f  f  m  a  n  n  Emil:  Ueber  die  Ruptur  der  A.  meningea  med. 

50.  B  r  a  u  n  Walther:  Ueber  T  li  o  ins  e  n  sehe  Krankheit  (Myo- 
tonia  congenita). 

51.  Häring  Johannes:  Ein  Beitrag  zur  Diagnostik  und  Behand¬ 
lung  der  Nierentuberkulose. 

52.  Neufliess  Max:  Beitrag  zur  Aetiologie  und  zum  klinischen 
Ausgang  der  Extrauteringravidität. 

53.  V  o  g  e  1  Hermann:  Ueber  syphilitische  Tumoren  des  vorderen 
Augenabschnittes. 

34.  Baumann  Gerhard  Felix:  Ueber  operative  Behandlung 
eines  veralteten  paralytischen  Pes  varocalcaneus. 

35.  Loelt  Fritz:  Untersuchungen  über  die  Aetiologie  des  Ren 
mobilis. 

56.  Böttger  Wilhelm:  Ueber  einen  Fall  von  wiederholter  Extra¬ 
uterinschwangerschaft  bei  derselben  Frau. 


57.  Rozeuraad  Octave:  Die  neueren  Ergebnisse  in  der  Be¬ 
handlung  und  Prophylaxis  des  Tetanus. 

58.  S  c  h  n  e  i  il  e  r  Walter:  Zur  Aetiologie  der  W  e  i  1  scheu  Krank¬ 
heit. 

59.  Upmann  Heinrich:  Ein  Fall  von  Pes  equinus  paralyticus 
und  Pes  calcaneus  paralyticus. 

00.  Walter  Martin:  Ueber  die  Entstehung  von  Hydronephrose 
infolge  Divertikelbildung  am  unteren  Ende  des  Ureters. 

Juni  1902. 

61.  Berger  Heinrich:  Ueber  Zulässigkeit,  Anzeige  und  Folgen 
der  Abrasio  uteri. 

02.  Groll  m  an  n  Friedrich:  Ueber  die  Arbeitsleistung  der  am 
Ellbogengelenk  wirkenden  Muskeln. 

03.  Heller  Ernst:  Zur  Kenntnis  der  Fibrome  und  Sarkome  an 
Hand  und  Fingern. 

04.  Hoff  mann  Curt:  Ueber  liyperpyretischen  Gelenkrheuma¬ 
tismus. 

05.  P  a  e  t  z  Walther:  Ueber  einen  Fall  von  Meningitis  basilaris 
syphilitica  ]  >  ra  eco x . 

00.  Zierliold  Friedrich:  Die  Mortalität  der  thrombophlebi- 
tisclien  Form  des  Puerperalfiebers. 

07.  Fischer  Max:  Ueber  die  Prognose  der  akuten  Phosphor¬ 
vergiftung  nach  Eintritt  von  Ikterus  und  Leberschwellung,  be¬ 
ziehentlich  schwererer  Intoxikationserscheinungen. 

08.  K  1  ö  p  p  e  r  Wilhelm:  Ueber  die  rezidivierenden  juvenilen  Netz¬ 
haut-  und  Glaskörperblutungen. 

0!).  Lehmann  Friedrich:  Ueber  Fistula  colli  congenita. 

70.  Rauscher  Adolf:  Ueber  einen  Fall  von  gummöser  Myo¬ 
karditis, 

71.  Gregor  Hermann:  Ueber  Parotitis  epidemica. 

72.  Loh  de  Richard:  Ueber  chronische  Tabakvergiftung. 

73.  Müller  Guido:  Ueber  den  angeborenen  und  erworbenen 
IIochstand  des  Schulterblattes. 

74.  Rohnstein  Reinhard:  Untersuchungen  zum  Nachweis  des 
Vorhandenseins  von  Nerven  an  den  Blutgefässen  der  grossen 
Nervenzen  tren. 

75.  Rüffer  Walter:  Ueber  diabetische  Keratitis  im  Anschluss 
an  eine  Beobachtung. 

70.  Stein  icke  Paul:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Wander¬ 
niere  und  ihre  Behandlung. 

77.  Wolf  f  Woldemar:  Die  autochtlione  Sinusthrombose.  (Mit 
Veröffentlichung  von  2  Fällen.) 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Greifswalder  medizinischer  Verein. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  2.  August  1902. 

V orsitzender :  Herr  G  r  a  w  i  t  z. 

Schriftführer :  Herr  Schlepko  w. 

1.  Herr  Busse:  Ueber  Deciduoma  malignum. 

Eine  etwa,  40jälirige  Frau  starb  nach  1  tägigem  Aufenthalt  in 
der  medizinischen  Klinik  unter  dem  Bilde  einer  rechtsseitigen 
Hemiplegie.  Als  Ursache  derselben  fand  sich  eine  Embolie  der 
linken  Art.  fossae  Sylvii  und  zahlreicher  kleiner  Arterien  mit  blu¬ 
tiger  Infiltration  der  benachbarten  Pia  mater,  wie  bei  malignen 
Embolien.  Im  linken  Herzen  lag  bei  völlig  intakten  Klappen  ein 
gut  hühnereigrosser  Parietalthrombus  von  trockenem  Aussehen, 
höckeriger,  zerklüfteter  Oberfläche  und  graugelber  Farbe.  Auch 
in  dem  rechten  Ventrikel  ein  ähnlicher  Thrombus,  ebenso  in  einem 
Hauptaste  der  rechten  Lungenvene  und  einem  Aste  der  Vena 
hepatica;  in  Milz  und  Niere  umfangreiche  embolische  Nekrosen 
und  im  Darm  zahlreiche  Embolien  kleiner  Arterien,  umgeben  von 
hämorrhagischen  Höfen.  Alle  die  Gerinnsel  erwiesen  sich  nun 
als  Tumormassen,  deren  monströse  Zellformen  oft  mit  vielen 
Kernen  versehen,  deren  eigenartige  Strukturverhältnisse  zeigten, 
dass  die  Geschwulst  in  die  Gruppe  der  sogen.  Deciduome  gehöre. 

Auf  Erkundigungen  stellte  sich  auch  heraus,  dass  die  Pa¬ 
tientin  vor  V2  Jahre  abortiert  hatte;  ob  dabei  stärkere  oder  länger¬ 
dauernde  Blutungen  auf  getreten  waren,  war  nicht  zu  ermitteln. 
Was  aber  den  Fall  zu  einem  besonders  beachtenswerten  macht, 
ist  der  Umstand,  dass  in  dem  mässig  vergrösserten  Uterus  weder 
in  der  Schleimhaut,  noch  in  den  Wandungen,  noch  auch  in  den 
Adnexen  irgend  etwas  von  einem  Primärtumor  zu  entdecken  ist. 
Die  Untersuchung  des  Herzens  ergibt  eine  ältere  interstitielle 
Myokarditis  und  Anfüllung  zahlreicher  Arterien  und  Venen  mit 
Geschwulstmasse,  die  hier  und  da  durch  die  Wandung  dringt.  Es 
findet  sich  absolut  nichts,  was  dafür  spricht,  dass  die  Geschwulst 
von  den  Wandungen  des  Herzens  ausgegangen  wäre,  und  müssen 
wir  also  annehmen,  dass  Plazentarteile  durch  die  Uterusvenen 
aufgenommen  und  verschleppt  und  dann  hier  in  der  von  fibrös 
degenerierter  Wandung  umgebenen  Herzspitze  in  einem  sich  bil¬ 
denden  Parietalthrombus  zur  Ansiedlung  gekommen  sind  und  sich 
weiter  entwickelt  haben.  Die  von  hier  verschleppten  Geschwulst¬ 
teile  haben  dann  in  anderen  Gebieten  Arterien  verstopft  und 
deren  Wandungen  zum  Teil  durchbrochen,  so  dass  teils  Nekrosen, 
teils  Blutungen  als  Folge  der  Embolien  auftreten.  Wir  hätten 
also  den  höchst  bemerkenswerten  Fall,  dass  hier  in  den  verschie¬ 
densten  Organen  gewissennassen  Geschwulstmetastasen  vorliegen, 
ohne  dass  ein  eigentlicher  Primärtumor  besteht. 


23.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICIN ISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ti  .!ie"r  ^  6  n  15  e  r  t:  Ueber  idiopathische  Stauungsleber. 

Mit  diesem  Namen  bezeichnet  Penk  er  t  eine  (truppe  von 
Stauungs  ehern  bei  denen  der  Grund  für  den  Blutabfluss  in  der 
Leber  selbst  und  zwar  in  einem  Verschluss  oder  Verengerung  der 
\  enae  hepaticae  zu  suchen  ist.  Es  handelt  sich  hierbei  unfeine 
kongenitale  Anomalie  und  das  Krankheitsbild  hat  ganz  den  Ver- 
tri't  r  Wie  er  in  c*em  von  p  e  11  k  e  r  t  beobachteten  Ealle  liervor- 

Em  22  Monate  alter  Knabe  hatte  unter  schwerster  Atemnot 
bedingt  durch  hochgradigen,  immer  stärker  werdenden  Hydrops 
ascites,  zu  leiden.  Wiederholte  Punktion,  wie  auch  die  Talma- 
sehe  Operation  brachten  keine  Besserung.  Die  Ursache  des  Lei¬ 
dens  wurde  erst  durch  die  Sektion  klargestellt.  Es  fand  sich  eine 
ungeheure  Stauungsleber  mit  dem  für  einen  noch  nicht  2  jährigen 
Knaben  mächtigen  Gewicht  von  850  g.  Besonders  gross  war 
Lobus  dexter  und  Lobus  caudatus.  Iierz  und  Herzklappen  waren 
absolut  intakt.  Die  Ursache  für  die  Stauung  fand  sich  beim  Auf- 
sclineiden  der  Vena  cava  inferior.  In  diese  mündete  die  grössere 
rechte  und  linke  Lebervene  als  feiner  fibröser  Strang,  die  linke 
durch  ein  kleines  Fibringerinnsel  ausgefüllt,  die  kleineren  Venen 
waren  entweder  nur  für  eine  Stecknadelspitze  durchgängig  oder 
endigten  überhaupt  blind.  Das  angestaute  Blut  wurde  so  weit 
als  möglich  durch  die  offen  gebliebene  Vena  umbilicalis  und  die 
erweiterten  Venen  in  dem  Ligamentum  Suspensorium  und  coro- 
n, -ii  nun  besorgt.  (Ausführlichere  Mitteilung  in  Virchows  Archiv.) 


1589 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Officielles  Protokoll.) 

Sitzung  v  o  m  10.  Juni  1902. 

T  or  der  Tagesordnung: 

Herr  Fleiner:  Erinnerungen  an  die  Dozentenzeit 
.  Kussmauls  und  die  Gründung  des  naturhistorisch-medi- 
zmischen  Vereines  in  Heidelberg. 

M.  H.!  Vor  dem  Eintritt  in  die  heutige  Tagesordnung  mögen 
Sie  mir  gestatten,  eine  Pflicht  der  Pietät  zu  erfüllen,  indem  Ich 
das  Bild  Adolf  Kussmauls  in  Ihr  Gedächtnis  zurückruf© 
haben"11'  T°r  weui8'en  TaSen  erst  zur  letzten  Ruhestätte  begleitet 

,  Erwarten  Sie  nicht  von  mir,  dass  ich  Ihnen  hier  ein  Lebens¬ 
bild  dieses  seltenen  Mannes  zeichne;  sein  Leben  war  viel  zu  gross 
und  reich,  als  dass  die  kurze  Spanne  Zeit,  über  welche  ich  hier 
verfuge,  mehr  als  nur  einzelne  Züge  wiederzugeben  gestattete 

Die  meisten  von  uns  haben  Kuss  m  a  u  1  nur  in  ehrfurcht¬ 
gebietendem  Alter  gekannt.  Auch  ich  sah  Kussmaul  zum 
ersten  Male  hier  in  Heidelberg  im  Jahre  1889  auf  der  Natur¬ 
torscherversammlung,  wo  er  mir  gelegentlich  eines  von  einer 
Kranken  Vorstellung  begleiteten  Vortrages  über  Addison  sehe 
Krankheit  m  einer  Sitzung  der  medizinischen  Sektion,  die  drüben 
in  einer  Nervenbaracke  tagte,  opponierend  entgegentrat.  Das 
Ende  der  Diskussion  vor  der  grossen,  damals  hier  versammelten  Ge- 
sellscliatt  bedeutete  für  mich  scheinbar  eine  Niederlage,  denn  gegen 
die  gewichtige  Autorität  des  grossen  Klinikers  Kussmaul  konnte 
der  eben  erst  gewordene  Privatdozent  nicht  aufkominen.  Und 
dennoch  ergab  der  bald  zu  erhebende  Sektionsbefund  mein  Recht. 

.  ,.°.n  <la  au  zo&  m-c‘h  Kussmaul  in  seiner  grossen  Gerechtig¬ 
keitsliebe  an  sich:  anfangs  nur  zu  mikroskopischen  und  chemischen 
dann  auch  zu  klinischen  Untersuchungen  in  einzelnen  schwierigen 
und  zeitraubenden  Fällen,  schliesslich  aber  zur  Behandlung  der 
meisten  seiner  Patienten.  Am  Krankenbette  lernte  ich  den  grossen 
Arzt  bei  den  Untersuchungen  den  weitsehenden  Forscher  und  Ge¬ 
lehrten  und  im  Umgänge  den  edeln  Menschen  bewundern  und  ver- 
ehren  So  wurde  mir  bald  ans  dem  mächtigen  Gegner  ein  väter- 
lcher  Freund,  an  den  mich  eine  ein  Jahrzehnt  überdauernde  ge¬ 
meinsame  tägliche  Arbeit  und  gar  manche  schöne  und  heitere, 
aoer  auch  gar  manche  schwere  und  ernste  Stunde  fesselte. 

Es  sollen  aber  nicht  persönliche  Erinnerungen  sein,  die  ich 
liier  liervorrufen  will;  auch  vom  alten  Kuss  m  a  u  1,  wie  Sie  alle 
ihn  kannten  und  verehrten,  will  ich  liier  nicht  reden  —  dem 
jugendlich  eu  Dozenten  Dr.  Adolf  Kuss  maul  möchte  ich  hier 
™'|e, '' orte  des  Gedenkens  weihen,  der  hier  am  24.  Oktober 

isob  de  n  medizi  n  isc  h- n  atur  historischen  Verein 
gegründet  hat. 


.  ^war  gieben  die  Verhandlungen  des  naturhistorisch-medi- 
zniischen  V  erems  nur  Bericht  über  die  an  dem  genannten  Tage  er¬ 
folgte  .  Konstituierung  der  Gesellschaft,  welcher  sofort  48  Mitglieder 
aus  Heidelberg  und  den  benachbarten  Orten  beitraten;  auch  auf 
che  einleitenden  Schritte,  welche  schon  im  Oktober  1850  der  Kon- 
.  tituierung  des  Vereins  vorausgingen,  deuten  sie  nur  hin  —  von 
vem  aber  diese  Schritte  ausgingen,  bleibt  verschwiegen.  Nun 
mss  ich  aus  mündlichen  Mitteilungen,  die  mir  Kuss  m  a  u  1 
S  ’0,  gemacht  liat  und  auf  die  er  an  seinem  80.  Geburtstage, 
anlässlich  seiner  Ernennung  zum  Ehrenmitgliede  des  Vereins 
neuer  zuruckkam,  dass  e  r  es  gewesen  ist,  der  die  Idee  zur  Griin- 
uimg  unseres  Vereins  gefasst  und  die  einleitenden  Schritte  zur 
-onst’tmerung  desselben  gemeinschaftlich  mit  dem  unter  uns 
«eilenden  Senior  der  hiesigen  Aerzte  Med.-Rat  Dr.  Mitter- 
Aiicoo  1  kak  Adolf  Kuss  m  a  u  1  ist  nach  seinen  eigenen 

ussagen  der  eigentliche  Gründer  des  naturhistorisch-medizinischen 
f,.^!ns’  fieser  Gesellschaft,  die  sich  nun  bald  50  Jahre  nicht  nur 
«pw+uu  lehensfallig  gezeigt,  sondern  auch  in  der  ganzen  wissen- 
ssenatthehen  Welt  Achtung  und  guten  Namen  geschaffen  und  be- 


n!^i  hat  und  die  durch  ihre  gedruckten  Verhandlungen  in  regem 
la usclnerkehre  steht  mit  den  meisten  deutschen  und  zahlreichen 
ausländischen  wissenschaftlichen  Gesellschaften 

Versetzen  Sie  sich  mit  mir  in  jene  Zeit  zurück  in  welcher 

TVa\i  f  UV1,!1 1  UaCh  H®fdeiberg  zog,  um  sich  der  akademischen 
La  u  f  b  a  li  n  zu  widmen.  Eine  vorzügliche  medi¬ 
zinische  Schulung  hatte  er  hinter  sich  —  sehen  Sie  nur 
in  den  „Jugenderinnerungen  eines  alten  Arztes“  nach  seinem  Bil¬ 
dungsgänge  auch  praktische  Erfahrun  g  hatte  sich 
Kussmaul  als  badischer  Militärarzt  bei  den  Truppen  im  Felde 
und  bei  den  Gefangenen  der  Kasematten  in  Rastatt  und  besonders 
iinri1  als  Eand.-irzt  in  Kandern  reichlich  gesammelt  und  was  ihm 
zur  Habilitierung  zu  fehlen  schien,  bei  Virchow 
K  o  1 1  i  k  e  r  und  Scherer  in  Würzburg,  bei  Roller  Herz  r’ 
Fischer  und  Gudde  n  in  Illenau  erworben. 

Sogar  auf  eine  ansehnliche  Reihe  von  grösseren  und  kleineren 
^  m  In  ^rzughehen  Arbeiten  -  welche  Sie  in  dem  Kuss  m  a  u  1 
zum  8°.  Geburtstage  gewidmeten  Festbande  des  Deutschen  Archivs 
t.  klm  Med.  von  mir  zusammengestellt  und  referiert  finden  — 
konnte  Kussm  nu!  schon  zurücksehen,  als  er  im  Winter  1854/55 

Trän  äcf  Ue]len  1:rn,ktischer  Tätigkeit  an  wissenschaftlicher 
Arbeit  fast  überreiches  Leben  begann. 

Der  Anfang  in  Heidelberg  war  auch  für  einen  Mann  von 
Kussmauls  Fähigkeiten  schwer  und  doppelt  schwer  auch  aus 
r  em  , runde,  dass  die  aus  der  Landpraxis  gewonnenen  und  für  die 
Anfangszeit  der  Dozentenlaufbahn  bestimmten  Ersparnisse  ver- 
untreut  worden  waren  und  durch  neue  Praxis  die  Mittel  zum 
Unterhalt  der  schon  mit  2  Kindern  gesegneten  Familie  erworben 
werden  mussten. 

(.)n  kat  n?u'  K  11  s  s  ni  a  u  1  gesagt,  wenn  er  von  jener  Zeit 
[luach:  „Die  jungen  Herren,  welche  sich  als  Assistenten  eines 

.mSfthT  f.e.steni  Gehalt  und  allen  vom  Staate  für  wissen¬ 
schaftliche  Arbeiten  gebotenen  Mitteln  habilitieren  können,  wissen 
gai  nicht,  w  i  e  g  u  t  sie  es  haben.  Für  mich  war  der  Beginn  der 
akademischen  Laufbahn  ein  Wagnis,  aber  über  Erwarten  gut  ist 
es  nur  geglückt.“ 

lvm,A1rn  ,mfstea  entbehrte  Kussmaul  anfangs  das  klinische  und 
pathologische  Material;  er  wandte  sich  desshalb  exp  er  i  men  - 
e  len  Untersuchungen  und  literarischen  Stu¬ 
dien  zu  und  bearbeitete  auf  diese  Weise  die  verschiedensten  Ge¬ 
biete  der  medizinischen  Wissenschaft:  ich  erinnere  nur  an  die 
Untersuchungen  über  den  Einfluss,  welchen 
aie  Blutstro  m  un  g  auf  die  Bewegungen  d  er.Iris 
u  n  d  anderer  Teile  des  Kopfes  a  u  s  ü  b  t,  an  die  Unter¬ 
suchungen  über  den  Einfluss  der  Blutströmung 
Wn  n  g  r  °  s  s  e  n  Gefässen  des  Halses  auf  die 
\V  a  rmedes  Ohres  beim  Kaninchen  und  ihr  Verhältnis  zu  den 
\  armeyeranderungiem,  welche  durch  Lähmung  und  Reizung  des 
Sympathikus  bedingt  werden  und  an  die  Untersuchungen 
u  b  er  Irspr  u  n  g  u  n  d  Wesen  der  fallsuchtartigen 
überbau  it  g  6  U  ’  e  1  der  Verbintung  sowie  der  Fallsucht 

Allen  diesen  Arbeiten  lag  der  grösste  Gedanke  zu  Grunde: 
„m  i  t  der  Leuchte  des  physiologischen  Versuches 
i  n  d  e  r  H  a  n  d  in  jene  so  dunkle  Provinz  der  Pathologie  der  Zir¬ 
kulationsstörungen  des  Gehirns  siegreich  vorzudringen  und  die  Zahl 
der  gesegneten  Eroberungen  zu  vermehren,  welche  der  Medizin  und 
der  Benutzung  dieses  grossen  Hilfsmittels  bereits  erwachsen  sind“. 

,  Al.l  Arbeiten  schlossen  sich  Unterucliungen  an,  welche 

hauptsächlich  mit  den  Vorlesungen  des  jungen  Dozenten  in  Ver¬ 
bindung  standen,  und  zu  welchen  die  Anregung  vielleicht  durch  den 
eiut  des  verehrten  Vaters  K  u  s  s  m  a  u  1  s,  des  Pliysikus,  gegeben 
wurde,  z.  B. :  U  e  b  e  r  die  Totenstarre  und  die  ihr  nahe 
verwandten  Zustände  der  Muskelstarre,  mit  b  e  - 
s  o  n  d  e  r  e  r  Rücksicht  auf  die  Staatsarzneikun  d  e* 
ferner  über  die  Ertötung  d  ©  r  Gliedmassen  durch 
Einspritzung  von  Chloroform  in  die  Schlag- 
a  de  r  n;  und  über  einige  Bestandteile  des  Fliegen - 
sch  w  a  m  m  e  s.  Durch  mehr  oder  weniger  zufällige  Beobach¬ 
tungen  m  der  Praxis,  dem  Seziersaal  und  den  pathologischen 
teammlungen  kam  Kussmaul  zum  Studium  der  Eileite r- 
s  c  h  w  angerschaft  und  der  Ueber  Wanderung  des 
Eies,  ferner  zu  kritischen  Untersuchungen  über  die  Nacli- 
e  m  p  f  ä  n  g  n  i  s  und  zur  Erforschung*  der  Entwicklungs- 
a  n  o  m  allen  der  Gebä  r  m  utte  r.  Ueber  diese  Gegenstände 
hat  Kussmaul  im  naturhistorisch-medizinischen  Verein  ver¬ 
schiedene  Vorträge  gehalten,  die  gesamten  Resultate  seiner  For¬ 
schungen  aber  zusammengefasst  in  dem  berühmten  Buche:  Von 
dem  Mange  1,  d  er  Verkii  m  m  erung  und  Verdoppe¬ 
lung  der  Gebärmutter,  von  der  Nachempfängnis 
und  der  Ueberwanderung  des  Eies  (Würzburg  1859). 

Mit  den  Vorlesungen  selbst  hatte  der  Privatdozent  Kuss- 
ni  a  u  in  Heidelberg  keine  leichte  Aufgabe.  Da  er  nirgends  mehr 
Assistent  war,  keiner  Klinik  und  keinem  Institute  angehörte,  war 
K.  auch  mit  den  Vorlesungen  lediglich  auf  sich  selbst  angewiesen: 
feste  Kurse  und  obligate,  eingeführte  Kollegien  gab  es  für  ihn 
nicht;  er  musste  sich  solche  selbst  suchen,  schaffen  und  begründen. 
Dabei  hat  es  K  u  s  s  m  a  u  1  wohl  auch  erfahren,  dass  es  eine 
schwierige^  Aufgabe  ist,  den  vollbeschäftigten,  mit  Vorlesungen 
fast  übersättigten  jungen  Mediziner  zu  neuen  Kollegien  heran¬ 
zuziehen,  sonst  hätte  er  wohl  in  den  wenigen  Jahren  seiner  Heidel¬ 
berger  Dozenteinzeit,  von  1855—1859  nicht  so  vielerlei  Vorlesungen 
angezeigt,  wie  er  es  getan  hat.  Das  erste  Kolleg  „über  den 
T  o  d“  war  publice  und  wurde  im  Sommersemester  1856  gehalten; 
über  Heilmittellehre  und  Psychiatrie  las  Kussmaul  ini 


1590 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Wintersemester  1856/57;  ein  Examinatoriura  ü n !h 
mittellelire  und  eine  Vorlesung  über  g  e  i  i  e  *  *  ^ 

Anthropologie  folgten  ira  Sommer  18o, .  Als  ^vtraorüi 
narius  las  Kussmaul  im  Wintersemester  I801/08  ubei  d 
Lehre  von  den  Seelenstörungen  für  Mediziner  und 
Juristen,  im  Sommer  1858  über  genchtli  c  h  e  M  ediz  in  für 
Juristen,  im  Wintersemester  1858/o9  gerich  1 1 1  c  lie  M  e  1 
zin  und  Toxikologie  für  Mediziner,  die  Toxikologie  gemein¬ 
sam  mit  Born  träger,  endlich  im  Jahre  l®59  nieder  Psych¬ 
iatrie,  ferner  gerichtliche  Medizin  f  u  1  Juristen 
und  allgemeine  Pathologie. 

Es  wurden  also  von  1855-59,  genauer  genommen  vom  Sommer 
1S56  bis  Sommer  1859  inkl.,  also  in  7  Semestern,  9  verschiedene 
Kollegien  angezeigt  und  gelesen  —  eine  gewaltige  l 
s  tu  n  g  die  Kussmaul  nicht  so  leicht  einer  nachmachen  wird. 
Aber  wenn  es  ihm  auch  Zeit  und  Mühe  kostete,  so  war  dieses  viel¬ 
gestaltige  Dozieren  doch  (am  meisten)  lehrreich  für  den  Dozenten 
selbst  und  ungleich  viel  anregender  für  die  Hörer  als  die  Arbeit  des 
akademischen  Schulmeisters,  der  Semester  für  Semester  ein  u 
denselben,  nur  wenig  veränderten  Lehrstoff  in  wolilabgeteilte 

,10n<Ers\aunlich  ist  nur,  dass  neben  all  dieser  Arbeit  Kuss  m  a  u  1 
noch  Zeit  übrig  behielt  für  seine  Praxis.  \V  le  diese  1  raxis  aus 
geübt  wurde,  das  können  Sie  hier  in  Heidelberg  noch  von  manchem 
Patienten  Kussmauls  aus  jener  Zeit  hören,  schon  damals  wai 
er  der  grosse  Arzt,  der  mit  dem  zunehmenden  Glanze  seines  Namens 
einem  jeden  höher  strebenden  Mediziner  ein  leuchtendes  Vorbild 
ist.  Eine  kurze  Andeutung  über  seine  praktische  Thatigkeit  m 
jener  Zeit  fand  ich  in  seinen  Briefen  über  Me  nschenpock  e 
'und  Kuhpockenimpf  11 11  g.  Da  erwähnt  K  u  s  s  in  au  1  in 
der  Geschichte  der  Einführung  der  Vaccmatiomm  badischen  Lande 
eine  Erfahrung  aus  seiner  Praxis  in  Eppelheim,  dem  bekam  - 
teil  Dorfe  bei  Heidelberg:  „Die  Blattern  waren  ausgebrochen, 

3  Kinder  lagen  schon  schwer  ergriffen  darnieder.  Rasch  impfte 
ich  die  zahlreichen  noch  ungeimpften  Kinder  des  Dorfes  und  hatte 
die  Freude...,  dass  kein  Kind  von  den  Blattern  weiter  ergufte 
wurde.  Die  3  angesteckten  Kinder  aber  starben.“ 

Wenn  ich  nun  noch  zu  den  Taten  der  ersten  Semester  der 
Heidelberger  Dozentenzeit  Kuss  m  a  11 1  s  die  Gründung  des  natui- 
historisch-medizinischen  Vereines  zähle,  so  darf  ich  wohl  noc  1 
die  Frage  auf  werfen,  welche  Motive  mögen  den  jungen  Ge¬ 
lehrten  zu  der  Gründung  bewogen  haben,  von  welcher  wir  hiei 

alle  jetzt  noch  Genuss  und  Vorteil  ziehen? 

Zur  Stillung  seiner  Wissbegier  genügten  dem  lebendigen  Geiste, 
dem  die  Natur  die  beste  Lehrmeister!  n  gewesen  ist, 
die  toten  Bücher  nicht.  Sehen  Sie  sich  noch  einmal  die  herrlichen 
„Jugenderinnerungen“  an!  Den  Menschen  Kussmaul,  die 
heitere,  mitteilsame  Natur  verlangte  es  nach  Menschen  und  so 
wje  der  Schüler  seine  Jugendfreunde  und  der  Student  seine  Korps¬ 
brüder  und  Studiengenossen  an  sich  zog  und  manchen  von  ihnen 
zeitlebens  als  Freund  behielt,  so  wollte  auch  Kussmaul  als 
Dozent  in  Heidelberg,  als  Mitglied  einer  grossen  Körperschaft, 
mit  seinen  Kollegen  nicht  nur  dem  Namen  nach  zusammengehoren, 
sondern  persönlich  mit  ihnen  verkehren,  ihr  Wirken  und  ihre 
Interessen  kennen  lernen  und  in  einem  Kulturzentrum,  wie  es  ehe 
Heidelberger  Universität  immer  gewesen  ist,  sich  nicht  auf  den 
Kreis  eigener  Arbeit  beschränken,  sondern  auch  die  Fruchte  der 
Erkenntnis  anderer  gemessen. 

Die  abendlichen  Zusammenkünfte  nach  Schluss  der  Labora¬ 
torien  in  der  (vielen  von  uns  noch  bekannten,  jetzt  aber  vom 
.  Gutenberg“  verdrängten)  Meierei  an  der  Ecke  der  Hauptstrasse 
und  Brunnengasse,  „wo  man  die  neuesten  Nachrichten  aus  allen 
chemischen  Küchen  des  In-  und  Auslandes  bequem  erfahren  konnte  , 
Hessen  den  Plan  reifen  zur  Vereinigung  der  Vertreter  der  natur¬ 
wissenschaftlichen  und  medizinischen  Fächer  unserer  Hochschule 
zum  Zwecke  persönlichen  Verkehrs  und  gemeinsamer  Arbeit. 
Kussmaul  hat  mit  seinen  Jugendjahren  noch  in  die  Zeit  zu¬ 
rückgereicht,  wo  die  „Medizin  die  unnatürliche  Allianz  loste,  die  sie 
mit  der  Spekulation  geschlossen  hatte“  und  durch  Gründung  des 
naturhistorisch-medizinischen  Vereins  für  Heidelberg  der  Medizin 
„den  richtigen  Platz“  neben  den  Erfahrungswissenschaften  ein- 
geräumt. 

Dass  Kussmaul  stolz  war  auf  seine  „Gründung“,  das 
werden  Sie  begreifen,  wenn  Sie  den  ersten  Band  der  Verhand¬ 
lungen  des  naturhistorisch  - medizinischen  Ver¬ 
eins  zu  Heidelberg  aus  den  Jahren  1857—1859  zur  Hand 
nehmen  und  neben  dem  ungeheueren  Materiale,  das  der  kleine 
Band  umfasst,  die  stattliche  Reihe  berühmter  Namen  lesen,  die 
der  Anregung  Kussmauls  zur  Mitarbeit  gefolgt  sind. 

Das  Andenken  Kussmauls  werden  wir  am  besten  ehren, 
wenn  wir  nicht  nur  als  Aerzte,  und  Gelehrte  seinem  idealen  Vor- 
bilde  nachstreben,  sondern  auch  hier  in  seinem  Geiste  weiter 
wirken! 

Tagesordnung :  , 

1.  Herr  Sack:  Heber  die  Natur  der  regressiven  Gewebs¬ 
veränderungen,  welche  der  Lupus,  das  Ulcus  rodens  und  die 
Teleangiektasie  unter  der  Einsen  sehen  Lichtbehandlung 

erleiden.  (Siehe  diese  Wochenschr.,  No.  27,  1902.) 

Diskussion:  Herren  Jordan,  Sack,  "V  ü  1  lv  e  1 . 

2.  Herr  Krieger:  Kranken  Vorstellung  (Chorea  chronica 

progressiva  hereditaria). 

3.  Herr  Hans  Curschmann:  Ueber  traumatische  Ne¬ 
phritis.  (Der  Vortrag  erscheint  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer.) 


Diskussion:  Herren  Erb,  Jordan,  F  1  e  i  n  e  r,  Bruns, 
Braue  r,  Fischler. 

4.  Herr  Brauer:  Perimysitis  crepitans.  (Mit  Kranken¬ 
vorstellung.)  .  .  .  .  .  .,  •  , 

Unter  Perimysitis  (oder  Easeio-Perimysitis)  crepitans  is 

ein  entzündlicher^  zu  fibrinösen  xkuflagerungen  führender  Pro¬ 
zess  zu  verstehen,  welcher  das  Perimysium  externum  einerseits, 
die  Innenfläche  der  breiten,  die  Muskeln  umhüllenden  Faszien 
andrerseits  befällt  und  im  wesentlichen  zu  folgenden  Erschei¬ 
nungen  führt: 

1  Bei  der  gegenseitigen  Verschiebung  der  Muskeln  an¬ 
einander  und  an  den  Faszien  entsteht  ein  knarrendes,  krepi- 

tierendes,  schnurrendes  Geräusch. 

2.  Hierbei  entstehen  Schmerzen,  welche  die  Muskel¬ 
bewegungen  behindern.  . 

Der  Vortragende  demonstriert  einen  derartigen  Kranken. 
Hier  hatte  sich  der  Prozess  infolge  von  Ueberaiistrengung  des 
einen  Beines  neben  einer  Gonitis  sicca  und  Tendovagimtis  crepi¬ 
tans  entwickelt.  Die  Perimysitis,  die  sich  wesentlich  an  dei  Ober¬ 
schenkelmuskulatur  etabliert  hatte,  beherrschte  mit  ihren  Er- 

scheinunaen  das  Krankheitsbild. 

Der  Fall  wird  in  den  Mitteilungen  für  die  Grenzgebiete  aus¬ 
führlich  publiziert  werden. 

Diskussion :  Herr  J  0  r  d  a  n. 


Physiologischer  Verein  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  13.  Januar  1902. 

Herr  Star  gar  dt  demonstriert  an  einem  Patienten  mit 
ekto gener  Siderosis  bulbi  die  Verrostung  der  Kornea  mit  dem 

binokularen  Mikroskop.  n.  wn  ,ipl. 

Die  ganze  Kornea  ist,  am  stärksten  vor  der  Stelle,  wo  üei 

Fremdkörper  in  Iris  und  Linse  4  Jahre  lang  gelegen  batte,  braun- 
0lte“eS  Bei  der  35  fachen  Vergrößerung  des  binokularen 
Mikroskopes  sieht  man  die  normalerweise  als  feinste  grauweisse 
Flöckchen  sichtbaren  Hornhautzellen  in  allen  Schichten  der  Kornea 
bräunlich1  gelb  verfärbt,  was  wohl  ohne  Zweifel  auf  Rostmeder- 
schläire  in  den  Zellen  zurückzuführen  ist. 

Bei  einem  anderen  Falle  hatte  St.  beobachtet,  dass  6  Wochen 
vor  dem  Auftreten  der  für  Siderosis  charakteristischen  Linsen- 
flecke  ein  feiner  dunkelbrauner  Niederschlag  auf  der  vordeieu 
irisfläche  sich  zeigte,  der  von  Tag  zu  Tag  zunahm  und  auf  Vei- 
rosturp'-  der  Endothelzellen  und  Ablagerung  pigmenthaltiger  Zellen 
auf  der  vorderen  Irisfläche  zurückgeführt  wird;  ein  Umstand  der 
zur  frühzeitigen  Stellung  der  Diagnose  Siderosis  bulbi  vielleicht 

D  ems'e  1  b  e  bespricht  eine  eigenartige  Maculaveränderung 
bei  Myopie.  (Erscheint  ausführlicher  a.  a.  O.) 

Sitzung  v  o  m  3.  E  e  b  r  u  a  r  1902. 

Herr  R.  0.  Neumann:  Bakteriologische  Untersuch¬ 
ungen  gesunder  und  kranker  Nasen,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Pseudodiphtheriebazillus.  .... 

Es  wurden  an  206  Personen  230  Untersuchungen  ausgetuhrt. 
Davon  entfielen  auf  normale  Nasen  111,  auf  N  a  s  en  - 
af  f  ektionen  irgend  welcher  Art  95  Untersuchungen.  ie 
Zahl  der  im  ganzen  gefundenen  Bakterienspezies  betrug  19,  (loch 
sind  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  relativ  wenig  verschiedene  neben¬ 
einander  vorhanden.  Am  häufigsten  finden  sich  Pseudo¬ 
dip  h  t  h  e  r  i  e  b  a  z  i  1 1  e  n  und  weisse  Mikrokokken, 
weniger  häufig  orange,  graue  und  gelbe  Mikro¬ 
kokken,  Pneumonie  Fraenkel,  Streptokokken, 
Pneumonie  Friedländer,  Diphtheriebazille  11, 
vereinzelt  Coli,  Hefe,  Schimmel,  bunte  Stäbchen, 
S  a  r  eine  11  und  noch  einige  andere  Organismen. 

M  i  c  r  o  c.  pyogenes  albus  ist  in  86  bis  90  P«>z., 
Pseudodiphtheriebazillen  sind  in  98  Proz.  der  E alle 
anwesend,  so  dass  man  mit  Recht  behaupten  kann,  letzt  eie 
finden  sich  in  jeder  gesunden  und  kranken 
Nase.  Die  zartere  Form  (Corynebact.  xerosis)  ist  viel 
häufiger  als  die  üppigere  Form  (Corynebact.  pseudodiph- 
theriticum). 

Beim  Schnupfen  treten  die  an  sich  pathogenen  Organis¬ 
men  ,  Pneumonie  Fraenkel  und  Friedländ  e  1 , 
Streptococcus  pyogenes  und  Diphtheriebazi  - 
len  gegenüber  den  normalen  Nasen  mehr  in  den  Vordergium  . 

Der  Pseudodiphtheriebazillus  ist  nicht 
virulent.  78  aus  verschiedenen  Nasen  gezüchtete  Stämme 
töteten  in  keinem  Falle  Meerschweinchen.  In  einzelnen  Fällen 
traten  nur  schwache  Infiltrate  an  der  Injektionsstelle  auf.  Der 
Organismus  kann  mit  der  Entstehung  es 


23.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1591 


Schnupfens  nicht  in  Zusammenhang  gebracht 
w  erde  n  und  ist  n  u  r  a  1  s  harmloser  Saprophyt 
aufzu  fasse  n. 

Sicher  ist  bewiesen,  dass  virulente  Diph¬ 
theriebazillen  und  1  raenkelsche  Pneumonie 
die  klinischen  Erscheinungen  des  g  e  w  ö  h  n  - 
liehen  Schnupfens  hervorbringen  können.  Ob 
und  in  welcher  Weise  auch  andere  pathogene  Keime  daran  be¬ 
teiligt  sind,  bleibt  noch  zu  beantworten.  Ein  spezifischer 
Erreger  für  den  Schnupfen  hat  sich  bei  den 
Untersuchungen  nicht  finden  lassen. 

Herr^  Heer  mann:  Ueber  Caissonkrankheit. 

Die  Symptome  dieser  „Krankheit  der  modernen  Zivilisation/' 
können  bei  Individuen  entstehen,  welche  unter  erhöhten  Luft¬ 
druck  gesetzt  werden  und  die  die  Drucksteigerung,  welche  sich 
zunächst  durch  eine  Retraktion  der  Trommelfelle  bemerkbar 
macht,  durch  Schluckbewegungen  oder  den  V  a  1  s  a  1  v  a  sehen 
\  ei  such  nicht  entsprechend  rasch  auszugleichen  vermögen.  Mer- 
Schwellungen  der  Nase,  wie  beim  akuten  Schnupfen,  führen 
hier  häufig  zu  Mittelohrentzündungen,  Blutungen  aus  der 
Paukenhöhlenschleimhaut  und  ihren  Folgeerscheinungen.  Um¬ 
gekehrt  können  bei  der  Rückkehr  aus  dem  erhöhten  in  den  nor¬ 
malen  Luftdruck  eine  Fülle  von  Erscheinungen  zur  Beobachtung 
kommen,  die  sich  alle  durch  die  Bildung  von  freien  Stickstoff¬ 
blasen  in  den  Gefäseen  und  ihre  Zirkulation  in  der  Blutbahn  er¬ 
klären. 

\  ortragender  behandelt  eingehend  die  Hörstörungen,  die 
durch  zu  rasche  Dekompression  hervorgerufen  werden,  und  be¬ 
sonders  diejenigen  Erscheinungen,  welche  unter  dem  Namen  des 
M  e  n  i  e  r  e  sehen  Symptomenkornplexes  zusammengefasst  wer¬ 
den.  Dieselben  gewinnen  dadurch  ein  hervorragendes  Interesse, 
dass  hier  die  Aetiologie  des  Symptomenkornplexes  bekannt  ist. 

(Der  Vortrag  ist  veröffentlicht  als  No.  334  der  Volk- 
m  a  n  n  sehen  Sammlung  klinischer  "\  orträge.  Leipzig,  Breit- 
kopf  &  Härtel,  1902.) 

Sitzung  v  o  m  17.  F  e  b  r  u  a  r  1902. 

1  M  e  y  e  r:  Der  Korsakow  sehe  Symptomenkoni- 

Nacli  kurzer  Besprechung  der  Hauptsymptome  des  Kor¬ 
sakow  sclien  Sy  mptomenkornplexes  teilt  M.  4  eigene  Beobach¬ 
tungen  mit  und  zwar  je  einen  bei  Alcoholismus  chronicus  De¬ 
mentia  postapoplectica,  Dementia  paralytica  und  Sarkom’  des 
Stirnlurns.  Besonders  bemerkenswert  war  der  Fall  von  Dementia 
paralytica,  bei  dem  im  Anschluss  an  epileptiforme  Anfälle  ein 
Delirium  tremens-almliclier  Zustand  aufgetreten  war.  aus  dem 
dann  eine  psychische  Störung  hervorging,  die  in  geradezu  klassi- 
Sf'  f  “se1  dat*  Bl,d  des  ICors  a  k  o  w  sehen  Symptomenkom- 
p.exes  bot,  ohne  dass  die  zweifellos  vorhandene  geistige  Schwäche 
wesentliche  Fortschritte  erkennen,  liess.  Es  bestand  Differenz  der 
Pupillen,  von  denen  die  eine  trüge  reagierte,  die  Reflexe  waren 
vorhanden,  keine  Sprachstörung.  Der  Tod  trat  unter  gehäuften 
epileptiformen  Anfällen  nach  0 — 7  Monaten  ein.  Der  anatomische 
Befund  entsprach,  soweit  er  bis  jetzt  erhoben  werden  konnte  dem 
welchen  man  bei  Dementia  paralytica  zu  finden  gewohnt  ist.’ 
JNeuritis  war  nur  in  diesem  Falle  von  wahrscheinlicher  Paralyse 
angedeutet,  in  dem  anderen  nicht. 

1 1  HerrTJ?  r  1  c  k  e  demonstriert  und  bespricht  eine  grosse  An¬ 
zahl  von  Kiefer-  und  Zahnabgüssen,  an  denen  Rassen verschieden- 
sind  ’  Mlss^ildun^en’  Entwicklungshemniungen  etc.  zu  sehen 

Herr  Heller  spriclit  über  Aortenerkrankungen. 

Auf  dem  Deutschen  Naturforscher-  und  Aerztetage  zu 
München  1899  hat  er  über  die  in  mehrfachen  Arbeiten  seiner 
Schüler  veröffentlichten  Untersuchungen  über  Aortitis  syphilitica 
unc  deren  Bedeutung  für  Entstehung  der  Aortenaneurysmen  be- 
ncitet;  dabei  hat  er  betont,  dass  möglicherweise  auch  andere 
infektiöse  Prozesse  eine  Schwächung  der  Aortenwand  herbeizu- 
iR  reu  vermöchten.  I  .  a.  hat  schon  Rat  tone  (II  Morgagni 
'"7’  über  Fälle  von  Veränderungen  der  Aortenwand 

1iyphuS  berichtet-  M  a  r  t  i  n  o  1 1  i  (Gazzetta  delle  cliniche 
.  4  iat  ßinen  allerdings  nicht  ganz  beweisenden  Fall  von 

Aortenaneurysma  bei  Typhus  beschrieben.  Sehr  selten  sind  so¬ 
wohl  primäre  wie  metastatische  Geschwülste  in  der  Aortenwand. 

.  6  fhr  seltene  derartige  Beobachtung  hat  Vortragender  in 
einer  Dissertation  (Friedrich,  Kiel  1888)  beschreiben  lassen. 

Da  sie  aber  ganz  unbeachtet  geblieben  ist,  darf  sie  wohl  jetzt 
ans  Licht  gezogen  werden. 

bei  I°iSfSeiTffUl  bei  der  Sektiou  eiller  42  Jahre  alten  Frau, 

elcliei  1  ys  Jahre  vor  dem  Tode  ein  papilläres  Kystom  des 


^  T  entfernt  worden  war,  die  Reste  der  Geschwulst 

nn  Becken  dann  ausgedehnte  papilläre  Bildungen  über  das  ganze 
Bauchfell  die  linke  Pleura,  Lunge,  Niere  und  Aorta.  Die  Aorta 
wai  über  den  Klappen  an  umschriebenen  Stellen  der  Innenfläche 
gelockert  und  mit  3—4  mm  langen  Zöttelien  besetzt;  im  Arkus  und 
absteigenden  Teile  fanden  sich  grosse,  länglichrunde,  beetartige 
Eihebungen  der  Intima  mit  eigentümlich  lockerer,  körniger  Ober- 
tiache.  Dies  Aussehen  erwies  sich  bedingt  durch  teils  kurzgestielte 
stecknadelkopfgrosse,  teils  kleinere,  flachaufsitzende  papilläre  Her- 
vorragungen,  die  aus  einem  lockeren,  Kapillaren  enthaltenden 
Bindegewebe  bestanden  und  mit  einem  niedrigen  Zylinderepithel 
überzogen  waren.  Der  Stiel  der  Knötchen  und  papillären  Er¬ 
hebungen  liess  sich  meist  durch  die  Intima  bis  in  die  Vasa  nutrientia 
hinein  verfolgen.  Vielfach  fanden  sich  auch  in  den  Vasa  nutrientia 
der  Media  kleine  Gruppen  von  Zylinderepithel.  Daneben  steckten 
m  ebensolchen  Gefässen  geschichtete  Kalkkonkremente  wie  sie 
in  grosser  Menge  in  der  primären  Geschwulst  vorhanden  waren. 

Auch  Miliartuberkel  sind,  wenn  auch  selten,  in  der  Aorten¬ 
wand  gefunden.  Trotz  sorgfältigen  Sucliens  hat  Vortragender 
selbst  eist  einmal  Miliartuberkel  bei  einem  Schwindsüchtigen  in 
der  Intima  der  absteigenden  Aorta  gefunden,  in  denen  auch  Ba¬ 
zillen  sich  mikroskopisch  nachweisen  Hessen. 

Aus  allen  solchen  Prozessen  müssen  Schwächungen  der 
Wand  hervorgehen;  es  kann  dadurch  eine  Anlage  zur  Aneu¬ 
rysmenentstehung  geschaffen  werden.  Dass  diese  Vermutung- 
richtig  ist,  hat  ein  Fall  gelehrt,  der  im  Anfänge  dieses  Jahres 
zur  Sektion  kam.  Es  handelte  sich  um  ein  20  jähriges  Mädchen, 
welches  au  chronischer  Peritonitis  in  Behandlung  war  und  ganz 
plötzlich  unter  den  Erscheinungen  einer  inneren  Blutung  ge¬ 
storben  war.  Die  Sektion  ergab  eine  tuberkulöse  Peritonitis 
und  als  Todesursache  ein  Aneurysma  am  Abgang  der  Arteria 
meseraica  inferior,  Durchbruch  in  die  Bursa  omentalis,  Abwiih- 
lung  der  Magenserosa  durch  die  Blutung  und  Bluterguss  in  die 
Bauchhöhle.  An  der  Umschlagstelle  des  Aneurysmas  entdeckte 
ich  einzelne  feinste  Knötchen,  welche  sich  mikroskopisch  als 
kleinzellige  Wucherungen  mit  Tuberkelbazillen  ergaben.  Der 
CtWa  hühnereigrosse  Sack  war  mit  festen  Gerinnseln  ausgekleidet, 
in  welchen  sich  ganz  besonders  merkwürdige  Veränderungen 
mikroskopisch  fanden.  Der  primäre  Sack  war  geborsten  und 
hatte  nach  den  oben  angegebenen  Richtungen  hin  Bluterguss  zur 
1  olge  gehabt.  Herr  Dr.  Schulze  - Höing  wird  demnächst 
die  ausführliche  Beschreibung  des  Falles  veröffentlichen. 

Ls  wild  sich  künftig-  darum  handeln,  alle  Fälle  von  Aneu¬ 
rysmen  noch  genauer  als  seither  auf  ihre  Aetiologie  zu  prüfen. 
Gerade  jugendliche  Individuen  versprechen  Aufschlüsse  zu  geben. 

Jedenfalls  steht  jetzt  soviel  fest:  Die  chronische  End- 
arteriitis  ist  aus  der  Lehre  von  der  Entstehung  der  Aorten¬ 
aneurysmen  zu  streichen;  nur  die  syphilitische  Aortitis  ist  als 
eine  häufige  Ursache  nachgewiesen;  wie  häufig  andere  infektiöse 
Prozesse  diese  Folge  herbeiführen,  muss  weiteren  Untersuchungen 
nachzuweisen  Vorbehalten  bleiben. 


Die  70.  Jahresversammlung  der  British  Medical 

Association 

zu  Manchester  vom  29.  Juli  bis  1.  August  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

(Schluss.) 

Sektion  für  Hygiene. 

Am  30.  Juli  sprach  H  o  p  e  -  Liverpool  über  die  Rolle,  welche 
die  Impfung  in  der  Verhütung  der  Pocken  in  England  spielt, 
und  über  die  Mittel,  den  grösstmöglichsten  Nutzen  durch  die 
Impfung*  zu  erzielen.  Redner  ergebt  sieb  in  Klagen  über  die 
I  nzulänglichkeit  des  englischen  Impfgesetzes,  über  die  Leicht¬ 
fertigkeit,  mit  welcher  Privatärzte  die  Impfungen  vornehmen,  auf 
Wunsch  der  Eltern  nur  eine  Pustel  anlegen;  ferner  verlangt  er  die 
Einiichtung  von  staatlichen  Laboratorien  zur  Erzeugung-  von 
Lymphe,  die  den  bisher  auf  private  Quellen  mit  oft  recht  zweifel¬ 
hafter  Lymphe  angewiesenen  Arzt  mit  guter  Lymphe  versorgen. 
Schliesslich  ist  zwangsweises  Wiederimpfeii  unbedingt  ex-forder¬ 
lich.  In  der  dem  Vortrage  folgenden  Diskussion,  an  der  zahlreiche 
Redner  teilnahmen,  wurde  allgemein  auf  die  glänzenden  Verhält¬ 
nisse  hingewiesen,  wie  sie  sich  in  Bezug  auf  die  gelungene  Vei-- 
hütung  der  Pocken  in  Deutschland  finden.  Leider  aber  klang  doch 
die  ganze  Diskussion  in  dem  Bedauern  aus,  dass  derartig  glück¬ 
liche  Zustände  in  England  nicht  zu  erhoffen  seien,  da  das  freie 
Volk  der  Bitten  sich  nun  einmal  keinerlei  Zwang  füge  und  ein 
absoluter  Impfzwang,  der  für  jedermann  Geltung  habe,  eben  nicht 
durchführbar  sei  (was  als  gute  Illustration  dafür  dienen  kann, 
wohin  die  sog.  Freiheit  nebst  aufgeklärter  Volksregiening  führen 
kann.  Ref.).. 

Dann  sprach  Killick  Millard  -  Leicester  über  die  sogen, 
„return  cases‘-  bei  Scharlach  und  über  ihre  Verhütung.  Unter 
„retiira  cases“  versteht  man  in  England,  wo  die  meisten  mit  an- 


1592 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


steckenden  Krankheiten  behafteten  Individuen  in  eigenen  Fieber- 
sijitiilern  verpflegt  werden,  die  Fälle  von  Scharlach,  welche  da¬ 
durch  entstehen,  dass  aus  dem  Krankenhause  entlassene  Kon¬ 
valeszenten  die  Ansteckung  mit  nachhause  bringen.  Diese  I<  alle 
fallt  n  dem  Hospitalsystem  zur  Last  und  kommen  bei  zuhause 
behandelten  Kranken  kaum  vor.  Sie  lassen  sich  nun  keineswegs 
dadurch  verhüten,  dass  man  die  Kranken  länger  wie  die  üblichen 
<;  Wochen  im  Spital  behält,  es  scheint  vielmehr,  als  wenn  die 
return  cases“  um  so  häufiger  und  virulenter  auftreten.  je  langer 
man  die  Kranken  in  der  mit  Keimen  gesättigten  Atmosphäre  des 
Hospitales  zurückhält.  Redner  rät  deshalb,  statt  der  grossen 
Hospitäler  Pavillons  mit  Zimmern  für  2  bis  3  Kranke  zu  bauen 
und  die  Rekonvaleszenten  streng  von  den  akuten  Fallen  abzu¬ 
sondern.  In  Manchester  sollen  im  Jahre  1901  die  , .return  cases 
l.S  1‘roz.  von  dem  Nutzen  wieder  fortgenommen  haben,  den  die 
Stadt  durch  ihr  Spitalwesen  in  der  Verhütung  sekundärer  Schar¬ 
lachfälle  zu  erzielen  hoffte.  Die  Ansichten  des  Redners  werden 
in  der  Diskussion  lebhaft  angegriffen  und  behaupteten  die  meisten 
Redner,  dass  es  gelänge,  durch  gründliche  Desinfektion  der  zu  Ent- 
lassenden,  namentlich  auch  eine  sorgfältige  Desinfektion  der 
Nasen-  und  Mundhöhle,  sowie  der  Ohren,  die  Häufigkeit  der 
..return  cases“  sehr  herabzusetzen. 

Am  31.  Juli  fand  eine  Diskussion  statt  über  die  allge¬ 
meinen  und  administrativen  Massnahmen  zur  Verhütung  der 
Tuberkulose.  Robertson-  Sheffield  sprach  als  erster  Redner 
besonders  über  den  Nutzen  der  Anzeigepflicht,  die  sich  in  seiner 
Heimatstadt  seit  1899  durchaus  bewährt  hat.  Vorderhand  ist  die 
Inzeige  eine  freiwillige,  doch  sollte  sie  überall  eine  zwangsweise 
sein.  Ferner  wünscht  er.  dass  die  Sanitätsbehörden  der  einzelnen 
Städte  Sanatorien  errichten  und  ausserdem  Isolierhäuser,  in  denen 
schwere  Fälle  interniert,  und  unschädlich  gemacht  werden  konnten. 

N  e  w  s  h  o  1  m  e.  der  bekannte  rührige  Sanitätsbeamte  tur 
Brighton,  schilderte  die  prophylaktischen  M assregeln,  die  er  dort 
durchgeführt  hat.  Es  besteht  eine  freiwillige  Anzeige,  und  zwar 
beziehen  die  Aerzte  für  jede  Anzeige  2  M.  50  Pf.  (dasselbe  wie 
für  die  Anzeige  der  anzeigepflichtigen  Fälle),  es  werden  ferner  den 
Aerzten  alle  Erleichterungen  zur  frühzeitigen  Stellung  einer  Dia¬ 
gnose  gewährt,  namentlich  haben  sich  freie  Konsultationen  und 
freie  Sputumuntersuchungen  bewährt;  ferner  gellt  die  Stadtver¬ 
waltung  dem  Unfug  des  Spuckens  zu  Leibe,  indem  sie  es  m 
Pferdebahnen  etc.  verboten  hat  und  auch  an  Schulen,  Merkraume, 
Hotels  Theater  frei  emaillierte  Tafeln  mit  Spuckverbot  und  Be¬ 
lehrungen  über  die  schädlichen  Folgen  des  Spuckens  verteilt.  Jeder 
Kranke,  dessen  Fall  zur  Anzeige  kommt,  erhält  eine  kurze,  leicht¬ 
verständliche  Anweisung  über  seine  persönliche  Hygiene,  wobei 
alle  alarmierenden  Aengstl  ichkeiten  vermieden  sind;  armeie 
Kranke  werden  umsonst  mit  Spuckflaschen,  japanischen  Taschen- 
tüch 01*11  etc*,  versorgt.  Ferner  desinfiziert  die  Stadt  ohne  Fn  - 
Schädigung  die  Zimmer,  Betten  und  Kleider  gestorbener  Phthisiker. 
Ein  grosses  Gewicht  wird  feiner  auf  häufige  Inspektion  der 
Fabriken  und  Arbeitsräume  gelegt,  und  werden  unhygienische 
Plätze  geschlossen.  Redner  empfiehlt  schliesslich,  die  Fieber- 
liospitäler,  die  einen  Teil  des  Jahres  freistehen,  in  den  epidemie¬ 
freien  Zeiten  zur  Behandlung  der  Tuberkulösen  zu  benutzen. 
Aehnliche  Massnahmen  wurden,  Avie  Beatty  berichtete,  auch 
in  Manchester  mit  Erfolg  eingeführt.  Ransome  -  Bournemouth 
•weist  auf  Versuche  hin,  die  er  angestellt  hat  und  die  ergeben, 
dass  dasselbe  Sputum,  das  in  einem  gut  ventilierten  und  gut.  be¬ 
lichteten  Zimmer  nach  wenigen  Tagen  seine  Virulenz  verlor,  m 
von  Arbeitern  bewohnten  Zimmern  in  Manchester  noch  nacli 
3  Wochen  voll  virulent  Avar.  Er  und  andere  Redner  warnen  vor 
der  einseitigen  Ueberschätzung  der  Sanatorien  und  sehen  die 
Hauptaufgabe  in  der  Verbesserung  des  Lebens  und  besonders  der 
Wohnungsbedingungen  der  ärmeren  Klassen.  Hall-Edwards- 
Birmingham  empfiehlt  Südafrika  als  vorzüglichen  Platz  für  die 
Anlage  von  Heilstätten,  nur  sollen  dieselben  nicht  reine  bana- 
torien  sein,  sondern  sie  sind  als  Arbeitskolonien  für  Tubei  kulost 

gedacht.  *  ..  ni 

Es  folgten  zwei  ausgezeichnete  Vortrage  von  Mac  Dougaü- 
Mancliester  und  Rowntree  -  York  über  die  Beziehungen  zwi¬ 
schen  Armut  und  Krankheit;  namentlich  hat  Rowntree  durch 
eine  Untersuchung  von  jeder  Arbeiterwohnung  in  York  Avertvolle 
statistische  Beiträge  geliefert.  Beide  Redner  Aviesen  darauf  hin, 
wie  wichtig  es  sei,  in  den  Volksschulen  für  Mädchen  im  letzten 
Schuljahre  Unterweisung  in  der  Hausführung  und  im  Kochen  zu 
«•eben,  ln  der  Kochschule  kann  zugleich  Nahrung  für  diejenigen 
Schüler  bereitet  Averden.  die  zuhause  kein  oder  ungenügendes 
Essen  bekommen.  In  der  Diskussion  betont  Drysdale  die 
hohe  Rate  der  Geburten  unter  der  englischen  Arbeiterbevolkerung; 
er  hält  Verbesserungen  der  sozialen  Lage  für  unmöglich,  solange 
diese  hohe  Geburtsziffer  bestehen  bleibt. 

Am  1.  August  fand  noch  eine  Diskussion  über  Arsenik- 
vergiftungen  statt,  in  der  Aron  Tattersall,  Reynolds  u.  a. 
noch  einmal  die  bekannten  Massenvergiftungen  durch  Bier  er¬ 
örtert.  Avurden.  Reynolds  sprach  noch  besonders  über  das 
Vorkommen  von  Arsenik  in  Malz,  soAA’ie  über  die  Unterscheidung 
zwischen  der  häufigen  Arsenikneuritis  und  der  selteneren  durch 
Alkohol  verursachten.  Farrar  sprach  dann  über  die  Pest  und 
die  Rolle,  die  die  Ratten  dabei  spielen;  er  glaubt,  dass  die  Seuche 
stets  auf  dem  Seewege  und  ZAvar  durch  Schiffsratten  verschleppt 
Averde;  ferner  erklärt  er  die  Krankheit  für  eine  exquisite  Boden¬ 
krankheit.  Hindus,  die  barfuss  gehen,  erkranken  sehr  häufig, 
Europäer  fast  nie,  eingeborene  Soldaten,  die  zum  Reinigen  dei 
Pesthäuser  kommandiert  werden,  erkranken  ebenfalls  nicht,  wenn 


man  dafür  sorgt,  dass  sie  feste  Schuhe  und  Gamaschen  tiagen. 
Bei  Ausbruch  der  Epidemie  ist  am  besten  der  ganze  befallene 
Distrikt  sofort  zu  räumen.  Es  folgten  dann  noch  torträge  über 
die  Kindersterblichkeit  von  R  li  o  d  e  s  und  über  die  innere  Be¬ 
aufsichtigung  der  Nachtquartiere  für  Wohnungslose  von  Mere- 
ditli  Young.  Rh  ödes  brachte  zalilenmässig  den  Beweis,  dass 
in  manchen  Gegenden  die  Kindersterblichkeit  180  vom  rausend 
beträgt  und  dass  namentlich  die  unehelichen  Kinder  entsetzlich 
dezimiert  werden. 

Abteilung  für  psychologische  Medizin. 

30.  Juli.  M  o  u  1  d  -  Clieadle  eröffnete  die  Sitzung  mit.  einem 
Vortrage  über  die  Behandlung  von  Geisteskranken  in  sogen. 
Villas.~  Seit.  1862  hat  er  in  dem  von  ihm  geleiteten  Irrenhause  zu 
Clieadle  es  durchgeführt,  dass  die  Mehrzahl  der  Kranken  in  iso¬ 
lierten  Villen  untergebraelit  sind  statt  in  den  sonst  üblichen 
«•rossen  Krankensälen.  Die  Einrichtung  hat  sich  durchaus  be¬ 
währt  und  hat  in  England  und  Amerika  vielfach  Nachahmung 

f  1UDann  sprach  Sir  John  S  i  b  b  a  1  d  über  die  Verpflegung 
ärmerer  Geisteskranker  in  allgemeinen  Krankenhäusern.  Redner 
schlägt  vor,  in  jedem  grösseren  allgemeinen  Krankenhause  eine 
Abteilung  zu  schaffen,  in  der  Kranke  mit  beginnenden  oder 
leichten  Psychosen  Aufnahme  finden  könnten.  Es  hält  nämlich 
bei  den  in  England  herrschenden  Gesetzen  sehr  schwer,  derartige 
Kranke  einer  Irrenanstalt  zu  überweisen,  und  verlieren  dieselben 
dadurch  oft  die  beste  Zeit  zu  einer  erfolgreichen  Behandlung. 
Dann  haftet  auch  jedem  Kranken,  der  in  einer  Irrenanstalt  war, 
ein  geAvisser  Makel  an  und  er  findet  oft  nur  sehr  schwer  wiedei 
Anstellung,  schliesslich  können  diese  unter  besonders  geschulten 
Irrenärzten  stehenden  Abteilungen  auch  sehr  wertvoll  für  Untei- 
richtszAvecke  Averden,  da  der  angehende  Arzt  die  Anfaugsfallc 
meist  nie  zu  sehen  bekommt  und  er  diesen  Fallen  m  der  Praxis 
oft  sein-  unvorbereitet  gegenübersteht.  D.  Y  eil  o  w  1  e  e  s  beton 
den  Mangel  an  Anstalten  für  sogen,  sclnver  Nervöse,  für  Hyste¬ 
rische,  Hypochonder  etc.;  diese  Leute  finden  augenblicklich  in 
England  eigentlich  nirgends  Aufnahme  und  sollten  für  sie  be¬ 
sondere.  von  den  Irrenhäusern  scharf  zu  trennende  Anstalten  ge¬ 
schaffen  Averden;  zahlreiche  andere  Redner  traten  ebenfalls  fui 
diese  Pläne  ein,  und  es  war  nur  eine  Stimme  darüber,  dass  augen¬ 
blicklich  eigentlich  nur  veraltete,  meist  unheilbare  falle  den 
Irrenhäusern  und  der  geeigneten  Behandlung  zngefulirt  wurden. 

Am  1.  August  eröffnete  Clifford  A  1 1  b  u  1 1  -  Cambridge  eine 
Diskussion  über  die  Beziehungen  zwischen  funktionellen  Neu¬ 
rosen  (Hysterie,  Neurasthenie,  Hypochondrie  etc.)  und  Irresein 
Nach  einer  kurzen  Auseinandersetzung  über  die  Organisation  des 
Nervensystems  definiert  Redner  die  Neurasthenie  als  einen  Zu¬ 
stand  des  Zentralnervensystems,  in  welchem  die  Reserveenergie 
der  Nervenzentren  ausserordentlich  herabgesetzt  ist.  ^  tntt  da¬ 
durch  leicht.  Ermüdung  ein,  die  durch  Ruhe  nicht  völlig  beseitigt 
wird.  Dieser  fehlerhafte  Zustand  des  Nervensystems  beruht  auf 
angeborener  Anlage  und  dauert  durch  das  ganze  Leben.  Neui- 
astheniker  haben  keine  Neigung  zur  Hypochondrie  oder  zu  Hallu¬ 
zinationen  und  geht  die  Krankheit  als  solche  me  in  Irresein  über 
Bei  den  Hysterischen  fehlt  diese  leichte  Ermüdbarkeit,  darin  sind 
bei  ihnen  die  höheren  Hemmungszentren  alteriert.  Näher  Avie 
diese  beiden  Krankheiten  steht  die  Hypochondrie  dem  Irresein. 
Ruhe  und  Isolierung  sind  für  den  Hypochonder  schädlich,  fui  die 
anderen  funktionellen  Neurosen  nützlich.  Manche  Kranke  zeigen 
zuerst  neurasthenische.  dann  hypochondrische  Zeichen  und  nei¬ 
den  schliesslich  irrsinnig,  liier  sind  die  ersten  Symptome  als  I  ruli- 
svmptome  des  Irreseins  aufzufassen.  Namentlich  bei  der  Dementia 
paralvtica  hat  man  sich  vor  solchen  Verwechslungen  zu  lmten. 
Häufig  hat  Redner  beobachtet,  dass  Neurasthenie  sich  an  chirur¬ 
gische,  selbst  kleine  Operationen  anscliliesst,  Avenn  dieselbe  u 
unter  Narkose  vorgenommen  wurden.  Dem  Vortrag  folgte  ein 

lebhafte  Diskussion.  ,  _  . 

Dann  sprach  Robert  Jones  über  Stupor  und  Katatonie, 

er  fasst  die  Katatonie  nicht  als  Krankheit  sui  generis  auf.  sondern 
als  ein  Symptom,  das  bei  verschiedenen  Geisteskrankheiten, 
namentlich'" aber  beim  zirkulären  Irresein  vorkommt.  Meist  gener 
solche  Fälle  in  Demenz  über. 

Das  letzte  Thema,  mit  dem  die  Sektion  sich  bescnattuii. 
Avar  Syphilis  und  Irresein.  Mott-  London  und  zahlreiche  andere 
Redner  sprachen  über  die  verschiedenen  Gehirnaffektionen,  die  in 
den  verschiedenen  Stadien  der  Lustseuche  auftreten.  Am  meisten 
zu  fürchten  ist  jedenfalls  die  Dementia  paralytica.  die  durchaus 
als  Folgekrankheit  der  Lues  aufzufassen  ist.  Die  Sektion  fasst 
einen  Beschluss,  nach  welchem  die  gesetzgebenden  Ivorperschattei 
aufzufordern  sind,  schärfere  Massregeln  zur  Beschränkung  dei 
Syphilis  zu  ergreifen  und  dadurch  auch  der  Gehirnenveichun  v  zu 
Leibe  zu  gehen. 

Abteilung  für  Anatomie  und  Physiologie. 

Am  30.  Juli  sprach  Berry  H  a  r  t  -  Edinburgh  über  die  Ent¬ 
wicklung  des  menschlichen  Urogenitalsystems.  Er  glaubt  dass 
der  Wolffsche  Gang  rein  ektodermalen  Ursprungs  sei  und  das 
die  Tuben,  der  Uterus  und  die  oberen  2  Drittel  der  Scheide  vom 
M  ü  1 1  e  r  sehen  Gange  entAvickelt  Averden;  das  untere  1  nt  p  1  . 
Scheide  entsteht  durch  Zusammen wachsen  des  Sinus  urogenital» 
und  der  W  o  1  f  f  sehen  Gänge.  Das  Hymen  entsteht  aus  dem 
W  o  1  f  f  sehen  Gange,  Klitoris  und  Penis  entstehen  durch  Ei 
Avaehsen  von  Oberflächenepithel.  Diese  Theorien  Avurden  in  dei 
Diskussion  lebhaft  bekämpft. 


23.  September  1902. 


Am  folgenden  Tage  fand  auf  Grund  eines  Vortrages  von 

Vm'^a'^eudeiMi'Ut^es^fiir  8  ^  0  11  «b<*  Sekretion  des  DaxmesVatt 
»oiua^diaei  halt  es  für  unerwiesen,  dass  überhaunt  ein  TVivm- 

nur  die  tiffShe  ^  '  Die  Darmscllleimhaut  hat  nach' ilnn 

m  die  Aufgabe  zu  absorbieren  und  manche  Stoffe  während  der 

»*« 

Stoffes,  schliesslich  gab  Grünbaum  -  Liverpool  einen  ausftihr 
liehen  Bencht  über  Reizungsversuche,  die  er  an  den  Gehirnen  von 
1<>  anthropoiden  Affen  angestellt  hat,  sowie  über  zahlreiche  Ver- 
S  v  m  i  A«ssclmeidungen  von  Hirnstücken  beJ  Affen. 
Oberfläche?  on"BeUast  sprach  über  die  Topographie  der  Hirn- 

Abteilung  für  Augenheilkunde. 

Am  30.  Juli  eröffnete  Marcus  G  u  n  n  -  London  eine  Dis¬ 
kussion  uber  funktionelle  Sehstörungen.  Die  Differential 
agnose  wird  in  letzterer  Zeit  Mutiger  ersfhwert  durelt  die  Smer 
“ung  be,lmf?  Kflttugung  einer  BntschMi- 

Vveteiem h  vor i« T, ■  - L,T*n>°ol  zeigte  dann  einen  Kranken,  hei 

Orbita  mit  llSel  rl;  .?1,™  s<‘lu'  gmsse  Elfenbeinexostose  der 
uimta  mit  bestem  Dauererfolge  entfernt  hatte. 

Dann  sprach  Yarr  über  indirekte  Schussverletzungen  des 

w?PdoTdl?'ei’  T  ®ure?kri€®e  beobachten  konnte.  In  einem  Falle 

^ra”fe  durok  das  Gesicht  geschossen  worden-  obwohl 

proliferans  2  ?  T'  0rl>Ba  vorlag,  trat  doch  eine  Retinitis 
pioin ei  ans  auf,  im  anderen  Falle  fand  man  trotz  schwerer  Seh- 

Makubf TTDaUr  Flgln  fn t v erä n derungen  in  der  Umgebung  der 
v  c*  Hai  man  bat  ähnliche  Fälle  gesehen  die  entstanden 
waren  durch  Krepieren  von  Granaten  in  der  SeTon  Säten 
auch  Lee  hat  ähnliches  beobachtet.  Soldaten, 

„  -ei?1!  e  n  z  1  e  s  -  Rochdale  sprach  über  Ablösung  des  Hornhaut 

d?n  von  M  a^h  a1nAbk?tf11  T,d  Kokain;  ^en  letzteres  wer- 
da  es  schon  bm  nt  und  S  n  e  i  i  lebhafte  Einwände  erhoben. 

S  n  e  1  normaler  Ivornea.  zu  Epithelabhebungen  führe. 

Mi  eil  hat  mit  Erfolg  pentomiert.  Spicer  erwähnt  d-i««  am 

hnaima|eebrathtnw?  fffektio*  hl  Ame,rika  mit  Malaria  in  Zusammen¬ 
hang  gebracht  wird,  er  selbst  halte  sie  für  eine  Art  Ilerpes. 

n,  ®  a  e  1 1  -  Sheffield  demonstriert  dann  eine  Methode  welche 
uich  Zusammennähung  der  Sehnen  nach  der  Enukleation  einen 

geET «Ä rben,?0l,L  Jede  Se"1’“  ““ 

ImtfJolF,','“  Fad™  a“  ,lle  äurehwlmittene  KonJunkUva 
geltet  nach  Entfernung  des  Auges  werden  die  antagonistischen 
Sehnenstumpfe  mittels  dieser  Fäden  anfMnandm-celuZ^  und 

diese1  Methode  B°lljuiB;tivah^mle  geschlossen.  In  50  Fällen  hat 
Ümf  -n  ,  ?1  sich  "ut  bewahrt.  C  1  a  r  k  e  -  London  beschreibt 
e  U  ll^ke’  von  lllm  geübte  Methode.  Grossmann  hält 
ebenfalls  die  Methode  für  wertvoll;  die  Einfügung  einer  Glas- 

Ebfvnr^m^  ei’’  (Ja  dieselbe  nach  3—4  Jahren  doch  herausfällt 
V \  i  »ma^voin.E  (1  ridge-  Green,  der  dahin  ging,  der  „Board 
f'ü  iaw.  ™ltzateilen.  dass  die  Farbenprobe  nach  Holmgren 
f  u  Praktische  Zwecke  ungenügend  sei,  wurde  abgelehnt.  ' 

fl  io  '‘!k  JuU  rröffiuffe  Sandford  eine  Diskussion  über 

selten  hätioloS?f  M  Sklerokeratitis-  Er  hält  die  Erkrankung  für 
oml  ’  i-«-  !  kommen  meist  akuter  Rheumatismus  seltener 
eine  modifizierte  (?  Ref.)  Tuberkulose  in  Betracht.  Mädchen  mit 
Storungen  der  Menstruation  und  skrophulöse  Kinder  sind  be 
sonders  disponiert;  für  Erwachsene  kommt  auch  eine  -ichtische 
Diathese  in  Betracht.  Die  nicht  tuberkulösen  Fälle  rea-ieren  Im 

AtronffrXrt  mmÜh  6  *njektk>«en  von  Pilokarpin  und  auf  Salizyl. 

Bi  i  tu  ei  l  i  Uso.  Fifn  k°mpl1Ziereuder  Iritis  augewendet  werden. 

™  Ho^ikolosen  Fallen  sind  warme  Umschläge,  Ruhe  und  kräf 

J(Meisen  undg  Innevlk,h  wonlen  Jodkali,  Jodkoffein, 

snrff zunven  wiHQ  k  gegeben-  Sul»kon.j unktivale  Ein- 

spiitzungen  wiiken  meist  schädlich.  Maddox  empfiehl!  be 

SSÄmie  1111(1  trockeue  Wärme,  die  er  vermittels  eines 
elektrischen  V  armeapparate»  auwendet.  II  arm  an  warnt  be 

vm-iiw  Vi°r  5er  .Anweii(Ring  von  Adrenalin,  das  höchstens  sehr 
,  ei  gehend  nutzt,  durch  Kontraktion  der  Retinagefässe  •ihm- 
ebenso  wie  Chinin  dauernd  schaden  kann.  86  ‘1SSe  abei 


MüENCITENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1593 


«na  ,"s  Siderophon  von  — 

mul  Widmark  Übel-?!!?  AetSoglehde^Myo^^  Zlvlllsatlon> 
„  Am  E  -August  fand  noch  eine  Diskussion  statt  über  um 
beit<lT?ereili  Formen  ller  Optikusatrophie.  T  a  v  1  o  r  warnt  davor 
stellen  mbffi11  -7’  raf0b  (lie  Diasnose  auf  Tabakamblyopie  zu 
Erl-r-mi-nn  Ög  aiLCh  bier  <lie  Sehstörung  ein  Frühsymptom  von 
Likrankungen  des  Zentralnervensystems  Stets  ist  der  fh„ 

®ebr  -  Optik^rlSiSngenUdK 
bei  Frauen  U  bet°Ut  <lie  Hauflgkeit  der  Tabakamblyopie 

]>ei  SP,a°b  . 1100,11  Brenner  über  40  Fälle  von  Myopie 

hm  If  .er  (lle  Lmse  entfernt  hat.  Er  macht  die  Operatioifaucli 
£lt  rii16  aVf  einem  Allge  ««a  hat  fast  stets  gute  ErMge^ er- 
kPi rf  aeb!mals  oHebte  er  Ablösung  der  Retina.  Marshai  1  er¬ 
gründe  \u<mn7i'  ;!U!>t’  bei  eh^eitiger  Myopie  zu  operieren,  da  das 
köime  ctrffflTn  8fmPatbls°he  Erkrankung  verloren  gehen 

diesen  Fällen  Glaukom  auft?eteu  UU<,ar°r  Kapseldiszissio11  bei 


Abteilung  für  Laryngologie. 

Am  ■'**_  luli  sprach  K  i  1  1  i  a  n  -  Freiburg  über  die  Erken- 

weSLUund  de^  rn  Fremdköl'Pern  in  den  oberen  Luft- 

gen  und  der  Speiseröhre.  Es  gelingt  nach  Redners  Meiniin««- 

festzuSell^'lmd1’  0esophaffUS  durch  direkte  Oesophagoskopie 
festzustellen,  und  kann  man  sie  unter  Leitung  des  Viwes  ent 

fr  Fn--Jenn  S,e  keine  soliarfen  Ecken  haben;  in  diesen  Fällen  ist 

clmi  a!^  voln  Mediastinum  posti- 

7  f  ,  des  M;laons  uidi ziert.  Yulkanitplatten  können 

galvanokaustisch  in  situ  zerschnitten  und  dann  stückweise  ent 
femt  werden.  Dieselben  Prinzipien  gelten  für  die  Fremdkörper 
der  Trachea  und  Bronchien.  Redner  demonstriert  dann  die  In¬ 
strumente  und  gibt  Einzelheiten  über  20  derartig  behandelte  Fälle 
darunter  11  eigene.  M  aclntyre- Glasgow  sprach  über  die  Be- 
0  utung  der  Rontgenstralilen  in  der  Diagnose  dieser  Fälle  und 
über  die  besten  Methoden  ihrer  Anwendung;  er  verendet  au?h 

WOdtilHÄ?  ,Magr-  von 

>\  ild-Zmicb  hält  den  Magnet  für  gefährlich 

«•ni  °  n.°  di-Öfen-Pest  sprach  über  die  Beziehungen  der  re- 

und  S  HerSnfrven™  Eek™>s  sympathischen 

Dundas  Grant-London  zeigt  eine  Modifikation  der 
M  o  u  r  e  sehen  Operation  gegen  Septum verbiegung,  K  i  1 1  i  a  n 
empfiehlt  seine  eigene  Operation,  die  darin  besteht,  dass  man 
fSntrSe  Cbe  Scmeimhaut  abpräpariert  und  den  Knorpel  ent- 

,  Har  in  g  -  Manchester  spricht  über  die  Diagnose  und  Be¬ 
handlung  der  chronischen  Laryngitis.  Er  teilt  die  Fälle  ein  in 
JifS18,,  supeiaor>  media  und  inferior  und  bespricht  eingehend 
spielen1111“"  m  der  0peratiottei1  an  (ler  Nase  eine  grosse  Rolle 

I  >er  .>1.  Juli  brachte  eine  Diskussi  o  n  über  die  AetioloHe 

KeinSinhöblld  E!handlUng  ,der  Eiterungen  der  Siebbein-  und 
Keilbemholilen.  G  r  u  nwald-  München  und  L  a  c  k  -  London  er- 

offneten  die  Diskussion,  in  der  die  grossen  Schwierigkeiten  einer 
genauen  Diagnose  anerkannt  wurden.  Die  Eröffnung  der  Keilbein- 
hohle  vom  Antrum  maxillare  aus  wird  als  gefährlich  verworfen 
-  ,Ani  k  August  folgte  eiue  Diskussion  «her  die  Dauer- 
der  .0P®1'atlonen  wegen  Empyem  des  Sinus  maxill.  und 
rrontai.  Die  Referenten  waren  L  e  r  m  o  y  e  z  -  Paris  und  Til- 
ey  - London.  Im  allgemeinen  wurde  den  intranasalen  Methoden 
der  A  orzug  gegeben.  Weitere  Vorträge  handelten  über  die  Ent- 
der  FaPlllome  des  Larynx,  Dundas  Grant  und  Al  a  c 
Dona  Id  wollen  nur  endolaryngeal  operieren.  Brown  Keil  v 

Iiehfkopf  <laS  Bl0mathyl  als  Anästhetikum  bei  Operationen  am 

Abteilung  für  Ohrenheilkunde. 


.  ,  interessanteste  Diskussion  in  dieser  Sektion  war 
jedenfalls  die  von  Mc  Bride  eingeleitete  über  die  Ziele  und 

w! ?C-hra n f  xd€,r  intranasalen  Eingriffe  bei  chronischen, 
nichteitrigen  Mittelohrkatarrhen.  Redner  empfiehlt  stets  die  Be- 

r h.!i!U!?g  <lt1’Adfuoi,de  llnd  des  Na  so-plia  ryngea  lka  ta  rrhs  bei  katar¬ 
rhalischen  Mittelohrleiden;  Operationen  am  Pharynx  und  an  der 
Nase  sind  aber  zur  Heilung  des  Mittelohrkatarrhs  nur  dann  er- 
mubt,  wenn  sich  eine  bestimmte  rhiuologische  oder  laryngologische 
iiil ikatiOn  apart  vom  Mittelohrkatarrh  vorfindet.  Er  hat  hei  Mittel- 

!ik n m 77  nieinals  E rf°lge  von  intranasalen  Operationen  gesehen 
und  halt  dieselben  für  unerlaubt;  wenn  der  Nasopharvnx  frei  ist 

pU,nff7 1 0p^atlone«  ia  der  Nase  die  Taubheit  nicht  bessern: 

l  tcüaid  -  London  und  R  olirer-  Zürich,  die  beiden  anderen 
Referenten,  Avollen  den  intranasalen  Operationen  ein  weit  grösseres 
,  e  d  ^nraurnen.  Nach  einer  recht  hitzigen,  aber  natürlich  erfolg- 
osen  Debatte  wurde  Semons  Vorschlag  angenommen,  der  dahin 
lautete,  ein  besonderes  Komitee  zu  ernennen,  das  derartig  operierte 
1  alle  auf  den  etwaigen  Erfolg  zu  untersuchen  hätte 

Nach  einem  kurzen  Vortrage  von  Dundas  Grant  über  die 
Cholesteatome  des  Mittelohrs  hielt  Ballance  einen  höchst 
interessanten  Vortrag  über  die  Indikationen  für  und  gegen  die 
Unterbindung  derJugulans  interna  beiotitischerPyoseptikämie 
Am  besten  ist  es,  der  Natur  zu  folgen  in  ihrem  Bestreben  einen 
Damm  gegen  die  Verbreitung  septischen  Materials  zu  schaffen 
Indiziert  ist  daher  die  Unterbindung  bei  akuter  Pyämie  und  Septi- 
v anno,  gleichviel  ob  der  Sinus  thrombosiert  ist  oder  nicht,  ferner 
>ei  2angran  des  S i im s  und  Fäulnis  seines  Inhalts,  hei  Verdacht 
aut  hrombose  des  Bulbus  oder  der  Vena  jugularis  selbst.  .Tones 
wir  bei  Sinusthrombose  nur  den  Sinus  ansräumen,  bei  Sepsis  ohne 
Thrombose  unterbindet  er  die  Jugularis  und  obliteriert  den  Sinus 
selbst  wenn  bereits  Lungensymptome  bestehen.  Grant  unter 
lumtct  n'cht,  wenn  ein  fester  Pfropf  die  eitrigen  Massen  im  Sinus 

Dau«  zei*t.e  B  r  o  n  n  e  r  einen  Apparat  für  die  Hsiss- 
luftbehandlung  des  Mittelohrkatarrhs.  Thorne,  L  o  v  e  und 
1  o  d  sprachen  über  die  Erziehung  Taubstummer.  W  a  t  s  o  n 
benchtet  u her  Erfolge,  die  er  mit  Myelocen  (Knocbenmarkextrakt) 
bei  Mittelohrkatarrhen  gehabt  hat. 

Abteilung  für  Tropenkrankheiten. 

Patrick  M  a  n  s  o  n  eröffnete  eine  Diskussi  o  n  über  Beri- 
Ben.  Noch  heute  werden  nach  des  Vortragenden  Ansicht  eine 
ganze  Anzahl  verschiedener,  nicht  zusamtnengehörender  Neuritis¬ 
tormen  fälschlich  unter  dem  Namen  Beri-Beri  vereinig  Das 
charakteristische  Symptom  für  Beri-Beri  ist  die  grosse  Neigung  zu 
Ilerzkomplikationen.  Redner  glaubt,  dass  die  Ursache  der  Krank- 


1594 


MUENCIIENER  MEDICTNISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


lieit  in  Toxinen  zu  suchen  sei.  welche  ausserhidb  des  mOTScUichOT 
rcT.mprs  von  Bakterien  produziert  wurden.  Diese  loxine  g<- 
langen  in  den  Körper  nicht  durch  Nahrung  oder  Wasser,  pudern 

dmvh  die  Haut  oder  die  Atmung.  Dass  ‘Jiew Ä  £  für 
(Jenuss  von  verdorbenem  Reis  verursacht  und. ^  halt  Kedner 
unrichtig.  Ilost  hat  in  Rangoon  wahrend  ein.i  Epidemie  'cm 
Beri-Beri  bestimmte  Diplokokken  aus  schimmelndem  Reis.  Be 
züchtet.  Dieselben  Mikroorganismen  züchtete  er  ni  Remkultui 
dem  Blut  und  dem  Gehiniwasser  von  BeH-Benkrankem  l  ~ 
dieser  Kleinwesen  auf  Hühner  erregten  hei  den  A  ersuclistieien  eine 
der  Beri-Beri  ähnliche  Krankheit.  Gestutzt  aut  eine  gM> t 
suchung  von  390  Fällen  glaubt  Rost,  dass  die  Kiankliei  •  >  . 

im  Reis  zu  suchen  ist.  Auch  Sambon  bestätigt  dmse^  Ansicht 
Ronald  Ross  teilt  die  interessante  i atsache  mit  <1  .  1 

Haare  von  30  Fällen  von  Beri-Beri  auf  Arsenik  ^«fucW^hat, 
ix>i  io  Fällen  (und  zwar  den  fnscheien)  l.md  suli  * 

Daniels  hat  nach  Dysenterie  periphere  Neuril ideu 
..•ross.'  Vehnlichkeit  mit  Beri-Beri  hatten.  Gantlie  hat  m  Hong 

KoiVg  häufig  beobachtet,  dass  Kranke  mit  off enen  Wundem  die  mm 
Beri-Berikranken  im  selben  Krankensaal  lagen,  hau  g  :1 
erkrankten,  während  innerliche  Kranke  m 

verschont  blieben.  Auch  er  glaubt,  dass  die  Kianklie  t.  ent B 
(Mikroben,  nicht  Toxine)  durch  die  Haut  Kintritt  in  den  v 
linden  N  i  g  li  t  i  n  g  a  1  e,  der  die  Krankheit  m  Siam  studiert  hat 
-daubt  ebenfalls  nicht  an  die  Reistheorie.  Derselbe  Redner  lue 
dann  einen  Vortrag  über  die  in  Bangkok  häufiger  vorkommende 

Krankheiten.  Duncan  über  die  Dysenterie. 

Amöben  ÄopLbe  Dyint, >ne  wenden  oft 

sind  aber  im  Grunde  verschieden.  In  Indien  wenigstens  hat ^  die 
Vmoeba  coli  nichts  mit  der  Dysenterie  zu  tun.  Die  giossen  trop 
sehen  Abszesse  der  Deber  haben  nichts  mit  Dysenterie  zu  t um 
wohl  aber  die  multiplen.  Ipecacuanlia  hat  sich  m  Indien  bewah , 
auch  die  Bittersalze,  weniger  der  Zimmt.  In  Af  i  ika  ln  t  • 
Ipecacuanlia  nicht  bewährt.  B  u  c  li  a  n  a  n.  der  ul,e'1'  ,llr<' 
liütuii0-  der  Dvsenterie  in  öffentlichen  Anstalten  m  den  liopmi 
Ä  wendet  sich  ebenfalls  gegen  die  Amöbentheorie  Deber- 
abszesse  folgen  nur  selten  der  bazillären  Dysenteue,  ei  sali  mc 
Abszesse,  obwohl  er  1130  Fälle  von  Dysenterie  behandelt  und 
soweit  sie  gestorben  waren,  seziert  hat.  Rogers  fand  m  3. 
aufeinanderfolgenden  Fällen  von  Leberabszess  die  Amoeba  col 
in  der  Abszessmembran.  Sandarit h.  Mussei  u.  a-  1‘1^“ 
an  dem  Vorkommen  von  2  Formen  der  Dysenterie  fest;  die  dm ch 
\möben  erzeugte  führt  häufig  zu  Leberabszessen  die  bazilldie 
da -egen  nicht  Gantlie  empfiehlt,  in  schweren  Fällen  das  Kolon 
zu  ^öffnen  und  von  einem  künstlichen  After  aus  den  Darm  zu  des¬ 
infizieren.  T  a  y  1  o  r  sprach  dann  über  erfolgreiche  1UT^  ^  U1'7 
der  Mosouitos  in  Westafrika  durch  Vernichtung  llnei  Brutteiche. 

Duncan  empfiehlt,  zur  Verhütung  des  Hitzschlags  orangen- 

^iSTÄbte  noch  eine  von  Gantlie  eingeleitete 
Diskussion  über  das  Gelbfieber,  sowie  eine  Reihe  kürzerer 
Verträge  über  Maltafieber,  Pest  und  Malaria. 

Sektion  für  die  Marine,  Armee  und  Ambulanz. 

Die  erste  Sitzung  wurde  ausgefüllt  durch  eine  Diskus  sie  n 
über  einen  Vortrag  von  Kirker  über  die  Behandlung  der  Ver¬ 
wundeten  während  eines  Seegefechtes.  Redner  zeigte  seinen  ver¬ 
besserten  Schlitten,  der  es  ermöglichen  soll,  auch  Sehnen  i 
wundete  leicht  über  die  Treppen  im  Schiff  hinwegzubringen  Er 
wie  die  meisten  anderen  Redner  halten  die  Einrichtung  besondeiei 
Hospitalschiffe  für  sehr  nützlich,  wünschen  aber  daneben  doc  li, 
dass  jedes  grosse  Schiff  einen  Operations-  und  \  erbandraum,  so- 
wie  (iie  nötigen  Instrumente  und  Bandagen  mitfuhrt.  Wählend 
in  Deutschland,  Russland  und  Japan  Massnahmen  zur  sofortigen 
Behandlung  Verwundeter  an  Bord  des  eigenen  Schiffes  getroffen 
sind,  entbehren  die  englischen  Schiffe  jeder  Ilospitaleiniichtung. 

1  ni  allgemeinen  halten  die  anwesenden  Redner  es  für  unmöglich, 
während  des  Gefechtes  den  Verwundeten  beizustehen,  dieselben 
sind  an  Deck  zu  lassen  und  in  besonders  eingerichteten,  mit  Netzen 
-egen  Splitterung  versehenen  Nischen  unterzubringen.  . 

"  Am  31.  Juli  fand  unter  T  u  r  n  b  a  1 1  s  Einführung  eine  Dis¬ 
kussion  über  die  Verhütung  des  Skorbut  statt  Redner  halt 
den  Nutzen  des  Zitronensaftes  für  unerwiesen,  nach  seiner  Mei¬ 
nung  ist  der  Skorbut  als  chronische  Ptomainvergittung  durch  den 
Genuss  nicht  guter  Konserven  aufzufassen  Diese  Ansicht  wnd 
von  Duke  u.  a.  lebhaft  bekämpft,  und  ward  dem  Mangel 
frischer  organischer  Nahrung  die  Schuld  an  der  Entstehung 
des  Skorbut  zugeschoben.  Durch  Konservieren  mul  Sterilisieren 
wird  sonst  tadelloser  Nahrung  ein  Stoff  entzogen,  der  tui  das  Aei 
hüten  des  Skorbut  nötig  ist:  so  erzeugt  der  Genuss  sterilisiertet 

Milch  bei  Säuglingen  auch  zuweilen  Skorbut.  ,  . 

H  u  1 1  o  n  u  a.  sprachen  über  Krankenpflege  im  Knege. 
Im  letzten  Feldzuge  haben  sich  die  Krankenpfleger,  die  eigentlich 
nur  gemeine  Soldaten  sind  und  auch  zu  allen  groben  Arbeiten  ver¬ 
wendet  werden,  nur  wenig  bewährt.  Es  wird  deshalb  empfohlen, 
zwei  Klassen  von  Krankenwärtern  zu  haben,  die  untere  fui  die 
groben  Arbeiten  (in  den  Tropen  aus  Eingeborenen  rekrutiert)  die 
Obere  für  besonders  geschulte  Wärter,  die  einen  Lohn  von  5—  <  M. 

pro  Tag  erhalten  sollen.  ,,  ,  ...  ,. 

Fs  folgte  ein  Vortrag  von  Roberts-  Manchester  ubei  d 
Behandlung  der  penetrierenden  Bauchschüsse  im  Felde.  Aussei 
\,,.i  Zeichen  zunehmender  iutraporitonealer  Blutung  ist  im  allge¬ 
meinen  von  Laparotomien  abzuselieu;  ist  ein  gut  eingerichtete» 


Hospital  mit  geschultem  Personal  etc.  zur  Steile,  so  “ 

&~SrE2?2=2£g£is 

nicht  engliehe  Aerzte  nur  geringes  Interesse. 

Abteilung  für  ärztliche  Ethik. 

Die  «Sitzungen  welche  unter  dem  Vorsitze  von  Woodwik 

noch1  wSofS  o  r  sf  eSyhzuiA(  Lündung  ‘  eines  politischen  Bureaus 
Gesetzgebung  zu  verschaffen.  J.  i-  /l 

Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

B  e  r  1  i  n,  den  16.  September  1902. 

60  jähriges  Doktorjubiläum.  —  Entwurf  der  Satzungen 
des  deutschen  Aerztevereinsbundes.  —  Arzt  und  Apotheker. 

Das  seltene  Fest  des  60  jährigen  Doktorjubiläums  feierte  m 
diesen  Tagen  Dr.  Salomon  Neumann,  einer  der  ältesten  Be 
üner  Aerzte  und  zugleich  der  Senior  der  Berliner  Stadtverordne¬ 
tenversammlung.  Der  jüngeren  Aerztegeneration,  zunml  der^ 
gen  ausserhalb  Berlins,  ist  N  e  u  m  a  n  n  nur  wenig  bekannt,  und 
doch  bat  er  sich  Verdienste  erworben,  die  ihm  einen  dauernden 
Platz  in  der  Geschichte  der  sozialen  Medizin  sichern,  ja  man 
kann  ihn  mit  Recht  als  den  eigentlichen  Schöpfer  dieser  m  den 
letzten  Jahren  so  stark  aufblühenden  \\  issenscha: Et  1 ’ 
Die  grundlegende  Arbeit,  welche  er  im  Jahre  1887  veröffentlicht 
hat  den  Titel:  „Die  öffentliche  Gesundheitspflege  und  das  Eige 
tum.  Kritisches  und  Positives  mit  Bezug  auf  die  P^msche 
"Medizinalverfassungsfrage“ ;  und  kein  Geringerer  a  sein 
genösse  Rudolf  Vircliow  wies  damals  auf  die  Bedeute«  dieser 
Schrift  hin,  von  der  er  sagt,  dass  sie  ihrem  Umfange  nach 
klein  ihrem  Inhalte  nach  aber  unendlich  viel  grosser  ist  als  alles, 
was  vorher  in  dieser  Richtung  geleistet  ist,  und  dass  m  ihr  der 
Verfasser  mit  den  scharfen  Worten  eiserner  Konsequenz  darge 
tan  habe,  dass  die  Medizin  ihrem  Kern  und  Wesen  nach  eine 
soziale  Wissenschaft  ist.  Was  Neu  mann  bereits  vor  einen 
halben  Jahrhundert  erkannt  und  ausgesprochen  hat,  das  ist  in 
den  letzten  Jahrzehnten  als  eine  allgemeine  Wahrheit  anerkann 
worden.  Wesentliche  Verdienste  hat  sich  Neumann  um  de 
Medizinalstatistik  erworben;  seine  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete 
führten  zu  einer  völligen  Neugestaltung  der  Statistik  der  Stadt 
Berlin,  deren  eigentlicher  Begründer  er  somit  geworden  ist  beit 
mehr  als  40  Jahren  ist  er  Mitglied  der  Berliner  Stadtverordneten¬ 
versammlung  und  hat  als  solcher  mit  dazu  beigetrag^  dm 
Stadt  Berlin  in  hygienischer  Beziehung  aut  die  stolze  Hohe  z 
bringen,  auf  der  sie  jetzt  unbestritten  steht.  Der  Jubilar  nimm 
noch  heute  in  voller  geistiger  Frische  und  mit  der  ihm  eig 
Schärfe  des  Urteils  an  allen  ihn  interessierenden  I  ragen  sei 
lebhaften  Anteil.  Hoffen  wir,  dass  er  dem  Gemeinwesen  und 
seinen  Berufsgenossen  noch  recht  lange  erhalten  bleibc- 

ln  dieser  Woche  haben  nach  langer  Ferienpause  die  Sitzung 
der  Standesvereine  wieder  begonnen.  Unter  den  Tragen,  we  c  io 
für  die  nächste  Zeit  zur  Beratung  gestellt  sind,  steht  der  Eu  w 
der  Satzungen  des  Aerztevereinsbundes  an  erster  Steile  ' 

Angelegenheit  stand  bekanntlich  auf  der  Tagesordnung  des  letzten 
Aerztetages,  ohne  dass  sie  dort  zu  einem  befriedigenden  Abschluß 
gebracht  werden  konnte.  Dass  der  Entwurf  m  der  vorgelegten 
Form  unverkennbare  Mängel  aufwies,  konnte  nicht  bestritte 
werden  Ein  eigentümlicher  Zufall  wollte  es,  dass  er  von  einem 
Berliner  Arzte  als  Berichterstatter  des  Vorstandes  vertreten 
wurde,  und  dass  der  lebhafteste  Widerstand  von  Berliner  Dele¬ 
gierten  ausging,  und  zwar  von  den  Delegierten  der  grossen  Mehr¬ 
heit  der  Berliner  Aerzte.  Die  von  letzteren  mit  Rücksicht  aut 
die  prinzipielle  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  beantragte  Ver¬ 
tagung  wurde  ahgelehnt  und  dem  Vorstände  die  definitive  a 
SUng  der  Satzungen  überlassen,  nachdem  den  \  eremen  anheim¬ 
gegeben  war,  bis  zum  1.  November  Verbesserungsvorschlage  ein¬ 
zusenden.  Das  geringe  Entgegenkommen,  welches  die  in  ^ac  i 
lieh  begründeter  Form  erhobenen  Einwände,  die  von  einer  an- 


23. 


September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


sehnlichen  Minorität  des  Aerztetages  gebilligt  wurden,  bei  dem 
Vorstande  des  Aerztevereinsbundes  fanden,  hat  liier  vielfach  ver¬ 
stimmt;  und  es  sind  Zweifel  darüber  laut  geworden,  ob  den  aus 
den  V  eremsberatungen  hervorgehenden  Verbesserungsvorschlägen, 
noch  dazu  bei  der  kurz  bemessenen  Frist,  von  seiteil  des  Vor¬ 
standes  überhaupt  ein  nennenswertes  Gewicht  würde  beigelegt 
werden,  so  dass  die  Beratungen  eine  vergebliche  Mühe  sein'  wür- 
den.  Aber  diese  Ansicht  ist  nicht  die  herrschende,  und  der  Ent¬ 
wurf  der  Satzungen  des  Aerztevereinsbundes  steht  auf  der  Tages¬ 
ordnung  aller  Standesvereine.  Die  Punkte,  auf  welche  dabei  das 
Hauptaugenmerk  gerichtet  ist,  sind  im  wesentlichen  folgende. 
Der  Entwurf  will  zur  Erlangung  der  Rechtsfähigkeit,  dass  aus 
formellen  Gründen  nicht  die  einzelnen  Vereine,  sondern  nur  die 
jeweiligen  Delegierten  Mitglieder  des  Bundes  sein  sollen.  Das 
widerspricht  nun  den  Traditionen  und  auch  den  Tendenzen  des 
Deutschen  Aerztevereinsbundes,  denn,  wie  schon  sein  Name  sagt, 
stellt  er  eine  Verbindung  der  deutschen  Aerztevereine,  nicht  einer 
Anzahl  physischer  Personen  dar,  die  noch  dazu  von  Jahr  zu  Jahr 
wechseln  können.  Heber  die  Aufnahme  dieser  Mitglieder  und  die 
Anerkennung  der  delegierenden  Vereine  soll  der  Vorsitzende  des 
Bundes,  aus  eigener  Machtvollkommenheit  entscheiden;  damit 
wurde  in  seine  Hände  eine  Macht  gelegt  werden,  welche  unter 
Umstanden  ebensosehr  ihm  selbst,  wie  den  Vereinen  unbequem 
werden  könnte.  Auch  über  die  Dauer  der  Mitgliedschaft  können 
Zweifel  entstehen.  Den  Delegierten  wird  ein  Mandat  zur  Ver¬ 
tretung  ihres  Vereins  auf  dem  Aerztetage  übertragen,  und  es  er¬ 
lischt,  mit  dem  Schluss  des  Aerztetages;  sind  sie  nicht  mehr 
Delegierte,  so  können  sie  auch  nicht  mehr  Mitglieder  des  Bundes 
sein,  der.  somit  in  360  Tagen  des  Jahres  nur  einen  Vorstand  und 
keine  Mitglieder  hätte.  Ob  es  sinngemäss  ist,  der  Delegierung 
eine  einjährige  Gültigkeit  zu  geben,  ist  zum  mindesten  eine  strit¬ 
tige  Frage.  Auch  einige  Aenderungen  des  Entwurfs  gegen  die 
früheren  Satzungen,  welche  zur  Erlangung  der  Rechtsfähigkeit 
nicht  notwendig,  ihrem  Wesen  nach  aber  nicht  bedeutungslos 
sind,  verlangen  Beachtung.  So  ist  die  Bestimmung,  dass  dring¬ 
liche  Anträge,  wenn  sie  von  den  Delegierten  von  15  Vereinen 
unterstützt  werden,  zur.  Verhandlung  und  Beschlussfassung  ge¬ 
bracht  werden  müssen,  in  dem  neuen  Entwurf  weggelassen.  In¬ 
folgedessen  tritt  die  im  Gesetz  enthaltene,  aber  statutarisch  zu  be¬ 
seitigende  Bestimmung  in  Kraft,  dass  ein  Beschluss  nur  dann 
gültig  ist,  wenn  der  Gegenstand  bei  der  Berufung  bezeichnet 
wird.  Damit  wäre  also  eine  Beschlussfassung  über  dringliche 
Anträge  unmöglich.  In  Ermangelung  besonderer  Bestimmungen 
der  Satzungen  muss  eine  Mitgliederversammlung  berufen  werden 
wenn  der  zehnte  Teil  der  Mitglieder  es  verlangt ;  da  der  Entwurf 
keine  Bestimmungen  darüber  enthält,  der  zehnte  Teil  aber  eine 
relativ  geringe  Zahl  darstellt,  würde  es  in  Zukunft  ein  Leichtes 
sein,  den  Torstand  zur  Berufung  mehrerer  Aerztetage  im  Jahre 
zu  zwingen.  In  anderen  Punkten  werden  die  Kompetenzen  des 
Aerztetages  ohne  Not  vermindert  und  die  des  Geschäftsaus- 
schusses  vermehrt;  dieser  hat  die  Verhandlungsgegenstände  zu 
bestimmen  und  ist  dabei  durch  keinerlei  statutarische  Fest¬ 
setzungen  gebunden,  weder  wie  früher  die  Prüfung  und  Genehmi¬ 
gung  der  Rechnung  auf  die  Tagesordnung  zu  setzen,  noch  den 
mit  dem  Generalsekretär  abgeschlossenen  Vertrag  genehmigen  zu 
lassen.  Diese  und  andere  Einzelheiten  des  Entwurfs  wären  wohl 
einer  Abänderung  fähig.  Es  ist  leicht  möglich,  dass  manche  von 
den  erhobenen  Einwänden  widerlegt  werden  können  oder  dass 
ihre  Bedeutung  überschätzt  ist ;  das  bedarf  eben  einer  Aussprache, 
und  zwar  einer  gründlicheren,  als  es  binnen  weniger  Wochen  mög¬ 
lich  ist.  Die  Gefahr,  einen  nicht  genügend  durchgearbeiteten 
Entwurf  anzunehmen,  ist  jedenfalls  viel  bedenklicher,  als  die, 
die  Lilangung  der  Rechtsfähigkeit  um  einige  Monate  hinausg'e- 
sehoben  zu  sehen.  Es  soll  daher  dem  Geschäftsausschuss  der  An¬ 
trag  unterbreitet  werden,  mit  Rücksicht  auf  die  vielfachen  Be¬ 
denken,  welchen  der  vorgelegte  Entwurf,  betr.  die  Aenderungen  , 
der  Satzungen  des  Aerztevereinsbundes,  begegnet,  von  dem  Ge-  ' 
such  um  Eintragung  in  das  Vereinsregister  für  dieses  Jahr  ab¬ 
zusehen  und  dem  nächsten  Aerztetage  eine  Vorlage  zu  machen, 
welche  diesen  Bedenken  Rechnung  trägt. 

Der  Streit  zwischen  den  Berliner  Krankenkassen  und  den 
Apothekenbesitzern  ist  noch  immer  nicht  beigelegt;  es  hat  im 
Gegenteil  den  Anschein,  als  ob  er  in  Permanenz  erklärt  ist,  und 
nachgerade  ist  das  Interesse,  das  die  Aerzte  daran  nahmen,  mehr 
und  mehr  dem  Erlöschen  nahe.  Nun  hat  sich  ein  kleines  jour¬ 
nalistisches  Nachspiel  daran  angeschlossen,  welches  das  Verhält- 


1595 


ms  zwischen  Arzt  und  Apotheker  zum  Gegenstand  hat.  Es  war 
schon  früher  unliebsam  aufgefallen,  dass  die  Rezepte  mancher 
Kurpfuscher,  m  richtiger  oder  auch  in  mangelhafter  Form  aus¬ 
gestellt,  unbeanstandet  m  den  Apotheken  angefertigt  wurden 
und  zwar  immer  m  ganz  bestimmten  Apotheken,  so  dass  der  Ver¬ 
dacht  einer  Vereinbarung  des  Apothekenbesitzers  mit  dem  Kur- 
pfuscher  sehr  nahe  lag.  Auch  dass  alle  möglichen  Universal¬ 
mittel  m  den  Apotheken  feil  gehalten  werden,  ist  ein  zwar  durch 
sein  Alter  geheiligter,  aber  darum  für  staatlich  konzessionierte 
Einrichtungen  doch  nicht  gerade  löblicher  Gebrauch.  Auf  diese 
\  orhaltungen  erklärten  die  Apotheker,  sie  hätten  alle  Ursache 
mit  der  Haltung  der  Aerzte  bei  dem  Streit  mit  den  Kranken¬ 
kassen  unzufrieden  zu  sein ;  und  wenn  sie  bei  den  Aerzten  keine 
Unterstützung  fanden,  diese  im  Gegenteil  den  Krankenkassen 
ein  wohlwollendes  Entgegenkommen  zeigten,  so  könnte  man  auch 
von  ihnen  nicht  verlangen,  dass  sie  die  Aerzte  im  Kampfe  gegen 
die  Kurpfuscher  unterstützten,  umsomehr,  als  ihre  geschäftliche 
Lage  sie  zwinge,  mit  tunlichstem  Eifer  auf  die  Verzinsung  ihrer 
angelegten  Kapitalien  bedacht  zu  sein.  Die  Stichhaltigkeit  dieser 
Grunde  kann  bezweifelt  werden,  ebenso  wie  die  von  ärztlicher 
Seite  ausgesprochene  Ansicht,  dass  ein  schlechtes  Einvernehmen 
zwischen  Aerzteschaft  und  Apothekerschaft  im  Interesse  des  An¬ 
sehens  des  ärztlichen  Standes  läge.  Man  muss  vielmehr  ver¬ 
langen,  dass  jeder  Stand  dem  andern  die  volle  ihm  gebührende 
Achtung  .entgegenbringt.  Bei  den  verschiedenen  spitzen  Wahr¬ 
heiten,  die  man  sich  hüben  und  drüben  sagte,  gelang  es  dem 
Wortführer,  der.  Apotheker,  auch  einen  Fall  ans  Tageslicht  zu 
ziehen,  wo  m  einer  kleinen  märkischen  Stadt  ein  Arzt  an  einer 
Art  Geheimmittelfabrik  beteiligt  ist  und  den  Vertrieb  mit  seinem 
Namen  deckt.  Die  Sache  fand  selbstverständlich  die  schärfste 
Verurteilung;  aber  der  Fall  gehört  doch  zu  den  sehr  seltenen 
Ausnahmen,  und  wir  würden  es  uns  sehr  verbitten,  wenn  aus  ihm 
allgemeine  Schlüsse  gezogen  würden.  Dasselbe  Recht  müssen  wir 
aber,  auch  den  Apothekern  zugestehen.  Gewiss  ist  im  Apotheker¬ 
betrieb  manches  nicht  so,  wie  es  sein  sollte;  grobe  Misstände, 
besonders  solche,  welche  die  öffentliche  Gesundheitspflege 
schädigen,  haben  wir  das  Recht  und  die  Pflicht  zu  bekämpfen; 
aber  die  unsauberen  Elemente  aus  ihren  Reihen  fern  zu  halten, 
wollen  wir  getrost  den  Apothekern  selbst  und  ihrer  Standes¬ 
vertretung  überlassen.  ^  j- 


Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

W  i  e  n,  18.  September  1902. 

Ber  VII.  österreichische  Aerztekammertag  in  Czernowitz. 
—  Ein  neues  Aerztekammergesetz.  —  Kassen  und  Aerzte  — 
Versicherungsanstalten.  —  Annoncen. 

^ni  un<J  c^‘  September  1.  J.  tagte  in  Czernowitz  der 
VII.  österreichische  Aerztekammertag,  bei  dem  fast  sämtliche 
Aerztekaminern  Oesterreichs  durch  Delegierte  vertreten  waren. 
Nicht  weniger  als  16  Anträge,  worunter  sich  die  auf  Aenderung 
des  Kammergesetzes,  Schaffung  einer  Standesordnung,  Regelung 
des  Rechtsverhältnisses  zwischen  den  Kassenärzten  und  Kranken¬ 
kassen,  Regelung  der  Honorarfrage,  der  Titelfrage  etc.  befanden, 
lagen  dem  Kammertage  zur  Beratung  und  Beschlussfassung  vor. 
Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  grosse  Tagesordnung  vom 
Kammei  läge  nicht  vollkommen  erledigt  wurde.  Wir  müssen  uns 
an  dieser  Stelle  auf  die  Anführung  der  wichtigsten  Beschlüsse 
beschränken. 

Der  erste  Punkt  betraf  die  Aenderung  des  Kammergesetzes, 
und  zwar  nach  den  Hauptgesichtspunkten:  Einführung  von 
Aerztelisten,  in  welche  derjenige,  der  die  ärztliche  Praxis  aus¬ 
üben  will,  vor  Antritt  der  letzteren  seine  Eintragung  zu  erwirken 
hat;  die  Einbeziehung  der  politischen  Amtsärzte  in  die  Kammer¬ 
pflicht,  die  Abänderung  des  Wahlmodus  in  die  Kammer,  die  Er¬ 
weiterung  der  Disziplinargewalt  der  Kammer,  bestehend  in  der 
Befugnis  der  Praxisentziehung,  die  Trennung  des  Ehrenrates  vom 
^  orstande  und  die  Schaffung  eines  Ehrengerichtshofes.  Alle 
diese  Abänderungsvorschläge  bis  auf  den  Antrag  der  Bildung 
eines  Ehrengerichtshofes  wurden  angenommen.  Mit  Rücksicht 
auf  die  beschlossene  Erweiterung  der  Disziplinargewalt  der  Kam¬ 
mern  (Praxisentziehung !)  wurde  zwar  die  Notwendigkeit 
eines  Ehrengerichtshofes  oder  einer  ähnlichen  Instanz  als  Schutz¬ 
wehr  für  die  von  der  schärfsten  Strafe  Betroffenen  anerkannt, 


1590 


MEENCTIENER  MEDICINISCHE  WOG  HENSCHRIF 1 . 


tto.  38. 


«lie  von  der  Wiener  Kammer  vorgeschlagene  Organisation  einer 
solchen  Institution  wurde  aber  als  nicht  vollständig  unc  sonn 
höchst  reformbedürftig  bezeichnet.  Die  Beratung  dieser  Frage 
sowie  die  der  Schaffung  einer  „Aerzteor  d  n  u  n  g  ,  deren  Not¬ 
wendigkeit  allseits  anerkannt  war,  wurde  nochmals  den  einzelnen 
Kammern  zugewiesen. 

Die  Standesinteressen  der  Aerzte  sind  in  unseren  gesetz¬ 
gebenden  Körperschaften  soviel  wie  gar  nicht  vertreten.  Der 
Kammertag  bedauerte  dies  in  einer  Resolution  und  sprach  die 
Hoffnung  aus,  dass  die  Aerzteschaft  in  einer  viel  regeren  *■ 
speziell  an  der  Wahlbewegung  sich  beteilige,  in  der  Absicht,  sich 
in  diese  Körperschaften  wählen  zu  lassen.  Der  früher  geste.1  e 
Antrag,  es  sei  dahin  zu  streben,  dass  den  Aerztekammern  ähn¬ 
lich  wie  den  Handels-  und  Gewerbekammern,  das  Recht  ei 
geräumt  werde,  eigene  Vertreter  für  den  Reichsrat  und  die  Land¬ 
tage  zu  wählen,  wurde  als  aussichtslos  und  unzeitgemass  fallen 

gelassen. 

Ein  weiterer  Antrag  auf  Bildung  eines  Zentralausschusses 
aller  Kammern  und  Behandlung  gemeinsamer  Angelegenheiten 
durch  die  geschäftsführende  Kammer  wurde  von  der  Tagesord¬ 
nung  abgesetzt,  ebenso  der  Antrag  auf  Regelung  der  Honorar¬ 
frage,  der  letzterwähnte  Antrag  aus  dem  Grunde,  weil  derzeit 
noch  nicht  die  Honorartarife  aller  Kammern  zur  Beratung  Vor¬ 
lagen. 

Bezüglich  der  Regelung  des  Rechtsverhältnisses  zwischen  den 

Krankenkassen  und  Kassenärzten  war  im  Jahre  1901  seitens 
eines  Kammerkomitees  beiden  Häusern  des  Reichsrates  ein  er¬ 
schöpfendes,  die  einschlägigen  Wünsche  und  Forderungen  der 
Aerzte  umfassendes  Memorandum  überreicht  worden.  Im  Jänner 
1  J.  kam  diese  Angelegenheit  im  Budgetausschusse  unseres  - 
geordnetenliauses  zur  Sprache  und  unser  Ministerpräsident  stellte 
damals  die  baldige  Reform  des  Krankenkassengesetzes  m  sichere 
Aussicht.  Auch  im  Abgeordnetenhause  versprach  der  Minister¬ 
präsident,  in  Beantwortung  einer  an  ihn  gerichteten  Inter¬ 
pellation,  dass  er  die  Wünsche  der  Aerztekammern  vollinhaltlich 
berücksichtigen  werde,  und  stellte  ihnen  abermals  das  weit¬ 
gehendste  Wohlwollen  der  Regierung  in  sichere  Aussicht.  Eine 
weitere  Aktion  erschien  daher  dem  Aerztekammertage  in  Czerno- 
witz  derzeit  für  untunlich  und  er  sprach  sich  in  einer  Resolution 
dahin  aus,  dass  er  die  im  besagten  Memorandum  zur  Geltung  ge¬ 
brachten  Forderungen  der  Aerzte  auch  heute  noch  mals  voll¬ 
berechtigt  anerkenne,  und  dass  er  von  der  k.  k.  Regierung  er¬ 
warte,  dass  diese  Forderungen  entsprechende  Berücksichtigung 

finden  werden. 

Die  Beschickung  der  medizinischen  und  hygienischen  Kon¬ 
gresse  durch  Delegierte  der  Aerztekammer  wurde  als  wünschens¬ 
wert  erachtet  und  der  Antrag  angenommen,  dass  den  Kongress¬ 
teilnehmern  der  Kammern  Geldunterstützungen  aus  Staats¬ 
mitteln  zu  teil  werden. 

Weitere  Gegenstände  der  Tagesordnung,  die  Beratung  einer 
gemeinsamen  Standesordnung  und  der  Titelfrage,  wurden  als 
derzeit  nicht  spruchreif  vertagt.  Im  Punkte  der  gesetzlichen 
Regelung  der  Befugnisse  der  Zahnärzte  und  der  Zahntechniker 
acceptierte  der  Kammertag  den  Standpunkt  der  W  iener  Aerzte¬ 
kammern,  welchen  diese  im  Namen  aller  Kammern  in  einer 
längeren,  an  die  Regierung  gerichteten  Petition  erst  jüngst  em- 
o-enommen  hatte.  Der  Kammertag  erwartet  von  der  Regierung, 
dass  sie  den  daselbst  ausgedrückten  Forderungen  im  Interesse 
der  Beilegung  des  derzeitigen  Missverhältnisses  Rechnung  tragen 
werde.  Die  erwähnte  Petition  gipfelt  in  dem  Satze,  dass  die 
Zahn-  und  Kieferprothese  nicht  in  die  Reihe  der  kosmetischen 
Gewerbe  gestellt  werde,  da  sie  ärztliche  Vorbildung  und  opera¬ 
tive  Eingriffe  erfordere;  sie  könne  deshalb  nur  als  Hilfsgewerbe 
bestehen.  Man  dürfe  den  Zahntechnikern  wegen  ihrer  viel¬ 
fachen  Uebergriffe  auf  ärztliche  Gebiete  in  Hinkunft  keine  Ge¬ 
werbescheine  ausstellen. 

In  der  Frage  der  Regelung  des  \  erhältnisses  zwischen  Aei^ 
sicherungsärzten  und  -Anstalten  wurden  vom  Kammertage  zwei 
Beschlüsse  gefasst.  Sie  lauten:  1.  Die  Aufnahmsuntersuchungen 
bei  Lebensversicherungen  sollen  in  der  Wohnung  des  Arztes  vor¬ 
genommen  werden  und  sollen  die  Parere,  wenn  keine  besonderen 
Leistungen  verlangt  werden,  ohne  Rücksicht  auf  die  Höhe  der 
Versicherungssumme  mit  mindestens  10  Kronen  honoriert 
werden.  2.  Sollen  zur  Abfassung  der  Aufnahmsparere  ein  oder 
mehrere  Besuche  bei  der  Partei  verlangt  werden,  so  sind  diese 


Besuche  von  der  Anstalt  zu  honorieren.  Bezüglich  der  Volte« 
Versicherung  wurde  jeder  einzelnen  Kammer  die  V  erembarung 
bezüglich  der  ärztlichen  Untersuchung  und  Honorierung  dt 
Atteste  mit  der  betreffenden  Gesellschaft  nach  ihrem  eigenen 
Gutdünken  überlassen.  In  letzterer  Hinsicht  sei  erwähnt,  das» 
einzelne  Kammern  ihre  Geneigtheit  aussprachen,  mit  Rücksicht 
auf  die  niedrigen  Versicherungssummen  bei  der  \  olksversiche- 
rung  („Allianz“  in  Wien)  und  auf  die  wirtschaftliche  Lage  der 
Versicherungsbewerber  sich  mit  dem  beantragten  ärztlichen 
Honorare  von  1  Krone  zu  begnügen,  während  andere  Kammern 
—  und  wie  wir  glauben,  mit  gutem  Rechte  —  entschieden  er¬ 
klärten,  dass  die  Bezahlung  eines  Gutachtens  mit  nur  einer 
Krone  des  ärztlichen  Standes  nicht  würdig  sei,  oder  dass  bei 
Volksversicherungen  bis  zum  Betrage  von  G00  Kronen,  bei  denen 
eine  eingehende  Untersuchung  des  Versicherungsbewerbers  nicht 
nötig  sei,  das  Parere  mit  mindestens  1—2  Kronen  zu  hono¬ 
In  der  Bukowina  hat  sich  jüngst  wieder  der  lall  ereignet, 
dass  zwei  Aerzte,  deren  Verurteilung  nach  dem  Ergebnisse  der 
straf  gerichtlichen  Untersuchung  vorauszusehen  war,  infolge  des 
sie  entlastenden  Fakultätsgutachtens  straflos  ausgingen.  Der 
Kammertag  fasste  diesbezüglich  folgenden  Beschluss:  Es  sei  an 
das  Justizministerium  mit  der  Bitte  heranzutreten,  dass  die  ge¬ 
richtliche  Untersuchung  wegen  eines  Kunstfehlers  erst  nae 
Einholung  eines  gerichtsärztlichen  Gutachtens  eingeleitet  um 
das  Urteil  erst  dann  gefällt  werde,  wenn  über  den  Fall  ein  Fakul¬ 
tätsgutachten  eingeholt  ist.  Dieser  Vorgang  sei  nicht  nur  für 
das  Straf-,  sondern  auch  bei  Untersuchungen  im  Zollverfahren 
anzuwenden,  wobei  im  letzteren  Falle  die  Aerzte  sich  bereit  er¬ 
klären,  für  die  Kosten  des  Vorverfahrens  aufzukommen- 

Weiters  wurde  die  Ausarbeitung  einer  Petition  um  Schaffung 
eines  Ministeriums  für  Sanitätsangelegenheiten  beschlossen  so¬ 
dann  einer  zweiten  Petition  an  die  Regierung  und  die  beiden 
Häuser  des  Reichsrates,  betreffend  die  Abänderung  einiger  Para- 
graphe  des  neuen  Pressgesetzes.  Die  Abänderung  soll  die  ärzt¬ 
liche  Annonce  „unter  Anführung  von  Krankheiten  und  unter 
rekl amenliaf ter  Anpreisung  der  Tätigkeit“  mit  Arrest  und  Geld¬ 
strafen  bedrohen  und  das  Ankündigen  verbotener  Medikamente, 
das  Angebot  ärztlicher  Behandlung  von  seite  solcher  Personen, 
welche  zur  Ausübung  der  Praxis  nicht  berechtigt  sind,  als 
Uebertretung  ebenfalls  mit  Geld-  und  Arreststrafe  belegen.  Em 
wichtiger  Antrag,  der  auf  Schaffung  eines  allen  Aerzten  zugäng¬ 
lichen  Pensiousinstituts,  wurde  ebenfalls  fallen  gelassen,  da  der 
vorliegende  Antrag  einer  Kammer,  „bei  den  Zentralbehörden  un 
im  Reichsrate  die  Schaffung  eines  eigenen  Pensionsfonds  für  die 
Aerzte  anzuregen“,  nicht  näher  begründet  war  und  weitere  Vor¬ 
schläge  als  nicht  diskutabel  angesehen  wurden.  Die  I  rage  der 
obligatorischen  Alters-  und  Invaliditätsversicherung  der  Aerzte 
ist  aber,  unserer  Ansicht  nach,  eine  so  wichtige  und  folgen¬ 
schwere,  dass  deren  Diskussion  immer  wieder  wird  aufgenommen 
werden  müssen,  bis  sie  der  gedeihlichen  Lösung  zugefuhrt 

worden  ist.  .  , 

So  hätten  wir  denn  im  Vorstehenden  eine  ganze  Reihe  wich¬ 
tiger  Desiderata  angeführt,  welche  im  sozialärztlichen  Leben  der 
österreichischen  Aerzte  seit  Jahren  in  Diskussion  stehen  und 
deren  endliche  Befriedigung,  zumeist  seitens  der  machthabenden 
Faktoren,  sie  innig  herbeisehnen.  Es  sei  uns  zum  Schlüsse  ge¬ 
stattet,  aus  einem  jüngst  in  der  „Wiener  medizinischen  Wochen¬ 
schrift“  unter  dem  Titel:  „Kammer  und  Kassen“  erschienenen 
Aufsätze  die  nachfolgenden  zwei  Sätze  zu  zitieren :  „Der  Zug  der 
Zeit  hat  das  Publikum  daran  gewöhnt,  die  Aerzteschaft  als  eine 
öffentliche  Institution“  anzusehen,  aber  nicht  etwa 
in  dem  Sinne,  dass  ihr  die  ihr  gebührende  Stellung  eingeräumt 
werde,  sondern  in  dem,  dass  der  einzelne  Arzt  dem  „ö  f  f  e  n  t 
liehen  Interesse“  ohne  weiteres  dienstbar  gemacht 
wird  .  .  .  Wie  weit  wird  es  mit  der  Not  des  ärztlichen  Standes 
noch  kommen  müssen,  bis  Regierung  und  Parlament  zur  Er¬ 
kenntnis  gelangen  werden,  dass  die  Reform  dieser  Gesetze 
(Krankenkassen-  und  Hilfskassengesetze)  eine  Staatsnotwendig¬ 
keit  ist,  um  die  „öffentliche  Institution“  der  Aerzteschaft  vor 

dem  Ruine  zu  bewahren!“ 


23.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1597 


Londoner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Londoner  Krankenhäuser  und  medizinische  Schulen  — 
German  Hospital. 

Die  Londoner  Krankenhäuser  machen  an  sich  selbst  den 
besten  Eindruck;  der  Besucher  ist  entzückt  über  die  schönen 
Bauten,  die  luftigen  Räume  und  hauptsächlich  über  die  peinliche 
Reinlichkeit,  die  Überall  herrscht.  Dazu  trägt  besonders  die 
Strenge  der  Verwaltung  und  die  Tüchtigkeit  des  gut  geschulten 
Personals  bei.  Was  ich  aber  an  den  Krankenhäusern  auszusetzen 
fand,  ist  das  Fehlen  des  Grünen  in  deren  nächster  Umgebung. 
Das  Klima,  die  Luft  Londons  war  natürlich  nicht  zu  ändern,  aber 
da  die  Engländer  so  grosse  Naturfreunde  sind,  hätte  ich  gedacht, 
dass  sie  dieser  Passion  auch  dort  Rechnung  tragen  würden,  wo 
es  so  wichtig  und  nützlich  ist,  bei  den  Krankenhäusern.  Der 
Mangel  an  Bäumen  in  London  fiel  mir  nach  dem  Besuch  Paris’ 
natüilich  doppelt  auf.  Und  doch  hat  London  so  viele  breite,  ge¬ 
rade,  von  niederen  Häusern  eingefasste  Strassen,  durch  deren  Be¬ 
pflanzung  man  die  herrlichsten  Boulevards  schaffen  könnte. 
Allerdings  hat  man  diesem  Fehler  bei  den  Krankenhäusern  in¬ 
direkt  dadurch  abgeholfen,  dass  fast  jedes  Krankenhaus  ein  Re¬ 
konvaleszentenheim  weit  ausserhalb  der  Stadt,  meist  am  Meere 
selbst,  besitzt,  wo  sich  die  Genesenden  rasch  erholen  können. 
Nur  das  deutsche  Krankenhaus,  pardon,  G  erma  n  Hospital 
(die  Prospekte  sind  nur  in  englischer  Sprache  gedruckt),  macht 
in  Bezug  auf  den  Mangel  an  Grünem  eine  löbliche  Ausnahme, 
doch  davon  später,  Auch  das  St.  Thomas’  Hospital  ver¬ 
dient  scheinbar  diesen  Vorwurf  nicht,  aber  wenn  auch  seine 
sieben,  durch  Arkaden  Verbundenen  Paläste,  seine  Lage  am  Fluss¬ 
ufer,  dem  Parlament  vis-ä-Vis,  und  die  gewaltige,  über  einen  hal¬ 
ben  Kilometer  lange  Front  jedem  imponieren  muss,  der  über  die 
Westminsterbrücke  auf  das  Krankenhaus  zuschreitet,  so  muss 
sich  der  Fachmann  bei  längerer  Ueberlegung  doch  sagen,  dass 
gerade  diese  scheinbar  so  schöne  Lage  ein  Nachteil  ist,  da  die 
Nähe  des  Flusses  mit  seinen  Nebeln  und  der  Feuchtigkeit  ge¬ 
wiss  nicht  als  Heilfaktor  zu  betrachten  ist. 

Die  merkwürdigste  Einrichtung  der  Londoner  Kranken¬ 
häuser  ist  jedenfalls  die,  dass  jedes  grössere  Hospital  auch  eine 
medizinische  Schule  besitzt,  so  dass  auf  diese  Weise 
jedes  der  grossen  Krankenhäuser  mit  der  betreffenden  Schule 
eine  vollständige  medizinische  Fakultät  bildet,  in  welcher  der 
Student  alle  zu  seiner  Ausbildung  als  Arzt  nötigen  Zweige  ver¬ 
treten  findet.  Von  diesen  medizinischen  Schulen  gibt  es  in  Lon¬ 
don  mehr  als  ein  halb  Dutzend,  und  zwischen  den  einzelnen  be¬ 
steht  ein  sehr  lobenswerter  und  dem  Ganzen  nützlicher  Wetteifer, 
sich  gegenseitig  den  Rang  abzulaufen.  Jede  Schule  bemüht  sich, 
die  besten  Professoren,  die  schönsten  Lokale  und  das  reich¬ 
haltigste  Museum  zu  haben  und ‘damit  die  grösste  Zahl  von  Stu¬ 
denten  an  sich  zu  bringen.  Was  meine  besondere  Aufmerksam¬ 
keit  und  Bewunderung  erregte,  waren  die  verschiedenen  Museen, 
die  jede  Schule  besitzt.  Sie  scheinen  auch  der  besondere  Stolz 
der  Schulen  zu  sein,  denn  ich  wurde  bei  jedem  meiner  Besuche 
sofort  gefragt,  ob  ich  nicht  das  Museum  sehen  wolle.  Ich  lernte 
darin  eine  sehr  praktische,  nachahmenswerte  Einrichtung 
kennen.  In  luftigen,  hellen  Räumen  sind  die  verschiedenen  Prä¬ 
parate  in  praktischer  Anordnung  aufgestellt,  und  die  Studenten 
haben  ohne  weiteres  Zutritt  und  dürfen  die  Präparate  von  ihren 
Plätzen  nehmen  und  studieren.  Zahlreiche  Kataloge  liegen  zur 
Erleichterung  der  Studien  in  jedem  Museum  auf.  Die  Studenten 
haben  keine  andere  V  erpflichtung,  als  die,  jedes  Präparat  wieder 
ordentlich  an  seinen  Platz  zu  stellen,  eine  Vorschrift,  der  sie,  so 
viel  ich  gesehen  habe,  mit  englischer  Pünktlichkeit  nachkommen. 
Jedes.  Museum  besteht  aus  verschiedenen  Abteilungen  und  teilt 
sich  in  ein  botanisches,  zoologisches,  anatomisches  und  patho¬ 
logisches  Museum;  ausserdem  gibt  es  .noch  Materia-medica- 
Abteilungen,  sowie  Zimmer  mit  mikroskopischen  Präparaten, 
Diagrammen  etc.  In  den  pathologischen  Abteilungen  der  ver¬ 
schiedenen  Museen  fand  ich  sehr  interessante,  auch  historische 
Präparate,  soz.B.  im  St.  Thomas’  Hospital  von  Cooper 
nnd  South  über  Frakturen,  Hernia,  Testes  etc. 

Jede  medizinische  Schule  hat  auch  ihre  eigene  Bibliothek, 
mit  zahlreichen  (aber  fast  nur  englischen)  Büchern  und  Zeit¬ 
schriften.  Auch  hier  ist  die  Benützung  mit  dem  denkbar  ge¬ 
ringsten  Aufwand  von  Vorschriften  geregelt;  es  gibt  nur  fünf 
Artikel,  deren  wichtigster  das  Verbot  ist,  Bücher  aus  den  Biblio¬ 


theksräumen  zu  entfernen,  und  die  Mahnung,  sich  ruhig  zu  ver¬ 
halten  und  keine  Konversation  zu  pflegen. 

Ein  anderes  (  harakteristikum  der  medizinischen  Schulen 
sind  die  Unterhaltungs-  bezw.  Restaurationsräume.  Es  ist  dies 
eine  besondere  Abteilung,  die  unter  Kontrolle  der  Krankenhaus¬ 
verwaltung  steht  und  wo  den  Studenten  zu  verhältnismässig 
niedrigen  Preisen  Speise  und  Trank  geboten  wird  und  sie  sich  in 
anstossenden  Rauch-  und  Konversationszimmern  unterhalten 
können.  Das  englische  „time  is  money“  kommt  eben  auch  hier 
zui  Geltung ;  der  Student  braucht  keine  Zeit  zu  verlieren,  wenn 
er,  nachdem  er  seinen  Geist  bereichert  hat,  auch  für  seinen 
Körper  sorgen  will.  Ist  es  bei  dieser  Einteilung  im  sportlieben¬ 
den  England  zu  verwundern,  dass  jede  Schule  auch  ihren  eigenen 
Sportplatz,  den  „Club  G round“  in  möglichster  Nähe  der  Schule 
oder  doch  mit  günstiger  Bahnverbindung  besitzt  ?  Ueber  den 
hygienischen  Wert  der  berühmten  englischen  Spiele  wird 
niemand  streiten  wollen,  aber  auch  Engländer  selbst  geben  zu, 
dass  es  bei  den  verschiedenen  Foot-Ball  und  Cricket  Matches, 
besonders  bei  den  berühmten  Cambridge  und  Oxford  Matches 
oft  zu  erreg!  und  roh  zug’eht.  J edes  J ahr  sind  nicht  wenige  Opfer 
dieser  übertriebenen  Sportswut  zu  zählen,  aber  die  Studenten 
zeigen  gern,  dass  sie  die  Fusstritte  und  den  Anprall  der  harten 
Kugeln  sehr  gut  ertragen  können. 

Wenn  der  äussere  Anschein  nicht  trügt,  muss  man  übrigens 
zugeben,  dass  die  englischen  Studenten  tüchtig  sind  und  die  medi¬ 
zinischen  Schulen  gute  Resultate  erzielen.  In  der  Schule  leben 
die  Studenten  wie  in  einem  Institut  (in  einigen  derselben  können 
sie  auch  gleich  wohnen),  sie  stehen  unter  direkter  Aufsicht  der 
Professoren,  Assistenten  und  des  Warden,  d.  h.  des  Direktors 
des  College  oder  der  Schule,  und  müssen  auf  solche  Weise  regel¬ 
mässig  lernen  und  die  Prüfungen  rechtzeitig  bestehen.  Nach  10 
im  Medical  College  verbrachten  Semestern  erwirbt  sich  der  Stu¬ 
dent  einen  oder  mehrere  der  verschiedenen  Titel  (M.  B.  =  Bache¬ 
lor  of  Medicine,  B.  S.  =  Bachelor  of  Surgery,  M.  D.  =  Doctor 
of  Medicine,  M.  S.  =  Master  of  Surgery,  L.  R.  C.  P.  =  Licentiate 
of  the  Royal  College  of  Physicians,  und  wie  die  Buchstaben  auf 
den  1  isitenkarten  der  englischen  Herren  Kollegen  alle  heissen 
mögen,  über  die  sich  der  Ausländer  den  Kopf  zerbrechen  muss!), 
welche  die  Universität,  das  Royal  College  of  Physicians  und  jenes 
of  Su  rgeons  zu  verleihen  berechtigt  sind. 

Die  Universität  Londons  war  bekanntlich  bis  zum  vorigen 
Jahre  eine  ausschliessliche  Prüfüngsbehörde,  da  der  Unterricht 
als  Privatsache  betrachtet  wurde,  und  nur  einer  sehr  lebhaften 
Agitation  gelang  es,  ihre  Umwandlung  zu  erreichen,  so  dass  sie 
jetzt  neben  der  Prüfungs-  auch  die  Lehrtätigkeit  ausübt. 

Ausser  den  echt  englischen  Hospitälern  interessierten  mich 
natürlich  auch  das  deutsche,  französische  und  italienische  Kran¬ 
kenhaus,  doch  will  ich  hier  nur  über  das  erstere  berichten.  Das 
German  Hospital  verdankt  seine  Entstehung  dem  Gedanken, 
den  in  London  weilenden  kranken  Deutschen  Hilfe  zu  bringen 
und  ihnen  die  Entfernung  vom  Vaterland  weniger  fühlbar  wer¬ 
den  zu  lassen.  Wie  deprimierend  es  auf  den  Kranken  wirkt, 
im  fremden  Lande  zu  sein  und  die  teure  Muttersprache  nicht  um 
sich  zu  hören,  habe  ich  leider  an  mir  selbst  erprobt;  kommt  dazu 
noch  Armut,  so  ist  das  Unglück  gross  genug,  um  jedes  Mitleid 
und  Hilfe  zu  verdienen.  Doppelt  wohltuend  ist  diese  Hilfe 
natürlich,  wenn  sie  von  Landsleuten  ausgeht,  wenn  Landsleute 
sich  des  Aermsten  annehmen.  Die  Idee,  ein  deutsches  Kranken¬ 
haus  zu  errichten,  war  daher  ebenso  menschenfreundlich,  als  rich¬ 
tig,  ünd  das  Institut  selbst  verdient  alles  Lob.  Aus  kleinen  An¬ 
fängen  hat  sich  das  Institut,  dank  seiner  tüchtigen  und  strengen 
Verwaltung,  emporgearbeitet,  ein  lebendiges  Zeugnis  deutscher 
Ausdauer.  Im  Jahre  1843  bildete  sich  ein  aus  wenigen  Deutschen 
bestehendes  Komitee,  dem  es  gelang,  die  Protektion  und  finan¬ 
zielle  Unterstützung  des  Königs  von  Preussen  zu  erringen,  ein 
bescheidenes  Haus  im  Ostende  von  London  zu  erwerben  und 
gleich  die  ersten  Patienten  aufzunehmen.  Die  Lage  war  vorzüg¬ 
lich  gewählt,  sowohl  in  hygienischer  Beziehung,  als  der  Billigkeit 
und  der  Menge  deutscher  Arbeiter  wegen,  die  jenes  Viertel  be¬ 
wohnen.  Durch  namhafte  Unterstützungen,  die  dem  Hospital  so¬ 
wohl  von  Deutschland,  als  auch  von  in  London  lebenden 
Deutschen  und  den'  Engländern  selbst  zugingen  (der  deutsche 
Kaiser  gibt  z.  B.  200  Pfd.  St.  ==  4000  M.  jährlich),  wurde  es 
dann  ermöglicht,  ein  neues  Haus  zu  bauen  und  das  alte  nieder- 
zureissen.  Ausserdem  entstanden  nach  und  nach  3  Dispensaries 


1598 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


(Ambulantenpoliklinik),  die  eine  im  Ostende,  die  andere  im  Mess¬ 
ende  von  London  und  die  dritte  beim  neuen  Krankenhaus  selbst. 
Dann  wurde  ein  Rekonvaleszentenheim  und  eine  Abteilung  für 
bezahlende  Kranke  errichtet,  kurz  das  deutsche  Hospital  ent¬ 
wickelte  sich  zu  einem  Institut,  auf  das  die  Deutschen  mit  Recht 
stolz  sein  können.  Das  Hospital  verfügt  zur  Zeit  über  130  Betten, 
besitzt  eigene  Apotheke  und  gewährte  im  Jahre  1901  1846  Kran¬ 
ken  Aufnahme  und  behandelte  25  811  Outpatients  (Ambulante) , 
gewiss  eine  sehr  hervorragende  Leistung. 

Leider  schloss  das  vergangene  Jahr,  infolge  ausserordent¬ 
licher  Ausgaben,  mit  einem  Defizit  von  2000  Efd.  St.  ab.  Die 
Verwaltung  spricht  daher  in  ihrem  Annual  Report  die  Hoffnung 
und  die  Bitte  aus,  die  Gaben  aus  dem  Mutterland  wieder  etwas 
reichlicher  fiiessen  zu  lassen,  damit  diese  Schulden  gedeckt  wer¬ 
den  können  und  das  deutsche  Hospital  sich  des  grossen  R<  iclu > 
würdig  entwickeln  und  stets  in  der  Lage  sein  möge,  allen  leiden¬ 
den  Landsleuten  beizustehen.  Das  ist  auch  mein  aufrichtiger 
Wunsch  und  lege  ich  allen  deutschen  Herren  Kollegen,  sowie 
überhaupt  allen  Deutschen  ans  Herz,  eine  solch  vorzügliche  Ein¬ 
richtung  nach  Möglichkeit  zu  unterstützen.  .  . 

Dr.  Giovanni  G  a  1 1  i. 


Verschiedenes. 

Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands. 

Der  diesjährige  Jahresbericht  der  Versicherungskasse  für  die 
Verzte  Deutschlands  (früher  Zentralhilfskasse)  bringt  ausser  einer 
Piste  der  jeweiligen  633  Mitglieder  in  einer  Tafel  eine  anschauliche 
Darstellung  der  bisherigen  Entwicklung  der  Kasse  und  berichtet 
über  den  Stand  der  Arbeit  am  31.  Dezember  1901  mit  folgenden 
Ziffern! 

Die  Zahl  der  Mitglieder  ist  bei  einem  Gesamtneueintritt  von 
08  und  bei  einem  Abgang  von  16  (10  Sterbefälle,  6  Aufgaben  der 
Versicherung)  von  581  auf  633,  also  um  52  gestiegen,  em  Zugang, 
der  nur  einmal  im  Geschäftsjahr  1898/99  übertroffen  wurde 

Die  einzelnen  Versicherungszweige  waren  wie  folgt  beteiligt. 
Die  Sterbekasse  mit  10,  die  Krankenkasse  mit  54,  die  In¬ 
validenkasse  mit  26,  die  Alterskasse  mit  12,  die  Witwenkasse 
mit  17. 

Die  verschiedenen  Kassen  setzten  sich  demgemäss  am  31.  De¬ 
zember  1901  zusammen:  _  n  ... 

die  Sterbekasse  aus  29  Einzelmitgliedern  und  2  Vereinen  (mit 
zusammen  151  Einzelversicherungen)  im  Gesamtbeträge  von 

M.  90  000  Sterbegeld,  „  .  .  . 

die  Krankenkasse  aus  473  Mitgliedern  mit  531  Emzelversicke- 
rungen  im  Gesamtbeträge  von  M.  3429.40  täglichem  Krankengeld 
auf  höchstens  26  Wochen  und  M.  172  470  Sterbegeld,  _ 

die  Invalidenkasse  aus  470  Mitgliedern  mit  489  Einzelversiche- 
rungen  im  Gesamtbeträge  von  M.  515  365.35  jährlicher  Invaliden¬ 
rente  bis  zum  Tode,  , 

die  Alterskasse  E  aus  79  Mitgliedern  mit  82  Einzelversiclie- 
mi n gen  im  Gesamtbeträge  von  M.  95  503.35  jährlicher  Altersrente 

bis  zum  Tode,  .  „  .  .  . 

die  Altersklasse  F  aus  8  Mitgliedern  mit  9  Einzelversiche- 
rungen  im  Gesamtbeträge  von  INI.  5550.65  jährlicher  Altersrente 
bis  zum  Tode  und  M.  5550.65  Sterbegeld, 

die  Witwenkasse  aus  63  Mitgliedern  mit  63  Emzelvei Siche¬ 
rungen  im  Gesamtbeträge  von  M.  34  290  jährlicher  Witwenrente 
bis  zum  Tode  der  Witwe. 

Die  Gesamtprämieneinnahme  im  Jahre  1901  betrug 
M.  114  334.79  gegen  M.  98  822.75  im  Vorjahre;  das  als  Deckungs- 
mittel  am  31.  Dezember  1901  dienende  Kassenvermögen 
M.  666  303.30  gegen  M.  580  477.81  am  31.  Dezember  1900,  der  Zins¬ 
ertrag  des  gesamten  Vermögens  einschliesslich  des  Hauses 
Oranienburgerstrasse  42/43  (von  M.  5149.47)  M.  27  670.94  gegen 
M.  21  880.44  im  Jahre  1900. 

Die  Krankengeldzahlungen  betrugen  im  Jahre  1901  bei  79  Er¬ 
krankten  mit  2876  Krankentagen  INI.  22  291.60  gegen  M.  19  188  bei 
03  Kranken  mit  2731  Krankentagen  im  Vorjahre;  die  Invaliden¬ 
renten  bei  26  Invaliden  im  Jahre  1901  M.  20  965.12  gegen 
M.  20  226.50  bei  22  Invaliden  im  Jahre  1900.  —  Tn  der  Kranken¬ 
kasse  traten  5  Todesfälle  ein,  für  welche  zusammen  M.  1350 

Sterbegeld  ausgezahlt  wurden.  . 

In  der  Sterbekasse,  Witwen-  und  Altersversorgungskasse  sind 

Ansprüche  nicht  fällig  geworden.  ...... 

Die  Verwaltungskosten  sind  auch  in  diesem  Jahre  erheblich 
zurückgegangen  und  betrugen  nur  noch  4  Proz.  der  Gesamtein¬ 
nahmen  gegen  6  Proz.  im  Vorjahre. 

Wie  aus  der  diesjährigen  technischen  Durchsicht  des  Sach¬ 
verständigen  zu  ersehen,  ist  der  Stand  aller  Abteilungen  ein  durch¬ 
aus  befriedigender,  und  dies  gilt  insbesondere  auch  von  der  Kran¬ 
kenkasse,  da  sich  herausgestellt  hat,  dass  eine  die  Mitgliederrechte 
in  keiner  Weise  beeinflussende  und  lediglich  versicherungsteeh- 
nische  Abänderung  das  nur  scheinbar  ungünstige  Ergebnis  zu 
einem  ITebcrschusR  um  wandelt  lind  für  diese  Abänderung  die  Zu- 
Stimmung  der  Aufsichtsbehörde  zu  erwarten  steht. 


Von  weiteren  wichtigen  Mitteilungen  des  Berichtes  ist  zu  er¬ 
wähnen-  der  bekannte  Beschluss  des  Hildesheimer  Aerztetages, 
die  unentgeltliche  Beilage  der  Drucksachen  der  Kasse  seitens  der 
Aerztekammer  für  die  Rheinprovinz  und  die  Hohenzollernsclien 
Lande  und  die  auch  in  diesem  Jahre  wieder  erfolgte  Zuwendung 
von  M.  1000  seitens  des  Herausgeberkollegiums  der  Munch,  meü. 
Wochenschr. 

Die  Impfungen  gegen  Tollwut  im  Institut  Pasteur  zu  Paris. 

Nach  dem  Berichte  von  V  i  a  1  a  (Annales  de  l'institut  .Pasteur. 
Juni  1902)  wurden  in  dieser  Anstalt  im  Jahre  1901  1321  Personen 
behandelt;  8  davon  starben,  bei  dreien  brach  jedoch  die  lollwut 
vor  dem  Ende  der  Behandlung  aus,  so  dass  sich  unter  Abzug  dei- 
selben  eine  Mortalität  von  5  =  0,38  Proz.  ergab,  was  dem  Durch¬ 
schnitt  der  letzten  12  Jahre  entspricht.  Die  Kranken  werden 
wieder  in  3  Kategorien  eingeteilt:  a)  Die  Tollwut  des  heissenden 
Tieres  wurde  experimentell  festgestellt  durch  Ausbruch  der  Krank¬ 
heit  bei  den  von  ihm  gebissenen  oder  mit  seinem  Rückenmark  ge¬ 
impften  Tieren;  es  waren  dies  171  Personen  mit  0  Mortalltat. 
b)  Die  Tollwut  des  heissenden  Tieres  wurde  durch  tierärztliche 
Untersuchung  festgestellt:  785  Personen  mit  4  Todesfällen 
=  0  51  Proz.  Mortalität,  und  c)  das  heissende  Tier  war  nur  wutver¬ 
dächtig-  362  Personen  mit  1  Todesfall  =  0.27  Proz.  Mortalität. 
Von  den  Bissen  betrafen  123  den  Kopf,  800  die  Hände  395  die 
übrigen  Extremitäten.  Der  Nationalität  nach  waren  1309  Personen 
Franzosen  und  nur  9  Ausländer.  Die  geringere  Frequenz  in  diesem 
Jahre  erklärt  sich  damit,  dass  nun  5  weitere  Anstalten  in  h  rank¬ 
reich  (Lille,  Marseille,  Montpellier,  Lyon  und  Bordeaux)  bestehen. 
Es  folgt  noch  eine  tabellarische  Verteilung  der  Falle  nach  den  ein¬ 
zelnen  Departements  und  kurze  Beschreibung  jener  Falle,  bei 
welchen  der  Tod  im  Verlaufe  der  Behandlung,  und  jene,  bei 
welchen  er  nach  derselben  eintrat.  k 

Ein  von  der  Firma  Meye  r  li  o  f  &  C  o.  in  Kassel  uns  zu¬ 
gehender  neuer  Tasche  n  a  p  p  a  r  a  t.  z  u  r  Urin  u  n  t  e  r  - 
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unterzubringen,  das  alle  zu  einer  gewöhnlichen  Harnuntersuchung 
nötigen  Utensilien  enthält.  Wir  finden  mehrere  Reageusglasei, 
ein  E  s  b  a  c  h  sches  Albuminimeter,  ein  Urometer,  4  Fläschchen 
mit  eingeschliffenem  Stöpsel  für  die  Reagentien  eine  Spintus- 
flamme  mit  Hartspiritus  und  einen  Reagensglashalter.  Am  Deckel 
des  Kastens  befinden  sich  Zwingen,  die  es  ermöglichen,  die  ge¬ 
füllten  Reagensgläser  aus  der  Hand  zu  stellen.  Etwas  Reagens¬ 
papier  kann  leicht  noch  im  Deckel  untergebracht  werden.  Mit 
Hilfe  des  Apparates  ist  der  Arzt  im  Stande,  jederzeit  am  Kranken- 
bett  eine  sofortige  Harnuntersuchung  auszuführen. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  133.  Blatt  der  Galerie  bei:  Karl 
Gerhardt,  Nekrolog  siehe  S.  1581.  _ _ 


Therapeutische  Notizen. 

Ueber  das  Arrhenal  finden  sich  in  der  Presse  medicale, 
No.  69,  1902,  zwei  völlig  verschiedene  Berichte.  C  o  c  h  e  z.  Pro¬ 
fessor  an  der  medizinischen  Schule  in  Algier,  kommt  auf  Grund 
seiner  Erfahrungen,  aus  welchen  er  5  Fälle,  mit  Temperatur- 
kurven  u.  s.  w.,  genauer  beschreibt,  zu  dem  Schlüsse,  dass  das 
Mittel  nicht  im  stände  war,  in  einem  Falle  einen  Malariaanfall 
zu  unterdrücken,  dass  es  keineswegs  das  Chinin  zu  ersetzen  ver¬ 
mag,  welches  noch  immer  das  beste  Mittel  gegen  die  Malai-ia  sei. 
F  o  ntoyno  n  t,  Professor  an  der  medizinischen  Schule  zu 
Tananarivo,  hingegen  hatte  besonders  bei  schwangeren  Flauen, 
welche  mit  Malaria  behaftet  waren,  vorzügliche  Resultate  mit 
dem  Arrhenal.  Unter  Anführung  von  4  behandelten  Fällen  kommt 
er  zu  folgenden  Schlüssen:  Das  Arrhenal  wirkt  insoferne  ver¬ 
schieden  wie  das  Chinin,  als  seine  Wirkung  eine  weniger  rasche  ist 
Trotzdem  ist  dieselbe  immerhin  eine  noch  sicherere.  Das  Arrhenal 
hat  einen  ganz  speziellen  Einfluss  auf  den  Magendarmkanal,  indem 
es  den  Patienten  rasch  den  Appetit  wieder  zurückgibt.  Das 
Arrhenal  ist  vor  allem  das  Medikament  bei  den  chronischen 
Formen  der  Malaria  oder  jenen  Fällen,  welche  gegen  Chinin 
resistent  sind,  während  hingegen  bei  perniziösen  Anfällen,  wo 
es  wichtig  ist,  rasch  vorzugehen,  das  Chinin  in  all  seine  Rechte 
eintritt.  Bei  schwangeren  Frauen  ist  das  beste  Mittel  gegen 
Malaria  das  Arrhenal,  denn  mit  diesem  ist  es  möglich,  Abortus 
oder  vorzeitige  Geburt,  welche  immer  bei  den  Chininsalzen  zu 
befürchten  sind,  zu  vermeiden.  Schliesslich  scheint  das  Arrhenal 
das  Präventivmittel  für  die  den  Malariaanfällen  ausgesetzten 
Individuen  zu  sein,  da  es  eine  Art  regulierende  Wirkung  auf  den 
Verdauungskanal  und  dessen  Adnexe  ausübt. 

Die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  kakodyl- 
saure  m  G  u  a  j  akol  empfiehlt  Menusier  (Revue  medicale, 
3.  Sept.  1902)  aiifs  wärmste  und  zwar  für  jene  Kategorie  von 
Fällen,  wo  hereditäre  Belastung  meist  vorhanden,  in  früherer 
Zeit.  Ausfluss  aus  Ohren  und  Augen,  wiederholte  Bronchitis,  Pleu¬ 
ritis  bestanden,  ausser  den  gewöhnlichen  physikalischen  Zeichen 
der  Lungentuberkulose  eine  ständig  zunehmende  Abmagerung  und 
Appetitverlust  sich  zeigen.  (Die  zweite  Kategorie  der  Fälle  von 


23.  September  1902. 


MtTENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


LimgeutuherJinJöse,  welche  sich  für  das  kakodylsaure  Guaiakol 

Jed°i'11  Un,1  Svr  b<:sser  für  das  pbosphorsaure  Kreosot  eignen 
sollen,  sind  nach  M.  jene,  wo  keine  hereditäre  Belastung  keine 
Abmagerung  vorhanden,  der  Appetit  vielmehr  meist  ein’  gute? 
aber  eine  gewisse  nervöse  Depression  vorhanden  ist.)  Das  kakodvl- 
sanre  Guyakol  wird  m  der  Dosis  von  3  ccm  alle  4  Tage  injiziert- 
die  Resultate  waren  überraschende,  wie  die  angeführten  4  Fälle 
beweisen,  welche  z war  keine  vollständige  Heilung,  aber  bedeutende 
Besseiung  erfahren  haben.  Da  das  kakodylsaure  Guajakol  en 
ziemlich  unbeständiges  Präparat  ist,  so  liess  sich  M  C  d 
bekannten  Pariser  Chemiker  Vigi  e  r  ein  unveränderliches  Pr? 
paiat  hersteilen,  welches,  mit  dem  Namen  Guajakakodyl  0,05  kako- 
dylsaures  Guajakol  pro  1  ccm  enthält. 

Behandlung  der  Addisonschen  Krankheit 
m  1 1  d  e  n  I  n  j  e  k  t  i  o  n  e  n  von  Nebennierenkapseln 

■>-  Tnif  iSoC-i  61’  oa5-nr  SoCi6t6  de  Therapeutique  (Sitzung 
lom  2o  Juli  1002)  über  2  Falle  vollständiger  Heilung  mit  dieser 

Behandlungsart.  Um  das  Nebennierenextrakt  zu  gewinnen  werden 
(nach  d’Arsonval)  10  g  der  Kapseln  von  jungen  Kälblrn  in 
Stückchen  zerteilt  und  dann  24  Stunden  lang  in  derselben  Menge 
Glyzerin  mazeriert;  man  fügt  5  g  gekochten  Salzwassers  (2,5prof) 
hinzu  und  sterilisiert  nach  Filtrierung  durch  Papier  mit  Kohlen- 
saure  unter  Druck.  Jeden  Tag  injiziert  man  1-2  ccm  der  mit 
gleichen  Teilen  gekochten  Wassers  versetzten  Mischung.  Gleich¬ 
zeitig  mit  der  Abnahme  der  Hautsymptome  (Verfärbung  der  Haut 
allgemeiner  Schwache,  Verminderung  der  Diarrhöen),  welche 
aussei  ordentlich  rasch  bei  beiden  Patienten  erfolgte,  gingen  auch 

1 1  m-deC CirSif  y.01'handeneü  Lungenerscheinungen  (tuberkulöse 
Heule)  zuruck  die  sogar  bei  dem  einen  Patienten  völlig  ver¬ 
sehe  anclen,  und  nahm  das  Körpergewicht  in  progressiver  Weise 
zu  Mehrere  nur  mit  Tuberkulose  behaftete,  Patienten,  welche 
mit  dem  Extrakte  der  Nebennierenkapseln  behandelt  wurden 
fanden  ebenfalls  überraschend  schnelle  Besserung,  was  H  jedoch 
nur  vorläufig  konstatieren  will.  '  J  g° 

Das  B  a  d  ist  bekanntlich  in  neuerer  Zeit  als  eine  Infek- 

W  in  t  eVnVtV*  r  r m r  d  i  e]  K  *'  e  1  s  s  e  11  d  e  n  hingestellt  worden. 

H  in  tei  ni  tz- Tübingen  kommt  auf  Grund  von  zahlreichen  Ver¬ 
suchen  zu  dem  Schluss,  dass  unter  Beobachtung  bestimmter  Vor- 
sichtsmassiegeb1  das  Bad  als  Infektionsquelle  nicht  zu  fürchten 
l  aLerap  .Mon  -Hefte  1902,  9).  Er  rät,  nur  solche  Wannen  zu 
benutzen  die  gut  gereinigt  und  desinfiziert  werden  können  da 
beim  Baden  sehr  viel  Keime  vom  Körper  ins  Badewasser  gelangen 
Ferner  darf  ein  Bad  nur  einmal,  auch  für  dieselbe  KreisSe! 
benutzt  weiden.  Nach  jedem  Bade  sollen,  besonders  vor  der 
inneren  Untersuchung,  die  äusseren  Genitalien  desinfiziert  werden 
Das  Eindringen  des  Badewassers  in  die  Scheide  konnte  nicht 
nachgewiesen  werden.  Kr 


1599 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  23.  September  1902. 

—  In  der  vergangenen  "Woche  haben  in  München  nicht  weniger 
als  o  grossere  wissenschaftliche  Versammlungen  stattgefunden: 
?.ie  Hauptversammlung  des  neu  begründeten  Deutschen 
Medizinal  beamten  Vereins,  der  Deutsche  Bahn¬ 
arzt  e  t  a  g  und  die  27.  Versammlung  des  Deutschen 
\  e  reins  für  offen  fliehe  „Gesundheitspflege  Alle 
®iues  hervorragend  erfolgreichen  Verlaufes  rühmen. 
I  ei  Bahnarztetag  zählte  über  000  Teilnehmer  und  die  Versamm- 
iung  des  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  erreichte  mit 
ebenfalls  über  000  Teilnehmern  ihre  höchste  bisherige  Frequenz- 
auch  die  Versammlung  der  Medizinalbeamten  war  gut  besucht’ 
Besonders  glänzend  verlief  die  Versammlung  der  Hygieniker 
wek-he  die  Staät  München  selbst  bei  sich  zu  Gast  geladen  hatte.’ 
p®  ; Ja  em  hoher  Vorzug  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche 
^andtotapfle*,  ?nd  eln  erfreulicher  Beweis  für  das  zunehmende 
Verständnis  und  Interesse  für  die  Anforderungen  der  Hv°'iene 

Uicht  "Ur  Aerzte  und  Berufshygieniker,  sondern 
in  wachsendem  Masse  auch  Ingenieure,  Techniker  und  ganz  be- 
soMers  auch  Vertreter  der  Städte  angehören.  Die  Stadt  München 
\ei‘T  seit  langem  durch  ihr  überhaupt  vertreten, 
im  ei  Pflichten  als  Gastgeber  hat  sich  nun  unsere  Stadt  in  so 
Smer  uad  wahrhaft  liberaler  Weise  entledigt,  dass  auch  wir 
Münchener  Aerzte,  die  ja  an  dem  Gelingen  der  Versammlung  eben¬ 
falls  ein  grosses  Interesse  hatten,  dafür  nicht  genug  danken  können 
Aicnt  nur  hat  sie  alle  ihre  mustergültigen  sanitären  Einrichtungen 
dem  Besuche  der  Mitglieder  geöffnet,  sondern  sie  hat  dieselben 
auch  in  eingehender  und  reich  illustrierter  Beschreibung  als  präcli- 
< istschrift  der  Versammlung  gewidmet.  Die  festlichen  Ver- 
^taltungen  wie  der  Begrüssungsabend  im  Hofbräuhaus,  das 
Festmahl  und  das  von  der  Stadt  gegebene  Fest  im  Künstlerhaus, 
oten  nicht  nur  materielle  Genüsse,  sondern  es  vereinigten  sich 
Funst  und  Humor,  denen,  wie  nicht  verschwiegen  werden  soll 
eine  gewisse  bierfröhliche  Gemütlichkeit  zu  Hilfe  kam  zur  Er- 
zeugung  einer  festlichen  Stimmung,  der  auch  der  trockenste  Phi- 

hna  +  SlCh  n\cht  eutziehen  konnte.  Die  Krone  der  Darbietungen 
oilüete  eine  durch  die  Munifizenz  unseres  Prinzregenten  gewährte 
ausgezeichnete  Aufführung  des  Tannhäuser  im  Prinzregent- 
rneater.  Um  endlich  den  Gästen  noch  einen  Einblick  in  die 
ftcüonheit  der  oberbayerischen  Gebirgsnatur  zu  geben,  wurde  am 
(,®e“  Jage  noch  ein  Ausflug  nach  dem  städtischen  Quellengebiet, 
uem  laubenberg,  gemacht  und  damit  der  Besuch  der  Wasserver¬ 


sorgungswerke  verbunden.  Auch  schönes  Wetter  begünstigte  die 
Versammlung,  aut  deren  Verlauf  unser  1.  Bürgermeister  Herr 
Geheimrut  v  Bor  seht,  der  die  Seele  der  Veranstaltungen  war 
mit  Recht  stolz  sein  darf.  Es  versteht  sich,  dass  bei  den  ver¬ 
schiedensten  Gelegenheiten  des  grossen  Münchener  Meisters  der 
Hygiene,  P  e  1 1  enkofe  r  s,  gedacht  wurde.  Er  würde  wenn  er 
sie  hatte  erleben  dürfen,  an  dieser  Heerschau  der  Hygiene  in 
München  seine  Freude  gehabt  haben.  yg 

~  An  den  Fortschritten,  welche  die  Mässigkeits- 
.  |v  e  g  u  n  g  i  n  D  e  u  t  s  c  h  1  a  n  d  zu  verzeichnen  hat,  hat  die 
Aufklärung  über  die  gesundheitsschädliche  Wirkung  des  Alkohol¬ 
missbrauchs,  welche  von  den  Aerzten  ausgeht  einen  sehr 
wesentlichen  Anteil.  Wohl  die  überwiegende  Mehrheit  de?  deut 
sehen  Aerzte  ist  von  der  Schädlichkeit  des  Alkoholmissbrauchs 
uberzeugt  und  wirkt,  wenn  auch  nicht  selbst  abstinent,  doch  dem 
ubermassigen  Alkoholgenuss  und  dem,  was  diesen  am  meisten 
fordert,  den  herrschenden  Trinksitten,  nach  Möglichkeit  entgegen. 
Miie  Ausnahme  macht  Herr  Dr.  Kurt  Wagner,  prakt.  Arzt  in 
Sillzungen  der  auf  einige  gegen  das  übermässige  Trinken  ge¬ 
lichtete  Warnungsrufe,  die  erfreulicherweise  in  den  „Akademischen 
Monatsheften“,  dem  Organ  der  deutschen  Korpsstudenten  er¬ 
schienen  waren,  mit  folgenden  seltsamen  Bemerkungen  antwortet- 
„Als  Arzt  will  ich  gerne  alles  unterschreiben,  was  in  den 
beiden  Abhandlungen  über  das  übermässige  Trinken  gesagt  ist 

Dagegen  halte  ich  mich  als  alter  Korpsstudent _ Ü  W1.‘ 

pflichtet,  das  Wort  zu  der  Sache  zu  ergreifen. - Die  Korpshäuser 

wirken  ausserordentlich  segensreich. - Getrunken  wird 

wenig  (für  meine  persönlichen  Ansprüche  z  u  wenig,  wie  ich 
denn  überhaupt  als  alter  Herr  oft  die  ganze  Strenge  des  Bier¬ 
komments  anwenden  musste,  um  die  aktiven  Korpsbrüder  zu 

einem  leidlich  bierehrlichen  Trinken  zu  animieren)  _  _  _ _ _  Das 

Unschöne  einer  sinnlosen  Bezechtheit  erkenne  ich  an  Aber  eben 
darum  muss  der  Korpsstudent  trinken  lernen.  Vielleicht  kommt 
t  ei  ein  st  eine  Zeit,  in  der  das  Trinken  seine  Rolle  ausgespielt  hat 
Doch  ist,  wie  ich  hoffe,  diese  Zeit  noch  fern.  Die  alten  Deutschen 
schwangen  schon  den  Humpen  und  die  gegenwärtige  Generation 
schwingt  ihn  noch  Eine  Geselligkeit  ohne  Alkohol  ist  heute  nicht 
denkbar.  Dies  gilt  nicht  allein  für  studentische  Kreise  Der 
Korpsstudent  ist  namentlich  im  späteren  Leben  darauf  angewiesen 
in  den  verschiedensten  Kreisen  zu  verkehren.  Von  ihm  wird  ver¬ 
langt  dass  er  immer  und  überall  ein  tadelloses  Benehmen  an  den 
lag  legt.  Er  muss  also  auch  mit  Anstand  trinken  können  Das 
erfordert  eine  gewisse  Vorschule,  die  ihm  die  Aktivität  bietet 
Besonders  häufig  wird  der  Korpsstudent  in  Offizierskreisen  in  die 
Lage  kommen  zu  beweisen,  dass  er  auch  beim  Trünke  seinen 
xVlann  stellt.  Ich  kann  wohl  sagen,  dass  in  Gesellschaft  von  Offi¬ 
zieren  meine  Trunkfestigkeit  härtere  Proben  zu  bestehen  hatte 
als  unter  Korpsstudenten.  Dabei  habe  ich  nie  vernommen,  dass 
unsere  Innkgebrauche  einer  abfälligen  Kritik  unterzogen  worden 
waren.  V\  ohl  aber  hatte  ich  Gelegenheit,  festzustellen,  welchen 
•  besitzt,  das  Trinken  gründlich  erlernt  zu  haben  Wenn 

im  Offizierskorps  allgemein  der  Ausbildung  im  Trinken  der  gleiche 
M  ert  beigemessen  wurde  wie  im  Korps,  dann  würden  manche  un¬ 
liebsame  V  orgänge,  manche  tragische  Ereignisse  der  letzten  Zeit 
(man  denke  nur  an  Mörc-hingen  und  Insterburg)  nie  die  Gemüter 
erregt  haben.  Dass  unter  Korpsstudenten  ähnliche  Dinge  sich 
zugetragen  hätten,  steht  nirgends  verzeichnet.“ 

Dass  der  Student,  um  sich  nicht  sinnlos  zu  betrinken,  was 
selbst  Herr  Dr.  W  a  g  n  e  r  „unschön“  findet,  lieber  sich  auf  Kosteu 
semei  Gesundheit  die  nötige  Giftfertigkeit  aneignen  und  durch 
fortgesetztes  Trinken  erhalten  soll,  als  vielmehr  die  Charakter- 
stärke  und  Selbstbeherrschung,  mässig  zu  bleiben,  ist  ein  merk¬ 
würdiger  Rat  eines  Arztes.  Denn  wenn  auch  Herr  Dr.  W  er¬ 
klärt,  nur  als  alter  Korpsstudent  zu  sprechen,  wird  sein  Wort  eben 
doch  als  das  eines  Arztes  in  die  Wagschale  fallen.  Bei  der  Ver¬ 
breitung  der  Akademischen  Monatshefte  in  studentischen  Kreisen 
halten  wir  die  Versicherung  nicht  für  überflüssig,  dass  Herr  Dr.  W 
mit  diesem  Rat  unter  Aerzten  höchst  vereinzelt  dastelien  dürfte.’ 

—  Dem  dirigierenden  Arzt  der  chirurgischen  Abteilung  des 
städtischen  Krankenhauses  zu  Posen  Dr.  Max  Eduard  Jaf  f  e  ist 
das  Prädikat  „Professor“  beigelegt  worden. 

Cholera.  Russland.  Nach  den  im  Regierungsanzeiger 
vom  5.  September  veröffentlichten  amtlichen  Mitteilungen  hat  die 
Cholera  vom  20.  August  bis  3.  September  in  dem  Kwantungbezirk, 
im  Küsten-,  Amur-  und  Transbaikalbezirk  wesentlich  abgenommen,’ 
abgesehn  von  Wladiwostok,  wo  die  Häufigkeit  der  Erkrankungen 
Avährend  der  letzten  14  Tage  unverändert  geblieben  ist.  — 
Aegypten.  Während  der  am  1.  September  abgelaufenen  Woche 
hat  die  Cholera  sich  weiter  ausgebreitet  und  an  Heftigkeit  zu¬ 
genommen,  denn  am  Ende  dieser  Woche  waren  604  Ortschaften 
Luter-  und  Oberägyptens  von  der  Seuche  betroffen,  und  3875 
Choleraerkrankungen  (sowie  2890  Todesfälle)  sind  im  Laufe  der 
Woche  festgestellt,  d.  i.  1835  (1340)  mehr  als  im  Laufe  der  Vor¬ 
woche.  Von  den  2890  Choleratodesfällen  der  letzten  Berichtswoche 
entfielen  1310  auf  die  Spitäler,  1580  Choleraleichen  wurdeu  ausser¬ 
halb  der  Spitäler  nachgewiesen;  174  Todesfälle  waren  aus  Kairo, 

15  aus  Alexandrien,  3  aus  Damiette,  1  aus  Ismailia  gemeldet,  von 
den  neu  erkrankten  Personen  befanden  sich  36  in  Kairo  (darunter 
6  Europäer),  13  (8)  in  Alexandrien,  3  in  Damiette.  Vom  15.  Juli 
bis  einschl.  3.  September  zählte  man  insgesamt  10  S70  Erkran- 
der  junge  Mann  bei  seinem  ganz  darniederliegenden  Lebensmute 
kungen  und  nicht  weniger  als  8381  Todesfälle.  Zufolge  einer  Mit¬ 
teilung  vom  10.  September  sind  auch  in  Suez  3  Fälle  von  Cholera 
beobachtet. 

—  Pest.  Russland.  Zufolge  Bekanntmachungen  im  Re¬ 
gierungsanzeiger  sind  in  Odessa  weitere  pestverdächtige  Erkran- 


1600 


MUENCITENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


kuiigen  aufgetreten.  —  Aegypten.  In  der  Woche  vom  21  August 
l.is  4.  September  sind  6  Erkrankungen  und  3  i odestalle  an  der 
1‘est,  alle  in  Alexandrien,  festgestellt.  —  Britisch-Ostindien.  ln 
der  Präsidentschaft  Bombay  sind  wahrend  der  am  15.  August  ab- 
«■elaufenen  Woche  3858  neue  Erkrankungen  (und  2669  lodestaiie) 
an  der  Pest  zur  Anzeige  gelaugt,  darunter  27  (22)  aus  der  Stadt 
Bombay  und  7  (5)  aus  Stadt  und  Hafen  Karachi. 

_  In  der  36.  Jahreswoche,  vom  31.  August  bis  0.  September 

1902  hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die 
grösste  Sterblichkeit  Beuthen  mit  44,8,  die  geringste  Flensberg  mit 
7,1  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Altona,  Solingen, 
an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin,  Hamburg.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Prof.  Dr.  Adolf  Passow  in  Heidelberg  wurde 
nach  Berlin  berufen,  um  die  durch  den  Tod  Trautinan  ns  er¬ 
ledigte  zweite  Professur  der  Ohrenheilkunde  zu  übernehmen.  Er 

wird  dem  Kufe  Folge  leisten.  .  ^  ^  x 

München.  Professor  Dr.  Adolf  Schmitt  ist  aus  seinei 
Stellung  als  1.  Assistent  der  chirurgischen  Universitätsklinik  aus¬ 
geschieden,  wird  jedoch  seine  Vorlesungen  in  der  Klinik  auch 
weiterhin  abhalten.  —  Dem  ausserordentlichen  Professor  an  der 
medizinischen  Fakultät  der  Ludwigs-Maximilians-Umversitat  Dr. 
ltudolf  Emmerich  wurde  Titel  und  Rang  eines  ordentlichen 

Professors  verliehen.  .  . 

Bologna.  Habilitiert:  Dr.  P.  L.  Bosellim  für  Dermato¬ 
logie  und  Syphiligraphie. 

Innsbruck.  Dr.  Oskar  Z  o  t  li,  a/usserordeiitlicliei  1  io- 
fessor  an  der  medizinischen  Fakultät  zu  Graz,  wurde  zum  01  deut¬ 
lichen  Professor  der  Physiologie  ernannt. 

Lausanne.  Als  Nachfolger  des  in  den  Ruhestand  getretenen 
Professors  Dr.  Siegfried  R  a  b  o  w  wurde  Dr.  med.  Kasimir  S  t  r  z  y- 
2ow  ski  zum  ausserordentlichen  Professor  für  medizinische  Che- 
mie  an  der  Universität  in  Lausanne  ernannt. 

M  öden  a.  Dr.  G.  B.  P  e  1 1  i  z  z  i  habilitierte  sich  für  Neuro¬ 
logie  und  Psychiatrie.  .  ...  ,  ..... 

N  e  a  p  e  1.  Dr.  L.  Simonelli  habilitierte  sich  für  medi¬ 
zinische  Pathologie.  .. 

Parma.  Habilitiert:  Dr.  R.  Bovero  für  Hautkrankheiten 

und  Syphilis.  .....  ....  ... 

St.  Petersb  u  r  g.  Habilitiert  an  der  militarmedizmischen 
Akademie:  DDr.  J.  P.  Koro  w  i  n  und  A.  M  a  x  i  m  o  w  für  patho¬ 
logische  Anatomie.  . 

Pisa.  Habilitiert:  Dr.  P.  Fiori  für  chirurgische  Patho- 

lo°’ie. 

Turin.  Habilitiert:  Dr.  V.  Allgeyer  für  Hautkrank¬ 
heiten  und  Syphilis. 

(Todesfälle.)  T  „ 

In  Berlin  starb  der  Nestor  der  dortigen  Aerzte,  Dr.  Josef 
Bergson  im  90.  Lebensjahre.  Er  übte  von  1841  bis  1886  die 
ärztliche  Praxis  in  Berlin  aus  und  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  innere  Medizin  1861. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  Bezirksarzt 
II.  Klasse,  k.  Hofrat  Dr.  Veit  K  a  u  f  m  a  n  n  in  Dürkheim,  seiner 
Bitte  entsprechend,  wegen  zurückgelegten  70.  Lebensjahres  unter 
Anerkennung  seiner  langjährigen,  treuen  und  erspriessliclien 

Dienstleistung.  .  .  .  ,  .  .  ...  . 

Versetzt:  Der  Bezirksarzt  I.  Klasse  beim  Bezirksamte  Mün¬ 
chen  II  Dr.  Georg  Ritter  und  Edler  v.  Dall’Arini,  seinem 
Ansuchen  entsprechend,  auf  die  3.  Bezirksarztesstelle  I.  Klasse 
für  den  Verwaltungsbezirk  der  Stadt  München.  Der  Bezirksarzt 
1  Klasse  Dr.  Karl  Bredauer  in  Neustadt  a.  W.N.,  seiner  Bitte 
entsprechend,  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Wolf  ratshausen.  Der 
Bezirksarzt  I.  Klasse  Dr.  Moritz  Henkel  in  Garmisch,  seiner 
Bitte  entsprechend,  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Freising. 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Eugen  Miller  in  Krumbacli, 
seinem  Ansuchen  entsprechend,  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in 

Stadtsteinach.  .  T  . 

Gestorben:  Dr.  Fritz  Fronmüller  in  Furth,  40  Jahre  alt. 
Dr.  Fritz  G  r  a  f  in  Hengersberg,  34  Jahre  alt.  Dr.  August  Hert  e  1, 
k.  Höfrat,  in  Kempten,  73  Jahre  alt. 


Briefkasten. 

Wir  erhalten  nachstehende  Anfrage: 

Ein  junger  Mann  im  Alter  von  10  Jahren,  der  einzige  Sohn 
eines  sehr  wohlhabenden  Mannes,  hat  verschiedene  Studiengänge 
(Gymnasium,  Realschule,  Handelsschule)  unternommen,  aber 
überall  mussten  die  Studien  unterbrochen  werden,  da  erschlaffen¬ 
der  Fleiss  bei  einer  tatsächlich  bestehenden  Ilerzaffektion  (Mitral- 
insuffizienz)  und  Ausrede  darauf  eine  Fortsetzung  unmöglich 
machten.  In  der  letzten  Zeit  traten  aber  auch  psychische 
Störungen  auf  (Selbstmordgedanken),  da  allmählich  bei  ihm  die 
Erkenntnis  zum  Bewusstsein  gelangte,  dass  man  iin  Leben  zur 
Erreichung  eines  Zieles  die  Vorbedingungen  unumgänglich  notig 
hat.  Ein  längeres  Verweilen  im  Elternhause  ist  sicher  von 
Schaden  und  es  muss  irgend  eine  Anstalt,  die  von  tüchtigen,  ver¬ 
ständigen  Fachleuten  geleitet  ist,  ausfindig  gemacht  werden,  wo 


das  richtige  Gleichgewicht  wieder  erhält.  Vorläufig  soll  er  eine 
bestimmte  Richtung  überhaupt  nicht  erhalten,  sondern  es  soll 
nur  die  Gewöhnung  an  eine  regelrechte  Tätigkeit  sein,  Reiche 
ihm  einen  späteren  Lebensberuf  (etwa  ein  kaufmännisches  hach) 
ermöglichen,  damit  er  hierdurch  einen  sittlichen  Halt  bekomme. 
Der  junge  Mann  ist  keineswegs  etwa  verwahrlost,  nn  Gegenteil, 
er  will  nur  nichts  Ernstes,  kein  anhaltendes  Streben.  Der  gute 
Wille  ist  vorhanden,  die  Vorsätze  sind  die  besten,  aber  jedwede 

Tatkraft  fehlt.  .  _  .  .  .  ,llf 

Könnte  mir  die  löbliche  Redaktion  nicht  irgend  eine  Auf¬ 
klärung  geben,  ob  in  Deutschland  für  derartige  Fälle  geeignete 
Anstalten,  Sanatorien  u.  s.  w.  bestehen,  oder  durch  eine  geeignete 
Veröffentlichung  obigen  Sachverhaltes  mir  zur  Erreichung  des 
Zweckes  behilflich  sein? 

Die  Redaktion  ist  gerne  bereit,  Antworten  auf  die  vorstehende 
Anfrage  an  den  fragestellenden  Kollegen  zu  befördern. 


Generalrapport  über  die  Kranken  der  k.  bayer.  Armee 

für  den  Monat  Juli  1902. 


94  695  Mann, 


Iststärke  des  Heeres: 

Invaliden,  199  Kadetten,  149  Unteroff.-Vorschtiler. 


1.  Bestand  waren  am 

30.  Juni  1902: 

Mann 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Unter- 

offiz.- 

Vor- 

schüler 

1321 

— 

7 

2 

( 

im  Lazarett : 

960 

— 

— 

— 

2.  Zugang:  j 

im  Revier: 

2273 

— 

3 

in  Summa: 

3233 

— 

3 

Im  Ganzen 

sind  behandelt: 

4554 

— 

10 

2 

°/oo  der  Iststärke: 

70,4 

— 

50,2 

13,4 

dienstfähig : 

3199 

— 

7 

2 

°/oo  der  Erkrankten : 

702,4 

— 

700,0 

1000,0 

gestorben : 

8 

— 

— 

' 

°/oo  der  Erkrankten : 

1,7 

— 

— 

— 

3.  Abgang :  • 

invalide : 

37 

— 

— 

— 

dienstunbrauchbar : 

26 

— 

— 

— 

anderweitig : 

213 

— 

3 

— 

.  in  Summa: 

3183 

- - 

10 

2 

in  Summa : 

1671 

— 

— 

— 

4.  Bestand 

°/oo  der  Iststärke: 

16,5 

— 

— 

— 

bleiben  am 

davon  im  Lazarett : 

733 

— 

— 

— 

31.  Juli  1902: 

.  davon  im  Revier: 

338 

— 

— 

— 

Von  den  in  Ziffer  3  auf  geführten  Gestorbenen  haben  gelitten: 
1  an  Gesichtsrose  und  Hirnhautentzündung,  1  an  akuter  Miliar¬ 
tuberkulose,  1  an  Lungentuberkulose,  2  an  Lungenentzündung, 
1  an  Bauchfellentzündung,  1  an  Zellgewebsvereiterung  am  rechten 
Bein,  1  an  akuter  Knochenmarksentzündung  am  linken  Ober¬ 
schenkel  (kompliziert  mit  Herzbeutelentzündung). 

Ausserdem  kamen  noch  6  Todesfälle  ausserhalb  militaiarzt- 
licher  Behandlung  vor:  3  Mann  verunglückten,  davon  2  durch  Er¬ 
trinken  1  durch  Schussverletzung  infolge  von  Unvorsichtigkeit; 
3  Mann  endeten  durch  Selbstmord  (davon  2  durch  Erschiessen, 
1  durch  Erhängen). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  un 
Monat  Juli  14  Mann. 


MorbiditätsstatistikdJnfektionskrankheitenfürMiinchen. 

in  der  36.  Jahreswoche  vom  31.  August  bis  6.  September  1902. 

Beteiligte  Aerzte  123.  —  Brechdurchfall  38  (26*),  Diphtherie  u. 
Krupp  8  (6),  Erysipelas  6  (7),  Intermittens,  Neuralgia  interni 
_  (_).  Kindbettfieber  —  (3),  Meningitis  cerebrospin.  1  CD» 
Morbilli  13  (10),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  2  (1),  Parotitis 
epidem.  1  (1),  Pneumonia  crouposa  2  (5),  Pyämie,  Septikamie 
—  (  — ),  Rheumatismus  art.  ac.  6  (15),  Ruhr  (Dysenteria) .  -  (  )> 

Scarlatina  4  (1),  Tussis  convulsiva  36  (44),  Typhus  abdominalis  — • 
( — )  Varicellen  3  (5),  Variola,  Variolois  ■ — -  (  ),  Influenza  — -  (  )■ 
Summa  120  (125).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  36.  Jahreswoche  vom  31.  August  bis  6.  September  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen :  Masern  1  (1*)  Scharlach  (  )  Diphtherie 

u.  Krupp  2  (2),  Rotlauf  -  (-),  Kindbettfieber  1  (-),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  (1)»  Brechdurchfall  19  (8),  Unterleib-Typhus 
(— ),  Keuchhusten  5  (6),  Kruppöse  Lungenentzündung  —  (2),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  20  (33),  b)  der  übrigen  Organe  6  (4),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  (— ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
1  (3),  Unglücksfälle  5  (4),  Selbstmord  2  (— ),  Tod  durch  fremde 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  223  (235),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  22,9  (24,2),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  11,5  (14,1). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der 'S  orwoche. 


Verlag  von  J.  F. 


Lehmann  in  München.  —  brück" von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdrucken*  A.G.,  München. 


t)ie  ilünch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  w6chenti 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Boyen 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Unsrarn  vierteliährl.  6  jl 
ms  Ausland  8. —  JC.  Einzelne  No.  80  -4. 


MÜNCHENER 


Arnnifotrnfoa1  oind  zu,  adressiren :  Für  die  Redaktion 
m fS  uaSSe.  26,  —  Fur  Abonnement  an  J.  F.  Leh- 
mann,  He'^tmsso  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

°'— r'  SÄ  Ä  JL““'  «...Ranke,  F. ». Winckel, 


München.  Freiburg  i.  B.  München. 

No.  39.  30.  September  1902, 


Erlangen. 


München. 


München 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Greifswald  (Prof.  Moritz). 

Zur  Frage  der  Zuckerbildung  im  tierischen  Orga¬ 
nismus. 

Von  Dr.  HugoLüthje,  Privatdozent  und  Oberarzt  der  Klinik. 

Die  Frage  der  Zuckerbildung  aus  Fett  ist  seit  langer  Zeit 
gegenständ  eifrigster  Forschung.  Wenn  auch  in  letzter  Zeit  in 
einzelnen  Stoffwechselversuchen  Zahlen  mitgeteilt  wurden,  die 
im  Sinne  einer  Zuckerbildung  aus  Fett  zu  sprechen  schienen,  so 
fehlte  doch  meines  Erachtens  der  endgültige  und  entscheidende 
.Beweis.  _  In  einer  Reihe  von  Versuchen  an  pankreaslosen  Hunden, 
die  ich  m  dem  letzten  J ahre  gemacht  habe,  habe  ich  des  weiteren 
Resultate  bekommen,  die  durchaus  nicht  dafür  sprechen,  dass  bei 
\  erabreichung  von  Neutralfetten  aus  diesen  sich  Zucker  bilde. 
Es  soll  von  diesen  Versuchen  gleich  unten  die  Rede  sein. 

Inzwischen  ist  eine  sehr  klärende  Mitteilung  von  M.  Cr  einer 
erfolgt:  es  konnte  bei  Hunden,  die  durch  Phlorizininjektion 
diabetisch  gemacht  waren,  nachgewiesen  werden,  dass  die  eine 
Komponente  des  Eettes,  das  Glyzerin,  eine  entschiedene  und 
konstante  ^  ermehrung  der  Zuckerausscheidung  bewirkt.  Da  ich 
gerade  geeignete  pankreaslose  Hunde  hatte,  habe  ich  an  diesen 
die  C  r  e  m  e  r  sehen  Versuche  wiederholt.  Ich  lasse  die  hier 
interessierenden  Notizen  folgen  ’). 

r  CÄ  L  Männlicher  Hund,  Gewicht  33.5  kg.  Am 

...  V  III  0-  Exstirpation  des  Pankreas.  Der  Hund  bekommt  dauernd 
v,e,ÜIe  Nahrung.  Die  Zucker-  und  Stickstoffausscheidung  ge¬ 
staltete  sich  tolgenclermasseu :  . 


r  ,1nA  i  23kAIIL  bekam  der  Hund  per  os  50  ccm  Glyzerin  im 
naute  des  Tages;  da  nach  Einnahme  des  Glyzerins  die  Diurese 
des  Hundes  ausserordentlich  stieg,  und  zwar  um  sehr  viel  erheb- 
ie her,  als  etwa  der  gesteigerten  Zuckerausscheidung  entsprechen 
Konnte,  wurden  am  2o.  VIII.  dem  Hunde  700  ccm  2proz.  Na  Cl- 
!mter  die  Haut  gespritzt,  um  zu  sehen,  ob  die  hierdurch 
D.larese .. fhnliclie  Wirkung  habe.  Am  26.  VIII.  wurden 
7,,  Ohvenol  per  os  verabreicht,  am  27.  wiederum  50  ccm 

Glyzerin,  am  29.  VIII.  eine  nicht  genau  bestimmbare  Portion 
Lezithin. 

(Tabelle  siehe  Spalte  2  oben.) 

Es  zeigt  sich  also  sowohl  am  23.  wie  am  27.  VIII.  nach  Zu¬ 
fuhr  von  Glyzerin,  im  Vergleich  zu  vorher,  erhebliche  Steigerung 
er  Zuckerausscheidung.  Die  durch  Na  Cl-Infusion  erzeugte 

. ">  Oie  ausführlicheren  Tabellen,  die  z.  T.  andern  Versuehs- 
nageu  dienten,  werden  au  anderer  Stelle  veröffentlicht. 

No.  39. 


Uebersicht  der  Resultate: 


S  o 

1* 

Q> 

Auf¬ 

nahme 

N-Aus- 

sclr'id. 

Dextr.- 

Aus- 

scheid. 

| 

Urin¬ 

menge 

PuO& 

23. 

50  ccm 
Glyzer. 

280  Wass. 

2,51 

11,28 

640 

24. 

240  Wass 

2,97 

5,35 

150 

25. 

1000  W. 

3,30 

0,55 

290 

26. 

IGO  Oe! 

100  Wass 

2,59 

0,64 

610 

— 

27. 

50  ccm 
Glyzer. 

90  Wass. 

2,18 

11,4 

_ 

0,48 

28. 

200  Wass. 

2,55 

3,90 

. 

0,31 

29. 

450  Wass. 

+ 

Lezithin 

3,81 

8,10 

-  j 

0,85 

Bemerk  un 


Urinmenge  bis  dahin  zwi¬ 
schen  120  u.  150  ccm 
schwankend. 

Kochsalzinfusion. 


Diurese,  die  etwas  nachhinkt,  bleibt  ohne  Erfolg2).  Ebenso 
findet  sich  keine  Steigerung  der  Zuckeraus¬ 
scheidung,  als  der  Hund  100  ccm  Olivenöl  be- 
k  a  m.  Eine  Steigerung  findet  sich  jedoch  wieder  an  dem  Lezithin¬ 
tage.  Auf  diese  V  irkung  des  Lezithins  wird  unten  noch  weiter 
einzugehen  sein. 

on  a-Ytt  LfoVr 11  IL  Männlicher  Hund,  Gewicht  13  kg.  Am 
7  ’.  N  1  .L  .(  “  Morgens  das  Pankreas  exstirpiert.  Bekommt  dauernd 
keine  Nahrung,  nur  Wasser  nach  Belieben. 


Datum 


Datum 

N-Aus- 

scheidung 

D-Aus- 

scheidung 

Datum 

N-Aus- 

scheidung 

D-Aus- 

sclieidung 

6. 

9,57 

15. 

4,17 

0 

7. 

8. 

7,78 

6,10 

10,1 

8,1 

16. 

17. 

3,16 

3,47 

Spur 

9. 

5,26 

6,3 

18. 

3,34 

V 

0  45 

10. 

3,86 

2,4 

19. 

3,47 

0,30 

11. 

3,70 

2,5 

20. 

3,28 

1,20 

12. 

3,75 

1,8 

21. 

2,69 

L25 

13. 

3,58 

0,7 

22. 

2,77 

0  90 

14. 

3,86 

0,0  | 

X  in  g 


Ding 


D:N 


B  e  m  e  r  k  u 


n 


21./22. 
22./23. 
23  /2 4. 
24./ 25. 
2  5./2G. 


12,66 

13,33 

12,94 

12,99 

6,99 


35,40 

36,20 

36,70 

37.72 

45.72 


2,8 

2.7 

2.8 
2,8 

6,6 


an  diesem  Tage  59  ccm  Glyzerin 
|  per  os. 

fier  zweiten  Hälfte  des  Glyzerintages  starb  der  Hund 
plötzlich,  ohne  dass  die  Sektion  eine  Aufklärung  dafür  ergeben 
hat.  Daraus  erklärt  sich  die  plötzliche  Verminderung  der  N- 
Ausseheidung.  es  handelt  sich  eben  nur  um  eine  Teilportion  des 
lages.  Um  so  beweisender  ist  die  überaus  starke  Steigerung  der 
Zuckeiausscfceidung.  Die  Zucke  rbildung  «ins  Glyzerin 
1  i  n  d  e  t  also  auch  im  pankreaslosen  H  u  n  d  stat  t. 

C  r  e  m  e  r  hat  den  entscheidenden  Beweis  für 
die  Zuckerbildung  aus  Glyzerin  erbracht. 

Angesichts  dieses  Befundes  gewinnen  einzelne  Stoffwechsel¬ 
versuche,  in  denen  das  Verhältnis  von  Zucker  zu  Stickstoff  weit 
grösser  gefunden  wurde,  als  dem  zerfallenen  Eiweiss  zu  ent¬ 
sprechen  schien,  vielleicht  eine  andere  Bedeutung,  die  ihnen  aller- 

-)  Ob  übrigens  der  Kontroll versuch  mit  subkutaner  Kochsalz¬ 
inlusion  ausreicht,  um  den  Einwurf,  es  könnte  sich  um  eine  diu- 
retische  Wirkung  des  Glyzerins  handeln,  auszuschliessen,  bleibt 
zweifelhaft;  es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  subkutan  infundierte 
Kochsalzlösung  zur  Ausscheidung  kommt,  ohne  vorher  Bestand¬ 
teil  der  Gewebsflüssigkeit  geworden  zu  sein,  während  das  Gly¬ 
zerin  vermutlich  Flüssigkeit  aus  den  verschiedensten  Geweben,  vor 
allem  auch  aus  den  Muskeln,  anzieht.  (Vergl.  F.  Moritz:  Einige 
Beobachtungen  hei  Injektionen  von  konzentrierter  Kochsalzlösung 
in  die  Bauchhöhle  von  Tieren.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  1887^ 
bi  i>95.) 


1 


1602 


MHENCHENER  MEDICIRISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


dings  von  mancher  Seite  (namentlich  R  u  m  p  f)  schon  vorher  bci- 
.-ele- 1  war.  Dies  sind  in  erster  Lime  die  \  ersuche  von  K  u  m  P 
und  seinen  Schülern,  dann  der  Versuch  von  R  osenqvist  und 
M  o  h  r  und  der  letzte  Versuch  bei  dem  Diabetiker  T.  von  mir  ). 

Es  sind  dies  Versuche,  welche  im  Gegensatz  zu  allen  anderen 
zahlreichen  in  dieser  Richtung  angestellten  Versuchen  für  eine 
Zuckerbildung  aus  Fett  innerhalb  des  Organismus  zu  sprechen 

schienen. 

Aber  auch  jetzt  noch,  nachdem  Cremer  die  Bedeutung  des 
Glyzerins  bewiesen  hat,  bleibt  es  durchaus  rätselhaft,  warum  so 
viele  der  bisherigen  Versuche  mit  Verabreichung  von  .Neutra  - 
fetten  negativ  ausgefallen  sind,  warum  man  selbst  m  t  en  mu*  en 
schwersten  Fällen  von  Diabetes,  die  mit  schnellem  Fettschwund 
einhergehen,  oder  beim  hungernden  pankreaslosen  Hund,  beidem 
doch  eine  permanente  Fettzersetzung  stattfindet,  das  \  erhaltnis 
von  Zucker  zu  Stickstoff  nie  abnorm  hoch  gefunden  hat,  aber 
mit  desto  grösserer  Sicherheit  feste  Beziehungen  zwischen  Ei- 
weissumsatz  und  Zuckerbildung  feststellen  konnte  Oder 
sollte  der  sogen.  Minkowskischen  Zahl  doch 
eine  an  d  e  r  e  Bedeutung  z  u  k  o  m  men? 

Aus  einer  Reihe  von  Versuchen,  die  ich  im  letzten  Jahre 
angestellt  habe,  teile  ich  einige  mit,  die  mir  für  die  Annahme, 
dass  aus  Fett  kein  Zucker  gebildet  würde,  recht  beweisend  zu 
sein  scheinen,  und  die  von  neuem  zeigen,  wie  verwickelt  die 
Fragen  liegen.  Es  handelt  sich  dabei  um  Versuche  an  pankreas¬ 
losen  Hunden,  die  längere  Zeit  hungerten,  e  l  n  Hund  bis  zu  dem 
Zeitpunkt,  wo  terminal  die  N-Ausscheidung  in  die  Hohe  geht, 
als  Zeichen  des  minimalsten  Fettvorrates.  Die  Hunde  bekamen 
alsdann  Fett  subkutan  (mit  einer  Ausnahme).  Es  durfte  bei 
dieser  Versuchsart  zu  erwarten  sein,  dass  sich  eine  Beeinflussung 
der  Zuckerbildung  durch  die  Zufuhr  von  Fett  m  den  Resultaten 
geltend  mache;  wir  wissen  ja  —  vornehmlich  aut  Grund  der 
Leube  sehen  Versuche  — ,  dass  subkutan  verabreichtes  Fett  zer¬ 
setzt  werden  kann  und  unter  gewissen  Bedingungen  auch  zersetzt 
wird.  Die  subkutane  Einverleibung  von  Fett  wurde  der  ein¬ 
fachen  Verfütterung  vorgezogen,  weil  bei  den  bisherigen  *utte- 
rungsversuchen  mit  Fett  die  Resultate  so  zweifelhaft  ausgefa  en 
waren.  Ich  lasse  einen  kurzen  Auszug  meiner  Versuchstabellen 

folgen : 

Versuch  I.  Männlicher  Teckel.  Anfangsgewicht  6,9  kg. 
\m  2.111.02  das  Pankreas  exstirpiert.  Dann  bis  zum  14.  nnf 
Milch  ernährt,  während  welcher  Zeit  die  Zuckerausscheidung 
“Sken  20  und  30  g  schwankt,  Je  nach 
Vom  15.  ab  6  Hungertage,  m  der  zweiten  Hallte  dei  Frtnj» 
Periode  täglich  subkutan  Fett;  vom  21.  bis  26.  Nutrosepenode,  dazu 
am  25.  und  26.  subkutan  Fett. 


Der  Versuchshund  lebte  noch  bis  zum  30.  III.  02.  Die  Sek¬ 
tion  ergab,  dass  das  Fett  an  den  Injektionsstellen  fast  ganz  ver¬ 
schwunden  war.  .  -|  r'cv-.-./i.uVit  iq  ko-  Am 

Versuch  II  Männlicher  Hund.  Gewicht  i->  Kö. 

»•  V.  02  Willi  das 

Nahrung  vom  2i.  A.  bis  zum  zt.  u. 


Datum 


Ernährung 


Nim  Harn 


Zucker  im 
Harn 


D:N 


15. /16. 

16. /17. 

17. /18. 

18. /19. 

19. /20. 

20.  /21. 

21./22. 

22. /23. 

23. /24. 

24. /25. 

25. /26. 

26. /27. 


3,50 

2,18 

1,45 

1,60 


3,63 

0 

0 

0 


2,66 

1,80 

6,89 

6,83 

6,61 

5,60 

8,12 

8,33 


1,0 


0 

0 

13,90 

15,00 

13,50 

15,00 

20,00 

23,06 


2,0 

2,2 

2,0 

2,7 

2,5 

2,7 


.  TT  Zuckerim 

Datum 

Aufnahme 

Nim  Harn  Ham 

Hungertag 


16/17. 
17./ 18. 
18/19. 

19. /20. 

20. /21. 
21./22. 

22. /23. 

23. / 24. 


24./2). 


100  Wasser 
50  „ 

100  „ 

109  , 

200  „ 

90  „ 

200 


2,66 

2,67 

2,18 

3,11 

3,75 

3,50 

3,72 

2,46 


3,70 

4,00 

3,35 

5,90 

6,75 

6,25 

5,20 

3,65 


21.  Tag 

22.  „ 

23.  „ 

24.  „ 

25.  „ 

26.  „ 

27.  „ 

28.  „ 


29. 


Hunger,  70  AVasser 
Hunger,  100  Wasser 
Hunger,  100  Wasser 
Hunger,  105  AVasser 
25  g  Feit  subk. 

Hunger,  100  AVasser 
50  g  Fett  subk. 

Hunger,  60  AVasser 
50  g  Fett  subk. 

60  g  Nutrose,  370  Wasser 
60  g  Nutrose,  320  Wasser 
60  g  Nutrose,  300  AVasser 
60  g  Nutrose,  300  AVasser 
60  g  Nutrose,  300  AVasser 
30  g  Fett  subk. 

60  g  Nutrose,  300 AVasser 
50  g  Fett  subk. 

Es' zeigt  sich  also  weder  während  der  Hunger-,  noch  auch 
in  der  Nutroseperiode  eine  Beeinflussung  der  Zuckerausscheidung 
durch  die  subkutane  Einverleibung  von  Fett.  Der  Steigerung 
der  Zuckerausscheidung  an  den  beiden  letzten  Nuteosetagen  ent¬ 
spricht  eine  gleichsinnige  Veränderung  m  dem  Eiweissumsatz. 


8\  Unmut  ist  dem  von  mir  ausgesprochenen  AVunsche, 
Genaueres  über  die  Überwachung  seiner  Versuche  za ^rfaUr^, 
in  ausgiebiger  AVeise  nachgekommen  (Zeitsclu.  f.  khn.  Mea*’  ’ 

3  n  l) Freilich  hätte  es  vielleicht  geschehen  können,  ohne  dass 
lt  u  m  p  f  gegen  mich  polemisch  wurde,  denn  dazu  hegt 
Grund  vor. 


145  AAfasser 

70  ccm  Fett  subk. 

105  Wasser  2,46  2,80 

70  ccm  Fett  subk. 

Die  N-AVerte  vom  IG— 18.  repräsentiren  die  niedrigsten  Zahlen 

mmm "ss 

1  Gtt IniS ATrtaufe  des  23.  VI.  starb  der  Hund.  An  der  Injektions¬ 
steile  fand  sich  ein  Teil  des  injizierten  Oeles;  der  hei  weite 
grössere  Teil  war  aber  verschwunden.  «losen  Hund 

&£.*&&&  ÄÄ  San  adäouates  Zersetzungs- 

lt  A  ““  ,V -ß rs.  - 

3,0  -  3,3  (50  ccm  Del)  -  3,3  (75  ccm  Oel)  -  3^  pO°  ccm  Oel 
os  n 00  ccm  Oel)  —  2,7  (90  ccm  Hundefett)  —  2,b  (kein  1  ett> 

;/  uo  ccm  Oe  )  A  n  11.  III.  wurde  der  Hund  getötet;  an  der 

SffiÄ  sich  nur  ein  hlciner  Teil  des  Fe  t»  ( Arth« - 
Ais-  «ja  ,v\  i).,«  Hewieht  des  Hundes,  der  tagnen  gewusen 

Fettes  zersetzt  wurde;  trotzdem  zeigte  sich  keine  Erhöhung 
Znckerausfuhr.i  ^  ^  aufmerksam  gemacht  auf  den  oben  mit¬ 
geteilten  ersten  Versuch.  Hier  e  r  V^ra  br  ei  c  h  S  n  g  v  e  n 
kveaslosen  H  u  n  d  2  m  al  nach  \  a  b  i  e  icäung  v  o  ^ 
je  50  ccm  Glyzerin  eine  p  r  o  m  p  t  e  S  t  e  i  »  e  i  u  »  i 
Z  u  c  k  e  r  ausschei  d  u  n  g  (a  m  23.  und  27.  V III.),  w  a  J 
Hie  Darreichung  von  100  ccm  Oel  am  26.  A III.  ohne 

jede  Wirkung  blieb.  . 

Man  wird,  glaube  ich,  zugeben  müssen,  dass  angesichts 
solcher  Resultate  und  angesichts  zahlreicher  anderer,  aus  ru  eier 
Zeit  in  der  Literatur  vorliegender  Versuche  es  zweife  os 
weiteren  Erklärung  bedarf,  warum  einer  so  ausgesprochene 
AVirkung  des  Glyzerins  eine  so  zweifelhafte  oder  kaum  nac 
weisbare  der  Neutralfette  gegenüberstellt.  A 

Anders  scheint  cs  mir  mit  ein«  anderen  Substanz  dem 
Lezithin,  zu  stehen,  dessen  Einfluss  auf  die  Zuokerbildung 
ich  seit  1  %  .fahren  verfolge.  Verschiedene  Versuche  hatten  mm 
ergeben,  dass  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  aus  dem  Lezithin 
im  Organismus  Zucker  gebildet  wurde.  Jetzt,  nachdem  r  e 
die  zuckerbildende  Wirkung  des  Glyzerins  entdeckt  hat,  bleibt  de 
Einfluss  des  Lezithins  nicht  mehr  so  sonderbar,  da  ja  das  Le 

eine  Glyzerinkomponente  enthält. 

In  weiterer  Verfolgung  der  Versuche  über  die  Bedeutung 
einzelner  Eiweisskörper  für  die  Grösse  der  Zuckerb  i  .  ung 
-Ausscheidung  hatte  ich  bei  Versuchen  mit  Eigelb  n  a  hru  s 
eine  konstante,  ziemlich  auffallende  A  ermehrung  <  ei  • 
ausseheidung  gefunden.  Weiter  hatte  sieli  gezeigt  dass  z.  D. 
bei  der  durch  Pankreasnabrung  bedingten  A  eimehrung 


30.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zuckerausscheidung  der  spezifische  Eiweisskörper  des  Pankreas, 
das  Nukleoalbumin,  nicht  der  Grund  für  die  vermehrte  Zucker¬ 
bildung  war  ).  Schliesslich  hatte  ich  in  einer  eigens  dazu  an- 
gestellten  \  ersuchsreihe  bei  einem  Diabetiker  gesehen,  dass  bei 
sonst  gleicher  Nahrung  (vorher  in  grösserer  Menge  zubereitet 
und  für  die  einzelnen  Tage  abgewogen)  nur  durch  Darreichung 
des  Fleisches  eines  anderen  Tieres  derselben  Gattung  die  Zucker¬ 
ausscheidung  in  einem  Grade  schwanken  konnte,  der  nicht  aus¬ 
schliesslich  durch  einen  etwaigen  Unterschied  im  Glykogengehalt 
beider  Fleischportionen  bedingt  sein  konnte.  Dies  und  noch 
einige  andere  mir  gelegentlich  aufgefallene  Tatsachen  führten 
zu  dem  Gedanken,  dass  ausser  dem  Eiweiss  und  dem  Glykogen 
noch  einer  anderen  in  den  tierischen  Geweben  weitverbreiteten 
Substanz  zuckerbildende  Fähigkeit  zukomme,  und  da  gerade  nach 
Eigelbnahrung  eine  so  hohe  Zuckerausscheidung  beobachtet  war, 
wurde  in  erster  Linie  an  das  Lezithin  gedacht. 

Diese  Annahme  hat  sich,  wie  schon  oben  erwähnt,  durchaus 
bestätigt.  Ich  teile  im  folgenden  die  betreffenden  Abschnitte 
aus  den  Tabellen  mit.  Die  Versuche  mit  Verabreichung  reinen 
Lezithins  wurden  an  pankreaslosen  Hunden  ausgeführt,  zum 
Teil  in  der  Weise,  dass  das  Präparat  verfüttert  wurde,  zum  Teil 
durch  subkutane  Injektion  einer  ätherischen  Lösung.  Bei  der 
V ersuchsanordnung  stiess  ich  wiederholt  auf  grosse  Schwierig¬ 
keiten.  Grössere  Mengen  reinen  Lezithins  verdanke  ich  zunächst 
der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Kollegen  B  e  r  g  e  1 1  (nach  seiner 
Methode  dargestellt);  in  anderen  Versuchen  wurde  das  Präparat 
nach  der  B  o  r  g  e  1 1  sehen  Methode  von  uns  selbst  dargestellt. 
Schliesslich  habe  ich  mich  damit  begnügt,  jedesmal  aus  50  Ei¬ 
gelben  einen  ätherisch-alkoholischen  Auszug  zu  machen;  derselbe 
wurde  abgedampft,  der  Rückstand  mit  etwas  warmem  Chloroform 
ausgezogen  und  der  Chloroformauszug  in  einer  Kältemischung 
mit  Azeton  gefällt.  Die  Fällung,  eine  hellgelbe,  vaselinartige 
Masse,  wurde  abzentrifugiert  und  von  dem  noch  anhaftenden 
Azeton  durch  Abdunsten  befreit. 

Die  Schwierigkeiten  waren  vornehmlich  dadurch  bedingt, 
dass  zeitweilig  durch  Erbrechen  oder  durch  profuse  Durchfälle 
eine  nennenswerte  Resorption  des  Lezithins  verhindert  und  da¬ 
durch  einzelne  Versuche  unbrauchbar  wurden. 

Ich  teile  zunächst  den  Eigelbversuch  mit,  der  an  einem 
13jühr.  Knaben  mit  ziemlich  schwerem  Diabetes  angestellt  wurde. 
Der  Appetit  des  Knaben  war  sehr  gut.  Die  Nahrung  wurde  genau 
abgewogen,  für  die  einzelnen  Perioden  gleich  grössere  Quanten 
angeschafft,  die  für  die  einzelnen  Tage  abgeteilt  wurden.  Die 
Nahrung  bestand  aus  600,  später  700  g  mageren  Rindfleisches, 
100  g  Brot  und  100  g  Schmalz.  An  den  Eigelbtagen  wurde  das 
Fleisch  möglichst  durch  äquivalente  Mengen  Eigelb  ersetzt.  Be¬ 
züglich  des  Brotes  bemerke  ich  noch,  dass  es  gleich  im  Anfang 
in  eine  Anzahl  von  100  g-Portionen  abgeteilt  und  in  Pergament¬ 
papier  aufgehoben  wurde.  Eine  Kohlehydratbestimmung  des 
Brotes  wurde  nicht  gemacht,*  letzteres  vielmehr  zu  50  Proz.  Kohle¬ 
hydrat  gerechnet 5)  und  entsprechend  täglich  bei  der  Berechnung 
des  Verhältnisses  N:D  in  Abzug  gebracht. 

Ich  beschränke  mich  auf  die  Mitteilung  des  uns  hier  inter¬ 
essierenden  Verhältnisses  N:D. 

I.  Fleisch periode  (vom  27.  IX.  01  bis  5.  X.  01):  1,8  — 

1,4  -  1,4  —  1,0  —  1,2  —  1,1  —  1,6  —  0,9  —  0,6. 

II.  Eigelbperiode:  6.  X.  02  (925  g  Eigelb  in  Form  von 
Rührei):  3,2.  7. X.02:  Versuch  missglückt.  S.  X.  02  (825  Eigelb):  2,4. 

III.  Fleischperiode  (9.  bis  12.  X.  02):  2,8  —  1,9  — 

1,1  —  1,6. 

IV.  Am  13.  X.  02  800  g  Eigelb:  2,0. 

V.  Fleischperiode  (14.  bis  16.  X.  02) :  0,6  —  0,8  —  0,8. 

VI.  Am  17.  X.  02:  800  g  Eigelb:  2,0. 

VII.  V  o  m  18.  bis  20.  X.  02  Fleisch:  1,7  —  1,6  —  1,0. 

VIII.  Am  21.  X.  02:  800  g  Eigelb:  2,1. 

IX.  V  o  m  22.  b  i  s  25.  X.  02  F  1  e  i  s  c  h:  1,8  —  1,1  —  1,1  —  0,5. 

Wir  sehen  also  ganz  regelmässig  an  den  Eigelbtagen  eine 
deutliche  Steigerung  des  Verhältnisses  N:D. 

Versuc  li  II  mit  Lezithinfütterung  an  einem 
pankreaslosen  Hunde.  Gewicht  des  Hundes  9  kg,  operiert  am 
8.  I.  02. 


4)  Es  wurden  bei  einem  Diabetiker  4  Tage  hindurch  je  31  g 
reines,  aus  Pankreas  dargestelltes  Nukleoalbumin  mit  der  Nahrung- 
gegeben;  dieses  Nukleoalbumin  ersetzte  je  250  g  Eiereiweiss  der 
Vorperiode  (ebenfalls  4  Tage):  es  fand  sich  keine  Vermehrung  der 
Zuckerausscheidung. 

°)  Da  das  Brot  für  den  ganzen  Versuch  reichte,  muss  ein 
eventueller  Fehler  in  der  Annahme  des  Kohlehydratgehaltes  für 
jeden  Tag  derselbe  werden. 


Datum 

I./02 

Nim  Harn 

Zucker  im 
Harn 

N:D 

■ - - - 

Nahrung 

16./17. 

14,28 

33,20 

2,3 

500  g  Fleisch,  200  Wasser. 

17./18. 

15,96 

33,90 

2,1 

500  g  Fleisch,  200  Wasser. 

18/19. 

14,28 

33,60 

2,4 

500  g  Fleisch,  200  Wasser. 

19./20. 

14,50 

3«, 40 

2,7 

500  g  Fleisch,  200  Wasser,  20  g 
Lezithin  per  os. 

20./21 . 

13,89 

32,00 

2,3 

500  g  Fleisch,  200  Wasser. 

21./22. 

. 

14,65 

34,00 

2,3 

500  g  Fleisch,  200  Wasser. 

Versuch  III.  Männl.  Hund  von  17%  kg.  Am  19.  VII.  02 
wurde  das  Pankreas  exstirpiert.  Der  Hund  bekam  während  der 
ganzen  Versuchszeit  nur  Wasser  zu  saufen.  Die  Bestimmungen 
wurden  vom  20.  VII.  02  ab  gemacht.  Die  Zuckerausscheidung 
nahm  allmähich  von  46,62  g  am  2.  Tage  an  ab,  entsprechend  der 
sinkenden  Eiweisszersetzung.  Am  3.  VIII.  02  wurde  dem  Hunde 
das  aus  45  Eigelben  dargestellte  Lezithin  (in  der  oben  an¬ 
gegebenen  Weise)  subkutan  injiziert,  und  zwar  in  ätherischer 
Lösung.  Ich  teile  hier  die  letzten  6  Tage  des  Versuches  mit: 


Datum 

VII./02 

N  im  Harn 

Zucker  im 
Harn 

N:D 

P2O5 

Bemerkung 

29./30. 

9,35 

23,60 

2,5 

310  Wasser  ges. 

30.131. 

8,79 

20,10 

2,3 

1,32 

225 

31./1.YIII. 

7,84 

18,20 

2,3 

— 

275  „  „ 

1.-2. 

6,83 

15,00 

2,2 

1,02 

250 

2./3. 

5,77 

12,00 

2,1 

0,82 

245 

3. 14. 

6,66 

20,40 

3,1 

1,04 

400 

Lezithin  subk. 

Im  Verlaufe  des  4.  zum  5.  starb  der  Hund,  der  schon  in 
den  vorangehenden  Tagen  grosse  Mattigkeit  gezeigt  hatte.  Die 
Steigerung  der  Zuckerauscheidung  nach  Lezithinzufuhr  ist  hier 
unverkennbar.  Vom  19.  VII.  ab  (hier  nicht  mitgeteilt)  war  die 
Zuckerausscheidung  von  Tag  zu  Tag  gesunken,  am  3.  VIII.  plötz¬ 
lich  die  Steigerung!  Diese  Steigerung  als  eine  irgendwie  prä¬ 
mortal  bedingte  aufzufassen,  ist  nicht  zulässig,  da  alle  hungern¬ 
den  pankreaslosen  Hunde  nach  meinen  Erfahrungen  (bisher 
7  Hunde)  gerade  prämortal  eine  besonders  niedrige  Zuckeraus¬ 
scheidung  zeigen. 

Versuch  IV  (s.  Hund  im  ersten  Glyzerin  versuch).  Der  Hund 
bekam  am  29.  VIII.  02  eine  grössere  Portion  aus  Eigelb  dar¬ 
gestellten  Lezithins.  Ein  nicht  bestimmbarer  Teil  desselben  wurde 
erbrochen.  Bezüglich  der  Resultate  verweise  ich  auf  die  Tabelle 
oben.  Auch  hier  findet  sich  eine  deutliche  Steigerung  der 
Zuckerausscheidung  nach  Verabreichung  von  Lezithin. 

Bei  der  allgemeinen  Verbreitung  des  Lezithins  in  den  Ge¬ 
weben  des  tierischen  Organismus  dürfte  dem  Lezithin  unter  den 
Faktoren,  welche  die  Zuckerbildung  und  -Ausscheidung  bestim¬ 
men,  eine  nicht  ganz  unwesentliche  Rolle  zukommen;  so  würde 
z.  B.  die  Bedeutung  der  sog.  M  i  n  k  o  w  s  k  i  sehen  Zahl  (N:D) 
in  einem  etwas  anderen  Lichte  erscheinen. 

Die  praktisch-therapeutische  Konsequenz  des  Umstands,  dass 
Lezithin  ein  Zuckerbildner  ist,  wird  u.  E.  nicht  allzu  sehr  ins 
Gewicht  fallen,  da  unter  normalen  Ernährungsverhältnissen  der 
Lezithingehalt  der  verabreichten  Nahrung  quantitativ  wohl  ziem¬ 
lich  in  den  Hintergrund  tritt.  Immerhin  wird  man  in  Fällen, 
wo  man  eine  strenge  diabetische  Kost  für  angezeigt  hält,  daran 
zu  denken  haben,  dass  gewisse  Nahrungsmittel,  z.  B.  Eigelb  und 
Hirnsubstanz,  ziemlich  reich  an  Lezithin  sind.  <- 

Zum  Schluss  sei  noch  bemerkt,  dass  es  sich  bei  den  hier 
meist  nur  in  Kürze  oder  im  Auszug  mitgeteilten  Versuchszahlen 
um  ausführliche  Stoff  Wechsel  versuche  handelt;  die  ausführliche 
Mitteilung  an  dieser  Stelle  ist  unterblieben  einmal  mit  Rücksicht 
auf  den  Raum  der  Wochenschrift,  sodann  weil  es  sich  in  den 
Versuchen  noch  um  die  Beantwortung  anderer  Fragen  handelte, 
auf  die  später  an  anderer  Stelle  eingegangen  wird. 

Die  Pankreasexstirpationen  wurden  von  Herrn  Dr.  P.  Eden, 
I.  Assistenten  der  chirurgischen  Klinik,  ausgeführt. 


1* 


MTJEN  CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1604 


Aus  der  I.  medizinischen  Universitätsklinik  in  Wien 
(Chef:  Hofrat  Prof.  Nothnagel). 

Zur  Therapie  und  Pathogenese  der  Stenokardie  und 
verwandter  Zustände. 

Zwei  Fälle  von  „intermittierender  ischämischer  Dysperistaltik“ 

(Schnitzle  r). 

Von  Dr.  K  o  b  e  r  t  Breuer,  klin.  Assistenten. 

I. 

Wenn  man  versucht,  sich  aus  der  Literatur  des  letzten  Jahr¬ 
zehntes  darüber  zu  informieren,  welche  therapeutischen  Methoden 
bei  der  Behandlung  anginöser  Zustände  sich  der  grössten  W  ert- 
schätzung  erfreuen  und  welche  Vorstellungen  über  die  Patho¬ 
genese  der  Stenokardie  gegenwärtig  die  herrschenden  sind, .  so 
gewinnt  man  den  Eindruck,  dass  nach  beiden  Richtungen  hin  eine 
gewisse  Einigung  erzielt  worden  ist. 

Noch  vor  wenigen  Jahren  zählte  in  Deutschland  die 
Parry-T  raube  sehe  Theorie  von  dem  Anginaanfall  als  einer 
Folge  plötzlicher  Herzschwäche  zahlreiche  Anhänger.  In  1  rank¬ 
reich  waren  diejenigen  vielleicht  noch  in  der  Mehrzahl,  die  in 
der  Stenokardie  (wie  in  vielen  anderen  unklaren  Ivrankheits- 
erscheinungen)  den  Ausdruck  einer  „Sensibilitätsneurose  oder 
einer  „Neuritis“  und  zwar  hier  des  Plexus  cardiacus  resp.  der 
Vagusäste  sahen.  Heute  scheint  es,  als  ob  die  grosse  Mehrzahl 
der  Kliniker  d  e  r  Meinung  sich  angeschlossen  hätte,  die  zuerst 
von  P  o  t  a  i  n  ausgesprochen  worden  ist  und  nun  seit  Jahren 
von  einer  Reihe,  besonders  französischer,  Internisten  mit  grosser 
Energie  vertreten  wird,  allen  voran  von  II  u  c  li  a  r  d.  Diese 
Meinung  geht  dahin,  jeder  „echte“  stenokardische  Anfall  mit 
seinen  beiden  Haupterscheinungen:  dem  heftigen,  gewöhnlich 
retrosternalen  und  meist  ausstrahlenden  Schmerz  und  dem  Ge¬ 
fühl  der  Vernichtung,  Todesangst,  heftigsten  Oppression,  sei  eine 
Konsequenz  einer  plötzlich  eintretenden  Ischämie 
des  Herzens.  Die  Kranken  mit  Angina  pectoris  vera  sind 
nach  dieser  Ansicht  durchwegs  Individuen  mit  sklerotischen 
Kranzarterien  oder  haben  sklerotische  Veränderungen  im  An¬ 
fangsteil  der  Aorta  in  der  Gegend  der  Koronarostien.  In  beiden 
Fällen  ist  die  arterielle  Blutversorgung  des  Herzmuskels  und 
der  in  ihm  gelegenen  nervösen  Apparate  in  der  Ruhe  eine  eben 
ausreichende.  Sowie  aber  das  Herz  durch  körperliche  An¬ 
strengungen  oder  durch  einen  Vorgang,  der  den  arteriellen  Druck 
steigert  (reichliche  Mahlzeit,  Schlafen  in  horizontaler  Lage)  zu 
vermehrter  Arbeit  veranlasst  wird,  wird  seine  Blutversorgung 
ungenügend,  und  die  relative  Anämie  ist  die  Ursache  des  steno- 
kardischen  Symptomenkomplexes. 

Um  den  Zusammenhang  zwischen  der  Ischämie  und  den 
anginösen  Erscheinungen  zu  erklären,  wies  Potain  auf 
die  Aehnlichkeit  des  Vorganges  mit  der  sogen.  Claudicatio  inter- 
mittens  der  Extremitäten  hin,  die,  schon  vorher  bei  Pferden  be¬ 
kannt,  beim  Menschen  von  C  h  a  r  c  o  t  näher  studiert  worden  war. 
Es  handelt  sich  dabei  bekanntlich  um  Zustände  plötzlicher  Un¬ 
fähigkeit  zu  Gehen,  verbunden  mit  lebhaften  Schmerzen,  Par- 
ästhesien,  dem  Gefühl  des  Krampfes  und  oft  auch  vasomotorischen 
Phänomen  an  den  unteren  Extremitäten,  die  sich  bei  manchen 
Kranken  mit  sklerotischen  Veränderungen  in  den  Beinarterien 
einstellen,  sowie  die  Kranken  kurze  Zeit  gehen.  Hier  erhält  die 
Extremität  während  der  Ruhe  durch  die  verengten  Gefässe  noch 
das  genügende  Quantum  Blut.  Sowie  aber  die  Muskulatur  in 
Aktion  tritt  und  einer  reichlicheren  arteriellen  Versorgung  be¬ 
dürfte,  tritt  relative  Anämie  und  damit  die  Erscheinungen  des 
Schmerzes,  der  Funktionsschwäche  und  das  Gefühl  des  Krampfes 
ein.  Nothnagel  hat  einige  Jahre  später  analoge  Phänomene 
an  den  oberen  Extremitäten  beschrieben.  —  Die  echte  Steno¬ 
kardie  nun,  meinte  Potain  und  mit  ihm  eine  grosse  Zahl 
neuerer  Autoren,  sei  diesen  Phänomenen  an  den  Extremitäten 
ganz  analog. 

Die  Annahme  einer  plötzlichen  Ischämie  des  Herzens  als 
Ursache  des  stenokardischen  Anfalls  erklärte  nun  auch  ohne  wei¬ 
teres  die  Symptome  der  schweren  muskulären  Insuffizienz,  die, 
wie  das  „Versagen“  der  Beine  den  Anfall  der  Claudicatio  inter- 
mittens,  so  häufig  den  Anginafall  begleiten:  schwere  plötz¬ 
liche  Herzschwäche  mit  hochgradiger  Arrhythmie  und  oft  genug 
Herzstillstand  und  plötzlicher  Tod.  Die  Herzschwäche  ist  also 
hier  etwas  Sekundäres,  nicht  wie  nach  der  Parry-Traub  er¬ 
sehen  Theorie  das  Primum  des  ganzen  Vorgangs,  sie  ist,  koordi¬ 


niert  mit  dem  Schmerz,  als  Folge  der  Blutleere  des  Organs  auf¬ 
zufassen.  Man  versteht  leicht,  dass  sie  eine  sehr  häufige  Begleit¬ 
erscheinung  des  echten  Anginaanfalles  ist:  handelt  es  sich  doch 
in  der  Regel  um  Ischämien  grösserer  Herzabschnitte  und  über¬ 
dies  um  Herzen  mit  chronisch  kranker,  malacischer  Muskulatur. 
Es  lässt  sich  aber  auch  begreifen,  dass  die  Herzschwäche  unter 
Umständen  fehlen  kann:  die  Ischämie  eines  kleinen  Ilerz- 
absehnittes  wird  wohl  die  sensiblen  Symptome  des  Anfalls,  nicht 
aber  eine  plötzliche  Schwäche  des  ganzen  Muskels  hervorbringen. 
Möglich  ist  es  übrigens  auch,  dass  gerade  für  den  plötzlichen 
Herzstillstand  resp.  die  hochgradigen  Veränderungen  der  Schlag¬ 
folge  (exzessive  Pulsverlangsamung)  im  Anfall  die  Ischämie  b  e  - 
stim  m  ter  Herzabschnitte,  vielleicht  auch  gewisser  nervöser 
Apparate  im  Herzen  verantwortlich  zu  machen  ist.  Diese  Fragen 
betreffen  den  feineren  Mechanismus  des  Anginaanfalls  und  sind 
vorläufig  noch  nicht  zu  beantworten.  Die  Grundauffassung  der 
wahren  Stenokardie  als  einer  Folge  der  Ischämie  des  Herzens 
wird  dadurch  nicht  alteriert.  Dass  diese  Grundauffassung  sich 
auch  jenen  selteneren,  besonders  schweren,  ja  meist  tödlichen 
Anginaanfällen  mit  Leichtigkeit  anpasst,  die  durch  plötzlichen 
embolischen  oder  thrombotischen  Verschluss  einer  Kranzarterie 
oder  eines  Koronarastes  entstehen,  leuchtet  ohne  weiteres  ein. 
Hier  handelt  es  sich  nicht,  wie  bei  der  gewöhnlichen  Koronar¬ 
angina,  um  eine  vorübergehende  und  relative,  sondern  um  eine 
plötzliche  absolute  Blutleere  eines  Herzteils. 

Die  hier  referierte  „arterielle“  Theorie  der  Angina  vera  ist 
es,  die  sich  gegenwärtig  einer  offenbar  stets  wachsenden  An¬ 
erkennung  erfreut  und  die  wohl  auch  für  die  Dauer  in  der 
Hauptsache  siegreich  bleiben  dürfte.  Ich  muss  allerdings  ge¬ 
stehen,  dass  mir  einige  Punkte  in  ihr  noch  der  Aufklärung  zu 
bedürfen  scheinen.  Es  sind  das  Punkte,  die  durch  die  Analogi- 
sierung  mit  der  Claudicatio  intermittens  der  Extremitäten  stets 
gewissem) assen  als  bereits  erklärt  vorausgesetzt  werden,  während 
sie  auch  bei  dieser  noch  durchaus  nicht  ohne  weiteres  verständlich 
sind.  Ist  es  denn  ohne  weiteres  klar,  wieso  bei  den  Kranken  mit 
sklerotischen  Arterien  der  Versuch  der  muskulären  Mehrleistung 
direkt  zur  Ischämie  der  Extremität  resp.  des  Myokards  führt? 
Fehlt  hier  nicht  ein  Zwischenglied  ?  Und  steht  es  denn  zweitens 
fest,  dass  der  Schmerz  beim  intermittierenden  Hinken  und  bei 
der  Angina  pectoris  wirklich  und  nur  in  den  relativ  anämisierten 
Teilen  (Muskulatur,  Nerven)  entstehe,  dass  es  sich  also  wirklich 
um  ischämische  Schmerzen  in  den  verschiedenen  Geweben  der 
Extremität  resp.  im  Myokard  handle? 

Am  Schlüsse  dieser  Arbeit  soll  versucht  werden,  auf  diese 
beiden  Fragen  einzugehen. 

Die  Claudicatio  intermittens  ist  gegenüber  anderen  Schmerz¬ 
anfällen  und  Bewegungsstörungen  in  den  Extremitäten  charak¬ 
terisiert  durch  das  Fehlen  jeder  Erscheinung  in  der  Ruhe  und  das 
Auftreten  der  Störungen  beim  Versuch,  zu  gehen.  Als  charak¬ 
teristisch  für  die  wahre  Angina  pectoris,  die  immer  auf  sklero¬ 
tischen  Veränderungen  in  den  Koronarien  oder  an  ihren  Ostien 
beruhe,  betrachtet  denn  auch  II  u  c  h  a  r  d,  der  diese  Dinge  am 
schärfsten  formuliert  hat,  das  Auftreten  der  Anfälle  bei  plötz¬ 
licher  Mehrleistung  des  Herzens;  die  echte  Stenokardie  sei  immer 
und  vor  allem  eine  stenocard  ie  d’effort.  Wenn  bei  ihr  Anfälle 
anscheinend  spontan  oder  durch  Gemütsbewegungen  auftreten, 
so  geschehe  dies  immer  nur  gewissermassen  nebenbei,  neben  den 
charakteristischen  Paroxysmen  infolge  von  körperlichen  An¬ 
strengungen.  Das  erlaube  auch,  die  wahre  Stenokardie  von  ähn¬ 
lichen  Zuständen  zu  unterscheiden,  die  unter  dem  Namen  der 
Pseudoangina  pectoris  zusammengefasst  werden.  Huchard 
unterscheidet  unter  diesen  im  wesentlichen  3  Formen,  deren 
Bilder  hier  mit  wenigen  Sätzen  charakterisiert  werden  mögen : 

1.  Die  Pseudostenok  a  r  <1  i  e  der  Ner  v  ö  sen  (ins¬ 
besondere  der  Hysterischen),  i.  e.  Anfälle  von  Herzschmerz  und 
Herzangst,  die  bei  Nervösen  anscheinend  spontan  oder  nach  Ge¬ 
mütsbewegungen  auftreten,  nie  durch  körperliche  Anstrengungen 
ausgelöst  werden.  Die  Paroxysmen  ähneln  sonst  in  vielen  Stücken 
der  echten  Stenokardie,  sind  oft  äusserst  heftig  und  lange  dauernd, 
vielfach  von  anderen  nervösen  Erscheinungen  begleitet.  Ihr  Me¬ 
chanismus  ist  unklar,  wie  der  vieler  anderer  nervöser  Zufälle; 
jedenfalls  sind  sie  rein  funktionell,  beruhen  wohl  auf  einer  „Neu¬ 
rose  des  Herzens“.  Mit  Gefässprozesseu  haben  sie  nichts  zu  tlnin. 

2.  Die  reflektorische  Pseudostenokardie  vom 
Magen  aus,  d.  h.  Anfälle  von  Oppression  und  Schmerzen  in 
der  Herzgegend  (als  ob  das  Herz  zu  gross  würde,  anschwelle),  die 
bei  manchen  Kranken  durch  bestimmte  Ingesta  (nicht  durch  jede 
grössere  Mahlzeit)  reflektorisch  vom  Magen  aus  ausgelöst  werden 


30.  September  1902. 


imd  sich  vorwiegend  bei  Dyspeptikern  finden  sollen  ,  •• 

zu  stände  durch  plötzliche  Drucksteie-ernno-Ym  S,  kamen 

wahrscheinlich  durch  Kontraktion  deAleinfn  LimgeSSse  uml 
seien  objektiv  charakterisiert  durch  die  Zeichen  n:,  /  ’  uad 

Sa  HerZ“S  1,114  '1Urel‘  Aocent^tiou  2.  ÄÄt 
8  Die  neuritische  Pseudostenokardie  ‘  nliSf 

handelt  es  sich  nach  Huchard  um  seltene  Beobachtungen  in 
denen  den  anginösen  ähnliche  Schmerzanfälle,  in  Wahrheit  imn, 
algische  Paioxysmen,  durch  eine  Neuritis  des  Phrenikus  oder  des 
\agus  bedingt  sind.  Die  Entzündung  der  NervenstäM™  2 1 T 
durch  Druck  manchmal  auch  durch  die  PropagatS ein?r Fiu 

SSSST  PeriLTaüs8  ^  ‘ 

Ziehung  zur  echten  Angina  pectoris:  die  toxls 2 he 
entstell  wie  die  lichte  ISjtate  KoroMräkleroökeJtarch^M 

wenigstens  anfangs,  auf  sp a s m od  i  s c  h e  n  zLtändfn 
de  i  Kranzarterie  n  ohne  anatomische  Veränderung  und 
Verengerung  der  Gefässe,.  es  handle  sich  also  um  eine  f  unkt  io - 
,nL  *  e  Koronar  an  gi  na.  Langdauernder  Tabakmissbrauch 
Lonne  ausserdem  zur  Arteriosklerose  und  so  indirekt  zur  'echten 
anatomisch  bedingten  Koronarstenokardie  führen 

Diese  Einteilung  Huchards  und  die  Charakterisierung 
der  einzelnen  Formen  der  Stenokardie  dürfte,  obgleich  sie  auf 
den  ersten  Blick  etwas  schematisch  anmutet,  den  Tatsachen  ent¬ 
sprechen.  —  lieber  die  reflektorische  Angina  gastrischen  resp. 
dyspeptischen  Ursprungs  fehlen  mir  eigene  Erfahrungen.  Einen 
lall  einer  wahrscheinlich  „neuritischen  Pseudoangina“  habe  ich 
vielleicht  vor  kurzem  bei  einer  18  jährigen  Kranken  beobachtet, 

<  ie  mit  Sehrumpfniere  behaftet,  chronisch  urämisch  wurde  und 
in  den  letzen  Lebenstagen  eine  fibrinöse  Perikarditis  bekam.  Bei 
i  hr  traten  heftige  Anfälle  wissender  Schmerzen  hinter  dem 
oberen  Teil  des  Sternums  auf,  die  von  hier  gegen  den  Hals  zu 
ausstrahlten;  die  l  agi  und  Phrenici  sind  leider  mikroskopisch 
nicht  untersucht  worden.  Was  die  anderen  Formen  betrifft  so 
wird  es  un  Einzelfalle  vielleicht  nicht  immer  leicht  sein,  die 
nervöse  Pseudoangina  —  zu  der  übrigens  auch  Nothnagels 
Angina  pectoris  vasomotoria  gerechnet  werden  muss,  die  in 
1  rankreich  ziemlich  unbekannt  zu  sein  scheint  —  von  der  echten 
Angina  zu  unterscheiden.  Aber  im  Prinzip  wird  der  tiefgreifende 
pathogenetische  und  vor  allem  prognostische  Unterschied  aner¬ 
kannt  werden  müssen,  der  darin  liegt,  dass  die  wahre  Stenokardie 
mit  ihrer  Ischämie  des  Myokards  einer  der  lebensgefährlichsten 
oymptomenkomplexe  ist,  während  die  nervöse  Pseudokardie  einen 
zwar  quälenden  und  schmerzhaften,  aber  ungefährlichen  Zustand 
darstellt.  Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  der  Aehnlichkeit  des 
subjektiven  Syndroms  in  beiden  Fällen  (retrosternaler,  oft 
besonders  m  den  linken  Arm  ausstrahlender  Schmerz,  verbunden 
mit  heftigem  Angstgefühl)  nicht  doch  eine  Gleichheit  in 

e  i  n  em  T  e  1 1  de  s  p  a  t  h  o  1  o  gi  s  c  h  en  M  e  ch  a  n  i  s  m  u  s  zu 

Grunde  hege.  Auch  darauf  soll  am  Schlüsse  dieses  Aufsatzes 
cn igega ngen  wer d en . 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1605 


II. 

Vv  as  nun  die  Mittel  angeht,  deren  sich  heute  die  Mehrzahl 
<  er  Aerzte  gegenüber  der  Angina  pectoris  bedient,  so  herrscht 
m  r  wohl  allgemeine  Uebereinstimmung.  Die  „Anti-Angiuosa“ 
lassen  sich  m  2  Gruppen  teilen. 

Die  erste  Gruppe  umfasst  diejenigen  Mittel,  welche  im 
Anf  all  angewendet  werden.  Hier  stehen  in  erster  Reihe  die 
Aaikotika  vor  allem  das  Morphium1).  Daneben  bedient  man 
sicfi  vielfach  der  rasch  wirkenden  unter  den  Nitriten:  des  Amyl- 
üitrits  und  des  Nitroglyzerins.  Die  Herzstimulantien,  die  viel- 
ach  und  mit  Recht  neben  den  genannten  Mitteln  im  Anfall  ver¬ 
wendet  werden,  haben  den  Zweck,  gegen  die  Herzschwäche,  die 
tcu  1  aroxysmus  so  oft  begleitet,  anzukämpfen;  gegen  den 
c  lmerz  und  die  Herzangst  sind  sie  wohl  ohne  jede  Wirkung 
vei  mögen  den  Anfall  wohl  niemals  zu  koüpieren. 

dassVuhph^Ör^tenhi^  T.m?ner  Ueberzeugung  Ausdruck  geben, 
im  ’s,wlh  f  Recht  hat,  wenn  er  meint,  dass  das  Morphium 

werden steV°kanlischeu  Anfa11  nicht  nur  nicht  entbehrt 
1  losen  aff l  sondern  auch  nichtentbehrtwerdensoll.  Inden 

sicher’ kein  ^  ™  BeJfac^t  kommen  (0,01—0,02)  ist  Morphium 

stenolnvn-  ?  Zg?ft'  Gewiss  sieht  man  nicht  selten  Kranke  im 

ab^  '!lllSC;h?  Anfa11  nach  einer  Morphiuminjektion  sterben; 

das  Mm^m,ter»en  au  tler . Blutleere  ihres  Herzens,  nicht  durch 

trotz" dp«  xrUI11i  •  111  au  könnte  vielleicht  sogar  sagen:  sie  sterben 

lioiz  aes  Morphiums. 

No.  39. 


Von  Mitteln  der  zweiten  Gruppe,  die  gereicht  werden  um 
die  Angi naanf alle  zu  verhüten,  kommen  (neben  wichtigen  all 
gemeinen  Forschriften,  die  sich  auf  die  Vermeidung  körperlicher 
strengungen  und  psychischer  Erregungen,  sowie  auf  diätetische 
Massnahmen  beziehen)  m  Betracht  die  langsamer  und  dauernder 
wirkenden  Nitrite  und  zwar :  die  salpetrigsau  r  e  n  A 1  - 
kalien,  das  Erythroltetranitrit  (  Ervthronitrol“ 

empfchTt  1 1 1 h  a  r  ?  UU,Cl  das  N  i  t  r  o  g  1  j  2  c  f  i  n.  Danebi 

empfiehlt  Huchard  und  neuerdings  auch  Vierordt  warm 
den  andauernden  Gebrauch  von  .Todalkalien. 

In  dieser  Reihe,  die  man  mit  geringen  Variationen  in  fast 
allen  neueren  und  neuesten  Darstellungen  der  Behandlung  der 
Stenokardie  wiederfindet,  fehlt  nun  ein  Mittel,  das,  obwohl  be- 

füJ YaTI  Jah- ""i  naCAh  d.16Ser  RiclltunS  empfohlen  (Askanazy), 
ui  die  Therapie  der  Angina  pectoris  nur  sehr  geringe  Beachtuim 

gefunden  zu  haben  scheint,  obwohl  es  sonst,  als  Diuretikum’ 
sich  ausserordentlicher  Wertschätzung  erfreut.  Der  Zweck  dieses 
Aufsatzes  ist  es  nun,  vor  allem  dieses  Mittel,  das  Theobromin 

Jfehlen2)aChdrÜCkliCl1  ^  diö  Stenokai’diebehandlung  zu  em- 

.  11Ic1,1  hoffe  fuch  zeigen  zu  können,  dass  seine  Anwendung 
vielleicht  noch  e  l  ne  r  Erweiterung  fähig  ist,  und 
(  ass  sich  aus  der  klinischen  Beobachtung  wohl  auch  Schlüsse 
ziehen  lassen  auf  die  Art  seiner  Wirkung,  vielleicht  auch  auf 
den  Mechanismus  der  betreffenden  Krankheitserscheinungen. 

Tn .  ^  s.k  a_?.a f  y  hat  im  Jahre  1895  aus  der  L  i  c  h  t  h  e  i  m  sehen 
Klinik  in  Königsberg  eine  Arbeit  veröffentlicht,  in  der  er  neben 
der  ausgezeichneten  diuretischen  Wirkung  des  Theobromins  (in 
f  ei  Form  des  Diuretm  Ivnoll)  über  eine  Anzahl  von  Fällen  be¬ 
richtet,  m  denen  eine  andere  Wirkungsweise  des  Mittels  auf¬ 
geiallen  war.  Es  handelte  sich  um  Nephritiker  mit  den  Be¬ 
schwerden  des  kardialen  Asthmas  und  um  Kranke  mit  Aorten- 
fehlern,  die  an  stenokardischen  Anfällen  (meist  mit  gleich¬ 
zeitigen  asthmatischen  Beschwerden)  litten.  Diese  quälenden 
Symptome  wurden  auffallender  Weise  durch  mässige  Gaben  von 
Diuretm  prompt  beseitigt. 

Askanazy  teilt  in  Kürze  die  Krankengeschichten  mit 
und  knüpft  daran  einige  Bemerkungen  über  die  ihm  wahrschein¬ 
liche  Wirkungsweise  des  Medikaments  in  diesen  Fällen  und  über 
tue  iathogenese  des  stenokardischen  Anfalls. 

^  In  letzterer  Beziehung  steht  Askanazyauf  dem  Boden 
f-f1,  ..  a  11  5  “Traube  sehen  Theorie.  Ich  möchte  mich  auf  eine 
Bekämpfung  seiner  Beweisgründe  für  die  Richtigkeit  dieser 
nenne  hier  nicht  einlassen;  mir  scheinen  die  Auseinander¬ 
setzungen  neuerer  Autoren,  und  insbesondere  Huchards  in 
I  fr"101'.  meisterkaft  geschriebenen  Darstellung  der  verschiedenen 
Theorien  der  Angina  pectoris,  in  diesem  Punkte  unwiderleglich 
Dagegen  möchte  ich  mit  ein  paar  Worten  auf  eine  Behauptung 
emgehen,  die  mir,  obwohl  sie  häufig  in  der  Literatur  wiederkehrt, 
den  I atsaclien  nicht  ganz  zu  entsprechen  scheint:  die  Behaup- 
tung  nämlich,  reine  stenokardische  Anfälle  (Herzschmerz  mit 
Herzangst  resp.  Vernichtungsgefühl)  seien  sehr  selten,  die  Sym- 

. .  ?  Ide  ™u  K  r  e  h  1  und  von  v.  Schroetter  bearbeiteten 

l  !S<'  rtte-,  <  <!f;  Nothnagel  sehen  Sammelwerkes  enthalten 
obwohl  m  ihnen  von  Stenokardie  und  ihrer  Behandlung  ausführlich 

Thel^rSfa  "  k<Tiu  ]Yort  über  die  Diuretin-  (resp.  Theobromin-) 
iheiapie  der  Stenokardie,  ebensowenig  die  Darstellung  der  Zirku- 
lationskrankheUen  von  Romberg  in  Ebstein-Sc  liwnlb  es 
„Handbuch  der  praktischen  Medizin“  oder  der  betreffende  Abschnitt 
m  dem  Werke  von  Penzoldt-Stintzing.  Ortner  in 
seiner  Therapie,  innerer  Krankheiten  und  Penzoldt  in  seiner 
klinischen  Arzneibehandlung  erwähnen  sie  nicht;  Huchard 
nennt  das  Theobromin  als  Herztonikum  bei  Kranken  mit 
Koronarsklerose  neben  der  Strophanthus  und  dem  Koffein- 
auf ,  die_  an£!m,jseu  Anfälle,  meint  er  aber,  seien  diese 
7  !,tel  oline  Wirkung.  Auch  sonst  findet  sich  meines  Wissens 
seit  der  Publikation  von  Askanazy  (s.  oben)  ein  Hin¬ 
weis  auf  die  antistenokardische  Wirkung  der  Theobrom inpräparate 
nur  m  der  später  noch  zu  erwähnenden  Arbeit  von 
5  a  1 L1 1  .  und  K  a  u  f  m  a  n  n  (1901).  Ich  selbst  habe  das 
Mittel  im  Jahre  1896  an  der  Klinik  des  Herrn  Geheim¬ 
rates  Lichtheini  kennen  gelernt  und  seither  regelmässig 
angewendet.  Mein  verehrter  Chef,  Herr  Hofrat  Nothna  g  e  1 
verordnet,  es  systematisch  seit  mehreren  Jahren;  er  hat  mir  die 
Erlaubnis  gegeben, ,  hier  mitzuteilen,  dass  es  ihm  auch  in  seiner 
Privatpraxis  ausgezeichnete  Dienste  geleistet  habe.  In  der  letzten 
Zeit  hat  die  Diuretinbeliandlung  der  Stenokardie  hier  in  Wien 
etwas  allgemeinere  Verbreitung  gefunden;  es  mag  sein,  dass  es 
sich  m  Deutschland  ebenso  verhält,  ohne  dass  etwas  darüber  in 
die  Literatur  über  gegangen  wäre. 


2 


1606 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  W 0 CHEN S CHRIFT . 


No.  39. 


ptome  der  Angina  pectoris  kombinierten  sich  faktisch  fast  immer 
mit  den  Erscheinungen  des  kardialen  Asthmas.  Askanazy 
scheint  auch  dieses  Verhalten  für  die  Richtigkeit  der  Parry- 
Traube  sehen  Theorie  zu  sprechen :  Angina  pectoris  und 
Asthma  cardiale  seien  eben  beide  Konsequenzen  einer  plötzlich 
einsetzenden  Schwäche  des  linken  Ventrikels.  Mir  scheint  die 
Tatsache  selbst  nicht  ganz  richtig.  Allerdings  ist  die  reine  Steno¬ 
kardie  (ohne  Dyspnoe)  kein  extrem  häufiges  Ereignis,  aber  sie 
kommt  doch  durchaus  nicht  selten  vor.  Sie  ist  merkwürdiger¬ 
weise  viel  seltener  unter  dem  liegenden  Krankenmateriale  dei 
Spitäler,  als  in  dem  Publikum  der  Ambulatorien,  besonders  abei 
in  der  Privatpraxis  aus  den  wohlhabenderen  Ständen  zu  finden 
—  eine  Thatsache,  die  schon  Blanc  und  neuerdings  wieder 
K  r  e  h  1  hervorheben  und  zu  erklären  versuchen.  Ich  selbst  habe 
trotz  meiner  relativ  geringfügigen  Erfahrung  eine  ganze  Reihe 
von  Eällen  reiner  Angina  pectoris  unter  den  liegenden  Kranken 
der  Klinik  und  ausserhalb  derselben  gesehen.  Aus  dem  aller¬ 
dings  (besonders  bei  Aortenfehlern  mit  alter  hochgradigei  Hypei 
trophie  und  Dilatation  des  linken  Ventrikels)  häufigen  Koinzi- 
dieren  der  beiden  Syndrome  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  die 
Stenokardie  wie  das  Kardialasthma  die  Eolge  plötzlicher  Herz¬ 
schwäche  seien,  scheint  mir  gleichfalls  nicht  gerechtfertigt.  Wie 
oft  sehen  wir  bei  akuten  Infektionskrankheiten  plötzliche 
Herzschwäche,  wie  oft  bei  Nierenkranken  und  Arteriosklerotikern 
durch  arterielle  Drucksteigerung  bedingte  plötzliche  Minder¬ 
arbeit  des  linken  Ventrikels  auftreten  und  bis  zum  Lungenödem 
führen,  ohne  eine  Spur  anginöser  Beschwerden.  Und  ist  es  denn 
nicht  auffallend,  dass  unter  den  Nephritikern,  die  Askanazy 
anführt,  alle  kardiales  Asthma  hatten  ohne  Stenokardie,  bis 
auf  einen,  der  gleichzeitig  an  Aorteninsuffizienz  litt,  während  alle 
seine  Kranken  mit  Stenokardie  Aortenfehler  hatten.  Da  muss 
doch  wohl  geschlossen  werden,  dass  beim  Zustandekommen  des 
anginösen  Symptomenkomplexes  die  Herzschwäche  keine 
wesentliche  Rolle  spiele,  wohl  aber  der  arterielle  (aoiten-  resp. 
koronarsklerotische)  Prozess. 

ln  Beziehung  auf  die  Wirkung  des  Theobromins  jedoch  kann 
ich  auf  Grund  unserer  nunmehr  über  fünfjährigen  Erfahrung  die 
Beobachtungen  Askanazys  nur  durchaus  bestätigen,  und  ich 
möchte  nicht  verschweigen,  dass  ich  seine  Empfehlung  des  Theo¬ 
bromins  zur  Behandlung  des  kardialen  Asthmas  und  der  Angina 
pectoris  vera  für  eine  der  segensreichsten  therapeutischen  Er¬ 
rungenschaften  des  letzten  Jahrzehntes  halte. 

Von  seiner  Verwendung  beim  Asthma  cardiale  wird  hier  nicht 
weiter  die  Rede  sein.  Ich  möchte  nur  die  theoretisch  interessante 
und  später  noch  zu  berührende  Tatsache  erwähnen,  dass  das  Theo¬ 
bromin.  seine  spezifisch  antiasthmatische  resp.  asthmaverhütende 
Wirkung  nur  gegenüber  den  Anfällen  von  Asthma  cardiale 
der  Nephritiker  und  der  Arteriosklerotiker  auszuüben 
scheint,  die  wohl  regelmässig  mit  einer  Erhöhung  des  arteriellen 
Druckes  (wohl  infolge  einer  plötzlichen  Verengerung  des  peripheren 
Strombettes2*)  einsetzenund  zur  Insuffizienz  des  linken  Ventrikels 
führen.  Niemals  habe  ich  eine  derartige  prompte  Wirkung  etwa 
gegen  die  dyspnoischen  Zustände  der  Mitralfehlerkranken  ge¬ 
sehen.  (Von  der  bessernden  Wirkung,  die  das  Theobromin  als 
Diuretikum  gegen  die  Dyspnoe  inkompensierter  Herzfehler 
mit  Hydrops  allmählich  dadurch  ausübt,  dass  es  die  Oedeme  weg¬ 
schafft,  ist  hier  natürlich  nicht  die  Rede.) 

Die  eigentliche  Domäne  des  Theobromins  aber  ist  die  Angina 
pectoris  vera  der  Koronar-  resp.  Aortenkranken.  Es  ist  bei  dieser 
natürlich  als  Mittel  zur  Coupieruug  des  Anfalles  ganz  unverwend¬ 
bar;  dazu  wird  es  viel  zu  langsam  resorbiert  und  wirkt  viel  zu 
spät.  Es  findet  seine  Anwendung  als  Prophylaktikum  und  kon¬ 
kurriert  also  mit  dem  Nitroglyzerin  und  dem  Erythroltetranitrit. 
Ich  habe  es  im  grossen  und  ganzen  dem  Nitroglyzerin  überlegen 
gefunden  (in  Bezug  auf  das  „ErythronitroD  sind  meine  Er¬ 
fahrungen  noch  zu  gering,  um  ein  sicheres  Urteil  fällen  zu 
können).  Ich  habe  einige  Fälle  gesehen,  in  denen  das  Nitro- 


2*)  Der  Schlaf,  scheint  aus  Gründen,  die  man  bis  jetzt  nur  ver¬ 
muten  kann,  zu  Kontraktionen  der  Gefässe  (vielleicht  auch  anderer 
glatter  Muskeln)  besonders  zu  disponieren.  Man  vergleiche  ver¬ 
schiedene  Angioneurosen,  deren  Anfälle  besonders  gerne  Nachts 
kommen.  Interessant  ist,  dass  auch  manche  Kranke  mit  Claudi¬ 
catio  intermittens  Nachts  während  vollkommener  Iluhe  häufig 

Schmerzanfälle  begleitet  von  Blässe  in  dem  kranken  Bein  be¬ 

kommen. 


glyzerin  dem  Theobromin  überlegen  schien  und  andere,  in  denen 
keines  der  bekannten  Mittel  im  Stande  war,  den  Eintritt  der 
stenokardischen  Anfälle  zu  verhüten.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle 
aber  schien  mir  das  Theobromin  das  verlässlichere  Mittel  zu  sein , 
es  drückte  fast  in  allen  Fällen,  in  denen  es  versucht  wurde,  die 
Paroxysmen  in  Bezug  auf  ihre  Häufigkeit  und  ihre  Intensität  aui 
ein  erträgliches  Mass  herab,  und  das  ist  bei  einem  so  entsetzlich 
schweren  und  qualvollen  Leiden,  wie  die  Angina  pectoris,  schon 
sehr  viel.  Oder  aber  es  beseitigte  die  Anfälle  vollkommen,  manch¬ 
mal  in  beinahe  wunderbarer  Weise.  Dass  das  Mittel,  wie  Aska¬ 
nazy  schon  hervorhebt,  in  der  Regel  nur  wirkt,  solange  es  ge¬ 
nommen  wird,  dass  nach  seinem  Aussetzen  die  Anfälle  sich  in  der 
Regel  wieder  einstellen,  liegt,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  in 
der  Natur  der  Sache.  Es  teilt  diesen  Uebelstand  mit  den  Nitriten. 
Doch  kommen  auch  hie  und  da  Fälle  vor,  in  denen  nach  einer 
Periode  der  Theobrominmedikation  die  anginösen  Erscheinungen 
einige  Tage  bis  zu  einigen  Wochen  pausieren3). 

Die  wenigen  Fälle  nervöser  Pseudostenokardie,  in  denen 
ich  Gelegenheit  hatte,  Theobromin  zu  versuchen,  reagierten 
nicht  auf  das  Mittel. 

Was  die  Wahl  des  Präparates,  seine  Darreichung  und  Do¬ 
sierung  betrifft,  so  sei  folgendes  bemerkt.  Es  wurden  Diure- 
tin  (Theobr. -Natrium  salicylicum),  ferner  Theobr.- 
Natrium  benzoicum,  U  ropherin  (Theobr. -Lithium 
salicylic.),  in  letzter  Zeit  auch  Agurin  (Theobr.-Natrium 
aceticum)  und  reines  Theobromin  versucht.  Die  meiste 
Erfahrung  besitze  ich  über  das  schon  von  Askanazy  an¬ 
gewendete  Diuretin.  (A  skanazy  hat  sich  auch  schon  duich 
Versuche  davon  überzeugt,  dass  das  Wirksame  in  diesem  Präparat 
nicht  etwa  die  Salicylsäure,  sondern  das  Theobromin  ist.  Wir 
haben  derartige  Versuche  gleichfalls  und  mit  demselben  Resultate 
angestellt.)  Das  Diuretin  hat  eigentlich  die  verlässlichsten  thera¬ 
peutischen  Resultate  ergeben,  vielleicht  infolge  seiner  relativ  be¬ 
deutenden  Löslichkeit.  Es  wurde,  wenn  möglich,  in  wässerigei 
Lösung  verordnet  (in  der  gebräuchlichen  Weise  mit  einem  Zusatz 
von  Aqua  Menthae  als  Korrigens)  oder,  wenn  die  Kranken  durch 
den  schlechten  Geschmack  sehr  belästigt  wurden,  in  Pulvern 
zu  0,5.  Die  Tagesdosis  betrug  vom  Diuretin  anfangs  gewöhnlich 
3—3,5  g  (vom  Agurin  2—2,5,  vom  Theobr.  purum  114—2  g). 
Blieben  die  Anfälle  unter  dieser  Medikation  weg,  so  konnte  oft 
langsam  auf  2,5 — 2  g  heruntergegangen  werden,  ohne  dass  sie 
wiederkehrten.  Sehr  wesentlich  ist  es,  die  Tagesdosis  gleich- 
mässig  über  24  Stunden  zu  verteilen ;  manche  Kranke  bekommen, 
wenn  sie  die  Nacht  über  ohne  Medikament  bleiben,  nächtliche 
Anfälle,  die  sich  durch  gleichmässige  Verteilung  über  Tag  und 
Nacht  vermeiden  lassen.  Die  Präparate  wurden  fast  durchwegs 
gut  vertragen;  von  der  schädlichen  Wirkung  des  Diuretins  auf 
den  Magen,  von  der  H  uchard  spricht,  und  die  ihn  dieses  Prä¬ 
parat  wie  alle  Doppelsalze  ganz  verwerfen  lässt,  habe  ich  mich 
nicht  überzeugen  können.  Die  einzige  unerwünschte  Neben¬ 
wirkung  waren  gelegentlich  auftretende  Kopfschmerzen,  die  man 
ja  auch  sonst  bei  Theobrominpräparaten  sieht,  und  die  bei  den 
Nitriten  oft  in  viel  höherem  Grade  störend  sind.  Die  relativ 
geringen  Dosen  von  2 — 214  g  pro  die  wurden  von  manchen  Kran¬ 
ken  durch  Wochen  anstandslos  genommen4). 

(Fortsetzung  folgt) 


3)  Dass  neben  der  Darreichung  des  Theobromins  die  ausser¬ 
ordentlich  wichtigen  Vorschriften,  die  sich  auf  die  Vermeidung 
körperlicher  Anstrengung,  reichlicher  Mahlzeiten  etc.  beziehen, 
nicht  vernachlässigt  werden  dürfen,  versteht  sich  von  selbst. 

•*)  Ich  kann  hier  eine  Bemerkung  nicht  unterdrücken 
über  den  immer  noch  entsetzlich  hohen  Preis 
der  Theobrominpräparate.  Es  ist  in  der  Tat 
ausserordentlich  bedauerlich.  wenn  Präparate,  wie  das 
Diuretin,  das  nachgerade  alles  andere  als  ein  Luxusartikel 
geworden  ist.  gleich  vielen  sehr  entbehrlichen  neuen  Antipyreticis, 
Nährpräparaten  etc.  so  hoch  im  Preise  stehen,  resp.  gehalten 
werden,  dass  arme  Leute  die  relativ  bedeutenden  täglich  nötigen 
Quantitäten  (mehrere  Gramme)  durch  längere  Zeit  einfach  nicht, 
erschwingen  können.  Es  wäre  ausserordentlich  erfreulich,  wenn 
die  betreffenden  Fabriken  sich  entschliessen  würden,  auf  einen 
exorbitanten  Profit  bei  einem  Mittel  zu  verzichten,  das  wie  wenige 
andere  heutzutage  zur  Behandlung  schwer  Kranker  unersetzlich 
ist  und  dessen  Darstellung  wohl  schon  durch  den  Massenkonsum 
selbst  bei  wesentlich  reduzierten  Preisen  einen  recht  erheblichen 
Gewinn  abwerfen  dürfte. 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1607 


Aus  der  medizinischen  Poliklinik  in  Freiburg  i.  B. 

Klinische  Erfahrungen  mit  Jodothyrin. 

Von  Prof.  E.  R  o  o  s,  I.  Assistent  der  medizin.  Poliklinik. 

Nachdem  nunmehr  einige  Jahre  seit  der  Einführung  des 
Jodothyrins  in  die  medizinische  Praxis  verflossen  sind,  innerhalb 
welcher  Zeit  das  Nittel  vielfach  von  uns  angewendet  wurde, 
scheint  es  mir  am  Platze,  die  damit  gemachten  Erfahrungen 
kurz  zu  besprechen.  Auch  meine  Kollegen  an  der  Poliklinik,  die 
Ifeiren  DDr.  Gebhard,  Iv  o  c  h  und  S  c  h  a  i  c  h,  haben  mir 
ihre  Beobachtungen  zur  Verfügung  mitgeteilt,  wofür  ich  ihnen 
zu  bestem  Danke  verpflichtet  bin. 

Die  anfängliche  Ueberschätzung  der  Schilddrüsentherapie 
uad  des  Jodothyrins  hat  wie  gewöhnlich  einer  Unterstützung 

1  latz  gemacht,  so  dass  die  in  verschiedener  Beziehung  eigen¬ 
artig  wirkende  Substanz  uns  jetzt  zu  wenig  Beachtung  zu  finden 
scheint. 

_  Besonders  ist  die  Schilddrüsentherapie  wohl  wegen  Intoxi- 
kationsei scheiiiungeii,  die  durch  zu  hohe  Dosen  oder  unreine  oder 
undosierte  Präparate  hervorgerufen  wurden,  etwas  in  Misskredit 
gekommen.  V  ir  haben  mit  J odothyrin,  das  wir  meistens  an¬ 
wandten  —  andere  Präparate  wurden  manchmal  zum  Vergleich 
gegeben  nur  ganz  im  Anfang  nach  sehr  grossen  Dosen,  einige- 
niale  Thyreoidismus  gesehen,  der  übrigens  nach  Aussetzung  des 
Mittels  schnell  verschwand,  seither  nicht  mehr.  Auch  Zuckeraus¬ 
scheidung  wurde  nicht  beobachtet,  obwohl  bei  allen  Fällen,  die 
längere  Zeit  die  Substanz  nahmen,  darauf  geachtet  wurde.  Die 
von  uns  bei  Erwachsenen  gewöhnlich  angewandte  Dosis  ist 
1,0  g* 2),  welches  meist  auf  einmal  nach  dem  Frühstück  als  Pulver 
seltener  in  Tablettenform  eingenommen  wird.  In  manchen 
Fällen  gaben  wir  auch  zweimal  täglich  1  g,  selten  mehr.  Bei 
Verabreichung  von  täglich  1  g  wurde  bisweilen  nach  6 — 8,  bei 
einer  Tagesdosis  von  2  g  nach  3—4  Tagen  2—3  Tage  Pause 
gemacht,  um  dann  den  Turnus  von  neuem  zu  beginnen,  bei  1  g 
das  Mittel  aber  auch  ohne  Pausen  längere  Zeit  gegeben.  Kinder 
erhielten  durchschnittlich  täglich  0,3— 0,5  g,  ganz  kleine,  von 
denen  gegenwärtig  eines  von  9  Monaten  wegen  eigentümlicher 
Ki  ampf zustände,  die  mit  Schilddrüsenmangel  in  Zusammenhang 
gebracht  wurden,  mit  gutem  Erfolge  in  Behandlung  ist,  0,1  g 

2  3  mal  in  der  Woche.  Wenn  möglich  wurden  die  Patienten 
alle  4 — 5  Tage  kontrolliert. 

Die  von  uns  weitaus  am  häufigsten  mit  dem  Mittel  be¬ 
handelte  Affektion  ist  die  hier  in  Freiburg  endemische  Struma. 
V  ir  geben  meist  täglich  1  g  und  gebrauchen,  um  den  par¬ 
enchymatösen  Kropf  jüngerer  Leute  soweit  als  möglich  zurück¬ 
zubringen,  durchschnittlich  6—10  g.  In.  manchen  Fällen,  be¬ 
sonders  bei  derben  fibrösen  Strumen,  wurde  allerdings  erst  durch 
grössere  Dosen  eine  genügende  Verkleinerung  erzielt.  Zur 
besseren  Erhaltung  des  Erfolgs  verordnen  wir  dann  gewöhnlich 
noch  eine  Jodeinreibung.  Die  auf  dem  vorjährigen  Chirurgen¬ 
kongress  von  Kraske1)  gegen  die  Schilddrüsenbehandlung  des 
Kiopf es  erhobenen  Einwände,  die  in  eine  völlige  Verwerfung-  der¬ 
selben  auslaufen,  erklären  sich  wohl  zum  Teil  aus  der  Ver¬ 
schiedenartigkeit  des  Materials,  das  dem  internen  Arzt  und  dem 
Chirurgen  im  allgemeinen  zugeht.  Unsere  Strumafälle  sind  vor¬ 
wiegend  leichtere  und  bei  geringen  oder  überhaupt  fehlenden 
Beschwerden  zu  einer  Operation  durchaus  nicht  zu  bewegen.  Aber 
ein  medikamentöses  V orgehen  gegen  die  Affektion  wird  verlangt, 
und  da  hat  uns  denn  die  Jodothyrintherapie  zur  allgemeinen 
Zufriedenheit  gedient.  Aber  auch  Fälle  mit  Atemnot  bei 

*)  Das  Jodothyrin  des  Handels  ist  wie  bekannt  die  Milch- 
zuckeryerreibung  der  wirksamen  organischen  Jodverbindung  der 
»Schilddrüse.  Dieselbe  ist  so  eingestellt,  dass  1  g  der  Verreibung 

mg  Jod  in  der  organischen  Jodotliyrinbindung  enthält.  Dies 
ist  die  durchschnittliche  Jodmenge,  die  sich  nach  den  Unter¬ 
suchungen  von  B  a  u  m  a  n  n  in  1  g  frischer  Hammelsschilddrüse 
nnciet.  Es  ist  demnach  Jodothyrin  ein  Präparat  von  völlig  kon- 
stantem  Gehalt.  Dass  diese  Dosierung  nach  dem  Jodgehalt  voll 
Dereehtigt  ist,  wurde  von  mir  vor  einiger  Zeit  auch  dadurch  er¬ 
wiesen,  dass  ich  zeigte,  dass  bei  Verfütterung  von  einfach  ge¬ 
trockneter  .  und  pulverisierter  Schilddrüse  verschiedenen  Jod- 
gehaites  die  Einwirkung  auf  den  Stoffwechsel  und  die  Struma  bei 
gleicher  Dosis  um  so  stärker  ist,  je  grösser  der  Jodgehalt  der  ein¬ 
gegebenen  Portion,  und  dass  jodfreie  Schilddrüsensubstanz  über- 
naupt  unwirksam  ist.  (Vergl.  Hoppe-Seylers  Zeitschr.  für  phys. 
Chemie  Bd.  28,  S.  40  u.  ff.) 

i  q-...  V erhandl.  der  Deutsch.  Gesellsch.  f.  Chirurgie,  30.  Kongress 

J-cHJl,  ö.  25. 


derben,,  zum  Teil  substernalen  Strumen,  deren  interne  Behand¬ 
lung  wir  ursprünglich  ablehnen  wollten,  haben  die  Beschwerden 
mehrfach  rasch  verloren  und  sind,  soweit  wir  dieselben  ver- 
folgen  konnten  jedenfalls  längere  Zeit  rezidivfrei  geblieben. 
,  Cystenkropfen  ist  natürlich,  wie  schon  oft  betont,  eine  in¬ 
terne  Behandlung  von  vornherein  aussichtslos,  wenn  auch  manch¬ 
mal  durch  Abnahme  des  die  Cysten  umgebenden  Schilddrüsen¬ 
gewebes  die  Beschwerden  sich  verringern.  Was  die  Folgen  der 
internen  Behandlung  auf  eine  eventuelle  spätere  Operation  an- 
iangt,  so  sind  die  Ansichten  darüber  geteilt.  Während  Kraske 
eine  Erschwerung  des  Eingriffes  darin  sieht,  empfiehlt 
Kocher  )  geradezu  m  manchen  Fällen  eine  vor  der  Operation 
emzu leitende  Schilddrüsentherapie.  Jedenfalls  kann  der  interne 
x  rzt  bei  einem  für  .  die  Arzneibehandlung  geeigneten  Falle  die¬ 
selbe  nicht  wohl  mit  dem  Hinweis  auf  eine  nach  Jahren  viel¬ 
leicht  notwendig  werdende  Operation  ablehnen,  und  meist  will 
sich  der  Patient,  bevor  er  sich  zur  Operation  entschliesst, 
zuerst  von  der  Nutzlosigkeit  der  innerlichen  Behandlung  über¬ 
zeugen.  Auf  tretende  Rezidive  Hessen  sich  gewöhnlich  ebenso 
prompt  wie  die  ursprüngliche  Vergrösserung  beseitigen.  Man  hat 
sogar  den  Eindruck,  dass  die  Schwellung  die  späteren  Male  eher 
leichter  auf  das  Mittel  zurückgeht,  als  zuerst.  Auch  mit  dem 
kosmetischen  Erfolg  waren  unsere  Patienten  —  vielfach  Dienst¬ 
mädchen  —  meist  völlig  zufrieden,  obwohl  bisweilen  auch  bei 
vorwiegend  parenchymatösen  Strumen  einige  fühl-  oder  sichtbare 
Beste  Zurückbleiben.  Erscheinungen  von  Schilddrüsenmangel, 
die  von  mancher  Seite  durch  möglicherweise  zu  starkes  Zurück¬ 
geben  des  normalen  Schilddrüsengewebes  befürchtet  wurden, 
haben  wir  im  Gefolge  der  Jodothyrinbehandlung  niemals  be¬ 
obachtet. 


Andere  Schilddrüsenerkrankungen,  entzündliche  und  bösartige 
V  ergrösserung  derselben  wurden  von  uns  nicht  in  den  Bereich  der 
internen  Therapie  gezogen,  wie  dies  z.  B.  Riviere3)  in  Lyon 
getan  hat,  der  die  durch  das  Beiden  hervorgerufenen  und  von 
ihm  auf  Dysthyreosis  in  Folge  der  Drüsenerkrankungen  zurück¬ 
geführten  Beschwerden  mit  Jodothyrin  günstig  beeinflusst  zu 
haben  angibt. 

Kretinismus  zu  behandeln  haben  wir  manchmal  Gelegenheit. 
Dabei  scheint  es  allerdings,  dass  bei  erwachsenen  Kretins  nichts 
mein  mit  der  Therapie  zu  erreichen  ist.  Aber  bei  zwei  kretinisti- 
schen  Kindern  wurden  bemerkenswerte  Resultate  erzielt.  Bei 
beiden  kam  das  fast  völlig  stehengebliebene  Längenwachstum 
wieder  stark  in  Gang,  das  eine  Kind  wuchs  in  7  Monaten  um 
TA  cm,  und  beide  wurden  geistig  erheblich  regsamer.  Aehnliche, 
zum  Teil  sehr  gute  Erfolge  aus  der  Kinderpraxis  berichten 
Banz4 *),  Quincke“),  Neumann  6). 

Lieber  die  Anwendbarkeit  der  Schilddrüsentherapie  resp. 
des  Jodothyrins  zur  Beeinflussung  des  Stoffwechsels,  ins¬ 
besondere  zur  Entfettung,  sind  die  Ansichten  geteilt.  Ab¬ 
gesehen  von  massloser  Einnahme  des  Mittels  durch  Patienten 
auf  eigene  Faust  und  dementsprechender  Schädigung  der¬ 
selben,  hat  hier  wohl  besonders  abschreckend  die  vielfach  fest¬ 
gestellte  Tatsache  gewirkt,  dass  neben  einer  Zunahme  der  Ver¬ 
brennung  von  Fett  auch  die  Stickstoffausscheidung  steigt,  so 
dass  man  eine  starke  gleichzeitige  Einschmelzung  von  Körper- 
eiweiss  annehmen  zu  müssen  geglaubt  hat.  Schöndorf  zeigte 
“bei,  dass  bei  länger  dauernder  Einnahme  die  Vermehrung-  der 
Stickstoffausscheidung  bald  aufhört,  während  die  sonstige  Steige- 
lung  der  Oxydationsprozesse  weiter  geht.  Die  anderen  Unter¬ 
sucher  haben  die  Substanz  immer  nur  kurze  Zeit  eingegeben. 
Es  handelt  sich  deshalb  bei  der  anfänglichen  Vermehrung-  der 
Stickstoffausscheidung  nach  diesem  Forscher  nicht  um  eine 
Steigerung  der  Eiweisszersetzung,  sondern  um  eine  verstärkte 
Auslaugung  der  Gewebe,  durch  welche  der  darin  befindliche  Harn¬ 
stoff  und  andere  stickstoffhaltige  Körper  in  grösseren  Mengen 
nach  aussen  befördert  werden.  Dieser  Vorgang  macht  sich  beim 
Menschen  und  manchmal  auch  beim  Hunde  durch  eine  verstärkte 
Diurese  bemerklich.  Erst  wenn  der  Fettgehalt  des  Körpers  ein 


2)  Ibid.  S.  346. 

3)  La  medecine  moderne  1901,  No.  4. 

4)  Zur  Anwendung  des  Jodothyrins  in  der  Kinderpraxis. 
Therap.  Wochenschr.  1897,  No.  11. 

“)  Ueber  Athyreosis  im  Kindesalter.  Deutsche  med.  Wochen¬ 
schr.  1900,  No.  49  u.  50. 

°)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1901,  No.  49. 


2* 


1608 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


gewisses  Minimum  erreicht  hat,  wird  auch  das  Eiweiss  an¬ 
gegriffen.') 

Ich  habe  mich  deshalb  für  berechtigt  gehalten,  das  Jodo¬ 
thyrin  zu  Entfettungszwecken  zu  verwenden.  Auch  vorher  ist 
dies  schon  mehrfach  mit  gutem  Erfolge  geschehen7 8 *).  Die  vor  der 
Behandlung  eingehaltene  Diät  wurde  jeweils  beibehalten,  sei  es, 
dass  dieselbe  eine  gewöhnliche  war,  oder  dass  eine  auf  Entfettung 
gerichtete  Kostordnung  schon  einige  Zeit  ohne  genügenden  Er¬ 
folg  gebraucht  worden  war.  Eine  stärkere  Gewichtsabnahme 
wurde  bei  den  nur  mässigen  Dosen,  die  wir  anwandten,  nicht  in 
allen  Fällen  erreicht.  Aber  auffallenderweise  besserten  sich,  wenn 
die  Einnahme  längere  Zeit  fortgesetzt  wurde,  auch  wenn  keine 
nennenswerte  Gewichtsabnahme  eintrat,  in -einigen  Fällen  die 
Beschwerden,  die  offenbar  mit  der  Körperfülle  zusammenhingen. 
Dies  wurde  auch  schon  von  Schwarzbart “)  beobachtet.  Ich 
möchte  zwei  Fälle  anführen,  die  bei  der  Jodothyrinmedikation 
abnahmen,  und  zwei  Fälle,  bei  denen  ohne  Gewichtsverlust  die 
Beschwerden  sich  verminderten. 

1.  H.  M.,  32  Jahre.  Im  letzten  halben  Jahre  sehr  stark  ge¬ 
worden.  Viel  Nasenbluten  und  Gefühl  von  Yollsein,  Engigkeit 
beim  Gehen  und  Treppensteigen.  Leichte  Obstipation.  Patientin 
ist  sehr  stark  und  gut  ausseliend.  An  den  inneren  Organen,  speziell 
am  Herzen  objektiv  nichts  Abnormes.  Puls  68,  regelmässig.  Ge¬ 
wicht  85,7  kg. 

3.-8.  XII.  1901.  Täglich  1  g’ Jodothyrin. 

9.  XII.  84,4  kg.  Puls  76,  regelmässig,  Schlaf  gut.  Appetit 
nicht  besonders,  sonst  keinerlei  Beschwerden.  Fühlt  die  Abnahme 
an  den  Kleidern. 

9. — 14.  XII.  Je  1  g  Jodothyrin. 

14.  XII.  S3,5  kg.  Fühlt  sich  woliler  und  leichter.  Puls  76, 
regelmässig.  Gar  nichts  vom  Herzen  bemerkt.  Appetit  besser.  | 
Keinerlei  Klagen. 

15.  — 25.  XII.  Täglich  1  g  Jodothyrin. 

26.  XII.  S3,2  kg.  Keine  Herzbeschwerden;  etwas  erkältet. 

28.  XII. — 3.1.1902.  Je  2  mal  täglich  (Morgens  und  Abends)  lg. 

Kontrolle  am  31.  XII.  gibt  nichts  Besonderes. 

6.  I.  82,6  kg.  Fühlt  sich  recht  wohl,  arbeitet  seit  4.  I.  wieder. 
Wegen  Obstipation  Brustpulver  genommen. 

9. — 15.  I.  Je  2  mal  1  g  Jodothyrin. 

20.  I.  SO, 7  kg.  Fühlt  sich  recht  leicht  und  arbeitsfähig.  Puls 
90,  regelmässig.  Urin  immer  eiweiss-  und  zuckerfrei.  Hat  während 
der  Behandlung  die  Kost  nicht  -wesentlich  geändert. 

2.  G.,  43  jährige  Witwe.  Recht  starke,  kleine  Frau  mit  allen 
möglichen  nervösen  Beschwerden.  Ausser  geringen  Hämorrhoiden 
objektiv  nichts  nachweisbar.  Besonders  klagt  sie  über  häufige  Be¬ 
engung  und  Mattigkeit.  Puls  72,  ziemlich  regelmässig,  Herz  nor¬ 
mal.  Urin  eiw’eiss-  und  zuckerfrei.  Gewicht  64  kg.  Hat  seit 
längerer  Zeit  sich  im  Essen  stark  zurückgehalten,  wenig  Kohle¬ 
hydrate  gegessen  und  getrunken  ohne  nennenswerte  Abnahme 
oder  Erleichterung. 

Nimmt  vom  14.  XI.  01  an  3  Wochen  lang  wöchentlich  5  g 
Jodothyrin,  indem  sie  jeweils  nach  5  g  2  Tage  pausiert. 

9.  XII.  Fühlt  sich  leichter  und  weniger  müde,  Gewicht 
62,7  kg.  Puls  80,  regelmässig. 

Nimmt  wieder  2  Wochen  in  derselben  Weise  je  5  mal  1  g 
Jodothyrin. 

2.  1.  02.  Gewicht  61,5  kg.  Puls  72,  regelmässig.  Erhebliche 
Erleichterung.  Kein  Eiweiss,  kein  Zuckei\ 

3.  K.,  Lehrerin,  40  Jahre.  Ziemlich  stark,  nimmt  seit  längerer 
Zeit  eine  gegen  das  Starkwerden  gerichtete  zweckmässige  Diät 
ohne  nennenswerten  Erfolg.  Ist  ziemlich  angestrengt  in  ihrem  Be¬ 
rufe  tätig,  fühlt  sich  oft  schwer,  voll  und  müde  und  hofft  von 
einer  Entfettung  Besserung.  Patientin  war  einige  Male  vorher 
schon  wegen  Herzbeschwerden  in  Behandlung.  Das  Herz  zeigte 
die  Erscheinungen  einer  mässigen  Myokarditis.  Die  Beschwerden 
wurden  damals  durch  geeignete  Lebensweise  und  etwas  Stro- 
phantlius  gebessert.  Der  objektive  Befund  des  Herzens  ist  jetzt 
etwa  derselbe:  Die  Dämpfung  ist  besonders  nach  rechts  etwas 
verbreitert,  der  erste  Ton  unrein,  die  zweiten  Töne  laut.  Die  Herz¬ 
tätigkeit  zeigt  von  Zeit  zu  Zeit  Unregelmässigkeiten  und  frusträne 
Kontraktionen.  Puls  60 — 70  Schläge,  etwas  klein.  Sonst  nichts 
Abnormes.  Gewicht  S4  kg.  Urin  eiweiss-  und  zuckerfrei.  Pat. 
ist  sehr  ruhig  und  beobachtet  sich  sehr  gut.  In  Anbetracht  des 
Herzens  wurde  nur  sehr  vorsichtig  mit  dem  Jodothyrin  vor¬ 
gegangen. 

Patientin  nftnmt  zwischen  dem  14.  XII.  und  21.  XII.  5  mal 
1  g  Jodothyrin,  indem  sie  pausierte,  wenn  sie  glaubte,  etwas  mehr 
vom  Herzen  zu  spüren. 

21.  XII.  Puls  ziemlich  kräftig  und  regelmässig,  70.  Herz 
gegenwärtig  zufällig  ausnahmsweise  ruhig.  Gewicht  83,4.  Keine 
Beschwerden  von  den  Pulvern. 

21. — 28.  XII.  5  mal  1  g  Jodothyrin. 

28.  XII.  Hat  sich  wohl  gefühlt.  Gewicht  83,3  kg.  Puls  76, 
regelmässig. 

Vom  28.  XII.  bis  4.  I.  02  täglich  1  g  Jodothyrin. 


7)  Schöndorf:  Pflügers  Arch.  Bd.  67,  1897,  S.  406 — 407. 

8)  Vergl.  Gra  witz:  Münch,  med.  Wochenschr.  1S96,  No.  14. 

Weis  s:  Wien.  med.  Wochenschr.  1898,  No.  41.  Hönig- 
sehmid:  Aerztl.  Centralztg.  1901,  No.  6. 

c)  Wien.  med.  Presse  1901,  No.  28. 


4.  I.  Fühlt  sich  wohl.  Puls  etwas  erregbar,  S4,  nach  einiger 
Ruhe  66.  Fühlt  sich  kurz  nach  dem  Pulver  manchmal  etwas 
warm,  sonst  keine  unangenehmen  Folgen. 

Vom  5.  I.  bis  18.  I.  10  mal  1  g  Jodothyrin. 

10.  I.  Nichts  Besonderes,  fühlt  sich  wohl. 

18.  I.  Gewicht  83,8  kg.  Fühlt  sich  woliler  und  leichter  als 
früher,  steigt  erheblich  leichter  Treppen.  Puls  70,  regelmässig. 

Die  Kur  wurde  abgebrochen,  da  grössere  Jodothyrindosen  nicht 
angebracht  erschienen  und  mit  den  angewandten  eine  nennens¬ 
werte  Gewichtsabnahme  nicht  erreicht  wurde.  Zudem  war  Pa- 
tientin  mit  dem  subjektiven  Erfolge  sehr  zufrieden. 

4.  N.  M..  21  Jahre.  Ist.  seit  einigen  Monaten  recht  stark  ge¬ 
worden.  Fühlt  sieb  oft  sehr  voll  und  eng,  wenig  Herzklopfen. 
Stuhl  jetzt  regelmässig,  nachdem  in  den  letzten  Wochen  dagegen 
eingenommen  worden  war.  Regel  seit  einiger  Zeit  unpünktlich  und 
schwächer  als  früher.  Sieht  blühend  aus.  Erster  Herzton  etwas 
unrein,  sonst  objektiv  keine  deutliche  Abnormität.  Puls  frequent, 
108,  regelmässig.  Gewicht  71,7  kg. 

7.  — 14.  XII.  Täglich  1  g  Jodothyrin. 

14.  XII.  Gewicht  71  kg.  Puls  100.  Fühlt  sich  wenig  ver¬ 
ändert. 

14. — 21.  XII.  je  1  g  Jodothyrin. 

21.  XII.  Gewicht  71  kg,  fühlt  sich  etwas  woliler.  Die  in  der 
Zwischenzeit  eingetretene  Regel  ist  besser  verlaufen  als  sonst. 
Puls  100.  Keine  Herzbeschwerden. 

22.  — 28.  XII.  je  1,5  g  Jodothyrin. 

8.  I.  Gewicht  71,5  kg.  Puls  92,  keinerlei  Herzbeschwerden. 
Fühlt  sich  manchmal  noch  etwas  voll  und  unbequem. 

9.  I. — 14.  I.  je  2  mal  1  g  Jodothyrin. 

18.  I.  Fühlt  sich  leichter  und  etwas  woliler.  Puls  96,  regel¬ 
mässig. 

Dr.  Schaich  stellt  mir  folgende  Beobachtung  zur  Ver¬ 
fügung.  Dieselbe  betrifft  einen  22  jährigen  jungen  Mann,  welcher 
gegen  das  Ende  seiner  Militärzeit  anflng,  an  Körpergewicht  stark 
zuzunehmen.  Nach  wenigen  Monaten  war  der  Kranke  sehr  schwer 
beweglich  geworden,  litt  viel  an  Herzklopfen  und  Atemnot  und 
lag  deshalb  monatelang  fast  ständig  zu  Bett.  Eine  Jodothy rinkur 
von  etwa  14  Tagen  führte  einen  auffälligen  Umschwung  herbei, 
indem  das  Körpergewicht  abnahm,  die  Herzbeschwerden  sich  in 
Kürze  besserten  und  die  Beweglichkeit  wiederkehrte,  nachdem 
vorher  diätetische  Massnahmen  keinen  Erfolg  gehabt  hatten.  Erst 
jetzt  wurde  mit  denselben  mit  Nutzen  begonnen. 

Andere  Aerzte  haben,  successive  steigend,  unter  gleich¬ 
zeitiger  Eingabe  des  von  M  a  b  i  1 1  e  und  Ewald  zur  Vermei¬ 
dung  von  Tliyreoidismus  empfohlenen  Arsens  erheblich  grössere 
Dosen  von  Jodothyrin  verwendet  und  damit  ausgiebige  Erfolge 
ohne  Nebenerscheinungen  erzielt 10).  Bei  den  von  uns  ver¬ 
abreichten  Mengen  haben  wir  auch  ohne  das  sonst  offenbar 
sehr  zweckmässige  Arsen  keine  unangenehmen  Erscheinungen 
gesehen,  auch  nicht  bei  Fall  3,  der  ausgesprochen  myokarditische 
Erscheinungen  darbot. 

Eine  andere  Beobachtung,  die  ich  leider  mit  genaueren 
Krankengeschichten  nicht  belegen  kann,  möchte  ich  immerhin 
nicht  ganz  übergehen.  Es  fiel  nämlich  2  mal  auf,  dass  anämische 
Mädchen,  die  ohne  befriedigenden  Erfolg  mit  Eisenpräparaten 
behandelt  worden  waren,  nachdem  sie  wegen  einer  gleichzeitig 
bestehenden  Struma  Jodothyrin  erhalten  hatten,  nachher  bei 
Wiederaufnahme  der  Eisenbehandlung  erheblich  bessere  Fort¬ 
schritte  machten.  Man  hatte  den  Eindruck,  als  ob  der  Stoff¬ 
wechsel  einen  Anstoss  erhalten  hätte.  Vielleicht  kann  man  sich 
hier  die  Wirkung  des  Jodothyrins  etwa  ähnlich  vorstellen,  wie 
die  eines  mässigen  Aderlasses,  der  ja  auch  schon  zur  Behandlung 
der  Chlorose  empfohlen  wurde. 

Ein  weiteres  Gebiet,  auf  dem  es  nahe  lag,  das  Jodothyrin  zu 
versuchen,  ist  die  Arteriosklerose.  Jodsalze  werden  ja  schon  lange 
und  vielfach  dagegen  gegeben.  Ich  möchte  hier  die  widersprechen¬ 
den  Angaben  der  Autoren,  von  denen  die  einen  experimentell  eine 
Herabsetzung  des  Blutdruckes  durch  Jodsalze  erzielt  zu  haben 
angeben,  die  andern  eine  solche  nicht  beobachten  konnten,  ebenso¬ 
wenig  genauer  besprechen  als  die  auseinandergehenden  Ansichten 
über  die  klinische  Wirksamkeit  derselben  bei  den  Gefäss- 
veründerungen,  sondern  auf  die  Zusammenstellung  der  ein¬ 
schlägigen  Literatur  durch  Gumprech  t  verweisen 1!).  Die 
sorgfältigen  Tierversuche  dieses’  Forschers  ergaben,  dass  bei  Ka¬ 
ninchen  der  Blutdruck  und  Gefässtonus  durch  Jod  nicht  wesent¬ 
lich  geändert  wird.  Auch  beim  Menschen  konnte  derselbe  weder 
beim  Gesunden  noch  beim  Arteriosklerotiker  auch  durch  längere 
Eingabe  von  Jodkalium  einen  irgendwie  wesentlichen  und  kon¬ 
stanten  Einfluss  auf  den  Blutdruck  erreichen.  Da  aber  bei  der 

10)  Vergl.  Honig  schmld:  Aerztl.  Centralztg.  1901,  No.  6. 

u)  Die  Bedeutung  des  Jods  als  Vasomotorenmittel.  Kongress 
für  innere  Med.  IXX,  1901,  8.  260. 


30.  September  1902. 


MUENCIIENER  MEDIQINI S CHE  WOCHENSCHRIFT. 


1609 


Beurteilung  der  Anwendbarkeit  des  Jods  bei  Arteriosklerose  seine 
Einwirkung  auf  den  Blutdruck  natürlich  nicht  allein  ausschlag¬ 
gebend  ist  und  vielleicht  noch  andere  Eigenschaften  des  Jods  in 
Betracht  kommen,  verhält  sich  Gu  mp  recht  nicht  gerade  ab¬ 
lehnend  gegen  die  Medikation,  empfiehlt  sie  aber  auch  nicht 
besonders.  Er  lässt  sie  zu  unter  der  Bedingung,  dass  nur  kleine 
Dosen  (nicht  über  1  g)  gegeben  und  öfters  Pausen  gemacht 
werden, .  um  die  bekannten  Unannehmlichkeiten  der  Jod¬ 
medikation  nicht  zu  stark  werden  zu  lassen.  In  neuester  Zeit 
sucht  J  o  d  1  b  a  u  e  r  auf  Grund  theoretischer  Betrachtung,  ohne 
eigene  Versuche  anzustellen  und  diejenigen  Gump  rechts  zu 
berücksichtigen,  eine  Erklärung  für  die  Wirksamkeit  des  Jods 
bei  Arteriosklerose  zu  geben. 

Auch  mit  dem  Jodothyrin  sind  eine  Reihe  von  Versuchen 
bezüglich  seiner  Einwirkung  auf  die  Zirkulation  angestellt 
worden,  v.  Vamossy  und  Vas  geben  an,  keinerlei  Einfluss 
der  Substanz  auf  den  Nerven-  und  Muskelapparat  des  Herzens 
und  ebensowenig  auf  den  Blutdruck  gefunden  zu  haben  12).  Auch 
Bartel  t,  der  allerdings  nur  einen  Versuch  anstellte,  sali  keine 
Beeinflussung  1S).  v.  Cyon  dagegen,  welcher  die  Vamossy- 
V  a  s  sehen  Angaben  als  nicht  genügend  begründet  erachtet  “), 
beobachtete  in  vielen  Tierversuchen  nach  Einspritzung  von  Jodo¬ 
thyrin  regelmässig  Senkung  des  Blutdruckes  und  Verlangsamung 
<  er  Herzschläge,  nach  seiner  Deutung  hervorgerufen  durch  Er¬ 
regung  der  intrakardialen  ITemmungszentra  und  der  Nervi  de- 
pressores.  Dieselben  Resultate  erhielten  v.Cyo  n  und  Oswald 
mit  dem  von  Oswald  dargestellten  Thyreoglobulin  15),  welches, 
wie  dieser  Forscher  gezeigt  hat,  als  wirksamen  Bestandteil  den 
Jodothyrinkomplex  enthält.  Interessant  ist  auch  die  Feststellung 
der  beiden  Autoren,  dass  eine  Reihe  sonstiger  aus  der  Schilddrüse 
gewonnener  Produkte,  auch  wenn  sie  Jod  enthalten,  die  wirk¬ 
samen  Eigenschaften  des  J odothyrins  nicht  besitzen  1U),  was  auch 
mit  einigen  von  mir  angestellten  Versuchen  übereinstimmt.  Nach 
Untersuchungen  von  B  a  r  b  e  r  a,  die  auf  v.  Cyons  Veran¬ 
lassung  ausgeführt  wurden,  kommt  dem  Jodnatrium  eine  dem 
Jodothyrin  gegenteilige  Wirkung  zu,  nämlich  eine  Schwächung 
der  regulatorischen  Herznerven,  welche  eine  Zunahme  der  Puls¬ 
frequenz  und  eher  Erhöhung  des  Blutdruckes  im  Gefolge  hat 17). 
Auch  Laudenbach  scheint  ähnliche  Resultate  erhalten  zu 
haben  ltS).  Gegen  die  Stichhaltigkeit  und  Deutung  der  v.  Cyon- 
schen  \  ersuche  sind  von  v.  Fenyvessy  gewichtige  Einwände 
erhoben  worden  ).  Es  sind  also  auch  hier,  ähnlich  wie  beim 
Jod,  die  Ansichten  geteilt,  ob  eine  Herabsetzung  des  Blutdrucks 
nach  Jodothyrinzufuhr  eintritt,  was  bei  der  Behandlung  der 
Arteriosklerose  gewiss  günstig  ins  Gewicht  fiele,  oder  eine  direkte 
Beeinflussung  des  Zirkulationsapparates  nicht  stattfindet.  Aber 
auch  ohne  eine  solche  wäre  vielleicht  schon  allein  durch  die  starke 
Anregung  des  Stoffwechsels  durch  das  Mittel  ein  günstiger  Ein¬ 
fluss  auf  die  Gefässwand  zu  erwarten  ohne  jede  Gefahr  eines 
Jodismus.  Eine  Beobachtung  v.  Eiseisbergs,  die  mir  in  diesem 
Zusammenhang  ein  gewisses  Interesse  zu  haben  scheint,  möchte 
ich  nicht  unerwähnt  lassen,  v.  Eiseisberg  studierte  die 
folgen  des  Schilddrüsenmangels  an  Pflanzenfressern  und  fand 
bei  zwei  der  in  den  ersten  Lebenswochen  thyreoidektomierten 
Schafen  und  Ziegen,  welche  monatelang  die  typischen  Erschei¬ 
nungen  der  Cachexia  thyreopriva  darboten,  hochgradige  Arterio¬ 
sklerose,  besonders  der  Aorta  und  anderer  Gefässe 20). 

Leider  ist  das  hier  auf  der  Poliklinik  zu  therapeutischen 
Versuchen  bei  Arteriosklerose  zur  Verfügung  stehende  Material 
wenig  geeignet.  Vollkräftige  Männer  mit  dieser  Gef  ässerkrankung 
und  erhöhtem  Blutdruck  suchen  deshalb  kaum  die  Poliklinik  auf 
und  bequemen  sich  gewöhnlich  nicht  zu  einer  längeren  Kur  mit 
häufigen  und  zeitraubenden  Vorstellungen  auf  der  Klinik.  Ge¬ 
wöhnlich  sind  uns  nur  solche  Fälle  mit  mehr  oder  weniger 
schweren  Komplikationen  oder  Kompensationsstörungen  zugäng¬ 
lich.  Zwei  davon  mögen  etwas  genauer  angeführt  sein: 

J*  S-  C->  p6  Jahre  alt.  Seit  längerer  Zeit  Engigkeit  und  Druck 
t  der  Brust.  Viel  Husten.  Schläft  wenig  und  nmss  der  Atern- 

*p  Münch,  med.  Wochenschr.  1897,  No.  25. 

13)  Dorpater  Naturforschergesellschaft  189G,  März,  S  135 

)  Pflügers  Arch.  70.  Bd.,  1898,  S.  1G1  u.  ff. 

la)  Pflügers  Arch.  83.  Bd.,  1901,  S.  199. 

1S)  Loe.  cit. 

")  Pflügers  Arch.  Bd.  G8,  1897,  S.  434. 

,2  X?.rgl*  Parbera:  Pflügers  Arch.  Bd.  79,  1900,  S.  312. 

)  Wiener  klin.  Wochenschr.  1900,  No.  6. 

°)  Arch.  f.  klin.  Chirurgie  49.  Bd.,  Heft  I. 

No.  39. 


Atmen  ist 


not  v  i  gen  im  Bett,  viel  aufsitzen.  Bei  Anstrengung  besonders 
starke  Engigkeit  Puls  80,  ziemlich  kräftig  und  regelmässig 
ÄmmT***!  Arteriosklerose  <lcr  Radialarterieu  und  tSdpÄ 
et™  Pach  ]mks  verbreitert.  Töne  mittelstark,  rein.  Ziemlich 

CewiV.htElrc -yrm  °üw?10IlChi/tj,S'  Uriu  eiweiss'  und  zuckerfrei. 
Vom  90  vii  JJutdruck  (G  ärtner  sches  Tonometer)  13. 
\  omr“-9^  V.  bis  4.  AI.  je  1  g  Jodothyrin. 

-9  ,.5‘  71-  nennenswerte  Aenderung  des  Befindens.  Puls 

zuckerfrei'1  SS1^’  1>u<ruck  Gewicht  55,3  kg.  Urin  eiweiss-  und 

5. — 11.  VI.  je  1  g  Jodothyrin. 

12.  \  I.  Subjektives  Befinden  wenig  gebessert  immer  noeh 
Atemnot,  Puls  72,  Blutdruck  12,  Gewicht  55,0  kg 
12. — 18.  VI.  je  1  g  Jodothyrin. 

19.  VI.  Das  allgemeine  Befinden  ist  besser  das 
leichter,  Puls  72,  Blutdruck  11,5,  Gewicht  55,1  kg’. 

19. — 25.  VI.  je  1  g  Jodothyrin. 

25.  VI.  Puls  76,  Blutdruck  12,  Gewicht  56,  Urin  eiweiss- 
und  zuckerfrei.  Das  allgemeine  Befinden  besser,  Atemnoth  kaum 
mehr  vorhanden;  fuldt  sich  kräftiger  und  denkt  ans  Arbeiten. 

26.  VI.— 2.  V II.  je  1  g  Jodothyrin. 

r.  J°\  Y11-  Pul?  80,  Blutdruck  11.  Fühlt  sich  ziemlich  gut  und 
«isst  sich  lur  arbeitsfähig  erklären.  Die  Arterienwand  scheint 
eher  etwas  weniger  rigid  zu  sein. 

Ein  zweiter  Fall  beti'af  ebenfalls  einen  Emphyse- 
matiker  von  erst  42  Jahren  mit  starker  Sklerose  der  fühlbaren 
Arterien  Der  Kranke  war  stark  cyanotisch  und  hatte  kleinfinger¬ 
dick  auf  getriebene  Venen  am  Halse  und  oberen  Thorax.  Diese 
Stauung  wurde  durch  das  Emphysem  nicht  genügend  erklärt  und 
sonst  ein  die  Venen  komprimierender  Tumor  ausser  einer  sehr 
''ff,1'"1;  parenchymatös-fibrösen  Struma  ziemlicher  Grösse  konnte 
nicht  festgestellt  werden.  Die  Herztätigkeit  des 


regelmässig,  100,  die  Herztöne  leise, 


rein.  Auf 


Patienten  war 
den  geblähten 
Patient  leidet 


„  Jodothyrin  mit 
war  die  Cyanose  sehr  viel  ge- 
am  Halse  und  oberen  Thorax 
waren  offenbar  grösstenteils 
dieser  Zeit  um  4  cm  abnahm, 
gebessert.  Die  Pulsfrequenz 


Lungen  massiger,  vorwiegend  trockener  Katarrh, 
viel  an  Atemnot.  Urin  eiweiss-  und  zuckerfrei. 

Der  Kranke  nahm  8  Wochen  lang  täglich  1  ° 
folgendem  Erfolg:  Nach  3  Wochen 
ringer  und  die  Venenerweiterungen 
stark  zurückgegangen.  Dieselben 
durch  die  Struma  verursacht,  die  in 
Auch  die  Atemnot  wurde  erheblich 

fi(;h  kaam  miter  der  Kur,  der  anfängliche  Blutdruck  von 
nach  Gärtner  war  nach  8  Wochen  11,0,  nachdem  er  auch 
m  der  Zwischenzeit  sich  ziemlich  gleichgeblieben  war.  Das  Körper¬ 
gewicht  des  ziemlich  mageren  Mannes,  das  anfangs  etwas  ab¬ 
genommen  hatte,  war  am  Schlüsse  63  kg  (anfangs  62  5  k«')  Das 
■mbjekUTe  Befind«  w.ar  entschieden  besser.  Aber  dfe  Bessernn« 
“Kr.  gl'wen  Teil  auf  den  Rückgang  der  Struma  zu  setzen 
/Je] flaues  V  eicherwerden  der  Arterienwandungen  wage  ich 
nicht  zu  behaupten,  und  die  Pulskurven  am  Anfang  und  am 

heitenSSe  ^  Behandluug  zeiS'eu  keine  erheblichen  Verscliieden- 


Ein  deutlicher  Einfluss  auf  die  Arteriosklerose  ist  bei  beiden 
Kranken  demnach  nicht  erzielt  worden.  Bei  so  weit  vorgeschrit¬ 
tenen  Fällen  und  der  immerhin  kurzen  Behandlungs-  und  Beob- 
dchtungszeit,  die  uns  nur  möglich  war,  ist  dies  aber  auch  kaum 
zu  erwarten.  Jedenfalls  wurde  das  Mittel  auch  bei  der  ge¬ 
schwächten  Zirkulation  der  beiden  Patienten  ohne  jede  Störung 
vertragen  und  hat  lindernd  gewirkt.  Es  scheinen  mir  deshalb 
weitere,  länger  auszudehnende  Versuche,  eventuell  mit  grösseren 
Pausen  und  womöglich  bei  leichteren  Fällen,  immerhin  angezeigt. 

iS  ui  nebenbei  möchte  ich  noch  erwähnen,  ohne  natürlich 
irgend  einen  bestimmteren  Schluss  daraus  ziehen  zu  wollen,  dass 
bei  einem  64  jährigen  Kranken  mit  starker  Arteriosklerose  und 
schwachem  Herzen,  der  im  Laufe  von  1%  Jahren  mehrfache 
leichte  Schlaganfälle  offenbar  infolge  thrombotischer  Prozesse 
in  den  Gehirngefässen  erlitt,  sich  die  Lähmungen  unter  Jodo- 
thyi ingebrauch  (tägl.  1  g)  jeweils  rasch  und  ohne  alle  Neben¬ 
erscheinungen  von  seiten  des  Mittels  zurückbildeten.  Der  Exitus 
erfolgte  durch  eine  Pneumonie. 


Sehr  günstige  Erfahrungen  bei  Arteriosklerose  und  rheu¬ 
matischen  Affektionen  mit  dem  Mittel  in  Dosen  von  1 — 3  g  tägl. 
belichten  Lancereaux  und  P  aulesco  ).  In  einer  zweiten 
Arbeit  beschreibt  der  letztere  Arzt  die  günstige  Beeinflussung 
schwerer  trophischer  Störungen  an  den  Extremitäten,  die  wohl 
zum  Teil  mit  Arteriosklerose  zusammenhingen,  und  berichtet, 
dass  die  Arterien  ihre  ursprüngliche  Elastizität  wieder  bekamen! 

Die  günstige  Einwirkung  des  Jodothyrins  auf  die 
Schwangerschaftsnieren,  die  Lange  beobachtete22),  hatte  ich 
nicht  Gelegenheit  nachzuprüfen. 


Von  Hautkrankheiten  haben  wir  Psoriasis  gelegentlich  mit 
der  Substanz  behandelt  und  bei  zwei  lange  bestehenden  Fällen 


2!)  Academle  de  medecine.  Sitzung  vom  3.  I.  1S99.  Bef 
Münch,  med.  Wochenschr.  1S99,  No.  7,  S.  238. 

")  Journal  de  med.  int.  No.  13,  1900. 

23)  Zeitschr.  f.  Geburtsli.  u.  Gynäkol.  Bd.  40,  H.  1. 

3 


MUENCHENER  MEDICINTSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


1610 


recht  erhebliche  Besserung  erzielt,  die  eine  später  eingeleitete 
äusserliclie  Behandlung  sehr  viel  wirksamer  machte. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i/B. 

Versuche  über  Fütterungs-Tuberkulose  bei  Rindern 

und  Kälbern. 

Von  Prof.  Dr.  Max  Schottelius. 

Während  des  verflossenen  Sommersemesters  wurden  im 
hiesigen  hygienischen  Institut  Uebertragmngsversuche  von 
Tuberkulose  auf  Rinder  und  Kälber  angestellt  mittels  Verfiitte- 
rung  von  tuberkulösem  menschlichem  Sputum.  Nachdem  diese 
Versuche  am  22.  September  abgeschlossen  wurden  und  zu  posi¬ 
tiven  Ergebnissen  geführt  haben,  möchte  ich  in  Rücksicht  auf 
das  aktuelle  Interesse  der  Frage,  schon  jetzt  einen  kurzen  vor¬ 
läufigen  Bericht  erstatten  und  ausführlichere  Mitteilungen  unter 
Bezugnahme  auf  die  allgemeine  Bedeutung  der  Frage  mir  für 
später  Vorbehalten. 

Zu  unseren  Versuchen  wurden  2  Kühe  und  3  Kälber  ver¬ 
wendet,  von  denen  eine  Kuh  und  ein  Kalb  als  Kontrolltier  dien¬ 
ten,  während  die  andere  Kuh  und  2  Kälber  zum  Versuch  ver¬ 
wendet  wurden.  Alle  Tiere  waren  auf  ihren  Gesundheitszustand 
von  fachmännischer  Seite  genau  geprüft  und  wurden  vor  Be¬ 
ginn  des  Versuchs  einige  Zeit  lang  in  unseren  eigenen  Stallungen 
beobachtet.  Die  Kühe  stammten  aus  der  Rasse,  welche  in  den 
hochgelegenen  Bauernhöfen  am  Feldberg  gezüchtet  wird:  ein 
kleiner,  sehr  widerstandfähiger  Schlag,  bei  dem  erfahrungs- 
mässig  Tuberkulose  bezw.  Perlsucht  nicht  vorkommt,  wie  auch 
unter  den  menschlichen  Bewohnern  dieser  Gegend  Tuberkulose 
nur  äusserst  selten  beobachtet  wird;  auf  den  beiden  Bauernhöfen, 
woselbst  unsere  Kühe  gezüchtet  waren,  jedenfalls  gar  nicht. 

Die  3  Kälber  waren  6  Wochen  alte,  ganz  gesunde  und  kräf¬ 
tige  Tiere. 

Als  Infektionsmaterial  wurde  das  Sputum  einiger  schwer 
kranker  Schwindsuchtspatienten  aus  dem  klinischen  Hospital 
verwendet.  Das  Sputum  wurde  so,  wie  es  ausgehustet  war,  ohne 
irgend  welchen  Zusatz  unter  die  3  Versuchstiere  verteilt :  den 
Kälbern  wurde  das  Sputum  unter  die  Milch  gerührt,  der  Kuh 
auf  das  Grünfutter  ausgegossen.  Jeweils  kamen  etwa  150  bis 
200  g  Sputum  zur  Verteilung,  so  dass  jedes  Tier  etwa  50  g  bei 
jeder  Fütterung  zu  sich  nahm.  Solcher  Fütterungen  wurden  vom 
25.  Mai  bis  29.  August  im  ganzen  24  vorgenommen. 

Krankheitserscheinungen  traten  bei  den  infizierten  Tieren 
nicht  in  charakteristischer  Weise  auf;  speziell  wurden  Fieber¬ 
temperaturen  nicht  beobachtet.  Das  äussere  Ansehen  der  in¬ 
fizierten  Kuh  und  des  einen  der  beiden  Kälber  erschien  am 
20.  September  für  den  Fachmann  wohl  etwas  weniger  gut  als 
das  der  Kontrolltiere;  erhebliche  Abmagerung  oder  sonstige  ob¬ 
jektive  Krankheitssymptome  konnten-  aber  nicht  konstatiert 
werden. 

Die  Schlachtung  und  die  Untersuchung  der  Tiere  wurde  in 
meiner  Anwesenheit  durch  den  Vorstand  des  hiesigen  tierärzt¬ 
lichen  Instituts,  Prof.  Dr.  Schlegel,  und  durch  Herrn 
Schlachthausverwalter  Merz  vorgenommen. 

Das  Ergebnis  war  folgendes: 

Die  b  eiden  Kontrolltiere  (welche  übrigens  wäh¬ 
rend  der  4  monatlichen  Dauer  des  Versuchs  im  gleichen  Stall 
neben  den  infizierten  Tieren  gestanden  hatten,  nur  durch  einen 
Lattenverschlag  von  letzeren  getrennt)  waren  durchaus  ge¬ 
sund,  sämtliche  Organe  und  namentlich  sämtliche  Lymphdrüsen 
waren  ganz  frei  von  irgend  welchen  Herderkrankungen  und  voll¬ 
ständig  normal.  Dagegen  wurden  alle  3  infizierten 
Tiere  tuberkulös  befunden:  bei  der  Kuh  tuberkulöse 
Enteritis  und  starke  Schwellung  der  Mesenterialdrüsen,  ausser¬ 
dem  tuberkulöse  Verkäsung  und  Verkalkung  der  Mediastinal- 
und  Bronchialdrüsen  und  eine  verkäste  tuberkulöse  Pneumonie 
nebst  vereinzelten  Miliartuberkeln  in  der  Pleura.  Bei  beiden 
Kälbern  stark  geschwollene  tuberkulöse,  verkäste  und  verkalkte 
Submaxillardrüsen  und  einzelne  tuberkulöse  Mesenterialdrüsen. 

Bei  allen  3  Tieren  waren  sämtliche  Lymphdrüsen  des  ganzen 
Körpers,  auch  die  Muskellymplidrüsen,  stark  geschwollen,  teil¬ 
weise  marmoriert  gerötet,  mit  blassen  —  wie  nekrotisch  erschei¬ 
nenden  —  Einsprengungen  durchsetzt.  Die  mikroskopisch¬ 
bakteriologische  Untersuchung  ergab  in  allen  3  Fällen  das  Vor¬ 
handensein  von  Tuberkelbazillen  in  den  erkrankten  Teilen.  Es 


erscheint  mir  das  Ergebnis  dieser  Versuche,  über  welche,  wie 
erwähnt,  demnächst  noch  ausführlicher  berichtet  werden  wird, 
besonders  deshalb  bemerkenswert,  weil  bei  der  Versuchsanord¬ 
nung  jeder  künstliche,  den  natürlichen  Vorgängen  nicht  völlig 
entsprechende  Eingriff  vermieden  wurde  und  die  Versuchstiere 
nur  solchen  Bedingungen  ausgesetzt  wurden,  wie  dieselben  über¬ 
all,  wo  ein  Schwindsüchtiger  mit  der  Wartung  von  Kühen  und 
Kälbern  beschäftigt  ist,  auftreten  können.  Dass  nebenbei  durch 
diese  Versuche  auch  die  Tatsache  bestätigt  wird,  dass  die  mensch¬ 
liche  Tuberkulose  auf  Rinder  übertragbar  sei,  kann  als  ein  wei¬ 
terer  Beitrag  für  die  prinzipielle  Identität  der  menschlichen 
und  der  tierischen  Tuberkulose  dienen. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  zu  München. 

Kann  in  Inhalatorien  bei  richtigem  Betrieb  eine 
grössere  Menge  der  zerstäubten  Flüssigkeit  in  die 

Lunge  gelangen? 

Von  Prof.  Dr.  R.  Emmerich. 

Als  ich  an  die  Untersuchung  von  Inhalationssystemen  heran¬ 
trat  und  zu  dem  von  mir  selbst  unerwarteten  Resultat  gelangt 
war,  dass  in  der  Luft  mancher  Inhalationsräume,  trotz  der  Zer¬ 
stäubung  von  6  Litern  Sole  pro  Stunde,  keine  Flüssigkeitströpf¬ 
chen,  sondern  nur  Kochsalzkrystalle  enthalten  sind,  da  wurde  mein 
Vertrauen  auf  die  Wirksamkeit  dieser  therapeutischen  Mass¬ 
nahmen  sehr  herabgestimmt. 

Nachdem  ich  mich  aber  überzeugt  hatte,  dass  man  vermittels 
der  in  neuerer  Zeit  so  sehr  vervollkommneten  Zerstäubungs¬ 
düsen  ausserordentlich  feine  Tröpfchen  von  nur  0,0006  mm  Durch¬ 
messer  in  enormer  Zahl  in  die  Luft  zu  schleudern  vermag 
und  als  eine  einfache  Ueberlegung  zeigte,  dass  die  Röhren, 
welche  diese  feinen  Tröpfchen  in  der  menschlichen  Lunge  durch¬ 
fliegen  müssen,  um  in  die  Alveolen  zu  gelangen,  verhältnismässig 
sehr  weit  sind  (0,3 — 0,4  mm  bei  den  feinsten  Bronchien),  da  wuchs 
für  mich  auch  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  es  möglich  sein  müsse, 
selbst  die  tieferen  Luftwege  mit  medikamentösen  Lösungen  reich¬ 
lich  zu  betauen. 

Ich  hatte  nämlich  gleichzeitig  erkannt,  dass  man  unter  Be¬ 
rücksichtigung  des  Sättigungsdefizits  der  Luft  die  Menge  Sole 
oder  anderer  Flüssigkeit,  welche  zerstäubt  werden  soll,  leicht  so 
berechnen  kann,  dass  die  Luft  des  Inhalationsraumes  mit  einer 
btdiebigen  Menge  von  Flüssigkeitströpfchen  erfüllt  wird.  Dieses 
Prinzip  hat  unabhängig  von  mir  auch  Dr.  B  u  1 1  i  n  g  erkannt 
und  als  ein  wesentliches  Moment  seines  Systems  bezeichnet.  Da¬ 
mit  war  an  Stelle  der  früher  gänzlich  willkürlichen  Zerstäubung 
die  rechnerische  Feststellung  der  in  Betracht  kommenden  Ver¬ 
hältnisse  getreten.  Dieser  Umstand,  und  nicht  etwa  bloss  das 
technische  Detail,  war  es,  der  mich  bestimmte,  das  B  u  1 1  i  n  g- 
sche  System  als  einen  Fortschritt  zu  bezeichnen. 

Ich  stellte  mir  nun  weiterhin  vereint  mit  Herrn  Dr.  B  u  1  - 

1  i  n  g  die  Aufgabe,  zu  entscheiden,  ob  beim  Atmen  im  B  u  1 1  i  n  g- 
schen  Inhalatorium  Flüssigkeitströpfchen  in  die  feineren  Bron¬ 
chien  gelangen  oder  nicht. 

Qualitativer  Nachweis  der  in  die  tieferen 
Lungen  pa  r  tien  gelangen  den  Men  gen  zerstäub¬ 
ter  Borsäure. 

Diese  Versuche  waren  zunächst  nur  qualitativ,  insofern  fest- 
gestellt.  wurde,  ob  nach  einstündiger  Inhalation  im  Bulling- 
schen  Inhalationsraum  eine  zerstäubte,  körperfremde  Substanz 
(Borsäurelösung)  in  den  feinsten  Bronchien  und  Alveolen 
chemisch  nachgewiesen  werden  kann. 

Versuch  1.  Zu  genanntem  Zwreck  wurden  2  Hunde,  No.  1 
von  SOSO  und  No.  2  von  8500  g  Körpergewicht,  in  den  B  u  1 1  i  n  g  - 
sehen,  15  cbm  fassenden  Inhalationsraum  gebracht,  in  welchem 

2  proz.  Borsäurelösung  zerstäubt  wurde.  Beide  Hunde  verhielten 
sich  unter  den  ungewohnten  Verhältnissen,  d.  h.  durch  das  Ge¬ 
räusch  des  Zerstäubers  und  die  die  Luft  erfüllenden  Nebel  ängst¬ 
lich  gemacht,  völlig  ruhig,  und  blieben  angekettet  an  ein  und  der¬ 
selben  Stelle  des  Raumes  liegen,  wobei  sie  nur  durch  die  Nase 
atmeten.  No.  1  wurde  nach  50  Minuten  langem  Aufenthalt  im  In¬ 
halationsraum,  Hund  No.  2  nach  einstündigem  Inhalieren  durch 
einen  Hammerschlag  getötet.  In  einem  anderen  Raum  wurde 
sofort  der  Brustkorb  geöffnet,  die  Lungen  herausgenommen  und 
die  Lungenränder  der  linken  Lunge  in  einer  Breite  von  3  mm  ab¬ 
geschnitten. 

Jeder  dieser  Lungenränder  wurde  mit  etwas  borsäurefreiem 
Seesand  unter  Zusatz  von  kohlensaurem  Natron  verascht  und 
%  der  Aschenmenge  in  wenig  Salzsäure  gelöst.  Alsdann  wurde 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1611 


ein  Streifen  Kurkumapapier  mit  der  Salzsäurelösung  getränkt  und 
bei  80 — 100  0  C.  getrocknet.  Die  Lösungen  der  veraschten  Lungen¬ 
ränder  färbten  das  Kurkumapapier  bräunlich  und  beim  Trocknen 
trat  eine  deutliche,  rötliche  Farbnuanee  auf.  Wurden  diese  Strei¬ 
fen  von  Kurkumapapier  mit  einem  Tropfen  Sodalösung  befeuchtet 
so  färbte  sich  die  Peripherie  des  Tropfens  bei  allen  gleickmässiir 
deutlich  blau. 

Eine  viel  intensivere  Borsäurereaktion  wurde  erhalten,  nach¬ 
dem  die  Lösung  der  Aschen  in  Salzsäure  filtriert  auf  dem  Wasser¬ 
bade  zur  Trockne  verdampft  und  der  Rückstand  mit  so  wenig  Salz¬ 
säure  nochmals  behandelt  wurde,  dass  ein  Teil  desselben  ungelöst 
blieb.  Nunmehr  färbten  sich  die  beiden  mit  den  filtrierten  Lösun¬ 
gen  getränkten  Kurkumapapierstreifen  beim  Trocknen  intensiv 
rein  und  leuchtend  rot.  Beim  Betupfen  mit  Sodalösung  trat  in  der 
ganzen  Ausdehnung  der  befeuchteten  Stelle  eine  schön  dunkel¬ 
blaue  Färbung  ein, 

Die  beiden  Aschen  wurden  dann  auch  noch  in  der  folgenden 
Weise  durch  die  Flammenreaktion  auf  Borsäure  geprüft:  Es  wurde 
je  ein  Teil  derselben  mit  4  Teilen  Kaliumbisulfat  und  1  Teil  Fluss¬ 
spat  innig  gemischt,  das  Gemenge  mit  etwas  Wasser  befeuchtet 
und  eine  Spur  am  Platindraht  in  die  nicht  leuchtende  Flamme 
eines  Bunsenbrenners  gebracht.  Es  zeigte  sich  in  beiden  Fällen, 
trotz  der  minimalen  Menge  der  zur  Reaktion  verwendeten  Asche’ 
•‘ine  sehr  deutliche  und  lang  anhaltende  Grünfärbung  der  Flamme! 
Die  Reaktion  tritt  am  schönsten  auf,  wenn  man  die  die  Substanz 
enthaltende  Platinöse  in  die  äusserste  Landpartie  des  oberen 
Drittels  der  Flamme  bringt. 

Die  Reaktion  ist  viel  intensiver  als  bei  Anwendung  von 
Methylalkohol,  durch  den  man  Wasser stoff gas  leitet  und  anzündet. 
Diese  letztere,  in  vielen  Lehrbüchern  empfohlene  Art  der  Flam¬ 
menreaktion  auf  Borsäure,  steht  der  oben  angegebenen  in  Bezug 
auf  Empfindlichkeit  bedeutend  nach. 

Durch  diese  Versuche  war  somit  der  Nachweis  erbracht,  dass 
beim  Zerstäuben  von  2  proz.  Borsäurelösung  im  B  u  1 1  i  n  g  sehen 
Inhalatorium  ziemlich  beträchtliche  Mengen  der  letzteren  bei  ein- 
stündiger  Inhalation  in  die  feineren  Bronchien  und  Alveolen  der 
Hundelunge  gelangen.  Die  Hunde  lagen  während  des  Aufent¬ 
haltes  im  Inhalationsraum  ruhig  an  einer  Stelle  und  atmeten  nur 
durch  die  Nase.  Die  Nase  des  Hundes  bietet  dem  Durchgang  der 
Flüssigkeitströpfchen  jedenfalls  grössere  Hindernisse,  als  die  Nase 
des  Menschen.  Man  konnte  deshalb  schon  auf  Grund  dieser  Ver¬ 
suche  schliessen,  dass  beim  Menschen  und  namentlich  beim 
Atmen  durch  den  Mund  noch  viel  beträchtlichere  Mengen  der 
zerstäubten  Flüssigkeit  in  alle  Partien  der  Luftwege  gelangen. 

Gegen  dieses  Resultat  lässt  sich  der  Einwand  erheben,  dass 
die  in  den  Lungenrändern  nachgewiesene  Borsäure  nicht  auf  dem 
Luft-,  sondern  auf  dem  Blutwege  in  dieselben  gelangt  sei,  da  ja 
gewisse  Mengen  Borsäure  während  der  einstiindigen  Inhalation 
auch  verschluckt,  resorbiert  und  in  das  Blut  übergeführt  werden. 
Untersucht  man  aber  unter  den  obengenannten  Verhältnissen  eine 
kleine  Menge  Blut  (Vz  ccm)  auf  Borsäure,  so  erhält  man  nach 
beiden  Methoden  (Kurkuma  und  Flammenreaktion)  ein  negatives 
Resultat.  Die  Menge  der  unter  den  geschilderten  Umständen  ins 
Blut  gelangenden  Borsäure  scheint  somit  eine  sehr  geringe  zu  sein. 

Quantitative  Bestimmung  des  Kochsalzes  in 
den  tieferen  Lungenpartien  bei  Solezerstäu¬ 
bung. 

Selbstverständlich  lässt  sich  die  Gesamtmenge  der  bei  der 
Inhalation  in  die  Lungen  gelangenden  zerstäubten  Sole  nicht 
genau  ermitteln,  weil  ja  bei  länger  dauernder,  z.  B.  einstündiger 
Inhalation  gewisse  Quantitäten  Kochsalz  resorbiert  und  ins  Blut 
übergeführt  werden.  Immerhin  gibt  die  quantitative  Bestimmung 
des  Kochsalzgehaltes  der  Lungenränder  einen  Anhaltspunkt  zur 
Entscheidung  der  Frage,  ob  die  Quantitäten  nur  minimal,  oder 
aber  zur  Herbeiführung  einer  therapeutischen  Wirkung  aus¬ 
reichend  sind. 

Versuch  1.  Ein  81(J8  g  schwerer  Hund  inhalierte  im  B  u  1  - 
1  i  n  g  sehen  Inhalatorium  50  Minuten  lang  4  proz.  zerstäubte  Sole, 
wurde  dann  sofort  durch  einen  Hammerschlag  auf  den  Kopf  ge- 
tütet,  der  Brustkorb  geöffnet,  die  Lunge  herausgenommen,  die 
Bänder  in  der  Breite  von  etwa  3  mm  mit  scharfer  Scheere  ab¬ 
geschnitten,  mit  gewaschenem  Seesand  verrieben,  100  ccm  Wasser 
zugesetzt,  gekocht,  filtriert,  mit  Wasser  ausgewaschen,  das  Filtrat 
mit  CaO  zur  Trockne  gebracht,  verascht,  der  Rückstand  mit 
Wasser  ausgezogen,  auf  100  ccm  aufgefüllt  und  25  ccm  zur 
Titration  mit  salpetersaurem  Silber  und  Kaliumchromat  als  Indi¬ 
kator  verwendet. 

Genau  ebenso  wurden  die  Lungenränder  eines  7500  g  schweren 
Kontrollhundes,  welcher  in  gleicher  Weise  ernährt  war,  aber  nicht 
inhaliert  hatte,  behandelt. 

Das  Resultat  war  folgendes: 

Na  CI  in  100  frischer  Lunge 

Kontrollhund  . .  0,3054  g 

Versuchshund . .  0  L  Ü4 


Versuch  2.  Bei  einer  zweiten  Versuchsserie  befanden  sich 
die  Hunde  ebenfalls  eine  Stunde  im  Inhalationsraum.  Die  Lungen- 
ränder  der  Hunde,  welche  ebenfalls  in  der  Breite  von  3—4  mm  ab¬ 
getrennt  worden  waren,  wurden  jedoch  mit  Seesand  verrieben,  mit 
2,0  Calciumoxyd  gemischt,  getrocknet,  verascht,  der  Rückstand  mit 
Wasser  gekocht,  auf  100  ccm  aufgefüllt  und  25  ccm  zur  Titration 
verwendet.  Genau  ebenso  wurden  die  Lungenränder  der  beiden 
Kontrollhunde  behandelt. 

Das  Resultat  war: 

NaOl  in  100  Lunge  (frisch)  “  "»£“£ 


Versuchshund  I  0,3364  g  1,522  g 

Kontrollhund  I  0,2567  „  1,154  „ 

Versuchshund  II  0,4083  „  1,663  ” 

Kontrollhund  II  0,2465  „  1,222  „ 


Der  Kochsalzgehalt  war  also  durchgehends  bei  allen  Hunden, 
welche  4  proz.  Sole  1  Stunde  hindurch  inhaliert  hatten,  wesent¬ 
lich  höher  als  bei  den  Kontrollhunden,  gleichviel  ob  derselbe  auf 
die  frische  Lunge  oder  auf  die  bei  100  0  C.  getrocknete  Lunge  be¬ 
rechnet  wurde. 

In  den  frischen  Lungenrändern  betrug  der  Kochsalzgehalt  bei 
den  Inhalationshunden  im  Mittel  0,372  Proz.  und  bei  den  Kontroll¬ 
hunden  0,251  Proz. 

Auf  100  g  bei  100  0  C.  getrockneter  Lunge  berechnen  sich  bei 
den  Inhalationshunden  im  Mittel  1,592  Proz.  und  bei  den  Kontroll¬ 
hunden  im  Mittel  1,188  Proz.  Kochsalz. 

Im  Verlauf  einer  Stunde  gelangte  somit  im  Bu  lling  sehen 
Inhalationsraum  ca.  1  ccm  4  proz.  Sole  in  die  feinsten  Bronchien 
und  Alveolen  der  etwa  3  mm  breit  abgeschnittenen  Lungenränder 
eines  jeden  Hundes.  Dies  ist  ein  so  günstiges  Resultat,  wie  wir 
es  nicht  erwartet  hatten. 

Diese  Versuche  berechtigen  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  bei 
rationellem  Betrieb  der  Inhalatorien  sehr  wohl  möglich  ist,  nicht 
nur  die  Nasen-Rachen-Kehlkopf-  und  Bronchialschleimhaut, 
sondern  auch  die  Wandung  der  feinsten  Bronchien  und  Alveolen 
mit  medikamentösen  Lösungen  so  reichlich  zu  betauen,  dass  thera¬ 
peutische  Wirkungen  sehr  wohl  erzielt  werden  können.  Dieses 
erfreuliche  Resultat  ist  aber  nur  dann  zu  erreichen,  wenn  unter 
Berücksichtigung  des  Sättigungsdefizits  der  Luft,  sowie  der  durch 
den  Inhalationsraum  geführten  Menge  der  letzteren,  die  Quanti¬ 
tät  der  zu  zerstäubenden  Flüssigkeit  jeweils  rechnerisch  ermittelt 
und  für  die  Bildung  feinster,  den  ganzen  Inhalationsraum  dicht 
erfüllender  Flüssigkeitströpfchen  Sorge  getragen  wird. 

Geradezu  widersinnig  ist  es,  wenn  man  das  Trockenbleiben 
des  Fussbodens  und  der  Möbel  des  Inhalationsraumes  als  einen 
Vorzug  bezeichnet.  Wenn  diese  trocken  bleiben,  dann  wird  auch 
die  Schleimhaut  der  Respirationsorgane  nicht  benetzt  und  durch 
die  medikamentösen  Lösungen  nicht  beeinflusst  werden. 

Ich  habe  in  einer  früheren  Abhandlung  die  Ansicht  aus¬ 
gesprochen,  dass  der  angenehme  und  erfrischende  Eindruck,  den 
die  Luft  im  B  u  1 1  i  n  g  sehen  Inhalatorium  macht,  auf  die  Bil¬ 
dung  von  Ozon  zurückzuführen  sein  dürfte. 

Die  Untersuchung  der  Luft  im  B  u  1 1  i  n  g  sehen  Inhalations¬ 
raum  nach  der  Methode  von  Wurste  r  mit  Tetramethylpara¬ 
phenylendiaminpapier  ergab  nun  in  der  Tat  beim  Durchsaugen 
von  10  Liter  Luft  schon  nach  5  Minuten  langer  Zerstäubung  einen 
Ozongehalt,  welcher  No.  II  resp.  III  der  Skala  =  0,0005  bis 
0,001  mg  pro  Liter  entspricht.  Beim  Durchleiten  von  nur  4  Litern 
Luft  wurde  bereits  eine  so  deutliche  Reaktion  erhalten,  wie  sie 
in  der  freien  Luft  Münchens  erst  beim  Durchsaugen  von  10  Litern 
in  der  Regel  beobachtet  wird.  Nach  %  stündiger  Zerstäubung 
ergaben  4  Liter  Luft  einen  No.  IV  der  Skala  entsprechenden 
Ozongehalt  =  0,0002  mg  pro  Liter. 

Thalliumoxydpapier,  welches  während  einer  Stunde  der  Luft 
des  Inhalationsraumes  exponiert  wurde,  zeigte  ziemlich  starke 
metallglänzende  Bräunung. 

Der  Ozongehalt  der  Luft  des  Inhalationsraumes  kann,  wie  es 
nach  unseren  Versuchen  wahrscheinlich  ist,  durch  direkte  Sonnen¬ 
bestrahlung  wesentlich  erhöht  werden,  ein  Umstand,  der  beim  Bau 
von  Inhalatorien  zu  berücksichtigen  sein  dürfte. 


Anästhesin, 

ein  neues  Lokalanästhetikum,  vom  Gesichtspunkte  der 

Heilwirkung'  der  Anästhetika. 

Von  Dr.  Gustav  S  p  i  e  s  s  in  Frankfurt  a/M. 

Im  Paraamidobenzoesäureäthylester  hat  Dr.  Ritsert  ein 
neues  Lokalanästhetikum  entdeckt,  welches  von  den  Höchster 
Farbwerken  unter  dem  Namen  „Anästhesin“  jetzt  in  den 
Handel  gebracht  wird.  Das  Mittel  ist  ein  weisses,  geruch-  und  fast 
geschmackloses  Pulver,  welches  auf  den  Schleimhäuten  ein  leich- 

3% 


1612 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


tes,  rasch  vorübergehendes  Brennen  erzeugt.  In  Aether,  Alkohol, 
Benzol,  Aceton,  fetten  und  ätherischen  Oelen  leicht  löslich,  ist 
es  in  heissem  Wasser  nur  schwer,  in  kaltem  fast  gar  nicht  zu 
lösen.  Das  Mittel  in  grösseren  Dosen,  bis  2  g  und  mehr  inner¬ 
lich  genommen,  ist  nach  den  Untersuchungen  von  Robert, 
Binz  u.  a.  ungiftig. 

In  diesem,  dem  Orthof orm  ähnlichen  Verhalten,  erkennt 
man  gleich  den  Unterschied  zwischen  diesen  Präparaten  und  dem 
Kokain.  Hierauf  beruht  auch  der  Unterschied  in  der  Wirkungs¬ 
weise,  der  Unterschied  im  Wirkungskreise.  Und  wenn  wir  auch 
alle  diese  Mittel  mit  dem  gemeinsamen  Namen  Lokalan¬ 
ästhetika  bezeichnen,  so  glaube  ich,  dass  wir  der  schärferen 
Abgrenzung  halber  2  Unterabtheilungen  machen  sollten,  benannt 
nach  ihren  ersten  und  Hauptrepräsentanten :  die  Kokain¬ 
gruppe  und  die  Orthof  ormgruppe. 

Es  mag  vielleicht  kleinlich  erscheinen,  wenn  ich  in  nach¬ 
folgendem  alle  Unterscheidungsmerkmale  hervorsuche,  Viel¬ 
bekanntes  wiederhole;  es  kommt  mir  aber  darauf  an,  die  Eigen¬ 
schaften  des  neuen  Mittels  möglichst  scharf  zu  bestimmen,  mög¬ 
lichst  genau  das  Gebiet  zu  umgrenzen,  auf  welchem  es  seine 
Wirksamkeit  entfalten  kann.  Bei  einem  neuen  Mittel  oder  einer 
neuen  Gruppe  von  Mitteln,  der  wohl  in  nächster  Zeit  noch  eine 
grössere  Zahl  angereiht  werden  dürfte,  kann  man  in  der  Be¬ 
grenzung  ihres  Wirkungskreises  gar  nicht  vorsichtig  genug  Vor¬ 
gehen.  Je  enger  die  Grenzen  gezogen  sind,  in  denen  es  wirklich 
nützt,  desto  mehr  ist  dem  Mittel  gedient.  Das  Streben,  ein  All¬ 
heilmittel  zu  entdecken,  das  unüberlegte,  plan-  und  kritiklose 
Anwenden  eines  Mittels  in  jeder  Form  und  bei  jedem  Krank¬ 
heitszustand  trägt  meist  die  Schuld  daran,  dass  auch  die  gute 
Seite,  die  wohl  jedem  neuen  Mittel  innewohnt,  übersehen  und 
nicht  ausgenützt  wird.  Ist  der  Wert  des  Chinins  etwa  deshalb 
ein  geringerer,  weil  es  nur  bei  Malaria  unübertroffen  wirkt, 
während  es  als  Antirheumatikum,  Antineuralgikum,  Antipyreti- 
kum  anderen  Mitteln  nachsteht  ?  Und  ist  es  mit  dem  Quecksilber 
nicht  das  gleiche?  Möchten,  ja  könnten  wir  darauf  verzichten, 
etwa  weil  es  kein  Universalmittel  ist  ?  „Schuster,  bleib  bei  deinem 
Leisten.“  Dies  alte  wahre  Sprichwort  sollte  rigoros  auf  die 
Arzneimittel  angewandt  werden  und  ich  hoffe,  dass  es  mir  ge¬ 
lingen  wird,  nach  diesem  Grundsatz  den  Mitteln  der  Orthoform- 
gruppe  einen  dauernden  Platz  im  Arzneischatz  zu  sichern. 

Was  nun  den  Unterschied  zwischen  der  Kokaingruppe 
und  der  Orthof  ormgruppe  anbetrifft,  so  fällt  vor  allem  die 
verschiedene  Löslichkeit  in  Wasser  auf.  Die  Mittel  der 
Kokaingruppe  lösen  sich,  zuweilen  sogar  in  hohen  Prozent¬ 
sätzen,  leicht  in  kaltem  Wasser:  weder  Orthoform  noch 
Anäst  hesin  sind  in  Wasser  löslich.  In  gleicher  Weise  aber 
verhält  sich  auch  die  Löslichkeit  gegenüber  den  Gewebssäften : 
Kokain  auf  die  Schleimhaut  aufgeblasen,  löst  sich  in  kür¬ 
zester  Zeit  und  wird  dem  Auge  unsichtbar,  während  die  anderen, 
scheinbar  ungelöst,  lange  Zeit  noch  zu  sehen  sind. 

Die  Kokaingruppe  führt  bei  richtiger  Anwendung  zu 
vollständiger,  auch  in  die  Tiefe  der  unversehrten  Schleim¬ 
haut  reichender  Anästhesie.  Die  Tastempfindung  ist  aufgehoben 
und  Operationen  mit  schneidenden  und  brennenden  Instrumenten 
können  vollkommen  schmerzlos  vorgenommen  werden.  Mit  der 
Anästhesie  tritt,  besonders  deutlich  an  den  Schleimhäuten  der 
unteren  Nasenmuscheln,  eine  Ischämie  ein,  die  jedoch  für  das 
Zustandekommen  der  Anästhesie  von  nicht  sehr  grosser  Bedeu¬ 
tung  sein  dürfte.  Ich  folgere  dies  daraus,  dass  ich  bei  Unter¬ 
suchungen  mit  Nebennierenpräparaten,  in  erster  Linie  Adrena- 
1  i  n,  zwar  hochgradigste  Blutleere,  nie  aber  mehr  als  eine  Hyp- 
ästhesie  erzeugen  konnte,  die  keinen  Eingriff  schmerzlos  aus¬ 
führen  liess. 

Die  Kokainwirkung  erreicht  meist  nach  wenigen  Minuten 
ihren  Höhepunkt,  um  rasch  wieder  nachzulassen  und  nach  15  bis 
20  Minuten  verschwunden  zu  sein. 

Im  Gegensatz  hierzu  hält  bei  der  Orthoformgruppe  die  ein¬ 
mal  eingetretene  Analgesie,  wohl  auch  in  Folge  der  Schwerlös¬ 
lichkeit  der  Mittel  und  ihrer  dadurch  bedingten  längeren  Ein¬ 
wirkungsdauer,  viel  länger,  oft  über  Stunden  und  Tage  an. 
liier  muss  ich  auch  gleich  der  allgemein  verbreiteten  Ansicht  ent¬ 
gegentreten,  dass  die  Mittel  nur  dann  wirken,  wenn  eine  Ge- 
websläsion  vorliege,  nie  aber  durch  die  unversehrte  Schleimhaut. 
Ich  habe  vielfach  die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  Mittel  auch 
durch  die  unvers e h r t e  Schleimhaut  wirken.  Eine  Patien¬ 
tin  hatte  nach  einmaligem  Einsprayen  einer  Orthoformemulsion 


in  den  Hals,  ohne  dass  eine  Verletzung  vorlag,  fast  48  Stunden 
ein  Klossgefühl.  Anästhesin  ist  darin  dem  Orthoform 
noch  überlegen;  man  kann  sich  jederzeit  davon  überzeugen,  wenn 
man  etwas  Pulver  auf  die  Zunge  bringt.  Rascher  noch  wie  bei 
Kokain,  schon  nach  wenigen  Sekunden,  empfindet  man  das  dicke 
Gefühl,  wie  es  vom  Kokain  her  bekannt  ist,  der  sicherste  Beweis 
der  eintretenden  Anästhesie.  Allerdings  scheint  diese  Anästhesie 
sich  nur  auf  die  oberflächlichsten  Schichten  der  Schleimhaut  zu 
erstrecken.  Ist  aber  eine  Gewebsläsion  vorhanden  oder  auch  nur 
eine  Lockerung  der  Schleimhäute,  wie  z.  B.  bei  einfachen 
Katarrhen,  dann  sind  die  Bedingungen  für  die  Resorption  des 
Mittels  wesentlich  günstiger,  ja  das  Mittel  wird  direkt  die  bloss¬ 
gelegten  Nerven  erreichen  und  hier  seine  Wirkung  am  stärksten 
entfalten  können.  Den  hohen  Grad  der  Kokainanästhesie  können 
sie  aber  auch  so  nie  erreichen,  dazu  bedürfte  es  schon  der  sub¬ 
kutanen  oder  submukösen  Injektion.  Die  Schwerlöslichkeit  in 
Wasser  aber  bildet  hier  ein  Haupthindernis,  und  meine  Versuche 
mit  Oellösungen  sind  bis  jetzt  noch  zu  wenig  einwandfrei,  als 
dass  ich  mich  zu  Schlüssen  berechtigt  fühlte.*)  Was  die  Giftig¬ 
keit  der  Kokaingruppe  anbetrifft,  so  ist  es  zur  Genüge 
bekannt,  welche  Vorsicht  beobachtet  werden  muss.  Mahnt  doch 
schon  die  niedrige,  allerdings  oft  von  uns  zu  überschreitende 
Einzelmaximaldosis  von  0,05  für  Kokain  an  die  Gefährlichkeit 
des  Mittels,  und  wie  unangenehm  sind  die  Intoxikationen ! 
Anders  die  Orthoformgruppe  und  speziell  das  Anästhe¬ 
sin.  Beide  Mittel  sind  in  den  für  uns  in  Frage  kommenden 
Dosen  vollkommen  ungiftig  und  in  jeder  Weise  unschädlich. 
Darin  liegt  für  die  Orthoformgruppe  aber  ihre  grosse  Ueberlegen- 
lieit:  ihre  Mittel  können  immer  wieder,  oft  hintereinander  an¬ 
gewandt,  bis  zur  höchsten  Wirkung  gesteigert  werden  und  wir 
können  sie  getrost  dem  Patienten  selbst  in  die  Hand  geben. 

Aus  dem  Vergleich  beider  Gruppen  ergibt  sich,  dass  die  neuen 
Mittel  nicht  imstande  sein  werden,  das  Kokain  zu  verdrängen :  der 
operative  Eingriff  wird  nach  wie  vor  der  Kokaingruppe  bedürfen, 
die  Nachbehandlungsperiode  aber  gehört  dem  Orthoform  und 
dem  Anästhesin;  ihnen  gehört  die  Bekämpfung  aller,  auch 
nicht  operativ  gesetzter  Verletzungen,  aller  schmerzhaften  Haut¬ 
oder  Schleimhautaffektionen,  soweit  nur  die  schmerzenden  Ner¬ 
venendigungen  dem  Mittel  zugänglich  sind. 

Ein  Konkurrenzstreit  zwischen  beiden  Gruppen  ist  daher 
ganz  ausgeschlossen,  jede  hat  ein  grosses  weites  Arbeitsfeld  für 
sich,  und  meines  Erachtens  ist  durch  die  neuen  Mittel  ein 
grösseres  und  noch  dankbareres,  bisher  therapeutisch  nicht  be¬ 
einflussbares  Gebiet  neu  erschlossen  worden.  Handelt  es  sich  doch 
nicht  nur  darum,  dem  Patienten  die  subjektiven  Beschwerden  zu 
erleichtern,  die  oft  tagelangen,  heftig  schmerzenden  Folgen  einer 
schmerzlosen  Operation  zu  nehmen,  sondern  dazu  noch  die 
Heilung  günstig  zu  beeinflussen.  Keine  bakteri¬ 
ziden  Eigenschaften,  nicht  antiseptische  Wirkungen  —  Schlag¬ 
wörter,  denen  so  gerne  alles  sonst  nicht  Erklärliche  in  die  Schuhe 
geschoben  wird  —  sind  es,  die  den  Heilungsprozess  günstig  be¬ 
einflussen,  sondern  einzig  und  allein  ihre  anästhe¬ 
sierende  Kraft. 

Im  Centralbl.  f.  innere  Med.  1902,  No.  9,  habe  ich  in  einer 
vorläufigen  Mitteilung  kurz  mich  über  diesen  Punkt  dahin  aus¬ 
gesprochen,  dass  es  mir  nach  mehrjährigen  Beobachtungen 
zweifellos  erscheint,  dass  ein  direkter  Zusammenhang’  zwischen 
Anästhesie  und  Heilwirkung  bestehe.  Den  Vorgang  stelle  ich 
mir  so  vor :  die  bei  einer  Gewebsverletzung  geschädigten 
Nerven  erregen  reflektorisch  die  Vasomotoren.  Die  Folge  wird 
sein,  dass  eine  Hyperämie  entsteht,  dass  Schwellung  auf  tritt,  wo¬ 
durch  wieder  einer  etwaigen  Infektion  ein  besserer  Entwicklungs¬ 
boden  geschaffen  wird,  kurz  dass  sich  eine  regelrechte  Entzündung 
mit  allen  ihr  charakteristischen  Symptomen  entwickelt. 

Gelingt  es  nun  aber  mit  Hilfe  von  Orthoform  oder  Anästhesin 
oder  jedem  anderen  wirksamen  Mittel  den  verletzten  Nerven  der¬ 
art  zu  anästhesieren,  dass  er  den  Reflexbogen  auf  die  Vasomotoren 
nicht  mehr  auszulösen  vermag,  so  werden  die  geschilderten  Ent- 
zündungserscheinungen  nicht  ausbleiben.  Mit  dem  Ein¬ 
tritt  der  Anästhesie  ist  auch  die  Heilung  ein- 
geleitet. 


*)  Mit  der  in  allemeuester  Zeit  hergestellten  wässrigen  Lösung 
eines  A  nästliesinsalzes  haben  subkutane  und  submuköse 
Injektionen  günstige  Resultate  ergeben,  während  Aufpinseln  auf 
die  Schleimhaut  wenig  Einfluss  bis  jetzt  erkennen  liess. 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1613 


Welche  Rolle  die  Schmerzen  dabei  spielen,  sowie  weitere 
Einzelheiten  sollen  an  dieser  Stelle  unberührt  bleiben,  da  ich 
einer  grösseren  in  Arbeit  befindlichen  ausführlicheren  Abhand¬ 
lung  nichts  vorweg  nehmen  möchte. 

Heute  kam  es  mir  auch  nur  auf  die  Festlegung  des  Prinzips 
an,  nach  welchem  den  Mitteln  der  Orthoformg’ruppe  ihr  Wir¬ 
kungskreis  scharf  begrenzt  zugeteilt  wird. 

Vergleiche  ich  nun  die  Mittel  der  Orthof ormgruppe  mit¬ 
einander,  so  scheint  mir  Anästhesin,  soweit  ich  nach  neun- 
monatlicher  Prüfungszeit  beurteilen  kann,  alle  guten  Eigen¬ 
schaften,  die  dem  Orthoform  nachgerülimt  wurden,  nur  noch  in 
etwas  höherem,  ausgesprochenerem  Grade  zu  besitzen.  Den 
Fällen  von  Idiosynkrasie  Orthoform  gegenüber  möchte  ich  nicht 
so  grosse  Bedeutung  beimessen,  dass  die  Verwendung  des  Mittels 
daduich  eine  Einschränkung  erfahren  sollte.  Wenn  von  sicher 
oOOO  behandelten  I  allen  auch  etwa  12  durch  Resorption  von  der 
Schleimhaut  üble  F  olgen,  wie  Ekzeme  u.  dorgl.  zu  ertragen  hatten, 
so  darf  dies,  so  unangenehm  es  auch  ist,  schon  im  Interesse  aller 
anderen  Patienten  nicht  in  die  Wagschale  fallen. 

Bei  Anästhesin  ist  mir  bis  jetzt  noch  nichts  derartiges 
zur  Beobachtung  gekommen;  vielleicht  aber  ist  die  Zeit  noch  zu 
kurz.’) 

Dagegen  konnte  ich  bei  einer  Patientin  die  Wahrnehmung 
machen,  dass  dieselbe  wie  anästhesmsüchtig’  wurde.  Die  heftigen 
Kopfschmerzen,  die  von  einer  Eiterung  der  hinteren  Siebbein¬ 
zellen  und  der  Keilbeinhöhle  ausgingen,  konnten  nach  deren 
operativer  Freilegung,  durch  Einspritzung  einer  Anästhesin- 
emulsion  ”)  jedesmal  rasch  und  auf  längere  Zeit  gänzlich  gehoben 
werden.  Dabei  trat  ein  Zustand  ganz  auffallender  Euphorie  ein; 
Patientin  behauptete  sogar,  ihr  Aussehen  bessere  sich  stets  dar¬ 
nach  und  ihre  blassen,  anämischen  Lippen  würden  rot.  Durch 
einfache  Pulvereinblasungen  konnte  dieses  Resultat  nie  erzielt 
werden,  nur  durch  direkte  Einspritzung  der  Emulsion  in  die  Keil¬ 
beinhöhle. 

Nach  obigen  prinzipiellen  Auseinandersetzungen  dürfte  es 
vielleicht  als  überflüssig  erscheinen,  über  die  Wirkung  der  Ortho- 
form gruppe  bei  einzelnen  Affektionen  zu  sprechen.  Wenn  ich 
es  trotzdem  noch  kurz  tun  will,  so  geschieht  es  hauptsächlich,  um 
obigen  theoretisch  neuen  Gesichtspunkt  auch  noch  praktisch  zu 
beleuchten. 

Die  Behandlung  des  Keuchhustens  und  des  frischen 
Schnupfens  nach  diesen  Gesichtspunkten  habe  ich  in  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  12,  und  im  Arch.  f.  Laryngol. 
1901,  pag.  56,  bereits  beschrieben.  Was  von  Orthoform  galt, 
gilt  vielleicht  noch  mehr  von  Anästhesin.  Die  pulverförmi¬ 
gen  Einatmungen  von  reinem  Anästhesin  mittels  der  Pulver¬ 
bläser  von  Kabierske  u.  a.,  sollen  beim  Keuchhusten 
die  zur  Reflexauslösung  gereizte  Schleimhaut  des  Kehlkopfs  und 
der  TTnterkehlkopfgegend  anästhesieren. 

Auch  bei  ganz  kleinen  Kindern  gelingen,  von  geübter  Hand 
ausgeführt,  die  Einblasungen  in  der  Regel.  Aeltere  und  Er¬ 
wachsene  werden  die  Einatmungen  mit  Leichtigkeit  und  ohne 
jegliche  Beschwerden  erlernen,  ganz  besonders,  weil  die  Verteilung 
des  Pulverstaubs  so  fein  ist,  dass  kaum  ein  lokaler  Reiz  wahr- 
benommen  wird.  Ein  Erfolg  kann  natürlich  nur  eintreten,  wenn 
das  Pulver  wirklich  an  Ort  und  Stelle  gelangt  ist,  wovon  man 
sich  leicht  einige  Male  mit  dem  Kehlkopfspiegel  überzeugen  kann: 
Bis  tief  hinab  in  die  Trachea  ist  alles  mit  einem  feinen  weissen 
Staub  bedeckt. 

Dieser  Art  der  Inhalation,  der  Staubinhalation,  gebe 
ich  überhaupt  den  Vorzug  vor  allen  anderen  Inhalationsformen, 
durch  welche  eine  Beeinflussung  der  oberen  Luftwege,  einschliess¬ 
lich  der  Luftröhre,  erzielt  werden  soll. 

Was  Orthoform  bei  der  Behandlung  des  frischen 
Schnupfens  erreicht,  muss  Anästhesin  vielleicht  noch 
sicherer  gelingen. 

Je  früher  die  Behandlung  einsetzt,  um  so  rascher,  um  so 
sicherer  wird  der  Schnupfen  zu  coupieren  sein. 

Vor  allem  muss  vom  Kavum  aus  die  Einblasung  gemacht 
und  so  oft  wiederholt  werden,  in  Pausen  'von  5 — 10  Minuten,  bis 
jede  im  Gaumen,  im  Rachen,  der  hinteren  Nase  empfundene 
unangenehme  Empfindung  verschwunden  ist.  Sollte  der  Sitz 
mehr  in  den  oberen  Partien  der  Nase  liegen,  die  bereits  Schwel- 

9  Zusatz  bei  der  Korrektur:  In  einem  Falle  trat  ebenfalls 
ein  Ekzem  auf,  das  in  seinem  Verlauf  sehr  hartnäckig  ist. 

9  Anästhesin  -j-  Gurnrn.  arab.  äa  5,0  Aq.  dest.  20,0. 

No.  39 


lungen  aufweisen,  so  wird  man  erst  kokainisieren  und  dann  auf 
die  abgeschwollene  Gegend  auch  von  vorne  noch  Anästhesin  auf¬ 
blasen.  Wenn  auch  die  ersten  Einblasungen  auf  die  entzündete 
Schleimhaut  etwas  mehr  schmerzen,  so  darf  das  nicht  ab- 
schrecken;  die  Ueberempfindlichkeit  lässt  sehr  rasch  nach.  Patien¬ 
ten,  welche,  wie  viele  Sänger,  sich  selbst  mit  einem  gebogenen 
Pulverbläser  den  Nasenrachenraum  einblasen  können,  werden 
sich  selbst  behandeln  können.  Die  anderen  Patienten  bestelle  ich 
mii  am  ersten  Tage  2  mal  und  insuffliere,  so  oft  es  eben  nötig 
wird. 

Nun  noch  einige  charakteristische  Beispiele. 

Als  Nachbehandlung  nach  operativen  Eingriffen  an  den 
G  au  m  enmandeln  hat  sich  Anästhesin  hervorragend 
bewährt.  Durch  häufiges  Aufblasen  des  Pulvers,  was  der  Patient 
selbst  alle  Stunden  oder  öfter,  je  nach  seinen  Beschwerden, 
machen  muss,  gelingt  es  meist  die  Beschwerden  auf  ein  sehr  ge- 
rmges  M^ass  herabzudrücken  und  so  zu  erhalten.  Die  Nahrungs¬ 
aufnahme  ist  deshalb  kaum  beeinträchtigt;  auch  mit  der  Diät 
braucht  man  nicht  so  sehr  streng  zu  sein.  Das  beste  ist  aber, 
dass  die  Heilung  in  allerkürzester  Zeit,  ohne  jede 
stärkere  entzündliche  Reaktion  vollendet  ist. 

So  empfiehlt  es  sich  auch,  die  Rachenmandel  Opera¬ 
tionen,  Operationen  an  den  Seitensträngen,  so  besonders  auch  die 
Eingriffe  an  der  Zungenmandel  nachzubehandeln.  Es  ist 
zu  bekannt,  wie  heftig  die  Beschwerden  nach  einer  nur  einiger- 
massen  gründlichen  Kaustik  am  Zungengrunde  sind,  wenn 
Patienten  eine  Woche  und  mehr  nicht  schlucken  können,  ohne 
die  allerheftigsten  Schmerzen  zu  empfinden,  nur  von  kalten,  ge¬ 
eisten  flüssigen  Speisen  leben  und  physisch  und  psychisch  stark 
herunterkommen.  Hat  man  gleich  nach  der  Operation  mit  der 
Behandlung  begonnen,  und  setzt  Patient  sie  den  ersten  und 
zweiten  Tag  namentlich  sehr  ausgiebig  fort,  so  wird  man  sich 
wundern,  wie  verhältnismässig  leicht  und  rasch  alles  verläuft, 
wie  gering  die  Schluckstörung  ist. 

Wie  weit  sich  nach  Kauterisation  der  Nasenmuscheln  die 
Anästhesinbehandlung  auch  gegen  die  lästigen  reaktiven  Schwel¬ 
lungen  verwerten  lässt,  kann  ich  heute  noch  nicht  entscheiden. 
Meine  Beobachtungsreihe  ist  noch  zu  klein  und  man  ist  meist  auf 
die  nicht  ganz  zuverlässigen  Aussagen  der  Patienten  angewiesen. 

Sehr  günstig  sind  dagegen  wieder  die  Resultate  bei  Opera¬ 
tionen  im  Kehlkopfe,  die  mit  Orthoform  und  An¬ 
ästhesin  nachbehandelt  wurden.  '  Ganz  besonders  wird  hier  die 
Dysphagie  wesentlich  zu  bessern  sein.  Man  muss  sich  nur  stets 
vor  Augen  halten,  dass  diese  Mittel  nur  wirken  können,  wenn 
sie  die  blossliegenden  Nerven  auch  erreichen  können.  Habe  ich 
ein  schmierig  belegtes  Geschwür  und  blase  auch  das  wirksamste 
Pulver  oben  auf,  dann  wird  der  Erfolg  ausbleiben,  eben  weil 
das  Pulver  nicht  durch  den  dicken  Belag  hindurchdringen  konnte. 

ln  diesem  Falle  muss  erst  das  Geschwür  gereinigt  werden, 
dann  kann  man  auf  einen  Erfolg  auch  rechnen.  Derartige  ana¬ 
loge  Fälle  wären  noch  gar  manche  aufzuzählen,  aber  dies  würde 
zu  weit  führen.  Es  soll  dies  nur  zeigen,  wie  wichtig  es  ist,  bei 
der  objektiven  Prüfung  eines  Mittels,  nicht  nur  eine  exakte  Dia¬ 
gnose  zu  stellen,  sondern  auch  den  diagnostizierten  Befund  richtig 
zu  beurteilen. 

Ist  dies  aber  gewissenhaft  geschehen,  so  liegt  nach  allem, 
was  ich  oben  ausführte,  die  Entscheidung  ganz  klar  auf  der  Hand, 
ob  die  Anwendung  des  neuen  Mittels  indiziert  ist  oder  nicht. 
Bejahenden  Falles  bin  ich  sicher,  dass  die  guten  Erfolge,  die  ich 
diesen  Mitteln  und  der  auf  sie  aufgebauten  Theorie  verdanke, 
auch  von  allen  anderen  Seiten  bestätigt  werden. 


Aus  der  Dr.  B  r  e  li  m  e  r  sehen.  Heilanstalt  in  Görbersdorf  i.  Schl. 
(Chefarzt  Geheimrat  Dr.  Petri). 

Lieber  eine  eigentümliche  Komplikation  der  Lungen¬ 
blutung. 

Von  Dr.  H.  Cybulski,  Sekundärarzt  der  Anstalt. 

Den  Grund  dieser  Aufzeichnung  bilden  2  Fälle  mit  fol¬ 
gendem  Verlaufe: 

Herr  F.  war  bereits  seit  langer  Zeit  in  der  Anstalt  gewesen. 
Im  März  1902  trat  rechtsseitiger  Pneumothorax  ein,  nach  3  Wochen 
Lungenblutung  während  der  Nacht,  verbunden  mit  hochgradiger 
Atemnot.  Die  Menge  des  ausgehusteten  Blutes  betrug  nahezu 
100  ccm.  Nach  Verlauf  einer  Stunde  hustete  der  Patient  einen 
weissliclien  Brocken  aus,  worauf  fast  augenblicklich  die  Atemnot 
sich  verringerte;  nach  Ausbreiten  unterm  Wasser  präsentiert  sich 

4 


1614 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


der  Brocken  in  der  Form,  wie  aus  der  Zeichnung  (Fig.  1)  zu 
ersehen  ist;  seine  Farbe  ist  graurot,  Konsistenz  weich,  überall  auf 
der  Oberfläche  eine  Masse  von  Luftbläschen;  beim  Durchschneiden 
zeigt  sich  sein  Inneres  aus  einer  homogenen  graurötlichen  Masse 
bestehend,  untermischt  mit  Luftbläschen.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  ergab,  dass  der  Brocken  aus  Blutgerinnsel  mit  zahl¬ 
reichen  Luftbläschen  und  Leukocyten  bestand. 

Vorher  hat  Patient  niemals  ähnliche  Bildungen  ausgehustet. 

Was  den  Ort,  woher  die  Lungenblutung  kam,  anbetrifft,  so 
konnte  derselbe  weder  zu  Lebzeiten,  noch  bei  der  Sektion  kon¬ 
statiert  werden. 


Fig.  1.  Fig.  2. 

i/-2  der  natürlichen  Grösse. 

Einen  analogen  Fall  zeigt  Herr  W.,  20  Jahre  alt.  Er  kam 
in  die  Anstalt  mit  einem  weit  vorgeschrittenen  Zerfallprozess  in 
der  rechten  Lunge.  Nach  3  Wochen  trat  eine  geringe  Hämoptoe 
ein,  welche  ohne  irgend  eine  Störung  wieder  verschwand;  einige 
Tage  später  eine  erneute  kleine  Blutung.  Am  4.  Juni  1901  wieder 
eine  relativ  kleine  Blutung  von  20—30  ccm  während  des  Mittags¬ 
schlafes;  dabei  starke  Atemnot,  Facies  Hippocratica,  Cyanose; 
Puls  kaum  wahrnehmbar,  180—200  in  der  Minute;  Atmung  be¬ 
schleunigt,  00;  Trachea lrasseln.  In  Anbetracht  dieser  Symptome 
bekam  Patient  2,0  Ol.eamphor.  eingespritzt  und  musste  sich  setzen; 
gleich  darauf  hustete  er  einen  Brocken  aus,  worauf  die  Atemnot 
sofort  nachliess.  Unter  dem  Wasser  nahm  der  ausgehustete 
Körper  die  Form  an,  wie  sie  aus  der  Zeichnung  (Fig.  2)  er¬ 
sichtlich  ist.  Ich  muss  noch  hinzufügen,  dass  die  Zeichnung  nach 
einem  wasserfreien  Alkoholpräparat  gemacht  worden  ist;  das 
frühere  war  um  V2  cm  dicker. 

Vorher  hat  Patient  niemals  ähnliche  Bildungen  ausgehustet. 

Diese  Fälle  lassen  einige  Bemerkungen  zu: 

AVas  die  Häufigkeit  dieses  Ereignisses  anbetrifft,  so  ist  es 
nicht  sehr  selten,  denn  in  den  letzten  2  J ahren  konnte  ich 
doch  2  ähnliche  Fälle  wahrnehmen.  Was  die  Bedingungen  seines 
Entstehens  anbetrifft,  so  ist  es  auffällig,  dass  beide  Blutungen 
während  des  Schlafes  eingetreten  sind,  also  zu  einer  Zeit,  wo 
die  Erregbarkeit  der  Luftröhre  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
herabgesetzt  ist,  wodurch  die  Bildung  ähnlicher  Brocken  erleich¬ 
tert  wird.  Diese  Komplikation  scheint  doch  eine  klinische  Be¬ 
deutung  zu  besitzen.  Infolge  nämlich  von  Verstopfung  eines 
grösseren  Luftröhrenastes  durch  diesen  Propf  tritt  starke  Atem¬ 
not  auf,  welche  unter  bestimmten  Bedingungen  im  stände  ist, 
beinahe  den  Tod  herbeizuführen  (2.  Beobachtung). 

Ich  nehme  an,  dass  überall,  wo  bei  einer  relativ  geringen 
Blutung  und  nicht  allzu  schwerem  Lungenzustand  eine  sehr 
starke  Dyspnoe  wahrzunehmen  ist,  man  immer  auf  die  Bildung 
eines  ähnlichen  Propf ens  schliessen  kann;  da  nun  dieses  Vor¬ 
kommnis  nicht  allzu  selten  ist,  so  erlaube  ich  mir,  die  Aufmerk¬ 
samkeit  darauf  zu  lenken. 


Oie  äussere  Untersuchung  am  Gebärbett.*) 

Von  Dr.  G.  Frickhinger,  Frauenarzt  in  München. 

Das  vor  ungefähr  einem  Dezennium  von  Leopold  zum 
System  erhobene  Verfahren ,  bei  normalen  Geburten  die 
äussere  Untersuchung  allein  zur  Verwendung  ge¬ 
langen  zu  lassen,  hat  nicht  die  Zustimmung  aller  Geburtshelfer 
gefunden,  ja  es  macht  den  Eindruck,  als  ob  diese  Frage  wieder 
von  der  Bildfläche  der  literarischen  Erzeugnisse  verschwinden 
wollte.  Denn  selbst  von  Seiten  derer,  die  damals  —  vielleicht 
zu  weit  fortgerissen  von  den  bestehenden  Aussichten  des  Ge¬ 
dankens  —  lebhaft  die  Idee  der  A^erzichtleistung  auf  die  innere 

*)  Anschliessend  an  einen  Vortrag,  gehalten  in  der  Gynäko¬ 
logischen  Gesellschaft  München  am  7.  Mai  1902. 


Untersuchung  auf  gegriffen  haben,  wird  in  neuester  Zeit  an  der 
Möglichkeit  der  Verallgemeinerung  dieses  Vorschlages  ge- 
z  weif  eit  (V  e  i  t).  Und  doch  liegt  die  eminente  Bedeutung,  welche 
die  Frage  für  die  Puerperalfieberstätistik  haben  muss,  klar  auf 
der  Hand.  Wenn  man  häufig  sagt,  dass  die  untersuchenden 
Hände  des  Arztes  eine  viel  grössere  Infektionsgefahr  darböten, 
als  die  Finger  der  Hebamme,  weil  der  Arzt  fortwährend  mit  sep¬ 
tischen  Dingen  in  Berührung  komme,  so  ist  doch  zu  bedenken, 
dass  der  bei  den  Hebammen  so  häufig  zu  findende  M  a  n  g  e  1 
an  Verständnis  für  das  Wesen  des  Puerperalfiebers  eben¬ 
falls  einen  Faktor  bildet,  welcher  für  die  Morbidität  von  aller¬ 
erstem  Belang  ist.  Gegenüber  anders  lautenden  Ansichten 
möchten  wir  nämlich  daran  festhalten,  dass  man  nur  in  dem 
klaren  Bewusstsein  von  der  schweren  Verantwortung,  nur  in  dem 
vollen  Verständnis  für  die  Bedeutung  der  Desinfektion,  für  den 
Begriff  der  Asepsis  und  Antisepsis  die  sichere  Garantie  für 
aseptisches  Verhalten  erblicken  kann.  Die  aseptische  Schulung 
gilt  mit  Recht  als  eine  hohe  Disziplin,  in  der  die  Aerzte  wissen¬ 
schaftlich  erzogen  werden  müssen  und  in  welcher  sie  sich  fort¬ 
während  üben  müssen,  wenn  sie  ihre  Prinzipien  bewahren  wollen; 
um  wie  viel  mehr  Schwierigkeiten  werden  sich  ergeben,  wehn  es 
gilt,  nicht  ärztlich  vorgebildete  Personen  in  diese  Disziplin 
einzuweihen!  Die  Interrichtsmethode  in  der  Asepsis  an  den 
Hebammenschulen  erscheint  uns  zwar  als  eine  den  obwaltenden 
Verhältnissen  durchaus  entsprechende,  aber  wir  meinen,  dass  in 
dem  Bildungsgrad  und  den  Fähigkeiten  der  Schülerinnen  gewisse 
Grenzen  gezogen  sind.  Trotz  aller  A  erbesserungsvorschläge,  die 
für  den  Hebammenunterricht  gemacht  worden  sind,  dürfte  man 
doch  nicht  zu  weit  gehen  mit  der  Behauptung,  dass  auch 
für  die  Zukunft  die  Einführung  von  Infek¬ 
tionsstoff  —  nicht  nur  durch  die  Aerzte,  sondern  auch 
durch  die  Hebammen  —  ein  gewichtiges  Moment  für 
die  Aetiologie  des  Puerperalfiebers  bleiben 
wird. 

AAras  nun  die  wissenschaftliche  Sei  te  der  Frage 
betrifft,  so  beweisen  die  allerletzten  Arbeiten  sowohl,  als  auch 
ein  Blick  auf  die  Literatur  über  das  Puerperalfieber  der  letzten 
10  Jahre,  wie  weit  wir  noch  von  einem  klaren  Einblick  ip  alle 
bei  der  puerperalen  AVundinfektion  mitspielenden  Ursachen  ent¬ 
fernt  sind.  Die  Meinungsverschiedenheiten  über  die  Bedeutung 
der  bakteriologischen  Scheidenflora  bringen  das 
mechanische  Moment  für  die  Aetiologie  des  Puerperal¬ 
fiebers  immer  mehr  in  den  Vordergrund.  Die  mehr  oder  weniger 
schonende  Berührung  der  Teile  bei  der  Exploration  hängt  ledig¬ 
lich  von  der  Uebung  und  Technik  des  Untersuchenden  ab,  es 
scheint,  dass  auch  der  best  desinfizierte  Finger,  wenn  er  nicht 
zart  und  schonend  vorgeht,  die  Infektion  nicht  absolut  aus- 
schliesst.  Und  wenn  wir  schliesslich  noch  auf  die  vielumstrittenen 
Punkte  der  Händedesinfektion  hinweisen,  die  auf  einem 
der  letzten  Gynäkologenkongresse  dem  Referenten  das  Wort  in 
den  Mund  gelegt  haben;  „Es  gibt  bis  jetzt  keine  Iländedesinfek- 
tion“,  so  bedarf  es  wohl  keiner  weiteren  Begründung,  dass  die 
Beschränkung  der  inneren  Untersuchung  bis 
zur  Verzichtleistung  auf  dieselbe  ein  Postu¬ 
lat  ist,  das  immer  wieder  betont  zu  werden  ver¬ 
dient. 

Die  zielbewussten  und  doch  gemässigten  Arorschläge  zum  er¬ 
weiterten  Gebrauch  der  äusseren  Untersuchung,  welchen  die  Er¬ 
fahrung  eines  so  objektiven  Denkers  wie  Leopold  zur  Seite 
stand,  haben  die  Zustimmung  einer  namhaften  Reihe  von  Ge¬ 
burtshelfern  gefunden,  es  hat  aber  auch  nicht  an  be¬ 
merkenswerten  Bedenken  gegen  dieselben  gefehlt.  Die 
Einwände  sind  im  wesentlichen  dahingehend,  dass  die  äussere 
Untersuchung  der  Gebärenden  nur  einen  kleinen  Teil  der  für 
Mutter  oder  Kind  verhängnisvollen  Anomalien  erkennen  lasse, 
dass  die  innere  Untersuchung  das  wichtigste  Mittel  sei,  um  dem 
Arzte  die  Fortbildung  in  der  Erkenntnis  der  Geburtsvorgänge 
zu  ermöglichen,  die  innere  Untersuchung  könne  mit  Bestimmt¬ 
heit  schadlos  für  die  Gebärende  ausgeführt  werden  (A  h  1  f  e  1  d), 
es  werde  dem  praktischen  Arzte  und  der  Hebamme  nicht  möglich 
sein,  die  äussere  Untersuchung  bis  zu  der  Fertigkeit  sich  an¬ 
zueignen,  welche  die  innere  Untersuchung  entbehrlich  machen 
würde  (H  ofmeier,  Frommei,  Död  erlein).  Auch  bei 
der  Diskussion  über  die  äussere  Untersuchung  auf  dem  X.  inter¬ 
nationalen  Kongress  in  Moskau  wurden  ähnliche  Befürchtungen 
|  laut. 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1615 


Darf  aber  ein  Verfahren,  welches  die  gebärende  Frau  von 
vornherein  über  jede  Gefahr  der  Infektion  hinwegsetzt,  des¬ 
halb  verworfen  werden,  weil  man  fürchtet,  die  zu  seiner  Durch¬ 
führung  nötige  Technik  könne  nicht  allgemein  beherrscht  werden  ? 
Die  äussere  Untersuchung  Gebärender  ist  doch  nicht  schwerer 
als  die  Perkussion  der  Herzdämpfung,  der  Milz,  die  Perkussion 
und  Auskultation  der  Lungenspitzen.  Und  doch  erwartet  man 
ganz  allgemein  von  jedem  praktischen  Arzte,  dass  er  diese  Dinge 
beherrscht!  Wie  verhängnisvoll  kann  ein  Irrtum  bei  der  ebenso 
wichtigen  als  schwierigen  Diagnose  des  beginnenden  Lungen¬ 
spitzenkatarrhs  für  den  Patienten  sich  gestalten!  Und  doch 
pflegt  mit  vollem  Rechte  das  Vertrauen  zum  Hausarzte  an  dieser 
Klippe  ärztlichen  Könnens  nicht  Schiffbruch  zu  erleiden!  Oder 
glaubt  man,  dass  die  vorgeschriebene  praktische  Tätigkeit  des 
Studierenden  in  der  inneren  Medizin  genügend  sei,  um  Sicher¬ 
heit  in  der  Diagnose  zu  erlangen  ?  Doch  wohl  ebensowenig'  als 
die  vorschriftsmässigen,  wenigen  Geburten  für  genügend  zur 
Tätigkeit  eines  Geburthelfers  erachtet  werden.  Zu  alldem  ge¬ 
hört  eben  eine  Erfahrung  und  Uebung,  die  sich  nur  allmählich 
mit  zunehmender  Beschäftigung  einstellt.  So  wird  auch  eine 
Hebamme  im  Beginn  ihrer  Tätigkeit  von  der  äusseren  Unter¬ 
suchung  weniger  befriedigende  Resultate  erhalten,  als  nachdem 
sie  10  Jahre  ihrem  Berufe  obgelegen  hat.  Und  wenn  auch  die 
äussere  Untersuchung  technisch  grössere  Schwierigkeiten  bietet, 
als  die  innere,  so  ist  doch  wiederum  nicht  zu  übersehen,  dass 
jene,  worauf  auch  Leopold  hinweist,  viel  ausgiebiger 
gelehrt  und  geübt  werden  kann  als  diese. 

Ich  frage  ferner:  Dürfen  Rücksichten  auf  Uebung  und 
Technik  Platz  greifen,  um  an  der  regelmässigen  Ausführung 
einer  Untersuchung  festzuhalten,  deren  Gefahrlosigkeit  auch  bei 
peinlichster  Desinfektion  nicht  über  alle  Zweifel  erhaben  ist? 

Ebensowenig  wie  wir  berechtigt  sind,  unter  den  Indikationen 
zu  einem  noch  so  kleinen  operativen  Eingriff  Uebung  und 
Technik  eine  Rolle  spielen  zu  lassen,  sowenig  dürfen 
wir  eine  ihrer  Natur  nach  nicht  ganz  gefahr¬ 
lose  Untersuchung  der  Uebung  wegen  vor¬ 
nehmen. 

W  as  den  Einwand  betrifft,  dass  die  äussere  Untersuchung 
als  Untersuchungsmethode  nicht  ausreichend  sei,  so  verweise  ich 
auf  Leopold1),  welcher  an  tausend  allein  durch  die  äussere 
Untersuchung  von  stets  wechselnden,  anfangs  meist  nicht  ge¬ 
übten  Aerzten  geleiteten  Geburten  den  Erfolg  bezw.  die  dia¬ 
gnostischen  Irrtümer  feststellte.  Dabei  ergab  sich,  dass  die 
äussere  Untersuchung  der  inneren  an  Sicherheit  des  Resultates 
nicht  nur  gleichkommt,  sondern  sie  sogar  häufig  übertrifft. 
Namentlich  für  die  Eröffnungszeit,  sowie  für  die  Bestimmung 
des  Kopf  Standes  nach  den  Beckenräumen  ist  der  äusseren  Unter¬ 
suchung  der  Vorzug  vor  der  inneren  einzuräumen. 

Freilich  war  ein  radikales  Vorgehen,  das  den  Hebammen  die 
innere  Untersuchung  überhaupt  verboten  wissen  wollte,  beträcht¬ 
lich  über  das  Ziel  hinausgeschossen  und  nur  dazu  angetan,  die 
Frage  der  ausschliesslichen  Verwendung  der  äusseren  Unter¬ 
suchung  zu  diskreditieren.  Auch  den  von  Veit")  betretenen 
Weg,  die  Erlaubnis  zur  inneren  Untersuchung  an  bestimmte 
Indikationen  zu  knüpfen,  kann  ich  nicht  gut  heissen.  Es  würde 
das  nur  zu  einer  Verwirrung  führen,  welcher  die  Hebamme  um 
so  eher  zum  Opfer  fiele,  je  geringer  ihre  Erfahrung  und  je 
weniger  umfangreich  ihr  Wissen  wäre.  Was  mit  Unrecht  gegen 
die  Erziehung  der  Aerzte  und  Hebammen  im  Sinne  der  mög¬ 
lichsten  Enthaltung  von  der  inneren  Untersuchung  ins  Feld  ge¬ 
führt  wurde,  dass  bei  fehlerhaften  Diagnosen  der  Entschuldigung 
Tür  und  Tor  geöffnet  würde,  das  träfe  in  der  Tat  zu,  wenn  man 
ein  Verbot  der  inneren  Untersuchung  im  allgemeinen  erliesse, 
unter  bestimmten  Voraussetzungen  aber  dieselbe  gebieten  wollte. 

Müssen  wir  also  solchen  Vorschlägen,  welche  die  Ausführung 
der  inneren  Untersuchung  nach  Indikationen  geregelt  wissen 
wollen,  unsere  Zustimmung  versagen,  so  wollen  wir  uns  jetzt  aus¬ 
drücklich  gegen  eine  Indikation  wenden,  welche  nach  Ahl- 
f  e  1  d 3)  die  innere  Exploration  bei  jeder  Geburt  zur  Pflicht 
machen  soll.  Es  ist  das  die  Bestimmung  des  ZeitpuidUes  der 
vollständigen  Erweiterung  des  Muttermundes.  Man  könne  sich, 
meint  Ahlfeld,  auf  das  instinktive  Gefühl  der  Kreissenden 

9  1.  c.  2,  pag.  352  ff. 

2)  1.  c. 

3)  1.  c.  1,  pag.  705. 


zum  Mitpressen  nicht  verlassen  und  müsse  stets,  in  der  Lage 
sein,  ihr  ein  vorzeitiges  Mitpressen  zu  verbieten.  Dies  sei  aber 
nur  möglich,  wenn  man  sich  durch  die  innere  Untersuchung 
über  die  Weite  des  Muttermundes  orientiert  erhalte.  Darauf  ist 
zu  erwidern:  Unter  normalen  Verhältnissen  bildet  allerdings  der 
beginnende  Drang  zum  Mitpressen  das  sichere  Zeichen  für  das 
Ende  der  Eröffnungsperiode.  Das  vorzeitige  Mitpressen  ist  aber 
nicht  eine  Anomalie,  welche  für  sich  allein  auftritt,  sondern  wird 
sekundär  durch  andere  Regelwidrigkeiten  veranlasst.  Es  ge¬ 
hören  hierher  alle  jene  Zustände,  welche  eine  abnorme  Reizung 
des  unteren  Uterinsegmentes  bedingen,  wie  der  vorzeitige  Blasen¬ 
sprung,  Missverhältnisse  zwischen  Becken  und  vorangehendem 
Kindesteil  etc.  etc.  Ob  der  Blasensprung  rechtzeitig  eingetreten 
ist  oder  nicht,  zeigt  oft  genug  schon  der  Zeitpunkt  an,  in  welchem 
er  erfolgt.  Die  Hebamme  weiss  ausserdem,  dass  er  bei  fehlerhaften 
Lagen,  bei  Ausfluss  aus  der  Scheide,  bei  Beckengene  zu  be¬ 
fürchten  ist. 

In  anderem  Sinne  stellt  Baum  m 4)  die  Bestimmung  der 
Weite  des  Muttermundes  unter  die  Indikationen  zur  Ausführung 
der  inneren  Untersuchung.  Er  meint,  die  Hebamme  könne  ge¬ 
nötigt  werden,  eine  Prognose  in  Bezug  auf  die  Dauer  der  Geburt 
zu  stellen,  sie  könne  zur  Entscheidung  gedrängt  werden,  ob  der 
Gatte  noch  ein  dringendes  Geschäft  abwickeln  könne,  bevor  seine 
Frau  niederkommt.  Ich  gebe  zu,  dass  in  solchen  Fällen  die  Er¬ 
gänzung  der  äusseren  Beobachtung  durch  die  innere  Exploration 
unter  Umständen  wünschenswert  erscheinen  mag.  Wir  dürfen 
jedoch  nicht  vergessen,  dass  wir  in  der  AnalysederWehen 
ein  noch  wertvolleres  Zeichen  für  die  voraussichtliche  Dauer  der 
Eröffnungsperiode  besitzen  als  in  der  Weite  des  Muttermundes. 
Dieser  kann  viele  Stunden  einmarkstückgross  bleiben  und  dann 
sich  unter  guter  Wehentätigkeit  in  kurzer  Zeit  vollständig  er¬ 
weitern. 

In  einem  Punkte  stimme  ich  dagegen  mit  B  a  u  m  m  voll¬ 
kommen  überein Die  Erkenntnis  des  N  a  b  e  1  s  c  h  n  u  r  Vor¬ 
falls  erheischt  mit  zwingender  Notwendigkeit  die  Ausführung 
der  inneren  Untersuchung,  ja  es  ist  auch  dessen  möglichst  früh¬ 
zeitige  Diagnose  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit,  d.  h.  auch  das 
Vorliegen  der  Nabelschnur  darf  der  Hebamme  nicht  ent¬ 
gehen.  Sie  kann  ja  durch  richtige  Lagerung  der  Kreissenden 
bis  zur  Ankunft  des  Geburtshelfers  die  Nabelschnur  vor  Kom¬ 
pression  schützen,  vielleicht  sogar  ihre  spontane  Regression  be¬ 
wirken.  Was  daraus  resultiert,  ist  ganz  klar:  Steht  der  vor¬ 
liegende  Teil  beweglich  über  dem  Becken  oder 
im  Beckeneingang  noch  beweglich,  so  kann  die 
Hebamme  weder  vor  noch  nach  dem  Blasen¬ 
sprunge  die  innere  Untersuchung  entbehren. 

Hingegen  behaupte  ich,  dass  schon  der  Unterricht  in  seiner 
jetzigen  Form  die  Hebamme  recht  wohl  in  die  Lage  ver¬ 
setzt,  bei  normalen  Geburten  mit  der  äusseren  Untersuchung 
auszukommen,  ja  dass  die  letztere  ihr  die  Erkenntnis  einer  ganzen 
Reihe  von  Regelwidrigkeiten  ermöglicht,  welche  ihrerseits  die 
Ilerbeirufung  des  Geburtshelfers  der  Hebamme  zur  Pflicht 
machen.  Ich  stütze  mich  dabei  auf  das  System  des  Hebammen¬ 
unterrichtes,  wie  ich  es  selbst  in  der  Münchener  Hebammen¬ 
schule  als  Repetitor  kennen  gelernt  und  selbst  mit  durchgeführt 
habe. 

Der  für  meine  Zwecke  verfügbare  Raum  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  erlaubt  mir  nicht,  auf  Einzelheiten  einzugehen.  Es  liegt 
mir  auch  nichts  ferner  als  eine  schablonenmässige  Behandlung 
der  so  überaus  wichtigen  Frage.  Ich  weiss  aus  eigener  Erfah¬ 
rung  recht  wohl,  wie  häufig  namentlich  bei  längerer  Dauer  der 
Geburt  unter  den  Bitten  der  Kreissenden  und  den  ängstlichen 
Erkundigungen  der  Angehörigen  die  objektive  Uebersicht  zu 
leiden  beginnt  und  man  schliesslich  zur  eigenen  Beruhigung  die 
innere  Untersuchung  vornimmt.  Etwas  Neues  ergibt  sie  meist 
nicht. 

Können  wir  uns  also  recht  wohl  in  die  Lage  versetzen,  dass 
man  auch  klare  Ergebnisse  der  äusseren  Untersuchung  durch 
die  innere  Exploration  bestätigt  wissen  will,  so  glauben  wir  doch, 
dass  diese  im  allgemeinen  nicht  viel  nützen  kann,  wenn  die  Heb¬ 
amme  durch  die  Palpation  konstatiert  hat,  dass  der  Kopf  im 
Becken  steht,  der  Rücken  links  oder  rechts  liegt,  wenn  sie  die 
kleinen  Teile  im  Fundus  fühlt,  wenn  sie  die  Herztöne  am  ent¬ 
sprechenden  Platze  in  normaler  Frequenz  hört,  wenn  die  Wehen- 


4)  1.  c. 


4* 


1616 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


tätigkeit  gehörig  ist  und  der  Allgemeinzustand  der  Kreissenden 
nichts  Auffallendes  zeigt.  Die  Beobachtung  der  Drehung  der 
kleinen  Fontanelle  nach  vorn,  das  Verhalten  ihrer  Schenkel  zu 
den  Sitzbeinstacheln,  die  Feststellung  des  Verlaufs  der  Pfeilnaht 
hat  wissenschaftliches  Interesse  und  ist  wichtig  für  den,  welcher 
den  Forceps  applizieren  muss.  Die  Hebamme  kann  dies  ent¬ 
behren.  Oder  bietet  die  innere  Untersuchung  der  Hebamme  den 
geringsten  Vorteil,  wenn  sie  aus  der  Palpation  eine  Steiss-  oder 
Schieflage  erkennt,  Befunde,  derenthalben  sie  den  Geburtshelfer 
zu  benachrichtigen  hat  ?  Und  so  lässt  auch  die  ganz  allgemein 
gehaltene  V  orsehrif  t  des  Schultze  sehen  Lehrbuchs,  dass  die 
Hebamme  bei  mangelhaftem  Vorrücken  des  Kopfes  den  Arzt  zu 
rufen  habe  —  einerlei  ob  das  Hindernis  an  dem  Kopfe,  dem 
Becken  oder  den  Wehen  liege  (§  409)  — ,  in  vielen  fällen  die 
innere  Untersuchung  als  entbehrlich  erscheinen. 

Ich  brauche  wohl  nach  meinen  Ausführungen  kaum  dem 
Vorwurfe  zu  begegnen,  dass  ich  in  extremer  WTeise  der  Unter¬ 
lassung  der  inneren  Untersuchung  das  Wort  rede.  Wenn  in  der 
Diskussion  über  meinen  Vortrag  hervorgehoben  wurde,  dass  mit 
Rücksicht  auf  die  Stellung  der  Hebammen  in  der  Familie  die 
Frage  der  Verzichtleistung  auf  die  innere  Untersuchung  mit 
grosser  Vorsicht  aufzufassen  sei,  dass  die  Hebamme  ängstlich 
würde,  wenn  ihr  ein  Vorwurf  aus  der  Vornahme  der  inneren 
Untersuchung  gemacht  werden  könnte,  so  stimme  ich  dem  voll¬ 
kommen  bei.  Es  hiesse  die  Angelegenheit  in  bedenklichem  Grade 
verfahren,  sollte  es  dazu  kommen,  dass  die  Hebamme  aus  Scheu 
vor  der  moralischen  Verantwortung  zum  Nachteil  der  Diagnose 
und  zum  Schaden  von  Mutter  und  Kind  vor  der  inneren  Unter¬ 
suchung  zurückschrecken  würde.  Das  zu  verhüten,  muss  unser 
vornehmstes  Bestreben  sein.  Wir  können  es  auch,  wenn  wir 
der  Hebamme  nicht  befehlen,  dass  sie  bei  normalen  Geburten  die 
innere  Untersuchung  zu  unterlassen  habe,  sondern  wenn  wir 
sie  lehren  und  ihr  zeigen,  wie  sie  unter  Um¬ 
ständen  mit  der  äusseren  Untersuchung  allein 
auskommen  kann,  wenn  wir,  wie  Leopold  will,  sowohl 
im  Unterrichte  als  auch  in  der  praktischen  Prüfung  das  Schwer¬ 
gewicht  nicht  auf  die  innere,  sondern  auf  die  äussere  Unter¬ 
suchung  verlegen,  wenn  wir  —  zwar  nicht  wie  B  a  u  m  m 
denkt  —  die  innere  Untersuchung  als  eine  Last  empfinden  lassen, 
aber  ihre  regelmässige  Ausführung  doch  nicht 
vorschreiben.  Denn  obwohl  in  den  letzten  Dezennien  in  allen 
Ländern  des  Deutschen  Reiches  die  innere  Untersuchung  eine 
beträchtliche  Einschränkung  erfahren  hat,  so  ist  doch  gerade 
in  unserem  engeren  Vaterlande  an  der  Vorschrift  einer  zwei¬ 
maligen  Vornahme  der  inneren  Untersuchung  bei  jeder  Geburt 
festgehalten. 

Es  soll  dabei  gewiss  nicht  verschwiegen  werden,  dass  die 
Dienstanweisung  für  die  Hebammen  Bayerns  ausdrücklich  auf  die 
erhöhte  Gefahr  für  das  Kindbettfieber  aufmerksam  macht,  welche 
jede  erneute  innere  Untersuchung  mit  sich  bringt. 

Brechen  wir  also  mit  diesem  System  und  lassen  wir  uns  als 
ideales  Ziel  vor  Augen  schweben,  die  normale  Geburtshilfe  in 
Bahnen  zu  leiten,  welche  auch  den  nicht  ärztlich  vor¬ 
gebildeten  Helferinnen  die  Möglichkeit  bie¬ 
ten,  die  Geburt  allein  durch  die  äussere  Unter¬ 
suchung  zu  leiten.  Ich  überlasse  berufenerer  Seite  die 
Entscheidung,  ob  die  fernere  Vertiefung  des  Unterrichts  nach 
der  äusseren  Untersuchung  hin,  die  eventuelle  Erhebung  dieser 
zum  Prüfungsgegenstande  eine  V  erlängerung  der  Kurse 
erheischt.  Ist  dies  wirklich  der  Fall,  so  wird  sich  doch  der  Mehr¬ 
aufwand  an  Zeit  und  Mühe  reichlich  lohnen.  Der  Segen  für  die 
gebärende  Frau  ist  unverkennbar,  wenn  man  bedenkt,  dass  ein 
gewisser  Proze  ntsatz  der  Geburten  von  vornherein  jeder  Möglich¬ 
keit  einer  Infektion  entrückt  ist.  Und  dieser  Prozent¬ 
satz  wird  um  so  mehr  in  die  Flöhe  gehen,  je  grös¬ 
sere  Sorgfalt  auf  die  äussere  Untersuchung 
verwendet  wird  und  je  grössere  Uebung  sich 
di  eeinzelneHeb  am  mein  dieser  Untersuchungs¬ 
methode  an  eignet. 

Einige  der  wichtigsten  Arbeiten  auf  diesem 

Gebiet: 

L  e  o  p  o  1  d  und  P  anzor:  Die  Beschränkung  der  inneren 
und  die  grösstmögliche  Verwertung  der  äusseren  Untersuchung  in 
der  Geburtshilfe.  Arch.  f.  Gynäkologie  Bd.  38,  II.  Heft,  1890, 
pag.  330  ff.  —  Leopold  und  Spörlin:  Die  Leitung  der  regel¬ 
mässigen  Geburten  nur  durch  äussere  Untersuchung.  Arch.  f. 
Gyn.  Bd.  45,  II.  Heft,  1893,  pag.  335  ff. 


Veit:  Zur  Prophylaxe  des  Puerperalfiebers.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1891,  No.  19,  pag.  467  ff. 

Ahlfeld:  Die  Bedeutung  der  äusseren  Untersuchung  der 
Gebährenden  gegenüber  der  inneren.  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1896,  No.  44,  pag.  703  ff. 

Bau  mm:  Einschränkung  der  inneren  Untersuchung  in  der 
Hebammenpraxis.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1895,  No.  30, 
pag.  482. 


Die  giftigen  Arten  der  Familie  Rhus:  Rhus  diversi- 
loba,  Rhus  Toxicodendron  und  Rhus  venenata. 

Von  Dr.  Karl  Schwalbe  in  Los  Angeles  (Kalifornien). 

Es  ist  allgemein  bekannt,  welche  bedeutende  Rolle  unter 
den  Giftpflanzen  Nordamerikas  die  oben  angeführten  Arten  der 
Familie  Rhus  spielen.  Poison  oak,  Poison  ivy  (Gifteiche  und 
Giftefeu)  sind  die  englischen  Namen  dieser  in  verschiedenen 
Beziehungen  so  interessanten  Pflanzen.  Es  gibt  eine  ganze  An¬ 
zahl  von  Leuten,  welche  so  empfindlich  gegen  das  Gift  dieser 
Gewächse  sind,  dass  sie  nicht  wagen,  die  Orte,  wo  diese  schön 
aussehenden  Pflanzen  wachsen,  zu  besuchen.  Eine  Dermatitis 
venenata:  Bläschen,  Blasen  und  mehr  oder  weniger  weit  ver¬ 
breitete  erysipelatöse  Rötung  und  Schwellung  der  Haut,  ver¬ 
bunden  mit  heftigen  Schmerzen,  in  einzelnen  Fällen  mit  Fieber 
und  Störungen  der  Nierentätigkeit  und  allgemeinem  Krankheits¬ 
gefühl,  ist  die  unausbleibliche  Folge  eines  solchen  Besuches. 
Hier  in  Südkalifornien  habe  ich  bis  jetzt  nur  Rhus  diversiloba 
gefunden ;  in  den  mittleren  und  östlichen  Staaten  sind  Rhus 
Toxicodendron  und  venenata  die  gefährlichen  Arten.  Im  ganzen 
sind  nur  wenig  Untersuchungen  dieser  Pflanzen  gemacht  worden, 
wohl  weil  die  meisten  Forscher  die  Unannehmlichkeiten,  z.  T. 
sogar  Gefahren  der  Untersuchung  fürchteten.  1865  veröffent¬ 
lichte  John  M.  Maisch  eine  Arbeit  über  diesen  Gegenstand 
(On  the  active  Principle  of  Rhus  Toxicodendron).  Derselbe 
zeigte  in  dem  Destillate  der  frischen  Blätter  von  Rhus  Toxico¬ 
dendron  eine  Säure,  welche  er  Toxicodendric  acid  nannte  und 
welche  bis  heute  bei  vielen  Aerzten  der  Vereinigten  Staaten  als 
die  giftige  Substanz  der  Pflanze  gilt.  Maisch  machte  gar 
keine  Versuche,  die  Natur  der  Säure  näher  zu  bestimmen;  von 
Elementaranalyse  ist  keine  Rede.  Bei  den  Destillationen  litt 
derselbe  sehr  an  einem  reichlichen  Ausschlage  und  der  Bildung 
von  zahlreichen  Bläschen  auf  dem  Rücken  der  Hände  und 
Finger,  am  Handgelenk  und  den  nackten  Armen,  aber  nicht  im 
Gesicht.  Verschiedene  Personen,  welche  in  das  Zimmer  kamen, 
wo  er  destillierte,  wurden  mehr  oder  weniger  vergiftet;  ebenso 
zeigten  einige  Personen,  welchen  Maisch  nur  die  Hände 
schüttelte,  Ausschläge  an  den  Händen.  Bis  zum  Jahre  1897 
wurde  diese  Säure  allgemein  in  den  Vereinigten  Staaten  aner¬ 
kannt.  Da  zeigte  Franz  P  f  a  f  f ,  Professor  am  pharmakologischen 
Laboratorium  der  Harvard  Medical  School  in  Boston,  dass  das 
wirksame  Prinzip  von  Rhus  Toxicodendron  und  venenata  eine 
ölige  Substanz  ist  (The  Journal  of  Experimental  Medicine, 
Vol.  II,  No.  2,  1897).  Derselbe  untersuchte  ferner  das  Destillat 
der  frischen  Blätter  nach  der  Methode  von  Maisch  und  zeigte 
unzweifelhaft  durch  die  Elementaranalyse  des  Salzes,  dass  die 
sogen.  Toxicodendric  acid  nichts  weiter  als  Essigsäure  ist.  In 
P  f  a  f  f  s  Laboratorium  wurde  während  der  Destillation  der 
frischen  Blätter  niemand,  welcher  durch  das  Zimmer  ging  oder 
sich  in  demselben  aufhielt,  vergiftet.  Aus  den  getrockneten 
Blättern  machte  Pf  aff  einen  Alkoholaufguss.  Nach  einigen 
Wochen  wurde  der  Alkohol  abdestilliert;  es  blieb  eine  ölige,  in 
Wasser  unlösliche,  wohl  aber  in  Benzol,  Chloroform,  Alkohol, 
Aether,  Benzin,  Oel  etc.  lösliche  Substanz  zurück.  Durch  eine 
Reihe  von  Manipulationen  und  fraktionierte  Fällung  mit  Blei- 
azetat  wurde  eine  ölige  Substanz  von  sehr  grosser  Giftigkeit  er¬ 
zielt  (1.  c.,  pag.  186,  187).  Mit  diesem  sehr  giftigen  Oele, 
Toxicodendrol  genannt,  wurden  einige  Vergiftungsversuche  ge¬ 
macht,  welche  sehr  gute  Erfolge  hatten.  Bei  einer  Person  wurde 
mit  der  Anwendung  von  1/m  mg  am  Unterarme  eine  schwere 
Dermatitis  erzeugt;  der  ganze  Unterarm  war  geschwollen  und 
der  Schmerz  so  stark,  dass  Schlaf  für  einige  Nächte  unmöglich 
war.  Selbst  V1000  mg,  in  2  Tropfen  Olivenöl  aufgelöst,  erzeugte 
bei  einer  Person  einige  Dutzend  Bläschen  und  lokalisiertes 
Oedem.  Die  giftige  Substanz  wurde  von  P  f  a  f  f  in  allen  Teilen 
der  Pflanze  (Stengel,  Zweige,  Wurzel,  Blätter  und  Frucht)  ge¬ 
funden.  Selbst  alte  Stengel  und  Zweige,  welche  im  Laboratorium 
über  1  Jahr  auf  bewahrt  waren,  zeigten  das  Gift;  ebenso  Stengel 


30.  September  1902. _ MÜENCHENER  MEDICINISCRE  WOCHENSCHRIFT. 


ohne  Blätter,  welche  wochenlang  mit  Schnee  bedeckt  waren.  Im 
Jahre  1898  machte  Dr.  Louis  E.  Frank  in  Milwaukee  Wisc. 
(Remarks  on  Rhus  Toxicodendron.  Med.  Record,  16.  April  1898, 
pag.  551  etc.)  einige  wichtige  Mitteilungen  über  diesen  Gegen¬ 
stand.  .Da  die  Arbeit  nicht  in  den  V  i  r  c  li  o  w  -  H  i  r  s  c  h  sehen 
Jahresberichten  referiert  ist,  so  werde  ich  hier  die  Hauptsachen 
mitteilen.  Während  P  f  a  f  f  eine  Wirkung  auf  die  Eerne,  von 
der  Pflanze  ausgehend,  für  unmöglich  erklärt  und  eine  unmittel¬ 
bare  Berührung  der  Pflanze  oder  des  Oeles  für  nötig  hält,  gibt 
1  ran  k  Beispiele,  welche  zeigen,  dass  eine  Berührung  der 
1  flanze  nicht  absolut  nötig'  ist,  um  eine  Dermatitis  venenosa  zu 
bekommen. 

Der  erste  1  all  betrifft  ein  Kind  von  G  Jaliren,  welches  von 
einem  Diener  des  Nachmittags  gebadet  wurde,  nachdem  derselbe, 
gefeit  gegen  Poison  ivy,  den  ganzen  Vormittag  diese  Pflanze  aus¬ 
gerottet  und  sich  dann  die  Hände  mit  Seife  gewaschen  hatte.  Der¬ 
selbe  legte  seine  Hände  in  die  Achselhöhlen  des  Kindes  und 
tauchte  es  im  Wasser  unter.  Nach  3  Tagen  begann  die  Haut¬ 
aff  ektion  sich  zu  zeigen;  es  bildeten  sich  tiefe  Ulzerationen  in  den 
Achselhöhlen  und  die  übrigen  durch  die  Hände  des  Dieners  be¬ 
rührten  Stellen  der  Haut  zeigten  den  gewöhnlichen  Ausschlag. 
Das  Kind  starb.  (N.  York  Med.  Journ.  1873.) 

Einen  anderen  Fall  berichtet  Dr.  Cantreil  (Med.  News 
1901).  Eine  Frau  wurde  im  Hospital  zu  Philadelphia  während  des 
Wochenbettes  mit  Giftefeu  vergiftet.  Die  Wärterin  hatte  am  Tage 
der  Geburt  einen  Spaziergang  gemacht  und  die  Pflanze  gepflückt. 
Selbstverständlich  hatte  die  Wärterin,  bevor  sie  die  Wöchnerin 
versorgte,  ihre  Hände  mit  Seife  mehrere  Male  gewaschen.  3  Tage 
später  zeigte  die  Wöchnerin  einen  Bläschen-  und  Blasenausschlag 
von  5  Zoll  Durchmesser  in  der  Nabelgegend.  Der  Ausschlag  war 
mit  bräunlich-gelbem  Sekrete  bedeckt.  Zur  selben  Zeit  zeigte  sich 
der  Ausschlag  an  den  Händen  der  Wärterin.  Dr.  Walker 
(Med.  News  1891)  erzählt  folgenden  Fall:  Eine  Dame  schlief  mit 
ihrer  Schwester  in  demselben  Bette,  in  welchem  der  mit  Rhus 
infizierte  Gatte  der  Frau  die  Nacht  vorher  geschlafen  hatte. 
Das  Bettzeug  war  nicht  gewechselt.  Diese  Dame  bekam  Aus¬ 
schlag  im  Nacken  und  im  Gesicht,  während  die  Schwester,  die 
Gattin  des  verreisten  Mannes,  frei  blieb. 

Sicher  werden  sich  noch  eine  ganze  Anzahl  solcher  Beispiele 
finden  lassen.  Diese  3  genügen,  um  eine  Infektion  ohne  direkte 
Berührung  der  Pflanze  selbst  sehr  wahrscheinlich  zu  machen. 
Es  ist  daher  der  Schluss  sehr  natürlich,  dass  kleine  Teilchen 
der  Pflanze  übertragen  werden,  welche  das  giftige  Toxicodendrol 
(P  f  a  f  f )  enthalten.  Die  bedeutende  Giftigkeit  dieses  Stoffes 
('/■Mi — Viooo  wie  schon  oben  erwähnt)  legte  es  nahe,  einmal  eine 

gründliche  mikroskopische  Untersuchung  dieser  Pflanzengruppo 
zu  machen  und  zu  sehen,  welche  mikroskopisch  kleinsten  Teil¬ 
chen  das  Oel  enthalten.  Allgemein  ist  die  Ansicht,  dass  zur  Zeit 
der  Blüte  (beginnend  hier  im  Februar  oder  März)  die  Pflanze 
besonders  giftig  wirkt.  Dies  ist  in  der  Tat  der  Fall.  Der  Blüten¬ 
staub  enthält  das  giftige  Oel  in  kleinen  Mengen;  man  kann 
in  und  an  den  Pollenkörnern  das  Toxicodendrol  nackweisen.  Da 
aber  auch  in  Jahreszeiten,  wo  kein  Blütenstaub  vorhanden  ist, 
da.  auch  im  Winter,  wo  keine  Blätter  zum  Pflücken  des  schönen 
Giftstrauches  einladen,  die  giftige  Wirkung  der  Rhus  diversiloba 
dieselbe  ist,  so  musste  noch  eine  andere  Art  der  Uebertragung 
bestehen.  Dieselbe  konnte  ich  in  der  Tat  mit  Hilfe  des  Mikro¬ 
skops  leicht  nachweisen:  Die  ganze  Pflanze,  Wurzel,  Stengel, 
Blätter,  Stiele  der  einzelnen  Blüten,  die  Blütenblätter  sind  von 
Milchkanälen  durchzogen,  welche  in  ihrem  Milchsaft  das  Gift 
enthalten.  Auf  diesen  Kanälen  stehen  teils  gerade,  teils  ge¬ 
krümmte  Härchen,  in  welchen  sich  Toxicodendrol  nachweisen 
lässt.  Dasselbe  befindet  sich  oft  in  dem  Inneren  der  Härchen 
in  Form  von  kleinen  gelblichen  bis  gelblich  braunen  Kügelchen, 
hängt  aber  häufig  auch  an  den  Härchen  als  kleine,  unregelmässige 
Klümpchen.  An  den  Blättern  sind  die  Flärchen  an  der  Unter¬ 
seite  derselben,  und  zwar  immer  nur  auf  den  Milchgef ässen ;  die 
Stengel  sind  mehr  oder  weniger  dicht  mit  einem  Haarpelz  be¬ 
deckt,  desen  einzelne  Haare  immer  auf  den  reichlichen  Milcli- 
gefässen  der  Stengelhaut  stehen.  Die  Grösse  der  Härchen 
schwankt  sehr. 

Durch  Auf  stellen  von  flachen  Schalen  mit  Glyzerin  und 
Wasser  unter  den  Büschen  des  Sumacli  und  Zentrifugieren  dieser 
Flüssigkeit  kann  man  sehr  leicht  die  Härchen  in  der  Luft  nach¬ 
weisen.  Wenn  nun  diese  Härchen  mit  der  menschlichen  Haut  in 
Berührung  kommen,  so  findet  die  Vergiftung  statt,  vorausgesetzt-, 
die  betreffende  Person  ist  empfänglich  für  das  Gift.  Die  kleinen 
Härchen  bleiben  besonders  in  den  Oeffnungen  der  Schweissdrüsen 
haften,  und  so  erklärt  sich  sehr  leicht  die  allgemeine  Beobachtung, 
dass  stark  schwitzende  Körperteile  leichter  ergriffen  werden.  Hier 
sind  die  Oeffnungen  der  Schweissdrüsen  weit  offen  und  so  ist  ein 

No.  39. 


1617 


leichteres  Eindringen  möglich.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  verschiedene  Uautbescliaffenkeit  der  einzelnen  Menschen  zum 
Feil  diese  Verschiedenheit  in  der  Wirkung  erklärt.  Andererseits 
ist  ganz  entschieden  die  verschiedene  Blutbeschaffenheit  der  Men¬ 
schen  von  grosser  Bedeutung.  Es  scheint,  als  wenn  die  Nahrung 
Einfluss  hätte.  Die  Herbivoren  werden  von  Gifteiche  wenig  oder 
gar  nicht  vergiftet.  Pferde  fressen  mit  Vorliebe  den  Giftsumach. 
Auch  Kaninchen  können  wochenlang  damit  gefüttert  werden, 
ebenso  Kühe,  während  Hunde  stark  vergiftet  werden.  Andere 
Gifte  verhalten  sich  ganz  ähnlich.  Bienenstiche,  Wanzenbisse, 
i  lohstiche  werden  von  vielen  Menschen  sehr  schmerzhaft  em¬ 
pfunden,  von  anderen  gar  nicht.  So  sind  mir  z.  B.  Mücken, 
Flöhe,  Wanzen  ganz  gleichgültig.  Man  sieht  den  Stich,  aber  es 
tritt  keine  reaktive  Entzündung  ein.  Ich  kenne  eine  Anzahl  von 
Bienenzüchtern,  die  gegen  die  Bienenstiche  ganz  unempfindlich 
geworden  sind.  Jedenfalls  bieten  alle  diese  Gifte  noch  viel  Ge¬ 
legenheit  zum  Forschen.  Die  Literatur  über  die  Erscheinungen 
der  Dermatitis  venenata  und  besonders  über  die  Behandlung  der¬ 
selben  ist  ziemlich  reichhaltig.  Eine  amerikanische  Familie, 
deren  Kinder  grosse  Gebirgsfreunde  sind,  aber  sehr  durch  Gift¬ 
eiche  zu  leiden  hatten,  gab  mir  folgendes  vorzügliches  Mittel  an. 
Man  wasche  die  Haut  aller  Körperteile,  welche  der  Einwirkung 
des  Giftes  ausgesetzt  werden  könnten,  mit  einer  !4 — Vs — 1  proz. 
Lösung  von  Kaliumkarbonat,  bevor  man  in  eine  Gegend  geht, 
wo  diese  Giftpflanze  wächst.  Nach  der  Rückkehr  nehme  man 
,  dieselbe  Waschung  vor,  aber  lauwarm.  Eine  Stunde  später  noch 
einmal.  Am  nächsten  Morgen  wird  dieselbe  Behandlung  wieder¬ 
holt.  Dies  genügt  meistens.  Sollten  sich  dann  dennoch  sjDäter 
einige  Bläschen  zeigen,  so  werden  dieselben  in  gleicher  Weise  be¬ 
handelt.  Dr.  A.  T.  Hudson  (An  Antidote  to  the  Rhus  poi- 
soning ;  Med.  Record,  30.  J  uli  1898)  lobt  am  meisten  eine  Lösung 
von  Salmiak  in  lauwarmem  Wasser  (1,6  Proz.).  Diese  Lösung 
wird  in  Kompressen  und  in  häufigen  Waschungen  appliziert.  Der 
Erfolg  soll  ein  sehr  guter  sein.  Ich  halte  es  sogar  für  möglich, 
dass  der  prophylaktische  Gebrauch  fast  ebenso  gute  Erfolge  haben 
wird,  als  derjenige  des  Kaliumkarbonats. 

Los  Angeles,  Ende  Februar  1902. 

P.  S.  Durch  den  Umstand,  dass  die  Absendung  dieser  Mit¬ 
teilung  verzögert  wurde,  hatte  ich  Gelegenheit  die  Arbeit 
Dreyers:  Primula  obconica  als  Krankheitsursache,  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  14,  1902,  S.  574,  zu  lesen.  Auch  in  dieser 
Pflanze  enthalten  die  Haare  das  Gift,  und  wie  es  scheint,  eine 
bestimmte  Art  von  Haaren.  Mir  war  es  niebt  möglich,  unter  den 
vielen  Tausenden  von  Haaren  der  Rhus  diversiloba,  welche  ich 
untersucht  habe,  besondere  Gifthaare  zu  finden,  obgleich  es  ohne 
Zweifel  ist,  dass  viele  Haare  kein  Gift  enthalten. 

Los  Angeles,  Anfang  Mai  1902. 


Aus  dem  gerichtsärztlichen  Institute  der  k.  k.  Jag.-Universität 

in  Krakau. 

Ueber  die  neue  Lungenprobe. 

Von  Prof.  Dr.  Leo  Wach  holz. 

Seitdem  S  clireyer  im  Jahre  1863  seine  einfache,  bis  jetzt 
unübertroffene  Lungenschwimmprobe  in  die  Literatur  und  in  die 
Praxis  einführte,  war  man,  da  diese  Probe  nicht  unter  allen 
Umständen  darüber  Aufschluss  erteilt,  ob  ein  Kind  lebend  oder 
tot  geboren  wurde,  wiederholt  bemüht,  sie  durch  eine  andere,  ein¬ 
wandfreiere  zu  ersetzen.  Es  mehrten  sich  nun  im  Laufe  der 
Zeit  verschiedene  Vorschläge  neuer  Lebensproben,  die  sich  aber 
leider  bald  als  nicht  stichhaltig  erwiesen  und  in  der  Folge  nur 
den  Literaturschatz  bereicherten.  Dasselbe  Los  war  den  in  den 
letzten  J ahren  von  M  a  1  v  o  z  *)  und  Kockel* 2)  mitgeteilten 
Lebensproben  beschieden. 

Vor  kurzem  erschien  eine  interessante  Arbeit  Placzeks3), 
in  welcher  der  Verfasser  über  eine  neue,  von  ihm  angeregte 
Lungenprobe  berichtet.  Diese  neue  Probe  beruht  auf  Druck¬ 
messung  im  Brustraume  mittels  eines  Quecksilbermanometers. 
Hat  nämlich  das  Kind  nicht  geatmet,  so  ist  der  Druck  im  Brust- 

9  Siehe:  Binda  in  Giornale  di  medicina  legale  1896,  S.  21. 

-)  Nach  den  in  nächster  Zeit  erscheinenden  Untersuchungen, 
die  Horoszkiewicz  und  G  1  i  n  s  k  i  in  unserem  Institut  aus¬ 
führten,  erwies  sich  die  Kockel  sehe  Nabelprobe  nicht  stich¬ 
haltig. 

3)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  7. 


5 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


1618 


raume  gleich  Null,  hat  es  aber  geatmet,  so  muss  daselbst  ein 
negativer,  am  Manometer  leicht  festzustellender  Druck  entstehen. 
Ich  übergehe  die  theoretischen  Erwägungen  Placzeks,  füge 
aber  noch  hinzu,  dass  diese  neue  Lungenprobe  in  der  vom  Ver¬ 
fasser  angegebenen  Weise  unter  Zuhilfenahme  eines  eigens  zu 
diesem  Zweck  konstruierten  Troikarts  ausgeführt  werden  soll. 

Der  freundlichen  Zuvorkommenheit  Herrn  Dr.  Placzeks 
verdanke  ich  den  Besitz  dieses  nach  seinen  Angaben  in  Berlin 
angefertigten  Troikarts,  mit  dem  ich  einige  Versuche  an  Leichen 
Neugeborener  ausführte,  über  die  ich  hier  kurz  Bericht  erstatten 
möchte.  Bevor  ich  aber  an  die  Mitteilung  meiner  diesbezüglichen 
Erfahrung  komme,  möchte  ich  zuvor  rein  theoretisch  die  neue 
Lungenprobe  nach  den  sonst  bekannten  Gesichtspunkten  erwägen 
und  mit  der  alten  Lungenschwimmprobe  vergleichen. 

Gegen  die  Sclireyer  sehe  Lungenschwimmprobe  sind,  wie 
bekannt,  manche  Einwände  erhoben  worden.  Diese  Einwände  be¬ 
ziehen  sich  auf  die  Tatsachen,  dass  luftleere  Lungen  durch  Fäul¬ 
nis  schwimmfähig  werden  können,  dass  die  Luft  noch  im  Mutter¬ 
leibe  in  die  fötalen  Lungen  spontan,  nach  erfolgter  Geburt  durch 
künstliches  Lufteinblasen  oder  durch  künstliche  Atmung  einge¬ 
drungen  sein  konnte,  dass  endlich  ein  Kind  lebend  geboren  wor¬ 
den  sein  konnte  und  trotzdem  seine  Lungen  aus  mehreren  Ur¬ 
sachen  bei  der  späteren  Obduktion  sich  luftleer  erweisen  können. 
All’  diese  Einwände  müssen  sich  nun  auch  auf  die  neue  Lungen¬ 
probe  Placzeks  beziehen,  und  es  bleibt  ihr  keiner  von  den¬ 
selben  erspart,  denn  1.  ist  es  doch  gleichgiltig,  ob  die  Lungen  des 
Kindes  noch  im  Mutterleibe  oder  erst  nach  erfolgter  Geburt, 
durch  selbständige  oder  durch  künstliche  Atmung  lufthaltig  ge¬ 
worden  sind,  da  es  sich  hier  um  die  blosse  Ausdehnung  der  Lungen 
handelt,  deren  Elastizität  dann  den  negativen  Druck  im  Brust¬ 
raume  erzeugt;  und  2.  der  negative  Ausfall  der  Probe  bei  wieder 
vollständig  luftleer  gewordenen,  somit  in  den  fötalen  atelekta- 
tischen  Zustand  zurückgesunkenen  Lungen  nicht  bestritten  wer¬ 
den  kann.  Was  nun  die  Fäulnis  der  Lungen  anbelangt,  so  wird 
auch  zugegeben  werden  müssen,  dass  bei  weit  gediehener  Fäulnis, 
wenn  sich  die  Fäulnisgase  auch  in  den  Lungenalveolen  an¬ 
sammelten  und  sie  ausdehnteh,  ein  positiver  Erfolg  der  neuen  ■ 
Probe  desgleichen  zu  erwarten  ist.  Hier  wird  somit  auch  die 
Unzulänglichkeit  der  neuen  Probe  zu  verzeichnen  sein.  Aus 
dieser  Erwägung  ist  es  nun  ersichtlich,  dass  die  Placzek  sehe 
Lungenprobe  vor  der  Sclireyer  sehen  Schwimmprobe  nicht 
den  geringsten  Vorteil  besitzt. 

Vergleichen  wir  jetzt  die  Technik  dieser  beiden  Lebensproben. 
Wenngleich  auch  die  Ausführung  der  neuen  Lungenprobe  keine 
besonderen  Handfertigkeiten  erheischt,  muss  sie  doch  als  viel  um¬ 
ständlicher  als  die  Ausführung  der  Schwimmprobe  bezeichnet 
werden  und  sei  es  nur  deswegen,  weil  die  neue  Probe  eines  eigens 
dazu  nötigen,  ziemlich  gracil  gebauten  Instrumentes  bedarf.  Bei 
meinen,  gemeinschaftlich  mit  Herrn  Institutsassistenten  Dr. 
Horoszkiewicz  ausgeführten  Versuchen  habe  ich  mich  von 
einigen  Schattenseiten  des  von  Placzek  angegebenen  Instru¬ 
mentes  überzeugt.  Wird  nämlich  das  Troikart  in  der  von 
Placzek  angegebenen  Weise  in  den  von  der  Haut  blossgelegten 
Interkostalraum  eingestochen,  so  kann  es  geschehen,  dass  die 
Lunge  verletzt,  somit  der  Ausfall  der  Probe  vereitelt  wird.  Ist 
dies  geschehen,  so  kommt  aber  der  grosse  Vorteil  dieser  Probe  zur 
Geltung,  dass  man  nach  ihrem  Misslingen  die  Schwimmprobe 
in  ihre  ehrwürdig  bewährten  Rechte  unbeschadet  treten  lassen 
kann.  Nimmt  man  die  neue  Probe  an  der  Leiche  eines  nicht  ganz 
reifen  Kindes  oder  an  einer  äusserlich  angefaulten  Leiche  vor, 
so  erscheinen  die  schwach  entwickelten  oder  durch  Fäulnis  ge¬ 
lockerten  Interkostalmuskeln  wenig  dazu  geeignet,  um  die  ein¬ 
gestochene  Troikarthülse  luftdicht  einzuschliessen,  weswegen  ich 
auch  bei  meinen  Versuchen  später  den  Troikart  durch  die  Haut¬ 
decken  selbst  eingestochen  habe.  Ist  das  Instrument  schon  in  den 
Brustraum  eingeführt,  so  muss  nach  Entfernung  des  stilett- 
förmigen  Bolzens,  das  zur  Verbindung  mit  dem  Manometer 
dienende  Ansatzstück  der  Iliilse  abgeschraubt,  sodann  nach  er¬ 
folgter  Manometerverbindung  wieder  angeschraubt  werden,  wo¬ 
bei  bei  der  unvermeidbaren  Bewegung  der  eingestochenen  Ftülse 
eine  Erweiterung  der  Einstichöffnung  zumal  bei  gelockerten 
Muskeln  und  Lufteintritt  von  aussen  in  den  Brustraum  zu  be¬ 
fürchten  ist.  Durch  das  neuerliche  Anschrauben  des  bereits  mit 
dem  Manometer  verbundenen  Ansatzstückes  der  Hülse  wird  die 
in  dem  \  erbindungsroh r  befindliche  Luft  stets  etwas  komprimiert, 


was  sich  gleich  durch  Sinken  der  Flüssigkeitssäule  in  dem  mit  der 
Troikarthülse  verbundenen  Manometerarm  kundgibt.  Wird  jetzt 
der  Hahn  des  Troikarts  geöffnet,  so  gleicht  sich  zuerst  der  Mano¬ 
meterstand  aus  und  dann  erfolgt  erst  ein  Heben  der  Flüssigkeits¬ 
säule  in  demselben  Manometerarme,  falls  selbstverständlich  im 
gegebenen  Brustraume  negativer  Druck  herrscht.  Dabei  muss 
man  stets  peinlich  Obacht  geben,  damit  der  elastische  Verbin¬ 
dungsschlauch  zwischen  Hülse  und  Manometer  nicht  gedreht,  ge¬ 
drückt  oder  gezerrt  wird,  sonst  entstehen  unliebsame  Ueber- 
raschungen,  die  den  Ausfall  der  Probe  gänzlich  vereiteln  können. 
Was  die  Art  der  Manometer  anbelangt,  so  haben  mich  schon  meine 
ersten  Versuche  belehrt,  dass  ein  Quecksilbermanometer,  den 
Placzek  empfohlen,  nur  unbedeutende  Ausschläge  gibt,  des¬ 
wegen  habe  ich  ihn  bei  weiteren  Versuchen  durch  einen  Wasser¬ 
manometer  ersetzt. 

Um  dem  unbequemen  und,  wie  schon  oben  angedeutet  wurde, 
leicht  zur  Vereitelung  des  Ausfalls  dieser  Probe  führenden  Ver¬ 
bindung  des  Ansatzstückes  mit  dem  Manometer  zu  begegnen,  wäre 
nach  meiner  Ansicht  und  Erfahrung  ein  zweiteiliger,  d.  i.  mit 
einem  seitlichen  Rohr  versehener  Troikart  vorteilhafter.  Dies 
seitliche  Rohr  könnte  dann  konstant  mit  dem  Wassermanometer 
in  Verbindung  stehen,  wodurch  das  Ab-  und  Anschrauben  des 
Ansatzstückes  der  bereits  schon  eingestochenen  Troikarthülse 
wegfiele. 

Schon  nach  Ausführung  mehrerer  Versuche  fiel  mir  die  Mit¬ 
teilung  Büdingens4)  in  die  Hand,  in  der  Büdingen  einige 
der  von  mir  hier  erwähnten  Schattenseiten  des  Placzek  sehen 
Troikarts  hervorhebt  und  auf  seinen  im  Jahre  1896  konstruierten 
Thoraxdruckmesser,  als  auf  ein  zur  Vornahme  der  Placzek- 
schen  neuen  Lungenprobe  weit  sicherer  anzuwendendes  Instru¬ 
ment  hinweist.  Ich  muss  in  dieser  Hinsicht  dem  Thoraxdruck¬ 
messer  Büdingens  die  Ueberlegenheit  über  den  sonst  ein¬ 
fachen  Placzek  sehen  Troikart  zugestehen,  wiewohl  anderer¬ 
seits  der  Thoraxdruckmesser  als  ein  viel  zu  kompliziertes  In¬ 
strument  bezeichnet  werden  muss,  welches  in  der  Praxis  eines 
weniger  beschäftigten  Gerichtsarztes  oder  sonst  auch  zumal  durch 
Zeit  und  Benützung  leicht  leistungsunfähig  werden  kann. 

Es  erübrigt  mir  noch  zu  erwähnen,  dass  ich  bei  einigen  meiner 
Versuche,  die  mit  dem  Placzek  sehen  Troikart  ausgeführt  wor¬ 
den  sind,  ungleiche  Resultate  an  beiden  Brustseiten  derselben 
Kindesleiche  erzielte,  trotzdem  der  Luftgehalt  beider  Lungen  der 
gleiche  war.  So  war  z.  B.  an  einer  42  cm  langen  Leiche  eines  neu¬ 
geborenen  Kindes,  welches  3  Tage  gelebt  hat,  linkerseits  nega¬ 
tiver  Druck  gleich  6  cm  Wassermanometer,  rechterseits  hingegen 
Druck  gleich  Null  festzustellen.  Trotz  dieses  Druckunterschiedes 
waren  beide  Lungen  luftliältig  und  fiel  die  mit  ihnen  gesondert 
ausgeführte  Schwimmprobe  positiv  aus.  Denselben  Erfolg  hatte 
ich  an  einer  Leiche  eines  nicht  vollständig  ausgetragenen  Kindes 
zu  verzeichnen.  Die  Leiche  wurde  aus  dem  Weichselfluss,  in  einer 
Blechbüchse  eingeschlossen  und  mit  denaturiertem  Alkohol  be¬ 
gossen,  ausgefischt.  Die  Lungen  waren  beiderseits  lufthaltig 
(vom  Alkohol  nicht  angegriffen,  da  derselbe  nur  die  Hautdecken 
teilweise  diffundiert  und  gehärtet  hat)  und  trotzdem  fiel  rechter¬ 
seits  die  Probe  positiv,  linkerseits  negativ  aus.  Die  Ursache 
dieser  ungleichen  Resultate  bestand  in  der  beim  Einstich  des 
Troikarts  entstandenen  Lungen  Verletzung.  An  einer  frischen 
Leiche  eines  totgeborenen  Kindes  erhielt  ich  positiven  Ausfall 
der  Probe,  d.  i.  der  Wassermanometer  zeigte  1  cm  negativen 
Druckes.  Bei  der  nachher  ausgeführten  Schwimmprobe  zeigten 
sich  die  vorderen  Partien  der  Lungenoberlappen  schwimmfähig, 
somit  lufthaltig,  und  es  wurde  mir  aus  der  hiesigen  Gebäranstalt 
mitgeteilt,  dass  das  Kind  intra  partum  starb  und  man  trotzdem 
bei  ihm  die  üblichen  Wiederbelebungsversuche  (künstliches 
Atmen)  angewendet  hat.  Dieser  Fall  bewies  die  grosse  Empfind¬ 
lichkeit  der  neuen  Probe.  Dieselbe  Empfindlichkeit  kommt  aber 
auch  der  alten  Schwimmprobe  zu. 

Die  von  mir  angestellten  Versuche  halte  ich  für  nicht  ab¬ 
geschlossen  und  werden  dieselben  an  entsprechendem  Material 
weitergeführt,  trotzdem  kann  ich  schon  jetzt  meine  Ansicht  über 
die  neue  Lungenprobe  dahin  aussprechen, 

1.  dass  der  von  Placzek  angeregten  Lungenprobe,  welche 
sich  auf  unerschütterliche  physiologische  Tatsachen  stützt,  wirk¬ 
licher  Wert  nicht  abgesprochen  werden  kann; 


4)  Münch,  med.  YVoelienschr.  1902,  No.  22. 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1619 


2.  dass  aber  dieselbe  weit  umständlicher  als  die  Lungen- 
schwimmprobe  ist,  und  nicht  für  frei  von  den  gegen  die  letztere 
erhobenen  Einwänden  gehalten  werden  kann;  endlich 

3.  dass  sie  von  erfahrener  Hand  und  nur  bei  gleichzeitiger 
Vornahme  der  Lungenschwimmprobe,  am  besten  mit  Hilfe  eines 
zweiteiligen  Troikarts,  dessen  seitliches  Rohr  mit  dem  Wasser¬ 
manometer  konstant  verbunden  wäre,  ausgeführt  werden  sollte 

Ungeachtet  dieser  Einwände  gebührt  Placzek  das  Ver¬ 
dienst,  auf  die  noch  zu  gerichtsärztlichen  Zwecken  nicht  ver¬ 
wertete  physiologische  Tatsache  der  Entstehung  des  negativen 
Druckes  im  Brustraume  bei  lufthaltigen  Lungen  und  auf  die 
darauf  gestützte  neue  Lungenprobe  hingewiesen  zu  haben. 


Zwei  Fälle  von  spontan  geheilter  Perforations¬ 
peritonitis. 

Von  Dr.  Adolf  Weber,  Arzt  in  Alsfeld. 

Wenn  ich  im  folgenden  2  Fälle  von  Perforationsperitonitis 
mitteile,  die  ohne  operativen  Eingriff  geheilt  sind,  so  tue  ich  dies 
nicht,  um  damit  den  Beweis  anzutreten,  dass  die  Laparotomie 
bei  dieser  schwersten  Form  der  Bauchfellentzündung  entbehrlich 
sei.  Ich  möchte  nur  einen  Beitrag  zu  der  äusserst  dürftigen 
Kasuistik  *)  der  Spontanheilung  dieser  Erkrankung  liefern. 

1.  Frau  K„  39  Jahre  alt,  in  O.  leidet  seit  mehreren  .Jahren 
an  zeitweise  auftretenden  Gallensteinkoliken.  Letzter  Anfall  im 
September  1899.  Die  messerscheue  Patientin  will  trotz  meines 
dringenden  Zuredens  von  einer  Operation  nichts  wissen.  Anfang 
August.  1900  normale  Geburt.  s 

Am  27.  IX.  1900  tritt  plötzlich,  ohne  alle  Vorboten,  ein  heftiger 
Kolikanfall  unter  typischen  Erscheinungen  auf  —  rasende,  boh¬ 
rende  Schmerzen  im  Rücken,  hochgradige  Druckempfindlichkeit  in 
der  Gallenblasengegend  und  im  Epigastrium.  häufiges,  galliges 
Erbrechen.  Trotz  einer  M orphi u m i n j ek t i o n  halten  die  Schmerzen 
bis  zum  anderen  Morgen  an.  Da  ändert  sich  auf  einmal  das  Bild. 
Die  Frau  kollabiert.  Die  Schmerzen  sind  wie  durch  einen  Zauber¬ 
schlag  aus  der  Rücken-  und  Lebergegend  verschwunden  und 
treten  mehr  in  der  Nabel-  und  Unterbauchgegend  auf.  Der  behan¬ 
delnde  Kollege  stellte  jetzt,  die  Diagnose:  Perforation  eines  Gallen¬ 
steines  in  die  freie  Bauchhöhle. 

Es  entwickelte  sich  nun  das  Bild  einer  allgemeinen  Peri¬ 
tonitis  —  starker  Meteorismus,  Druckempfindlichkeit  des  ganzen 
Abdomens,  Erbrechen,  Stuhlverstopfung,  Fieber  und  beschleu¬ 
nigter  Puls.  Am  10.  X.  treten  zwei  lang  andauernde  Schüttel¬ 
fröste  auf,  denen  ein  starker  Schweissausbruck  folgt.  Als  ich 
am  15.  X.  die  Patientin  sah,  konnte  ich  folgenden  Befund  erheben: 

Mittelgrosse,  gut  genährte,  recht  kräftig  gebaute  Frau.  Haut 
und  Augenbindehäute  blass.  Kein  Ikterus.  Puls  150,  Tem¬ 
peratur  39°.  Die  Mund-  und  Rachenhöhle  sind  mit  einer  dicken 
Soorlage  bedeckt.  Während  der  Untersuchung  tritt  Erbrechen 
ein.  Die  Brustorgane  sind  gesund. 

Der  Leib  ist  stark  aufgetrieben  und  druckempfindlich.  Ganz 
besonders  heftige  Schmerzen  werden  ausgelöst  bei  der  Unter¬ 
suchung  der  Gegend  links  vom  Nabel.  Hier  fühlt  man  einen 
kleinen  kugeligen  Tumor,  der  sich  nach  rechts  in  eine  fast  arms¬ 
dicke,  nach  der  Spina  Superior  anterior  ilei  ziehende  Geschwulst 
fortsetzt.  Von  hier  aus  kann  man  einen  dritten,  nach  oben 
ziehenden,  mit  der  Atmung  nicht  verschieblichen  Tumor  ver¬ 
folgen,  der  von  der  Leber  weder  palpatorisck,  noch  perkutorisch 
abzugrenzen  ist. 

Die  vaginale  Untersuchung  (Prof.  Walther)  ergab,  dass 
die  Tumoren  weder  von  dem  Genitaltraktus  ausgehen,  noch  mit. 
ihm  in  Zusammenhang  stehen. 

Verordnung:  Eisblase,  Kognak,  Digitalis. 

In  den  folgenden  Tagen  trat  langsam  die  Besserung  ein,  das 
Erbrechen  hörte  auf.  der  Puls  wurde  langsamer,  Stuhlgang  er¬ 
folgte  täglich  ohne  Nachhilfe  1 — 2  mal. 

Am  1.  XI.  war  nur  noch  der  Tumor  links  vom  Nabel  fühlbar. 
Puls  114.  Seit  2  Tagen  sind  auch  die  abendlichen  Temperatur¬ 
fiteigerungen  verschwunden. 

Bis  zur  völligen  Genesung  vergingen  allerdings  noch  einige 
Wochen.  Kurz  vor  Weihnachten  ergab  die  Untersuchung  keine 
Residuen  der  vorausgegangenen  schweren  Erkrankung. 

Seit  1  y2  Jahren  hat  die  Frau  auch  keine  Gallensteinkoliken 
mehr  gehabt. 

2.  R.  B„  25  Jahre  alt,  in  A.  fällt  am  26.  X.  1900  aus  einer 
Hohe  von  5  Metern  auf  die  Füsse,  kippt  um  und  schlägt  mit  der 
linken  Seite  auf  eine  Eisenbahnschiene.  Ich  finde  neben  den  Er¬ 
scheinungen  eines  schweren  Schocks  einen  linksseitigen  doppelten 
Knöchelbruch  mit  so  hochgradiger  Verschiebung  des  Fusses  nach 
innen,  dass  das  obere  Fibulastück  die  Haut  fast  durchbohrt.  Da 
mir  wegen  der  heftigen  Alteration  des  Nervensystems  die  Chloro- 


*)  Niemeyer-Seitz  schreibt  noch:  Für  die  Möglichkeit 
einer  Heilung  dieser  Form  gibt  es  kaum  verbürgte  Beispiele.  Die 
von  Courvoisier  gesammelten  70  Fälle  von  Peritonitis  (Per- 
foration  der  Gallenblase  oder  Gallengänge)  endeten  sämtlich  töd¬ 
lich. 


iormnarkose  nicht  rätlich  erscheint,  so  schiebe  ich  die 
des  Bruches  vorerst  auf. 


Reposition 


...  ~  Stunden  später  finde  ich  den  Patienten  hochgradig  anämisch 

über  Schmerzen  in  der  linken  Seite  klagend.  Um  die  Quelle  der 
vermuteten  inneren  Blutung  festzustellen,  untersuche  ich  das  Ab¬ 
domen.  Ein  Flussigkeitserguss  ist  nicht  nachweisbar.  Die  Milz- 
damptung  ist  vorhanden.  Die  Spannung  der  Bauchmuskeln  ist 
nicht,  verändert.  Dagegen  findet  sich  vom  linken  Seliulterblatt- 
winkel  abwärts  absolute  Dämpfung.  Kein  Rippenbruch.  21  Tage 
später  werden  durch  Tunkt  ion  in  der  hinteren  Achsellinie  des 
!).  Interkostalraums  400  ccm  flüssiges  Blut  entleert. 

Am  29.  X.,  66  Stunden  nach  dem  Unfall,  tritt  bei  dem  Pa¬ 
tienten,  dem  es  verhältnismässig  ganz  gut  ging,  plötzlich  ein 
schwerer  Kollaps  auf,  dem  sich  die  heftigsten  Leibschmerzen,  so¬ 
wie  häufiges  Erbrechen  anschliessen. 

Bei  der  erneuten  Untersuchung  bin  ich  erstaunt  über  die 
ausserordentliche  Veränderung,  die  mit  dem  Patienten  vorge¬ 
gangen  ist.  Das  Gesicht  ist  verfallen,  die  Haut  fühlt  sich  kühl 
an,  der  Tuls  ist  unzählbar,  der  Bauch  ist  fassförmig  aufgetrieben, 
Leber-  und  Milzdämpfung  sind  verschwunden,  Temperatur  39°. 

Ich  verordne  Analeptika,  Eisblase  und  Opium,  später  Digitalis' 

Am  30.  X.  Morgens  ist  die  Temperatur  37,3  °,  steigt  aber  bis 
zum  Abend  auf  39,2°.  Der  Bauch  ist  noch  prall  aufgetrieben,  auf 
Druck  jedoch  nicht  besonders  schmerzhaft.  Ein  Exsudat  ist  nicht 
nachzuweisen.  Kein  Erbrechen. 

Am  31.  X.  Morgens  Temperatur  37,8°.  Nachmittags  2  Uhr  sehr 
heftige  Schüttelfröste  ohne  Schweissausbruch,  Temperatur  40,5  °. 

1.  XI.  Leber-  und  Milzdämpfung  wieder  vorhanden.  In  der 
linken  Unterbauchgegend  deutliche  -Dämpfung.  Hier  auch  Druck¬ 
empfindlichkeit.  Abends  Temperatur  40,4  °,  Puls  128. 

Vom  2. — 5.  XI.  bestehen  noch  Temperatursteigerungen.  Die 
Pulszahl  geht  auf  90  herunter.  Der  Leib  wird  weich. 

Nachdem  in  den  folgenden  Tagen  noch  hier  und  da  leichte 
Fieberbewegungen  bis  38,9°  aufgetreten  waren,  stellten  sich  nach 
und  nach  wieder  normale  Verhältnisse  ein.  Auch  die  Dämpfung 
in  der  linken  Unterbauchgegend  verschwand. 


Am  13.  XII.  Avurde  Patient  auf  seinen  Wunsch  in  die  Heimat 
entlassen.  Der  Knochenbruch  war  unter  mässiger  Kallusbildung 
bei  beweglichem  Fussgelenke  gut  geheilt.  Unterhalb  des  linken 
Schulterblattes  war  die  Atmung  etwas  abgeschwächt  und  der 
Schall  ein  wenig  kürzer  als  rechts.  Das  Abdomen  zeigte  nichts 
Abnormes.  Appetit  und  Stuhlgang  normal. 

Es  handelt  sich  hier  unzweifelhaft  um  eine  Perforations- 
peritonitis  nach  einem  die  Bauchwand  treffenden  stumpfen 
Trauma.  Zur  Erklärung  des  oben  beschriebenen  Krankheits¬ 


bildes  nehme  ich  an,  dass  infolge  des  Falles  auf  die  linke  Seite 
eine  Quetschung  und  später  eine  umschriebene  Nekrose  der  Darm¬ 
wand  erfolgte.  Da  Patient  während  der  letzten  3  Tage  nur 
flüssige  Kost  zu  sich  genommen  hatte,  so  trat  ausser  den  Gasen 
nur  eine  so  geringe  Menge  des  Darminhaltes  in  die  freie  Bauch¬ 
höhle,  dass  dieselbe  nicht  hinreichte,  um  eine  allgemeine  jauchige, 
zum  Tode  führende  Peritonitis  zu  veranlassen.  Die  Perforations¬ 
öffnung  legte  sich  dann  wohl  an  die  Bauchwand  oder  an  das 
Mesenterium  oder  an  eine  andere  Darmschlinge.  Vielleicht  auch 
schloss  die  Darmschleimhaut  wie  ein  Pfropf  den  entstandenen 
Defekt  und  verhütete,  so  eine  erneute  Infektion  des  Bauchfelles. 


Zur  Prophylaxe  des  Keuchhustens. 

Von  Dr.  C.  S  t  a  m  m  in  Hamburg. 

Wenn  uns  auch  die  Bakteriologie  mit  Sicherheit  einen  spe¬ 
zifischen  Erreger  der  Pei’tussis  noch  nicht  kennen  gelehrt  hat,  so 
ist  doch  die  Infektiosität  der  Krankheit  von  Alters  her  nicht 
mehr  bezweifelt  worden,  und  stets  waren  deshalb  die  Aerzte  dar¬ 
auf  bedacht,  Keuchhustenkranke  zu  isolieren.  Leichter  als  bei 
Masern  und  Scharlach  gelingt  es  beim  Keuchhusten  durch  Ab¬ 
sperrungsmassnahmen  die  Infektion  einzuschränken,  weil  der  ver¬ 
mutliche  Krankheitserreger  weniger  flüchtig  zu  sein  scheint;  je¬ 
doch  erfolgt  die  Uebertragung  nicht  allein  direkt  vom  Kranken 
aus,  sondern  auch  vermittelt  durch  Gesunde  oder  durch  Klei¬ 
dungsstücke,  Spielsachen  etc.,  an  welchen  der  Auswurf  haftet. 
Als  bewiesen  muss  angenommen  werden,  dass  der  expektoriei’te 
Schleim  der  Keuchhustenkranken  den  Infektionskeim  birgt.  Es 
ist  bekannt,  dass  Keuchhustenkranke  von  der  Schule  ferngehalten 
werden  müssen,  und  dass  die  Instruktionen  für  Lehi'er  und 
Kindergärtnerinnen  dahin  lauten,  solchen  Kindern  den  Schul¬ 
besuch  zu  verbieten. 

Die  mangelnde  Kenntnis  des  spezifischen  Krankheitserregers 
hat  nun  zur  natürlichen  Folge,  dass  wir  auch  nicht  mit  einem 
spezifischen  Heilmittel  der  Pertussis  ausgerüstet  sind.  Ti’otz 
aller  reklamehaften  Anpreisungen  von  pharmazeutischen  Keuch¬ 
hustenheilmitteln  müssen  wir  gestehen,  dass  bisher  auch  nicht 
eines  den  Anforderungen  eines  in  jedem  Falle  wirksamen  Mittels 
entsprochen  hat.  Wir  müssen  uns  noch  immer,  xvie  schon 


5* 


vor 


No.  39. 


MUENCFIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Jahrzehnten,  mit  Medikamenten  begnügen,  die  beruhigend  und 
antispaemodisch  wirken. 

Dass  die  keuchhustenkranken  Kinder  beim  Aufenthalt  im 
Freien  weit  seltener  von  Anfällen  heimgesucht  werden  als  im 
Zimmer,  und  besonders  Nachts,  ist  sowohl  durch  tägliche  Er¬ 
fahrung  jetles  Arztes,  als  auch  durch  genaue  Untersuchungen 
(TJ  11  mann)  bewiesen  worden.  Der  Rat,  die  Kinder  ins  Freie 
zu  bringen,  möglichst  auch  im  Winter,  wird  daher  von  den 
Eltern  gern  befolgt.  Die  Prophylaxe  des  Keuchhustens  lässt  es 
jetloch  notwendig  erscheinen,  Eltern  und  Pflegerinnen  einzu¬ 
schärfen,  die  kranken  Kinder  von  den  öffentlichen  Spielplätzen, 
von  dem  Zusammensein  mit  gesunden  Kindern  fernzuhalten. 
Trotz  mancher  gegenteiliger  Behauptungen  wird  in  der  Behand¬ 
lung  des  Keuchhustens  die  Luftveränderung  als-  ein  nicht  un¬ 
wesentlicher  Heilfaktor  gerühmt,  und  daher  nimmt  man  nicht 
ungern,  besonders  in  der  warmen  Jahreszeit,  seine  Zuflucht  zu 
einem  Ortswechsel  der  Kinder.  Eine  Uebersiedelung  keuch¬ 
hustenkranker  Kinder  kann  natürlich  leicht  die  Krankheit  von 
einem  Platz  zum  anderen  verschleppen;  die  betreffende  Ortsver¬ 
waltung  ist  deshalb  in  vollem  Recht,  wenn  sie  verlangt,  dass  die 
eingewanderten  Keuchhustenkinder  isoliert  gehalten  werden 
müssen. 

Die  Prophylaxe  des  Keuchhustens  muss  jedoch  noch  auf 
andere  Misstände  Rücksicht  nehmen,  auf  Misstände,  die  mir  bei 
Gelegenheit  eines  beabsichtigten  Transportes  eines  Keuchhusten¬ 
kindes  aufgefallen  sind,  und  die  einem  weiten  Leserkreise  zu 
unterbreiten  Zweck  meiner  Mitteilung  ist. 

Bei  dem  Aufenthaltswechsel  der  Keuchhustenkinder  wird 
eine  längere  oder  kürzere  Eisenbahnfahrt  nicht  zu  vermeiden 
sein.  Die  Bestimmungen,  welche  bei  der  Staatseisenbahn  be¬ 
treffs  Beförderung  ansteckender  Krankheiten  bestehen,  sind  der¬ 
artig  abgefasst,  dass  die  Verwaltung  jeden  Fall  einer  anstecken¬ 
den  Krankheit,  von  dem  sie  Kenntnis  bekommt,  von  der  Fahrt 
ausschliessen  kann  resp.  darf,  wenn  nicht  eine  ganze  Wagen¬ 
abteilung  zu  vollem  Preise  bezahlt  wird.  Von  einer  nachherigen 
Desinfektion  des  Wagens  auf  Privat-  oder  Staatskosten  steht 
in  den  Satzungen  nichts;  vielleicht  ist  es  als  selbstverständlich 
zu  betrachten,  dass  eine  Abteilung,  welche  eigens  zum  Transport 
eines  ansteckenden  Kranken,  wie  z.B.  eines  Diphtherie-  oder  Schar¬ 
lachkranken,  in  Anspruch  genommen  ist,  nach  dem  Gebrauch 
gehörig  desinfiziert  wird.  Weitaus  am  häufigsten  von  den  an¬ 
steckenden  Krankheiten  werden,  aus  den  oben  angegebenen  Grün¬ 
den,  Keuchhustenkinder  transportiert.  Die  Eisenbahn  verlangt 
nun,  selbst  wenn  ein  ärztliches  Zeugnis  die  notwendige  Isolierung 
des  Kindes  bescheinigt,  dass  die  Angehörigen  auf  ihre  Kosten 
eine  ganze  Wagenabteilung  nehmen,  also  den  6 — 8  fachen  Fahr¬ 
preis  bezahlen.  Natürlich  weigert  sich  jedermann  auf  dieses  Ver¬ 
langen  einzugehen,  meldet  den  Krankheitsfall  nicht  bei  der 
Eisenbahnverwaltung,  und  das  Keuchhustenkind  fährt  in 
grösserer  oder  kleinerer  Gesellschaft,  wie  es  der  Zufall  bringt, 
nach  seinem  Bestimmungsorte.  Unterwegs  treten  Anfälle  auf, 
trotz  aller  Vorsicht  seitens  der  Begleitung  ist  der  Auswurf  nicht 
ganz  aufzufangen,  er  beschmutzt  Gardinen,  Teppiche  etc.,  und 
wird,  von  anderen  empfänglichen  Insassen  des  Wagens  einge¬ 
atmet,  zur  Quelle  neuer  Infektionen.  Auf  die  prophylaktischen 
Massnahmen  anderen  schwereren  Infektionskrankheiten  gegen¬ 
über,  die  aber  seltener  zum  Transport  kommen,  will  ich  hier  nicht 
eingehen.  Die  Beförderung  keuchhustenkranker  Kinder  er¬ 
fordert,  dass  das  zu  benutzende  Coupe  leicht  zu  des¬ 
infizieren  ist,  dass  also  Polsterung  fehlt  oder  mit  ab¬ 
waschbarem,  wasserdichtem  Stoff  bedeckt  ist,  dass  Teppiche  nicht 
benutzt  werden  oder  durch  eine  desinfizierbare  Unterlage  ersetzt 
werden,  dass  Gardinen  und  Rouleaux  abgenommen  werden.  Von 
grösster  Wichtigkeit  aber  ist,  dass  die  Isolierungskosten 
geringere  werden. 

Vielleicht  genügt  diese  kurze  Mitteilung,  um  bei  den  mass¬ 
gebenden  Kreisen  erhöhtes  Interesse  an  der  Prophylaxe  der  In¬ 
fektionskrankheiten  zu  erwecken  und  die  Ausführung  meiner 
Vorschläge  zu  veranlassen. 


Beiderseitige  Ophthalmoplegia  interna,  hervorgerufen 
durch  Extractum  Secalis  cornuti. 

Von  Dr.  P.  Schneider,  Augenarzt  in  Magdeburg. 

Kürzlich  konsultierte  mich  ein  30  jähriger  Werkmeister  wegen 
folgender  Beschwerden.  Seit  einigen  Tagen  könne  er  des  Morgens 
nicht  mehr  lesen,  nur  mit  einem  starken  Konvexglase  gehe  es 
einigennassen;  das  Sehen  in  die  Ferne  sei  ganz  gut,  jedoch  sähen 
alle  Gegenstände  feuerrot  aus  und  seien  merkwürdig  verzerrt. 
Gegen  Mittag  werde  das  Lesen  langsam  besser,  und  gegen  4  Uhr 
seien  alle  Beschwerden  an  den  Augen  verschwunden.  Ausserdem 
leide  er  an  Schwindel,  Ohnmachtserscheinungen,  Mattigkeit  und 
Zittern  in  den  Gliedern. 

Der  objektive  Befund  ergab  folgendes:  mit  -j-  0,5  sphar. 
besteht  volle  Sehschärfe;  die  Pupillen  sind  fast  maximal  erweitert, 
reagieren  jedoch  etwas  auf.  Beleuchtung  und  Konvergenz.  Das 
Akkommodationsvermögen  ist  fast  ganz  aufgehoben;  Akkommo¬ 
dationsbreite  =  2  Dioptrien.  Die  äusseren  Augenmuskeln  sind  in¬ 
takt;  Augenspiegelbefund  normal,  Gefässe  der  Retina  vielleicht 
etwas  verengt,  doch  noch  in  physiologischer  Breite.  —  Es  handelt 
sich  also  um  eine  beiderseitige  typische  Ophthalmoplegia  interna, 
wobei  das  Rotsehen  wohl  als  eine  Folge  der  Blendung  durch  die 
sehr  stark  erweiterte  Pupille  aufzufassen  ist  (cf.  Erythropsie  nach 
Staroperationen  etc.). 

Was  nun  die  Aetiologie  anbetrifft,  so  schloss  eine  Allgemein¬ 
untersuchung  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems  aus 
(Tabes,  Bulbärparalyse  etc.),  desgleichen  Allgemeininfektionen 
(Diphtherie,  Tuberkulose,  Lues,  Diabetes  etc.),  auch  lag  keine 
Erkältung  und  kein  Trauma  vor,  es  blieben  so  eigentlich  nur 

noch  die  Intoxikationen  übrig. 

Dieses  bestätigte  sich  auch,  indem  ich  durch  Nachfragen  er¬ 
fuhr,  dass  Patient  seit  einiger  Zeit  Extractum  Secalis  cornuti  ein¬ 
nahm  und  zwar  2  mal  täglich  0,2,  Abends  vor  dem  Schlafengehen 
und  früh  Morgens  nüchtern.  Er  hatte  bis  jetzt  16  derartige  Pulver 
verbraucht,  jedoch  nach  den  ersten  10  nur  etwas  Zittern  in  den 
Gliedern  gespürt  und  erst  bei  den  letzten  die  auffälligen  Allgemein- 
und  Augensymptome  bekommen,  so  dass  wohl  eine  Art  von  kumu¬ 
lativer  Wirkung  anzunehmen  ist. 

Ordination  bestand  abgesehen  von  kräftiger  Diät  und  Schutz¬ 
brille  nur  darin,  dass  das  Einnehmen  von  Secale  ausgesetzt  wurde, 
worauf  in  den  nächsten  Tagen  sich  die  Sehstörung  noch  zeigte, 
wenn  auch  in  abnehmendem  Masse,  und  dann  gänzlich  ver¬ 
schwand,  \im  nicht  wieder  zu  kommen.  Desgleichen  sind  jetzt 
auch  die  Allgemeinerscheinungen  (Schwindel,  Zittern)  ver¬ 
schwunden. 

Was  nun  den  Fall  in  ophthalmologischer  Beziehung  anbe¬ 
trifft,  so  sind  derartige  Beobachtungen  nur  spärlich  in  der  Lite¬ 
ratur  vertreten.  So  erwähnt  Schmidt-Rimpler  in  seinem 
bekannten  Werke  „Erkrankungen  des  Auges  in  Zusammenhang 
mit  anderen  Krankheiten“  einen  Fall  von  Kort  new  (Nagels 
Jahresbericht  1892,  S.  518),  wo  die  an  Kriebelkrankheit  Leiden¬ 
den  über  periodisch  auf  tretendes  Trübsehen  klagten.  Hervor¬ 
heben  möchte  ich  noch,  dass  in  meinem  Falle  beide  Linsen  nicht 
die  leiseste  Kataraktbildung  zeigten,  vielleicht  weil  Patient  keine 
Krampfanfälle  gehabt  hat. 

Praktisch  ist  der  Fall  dadurch  bemerkenswert,  dass  bei  einer 
Dosis  von  2  mal  täglich  0,2  Extract.  Secal.  cornut.  derartig 
schwere  Intoxikationserscheinungen  sich  einstellten,  wobei  wohl 
nicht  unberücksichtigt  bleiben  darf,  dass  das  Mittel  zum  Teil  auf 
nüchternen  Magen  genommen  worden  ist.  Ueber  die  Dosierung 
des  Präparates  sind  bekanntlich  die  Ansichten  noch  verschieden, 
was  bei  der  Unsicherheit  über  die  Menge  der  in  der  Droge  ent¬ 
haltenen  wirksamen  Bestandteile  (Ergotinsäure,  Sphacelotoxin, 
Cornutin)  auch  nicht  wundernehmen  kann.  In  den  meisten 
Anweisungen  findet  man:  Zu  0,1 — 0,5  mehrmals  täglich  in  Pillen, 
Pulvern  und  in  subkutaner  Injektion.  In  der  Pharmacopoea  ger¬ 
manica  ist  das  Extract.  Secalis  cornuti  nicht  in  der  Maximal¬ 
dosentabelle  enthalten,  wohl  aber  in  der  Pharmacop.  helvetica 
(0,1  pro  dosi  bis  0,5  pro  die)  und  in  der  Pharmacop.  austriaca 
(0,5  pro  dosi  bis  1,5  pro  die),  die  also  auch  erheblich  in  der  Höhe 
der  Einzel-  und  Tagesgabe  variieren. 

Immerhin  fordert  der  Fall  zur  Vorsicht  in  der  Dosierung 
auf,  insonderheit  hüte  man  sich  davor,  das  Mittel  zu  lange 
hintereinander  zu  geben. 


Ueber  einen  Fall  von  gallenfarbstofthaltigem  pleuri- 

tischen  Exsudat. 

Von  Dr.  Rank  in  Arnswalde. 

Bezugnehmend  auf  den  Vortrag  des  Herrn  Kollegen 
v.  C  r  i  e  g  e  r  n  in  der  medizinischen  Gesellschaft  zu  Leipzig  vom 
8.  Juli  1902  (cf.  diese  Wochenschr.  1902,  No.  35,  S.  1483  f.)  er- 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1621 


laube  ich  mir,  über  einen  in  mancher  Beziehung  ähnlichen  Fall 
zu  berichten: 

Am  7.  Januar  0.  J.  wurde  ich  zu  dem  65  jährigen  Haus¬ 
mann  IV.  auf  einem  benachbarten  Gute  gerufen.  Ich  fand  einen 
kachektisch  aussehenden  Mann,  der  über  heftige  Atembeschwer¬ 
den  und  das  Gefühl  von  Fülle  und  Spannung  "im  Bauch  klagte. 
Er  sei  früher  stets  gesund  gewesen,  kräftig  und  gut  genährt,  "bis 
vor  etwa  einem  Vierteljahr  Appetitmangel  und  häufiges  Aufstossen 
sich  gezeigt  habe.  Durch  dieses  Magenleiden  sei  er  so  hochgradig 
abgemagert. 

Temperatur  37,8,  Puls  120,  klein,  etwas  flatternd,  aber  regel¬ 
mässig. 

Im  Abdomen  geringer  Aszites;  durch  die  schlaffen  Bauch¬ 
decken  fühlt  man  deutlich  in  der  Gegend  des  Pylorus  und  des 
linken  Leberlappens  harte,  knollige  Tumormassen.'  Die  Leber  ist 
im  übrigen  vergrössert,  hart  Die  linke  Thoraxseite  ist  stark  aus¬ 
gedehnt,  wie  die  Untersuchung  ergibt,  durch  ein  pleuritisches  Ex¬ 
sudat,  das  bis  zur  Spina  scapulae  reicht.  Durch  Punktion  wurden 
etwa  300  ccm  einer  ziemlich  klaren,  rötlichbraunen  Flüssigkeit  ent¬ 
leert,  die  dem  Aussehen  nach  Blut-  oder  Gallenfarbstoff  enthalten 
musste.  Die  Untersuchung  ergab:  Bilirubin  in  geringer  Menge 
(G  m  e  1  i  n  sehe  Probe);  die  Urobilinprobe  (Ammoniak  und  Zink¬ 
sulfat)  ergab  ein  stark  positives  Resultat.  Dagegen  war  Blut  oder 
rote  Blutkörperchen  weder  chemisch  noch  mikroskopisch  nach- 
weisba  r. 

Das  Exsudat  reichte  nunmehr  nur  noch  bis  zur  Puuktions- 
stelle,  nirgends  an  der  Pleura,  soweit  sie  nun  zu  untersuchen  war, 
fanden  sich  Zeichen  pleuriti scher  Prozesse.  Das  Exsudat  stieg 
nicht  wieder.  Patient  ging  0  "Jage  später  marantisch  zu  Grunde. 

Es  handelte  sich,  wie  die  Palpation  erwies,  um  ein  Magen- 
(Pylorus-)karzinom  mit  Lebermetastasen.  Ob  auch  Metastasen  in 
anderen  Organen,  namentlich  in  der  Lunge  vorhanden,  liess  sich 
leider  nicht  feststellen,  da  eine  Obduktion  nicht  gestattet  wurde. 
Es  ist  jedoch  die  Möglichkeit  von  Metastasen  in  der  Lunge  resp. 
allgemeiner  Karzinomatose  nicht  auszuschliessen,  und  es  liesse 
sich  das  Pleuraexsudat,  das  angeblich  ohne  jeden  Husten  und  ohne 
Schmerzen  entstanden  war  und  bestand,  auf  eine  Karzinomatose 
der  Lunge,  speziell  der  linken,  zurückführen.  Denn  dass  Lungen¬ 
krebs  pleuritisches  Exsudat  veranlassen  kann,  wird  von  Stint- 
z  i  n  g  ausdrücklich  erwähnt  (Penzoldt-Stintzings  Handbuch  der 
Therapie  innerer  Krankheiten,  II.  Auf!..  Bd.  III.  S.  432). 

Was  nun  den  Gallenfarbstoff  in  dem  v.  O  r  i  e  g  e  r  n  sehen 
Falle  betrifft:  sollte  er  nicht  statt  durch  den  Blutgehalt  des  Ex¬ 
sudates  durch  die  luetische  Lebereirrhose  mit  folgender  Gallen¬ 
stauung  bedingt  sein?  Oder  durch  Blutgehalt  und  Gallenstauung? 

In  meinem  Falle  erscheint  mir  der  Gallenfarbstoff  im  Exsudat 
nur  durch  die  Lebermetastasen  mit  ihren  Folgen  und  zwar  hin¬ 
reichend  erklärt,  obwohl  sonst,  keine  Zeichen  von  Ikterus  vor¬ 
handen  waren.  Denn  Blut  war  nicht  nachzuweisen.  Für  das 
Ueberwiegen  des  Urobilins,  also  reduzierten  Bilirubins,  habe  ich 
in  der  mir  zugänglichen  Literatur  keine  Erklärung  gefunden. 

Nach  dem  geschilderten  Falle  kann  ich  mich  mit  der  These  2 
des  Kollegen  v.  Cr  leger  n:  „In  den  seltenen  Fällen,  in  welchen 
das  Vorkommen  von  Gallenfarbstoff  sehr  reichlich  ist.  bedeutet  es 
einen  stärkeren  Blutgehalt  des  Exsudats,  jedoch  mit  der  Modi¬ 
fikation,  dass  es  auf  ein  längeres  Bestehen  desselben  hinweist“, 
nicht  einverstanden  erklären.  Ich  meine  vielmehr:  Es  gibt  auch 
reichlich  gallenfarbstoffhaltige  Exsudate,  ohne  dass  an  Blutgehalt 
des  Exsudats  gedacht  werden  müsste. 


Zur  Aetiologie  der  Narkolepsie. 

Von  Dr.  FI.  Guleke  in  Windau  (Kurland). 

Kurz  nachdem  ich  durch  den  Aufsatz  von  Dr.  L.  Loewen- 
feld  in  der  No.  25  dieser  Wochenschrift  mit  dem  Krankheitsbilde 
der  Narkolepsie  bekannt  geworden  war,  fand  sich  in  meiner 
Sprechstunde  eine  an  dieser  Krankheit  leidende  Patientin  A.  K. 
ein.  Es  war  eine  Frau  von  48  Jahren,  von  mangelhaftem  Er¬ 
nährungszustände,  anämisch,  die  ich  früher  mehrfach  wegen  sehr 
hartnäckiger  Keratitis  und  wegen  Metritis  behandelt  hatte.  Die 
4/  E-  teilte  mir  gleich  zu  Anfang  mit,  sie  leide  an  einer  eigen¬ 
tümlichen  Krankheit,  indem  ihr  plötzlich  die  Beine  schwach  würden, 
so  dass  sie  sich  hinsetzen  müsse,  und  zwar  verliere  sie  die  Kraft 
zur  Zeit  gewöhnlich  in  einem  Bein,  es  sei  abwechselnd  das 
rechte  oder  das  linke.  Auf  Befragen  gab  sie  an,  dass  dieses  be¬ 
sonders  leicht  beim  Lachen  passiere,  und  dass  sie  auch  sehr  häufig 
im  Laufe  des  Tages  einschlafe;  wenn  es  auf  der  Strasse  geschehe, 
habe  sie  gewöhnlich  noch  Zeit,  sich  auf  eine  Treppe  oder  der¬ 
gleichen  zu  setzen.  Während  des  Schlafes  höre  sie,  was  um  sie 
her  vorgehe,  könne  aber  nicht  sprechen. 

Die  körperliche  Untersuchung  ergab  wenig  Abweichungen  von 
der  Norm,  abgesehen  von  der  Anämie  und  allgemeinen  Atrophie. 
Die  Reflexe  waren  vorhanden,  Herz  und  Lunge  normal,  der  Puls 
78,  hart,  kein  Albumen,  kein  Zucker.  lieber  ihre  Lebens-  und  Er¬ 
nährungsweise  befragt,  gab  die  A.  K.  zu,  sich  ganz  vorwiegend 
von  Kaffee  zu  nähren  und  sonst  sehr  wenig  zu  essen;  sie  ver¬ 
braucht  ca.  2  Vg  Liter  Kaffee  den  Tag,  ausser¬ 
dem  gegen  1  Liter  T  li  e  e.  Der  Appetit  nach  den  übrigen 
Speisen  fehlt.  Zugleich  bestand  Obstipation. 

Es  scheint  mir  nicht  gewagt,  die  Entstehung  der  Narkolepsie 
in  diesem  Falle  mit  dem  Missbrauch  des  Kaffees  in  Verbindung 
zu  bringen.  Kionka1)  beschreibt  die  Erscheinungen  beim  chro¬ 


nischen  Koffeinismus  folgender  massen:  „Die  meisten  Kaffee¬ 
trinker  klagen  über  Kopfschmerzen,  der  Schlaf  ist  unruhig,  die 
Leute  werden  zu  Neurasthenike  r  n.  Sie  klagen 
über  Hyperästhesien,  sie  sind  unlustig  wegen  eines  a  1 1  g  e  - 
m  einen  S  c  li  wächegefühle  s,  und  wegen  H  e  r  a  b.  - 
Setzung  der  Muskelkraft  unfähig  zur  Arbeit  etc.“ 
Das  Gewicht  möchte  ich  darauf  legen,  dass  K.  sagt,  „die 
Leute  werden  zu  Neurasthenikern“.  Denn  ich  glaube,  wir  können 
das  Krankheitsbild  „Narkolepsie“,  welches  Loewenfeld  „als 
einen  Morbus  sui  generis“  betrachtet,  zwanglos  in  die  Reihe  der 
Symptomenkomplexe  der  Neurasthenie  einreihen.  Die  abnorm 
leichte  Erschöpfbarkeit  der  motorischen  Sphäre  ist  doch  für 
Neurasthenie  charakteristisch,  und  auf  diese  Ursache  lässt  sich 
das  gesamte  Krankheitsbild  der  Narkolepsie  zurückführen.  Es 
scheint  mir  nicht  nur  aus  didaktischen  Gründen,  sondern  auch 
im  Interesse  des  leichteren  Ueberblickes  wünschenswert,  nicht 
gar  zu  viele  Krankheiten  sui  generis  zu  kreieren,  wenn  dieses 
nicht  unbedingt  erforderlich  ist.  Im  übrigen  will  ich  nicht  be¬ 
hauptet  haben,  dass  in  jedem  Falle  von  Narkolepsie  Koffeinismus 
die  Ursache  ist.  sondern  glaube  gern,  dass  auch  andere  Ursachen, 
die  Neurasthenie  zur  Folge  haben,  den  von  Dr.  Loewenfeld 
in  dankenswerter  Weise  ans  Licht  gezogenen  Symptomenkomplex 
zu  Tage  fördern  können. 


Rudolf  Virchow.  -f- 

Zum  Gedächtnis. 

Am  5.  September  dieses  Jahres  ist  Rudolf  Virchow 
nach  längerer  Krankheit  sanft  entschlafen.  Mehr  als  ein  halbes 
J ahrhundert  ist  dahingegangen,  seit  der  V erblichene  seine  ruhm¬ 
bedeckte  Laufbahn  als  Forscher  und  Lehrer  begonnen  hat. 

Wenn  bei  dem  Versuche1),  die  hohen  Verdienste  Vir¬ 
chow  s  um  die  Entwicklung  der  medizinischen  Wissenschaft 
wenigstens  in  allgemeinen  Umrissen  ins  Gedächtnis  zu  rufen, 
das  Können  hinter  dem  Wollen  zurückbleibt,  so  möge  eine  ge¬ 
wisse  Entschuldigung  darin  liegen,  dass  angesichts  der  Viel¬ 
seitigkeit  und  Fruchtbarkeit  desselben  eine  kurze  Zusammen¬ 
fassung  seiner  umfassenden  Leistungen  keine  leichte  Aufgabe 
ist;  die  unvermeidlichen  Lücken  in  der  Darstellung  dürften  je¬ 
doch  bei  einem  Forscher,  dessen  Bedeutung  und  Einfluss  auf  die 
medizinische  Wissenschaft  längst  in  Fleisch  und  Blut  der  ärzt¬ 
lichen  Welt  übergegangen  sind,  wenig  ins  Gewicht  fallen. 

Rudolf  Virch  ow,  geboren  am  13.  Oktober  1821  zu 
Schivelbein,  einer  kleinen  Stadt  in  Pommern,  absolvierte  seine 
medizinischen  Studien  als  Zögling  des  Friedrich- Wilhelm-Insti- 
tutes  zu  Berlin.  Unter  seinen  Lehrern  war  der  Einfluss  von 
Johannes  Müller  (1801 — 1858),  des  Begründers  der  exakten 
naturwissenschaftlichen  Methode  auf  dem  Gebiete  der  Anatomie, 
Physiologie  und  pathologischen  Anatomie,  derjenige,  der  am 
meisten  anregend  und  befruchtend  wirkte.  In  der  warm  em¬ 
pfundenen  Gedächtnisrede,  die  Virchow  auf  seinen  berühmten 
Lehrer  hielt,  spricht  er  sich  folgendennassen  aus  :  „Seine  Hand 
war  es,  die  die  ersten  Schritte  des  medizinischen  Lehrlings  leitete; 
sein  Wort  war  es,  das  mir  die  Doktorwürde  zusprach;  unter 
seinem  Dekanat  hielt  ich  die  erste  öffentliche  Vorlesung  als 
Privatdozent;  aus  der  grossen  Zahl  der  Schüler  war  ich  der 
einzige,  der  auf  seinen  eigenen  Vorschlag  neben  ihm  im  engen 
Kreise  der  Fakultät  zu  sitzen  gerufen  war,  dem  er  einen  wich¬ 
tigen  Teil  seines  alten  Gebiets  freiwillig  überliess.“ 

Im  J ahre  1844  begann  Virchow  die  pathologisch-ana¬ 
tomische  Laufbahn  als  Assistent  von  Robert  F  rorie  p,  der  die 
Prosektur  am  Leichenhause  der  Charite  bekleidete,  und  wurde 
1846  dessen  Nachfolger.  Im  folgenden  Jahre  habilitierte  er  sich 
an  der  Berliner  Universität  und  begründete  mit  Benno  Rein¬ 
hardt  das  Archiv  für  pathologische  Anatomie  und  Physiologie- 
und  für  klinische  Medizin,  welches  nach  dem  1852  erfolgten  Ab¬ 
leben  Reinhardts  von  Virchow  allein  fortgeführt  wurde 
und  gegenwärtig  bei  dem  170.  Bande  angekommen  ist. 

Im  Jahre  1849  folgte  der  junge  Gelehrte,  der  sich  in  Berlin 
politisch  missliebig  gemacht  hatte,  einem  höchst  ehrenvollen  Rufe 
nach  Würzburg,  wo  er  bis  1856  blieb.  Diese  Berufung  bildet 
einen  Ruhmestitel  der  scharfblickenden  Würzburger  medizini¬ 
schen  Fakultät  und  der  bayerischen  Regierung,  die  es  unternahm, 
trotz  der  rückläufigen  politischen  Strömung  nach  1848 
Virchow  zum  Ordinarius  zu  ernennen.  Noch  heute  sprechen 
die  damaligen  Schüler,  die  namentlich  in  unserem  engeren  Vater¬ 
lande  zahlreich  vertreten  sind,  mit  wahrer  Begeisterung  von 
jener  Periode,  wo  sie  das  Glück  hatten,  den  genialen  jugend- 


9  Liebreich:  Enzyklopädie  der  Therapie  sub  „Coffea  L“. 


9  Vergl.  diese  Wochenschr.  No.  41,  1891. 


1022 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


liehen  Forscher  zu  hören,  der  sich  im  Sturmschritt  sein  Terrain 
eroberte,  rasch  Schule  machte  und  bald  die  Hauptanziehungs¬ 
kraft  der  zu  neuem  Leben  erblühten  medizinischen  Fakultät  der 
altberühmten  Julius-Maximilians-Universität  bildete.  Als 
Virc  li  o  w  nach  einigen  J  ahren  nach  Berlin  berufen  wurde, 
wusste  man  in  Würzburg  diesen  unersetzlichen  Verlust  zu  wür¬ 
digen  ;  die  Worte,  die  Kölliker  in  der  Festsitzung  der  physio¬ 
logisch-medizinischen  Gesellschaft  an  den  scheidenden  Kollegen 
richtete,  sprechen  dies  deutlich  aus:  „Tn  Vircliow  verlieren 
wir  nicht  nur  einen  edlen  und  charakterfesten  Freund,  nein,  in 
ihm  geht  uns  auch  ein  hochbegabtes  geistiges  Element,  unsere 
beste  Kraft  dahin.  Indes  ich  dies  ausspreche,  bin  ich  weit  ent¬ 
fernt  davon,  die  Verdienste  aller  derer  schmälern  zu  wollen, 
welche  seit  Jahren  mit  so  unermüdlichem  Fleisse  der  Gesell¬ 
schaft  Opfer  gebracht  haben  und  noch  bringen,  denn  keiner  kann 
die  Leistungen  dieser  Männer  freudiger  anerkennen  als  ich; 
nichtsdestoweniger  ist  es  meine  innerste  Heberzeugung,  dass 
keiner  die  Bedeutung  und  die  Endzwecke  unserer  Gesellschaft  so 
erfasst  und  in  seinen  Bestrebungen  so  glücklich  verfolgt  hat, 
wie  V  i  r  c  h  o  w,  und  weiss  ich  auch  gewiss,  dass  Sie  alle,  meine 
Herren,  diese  Ueberzeugung  mit  mir  teilen.  Virchows  Be¬ 
deutung  für  unsere  Gesellschaft  lag  übrigens  nicht  bloss  in 
seinen  wissenschaftlichen  Leistungen,  so  Grosses  und  Ein¬ 
greifendes  dieselben  auch  zutage  förderten  und  so  anregend  und 
belehrend  dieselben  auch  wirkten,  dieselbe  beruht  ebenso  sehr  auf 
dem  Geiste,  mit  dem  er  das  Ganze  durchdrang.  —  Wer  von  Ihnen 
erinnert  sieh  nicht  an  seine  unermüdlich  wiederholten  An¬ 
regungen  zur  Erforschung  der  naturhistorischen  Verhält¬ 
nisse  unseres  Landes  im  weitesten  Sinne,  die  denn  auch  zum  Teil 
schon  schöne  Früchte  trugen,  und  anerkennt  nicht,  was  Vir- 
chow  selbst  in  seinen  Arbeiten  über  die  Not  im  Spessart,  den 
Hungertyphus  in  Franken  und  den  Kretinismus  in  dieser  Ee- 
ziehung  Bedeutendes  geleistet  hat?  So  kam  es,  dass  Virchow 
nicht  bloss  als  Forscher,  als  Gelehrter,  sondern  auch  als  leitender 
Gedanke  für  die  Gesellschaft  von  der  grössten  Bedeutung  war, 
und  dass  uns  sein  Weggang  auch  in  dieser  Beziehung  auf  das 
empfindlichste  berührt.“  —  Bei  einer  anderen  Gelegenheit  hob 
Kölliker  hervor,  dass,  wenn  die  Anatomen  und  Aerzte,  die 
Physiker  wie  die  Chemiker  an  der  konsequenten  und  unermüd¬ 
lichen  Weise,  mit  der  Virchow  einer  exakten  Naturforschung 
huldigte,  ein  Vorbild  sich  nehmen  konnten,  die  Mediziner  im 
besonderen  ihm  die  Einsicht  in  den  wahren  Wert 
der  pathologischen  Anatomie  und  Physio¬ 
logie,  als  der  Basis  ihrer  ganzen  Wissenschaft,  schulden. 

Tn  Berlin  trat  Virchow  bald  an  die  Spitze  des  auf 
seine  Veranlassung  erbauten  pathologischen  Instituts,  welches 
das  Vorbild  zahlreicher  ähnlicher  Institute  werden  sollte,  die  im 
In-  und  Ausland  im  Laufe  der  folgenden  Jahrzehnte  errichtet 
wurden. 

Es  war  eine  trübe  Zeit  in  Deutschland  für  den  Stand  der 
Naturwissenschaften  und  der  Medizin,  die  erste  Hälfte  des 
vorigen  Jahrhunderts!  Es  war  die  Zeit  desi  Herrschen»  der 
Schelling  sehen  Naturphilosophie,  die  alle  Erscheinungen 
aus  der  Idee  des  Absoluten  abzuleiten  versuchte,  wo  das  Netz 
philosophischer  Spekulation  den  Ruin  der  Naturwissenschaft 
gründlich  herbeigeführt  hatte.  Eine  Reihe  bedeutender  Forscher 
(Oken,  Döllinger,  Walther)  hatten  sich  dieser  Richtung 
angeschlossen ;  Männer,  wie  Blumenbac h,  Sömmering, 
Meckel  u.  a.,  die  das  Prinzip  der  Beobachtung  hochhielten, 
standen  auf  verlorenen  Posten.  In  den  vierziger  Jahren  hatte 
die  glänzende  Periode  der  französischen  Medizin,  die  in  Männern 
wie  Bichat,  Laennec,  Pinel,  Corvisart,  Cruveil- 
h  i  e  r  und  Dupu  y  treu  ihre  Hauptvertreter  stellte,  ihren  Ab¬ 
schluss  gefunden;  in  Wien  hatte  das  medizinisch-wissenschaft¬ 
liche  Leben  durch  Rokitansky  und  Skoda  einen  neuen 
Aufschwung  genommen. 

Sch  w  a  n  n  und  Schleiden  hatten  die  Zellenlehre  be¬ 
gründet,  Johannes  Müller  lenkte  Physiologie  und  Pathologie 
in  neue  Bahnen :  auf  diesem  wohl  vorbereiteten  Boden  nahm 
Vi  rcho  w  den  Kampf  gegen  die  in  der  Medizin  herrschende 
rohe  Empirie,  sowie  gegen  die  Humoralpathologie  und  Krasen- 
lehre  der  Wiener  Schule  auf  und  führte  ihn  siegreich  durch. 
Tm  Jahre  1858  veröffentlichte  er  seine  berühmten  Vorlesungen 
über  Zellularpathologie2).  In  diesem  klassischen  W erke  lieferte 


der  Verfasser  die  Geschichte  der  Elementarvorgänge  der  Krank¬ 
heit,  auf  welcher  sich  die  Lehre  von  dem  Wesen  der  Krankheit 
aufbauen  sollte.  Wie  eine  Lawine  kam  die  neue  Lehre  über  die 
gesamte  Medizin.  Durch  den  Satz :  „Omnis  cellula  e  cellula“  hat 
V  i  r  c  h  o  w  mit  einem  Schlage  den  Zauber  der  plastischen  Stoffe 
und  den  Bann  der  diskontinuierlichen  Entwicklung  gebrochen; 
die  Humoralpathologie  sowohl  wie  die  unbewiesenen  Theorien 
von  den  permanenten  Dyskrasien  wurden  damit  aus  den  wissen¬ 
schaftlichen  Erörterungen  entfernt.  Die  Zelle  ist  als  Trägerin 
des  Lebens  im  gesunden  wie  im  kranken  Zustand  anzusehen; 
ihre  Erkrankung  ist  das  pathologische  Wesen  (ens  morbi). 

An  Stelle  der  unfruchtbaren  naturphilosophischen  Speku¬ 
lation  wurde  durch  V  i  r  c  li  o  w  eine  neue  Methode,  diejenige  der 
Anschauung  und  Forschung,  in  die  Pathologie  eingeführt.  Die 
Verbesserung  in  der  Methode,  ja  die  Einführung  einer  metho¬ 
dischen  Forschung  überhaupt,  welcher  wir  hauptsächlich  den 
gewaltigen  Fortschritt  der  Medizin  in  der  zweiten  Hälfte  des 
abgelaufenen  Jahrhunderts  verdanken,  ist  unbestritten  ein 
Hauptverdienst  V  i  r  c  h  o  w  s,  während  Rokitansky  schon 
vorher  die  pathologische  Anatomie  als  Grundlage  nicht  nur  des 
ärztlichen  Wissens,  sondern  auch  des  ärztlichen  Handelns  be¬ 
zeichnet  hatte,  während  Traube  nach  dem  Vorgänge  von 
Magendie  das  Experiment  in  der  Pathologie  als  ein  „sine 
qua  non“  proklamierte  und  erfolgreich  verwertete. 

Es  würde  zu  weit  führen  und  ist  kaum  möglich,  die  wissen¬ 
schaftlichen  Arbeiten  Virchows,  deren  Zahl  sich  auf  viele 
Hunderte  beläuft,  einzeln  aufzuführen.  Kaum  ein  Gebiet  des 
medizinischen  Wissens  gibt  es,  auf  dem  er  nicht  Hervorragendes 
geleistet  und  befruchtend  gewirkt  hätte;  alle  Veröffentlichungen 
zeugen  von  der  seltenen  Produktivität  und  Vielseitigkeit  des 
gefeierten  Forschers.  Es  seien  hier  nur  erwähnt  die  bahn¬ 
brechenden  Arbeiten  über  Rhachitis,  Phlebitis,  Thrombose,  Em¬ 
bolie,  Infektionskrankheiten,  Leukämie,  Syphilis,  Tuberkulose, 
Trichinen,  Echinokokkus.  Die  für  den  Arzt  so  wichtige  Lehre 
von  den  krankhaften  Geschwülsten')  wurde  von 
ihm  auf  ein  neues  und  sicheres  Fundament  gestellt  und  trotz 
aller  Bereicherung  unserer  Kenntnisse  in  den  letzten  J ahrzehnten 
ist  noch  heute  in  der  Hauptsache  die  von  V  i  r  c  li  o  w  auf- 
gestellte  Grundlage  in  Geltung-.  In  den  „Gesammelten  Abhand¬ 
lungen  aus  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Medizin  und  der 
Seuchenlehre“  (2  Bände,  Berlin  1879)  tritt  deutlich  zu  Tage, 
dass  der  Verfasser  der  Zellularpathologie  und  der  krankhaften 
Geschwülste  mit  weitem  Blick  über  die  Grenzen  der  allgemeinen 
Pathologie  und  pathologischen  Anatomie  hinaussah  und  auch 
auf  anscheinend  ferner  liegenden  Gebieten  Bahnbrechendes  zu 
leisten  im  Stande  war. 

Die  grosse  und  dauernde  Wirkung  der  Arbeiten  Virchows 
beruhte  auf  einer  seltenen  Vereinigung  von  Eigenschaften:  Ori¬ 
ginalität  der  Anschauungen,  umfassendes  Wissen,  scharfsinnige 
Kombinationsgabe,  Klarheit  der  Darstellung,  Strenge  der  Kritik, 
scharfe  Beweisführung  und  seltene  Schlagfertigkeit. 

Mit  logischer  Schärfe  konnte  der  kaum  den  Lehrjahren  ent¬ 
wachsene  Forscher  schon  1849  den  Satz  auf  stellen  und  ver¬ 
teidigen,  dass  die  Krankheit  nichts  dem  Leben  Fremdes,  sondern 
das  Leben  selbst  sei,  welches  nur  wegen  des  Wechsels  der  äusseren 
Bedingungen  in  anderer  Form  zur  Erscheinung  kommt,  während 
man  die  Krankheit  bisher  als  ein  selbständiges  Wesen  auffasste, 
welches  den  Körper  befällt,  eine  Zeitlang  darin  wütet  und  dann 
daraus  entweicht.  Den  Unterschied  zwischen  gesundem  und 
krankem  Körper  definierte  er  dahin,  „dass  derselbe  nur  in  der 
Differenz  der  Bedingungen  begründet  sei,  unter  denen  die  Lebens¬ 
gesetze  zur  Erscheinung  gelangen.  Mögen  letztere  auch  noch  so 
verschieden  erscheinen,  so  sind  doch  niemals  neue  Gesetze,  son¬ 
dern  immer  nur  neue  Bedingungen  zur  Geltung  gekommen.“ 

Die  rasche  Entwicklung,  welche  die  so  lange  vernachlässigte 
und  vorwiegend  durch  Rokitansky  und  V  irchow  zum 
Range  einer  selbständigen  Wissenschaft  erhobene  pathologische 
Anatomie  nahm,  wirkte  in  hohem  Grade  befruchtend  auf  die 
klinische  Medizin  in  allen  ihren  Sparten.  Virchow  bemühte 
sich,  die  Auffassung  zur  Geltung  zu  bringen,  dass  die  patho¬ 
logische  Anatomie  eine  biologische  Disziplin 
darstelle  und  dass  die  durch  dieselbe  gewonnenen  Erfahrungen 
andrerseits  für  die  gesamte  Biologie  von  grosser  Wichtigkeit 
seien.  Die  pathologische  Anatomie  will  nicht  bloss  anatomische 


=)  4.  Auflage  1871. 


3)  Virchow:  Die  krankhaften  Geschwülste,  1863 — 1867. 


So.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zustände  erörtern,  sondern  auch  Vorgänge  des  lebenden  Körpers. 
Hand  m  Hand  mit  der  allgemeinen  Pathologie  stellt  die  patho¬ 
logische  Anatomie  unter  den  sieh  täglich  mehr  zersplitternden 
pathologischen  Disziplinen  jenes  lach  dar,  weiches  mehr  auf  das 
Allgemeine  gerichtet  ist  und  als  Leuchte  für  die  Klinik  dient. 
Wenn  dieses  Fach  in  Deutschland  in  der  zweiten  Hälfte  des  ver¬ 
gangenen  Jahrhunderts  lange  zu  dominieren  schien,  so  ist  dies 
unschwer  zu  verstehen  und  erklärt  sich  namentlich  aus  dem  Ein¬ 
flüsse  Vi  r  c  h  o  w  s. 

Abgesehen  von  der  Gründung  und  Redaktion  des  Archivs 
für  pathologische  Anatomie,  welches  wie  kein  zweites  medi¬ 
zinisches  Journal  in  Deutschland  eine  vollständige  Uebersicht 
der  Entwickelung  der  Medizin  und  eine  Fülle  unvergänglichen 
und  grundlegenden  Materials  in  sich  birgt,  welches  über  alle 
Kulturländer  verbreitet  unter  den  medizinischen  Journalen  der 
Welt  mit  an  erster  Stelle  steht,  hat  Virehow  sich 
literarisch  besondere  Verdienste  erworben  als  Mitheraus¬ 
geber  des  von  Ca  n  statt  begründeten  und  mit  Aug. 
Hirsch  und  Posner  fortgeführten  Jahresberichtes  über 
die  Leistungen  und  Fortschritte  der  gesamten  Medizin, 
als  Fierausgeber  des  Handbuches  der  speziellen  Patho¬ 
logie  und  Therapie  (Erlangen  1854—1862),  ferner  der  Samm¬ 
lung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge.  lieber 
die  Verdienste,  die  Virehow  sich  auf  zahlreichen  Kongressen 
und  in  wissenschaftlichen  Vereinen  als  Vorsitzender  und  Redner 
erworben  hat,  dürfen  wir  als  allgemein  bekannt  hinweggehen. 
Es  sei  hier  nur  erinnert  an  die  glanzvollen  Tage  des  X.  inter¬ 
nationalen  medizinischen  Kongresses  zu  Berlin,  wo  Virehow 
in  bewundernswerter  Frische  und  Energie  seines  schwierigen 
Amtes  als  Präsident  waltete. 

.  .Eass  einem  Forscher  von  solcher  Produktivität  und  Viel¬ 
seitigkeit  auch  lebhafte  und  nicht  zu  verachtende  Gegner  er¬ 
wachsen  sind,  dass  manche  Anschauung  und  Lehre  neueren 
Ergebnissen,  die  mit  verbesserten  Methoden  und  vollkommeneren 
Hilfsmitteln  errungen  wurden,  weichen  mussten,  bedarf  keiner 
Erörterung.  Auf  dem  Gebiete  der  Zellularpathologie  jedoch, 
wo  neue  Entdeckungen  namentlich  auf  dem  so  wichtigen  Ge¬ 
biete  der  Entzündungslehre  einige  Hauptsätze  Virchows, 
besonders  die  Lehre  von  der  Beteiligung  der  fixen  Gewebs¬ 
zellen  eine  Zeit  lang  zu  erschüttern  schienen,  ist  die  Richtigkeit 
der  ursprünglich  von  Virehow  gelehrten  Auffassung  in  einer 
jeden  Zweifel  ausschliessenden  Weise  bestätigt  worden.  „Die 
v  issenschaftlichen  Probleme  der  Medizin  sind  am  meisten  kon¬ 
zentriert  in  der  Ergründung  des  Lebens  der  tierischen  und  pflanz¬ 
lichen  Zelle  .  diesen  Satz  konnte  \  i  r  c  h  o  w  als  Präsident  des 
internationalen  medizinischen  Kongresses'  mit  Fug  und  Recht 
und  nicht  ohne  eine  gewisse  Befriedigung  verkünden. 

Im  Gegensatz  zu  seiner  politisch  stark  prononcierten  Stel¬ 
lung,  die  ihn  fast  stets  in  den  Reihen  der  Opposition  fand,  hul¬ 
digte  Virehow  auf  wissenschaftlichem  Gebiete  —  wenigstens 
in  seinen  späteren  J ahren  —  einer  mehr  konservativen  Richtung : 
stets  mahnte  er  zu  Vorsicht  in  der  Generalisation  und  zur  Mässi- 
gung  in  der  Aufstellung  von  Hypothesen.  So  verhielt  er  sich 
abwehrend  gegen  gewisse  Konsequenzen  der  Darwi  n  sehen 
Lehre.  Lange  sträubte  er  sich  dagegen,  den  jüngsten  Spross  der 
medizinischen  Wissenschaft,  die  Hygiene,  als  vollberechtigtes 
selbständiges  Fach  anzuerkennen,  obwohl  er  selbst  durch  seine 
Mitarbeit  bei  den  sanitären  Werken  in  Berlin,  durch  seine  Ar¬ 
beiten  auf  dem  Gebiete  der  Infektionskrankheiten,  durch  seine 
Studien  über  Hungertyphus  im  Spessart  und  den  Typhus  in 
Oberschlesien  auf  diesem  Gebiete  Hervorragendes  geleistet  hat 
und  mit  Recht  als  Mitbegründer  der  sozialen  Hygiene  gefeiert 
wird.  Die  grossen  Errungenschaften,  welche  durch  die  Bakterio¬ 
logie  der  Medizin  erwuchsen,  musste  er  nach  reiflicher  Prüfung 
anerkennen;  jedoch  alle  spekulative  Auswüchse  und  vorzeitige 
Hypothesen  auf  diesem  klippenreichen  Gebiete  fanden  in 
^  irchow  einen  scharfen  und  gefürchteten  Kritiker. 

Obwohl  Virehow  der  deutschen  Kolonialbewegung  als  Poli¬ 
tiker  nicht  freundlich  gesinnt  war,  hat  er  aus  patriotischen  Grün¬ 
den  seine  sowertvollewissenschaftlicheMitarbeit  nicht  verweigert. 
Auf  der  Versamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Strass¬ 
burg  sprach  er  sich  dahin  aus:  „Es  ist  hier  nicht  der  Ort  dar¬ 
über  zu  diskutieren,  ob  wir  eine  Kolonialmacht  lierstellen  sollen, 
aber  sie  wird  hergestellt  werden,  und  die  Naturforscher  und 
Aerzte  werden  diesen  Vorgang,  den  die  Regierung  nun  einmal  be¬ 
schlossen  hat,  nicht  mit  passiver  Haltung  gegen  überstehen 


1622 

können.  Mit  Recht  fordert  die  Regierung  sowohl  wie  die  Nation 
von  der  Wissenschaft  Antworten  auf  eine  ganze  Reihe  von 
Fragen,  die  entscheidend  sein  werden  für  die  Wege  und  Rich¬ 
tungen,  welche  die  Gestaltung  der  einzelnen  Verhältnisse  nehmen 
muss.  Es  wird  absolut  notwendig  sein,  dass  die  Wissenschaft 
die  Grundlage  darbietet,  auf  denen  einstmals  die  Ordnung  der 
neuen  Gemeinwesen  drüben  eingerichtet  wird.“  In  der  Folge  be¬ 
tätigte  Virehow  sein  Interesse  an  der  tropen-pathologfschen 
Enquete  bei  sämtlichen  in  den  Tropen  tätigen  Aerzten  durch  ge¬ 
meinsame  Redaktion  der  Fragebogen  mit  Prof.  Aug.  Hirsch 
und  durch  Ueberwachung  von  deren  Bearbeitung. 

Im  Verlaufe  der  letzten  Jahrzehnte  bewegten  sich  die  Stu¬ 
dien  und  Arbeiten  V  irchows  vorwiegend  auf  einem  von  der 
Pathologie  abseits  liegenden  Gebiete,  auf  dem  der  Anthro¬ 
pologie  und  Archäologie.  Auch  darin  zeigte  sich  der 
universelle  und  charakteristische  Zug  des  Forschers,  den  er  selbst 
gelegentlich  dahin  gekennzeichnet  hat,  dass  er  es  mehr  liebe, 
neue  unbetretene  Pfade  zu  bahnen,  als  auf  den  gebahnten  zu  ver¬ 
teilen  und  sie  zu  verbreiten.  Die  Blüte  der  Anthropologie  in 
Deutschland  beruht  wesentlich  auf  der  kräftigen  Initiative  und 
auf  zahlreichen  mühevollen  Forschungen  Virchows,  der  einer 
der  Mitbegründer  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft 
ist.  Als  Pfadfinder  und  Wegweiser  hat  Virehow  durch  seine 
unbestrittene  Autorität  die  rasch  sich  entwickelnde  Anthropologie 
vor  manchen  Verirrungen,  müssigen  Spekulationen  und  nament¬ 
lich  vor  dem  Leberwuchern  des  auf  diesem  Gebiete  besonders 
gefahrvollen  Dilettantismus  zu  bewahren  verstanden. 

Ein  unbestrittenes  \  erdienst  hat  V  irchow  ferner  um  die 
Hebung  und  Entwicklung  der  Tierheilkunde, 
für  welches  er  stets  ein  warmes  Interesse  an  den  Tag  legte  und 
erfolgreich  einzutreten  verstand;  manch’  tüchtigen  Lehrer  und 
Forscher  dieser  Disziplin  zählt  Virchowzu  seinen  dankbaren 
Schülern  und  treuen  Verehrern. 

Als  besonderes  und  nicht  in  die  letzte  Reihe  zu  stellendes 
Verdienst  \  irchows  rechnen  wir  ihm  an,  dass  er  es  wie 
wenige  verstanden  hat,  zu  selbständiger  Forschung  anzuregen, 
dass  er  Schule  im  besten  Sinne  des  Wortes  gemacht  hat  und  zwar 
über  das  Gebiet  seiner  Spezialfächer,  ja  weit  über  die  Grenzen 
des  Vaterlandes  hinaus.  Die  Schule  V  i  r  c  li  o  w  s  zählt  eine 
Reihe  glänzender  Vertreter  und  Koryphäen  nicht  bloss  auf  dem 
Gebiete  der  pathologischen  Anatomie,  sondern  auch  in  den  kli¬ 
nischen  und  verwandten  Fächern  zu  den  ihrigen. 

Um  die  Verbesserung  der  sanitären  Verhältnisse  von  Berlin, 
wo  Virehow  als  Stadtverordneter  40  Jahre  hindurch  eine  ein¬ 
flussreiche  und  segensreiche  Tätigkeit  entfaltet  hat,  hat  er  sich 
in  ausgezeichneter  Weise  verdient  gemacht.  Bei  der  Projek¬ 
tierung  und  Ausführung  der  gewaltigen  Sanitätswerke  (Kanali¬ 
sation,  Wasserversorgung  und  Rieselfelder),  die  eine  Ausgabe  von 
138  Millionen  Mark  verursachten,  war  er  hervorragend  tätig  und 
wenn  die  Hauptstadt  des  deutschen  Reiches  eine  reine,  gesunde 
und  schöne  Stadt  geworden  ist,  so  ist  diese  Wandlung  in  erster 
Linie  ein  Verdienst  ihres  grossen  Ehrenbürgers. 

Welch  grosse  Sorgfalt  Virehow  seiner  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Sammlung  angedeihen  Hess,  wie  ängstlich  er  bei  De¬ 
monstrationen  über  die  Präparate  wachte,  ist  allgemein  bekannt. 
Die  zahlreichen  und  wertvollen  Präparate  waren  in  den  Räumen 
des  allmählich  zu  eng  gewordenen  und  veralteten  pathologischen 
Instituts  in  Berlin  höchst  notdürftig  aufgestellt.  Es  war  des¬ 
halb  eine  grosse  Genugtuung  und  die  höchste  Freude  für  den 
gewissenhaften  Sammler,  als  die  preussisehe  Regierung  gegen 
Ende  der  neunziger  Jahre  ihm  die  Mittel  zur  Verfügung  stellte, 
um  ein  eigenes  Museum  zur  Aufnahme  der  gesammelten  Schätze 
zu  errichten.  Es  war  dem  greisen  Forscher  noch  vergönnt,  das 
zwar  einfache,  aber  überaus  praktisch  und  feuersicher  erbaute 
„V  irchow -  Museu  m“  mit  seinen  Präparaten  zu  füllen  und 
einzuweihen.  Wer  das  Glück  hatte,  wie  Schreiber  dieser  Zeilen 
im  Juli  1901,  stundenlang  unter  der  persönlichen  Führung  des 
Meisters  allein  diese  Räume  zu  durchwandern  und  die  überaus 
zahlreichen,  durch  ihre  Seltenheit  oder  Wichtigkeit  ausgezeich¬ 
neten  Präparate  zu  bewundern,  konnte  bemerken,  wie  stolz  der 
Schöpfer  dieser  unerreichten  Sammlung  auf  dieselbe  war,  und 
sich  überzeugen,  dass  er  mit  vollem  Recht  auf  dieselbe,  gleichsam 
als  Abschluss  seines  Lebenswerkes,  stolz  sein  konnte.  Sind  doch 
die  Präparate  dieses  Museums  fast,  durchweg  sein  eigenstes  Werk, 
für  deren  Aufstellung  und  Konservierung  der  Vielbeschäftigte 


1624 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  39. 


stets  Zeit  fand;  alle  wichtigeren  Nummern  kannte  er  genau  und 
hatte  man  bei  einem  derartigen  Privatissimum  reichlich  Gelegen¬ 
heit,  das  eminente  Gedächtnis  des  nahezu  Achtzigjährigen  zu 
bewundern. 

Dass  es  dem  gefeierten  Forscher  an  Anerkennung  nicht  ge¬ 
fohlt  hat,  das  zeigte  sich  deutlich  bei  verschiedenen  Gelegen¬ 
heiten:  bei  Kongressen  und  Versammlungen  der  Mediziner  und 
Anthropologen,  ferner  bei  der  Feier  des  70  jährigen  Geburtstages, 
bei  der  50  jährigen  Feier  seiner  Dozententätigkeit  —  verbunden 
mit  der  Feier  des  Erscheinens  des  150.  Bandes  des  Archivs  für 
pathologische  Anatomie  —  und  namentlich  in  grossartiger  Weise 
am  13.  Oktober  1901  bei  der  Feier  des  80.  Geburtstages.  Diese 
Fülle  von  Huldigungen  und  Glückwünschen  aus  nah  und  fern, 
aus  allen  Ländern  und  Weltteilen,  ja  aus  der  ganzen  zivilisierten 
Welt,  überstieg  alle  Erwartungen.  Als  einer  der  glänzendsten 
Vertreter  deutscher  Wissenschaft  und  Bildung  wurde  \  i  r  c  li  o  w 
bei  dieser  Gelegenheit  vom  Kaiser,  von  den  Behörden,  von  wissen¬ 
schaftlichen  Korporationen  geehrt  und  gefeiert. 

Unter  den  zahlreichen  Ansprachen,  die  damals  an  den  J ubilar 
gelaalten  wurden,  ist  namentlich  die  von  dem  Vertreter  der 
Aerztewelt  Englands,  Lord  Lister,  gehaltene  bemerkenswert. 
Dieselbe  lautete: 

„Hochverehrter  Meister !  Iclibin  liier  als  Abgesandter  der  Royal 
Society  von  London,  deren  Ehrenmiglied  Sie  sind,  und  in  deren 
Namen  ich  Ihnen  eine  Ergebenheitsadresse  zu  überreichen  habe. 
Ebenso  bin  ich  beauftragt,  Ihnen  Adressen  von  sechs  anderen 
gelehrten  Gesellschaften  zu  überreichen,  die  es  lebhaft  bedauern, 
dass  es  ihnen  nicht  möglich  war,  eigene  Delegierte  zu  senden. 
Es  sind  dies  die  anthropologische  Sektion  der  Britischen  Gesell¬ 
schaft  für  den  Fortschritt  der  Wissenschaft,  die  Universität 
Edinburg,  die  Fakultät  der  Aerzte  und  Wundärzte  von  Glasgow, 
die  Medizinisch-chirurgische  Gesellschaft  in  Edinburg  und  die 
königliche  Hochschule  der  Medizin  in  Irland.  Alle  diese  Körper¬ 
schaften  vereinigen  sich  in  Anerkennung  Ihrer  gigantischen  in¬ 
tellektuellen  Macht,  in  Dankbarkeit  für  die  grossen  Dienste, 
welche  Sie  der  Menschheit  geleistet  haben,  und  in  Bewunderung 
Ihres  persönlichen  Charakters,  Ihrer  vollkommenen  Aufrichtig¬ 
keit,  des  Mutes,  der  Sie  immer  befähigt  hat,  das  öffentlich  zu 
vertreten,  was  Sie  für  die  Grundlage  der  Wahrheit  hielten,  Frei¬ 
heit  und  Gerechtigkeit,  und  der  genialen  Eigenschaften,  welche 
Sie  der  Liebe  aller,  die  Sie  kennen,  versichern. 

Die  erstaunliche  Frische,  die  Sie  in  der  wundervollen  An¬ 
sprache,  der  wir  heute  lauschen  durften,  zeigten,  rechtfertigt  die 
Hoffnung,  dass,  nachdem  manche  von  uns  Jüngeren  von  diesem 
Arbeitsfelde  abgetreten  sein  werden,  es  Ihnen  vergönnt  sehr  wird, 
den  90.  Geburtstag  zu  feiern,  nicht  allein  in  Gesundheit  und  voll 
Ehren,  sondern  auch  in  fortdauernder  Arbeit  im  Dienste  der 
Menschheit.“ 

Mit  hoher  Befriedigung  und  gerechtem  Stolze  koimte  der 
Jubilar  auf  ein  Leben  voll  Arbeit,  aber  auch  reich  an  Erfolgen 
zurückblicken,  ein  Forscher,  der  sich  stets  auszeichnete  durch 
Eintreten  für  unabhängiges  Denken  und  Forschen,  durch  Un¬ 
ermüdlichkeit  im  Beobachten  und  Erfahren,  durch  strenge 
Methodik,  durch  die  edle  Auffassung,  dass  die  medizinische 
Wissenschaft  eine  der  aufrichtigsten  Vertreterinnen  der  Humani¬ 
tät,  sei,  —  der  an  dem  gewaltigen  Umschwung  der  medizinischen 
Wissenschaft  im  19.  Jahi’hundert  einen  Hauptanteil  beanspruchen 
durfte. 

Zu  der  Höhe  des  Wissens  und  Könnens,  auf  der  ohne  Ueber- 
hebung  die  moderne  Medizin  steht,  hat  das  Genie  Vircliows 
mit  unter  den  ersten  aller  Zeiten  und  Völker  mächtig  beige¬ 
tragen,  unterstützt  von  einer  gewaltigen  Arbeitskraft  und  einer 
seltenen  Ausdauer.  Wie  wenige  hat  er  dazu  mitgewii'kt,  dass 
die  naturwissenschaftliche  Methode  in  der  Medizin  sich  all¬ 
mählich  das  Bürgerrecht  erworben  hat  und  es  wird  in  der  Ge¬ 
schichte  der  Medizin  der  Name  von  Rudolf  V  i  r  c  h  o  w,  des 
grossen  Reformators  und  Zellularpathologen, 
für  alle  Zeiten  in  goldenen  Lettern  glänzen. 

Die  Leichtigkeit,  mit  der  Virchow  die  nicht  geringen 
Strapazen  bei  der  Feier  seines  80.  Geburtstags  ertrug,  gaben  der 
Hoffnung  Raum,  dass  ihm  noch  eine  längere  Lebensdauer  be- 
schieden  sei.  Eine  Reihe  von  ai’cliäologischen  und  anthropo¬ 
logischen  Arbeiten,  für  welche  ihm  ein  reiches  Material  zur  Ver¬ 
fügung  stand,  wollte  er  noch  zum  Abschluss  bringen.  Doch  es 
sollte  anders  kommen.  Am  4.  Januar  d.  J.  stürzte  der  greise  Ge¬ 


lehrte  beim  Aussteigen  aus  einem  Strassenbahnwagen  zu  Boden 
und  erlitt  einen  Bruch  des  Oberschenkelhalses.  Die  Verletzung 
schien  anfangs  günstig  zu  verlaufen;  später  traten  Störungen  des 
Allgemeinbefindens  und  der  Ernährung  auf.  Zu  Beginn  des 
Sommers  reiste  er  nach  Teplitz  und  von  dort  zur  Nachkur  nach 
Harzburg.  Neben  der  Abnahme  der  Körperkräfte  kam  es  all¬ 
mählich  zu  Stauungen  im  Gefässystem,  zum  Fortschreiten  eines 
älteren  Nierenleidens.  Unter  den  Symptomen  der  Herzschwäche 
entschlief  der  Patient  sanft  am  5.  September. 

Wir  schliessen  mit  den  Worten,  mit  denen  Hamlet  das  An¬ 
denken  seines  Vaters  feiert  und  die  auch  auf  den  grossen  Dahin¬ 
geschiedenen  passen : 

„Er  war  ein  Mann!  Nehmt  Alles  Ihr  in  Allem, 

Ich  werde  nimmer  seines  Gleichen  seh’n“. 

O.  B  o  1 1  i  n  g  e  r. 


Referate  und  Bücher anzeigen. 

A.  3  u  s  c  li  k  e :  Die  Blastomykose.  Bibliotheca  medica. 
Abteilung  II.  Dermatologie  und  Syphilis.  Heft  10.  Mit  9  la- 
f ein.  Stuttgart,  Erwin  N  ä  g  e  1  e,  1902. 

Busch k es  neueste  Arbeit  über  die  Wirkung  der  patho¬ 
genen  Hefen  unterscheidet  sich  von  den  früheren  Arbeiten  dieses 
Autors,  wie  auch  aller  anderen  auf  diesem  Gebiete  tätigen  Unter¬ 
sucher,  durch  die  glänzende  Ausstattung  und  die  Beigabe  sehr 
zahlreicher  Zeichnungen  und  Photogramme.  Die  zusammen¬ 
fassende  Uebersicht  über  die  einschlägige  Literatur  ist  bereits 
von  mehreren  Autoren,  unter  denen  auch  B  u  s  c  h  k  e  selbst  sich 
befindet,  geliefert  worden;  auch  über  die  Impfversuche  hat 
B  u  s  c  h  k  e  schon  zweimal  das  Wesentliche  berichtet,  das  bisher 
noch  nicht  Mitgeteilte  bildet  eine  in  manchen  Beziehungen  aller¬ 
dings  wertvolle  Ergänzung  des  bisher  voi'liegenden  Materials. 
Dies  allein  hätte  wohl  kaum  eine  so  eingehende  und  ausführliche 
nochmalige  Ueberarbeitung  der  umfangreichen  Literatur  und  der 
eigenen  vergleichenden  Versuche  erheischt;  trotzdem  entspricht 
das  vorliegende  Buch  einem  wirklichen  Bedürfnis  und  füllt  eine 
fühlbare  Lücke  in  der  Hefeliteratur  aus,  weil  es  gewissermassen 
auch  eine  bildliche  Zusammenstellung  des  bisher  in  dem  Gebiete 
der  Saccharomykose  oder  Blastomykose  Bekannten  gibt.  Die  Ab¬ 
bildungen  geben  4  Hefearten  und  1  Oidium  und  die  durch  sie 
hervorgerufenen  Gewebsveränderungen  in  makroskopischen  und 
mikroskopischen  Zeichnungen  und  PliotogTammen  wieder.  Diese 
vergleichende  Zusammenfassung  der  zahlreichen  Bilder,  die  sonst 
in  Einzelabhandlungen  nur  verstreut  zu  finden  sind,  wird  jedem, 
der  über  pathogene  Hefeia  arbeitet,  eine  sehr  willkommene  Hilfe 
sein.  Otto  Busse-  Greifswald. 

Rudolf  K  o  b  e  r  t:  lieber  Giftfische  und  Fischgifte.  Vor¬ 
trag,  gehalten  in  der  Generalversammlung  des  Rostocker 
Fischerei  Vereins  1902.  24  Seiten.  8°.  Mit  11  Abbild. 

Die  giftigen  Fische  werden  auf  18  Seiten,  die  Fischgifte 
auf  6  Seiten  in  höchst-  anziehender  Form  besprochen.  Die 
11  Bilder  zeigen  Tetroden  (Fugugift),  Muraena,  Scorpaena, 
Syiaanceia  etc.  —  Da  der  geringe  Pi’eis  jedem  die  Anschaffung 
des  trefflichen  Vortrags  gestattet,  begnüge  ich  mich,  denselben 
dringend  zu  empfehlen.  Die  Fischfanggifte,  unter  denen  die 
saponinhaltigen  Pflanzen  die  Hauptrolle  spielen,  werden  den 
meisten  Lesern  etwas  neues  sein.  Der  Niederländer  Gres- 
hoff  hat  ein  2  bündiges  Werk  darüber  geschrieben  und  zählt 
325  Fischgifte  auf. 

Die  Giftfische  sind  in  unserer  Literatur  bisher  nur  stief¬ 
mütterlich  behaiadelt  worden.  Monographien  fehlen  hierüber, 
wenn  wir  von  der  verdienstvollen  Arbeit  IL.  F.  Autenrieths 
(1833)  absehen,  in  Deutschland  ganz.  Von  französischen 
Schriften  führt  Ko  her  t  an:  Bottard:  Les  poissons  vene- 
neux  1889  (soll  heissen  „venimeux“).  Unter  „veneneux“  sind  die 
Fische  gemeint,  die  als  Speise  schädlich  wirken;  unter  „veni- 
rneux“  aber  solche,  die  durch  Verwundung  (Stacheln,  Zähne)  das 
Gift  einimpfen,  als  deren  Repräsentant  das  Petermännchen 
gilt.  Für  solche  Leser,  die  weitere  Belehrung  suchen,  füge  ich 
dem  Literaturvei’zeichnisse  K  o  b  e  r  t  s  noch  bei :  Goutiere  H. : 
Poissons  venimeux  et  poissons  veneneux.  Veiains,  toxalbumines  du 
serum  etc.  Paris  1899.  217  Seiten.  gi\  8°.  Ferner:  Pelle- 

grin  J.:  Les  poissons  veneneux.  These  de  Pails  1899.  119  S. 
8°.  Mit  16  Abbild.  ‘  Der  am  Museum  d’liist.  natur.  angestellte 
Verf.  hatte  reichlich  Gelegenheit,  die  ausländischen  Gif t fische 


SO.  September  1902. 


in  ihren  Formen  kennen  zu  lernen.  —  Die  genannten  3  fran¬ 
zösischen  Werke  sind  für  das  Studium  der  Ichthyotoxikologie 
unentbehrlich.  J.  Ch.  FI  u  b  e  r  -  Memmingen. 

Lehrbuch  der  Ohrenheilkunde  für  Aerzte  und  Studierende 
von  1  rof.  Dr.  L.  Jacobson  und  I)r.  L.  Blau.  Dritte,  neu¬ 
bearbeitete  Auflage  des  J  acobson  sehen  Lehrbuches.  Leipzig, 
Georg  T  h  i  e  m  e,  1902.  512  Seiten  Text,  34  Seiten  Literaturver¬ 
zeichnis.  345  Abbildungen  auf  19  Tafeln.  Preis  geb.  18  M. 

Die  rasche  Folge  der  Auflagen  dieses  gediegenen  Lehr¬ 
buches  zeigt  den  Anklang,  den  es  bei  Studierenden  und  Aerzten 
gefunden  hat.  Diesen  wohlverdienten  Erfolg  verdankt  es  der 
Reichhaltigkeit  und  übersichtlichen  Gliederung  des  Inhaltes  und 
vielleicht  in  erster  Linie  der  besonnenen  Kritik,  mit  welcher  der 
Autor  der  ersten  beiden  Auflagen  das  mächtig  anwachsende  und 
nicht  immer  eindeutige  Material  der  otiatrischen  Literatur  zu 
überblicken  und  zu  sondern  verstanden  hat.  Für  die  Bearbeitung 
der  vorliegenden  neuen  Auflage  hat  Jacobson  einen  kon¬ 
genialen  Mitarbeiter  beigezogen,  dessen  langjährige  fachlite¬ 
rarische  Tätigkeit  ihn  dazu  prädestiniert  erscheinen  lässt.  Trotz 
der  reichen  Mehrung  des  Inhaltes  in  jenen  Abschnitten,  die 
während  der  letzten  J  ah  re  im  Vordergrund  des  otiatrischen 
Interesses  gestanden  sind,  blieb  der  Umfang  des  Buches  ein 
massiger.  Es  wurde  dies  durch  Verwendung  kleinerer  Typen 
in  jenem  Teil  des  Textes  erzielt,  der  für  praktische  Aerzte  minder 
wichtig  und  mehr  für  Spezialärzte  bestimmt  ist.  Um  so  reicher 
sind  die  Bildertafeln  ausgestattet,  die  zusammen  mehr  als  ein 
Drittel  der  Dicke  des  Buches  einnehmen.  Vielleicht  könnte  es 
der  Verleger  möglich  machen,  die  nächste  Ausgabe  in  grösserem 
Druck  herzustellen,  sei  es  auch  auf  Kosten  der  Ausstattung  der 
Bildertafeln.  Dr.  Paul  Schubert-  Nürnberg. 

H.  v.  Frankenberg':  Die  Stellung-  der  Aerzte  in  der 
deutschen  Arbeiterversicherung.  Annalen  des  Deutschen  Reichs 
für  Gesetzgebung,  Verwaltung  und  Volkswirtschaft  1902,  No.  5. 

Der  V erf asser,  Stadtrat  in  Braunschweig,  bringt  ein  über¬ 
sichtliches  Referat,  welche  Stellung  die  Aerzte  in  der  Kranken-, 
Lrnfall-  und  Invaliditätsversicherung  einnehmen  und  inwieweit 
sie  im  einzelnen  bei  der  Durchführung  dieser  Gesetze  zur  Mit¬ 
wirkung  berufen  sind.  Zur  Frage  der  freien  Arztwahl  meint  er, 
dass  die  ganze  Erörterung  sich  weniger  um  Rechtsfragen  als  um 
Gesichtspunkte  der  Zweckmässigkeit  drehen  könne;  an  dem  einen 
Orte  könne  sich  durch  die  Persönlichkeit  sämtlicher  Aerzte  und 
deren  gegenseitige  Selbstzucht  die  freie  Arztwahl  gut  bewähren, 
anderwärts  habe  man  bei  der  Verschiedenartigkeit  der  Menschen 
und  Meinungen  die  grössten  Nachteile  in  moralischer  und  finan¬ 
zieller  Beziehung  zu  befürchten;  daraus  ergebe  sich  als  selbst¬ 
verständliche  Forderung,  dass  es  nicht  wohlgetan  sei,  alles  über 
einen  Leisten  zu  schlagen.  Das  System  der  freien  Arztwahl  habe 
grosse  Vorzüge,  aber  die  enge  Verbindung  und  der  rege  Mei¬ 
nungsaustausch  des  Kassenarztes  mit  dem  Kassenvorstande  auf 
Gründ  der  nach  und  nach  in  demselben  Mitgliederkreis  gesam¬ 
melten  Erfahrungen  vermöge  gewiss  diese  Vorzüge  aufzuwiegen, 
wenn  der  rechte  Mann  am  rechten  Platze  stehe.  Letzteres  trifft 
jedoch  nur  für  kleinere  Versicherungsbezirke  oder  besondere 
Verhältnisse  zu;  die  Hauptsache  ist  eine  den  lokalen  Verhält¬ 
nissen  und  Bedürfnissen  angepasste  gute  Organisation,  und  wo 
eine  solche  geschaffen  ist,  hat  sich  auch  die  freie  Arztwahl  prak¬ 
tisch  bewährt  und  die  zuerst  geäusserten  Befürchtungen  zer¬ 
streut. 

Den  grossen  Einfluss,  den  die  sozialpolitische  Gesetzgebung 
auf  den  ärztlichen  Stand  ausgeübt  hat,  erkennt  der  Verfasser 
an;  er  gibt  auch  zu,  dass  hier  Uebelstände  vorhanden  sind,  die 
zu  gerechter  Beschwerde  für  die  darunter  leidende  Berufsklasse 
Anlass  geben,  nur  zeigt  er  nicht  den  Weg,  wie  hier  abgeholfen 
werden  soll.  Er  wünscht  eine  Zusammenlegung  der  verschie¬ 
denen  Arten  der  Arbeiterversicherung,  die  sich  an  die  territorialen 
Verbände,  die  Versicherungsanstalten,  anschliessen  und  die  Orts¬ 
krankenkassen,  die  Hauptträger  der  Versicherungsanstalten,  als 
Unterbau  benützen  sollten.  Der  Arzt  solle  seinen  Rat  und  seine 
Hilfe  nicht  auf  den  einzelnen  Ff  all  beschränken,  sondern  aus  der 
täglichen  Praxis  die  Anregung  zu  allgemeinen  Vorschlägen 
schöpfen,  um  in  Zukunft  Erkrankungen,  Verletzungen,  dauernde 
Gesundheitsnachteile  und  Todesfälle  nach  Möglichkeit  zu  ver¬ 
hüten;  er  solle  sich  nötigenfalls  mit  dem  Gewerbeinspektor  oder 


1625 


der  Polizeibehörde  verständigen,  um  im  Interesse  der  Versicher¬ 
ten  eine  gesundheitliche  Verbesserung  der  Betriebsschädlich¬ 
keiten  durchzusetzen;  er  solle  sich  häufig  an  den  Sitzungen  des 
Kassenvorstandes  und  an  den  Generalversammlungen  beteiligen 
(wozu  er  bislang  kein  Recht  hatte.  Ref.),  da  sich  die  Mitglieder 
der  hygienischen  und  finanziellen  Tragweite  ihrer  Beschlüsse  oft 
nicht  bewusst  sind  und  eine  Aufklärung  von  sachverständiger 
Seite  gut  gebrauchen  können;  nicht  das  Gedeihen  der  einzelnen 
Krankenkasse,  Berufsgenossenschaft  oder  Versicherungsanstalt 
solle  ihm  am  meisten  von  Bedeutung  scheinen,  sondern  die 
Hebung  der  Volkswohlfahrt,  die  Schaffung  gesunder  Lebensver¬ 
hältnisse  für  die  gesamte  arbeitende  Bevölkerung  solle  sein 
Hauptziel  sein;  wenn  noch  mehr  Aerzte  als  bisher  nach  diesen 
Gesichtspunkten  handelten,  würden  die  Klagen  über  die  Schä- 
digung  des  ärztlichen  Standes  durch  die  Versicherungsgesetze 
von  selbst  verstummen  und  dem  Ansehen  der  medizinischen 
Wissenschaft  sei  mit  dieser  Auffassung  des  Berufs  am  besten 
gedient. 

Der  Verfasser  wird  sich  jedenfalls  ein  Verdienst  erwerben, 
v  enn  er  in  seiner  Einflußsphäre  dahin  wirkt,  dass  den  Aerzten 
die  ihnen  gebührende  Stellung  bei  Durchführung  der  Versiche- 
i ungsgesetze  eingeräumt  werde;  als  Vertreter  der  Humanität 
haben  sie  auch  auf  diesem  Gebiete  hilfreichen  Beistand  in  Rat 
und  I  at  geleistet.  Aber  er  sollte  sich  auch  darüber  klar  werden, 
dass  damit  allein  die  Klagen  über  die  Schädigung  des  ärztlichen 
Standes  noch  nicht  beseitigt  sind  und  diese  Klagen  hauptsächlich 
durch  die  wirtschaftliche  Abhängigkeit  der  Kassenärzte  und 
die  überaus  ungenügende  Honorierung  ihrer  ärztlichen  Lei¬ 
stungen  veranlasst  sind.  Dr.  Carl  Becker. 

F)i.  Leubu  scher:  Staatliche  Schulärzte.  Sammlung 
von  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  pädagogischen  Psycho¬ 
logie  und  Physiologie.  V.  Bd.,  2.  Heft.  Einzelpreis  1.60  M. 

Im  Herzogtum  Sachsen-Meiningen  erstreckt  sich  die  staat¬ 
liche  Schulaufsicht  auf  sämtliche  Volksschulen  und  höhere 
Schulen,  so  dass  nur  wenige  Privatschulen  mit  einer  ver¬ 
schwindenden  Schülerzahl  ohne  Schularzt  sind.  Zur  Zeit  sind 
als  staatliche  Schulärzte  33  amtliche  und  praktische  Aerzte,  jeder 
möglichst  im  Zentrum  eines  Schulbezirks,  aufgestellt;  auf  jeden 
Schularzt  treffen  im  Mittel  1200 — 1500  Kinder;  die  Kosten  der 
Untersuchungen  beliefen  sich  im  vorigen  Jahre  auf  12  000  M. 

Jedem  Arzte,  der  sich  für  Schulgesundheitspflege  inter- 
essieit,  möchte  ich  die  Lektüre  dieser  Abhandlung  angelegent¬ 
lichst  empfehlen;  sie  wird  ihn  über  einzelne  Grundprinzipien  der 
Schularztfrage  aufklären  und  ihm  an  dem  Beispiele  des  Herzog¬ 
tums  Sachsen-Meiningen  zeigen,  in  welcher  Weise  die  Einrich¬ 
tung  der  Schulärzte  sich  praktisch  organisieren  lässt,  welche  Er¬ 
fahrungen  sich  dabei  sammeln  und  welche  Resultate  sich  erzielen 
lassen.  Ausser  den  Lehrern  und  Verwaltungsbeamten  sollten 
auch  die  Gebildeten  aller  Stände  von  diesem  Berichte  Kenntnis 
nehmen ;  er  ist  vorzüglich  geeignet,  aufklärend  zu  wirken. 

Dr.  Carl  Becker. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose  und  Heilstättenwesen.  III.  Bd 
Heft  5. 

W.  Zinn -Berlin:  Carl  Gerhardt  f. 

Meisenburg:  Ueber  das  gleichzeitige  Vorkommen  von 
Herzklappenfehlern  und  Lungenschwindsucht. 

Aus  einem  10  jährigen  Material  der  Universitätsklinik  zu 
Leipzig  fand  M.,  dass  in  der  Häufigkeit  des  Zusammentreffens 
von  Tuberkulose  mit  den  verschiedenen  Herzklappenfehlern  be¬ 
achtenswerte  Unterschiede  bestehen.  Bei  reiner  Mitralinsuffizienz 
kommt  Tuberkulose  wenig  mehr  vor,  als  unter  der  Gesamtzahl  der 
Kranken.  Dies  mag  sich  daraus  erklären,  dass  dieser  Klappen¬ 
fehler  meist  in  das  von  dpr  Tuberkulose  bevorzugte  Alter  fällt. 
Aus  dementsprechendem  Grunde  finden  sich  Aortenfehler,  die  das 
Alter  bevorzugen,  bei  Tuberkulose  selten.  Dass  Pulmonalstenose 
gerade  zu  Phthise  disponiert,  bestätigt  M.;  hingegen  schliesst 
Mitralstenose  fast  die  Tuberkulose  aus  (dies  der  einzige  Ueber- 
rest  der  bekannten  Ausschliessungslehre  Rokitanskys).  Diese 
günstige  Wirkung  könnte  sich  erklären:  1.  aus  der  Drucksteige¬ 
rung,  2.  aus  der  verminderten  Blutzufuhr,  3.  aus  der  Stromver¬ 
langsamung  und  4.  aus  chemischen,  durch  1  bis  3  bedingten  Ver¬ 
änderungen  des  Blutes.  1  bis  3  hält  M.  nicht  für  wahrschein¬ 
lich,  sondern  vermutet  unter  Hinweis  auf  die  Untersuchungen 
von  Martin  Ficker  (Wachstum  der  Tuberkulosebazillen  auf 
sauren  Gehirnnährböden.  Centralbl.  f.  Bakt.  XXVII),  dass  die 
Alkaleszenz  des  Blutes  durch  das  Vitium  derart  verändert  wird, 
dass  die  Entwickelung  der  Bazillen  verhindert  wird. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1626 


No.  39. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mme.  L.  Fiedler-  Paris:  L’assistance  sociale  aux  ouvriers 
en  Allemagne. 

So  freundlich  die  Anerkennung  einer  Französin  für  unsere 
Arbeite rversielierung  ist.  so  würde  doch  m.  E.  dieser  die  deutschen 
Verhältnisse  in  französischer  Sprache  schildernde  Artikel  wohl 
besser  in  einer  mehr  von  ihren  Landsleuten  als  von  uns  deutschen 
Aerzten  gelesenen  Zeitschrift  am  Platze  gewesen  sein.  Uns  bringt 
er  nichts  Neues. 

M.  H  o  1  m  b  o  e  -  Christiania  und  Klaus  II  a  n  s  s  e  n  -  Bergen: 
Ueber  die  Tuberkulose  und  die  Mittel,  dieselbe  zu  bekämpfen. 
Vorschläge  zu  öffentlichen  Massregeln  zur  Bekämpfung  der 
Tuberkulose.  (Schluss  folgt.) 

Th.  Gieseler:  Ueber  den  prognostischen  Wert  der  Ehr¬ 
lich  sehen  Diazoreaktion  bei  Phthisikern. 

In  der  neuen  Heilstätte  zu  Schömberg  (Dr.  S  c  h  r  o  e  d  e  r) 
machte  Dr.  Gieseler,  wie  seine  Vorgänger  auf  Ehrlichs 
persönliche  Anregung  hin,  Untersuchungen  über  die  Diazoreaktion. 
Statt  der  Sulfonalsäure  wurde  auf  E.s  Veranlassung  Paramido- 
acetophenon  genommen.  Der  auch  durch  zwei  lehrreiche  Kranken¬ 
geschichten  erläuterte  Artikel  kommt  zu  folgenden  Schlüssen: 
„Wir  können  daher  in  dem  Vorhandensein  einer  positiven  Diazo¬ 
reaktion  nur  eine  verhältnismässig  häutige  Begleiterscheinung 
letal  endigender  Phthisen  erblicken,  dürfen  uns  aber  dadurch 
nicht  verleiten  lassen,  ihre  prognostische  Bedeutung  gegebenen¬ 
falls  höher  zu  schätzen  als  die  klinische  Erfahrung.  Nach  un¬ 
seren  Erfahrungen  ist  die  Diazoreaktion  für  die  Ermittelung  der 
Prognose  eines  Einzelfalles  der  Lungenphthise  deshalb  nur  ein 
mit  einer  gewissen  Reserve  verwertbares  Hilfsmittel,  weil  sie 
1.  keine  konstante  Begleiterscheinung  des  Endstadiums  der  Krank¬ 
heit  ist,  2.  in  nicht  absolut  hoffnungslosen  Fällen  mit  der  Besse¬ 
rung  des  Krankheitszustandes  wieder  verschwinden  kann.“ 

Neuburger,  Stabsarzt,  Grosslichterfelde:  Der  Stand  der 
Tuberkulosebekämpfung  in  Frankreich  nebst  Bemerkungen. 

Obwohl  in  letzter  Zeit  in  vielen  Zeitschriften  das  „Oeuvre 
des  enfants  tuberculeux  d'Ormesson“  beschrieben  wurde,  wird  im 
vorliegenden  Aufsatze  doch  der  Gegenstand  in  neuer  und  inter¬ 
essanter  Beleuchtung  aufgefasst  und  namentlich  dazu  verwendet, 
die  Deutschen  aufzufordern,  dem  Beispiele  Frankreichs  zu  folgen 
und  mehr  für  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose  im  Kindesalter 
zu  tun.  Dr.  Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Virchows  Archiv.  Bd.  169.  Heft  2.  1902. 

7)  K.  II  o  c  h  h  e  i  m :  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Pneu- 
monomykosis  aspergillina.  (Aus  dem  patholog.  Institut  der  Uni¬ 
versität  Göttingen.) 

Bei  einem  an  Sepsis  gestorbenen  Mann  wurden  in  den  Lungen 
neben  alten  tuberkulösen  Herden  solche  von  gelbgrünem  Aussehen 
gefunden,  deren  Inhalt  durch  Kulturversuch  als  der  Schimmel¬ 
pilz  Aspergillus  fumigatus  erwiesen  wurde.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  machte  es  wahrscheinlich,  dass  die  Schimmel¬ 
erkrankung  durch  Inhalation  der  Keime  entstanden  war, 
wobei  die  lange  Benommenheit  des  Kranken  ein  begünstigendes 
Moment  darstellte.  Von  den  Inhalationsversuchen  H.s  ist  der 
zweite  bemerkenswert,  bei  dem  durch  Insuffizienz  an  funktio¬ 
nierendem  Parenchym  (es  waren  künstlich  Lungeninfarkte  gesetzt 
worden)  eine  Aspergillusansiedlung  in  den  Lungen  des  betreffen¬ 
den  Kaninchens  entstand,  die  nach  0 y2  Tagen  zum  Tode  führte. 

8)  G.  Sc  hi  ekele:  Ueber  die  Herkunft  der  Cysten  der 
weiblichen  Adnexe,  ihrer  Anhangsgebilde  und  der  Adenomyome 
des  lateralen  Tubenabschnittes.  (Aus  dem  patholog.  Institut  der 
Universität  Strassburg  i.  E.)  (Schluss.) 

Zu  einem  kürzeren  Referate  nicht  geeignet. 

9)  K.  Wlassow:  Ueber  die  Patho-  und  Histogenese  des 
sogen.  „Sarcome  angioplastique“.  (Aus  dem  patholog.  Institut 
der  kaiserl.  Universität  zu  Moskau.) 

Das  „Sarcome  angioplastique“,  eine  von  Malassez  und 
M  o  n  o  d  beschriebene  Hodengeschwulst,  wird  gebildet  durch  ein 
Protoplasmanetz  mit  regellosen  Schlingen  und  Querbalken,  be¬ 
stehend  aus  gegenseitig  anastomosierenden  Riesenzellen.  W.  be¬ 
trachtet  diese  Geschwulst  als  ein  Epithelioma  sui  generis  des 
Hodens,  welches  sich  aus  dem  nicht  völlig  differenzierten  Epithel 
der  embryonalen  Drüsenkanälchen  entwickelt,  vielleicht  aus  den¬ 
selben  Bestandteilen  entstehend  wie  ein  Chorionepitheliom.  Als 
neue  Bezeichnung  dieser  Geschwülste  im  Gegensatz  zu  andern 
epithelialen  Tumoren  wird  „Epithelioma  syncytiomatodes  testieuli“ 
vorgeschlagen.  ( 

10)  N.  Iwanoff:  Ueber  das  elastische  Gewebe  des  Uterus 
während  der  Gravidität.  (Aus  der  Moskauer  geburtshilflichen 
Anstalt.) 

Durch  Untersuchung  zahlreiche’.*  Uteri  auf  elastische  Fasern 
kommt  I.  zu  der  Ansicht,  dass  diese  die  g  1  e  i  c  li  e  Richtung 
haben  wie  die  Muskelfasern  und  die  kollagenen  Fasern,  also  denen 
parallel  sind.  Die  elastischen  Fasern  sind  erst  reichlich  vor¬ 
handen  in  einem  gravid  gewesenen  Uterus  und  vermehren  sich 
während  der  Gravidität  durch  Zusammenflüssen  von  Tröpfchen 
elastischer  Substanz. 

Die  elastischen  Fasern  in  Portio  vaginalis  und  der  Vagina 
selbst  bewahren  während  der  Geburt  diese  Organe  vor  einer 
Ruptur  ähnlich  wie  das  seidene  Netz  eines  R  i  c  h  a  r  d  s  o  n  sehen 
Gummiballes  denselben  vor  dem  Zerreissen. 

11)  Keigi  Sawada:  Ueber  Zerstörung  und  Neubildung  des 
elastischen  Gewebes  in  der  Lunge  bei  verschiedenen  Erkrank¬ 
ungen.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Berlin.) 


Die  Einwirkung  von  Entzündungsreizen  auf  die  elastischen 
Fasern  ist  eine  verschiedene,  je  nach  der  Aetiologie  des  Reizes; 
manchmal  bleiben  sie  auch  unverändert  oder  erleiden  durch  Un¬ 
tätigkeit  eine  regressive  Veränderung.  Neubildung  tritt  bei 
chronischer  Bindegewebswucherung  der  Lunge  ein;  diese  Neu¬ 
bildung  scliliesst  sich  jedoch  nicht  an  die  alten  elastischen  Fasern 
an,  auch  entstehen  elastische  Fasern  wenig  nach  mechanischen 
und  funktionellen  Grundsätzen.  Die  neuen  Fasern  zeigen  innige 
Beziehungen  zu  Bindegewebszellen. 

12)  Tsutomu  I  n  o  u  y  e  -  Japan:  Ueber  das  Verhalten  des 
elastischen  Gewebes  bei  Magenkarzinom.  (Aus  dem  patholog. 
Institut  zu  Berlin.) 

Aus  den  Untersuchungen  von  20  Fällen  von  Magenkarzinom 
verschiedener  Art  resultiert  der  Autor,  dass  elastische  Fasern 
zuerst  vom  Tumor  verdrängt,  dann  zerstört,  selten  innerhalb  der 
Geschwulst  neu  gebildet  werden.  Diese  Neubildungen  sollen  nach 
ihrer  Anordnung  und  Verteilung  von  präexistierenden  elastischen 
Fasern  ausgehen. 

13)  Alexander  T  edesch  i-  Buenos-  Aires:  Heterotopie  grauer 
Hirnsubstanz  bei  einer  epileptischen  Idiotin. 

Bei  der  Sektion  eines  10  jähr.,  idiotischen  und  epileptischen 
Mädchens,  welches  im  epileptischen  Anfall  gestorben  war,  wurde 
neben  anderen  Abnormitäten  (Uterus  bicornis,  einer  Art.  corp. 
eallosi  etc.  etc.)  eine  sehr  ausgedehnte  Ersetzung  der  weissen 
Substanz  des  Stabkranzes  durch  graue  Substanz  gefunden.  Von 
der  Hirnrinde  und  den  Ganglien  der  Basis  war  sie  getrennt,  jedoch 
mit  dem  Claustrum  verbunden;  sie  bestand  aus  Ganglienzellen, 
Neurogliäzellen  und  mannigfach  angeordneten  Nervenfasern. 

14)  G.  W  o  1  f  f  -  Basel :  Die  physiologische  Grundlage  der 
Lehre  von  den  Degenerationszeichen. 

W.  zieht  für  die  allgemeine  morpliogene'tische  Funktion  des 
Nervensystems  die  Beteiligung  von  Nerven  an  regenerativen  Ent¬ 
wicklungsvorgängen  bei.  Regenerationsversuche  wurden  an  den 
Extremitäten  von  Triton  cristatus  ohne  und  mit  Zerstörung  der 
zuführenden  Nerven  ausgeführt  und  diese  Versuche  ergaben 
einen  sicheren  Einfluss  der  Nerventätigkeit  auf  die  regenerative 
Entwicklung. 

15)  Kleine  Mitteilung:  C.  C  r  o  f  t  a  n  -  Philadelphia:  Notiz 
über  eine  chemische  Methode,  Hypernephrome  (Nebennieren¬ 
tumoren)  der  Niere  von  anderen  Geschwülsten  zu  unterscheiden. 

Jod-Stärkelösung  wird  durch  Hypernephromaausziige  (auch 
von  in  Formol  gelegenen)  entfärbt. 

Ivonr.  Schneider-  Erlangen. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1902. 

41.  Bd.  I.  Heft. 

1)  As  eher- Königsberg:  Was  ist  soziale  Hygiene  und  wie 
soll  sie  getrieben  werden? 

Nach  Feststellung  des  Begriffes  „soziale  Hygien  e“,  er¬ 
örtert  der  Verfasser  eine  Reihe  von  Punkten,  in  denen  die  wissen¬ 
schaftliche  und  praktische  Hygiene  trotz  aller  Erfolge  noch  Mängel 
aufzuweisen  hat.  So  in  Fragen  der  Tuberkulose,  der  Geschlechts¬ 
krankheiten,  Geisteskrankheiten,  Nervenkrankheiten,  des  Alkoholis¬ 
mus,  der  Krankheiten  der  Bewegungsorgane  und  der  Wohnungs¬ 
frage.  Es  beruhe  dies  darauf,  dass  den  Hygienikern  soziologische 
und  den  Soziologen  oder  Nationalökonomen  medizinische  Kennt¬ 
nisse  fehlten.  Beide  Berufe  müssten  mehr  Hand  in  Hand  arbeiten 
als  bisher,  dann  würden  die  Lücken,  die  die  soziale  Hygiene  er¬ 
kennen  liess,  ausgefüllt  werden. 

2)  Dönitz:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anopheles. 

In  einer  sehr  ausführlichen  und  interessanten  Arbeit  be¬ 
schreibt  Verfasser  sämtliche  bis  jetzt  bekannten  Anopheles¬ 
arten,  deren  Zahl  bereits  auf  ca.  20  gestiegen  ist.  Sie  ent¬ 
stammen  der  K  o  c  h  sehen  Sammlung  und  wurden  zum  Teil  selbst 
von  K  o  c  h  in  Java  und  Neu-Guinea  gesammelt,  teils  von  der 
Kolonial  Verwaltung  von  Holländisch-Indien  zusammengebracht. 
Auch  aus  China,  Unterägypten  und  aus  den  deutschen  Kolonien 
stammen  verschiedene  Arten.  Wertvoll  ist  es,  dass  diese  Mücken 
sämtlich  meist  in  Krankenhäusern  gefangen  wurden.  Auf 
die  Unterschiede  der  einzelnen  Arten  kann  nicht  näher  eingegangen 
werden,  nur  sei  darauf  hingewiesen,  dass  die  Flügel  die  besten 
Anhaltspunkte  zur  Unterscheidung  darbieten.  Der  Arbeit  sind 
2  Tafeln  Flügelphotogramme  beigegeben,  die  in  sehr  schöner  Weise 
die  Beschreibungen  ergänzen. 

3)  S  c  h  ü  f  f  n  e  r  -  Sumatra:  Die  Beziehungen  der  Malaria¬ 
parasiten  zu  Mensch  und  Mücke  an  der  Ostküste  Sumatras. 

Den  bisherigen  Bemühungen  war  es  noch  nicht  bescliieden 
gewesen,  den  Entwickelungsg  a  n  g  d  e  r  m  enschliche  n 
M  a  1  a  r  i  a  parasiten  i  n  A  n  o  p  h  e  1  e  s  vollständig  klar  zu 
legen.  Es  gelang  nunmehr  dem  Verfasser,  welcher  seine  Studien 
in  R  antan  P  a  n  d  j  a  n  g  in  Sumatra  machte,  diese  Lücke  aus- 
zufüllen.  Eine  grosse  Reihe  sehr  guter  Photogramme  vervoll¬ 
ständigen  die  Beschreibung.  Um  den  Beweis  zu  erbringen,  dass 
es  sich  wirklich  um  Malariainfektion  bei  den  Anopheles  handelte, 
liess  er  sich  und  einen  anderen  Herrn  von  den  Mücken  infizieren. 
Beide  Experimentatoren  erkrankten  an  Tertiana. 

Die  weiteren  Mitteilungen  beziehen  sich  auf  die  Prophylaxe 
der  Malaria.  Er  will  weder  die  Chininprophylaxe,  noch  den  Schutz 
vor  den  Moskitos,  noch  die  Vernichtung  derselben  allein  angewandt 
wissen,  sondern  ganz  den  Verhältnissen  entsprechend  das  eine 
und  das  andere  oder  das  eine  oder  das  andere.  Die  Vernichtung 
!  der  Anopheleslarven  hält  er  durchaus  für  möglich,  wenn  sich  zu¬ 
nächst  auch  noch  in  manchen  Fällen  Schwierigkeiten  zeigen.  Die 
vielgefürchteten  feuchten  Reisfelder  machen  das  Land  nach  seiner 


30.  September  1902. 


MÜENCIIENER  MEMC1NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1627 


Ansicht  nicht  zu  einer  Fiebergegend.  In  erster  Linie  ist  der  Kampf 
gegen  die  Mucken  an  den  Fieberplätzen  der  Küsten  aufzunehmen 
da  die  Einschleppung  ins  Innere  des  Landes  kaum  in  Frage  kommt! 

4)  Ivionka  und  Ebstein:  Ueber  die  chronische  Sulfit¬ 
vergiftung. 

Auf  die  Angriffe,  die  gegen  Ivion  k  a  auf  seine  frühere  Arbeit 
über  die  Wirkung  des  Natriumsulfits  gerichtet  waren,  antwortet 
er  in  Verbindung  mit  Ebstein  in  vorliegender  neuer  Arbeit  und 
zeigt,  dass  das  schwefligsa  u  r  e  N  a  t  r  o  n,  selbst  wenn  es 
auch  luu  in  kleinen  Dosen,  z.  B.  als  Präservesalz,.  dem  tierischen 
Organismus  längere  Zeit  verabreicht  wird,  schwere  Blutvergiftung 
bewirkt.  Verfasser  machte  seine  Versuche  an  Hunden,  welche 
zwar  äusserlieli  in  ihrer  Gesundheit  und  dem  Ernährungszustand 
nichts  Pathologisches  erkennen  bessern  aber  in  allen  inneren  Or¬ 
ganen,  besonders  in  den  Nieren,  schwere  Schädigungen  erlitten. 

5)  M  a  r  t  in  i  -  Berlin:  Ueber  die  Entstehung  der  Neu¬ 
ei  ki  ankungen  an  Malaria  während  des  Frühjahrs  und  Sommers 
unserer  Breiten. 


Die  Beobachtungen  wurden  in  Wilhelmshaven  ausgeführt  und 
im  Vergleich  von  früheren  Wohnungen  mit  den  jetzigen  festgestellt 
dass  sich  auch  das  F  r  ü  h  j  a  h  r  s  in  a  x  i  m  u  ni  d  e  r  M  a  fa  r  i  a  - 
k  u  r  v  e  durch  die  Vermittelung  der  Anopheles  ungezwungen  er¬ 
klären  bisst. 


6)  M  a  r  t  i  n  i  -  Berlin:  Beschleunigung  und  Sicherung  der 
Pestdiagnose  in  zweifelhaften  Fällen. 

Im  Anschluss  an  die  von  der  österreichischen  Pestkommission 
angegebene  Methode  zur  Sicherung  der  Pestdiagnose  nach 
welcher  Pestmaterial  auf  der  rasierten  Bau  c  h  h  a  u  t  des 
Meerschwei  n  c  hens  zu  verreiben  ist,  hat  Verf.  ein  Ver¬ 
fahren  ausgearbeitet,  welches  insofern  noch  rascher  zum  Ziele 
führt,  als  er  die  Bubonen  noch  vor  dem  Tode  der  auf  diese  Weise 
infizierten  Meerschweinchen  ansticht  und  den  Inhalt  auf  Platten 
überimpft.  Auf  diese  Weise  lassen  sich  sogar  auch  wenig  oder 
nahezu  avirulente  Keime  nachweisen.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 


Centraltylatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  5.  1902. 

1)  Gr  im  me- Marburg:  Die  wichtigsten  Methoden  der 
Bakterienfärbung  in  ihrer  Wirkung  auf  die  Membran,  den 
Protoplasten  und  die  Einschlüsse  der  Bakterienzelle.  (Schluss.) 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

2)  N  a  ga  n  o- Berlin:  Ueber  eine  neue  Sarcine,  die  im 
Eiter  gonokokkenähnliche  Degenerationsformen  zeigt. 

Der  Mikroorganismus  stammt  aus  dem  Eiter  eines  Ovarial- 
abszesses.  Die  Beobachtungen  des  Verf.  lassen  erkennen,  dass 
diese  Sarcine  im  Eiter  zerfällt  und  dann  Verbände  zurücklässt, 
die  dem  Gonokokkus  ähnlich  sehen.  Im  Eiter  selbst  soll  sie 
nicht  nach  G  r  a  m  färbbar  sein,  dagegen  zum  Teil,  wenn  sie  auf 
Nährböden  gewachsen  ist.  Auf  K  artoffel  und  M  i  1  c  h  wächst 
sie  nicht.  F  ür  Mäuse  ist  sie  pathogen,  ebenso  für  Kaninchen. 
Irgendwelche  Bedeutung  für  eine  Erkrankung  beim  Menschen 
scheint  sie  nicht  zu  haben. 

3)  S  c  hü  11  er- Berlin:  Ueber  eigenartige  Parasitenbefunde 
bei  Syphilis.  Ihre  Bedeutung  für  die  Entstehung,  Diagnose  und 
Ausbreitung  dieser  Infektionskrankheit  bei  Erwachsenen  und 
Kinaern,  sowie  für  die  Beziehungen  der  Syphilis  zu  anderen 
Krankheitsprozessen.  (Fortsetzung  folgt.) 

4)  Shiga- Japan:  Bemerkungen  zu  Jägers  „Die  in  Ost- 
preussen  einheimische  Ruhr,  eine  Amöbendysenterie.“ 

Dass  die  in  Ostpreussen  auftretende  und  von  J  ä  g  e  r  beschrie¬ 
bene  Dysenterie  eine  A  m  ö  b  e  n  d  y  senterie  sein  soll,  zweifelt 
Shiga  an,  weil  J  ä  g  e  r,  nach  Sliigas  Ansicht,  nicht  A  moeb  a 
uysenteriae,  sondern  nur  Amoeba  coli  gefunden  hat. 
Letztere  beweist  aber  weder  für  die  Zugehörigkeit  zur  Bazillen- 
dysenterie  noch  zur  Amöbendysenterie  etwas.  Verf.  gibt  im  An¬ 
schluss  daran  noch  einmal  die  diagnostischen  Unterschiede  zwi¬ 
schen  Amoeba  coli  und  Amoeba  dy  senteria  e. 

5)  A  n  j  esz  k  y-Ofen-Pest:  Ueber  eine  neue  Infektionskrank¬ 
heit  bei  Haustieren. 

Bei  einem  Ochse  n,  einem  Hund  und  einer  Katze  wurden 
auffallende  Unruhe,  ein  auf  der  Infektionsstelle  auftretender  ent¬ 
zündlicher  und  schmerzhafter  Prozess,  welcher  zum  Teil  Nekrose 
des  Gewebes  zur  Folge  hatte,  Muskelzuckungen,  nachfolgende  Er¬ 
schöpfung,  Agonie  und  baldiger  Tod  konstatiert.  Der  "Sektions- 
befund  wies  Hyperämie  des  Gehirns  auf.  Bakterien 
konnten  in  keinem  Falle  gezüchtet  werden,  dagegen  ge¬ 
lang  es  bei  Kaninchen,  Hunden,  Meerschweinchen,  nicht  aber  bei 
Tauben  und  Hühnern,  die  Krankheit  mittels  Injektion  von  G  e  - 
h  i  r  n  -  oder  Rückenma  r  k  s  masse  hervorzurufen.  Der  Ver¬ 
lauf  war  derselbe  wie  bei  spontan  erkrankten  Tieren.  Die  Dauer 
der  Inkubationsezit  ist  verschieden,  je  nach  Empfänglichkeit  der 
Tiergattung,  nach  der  Virulenz  des  Infektionsstoffes  und  nach  dem 
Körperteil,  wo  die  Injektion  stattfindet.  Kaninchen  er¬ 
tranken  gewöhnlich  nach  3G — 48  Stunden,  die  Temperatur  steigt, 
um  1—1  y2°.  Die  Dauer  der  Krankheit  beträgt  3 — 30,  gewöhnlich 
o  10  Stunden.  Das  Virus  hält  sich  in  Glyzerin  2 — ‘2ya  Monate. 
Immunität  gegen  das  Gift  konnte  nicht  erzeugt  werden.  Mit 
V  u  t  k  r ankheit,  der  diese  neue  Krankheit  in  einigen 
Punkten  ähnelt,  kann  sie  nicht  verwechselt  'werden  wegen  der 
kurzen  Inkubationszeit,  des  raschen  Verlaufes  der  Krankheit,  des 
Mangels  der  sukzessiven  Lähmung,  und  deshalb,  weil  auch  bei 
Versuchstieren  die  subkutane  Infektion  immer  gelingt. 

6)  V  u  i  1 1  e  m  i  n  -  Nancy:  Sur  la  penetration  des  femelles 
d’Oxyuris  vermicularis  ä  travers  les  parois  de  Pintestin. 


von  Kolb  (diese  Zeitsclir.  1902,  Bd.  31) 


Seitenstück  zu  dem 
beschriebenen  Falle. 

.,  o  s  a  n  f  e  1 1  C  e  -  Cagliari :  Die  Antikörper  des  Blutserums 
mit  Blastomyceten  behandelter  Tiere. 

Es  sollte  festgestellt  werden,  ob  im  Blutserum  der  gegen  die 
Einspritzungen  pathogener  Blastom  yc*  t  e  n  immunisierten 
1  if l'e  oder  solcher,  bei  denen  die  blastomycetisclie  Infektion  aus¬ 
gebrochen  war,  Antikörper  oder  sensibilisierende  Substanzen  vor¬ 
handen  seien.  Benutzt  wurden  II  u  n  d  e,  welche  Sacclia  r  o  - 
in  y  c  e  s  neofor  m  a  n  s  und  noch  2  andere  pathogene  Hefen 
injiziert  bekamen.  Dabei  zeigte  sich,  dass  im  Blutserum  der 
Here,  die  gegen  die  Einimpfung  der  pathogenen  Blastomyceten 
durch  wiederholte  Injektionen  in  der  Wärme  abgeschwächter 
Kulturen  derselben  Blastomyceten  immunisiert  waren,  stets  die 
sensibilisierende  Substanz  oder  Antikörper  vorhanden  waren.  Im 
Blutsei  um  in  aktiver  blastomycetischer  Infektion  begriffener  Tiere 
trifft  man  dagegen  die  Antikörper  nicht  an,  ganz  so  wie  B  r  o  u  h  a 
bei  dem  Blutserum  der  Krebskranken  konstatiert  hat. 

8)  Verney -Zürich:  Ueber  die  gegenseitige  Wirkung  auf¬ 
einanderfolgender  Immunisierungen  im  tierischen  Organismus 
(Schluss.) 

O*  N  o  g  u  c  li  i  -  Philadelphia:  The  Antihaemolytic  Action  of 
Blood  Sera,  Milk  and  Cholesterin  upon  Agaricin,  Saponin  and 
Tetanolysin,  together  with  Observations  upon  the  Agglutina¬ 
tion  of  Hardened  Red  Corpuscles. 

10)  Iv  a  spar  e  k  -  Prag:  Einige  Modifikationen  von  Einrich¬ 
tungen  für  bakteriologische  Untersuchungen. 

Verf.  bringt  praktische  Notizen  über  Sterilisierbüchsen,  Hei¬ 
zung  von  Brutschränken  mit  Auerbrenner,  elektrischen  Heiss¬ 
wassertrichter,  einen  neuen  Wärmeapparat  und  eine  Methode  zur 
bakteriologischen  Wasseruntersuchung.  Bei  letzterer  schlägt  er 
vor,  die  ganze  Bakterienmenge,  welche  sich  in  einer  bestimmten 
Wassermenge  findet,  durch  kleine  Tonzellen  abzufiltrieren,  die¬ 
selben  alsdann  zu  zerreiben,  mit  Gelatine  oder  Agar  zu  mischen 
und  davon  Platten  zu  giessen. 


11)  R  y  m  o  w  i  t  s  c  h  -  Kasan:  Zur  Züchtung  des  Pneumo¬ 
kokkus. 

Die  Lebensfähigkeit  der  Pneumokokken,  welche  in  Rein¬ 
kulturen  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  sehr  gering  ist,  zu  er¬ 
höhen,  empfiehlt  Verf.,  einer  Bouillon  Kaninc  lie  nser  u  in 
beizumischen  und  dann  die  Kulturen  in  den  Brutschrank  zu  stellen. 
Sie  halten  sich  dann  bis  zu  2  Monaten  am  Leben,  während  sie 
sonst  nach  einigen  Tagen  abgestorben  sind.  Auch  die  Virulenz 
bleibt  erhalten. 

12)  1  ö  r  n  e  r -  Leipzig:  Zur  Kultivierung  des  Microsporon 
furfur  und  des  Microsporon  minutissimum. 

Es  gelang  Vörner,  Microsporon  furfur  und  Microsporon 
minutissimum  auf  Blutseru  m  zu  züchten,  dem  etwas  Agar 
zugesetzt  war.  Von  Personen,  welche  eine  der  durch  die  Pilze 
erzeugte  Affektion  zeigten,  wurden  Hautschüppchen  abgeschabt, 
mit  steriler  Kieselgulir  verrieben  und  Verdünnungen  angelegt. 
Im  Brutschrank  entwickelten  sich  Kolonien  schon  nach  24  bis 
4S  Stunden,  bei  Zimmertemperatur  nach  3 — 0  Tagen.  Von  den 
entstandenen  Reinkulturen  konnten  Uebertragungsversuehe  beim 
Verf.  und  einer  Frau  angestellt  werden,  welche  beide  gelangen. 
Die  Zeit  der  grösseren  Hitze  scheint  für  die  Lebens¬ 
bedingungen  und  die  Ausbreitung  der  Krankheit  von  Bedeutung 
zu  sein. 


13)  C  zaplewski  -  Köln:  Ueber  einen  bequemen  Sektions¬ 
und  Operationstisch  für  Labarotoriumsversuchstiere. 

Ein  kleiner^  praktischer  Tisch,  der  auf  dem  verstellbaren 
A  t  z  e  r  t  sehen  Universalklapptisch  befestigt  werden  kann  und  von 
allen  Seiten  bequem  zugänglich  ist. 

_  R.  O.  Neumann  -  Kiel. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  38. 

J.  F  i  b  i  g  e  r  und  C.  O.  J  e  n  s  e  n  -  Kopenhagen:  Uebertragung 
der  Tuberkulose  des  Menschen  auf  das  Rind. 

Es  handelt  sich  hier  um  5  Versuche,  um  die  Uebertragbarkeit 
der  Menschentuberkulose  auf  das  Rind  zu  prüfen  und  zwar  der 
Tuberkulose  von  Menschen,  welche  an  Darmtuberkulose,  vermut¬ 
lich  an  primärer  Fütterungstuberkulose  litten.  Bei  zwei  Fällen 
wurde  aus  der  Leiche  einer  43  bezw.  23  jährigen  Person  der  In¬ 
fektionsstoff  genommen,  das  einemal  einem  Kalbe  direkt  die  Auf¬ 
schwemmung  einer  tuberkulösen  Mesenterialdrüse  in  die  Brust¬ 
höhle  eingebracht,  das  anderemal  ein  Meerschweinchen  subkutan 
mit  einer  solchen  Mesenterialdrüse  infiziert  und  dann  die  tuber¬ 
kulöse  Milz  dieses  Tieres  aufgeschwemmt  einem  Kalbe  intra- 
peritoneal  eingeimpft.  Der  Erfolg  war  positiv,  die  tuberkulösen 
Erscheinungen  bei  den  Kälbern  jedoch  nur  sehr  vereinzelt  ent¬ 
wickelt.  Dagegen  war  der  Erfolg  eklatant  bei  den  Impfversuchen, 
zu  denen  das  Material  von  3  an  Darmtuberkulose  gestorbenen 
Kindern  von  4  bezw.  19  Monaten  bezw.  6  Jahren  stammte.  Es 
zeigte  sich,  dass  hier  die  Bazillen  virulent,  teilweise  sogar  sehr 
virulent  für  Kälber  waren,  man  könnte  daraus  folgern,  dass  die 
Kinder  selbst  an  einer  vom  Rinde  stammenden  Tuberkulose  (Perl¬ 
sucht)  gelitten  haben.  Ferner  liesse  sich  nach  dem  verschiedenen 
Ausfall  der  Versuche  die  FTage  aufwerfen,  ob  nicht  die  Virulenz 
der  Tuberkelbazillen  für  das  Rind  während  des  längeren  Ver- 
weilens  im  menschlichen  Körper  eine  zunehmende  Absehwächung 
erfahre. 

P.  K  y.e  s  -  Frankfurt:  Ueber  die  Wirkungsweise  des  Cobra- 
giftes.  (Schluss  folgt.) 

J  u  n  g  in  a  n  n  -  Berlin:  Ueber  multiple  hereditäre  Exostosen. 

Vergl.  Bericht  S.  4G7  dieser  Wochenschrift. 


1G28 


MUEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


A  Macken  rod  t- Berlin:  Laparotomia  hypogastrica  extia- 
peritonealis  zur  Heilung  des  Gebärmutterscheidenkrebses  und 
des  Mastdarmkrebses. 

Yergl.  Bericht  S.  1200  dieser  Wochenschrift. 

Unter  zunehmender  Erfahrung  und  Technik  ist  M.  zu  immer 
radikalerem  Operieren  vorgedrungen,  so  dass  er  alle  unterhalb  der 
Gabelung  der  Iliaca  gelegenen  Drüsen,  schliesslich  mit  dem  l  terus 
auch  Teile  der  Blase  und  die  ganze  Ampulla  recti  entfernte  Bei 
der  Operation  des  Rektumkarzinoms  unterlässt  er  nie  mehr,  mit  dem 
Rektum  die  Scheide  mit  dem  Parakolpium,  den  Uterus  mit  den 
hinteren  Parametrien  fortzunehmen,  das  Rektum  und  Kolon  lassen 
sich  in  beliebiger  Ausdehnung  resezieren;  der  Verlauf  der  Heilung 
ist  befriedigend,  auch  beim  Manne  lässt  sich  das  radikale  Ver¬ 
fahren  ebenso  und  zwar  viel  leichter  durchführen.  Bergeat. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  38. 

1)  Gedenkrede  auf  Rudolf  Virchow,  gehalten  bei  der 
Trauerfeier  im  Rathause  am  9.  September  von  W  a  1  d  e  y  e  r. 

2)  Felix  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  -  Berlin:  Ueber  Ernährung  in  der 
heissen  Jahreszeit  und  im  warmen  Klima. 

II.  kritisiert  die  von  Karl  Ernst  Ranke  mitgeteilten .Beob¬ 
achtungen  über  die  Einwirkung  des  Tropenklimas  auf  die  Er¬ 
nährung  des  Menschen  (Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  XL)  und  plaidiei 
auf  Grund  eigener  Versuche  für  eine  mehr  kolilehydrat-  und  fett¬ 
reiche  Ernährung,  welche  namentlich  dann  einzutreten  hat,  wenn 
infolge  hoher  Aussentemperatur  die  Esslust  sinkt.  Die  v.  \  o  i  tu¬ 
sche  Forderung  von  118  g  Ehveiss  ist  nach  seiner  Ansicht  nicht 
unter  allen  Umständen  als  berechtigt  anzuerkennen.  . 

3)  J.  J  a  c  o  b  y  -  Berlin:  Beitrag  zur  Bottini  sehen  Ope- 

iatl°Ein  neues  Verfahren  bei  der  Bottini  sehen  Operation,  ver¬ 
mittels  einer  Zeigervorrichtung  sowohl  die  Ansatzstelle  des  In- 
zisors  als  auch  seine  Schnittrichtung  während  der  ganzen  Dauer 
der  Operation  mit  mathematischer  Genauigkeit  kontrollieren  zu 

komum.  uh  ien  hu  tli- Greifswald:  Praktische  Ergebnisse  der 
forensischen  Serodiagnostik  des  Blutes.  (Schluss  aus  No.  o<.) 

Referat  siehe  diese  Wochenschrift,  No.  37,  pag.  1548. 

5)  H.  St  rau  ss-  Berlin:  Ueber  osmotische  und  chemische 
Vorgänge  am  menschlichen  Chylus.  (Schluss  aus  No.  37.) 

Referat  siehe  diese  Wochenschrift,  No.  21,  pag.  893. 

6)  Oeffentliches  Sanitätswesen: 

a)  Arthur  S  c  h  u  1  z  -  Berlin:  Ueber  die  Berechtigung  des 
Bundesratsbeschlusses  vom  18.  Februar  1902  bezüglich  des 
Verbotes  der  schwefligen  Säure  und  ihrer  Salze.  (Aus  der  Unter- 
rielitsanstalt  für  Staatsarzneikunde  der  Universität  Berlin.) 

b)  B  ib  er  fei  d- Hamburg:  Zur  Bekämpfung  der  Kur¬ 
pfuscherei:  Ein  Versuch  mit  untauglichen  Mitteln. 

Besprechung  der  diesbezüglichen  Gesetzesparagraphen  von 
juristischer  Seite. 

7)  Tropenkrankheiten  und  koloniale  Medizin: 

Albert  P  1  e  h  n  -  Kamerun:  Schwarzwasserfieber  und  Chinin¬ 
prophylaxe.  ,  .  .  -r, 

P.  konstatiert,  entgegen  den  von  K  1  e  i  n  e  aufgestellten  Be¬ 
hauptungen,  dass  bei  systematisch  durchgeführter  Chininprophy¬ 
laxe  (mindestens  jeden  5.  Tag  %  g  Chinin  8  Monate  hindurch  auch 
nach  Verlassen  der  Fieberherde)  das  Auftreten  von  Schwarz  Wasser¬ 
fieber  sicher  vermieden  werden  kann.  F. 

Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  32.  Jahrg.  No.  18. 

L  an  z- Bern:  Operative  Behandlung  der  Lebercirrhose. 

2  Fälle  von  Talmascher  Operation,  der  eine  mit  vorzüg¬ 
lichem,  der  andere  mit  gutem,  aber  noch  kurzem  Erfolg. 

E.  Ammann-  Winterthur:  Einiges  zu  den  Unfallentschä¬ 
digungen.  Tr  . 

Die  Verletzung  der  Linse  auf  einem  Auge  ergibt  nac.h  vert.s 
Erfahrungen,  gegenüber  den  Aufstellungen  anderer  Autoren,  meist 
keine  oder  nur  eine  minimale  Erwerbseinbusse.  Der  einseitig 
Linsenlose  darf  eben  nicht  mit  dem  Einäugigen  verglichen  werden; 
er  hat  noch  zwei  Augen  zum  Sehen,  wenn  auch  nicht  zum 
binokularen  Sehen. 

F.  W  u  h  r  m  an  n- Kilchberg-Zürich:  Die  bewegliche  Niere 
und  ihre  Anteversion. 

Die  normalen  Nieren  sind  physiologischerweise  aut  ihrer 
Unterlage  unverrückbar  und  zeigen  speziell  bei  der  Atmung  keine 
Verschiebung  in  der  Längsachse  des  Körpers;  sie  können  sich 
aber,  wenn  genügend  hoch  gelegen,  bei  tiefer  Inspiration  mit  dem 
oberen  Pol  vornüber  neigen.  Das  Massgebende  für  die  Diagnose 
„bewegliche  Niere“  ist  die  Verschieblichkeit  bei  der  Untersuchung 
iiezw.  das  Zurückschnellen  bei  ruckweise  erfolgendem  Zurücklegen. 
Bei  stehen  und  Sitzen  dreht  sich  die  bewegliche  Niere  um  den 
frontalen  Querdurchmesser  um  ca.  90°,  wobei  sie  sich  nach  vorn 
überneigt,  wenn  Leber  und  Niere  normal  liegen  und  erstere  den 
oberen  Nierenpol  von  hinten  fassen  kann,  dagegen  (seltener)  nach 
hinten,  wenn  die  Leber  im  Verhältnis  tiefer  liegt  und  die  untere 
Nierenhälfte  nach  vorn  drückt.  Dies  wird  durch  Sektion  eines 
Ertrunkenen  (Bild)  belegt.  Für  die  Nephropexie  ergibt  sich  die 
Vorschrift,  die  Niere  gerade  am  oberen  Pol  glatt  festzunähen. 

E.  Emmert  -  Bern:  Alte  und  neue  Schutz-  und  Deckmittel 
für  die  Augen. 

Verf.  liess  Hartgummischalen  (innen  schwarz,  aussen  rosa- 
bräunlicli)  mit  Gummibäudchen  aufertigen  (Ph.  Penin,  Leipzig- 
Plagwitz).  Pischingei. 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  38.  E.  Ludwig,  Th.  Panzer  und  R.  v.  Zeynek:  Unter¬ 
suchung  der  Thermalwässer  des  neuen  Springers,  des  Muhl¬ 
brunnens  und  der  Franz  Josef-Quelle  in  Karlsbad. 

Die  Resultate  dieser  Untersuchung,  auf  die  wir  nicht  naher 
eingelien  können,  zeigen,  dass  genannte  Quellen  unter  sich  gleiche 
Zusammensetzung  haben  und  sich  auch  von  den  übrigen  Karls¬ 
bader  Quellen  nicht  wesentlich  unterscheiden.  Infolge  einer 
exakteren  Untersuchungsmethode  ergeben  sich  für  die  Gesamt- 
kolilensäure  im  Vergleich  mit  früheren  Analysen  viel  höhere 
Werte 

r'  Ohrobak:  Zur  Tamponade  des  puerperalen  Uterus. 

Die  von  Dührssen  empfohlene  Methode  findet  noch  eine 
sehr  geteilte  Beurteilung.  Wenn  auch  die  exakte  Blutstillung  mög¬ 
lichst  durch  die  Naht  die  erste  Forderung  bleibt,  so  erkennt  Gfi. 
doch  die  Berechtigung  der  Tamponade  für  manche  Notfälle  der 
Praxis  an.  Bei  den  Versuchen  auf  seiner  Klinik  trafen  aut 
oT  Kranke  3  Todesfälle,  darunter  nur  einer,  bei  dem  es  trotz 
richtig  ausgeführter  Tamponade  weiter  geblutet  hatte.  Auf  der 
richtigen  Ausführung,  d.  h.  der  exakten  vollkommenen  Aus¬ 
stopfung  der  Uterushöhle  liegt  der  Schwerpunkt.  Diese  wird  am 
ehesten  bei  der  manuellen  Ausführung  gewährleistet,  weniger  bei 
der  Anwendung  der  nicht  ungefährlichen  Kornzangen  u.  deig  . 
Unerlässlich  ist  vor  allem  auch  die  fortgesetzte  Kontrolle  unu 
die  Regulierung  der  Uteruskontraktion. 

E.  Fuchs- Wien:  Ueber  Kokain. 

F.  gibt  niemals  das  Kokain  den  Kranken  als  schmerzstillendes 
Mittel  hi  die  Hand,  die  Wirkung  desselben  ist  erstens  vorüber¬ 
gehend,  bei  stärkeren  Lösungen  wirkt  es  schädigend  auf  das  Ilorn- 
hautepitliel.  Vorteilhaft  ist  die  anästhesierende  Wirkung,  ausser 
bei  Operationen,  wo  es  bisweilen  subkonjunktival  injiziert  oder  mit 
Morphium  oder  Adrenalin  verbunden  wird,  besonders  gegen  Licht- 

^<  lH  Als  lokale  schmerzstillende  Mittel  müssen  in  erster  Linie 
warme  Umschläge  gelten,  die  besser  vertragen  werden  als  kalte. 
Sehr  günstig  wirkt  bei  schmerzhaften  Hornhauterkrankungen  und 
bei  Iridocyclitis,  trotz  anscheinender  Steigerung  der  äusseren  Ent- 
zündungserscheinungen,  das  Dionin,  als  Pulver  oder  5  proz.  Losung 
in  den  Bindehautsack  gebracht.  Die  Reaktion  des  Auges  auf  das 
Mittel  muss  aber  wenigstens  bei  der  ersten  Anwendung  überwacht 

werden.  „  „ 

Gussenbauer:  Hirnsklerose  und  Herderscheinung. 

Der  Aufsatz  bildet  eine  Ergänzung  zu  dem  in  No.  9,  190- 
dieser  Wochenschrift  referierten  Artikel;  einer  der  dort  beschrie¬ 
benen  Fälle,  bei  welchem  vor  7  Jahren  G.  unter  Annahme  eines 
Hirntumors  die  Trepanation  gemacht,  jedoch  nach  dem  iast- 
befund  nur  eine  Hirnsklerose  hatte  annehmen  können,  gelangte 
znr  Obduktion,  welche  das  Vorhandensein  und  die  weitere  Aus¬ 
bildung  jener  Sklerose  bestätigte.  , 

E.  Neusse  r:  Zur  Symptomatologie  gastrointestinaler 

Störungen  bei  Arteriosklerose. 

Wie  die  Sklerose  der  Koronararterien  auf  reflektorischem 
Wege  bisweilen  zu  Anfällen  führe,  bei  denen  die  abdominellen  Sym¬ 
ptome  geradezu  überwiegen,  so  bringt  N.  in  einem  anderen  I  alle 
wiederholte  Anfälle  von  Gastralgien  und  bedeutender  Druck¬ 
schmerzhaftigkeit  in  der  Magengrube,  wo  es  auch  zu  Magen¬ 
dilatation  und  Hämatemesis  kam,  in  Zusammenhang  mit  einei  bei 
der  Obduktion  festgestellten  hochgradigen  Sklerose  der  Bauch¬ 
aorta.  Als  Beispiel  wird  noch  ein  Fall  Schnitzlers  (Scliineiz- 
paroxysmen  bei  Verschluss  der  Mesenterialarterien)  und  ein  Fall 
O  r  tu  e  r  s  (Sklerose  der  Bauchaorta  und  der  Magen-Darmartenen, 
Anfälle  von  Schmerzen  und  hochgradigem  Meteorismus)  heran- 
bezogen. 

L.  v.  Schrotte  r:  Zur  Diagnose  des  in  der  Brusthöhle  ver¬ 
borgenen  Aortenaneurysmas.  ^ 

Bei  einem  wegen  einer  Nasenerkrankuug  in  Behandlung 
stehenden  Kranken  lenkte  lediglich  die  starke  Erweiterung  und 
Schlängelung  der  Karotiden  die  Aufmerksamkeit  auf  das  GeL.ss- 
svstem  und  ergab  die  Röntgendurchleuchtung  einen  beträchtlichen, 
sehr  deutlich  pulsierenden  Schatten,  der  nur  im  Sinne  eines 
Aortenaneurysmas  zu  deuten  war.  Nachträglich  liess  sich  dann 
auch  eine  geringere  Beweglichkeit  des  linken  Stimmbandes  nach- 

weisen.  „  ,  ,  _  ,  .  , 

A.  Weichselbaum  und  E.  Stangl:  Weitere  histo¬ 
logische  Untersuchungen  des  Pankreas  bei  Diabetes  mellitus. 

Die  nunmehr  auf  32  Fälle  sich  erstreckenden  Untersuchungen 
bestätigen  die  von  den  Verfassern  früher  publizierten  Befunde, 
vor  allem  die  Verminderung  und  Verkleinerung  der  Langer-, 
h  ans  sehen  Inseln.  I111  einzelnen  bestehen  die  Veränderungen 
teils  in  einfacher  Atrophie,  teils  Vakuolenbildung  und  Verflüssi¬ 
gung  (hydropische  Degeneration)  oder  schliesslich  in  einer  Sklerose; 
daneben  finden  sich  Hämorrliagien  und  Verkalkungsvorgänge. 
Die  Veränderungen  im  übrigen  Pankreasgewebe  sind  viel  wemgei 
konstant  und  charakteristisch.  Die  Befunde  anderer  Autoren, 
speziell  Ssobolews,  zeigen  grosse  Uebereinstimmung.  Die 
Auffassung,  dass  den  L  a  n  g  e  r  h  a  n  s  sehen  Inseln  für  die  Um¬ 
setzung  der  Kohlehydrate  eine  wichtige  Funktion  zukommt,  und 
dass  eine  Erkrankung  dieser  Inseln  zu  Pankreasdiabetes  führt, 
hat  eine  wesentliche  Festigung  erfahren. 

Wiener  medicinisclie  Wochenschrift. 

Ko.  28—36.  H  r  a  c  h  -  Przemysl:  Ueber  die  entzündlichen 
Erkrankungen  der  Lungenorgane  in  den  Herbst-  und  Winter¬ 
monaten  vom  Jahre  1900—1901  und  ihre  Behandlung. 


30.  September  1902. 


Ausser  einer  Kritik  der  verschiedenen  Behandlungsformen 
der  Lungenentzündung  vom  Aderlass  bis  zum  Fluoroform  gfbt  H 
eine  genaue  Darlegung  seiner  eigenen  Therapie.  Bei  de?  k rum 
posen  Pneumonie  bedient  er  sich  nasser  Umschläge  und  Eim 
] >at  kungen,  erst  bei  dauernder  Temperaturerhöhung  auf  40°  Bäder 
abgekuhlt  von  25  auf  22-20».  Daneben  innerlich  Antipyfetika 
yon^  denen  sich  das  Natr.  salicyl.  als  das  beste  und  ungefährlichste 
bewahrt  hat,  Digitalis  nur  bei  spezieller  Indikation  wenn  der 
Puls  dauernd  auf  100  ansteigt  und  Schwäche  zeigt.  Mit  Alkohol 
ist  im  Beginn  und  zumal  bei  Kindern,  sehr  zurückzuhalten  aus 
nahmsweise  ist  er  bei  Greisen,  Potatoren  u.  dergl.  frühzeitig  am 
Platze,  dagegen  um  so  wertvoller  in  der  Rekonvalefzenz 
zu  deren  Abkürzung.  Bezüglich  der  katarrhalischen  Pneumomte 
empfiehlt  H.  ausser  der  Bekämpfung  der  bronchitischen  Erschei¬ 
nungen  eher  warme  als  kalte  Umschläge;  von  Wichtigkeit  sind 
gerade  hier  klimatische  Nachkuren.  In  der  Behandlung  der  PleS 
litis  exsudativa  hat  sich  eine  etwa  jeden  zweiten  Tag  mittels  eines 
Heissluftapparates  durchgeführte  Schwitzprozedur  gut  bewährt 
grosstenteds  inl  Garnisonslazarett  Przemysl  behandelten 
loren11  061  geuannteu  Krankheitskategorien  hat  H.  keinen  ver- 

Syphrns  mk3istoolBaer  I““Sb,'UCk:  ^  Behandlu”S  der 

Das  Asterol  wird  nach  B.s  Erfahrungen  an  Wirksamkeit  von 
Sublimat  und  dem  Sozojodolquecksilber  sicher  übertroffen  es 
wurde  sich  als  milderes  Präparat  zur  abwechslungsweisen  Au- 
vendung  bei  Isichtertragung  der  energischeren  Mittel  eignen 
seme  leichte  Zersetzlichkeit  beeinträchtigt  aber  seine  Verwendung! 

No.  ,12  u.  33.  J.  W  e  i  n  s  b  e  r  g  -  Krakair  Zur  Thern-nte  Hov 
Tuberkulose  des  Blinddarmes.  Therapie  der 

Die  radikale  Behandlung  der  so  häufigen  aber  viel  seltener 
diagnostizierten  Erkrankung  kann  nur  eine  chirurgische  sein  frei- 
hch  muss  es  oft  bei  einer  Palliativoperation  sein  Bewenden  haben. 
)°.a  f  operierten  I  allen  her  Trzebicky  sehen  Klinik  konnte  nur 
i  vn  fei°n  die  Resfktlon  der  ganzen  erkrankten  Partie  erfolgen, 
daion  zweimal  mit  gutem  Erfolge,  zweimal  wurde  eine  Entero- 
anastomose  angelegt,  zweimal  blieb  es  bei  einer  Probelaparotomie. 

r,Mf°m3v  -7'  Dras  Che- Wien:  Die  Tuberkulose:  II.  Ge¬ 
nese,  III.  Verbreitung.  (Vergl.  diese  Wochenschrift,  No.  26.) 

Im  wesentlichen  zusammenfassend  und  referierend  betont 
im  i  Zlir  1  der  Identität  der  Perlsucht  und  der  Menschen- 
tubeikidose  die  Seltenheit  der  primären  Darmtuberkulose  im  Ver- 

Ve1'ähfnrid0er  Häufigkeit  der  sekundären  Darmtuberkulose  infolge 
yei  Schluckens  der  aus  den  Lungen  stammenden  Massen.  Bezü«-- 

Fnimft1'  IfJbIeitUTn-g  d!5  Tuberkulose  tritt  Verf.  der  übertriebenen 
vor  der  Lebertragung  von  Person  zu  Person  entgegen. 

ult  tt  f,ah.1l  d6r  Uebei‘tragung  unter  Eheleuten  ist  geringer  als  die 
dei  Lebertiagung  auf  deren  Kinder.  Die  Ansteckungsgefahr  in 
£  ls,t  gering  anzuschlagen.  Der  diagnostische  Wert 

S-7UbkUlinr!akt110n  lst  zweifelhaft,  die  klinische  Beobachtung 
KrankheIt°rerSt  ^  Bedeutung  für  die  Konstatierung  der 

TT,  34  ,35.-.  H-  Schram  m  -  Lemberg:  Zur  Behandlung 

dei  akuten  Entzündung  des  Wurmfortsatzes. 

Die  Indikationsstellung  für  operatives  Eingreifen  ist  noch 
immer  keine  allgemein  feststehende.  Es  besteht  neuerdings  die 
,  eigung  zu  einer  Einschränkung.  Sch.  formuliert  sie  dahin:  Bei 
akuter  Appendizitis  ohne  Exsudat,  bei  bloss  katarrhalischen  Er¬ 
scheinungen,  bei  serofibrinösem  Exsudat  und  typischem  Verlauf 
ist  eme  Operation  nicht  angezeigt.  Sie  ist  indiziert  bei  Fällen  ohne 
Exsudat,  wo  eine  Nekrose  des  Wurmfortsatzes,  wenn  auch  nur 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit,  anzunehmen  ist;  ferner  wenn  eine 
Eiterung  um  den  Wurmfortsatz  besteht  und  bei  seropurulenter 
oder  rem  purulenter  Peritonitis,  obwohl  in  letzterem  Fall  die 
Prognose  sehr  zweifelhaft  ist.  Zu  unterlassen  ist  die  Operation 
hei  der  putriden  Peritonitis  (peritonealer  Sepsis). 

37  F  a  1  ta  -  Szeged:  Die  Therapie  des  Regen¬ 

bogenhautvorfalles  bei  Augenblennorrhöe. 

flQt  Her  Vorfall  bietet  gegen  ein  Uebergreifen  der  Infektion  auf 
das  Augeninnere  einen  gewissen  Schutz,  der  durch  jeden  opera¬ 
tiven  Eingriff  gefährdet  würde.  Wird  zur  Verbesserung  des  Seh¬ 
vermögens  oder  aus  kosmetischen  Gründen  eine  Operation  nötig 
f,°  7?  ,  ®rfd  aaeli  2 — 3  Monaten  gemacht  werden,  nur  die 
•  5j!?ai'des.  Sekundärglaukom  rechtfertigt  einen  sofortigen  Ein- 
nnt  dar  VorfaU  au  Grösse  nicht  zunehme,  ist  je  nach  dem 
,  au  üas  energisch  wirkende,  gefässverengernde  Eserin  oder  das 
langsam  und  milde  wirkende,  gefässerweiternde  Pilokarpin  an¬ 
gezeigt;  das  Atropin  ist  zu  vermeiden. 

und^SilberniSate  ArU  GmZ:  Tracllombeliandlun&  mit  Kupfer- 

berichtet  über  gute  Erfolge,  welche  bei  Trachom  mit 
„lyuptercitrol“  erreicht  wurden,  d.  li.  mit  einer  5—10  proz.  feinsten 
Mischung  von  Cupr.  citricum  mit  Unguent.  glycerin.  In  90  Proz. 
(7ei:  falle  (Formen  jeder  Art)  war  der  subjektive  und  objektive 
Jiiroig  gut.  _  A.  rühmt  namentlich  die  Schmerzlosigkeit  der  An¬ 
wendung,  die  nicht  behinderte  Gebrauchsfähigkeit  des  Auges,  das 
rehlen  jeder  Aetzwirkung  und  Narbenbildung,  die  wertvolle  Mög- 
icikeit  dem  Kranken  selbst  das  Einlegen  der  Salbe  zu  überlassen, 
f1.!,  seuuesslich  die  Abkürzung  des  Heilverlaufes.  Eine  Reihe  von 
hallen  wird  dieser  Behandlung  mit.  Cuprocitrol  erst  nach  rnehr- 

wochentlicher  Vorbehandlung  durch  Einstäuben  (täglich  1 _ 2  mal) 

von  Itrol  zugänglich. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1629 


Wiener  klinische  Rundschau. 

No  33.  W.  Kopfstein-J  ungbunzlau :  Angeborener  Defekt 
der  beiden  Brustmuskel  der  linken  Seite. 

Der  erste  bekannt  werdende  Fall  der 'seltenen  Anomalie  beim 
welchen  Geschlecht  Des  lOJiihrige  Miitlcheu  ^eine  voll 
dei  B™st  funi  Oberarm  schwimmhautähnlich  herübergespannte 
dreieckige  Hautduplikatur,  deren  Anspannung  das  Erheben  des 
Armes  behinderte  und  schmerzhaft  machte."  Durch  plastische 
Operation  wurde  fast  normale  Funktionsfähigkeit  hergestellt. 

No.  33  u.  34.  F.  Rode- Wien:  Das  Adrenalin  in  der  Rhino- 

Laryngologie. 

R.  spricht  sich  sehr  begeistert  über  das  Mittel  aus,  das  er 
rui  dieses  Spezialgebiet  dem  Kokain  an  Bedeutung  zur  Seite  stellt 
da  es  durch  seine  anämisierende  Wirkung  dem  Patienten  wie  dem 
Operateur  die  Nachteile  der  Tamponade  erspart,  die  Ausführung 
der  Operationen  wesentlich  erleichtert.  Namentlich  auf  endo 
nusalem  Gebiet,  wofür  Verf.  74  Fälle  aus  der  Klinik  C  h  i  a  r  i  s 
anfuhrt,  scheinen  sich  diese  Vorteile  geltend  zu  machen  41s  die 
beste  Applikationsweise  empfiehlt  R.  eine  Lösung  von  Cocain 
mur  5,0  und  Adrenalin.  (1:1000)  95,0.  Das  Adrenalin  besitzt  nach 
R.  alle  guten  Eigenschaften  des  Nebennierenextraktes  in  verstärk¬ 
tem  Masse,  während  ihm  dessen  Nachteile  mangeln-  es  ist  in 
jeder  Anwendung  unschädlich,  wirkt  stärker  anämisierend  und 
unterstützt  viel  wirksamer  die  Kokainwirkung  als  der  Extrakt. 
Dazu  kommt  seine  hämostatische  Wirkung  bei  parenchymatösen 
Blutungen,  seine  Haltbarkeit  in  wässeriger  Lösung  und  seine 
Stenlisierbarkeit. 

No.  35.  G.  H  o  1  z  k  n  e  c  h  t  -  Wien:  Eine  neue  einfache  Do¬ 
sierungsmethode  in  der  Radiotherapie. 

Das  Prinzip  des  Chromoradiometers  beruht  darauf,  dass  die 
Menge  des  in  einer  gewissen  Zeit  applizierten  Röntgenlichtes  nach 
dei  I  aibe  beurteilt  wird,  die  in  dieser  Zeit  ein  Reagenskörper, 
der  dem  Licht  exponiert  wurde,  annimmt.  Einen  solchen  hat  der 
t  erf.  in  einer  nicht  näher  bekannt  gegebenen,  der  Schmelzung 
unterworfenen  Mischung  von  Natriumchlorid  und  Natriumsulfat, 
welche  unter  der  Einwirkung  der  Röntgenstrahlen  eine  violett- 
rosa  Färbung  von  wachsender  Intensität  annimmt,  die  mit 
einer  Musterskala  verglichen  wird.  Die  Erfahrung  wird  für  die 
einzelnen  Körperstellen,  wie  für  pathologische  Affektionen  die 
zulässigen  bezw.  indizierten  Werte  ermitteln;  einige  Schätzungs¬ 
werte  gibt  Verf.  bereits  bekannt. 

No.  36.  J.  Preindlsberger- Sarajevo:  Zur  Kasuistik  der 
Fremdkörper  des  Mastdarmes. 

In  vorliegendem  Fall  hatte  sich  der  Patient  behufs  Reposition 
eines  Mastdarm  Vorfalles  auf  ein  gegabeltes  Holzstück  gesetzt;  er 
wurde  dabei  ohnmächtig  und  stiess  sich  das  Holz  in  seiner  ganzen 
Länge  von  33  cm  in  das  Rektum  hinein.  Die  in  Narkose  in  das 
Rektum  eingeführte  Hand  musste  22  cm  weit  Vordringen,  um 
das  Holz  zu  erreichen,  das  dann  leicht  zu  extrahieren  war.  Hei¬ 
lung.  Zusammenstellung  einer  Reihe  ähnlicher  Fälle  aus  der 
Literatur. 

No.  36.  W.  C  1  e  m  m  -  Darmstadt:  Ueber  die  Heilung  ver¬ 
nachlässigter  und  skrophulöser  Exantheme  und  Ekzeme  mit 
mehrtägigen  Lenigallolpaste-Umschlägen. 

Bericht  über  7  sehr  günstig  verlaufene  Fälle.  C.  glaubt,  dass 
länger  verweilende  Verbände  den  Vorzug  vor  öfters  erneuerten 
verdienen.  Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

Sir  William  Go  wer  s:  lieber  Myopathie  und  ihre  distale 
Form.  (Brit.  Med.  Journ.,  12.  Juli  1902.) 

Verfasser  beschreibt  in  dieser  Arbeit  die  pseudo-hyper¬ 
trophische  und  die  facio-skapulare  Form  der  Myopathie  und  geht 
dann  auf  eine  vor  kurzem  von  ihm  beobachtete  Form  über,  die  er 
als  die  distale  Myopathie  bezeichnet  und  von  der  er  glaubt,  dass 
sie  bisher  noch  nicht  beschrieben  worden  ist.  Es  handelt  sich  um 
einen  18  jährigen  Knaben,  dessen  Krankheit  vor  etwa  6  Jahren 
mit  Schwäche  in  den  Füssen  und  Händen  begann.  Jetzt  findet  sich 
Schwäche  und  Atrophie  der  Fuss-  und  Handmuskeln,  ferner  der 
beiden  Kopfnicker,  der  Levat.  palpebrarum  und  der  Orbiculares, 
während  die  Muskeln  der  Beine,  der  Arme,  der  Schultern  und  des 
Rumpfes  unverändert  erscheinen.  Gowers  bezeichnet  die  ver¬ 
schiedenen  Formen  der  Myopathie  als  muskuläre  Abiotrophie  und 
sieht  ihre  Ursache  in  einer  angeborenen  Lebensschwäche  der 
embryonalen  Gewebe,  aus  welchen  die  Muskeln  hervorgehen.  Diese 
Störungen  haben  nichts  mit  dem  Nervensystem  zu  tun  und  etwaige 
leichte  Veränderungen  der  spinalen  Nervenzellen,  die  beschrieben 
werden,  können  nicht  mit  der  Krankheit  in  Zusammenhang  ge¬ 
bracht  werden.  Was  die  Behandlung  dieser  Zustände  anlangt, 
so  hält  Verfasser  von  Elektrizität  und  Massage  sehr  wenig,  Nutzen  • 
sah  er  nur  von  aktiver  Uebung  der  befallenen  Muskelgruppen, 
besonders  durch  körperliche  Lieblingen  im  Freien,  durch  Radfahren 
u.  dergl.  m.  Treten  z.  B.  in  den  Wadenmuskeln  frühzeitig  Kon¬ 
trakturen  ein,  während  die  Muskelkraft  noch  leidlich  ist,  so  kann 
man  viel  durch  Tenotomie  der  Achillessehne  nützen. 

N.  E.  Norway:  Die  Behandlung  des  Typhus  abdominalis. 
(Ibid.) 

Verfasser  glaubt,  dass  Typhuskranke  meist  dadurch  zu  gründe 
gehen,  dass  die  ihnen  gereichte  Nahrung  nicht  verdaut,  nicht  aus¬ 
genutzt  wird.  Er  meint,  dass  dem  Typhusbazillus  die  Kraft  inne¬ 
wohne,  die  Verdauungstätigkeit  des  Magendarmkanals  herabzu¬ 
setzen.  Er  gibt  deshalb  seinen  Kranken  Pepsin  und  Salzsäure  und 
glaubt  damit  in  40  Fällen  vortreffliche  Wirkung  erzielt  zu  haben. 


1630 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


George  Heaton:  5  Fälle  von  operativ  behandelter  Per¬ 
foration  eines  Magenulcus.  (Ibid.) 

Die  Fälle  bestätigen  den  allgemein  anerkannten  Satz,  dass 
man  in  diesen  Fällen  so  rasch  wie  möglich  operieren  soll,  und  zwar 
auch  dann,  wenn  die  Symptome  scheinbar  sich  bessern,  ln  einem 
der  Fälle  des  Verfassers  perforierte  ein  Ulcus  unter  sehr  stür¬ 
mischen  Erscheinungen,  die  Kranke  kam  in  das  Hospital,  erholte 
sich  hier  aber  rasch  und  war  nach  Verlauf  von  3  Wochen  schein¬ 
bar  fast  hergestellt,  als  unvermutet  alle  Zeichen  einer  fulminanten 
Peritonitis  auftraten,  die  nun  sofort  vorgenommene  Laparotomie 
ergab,  dass  das  bei  dem  ersten  Anfall  perforierte  l  lcus  zur  Bildung 
eines  subphrenischen  Abszesses  geführt  hatte,  der  nun  in  die 
Bauchhöhle  perforiert  war.  Die  Frau  starb.  Verfasser  operiert 
von  einem  Medianschnitt  aus,  vernäht  das  1  lcus  und  übernäht  es 
womöglich  noch  mit  Netz.  Dann  spült  er  die  Bauchhöhle  mit  Koch¬ 
salzlösung  aus  und  drainiert  das  kleine  Becken  durch  einen  zweiten 
Schnitt  über  der  Symphyse.  In  der  Nachbehandlung  legt  ei 
grosses  Gewicht  auf  subkutane  Kochsalzinjektionen,  auf  Injek¬ 
tionen  von  Strychnin  und  auf  möglichst  lange  ausschliessliche 
Rektalernährung. 

Special  Vaccination  Number.  (Brit.  Medical  Journ.,  5.  Juli 

1002.)  .  .  . 

Die  noch  immer  nicht  gänzlich  erloschene  Pockenepidemie  m 
London,  die  die  Frage  der  Impfung  auch  in  England  wieder  mehr 
in  den  Vordergrund  des  Interesses  geschoben  hat,  hat  wohl  auch 
die  Herausgeber  des  Brit.  Med.  Journ.  veranlasst,  eine  ganze 
Nummer  ihrer  Zeitschrift  ihrem  grossen  Landsmanne  Jenner 
und  seiner  Entdeckung  zu  widmen.  Es  ist  unmöglich,  an  dieser 
Stelle  ein  ausführlicheres  Referat  über  die  zum  Teil  vortrefflichen 
Arbeiten  zu  geben,  aber  eine  kurze  Angabe  des  Titels  und  des  In¬ 
halts  wird  wohl  auch  manchem  deutschen  Leser  willkommen  sein. 
Die  Nummei  ist  eingeleitet  durch  eine  mit  vielen  Abbildungen  ge¬ 
schmückte  Lebensbeschreibung  Jenner  s.  Dann  folgt  eine  Arbeit 
von  N  e  w  s  h  o  1  m  e  über  die  Epidemiologie  der  Pocken  im 
19.  Jahrhundert,  aus  welcher  hervorgeht,  dass  Pocken  wie  Masern 
und  Keuchhusten  alle  3 — 4  Jahre  in  kleineren  Verhältnissen  epi¬ 
demisch  auftreten  und  dass  sie  in  grösseren  Zwischenräumen 
(bis  zu  30  Jahren)  pandemiseli  werden.  Eine  Anzahl  vortreff¬ 
licher  Diagramme  zeigt  oder  sollte  wenigstens  auch  dem  Impf¬ 
gegner  zeigen,  dass  die  Einführung  der  Schutzimpfung  von  einem 
rapiden  Fallen  der  Sterblichkeit  von  Pocken  gefolgt  war.  E.  J. 
Ed  war  des  zeigt  in  seinem  Artikel  „Ein  Jahrhundert  der 
Impfung“  die  Notwendigkeit  und  den  Nutzen  der  Impfung,  be¬ 
tont  aber  gleichzeitig  die  absolute  Notwendigkeit  einer  Revac- 
cination,  deren  Erfolge  er  an  dem  seit  langem  von  der  Seuche  ver¬ 
schonten  Deutschland  nachweist.  Auch  Ä.  K.  Clialmers,  der 
über  die  neuerliche  Pockenepidemie  in  Glasgow  schreibt,  ist  ein 
warmer  Anhänger  der  Revaccination,  die  in  Glasgow  die  sich  ihr 
Unterziehenden  ebenso  sicher  vor  dem  Todesengel  schützte,  wie  die 
mit  Blut  besprengten  Türpfosten  einst  in  Aegypten  die  Israeliten. 
W  a  n  klyn  bsclireibt  und  illustriert  durch  verschiedene  bunte 
Tafeln  die  Differentialdiagnose  zwischen  Pocken  und  Varizellen, 
die  in  der  Londoner  Epidemie  den  Aerzten  anfangs  viel  zu  schaffen 
machte.  Es  folgen  von  nicht  genannten  Autoren  gründliche  Ab¬ 
handlungen  über  Impfgegner  und  ihre  Bekämpfung,  über  die 
Bakteriologie  der  Vaccine,  über  den  Verlauf  der  Impfung  und 
über  Impfung  und  sanitäre  Schutzmassregeln  gegen  die  Pocken. 
Vortrefflich  ist  auch  Blaxalls  Bericht  über  die  Zubereitung 
glyzeiinierter  Kalbslymphe  in  den  Laboratorien  des  Local 
Government  Board,  sowie  Cop  es  Bericht  über  die  Wirksamkeit 
dieser  Lymphe.  Der  bekannte  Dermatologe  Colcott  Fox 
spricht  über  die  Komplikationen  der  Impfung,  die  sich  (nament¬ 
lich  Syphilis,  Tuberkulose  und  Lepra)  bei  einiger  Vorsicht  mit 
grosser  Sicherheit  vermeiden  lassen.  Bedauerlich  scheint  es,  dass 
die  Regierung  an  Privatärzte  keine  Lymphe  abgibt  und  dass  diese 
daher  den  mehr  oder  weniger  guten  Produkten  privater  Institute 
vertrauen  müssen.  Wie  misslich  dies  ist,  hat  Referent  an  sich 
und  zahlreichen  Freunden,  die  er  im  Verlaufe  des  vorigen  Jahres 
geimpft  hat,  erfahren  müssen;  die  Lymphen  von  2  als  vorzüglich 
geltenden  englischen  Instituten  erwiesen  sich  sehr  häufig  als  un¬ 
wirksam  bei  Leuten,  die  kurz  darauf  nach  der  Impfung  mit  fran¬ 
zösischer  Lymphe  sehr  stark  reagierten. 

W.  .Tapp  Sinei  a  i  r:  Das  Karzinom  bei  Frauen,  eine  kli¬ 
nische  Betrachtung-.  (Brit.  Med.  Journ.,  2.  Aug.  1902.) 

Die  vortrefflich  geschriebene  Arbeit  warnt  vor  zu  grossem 
Enthusiasmus  gegenüber  pathologischen  und  bakteriologischen 
Untersuclmngsmethoden,  speziell  wenn,  wie  es  so  häufig  geschieht, 
die  klinische  Beobachtung  ihnen  gegenüber  zurückgestellt  wird. 
Verfasser  spricht  dann  ausführlicher  über  die  verschiedenen  Opera¬ 
tionsmethoden  bei  Krebsen  der  Zervix,  die  er  für  eine  Krankheit 
der  armen  überarbeiteten  Frauen  hält.  Er  empfiehlt  nur  die  Total¬ 
exstirpation  von  der  Scheide  aus,  die  gewaltigen  abdominalen 
Operationen  mit  Ausräumung  des  Beckens  verwirft  er  vollständig, 
da  ihre  unmittelbare  Mortalität  sehr  hoch  und  die  Gefahr  der 
Neben  Verletzungen  von  Blase  und  Ureter  sehr  gross  und  schliess¬ 
lich  die  Dauerresultate  nichts  weniger  wie  gut  sind.  Wie  die 
meisten  Gj  näkologen  weiss  Verfasser  auch  ein  trauriges  Lied  von 
der  Oberflächlichkeit  der  Aerzte  zu  singen,  die  krebskranke  Frauen 
Monate  lang  behandeln,  ohne  je  an  eine  innere  Untersuchung  zu 
denken.  Zum  Schlüsse  fordert  er  noch  einmal  lebhaft  dazu  auf, 
den  Krebs  weniger  als  eine  Neubildung,  denn  als  eine  Krankheit 
anzusehen  und  zu  behandeln. 

A.  J.  Martin:  Cancer  ä  deux.  (Brit.  Med.  Journ.,  9.  Aug. 
1992.) 


Ein  Mann  litt  an  metastatischem  Drüsenkrebs  der  Halsgegend 
(ausgehend  von  einem  Epitheliom  der  Ohrmuschel),  seine  Frau 
pflegte  ihn  lange  Zeit,  schlief  mit  ihm  im  selben  Bett  und  nahm 
dabei  fast  immer  den  Kopf  des  Kranken  an  ihre  Brust,  so  dass 
das  Krebsgeschwür  an  ihrer  Brust  lag,  eine  Stellung,  die  dem 
Kranken  am  angenehmsten  war.  Es  trat  dann  bald  nach  dem 
Tode  des  Mannes  bei  der  Frau  ein  Epitheliom  der  Brustgegend 
auf,  das  genau  an  der  Stelle  sass,  an  welcher  der  Kopf  des  Mannes 
immer  gelegen  hatte. 

Bvroin  B  ramwell:  Die  Ursachen  und  die  Verhütung  der 
Phthise.  (Laneet,  5.,  12..  19.,  26.  Juli  und  2.  Aug.  1902  ) 

Der  Aufsatz  des  bekannten  schottischen  Internisten  ist  zu 
einem  Referate  viel  zu  lang,  hingewiesen  sei  nur  auf  die  grosse 
Wichtigkeit,  die  der  Verfasser  einer  allgemein  eingeführten  An¬ 
zeigepflicht  der  Phthise  beilegt.  Zur  Behandlung  der  Personen, 
die"  infolge  der  Anzeigepflicht  ihre  Stellung  verlieren,  müssen 
natürlich  freie  Hospitäler  resp.  Sanatorien  in  genügender  Anzahl 
zur  Verfügung  stehen. 

H  jj  Barnard:  Zur  Simulation  von  akuter  Peritonitis 
durch  pleuro-pneumonische  Erkrankungen.  (Laneet,  2.  Aug.  1902.) 

Verfasser  gibt  die  Krankengeschichten  von  6  Fallen,  die  zu¬ 
erst  als  Peritonitis  (Appendizitis,  perforiertes  Magengeschwür, 
innere  Blutung)  diagnostiziert  wurden,  2  wurden  laparotomiert 
(1  Todesfall)  und  dabei  das  Peritoneum  intakt  gefunden.  In  allen 
Fällen  stellte  die  weitere  Beobachtung,  allerdings  oft  erst  nach 
vielen  Tagen  fest,  dass  es  sich  um  Entzündungen  oberhalb  des 
Zwerchfells  handelte  und  zwar  entweder  um  pneumonische  Pro¬ 
zesse  oder  auch  um  Entwicklungen  kleiner  Empyeme.  Die 
Differentialdiagnose  hat  namentlich  die  hohe  Respirationsfrequenz 
(40  und  mehr)  zu  berücksichtigen,  die  ganz  ausser  \  erlialtnis  steht 
zu  einem  kräftigen  Pulse  unter  100.  Die  Temperatur  ist  hoher 
Wie  bei  den  meisten  Bauchfellentzündungen,  die  Druckempfindlicli- 
keit  des  Bauches  ist  mehr  oberflächlich,  tiefer  Druck  wird  ott  ge¬ 
duldet  Verfasser  gibt  übrigens  zu,  dass  die  Diagnose  oft  daduich 
erschwert  wird,  dass  der  Chirurg  mitten  in  der  Nacht  zu  einem 
angeblich  an  perforiertem  Magengeschwür  leidenden  Kranken  ge¬ 
holt  wird  und  dass  eine  gewisse  Autosuggestion  durch  (he  ehi- 
rurgisclie  Atmosphäre  des  Krankenhauses  bewirkt  wird.  Zum 
Schlüsse  seiner  Arbeit  geht  Verfasser  noch  auf  die  anatomischen 
Einzelheiten  dieser  f ort geleiteten  resp.  reflektorischen  Schmerze 

ein. 

Otto  Grün  bäum:  Ein  Fall  von  geheilter  Gastritis  mem- 

branacea.  (Ibid.)  ...  „ 

Nach  einer  sorgfältigen  historischen  Uebersicht  über  diese 

seltene  Krankheitsform  gibt  Verfasser  die  genaue  Kranken¬ 
geschichte  des  von  ihm  beobachteten  Falles.  Es  handelte  sich  nu 
ein  3  jähriges  Mädchen,  das  plötzlich  mit  Schmerzen  im  Ohr  er¬ 
krankte,  dem  Erbrechen  folgte.  Am  3.  Krankheitstage  biach  e. 
eine  Membran  aus,  die  zusammen  mit  einer  am  folgenden  läge 
ausgebrochenen  einen  vollständigen  Abguss  des  Magens  bildete. 
In  den  folgenden  Tagen  wurde  das  Kind  bald  besser  und  war  nach 
etwa  3  Wochen  ganz  wohl,  ist  auch  seitdem  gesund  geblieben. 
Es  gelang  weder  von  den  Fauces,  noch  aus  der  Membran  Diph¬ 
theriebazillen  zu  züchten;  Verfasser  glaubt,  dass  es  sich  um  eine 
Pneumokokkeninfektion  gehandelt  hat.  Die  Membran  war  un¬ 
gefähr  1  mm  dick,  rötlichgrau  von  Farbe  und  zeigte  einen  Abdruck 
der  Schleimhautwülste  und  Furchen  des  Magens.  Mikroskopisch 
bestand  sie  aus  einem  feinen  Netzwerk  von  Fibrin  mit  zahlreiche! 
roten  und  weissen  Blutkörperchen.  Epitheliale  Elemente  fehlten 
vollkommen.  Die  Behandlung  bestand  schon  vor  dem  Ausbrechen 
der  Membran  in  einer  ausschliesslichen  Ernährung  per  rectum  mit 
Ochsenserum,  Milch  und  roher  Stärke  mit  einem  Zusatz 
3,0  Chloreton  auf  das  Liter  Serum. 

Campbell  Thomson:  Zur  Aetiologie  und  Diagnose 
akuten  Magenerweiterung.  (Ibid.) 

Verfasser  bekämpft  in  diesem  Aufsatz  die  Theorie,  (lass 
akuten  Magenerweiterung  eine  Obstruktion  zu  gründe  liege 
sieht  die  Ursache  vielmehr  in  einer  primären  Lähmung 
Magens.  Die  Gründe  für  seine  Ansicht  sind  im  Originale  nach¬ 
zulesen. 

G.  T.  Brooksbank  James: 
mus  convergens  in  Hospitälern. 

Beschreibung  und  Abbildung 
äusserst  billigen  Stereoskopes,  das 
geben  wird,  und  an  welchem  es  unter  Leitung  der  Mutter  seine 
Hebungen  machen  kann  Daneben  wird  auf  Brillenbehandlung 
grosses  Gewicht  gelegt. 

Charles  Stouham:  Aneurysma  des  2.  und  3.  Teiles  der 
A.  subclavia  sinistra,  Ligatur  des  1.  Teiles;  wiederkehrende 


von 

der 

der 

er 

des 


Die  Behandlung  des  Strabis- 

(Ibid.) 

eines  vom  Verf.  angegebenen 
dem  Kinde  mit  nach  Hause  ge- 


verte- 


LJL  •  OUWV/1U  V  II«  V*  -  -  / 

Pulsation;  gleichzeitige  Ligatur  der  A.  thyreoid.  infer. 
bralis  und  axillaris  im  2.  Teile.  Heilung.  (Ibid.) 

Der  ausführlichen  Ueberschrift  des  sehr  interessanten  I  alles 
ist  kaum  etwas  hinzuzufügen,  als  höchstens,  dass  der  Mann  so 
vollkommen  geheilt  wurde,  dass  nachuntersuchende  Chirurgen 
keine  Spur  des  früher  sehr  grossen  Aneurysmas  mehr  nach  weisen 
konnten. 

Sir  W.  R.  G  o  w  e  r  s:  Geschmacksinn  und  Trigeminus. 
(Journ.  of  I’hysiology,  Vol.  28,  No.  4.) 

Auf  Grund  klinischer  Beobachtungen  betont  Gowers  die 
grosse  Bedelitung  der  N.  petrosi  und  Vidiani  und  des  Gangl. 
sphenopalatinum  und  oticum.  Erkrankungen  des  N.  facialis  um 
Schädel  oder  der  Wurzeln  des  N.  glossopharyngeus  sind  nicht  von 
Störungen  des  Geschmackes  gefolgt. 


30.  September  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN SCHRIET. 


1631 


J.  F.  C  o  1  y  e  i':  Sepsis  der  Mundhöhle  und  ihre  Beziehungen 
zu  allgemeinen  Krankheiten.  (Journ.  of  tlie  British  Dental 
Association,  .Juli  1902.) 

Verfasser  versucht  in  dieser  interessanten  Arbeit  einen  Ueber- 
blick  über  die  Krankheitsbilder  zu  geben,  die  von  verschiedenen 
Beobachtern  in  Zusammenhang  mit  der  Sepsis  oralis  gebracht 
worden  sind,  warnt  aber  zugleich  vor  zu  weitgehenden  Schlüssen. 
Zuerst  spricht  er  über,  chronische  Lymphadenitis  und  betont,  dass 
auch  der  Tuberkelbazillus  wohl  seine  Eingangspforte  in  kariösen 
Zähnen  findet.  Dann  erwähnt  er  Fälle,  bei  denen  lange  bestehende 
Magengeschwüre  durch  Beseitigung  des  septischen  Zustandes  der 
Mundhöhle  geheilt  wurden.  Perniziöse  Anämie  soll  nach  den 
schönen  Untersuchungen  Hunters  sehr  häufig  auf  schlechter 
Beschaffenheit  der  Zähne  und  des  Mundes  beruhen;  auch  Chlorosis 
scheint  in  manchen  Fällen  durch  Absorption  septischer  Substanzen 
von  der  Mundhöhle  her  unterhalten  zn  Werden.  Allgemein  kacliek- 
tiselie  Zustände,  schlechte  Ernährung  etc.  wird  häufig  durch  gründ¬ 
liches  Instandsetzen  des  Mundes  beseitigt  und  zwar  erholen  sich 
die  Leute  sofort  nach  Beseitigung  der  Sepsis  und  bevor  ein  neues 
Gebiss  eine  bessere  Ernährung  ermöglicht.  Auch  akute  Osteo¬ 
myelitis  und  Endokarditis  soll  gelegentlich  vom  Munde  ausgehen. 

A.  Tlieod.  Brand:  Zur  Aetiologie  des  Krebses.  (Brit.  Med. 
Journ.,  26.  Juli  1902.) 

Zusammenfassende  Arbeit.  Verfasser  hat  seit  langer  Zeit  das 
kürzlich  auch  in  Deutschland  beschriebene  Zusammentreffen  von 
multiplen  Angiomen  bei  Krebskranken  beobachtet  und  glaubt, 
dass  ein  solcher  Zusammenhang  besteht.  Auch  de  Mo  r  gan  vom 
Middlesex  Hospital  wies  schon  1872  auf  diesen  Zusammenhang 
hin.  Ferner  erwähnt  Verfasser  einen  Fall  von  Cancer  ä  deux,  den 
er  selbst  beobachtet  hat.  Eine  Pflegerin,  die  scheinbar  in  bester 
Gesundheit  war,  übernimmt  die  Pflege  einer  an  ulzerierendem 
Maihmakrebs  leidenden  Frau,  sie  schläft  und  wohnt  mit  ihr  zu¬ 
sammen  und  erkrankt  bald  an  Mammakrebs.  (Solche  Fälle  können 
kaum  etwas  beweisen.  lief.)  Es  folgen  eine  Reihe  von  Fällen, 
wo  Chirurgen  sich  bei  Krebsoperationen  infiziert  haben  sollen  und 
nachher  an  Krebs  erkrankten,  sowie  andere  Fälle  von  Inokulation 
der  Krebse.  Verfasser  hält  es  für  sicher  bewiesen,  dass  der  Krebs 
eine  kontagiöse  Krankheit  ist.  Ferner  berichtet  Verfasser  über 
seine  Untersuchungen  über  Krebsgegenden  und  Krebshäuser. 
Auch  er  fand  den  Krebs  besonders  häufig  in  niedrigen  Fluss- 
thälern,  auf  feuchtem,  häufig  überschwemmten  Alluvial-  und 
Thonboden;  ferner  hat  er  die  Ueberzeugung,  dass  es  in  manchen 
dieser  Orte  Krebsstrassen  und  Krebshäuser  gibt.  Dass  Juden 
relativ  immun  gegen  Krebs  sind,  hält  er  für  ganz  unerwiesen, 
allerdings  kommen  Krebse  des  Penis  sehr  selten  vor.  Ebenso  hält 
er  die  Vererbung  des  Krebses  für  unerwiesen.  Die  Behandlung 
kann  vor  der  Hand  nur  eine  chirurgische  sein,  von  der  Licht¬ 
therapie  hat  er  keinen  Nutzen  gesehen. 

Wheelton  Hind:  Einige  klinische  Fälle.  (Ibid.) 

Krankengeschichten  einer  Anzahl  interessanter  Fälle,  aus 
denen  Referent  besonders  2  geheilte  Verletzungen  des  Pankreas 
hervorheben  möchte,  sowie  eine  Reihe  von  8  operativ  behandelten 
Nervenverletzungen.  Interessant  ist  ferner  die  Beobachtung,  dass 
die  Steinkrankheit  in  Nörtli  Staffordshire,  wo  Verfasser  wirkt, 
von  Jahr  zu  Jahr  abnimmt.  Verfasser  und  seine  Kollegen  haben 
übrigens  die  unblutigen  Methoden  wieder  verlassen  und  sind  mit 
sehr  zufriedenstellenden  Resultaten  zum  hohen  Blasenschnitt  über¬ 
gegangen;  besonders  wichtig  ist  hierbei,  dass  sie  seither  bedeutend 
weniger  Rezidive  haben. 

P.  J.  Frey  er:  Totalexstirpation  der  Prostata  in  der  Be¬ 
handlung  der  Hypertrophie  dieses  Organs.  (Ibid.) 

Verfasser  behauptet  noch  immer,  dass  es  ihm  gelingt,  die 
ganze  Prostata  inklusive  ihrer  anatomischen  Kapsel  von  der  Blase 
aus  zu  enukleieren,  eine  Operation,  die  anatomisch  unmöglich  ist. 
Er  beschreibt  ausführlich  6  neue  Fälle  dieser  Operation  und 
bildet  die  enukleierten,  sehr  grossen  Organe  ab;  alle  6  Fälle  ge¬ 
nasen.  (Im  ganzen  hat  Verfasser  21  Fälle  mit  2  Todesfällen 
operiert.)  Er  entfernt  ohne  Furcht  vor  Urininfiltration  oder  Strik- 
tur  den  prostatischen  Abschnitt  der  Harnröhre.  (Referent  hat  die 
Operation  2  mal  gemacht,  sie  ist  technisch  ziemlich  leicht,  aber 
unter  Umständen  recht  blutig;  in  einem  seit  7  Monaten  entlassenen 
Falle  ist  der  Erfolg  bis  jetzt  ein  sehr  guter,  der  andere  steht  noch 
in  Behandlung.) 

Walter  E.  Fry:  Puerperale  Sepsis,  Antistreptokokken- 
serum,  Tod.  (Ibid.) 

Beschreibung  eines  Falles,  in  dem  die  spezifische  (Behand¬ 
lung  ohne  Erfolg  war. 

Hubert  R.  Sedgwick:  Akuter  Tetanus,  Serumbehand¬ 
lung,  Heilung.  (Ibid.) 

Ein  12  jähriger  Knabe  zog  sich  am  12.  März  beim  Spielen 
eine  Beinwunde  zu,  indem  er  auf  einen  Ziegelstein  fiel,  die  Wunde 
blieb  unbehandelt.  Am  22.  sollen  die  ersten  Zeichen  von  Trismus 
eingetreten  sein,  als  Verfasser  den  Knaben  am  25.  sali,  bestanden 
die  schwersten  tetanischen  Symptome.  Am  selben  Abend  Ex¬ 
zision  der  Wunde  und  Injektion  von  20  ccm  Serum  des  Institut 
Pasteur.  Am  nächsten  Morgen  keine  Besserung,  im  Verlaufe  des 
Tages  3  Injektionen  ä  10  ccm,  ausserdem  Narkotika.  Bis  zum 
1.  April  3  mal  täglich  subkutane  Injektion  von  10  ccm,  vom  1.  bis 
5.  April  2  mal  10  ccm.  Jede  Injektion  schien  eine  günstige  Wir¬ 
kung  auszuüben,  indem  die  Krämpfe  nacliliessen  und  die  Tem¬ 
peratur  herabging.  Vom  6.  bis  13.  April  wurden  täglich  einmal 
10  ccm  injiziert.  Die  Krämpfe  verschwanden  völlig,  doch  bestand 
lange  grosse^  Steifigkeit.  Im  ganzen  wurden  370  ccm  verbraucht, 
ehe  Heilung  eingetreten  war.  Es  scheint  ein  schwerer  Fall  von 
Tetanus  gewesen  zu  sein. 


of 


(Journ. 


zu  ihm 
hält  er 
die  Be- 
dem  die 


C.  Ilalgetty:  Ueber  den  Krebs  in  den  Tropen. 

Tropic.  Medic.,  15.  April  1902.) 

.  Verfasser,  der  in  Adampore  (South  Sylliet)  arbeitet,  hat  dort 
eine  Arbeiterbevölkerung  von  12  000  Hindus  und  15  000  Muliame- 
danein  unter  ärztlicher  Aufsicht,  ln  5  Jahren  sah  er  nur  S  Fälle 
von  malignen  Tumoren  unter  den  Hindus  und  3  unter  den  Muhame- 
aanern.  Lesondeis  auffällig  erscheint,  dass  er  nie  einen  Brust- 
kiebs  gesehen  hat,  obwohl  die  Brust  freigetragen  wird  und  die 
Frauen  wegen  Mastitis,  Ekzem  etc.  dieser  Gegend  oft 
kommen.  Den  Gegensatz  zwischen  Malaria  und  Krebs 
für  durchaus  unbewiesen,  eher  scheint  ihm  wichtig,  dass 
wohner  Indiens  durchschnittlich  vor  dem  Alter  sterben  in 
Europäer  an  Krebs  erkranken. 

Frank  C.  Madden:  Ueber  den  Krebs  in  den  Tropen 
(Brit.  Med.  Journ.,  6.  Sept.  1902.) 

Nach  1  erfassers  Erfahrung  kommt  in  Aegypten  der  Krebs 
ziemlich  häufig  unter  der  weissen  eingeborenen  Bevölkerung,  d.  h. 
unter  der  Arabern  und  Kopten  vor,  die  Fleischesser  sind;  die  ein¬ 
geborenen  schwarzen  Rassen,  Berber  und  Sudanesen  sind  da¬ 
gegen  meist  Vegetarianer  (Muhamedaner)  und  findet  sich  bei  ihnen 
Krebs  so  gut  wie  nie  und  zwar  sind  Männer  und  Frauen  gleicli- 
mässig  immun  gegen  Krebs. 

James  Taylor:  Ueber  abnormale  Fälle  von  Tabes  dorsalis. 
(Brit.  Med.  Journ.,  19.  Juli  1902.) 

Verfasser  ist  u.  a.  Arzt  am  National  Hospital  for  the 
Epileptic  and  Paralytic,  sowie  an  dem  grossen  Moorfield  Augeu- 
Hospitale;  an  letzterem  Krankenhause  hat  man  die  gute  Ein¬ 
richtung  getroffen,  neben  den  Augenspezialisten  einen  Nervenarzt 
anzustellen,  der  m  dunklen  Fällen  mit  den  Augenärzten  kon¬ 
sultiert.  Verfasser  teilt  mit,  dass  er  in  der  Augenklinik  im  Laufe 
der  Jahre  eine  überaus  grosse  Anzahl  von  Tabesfällen  gesehen 
hat,  Fälle,  die  sonst  kaum  dem  Nervenärzte  Vorkommen.  Meist 
handelte  es  sich  um  Lähmungen  des  Oculomotorius  oder 
um  Opticusatrophien.  Meist  sind  die  Lähmungen  im  Gebiete 
des  Oculomotorius  vorübergehender  Art,  sehr  häufig  sind  sie  ver¬ 
gesellschaftet  mit  Pupillenstörungen,  sowie  mit  lanzinierenden 
Schmerzen  im  Gebiete  des  Trigeminus.  Die  graue  Atrophie  des 
Opticus  ist  ebenfalls  sehr  häufig  ein  Frühsymptom  der  Tabes 
dabei  können  Pupillensymptome  (Argyll-Kobertson)  aucli 
bei  weit  vorgeschrittenen  Erblindungen  fehlen.  Ferner  gibt  es 
Fälle,  bei  denen  die  Argyll-Robertson  sehe  Pupille  das  ein¬ 
zige  Zeichen  der  Tabes  ist  und  für  lange  Zeit  bleibt.  Prognostisch 
ist  zu  bemerken,  dass  Tabiker,  bei  denen  die  Opticusatrophie 
als  Frühsymptom  auftritt,  nur  selten  ataktisch  werden.  Das¬ 
selbe  gilt  für  die  Fälle,  in  denen  gastrische  Krisen  (oft  lange 
das  einzige  Symptom)  im  \  ordergrund  der  Erscheinungen  stehen. 
Als  bestes  Mittel  gegen  diese  Krisen  muss  das  Morphium  ange¬ 
sehen  werden.  Verf.  spricht  dann  noch  über  laryngeale  Krisen, 
die  nicht  selten  eine  Tracheotomie  nötig  machen  oder  auch  zu 
plötzlichem  Tod  führen,  und  über  die  Gelenkveränderungen  bei 
Tabes.  Letztere  wie  auch  die  Fälle  von  Ulcus  perforans  sind 
ebenfalls  selten  mit  schweren  ataktischen  Störungen  verbunden. 
Therapeutisch  empfiehlt  Verf.  in  allen  Fällen  die  Anwendung  anti- 
sjplulitischer  Heilmittel.  Bei  Gelenkergüssen  hat  er  von  der 
Drainage  zuweilen  Nutzen  gesehen. 

David  Newman:  Ueber  akute  nichteitrige  Perinephritis. 
(Ibid.) 


Im  Anschluss  an  einen  von  ihm  operierten  Fall  spricht  Verf. 
über  dieses  eigentümliche  Krankheitsbild,  bei  dem  es  ohne  auf¬ 
geklärten  Grund  zur  Bildung  eines  grossen  entzündlichen  Tumors 
kam,  der  inzidiert  wurde. 

Swintord  Edwards:  Zur  Diagnose  der  Krankheiten  des 
Rektums  und  der  Flexur.  (Ibid.) 

Abbildung  einiger  „Proktoskope“,  d.  li.  gerader,  starrer  Röhren 
von  2)4  bis  14  Zoll  Länge',  die  in  den  Dickdarm  eingeführt  werden. 
Beleuchtet  wird  mittels  einer  Stirnlampe.  Verf.  hat  allerhand 
kleine  Geschwüre  gesehen  und  topisch  mit  bestem  Erfolge  be¬ 
handelt. 

Stephen  G.  Longworth:  Klinische  Beobachtungen  zur 
Wirkung  des  Nebennierensaftes.  (Ibid.) 

Handelt  es  sich  darum,  rasch  bei  plötzlicher  Herzschwäche 
einzugreifen,  so  kann  nur  die  intravenöse  Einspritzung  von  Ad¬ 
renalinchlorid  (Parke,  Davies  &  Co.)  in  Frage  kommen,  in  anderen 
Fällen  kann  man  dieses  Mittel  oder  auch  die  getrocknete  Drüse 
in  Tablettenform  per  os  geben,  stets  tritt  eine  erhebliche  Er¬ 
höhung  des  Blutdrucks  ein,  dabei  fällt  der  Puls  von  seiner  ab¬ 
normen  Frequenz  zur  Norm.  Verf.  empfiehlt  uas  Mittel  haupt¬ 
sächlich  bei  gewissen  Formen  von  Manie,  bei  denen  ein  abnorm 
niedriger  Blutdruck  besteht.  Er  empfiehlt  ferner  bei  Morbus  Base- 
dowii  einen  Versuch  mit  dem  Mittel  zu  machen. 

Knowles  Ren  Shaw:  Die  Funktionen  der  Epiglottis.  (Ibid.) 

Verfasser  sucht  in  dieser  Arbeit  nachzuweisen,  dass  während 
des  Schluckaktes  die  Epiglottis  nur  einen  geringen  seitlichen 
Schutz  der  Glottis  gewährt.  Ihre  Hauptwirkung  besteht  darin, 
dass  sie  die  Sekrete  der  oberen  Luftwege  am  Hinabfliessen  in  den 
Larynx  hindert.  Sie  leitet  sie  in  die  Fossae  pyriformes,  A'on  wo  aus 
sie  in  die  Speiseröhre  fliessen.  Ob  die  Epiglottis  bei  der  Stimm¬ 
bildung  beteiligt  ist,  ist  bisher  noch  unsicher. 

John  Biernacki  und  J.  C.  Muir:  Salol  bei  Pocken¬ 
kranken.  (Ibid.) 

Im  Anschluss  an  B  e  g  g  s  warme  Empfehlung  haben  die  Ver¬ 
fasser  bei  1000  Pockenkranken  Salol  versucht,  meist  wurde  2  stünd¬ 
lich  1,0  gegeben  und  diese  Dosis  gut  vertragen.  Die  Erfolge  waren 
nicht  glänzend,  immerhin  glauben  die  Verfasser,  dass  das  Mittel 
einerseits  den  Juckreiz  mindex't  und  andererseits  das  sekundäre 


1632 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Fieber  vermindert.  Häutig  wird  übrigens  das  Mittel  unverändert 
vom  Darm  ausgeschieden. 

Charters  Symonds:  Die  bösartige  Striktur  des  Oeso¬ 
phagus.  (Lancet,  9.  August  1902.) 

Verfasser,  der  durch  seine  Dauerkanülen  bekannte  Chirurg 
von  Guys  Hospital,  gibt  in  dieser  Arbeit  seine  Ansichten  über  die 
1  )iagnose  und  Behandlung  des  Oesophaguskrebses.  Als  frühestes 
Symptom  hat  er  sehr  häutig  dyspeptisclie  Beschwerden  gesehen, 
nur  die  Passage  eines  Bougies  kann  Aufklärung  geben.  Ausser¬ 
halb  des  Oesophagus  gelegene  Krankheitsprodukte  geben  nur  sehr 
selten  Ursache  zu  ernsthafteren  Schluckbeschwerden.  Spastische 
Striktur  kommt  als  solche  nur  bei  Hysterischen  vor,  ist  sonst  aber 
immer  durch  maligne  Erkrankung  verursacht.  Im  oberen  Dritteil 
der  Speiseröhre  kommen  nur  bösartige  organische  Strikturen  vor, 
im  mittleren  zuweilen  auch  Myome,  sowie  Divertikel,  im  unteren 
kommen  auch  gutartige  Stenosen  vor.  In  der  Behandlung  ver¬ 
wirft  Verfasser  alle  Versuche,  eine  bösartige  Striktur  zu  erweitern. 
Solange  ein  Patient  noch  leidlich  schlucken  kann  oder  solange  mau 
eine  Sonde  (englisch  12)  passieren  kann,  lässt  man  ihn  in  Ruhe. 
Treten  ernstliche  Schluckbeschwerden  auf,  so  versuche  man,  ein 
langes  Drainrohr  einzuführen  (Fischbeinmandrin)  und  lässt  dies 
liegen;  es  wird  nie  zur  Reinigung  herausgenommen  und  kann  bis 
zu  13  Monaten  liegen  bleiben.  Die  kurzen  Röhren  aus  Katheter¬ 
gewebe  benutzt  Verfasser  nur  noch  selten.  Bei  ruhigen  Kranken 
genügt  diese  Behandlung,  die  der  Gastrostomie  entschieden  über¬ 
legen  ist,  bei  unruhigen  muss  die  Gastrostomie  gemacht  werden; 
auch  soll  man  stets  bei  tiefsitzenden  Strikturen  operieren,  da  sie 
der  Röhrenbehandlung  kaum  zugänglich  sind;  man  darf  auch  nicht, 
zu  lange  zögern,  da  manche  dieser  Strikturen  doch  gutartig  sind 
und  man  solche  Kranke  durch  eine  frühzeitig  gemachte  Gastro¬ 
stomie  lange  am  Leben  erhalten  kann.  Für  die  Strikturen  des 
mittleren  Teiles  des  Oesophagus  empfiehlt  sich  auch  die  Behand¬ 
lung  mit  kurzen  festen  Tuben  aus  Seidengewebe. 

B.  G.  A.  Moynihan:  Ueber  Pankreassteine.  (Ibid.) 

Verfasser  gibt  eine  Uebersicht  über  die  ziemlich  spärlichen 
Notizen,  die  in  der  Literatur  über  diesen  Gegenstand  niedergelegt 
sind.  Ausführlich  beschreibt  er  dann  einen  Fall,  in  dem  es  ihm 
gelang,  die  Diagnose  auf  Pankreasstein  bei  einer  57  jährigen  Frau 
zu  stellen  und  die  Richtigkeit  der  Diagnose  durch  die  Operation 
zu  beweisen.  Es  gelang,  einen  bohnengrossen  Stein  aus1  dem 
Ductus  pancreaticus  und  der  Ampulla  Valeri  nach  Eröffnung  des 
Duodenums  zu  entfernen.  Das  ganze  Pankreas,  namentlich  aber 
der  Kopfteil,  zeigte  die  Symptome  der  chronischen  Pankreatitis. 
Die  Patientin  wurde  geheilt.  Auffallend  war,  dass  eine  sehr  starke 
Pigmentierung  der  Extremitäten  wenige  Monate  nach  der  Opera¬ 
tion  fast  verschwunden  war. 

Lee  Dickinson:  Hypoplasie  der  Aorta  als  Ursache  von 
Aneurysmen.  (Ibid. 

Beschreibung  von  4  Fällen  von  Ruptur  eines  Aortenaneurys¬ 
mas,  bei  welchen  die  Sektion  ergab,  dass  die  Aorta  völlig  frei 
von  jeder  atheromatösen  Veränderung  war  und  sich  als  Ursache 
des  Aneurysmas  nur  eine  auffallende,  papierdünne  Beschaffenheit 
der  Aortenwand  ergab.  Verfasser  glaubt,  dass  diese  Hypoplasie 
nicht  selten  zu  Aneurysmen  Anlass  gibt.  Die  Prognose  in  diesen 
Fällen  ist  natürlich  besonders  schlecht,  da  eine  Heilung  durch 
Fibrinauflagerung  kaum  zu  erwarten  ist. 

Alexander  Crombie:  Weitere  Statistik  über  den  Wert  der 
Impfung  zum  Schutze  gegen  Typhus  in  Südafrika.  (Lancet, 
1 6.  August.) 

Es  ist  unmöglich,  an  dieser  Stelle  genauer  die  Tabellen  wieder¬ 
zugeben,  die  Verfasser  ausgearbeitet  hat,  um  über  den  Wert  der 
Schutzimpfung  ins  klare  zu  kommen.  Es  muss  genügen,  zu  be¬ 
richten,  dass  Verfasser  fest  überzeugt  ist,  dass  die  Schutzimpfung 
nach  W  r  i  g  h  t,  wenn  sie  einmal  und  nicht,  wie  W  r  i  g  h  t  will, 
zweimal  vorgenommen  wird,  dem  jungen  Soldaten  unter  30  Jahren 
(wenn  er  am  empfänglichsten  gegen  die  Ansteckung  ist)  einen  be¬ 
trächtlichen  Schutz  gegen  die  Ansteckung  mit  Typhus  gewährt. 
Eine  2  mal  vorgenommene  Schutzimpfung  scheint  dagegen  die 
Empfänglichkeit  zu  erhöhen. 

J.  O’Conor:  Die  Behandlung  der  Appendizitis.  (Ibid.) 

Verfasser  rät  auf  Grund  von  140  von  ihm  ausgeführten  Opera¬ 
tionen,  stets  innerhalb  der  ersten  24  Stunden  zu  operieren.  Auch 
bei  ausgebildeten  intraperitonealen  Eiterungen  entfernt  er  stets  die 
Quelle  der  Infektion,  die  Appendix,  und  scheut  sich  nicht,  Ad¬ 
häsionen  zu  zertrennen  und  lange  nach  ihr  zu  suchen.  Von 
53  Fällen  intraperitonealer  Eiterung,  die  er  mit  Resektion  der 
Appendix  behandelte,  verlor  er  9  Kranke,  doch  war  bei  6  eine 
fulminante,  allgemeine  Peritonitis  schon  vor  der  Operation  vor¬ 
handen,  die  übrigen  131  Fälle  genasen  ohne  Fistelbildung. 

R.  W.  Mars  den:  Die  vierte  Krankheit.  (Ibid.) 

Als  „fourth  disease“  wird  in  England  seit  einiger  Zeit  eine 
Krankheit  beschrieben,  die  den  exanthematischen  Fiebern  zu¬ 
gezählt  wird,  am  meisten  Aehnlichkeit  mit  Röteln  hat  und  nament¬ 
lich  in  den  grossen  öffentlichen  Schulen  beobachtet  wurde. 
Marsde  n  beleuchtet  nun  die  Gründe,  die  namentlich  von 
Dukes  angeführt  werden,  um  die  Selbständigkeit  der  neuen 
Krankheit  zu  rechtfertigen,  kommt  aber  auf  Grund  umfangreicher 
Literaturstudien  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  sich  dabei  nicht  um 
eine  neue  Krankheit,  sondern  um  Röteln  handle. 

Herbert  W.  Page:  Die  Unterbindung  der  Uiaca  interna  bei 
Aneurysma  der  A.  glutaeal.  (Ibid.) 

Es  handelte  sich  um  einen  44  jährigen  Kutscher,  der  mit  einem 
kolossalen,  fluktuierenden,  aber  nicht  pulsierenden  Tumor  in  Be¬ 
handlung  kam.  Der  Tumor,  der  von  der  Beckenkante  bis  zum 


Trochanter  reichte,  wurde  inzidiert  und  grosse  Mengen  geschich¬ 
teter  Gerinnsel  entleert.  Nach  Entleerung  des  Sackes  fand  man, 
dass  es  stark  aus  dem  For.  ischiadicum  blutete,  die  hier  spritzende 
A.  glut.  konnte  aber  nicht  in  situ  unterbunden  werden.  So  schritt 
man  sofort  zur  transperitonealen  Unterbindung  der  Iliaca  interna. 
Die  Blutung  stand.  Pat.  ging  aber  an  einer  Pneumonie  zu  Grunde. 

J.  P.  z  u  m  B  u  sch-  London. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Karlsbad  vom  21.  bis  27.  September  1902. 

Referent :  Dr.  Grassmann  -  München. 

I. 

1.  Allgemeine  Versammlung  am  22.  September. 

Voriges  Jahr  an  den  Gestaden  der  breit  dahin  wogenden 
Elbe,  an  einem  Hafen  mit  Tausenden  von  fremden  und 
deutschen  Schiffen,  an  einem  Hauptberührungspunkte  unseres 
Vaterlandes  mit  der  weiten  Welt  —  heuer  an  den  grünen  Ufern 
der  Tepl  und  Eger,  in  einem  romantischen  Tal  inmitten  herr¬ 
licher  Wälder  und  Hügel  —  ein  grösserer  Kontrast  zweier  auf¬ 
einander  folgender  Festorte  für  die  Naturforscherversamm¬ 
lungen  lässt  sich  kaum  erfinden !  Doch  hier  wie  dort  echt 
deutsches  Wesen,  deutscher  Geist,  deutscher  Bürger-  und  For- 
scherfleiss,  dieselbe  deutsche  Herzlichkeit  für  den  Gast,  ja  als 
dem  Feste  willkommenste  Beigabe  dieselbe  herrliche  Sonne,  der¬ 
selbe  blaue  Himmel  in  Karlsbad,  wie  vor  einem  J ahre  in  Ham¬ 
burg.  Doch  wir  wollen  die  Festorte  gar  nicht  vergleichen,  ver¬ 
fallen  wir  doch  nicht  dem  Fehler  der  Pädagogen,  wenn  sie  ihrem 
armen  Schüler  eine  Parallele  zwischen  Goethe  und  Schiller  ab¬ 
nötigen,  dass  er  sage  wer  grösser  ist!  Freuen  wir  uns  beider, 
wie  das  deutsche  Volk  an  seinem  Schiller  und  Goethe,  so  die  Ver¬ 
sammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  an  Karlsbad  und 
Hamburg !  Ja,  als  Deutsche  dürfen  wir  uns  innig  freuen,  solche 
Stätten  deutscher  Kultur  zu  Festorten  wählen  zu  können.  Ja, 
Feste  sind  es,  welche  diese  Versammlungen  immer  bedeuten  und 
mit  sich  bringen,  geistige  und  materielle! 

Die  Verwaltung  des  Weltkurortes  hat  sichtlich  alles  getan, 
um  den  Gästen  der  Stadt  einen  ebenso  herzlichen  als  festlichen 
Empfang  zu  bieten.  Von  allen  Häusern  flattern  die  Fahnen, 
österreichische  und  reichsdeutsche,  eine  lange  Via  triumphalis 
zieht  ins  Herz  der  Stadt,  den  Ufern  der  Tepl  entlang  bis  zu  den 
prächtigen  Kolonnaden,  wo  jede  Säule  um  ihren  Schaft  grünes 
Gewinde  trägt,  bis  zu  dem  hochher  grüssenden  Baldachin,  unter 
dem  eine  goldene  Inschrift  den  Gästen  feierlichen  Willkomm 
zuruft,  unzählige  Wimpel  und  Fähnlein  rühren  sich  in  dem 
kühlen  Septemberlüftlein,  das  das  Tal  herunterstreicht,  jede  der 
Quellen  hat  einen  mächtigen  Kranz  um  den  heissprudelnden 
Mund  bekommen,  kurz,  der  Schmuck  des  ehrwürdigen  Karlsbad 
ist  grossartig.  Seine  52  000  Sommergäste  hat  es  bis  auf  4000 
entlassen;  jetzt  haben  die  Naturforscher  nochmals  neues  Beben 
in  die  engen  Adern  der  Stadt  gebracht.  Hier  ist  gut  sein.  Die 
Gäste  sind  von  der  Bürgerschaft  in  liberalster  Weise  mit  Quar¬ 
tieren  versehen  und  wo  sonst  ein  südafrikanischer  Minenbesitzer 
oder  ein  amerikanischer  Eisenbahnkönig  in  gewähltester  Pracht 
Hof  hielt,  da  haust  jetzt  heterotopisch  ein  bescheidener  Natur¬ 
forscher.  Dass  man  sich  hier  wohl  fühlt,  sich  sozusagen  als 
Einzelnmensch  geschätzt  halten  darf,  vom  Stadtoberhaupt  bis 
zum  Kärrner  herab,  das  hat  noch  sein  politisches  Moment  zu 
Grunde.  Ueberall  tritt  eben  in  dieser  alt-deutschen  Stadt  die 
aufrichtige  Freude  hervor,  so  viele  deutsche  Stammesgenossen  zu 
sehen  und  mit  so  viel  Trägern  deutscher  Art  in  lebendigen  Ver¬ 
kehr  treten  zu  können.  Dieser  Grundton  schlägt  überall  durch 
und  erregt  jedesmal  bei  seinem  auch  nur  leisen  Anklingen  leb¬ 
haftes  Echo.  Dazu  kommt  das  herrliche  Herbstwetter,  das  uns 
noch  Blumen  genug  übrig  gelassen  hat,  der  blaue  Himmel,  der 
sich  von  Höhe  zu  Höhe  spannt,  der  freie  Blick  auf  die  noch 
kaum  vom  Hauche  des  Herbstes  gestreiften  herrlichen  Wälder 
und  mit  Goethe,  der  so  oft  und  gern  in  „das  Karlsbad“  seine 
Schritte  lenkte,  rufen  wir: 

Anmutig  Tal,  du  immergrüner  Hain! 

Mein  Herz  begrüsst  euch  wieder  auf  das  beste; 

Entfaltet  nur  die  schwerbehangnen  Aeste, 

Nehmt  freundlich  mich  in  eure  Schatten  ein; 

Erquickt  von  Euern  Höh’n  mit  aller  Lieb  und  Lust 
Mit  frischer  Luft  und  Balsam  meine  Brust! 


30.  September  1902. 


Karlsbad,  trotz  seiner  dem  Weltbetriebe  dienenden  Bestim¬ 
mung,  ist  ein  für  den  Deutschen  von  Goethe  geweihter  Platz. 
Hier  arbeitete  sein  universeller  Geist,  beschäftigt  mit  den  Wun¬ 
dern  der  hier  so  verschwenderischen  Natur.  Dieser  Geist  lebt 
fort,  aber  auch  körperlich  ist  uns  der  Geistesfürst  noch  nicht  so 
lange  entschwunden.  Hier  in  Karlsbad  loderten  in  Goethes 
Busen,  dem  ewigjungen,  zum  letztenmale  die  Flammen  der  Liebe. 
Ihi  Referent,  kennt  selbst  die  österreichische  Baronesse,  die,  wie 
man  mir  sagte,  erst  dann  heiraten  konnte,  als  diese  letzte  Liebe 
Wolfgang  des  Einzigen,  IT.  v.  Levetzow,  ihr  schönes  Haupt 
zur  späten  Ruhe  gelegt  hatte.  Denn  diese  letzte  Liebe  Goethes 
war  die  Erbgrosstante  der  nun  glücklichen  Baronesse.  Und  bei 
diesem  lebendigen  Hereinwirken  bis  in  unsere  Gegenwart  sollte 
uns  ein  Goethe  schon  lange  entrissen  sein  ? 

Es  wäre  verlockend,  sich  auszumalen,  wie  der  universelle 
Genius  Goethes  gegenüber  dem  heutigen  Stande  unseres  Wissens 
Stellung  nehmen  würde  und  was  der  alte  Herr  Geheimrat  z.  B. 
zu  den  Sektions-  und  allgemeinen  Sitzungen  sagen  würde.  Zu 
diesen  müssen  wir  uns  nunmehr  wenden,  nachdem  wir  der  Eest- 
haltung  der  „Karlsbader  Stimmung“  vielleicht  mehr  wie  billig 
Raum  gegönnt. 

Bis  Montag,  den  22.  September,  Vormittag  —  der  Sonntag 
gehöl  te,  wie  herkömmlich,  den  vorbereitenden  Sitzungen  der  Aus¬ 
schüsse  und  der  ersten  Begrüssung  der  Neuankommenden  — 
waren  822.  Teilnehmer  gezählt,  eine  Zahl,  die  bis  zum  Abgang 
dieses  Berichtes  beträchtlich  gewachsen  sein  dürfte. 

Im  grossen  Saale  des  Schützenhauses,  dessen  Parkett  und 
Logen  den  Scharen  der  Teilnehmer  und  ihrer  Damen  kaum 
Raum  genug  boten,  wurde  kurz  nach  10  Uhr  die  I.  allgemeine 
\  er  Sammlung  in  Anwesenheit  Sr.  Exz.  des  östereichischen  Unter- 
i ichtsministers,  des  Statthalters  von  Böhmen  v.  Coudenhove, 
des  zur  Kur  hier  weilenden  preussischen  Ministers  v.  Studt 
duich  eine  sich  lang  hinziehende  Reihe  von  Begrüssungsreden 
eröffnet, 

An  erster  Stelle  ergriff  Dr.  H  e  r  r  m  a  n  n  -  Karlsbad  als 
I.  Geschäftsführer  der  diesjährigen  Tagung  das  Wort  zur  feier¬ 
lichen  Begrüssung  der  Versammlung.  Als  Arzt  bringe  er  seine 
Huldigung  dar  der  grossen  Idee,  die  in  der  Gesellschaft  deutscher 
Naturforscher  und  Aerzte  sich  verkörpere,  als  Deutscher  entbiete 
er  allen  Teilnehmern  besondern  Gruss,  da  die  Versammlung  das 
Band  geistiger  Gemeinschaft  repräsentiere,  das  alle  deutschen 
Stammesangehörigen  diesseits  und  jenseits  der  politischen  Grenze 
umschlinge.  Das  Hoch,  welches  Redner  auf  die  beiden  Kaiser 
der  verbündeten  Reiche  ausbrachte,  fand,  wie  auch  die  späteren 
Hinweise  anderer  Redner  auf  die  deutsche  Stammesgenieinschaft, 
aus  den  Reihen  der  Versammelten  besonders  lebhaften  und  herz¬ 
lichen  Widerhall.  So  wurde  denn  auch  das  von  dem  2.  Geschäfts¬ 
führer,  Herrn  J.  K  n  e  1 1  -  Karlsbad,  vorgeschlagene  Telegramm 
an  die  beiden  kaiserlichen  Majestäten  beifälligst  akzeptiert. 
Als  Vertreter  der  k.  k.  Regierung  und  derzeitiger  Chef  der  Unter¬ 
richtsverwaltung  dankte  nunmehr  Minister  Exzell.  Ritter 
v.  Hartei  den  Festteilnehmern  für  ihr  so  zahlreiches  Er¬ 
scheinen  in  Karlsbad,  einer  Stadt,  die  von  Natur  so  reich  und 
eigenartig  wie  kaum  eine  andere  ausgestattet,  dem  Forscher  eine 
Reihe  wichtiger  Aufgaben  und  Fragen  stellt,  andererseits  die 
Kunst  des  Arztes  auf  das  wirksamste  unterstützt.  In  der  Wahl 
des  Ortes  liege  eine  ermunternde  Anerkennung  für  die  öster¬ 
reichischen  Arbeitsgenossen,  die  sich  bei  solchen  Gelegenheiten 
.besonders  des  durch  keine  politische  Schranke  aufgehaltenen 
nationalen  Zusammenhangs  bewusst  werden.  Unter  dem  Merk¬ 
zeichen  unserer  Zeit,  der  Assoziation,  der  Verbindung  zerstreuter 
Arbeiter  zur  Erreichung  grosser  Ziele  vereinigen  sich  heute  die 
gelehrten  Gesellschaften  und  Akademien  aller  wichtigen  Kultur¬ 
nationen,  um  nach  wohlüberlegtem  Plane  an  grosse  geistige 
Unternehmungen  heranzutreten.  Darauf  beruht  auch  das  Blühen 
dieser  Gesellschaft,  welche  die  zerstreut  wirkenden  geistigen 
Kräfte  zur  vollen  Wirkung  zusammenfasst.  Jeder  Fortschritt 
der  Erkenntnis  greift  fast  sofort  in  das  praktische  Leben  ein, 
und  daher  legt  auch  die  praktische  Bedeutung  dieser  Tagung 
der  Staatsverwaltung  die  Pflicht  der  Unterstützung  auf;  die  von 
hier  aus  gegebenen  Anregungen  sollen  geprüft  und  beachtet 
werden.  Mit  Befriedigung  werde  die  Versammlung  erkennen, 
dass  durch  das  Ineinandergreifen  von  Theorie  und  Praxis  in  den 
etzten  Jahrzehnten  viel  geschehen  sei,  wenn  auch  der  hohe  Stand¬ 
punkt,  auf  dem  diese  Dinge  in  Deutschland  ständen,  noch  nicht 


1633 


allenthalben  m  Oesterreich  erreicht  sei.  Besonders  in  Wien  und 
I  rag  wurden  neue  klinische  Einrichtungen  geschaffen  und  erst 
m  den  letzten  Tagen  wurde  für  Wien  der  Bau  eines  neuen  grossen 
Krankenhauses  beschlossen. 

Der  in  unserer  Zeit  so  in  den  Vordergrund  gestellte  Kampf 
zwischen  Humanismus  und  Realismus  kann  die  Männer  der 
Wissenschaft  nicht  scheiden  -  er  bleibe  den  immer  streitbaren 
Pädagogen  uberlassen.  Er  wolle  ja  nicht  gerade  dafür  sprechen, 
den  schon  bestehenden  zahlreichen  Sektionen  der  Gesellschaft 
neue  anzugliedern;  die  Vielheit  derselben  mag  ein  Beschwernis 
sem,  aber  sie  ist  keine  Krankheit.  Sie  alle  dienen  der  Aufgabe, 
dre  laden  aufzudecken,  welche  Wissenschaft  mit  Wissenschaft 
verknüpfen,  der  Aufgabe,  aus  aller  Detailarbeit  als  Hauptfrucht 
eine  das  Gemüt  beruhigende  und  erhebende  Weltanschauung 
heraus  zu  arbeiten. 

In  keiner  Stadt  kann  man  hiezu  besser  zusammentreten  als 
hier,  wo. ein  Goethe  so  oft  und  gerne  geweilt,  „Mögen  Sie  im 
Geiste  dieses  Maimes  Ihre  Berathungen  beginnen  und  sie  zum 
guten  Ende  führen  zum  Wohle  der  Menschheit,  zur  Ehre  und 
Förderung  der  Wissenschaft!“  —  mit  diesen  Worten  schloss  der 
Redner  seine  von  gvossen  Gesichtspunkten  getragene  und  aus  ge- 
leiftestem  A  erständnis  der  Ziele  der  Versammlun'g  entsprungene 
Ansprache.  Sie  verfehlte  denn  auch  nicht,  den  lebhaftesten  Bei¬ 
fall  zu  wecken. 

Der  hierauf  folgenden  Begrüssungsrede  des  Ritters  v.  Kusy, 
dei  namens  der  Sanitätsverwaltung  und  des  Ministeriums  des 
Innern  der  \rersammlung  den  besten  Verlauf  wünschte,  folgte  die 
Ansprache  des  Bürgermeisters  von  Karlsbad,  Herrn  S  c  h  a  e  f  f  - 
1  e  r.  Seit  1862  sieht  die  deutsche  Stadt  Karlsbad  zum  zweiten- 
male  die  Zierden  deutscher  Wissenschaft  in  ihren  Mauern  und 
wird  damit  neuerdings  zur  Zeugin  gemacht  neuer  Früchte 
deutschen  Geisteslebens.  Auch  Karlsbad  hat  in  den  letzten 
40  Jahren  bedeutende  Fortschritte  gemacht.  Nicht  nur  ist  die 
Zahl  seiner  Kurgäste  von  10  000  auf  52  000  gestiegen,  sondern 
für  die  A  erwaltung  sind  auch  neue  grosse  Anforderungen  liervor- 
getieten,  namentlich  die  Aufgabe,  die  Stadt  mit  den  Errungen¬ 
schaften  der  modernen  Hygiene  zu  versehen,  worüber  die  Fest¬ 
schrift  Aufschluss  gibt.  Manches  vom  Zauber  der  alten  Ro¬ 
mantik  ist  gefallen,  geblieben  ist  die  Heilkraft  der  Quellen, 
welche  der  unerforschten  Tiefe  der  Erde  entströmen,  aber  auch 
der  treudeutsche  Sinn  seiner  Bewohner,  die  alte  Gastfreund¬ 
schaft.  Mögen  die  Ergebnisse  auch  dieser  Tage  glänzende  sein, 
mit  diesem  Wunsche  biete  er  den  Gästen  der  Stadt  herzlichsten 
Willkomm ! 

Der  derzeitige  Rektor  der  deutschen  Universität  in  Prag, 
Dr.  Bachmann,  betonte  von  deutschnationalem  Gesichts¬ 
punkte  aus,  dass  AVissenschaft  und  Kunst  längst  die  politischen 
Gienzen  überschreiten.  In  den  gelehrten  Versammlung’en  und 
Vereinigungen,  welche  neben  ihren  besonderen  Zwecken  den 
Universitäten  so  nahe  kommen,  ist  ein  höchst  wichtiges  Binde¬ 
mittel.  gegeben.  Hoch  und  rein  hält  die  deutsche  Universität 
Prag  ihr  Banner,  ihr  Fühlen  und  Empfinden  gehört  dem  deut¬ 
schen  Volke.  Dass  die  Bürgerschaft  von  Karlsbad  es  verstanden 
hat,  die  herrlichen  Gaben  der  Natur  in  der  AYeise  zu  nützen, 
dass  sie  mit  dem  Sinn  für  Erwerb  und  Betrieb  stets  den  Sinn' 
liir  das  Edle  und  Schöne  zu  verknüpfen  wusste,  das  ist  es,  was 
die  deutsche  Universität  Prag  besonders  an  dieser  Stelle  rühmen 
und  ehren  möchte.  Gross  und  hehr  ist  das  Ziel  des  Kongresses, 
möge  auch  sein  Erfolg  voll  und  ganz  sein ! 

Im  Namen  der  deutschen  technischen  Hochschule  zu  Prag 
lichtete  noch  der  Prosektor  derselben,  Herr  Dr.  Grünwald, 
begrüssende Worte  an  die  Versammlung,  ebenso  Prof.  v.  Jaksc  h- 
Prag  namens  des  Zentralvereins  der  deutschen  Vereine  in  Böhmen. 

Er  begrüsste  alle  Festgenossen  speziell  auch  als  liebe  und  werte 
Stammesgenossen.  „Mögen  Sie  nach  Hause  zurückkehren  mit  der 
Ueberzeugung,  dass  auch  innerhalb  der  sehwarzgelben  Grenzpfähle 
\A  issenschaf  t  und  Kunst  geehrt  wird,  dass  auch  bei  uns  deutscher 
Sinn  und  deutsches  Wesen  lebt!“  Damit  entbietet  Redner  unter 
lautestem  Beifall  der  Versammlung  treu-deutschen  Gruss! 

Die  Aufgabe,  im  Namen  der  Gesellschaft  auf  die  so  zahl¬ 
reichen  und  eingehenden  Begrüssungen  zu  danken,  oblag  Herrn 
Prof.  II  e  u  b  n  e  r -Berlin  als  I.  Vorsitzenden  für  das  laufende 
J ahr.  Er  gedachte  besonders  auch  des  herrlichen  Festschmuckes, 
den  die  gastliche  Mutter  Karlsbad  zum  Empfang  ihrer  Gäste 
angelegt  hat.  Der  beste  Dank  der  Versammlung  liege  im  Segen 


MUENCHENER  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


1634 


ihres  Erfolges.  Er  wirft  sodann  einen  kurzen  Blick  auf  das 
letzte  Jahr  der  Gesellschaft,  die  nunmehr  80  J ahre  besteht.  Die 
Zahl  der  Mitglieder  betrug  im  Juli  1.  J.  2237,  und  zwar  waren 
1901  etwa  45  Proz.  derselben  Naturforscher,  55  Proz.  Aerzte. 
Schwerwiegende  Verluste  hat  der  Tod  im  Jahre  1902  der  Gesell¬ 
schaft  zugefügt.  Mit  kurzer  Charakterisierung  ihrer  Persönlich¬ 
keiten  und  ihrer  hauptsächlichsten  Leistungen  gedachte  sodann 
der  Vorsitzende  der  heuer  verstorbenen  Vorstandsmitglieder, 
Selen  ka  -  München,  ferner  des  Chemikers  Frlirn.  v.  P  e  c  h  - 
m  a  n  n,  sodann  der  Mitglieder  II.  v.  Ziemsse  n,  C.  Ger¬ 
hardt,  A.  Ivussmaul,  IT.  Büchner,  Jul.  vv  o  1  f  i, 

M.  Ivaposi.  .  ... 

Längere  Zeit  verweilte  Redner  bei  der  Würdigung  des  jungst 
der  Wissenschaft  entrissenen  R.  V  i  r  c  h  o  w.  Er  steht  voran  in 
der  Reihe  der  ragenden  Geister,  denen  die  Wiedergeburt  der 
Medizin  zu  danken  ist,  von  keinem  an  Grösse  der  naturwissen¬ 
schaftlichen  Auffassung  übertroffen.  Kein  einziger  hat  dem 
Zeitalter  seinen  Stempel  so  aufgedrückt  wie  \  i  r  c  li  o  w.  Seine 
suggestive  Einwirkung  auf  den  Gang  der  Wissenschaft  erstreckt 
sich  eigentlich  nur  auf  den  Zeitraum  eines  Jahrzehnts.  Loch 
nicht  40  Jahre  war  er  alt,  als  das  Gebäude  seiner  neuen  Lehre 
fix  und  fertig  dastand.  Alles  Spätere  war  Ausbau.  Ohne 
Schwanken  und  Irrwege  kam  er  zu  seinen  reformatonschen 
Schöpfungen,  keinen  Schritt  tat  er  ohne  die  Keuschheit  und 
Strenge  des  echten  Naturforschers.  In  Virchows  Natur  lag 
etwas  Faustisches,  ein  fast  unersättlicher  Schaffenstrieb.  Im 
Gegensatz  zu  seiner  weltbeherrschenden  Stellung  als  Forscher 
stand  seine  Uneigennützigkeit  und  Anspruchslosigkeit.  .  Er  war 
ein  echtes  Kind  des  Landes  vom  kategorischen  Imperativ.  Aber 
ist  die  Leidenschaft  des  Wahrheitssuchers  nicht  immer  selbstlos? 
Wenn  wir  Aerzte  aus  dem  Lärm  des  Tages  uns  hierher  flüchten, 
so  wollen  wir  uns  erquicken  an  der  frischen  Luft  reiner  Er¬ 
kenntnis,  wir  verfolgen  keine  selbstsüchtigen  Zwecke  Die 
Wissenschaft  ist  selbstlos  und  auch  die  jetzt  so  mächtige  Allein¬ 
herrschaft  des  Dollars  wird  von  der  Idee  besiegt  werden.  Mit 
dieser  Macht,  mit  Wahrheitsliebe  und  Menschenliebe  im  Bunde, 
lassen  Sie  uns  an  die  Arbeit  gehen ! 

Es  war  fast  1412  Uhr  geworden,  bis  der  Redner  des  ersten 
Vortrages,  F.  H  o  f  m  e  i  s  t  e  r-  Strassburg,  das  Wort  nehmen 
konnte  über  den  Ban  des  Eiweissmoleküls. 


27.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffent¬ 
liche  Gesundheitspflege 

in  München,  17.  bis  20.  September  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

I. 

Noch  niemals  waren  die  Versammlungen  des  Deutschen 
Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  von  einer  solch  statt¬ 
lichen  Anzahl  von  Festteilnehmern  besucht  worden,  wie  diesmal. 
Ueber  600  Mitglieder  hatten  sich  in  der  bayerischen  Residenz¬ 
stadt  eingefunden,  ein  Zahl,  welche  selbst  die  des  bestfrequen¬ 
tierten  Kongresses  in  Köln  um  mehr  als  100  übersteigt.  Dabei 
waren  von  München  allein  ca.  100  Mitglieder  anwesend.  Aussei 
den  zum  Teil  in  sozialpolitischer  Hinsicht  ganz  besonders  inter¬ 
essanten  Vortragsthemen  mag  gewiss  die  ungemein  günstige  Lage, 
sowie  auch  die  ganz  hervorragende  Munifizenz  der  schonen  Kunst¬ 
stadt  zu  der  ausnehmend  glänzenden  und  zahlreichen  Beteiligung  m 
hohem  Masse  beigetragen  haben.  Schon  der  im  grossen  LLotbrau- 
haussaale  am  16.  September  stattfindende  Begrussungsabend, 
bei  welchem  Herr  Bürgermeister  v.  B  o  r  s  ch  t  die  Gäste  m  herz¬ 
licher  Weise  willkommen  hiess  und  Herr  Prof.  Dr.  Frankel- 
Halle  in  launigen  Worten  für  den  glänzenden  Empfang  dankte, 
gab  beredtes  Zeugnis  von  Münchener  Humor  und  verlief  bei  den 
in  reicher  Abwechslung  sich  ablösenden  Gesangs-  und  anderen 
Vorträgen  in  äusserst  animierter  Weise.  _ 

Am  17.  September,  Morgens  9  Uhr,  wurde  im  grossen  Test¬ 
saale  des  Hotels  Bayerischer  Hof  der  Kongress  durch  Herrn  Prof. 
Dr.  Frankel- Halle  offiziell  eröffnet,  welcher  an  Stelle  des 
erkrankten  Medizinalrates  Dr.  R  e  i  n  k  e  -  Hamburg  den  V or- 
sitz  führte.  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  Grashey  übermittelte 
den  Willkommgruss  des  k.  Staatsministeriums  des  Innern  und 
wünschte  der  Versammlung,  in  welcher  die  besten  Aerzte,  Archi¬ 
tekten,  Baumeister  und  Vorstände  von  Gemeindeverwaltungen 
zu  gemeinsamer  Beratung  Zusammenkommen,  erfolgreiche  Resul¬ 


tate  im  Geiste  des  grossen  Meisters  P  ettenkof  er.  Bürger¬ 
meister  v.  Bors  cht  wies  auf  die  ungeahnten  Fortschritte  hin, 
welche  die  Stadt  München  seit  der  letzten  Tagung  des  Deutschen 
Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in  München  vor 
25  Jahren  in  hygienischer  Beziehung  gemacht  habe,  so  dass  der 
wohlverdiente  schlechte  Ruf  der  allgemeinen  Anerkennung  ge¬ 
wichen  sei,  dass  München  jetzt  zu  den  gesündesten  Städten 
Deutschlands  zähle.  Er  hiess  die  Anwesenden  herzlich  will¬ 
kommen  mit  dem  Wunsche,  dass  die  gewissenhaft  und  vor¬ 
urteilsfrei  geführten  Verhandlungen  dem  deutschen  Volk  zum 
Segen  gereichen  möchten.  Generalstabsarzt  Dr.  v.  Bestel- 
meyer  entbot  den  Gruss  des  Aerztlichen  Vereins  München, 
sowie  der  k.  bayerischen  Armeeverwaltung.  Dr.  Karl  Becker 
hiess  die  Versammlung  namens  des  Aerztlichen  Bezirksvereins 
München  willkommen  und  Rechtsrat  W  ö  1  z  1  namens  der  Mün¬ 
chener  Ortsgruppe  des  Deutschen  V ereins  für  \  olksliygienc. 

Prof.  Dr.Fränkel  dankte  den  Rednern  in  formvollendeter 
Weise,  wobei  er  betonte,  dass  München  sich  seines  grossen 
Ehrenbürgers  würdig  erwiesen  habe,  so  dass  die  gefürchtete 
Trias  Kunst,  Bier  und  Typhus  ihre  Schrecken  verloren  habe. 
Die  Aerzte  gaben  die  Wege  an,  die  Techniker  bauten  sie  aus 
und  die  Gemeindeverwaltungen  sorgten  für  die  Bewilligung  der 
Mittel. 

Hierauf  wurden  in  das  Bureau  gewählt:  Bürgermeister 
v.  Borscht  -  München,  Oberbaurat  Baumeister  -  Karls¬ 
ruhe,  Dr.  B  e  c  k  e  r  -  München.  Der  Sekretär  des  Vereins  Geh. 
Sanitätsrat  Dr.  S  p  i  e  s  s  -  Frankfurt  a.  M.  erstattete  alsdann 
den  Rechenschaftsbericht  für  das  abgelaufene  Vereins jahr,  dem 
wir  entnehmen,  dass  der  Mitgliederstand  1531  betrug,  von  denen 
ausschieden  111,  davon  durch  Tod  27.  Neu  eingetreten  sind 
230  Mitglieder;  der  jetzige  Mitgliederstand  beträgt  1650.  Der 
Vorsitzende  widmet  den  im  Laufe  des  Jahres  verstorbenen  Mit¬ 
gliedern,  in  erster  Linie  den  um  die  Entwicklung  der  Hygiene 
hochverdienten  Gelehrten  Prof.  Dr.  v.  Ziemsse  n,  Prof.  Dr. 
Hans  Büchner,  Geheimen  Baurat  James  Hob  re  cht  und 
Rudolf  Vi  rcho  w,  ehrende  Nachrufe,  worauf  sich  die  Versamm¬ 
lung  zum  ehrenden  Andenken  an  die  Verstorbenen  von  den  Sitzen 
erhebt.  Alsdann  wird  in  die  Tagesordnung  eingetreten. 

1.  Die  hygienische  Ueberwachung-  der  Wasserläufe. 

Referenten:  Geh.  Hof  rat  Prof.  Dr.  A.Gärtner- Jena,  Wasser¬ 
bauinspektor  Schümann-  Berlin. 

Gärtner  führt  zunächst  aus,  dass  schon  vor  langen  Jahren 
an  das  Reich  die  Aufforderung  ergangen  sei,  bezüglich  der  Ueber¬ 
wachung  und  des  Studiums  der  Flüsse  Normen  aufzustellen. 
Eine  Antwort  sei  jedoch  erst  unter  dem  zweiten  Reichskanzler 
eingelaufen,  und  diese  sei  auf  Grund  eines  Gutachtens  des 
Reichsgesundheitsamtes  negativ  ausgefallen.  Nach  10  jähriger 
Pause  erscheine  nun  die  Frage  wieder  auf  der  Tagesordnung, 
ein  Zeichen,  dass  sie  immer  noch  aktuell  sei. 

Die  Verunreinigung  der  Flüsse  setzt  sich  aus  verschiedenen 
Faktoren  zusammen.  Besonders  stark  werden  die  T  lüsse  durch 
die  Abwässer  der  Städte  verunreinigt,  so  dass  man  früher  die 
sämmtlichen  Abwässer  desinfizieren  zu  müssen  glaubte.  Von 
dieser  Forderung  ist  man  jedoch  zurückgekommen  und  begnügt 
sich  jetzt  mit  der  Desinfektion  am  Krankenbett.  Der  Anschau¬ 
ung,  dass  die  Bakterien  im  Flusswasser  auf  schlechten  Nährboden 
gelangen  und  dort  zu  gründe  gehen,  ist  nicht  volles  Vertrauen 
zu  schenken,  da  z.  B.  in  Paris  eine  Typhusepidemie  aus  einer  Ent¬ 
fernung  von  170  km  eingeschleppt  wurde,  ein  Beweis,  dass  die 
Bakterien  sich  auch  im  Flusswasser  unter  Umständen  lange  zu 
halten  vermögen.  Dass  nicht  jedesmal  nach  Genuss  von  Fluss 
wasser  eine  Erkrankung  erfolgt,  ist  wohl  darauf  zurückzuführen, 
dass  die  Bakterien  meist  schubweise  im  Wasser  sich  befinden, 
und  nur  der  erkrankt,  welcher  gerade  Wasser  von  einem  solchen 
Schub  geniesst.  Stärkere  Verunreinigungen  kommen  dann  noch 
in  industriereichen  Gegenden,  besonders  in  solchen  vor,,  wo  durc 
die  geologische  Beschaffenheit  des  Bodens  eine  förmliche  Kon¬ 
zentration  gewisser  Industriezweige  (Braunkohlenlager,  Salz¬ 
lager  etc.)  stattfindet.  Was  soll  nun  bezüglich  des  Reinheits 
grades  der  Flüsse  verlangt  werden?  Referent  stellt  hief.ür  fo 
gende  These  (These  2  der  Leitsätze)  auf:  Wenn  auch  im  al¬ 
gemeinen  rohes,  d.  h.  ungereinigtes  Flusswasser  nicht,  als  Trin  - 
wasser  anzuerkennen  ist,  so  muss  doch  ein  solcher  Reinheitsgia 
der  öffentlichen  und  privaten  Wasserläufe  verlangt  werden,  dass 


30.  September  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1635 


ihr  Wasser  für  den  Hausgebrauch,  zum  Baden,  für  die  Zwecke 
der  Industrie,  der  Landwirtschaft  und  Fischzucht  Verwendung 
finden  kann. 

Die  Analyse  hat  sich  bisher  fast  nur  mit  der  Untersuchung 
der  gelösten  Bestandteile  abgegeben,  es  müssen  aber  vor  allem 
die  Suspensa  als  die  eigentlichen  Infektionsträger  einer  genauen 
Beobachtung  unterzogen  werden.  Sollen  die  Wasserläufe  in 
einem  der  vorstehenden  Forderung  entsprechenden  Zustand  er¬ 
halten  werden  , so  ist  eine  ständige,  in  der  Hauptsache  sanitäre 
Ueberwachung  der  Wasserläufe,  und  zwar  der  öffentlichen  wie 
der  privaten,  erforderlich.  Auch  genügt  nicht  eine  Ueber¬ 
wachung  nur  der  grossen  Wasserläufe,  sondern  die  Flüsse  müssen 
schon  ab  origine  einer  Kontrolle  unterstehen.  Redner  weist  hier 
besonders  auf  die  kleinen,  schon  stark  verunreinigten  Wässer  hin, 
welche  im  sächsischen  Erzgebirge  entspringen. 

ITm  die  Ueberwachung  durchführen  zu  können  ist  zunächst 
notwendig  eine  genaue  Kenntnis  der  hydrologischen  Verhältnisse 
eines  Wasserlaufes,  und  zwar  für  Hoch-,  Mittel-  und  Nieder¬ 
wasser,  ferner  müssen  die  Uferschutzbauten  genau  beachtet  wer¬ 
den  und  endlich  ist  die  Art  und  Menge,  sowie  der  Verbleib  der 
Unratstoffe,  das  Steigen  und  Fallen  der  Verunreinigung,  der  Weg 
des  Flusses  einem  genauen  Studium  zu  unterziehen.  Referent 
berührt  hierbei  die  Frage  der  Selbstreinigung  der  Flüsse,  dem 
grossen  Unbekannten  in  der  Wasserhygiene,  betont  dabei  den 
Unterschied  zwischen  Berlin  und  München,  und  nimmt  selbst 
einen  äusserst  skeptischen  Standpunkt  ein. 

Die  Frage  ist  nun,  wer  soll  bei  der  Vielseitigkeit  der  in 
Frage  stehenden  Interessen  und  der  Menge  des  zu  bewältigenden 
Materials  die  Arbeit  übernehmen  ? 

Gärtner  hält  es  zunächst  für  zweckmässig,  dass  alle 
Wasserläufe  überwacht  werden,  und  dass  wegen  der  zu  über- 
wachenden  Objekte  und  der  an  demselben  Flusslauf  oft  stark 
wechselnden  hydrologischen  oder  wirtschaftlichen  Verhältnisse 
die  Wasserläufe  in  Beobachtungsteilstrecken  zerlegt  werden,  die 
sich  am  besten  den  kleineren  politischen  Verwaltungsbezirken 
(Bezirksamt,  Kreisregierung)  anschliessen.  Wegen  der  Viel¬ 
seitigkeit  der  in  Frage  stehenden  Interessen  und  der  Menge  des 
zu  bewältigenden  Arbeitsmaterials  ist  die  sanitäre  Ueberwachung 
einer  Kommission  anzuvertrauen,  die  im  allgemeinen  aus  einem 
Verwaltungs-,  Wasserbau-,  Medizinal-  und  Gewerbebeamten  be¬ 
stehen  soll,  und  nicht  unter,  sondern  mit  einem  Landrat  oder  Re¬ 
gierungspräsidenten  an  der  Spitze  ihren  Aufgaben  gerecht  wird 
durch  dauernde  Ueberwachung  der  Wasserläufe  durch  Unter¬ 
beamte  und  gelegentliche  oder  nach  Bedarf  auszuführende  eigene 
Besichtigungen,  durch  mindestens  vierteljährlich  abzuhaltende 
Konferenzen,  eine  mindestens  jährlich  einmalige  Bereisung  der 
überwachten  Wasserläufe  durch  sie  selbst,  durch  Führung  von 
Wasserbüchern  und  jährliche  Berichterstattung  an  die  über¬ 
geordnete  Dienstbehörde.  Die  Kommission  soll  auch  eine  Zen¬ 
tralstelle  haben  zur  Ausführung  von  Untersuchungen,  als  Ent¬ 
scheidungsinstanz  und  zur  Regulierung  der  Einläufe,  behufs  Er¬ 
zielung  einer  gleichmässigen  Arbeit.  Sie  hat  auch  das  Recht, 
Prozesse  zu  führen  und  Strafen  zu  verhängen  im  Rahmen  der 
Exekutive  der  Polizeibehörde  des  Verwaltungsbezirks. 

Die  Kosten  sind  von  den  Verwaltungskörpern  zu  tragen,  zu 
deren  Ressort  die  überwachten  Wasserläufe  gehören,  und  werden 
sich  zunächst  hauptsächlich  auf  die  Untersuchungen  erstrecken, 
nachdem  das  nötige  Personal  bereits  vorhanden  ist. 

Als  revidierende  und  als  Appellinstanz  funktionieren  die 
höheren  Verwaltungsbehörden.  In  den  grösseren  Bundesstaaten 
sind  Landesinstitute  einzurichten  zur  Verarbeitung  des  von  den 
einzelnen  Ueberwachungsstationen  eingelieferten  Materials,  zur 
Lösung  von  praktisch  und  theoretisch  wichtigen  Fragen,  welche 
sich  auf  die  Reinhaltung  der  Wasserläufe  beziehen,  und  zur  Ab¬ 
gabe  von  Obergutachten. 

Durch  all  diese  Massnahmen  und  Einrichtungen  wird  dann 
eine  bessere  Kenntnis  unserer  Wasserläufe  und  unserer  Stadt- 
und  Industrieabwässer,  als  auch  des  Einflusses  der  Abwässer  auf 
die  1  lüsse  erzielt,  und  die  letzteren  bleiben  relativ  rein. 

V  ährend  in  I  rankreich  ähnliche  wie  die  vorgeschlagenen 
Kommissionen  schon  bestehen,  kann  uns  ausserdem  noch  Eng¬ 
land  als  Beispiel  dienen,  welches  auf  dem  Gebiete  der  Fluss¬ 
reinigung  schon  sehr  grosse  Erfolge  erzielt  haben  soll. 

Korreferent  Wasserbauinspektor  S  c  h  ii  m  a  n  n  -  Berlin 
schildert,  wie  die  Ueberwachung  der  Wasserläufe  bisher  ausgeübt 


wurde,  was  aber  viel  zu  ungenügend  gewesen  sei.  Den  Vor¬ 
schlägen  des  Referenten  schliesst  er  sich  an,  mit  dem  Unter¬ 
schied,  dass  er  als  erste  Instanz,  wegen  der  Schwerfälligkeit 
einer  Kommission,  die  Ueberwachung  von  einem  einzelnen  Be¬ 
amten  vorgenommen  wissen  will.  Er  verbreitet  sich  dann  noch 
des  weiteren  über  die  Art  und  Weise  der  ständig’  zunehmenden 
Verunreinigung  der  Wasserläufe  Berlins. 

In  der  Diskussion  wendet  sich  zunächst  Prof.  Kruse- 
Bonn  gegen  die  eben  angeführte  These  2  als  undurchführbares 
Projekt  und  verspricht  sich  nicht  viel  von  den  Kommissionen, 
die  bei  ähnlichen  Verhältnissen  in  Düsseldorf  z.  B.  noch  nicht 
viel  erreicht  hätten.  Oberbaurat  Baumeister  -  Karlsruhe  be¬ 
fürwortet  die  Schaffung  einer  Reichszentralstelle.  Baurat  Herz- 
berg  -  Berlin  begrüsst  es,  dass  Preussen  den  Anfang  zu  einer 
Wassergesetzgebung  gemacht  habe,  und  regt  an,  dass  auf  dem 
nächsten  Kongress  ein  Referat  über  das  in  Deutschland  bestehende 
Wasserrecht  erstattet  werde,  um  die  allgemein  herrschende  Un¬ 
klarheit  auf  diesem  Gebiete  zu  beseitigen.  In  der  weiteren  äus¬ 
serst  lebhaften  Diskussion,  an  welcher  besonders  die  Herren 
Stadtbaurat  Krause-  Berlin,  Prof.  Emmerich  -  München, 
Koutkowsky  -  Reval,  Stadtbaurat  Brix-  Wiesbaden,  Prof! 
Kalle-  Wiesbaden,  Baumeister  Hartwig-  Dresden,  Ober¬ 
medizinalrat  Siegel-  Leipzig,  Oberbürgermeister  Dellbrück- 
Danzig  und  andere  Herren  sich  rege  beteiligten,  wandte  sich  vor 
allem  die  Kritik  gegen  die  vom  Referenten  vorgeschlagene  Art 
und  Weise  der  Zusammensetzung  der  Kommission,  indem  von 
der  einen  Seite  eine  Beteiligung  der  Gemeinden  unter  Zurück- 
drängung  des  Beamtenelements  gefordert  wurde,  während  die 
andere  Seite  die  Frage,  wie  gross  die  Verunreinigung  der  Wasser¬ 
läufe  sein  dürfe,  von  wissenschaftlichen  Verbänden  entschieden 
wissen  will.  Auch  die  Anregung  Baumeisters  bezüglich  der 
Errichtung  einer  Reichszentralstelle  fand  bei  den  einen  lebhaften 
Widerhall,  während  andere  dieselbe  bekämpften  mit  dem  Hinweis 
darauf,  dass  für  die  je  nach  Landesteilen  verschiedenen  Verhält¬ 
nisse  nichts  gewonnen,  sondern  durch  Eifersucht  und  Kritik  der 
einzelnen  Bundesstaaten  der  Reichsgedanke  geschädigt  würde.  Der 
Vorschlag  Koutko  w  sky  s,  die  Aufsicht  nicht  nach  politischen 
Bezirken,  sondern  nach  den  einzelnen  Wasserläufen  abzugrenzen, 
fand  lebhaften  Anklang.  Emmerich  verbreitete  sich  etwas 
weiter  über  die  Selbstreinigung  der  Isar,  wobei  er  betont,  dass  er 
im  Gegensatz  zu  Baurat  Hauben  sch  mied  selbst  bei  Nieder¬ 
wasser  keine  Kotbänke  gefunden  habe  und  dass  der  Sauerstoff¬ 
gehalt  der  Isar  auch  unterhalb  der  Einflusstelle  der  Fäkalien  ein 
durchaus  günstiger  zu  nennen  sei.  Die  Isar  werde  in  kurzen 
Zwischenräumen  sowohl  einer  lokalen  Besichtigung  als  auch  einer 
chemischen  Untersuchung  unterzogen  und  zwar  auf  ihrem  ganzen 
Wege  von  München  bis  Plattling. 

Baurat  Haubenschmied  bleibt  jedoch  auf  seinen  Be¬ 
hauptungen,  betr.  die  zunehmende  Verunreinigung  der  Isar,  stehen 
und  wünscht,  dass  die  Abwasser  vor  ihrem  Eintritt  in  die  Wasser¬ 
läufe  zweckentsprechend  gereinigt  werden  sollen. 

Nach  einem  kurzen  Schlusswort  des  Referenten  Gärt  nVr  - 
Jena  wird  die  Debatte  geschlossen  und  nach  y2  ständiger  Früh¬ 
stückspause  zum  zweiten  Referate  übergegangen. 

2.  Der  Einfluss  der  Kurpfuscherei  auf  Leben  und  Gesundheit 

der  Bevölkerung’. 

Referent :  Dr.  med.  Karl  Gras  s  m  a  n  n  -  München. 

Grassmann  geht  von  dem  Gedanken  aus,  dass  die  Kur¬ 
pfuscherei  im  allgemeinen  viel  mehr  durch  dasjenige  Schaden 
anrichte,  was  nicht  an  das  Licht  der  Oeffentlichkeit  gelange,  als 
durch  das,  was  alle  Welt  jeden  Tag  vor  Augen  sieht.  Er  wendet 
sich  dann  in  scharfen  Worten  gegen  das  Ueberhandnehmen  der 
sog.  populären  medizinisch-wissenschaftlichen  Literatur,  wenn 
auch  nicht  zu  leugnen  ist,  dass  einzelne  Laien  der  wissenschaft¬ 
lichen  Medizin  erheblichen  Nutzen  geleistet  haben.  Doch  sei 
dieser  Umstand  kein  Grund,  um  der  Kurpfuscherei  das  Wort  zu 
reden.  Die  durch  die  krasseste  Unwissenheit  der  Pfuscher  an¬ 
gerichteten  Schäden  treten  bezüglich  des  Gemeinwohls  hauptsäch¬ 
lich  zu  Tage  auf  dem  Gebiete  der  Volksseuchen  und  der  anderen 
ansteckenden  Krankheiten,  namentlich  Geschlechtskrankheiten, 
der  Krankenversorgung  und  Irrenpflege,  des  Impfwesens,  der 
Schulhygiene,  der  Kranken-  und  Unfallversicherung,  der  öffent¬ 
lichen  Moral.  Wenn  Gerhardt  sagt:  „Ohne  Diagnose  keine 
Therapie“,  so  findet  ein  Platen  hierin  die  Unzulänglichkeit  der 
Schulmedizin.  Um  aber  das  Vertrauen  zu  den  staatlich  geprüften 
Aerzten  zu  untergraben,  haben  die  Naturheilvereine  eine  Pseudo¬ 
approbation  nach  9  monatlichem  angeblichem  Studium  einge¬ 
führt,  wobei  es  dem  Pfuschertum  aus  Mangel  an  eigener  Origi¬ 
nalität  nicht  darauf  ankommt,  sich  das,  was  ihm  zusagt,  aus 
der  Schulmedizin  zu  entlehnen.  An  der  Hand  zahlreichen  sta¬ 
tistischen  Materials  führt  Referent  aus,  wie  der  einzelne  unter 
dem  Scheine  billigster  Entlohnung  in  gewissenlosester  Weise  ge¬ 
schädigt  wird  durch  rücksichtslose  pekuniäre  Ausbeutung,  Ver¬ 
zögerung  oder  Abhaltung  sachverständiger  Hilfe,  wobei  dem 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Kurpfuscher  der  Wegfall  des  ärztlichen  Berufsgeheimnisses  und 
einer  ganzen  Reihe  für  den  Arzt  bestimmter  Strafparagraphen 
hilfreich  zur  Seite  steht,  bis  eine  ganz  eklatante  Schädigung 
einer  Person  an  Gesundheit  und  Leben  endlich  einmal  ihrem 
schamlosen  Treiben  ein  Ziel  setzt.  Charakteristisch  ist  für  das 
Pfusehertum,  dass  es  mit  dem  Vertrieb  von  Geheimmitteln  sich 
enorme  Summen  zu  verdienen  weiss  und  dass  es  seine  lukrative 
rI  ätigkeit  gerade  in  solchen  Fällen  aufnimmt,  wo  durch  die 
Natur  der  Erkrankung  (Krebs,  Tuberkulose)  der  Arzt  eine  Hei¬ 
lung  als  ausgeschlossen  betrachten  muss.  Am  häufigsten  sind  es 
geburtshilfliche  Operationen  und  Eingriffe  chirurgischer  Art, 
besonders  auch  bei  Kindern,  welche  ein  erschreckendes  Kontingent 
zu  letalen  Ausgängen  stellen.  An  einer  grossen  Anzahl  von  Bei¬ 
spielen  erläutert  Grassmann  in  drastischer  Weise  die  Schä¬ 
digungen  des  Pfuschertums  auf  dem  Gebiete  der  Wasserkuren 
und  Massage,  der  Anzeigepflicht  für  Infektionskrankheiten,  so¬ 
wie  besonders  der  Krankenversicherung. 

Seit  Freigabe  der  Heilkunde  durch  die  Reichsgewerbeord¬ 
nung  im  Jahre  1869  hat  die  Kurpfuscherei  in  Deutschland  in 
ausserordentlichem  Masse  zügenommen,  so  dass  in  letzter  Zeit 
in  Bayern  1200,  in  Deutschland  3059  Kurpfuscher  gezählt  wer¬ 
den  konnten.  Die  Erhebungen  des  Aerztevereinsbundes  haben 
die  Zahl  5224  zu  Tage  gefördert.  Im  Gegensatz  zu  früher  ist 
an  Stelle  des  Einzelbetriebs  eine  ausgedehnte  Organisation  ge¬ 
treten,  welche  unter  dem  Vorwand,  eine  neue  wissenschaftliche 
Bewegung  zu  vertreten,  und  mit  Nachäffung  von  äusseren  Formen 
ärztlicher  Kunstausbildung  sich  aller  modernen  Mittel  der  Agi¬ 
tation  in  grösstem  Masstabe  bedient,  um  das  Volk  systematisch 
gegen  den  Aerztestand  zu  verhetzen  und  die  wissenschaftliche 
Heilkunde  in  Misskredit  zu  bringen.  Als  geschlossene  Macht 
sich  dem  staatlich  organisierten  Gesundheitswesen  entgegen¬ 
stellend,  durchkreuzt  das  Kurpfuschertum  immer  häufiger  viele 
vom  Staate  eingerichtete  hygienische  Massnahmen  für  die  all¬ 
gemeine  V  ohlfahrt  und  hemmt  die  volle  W irkung  der  modernen 
sozialpolitischen  Gesetzgebung.  Die  gegen  dieses  gemeingefähr¬ 
liche  Treiben  auf  gestellten  staatlichen  Massregeln  sind  in 
Deutschland  völlig  unzulänglich  im  Gegensatz  zu  unseren  Nach¬ 
barländern,  in  denen  fast  überall  ein  Kurpfuschereiverbot  be¬ 
steht;  besonders  in  Oesterreich  ist  man  der  verderblichen  Lite¬ 
ratur  auf  diesem  Gebiete  ganz  energisch  zu  Leibe  gegangen. 
Das  Studium  dieser  Frage  verdient  deshalb  das  vollste  Interesse 
nicht  nur  der  Hygieniker,  sondern  auch  der  Verwaltungs-  und 
Justizbeamten,  der  Nationalökonomen  und  gesetzgebenden 
Körperschaften.  Freilich  betont  Grassmann,  dass  hier  viel¬ 
leicht  staatliche  Massregeln  weniger  leicht  und  rasch  zur  Unter¬ 
drückung  des  Uebels  führen  dürften,  als  vielmehr  Hebung  des 
ärztlichen  Standeshewusstseins,  Besserung  der  Verhältnisse  der 
Aerzte  überhaupt  und  vor  allem  Aufklärung  des  Volkes  über  die 
Wichtigkeit  des  Gegenstandes  selbst,  um  Leib  und  Leben  und . 
Gesundheit  des  einzelnen  wie  der  Gesamtheit  vor  dem  schäd¬ 
lichen  Einfluss  dieser  Parasiten  an  dem  bedauernswertesten  Teil 
der  Menschheit  zu  sichern. 

Eine  Diskussion  schloss  sich  an  diesen  interessanten  Vor¬ 
trag  nicht  an.  Abends  6  Uhr  vereinigte  sich  eine  ausserordent¬ 
lich  zahlreiche  Versammlung  von  Festteilnehmern  zum  Festmahle 
im  alten  Rathaussaale,  bei  welchem  die  üblichen  Reden  in  z.  T. 
äusserst  humorvoller  Weise  das  Mahl  würzten. 


Die  5.  Versammlung  des  Verbandes  deutscher 

Eisenbahnärzte 

in  M  ii  n  c  h  e  n,  17.,  18.  und  19.  September  1902. 
(Eigener  Bericht.) 

Eine  kurze  Reihe  glänzender  Tage  in  der  schönen  Isar- 
residenz  liegt  hinter  uns,  Tage,  deren  Erinnerung  noch  für  lange 
/eit  das  Leben  manches  Bahnarztes  sonnig  beleuchten  wird. 
Gross  war  die  Anregung;  alle  dort  behandelten  Themata  waren 
von  aktuellstem  bahnärztlichen  Interesse,  und,  wenn  jeder  der 
über  700  Teilnehmer  mit  neuem  wissenschaftlichen  und  opfer- 
1  leudigen  Ernst  in  seine  Praxis  heimkehrt,  so  sei  hier  nochmals 
den  Behörden  und  ihren  Vertretern  für  das  Interesse,  welches 
>ie  unserer  Tagung  entgegenbrachten,  für  die  Opferwilligkeit, 
mit  welcher  die  einzelnen  Staaten:  Preussen,  Bayern,  Württem¬ 
berg  und  Baden  ihre  Rettungseinrichtungen  zur  Besichtigung 
stellten,  unser  Dank  ausgesprochen. 


Kurz  kann  in  diesen  Blättern  nur  der  Inhalt  dieser  Ver¬ 
handlungen  skizziert  werden,  und,  wenn  wir  an  die  Spitze  dieser 
kurzen  Inhaltsangabe  gleich  das  stellen  sollen,  was  gegenwärtig 
die  eisenbahnhygienischen  Bestrebungen  charakterisiert,  so  ist 
es  die  einheitliche  Organisation  derselben  für  ganz 
Deutschland  in  dem  Sinne,  dass  von  allem,  was  sich  bisher  in 
einzelnen  deutschen  Staaten  bewährte,  das  beste  für  die  All¬ 
gemeinheit  festgehalten  wird. 

Der  bayerische  Oberbahnarzt  Dr.  Z  e  i  1 1  m  a  n  n  eröffnete  die 
Verhandlung,  indem  er  dem  Andenken  des  verstorbenen,  um  die 
Eisenbahnhygiene  hochverdienten  Geh.  San.-R.  Dr.  Brähmer 
warme  Worte  der  Anerkennung  widmete. 

Es  folgte  der  mit  Demonstration  verbundene  Vortrag  des 
Prof.  Dr.  Eversbusch  -  München  über  praktische  Prü¬ 
fung  des  Farbensinnes  mit  den  beim  Eisenbahnbetriebe  ge¬ 
bräuchlichen  Signallichtern. 

E.  bespricht  an  der  Hand  des  nach  seinen  Angaben  kon¬ 
struierten  und  seit  Juni  1901  offiziell  bei  den  Bahn- Augenärzten 
Bayerns  eingeführten  Apparates  das  obige  Thema. 

Die  in  zweifelhaften  Fällen  von  Farbensinnstörung  im  An¬ 
schluss  an  die  ärztliche  Untersuchung  beliebte  praktische 
Prüfung  der  betreffenden  Bediensteten  auf  dem  Bahnhofe 
oder  auf  der  Strecke  kann  weder  einwandsfrei,  noch  be¬ 
friedigend  erfolgen.  Es  fehlt  dabei  meistens  an  prägnanten 
Signalen.  Auch  der  rasche  Wechsel  derselben  bietet  immer 
Schwierigkeiten  dar.  Neben  der  Tagprüfung  ist  eine  Nacht¬ 
prüfung  unerlässlich.  Ferner  ist  die  Beiziehung  von  anderen  Be¬ 
diensteten  nötig;  alles  Umstände,  die  eine  glatte  Durchführung 
der  Prüfung  sehr  erschweren,  ja  unmöglich  machen.  Endlich 
erschien  es  E.  auch  dringend  erwünscht,  schon  durch  die 
spezialärztliche  Untersuchung  den  Farbenblinden 
selbst  überzeugend  die  mangelhafte  Ausbildung  ihres  Farben¬ 
sinnes  klar  zu  machen.  Besonders  wichtig  ist  dies,  bei  den  An¬ 
gestellten,  die  schon  kürzere  oder  längere  Zeit  unbeanstandet 
im  äusseren  Eisenbahndienste  Verwendung  fanden,  nicht  weniger 
belangreich  aber  auch  bei  denjenigen  unter  den  Neueintretenden, 
die  bis  dahin  keine  Ahnung  von  diesem  Gebrechen  des  Seh¬ 
organes  hatten. 

Der  Eversbusch  sehe  Prüfungsapparat  bringt  bei  der 
Untersuchung  im  geschlossenen  Raum,  wie  sie  doch  in  der  Regel 
vorgenommen  wird,  auch  die  Verhältnisse  der  Wirklich¬ 
keit  so  genau  als  nur  möglich  zum  Ausdruck.  Die  in  ihm  an¬ 
gebrachte  Lichtquelle  deckt  sich  hinsichtlich  ihrer  Stärke 
annähernd  mit  der,  wie  diese  als  Mindestausmass  der  Be¬ 
leuchtung  in  dem  auf  der  F  ahrstrecke  bezw.  in  und  vor  den 
H  alte p  u  nkte n  der  Eisenbahn  angebrachten  Verkehrszeichen 
zur  Verwendung  gelangt.  Auch  kommen  die  II  erab  m  inde- 
rungen  der  Lichtstärke,  die  an  den  Betriebskennzeichen  durch 
den  verschiedenen  Grad  der  nächtlichen  Dun¬ 
kelheit  wie  auch  durch  Nebel  minderen  oder  stär¬ 
keren  G  r  a  d  e  s  sich  geltend  machen,  durch  entsprechende 
Vorrichtungen  am  Prüfungsapparate  zum  Ausdruck. 

Der  A  n  w  e  n  d  u  n  g  desselben  hat  vorauszugehen  eine  Prü¬ 
fung  der  Sehschärfe,  der  Refraktion  und  Akkom- 
m  o  d  a  t  i  o  n  und  Korrigierung  der  Ametropie,  wo¬ 
fern  die  binokuläre  zentrale  Sehschärfe  weniger  als  die 
IL  ä  1  f  t  e  des  Normalen  beträgt. 

Bei  längerem  Gebrauche  des  Apparates  hat  sich  heraus¬ 
gestellt,  dass  sich  die  an  ihm  angebrachten  Tagessignale, 
die  in  Farbe,  Form,  wie  Grösse  (diese  entsprechend  reduziert) 
den  im  Eisenbahnverkehr  üblichen  Tagessignalen  genau  nach¬ 
gebildet  sind,  zumal  von  langjährigen  Routiniers,  leichter  erkannt 
und  richtiger  und  sicherer  angegeben  werden,  als  die  für  die  Prü¬ 
fung  im  Dunkelzimmer  bestimmten  Nachtsignale.  Doch  stolpert 
der  richtige  Rot-Grün-Blinde  bei  mehrfachen  Wiederholungen 
auch  über  die  ersteren. 

Der  Grund  für  diese  Differenz,  die  erfahrene  Beobachter 
übrigens  auch  bei  der  Prüfung  mit  den  wirklichen  Tages¬ 
signalen  auf  Bahnhof  und  Strecke  feststellen  konnten,  liegt 
darin,  dass  sich  der  Prüfling,  besonders  wenn  er  schon  länger 
im  äusseren  Bahndienste  angestellt  ist,  mit  der  Unterscheidung 
von  Zeichen  leichter  zurechtfindet,  als  von  einzelnen  Farben. 
Wenn  bei  der  hierfür  gewählten  Zusammenstellung  des  far¬ 
bigen  Feldes  mit  dem  weissen  (rot  und  w  e  i  s  s  e, 
bezw.  g  r  ii  7i  und  w  e  i  s  s  e  quadratische  oder  runde  Scheibe)  die 
Farbenblinden  weniger  Fehler  machen,  so  beruht  dies  darauf. 


30.  September  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


dass  sie  durch  Prüfung  der  Hell,igkeÜtsunter- 
schiede  das  hellere  rote  Signal  vom  grünen 
dunklere  n  unterscheiden.  Je  empfindlicher  der 
Farbenblinde  für  diese  Helligkeitsunter¬ 
schi  e  d  e  i  st,  d  e  s  t  o  sicherer  wird  er  dann  i m 
Unterscheiden  der  Farben  sein,  zumal  wenn  es 
sich  nur  um  2—3  Farben  handelt. 

Es  kommt  hinzu,  dass  die  Tagessignale  am  Apparate  sich 
an  der  Zimmerwand  besser  abheben,  wie  im  Freien  die  Be¬ 
triebssignale. 

Die  Hinzufügung  andersfarbiger  Gläser  zu  den  im  Nacht¬ 
dienst  gebräuchlichen  Signalen  in  der  bei  der  I)  u  n  k  e  1  - 
Prüfung  verwendeten  polygonal  gestalteten  Apparatlaterne 
hat  lediglich  den  Zweck,  durch  einen  möglichst  grossen  Wechsel 
von  Farben  dem  Prüfling  ein  Durchschlüpfen  zu  erschweren, 
bezw.  zu  verhindern,  dass  er,  etwa  mit  Hilfe  seines  Gedächt¬ 
nisses,  eine  Dissimulation  zu  Wege  bringt.  Deshalb  ist  es  auch 
wichtig,  dass  die  Vorführung  der  Nachtsignale 
Schlag  auf  Schlag  erfolgt  und  dem  Prüfling  keine 
Zeit  zu  längerer  Ueberlegung  gelassen  wird. 

Die  Prüfung  mit  den  Nachtsignalen  am  Ap¬ 
parat  gestattet  unter  dieser  Voraussetzung 
eine  sichere  Diagnose  der  Grün  rotblind  heit. 
Vor  allem  wird  der  Farbenblinde  unsicher,  wenn  man  nach 
d  e  m  roten  und  grünen  Licht  i  m  mer  wieder 
blau  bring  t,  und  so  den  V  ergleich  der  verschiedenen  Hellig¬ 
keiten,  an  den  sich  der  Farbenblinde  allein  halten  kann  und 
muss,  stört  und  unmöglich  macht.  Es  beeinträchtigt  dabei  den 
Wert  der  Untersuchung  nicht,  wenn  von  farbentüchtigen  Leuten, 
was  wiederholt  beobachtet  wurde,  wegen  des  roten  Lichtes  der 
Benzinlampe  das  gelbe  und  orangefarbene  Glas  bald  als  „weiss“, 
bald  als  „gelbrot“  oder  „rot“  erscheint  und  ebenso  das  violette 
Glas  als  „rot“  oder  „rötlich“  bezeichnet  wird.  Desgleichen  geben 
bei  Vorschieben  des  Milchglases  fast  alle  Untersuchten  „gelbes 
Licht“  an. 

Auch  kommt  es  wohl  ’mal  vor,  dass  „Blau“  als  „Grün“  be¬ 
zeichnet  wird.  Es  ist  dies  aber  nicht  Folge  eines  Fehlers  des 
Farbensinnes,  sondern  eine  Begriffsverwechslung,  die  man  sehr 
häutig  findet,  z.  B.  auch  bei  Anwendung  der  W  olffberg  sehen 
Methode. 

Endlich  erweist  sich  auch  bei  den  Farbenblinden,  die  trotz 
Prüfung  mit  den  von  Ilolmgren,  Stilling.  ßeuss, 
Adler  und  Nagel  angegebenen  Methoden,  die  Evers- 
b  li  sch  der  seinigen  (je  nachdem  mehrere  oder  alle),  voraus¬ 
schickt,  fortgesetzt  Zweifel  äussern,  als  zweckmässig, eine  beliebige 
farbentüchtige  Kontrolperson  an  der  Prü¬ 
fung  mit  dem  Apparate  zu  beteiligen  und 
durch  deren  Angaben  schlagend  den  Farben¬ 
blinden  zu  überführen. 

Im  Schlusswort  betont  Prof.  Eversbusch  wieder¬ 
holt,  dass  er  den  grossen  Wert  der  in  der  Diskussion  erörterten 
anderen  Untersuchungsarten  in  keiner  Weise  verkennt.  Gleich¬ 
wohl  erachtet  Eversbusch  dein  nach  seinen  Angaben  her¬ 
gestellten  Apparat  als  ein  praktisch  wertvolles  Kon- 
trollmittel,  das,  weil  soviel  als  nur  möglich  der  Wirklich¬ 
keit  entsprechend,  und  auch  durch  den  bisherigen  Gebrauch  von 
Seiten,  verschiedener  Praktiker  erprobt,  allgemeine  Beachtung 
und  Einbürgerung  verdienen  dürfte. 

Es  folgte  der  Vortrag  Dr.  Zeitlmanns:  Ueber  die  Er- 
krankungs-,  Invaliditäts-  und  Sterblichkeitsverhältnisse  der 
bayerischen  Eisenbahnbediensteten. 

Die  ausserordentlich  fleissige  und  mühsame  Arbeit  bringt 
eine  durch  Tabellen  illustrierte  Statistik,  welche  sich  auf  eine 
20  jährige  Beobachtung  erstreckt.  Der  Wert  dieser  Arbeit  dürfte 
hauptsächlich  dann  zur  Geltung  kommen,  wenn  Statistiker  von 
Beruf  sie  in  Vergleich  ziehen  bei  den  Erkrankungs-  und  Sterb¬ 
lichkeitsverhältnissen  anderer  Berufszweige.  In  anderen  deutschen 
Staaten  ist  bisher  das  vorliegende  Material  noch  nicht  in  ähn¬ 
licher  Weise  verwertet.  Immerhin  seien  einige  charakteristische 
Wahrnehmungen  hier  angeführt.  Die  Zahl  der  Erkrankungen 
hat  im  ganzen  ab-,  die  Dauer  aber  zugenommen;  eine  Ausnahme 
macht  das  Influenzajahr  1890.  Die  untersten  Altersstufen  er¬ 
kranken  häufiger  als  die  mittleren,  in  den  obersten  macht  sich 
eine  schnelle  Zunahme  bemerklich. 

Die  Dienstgruppen  verhalten  sich  sehr  different.  Das  Zug¬ 
beförderungspersonal  wird  am  schnellsten  verbraucht;  different 


1637 


in  Bezug  auf  Erkrankungen  verhält  sich  das  Zugbeförderungs¬ 
und  Zugbegleitungspersonal.  Verletzungen  bilden  das  Gros  der 
Li ki ankungsf ormen ;  am  günstigsten  ist  die  Erkrankungsziffer 
der  Bahnwärter. 

Die  wirtschaftliche  Lage  bewährt  sich  nicht  als  gesund¬ 
heitsförderndes  Moment,  indem  die  am  schlechtesten  bezahlten 
Bediensteten  am  gesündesten  sind. 

Die  Mortalität  ist  beim  Bureaupersonal  am  grössten.  Die 
gesundheitverwüstende  Wirkung  des  Alkohols  ist  bei  allen  Be¬ 
dienstetenklassen  deutlich. 

Wir  betonen,  dass  wir  mit  diesen  wenigen  Aphorismen  den 
Inhalt  dei  wertvollen,  an  anderer  Stelle  ausführlich  erscheinenden 
und  nur  durch  die  beigefügten  Tabellen  dem  Verständnis  näher 
zu  rückenden  Arbeiten  nur  gestreift  haben. 

Ls  folgt  Hofrat  Dr.  S  t  i  c  h  -  Nürnberg :  Entwurf  eines 
einheitlichen  Formulars  für  die  Untersuchung  des  Personals 
in  Bezug  auf  körperliche  Tauglichkeit  samt  Instruktion  für 
den  untersuchenden  Bahnarzt. 

Der  Vortragende  betont,  dass  er  durch  die  Bestrebungen 
der  leitenden  Bahnärzte,  eine  gleichheitliehe  Morbiditäts-  und 
Mortalitätsstatistik  in  ganz  Deutschland  einzuführen,  sowie 
durch  die  Bemühungen  der  Eisenbahndirektionen,  ein  möglichst 
lange  dienstfähig  zu  erhaltendes  Personal  zu  gewinnen,  dazu 
gekommen  sei,  die  Forderung  für  Einführung  eines  in  ganz 
Deutschland  gültigen  einheitlichen  Untersuchungsformulares  zu 
stellen.  V  enn  eine  Statistik  irgend  einen  Wert  beanspruchen 
will,  dann  muss  in  erster  Linie  die  Grundlage  derselben  voll¬ 
kommen  sicher  dastehen,  die  Verhältnisse  der  in  die  Statistik 
einbezogenen  Faktoren  müssen  gleich  sein.  Es  werden  ja  ohne¬ 
hin  Fehlerquellen  bei  jeder  Statistik  unvermeidlich  sein,  aber 
je  weniger  solche  vorhanden  sind,  desto  wertvoller  und  sicherer 
ist  die  letztere.  Wenn  aber  die  Grundlage  schon  Fehlerquellen 
zeigt,  dann  bedarf  es  nur  noch  geringer  anderer  Unrichtigkeiten, 
um  zu  ganz  falschen  Schlüssen  zu  gelangen. 

Wenn  z.  B.  eine  Eisenbahndirektion  bei  jedem  Neu¬ 
angestellten  für  jedes  Auge  halbe  Sehschärfe  fordert  und  es 
findet  sich  statistisch,  dass  15  Proz.  der  Bediensteten  nach 
30  Jahren  untauglich  wegen  mangelnder  Sehkraft  werden,  so 
kann  dieses  Ergebnis  gar  nicht  verglichen  werden  mit  dem  einer 
anderen  Direktion,  welche  für  jedes  Auge  ihrer  neuen  Zugänge 
~/:i  Sehschärfe  fordert ;  in  diesem  scheinbar  kleinen  Plus  steckt 
noch  eine  so  grosse  Menge  wichtiger  Nebenumstände,  dass  eine 
solche  Statistik  nur  beschränkten  Wert  haben  kann. 

Oder  ein  anderes  Beispiel :  Eine  Direktion  schliesst  jeden 
Bewerber  vom  Eisenbahndienst  aus,  der  eine  neuropathische 
Veranlagung  zeigt,  sei  es,  dass  er  erblich  belastet  ist,  sei  es,  dass 
er  selbst  eine  neurasthenische  Erkrankung  durchgemacht  hat 
oder  noch  daran  leidet.  Eine  andere  Direktion  legt  dieser  Er¬ 
krankungsform  kein  besonderes  Gewicht  bei.  Es  bedarf  keines 
weiteren  Beweises,  dass  die  Häufigkeit  neurasthenischer  Zu¬ 
stände,  soweit  sie  der  Eisenbahndienst  als  solcher  herbeiführt, 
bei  den  beiden  Direktionen  wesentlich  verschieden  ausfallen 
wird  und  statistisch  nicht  bearbeitet  und  verwertet  werden  kann. 
Diese  Beispiele  lassen  sich  für  viele  Gebiete  leicht  vermehren. 

I  m  diese  gröbliche  Fehlerquelle  zu  verstopfen,  ist  ein  ein¬ 
heitliches  Untersuchungsformular  nötig.  Der  Vortragende  hat 
sich  an  alle  deutschen  Staatseisenbahn-Direktionen  gewandt,  um 
deren  Aufnahmsformularien  zu  erhalten,  und  hat  aus  allen  diesen 
nun,  ein  einheitliches  Formular  zusammengestellt,  welches,  wenn 
man  sich  nicht  prinzipiell  gegen  ein  solches  ausspricht,  geeignet 
sein  dürfte,  allen  Anforderungen  zu  genügen.  Es  ist  aber 
dringend  zu  wünschen,  dass  nach  Annahme  desselben  von  keiner 
Seite  Aenderungen  oder  Zusätze  gemacht  werden;  sollten  solche 
im  Laufe  der  Zeit  sich  nötig  erweisen,  dann  müssten  sie  gemein¬ 
sam  vorgenommen  werden,  weil  sonst  die  ganze  Absicht  illu¬ 
sorisch  gemacht  wäre. 

Das  Formular,  welches  der  Vortragende  nunmehr  bespricht, 
hat  bereits  die  Rezension  des  Ausschusses  des  Verbandes  deutscher 
Bahnärzte,  sowie  eines  grossen  Teiles  der  bahnärztlichen  Ver¬ 
eine  bestanden,  so  dass  Hoffnung  vorhanden  ist,  dass  dasselbe 
eine  gute  Aufnahme  finden  wird. 

In  der  Diskussion  wird  die  Notwendigkeit  eines  Ein- 
heitsformulars  betont,  indessen  hat  der  vorliegende  Entwurf  einer 
Leihe  von  grösseren  Vereinen  noch  nicht  Vorgelegen.  Deshalb 
wird  die  Zurückstellung  desselben  für  die  nächste  Versammlung 
empfohlen. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET. 


No.  39. 


1638 


Di*.  R  a  ab  -  Nürnberg:  Der  Alkoholmissbrauch  bei  dem 
niederen  Eisenbahnpersonal  und  dessen  Verhütung. 

Der  Vortragende  setzt  in  der  Einleitung  auseinander,  dass 
der  Kampf  gegen  den  Alkoholismus  zurzeit  noch  wenig  Erfolg 
gezeitigt  habe,  da  er  einerseits  zu  abstrakt  geführt  werde,  d.  h. 
dio  akademischen  Erörterungen  noch  zu  sehr  überwiegen  und 
nicht  genug  berücksichtigt  wird,  dass  nicht  die  Allgemeinheit  zur 
Unterstützung  der  Sache  herangezogen  werden  dürfe,  sondern 
einzelne  Persönlichkeiten  mit  möglichst  grossem  Einfluss,  wozu 
insbesondere  hohe  Behörden  gehören.  Andererseits  werde  die 
Bekämpfung  des  Alkoholmissbrauches  zu  radikal  betrieben,  da 
man  alle  ohne  Ausnahme  zu  Abstinenten  machen  wolle,  während 
doch  in  der  wesentlichen  Herabminderung  des  Alkoholgenusses 
schon  ein  annehmbarer  und  leichter  erreichbarer  Erfolg  liege. 
Diesen  Erfolg  sieht  der  Vortragende  als  erreichbar  durch  Be¬ 
seitigung  des  Genusses  alkoholischer  Getränke  im  Eisenbahn¬ 
dienst. 

Zur  Erreichung  dieses  Zweckes  macht  der  V  ortragende  den 
Eisenbahnverwaltungen,  insonderheit  der  bayerischen,  eine  Reihe 
von  Vorschlägen,  wie  zunächst  eine  möglichst  zuverlässige  Sta¬ 
tistik  über  den  Umfang  des  Alkoholmissbrauches  herzustellen 
wäre,  denn  ohne  solche  sorgfältige  Erhebungen  und  Unter- 
suchungen  wäre  der  Kampf  gegen  den  Alkoholismus  aussichtslos, 
da  einerseits  die  Beweismittel  fehlen,  andererseits  das  richtige 
Urteil  über  die  zu  ergreifenden  Abwehnnassregeln. 

Redner  verlangt  unter  anderem  Feststellung  aller  vor¬ 
handenen  kranken  und  gesunden  Trinker,  welch  letztere  daran 
zu  erkennen  sind,  dass  sie  mehr  als  2  Mass  Bier  als  Durch¬ 
schnittsquantum  im  Dienst  trinken,  durch  Heranziehen  von  An¬ 
gaben  von  Bahnärzten  und  Amtsvorständen.  Er  gibt  dabei  eine 
anschauliche  statistische  Schilderung  des  Alkoholmissbrauches 
bei  den  Bahnbediensteten  aus  seinen  eigenen  Krankentage¬ 
büchern,  wobei  er  als  Hauptkrankheiten  der  Trinker  Muskel¬ 
rheumatismus,  Influenza  und  Magendarmkatarrh  bezeichnet,  da¬ 
zu  sehr  viele  Fälle  von  Herzkrankheiten  aller  Art,  namentlich 
Erweiterung  des  rechten  Herzens,  auch  Tuberkulose  und  Nephri¬ 
tis,  endlich,  als  nicht  selten,  Neurasthenie,  teils  angeborene  De¬ 
kadenz,  meistenteils  jedoch  als  larvierter  Alkoholismus  und  Herz¬ 
schwäche. 

Neben  einer  Reihe  anderer,  mehr  eisenbahntechnischer 
Untersuchungen,  deren  Notwendigkeit  durch  Beispiele  erläutert 
wird,  geht  er  dann  auf  die  von  Ivräpelin  und  seinen  Schülern 
gemachten  Untersuchungen  des  Alkohols  in  seiner  Wirkung  auf 
die  Psyche  über,  erläutert  die  hauptsächlichsten  Untersuchungs¬ 
arten  und  verlangt,  dass  Nachprüfungen  einzelner  dieser  Ver¬ 
suche  mit  Bier  seitens  der  Eisenbahnverwaltungen  sehr  er¬ 
wünscht  wären,  da  das  Bier  wegen  seines  Zuckergehalts  und 
seines  Reichtums  an  Fuselöl  eine  gewisse  besondex*e  Stellung 
einnehme  und  auch  die  Beweiskraft  dieser  Versuche  für  das 
Eisenbahnpersonal  seihst  grösser  wäre. 

Die  Beobachtungen  des  Redners  über  erworbene  Schwach¬ 
sichtigkeit  durch  chronischen  Alkoholgenuss,  ferner  über  er¬ 
worbene  Earbensinnsstörungen  bei  dem  Eisenbahnpersonal  aus 
demselben  Grunde,  veranlassen  einen  weiteren  Vorschlag,  und 
zwar  den,  den  Einfluss  des  akuten  Alkoholgenusses  auf  den  Seh¬ 
nerv  in  analoger  Weise  zu  prüfen,  wie  dies  Kräpelin  bei 
seinen  Wortreaktionen  getan  hat. 

Nach  einer  Schilderung  der  Schädlichkeiten  des  Bier¬ 
genusses,  wobei  Redner  erwähnt,  dass  in  Bayern  3  Liter  reiner 
Alkohol  pro  Kopf  und  Jahr  mehr  konsumiert  wird,  allein  in  Bier, 
als  im  Hauptbranntweinlande  Dänemark,  und  ferner,  dass  das 
niedere  Bahnpersonal  durchschnittlich  ein  Drittel  und  mehr 
seiner  Einnahmen  in  alkoholischen  Getränken,  namentlich  Bier, 
anlegt,  geht  er  über  zu  den  praktischen  Abwehrmassregeln.  Er 
verlangt  in  erster  Linie  Sorge  für  tadellose  Trinkwasserverhält- 
nissc  auf  den  Bahnhöfen,  dann  Beschaffung  nicht  alkoholischer 
Getränke  in  ausreichendem  Masse  und  in  allen  Bediensteten 
leicht  zugänglicher  Form.  Dabei  ergibt  eine  rechnerische  Auf¬ 
stellung,  dass  alle  Getränke  unter  dem  Bierpreis  von  Seite  der 
Eisenbahnverwaltung  geliefert  werden  können.  Nach  Nennung 
weiterer  wichtiger  Wohlfahrtseinrichtungen  geht  Redner  auf 
eventuell  später  einmal  zu  ergreifende  Zwangsmassregeln  über, 
wie  Verbot  des  Genusses  alkoholischer  Getränke  seitens  des  Zugs¬ 
förderungs-  und  Begleitungspersonals.  Wegen  der  erwiesenen  lang 
dauernden  Nachwirkung  einmaligen  stärkeren  Genusses  alko¬ 


holischer  Getränke  und  der  sich  fortwährend  steigernden  Zugs¬ 
geschwindigkeiten  wirft  Redner  die  I  rage  auf,  ob  man  nicht  ein¬ 
mal  seitens  der  Eisenbahnverwaltungen  verlangen  muss,  dass 
die  Lokomotivführer  ganz  abstinent  seien.  Als 
erstrebenswertes  und  nach  seiner  Ansicht  durchaus  erreichbares 
Ziel  betrachtet  der  Redner  die  Entfernung  des  Genusses  alko¬ 
holischer  Getränke  im  Eisenbahndienst.  Er  warnt  jedoch  die 
Verwaltungen,  mit  Zwangsmassregeln  vorzugehen,  bis  nicht 
durch  sorgfältige  Statistik  aller  Welt  der  Beweis  erbracht  ist  von 
der  absoluten  Notwendigkeit  der  Beschränkung  des  Alkohol¬ 
genusses  im  Eisenbahndienst,  ferner  bevor  nicht  durch  reichliches 
Vorhandensein  nichtalkoholischer  Getränke  die  Leute  etwas  an 
den  Genuss  derselben  gewöhnt  sind,  und  durch  intensive  Be¬ 
lehrung  von  der  Schädlichkeit  des  Alkoholgenusses  mehr  über¬ 
zeugt  sind  als  bisher. 

Die  mit  vollendeter  Diktion  und  grosser  V  ärme  vorge¬ 
tragenen  massvollen  Sätze  des  Redners  fanden  ebenso  wie  seine 
praktischen  Vorschläge  den  ungeteilten  Beifall  der  Versamm¬ 
lung,  namentlich  aber,  wie  wir  zu  bemerken  glaubten,  der  an¬ 
wesenden  Herren  Vertreter  der  Regierungen. 

Es  folgt  am  nächsten  Tage  eine  Erörterung  der  Rettungs¬ 
einrichtungen  bei  den  verschiedenen  deutschen  Eisenbahn¬ 
verwaltungen,  sowie  eine  Besichtigung  des  Rettungswagens 
und  Rettungszimmers  im  Zentralbahnhofe,  sowie  eines  von 
Berlin  eigens  hierhergesandten  neuen  preussischen  Arzt¬ 
wagens. 

San.-Rat  S  c  h  w  e  c  h  t  e  n  -  Berlin,  Leiter  des  Berliner 

bahnärztlichen  Vereins  und  zum  Nachfolger  Br  ähmers  als 
Vorsitzender  des  Ausschusses  des  Verbandes  deutscher  Bahnärzte 
erwählt,  leitete  diese  Verhandlungen. 

Er  wies  darauf  hin,  dass  die  ersten  Rettungseinrichtungen 
bei  Eisenbahnunfällen  inPreussen  bereits  durch  einen  Ministerial¬ 
erlass  von  1856  geregelt  wurden;  er  setzt  die  Bekanntschaft  mit 
den  Rettungskästen,  von  denen  Modelle  zur  Ansicht  stehen, 
voraus  und  bespricht  die  für  Preussen  neue  Einrichtung  der 
Telephonverbindung  der  W  ärterhäuser  mit  den  Stationen,  so 
dass  in  spätestes  15  Minuten  unter  allen  Umständen  Hilfe  erbeten 
sein  kann  und  in  30  Minuten  der  Hilfszug  abgehen  kann.  Der 
Rettungszug  besteht  neben  der  Lokomotive  aus  einem  Geräts¬ 
wagen  mit  einer  ca.  10  Mann  umfassenden,  im  Sanitätsdienst 
ausgebildeten  Mannschaft,  und  einem  Arztwagen  mit  Arzt.  Der 
Arztwagen  besteht  aus  2  Abteilen,  einem  Operationsraum  mit 
Instrumenten-  und  Verbandschrank,  Operationstisch,  Lüftungs¬ 
und  Heizvorrichtung,  Apparat  zur  Erzeugung  von  warmem 
Wasser  (System  Grovc),  Wasch-  und  Spülvorrichtung,  einem 
zweiten  durch  eine  Tür  getrennten  Lagerraum  für  8  Verletzte 
mit  einem  Vorhang,  um  die  verschiedenen  Geschlechter  trennen 
zu  können.  Die  Matratzenlager  sind  zugleich  als  Tragbahren 
zu  benützen.  Handgriffe  zum  Auf  richten,  sogen.  Triumpfstülile, 
ein  Wasserfass  mit  25  Liter  Inhalt,  sowie  Speinäpfe,  Stech¬ 
hecken  etc.  vervollständigen  die  Einrichtung.  Sperrvorrichtungen 
an  den  Türen  ermöglichen  dauernde  Zufuhr  frischer  Luft,  von 
der  ein  Uebermass  durch  Eriesvorhänge  gemildert  werden  kann. 
77  Wagen  wurden  in  Betrieb  gestellt.  Die  innere  Einrichtung 

derselben  allein  kostet  ca.  3000  Mark  pro  Wagen. 

Dr.  Blume-  Philippsburg  (Baden)  berichtet  für  Baden  über 
die  dort  freilich  noch  nicht  allen  Anforderungen  entsprechenden 
Rettungseinrichtungen  und  hebt  hervor,  dass  die  Generaldirektion 
der  badischen  Staatseisenbahnen  zurzeit  in  einer  eingehenden  Er¬ 
örterung  begriffen  ist.  inwieweit  die  bestehenden  Rettungsein- 
richtungen  zu  vervollkommnen  resp.  zu  ergänzen  seien.  Ausser 
1)  Gerätschaftswagen,  die  auf  den  Stationen  mit  Eiseubahnwevk- 
stätten  mit  den  nötigen  Lokomotiven  und  Mannschaften  zur  Ver¬ 
fügung  stehen,  sind  noch  10  Stationen  mit  L  i  n  x  we  i  1  e  r  sehen 
Apparaten  zur  Ausrüstung  von  Güterwagen  zu  in  Krankentrans¬ 
port  versehen;  zu  jedem  Apparat  gehören  0  Tragbahren  mit  Moll¬ 
decken;  die  Stationen  sind  angewiesen,  die  Apparate  den  Bahn¬ 
ärzten  zu  Uebungszwecken  zur  Verfügung  zu  stellen.  Sogen. 
Rettungszimmer  wie  Aerztewagen  hat  die  badische  Verwaltung  bis 
jetzt  nicht;  ob  solche  Wagen  angeschafft  werden  sollen,  unter¬ 
liegt  zurzeit  der  Prüfung,  wie  auch  die  Bestimmung  über  die  Zahl 
und  den  Aufstellungsort  der  etwa  zu  beschaffenden  Arztwagen. 
Sonst  sind  die  Einrichtungen  die  gleichen  wie  bei  den  anderen 
deutschen  Eisenbahnverwaltungen.  Ein  allgemeiner  Erlass  über 
das  Rettungswesen  bei  Eisenbahnunfällen  besteht  b(s  jetzt  noch 
nicht,  doch  sind  hierauf  Bezug  habende  Vorschriften  in  den  Fahr¬ 
dienstvorschriften,  im  Verordnungsblatte,  in  den  Vorschriften 
für  den  bahniirztlichen  Dienst  und  in  der  Anweisung  über  die 
Rettungskasten  enthalten;  von  letzteren  stehen  auf  52  Stationen 
grosse  Kasten  mit  Tragbahre,  während  die  kleinen  Kasten  in  den 
Zügen  mitgeführt  werden. 


30.  September  1903. 


MtJENCIIENER  MEDIClNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1639 


Ueber  clas  Rettungswesen  bei  den  wiirttembergischen  Staats- 
eisenbabnen  berichtet  Dr.  Beck-  Mengen.  Zurzeit  'befindet  sich 
dasselbe  in  Reorganisation  und  sollen  die  Erfahrungen  des 
Deutschen  Bahnärztetages  zur  Weiterentwicklung  benützt  werden. 
Die  10  vorhandenen  Hilfswagen  sind  mit  Rettungskästen  und 
Tragbahren  ausgerüstet;  ausserdem  sind  vorhanden  17  verdeckte 
und  47  nicht  verdeckte  Tragbahren  und  14  Krankenfahrsessel. 
Grosse  Rettungskästen  finden  sich  auf  91  Stationen,  kleine  Ret¬ 
tungskästen  auf  205  Stationen.  Mit  kleinen  Rettungskästen  werden 
auch  sämtliche  Züge  ausgerüstet.  Die  Rettungskästen,  welche 
sehr  einfach  und  praktisch  gestaltet  sind,  stehen  zur  Besichtigung 
im  Saale. 

Namentlich  der  neue  preussische  Rettungs¬ 
wagen  wurde  eingehend  besichtigt  u  n  d  f  a  n  d, 
abgesehen  von  einigen  1  e  i  c  li  t  abzu  ander  n  d  e  n 
Ausstellungen,  die  ungeteilte  Anerkennung- 
aller  sachverständigen  Beschauer. 

Es  folgte  noch  die  Demonstration  eines  Apparates  zur  Des¬ 
infektion  der  Eisenbahnwagen  von  Dr.  Hellmann  -  Siegen. 
Es  handelt  sich  bei  demselben  um  Desinfektion  mit  Formalin- 
dämpfen,  welche  durch  Eintauchen  der  rotglühenden  Spring- 
feldschen  Kugelketten  in  Formalinlösung  erzeugt  werden.  Der 
Apparat  soll  praktisch  und  nicht  feuergefährlich  sein  und  sich 
namentlich  zur  Desinfektion  der  1.  und  2.  Klasse-Wagen  und  der 
Schlafwagen  eignen. 

Zur  Nachdesinfektion  empfiehlt  sich  Ammoniak,  um  die  For¬ 
malindämpfe  aus  dem  Raume  zu  entfernen. 

Binnen  4  Stunden  soll  in  einem  Wagen  2.  Klasse  eine  Ver¬ 
nichtung  von  Bakterien  auch  in  über  1  cm  Tiefe  stattfinden. 

Die  Wirkung  auf  Tuberkulosebazillen  ist,  soweit  wir  zu  ver¬ 
stehen  glaubten,  noch  nicht  sichergestellt  durch  Experimente; 
doch  scheint  sie  dem  Vortragenden  unzweifelhaft. 

Der  Apparat  habe  sich  in  der  Praxis  gut  eingeführt:  mehrere 
Kreisärzte,  Krankenhäuser,  Bürgermeistereien,  Garnisonslazarette, 
Gefängnis-,  Waisenhäuser  und  ähnliche  Anstalten,  Desinfektoren 
und  Fabriken  wenden  ihn  bereits  an. 

An  diese  Demonstrationen  schlossen  sich  Besichtigungen  der 
hygienischen  Einrichtungen  der  Stadt  und  der  Lungenheilstätte 
Planegg  an. 

Ein  von  schönstem  Wetter  begünstigter  Ausflug  in  die  Kuf- 
steiner  Berge,  zu  welchem  die  Generaldirektion  der  bayerischen 
Eisenbahnen  in  sehr  dankenswerter  Weise  zwei  Sonderzüge  zur 
Verfügung  gestellt  hatte,  bildete  den  Schluss  der  fleissigen  Tage. 

IL  a  g  e  r  -  Magdeburg-N. 


V  erschiedenes. 


Aspirationstrachealkatheter. 

Bisher  verwandte  man  zur  Aspiration  von  Schleim,  Frucht¬ 
wasser  etc.  aus  der  Trachea  und  den  Bronchien  der  Neugeborenen 
meist  weiche  Nelatonkatlieter,  und  zwar  in  der  bekannten  Art, 
dass  man  den  Katheter  vollsaugte,  ihn  dann 
aus  der  kindlichen  Luftröhre  herauszog  und 
dann  entleerte.  Diese  Manipulation  wiederholte 
man  so  oft,  als  nötig.  (Bei  einigen  Herren 
Kollegen  konnte  ich  sogar  bemerken,  dass  sie 
das  Fruchtwasser  durch  den  Katheter  in  ihren 
eigenen  Mund  aspirierten  und  es  dann  aus¬ 
spuckten!)  Statt  des  einfachen  Katheters  habe 
ich  mir  von  meinem  Instrumentenmacher  fol¬ 
genden  kleinen  Apparat  anfertigen  lassen,  der 
sich  bereits  gut  bewährt  hat.  Derselbe  ist  ohne 
nähere  Erläuterung  aus  nebenstehender  ver¬ 
kleinerter  Abbildung  leicht  verständlich  und  hat 
in  seiner  Anwendung  vor  dem  einfachen  Nela- 
toukatlieter  in  der  Hauptsache  folgende  Vor¬ 
züge: 

Schleim,  Fruchtwasser  etc.  wird  in  die 
Glasbirne  gesaugt  und  kommt  mit  dem  Munde 
des  Arztes  gar  nicht  in  Kontakt.  Man  bekommt 
die  Menge  und  Beschaffenheit  des  Frucht¬ 
wassers  sofort  zu  Gesicht.  Die  Einführung  des 
Katheters  ist  nur  einmal  nötig  und  dadurch 
werden  Verletzungen  der  kindlichen  Tracheal- 
schlcimliaut  gänzlich  vermieden. 

Da  der  kleine  Apparat  zum  Preise  von  M.  1.50  bis  1.80  von 
jedem  Instrumentenmacher  leicht  hergestellt  werden  kann,  so 
empfehle  ich  jedem  der  Herren  Kollegen,  einen  Versuch  damit  zu 
machen.  Uebrigens  lässt  sich  der  Apparat,  der  nur  aus  Glas  und 
Gummi  hergestellt  ist,  leicht  auseinandernehmen  und  sterilisieren. 

Dr.  F.  Eichler. 


Tberapeutische  Notizen. 

Für  die  Behandlung  der  Zuckerharn  rühr  gibt 
E  i  c  h  h  o  r  s  t  -  Zürich  folgende  Vorschriften  (Ther.  Mon. -Hefte 
1902,  9):  Das  Geheimnis  der  Behandlung  ist  die  Nahrung.  Arz¬ 
neien  sind  zu  verwerfen.  Trinkkuren  in  Karlsbad  und  Neuenahr 
sind  zweifellos,  wohl  wegen  der  dabei  eingehaltenen  strengen  Diät, 
von  gewisser  Bedeutung.  Die  Grundsätze  der  Diät  sind:  Ver¬ 
meidung  von  Zucker  und  Kohlehydraten,  dafür  Ernährung  mit 
Fett  und  Eiweisstoffen.  Zum  Ersatz  des  Zuckers  dient  das  Sac¬ 
charin  in  Tablettenform,  als  Brotersatz  ist  am  meisten  das  Graham¬ 
brot  zu  empfehlen.  Zum  Ersatz  des  unverbraucht  abgehenden 


Zuckers  sind  Fette  am  empfehlenswertesten:  Butter,  Schmalz, 
Speck,  Saline,  fette  Fleischsorten,  fette  Schinken,  fetter  Käse, 
frischer  und  geräucherter  Lachs,  fette  Saucen,  fette  Blutwurst, 
reine  Oele  an  den  Speisen. 

Die  Entziehung  des  Zuckers  und  der  Kohlehydrate  soll  lang¬ 
sam  erfolgen.  Sinkt  das  Körpergewicht  bei  der  Entziehung  be¬ 
trächtlich,  dann  soll  man  lieber  kleine  Mengen  Brot  gestatten. 

Als  Getränk  ist  frisches  Quellwasser,  mit  Milch-  oder  Zitronen¬ 
säure  versetzt,  das  empfehlenswerteste.  Alkoholica  sind  zu 
meiden,  Kaffee  und  Thee  nur  verdünnt  zu  gemessen.  Recht  gut 
ist  der  Genuss  von  unabgerahmter  Milch. 

Das  Körpergewicht  ist  ständig  zu  kontrollieren.  Auch  ist  der 
Zuckerkranke  unter  ständiger  ärztlicher  Aufsicht  zu  halten.  Ist 
der  Harn  zuckerfrei  geworden,  so  kann  man  geringe  Brotmengen 
uuter  sorgfältiger  Kontrolle  des  Urins  gestatten. 

Der  Diabetiker  ist  gegen  Erkältung  zu  schützen,  wohlhabende 
Kranke  sind  im  Winter  nach  dem  Süden  zu  senden.  Empfehlens¬ 
wert  sind  regelmässige  Vollbäder  und  mässige  Bewegung  in  freier 
Luft.  Psychische  Aufregungen  sind  zu  vermeiden.  Kr. 


TagesgescMchüiche  Notizen. 

M  ü  n  che  n,  30.  September  1902. 

—  Die  Versamml  u  n  g  deutsche  r  N  atu  r  forscher 
und  Aerzte  in  Karlsbad  wählte  in  ihrer  geschäftlichen 
Sitzung  für  nächstes  .Tahr  Kassel  als  Versammlungsort. 

—  Im  Anschluss  an  die  Naturforscherversammlung  fand  in 
Karlsbad  die  Hauptversammlung  der  Deutschen  Gesell¬ 
schaft  für  Geschichte  der  Medizi  n  statt.  Die  Ver¬ 
sammlung  befasste  sich  auch  mit  der  Berufung  Schweningers 
an  die  Berliner  Universität  und  nahm  folgende  Entschliessung  an: 
Die  Hauptversammlung  spricht  über  den  jüngst  erfolgten  Lehrauf¬ 
trag  für  Geschichte  der  Medizin  an  einen  in  diesem  Fach  durch¬ 
aus  Unbewährten  ihr  Bedauern  aus  und  geht  hiermit  zur  Tages¬ 
ordnung  über. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Brüssel:  Die  jährliche  Versamm¬ 
lung  der  Belgischen  Gesellschaft  für  Chirurgie  ist  in  diesem  Jahre 
nicht  wie  sonst  im  Juli,  sondern  erst  im  September  einberufen 
worden.  Der  Grund  dieser  Terminänderung  lag  darin,  dass  die 
Gesellschaft  auf  den  Vorschlag  ihres  Vorsitzenden  die  hervor¬ 
ragenden  Chirurgen  aller  Länder  zur  Teilnahme  am  Kongress 
eingeladen  hatte,  um  ihnen  den  Plan  der  G  r  ü  n  d  u  n  g  eine  r 
internation  a  1  e  u  Gesellschaft  für  Chirurgie  zu 
unterbreiten.  Diese  Gesellschaft  würde,  wie  der  Vorsitzende  der 
Gesellschaft  am  zweiten  Tage  des  Kongresses  ausführte,  das 
Studium  gewisser  bedeutender  Fragen  zum  Zweck  haben,  welche 
nur  durch  Mitwirkung  einer  grossen  Zahl  von  Fachgenossen  ihrer 
Lösung  näher  gebracht  werden  können,  wie  das  Studium  der  Er¬ 
gebnisse  der  neuen  Operationsmethoden  des  Karzinoms,  die  Prü¬ 
fung  der  verschiedenen  Anästhetika.  Ueber  das  Prinzip  der  Grün¬ 
dung  selbst  war  man  einig.  Eine  Diskussion  fand  nur  statt  be¬ 
züglich  der  Art  und  Weise  der  Bildung  der  Gesellschaft.  Es 
wurde  ein  provisorisches  Komitee  gewählt,  in  dem  jedes  Land 
durch  einen  Delegierten  vertreten  ist.  Dieses  Komitee  wurde  be¬ 
auftragt,  einen  Statutenentwurf  auszuarbeiten  und  für  die  künf¬ 
tige  Gesellschaft  Mitglieder  zu  werben.  Das  Komitee  ist  zu¬ 
sammengesetzt,  wie  folgt:  Broca  (Frankreich),  Sonnenburg 
(Deutschland).  Reginald  Harrison  (England),  Mac  E  wen 
(Schottland),  Gussenbauer  (Oesterreich),  Dollinger  (Un¬ 
garn),  Gi’ordano  (Italien),  Jacques  Re  v  erd  in  (Schweiz), 
d  e  J  o  1  a  (Spanien),  Rotegans  (Niederlande),  Weliaminoff 
(Russland),  Jonnesco  (Rumänien),  Soubbottitsch  (Ser¬ 
bien),  Djemil-Pascha  (Türkei),  Bosilius  (Schweden), 
Bloc  li  (Dänemark),  Roswell-Pa  r  k  (Amerika),  Charles 
Willems  (Belgien).  —  Waren  auch  viele  Träger  hervoragender 
Namen  erschienen,  so  liess  doch  im  ganzen  die  quantitative  Be¬ 
teiligung  zu  wünschen  übrig.  Aus  diesem  Anlass  wies  die  Tages 
presse  darauf  hin,  dass,  während  aus  aller  Herren  Länder  die 
Chirurgen  herbeigeeilt  wären,  um  der  an  sie  ergangenen  Ein¬ 
ladung  zu  folgen,  hier  es  scheine,  als  ob  diejenigen,  welche  durch 
ihre  Abwesenheit  geglänzt,  nicht  einige  Stunden  freier  Zeit  finden 
konnten,  um  an  dem  Kongress  teilzunehmen.  Einige  belgische 
Gelehrte  beklagten  sich  darüber,  dass  sie  ausserhalb  der  Landes¬ 
grenzen  so  wenig  gewürdigt  werden.  Wenn  sie  meinten,  dass  ihre 
Arbeiten  Wert  hätten  und  das  Ausland  interessierten,  sollten  sie 
ihre  Arbeiten  auch  bekannt  geben  und  sich  der  Mühe  unterziehen, 
sich  mitunter  in  den  internationalen  Vereinigungen  zu  zeigen. 
Demgegenüber  macht  ein  hiesiger  Chirurg,  der  selbst  am  Kongress 
teilgenommen  hat,  in  einer  Zuschrift  an  eine  Tageszeitung  darauf 
aufmerksam,  dass  man,  um  den  richtigen  Nutzen  von  einem  Kon¬ 
gress  zu  haben,  auf  die  zur  Erörterung  gelangenden  Fragen  vor¬ 
bereitet  sein  müsse,  und  dass  die  Aerzte  auch  zeitig  zur  Teilnahme 
eingeladen  werden  müssten.  Abgesehen  von  den  Mitgliedern  der 
Belgischen  Gesellschaft  für  Chirurgie  wären  aber  die  Aerzte  von 
der  Existenz  des  Kongresses,  der  am  8.  September  begann,  durch 
ein  erst  vom  2.  September  datiertes  Zirkular  benachrichtigt 
worden. 

—  Die  Zeitschrift  des  k.  statistischen  Bureaus  enthält  seit 
dem  Jahre  1896  auch  eine  Uebersiclit  über  das  Vorkom  m  e  n 
und  die  s  a  n  i  t  ä  t  s  p  o  1  i  z  e  i  1  i  c  h  e  B  e  h  a  n  d  1  u  ng  t  u  b  e  r  - 
ku loser  Schlachttiere  in  den  öffentlichen 
Schl  a.  chthöfen  B  a  yern  s.  Der  diesbezüglichen  Darstel¬ 
lung  für  das  Jahr  1901,  welche  sich  in  dem  letzterschienenen  Hefte 
der  genannten  Zeitschrift  findet,  ist  folgendes  zu  entnehmen:  Das 
Verhältnis  der  tuberkulös  befundenen  Tiere  zur  Gesamtzahl  der 


1G4Ö 


No.  39. 


MÜEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


gcsclilacblcton  Tiere,  welches  im  Jahre  11)00  1.12  l’roz.  betrug, 
I  eliel  sich  1001  auf  1.27  l’roz.,  hat  sonach  gegen  das  Vorjahr  eine 
nicht,  unbeträchtliche  Steigerung  erfahren;  dieses  Verhältnis  hat 
sieh  überhaupt  seit  1S95  stetig  erhöht.  Am  grössten  ist  hierbei  der 
I  nterschied  der  Zahlen  für  die  tuberkulösen  Kinder,  bei  welchen 
das  Verhältnis  der  kranken  Tiere  zur  Gesamtzahl  der  geschlach¬ 
teten  im  Durchschnitt  der  Jahre  1895/1900  5,5  l’roz.  betrug,  im 
Jahre  1901  aber  auf  0,3  Proz.  gewachsen  ist. 

Innerhalb  der  Gruppe  des  Kindviehs  weisen  die  Kühe  den 
grössten  Prozentsatz  auf;  das  Verhältnis  berechnete  sich  hier  im 
Durchschnitt  der  Jahre  1895/1900  auf  11.7  Proz.  (bei  steter  Stei¬ 
gerung  von  Jahr  zu  Jahr);  1900  war  dasselbe  13,0  Proz.,  im  ver¬ 
gangenen  Jahre  aber  nur  12,8  Proz.,  so  dass  also  ein  kleiner  Rück¬ 
gang  zu  verzeichnen  ist.  Bei  Kälbern  und  Schweinen  betrug  der 
Prozentsatz  0,11  und  bezw.  0,57  Proz.  gegenüber  0,07  und  0,40  Proz. 
im  Jahre  1900  und  0,05  und  bezw.  0,32  Proz.  im  Durchschnitt 
1895/1900.  Was  die  Verwendung  der  als  tuberkulös  befundenen 
Tiere  anlangt,  so  konnten  1901  71,4  Proz.  zum  bankmässigen  Ver¬ 
kaufe  freigegeben  werden  (07.0  l’roz.  im  Jahre  1900);  2,7  Proz. 
mussten  als  ungeniessbar  von  der  Verwendung  zur  Nahrung  aus¬ 
geschlossen  werden. 

An  Pferden  wurden  im  Jahre  1901  in  den  öffentlichen 
Schlachthöfen  6310  geschlachtet  und  untersucht;  hievon  wurden 
nur  3  als  tuberkulös  befunden,  von  welchen  eines  als  baukmässig 
freigegeben,  die  beiden  anderen  aber  als  ungeniessbar  vernichtet 
wurden. 

—  Bei  der  N  e  u  o  r  d  n  u  n  g  des  Iv  r  a  n  k  e  n  k  a  s  s  en¬ 
ges  et  zes  ist  ein  Hauptpunkt  die  Verlängerung  der  Mindest¬ 
dauer  der  Unterstützung  in  Krankheitsfällen  von  13  auf 
20  Wochen.  Wie  die  „Nat.-lib.  Korr.“  mitteilt,  haben  sich  alle 
Einzelregierungen  mit  dieser  Verdoppelung  der  Unterstützungs¬ 
dauer  einverstanden  erklärt.  Wenn  dieselbe  Gesetz  wird,  so  würde 
dadurch  eine  Revision  der  ärztlichen  Verträge  mit  den  Kranken¬ 
kassen  nötig,  da  die  Verlängerung  der  Unterstützungsdauer  eine 
bedeutende  Mehrleistung  seitens  der  Aerzte  zur  Folge  haben  wird. 

-  Die  von  dem  Kuratorium  der  Flückiger-Stiftung  für  Ver¬ 
dienste  um  die  Pharmazie  zu  verleihende  Flächiger- 
Medaille  ist  dem  Professor  für  pharmazeutische  Chemie  au 
der  I  niversität  Marburg  Pr.  Ernst  Schmidt  zuerkannt  worden. 

—  Cholera.  Deutsches  Reich.  Kiautscliougebiet.  -  Seit 
Mitte  August  sind  in  der  Umgebung  von  Tsingtau  unter  der 
chinesischen  Bevölkerung  täglich  mehrere  Todesfälle  an  der 
Cholera  vorgekommen:  auch  unter  den  Europäern  sind  mehrere 
der  Krankheit  erlegen.  Nach  den  letzten  Mitteilungen  ist  die 
Seuche  im  Abnehmen  begriffen.  —  Türkei.  In  Hodeüla  (Prov. 
Yemen)  wurden  zufolge  einer  Drahtnachricht  vom  10.  September 

4  Cholerafälle  festgestellt,  von  denen  2  tötlieh  geendet  hatten.  — 
Aegypten.  Nach  einem  Berichte  des  Generaldirektors  des  ägyp¬ 
tischen  Gesundheitswesens  hat  die  Choleraepidemie  während  der 
am  S.  September  abgelaufenen  Woche  noch  zugenommen.  Am 
Ende  dieser  Woche  waren  1168  Orte  verseucht,  darunter  die  für 
die  Schifffahrt  wichtigen  Plätze  Alexandrien,  Rosette,  Damiette, 
Port  Said  und  Ismailia.  Es  kamen  während  der  Woche  7758  neue 
Erkrankungen  (und  6332  Todesfälle)  an  der  Cholera  zur  Anzeige, 
d.  i.  3883  (3442)  mehr  als  im  Laufe  der  Vorwoche.  Von  den  6332 
Choleratodesfällen  der  letzten  Berichtswoche  entfielen  nur  2863 
auf  die  Spitäler,  3469  Choleraleichen  wurden  ausserhalb  derselben 
nachgewiesen;  in  Behandlung  befanden  sich  am  Ende  der  Woche 
2161  Cholerakranke.  Während  der  folgenden  4  Tage  bis  zum 
12.  September  kamen  nacheinander:  1645  (1361),  1108  (12S2),  1380 
(1183),  1348  (1201)  Erkrankungen  (bezw.  Todesfälle)  zur  An¬ 
meldung,  was  auf  ein  allmähliches  Nachlassen  der  Seuche 
schliessen  lässt.  In  Alexandrien  sind  während  der  Berichtswoche 
133  neue  Fälle  von  Cholera  festgestellt;  während  der  nächsten 

5  Tage  gelangten  dort  nacheinander  43  (35),  41  (28),  52  (28),  42  (28), 
46  (35),  zusammen  224  Erkrankungen  (und  154  Todesfälle)  zur  An¬ 
meldung.  Es  ist  aufgefallen,  dass  in  Alexandrien  vergleichsweise 
viel  Europäer  von  der  Seuche  ergriffen  werden;  allerdings  bilden 
die  Mehrzahl  Griechen  und  Italiener  der  unteren  Klassen,  immer¬ 
hin  sind  auch  eine  grössere  Anzahl  österreichischer  Dienstboten 
und  verschiedene  Personen  aus  den  besser  stehenden  Kreisen 
erkrankt  und  gestorben. 

—  Pest.  Russland.  Zufolge  einer  Bekanntmachung  im  Re 
gierungsanzeiger  vom  17.  September  sind  in  Odessa  am  11.,  12. 
und  13.  September  noch  weitere  6  pestverdächtige  Erkrankungen 
beobachtet.  —  Türkei.  Am  15.  September  ist  zu  Konstantinopel 
im  Hafenquartier  von  Stambul  1  Fall  von  Pest  festgestellt  worden. 
—  Aegypten.  In  der  Woche  vom  5.  bis  12.  September  sind  2  Er¬ 
krankungen  und  1  Todesfall  an  der  Pest,  und  zwar  in  Alexandrien, 
festgestellt.  —  Britisck-Ostindien.  In  der  Präsidentschaft  Bombay 
sind  während  der  am  30.  August  abgelaufenen  Woche  5268  neue 
Erkrankungen  (und  3789  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  Anzeige  ge¬ 
langt,  darunter  48  (44)  in  der  Stadt  Bombay  und  4  (3)  in  Stadt 
und  Hafen  von  Karachi.  Im  Vergleich  zu  den  für  die  beiden  ersten 
Augustwochen  veröffentlichten  Ausweisen  hat  darnach  die' Pest 
wieder  erheblich  zugenommen.  —  Hongkong.  In  der  Zeit  vom 
6.  Juli  bis  9.  August  sind  nach  den  amtlich  eingegaugenen  An¬ 
zeigen  118  Chinesen,  3  Indier,  1  Japaner,  5  Europäer,  im  ganzen 
127  Personen  an  der  Pest  erkrankt  und  120  daran  gestorben.  — 
Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  Aus  San  Franzisko  sind  auch 
am  18.  und  21.  Juli,  sowie  am  7.  und  am  17.  August  je  1  Er¬ 
krankung  und  je  1  Todesfall  an  der  Pest  gemeldet.  Innerhalb 
der  Zeit  vom  13.  Juli  bis  17.  August  kamen  daselbst  also  7  tödlich 
verlaufene  Pestfälle  zur  Beobachtung. 

—  In  der  37.  Jahreswoche,  vom  7.  bis  13.  September  1902, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Liegnitz  mit  31,6,  die  geringste  Charlottenburg  mit 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  — 


<8.0  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Kiel,  Mül¬ 
heim  a.  d.  K.;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Bromberg. 

V.  (i.  K.  G.-A. 

(II  o  c  li  s  c  h  u  lnach  rieht  e  n.) 

Berlin.  Als  Nachfolger  Virehows  wurde  Geheimrat 
Prof.  Dr.  O  r  t  h  -  Göttingen  berufen.  —  Neueren  aus  Wien 
stammenden  Zeitungsnachrichten  zufolge  soll  Prof.  v.  Jaksch- 
I’rag  als  Nachfolger  Gerhardts  an  erster  Stelle  vorgeschlagen 
sein. 

L  e  i  p  z  i  g.  Als  Nachfolger  des  nach  Wien  berufenen  Pro¬ 
fessors  Riehl  wurde  Dr.  Rille  in  Innsbruck  zum  Professor 
für  Hautkrankheiten  in  Leipzig  ernannt. 

Graz.  Der  Grazer  Psychiater,  ordentlicher  Professor  Dr. 
Gabriel  Anton,  der  als  Nachfolger  des  Professors  Dr.  Julius 
Wagner  Ritter  v.  Jauregg  zum  Leiter  der  zweiten  psychia¬ 
trischen  Klinik  in  Wien  ausersehen  war,  verbleibt  an  der  Grazer 
Universität,  da  beschlossen  wurde,  die  zweite  psychiatrische 
Klinik  in  Wien  aufzulösen.  Prof.  Wagner  Ritter  v.  Jauregg 
übernahm  bekanntlich  die  nach  dem  in  den  Ruhestand  getretenen 
Professor  Frhrn.  v.  K  r  afft-Ebing  freigewordene  erste  psy¬ 
chiatrische  Klinik. 

W  i  e  n.  Der  Vorstand  der  Klinik  für  Hautkrankheiten, 
ordentlicher  Professor  Hofrat  Dr.  Isidor  Neu  mann,  der  die 
Altersgrenze  erreicht  hat,  tritt  nach  Absolvierung  des  Ehrenjahres 
in  den  Ruhestand.  Sein  Nachfolger  wird  der  ausserordentliche 
Professor  an  dieser  Universität  Dr.  med.  Franz  Mraeek. 

(T  o  d  e  s  f  ä  1  1  e.) 

In  Hannover  starb,  92  Jahre  alt,  Karl  Ewald  Hasse,  vor¬ 
mals  ordentlicher  Professor  der  inneren  Medizin  und  Direktor 
der  medizinischen  Klinik  in  Göttingen.  Das  Bild  des  jetzt  Ver¬ 
storbenen  und  eine  Skizze  seiner  schon  damals  abgeschlossenen 
Lebensarbeit  ans  der  Feder  Geh. -Rat  v.  Ziems  seng  brachten 
wir  in  No.  11,  1897. 

(B  o  r  i  c  h  t  i  g  u  n  g.)  In  der  Arbeit:  v.  H  ö  s  s  1  i  n:  „Zum 
Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und  Unfallskranken“ 
in  No.  37  d.  Woehensehr,  sind  irrtümlich  die  Figuren  1  und  2  ver¬ 
tauscht.  Da  es  ausserdem  wünschenswert  schien,  den  Figuren 
eine  besondere  Erläuterung  beizufügen,  so  legen  wir  der  heutigen 
Nummer  einen  Neudruck  derselben  auf  gummiertem  Papier  bei, 
den  wir  als  Tektur  an  der  betr.  Stelle  zu  verwenden  bitten. 


Personalnachrichten. 

(Bayer  n.) 

Erledigt:  Die  Bezirksarztesstellen  I.  Klasse  in  Neu¬ 
stadt  a.  W.-N.,  Garmiseli  und  Starnberg.  Bewerber  um  dieselben 
haben  ihre  vorscliriftsmüssig  belegten  Gesuche  bei  der  ihnen  Vor¬ 
gesetzten  k.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis  zum  12.  Oktober 
1.  .1.  einzureichen. 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Johannes  Hoerrner  in 
Blieskastel  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in  St.  Ingbert  und  der  prakt. 
Arzt  Dr.  Karl  S  p  i  e  s  in  Wolfstein  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse 
in  Dürkheim. 

Genehmigt  wurde,  dass  an  Stelle  des  zum  Hausarzt  beim 
Zellengefängnis  Nürnberg  ernannten  Hofrates  Dr.  Friedrich 
Schillin  g  der  prakt.  Arzt  Dr.  Eduard  R  o  e  1  i  g  in  Nürnberg 
zum  Mitglied  des  Aufsichtsrates  für  das  Zellengefängnis  Nürnberg 
gewählt  wird. 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  im  zeitlichen 
Ruhestand  befindliche  Hausarzt  bei  der  Strafanstalt  und  dem 
Arbeitshause  Kaiserslautern,  Bezirksarzt  I.  Klasse  Dr.  Karl 
K  o  1  b,  wegen  Krankheit  unter  huldvollster  Anerkennung 
seiner  mit  Treue  und  Eifer  geleisteten  Dienste. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  37.  Jahreswoche  vom  7.  bis  13.  September  1902. 
Beteiligte  Aerzte  114.  —  Brechdurchfall  34  (38*),  Diphtherie  u. 
Krupp  7  (8),  Erysipelas  6  (6),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

(~):  Kindbettfieber  —  ( — ),  Meningitis  cerebrospin.  1  (1), 
Morbilli  11  (13),  Ophthalmo-Blennorrhoe  neonat.  —  (2),  Parotitis 
epidem.  1  (1),  Pneumonia  crouposa  2  (2),  Pyämie,  Septikämie 
1  (-),  Rheumatismus  art.  ac.  18  (6),  Ruhr  (Dysenteria)  1  (— ), 
Scarlatina  4  (4),  Tussis  convulsiva  30  (36),  Typhus  abdominalis  3 
(  )>  V  aricellen  2  (3),  Variola,  Variolois  —  (— ),  Influenza  —  ( — ). 
Summa  121  (120).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  37.  Jahreswoche  vom  7.  bis  13.  September  1902. 

Bevölkerungszahl:  499  932. 

Todesursachen:  Masern  —  (1*)  Scharlach  1  (— )  Diphtherie 
u  Krupp  —  (2),  Rotlauf  —  ( — ),  Kindbettfieber  —  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  vv.)  —  (l),  Brechdurchfall  13(19),  Unterleib-Typhus  1 
(  — ),  Keuchhusten  3  (5),  Kruppöse  Lungenentzündung  5  ( — ),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  14  (20),  b)  der  übrigen  Organe  6  (6),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
2  (1),  Unglücksfälle  5  (5),  Selbstmord  1  (2),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (— ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  210  (223),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  21,6  (22,9),  für  die 
über  dem  1,  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  9,7  (11,5). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Pruck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdrucken  A.G.,  München. 


Die  Münch.  Med.  Wochensehr,  erscheint  wdchenti. 
In  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  n  Oest. -Ungarn  vierteljahrl.  6  JL, 
ins  Ausland  8.—  Jt.  Einzelne  No.  80  q. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angarer,  Cii.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  W .§».  Leube,  G.  Merkel, 

München  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg. 


J.  v.  Michel, 

Berlin. 


F.  Penzoldt, 

Erlangen. 


H.  v.  Ranke, 

München. 


F.  v.  Winckel, 

München. 


No.  40.  7.  Oktober  1902, 


Kedaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Die  Diagnose  der  Neurasthenie.*) 

Von  Prof.  Kraepelin  in  Heidelberg. 

Unter  den  zahlreichen  neuen  Krankheiten,  mit  denen  uns  die 
ärztliche  Forschung  alljährlich  zu  beschenken  pflegt,  ist  kaum 
eine  %o  rasch  volkstümlich  geworden  wie  das  von  Beard  im  Jahre 
1880  zuerst  umgrenzte  Bild  der  Neurasthenie.  Die  lebhafte  Zu¬ 
stimmung,  mit  welcher  der  Begriff  der  „Nervenschwäche“  überall 
aufgenommen  wurde,  bewies  unwiderleglich,  dass  seine  Auf¬ 
stellung  einem  weitverbreiteten  klinischen  Bedürfnisse  entsprach. 
Die  Neurasthenie  ist  seit  jener  Zeit  geradezu  eine  Art  Mode¬ 
krankheit  geworden,  welche  unseren  Sanatorien  und  Nervenheil¬ 
anstalten  die  Hauptmasse  des  Zuflusses  liefert.  Diese  rasche 
Entwicklung  des  neuen  Krankheitsbildes  musste  naturgemäss  die 
Gefahr  einer  übermässigen  Ausdehnung  desselben  mit  sich 
bringen.  Die  Diagnose  der  Neurasthenie  ist  so  bequem  und  so 
zeitgemäss  zugleich,  dass  sie  bald  genug  zur  Sammelbezeichnung 
der  verschiedenartigsten  Zustände  wurde.  Sie  hat  heute 
ihre  Eindeutigkeit  nicht  nur  im  ätiologischen  und  klinischen 
Sinne,  sondern  namentlich  auch  hinsichtlich  der  Prognose  und 
Behandlung  vollständig  verloren,  soweit  davon  überhaupt  je  die 
Rede  sein  konnte.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  nützlich,  von 
Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  die  Krankheitsbilder  zu  sichten,  die 
einträchtiglich  unter  dem  breiten  Dache  der  Neurasthenie  zu¬ 
sammenwohnen. 

Bei  dieser  Arbeit  sind  zunächst  die  eigentlichen  Fehl¬ 
diagnosen  auszuscheiden,  «die  Verwechslungen  der  Neurasthenie 
mit  anderen,  äusserlich  ähnlichen,  aber  sonst  ganz  andersartigen, 
gut  gekennzeichneten  Krankheitsbildern.  Dahin  gehört  nament¬ 
lich  die  progressive  Paralyse.  Die  Erscheinungen  der 
erhöhten  Ermüdbarkeit,  Zerstreutheit,  Arbeitsunlust,  gesteigerten 
gemütlichen  Reizbarkeit,  im  Verein  mit  den  Klagen  über  Kopf¬ 
druck,  Schwächegefüld,  Schlaflosigkeit,  Schwindel  verführen 
öfters  zur  Annahme  einer  Neurasthenie,  wo  es  sich  in  Wirk¬ 
lichkeit  um  den  Beginn  einer  fortschreitenden  Gehirnlähmung 
handelt.  Daraus  ergibt  sich  dann  die  unerwünschte  Folge,  dass 
der  Kranke  nicht  genügend  beaufsichtigt  wird,  sich  und  die 
Seinigen  schwer  schädigen  und  seine  Umgebung  durch  das  un¬ 
erwartete  Auftreten  stürmischer  Störungen  überraschen  kann, 
die  unter  Umständen  geradezu  durch  die  Behandlung  (ein¬ 
greifende  Kaltwasserkuren,  anstrengende  Reisen  u.  dgl.)  hervor¬ 
gerufen  werden.  Dass  in  derartigen  Fällen  der  Nachweis  körper¬ 
licher  Zeichen,  namentlich  von  Silbenstolpern  oder  paretischen 
Sprachstörungen,  reflektorischer  Pupillenstarre,  leichteren  oder 
schwereren  Anfällen  mit  Andeutungen  von  Aphasie  ohne  wei¬ 
teres  auf  den  richtigen  Weg  führt,  bedarf  keiner  weiteren  Aus¬ 
führung.  Steigerung  der  Sehnenreflexe  hat  sehr  wenig  Beweis¬ 
kraft,  viel  mehr  ihr  Fehlen;  auch  einfaches  Zittern  der  Zunge 
oder  der  Finger  oder  Ungleichheit  der  Pupillen  ist  diagnostisch 
nicht  zu  verwerten.  Wichtig  ist  dagegen  das  Auftreten  des 
Leidens  ohne  genügenden  äusseren  Anlass,  das  Lebensalter  und 
Geschlecht  des  Kranken,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  der 
Nachweis  früherer  Lues.  Auf  psychischem  Gebiete  ist  nament¬ 
lich  zu  beachten,  dass  der  Paralytiker  allerlei  Krankheitszeichen 

*)  Nach  einem  Vorträge  auf  dem  Mittelrheinischen  Aerzte- 

tage  in  Soden. 

No.  40. 


darzubieten  pflegt,  die  er  selbst  kaum  bemerkt  (Gedächtnis¬ 
schwäche,  Beeinflussbarkeit  der  Stimmung,  Lenksamkeit),  wäh¬ 
rend  bei  der  Neurasthenie  die  nachweisbaren  Störungen  regel¬ 
mässig  weit  geringer  sind,  als  die  lebhaft  vorgebrachten  Klagen 
darüber. 

Recht  schwierig  kann  sich  auch  die  Abgrenzung  der  Neur¬ 
asthenie  von  jenen  Formen  der  Verblödung  gestalten,  die  wir 
heute  vorläufig  in  der  Bezeichnung  „D  ementia  praecox“ 
zusammenfassen.  Besonders  die  im  jugendlichen  Alter  langsam 
unter  dem  Bilde  der  Hebeplirenie  verlaufenden  Fälle  werden  nicht 
selten  jahrelang  als  Neurasthenien  betrachtet  und  behandelt. 
Dazu  verführt  das  Versagen  der  Arbeitskraft,  das  Auftreten  von 
hypochondrischen  Beschwerden,  die  vielfach  betriebene  Mastur¬ 
bation,  die  gelegentlichen  Heftigkeitsausbrüche.  Die  Kranken 
werden  dann,  bisweilen  unter  den  grössten  Geldopfern,  -von  einem 
Kurort  in  den  anderen  geschickt,  mit  Wasser,  Elektrizität, 
Hypnose,  unter  Umständen  auch  mit  Kastration  behandelt,  um 
trotzdem  langsam,  aber  sicher  immer  mehr  zu  verblöden.  In 
solchen  Fällen  ist  von  der  grössten  Bedeutung  die  Erkennung 
des  eigenartigen  Schwachsinns.  Er  ist  gekenn¬ 
zeichnet  durch  Urteilsschwäche,  die  sich  oft  in  abenteuerlicher 
Gestaltung  der  hypochondrischen  Vorstellungen  zeigt,  Gedanken¬ 
armut,  Verlust  der  geistigen  Regsamkeit,  des  Beschäftigungs¬ 
bedürfnisses,  gemütliche  Stumpfheit  auch  bei  Lebhaftigkeit 
der  Ausdrucksbewegungen  und  Klagen,  grundloses  Lachen,  läp¬ 
pisches,  kindisches  Wesen;  dazu  gesellen  sich  meist  im  Laufe 
der  Zeit  noch  einzelne  Zeichen  von  Befehlsautomatie,  Manieriert¬ 
heit,  Negativismus  oder  Stereotypie.  Auch  das  jugendliche 
Alter  und  die  Entstehung  des  Leidens  ohne  ausreichenden  An¬ 
lass  werden  die  Erkennung  desselben  erleichtern  können,  doch 
gibt  es  auch  einzelne  Fälle  schleichender,  nichtparalytischer  Ver¬ 
blödung  in  mittlerem  Alter,  und  andrerseits  wird  von  den  An- 
|  gehörigen  nicht  selten  irgend  eine  äussere  Ursache  zur  Er¬ 
klärung  des  unbegreiflichen  geistigen  Rückganges  herangezogen, 
deren  Belanglosigkeit  erst  bei  der  richtigen  Deutung  des  Krank- 
heitsbildes  klar  wird. 

Eine  letzte  grosse  Krankheitsgruppe,  deren  Zustandsbilder 
vielfach  zur  Verwechslung  mit  Neurasthenie  Anlass  geben,  ist 
das  manisch-depressive  oder  zirkuläre  Irre¬ 
sein.  Es  ist  namentlich  von  H  ecker  mit  vollem  Rechte  be¬ 
tont  worden,  dass  die  ganz  leichten  Formen  des  genannten 
Leidens,  die  niemals  in  die  Hände  des  Irrenarztes  gelangen, 
überaus  häufig  sind.  Von  diesen  sind  es  die  Depressionszustände, 
welche  auf  das  täuschendste  das  Bild  der  Neurasthenie  darbieten 
können.  Die  Kranken  klagen  über  Abgeschlagenheit,  Arbeits¬ 
unfähigkeit,  trübe  Stimmung,  hypochondrische  Befürchtungen, 
Kopfdruck,  allerlei  unangenehme  Empfindungen,  Schwere  in  den 
Gliedern,  Schlaflosigkeit  bei  dauernder  Müdigkeit.  Oft  wissen 
sie  auch  irgend  einen  Anlass  anzugeben,  der  diese  Störungen 
hervorgerufen  hat.  Die  ärztlichen  Verordnungen  bleiben  hier 
regelmässig  so  lange  wirkungslos,  bis  die  Verstimmung  von  selbst 
schwindet,  oft  unter  Uebergang  in  erhöhtes  Wohlbefinden.  Der 
Arzt,  die  Sommerfrische  oder  die  Kur,  unter  deren  Einwirkung 
sich  diese  Wandlung  vollzieht,  gemessen  natürlich  von  da  ab  be¬ 
sonderes  Vertrauen,  das  sich  wegen  des  einleuchtenden  Erfolges 
auch  der  weiteren  Umgebung  mitteilen  kann,  allerdings  ohne 
sich  späterhin  selbst  bei  demselben  Kranken  wieder  zu  recht- 
fertigen.  Für  die  klinische  Klarlegung  dieser  Zustände  ist 


MtTENCHENER  MEDICTNISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1642 


namentlich  die  mehrfache  Wiederholung  derselben,  sowie  der 
Wechsel  mit  Zeiten  gehobener  Stimmung  zu  beachten,  auch  wenn 
für  die  einzelnen  Abschnitte  der  Krankheit  anscheinend  sehr 
verständliche  äussere  Ursachen  angegeben  werden.  Sodann  ist 
wichtig  die  verhältnismässig  rasche  Entwicklung  des  Zustandes, 
das  Vorherrschen  der  gemütlichen  Verstimmung,  das  Gefühl  der 
inneren  Oede  und  Leere,  die  Entschlussunfähigkeit,  die  dem 
Kranken  trotz  guten  "Willens  jede  Tätigkeit  nur  mit  dem  Auf¬ 
gebot  seiner  ganzen  Willenskraft  ermöglicht.  Endlich  pflegt  bei 
diesen  Kranken  der  Lebensüberdruss  verhältnismässig  stark  in 
den  Vordergrund  zu  treten.  Gerade  darum  ist  die  Erkennung 
solcher  Zustände  wichtig,  weil  hier  weit  leichter  als  bei  Neur¬ 
asthenikern  plötzliche  Selbstmorde  Vorkommen. 


Wenn  wir  die  hier  kurz  berührten  wichtigsten  Fehldiagnosen 
ausschliessen,  so  bleibt  im  Rahmen  der  Neurasthenie  noch  eine 
ganze  Anzahl  von  verschiedenartigen  Zuständen  übrig,  die 
schlechterdings  keine  einheitliche  Zusammenfassung  gestatten. 
Die  ursprüngliche  und  noch  heute  verbreitetste.  Anschauung  be¬ 
trachtet  die  Neurasthenie  als  den  Ausdruck  einer  chro¬ 
nischen  Erschöpfung  des  Nervensystems. 
Möbius  sieht  in  ihr  die  Folge  einer  Dauervergiftung  durch 
die  bei  der  Arbeit  erzeugten  Ermüdungsstoffe.  Es  ist  nicht  un¬ 
wahrscheinlich,  dass  diese  Auffassung  für  eine  gewisse  Gruppe 
von  Fällen  ungefähr  zutrifft.  Allerdings  wird  man  annehmen 
dürfen,  dass  im  allgemeinen  die  körperliche  wie  die  geistige  Er¬ 
müdung  einfach  eine  fortschreitende  Herabsetzung  der  Leistungs¬ 
fähigkeit  erzeugt,  welche  zum  Ausruhen  drängt  und  damit  den 
Ausgleich  der  Störung  bewirkt.  Wir  sind  indessen  oft  genötigt, 
auch  dann  noch  mit  Aufbietung  aller  Kräfte  fortzuarbeiten,  wenn 
die  Ermüdungszeichen  schon  sehr  deutlich  entwickelt  sind.  Das 
gelingt  uns  auch,  aber  nur  mit  Hilfe  einer  gewissen  Erregung, 
welche  das  Gefühl  der  Müdigkeit  verscheucht,  damit  aber  auch 
die  Bedingungen  für  die  Erholung,  namentlich  die  Dauer  und 
Tiefe  des  Schlafes,  beeinträchtigt.  Dieser  Vorgang  vollzieht 
sich  natürlich  am  leichtesten  bei  solcher  Tätigkeit,  die  mit  leb¬ 
haften  Gemütsbewegungen  verknüpft  ist,  weil  diese  letzteren 
vor  allem  im  stände  sind,  das  Müdigkeitsgefühl  und  die  Schläf¬ 
rigkeit  zu  beseitigen.  Während  somit  die  ruhige,  regelmässige 
Tätigkeit  des  Gelehrten,  auch  wenn  sie  eine  anstrengende  ist, 
die  Gefahr  einer  Dauerermüdung  nur  in  geringem  Grade  in  sich 
schliesst,  sehen  wir  bei  allen  denjenigen  Berufsarten,  die  mit 
besonderer  Verantwortung  und  starker  gemütlicher  Beun¬ 
ruhigung  verknüpft  sind,  häufig  genug  einen  unvollkommenen 
Ausgleich  der  Arbeitsschädigung  und  damit  das  Krankheitsbild 
der  nervösen  Erschöpfung  auftreten.  Dasselbe  ist  bekanntlich 
gekennzeichnet  durch  wachsende  Arbeitsunlust,  Steigerung  der 
Ermüdbarkeit,  Schlafstörung,  erhöhte  gemütliche  Reizbarkeit, 
Verstimmung  mit  Krankheitsgefühl  und  oft  auch  hypochondri¬ 
schen  Befürchtungen,  die  sich  besonders  an  allerlei  unangenehme 
Empfindungen  im  Kopfe  und  im  Körper  anzuschliessen  pflegen. 

Dieses  Krankheitsbild,  das  in  seinen  ausgeprägteren  Formen 
auch  mit  Llcrabsetzung  der  Esslust,  Abnahme  des  Körpergewichts, 
Störungen  der  Verdauung  und  Blutbereitung  einhergehen  kann, 
lässt  sich  stets  auf  greifbare  Schädlichkeiten  in  den  Lebensver¬ 
hältnissen  des  Kranken  zurückführen.  Wenn  es  nicht  berufliche 
Ueberanstrengungen  sind,  wie  bei  Krankenpflegerinnen,  Aerzten, 
Lehrern,  Fabrikleitern,  können  Schädigungen  mehr  zufälliger 
Art  eine  Rolle  spielen,  Sorgen,  schwere  Krankheit  der  Ange¬ 
hörigen,  unglückliche  und  aufreibende  Familien  Verhältnisse,  Aus¬ 
schweifungen  u.  s.  f.  Auch  körperliche  Erschöpfung,  wie  sie 
z.  B.  durch  Sportleistungen  bedingt  sein  kann,  ist  hier  zu  nennen. 
Ueberall  aber  machen  wir  die  Erfahrung,  dass  die  Störungen 
binnen  verhältnismässig  kurzer  Zeit  schwinden,  wenn  es  möglich 
ist,  die  Ursachen  zu  beseitigen,  vor  allem  Ruhe  und  Erholung 
zu  verschaffen.  Der  Erfolg  einer  solchen  Behandlung,  die  nur 
die  günstigen  Bedingungen  für  den  Ausgleich  der  Dauer¬ 
ermüdung  herbeiführt,  kann  geradezu  als  ein  Prüfstein  dafür 
angesehen  werden,  ob  es  sich  wirklich  um  eine  einfache  nervöse 
Erschöpfung  gehandelt  hat  oder  nicht.  Dabei  ist  natürlich 
vorausgesetzt,  dass  keine  körperlichen  Leiden  bestehen,  die  eine 
Erholung  unmöglich  machen. 

Eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  diesem  Krankhcitsbilde 
bieten  diejenigen  Störungen  des  Nervensystems  dar,  welche  nicht 
durch  Ermüdung,  sondern  durch  die  Dauerwirkung 
anderweitiger  körperlicher  Schädlichkeiten 
erzeugt  werden.  Wenn  es  richtig  ist,  dass  wir  es  bei  der  Er¬ 


i 


müdung  mit  der  Anhäufung  von  giftigen  Erzeugnissen  des 
Stoffwechsels  in  den  Körpergeweben  zu  tun  haben,  so  werden 
wir  ohne  weiteres  begreifen,  dass  auch  andere  Gifte  ähnliche  Er¬ 
scheinungen  herbeiführen  können.  So  spricht  man  bisweilen  von 
einer  Neurasthenie  der  Trinker  oder  Morphinisten.  Man  wird 
indessen  gut  tun,  dabei  immer  im  Auge  zu  behalten,  dass  die 
Ucbereinstimmung  mancher  Krankheitszeichen  hier  doch  nur 
eine  rein  äusserliche  ist,  da  ihnen  in  Wirklichkeit  ursächlich 
und  prognostisch  völlig  verschiedene  Vorgänge  zu  Grunde  liegen. 
Weit  mehr  Berechtigung  hat  die  Bezeichnung  der  Neurasthenie 
für  die  nervösen  Schwächezustände  nach  erschöpfenden 
Krankheiten,  bei  anämischen  Zuständen  und  Kachexien 
aller  Art,  nach  schweren  Wochenbetten.  Wir  werden  uns  ja  wohl 
vorzustellen  haben,  dass  die  Schädigung  des  Nervengewebes  in 
allen  diesen  Fällen  mit  derjenigen  bei  der  Erschöpfung  Aehnlich- 
keit  besitzt.  Hier  wie  dort  dürfte  es  sich  um  ungenügenden  Er¬ 
satz  verbrauchter  und  zerstörter  Gewebsteile,  sowie  um  mangel¬ 
hafte  Ausscheidung  giftig  wirkender  Zerfallsstoffe  handeln. 
Allein  es  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  die  Einzelheiten  des 
Krankheitsbildes  und  namentlich  des  weiteren  Verlaufes,  je  nach 
der  Art  der  zu  Grunde  liegenden  Schädigung,  sehr  wesentlich  von 
einander  abweichen  müssen.  Der  Gesamtzustand  eines  sonst  ge¬ 
sunden  Menschen,  der  durch  eine  aufreibende  Tätigkeit  erschöpft 
wurde,  ist  eben  doch  ein  ganz  anderer,  als  etwa  der  eines  Typhus¬ 
rekonvaleszenten  oder  einer  Wöchnerin.  Soll  daher  die  Neur¬ 
asthenie  eine  wirkliche  Krankheit  und  nicht  nur  eine  Gruppe 
von  Krankheitszeichen  bedeuten,  so  werden  wir  diesen  Namen 
nicht  unterschiedslos  für  die  selbständige  Schädigung  des 
Nervengewebes  durch  seine  eigene  Tätigkeit  und  für  die  Begleit¬ 
erscheinungen  der  verschiedensten  Krankheitsvorgänge  in  an¬ 
deren  Teilen  des  Körpers  gebrauchen  dürfen.  Ich  brauche  hier 
nur  daran  zu  erinnern,  dass  manche  Schädigungen  des  Nerven¬ 
systems  durch  den  Typhus  oder  schwere  Blutentmischungen  sich 
überhaupt  nicht  ausgleichen,  da  entweder  die  Zerstörung  zu  tief 
oder  die  Ursachen  nicht  zu  beseitigen  sind.  Allerdings  kann  es 
Vorkommen,  dass  sich  die  Wirkung  verschiedener  Schädlichkeiten 
mit  einander  verbindet,  wenn  z.  B.  eine  Wöchnerin  die  auf¬ 
reibende  Pflege  des  erkrankten  Kindes  zu  übernehmen  hat  oder 
ein  Phthisiker  über  das  Mass  seiner  Kräfte  hinaus  angestrengt 
wird.  Allein  wenn  es  in  solchen  Fällen  auch  nicht  möglich  ist, 
die  Erschöpfung  von  der  Schädigung  durch  andere  Ursachen 
zu  trennen,  so  sollten  darum  die  Grundbegriffe  doch  nicht  zu¬ 
sammengeworfen  werden.  Halten  wir  doch  auch  Tabes  und 
Alkoholneuritis  scharf  auseinander,  obgleich  wir  bei  einer  ge¬ 
legentlichen  Verbindung  derselben  ausser  stände  sein  können, 
die  beiden  Erkrankungen  gemeinsamen  Zeichen  mit  Sicherheit 
zu  verteilen. 

Eine  ganz  besondere  Stellung  nehmen  in  der  Frage  der 
Neurasthenie  jene  Krankheitsbilder  ein,  die  aus  lebhaften 
Gemütserschütterungen  hervorgehen.  Es  liegt  auf 
der  Hand,  dass  hier  einerseits  eine  scharfe  Grenze  gegen  die  ein¬ 
fache  nervöse  Erschöpfung  kaum  zu  ziehen  sein  wird.  Auch  dort 
hatten  wir  in  der  gemütlichen  Erregung  mit  ihren  üblen  Folgen 
für  Schlaf,  Ruhe  und  Ernährung  vielleicht  das  wichtigste  Glied 
der  Krankheitsentwicklung  gefunden.  Andererseits  aber  ist  es 
unverkennbar,  dass  die  nervösen  Folgezustände  einfacher  Ge¬ 
mütserschütterungen  ohne  gleichzeitige  Ueberanstrengung  eine 
Reihe  von  besonderen  Zügen  aufweisen.  Zunächst  möchte  ich 
hier  jener  merkwürdigen  Störungen  gedenken,  die  man  vielleicht 
am  besten  unter  dem  Namen  der  „Residualneurosen“  zusammen¬ 
fassen  könnte.  Es  handelt  sich  dabei  um  Lähmungserschei¬ 
nungen,  Krampfformen,  Schmerzen  oder  Schlafstörungen,  die 
als  Ueberbleibsel  eines  längst  beseitigten,  bisweilen  sehr  un¬ 
bedeutenden  Leidens  dauernd  Zurückbleiben  und  unter  Um¬ 
ständen  äusserst  quälend  werden  können.  Gemeinsam  ist  diesen 
Störungen,  die  gewöhnlich  als  neurasthenische  oder  hysterische 
betrachtet  werden,  das  Fehlen  eines  erklärenden  körperlichen 
Befundes,  die  geringe  Beeinflussbarkeit  durch  die  verschiedensten 
Behandlungshilfsmittel,  das  langsame-  Fortschreiten  im  Laufe 
der  Jahre,  endlich  die  schnelle  und  meist  endgültige  Beseitigung 
durch  ein  Suggestivverfahren,  insbesondere  die  Hypnose.  Ge¬ 
rade  diese  letztere,  oft  ungemein  verblüffende  Erfahrung  zeigt 
uns  den  Weg  zur  Deutung  der  Krankheitsbilder.  Offenbar  handelt 
es  sich  um  die  Wirkung  ängstlicher  Vorstellungen,  die  aus  dem 
ursprünglichen  Anlasse  hervorgewachsen  und  nach  Beseitigung 
dieses  letzteren  selbständig  geworden  sind.  Die  Schmerzen  nach 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISC LIE  WOCHENSCHRIFT. 


einer  örtlichen  Entzündung,  die  Schwäche  nach  einer  Ueber- 
anstrengung,  die  durch  eine  Gemütsbewegung  bedingte  Schlaf¬ 
losigkeit  wollen  nicht  weichen,  auch  nachdem  die  Ursachen  längst 
alle  Wirkung  verloren  haben.  Ihre  Entstehung  aus  der  pein¬ 
lichen,  auf  ein  gewisses  Gebiet,  gerichteten  Aufmerksamkeit, 
aus  der  ängstlichen  Erwartung,  dem  Schonungsbedürfnisse 
verraten  diese  Störungen  in  der  Regel  dadurch,  dass  sie  sich  an 
bestimmte  Leistungen  anknüpfen.  Hie  Schwäche  tritt  beim 
Gehen  ein,  die  Schmerzen  in  den  Augen  beim  Lesen,  ausfahrende 
Bewegungen  beim  Schreiben  u.  s.  f.  Man  erkennt  dabei  meist 
sehr  bald  aus  der  Geringfügigkeit  der  Anlässe  und  aus  der  sehr 
bedeutenden,  aber  eng  umgrenzten  Herabsetzung  der  Leistungs¬ 
fähigkeit  den  psychischen  Ursprung  der  Störung,  der  dann  in 
dem  Erfolge  der  psychischen  Behandlung  seine  Bestätigung 
findet. 

Eine  zweite  Gruppe  der  durch  Gemütserschütterungen  aus- 
gelösten  psychischen  Störungen  bilden  die  Schreckneu¬ 
rosen,  die  man  zum  Teil  wohl  auch  als  traumatische  Neur¬ 
asthenie  bezeichnet  hat.  Sie  unterscheiden  sich  von  der  vorigen 
Gruppe  durch  die  mehr  plötzliche  Entstehung,  durch  das  Auf¬ 
treten  einer  ausgeprägten  Veränderung  der  gesamten  Ge¬ 
müts  läge  mit  den  daran  sich  knüpfenden  Folgezuständen, 
ferner  durch  ihre  weit  ungünstigere  Prognose  und  ihre  geringe 
Zugänglichkeit  gegenüber  der  Suggestivbehandlung.  In  den 
schweren  Fällen  entwickelt  sich  hier  ein  wirkliches  Siechtum,  das 
schon  vielfach  den  Gedanken  an  gröbere  Schädigungen  des 
Nervengewebes  nahe  gelegt  hat.  Jedenfalls  sind  diese  Zustände 
von  der  Neurasthenie  vollkommen  abzutrennen.  Im  einzelnen 
Falle  wird  man  nicht  nur  durch  die  Entstehungsweise  des  Lei¬ 
dens,  sondern  auch  durch  das  lebhafte  Hervortreten  des  hypo¬ 
chondrischen  Krankheitsgefühls  und  die  unverhältnissmässig 
starke  Beeinträchtigung  der  Leistungsfähigkeit  auf  die  Ab¬ 
grenzung  von  der  nervösen  Erschöpfung  geführt  werden.  Dazu 
kommt  aber  weiterhin  der  ungünstige  Einfluss  der  Untätigkeit, 
die  hier  keine  Besserung,  sondern  eher  eine  Steigerung  der  Be¬ 
schwerden  bringt. 

Bei  der  Entstehung  der  zuletzt  genannten  Neurosen  spielt 
mit  dem  äusseren  Anlasse  eine  ungemein  wichtige,  wenn  nicht 
die  Hauptrolle,  die  persönliche  Veranlagung.  Von  den  zahllosen 
Menschen,  die  vorübergehend  Schmerzen  erleiden  oder  den  freien 
Gebrauch  eines  Gliedes  entbehren  müssen,  schleppen  sich  nur 
wenige,  besonders  Aengstliche  und  zu  peinlicher  Selbstbeachtung 
Geneigte  mit  den  psychischen  Ueberresten  des  überstandenen 
Leidens  herum,  und  auch  nach  schweren  Unfällen  pflegt  doch 
immer  nur  ein  Bruchteil  der  Betroffenen  in  der  bekannten  Weise 
psychisch  zu  erkranken.  /Die  Versuchung  liegt  daher  ungemein 
nahe,  alle  diese  Störungen  einfach  als  Ausdruck  psychopathischer 
Veranlagung  zu  betrachten  und  sie  in  das  grosse  Gebiet  der 
hysterischen  Erscheinungen  zu  verweisen.  Es  lässt  sich  jedoch 
nicht  verkennen,  dass  diese  Einordnung  nichts  weniger  als  be¬ 
friedigend  ist.  Gerade  die  Mannigfaltigkeit  und  Launenhaftig¬ 
keit  der  Störungen,  ihre  Beeinflussbarkei t  dujch  äussere  und 
innere  Anlässe,  ihre  Wiederkehr  nach  zeitweisem  Verschwinden 
fehlt  den  hier  gekennzeichneten  Leiden  durchaus.  Das  Krank¬ 
heitsbild  ist  vielmehr  ein  überaus  einförmiges  und  bietet  nur 
gewisse  Schwankungen  in  der  Stärke  der  Erscheinungen  dar. 

Damit  soll  nicht  die  Verwandtschaft  dieser  Formen  mit  der 
Hysterie  überhaupt  in  Abrede  gestellt  werden.  Wir  bewegen 
uns  hier  auf  dem  allgemeinen  Boden  der  psychopathischen  Ver¬ 
anlagung,  auf  dem  eine  ganze  Reihe  der  verschiedenartigsten 
Störungen  erwachsen  können,  die  vielfach  gemeinsame  Züge  auf¬ 
weisen,  namentlich  die  Anknüpfung  an  gemütliche  Erregungen. 
Die  grössere  oder  geringere  Leichtigkeit,  mit  der  sich  lebhafte 
Gemütsbewegungen  entwickeln,  wieder  ausgleichen  und  Einfluss 
auf  Denken  und  Handeln  gewinnen,  ist  sicherlich  überhaupt  von 
der  grössten  Tragweite  für  die  Gestaltung  der  psychischen  Per¬ 
sönlichkeit  und  ihre  Verarbeitung  der  Lebensreize.  Gerade  die 
Neigung  zu  krankhaften  Gefühlsbetonungen  liefert  uns  daher 
einige  eigenartige  Formen  konstitutioneller  Entartung,  die  meist 
unter  dem  Namen  der  angeborenen  N.e  urasthenie  der 
Erschöpfungsneurose  angegliedert  werden. 

Diese  Zusammenfassung  hat  indessen  nur  insofern  Berech¬ 
tigung,  als  es  schwierig  ist,  hier  eine  ganz  scharfe  Abgrenzung 
zu  finden.  Wenn  bei  der  Entwicklung  der  Erschöpfung  die  ge¬ 
mütliche  Erregung  eine  wesentliche  Rolle  spielt,  insofern  sie  die 
Steigerung  der  Tätigkeit  über  die  zulässige  Grenze  ermöglicht 


1643 


und  die  Erholung  durch  Ruhe,  Schlaf  und  Nahrungsaufnahme 
beeinträchtigt,  so  ist  es  klar,  dass  eine  angeborene  Steigerung 
i  der  gemütlichen  Erregbarkeit  die  Ausbildung  neurasthenischer 
,  Zustände  entschieden  begünstigen  muss.  In  der  Tat  sehen  wir 
daher  bei  sehr  erregbaren  Menschen  solche  Störungen  schon 
|  unter  Bedingungen  auf  treten,  die  von  gemütsruhigeren  Naturen 
j  ohne  nennenswerte  Schädigung  ertragen  werden.  Regelmässig 
j  kommt  es  in  solchen  Fällen  zu  einem  häufigeren  Wechsel  zwi- 
;  sehen  stürmischen  Anläufen  und  plötzlichem  Ermatten,  zu  einer 
!  auffallenden  Unstetigkeit  in  der  gesamten  Tätigkeit,  die  deutlich 
|  zeigt,  dass  nicht  die  erhöhten  Anforderungen,  sondern  die  ver- 
|  minderte  Widerstandsfähigkeit  die  eigentliche  Quelle  des  Leidens 
ist.  Auch  hier  vollzieht  sich  die  Erholung  meist  rasch,  aber  es 
folgt  sehr  bald  ein  neues  Erlahmen.  Dazu  pflegen  sich  auch 
dauernd  die  Zeichen  gesteigerter  gemütlicher  Erregbarkeit  zu 
gesellen,  grosse  Lebhaftigkeit  der  Gefühlsbetonung,  rascher  Stim- 
I  mungswechsel,  Launenhaftigkeit,  Neigung  zu  sprunghaftem  Han- 
|  dein,  LTnberechenbarkeit.  Aus  allen  diesen  Zügen  ergibt  sich 
klar  der  Unterschied  dieser  konstitutionell  bedingten  Störungen 
von  der  einfachen  nervösen  Erschöpfung.  Allein  es  wird  zuzu¬ 
geben  sein,  dass  im  einzelnen  Falle  alle  möglichen  Uebergänge 
von  jenen  Krankheitszuständen  vorhanden  sein  können,  die  durch 
übermächtige  Anforderungen  erzeugt  werden,  zu  denen,  die  ihre 
Wurzel  in  aussergewöhnlicher  Erschöpfbarkeit  haben. 

In  einer  eigenartigen  Gruppe  von  Fällen  trägt  die  krankhafte 
Gefühlsbetonung  dauernd  den  Stempel  der  Aengstlichkeit 
und  Bedenklichkeit.  Bei  diesen  Kranken  besteht  über¬ 
haupt  keine  Herabsetzung  der  Leistungsfähigkeit,  wohl  aber 
das  Gefühl  einer  solchen,  ein  Mangel  an  Selbstvertrauen,  der 
sie  auf  Schritt  und  Tritt  behindert,  ohne  dass  von  wirklicher 
Unfähigkeit  irgendwie  die  Rede  wäre.  Auch  solche  Kranke,  die 
I  vor  jeder  Aufgabe  zurückschrecken,  weil  sie  sich  ihr  nicht  ge¬ 
wachsen  fühlen,  werden  oft  als  Neurastheniker  bezeichnet.  Man 
kann  sich  jedoch  in  der  Regel  leicht  überzeugen,  dass  sie  unter 
Umständen  recht  Bedeutendes  leisten  können,  wenn  durch  Zu¬ 
spruch  oder  Ablenkung  ihre  Bedenken  in  den  Hintergrund  ge¬ 
rückt  worden  sind.  Andere  arbeiten  im  Stillen  eifrig  und  mit 
Erfolg,  haben  jedoch  nicht  den  Mut,  hervorzutreten.  Immer  aber 
kennzeichnet  sich  die  besondere  Entstehungsweise  ihrer  Unfähig¬ 
keit  aus  krankhaften  Verstimmungen  durch  das  Versagen  der 
sonst  leistungsfähigen  Kranken  gegenüber  verhältnismässig  sehr 
einfachen  Aufgaben,  sobald  sie  irgendwie  ein  gewisses  Hervor¬ 
treten  erfordern.  Leider  pflegen  diese  tief  in  der  Veranlagung 
wurzelnden  Störungen  der  Behandlung  nur  in  sehr  geringem 
Grade  und  nur  vorübergehend  zugänglich  zu  sein;  sie  machen 
meist  im  Laufe  des  Lebens  allmähliche  Fortschritte. 

i 

In  sehr  nahen  Beziehungen  zu  diesen  konstitutionellen  Ver¬ 
stimmungen  stehen  endlich  die  bei  bestimmten  Anlässen  mit 
übermässiger  Gewalt  hervortretenden  Befürchtungen,  die  sogen. 
„P  h  o  b  i  e  n“.  Auch  diese  Störungen,  welche  die  mannig¬ 
faltigsten  Formen  annehmen  können,  wurzeln  durchaus  in  krank¬ 
hafter  Veranlagung  und  sind  wesentlich  unabhängig  von  er¬ 
schöpfenden  Einflüssen,  wenn  auch  durch  solche  Schädigungen 
j  gelegentlich  eine  Verschlimmerung  der  Erscheinungen  herbei¬ 
geführt  werden  kann.  Jedenfalls  ist  zu  betonen,  dass  die  Phobien 
wie  die  konstitutionelle  Kleinmütigkeit  durch  Ausruhen  und 
besondere  Kuren  eher  schlimmer  als  besser  zu  werden  pflegen, 
während  eine  geregelte  Pflichterfüllung,  die  der  eigenen  Ent- 
schliessung  wenig  Spielraum  bietet,  ebenso  wie  Ablenkung  aller 
Art  entschieden  günstig  wirkt.  Allerdings  kehren  die  alten 
Leiden  in  der  Regel  rasch  wieder,  wenn  sie  nicht,  wie  das  bis¬ 
weilen  der  Fall  ist,  nur  Teilerscheinungen  einer  zirkulären  Er¬ 
krankung  darstellen. 

Die  lange,  aber  schwerlich  schon  vollständige  Reihe  von 
Zuständen,  die  gelegentlich  sämtlich  mit  dem  Namen  der  Neur¬ 
asthenie  belegt  werden,  beweist  am  zwingendsten  die  Notwendig 
keit,  den  Begriff  dieser  Krankheit  enger  zu  umgrenzen  und  im 
einzelnen  Falle  über  die  besondere  Bedeutung  der  nur  äusser- 
lich  einander  ähnlichen  Bilder  ins  klare  zu  kommen.  Will  man 
die  Bezeichnung  der  Neurasthenie,  wie  es  zweckmässig  erscheint, 
für  diejenigen'  Fälle  aufrecht  erhalten,  in  denen  sich  die  Er¬ 
scheinungen  der  Dauerermüdung  nach  schwerer  geistiger  oder 
körperlicher  Ueberarbeitung  entwickeln,  so  wird  man  aus  diesem 
umschriebenen  Rahmen  bestimmt  alle  andersartigen  Zustände 
ausschliessen  müssen.  Das  empfiehlt  sich  um  so  mehr,  als  erst 
durch  die  genaue  Scheidung  klinisch  ganz  verschiedener  Krank- 


1644 


ivi UENCTIEN ER  MEDI( ’I NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


heitsbilder  dem  ärztlichen  Handeln  die  richtigen  Wege  gewiesen 
werden.  Die  Sorge  für  Ruhe  und  Ueberernährung,  die  bei  der 
Erschöpfung  am  Platze  ist,  kann  bei  den  Phobien  und  der  kon¬ 
stitutionellen  Aengstlichkeit  wie  bei  der  Schreckneurose  geradezu 
verschlimmernd  wirken.  Umgekehrt  wird  die  Ablenkung,  die  hier 
von  günstigem  Einflüsse  ist,  dort  und  bei  den  Schwächezuständen 
infolge  von  körperlichen  Erkrankungen  ganz  und  gar  nicht  an¬ 
gebracht  sein.  Dass  auch  die  übrigen  Formen,  die  durch  Gifte 
oder  Ausschweifungen  erzeugte  Nervosität,  die  Residualneurose, 
ihre  besondere  Behandlung  erheischen,  wurde  schon  betont.  Wenn 
wir  auch  von  den  ärztlichen  Missgriffen,  die  durch  eigentliche 
Fehldiagnosen,  durch  die  Verwechslung  mit  völlig  anderen,  gut 
gekennzeichneten  Krankheiten  entstehen,  ganz  absehen,  so  lässt 
sich  kaum  bezweifeln,  dass  die  gebräuchliche  Sammeldiagnose 
der  Neurasthenie  nur  allzu  leicht  zu  einer  Gleichförmigkeit  der 
Behandlung  verführt,  die  unter  Umständen  rechten  Schaden 
anrichten  kann.  Es  wird  nicht  selten  Vorkommen,  dass  sogen. 
Neurastheniker  im  Laufe  der  Zeit  der  Reihe  nach  mit  Elek¬ 
trizität,  Massage,  Wasserbehandlung  in  den  bekannten  Formen, 
unter  Umständen  auch  mit  Mastkur,  Hypnose,  Lichtbädern  u.  s.  w. 
behandelt  werden,  falls  sie  nicht  durch  Kurpfuscher  noch  ganz 
anderen  Einwirkungen  ausgesetzt  werden.  Die  Zahl  unserer  An¬ 
stalten  für  Nervenkranke  ist  in  stetem  Wachsen  begriffen,  noch 
mehr  aber  anscheinend  das  Bedürfnis  nach  Behandlung.  Wir 
verfügen  auch  jetzt  schon  über  eine  grosse  Reihe  von  Mitteln, 
diesen  Kranken  zu  helfen,  von  der  körperlichen  wie  von  der 
psychischen  Seite  her.  Gleichwohl  erhebt  sich  immer  lauter  der 
Ruf  nach  neuen  Nervenheilstätten  mit  neuen  Einrichtungen  und 
Heilverfahren.  Ueberall  steht  dabei  mit  Recht  der  Grundsatz 
im  Vordergründe,  dass  die  Behandlung  eine  „individuelle“  sein 
müsse.  Man  denkt  dabei  zumeist  in  erster  Linie  an  die  Ver¬ 
schiedenheit  der  persönlichen  Bedürfnisse  und  Neigungen.  Noch 
wichtiger  aber  wird,  wie  ich  glaube,  die  klinische  Son¬ 
derung  der  Krankheitsfälle  sein.  Gewöhnen  wir  uns 
daran,  die  unübersehbare  Schar  der  Neurastheniker,  die  Jahr 
für  Jahr  unsere  Nervenheilanstalten  bevölkern,  unter  klinischen 
Gesichtspunkten  immer  schärfer  zu  gliedern,  so  wird  sicherlich 
auch  hier  an  die  Stelle  der  verwirrenden  Regellosigkeit  mehr  und 
mehr  eine  übersichtliche  Scheidung  der  Gestaltungsformen 
treten,  die  es  dem  Arzte  ermöglicht,  von  vornherein  den 
Weg  vorzuzeichnen,  der  ihn,  soweit  es  überall  möglich,  zum  Ziele 
führt. 


Operative  Behandlung  gewisser  Lungenerkrankungen.*) 

Von  Prof.  Dr.  G.  Treupel,  Assistent  an  der  medizinischen 
Klinik  zu  Freiburg  i/B. 

M.  H. !  Im  J ahre  1873  hat  M  o  s  1  e  r  auf  dem  Kongresse  für 
innere  Medizin  die  Lungenchirurgie  inauguriert.  In  den  fast 
30  Jahren,  die  seitdem  vergangen  sind,  hat  dieses  Gebiet  teils 
von  inneren  Medizinern  —  ich  nenne  Ihnen  hier  vor  allem 
Quincke  —  teils  von  Chirurgen  mehr  und  mehr  Beachtung 
und  Bearbeitung  gefunden,  so  dass  im  Jahre  1891,  ebenfalls  auf 
dem  Kongresse  für  innere  Medizin,  Gluck1)  bereits  einen  zu¬ 
sammenfassenden  Ueberblick  über  die  Entwicklung  der  Lungen¬ 
chirurgie  von  ILippokrates  an  bis  auf  unsere  Zeit  geben 
und  erklären  konnte:  „Die  Klinik  hat  die  Pneumektomie  als 
eine  legitime  chirurgische  Methode  sanktioniert“. 

Wir  inneren  Mediziner  befinden  uns  hier  mit  den  Chirurgen 
auf  einem  Felde  gemeinsamer  Arbeit,  wo,  wie  ich  glaube,  einer 
von  dem  anderen  lernen  kann  und  wo  durch  diese  Zusammen- 
a  r  beit  erst  die  besten  Erfolge  erzielt  werden  dürften. 

Auch  im  vergangenen  Jahre  sind  die  Fragen,  welche  Fälle 
von  Lungenerkrankungen  (Lungentumoren,  grosse  Kavernen, 
Bronchiektasien)  sich  überhaupt  zum  operativen  Eingriff  eignen 
und  wie  im  einzelnen  Falle  vorzugehen  sei,  auf  Kongressen  und 
in  Vereinen  eifrig  diskutiert  worden.  Und  wenn  hier  auch  im 
einzelnen  noch  keineswegs  allseitige  Uebereinstimmung  erzielt 
worden  ist,  so  darf  man  doch  jetzt  schon  sagen,  dass  der  innere 
Mediziner  häufiger,  als  es  bisher  geschehen  ist,  bei  den  genannten 
Lungenerkrankungen  einen  etwaigen  operativen  Eingriff  in  E  r  - 
wägung  ziehen  sollte.  Von  hier  bis  zur  tatsächlichen  Opera¬ 
tion  bedarf  es  allerdings  in  jedem  Falle  einer  häufigen  gründ¬ 

i  Demonstration,  bestimmt  für  (len  22.  oberrheinischen 
Airztt  lag  zu  Freiburg  i/B.  am  17.  Juli  1902. 


liehen  Untersuchung,  einer  längeren  Beobachtung  des  Kranken 
und  genauen  Indikationsstellung  im  Verein  mit  dem  Chirurgen. 

So  ist  in  dem  Falle  verfahren  worden,  den  ich  mir  erlauben 
möchte,  Ihnen  hier  kurz  zu  demonstrieren.  Es  handelt  sich  um 
einen  9  jährigen  Knaben,  bei  dem  sich  seit  dem  4.  Lebensjahre 

—  vielleicht  im  Anschluss  an  eine  Fremdkörperaspiration  — 
eine  umschriebene  Verdichtung  nicht  tuber¬ 
kulöser  Natur  und  beginnende  Schrumpfung 
mit  Bronchiektasien  im  linken  Unterlappen 
ausgebildet  hatte. 

Die  Einzelheiten  des  Verlaufs,  der  Operation  und  des  Ver¬ 
haltens  nach  der  Operation  bitte  ich  Sie,  aus  der  folgenden 
Krankengeschichte  zu  entnehmen. 

O.  B.,  Ojälir.  Knabe  aus  einem  Höllenluftkurort  im  Schwarz¬ 
wald.  Eltern  gesund.  Die  älteste  Schwester  des  rat.  (Im  ganzen 
10  Kinder)  ist  wegen  nervöser  Beschwerden  von  mir  behandelt 
worden.  Es  bestand  bei  ihr  auch  zeitweilig  Verdacht  auf  eine  be¬ 
ginnende  rechtsseitige  Lungenspitzenaffektion.  Der  Knabe,  früher 
gesund,  soll  im  4.  Lebensjahre  eine  „A  ehre  ver¬ 
schluck  t“  haben.  Seitdem  viel  Hüsteln  und  zeitweise 
bei  starken  Hustenanfällen  reichliche  Ent¬ 
leerung  eines  stark  riechenden  eitrigen  Aus- 
w  u  r  f  s.  Appetit  gut.  Kein  Fieber.  Allgemeinbefinden  in  den 
freien  Zeiten  gut.  Ernährungszustand  massig.  Aussehen  blass. 

—  Harn:  E.  0,  Z.  0. 

Lungenbefund  (24.  IX.  1901):  LHU  an  umschriebener 
handtellergrosser  Stelle  Dämpfung  und  neben  B.-A.  knatterndes 
Rasseln;  sonst  über  beiden  Lungen  pueriles  V.-A.  29.  XI.  01  (Unter¬ 
suchung  von  Geh. -Rat  Bäu  ml  er):  Von  der  7.  Rippe  ab¬ 
wärts  beginnt  LHU  eine  Dämpfung  mit  einem  äusseren 
Bezirk  heller  tympanitischen  und  einem  inneren  tiefer  tyrnpa- 
nitischen  Schalles.  Im  Bereich  der  Dämpfung  B.-A.  mit  mittel- 
grossblasigem,  besonders  im  inneren  Bezirk 
klingenden  Rasseln.  Das  Zwerchfell  steht  links 
etwas  höher  als  normal;  das  Herz  ist  um  etwa  1  yz  cm 
nach  links  verlagert. 

Pat.  befand  sich  auf  meinen  Rat  seit  November  1901  zur 
eventuell  operativen  Inangriffnahme  des  Lungenherdes  in  der 
chirurgischen  Klinik.  Die  dort  vorgenommene  Röntgen- 
untersuc  li  u  n  g  (Dr.  Pert  z)  hatte  ein  völlig  negatives 
Resultat.  Bei  unverändert  gutem  Allgemeinbefinden  entleerte  der 
Pat.  zeitweise  unter  starken  Hustenanfällen  ziemlich  reichliche 
Mengen  eines  nur  fade  riechenden  eitrigen  Auswurfs,  der 
frei  von  Tuberkelbazillen  .war  und  Bacter.  coli  und  Streptokokken 
enthielt.  Auch  wenn  man  den  Pat.  auf  den  Bauch 
legte,  entle'erte  sich  alsbald  nach  einigen  Hustenstössen 
reichlich  derselbe  eitrige  Auswurf.  Im  Harn 
fand  sich  nichts  Besonderes. 

Geh.  Hofrat  Kraske  schritt,  nachdem  wir  noch  mehrmals  (len 
Pat.  gemeinsam  und  auch  mit  Geh. -Rat  Bäumler  untersucht 
und  im  wesentlichen  stets  den  gleichen  Lungen¬ 
befund  konstatiert  hatten,  am  22.  I.  02  zunächst  zur 
Resektion  der  9. — 7.  Rippe  im  Bereich  der  Dämpfung. 
Es  fand  sich  hier  eine  ausgehnte  Verwachsung  der 
Pleuren  vor;  mehrmalige  Probepunktionen  ergaben 
völlig  negatives  Resultat.  Am  4.  II.  02.  nachdem  nichts 
Neues  im  weiteren  Verlaufe  aufgetreten  war.  wurden  nochmals 
im  Bereich  der  bereits  stark  retrahierteu 
Lungenpartie  Probepunktionen  vorgenommen, 
ohne  Resultat.  Am  13.  II.  02  wurde  vorsichtig  mit  dem 
Ther  m  okau  t*e  r  in  der  Höhe  der  7.  Rippe  etwa  5  cm  nach 
aussen  von  der  Wirbelsäule  vorgegangen.  Nachdem  sich  der 
Schorf  abgestossen,  gelangte  man  (4  Tage  später)  mit  der  Sonde 
in  eine  nach  der  Wirbelsäule  zu  gelegene  Höhle,  aus  der 
sich  bei  Hustenstössen  Luft  und  Eiter  ent¬ 
leerte  n.  Seitdem  expektorierte  Pat.  nichts  mehr  nach  oben, 
sondern  alles  Sekret  lief  durch  die  Lungenfistel 
ab.  Das  Allgemeinbefinden  war  stets  gut,  das  blasse  Aussehen 
machte  einer  frischen  blühenden  Gesichtsfarbe  Platz  und  Pat. 
nahm  stetig  an  Körpergewicht  zu.  Hustenanfälle  traten 
nicht  in  e  h  r  auf.  A  u  c  h  w  enn  man  den  Pat  länger  e 
Zeit  (bis  zu  y2  Stunde)  sich  auf  den  Bauch  legen 
1  i  e  s  s,  wurde  nichts  mehr  expektoriert. 

Bezüglich  des  genaueren  Verlaufs  der  Operation 
und  der  Nachbehandlung  entnehme  ich  der  von  Herrn 
Kollegen  Oberst  geführten  Krankengeschichte  noch  folgende 
Daten:  22.  I.  02:  In  Chloroformnarkose  Längschnitt  2  Finger  breit 
von  der  Wirbelsäule  entfernt  vom  7. — 11.  Dornfortsatz,  am  unteren 
Ende  senkrecht  dazu  Schnitt  nach  aussen.  Nach  dem  Zurück¬ 
schlagen  des  Lappens  und  Resektion  der  3  Rippen  (9..  8.  und  7.) 
erscheint  die  verdickte  und  mit  der  Lungenpleura  verwachsene 
Pleura  costalis.  Bei  der  Exspiration  bläht  sich  die 
Lunge,  besonders  bei  Hustenstössen,  die  jetzt 
auftret  en,  mächtig  vor;  bei  der  Inspiration 
k  o  1 1  a  b  i  e  r  t  sie.  Da  die  Adhäsionen  der  Pleuren  nicht  überall 
solid  zu  sein  scheinen,  wird  die  vorliegende  Lungenpartie  mittels 
einiger  Nähte  in  der  Wunde  fixiert  und  die  Lungenoberfläche  tam- 


9  Th.  Gluck:  Die  Entwicklung  der  Lungenchirurgie.  Ver- 
liandl.  d.  Kongr.  f.  inn.  Med.  1901,  p.  478—492. 


7.  Oktober  1902. 


MüENCHENER  MFDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1645 


poniert.  Verband.  Pat.  klagt  Abends  über  Schmerzen,  besonders 
Hustenreiz,  der  jedoch  selten  eintritt.  Die  Atmung  ist  sehr  ober- 
füichlich. 

In  den  nächsten  Tagen  lassen  die  Schmerzen  nach,  die  At¬ 
mung  wird  wieder  tiefer  und  Pat.  erholt  sich  rasch.  Der  Verband 
wird  wegen  der  starken  Sekretion  aus  der  grossen  Weichteilwunde 
täglich  gewechselt. 

29.  I.  Nach  Entfernen  des  tiefen  Streifens  erscheint  die 
Lunge  zurückgewichen.  Pat.  hat  weiter  nichts  mehr  expektoriert. 
Nur  wenn  m  a  n  ihn  a  u  f  den  Bauch  legt,  hustet  e  r 
w  ieder,  wie  früher,  einen  Esslöffel  voll  d  ü  n  n  e  n, 
gelben  Eiter  aus.  Die  Wunde  granuliert  gut  und  beginnt 
sieh  zu  verkleinern. 

Mehrere  Punktionen  bleiben  resultatlos. 

9.  II.  Pat.  steht  einige  Stunden  auf  und  klagt  Abends  über 
Schmerzen  in  der  Wunde.  Temp.  Abends  39,5  bei  sonsti¬ 
gem  Wohlbefinden. 

10.  II.  Temp.  Abends  38,7.  Allgemeinbefinden  ungestört.  An 
der  Wunde  nichts  Besonderes. 

11.  II.  Temp.  wieder  zurückgegangen.  Pat.  hustet  n  u  r, 
wenn  man  ihn  in  Bauchlage  bring t. 

13.  II.  Mit  dem  Thermokauter  wird  ohne  Narkose  eine  Oeff- 
nung  in  die  Lunge  gebrannt.  Es  zischt  Luft  heraus.  Die 
Blut  u  ng  ist  sehrgering.  Sch  m  erzen  hat  Tat.  gar 
k  e  i  n  e.  Einfuhren  eines  Jodoformstreifens. 

IG.  II.  Nach  Entfernung  des  Streifens  sieht  man  eine 
schmale,  mit  gelbem,  zähem  Schleim  und  E  i  t  ei¬ 
te  i  1  w  e  i  s  e  angefüllte  Höhle,  die  sich  n  a  c  li  unte  n 
u  n  d  rechts  (nach  der  Wirbelsäule  zu)  mit  der  Sonde  etwa 
3  cm  verfolgen  lässt  (Bronchiektasie). 

In  den  folgenden  Tagen  findet  sicli  ziemlich  viel  Schleim  und 
Eiter  im  Verband,  und  mit  Ilustenstössen  wird  noch  mehr  heraus¬ 
geschleudert.  Aus  dem  Munde  kann  Pat.  nichts  me  h  r 
expektorieren,  auch  nicht  in  Bauchlage.  Die  Se¬ 
kretion  der  Lungenfistel  lässt  allmählich  nach.  Bei  der  Aus¬ 
kultation  noch  wenig  klingende  Rasselgeräusche.  Die  Fistel  hat 
die  Neigung,  sich  zu  schliessen. 

7.  bis  10.  III.  Unter  leichter  Temperatur  Steige¬ 
rung  entwickelt  sich  besonders  links  eine  Bron¬ 
chitis.  Die  Sekretion  aus  der  Fistel  in  dieser  Zeit  reichlicher. 

Der  Lungenbefu  n  d  war  am  21.  III.  folgender:  LHU  von 
der  7.  Rippe  ab  Dämpfung  mit  tympanitischem  Beiklang.  Das 
Atemgeräusch  ist  teils  verschärft  vesikulär,  teils  bronchial.  Nur 
noch  vereinzelte  klingende  Rasselgeräusche  im  Bereich  der  stark 
eingezogenen  vernarbenden  Wunde. 

Pat.  konnte  am  28.  III.  auf  einige  Tage  nach  Hause  entlassen 
werden. 

Das  Verhalten  der  Körpertemperat  u  r  vom 
8.  I.  02  bis  17.  III.  02  ist  aus  der  beigegebenen  Kurve  ersichtlich. 


Am  13.  Eröffnung  der  Lunge  mittels  Thermokauter. 

Aus  dem  am  10.  IV.  notierten  Befund 
ist  hervorzuheben,  dass  das  Allgemein¬ 
befinden  des  Pat.  während  der  ganzen  Zeit 
gut  blieb.  Pat.  hat  9  Pfund  zugenommen. 
Die  Gegend  der  7.  bis  9.  Rippe 
ist  stark  ein  gezogen,  nicht 
d  ruckempfindlic  li.  Die  Operations¬ 
wunde  ist  fast  vernarbt;  am  oberen  Ende,  an  Stelle  der 
Lungenfistel,  eine  trichterförmige  Einsen- 
k  u  n  g.  An  der  Wirbelsäule  sind  bis  jetzt  keine  Aenderungen 
auf  getreten. 

Die  Lungenfistel  war  im  ganzen  7  Wochen 
offen. 

Am  9.  V.  habe  ich  den  Pat.  nochmals  untersucht.  Das  Aus¬ 
sehen  und  Allgemeinbefinden  waren  sehr  gut.  Appetit  vortrefflich. 
Keine  Temperatursteigerungen.  Hie  und  da  Hustenreiz,  aber  ohne 
Auswurf.  Auch  wenn  man  den  Patienten  auf  den  Bauch  legt  (bis 
zu  einer  Viertelstunde),  tritt  kein  Husten  und  Auswurf  auf.  Die 
linke  untere  Lungengrenze,  höher  als  normal,  ist  in  der 
Skapularlinie  bei  tiefen  Inspirationen  gut  verschieblich.  Aussei"- 
halb  der  Narbe  besteht  keine  Dämpfung  mehr.  Zwischen  Narbe 
und  Wirbelsäule  ist  der  Schall  noch  abgeschwächt  und  hat  einen 
deutlichen  tympanitischen  Beiklang.  Das  Atemgeräusch  ist  jetzt 

No.  40. 


überall  verschärft  vesikulär,  kaum  stärker  als  auf  der  rechten 
Seite.  Der  Stimmfremitus  ist  auf  beiden  Seiten  gleich  schwach. 
Der  Befund  am  Herzen  (Verschiebung  nach  links)  wie  vor 
der  Operation.  Harn:  E.  0,  Z.  0. 

Am  11.  V.  hat  sich  der  Pat.  wieder  vorgestellt.  Aussehen  und 
Allgemeinbefinden  vortrefflich.  Kein  Fieber.  Appetit  gut.  'Kör¬ 
pergewicht  GG  Pfd.  (hat  also  noch  zugenommen). 

Nachts  und  gegen  Morgen  hie  und  da  Hustenreiz,  aber 
kein  Auswurf.  Jetzt,  auch  beim  Liegen  auf  dem  Bauch  (bis 
zu  20  Minuten)  etwas  Hustenreiz,  aber  kein  AuswurL  Lungen: 
Die  Dämpfung  LHU  innerhalb  der  Narbe,  zwischen  dieser  und  der* 
Wirbelsäule,  hat  sich  noch  mehr  aufgehellt.  An  umschriebener 
Stelle  in  der  Höhe  der  8.  Rippe,  ausserhalb  der  Narbe,  bronchiales 
Atmen  mit  wenig  feinblasigen,  knatternden  Rasselgeräuschen. 
Sonst  zur  Zeit  über  beiden  Lungen  reines  pueriles  Atmen.  Der 
übrige  Befund  (namentlich  auch  bezüglich  der  Herzverlagerung) 
ist  der  gleiche  wie  früher.  Die  Narbe  ist  am  oberen  Ende  nicht 
mehr  so  tief  wie  früher  eingezogen.  An  der  Wirbelsäule  macht 
sich  bis  jetzt  keine  Richtungsveränderung  geltend. 

Ich  glaube,  Sie  werden  mit  mir  überzeugt  sein,  dass  dem 
Patienten  durch  die  Operation  nicht  geschadet  worden  ist.  Viel¬ 
mehr  darf  man  annehmen,  dass  die  Entfernung  des  Se¬ 
kretes  auf  dem  kürzeren  Weg  durch  die  Fistel 
während  der  7  Wochen  der  Bronchialschleimhaut, 
die  sonst  damit  benetzt  worden  ist,  zu  gute 
gekommen  ist,  und  vor  allem  darf  man  erwarten,  dass  sich 
jetzt  nach  der  ausgiebigen  Thoraxresektion 
die  Schrumpfung  des  Lungengewebes  viel 
rascher  und  vollständiger  vollziehen  kann. 


Aus  der  k.  k.  Krankenanstalt  „Rudolf Stiftung“  in  Wien. 

Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Blasenerkrankungen 
und  Myomen  mit  Rücksicht  auf  die  Prognose  der¬ 
selben. 

V on  Dr.  Wilhelm  Hahn, 

gew.  Operationszögling  der  II.  geburtsh.-gynäkol.  Klinik  in  Wien, 
derz.  Sekundärarzt  obigen  Spitals. 

Hie  Aetiologie  der  Cystitis  hat  in  den  letzten  Jahren  wesent¬ 
liche  Umwandlungen  erfahren,  die  durch  die  bakteriologischen 
Befunde  bedingt  wurden.  Ja  man  ging  so  weit.,  die  früher  am 
meisten  beschuldigten  ätiologischen  Momente  der  Cystitis,  wie 
die  Erkältung,  ganz  beiseite  zu  schieben  und  rein  bakterielle 
Ursachen  gelten  zu  lassen.  Denselben  Vorgang  konnte  man  vor 
nicht  langer  Zeit  bei  den  sogen.  Erkältungskrankheiten,  wie 
Pneumonie,  Pleuritis  etc.,  beobachten.  Die  starren  Anhänger  der 
Bakteriologie  hielten  nach  wie  vor  daran  fest,  dass  nur  die  spe¬ 
zifischen  Bakterien,  wie  der  Pneumokokkus,  die  Krankheit  her- 
vorrufen,  während  die  weniger  Radikalen  die  Erkältung  wenig¬ 
stens  als  prädisponierendes  Moment  gelten  Hessen.  Wohl  das 
giösste  Verdienst  um  die  Aufhellung  der  Aetiolog’ie  der  Cystitis 
hat  sich  B  a  r  1  o  w  erworben,  welcher  nachwies,  dass  ohne  Trauma, 
ohne  Harnverhaltung  und  ohne  ammoniakalische  Gährung 
allein  durch  in  die  Blase  injizierte  Bacterium  coli-  oder  Staphylo¬ 
kokkenkulturen  eine  Cystitis  entstehen  kann.  Bei  der  durch  „An- 
katheterisieren“,  wie  Olshausen  sagt,  erzeugten  Cystitis  —  wohl 
der  häufigsten  aller  Ursachen  überhaupt  —  trifft  die  Behauptung 
B  a  r  1  o  w  s  sicher  zu.  Denn  dabei  werden  ja  die  Bakterien  direkt 
wie  bei  einem  Impfversuch  in  die  Blase  gebracht.  Aber  auch  hier 
kann  man  entgegenhalten,  dass  nicht  in  allen  Fällen,  wo  unsauber 
katheterisiert  wurde,  Cystitis  entsteht,  demnach  in  den  Fällen, 
wo  sie  zu  stände  kommt,  noch  eine  andere  prädisponierende  Ur¬ 
sache  ausser  der  bakteriellen  Infektion  vorhanden  gewesen  sein 
müsse.  Gerade  der  Umstand,  dass  im  Wochenbett  und  bei 
schwangeren  Frauen  durch  Katheterismus  so  häufig  Cystitis  ent¬ 
steht,  spricht  dafür,  dass  Kongestionszustände  der  Blase,  wie  sie 
ja  während  der  Gravidität  und  auch  noch  im  Wochenbett  be¬ 
stehen,  zur  Entstehung  einer  Cystitis  prädisponieren.  G  u  y  o  n 
tritt  besonders  warm  für  dieses  Moment  bei  der  Entstehung  der 
Cystitis  ein  und,  wie  mir  scheint,  mit  vollem  Rechte.  Besonders 
wichtig  ist  aber  auch  die  Harnretention,  welche  zur  Zer¬ 
setzung  des  Urins  führt.  Die  Harnretention  ist,  wie  jeder  be¬ 
schäftigte  Gynäkologe  wissen  wird,  ein  bei  Frauen  sehr  ver¬ 
breitetes  Uebel, ,  besonders  in  den  besseren  Gesellschaftsklassen. 
Aus  Schicklichkeitsrücksichten  halten  die  Frauen  oft  den  ganzen 
Nachmittag  bis  spät  in  die  Nacht  den  Urin  zurück,  so  dass  sie 
im  Tage  oft  nur  2 — 3  mal,  ja  in  manchen  Fällen,  die  ich  selbst 
gesehen  habe,  auch  nur  einmal  des  Tages  urinieren.  Dies  ist  um 
so  merkwürdiger,  als  die  weibliche  Blase  eine  geringere  Kapazität 

2 


1646 


MUENCIIENER  MEDICINTSCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4Ö. 


hat  als-  die  männliche.  Bei  Injektionen  von  200 — 250  g  Flüssig¬ 
keit  in  die  Blase  wird  oft  bei  ganz  gesunder  Blase  schon  Tenes- 
mus  empfunden.  Hingegen  ist  es  wiederholt  beobachtet  worden, 
dass  die  Blase  andererseits  eine  enorme  Dehnungsfähigkeit  be¬ 
sitzt.  F  ritsch  beobachtete  Fälle,  wo  24  Stunden  nach  der  Ent¬ 
bindung  bis  1  Liter  Urin  mit  dem  Katheter  entleert  wurde. 
Noch  grössere  Mengen  finden  sich  in  den  Fällen,  wo  bei  inkarze- 
riertein  retroflektiertem  Uterus  durch  Auszerrung  der  Harnröhre 
und  Abbindung  im  unteren  Teil  der  Ausfluss  gehemmt  ist.  Ich 
sah  einen  solchen  Fall  auf  der  Klinik  C  h  r  o  b  a  k  in  Wien.  Die 
Patientin  wurde  mit  Aszites  auf  die  interne  Abteilung  des  Pro¬ 
fessor  D  r  a  s  c  h  e  aufgenommen  und  nach  Feststellung  der  Dia¬ 
gnose  (Ketroflexio  uteri  gravidi  incarcerata)  auf  die  Klinik  trans¬ 
feriert.  Es  wurde  unter  grosser  Anstrengung  ein  Katheter  ein¬ 
geführt  und  nahezu  4  Liter  eines  blutig  fingierten  Urins  ent¬ 
leert.  Nach  der  Entleerung  gelang  die  Reposition  leicht.  Durch 
Einlegung  eines  Verweilkatheters  und  mehrmalige  tägliche  Aus¬ 
spülungen  wurde  nach  6  Wochen  Heilung  erzielt.  Der  Fall  ist 
von  Dr.  Heinrich  K  e  i  1 1  e  r  in  der  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u. 
Gyn.  eingehend  beschrieben  worden.  Diese  grosse  Ausdehnungs¬ 
fähigkeit  der  weiblichen  Blase  erklärt  es,  dass  sich  Frauen  das 
Urinieren  förmlich  abgewöhnen  können  und  nur  1 — 2  mal  im 
Tage  grosse  Urinmengen  lassen.  Freilich  bleibt  diese  üble,  nicht 
genug  zu  bekämpfende  Angewohnheit  nicht  ohne  Folgen.  Die 
Blasenmuskulatur  wird  zu  sehr  ausgedehnt  und  verliert  ihre  Ela¬ 
stizität  und  nicht  selten  tritt  Lähmung  der  Blasenmuskeln  mit 
folgender  Inkontinenz  ein. 

Sehr  häufig  nun  sind  bei  solchen  Frauen,  die  in  der  Jugend 
so  selten  urinierten,  im  Alter  Blasenkatarrhe  anzutreffen,  deren 
Aetiologie  natürlich  in  jedem  Falle  eine  andere  sein  kann. 
Sicher  aber  spielt  bei  allen  die  Hamstauung  mit  der  darauf¬ 
folgenden  Zersetzung  eine  grosse  Rolle. 

Wenig  gewürdigt  für  die  Aetiologie  des  Blasenkatarrhs  sind 
bis  jetzt  die  Lageveränderungen  und  Tumoren  des  Uterus,  spe¬ 
ziell  die  Myom  e.  Schon  die  Lageanomalien  des  nicht-myoma- 
tösen  Uterus  bedingen  vielfache  Blasenstörungen.  Ist  der  Uterus 
vollständig  frei  beweglich,  so  dass  er  die  verschiedenen  physio¬ 
logischen  Lagen  je  nach  der  Beschaffenheit  der  Nebenorgane 
und  nach  der  Stellung  der  Frau  einnehmen  kann,  so  wird  von 
durch  ihn  bewirkten  Blasenstörungen  keine  Rede  sein  können. 
Ganz  anders  verhält  es  sich  schon,  wenn  seine  Beweglichkeit 
auch  nur  in  einer  Richtung  gestört  ist.  Bei  Füllung  der  Blase 
wird  der  Uterus  nach  dieser  Richtung  hin  nicht  ausweichen  und 
die  Kapazität  der  Blase  daher  verringern.  Bei  Anteflexion  des 
Uterus  finden  wir  ganz  beträchtliche  Blasenstörungen.  Dadurch, 
dass  der  Uteruskörper  in  einem  spitzen  Winkel  zur  Zervix  ab¬ 
geknickt  ist,  halten  ihn  die  Därme  fest  gegen  die  Blase  gepresst, 
wodurch  die  normale  Ausdehnung  der  Blase  gehindert  wird. 
Namentlich  zur  Zeit  der  Menstruation,  wo  der  Uterus  schwerer, 
also  sein  Druck  empfindlicher  ist  und  die  Nerven  durch  eine 
Hyperämie  gereizt  werden,  besteht  oft  unerträglicher  Urindrang. 
Myome  im  Uteruskörper  verstärken  natürlich  noch  die  Be¬ 
schwerden.  Ein  fast  ganz  harmloses  Myom  in  der  vorderen  oder 
hinteren  Uteruswand,  welches  keine  Symptome  macht,  als  dass 
es  vielleicht  an  der  Anteflexion  mit  schuld  war,  gibt  also  in  sol¬ 
chen  Fällen  Anlass  zu  den  heftigsten  Blasenbeschwerden.  Da 
das  Myom,  wenn  meist  auch  langsam,  wächst  und  die  spitz¬ 
winkligen  Anteflexionen  sehr  schwer  zu  beheben  sind,  so  wird 
durch  die  dauernde  Irritation  der  Blase  sich  leicht  im  späteren 
Alter  eine  Hypertrophie  mit  Schrumpfung  der  Wände  einstellen 
können,  die  zu  den  qualvollsten  Zuständen  gehört,  die  es  gibt. 
Die  an  und  für  sich  ausserordentlich  günstige  Prognose  des 
Myoms,  das  keine  Blutungen,  keine  Schmerzen  machte  und  auch 
keine  Tendenz  zur  Degeneration  hatte,  wird  durch  die  konsekutive 
Blasenerkrankung  sehr  getrübt.  Aehnlich  verhält  es  sich  bei 
Anteversio  und  Anteversio-flexio  üteri.  Geringere  Blasenbeschwer¬ 
den  machen  die  Retroversio  und  Retroflexio  uteri.  Auch  hier 
werden  dieselben  durch  im  Uteruskorpus  vorhandene  Myome 
wesentlich  gesteigert.  Myome,  die  sich  inkarzerieren,  machen 
Urinbeschwerden,  wie  ein  l-etroflektierter,  eingeklemmter,  gra¬ 
vider  Uterus.  Myome,  die  höher  oben  im  Bauchraume  liegen 
und  stielartige  Fortsätze  haben,  können  eine  Kompression  der 
Ureteren  bewirken  und  dadurch  zu  Ilydronephrose,  Pyelitis  etc. 
Anlass  geben.  Durch  Druck  auf  die  Schenkelgefässe  kommt  es 
zu  Varizen,  und  die  1x4  Frauen  so  häufig  beobachteten  enormen 
Varizenbildungen  sind  nicht  selten  neben  der  Art  der  Beschäf¬ 


tigung,  wobei  die  Frauen  viel  stehen  müssen,  und  neben  dem  Ein¬ 
flüsse  mehrfacher  Graviditäten  auf  lang  getragene  Myome  zurück¬ 
zuführen.  Ich  selbst  habe  in  der  Ambulanz  an  der  Klinik  viele 
Frauen  gesehen,  die  sehr  starke  Varizen,  aber  weder  eine  stehende 
Beschäftigung  noch  viele  Kinder  hatten.  Hingegen  bestand  in 
mehreren  Fällen  ein  über  zweifaustgrosser  myomatöser  Uterus, 
der  den  Frauen  Blasenbeschwerden  machte.  Obwohl  die  Frauen 
über  das  Klimakterium  hinaus  waren  und  ihnen  die  Myome  an 
und  für  sich  keine  Beschwerden  machten,  wurden  dieselben,  da 
die  Blasenbeschwerden  nicht  nachliessen,  exstirpiert,  wonach  wie 
mit  einem  Schlage  die  reguläre  Funktion  der  Blase  sich  wieder 
herstellte.  Bei  chronischem  Blasenkatarh  und  zugleich  vor¬ 
handenen  Myomen,  die  buchtenartig  in  die  Blase  vorragen  und 
so  Divertikel  bilden,  die  immer  eitrigen  Residualharn  enthalten, 
wird  man  oft  mit  keiner  anderen  Behandlung  als  mit  der  Ex¬ 
stirpation  der  Myome  etwas  ausrichten  können.  In  sehr  Ver¬ 
alteten  Fällen  freilich,  wo  die  Myome  schon  jahrelang  auf  die 
Blase  drückten,  wird  auch  dieses  Ultimum  refugium  nichts  mehr 
nützen  und  sich  die  Blase  auch  nach  der  Totalexstirpation  nicht 
mehr  erholen. 

Das  also,  worauf  ich  hier  aufmerksam  machen  wollte,  ist 
der  Umstand,  dass  wir  bei  der  Erwägung  der  Prognose  der 
M  y  o  m  e  und  einer  ihrethalben  vorzunehmenden  Operation  auch 
vor  allem  darauf  achten  müssen,  ob  das  Myom  keine  Blasen¬ 
störungen  macht.  Ist  dies  der  Fall,  so  wird  man  sich  auch 
bei  sonst  fehlenden  Symptomen,  wie  Blutung,  Schmerzen,  Dys- 
mennorrhöebeschwerden  etc.,  zur  Operation  entschliessen  müssen, 
was  um  so  leichter  ist,  als  die  Operationstechnik  der  Myome 
gerade  in  der  letzten  Zeit  zu  ungeahnter  Höhe  gediehen  ist. 


Aus  der  Bettinastiftung,  k.  k.  Kaiserin-Elisabeth-Krankenhaus, 
Wien  (Vorstand:  Prof.  Wert  heim). 

Ueber  die  post-operative  Harnverhaltung  und  deren 

Folgen. 

Von  Dr.  Fred  T  a  u  s  s  i  g,  Hospitant,  St.  Louis,  Amerika. 

Die  in  den  letzten  10  Jahren  erschienenen  Arbeiten  von 
E.  Rehfisch  [1]  und  M.  v.  Z  e  i  s  s  1  [2]  haben  unsere  Kennt¬ 
nisse  über  die  physiologische  Harnentleerung  wesentlich  be¬ 
reichert.  Von  besonderer  Wichtigkeit  war  der  Nachweis,  dass  der 
Detrusor  vesicae  nicht,  wie  man  früher  glaubte,  den  Sphincter 
internus  urethrae  überwältigt,  sondern  dass  das  Wesentliche  in 
der  Entleerung  der  Blase  ein  Sinken  des  Sphinktertonus  ist, 
der  Detrusor  vesicae  also  nur  eine  geringfügige  Rolle  bei  diesem 
Vorgang  spielt.  Dennoch  gibt  es  noch  manches  auf  diesem  Ge¬ 
biete,  was  unerklärt  blieb.  So  z.  B.  ist  der  Streit  über  das  Vor¬ 
kommen  von  Hemmungsfasern  im  Nervus  hypogastricus  noch 
nicht  beendigt;  auch  über  das  Entstehen  von  Harndrang 
existieren  die  verschiedensten  Meinungen.  Es  ist  deshalb  nicht 
erstaunlich,  dass  wir  über  pathologische  Prozesse  wie  Harnver¬ 
haltung  noch  immer  wenig  Positives  wissen. 

Harnverhaltung  bei  Paresen,  Prostatahypertrophien  und 
Blasensteinen  ist  schon  vielfach  in  der  Literatur  besprochen  wor¬ 
den.  Dagegen  finden  sich  verhältnismässig  wenige  Angaben 
über  die  Harnverhaltung  nach  Operationen,  besonders  nach 
solchen  der  weiblichen  Beckenorgane.  Ist  es  doch  eine  ganz  ge¬ 
wöhnliche  Beobachtung,  dass  die  Patientin  24  bis  48  Stunden 
nach  einer  solchen  Operation  nicht  im  Stande  ist,  spontan  zu 
urinieren.  Bei  eingreifenderen  Operationen  dauert  die  Harn¬ 
verhaltung  oft  noch  länger  an. 

Dies  ist  für  die  Patientin  nicht  nur  wegen  der  Notwendig¬ 
keit  des  wiederholten  Katheterisierens  ein  unangenehmes  Er¬ 
eignis,  sondern  bringt  auch  gewisse  Gefahren  mit  sich,  be¬ 
sonders  wenn  die  Blase,  wie  dies  nach  Operationen  im  kleinen 
Becken  öfters  der  Fall  ist,  sich  in  einem  Zustand  des  Reizes 
befindet.  Nach  langdauernder  Harnverhaltung  kommt  es  gar 
nicht  selten,  trotz  aller  Sorgfalt,  zu  einer  Infektion  der  Blase, 
und  damit  zur  Cystitis.  Diese  allein  kann  solche  Beschwerden 
verursachen,  dass  der  Erfolg  einer  in  sonstiger  Beziehung  gut 
verlaufenen  Operation  geradezu  vernichtet  wird;  ganz  abgesehen 
von  IJreteritis,  Pyelitis  oder  gar  Pyelonephritis  infolge  aszen- 
dierender  Infektion  der  Harnwege.  Dieser  allerdings  seltene  Zu¬ 
fall  kann  die  Patientin  unter  Umständen  in  einen  schlimmeren 
Zustand  versetzen,  als  vor  der  Operation  bestand.  Die  post¬ 
operative  Harnverhaltung  ist  deshalb  von  der  grössten  Wichtig- 


7.  Oktober  1902. 


1647 


MUE N CHENER  MEDICINISCHE 

—  7 - - - - - 


WOCHENSCHRIFT. 


keit ,  und  würde  es  mich,  freuen,  wenn  ich  durch  vorliegende 
Ai  beit  das  Interesse  an  diesem  leider  etwas  vernachlässigten  Ge¬ 
biete  erhöhen  könnte. 

Es  wuide  mir  im  Bettinapavillon  die  Gelegenheit  gegeben, 
die  Harnverhaltung  nach  gynäkologischen  Operationen  genauer 
zu  studieren.  Lin  eine  \  orstellung  von  der  Häufigkeit  ihres 
Vorkommens  zu  gewinnen,  benutzte  ich  das  Material  der  Jahre 
1899 — 1901  zu  einer  Zusammenstellung  aller  gynäkologischen 
Operationen.  Es  sind  in  der  nachfolgenden  Tabelle  die  Fälle 
dieser  J ahre  eingereiht  worden,  von  den  1  e  i  c  h  t  e  s  t  e  n,  wie  der 
einfachen  Coeliotomia  anterior  bis  zu  den  schwierigsten, 
wie  der  abdominalen  Radikaloperation  des  Carcinoma  uteri  nach 
W  ertheim: 


Zahl 

der 

Fälle 

Reten¬ 

tion 

über 

3  Tage 

Reten¬ 

tion 

über 

6  Tage 

Prozentsatz 

der  Reten-  J 

tionen  über 

6  Tage 

Coeliotomia  anterior  .... 

69 

5 

1 

1,4  Pioz. 

Vaginale  Totalexstirpation . 

102 

G 

2 

9 

Abdominale  Totalexstirpation  .... 

29 

3 

1 

3,4  „ 

Pelottenoperation  (nach  W  e  r  t  h  e  i  m) 

28 

6 

4 

14  „ 

Abdominale  Radikaloperation  .... 

54 

40 

35 

64  „ 

Gesamtzahl 

282 

60 

43 

1 5  l’ruz. 

Bei  allen  diesen  Operationen  kommt  es  zu  einer  mehr  oder 
weniger  weiten  Ablösung  der  Blase  von  ihrer  Umgebung.  Auf¬ 
fallend  ist  auch  die  U  ebereinstimmung  der  Aus¬ 
dehnung  dieser  Ablösung  mit  der  Häufigkeit 
der  Retentionen,  so  dass  ein  Zusammenhang  zwischen 
beiden  sehr  wahrscheinlich  wird.  Die  etwas  grössere  Häufigkeit 
der  Retention  bei  abdominalen  im  Vergleich  zu  vaginalen  Total¬ 
exstirpationen  könnte  auf  die  Laparotomie  und  die  dadurch  be¬ 
dingte  Ausschaltung  der  Bauchpresse  zurückgeführt  werden, 
doch  leitet  der  bedeutende  Unterschied  zwischen  den  wegen  Karzi¬ 
nom  und  den  wegen  anderer  Krankheitsprozesse  Laparotomierten 
darauf  hin,  dass  dieses  Moment  nur  in  geringem  Masse  in  Be¬ 
tracht  kommt. 

Bei  den  Prolapsoperationen  kann  man  die  früher  bestehende 
Cvstocele  mit  der  darauffolgenden  Erschlaffung  der  Blasen¬ 
muskulatur  zum  grössten  Teil  für  die  postoperative  Harnver¬ 
haltung  verantwortlich  machen.  Ob  man  auch  bei  den  Karzinom- 
fällen  den  Krankheitsprozess  als  Ursache  anführen  kann,  scheint  ! 
mir  sehr  zweifelhaft.  Die  Blase  ist  nur  in  den  weitvorge¬ 
schrittenen  Fällen  ergriffen  und  wenn  auch  manches  dieser  Kar¬ 
zinome  unter  den  durch  die  abdominale  Radikaloperation  er¬ 
weiterten  Indikationen  noch  zur  Operation  gelangt,  geschieht  dies 
doch  nicht  so  häufig,  dass  es  den  bedeutenden  Prozentsatz  der 
Retentionen  erklären  könnte.  Dafür,  dass  der  Krankheitsprozess 
allein  nicht  an  der  Retention  schuld  ist,  spricht  auch,  dass  in 
den  Ausnahmefällen,  wo  aus  einem  besonderen  Grunde  das  Karzi¬ 
nom  vaginal  entfernt  wurde,  die  Frauen  stets  spontan  urinierten. 

Man  ist  deshalb  gezwungen,  die  Ursache  in  dem  Operations¬ 
verfahren  zu  suchen.  Hier  ist  in  erster  Linie  ausser  der  Drüsen¬ 
ausräumung,  die  kaum  in  einer  Beziehung  zur  Urinretention 
steht,  die  ausgiebige  Entfernung  der  Para¬ 
metrien  zu  berücksichtigen.  LTm  diese  in  vollstem 
Masse  zu  ermöglichen,  wird  der  Ureter  bis  zu  seiner  Eintritts¬ 
stelle  in  die  Blase  freigelegt,  und  die  Blase  selbst  in  einem  gbossen 
Umfang  von  dem  umgebenden  Bindegewebe  losgelöst. 

Es  lag  der  Gedanke  nahe  [3],  dass  diese  Loslösung,  wie 
F  eitel  [4]  für  den  Ureter  zeigte,  auch  bei  der  Blase  zu  Er¬ 
nährungsstörungen  und  indirekt  zu  Harnverhaltung  und  Cystitis 
führen  könnte.  Doch  sprechen  mehrere  Umstände  gegen  diese 
Annahme.  Erstens  kam  es  bei  der  Blase  nie  zu  Nekrosenfisteln, 
die  man  bei  schweren  Ernährungsstörungen  erwarten  würde; 
ferner  zeigten  wiederholte  mikroskopische  Urinuntersuchungen, 
dass  in  der  ersten  Woche  nach  der  Operation  der 
Ha  rn  stets  klarund  ohne  z  eilige  Bestandteile  ! 
in  wesentlicher  Menge  war.  Eine  Zirkulationsstörung 
hätte  sofort  zu  Epithelabstossung  und  Austritt  von  Leukocyten 
und  roten  Blutkörperchen  geführt.  Erst  nach  6 — 8  Tagen  trat 
eine  Cystitis  auf,  die  man  der  andauernden  Harnverhaltung  zur 


Last  legen  musste.  Endlich  wurde  in  4  der  operierten  Fälle  der 
Versuch  gemacht,  durch  eine  Veränderung  in  der  Peritonealnaht, 
ähnlich  der  von  Kroenig  in  der  Monatsschr.  f.  Gynäkol. 
vorgeschlagenen,  die  Blutzufuhr  zur  Blase  zu  befördern.  Nach 
Entfernung  des  Uterus  und  der  Adnexe,  wurde  nämlich  das 
Blasenperitoneum  nicht  wie  gewöhnlich  an  das  Peritoneum  des 
Douglas  genäht,  sondern  an  die  vordere  Vaginalwand.  Es  lag 
also  die  Blase  in  einem  mit  Peritoneum  bekleideten  Raum.  Da 
konnte  es  schwer  zu  bedeutenden  Ernährungsstörungen  kommen. 
Trotzdem  trat  aber  Harnverhaltung  wie  in  den  früheren 
Fällen,  auf. 

Eine  Zirkulationsstörung  war  also  trotz  weitgehender  Ex¬ 
stirpation  des  parametranen  und  paravesikalen  Gewebes  mit 
seinen  Blut-  und  Lymphgefässen  nicht  anzunehmen.  In  diesem 
Gewebe  befinden  sich  aber  auch  die  Blasenganglien  und 
N  erven.  Ich  will  diesbezüglich  folgende  anatomische  An¬ 
gaben  zitieren: 

Nagel  [5] :  „Ausser  dem  Zervikalganglion  befinden  sich  noch 
zwei  andere  Ganglien  (.Vesikalganglien  Lee)  .  .  .  von  welchen  das 
äussere  (grössere)  an  der  äusseren  Seite  des  Ureters,  unmittelbar 
von  seinem  Eintritt  in  die  Blase,  das  innere  (kleinere)  hingegen 
nach  innen  von  dem  Ureter,  unmittelbar  an  der  Gebärmutter 
liegt.“ 

K  öllik  er  [G] :  „Die  Nerven  der  ableitenden  Harnwege 
bilden  vorzüglich  die  Arterien  begleitende  Geflechte,  welche  auch 
zahlreiche  Ganglien  enthalten,  wie  für  die  Blase  Bema  k  zuerst 
nachwies.“ 

Waldeyer  [7] :  „Beim  Menschen  liegt  zur  Seite  der  Blase, 
namentlich  an  deren  Grund,  ein  starker  gangliöser  Plexus,  Plexus 
vesicalis  .  .  .  Nach  Hirschfeld  zeichnet  sich  in  diesem  Plexus 
häufig  ein  jederseitig  im  Niveau  des  Uretereintrittes  liegendes 
Ganglion  aus.“ 

Diese  anatomische  Tatsache  wurde  durch  mikroskopische 
Untersuchungen  der  Karzinompräparate  erhärtet.  Es  wurde 
nämlich  zu  anderem  Zwecke  im  Laboratorium  der  Bettinastif¬ 
tung  das  am  exstirpierten  Uterus  hängende  Bindegewebe  von 
30  Fällen  in  lückenlose  Serien  zerlegt  und  dabei  in  den  meisten 
Fällen  zahlreiche  Ganglien  und  Nerven  gefunden,  die  ihrem  Sitz 
nach  wenigstens  zum  Teil  dem  Plexus  vesicalis  angehörten. 

Es  ist  nach  dem  Vorhergehenden  anzunehmen,  dass  durch 
die  radikale  Entfernung  der  Parametrien 
eine  nicht  zu  verachtende  Störung  der  Blasen¬ 
innervation  erfolgt.  Gegen  die  Annahme,  dass  diese 
Störung  notwendigerweise  Harnverhaltung  erzeugen  müsse, 
könnte  man  wohl  die  Tierversuche  v.  Zeissls  [2]  anführen, 
in  welchen  nach  Durchschneidung  beider  Hauptblasennerven, 
Hypogastricus  und  Erigens,  keine  Harnverhaltung  auftrat.  Doch 
waren  hier  die  Ganglien  nicht  entfernt,  so  dass  ein  Vergleich 
nicht  am  Platze  ist. 

Ein  anderes  Resultat  ergaben  die  Versuche  von  Goltz  und 
Ewald  [8].  Nach  Entfernung  des  lumbalen  und  sakralen 
Teiles  aus  dem  Rückenmarke  eines  Hundes  trat  Harnretention 
ein.  Die  Blase  musste  in  jedem  Fall  längere  Zeit  durch  Ex¬ 
pression  entleert  werden.  Allmählich  besserte  sich  der  Zustand, 
so  dass  der  Harn  von  selbst,  und  zwar  in  grösseren  Mengen  auf 
einmal  ausgetrieben  wurde.  Dies  wird  von  den  Autoren  in  fol¬ 
gender  Weise  erklärt.  Nachdem  die  spinale  Nervenquelle  aus¬ 
geschaltet  ist,  bleibt  noch  die  sympathische.  Doch  ist  der  Nerven¬ 
schock  nach  der  Rückenmarksentfernung  so  gross,  dass  letztere 
Quelle  auch  darunter  leidet  und  nur  allmählich  ihre  Funktion 
wieder  übernimmt.  Aehnlich  würde  sich  die  Retention  nach  den 
Karzinomoperationen  erklären  lassen.  Die  zurückgebliebenen 
Blasenganglien  —  denn  alle  werden  wohl  niemals  entfernt  — 
müssen  sich  erst  von  dem  Eingriffe  und  dem  Wundheilungspro¬ 
zess  erholen,  bis  sie  im  stände  sind,  eine  spontane  Blasenent¬ 
leerung  zu  bewirken.  War  die  Operation  einfacher,  so  dauerte 
die  Harnverhaltung  auch  kürzere  Zeit.  Bei  den  12  Fällen 
Wertheim  scher  Radikaloperation,  wo  die  Frauen  schon  in  den 
ersten  6  Tagen  spontan  urinierten,  handelte  es  sich  11  mal  um 
leichtere  Fälle,  nur  einmal  waren  die  Parametrien  infiltriert.  Die 
längste  Dauer  der  Harnretention  war  31  Tage,  und  selbst  nach 
dieser  Zeit  war  die  Entleerung  der  Blase  nicht  immer  vollständig. 
Es  wäre  noch  zu  erwähnen,  dass  die  Patientinnen  in  den  ersten 
2  Wochen  selten  Harndrang  verspürten. 

Die  unvermeidliche  Folge  der  Harnver¬ 
haltung  und  des  häufigen  Katheterisierens 
war  die  Cystitis.  Trotz  genauester  Anwendung  asep¬ 
tischer  Kautelen  beim  Gebrauch  des  Katheters  trat,  wenn  die 

2* 


1648 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  W 0 CHEN S CHRIET. 


No.  40. 


Retention  andauerte,  gewöhnlich  schon  am  6.  Tag  post  oper. 
eine  durch  Bakterien  und  Eiter  bedingte  Trübung  des  Urins  auf. 

Es  ist  schon  mancher  Vorschlag  gemacht  worden,  das  Ver¬ 
schleppen  von  Keimen  in  die  Blase  zu  vermeiden.  So  beschrieb 
erst  neulich  Rosenstein  [9]  einen  Doppelkatheter,  der  diesen 
Zweck  hat.  Er  besteht  aus  einer  Schutzhülse,  die  bis  zum 
Sphineter  urethrae  eingeführt  wird,  und  aus  dem  eigentlichen 
Katheter,  der,  durch  diese  Hülse  geleitet,  die  Urethralwand  nicht 
berührt.  Die  Idee  ist  nicht  neu,  wenn  auch  Rosenstein 
dies  nicht  erwähnt.  Melchior  [10]  hat  schon  1897  einen 
ähnlichen  Katheter  zur  sterilen  Entnahme  des -Urins  beschrieben. 
Auch  bei  uns  wurden  mehrfache  Versuche  mit  einem  Doppel¬ 
katheter  gemacht,  die  jedoch  nicht  befriedigten.  Erstens  kann 
es  durch  den  grösseren  Durchmesser  des  Instrumentes  bei  enger 
Urethra  leicht  zu  Verletzungen  kommen.  Ferner  ist  derselbe 
nicht  so  leicht  sterilisierbar.  Und  endlich  wirkt  die  Schutzhülse, 
mag  sie  auch  wie  die  von  Rosenstein  konstruiert  sein,  wie 
ein  Sammelrohr  für  das  Urethralsekret,  das  durch  den  inneren 
Katheter  doch  wieder  in  die  Blase  verschleppt  wird. 

In  unseren  Fällen  wurde  die  Urethra  zunächst  so  weit  als 
möglich  gründlich  gereinigt.  Nach  sorgfältiger  Waschung  der 
Urethralmündung  mit  Wasser  und  Sublimat  wurde  die  äussere 
Oeffnung  der  Urethra  mit  sterilem  Wasser  oder  4  proz.  Borsäure¬ 
lösung  längere  Zeit  bespült.  Dann  wurde  dieselbe  mit  sterilem 
Gazetupfer  getrocknet  und  der  ausgekochte  Katheter  eingeführt. 

Wo  keine  Cystitis  bestand  und  die  Harnentnahme  in  dieser 
Weise  ausgeführt  wurde,  zeigte  sich  der  Urin  bei  kultureller 
Prüfung  immer  bakterienfrei.  Natürlich  wurde,  wo  es  sich  um 
Kulturproben  handelte,  das  Waschen  mit  Sublimat  unterlassen. 
Leider  erfordert  diese  Prozedur  viel  Zeit  und  ist  bei  grossem 
Materiale  schwer  durchführbar. 

Uebrigens  ist  der  Katheterismus  nicht  das 
einzige  ätiologische  Moment  bakterieller 
Blaseninfektion.  Bakterien  können  ja  unter 
Umständen  auch  direkt  vom  Darm  in  die  Blase  e  i  n  - 
dringen.  Die  Tierexperimente  von  Faltin  [11]  haben 
diese  Tatsache  neuerlich  bestätigt.  Durch  Umstechung  der 
Urethra  erzeugte  dieser  Autor  eine  künstliche  Harnverhaltung, 
dann  machte  er  eine  kleine  Läsion  der  Rektalschleimhaut  und 
fand,  dass  die  Bakterien  direkt  durch  die  Lymphwege  die  Blase 
infizierten.  Auch  scheint  in  dieser  Beziehung  folgende  Bemer¬ 
kung  von  Goltz  und  Ewald  [8]  über  ihre  Ilundeexperi- 
mente  interessant:  „Besonderen  Verdruss  bereitete  uns  die  häu¬ 
fige  Erkrankung  der  Blase.  Die  meisten  Tiere  gingen  an  einer 
eitrigen  Entzündung  der  Blase  zu  Grunde“.  Diese  Tiere  wurden, 
wie  schon  erwähnt,  nie  katheterisiert,  sondern  es  wurde  die 
Blase  durch  Expression  entleert.  Eine  Infektion  von  aussen  ist 
also  hier  kaum  anzunehmen.  Zieht  man  •  weiter  die  Harnver¬ 
haltung  und  Darmverstopfung  nach  der  Rückenmarksverkürzung 
in  Betracht,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  die  Infektion  vom 
Darme  ausging. 

Einen  diesbezüglichen  Fall  konnten  auch  wir  beobachten: 

Bei  der  Patientin  K.  K.  wurde  am  8.  Februar  1902  wegen 
Carcinoma  uteri  die  abdominale  Radikaloperation  nach  W  e  r  t  - 
heim  ausgeftihrt.  Es  wurde  längere  Zeit  abgewartet,  ob  die 
Frau  von  selbst  urinieren  würde.  Tatsächlich  trat  28  Stunden 
nach  der  Operation  spontane  Harnentleerung  ein,  die  von  da  ab 
täglich  3 — 4  mal  erfolgte.  Der  Urin,  der  vor  der  Operation  und  in 
den  ersten  Tagen  nach  der  Operation  klar  war,  zeigte  am  10.  Tag 
eine  deutliche  Trübung  ohne  Sediment,  welche  durch  Mengen  von 
Bakterien  bedingt  war.  Nur  hie  und  da  waren  einzelne  Epithelien 
und  Leukocyten  zu  sehen.  Impfung  auf  Agarplatten  ergab  die 
Reinkultur  eines  Bazillus,  der  als  Angehöriger  der  Coligruppe  be¬ 
stimmt  wurde. 

Es  entstand  in  diesem  Falle  ohne  Katheterismus  eine  Cy¬ 
stitis  bezw.  Bakteriurie,  die  man  wohl  als  Einwanderung  von 
Darmbakterien  durch  die  Blasenwand  zu  deuten  berechtigt  ist. 
In  dieser  Hinsicht  muss  noch  betont  werden,  dass  durch  die 
Entfernung  einer  grösseren  Vaginalmanschette  bei  der  Operation 
Darm  und  Blase  mit  Ausnahme  der  Drainagestelle  direkt  auf¬ 
einander  gelagert  sind,  wodurch  eine  direkte  Infektion  um  so 
leichter  möglich  ist.  In  ähnlicher  Weise  könnten  auch  Bakterien 
von  der  vaginalen  Mundhöhle  in  die  Blase  eindringen. 

In  12  der  Karzinomfälle  wurden  häufige  bakteriologische 
Untersuchungen  des  Urins  gemacht.  Zu  diesem  Zwecke  wurde 
der  Urin  nach  sorgfältiger  Reinigung  der  Urethralöffnung  und 
längerem  Ausspülen  der  Urethra  mit  sterilem  Katheter  in  steriler 


Eprouvette  aufgefangen.  Eine  geringe  Quantität  3  Oesen  r 
wurde  auf  Agarplatten  geimpft  und  sämtliche  aufgehenden  Ko¬ 
lonien,  wo  nötig,  auf  anderen  Nährböden  weiter  gezüchtet.  Es 
zeigte  sich  gewöhnlich,  dass  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Ope¬ 
ration  der  LTrin  steril  war  oder  nur  wenige  Kolonien  auf  der 
Platte  auf  gingen.  Zwischen  d  e  m  6.  u  n  d  8.  Tag  trat  dann 
plötzlich  eine  bedeutende  Vermehrung  der 
Bakterien  auf.  In  der  Regel  erhielt  man  nur 
eine  Bakterie nart  in  Reinkultur.  Doch  konnten 
später  in  demselben  Fall  andere  Bakterien  auftreten  und  so¬ 
gar  die  ersten  verdrängen.  Ich  zitiere  folgendes  Beispiel: 

26.  Nov. :  Karzinomoperation  nach  Wertheim. 

28.  Nov.:  Urin  klar,  sauer,  Kulturen  gehen  nicht  auf. 

30.  Nov.:  Derselbe  Befund,  Impfung  wieder  negativ. 

3.  Dez.:  Urin  trübe,  sauer;  wenig  Eiter  und  Epithelien.^  Agar¬ 
platten  zeigen  schon  am  nächsten  Tag  unzählige  Kolonien 
von  Stapylococcusp.  aure  u  s. 

5.  Dez.:  Urin  trübe,  sauer;  viel  Eiter  und  Epithelien.  Platten 
zeigen  wieder  unzählige  Kolonien  von  Staphyl.  p.  aureus. 

18.  Dez.:  Urotropin  0,5  3  mal  täglich  seit  8  Tagen.  Urin 
jetzt  klar,  nur  einzelne  Leukocyten.  Impfung  von  3  Oesen  des 
Urins  zeigte  nach  72  stündigem  Wachstum  nur  24  Kolonien 
von  Staphyl.  p.  aureus. 

24.  Dez.:  Seit  gestern  neue  Cystitisbeschwerden.  Noch  immer 
Harnverhaltung.  Urin  enthält  Blut,  Eiter  und  Epithelien.  Auf 
Agarplatten  gingen  einzelne  Kolonien  von  Staphyl.  p.  aureus  auf, 
gleichzeitig  zahlreiche'  Kolonien  von  Bakterium 
coli. 

4.  Jan.:  Urin  noch  immer  etwas  trübe.  Kulturen  zeigen  zahl¬ 
reiche  Kolonien  von  Staphyl.  p.  aureus  und  Bacterium  coli.  Jetzt 
sind  aber  letztere  in  der  Minderzahl. 

Hier  handelte  es  sich  zweifellos  um  eine  doppelte  In¬ 
fektion;  die  erste  am  3.  Dezember,  die  zweite  am  23.  De¬ 
zember,  und  zwar  durch  verschiedene  Bakterienarten  bedingt. 

Als  Erreger  der  Cystitis  fand  sich  in  den  12  untersuchten 
Fällen  7  mal  Streptococcus  pyogenes  aureus, 
6  m  a  1  Bacterium  coli,  lmal  Streptococcus  pyo¬ 
genes.  2  mal  handelte  es  sich  um  Mischinfektion.  Dies  würde 
im  allgemeinen  mit  den  Befunden  anderer  LTntersucher 
(M  eich  i  o  r  [10],  A  1  b  a  r  r  a  n[12],  Tanago[13])  überein¬ 
stimmen. 

Bei  der  Behandlung  dieser  Fälle  war  es  natürlich 
unser  Hauptbestreben,  die  Harnverhaltung 
zu  beseitigen,  denn  die  nachfolgenden  Cystitiden  waren  in 
ihrer  Entstehung  und  Schwere  direkt  von  ihr  abhängig.  Manche 
Behandlungsweise  wurde  durch  die  vorausgegangene  Operation 
unmöglich  gemacht,  so  z.  B.  die  Expression  oder  die  Massage  der 
Blase  wegen  Gefahr  einer  Bauchruptur. 

Intravesikale  Faradisation,  wie  sie  Frankl- 
Ilochwart  und  O.  Zuckerkandl  [14]  für  Harnverhaltung 
empfohlen  haben,  schien  in  einigen  Fällen  gut  zu  wirken,  be¬ 
sonders  wo  es  sich  um  Residualharn  handelte.  In  2  Fällen  ge¬ 
lang  es  durch  einfaches  Abwarten  bis  zu  30  Stunden 
post  operationem,  eine  spontane  Urinentleerung  zu  erzielen. 
Möglicherweise  hat  die  hiebei  erfolgte  Dehnung  der  Blasenwand 
die  in  dieser  befindlichen  Ganglien  zur  Tätigkeit  erweckt;  denn 
die  Frauen  urinierten  auch  weiterhin  spontan.  Von  der  Idee 
ausgehend,  dass  eine  starke  Dehnung  des  Sphineter  internus 
urethrae  den  Tonus  dieses  Muskels  herabsetzen  und  den  Me¬ 
chanismus  der  Harnentleerung  erleichtern  würde,  wurde  in 
5  Fällen  die  Dilatation  der  Urethra  mittels  Ilegar- 
stiften  bis  zu  Fingerdicke  ausgeführt.  3  mal  war  die  Behand¬ 
lung  erfolglos,  2  mal  trat  am  nächsten  Tage  spontane  Harn¬ 
entleerung  ein.  Die  beiden  letztgenannten  Methoden  bedürfen 
weiterer  Prüfung.  Im  ganzen  muss  man  zugeben,  dass  die  Er¬ 
gebnisse  der  Therapie  dieses  Zustandes  nicht  sehr  befriedigend 
waren.  Sicher  günstig  für  die  spontane  Harnentleerung  wirkte 
das  Aufstehen  vom  Bette,  denn  in  den  meisten  Fällen  konnten 
die  Frauen  dann  von  selbst  urinieren.  Dies  war  leider  nur  mehr 
von  wenig  Nutzen,  denn  die  Cystitis  war  beinahe  immer  schon  da. 

Was  die  Behandlung  der  Cystitis  anbelangt,  so 
wurden  die  verschiedenen  antiseptischen  Blasenspülungen  vor¬ 
genommen.  So  regelmässig  war  das  Auftreten  der  Cystitis  nach 
häufigem  Katheterismus,  dass  schon  vorher  prophylaktische 
Blasenspülungen  mit  Protargol  gemacht  wurden.  Ein  grosser 
Erfolg  dieses  Vorgehens  war  aber  nicht  zu  konstatieren. 

Von  besonderem  Interesse  waren  die  Versuche  mit  Uro¬ 
tropin.  Noch  immer  streiten  die  Urologen  über  den  Wert  dieses 
Medikamentes.  1901  erschien  eine  ausführliche  Arbeit  von 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1649 


A\  a  ii  n  i  e  r  [15]  über  die  bakterizide  Wirkung'  einiger  Harn- 
desintizientien,  worin  die  Vorteile  des  Urotropins  hervorgehoben 
wurden.  In  neuester  Zeit  ist  auch  Sachs  [16]  zu  ähnlichen 
Resultaten  gekommen.  Doch  haben  diese  Reagensgläserversuche 
nicht  den  Wert  von  Erfahrungen  am  Lebenden.  S  c  h  u  m  - 
b  u  r  g  [17]  arbeitete  über  die  Desinfektion  des  Harns  bei 
Typhusbakteriurie  durch  Urotropin  und  fand,  dass  dieses  Mittel 
zwar  eine  hemmende,  aber  keine  tötende  Wirkung  hat.  Auch 
Grosglik[18]  war  enttäuscht  von  Resultaten  mit  Urotropin. 
Bei  chronischer  Cystitis  fand  er  es  wenig  nutzbringend;  nur 
bei  Bakteriurie  war  der  Erfolg  ein  günstiger. 

Im  allgemeinen  entsprachen  unsere  Erfolge  denen  von 
S  c  h  u  m  bürg  und  Grosglik.  Im  Vergleiche  zu 
anderen  inneren  Mitteln  war  Urotropin  doch 
vorzuziehen.  Dagegen  war  der  schon  zitierte  Fall  von 
Bakteriurie  durch  Darminfektion  ein  auffallendes  Beispiel  dafür, 
dass  die  W  i  r  k  u  n  g  scheinbar  nur  eine  he  m'm  ende  ist. 
Die  Frau  erhielt  Urotropin  0,5  3  mal  täglich  mit  gutem  Er¬ 
folg;  doch  stellten  sich  nach  Aussetzen  des  Mittels  durch  10  Tage 
die  früheren  Symptome  der  Cystitis  wieder  ein.  Auch  in  dem 
obenerwähnten  Fall  von  Mischinfektion  wurde  die  Urotropin¬ 
behandlung  mit  günstigem,  aber  nur  temporärem  Erfolge  durch¬ 
geführt.  Bei  einer  dritten  Frau,  bei  der  sich  unzählige  Mengen 
von  Bacterium  coli  im  Urin  fanden,  gingen  nach  4  tägigem 
Gebrauch  von  Urotropin  1,5  g  pro  die  nur  mehr  2  Kolonien  auf 
der  Agarplatte  auf.  In  allen  3  Fällen  war  die  Behandlung  im 
übrigen  unverändert,  so  dass  der  Erfolg  auf  das  Urotropin 
zurückgeführt  werden  muss. 

Im  allgemeinen  konnte  man  die  Cvstitiden  in  leichte  und 
schwerere  einteilen.  Bei  den  ersteren  war  der  Urin  trübe  und 
hatte  wenig  Sediment.  Es  zeigten  sich  mikroskopisch  massen¬ 
haft  Bakterien,  doch  nur  spärliche  Eiter-  und  Epithelzellen.  Bei 
der  schwereren  Form  dagegen  war  das  Auffallende  nicht  die 
Menge  der  Bakterien,  sondern  die  des  Eiters  und  Epithels. 
Manchmal  war  sogar  etwas  Blut  vorhanden.  Bei  dieser 
letzteren  Form  hat  Urotropin  wenig  oder  gar 
nichtgeholfen.  In  einigen  dieser  Fälle,  wo  wegen  Ureteren- 
listel  cystoskopisch  untersucht  wurde,  trat  der  Grund  dieser 
Nutzlosigkeit  klar  vor  Augen.  Es  zeigte  sich  nämlich  nach 
längerem  Ausspiilen  der  Blase  noch  ein  dicker  Belag  von  schlei¬ 
migem  Eiter  über  der  Mukosa.  Man  kann  sich  vorstellen,  dass 
Bakterien,  die  unter  dieser  Schleimdecke  in  der  Tiefe  der 
Mukosa  lagen,  von  dem  oberhalb  derselben  befindlichen  urotropin- 
haltigen  Urin  nicht  wesentlich  geschädigt  wurden. 

Blasenspülungen  mit  den  verschiedenen  Argentumderivaten 
bewährten  sich  in  diesen  schweren  Fällen  am  besten.  Zeitweilig 
wurden  Protargol  und  Argentum  lacticum  gebraucht,  doch 
zeigten  sie  keine  wesentlichen  Vorteile  gegenüber  dem  Argentum 
nitricum  in  1  prom.  Lösung. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  hervorheben,  dass  die  post- 
operativen  Cystitiden  durch  die  Behandlung  in  den  allermeisten 
Fällen  einen  sehr  günstigen  Verlauf  nahmen.  Die  leichteren 
Entzündungen  wurden  in  1  bis  2  Wochen,  die  schwereren  in 
3  bis  4  Wochen  zur  Heilung  gebracht.  Nur  hie  und  da,  wenn 
Patientinnen  frühzeitig  das  Spital  verliessen  und  die  Behand¬ 
lung  des  Leidens  vernachlässigten,  kam  es  zu  neuerlichen 
Exazerbationen. 

Für  die  gütige  Ueberlassung  des  Materials  sowohl  wie  für 
seine  Hilfe  bei  der  Bearbeitung  desselben  ist  es  mir  eine  an¬ 
genehme  Pflicht,  meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Prof. 
W  e  r  t  h  e  i  m,  bestens  zu  danken. 


L  iter  a  t  u  r: 

1.  E.  Reh  fisch:  Innervation  der  Blase.  Virchows  Arcli. 
Bd.  161,  S.  529.  —  2.  M.  v.  Zeissl:  Zur  Innervation  der  Blase. 
Bfliigers  Arcli.  Bd.  53,  55.  Üers, :  Blasenverschluss.  Wien.  med. 
Presse  1898,  No.  21.  I)ers.:  Die  entnervte  Blase.  Wien.  klin. 
Woclienschr.  1896,  No.  23.  Ders.:  Innervation  der  Blase.  Wiener 
Klinik  1901,  lieft  5.  —  3.  E.  Wert  heim:  Ein  neuer  Beitrag  zur 
Frage  der  Radikaloperation  bei  Uteruskrebs.  Arcli.  f.  Gynäkol. 
B<1.  <55,  S.  37.  —  4.  Feitel:  Die  arterielle  Gefässversorgmig  des 
Ureters  etc.  Zeitschr.  f.  Gelmrtsh.  u.  Gynäk.  Bd.  45.  —  5.  N  agel: 
Die  weiblichen  Geschlechtsorgane;  in  Bardelebens  Handbuch  der 
Anatomie  8.  38.  —  (i.  Köl  liker:  Gewebelehre  Bd.  III,  8.  383. 
— -  7.  W  a  1  d  ey  e  r:  Das  Becken;  in  Joessel-Waldeyer:  Lehrbuch  der 
topograpli. -Chirurg.  Anatomie  8.  589.  —  8.  Goltz  und  Ewald: 
Hund  mit  verkürztem  Rückenmark.  Pflügers  Arcli.  Bd.  63,  8.  384. 
—  9.  Rosenstein:  Doppelkatheter  zur  Verhütung  der  Cystitis. 
Centralbl.  f.  Gynäkol.  1902,  No.  22,  S.  569.  —  10.  M.  Melchior: 
No.  40. 


Cystitis  und  Urininfektion.  Berlin,  8.  Karger,  1897,  S.  20.  _ 

11.  Falt  in:  Weitere  experimentelle  Untersuchungen  über  die 
Infektion  der  Harnblase  vom  Darm  aus.  Centralbl.  f.  Harn-  u. 
Sex. -Organe  1901,  S.  465.  —  12.  Al  bar  ran:  Bakteriologie  der 
Cystitis.  Gaz.  heb.  de  Med.  et  de  Chir.  1898,  3.  Nov.  —  13.  T  a  - 
n  a  g  o:  Aetiologie  der  Cystitis.  Monatsbericht  d.  Harn-  und  Sex- 
App.  No.  4  und  5,  1901.  —  14.  Frankl-Hochwart  und 
O.  Zuckerkandl:  Die  nervösen  Erkrankungen  der  Blase.;  in 
Nothnagel:  Spezielle  Pathol.  u.  Tlierap.,  Wien  1898.  —  15.  Wan- 
n  i  e  r:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  bakterizide  Wir¬ 
kung  einiger  Harndesinfizientien.  Centralbl.  f.  Ham-  und  Sex.- 
Org.  Bd.  12,  S.  593.  —  16.  Sach  s:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  Harnantiseptika.  AVien.  klin.  Wochensclir.  1902,  No.  17  u.  18. 
—  17.  Schum  bürg:  Zur  Desinfektion  des  Harnes  bei  Typhus¬ 
bakteriurie  durch  Urotropin.  Deutsch,  med.  Wochensclir.'  1901, 
No.  9.  —  18.  Grosglik:  Ueber  Urotropin.  Centralbl.  f.  Harn- 
u.  Sex.-Org.,  1900,  S.  225. 


Ueber  nervöse  Irradiationen  im  Gebiete  der  Harn¬ 
organe.*) 

(Beiträge  zur  Diagnostik.) 

Von  Dr.  Willi  II  i  r  t,  Spezialarzt  für  Chirurgie  der  Harn¬ 
organe,  in  Breslau. 

M.  H. !  Die  Mitteilungen,  die  ich  mir  erlauben  will,  Ihnen 
heute  zu  machen,  erheben  nicht  den  Anspruch  darauf,  Neues,  bis¬ 
her  nicht  Gekanntes  zu  bringen. 

Ich  habe  sie  trotzdem  einer  etwas  eingehenderen  Besprechung 
nicht  für  unwert  erachtet,  weil  sie,  wie  ich  glaube,  manches 
Wissenswerte  enthalten,  das  noch  nicht  so  Allgemeingut  ge¬ 
worden  zu  sein  scheint,  wie  es  bei  der  diagnostischen  Bedeutung 
der  Materie  wünschenswert  wäre. 

Unter  Irradiation,  Ausstrahlung,  verstehe  ich  das  Auftreten 
einer  Erscheinung,  eines  Symptoms,  ohne  nachweisbare,  ana¬ 
tomische,  lokale  Veränderung  an  einem  vom  Orte  der  ursäch¬ 
lichen  Entstehung  entfernten  Punkte. 

Dass  krankhafte  Symptome,  vor  allem  handelt  es  sich  um 
Schmerzen,  überall  im  Körper  von  erkrankten  Stellen  aus 
irradiiert  und  in  anatomisch  gesunden  Körperstellen  vom  Patien¬ 
ten  empfunden  werden  können,  ist  ja  längst  bekannt. 

Da  nun  der  Schmerz  ein  wichtiger  Leiter  für  den  Arzt  ist, 
der  nach  einem  verborgenen  Uebel  forscht,  und  da  die  Irradiation 
der  Schmerzen  ihn  nur  allzu  leicht  auf  falsche  Bahnen  der  Dia¬ 
gnose  lenken  kann,  so  ist  man  seit  langem  darauf  bedacht  ge¬ 
wesen,  bestimmte,  typische  Arten  der  Schmerzirradiation  festzu¬ 
legen,  und  beim  klinischen  Unterrichte  mit  Nachdruck  auf  sie 
hinzuweisen. 

Als  derartige  typische  Schmerzirradiationen  möchte  ich  hier 
unter  anderen  anführen  die  Schmerzen  im  Kniegelenk  bei 
Koxitis,  die  Ischias  bei  Mastdarmkarzinom,  den  Obturatorius- 
sclimerz  bei  Einklemmung  der  gleichnamigen  Hernie,  den  rechts¬ 
seitigen  Schulterschmerz  bei  Erkrankungen  und  Verletzungen 
der  Leber,  die  Trigeminusneuralgie  bei  Zahnkaries,  die  Zahn¬ 
schmerzen  bei  der  Gravidität.  Wie  diese  Irradiationen  zustande 
kommen,  das  soll  uns  heute  zunächst  nicht  beschäftigen;  das  für 
uns  wichtige  besteht  darin,  dass  sie  typische  sind,  d.  h.,  dass  sie 
in  ihrem  Auftreten  eine  gewisse  Regelmässigkeit,  eine  gewisse 
Gesetzmässigkeit  erkennen  lassen,  wenn  sie  natürlich  auch  nicht 
immer  und  ausnahmslos  sich  einstellen. 

Die  Begrenzung  meines  Themas  gegen  das  grosse,  unüberseh¬ 
bare  Gebiet  unkontrollierbarer  Schmerzempfindungen  ohne  ana¬ 
tomische  Grundlage  überhaupt,  stelle  ich  eben  dadurch  her,  dass 
ich  mich  nur  mit  denjenigen  Ausstrahlungen  befassen  will,  denen 
durch  zahlreiche  Beobachtungen  eine  gewisse  Regelmässigkeit 
des  Auftretens  zugesprochen  werden  kann. 

An  solchen  typischen  Irradiationen  sind  die  Harnorgane 
reich;  sie  kommen  hier  aber  nicht  nur  in  der  sensibeln  Sphäre 
vor,  als  Schmerz,  sondern  auch  in  der  motorischen,  als  Kontrak¬ 
tion,  und  in  der  vasomotorischen  als  Kongestion.  Desgleichen 
wird  die  sekretorische  Funktion  der  Nieren  des  öfteren  von  dem 
übrigen  Harntraktus  aus  durch  Fernwirkung  beeinflusst.  Auch 
an  trophoneuro fische  Irradiationen,  wenn  man  so  sagen  darf, 
kann  man  denken,  wie  ich  am  Schlüsse  kurz  erwähnen  will. 

Am  meisten  bekannt  sind  die  Fernwirkungen,  die  von 
anderen  Organen  auf  die  Harnwege  ausgeübt  werden. 

*)  Vorgetragen  im  Verein  der  Breslauer  Aerzte  am  13.  März 

1902. 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


So  tritt  bei  heftigen  Diarrhöen,  bei  Entzündung  und  Reizung 
der  Mastdarmschleimhaut  häufig  als  sensible  Irradiation  Schmerz 
in  der  Blasengegend  und  in  der  hinteren  Harnröhre,  nament¬ 
lich  am  Blasenhalse  ein,  und  als  motorisches  Phänomen  der 
häufige  Drang,  die  Blase  zu  entleeren,  hervorgerufen  durch  De- 
t  rusorkontraktion. 

Die  namentlich  im  Kindesalter  auftretende  Enuresis  noc¬ 
turna  wird  von  vielen  Autoren  in  manchen  Fällen  auf  das  Vor¬ 
handensein  von  Würmern  im  Darmkanal,  namentlich  im  Mast¬ 
darm  zurückgeführt.  Tuffnel  teilt  einen  Fall  mit,  in  dem 
die  hartnäckigen  Erscheinungen  einer  Striktur  der  Pars  mem- 
branacea  verschwanden  sofort  nach  Entfernung  eines  30  Fuss 
langen  Bandwurms.  _ 

Nach  chirurgischen  Eingriffen  am  Mastdarm,  z.  B.  nach 
Haemorrhoidenoperation  oder  nach  Spaltung  von  Mastdarm¬ 
fisteln,  tritt  sehr  häufig  eine  Beeinträchtigung  der  Blasenmotili- 
tät  ein,  die  zur  totalen  Retentio  urinae  führen  kann. 

Die  Ursache  dieser  Erscheinung  ist  nicht  ganz  klar;  eine 
Schwellung  der  Harnröhrenschleimhaut  kann  man  kaum  an¬ 
nehmen,  da  auch  die  weichsten  Katheter  fast  stets  ohne  jedes 
Hindernis  passieren;  sehr  wohl  kann  man  an  eine  Reizung  der 
Nervenenden  des  Nervus  pudendus  denken;  Reizung  der  peri¬ 
pheren  Nervenenden  ruft  Erschlaffung  der  Detrusormuskulatur 
hervor,  wie  experimentell  festgestellt  worden  ist. 

Ferner  wird  nicht  selten  vom  Peritoneum  aus  die  Blasen¬ 
tätigkeit  beeinflusst.  Nach  Laparotomien  z.  B.  tritt  häufig  Harn¬ 
verhaltung  ein. 

F  ritsch  glaubt,  dass  hier  vor  allem  die  ungewohnte 
Rückenlage  schuld  sei  und  er  lässt  daher  seine  Patientinnen  vor 
der  Operation  das  Urinieren  im  Liegen  lernen;  v.  Mikulicz 
erwähnt  als  Ursache  die  Veränderung  des  intraabdominellen 
Druckes  und  reflektorische  Einwirkung  auf  die  Blase ;  ich  glaube, 
ein  sehr  wirksamer  Faktor  ist  ausserdem  der,  dass  infolge  von 
Schmerz  in  der  Wunde  Anstrengungen  der  Bauchpresse  ängst¬ 
lich  vermieden  werden,  und  daher  die  Bedingung  zur  Einleitung 
der  reflektorischen  Detrusortätigkeit  fortfällt. 

Die  Funktionsstörung  der  Blase  bei  Peritonitis  ist  nach 
Kört  e  meist  auf  eine  Entzündung  des  serösen  Blasenüberzuges 
zurückzuführen;  für  unsere  Betrachtung  käme  sie  demnach  nicht 
in  Betracht,  da  anatomische  Veränderungen  vorliegen.  Die  von 
Blomfield  (British  Medical  Journal  1882,  pag.  423)  und 
früher  von  Devergie  aufgestellte  Behauptung,  dass  nach  Per¬ 
foration  des  Magengeschwürs  öfters  Harnretention  auftrete,  ist 
wohl  durch  die  oft  akut  in  solchen  Fällen  einsetzende  Peritonitis 
zu  erklären. 

Dass  auch  nach  Baüchkontusionen,  mit  und  ohne  Verletzung 
der  Eingeweide,  Urinretention  eintreten  kann,  hat  Lex  er  in 
einer  kürzlich  erschienenen  Arbeit  betont.  Ich  glaube,  dass  auch 
hier  die  Vermeidung  der  schmerzhaften  Bauchmuskelkontraktion 
die  Hauptrolle  spielt. 

Recht  eigenartig  sind  die  Fernwirkungen,  die  von  der 
unteren  Extremität  aus  auf  die  Hamorgane  beobachtet  worden 
sind. 

P  a  r  t  s  c  h  berichtet  aus  der  Breslauer  Klinik  2  Fälle,  in 
denen  nach  der  Ogston  sehen  Osteoarthrotomie  komplette  Re¬ 
tention  des  Urins  von  2 — 3  tägiger  Dauer  auftrat,  dieselbe  Er¬ 
scheinung  beobachtete  er  nach  Exstirpation  eines  Kniegelenk¬ 
schleimbeutels. 

Esmarch  erwähnt  es  als  bekannte  Tatsache,  dass  nach 
hohen  Amputationen,  Exartikulationen  und  Resektionen  des 
Oberschenkels  Öfters  Iscliurie  aufträte. 

Malgaigne  erwähnt  eine  Angabe  von  G  e  r  d  y  über  eine 
3  tägige  Harnverhaltung  nach  Einrichtung  einer  12  Stunden 
alten  Luxation  des  Oberschenkels  nach  hinten. 

Die  nach  Katheterismus  hin  und  wieder  auftretenden  Er¬ 
güsse  in  die  Gelenke,  namentlich  ins  Kniegelenk,  sah  man  früher 
ebenfalls  als  auf  reflektorischem  Wege  entstanden  an.  Heutzu¬ 
tage  bezieht  man  sie  wohl  allgemein  auf  das  Eintreten  pathogener 
Keime  in  den  Organismus. 

Noch  ein  Organ  möchte  ich  erwähnen,  von  dem  oft  eine 
deutliche  Beeinflussung  der  ITarnorgane  ausgeht,  das  ist  die 
äussere  Haut. 

Abkühlungen  und  Erkältungen,  die  doch  zunächst  die 
äussere  Haut  betreffen,  bewirken  durch  vasomotorische  Einflüsse, 
oft  ohne  sonst  krankhafte  Erscheinungen  hervorzurufen,  eine 


Kongestion  nach  den  Harnorganen,  die  oft  die  Harnentleerung 
beeinflusst.  G  u  y  o  n  äussert  sich  dahin,  dass  auch  bei  gesunden 
Menschen  kalte  Füsse  immer  ein  häufigeres  Urinbedürfnis  ver¬ 
anlassen.  Bei  Prostatikern,  die  sich  bisher  eines  leidlichen  Wohl¬ 
befindens  erfreuten,  kann  es  aus  einem  derartigen  Anlass  plötz¬ 
lich  zu  vollständiger  Harnverhaltung  kommen. 

Ich  behandle  einen  alten  Herrn  mit  kompletter  Retention  in¬ 
folge  von  Prostatahypertrophie.  Er  führt  4  mal  täglich  den  Nela- 
tonkatheter  ohne  Schwierigkeit  selbst  ein.  Dreimal  Im  Verlaufe 
des  letzten  Herbstes,  jedesmal  nach  einem  kurzen  Ausruhen  auf 
einer  Bank  im  Freien,  wurde  plötzlich  zu  Hause  das  Einfuhren 
des  Katheters  dem  Patienten  unmöglich.  Auch  mir  machte  die 
Einführung  jedesmal  Schwierigkeiten,  wenn  sie  auch  schliesslich 
immer  gelang,  und  zwar  stockte  der  Katheter  immer  in  der  Pars 
prostatica  urethrae.  Die  vergrösserte  Prostata  fühlte  sich  vom 
Rektum  aus  viel  ödematöser,  sulziger  an  als  sonst;  am  nächsten 
Tage  war  alles  immer  wieder  in  Ordnung.  Durch  Kongestion 
infolge  Erkältung  war  es  also  hier  zu  einer  so  starken,  akuten 
Prostataschwellung  gekommen,  dass  der  Katheter  festgehalten 
wurde. 

Wenn  ich  mich  jetzt  zu  den  Fernwirkungen  wende,  welche 
die  Harnorgane  auf  die  übrigen  Organe  des  Körpers  ausüben,  so 
möchte  ich  zunächst  der  engen  Beziehungen  gedenken,  die  häufig 
zwischen  Harnleiden  und  Verdauungsbeschwerden  bestehen. 
Natürlich  kommen  hier  nicht  die  chronischen  Intoxikations¬ 
erscheinungen  bei  lange  dauernder,  inkompletter  Urinretention  in 
Frage.  Es  sind  aber  auch  rein  nervöse  Beeinflussungen  be¬ 
obachtet  worden,  ohne  dass  Resorption  giftiger  Substanzen  hätte 
nachgewiesen  werden  können ;  so  beschreibt  J.  J  s  r  a  e  1  einen 
Fall  von  linksseitiger  Nephrolithiasds,  wo  wegen  häufigen  Er¬ 
brechens  und  Schmerzen  in  der  Magengegend  lange  Zeit  ein 
Magenkatarrh  angenommen  wurde,  bis  endlich  typische  Nieren¬ 
koliken  das  Bild  klärten. 

Ganz  besonders  häufig  sind  dyspeptische  Beschwerden  bei 
der  Wanderniere,  so  dass  manche  Autoren  bei  der  Symptomato¬ 
logie  dieser  Erkrankung  geradezu  einen  besonderen  dyspeptischen 
Typus  der  Wanderniere  aufgestellt  haben. 

Auch  das  bei  Nierenkoliken  häufig  auftretende  Erbrechen 
gehört  hierher. 

Ein  anderes  Symptom  im  Bereiche  des  Bauches  wird  eben¬ 
falls  häufig  bei  Erkrankungen  der  Harnorgane  gefunden,  und  hat 
dann  eine  hohe  diagnostische  und  auch  prognostische  Bedeutung. 
Das  ist  die  reflektorische,  krampfhafte  Kontraktion  der  Baueh- 
decken  in  manchen  Fällen  von  Ureteren-  und  Nierenerkrankung. 
Brettharte  Kontraktion  der  Bauchwand,  einseitig  oder  doppel¬ 
seitig,  kommt  bei  akuten  Erkrankungen,  namentlich  nach  Ver¬ 
letzungen  der  Baucheingeweide,  häufig  zur  Erscheinung,  und 
gilt  dann  immer  als  ein  ernstes  Symptom.  Wenn  z.  B.  nach 
einer  schweren  Bauchkontusion,  bei  der  es  zweifelhaft  ist,  ob 
innere  Organe  verletzt  sind,  oder  nicht,  doppelseitige  oder 
namentlich  auf  der  Seite  der  Verletzung  allein,  deutliche  Kon¬ 
traktur  der  Bauchdecken  sich  einstellt,  so  ist  dies  ein  Zeichen, 
das  von  vielen  Chirurgen  als  strikte  Indikation  zur  Laparotomie 
angesehen  wird. 

Wie  diese  Muskelkontraktur  entsteht,  ist  nicht  sicher  fest¬ 
gestellt;  manche  Autoren  vermuten  Splanchnikusreizung. 
Traube  hat  die  Kontraktion  der  darunter  befindlichen  Darm¬ 
schlingen  als  Ursache  angesprochen. 

Henoch  widmet  dieser  reflektorischen  Bauchmuskelkon¬ 
traktur  in  seiner  „Klinik  der  LT nterlei bskrankheiten“  ein  be¬ 
sonderes  Kapitel.  Er  hat  sie  besonders  bei  Lebererkrankungen 
beobachtet.  Er  äussert  sich  folgendermassen : 

„Diese  Kontraktion  der  Muskeln  gehört  offenbar  in  die  Reihe 
der  konsensu eilen  Erscheinungen.  Freilich  wird  mit  der  An¬ 
nahme,  dass  Muskeln  in  der  Nähe  gereizter  oder  entzündeter 
Teile  sich  sympathisch  kontrahieren,  die  Deutung  dieser  Er¬ 
scheinung  nicht  viel  gefördert.“ 

„Lassen  sich  auch  die  Kontraktionen  des  Psoas,  der  Hals¬ 
muskeln,  bei  Spondylarthrokace  in  den  Lumbal-  oder  Halswirbeln 
aus  einer  Teilnahme  des  Muskelgewebes  an  der  Entzündung  und 
aus  der  Mitleidenschaft  der  dasselbe  versorgenden  Nerven  er¬ 
klären,  so  können  wir  doch  hier,  wo  durchaus  keine  Kontiguität 
zwischen  dem  erkrankten  Organ  und  den  Bauchwandungen  statt¬ 
findet,  nur  eine  Vermittlung  durch  das  Nervensystem  annehmen.“ 

Auch  bei  Nieren  und  Ureterenerkrankung  findet  sich  dieses 
Symptom  häufig;  bei  Nierenverletzungen,  bei  Steineinklem¬ 
mungen,  besonders  bei  akuten  eitrigen  Prozessen  in  der  Niere, 
und  bei  paranephritischen  Eiterungen.  Auch  hier  kommt  dem 


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MUENCHENER  MEDiClNlSCRE  WOCHENSCHRIFT. 


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Phänomen,  besonders  wenn  es  einseitig-  auftritt,  hohe  diagnosti¬ 
sche  Bedeutung  zu.  Israel  behauptet  geradezu,  dass  bisweilen 
bei  totaler  Anurie  durch  einseitige  Steinverstopfung,  wenn  weder 
Koliken  voraufgegangen  sind,  noch  Druckschmerzhaftigkeit  be¬ 
steht,  oder  wenn  das  Sensorium  benommen  ist,  das  Auftreten  ein¬ 
seitiger,  spastischer,  reflektorischer  Kontraktion  der  Bauch¬ 
muskulatur  die  einzige  Handhabe  böte,  um  unabhängig  von  den 
Angaben  des  Patienten  die  Seite  der  Erkrankung  zu  erkennen. 

Ich  selbst  habe  vor  einiger  Zeit  2  Fälle  behandelt,  wo  die 
Kontraktion  der  Bauchdecken  mir  eine  wichtige  diagnostische 
Hilfe  und  zugleich  die  Indikation  für  die  Operation  abgab. 

Einmal  handelte  es  sich  um  eine  seit  IG  Jahren  bestehende 
Strikt ur  mit  ammoniakalischer  Cystltis.  Nachdem  durch  re°el- 
mässige  Bougierung  erhebliche  Besserung  eiingetreten  war,  stellte 
sich  plötzlich  eine  rechtsseitige  Pleuritis  ein.  Wurde  schön  hier¬ 
durch  der  Verdacht  auf  eine  Eiterung  in  der  Nierengegend  erweckt, 
so  wurde  mir  diese  Annahme  noch  gewisser,  als  in  den  nächsten 
Tagen  eine  brettharte  Kontraktur  der  rechten  Bauchhälfte  ein¬ 
trat.  Bei  der  im  Augusta-Hospital  von  Dr.  T  i  e  t  z  e  vor- 
genommenen  lumbalen  Inzision  wurde  eine  Vereiterung  der  rechten 
Niere  (primäre  P.voneplirose  Israels)  und  eine  paranepliri tische 
Eiterung  gefunden.  Die  Niere  wurde  entfernt,  Pat.  starb 
24  Stunden  später  an  Herzschwäche.  Die  Diagnose  wurde  es 
bestand  fast  gar  kein  Fieber,  hier  aus  der  Pleuritis  und  vor  allem 
aus  der  plötzlich  eintretenden  gleichseitigen  Kontraktur  der  Bauch¬ 
decken  gestellt.  Die  Palpation  der  Nierengegend  war  bei  dem 
mächtigen  Fettpolster  ohne  Ergebnis,  cystoskopisch  konnte  die 
Niereneiterung  ebenfalls  nicht  festgestellt  werden,  da  die  Urethra 
für  das  Instrument  nicht  durchgängig  war;  die  Probepunktion 
haben  wir  nicht  erst  gemacht,  da  wir  unserer  Sache  sicher  waren. 

Dei  zweite  lall  war  ganz  ähnlich.  Auch  hier  bestand  seit 
Jahren  Striktur  und  schwerste  Cystitis.  Dabei  heftige  Schmerzen 
m  der  linken  Nierengegend.  Die  linke  Bauchhälfte  aber  war  weich 
und  leicht  eindrückbar,  die  rechte  bretthart  kontrahiert. 

Ich  vermutete  daher,  dass  trotz  der  andersdeutigen  Sclunerz- 
lokalisation  die  rechte  Niere  erkrankt  sei.  Zwei  Tage  später  konnte 
ich  sie  deutlich  als  vergrüssert  palpieren.  Da  das  Allgemein¬ 
befinden  sehr  schlecht  wurde  und  häufiges  Erbrechen  eintrat,  über¬ 
wies  ich  Pat.  an  das  F  r  ä  n  k  e  1  sehe  Hospital,  wo  Herr  Dr. 
T  i  e  t  z  e  auf  die  rechte  Niere  einging  und  ein  eitriges  Organ 
(primäre  Pyonephrose  Israels)  entfernte.  Pat.  starb  5  Stunden 
spater  im  Kollaps;  Sektion  nicht  gestattet.  Ich  kann  daher  natür- 
k  h  ubei  den  Zustand  der  linken  Niere  nichts  aussagen,  jeden¬ 
falls  deutete  die  rechtsseitige  Bauehdeckenkontraktur  von  Anfang 
an  darauf  hin,  dass  die  rechte  Niere  erkrankt  sei,  eine  Annahme 
die  durch  Palpation  und  Operation  bestätigt  wurde. 

_  unsere  Betrachtung  wichtigsten  und  häufigsten  Ir¬ 

radiationen,  die  auch  am  meisten  Anlass  zu  falschen  Diagnosen 
geben,  beobachten  wir  von  einem  Hamorgan  auf  das  andere 

11a  rnorgan. 

Das  anatomische  Substrat,  die  Nervenbahnen,  in  denen  diese 
Voigänge  sich  abspielen,  sind  noch  verhältnismässig  wenig-  er¬ 
forscht,  man  kann  sie  nur  in  groben  Umrissen  verfolgen.  Nieren 
und  Ureteren  werden  ausschliesslich  vom  sympathischen  Nerven¬ 
system  versorgt.  Der  Plexus  renalis  tritt  im  Ililus  in  die  Niere 
über,  die  Nerven  bilden  mit  ihren  vielfachen  Verästelungen  und 
ganglionähnlichen  Anschwellungen  einen  nicht  unerheblichen 
Teil  der  Nierensubstanz  (Berkley).  Auch  die  Nierenkapsel 
wird  nach  Kolli  k  er  von  feinen,  nervösen  Endbäumchen  aus, 
die  in  der  Nierensubstanz  liegen,  innerviert.  Ein  Zweig  aus  dem 
Plexus  renalis  läuft  längs  des  Ureters  nach  abwärts  (Lob- 
s  t  e  i  n). 

Der  Plexus  renalis  seinerseits  nun  wird  gebildet  hauptsäch¬ 
lich  vom  Plexus  coeliacus  aus  und  aus  den  Verzweigungen  des 
N.  renalis  posterior  aus  dem  Splanchnicus  minor. 

Der  Plexus  coeliacus  ist  das  stärkste  von  den  sympathischen 
Geflechten  des  Bauchteils,  er  besteht  hauptsächlich  aus  den 
Fasern  der  Splanchnici,  aber  auch  Endäste  des  Vagus  gehen  in 
ihn  über.  Durch  diese  Anastomosen  erklären  sich  wohl  die  viel¬ 
fachen  gegenseitigen  Beeinflussungen  des  Magendarmkanals  und 
des  Harntralctus.  Der  Plexus  coeliacus  steht  ausserdem  in  enger 
Verbindung  mit  dem  tiefer  im  Becken  gelogenen  Plexus  hypo- 
gastricus.  Dieser  gibt  Zweige  an  die  Ureteren  und  vor  Allem  an 
die  Blase  ab. 

Um  sich  vor  Irrtümern  zu  schützen,  erscheint  es  mir  zweck¬ 
mässig,  die  gesamten  Harnorgane,  Niere,  Nierenbecken,  Ure¬ 
teren,  Blase,  Urethra  samt  dem  Penis,  gewissermassen  als  ein 
einziges,  sensibles  Organ  aufzufassen.  Jede,  irgendwo  in  diesem 
Gesamtorgan  auf  tretende  Störung  kann  an  jedem  beliebigen 
Funkte  desselben  als  Schmerz  empfunden  werden.  Nichts  ist 
trügerischer,  als  hier  den  schmerzhaften  Punkt  mit  Sicherheit 
als  den  Ort  der  Erkrankung  ansehen  zu  wollen. 


Aber  nicht  nui*  die  sensibeln  Nerven  der  einzelnen  Uarn- 
organe  bilden  gewissermassen  einen  einheitlichen  Plexus,  auch 
die  motorischen,  vasomotorischen  und  sekretorischen  Nerven,  die 
wir  in  diesen  Organen  annehmen  müssen,  scheinen  in  engster' Ab¬ 
hängigkeit  von  einander  zu  stehen. 

Besonders  wichtig  und  interessant  sind  die  Irradiationen,  die 
von  einer  Niere  auf  die  andere  ausgehen.  Zunächst  kommt  hier 
die  reflektorische  Anurie  in  Betracht. 

Israel  ist  es  besonders,  der  durch  seine  klinischen  und 
pathologisch-anatomischen  Beobachtungen  die  Lehre  von  dieser 
Sekretionsanomalie  begründet  hat. 

Wenn  in  dem  einen  Nieren-  und  Uretertraktus  krankhafte 
Veränderungen  bestehen,  namentlich  solche,  die  zu  einer  intra¬ 
renalen  Drucksteigerung  führen,  so  kann  auf  reflektorischem 
V\  ege  die  Inadiation  der  anderen,  an  und  für  sich  gesunden 
Niere  in  hohem  Grade  beeinträchtigt,  oft  sogar  völlig  aufge¬ 
hoben  werden.  Wird  durch  Nephrotomie  oder  durch  Nephrek¬ 
tomie  der  erkrankten  Niere  die  intrarenale  Drucksteigerung  be¬ 
seitigt,  so  entwickelt  sich  meistens  von  seiten  der  zweiten  Niere 
eine  vermehrte  Harnflut.  Dies  ist  ein  unzweideutiger  Beweis, 
dass  nicht  eine  gleichzeitige  Erkrankung  der  zweiten  Niere  die 
Anurie  verschuldete,  sondern  dass  sie  durch  nervöse,  von  der 
erkrankten  Niere  ausgehende  Einflüsse  hervorgerufen  wurde. 

Die  intrarenale  Drucksteigerung  auf  der  erkrankten  Seite 
ist  meist  durch  Steineinklemmung  im  Nierenbecken  oder  im 
Ureter,  oder  durch  Abknickungen  des  Ureters  hervorgerufen,  sie 
kann  aber  auch  durch  entzündliche  "V  orgänge  herbeigeführt 
werden. 

Ausser  der  Nephrotomie  oder  der  Nephrektomie,  kommt, 
wenn  ich  mir  diese  kleine  Abschweifung  gestatten  darf,  als 
schonender  therapeutischer  Eingriff  namentlich  in  dunklen 
Fällen,  zunächst  auch  noch  der  Dauerkatheterismus  der  Nieren¬ 
becken  in  Betracht.  Ich  erinnere  mich  eines  Patienten  aus  der 
Nitz  e’schen  Klinik,  der  aus  anscheinend  voller  Gesundheit 
5  Tage  vor  seiner  Aufnahme  an  totaler  Anurie  erkrankt  war. 
Da  die  Untersuchung-  keinen  Anhaltspunkt  ergab,  wurde  aufs 
Geradewohl  in  ein  Nierenbecken  ein  Dauerkatheter  eingelegt. 
Es  stellte  sich  eine  profuse  Harnsekretion  ein,  der  Patient  genas 
vollkommen. 

Hätte  der  Nierenkatheterismus  nicht  schnellen  Erfolg  ge¬ 
habt,  so  wäre  eine  sofortige  Nephrotomie  indiziert  gewesen. 

Ferner  verdienen  die  sensiblen  Fernwirkungen  von  einer 
Niere  auf  die  andere  unsere  Aufmerksamkeit. 

So  kann  z.  B.,  in  allerdings  seltenen  Fällen,  die  eine  Niere 
erkrankt,  aber  sowohl  spontan,  wie  auf  Druck  vollkommen 
schmerzfrei  sein,  während  heftige  irradiierte  Schmerzen  auf  der 
anderen  Seite  bestehen. 

Der  Fall,  den  ich  vorhin  als  zweiten  erwähnte,  war  vielleicht 
von  dieser  Art. 

Owen  berichtet  im  British  Medical  Journal  über  einen 
Fall  von  linksseitiger  Nierenkalkulose,  wo  die  Schmerzen  so  aus¬ 
schliesslich  rechtsseitig  empfunden  wurden,  dass  auf  der  rechten 
Seite  zuerst,  natürlich  vergeblich,  operiert  wurde. 

Nur  eine  genaue  Anamnese,  die  manchmal  doch  Schmerz¬ 
anfälle  auf  der  erkrankten  Seite  feststellen  wird,  sorgfältige  Pal¬ 
pation  mit  besonderer  Berücksichtigung  eventuell  vorhandener 
Bauchdeckenkontraktur,  Cystoskopie,  welche  die  Beschaffenheit 
der  U reterenmündungen  und  das  Verhalten  der  Ureterenfunktion 
klarlegt,  eventuell  Ureterenkatheterismus  können  hier  vor  Irr¬ 
tümern  schützen. 

Die  Nieren  beeinflussen  sich  nicht  nur  untereinander,  son¬ 
dern,  und  das  ist  viel  häufiger  der  Fall,  es  gehen  von  den  Nieren, 
von  einer  oder  von  beiden,  Fernwirkungen  auf  die  distalwärts  ge¬ 
legenen  Partien  des  IJarntraktus  aus,  Fernwirkungen  sensibler, 
motorischer  und  vasomotorischer  Art,  die  sich  als  Schmerz,  Harn¬ 
drang  und  Harnträufeln,  und  Kongestion  äussern. 

Ich  spreche  hier  nicht  von  den  Nierenkoliken,  von  denen  es 
ja  wohl  jedem  bekannt  ist,  dass  die  enormen  Schmerzen  dabei  in 
die  Blase,  den  P.enis,  die  Hoden  und  in  die  Oberschenkel  aus¬ 
strahlen.  Sondern  ich  habe  jene  kolikfreien  Perioden  im  Auge, 
wo  in  der  Nierengegend  kaum  irgend  welche  abnorme  Emfin- 
dungen  wahrgenommen  werden,  wo  aber  trotzdem  von  den  Nieren 
aus  an  anderen  Stellen  des  Harntraktus  verschiedenartige  Be¬ 
schwerden  ausgelöst  werden. 


3* 


1652 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  40. 


Eine  besonders  wichtige  Stellung  in  diesem  Kapitel  nimmt 
die  Nierentuberkulose  ein,  weil  gerade  bei  ihr  am  häufigsten  der 
wahre  Sachverhalt  verkannt  wird.  Es  muss  direkt  als  ein  Schul¬ 
symptom  der  Nierentuberkulose  hingestellt  werden,  dass  sie 
häufig  jahrelang  ohne  subjektive  Erscheinungen  von  Seiten  der 
Niere  verläuft,  lediglich  unter  den  Symptomen  eines  Blasen¬ 
katarrhs. 

Gesteigerte  Miktionshäufigkeit,  Schmerzen  beim  Wasser¬ 
lassen,  häufig  einseitige  Blasenschmerzen,  Harnträufeln,  nament¬ 
lich  bei  Frauen,  und  zwar  besonders  des  Nachts,  kennzeichnen  oft 
das  Krankheitsbild. 

Kommt  nun  noch  Trübung  des  Urins  hinzu,  so  kann  es.  leicht 
geschehen,  dass  der  Arzt  Blasenkatarrh  diagnostiziert  und  dem¬ 
entsprechend  behandelt,  ohne  Erfolg.  Wird  ein  solcher  Patient 
dann  cystoskopiert,  so  erweist  sich  die  Blase  häufig  als  voll¬ 
kommen  gesund.  Manchmal  wird  eine  Veränderung  an  einem 
Ureter,  ein  Ulcus  oder  eine  glasige  Schwellung  des  Ureteren  - 
wulstes  den  Hinweis  auf  die  in  der  Niere  sitzende  Erkrankung 
abgeben.  In  vorgeschrittenen  Fällen  wird  ja  natürlich  die  Blasen¬ 
schleimhaut  von  dem  kranken  Ureter  aus  mehr  oder  minder  weit 
infiziert  und  mit  Ulzerationen  bedeckt  sein;  aber  wie  gesagt,  sie 
kann  lange  völlig  gesund  bleiben,  und  doch  können  die  quälend¬ 
sten  Symptome  einer  Blasenerkrankung,  von  der  Niere  aus  ir- 
radiiert,  bestehen. 

Daher  erscheint  die  Forderung  Israels  und  anderer 
Autoren,  bei  jedem  Blasenkatarrh  von  ungewülndicher  Ent¬ 
stehung  oder  grosser  Hartnäckigkeit  an  Nierenaffektion,  vor 
allem  an  Nieren  tuberkulöse  zu  denken,  durchaus  gerechtfertigt. 
Wie  die  Untersuchung  daraufhin  im  einzelnen  zu  geschehen  hat, 
das  ist  zu  erörtern  hier  nicht  der  Platz,  nur  das  will  ich  erwähnen, 
dass  der  so  häufig  vermisste  Bazillenbefund  öfters  durch  eine 
provokatorische  Tuberkulininjektion  hervorgerufen  werden  kann. 

Erst  kürzlich  hatte  ich  Gelegenheit  dies  bei  einem  Patienten, 
zu  beobachten,  bei  dem  wiederholte  Untersuchungen  keine 
Bazillen  ergaben,  bis  nach  einer  auf  meinen  Vorschlag  gemach¬ 
ten  Injektion  massenhaft  Bazillen,  meist  haufenförmig  ange- 
ordnet,  gefunden  wurden. 

Aber  nicht  nur  Cystitis  wird  durch  Nierentuberkulose  in¬ 
folge  des  irradiierten  Schmerzes  und  Harndranges  vorgetäuscht, 
auch  die  Enuresis  nocturna  kann  bei  Nierentuberkulose  leicht  in 
ihrer  wahren  Bedeutung  verkannt  werden.  Nächtliche  unwill¬ 
kürliche  Harnentleerung,  namentlich  bei  Frauen  und  Mädchen, 
tritt  nämlich  als  reflektorisches  Symptom  bei  Nierentuberkulose 
gar  nicht  selten  auf.  Wird  der  Urin  nicht  genau  untersucht,  so 
kann  leicht  eine  einfache  nervöse  Enuresis  nocturna  ange¬ 
nommen  und  die  Hauptkrankheit  übersehen  werden. 

Dass  für  das  Zustandekommen  des  Hamträufelns  aus¬ 
schliesslich  nervöse  Einflüsse  von  der  Niere  aus  in  Betracht 
kommen  können,  nicht  etwa  reizende  Bestandteile  eines  chemisch 
veränderten  Urins  als  Ursache  angenommen  werden  müssen,  da¬ 
für  gibt  eine  interessante  Beobachtung  Königs  einen  unzwei¬ 
deutigen  Beweis.  Bei  einer  Frau,  die  seit  4  Jahren  an  Harn¬ 
träufeln  litt,  war  die  linke  Niere  in  einen  dünnwandigen,  mit 
käsigem  Eiter  erfüllten  Sack  umgewandelt,  der  linke  Ureter  war 
so  völlig  mit  Käse  erfüllt,  dass  seit  langem  kein  Urin  mehr  hatte 
durchfliessen  können.  Mit  der  Entfernung  der  erkrankten  Niere 
hörte  das  Harnträufeln  sofort  auf. 

Auch  Blutungen  am  Schlüsse  der  Miktion,  bei  völlig  nor¬ 
maler  Blase  und  Urethra  posterior  können  durch  Kongestion,  also 
durch  vasomotorische  Einflüsse  infolge  von  Nierentuberkulose 
eintreten.  Der  hier  in  Betracht  kommende  Fall  findet  sich  in 
der  Israel  sehen  Monographie  beschrieben.  Dass  die  Blutung 
nicht  von  einer  lokalen  Veränderung  der  Blase  herrührte,  ergab 
1.  die  Cystoskopie  und  II.  der  Umstand,  dass  sofort  nach  der 
Nephrektomie  der  Urin  dauernd  vollständig  normal  wurde. 

Ich  gestatte  mir,  Ihnen  hier  eine  auf  das  Doppelte  ver- 
grüsserte  tuberkulöse  rechte  Niere  zu  demonstrieren,  die  ich  im 
Januar  dieses  Jahres  bei  einem  31jährigen  Herrn  entfernt  habe. 
Tat.  befindet  sich  bis  jetzt  wohl,  der  früher  stets  intensiv  blutige 
Urin  ist  völlig  blutfrei  und  ziemlich  klar  geworden.  Auf  dem 
Sektionsschnitt  sieht  man,  dass  durch  S  etwa  walnussgrosse 
Höhlen  das  Parenchym  fast  völlig  zerstört  ist,  die  Höhlen  waren 
prall  mit  käsigem  Eiter  erfüllt  und  stellenweise  dem  Durchbruche 
nahe.  Pat.  war  noch  im  vorigen  Sommer  wegen  Blasenkatarrhs 
behandelt  worden,  die  Diagnose  auf  Nieren  tuberkulöse  war  nicht 
gestellt  worden.  Dass  es  sich  hier  um  eine  primäre,  deszendierende 
Nierentuberkulose  handelte,  ging  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
aus  dem  Blasenbefunde  bei  der  Cystoskopie  hervor,  da  sich  Ulzera¬ 


tionen  ganz  überwiegend  in  der  rechten  Blasenhälfte  in  der  Um¬ 
gebung  des  rechten  Ureters  vorfanden. 

Neben  den  häufigen  typischen  Irradiationen  von  der  Niere 
auf  die  unteren  Ilarnwege  bei  Tuberkulose  der  Niere  treten  die 
bei  anderen  Nierenerkrankungen  auftretenden  Ausstrahlungen 
etwas  in  den  Hintergrund. 

Bei  chronischen  Nierenleiden  finden  sich,  wie  schon  Mor¬ 
gagni  wusste,  in  kolikfreien  Zeiten  Miktionsstörungen  und 
Schmerzen,  ebenfalls  häufig  einseitige,  in  der  Blase  und  Urethra. 
Das  Gleiche  gilt  von  den  Hydronephrosen,  den  Pyonephrosen  und 
den  Nierentumoren;  alle  können  durch  Irradiation  auf  die  völlig 
gesunde  Blase  Cystitis  Vortäuschen;  sie  tun  es  aber  bei  weitem 
nicht  so  häufig  wie  die  Blasentuberkulose. 

In  neuester  Zeit  hat  Israel  die  These  aufgestellt,  dass  auch 
bei  entzündlichen  Nierenerkrankungen  Schmerzirradiationen  auf 
Blase  und  Urethra  vorhanden  sein  können,  die  durch  intrarenale 
Drucksteigerung  hervorgerufen  werden. 

Endlich  möchte  ich  noch  erwähnen,  dass  auch  bei  Nieren- 
verletzungen  Schmerzausstrahlungen  auf  die  anderen  Ilarn- 
organe  auf  treten.  Ich  habe  einen  interessanten  Fall  dieser  Art 
im  Augusta-Hospital  beobachtet,  und  danke  Herrn  Dr.  T  i  e  t  z  e 
für  freundliche  Ueberlassung  der  Krankengeschichte. 

Ein  bis  dahin  völlig  gesunder  Arbeiter  bekam  beim  Aufheben 
einer  schweren  Last  vor  3  Jahren  plötzlich  heftige  Schmerzen  im 
Kreuze  und  in  der  Eichel.  Später  traten  Schmerzen  in  der  rechten 
Nierengegend  ein,  die  Niere  liess  sich  nach  einiger  Zeit  als  ver- 
grüssert  nachweisen.  Ein  Jahr  später  wurde  eystoskopisch  am 
rechten  Ureter  ein  Ulcus,  anscheinend  tuberkulöser  Natur,  nach¬ 
gewiesen.  Jetzt  besteht  ausgesprochene  Nieren-  und  Blasentuber¬ 
kulose.  Dass  hier  durch  das  Trauma  eine  Verletzung  der  rechten 
Niere  herbeigeführt  worden  ist,  ist  durch  den  im  Anschluss  an  das 
Trauma  von  diesem  Organ  ausgehenden  deszendierenden  tuber¬ 
kulösen  Krankheitsprozess  wahrscheinlich  gemacht.  Das  durch 
genaue,  wiederholte  Angaben  des  Pat.  festgestellte  Auftreten 
eines  plötzlichen,  heftigen  Schmerzes  in  der  Eichel  im  Moment  der 
Verletzung,  kann  daher  wohl  nicht  ohne  Grund  als  eine  Fern¬ 
wirkung  von  der  Niere  aus  aufgefasst  werden. 

Gehen  wir  nun  zu  den  von  den  Ureteren  ausgehenden  krank¬ 
haften  Irradiationen  über,  so  ist  zu  bemerken,  dass  von  ihnen  fast 
ganz  die  gleichen  Fernwirkungen  sensibler,  motorischer  und 
sekretorischer  Art  ausgehen  können,  wie  von  den  Nieren.  Es 
ist  sehr  schwierig,  ja  oft  unmöglich,  die  subjektiven  Symptome 
der  Kranken  für  eine  Unterscheidung  einer  Nieren-  von  einer 
Ureteraffektion  zu  verwerten.  Für  die  Praxis  macht  sich  dieser 
Umstand  aber  wenig  geltend,  da  selbständige  Uretererkran¬ 
kungen  selten  sind.  Meist  treten  Uretererkrankungen  nur  als 
Begleiterscheinungen  gleichzeitiger  Nieren-  oder  Blasenaffektion 
auf.  ln  Betracht  kommen  -Ureteritis,  Strukturen  und  Ab- 
knickungen  des  Ureters,  Uretersteine.  Man  wird  in  fast  allen 
Fällen  so  wie  so  zur  Beseitigung  des  ursächlichen  Leidens  die 
Niere  oder  die  Blase  airgehen  müssen.  Sollte  einmal  Verdacht 
auf  ein  im  Ureter  allein  lokalisiertes  Beiden  bestehen,  z.  B.  auf 
das  Vorhandensein  eines  im  Ureter  entstandenen  Steines,  so 
kämen  als  diagnostische  Hilfsmittel  in  Betracht:  1.  Die  Cysto¬ 
skopie.  Man  wird  damit  einen  im  Blasenwandabschnitt  des 
Ureters  stehenden  Stein  an  der  abnormen  Vorwölbung  des  Ure- 
terenwulstes  erkennen  können.  Auch  wird  man  eventuell  das 
zuerst  von  Viertel  beschriebene  Leergehen  des  Ureters  be¬ 
obachten,  d.  h.  den  Zustand,  wo  der  Ureter  sich  zwar  kontrahiert, 
aber  kein  Urin  in  die  Blase  geschleudert  wird. 

2.  Die  Ureterensondierung.  Man  kann  dabei  eventuell  den 
Stein  fühlen,  wie  es  Kolischer  und  Casper  bereits  ge¬ 
lungen  ist. 

Auch  durch  3.  Röntgenstrahlen  hat  man  Steine  im  Ureter 
nachweisen  können.  Schliesslich  käme  noch  4.  die  Palpation  der 
Ureteren  vom  Mastdarm  oder  von  der  Scheide  her  in  Frage;  man 
hat  schon  öfters  von  liier  aus  Steine  im  Harnleiter  gefühlt. 

Vom  Bauche  her  allein  die  Druckempfindlichkeit  des  Ureters 
festzustellen  und  daraus  Schlüsse  auf  eine  Ureteraffektion  ziehen 
zu  wollen,  ist  sehr  trügerisch,  da  auch  bei  durchaus  gesundem 
Ureter  von  der  kranken  Niere  aus  irradiierte  Druckempfindlich¬ 
keit  des  Ureters  bestehen  kann. 

Die  von  der  Blase,  Prostata  und  Urethra  ausgehenden  Kern¬ 
wirkungen  kann  ich  kurz  behandeln,  da  sie  ziemlich  allgemein 
bekannt  sind. 

So  findet  sich  in  allen  Lehrbüchern  beschrieben,  dass  bei 
Blasensteinen  oft  intensive  Schmerzen  im  Penis,  namentlich  in 
der  Wurzel  der  Eichel  empfunden  werden. 


7.  Oktober  1902. 


MEENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Audi  Enuresis  infolge  Blasensteinkranklieit  wird  in  der 
Literatur  erwähnt. 

Sehr  interessant  ist  die  Tatsache,  dass  die  Llarnmenge  durch 
die  Häufigkeit  der  Harnentleerung  reflektorisch  beeinflusst  wird.  | 
Lehman  n  und  M  o  r  i  haben  nachgewiesen,  dass  reg'elmässig' 
unter  sonst  ganz  gleichen  Bedingungen  durch  vermehrte  Miktion  1 
die  Menge  des  täglich  ausgeschiedenen  Harnes  nicht  unerheblich 
gesteigert  wird.  Es  sollte  daher  immer  bei  der  Beurteilung  des 
täglichen  Ilarnquantums  die  Anzahl  der  täglichen  Miktionen  be¬ 
rücksichtigt  werden. 

Die  bei  chronischer  inkompletter  Retention  eintretende  Poly¬ 
urie  ist  hiervon  wohl  zu  unterscheiden,  sie  ist  auf  den  in  der 
Niere  herrschenden  gesteigerten  Druck  zurückzuführen. 

Allgemein  bekannt,  aber  in  ihrer  Entstehung  noch  nicht 
völlig  aufgeklärt  ist  die  Latsache,  dass  bei  Prostatahypertrophie 
häufiger  Harndrang,  namentlich  des  Nachts  auf  tritt.  Dass  hier¬ 
bei,  wie  es  Guyon  zuerst  ausgesprochen  hat,  Kongestion,  ver¬ 
mehrte  Blutfüllung  des  Organs  als  Ursache  anzusehen  ist,  dafür 
spricht  eben  der  Umstand,  dass  bei  lange  dauernder  Rückenlage, 
wo  wahrscheinlich  eine  venöse  Blutstauung  in  den  Unterleibs¬ 
organen  eintritt,  die  Beschwerden  in  so  charakteristischer  Weise 
zunehmen.  Ob  man  nun  aber  eine  durch  Vergrösserung  der  Pro¬ 
stata  herbeigeführte  Verkleinerung  des  Blasenkavums  als  direkte 
Ursache  des  vermehrten  Harndranges  ansehen  soll,  oder,  was 
wohl  plausibler  ist,  eine  durch  Druck  auf  die  Prostatanerven 
herbeigeführte  reflektorische  Beeinflussung  der  Detrusortätig- 
keit,  darüber  lässt  sich  streiten. 

Noch  andere,  von  der  Prostata  ausgehende  Fernwirkungen 
sind  zu  beachten.  Es  treten  nicht  selten  bei  chronischen  Pro¬ 
stataerkrankungen,  namentlich  bei  Prostatitis,  schwere  psychi¬ 
sche  Alterationen  auf.  Eine  einfache  Verstimmung  infolge  des 
Krankseins  kann  man  hier  nicht  wohl  annehmen;  in  viel  höherem 
Grade  als  die  anderen  Formen  der  chronischen  Gonorrhoe  übt 
gerade  die  chronische  Prostatitis  ihren  Einfluss  auf  die  Psyche, 
obwohl  häufig  die  lokalen  Beschwerden  gar  nicht  so  enorm  grosse 
sind.  Die  Autoren  verweisen  wiederholt  zur  Erklärung  dieses 
eigentümlichen  Zusammenhanges  auf  den  grossen  Nervenreich - 
tum  der  Vorsteherdrüse. 

Wiederholt  ist  es  mir  auf  gef  allen,  dass  Patienten,  die  an 
Prostatahypertrophie  leiden,  über  Schmerzen  im  Kreuzbein  kla¬ 
gen.  Ich  habe  in  der  Literatur  einen  Hinweis  auf  einen  dies¬ 
bezüglichen  Zusammenhang  nicht  finden  können.  Ich  will  es 
dahingestellt  sein  lassen,  ob  man  hier  typische  Irradiationen,  die 
bei  der  Lage  des  Plexus  hypogastricus  am  Os  sacrum  durchaus 
möglich  sind,  annehmen  soll,  oder  ob  nur  ein  zufälliges  Zu¬ 
sammentreffen  vorliegt.  An  Prostatakarzinom  mit  Knochen¬ 
metastasen  zu  denken  liegt  bei  den  Fällen,  die  ich  im  Auge  habe, 
keine  Veranlassung  vor. 

Bisher  sind  vorwiegend  diejenigen  Irradiationen  besprochen 
worden,  die  von  oben  nach  unten,  von  der  Niere  nach  abwärts, 
stattfinden,  die  also  ungefähr  dem  entsprechen,  was  Guyon 
Renovesikalreflexe  nennt.  Es  gibt  aber  auch  einen  Vesicorenal- 
reflex. 

Die  Beeinflussung  der  Nierensekretion  durch  vermehrte 
Blasenmuskeltätigkeit  ist  schon  erwähnt  worden. 

Es  gehen  auch  sensible  Fernwirkungen  von  der  Blase  nach 
der  Niere  aus,  deren  Kenntnis  in  diagnostischer  Beziehung  nicht 
unwichtig  ist. 

So  kommen  bei  Cystitis  und  Urethritis  posterior  Schmerzen 
in  den  Nieren  vor,  einseitig  oder  doppelseitig,  ohne  dass  man 
immer  gleich  eine  Pyelitis  anzunehmen  braucht.  Es  sei  zugleich 
daran  erinnert,  dass  das  in  solchen  Fällen  sehr  beliebte  Sandelöl 
häufig  derartige  Nierenschmerzen  hervorruft. 

Ich  habe  einen  Pat.  in  Behandlung,  der  dadurch  mein  Inter¬ 
esse  erregte,  dass  ich  bei  ihm  genau  dem  Ort  bestimmen  konnte, 
von  dem  ein  sensibler  Vesico-renalreflex  ausgelöst  wurde.  Ein 
Prostatiker,  im  Uebergang  vom  Reizstadium  in  das  der  inkom¬ 
pletten  Retention,  wurde  durch  Einführen  dicker  Metallsonden 
behandelt.  Die  Prozedur  war  vollkommen  schmerzlos;  jedesmal 
aber,  wenn  ich  die  Pars  prostatica  und  den  Blasenhals  passierte, 
empfand  Patient  einen  intensiven,  plötzlichen  Schmerz  von  kurzer 
Dauer  in  der  rechten  Nierengegend. 

Infolge  von  Phimose  hat  man  Inkontinenz  beobachtet. 
Nichols  beschreibt  einen  Fall  von  reflektorischer  Inkontinenz, 
bei  dem  der  Harn  fortwährend  aus  der  Urethra  abfloss.  Durch 
Zirkumzision  wurde  Heilung  herbeigeführt. 

^9-  40 


1653 


1  arguharson  berichtet  über  das  Auftreten  von  Inkonti¬ 
nenz  infolge  Enge  des  Orificium  ext.  uretlirae;  durch  Erweite¬ 
rung  des  Orifizium  wurde  die  Inkontinenz  geheilt. 

Zum  Schluss  will  ich  ganz  kurz  noch  die  Wechsel¬ 
beziehungen  erwähnen,  die  zwischen  dem  Hoden  und  der  Pro¬ 
stata  bestehen. 

Nach  doppelseitiger  Kastration  erfolgt  bekanntlich  häufig 
eine  Verkleinerung  der  hypertrophierten  Prostata. 

Es  ist  noch  unentschieden,  ob  man  hier  an  Fernwirkungen 
trophoneurotischer  Natur  von  einem  Organ  aufs  andere  zu  den¬ 
ken  hat,  oder  ob  nicht,  wie  König  sagt,  mit  Entfernung  der 
Hoden  bestimmte  Stoffe  verschwinden,  welche  das  Gleichgewicht 
zwischen  beiden  Organen  erhalten. 

M.  II.!  Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  es  eine  missliche 
Sache  ist,  so  verschiedenartige  Erscheinungen,  wie  die  eben  er¬ 
wähnten,  die  in  ihrer  Entstehung  oft  noch  wenig  oder  gar  nicht 
erforscht,  und  die  vielleicht  zuweilen  ganz  heterogener  Natur 
sind,  von  einem  gemeinsamen  Gesichtspunkt  aus  betrachtet, 
Ihnen  vorzuführen. 

Ich  bin  trotzdem  dazu  bestimmt  worden  durch  die  Erwägung, 
dass  es  in  einem  diagnostisch  oft  so  überaus  schwierigen  Ge¬ 
biete,  wie  es  das  der  Harnkrankheiten  ist,  gestattet  sein  muss, 
das  diagnostische  Rüstzeug  auf  jede  Weise  zu  festigen  und  zu 
vermehren.  Dass  dazu  auch  die  Zusammenfassung  vieler  Er¬ 
fahrungstatsachen  unter  einem  Gesichtspunkte  beitragen  kann, 
wenn  diese  sich  auch  nicht  immer  einem  streng  wissenschaft¬ 
lichen  Schema  fügen,  wollte  ich  durch  meine  Ausführungen 
dartun. 


Ein  Fall  von  habitueller  Urtikaria  gonorrhoica. 

Kurze  Mitteilung  aus  der  Praxis. 

Von  Dr.  med.  Orlipski  in  Halberstadt.. 

Die  Frage  des  Vorkommens  gonorrhoischer  Exantheme,  von 
einer  Reihe  namhafter  Forscher  zur  Diskussion  gestellt,  ist  bis 
heute  immer  noch  nicht  entschieden.  Folgende  kurze  Kranken¬ 
geschichte  dürfte  darum  vielleicht  einem  gewissen  Interesse  be¬ 
gegnen,  denn  sie  scheint  mir  geeignet,  einen  Beitrag  zur  Lösung 
der  Frage  in  bejahendem  Sinne  zu  liefern: 

Ende  Juli  vorigen  Jahres  suchte  mich  ein  Kaufmann  von 
ausserhalb  wegen  eines  stark  juckenden  Hautausschlages  auf 
und  erzählte  mir  dabei  folgende  Anamnese:  Vor  15  Jahren  habe 
er  einmal  Tripper  gehabt,  der  mit  Hodenentzündung  einlier- 
gegangen  sei,  und  er  hätte  damals  gleichzeitig  einen  quaddel- 
artigen  Ausschlag  auf  der  Haut  gehabt,  welcher  durch  starkes 
Jucken  ihn  arg  gepeinigt,  zeitweise  leicht  und  dann  wieder  stärker 
aufgetreten  sei  und  erst  —  auch  für  den  Patienten  in  auffälliger 
Weise  —  dann  aufgehört  hätte,  als  er  von  seinem  Tripper  befreit 
war.  Darüber  seien  13  Jahre  hingegangen  ohne  geschlechtliche 
Infektion,  ohne  sonstige  Krankheit.  Vor  2  Jahren  hatte  er  das 
Unglück,  sich  wieder  frisch  mit  Tripper  anzustecken,  und  dieses 
Mal  war  die  Krankheit  äusserst  hartnäckig,  dergestalt,  dass  er 
trotz  mehrfacher  Behandlung  noch  jetzt  an  einem  dünnflüssigen, 
bald  milchigen,  bald  farblosen  Harnröhrenfluss  leidet.  Obwohl 
er  infolge  der  vielfach  vergeblich  unternommenen  Heilversuche 
gegen  die  Krankheit  allmählich  indifferent  geworden  sei,  müsse 
er  doch  wieder  einen  Arzt  befragen,  denn  seit  14  Tagen  habe  sich 
dieselbe  Hauterscheinung  gezeigt,  welche  ihn  schon  vor  15  Jahren 
bei  seinem  ersten  Tripper  belästigte:  nämlich  ein  über  den  ganzen 
Körper  auftretendes  Jucken  mit  Quaddelbildung;  dies  der  Bericht 
des  Patienten. 

Objektiver  Befund:  Auf  Bauch-  und  Brusthaut  mehrere  linsen- 
his  markstückgrosse  weissliehe  Erhabenheiten.  Macht  man  mit 
dem  Fingernagel  auf  der  Haut  einen  mässig  starken  Strich,  so  tritt 
nach  augenblicklichem  Verschwinden  des  Erblassens  der  berühr¬ 
ten  Hautstelle  eine  deutliche  Rötung  und  Schwellung  derselben  ein. 
Ausserdem:  Urethritis  gonorrhoica  posterior,  Prostatitis  subacuta, 
Prostatasekret  gelbeitrig,  zahlreiche  Zellen,  Gonokokken,  Urin¬ 
gläserprobe  positiv  beide  Male,  Urin  ohne  Eiweiss.  Diagnose: 
Urticaria  alba  et  factitia  gonorrhoica.  Verlauf  und  Therapie: 
Prostatamassage,  Urethral-Druckirrigationen  mit  Albargin  und 
dann  übermangansaure  Kalilösung.  Innerlich  nichts,  kein 
äusseres  Mittel  für  die  Haut.  Vierwöchentliche  Be¬ 
handlung  der  Gonorrhoe  beseitigt  Tripperreste  und  damit  ver¬ 
schwindet  zugleich  auch  vollständig  die  vorhanden  gewesene  Nei¬ 
gung  zur  Quaddelbildung.  Vor  etwa  8  Wochen  berührte  P.  auf 
der  Reise  wiederum  meinen  Wohnort  und  erzählte  mir,  dass  er 
im  Februar  dieses  Jahres  zum  dritten  Male  sich  frisch  mit  Tripper 
angesteckt  hätte,  dass  er  nach  14  tägigem  Bestehen  des  Trippers 
wiederum  „Nessel“ausschlag  bekommen,  der  erst  wieder  aufge¬ 
hört  hätte,  als  der  Tripper  nach  viel  wöchentlicher  Injektions¬ 
behandlung  restlos  verschwunden  war. 

Wir  haben  hier  also  einen  Fall  von  Urticaria  chronica  alba 
et  factitia,  mit  Gonorrhöe  vergesellschaftet,  den  man  geradezu 

4 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIFT. 


No.  40. 


Ib54 


als  habituelle  Urticaria  gonorrhoica  bezeichnen  kann.  Denn  ein 
Mann,  der  sonst  niemals  an  Hautausschlägen  gelitten,  erkrankt 
3  mal  hintereinander  an  Quaddeleruption,  sobald  er  sich  mit 
Gonokokken  angesteckt  hat.  P.  hatte  niemals  innere  Mittel,  keine 
Balsamika  gebraucht,  also  Arzneiexanthem  lag  nicht  vor.  Auch 
Koprostase  hatte  nach  meiner  Feststellung  in  diesem  Falle  nicht 
bestanden,  also  auch  autochthone  Darmintoxikation  konnte  nicht 
vorliegen.  Hier  hiesse  es  den  Dingen  Gewalt  antun,  wollte  man 
den  ursächlichen  Zusammenhang  zwischen  Gonorrhöe  und  Haut¬ 
erkrankung  leugnen.  Ob  es  sich  um  eine  reine  Hautmetastasc 
der  Gonorrhöe  handelt  oder  um  Wirkung  von  Gonokokken¬ 
toxinen  oder  schliesslich  um  einen  von  den  Gonokokken  aus¬ 
gehenden  Reiz,  der  durch  Vermittlung  der  Nerven  die  Haut¬ 
veränderung  bewirkt  (Angioneurose,  Unnas  Venenspasmus), 
das  wage  ich  nicht  zu  entscheiden;  aber  zweifellos  scheint  mir 
ein  Kausalnexus  vorhanden  zu  sein. 


Ein  Fall  von  doppelseitigem  paranephritischen  Abszess. 

Von  Dr.  Piltz  in  Vienenburg. 

Angeregt  durch  den  in  No.  19  dieser  Zeitung  erschienenen 
Artikel  des  Prof.  Cahn  in  Strassburg  möchte  ich  mir  erlauben, 
in  folgendem  einen  Fall  von  doppelseitigem  paranephritischen 
Abszess  mitzuteilen,  der  wegen  seiner  Aetiologie  und  Kompli¬ 
kationen  vielleich  einiges  Interesse  erregen  wird. 

St.,  Käsebäcker  in  J.,  42  Jahre  alt,  ein  mittelkräftiger  Mensch, 
erkrankte,  nachdem  er  schon  vorher  sich  nicht  wohl  gefühlt  hatte, 
Anfang  November  vorigen  Jahres  unter  unbestimmten  fieber¬ 
haften  Erscheinungen,  deren  Deutung  am  meisten  noch  mit  der 
Diagnose  Influenza  zusammenstimmte.  Auffällig  waren  nur  dabei 
zeitweilig  auftretende,  sehr  heftige  Schmerzen  in  der  Nacken-  und 
Glutäalmuskulatur.  Diese  Symptome  zogen  sich  wochenlang  hin, 
bald  sich  verschlechternd,  bald  sich  verbessernd.  Ein  in  die  linke 
Nierengegend  versetzter  lokaler  Schmerz  liess  mich  einmal  an  eine 
Nierenerkrankung  denken,  die  Untersuchung  des  Urins  war  jedoch 
stets  negativ,  der  Schmerz  verschwand  auch  bald  wieder.  Schliess¬ 
lich  nahm  ich  den  Kranken,  da  eine  exakte  Beobachtung  des  Falles 
bei  der  weiten  Entfernung  unmöglich  war,  am  S.  Dezember  ins 
Krankenhaus  auf.  Hier  besserte  sich  anscheinend  anfangs  der 
Zustand,  die  Temperatur  ging  herunter,  doch  erreichte  sie  niemals 
die  Norm.  Etwa  14  Tage  nach  der  Aufnahme  klagte  der  Kranke 
wiederum  über  Schmerzen  in  der  linken  Nierenseite.  Probepunk¬ 
tion  und  Urinuntersuchung  negativ;  dagegen  entwickelte  sich  links 
hinten  oberhalb  des  Zwerchfelles  und  später  auch  rechts  hinten 
unten  eine  Dämpfung.  Doch  zeigten  beide  verschiedenes  Ver¬ 
halten,  indem  links  die  Auskultation  abgeschwächtes,  rechts  ver¬ 
stärktes  Bronchialatmen  ergab;  ebenso  verhielt  sich  der  Pektoral- 
fremitus.  Eine  Probepunktion  links  ergab  seröses  Exsudat,  rechts 
nichts.  Das  Eigentümliche  bei  beiden  Zuständen  war,  dass  sie 
sich  nicht  verschlimmerten:  das  Exsudat  wuchs  nicht,  die  An¬ 
schoppung  verbreiterte  sich  nicht.  Das  Fieber  blieb  dabei  inter¬ 
mittierend,  ging  aber  nicht  höher  als  bis  38,5.  Am  19.  Dezember 
endlich  klärte  sich  die  ganze  Sachlage:  es  stellte  sich  ganz  plötzlich 
an  der  als  schmerzhaft  bezeichneten  Stelle  in  der  linken  Nieren¬ 
gegend  eine  fluktuierende  Hervorwölbung  ein.  deren  Punktion  end¬ 
lich  den  lang  erwarteten  Eiter  ergab.  Die  Operation,  die  ich  unter 
Schneid  erlin  scher  9  Narkose  ausführte,  förderte  eine  Un¬ 
masse  Eiter  zu  Tage.  Der  hintere  Nierenrand  liess  sich  leicht  ab¬ 
tasten.  Erst  Tamponade,  dann  Drainage.  Merkwürdigerweise 
ging  nach  der  Operation  das  Fieber  nicht  zur  Norm  herunter, 
es  behielt  vielmehr  immer  seinen  intermittierenden  Charakter  bei, 
stieg  sogar  einmal  auf  39,0,  auch  war  der  Allgemeinzustand  gar 
nicht  befriedigend;  dabei  floss  der  Eiter  gut  durch  die  Drainage 
ab  und  der  Schmerz  war  verschwunden. 

Anfang  Januar  klagte  Patient  über  die  rechte  Nierengegend, 
die  Untersuchung  ergab  ebenfalls  eine  Hervorwölbung  mit  Fluk¬ 
tuation,  die  sich  ebenfalls  innerhalb  eines  Tages  ausgebildet  hatte. 
Die  Operation  brachte  das  nämliche  Resultat,  wie  auf  der  anderen 
Seite.  Von  da  an  ging  es  mit  dem  Patienten  aufwärts  und  schon 
nach  3  Wochen  konnte  er  mit  noch  nicht  völlig  geschlossenen 
Fisteln  entlassen  werden.  Die  Veränderungen  an  der  Innige 
resp.  Pleura  waren  rapid  zurückgegangen.  Jetzt  ist  er  ein  blühen¬ 
der,  kräftiger  Mensch  geworden. 

Ueber  die  Aetiologie  dieser  symmetrisch  verlaufenen  Eite¬ 
rung  kann  ich  leider  nichts  berichten.  Man  könnte  ja  dieselbe 
als  Folge  der  anfangs  bestandenen  Influenza  ansehen,  die  häufig 
zu  inneren  Eiterungen  disponiert.  Während  der  Krankheit  auf¬ 
tretende  Sudamina,  die  in  der  Folge  eitrig  wurden,  könnten  als 
Infektionspforte  angenommen  werden.  Oder  liegt  die  Zeit  der 
Infektion  weiter  zurück  und  bedeutet  die  ganze  Krankheit  nui 

*)  Seit  der  Publizierung  dieser  Narkose  durch  Korff  — 
Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  pag.  1169  —  habe  ich  fast  sämt¬ 
liche  Operationen  nach  dieser  Methode  gemacht,  und  in  jeder  Weise 
das  dort  Mitgeteilte  bestätigt  gefunden.  Ich  kann  sie  nur  aut 
das  Angelegentlichste  empfehlen.  Später  gedenke  ich  über  meine 
Erfahrungen  darüber  genauer  zu  berichten. 


eine  chronische  Pyämie  mit  endlicher  Lokalisierung  in  der  bsid  i  - 
seifigen  Nierengegend?  Dann  würde  dieser  lall  im  Verlauf 
dem  ersten  Cahn  sehen  sehr  ähnlich  sein.  Jedenfalls  ist  eine 
doppelseitige  paranephritische  Phlegmone  wohl  nicht  sehr  häufig 
und  deswegen  glaubte  ich  mich  berechtigt,  den  Fall  der  Oeffent- 
lichkeit  zu  übergeben. 

Aus  der  I.  medizinischen  Universitätsklinik  in  Wien 
(Chef :  Hof  rat  Prof.  N  othnagel). 

Zur  Therapie  und  Pathogenese  der  Stenokardie  und 

verwandter  Zustände. 

Zwei  Fälle  von  „intermittierender  ischämischer  Dysperistaltik“ 

(S  c  h  n  i  t  zl  e  r). 

Von  Dr.  Robert  Breuer,  klin.  Assistenten. 

(Fortsetzung.) 

III. 

Ich  lasse  nun  einige  Krankengeschichten  von  mit  Theo¬ 
bromin  behandelten  Patienten  in  kurzen  Auszügen  folgen.  An 
erster  Stelle  stehen  Kranke  mit  Angina  pectoris,  und  zwar  wurden 
aus  der  nicht  unerheblichen  Zahl  derartiger  Beobachtungen  einige 
ausgewählt,  die  die  Stenokardie  bei  verschiedenen  Affektionen 
(Koronarsklerose,  Aortenfehler,  Aneurysmen)  in  Beispielen  vor¬ 
führen  sollen.  Daran  schliessen  sich  einige  Beobachtungen,  die 
mir  zu  zeigen  scheinen,  dass  sich  die  Anwendung  des  Theobromins 
auch  auf  Zustände  erstreckt,  die  mit  der  Stenokardie  zwar  keine 
äussere  Aehnlichkeit,  wohl  aber  offenbar  eine  grosse  patho¬ 
genetische  Verwandtschaft  aufweisen,  und  die  vielleicht  bis  jetzt 
zu  wenig  beachtet  worden  sind.  Die  Natur  dieser  offenbar  nicht 
seltenen  Formen  von  „M  agensch  merze  n“  resp.  „B  aucli- 
s  e  h  m  e  r  z  e  n“  und  „Ko  1  i  k  e  n“  wird  gerade  bei  der  Anwen¬ 
dung  des  Theobromins  „ex  juvantibus“  schon  in  vivo  erkennbar. 
Auf  ihr  Vorkommen  und  ihre,  wie  mir  scheint,  nicht  unerheb¬ 
liche  praktische  Wichtigkeit  soll  hier  hingewiesen  werden. 

1.  Beobachtung.  Koronarangina  (Endarteriitis 

luetica?). 

R.  M.,  43  Jahre  alt,  Beamter.  Vor  17  Jahren  luetisch  infiziert; 
Exanthem,  Schmierkur.  Seither  keine  luetischen  Erscheinungen. 

Hat  stets  gut  gelebt,  reichlich  gegessen  und  getrunken,  raucht 
seit  1  Jahr  nicht  mehr.  War  bisher  vollkommen  beschwerdefrei. 
Seit  einigen  Wochen  bekommt  I’at.,  sowie  er  länger  als  3 — 4  Minuten 
in  continuo,  wenn  auch  in  langsamem  Tempo  geht,  heftigste  Schmer¬ 
zen  hinter  dem  Sternum,  gegen  den  Rücken  und  in  das  Epigastriuin 
ausstrahlend,  begleitet  von  lebhaftem  Angstgefühl.  Er  kann 
keinen  Schritt  weiter,  sondern  muss  einige  Minuten  stehen  bleiben, 
dann  kann  er  wieder  eine  kurze  Strecke  gehen.  Hie  und  da  ge¬ 
lingt  es  ihm,  wenn  er  die  Energie  dazu  aufbringt,  trotz  der 
Schmerzen  weiter  zu  gehen,  der  Schmerz  hört  dann  nach  y3  bis 
1  Minute  von  selbst  auf.  Aber  nur  selten  ist  es  ihm  möglich, 
den  Anfall,  wie  man  in  Wien  sagt,  zu  „übertauchen“;  er  hat,  wenn 
der  Schmerz  einsetzt,  gewöhnlich  das  intensive  Gefühl,  als  wäre 
es  sofort  aus  mit  ihm,  wenn  er  noch  einen  Schritt  machte.  So 
kommt  es,  dass  er  in  letzter  Zeit  nicht  den  kürzesten  Weg  machen 
kann,  beim  Treppensteigen  z.  B.  bis  zu  seiner  im  2.  Stock  gelegenen 
Wohnung  oft  10  Minuten  braucht  etc.  Die  Schmerzen  seien  qual¬ 
voll,  mit  keinem  anderen  Schmerz  zu  vergleichen.  Atemnot  ver¬ 
spüre  er  nie  im  Anfall.  Ebensolche  Anfälle  treten  hie  und  da 
auch  in  der  Ruhe  und  zwar  nach  reichlicherer  Mahlzeit  auf;  regel¬ 
nnissig  aber  kann  er,  besonders  in  den  letzten  Tagen,  nach  dem 
Essen  so  gut  wie  gar  nicht  gehen,  muss  sich  dann,  um  in  die 
nächste  Strasse  zu  kommen,  einen  Wagen  nehmen.  —  Andere  Be¬ 
schwerden  fehlen  durchaus. 

Objektiv:  Grosser,  kräftiger,  blühend  aussehender  Mann. 
Pulsspannung  ca.  150  mm  Hg.  Kein  Eiweiss  im  Harn.  Am 
Herzen  mit  Ausnahme  eines  accentuierten  Aortentones  nichts  Ab¬ 
normes.  Ilerzaktion  regelmässig. 

Während  eines  Anfalles,  den  ich  bei  dem  Kranken  nach  dem 
Ersteigen  einer  Treppe  beobachten  konnte,  war  er  blass  im  Ge¬ 
sicht,  konnte  nicht  sprechen,  sein  Gesichtsausdruck  zeigte  deut¬ 
lich  heftigen  Schmerz  und  lebhafte  Angst.  Der  Puls  war  von 
etwa  derselben  Spannung  wie  ausserhalb  des  Anfalls,  verlangsamt 
(ca.  50),  nicht  deutlich  arhythmisch.  Der  Kranke  stand  unbeweglich, 
an  die  Wand  gelehnt,  und  hielt  den  Atem  an.  Von  Dyspnoe  keine 
Spur.  Nach  etwa  1  Minute  war  der  Anfall  vorüber. 

Diuretin  0,5  5  mal  täglich.  —  Am  Tage  nach  den  ersten 
Diuretinpulvern  zessieren  die  Schmerzen  vollk  o  in  - 
men  und  daue  r  n  d.  Pat.  berichtet  nach  10  Tagen,  er  fühle 
sich  vollkommen  gesund,  obwohl  er  sonst  so  lebe  wde  früher. 
Vor  2  Tagen  habe  er  einen  ly2  stiindigen  Spaziergang  ohne  jede 
Beschwerde  gemacht.  Nach  weiteren  14  Tagen  war  Pat.  bei  2,0 
Diuretin  pro  die  noch  anfallsfrei. 

Das  ist  ein  typischer  Fall  der  echten  „Angine  d’effort“,  die 
richtige  Claudicatio  cordis.  Die  Anfälle  sind  hier  wohl  mit 


7.  Oktober  1902. 


MTIENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1655 


Sicherheit  auf  sklerotische  Veränderungen  der  Koronarien  resp. 
der  Aorta  im  Anfangsteil  bei  noch  ziemlich  intaktem  Herzmuskel 
zu  beziehen;  inwieweit  die  vorausgegangene  Lues  dabei  eine  Rolle 
spielt,  lässt  sich,  wie  in  den  meisten  derartigen  Fällen,  nicht  mit 
Sicherheit  entscheiden  ).  Selten  und  von  hohem  Interesse  ist 
die  Angabe  des  Kranken,  dass  es  ihm  hie  und  da  gelinge,  im 
Anfall  sich  weiter  zu  bewegen,  und  dass  dann  der  „Herzkrampf“ 
trotz  des  Weitergehens  aufhöre.  Das  ist  für  die  Auffassung  der 
ganzen  Sache  nicht  ohne  Bedeutung;  es  wird  weiter  unten  darauf 
zurückgekommen  werden. 

2.  Beobachtung.  Koronarangina,  Aorten¬ 
insuffizienz. 

K.,  57  Jahre  alt,  aufgenommen  am  28.  VI.  1901,  entlassen 
am  12.  VII.  01. 

In  der  Jugend  Pleuritis.  Reichlich  Alkohol.  Früher  viel  ge¬ 
raucht.  Lues  negiert. 

Seit  7—8  Monaten  Anfälle  heftigster  „Brustkrämpfe“  mit 
furchtbarem  Vernichtungsgefühl  und  Ausstrahlen  der  Schmerzen 
in  den  r.  Arm.  Die  Anfälle  kamen  anfangs  beim  Herumgehen  und 
anderen  körperlichen  Anstrengungen,  später  auch,  wenn  Pat.  lie¬ 
gend  schlief.  Seit  einigen  Wochen  kann  der  Kranke  keine  Nacht 
im  Bett  zubringen,  weil  sonst  während  einer  Nacht  3—4  schwerste 
Anfälle  auftreten.  Seit  3  Monaten  leichte  wechselnde  Schwellung 
der  Fiisse.  Häufig  Schwindelanfälle. 

Objektiv:  Fahl  und  elend  aussehender,  früh  gealterter 
Mann.  Leichte  Cyanose,  geringe  Oedeme  an  den  unteren  Extremi¬ 
täten.  Puls  leicht  arrhythmisch,  ca.  80,  nicht  celer,  keine 
Sklerose  der  fühlbaren  Arterien,  Spannung  subnormal.  Herz  nicht 
nachweisbar  hypertrophisch,  leicht  dilatiert.  Ueber  dem  Sternum 
ganz  leises  diastolisches  Geräusch.  Sonst  reine  Töne,  2.  Aorten¬ 
ton  nicht  auffallend  accentuiert  oder  klingend.  Geringe  diffuse 
Bronchitis.  Etwras  grosse,  harte  Leber,  kein  Aszites.  Spuren  von 
Eiweiss  im  Harn.  Pat.  hatte  am  Tag  der  Aufnahme  und  in  der 
folgenden  Nacht  zusammen  3  stenokardische  Anfälle  von  entsetz¬ 
licher  Intensität.  Der  Anfall  begann  mit  einer  Art  dumpfen  Ge¬ 
schreies,  dann  blieb  der  Kranke,  der  immer  sofort  aufgestanden 
war,  mit  verzerrtem  Gesicht  bewegungslos  ruhig  stehen  und  hielt 
den  Atem  so  lang  als  möglich  an,  während  er  sich  mit  beiden 
Händen  krampfhaft  am  Bettisch  festhielt.  Gesicht  während  des 
Anfalls  bleich,  schweissbedeckt;  Puls  60 — 70,  etwas  schlechter 
gespannt,  aber  nicht  wesentlich  unregelmässiger  als  sonst. 

Der  Anfall  bot  einen  so  entsetzlichen  Anblick,  dass  der 
Kranke  (schon  mit  Rücksicht  auf  die  anderen  Patienten)  sofort 
Morphium  subkutan  erhielt,  und  zwar  das  erste  Mal  0,02,  während 
der  folgenden  Anfälle  0,03.  Die  Attacke  hörte  dann  nach  einigen 
Minuten  allmählich  auf. 

Patient  hatte  zu  Hause  schon  Jod.  Digitalis,  Nitroglyzerin 
ohne  Erfolg  genommen  und  während  der  Anfälle  stets  Morphium 
bekommen  müssen. 

29.  VI.  Diuretin  3,0.  Pat.  hatte  am  selben  Tag  und  in 
der  folgenden  Nacht  noch  je  einen  leichten  Anfall;  von  da  an 
schmerzfrei,  schläft  gut  bei  Nacht,  kann  im  Zimmer  herum¬ 
gehen  und  will  durchaus  in  den  Garten.  Die  Oedeme  der  unteren 
Extremitäten  schon  am  2.  Tag  nach  dem  Beginn  der  Diuretin- 
medikation  vollkommen  geschwunden.  Am  Puls  keine  Verände¬ 
rung. 

9.  VII.  Bis  heute  anfallsfrei.  Pat.,  der  sehr  eigenwillig 
und  untraitabel  ist,  verweigert  das  Diuretin;  „es  mache  ihm 
Blähungen“.  Keine  Oedeme.  Nitroglyzerin  0,0005  3  mal  täglich. 

In  der  folgenden  Nacht  3  Anfälle  schwerster  Art.  Pat.  muss 
im  Laufe  der  Nacht  zusammen  0,11  Morphium  bekommen. 


5)  In  den  Beobachtungen  von  Koronarsklerose,  besonders  bei 
Individuen  mittleren  Alters,  findet  sich  auffallend  häufig  die  An¬ 
gabe  eiiier  früheren  luetischen  Infektion;  dasselbe  berichtet  Erb 
über  seine  Erfahrung  bei  der  Sklerose  der  Extremitätenarterien 
mit  Claudicatio  intermittens;  für  die  Aneurysmen,  besonders  der 
Aorta,  ist  die  ausserordentliche  Häufigkeit  vorausgegangener  Lues 
eine  nunmehr  allgemein  anerkannte  Tatsache.  Dass  es  sich  dabei 
nicht  immer,  ja  in  der  Minderzahl  der  Fälle  um  die  echte  End- 
arteriitis  luetica  handelt,  ist  aber  durch  vielfache  anatomische 
Untersuchungen  festgestellt.  Man  hilft  sich  zur  Erklärung  dieses 
Zusammenhanges  in  der  Regel  mit  der  Annahme,  dass  die  Syphilis 
ähnlich  wie  das  Blei,  der  Tabak  etc.  eine  erhöhte  Disposition  zur 
Arteriosklerose  schaffe.  Das  ist  ja  wohl  möglich;  besonders  nach 
,ler  Huchardschen  Auffassung  von  der  Genese  dieser  Krank¬ 
heit  wäre  es  unschwer  zu  verstehen,  dass  ein  leichter,  an  sich  be¬ 
deutungsloser  luetischer  Intimaprozess,  der  später  gar  nicht  mehr 
selbst  nachzuweisen  ist,  zu  ausgebreiteten  Gefässkontraktionen 
und  damit  zum  Entstehen  der  gewöhnlichen  Arteriosklerose  Ver¬ 
anlassung  gäbe.  Es  erscheint  aber  auch  durchaus  nicht  unmöglich, 
dass  es  ausser  der  echten,  durch  die  Antisyphilitica  heilbaren 
Endarteriitis  luetica  eine  Form  der  Gefässklerose  gibt,  die  zur 
Lues  in  einer  analogen  Beziehung  steht,  wie  die  Tabes,  die  Para¬ 
lyse  (meiner  Meinung  nach  auch  das  Argyll-Roberts  o  n  sehe 
Phänomen)  etc.,  die  mit  einem  Wort  zu  den  spezifisch  meta¬ 
luetischen  Affektionen  gehört.  Vielleicht  erlauben  künftige 
klinisch-anatomische  Forschungen,  eine  solche  Form  der  Gefäss- 
erkrankung  von  der  gewöhnlichen  Arteriosklerose  abzutrennen. 


10.  VII.  Theobr.  natriobenzoic.  3,0  pro  die.  Am  10.  und  11. 
kein  Anfall. 

Am  12.  VII.  verlässt  der  Kranke  trotz  dringenden  Abratens 
das  Spital. 

Er  hat  zuhause  noch  einige  Tage  Theobr.  natriobenzoic.  ge¬ 
nommen  und  dann  ausgesetzt.  Am  nächsten  Tag  mehrere  schwere, 
einander  fast  ohne  Unterbrechung  folgende  Anfälle.  Plötz¬ 
licher  Exitus  im  Anfalle. 

Dieser  Fall  schwerer  Angina  vera  bedarf  wohl  keines  weiteren 
Kommentars. 

3.  Beobachtung.  Stenokardie  bei  Aorten-  und 
Mitralinsuffizienz  ex  endokarditide. 

V.,  20  Jahre  alt,  Buchhalter.  Im  9.  Lebensjahre,  angeblich  in¬ 
folge  eines  Stosses  in  die  Herzgegend  „Herzklappenentzündung“. 
Seither  bei  Anstrengungen  Atemnot  und  Herzklopfen.  Trinkt  sehr 
massig,  raucht  mässig  reichlich.  Leidet  seit  dem  18.  Jahre  an  an¬ 
fallsweise  auftretenden  heftigen  Schmerzen  hinter  dem  Sternnm, 
die  von  hier  in  die  linke  Schulter  und  den  linken  Arm  ausstrahlen. 
Dabei  heftiges  Angstgefühl  und  Schweissausbruch.  Die  Anfälle 
kommen  täglich  ein-,  selten  auch  zweimal,  und  zwar  sowohl  am 
Tage  nach  Anstrengungen,  als  auch  nach  der  Abendmahlzeit  und 
in  der  Nacht  während  des  Schlafes,  ferner  erfolgt  ganz  regelmässig 
ein  Anfall  post  coitum. 

Es  besteht  typische  Aorten-  und  Mitralinsuffizienz  mit  starker 
Dilatation  und  Hypertrophie  des  linken  Ventrikels  und  Hyper¬ 
trophie  des  rechten  Ventrikels.  Keine  Erscheinungen  gestörter 
Kompensation.  Regelmässiger  Pulsus  celer  von  etwa  normaler 
Freqenz  und  Spannung. 

Pat.  hat  zuhause  früher  eine  Nitroglyzerinkur  mit  gutem  Er¬ 
folge  durchgemacht  (Tabletten  ä  y2  mg.  von  1 — 6  Tabletten  täg¬ 
lich  ansteigend).  Die  Anfälle  wurden  im  Verlauf  von  3  Wochen 
leichter  und  hörten  schliesslich  auf.  Er  wrar  4  Monate  anfallsfrei. 
Dann  traten  die  Anfälle  wieder  auf  und  waren  nun  durch  Nitro¬ 
glyzerin  nicht  mehr  zu  beseitigen,  kommen  täglich  1 — 2  mal  mit 
noch  grösserer  Heftigkeit  als  früher. 

Diuretin  3,0  pro  die.  Vom  ersten  Tage  der  Medikation 
an  kein  Anfall  mehr.  Nach  14  Tagen  lässt  Patient  das  Diuretin 
weg:  an  diesem  und  am  nächsten  Tage  je  ein  Anfall.  Pat.  erhält 
nun  A  g  u  r  i  n  3  mal  täglich  0,5.  Kein  Anfall  mehr,  auch  als  der 
Kranke  nach  etwa  3  Wochen  das  Agurin  aussetzt.  (Ambula¬ 
torische  Beobachtung  dauert  noch  weitere  3  Wochen.) 

Es  ist  wiederholt,  zuerst  wohl  von  Nothnagel,  darauf 
hingewiesen  worden,  dass,  wenn  bei  Klappenfehlern  Angina  pec¬ 
toris  vorkommt,  es  sich  fast  ausschliesslich  um  Aorten  fehler 
handelt.  Bei  den  so  häufigen  Aorteninsuffizienzen  ex  arterio- 
sclerosi  ist  das  nach  der  „arteriellen“  Theorie  ohne  weiteres  ver¬ 
ständlich;  bestehen  doch  bei  dieser  regelmässig  Veränderungen 
in  der  Gegend  der  Koronarostien,  event.  auch  Sklerose  der  Koro¬ 
narien  selbst.  Für  Fälle,  wie  der  vorliegende,  bei  denen  es  sich 
um  Aortenklappenfehler  infolge  von  Endokarditis  handelt,  kann 
man  nach  zahlreichen  vorliegenden  Erfahrungen  wohl  annehmen, 
dass  die  grossen  Blutmengen,  die  der  linke  Ventrikel  infolge 
der  Aorteninsuffizienz  unter  hohem  Drucke  auswirft,  sekundär 
eine  Intimaerkrankung  im  Anfangsteil  der  Aorta  erzeugt  habe. 
Dass  dadurch  die  Koronarostien  verengt,  vielleicht  die  Kranz- 
gefässe  sogar  in  ihrem  Verlauf  erkrankt  sind,  lässt  sich  in  diesen 
Fällen  natürlich  in  vivo  nicht  beweisen;  allerdings  muss  man 
auch  mit  dem  Versuch,  eine  Koronaraffektion  eben  mit  dem  Hin¬ 
weis  auf  die  J ugend  des  Patienten  für  ausgeschlossen  zu  erklären, 
wie  mehrfache  Erfahrungen  zeigen  (vergl.  H  uchard),  gerade 
bei  derartigen  Kranken  sehr  vorsichtig  sein.  Aber  notwendig 
ist  eine  anatomische  Affektion  der  Kranzarterien  selbst  oder  auch 
nur  eine  Stenose  ihrer  Ostien  nicht;  es  soll  weiter  unten  noch 
darauf  eingegangen  werden,  dass  und  warum  Intimaverände¬ 
rungen  im  Anfangsstück  der  Aorta  zur  Auslösung  von  Angina¬ 
anfällen  auch  bei  normalen  Koronarien  hinreichen. 

Der  folgende  Fall  zeigt,  dass  auch  die  Nikotinangina  durch 
Theobromin  günstig  beeinflusst  wird. 

4.  Beobachtung.  Angina  pector.  ex  abusu  nico- 

t  i  a  n. 

A.,  Comptoirist,  24  Jahre  alt.  Früher  stets  gesund,  nie  Herz¬ 
beschwerden.  Kein  Alkohol,  keine  Lues.  Raucht  seit  5  Jahren 
und  zwar  sehr  reichlich,  fast  ausschliesslich  Zigaretten,  in  den  letz¬ 
ten  Monaten  bis  30  Stück  täglich.  Hat  seit  einigen  Wochen  oft 
unangenehme  Sensationen  in  der  Herzgegend,  stechende  Schmer¬ 
zen  und  die  Empfindung,  als  ob  das  Herz  plötzlich  stehen  bliebe. 
Ausserdem  treten,  und  zwar  fast  nur  des  Nachts,  höchst  pein¬ 
liche  Schmerzanfälle  („Herzkrämpfe“)  auf.  die  in  den  linken  Arm 
bis  in  die  Fingerspitzen  ausstrahlen  und  von  Vertaubungsgefühl 
in  der  linken  Thoraxseite  und  der  linken  oberen  Extremität  be¬ 
gleitet  sind.  Dabei  „furchtbare  Beklemmung“,  das  Gefühl,  als  ob 
das  Herz  sich  zusammenziehe  und  nicht  mehr  weiterschlagen 
wolle.  Dauer  der  Anfälle  ca.  10  Minuten.  Pat.  war  aufmerksam 
gemacht  worden,  dass  diese  Erscheinungen  einer  chronischen 

4* 


1653 


MUEN CITENE R  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT . 


No.  40. 


Nikotinvergiftung  zuzuschreiben  seien,  und  hat  seit  14  Tagen  das 
Itauchen  eingeschränkt;  trotzdem  haben  die  Anfälle  nicht  auf¬ 
gehört.  . 

Objektiv:  Nervöser,  aufgeregter  Mensch,  lebhafte  Knie¬ 
reflexe.  Starke  Arhythmie  auch  in  der  Ruhe.  Sonst  weder  am 
Herzen  noch  sonst  irgendwo  etwas  Abnormes. 

D  iuretin  2.5  pro  die.  Die  Anfälle  zessieren  am  2.  Tag 
der  Medikation  und  kehren,  als  2 y2  Wochen  später  das  Diuretin 
ausgese'tzt  wird,  nicht  wieder,  obwohl  der  Kranke  wieder  etwas 
mehr  raucht.  Die  Arhythmie  und  das  Gefühl  des  „Herzstill¬ 
standes“  dauern  noch  weiter  fort,  sind  aber  schwächer. 

Der  Einfluss  des  Theobromins  auf  die  stenokardischen  An¬ 
fälle  bei  diesem  und  anderen  Kranken  spricht-  sehr  dafür,  dass 
Huchards  Meinung  richtig  ist:  Die  Nikotinstenokardie  sei 
nicht  den  übrigen  „Pseudostenokardien“  gleichzustellen,  sondern 
sei  bedingt  durch  einen  Krampf  der  Kranzarterien 
infolge  des  Nikotins;  sie  sei  also  eine  funktionelle 
Koronarangin  a.  Es  mag  hier  dahingestellt  bleiben,  ob, 
wie  französische  Autoren  annehmen,  der  Beweis  wirklich  schon 
erbracht  ist,  dass  das  Nikotin  geeignet  sei,  derartige  toxische 
passagere  Gefässpasmen  zu  erzeugen ;  ob  nicht  doch  auch  in 
leichteren  Fällen,  wo  die  Angina  pectoris  bald  nach  dem  Aus¬ 
setzen  des  Rauchens  wegbleibt,  ein  leichter  anatomischer 
Gefässprozess  zu  Grunde  liege,  wie  er  durch  schweren,  lang¬ 
dauernden  Tabakmissbrauch  sicher  in  schweren  Formen  erzeugt 
werden  kann  (Erb). 

5.  Beobachtung.  Aneurysma  arcus  aortae. 

Stenokardie. 

M„  48  jähriger  Maurer.  Lues  sicher  vorausgegangen.  Pat. 
leidet  seit  mehreren  Monaten  an  Heiserkeit,  Atemnot  und  Schmer¬ 
zen  in  der  Brust.  Es  besteht  Kompression  des  linken  Bronchus 
und  des  linken  Rekurrens  durch  ein  physikalisch  (mit  Ausnahme 
des  deutlichen  O  1  i  v  e  r  -  C  a  r  d  a  r  e  1 1  i  sehen  Phänomens)  nicht 
nachweisbares,  röntgenoskopisch  aber  sichergestelltes  apfel¬ 
grosses  Aneurysma  des  Aortenbogens.  Ausser  den  fast  kontinuier¬ 
lich  bestehenden  mässigen  Schmerzen  in  der  Tiefe  der  Brust  und 
gegen  den  Rücken  hin,  stellten  sich  vor  der  Aufnahme  in  die 
Klinik  täglich  mehrmals,  und  zwar  bei  Tage  und  bei  Nacht,  An¬ 
fälle  heftigster  Schmerzen  hinter  dem  Sternum  ein,  die  in  den 
linken  Arm  ausstrahlten  und  mit  dem  Gefühle  heftigster  Todes¬ 
angst  verbunden  waren.  Während  des  Anfalls  bestand  zudem 
meistens  starke  Atemnot;  ein  auch  sonst  vorhandener  Stridor  ver¬ 
stärkte  sich  bedeutend;  gleichzeitig  empfand  Pat.  unüberwind¬ 
lichen  quälenden  Hustenreiz  hinter  dem  Manubrium  sterni,  und 
hustete  trocken  und  unter  furchtbarer  Anstrengung. 

Pat.  hatte  zuhause  Nitroglyzerin  ohne  Erfolg  genommen  und 
musste  stets  Morphiuminjektionen  während  der  etwa  %  Stunde 
dauernden  Attacken  erhalten.  In  der  Klinik  wurden  noch  mehrere 
Anfälle  beobachtet,  sie  gehörten  zu  dem  entsetzlichsten,  was  man 
sehen  kann. 

Diuretin  3,0  pro  die.  Die  Anfälle  zessierten  nicht  voll¬ 
kommen.  aber  sie  traten  in  den  folgenden  2  Wochen  seltener  und 
viel  leichter  auf.  Schmerz  und  Todesangst  fehlten  fast  ganz, 
Husten  und  Atemnot  waren  viel  geringer.  Dagegen  stellte  sich 
nach  ca.  2  Wochen  blutig  fingiertes  Sputum  ein  und  der  Kranke 
erlag  schliesslich  einer  Perforation  in  den  BronchuS.  Die  Ob¬ 
duktion  wies  ein  sackförmiges  Aneurysma  des  Aortenbogens  nach. 
Die  Aorta  ascendens  nur  wenig  endarteritisch  verändert.  Die 
Koronarien  selbst  in  den  Stämmen  fi*ei,  in  der  Umgebung  der 
Ostien  einige  endarteritisehe  Plaques. 

Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  in  diesem  Falle  die  anatomische 
Untersuchung  nur  die  Hauptstämme  der  Kranzarterien  berück¬ 
sichtigt  hat,  während  die  Nebenäste  nicht  untersucht  wurden. 
Wissen  wir  doch,  dass  Stenokardien  selbst  schwerer  Art  Vor¬ 
kommen  können,  wenn  die  Stämme  der  Koronarien  frei  und  nur 
Aeste,  selbst  geringen  Kalibers,  sklerotisch  erkrankt  sind. 

Der  vorstehenden  sehr  ähnlich  ist  folgende 

6.  Beobachtung.  Aneurysma  arcus  aortae. 

Stenokardie. 

41  jähriger  Beamter,  Lues  vor  11  Jahren.  Bogenaneurysma 
mit  linksseitiger  Rekurrenskompression  von  der  Grösse  einer 
Orange  (Röntgenuntersuchung).  Seit  Wochen  jede  Nacht  1 — 2 
schwere  Schmerzanfälle  hinter  dem  Sternum,  in  den  linken  Arm 
ausstrahlend,  mit  lebhaftem  Angstgefühl,  aber  ohne 
Atemnot. 

Bei  3,0  Diuretin  pro  die  war  Pat.  3  Wochen  lang  vollkommen 
schmerzfrei,  bekam  aber,  als  er  nach  dieser  Zeit  das  Mittel  aus¬ 
setzte,  ca.  5  Tage  später  wieder  Anfälle. 

Auch  in  diesem  Falle  ist  mangels  einer  anatomischen  Unter¬ 
suchung  die  Frage  nicht  zu  entscheiden,  ob  die  Koronarien  normal 
oder  erkrankt  gewesen  seien.  Auf  jeden  Fall  wird  man  die  beiden 
letzten  Beobachtungen  noch  der  Stenokardie  zuzählen  dürfen, 
wegen  des  den  Schmerzanfall  begleitenden  lebhaften  Ver- 
nichtungs  -  r  e  s  p.  Angstgefühles,  das  doch  wohl  für 


das  Herz  syndrom :  Angina  pectoris  charakteristisch  ist.  Das 
Vernichtungsgefühl  resp.  die  hochgradige  „Präkordial“- Angst 
scheint  mir  nämlich  ein  Symptom  zu  sein,  das  nur  vom 
Herzen  aus  ausgelöst  wird ;  es  scheint  mir  eine  spezifische 
Empfindung  darzustellen,  die  die  sensiblen  Apparate  des 
II  e  r  z  e  n  s  vermitteln  und  die  nur  diesen  zukommt.  Wo  es  zu¬ 
sammen  mit  Schmerzen  in  der  Brust  auftritt,  da  hat  man,  glaube 
ich,  ein  Recht,  eine  sensible  Reizerscheinung  anzunehmen,  die 
vom  Herzen  ausgeht,  und  von  „Herzschmerz“  zu  sprechen  — 
gleichgültig,  ob  ein  anatomisch  bedingtes  Phänomen,  wie  bei  der 
Angina  pectoris  der  Aorten-  und  Koronarkranken,  oder  eine  rein 
neurotische,  funktionelle  Erscheinung  zu  Grunde  liegt,  wie  bei 
den  nervösen  Pseudoanginen.  Deshalb  sind  auch  die  beiden  vor¬ 
stehenden  Fälle  als  Angina  pectoris  bei  Aneurysma¬ 
kranken  aufzufassen. 

Nun  gibt  es  aber  bei  Aneurysmakranken,  bei  denen  der  Sack 
am  Bogen  oder  in  der  Aorta  descendens  sitzt,  auch  Anfälle,  die 
der  Stenokardie  nicht  mehr  zugezählt  werden  können,  und  die 
trotzdem  durch  Theobromin  günstig  beeinflusst  werden. 

7.  Beobachtung.  Aneurysma  arcus  aortae  mit 
Schmerzanfällen  in  Brust,  Rücken  und  linkem 

Arm  ohne  Herzangst. 

58  jähriger  Kaufmann.  Vor  Jahren  Ulcus  am  Genitale,  an¬ 
geblich  keine  Syphilis  (aber  starre  Pupillen). 

Seit  mehreren  Wochen  anfallsweise  auftretende  Schmerzen 
in  der  linken  oberen  Thoraxpartie  und  im  Rücken,  sowie  im  linken 
Arm  bis  zur  Ellbogenbeuge.  Die  Anfälle  kommen  besonders 
während  des  Schlafes,  oft  mehrmals  in  einer  Nacht.  Der  Schmerz 
beginnt  angeblich  hinter  dem  linken  Schulterblatt  und  strahlt  von 
hier  aus  nach  vorne  und  in  den  Arm  aus.  Dabei  bestehen 
Parästhesien  in  der  ganzen  linken  oberen  Extremität.  Angst¬ 
gefühl  oder  Beklemmung  fehlt  wTährend  des  Schmerz¬ 
anfalles  vollkom  m  e  n.  Die  Schmerzen  kommen  besonders 
Nachts,  dauern  y2— 1  Stunde.  Pat.  hat  alle  möglichen  Auti- 
neuralgica  ohne  viel  Erfolg  versucht. 

Objektiv:  Kräftiger  Mann  von  gesundem  Aussehen.  Am 
Herzen,  mit  Ausnahme  eines  leisen  systolischen  Geräusches  über 
der  Spitze,  nichts  Abnormes.  Linke  Radialis  deutlich  enger  als 
die  rechte,  beide  etwas  geschlängelt.  Stimme  leicht  heiser,  Atem- 
geräusch  1.  li.  etwas  schwächer  als  r.  h.  Keine  Pulsation  oder 
Dämpfung  vorne  oder  hinten  am  Thorax.  Mässige  Pulsation  im 
.Tugulum.  C  a  rdarell  i  sches  Phänomen  schwach,  aber  deutlich 
nachweisbar.  Radioskopisch:  sicheres  Aneurysma 
von  der  Grösse  eines  grösseren  Apfels,  wahrscheinlich  vom  unteren 
Teil  des  Aortenbogens  ausgehend. 

Therapie:  Diuretin  anfangs  4,  später  3  g  pro  die.  Die 
Schmerzen  kommen  in  der  nächsten  Zeit  ungleich  seltener  (1 — 2  mal 
in  der  Woche),  oft  nur  leichte  „Mahnungen“;  sie  treten  wieder 
häufiger  auf,  als  Pat.  nur  4  mal  0,5  nimmt  und  von  Abend  bis  zum 
nächsten  Morgen  pausiert. 

Ich  glaube,  dass  dieser  Fall,  bei  dem  jede  Andeutung  von 
Angst  oder  Oppression  fehlt,  der  Stenokardie  nicht  zugezählt 
werden  kann.  Derartige  Schmerzanfälle  sind,  wie  am  Schlüsse 
auseinandergesetzt  werden  soll,  meiner  Meinung  nach  als 
Schmerzen  in  den  kranken  Gef ässen  im  Sinne  Nothnagels 
selbst  aufzufassen. 

Es  ist  seit  langem  bekannt,  dass  die  Schmerzen  der  Angina 
pectoris  nicht  nur  nach  den  verschiedensten  Richtungen  aus- 
strahlen  können,  sondern  dass  sie  von  den  Kranken  manchesmal 
überhaupt  nur  in  einer  mehr  oder  weniger  vom  Herzen  entfernten 
Region  empfunden  werden.  So  gibt  es  larvierte  Stenokardien  im 
Rücken,  in  der  Schulter,  im  Arme  etc.  Die  mit  diesen  Schmerz¬ 
anfällen  zugleich  auftretende  „Herzangst“  lässt  die  Paroxysmen 
als  larvierte  Stenokardien  erkennen.  Besonders  wichtig  und 
relativ  häufig  ist  eine  Form  der  Stenokardie  mit  „exzentrischer 
Schmerzprojektion“,  die  von  französischen  Autoren  den  Namen 
„angine  de  poitrine  de  forme  pseudogas  tral- 
g  i  q  u  e“  erhalten  hat.  Die  folgende  Beobachtung  ist  ein  Bei¬ 
spiel  hierfür. 

8.  Beobachtung.  Angina  pectoris  unter  dem 

Bild  von  Magenkrämpfen. 

L.,  40  jähriger  Kaufmann.  Früher  stets  gesund.  Alkohol 
ziemlich  reichlich.  Lues  wahrscheinlich  (angeblich  Ulcus  molle, 
3  Abortus  der  Frau). 

Klagt  seit  mehreren  Monaten  über  häufig  auftretende  heftige 
„Magenkrämpfe“,  die,  wie  er  selbst  bemerkt  hat,  bei  zwei  Ge¬ 
legenheiten  auftreten.  nach  reichlichen  Mahlzeiten  und,  was  ihm 
sehr  auffällig  ist,  beim  Gehen,  besonders  Steigen.  Er  fühlt  dann 
plötzlich  einen  „furchtbaren“  Schmerz  in  der  Gegend  des  Schwert¬ 
fortsatzes,  der  ihm  den  Atem  benimmt  und  ihn  zwingt,  sich  hin¬ 
zusetzen.  Es  ist  ihm,  als  ob  ihm  eine  eiserne  Faust  den  Magen 
zusammenpresse  und  ihn  einige  Minuten  so  halte.  Dabei  werde  er 


7.  Oktober  1902. _ MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ganz  blass,  könne  nicht  sprechen  und  empfinde  lebhafte  Beklem¬ 
mung.  Für  die  Anfälle,  die  nach  dem  Essen  kommen,  ist  die 
Qualität  der  Nahrung  ziemlich  belanglos,  nur  viel  auf  einmal  dürfe 
er  nicht  essen  und  nach  dem  Essen  sich  nicht  hinlegen.  Appetit 
gut,  keine  wirklichen  Magenbeschwerden,  Stuhl  regelmässig. 
Kommt  zum  Arzt,  weil  er  in  der  letzten  Nacht,  ohne  Abends  be¬ 
sonders  viel  gegessen  zu  haben,  durch  einen  solchen  „Mageu- 
krampf“  aus  dem  Schlaf  geweckt  wurde. 

Kräftiger,  gut  genährter  Mann.  Pulsspannung  etwa  normal. 
Am  Herzen  nichts  Abnormes  nachweisbar.  Druck  in  der  Mittel¬ 
linie  oberhalb  des  Nabels  empfindlich  (Bauchaorta?).  Diuretin 
0,5,  zuerst  6,  dann  5  und  4  mal  täglich.  Pat.  hat  in  den  nächsten 
4  Wochen  nur  einmal  (bei  2,0  Diuretin  pro  die),  als  er  nach  dem 
Essen  rasch  ging,  einen  Anfall  gehabt.  Nimmt  seither  konstant 
2,0  Diuretin  täglich  weiter  und  fühlt  sich  monatelang  wohl. 
Weitere  Nachrichten  fehlen. 

Wenn  bei  diesem  Kranken  wegen  der  lebhaften  Beklemmung 
während  des  Anfalles  ein  kardiales  Element  noch  deutlich  zu  er¬ 
kennen  ist,  so  fehlt  dies  in  folgender  Beobachtung  vollkommen. 

9.  Beobachtung.  Anfälle  von  „Bauch  sch  merze  n“, 
durch  Diuretin  beseitigt. 

Sch.,  5G  Jahre  alt,  Reisender.  Vor  20  Jahren  Lues.  Seit 
ca.  24  Jahren  etwas  „magenleidend“.  Seit  ca.  2  Jahren  sehr  heftige 
fast  täglich  auftretende  „Bauchschmerzen“  von  wechselnder 
Intensität.  Häufig  kommen  bei  Nacht  sehr  heftige  derartige 
Schmerzanfälle.  Sie  treten  stets  unabhänig  von  der  Nahrungs¬ 
aufnahme  auf,  trotzdem  hält  sich  der  Kranke,  der  sein  Leiden  als 
„Blähungsschmerzen“  bezeichnet,  sehr  diät,  fürchtet  sich,  zu  essen, 
merkt  aber  keine  Besserung,  trotz  wechselnder  Behandlung. 

Objektiv:  Sehr  stark  erhöhte  Pulsspannung.  2.  Aortenton 
paukend.  Herzdämpfung  nicht  vergrössert.  Im  Harn  kein 
Albumen.  Diuretin  2,0  pro  die. 

Nach  4  Tagen  berichtet  Pat.,  die  Schmerzen  seien  vollständig  ' 
verschwunden.  Nach  mehrtägigem  Aussetzen  des  Diuretin  treten 
sie  wieder  auf,  um  auf  neuerliche  Medikation  wieder  zu  ver¬ 
schwinden. 

Es  ist  nichts  darüber  bekannt  (ich.  habe  mich  zum  ITeber- 
fluss  davon  überzeugt),  dass  das  Diuretin  irgend  einen  nachweis¬ 
baren  Einfluss  auf  wirkliche  Magenschmerzen  oder  Darmkoliken 
ausüben  würde.  Ebensowenig  hat  das  Mittel  (oder  etwa  das  in 
ihm  enthaltene  Salizylsäure  Natron)  einen  „antineuralgischen“ 
Charakter  (4  Dosen  von  je  0,25  Natr.  salicylicum  pro  die  sind  in 
dieser  Beziehung  wohl  ganz  unverdächtig).  Dagegen  ist  es  nach 
den  bisher  vorgebrachten  Erfahrungen  recht  verständlich,  dass 
das  Theobromin  hier  gewirkt  hat,  wenn  es  sich  um  arterielle 
Schmerzen  handelte.  Nun  machen  die  hohe  Pulsspannung, 
der  laute  2.  Aortenton,  die  vorausgegangene  Lues  Arteriosklerose 
bei  dem  Kranken  mehr  als  wahrscheinlich.  Es  handelt  sich  bei 
ihm  offenbar  (ähnlich  wie  im  Fall  7)  um  Anfälle  von  G  e  - 
fässch merzen  im  Sinne  Nothnagels,  und  zwar 
bedingt  durch  Arteriosklerose  der  Bauchaorta 
resp.  ihrer  Zweige.  Derartige  Schmerzattacken  scheinen 
durchaus  nicht  selten  zu  sein,  geben  aber  gewiss  ausserordentlich 
häufig  zu  diagnostischen  Missgriffen  Veranlassung. 

(Schluss  folgt.) 


Franz  von  Tappeiner.  -{* 

Skizze  von  Sanitätsrat  Dr.  R.  Hausmann  in  Meran. 

Am  20.  August  1902  beendete,  86  Jahre  alt,  einer  der  be- 
deutensten  praktischen  Aerzte  Oesterreichs  und  Deutschlands 
auf  seinem  Besitze  Schloss  Reichenbach  in  Obermais  bei  Meran 
in  Tirol  sein  tatenreiches  Leben,  das  wissenschaftlichen  Be¬ 
strebungen  gewidmet  war  von  frühester  Jugend  an  bis  in  sein 
hohes  Alter.  Franz  v.  Tappeiner,  geb.  am  7.  Januar  1816, 
verdankt,  wie  wir  seinen  eigenen  Mitteilungen  entnehmen,  seiner 
verehrungswürdigen  Mutter  die  Möglichkeit,  dass  er  im  Alter  von 
11  Jahren  sein  Heimatsdorf  Laas  in  Vintschgau  verlassen  und 
in  das  Gymnasium  von  Meran,  Herbst  1827,  eintreten  konnte. 
Sein  Vater,  Josef  T  a  p  p  e  i  n  e  r,  hatte  vergebens  gehofft,  wie 
landesüblich,  diesen  seinen  ältesten  Sohn  als  Nachfolger  auf 
seinem  Bauernhöfe  zu  sehen  und  musste  zugeben,  dass  derselbe 
bis  1832,  und  zwar  als  sogen.  Vorzugsschüler,  in  Meran  verblieb, 
um  darauf  die  sechste  und  die  zwei  damaligen  philosophischen 
Klassen  in  Innsbruck  mit  derselben  Auszeichnung,  ganz  be¬ 
sonders  in  Mathematik,  zu  absolvieren.  Zunächst  suchte  der 
wanderlustige,  junge  Universitätshörer  1836  die  zu  jener  Zeit 
berühmte  deutsche  Prager  Hochschule  auf,  blieb  daselbst  ein 
Jahr,  ging  auf  ein  weiteres  Jahr  nach  Padua,  im  dritten  wiederum 
nach  Prag  zurück,  wo  er  sich  ernsthaft  seinen  Studien  widmete. 

No.  40. 


1657 

Jetzt  schon  zeigte  sich  die  grosse  Intelligenz  T  appeiners, 
denn  es  war  ihm  klar  gewoi’den,  dass  alle  seine  Gymnasialstudien 
fruchtlos  und  vergessen  sein  würden,  wenn  er  sie  nicht  auf¬ 
frischen  konnte,  und  er  kehrte,  um  in  aller  Zurückgezogenheit 
arbeiten  zu  können,  nach  Laas  in  sein  Elternhaus  zurück.  Hier¬ 
her  folgte  ihm  sein  Prager  Freund  und  Studiengenosse,  der 
spätere  Erlanger  Kliniker  Ditterich,  welcher  durch  seine 
hervorragenden  botanischen  Kenntnisse  auf  T  a  p  p  e  i  n  e  r  be¬ 
deutenden  Einfluss  übte,  und  dieser  Periode  ist  es  zu  verdanken, 
dass  er  sein  berühmt  gewordenes  Herbarium  anzulegen  begann. 

Die  Jahre  1840 — 1843  wurden  in  Wien  zur  Vollendung  der 
Ausbildung  in  den  medizinischen  Studien  zugebracht,  dabei  aber 
die  botanischen  mit  grosser  Vorliebe  fortgesetzt,  so  dass  sich 
Tappeiner  in  diesen  jungen  Jahren  bereits  einen  Ruf  nicht 
nur  in  Oesterreich,  sondern  auch  in  Deutschland  auf  diesem  Ge¬ 
biet  erwarb,  u.  a.  durch  seine  Beiträge  zur  „Flora  Germanica“ 
Reichenbachs.  Unter  seinen  schönen  Entdeckungen  seien  Trien- 
talis  europaea  und  Trigonella  monspelica  genannt. 

Im  J ahre  1843  wurde  Tappeiner  zum  Doktor  der  Me¬ 
dizin  promoviert  und  als  ihm  die  in  Aussicht  gestellte  Assistenten¬ 
stelle  für  Botanik  an  der  Universität,  weil  noch  besetzt,  nicht 
zugesprochen  werden  konnte  und  auch  die  ihm  bereits  zu¬ 
gesicherte  Anstellung  als  Militärarzt  bei  der  holländischen  Kom¬ 
pagnie  wegen  Friedensschlusses  mit  den  Eingeborenen  Sumatras 
annulliert  wurde,  seine  ökonomischen  Verhältnisse  aber  zum  Brot¬ 
erwerb  drängten,  so  entschloss  er  sich,  Wien  zu  verlassen.  Er 
ging  noch  für  kurze  Zeit  nach  München,  wo  er  die  Kliniken 
und  besonders  Kunstsammlungen  mit  grossem  Interesse  besuchte, 
und  kehrte  dann  nach  seinem  Heimatsörtchen  Laas  zurück,  um 
dort  Landpraxis  auszuüben. 

Vorher  hatte  er,  die  Ernennimg  zum  holländischen  Militär¬ 
arzt  in  Händen,  und  im  Gedanken,  von  der  Heimat  vielleicht  auf 
immer  zu  scheiden,  sein  kostbares  Herbarium,  bestehend  aus 
6000  Arten,  dem  Ferdinandeum  in  Innsbruck  geschenkt. 

Mit  der  Niederlassung  als  Landarzt  ohne  Wartegeld  zu  Laas 
im  J ahre  1843  beginnt  für  Tappeiner  die  zweite  bedeutende 
Epoche  seines  Lebens.  „Ich  hatte“,  so  schreibt  er  in  seinen  vor 
uns  liegenden  Aufzeichnungen,  „vor  meinen  ärztlichen  Kollegen 
voraus,  dass  ich  mir  in  Wien  unter  den  Professoren  Skoda  und 
Rokitansky  in  der  pathologischen  Anatomie  und  Per¬ 
kussion  und  Auskultation  eine  tüchtige  Ausbildung  erworben 
hatte.  Dies  brachte  mir  viele  Erfolge  und  der  glückliche  Ver¬ 
lauf  von  Exstirpationen  von  Drüsentumoren,  Amputationen 
karzinomatöser  Brustdrüsen,  Staroperationen,  die  grosses  Auf¬ 
sehen  im  Vintschgau  hervorriefen,  verbreitete  meinen  Ruf  als 
Chirurg  bis  nach  Innsbruck,  wohin  ich  als  Unterchirurg  berufen 
wurde,  als  ein  Münchener  Chirurg  an  Graf  Trapp  eine  Opera¬ 
tion  vorgenommen  hatte,  um  die  Nachbehandlung  zu  übernehmen 
und  zu  leiten.  So  blieb  ich  einige  Monate,  kehrte  aber  dann  aus 
Vorliebe  zur  freien  Landpraxis  wieder  nach  Laas  zurück“,  wohin 
selbst  aus  Meran,  dem  neu  entstehenden  Kurort,  und  aus  Bozen 
Patienten  pilgerten  und  in  ihn  drängten,  nach  Meran  zu  über¬ 
siedeln.  Endlich  entschloss  er  sich  dazu  am  Ende  des  Jahres 
1846.  „Ich  habe“,  schreibt  Tappeiner,  „nie  für  Meran  ge¬ 
schrieben,  ich  wollte,  dass  nur  allein  die  in  Meran  geheilten  und 
gebesserten  Patienten  den  Ruf  Merans  in  Europa  ausbreiteten.“ 
Kurz  nach  seiner  Uebersiedelung  nach  Meran  führte  Tap¬ 
peiner  Fräulein  Mathilde  v.  Tschiderer,  Tochter  des 
Kollegienrates  v.  Tschiderer  aus  Bozen,  die  er  im  Hause 
ihres  Schwagers  v.  C  o  m  i  n  i  kennen  gelernt  hatte,  als  Gattin 
heim.  Sie  war  eine  edle,  milde  und  umsichtige  Frau,  die  nicht 
ohne  Einfluss  blieb  auf  ihren  genialen  Gemahl.  Noch  wenige 
Monate  vor  seinem  Tode  zeigte  mir  Tappeiner  mit  Stolz 
ein  Bild  seiner  Gattin  aus  ihrer  Jugendzeit. 

Mit  welchen  Erfolgen  Tappeiner  seinen  Ruf  als  Prak¬ 
tiker  und  Diagnostiker  von  jener  Zeit  an  unausgesetzt  be¬ 
gründete,  ist  weithin  bekannt,  und  wie  sehr  er  gerade  als  prak¬ 
tischer  Arzt  gefeiert  wurde,  kennzeichnet  bei  dem  Abschluss 
Tappeiners  ärztlicher  Tätigkeit  und  zur  Feier  dessen 
70  jährigen  Geburtstages  der  bekannte  Berliner  pathologische 
Anatom  C.  Friedländer  wörtlich  *) :  „Tappeiner  gehört 
zu  den  bedeutendsten  und  gleichzeitig  zu  den  glücklichsten 
Aerzten,  die  wir  kennen  ...  Von  vornherein  war  er  sich  klar 

9  Fortschritte  der  Medizin  1S86,  15.  Januar,  Heft  2. 

5 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


bewusst,  von  wie  grosser  Bedeutung  die  allgemein  hygienischen 
Faktoren  besonders  für  die  Lungenkranken  sind  und  nicht  nur 
das,  sondern  er  verstand  es  auch,  kraft  seiner  mächtigen  Per¬ 
sönlichkeit  und  wahren  Humanität,  die  Kranken  dahin  zu 
bringen,  dass  sie  seine  Vorschriften  in  striktester  Weise  durch 
Monate  hindurch  befolgten.  Er  hat  auf  diese  Art  reichen  Segen 
gestiftet.  Seine  Patienten,  zu  denen  Mitglieder  der  meisten 
regierenden  Familien  Europas  gehören,  sind  ihm  in  fast  beispiel¬ 
loser  Weise  anhänglich  und  dankbar.“ 

Wir  wollen  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  Tappeiner 
schon  vor  Brehmer,  also  vor  1854,  in  Meran  die  Behandlung 
der  Phthisiker  mit  umfassender  Lüftung  der  Zimmer  bei  Tag  und 
womöglich  Nachts,  mit  Liegekur  in  und  ausserhalb  des  Bettes 
in  freier  Luft  auf  dem  Balkon  eingeführt,  dass  er  die  Anwen¬ 
dung  der  Wasserbehandlung  bei  Typhus  schon  seit  seiner  Laaser 
Tätigkeit  mit  vielem  Glück  und  zu  seinem  Ruhm  ins  Werk  ge¬ 
setzt  und  auf  allen  Gebieten  der  inneren  Medizin  skeptisch,  aber 
in  stetem  Fortschritt  der  Wissenschaft  vorging.  In  vielen 
Dingen  eilte  er,  wie  wir  sehen,  seiner  Zeit  voraus  und  seine 
Suggestionskuren  waren  lange  von  ihm  schon  mit  grosser  Um¬ 
sicht  ausgeführt,  bevor  die  neueste  Zeit  allgemein  deren  un¬ 
leugbare  Bedeutung  kennen  gelernt  hatte.  Ein  Arzt  seines¬ 
gleichen  wird  zu  den  Seltenheiten  gehören. 

Dass  Tappeiner  auch  als  Forscher  auf  dem  Gebiete  der 
experimentellen  Pathologie  sich  auszeichnen  würde,  erhoffte  man 
schon  längst  und  bestätigte  sich  in  den  siebenziger  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts,  als  er  bereits  in  das  Alter  von  einigen 
sechzig  gekommen  war.  Und  somit  gelangen  wir  in  die  Glanz¬ 
periode  seiner  rein  wissenschaftlichen  medizinischen  Leistungen. 
Tappeiner  war  nicht  der  Mann  vieler  Worte,  meist  eher 
schweigsam,  zu  Widerspruch  nie  geneigt.  Die  Beweise  für  die 
Richtigkeit  einmal  geäusserter  Anschauungen  erbrachte  er  den 
Gegnern  durch  wiederholte  Aufnahme  seiner  immer  mehr  und 
mehr  fein  durchdachten  Versuche,  liess  von  Fachmännern  aller¬ 
ersten  Ranges  unparteiische  Kontrolle  üben,  bis  er,  nach  allen 
Seiten  gedeckt,  sein  Recht  erhielt.  Diese  seine  Grösse  betätigte 
er,  als  er  mit  einer  Reihe  von  Aufsehen  erregenden  Unter¬ 
suchungen  über  die  Einatmung  als  natürlichen  Weg  der  An¬ 
steckung  der  Tuberkulose  vor  die  Oeffentlichkeit  trat.  Dass 
seinen  Funden  anfangs  mit  Ungläubigkeit  begegnet  wurde,  ent¬ 
mutigte  Tappeiner  nicht,  er  erweiterte  die  Experimente, 
stellte  Kontrollversuche  an  und  die  später  von  Koch  gemachte 
Entdeckung  des  Tuberkelbazillus  bestätigte  die  Tappeiner¬ 
sehe  Lehre.  Bei  dem  grossen  Interesse,  welches  gerade  dieses 
Thema  für  sich  hat,  gebe  ich  den  Inhalt  eines  vorliegenden 
Manuskriptes  wörtlich  wieder,  worin  Tappeiner  diese 
Frage  möglichst  kurz  entwickelt.  Er  schreibt:  „Anfang  Juli 
1877  machte  ich  in  München  im  pathologisch-anatomischen  In¬ 
stitut  des  Prof.  Buhl,  bei  welchem  mein  Sohn  Hermann  als  che¬ 
misch-physiologischer  Assistent  angestellt  war,  mit  dessen  gütiger 
Erlaubnis  meine  ersten  Experimente  über  die  Infektion  der 
Hunde  durch  einfache  Inhalation  zerstäubter  phthisischer  Sputa, 
die  Sputa  zerrieb  ich  mit  Wasser  in  einem  Mörser  zu  einer 
mandelmilchartigen  Flüssigkeit,  welche  dann  mit  dem  Siegle- 
Inhalationsapparat  zerstäubt  wurde. 

Nach  3  bis  4  Wochen  langer  täglicher  Inhalation  wurden 
3  Hunde  durch  B  u  h  1  s  anatomischen  Assistenten  Dr.  S  c  h  we¬ 
il  i  n  g  e  r  obduziert.  Alle  3  Hunde  waren  deutlich  sicht¬ 
bar  in  beiden  Lungen,  Leber  und  Milz  mit  Miliar¬ 
tuberkeln  besetzt  —  zu  meiner  grössten  Freude  und  Prof.  B  u  h  1  s 
und  Schweningers  Ueberraschung. 

Das  war  ganz  neu  und  die  erste  Tatsache  einer 
positiv  gelungenen  tuberkulösen  Infektion 
von  drei  Hunden  ohne  eine  künstliche  Verwun- 
d  ung  —  bloss  durch  einfache  Inhalation  phthisischer  Sputa. 

Bisher  waren  nur  die  zeitweisen  aber  nicht  immer  positiven 
Infektionserfolge  Villemins  durch  Impfung  wirklich  tuberku¬ 
löser  Partikel  in  Paris  bekannt  und  die  Dr.  L  i  p  p  1  s  in  München 
durch  Injektion  phthisischer  Sputa  durch 
eine  künstliche  Fistel  der  Luftröhre. 

Der  vierte  von  mir  infizierte  Inhalationshund  wurde  lebend 
erhalten  bis  zur  50.  Versammlung  der  deutschen  Naturforscher 
und  Aerzte  in  München  im  September  1877.  Da  wurde  er  durch 
Dr.  Schweninger  obduziert  und  in  der  Versammlung  de¬ 
monstriert,  wozu  ich  einen  kleinen  Vortrag  hielt.  Die  so  un¬ 


zweifelhaft  sichtbare  tuberkulöse  Infektion  nur  durch  meine  In¬ 
halation  der  zerstäubten  Sputa  ohne  jede  Verwundung 
machte  ein  grosses  Aufsehen  in  der  Versammlung,  wurde  aber 
später  vielfach  angezweifelt  und  als  eine  blosse  miliare  Fremd¬ 
körperpneumonie  fälschlich  gedeutet.  Deswegen  wiederholte  ich 
im  Sommer  1878  in  dem  grossen  Garten  der  Thierarzneischule  in 
Berlin,  wozu  ich  durch  Verwendung  Virchows  von  dem 
Direktor  Erlaubnis  erhielt,  meine  Inhalationsexperimente  an 
12  Hunden.  Ich  liess  an  drei  weit  von  einander  entfernten 
Punkten  3  Hütten  aus  Holz  zur  Inhalation  erbauen.  Nach 
4  Wochen  Inhalation  zerstäubter  Sputa  aus  der  Charite  wurden 
8  Hunde  vom  Professor  der  Anatomie  an  der  Tierarzneischule 
und  mir  obduziert  und  alle  waren  an  beiden  Lungen,  Leber  und 
Milz  reich  mit  Miliartuberkeln  besetzt.  Ein  Hund,  welcher  spär¬ 
lichen  Eiter  aus  skropliulösen  Drüsen  am  Halse  eines  Knaben 
inhaliert  hatte,  und  2  Hunde,  welche  nur  katarrhalische  Sputa 
einer  Patientin  des  Professor  Dr.  Waldenburg,  von  diesem 
selbst  immer  geschickt,  inhaliert  hatten,  blieben  vollkommen  frei 
von  Tuberkeln  und  sonstigen  entzündlichen  Symptomen!  Der 
zwölfte  der  von  mir  durch  Inhalation  infizierten  Hunde  wurde 
auf  Wunsch  Virchows  in  seinem  pathologischen  Institute 
ein  ganzes  Jahr  lang  erhalten  und  dann  von 
ihm  selbst  obduziert.  Das  Ergebnis  schrieb  V  i  r  c  h  o  w 
mir  eigenhändig  nach  Meran:  „Der  Hund  war  stark  abgemagert 
und  seine  beiden  Lungen  waren  mit  Tuberkeln  in  allen  Stadien 
vom  miliaren  Korn  bis  zur  chronischen  Infiltration  und  zur 
Kavernenbildung  vollbesetzt.“  —  Das  war  ein  Triumph  für  mich! 
Die  grösste  Autorität  in  Europa  hatte  meine  Inhalationstuber¬ 
kulose  als  wirkliche,  regelrechte  Tuberkulose,  wie  bei  den  Men¬ 
schen,  anerkannt!  ! 

Aber  auch  jetzt  noch  zeigten  sich  in  der  medizinischen  Presse 
Zweifler  und  selbst  in  Wien  griff  mich  der  Assistent  des  Prof. 
Stricker,  Dr.  Spina,  so  scharf  an,  dass  ich  denselben  durch 
einen  eigenen  Artikel  in  Schnitzlers  medizinischer  Presse  gründ¬ 
lich  widerlegen  musste. 

Ich  war  aber  trotz  alledem  stolz  darauf,  dass  ein  aus  der 
Wiener  Schule  hervorgegangener  tirolisch  er  Arzt  diese 
Aufsehen  erregende  Entdeckung  gemacht  hatte.  Meine  Ent¬ 
deckung  wurde  zwar  durch  die  wenige  Jahre  nachher  erfolgte 
sichtbare  Darstellung  des  Tuberkelbazillus  durch  Prof.  Koch 
in  Berlin  sehr  in  den  Schatten  gestellt  und  erst  in  der  Neuzeit 
gelangt  sie  immer  mehr  und  mehr  zur  Anerkennung. 

Im  Jahre  1883 — 1884  experimentierte  ich  über  die  An¬ 
steckungsmöglichkeit  der  tuberkulösen  Kranken  für  die  mit  ihnen 
lebenden  Kurgäste.  Ich  liess  zwei  gesunde  Kaninchen  in  ein 
vergittertes  Kästchen  sperren  und  honorierte  eine  mir  bekannte, 
zu  Bett  liegende,  phthisisclie  Patientin  mit  Wein  und  Geld,  da¬ 
mit  sie  meine  Kaninchen,  welche  knapp  an  ihrem  Bett  standen, 
einen  vollen  Monat  lang  anhuste.  Dann  nahm  ich  die  ganz 
frisch  aussehenden  Tiere  zu  mir,  obduzierte  sie  und  fand  die 
Lungen  und  Organe  vollkommen  gesund  —  zu  meiner  grossen 
Beruhigung  und  Freude.  Zur  grösseren  Sicherheit  liess  ich  auch 
Vs  Jahr  das  gleiche  Experiment  durch  eine  andere  schwerkranke 
tuberkulöse  Frau  wiederholen  und  fand  abermals  die  beiden  Ka¬ 
ninchen  ganz  frei  von  tuberkulöser  Infiltration  —  zum  vollen 
Beweise,  dass  der  Husten  der  Lungenkranken  sicher  nur 
schwer  anstecke.  Es  scheint  mir  daher  nur  die  einzige  Möglich¬ 
keit  zu  bleiben,  dass  die  tuberkulösen  Sputa  auf  die  Böden  und 
Teppiche  kommen,  da  trocknen  und  durch  das  Gehen  zu  Pulver 
verrieben  werden,  um  dann  bei  trockener  Reinigung  der  Zimmer¬ 
böden  mit  dem  anderen  Staub  in  die  Luft  aufgewirbelt  und  so 
von  den  Menschen  eingeatmet  zu  werden.“ 

Bis  hierher  folgten  wir  fast  wörtlich  der  Darstellung 
Tappeiners  nach  seinem  Manuskript,  worin  er  erwies,  dass 
der  natürliche  Weg  zur  Ansteckung  durch  Tuberkulose  der  der 
Einatmung  ist,  und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  seine  fer¬ 
neren  Arbeiten,  wie  die  über  Fütterungsversuche,  viel  Zutreffen¬ 
des  gewähren,  obschon  er  abweichend  von  anderen  bei  Ernährung 
mit  tuberkulösen  Massen  bei  Hunden  keine  Tuberkulose  ent¬ 
stehen  sah  (Deutsch.  Arcli.  f.  klin.  Med.,  Bd.  29,  S.  596).  Auch 
in  Beziehung  zur  Lösung  therapeutischer  Fragen  ergaben  seine 
Experimente  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1880)  ein  negatives  Re¬ 
sultat.  Es  wurden  einem  Plunde  täglich  Karbolpillen  ä  6  cg 
zu  schlucken  gegeben  und  zwar  schon  8  Tage  vor  Beginn 
der  Inhalation  mit  zerstäubten  Sputis  und  trotzdem  wurde  bei 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Obduktion  32  Tage  nach  Beginn  der  Inhalation  und  dem 
40.  nach  dem  Anfang  der  bis  zum  Tode  fortgesetzten  Fütterung 
mit  Karbol,  also  nach  genügender  Schwängerung  damit,  eine  sein- 
starke  Infektion  beider  Lungen  gefunden. 

Die  jetzige  schnellebige  Zeit  und  besonders  Kochs  Ent- 
dc ckung  des  T uberkelbazillus  hat  Tappeiners  F orschungen 
wohl  in  den  Hintergrund  gedrängt,  sie  werden  aber  stets  ihre 
Bedeutung  bewahren  und  schmerzlich  berührt  es  uns,  wenn  wir 
im  Nachlasse  des  Verblichenen  die  Worte  finden:  „Sehr  auf¬ 
fallend  wai  es  mir,  dass  in  dem  Berichte  des  grossen  Kong’resses 
in  London  über  Tuberkulose  als  Volkskrankheit  bei  dem  Thema 
der  Aetiologie  kein  deutscher  Redner  sich  erinnert  hat,  dass  ich 
als  Kurarzt  in  Meran  der  erste  war,  der  schon  im  Sommer  1877 
durch  Experimente  im  pathologisch-anatomischen  Institut  in 
München  die  Inhalationstuberkulose  durch  zerstäubte  plitliisische 
Sputa  ohne  Impfung  bei  Hunden  klar  sichtbar  erzeugt  habe“. 

Mit  derselben  Gründlichkeit,  mit  welcher  Tappeiner  das 
Wesen  der  Erkrankung  zu  erforschen  suchte,  bemühte  er  sich, 
dieser  therapeutisch  beizukommen,  und  da  er  darüber  nur  für  sich 
und  nicht  für  die  Oeffentlichkeit  seine  Anschauungen  zu  Papier 
brachte,  meist  in  kürzester  Form,  so  können  wir  uns  nur  mit 
Andeutungen  begnügen;  vielleicht  werden  diese  weitere  Bear¬ 
beitung  finden.  Eine  Abhandlung  „M  einemedizinischen 
Anschauungen  der  Gegenwart  vom  praktischen 
Standpunkt  aus“,  worin  er  über  die  Verpflichtung  der 
Pharmakolgen  spricht,  experimentell  und  womöglich  klinisch  den 
ITebergriffen  in  der  Diät  und  im  Alkoholgenuss  nachzugehen, 
ferner  seine  „  A  nschau  ungen  über  die  Fieberlehr  e“, 
eine  andere  über  „H  ydrotherapi  e“,  wieder  eine  andere 
„Zur  Reform  des  medizinischen  Studiums  und 
Gymnasialwesens“  finden  sich  vor  und  alles  voller  selb¬ 
ständiger  und  sehr  lehrreicher  Gedanken.  Ein  beständiges 
Schaffen  war  Tappeiners  Eigenheit  und  aus  diesem  Grunde 
und  weil  S  t  e  u  b,  der  bekannte  bayrische  Schriftsteller,  be¬ 
klagte,  dass  kein  Tiroler  daran  gehe,  sein  eigenes  Volk  anthropo¬ 
logisch  zu  studieren,  machte  er  sich  an  diese  Arbeit  und  zeichnete 
sich  so  sehr  in  diesen  Forschungen  aus,  dass  ihn  verschiedene 
anthropologische  und  ethnologische  Gesellschaften  des  In-  und 
Auslandes  zum  Ehrenmitglied  ernannten.  Seine  berühmte, 
ca.  1000  Schädel  zählende  Sammlung  schenkte  er  dem  k.  Hof¬ 
museum  in  Wien  und  seine  Ausgrabungsfunde  dem  Ferdinan¬ 
deum  in  Innsbruck.  Der  Stadt  Meran  erbaute  er  die  grossartige 
Promende  mit  Viadukten  hoch  auf  den  Küchelberg  hinan,  so 
dass  selbst  Patienten,  welche  im  Rollstuhl  diese  Anhöhe  erreichen 
wollen,  auf  die  denkbar  bequemste  Weise  hinauf  gelangen  können. 
Zum  Zeichen  unauslöschlicher  Dankbarkeit  für  die  dem  Kurort 
Meran  erwiesenen  Wohltaten  hat  die  Stadt  Meran,  deren  Ehren¬ 
bürger  Tappeiner  war,  eine  Büste  errichtet  auf  diesem  nach 
ihm  benannten  Tappeinerwege  auf  dem  Küchelberge,  von  wo 
aus  der  ebenfalls  von  ihm  errichtete  Weg  nach  der  Stadt  hinunter¬ 
führt.  Hier  wurde  zum  Abschluss  des  Ganzen  wieder  von 
Tappeiner  eine  Halle  erbaut  zur  Verabreichung  von  Milch 
u.  dergl. 

V ergessen  wollen  wir  auch  nicht,  dass  Tappeiner  den 
Mittelbau  der  grossen  Wandelbahn  auf  der  Promenade  Merans 
wiederum  auf  eigene  Kosten  hersteilen  liess  und  zwar  architek¬ 
tonisch  formgeschmückt,  um  dem  g-anzen  Bau  einen  würdigen 
Anblick  zu  geben. 

Sein  Kaiser  ehrte  die  Verdienste  des  grossen  Mannes  durch 
Verleihung  des  hohen  Ordens  der  eisernen  Krone  3.  Klasse  und 
durch  Erhebung  in  den  erblichen  Adelsstand  mit  dem  Prädikate 
„Edler  v.  Tappeine  r“,  nach  dem  noch  bestehenden,  oberhalb 
Schlanders  gelegenen  Stammhofe  Tappein,  woselbst  bereits  1574 
sein  Ahne  Georg  Tappeiner  vom  Erzherzog  Ferdinand  (Ge¬ 
mahl  der  Philippine  Welser)  durch  Verleihung  eines  Wappen¬ 
briefes  aiisgezeichnet  worden  war.  Ein  Nachkomme  desselben 
kaufte  den  Loretzhof  bei  Laas,  die  Geburtsstätte  unseres 
Tappeiner. 

Tappeiner  erfreute  sich  kaum  verminderter  körperlicher 
und  geistiger  Rüstigkeit  bis  in  seine  letzten  Jahre.  Erst  gegen 
Ende  seines  Lebens  war  sein  fest  gebauter  Körper  allerlei  In¬ 
sulten  ausgesetzt,  insbesondere  lastete  die  Abnahme  der  Sehfähig¬ 
keit,  die  ihm  geistige  Beschäftigung  mehr  und  mehr  erschwerte, 
hart  auf  ihm.  Langsam  schwanden  seine  Kräfte.  Nach  mehr- 
wöchentlichem,  schwerem,  in  philosophischer  Resignation  er- 


1659 


tiagenen  Krankenlager,  umgeben  von  seinem  Sohne  Hermann, 
Professor  in  München,  und  dessen  Gemahlin  Elsbeth,  geb. 
v.  Ziemssen,  seiner  Tochter  Hedwig  und  deren  Gatten,  dem 
Reichsi  atsabgeord  neter  Di*.  Adalbert  v.  Hellrigl,  seinen  Enkeln 
und  seinei  alten  Schwester  und  treuen  Pflegerin  Monika  schlossen 
sich  seine  Augen.  Er  ruhe  in  Frieden ! 


Zur  Geschichte  der  Therapie  im  XVII.  Jahrhundert 

in  Russland. 

Von  Privatdozent  Dr.  M.  Lacht  in  in  Moskau. 

Die  höheren  Vertreter  der  medizinischen  Wissenschaft  im 
NA  II.  Jahihundeit  in  Russland  w-aren  die  ausländischen  Aerzte 
Alle  anderen  Kategorien  des  medizinischen  Personals  erwarben 
ihre  medizinischen  Kenntnisse  bei  denselben,  da  es  in  Russland 
um  diese  Zeit  weder  medizinische  Schulen  noch  Krankenanstalten 
gab.  Angesichts  dieser  Lage  dient  die  Bekanntmachung  mit  den 
Arzneimitteln,  womit  dieselben  kurierten,  als  schöne  Illustration 
zu  dem  damaligen  Zustand  der  russischen  Medizin.  Einiges  Licht 
über  diese  Frage  bringt  uns  ein  Dokument,  das  im  Moskauer 
Ilofarchiv  von  uns  vorgefunden  wurde. 

Es  enthält  die  ausführliche  Beschreibung  mancher  Heilmittel, 
die  bei  verschiedenen  Krankheiten  von  Andreas  Engelhard 
einem  der  berühmtesten  Aerzte  am  Hofe  des  ersten  Zaren  aus  dem 
Hause  Romanoff  (Alexei  Michailowitsch  und  Feodor  Alexeiwitsch), 
angewendet  wurden.  Da  dieses  Dokument  zur  Zahl  der  Raritäten 
gehört,  so  bringen  wir  es  wörtlich. 

Doktor  Audi-  ä  sagte:  „Bärengalle  gibt  man  über  Meer  Men¬ 
schen,  welche  die  schwarze  Krankheit  haben,  und  man  muss  die 
Bärengalle  mit  denjenigen  Arzeneien  einnehmen,  welche  zu  dieser 
Krankheit  passen“. 

„Bärenleber  und  Bärenknochen  taugen  zu  nichts  in  der 
Arzenei.“ 

„Das  Bärenfett  muss  umgeschmolzen  werden  und  aufgelöstes 
Bärenfett  ist  bei  inneren  Krankheiten  verwendbar.“  „Menschen, 
die  steife  Sehnen  haben  oder  welche  an  Krämpfen  leiden,  auch 
bei  solchen,  die  lahm  infolge  Knochenschmerzes  sind  oder  Bruch 
haben,  muss  man  mit  diesem  Fett,  wo  es  zu  schmerzen  beginnt, 
schmieren  und  die  Krankheit  wird  vergehen.“ 

„Wolfsgalle  wird  angewendet  bei  denen,  die  Spulwürmer  um 
den  Nabel  haben,  und  bei  solchen,  bei  denen  die  Ohren  verstopft 
und  geschwollen  sind;  diese  Galle  muss  ins  Ohr  eingetropft  und 
die  Geschwulst  geschmiert  worden.“  „Mit  dieser  Galle  müssen 
sich  auch  diejenigen  schmieren,  die  an  Kopfnässe  leiden  und  die 
an  den  Wunden  Wildfleisch  und  Hitze  haben;  und  allen  diesen 
wrird  leichter  werden.“ 

„A\  olfsherz  in  einem  kühlen  Ofen  trocknen,  und  wrenn  es 
trocken  ist,  verbrennen  und  das  verbrannte  Herz  stossen  und 
dieses  Pulver  dem  weiblichen  Geschlecht  einzugeben,  bei  denen 
sich  die  Gebärmutter  nach  oben  schiebt.“  „Bei  diesen  Krank¬ 
heiten  hilft  auch  Wolfsleber  und  Wolfsfleisch  und  dieselben  muss 
das  Weibsvolk  im  Busentuch  oder  in  der  Tasche  tragen  und  zu¬ 
gleich  muss  es  die  Wolfshaut  auf  den  Bauch  legen  und  die  Ge¬ 
bärmutter  wird  auf  die  alte  Stelle  zurückgehen;  die  Wolfsknochen 
taugen  zu  nichts.“ 

„Fuchsleber  und  Fuchslungen  ausgetrocknet  und  dann  das¬ 
selbe  lotlrweise  mit  Bier  einzunehmen  von  solchen  Menschen,  die 
an  Husten,  kurzem  Atem  leiden  oder  eine  innere  Krankheit  haben; 
von  solchen,  bei  denen  die  Milz  geschwollen  ist;  zu  denselben 
Krankheiten  hilft  noch  folgendes: 

Fuchsmilz  austrocknen,  in  Rheinwein  einweichen  und  diese 
Milz  von  beiden  Seiten  der  erkrankten  Milz  zu  legen.“ 

„Mit  Fuchsfett  müssen  sich  diejenigen  Leute  schmieren,  die 
Krämpfe  an  Händen  und  Füssen  haben,  bei  denen  die  Hände  und 
Flisse  zittern  oder  bei  denen  die  Adeni  in  den  Füssen  zusammen- 
schrumpfen  und  die  lahm  sind  und  bei  denen  die  Nieren  im  Rücken 
schmerzen.“ 

„Hasenblut  nutzt  denjenigen,  die  Ausschlag  im  Gesichte 
haben,  und  dieselben  sollen  sich  mit  diesem  Blute  waschen,  nach¬ 
dem  es  mit  den  Arzeneien  vermengt  wird,  welche  der  Arzt  an¬ 
ordnet.“ 

„Hasenhirn  kochen  oder  braten  und  dieses  Hirn  müssen  die¬ 
jenigen  einnehmen,  die  Zittern  im  Bauche  haben.“ 

„Hasenleber  trocknen  und  stossen  und  von  dieser  Leber 
8  Loth  in  Rheinwein  von  denjenigen  einzunehmen,  die  an  hin¬ 
fallender  Krankheit  —  Epilepsie  (im  russischen  Text  hinfallende 
Krankheit  mit  Apoplexie  bezeichnet)  —  leiden.“ 

„Mit  Hasengalle  mit  Honig  vermengt  müssen  sich  diejenigen 
schmieren,  die  Blattern  an  Augen,  Gesicht  und  Körper  haben.“ 

„Junge  Hasen,  die  im  März  zur  Welt  kommen,  müssen 
lebendig  verbrannt  und  zu  Pulver  gestossen  worden  und  dieses 
Pulver  müssen, diejenigen  in  Rheinwein  einnehmen,  die  an  Steinen 
leiden,  aber  noch  wirksamer  ist  es,  wenn  die  Hasen  aus  dem 
Mutterleibe  ausgenommen  werden,  bevor  sie  noch  zur  Welt  kom¬ 
men,  wie  früher  verbrannt,  zu  Pulver  gestossen  und  bei  dieser 
Krankheit  in  Rheinwein  getrunken  werden.“ 

„Hirn  den  jungen  Hasen  entnommen  und  mit  demselben  die 
kleinen  Kinder  schmieren  und  solche  Kinder  worden  die  Zähne 
ohne  Schmerzen  bekommen.“ 


5* 


1660 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


Auf  solche  Weise  sehen  wir,  dass  die  Arzneimittel,  welche 
von  den  ausländischen  Aerzten  im  17.  Jahrhundert  in  Russland 
angewendet  wurden,  sich  in  nichts  von  den  noch  zurzeit  in  der 
Volksmedizin  zirkulierenden  Arzneimitteln  unterscheiden. 

Aerztliche  Standesangeiegenheiten. 

Zum  Entwurf  der  neuen  Satzung* *)  für  den  deutschen 

Aerztevereinsbund. 

Berichterstatung  für  den  ärztlichen  Bezirksverein  Traunstein- 

Reichenhall. 

Unser  hochgeehrter  Vorstand,  Herr  Hofrat,  Dr.  Rapp,  hat 
mich  —  allerdings  fast  noch  in  letzter  Stunde  —  ersucht,  Ihnen 
über  Punkt  3  der  Tagesordnung:  Entwurf  der  neuen  Satzung  für 
den  Deutschen  Aerztevereinsbund  Bericht  zu  erstatten. 

Ich  komme  dem  ehrenvollen  Aufträge,  freilich  in  grosser 
Kürze  nur,  hiermit  nach. 

Die  erste  Juninummer  des  Aerztl.  Vereinsbl.  brachte  aut' 
S.  261  u.  ff.  „den  Entwurf  einer  Aenderung  der  Satzungen“,  in¬ 
soweit  sie  zum  Zwecke  der  Erwerbung  der  juristischen  Persönlich¬ 
keit  für  den  Deutschen  Aerztevereinsbund  erforderlich  geworden 
ist.  Der  diesjährige  Deutsche  Aerztetag  zu  Königsberg  i/Pr.  hat 
nun  mit  allen  gegen  3  Stimmen  die  Erwerbung  der  Rechtsfähig¬ 
keit  beschlossen,  nachdem  ein  Antrag  Alexander  - Berlin  auf 
Vertagung  der  Beschlussfassung  abgelehnt  worden  war.  Zugleich 
wurde  dem  Vorstande  Vollmacht  zur  selbständigen  Regelung  der 
Fragen  gegeben,  vorbehaltlich  der  Wünsche  der  Vereine,  die  bis 

1.  November  d.  J.  dem  Generalsekretär  kund  gegeben  werden 
sollen. 

Ich  gehe  nun  nicht  fehl,  wenn  ich  annehme,  dass  auch  unser 
Verein,  ebenso  wie  die  grosse  Mehrzahl  der  übrigen  Vereine,  in 
dieser  Hinsicht  Wünsche  hat. 

An  der  Hand  des  B.G.B.  werde  ich  nun  den  Entwurf  der 
Satzung  prüfen  und  bitte  ich  Sie,  mir  Ihre  Aufmerksamkeit  bei  Aus¬ 
einandersetzung  des  etwas  schwierigen,  rechtswissenschaftlichen 
Stoffes  für  kurze  Zeit  in  vollem  Masse  zu  schenken. 

Wie  schon  erwähnt,  wurde  vom  Aerztetage  beschlossen,  der 
Deutsche  Aerztevereinsbund  solle  die  Rechtsfähigkeit  erwerben. 
Der  Deutsche  Aerztevereinsbund  ist  nun  ein  Verein  mit  idealen 
Zwecken,  sein  Zweck  ist  nicht  auf  einen  wirtschaftlichen  Ge¬ 
schäftsbetrieb  gerichtet.  Er  erlangt  demnach  die  Rechtsfähigkeit 
nach  §  21  B.G.B.  Dieser  Paragraph  lautet:  „Ein  Verein,  dessen 
Zweck  nicht  auf  einen  wirtschaftlichen  Geschäftsbetrieb  gerichtet 
ist,  erlangt  Rechtsfähigkeit  durch  Eintragung  in  das  Vereins- 
register  des  zuständigen  Amtsgerichtes“.  Da  zurzeit  die  Ver¬ 
waltung,  das  Generalsekretariat  des  Vereins,  in  Berlin  geführt 
wird,  so  gilt  Berlin  als  Sitz  des  Vereines  (§  24  B.G.B.).  Das  zur 
Eintragung  in  das  Vereinsregister  zuständige  Amtsgericht  ist  also 
auch  in  Berlin. 

Unter  welchen  Bedingungen  und  Voraus¬ 
setzungen  kann  nun  nach  dem  B.G.B.  die  Ein¬ 
tragung  in  das  Vereinsregister  erfolgen?  Die 
Antwort  hierauf  geben  die  §§  56 — 59  B.G.B..  Sie  lauten: 

§  56.  Die  Eintragung  soll  nur  erfolgen,  wenn  die  Zahl  der  Mit¬ 
glieder  mindestens  sieben  beträgt, 

§  57.  Die  Satzung  muss  den  Zweck,  den  Namen  und  den  Sitz 
des  Vereins  enthalten  und  ergeben,  dass  der  Verein  eingetragen 
werden  soll.  Der  Name  soll  sich  von  den  Namen  der  an  demselben 
Orte  oder  in  derselben  Gemeinde  bestehenden,  oder  eingetragenen 
Vereine  deutlich  unterscheiden. 

§  58.  Die  Satzung  soll  Bestimmungen  enthalten 

1.  über  den  Eintritt  und  Austritt  der  Mitglieder, 

2.  darüber,  ob  und  welche  Beiträge  von  den  Mitgliedern  zu 
leisten  sind, 

3.  über  die  Bildung  des  Vorstandes, 

4.  über  die  Voraussetzungen,  unter  denen  die  Mitgliederver¬ 
sammlung  zu  berufen  ist,  über  die  Form  der  Berufung  und  iibei 
die  Beurkundung  der  Beschlüsse. 

§59.  Der  Vorstand  hat  den  Verein  zur  Eintragung  an¬ 
zumelden. 

Der  Anmeldung  sind  beizufügen: 

1.  die  Satzung  in  Urschrift  und  Abschrift, 

2.  eine  Abschrift  der  Urkunde  über  die  Bestellung  des  Vor- 

ndes 

Die  Satzung  soll  von  mindestens  sieben  Mit¬ 
gliedern  unterzeichnet  sein  und  die  Angabe  des 
Tages  der  Errichtung  enthalten. 

Unter  gewissen  Voraussetzungen  wäre  auch  noch  zur  Ein¬ 
tragung  die  Einhaltung  des  §64  B.G.B.  notwendig,  welcher  lautet: 

§  64.  Bei  der  Eintragung  sind  der  Name  und  Sitz  des  Vereins, 
der  Tag  der  Errichtung  der  Satzung,  sowie  die  Mitglieder  des  Vor¬ 
standes  im  Vereinsregister  anzugeben.  Bestimmungen,  die  den 
Umfang  der  Vertretungsmacht  des  Vorstandes  beschränken  oder 
die  Beschlussfassung  des  Vorstandes  abweichend  von  der  Vor¬ 
schrift  des  §  28  Abs.  1  regeln,  sind  gleichfalls  einzutragen. 

Zur  Eintragung  in  das  Vereinsregister  sind  also  nur  die  obigen 
klar  und  deutlich  ausgesprochenen  Dinge  notwendig.  Die  §§  1 
und  2  des  Entwurfes  entsprechen  nun  sehr  wohl  diesen  Bestim¬ 
mungen;  ein  Gleiches  kann  ich  aber  von  den  §§  3  und  4  nicht  be¬ 
haupten. 

*)  Nach  dem  Vorgänge  des  B.G.B.  gebrauche  ich  die  Einzahl: 
Satzung. 


Ich  fühle  aus  der  Fassung  dieser  Paragraphe  deutlich  heraus, 
dass  man  in  dem  Begriffe  „Mitglied“  ein  Haar  gefunden  hat. 

Was  versteht  man  denn  unter  Mitglied?  Ver¬ 
steht  man  darunter  eine  physische  oder  eine 
mystische,  fingierte  Person? 

§  59  weist  uns,  soweit  die  Unterzeichnung  der  Satzung  in 
Frage  kommt,  den  Weg.  §  59  verlangt  nämlich  die  Unterzeichnung 
der  Satzung  durch  mindestens  sieben  Mitglieder.  Unterzeichnen 
kann  aber  doch  nur  eine  physische  Person,  also  sind  zur  Vor¬ 
nahme  der  Unterzeichnung  physische  Personen  erforderlich. 

Das  Wort  Mitglied  kommt  aber  im  B.G.B.  in  dem  die  Vereine 
betreffenden  Titel  noch  öfter  vor.  Was  versteht  an  diesen  Stellen 
das  B.G.B.  unter  Mitglied?  Ich  bin  der  Ansicht,  dass  das  B.G.B. 
hier  sowohl  physische  als  mystische  Personen  versteht.  Denn 
hätte  der  Gesetzgeber  zwischen  diesen  ver¬ 
schiedenen  Personen  einen  Unterschied  machen 
wollen,  so  hätte  er  das  auch  klar  und  deutlich 
ausgedrückt,  wie  er  ja  in  §59  das  Unterzeichnen 
als  Handlung  einer  physischen  Person  sinn¬ 
gemäss  ausdrücklich  fordert. 

Demnach  können,  wenn  einmal  die  Eintragung  geschehen  ist, 
Mitglieder  auch  Vereine  sein;  es  ist  mit  keinem  Worte  im 
B.G.B.  gesagt,  dass  Mitglieder  nur  physische 
Personen  sein  sollen;  physische  Personen  ver¬ 
langt  das  B.G.B.,  soweit  ich  sehe,  nur  zur  Unter¬ 
zeichnung  der  Satzung.  Es  steht  ja  auch  das  ganze 
rechtswissenschaftliche  Schriftwesen  auf  dem  Standpunkte,  dass 
Mitglieder  eines  Vereines  nicht  nur  physische  Personen,  sondern 
auch  wieder  Vereine  sein  können.  Vergleiche  hierzu  Rehbein, 
B.G.B.,  Berlin  1899,  Bd.  1,  S.  27—64  und  Neu  mann,  B.G.B., 
Berlin  1900,  Bd.  1. 

Alexander  -  Berlin  verweist *)  in  dieser  Beziehung  ganz 
richtig  auf  die  erfolgte  Eintragung  der  Berliner  Rettungsgesell¬ 
schaft,  deren  Satzung  §  4  lautet:  „Mitglied  kann  jede  grossjährige 
Person,  jeder  Verein  und  jede  Vereinigung  werden“.  Dieser  Prä¬ 
zedenzfall  zeigt  uns,  was  wir  zu  tun  haben.  Wollen  wir  also  nicht 
tiftlicher  sein,  als  die  Leute  vom  Fach! 

Etwas  anderes  ist  demnach  die  Unterzeich¬ 
nung  der  dem  Amtsgerichte  vorzulegenden 
Satzung.  Diese  muss  durch  sieben  physische 
Personen  geschehen.  Und  etwas  anderes  ist  die 
Erwerbung  der  Mitgliedschaft  eines  aner¬ 
kannten  Vereines.  An  die  Mitglieder,  die  die 
Satzung  unterzeichnet  haben,  an  diese  physi¬ 
schen  Personen,  können  sich  nach  erfolgter 
Eintragung  anstandslos  neben  weiteren  physi- 
sischen  auch  mystische  Personen,  d.  ä.  Vereine 
ankristallisieren.  Ob  diese  Vereine  nun  im  Besitze  der 
Rechtsfähigkeit  sein  müssen,  ist  eine  andere  Sache  und  eine  uns 
zurzeit  nicht  warm  machende  cura  posterior. 2) 

Die  §§  3  und  4  des  Entwurfes  bedürfen  also  nach  meiner  An¬ 
schauung  und  nach  meinem  nicht  juristisch  gebildeten  Ui  teile  einer 
Umarbeitung,  die  am  besten  dem  Geschäftsausschusse  und  einem 
zugezogenen  juristischen  Beirate  überlassen  wird.  Bemerken  will 
ich  hiezu  noch,  dass  die  dem  Amtsgerichte  vorzulegende  Satzung 
gerade  nur  das  enthalten  soll,  was  die  §§  56 — 59  B.G.B.  \or- 

schreiben.  .  ,  ,  ..  , 

Weitere  Satzungsbestimmung  —  und  solche  sind  teils  not¬ 
wendig,  teils  wünschenswert  —  sind  am  besten  dem  Aerztetage 
selbst  zu  überlassen.  Denn  §  32  B.G.B.  schreibt  vor:  _  _ 

„Die  Angelegenheiten  des  Vereins  werden,  soweit  sie  nicht 
von  dem  Vorstand  oder  einem  anderen  Vereinsorgane  zu  besorgen 
sind,  durch  Beschlussfassung  in  einer  Versammlung  der  Mitglieder 
geordnet.  Zur  Gültigkeit  des  Beschlusses  ist  erforderlich,  dass  der 
Gegenstand  bei  der  Berufung  bezeichnet  wird.  Bei  der  Beschluss¬ 
fassung  entscheidet  die  Mehrheit  der  erschienenen  Mitglieder. 

Auch  ohne  Versammlung  der  Mitglieder  ist  ein  Beschluss 
gültig,  wenn  alle  Mitglieder  ihre  Zustimmung  zu  dem  Beschlüsse 
schriftlich  erklären.“ 

Ich  halte  auch  dafür,  dass  dem  Vorstande  vom  Aerztetage 
nur  so  weit  Vollmacht  gegeben  ist,  als  es  sich  um  die  Indie- 
wegeleitung  der  Erwerbung  der  Rechtsfähigkeit  handelt. 

“  Ich  für  meinePerson  erachte  aber  eine  Vermehrung  der  Bestim¬ 
mungen  geradezu  für  notwendig.  Denn  der  vorliegende 
Entwurf  enthält  viele  Dinge,  die  das  B.G.B.  fordert, 
überhaupt  nicht.  Ich  erinnere  in  dieser  Beziehung  nur  an 
die  Satzungsänderung  §33  B.G.B.,  an  das  Aufhören  der  Stimm¬ 
berechtigung,  wenn  die  Vornahme  eines  Rechtsgeschäftes  mit  einem 
Mitgliede  oder  die  Einleitung  und  Erledigung  eines  Rechtsstreites 
zwischen  Mitglied  und  Verein  in  Frage  kommt,  §34  B.G.B.;  ich 
erinnere  ferner  an  die  ausserordentliche  Berufung  der  Mitglieder¬ 
versammlung,  §37  B.G.B.,  an  die  Auflösung  des  Vereines,  §41 
B.G.B.  und  an  die  Ausantwortung  des  Vermögens  im  Falle  der 
Auflösung,  §  45  B.G.B. 

Eine  weitere  Frage  wäre  die,  ob  nicht  abweichend  von  §  6 
des  Entwurfes,  der  nur  einen  Vorsitzenden  und  einen  stell¬ 
vertretenden  Vorsitzenden  kennt,  ein  mehrgliedriger  Vorstand  -— 
also  vielleicht  der  gesamte  Ausschuss  —  bestellt  werden  soll. 
Denn  der  Vorstand  ist  für  viele  Dinge  haftbar  und  verantwortlich 
(§42  und  §43  B.G.B.)  und  mehrere  Schultern  tragen  diese  Bürde 


*)  Berl.  Aerzte-Correspondenz  No.  37. 

2)  Wenn  es  unumgänglich  notwendig  ist,  wird  sich  wohl  kein 
Verein  weigern,  die  Rechtsfähigkeit  zu  erwerben. 


7.  Oktober  1902. 


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aber  auch  tormell  nicht  einwandsfrei.  °  gt  üabe’  ist 

bJSTte'ST  ÄffiS  “LM1Ävd“  •  "*«*»- 
“  VT'“S.  ■*•$*  S. T."  ^che?n“n  ift8 a7f„ 

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8  i  e  a  s  e  1  n.  E  s  ist  mit  der  Bestellung  genug! 

Und  weiter,  wie  soll  der  Name  „Deutscher  Aerztevereins 
b  und,  der  m  §  2  des  Entwurfes  festgesetzt  ist  noch  ei  ne 
innere  Berechtigung  haben,  "wenn  nkhtm  ! 
dl.e,  A  1e.1'  e11  ne,  sondern  nur  die  delegierten  V  e  r  /  t  e 

yovJnJet  äenSsS^r^U^  ?lcht  «*  «&>«  unmittelbaren 

*“““  da  der  VereI“  »'«*  richtiger 

Am  Ende  meiner  Berichterstattung  angelangt,  bitte  ich  Sie 
meine  Herren,  folgende  Schlussätze  anzunehmen: 

1.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Traunstein 

Reiche  n  li  a  1 1  ist  grundsätzlich  für  die  E  r  w  e  r  - 
yng  der  Rechtsfähigkeit  für  den  Deutschen 
A  e  r  z  tevereinsbund.  uen 

2.  B  e  r  Entwurf  der  neuen  Satzung  b  e  d  a  r  f 
e  i  n  e  r  I  m  a  r  b  eitung;  diese  möge  unter  Zuziehun  s 
e  in  es  j  ur  istis  che  n  Beirates  und,  wenn  juristisch 
a  nBangig,  m  Sinne  der  obigen  Ausf  ii  li  r  unge  n 
Ihres  Berichterstatters  geschehen. 

.  Zum  Zwecke  der  Eintragung  in  das  Ver- 

d er y11  % e  11  a u  n a c h  d e m  w 0 r 1 1  a u t e 
d  e  1  §§  ob— 59  B.G.B.  verfahren  werden.  Es  soll  nicht 

mehr,  als  dieser  Wortlaut  verlangt,  in  die  dem 

£ommmgeuriChtC  "'!"‘e6"d'  «»“»»,  >•»&- 

an1f-  Die  1Eintl'agung  in  das  Vereinsregister 
a  oV  7°/  dem  Zusammentreten  des  nächsten 
Aerztetages  vollzogen  sein. 

_  -  h y  Ay.e  U®r  e* 1  e  \  11  a  11  ni  e  n  d  e  r  §§  50-59  B.G.B.  über- 
y/f  r  /de  Bestimmungen,  die  aber  von  der 
Mi  t  g  n  e  derversämmlung  nach  §32  B.G.B.  erst  zu 
ulligen  waren,  sind  teils  notwendig,  teils  sehr 
wünschenswert.  Eine  diesbezügliche  Vorlage 
soll,  vom  Ausschüsse  unter  Zuziehung  eines 
juristischen  Beirates  wohl  vorbereitet  dem 
nächsten  Aerztetage  zur  Beschlussfassung 
vor  gelegt  werden.3)  D  ross  hach. 


MIT K NC HEXE R  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1661 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Leser:  Die  spezielle  Chirurgie  in  60  Vorlesungen. 

bischer,  Jena  1902. 

Nach  kaum  2  Jahren  ist  wiederum  eine  Neuauflage  —  die 
fünfte  —  des  Lehrbuches  der  speziellen  Chirurgie  von  Leser 
notig  geworden,  ein  sicherer  Beweis  für  die  Beliebtheit  und 
Nützlichkeit  des  vortrefflichen  Werkes.  Dasselbe  erfüllt  nicht 
nur  den  Zweck,  die  praktischen  Studien  der  ersten  klinischen 
Semester  zu  unterstützen  und  eventuelle  Lücken  auszufüllen, 
sondern  es  bietet  auch  dem  Arzte  einen  sicheren  Anhalt  für  die 
Beurteilung  ihm  anvertrauter  chirurgischer  Erkrankungen  und 
für  seine  therapeutischen  Massnahmen.  In  glücklicher  Weise 
hat  es  der  Verfasser  verstanden,  gerade  nur  diejenigen  Behand¬ 
lungsarten  und  Methoden  aus  der  Fülle  des  Materials  herauszu¬ 
greifen,  deren  Erfolge  längst  absolut  anerkannt  oder  von  ihm 
selbst  geprüft  und  für  gut  befunden  worden  sind.  Dass  hier¬ 
durch  eine  übersichtliche  Darstellung  und  schnelle  Orientierung 
gewährleistet  wird,  liegt  auf  der  Hand;  für  die  Sicherheit  und 
Crute  der  in  dem  Buche  niedergelegten  Erfahrungen  bürgt  in 
erster  Linie  der  Name  des  Verfassers  und  ferner  der  Umstand, 
dass  Leser  fast  8  Jahre  als  Assistent  v.  V  o  1  k  m  a  n  n  s  tätig 
vai.  ast  alle  Kapitel  des  Buches  sind  insofern  neu  bearbeitet 
worden,  als  die  Fortschritte  der  Chirurgie  in  den  letzten  2  Jahren 
berücksichtigt  worden  sind;  besonders  ist  dies  der  Fall  bei  den 
Abschnitten,  die  über  die  Chirurgie  der  Schilddrüse  und  der 
Bauchhöhle  resp.  ihrer  Organe  handeln,  bilden  doch  die  Opera¬ 
tionen  an  Mastdarm  und  Blase  gewissermassen  das  Spezialgebiet 
des  Verfassers.  Mit  besonderer  Liebe  ist  auch  auf  die  Gelenk¬ 
resektionen  und  speziell  die  Nachbehandlung  derselben  einge¬ 
gangen  worden;  das  Kapitel  über  die  Ellenbogengelenksresektion 
und  ihre  Erfolge  bei  passender  Nachbehandlung  ist  mustergültig. 

r u  >  Bmse  Schlussätze  wurden  in  der  Vereins  Versammlung  vom 

-n  September  einstimmig  angenommen. 

No.  40. 


So  ist  zu  erwarten,  dass  die  Neuauflage  des  Buches  dem- 
s(  ben  viele  neue  f  reunde  gewinnen  wird,  da  es  in  der  Tat  ein 
gutes  Bild  des  derzeitigen  Standes  der  Chirurgie  gibt;  es  sei  allen 
Interessenten  aufs  wärmste  empfohlen.  IToffa 

«™.nr0f\TDr'  K,röllU:  Ueber  die  Bedeutung  der  funk- 
gellen  Nervenkrankheiten  für  die  Diagnostik  und  Therapie 
m  der  Gynäkologie.  Leipzig,  bei  Thieme.  91.  S. 

Noch  vor  wenigen  Jahren  wurde  in  der  gynäkologischen 
uteratur  an  dem  Jahrtausende  alten  Dogma  festgehalten,  dass 
die  Mehrzahl  der  funktionellen  Nervenerkrankungen  beim  weib¬ 
lichen  Geschlecht»  verursacht  sei  durch  Erkrankungen  der 
Sexualorgane.  Die  Folge  war  eine  beträchtliche  Überschätzung 
so  mancher  geringfügiger  Anomalien  der  weiblichen  Geschlechts¬ 
organe;  dies  gab  wieder  Veranlassung,  zur  Korrektur  dieser  Ano¬ 
malien  Eingriffe  zu  unternehmen,  die  in  Rücksicht  auf  ihre 
spateren  unangenehmen  Folgen  für  die  Patientinnen  zuweilen  in 
krassem  Misverhältnis  zur  Geringfügigkeit  der  vorliegenden  Ab¬ 
normität  standen.  Recht  deutlich  kam  dies  z.  B.  in  neuester 
Zeit  zum  Ausdruck  durch  die  ausserordentlich  zahlreichen 
Operationsmethoden,  die  im  letzten  Jahrzehnt  ersonnen  wurden, 
um  die  sogen.  Flexionen  und  Versionen  des  Uterus  zu  korrigieren 
beit  dem  6.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie 
in  \\  len  hat  sich  eine  von  J ahr  zu  J ahr  wachsende  Partei  unter 
den  Gynäkologen  gebildet,  die  gegen  diese  Uebertreibungen  Front 
machte  und  unter  anderem  auch  bestrebt  ist,  die  Lehre  von  dem 
Zusammenhang  der  Allgemeinerkrankungen  mit  den  Erkran¬ 
kungen  der  Geschlechtsorgane  einer  Revision  zu  unterwerfen. 

-  n  .dieser  Arbeit  hat  sieh  Verfassei*  schon  länger  durch  sorg- 
ältige  Lntersuchung  beteiligt.  In  dem  vorliegenden  Werke  finden 
wir  eine  vorzügliche  Zusammenstellung  der  zahlreichen  Be¬ 
rührungspunkte  zwischen  Neurologie  und  Gynäkologie  und  der 
gegenseitigen  Beeinflussung  der  entsprechenden  Krankheiten. 

Die  Möglichkeit  der  Entstehung  ernster  Erkrankungen 
des  allgemeinen  Nervensystems  durch  kleincystische  De¬ 
generation  der  Ovarien,  Erosionen  der  Portio, 
Cervix  risse,  Stenosen  des  Zeryikalkanals 
u.  s.  w.  werden  in  Abrede  gestellt. 

Bezüglich  der  klinischen  Bedeutung  der  Retroversio 
memt  der  Verfasser:  „Die  Annahme,  dass  die  Lageanomalie  für 
a  le  möglichen,  in  den  verschiedensten  Körperregionen  auftreten- 
t  en  nervösen  Störungen  verantwortlich  gemacht  werden  muss,  ist 
auf  Grund  der  heutigen  Erfahrung  für  die  meisten  Fälle' als 
y1  y  zu  erachten.  Wir  dürfen  es  als  bewiesen  ansehen,  dass 
dieRetroversio  uteri  mobilis  in  der  bei  weitem  grössten  Zahl  der 

Dille  als  eine  symptomlos  verlaufende  Lageanomalie  zu  gelten 
hat.“ 

Von  der  Dysmenorrhöe  meint  er,  dass  sie  meist  Teil- 
erscheiuung  der  Hysterie  oder  Neurasthenie  sei.  Bezüglich  des 
Entstehungsmodus  findet  er  gleich  plausibel  die  Ansichten  von 
Menge  und  von  dem  Referenten.  Menge  nimmt  an,  dass  die 
normalen  Kontraktionen  des  Uterus  während  der  Menstruation 
von  Nervösen  ungewöhnlich  stark  empfunden  werden,  während 
Referent  die  Ursache  der  Schmerzen  in  einem  Spasmus  der 
Sphmcter  orificii  intern!  sucht.  Bezüglich  der  Behauptung  von 
E  1  i  e  s  s  und  Schiff,  dass  die  dysmenorrhpischen  Beschwerden 
durch  Veränderungen  in  der  Nase  bedingt  sein  könnten,  ist  Ver¬ 
fasser  sehr  skeptisch,  er  meint,  dass  es  in  diesen  Fällen  schwierig 
sei,  die  Suggestion  auszuschalten. 

Auch  bezüglich  der  Erklärung  des  übermässigen 
Ei  bi  eehen.s  bei  Schwangeren  schliesst  sich  V  erf asser 
an  Kaltenbac  h  an,  wonach  dasselbe  als  Teilerscheinung  einer 
iunktionellen  Neurose  anzusehen  ist. 

In  der  Therapie  legt  K  r  ö  n  i  g  mit  Recht  einen  grossen 
Wert  auf  die  Allgemeinbehandlung,  auch  für  solche  Fälle,  „bei 
welchen  wir  anatomisch  gewisse  Anomalien  nachweisen  können, 
welche  aber  nicht  mehr  die  ihnen  früher  zugeschriebene  weit¬ 
gehende  klinische  Bedeutung  besitzen“.  Er  empfiehlt  die  W  eir- 
Mitchell  sehe  Kur,  diätetisch-physikalische  und  hydrothera¬ 
peutische  Massnahmen.  Doch  meint  er,  dass  wir  in  den  meisten 
I  allen  eine  örtliche  Behandlung  nicht  entbehren  können,  aller¬ 
dings  häufig  nur,  um  die  genügende  suggestive  Wirkung  bei  den 
Kranken  hervorbringen  zu  können. 

Referent  hat  häufig  sich  zu  überzeugen  Gelegenheit,  dass  der 
giossen  Mehrzahl  der  praktischen  Aerzte  die  in  diesem  Werke  ge¬ 
schilderten  neuesten  Publikationen  der  gynäkologischen  Litera¬ 
tur  nahezu  vollständig  unbekannt  sind;  bei  der  grossen  Wichtig- 

6 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4Ö. 


166Ö 


keit,  die  diese  Fragen  gerade  für  den  Hausarzt  haben,  muss  des¬ 
halb  die  Lektüre  dieser  Monographie  jedem  Praktiker  drin¬ 
gendst  empfohlen  werden.  Aber  nicht  bloss  der  praktische  Arzt, 
auch  der  Spezialist,  der  alle  Veröffentlichungen  auf  diesem  Ge¬ 
biete  eit  rigst,  studiert  hat,  wird  in  diesem  \\  erke  eine  Reihe  neuer 
Gedanken  und  vortrefflicher  Beobachtungen  finden;  ihm  sei  des¬ 
halb  das  Studium  dieses  Buches  ebenfalls  ans  Herz  gelegt. 

Theilhaber. 

Andre  Cast  ex:  Die  Krankheiten  der  Stimme.  Paris, 
C.  N  a  u  d,  1902. 

Verf.,  Dozent  der  Laryngo-Rhinologie  und  Otiatrie  an  der 
medizinischen  Fakultät  in  Paris  und  Arzt  am  Taubstummen¬ 
institut,  schon  bekannt  durch  seine  1894  erschienene  „Hygiene 
der  Stimme“,  beginnt  das  vorliegende  Werk  mit  der  Anatomie 
und  Physiologie  der  Stimmwerkzeuge,  die  durch  zahlreiche  Ab¬ 
bildungen  illustriert  werden.  Interessanter  ist  das  Kapitel: 
„lieber  die  Ursachen  der  Erkrankungen  der  Stimme“;  er  kommt 
darin  zum  Schlüsse,  dass  Alter,  Geschlecht,  Schwangerschaft, 
Menstruation,  Kastration  von  grösstem  Einflüsse  sind.  Die 
Herausnahme  der  Eierstöcke  hat  im  allgemeinen  keinen  direkten 
grösseren  Schaden  für  die  Stimme  zur  Folge.  Von  grösstem 
Einflüsse  sind  aber  das  Temperament,  die  Zirkulation  des  Blutes, 
die  Ernährung,  Nervosität,  Tabak,  Syphilis,  Lampenfieber, 
Furcht,  körperliche  Hebungen,  Temperatur,  Klima,  Wohnung, 
Kleidung,  Gerüche,  Staub,  verschiedene  Arzneistoffe  und  Gifte. 
In  den  folgenden  Kapiteln  finden  die  einzelnen  Erkrankungen 
der  Sprechstimme  ihre  eingehendere  Besprechung,  wie  die  Er¬ 
müdung  der  Stimme,  der  Rednerkrampf,  die  Sängerknötchen, 
die  Eunuchenstimme,  das  Näseln,  der  plionisclie  Stimmritzen¬ 
krampf,  die  Veränderungen  der  Stimme  bei  Geisteskrankheiten, 
das  Stottern  und  andere  Sprachfehler.  Besonders  gelungen  ist 
das  Kapitel  über  die  Krankheiten  der  Singstimme,  welches  eine 
Fülle  von  teils  älteren,  teils  neueren  Beobachtungen  und  prak¬ 
tischen  Fingerzeigen  enthält,  z.  B.  auch,  wie  das  Krankenexamen 
einzurichten  ist. 

Das  Buch  kann  allen  denen,  die  sich  mit  den  Krankheiten 
der  Sänger  und  Berufsredner  beschäftigen,  bestens  empfohlen 
werden.  Sckech. 

Neueste  Journalliteratur. 

Klinisches  Jahrbuch.  1902.  Bd.  9.  Heft  2. 

A.  Gaertner:  Die  Quellen  in  ihren  Beziehungen  zum 
Grundwasser  und  zum  Typhus. 

Im  ersten  Teil  bespricht  Gaertner  die  Quellen  iu  ihrem 
Verhältnis  zum  Grundwasser.  Er  konstatiert  einen  geologischen 
und  hygienischen  Unterschied  zwischen  beiden.  Das  Quellwasser 
stammt  von  der  Oberfläche  zertrümmerten  Gesteins,  welches  der 
Toren  entbehrt  und  daher  das  Wasser  nicht  filtriert.  Neben  der 
Art  des  Gesteins  entscheidet  das  tributäre  Gebiet  über  die  In- 
fektionsfäliigkeit.  Der  Hygieniker  und  Geologe  müssen  daher  bei 
Neuanlage  und  Beurteilung  von  Wasserversorgungen  Zusammen¬ 
arbeiten,  besonders  wenn  es  sich  um  die  Auswahl  von  direkt  unter 
den  Ansiedelungen  hervorbrechenden  Q-uellen  handelt.  Schliess¬ 
lich  ist  dann  die  Möglichkeit  einer  Infektion  des  Quellwassers  mit 
Typhus  vom  Ort  aus  das  kleinere  Uebel  gegen  die  unbeschränkte 
Infektionsmöglichkeit  der  Einzelbrunnen  jeden  Hauses.  Grund¬ 
wasser  ist  dem  Quellwasser  immer  vorzuziehen.  Bei  der  Be¬ 
urteilung  des  Quellwassers  ist  vor  allem  die  Herkunft  der  Ver¬ 
unreinigungen,  Trübungen  zu  eruieren.  Letztere  besitzen  nur  dann 
eine  gesundheitliche  Bedeutung,  wenn  sie  nach  Lage  der  ört¬ 
lichen  Verhältnisse  eine  Infektionsmöglichkeit  einschliessen.  G.  be¬ 
spricht  dann  die  Ausschaltung  dieser  Infektionsmöglichkeiten  und 
betont  besonders  die  Verhütung  der  Infektion  mit  Typhusbazillen. 
Jeder  einzelne  Fall  von  Typhus  muss  intensivst  bekämpft  werden, 
besonders  der  Typhus  ambulatorius.  Dann  kommt  noch  die  Er¬ 
örterung  der  Filtration  und  Sterilisation  des  Quellwassers. 

Im  zweiten  Teil  schildert  G.  eingehend  die  Rolle,  die  die 
Quellen  als  Vermittler  des  Typhus  bei  einzelnen  Epidemien  ge¬ 
spielt  haben,  mit  Beigabe  von  sehr  instruktiven  Karten. 

Dr.  S  e  g  g  e  1  jun. -München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  64.  Band,  5.  u.  6.  Heft. 

August  1902.  Leipzig,  Vogel. 

24)  Schlender:  Ueber  Fremdkörper  in  den  Luftwegen. 

(Friedrichshain  Berlin.) 

Bericht  über  12  Fälle.  9  derselben  wurden  operiert  mit 
7  Heilungen  und  2  Todesfällen.  Von  den  nicht  operierten  heilte 
1  spontan,  2  starben,  und  zwar  einer  an  Lungengangrän,  1  an  Er¬ 
stickung. 

Zur  Diagnosestellung  empfiehlt  Verfasser  dringend  die  Ront- 
genpliotogra  pliie. 


Die  K  i  1  i  a  n  sehe  Bronchoskopie  wird  nicht  erwähnt. 

25)  W  o  1  k  o  w  i  t  s  e  li  -  Kiew:  Ein  Beitrag  zur  Behandlung 
der  chronischen  Larynxstenose. 

Die  42  behandelten  Kranken  setzten  sich  zusammen  aus: 
19  Tracheotomierten,  2  Knaben,  denen  multiple  Papillome  ent¬ 
fernt  waren,  18  mit  Sklerom  Behafteten,  5  auf  Lues  Verdächtigen, 
bezw.  mit  Schleimhautverdickung.  Am  häufigsten  kam  die  In¬ 
tubation  zur  Anwendung,  die  im  allgemeinen  sehr  gute  Resultate 
gab.  Ausserdem  wurden  versucht:  Spaltung  des  Kehlkopfs, 
plastischer  Ersatz  (nach  Scliimmelbusc  h,  M  a  n  g  o  1  d  t  und 
mit  T  hiersch  sehen  oder  Iv  r  ause  sehen  Lappen),  Resektion 
der  stenosierten  Stelle.  Auch  bei  diesen  Operationen  wurde  wieder¬ 
holt  die  Intubation  zu  Hilfe  genommen.  . 

20)  Penkert:  4  seltene  Fälle  von  abdominalen  Cysten. 

(Patholog.  Institut  Greifswald.)  .  * 

a)  Intraabdominales  Haematolympliangioma  mixtum.  Neben 

den  Tumoren  in  der  Bauchhöhle  fanden  sich  auch  solche  in  der 
Haut  und  am  Lungenhilus.  Die  Entstehung  dieser  Tumoren  scheint 
dem  Verfasser  mangels  sicher  nachweisbarer  mechanischer  Fak¬ 
toren  darauf  zurückzuführen  sein,  dass  in  den  pathologisch  an¬ 
gelegten  Blut-  und  Lymphgefässbezirken  eine  dauernde  vaso¬ 
motorische  Innervation  bestellt.  Vermöge  derselben  strömt  reich¬ 
lich  Blut  und  Lymphe  in  die  Kapillaren  ein  und  es  fliesst  nur  so¬ 
viel  ab,  als  Ueberseliuss  zugeströmt  ist.  Unerklärlich  bleibt  dabei 
freilich  die  Deutung  des  Proliferationsprozesses.  _ 

b)  Lymphcyste  am  Coekum.  Cystische,  gänseeigrosse  Ge¬ 
schwulst  hinter  und  zu  beiden  Seiten  des  Colon  ascendens.  Ueber 
deren  Entstehung  stellt  Verfasser  mehrere  Möglichkeiten  auf. 

c)  Ein  klinisch  als  Angioma  cysticum  mesenteriell  diagnosti¬ 
zierter  und  operierter  Fall  wurde  bei  der  mikroskopischen  Unter¬ 
suchung  als  Hydronephrose  erkannt. 

d)  Eine  grosse,  abgesackte  Flüssigkeitansammlung  zwischen 
Magen  und  Leber  hatte  sich  auf  Grund  einer  früher  überstandenen 
allgemeinen  Feritonitis  bei  allgemeinem  Aszites  entwickelt. 

27)  Göbell:  Zur  Kenntnis  der  Hernia  inguinalis  super¬ 
ficialis.  (Chirurg.  Klinik  Kiel.) 

Die  Richtigkeit  der  Deutung  in  den  von  Küster  als  Hernia 
inguino-superficialis  beschriebenen  Fällen  ist  von  Bramann  an- 
gezweifelt  worden.  G.  beschreibt  eine  neue  Beobachtung,  die  im 
wesentlichen  die  K  ii  s  t.  e  r  sehe  Deutung  bestätigt,  in  einigen 
Punkten  sie  ergänzt.  Es  handelte  sich  um  einen  angeborenen 
Bruch  mit  nicht  herabgetretenem  Testikel,  dessen  Bruchsack  nur 
von  Fascia  transversalis  (infundibuliformis)  umgeben  und  nur  von 
Fascia  superficialis  und  Haut  bedeckt  war.  Ein  M.  cremastei 
war  nicht  nachzuweisen,  die  Aponeurose  des  M.  obliquus  externus 
setzte  sich  nur  2  cm  weit  auf  der  Tunica  vaginalis  communis  fort. 
Der  Leistenkanal  verlief  schräg.  Der  Bruchsack  war  bilokulär, 
setzte  sich  zusammen  aus  einem  skrotalen  und  einem  interparie¬ 
talen  Teil. 

28)  Wittek:  Ueber  Pes  calcaneus  traumaticus.  (Chirurg. 

Klinik  Graz.)  ,  .  , 

W.  fügt  zu  den  früher  von  Nicoladoni  beschriebenen 
2  Fällen  von  Pes  calcaneus  traumaticus  noch  3  weitere  Beobach¬ 
tungen.  Im  ersten  Falle  war  die  Deformität  entstanden  infolge 
eines  vor  Jahren  erlittenen  Sehsenhiebes,  im  zweiten  infolge  einer 
vor  3  Wochen  eingetretenen  Fraktur  des  Fersenbeinhöckers,  im 
dritten  infolge  einer  vor  8  Jahren  vorgenommenen  Tenotomie  bei 
L  i  1 1 1  e  scher  Krankheit.  Die  aufgenommenen  Röntgenbilder  er¬ 
gaben,  dass  in  allen  Fällen  der  Calcaneus  sich  um  eine  frontale 
Achse'  mit  Senkung  seines  hinteren  und  Erhebung  seines  vorderen 
Abschnittes  gedreht  hatte,  in  derselben  Weise,  wie  er  es  bei  der 
Dorsalflexion  des  Fusses  tut.  Ausserdem  hatte  sich  auch  der 
Talus  in  sagittaler  Richtung  im  Sinne  einer  Dorsalflexion  bewegt. 
Während  sich  so  der  hintere  Fussabschnitt  im  Sinne  einer  Dorsal¬ 
flexion  bewegt  hatte,  stand  der  vordere  Fussabschnitt  (vom 
C  hopart  sehen  Gelenk  an)  in  Plantarflexion.  Die  Ursache  für 
die  Veränderung  ist  darin  zu  suchen,  dass  der  bewegliche  Calcaneus 
bei  Ausschaltung  der  Wadenmuskulatur  dem  Zuge  der  Sohlen¬ 
muskulatur  folgt  und  den  Talus  mit  in  Dorsalflexion  zieht.  Ver¬ 
fasser  konnte  ähnliche  Verhältnisse  an  der  Leiche  darstellen. 

W.  macht  darauf  aufmerksam,  dass  doch  gelegentlich  durch 
die  Tenotomie  der  Achillessehne  ähnliche  "V erhältnisse  herbei¬ 
geführt  werden  können.  Dieselbe  kann  bekanntlich  mit  4  orteil 
durch  die  plastische  Verlängerung  ersetzt  werden. 

29)  Claudius:  Eine  Methode  zur  Sterilisierung-  und  zur 
sterilen  Aufhebung  von  Katgut.  (Frederiks-Hospital  Kopen¬ 
hagen.) 

Gewöhnliches  rohes  Katgut  wird  auf  starke  gläserne  Wickel 
aufgewunden,  zwei  verknüpfte  Fäden  auf  jeden  Wickel,  und  iu 
eine  wässrige  Lösung  von  Jod-Jodkalium  gebracht  (1  Jod,  1  Jod¬ 
kali.  100  Wasser).  Nach  Verlauf  von  8  Tagen  ist  das  Katgut  fertig 
zum  Gebrauch.  Soll  es  verwendet  werden,  so  legt  man  eine  Rolle 
in  3  proz.  Karbollösung  oder  eine  indifferente  sterile  Flüssigkeit, 
wodurch  die  überflüssige  Jodlösung  abgespült  wird. 

Experimentelle  und  klinische  Erfahrungen  erwiesen,  dass  das 
so  präparierte  Katgut  sicher  steril  ist. 

30)  Funken  stein  -Bern:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von 
den  intraabdominalen  Hernien.  (Patholog.  Institut  Bern.) 

F.  beschreibt  ausführlich  einen  klinisch  und  anatomisch  unter¬ 
suchten  Fall  von  Hernia  retrocoecalis.  Als  sicher  ist  bisher  nur 
noch  ein  derartiger  Fall  beschrieben  worden. 

31)  Berliner:  Die  Teleangiektasien  der  Blase.  (Fried¬ 
richshain  Berlin.) 

Bei  einem  11  jährigen  Mädchen  bestanden  seit  dem  10.  Lebens¬ 
jahre  Blasenblutungen.  Bei  der  Cystoskopie  fand  man  verschieden 


7.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1663 


grosse  blaurote  Wülste,  zwischen  denen  die  Blasenschleimhaut 
blutig  suffundiit  erschien.  Au  der  rechten  grossen  Labie  sass 
ein  wallnussgrosses  teleangiektatisches  Angiom. 

Nach  vorgenommener  Sectio  alta  wurden  die  besonders  den 
Blasenhals  einnehmenden  blauroten  Wülste  kauterisiert. 

Besserung  erfolgte  erst  nach  monatelanger  Nachbehandlung. 

A  erlassei  empfiehlt  für  ähnliche  Balle  das  eingeschlagene 
Verfahren. 

32)  Graff:  Eine  retrorektale  teratoide  Geschwulst  mit 
adeno-karzinomatöser  Degeneration.  (Chirurg.  Klinik  Bonn.) 

Der  Fall  ist  der  erste  von  primärer  adenokarzinomatöser  De¬ 
generation  einer  teratoiden  Geschwulst. 

-  33)  K  r  a  m  m  -  Tientsin:  Ueber  die  Leberentzündung  nach 

Ruhr. 

Die  Mitteilungen  des  Verfassers  gründen  sich  auf  11  in 
Tientsin  gemachte  Beobachtungen.  Von  den  11  Leberentzün¬ 
dungen  verlief  eine  ohne,  10  mit  Abszessbildung.  Alle  waren  be¬ 
dingt  durch  Ruhr.  Eine  sichere  Diagnose  gründet  sich  ausschliess¬ 
lich  auf  die  Probepunktion.  Die  Operation  erfolgt  entweder  durch 
die  Bauchwand  hindurch  oder  perpleural.  In  beiden  Fällen  muss 
die  Verklebung  der  Pleura-  bezw.  Peritonealblätter  abgewartet 
werden  (3  Tage).  Von  9  Operierten  sind  8  geheilt.  1  gestorben. 

34)  S  i  1  b  e  r  m  a  r  k  -  Wien:  Fx'emdkörpertuberkulose  der 
Zunge  in  Tumorform. 

Es  handelte  sich  um  eine  etwa  haselnussgrosse,  von  normaler 
Schleimhaut  überzogene  Anschwellung  der  linken  Zungenhälfte, 
deren  Untersuchung  deutliche  Tuberkelknötchen  mit  Riesenzellen 
erkennen  liess.  Gleichzeitig  gefundene  Körper  von  nicht  ganz 
klarem  Ursprung  Hessen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  an¬ 
nehmen,  dass  es  sich  um  eine  Fremdkörpertuberkulose  handelte. 
Dafür  sprach  auch,  dass  die  Muskulatur  völlig  intakt  war  und 
nirgends  irgendwelche  Zeichen  käsiger  Degeneration  zu  erkennen 
waren. 

35)  Tietze:  lieber  eine  Hernia  traumatica  sacralis,  nebst 
Bemerkungen  zur  Mastdarmplastik.  (Augustahospital  Breslau.) 

Die  grosse  Hernie  hatte  sich  nach  einer  Mastdarmexstirpation 
ausgebildet,  da  das  temporär  resezierte  Kreuzbeinstück  nekro¬ 
tisch  geworden  war. 

3(5)  Graessner:  Zur  Kasuistik  der  Hüftgelenkspfannen¬ 
brüche.  (Bürgerspital  Köln.) 

Bericht  über  7  Fälle.  Die  Diagnose  stützt  sich  auf  folgende 
Zeichen:  Heftige  Schmerzen  im  Hüftgelenk  bei  Druck  auf  den 
Trochanter  und  bei  Stoss  gegen  die  Ferse.  Keine  Verkürzung  des 
Beines,  Trochanterspitze  in  der  Roser-Nelaton  sehen  Linie, 
Annäherung  des  Trochanters  an  die  Mittellinie  und  Abflachung 
der  Trochautergcgend,  beschränkte  und  schmerzhafte  Innenrota- 
tion,  Druckempfindlichkeit  der  Pfannengegend  bei  tiefem  Ein¬ 
drücken  dicht  über  dem  Lig.  Pouparti  in  der  Regio  liypogastrica, 
druckempfindliche  Vorwölbung  der  Pfannengegend  bei  rektaler 
Untersuchung.  Das  Röntgenbild  zeigt  Vorwölbung  bezw.  Fraktur 
des  Pfannenbodens,  muss  übrigens  mit  Vorsicht  aufgefasst  werden. 

Krec  k  e. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  38  u.  39. 

No.  38.  Jos.  Bäck  e  r  -  Ofen-Pest:  6  Fälle  von  Fibromyoma 
uteri,  kompliziert  mit  Schwangerschaft. 

Auf  Grund  von  6  Fällen,  die  B.  beschreibt,  entwickelt  er  seine 
Grundsätze  bei  der  Behandlung  von  Myomen  in  der  Schwanger¬ 
schaft.  Die  Ansicht  von  Gusse row  u.  a.,  dass  Myome  Sterili¬ 
tät  bedingen,  hält  B.  für  irrig;  wiederholte  Geburten  bei  myom¬ 
kranken  Frauen  sind  beobachtet.  Die  Ansicht,  dass  das  Fibrom 
eine  der  gutartigsten  Komplikationen  der  Gravidität  sei,  teilt  B. 
nicht.  Am  günstigsten  sind  noch  die  subserösen  Korpusmyome, 
während  die  im  Kollum  sitzenden  bedeutende  Störungen  machen 
können.  Die  seltenste,  aber  auch  schwerste  Komplikation  ist  die 
Nekrose  eines  Fibroms,  eine  häufigere,  aber  nicht  so  akute  Gefahr 
bringt  das  rapide  Wachstum  des  Tumors  während  der  Schwanger¬ 
schaft.  Andere  Gefahren  des  Fibroms  sind  die  Notwendigkeit 
eines  operativen  Eingriffs  während  der  Geburt,  Verhinderung  der 
Uteruskontraktionen,  Nekrose  der  Geschwulst  im  Wochenbett 
u.  ä.  in. 

Da  die  gravide  Trägerin  eines  Fibroms  stets  in  einer  relativen 
Gefahr  schwebt,  so  macht  B.  den  künstlichen  Abort,  wenn  sie 
sich  noch  innerhalb  der  ersten  G  Wochen  befindet,  vorausgesetzt, 
dass  Pat.  ihre  Zustimmung  hierzu  erteilt.  Vom  3.  Monat  ab  ver¬ 
hält  B.  sich  abwartend.  Ist  operatives  Eingreifen  indiziert,  so 
empfiehlt  B.  stets  radikal  zu  operieren,  sei  es  mittels  Totalexstir¬ 
pation,  sei  es  mittels  supravaginaler  Amputation. 

No.  39.  1)  II.  F  ü  t  h  -  Leipzig:  Beiträge  zur  Hände¬ 

desinfektion. 

F.  berichtet  über  Versuche  zur  Händedesinfektion  mittels 
Seifenspiritus  nach  v.  M  i  k  u  1  i  c  z,  verglichen  mit  der  von 
K  r  ö  n  i  g  empfohlenen  Methode  mittels  Quecksilbercitratäthylen¬ 
diamin.  Die  Versuche  fielen  zu  Ungunsten  der  Seifenspiritus- 
Desinfektion  aus,  da  die  von  den  damit  behandelten  Händen  ge¬ 
impften  Meerschweinchen  an  Tetragenusperitonitis  zu  gründe 
gingen,  die  anderen  nicht.  Da  es  sich  aber  nur  um  4  Versuche 
handelt,  so  dürfte  ihnen  eine  unzweideutige  Beweiskraft  kaum 
zukommen. 

2)  Derselbe:  U  eher  die  Dauer  der  menschlichen 
Schwangerschaft. 


P.as  B-Gl.B.  setzt  bekanntlich  als  Empfängniszeit  die  Zeit  vom 
1.  1.  bis  zum  302.  Tage  vor  dem  Tage  der  Geburt  des  Kindes  fest 
(§  1592).  Hiergegen  hatte  v.  Winckel  Einspruch  erhoben  und 
ans  seinem  Material  die  untere  Grenze  des  intrauterinen  Lebens 
bei  240,  die  obere  bei  33G  Tagen  bezeichnet.  F.  berichtet  nun  über 
das  Ergebnis  einer  Dissertation  von  Enge  aus  der  Leipziger 
Klinik,  welche  die  v.  W  i  n  c  k  e  1  sehen  Angaben  vollauf  bestätigt 
Hiernach  genügt  also  das  Gesetz  für  die  in  Frage  stehende 
Materie  anscheinend  nicht  und  F.  überlässt  es  den  Juristen  wie 
sie  sich  hierzu  stellen  werden. 

3)  Zweifel-  Leipzig:  Bemerkungen  zu  vorstehendem  Auf¬ 
satz. 


XJ.  /ilUPlL  au»  Utr  Hi 


-s  c  öLiieu  j_/issei uiiion,  ciass  4  Frauen  von 
dem  Kohabitationstage  an  ihr  Kind  länger  als  302  Tage  trugen 
nämlich  304,^305,  312  und  319  Tage.  Auch  er  hält  für  notwendig, 
dass  der  §  1717  des  B.G.B.,  der  von  den  unehelichen  Kindern  han¬ 
delt,  dahin  ergänzt  werde,  dass  für  grosse  Kinder,  d.  h.  solche  über 
4000  g  Gewicht  und  52  cm  Länge,  die  Grenze  von  302  Tagen  er¬ 
weitert  werde. 

I).  J-  Kocks -Bonn:  Die  teleologische  Auffassung  in  der 
Medizin  und  den  Naturwissenschaften. 

Eine  kurze  Polemik  gegen  Reinkes  Dominantenlehre  (in 
seinem  bekannten  Werk:  „Die  Welt  als  Tat“)  und  die  Annahme 
einer  kosmischen  Intelligenz,  bezw.  Teleologie  in  den  Naturwissen¬ 
schaften.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Archiv  für  Hygiene.  44.  Bd.  3.  Heft.  1902. 

1)  L.  Peserico  -  Padua:  Ueber  die  Bedeutung  der  Zigarren 
und  besonders  der  Stummel  derselben  im  Hinblick  auf  die  Ver¬ 
breitung  der  Tuberkulose. 

Verf.  liess  Personen,  welche  reichlich  Tuberkelbazillen  in 
ihrem  Sputum  hatten,  Zigarren  und  Zigaretten  rauchen  und  ver- 
impfte  alsdann  die  Stummel  sowohl  direkt  nach  dem 
R  a  u  e  h  e  n  wie  auch  nach  1  ä  n  g  e  r  e  r  A  ufbewa  h  r  u  n  g 
auf  Meerschweinchen.  Auch  Stücke  von  gekauften  frischen 
Zigarren  und  Zigaretten  und  ebenso  auf  der  Strasse  aufgelesene 
verimpfte  er  auf  dieselbe  Weise.  Es  stellte  sich  heraus,  dass  von 
den  Meerschweinchen,  welche  mit  Stummeln  infiziert  waren,  die 
von  tuberkulösen  Rauchern  stammten,  50  I’roz.  an  Tuberkulose 
erkrankten.  Damit  ist  erwiesen,  dass  die  Tuberkelbazillen  auf 
diese  Weise  verbreitet  werden  können.  Wenn  die  Stummel 
trocken  aufbewahrt  wurden,  waren  sie  ebenfalls  nach 
längerer  Zeit  noch  infektiös;  dagegen  gelang  die  In¬ 
fektion  nicht  mehr,  wenn  die  Stummel  10  Tage  lang 
der  Feuchtigkeit  ausgesetzt  wurden.  Die  Infektionsversuche  mit 
Zigarrenresten,  die  auf  der  Strasse  und  in  C  a  f  es  a  u  f  - 
geles  e  n  waren,  fielen  negativ  aus,  ebenso  die  Versuche  mit 
frischen  Zigarren  aus  Läden.  Die  Bakterienarten  in  den  Zigarren¬ 
stummeln  sind  hauptsächlich  der  Kartoffelbazillus,  einige  pyogene 
Kokken  und  Proteusarten  und  ausserdem  Schimmelpilze. 

2)  Iv.  B.  Lehmann  und  G.  R  o  li  r  e  r  -  Würzburg:  Besitzen 
die  flüchtigen  Bestandteile  von  Thee  und  Kaffee  eine  Wirkung 
auf  die  Respiration  des  Menschen? 

Frühere  unter  L  e  li  m  anns  Leitung  von  Wilhelm  und 
Ten  dl  au  angestellte  Versuche  hatten  selbst  bei  Aufnahme 
grosser  Mengen  von  Kaffeedestillaten  und  Thee- 
destillaten  keine  irgendwie  besonderen  Erscheinungen  von 
seiten  des  Organismus  oder  der  Psyche  erkennen  lassen,  auch 
keinen  Einfluss  auf  die  Atmungsgrösse.  Binz  dagegen 
wollte  eine  Beschleunigung  der  Atmungsfrequenz  in  neueren  Ver¬ 
suchen  gezeigt  haben.  Zur  Klarstellung  dieser  Sachlage  wurden 
nun  an  2  Männern  und  einem  12  jährigen  Mädchen  Versuche  mit 
grösseren  Mengen  „C  a  ff  eo  n“  (Kaffeedestillat)  und  T  bee¬ 
ile  s  t  i  1 1  a  t  angestellt,  bei  denen  mittels  eines  dazu  konstruierten 
Apparates  die  Atemfrequenz  aufgezeichnet  wurde.  Es  kamen 
wohl  F  requenz  ii  nderungen  von  2 — G  Proz.  Steigerung 
vor,  aber  auch  beim  Wassertrinken  wurde  einmal  eine 
Steigerung  von  13  Proz.  konstatiert.  Es  war  also  kein  Ein¬ 
fluss  auf  die  Atmungsgrös'se  zu  konstatieren,  ebensowenig 
wie  auf  das  Muskelgefühl  und  die  Psyc  li  e. 

3)  Iv.  B.  L  e  li  in  a  n  n  -  Würzburg:  Hygienische  Untersuch¬ 
ungen  über  Mehl  und  Brot.  X.  Neue  Studien  über  die  Azidität 
des  Brotes,  ihre  Ursachen  und  ihre  beste  Bestimmungsmethode. 

Die  Azidität  des  Brotes  wird  bedingt  durch  die  in  Wasser 
lösliche  Essigsäure,  Milchsäu  r  e  und  durch  die  s  a  u  r  e  n 
Phosphate;  die  sehr  geringe  Azidität  des  mit  Aether  und 
Wasser  ausgezogenen  Brotrückstandes  muss  auf  höhere  ölige 
F  e  1 1  s  ä  u  v  e  n  und  E  i  w  e  i  s  s  k  ö  r  p  e  r  bezogen  werden. 

Zur  Bestimmung  der  Säure  des  Brotes  empfiehlt  sich  für  die 
Praxis  am  meisten  die  Titrierung  des  frischen  Brotes  mit 
N  o  r  m  a  1  n  a  t  r  o  n  1  a  u  g  e  unter  Zugabe  von  genügend  Phe¬ 
nolphthalein  als  Indikator,  wie  von  Leh  m  a  n  n  schon 
früher  angegeben  wurde.  Die  von  Prausnitz  und  Man.i- 
canti  angegebene  Methode  ergibt  nach  den  Untersuchungen  des 
Verf.  zu  hohe  Werte. 

4)  Celli-,  Rom:  Die  Malaria  in  Italien  im  Jahre  1901. 
Epidemiologische  und  prophylaktische  Forschungen. 

Zusammenfassende  Uebersicht  der  im  Jahre  1901  in  Italien 
gemachten  Beobachtungen,  die  im  allgemeinen  das  verflossene 
Jahr  nicht  so  malariareich  erscheinen  lassen  als  das  Jahr  1900. 
An  Schutzmassregeln  wurden  neben  dem  C  li  i  n  i  n  auch  wieder 
die  mechanischen  Vorrichtungen  ausgiebig  mit  Er¬ 
folg  verwendet.  II.  O.  Neuraann-  Kiel.' 

G* 


MTTEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1G64 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  39. 

1)  H.  O  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin:  lieber  einen  operativ  be¬ 
handelten  Fall  von  Rückenmarkstumor. 

Cfr.  das  Referat  der  Münch,  med.  Wochenschr.  über  die 
Sitzung  der  Beil.  med.  Gesell  sch.  am  18.  Juni  1902. 

2)  E.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Berlin:  Ueber  Quecksilberdermatitis 
und  die  ihr  zu  gründe  liegenden  histologischen  Veränderungen, 
nebst  Bemerkungen  über  die  dabei  beobachtete  lokale  und  Blut¬ 
eosinophilie.  (Schluss  folgt.) 

3)  A.  C  1  o  p  a  1 1  -  Helsingfors:  Ueber  die  Einwirkung  des 
Alkohols  auf  den  Stoffwechsel  des  Menschen. 

Verfasser  akzeptiert  zunächst  als  das  Resultat  früherer  For¬ 
schungen  auf  diesem  Gebiete,  dass  der  Alkohol  die  Körpergewebe 
vor  Verbrennung  schützt  und  ihm  daher  ein  Nährwert  zuzuschrei¬ 
ben  ist,  und  bespricht  sodann  die  hauptsächlichsten  Grundlagen 
für  die  Anordnung  der  hierher  gehörigen  Stoffwechselversuche. 
Verfasser  hat  an  sich  selbst  einen  36  Tage  währenden  Versuch 
vorgenommen,  bei  dem  er  in  der  Vorperiode  (12  Tage)  eine  be¬ 
stimmte  Kost  verzehrte,  dann  aus  der  Kost  einen  Teil  der  Fette 
wegliess  und  denselben  durch  eine  isodyname  Menge  von  Alkohol 
ersetzte.  Es  konnte  zunächst  ein  vermehrter  Eiweisszerfall 
während  5  Tagen  konstatiert  werden,  dann  jedoch  während 
(i  Tagen  eine  eiweissparende  Wirkung  des  Alkohols.  Auf  die  Re¬ 
sorption  der  Nahrungsstoffe  im  Darm  übte  der  Alkohol  keine  nach¬ 
weisbare  Wirkung,  y 

4)  v.  Sohle  r  n  -  Kissingen:  Zur  Obstipatio  spastica. 

Da  diese  Erkrankung  den  Aerzten  im  allgemeinen  noch  zu 
wenig  bekannt  ist,  so  bespricht  v.  S.  ihre  klinischen  Symptome 
und  Therapie,  unter  Anfügung  mehrerer  instruktiver  Kranken¬ 
geschichten.  Wesentlich  hiebei  ist  1.  die  Verstopfung,  2.  die  Spas¬ 
men.  Beim  Anfall  und  nach  demselben  können  die  versteiften 
Darmteile  kontrahiert  und  druckempfindlich  palpiert  werden.  Der 
Stuhl  ist  stets  wasserarm,  pechartig  zäh  und  von  kleinem  Kaliber, 
fast  immer  bleistiftartig.  Die 'Ob.  spast.  ist  immer  nur  ein  Sym¬ 
ptom  einer  meist  funktionellen,  selten  organischen  Erkrankung 
des  Nervensystems.  In  den  anfallfreien  Zeiten  fehlt  bei  den  be¬ 
treffenden  Kranken  der  Meteorismus,  trotz  mehrtägigen  Aus¬ 
bleibens  des  Stuhles  und  reichlicher  Nahrungszufuhr.  Es  scheint 
sich  um  einen  Mangel  jener  Sprosspilze  und  Bakterien  zu  handeln, 
welche  bei  der  Verdauung  die  Gärungs-  und  Fäulnissvorgänge 
an  Kohlehydraten  und  Albuminaten  bewirken.  Die  Stuhlmenge 
ist  überhaupt  auffallend  gering.  Hinsichtlich  der  Therapie  ver¬ 
tritt  Verfasser  vor  allem  die  Notwendigkeit  der  Bettruhe.  Die 
Kost  soll  reizlos,  weich  und  sehr  nahrhaft  sein;  ferner  soll  viel 
Flüssigkeit  zugeführt  werden.  Drastika  und  Bitterwässer  sind  zu 
verwerfen,  höchstens  milde  „Schiebemittel“  anzuwenden.  Massage 
und  Elektrizität  hält  v.  S.  bei  dieser  Form  der  Obstipation  für 
kontraindiziert. 

5)  Preston  K  e  y  e  s  -  Frankfurt  a/M.:  Ueber  die  Wirkungs¬ 
weise  des  Cobragiftes. 

Eignet  sich  nicht  zu  kurzem  Auszug. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  39. 

1)  F.  Marchand  - Leipzig:  Ueber  Gewebswucherung  und 
Geschwulstbildung’  mit  Rücksicht  auf  die  parasitäre  Aetiologie 
der  Karzinome.  (Schluss  folgt.) 

2)  A.  Hel  ler- Kiel:  Ueber  die  Tuberkuloseinfektion  durch 
den  Verdauungskanal.  - 

H.  hält  an  der  primären  Infektion  durch  den  Verdauungs- 
traktus  fest  und  führt  statistisches  Material  aus  dem  patho¬ 
logischen  Institut  der  Universität  Kiel,  sowie  einen  besonders 
charakteristischen  Fall  als  Belege  an. 

3)  J.  M  i  t.u  1  e  s  c  u  -  Bukarest:  Einfluss  des  neuen  Tuberku¬ 
lins  auf  den  Zellstoffwechsel.  (Aus  dem  Institut  für  Infektions¬ 
krankheiten  in  Berlin.)  (Schluss  folgt.) 

4)  Wilhelm  Ebstein-  Göttingen:  Nochmals  die  Tastper¬ 
kussion. 

E.  verteidigt  seine  Methode  gegen  die  Kritik  von  A.  Hesse 
(Fortschritte  der  Medizin  1902,  No.  19). 

5)  H  a  m  e  1  -  Berlin:  Zur  Frühdiagnose  des  Ikterus. 

Da  alle  ikterisclie  Färbung  sowohl  der  inneren  Organe  und 
der  Muskeln  wie  auch  der  Haut  ihren  Ursprung  einzig  in  der  durch 
die  übergetretene  Galle  bedingten  Gelbfärbung  des  Blutserums 
hat,  so  ist  einleuchtend,  dass  sich  in  dieser  sonst  farblosen 
Flüssigkeit  am  deutlichsten  beginnender  Ikterus  nachweisen  lässt, 
lange  bevor  derselbe  an  der  Haut  oder  Konjunktivs  zum  Aus¬ 
druck  kommt.  Die  Intensität  und  Dauer  der  Gelbfärbung  gibt 
ferner  einen  genauen  Gradmesser  für  die  Schwere  und  den  Ver¬ 
lauf  des  Krankheitsprozesses,  letzteres  insofern,  als  das  Serum 
mit  dem  Auf  hören  des  Uebertritts  von  Galle  in  das  Blut  sofort 
hell  wird,  während  die  Haut  infolge  Pigmentablagerung  noch 
lange  ikterisclie  Färbung  zeigen  kann.  Zur  Prüfung  genügen 
ca.  15 — 20  Tropfen  Blut,  welche  aus  einer  kleinen  Stichwunde  des 
Ohrläppchens  in  ein  ca.  ly2  mm  dickes  und  10  cm  langes  Glas- 
kapillarröhrclien  aufgenommen  werden.  Die  Kapillare  wird  ver¬ 
schlossen  mit  der  Blutsäule  nach  unten  senkrecht  gestellt  und  nach 
einigen  Stunden  bereits  hat  sich  das  Serum  genügend  abgesetzt, 
um  eine  Prüfung  vorzunehmen. 

6)  Alfred  P  et  te  r  s  s  o  n  -  Upsala:  Zur  Frage  der  Bedeutung 
der  Fadenpilze  für  die  pathologischen  Veränderungen  des 
Magens. 


Aus  den  Untersuchungen  von  P.  scheint  hervorzugehen,  dass 
der  Fadenpilz  in  keinem  ursächlichen  Zusammenhang  mit  patho¬ 
logischen  Veränderungen  der  Magenwand  steht,  dagegen  konnte 
eine  starke  Vermehrung  desselben  in  zuckerhaltiger  Lösung  be¬ 
obachtet  werden,  welche  mit  allmählichem  Verschwinden  des 
Zuckers  und  zunehmender  Hyperchlorhydrie  einherging,  infolge 
deren  das  Wachstum  anderer  Organismen  aufgehoben  wurde. 

7)  .Tac.  B  o  u  m  a  -  Utrecht:  Ueber  eine  bisweilen  vor- 
kommende  Abweichung  bei  der  Bestimmung  des  Harnindikans 
als  Indigorot  mittels  Isatinsalzsäure. 

Mitteilung  aus  dem  physiologischen  Laboratorium  der  Uni¬ 
versität  Utrecht. 

S)  J.  Wieting  -  Konstantinopel:  Zur  Redression  des  Klump- 
fusses. 

Zur  Vermeidung  der  bei  der  forcierten  Redression  nicht  gar 
so  seltenen  Epiphysenlösung  und  von  Deviationen,  die  während 
des  Anlegens  und  durch  Nachgeben  des  Gipsverbandes  entstehen, 
empfiehlt  W.  ein  Verfahren,  wodurch  das  redressierte  Glied  mit 
dem  adressierenden  Mittel  fixiert  wird,  in  der  Weise,  dass  das 
im  Knie  spitzwinklig  gebeugte  Bein  mit  dem  nach  der  manuellen 
Redression  in  leichter  Dorsalflexion  gestellten  Fuss  auf  eine  der 
Fussgrösse  entsprechende,  mit  etwa  y2  cm  dicker  Gipsschichte  be¬ 
legte  und  durch  unterschobene  Holzklötzchen  von  überall  frei  zu¬ 
gängliche  Holzplatte  fest  angepresst  und  mit  dieser  Unterlage 
ohne  Anwendung  einer  Polsterung  durch  Gipsbinden  fixiert  wird. 

9)  Tropenkrankheiten  und  koloniale  Medizin: 

Iv  r  u  1 1  e:  Die  Lepra  auf  den  Marschallsinseln  und  Karo¬ 
linen. 

Von  der  Kolonialabteilung  des  auswärtigen  Amtes  zur  Ver¬ 
fügung  gestellt.  Mit  einer  Anzahl  Illustrationen. 

10)  E  r  b  k  a  m  -  Grünberg  i/Schl.:  Ein  Fall  von  Exstirpation 
eines  pseudoleukämischen  Milztumors  mit  günstigem  Ausgang. 

11)  H  e  i  n  r  i  c  h- Freystadt  i/Wpr.:  Ein  seltenes  Vorkommnis 
bei  Lungentuberkulose. 

Durchbruch  einer  Kaverne  nach  aussen.  F.  L. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  39.  1)  J.  Neumann-Wien:  Der  extragenitale  syphi¬ 

litische  Primäraffekt,  in  seiner  klinischen  und  volkshygie¬ 
nischen  Bedeutung. 

Bei  einem  (10  jährigen)  Material  von  2822  syphilitischen 
Männern  und  1812  Weibern  fand  N.  in  4,47  Proz.  den  extra¬ 
genitalen  Primäraffekt,  dessen  Lokalisation  er  statistisch  angibt. 
Er  bringt  sodann  eine  Zusammenstellung  jener  Fälle,  wo  der  In¬ 
fektionsmodus  eruiert  werden  konnte,  darunter  verschiedene  In¬ 
fektionen  bei  Aerzten,  bei  denen  durch  die  gebräuchliche  Des¬ 
infektion  der  Hände  leicht  Rhagaden  entstehen,  durch  welche  dann 
die  Virusaufnahme  erfolgt,  ferner  Uebertragung  durch  Bisse, 
Küsse,  Kleider,  Waschwasser,  Trinkgefässe,  Tätowierung,  Zirkum- 
zision,  Zigarren  etc.  Die  häufigsten  extragenitalen  Primäraffekte 
finden  sich  bei  Syphilisendemien  (Russland,  Herzegowina,  Kroa¬ 
tien)  und  hier  zeigt  sich  besonders  die  enorme  volkshygienische  Be¬ 
deutung  dieses  Symptoms  der  Krankheit.  N.  schildert  die  äusseren 
Merkmale  des  extragenitalen  Primäraffektes,  der  gegenüber  den 
gewöhnlichen  manche  Differenzen  der  Form  und  Grösse  aufweist. 
Nicht  so  selten  (z.  B.  bei  Lippen-  und  Tonsillensklerosen)  kommen 
Verwechslungen  mit  Epitheliomen  und  Sarkomen  vor.  wie  mehrere 
der  angeführten  Fälle  beweisen.  Die  extragenitale  Syphilisinfek¬ 
tion  scheint  zur  Entstehung  schwerer  Sekundärformen  zu  dis¬ 
ponieren.  Es  wird  angegeben,  dass  die  extragenitalen  Sklerosen 
von  Jahr  zu  Jahr  häufiger  werden.  In  einem  kurzen  Anhänge 
seiner  Arbeit  behandelt  N.  das  Vorkommen  des  extragenitalen 
Ulcus  molle,  das  natürlich  nicht  so  wichtig  ist. 

2)  R.  v.  K  r  a  f  f  t  -  E  b  i  n  g  -  Graz:  Ueber  Morphinodipsie. 

Dipsomane  benützen  bekanntlich  meist  den  Alkohol,  um  sich 

über  quälende  psychische  Zustände  hinüber  zu  helfen,  nur  selten 
andere  kalmierende  Mittel,  z.  B.  das  Morphium.  Verfasser  be¬ 
schreibt  seine  Beobachtungen  an  einem  35  jährigen  Ingenieur,  der 
epileptische  Zustände  mit  Schwindelanfällen,  grosser  Gereiztheit, 
Wandertrieb  und  Amnesie  darbot  und  in  dieser  zeitweise  auf¬ 
tretenden  Verfassung  von  grossen  Morphiuminjektionen  Gebrauch 
machte.  Nach  dem  Verschwinden  der  dysthymisclien  Paroxysmen 
bestand  bei  dem  Patienten  kein  Bedürfnis  mehr  nach  Morpliin- 
gebraucli.  ja  dasselbe  wurde  sogar  perhorresziert.  Zwischen 
Dipsomanie  und  Epilepsie  bestehen  auffallend  häufig  klinische  Be¬ 
ziehungen. 

3)  F.  Re  ach -Wien:  Zur  Kasuistik  der  Duodenalstenosen. 

In  dem  mitgeteilten  Falle  war  bei  der  53  jährigen  Kranken 
die  Verengerung  des  Duodenums  erfolgt  durch  zirkumskripte  Peri¬ 
tonitis  und  abgelaufene  Pericholecystitis.  Der  tödliche  Ausgang 
erfolgte  bald  nach  der  Gastroenterostomie.  Von  der  Gallenblase 
aus  war  Perforation  ins  Duodenum  erfolgt. 

Dr.  Grass  m  a  n  n  -  München. 

Wiener  medicinische  Presse. 

No.  32 — 34.  F.  S  c  li  i  1  1  i  li  g  -  Leipzig:  Verdaulichkeit  der 
Speisen  nach  mikroskopischer  Untersuchung  der  Fäzes. 

Ueber  die  Verdaulichkeit  der  Speisen,  resp.  was  in  einem 
einzelnen  Fall  der  Darm  verdaut  hat,  gibt  die  mikroskopische 
Untersuchung  des  Kotes,  der  in  Wasser  gelöst  und  dann  durch 
|  ein  Sieb  in  grobe  und  feine  Massen  geschieden  ist,  den  besten  Auf- 


7.  Oktober  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1665 


Schluss,  und  zwar  ist  es  notwendig,  für  solche  Untersuchungen 
die  normale,  d.  h.  gemischte  Kost  zu  reichen.  Aufzählung 
der  einzelnen  mikroskopischen  Befunde  bei  einer  Reihe  von 
Nahrungsmitteln. 


No.  35.  R.  H  e  1 1  e  r  -  Salzburg: 

plikation  bei  Leukämie. 


lieber  eine  seltene  Kom- 


Der  Fall  war  kompliziert  durch  ein  Empyem  der  Kieferhöhle 
bei  dem  es  zu  einer  heftigen  Blutung  kam,  deren  Stillung  erst  da¬ 
durch  gelang,  dass  neben  der  gewöhnlichen  Tamponade  eine 
Bel  ocq  sehe  Tamponade  mittels  eines  Kautschukschlauches  ein¬ 
geleitet  wurde.  Derselbe  wurde  in  Dehnung  versetzt,  an  beiden 
Seiten  mit  Tampons  armiert  und  diese  dann  später  durch  den 
elastischen  Zug  dauernd  gegeneinander  gezogen. 

No.  38.  S.  Erdhei  m  -  Wien:  Ueber  Appendizitis  und  ihren 
Zusammenhang  mit  Traumen. 

Mit  Sonnenburg  und  v.  Berg  m  a  n  n  ist  Verfasser  der 
Leberzeugung,  dass  ein  gesunder  Wurmfortsatz  auch  durch  ein 
noch  so  schweres  Trauma  nicht  zur  Entzündung,  Perforation  und 
Gang l. in  gebiacht  wird  und  bei  sogen,  traumatischer  Appendizitis 
nicht  eine  frische  Entzündung,  sondern  ein  Akutwerden  bestehen- 
der  latenter  Entzündung  vorliegt.  Hierfür  sprechen  auch  3  Fälle 
eigener  Beobachtung. 


Prager  medicinische  Wochenschrift. 

No.  30/34.  L.  Zupnik-Prag:  Zur  Aetiologie  der  Diph¬ 
therie.  r 

Kritische  Erwägungen  wie  eigene  Untersuchungen  führen  den 
Verfasser  zu  folgenden  Sätzen: 

Die  Löffler  sehen  Bazillen  fehlen  in  einer  grossen  Zahl 
von  Fällen  unzweifelhafter  Bretonneau  scher  Diphtherie,  bei 
anderen  Erkrankungen  der  Schleimhäute  und  Respirationsorgane, 
die  mit  dieser  nichts  gemein  haben,  sind  sie  vorhanden;  sie  bleiben 
ohne  Diphtherie  zu  erzeugen,  oft  lange  auf  den  Schleimhäuten  Ge¬ 
sunder.  Das  durch  sie  bei  den  Tieren  zu  erzeugende  Krankheits¬ 
bild  ist  von  der  menschlichen  Diphtherie  verschieden.  Der  ,, Diph¬ 
theriebazillus“  ist  ein  Sammelname  verschiedener  Arten,  wogegen 
bei  einer  exquisit  epidemischen  Erkrankung,  für  welche  'die  Bre¬ 
tonneau  sehe  Diphtherie  gehalten  wird,  unbedingt  ein  einheit¬ 
licher  Erreger  gefordert  werden  muss.  Es  kommen  bei  einem 
Diphtheriefall  nebeneinander  zwei  bis  drei  Arten  der  Löffler¬ 
bazillen  vor,  ebenso  verschiedene  Arten  bei  verschiedenen  nach¬ 
einander  erkrankten  Geschwistern,  schliesslich  fehlen  in  bestimm¬ 
ten.  direkt  von  einem  Kind  auf  das  andere  übertragenen  Erkran¬ 
kungsfällen  die  Bazillen  vollkommen.  Vorausgesetzt,  dass  die 
Bretonneau  sehe  Krankheit  eine  Seuche  ist,  kann  der  L  ö  f  f  - 
1  e  r  sehe  Bazillus  nicht  die  spezifische  Aetiologie  derselben  dar¬ 
stellen.  Eine  solche  Aetiologie  wird  auch  durch  das  Vorkommen 
dei  postdiphtherischen  Lähmungen  und  die  (noch  unerwiesenei 
Wirkung  des  Heilserums  nicht  gestützt. 

No.  34  u.  30.  J.  Kraus- Karlsbad:  Zur  Therapie  der  Chole- 
lithiasis. 

Von  den  therapeutischen  Ratschlägen  sei  betont,  dass  K.  die 
Darreichung  von  Abführmitteln  erst  12—18  Stunden  nach  dem 
Ablauf  der  Kolik  gestattet:  als  Cholagoga  beurteilt  er  günstig  das 
Antipyrin  und  das  Natr.  salic.  (4 — 6  g  pro  die).  Das  Eukatrol  wird 
naht  gut  vertragen,  ebenso  das  Olivenöl  per  os  genommen;  zu 
hohen  Eingiessungen  ins  Rektum  ist  es  verwendbar.  Wiederholte 
Kuren,  speziell  mit  den  Karlsbader  Wässern,  sind  mit  Recht  ge¬ 
schätzt;  als  Vorbeugungsmittel  ist  das  wichtigste  die  Regelung  des 
Stuhles,  welche  viel  mehr  als  üblich  schon  durch  Erziehung  in 
frühen  Lebensjahren  anzustreben  ist. 

.No.  33 — 39.  L.  K  n  a  p  p  -  Prag:  Ueber  unstillbare  Blutungen 
im  Anschluss  an  die  Geburt. 

Iv.  hebt  u.  a.  hervor,  dass  in  Ausnahmefällen  selbst  noch 
3  Stunden  nach  der  Geburt  nur  eine  atonische  Blutung  erfolgen 
kann.  Als  Prophylaktikum  empfiehlt  es  sich,  möglichst  vor  jeder 
grosseren  Operation  Ergotin  zu  injizieren.  Unter  11  000  Geburten 
der  Prager  Klinik  führten  90  meist  nach  operativen  Eingriffen  zu 
schwerer  atonischer  Blutung,  bei  67  wurde  die  Tamponade  des 
Uterus  ausgeführt,  3  Frauen  starben  trotzdem.  Die  Tamponade, 
welche  unter  Umständen  wiederholt  werden  muss,  bildet  oft  ge¬ 
radezu  eine  lebensrettende  Massnahme.  Iv.  lässt  sie  in  den  Opera¬ 
tionskursen  an  einem  besonderen  Phantom  einiiben. 

No.  23  37.  M.  Urban -Plan:  Ueber  Volksheilmittel,  als 
-beitrag  zur  Volksheilkunde  in  Deutsch-Böhmen. 

Interessanter,  reichhaltiger  Beitrag  zu  diesem  kultur¬ 
historisch-medizinischen  Kapitel. 

.  No-  36-  T  a  11  6  e  r:  Extrauteringravidität  und  Hämoglobin- 


Profuse  intraperitoneale  Hämorrhagie.  In  der  Rekonvales¬ 
zenz  kam  es  zu  einem  Anfall  von  Hämoglobinurie  mit  wenig 
Lrythrocyteu  und  granulierten  Cylindern.  Zur  Erklärung  dieser 
Nierenreizung  nimmt  T.  die  Wirkung  von  Äutolysinen,  bezw.  eine 
ungenügende  Bildung  von  „Antiautolysinen“  an. 

No.  37.  S.  S  i  m  n  i  t  z  k  y  -  Petersburg:  Zur  Frage  über  die 
antifermentativen  Eigenschaften  des  Blutserums. 

Verfasser  ist  es  gelungen,  von  einem  Hunde,  dem  mehrmals 
eine  Papayotinlösung  subkutan  injiziert  wurde,  ein  Serum  zu  er¬ 
halten,  das  dem  Papayotin  gegenüber  deutlich  antifermentativ 
wirkte. 

No.  38.  A.  So  in  m  er-  Franzensbad:  Zwei  Fälle 
Aneurysma  der  Arteria  hepatica. 


von 


Krankengeschichten  und  Obduktionsbefunde:  a)  Aneurysma 
der  Art.  hepatica  mit  Perforation  in  den  Ductus  clioledochus; 
b)  Aneurysma  der  Art.  gastroduodenalis  mit  Perforation  in  die 
Peritonealhöhle  und  ins  Duodenum. 

No.  38.  A.  B  ä  u  mel  -  Eger:  Vorschläge  zur  Bekämpfung 
der  Tuberkulose,  insbesondere  jener  der  Lungen. 

Um  den  Kampf  auf  breitere  Basis  zu  stellen,  wünscht  B.  die 
obligatorische  ärztliche  Untersuchung,  Ueberwachung  und  even¬ 
tuelle  Behandlung  der  Schulkinder,  ebenso  obligatorische  Unter¬ 
suchung  und  Behandlung  aller  zu  gewerblichen  Betrieben  oder 
bei  Krankenkassen  zugehenden  Arbeiter,  sogar  die  Möglichkeit  des 
Ausschlusses  von  gewissen  Betrieben  oder  Arbeitsarten,  zu  denen 
sich  der  betreffende  gesundheitlich  nicht  eignet.  B.  berichtet  noch 
über  befriedigende  Erfolge,  welche  er  mit  Inhalationen  von  2  proz. 
Iletollösung  (in  Wasser  oder  50  proz.  Alkohol)  und  bei  Darm¬ 
tuberkulose  mit  innerer  Darreichung  von  Zimtsäure  (0,1)  hatte. 

No.  39.  F.  F  i  n  k  -  Karlsbad:  Ein  Beitrag  zu  den  Ursachen 
unvollständiger  Gallensteinoperationen. 

Vorliegender  Fall  war  kompliziert  durch  die  abnorm  tiefe 
Vereinigung  des  Duct.  cysticus  und  des  Duct.  hepaticus,  in  den  die 
von  dem  Ductus  cysticus  in  den  Ductus  clioledochus  entleerten 
Steine  emporwanderten.  Bei  der  Operation,  welche  aus  der  Gallen¬ 
blase  zahlreiche  Steine  entfernte,  wurde  nur  zufällig  auch  ein 
grosser  Stein  im  Duct.  hepaticus  entdeckt,  ohne  dessen  Beseitigung 
die  Operation  unvollständig  geblieben  wäre. 

Bergeat  -  München. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Die  2.  internationale  Konferenz  zur  Bekämpfung  der 
Syphilis  und  der  venerischen  Krankheiten. 

zu  Brüssel  vom  1. — 6.  September  1902. 

Eigener  Bericht  von  Dr.  II  o  p  f ,  Spezialarzt  für  Hautkrankheiten 

in  Dresden. 

Seitdem  die  erste  Brüsseler  Prophylaxekonferenz  getagt  hat, 
sind  im  Kampfe  gegen  die  verheerenden  Geschlechtsseuchen 
manche  Fortschritte  gemacht  worden.  Genannt  seien  die  Grün¬ 
dungen  nationaler  Gesellschaften  zur  Bekämpfung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  in  Frankreich,  England,  Russland,  Griechen¬ 
land,  Brasilien  und  Deutschland,  dieErliebungen  über  dieVerbrei- 
tung  der  venerischen  Atfektionen  im  ganzen  Königreiche  Preussen 
an  einem  bestimmten  Tage,  die  Einrichtung  von  öffentlichen 
Hochschulkursen  und  Unterrichtskursen  über  die  Materie  an  Heb¬ 
ammenschulen  und  anderen  staatlichen  Instituten,  der  Erlass 
des  Merkblattes  für  Geschlechtskrankheiten  seitens  der  belgischen 
Regierung.  Alle  diese  Aeusserungen  vorbeugender  Bestrebungen 
dürfen  mittelbare  Folgen  der  Konferenz  von  1899  genannt  wer¬ 
den  und  man  darf  mit  dem  innerhalb  dreier  Jahre  Erreichten 
wohl  zufrieden  sein.  Allein  der  Aufgaben  sind  auf  diesem 
ebenso  unergründlichen  wie  schwer  zu  bearbeitenden  Gebiete 
noch  in  Hülle  und  Fülle  vorhanden  und  es  scheint  dem  Bericht¬ 
erstatter,  als  ob  die  Spanne  eines  Trienniums  zu  klein,  zu  kurz 
bemessen  sei,  um  internationale  Konferenzen  über  das  Thema 
abzuhalten.  Vielleicht  wird  sich  der  3.  Kongress  erst  im 
J ahre  1907  versammeln.  In  einem  Lustrum  ist  mehr  Gelegen¬ 
heit  gegeben,  von  seiten  aller  Staaten  allgemeine  und  besondere 
Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Syphilis-  und  Venerie- 
prophylaxe  zu  sammeln  und  zu  bewerten.  Es  dürfte  in  diesem 
Zeiträume  auch  eher  gelingen,  die  seitens  der  ersten  und  zweiten 
Konferenz  geäusserten  Wünsche,  besonders  was  öffentliche  Auf¬ 
klärung,  gesetzliche  Regelung  der  Prostitution  und  Statistik 
betrifft,  zu  realisieren  und  in  die  Wirklichkeit  umzusetzen. 

Die  Fortschritte,  welche  inzwischen  zu  verzeichnen  sind, 
lassen  sicli  am  besten  aus  einer  Gegenüberstellung  der  Aufgaben 
der  ersten  und  der  jetzigen  Konferenz  erkennen.  Aus  ihr  lässt 
sich  deutlich  erkennen,  dass  man  bei  dem  Unternehmen,  der 
Lösung  der  Frage  näher  zu  kommen,  immer  mehr  von  Neben¬ 
fragen  abgekommen  ist  und  sich  auf  fundamentale  Punkte  be¬ 
schränkt  hat.  Vor  3  Jahren  galt  es  vor  allem,  die  sozialen  Ge¬ 
fahren  der  Syphilis  und  des  Trippers,  die  Bedeutung  der  Pro¬ 
stitution  für  deren  Verbreitung  und  die  Bedeutung  aller  anderen 
—  ausser  der  Prostitution  —  für  die  Verbreitung  der  venerischen 
Leiden  in  Betracht  kommenden  Momente  zusammenfassend  zu 
beleuchten.  Des  weiteren  hiess  es  in  den  verschiedenen  Ländern 
den  Stand  der  Prostitution,  die  Häufigkeit  der  Venerie,  die  je¬ 
weiligen  Mittel  der  Prophylaxe,  den  Stand  der  Gesetzgebungen, 
die  Handhabung  der  ärztlichen  und  polizeilichen  Kontrolle,  der 
Hospitalpflege  und  des  Unterrichts  zu  untersuchen. 

Demgegenüber  lautete  das  Programm  der  diesmaligen  Kon¬ 
ferenz  folgendermassen : 


1666 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


I.  Oeffentliche  Prophylaxe. 

Vorausgesetzt,  dass  der  Staat  einerseits  die  Pflicht  hat,  die 
Gesellschaft  gegen  die  Ausdehnung  aller  ansteckenden  Krank¬ 
heiten.  die  durch  ihre  Häufigkeit  und  durch  die  Leichtigkeit,  mit 
der  sie  sich  verbreiten,  eine  öffentliche  Gefahr  bieten,  zu  schützen, 
und  dass  er  andererseits  ausser  dem  sanitären  Gesichtspunkt  die 
Aufgabe  hat,  die  von  ihrer  Familie  verlassenen  Minderjährigen 
zu  beschützen; 

A.  Welche  allgemein  prophylaktischen  Massnahmen  und  zwar 
in  Form  von  gesetzlichen  Bestimmungen  sind  zu  ergreifen? 

B.  Erscheint  es  geeignet,  die  Uebertraguug  einer  venerischen 
Krankheit  nicht  nur  strafrechtlich,  sondern  auch  zivilrechtlich 
zu  verfolgen  bezw.  zu  bestrafen? 

II.  Individuelle  Pi’ophylaxe. 

1.  Welche  Mittel  kann  man  anwenden,  um  die  notwendigen 
Kenntnisse  unter  dem  Publikum  im  allgemeinen  und  besonders 
unter  der  Jugend  betreffs  der  individuellen  und  allgemeinen  Ge¬ 
fahr  der  venerischen  Krankheiten  und  über  die  direkten  und  in¬ 
direkten  Ansteckungsweisen  derselben  zu  verbreiten? 

2.  Auf  welche  Weise  kann  man  am  leichtesten  die  individuelle 
Prophylaxe  durch  Einrichtung  von  Heil-,  Behandlungs-  und  Pflege- 
stiitten,  und  zwar  für  Personen  beiderlei  Geschlechts,  in  die  Wege 
leiten? 

III.  Statistik. 

Welches  sind  die  Grundlagen,  auf  denen  man  die  Statistik  der 
venerischen  Krankheiten  für  alle  Länder  aufbauen  muss? 

Die  Verhandlungen  nahmen  5  Tage  in  Anspruch  und  waren 
zum  Teil  sehr  bewegt.  Ohne  Frage  war  das  Verhältnis  der  Gegner 
und  Anhänger  der  Reglementierung  gegenüber  der  1899  er 
Tagung  zu  Gunsten  der  Abolitionisten  verschoben.  In  ihre 
Reihen  sind  allmählich  immer  mehr  Aerzte  eingetreten  und  selbst 
Fourniers  Nachfolger,  G  a  u  c  h  e  r  -  Paris,  erwies  sich  als 
absoluter  Gegner  jeder  Reglementierung.  Auffällig  zeigte  sich 
überhaupt  das  Hinneigen  der  Franzosen  und  im  besonderen  auch 
der  französischen  Aerzte  zu  der  abolitionistischen  Ansicht.  Um 
so  zäher  kämpften  überzeugte  Anhänger  der  Reglementierung, 
welche  wohl  durchgreifend  reformieren,  aber  nicht  das  Kontroll- 
system  ganz  verworfen  wissen  wollen,  kämpften  Männer,  wie 
N  e  i  s  s  e  r,  Lassar,  Le  Pileur,  W  o  1  f  f ,  P  e  t  r  i  n  i  de 
G  a  1  a  t  z  u.  a.  für  ihre  Ueberzeugung.  Ihnen  schloss  sich  im 
Kampfe  auch  Mr.  Honnorat,  der  Chef  der  Pariser  Sitten¬ 
polizei,  an. 

Der  vorliegende  Bericht,  der  auf  Vollständigkeit  keinen  An¬ 
spruch  erheben  will,  wird  die  hauptsächlichsten  Punkte  der  Ver¬ 
handlungen  herausgreifen. 

Neisser-  Breslau  empfiehlt  allseitige  Belehrung  der  Jugend 
über  die  Gefahren  und  Bedeutung  der  venerischen  Leiden.  Der 
männlichen  Jugend  ist  der  Wert  und  die  sanitäre  Unschädlichkeit 
der  Enthaltsamkeit  vor  Augen  zu  führen.  Alle  im  Kampfe 
gegen  die  Venerie  und  die  Prostitution  zu  e  r  - 
ergreifenden  Massregeln  sind  gesetzlich  zu 
ordnen.  Die  Ueberwacliung  der  Ausführung  haben  Gemeinden 
und  sonstige  Verwaltungskörperschaften  zu  leiten.  Einzuführen 
für  Venerische  sind  unentgeltliche  Spitalbehand- 
1  u  n  g,  G  eliei  m  halt  u  n  g  der  Namen  und  Verhält¬ 
nisse  dieser  Kränken,  Einrichtung  spezieller 
Polikliniken  mit  unentgeltlicher  Behandlung 
u  n  d  Medikamentenverabreichun  g.  Der  Staat,  trägt 
alle  diese  Kosten.  In  den  Krankenhäusern  haben  alle  Bestim¬ 
mungen  fortzufallen,  welche  den  Eintritt  erschweren  und  ihn  beim 
Publikum  unsympathisch  machen.  Als  zentrale  Behörde  ist  neu 
zu  errichten  eine  Sanit'ätskommission  für  venerische 
Kranke  und  Krankheiten  (Statistik,  sanitäre  Aufsicht,  Be¬ 
lehrung.  Ueberweisung  in  ärztliche  Beobachtung  und  Behand¬ 
lung,  Uebenveisung  an  die  Polizei).  Anzeigepflicht  für 
venerische  K  r  ankhei.te  n  ohne  Namensnennung  ist  einzu¬ 
führen.  Die  Meldung  hat  Vornamen.  Anfangsbuchstaben  des 
Namens,  Geburtszeit,  Diagnose,  Ansteckungstermin  und  Infek¬ 
tionsquelle  anzugeben.  Vorbedingung  dafür  ist  die  Garantie  des 
Ausbleibens  zivilrechtlicher  Schädigungen  für  die  Personen,  welche 
die  Ansteckung  vermittelten. 

1*  o  n  t  o  p  p  i  d  a  n  -  Kopenhagen  glaubt,  dass  sich  die  alte 
Kontrolle  in  Form  der  Inskribierung  und  Reglementierung  mit 
ständigen  Visitationen  ernstlich  überlebt  hat.  Er  hält  es  f  ii  r 
richtig,  in  administrativer  Hinsicht  den  Abo¬ 
litionisten  etwas  entgegen  z  u  k  o  m  m  e  n,  w  e  n  n 
n  u  r  das  ii  r  z  1 1  i  c  li  e  M  o  m  ent.  int  a  k  t  b  e  w  ah  rt  b  1  e  i  b  t. 
Er  fordert  1.  gesetzliche  Bestimmu  n  g  e  n,  dass  die 
Polizei  unter  Umständen  gewerbsmässig  die  I  n  - 
z  licht  t  re  i  b  e  n  d  e  W  eibspersonen  zwangsweis  e 
z  u  r  ii  r  z  1 1  i  c  li  e  n  LT  n ters u  c  li  u n  g  v  o r  f  ü  li  r  e  n  d  a r  f ; 
2.  gesetzliche  Festlegungen,  dass  veuerisc  li  b  e  f  u  n  d  e  n  e 
Persone  n,  bei  denen  die  Wahrscheinlichkeit 
leicht  e  r  U  e  b  e  r  t  r  a  g  u  n  g  besteht,  in  eine  m  Iv  r  a  n  - 
k  e  n  li  a  u  s  e  s  o  1  a  n  g  e  z  u  r  li  e  h  a  ndlung  inte  r  n  i  e  r  t 
w  e  r  d  e  n  k  ö  nnen,  b  i  s  s  i  e  d  e  r  A  r  z  t.  e  n  1 1  ii  s  s  t ;  3.  Ge¬ 
setzes  v  e  v  o  r  d  n  u  n  g  e  n.  w  onach  diese  K  r  anken  ge¬ 
zwungen  werden  können,  sich  auf  W  u  n  sch  des 


Arztes  je  nach  den  Verhältnissen  ihrer  K  r  a  u  k  - 
heit  in  bestimmten  Zwischenräu  m  e  n  vorzu¬ 
stellen,  so  oft  es  von  ärztlicher  Seite  für  nötig 
erachtet  wird!  Zur  Ausübung  dieser  sanitären  Beobach¬ 
tungsmethode  sind  ein  Untersuchungsamt,  ein  Prostituiertenspital 
und  eine  mit  letzterem  durch  Personalunion  (in  Gestalt  des  Chef¬ 
arztes)  verbundene  Poliklinik  für  Geschlechtskranke,  für  Bestellte 
sowohl  wie  für  freiwillig  sich  Stellende  zu  schaffen. 

Anzeige  mit  Namensnennung  erfolgt  bei  Fortsetzung  des  Ge¬ 
schlechtsverkehrs  durch  wissentlich  kranke  Personen  oder  Reni¬ 
tenz  gegen  die  ärztlichen  Anordnungen.  Eine  Sanitätskommission 
entscheidet  über  weitere  Zwangsmassregeln.  Notwendig  ist.  das 
V  erbo  t  der  Kurpfuscherei  bei  venerisch  e  n 
Af f ektiouen.  Die  Fortsetzung  des  Geschlechts- 
v  e  r  k  elirs  d  u  rch  Persone  n,  welche  wissen,  dass 
sie  noch  krank  sind,  ist  s  t  r  a fbar,  gleichviel  ob 
A  nsteckung  erfolgte  oder  nie  li  t..  Für  Venereologen 
ist  eine  Spezialapp  ro  b  a  t  i  o  n  einzuführen.  Der  Staat 
muss  der  Entstehung  der  Prostitution  durch  soziale  Massnahmen 
entgegenarbeiten.  Die  Prostitution  ist  als  rechtswidrig  nicht  auf¬ 
zufassen.  Das  System  der  kurzen  Haftstrafen  für  Dirnen  ist  zu 
verwerfen.  Widerspenstigkeit  und  Uebertretungen  der  Vor¬ 
schriften  der  Gesetze  sind  mit  schweren,  richterlich  zn  erken¬ 
nenden  Strafen  zu  ahnden  (Polizeiaufsicht).  Für  unverbesserliche 
Prostituierte  ist  Asylierung  am  Platze  (Arbeitshäuser).  Unter 
Polizeiaufsicht  gestellte  Dirnen  sind  strengeren  Vorschriften  für 
Wohnungswesen  und  Gewerbe  unterworfen.  Es  sind  ge¬ 
schlossene,  offene  Bordells  und  Absteige- 
h  ä  user  zu  g  e  s  t  a  1. 1  e  n.  I  >ie  Hausbesitzer  sind  für  die  Wah¬ 
rung  der  Vorschriften  der  Wohnungsverordnungen  verantwortlich. 
Minorenne  Prostituierte  verfallen  den  Segnungen  eines  Fürsorge¬ 
gesetzes  (Zwangserziehung). 

Santoliquido  -  Rom  betont  die  Abnahme  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  in  Italien  unter  dem  Regime  des  Abolitionis¬ 
mus. 

Rejth  aan-M  a  c  are-  Haag  verlangt  ärztliche  Anzeigepflicht  für 
solche  Krankheitsfälle,  in  denen  noch  kranke  Männer  die  Ehe 
eingehen  wollen.  Das  Berufsgeheimnis  müsse  in  diesem  Punkte 
unter  allen  Umständen  durchbrochen  werden. 

L  a  n  d  o  u  z  y  -  Paris  und  Gailleton  -  Lyon  verweisen  auf 
die  geringen  Segnungen  der  Reglementierung  von  heute. 

Dimitriades  - Athen  glaubt,  dass  ein  gewisser  Zwang  den 
Geschlechtskranken  gegenüber  unerlässlich  sei.  In  seiner  Heimat 
z.  B.  ständen  jedem  Venerischen  freier  Spitalsaufenthalt  und  un¬ 
entgeltliche  Medikamente  zur  Verfügung,  die  Prostituierten  je¬ 
doch  verschmähten  beides, 

Le  Pileur-  Paris  wünscht  die  Prostitution  minorenner 
Frauen  gesetzlich  verboten.  Nur  Majorenne  sollen  Pro¬ 
stituierte  werden  dürfen.  Frauen,  die  rückfällig  der 
Erwerbsunzucht  sich  schuldig  machen,  können  auf  Befinden  einer 
Kommission  in  die  Kontrolliste  aufgenommen  werden.  Die 
Kranken  wären  in  einem  Spezialspital  zu  verpflegen.  Haben  sie 
sich,  o  b  w  o  li  1  k  r  a  n  k,  der  Unters  u  eli  ung  entzogen, 
so  hätten  sie  doppelt,  so  lange  im  Krankenhaus  zu 
bleiben  als  ihre  Heilung  sowieso  in  Anspruch 
geno  m  in  e  n  h  ä  1 1  e. 

Eine  ähnliche  Kommission  schlägt  J  ul  1  i  e  n  -  Paris  vor, 
welche  sich  prostituierende  Frauen  beim  ersten  Mal  zu  verwarnen 
hätte,  im  Wiederholungsfall  jedoch  mit  Arbeitshausaufenthalt  bis 
zu  2  Jahren  bestrafen  könnte. 

Frau  Bieber-Böhm  -  Berlin  fordert  die  Anstellung  weib¬ 
licher  Untersuchungsärzte,  Ueberweisung  rückfälliger  Prostituier¬ 
ter  an  Zwangserziehungsinstitute,  Aufhebung  der  Animierkneipen, 
Beschränkung  der  Schankerlaubnisse,  hygienische  Unterrichts- 
kurse,  weibliche  Kriminalbeamte. 

Blas,c  li  ko- Berlin  empfiehlt  nach  schwedischem  und  dänischem 
Muster  die  unentgeltliche  Behandlung  Veneri¬ 
scher  auf  öffentliche  Kosten  und  zw  a  r  a  u  f 
Rechnung  der  Gemeinde  des  letzten  Wohn¬ 
sitzes,  Arme  Kommunen  erhalten  Staatszuwendungen.  Durch 
die  unentgeltliche  Behandlung  darf  dem  Kranken  kein  Vorzug 
des  bürgerlichen  Rechts  verloren  gehen.  Sie  ist  keine  Aeusserung 
der  Armenpflege.  Auf  einen  Bruchteil  beschränkt  sich  diese  staat¬ 
liche  Behandlung  durch  die  obligatorische  Kranken- 
v  e  r  s  i  e  li  e  r  u  n  g,  welche  ausser  in  Deutschland  in  Oesterreich- 
Ungarn,  Dänemark  und  der  Schweiz  besteht  bezw.  bald  bestehen 
wird.  Die  Basis  dieser  Zwangsversicherung  ist  möglichst  breit 
zu  gestalten,  auch  sollte  eine  möglichst  umfangreiche  freiwillige 
Krankenversicherung  erstrebt  werden.  Die  Venerischen 
müssen  sich  aller  Kassenleistungen  voll  er- 
f  r  e  u  e  n  d  ii  r  f  e  n.  Die  I)  a  u  er  der  letzteren  ist 
u  n  t  e  r  U  m  ständen  zu  verl  ä  n  g  e  r  n  (It  ezidiv  e  d  e  r 
L  u  e  s  u.  a.).  Bedürftige  n  u  n  d  sc  h  w  erkranken  Ve¬ 
nerischen  muss  Spitalsbehandlung  zu  teil  w  e  r  - 
d  e  n.  Ein  Z  w  a  n  g  z  u  r  K  r  ankenhausb  e  li  a  n  d  1  u  n  g 
besteht  für  bestimmte  schwe  r  e,  g  e  f  ii  li  r  1  i  c  li  e 
Fälle,  sowie  stets  für  die  Angestellten  der 
Nahrungs-  und  Genussmittelgewerbe,  sowie  für 
Friseure,  Barbiere  und  Glasbläser.  Eine  dauernde  ärzt¬ 
liche  Kontrolle  einmal  geschlechtlich  Erkrankter  ist  em¬ 
pfehlenswert  .  am  besten  in  mit  Krankenhäusern  ver¬ 
bundenen  Kassen  Polikliniken  für  Venerische.  Durch 
Einführung  der  freien  Arztwahl  würden  alle  Aerzte  an  diesen 
Ambulatorien  —  wie  Blaschko  glaubt  —  teiluehmen  können. 


7.  Oktober  1902. 


MÜENCHENEft  MEDICINISCHE  WOCIIENSCl  I  RIFT. 


1667 


Die  Kassen  haben  ihren  Mitgliedern  Belehrungen  über  die  Materie 
zu  geben  und  amtlich  vorgeschriebene  Listen  für  Statistik  zu 
führen. 

L  a  n  e  -  London  schildert,  wie  gerade  die  englischen  Ver¬ 
hältnisse  ein  krasses  Missverhältnis  zwischen  der  unendlichen 
Zahl  der  geschlechtlich  kranken  Menschen  und  der  ihnen,  d.  h. 
den  unteren  Klassen,  zu  teil  werdenden  ärztlichen  Hilfe  aufweisen. 
Steht  doch  für  ganz  London  nur  ein  Krankenhaus,  das  Lock- 
Hospital,  den  Venerischen  zur  Verfügung.  D  oc  h  w  a  s  wolle  n 
diese  102  Betten  gegenüber  einer  Millionen¬ 
bevölkerung  besage n,  i  n  w  elcher  33  P  r  o  z.  des 
öffentliche  Polikliniken  besuchenden  Publi¬ 
kums  venerisch  sind?  Die  meisten  Spitäler  weisen  Ge¬ 
schlechtskranke  direkt  ab,  nur  wenige  haben  für  sie  vereinzelte 
Betten  zur  Verfügung.  Die  Beratung  und  Behandlung  in  den 
Ambulatorien  ist  eine  ungenügende.  Am  schlimmsten  sind  die 
Prostituierten  daran.  Krankenhausbetten  stehen  ihnen  nur  we¬ 
nige  zum  Gebrauch  offen;  wollen  sie  also  nicht  verhungern,  so 
müssen  die  Mädchen  trotz  ihrer  Krankheit  das  feile  Gewerbe  fort¬ 
setzen.  Abends  prostituieren  sie  sich,  während  sie  am  Tage  beim 
Arzt  waren.  Laue  fordert  vorläufig  Einrichtung  von 
Abteilungen  f  ii  r  Venerische  an  allen  K  r  a  n  ken- 
li  ä  usern,  Uebertragun  g  derselbe  n  a  u  F  ach- 
m  ä  n  n  e  r,  V  er  Wertung  der  S  t  a  t  i  o  n  e  n  z  u  U  nter- 
richtszwecken  für  die  Studenten,  welche  in  der  Venereo- 
logie  sehr  wenig  bewandert  sind.  Verleg  u  n  g  de  r  ö  f  f  ent¬ 
liehen  Sprechstunden  für  Venerische  auf  die 
Abendzeit,  sowie  ebenfalls  nach  dem  Vorgänge  des  Londoner 
Lock-Hospitals  Vereinigung  eines  Magdalenenasyls, 
in  dem  es  ärztliche  Visiten  gibt,  mitden  K  r  a  n  lc  e  n  h  äuse  r  n 
f  ü  r  Venerisch  e. 


R  6  na-  Ofen-Pest  verlangt  Regelung  des  A  m  m  e  n  - 
wesens,  Vorschriften  p  r  opliylaxe  f  ö  r  d  e  r  n  d  e  r 
Art  f  ii  r  das  Heba  m  m  en-  u  n  d  Impfwese  n  u  n  d 
V  er Ordnungen  über  den  Schutz  g  e  g  e  n  A  n  - 
steckung  in  Werkstätte  n,  F  abriken,  Ateliers 
u  n  d  d  u  r  c  h  V  e  r  m  i  1 1 1  u  n  g  v  o  n  W  erkzeugen  und  G  e  - 
brauchsgegenstän  d  e  n.  Er  fordert  folgende  Vorschriften : 
Zu  tlorid  syphilitischen  und  latent  syphilitischen  Säuglingen  darf 
keine  Amme  gedungen  werden.  Aerzte  und  Eltern  welche  gegen 
dieses  Gebot  fehlen,  sind  strafbar.  Florid  oder  latent  syphilitische 
Frauen  (auch  wenn  nur  das  Kind  derselben  spezifisch  krank,  sie  selbst 
aber  scheinbar  gesund  geblieben  war)  dürfen  keine  Verwendung 
als  Aminen  finden.  Auch  sollen  sie  keine  Kinder  zur  Pflege  er¬ 
halten  dürfen.  Zur  4 — G  wöchigen  Beobachtung  von  Säuglingen 
und  Müttern  errichte  man  Findelhäuser  und  Wöchnerinnenasyle. 
Die  syphilitisch  kranken  Kinder  —  etwa  3  I’roz.  der  in  Ofen-Pest 
Geborenen  —  sollen  mit  oder  ohne  Mütter  in  nach  dem  Pester 
Vorbild  zu  errichtende  Verpfiegskolonien  gegeben  werden,  während 
die  gesunden  Mütter  in  Wöchnerinnenasylen  unterzubringen 
wären.  Letztere  allein  dürfen  die  Ammenversorgung  betreiben, 
sie  übernehmen  die  dauernde  Beobachtung  des  Gesundheits¬ 
zustandes  der  Ammen,  welche  darüber  ein  Zeugnisbuch  zu  führen 
haben.  Die  Einnahmen  aus  dieser  Ammenverdingung  soll  das 
Institut  erhalten,  welches  die  Wöchnerinnen  unentgeltlich  auf¬ 
zunehmen  und  zu  unterhalten  hat,  bis  sie  Stellung  als  Amme 
finden. 

Hebammen  und  Hebammenschülerinnen  sind  in  die  Kenntnis 
der  Geschlechtsleiden  einzuweihen.  Bei  Handverletzungen  hätten 
sie  sofort  den  Arzt  zu  befragen,  der  sie  eventuell  zeitweise  ausser 
Beruf  schreiben  darf.  Vornahme  der  Berufstätigkeit  mit  Hand¬ 
verletzungen  hat  bei  Hebammen  wie  Wartepersonal  Schwangerer 
oder  Wochenkranker  Bestrafung  zur  Folge.  Das  Aussaugen  der 
Brustwarzen  von  Schwangeren  oder  Wöchnerinnen  ist  verboten. 

Die  Impfung  soll  nur  eine  animale  sein,  die  Lanzetten  müssen 
ausserdem  strengstens  sterilisiert  werden.  Ein  Arzt,  der  auf  dem 
Impfwege  Lues  überträgt,  soll  unbedingt  strafbar  sein. 

Für  Berufe  wie  Glasbläser,  Goldarbeiter  fordert  R  6  n  a  be¬ 
sondere  Mundstücke  für  jeden  Arbeiter,  für  jeden  Schüler  in  den 
öffentlichen  Schulen  ein  eigenes  Trinkgefäss,  ebenso  für  jeden 
Arbeiter  in  den  verschiedenen  Betrieben.  In  der  Tabakbranche 
ist  das  Befeuchten  der  Deckblätter  mit  Speichel  zu  verbieten. 
Ferner  sollen  alle  männlichen  und  weiblichen  Angestellten  der 
Bäckereien,  Fleischereien,  Hotels,  Kaffeehäuser  dauernd  auf  Lues 
ärztlich  kontrolliert  werden.  Die  strengsten  Bestimmungen  der 
Reinigung  sind  für  die  Barbierstuben  zu  erlassen.  Die  Stellen- 
vermittlungsbureaus  will  R  ö  n  a  verstaatlicht  und  ärztlich  kon¬ 
trolliert  wissen. 

Petri  ni  de  G  a  1  a  t  z  -  Bukarest  wünscht  eine  Aufklärung 
der  interessierten  Kreise  (Ammen,  Ammenversorgerinnen,  Heb¬ 
ammen  und  Mütter)  über  die  Möglichkeit  der  Uebertragung  von 
Lues  beim  Stillen  der  Kinder.  Diese  Aufklärung  hätte  durch 
öffentliche  Vorträge  zu  erfolgen.  Desgleichen  hält  der  Redner 
die  obligatorische  ärztliche  Untersuchung  aller 
Kinder  bis  zum  3.  Lebensmonat  und  z  w  a  r  z  u 
wiederholten  Malen  für  notwendig.  Kinder  von  un¬ 
bekannter  Herkunft,  als  besonders  der  Lues  verdächtig,  sollten 
nie  durch  Ammen  gestillt  werden. 

Rammazzotti- Mailand  fordert  Gesundheitszeug¬ 
nisse  für  A  m  m  e  u  n  d  K  i  n  d,  ehe  eine  Amme  sich  verdingt 
oder  ehe  eine  Familie  eine  solche  engagiert.  F  ii  r  k  r  a  n  k  e 
A  m  m  e  n  verlangt  der  Redner  Z  w  angsbeha n d  - 
hing. 


Der  französische  Senator  Brr  e  n  g  o  r  -  Paris  glaubt,  dass 
zwar  die  überwiegende  Mehrheit  der  Uebertragungen  sexueller 
Leiden  unwissentlich  geschieht,  dass  jedoch  gewisse  neu  zu  er¬ 
lassende  Bestimmungen  strafrechtlicher  Natur  für  jene  leicht¬ 
sinnigen  Menschen  einen  heilsam  abschreckenden  Zweck  haben 
könnten,  für  welche  das  eigene  moralische  Verantwortlichkeits¬ 
gefühl  betreffs  der  Weiterverbreitung  ihrer  noch  nicht  geheilten 
Geschlechtskrankheiten  keine  genügende  Schranke  bildet.  Es  wird 
sich  hauptsächlich  um  Schaffung  gewisser  Paragraphen  im  Straf¬ 
gesetz  handeln,  denn  eine  zivilrechtliche  Verpflichtung  besteht  ja 
schon  in  fast  allen  Kulturländern,  für  den  Schaden  aufzukommen, 
den  jemand  durch  die  Uebertragung  sexueller  Affektion  am  Körper 
Dritter  angerichtet  hat.  B  erenge  r  verl  a  n  g  t  die  A  u  f  - 
Stellung  eines  Deliktes  der  Uebertragung  vene¬ 
rischer  K  r  a  nltheiten,  sowohl  de  r  m  i  t  Wissen  als 
a  uch  der  aus  U  n  kenntnis  erfolgte  n. 

Morgenstier  ne  -  Christiania  weist  an  der  Hand  der 
neuen  Strafgesetzentwürfe  beziehentlich  schon  in  Kraft  getretener 
Gesetze  Norwegens,  der  Schweiz,  Oesterreichs,  Finnlands,  Deutsch¬ 
lands  und  anderer  Staaten  nach,  dass  man  überall  geneigt  oder 
schon  in  der  Lage  ist,  die  wissentliche  Uebertragung  geschlecht¬ 
licher  Erkrankungen  strafrechtlich  zu  ahnden.  Bisher  war  die 
strafrechtliche  Bekämpfung  dieser  Art  Gesundheitsschädigung  ein¬ 
zig  und  zwar  in  strengster  Weise  vorhanden  in  Norwegen.  Hier 
genügt  eine  einfache,  wenn  auch  anonyme  Anzeige,  um  eine  ge- 
schlechtskranke  Person,  sagen  wir  eine  Prostituierte,  zur  Be¬ 
strafung  zu  bringen,  sofern  es  sich  herausstellt,  dass  die  Anzeige 
auf  Wahrheit  beruht.  Der  einfache  Umstand  allein,  dass  eine 
dritte  Person  der  Möglichkeit  der  Infektion  ausgesetzt  wird,  ge¬ 
nügt  hier  schon  zur  Bestrafung.  Es  ist  also  gar  nicht  notwendig, 
dass  die  gesundheitlich  geschädigte  Person  selbst  mit  ihrem  Namen 
die  Anzeige  deckt.  Diese  wird  vielmehr  öffentlich  erhoben.  Nur 
für  eheliche  Ansteckungen  bedarf  es  der  Anzeige  der  krank  ge¬ 
machten  Ehehälfte. 

Fiaux  -  Paris  will  eine  beschränkte  zivil-  und 
s  t.  r  a  f  rechtliche  A  h  n  d  u  n  g  in  der  Art,  dass  zwar  eine 
B  e  s  t  r  a  f  u  n  g  eintritt,  wenn  Krankheiten  venerischer 
N  a  t  u  r  v  o  n  E  r  w  a  chsene  n  a  u  f  M  inde  r  j  ährige  oder 
zwischen  Minorennen  von  IG — 21  Jahren  übertragen  wer¬ 
den,  keinesfalls  aber  im  umgeke  li  r  t.  en  Fall  e. 

Generalstaatsanwalt  Reth  a-a n  -  M  a  c  a  r  e  -  Haag  . hält  ein 
Spezialgesetz  für  überflüssig,  soweit  in  den  Staaten  Gesetze  zur  Be¬ 
strafung  körperlicher  Schädigungen  vorhanden  sind.  Ob  nun  mit 
oder  ohne  Spezialgesetz,  die  Prozesse  wegen  geschlechtlicher  An¬ 
steckungen  würden  stets  gering  an  Zahl  bleiben,  da  sich  meist  der 
Geschädigte  vor  dem  .Geständnis  dieser  blamabeln  Sache  schäme, 
das  Verfahren  vor  Gericht  bezw.  das  öffentliche  Urteil  scheue, 
ferner  weil  die  Urheber  der  Erkrankung  meist  Individuen  seien, 
denen  gegenüber  Entschädigungsforderungen  ohne  Aussicht  auf 
Zahlung  erhoben  werden. 

Frl.  L  eppington-  Cubbington  betont,  dass  sich  mit  der 
Einführung  einer  speziellen  Gesetzgebung  für  venerische  An¬ 
steckungen  ein  System  von  Denunziationen  entwickeln  werde. 
Es  habe  sich  herausgestellt,  dass  jene  Mädchen,  welche  von 
den  britischen  Kolonialtruppen,  bei  denen  Anzeigepflicht  der  In¬ 
fektionsquelle  bestehe,  als  Urheberinnen  ihrer  Krankheit  an¬ 
gegeben  werden,  nur  zum  kleinen  Teil  wirklich  krank  sind.  Im 
Falle  des  wirklichen  Krankseins  der  angeschuldigten  Person  wäre 
übrigens  der  Beweis  zu  erbringen,  dass  die  Affektion  des  klagenden 
Teils  auch  von  jener  herriilire.  Und  das  sei  beinahe  unmöglich 
mit  Sicherheit  nachzuweisen. 

E  d  m  o  n  d  s  o  n  -  Halifax  glaubt,  dass  ein  Gesetzt  zur  Bestra¬ 
fung  venerischer  Kontaminationen  einen  grossen  Teil  der  Ge¬ 
schlechtskranken  dem  Kurpfuschertum  in  die  Arme  treiben  würde. 
Im  übrigen  stimmt  er  seiner  VoiTednerin  und  Retliaan- 
M  a  c  a  r  e  bei. 


Lass  a,  r  -  Berlin  appelliert  betreffs  einer  endlich  zu  erzielen¬ 
den  Popularisier  u  n  g  de  r  Iv  enntni  s  d  er  Ge  f  a  h  r  e  n 
g  e  s  e  h  1  e  c  li  1 1  i  c  li  e  r  E  r  k  r  a  n  k  unge  n  an  die  massgeben¬ 
den  Faktoren,  Behörden,  Regierungen,  Parlamente  und  Ab¬ 
geordnete,  ihrerseits  offizielle  A  u  f  k  1  ä  r  u  n  g  s  m  ass¬ 
regeln  zu  ergreifen.  Die  privaten  Belehrungsversuche  des 
Vaters,  Lehrers,  Geistlichen  sind  daneben  auch  wertvoll,  aber  doch 
entbehren  sie  für  die  Allgemeinheit  der  Wucht  der  Autorität, 
welche  staatliche  Verordnungen,  Erklärungen  und  Warnungen 
haben  würden.  Der  Name  „geheime  Krankheiten“ 
m  uss  sch  w  inde  n  und  endlich  ei  n  m  a  1  den  offene  n 
Bezeichnungen  S  y  p  h  i  1  i  s,  T  r  i  p  p  e  r  und  S  c  li  a  n  k  e  r 
P  1  a  t.  z  m  a  c  li  e  n.  Die  Presse  m  uss  d  a  u  e  r  n  d  m  i  t 
interessanten  Mitteilungen  über  die  Ver¬ 
heerungen  der  sexuellen  Seuchen  versorgt 
werden,  und  zwar  etwa  von  einem  internationalen  Pressbureau 
der  Prophylaxegesellschaft  aus.  Schulärzte,  Militär-,  Marineärzte, 
Fabrikärzte  müssten  belehrende.  Vorträge  halten.  Ebensolche 
wären  auch  fürs  Volk  zu  schaffen.  In  den  preussisclien  Hoch¬ 
schulen  sind  sie  ja  schon  an  der  Tagesordnung.  Merkblätter  für 
Geschlechtskrankheiten  wären  an  den  Arbeitsstätten  anzuschlagen. 
Vor  allem  müsste  die  weibliche  Jugend  darauf  aufmerksam  ge¬ 
macht  werden,  deren  Gesundheit  ja  hervorragend  bedroht  ist. 

B urlureaux- Paris  fordert  vor  allem  Reformen  im  ärzt¬ 
lichen  Studium,  nämlich  sowohl  obligatorischen  Unterricht  und 
obligatorische  Prüfung  in  Venereologie,  wie  vierteljährigen  Dienst 
auf  einer  Abteilung  für  Geschlechtskranke.  Grössere  Wertlegung 
auf  die  Syphilis  in  der  allgemeinen  Pathologie.  Ferner  verlangt 


MüENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1068 


er  gewisse  Neuerung  in  der  pädagogischen  Sphäre  und  zwar  spe¬ 
zialhygienischer  Natur,  nämlich  E  l*  l*  i  c  h  t  u  ng  vo  n  a  u  f  - 
k  1  ii  r  e  n  (1  eu  Vorträgen  in  S  c  h  u  1  e  n,  Kadetten- 
unstalte  n,  über  li  aupt  in  allen  Institute  n,  w  elcli  e 
sieh  in  i  t  der  Jugend  befassen.  Das  gleiche  gilt  für 
II  e  e  r  und  M  a  r  i  n  e,  doch  bedarf  es  dann  wiederum  guter 
S  e  li  r  i  f  t  e  n  über  die  Materi  e.  Letztere  müssten  von 
zweierlei  Charakter  sein.  Erstens  wäre  es  angezeigt,  für  Lehrer, 
Geistliche,  gebildete  Laien,  Offiziere  und  andere,  welche 
sich  ernster  und  nachdrücklicher  mit  der  Prophylaxe  in  der 
Oeffeutlichkeit  beschäftigen  wollen,  ein  Buch  zu  schreiben,  wel¬ 
ches  sowohl  die  medizinische  Seite  der  Frage  (venerische  Affek¬ 
tionen,  Therapie,  Prophylaxe,  Prostitutionswesen)  als  auch  die 
soziale  und  kriminelle  genügend  beleuchtet.  Das  zweite  wäre 
eine  kleinere  Broschüre,  als  deren  Muster  wir  schon 
F  ourniers  Schrift:  „Pour  nos  f  i  1  s  quand  i  1  s  a  u  ront 
18  a  n  s“  besitzen.  Auch  öffentliche  Anschläge  in 
M  erkblattfo  r  m  für  B  a  h  n  h  ö  f  e,  Kasernen,  Warte- 
s  ä  1  e,  F  a  b  r  i  k  e  n  u.  s.  w.  wären  zu  empfehlen  ferner 
wird  die  B  ehandlung  der  Frage  in  zweck  m  ä  s  s  i  g  e  r, 
ästhetischer  Weise  durch  Schriftsteller  in 
Romanen  oder  Dra  m  e  n  anzustreben  sein.  Erinnert  sei 
hierbei  an  das  nachahmenswerte  Beispiel,  welches  Brieux,  der 
Verfasser  der  in  Deutschland  bekannten  Tragödie  „Die  rate  Robe“, 
in  seinem  Drama  „Les  Avaries“  („Die  Schiffbrüchigen  des  Lebens“) 
gegeben  hat. 

Finger-  Wien  fordert  vor  allen  Dingen  eine  bessere  Aus¬ 
bildung  aller  Aerzte  auf  dem  Gebiete  der  Geschlechtskrankheiten 
durch  Aufnahme  der  Der mato- Venerologie  in  die  Reihe  der  Prü¬ 
fungsgegenstände.  Ferner  muss  die  Gelegenheit,  dass  Venerische 
sich  klinisch  behandeln  lassen  können  vermehrt  und  verbessert 
werden  durch  Einrichtung  von  Privatkrankenabteilungen  an  den 
überall  zu  errichtenden  Krankenhausstationen  für  Geschlechts¬ 
kranke.  Letztere  Stationen  müssen  innerlich  wie  äusserlich  den 
inneren,  chirurgischen  und  anderen  Spezialabteilungen  gleich¬ 
gestellt  werden.  Die  Zahl  der  Betten,  welche  jetzt  in  keinem 
Verhältnis  zu  dem  Andrange  steht,  muss  erheblich  vergrössert 
werden.  Hat  man  doch  1891/92  in  Berliner  Krankenhäusern 
wiederholt  selbst  venerische  Prostituierte  abweisen  und  in  die 
Stadt  zurückkehren  lassen  müssen,  weil  es  an  Platz  fehlte.  In 
Petersburg  wurden  1895  in  einem  Spital  bis  zu  80  Syphilitische 
täglich  wegen  Mangel  an  verfügbaren  Betten  abgewiesen.  Ferner 
muss  die  Behandlungsdauer  im  Spital  sich  nicht  mehr  nach  dem 
Mangel  oder  Ueberfluss  an  Platz  richten,  sondern  nach  dem  Stande 
und  den  Forderungen  des  Krankheitsverlaufs.  Die  Krankenkassen 
dürfen  Geschlechtskranken  gegenüber  keinerlei  Beschränkungen 
in  ihren  Leistungen  eintreten  lassen.  Für  Arme  muss  der  Staat 
die  Kosten  der  Krankenhauskuren  übernehmen,  ohne  dass  durch 
Bericht  an  die  Heimatsbehörden  das  Berufsgeheimnis  der  Aerzte 
illusorisch  gemacht  wird. 

Auch  die  Zahl  der  Polikliniken  ist  zu  ver¬ 
mehren.  An  ihnen  müssen  die  Heilmittel  unent¬ 
geltlich  gereicht  n  d  die  Ordinationsstunden 
auf  die  Abendzeit  verlegt  werden,  wo  die  Ar¬ 
beiter  wirklich  über  sich  verfügen  können, 
ohne  materielle  E  i  n  b  u  s  s  e  n  zu  erleiden.  Die  Unter¬ 
suchung  der  Kranken  daselbst  hat  einzeln  zu  erfolgen.  Jeder 
Patient  muss  über  die  Gefahren  und  das  Wesen  seiner  Ge¬ 
schlechtskrankheit  eingehend  unterrichtet  werden. 

J  adassohn-  Bern  verlangt,  dass  die  Spitals- 
abteilungen  für  Venerische  besonders  tadellos 
seien,  damit  recht  viele  Kranke  in  sie  hinein¬ 
gelockt  würde  n.  Haut-  und  Geschlechtskranke  seien  einem 
und  demselben  Arzte  zu  unterstellen  aus  wissenschaftlichen  und 
Zweckmässigkeitsgründen.  Die  venerischen  Spitals- 
kr  anken  müssen  Gelegenheit  erhalten,  sich 
tagsüber  zu  beschäftigen.  Sie,  die  sich  doch  nicht 
eigentlich  krank  fühlen,  werden  sonst  leicht  aufsässig  gegen  das 
Wartepersonal.  Letzteres  ist  mit  Vorsicht  auszuwählen.  Die 
Abteilungen  für  Prostituierte  müssen  gesonderte  Stationen  für  die 
noch  relativ  unverdorbenen  jugendlichen  Prostituierten  haben. 
Für  die  Polikliniken  fordert  J  adassohn  weibliche  Aerzte 
und  getrennte  Sprechstunden  für  die  zwei  Geschlechter. 
Des  weiteren  schlägt  er  die  Schaffung  von  Merkblättern  zur  Be¬ 
lehrung  der  Kranken  vor,  nicht  nur  privater  von  seiten  einzelner 
Aerzte,  sondern  offizieller  Belehrungen  von  Staats 
wegen.  Sie  hätten  zu  enthalten  Erläuterung  über  den  An¬ 
steckungsmodus,  Behandlung  und  Verhütung  der  sexuellen  Krank¬ 
heiten  und  müssten  auf  die  Zweckmässigkeit  keuschen  Lebens  ver¬ 
weisen,  vor  Kurpfuscherbehandlung  warnen,  den  zum  Sexualver¬ 
kehr  disponierenden  Alkoholgenuss  widerraten  u.  a.  m. 

Q  u  e  y  r  a  t  -  Paris  geht  so  weit,  Führungen  junger  Leute 
durch  Moulagemuseen  anzuregen,  um  ihnen  dort  die  der  Lues  zu 
dankenden  Körperverwüstungen  vor  Augen  zu  führen.  Im  stärk¬ 
sten  Masse  prophylaktisch  wirke  eine  rationale  Hygiene  der 
Sexualorgane  von  Jugend  auf  (Reinlichkeit,  Bäder).  Redner 
wünscht  mehr  öffentliche  Aufklärung  ärztlicher  Autoritäten,  dass 
die  Keuschheit  nicht  gesundheitschädlich  sei.  Venerischen  Kran¬ 
ken  solle  der  Arzt  das  Ehrenwort  abnehmen,  dass  sie  sich  bis 
zur  erfolgten  Entlassung  aus  der  Behandlung  jetles  Geschlechts¬ 
verkehrs  enthalten  wollen. 


S  a  n  t  o  1  i  q  u  i  d  o  -  Rom  betont,  dass  die  Statistik  nur  dann 
brauchbare  Ergebnisse  bezüglich  der  Verbreitung  der  geschlecht¬ 


lichen  Erkrankungen  geben  könne,  wenn  sie  einen  internationalen 
Charakter  hat  und  sich  der  grössten  Einfachheit  in  der  Form  der 
Umfrage  befieissigt.  Es  sind  nur  zu  erfragen:  Geschlecht,  Alter, 
Stand  —  Syphilis,  Tripper,  kontagiöser  weicher  Schanker  —  Jahr 
der  Ansteckung  und  Art  (extragenital  oder  genital)  derselben  bei 
Lues,  sofern  acquiriert.  Sonst  Angabe  der  Kongenltalität  Für 
Tripper  Angabe  nötig,  ob  mikroskopische  Sicherung  der  Diagnose 
erfolgt  ist.  Es  haben  zwei  Zählungen  stattzufinden:  laufende  und 
einmalige,  letztere  an  einem  fixen  Tage  mindestens  alle  2  Jahre. 
Die  Landesbureaus  für  Statistik,  welchen  auch  die  immer  weiter 
auszudehnenden  militärischen  Statistiken  zuzugehen  haben,  senden 
ihre  Ergebnisse  an  eine  zu  schaffende  internationale  Behörde  für 
Statistik  der  Geschlechtskrankheiten  ein,  welche  für  Veröffent¬ 
lichung  der  Gesamtresultate  sorgt. 

B  e  r  t  i  1 1  o  n  -  Paris  legt  ebenfalls  grossen  Wert  auf  die  Sta¬ 
tistik  aus  dem  Militär,  betont  aber,  dass  die  Erkrankungsziffern 
desselben  keineswegs  ein  richtiges  Bild  für  den  Stand  der  sexuellen 
Gesundheit  unter  der  Zivilbevölkerung  abgeben.  Die  Umfrage 
für  ein  ganzes  Land,  wie  1900  für  Preussen,  hält  er  für  ausge¬ 
zeichnet  wertvoll,  nur  dürfte  sie  nicht  gar  so  summarisch  sein. 

v.  Petersen  -  Petersburg  hält  nur  die  militärischen  Sta¬ 
tistiken  für  brauchbar,  sowie  die  der  kontrollierten  Prostitution. 
Vorbedingung  zur  Erzielung  guter  Resultate  sei  die  Einheitlichkeit 
der  Nomenklatur  der  Erkrankungen  —  Einteilung  der  Syphilis  in 
eine  recens,  reeidiva  und  tardiva  oder  gummosa.  Nur  die  Syphilis 
sei  verwertbar.  Die  zwei  anderen  venerischen  Leiden  kommen 
nur  beim  Vorhandensein  von  Komplikationen  zur  Registrierung. 

W  o  1  f  f  -  Strassburg  betont  die  Notwendigkeit  völlig  gleicher 
Formulare  für  die  Erhebungen  in  allen  Ländern.  Diese  müssten 
sich  auf  Heer,  Marine,  Krankenhäuser,  Kliniken,  Ambulatorien, 
Kassen,  Prostituierte,  öffentliche  Institutionen  und  Fabriken  er¬ 
strecken.  Der  Redner  bemerkt  gleichzeitig,  dass  in  Mülhausen 
und  Metz  seit  der  Aufhebung  der  öffentlichen  'Häuser  die  vene¬ 
rischen  Krankheiten  bedeutend  an  Ausbreitung  gewonnen  haben. 

Als  fassbares,  sichtbares  Ergebnis  der  5  tägigen  Y erhand- 
lungen  der  Konferenz  wurden  5  einstimmig  angenommene 
„Wünsche“  aufgestellt,  denen  sich  noch  eine  Reihe  von  An¬ 
trägen  anschloss,  welche  von  den  Parteien  mit  „für“  und  „wider“ 
unterzeichnet  wurden,  bezüglich  deren  sich  keine  Ueberein- 
stimmung  der  feindlichen  Lager  herbeiführen  liess.  Aus  der 
Zahl  letzerer  Propositionen  greift  der  Bericht  nur  die  wichtigeren 
heraus. 

E  i  n  s  t  i  m  m  i  g  e  W  ii  n  s  c  h  e. 

1.  T  r  o  i  s  -  F  o  n  t  a  i  n  e  s  -  Lüttich:  Die  Konferenz  wünscht, 
dass  man  den  beim  Regiment  eintreffenden  Rekruten  eine  kurz- 
gefasste  Druckschrift  über  die  Gefahren  des  Trippers  und  der 
Syphilis  aushändige.  Darin  enthalten  müsste  ein  Paragraph  sein, 
stets  der  Geschlechtskrankheiten  eingedenk  zu  sein,  um  später  dem 
Arzt  von  ihnen  Mitteilung  machen  zu  können.  Damit  zu  verbinden 
wären  kurze  Hinweise  auf  die  Gefahren  des  Alkoholmissbrauches 
und  auf  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose.  Die  den  Dienst  ver¬ 
lassenden  Mannschaften  müssten  neben  ihrem  Militärpass  eine 
solche  Druckschrift  ausgehändigt  erhalten. 

2.  Gaucher  -  Paris  und  J  adassohn  -  Bern:  Es  ist  wün¬ 
schenswert,  dass  das  Gesetz  jedem  Geschlechtskranken  freie  Be¬ 
handlung  im  weitesten  Masse  gewährleiste.  Es  ist  darauf  zu 
achten,  dass  alle  den  Venerischen  abträglichen  Bestimmungen 
und  Umstände  in  Krankenhäusern  und  Sprechstunden  in  Wegfall 
kommen,  sowie  dass  in  den  öffentlichen  Anstalten  bei  der  Behand¬ 
lung  das  Berufsgeheimnis  und  das  Schamgefühl  der  Kranken  ge¬ 
wahrt  wird. 

3.  Minod-Genf:  Das  wichtigste  und  wirksamste  Mittel  zur 
Bekämpfung  der  Ausbreitung  der  venerischen  Leiden  besteht  in 
der  möglichst  weitgehenden  Aufklärung  über  die  Wichtigkeit  und 
die  schweren  Gefahren  dieser  Krankheiten. 

Der  Jugend  männlichen  Geschlechts  muss  die  Erkenntnis  ge¬ 
lehrt  werden,  dass  Keuschheit  und  Enthaltsamkeit  nicht  nur  nicht 
schädlich,  sondern  im  Gegenteil  vom  gesundheitlichen  Standpunkt 
besonders  zu  empfehlen  sind. 

4.  S  a  n  t  o  1  i  q  u  i  d  o  -  Rom:  In  der  Erkenntnis,  dass  die  ver¬ 
schiedenen  Statistiken  vergleichbar  sein  müssen,  ist  es  nötig,  die¬ 
selben  auf  gleichen  Grundlagen  aufzubauen.  Diese  Tätigkeit  ist 
einem  internationalen  Bureau  zu  übertragen,  dessen  Vorsitzender 
die  ihm  übermittelten  Vorschläge  an  die  verschiedenen  Regierungen 
weitergeben  wird.  Auch  wird  er  deren  Ansichten  über  die  Bil¬ 
dung  des  Bureaus  und  seine  Subsidien  einziehen. 

5.  F  r  a  n  c  k  -  Paris:  Die  Konferenz  spricht  den  Wunsch  aus, 
es  möchten  in  die  Erziehung  und  den  Unterricht  der  Jugend  aller 
Altersklassen  die  Fragen  des  geschlechtlichen  Lebens  vom  gesund¬ 
heitlichen  wie  vom  moralischen  Standpunkt  aus  aufgenommen 
werden.  Es  werde  eine  Kommission  gewählt,  die  eine  sich  auf 
schon  bestehende  Broschüren  aufbauende  Abhandlung  redigieren 
wird,  die  obengenannter  Unterrichtung  dienen  und  dieselbe  in  allen 
Ländern  einführen  soll. 

Zur  Signierung  unterbreitete  Vorschläge  und 

W  ü  n  s  c  li  e. 

I.  L  a  n  d  o  u  z  y,  Professor  der  Medizin  in  Paris:  Das  System 
der  Reglementierung,  wie  es  heute  angewendet  wird,  hat  sich  als 
unwirksam  erwiesen.  Es  ist  zu  verurteilen  (2.  Fassung:  ist  zu 
verlassen).  Man  muss  bezüglich  der  Prophylaxe  der  venerischen 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1669 


Krankheiten  auf  das  gemeine  Recht  zurückgreifen  (2  Fassung- 
welches  für  Mann  und  Weib  das  gleiche  ist). 

II.  Beco,  Chef  des  Gesundheitswesens  im  belgischen  Mini¬ 
sterium  des  Ackerbaus  und  der  Hygiene:  Die  Konferenz  stellt 
durch  die  eingegangenen  Berichte  und  die  einstimmigen  Er¬ 
klärungen  aller  Redner,  welche  das  Wort  ergriffen  haben  fest 
dass  die  augenblicklich  in  Kraft  befindlichen  Systeme  der  Pro¬ 
stitutionsreglementierung  in  verschiedenen  Richtungen  und  be¬ 
sonders  in  dem  Sinne  fehlerhaft  sind,  dass  das  Eingreifen  der 
Polizei  der  Wirkung  der  sanitären  Autorität  schadet,  während  es 
ihre  einzige  Aufgabe  sein  müsste,  der  letzteren  zur  Verfügung  zu 
stehen. 

Die  Konferenz  ist  der  Meinung,  dass  es  angebracht  sei,  sowohl 
im  Recht,  wie  in  der  Wirklichkeit  die  sanitäre  und  polizeiliche 
Tätigkeit  zu  trennen  und  erstere  von  letzterer  unabhängig  zu 
machen,  und  zwar  derart,  dass  die  Bekämpfung  und  Verhütung 
der  venerischen  Krankheiten  wie  die  jeder  anderen  übertragbaren 
Krankheit  einen  ausschliesslich  hygienischen  und  ärztlichen  Cha¬ 
rakter  tragen  muss. 

Zusatz  Neisser:  Der  Staat  hat  das  Recht  und  die  Pflicht, 
mittels  gesetzlicher  Massnahmen  die  Gefahren  zu  bekämpfen, 
welche  durch  die  Prostitution  vom  gesundheitlichen  Standpunkt 
aus  geboten  werden.  Das  augenblicklich  in  Kraft  befindliche,  vor¬ 
nehmlich  polizeilichen  Charakter  tragende  System  muss  in  ein 
sanitäres  umgewandelt  werden,  welches  nur  so  lange  obligatorisch 
zu  sein  braucht,  als  es  zur  Erreichung  des  hygienischen  Zieles  un¬ 
umgänglich  notwendig  ist. 

III.  Balz  er,  Arzt  an  St.  Louis-Paris:  Die  zweite  internatio¬ 
nale  Konferenz  zur  Prophylaxe  der  Syphilis  spricht  den  Wunsch 
aus,  die  Regierungen  möchten  die  Prostitution  Minderjähriger 
unter  18  Jahren  durch  Ueberweisung  derselben  in  besondere  Asyle 
unterdrücken. 

IV.  B  a  r  t  h  6  1  e  m  y  -  Paris:  Die  geschlechtskranken  Pro¬ 
stituierten  sollen  nicht  als  Schuldige,  sondern  als  mit  ansteckenden 
Krankheiten  behaftete  Personen  angesehen  werden. 

V.  Rethaan-Macare,  Generalstaatsanwalt  der  Niederlande: 
DieKonferenz  spricht  denWunsch  aus,  das  Gesetz  möge  denhöheren 
Sanitätsbehörden  jedes  Landes  das  Recht  einräumen,  auf  Grund 
der  Anzeige  des  Arztes,  welcher  den  Kranken  behandelt  oder  be¬ 
handelt  hat,  eine  Heirat  zu  verhindern,  sobald  diese  Autoritäten 
die  Gewissheit  erlangt  haben,  dass  die  betreffende  Person,  um 
welche  es  sich  handelt,  an  einer  übertragbaren  Krankheit  leidet, 
die  für  den  anderen  Teil  oder  die  Nachkommenschaft  der  zu¬ 
künftigen  Ehegatten  von  traurigen  Folgen  sein  könnte. 

VI.  Neisser,  sowie  Petersen,  Blaschko,  Amicis, 
Jadassohn,  Welander,  Barthglemy. 

Alle  von  der  Behörde  zur  Bekämpfung  der  venerischen  Krank¬ 
heiten  und  gegen  die  Schäden  der  Prostitution  zu  ergreifenden 
Massregeln  sind  durch  Gesetz  zu  regeln.  Das  Gesetz  hat  nur  die 
grundlegenden  Prinzipien  festzulegen.  Die  Ausführung  des  Ge¬ 
setzes  im  einzelnen  ist  den  örtlichen  Behörden  der  Städte  und 
Gemeinden  zu  übertragen. 

VII.  Neisser,  sowie  Amicis,  Santoliquido,  Pon- 
toppidan,  Welander,  Barthelemy:  Es  ist  ein  Gesetz, 
welches  die  Behandlung  der  Geschlechtskrankheiten  durch  nicht 
approbierte  Personen  verbietet  und  strenge  bestraft,  einzuführen. 

VIII.  Neisser:  Jedem  Geschlechtskranken  ist  gesetzlich  un¬ 
entgeltliche  Behandlung  im  Hospital  oder  in  einem  Ambulatorium 
zu  gewähren.  Alle  aus  dieser  unentgeltlichen  Behandlung  erwach¬ 
senden  Kosten  trägt  der  Staat  oder  zur  Zahlung  verpflichtete  Kassen. 
In  allen  Hospitälern  sollen  alle  zu  Ungunsten  der  Geschlechts¬ 
kranken  bestehenden  Einrichtungen  wegfallen.  Es  ist  dafür  zu 
sorgen,  dass  in  den  öffentlichen  Anstalten  die  Behandlung  mit  mög¬ 
lichster  Wahrung  des  ärztlichen  Geheimnisses  und  Schonung  der 
Schamhaftigkeit  der  Kranken  vor  sich  gehen  kann. 

IX.  Le  P  i  1  e  u  r-  Paris,  sowie  Burlureaux,  Thibierge, 
Verchere  -  Paris  u.  a. : 

a)  Die  Reglementierung  der  Prostitution  muss  beibehalten, 
aber  von  Grund  aus  geändert  werden,  besonders  was  die  Minder¬ 
jährigen  betrifft. 

b)  Die  öffentlichen  Gewalten  werden  aufgefordert,  ein  Gesetz 
vorzusehen,  welches  gleichzeitig  die  Prostitution  wie  alle  Fragen 
der  Verantwortlichkeit,  sowie  der  Uebertragung  venerischer  Krank¬ 
heiten  ins  Auge  fasst. 

X.  M  i  n  o  d  -  Genf,  Generalsekretär  der  internationalen  aboli- 
tionistischen  Förderation:  Die  Konferenz  spricht  den  Wunsch  aus, 
die  der  Prostitution  ergebenen  Minderjährigen  möchten  Schutz¬ 
gesellschaften  überwiesen  werden.  Letztere,  obwohl  als  halb¬ 
offizielle  Einrichtungen  anerkannt,  sollten  vom  Staat  unterstützt 
werden,  sonst  aber  vollständig  freie  Hand  haben,  was  ihre  Ver¬ 
waltung  und  ihr  Vorgehen  anbetrifft.  Die  kranken  Prostituierten 
werden  auf  Kosten  der  Gesellschaften  behandelt. 

XI.  Rechtsanwalt  Bonnevue  -  Brüssel:  Es  gilt,  die  Grund¬ 
sätze  der  zivilrechtlichen  und  stx-afrechtlichen  Verantwortlichkeit 
auf  die  Uebertragung  venerischer  Krankheiten  mit  Ausnahme  der 
Beziehungen  zu  Prostituierten  anzuwenden. 

Der  Organisationsausschuss  der  neugegründeten  Deutschen 
Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten  berief 
gelegentlich  der  Prophylaxekonferenz  eine  vorberatende  Sitzung 
der  in  Brüssel  anwesenden  Mitglieder  der  neuen  Gesellschaft. 
Den  Vorsitz  führte  Neisser,  als  Berichterstatter  fungierte 
Blaschko.  Die  kommenden  Wochen  werden  das  erste  Her¬ 
vortreten  der  Gesellschaft  in  die  Oeffentlichkeit  bringen.  Möge 


auch  diesem  neuen  Kampfmittel  gegen  die  Verheerungen  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  ein  nachhaltiger  Erfolg  nicht  fehlen! 

74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Karlsbad,  vom  21.— 27.  September  1902. 

Referent :  Dr.  Grassmann  - München. 

II. 

w-_ 

1.  Allgemeine  Sitzung  am  22.  September. 

(Schluss.) 

Herr  F.  Hofmeister  -  Strassburg:  Ueber  den  Bau.  des 
Eiweissmoleküls. 

Bei  dem  sehr  spezialwissenschaftlich  gehaltenen  Thema  des 
Vortrages  und  dem  Umstande,  dass  die  Ausführungen  des  Herrn 
Redners  schon  in  seiner  nächsten  Nähe  nur  mit  grosser  Mühe 
vernommen  werden  konnten,  muss  sich  Referent  auf  eine  kurze 
Skizzierung  derselben  beschränken  und  auf  die  später  erscheinen¬ 
den  Verhandlungen  der  Gesellschaft  hinweisen. 

Die  Möglichkeit  rascheren  Fortschrittes  zeigt  sich  in  der 
Entwicklung  fast  jeder  grösseren  wissenschaftlichen  Frage  nicht 
selten  ziemlich  unerwartet,  wie  jetzt  auch  in  der  Eiweisschemie. 
Im  Vorgefühl  eines  solchen  Wendepunktes  hat  Redner  die  Ei¬ 
weissfrage  zu  seinem  Vortragsthema  gewählt,  die  vor  wenigen 
Jahren  kaum  noch  den  Eachchemiker  hinreichend  interessiert 
hätte.  Die  chemischen  Fortschritte  der  letzten  Zeit  haben  in 
steigender  Zahl  Tatsachen  kennen  gelehrt,  welche  es  erlauben,  an 
den  Kern  der  Eiweissfrage  heranzutreten,  deren  Untersuchung  bis¬ 
her  besonders  durch  zwei  Umstände  erschwert  war :  1.  die  Schwierig¬ 
keit,  die  Eiweisstoffe  in  zweifellos  reinen,  gut  kristallisierten 
I  Substanzen  zu  erhalten;  2.  die  Schwierigkeit,  beim  Abbau  des  Ei- 
weisses  zu  gut  charakterisierten  kristallinischen  Derivaten  zu  ge¬ 
langen.  Beide  Momente  sind  jetzt  zum  Teil  überwunden.  Reines 
kristallinisches  Material  ist  das  Ovalbumin,  Serumalbumin, 
Edestin.  In  neuester  Zeit  sind  die  gewaltigen  technischen  Fort¬ 
schritte  der  Chemie  in  den  Dienst  auch  der  Eiweissfrage  gestellt 
worden,  besonders  durch  E.  E  i  s  c  h  e  r,  und  auch  in  ärztlichen 
Kreisen  regt  sich  immer  mehr  das  Bedürfnis  nach  chemischem 
Verständnis  der  Lebensvorgänge. 

Um  zu  den  letzten  einfachsten  Bruchstücken  des  Eiweiss¬ 
moleküls  zu  gelangen,  muss  es  in  möglichst  tiefgreifender  und 
zugleich  schonender  Weise  auf  gespalten  werden.  Ein  Teil  der 
hiezu  sonst  gebräuchlichen  Mittel  ist  aber  hiebei  ausgeschlossen, 
z.  B.  trockene  Destillation,  Oxydation,  Einwirkung  von  Halo¬ 
genen,  intensive  Alkaliwirkung  u.  a.  Glücklicherweise  besitzen 
wir  in  den  Fermenten  (Pepsin,  Pseudopepsin,  Trypsin,  Papayotin) 
Hilfsmittel,  welche  durch  Hydrolyse  die  Eiweisskörper  zerlegen. 
Bei  der  spaltenden  Wirkung  siedender  Mineralsäuren  macht  sich 
nebenher  bereits  die  kondensierende  Wirkung  derselben  geltend 
und  führt  zur  Bildung  der  sog.  Melanine,  wodurch  andere  Spal¬ 
tungsprodukte  der  Untersuchung  entzogen  werden. 

Am  Tyrosinkomplex  wird  gezeigt,  wie  je  nach  der  Spaltungs¬ 
methode  derselbe  C-Kem  in  recht  verschiedener  Weise  auf  treten 
kann.  Redner  hat  die  bisher  bekannten,  den  typischen  Eiweiss¬ 
stoffen  angehörigen  C-Kerne  auf  Tafeln  zusammengestellt,  und 
zwar  die  Kerne  der  Fettreihe,  die  aromatischen  Kerne,  die  hetero¬ 
zyklischen.  Im  Eiweissmolekül  sind  die  wichtigsten  Formen 
des  Aufbaues  organischer  Substanzen  vertreten.  Damit  ist  die 
Möglichkeit  gegeben,  dass  das  Eiweiss  als  Muttersubstanz  der 
im  Stoffwechsel  auftretenden  aliphatischen,  aromatischen  und 
heterozyklischen  Verbindungen  auf  tritt.  Die  angeführten  Kerne 
sind  bis  auf  die  S-haltige  Thiomilchsäure  alle  N-haltig.  In 
jüngster  Zeit  konnten  aus  dem  Serumglobulin  2  Ilexosen,  und 
zwar  Glukose  und  ein  der  Lävulose  ähnlicher  Zucker  isoliert  wer¬ 
den.  Auch  neue  Eiweisskerne  wurden  in  jüngster  Zeit  isoliert, 
die  Aminosäuren  (E.  Fischer).  Nicht  in  jedem  Eiweisskörper 
liegen  aber  sämtliche  Kerne  vor,  wie  die  Untersuchung  der  kri¬ 
stallinischen  Eiweisskörper  lehrt.  Zum  gleichen  Schluss  gelangt 
man  beim  quantitativen  V ergleich  der  bei  der  Spaltung  erhaltenen 
Produkte.  Soweit  eine  ungefähre  Schätzung  lehrt,  besteht  das 
Eiweissmolekül  zq  % — %  aus  den  verschiedenen  Formen  der 
Aminosäuren.  Die  einzelnen  Kerne  müssen  im  Eiweiss  nicht  in 
äquivalenter  Menge,  sondern  in  sehr  ungleichem  molekularem 
Verhältnis  vorhanden  sein.  Vielleicht  beruht  die  Verschieden¬ 
heit  der  einzelnen  Eiweisskörper  in  einem  verschiedenen  nume¬ 
rischen  Verhältnis  der  sie  konstituierenden  Gruppen,  eine 
Schlussfolgerung,  zu  welcher  man  auch  gelangt,  wenn  man  von 


1670 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


dem,  allerdings  nur  annähernd  zu  bestimmenden,  Molekular¬ 
gewicht  der  Eiweisskörper  ausgeht.  Den  besten  Anhalt  für  die 
Bestimmung  desselben  bietet  das  Hämoglobin.  Das  M.-G.  beträgt 
wahrscheinlich  16 — 17  000,  die  Werte  anderer  gehen  nicht  unter 
5000  herab.  Auf  1  Molekül  von  15  000  entfallen  etwa  125  Kerne. 
Also  ist  das  Eiweissmolekiil  ungemein  kompliziert.  Es  ergibt 
sich  eine  schier  unerschöpfliche  Mannigfaltigkeit  von  Kom¬ 
binationen.  Doch  hat  die  Natur  kaum  alle  diese  Formen  wirk¬ 
lich  geschaffen,  worauf  mehrere  Umstände  lainweisen,  zunächst 
die  Verknüpfung  der  Aminosäuren  unter  sich.  Redner  betrachtet 
nun  eingehend  die  Fälle,  wenn  2  derartige  Säuren,  z.  B.  Leucin 
mit  Asparaginsäure  oder  mit  Tyrosin,  in  Verbindung  treten. 

Die  theoretische  Betrachtung  wird  früher  oder  später  in 
praktische  Resultate  umgesetzt  werden.  Die  Durchführung 
dieser  Studien,  wobei  bald  das  physiologische,  bald  das  chemische 
Experiment  die  Führung  übernimmt,  lässt  hoffen,  dass  es 
schliesslich  gelingen  wird,  die  überaus  mannigfaltigen  Umge¬ 
staltungen,  welche  die  Kerne  des  Nahrungseiweisses  in  den  Or¬ 
ganen  des  Tierkörpers  erfahren,  in  ihrem  Zusammenhang  zu 
übersehen  und  damit  einen  befriedigenden  Einblick  in  das1  Ge¬ 
biet  des  intermediären  Stoffwechsels  zu  gewinnen. 

In  dem  nun  folgenden  zweiten  Vortrage  sprach  M.  W  e  b  e  r- 
Amsterdam  über:  Der  Malayische  Archipel  und  die  Geschichte 
seiner  Tierwelt  und  erwähnte  die  hauptsächlichsten  Resultate 
mehrerer  Eorschungsaufgaben,  die  hierbei  nebeneinander  her¬ 
laufen.  Es  handelte  sich  1.  um  die  Erforschung  der  Meeres¬ 
tiefen  in  dem  betr.  Gebiete,  das  eine  Ausdehnung  von  5  Millionen 
Quadratkilometer  umfasst  und  Java,  Sumatra,  Borneo,  Celebes, 
die  kleinen  Sundainseln,  die  Molukken  u.  a.  einschliesst ;  2.  um 
die  Entstehungsweise  der  genannten  Inseln,  von  denen  Sumatra 
am  längsten  mit  Asien  verbunden  war;  3.  um  die  Untersuchung 
der  Fauna  und  Flora  des  Gebietes.  Aus  letzterem  Teile  be¬ 
trachtet  W.  nur  die  Säugetier-Eauna.  Auf  dem  in  Frage  stehen¬ 
den  Gebiete  spielte  sich  eine  wichtige  Periode  menschlicher  Ent¬ 
wicklung  ab,  viel  Studium,  Sammeleifer  und  Phantasie,  Gesund¬ 
heit  und  Liebe  wurde  diesen  Aufgaben  geopfert  und  noch  viele 
Helden  der  Wissenschaft  werden  hinausziehen  müssen,  dem 
Malayischen  Archipel  seine  Rätsel  zu  entringen. 

Mit  grossem  Beifall  wurde  dieser  Vortrag  auf  genommen, 
der  die  schon  beträchtlich  spärlicher  gewordenen  Zuhörer  zu  leb¬ 
haftem  Interesse  zu  führen  wusste. 

Um  %2  Uhr  begann  Professor  V  oller-  Llamburg  seinen 
Vortrag  über:  Grundlagen  und  Methoden  der  elektrischen 
Wellentelegraphie  (sogen,  drahtlosen  Telegraphie). 

Das  grosse  Interesse,  welches  sich  mehr  und  mehr  an  die 
Leistungen  der  sogen,  drahtlosen  Telegraphie  knüpft,  war  die 
Veranlassung  für  die  IJebernahme  des  Vortrages;  es  kommt  hin¬ 
zu,  dass  die  Methoden  dieses  modernen  Nachrichtendienstes  erst 
auf  Grund  der  neueren  Anschauungen  über  die  Natur  der  elek¬ 
trischen  Vorgänge  entwickelt  werden  konnten.  Der  Vortragende 
legte  dies  näher  dar:  Den  Gebildeten,  deren  Schulung  in  älterer 
Zeit  lag,  sind  die  modernen  Anschauungen  nur  wenig  vertraut, 
ja  sehr  schwierig.  Die  alte  Lehre,  dass  die  Leistungen  der 
Elektrizität,  wie  wir  sie  zuerst  in  der  gewöhnlichen  Telegraphie, 
sodann  in  den  mannigfachen  Anwendungen  der  Elektrotechnik 
benutzten,  an  die  Existenz  geschlossener  elektrischer  Ströme  ge¬ 
bunden  seien,  dass  solche  Ströme  nur  in  metallischen  oder  elektro¬ 
lytischen  Leitungen  denkbar  seien,  beherrschte  bis  vor  wenigen 
Jahren  die  Anschauungen.  Heute  wissen  wir  mehr  von  den 
Wirkungsmöglichkeiten  der  Elektrizität.  Seit  E  a  r  a  d  a  y,  der 
schon  entdeckte,  dass  die  Wirkung  eines  elektrisch  geladenen 
Körpers  auf  einen  zweiten  nicht  ohne  die  Mitwirkung  des  zwi¬ 
schen  den  Körpern  befindlichen  Isolators  erfolge,  Maxwell, 
Helmholtz  und  Heinrich  Hertz  ist  neben  die  alte  Lehre 
von  den  geschlossenen  elektrischen  Strömen  in  den  Leitern  die 
Lehre  von  den  „Verschiebungsströmen*“  des  Aethers  oder  der 
Elektrizität  innerhalb  der  sogen.  Nichtleiter  getreten;  zu  diesen 
gehören  Gase,  Hartgummi,  Glas  etc.,  vor  allem  auch  die  atmo¬ 
sphärische  Luft.  Elektrizitätsentladungen  in  Leitern  rufen  im 
Aether  der  umgebenden  Luft  isochrone  Bewegungen  hervor,  die 
sich  nach  allen  Richtungen  des  Raumes  mit  Lichtgeschwindigkeit 
fortpflanzen  und  unter  geeigneten  Umständen  ihrerseits  wieder 
neue  Entladungsvorgänge  in  Leitern,  auf  welche  sie  treffen, 
hervorrufen.  Sind  die  primären  Anstösse  periodisch  wechselnde, 
so  sind  auch  die  fortschreitenden  Bewegungsvorgänge  im  Aether 
periodisch  aufeinanderfolgende,  d.  li.  es  laufen  elektrische  Wellen, 


Strahlen  elektrischer  Kraft,  durch  den  Aether  und  erregen  in 
Leitern  elektrische  Schwingungszustände.  Die  Wahrnehmung 
dieser  Vorgänge  gelang  bekanntlich  zuerst  Heinrich  Hertz;  er 
wies  die  Entstehung  elektrischer  Funken  und  oszillatorischer 
Lichterscheinungen  beim  Auftreffen  elektrischer  Wellen  nach. 
Zugleich  verdanken  wir  ihm  die  experimentelle  Ausbildung  der  Er¬ 
zeugung  sehr  schneller,  primärer  oszillatorischer  Entladungsvor¬ 
gänge  innerhalb  geeigneter  elektrischer  F unken,  die  zwar  schonlange 
vor  ihm  bekannt  war,  aber  erst  durch  ihn  die  grosse  Bedeutung 
gewann,  die  zur  elektrischen  Wellentelegraphie  führte.  Der 
erste,  der  in  grossem  Masstabe  diese  Anwendung  zu  realisieren 
suchte,  war  Marconi  (1896) :  er  liess  in  Hertz  sehen  Funken 
sehr  schnelle  elektrische  Oszillationen  entstehen,  die  von  senk¬ 
rechten  Drähten  oder  Flächen  ausstrahlten,  den  Luftraum  durch¬ 
zogen  und  in  mässigen  Entfernungen  neue  elektrische  Wirkungen 
hervorriefen,  die  zur  Zeichengebung  benutzt  'wurden.  Die  Wir¬ 
kung  war  keine  sehr  sichere.  Der  Grund  hierfür  lag  in  der  da¬ 
mals  noch  mangelhaften  Kenntnis  der  Bedingungen,  unter  denen 
kräftige,  praktisch  verwertbare  Reproduktionen  elektrischer  Pro¬ 
zesse  möglich  sind.  Dagegen  war  es  ein  grosses  Verdienst 
M  a  r  c  o  n  i  s,  dass  er  zu  solchen  Reproduktionen  nicht  die  wenig 
empfindliche  Methode  der  Erzeugung  sekundärer  elektrischer 
Funken  oder  sonstiger  Lichtwirkungen  benutzte,  sondern  eine 
andere,  seit  1890  durch  Brandy-  Paris  näher  studierte  Wir¬ 
kung  der  elektrischen  Wellen.  Diese  Wellen  haben  die  Eigen¬ 
schaft,  wenn  sie  auf  elektrisch  schlecht  leitendes  Metallpulver 
treffen,  dessen  Leitungsfähigkeit  plötzlich  sehr  zu  steigern,  je¬ 
doch  so,  dass  kleine  Erschütterungen  wieder  den  ursprünglichen 
Zustand  hervorrufen.  Marconi  bildete  auf  Grund  dieser  Tat¬ 
sachen  den  heute  sogen.  Fritter  oder  Kohärer  aus,  der  bis  heute 
das  wichtigste  Empfangsinstrument  der  Wellentelegraphie  ist; 
erst  neuerdings  sind  Mitteilungen  bekannt  geworden,  wonach  es 
Marconi  gelungen  sein  soll,  ein  weit  empfindlicheres  In¬ 
strument  mit  telephonischer  Zeichenwiedergabe  zu  erfinden.  Den 
jüngst  in  die  Oeffentlichkeit  gedrungenen  Plan  von  Marconi, 
zwischen  Europa  und  Amerika  drahtlose  Telegraphie  einzu¬ 
führen,  kann  V.  nicht  für  ganz  unausführbar  halten,  da  es  nach 
den  Untersuchungen  von  Lecher-  Prag  möglich  ist,  dass  die 
elektrischen  Wellen,  statt,  wie  man  vermuten  sollte,  auf  direk¬ 
testem  Wege  die  Erde  durchdringen  zu  müssen,  infolge  der  Wir¬ 
kung  des  Meeres  der  Erdoberfläche  parallel  laufen  können. 

Der  gewaltigste  Fortschritt  der  Wellentelegraphie  ist  seit 
2  Jahren  durch  zwei  deutsche  Forscher,  Prof.  Braun  in 
Strassburg  und  Prof.  S  1  a  b  y  in  Charlottenburg,  herbeigeführt 
worden,  die  beide  auf  verschiedenen  Wegen  zu  verwandten  Resul¬ 
taten  gelangten.  Der  Fortschritt  besteht  in  der  Verwendung 
der  elektrischen  Resonanz  oder  „Abstimmung  der  Wellen“.  Jeder 
elektrisch  schwingende  Körper  besitzt  —  ähnlich  wie  ein  akustisch 
tönender  Körper  —  eine  bestimmte  ihm  eigentümliche  Schwing¬ 
ungsperiode;  nur  wenn  die  ankommenden  elektrischen  Wellen 
dieselbe  Schwingungsdauer  haben,  kann  eine  kräftige  Resonanz 
entstehen.  Braun  untersuchte  sehr  eingehend  die  theoretischen 
Bedingungen  solcher  Resonanz,  die  er  dann  praktisch  erprobte; 
S  1  a  b  y  wurde  direkt  durch  seine  grossen  und  erfolgreichen  Ver¬ 
suche  zur  Auffindung  geeigneter  Resonanzbedingungen  geführt; 
ihm  stand  der  Ingenieur  Graf  v.  A  r  c  o  als  Mitarbeiter  zur 
Seite. 

Die  Grundlagen  dieser  Methoden  wurden  von  dem  Vor¬ 
tragenden  durch  eine  Anzahl  von  grossen  Zeichnungen,  Pro¬ 
jektionsbildern  und  experimentellen  Vorführungen  erläutert,  an 
die  sich  dann  Versuche  mit  den  im  Saale  auf  gestellten  grossen 
Apparaten  des  praktischen  Betriebes  anschlossen;  letztere  Appa¬ 
rate  waren  von  der  Gesellschaft  für  drahtlose  Telegraphie, 
System  Prof.  Brau n  und  Siemens  &  Halske,  sowie  von 
der  Allgemeinen  Elektrizitätsgesellschaft  (System  Slaby-Arco) 
installiert  worden. 

Den  Schluss  des  Vortrages  bildete  eine  kurze  Darlegung  der 
wesentlichen  Unterschiede  der  B  r  a  u  n  sehen  und  der  Slaby- 
schen  Methode,  sowie  der  bisher  in  der  elektrischen  Wellentele¬ 
graphie  durch  die  Anwendung  abgestimmter  Wellen  erreichten 
grossen  Resultate  und  der  Aussichten,  welche  sich  derselben  auf 
Grund  neuer  und  erweiterter  Verfahren  eröffnen. 

Nachdem  der  1.  Vorsitzende  dem  Vortragenden  noch  den  Dank 
ausgedrückt  hatte,  wurde  —  nach  6  stündiger  Dauer  —  die 
Sitzung  kurz  vor  4  Uhr  geschlossen. 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  1.  allgemeine  Sitzung  hat  sich  in  manchen  wesentlichen 
Punkten  von  früheren,  welche  Referent  mitzumachen  Gelegen¬ 
heit  hatte,  unterschieden  —  nicht  zu  ihrem  Vorteile,  wie  be¬ 
dauerlicherweise  hinzugesetzt  werden  muss. 

Abgesehen  von  der  äusseren  Physiognomie  der  Versamm¬ 
lung,  der  bei  der  Anwesenheit  erster  Leuchten  der  Wissenschaft 
und  hoher  Würdenträger  doch  der  gewohnte  Kopf  eines 
Virchow,  die  Gestalt  eines  Bergmann,  die  Persönlich¬ 
keiten  eines  Ziemssen,  Leyden,  H  i  s,  Waldeyer  und 
somit  das  fast  traditionelle  Aussehen  fehlte,  hatte  dieselbe  ent¬ 
schieden  krankhafte  Symptome  an  sich.  Ihre  Temperatur,  ihr 
Spannungsgrad  stand  anfangs  sehr  hoch  und  hielt  sich  zunächst, 
angefeuert  durch  manches  treffliche  Wort  der  Begrüssungen, 
um  dann  kritisch  abzufallen  und  fast  subnormal  zu  enden,  mit 
noch  einigen  Erhebungen  vorher.  Dies  wurde  meines  Erachtens 
durch  einige  Momente  bewirkt,  welche  hier  anzuführen  ich  für 
meine  Referentenschuldigkeit  halte.  Diese  sind: 

1.  Die  überlange  Dauer  der  einzelnen  Begriissungs- 
ansprachen,.  mögen  sie,  jede  für  sich,  noch  so  vortrefflich  sein. 
Ihre  kumulierende  Wirkung  führt  zu  einer  zu  frühzeitigen  Ab¬ 
nahme  der  geistigen  Spannung,  welche  in  Versammlungen  dieses 
grossen  Stiles  von  Anfang  bis  zu  Ende  herrschen  muss.  Diese 
Hyperrhetorik  der  Einleitung  absorbiert  auch  die  für  die  Redner 
vorgesehene  Zeit  im  Unmasse,  so  dass  diese  ihre  Themata  nur 
mehr  stückweise  behandeln  können.  Die  Versammlung  atmet 
dann  schon  sozusagen  künstlich.  Dann  muss  ausgesprochen 
werden,  dass  bei  der  Wahl  solcher  Festredner  auch  auf  die 
Stimmittel  derselben  mit  in  erster  Linie  Rücksicht  ge¬ 
nommen  werden  muss.  Dies  war  gestern  nicht  allenthalben  der 
Fall  gewesen.  Die  Folge  war  eine  vorzeitige,  mit  Unruhe  er¬ 
folgende  Entleerung  des  Saales,  der  sich  dann  erfalirungsgemäss 
nicht  mehr  in  dem  Grade  füllt,  wie  es  der  Bedeutung  der  Ver¬ 
sammlung  und  dem  Ansehen  der  etwaigen  späteren  Redner  ge¬ 
mäss  wäre.  Es  ist  und  bleibt  auch  für  den  Zuhörer  sehr  miss¬ 
lich,  den  Redner  während  seines  Vortrages  trotz  normaler  Hör¬ 
weite  nur  zu  sehen.  Nun  gar  endlich  die  Dauer  dieser  1.  all¬ 
gemeinen  Sitzung  6  Stunden!  Kaum  Schiller,  kaum  Whgner 
brächten  es  da  mehr  zu  einer  vollen  Aufmerksamkeit!  Warum 
ein  solches  monstrum  horrendum,  informe  ingens?  Die  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  müssen  da  wirklich  um  angemessene  Scho¬ 
nung  ihrer  Hirnrinden  sich  besser  Umsehen.  Da  die  Versamm¬ 
lung  dem  Zwecke  dient,  dienen  soll,  neuere  Ergebnisse  der  For¬ 
schung  weiteren  Kreisen  lebendig  zu  vermitteln,  so  muss  auch 
hier  das  „Mass  halten  in  allen  Dingen“  Platz  greifen,  sonst  geht 
freudige  Spannung  und  Begeisterung  unverbraucht  zu  Ende.  Die 
Folge  der  gestrigen  übermässigen  Sitzungsdauer  war  auch  sonst 
noch  bemerkbar,  indem  die  konstituierenden  Sitzungen  der  Sek¬ 
tionen  erst  verspätet  zusammentreten  konnten.  Und  dann  noch 
eines:  In  dem  schönen  Karlsbad  mussten  wir  gestern  am  Spät¬ 
nachmittag  mit  hungrigem  Magen  uns  an  kalte  Schüsseln 
setzen!  Das  hätte  der  alte  Goethe  an  der  heutigen  Wissenschaft 
niemals  gebilligt!  Wie  sich  aber  die  Wogen  der  Naturforscher- 
Gemüter  vom  Abend  bis  zum  nächsten  Morgen  wieder  auf  das 
schönste  glätteten,  davon  das  nächstemal ! 

Gesamtsitzung  beider  Hauptgruppen  am 

24.  September. 

E.  S  uess- Wien:  lieber  das  Wesen  der  heissen  Quellen. 

Der  bei  seinem  Erscheinen  mit  lebhaftem  Beifall  empfangene 
Präsident  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften  führte  fol¬ 
gendes  aus : 

Redner  würde  es  nicht  unternehmen,  vor  diesem  Kreise  über 
seinen  Gegenstand  zu  sprechen,  wenn  nicht  die  meisten  Darstel¬ 
lungen  über  heisse  Quellen  gerade  über  sehr  wichtige  Fragen 
in  Zweifel  Hessen.  Nach  älteren  Darstellungen  sollten  heisse 
Quellen  durch  infiltrierendes  Tagwasser  (=  vadose  Wasser  —  im 
Gegensatz  zu  juvenilem  Wasser,  welch  letzteres  noch  niemals 
an  der  Erdoberfläche  war)  gespeist  werden,  das  sich  im  Erd- 
mnern  erwärme,  während  mineralische  Beimengungen  dem  um¬ 
gebenden  Gestein  entstammen  sollten.  Gerade  betreff  Karlsbad 
musste  diese  Annahme  als  unzutreffend  erklärt  werden.  Das 
„Pulsieren“  der  Quellen  erläutert  S.  an  dem  Phänomen  des 
isländischen  Geysir,  wo  sich  zeigt,  dass  die  in  das  Steigrohr  ein¬ 
tretenden  Dampfblasen  heisser  sind  als  die  Wassersäule  (Siede¬ 


1671 


quellen).  Die  Quellen  von  Karlsbad  pulsieren  auch,  aber  nicht 
so  regelmässig,  ferner  in  kurzen  Zwischenräumen  (Sprudel¬ 
quellen).  Die  Siedequellen  stehen,  was  sehr  wichtig  ist,  nicht 
unter  hydrostatischem  Druck.  Nun  wendet  sich  S.  zunächst 
einigen  Erörterungen  über  Vulkane  zu  und  betrachtet  speziell 
die  Vorgänge,  welche  einen  Ausbruch  begleiten.  Dabei  fällt  dem 
Wasserdampf  die  Hauptrolle  zu.  Bei  gewissen  Vulkanen  zeigen 
sich  regelmässige  Intermittenzen  in  den  Eruptionen,  solange 
letztere  mässig  sind:  strombolische  Phase  des  Vulkans.  Aus 
einem  Eilebnis  am  Vesuv,  an  dem  sich  ein  Cratere  parasitico, 
Nebenkrater,  gebildet  hatte,  dessen  Eruptionen  anderen  Rhyth¬ 
mus  zeigten,  als  der  Hauptkrater,  konnte  S.  folgern,  dass  der 
Vesuv  selbst  nur  eine  Form  von  Siedequellen  ist.  Die  Herkunft 
des  vom  Vesuv  reichlichst  mitausgeworfenen  Chlornatriums 
konnte  damals  nicht  erklärt  werden,  die  Annahme,  Meerwasser 
sei  infiltriert,  erschien  nicht  möglich.  Hinsichtlich  des  Wasser¬ 
dampfes  Hessen  bestimmte  Befunde  am  Vesuv  den  Schluss  zu, 
dass  die  mi  tauf  steigenden  Gasblasen  die  Träger  der  Wärme  dar¬ 
stellten.  Der  Wasserdampf  muss  aus  Teilen  des  Erdkörpers 
stammen,  wo  von  Infiltration  keine  Rede  sein  kann.  Auch  die 
00,  stammt  aus  grosser  Tiefe.  Alles  zusammengehalten,  er¬ 
scheinen  die  Vulkane  als  Reste  des  grossen  Prozesses  der  Ent¬ 
gasung  des  Erdkörpers.  Nicht  die  Vulkane  werden  von  den 
Meeren  gespeist,  sondern  umgekehrt:  das  juvenile  Wasser  der 
Vulkane  bildet  einen  Zuwachs  für  die  Meere.  Der  Ozean  ist  der 
empfangende  Teil.  Die  Ozeane  sind  aus  dem  Wasser  des  Erd¬ 
körpers  gebildet. 

Ueber  das  Wesen  der  Thermen  kann  nun  gerade  Karlsbad 
den  besten  Aufschluss  geben.  Man  kann  sagen:  Wir  befinden  uns 
in  Karlsbad  auf  einem  Stück  Erzgebirge,  es  liegt  auf  dem  Aus¬ 
gangsende  eines  Erzganges  und  es  kommen  die  hiesigen  Quellen 
innerhalb  eines  ca.  1800  m  langen  und  150  m  breiten  Streifens 
zu  Tage.  Das  hiesige  Quellsystem  ist  zum  Teil  von  seinen 
eigenen  Kalkabsätzen,  der  Sprudelschale  bedeckt,  zum  Teil  Hegt 
ein  älterer  Absatz  der  Quelle,  nämlich  Hornstein,  vor.  Gänge 
von  Hornstein  und  Arragonit  streichen  durch  den  benachbarten 
Granit.  I  ür  die  Beurteilung  der  chemischen  Zusammensetzung 
kommt  in  Betracht,  dass  das  Kochsalz  jedenfalls  nicht  infiltriert 
sein  kann.  Es  erscheinen  eben  in  den  Quellen  die  am  leichtesten 
löslichen  Stoffe,  während  andere,  leichter  sich  abscheidende, 
namentlich  metallische  Verbindungen  in  der  Tiefe  Zurückbleiben. 
Dies  ist  die  Bedeutung  der  Menge  von  Glaubersalz,  Soda  und 
01  Na,  welche  die  ILeilkraft  dieser  Quellen  in  erster  Linie  be¬ 
dingen.  Die  grosse  Menge  C02  ist  unzweifelhaft  juvenilen 
Ursprungs,  wie  eben  die  Karlsbader  Thermen 
im  ganzen.  Sie  sind  ein  Glied  in  der  Reihe  von 
Erscheinungen,  welche  beginnen  mit  der 
strombolischen  Phaise  der  Vulkane  und  ihre 
1 ortsetzung  finden  in  den  geologischen 
S  trukture  n  der  E  r  z  g  ä  n  g  e.  Im  Gegensatz  zu  Karlsbad 
ist  Pfäfers  eine  vadose  Therme.  Es  gibt  Thermen  von  gemisch¬ 
tem  Charakter,  teils  juvenil,  teils  vados.  Deutlich  kann  man 
5  Gruppen  von  Quellen  unterscheiden:  1.  Gewöhnliche  Trink¬ 
quellen  ;  diese  sind  alle  vados.  2.  Vadose  Quellen  mittlerer  Tem¬ 
peratur,  durch  bestimmte  Mineralisation  ausgezeichnet,  z.  B.  Jod, 
Mg,  CI  Na.  3.  Warme  vadose  Quellen  (Pfäfers).  4.  Juvenile 
Quellen  vom  Typus  von  Karlsbad,  welche  aber  nicht  heiss  oder 
sehr  reich  an  Mineralien  zu  sein  brauchen  (z.  B.  Marienbad). 
Alle  diese  Quellen  stehen  auf  Hornstein.  5.  Gruppe  der  Siede¬ 
quellen,  welche  auf  dem  europäischen  Kontinent  nicht  Vor¬ 
kommen.  Festzustellen  ist  hauptsächlich  die  Tatsache,  dass  die 
heissen  Quellen  in  die  Reihe  vulkanischer  Erscheinungen  ge¬ 
hören. 

Die  unvergleichlich  lebendige  und  unmittelbar  wirkende 
Art  des  Vortrages,  der  mächtige  Zauber  der  Persönlichkeit  des 
hochangesehenen  Geologen,  dem  wir  ein  Werk  wie  „Das  Antlitz 
der  Erde“  verdanken,  endlich  der  interessante,  von  der  Meister¬ 
hand  eines  vortrefflichen  Stilisten  wie  spielend  beherrschte  Stoff 
riefen  in  gleicher  Weise  bei  den  anwesenden  Naturforschern, 
wie  bei  deii  Aerzten  unverkennbar  tiefen  Eindruck  hervor.  Es 
war  ein  seltener  Hochgenuss,  diesen  Redner  zu  hören.  Zu  wün¬ 
schen  übrig  blieb  nur,  dass  diese  gewiss  als  juvenil  sich  dar¬ 
stellende  Leistung  einen  intimeren  Raum  zum  äusseren  Rahmen 
gehabt  haben  möchte! 


1672 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


Hierauf  sprach  W.  Meyerhoff  er-  Berlin  über :  Die 
physikalisch-chemische  Beschaffenheit  der  Heilquellen. 

Es  handelt  sich  darum,  die  neugewonnene  Theorie  der 
Lösungen  auch  auf  die  Heilquellen  anzuwenden,  was  freilich 
vorläufig  nur  ein  Versuch  sein  kann.  Zunächst  gibt  Redner 
nun  eine  Skizzierung  der  Lehre  vom  osmotischen  Druck,  der  er 
den  Austausch  zwischen  CINa-Lösung  und  Schwefelsäure  durch 
eine  Membran  hindurch  zu  Grunde  legt.  Der  Prozess  der  Dif¬ 
fusion  kommt  bekanntlich  auch  bei  Tieren  und  Pflanzen  viel¬ 
fach  vor.  Beim  Austausch  der  Lösungen  wird  ein  Druck  auf 
die  trennende  Membran  ausgeübt,  der  proportional  der  Kon¬ 
zentration  der  Lösung  steigt.  Der  osmotische  Druck  kann  direkt 
gemessen  werden  (nach  Pfeffer).  Wenn  2  Lösungen  im 
osmotischen  Gleichgewicht  stehen  sollen,  so  müssen  sie  äqui¬ 
molekular  sein.  Die  Diffusion  durch  tierische  resp.  pflanzliche 
Membranen  hindurch,  wie  sie  bei  der  einzelnen  Zelle  erfolgt, 
setzt  voraus,  dass  die  beiden  Lösungen  sich  nicht  im  molekularen 
Gleichgewicht  befinden.  Dies  kommt  auch  beim  Vorgang  der 
künstlichen  Befruchtung  (L  o  e  w)  in  Betracht.  Ein  Mittel  zur 
indirekten  Bestimmung  des  osmotischen  Druckes  ist  die  Bestim¬ 
mung  der  Gefrierpunktserniedrigung  (Kryoskopie).  Die  Gefrier¬ 
punktserniedrigung  wechselt  nach  der  Konzentration  der  betr. 
Lösungen.  Aequimolekulare  Lösungen  haben  gleiche  Gefrier¬ 
punktserniedrigung. 

Die  Zusammensetzung  der  Mineralwässer  wird  nunmehr  mit 
Rücksicht  auf  obige  Tatsachen  geprüft,  wie  dies  z.  B.  Ludwig 
und  M  a  u  t  h  n  e  r  betr.  des  Karlsbader  Sprudels  getan  haben. 
Dabei  wird  die  Rechnung  nach  Gramm-Molekulargewicht  und 
nach  Gramm-Ionen  vollzogen.  Früher  wurde  die  Zusammen¬ 
setzung  der  Mineralwässer  im  Grammgewicht  der  Salze  aus¬ 
gedrückt,  die  sich  beim  Verdampfen  aus  der  Lösung  ausscheiden. 
Dabei  spielte  immer  eine  gewisse  Willkür  mit.  Wenn  eine 
Lösung  beispielsweise  CI  Na  und  S04  Ca  enthält^  Konnte  man 
diese  Bestandteile  mit  demselben  Rechte  als  CI,  CaDmd  S04Na, 
angeben.  Nach  der  modernen  Anschauung  jedoch  wird  das  Re¬ 
sultat  der  Analyse  durch  die  in  der  Lösung  enthaltenen  Ionen 
ausgedrückt.  Redner  berichtet  über  die  Resultate  solcher  Be¬ 
rechnungen  bei  verschiedenen  Mineralwässern  und  kommt  zu 
dem  Schlüsse,  dass  wir  derzeit  noch  nicht  im  stände  sind,  exakt 
den  Zustand  der  Salze  in  einer  halbwegs  komplizierten  Salz¬ 
lösung  auszudrücken.  Eine  genauere  osmotische  Analyse  der 
Heilquellen  kann  heute  noch  nicht  angestellt  werden.  Aber 
immerhin  hat  die  moderne  physikalisch-chemische  Betrachtungs¬ 
weise  gewisse  Vorzüge.  Es  sind  grösstenteils  die  Ionen,  welche 
die  spezifische  Wirkung  entfalten.  Die  feineren  Unterschiede 
unter  den  einzelnen  Quellen  werden  nur  durch  genaue  osmotische 
Analyse  festzustellen  sein.  Hinsichtlich  der  spezifischen  Wir¬ 
kung  einzelner  Heilquellen  auf  den  Körper  lassen  sich  immerhin 
schon  einige  Tatsachen  zu  Grunde  legen  (vergl.  hiezu-  die  Unter¬ 
suchungen  von  Strauss  -  Berlin  über  die  osmotischen  V  er- 
hältnisse  der  verschiedenen  in  den  Magen  eingeführten  Speisen 
und  Getränke).  Wässer,  welche  rasch  aus  dem  Magen  verschwin¬ 
den,  zeigen  geringe  Gefrierpunktserniedrigung.  Diese  Wässer 
können  den  osmotischen  Druck  der  Ingesta  herabsetzen.  Die 
Bitterwässer  haben  hohen  osmotischen  Druck.  Etir  die  Karls¬ 
bader  Thermen  beträgt  =  0,25 — 0,27.  Elir  die  Untersuchung 
der  warmen,  CO,-haltigen  Wässer  müssen  aber  gewisse  Vorsichts- 
massregeln  eingehalten  werden.  Redner  verweist  hinsichtlich 
der  Wirkung  von  Mineralwässern  bei  Harnkonkrementen  auf  die 
Untersuchungen  von  His  jun.  und  Paul.  Die  Einnahme  von 
doppelkohlensaurem  Natron  kann  nach  physikalisch-chemischen 
Gesichtspunkten  die  Bildung  von  harnsauren  Konkrementen 
nur  noch  mehr  befördern,  während  kohlensaures  Lithion  theo¬ 
retisch  betrachtet  etwas  nützen  kann.  Können  nun  künstliche 
Mineralwässer  dieselben  Erfolge  erzielen  wie  die  natürlichen? 
Diese  Frage  wird  von  Baineologen  und  Klinikern  verneint.  Vom 
physikalisch-chemischen  Standpunkt  aus  kann  gesagt  werden: 
Bei  Untersuchung  sehr  grosser  Mengen  eines  natürlichen 
Mineralwassers  werden  darin  kleine  Mengen  von  Jod,  Arsen  u.  a. 
gefunden,  die  den  künstlichen  Wässern  fehlen.  Es  wäre  möglich, 
dass  diese  Stoffe  die  Wirkung  der  natürlichen  Wässer  mitbedingen 
und  zwar  wäre  hier  auch  die  katalysatorische  Wirkung  dieser 
Stoffe  heran  zu  ziehen.  Man  hat  z.  B.  gefunden,  dass  „Platinsol“, 
eine  kolloidale  Lösung  von  Platin,  schon  bei  enormer  Verdünnung 
einen  chemischen  Vorgang  sehr  stark  beschleunigen  kann.  Etwas 


Aehnliches  käme  hier  in  Frage.  Redner  schloss  seine  mit  leb¬ 
haftem  Beifall  aufgenommenen  Ausführungen  damit,  dass  wohl 
die  physikalische  Chemie  berufen  sei,  die  Brücke  des  Verständ¬ 
nisses  zwischen  der  chemischen  Zusammensetzung  und  den 
wunderbaren  Heilwirkungen  der  Mineralwässer  zu  schlagen. 

Als  3.  Redner  dieser  „Karlsbader  Sitzung“  betrat  Ruff- 
Karlsbad  das  Podium  mit  einer  biographischen  Skizze  über: 
David  Becher,  den  „Karlsbader  Hippokrates“  1725 — 1792. 
D.  Becher,  dessen  Genie  und  Verdienste  spät  anerkannt 
wurden,  ist  ein  Karlsbader  Kind,  der  in  seiner  Vaterstadt,  nach¬ 
dem  er  sich  gründlich  vorgebildet  hatte,  36  Jahre  als  Arzt  wirkte. 
Aus  einzelnen  Bruchstücken  seiner  Werke  erläutert  R.  die  viel¬ 
seitige  Bedeutung  und  Tätigkeit  des  „Karlsbader  Hippokrates“, 
der  diesen  Namen  mit  Recht  trägt.  Becher  nahm  gründliche 
chemische  Untersuchungen  der  Karlsbader  Quellen  vor,  mass 
auf  originelle  Art  die  Menge  der  dem  Sprudel  entströmenden 
Flüssigkeit,  die  Temperatur,  das  spezifische  Gewicht  der  Ther¬ 
men,  Untersuchungen,  die  in  Anbetracht  der  damaligen  Kennt¬ 
nisse  und  Hilfsmittel  bewunderungswürdig  waren.  Er  gab  eine 
Anleitung  zur  Bereitung  des  Karlsbader  Salzes  ohne  Feuerung, 
wies  Eisen  im  Sprudel  nach,  erkannte  das  Vorhandensein  der 
C02,  die  er  als  „elastischen  mineralischen  Geist“  bezeichnete,  be¬ 
schrieb  die  klinische  Wirkung,  die  Indikationen  und  Kontra¬ 
indikationen  der  Quellen,  beobachtete  das  „Pulsieren“  der  Quellen 
auf  Grund  ganz  ähnlicher  Anschauungen,  wie  sie  heute  gelten, 
schlug  zur  Vermeidung  von  Sprudelausbrüchen  Bohrungen  vor. 
Den  Effekt  der  Wässer  prüfte  er  ganz  systematisch  nach  den 
einzelnen  Bestandteilen  derselben,  spottet  über  die  damalige  Be¬ 
hauptung  von  einer  „Versinterung  der  Eingeweide“,  liess  die 
Kranken  zuerst  selbst  an  die  Brunnen  gehen  und  ordinierte  dort, 
was  ihm  sehr  übel  genommen  wurde.  Fasst  man  seine  ganze, 
in  so  vielen  Hinsichten  bedeutende  Persönlichkeit  ins  Auge,  so 
ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  ihm  sein  ehrender  Beiname  vollauf 
gebührt  und  die  Gegenwart  nur  einer  Dankesschuld  genügt,  wenn 
auch  an  dieser  Stelle  D.  Bechers  gedacht  wird. 

Nach  dem  beifällig  auf  genommenen  Vortrag  schloss  der 
Vorsitzende  H  e  u  b  n  e  r  -  Berlin  um  %1  Uhr  die  Sitzung. 

Unter  den  dauernden  Erinnerungen,  welche  die  —  inzwischen 
auf  über  1600  angewachsenen  —  Teilnehmer  der  heurigen  Ver¬ 
sammlung  mit  nach  Hause  bringen  werden,  müssen  an  erster 
Stelle  die  2  prachtvollen  Festschriften  genannt  werden.  Die 
erste  derselben,  in  prächtiger  moderner  Ausstattung  und  einer 
Stärke  von  über  800  Seiten  von  der  Stadt  Karlsbad  ihren  so 
liberal  gepflegten  Gästen  überreicht,  bildet  einen  ausgezeichneten 
geologischen,  historischen,  medizinischen  und  naturwissenschaft¬ 
lichen  Führer  durch  dieses  so  merkwürdig  phänomenreiche  Stück 
Erde  und  dürfte  unter  die  besten  Vertreterinnen  des  genus: 
„Festschriften“  gehören.  Einzelnes  kann  hier  leider  nicht  an¬ 
geführt  werden.  Ein  ebenso  gediegenes  Seitenstück  hierzu  bildet 
die  zweite,  unter  der  Redaktion  von  Pi’of .  Kisch-  Marienbad 
herausgegebene  Festschrift,  welche  eine  Beschreibung  der  an¬ 
deren  böhmischen  Kurorte  (Marienbad,  Franzensbad,  Teplitz- 
Scliönau,  Johannisbad,  Liebwerda,  Bilin,  Giesshiibl,  Sauerbrunn, 
Krondorf,  Neudorf)  den  besuchenden  Aerzten  an  die  Hand  gibt. 

Was  sonst  von  der  Stadt  den  Besuchern  geboten  wird,  ist 
reich,  fast  überreich.  Jede  Dame  rühmt,  wie  vortrefflich  und 
weise  der  waltende  Damen-Ausschuss  alles  arrangiert  hat,  und 
auch  sonst  ist  nur  Lob  und  Anerkennung  zu  hören.  Den  Fest¬ 
vorstellungen  am  Montag  Abend  reihte  sich  am  nächsten  Morgen, 
schon  um  8  Uhr  Früh,  ein  originelles  Frühstück  auf  der  „alten 
Wiese“  an.  Nicht  auf  dem  grünen  Rasen  —  auf  der  alten  Wiese 
wächst  längst  kein  Gräslein  mehr  —  sondern  längs  der  Häuser¬ 
reihe  standen  auf  endlosen  Tischreihen  die  vollkommensten  Er¬ 
zeugnisse  der  Karlsbader  Frühstücksküche,  dargeboten  von  den 
Hausbesitzern  an  der  „alten  Wiese“  und  persönlich  präsentiert 
von  den  freundlichen  Wirtinnen  und  deren  Töchtern.  Das  bei 
dieser  Form  der  „Karlsbader  Diät“  sich  entwickelnde,  von  der 
schönsten  Morgensonne  begnadete  Bild  war  ebenso  originell,  wie 
beweisend  dafür,  dass  die  Mehrzahl  dieser  Forscher  und  Aerzte 
Karlsbad  vorläufig  noch  nicht  nötig  hat,  eine  Beobachtung,  die 
sich  auch  beim  Festessen  im  Stadtpark  als  richtig  erwiesen 
haben  soll. 

Alle  Tage  werden  seitens  der  Stadt,  sowie  von  Mattoni  in 
Giesshiibl  Wagenfahrten  in  die  Umgebung  von  Karlsbad  ar¬ 
rangiert,  die  uns  die  Perlen  derselben  kennen  lernen  lassen  und 


Oktober  1002. 


MTTEN CHENEB  MEDICINTSCHE  W O OHE N S CTTBIET . 


1673 


schon  manche  Sektionssitzung-  magerer  an  Frequenz  gemacht 
haben  müssen,  zugleich  mit  der  stärksten  Bundesgenossin,  un¬ 
serer  uns  immer  noch  treuen  Herbstsonne. 

Hei  Mittwoch  Abend  brachte  das  prächtige  Schauspiel  einer 
allgemeinen  Illumination  der  Stadt  mit  allen  ihren  Brücken, 
Kolonnaden,  Aussiehtstempelchen,  sogar  der  Sprudel  musste 
intermittierend  seine  Farbe  wechseln,  von  der  Höhe  strahlte,  aus 
Hunderten  flimmernder  Lämpchen  gezeichnet,  der  riesige  öster¬ 
reichische  Doppeladler  aus  dem  Schwarz  des  Himmels  auf  die 
Stadt,  herab,  wie  eine  goldgeränderte  Schlange  schien  die  Tepl 
durch  die  Krümmungen  ihres  Bettes  zu  schleichen  —  es  war  in 
der  Tat  ein  eindrucksvolles  Bild.  Gleichzeitig  aber  entwickelte 
sich  das  lebhafteste  Treiben  an  jenen  3  „Prädilektionsstellen«, 
wo  die  Stadt  für  ihre  Gäste  reichbesetzte  und  höchst,  geschmack¬ 
voll  aufgebaute  Buffets  aufgestellt  hatte,  und  aus  Hunderten 
von  Bechern  perlenden  Weines  wurde  der  glänzenden  Gastfreund¬ 
schaft  der  Stadt  Bescheid  getan.  Die  freigebige  Mutter  Erde 
wird  es  wieder  vergelten.  Loebel  Schottländer  aber,  der  alle 
Tage  Hunderte  von  Flaschen  mit  Karlsbader  Wasser  verkorken 
lässt,  muss  mit  Becht  variieren :  „Unsere  Zukunft  liegt  i  n  dem 
Wasser“. 

Das  ganze  Karlsbader  Leben  ist  ein  Schauspiel :  Das 
Treiben  an  den  Kolonnaden  ist  auch  jetzt  am  Ende  der  Saison 
noch  interessant  genug;  die  auch  die  vorzüglichen  Karlsbader 
Quellen  unterstützende  Macht  der  Suggestion  kommt  schon  am 
frühen  Morgen  zum  Vorschein,  wenn  man  um  7  Uhr  im  lang¬ 
samsten  Tempo  herumwandelt,  die  Venusberg-Musik  anhört, 
2  Becher  Mühlbrunn  und  1  Becher  Sprudel  dazu  trinkt  —  und 
das  alles  bei  1 — 2 0  C.  und  ohne  vorheriges  Frühstück !  Man 
macht  es  halt  ebenso  wie  alle,  die  da  wallen,  die  Gelben  und  die 
Blassen,  die  Dünnen  und  die  Dicken,  die  Kurzgeschorenen  und 
die  Langlockigen,  die  Offiziere  und  die  Klosterfrauen,  die  Geist¬ 
lichen  und  die  Lebemänner,  die  Fez-  und  die  Zylinderträger  — 
man  schlürft  seinen  Becher.  Aber  nahe  berühren  sich  gerade 
in  Karlsbad  Kultur  und  Natur.  Wer  des  Abends  bei  sinkender 
Sonne  die  Stadt  im  Bücken  lässt  und,  die  grünen  Teplufer 
hinaufgewandert,  unter  die  breitästigen  Buchen  eintritt,  wo  das 
Keh  ihm  den  Aufwärts-Pfad  kreuzt,  wer  dann  von  der  Höhe 
auf  die  geschäftig  rauschende  Stadt  der  Brunnen  herabsieht, 
wird  sich  als  einer  von  jenen  fühlen,  zu  denen  Goethe  sagt: 

Ihr  Alle  fühlt  geheimes  Wirken 
Der  ewig  waltenden  Natur, 

Fnd  aus  den  untersten  Bezirken 
Schmiegt  sich  herauf  lebend’ge  Spur. 

So  steht  am  Karlsbader  „Sprudel“  zu  lesen. 


3.  Herr  M  i  n  t  z  -  W  arschau :  Tiefsitzende  Divertikel  der 
Speiseröhre. 

Mitteilung  eines  Falles. 

4.  Herr«  W  a  1  k  o  -  Prag:  Zur  Behandlung-  der  Super¬ 
azidität. 

Vortragender  empfiehlt  Olivenöl  in  Dosen  von  150—300  g 
täglich  durch  Schlundsonde  oder  per  os.  Er  hat  nach  mehr¬ 
wöchentlicher  Behandlung  wesentliche  Besserung  und  selbst  Hei¬ 
lung  gesehen.  Keine  Beeinträchtigung  der  Magenverdauung.  Die 
Salzsäureabsclieidung  wird  vermindert  und  verzögert.  Auch  bei 
spastischen  Stenosen  des  Verdauungskanals  hat  sich  ihm  diese 
Behandlungsmethode  bewährt,  ferner  auch  bei  frischem  Ulcus 
ventr.,  wo  das  Oel  einen  Schutz  gegen  die  Aetzwirkung  des  über¬ 
sauren  Magensaftes  bildet.  Das  Oel  ist  dem  Atropin  und  dem 
Natr.  bicarb.  in  diesen  Fällen  weit  überlegen,  die  nur  zum  Er¬ 
sätze  herangezogen  werden  können. 

5.  Herr  Weiss  -  Karlsbad :  Die  physikalischen  Zeichen 
des  Dickdarms  und  ihre  Bedeutung-  für  den  Stoffwechsel. 

Vortragender  behauptet,  dass  der  Dickdarm  des  gesunden 
Menschen  eine  feststehende  Form  habe,  die  er  durch  Palpation 
genau  ermittelte:  Längen-  und  Dickendurchmesser,  Krümmung- 
u.  dgl.  der  einzelnen  Teile  des  Dickdarms.  Mit  der  Formver¬ 
änderung  geht  allemal  eine  Störung  der  Funktion,  eine  Er¬ 
krankung  der  Drüsen  u.  dergl.  einher,  so  dass  Diarrhöen  und 
andere  Dickdarmerkrankungen  durch  die  palpatorische  Diagnose 
von  Formanomalien  zu  erkennen  seien.  Sogar  die  subjektiven 
Beschwerden  der  Kranken  lassen  sich  daraus  erraten. 

6.  Herr  Kumpf-  Millstadt :  Zur  Pathologie  und  Therapie 
der  Enteroptose. 

^  ort  ragender  glaubt  einen  für  Nephroptose  charakteristischen 
Schmerzpunkt  gefunden  zu  haben:  bei  Druck  auf  die  hintere 
Bauchdecke  mit  ausgestreckten  Fingern  in  der  Höhe  einer  Linie, 
die  vom  Nabel  bis  zur  grösstem  Kurvatur  des  Biopenbogens  ge¬ 
zogen  ist.  Vortragender  sieht  die  Nephroptosis  als  einen  Folge¬ 
zustand  der  Senkung  des  Dickdarms  an,  dessen  Verlauf  palpa- 
torisch  genau  festzustellen  ist,  wenn  er  auf  mechanische  Beize 
durch  Kontraktion  reagiert.  K.  hat  die  so  ermittelte  Lage  des 
Kolons  stets  durch  Aufblähung  per  rectum  kontrolliert.  Die 
Nephroptose  hat  er  bei  300  Untersuchungen  von  Lebenden  in 
32  Proz.  gefunden,  immer  häufiger  werdend  mit  dem  Ansteigen 
des  Lebensalters,  Das  letztere  hat  sich  auch  bei  Leichenunter¬ 
suchungen  bestätigt  gefunden,  wo  sich  Nephroptose  in  42  Proz. 
fand..  Nicht  die  Flexura  hepat.  ist  dasjenige  Stück  des  Kolon, 
das  sich  am  häufigsten  senkt,  sondern  das  Mittelstück  des  Quer¬ 
kolons. 


Abteilung  für  innere  Medizin. 

Eeferent :  A 1  b  u  -  Berlin. 

I.  Sitzung. 

1.  Herr  Puchberger  -  Wien :  Bemerkungen  zu  einer 
neuen  Methode  der  Vitalfärbung  der  Blutplättchen  des 
Menschen. 

Vortragender  berichtet  über  die  Ergebnisse  der  Nachprüfung 
der  von  Levaditi  angegebenen  Methode  zur  Darstellung  der 
Blutplättchen  durch  Färbung  mittels  Brillantkresylblau.  Man 
findet  damit  beim  gesunden  Menschen  die  Blutplättchen  teils 
als  runde,  teils  als  eckig  homogene  Körper,  denen  eine  lebhaft 
amöboide  Bewegung  eigen  ist.  Zumeist  enthalten  sie  dunkle 
Granula  im  Zentrum  oder  unregelmässig  verteilt.  Nach  einigen 
Minuten  sieht  man  eine  kompakte,  stark  blau  gefärbte  Masse 
halbmondförmig  sich  abtrennen  von  dem  kugelig  zurückbleiben¬ 
den  hyalinen  Hauptkörper.  Auch  bei  myelogener  Leukämie 
haben  sich  diese  Gebilde  mit  den  gleichen  Eigenschaften  ge¬ 
funden. 

2.  Herr  Käst-  Prag :  Hämatologische  Befunde  in  einem 
Falle  von  Knochenmarkkarzinomatose. 

Nach  einer  Amputatio  penis  wegen  Karzinom  war  eine  mul¬ 
tiple  Metastasenbildung  in  den  inneren  Organen  entstanden, 
welcher  der  Kranke  erlag.  Im  Blute  desselben  fanden  sich  Ver¬ 
änderungen  wie  bei  myelogener  Leukämie.  Die  Sektion  stellte 
auch  zahlreiche  Knochenmarkmetastasen  fest,  welche  augen¬ 
scheinlich  der  Ausgangspunkt  der  auffälligen  Blutveränderung 
waren,  wie  sie  bisher  in  solchem  Falle  nicht  bekannt  sind.  Doch 
hat  sich  aus  dem  Blutbefunde  selbst  mit  Sicherheit  entnehmen 
lassen,  dass  es  sich  um  keine  selbständige  Leukämie  gehandelt  hat. 


7.  Herr  G  oldmann  -  Brenneberg :  Die  Anchylostomiasis. 

Diese  Krankheit  ist  eine  Gefahr  für  den  Bergmannsstand 
!  und  bedeutet  eine  schwere  wirtschaftliche  Schädigung.  Vor¬ 
tragender  demonstriert  photographische  Abbildungen  der  Ent- 
j  wickelungsstadien  des  Parasiten  vom  Ei  bis  zum  ausgebildeten 
Wurm.  Ein  Zwischenträger  ist  bisher  noch  nicht  bekannt.  Die 
Infektion  erfolgt,  in  der  Grube  durch  die  Luft  auf  dem  Wege 
des  Verdauungskanals.  Vortragendem  ist  es  gelungen,  in  seinem 
Bezirk  die  Morbidität  von  80  auf  12  Proz.  herabzudrücken.  Pro¬ 
phylaktisch  empfehlen  sich  folgende  Massregeln :  Uebertünchung 
der  Holzzimmerung  in  den  Gruben  mit  Kalkwasser,  Verbot  des 
Essens  in  den  Gruben,  Wechsel  der  Kleider  und  Baden  nach  Ver¬ 
lassen  derselben,  Auf  fangen  und  sofortige  Desinfektion  der 
Fäzes.  Therapeutisch  rät  Vortragender  zu  Extr.  fil.  mar.  bis  zu 
15  g,  auch  Thymol  bewährt  sich  sehr.  Wichtig-  ist  eine  Vorkur 
mit  Ivalomel,  Nachkur  mit  Terpentinöl,  um  das  erneute  An¬ 
setzen  des  abgetriebenen  Wurmes  zu  verhüten. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

I.  Sitzung. 

Vorsitzender :  Wölfl  er  -  Prag;. 

1.  Herr  Kuhn -Kassel:  Ueber  pulmonale  Narkose. 

Vortragender  betont  zunächst,  dass  noch  lange  nicht  Auf-, 
merksamkeit  genpg  darauf  verwandt  worden  ist,  wie  und  wo  das 
Narkotikum  zu  den  Nervenzentren  gelangt,  macht  darauf  auf¬ 
merksam,  wie  bei  direkter  Einführung  des  Narkotikums  in  die 
Lunge  durch  die  Tracheotomiewunde  (Trendelenburg)  die 
Narkose  auffällig  ruhig  verläuft  und  empfiehlt  dann  die  durch 
Tubage  direkt  in  die  Lunge  geleitete  perorale  und  per¬ 
nasale  Narkose,  deren  Vorzüge  absolute  Buhe,  wenig  Chloro- 


1074 


No.  40. 


MUENOIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


form,  schnelles  Wiedcreinschlafen  bei  unterbrochener  Narkose 
sind.  Hie  Gefahr  der  Ueberdosierung  ist  gering.  Würgen  und 
Erbrechen  fällt  fort,  Spasmus  glottidis  ist  nicht  möglich,  Aspira¬ 
tion  von  Schleim  ist  nicht  zu  fürchten.  Redner  boschreibt  noch 
die  üblichen  Narkosenmethoden,  die  eventuellen  Hilfsmittel  bei 
Asphyxien,  künstliche  Athmung,  Sauerstoff  etc. 

2.  Derselbe:  Kein  Würgen  und  Erbrechen  bei  Nar¬ 
kosen  und  Laparotomien. 

3.  Herr  Neugebauer  -  Mähr.-Ostrau :  Erfahrungen 
über  Medullarnarkose. 

N.  hat  sogar,  mit  kleinsten  Dosen  und  sorgfältigster  Sterili¬ 
sation  des  Tropakokain  und  der  Instrumente  alle  die  be¬ 
kannten,  unter  Umständen  sehr  ängstlichen  Intoxikationserschei¬ 
nungen  erlebt  und  ist  bei  seinen  Studien  über  die  Ursachen  der¬ 
selben  zu  dem  »Schlüsse  gelangt,  dass  sie  nur  für  die  Operationen 
an  den  unteren  Extremitäten,  wo  allgemeine  Narkose  nicht  gut 
angeht,  Anwendung  finden  sollte,  wenn  langdauernde  und  tiefe 
Narkose  notwendig  ist. 

4.  Herr  Schultze  - Duisburg:  Beiträge  zur  Sterilisation. 

Demonstration  von  Gläsern  für  die  Sterilisation  von  Seide 
und  eines  aseptischen  Irrigators. 

5.  Herr  Borchard  - Posen :  Seltenere  Folgezustände 
nach  schweren  Schädelverletzungen. 

R.  hat  nach  diesen  Verletzungen  in  einem  Falle  1,5  Proz. 
Zucker  und  1,2  Proz.  Eiweiss  gefunden,  die  nach  12  Stunden 
schwanden,  12  Stunden  später  Blutkörperchen  und  Zylinder 
im  Urin.  In  einem  zweiten  Fall,  der  zu  Grunde  ging,  ähnlicher 
Befund.  Die  Sektion  ergab  im  4.  Ventrikel  nichts,  dagegen 
Trübungen  in  den  Glomeruli  und  geraden  Harnkanälchen. .  Vor¬ 
tragender  beleuchtet  die  einfache,  nach  Schädelverletzungen  so¬ 
fort  auftretende  Glykosurie  und  dann  die  mit  Albuminurie  ver¬ 
gesellschaftete,  die  in  der  Schädigung  der  Nieren  ihren  Grund 
hat,  nicht  den  geringsten  Zusammenhang  mit  Diabetes  hat,  son¬ 
dern  auf  Zirkulationsstörungen  in  den  Nieren  basiert.  Auch 
darf  deshalb  ein  später  auftretender  Diabetes  durchaus  nicht 
auf  die  Verletzung  zurückgeführt  werden.  Ein  Versuch  alimen¬ 
tärer  Glykosurie  fiel  auch  bei  seinem  Fall  negativ  aus. 

6.  Herr  v.  Hacker  - Innsbruck :  Ersatz  von  Schädel¬ 
defekten  durch  unter  der  Kopfschwarte  verschobene  oder 
umgeklappte  Periostknochenlappen. 

Gestielte  Lappen,  die  mit  der  Periostfläche  auf  den  Defekt 
gelegt  werden.  Seine  Resultate  sind  sehr  günstige  gewesen.  V or¬ 
tragender  gibt  einen  Rückblick  über  die  bisher  üblichen  osteo¬ 
plastischen  Knochenoperationen  von  Ollier,  J.  Wolff, 
v.  Langenbeck,  Rydygier,  Bier,  Müller,  König 
etc.  Er  kommt  dann  auf  die  Bart  lisch  en  Untersuchungen  zu 
sprechen,  die  nach  seiner  Ansicht  mit  Vorsicht  auf  den  er¬ 
wachsenen  Menschen  anzuwenden  sind,  und  beschreibt  dann  die 
Technik  seiner  „subaponeurotischen  Osteoplastik“.  , 

7.  Herr  Springer  - Prag :  lieber  Operationsresultate  bei 
Hasenscharte  und  Wolfsrachen.  (Mit  Demonstration.) 

Bericht  über  53  Fälle  aus  dem  Franz  Josef -Kinderspital  in 
Prag.  Sie  operieren  Gaumenspalten  nicht  mehr  im  ersten 
Lebensjahre  wegen  der  nicht  zu  vermeidenden  Enteritiden, 
Llasenscharten  nicht  vor  dem  6.  Monat.  Von  31  rezidivierten 
Fällen  kein  Todesfall,  8  nicht  geheilte  Fälle.  Das  kosmetische 
Resultat  ging  nicht  immer  mit  dem  funktionellen  Hand  in  Hand. 
Nicht  ganz  geheilte  Kinder  sprechen  oft  besser  als  ideal  geheilte. 
Dem  sogen,  „gothischen  Gaumen“  glaubt  er  nicht  viel  Gewicht 
in  Bezug  auf  schlechtes  funktionelles  Resultat  beilegen  zu  sollen. 

8.  Herr  Länderer  -  Stuttgart :  Operative  Behandlung 
der  Lungentuberkulose. 

Die  Erfahrung,  bei  Empyemen  durch  Thorakoplastik  bessere 
mechanische  Verhältnisse  zu  schaffen,  hat  ihn  nach  dem  Vor¬ 
gänge  von  Spengler  etc.  auf  den  Gedanken  gebracht,  auch  die 
tuberkulösen  Lungenabszesse  und  Kavernen  durch  Thorax¬ 
resektion  zu  bessern.  6  Fälle  hat  er  so  operiert  mit  teilweise  sehr 
gutem  Resultat.  In  Bezug  auf  die  Technik  will  er  nur  vor  der 
Stelle  der  grossen  Gefässe  und  des  Herzens  warnen,  weil  man 
hier  stets  eine  pulsierende  Narbe  bekommt.  Tuberkulöse  Ge¬ 
webe  soll  man  so  wenig  als  möglich  berühren  wegen  der  Gefahr 
der  Miliartuberkulose.  Was  die  Wahl  der  Fälle  anlangt,  so 
werden  stationäre  Fälle  natürlich  bessere  Resultate  geben  als 
die  akuten.  Die  Unterlappentuberkulosen,  die  für  die  innere 
Therapie  wohl  die  schlechtesten  sind,  empfehlen  sich  dadurch 
besonders  zur  Operation. 


Zum  Schlüsse  macht  er  noch  einmal  darauf  aufmerksam, 
dass  der  Grund  der  mangelnden  Heilung  fast  aller  tuberkulösen 
Prozesse,  der  Lungen-  und  Gelenkaffektionen  in  der  Unmöglich¬ 
keit  oder  schlechten  Disposition  zur  Narbenschrumpfung  zu 
suchen  ist.  Man  sehe  dies  häufig  bei  der  Coxitis,  die  dann 
plötzlich  heile,  allerdings  mit  Verkrümmung,  wenn  durch  Epi¬ 
physenlösung  oder  Spontanluxätion  die  Narbenschrumpfung  er¬ 
möglicht  ist. 

9.  Herr  Wisshaupt  -  Teplitz- Schön  au  berichtet  über 
einen  Fall  von  Riesenwuchs  der  Mamma  in  der  Gravidität, 

der  durch  Ablation  der  Mamma  geheilt  wurde.  Demonstration 
der  Photographien.  Die  amputierten  Mammae  wogen  5800  und 
6700  Gramm. 

10.  Herr  Preindlsberger-  Serajewo :  Weitere  Mit¬ 
teilungen  über  Lithiasis  in  Bosnien. 

Sie  betrifft  vorwiegend  die  jugendliche  und  christliche  Be¬ 
völkerung.  Die  Beobachtungen  haben  sich  in  den  letzten 
2  Jahren  um  95  Fälle  vermehrt.  Vortr.  zeigt  die  Präparate,  die 
Reproduktionen  der  Steine  in  prachtvollen  Aquarellen  und  die 
Instrumente,  welche  die  dortigen  „Stein¬ 
schneider“  gebrauchen. 

11.  Derselbe:  lieber  Steinoperationen. 

P.  berichtet,  dass  im  Orient  anders  als  im  Occident  die 
Lithotripsie  schon  bei  Kindern  sehr  häufig  angewendet  wird, 
weil  die  äusseren  Genitalorgane  dort  schon  derartig  entwickelt 
sind,  dass  z.  B.  bei  einem  14  jährigen  Individuum  der  grösste, 
für  Erwachsene  bestimmte  Lithotripter  angewendet  werden 
konnte.  Er  hat  bei  135  Kindern  93  mal  die  Sectio  alta,  in  den 
übrigen  Fällen  die  Lithotripsie  gemacht.  In  einigen  Fällen 
musste  er  der  Lithotripsie  die  Sectio  alta  oder  Urethrotomia 
externa  anschliessen. 

Unter  den  Präparaten  ist  ein  durch  Sectio  alta  gewonnenes 
hervorzuheben,  welches  eine  Spontanzertrümmerung  eines  zirka 
hühnereigrossen  Steines  darstellt.  P.  macht  auf  die  dabei  an¬ 
genommene  Sprengwirkung  der  Bakterien  und  ihrer  Produkte 
aufmerksam. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Referent :  Dr.  Edmund  Falk-  Berlin. 

I.  Sitzung:  22.  September  (Nachmittags). 

Vorsitzender :  W.  A.  Freund  -  Strassburg. 

Seil  heim-  Freiburg  i.  B. :  Diagnose  und  Behandlung 
der  Genitaltuberkulose. 

Indizien,  welche  die  tuberkulöse  Natur  entzündlicher  Pro¬ 
zesse  im  weiblichen  Becken  oft  sehr  wahrscheinlich 
machen,  sind  die  Erkrankung  nahestehender  Angehöriger,  mit 
welchen  die  betreffenden  Individuen  zusammenlebten,  und  der 
Nachweis  der  Tuberkulose  in  anderen  Organen.  Mit  multiplen 
Bildungsfehlern  behaftete  Personen  sind  häufig  tuberkulös;  der 
umgekehrte  Schluss,  dass  ein  in  seiner  Aetiologie  dunkler  Ent¬ 
zündungsprozess  in  den  Genitalien  wegen  der  gleichzeitig  am 
Körper  vorhandenen,  vielfachen  anatomischen  und  physio¬ 
logischen  Bildungsfehler  für  Tuberkulose  sehr  verdächtig  sei, 
bestätigte  sich  bei  operativen  Eingriffen  vielfach.  Sicher¬ 
heit  in  der  Diagnose  bringt  die  lokale  Untersuchung. 
Ausser  den  bei  der  Exploration  des  Abdomens  schon  auf¬ 
fallenden  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  wird  der  Haupt¬ 
wert  auf  den  Nachweis  der  mit  der  Genitaltuberkulose  fast  regel¬ 
mässig  zusammen  vorkommenden  Beckenbauchfell¬ 
tuberkulose  gelegt,  der  sich  durch  die  von  ILegar  ange¬ 
gebenen,  für  Tuberkulose  fast  pathognomonischen  Knötchen  bei 
der  inneren  Untersuchung  mit  grosser  Sicherheit  erbringen 
lässt.  Diese  Knötchen  finden  sich  vor  allem  an  der  hinteren 
Fläche  der  Ligamenta  lata,  der  Ligamenta  sacro-uterina  und  der 
hinteren  Fläche  des  Uterus.  Eine  sehr  ausgesprochene  Rosen¬ 
kranzform  der  Tube  besonders  mit  sehr  harter  Konsistenz  der 
Knoten  findet  sich  bei  der  Tuberkulose  häufig.  Die  Anwesenheit 
eines  Knotens  in  der  Pars  uterina  ist  ein  zuverlässiges  Zeichen 
für  die  tuberkulöse  Erkrankung.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  der  Uterusschleimhaut  ist  bei  Tuberkulose  der 
Tuben  und  des  Beckenbauchfells  immer  nötig.  Ausser  seinem 
diagnostischen  Wort  ist  der  Nachweis  der  Uterustuberkulose 
auch  im  stände,  die  Prognose  und  Therapie  zu  modifizieren. 
Unter  Anwendung  dieser  Mittel  hält  Vortr.  die  Diagnose 
einer  tuberkulösen  Erkrankung  der  weiblichen 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1675 


Genitalien  in  den  meisten  Fällen  für  möglich, 
im  Gegensatz  zu  den  aus  anderen  Kliniken  ge- 
äusserten  M  e  i  n  u  n  g  e  n.  —  Nach  Erörterung  der  In¬ 
dikationen  für  ein  palliatives  oder  operatives  Eingreifen  werden 
die  t  h  e  i  apeutischen  Erfolge  an  der  Hand  von  N  acli- 
untei  suchungen  über  65  in  den  letzten  8  Jahren  in  der 
Freiburger  Frauenklinik  behandelte  tuberkulöse  Personen  ge¬ 
prüft.  ^  Der  Erfolg  der  palliativen  Behandlung,  die 
in  28  1  allen  durchgeführt  wurde,  war  sowohl  in  Bezug'  auf  das 
\  erschwinden  der  Beschwerden,  auf  die  Wiedererlangung  der 
Arbeitsfähigkeit  und  in  Bezug  auf  den  Eintritt  einer  relativen 
Ausheilung  der  erkrankten  Organe  zufriedenstellend.  Von  den 
37  operativ  behandelten  Fällen  war  bei  den  nach¬ 
untersuchten  I  rauen  das  Resultat  ebenfalls  gut.  Am  besten 
waren  die  radikal  Operierten  daran.  Es  wird  daher,  wenn 
man  einmal  gezwungen  ist,  zu  operieren,  die 
Entfernung  der  erkrankten  Adnexe  samt 
Uterus  m  ittels  abdominaler  K  ö  1  i  o  t  o  m  i  e  an- 
zustreben  sein.  Diese  günstigen  Erfolge  stimmen  mit  den 
Erfahrungen  überein,  die  man  bei  tuberkulösen  Herden  an  an¬ 
deren  Körperteilen  gemacht  hat,  wenn  man  dieselben  mit  dem 
Messer  wie  eine  bösartige  Geschwulst  entfernte. 

Herr  W  internitz  -  Tübingen-Stuttgart  demonstriert  ein 
plastisches  Modell  zur  Erläuterung  des  fötalen  Kreislaufes.  Das¬ 
selbe  besteht  in  einem  fötalen  Herzen  von  5— 6  facher  Vergrösse- 
nmg,  an  dem  die  Hauptunterschiede  zwischen  fötalem  und  extra¬ 
uterinem  Kreislauf  gezeigt  werden  können:  Die  Kommunikation 
zwischen  rechtem  und  linkem  Vorhof  durch  das  Foramen  ovale, 
die  Valvula  Eustachii  und  der  Ductus  arteriosus  Botalli.  Das 
Modell  ist  so  auf  einem  Gestell  angebracht,  dass  es  während  der 
Demonstration  leicht  um  die  senkrechte  Achse  gedreht  werden 
kann.  W.  wurde  veranlasst,  dieses  Modell  anzufertigen,  weil  er 
bei  den  Vorlesungen  über  theoretische  Geburtshilfe  die  Erfahrung 
gemacht  hat,  dass  die  Hilfsmittel  zur  Demonstration  des  fötalen 
Kreislaufes  lückenhaft  sind,  und  dass  die  Abbildungen  allein  zur 
Klärung  dieser  schwer  verständlichen  Verhältnisse  nicht  voll¬ 
ständig  ausreichen.  Die  Vervielfältigung  des  Modelles  „Fötales 
Herz"  hat  das  Medizinische  Warenhaus  in  Berlin  übernommen. 

Eisenberg  -  Wien :  Beiträge  zur  konservativen  Be¬ 
handlung  der  Frauenkrankheiten. 

Flach  den  gewaltigen  Erfolgen  der  operativen  Gynäkologie, 
welche  vielfach  zu  einer  zu  weiten  Ausdehnung  der  Indikations¬ 
stellung  für  operative  Eingriffe  führte,  gewinnt  in  der  letzten  Zeit 
die  konservative  Behandlung  der  gynäkologischen  Erkrankungen 
die  ihr  gebührende  Beachtung.  So  schränkte  die  Vaporisation  der 
Uterusschleimhaut  vielfach  die  Indikationsstellung  für  die  Total¬ 
exstirpation  ein.  Bei  chronisch  entzündlichen  Prozessen  im  kleinen 
Becken  sind  nach  Ansicht  von  Eisenberg  prolongierte,  heisse 
Ausspülungen  —  er  lässt  30 — 40  Liter  möglichst  heisses  Wasser 
verwenden  für  vaginale  und  rektale  Ausspülungen  —  im  stände, 
die  Resorption  von  Exsudaten  herbeizuführen,  und  zwar  sowohl 
extra-,  als  auch  intraperitonealer  Exsudate.  Das  Exsudat  darf 
jedoch  nicht  frisch  sein,  Fieber  darf  nicht  bestehen,  falls  un¬ 
angenehme  Nebenerscheinungen  vermieden  werden  sollen.  Zur 
L  nterscheidung,  ob  ein  Exsudat  alt  ist,  ist  die  Untersuchung  des 
Blutes  auf  seinen  Leukocytengehalt  von  Wichtigkeit,  da  bei 
frischen  Exsudaten  eine  Vermehrung  der  Leukocyten  nachweisbar 
ist;  besteht  diese,  so  ist  von  der  Heisswasserdusche  Abstand  zu 
nehmen.  Die  besten  Resultate  geben  die  postpuerperalen  Eiter¬ 
ansammlungen,  aber  auch  selbst  bei  perityphlitischen  Exsudaten 
kann  die  Behandlung  mit  Erfolg  angewendet  werden;  ein  sehr 
grosses  perityphlitisches  Exsudat  gelangte  bei  dieser  Behandlung 
zur  Resorption. 

Bei  chronischen  Adnexerkrankungen  kann  man  gleichfalls 
gute  Resultate  erzielen,  falls  im  Eileiter  sich  keine  Flüssigkeits¬ 
ansammlung  findet.  Ist  Eiter  im  Eileiter  vorhanden,  so  kann  die 
Anwendung  der  Heisswasserdusche  Gefahr  bringen,  Fieber, 
Schmerzen  können  wieder  eintreten,  neue  Exsudate  sich  bilden. 
Das  Vorhandensein  einer  Pyosalpinx  bildet  also  eine  Kontra¬ 
indikation  für  die  Anwendung-  der  vaginalen  prolongierten  Aus¬ 
spülungen.  Hingegen  sieht  man  gute  Resultate  bei  chronischer 
Oophoritis,  Perioophoritis,  Salpingitis.  Besonders  deutlich  ist  die 
Besserung  der  subjektiven  Beschwerden.  Bei  chronischer  Peri¬ 
metritis  und  Parametritis,  sowie  bei  der  Retroflexio  fixata  ist  die 
vaginale  Dusche  ein  gutes  Vorbereitungsmittel  für  die  Massage¬ 
behandlung.  Eine  grosse  Anzahl  von  Fällen  lässt  sich  so 
schneller  bessern,  als  durch  die  operative  Behandlung.  Anatomisch 
werden  die  Frauen  nicht  geheilt,  aber  sie  werden  beschwerdefrei. 
Die  Zeitdauer  der  Ausspülung  beträgt  zwischen  10 — 25  Minuten. 


Abteilung1  für  Kinderheilkunde. 

Referent :  Privatdozent  Dr.  B.  B  e  n  d  i  x  -  Berlin. 

I.  Sitzung  Montag  den  22.  September  1902,  Nachmittags  3  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  Dr.  S  t  r  a  n  z  -  Karlsbad. 

1.  Herr  F.  Siege  r  t  -  Strassburg:  Ueber  die  Ernährungs¬ 
therapie  des  kranken  Säuglings. 

Gegenüber,  resp.  neben  dem  ganz  allgemein  bisher  herr¬ 
schenden  Prinzip,  dieNah  rungdeskrank  enSäug- 
lings  stets  adäquat  zu  gestalten  dem  jeweili¬ 
gen  Stande  der  Leistung  seiner  Verdauungs- 
d  i  ü  s  e  n,  empfiehlt  8  i  eg  er  t  das  andere,  bisher  noch 
nicht  systematisch  angewendete  und  noch  wenig'  ausgebaute 
Prinzip,  durch  Beibehaltung  der  unveränderten  Nahrung  den 
spezifischen  physiologischen  Reiz  aller  Verdauungsdrüsen  unver¬ 
ändert  beizubehalten,  sowie  durch  Verwendung  von  Erregern  der¬ 
selben  und  von  Fermenten  der  Verdauung  als  Zusatz  oder  bei 
der  Vorbereitung  der  Nahrung  die  Verdauungsarbeit 
adäquat  zu  gestalten  der  normalen,  unver¬ 
änderten  Nahrung. 

Nach  eingehender  Berücksichtigung  des  modernen  Standes 
der  Physiologie  der  Verdauung  mit  spezieller  Rücksicht  auf  die 
Errungenschaften  der  letzten  Jahre  und  unter  Zurückweisung 
einiger  irrtümlicher  Anschauungen  über  die  Mechanik  der  Ver¬ 
dauung  betont  \  ortragender  die  Notwendigkeit  der  physio¬ 
logischen  Reizung  der  Verdauungsdrüsen  und  die  Möglichkeit 
ihrer  Unterstützung  durch  systematische  Verwendung  der  vom 
Magen,  wie  Pankreas  gelieferten  Sekrete  als  Zusatz  zur  Nahrung 
—  Salzsäure,  Pepsin,  Pankreasextrakte  — ,  resp.  zu  deren  Vor¬ 
bereitung  Labferment,  Pegnin.  Auch  die  erregende  Bedeutung 
der  Säure  auf  die  Tätigkeit  der  Dünndarmverdauung,  ferner  des 
Fleischextraktes,  der  dextrinierten  Mehle,  wird  noch  nicht  ge¬ 
nügend  gewürdigt.  Durch  genaue  Ueberwachung  der  Verdau¬ 
ungsstörungen  auf  Grund  der  zuerst  von  Biedert  angeregten 
1  äzesuntersuchung  erhalten  wir  die  Indikationen  zur  Verwen¬ 
dung  der  Sekretionserreger  und  Regulatoren,  wie  sie  an  ein  paar 
praktischen  Beispielen  illustriert  werden. 

Aber  zur  vollen  Leistung  der  physiologischen  Therapie  der 
Verdauungsstörungen  bedarf  es  noch  eingehender  Untersuchungen 
der  Physiologie  und  Pathologie  der  Verdauung  des  saugenden 
Tieres  und  des  Säuglings. 

2.  Herr  Schlössmann  - Dresden :  Ueber  Technik  und 
Bedeutung  kalorimetrischer  Bestimmungen  bei  der  Ernährung 
von  Kindern. 

Die  kalorimetrische  Untersuchungsmethode,  deren  Bedeutung 
wohl  im  allgemeinen  genügend  gewürdigt  wird,  hat  sich  in  der 
Praxis  noch  wenig  Eingang  zu  verschaffen  gewusst,  obschon  der 
Arzt  heute  gewohnt  ist,  mit  Methoden  zu  arbeiten,  die  mindestens 
die  gleichen  technischen  Fertigkeiten  erfordern.  Hieran  mag 
zum  Teil  die  Kompliziertheit,  vielleicht  auch  der  hohe  Preis 
schuld  sein,  den  die  kalorimetrischen  Bestimmungsapparate 
zeigten.  Neuerdings  haben  wir  jedoch  in  dem  H  e  mp  el  sehen 
Apparat  einen  solchen  kennen  gelernt,  bei  dem  alle  diese  Ein¬ 
wände  und  Hinderungsgründe  hinfällig  werden. 

Es  wird  der  komplette,  etwa  250  Mark  kostende  Apparat  ein¬ 
gehend  beschrieben  und  dargelegt ,  wie  die  einzelnen  zur  Ver¬ 
brennung  kommenden  Nahrungsmittel  oder  Ausscheidungsstoffe 
des  Körpers  hiezu  vorbereitet  werden.  Vor  allem  sind  umfassende 
Untersuchungen  über  die  Milch  gemacht  worden.  Es  wurden 
dabei  folgende  W erte  gefunden : 

1  g  Milchzucker .  3,862, 

1  g  Kuhmilchfett .  9,246, 

1  g  Frauenmilchfett  ....  9,392. 

Der  N  der  Kuhmilch  ergibt  pro  Gramm  einen  Wärmefnktor 
von  3879,  d.  li.  diejenige  Menge  N-haltige  Substanz  der  Kuhmilch, 
die  gerade  1  g  Stickstoff  enthält,  gibt  3979  Kalorien.  Während 
dieser  Wert  für  die  Kuhmilch  feststeht,  ergeben  die  Frauenmilch¬ 
stickstoffbestimmungen  etwas  schwankendere  Werte.  Es  findet 
sich  jedoch  hier  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  ein  Faktor  von  41,6. 
Aus  diesen  Zahlen  ergibt  sich,  dass  1  g  Frauenmilcheiweiss  etwa 
6,55  Kalorien  haben  würde.  Dieser  Wert  ist  entschieden  zu  hoch, 
und  erscheint  liienach  die  Camerer sehe  Annahme,  dass  sich 
in  der  Frauenmilch  noch  unbekannte  Substanzen  finden,  die  sehr 
stickstoffarm  sind,  von  neuem  gestützt.  Was  den  Brennwert  der 
Frauenmilch  anbetrifft,  so  schwanken  unsere  Untersuchungen 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1676 

zwischen  876  und  567  Kolorien,  die  erstere  Milch  hatte  5,1  Proz., 
die  letztere  1,6  Proz.  Fettgehalt. 

Zum  Schluss  wird  auf  einen  umfassenden  Stoff-  und  Kraft¬ 
wechselversuch  hingewiesen,  bei  dem  ein  6  Monate  altes  Kind 
je  5  Tage  mit  verdünnter  Sahne,  Frauenmilch,  Buttermilch  und 
Buttermilch  mit  Sahne  ernährt  wurde.  Bei  diesem  Versuche 
findet  man  die  Tatsache,  dass  der  kindliche  Organismus  auch 
ganz  gewaltige  Mengen  von  Eiweiss,  wenn  dasselbe  nur  in  einer 
leicht  verdaulichen  Form,  wie  in  der  Buttermilch,  gereicht  wird, 
verdaut.  Auch  zeigt  sich,  dass  der  kalorimetrische  Nutzeffekt 
bei  der  Buttermilchernährung  sogar  noch  ein  grösserer  ist,  als 
bei  der  Ernährung  mit  Frauenmilch,  indem  von  dem  letzteren 
Falle  von  2700  eingeführten  Kalorien  sich  221,  im  ersteren  Falle 
von  2985  nur  155  Kalorien  im  Stuhl  wiederfanden.  Entsprechend 
ist  die  Zunahme  150,  bezw.  210  g. 

3.  Herr  Hecker:  Die  sogen.  Abhärtung  der  Kinder. 

JDie  heute  besonders  in  gebildeten  Kreisen  sehr  verbreitete 
Art,  Kinder  mittels  verschiedener  Kaltwasserprozeduren  „syste¬ 
matisch“  abzuhärten,  ist  nicht  nur  unzweckmässig,  sondern  viel¬ 
fach  direkt  gesundheitsschädlich.  Vortragender  erhärtet  das 
durch  eine  Reihe  von  Fällen,  in  denen  Kinder  mit  schweren 
Anämien,  Bronchialkatarrhen,  Pneumonien,  Darm-  und  nervösen 
Affektionen  lediglich  durch  Sistierung  der  Kaltwasserprozedur 
vollständig  geheilt  wurden.  Um  ein  besseres  Urteil  über  Wert 
und  Unwert  derartiger  Abhärtungen  zu  gewinnen,  stellte  Vor¬ 
tragender  Nachforschungen  an  50  Kindern  seiner  Klientel  an. 

Von  diesen  50  waren  25  im  1.  Lebensjahre,  7  nach  dem 

1.  Lebensjahre  und  18  gar  nicht  systematisch  abgehärtet.  Vor¬ 
tragender  unterscheidet  zwischen  mild  Abgehärteten 
(nimmt  täglich  Waschung,  kühles  Bad  oder  Abreibung)  und 
streng  Abgehärteten  (kalte  Uebergiessung  oder  Kalt¬ 
wasserprozedur  mehr  als  einmal  täglich). 

1.  Wirkung  der  Abhärtung  auf  die  Dis¬ 
position  zu  Erkältungskrankheiten:  Von  16  nicht 
Abgehärteten  waren  5  =  31  Proz.,  von  13  mild  Abgehärteten 
5  =  38  Proz.,  von  21  streng  Abgehärteten  13  =  62  Proz.  aus¬ 
gesprochen  empfänglich  für  Erkältungen. 

Auffallender  ist  das  Verhältnis  noch  bei  Säuglingen.  Von 
15  streng  abgehärteten  Säuglingen  waren  11  =  73  Proz.  em¬ 
pfänglich. 

2.  Wirkung  auf  das  Nervensystem.  Bei  milder 
Abhärtung  3  mal  günstige  und  4  mal  ungünstige,  bei  strenger 
Abhärtung  4  mal  günstige  und  8  mal  ungünstige  Wirkung. 

3.  Wirkung  auf  die  Psyche.  Von  15  streng  ab¬ 
gehärteten  über  2  Jahren  waren  7  abnorm  reizbare,  nervöse 
Kinder;  unter  den  nicht  Abgehärteten  war  keines  übertrieben 
lebhaft  oder  abnorm  reizbar. 

4.  Einfluss  auf  den  allgemeinen  Gesund¬ 
heitszustand  und  die  allgemeine  Krankheits- 
d  i  s  p  o  s  i  t  i  o.  n.  Von  15  nicht  Abgehärteten  blieben 
8  =  53  Proz.  in  dem  ersten  Lebensjahre  vollständig  gesund,  von 

13  mild  Abgehärteten  7  =  53  Proz.,  wogegen  von  21  streng  Ab¬ 
gehärteten  nur  4  =  19  Proz.  als  gesunde  Kinder  sich  entwickelten, 

14  davon  =  66  Proz.  machten  schwere  Erkrankungen  durch  und 
blieben  richtige  Sorgenkinder. 

5.  Abhärtung  und  adenoide  Vegetationen. 
Adenoide  Vegetationen  finden  sich 

bei  nicht  Abgehärteten  in  20  Proz., 
bei  mild  Abgehärteten  in  30  Proz., 
bei  streng  Abgehärteten  in  40  Proz. 

der  Fälle. 

Die  übertriebene  Abhärtung  kann  zu  schweren  Schädigungen 
führen  und  zwar  findet  man  schwere  Anämien,  Erkrankungen  des 
Gesamtnervensystems,  wie  Neurasthenie,  Anorexie,  Clamor  noc- 
turnus,  psychische  Reizbarkeit,  Veränderung  des  Charakters  etc. 
Sie  gewährt  nicht  nur  keinen  Schutz  vor  Erkältungen,  sondern 
erhöht  sogar  die  Disposition  hiezu;  sie  führt  zu  allen  möglichen 
chronischen  Darmerkrankungen  und  bewirkt  bei  interkurrenten 
.  Krankheiten  einen  schweren  Verlauf  derselben. 

Körperliche  Abhärtung  ist  notwendig,  nur  geschehe  sie  durch 
natürliche  adäquate  Mittel,  welche  wirklich  geeignet  sind,  die 
Widerstandskraft  gegenüber  Unbilden  des  Klimas  zu  erhöhen. 

Solche  Mittel  sind  nicht  die  sportartig  betriebenen  kalten 
Güsse  und  Waschungen  etc.,  sondern  in  erster  Linie  Luft  (keine 


Schlafsäcke,  Blossliegenlassen,  Nackt-  und  Barfusslaufen  etc.), 
ferner  richtig  angepasste  Kleidung,  Wasser  nicht  kälter  und  nicht 
häufiger,  als  es  sich  mit  dem  Wohlbefinden  verträgt. 

Jede  Abhärtung  erfolge  allmählich  und  unter  sorgsamster 
Beobachtung  der  Individualität  des  Kindes.  Kein  Abhärtungs¬ 
schema!  Säuglinge  sind  überhaupt  nicht  abzuhärten,  sondern 
warm  zu  halten. 

Anämische  und  nervöse  Kinder  dürfen  nicht  im  gewöhn¬ 
lichen  Sinne  „abgehärtet“  werden. 

4.  Herr  J.  Comby  - Paris :  Die  interne  Behandlung  der 
tuberkulösen  Peritonitis. 

Comby  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  ein  grosser  Teil  von 
Fällen  von  Peritonitis  tuberculosa  des  Kindes-  und  J  ünglings- 
alters  durch  hygienische  und  medikamentöse  Massnahmen  heil¬ 
bar  ist.  Die  Faktoren,  welche  die  interne  Behandlung  der  Peri¬ 
tonitis  tuberculosa  ausmachen,  setzen  sich  zusammen  aus :  abso¬ 
luter  Bettruhe,  wochen-  und  monatelang,  Sorge  für  frische  Luft 
und  Sonnenlicht  (offene  Fenster,  nach  Süden  gelegene  Zimmer, 
bei  gutem  Wetter  Aufenthalt  im  Freien  in  portativen  Betten 
oder  besonderen  Krankenwagen),  Berücksichtigung  der  Diät 
(Milch,  Eier,  rohes  Fleisch,  Fleischsaft,  Gemüsepuree,  Aufenthalt 
auf  dem  Lande,  an  der  See  (auch  im  Winter).  Von  medikamen¬ 
tösen  Mitteln  kommen  in  Betracht:  Lebertran  mit  oder  ohne 
Kreosot,  Glyzerin,  phosphorsaurer  Kalk ;  ferner  ausserdem 
Kreosotölklystiere,  Einreibungen  des  Abdomens  mit  Jod  oder 
grüner  Seife. 

5.  Herr  Schlossmann  -  Dresden :  Ueber  Tuberkulose 
im  frühen  Kindesalter. 

Schl,  stellt  13  Sätze  auf,  denen  wir  folgendes  entnehmen: 
Im  Säuglingsalter  überwiegt  die  reine  Tuberkulose,  die  mit 
anderen  Infektionen  nicht  vergesellschaftet  ist.  In  vielen  Fällen 
verläuft  die  Tuberkulose  im  Säuglingsalter  vollkommen  fieber¬ 
frei.  In  weitaus  der  Mehrzahl  der  Fälle  vermag  man  im  Sputum, 
sowie  im  Stuhl  Tuberkelbazillen  nicht  mikroskopisch  nach¬ 
zuweisen.  Bei  negativem  mikroskopischen  Befund  ergibt  zu¬ 
weilen  die  Verimpfung  des  Auswurfs  auf  Meerschweinchen  noch 
positive  Erfolge.  Das  einzig  diagnostische  Hilfsmittel,  um  die 
Tuberkulose  im  Säuglingsalter  mit  Sicherheit  festzustellen,  ist 
das  Tuberkulin.  Sachgemäss  ausgeführt  ist  die  Tuberkulin¬ 
probe  bei  Säuglingen  a)  vollkommen  unschädlich,  b)  ein  dia¬ 
gnostisches  Hilfsmittel,  das  vollkommen  eindeutige  Resultate  er¬ 
gibt.  Aus  diesen  Gründen  ist  die  Benutzung  des  Tuberkulins 
besonders  im  Säuglingsalter  nicht  nur  gestattet,  sondern  sogar 
notwendig  (Infektion  der  Ammen,  bezw.  anderer  Kinder  durch 
saugende  Tuberkulöse).  Charakteristisch  für  die  Tuberkulose  des 
Säuglingsalters  ist  die  frühzeitige  intensive  Erkrankung  der 
Bronchialdrüsen,  zumal  an  der  Bifurkation.  Ob  dies  jedoch 
den  primären  Sitz  der  Erkrankung  darstellt,  steht  nicht  für  alle 
Fälle  fest,  da  zuweilen  der  primäre  Herd  in  den  Tonsillen  sicher- 
gestellt  werden  kann.  Der  Eingang  der  Tuberkelbazillen  dürfte 
überhaupt  zuweilen  in  den  Tonsillen  und  in  der  Nasenrachen- 
schleimhaut  zu  suchen  sein. 

Auch  bei  ganz  jungen  Säuglingen,  bei  denen  die  Krankheit 
in  den  ersten  Lebenswochen  zum  Ausbruch  kommt,  haben  wir 
eine  Infektion  post  partum  als  die  Regel  anzunehmen.  In  solchen 
Fällen  erweisen  sich  die  portalen  Lymphdrüsen  als  nicht  in¬ 
fektiös  bei  der  Verimpfung. 

Anatomisch  überwiegt  die  subakute  Form  der  Tuberkulose. 
Ausgedehnte  Verkäsung  mit  Kavernenbildungen  sind  durchaus 
keine  Seltenheiten,  hingegen  bildet  das  Vorkommen  von  tuber¬ 
kulöser  Meningitis,  überhaupt  von  tuberkulöser  Affektion  des  Ge¬ 
hirns,  sowie  die  Knochentuberkulose  eine  Ausnahme. 

In  jedem  Falle  von  Tuberkulose  im  Säuglingsalter  gelingt 
es,  bei  genügender  Nacliforschung  festzustellen,  dass  das  Kind 
in  enge  Berührung  mit  einer  tuberkulösen  Person  gekommen  ist. 
Die  tuberkulöse  Infektion  durch  Milchgenuss  spielt  in  der  Aetio- 
logie  der  Säuglingstuberkulose  in  Deutschland  keinerlei  Rolle. 

6.  Herr  Brunning:  Ueber  Genitaltuberkulose. 

Die  ausführliche  Arbeit  ist  in  der  „Monatsschr.  f.  Geburtsh. 
u.  Gyn.“  erschienen. 


7.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


1677 


Deutsche  Gesellschaft  für  Geschichte  der  Medizin 
und  der  Naturwissenschaften. 

Hauptversammlung  zu  Karlsbad  am  24.  Sep¬ 
tember  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

In  ihrer  Hauptversammlung  nahm  die  „Deutsche  Ge¬ 
sellschaft  für  Geschichte  der  Medizin  und  der 
Natui  wissen  schäfte  n“  zuerst  den  Jahresbericht  und 
den  Kassenbericht  entgegen.  Der  Zuwachs  an  Mitgliedern  betrug 
mehr  als  100,  der  Kassenbestand  wies  über  1400  M.  auf.  Nach 
Durchberatung  und  definitiver  Annahme  der  Satzungen  in 
2.  Lesung  schritt  man  zur  Wahl  des  Vorstandes,  der  sich  jetzt 
aus  folgenden  Herren  zusammensetzt:  San.-Rat  Dr.  Karl  Sud¬ 
hoff  (1.  Vorsitzender),  Prof.  Dr.  Georg  W.  A.  K  a  h  1  b  a  u  m  - 
Basel  (2.  Vorsitzender),  Dr.  Emil  W  ohlwill  -  Hamburg 
(Schatzmeister),  Prof.  Dr.  Siegmund  G  ü  n  t  h  e  r  -  München, 
Prof.  Dr.  Julius  LPagel- Berlin,  Prof.  Dr.  Viktor  F  osse 1  - 
Giaz,  Dozent  Dr.  Max  hl  euburger  -  Wien.  Von  den  „Mit¬ 
teilungen  der  Gesellschaft  sind  bisher  3  Hefte  im  Gesamt¬ 
umfange  von  19  Bogen,  welche  ein  erschöpfendes  Referat  über 
aüe  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  der  Natur¬ 
wissenschaften  und  der  Medizin  neben  kurzen  Originalmit¬ 
teilungen  bringen,  erschienen.  Ein  4.  Heft  wird  im  November 
den  1.  J ahrgang  zum  Abschlüsse  bringen.  Für  1903  sind  6  Hefte 
zu  4  Bogen  in  Aussicht  genommen.  Die  Mitteilungen  gehen  den 
Gesellschaftsmitgliedern  kostenlos  zu  (Jahresbeitrag  10  M.)  Die¬ 
selben  sind  durch  den  Buchhandel  nur  in  ganzen  Bänden  zum 
Preise  von  ca.  15  M.  zu  beziehen.  Nach  der  Bewilligung  eines 
dauernden  Beitrages  zur  Ausgestaltung  des  mediko-historischen 
Kabinets  im  Germanischen  Museum,  der  freilich  mit  Rücksicht 
auf  die  schwache  lundierung  der  jungen  Gesellschaft  einstweilen 
noch  bescheiden  bemessen  werden  musste,  ging  die  Gesellschaft 
zur  Besprechung-  des  jüngsten  „E  alles  S  chweninger“ 
über.  .  Es  lag  ein  vortrefflich  begründeter  Antrag  des  Herrn 
Medizinalrates  Dr.  Hermama  Baas  in  Worms  vor,  gegen  die 
Besetzung  von  Lehrstühlen  der  Geschichte  der  Medizin  und  der 
A  aturwissenschaften  durch  Männer  ohne  Vorbildung  und  Be¬ 
tätigung  in  diesen  Fächern  Einspruch  zu  erheben.  Nach  kurzer 
Aussprache  wui’de  die  folgende  Resolution  einstimmig  ange¬ 
nommen:  „Die  zur  Hauptversammlung  des  Jahres  1902  zu¬ 
sammengetretene  Deutsche  Gesellschaft  für  Geschichte  der  Me¬ 
dizin  und  der  Naturwissenschaften  spricht  über  die  jüngste  Er- 
teilung  eines  Lehrauftrages  für  Geschichte  der  Mediziia  ein- 
stimmig  ihr  Bedauern  aus  und  geht  hiermit  zur  Tagesordnung 
über“.  Von  der  Veröffentlichung  der  zahlreich  eingelaufenen 
Unterschriften  zu  dem  in  dieser  Wochenschrift  zuerst  veröffent¬ 
lichten  I  rötest  wurde  abgesehen.  Liebhaftes  Interesse  erweckten 
die  Nachrichten  über  die  gegenwärtig  auf  der  Insel  Kos  statt¬ 
findenden  Ausgrabungen  des  Herrn  Privatdozenten  Herzog 
in  1  übingen,  welche  sich  die  Aufdeckung  des  Asklepieions  zum 
Ziele  gesetzt  haben,  in  dem  Ilippokrates  der'  Grosse  gewirkt  hat. 
Leider  fehlen  noch  4000 — 5000  M.,  welche  die  sichere  Erreichung 
dieses  hehren  Zieles  ermöglichen  würden.  Will  keiner  unserer 
reichen  Berufsgenossen  dem  kenntnisreichen,  zielbewussten 
jungen  Gelehrten  diese  Beisteuer  geben?  Keine  Kapitalanlage 
könnte  herrlichere  Zinsen  tragen!  S. 


27.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffent¬ 
liche  Gesundheitspflege 

in  M  ii  nche  n,  17.  bis  20.  September  1902. 

(Eigener  Bericht.) 


II.  2.  Tag. 

Wechselbeziehungen  zwischen  Stadt  und  Land  in  gesundheit¬ 
licher  Beziehung. 

Referent :  Geh.  Medizinalrat  Dr.  E.  R  o  t  h  -  Potsdam. 


Roth  hat  folgende  Leitsätze  aufgestellt: 

Da  die  gesundheitlichen  Einrichtungen/  des  Landes  in  seinei 
Allgemeinheit  hinter  denjenigen  der  Städte,  namentlich  dei 
Grobs-  und  Mittelstädte,  auf  dem  Gebiete  der  Wüsserversorgung 
der  Beseitigung  der  Abfallstoffe,  der  Seuchentilgung,  des  Ver¬ 
triebs  von  Nahrungs-  und  Genussmitteln  u.  a.  zurückstehen,  sind 
die  Städte  durch  den  stets  reger  werdenden  Verkehr  zwischen 


Stadt  und  Land  gesundheitlich  gefährdet.  An  dieser  Gefährdung 
sind  auch  die  Garnisonen  beteiligt. 

Durch  die  Verkehrs-  uiad  wirtschaftlichen  Beziehungen 
können  Infektionskrankheiten,  namentlich  Typhus,  verbreitet 
werden.  Ausser  dem  direkten  Verkehr  kommt  das  Wasser  der 
Flüsse,  Bäche,  Teiche,  Seen  (auch  in  gefrorenem  Zustand),  so¬ 
wie  der  Brunnen  als  Vermittler  in  Frage,  ferner  Nahrungs-  und 
Genussmittel,  namentlich  Milch  und  deren  Produkte,  Obst,  Ge¬ 
müse  etc. 

Besondere  Aufmerksamkeit  erfordern  die  Gast-  und  Schank¬ 
wirtschaften  auf  dem  Lande,  sowie  die  einheimischen  und  fremd¬ 
ländischen  V  anderarbeiter,  ferner  infolge  der  regeren  Verkehrs¬ 
beziehungen  die  Vororte,  die  Sommerfrischen,  Bade-  und  Kur- 
orte  und  die  Industriebezirke. 

Die  Stadt  gefähi'det  das  Land  ausser  durch  die  verunreinigte 
Stadtluft  hauptsächlich  durch  die  Verschleppung  ansteckender 
Krankheiten,  wobei  der  Verkehr,  Nahrungs-  und  Genussmittel 
und  die  Abfallstoffe  des  menschlichen  Haushaltes  als  Vermittler 
in  Frage  kommen. 

An  der  Sanierung  des  Landes  hat  die  Stadt  ein  um  so  grös¬ 
seres  Interesse,  als  das  Land  an  sich  für  die  Gesunderhaltung 
der  Städter  von  der  grössten  Bedeutung-  und  in  Zeiten  körper¬ 
licher  und  geistiger  Not  unentbehrlich  ist. 

Im  einzelnen  schildert  Roth  zunächst  die  allgemein  gel¬ 
tenden  Baubestimmungen  auf  dem  Lande  für  die  Einrichtung  von 
Brunnen,  Düngergruben  u.  dgl.,  die  im  Vergleich  zu  den  grossen 
und  mittleren  Städten  sehr  viel  zu  wünschen  übrig  lassen.  Mensch 
und  Tier  bezieht  sein  Trinkwasser  aus  offenen  Flussläufen, 
stehenden  Teichen  und  Tümpeln,  aus  Schöpfbrunnen,  welche 
aus  schlecht  gemauerten  sogen.  Kesselbrunnen  bestehen;  der 
L,andbewohner  zieht  das  weiche,  wenn  auch  verunreinigte  Wasser 
dem  harten  vor.  Ganz  besonders  schlecht  sind  die  Verhältnisse 
im  Osten  von  Deutschland,  während  im  Süden  und  Wüsten  auch 
bei  kleinen  Gemeinden  zentrale  Wasserversorgungsanlagen  zu 
finden  sind.  Die  Entstehung  von  Seuchen  ist  natürlich  unter 
solchen  Verhältnissen  eine  stete  Gefahr,  die  noch  erhöht  wird 
durch  das  ungenügende  Reinlichkeitsbedürfnis.  Denn  Baden 
ist  auf  dem  Lande  Luxus,  Badeanstalten  sind  auf  dem  Lande 
eine  Seltenheit ;  dafür  nehmen  z.  B.  in  Bayern  die  Hauterkrank- 
ungen  auf  dem  Lande  zu. 

Aehnlich  wie  bei  der  Wasserversorgung  liegen  die  Verhält¬ 
nisse  bei  der  Bauart  der  Häuser,  bei  deren  Anlage  Wohnungen 
und  Stallungen  oft  in  so  enger  Beziehung  zu  einander  stehen, 
dass  bezüglich  des  Luftwechsels  die  schlimmsten  Zustände  be¬ 
stehen.  Auch  hinsichtlich  der  Auswahl  des  Baumaterials,  das 
meist  der  nächsten  Umgebung  entnommen  wird,  und  des  Bau¬ 
platzes  ist  eine  Sorglosigkeit  nicht  nur  in  feuer-  und  sicher¬ 
heitspolizeilicher  Hinsicht,  sondern  auch  in  gesundheitlicher  Be¬ 
ziehung  zu  konstatieren,  die  sich  schon  in  der  Lage  des  Dünger¬ 
haufens  oft  genug  hinreichend  charakterisiert.  Die  kleinen 
städtischen  Wohnungen  sind  ja  allerdings  wegen  der  schlechteren 
Licht-  und  Luftverhältnisse,  wegen  der  Ueberfüllung  an  Men¬ 
schen  und  hauptsächlich  deswegen  noch  viel  bedenklicher,  weil 
sie  sogar  oft  als  Wohn-  und  Schlaf  raum  und  Arbeitswerkstätte 
zugleich  dienen,  während  die  Landbewohner  sich  doch  nur  die 
geringste  Zeit  des  Tages  innerhalb  des  Hauses  auf  halten.  Da¬ 
gegen  sind  auf  dem  Lande  die  Unterkunftsräume  der  aus¬ 
ländischen  V  anderarbeiter,  z.  B.  in  der  Ziegeleibranche,  durch¬ 
aus  ungenügend.  Redner  verweist  dabei  auf  die  sogen.  Sachsen- 
gängerei. 

Die  Ernährung  der  Landbewohner  ist  im  allgemeinen  eine 
schlechtere  als  die  der  Städter,  immerhin  ist  sie  im  Süden  besser 
als  im  Norden  Deutschlands,  wo  die  Kartoffel  die  Hauptrolle 
spielt.  Uebrigens  betont  Roth  hier  mit  Recht,  dass  alte  Ge¬ 
wohnheiten,  auch  in  der  Ernährung,  einem  Bauern  nicht  aus¬ 
zutreiben  sind.  Recht  schlimm  sind  auf  dem  Lande  die  Zu¬ 
stände  der  Armen-,  Kranken-  und  Siechenhäuser  samt  der  in 
denselben  gebotenen  Verpflegung,  als  auch  der  Schulhäuser, 
welche  teils  Schulen,  teils  Lehrerwohnung  sind.  Die  Kinder 
sind  aber  auch  sehr  viel  im  Freien,  so  dass  die  schlechten  Schul¬ 
verhältnisse  dadurch  ausgeglichen  werden.  Bei  der  meist  im 
Freien  auszuführenden  ländlichen  Beschäftigung  werden  übrigens 
Sinnesorgane  und  Muskeln  gleichmässig  in  Anspruch  genommen. 

Die  Verschiedenheit  zwischen  Stadt  und  Land  findet  ihren 
Ausdruck  in  der  Mortalität  und  Morbidität.  Durch  die  Ver¬ 
schiebung  der  Altersklassen  —  die  mittleren  arbeitskräftigen 


1678 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Lebensalter  ziehen  nach  den  Städten  —  ist  besonders  die  Kinder¬ 
sterblichkeit  eine  erhöhte  und  zwar  auch  noch  dadurch,  dass  in 
den  allerseltensten  Fällen  ein  Arzt  zugezogen  wird  und  die  Pflege 
und  Ernährung  des  Säuglings  überhaupt  eine  äusserst  mangel¬ 
hafte  ist.  Auch  finden  sich  auf  dem  Lande  relativ  viel  mehr 
Totgeburten  als  in  der  Stadt. 

Durch  die  gegenseitigen  Verkehrs-  und  wirtschaftlichen  Be¬ 
ziehungen  werden  nun  leicht  Infektionskrankheiten  aus  den 
unter  schlechteren  hygienischen  Verhältnissen  stehenden  Vor¬ 
orten  oder  angrenzenden  Gemeinden  in  die  Städte  verschleppt. 
In  erster  Linie  kommt  hier  der  Typhus  in  Betracht.  Die  Ein¬ 
schleppung  kann  einmal  durch  infiziertes  Quellwasser  geschehen, 
indem  aus  infizierten  Ortschaften  das  verunreinigte  Wasser  über 
Wiesen  und  Aecker  läuft,  welche  als  zu  kleine  Filtrierschicht 
auf  zerklüftetem  Gestein  aufliegen,  so  dass  die  Typhuskeime 
in  ungenügend  filtriertem  Wasser  in  die  Quellwasserleitungen 
gelangen.  Ein  zweiter  Hauptinfektionsträger  ist  die  Milch. 
Die  Forderungen  der  Reinlichkeit  beim  Gewinn  und  Vertrieb  der 
Milch,  besonders  in  den  Sammelmolkereien,  sind  recht  minimal 
und  das  Reinlichkeitsbedürfnis  bei  dem  ländlichen  Vertrieb  von 
Nahrungsmitteln  überhaupt  ist  ein  oft  erschreckend  kleines. 
Endlich  sind  als  Infektionsträger  noch  Gemüse,  Kartoffeln  und 
Obst  anzusehen. 

Eine  grosse  Gefahr  für  die  Städte  bilden  ausserdem  auch 
noch  die  an  Infektionskrankheiten  leidenden  Kinder,  welche 
nicht  nur  zum  Arzt  in  die  Stadt  getragen  werden,  sondern  mit 
denen  dann  noch  allerhand  andere  Geschäfte  erledigt  werden. 

Umgekehrt  kann  auch  die  Stadt  das  Land  ungünstig  beein¬ 
flussen  ausser  durch  die  verunreinigte  Stadtluft,  die  sich  auf 
Entfernung  von  Kilometern  geltend  macht,  hauptsächlich  da¬ 
durch,  dass  die  Landbewohner  ihre  gewerblichen  Stoffe  aus  der 
Stadt  beziehen;  die  Abfallstoffe  des  menschlichen  Haushaltes 
spielen  in  der  Landwirtschaft  eine  grosse  Rolle.  Der  Verkehr 
zwischen  Stadt  und  Land  kann,  abgesehen  von  den  in  letzter 
Zeit  überhandnehmenden  Radlerausflügen,  auch  dadurch  schäd¬ 
lich  wirken,  dass  z.  B.  die  Städter  ihre  keuchhustenkranken 
Kinder  auf  das  Land  schicken,  während  umgekehrt  z.  B.  die  Sol¬ 
daten  aus  dem  Manöver  Typhus  und  kontagiöse  Augenerkrankung 
mit  in  die  Städte  schleppen.  Andrerseits  wohnen  viele  Arbeiter, 
welche  in  der  Stadt  ihr  Brot  verdienen,  auf  dem  Lande,  wodurch 
die  Verkehrsbeziehungen  zwischen  Stadt  und  Land  regere  und 
die  Hauptschädigung  der  städtischen  Bevölkerung,  Alkohol  und 
Geschlechtskrankheiten,  auch  auf  das  Land  übertragen  werden. 
Nachweislich  nehmen  Herz-  und  Nierenkrankheiten  auf  dem 
Lande  ganz  erheblich  zu.  Von  den  Arbeitern  auf  den  Riesel¬ 
gütern  ist  es  schliesslich  nicht  zu  verwundern,  wenn  diese  einer 
Infektionskrankheit  erliegen. 

Die  Städter  haben  nun  allen  Grund,  an  einer  Sanierung 
des  Landes  eifrig  mitzuarbeiten.  Roth  hat  deshalb  eine  Reihe 
von  Massnahmen  zur  Sanierung  des  Landes  aufgestellt,  welche 
der  Hauptsache  nach  hier  folgen  sollen. 

Zunächst  will  Roth  durch  regelmässige  Ortsbesichtigungen 
des  Medizinalbeamten,  soweit  möglich  in  Gemeinschaft  mit  den 
Gesundheitskommissionen,  auf  die  Verbesserung  der  Hygiene 
des  Landes  hinwirken  und  das  Verständnis  hierfür  wecken,  be¬ 
sonders  für  Sauberkeit  und  Reinlichkeit  am  Körper  und  in  IIau3 
und  Hof,  wie  beim  Vertrieb  von  Nalirungs-  und  Genussmitteln, 
für  Bau-  und  Wohnungshygiene,  für  Wohnungspflege,  rationelle 
Ernährung  etc. 

Die  Beobachtung  der  wichtigsten  Forderungen  der  Bau-  und 
Wohnungshygiene  ist  durch  Gesetz  bezw.  baupolizeiliche  Vor¬ 
schriften  sicherzustellen,  besonders  die  Trennung  von  Stallungen 
und  Wohnung,  die  Anlage  der  Aborte,  die  vorschriftsmässige  Be¬ 
seitigung  der  menschlichen  und  tierischen  Abfallstoffe  und  der 
Abwässer  sind  in  erster  Linie  zu  berücksichtigen.  Eine  beson¬ 
dere  Beachtung  erfordern  die  Abort-  und  Abwasseranlagen  auf 
den  Grundstücken  der  Gast-  und  Schankwirtschaften,  welchen 
Roth  ganz  besonders  kräftig  zu  Leibe  gegangen  ist,  sowie  der 
öffentlichen  Gebäude  (Schulen,  Gemeindehäuser  etc.).  Die  An¬ 
forderungen  für  Einzelgehöfte,  sowie  für  Ortschaften  mit  offener 
Bauweise  sind  entsprechend  geringer  zu  stellen. 

Die  an  Wasserentnahmestellen  für  Trink-  und  Gebrauchs¬ 
zwecke  zu  stellenden  Forderungen,  namentlich  auch  hinsichtlich 
der  Entfernung  von  Abort-  und  Düngergruben,  sowie  Stallungen, 
sind  durch  besondere  polizeiliche  Vorschriften  nebst  Ausführungs¬ 
anweisung  sicherzustellen,  Dreh-,  Zieh-  und  Schöpfbrunnen  sind 


No.  40. 


bei  Neuanlagen  unzulässig.  Wo  die  Schaffung  eines  einwand¬ 
freien  Wassers  aus  örtlichen  Gründen  besonderen  Schwierig¬ 
keiten  begegnet,  ist  eine  Beteiligung  der  weiteren  Kommunal¬ 
verbände  und  des  Staates  im  öffentlichen  Interesse  geboten. 
Besondere  Anforderungen  sind  an  die  Gemeindebrunnen,  Schul- 
brunnen,  die  Brunnen  auf  den  Grundstücken  der  Gastwirt¬ 
schaften  und  gewerblichen  Anlagen  (Sammelmolkereien,  Meie¬ 
reien,  Fleischereien,  überhaupt  auf  allen  Gewerbebetrieben, 
welche  mit  Nahrungs-  und  Genussmitteln  sich  befassen)  zu 
stellen.  Die  Schaffung  zentraler  Wasserversorgungsanlagen 
bleibt  in  erster  Linie  erstrebenswert.  Redner  rühmt  mit  gutem 
Recht,  dass  in  dieser  Beziehung  in  Bayern  schon  ausserordent¬ 
lich  viel  geschehen  sei,  und  wünscht,  dass  auch  Preussen  sich 
diesen  Punkt  sehr  angelegen  sein  lasse,  denn  hier  seien  z.  T.  über¬ 
haupt  keine  Wasserleitungen  vorhanden  und  die  vorhandenen 
seien  unzulänglich. 

Unter  Berücksichtigung  der  örtlichen  Verhältnisse  und 
Lebensgewohnheiten  sind  Musterentwürfe  ländlicher  Wohnhäuser 
für  ärmere  Bauern  etc.  der  ländlichen  Bevölkerung  zur  Ver¬ 
fügung  zu  stellen;  Familienwohnungen  sollen  aus  mindestens 
2  heizbaren  Räumen  bestehen.  Besonderes  Augenmerk  ist  auf 
die  Reinhaltung  der  Hauptverkehrsstrassen,  auf  die  Gräben 
und  Tümpel,  Höfe  und  Gärten  zu  richten. 

Zur  Verhütung  der  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten 
ist  neben  dem  Erlass  zeitgemässer  Seuchen -hygienischer  Vor¬ 
schriften  die  Bereitstellung  schneller  ärztlicher  Hilfe,  geeig¬ 
neten  Pflegepersonals,  leicht  erreichbarer  Krankenunterkunfts¬ 
räume,  sowie  von  Desinfektionseinrichtungen  und  Desinfektoren 
erforderlich.  Die  bakteriologische  Untersuchung  erster  ver¬ 
dächtiger  Fälle,  besonders  von  Typhus  und  Cholera,  das  Recht 
der  Initiative  des  Medizinalbeamten  bei  drohender  Gefahr,  Be¬ 
lehrung  der  Bevölkerung  und  die  Bekämpfung  der  Unsitten  des 
sogen.  Umhaltens  oder  Rundessens,  sowie  des  Leichenschmauses 
bei  ansteckenden  Krankheiten  sind  die  hauptsächlichsten  Mo¬ 
mente  bei  der  Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten  auf  dem 
Lande.  Notwendig  ist  ferner  die  Beschaffung  eines  Leichen¬ 
raumes  in  jeder  Ortschaft. 

Die  sachgemässe  Organisation  der  Krankenpflege  hinsichtlich 
des  Personals  und  Materials  und  die  Ausdehnung  der  Kranken¬ 
versicherung  auf  die  land-  und  forstwirtschaftlichen  Ai-beiter 
sind  in  die  Wege  zu  leiten. 

Die  Einwirkung  der  landwirtschaftlichen  Beschäftigung 
auf  jugendliche  Arbeiter  und  hochschwangere  Frauen,  sowie  die 
Hausindustrie  und  deren  Folgen  sind  durch  die  Medizinal¬ 
beamten  zu  überwachen.  Ferner  ist  Sorge  zu  tragen  für  ratio¬ 
nelle  Ernährung,  besonders  der  Säuglinge  und  Kinder,  für  eine 
regelmässige  Nahrungsmittelkontrolle,  wobei  besonders  auf  die 
Ueberwachung  des  Milchverkehrs  sowohl  in  den  Sammel¬ 
molkereien  als  auch  beim  Kleinbetrieb  und  an  den  Produktions¬ 
stellen  das  grösste  Gewicht  zu  legen  ist.  Beim  Auftreten  an¬ 
steckender  Krankheiten  soll  der  Verkauf  von  Milch  und  son¬ 
stigen  Nahrungsmitteln  aus  der  betreffenden  Haushaltung  so 
lange  verboten  sein,  als  nach  dem  Gutachten  der  Medizinal¬ 
beamten  die  Gefahr  einer  Verschleppung  von  Krankheitskeimen 
vorliegt.  Vorratsräume  und  Wohn-  und  Schlafräume  müssen 
genügend  getrennt  sein.  In  den  Sammelmolkereien  müssen  die 
gesamten  Milchvorräte  zuverlässig  pasteurisiert  werden.  Auf 
dem  Gebiete  der  Schulhygiene  gehören  die  Begutachtung  der 
Baupläne,  dos  Bauplatzes  und  Schulbesichtigungen  zur  Tätig¬ 
keit  des  Amts-  und  Schularztes.  Sachgemässe  und  gründliche 
Reinigung  der  Schullokalitäten  soll,  aber  nicht  von  Schul¬ 
kindern,  regelmässig  ausgeführt  werden.  In  Ermangelung  der 
sehr  wünschenswerten  Schulbäder  ist  den  Kindern  durch  Be¬ 
reitstellung  von  Wasser,  Seife,  und  Handtuch  Gelegenheit  zum 
Waschen  der  Hände  zu  geben.  Voraussetzung  für  die  Durch¬ 
führung  dieser  Massnahme  ist  ein  gewisses  Verständnis  für  die 
Aufgaben  der  Dorfhygiene,  was  wohl  am  besten  durch  Aufnahme 
der  wichtigsten  Regeln  der  Gesundheitspflege  in  das  Lehr¬ 
programm  der  Gemeindeschulen  und  der  höheren  und  niederen 
landwirtschaftlichen  Schulen  erreicht  wird.  Um  die  Forderungen 
der  Hygiene  durchzuführen,  sind  in  Industriebezirken,  in 
Sommerfrischen,  Bade-  und  Kurorten  die  Bildung  von  Gesund¬ 
heitskommissionen  vorzusehen  und  die  obligatorische  ärztliche 
Leichenschau  einzuführen.  Auch  müssen  von  solchen  Ortschaften 
gewerbliche,  mit  Verunreinigung  der  Luft  einhergehende  An¬ 
lagen  ferngehalten  werden  und  in  allen  verkehrsreichen  Orten 


7.  Oktober  1902. 


MUENCLIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1679 


empfiehlt  sich  die  Organisation  eines  allgemeinen  Rettungs¬ 
dienstes.  (Soviel  mir  bekannt  ist,  besteht  in  Bayern  wenigstens 
fast  in  jeder  kleineren  und  grösseren  Stadt,  eine  Sanitätskolonne. 
Ref.) 

Da  die  Städte  nicht  bloss  wirtschaftlich,  sondern  auch  ge¬ 
sundheitlich  auf  die  Ruhe  in  Wald  und  Feld  angewiesen  sind, 
so  ist  die  Erhaltung  von  Wäldern  in  der  Nähe  von  Grosstädten 
unbedingt  notwendig.  Es  ist  eine  eigentümliche  Tatsache,  dass 
in  demselben  Masse,  in  dem  die  Städter  zur  Erholung  das  Land 
auf  suchen,  die  ländliche  Jugend  in  die  Städte  strömt,  um  dort 
vielfach  an  ihrer  Gesundheit  Schaden  zu  nehmen.  Die  haupt¬ 
sächlichste  Ursache  dieser  Landflucht  ist  das  geringere  geistige 
und  sittliche  Kulturniveau  der  Landbevölkerung.  Dieses  zu 
heben,  ist  die  Hauptaufgabe,  worauf  E.  W.  Riehl  schon  m  den 
60  er  J ahren  hingewiesen  hat. 

In  der  äusserst  lebhaften  Diskussion  forderte  zunächst  B  a  u  - 
m  e  i  s  t  e  r  -  Karlsruhe,  dass  die  in  der  Umgebung  der  Städte  be- 
flndlichen  TV  älder  unter  Hintansetzung  forstfiskalischer  Interessen 
durch  Anlage  von  Spaziergängen,  Vermeidung  von  hässlichen  Ab- 
holzungssti eif en  dem  Publikum  zugänglicher  gemacht  werden 
sollen,  wie  das  beim  Grunewald  zum  Teil  schon  der  Fall  sei.  Im 
übligen  wünscht  er  auch  in  der  Frage  der  Dorfhygiene  ein  reichs¬ 
gesetzliches  Eingreifen.  * 

•Gärtner  -  Jena  weist  darauf  hin,  dass  es  bezüglich  der  Rein¬ 
heit  der  Quellen  immer  auf  die  lokalen  Verhältnisse  ankomme  und 
verlangt,  dass  besonders  Quellen  in  der  Umgebung  oder  innerhalb 
der  Ortschaften  stets  von  Aerzteu  untersucht  werden  sollten.  Auch 
wünscht  er,  dass  die  Verwaltungsbeamten  auf  dem  Lande  sich 
etwas  mehr  als  bisher  für  die  Landhygiene  interessierten. 

E  r  i  s  m  a  n  n  -  Zürich  macht  sehr  interessante  Mitteilungen 
über  die  günstigen  Erfolge,  die  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene  im 
europäischen  Russland  mit  den  dort  seit  1863  eingerichteten  Land¬ 
schaftsärzten  erzielt  worden  sind. 

P  e  t  r  u  s  c  h  k  y  -  Danzig  >jnacht  darauf  aufmerksam,  dass  in 
den  Städten  die  meisten  Typhusfälle  nachweislich  zusammenfallcn 
mit  den  ersten  Erdbeeren  und  Kirschen,  überhaupt  mit  dem  Beginn 
der  Obstzeit,  und  empfiehlt  daher,  das  Obst  vor  dem  Genuss  zu 
waschen. 

Schmidt-  Darmstadt  geht  von  dem  Gedanken  aus,  dass  es 
ebensogut  schlechtes  Quell-  und  gutes  Grundwasser  als  gutes 
Quell-  und  schlechtes  Grundwasser  gebe.  Er  verlangt,  dass  auch 
in  Dörfern  beim  Bebauungsplan  von  vornherein  auf  die  Möglich¬ 
keit  einer  späteren  Entwässerung  Rücksicht  genommen  wird. 

Privatdozent  Sinzheimer  -  München  verbreitet  sich  über 
den  Einfluss  der  Lebensmittelzölle  auf  die  grossindustrielle  Ar¬ 
beiterschaft.  Doch  gehört  dieser  von  ihm  angenommene  Ausfall 
im  Vortrag  des  Referenten  nicht  in  das  Gebiet  der  Hygiene. 

Als  letzter  Diskussionsredner  glaubt  Sanitätsrat  Liebe- 
s  c  li  ii  t  z,  eine  Lanze  für  die  Sanitätskolonnen  brechen  zu  müssen. 

Nach  kurzer  Pause  erstattete  dann  Prof.  Dr.  R.  Emmerich- 
München  Bericht  über: 

Das  Bäckergewerbe  vom  hygienischen  Standpunkt  für  den 
Beruf  und  die  Konsumenten. 

Nachdem  das  Brot  einen  Hauptbestandteil  der  menschlichen 
Nahrung  bildet,  sollte  man  meinen,  dass  bei  seiner  Herstellung 
alle  hygienischen  Forderungen  aufs  peinlichste  erfüllt  würden. 
Nach  den  Beobachtungen  des  Redners  herrschen  jedoch  gerade 
im  Bäckergewerbe  noch  fast  mittelalterliche  Zustände.  Während 
in  England  schon  im  Jahre  1863  die  Bäckereien  der  Aufsicht 
der  Staatsinspektion  unterworfen  wurden  und  die  Arbeitszeit 
der  Bäckergesellen  geregelt  worden  war,  war  es  in  Deutschland 
nicht  die  Gesundheitsbehörde,  sondern  die  Sozialdemokratie, 
welche  auf  die  geradezu  grauenhaften  Zustände  im  Bäckerge¬ 
werbe  aufmerksam  gemacht  hat,  allerdings  gewiss  nicht  nur 
aus  reiner  Nächstenliebe.  Emmerich  bedauert,  dass  er  be¬ 
züglich  der  hygienischen  Verhältnisse  im  Bäckergewerbe  erst 
heute  auf  Zustände  aufmerksam  mache,  die  schon  vor  40  Jahren 
hätten  abgestellt  werden  müssen.  An  der  Hand  der  statistischen 
Erhebungen  der  Bäcker  und  Berufsgenossen  Deutschlands  (Ham¬ 
burg  1898)  sowie  der  Reden,  welche  darüber  Bebel,  Molken- 
b  u  h  r  u.  a.  im  Reichstag  gehalten  haben,  schildert  E  m  m  e  - 
rieh  die  geradezu  grauenhaften  Misstände,  die  in  vielen  Bäcke¬ 
reien  Deutschlands  in  Bezug  auf  Arbeitszeit,  Lage,  Grösse,  Be¬ 
leuchtung,  Beheizung  und  Ventilation  der  Arbeitsräume,  Ent- 
wässerungs-  und  Abortanlagen,  Wasch-  und  Badegelegenheit  etc. 
herrschen.  Die  Arbeitszeit  der  Bäckergehilfen  ist  oft  sehr  aus¬ 
gedehnt.  In  Hamburg  arbeiten  z.  B.  56  Bäckereien  13 — 20  Stun¬ 
den  lang.  In  München  arbeiteten  1889  von  607  Bäckergesellen 
nicht  weniger  als  505  14 — 20  Stunden.  Das  hat  sich  allerdings 
gebessert.  Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  Arbeit  der 
Bäckergesellen  eine  geradezu  menschenverwüstende  ist,  die  sich 
noch  dazu  vielfach  in  Räumen  vollzieht,  die  nicht  einmal  für  den 


Aufenthalt  von  Tieren  geeignet  erscheinen.  Die  Arbeitsräume 
liegen  meist  in  Kellern,  3  4  m  unter  dem  Strassenniveau  und 
ohne  Fenster  oder  nur  mit  solchen  nach  dem  Hausflur,  der  selbst 
ungenügend  belichtet  ist.  Und  dazu  kommt  eine  Temperatur  von 
40  45  0  O.,  wobei  auf  den  einzelnen  Arbeiter  oft  nur  4 — 8  cbm 
Luftraum  treffen.  Emmerich  hat  in  einer  solchen  mit 
Wasserdämpfen  gesättigten  Luft  in  einer  Münchener  Backstube 
2,4  Proz.  Kohlensäure  gefunden.  Mit  der  Reinlichkeit  der  Back¬ 
stuben  und  der  Arbeitsgeräte  sowie  mit  der  Beschaffenheit  der 
Schlafstellen  ist  es  ebenfalls  sehr  schlecht  bestellt.  Die  Back¬ 
stuben  werden  häufig  zum  Trocknen  der  Wäsche,  namentlich  der 
Kinderwäsche  benützt,  dann  auch  zum  Schweineschlachten  und 
«fls  Hühnerstall.  In  München  werden  24  Bäckereien  überhaupt 
nicht  feucht  gereinigt,  andere  Backstuben  werden  monatlich 
oder  vor  Festtagen  oder  überhaupt  nicht  gereinigt.  Es  ist  daher 
nicht  wunderbar,  wenn  der  Schmutz  fingerdick  an  den  Wänden 
sitzt.  Die  Schlafstuben  der  in  solchen,  jeder  Kultur  hohn¬ 
sprechenden  Räumen  arbeitenden  Bäckergesellen  befinden  sich 
dann  neben  dem  Schweinstall,  oder  unter  dem  Dach  neben  dem 
Taubenschlag,  oder  über  der  Kegelbahn,  oder  auch  dicht  über  der 
Backstube,  in  einem  Raum  ohne  Fenster,  ohne  Luft  und  Licht. 
Dass  unter  solchen  V erliältnissen  eine  andauernde  Kohlensäure¬ 
vergiftung  den  Körper  auf  das  allerempfindlichste  schädigen 
muss,  bedarf  wohl  keines  Beweises.  Die  Reinlichkeit  solcher 
Schlafräume  entspricht  ganz  ihrer  örtlichen  Lage.  In  München 
werden  27  Betten  von  je  2  Gehilfen,  8  davon  abwechselnd,  ausser¬ 
dem  öfters  2  3  Betten  übereinander  zum  Schlafen  benützt.  Die 
Bettwäsche  wird  in  13  Fällen  halbmonatlich,  in  7  Fällen  halb¬ 
jährlich,  in  6  Fällen  überhaupt  nicht  gereinigt.  Die  meisten 
Bäckergesellen  sind  genötigt  bei  Tag  zu  schlafen,  und  da  dieser 
Schlaf  auch  oft  nur  5—6  Stunden  beträgt,  so  kann  der  Körper 
unmöglich  sich  von  der  anstrengenden  Arbeit  genügend  aus¬ 
ruhen. 

Eine  ganze  Reihe  von  Erkrankungen,  welche  fast  spezifisch 
für  das  Bäckergewerbe  sind,  sind  natürlich  die  Folge  dieser  ent¬ 
setzlichen  Zustände.  O-Beine,  X-Beine,  Stauungen  in  den 
unteren  Extremitäten  sind  abgesehen  von  Verletzungen,  be¬ 
sonders  Verbrennungen  und  Verbrühungen,  die  hauptsächlich¬ 
sten  Krankheitsformen,  zu  denen  dann  Bronchial-  und  andere 
Katarrhe  der  Luftwege  hinzukommen.  Allen  diesen  Erkran¬ 
kungen  aber  voran  sind  die  Hauterkrankungen  im  Bäckergewerbe 
zu  nennen,  welche  ihre  Hauptursache  weniger  im  Mehlstaub 
haben,  als  besonders  darin,  dass  durch  die  hohe  Temperatur  und 
den  starken.  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  die  Bakterien  leichter 
m  die  erweiterten  Drüsenausführungsgänge  eindringen  können. 
Andere  Krankheitsformen,  die  noch  im  Bäckereigewerbe  Vor¬ 
kommen,  sind  z.  B.  Kohlenoxydvergiftungen,  Rheumatismus,  In¬ 
fektionskrankheiten  aller  Art  und  ganz  besonders  häufig  Ge¬ 
schlechtskrankheiten;  letztere  haben  ihren  Grund  einmal  darin, 
dass  nur  7  Proz.  aller  Bäckergesellen  verheiratet  sind,  und  dann 
in  der  geistigen  und  moralischen  Versumpfung,  in  welcher  sich 
dieselben  infolge  der  geschilderten  Verhältnisse  befinden,  zu¬ 
mal  bei  ihnen  infolge  der  überanstrengenden  Arbeit  und  der 
sonstigen  unwürdigen  Lebensbedingungen  alles  höhere  Streben 
und  das  Gefühl  der  Menschenwürde  sehr  bald  erstirbt. 

Wenn  trotz  alledem  die  Sterblichkeit  unter  den  Bäcker¬ 
gesellen  keine  grössere  ist  als  bei  den  übrigen  Menschen,  so  liegt 
das  hauptsächlich  daran,  dass  sehr  viele  schon  mit  dem  25.  bis 
30.  Lebensjahr  aus  dem  Bäckereigewerbe  ausscheiden,  entweder 
weil  sie  invalid  geworden  sind  oder  weil  sie  heiraten.  Die  Bäcker¬ 
gesellen  sind  demnach  fast  ausschliesslich  Leute  im  besten  und 
leistungsfähigsten  Alter. 

Für  den  Konsumenten  unappetitlich,  wenn  auch  nicht  ge¬ 
fährlich,  ist  die  monatelange  Benützung  der  Back-  und  Hand¬ 
tücher,  die  oft  voll  Schmutz  sind.  In  vielen  Betrieben  ist  nicht 
einmal  eine  Waschgelegenheit  vorhanden  oder,  was  mit  einer 
direkten  Gefahr  verbunden  ist,  es  werden,  wie  in  16  Fällen  in 
München,  Eimer,  die  zugleich  zur  Arbeit  verwendet  werden,  auch 
zum  Waschen  benützt.  Nachdem  das  gebackene  Brot  mit  Wasser 
aus  diesen  Eimern  bestrichen  werden  muss,  besteht  die  Gefahr, 
dass  unter  Umständen  auch  Typhus-  und  Cholerakeime  auf  das 
gebackene  Brot  kommen.  Ein  derartiges  Vorgehen  erfordert  eine 
strenge  Bestrafung  eventuell  sogar  im  Wiederholungsfall  Ent¬ 
ziehung  der  Konzession.  Durch  die  unheimliche  Hitze  und  die 
mit  Wasserdampf  übersättigte  Luft  wird  selbstredend  bei  der 
anstrengenden  Arbeit  die  Schweissekretion  erheblich  gesteigert 


1680 


No.  40. 


MU  EN  CI  IE  NEE  MEDICTNISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


und  der  Schweiss  der  Bäckergesellen,  die  unter  solchen  Verhält¬ 
nissen  oft  nur  mit  einer  Hose,  oft  überhaupt  nicht  bekleidet  sind, 
was  übrigens  die  Gesittung  der  Bäcker  auch  nicht  gerade  sehr 
hebt,  fiiesst  dann  in  den  Backtrog  oder  auf  das  Brot,  und  nicht 
immer  ist  es  nur  Schweiss  von  gesunden,  sondern  auch  Schweiss 
von  kranken  Bäckern.  Das  in  den  Bäckereien  massenhaft  vor¬ 
kommende  Ungeziefer  (Käfer,  Geradflügler,  Ratten,  Mäuse  etc.) 
kann  in  nicht  assanierten  Städten  pathogene  Bakterien  aus  dein 
Boden,  den  Aborten  auf  die  Backwaren  übertragen.  Die  Be¬ 
seitigung  dieses  Ungeziefers  muss  vor  allem  ganz  energisch  ge¬ 
fordert  werden.  Referent  zeigte  Brote,  die  mit  schwarzen  Punk¬ 
ten  bedeckt  sind,  und  bemerkt  dazu,  das  Publikum  halte  dies 
glücklicherweise  meist  für  Kohle,  in  Wirklichkeit  seien  es  aber 
Exkremente  von  Schwaben,  die  oft  zu  Tausenden  die  Backstuben 
bevölkern. 

Zur  Beseitigung  aller  dieser  schauerlichen  Misstände  glaubt. 
Emmerich  nur  ein  Radikalmittel  in  der  Zentralisierung  der 
Bäckereien  vorschlagen  zu  können,  ähnlich  wie  dies  bei  dem 
Metzgergewerbe  durch  Errichtung  der  Zentralschlachthäuser  ge¬ 
schehen  ist.  Die  Stadtverwaltungen  sollten  an  bestimmten  Stellen 
der  Peripherie  die  nötige  Anzahl  von  Bäckereien  errichten,  die 
sich  um  einen  gemeinsamen  Kamin  gruppieren.  Bis  dieser  Ge¬ 
danke  durchgeführt  sei,  hält  Redner  die  Einführung  der  von  dem 
preussischcn  Ministerium  für  Handel  und  Gewerbe  und  des 
Inneren  vorbereiteten  Bestimmungen  für  Bäckereien  und  Kon¬ 
ditoreien  für  notliwendig.  Die  Schädigung  der  Gesundheit  und 
des  Lebens  der  Arbeiter  und  Lehrlinge  durch  übermässige  Nacht¬ 
arbeit  wurde  wesentlich  eingeschränkt,  wenn  auch  nicht  ganz  be¬ 
seitigt  durch  die  Verordnung  des  Bundesrats  von  1896,  durch 
welche  im  allgemeinen  die  Arbeitszeit  auf  12  Stunden  täglich 
normiert  und  eine  tägliche  8  stündige  Ruhepause  bestimmt 
wurde. 

Vom  hygienischen  Standpunkt  ist  hauptsächlich  die  Ab¬ 
schaffung  der  Sonntags-  und  Nachtarbeit  energisch  zu  fordern. 
Es  müsste  dabei  allerdings  mit  manchen  Lebensgewohnheiten  ge¬ 
brochen  werden.  Vor  allem  müsste  man  sich  Morgens  mit  altem 
Gebäck  begnügen,  dem  Militär  müsste  dann  vielleicht  Kuchen 
verabreicht  werden,  der  ohnedies  viel  nahrhafter  sei.  Zur  Ver¬ 
hütung  von  Infektionen  muss  ferner  der  Zwischenhandel  mit  dem 
fertigen  Brot  und  das  ekelhafte  Antasten  des  Brotes  durch  die 
Käufer  ganz  energisch  verboten  werden;  Schnupftabak,  Heringe, 
Petroleum,  Stiefelwichse  und  Brot  passen  eben  nicht  zusammen 
in  einen  kleinen  Kramladen. 

Man  hat  schon  von  verschiedenen  Seiten  Pläne  für  Muster¬ 
bäckereien  ausgearbeitet.  Vor  allem  ist  auf  die  kleinen  und 
kleinsten  hygienisch  niedrigst  stehenden  Betriebe  das  Haupt¬ 
augenmerk  zu  richten :  Es  sind  daher  hygienische  Mindestforde¬ 
rungen  zu  stellen,  welche  aber  dann  auch  strengstens  durchzu¬ 
führen  sind.  Wenn  es  auch  jetzt  schon  Bäckereien  gibt,  die  in 
Bezug  auf  Reinlichkeit  allen  hygienischen  Anforderungen  gerecht 
werden,  so  haben  wir  das  hauptsächlich  der  Sozialdemokratie 
zu  danken,  welche  den  ersten  Anstoss  dazu  gegeben  hat,  in 
diese  Verhältnisse  einige  Ordnung  zu  bringen. 

Tn  der  Diskussion  schlägt  Dr.  Braun-  Nürnberg  vor, 
die  jungen  Leute  vor  ihrem  Eintritt  in  das  Bäckergewerbe  ärzt¬ 
lich  auf  ihre  Tauglichkeit  zu  diesem  schweren  Beruf  untersuchen 
zu  lassen.  Er  berichtet  über  Musterbäckereien  von  Konsumver¬ 
einen  mit  Maschinenbetrieb  in  Leipzig-Plagwitz  und  Stuttgart,  in 
denen  bisher  nur  schwarzes  Brot,  neuerdings  aber  auch  Weiss¬ 
brot  gebacken  werden  soll. 

Bäckermeister  Schöfer  -  München  weist  in  äusserst  leb¬ 
hafter  Rede  die  Vorwürfe  des  Referenten,  wenigstens  was  die 
Bäckereien  Münchens  anlangt,  mit  aller  Entschiedenheit  zurück, 
besonders  mit  dem  Hinweis  darauf,  dass  weder  Referent  irgend 
(•ine  Mitteilung  von  einer  amtlichen  Statistik  gemacht  habe,  trotz¬ 
dem  die  Bäckerinnung  den  Magistrat  München  ersucht  hat,  die 
sämtlichen  Bäckereien  zu  revidieren,  was  auch  geschehen  sei  und 
zwar  nicht  mit  zu  grosser  Milde,  noch  auch  habe  z.  B.  Bebel  der 
Bäckerinnung  Hamburgs,  über  die  er  im  Reichstage  so  schauder¬ 
hafte  Ausdrücke  gebrauchte,  auf  einen  eingeschriebenen  Brief  hin 
mit  der  Aufforderung,  Namen  zu  nennen,  irgend  eine  Antwort  ge¬ 
geben. 

Baumeister  II  a  r  t  w  i  g  -  Dresden  warnt  vor  Uebertreibung 
bei  hygienischen  Bestrebungen  und  mit  vollem  Rechte  davor,  der 
Sozialdemokratie  die  Palme  zu  reichen  für  Anregungen,  deren 
Triebfeder  nicht  die  menschliche  Nächstenliebe,  sondern  die  Er¬ 
langung  der  politischen  Macht  ist. 

E  m  m  eric  h  bemerkt  dann  noch  im  Schlusswort,  dass  er 
sich  ganz  objektiv  an  das  gehalten  habe,  was  in  der  Literatur 
vorhanden  gewesen  sei.  Andere  Dokumente  als  sozialdemokratische 
seien  nicht  vorhanden. 


Damit  schlossen  die  Verhandlungen  des  zweiten  Tages. 
Nachmittags  wurden  verschiedene  städtische  Einrichtungen 
(Kühlanlage  im  Schlacht hof,  Elektrizitätswerke,  Bäder,  Fried¬ 
höfe,  Schulhäuser  und  Spitäler)  in  zwei  grösseren  Gruppen  be¬ 
sichtigt.  Am  Abend  hatte  die  Stadt  München  ein  lest  im 
Künstlerhause  veranstaltet,  an  das  alle  Teilnehmer  gewiss  nur 
mit  dem  Gefühl  höchster  Befriedigung  zurückdenken  werden. 

Zu  Beginn  der  Sitzung  des  dritten  Tages,  welcher  auch 
Se.  Iv.  II.  Prinz  Ludwig  Ferdinand  anwohnte,  teilt 
Bürgermeister  v.  Borscht  mit,  dass  Se.  K.  11.  der  Prinz¬ 
regent  der  Versammlung  645  Billete  für  das  Prinzregenten¬ 
theater  und  100  Plätze  für  das  Residenztheater  zur  Verfügung  ge¬ 
stellt  habe.  Vorsitzender  Dr.  F  r  a  e  n  k  e  1  -  Halle  dankt  unter 
lebhaftem  Beifall  der  Versammlung  für  die  ausserordentliche 
Munifizenz. 

Im  Laufe  der  Sitzung  wurde  ausserdem  die  Neuwahl  des 
Ausschusses  vorgenommen  und  in  denselben  wiedergewählt  nach 
Vorschlag  des  Geh.  Sanitätsrates  Dr.  L  e  n  t  -  Köln  die  Herren 
Borscht-  M  ünchen,  Fraenkel- Halle,  A  1  b  r  e  c  h  t  -  Ber¬ 
lin  und  neugewählt  die  Herren  Beck-  Chemnitz,  Roth-  Pots¬ 
dam  und  Stübben-  Köln. 

Die  Verhandlungen  des  dritten  Tages  wurden  eröffnet 
durch  den 

Bericht  über  die  von  den  Städten  eing-egangenen  Fragebogen, 
betr.  die  Fürsorge  für  bestehende  und  die  Beschaffung  neuer 

kleiner  Wohnungen. 

Referent :  Oberbürgermeister  Dr.  Ebeling  -  Dessau. 

Die  vom  deutschen  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
nach  dem  Beschluss  der  Versammlung  in  Trier  an  254  deutsche 
Städte  hinausgegebenen  Fragebogen  sind  sämtlich  eingegangen. 
Referent  konstatiert  zunächst,  dass  wohnungspolizeiliche  Vor¬ 
schriften  und  Anordnungen  in  den  meisten  Städten  nicht  be¬ 
stünden.  Dem  preussischen  Landtag  solle  in  der  nächsten 
Tagung  ein  Wohnungsgesetz  vorgelegt  werden.  Sehr  warm  ge¬ 
denkt  Referent  der  bayerischen  Massregeln  auf  diesem  Gebiete 
vom  10.  Februar  1901.  Vorbildlich  und  massgebend  ist  übrigens 
die  Polizeiverordnung  des  Regierungspräsidenten  von  Düsseldorf 
vom  Jahre  1898  gewesen.  Die  zweite  Frage  ging  dahin,  ob 
ständige  Wohnungsaufsicht  vorhanden  sei,  die  dritte,  ob  be¬ 
sondere  Bestimmungen  über  die  Schliessung  gesundheitswidriger 
Gebäude  und  Abänderung  von  schädlichen  Beschaffenheiten  vor¬ 
handen  seien.  Bezüglich  des  ersten  Punktes  sind  von  preussi¬ 
schen  Städten  mehrere  bejahende  Antworten  eingelaufen.  Be¬ 
sondere  Beachtung  verdient  die  vorzüglich  durchgeführte 
Wohnungsinspektion  der  Stadt  Giessen.  Den  zweiten  Punkt 
haben  die  meisten  Städte  unbeantwortet  gelassen  oder  sich  auf 
landesgesetzliche  Bestimmungen  berufen.  Eine  weitere  Frage  be¬ 
schäftigt  sich  mit  der  Art  und  Weise  der  einzelnen  Bauord¬ 
nungen,  der  Herstellung  der  Strassen.  15  Städte  versichern,  dass 
auf  Kleinwohnungen  im  Bebauungsplan  Rücksicht  genommen 
sei.  Andere  Erhebungen  betrafen  die  Frage,  ob  für  Erbauung 
von  Kleinwohnungen  Erleichterungen  in  mannigfacher  Be¬ 
ziehung,  Haus-  und  Grundsteuernachlass,  Erlass  und  Stundung 
von  Wasserzins  und  Strassen  lasten  etc.  vorgesehen  sei.  Durch 
Abgabe  von  Baugelände  zu  billigem  Preise  haben  52  Städte  die 
Errichtung  von  kleinen  Wohnungen  erleichtert.  Die  Zahl  der 
von  den  Arbeitgebern  erbauten  Wohnungen  beträgt  ca.  143  000. 
Von  einer  Reihe  von  Städten  wurde  beschlossen,  gemeinnützigen 
Baugenossenschaften,  deren  Zahl  sich  auf  551  vermehrt  hat, 
komunales  Bauland  um  billigen  Preis  abzugeben.  Die  anfäng¬ 
liche  Begeisterung  für  die  Abgabe  von  Gelände  gegen  Erbbau¬ 
recht.  des  bürgerlichen  Gesetzbuches  ist  wegen  der  juristischen 
Schwierigkeiten  nun  bedeutend  geringer  geworden.  Da  die 
Baugenossenschaften  nur  selten  über  ausreichendes  Kapital  ver¬ 
fügen,  fällt  den  Arbeitgebern,  Sozialpolitikern  und  Kommunen 
die  Aufgabe  zu,  durch  Geld-  und  Kredit-  bezw.  Bürgschafts¬ 
gewährung  helfend  einzugreifen.  In  Bezug  auf  Geld-  und 
Hypothekbeschaffung  für  Wohnungsreformzwecke  haben  sich 
indessen  die  Städte  noch  sehr  zurückhaltend  gezeigt.  31  Städte 
haben  für  ihre  Beamten  und  Bediensteten  eigene  Wohnungen 
erbaut,  nur  9  haben  kleine  Wohnungen  auch  für  andere  Leute 
gebaut.  Im  allgemeinen  findet  sich  nur  in  einer  geringen  An¬ 
zahl  von  Städten  genügendes  Verständnis  für  die  Wohnungs¬ 
frage.  Referent  verweist  besonders  auf  eine  rationelle  G rund¬ 
um!  Bodenpolitik  bei  Ausführung  des  Bebauungsplanes  und  der 


7.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1681 


Erweiterung  kommunalen  Grundbesitzes,  sowie  auf  leichten 
Verkehr  zwischen  Stadt  und  Vororten  durch  schnell- 
fahrende  Vorortszüge.  Die  nächstjährige  Städteausstellung  in 
Dresden  werde  in  der  Wohnungsfrage  noch  kein  Ruhmesblatt 
aufzuweisen  haben.  Wenn  auch  der  Innungsverband  deutscher 
Raugewerksmeister  eine  Wohnungsnot  nicht  anerkennt,  und 
gegen  die  Begünstigung  der  Baugenossenschaften  durch  Staat 
und  Stadt  protestiert,  und  wenn  auch  der  deutsche  Flausbesitzer- 
tag  die  W  ohnungsreform  als  eine  Modesache  bezeichnet  hat, 
wenn  hervorragende  Redner  spotten  über  die  Wohnungsphan¬ 
tasten,  so  stellt  Referent  demgegenüber  die  vom  VI.  Wohnungs- 
kongress  in  Brüssel  1902  ausgesprochene  Losung:  „Staat  und 
Gemeinden  müssen  in  der  Wohnungsfrage  helfen“  und  die  Ueber- 
zeugung  hervorragender  Sozialpolitiker,  dass  von  ihrer  Lösung 
dm  Entwicklung  und  Kraft  unseres  Volkes  abhängen.  Es  ist 
Pflicht  aller,  der  Wohnungsfrage  unausgesetzt  die  grösste  Sorg¬ 
falt  zuzuwenden. 

Feuchte  Wohnungen:  Ursache,  Einfluss  auf  die  Gesundheit 
und  Mittel  zur  Abhilfe. 

Referenten :  Regierungs-  und  Medizinalrat  Dr.  Abel-  Berlin, 
Baupolizeidirektor  H.  Olshausen  -  Hamburg. 

Feuchte  Wohnungen  sind  eine  ungemein  häufige  Erschei¬ 
nung.  Eine  statistische  Erhebung  in  Bern  z.  B.  hat  ergeben, 
dass  3,9  Proz.  aller  Zimmer  und  11,2  Proz.  aller  Schlafzimmer 
feucht  sind.  Die  Ursachen  der  Feuchtigkeit  von  Wohnungen 
kann  man  als  dauernde  und  vorübergehende  bezeichnen. 

Als  dauernde  Ursachen  der  Feuchtigkeit  sind  nachfolgende 
leider  bei  der  Errichtung  eines  Gebäudes  zu  bezeichnen:  Ver- 
wen  nng  ungeeigneter,  poröser  oder  stark  hygroskopischer  Bau- 
Materialien;  ungenügende  Sicherung  der  Fundamente  gegen 
Ueberschwemmung  und  Bodenfeuchtigkeit;  ungenügender  Schutz 
gegen  Schlagregen  und  Spritzwasser;  ungenügende  Mauer¬ 
starken;  schlechte  Herstellung  der  Dachdeckung  und  Regen¬ 
wasserableitung,  sowie  der  Wasserversorgungs-  und  Entwässe¬ 
rungsanlagen. 

.  Als  vorübergehende  Ursachen  der  Feuchtigkeit  sind  zu  be¬ 
zeichnen  die  Neubaufeuchtigkeit,  gesundheitswidrige,  fehler¬ 
hatte  Benutzung  einer  Wohnung  durch  Waschen  und  Kochen 
ohne  genügende  Lüftung,  mangelhafte  bauliche  Erhaltung, 
namentlich  der  Dachdeckung,  der  Regenwasserableitung,  der 
Wasserversorgungs-  und  Entwässerungsanlagen.  Da  die  Erschei¬ 
nungen  des  Feuchtseins  hinlänglich  bekannt  sind,  glaubt  Abel 
nicht  weiter  darauf  eingehen  zu  müssen. 

Dass  feuchte  Wohnungen  gesundheitsschädlich  sind,  ist  ein 
alter  Satz  bei  Laien  und  in  der  wissenschaftlichen  Medizin. 
Weichwohl  sind  es  keine  spezifischen  Krankheiten  oder  Krank- 
eitsformen  mit  besonders  bedrohlichen  Erscheinungen,  welche 
ihre  Ursachen  in  der  Wohnungsfeuchtigkeit  haben,  sondern  mehr 
Anomalien  der  Gesamtkonstitution  und  Fehler  in  der  Entwick- 
n'ngu.  ,  ,m.  stftistischer  Nachweis  besonders  über  die  grössere 
Sterblichkeit  der  m  Kellern  wohnenden  Menschen  ist  zwar  vor- 
anden,.  allein  es  ist  hier  eben  doch  die  ganze  schlechte  soziale 
-Lage  mit  m  Betracht  zu  ziehen.  Bezüglich  der  Sterblichkeit  da- 
gegen  in  Neubauten  hat  die  Statistik  gänzlich  versagt,  auch  be¬ 
züglich  der  Erkrankungen  an  Lungentuberkulose  und  Rheuma¬ 
ismus finden  sich  nirgends  beweisende  Zahlen.  Auch  die  Einzel¬ 
beobachtungen  liefern  sehr  wenig  literarisches  Material.  Trotz 
alledem  ist  der  Zusammenhang  zwischen  nasser  Wohnung  und 
allerlei  Krankheiten  ein  altärztlicher  Erfahrungssatz.  Im 
ganzen  sind  die  Erkrankungsformen  wenig  zahlreich,  wichtiger 
ist  dagegen  der  Einfluss  der  Feuchtigkeit  auf  die  Widerstands- 
ahigkeit  gegen  Krankheitserreger  und  auf  die  allgemeine 
Korperkraft.  Das  wichtigste  Moment  ist  wohl  die  Störung  des 
V  armehaushaltes  des  menschlichen  Körpers.  Durch  die  Feuch¬ 
tigkeit  wird  die  Wand  zum  guten  Wärmeleiter,  durch  Ver¬ 
dunstung  des  Wassers  wird  sie  kalt  und  entzieht  durch  Strahlung 
dem  nahen  Körper,  besonders  im  Schlafe,  mehr  Wärme  als  der 
Körper  vertragen  kann.  Diese  Störungen  im  Wärmehaushalt 
des  Körpers  haben  zur  Folge:  Erkältungskrankheiten,  Verschlim¬ 
merung  schon  bestehender  Krankheiten  (Tuberkulose),  Verringe¬ 
rung  der  Widerstandskraft  gegen  andere  Krankheiten.  Die  Luft 
m  feuchten  Wohnungen  ist  infolge  der  Beförderung  von  Zer¬ 
setzungsvorgängen  durch  die  Feuchtigkeit  meist  schlecht,  manche 
Infektionskrankheiten  finden  in  ihnen  besonders  gute  Existenz¬ 
bedingungen,  Nahrungsmittel  zersetzen  sich  rasch,  ausserdem 


verlieren  die  Bewohner  Gefühl  und  Interesse  für  Reinlichkeit 
lind  Ordnung  in  der  Wohnung,  was  wieder  schädliche  Folgen  für 
die  Gesundheit,  namentlich  für  die  Entwicklung  der  Kinder 
haben  kann.  Sehr  häufig  ist  mit  Feuchtigkeit  einer  Wohnung 
auch  ein  erheblicher  Mangel  an  Luft  und  Licht  verbunden.  Im 
allgemeinen  ist  die  Feuchtigkeit  ein  Mangel,  dem  noch  relativ 
leicht  abgeholfen  werden  kann.  Bei  welchem  Masse  von  Feuchtig¬ 
keit  ist  nun  eine  Wohnung  gesundheitsschädlich?  Die  Gesund¬ 
heitsgefährlichkeit  einer  feuchten  Wohnung  ist  in  gewissen 
Grenzen  abhängig  von  dem  Masse  und  der  Dauer  der  Feuchtig¬ 
keit.  Wenn  manche  Leute  in  feuchten  Wohnungen  keinen 
Schaden  nehmen,  so  beweist  dies  hingegen  nichts.  Die  Schäd¬ 
lichkeiten  machen  sich  eben  erst  allmählich  bemerkbar,  denn  die 
Krankheitserscheinungen  sind  selten  so  akut,  dass  sie  während  des 
Wohnens  in  der  feuchten  Wohnung  zum  Tode  führen.  Den 
Grad  der  Feuchtigkeit  zu  bestimmen,  von  welchem  ab  eine  Woh¬ 
nung  gesundheitsgefährlich  ist,  ist  allerdings  sehr  schwierig.  Bei 
feuchten  Wohnungen  in  alten  Gebäuden  ist  ein  strengerer 
Masstab  anzulegen  als  bei  Neubauten.  Allgemeine  Regeln  kann 
man  nicht  aufstellen.  Sehr  zu  berücksichtigen  sind  vor  allem 
die  Stärke,  Ausdehnung  und  Verbreitung  der  Feuchtigkeit,  die 
Ursache  derselben,  sowie  die  V  erwendung  der  betreffenden  Räume. 
Aus  praktischen  Gründen  und  zwar  namentlich  wegen  des 
Mangels  an  handlichen  Verfahren  zur  genauen  Feststellung  des 
Feuchtigkeitsgrades  von  Wohnungen,  von  denen  übrigens  die  Be¬ 
stimmung  der  Mörtelfeuchtigkeit  nach  Emmerich  noch  die 
zmei  lässigsten  Resultate  liefert,  empfiehlt  es  sich  auch,  geringe 
Grade  von  Feuchtigkeit  für  gesundheitlich  bedenklich  und  der 
Abstellung  bedürftig  anzusehen. 

Kellerwohnungen  sind  im  allgemeinen  nicht  so  verwerflich, 
wie  vielfach  behauptet  wird.  Da  ein  Neubau  erst  nach  Jahren 
und  am  besten  durch  Bewohnen  ausgetrocknet  wird,  so  ist.  völlige 
Tiockenheit  nicht  zu  verlangen.  Das  Beziehen  eines  Neubaues 
muss  eigentlich  abhängig  gemacht  werden  von  der  genauen 
lüfung  seiner  Feuchtigkeit  durch  die  Gesundheitspolizei  oder 
die  V  olmungsaufsichtsbehörde.  Die  Bauordnungen  bestimmen 
fast  alle  nichts  genaues  über  diesen  Punkt,  sie  sprechen  nur  von 
„genügend“  oder  „hinreichend“  ausgetrocknet.  Ein  Wasser¬ 
gehalt  von  1  1  Va  Proz.  darf  keinesfalls  überschritten  werden; 

bei  der  Mörtelentnahme  ist  darauf  zu  achten,  dass  der  Mörtel 
von  möglichst  vielen  Stellen  und  auch  aus  der  Tiefe  entnommen 
wild.  Ausserdem  ist  die  Bauzeit  und  die  während  derselben 
herrschende  Witterung  zu  berücksichtigen.  Ueberhaupt  muss  das 
Publikum  hygienisch  noch  besser  erzogen  werden. 

Korreferent  Polizeidirektor  Olshausen  -  Hamburg  führt 
aus,  dass  bezüglich  der  Vorbeugung  der  Entstehung  feuchter 
Wohnungen  in  erster  Linie  ein  Augenmerk  auf  die  in  den 
Häusern  befindlichen  Wasserab-  und  Zuflussleitungen  zu  richten 
sei,  welche  aus  ästhetischen  und  anderen  Rücksichten  oft  so  ver¬ 
steckt  angelegt  würden,  dass  Schäden  nur  schwer  entdeckt  und 
ausgebessert  werden  können.  In  Ueberschwemmungsgebieten 
seien  die  Hauser  bei  plötzlichen  starken  Niederschlägen  durch 
Eindringen  des  Wassers  von  den  Sielkanälen  aus  gefährdet,  wes¬ 
halb  hier  selbsttätige  Schliessung  der  Sielauslässe  gegen  das  Haus 
sein  zu  empfehlen  wäre.  Im  übrigen  seien  geeignete  Bau¬ 
materialien  zu  verwenden,  die  unteren  Gebäudeteile  entsprechend 
hoch  über  Hoch-  und  Grundwasser  zu  legen,  sowie  der  unter  der 
Erdoberfläche  liegende  1  eil  der  Gebäude  gegen  die  Bodenfeuchtig¬ 
keit  durch  Einlegen  von  wasserdichten  Platten  in  horizontaler 
wie  vertikaler  Richtung  zu  schützen.  Die  Aussenwände  sind  mit 
einem  das  Eindringen  des  Wassers  verhindernden  Material  zu 
bekleiden.  Gegen  den  sogen.  Schlagregen  sind  die  ältesten  und 
einfachsten  Bekleidungsmittel  Holz  und  Schiefer,  sowie  Dach¬ 
pappen;  diese  sind  aber  in  der  Stadt  nicht  mehr  zeitgemäss. 
Ausser  glasierten  Ziegeln,  an  denen  das  Wasser  rasch  ablaufen 
kann,  genügen  auch  gut  gebrannte  Backsteine.  Die  Herstellung 
kontinuierlicher  Luftzwischenschichten  muss  äusserst  sorgfältig 
ausgeführt  werden;  die  Luftschicht  muss  stets  gut  ventiliert  und 
so  gelegen  sein,  dass  die  schwache  Wand  nach  aussen  zu  liegen 
kommt.  Die  Mauern  müssen  von  genügender  Dicke  sein,  die 
Dachdeckung,  Regenwasserableitung,  Wasserversorgungs-  und 
Entwässerungsanlagen  sorgfältig  hergestellt  sein.  Zur  Be¬ 
seitigung  vorübergehender  Ursachen  der  Wohnungsfeuchtigkeit 
empfiehlt  Referent  erforderlichenfalls  im  Wege  der  Gesetzgebung 
vorzuschreibende  Fristen  zwischen  Fertigstellung  des  Rohbaues 
und  Beginn  der  Verputzung  in  Neubauten,  künstliche  Aus- 


1682 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


trocknung  der  putzferligen  Neubauten  mittels  Heizung  und  Lüf¬ 
tung,  Einhaltung  einer  längeren  Frist  zwischen  Fertigstellung 
des  Verputzes  und  dem  Bekleben  der  W  ände  mit  Tapeten  odei 
dem  Anstrich  der  Wände  mit  Oelfarbe,  Verhinderung  einer  zweck¬ 
widrigen  und  gesundheitsschädlichen  Benutzung  von  V  ohnungen, 
sowie  gute  Instandhaltung  aller  derjenigen  baulichen  Anlagen, 
deren  Mängel  die  Feuchtigkeit  einer  V  olinung  herbei  führen  kann, 
als:  Dachdeckung,  Regenwasserableitung,  Wasserversorgungs¬ 
und  Entwässerungsanlagen . 


Im  allgemeinen  ist  die  Schaffung  einer  zweckmässigen 
ständigen  Wohnungsbeaufsichtigung  durch  Organe  des  Staates 
oder  der  Gemeinde  erforderlich;  diese  Organe  müssen  mit  den 
nötigen  Machtmitteln  ausgestattet  sein,  um  die  zweck-  und  ge¬ 
sundheitswidrige  Benutzung  einer  Wohnung  zu  verhindern  und 
die  zur  Beseitigung  vorhandener  Feuchtigkeit  erforderlichen 
Massregeln  anzuordnen. 

In  der  den  letzten  beiden  Vorträgen  nun  folgenden,  zum  Teil 
recht  lebhaften  und  erregten  Diskussion  ergänzt  zunächst  der  In¬ 
spektor  der  Behörde  für  Wohnungspflege  in  Hamburg,  Herr 
Grundier,  auf  Grund  persönlicher  Erfahrungen  etwas  näher 
die  Ausführungen  Olshausens. 

Dann  betont  Oberbürgermeister  B  a  c  k  -  Mannheim  auf  Grund 
der  in  Mannheim  gemachten  Erfahrungen  die  Wichtigkeit  einer 
fortlaufenden  Wohnungsstatistik  und  der  Heranziehung  der  Privat¬ 
bautätigkeit  für  die  Herstellung  kleiner  Wohnungen,  nachdem  sich 
gezeigt  habe,  dass  die  gemeinnützige  Bautätigkeit  doch  dem  Be¬ 
dürfnis  weitaus  nicht  zu  genügen  im  stände  ist.  Die  in  Mann¬ 
heim  errichteten  Wohnungen  seien  von  den  Arbeitern  wegen  des 
in  diesen  Häusern  streng  durchgeführten  Verbotes  der  Aftermiete 
erst  nicht  bezogen  worden. 

Baumeister  Hartwig- Dresden  nimmt  den  Verband  deutscher 
Baugewerksmeister  und  den  Zentralverband  deutscher  Haus¬ 
besitzervereine  gegen  die  Vorwürfe  des  Bef.  Dr.  E  b  e  1  i  n  g  in 
Schutz. 

Dr.  Yokote  -  Tokio-Leipzig  verbreitete  sich  in  deutscher 
Sprache  über  das  Bauwesen  in  Japan. 

E  m  m  er  i  c  h  -  München  tritt  für  die  chemische  Unter¬ 
suchung  des  Feuchtigkeitsgrades  einer  Wohnung  ein  und  fügt  bei, 
dass  man  auch  Vakuumapparate  für  100  und  mehr  Proben  ein¬ 
richten  könne. 

Baurat  Stübben-Ivöln  macht  dem  Zentralverband  deutscher 
Hausbesitzervereine  den  Vorwurf,  dass  derselbe  in  unrichtiger 
Weise  das  Vorhandensein  einer  Wohnungsnot  und  das  Bedürfnis 
einer  Wohnungsreform  überhaupt  bestritten  habe.  Wenn  der 
Verband  seine  Stellung  nun  ändere  und  anerkennt,  dass  unsere 
Wohnungsverhältnisse  quantitativ,  qualitativ  und  in  finanzieller 
Beziehung  zu  berechtigten  Sorgen  Veranlassung  gebe,  so  werde 
die  Zeit  nicht  fern  sein,  wo  man  sich  zu  einem  gemeinsamen 
Ziele1  zusa mmenfi nden  werde.  Er  wendete  sich  dann  gegen  die 
Bemerkung  Abels,  dass  ein  Verbot  von  Kellerwohnungen  doch 
nicht  ganz  zu  rechtfertigen  wäre,  und  will,  unter  allen  Umständen 
in  neuen  Stadtteilen,  die  Kellerwohnungen  nicht  nur  wegen  der 
Feuchtigkeit,  sondern  hauptsächlich  wegen  der  schlechten  Luft-, 
Licht-  und  Temperaturverhältnisse  womöglich  gänzlich  verboten 
sehen. 


Geheimrat  Renk-  Dresden  spricht  ebenfalls  gegen  die  Zu¬ 
lassung  von  Kellerwohnungen. 

Apotheker  Koessner-  Dresden  bedauert  als  Hausbesitzer, 
dass  er  heute  über  Mittel  zur  Abhilfe  gegen  Feuchtigkeit  nichts 
Neues  gehört  habe.  Sehr  wichtig  sei  eben  der  Faktor  der  Be¬ 
nützung  der  Wohnungen  durch  die  Mieter. 

Baumeister  Hartwig-  Dresden  macht  auf  die  Notwendig¬ 
keit.  der  Abschaffung  der  Aftermiete  aufmerksam  und  rügt  die 
Bevorzugung  der  Baugenossenschaften. 

Bürgermeister  Hetschel  -  Dresden  bedauert,  dass  das  a  on 
Ebeling  zur  Lösung  der  Wohnungsfrage  empfohlene  M  ittel  der 
Erleichterung  des  Verkehrs  nach  den  Aussenbezirken  für  Gress¬ 
städte  mit  schöner  Umgebung  nicht  anwendbar  sei,  weil  dann 
die  billigen  Trambahnen  nicht  etwa  die  wenig  steuerkräftigen 
Leute  benützen,  sondern  es  siedeln  sich  die  reichen  Leute  in  den 
Villen  der  Umgebung  an  und  gehen  den  Städten  selbst  als  Steuer¬ 
zahler  verloren.  Er  wendet  sich  dann  noch  gegen  die  Bau-  und 
( !  rundstückspekulation. 


Nach  kurzen  Schlussätzen  der  Referenten  spricht  der  Vor¬ 
sitzende,  F  r  ä  n  k  e  1  -  Halle,  der  Stadt  München  für  den  gt 
radezu  königlichen  Empfang  unter  lebhaftem  Beifall  den  Dank 
der  Versammlung  aus.  Nachmittags  fand  I  estvorstellung . 
Tannhäuser,  im  Prinzregenten-Theater  statt. 


Am  Samstag  den  20.  IX.  fand  ein  gemeinsamer  Ausflug  auf 
den  Taubenberg  bei  Ilolzkirchen  statt,  wo  man,  abgesehen  von 
Volksbelustigungen  aller  Art  und  einer  etwas  dunstigen  Gebirgs- 
aussicht,  das  Niederschlagsgebiet  für  die  Quellen  übersehen 
konnte,  welche,  die  Stadt  München  mit  frischem  Wasser  ver¬ 
sorgen.  Das  Prinzip,  das  ganze  Niederschlagsgebiet  mit  Wal¬ 


dungen  zu  bepflanzen,  wird  einstweilen  durch  Anlage  geeignet  ei 
Baumschulen  und  Schonungen  in  die  Wege  geleitet. 

Dr.  Glauni  n  g  -  Nürnberg. 


Internationale  Konferenz  zur  Unifizierung  der  Rezepte 
der  stark  wirkenden  Arzneien  zu  Brüssel. 

Am  15.  September  wurde  im  Landwirtschaftsministerium  zu 
Brüssel  die  internationale  Konferenz  zur  Unifizierung  der  Rezepte 
der  starkwirkenden  Arzneien,  die  in  den  verschiedenen  Pharma¬ 
kopoen  verzeichnet  sind,  eröffnet.  Der  Zweck  dieser  vom  Land¬ 
wirtschaftsminister  veranlasston  Konferenz  besteht  darin,  eine  Ge¬ 
fahr  zu  vermeiden,  welche  bei  der  gegenwärtigen  Sachlage  durch¬ 
aus  nicht  ausgeschlossen  ist,  wenn  man  eine  von  einem  Arzte 
e  i  n  e  s  Landes  verschriebene  Verordnung  in  einer  Apotheke  eines 
anderen  Landes  anfertigen  lässt.  Ein  Vergleich  zwischen  den 
einzelnen  Pharmakopoen  ergibt  nämlich  eine  nicht  unbeträchtliche 
Verschiedenheit  in  der  Wirksamkeit  gewisser  starkwirkender 
Arzneimittel.  Der  Gedanke,  die  starkwirkenden  Mittel,  in  ihrer 
Zusammensetzung  und  Wirksamkeit  für  «alle  Länder  einheitlich 
zu  gestalten,  verdankt,  seine  Entstehung  dem  ersten  internationalen 
Kongress  für  Pharmazie,  der  im  Jahre  lSt>5  zu  Braunschweig 
statthatte,  Zum  efstenmale  offiziell  erörtert  wurde  die  Frage 
einer  Universalplia miakopöe,  auf  dem  zweiten  internationalen  Kon¬ 
gress  für  Pharmazie,  der  im  Jahre  18(17  zu  Paris  abgehalten  wurde. 
Am  29.  Oktober  1898  brachte  Prof.  Dr.  R  o  m  melaerein  Brüssel 
bei  der  königlich  belgischen  Akademie  der  Medizin  folgenden  An¬ 
trag  ein:  ..Die  königlich  belgische  Akademie  der  Medizin  bittet 
die  Regierung,  mit  den  fremden  Regierungen  Verhandlungen  an¬ 
knüpfen  zu  wollen  behufs  Ausarbeitung  einer  internationalen 
Pharmakopoe.“  Dieser  Vorschlag  wurde  einer  Kommission  tiber- 
Aviesen.  deren  Bericht  günstig  lautete,  so  dass  die  königliche  Aka¬ 
demie  der  Medizin  —  in  ihrer  Sitzung  am  29.  April  1899  —  sich 
für  den  Antrag  des  Prof.  Dr.  Rommelaere  aussprach.  Als 
dann  im  Jahre  1900,  auf  dem  internationalen  Kongress  für  Phar¬ 
mazie  in  Paris  die  Frage  von  neuem  angeschnitten  wurde,  teilten 
die  belgischen  Delegierten  mit,  dass  ihre  Regierung  sich  mit  den 
Regierungen  der  anderen  Länder  in  Verbindung  gesetzt  habe  zu 
dem  ZAveck,  ein  Einvernehmen  herbeizuführen  bezüglich  der 
gleichmässigen  Zusammensetzung  der  starkwirkenden  Arzneien, 
und  der  Kongress  sprach  den  Wunsch  aus,  dass  die  belgische 
Regierung,  Avelche  die  Sache  in  die  Hand  genommen  habe,  den 
Zusammentritt  einer  internationalen  Konferenz  A'eraulasse,  auf 
welcher  die  besonders  interessierten  Staaten  vertreten  sein  sollten. 

Den  Kongress,  auf  dem  20  Länder  offiziell  vertreten  sind,  er¬ 
öffnet  der  Landwirtschaftsminister,  Baron  van  der  Brüggen. 
Im  Namen  der  belgischen  Regierung  heisst  er  die  zahlreichen 
fremden  Delegierten  willkommen,  die  im  Namen  ihrer  resp.  Re¬ 
gierungen  danken.  S  t  o  k  v  i  s,  Delegierter  der  Niederlande,  be¬ 
tont  die  Notwendigkeit  der  Gleichmässigkeit  in  der  Bezeichnung 
der  Arzneien;  die  Gleichheit  des  Namens  müsse  die  Gleichheit 
des  Präparates  ATerbürgen.  Er  empfiehlt,  in  die  Pharmokopöen 
nur  die  wirksamen  Prinzipien,  Alkaloide  und  Glykoside,  aufzu¬ 
nehmen,  welche  man  im  krystallinisehen  und  chemisch  reinen 
Zustand  erhalten  kann.  Es  wird  eine  Kommission  gewählt,  be¬ 
stehend  aus  Stole  vis,  Hey  maus  und  Bourquelot, 
welche  den  Auftrag  erhält,  darüber  Bericht  zu  erstatten,  welche 

Namen _  in  lateinischer  Sprache  —  den  starkwirkenden  Arzneien 

in  den  Pharmakopoen  der  verschiedenen  Länder  gegeben  werden 
sollen.  Molle  r,  Delegierter  von  Dänemark,  schlägt  vor,  einen 
für  alle  Pharmakopoen  gleichen  Tropfenzähler  einzuführen.  Auch 
zur  Berichterstattung  über  diese  Frage  wird  eine  Kommission  ge¬ 
wählt,  bestehend  aus  G  abriel,  M  oller  und  S  c  h  m  i  d  t.  Ein 
belgischer  Delegierter  empfiehlt,  für  die  Akonitpräparate  einen 
Gehalt  an  ganzen  Alkaloiden  zu  fordern.  Dieser  Bestimmung 
schlägt  ein  anderer  Delegierter  (aus  der  Schweiz)  vor,  hinzuzu¬ 
fügen,  diese  ganzen  Alkaloide  sollen  nach  der  Methode  des  Fran¬ 
zösischen  Kodex  oder  nach  der  der  Deutschen  Pharmakopoe  dosiert 
werden.  Die  Versammlung  entscheidet  sich  dafür,  einen  Gehalt 
an  ganzen  Alkaloiden  innerhalb  gewisser  Grenzen  zu  fordern  und 
vorläufig  der  Kommission  für  jede  einzelne  Pharmakopoe  es  zu 
überlassen,  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  eine  Dosierungsmethode 
gewählt  werde,  Avelche  hinreichend  genaue  Resultate  gibt.  Der 
Reihe  nach  gelangen  dann  zur  Erörterung  die  Präparate  von 
Akonit,  Belladonna,  indischem  Hanf,  Koloquintlien,  Colchicum, 
Digitalis,  Ipecacuanha,  Hyoseyamus  niger.  Nux  vomicü,  8tra- 
monii  folia.  Gestrichen  werden  Scillae  bulbus  und  deren  Prä¬ 
parate,  Liquor  Natrii  arsenicosi  (Pearsönsche  Flüssigkeit),  Sirop 
de  chloral  (1,0  Chlor,  liydr.  auf  20.0  Sirup),  Sirop  de  code'ine,  Sirop 
de  morpliine  (0,01  Morph,  auf  20,0  Sirup),  Teinture  de  jaborondi. 
Aeonitinum,  Digitalin,  Ol.  pliosphor.  Gleichmässig  festgesetzt 
nach  Zusammensetzung  und  demgemäss  auch  nach  der  Wirkung 
wurden  die  Präparate  von  Opium,  Strophantlius,  Secale  cornutmn, 
Blausäure,  Aqu.  Laurocerasi,  Aqu.  carbolis.,  Natriumarsenat, 
Solut.  arseniealis  Fowleri.  Tinct.  Cantliaridum.  Tinct.  jodi,  Tinct. 
Lobeliae,  Cocain,  liydrochlor.,  Quecksilbersalbe.  Den  Schluss¬ 
folgerungen  der  3  eingesetzten  Kommissionen  wurde  zugestimmt. 
Als  Normal-Tropfenzähler  für  alle  Pharmakopoen  wird  ein 
Tropfenzähler  bestimmt,  der  einen  äusseren  Durchmesser  von 
3  mm  hat  und  20  Tropfen  Wassers  im  Gewicht  von  1  Gramm 
bei  einer  Temperatur  A'on  15®  gibt.  Schliesslich  wurde  die  Uebei- 
einkunft  unterzeichnet.  E.  H. 


7.  Oktober  1902. 


MÜENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT 


1683 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  24.  J  u  n  i  1902. 

1.  Herr  Starck:  lieber  angeborene  Herzfehler.  (Mit 
Krankenvorstellung.) 

Nach  einleitenden  Bemerkungen  über  Bedeutung,  Sym¬ 
ptomatologie,  Aetiologie,  Häufigkeit  etc.  der  angeborenen  Herz¬ 
fehler  demonstriert  Vortragender  folgende  3  Fälle: 

1.  Iv.  S.,  10  jähriger  Junge  aus  Mannheim. 

Anamnese:  1  Schwester  soll  von  Geburt  bis  zum  Tode 
(am  16.  Tage)  ganz  b  1  a  u  gewesen  sein.  Keine  Sektion. 

Pat.  war  nach  der  Geburt  nicht  blau,  dagegen  fiel  der  Mutter 
im  ersten  Lebensjahre  auf,  dass  das  Kind  beim  Schreien  am 
ganzen  Körper  blau  wurde  und  sicht-  und  fühlbares  Herzklopfen 
bekam.  Ausserdem  hatte  es  schon  im  ersten  Lebensjahre  mit 
Atemnot  zu  kämpfen.  Nach  1  Jahr  Masern  und  Gelbsucht  gut 
iiberstanden.  Mit  1  Jahr  0  Monaten  Laufen,  dabei  stets  Herz¬ 
klopfen.  Frühzeitige  Zahnung.  Gelegentlich  eines  leichten  In¬ 
fluenzaanfalles  wird  vom  Arzt  bestätigt,  dass  „B  lausuc  h  t“  vor¬ 
liegt.  Blau  waren  Nasenflügel,  Lippen,  Ohrläppchen.  Stets 
Müdigkeit,  Mattigkeit,  Apathie  und  Schlafsucht;  schlief  oft  fast 
den  ganzen  Tag.  Infolge  von  Herzklopfen  und  Atemnot  konnte  er 
mit  Gleichaltrigen  nicht  spielen,  springen;  allmähliche  Steigerung 
der  Blausucht.  Im  7.  Jahre  A  n  fäll  e.  Plötzlich,  ohne  Aura, 
mit  Schwindel,  Uebelkeit,  Bewusstlosigkeit.  Fiel  plötzlich  um! 
Nach  5 — 10  Minuten  erwacht  er,  bekommt  Erbrechen,  verfällt  in 
Schlaf.  Nie  Krämpfe,  Zungenbiss,  Urininkontinenz  etc.  Anfangs 
kamen  die  Anfälle  ein  bis  mehreremale  im  Tag,  in  letzter  Zeit 
seltener,  alle  ein  bis  zwei  Tage  einmal.  Auch  merkt  er  es,  bevor 
die  Anfälle  kommen. 

In  den  letzten  3  Jahren  häufig  Katarrhe  der  oberen  Luftwege, 
Husten  mit  Auswurf.  Seit  2  Jahren  Verdickungen  und 
Blaufärbung  von  Finger-  und  Zehenenden.  Täglich  Kopfweh  und 
Schwindel.  Bei  leichtester  Anstrengung  oder  Gemütserregung 
Herzklopfen  mit  Schmerz  in  der  Herzgegend.  Nie  Stauungs¬ 
erscheinungen,  Oedeme  etc. 

Status:  Normal  entwickelt.  Allgemeine  Cyanose,  besonders 
an  Nase,  TV  angen.  Lippen,  Ohren,  Gaumenschleimhaut,  Händen, 
Zehen.  Auffallend  ist  der  Wechsel  in  der  Intensität  der  Cyanose. 
Keine  Venenpulsationen.  Trommelschlägelfinger  und  Zehen. 
Klauennägel.  Thorax,  Lungen  normal.  Links  vorn  oben  neben 
dem  Sternum  eine  leichte  Verkürzung,  die  von  der  Ivlavikula  bis 
zum  Herzen  reicht.  Herzdämpfung:  III. — VI.  Rippe,  rechts  auf 
dem  Sternum  nahe  dem  rechten  Sternalrand,  links  Mammillarlinie. 
Spitzenstoss  sicht-,  fühlbar  in  Mammillarlinie  des  V.  Interkostal¬ 
raumes.  Im  II.  Interkostalraum,  links  vom  Sternum,  fühlt  man 
einen  klappenden  II.  Ton,  bei  erregtem  Herzen  ausserdem  ein 
rauhes  systolisches  Geräusch  an  derselben  Stelle. 

Auskultation:  Spitze  I.  Ton  verstärkt,  etwas  gespalten, 
mitunter  leises  systolisches  Geräusch.  Tricuspidalis  ebenso. 
V.  Punkt  Galopprhythmus,  I.  Ton  gespalten,  bald  geräuschartig, 
bald  Geräusch.  II.  Ton  akzentuiert.  Aorta:  nichts  Besonderes. 
Pulmonalis:  lautes,  kratzendes,  systolisches  Geräusch  neben  dem 
1-  gespaltenen  Ton.  II.  Ton  akzentuiert,  klappend.  Das  systolische 
Geräusch  ist  nach  oben  noch  zu  hören,  aber  schwächer.  Am 
Rücken  kein  Geräusch  zu  hören.  Abdominalorgane  (Leber,  Milz) 
normal,  keine  Oedeme.  Tuls:  regelmässig,  mittelkräftig,  200  in  der 
Minute.  Nervensystem:  nichts  Besonderes. 

im  Röntgenbild  ist  die  normale  Herzfigur  zu  erkennen;  ein 
bandförmiger  Schatten  links  oben  vom  Sternum  ist  nicht  zu  sehen. 

Diagnose:  Für  angeborenes  Vitium  spricht  Beginn  der 
Beschwerden  in  frühester  Kindheit,  Cyanose,  Fehlen  einer  aus¬ 
lösenden  Ursache  des  Herzfehlers.  Für  die  Diagnose  kommt 
in  Betracht :  1.  Cyanose,  2.  Systolisches  Geräusch  über  der  Pul¬ 
monalis,  3.  II.  klappender  Pulmonalton. 

Die  Herzgrösse  lässt  keinen  Schluss  auf  den  Sitz  des  Leidens 
zu.  Der  Sitz  des  Geräusches  deutet  auf  die  Pulmonalis  oder  den 
Ductus  Botalli.  Für  offenen  Ductus  Botalli  spricht 
die  leichte  Dämpfung  links  oben  vom  Sternum,  die  Verstärkung 
des  II.  Pulmonaltons,  das  systolische  Geräusch.  Die  Cyanose 
fehlt  aber  meist,  wir  dürfen  deshalb  wohl  eine  Pulmonal- 
Stenose  annehmen.  Durch  letztere  könnte  auch  das  systo¬ 
lische  Geräusch  hervorgerufen  sein.  Herzhypertrophie  fehlt  da¬ 
bei  häufig.  Eine  Verstärkung  des  TT.  Pulmonaltones  kann  eben¬ 
falls  bei  einer  Pulmonalstenose  Vorkommen,  wenn  die  Stenose 
jenseits  der  Klappen  sitzt.  Die  Intensität  des  II.  Tones  spricht 
allerdings  mehr  für  offenen  Ductus  Botalli. 

Somit  Diagnose :  Pulmonalstenose  mit  offenem 
Ductus  Botalli. 

2.  A.  B.,  5  jähriges  Mädchen  aus  Mannheim. 

In  Familie  kein  Herzleiden,  keine  Missbildung.  Pat.  war  be¬ 
reits  sofort  nach  der  Geburt  blau.  Blausucht  vermehrte  sich  bei 
Schreien.  Schon  in  frühester  Jugend  fiel  Apathie,  Aengstlichkeit, 
Unlust  in  Bewegung  auf.  Sonst  normale  Entwicklung,  besonders 
in  geistiger  Hinsicht.  Bei  leichter  körperlicher  oder  geistiger, 
psychischer  Erregung  Atemnot  und  Herzklopfen.  Letzteres  wurde 


von  den  Eitern  oft  auf  Entfernung  gehört.  Mit  3  Jahren  über¬ 
stand  es  gut  Masern,  mit  4  Jahren  Lungenentzündung.  Viel  Ka¬ 
tarrhe  der  oberen  Luftwege.  Nie  Stauungserscheinungen,  aber 
stets  Gedunsensein  des  Gesichtes. 

Status  praesens:  Geistig  frisch  und  aufgeweckt,  gutes 
Gedächtnis.  Körperlich  mittelmässig  entwickelt  Gesicht  ge¬ 
dunsen.  Erhebliche  Blausucht  an  üblichen  Körperstellen,  Trom¬ 
melschlägelfinger  und  -Zehen.  Thorax  etwas  deformiert,  Vor¬ 
wölbung  der  unteren  Sternalpartie.  Am  Halse  Vetienundulationen, 
keine  sichere  Pulsation,  ebensowenig  an  Leber. 

Rechts  und  links  vom  Sternum  starke  Herzbewegung,  rechts 
mehr  als  links.  Deutliche  und  unregelmässige  Pulsation  im  Epi- 
gastrium.  Spitzenstoss  nicht  zu  fühlen.  Ein  systolisches 
Schwirren  ist  bei  erregtem  Herzen  innerhalb  der  linken  Mammillar¬ 
linie  nahe  dem  unteren  Sternalrand  zu  fühlen.  Lungen  normal. 

Herz  grenzen:  Links  etwas  innerhalb  der  linken  Mam¬ 
millarlinie,  rechts:  in  der  rechten  Mammillarlinie,  unten:  VI.  Rippe, 
oben  =  II.  Interkostalraum.  Ueber  dem  Sternum,  in  der  Höhe  der 
zweiten  Rippe. 

Auskultation:  Herzaktion  beschleunigt,  100 — 120,  ganz 
unregelmässig  in  Stärke  und  Zahl.  Spitze:  Mitunter  normale  Töne, 
meist  (besonders  nach  Bewegung)  ein  in  Intensität  oft  wechselndes 
langgezogenes,  blasendes  Geräusch.  II.  Ton  normal. 

Tricuspidalis:  links  vom  untern  Rand  des  Sternunis  (auch 
wenn  Spitzengeräusch  nicht  zu  hören)  ein  lautes,  sehr  rauhes 
systolisches  Geräusch,  das  nach  oben  über  dem  Sternum,  rechts 
weniger,  links  oben  zu  hören  ist.  II.  Ton  verstärkt. 

Am  V.  Punkt  hört  man  das  fortgeleitete  Geräusch,  welches 
an  Aorta  und  Pulmonalis  kaum  mehr  zu  hören  ist.  II.  Ton  normal. 

Leber  reicht  bis  3  Querfinger  unter  den  Nabel,  sichere  Pulsa¬ 
tion  nicht  nachzuweisen.  Milz  normal,  kein  Aszites,  keine  Oedeme. 
Nervensystem  normal.  Puls  klein,  unregelmässig,  100—120  in  der 
Minute.  Urin  normal.  Im  Röntgenbild  sieht  man  die*  enorme  Ver¬ 
breiterung  nach  rechts,  die  linke  Grenze  innerhalb  der  Mammillar¬ 
linie. 

Diagnose:  Für  kongenitalen  Charakter  spricht  Cyanose 
seit  Geburt,  Herzgrösse.  Die  Thoraxanomalie  ist  als  Voussure 
aufzufassen,  da  keine  Rhaehitis  vorausging.  Die  enorme  Ver¬ 
breiterung  des  Herzens  nach  rechts,  die  starke  Herzbewegung 
rechts  deutet  auf  Anomalie  des  rechten  Herzens.  Das  laute, 
rauhe  systolische  Geräusch  am  unteren  Sternalrand  weist  auf 
eine  Trikuspidalinsuffizienz  hin ;  eine  Pulmonal- 
stenose  in  der  Gegend  des  Konus  ist  wohl  auszusehliessen,  da 
der  II.  Pulmonalton  noch  laut  und  deutlich  ist.  Während  bei 
erworbener  I  rikuspidalinsuffizienz  häufig  Halsvenenpuls  und 
Leberpuls  zu  beobachten  sind,  fehlen  diese  Pulsationen  fast  stets 
bei  der  angeborenen.  Ob  sie  in  unserem  Falle  vorhanden  sind, 
lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen.  Das  Fehlen  der  Pulse 
beim  angeborenen  Vitium  hängt  vielleicht  damit  zusammen, 
dass  meist  noch  andere  Anomalien  daneben  bestehen,  besonders 
der  Septumdefekt.  Ein  solcher  kommt  auch  hier  in  Be¬ 
tracht,  da  das  systolische  Geräusch  unterhalb  der  Spitze  anderen 
Charakter  zu  haben  scheint  als  dasjenige  am  Sternum. 

Neben  der  Endokarditis  besteht  ausserdem  eine  hochgradige 
Myokarditis.  Somit  lautet  die  Diagnose:  Trikuspidal¬ 
insuffizienz  mit  Septumdefekt. 

3.  A.  R.,  28  jährige  Landwirtstoeliter  aus  Mülhausen. 

In  Familie  kein  Herzleiden,  keine  Missbildung.  Pat.  war  als 
kleines  Kind  schon  blausüchtig,  machte  keine  Kinderkrankheiten 
durch.  Im  4.  Jahre  kam  sie  zu  ihrer  Pflegemutter,  war  damals 
schon  stark  blau  im  Gesicht  und  an  den  Händen,  hatte  aus¬ 
gesprochene  Trommelschlägelfinger  und  -Zehen,  konnte  nicht  rasch, 
nicht  lange  gehen,  bekam  sofort  Herzklopfen,  Atemnot,  wurde 
stärker  blau.  Zwischen  4.  und  7.  Jahre  häufig  Anfälle,  sie  fiel 
plötzlich  hin,  verlor  das  Bewusstsein,  stand  aber  sofort  wieder  auf 
und  war  hei  sich.  Nie  Krämpfe,  Lähmungen,  Zungenbiss  etc. 
Anfangs  wiederholten  sich  die  Anfälle  mehrmals,  wurden  später 
seltener,  hörten  mit  7  oder  8  Jahren  auf.  Menstruation  mit 
17  Jahren  ohne  Störung,  normal.  Vom  15.  bis  18.  Lebensjahre 
hatte  sie  starke  Magenbesch  we  r  d  e  n,  Schmerzen  nach 
Essen,  viel  Erbrechen.  Diese  Beschwerden  kehrten  vor  1(4  Jahren 
mit  erneuter  Heftigkeit  wieder.  Sie  bekam  schlechten  Appetit, 
zog  Fleischnahrung  den  Mehlspeisen  vor,  klagte  saures  Aufstossen, 
Sodbrennen,  Schweregefühl  in  der  Magengrube  etwa  1  Stunde 
nach  dem  Essen.  Allmählich  wurde  sie  sehr  elend,  konnte  kaum 
mehr  gehen  und  stehen.  Gleichzeitig  trat  eine  vollständige  Ver¬ 
änderung  der  Hautfarbe  ein,  die  blaue  Farbe  schlug  in  ein 
tiefes  Sch  w  a  r  z  um,  so  dass  ihr  Arzt  und  Laien  ihre  Ver 
wunderung  ausdrückten.  Im  Juni  letzten  Jahres,  als  die  Magen¬ 
beschwerden  ihren  Höhepunkt  erreichten,  sie  so  schwach  war,  dass 
sie  das  Bett  nicht  verlassen  konnte,  erfolgten  3  Magenblu¬ 
tungen  in  Zwischenräumen  von  4  Stunden,  wobei  y2  Liter 
schwarzes  klumpiges  Blut  entleert  wurde.  Der  erste  Stuhlgang 
war  bluthaltig.  Lungenerscheinungen  fehlten.  Mit  diesen  Blu¬ 
tungen  trat  momentan  ein  grosser  Umschwung  im  Be¬ 
finden  ein.  Die  Pat.  erlangte  wieder  ihre  normale  blaue  Farbe, 
sie  verlor  die  Magenbeschwerden  fast  ganz  und  wurde  wieder 
etwas  leistungsfähig.  Im  Winter  kehrten  wieder  leichte  Magen¬ 
beschwerden,  nie  sie  aber  bei  leichter  Diät  kaum  empfand.  Im 
übrigen  klagt  sie  ausser  ihren  Herzbeschwerden  nur  häufigen 


1684 


MlTEN  CIIEN  EU  MEDICINISCIIE  WOCHEN  SCHRIFT. 


No.  40. 


Kopfschmerz,  besonders  im  Nacken,  und  Schwindel.  Neigung  zu 
Katarrhen  hat  sie  nicht,  z.  B.  nie  Husten. 

Jede  Erregung  ruft  starkes  Herzklopfen  und  Verstärkung  der 
C.vanose  hervor.  Seihst  im  Sommer  hat  sie  Wärmebedürfnis.  Sie 
hat  in  ihrem  ganzen  Leben  noch  nichts  gearbeitet,  sondern  sitzt 
zur  Untätigkeit  gezwungen  in  ihrer  Stube. 

Status  praesens:  Körperlich  etwas  zurückgeblieben, 
zart  gebaut.  Intelligenz  gering,  Gedächtnis  gut.  Hochgradige 
C.vanose,  selbst  bei  Bettruhe  ist  das  Gesicht  tief  blaurot.  Trommel- 
sclilägelfinger  und  -Zehen,  Klauennägel.  Keine  Venenpulse  am 
Ilals.  Thoraxbau  normal;  Lungen  normal. 

Spitzenstoss:  1  Querfinger  ausserhalb  der  Mammillar- 
linie  zu  fühlen.  Man  fühlt  an  der  Pulmonalis,  mitunter  auch  an 
der  Spitze  ein  leises  systolisches  Schwirren.  Herzaktion  regel¬ 


mässig.  ..... 

Grenzen:  L.  1  Querfinger  links  der  Mammillarlinie,  rechts 
etwas  jenseits  des  Sternalrandes,  oben  III.  Kippe,  unten  VI.  Kippe. 

Auskultation:  An  der  Spitze  ein  in  Intensität  wechseln¬ 
des  systoliclies  Geräusch,  das  mitunter  kaum  zu  hören  ist. 

II.  Ton  normal. 

Am  V.  Punkt  und  Trikuspidalis  ist  das  systolische  Geräusch 
ebenfalls  zu  hören,  II.  Ton  normal.  An  Aorta  normale  Verhält¬ 
nisse,  bei  erregtem  Herzen  ist  das  systolische  Geräusch  noch  leise 

zu  hören.  _  . 

An  Pulmonalis  hört  man  ein  sehr  lautes  systolisches  Geräusch, 
das  sich  nach  allen  Richtungen,  nur  nicht  nach  oben  hin  fortsetzt. 
Der  II.  Ton  ist  laut,  rein.  Am  Kücken  ist  das  systolische  Geräusch 
hörbar. 

Abdominalorgane  normal ; 
massig,  klein,  96  i.  d.  Min. 


Nervensystem  intakt.  Puls  regel- 


Diagnose:  Für  kongenitales  Vitium  spricht  angeborene 
C.vanose  mit  deren  Eolgezuständen  und  Fehlen  jeglicher  Krank¬ 
heit,  mit  welcher  das  Vitium  in  aktive  Beziehung  gebracht  wer¬ 
den  könnte.  Das  laute,  rauhe,  systolische  Geräusch  an  der  Pul- 
monalis  spricht  für  Pulmonalstenose.  Die  Geräusche 
der  übrigen  Ostien  sind  fortgeleitet.  Mit  der  Diagnose  in  Ein¬ 
klang  steht  die  Herzgrösse.  Der  laute  II.  Pulmonalton  ist  da¬ 
durch  zu  erklären,  dass  die  Stenose  jenseits  der  Klappen 
sitzt,  oder  dass  vielleicht  neben  der  Pulmonalstenose  noch  ein 
offener  Ductus  Botalli  besteht. 


Bemerkenswert  in  diesen  Fällen  sind  in  Fall  I  und  III  die 
Anfälle,  im  dritten  Falle  das  Alter  sowie  die  Magen¬ 
blutung  auf  Grund  eines  Magengeschwürs.  Die  auf¬ 
fallende  Besserung  im  Anschluss  an  die  Blutung  gibt  einen 
therapeutischen  Wink  für  schwere  Fälle  von  Blausucht. 
Ein  Aderlass  kann  unter  Umständen  von  Erfolg  gekrönt  sein. 


Röntgenbilder  von  Trommelschlägelfingern  zeigen 
eine  Verbreiterung  und  undeutliche  Begrenzung  des  Knorpels  der 
Endphalangen. 

Diskussion:  Herren  Leber,  Kaufman  n,  Kleine  r, 
Schwalbe,  Starck. 

Herr  Schwalbe  demonstriert  im  Anschluss  an  den  Vor¬ 
trag  das  Präparat  eines  Falles  von  Defekt  des  Septum  ventri- 
culorum  bei  einem  1jährigen  Kinde.  Es  fehlt  der  obere  Teil  des 
Septums,  das  Septum  membranaceum,  also  ein  verhältnismässig 
häufiger  Befund.  Es  ist  sehr  starke  Hypertrophie  des  rechten 
Ventrikels  vorhanden,  die  Dilatation  betrifft  vorwiegend  das  rechte 
Herz.  Im  Vergleich  zu  einem  normalen  Herzen  eines  gleich- 
alterigen  Kindes  ist  die  Vergrösserung  des  Herzens  auffallend. 

2.  Herr  Schwalbe:  Mikroskopische  Demonstration  eines 
Falles  von  Poliomyelitis  anterior  acuta  im  Stadium  der  Re¬ 
paration. 

Einleitend  berührt  Vortragender  einige  Fragen,  die  anatomisch 
und  klinisch  gegenwärtig  im  Vordergrund  der  Diskussion  bezüglich 
der  Poliomyelitis  stehen.  Besonders  wird  erörtert,  ob  die  degene- 
rativen  Veränderungen  der  Ganglienzellen  oder  die  interstitielle 
Entzündung  das  „Primäre“  bei  der  Erkrankung  sind.  Sch.  glaubt, 
dass  diese  Frage  sich  anatomisch  nur  so  beantworten  lässt,  dass 
bis  jetzt  auch  in  den  frühesten  Fällen  sowohl  parenchymatöse 
wie  interstitielle  Veränderungen  gefunden  wurden.  Von  einer 
„primären“  Veränderung  einfach  in  der  Bedeutung  des  zeitlichen 
Voraufgehens  kann  daher  weder  für  die  parenchymatösen  noch  die 
interstitiellen  Veränderungen  gesprochen  werden.  Ob  einer  dieser 
Zustände  den  anderen  bedingt,  das  lässt  sich  anatomisch  nicht 
beantworten,  sehr  wohl  kann  dieselbe  Ursache  sowohl  paren¬ 
chymatöse  wie  interstitielle  Veränderung  hervorrufen.  Unsere 
ätiologischen  Kentnisse  bezüglich  der  Poliomyelitis  sind  noch  sehr 
unvollkommen. 

Aus  der  Demonstration  sei  nur  hervorgehoben,  dass  hier,  wie 
in  so  vielen  Fällen,  die  Veränderungen,  die  anatomisch  festgestellt 
wurden,  ausgedehnter  waren,  als  es  den  klinischen  Erscheinungen 
entsprach.  Der  Fall  betraf  ein  ly,  jähriges  Kind,  das  im  Oktober 
eine  Poliomyelitis  durchgemacht  hatte,  wobei  Muskeln  der  linken 
unteren  Extremität  (vorwiegend  Quadrizeps  und  Peronei)  gelähmt 
waren.  Im  Januar  starb  das  Kind  an  Empyem.  Die  Verände¬ 
rungen  des  Lendenmarks  betrafen  nicht  nur  die  linke,  sondern 
auch  die  rechte  Seite.  Besonders  instruktiv  waren  die  Bilder,  die 
mittels  der  Marchimethode  gewonnen  waren.  Die  Gefässcheiden 


in  dem  linken  Vorderhorn  zeigten  sich  ganz  vollgestopft  mit  Fett- 
körnchenzellen,  aber  auch  im  rechten  Norderhorn  waren  solche 
Fettkörnchenzellen  nachweisbar,  sogar  in  den  Gefässcheiden  des 
rechten  Hinterholms  wurden  dieselben  in  ziemlicher  Menge  ge¬ 
funden.  Man  kann  daher  an  diesem  Fall  sehr  schön  den  Trans¬ 
port  der  fettigen  Zerfallsprodukte  auf  dem  Lymphwege  studieren. 
Eine  ausführliche  Veröffentlichung  erfolgt  im  23.  Band  von  Zieglers 
Beiträgen. 

D  iskussion:  Herren  N  i  s  s  1,  Schwalb  ie. 


Physiologischer  Verein  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 


Sitzung  vom  3.  März  1902. 


Herzfehlers  betont  Dr.  bei 
ungewöhnlich  starker  Ent- 


Herr  Graf  v.  Spee  spricht  über  eine  neue  Zellage  in  der 
Zonula  Zinnii  des  Menschen.  (Publiziert  in  den  Verhandlungen 

<  les  Anatomenkongresses.) 

Herr  Dresler:  Zur  Diagnose  der  Persistenz  des  Ductus 
arteriosus  Botalli. 

Herr  Dresle  r  bringt  einen  Fall  von  reiner  Persistenz  des 
Ductus  arteriosus  Botalli  bei  einem  12  jährigen  Mädchen  zur  Vor¬ 
stellung.  „  ,  , .  , 

Trotz  eines  imponierend  lauten,  rauschenden  systolischen 
Geräusches  im  1.  und  II.  linken  Interkostalraum,  das  sich  auch 
ungewöhnlich  weit  in  die  Umgebung,  besonders  nach  der  linken 
Schulter  hin  fortpflanzt,  gleichfalls  auch  in  die  Karotiden,  hat 
doch  die  Entwicklung  der  Patientin  keinerlei  Einbusse  erlitten. 
Auch  haben  vorübergehende,  recht  schwere  Erkrankungen  dev 
Pleura  und  der  Gelenke  durch  den  Herzfehler  keine  Beeinträchti¬ 
gung  erfahren,  andererseits  dieser  auch  nicht  durch  die  Er¬ 
krankungen. 

Ausser  die'ser  Harmlosigkeit  des 

Beurteilung  der  Geräusche,  dass  bei  — - 

Wicklung  des  rechten  Ventrikels  infolge  einer  liiuzutretenden  Kom¬ 
plikation,  etAva  Pulmonalinsuffizienz,  auch  einmal  der  Blutstrom 
statt  von  der  Aorta  zur  Pulmonalis  durch  den  Duktus  in  um¬ 
gekehrter  Richtung  gehen  kann,  wodurch  sich  grosse,  aber  recht 
gut  charakterisierte  Verschiedenheiten  für  den  Ort  der  grössten 
Intensität  und  den  zeitlichen  Eintritt  des  Geräusches  ergeben. 

Zur  Beurteilung  der  Entwicklung  der  beiden  Ventrikel  und 
damit  ihrer  Kraftentfaltung  gibt  das  Röntgenbild  eine  treffliche 

Hilfe  ab.  ^  ,,  . 

Eine  ausführliche  Darstellung  findet  der  lall  mit  noch  zwei 
anderen  gleichfalls  beobachteten  in  dem  Jahrbuch  für  Kinderheil¬ 
kunde.  _  ,  , 

Im  Anschluss  an  den  Vortrag  des  Herrn  Dresler  demon¬ 
striert  Herr  W.  Pfeiffer  ein  11  jähriges  Arbeiterkind,  bei  dem 
anlässlich  eines  Aufenthaltes  in  der  Klinik  wegen  einer  leichten 
Skarlatina  ein  offener  Ductus  Botalli  gefunden  wurde. 

Die  Diagnose  stützte  sich  auf  einen  geringen,  im  Röntgenbild 
allerdings  nur  undeutlich  als  Schatten  hervortretenden,  auf  die 
Herzdämpfung  sich  aufsetzenden  Dämpfungsstreifen  in  der  linken 
oberen  Herzgegend,  eine  geringe  Verbreiterung  des  Herzens  nach 
rechts,  ein  undeutliches  systolisches  und  ein  dem  zweiten  Tone  fol¬ 
gendes  lautes  diastolisches  Geräusch  über  der  Pulmonalis. 

Als  Erklärung  für  letzteres  verweist  Vortragender  auf  eine 
Arbeit  von  Hochhaus  im  21.  Band  des  Deutschen  Archivs  für 
klinische  Medizin,  avo  als  Ursache  des  diastolischen  Geräusches 
eine  Leistenbildung  vor  der  Einmündungsstelle  des  Ductus  Botalli 
in  die  Aorta  nachzmveisen  war.  Von  klinischen  Symptomen  Avar 
nur  geringe  Kurzluftigkeit  bei  grösseren  Anstrengungen  aol- 


Herr  Hoehne  berichtet  über  einen  von  ihm  intra  partum 
diagnostizierten  fötalen  Herzfehler  (nirgends  kindliche  lleiz- 
tüne;  über  das  ganze  Abdomen  verbreitetes,  mit  dem  mütterlichen 
Pulse  nicht  synchrones  auffallend  lautes  blasendes  Ge¬ 
räusch).  Diese  Diagnose  ergab  für  ihn  eine  Kontraindikation 
gegen  einen  Rettungsversuch  des  bei  unerweiterten  mütterlichen 
Weichteilen  in  Gefahr  geratenden  Kindes.  Die  anatomische 
Untersuchung  des  frischtot  geborenen  Kindes  ergab  „P  u  1  - 
monalstenose  und  partiellen  Ventrikelseptum- 
defekt,  s  o  av  i  e  eine  mächtige  Hypertrophie  des 
rechten  Herzen  s“.  Der  Fall  wird  noch  in  extenso  ver¬ 
öffentlicht  werden. 


Herr  Wandel:  Ueber  Favuskulturen. 

Nach  einem  kurzen  Ueberbliek  über  die  Entwicklung  und  den 
jetzigen  Stand  der  Lehre  von  der  Aetiologie  des  Favus  demon¬ 
striert  W.  Kulturen  und  Präparate  von  verschiedenen  Fällen  von 
Miiusefavus  und  2  Fälle  atoii  Favus  beim  Menschen  (Favus  capil¬ 
litii  bei  einem  Kinde  und  herpetischen  Favus  am  Augenlide  bei 
einem  Knaben)  und  w^eist  auf  verschiedene  konstante  morpho¬ 
logische  und  biologische  Differenzen  hin  (spez.  auch  in  der  Farb¬ 
stoffbildung),  Avelche  zur  Aufstellung  von  2  Favusarten  führen, 
die  im  Avesentlichen  mit  Quinckes  «-  und  y-Favus  identisch 
sind.  Entschieden  berechtigen  diese  Beobachtungen  nicht,  von 
einer  Identität  aller  Favusarten  zu  sprechen,  solange  wir  über 
die  botanische  Stellung  und  speziell  über  die  Fruktifikations- 
organe  nichts  Genaueres  Avissen. 

Der  Vortrag  wird  an  anderer  Stelle  in  extenso  erscheinen. 


7.  Oktober  1902. 


MTJENCHENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


1685 


Sitzung  vom  5.  Mai  1902. 

Herr  E.  Meyer:  Fall  von  sehr  ausgesprochenem  K  o  r  s  a  - 
k  o  w  sehen  Symptomenkomplex.  (Krankenvorstellimg )  Potus 
nachgewiesen.  Pupillen  different.  R/L  trüge.  Westplial- 
sches  Zeichen.  Keine  Sprachstörung.  Ganz  leichte  Neuritis.  Bis 
jetzt  keine  fortschreitende  Demenz.  Zurzeit  sprechen  die  Er¬ 
scheinungen  mehr  für  Alkoholismus,  doch  ist  Paralyse  nicht  aus- 
zuschliessen. 

Herr  Wandel:  Ueber  Barmverschluss  infolge  von  Ver¬ 
lagerung  des  fi  ei  beweglichen  Coekum  und  Colon  ascendens. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die  praktische  Bedeutung 
dieser  Frage  gibt  W.  einen  Ueberblick  über  die  Entwicklungs¬ 
geschichte,  Anatomie,  Häufigkeit  und  die  wichtigsten  Punkte 
der  Symptomatologie  der  als  „Yolvulus  c  o  e  c  i“  bekannten 
Ileusform.  Insbesondere  werden  die  eine  Verlagerung  gestatten¬ 
den  Bi ldungsanom alien  des  Darms  und  der  Mesenterien  an  Zeich¬ 
nungen  und  einem  Modell  des  Darmaufrisses  erläutert. 

Eine  ausführliche  Arbeit  über  dieses  Thema  erscheint  in  den 
Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir. 

Den-  Meves:  Ueber  die  Frage,  ob  die  Centrosomen 
B  o  v  e  r  i  s  als  allgemeine  und  dauernde  Zellorgane  aufzu- 
fassen  sind.  (Ausführlich  publiziert  in  den  Mitteilungen  für 
den  Verein  schleswig-holsteinischer  Aerzte.) 


Physikalisch-medicinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Juli  1902. 

Ihir  Gürber:  1.  Ueber  die  Beziehungen  der  weissen 
Blutkörperchen  zur  Blutgerinnung. 

Anknüpfend  an  einen  früheren  Vortrag  über  weisse  Blut¬ 
körperchen  und  Blutgerinnung,  in  dem  gezeigt  wurde,  dass  bei 
Gerinnung  des  Kaninchenblutes  immer  etwa  die  Hälfte  der 
Leukocyten  und  zwar  vor  allem  die  polynukleären  Formen  aus 
dem  Blute  verschwinden,  was  aber  dann  nicht  eintritt,  wenn  das 
Blut  vor  der  Gerinnung  stark  abgekühlt  wird,  glaubte  der  Vor¬ 
tragende,  als  Grund  für  die  letztere  Tatsache  die  durch  die  Kälte 
bedingte  Lähmung  der  Leukocyten  ansehen  zu  dürfen.  Um  die 
Richtigkeit  dieser  Annahme  zu  beweisen,  wurden  Kaninchen  mit 
Stoffen  vergiftet,  von  denen  schon  längst  bekannt  ist,  dass  sie 
lahmend  auf  die  weissen  Blutzellen  wirken,  so  z.  B.  mit  Chinin 
und  mit  Pilokarpin.  Das  Ergebnis  dieser  Versuche  war  aber  ein 
der  Erwartung  gerade  entgegengesetztes.  Anstatt  keiner  ver¬ 
schwanden  nunmehr  bei  der  Gerinnung  bis  zu  70  Proz.  der  Leuko¬ 
cyten  aus  dem  Blute  der  vergifteten  Kaninchen  und  zwar  wohl 
deshalb,  weil  das  Blut  dieser  Tiere  statt  der  normalerweise  über¬ 
wiegenden  Anzahl  von  mononukleären  eine  überwiegende  Anzahl 
von  polynukleären  Leukocyten  enthielt  und  es  gerade  diese  sind, 
die  bei  der  Gerinnung  aus  dem  Blute  verschwinden.  In  der  Norm 
iommen  im  Kaninchenblut  auf  ein  mononukleäres  weisses  Blut¬ 
körperchen  zwei  bis  drei  polynukleäre,,  im  Blute  der  mit  Chinin 
oder  Pilokarpin  vergifteten  Kaninchen  ist  dagegen  das  Verhält¬ 
nis  gerade  umgekehrt,  die  Zahl  der  polynukleären  Leukocyten 
hat-  um  das  Drei-  bis  Vierfache  zugenommen.  Da  aber  die  Ge¬ 
samtzahl  der  Leukocyten  unverändert  blieb,  so  glaubt  der  Vor¬ 
tragende  dass  es  sich  um  eine  durch  die  genannten  Gifte  be¬ 
wirkte;  Umwandlung  von  mononukleären  in  polynukleäre  Leuko¬ 
cyten  handeln  müsse. 

Beim  Menschen  ist  schon  im  normalen  Blute  die  Zahl  der 
mehrkernigen  Leukocyten  doppelt  oder  dreimal  so  gross,  als  die 
eei  einkernigen.  Es  stand  deshalb  nach  den  Ergebnissen  beim 
Kaninchen  zu  erwarten,  dass  bei  der  Gerinnung  des  Menschen¬ 
blutes  mehr  weisse.  Blutkörperchen  verschwinden  müssten  als 
beim  normalen  Kaninchenblut.  Versuche  hierüber  führten  aber 
zu  dem  überraschenden  Resultat,  dass  aus  dem  Menschenblut  bei 
der  Gerinnung  überhaupt  keine  Leukocyten  verschwinden,  ihre 
Za hj  vor  und  nach  der  Gerinnung  dieselbe  ist.  Der  Vortragende 
zieht  hieraus  den  Schluss,  dass  das  Verschwinden  der  Leuko¬ 
cyten  aus  dem  Blute  bei  der  Gerinnung  nicht,  wie  bisher  an¬ 
genommen  wurde,  ein  Beweis  für  ursächliche  Beziehungen  der 
.eukocyten  zur  Blutgerinnung  sein  könne,  sondern  da,  wo  es 
auttrete,  als  eine  in  ihrer  Bedeutung  noch  unerklärliche  Begleit- 
erschemung  der  Gerinnung  angesehen  werden  müsse. 


2.  Demonstration  thyreoidektomierter  Kaninchen. 

Herr  Rostoski:  Ueber  das  sogen.  Nukleoalbumin  des 
Harns. 

Das  durch  blossen  Essigsäurezusatz  aus  pathologischen 
Harnen  ausfallbare  Eiweiss  wurde  von  einigen  Autoren  für 
Muzin  erklärt.  Dagegen  lässt  sich  jedoch  geltend  machen,  dass 
es  m  einer  Reihe  von  Versuchen  auch  Vortragendem  nie  gelang, 
durch  Kochen  mit  Mineralsäuren  reduzierende  Substanz  dar¬ 
zustellen,  wie  das  beim  Muzin  sonst  der  Fall  ist.  Jetzt  hält  man 
(ne.se  Substanz  wohl  fast  allgemein  für  Nukleoalbumin.  Damit 
ist  nicht  in  Einklang  zu  bringen,  dass  in  16  Fällen  nur  5  mal 
I  hosphor  in  geringer  Menge  nachgewiesen  werden  konnte.  Die 
Beobachtung  ferner,  dass  in  einem  Fall  zahlreiche  epitheliale 
Zylinder  abgeschieden  werden  können,  ohne  dass  eine  Spur  dieser 
Substanz  im  Harn  erscheint,  und  dass  sie  in  einem  anderen  Fall 
m  ziemlich  reichlicher  Menge  ohne  jegliche  Nierenepithel ien 
vorkommt,  spricht  eher  gegen  als;  für  einen  aus  zerfallenden 
A  icrenepi thelien  hervorgehenden  Eiweisskörper  (Nukleoalbumin). 
Allerdings  könnte  man  auch  annehmen,  dass  sich  das  „Nukleo¬ 
albumin“  schon  präformiert  im  Blut  finde  und  nur  durch  die 
Alleren  ausgeschieden  werde,  doch  haben  sich  die  meisten  Autoren 
für  den  eben  angedeuteten  Entstehungsmodus  in  den  Nieren 
ausgesprochen. 

Wenn  man  nun  die  fragliche  Substanz  auf  dem  Filter 
:  ammelt,  wieder  auflöst  und  nun  in  einer  neutralen  Lösung  die 
Ausf a llungsgrenzen  für  Ammonsulfat  bestimmt,  so  findet  man 
nicht  die  niedrigen  Ausfällungsgrenzen  des  Nukleoalbumins, 
sondern  Ausfällungsgrenzen,  welche  mit  denen  gewisser  Anteile 
des  Globulins,  dem  von  derHofmeiste  r  sehen  Schule  sogen. 
Euglobulin  und  Fibrinoglobulin  (Fibrinogen)  übereinstimmen. 
■Me  dagegen  findet  man  die  Ausfällungsgrenzen  des  Pseudo¬ 
globulins.  Nur  bisweilen  kommt  es  schon  vor  dem  Beginn  der 
Ausfällung  des  Fibrinoglobulins  (Fibrinogens)  zu  einer  leichten 
Ti  Übung,  die  wohl  auf  Nukleoalbumin  zu  beziehen  ist.  Ander¬ 
seits  geling  es  nun  auch,  aus  Blutplasma,  Blutserum  und  Er¬ 
güssen  in  die  Pleura-  und  Peritonealhöhle  Fibrino-  und  Eu¬ 
globulin  durch  Essigsäurezusatz  auszufällen.  Die  niedrigen 
Ausfällungsgrenzen  des  Nukleoalbumins  konnten  nie  im  Serum 
nachgewiesen  werden.  Vortragender  spricht  sich  dafür  aus, 
dass  wir  es  bei  dem  fraglichen  Essigsäure- 
nie  der  schlag  mit  den  oben  genannten  An¬ 
te  i  1  e  11  des  Globulins  zu  tun  habe  n,  dene  n 
bisweilen  noch  etwas  Nukleoalbumin  bei¬ 
gemengt  sein  k  a  n  n.  —  Die  (noch  nicht  bekannten)  Aus- 
i ä  lungsgrenzen  für  Zellnukleoalbumin,  aus  Nieren  und  anderen 
parenchymatösen  Organen  gewonnen,  wurden  durch  mehrere  Ver¬ 
suche  ermittelt  und  den  bisher  bekannten  Ausfällungsgrenzen 
anderer  Nukleoalbumine  gleich  gefunden.  —  Die  einschlägigen 
Versuche  wurden  auf  Veranlassung  des  Vortragenden  fast  durch¬ 
weg  von  Herrn  Dr.  Matsuni  oto  aus  Japan  gemacht.  Letz¬ 
tei  ei  berichtet  noch  ausführlicher  über  dieselben. 


Verschiedenes. 

Ascaris  lumbricoides  in  der  Harnblase. 

Im  Nachstehenden  möchte  ich  kurz  einen  Befund  mitteilen, 
j®1'  hinsichtlich  der  Diagnose  einiges  Interesse  beanspruchen 
durfte. 

Die  60  jährige  Frau  G.  aus  K.  litt  seit  einem  halben  Jahre  an 
wiederholt  auftretender  Retentio  urinae,  welche  stets  leicht  durch 
Katheterisation  zu  heben  war.  Am  20.  VII.  1902  waren  die 
Schmelzen  besonders  heftig*,  auch  stiess  die  Anwendung  des 
Katheters  auf  Schwierigkeiten.  Nach  Einführung  des  Instru¬ 
mentes  entleerten  sich  nur  ungefähr  20  ccm  Urin,  dann  stockte 
der  Ausfluss  plötzlich.  Da  eine  Verstopfung  nicht  stattgefunden 
hatte,  wurde  der  Katheter  zum  zweiten  Male  eingeführt,  mit 
gleichem  Erfolg.  Bei  der  Entfernung  desselben  fand  sich  die  Ur¬ 
sache  des  obigen  Vorgangs.  Aus  einer  der  Katheteröffnungen  hin*»* 
das  hintere  Ende  eines  Ascaris  lumbricoides  herab,  dessen  vorderes 
Drittel  in  die  Röhre  eingeklemmt  war  und  deren  Lumen  ver¬ 
stopfte. 

l’at.  vermochte  sogleich  ihren  Urin  spontan  zu  entleeren,  Re¬ 
tentio  urinae  trat  seither  nicht  mehr  auf.  Die  innere  Untersuchung 
ergab  keinen  pathologischen  Befund,  die  medikamentöse  Beharnb 
hing  entfernte  mehrere  Askariden. 

Dr.  Schlüter-  Alsenz  (Pfalz). 

Kalender  für  das  Jahr  1903.  Als  erster  auf  dem 
I  lane  erscheint  der  Reiclis-Modizinal-Kalender.  Begründet  von 
Dr.  Paul  Börne  r,  herausgegeben  von  Prof.  Dr.  J.  Schwalb  e. 


1686 


MTTENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


Leipzig,  G.  l’liie m  e.  Treis  5  M.  Bisher  liegt  der  I.  Teil  vor, 
umfassend  das  in  solides  Leder  elegant  gebundene  Taschenbuch 
mit  einem  Tageskalendariuni  in  4  Quartalsheften  und  2<)  Nach- 
schlageartikeln  und  ausserdem  zwei  ..Beihefte“,  von  denen  das  eine 
11  wissenschaftliche,  praktisch  wichtige  Gegenstände  behandelnde 
und  von  kompetenten  Autoren  verfasste  Aufsätze  bringt,  während 
das  andere  die  Verzeichnisse  der  wichtigsten  Kurorte,  Anstalten, 
Asyle  etc.  enthält.  Der  II.  Teil  des  Kalenders  erscheint  im  Monat 
Dezember. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  134.  Blatt  der  Galerie  bei:  Franz 
v.  T  a  p  p  e  i  n  e  r.  Nekrolog  siehe  S.  1(557. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  7.  Oktober  1902. 

—  Durch  Ministerialentschliessung  vom  25.  v.  Mts.  ist  der 
Zusammentritt  der  bayerischen  Aerztekammern  auf 
Montag,  den  27.  Oktober  1.  .T.  festgesetzt  worden. 

—  Die  Reichspost  Verwaltung  hat  eine  Verfügung 
erlassen,  wonach  die  Meldung  von  Krankheitsfälle  n, 
die  nach  dem  Reichsseuchengesetz  vom  30.  Juni  1900  anzeige¬ 
pflichtig  sind  (Lepra,  Cholera,  Flecktyphus,  Gelbfieber,  Pest, 
Pocken)  p  ortofrei  geschehen  kann.  Die  Polizeibehörden  haben 
den  Meldepflichtigen  auf  Verlangen  Meldekarten  für  schriftliche 
Anzeigen  unentgeltlich  zu  verabfolgen.  Werden  zu  den  Meldungen 
von  den  Anzeigepflichtigen  unfrankierte  Postkarten  benutzt,  die  im 
Voraus  von  der  Polizeibehörde  mit  dem  Abdruck  ihres  Dienstsiegels 
oder  -Stempels  mit  dem  Vermerke  „Portopflichtige Dienstsache“  ver¬ 
sehen  sind,  so  ist  das  für  unfrankierte  Sendungen  vorgeschriebene 
Zuschlagporto  nicht  zu  erheben.  Diese  Vergünstigung  bezieht  sich 
nur  auf  Anzeigen  über  die  oben  angeführten  Krankheiten.  Für 
die  Meldung  von  Pestfällen  ist  ein  Formular  festgestellt  worden. 
Beabsichtigt  ist  die  Herstellung  einer  einheitlichen,  bei  sämtlichen 
gemeingefährlichen  Krankheiten  verwendbaren  Postmeldekarte. 
Durch  diese  Verfügung  wird  anerkannt,  dass  es  unbillig  wäre, 
für  eine  ausschliesslich  im  öffentlichen  Interesse  erfolgende  Mel¬ 
dung  dem  Anzeigepflichtigen  auch  noch  Kosten  aufzuerlegen. 
Hoffentlich  wird  dieser  Standpunkt  bald  dahin  erweitert,  dass  auch 
die  allerdings  freiwillig,  aber  doch  ebenfalls  nur  im  öffentlichen  Inter¬ 
esse  erfolgenden  Meldungen  für  die  ärztliche  Morbiditätsstatistik 
portofrei  befördert  werden.  InBayern  hat  die  fortgesetzte  Weigerung 
der  Regierung,  die  Portofreiheit  für  diesen  Zweck  zuzugestehen, 
dahin  geführt,  dass  die  Teilnahme  der  Aerzte  an  dieser  Statistik 
bis  auf  36  Proz.  herabgesunken,  somit  so  gut  wie  wertlos  geworden 
ist.  was  in  Hinblick  auf  die  Bedeutung,  welche  eine  brauchbare 
Morbiditätsstatistik  für  die  öffentliche  Gesundheitspflege  besitzen 
würde,  gewiss  lebhaft  zu  bedauern  ist. 

—  Dem  sächsischen  Landesmedizinalkollegium  ist  vom  Mini¬ 
sterium  des  Innern  der  Entwurf  einer  abgeänderten  ärzt¬ 
lich  e  n  Elirengerichtso  r  d  nung  zugegangen,  der  in  der 
diesjährigen  Plenarsitzung  des  Kollegiums  zur  Beratung  kommen 
wird. 

_  Der  niederrheinische  Verein  für  ö  f  f  e  nt  - 

liehe  Gesundheitspflege  hält  am  11.  ds.  Mts.  seine 
ordentliche  öffentliche  Generalversammlung  in  Düsseldorf  im 
Restaurant  des  Kunstpalastes  der  Ausstellung  ab. 

—  Eine  Anstalt  zur  A  ufnahme  und  Pflege 
schwer  und  unheilbarer  Kranker  ist  von  Dr. 
W  e  r  c  k  m  e  i  s  t  e  r  in  Zittau  gegründet  worden.  Dieselbe  ist  in 
erster  Linie  für  Fälle  chirurgischer,  orthopädischer  oder  gynäko¬ 
logischer  Natur  bestimmt.  Da  für  die  Behandlung  aussichtslose, 
inoperable  Fälle  in  den  meisten  Privatkrankenanstalten  nicht  auf- 
genommen  werden,  solche  Kranke  aber  vielfach  nur  in  einer  An¬ 
stalt  die  nötige  Pflege  und  den  wünschenswerten  Komfort  finden 
können,  so  dürfte  die  neue  Anstalt  einem  Bedürfnisse  entsprechen. 

_  Der  geschäftsführende  Ausschuss,  welcher  an  Rudolf 

V  i  r  c  li  o  w  s  80.  Geburtstag  diesem  die  Virchow-Stiftung  über¬ 
reichte,  hat  sich  von  neuem  konstituiert,  um  die  Errichtung  eines 
öffentlichen  Denkmals  vorzubereiten;  es  gehören  demselben  die 
gleichen  Personen  an  (Vorsitzender  W.  Waldeyer,  stellver¬ 
tretender  Vorsitzender  B.  F  r  a  e  n  k  e  1,  Schriftführer  C.  Posne  r, 
Schatzmeister  E.  v.  Mendelssohn-Barthold  y)  wie  da¬ 
mals;  zugewählt  wurden  nur  die  beiden  Direktoren  der  Charite, 
Generalarzt  Sch  aper  und  Geheimrat  M  tiller,  sowie  Sir  Felix 
S  e  m  o  n  in  London.  Der  Ausschuss  wendet  sich  jetzt  zunächst 
in  einem  Anschreiben  an  alle  Mitglieder  des  damaligen  grossen 
Komitees,  um  diese  zu  erneutem  Beitritt  aufzufordern. 

_  Die  freie  Vereinigung  der  medizinischen 

F  a  cli  p  re  s  s  e’ hielt  am  23.  d.  M.  in  Karlsbad  unter  dem  Vor¬ 
sitz  von  Ad  ler- Wien  ihre  statutenmässige  Generalversamm¬ 
lung.  Es  wurde  eine  festere  Organisation  der  Vereinigung  und 
Anschluss  an  die  vor  kurzem  begründete  internationale  Press¬ 
assoziation  beschlossen  und  der  neugebildete,  aus  den  Herren 
E  u  1  e  n  b  u  r  g.  P  osne  r,  Spat  z.  A  d  1  e  r  und  H  errnhei  s  e  r 
bestehende  Ausschuss  mit  Ausarbeitung  eines  entsprechenden  Sta¬ 
tutes  beauftragt. 

_ C  h  o  1  e  r  a.  Aegypten.  Nach  einem  Berichte  des  General¬ 
direktors  des  ägyptischen  Gesundheitswesens  hat  die  Cholera¬ 
epidemie  während  der  am  15.  September  abgelaufenen  Woche  an 
Heftigkeit  noch  weiter  zugenomnien.  Die  Zahl  der  verseuchten 
Orte  war  auf  1557  gestiegen,  die  Zahl  der  nach  den  Anzeigen  im 


Laufe  der  Woche  Erkrankten  betrug  9466,  der  Choleratodesfälle 
8278.  Mehr  als  die  Hälfte  der  Todesfälle  ist  immer  noch  ausser¬ 
halb  der  Krankenanstalten  vorgekommen,  denn  von  den  8278  Ge¬ 
storbenen  der  letzten  Betriebswoche  sind  in  den  Spitälern  nur 
3597  der  Seuche  erlegen,  während  4681  Choleraleichen  ausserhalb 
der  Spitäler  gefunden  wurden.  Von  den  seit  dem  15.  Juli  bis  zum 
15.  September  zur  Anzeige  gekommenen  28  520  Cholerakranken 
waren  bisher  nur  3033  genesen,  die  Gesamtzahl  der  Choleratotles¬ 
fälle  in  dieser  Zeit  belief  sich  auf  23  684.  Während  der  4  Tage  vom 
15.  bis  19.  September  wurden  nacheinander  1103,  1026,  1013,  906, 
zusammen  4048  Erkrankungen  und  1011,  953,  974,  823,  zusammen 
3761  Todesfälle  an  der  Cholera  gemeldet,  darunter  136  bezw.  115 
in  Alexandrien.  In  Suez  sind  vom  15.  bis  19.  September  noch  29 
Cholerafälle  vorgekommen,  in  Damiette  soll  deren  Zahl  täglich 
einige  30  betragen.  Auch  die  für  den  Fremdenverkehr  wichtigen 
Orte  Luxor  und  Karnak  sollen  von  der  Seuche  arg  betroffen  sein. 
Von  Europäern  sind  während  der  am  15.  September  abgelaufenen 
Woche  in  Alexandrien  64  erkrankt  und  41  der  Cholera  erlegen,  an 
den  folgenden  fünf  Tagen  35  und  20. 

_  Pest.  Russland.  Zufolge  amtlicher  Bekanntmachung 

im  Regierungsanzeiger  vom  23.  September  sind  in  Odessa  seit  dem 
io.  Juni  insgesamt  25)  pestverdächtige  Erkrankungen  beobachtet, 
von  denen  10  einen  tödlichen  Ausgang  hatten.  Auf  die  6  Tage 
vom  14.  bis  19.  September  entfielen  10  Erkrankungen  und  4  Todes¬ 
fälle.  am  20.  und  21.  September  sind  ähnliche  Erkrankungen  nicht 
vorgekommen.  —  Aegypten.  In  der  Woche  vom  12.  bis  19.  Sep¬ 
tember  sind  2  Pesterkrankungen  in  Alexandrien  beobachtet.  — 
Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  Aus  San  Franzisko  wurden  vom 
20.  bis  31.  August  5  tödlich  verlaufene  Pestfälle  gemeldet.  —  Bra¬ 
siliern.  In  Rio  de  Janeiro  sind  vom  15.  bis  29.  August  4  weitere 
Todesfälle  an  der  Pest  festgestellt;  anscheinend  befanden  sich 
ausserdem  noch  Pestkranke  in  grösserer  Anzahl  in  der  Stadt. 

—  In  der  38.  Jahres woclie,  vom  14.  bis  20.  September  1902, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Fürth  mit  28.4,  die  geringste  Koblenz  mit  10,5  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Hildesheim,  Kiel;  an  Masern 
in  Remscheid;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Berlin,  Hamburg. 

V.  d.  Iv.  G.-A. 

_  Nach  dem  Tode  von  Prof.  Dr.  Haus  Büchner  in  Mün¬ 
chen  hat  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Max  Rubner  in  Berlin  die 
Redaktion  der  Bibliothek  der  Gesundheitspflege, 
welche  im  Verlage  von  Ernst  Heinrich  Moritz  in  Stuttgart  ei¬ 
scheint,  übernommen. 

(Iioclischulnachrichten.) 

Erl  a  n  gen.  Dem  ersten  Assistenten  am  physiologischen 
Institut  Privatdozenten  Dr.  Oskar  Schulz  wurde  die  Funktion 
eines  Leiters  der  chemischen  Abteilung  dieses  Instituts  in 
widerruflicher  Weise  übertragen.  Genehmigt  wurde,  dass  der 
Assistent  am  physiologischen  Institut  Dr.  med.  Richard  1  riedrich 
F  uchs  aus  Bensen  als  Privatdozent  für  Physiologie  in  die  medi¬ 
zinische  Fakultät  der  Universität  Erlangen  aufgenommen  werde. 

Greifs  w  a  1  d.  I  )r.  Zimmerma  n  n,  I.  Assistent  an  der 
Frauenklinik  (Prof.  A.  M  a  r  t  i  n)  wurde  zum  Oberarzt  der  gynäko¬ 
logischen  Abteilung  des  Krankenhauses  zu  Duisbuig  ernannt. 

C  a,  d  i  x.  Dr.  .1.  I..  Höhry  Rodriguez  wurde  zum  Pro¬ 
fessor  der  Therapeutik  ernannt. 

Catania.  Habilitiert:  Dr.  A.  R.  Marina  für  Neurologie. 

G  r  a  z.  Für  den  durch  die  Berufung  Escherichs  nach 
Wien  erledigten  Lehrstuhl  für  Kinderheilkunde  sind  vorgeschlagen: 
P  f  a  u  n  d  1  e  r  -  Graz,  R  audnitz  -  Prag  und  Keller-  Breslau. 

M  oska  u.  Der  Professor  an  der  medizinischen  Fakultät  zu 
Dorpat  Dr.  S.  T  schir  w  insk  y  wurde,  zum  ausserordentlichen 
Professor  der  Pharmakologie  ernannt. 

Neapel.  Habilitiert:  Dr.  L.  d’A  m  a  t  o  für  medizinische 

Pathologie.  _ 

Rom.  Habilitiert:  Dr.  R.  Fiocca  für  medizinische  1  atlio- 
logie;  Dr.  8.  Rocchi  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.. 

S  a  n  t  i  a  g  o.  Dr.  V.  Escribano  Garcia  wurde  zum  Pro¬ 
fessor  der  topographischen  Anatomie  ernannt. 

(T  o  d  e  s  f  ä  1 1  e.) 

Professor  Dr.  Albert  Sigel,  ärztlicher  Vorstand  der  Olgalieil- 
anstalt  in  Stuttgart,  62  Jahre  alt. 

Professor  Dr.  Stokvis,  68  Jahre  alt,  in  Amsterdam,  seit 
1877  daselbst  Professor  der  allgemeinen  Pathologie. 

Dr.  Delacour,  früher  Professor  der  medizinischen  Klinik 

zu  Rennes.  .  . 

Dr.  B.  K  i  j  a  n  o  w  s  k  y,  Privatdozent  für  innere  Medizin  an 
der  militärmediziniselien  Akademie  zu  St.  Petersburg. 

Dr.  A.  Friede  r  w  a  1  d,  Professor  der  Ophthalmologie  und 
Otologie  am  College  of  Physicians  and  Surgeons  zu  Baltimore. 


Personalnachrichten. 

•  (Bayer  n.) 

Niederlassung:  Dr.  Arthur  Boehm,  Spezialist  für  (Unen-, 
Nasen-  und  Halskrankheiten,  approb.  1898,  in  Nürnberg. 
A  Koppen,  approb.  1902,  in  Nürnberg,  als  Spezialarzt  tnr 
Augenkrankheiten.  Dr.  W.  Strauss,  approb.  1897,  in  Nürnberg, 
als  Spezialarzt  für  Frauenheilkunde.  Dr.  K.  Martin,  approb. 
1901,  in  Velden. 

Verzogen:  Dr.  Veltung  von  Velden  nach  Würzburg. 


7.  Oktober  1902. 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1687 


Amtlicher  Erlass. 

(Sachse  n.) 

Vei  Ordnung“,  die  Abänderung  der  Standesordnung  und  der 
Ehrengerichtsordnung  für  die  ärztlichen  Bezirksvereine  be¬ 
treffend. 

Vom  5.  Juni  1902.  (Ges.  u.  Verordn.-Bl.  S.  150.) 

Die  auf  Grund  von  §  5  des  Gesetzes  vom  23.  März  1890  er¬ 
lassene,  durch  Verordnung  vom  14.  März  1899  (Ges.-  u.  Verordn.- 
Bl.  1899  S.  75  ff.)  bekannt  gegebene  Standes-  und  Ehrengerichts¬ 
ordnung*)  für  die  ärztlichen  Bezirksvereine  wird  in  nachstehender 
V\  eise  abgeändert: 

1.  Die  Stand  eso  r  d  n  u  n  g  betre  f  f  e  n  d. 

n)^  Dei  letzte  Absatz  des  §  3  hat  künftig  zu  lauten: 

Wegen  etwaiger  Ausnahmen  ist  in  jedem  Falle  das  Gut¬ 
achten  des  Bezirksvereins  einzuholen. 

b)  Dem  §  11  siud  folgende  Zusätze  anzufügen: 

Ferner  ist  es  unzulässig,  Sprechstunden  ausserhalb  des 
eigenen  Wohnortes  in  einer  Ortschaft  abzuhalten,  in  welcher  be¬ 
reits  ein  oder  mehrere  Aerzte  wohnen  und  Praxis  ausüben.  Des¬ 
gleichen  ist  es  unzulässig,  im  eignen  Wohnorte  an  verschiedenen 
Stollen  Sprechstunden  abzuhalten. 

Wegen  etwaiger  Ausnahmen  von  letzteren  beiden  Verboten  ist 
das  Gutachten  des  zuständigen  Bezirksvereins  bezw.  nach  Gehör 
des  sonst  noch  in  Betracht  kommenden  benachbarten  Bezirks¬ 
vereins  einzuholen. 

c)  ln  §  15  sind  die  Worte:  „zur  Genehmigung“  mit  den  Worten 
„zur  gutachtlichen  Aussprache“  zu  vertauschen. 

II.  Die  Ehrengerichtsordnung  betreffend. 

In  §  5  Absatz  2  sind  die  Worte  „an  die  Sanitätsdirektion“  mit 
den  Worten  „an  das  Kriegsministerium“  zu  vertauschen. 

Dresde  n,  den  5.  J  uni  1902. 

Ministerium  des  Innern. 

v.  M  e  t  z  s  c  h.  K  r  e  h  e  r. 


Briefkasten. 

Gekochte  Sauermilch. 

Herrn  Dr.  Sp.  in  Kirchheimbolanden.  Ihre  Anfrage,  welcher 
Säurepilz  zur  Herstellung  der  in  der  Molkereikosthalle  der  land¬ 
wirtschaftlichen  Ausstellung  in  München  zum  Verkaufe  gestellten 
„gekochten  Sauermilch“  verwendet  werde  und  wo  derselbe  erhält¬ 
lich  sei,  wird  uns  durch  das  freundliche  Entgegenkommen  des 
Herrn  Dr.  Franz  Jos.  Herz,  staatl.  Konsulenten  für  Milchwirt¬ 
schaft  in  München,  für  das  wir  auch  an  dieser  Stelle  unseren 
verbindlichsten  Dank  aussprechen,  folgendermassen  ausführlich 
beantwortet. 

Im  März  1901  bezog  ich  vom  bakteriologisch-milchwirtschaft¬ 
lichen  Institut  der  Band  Wirtschaftskammer  für  Schleswig-Holstein, 
Vorstand  Prof.  Dr.  Weigmann  in  Kiel,  einen  „flüssigen  Säure¬ 
wecker“,'  wie  er  zur  künstlichen  Säuerung  des  Itahms  behufs  Ge¬ 
winnung  einer  feinen  und  haltbaren  Butter  in  den  neueren  Molke¬ 
reien  verwendet  wird.  In  Holstein  wie  in  Dänemark  werden  aus 
der  Buttermilch  derjenigen  Molkereien,  welche  die  wohl¬ 
schmeckendste,  fernste  und  haltbarste  Butter  erzeugen,  nicht 
bloss  die  „schneidigsten“  Rassen  von  Milchsäurepilzen,  sondern 
auch  „Aromapilze“  (Oidien)  isoliert  und  zunächst  für  sich  in 
sterilisierter  Zentrifugenmagermilch  rein  weiter  gezüchtet,  um 
daun  im  richtigen  Mengenverhältnis  miteinander  gemischt  als 
„Säurewecker“,  „Rahmliefe“  oder  schlechtweg  als  „Reinkultur“ 
an  die  Molkereien  zu  genanntem  Zwecke  versandt  zu  werden, 
ähnlich  wie  die  „Reinhefe“  an  die  Brauereien.  Erweist  sich  die 
Kultur  nicht  mehr  kräftig  genug,  bezw.  im  Geruch  oder  Geschmack 
nicht  mehr  ganz  rein,  so  bezieht  man  einen  frischen  Säurewecker, 
den  manche  Molkereien  im  Abonnement  alle  2  oder  4  Wochen  o  line¬ 
al11  erneuert  erhalten.  Im  Laufe  der  Zeit  können  die  Säurepilze, 
die  für  sich  allein  wohl  eine  haltbare,  aber  keine  aromatische  und 
wohlschmeckende  Butter  erzielen  lassen,  geschwächt  werden; 
ferner  haben  Aroma-  und  Säurepilze  ein  ungleiches  Wachstum, 
so  dass  je  nach  der  Temperatur,  bei  welcher  der  Säurewecker  in 
der  Molkerei  täglich  'fortgepflanzt  wird,  bald  die  einen,  bald  die 
anderen  der  Zahl  und  Wirkung  nach  überwiegen  können. 

Hen  im  März  1901  bezogenen  Säurewecker  verwendete  ich 
übrigens  nicht  für  Molkereizwecke,  sondern  für  den  Haushalt,  und 
derselbe  ist  heute  noch  vorzüglich,  nachdem  er  seither  jeden  Tag 
ard  gekochte  und  wieder  erkaltete  Vollmilch  weiter  gepflanzt 
wurde.  Wir  nahmen  ihn  sogar  heuer  und  voriges  Jahr  mit  in 
die  Sommerfrische,  kochten  des  Abends  die  bei  den  Bauern  ge¬ 
kaufte  Milch  ab,  Hessen  sie  im  Winter  erkalten  und  füllten  mit  ihr 

frisch  gereinigten  Patent-(Bier-)Flaschen  auf  (bei  etwa  20  bis 
--  ’),  in  welche  vorher  40 — 00  g  des  Sauermilchrestes  gegeben  und 
mit  der  zugesetzten  Milch  geschüttelt  wurde.  Wenn  sie  bis  zum 
anderen  Tag  im  kühlen  Zimmer  stand,  war  sie  spätestens  Mittags 
genussfertig  und  wurde  an  warmen  Tagen  noch  ins  kalte  Wasser 
gestellt.  Daheim  lassen  wir  die  Milch  im  Sommer  im  Hausgang 
Oder  Keller,  im  Winter  in  der  warmen  Küche  säuern  (in  den 
Molkereien  vollzieht  sich  die  Säuerung  bei  16 — 20°).  Statt  die 
Milch  umständlich  zu  pasteurisieren,  wird  sie  einfach  auf  gekocht; 
einen  „Kochgeschmack“  konnten  wir  trotzdem  an  der  fertigen 
Sauermilch  nie  wahrnehmen;  es  vergeht  dadurch  sogar  der  beim 
Kochen  noch  mehr  hervortretende  „Stallgeruch“,  der  besonders 
wahrgenommen  wird,  wo  Biertreber  längere  Zeit  im  warmen  Stall 


*)  Vergl.  d.  W.  1S9G,  S.  4G5,  5S3  und  1003. 


gelagert  werden,  und  der  den  Genuss  gekochter  Milch  vielfach 
Kindern  und  Erwachsenen  zum  Ekel  macht. 

Nachdem  Herr  Dr.  Herz  auch  in  seinem  Bekanntenkreise 
günstige  Erfahrungen  mit  der  „gekochten  Sauermilch“  gemacht 
hatte,  ersuchte  er  die  „Zentralmolkerei  München“,  Weissenbur«er- 
strasse  30  und  32,  Sauermilch  im  Grossen  herzustellen  und  in  den 
Veikehi  zu  bringen.  Durch  ihr  Entgegenkommen  konnte  er 
„pasteurisierte  Sauermilch“  sowohl  als  Vollmilch  als  auch  als 
Magermilch  m  der  Molkereikosthalle  der  landwirtschaftlichen 
Ausstellung  des  Zentrallandwirtschaftsfestes  in  München  öffent¬ 
lich  vorzeigen.  Die  Zentralmolkerei  München  kocht  die  Milch 
nicht,  wie  man  dies  im  Haushalt  vorziehen  wird,  sondern  pasteuri¬ 
siert  sie,  wie  ihre  nach  dem  Verfahren  von  Prof  Dr  Förster  in 
Strassburg  hergestellte  „Sanitätsmilch“,  und  verkauft  sie  nicht 
teurer  als  ihre  gewöhnliche  Vollmilch. 

Auf  diese  Weise  (Säuern  der  gekochten  Milch  mit  bestimmten 
T  ilzen)  D  könnte  auch  die  sonst  (besonders  in  gekochtem  Zu¬ 
stande)  allzu  süsslich  schmeckende  Zentrifugenmagermilch,  von 
der  z.  B.  in  München  manchen  Tag  mehrere  Hektoliter  in  den 
Kanal  fliessen,  da  sie  von  Waisenhäusern,  Wärmestuben,  Wohl¬ 
tätigkeitsanstalten  nicht  einmal  unentgeltlich  abgeholt  wird,  wohl¬ 
schmeckender  gemacht  und  mehr  als  bisher  als  gutes  und  billiges 
Volksnahrungsmittel  herangezogen  werden.  Aber  selbst  wenn 
Vollmilch  verwendet  wird,  die  natürlich  noch  besser  schmeckt, 
wird  man  die  Eiweisstoffe  in  keinem  anderen  Nahrungsmittel 
billiger,  vielleicht  auch  nicht  verdaulicher  und  für  manchen  Magen 
bekömmlicher  erhalten,  als  in  der  gekochten  oder  pasteurisierten 
„Sauermilch“,  die  nicht  nur  den  Haushaltungen  und  Schulen  oder 
dem  „niederen  Eiseubahnpersonal“,  soudern  auch  den  Radfahrern, 
den  Kindern  bei  Schulausflügen,  den  Beamten  mit  ungeteilter 
Arbeitszeit,  überhaupt  d  n  weitesten  Kreisen  in  Stadt  und  Land 
leicht  zugänglich  gemacht  werden  könnte. 


Korrespondenz. 

Die  Rettungseinrichtungen  der  bayerischen  Eisenbahnen. 

Das  Referat  über  den  Bahnärztetag  von  H  a  g  e  r  -  Magdeburg 
bringt  einen  Bericht  über  die  Vorträge  und  Demonstrationen  der 
Rettungseinrichtungen  in  den  verschiedenen  deutschen  Staaten, 
erwähnt  aber  das  nicht,  was  wir  in  Bayern  zu  bieten  liattten,  so 
dass  sich  dem  Fernerstehenden  Eindrücke  aufdrängen  müssen,  die 
nicht  zu  unseren  Gunsten  ausfallen. 

Und  gerade  wir  brauchen,  dank  der  Organisation  Oskar 
v.  L  i  p  p  1  s,  einen  Vergleich  mit  den  Vorkehrungen  anderer  Eisen¬ 
bahnverwaltungen  nicht  zu  scheuen.  Wir  waren  in  der  glück¬ 
lichen  Lage,  den  Kollegen  ein  fertiges  System  vorführen  zu  können, 
während  die  Mehrzahl  der  anderen  Redner  betonte,  dass  in  ihrer 
Heimat  noch  vieles  im  Werden  begriffen  sei. 

I  nser  Referent  beschrieb  das  in  Bayern  beim  Eintreten  eines 
Unglücksfalles  übliche  Verfahren.  In  jeder  Station  befindet  sich 
eine  Unfallmeldetafel,  aus  welcher  ersichtlich  ist,  welche  Stellen 
und  Personen  bei  Unfällen  zu  benachrichtigen  sind.  Dies  ist  ganz 
wesentlich,  da  in  der  Aufregung  eines  plötzlichen  Unglückes  auch 
dem  geübteren  Beamten  ein  Uebersehen  unterlaufen  kann,  ein 
misslicher  Umstand,  dem  dui*ch  das  Vorhandensein  des  Schemas 
vorgebeugt  ist. 

Zur  Hilfeleistung  auf  freier  Strecke  ist  das  Zugspersonal,  im 
Bereiche  der  Stationen  das  Stationspersonal  verpflichtet.  Zu  diesem 
Zwecke  finden  Unterrichtskurse  statt  und  muss  das  Personal  bei 
den  Fachprüfungen  über  seine  Kenntnis  „der  ersten  Hilfeleistung“ 
Rechenschaft  ablegen.  Die  diesbezüglichen  Vorschriften  finden 
sich,  mit  Abbildungen  versehen,  in  Plakatform  in  den  Bureau¬ 
lokalitäten. 

Die  zu  Rettungszwecken  zur  Verfügung  stehenden  Hilfsmittel 
sind:  die  Verbandtaschen  der  Zugführer,  die  Rettungskästen,  Trag¬ 
bahren,  Räderbahren,  Hilfs-  und  Requisitenwagen,  die  Rettungs¬ 
wagen  und  die  Rettungszimmer. 

Diese  Gegenstände  wurden  beschrieben  und  vorgezeigt.  Der 
Inhalt  der  Rettungskästen  deckt  sich  im  wesentlichen  mit  dem 
von  Dr.  Brüh  m  er  angegebenen  preussischen.  Während  der 
bayerische  ,, grosse  Rettungskasten“  die  durch  seinen  Namen  be- 
zeichnete  Form  besitzt,  stellt  der  Brälim  ersehe  einen  Schrank 
dar,  dessen  geöffnete  Türen  ebenfalls  Fächer  enthalten.  Es  lässt 
sich  nicht  leugnen,  dass  diese  Art  der  Aufbewahrung  den  Vorzug 
grosser  Uebersichtliclikeit  hat.  Berücksichtigt  man  indessen,  wie 
diese  Behältnisse  in  der  Eile  vom  Personal  verladen  bezw.  auf  die 
Maschine  geworfen  werden,  so  müssen  sie  schon  etwas  auslialten 
können,  und  da  ist  die  Kastenform  die  widerstandsfähigere. 

Eine  Aenderung  der  Füllung  unseres  Kastens  unterliegt 
übrigens  gegenwärtig  insofern  der  Erwägung,  als  beabsichtigt  ist, 
Einheitsverbände  einzuführen,  die  in  keimdicht  verschlossener 
Kapsel  Verbandstoffe  und  Binde  enthalten,  so  dass  man  nicht  mehr 
gezwungen  sein  würde,  beim  Anlegen  eines  Verbandes  mehrere 
Pakete  zu  öffnen  und  damit  den  nicht  gebrauchten  Rest  unbrauch¬ 
bar  zu  machen. 

Jede  Station  besitzt  mindestens  eine  Tragbahre;  diese  sind 
soweit  in  Uebereinstimmung  mit  jenen  der  freiwilligen  Sanitäts- 
kolonnen  angefertigt,  dass  sie  in  deren  Transportwagen  Platz 
finden;  da  sie  ebenfalls  in  die  Eisenbahn- Rettungswagen  passen, 
so  kann  der  Verletzte  von  der  Unfallstelle  bis  in  seine  Wohnung 


*)  Von  Kefir  unterscheidet  sich  „gekochte  Sauermilch“  haupt¬ 
sächlich  durch  die  Abwesenheit  von  Alkohol  und  durch  einen  ge¬ 
ringeren  Kohlensäuregehalt,  von  Buttermilch  und  gewöhnlicher 
„saurer  Milch“  durch  ihre  gleichmässig'  gute  Beschaffenheit  und 
durch  die  Abwesenheit  pathogener  Keime. 


MUETsf CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1688 


etc.  geschafft  werden,  ohne  dass  er  ein  einziges  Mal  umgebettet 
werden  muss. 

Von  den  .Rettungswagen  besitzt  jede  der  10  Betriebsdirek¬ 
tionen  einen;  derselbe  ist  stets  gebrauchsfähig  und  braucht  beim 
Einstellen  in  den  Zug  nur  mit  Wasser  und  Eis  versehen  zu  werden. 
Jeder  Wagen  kann  30  Verwundete  lagern  und  ist  demgemäss  mit 
ebensoviel  Einheitsbahren  ausgestattet,  die  auf  besonderen  Stän¬ 
dern  mit  Grundscher  Federanordnung  an  den  beiden  Längs¬ 
wänden  in  2  Reihen  übereinander  stehen.  Da  die  Wagen  mit  Lenk¬ 
achsen  versehen  sind,  können  sie  auch  auf  Lokalbahnen  über¬ 
gehen.  Bei  dem  Aus-  und  Einparkieren  wird  an  der  einen  Platt¬ 
form  das  Geländer  heruntergeschlagen  und  die  Bahren,  die  mit 
Rädern  versehen  sind,  können  auf  der  Einladeschiene  ohne  Mühe 
ein-  und  ausgefahren  werden.  Die  Wagen  sind  lediglich  als  Trans¬ 
portmittel  und  nicht  als  Operationslokal  gedacht;  dieselben  sind 
in  B  r  ä  h  m  e  r  s  Eisenbahnhygiene  abgebildet. 


Der  neue  preussisclie  Arztwagen  enthält  Lagerstätten  für  nur 
8  Verwundete  und  benutzt  den  übrigen'  Raum  für  einen  sehr 
elegant  ausgestatteten  Operationsraum  mit  Oberlicht,  laufendem 
warmen  Wasser  etc.  Es  lässt  sich  darüber  streiten,  welche  An¬ 
ordnung  vorzuziehen  sei;  während  der  Fahrt  wird  man  nicht  leicht 
operieren;  aber  auch  bei  stillstehendem  Wagen  dürfte  es  nicht  oft 
Vorkommen,  da  Blutungen  längst  gestillt  sein  müssen,  bevor  der 
Wagen  an  den  Ort  des  Unglücks  kommt  und  grössere  Operationen 
doch  für  die  Klinik  mit  ihren  bedeutenderen  Hilfsmitteln  auf¬ 
gehoben  werden  müssen.  Zur  Erleichterung  des  Einparkierens 
dürfte  es  sich  empfehlen,  die  Geländer  so  zu  gestalten,  dass  man  sie 
über  die  Puffer  herabschlagen  kann,  und  die  Tragbahren  mit 
Rollen  zu  versehen;  auch  dürfte  die  Anbringung  von  Lenkachsen 
für  den  U ebergang  auf  Lokalbahnen  notwendig  werden. 

Beetz-  München. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  38.  Jahreswoche  vom  14.  bis  20.  September  1902. 
Beteiligte  Aerzte  117.  —  Brechdurchfall  20  (34*),  Diphtherie  u. 
Krupp  7  (7),  Erysipelas  9  (6),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  (— ).  Kindbettfieber  —  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  —  (1). 
Morbilli  15  (11),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  2  (— ),  Parotitis 
epidem.  —  (1),  Pneumonia  crouposa  3  (2),  Pyämie,  Septikämie 
—  (1),  Rheumatismus  art.  ac.  15  (IN»  Ruhr  (Dysenteria)  3  (1), 
Scarlatina  6  (4),  Tussis  convulsiva  20  (30),  Typhus  abdominalis  1 
(3),  Varicellen  2  (2',  Variola,  Variolois  —  (— ),  Influenza  1  (— ). 
Summa  104  (121).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  38.  Jahreswoche  vom  14  bis  20.  September  1902. 

Bevölkerungszahl ;  499  932. 

Todesursachen:  Masern  1  ( — *)  Scharlach  —  (1)  Diphtherie 
u  Krupp  2  (— ),  Rotlauf  -  (— ),  Kindbettfieber  —  (—),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  ( — ),  Brechdurchfall  12(13),  Unterleib-Typhus 
(1),  Keuchhusten  3  (3),  Kruppöse  Lur  genentzündung  —  (5),  Tuber¬ 
kulose  a)  d*  r  Lunge  19  (14),  b)  der  übrigen  Organe  4  (6),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
1  (2),  Unglücksfälle  1  (5),  Selbstmord  2  (1),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (— ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  215  (210),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  2?,1  (21,6),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  21,6  (9,7). 


Morbiditätsstatistik  der  Infektionskrankheiten  in  Bayern:  Juli1)  und  August  1902. 


Regierungs¬ 
bezirke 
bezw. 
Städte  mit 
über  30,000 
Ein¬ 
wohnern 

Brech¬ 

durchfall 

Diphtherie, 

Krupp 

Erysipelas 

Influenza 

Intermittens. 

Neuralgia 

int. 

Kindbett-  1 

neber  1 

Meningitis  1 

cerebrospin  | 

2 

S- 

C 

i— 

~J7 1 

! 

Ophthalmo-  J 
Blennorrh.  1 

neonator. 

Parotitis 

epidemica 

Pneumonia 
croupo  sa 

Pyaemie, 

Septi- 

kaemie 

K 

ci 

£ 

5 

musart.ac 

Ruhr 

(dysenteria) 

Scarlatina 

Tussis 

convulsiva 

Typhus 

abdominalis 

Varicellen 

Variola,  !! 

Variolois  || 

Zahl  der  Aerzte 

überhaupt 

|  Zahl  derbe-  1 

teil.  Aerzte  II 

J. 

A. 

J. 

A. 

J 

1  A. 

J. 

A. 

J.  | 

A 

j 

A. 

.1  |  A. 

A. 

J 

A. 

j. 

A. 

j 

A. 

J 

A. 

j 

A. 

J 

A. 

J-  1  A. 

J 

A 

J. 

A. 

J. 

A. 

j. 

A. 

A. 

Oberbayern 

358 

481 

60 

66 

83 

93 

92 

102 

12 

11 

u 

11 

2 

3 

230 

131 

13 

9 

29 

23 

101 

104 

4 

6 

149 

135 

2 

4 

15 

12 

230 

245 

7 

4 

51 

46 

_ 

_ 

949 

194 

Nicderbay. 

123 

16t 

12 

18 

34 

28 

28 

60 

10 

8 

— 

5 

2 

46 

5 

— 

3 

5 

14 

111 

49 

4 

4 

44 

51 

6 

3 

1 

2 

35 

37 

2 

6 

6 

11 

— 

— 

188 

77 

Pfalz 

456 

364 

53 

30 

19 

10 

22 

16 

7 

8 

6 

4 

3 

35 

58 

8 

5 

14 

7 

106 

65 

1 

2 

33 

36 

2 

1 

16 

30 

167 

146 

18 

9 

16 

4 

— 

— 

299 

104 

Oberpfalz 

160 

246 

27 

37 

33 

29 

14 

17 

8 

4 

— 

3 

1 

1 

23 

3 

2 

3 

3 

4 

110 

63 

9 

4 

37 

32 

— 

1 

67 

27 

126 

126 

3 

1 

16 

10 

— 

— 

158 

84 

Oberfrank. 

141 

143 

60 

74 

38 

26 

54 

30 

5 

3 

2 

2 

— 

— 

210 

209 

— 

— 

5 

4 

189 

108 

2 

1 

47 

30 

— 

1 

27 

17 

104 

74 

2 

1 

10 

13 

— 

— 

206 

95 

Mittel  frank. 

306 

390 

70 

54 

58 

38 

64 

47 

2 

2 

4 

5 

2 

2 

69 

44 

11 

4 

8 

6 

198 

118 

2 

2 

53 

48 

3 

2 

102 

83 

143 

112 

1 

5 

51 

20 

— 

— 

c'67 

186 

Unterfrank. 

147 

111 

34 

20 

23 

29 

51 

4t 

2 

— 

1 

2 

— 

1 

111 

37 

— 

— 

18 

9 

119 

90 

— 

1 

28 

16 

1 

— 

40 

25 

38 

56 

7 

8 

10 

13 

— 

— 

3i8 

84 

Schwaben 

352 

325 

62 

29 

38 

30 

40 

91 

7 

1 

2 

6 

- 

1 

330 

226 

5 

4 

13 

10 

121 

116 

5 

5 

72 

41 

1 

1 

7 

3 

96 

75 

3 

9 

37 

10 

— 

— 

295] 

181 

Summe 

2043 

2221 

378 

328 

326 

283 

365 

407 

53 

37 

26 

38 

5 

13 

1054 

713 

39 

28 

95 

77 

1055 

713 

27 

25 

463 

389 

15 

13  275  199 

1  1 

939 

871 

43 

43  197 

1 

127 

2790 

1005 

3) 

Augsburgs) 

49 

51 

4 

6 

6 

4 

12 

4 

1 

1 

_ 

199 

109 

. 

_ 

1 

_ 

15 

12 

_ 

1 

11 

6 

— 

_ 

3 

3 

7 

9 

— 

— 

5 

1 

— 

— 

53 

53 

Bamberg 

14 

33 

14 

26 

— 

1 

10 

2 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

16 

2 

— 

— 

— 

1 

4 

— 

— 

4 

2 

— 

— 

8 

3 

25 

19 

41 

14 

Hof 

4 

_ 

3 

- - 

1 

— 

— 

13 

, 

— 

. 

2 

3 

1 

— 

4 

12 

— 

— 

. 

— 

. 

17 

Kaiserslaut. 

7 

23 

3 

2 

— 

— 

— 

3 

3 

1 

1 

— 

3 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

1 

— 

3 

2 

— 

— 

23 

6 

Ludwigshaf. 

245 

61 

6 

1 

6 

2 

1 

— 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

10 

1 

6 

1 

3 

— 

9 

1 

— 

— 

13 

2 

— 

— 

7 

7 

22 

13 

3 

— 

4 

— 

— 

— 

30 

11 

München3) 

86 

120 

29 

16 

34 

27 

5 

_ 

2 

1 

2 

3 

2 

1 

111 

50 

8 

5 

10 

6 

30 

15 

— 

— 

62 

50 

— 

2 

12 

9 

175 

132 

3 

2 

29 

15 

— 

— 

583 

100 

Nürnberg 

166 

,  220 

44 

27 

23 

26 

17 

13 

2 

— 

1 

1 

1 

2 

39 

12 

3 

3 

5 

2 

55 

32 

— 

2 

24 

31 

1 

2 

73 

53 

99 

74 

— 

3 

43 

16 

— 

— 

156 

121 

Pirmasens 

33 

25 

7 

4 

2 

1 

— 

— 

— 

1 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

6 

1 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

2 

1 

18 

6 

— 

— 

4 

— 

— 

14 

5 

Regensburg 

44 

55 

9 

5 

10 

4 

— 

6 

1 

2 

— 

— 

— 

1 

5 

3 

1 

3 

1 

— 

15 

5 

3 

— 

7 

6 

— 

— 

4 

3 

89 

67 

— 

1 

— 

1 

— 

44 

35 

Würzburg 

55 

33 

10 

5 

6 

7 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

7 

— 

— 

— 

— 

— 

11 

10 

— 

— 

1 

2 

— 

— 

18 

11 

— 

5 

4 

3 

5 

4 

— 

— 

90 

24 

Bevölkerungsziffern  :  Oberbayern  1/323,888,  Niederbayern  678,192, 
Pfalz  831,678,  Oberpfalz  553,841,  Oberfranken  608,116,  Mittelfranken  815,895,  Unter- 
franken  650,766,  Schwaben  713,681.  —  Augsburg  89,170,  Bamberg  41,823,  Hof  32,781, 
Kaiserslautern  48,310,  Ludwigshafen  61,914,  München  499,932,  Nürnberg  261,081, 
Pirmasens  30,195,  Regensburg  45,429,  Wiirzburg  75,499. 

Einsendungen  fehlen  aus  der  Stadt  Hof  und  den  Aemtern  Bogen,  Grafenau, 
Ncumarkt,  Neunburg  v./W.,  Hof,  Ansbach,  Fürth,  Günzenhausen,  Hofheim,  Kö¬ 
nigshofen,  Lohr,  Melirichstadt,  Würzburg,  Kaufbeuren,  Nördlingen  und  Oberdorf. 

Höhere  Erkrankungszablen  (ausser  von  obigen  Städten)  werden  gemeldet 
aus  folgenden  Aemtern  bezw.  Orten: 

Brechdurchfall:  Stadt  Amberg  72,  Stadt-  und  Landbezirke  Freising  52, 
ScbWabach  39,  Aemter  Neustadt  a /H.  47,  Speyer  38,  Frankenthal  und  Wunsiedel 
je  37,  Zweibrücken  33,  ärztl.  Bezirk  NeuöttiDg  (Altötting)  28  beb  Fälle- 

Diphtherie,  Krupp:  Aerzti.  Bezirk  Creussen  (Pegnitz)  12  beb.  Fälle. 

Influenza:  Mitteilungen  aus  den  Aemtern  Wolfstein  (im  ärztl.  Bezirke 
Waldkirchen  13  beh.  Fälle,  mit  hohem  Fieber  einsetzend,  schweren  gastrischen 
und  nervösen  Erscheinungen  und  kons.  Nachkrankheiten),  Dillingen  (im  ärztl. 
Bezirke  Lauingen  49  beh.  Fälle,  gastrische  F’orm,  ausserdem  viele  nicht  behan¬ 
delte  Erkrankungen),  Zusmarsbausen  (häufig  im  Amte,  gastrische  Form)  und 
Neuburg  a./D.  (häufig  in  Steppberg  und  Umgebung),  Aemter  Altötting  28,  Dachau 
23  beh.  Fälle. 

Morbilli:  Epidemie  im  Amte  Dingolfing  erloschen,  desgleichen  in  Höchen 
und  Frankenholz  (Homburg);  Fortsetzung  der  Epidemien  in  der  Stadt  Memmingen 
(25  beh.  Fälle)  und  in  den  Aemtern  München  (in  Feldmoching  neben  Tussis), 
Landau  i /Pf.  (in  Offeubach;  200  bis  300  Kranke,  nur  38  behandelt),  Wunsiedel 
(122  beh.  Fälle),  Alzenau  (neben  Tussis)  und  Kempten  (in  Altusried  und  Wil- 
poldsried',  ferner  im  Stadt-  und  Landbezirke  Forchheim  (62  beh.  Fälle).  Ausser¬ 
dem  Epidemien  in  den  Aemtern  Aichaeh  (in  Aichach  und  Umgebung),  iDgolstadt 
(ziemlich  ausgebreitet  in  Eitensheim),  Kusel  (in  Langenbach),  Uffenheim  (in  Ickel- 
hejm  mit  heftigen  Symptomen,  aber  gutartigem  Verlaufe  und  in  Lenkersheim) 
und  Augsburg  (22  beb.  Fälle  in  Oberhausen);  Bez.-Amt  Schwabmünchen  22  beh. 
Fälle. 

Parotitis  epidemica:  Beginnende  Epidemie  in  Eglharting  (Ebersberg). 

Scarlatina:  Häufigere  Erkrankungen  in  Neustadt  a./A.,  12  beh.  Fälle; 
ärztl.  Bezirk  Weiden  (Neustadt  a/WN.)  15  beh.  Fälle,  neben  Tussis. 


Tussis  convulsiva:  Epidemie  in  Pegnitz  und  Umgebung  erloschen, 
im  Amte  Landau  a /I.  abnehmt nd.  Fortsetzung  der  Epidemien  in  den  Aemtern 
Griesbach  (noch  im  nordwestl.  Teile  des  Bezirkes),  Germersheim  (in  Kandel), 
Landau  i./Pf.  (neu  in  Niederhoehstsdt,  Siebeidingen  und  Edesheim),  Alzenau  (in 
Krombach  fast  alle  Kinder  erkrankt  gewesen,  viele  gleichzeitig  mit  Masern,  5 
gestorben;  neues  heftiges  Aufrreten  in  FVldkahl)  und  Donauwörth  (in  Wemding, 
viele  Kinder,  auch  Schulkinder  erkrankt,  selten  ärztlich  behandelt).  Epidemi¬ 
sches  Auftreien  feiner  in  dt  n  Aemtern  Bergzabern  (in  Annweiler,  Albersweiler, 
Eusserthal  und  Dernbach),  Tirmasens  (in  Dahn  und  Bruchweiler,  28  beh.  Fälle), 
Naila  (heftig  in  Naila  und  Selbitz,  mehrere  Todesfälle  an  kons.  kath.  Pneumonie) 
und  Neuburg  a  / D.  (in  Neuburg  und  Weichering).  Häufigere  Erkrankungen  neben 
Masern  in  Aichach  und  Umgegend  und  in  Feldmoching  (München),  neben  Schar¬ 
lach  im  ärztl.  Bezirke  Weiden  (Neustadt  a  /WN.). 

Varicellen:  Zahlreichere  Erkrankungen  in  Baierbrunn  (Wolfratshauseu). 

Milzbrand:  Je  1  Fall  in  der  Stadt  Kitzingen  und  im  Amte  Kaiserslautern. 

Febris  gastrica  wird  als  endemisch  im  Bezirke  Dachau  bezeichnet; 
im  Juli  32,  August  58  beb.  Fä  le ;  ferner  wird  häufiges  Auftreten  unter  Ernte¬ 
arbeitern  im  Amte  Mallersdorf  gemeldet. 

Im  Interesse  möglichster  Vollständigkeit  vorliegender  Statistik  wird  um 
regelmässige  und  rechtzeitige  (bis  längstens  20.  des  auf  den  Berichts- 
monat  folgenden  Monats)  Einsendung  der  Anzeigen  bezw.  von  Fehl¬ 
anzeigen  ersucht,  womöglich  unter  anmerkungsweiser  Mittheilung  von  Epi¬ 
demien.  Zur  Vermeidung  von  Doppelzählungen  erscheint  es  wünschenswerte 
dass  Fälle  aus  sog.  Grenzpraxis  entweder  dem  Amtsärzte  des  einschlägigen 
Amtes  oder  dem  K.  Statistischen  Bureau  unter  Ausscheidung  nach  Aemtern 
mitgetheilt  werden. 

Meldekarten  nebst  Umschlägen  zur  portofreien  Einsendung  an  das 
K.  Statistische  Bureau  sind  durch  die  k.  Bezirksärzte  zu  erhalten.  Diese  Karten 
dienen  ebenso  zu  sog.  Sammelkarten,  welch’  letztere  zur  Vermeidung  von 
Verzögerungen  ohne  Rücksicht  auf  etwa  ausständige  Anzeigen  gleich¬ 
falls  bis  längstens  20.  jeden  folgenden  Monats  einzusenden  wären.  Allenfalls 
später  eingekommene  Meldungen  wollen  auf  der  nächstfolgenden  Karte  als 
|  Nachträge  gekennzeichnet,  aufgenommen  werden.  Noch  in  Händen  be- 
j  findliche  sog.  Postkarten  wären  aufzubrauchen,  jedoch  durch  Angabe  der 
i  behandelten  In  fluenzafälle  zu  ergänzen  und  gleichfalls  unterümschlag  ein- 
j  zusenden.  —  Sog.  Zählblättchen  dagegen  werden  vom  K.  Statistischen  Bureau 
weder  beschafft  noch  versendet. 


i)  Einschliesslich  einiger  seit  der  letzten  Veröffentlichung  (No  37)  eingelaufener  Nachträge.  —  3)  Im  Monat  Juli  1902  einschliesslich  der  Nach 

träge  1125.  —  *)  27  mit  31.  bezw.  32.  mit  35.  Jahreswoche 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kun.; ‘.drucken*  a.G..  München. 


t>le  Münch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wfichentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Boeen 
Preis  in  Deutschi.  u.  Oest. -Ungarn  vierteljährl.  6  JL 
ins  Ausland  8. —  M..  Einzelne  No.  80  ■*}. 


MÜNCHENER 


oind  zn  ?dressiren :  Für  die  Redaktion 
rnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh- 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


_  __  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16  g 

MEDIOINISCHE  W OCHENSOHRIFT 

(früher  Ärztliches  intelligenz-blatt) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

°tS„rer’  W.  v.  Leube,  G.  Merkel,  j.e.Mi 

s  •  •  muncnen.  Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin. 

No.  41.  14.  Oktober  1902. 


F.  Penzoldt,  H.  *.  Ranke,  F.  v,  Winckel, 

Erlangen.  München.  München. 


Redaktion :  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag;  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Ein  Rückblick  auf  720  Gallensteinlaparotomien,  unter 
besonderer  Berücksichtigung  von  90  Hepatikus- 

drainagen.*) 

Von  Professor  Dr.  Hans  Kehr  in  Halberstadt. 

M.  II. !  Venn  ich  Sie  eingeladen  habe,  mit  mir  einen  Rück- 
lck  auf  720 .  von  mir  ausgefiihrte  Gallensteinlaparotomien  zu 
halten,  so  bin  ich  mir  sehr  wohl  bewusst,  dass  es  bei  der  Mannig¬ 
faltigkeit  der  Erfahrungen,  die  ich  in  pathologisch-anatomischer, 
diagnostischer  und  therapeutischer  Beziehung  gesammelt  habe, 
in  einem  einstündigen  \  ortrag  nur  möglich  ist,  das  Wichtigste 
und  Wissenswerteste  zu  erwähnen. 

Bei  einem  Rückblick  überschaut  der  Wanderer,  der  eine 
steile  Höhe  erklommen  hat,  auch  niemals  den  ganzen  Weg;  er 
kann  nicht  in  alle  Täler  und  Schluchten,  durch  welche  sein  Euss 
ihn  führte,  hineinblicken,  sondern  sein  Äuge  verweilt  immer 
wieder  an  besonders  liebgewonnenen  hochragenden  Punkten,  wo 
er  eine  herrliche  Aussicht,  eine  labende  Erquickung,  eine  längere 
Ruhe  fand.  Auch  mir,  dem  Wanderer  auf  dem  beschwerlichen 
Wege  der  Gallensteinchirurgie,  war  es  auf  12  jähriger  Wander¬ 
schaft  beschieden,  solch  schöne  Punkte  zu  gemessen,  und  wenn 
mein  Blick  heute  gerade  bei  diesen  verweilt  und  mein  Auge 
sich  in  die  Schatten  der  tiefen  Abgründe  und  Täler  nur  ungern 
wendet,  so  wird  das  ein  jeder  von  Ihnen  begreiflich  finden.  Und 
doch  will  ich  mir  Mühe  geben,  auch  die  bösen  Stunden,  welche 
die  Wanderung  mit  sich  brachte,  zu  schildern,  und  ich  will 
Ihnen  nicht  verschweigen,  dass  oft  mein  Puss  erlahmte  und  die 
Eraft  mir  schier  versagte,  dass  nicht  immer  gutes  Wetter  und 
Sonnenschein  mich  begleiteten,  sondern  oft  Blitz  und  Donner¬ 
schlag  die  Lust  des  Wanderers  störte.  Sie  sollen,  m.  II.,  nicht 
nur  von  den  guten  Erfolgen  hören,  die  ich  erzielt  habe,  sondern 
auch  von  den  schlechten,  und  ich  will  getreulich  berichten,  was 
ich  an  Rezidiven  erlebt  und  wie  gross  die  Sterblichkeit  nach 
meinen  Operationen  war. 

Am  1.  Mai  1890  machte  ich  mich  auf  den  Weg.  Meine 
erste  Gallensteinoperation  war  eine  Cystendyse,  kombiniert  mit 
Boretas  Divulsion  des  Pylorus.  Die  Bat.  ist  bis  jetzt  gesund 
geblieben,  obwohl  ich  zwei  recht  unzweckmässige  Operations¬ 
methoden  zur  Anwendung  gebracht  habe.  Viele  Kranke  werden 
eben  gesund  trotz  der  fehlerhaften  Massnahmen  ihrer  Aerzte. 

Seit,  dein  1.  Mai  1890  habe  ich  732  Gallensteinlaparotomien 
ausgeführt,  ich  lege  meiner  Arbeit  nur  720  zu  Grunde  und  lasse 
die  letzten  12  unberücksichtigt,  da  dieselben  sich  noch  in  Be¬ 
handlung  befinden. 

n  Was  ich  .bis  zum  15.  September  1901  alles  auf  dem  Gebiete 
aer  Gallenstemchirurgie  erlebte,  habe  ich  in  meiner  chirurgischen 
Behandlung  der  Gallensteinkrankheit,  in  meiner  Anleitung  zur 
Erlernung  der  Diagnostik  der  einzelnen  Formen  der  Cholelithiasis 
in  2  Bänden :  Beiträge  zur  Bauchchirurgie,  in  einer  Monographie 
der  deutschen  Klinik  von  v.  Leyden,  in  einem  Vortrag  der 
Sammlung  klin.  Vorträge  von  v.  Volkmann  (Ko.  225)  und  in 

,lo..lAU8™g8weise  vorgetragen  auf  der  Versammlung  der 
mutschen  Naturforscher  und  Aerzte  in  Karlsbad  am  22.  Sep- 
1902-  /Der  Vortrag  war  für  eine  gemeinsame  Sitzung  der 
meien  Medizin  und  Chirurgie  bestimmt;  da  eine  solche  nicht  zu 
isianue  kam,  wurde  derselbe  in  der  chirurgischen  Sektion  gehalten  ) 
No.  41 


zahlreichen  kleinen  Publikationen  geschildert.  Es  wäre  lang¬ 
weilig  und  ermüdend,  wenn  ich  heute  wiederholen  wollte,  was 
ich  dort  geschrieben  habe.  Nur  einige  wichtige  Punkte,  die  den 
J  raktiker  am  meisten  interessieren  und  welche  die  Erühoperation, 
die  Indikationsstellung  zum  chirurgischen  Eingriff,  die  augen¬ 
blicklichen  und  Dauererfolge  betreffen,  kann  ich  heute  in  grossen 
/ugen  erledigen  und  an  neuen  Erfahrungen  will  ich  Ihnen  nur 
ganz  kurz  diejenigen  mitteilen,  die  bei  den  letzten  100,  bisher 
noch  nicht  veröffentlichten  Operationen  mir  selbst  als  neu  sich 
auidrängten. 

i  ?!  '  H‘l.  Wenn  J'emand  wie  ich  732  mal  bei  der  Gallenstein- 
krankhmt  che  Bauchhöhle  geöffnet,  mit  Auge,  Hand,  Nase  und 
Ohr  sich,  über  die  Beschaffenheit  der  Gallenblase  und  der  Leber, 
die  1  cstigkeit  der  Verwachsungen,  den  Geruch  des  Gallenblasen- 
inhaltes  orientiert  und  sich  an  die  Geräusche,  die  die  Sonde 
an  den  Gallensteinen  erzeugt,  gewöhnt  hat,  dann  lernt  er  vor 
allen  Dingen  eines,  das  ist  die  pathologische  Ana¬ 
tomie  der  Cholelithiasis. 

Die  pathologische  Anatomie  ist  die  Grundlage,  auf  der 
unser  ganzes  ärztliches  Wissen  und  Können  sich  auf  baut. 
Ein  Arzt, .  der  diesen  fundamentalen  Teil  der  Heilkunde 
vernachlässigt  und  der  seine  diagnostischen  Erwägungen 
und  therapeutischen  Massnahmen  nicht  durch  Sektionen 
kontrolliert,  mag  ein  noch  so  feiner  Untersuche!-  und 
Beobachter  am  Krankenbett  sein,  seine  Kenntnisse  bleiben 
lückenhaft.  Und  wie  viel  besser  wird  der  Arzt,  der  in  der  Woche 
?~3  Aut°IJsi.en  vivo  zu  machen  Gelegenheit  hat,  die  feineren 
V  orgänge  bei  der  Cholelithiasis  studieren  können.  Ich  schätze 
den  Anschauungsunterricht  unserer  Operationen  ausserordent¬ 
lich  hoch  und  ich  habe  dabei  hundertmal  mehr  gelernt,  wie  aus 
Lehrbüchern  und  wie  bei  Sektionen.  So  habe  ich,  um  nur  ein 
Beispiel  anzufünren,  bei  fast  allen  1  ällen  von  soeben  überstan¬ 
dener  oder  noch  bestehender  Gallensteinkolik  eine  Entzündung 
in  der  Gallenblase  resp.  in  den  Gallengängen  angetroffen  und 
bin  schon  seit  J ahren  der  Ansicht,  dass  die  Steine  in  der  Gallen¬ 
blase  als  solche  überhaupt  keine  Beschwerden  verursachen,  son¬ 
dern  sich  erst  dann  bemerkbar  machen,  wenn  eine  Infektion 
hinzukommt  und  das  in  der  Gallenblase  sich  ansammelnde  ent¬ 
zündliche  Exsudat  das  Organ  dehnt  und  weitet  und  den  Stein 
in  den  Cystikus  resp.  Choledochus  hineintreibt. 

Ich  will  heute  meine  Ansichten  über  das  Wesen  der  Gallen- 
steinkolik  nicht  näher  begründen ;  auch  dem  Ikterus,  welcher 
nächst  dem  Schmerz  bisher  als  ein  Hauptsymptom  der  Chole¬ 
lithiasis  galt,  kann  ich  bei  der  kurzbemessenen  Zeit  nur  wenige 
Worte  widmen. 

Nach  meinen  Erfahrungen  fehlt  in  80—90  Proz.  der  Fälle 
bei  Steinen  in  der  Gallenblase  und  im  Cystikus  die  Gelbsucht 
und  selbst  bei  der  Choledocholithiasis,  bei  der  Steinkrankheit 
im  Choledochus  und  llepatikus,  wird  dieselbe  in  33  Proz.  der 
Fälle  vermisst.  Man  ist  oft  erstaunt,  den  gemeinsamen  Gallen¬ 
gang  mit  Steinen  vollgepfropft  zu  finden,  ohne  dass  eine  Spur 
von  Ikterus  vorhanden  war,  und  Steinabgang  ohne  Gelbsucht  ist 
kein  ganz  seltenes  Ereignis.  Gerade  im  letzten  Jahr  habe  ich 
mich  oft  bei  meinen  Operationen  überzeugen  können,  wie  gern 
sich  nicht  nur  kleine,  sondern  selbst  wallnussgrosse  Steine  im 
Choledochus  latent  verhalten,  nicht  nur  wochen-,  sondern  monate- 
und  jahrelang.  Auf  diese  latsache  möchte  ich  mit  ganz  be¬ 
sonderem  Nachdruck  hinweisen.  Erst  die  Infektion  rüttelt  die  ■ 


1690 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Steine  auf  und  führt  zu  Beschwerden  und  der  hei  der  Chole- 
lithiasis  eintretende  Ikterus  ist,  wie  die  Kolik,  in  den  aller¬ 
meisten  Fällen  auf  entzündliche  Vorgänge  zurückzuführen.  Dass 
dabei  auch  andere  Ursachen  eine  Rolle  spielen,  will  ich  nicht 
gänzlich  in  Abrede  stellen,  doch  führt  es  mich  zu  weit,  diese 
Frage  heute  ausführlicher  zu  erörtern. 

Als  drittes  Hauptsymptom  der  Cholelithiasis  wird  immer  die 
Leberschwellung  angeführt.  Diese  spielt  indes  eine  ziemlich 
untergeordnete  Rolle,  denn  solang'e  die  Steinkrankheit  sich  auf 
die  Gallenblase  und  den  Cystikus  beschränkt,  fehlt  meistenteils 
jede  Schwellung  der  Leber  und  selbst  in  den  Fällen  von  lang¬ 
dauerndem  Choledochusverschluss  habe  ich  nicht  selten  die  Leber 
normal  und  nicht  vergrössert  angetroffen. 

Auch  der  Tumor  der  Gallenblase,  den  wir  im  Anfangsstadium 
der  Gallensteinkrankheit,  bei  der  akuten,  serös-eitrigen  Chole¬ 
cystitis,  so  deutlich  palpieren  können,  entzieht  sich  unseiem 
Tastgefühl,  sobald  die  Cholecystitis  in  das  chronische  Stadium 
übergetreten  ist  und  Schrumpfungsprozesse  die  Ausdehnungs 
fähigkeit  der  Gallenblase  verhindern.  Gerade  beim  chronischen 
Choledochusverschluss  sucht  man  vergebens  nach  einer  Ge¬ 
schwulst  der  Gallenblase. 

Da  ich  alle  diese  Punkte  schon  früher  —  besonders  in  meiner 
Diagnostik  —  ausführlich  erörtert  habe,  begnüge  ich  mich  mit 
diesen  kurzen  Andeutungen.  Eine  Frage  mochte  ich  aber  doch 
noch  ganz  kurz  berühren :  sie  betrifft  die  Einteilung  der  Chole¬ 
lithiasis  in  bestimmte  Krankheitsformen. 

N  a  u  n  y  n  hält  die  Cholelithiasis  für  regulär,  wenn  die 
Steine  unter  Ikterus  und  Kolik  durch  den  Oholedochus  abgehen, 
er  hält  alle  übrigen  Formen  für  irregulär,  also  den  Hydrops  und 
das  Empyem  der  Gallenblase,  den  chronischen  Choledochusver¬ 
schluss,  die  Cholangitis.  Der  akute  Choledochusverschluss  ist 
aber  erst  die  Folge  einer  serösen  Entzündung  der  Gallenblase. 
Die  reguläre  Form  Naunyns  ist  also  die  Folge  einer  irregulären 
Erkrankung.  Das  widerspricht  sich  doch,  und  ich  meine,  eine 
solche  Einteilung  ist  heute  nicht  mehr  am  Platze.  W  ir  unter¬ 
scheiden  besser:  Steine  in  der  Gallenblase,  akute  und  chronische 
Cholecystitis,  Hydrops  und  Empyem,  akuten  und  chronischen 
Choledochusverschluss;  mit  einem  Wort:  auf  dem  festen  Boden 
der  pathologischen  Anatomie  treffen  wir  unsere  Einteilung,  und 
dass  dieses  möglich  und  ausführbar  ist,  habe  ich  in  meiner  Dia¬ 
gnostik  zur  Genüge  auseinandergesetzt. 

Sehr  eingehende  Studien  habe  ich  über  die  sogen.  Natur- 
heilungen  der  Cholelithiasis  machen  können,  die  sich  als  I  istel- 
bildungen  zwischen  Gallenblase  und  Aussenwelt,  zwischen 
Cystikus  und  Magen  oder  Duodenum,  zwischen  Gallenblasen¬ 
fundus  und  Kolon,  zwischen  Choledochus  und  Duodenum  doku¬ 
mentierten. 

In  30  Fällen  habe  ich  Fisteln  zwischen  Gallensystem  und 
Tntestinaltraktus  angetroffen,  aber  ich  muss  offen  bekennen,  dass 
derartige  Naturheilungen  meinen  Respekt  vor  der  Mutter  Natur 
sehr  wenig  erhöht  haben.  In  einigen  Fällen  hatten  gerade  diese 
Fisteln  zur  aszendierenden  Cholangitis  Veranlassung  gegeben 
und  ganz  selten  war  eine  völlige  Elimination  der  Steine  erfolgt. 
Die  Fälle,  wo  die  Naturheilung  ihren  Segen  entfaltet,  sehe  ich 
als  Chirurg  natürlich  nicht;  sie  mögen  ziemlich  zahlreich  sein, 
ich  glaube  aber  doch,  dass  nicht  ganz  selten  gerade  durch  diese 
perforativen  Vorgänge  der  Infektion  des  Gallensystems  Tür  und 
Tor  geöffnet  wird. 

Die  Betrachtung  der  pathologischen  Anatomie  der  Gallen¬ 
steinkrankheit  war  von  jeher  mein  Lieblingsthema.  Aber  da  ich 
annehme,  dass  Sie  die  Fragen  der  I  rühoperation  und  der  In- 
dikationsstellung  mehr  interessieren,  unterlasse  ich  es,  auf  die 
Adhäsionsbildung  an  der  Gallenblase  und  die  durch  dieselben 
bedingten  mannigfachen  Störungen,  auf  die  konsekutiven  Er¬ 
krankungen  des  Magens,  des  Pankreas  und  der  Leber  näher  ein- 
zugehen. 

Jedenfalls  habe  ich  —  und  das  möchte  ich  nicht  vergessen 
auszusprechen  —  durch  meine  pathologisch-anatomischen  Stu¬ 
dien  in  vivo  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  eine  Ausheilung 
der  Cholelithiasis  durch  innere  Mittel  —  dabei  habe  ich  besonders 
die  sogen.  Cholagogen  Mittel  im  Auge  —  nur  sehr  selten  ge¬ 
lingt  und  dass  das,  was  wir  gewöhnlich  Heilung  nennen,  nicht 
als  eine  Austreibung  oder  gar  als  eine  Auflösung  der  Steine  auf- 
zufasson,  sondern  als  eine  Ueberführung  der  Cholelithiasis 
ans  dem  aktuellen  in  das  latente  Stadium  anzusehen  ist.  Eine 
Heilung  im  Sinne  der  völligen  Freimachung  des  Gallensystems 


von  Steinen  und  einer  Wiederherstellung  der  gestörten  Passage 
ist  einstweilen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nur  dem  Messer  des 
Chirurgen  Vorbehalten.  Die  Ueberführung  der  Cholelithiasis 
aber  in  das  Stadium  der  Latenz  wird  durch  Ruhekuren  und  be¬ 
sonders  durch  den  Gebrauch  der  heissen  Thermen  von  Karlsbad 
zweifellos  in  der  grössten  Zahl  auch  renitenter  Fälle  erreicht. 
Aber  Symptomenlosigkeit  ist  zwar  im  Sinne  des  Kranken  eine 
Heilung,  doch  nicht  im  Sinne  des  pathologisch- anatomisch 
durchgebildeten  Arztes. 

Der  zweite  grosse  Gewinn,  den  mir  meine  zahlreichen  Ope¬ 
rationen  brachten,  bestand  darin,  dass  ich  eine  spezielle 
D  iagnostik  der  einzelnen  Formen  der  Cholelithiasis  gründ¬ 
lich  erlernen  konnte.  Heutzutage  genügt  es  nicht  mehr,  wenn 
man  einfach  die  Diagnose  auf  Gallensteine  stellt,  sondern  wir 
müssen  uns  bemühen,  eine  anatomische  Diagnose  zu  erlernen, 
und  das  ist  auf  Grund  des  Untersuchungsbefundes,  der  Anamnese 
und  aufmerksamer  Beobachtung  recht  gut  möglich.  W  ir  müssen 
feststellen,  wo  die  Steine  sitzen,  ob  in  der  Gallenblase,  im  Ductus 
cysticus,  im  supraduodenalen  Teil  des  Choledochus  oder  in  der 
Papille  des  Duodenums.  Wir  müssen  uns  über  den  Grad  der 
Entzündung  unterrichten  und  die  Cholecystitis  von  der  Cholan¬ 
gitis,  die  zirkumskripte  Pericholecystitis  von  der  diffusen  Peri¬ 
tonitis  zu  unterscheiden  suchen,  wir  müssen  beim  chronischen 
Choledochusverschluss  den  lithogenen  von  dem  durch  einen 
Tumor  bedingten  auseinander  halten.  Wir  müssen  endlich  dar¬ 
über  klar  werden,  wie  weit  die  Leber,  das  Pankreas  und  der 
Magen  durch  die  Folgen  der  Cholelithiasis  geschädigt  ist.  Es 
ist  wahrlich  keine  chirurgische  Selbstüberhebung,  wie  ein 
Chirurg  jüngst  meinte,  wenn  ich  behaupte,  dass  derartige  spe¬ 
zielle  Diagnosen  möglich  sind.  Natürlich  lernt  man  dies  nicht 
sofort,  wenn  man  20 — 50  derartige  Operationen  ausgeführt  hat, 
sondern  man  muss  eine  hundertfältige  Erfahrung  hinter  sich 
haben,  ehe  man  in  der  Diagnosenstellung  einigermassen  firm 
wird.  Auch  ich  stelle  jetzt  noch  falsche  Diagnosen,  aber  je  mehr 
ich  operierte,  je  seltener  wurden  dieselben.  Die  Berücksichtigung 
der  Anamnese,  eine  schonend  und  leise  ausgeführte  bimanuelle 
Untersuchung,  eine  gründliche  Beobachtung  setzen  uns  in  den 
Stand  in  der  Mehrzahl  der  1  älle  eine  ganz  spezielle 
Diagnose  zu  stellen.  Aber  ohne  Uebung  und  Erfahrung  kommt 
man  nicht  ans  Ziel,  speziell  die  Art  der  Untersuchung  will,  er¬ 
lernt  sein.  Der  Tastsinn  ist  nicht  bei  allen  Aerzten  gleich- 
mässig  ausgebildet,  und  ich  mache  immer  die  Beobachtung,  dass 
viele  zu  stark  drücken  und  nur  selten  beide  Hände  bei  der  Pal¬ 
pation  zu  Rate  ziehen.  Ohne  eine  bimanuelle  Untersuchung  ist 
aber  ein  Befund  meistenteils  nicht  zu  erheben.  Manche  Fälle 
lassen  aber  eine  spezielle  Diagnosenstellung  nicht  zu ,  wo  sich 
z.  B.  ein  Empyem  der  Gallenblase  mit  einem  chronischen  Chole¬ 
dochusverschluss  kombiniert,  Fisteln  zwischen  Gallenwegen  und 
i  Darm  bestehen,  die  Erscheinungen  der  Pylorusstenose  das  Bild 
!  beherrschen,  kann  man  nur  die  am  meisten  in  die  Augen  sprin¬ 
gende  Erkrankung  diagnostizieren  und  wird  über  manchen  un¬ 
erwarteten  Nebenbefund  erstaunt  sein. 

Ich  kann  heute  aus  Zeitmangel  die  Merkmale  der  ver¬ 
schiedenen  Formen  der  Cholelithiasis  nicht  weiter  auseinander 
setzen,  aber  soviel  steht  fest,  dass  wir  nur  auf  diesem  Wege 
eine  richtige  Indikationsstellung  erlernen  und  die  Frage  ent¬ 
scheiden  können,  ob  eine  innere  Kur  genügt  oder  ob  eine  Opera¬ 
tion  am  Platze  ist. 

Die  Erlernung  der  Indikationsstellung  ist  der  dritte  grosse 
Gewinn,  den  mir  die  intensive  Beschäftigung  mit  der  Gallen¬ 
steinchirurgie  brachte,  und  ich  möchte  fast  glauben,  dasi  heut¬ 
zutage  der  Chirurg  —  vorausgesetzt  natürlich,  dass  er  eine  grosse 
Erfahrung  hinter  sich  hat  —  in  der  Frage  ob  eine  Karlsbader 
Kur  oder  eine  Operation  indiziert  ist,  ebenso  gut,  wehn  nicht 
besser  Bescheid  weiss,  wie  sein  innerer  Kollege. 

Das  grosse  Gallensteinmaterial,  welches  mir  bisher  zu  Gebote 
stand,  hat  bei  vielen  Kollegen  die  Vorstellung  wachgerufen,  (lass 
ich  zuviel  operiere  und  die  Indikation  zu  weit  ziehe.  Diese 
Annahme  beruht  aber  auf  einem  grossen  Irrtum.  So  habe  ich 
von  den  195  Kranken,  die  ich  in  den  letzten  12  Monaten  auf 
Gallensteine  untersuchte,  nur  104,  also  ca.  die  Hälfte,  operiert  ). 
Und  dann  ist  zu  bedenken,  dass  von  meinen  sämtlichen  Gallen¬ 
steinkranken  nur  35  Proz.  aus  Halberstadt  und  Umgegend 

i)  Vom  15.  September  1899  bis  15.  September  1900  kamen  84, 
1900  bis  1901  95  und  1901  bis  1902  104  Gallensteinoperationen  in 
meiner  Klinik  zur  Ausführung. 


14.  Oktober  1902. 


METEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1G91 


stammen,  also  aus  dem  Bezirk,  aus  welchem  auch  andere  chirur¬ 
gische  Kranke  meine  Klinik  aufzusuchen  pflegen;  65  Proz.  der 
Kranken  waren  weit  her  zugereist.  Man  mag  über  meine  In¬ 
dikationsstellung  denken  wie  man  will,  ich  gehöre  jedenfalls 
nicht  zu  den  Chirurgen,  die  „immer  gleich  schneiden“,  und  das 
einzige  Heil  für  einen  Gallensteinkranken  im  Messer  er¬ 
blicken.  Dabei  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  jeder,  der  mich  auf¬ 
sucht,  weiss,  dass  ich  Chirurg  bin,  und  dass  ich  mich  nicht  mit 
der  inneren  Behandlung  der  Cholelithiasis  beschäftige.  Fast  alle 
Kianke,  die  ich  untersuchte,  hatten  sich  operieren  lassen,  wenn 
ich.  die  Operation  für  nötig  gehalten  hätte.  Ich  bin  aber  der 
Meinung,  dass  nicht  die  Gegenwart  der  Steine  die  Operation 
erfordert,  sondern  nur  gewisse  Folgezustände  dieselbe  erheischen, 
wie  Entzündungen  in  der  Gallenblase,  die  durch  eine  Ruhekur 
nicht  latent  werden  wollen,  oder  der  dauernde  Aufenthalt  von 
Steinen  im  Cystikus  und  Clioledochus.  Ich  habe  in  dieser  Be¬ 
ziehung  kaum  andere  Ansichten  wie  die  meisten  Karlsbader 
Kollegen,  und  wenn  ich  öfters  operierte,  als  sie  vielleicht  die  In¬ 
dikation  zu.  einem  blutigen  Eingriff  gestellt  hätten,  so  hat  das 
lediglich  seinen  Grund  darin,  dass  es  mir  als  Chirurgen,  der 
sich  ganz  speziell  mit  Gallensteinoperationen  beschäftigt  hat, 
vergönnt  war,  eine  spezielle  Diagnose  der  Gallensteinkrankheit 
eher  zu  erlernen,  wie  dem  inneren  Arzt,  der  fast  nur  auf  seine 
Beobachtungen  am  Seziertisch  und  Krankenbett  angewiesen  ist. 

Ich  kann  Ihnen  mitteilen,  dass  bei  vielen  Kranken  die  vor¬ 
her  behandelnden  Aerzte  eine  Operation  angeraten  hatten,  die 
ich  aus  bestimmten  Gründen  ablehnte.  Nicht  weil  ich  mich 
vor  dem  schweren  Fall  fürchtete,  und  meiner  Statistik  zu  Liebe 
auf  eine  Operation  verzichtete,  sondern  weil  ich  die  Ueberzeugung 
hatte,  dass  auch  eine  innere  Behandlung  zum  Ziele  führen  würde. 
Ich  operiere  nämlich  nicht,  wenn  akuter  Choledochusverschluss 
vorliegt,  wenn  die  Anfälle  mit  Ikterus  und  jedesmaligem  Ab¬ 
gang  von  Steinen  verlaufen,  wenn  zwischen  den  Gallenblasen¬ 
koliken  völlige  Latenz  eintritt.  Ich  sage  absichtlich  Gallenblasen¬ 
koliken,  denn  bei  den  Koliken  des  chronischen  Choledochusver- 
sehlusses  tritt  häufig  auch  völlige  Latenz  ein,  die  uns  aber  nicht 
über  die  Schwere  der  Erkrankung  hinwegtäuschen  darf,  son¬ 
dern  uns  bei  Zeiten  das  Messer  in  die  Hand  drücken  sollte.  Am 
häufigsten  habe  ich  aber  bei  den  Kranken,  die  meine  Klinik  auf- 
suchten,  die  Operation  abgelehnt,  weil  ich  in  die  anderweitig  ge¬ 
stellte  Diagnose  Cholelithiasis  Zweifel  setzen  musste.  Wo  ich 
ein  sicheres  Karzinom  der  Gallenblase  mit  Ikterus  und  Aszites, 
Lebercirrhose  und  rechtsseitige  Wanderniere  fand,  habe  ich  auf 
einen  chirurgischen  Eingriff  verzichtet.  Korpulente  Männer, 
deren  Herz  und  Nieren  nicht  ganz  intakt  sind,  stelle  ich  von  der 
Operation  zurück,  und  wo  die  Magenschmerzen  bei  Frauen  auf 
ein  Genitalleiden  hindeut ep,  wo  eine  Retroflexio  uteri  vorlag,  kon¬ 
sultierte  ich  den  Gynäkologen.  Bei  Kranken  mit  schwerster 
Cholangitis,  hohem  Fieber,  schlechter  Herztätigkeit,  sind  die 
Gefahren  der  Narkose  und  des  Eingriffs  zu  gross,  als  dass  man 
die  Operation  empfehlen  könnte.  Hier  sind  die  Chancen  der 
abwartenden  Behandlung  fast  besser,  wie  die  des  blutigen  Ein¬ 
griffs.  Doch  gehört  eine  grosse  Erfahrung  dazu,  um  diese  Fälle 
in  prognostischer  Hinsicht  richtig  zu  beurteilen. 

Andererseits  bin  ich  der  Meinung,  dass  von  der  Operation  im 
allgemeinen  viel  zu  wenig  Gebrauch  gemacht  und  der  richtige 
Zeitpunkt  eines  operativen  Eingriffs  häufig  verpasst  wird.  Und 
das  bezieht  sich  hauptsächlich  auf  den  chronischen  Choledochus¬ 
verschluss. 

Ich  bin  von  jeher  gewohnt  gewesen,  frei  von  der  Leber  weg 
zu  reden,  und  gerade  hier  in  Karlsbad,  wo  man  schon  nach 
kurzem  Aufenthalt  die  befreiende  Wirkung  des  Sprudels  auf  die 
Leberzellen  merkt,  fällt  es  mir  besonders  leicht,  ein  freies  Wort 
zu  reden.  Aber  —  das  seien  Sie,  m.  II.,  versichert  —  ich  bin 
nicht  in  der  Absicht  nach  Karlsbad  gekommen,  um  die  Wirk¬ 
samkeit  der  Karlsbader  Quellen  bei  der  Cholelithiasis  in  irgend 
einer  Weise  herabzusetzen  und  den  stillen  Frieden  dieser  ge¬ 
meinsamen  Sitzung  zu  stören.  Ich  will  auch  nicht,  wie  Sie 
nachher  hören  werden,  mit  Ihnen  über  die  Berechtigung  der 
I  rühoperation  und  über  die  Notwendigkeit  des  chirurgischen 
Eingriffs  in  Fällen,  bei  denen  sich  die  Steinkrankheit  noch  auf 
die  Gallenblase  beschränkt,  streiten.  Ich  habe  auch  nichts  da¬ 
gegen  einzuwenden,  wenn  ein  Patient  mit  frischem  Ikteius  sich 
hier  am  Sprudel  und  Mühlbrunnen  labt.  Aber  wenn  der  Ikterus 
konstant  bleibt,  sich  das  typische  Bild  des  chronischen  Chole- 
dochusverschlusses  herausbildet,  Fieber  und  Schüttelfröste  auf¬ 


treten,  dann  soll  man  nicht  immer  und  immer  wieder  dem  Patien¬ 
ten,  der  natürlich  die  Narkose  und  Operation  fürchtet,  nach¬ 
geben  und  die  anscheinend  ungefährliche  Trinkkur  verordnen. 
Bei  solch  sicher  konstatiertem  chronischem  Choledochusver¬ 
schluss  ist  das  Sprudeltrinken  gefährlicher  wie  das  Bauchauf- 
schneiden.  Diese  Behauptung,  so  paradox  sie  klingt,  gründet 
sich  auf  die  Erfahrungen,  welche  ich  bei  137  Choledochotomien 
und  Hepatikusdrainagen  gesammelt  habe.  Gerade  weil  Karls¬ 
bad,  auch  bei  dieser  schwersten  Form  der  Cholelithiasis  nicht 
selten  einen  augenblicklichen  guten  Erfolg  aufzuweisen  hat, 
kann  sicli  der  Kranke  zur  Operation  nicht  entschliessen.  Er 
wartet  noch  eine  zweite,  eine  dritte,  eine  vierte  Kolik  ab,  und  da 
wieder  der  Sprudel  seine  Wirkamkeit  entfaltet,  wird  die  Opera¬ 
tion  immer  weiter  hinausgeschoben,  aber  schliesslich  verfällt  der 
schwer  heruntergekommene  und  stark  infizierte  Patient  doch  dem 
Messer  des  Chirurgen,  und  wenn  wir  dann  sagen,  es  ist  zu  spät, 
bekommen  wir  noch  von  allen  Seiten  Vorwürfe  wegen  In¬ 
kollegialität  und  chirurgischem  Dünkel.  Wahrlich,  das  lange  Ab¬ 
warten  beim  chronischen  Choledochusverschluss  ist  ein  Unrecht, 
welches  wir  an  unseren  Kranken  begehen,  und  es  ist  die  höchste 
Zeit,  dass  wir  in  dieser  Beziehung'  die  althergebrachten  Ansichten 
ändern.  Denn  in  90  Proz.  der  Fälle  waren  die  Steine  so  gross, 
dass  sie  die  enge  Papille  des  Duodenum  niemals  passiert  hätten 
und  auf  die  Ausbildung  einer  Choledochoduodenalfistel  zu  warten, 
halte  ich  für  höchst  bedenklich.  Merkwürdigerweise  war  bei  der 
Mehrzahl  meiner  Fälle  die  Diagnose  auf  Gallengries  gestellt  und 
von  einer  Operation  abgeraten  worden.  Gallengries  ist  eine  sehr 
beliebte  Diagnose;  ich  habe  ihn  nur  wenige  Male  in  der  Gallen¬ 
blase  und  im  Choledochus  angetroffen,  aber  als  Gries  wird  nie¬ 
mand  die  Steine  bezeichnen,  die  ich  Ihnen  hiermit  herumreiche.1*) 
Die  allermeisten  sind  aus  dem  Choledochus  extrahiert  worden. 
Uebrigens  präsentieren  die  Steine  nur  einen  ganz  kleinen  Teil 
der  von  mir  entfernten,  ihre  Gesammtsumme  taxiere  ich  auf 
60  000.  Ich  habe  mir  nur  die  grösseren  Exemplare  aufgehoben, 
die  kleinen  eignet  sich  gewöhnlich  der  Patient  selbst  an,  und  hebt 
sie  auf  als  Erinnerung  an  schlechte  Zeiten. 

Ausser  beim  chronischen  Choledochusverschluss,  halte  ich  die 
Operation  für  strikt  indiziert  bei  der  akuten  serös-eitrigen  Chole¬ 
cystitis,  beim  akuten  Empyem  der  Gallenblase. 

Entwickelt  sich  in  einer  noch  ausdehnungsfähigen  Gallen¬ 
blase  ein  akuter  serös-eitriger  Prozess,  so  dass  der  prall  gefüllte 
Tumor  leicht  palpabel  wird,  so  ist,  besonders  wenn  peritonitische 
Erscheinungen  nebenhergehen,  eine  sofortige  Operation  am 
Platze.  Wir  finden  dann  in  der  Gallenblase  statt  Galle  Schleim 
und  Eiter.  Das  Organ  zeigt  die  höchsten  Grade  der  Entzündung 
mit  akuter  Nekrose  der  Schleimhaut,  ohne  dass  Ikterus  und 
hochgradige  Koliken  bestehen.  Meistenteils  fehlt  jede  Tempera¬ 
turerhöhung.  In  solchen  Fällen  aber  hat  die  Operation  nicht  in 
erster  Linie  den  Zweck  der  Steinentleerung,  sondern  den  der  Un¬ 
schädlichmachung  des  infektiösen  Materials,  welches  auch  ohne 
eine  Perforation  eine  tödliche  Allgemeininfektion  herauf- 
beschwören  kann.  Die  Tatsache,  dass  selbst  die  Cholecystitis 
acutissima  ohne  Schaden  für  den  Organismus  vorübergehen,  und 
dass  der  Eiter  in  der  Gallenblase  sich  resorbieren  und  steril  wer¬ 
den  kann,  eine  Beobachtung,  für  die  ich  ein  Dutzend  Beispiele 
anführen  könnte,  kann  die  Forderung  sofortiger  Operation  nicht 
umstossen.  Kurz  und  gut :  ich  halte  die  Operation  bei  der  akuten 
serös-eitrigen  Cholecystitis  für  ungefährlicher  als  die  exspekta- 
tive  Methode,  doch  dürfen  wir,  wie  gesagt,  nur  die  Entfernung 
des  Eiters  im  Auge  haben.  Die  Extraktion  der  Steine  erfolgt 
mehr  während  der  Nachbehandlung  und  durch  sekundäre  Opera¬ 
tionen.  Die  primäre  Operation  muss  aber  schonend  sein,  und 
gerade  so  gut,  wie  ich  bei  der  Appendizitis  im  akuten  Stadium 
nicht  immer  den  Wurmfortsatz  entferne,  sondern  mich  mit  der 
Drainage  des  perdappendikulären  Abszesses  begnüge,  so  dürfen 
wir  auch  bei  der  akuten  Cholecystitis  in  erster  Linie  nur  an 
eine  Drainage  der  vereiterten  Gallenblase  denken.  Gelingt  uns 
dabei  die  sofortige  Entfernung  aller  Steine,  so  ist  das  um  so 
besser,  aber  mit  aller  Gewalt  die  Steinextraktion  durchzusetzen, 
halte  ich  für  einen  grossen  Fehler. 

Nun  wissen, wir  alle,  dass  die  Operation  im  akuten  Stadium 
der  Appendizitis  nicht  ohne  Gefahren  ist;  wir  sind  niemals 
sicher,  die  übrige  gesunde  Bauchhöhle  nicht  zu  eröffnen  und  durch 

'*)  Unter  den  herumgereichten  Steinen  befanden  sich  ca.  40 
von  Walnussgrösse. 


1* 


1G92 


MUEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCIIENSCimiFT. 


No.  41. 


Beschmutzung  mit  virulentem  Material  zu  infizieren.  Die  Ent¬ 
fernung  des  Eiters  aus  der  Gallenblase  lässt  sich  aber  vor  Er¬ 
öffnung  derselben  durch  abschliessende  Tamponade  und  Aspira¬ 
tion  viel  ungefährlicher  gestalten,  wie  das  bei  peritonealen  Ab¬ 
szessen  möglich  ist.  Wenigstens  habe  ich  bei  mehr  als  100  Opera¬ 
tionen  wegen  eitriger  Cholecystitis  keinen  einzigen  Kranken  an 
peritonealer  Infektion  verloren. 

Ich  möchte  auf  die  Therapie  der  akuten  Cholecystitis  heute 
nicht  näher  eingehen,  sie  ist  für  die  Karlsbader  Kollegen  von 
relativ  geringem  Interesse,  denn  hierher  kommen  solche  Fälle 
selten,  weil  sie  schwer  transportabel  sind.  Der  Badearzt  sieht  be¬ 
sonders  die  Formen  der  chronisch  rezidivierenden  Cholecystitis 
und  gerade  über  die  Behandlung  dieser  Art  der  Gallensteinkrank¬ 
heit  gehen  die  Ansichten  weit  auseinander.  Der  Kampf,  der 
unter  den  Vertretern  der  inneren  Medizin  und  Chirurgie  in  dieser 
Frage  entbrannt  ist,  tobt  teilweise  noch  in  gewaltiger  Aus¬ 
dehnung.  Es  wäre  aber  an  der  Zeit,  dass  die  Gegner  sich  die 
Hand  reichen  und  Frieden  schliessen,  ich  wenigstens  bin  dazu 
gern  bereit,  und  die  Bedingungen,  die  ich  stelle,  sind,  wie  ich 
glaube,  für  jeden  wissenschaftlichen  Arzt  annehmbar.  Sie  garan¬ 
tieren  der  inneren  Medizin  völlige  Unabhängigkeit,  fordern  aber 
auch  für  die  Chirurgie  volle  Anerkennung  von  anderer  Seite. 
Diese  Eriedensparagraphen  beziehen  sich  übrigens  nicht  nur  auf 
die  chronisch  rezidivierende  Form,  sondern  umfassen  alle  Aeusse- 
rungen  der  Gallensteinkrankheit.  Sie  lauten: 

1.  Ich  erkenne  an,  dass  in  vielen  Fällen  von  Cliolelithiasis 
eine  Herbeiführung  des  latenten  Stadiums  durch  Ruhekuren,  Al¬ 
kalien  etc.  gelingt  und  in  einer  Reihe  von  Fällen  dauernden  Er¬ 
folg  hat.  Besonders  bei  der  sogen,  chronisch  rezidivierenden 
Cholecystitis  vermag  eine  regelmässig  in  Karlsbad  oder  Neuenahr, 
auch  zu  Hause  vorgenommene  Ruhekur  die  Koliken  derart  zu  min¬ 
dern,  dass  kein  Grund  zu  einer  Operation  vorliegt.  Aber  ich  be¬ 
zweifle,  dass  häufig  eine  wirkliche  Heilung,  d.  h.  eine  Ausstossung 
sämtlicher  Steine,  durch  innere  Kuren  erzielt  wird.  Nach  meinerMei- 
mnig  darf  es  auch  gar  nicht  unser  Bestreben  sein,  die  Steine  ab¬ 
zutreiben;  es  ist  viel  richtiger,  wenn  wir  dafür  sorgen,  dass  sie 
sich  in  der  Gallenblase  ruhig  verhalten  und  dass  die  entzünd¬ 
lichen  Prozesse  beseitigt  werden.  Der  wochenlang  fortgesetzte 
Gebrauch  von  heissen  Umschlägen  (am  besten  in  Form  von  Thermo¬ 
phoren)  leistet  neben  Bettruhe  und  einer  Trinkkur  von  Karlsbader 
Wasser  in  dieser  Beziehung  die  besten  Dienste. 

2.  Die  theoi’etische  Berechtigung  der  Frühoperation  im  Sinne 
Riedels,  die  Steine  zu  entfernen,  solange  sie  noch  in  der  Gallen¬ 
blase  stecken,  besteht  nach  wie  vor,  da  in  vielen  Fällen  nur  eine 
frühzeitige  Operation  den  Kranken  vor  schweren  Gefahren  (Per¬ 
foration,  Cholämie,  Karzinom)  behüten  kann.  Eine  allgemeine 
Durchführung  der  Frühoperation  in  der  Praxis  ist  aber  ganz  un¬ 
möglich  und  aus  diesem  Grunde  hat  die  Indikationsstellung 
Riedels  keinen  praktischen  Wert. 

3.  Wenn  die  Anfälle  leicht  verlaufen,  zwischen  denselben 
immer  wieder  völlige  Latenz  (absolute  Unempfindlichkeit  der 
Gallenblasengegend)  eintritt,  verzichte  ich  auf  eine  Operation. 

4.  Der  akute  Choledochusverschluss  ist  bis  auf  wenige  Aus¬ 
nahmen  intern  zu  behandeln.  Treten  die  cholangitischen  Erschei¬ 
nungen  in  den  Vordergrund  und  zieht  sich  der  Ikterus  unter  Ver¬ 
fall  der  Kräfte  und  absoluter  Appetitlosigkeit  in  die  Länge,  so 
ist  eine  Operation  zu  erwägen. 

5.  Häufige  Koliken  ohne  Ikterus  und  ohne  Steinabgang  ver¬ 
langen  bei  Schädigung  des  Allgemeinbefindens  und  Beeinträch¬ 
tigung  der  Erwerbsfähigkeit  und  des  Lebensgenusses  die  Ope¬ 
ration. 

G.  Fälle  mit  Ikterus  und  jedesmaligem  Abgang  von  Steinen 
gehören  dem  Internen;  häufen  sich  die  Anfälle,  kommt  der  Patient 
sehr  herunter  und  ist  keine  Hoffnung  auf  völlige  Ausstossung  der 
Steine  vorhanden,  so  ist  die  Operation  am  Platze. 

T.  Der  Hydrops  und  das  Empyem  der  Gallenblase  und  peri- 
clioleeystitische  Eiterungen  gehören  dem  Chirurgen.  In  den  wenigen 
Ausnahmefällen,  bei  welchen  ein  steriler  Hydrops  gar  keine  Er¬ 
scheinungen  macht,  mag  der  Patient  seine  geschwollene  Gallen¬ 
blase  solange  mit  sich  herumtragen,  bis  Beschwerden  sich  eiu- 
stellen  und  sich  häufen. 

8.  Der  chronische  Choledochusverschluss  soll  bei  Versagen 
einer  gründlichen  Karlsbader  Kur  nicht  zu  spät  chirurgisch  be¬ 
handelt  werden. 

9.  Gallensteinkranke,  die  dem  Morphium  verfallen  sind, 
müssen  unter  allen  Umständen  operiert  werden.  Während  der 
Nachbehandlung  bietet  sich  die  beste  Gelegenheit  zur  Morphium¬ 
entziehung. 

10.  Die  Behandlung  des  Gallenblasenkarzinoms  kann  nur  bei 
ganz  frühzeitiger  Operation  einen  dauernden  Erfolg  haben.  Da 
aber  eine  Frühoperation  jeder  Mensch  scheut  und  Spätoperationen 
keinen  grossen  Zweck  haben,  dürfte  es  nur  selten  gelingen,  das 
Uebel  vollständig  zu  heilen. 

11.  Kranke  mit  chronischem  Ikterus,  der  nicht  auf  Stein  im 
Cholcdoelius  und  unheilbaren  Lebererkrankungen  beruht,  müssen 
spätestens  3  Monate  nach  Beginn  des  Ikterus  operiert  werden,  da 
nicht  selten  statt  des  vermuteteten  Karzinoms  des  Pankreaskopfes 
die  heilbare  Pancrentitis  chronica  interstitialis  gefunden  wird. 


12.  Der  Entschluss  zu  einer  Operation  wird  sowohl  dem  Arzt 
als  auch  dem  Patienten  leicht  gemacht  durch  den  Nachweis  eines 
Gallenblasentumors,  der  geschwollenen  Leber,  durch  Auftreten 
von  Ikterus  und  Fieber.  Aber  auch  ohne  lokalen  Befund  an  lieber 
und  Gallenblase  dürfen  wir  bei  hochgradigen,  andauernden,  einer 
inneren  Medikation  unzugänglichen  Beschwerden  operieren.  Man 
findet  in  solchen  Fällen,  besonders  bei  Männern,  häufig  Adhäsionen 
traumatischen  Ursprungs  ohne  Steine. 

13.  Die  Folgezustände  der  Cliolelithiasis,  die  eitrige  Cholan¬ 
gitis.  der  Leberabszess,  die  Perforationsperitonitis,  der  subphre¬ 
nische  Abszess,  hochgradige  Pylorus-  und  Duodenalstenosen,  oft 
auch  der  Gallensteinileus  müssen  chirurgisch  behandelt  werden. 

14.  Der  Schlussparagraph  endlich  heisst:  Allgemeine  Indika¬ 
tionen  zu  einer  Gallensteinoperation  aufzustellen  ist  nicht  gut  mög¬ 
lich.  Man  muss  von  Fall  zu  Fall  entscheiden.  Männer,  besonders 
fette,  vertragen  eine  Operation  schlecht.  Frauen,  die  geboren 
haben,  eignen  sich  gut  zu  einem  chirurgischen  Eingriff.  Bei 
reichen  Leuten  ist.  die  Indikation  anders  zu  stellen  als  bei  armen, 
aber  dieser  Satz  ist  nicht  so  zu  verstehen,  dass  der  Chirurg  lieber 
die  reichen  Leute  operiert,  die  ihm  hohe  Honorare  zahlen,  nein 
umgekehrt,  die  Armen  müssen  häufiger  operiert  werden,  weil  sie 
nicht  in  der  Lage  sind,  die  Wohltaten  einer  Karlsbader  Kur  ge¬ 
messen  und  streng  nach  den  diätetischen  Vorschriften  .des  Arztes 
leben  zu  können.  Auf  diese  soziale  Indikation  und  auf  die  Forde¬ 
rung  einer  streng  individualisierenden  Behandlung  habe  ich  schon 
in  früheren  Arbeiten  hingewiesen  und  mich  dahin  ausgesprochen, 
dass  man  bei  Diabetes,  Arteriosklerose,  chronischer  Nephritis, 
Lungen-  und  Herzerkrankungen  möglichst  von  einer  Operation 
abstehen  soll. 

Unser  Feldgeschrei  darf  also  nicht  heissen:  Idie  Karlsbad, 
hie  Operation,  auch  nicht  erst  Karlsbad  und  dann  Operation, 
sondern  wir  müssen  unsere  Indikationsstellung  in  erster  Linie 
von  der  betreffenden  E orm,  unter  welcher  die  Gallensteinkrank¬ 
heit  verläuft,  abhängig  machen.  Der  erste  Anfall  kann  die 
Operation  erheischen,  wenn  es  sich  um  eine  akute  serös-eitrige 
Entzündung  in  der  stark  vergrösserten  Gallenblase  handelt,  und 
man  braucht  bei  jährlich  50  Anfällen  nicht  zu  operieren,  wenn 
diese  ohne  Morphiumanwendung,  lediglich  durch  heisse  Um¬ 
schläge  zu  beseitigen  sind,  den  Kranken  nicht  herunterbringen 
und  seine  Erwerbsfähigkeit  nicht  beschränken.  Hat  sich  ein 
chronischer  Choledochusverschluss  herausgebildet,  so  ist  der  Ruf, 
erst  Karlsbad  und  dann  Operation  gerechtfertigt,  doch  soll  man 
sich  durch  eine  vorübergehende  Besserung  nicht  täuschen  lassen 
und  den  chirurgischen  Eingriff  nicht  zu  lange  hinausschieben. 
Nach  der  Operation  schicke  ich  Patienten,  die  über  die  not¬ 
wendigen  Gulden  und  Kreuzer  verfügen,  gern  nach  Karlsbad, 
doch  soll  man,  wie  das  leider  manchmal  geschehen  ist,  aus  dieser 
Wertschätzung  einer  Karlsbader  Nachkur  nicht  den  Schluss 
ziehen,  dass  die  Operation  unvollständig  war  und  ohne  eine 
nachträgliche  Kur  in  Karlsbad  keinen  dauernden  Erfolg  haben 
würde. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Aus  der  Privatpraxis  und  dem  Institut  für  Hygiene  und  Bak¬ 
teriologie  in  Strassburg  i.  E.  (Direktor:  Prof.  Dr.  J.  Förster). 

Eine  Endemie  von  Paratyphus. 

Von 

F.  M.  G.  de  Feyfer  und  Dr.  med.  Heinr.  Kayser, 

praktischem  Arzt  in  Eibergen  I.  Assistenten  des  hygienischen 
(Holland).  Instituts  in  Strassburg. 

Um  die  Zeit  der  Veröffentlichung  des  Strassburger  Para¬ 
typhusfundes  von  B  r  i  o  n  und  K  a  y  s  e  r  in  dieser  Wochenschrift, 
sowie  in  den  folgenden  Monaten  beobachtete  der  eine  von  uns 
in  Eibergen,  Provinz  Gelderland  Hollands,  eine  Reihe  von 
Krankheitsfällen,  welche  diagnostische  Schwierigkeiten  machten. 
Sie  waren  zum  Teil  hochfieberhaft,  erinnerten  an  Typhus,  er¬ 
gaben  aber  niemals  die  G  r  u/b  e  r  -  W  i  d  a  1  sehe  Reaktion. 
Weitere  Agglutinationsversuche  sicherten  bald  die  Diagnose 
Paratyphus. 

Bei  der  hohen  Bedeutung,  welche  die  erst  kurz  aufgerollte 
Paratyphusfrage  für  den  Kliniker,  den  Bakteriologen  und 
Hygieniker  hat,  vielleicht  auch  einmal  für  den  pathologischen 
Anatomen,  sicher  jedoch  für  den  praktischen  Arzt,  können  wir 
es  nicht  unterlassen,  über  die  klinischen  und  bakteriologischen 
Details  dieser  Fälle  zu  berichten,  wie  wir  des  weiteren  die  even¬ 
tuellen  Verbreitungswege  in  den  Kreis  der  Erörterungen  ziehen 
wollen.  Zunächst  seien  die  Krankheitsschilderungen  de  Feyfers 
wiedergegeben. 


14.  Oktober  1902. 


MUK NCl-lFNFH  MEHICINISCHF  WOCHENSCHRIFT. 


.1 


Hausepidemie  I.  (M.) 

Fall  1  (M.  A.)  Am  27.  III.  1002  wurde  ich  zu  dem  zwei- 
all  r  l  g  e  n  T  o  c  literchen  eines  Bauern  gerufen. 

Anamnestisch  ist  bekannt:  Die  Eltern  haben  f.nwr 
Typhus  durchgemac-lit.  Jetzt  sind  sie  gesund.  Man  schickte  er“ 
am  b.  Krankheitstage  zum  Arzt,  da  die  Familie  anfangs  glaubte 
es  handle  sich  nur  um  Beschwerden,  die  mit  der  Dentition  zu- 
sainmenliingen.  Appetitlosigkeit,  Fieber  Matt  le- 
keit  und  mutmassliche  Kopfschmerzen  waren  die  Hauptsym- 
ptome.  Schüttelfrost  hatte  man  nicht  beobachtet.  In  den  ersten 
Tagen  hatte  das  Kind  öfters  erbrochen  und  wurde  viel  von 
Aufstossen  (Borborygmus)  geplagt.  Vom  Krankheitsbeginne  an 
bestiind  ziemlich  starke  Diarrhöe,  dünnflüssig,  grün  und  gelb 
.  Status:  Morgentemperatur  39,2»  C.  Puls  frequent,  weich! 
iegel massig.  Respiration  nicht  beschleunigt.  Kräftiger  Körperbau 
Gesichtsausdruck  matt.  Die  Wangen  sind  umschrieben  gerötet’ 
Sensonum  benommen;  anfangs  machte  das  Kind  bemerkbar®  wenn 
dei  Stuhl  kam,  was  es  letzt,  unterlässt. 

Der  Schlaf  ist  unruhig.  Die  Nackendrüsen  sind  geschwollen 
Die  Lippen  sehen  trocken  aus,  tragen  Borken.  Die  Lunge  ist 
feucht,  ist  fuliginos  belegt.  Es  besteht  Pharyngitis  Par  hat 
viel  Durst,  keinen  Appetit. 

Herz  und  Lunge  normal. 

Bauch  aufgetrieben,  Ileocoekalgurren,  Milzdäm- 
ptjuig  ycrgnisscit,  Milz  nicht  palpabel.  Keine  Roseolen 
Leib  nicht  empfindlich  gegen  Druck. 

Patellarreflexe  erhöht,  Hautreflexe  normal. 

Urin  war  nicht  zu  bekommen.  Die  Stühle  erfolgten 
3  mal  pro  lag.  Die  Fäzes  waren  dünnflüssig,  stark  riechend,  gelb 
und  ginn  uie  bei  Catarrlius  intest,  der  Säuglinge. 

Bis  1.  IV.  blieb  dieser  Zustand  bestehen.  Die  Morgentem¬ 
peratur  ist  ungefähr  38,5°,  die  Abendtemperatur  39,5». 

O  L.  und  RHU  B  r  o  n  c  li  i  t  i  s.  Keine  Diarrhöe.  Stuhl 
fest  von  Konsistenz,  gelb.  Milzdämpfung  noch  etwas  vergrössert, 
Milz  nicht  palpabel.  Die  Temperatur  ist  im  ganzen  etwas  nie¬ 
driger.  Puls  frequent,  weich,  äqual,  regelmässig.  Respiration 

as  beschleunigt.  Sensonum  freier. 

9.  IV.  Temperatur  normal,  lytischer  Abklang 
Bauch  und  Rücken  ein  Exanthem,  wahrscheinlich 
Priessnitz  sehen  Einwickelung. 

-H .  Morgentemperatur  38.  Abendtemperatur  38,1  mit 
einer  Mittagsremission  von  36,4. 

Die  Rekonvaleszenz  dauerte  k  u  r  z. 

Indessen  waren  4  Geschwister  unter  den  gl 
chen  Symptomen  erkrankt.  Die  Familie  bestellt  „„„ 
10  Gliedern,  von  denen  diejenigen  gesund  blieben,  welche  nicht 
in  Berührung  mit  Pat.  M.  A.  gekommen  waren.  Der  Vater  wurde 
zwar  unwohl,  verschwieg  dies  aber.  Er  hatte  nur  einige  Ta<ro 
Fieber  und  Durchfall. 


169c 


Auf  Brust, 
infolge  einer 


e  l  - 

aus 


Fall  2  (M.  H.). 


Paratyphus. 


Die 


Gut  gebauter,  gut 
genährter ,  13  j  ä  li  r  i  ge  r 

Knabe,  fühlte  sich  vom 
5..  IV.  an  matt,  hatte 
gar  k  e  i  n  e  n  A  p  p  e  t  i  t, 
dann  und  wann  etwas 
K  o  pf  sc  li  m  erzen 
und  geringe  Temperatur- 
Steigerung.  9.  IV.  wurde 
er  bettlägerig.  Sen- 
soriu  m  n  o  r  m  a  1, 
Nase  n  b  1  u  t  e  n, 
Zunge  belegt,  feucht. 
Temperatur  39,7.  Puls- 
frequehz  110,  weich, 
äqual,  regelmässig.  Ge¬ 
sichtsausdruck  matt. 


sind 


t  r  o  c  k  e  n,  borkig. 

Es  besteht 


Wangen  rot  gefärbt.  Lippen 
Lungen  und  Herz  normal. 

Leib  nicht  aufgetrieben,  nicht  druckempfindlich 
Ileocoekalgurren.  Keine  Roseola. 

nanöiMio1ZudämSf  ung  etwas  vergrössert,  Milz  nicht  pal- 
p.ibeL  Sehnenreflexe  schwach,  Hautreflexe  ebenso.  Urin  neutral, 
gelb  gefärbt,  spez.  Gew.  1019,  sehr  viel  Sedim.  latiritium,  eiweiss- 


Es  besteht  starker  Durchfall.  Die  Fäzes  sind 
gefärbt  und  erinnern  dann  und  wann  an  Typhusstühle.  Das 
wurde  nicht  untersucht. 


U. 

morg. 

Uhr 

Puls 

10.  IV. 

9 

38,5° 

12 

38,4° 

110 

11  IV. 

9 

38,1° 

11 

39,7° 

110 

12.  IV. 

9 

37,6° 

12 

37,1° 

13.  IV, 

9 

38,5« 

101 

38,3° 

90 

14.  IV. 

9 

37,7° 

12 

38,5° 

15.  IV. 

9 

37,6° 

11 

37,9° 

— 

Uhr 

3  37,0° 
37,8<> 
38,3° 
38,7° 
38,9° 
37,7° 


12 

3 

3 

3 

3 


Uhr 

6 

6 

6 

8 

8 

6 


Der  Zustand  ist  während  diesen  Tagen  unverändert. 

Io.  IV.  besteht  Durchfall,  dessen  Frequenz  abnimmt. 

15.  IV.  Auf  der  Oberbauchgegend  sind  2  Roseolen 
standen.  Milzdämpfung  noch  etwas  vergrössert,  Milz  nicht 

No.  41. 


gelb 

Blut 


38,5° 

39,3° 

39,3° 

37,7° 

36,5° 

38,5° 

Bis 

ent- 

pal- 


sroid  rou  fUlllt  Si(,:h  s£hV  ™ohl  und  verlangt  kräftige  Kost.  Kein 
Stuhl.  Puls  normal  Bei  Temp.  38,1  ist  die  Frequenz  80.  Der 

sind*  llf  V°t  '  tV0-1'  Stuhl  erfolgt  nicht  Jeden  Tag,  die  Stuhlmassen 
sind  geformt.  Urin  normal. 

20.  IV.  Die  Roseolen  verblassen. 

Die  Rekonvaleszenz  dauert  kurz. 

Fall  3  (M.  M.). 

11  jähriges  Mädchen, 
wird  beinahe  gleichzeitig  mit 
Fall  2  krank.  Sie  klagte  nicht 
über  Mattigkeit  und  hatte  keine 
Kopfschmerzen. 

9.  IV’.  Abendtemperatur  38,3. 

Puls  weich,  äqual,  regelmässig. 

Pulsfrequenz  100.  Respiration 
nicht  beschleunigt. 

Körperbau  und  Ernährungs¬ 
zustand  gut. 

Die  Kranke  sieht  gut  aus. 

Sensorinm  normal. 

Die  L  i  p  p  e  n  sind  trocken, 
tragen  Borken.  Zunge  ga¬ 
strisch  beleg  t,  feucht.  Es 
bestellt  eine  leichte  Pharyngitis. 

Lungen  und  Herz  sind  normal. 

Bauch  zeigt  keinen  Meteorismus,  Milzdämpfung  ist 
nicht  perkutorisch  vergrössert,  nicht  palpabel.  Pat. 
hat  keinen  A  p  p  e  t  i  t,  keinen  Durst.  Leberdämpfung  nicht 
vergrössert.  Urin  ist  eiweissfrei,  spez.  Gew.  1019,  viel  Sedim. 
latiritium,  saure  Reaktion. 

Es  besteht  gehöriger  D  u  rchfal  1.  Der  Stuhlgang  ist  gelb 
gefärbt,  dünnflüssig,  dann  und  wann  in  der  Farbe  sich  wieder  der 
Norm  nähernd.  Blut  wurde  nicht  untersucht. 

10.  IV.  3  Stuhlgänge.  Zustand  wie  am  9.  IV. 

11.  IV.  Es  besteht  noch  Durchfall,  aber  weniger  frequent. 
Tuls  100  bei  Temp.  38,1.  Milzdämpfung  ist  nicht  perkutorisch  ver¬ 
grössert.  Pat.  fühlt  sich  krank  und  klagt  über  Bauch- 
s  c  h  in  erzen.  Eine  geringe  Schlafs  u  c  li  t  ist  bemerkbar. 

13.  It .  Der  Puls  ist  im  Verhältnis  zur  Temperatur  (38,8) 
weniger  frequent  (90).  Kein  Stuhlgang. 

U>.  I  \  .  V  ieder  Durchfall.  Das  Fieber  ist  ein  wenig  niedriger. 
Pat.  fühlt  sich  etwas  besser. 

Vom  16.  IV.  an  besteht  kein  Durchfall  mehr  und  verschwindet 
das  Sedim.  latirit. 

Die  Rekonvaleszenz  dauert  kurz. 

Fall  4  (M.  J.). 


Paratyphus. 


Paratyphus. 

9  j  ii  h  r  i  g  e  s  M  ä  d  c  h  e  n,  gut  entwickelt;  es  war  schon 
einige  Tage  eher  krank  wie  Fall  3  an  einer  P  li  a  - 
r  y  n  g  i  t  i  s  und  Angina  tousil  1.  mit  heftigem,  trockenem 
Husten.  Was  frühere  Krankheiten  betrifft,  so  hat  es  Masern 
durchgemacht. 

9.  IV.  Abendtemp.  37.7,  Pulsfrequenz  100,  Respiration  nicht 
beschleunigt. 

Körperbau  und  Ernährungszustand  gut. 

Das  Mädchen  m  a  cht  den  Ei  n  d  r  u  c  k  einer  Sc  h  wer- 
k  r  a,  n  k  e  n.  Das  Sensorium  ist  nicht  normal.  Pat.  ist 
sclil  ä  f  r  i  g  und  deliriert  d  a  n  n  u  n  d  w  a  n  n.  Auf  meli- 
rert1  Fragen  wird  nicht,  genau  geantwortet.  Die  Farbe  der  Wangen 
ist  umschrieben  rot.  Die  Lippen  sind  trocken  und  tragen 
Einrisse.  Die  Z  u  n  g  e  ist  mässig  feucht,  stark  gastrisc  li 
belegt.  Es  besteht  eine  Pharyngitis  und  Angina  tonsill.  Thorax¬ 
bau  normal.  Respiration  nicht  frequent. 

Ueber  der  rechten  Lunge  unter  dem  Schlüsselbein 
leichte  Dämpfung  mit  wenig  ausgesprochenem  Bron¬ 
chialatmen. 

Das  Herz  zeigt  keine  Abnormitäten.  Puls  ist  weich,  frequent, 
regelmässig  und  äqual. 

Der  Leib  ist  nicht  aufgetrieben,  nicht  druckempfindlich.  Es 
besteht  Ileocoekalgurren.  Pat.  hat  keinen  Appetit,  wenig  Durst. 
M  i  1  z  d  ä  m  p  f  u  n'g  perkutorisch  vergrössert,  Milz 
nicht  palpabel.  Leberdämpfung  nicht  vergrössert.  Man  sieht  keine 
Roseolen. 

Die  Patellarreflexe  sind  abgeschwächt.  Es  besteht  leichter 
Fussklonus.  Auch  die  Bauchreflexe  sind  abgeschwächt. 

U  l*  i  n  ist  e  i  w  e  issf  rei;  viel  Sedim.  latirit. 


2 


1694 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Die  Fäzes  sind  geformt,  normal  gefärbt. 

Während  der  ersten  3  Tage  zeigt  die  Temperaturkurve  2  Er¬ 
hebungen.  Fat.  ist  somnolent  und  fühlt  sich  sehr  krank. 

10.  IV.  Temp.  Vorm.  12  Uhr:  38,3.  Pulsfrequenz  100.  1  mal 

Durchfall. 

11.  IV.  Fat.  deliriert  dann  und  wann;  4  mal  erfolgt  ein 
flüssiger,  gelb  gefärbter  Stuhl.  Bauchschmerzen. 

Bis  15.  IV.  hält  der  Durchfall  an.  Der  Zustand  ist  unver¬ 
ändert.  Milzdämpfung  perkutorisch  vergrössert.  Milz  nicht  pal- 
pabel.  Das  Abdomen  zeigt  dann  und  wann  leichten  Meteorismus. 
Ileocoekalgurren,  Bauchschmerzen.  Keine  Roseola. 

11).  IV.  Die  Temperatur  steigt  2  mal  im  Tage  an.  Nachmittags 
4 y2  Uhr  ist  die  T  e  m  p.  40,2  mit  einer  Pulsfrequenz  von  120. 
Fat.  ist  somnolent.  Der  Stuhl  ist  geformt,  normal  gefärbt.  Das 
Fieber  wird  intermittierend.  Der  Urin  zeigt  keine  Abnormitäten. 

Milzdämpfung  perkutorisch  noch  etwas  vergrössert.  Milz 
nicht  palpabeL 

Bis  27.  IV.  bleibt  dieser  Zustand  derselbe.  Die  Fat.  fühlt 
sich  krank  und  matt. 

27.  IV.  Wieder  Durchfall  nach  dem  Genuss  von  etwas  Suppe. 
Auf  dem  Bauch  und  den  Unterextremitäten  be¬ 
steht  eine  eigentümliche  Hautveränderung;  die 
Haut  zeigt  kleine,  w  e  i  s  s  e,  erhabene,  nicht 
juckende,  stecknadelkopfgrosse  Fleckchen, 
welche  abschuppen  (keine  S  u  d  a  m  i  n  a). 

29.  IV.  Der  Durchfall  ist  verschwunden.  Fat.  fühlt  sich 
viel  besser,  wiewohl  sehr  schwach. 

30.  IV.  Es  wird  eine  Blutprobe  entnommen,  welche  in  dem 
Laboratorium  für  Hygiene  und  Bakteriologie  des  Herrn  Prof. 
E  y  k  m  a  n  n  auf  Agglutination  mit  Typhusbazillen  untersucht 
wird. 

Bei  Verdünnung  1:20  geringe  Andeutung  von  Agglutination, 
bei  Verdünnung  1:50  keine  Agglutination  von  Typhus¬ 
bazillen. 

Die  Rekonvaleszenz  dauerte  in  diesem  Falle 
länger.  Fat.  war  sichtbar  abgemagert. 

22.  V.  wieder  Durchfall  und  Bauchschmerzen  ohne  Fieber, 
welche  anhielten  bis  30.  V. 

30.  V.  Es  wird  ein  wenig  Blut  entnommen  zur  Unter¬ 
suchung  auf  Agglutination  mit  Typhus-,  sowie  Paratyphusbazillen 
Typus  A  und  B. 

B  a  c  t.  paratyphi  Typ.  B  wird  1 :  3G0  mikro¬ 
skopisch,  1 : 180  stark  makroskopisch  aggluti- 
n  i  e  r  t,  B.  typhi  und  B.  paratyphi  Typ.  A  1 :  33  nicht. 

Diagnose:  Paratyphus  (Dr.  Kays  er). 

F  a  1 1  5  (M.  G.). 


Ein  6  j  ä  h  r  i  g  e  r  Knabe,  welcher  gleichzeitig  mit  den  an¬ 
deren  erkrankt.  Pat.  war  bis  jetzt  gesund. 

9.  IV.  Abendtemp.  38,1.  Pulsfrequenz  90.  Respiration  nicht 
beschleunigt.  Panniculus  adip.  gut.  Körperbau  kräftig.  Pat. 
macht  nicht  den  Eindruck  eines  Schwerkranken.  Sensorium 
n  o  r  m  a  1,  wiewohl  eine  gewisse  Schlafsucht  zu  be¬ 
merken  ist.  Lippen  trocken,  ein  wenig  borkig.  Zunge 
feucht,  gastrisch  belegt.  Halsdrüsen  sind  ge¬ 
schwollen.  Lungen  und  Herz  normal.  Puls  weich,  äqual 
und  regelmässig. 

Es  besteht  auffallender  Meteorismus,  Ileocoekal- 
g  urre  n,  der  Leib  ist  nicht  druckempfindlich.  Milz  nicht  pal- 
pabel,  Milzdämpfung  perkutorisch  nicht  vergrössert. 
P  at.  hat  erbrochen. 

Urin  ist  sauer,  eiweissfrei,  viel  Sedim.  latiritium.  Der 
Stuhlgang  ist  angehalten.  Blut  wurde  nicht  untersucht. 

10.  IV.  Die  Temperatur  steigt  2  mal  im  Verlaufe  des  Tages 
an  zu  9  Uhr  Vorm.  37,4°,  11  Uhr  38,7°,  12  Uhr  Nachm.  37,4°, 
S  Uhr  Abends  39,5  °. 

13.  IV.  Pat.  bekommt  Durchfall  (dünnflüssige,  gelb- 
ge färbte  Stühle);  dieser  hält  an  bis  16.  IV.  Darauf  folgt  ein  Zu¬ 
stand  sehr  hartnäckiger  Obstipation,  welche  mit  der  Rekon¬ 
valeszenz  verschwindet. 

Der  Krankheitsverlauf  gibt  von  nun  an  zu  Bemerkungen 
keinen  Anlass  mehr,  ausser  dass  am  22.  IV.  nochmals  kurzer 
Durchfall  bestand,  der  auf  Diät  hin  verschwand. 

Was  den  Infektionsmodus  betrifft,  so  liegen  ver¬ 
schiedene  Möglichkeiten  vor : 

1.  Entweder  wurde  zunächst  Fall  1,  M.  A.,  infiziert,  der 
später  die  anderen  ansteckte,  oder 

2.  cs  fanden  getrennte  Infektionen  statt. 


Wir  nehmen  das  erstere  an,  denn  nur  diejenigen  Haus¬ 
genossen  erkrankten,  welche  in  direktem  Kontakt  mit  Pat.  M.  A. 
gewesen  waren,  ausgenommen  die  Mutter.  Von  der  10  küpfigen 
Familie  wurden  der  Vater  und  5  Kinder  krank,  während  die 
Dienstboten,  welche  die  gleiche  Nahrung  wie  die  übrigen  genossen, 
frei  blieben. 

Wir  vermochten  nicht  zu  entdecken,  welchen  Weg  die  Krank¬ 
heitserreger  bis  zur  Familie  genommen  hatten.  Als  Infek¬ 
tionsquellen  könnten  in  Betracht  kommen : 

a)  Das  Trinkwasser,  das  einem  geschlossenen  Grund¬ 
wasserbrunnen  entstammte.  Vielleicht  steht  dieser  in  Verbin¬ 
dung  mit  einem  grossen  Bache  de  Berkel,  der  5  Minuten 
davon  entfernt  fliesst. 

b)  Entrahmte  Milch  oder  Buttermilch  von  einer 
Naturbutterfabrik.  Sie  soll  bei  80°  C.  pasteurisiert  sein. 

c)  Butter  wurde  bei  einem  Ladenhändler  gekauft,  welcher 
sie  wieder  von  kleinen  Bauern  bezieht. 

Hausepidemie  II.  (O.) 

F  a  1 1  G  (O.  Z.) 

Am  29.  III.  kam  ein  Sjähriger  Knabe  aus  Krosewick 
in  die  Sprechstunde.  Bis  vor  2  Jahren  war  er  völlig  gesund  ge¬ 
wesen;  seit  dieser  Zeit  klagte  er  bisweilen  über  heftige  Bauch* 
schmerzen  und  Durchfall.  Er  war  einmal  mit  kalten  Bädern  be¬ 
handelt  worden.  Der  Arzt  hatte  damals  von  einer  „Unterleibs¬ 
entzündung“  gesprochen. 

Während  des  letzten  Jahres  war  kein  Arzt  mehr  zugezogen 
worden.  Jetzt  leidet  Pat.  an  Durchfall  und  Leibschmer¬ 
zen,  hat  keinen  Appetit,  viel  Durst  und  empfindet  bei 
kleinen  Anstrengungen  rasch  ein  Müdigkeitsgefühl.  Er  ist  seit 
8  Tagen  krank.  Am  meisten  Beschwerden  verursachen  ihm  die 
Bauchschmerzen. 

Der  Stuhl  enthält  nach  den  Ausagen  der  Mutter  Askariden 
und  ist  sehr  dünnflüssig. 

Status:  Temp.  38°.  Pulsfrequenz  110.  Respiration  nicht 
beschleunigt.  Pat.  ist  mager.  Panniculus  adip.  gering.  Es  be¬ 
stehen  Rhachitisspuren.  Er  sieht  krank  aus.  Der  Gesichtsaus¬ 
druck  ist  matt.  Die  Wangen  sind  blass,  die  Lippen  trocken  und 
blass.  Zunge  trocken,  gastrisch  belegt.  Leichte  A  n  - 
g  i  n  a  catarrhalis.  Die  Lymphdrüsen  am  Halse  sind 
stark  geschwollen.  Lungen  und  Herz  sind  normal.  Der 
Puls  ist  weich,  frequent,  äqual,  regelmässig. 

Der  Leib  ist  stark  auf  getrieben;  Milzdämpfung 
perkutorisch  nicht  vergrössert  (Meteorismus!),  Milz  nicht  palpabel. 
Leberdämpfung  nicht  vergrössert.  Es  besteht  Ileocoekal- 
g  u  r  r  e  n.  Der  Bauch  ist  nicht  druckempfindlich.  Roseolen  sind 
nicht  da. 

Sehr  schmerzhafte,  kolikartige  Bauchschmerzen. 
Sehnen-  und  Hautreflexe  sind  normal.  Die  Inguinaldrüsen 
sind  stark  geschwollen. 

Der  Urin  enthält  kein  Eiweiss,  spez.  Gew.  1023,  sauer,  viel 
Sedim.  latiritium. 

7.  IV.  kommt  Pat.  wieder  in  meine  Sprechstunde.  Temp.  37,5, 
Puls  ziemlich  frequent.  Der  Allgemeinzustand  ist  besser.  Es 
bestehen  noch  Meteorismus  und  Ileocoekalgurren.  Obwohl  ihm 
geraten  wurde,  das  Bett  zu  hüten,  fühlte  er  sich  so  wenig  krank, 
dass  er  herumlief  und  spielte. 

Am  20.  IV.  wurde  ich  gerufen,  weil  eine  Schwester  des 
Patienten  unter  den  gleichen  Symptomen  erkrankt  war. 

Das  Blut  des  Knaben  wurde  am  30.  V.  unter¬ 
sucht.  Die  Gruber-Widalsche  Reaktion  blieb 
bei  Verdünnung  l-33  aus,  desgleichen  die  Agglutination 
von  B.  paratyphi  Typ.  A.  —  Dagegen  wurden  Para- 
typhusbakterien  des  Typ.  B  1 :  3G0  stark  makro¬ 
skopisch,  1 :  720  deutlich  mikroskopisch  agglu¬ 
ti  n  i  e  r  t. 

•  Diagnose:  Paratyph  u  s. 

F  a  1 1  7  (O.  D.). 

7  j  ä  h  r  i  g  e  s,  gut  entwickeltes  Kind,  das  früher 
niemals  krank  war.  Schwester  von  O.  Z. 

Status:  20.  IV.:  Mittagstemperatur  37,5.  Pulsfrequenz  90. 
Respiration  nicht  Arerschnellt.  Zunge  feucht,  leicht  gastrisch 
belegt.  Lungen  und  Herz  normal.  Der  Leib  ist  nicht  auf¬ 
getrieben.  Es  besteht  Ileocoekalgurren,  keine  Druck¬ 
empfindlichkeit.  Milzdämpfung  nicht  vergrössert,  Milz  nicht  pal¬ 
pabel.  Keine  Roseola.  Sehnenreflexe  normal,  Hautreflexe  ebenso. 

Der  Stuhlgang  ist  dünnflüssig,  g  e  1  b  g  e  f  ä  r  b  t 
u  n  d  st  a  r  k  r  i  e  c  li  e  n  d.  Blut  wurde  nicht  untersucht. 

22.  IV.  Pat.  fühlt  sich  sehr  wohl.  Es  besteht  Durchfall. 
Mittagstemp.  38,0.  Keine  Roseolen,  Milz  nicht  vergrössert. 

25.  IV.  Zustand  wie  zuvor.  Es  besteht  Durchfall.  Mittags¬ 
temp.  37,5. 

30.  IV.  Pat.  steht  auf  und  spielt.  Das  Fieber  ist  ver- 
Schwunde  n.  Durchfall  fort. 

Die  Rekonvaleszenz  dauert  sehr  kurze  Zeit. 

F  a  1 1  8  (O.  V.). 

Am  26.  IV.  e  r  k  r  a  nkte  der  Vater  v  o  n  P  a  t.  G  u  n  d  7. 
Er  ist  ein  40  jähriger  Bauer. 


14.  Oktober  1902. 


MUENCITENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1695 


Vor  2  Jahren  hat  er  Lungenentzündung  durchgemacht,  welche 
lange  dauerte  Nach  dieser  Zeit  fühlte  er  sich  nicht  mehr  ganz 
i\ohl,  Et  wnd  schnell  müde,  wiewohl  er  einen  guten  Appetit  hat 
Nachdem  er  wahrend  einiger  Tage  an  Kopfschmerzen 

bettlägerig  ain  26. ^iv!  Mattl*kelt  er 

Statu  s  26.  IV.  Mittagstemperatur  39,2.  Pulsfrequenz  90. 
Respiration  nicht  beschleunigt.  Pat.  ist  hager,  lang.  Muskeln  wenig 
entwickelt.  Er  sieht  krank  aus.  Sensorium  vollkommen  frei 
.  Gesichtsfarbe  blass.  Lippen  trocken,  blass  e  i  n  «•  e  - 
r  l  8  s  e  n.  _  Die  Z  u  n  ge  trocken,  mit  eine  m  ’d  i  c  k  e  n 
fuliginosen  Belag,  ähnelt  der  typischen  Typhus¬ 
zunge  sehr.  J  1 

Es  besteht  Angina  catarrhalis,  Pharyngitis  und 
Laryngitis.  Das  Schlucken  ist  schmerzhaft.  Die  Stimme 
ist  heiser. 

Lungenbefund  normal,  ebenso  das  Herz.  Der  P  u  1  s  ist 
w  eich,  regelmässig  und  äqual.  Der  Bau  c  li  i  s*t  gesp  a  n  nt 
Es  besteht  kein  Meteorismus,  keine  Druckempfindlichkeit,  wohi 
aber  spontane  Schmerzen  und  Ileocoekalgurren  Die 
Leberdämpfung  ist  normal.  Die  Milzdämpfung  ist  perkutorisch 
nicht  vergrössert,  nicht  palpabel.  Roseolen  sind  nicht  da  Die 
Piitellarreflexe  sind  abgeschwächt.  Es  besteht  leichter  Fussklonus. 
Die  Kremasterreflexe  sind  schwach,  Bauchreflexe  fehlen.  Urin 
ist  sauer,  eiweissfrei,  starkes  Sedimentuni  latiritum. 

Der  Stuhl  ist  dünnflüssig,  gelb,  stark  rie¬ 
chend.  Dann  und  wann  ist  diesem  rotes  Blut  bei¬ 
gemischt,  wiewohl  Pat.  nicht'an  Hämorrhoiden 
leidet. 

28.  IV.  Zustand  derselbe.  Mittagstemp.  39.  Pulsfrequenz  80. 

oö.  IV.  Es  besteht  noch  Durchfall.  Keine  Milzvergrösserung 
Keine  Roseolen.  Mittagstemp.  38,5.  Es  wird  eine  Blutprobe 
gewonnen,  welche  in  dem  Laboratorium  für  Bakteriologie  und 
Hygiene  zu  Utrecht  (Prof.  E  y  k  m  a  n)  auf  Agglutination  mit 
I  yphusbaz  i  1 1  u  s  untersucht  wird.  Die  Gruber-Widal- 
sclie  Reaktion  fällt  negativ  aus. 

2.  V.  Mittagstemp.  38,1".  Pulsfrequenz  75.  Durchfall,  dann 
und  wann  Bauchschmerzen. 

8.  V.  Mittagstemp.  37,1  °.  Puls  75.  Durchfall  ver- 
s  c  h  w  u  n  d  e  n.  Pat.  fühlt  sich  besser. 

Die  R  e_k  o  n  v  a  1  e  s  z  e  n  z  dauert  hier  länger  als 
bei  G  und  i.  Pat.  ist  noch  während  einiger  Wochen  arbeits¬ 
unfähig. 

30.  \ .  Es  wird  Blut  entnommen  und  von  K  ayse  r  auf 
seine  Agglutinationsfähigkeit  untersucht.  Typhusbazillen  und 
Bact.  paratyphi  Typ.  A  bleiben  unbeeinflusst.  Bact.  para- 
t  y  p  hi  T  y  p  u  s  B  wird  1 :  720  rasch  makroskopisch, 

1 : 1440  noch  mikroskopisch  agglutiniert  (bis  auf  ein¬ 
zelne  Stäbchen).  Diagnose:  Paraty  p  li  u  s. 

Bezüglich  des  Infektionsmodus  gilt  hier  folgendes : 
Erst  erkrankte  der  Knabe  O.  Z.  (6),  welcher  wahrscheinlich  die 
Schwester  und  den  Vater  infizierte.  O.  Z.  kann  die  Keime  durch 
Wassergenuss  bezogen  haben  (aus  einem  Grundwasserbrunnen 
oder  der  Berkel,  aus  welcher  er  bisweilen  trank).  Er  genoss 
ferner  Butter  und  Milch  aus  der  obengenannten  Fabrik  (Mol¬ 
kerei). 


Bei  dieser  Gelegenheit  muss  erwähnt  werden,  dass  ein  aus 
Borken  zugereistes  Glied  einer  Nachbarfamilie  vor  un¬ 
seren  Patienten  unter  ähnlichen  Erscheinungen,  wie  diese 
später,  erkrankt  war.  Dann  wurden  noch  mehrere  Hausgenossen 
dieses  Nachbars  krank.  Die  Infektionserreger  können  von  hier 
aus  sehr  gut  Eingang  bei  O.  Z.  (6)  gefunden  haben;  denn  er 
trank  häufig  beim  Fischen  Berkelwasser  und  in 
diesem  wurde  die  Hauswäsche  der  eben  erwähnten  Nachbarn  ge¬ 
reinigt.  O.  Z.  kam  nicht  in  direkte  Berührung  mit  dieser  Fa¬ 
milie. 


Fall  9  (v.  d.  L.). 

Am  12.  V.  erschien  v.  <3.  L.,  44  Jahre  alt,  Zementarbeiter, 
in  meiner  Sprechstunde.  Bis  vor  einigen  Wochen  war  Pat.  nie¬ 
mals  krank  gewesen.  In  den  letzten  Monaten  fühlte  er  sich  nicht 
ganz  gesund,  wiewohl  er  niemals  bettlägerig  war.  Vom  20.  April 
bis  4.  Mai  hatte  er  einen  heftigen  Durchfall,  welcher 
schwarz  und  teerartig  war.  Dann  und  wann 
w  a  r  r  o  t  e  s  Blut  beigemischt.  Während  dieses  Durchfalls 
hat  Pat.  immer  noch  gearbeitet.  Erbrochen  hat  er  nicht.  Auch  litt 
er  nicht  an  Kopfschmerzen.  Nach  dem  Anhalten  des  Durchfalls 
1  < i  lute  Tat.  sich  matt.  Während  des  Durchfalls  hatte  er  F  i  e  b  e  r. 
Jetzt  klagt  Pat.  über  Mattigkeit,  Appetitlosigkeit. 
Dann  und  wann  hatte  er  geringe  Bauchschmerzen. 

Status:  Mittagstemp.  37,5.  Pulsfrequenz  80.  Respiration 
nicht  beschleunigt.  Pat.  ist  hager,  hat  eine  schwache  Muskulatur 
wnd  sieht  krank  aus. 

Sensorium  frei. 

Die  Zunge  ist  gastrisch  belegt,  die  Lippen  sind 
tiocken  und  blass.  Es  besteht  eine  leichte  Angina  catar- 
1  D  a  ‘  i  s-  Lungen  und  Herz  sind  normal. 

Der  Bauch  zeigt  keinen  Meteorismus,  ist  nicht  druckempfind¬ 
lich;  es  besteht  Ileocoekalgurren.  Die  Leber  ist  nicht 
vergrössert,  die  Milzdämpfung  perkutorisch  ver- 
grossert,  Milz  nicht  palpabel. 


Die  Sehnenreflexe  sind  schwächer  wie  normal 
ebenso. 


Hautreflexe 


Der  Stuhl  ist  geformt,  dunkelbraun, 
io.  V.  Temp.  38°.  Pulsfrequenz  90.  Kein  Durchfall.  Auf 
L  auch  und  Brust  einige  typische  Roseolen.  Es 
besteht  noch  Ileocoekalgurren.  Keine  Druckempflndlickkeit.  Der 
P  u  1  s_  i  s  t  weich,  regelmässig,  äqual  und  klein. 

37.  V.  Mittagstemp.  39,1.  Pulsfrequenz  90,  weich  Es  be¬ 
steht  kein  Durchfall.  Der  Stuhl  ist  fest,  geformt  und  braun. 
Roseolen  auf  Bauch,  Brust  und  Armen. 

U  r  i  n  sauer,  spez.  Gew.  1020,  ei  weissfrei,  starke  D  i  a  z  o  - 
r  e  a  ktion,  mässiger  Indikangehalt  (bestimmt  nach  B  o  u  m  a  als 
Indigorot). 


.  21  •  V.  Morgentemp.  37,5.  Pulsfrequenz  80,  Puls  weich  und 
klein.  Ein  nicht  geformter  Stuhl. 

25.  V.  Mittagstemp.  37,1,  Pulsfrequenz  80.  Es  bestehen 
noch  einige  blasse  Roseolen.  Das  Fieber  ist  lytisch  abgeklungen 

Die  Rekonvaleszenz  dauert  kurz. 

Keiner  der  anderen  Hausgenossen  wird  krank. 

24.  V.  Eine  Blutprobe  wurde  entnommen  zu  Aggluti- 
nationsyersuchen  (Dr.  Kayser).  B.  paratyphi  T  y  p.  B 
wird  im  V  erh.  1 :  720  makroskopisch  agglutiniert, 
Bact.  paratyphi  Typ.  A  und  Bact.  typhi  1 : 33  nicht! 

Diagnose:  Paratyphus. 


V.  d.  L.  war  mit  unseren  anderen  Paratyphuspatienten  nicht 
in  direkte  Berührung  gekommen.  Fremde  Milch  bezog  er  nicht, 
seine  Butter  hatte  er  aus  demselben  Ladengeschäft  wie  Familie  M. 
(I.  Hausepidemie).  Als  Trinkwasser  kommt  das  eines  offenen 
Grundwasserbrunnens  in  Betracht. 


Hausepidemie  III.  (P.) J) 

Fall  10  (H.  P.). 

18  j  ä  h  r.  Polderarbeiter,  leicht  gebaut,  mit  gelber 
Gesichtsfarbe.  Er  klagt  über  Mattigkeit,  Schmer¬ 
zen  im  ganzen  Körper,  Appetitlosigkeit,  Husten 
ohne  Expektoration.  Der  Stuhl  ist  dünnflüssig,  nicht  fre¬ 
quent  ohne  Bauchschmerzen. 

Morgentemp.  39°,  Fids  inässig  frequent.  Es  findet  sich  eine 
diffuse  Bronchitis  mit  reichlichen  feuchten  Rasselgeräuschen. 
Die  Milz  ist  nicht  palpabel.  Es  besteht  ein  nicht  besonders  aus¬ 
gesprochener  Meteorismus;  Druckempfindlichkeit  nicht  da. 

Tat.  ist  apathisch.  Die  Zunge  belegt.  Keine  Roseolen. 

17.  V.  Mittagstemp.  39,8.  Gleicher  Zustand. 

19.  V.  Die  Bronchitis  wird  besser,  ebenso  der  Appetit.  Der 
Durchfall  ist  verschwunden.  Nur  die  Mattigkeit  bleibt,  besonders 
Abends. 

Bis  25.  V.  wechselt  die  Temperatur  von  38 0  bis  39  °. 

25.  V.  Pat.  fühlt  sich  besser;  Temperatur  unverändert,  Mor¬ 
gens  38°,  Abends  39°. 

30.  V.  Appetit  gut,  Stuhlgang  geformt,  braun.  Husten  bei¬ 
nahe  verschwunden.  Morgentemp.  36,8°. 

31.  V.  Es  wird  eine  Blutprobe  entnommen  zu 

Agglutinationsversuchen:  Bact.  paratyphi 

Typus  B  w  i  r  d  1 :  360  makroskopisch  agglutiniert, 
Bact.  paratyphi  Typ.  A  1:  33  nicht  (mikroskopisch).  Dia¬ 
gnose:  Paratyphus. 

Urin:  Grüngelb  gefärbt.  Spez.  Gew.  1018,  sauer.  Leichte 
Di  azorea  ktion,  eiweissfrei,  geringer  Indikangehalt. 

1.  VI.  Morgentemp.  37,2  °. 

3.  VI.  Mittagstemp..  37,1  °,  Pulsfrequenz  80. 

Die  Rekonvaleszenz  dauert  kurze  Zeit. 


Fall  11.  (P.  D.) 

15.  V.  7jährige  r,  gut  gebauter  Knabe  klagt  über 
Mattigkeit  und  Husten. 

Allgemeinbefinden  ziemlich  gut.  Sensorium  frei. 

Morgentemp.  39  °.  Puls  regelmässig,  äqual,  voll.  Frequenz  100. 

Pat.  hat  eine  blasse  Gesichtsfarbe.  Zunge  ein  wenig  belegt. 
Es  besteht  geringe  Bronchitis  mit  pfeifenden  Rhonchi.  Leib 
nicht  druckempfindlich,  keine  Roseolen.  Milz  nicht  palpabel. 

17.  V.  Abendtemp.  39,8  °.  Pat.  fühlt  sich  krank,  die  Bronchitis 
hat  zugenommen.  Es  besteht  ein  starker,  dünnflüssiger, 
gelber  Durchfall. 

19.  V.  Zustand  ist  verschlimmert.  Pat.  ist  sehr  apathisch 
und  isst  wenig.  Die  Zunge  ist  fuliginös  belegt  und 
geschwollen,  was  das  Sprechen  sehr  erschwert.  Die  Respiration 
ist  beschleunigt;  es  besteht  ein  sonorer  Perkussionston  und  reich¬ 
liche  feuchte  Rasselgeräusche. 

20.  V.  Temp.  40°.  Zustand  unverändert. 

Die  M  i  1  z  ist  palpabel,  ein  wenig  vergrössert.  Auf 
Brust  und  Bauch  sieht  man  Roseolen.  Der  Stuhl 
ist  noch  dünnflüssig. 

Pulsfrequenz  100.  Der  Puls  ist  regelmässig,  weich,  nicht 
klein.  Pat.  liegt  passiv,  mit  geschlossenen  Augen,  antwortet  aber 
gut  auf  ihm  gestellte  Fragen. 

Während  der  folgenden  Tage  verbessert  sich  der  Zustand. 
Der  Durchfall  und  die  Bronchitis  sind  weniger  intensiv. 

25.  V.  Morgentemp.  38,5  °.  Roseolen  verblassen.  Wenig 
Durchfall.  Noch  immer  besteht  Bronchitis. 


9  Die  Krankengeschichte  dieser  Hausepidemie  verdanken  wir 
zum  Teil  Kollegen  ter  Braak. 


2* 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


1G96 


30.  Y.  Morgentemp.  37.3°.  Noch  immer  pfeifende  Rhonchi. 
Milz  palpabel.  Fat.  fülilt  sich  viel  besser  und  verlangt  mehr  nach 
Speisen. 

31.  V.  Eine  Blutprobe  wird  zur  bakterio¬ 
logischen  Untersuchung  entnommen.  In  eine  r 
kleinen  Menge  (20  mg)  w  aren  keine  Mikroorganis- 
m  e  n  na  c  lizuweise  n.  B.  p  arat  y  p  li  i  T  y  pus  B  w  urde 
1 :  3000  makroskopisch,  1 :  5700  m  ikr'oskopisch  a  g  g  lu¬ 
tin  i  e  r  t.  B.  p  arat  y  p  h  i  T  y  p.  A  1:  33  n  i  c  h  t.  Diagnos  e: 
Paratyphus.  Ueber  die  Mitagglutination  von  B. 
t  y  p  li  i  ist  unten  die  Rede  (1:  60  makr. 

Urin:  Spez.  Gew.  1030,  sauer,  .m  ä  s  s  i  g  e  Diazoreak- 
t  i  o  n,  massiger  Indikangelialt,  Eiweiss  (V4  Proz.),  Leukocyten, 
einige  H  y  a  1  i  n  z  y  1  i  n  d  e  r,  Hefezellen,  Schleimfäden. 

3.  VI.  Mittagstemp.  36,9 u.  Milz  palpabel,  1  cm  über  den 
Rippenbogen,  von  massig  harter  Konsistenz.  Einige  blasse 
Roseolen  a  u  f  Bauch  u  n  d  Brus  t.  Stuhl  geformt,  braun. 
Die  Zunge  ist  gastrisch  belegt.  Sehnenreflexe  sind  erhöht,  Ilaut- 
reflexe  nicht.  Es  besteht  Fussklonus. 

5.  VI.  Roseolen  versch  w  u  n  d  eil.  Milz  nicht  mehr 
palpabel.  Fat.  fühlt  sich  sehr  wohl.  Eine  weitere  Blut- 
p  rohe  w  i  r  d  a  u  f  G  r  u  p  penagglutination  unter¬ 
sucht  (s.  u.). 

Die  Rekonvaleszenz  ist  von  kurzer  D  a  u  e  r. 

F  a  1 1  12  (F.  G.). 

Fat.,  ein  15  j  ä  li  r  i  g  e  r  Folde  rar  beite  r,  erkrankt  unter 
den  folgenden  Symptomen:  Mattigkeit,  Schmeren  in  allen  Glied¬ 
massen  und  Husten. 

Status  15.  V.:  Fat.  sieht  blass  aus.  Fannie,  adip.  und  Er¬ 
nährungszustand  gut.  Geringe  Bronchitis.  Milz  nicht  pal¬ 
pabel,  perkutorisch  v  e  r  g  r  ö  s  s  e  r  t.  Durc  h  f  a  1 1.  Keine 
Roseolen. 

17.  V.  Mittagstemp.  39,7  °.  Durchfall.  Bronchitis  hat  zu¬ 
genommen. 

19.  V.  Temp.  39  °.  Pfeifen  und  Rasselgeräusche  über  den 
Lungen.  Fuls  massig  frequent.  Fat.  ist  sehr  apathisc  h. 

Bis  25.  Y.  sind  die  Morgen  und  Abendtemperaturen  erhöht. 

25.  V.  Derselbe  Zustand  wie  vorher.  Pat.  deliriert 
d  a  n  n  u  n  d  w  a  n  n.  Die  Milz  ist  nicht  palpabel.  Auf  Bauch 
und  Brust  sind  R  o  s  e  o  1  e  n.  Auf  dem  untersten  Teil  des 
Bauches  sind  unregelmässige,  erhabene,  rote  Flecken,  welche  ab¬ 
schuppen. 

30.  V.  Morgentemp.  37,6°,  Fuls  frequent.  Noch  immer  Bron¬ 
chitis.  Das  Exanthem  verschwindet.  Es  besteht  noch  Durchfall. 
Fat.  fühlt  sich  besser. 

31.  V.  Kleine  Mengen  einer  Blutprobe  (20  mg) 
werden  steril  befunden.  Paratyphusbazillen 
T  y  p.  B  w  e  r  den  i  m  V  erhältnis  1 :  720  mikroskopisch, 
1:  500  makroskopisch  a  g  g  1  u  t  i  n  i  e  r  t.  B  a  c  t.  p  a  r  a  - 
t  y  p  li  i  T  y  p.  A  w  i  r  d  1 :  33  nicht  beeinflusst.  Uebe  r 
die  Agglutination  von  B.  typhi  (1  :33  makr.  -)-)  s.  u. 
Diagnose:  Faratypli  u  s. 

Urin:  Sauere  Reaktion.  Spez.  Gew.  1024.  Geringe 
Diazoreaktio  n.  Eiweissfrei.  Starker  Indikan- 
gehalt  Mittagstemp.  37  °. 

3.  VI.  Milzdämpfung  noch  perkutorisch  vergrössert.  Spuren 
von  Roseolen  sind  noch  sichtbar.  Sehnenreflexe  sind  erhöht. 
Durchfall  verschwunden. 

Allgemeiner  Zustand  sehr  gut. 

Die  Rekonvaleszenz  dauert  kurze  Zeit. 

Diese  Hausepidemie  kam  in  einer  Familie 
von  7  Personen  vor.  5  erkr  a  nkte  n,  während  der  Vater 
und  eine  20  jährige  Tochter  gesund  blieben. 

A  m  8.  V.  e  r  k  r  a  nkte  die  Mutte  r  als  erste  unter  hef¬ 
tigen  Kopfschmerzen,  Mattigkeit  und  Appetitlosigkeit.  Sie  hatte 
während  einiger  Tage  ein  remittierendes  Fieber  bis  39  °. 
Es  bestand  Durchfall.  Kopfschmerzen  und  Durchfall  verschwan¬ 
den  bald.  Die  Rekonvaleszenz  dauerte  ganz  kurze  Zeit. 

E  i  n  12  j  übriges  T  ö  chterche  n  w  u  rde  bei  n  a  h  e 
gleichzeitig  krank  (Durchfall,  Temp.  39 °),  wiewohl  sie 
nicht  bettlägerig  war  und  ihre  Arbeit  verrichten  konnte. 
Mit  diesem  Kinde  erkrankte  F  a  1 1  10,  F  all  11  und  12  einige 
Tage  später. 

Was  die  erste  Infektion  (Mutter)  betrifft,  so  sind  wir  liier 
nicht  im  stände,  eine  gute  Erklärung  zu  geben.  Entrahmte  Milch 
und  Buttermilch,  welche  zur  Verwendung  kam,  lieferte  die  schon 
mehrfach  erwähnte  Milchanstalt.  Die  Butter  bezog  man  bisweilen 
von  dem  früher  genannten  Ladenhändler.  Ein  Grundwasser- 
brunnen  (nahe  der  Berkel)  stellt  das  Trinkwasser. 

H  a u  s  e p i  d  emie  IV. 

Fall  13  (B.  M.). 

Eine  54  j  ä  li  rige  F  r  a  u  erkrankte  ziemlich  plötzlich  ohne 
Schüttelfrost  am  9.  VI. 

Früher  war  sie  niemals  krank  gewesen;  sie  hatte  nur  dann 
und  wann  Kopfschmerzen.  Im  Anfang  der  jetzigen  Krankheit 
wurde  sie  bettlägerig  unter  sch  w  eren  K  o  p  f  s  c  li  m  erze  n, 
Schmerzen  im  Rücken,  beinahe  unstillbare  m  E  r  b  r  e  c  li  e  n 
und  heftigem  Durchfall.  Erbrechen  und  Durchfälle  er¬ 
folgten  sehr  frequent.  Eine  Ursache  ihrer  Krankheit  weiss  sie 
nicht  anzugeben. 


Status  9.  VI.:  Temperatur  30,5°.  Pulsfrequenz  110.  Re¬ 
spiration  nicht  beschleunigt.  Fat.  hat  einen  sehr*  starken  Fannie, 
adiposus,  welcher  die  Untersuchung  schwierig  macht.  Körperbau 
kräftig. 

Pat.  sieht  schwerkrank 
aus.  Gesichtsausdruck  sehr 
matt.  Sie  liegt  in  pas¬ 
siver  R  ii  c  kenl  a  g  e. 

Exantheme  sind  nicht  da. 

Es  besteht  Somnolenz. 

Pat.  hat  heftige  Kopf- 
sc  li  m  erzen. 

Blasse  Wangen,  L  ippe  u 
rotu  n  d  t  r  o  e  k  e  n,  Zung  e 
e  i  n  w  e  n  i  g  bele  g  t,  an 
den  Rändern  sehr  trocken.  Mischinfektion  durch  Typhus-  und  Para- 
Lungen  und  Herz  normal.  typhusbazillen. 

Pulsfrequenz  110.  Fuls  regel¬ 
mässig,  äqual,  klein.  Beim  Aufsitzen  entsteht  eine  ziemliche  Puls¬ 
beschleunigung. 

Der  dicke  Fannie,  adip.  des  Bauches  verhindert  das  Palpieren 
und  zum  Teil  auch  das  Perkutieren.  Patella rreflexe  sind  abge¬ 
schwächt.  Bauchhautreflexe  bestehen  nicht. 

Urin  zeigt  sauere  Reaktion.  Spez.  Gew.  1022.  Eiweissfrei, 
deutliche  Diazoreaktion,  starker  Indikangelialt.  Es  besteht 
D  u  r  c  h  f  a  1 1,  dünnflüssig,  grüngelb,  typischer  T  y  p  lius- 
Stuhl!  mit  intensiven  Baue  li  schmerze  n. 

13.  VI.  Abendtemp.  37  °.  Puls  120.  Es  besteht  ein  frequenter 
Durchfall  mit  intensiven  Bauchschmerzen.  Noch  immer  Kopf-  und 
Rückenschmerzen.  Fat.  vomiert  viel. 

16.  VI.  Zustand  unverändert.  Durchfall  frequent.  Milzver- 
grösserung  ist  nicht  zu  konstatieren.  Einige  Roseolen  auf 
d  e  m  B  a  u  e  li.  Fat.  ist  apathisch  und  deliriert  dann  und 
w  a  n  n. 

19.  IV.  Roseolen  verblassen.  2  mal  Durchfall.  Mittagstem¬ 
peratur  35,3  °.  Fuls  90,  klein,  regelmässig  und  äqual.  Pat.  erbricht 
nicht  mehr. 

21.  VI.  Roseolen  verschwunden.  Einige  neue  Ro¬ 
seolen  sind  da.  Pat.  klagt  über  Leibschmerzen  und  hat  noch 
immer  Kopfschmerzen.  4  mal  Durchfall.  Ausgesprochene  Somno¬ 
lenz.  Mittagstemp.  35,6°.  Pulsfrequenz  90. 

23.  VI.  Mittagstemp.  35,6.  Pulsfrequenz  84.  Kopfschmerzen 
sind  verschwunden.  Noch  immer  Durchfall  mit  Leibsclimcrzen. 
Der  Stuhlgang  hat  ein  wenig  festere  Konsistenz. 

25.  VI.  Pat.  fühlt  sich  viel  besser.  Der  S  t  u  li  1  g  an  g  ist 
angehalten.  Puls  voller,  nicht  mehr  frequent.  Sie  ist  noch 
sehr  schwach. 

Das  Rekonvaleszenzst  a  d  i  u  m  d  a  u  ert  länger. 
Pat.  ist  sichtlich  mager  geworden. 

Hier  w  u  r  d  e  a.  m  17.  VI.  etwas  Blut  e  n  t  n  o  m  m  e  u. 
Das  Resultat  der  Untersuchung  Kaysers  folgt  unten  aus¬ 
führlich. 

Diagnose:  Mischinfektion  durch  Typhus-  und 
Paratyphusbazillen  (des  Typus  B). 

Dieser  Fall  von  Mischinfektion  durch  Typbus 
und  Parayphusstäbchen  ist  wegen  seines  a  febrilen 
Verlaufes  von  grosser  hygienischer  Wichtig¬ 
keit;  denn  er  zeigt,  dass  diese  Krankheit  bestehen  (und  ver¬ 
schleppt)  werden  kann,  ohne  dass  Temperatursteigerungen  in 
besonderem  Masse  die  Aufmerksamkeit  auf  ihn  lenken. 

Fall  14  (B.  Z.). 


Paratyphus. 

Fat.  ist  15  J  ah  re  alt,  Sohn  von  Pat.  13  (B.  M.).  Er  wurde 
10.  VI.  krank  unter  folgenden  Symptomen:  Kopfschmerzen, 
Appetitlosigkeit  und  Mattigkeit.  Schüttelfrost  hat 
er  nicht  gehabt. 

11.  VI.  war  er  noch  in  der  Schule,  musste  diese  aber  bald  ver¬ 
lassen  wegen  seiner  Krankheit.  Früher  war  Fat.  nie  krank  ge¬ 
wesen.  Eine  Ursache  für  seine  Erkrankung  kann  er  nicht  an¬ 
geben. 

Status  13.  VI.:  Pulsfrequenz  80.  Respiration  nicht  be¬ 
schleunigt.  Fat.  ist  lange,  mager  und  hat  eine  schwache  Muskulatur. 
Lippen  trocke  n  u  n  d  blass.  Zunge  ein  wenig  in  der 
Mitte  belegt,  a  n  d  e  n  R  ä  n  d  e  r  n  t  r  o  c  k  e  n.  in  der  Mitte 
feucht.  Herz  und  Lungen  sind  normal.  Fuls  regelmässig,  äqual, 


14.  Oktober  1902. 


ÄÄ"1  B°lm  Allfsl‘ze“  Mlwwit  die  Pulsfrequenz  zu, 

Dämpfung  etwa  sg  v  e  r  g  r  ö  “  t  Cb»,  ,'if  8w  7.ert  M  11  z  - 
Patellarreflexe  schwach  Haut  m.,i  .  -  ’  z  hiclit  palpabei. 
Tflches  de  Trousseau  "  K‘"™*«erreaexe  nicht  da, 

geha?Ät.SPSwtsIirr-  PO^'tiv.  Indihan- 

lto"Än4r«X  ZuiSÄÄdeT 

lent  und  gleichgültig  gegenüber  seiner  Umgebung  '  '  *  no" 

15.  VI.  Durchfall.  Bauch  Brust"  „  „  ,i  . 

ersten  am^wf  VI.  erschienen'  “o“*01**  von  weicht  die* 

gang1'-  VL  Die  Roseolen  sind  zum  Teil  verblasst.  Kein  Stuhl- 

Jo  vtL  weiQ,  Stl’hlganS'-  Der  Zustand  ist  unverändert 

20.  yl  Rse; 

Roseolen  auf  Bauch,  Brust  und  Armen  dei  UGUe 

23.  VI.  Pat.  ist  dann  und  wann  somnolent  Er  im 

24%?mFentZr-firdiTmal  einen  mehr  festen  Stuhlgang/ 

.  .  “  '  ‘  Rak  fühlt  sich  besser  und  hat  Appetit  Von  ietzt  ‘in 

%ZoTS7JT™?rüag  U'ebl'  Sta*'  «•"  tfühereu^ Durclu 
früheren  Ftfllen.n  valeszeDZ  dauert  länger  wie  ln  den 

Das  Blutserum  (Entnahme  am  17.  VI.)  agglutiniert 
B.  p  a  r  at  yphi,  Typus  A  u  n  d  B.  typhi  1:  50  nicht  d  a 
gegen  B.  paratyphi  des  Typus  B  bis  zur  vYVd  ! 
nung  1:120.  Diagnose:  Paratyphus 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  Eall  13  und  14  durch  das¬ 
selbe  Material  infiziert  wurden.  Da  beide  Patienten  von  jeher 
vie  an  Kopfschmerzen  litten,  so  ist  der  Anfang  ihrer  Krankheit 
nicht  genau  anzugeben;  der  Sohn  erkrankte  vielleicht  etwas 
fiuher  als  die  Mutter.  Er  fischte  sehr  oft  und  trank  dann  das 
-Berkelwasser.  Die  gefangenen  Eische  wurden  von  der  Mutter 
zubereitet.  Ihr  Trinkwasser  bezieht  die  Familie  aus  einem  5  Mi¬ 
nuten  von  der  Berkel  gelegenen  Grundwasserbrunnen.  Die  mehr¬ 
fach  angeführte  Molkerei  lieferte  keine  Milch  in  dieses  Haus. 

Terne  hatten  wir  noch  ausgiebigere  Blutuntersuchungen  ge¬ 
macht,  aber  die  Erlaubnis  zur  Entnahme  des  Materiales  war 
immer  nur  mit  grosser  Mühe  zu  erlangen  und  bei  aller  An¬ 
strengung  nicht  in  mehr  Fällen  als  den  angegebenen  durchzu¬ 
setzen. 

Es  fiel  auf,  dass  das  Blut  unserer  Patienten  äusserst  rasch 
zur  Gerinnung  kam. 

Mit,  ziemlichen  Schwierigkeiten  war  das  Aufstellen  der 
Fieberkurven  verbunden.  —  Die  Behauptung  Lieber- 
mei  sters,  dass  ein  Arzt  seine  Pflicht  versäumt,  wenn  er 
einen  Typhuskranken  behandelt,  ohne  dass  täglich  wenigstens 
zwei  womöglich  aber  noch  mehr  Temperaturbestimmungen  ge¬ 
macht  werden,  kann  nicht  für  den  beschäftigten  Landarzt  Gel- 


MITEN(BIENKR  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1697 


i  ,  v,  -----  - nmiuarzi  vjei- 

e  haben.  Es  gibt  noch  immer  Leute,  deren  Händen  ein 
Ihermometer  nicht  anvertraut  werden  kann.  Die  Resultate  sol- 
ciier  lemperaturmessungen  würden  eher  täuschend  irre  führen 
als  dem  Arzte  helfen. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Tübingen  (Prof.  Iv  r  e  h  1). 

Lungenödem  und  fibrinöse  Bronchitis  nach  Thorako- 

zentese. 

Von  Di\  Friedr.  Magenau,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

..  ])l®  Kombination  von  Lungenödem  mit  Aushustung  fibri- 
noser  Bronchi  algennnsel  nach  Thorakozentese  ist  eine  derartig 
•  Itene,  dass  die  Veröffentlichung  eines  solchen  Falles  ohne  wei¬ 
teres  Berechtigung  hat. 

I'rau  II.  F.,  43  Jahre  alt,  kam  am  9.  VIII.  02  zur  Aufnahme 

«und"  mt  Sn"h!,‘e:  p?.ei"  r  gestorben.  mX?  gl 

au  einem  Rl  fst,,.  KK,l“Pten-  Dev  Mann  starh  am  3.  Mai  1902 
gewesen1  wir!  nachdem  er  vorber  3  Jahre  lang  lungenleidend 

28  lunMQn?  n'V11  Pfrdher  immer  gesund  gewesen  sein.  Am 
1  Jett  verlief  emeS  ^erSunden’  kräftigen  Kindes.  Wochen- 

Kindein  sind1 4  !n  0rUV^  TV?raus  glIlgeu  8  Geburten.  Von  den 
düng,  Durchfan  gestorben.  ^  Keucbbusten-  Lungenentziin- 

Bnou*  iLf  Tagen  f ülilt  Patientin  einen  schweren  Druck  auf  der 
not  luifiwm  II  leicbte.r  Arbeit,  Treppensteigen  starke  Atem- 
Schulter  und  hr.1  U"  t  liat  st«cliende  Schmerzen  in  der  linken 
bek‘i  in  /illf  Rücken.  Sie  fing  an  zu  husten,  ohne  Auswurf 
„nT  .  1<  )ei’’  musste  Nachts  stark  schwitzen.  Der  Appetit  blieb 

gut.  In  den  letzten  Tagen  leichte  Durchfälle.  P1 

No.  41. 


ȀVnZSS'tS; ZT ln 

Temperatur  38,9  (Abends).  yanose,  keine  Oedeme. 

Pupillen  reagieren  normal. 

Z  u  n  g  e  belegt,  Rachenorgane  ohne  Besonderheit. 

D  u  n  g  e  n  grenzen  oben  gleich  hoch  i?  0  „  u  +  c 
6.  Interkostalraum,  rechts  hinten  unten  11  Kn,  ?  ,  T  unteQ 

KÄÄS“ 

rech“  ^  teSmem  Mer7e)cM  T  JT * 

^dMCl!raLPreStepulSlini|jdie  alf°Illte  bis  zum  achten  Sternab 
füllt  *******  *•’ 

“ÄÄ  zXpÄh?'*’ 

gevia.cc  Menge  Eiweis»  (die  Iran  „at  noch  von iSj! 

lt/vm  a  TT°d'  rj,/gllc!‘  4,0  g  Natrium  salicylfcum. 

.  \  III.  Da  das  Exsudat  nicht  zurückgeht,  die  Kranke  kurz 
SSf  Wf. .heute  Vormittag  11  Uhr  Punktion  der  linken  PleuS- 
hohle  (T  roikart,  hangender  Schlauch).  Mit  zeitweiligen  Unter¬ 
brechungen  werden  2500  ccm  einer  ziemlich  klaren  serösen 
ferntllChnf  /  lus^keit  entleert.  Der  Troikart  würde  ent- 

gleiclizeitig  ib.'/^F  I?l!stef  ’  ohne  Sputum,  auftrat  und 
gleichzeitig  das  Exsudat  begann,  während  der  Inspiration 

ur  noch  spärlich  zu  fliessen.  Patientin  bekommt  0,01  Morphium 

Scapulae  Ibf*  Damp^llI(,g  liuks  reicht  nur  noch  bis  zum  Angulus 
S'!“;  Das  Exsudat  gerann  schon  während  der  Punktion 
Spezihsches  Gewicht  des  Exsudats  1025.  Mikroskopisch 

111  1  hn  i  "  Ex®uda*  Erythrocyten,  Leukocyten  und  Endothelien. 

in  Baute  des  Nachmittags  setzte  ein  heftiger  Husten  ein 
der  eiii  ubcraus  reichliches  dünnflüssiges  Sputum  von  ganz  ähn¬ 
licher  P arbung  wie  das  entleerte  Exsudat  zu  Tage  förderte  D-iss 


pan!felte4ergab  die  Untersuchung  der  Kranken:  es  fehlte  der 

msseln  L  ^"k  A  LKnml?  T?  «*»**>  Dyspnoe,  Tvacbcal- 
i assein.  Links  hinten  unten  Dampfung  bis  zum  Anoulus  sc-i 

Atemgeräusch  vorn  nn^h  ^  ty.mi)auitiseliei-  Perkussfonsschall, 
wtenigerausch  vom  und  hinten  oben  verschärft  vesikulär  hinten 

teil  unbestimmt;  mässig  reichliches,  ziemlich  grobes  Rasseln 
Rechts  hinten  unten  spärliches  Rasseln.  ' 

als  reclrtsnfremitUS:  LiUkS  deutlicb  vorhanden,  etwas  schwächer 

Temporato-TA120'  kr“tlg’  regeImtoiS-  gWchmässig. 
Ordination:  Priessnitz,  Morphium,  Kampher. 

Nach  t  s  dauert  der  Husten  mit  etwas  verringerter  Hefti»- 
kIASS!  treteU  Bangigkeit  und  Todesangst  auf: 

leichf1  dabei!  Immer  noch  viel  Husten.  Patientin  fühlt  sich  aber 

Im  Sputum  finden  sich  fibrinöse,  verzweigte  Bronchialaus- 
gusse  von  weisser  Farbe:  ein  S  cm  langer,  kleiSngeSfcker  mit 

ftw.'a  n  1,1  e L tl f t d . /!/rastel a n gea  und  ein  12  cm  langer,  miverästelt 
ttva  bleistiftdick,  nach  wiederholter  Verzweigung  in  faden- 

m/n!.gen  Ausläufern  endigend.  Ausserdem  finden  sich  noch 

mehrere,  Avemge  Zentimeter  lange,  un verästelte,  bleistiftdicke 

/  fVillG1’.  verästelte  Gerinnsel.  Konsistenz  der 

Lufthhfän  !?1Ch  ,d,erb;  dieselbeu  enthalten  da  und  dort  einzelne 
Euttblasen  eingeschlossen. 

Darüber  <leS  .Sputums  betl,ägt  bis  ietzt  über  300  ccm. 

Darüber  schwimmt  ein  weisser,  sehr  beständiger  Schaum  ähnlich 
geschlagenem  Eiweiss.  Temp.  38,9.  anmicn 

-i“-  VIII.  Menge  des  Sputums  bedeutend  geringer,  in  dem- 
seHien  noch  einige  ziemlich  feine,  baumförmige  Gerinnsel. 
tt  14'  '  Abends  38,1,  Husten  geringer,  reichliche 

unten^fetw?00  >CCm'  Die  Intensität  der  Dämpfung  links  hinten 
unten  hat  etwas  abgenommen,  rechts  weniger  Rasseln. 

Vi  Sputum  ein  über  taubeneigrosser,  kompakter 

AvickeP  ’  tw: fi?  im  Ayasser  als  schöner  Bronchialausguss  ent 
v  ekelt.  Derselbe  war  leicht,  ohne  jede  vorausgehende  Dyspnoe 

ausgehustet  worden.  Im  gleichen  Sputum  noch  ein  zweites,  klei¬ 
neres  Gerinnsel.  Links  hinten  unten  nur  noch  handbreite  Däm¬ 
pfung,  liier  abgeschwächtes  Bronchialatmen,  rechts  hinten  unten 
wenig  Hasseln. 

Io.  A  III.  Durchfälle:  Schleimdiät,  Opium. 

qöq  ^Vm.  Durchfall  hat  aufgehört.  Abendtemp.  wiederholt 
38,9,  ohne  nachweisbare  Verschlimmerung  des  objektiven  Lungen- 
befundes,  Auswurf  sehr  spärlich,  frei  von  Fibringerinnseln,  ent- 
lialt  sein-  zahlreiche  Diplokokken,  sehr  wenig  andere  Bakterien, 
keine  Tuberkelbazillen.  ’ 

22.  \  HI.  Starke  Scli weisse  bei  Nacht,  schwächere  bei  Tag. 
Temp.  Morgens  Abends  37,7.  Die  Dämpfung  links  hat  nicht 
nachweisbar  abgenommen,  docli  ist  das  Atemgeräusch  deutlicher 
geworden,  nur  das  Exspirium  noch  undeutlich  bronchial.  Rechts 
last  kein  Rasseln  mehr  zu  hören.  Urin  eiweissfrei,  enthält  ein¬ 
zelne  (hyaline)  Zylinder. 

27.  VIII  In  der  letzten  Zeit  kein  Auswurf  mehr,  das  Rasseln 
rechts  verschwunden,  üeber  der  ganzen  linken  Lunge  eine  leichte 
relative  Dampfung,  die  vom  Schulterblattwinkel  ab  etwas  re¬ 
sistenter  wird  Atemgeräusch  überall  vesikulär,  links  hinten  unten 
etv  as  abgeschwacht.  PI  e  r  z  d  ä  m  p  f  u  n  g  etwas  nach  links  ver- 

3 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4i. 


1698  _  _ _ __ 

breitert,  Töne  regelmässig,  keine  Geräusche.  Gegen  die  andauern¬ 
den  Schweisse  Abends  %  mg  Atropin,  sulfur.  f  kein 

2.  IX.  Seit  einiger  Zeit  kein  Husten,  kein  Ausui  , 

Stechen  mehr,  Temperatur  immer  etwas  gesteigert.  Objektn 
Lungenbefund  im  ganzen  unverändert.  Gewicht  hat  in  den 
34  Tagen  von  53,3  kg  auf  52,7  kg  abgenommen. 

ci  xx  Gewicht  53,4  kg.  Temp.  normal,  die  Dampfung  hat 
etwas*  abgenommen.  Die  Nachtschweisse  haben  nachgelassen. 

'  U112.  IX.  Das  Aufstehen  wurde  gut  ertragen.  Entlassung. 

Es  hatte  sich  also  bei  unserer  Kranken  unmittelbar  im  An¬ 
schluss  an  eine  Pleurapunktion  ein  Lungenödem  und  eine  akute 
fibrinöse  Bronchitis  entwickelt.  Die  Durchsicht  der  Li  era  ui 
ergab,  dass  dieses  Vorkommnis  nur  einige  Male  beobachtet 
wurde1).  Man  muss  also  die  Entleerung  eines  grosseren  Pleura¬ 
exsudates  als  eine  der  Ursachen  ansehen,  welche  die  Entwicklung 
einer  akuten  fibrinösen  Bronchitis  zur  Folge  haben  können. 

Die  in  der  Literatur  beschriebenen  Fälle  haben  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  unseren.  Gegen  das  Ende  der  Punktion  oder 
bald  nachher  entsteht  ein  Lungenödem.  Es  ist  dies  ein  nie 
allzu  seltener  und  von  allen  Aerzten  gefürchteter  Vorgang.  Man 
spricht  dabei  von  einer  Expectoration  albumineuse.  Leider  fehlt 
es  an  sorgfältigen  Bestimmungen  des  Eiweissgehaltes  vom  Aus¬ 
wurf.  Auch  wir  haben  es  versäumt,  diese  auszuf uhren,  und  sine 
deshalb  leider  nicht  in  der  Lage,  auf  Grund  des  Eiweisgehaltes 
des  Sputums  ein  Urteil  über  seine  trans-  oder  exsudative  JNatur 
abzugeben.  Indessen  spricht  das  Auftreten  der  beschriebenen 
grossen  Fibringerinnsel  doch  in  hohem  Grade  dafür,  dass  es  sich 
Tn  unserem  Falle  um  einen  entzündlichen  Prozess  im  Bronchial- 
baum  handelte.  Denn  wollte  man  annehmen,  dass  aus  einem 
nicht  entzündlichen,  einfachen  Transsudat  diese  Gerinnsel  sich 
ln  den  Bronchien  abgeschieden,  so  wäre  das  ein  Vorgang,  der  m 
der  Pathologie  kaum  ein  Analogon  hätte. 

Lässt  man  aber  einen  entzündlichen  Faktor  mitwirken, 
dessen  Wesen  allerdings  unbekannt  ist,  da  aus  dem  Diplokokken¬ 
befund  im  Sputum  wohl  nichts  geschlossen  werden  kann,  so  wird 
die  Entstehung  pathologisch-anatomisch  verständlich  Eine 
Stütze  dieser  Anschauung  dürfen  wir  wohl  in  der  beträchtlichen 
Temperatursteigerung  nach  der  Punktion  sehen. 

Von  ätiologischer  Bedeutung  ist  weiterhin  der  Zustand  des 
Herzens:  in  3  von  den  6  Fällen  der  Literatur  bestand  schwere 
Perikarditis,  eine  Patientin  war  „herzfehlerkrank“.  Bei  den 
beiden  übrigen  Fällen  war,  wie  bei  dem  unsrigen,  ein  massiges 
linksseitiges  Pleuraexsudat  vorhanden,  wodurch  schon  rem  me¬ 
chanisch  das  Herz  mehr  geschädigt  wird  als  durch  ein  rechts¬ 
seitiges!  Ausserdem  ist  auch  ein  Uebergreifen  der  Entzündung 
auf  das  Perikard  viel  leichter  möglich. 

Wie  bringen  wir  nun  unsere  Fälle  in  Einklang  mit  dem 
häufigeren,  einfachen,  akuten  Lungenödem  nach  Thorakozentese . 
Mach  Leichtenstern,  Skriba,  Schütz,  Ortner  ent¬ 
steht  dieses  infolge  der  Durchlässigkeit  der  durch  den  lange 
bestehenden  Exsudatdruck  in  ihrer  Ernährung  geschädigten 
Lungengefässe.  Häufige  Hilfsursache  ist  eine  begleitende  Herz¬ 
insuffizienz.  -  , 

Mach  dieser  Erklärung  würde  also  in  seltenen  Fallen  neben 

den  Faktoren,  welche  das  akute  Lungenödem  bedingen,  m  den 
Brönchien  ein  entzündlicher  Prozess  auftreten,  der  dann  zur 

Gerinnselbildung  führt.  .  . 

Befriedigender,  wenn  auch  zunächst  unbewiesen,  erscheint 
eine  andere  Auffassung,  weil  beides  unter  einen  gemeinsamen 
Gesichtspunkt  bringend :  Man  lässt  schon  beim  Zustandekommen 
des  einfachen  Lungenödems  nach  Thorakozentese  in  der  ringsum 

n  Literatur:  Kr  edel:  Lungenödem  und  Exitus  nach 
Thorakozentese.  Der  linke  Bronchialbaum  enthielt  em  aus¬ 
gedehntes  Fibringerinnsel.  Berl.  klm.  Wochenschi.  188-,  p.  bio. 
U  S  k  r  i  b  a:  Lungenödem  nach  Pleurapunktion,  Exitus.  Im 
linken  Bronchus  ein  grosses  Fibringerinnsel.  Deutsch.  Aich.  t. 

kl'"'Hainp^lnf’  Pleurapunktion  bei  einer  Herzfehlerkranken. 
Seröse  Expektoration,  fibrinöse  Beläge  aus  den  Bronchien  aus- 
eehustet.  Petersburger  med.  Wochensclir.  189-,  p. ■  «fob. 

Oheadle:  Parazentese  der  linken  Pleurahohle.  Lunge 
ödem,  Expektoration  von  fibrinösen  Bronchialgerinnseln.  Spater 
•mell  Punktion  des  Perikards.  Lancet  1895,  Juli.  ' 

Ortner-  2  Fälle:  1.  Nach  rechtsseitiger  Pleurapunktion 
akutes  Lungenödem,  Exitus;  rechts  Bronchitis  fibrmosa  Syn- 
eretio  pericardii.  2.  Pleurapunktion  rechts:  Lungenödem,  im  Spu 
äm  JtaVeSwelgtes  Fibrlngertansel.  Nach  einigen  Wochen 
Exitus;  vollständige  Verwachsung  des  Herzens  mit  dem  Hetz- 
beutel.  Wiener  klinische  Wochensclir.  1899,  p.  1090. 


von  entzündlichen  Prozessen  eingeschlossenen  Lunge  ein  ent¬ 
zündliches  Moment  mitspielen !  Bekommt  dies  aus  irgen 
welcher  Ursache  eine  grössere  Intensität,  so  kommt  es  zu  Lungen¬ 
ödem  mit  fibinöser  Bronchitis. 


Ursachen,  Symptome  und  Behandlung  der  Insuffizienz 
des  nicht  schwangeren  Uterus.") 

Von  Dr.  A.  Theilhaber. 

Die  Atonie  der  Uterusmuskulatur  während  der  Geburt  des 
Kindes,  in  der  Nachgeburtsperiode  und  bald  nach  der  Aus- 
stoosung  der  letzteren  ist  den  Aerzten  schon  sehr  lange  bekannt 
Die  bei  dieser  Abnormität  vorhandenen  Symptome  (Schlaffheit 
des  Organs,  ungewöhnlich  langsamer  Fortschritt  der  Geburt  Re¬ 
tention  der  Plazenta,  starke  Blutungen  u.  s.  f.)  sind  so  auffällige, 
das«  sie  schon  vor  Tausenden  von  Jahren  bei  den  Aerzten  die  ge¬ 
böhrende  Beachtung  fanden.  Unbeachtet  blieb  bis  jetzt  dagegen 
die.  Tatsache,  dass  ähnliche,  wenn  auch  weit  weniger  auffallende 
Abnormitäten  der  Funktion  der  Uterusmuskulatur  bei  der  Ent¬ 
stehung  der  Krankheiten  der  nichtschwangeren  Frau  ebenfalls 

eine  sehr  wesentliche  Rolle  spielen :  . .  .  ,  , 

Frau  N.  war  früher  immer  normal  menstruiert,  hat  l(ö leif  ^ 
entbunden.  Die  Menses  dauerten  immer  3-4  Tage,  seitdeiG.  E 
bindung  sind  die  Menses  reichlicher,  halten  G— <  Lage ,  an. 
den  beiden  letzten  Entbindungen  dauerte  es  ziemlich  lange,  bis 
die  NaOigeluirt  zur  Ausstossung  kam,  die  Patientin  verlor  ziemlich 
viel  Blut" dabei.  Diesmal  trat  bald  nach  Ausstossung  des  Kindes 
eine  SÄt«  ein.  ,1er  „erbeigerafene  Arzt  fand  den  Ute™ 
oruss  und  weich.  Er  machte  Reibungen,  bis  der  Uterus  sich  te 
kontrawerte,  dann  wandte  er  den  C  r  e  d  6  sehen  Handgriff .an 
Die  Plazenta  kam  bald  zum  Vorschein.  Auch  nachher  noch  hatte 
der  Uterus  immer  Neigung  zur  Erschlaffung,  es  blutete  dazwischen 
in  me,  wieder  erst  nach  einigen  Stunden  war  es  gelungen,  durch 
Massage  Ergotin  u.  s.  w.  die  Blutung  definitiv  zum  Stillstand  zu 
bringen  Das  Wochenbett  verlief  normal,  aber  bei  den  nächste 
Menstruationen  stellten  sich  jedesmal  Ulutungen  ^  Jie  10  b 
14  Ta«-e  dauerten.  Nach  y8  Jahre  wird  em  Gynäkologe  Konsul 
tiert  er  glaubt  es  könne  sich  um  Zurückbleiben  von  Eihaut- 
f et zen  oder  um  einen  Plazentarpolypen  handeln.  Der  Uterus  wil  l 

m  UÄ diktiert,  «  ist  nichts  »SXC«“ 
Der  Uterus  wird  kürettiert:  die  exkochleierte  Schleimhaut  ist 
linmial  Der  Arzt  nennt  nun  den  Krankheitsprozess  Subinvolutio 
t  vj  *  obwohl  von  einer  mangelhaften  Involution  des  Uterus  nichts 
naclizuw^isen  ist.  ^enn  der  Uterus  hat  in  Wirklichkeit  normale 
Grösse.  Untersucht  man  diesen  Uterus  während  der  Ä  - 

so  fällt  meist  auf,  dass  er  sehr  weich  und  schlaff  ist. 
Manchmal  ist  diese  Schlaffheit  auch  ausserhalb  der  Menses  zu 
fühlen  —  Trotz  der  Ausschabung  bleibt  die  Menorrhagie  nun  auc  1 
noch  während  der  nächsten  Menses  bestehen. 

Dieses  Krankheitsbild,  dem  wir  in  der  Praxis  ausserordent¬ 
lich  häufig  begegnen,  brachte  mich  schon  vor  Jahren  auf  den  e- 
danken,  es  seien  auch  die  Menorrhagien  lange  nach  Ablaut  des 
Wochenbettes  häufig  noch  durch  die  gleiche  Ursache hervorgeru  en, 
wie  die  Blutungen  nach  Ausstossung  der  Frucht  und  der  Eihaute, 
nämlich  durch  mangelhafte  Kontraktionsfähigkeit  der  Gebär¬ 
mutter.  Die  Muskulatur  eines  jeden  Uterus  kontrahiert  sich  ja 
nicht  bloss  bei  der  Geburt  und  im  Wochenbette,  sondern  wahrem 
des  ganzen  Lebens  der  Frau.  Würde  die  Muskulatur  das  nicht 
tun,  so  müsste  sie  nach  physiologischen  Gesetzen  atrophieren. 
Dass  die  Kontraktion  der  Uterusmuskulatur  einen  Einfluss  au 
Sistierung  der  Menorrhagien  hat,  lässt  sich  leicht  nachweisen,  denn 
wenn  es  gelingt,  durch  Ergotin  oder  heisse  Einspülungen  u.  dergl. 
eine  starke  Kontraktion  der  Gebärmuttermuskulatur  wahrend 
einer  Menorrhagie  auszulösen,  so  pflegt  ^  die  Blutung  so  ange 
nachzulassen  oder  sich  zu  verringern,  als  die  Kontraktion  dauer  . 
Es  haben  aber  auch  nach  meiner  Auffassung  die  Kontraktionen 
der  Uterusmuskulatur  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  B  u  - 
fülle  des  Organs;  im  allgemeinen  sind  die  Kontraktionen  er 
Uterusmuskulatur  um  so  häufiger  und  stärker,  je  me  n  u  nn 
Uterus  fliesst.  Steht  jedoch  die  Stärke  der  Uter^kontraktion^ 
nicht  in  direktem  Verhältnis  zur  Grösse  der  Blutfullung  des 
Uterus,  so  kommt  es  zur  venösen  S  t  a  s  e,  denn  in  en  meis  n 
Körperteilen,  in  denen  das  venöse  Blut  seinen  Ruckweg  zum 
Herzen  entgegen  dem  Gesetze  der  Schwere  zu  nehmen  gezwungen 
ist  sind  Kontraktionen  der  Muskeln  sehr  wichtig  für  die  ern 
haltung  von  Störungen  in  der  Zirkulation.  Menschen,  deren 
Beruf  es  mit  sich  bringt,  dass  sie  viele  Stunden  des  Tages  stehen, 
disponieren  deshalb  zu  variköser  Erweiterung  der  Unterschenkel 

*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Junisitzung  des  Aerztl.  Vereins 
in  München. 


14.  Oktober  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


venen  mit  Oedem  daselbst,  dagegen  verursacht  vieles  Gehen  in 
der  Kegel  keine  Stauung  in  den  Venen.  Ich  glaube,  dass  die 
Kontraktionen  des  Uterus  einen  ähnlichen  Einfluss  auf  die  Zir¬ 
kulation  in  den  Beckenorganen  haben,  Verminderung  der  Kon¬ 
tiaktionen  des  Ij  terus  wird  ungünstig  auf  die  Fortbewegung  des 
Venenblutes  im  Becken  wirken.  Meist  geht  ja  auch  die  Ent¬ 
wicklung  der  Muskulatur  des  Uterus  parallel  der  Entwicklung 
der  daselbst  befindlichen  Gefässe.  In  der  Kindheit  und  im 
Grcisenalter  haben  wir  spärliche  Muskulatur,  aber  auch  enges 
Lumen  der  Blutgefässe.  Während  der  Blütezeit  der  Geschlechts¬ 
funktionen  der  Frau  beansprucht  dagegen  die  meist  vorhandene 
grosse  Weite  der  Gefässe  und  die  weit  grössere  Menge  des  zum 
Herzen  strömenden  Blutes  auch  stärkere  Kontraktionen  einer 
stark  entwickelten  JVluskulatur.  Fehlen  diese,  so  kommt  es  zu 
Stauungen  in  den  Venen  und  Lymphgefässen  ;  infolge  überreich¬ 
licher  Ernährung  kommt  es  zur  Hypersekretion  (Fluor  albus). 
Allmählich  kann  sich  eine  Hyperplasie  der  Gewebe  des  Uterus 
herausbilden  (Hyperplasie  des  Mesometriums  sowohl  wie  des 
Endometriums).  Starke  Kontraktionen  während  der  klenses 
vermindern  in  der  Regel  die  während  derselben  zur  Ausscheidung 
gelangende  Blutmenge;  sind  die  Zusammenziehungen  un¬ 
genügend,  so  kann  es  zu  IVIenorrhagien  kommen,  die  ihrerseits 
mit  der  Zeit  wieder  verstärkt  werden  können  durch  den  Um¬ 
stand,  dass  die  hyperplastisch  gewordene  Schleimhaut  noch  viel 
mehr  zu  starken  Blutungen  neigt,  als  die  normale  Mukosa. 

Auf  Grund  dieser  Anschauungen  hielt  ich  es  für  sehr  wich¬ 
tig,  den  Bau  des  Mesometrium  (auch  Myometrium  genannt) 
kennen  zu  lernen.  Zu  diesem  Zwecke  sammelte  ich  die  dies¬ 
bezüglichen  in  der  Literatur  vorhandenen  Angaben,  die  aller¬ 
dings  ausserordentlich  spärlich  sind  und,  wie  ich  meine,  sämt¬ 
lich  nicht  richtig  gedeutet  wurden,  ferner  achtete  ich  bei  den 
gynäkologischen  Untersuchungen  möglichst  auf  die  einschlägigen 
Verhältnisse,  dann  studierte  ich  bei  Sektionen  und  Operationen 
die  Textur  des  Uterus,  und  schliesslich  untersuchte  ich  in  Ge¬ 
meinschaft  mit  meinem  früheren  Assistenten,  Herrn  Dr.  Anton 
Meyer,  jetzt  prakt.  Arzt  in  Neustadt  a/D.,  61  Uteri  mikro¬ 
skopisch.  Die  Uteri  hatte  ich  teils  durch  Operationen  gewonnen, 
teils  durch  Güte  der  Herren  Obermedizinalrat  Dr.  Bollinger, 
Privatdozent  Dr.  A  m  a  n  n  und  Dr.  Krecke  erhalten.  Die  ge¬ 
naueren  Angaben  über  die  Resultate  dieser  Untersuchungen  sind 
in  einer  im  Archiv  f.  Gynäkol.  Bd.  66,  H.  1  erschienenen  Arbeit 
veröffentlicht.  Auf  Grund  meiner  Studien  bin  ich  zu  folgenden 
Ergebnissen  gekommen : 

Im  kindlichen  Uterus  besteht  kaum  ein  Drittel  d^s  Meso¬ 
metriums  aus  Muskulatur;  dementsprechend  sind  auch  die  Blut¬ 
gefässe  dünn  und  eng.  Erst  kurz  vor  dem  Eintritte  der  Pubertät 
beginnen  Muskeln  und  Gefässe  sich  stark  zu  entwickeln ;  es 
dürfte  jedoch  mit  dem  Eintritt  der  ersten  Periode  der  Höhe¬ 
punkt  der  Entwicklung  von  Gelassen  und  Muskulatur  noch 
lange  nicht  erreicht  sein;  erst  einige  Jahre  nach  dem  Eintritt 
derselben  erreicht  die  Muskulatur  ihre  grösste  Stärke,  das  gleiche 
gilt  offenbar  auch  von  den  Gefässen.  Der  Uterusmuskel  erreicht 
also  seine  volle  Entwicklung  meist  erst  gegen  das  20.  Lebensjahr. 
Bei  der  gesunden  Irau  wird  das  Verhältnis  von  Muskulatur 
und  Bindegewebe  zunächst  etwa  20  Jahre  lang  wenig  verändert, 
vorausgesetzt,  dass  nicht  Schwangerschaft  eintritt.  Die  Muskula¬ 
tur  repräsentiert  etwa  zwei  Drittel  des  Mesometrium.  Wenn 
eine  Schwangerschaft  eintritt,  nimmt  jedoch  die  Masse  der  Mus¬ 
kulatur  bedeutend  zu,  um  nach  Ausstossung  der  Frucht  etwas 
unter  das  frühere  Niveau  zu  sinken.  Nach  jeder  Geburt  bleibt 
der  Uterus  etwas  grösser  als  vorher.  Diese  Vergrösserung  ist 
offenbar  hauptsächlich  auf  die  Vermehrung  des  Bindegewebes 
zurückzuführen. 

.  Eine  wesentliche  Veränderung  des  Mesometrium  tritt  meist 
einige  Jahre  vor  dem  definitiven  Verschwinden  der  Menses  ein; 
die  Muskeln  atrophieren,  die  Gefässe  werden  enger  durch  Arterii¬ 
tis  obliterans,  das  Bindegewebe  wird  reichlicher;  die  Atrophie 
der  Muskulatur,  die  Hyperplasie  des  Bindegewebes,  die  Ver¬ 
engerung-  zahlreicher  Gefässe  nehmen- nun  von  Jahr  zu  Jahr  zu; 
mit  dem  definitiven  Verschwinden  der  Menses  hat  jedoch  dieser 
Prozess  noch  lange  nicht  seinen  Höhepunkt  erreicht.  Noch  nach 
dem  Auf  hören  der  Menstruation  nimmt  die  Atrophie  von  Jahr 
zu  Jahr  zu.  Etwa  in  den  60  er  Jahren  ist  die  Muskulatur 
wieder  ebenso  spärlich  wie  beim  Kinde,  umgekehrt  ist  das  Binde¬ 
gewebe  wieder  ebenso  reichlich  wie  beim  Kinde,  die  Weite  der 


1699 


Lumina  der  grossen  Gefässe  ist  dann  wieder  ungefähr  dieselbe, 
wie  sie  beim  Kinde  war,  jedoch  unterscheidet  sich  die  Dicke  der 
Ge f ä sswatidungen  sehr  wesentlich  beim  Kinde  und  bei  der 
Greisin  dadurch,  dass  bei  letzterer  die  Arteriitis  obliterans  die 
Wandungen  sehr  hochgradig  verdickt  hat. 

Die  Stärke  der  Muskulatur  in  den  verschiedenen  Lebens¬ 
altern  der  Frau  lässt  sich  durch  folgende  Kurve  darstellen,  bei 
der  auf  der  Abszisse  eines  rechtwinkeligen  Koordinatensystems 
das  Alter,  auf  der  zugehörigen  Ordinate  die  Muskulatur  in  Pro¬ 
zenten  eingetragen  ist. 


10 

0  5 

Die  Uteri  unterscheiden  sich  von  einander  aber  nicht  bloss 
durch  die  Mengenverhältnisse  von  Bindegewebe  und  Muskulatur, 
sondern  auch  durch  die  Art  der  Anordnung  des  Bindegewebes 
in  der  Muskulatur  sehr  wesentlich.  Die  Grösse  der  Muskelfelder, 
die  Breite  der  Bindegewebssepta,  die  Anordnung  des  Maschen¬ 
werkes  in  den  Feldern,  all  dies  variiert  ausserordentlich.  Wir 
haben  in  unserer  Arbeit  im  Arch.  f.  Gynäkol.  8  sehr  häufig 
wiederkehrende  Typen  angegeben,  die  die  Verschiedenartigkeit 
des  V  erhältnisses  des  Bindegewebes  zur  Muskulatur  wiedergeben. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  nicht  bloss  die  Stärke  der  Mus¬ 
kulatur,  sondern  auch  die  eben  geschilderten  Variationen  der 
Verteilung  des  Bindegewebes  in  der  Muskulatur  einen  wesent¬ 
lichen  Einfluss  auf  das  Resultat  der  Kontraktionen  der  Uterus¬ 
muskulatur  haben. 

Ausserdem  fanden  wir  die  zufällig  in  den  Leichen  ge¬ 
fundenen  myoma tosen  Uteri  muskelreich,  die  Muskulatur  war 
hypertrophisch,  die  Uteri  bei  Uteruskarzinom  (ohne  Komplikation 
mit  Myom)  waren  muskelarm,  die  Uteri  auch  jüngerer  Individuen, 
die  schon  öfter  geboren  hatten,  waren,  wie  schon  bemerkt,  eben¬ 
falls  ärmer  an  Muskulatur.  Ganz  besonders  hervorstechend 
durch  ihren  Bindege websreichtum  und  ihre  Muskelarmut  waren 
die  Uteri  der  Frauen,  die  an  Tuberkulose  gelitten  hatten,  und 
der  Uterus  einer  Frau,  die  an  Typhus  gestorben  ist.  Bei  einigen 
Fällen  von  Adnexerkrankung  (Pyosalpinx  etc.)  war  ebenfalls  die 
Muskulatur  sehr  spärlich;  eine  Verminderung  der  Muskulatur 
zeigt  sich  auch  in  zwei  Fällen  von  sogen,  chronischem  Uterus¬ 
infarkt  (Bollinge  r),  d.  h.  von  Uteris,  die  gross,  dick  und 
breit  waren,  ohne  einen  Tumor  zu  enthalten.  Bei  Frauen,  die 
sich  den  40  er  Jahren  nähern,  pflegen  sich  an  den  Blutgefässen 
Verdickungen  der  Wände  und  Zunahme  des  perivaskulären 
Bindegewebes  zu  zeigen.  Beim  schwangeren  Uterus  tritt  die 
Hyperplasie  der  Muskulatur  bei  sämtlichen  Präparaten  schön  zu 
Tage.  Der  Uterus  zeigt  mit  dem  Fortschritt  seiner  Involution 
nach  einer  Geburt  deutlich  eine  Bindegewebszunahme,  eine  Ver¬ 
dickung  und  eine  physiologische  Obliteration  mancher  Gefässe. 
Bei  myomatösen  Uteris,  die  wegen  starken  Blutungen  exstirpiert 
worden  waren,  zeigten  die  Präparate  meist  eine  Ueberhandnahme 
des  Bindegewebes:  enge  Netze  in  den  Muskelfeldern;  die  Mus- 
kulatur  war  gewöhnlich  spärlich. 

In  den  letzten  Jahren  wurden  wegen  heftigen  Blutungen 
ohne  klinisch  nachweisbare  Veranlassung  (essentielle  Blutungen) 
(öfter  Uteri  exstirpiert.  Publikationen  hierüber  liegen  vor  von 
Seiten  der  Autoren  Eeinicke  (Arch.  f.  Gynäkol.  Bd.  53.  H.  2), 

C  h  olmo  g  o  rof  f  (Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  Bd.  11, 
H.  3),  P  i  c  h  e  v  i  n  und  Petit  (Gaz.  med.  de  Paris  1895,  p.  553). 

In  all  diesen  Fällen  findet  sich  Hyperplasie  des  Binde¬ 
gewebes  und  Atrophie  der  Muskulatur,  ausserdem  Verdickung 
der  Gefässwände  und  Verengerung  ihres  Lumens.  Die  ge¬ 
nannten  Autoren  suchen  nun  insgesamt  die  Ursache  der  Blu¬ 
tungen  in  den  Veränderungen  der  Gefässwände  und  halten  die 
Bindegewebshyperplasie  und  Muskelatrophie  für  nebensächlich. 
Ich  habe  bereits  in  einer  früheren  Arbeit  (Arch.  f.  Gynäkol. 
p.  62,  IT.  3)  die  zahl  reichen  Gründe  angeführt,  die  dafür  sprechen, 
dass  das  Verhalten  umgekehrt  ist,  dass  die  Verdickung  der  Ge¬ 
fässwände  nicht  das  Wesentliche  des  Krankheitsprozesses  ist 
und  dass  die  Ursache  der  Blutungen  wohl  zu  suchen  ist  in  der 

3* 


1700 


MtTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


mangelhaften  Kontraktion  der  atrophischen  Uterusmuskulatur. 
Auf  Grund  des  Angeführten  meine  ieli: 

In  der  Regel  wird  die  Zirkulation  in  den  Uterusgefässen 
dann  in  normaler  Weise  von  statten  gehen,  wenn  die  Stärke  der 
Kontraktionen  des  Uterusmuskels  sich  proportional  verhält  der 
Weite  der  Blutgefässe:  bei  engen  Gefässen  (vor  der  Pubertät 
und  nach  dem  Klimakterium)  sind  seltene  und  schwache  Kon¬ 
traktionen  genügend,  das  Venenblut  zum  Herzen  zu  treiben;  ein 
dünner,  schlecht  entwickelter  Muskel  genügt  hier  in  der  Regel 
der  ihm  gestellten  Aufgabe;  anders,  wenn  bei  der  geschlechts- 
reifen  Frau  die  Arteriae  spermaticae  und  uterinae  mächtig  ent¬ 
wickelt  sind,  grössere  Blutmengen  in  den  Uterus  schicken,  wenn 
auch  die  prämenstruelle  Kongestion  hinzukommt  und  hiedurch 
der  Inhalt  der  Blutgefässe  sich  wesentlich  vermehrt;  unter  diesen 
Umständen  muss  natürlich  der  Uterusmuskel  viel  mächtiger  ent¬ 
wickelt  sein  und  viel  stärker  funktionieren,  soll  es  nicht  zu  einer 
Stase  kommen.  Vermag  der  Uterus  nicht,  den  an  ihn  heran¬ 
tretenden  Anforderungen  zu  genügen,  so  entsteht  das  Krankheits¬ 
bild,  das  am  zweckmässigsten  wohl  mit  dem  Namen  der  In  - 
sufficientia  uteri  belegt  wird.  Natürlich  geht  auch 
hier,  wie  so  oft,  das  Kranke  ohne  scharfe  Grenze  aus  dem  Nor¬ 
malen  hervor,  es  kommen  zweifellos  Uebergänge  von  der  leich- 
.  testen,  eben  noch  bemerkbaren  Insuffizienz  bis  zu  den  schwersten 
Schwächezuständen,  aus  denen  monatelang  dauernde  Menor¬ 
rhagien  resultieren,  vor. 

Auf  Grund  meiner  Untersuchungen  und  vor  allem  auch 
meiner  klinischen  Beobachtungen  glaube  ich,  eine  Reihe  ver¬ 
schiedener  Typen  der  Uterusinfuffizienz  aufstellen  zu  können 
und  zwar: 

1.  Die  Ilypoplasia  muscularis  uteri:  Häufig 
dauert  bei  jungen  Mädchen  kurz  nach  der  Pubertät  die  Men¬ 
struation  länger  als  normal;  in  nicht  sehr  seltenen  Fällen  dauert 
die  Blutung  sogar  mehrere  Wochen,  ja  monatelang  ununter¬ 
brochen  an;  die  Pausen  zwischen  den  Menstruationen  sind  dabei 
zuweilen  normal,  zuweilen  verkürzt,  nicht  selten  jedoch  dauern 
sie  mehrere  Monate  lang  an.  Häufig,  jedoch  nicht  immer,  ist 
während  der  Menstruationspause  vermehrter  Fluor  vorhanden. 
Andererseits  kann  auch  Fluor  ohne  Menorrhagie  vorhanden  sein. 
Bei  dieser  Abnormität  ist  in  den  ersten  Jahren  der  Uterus  meist 
klein.  Bestehen  dagegen  die  Blutungen  schon  viele  Jahre  lang, 
so  ist  die  Gebärmutter  nicht  selten  verdickt,  vergrössert.  Schabt 
man  solche  Uteri  aus,  so  erhält  man  manchmal  normale,  manch¬ 
mal  hyperplastische  Schleimhaut.  Meist  figurieren  diese  Blu¬ 
tungen  unter  dem  Namen  Endometritis  chronica,  obwohl  es  ja 
von  vornherein  unwahrscheinlich  ist,  dass  namentlich  bei  Vir¬ 
gines  intaktae  sich  so  häufig  Entzündungen  der  Schleimhaut 
entwickeln  sollen.  Nach  meiner  Auffassung  liegt  der  Grund 
dieser  Blutungen  meist  darin,  dass  die  Entwicklung  der  Blut¬ 
gefässe  in  ungleich  rascherem  Tempo  erfolgt,  als  die  der  Muskeln. 
Begünstigt  wird  die  frühzeitige  Entwicklung  der  Gefässe  durch 
alles,  was  den  Blutzufluss  zum  Uterus  befördert:  schlüpfrige 
Lektüre,  Onanie,  reichliche,  scharfgewürzte  Kost,  reichlicher 
Fleischgenuss,  durch  Trinken  von  grösseren  Mengen  Alkohol, 
Kaffee,  Thee  u.  s.  f.,  also  durch  alle  Umstände,  die  den  allgemeinen 
Blutdruck  steigern,  ebenso  wie  durch  alles,  was  Veranlassung  zur 
örtlichen  Blutüberfüllung  der  Geschlechtsteile  gibt. 

2.  Findet  man  die  Uterusinsuffizienz  nicht  selten  dann,  wenn 
es  sich  um  Degenerationszustände  des  Uterus¬ 
muskel  s,  um  Myodegeneratio  uteri  handelt.  Hie¬ 
durch  erklärt  sich  wohl  die  Tatsache,  dass  man  bei  Blutarmen 
und  Bleichsüchtigen  nicht  selten  starken  weissen  Ausfluss  oder 
auch  abnorme  Blutungen  findet.  Die  menstruellen  Blutungen 
sind  freilich  bei  Bleichsüchtigen  auch  nicht  selten  vermindert, 
ja  sie  können  monatelang  gänzlich  fehlen.  Die  Ursache  der  Ver¬ 
minderung  der  Blutungen  ist  wohl  dann  zu  suchen  in  der  durch 
die  Anomalie  bedingten  Herabsetzung  des  Blutdruckes.  Die 
Blutungen  und  der  Ausfluss  bei  Bleichsüchtigen  hingegen  dürften 
wohl  auf  Entartungszustände  im  Uterusmuskel  zurückzuführen 
sein.  Bekanntlich  pflegen  ja  anämische  und  chlorotische  Zu¬ 
stände  auch  die  Funktion  des  Herzens  zu  stören,  infolge  von 
durch  sie  veranlassten  Veränderungen  in  der  Textur  des  Herz¬ 
muskels.  Häufiger  noch  als  während  der  Chlorose  fand  ich  der¬ 
artige  Menorrhagien,  mit  oder  ohne  Fluor,  nach  Ablauf  der 
Bleichsucht  oft  noch  viele  Jahre  bestehen,  bis  ein  Wochenbett, 
oder  eine  zweckentsprechende  Therapie  die  Erkrankung  be¬ 


seitigte.  Ich  glaube,  dass  hier  die  Erkrankung  des  Uterusmuskels 
noch  nicht  ausgeheilt  war,  als  der  arterielle  Blutdruck  bereits 
wieder  höher  anstieg.  Die  erste  prämenstruelle  Kongestion 
führte  infolge  der  Insuffizienz  des  Uterusmuskels  zu  venöser 
Stase  im  Uterus  mit  konsekutiver  Hyperplasie  der  Gebärmutter¬ 
schleimhaut.  Von  da  ab  unterhielt  dann  die  hyperplastische 
Mukosa  die  Menorrhagien,  ln  ähnlicher  Weise  wie  bei  der 
Bleichsucht  erklärt  sich  meines  Erachtens  manche  Form  von  ab¬ 
normen  Blutungen  sowohl,  als  von  Ausfluss,  wie  man  sie  so 
häufig  bei  Lungenphthise  findet.  Auch  die  Blutungen,  die  in 
der  Rekonvaleszenz  von  akuten  Infektionskrankheiten  zuweilen 
beobachtet  werden,  sind  wohl  zurückzuführen  auf  die  Degenera¬ 
tion  des  Uterusmuskels.  Dass  die  Uterusmuskulatur  durch  Er¬ 
krankungen,  wie  Tuberkulose,  Typhus,  geschädigt  wird,  das 
zeigen  unsere  im  Archiv  für  Gynäkologie  beschriebenen  Prä¬ 
parate. 

3.  Die  M  y  o  f  i  b  r  o  s  i  s  uteri  ist  eine  häufige  Erschei¬ 
nung  beim  nahenden  Ende  der  Geschlechtsfunktionen.  Häufig 
atrophiert  die  Uterusmuskulatur  eine  Reihe  von  Jahren  vor  dem 
Eintritt  der  definitiven  Menopause.  Gleichzeitig  stellt  sich  eine 
Hyperplasie  des  Bindegewebes  ein.  Wie  unsere  Präparate  weiter 
zeigen,  bildet  sich  in  dieser  Zeit  die  Weite  der  Gefässlumina 
häufig  ebenso  zurück,  wie  die  der  Muskulatur. 

Die  Ursache  dieser  Verdickung  der  Gefässwände  dürfte  zum 
grossen  Teil  in  der  Verlangsamung  der  Zirkulation  zu  suchen 
sein.  Wenn  aber  diese  Verlangsamung  der  Zirkulation  ausbleibt 
infolge  von  häufigen  psychischen  Erregungen,  infolge  von  Ex¬ 
zessen  in  venere  oder  infolge  von  allzureichlicher  Aufnahme  stark 
reizender  Speisen  und  Getränke  u.  s.  f.,  so  wird  auch  die  Ver¬ 
dickung-  und  Verengerung  der  Gefässe  in  langsamerem  Tempo 
erfolgen;  es  bleiben  dann  die  Gefässe  weiter,  es  kommt  zur 
venösen  Stase  mit  ihren  Erscheinungen.  Die  Gebärmutter  wird 
häufig,  aber  nicht  immer,  dicker,  grösser,  infolge  von  Oedem  ist 
sie  dabei  zuweilen  sehr  weich,  die  Schleimhaut  kann  hyper- 
plasieren,  eine  Erkrankungsform,  die  bekanntlich  unter  dem 
Namen  Endometritis  fungosa  beschrieben  wurde. 

4.  Der  Adnexuterus:  Bei  schweren  akuten  und  sub¬ 
akuten  Erkrankungen  der  Tuben  und  des  Beckenperitoneums 
nimmt  durch  kollateralc  Hyperämie  der  Blutgehalt  des  Uterus 
zu,  das  Parenchym  wird  ödematös,  der  Uterus  sehr  häufig  grösser, 
breiter,  dicker.  Wenn  eine  menstruelle  Blutung  eintritt,  so  hält 
sie  häufig-  länger  an  als  normal,  der  Blutverlust  ist  ein  weit 
reichlicherer.  Nach  Ablauf  der  Entzündung  des  Peritoneums 
kann  im  Uterus  eine  vollständige  Restitutio  ad  integrum  ein- 
treten,  dies  kann  sogar  der  Fall  sein,  trotzdem  sich  ein  luben- 
sack  gebildet  hat,  wenn  nur  die  entzündlichen  Erscheinungen  im 
Peritoneum  geschwunden  oder  sehr  geringfügig  geworden  sind. 
In  die  gleiche  Kategorie  des  Adnexuterus  fallen  häufig  die 
Menorrhagien  bei  Tubenmolen:  Die  Frucht  ist  in  das  Peri¬ 
toneum  ausgestossen  worden,  Eihautreste  sind  in  der  Tube  zu- 
rückgblieben,  im  Becken  besteht  subakute  Perimetritis,  an  der 
auch  die  Serosa  des  Uterus  teilnimmt.  Solange  diese  Entzün¬ 
dung  und  die  kollaterale  Hyperämie  des  Uterus  besteht,  pflegen 
auch  die  Blutungen  nicht  nachzulassen.  Auch  die  Parametritis 
wirkt  in  ähnlicher  Weise  auf  den  Uterus  ein  wie  die  Perimetritis. 

5.  Beim  Uterus  myomatosus  ist  die  Insuffizienz  des 
Uterus  ebenfalls  sehr  häufig  die  Ursache  der  Blutungen.  Auch 
hier  ist  die  Hyperämie  und  Verdickung  der  Mukosa  meines  Er¬ 
achtens  meist  sekundär  infolge  der  venösen  Stauung.  Manchmal 
kann  auch  allerdings  diese  Endometritis  bedingt  sein  durch  ein 
submuköses  Myom,  da  dies  wie  ein  Fremdkörper  reizend  wirkt; 
dabei  kann  die  Uterusmuskulatur  eine  beträchtliche  Dicke  haben. 
Allein  das  submuköse  Myom  bildet  sehr  häufig  ein  Hindernis 
für  die  Kontraktion  in  gleicher  Weise,  wie  ein  Plazentarrest 
dies  bewirkt.  Aber  auch  bei  den  interstitiellen  Myomen  ist 
meines  Erachtens  sehr  häufig  eine  Insuffizienz  die  Ursache  der 
Blutungen.  Dies  erklärt  den  Umstand,  dass  häufig  die  Frauen 
auch  mit  grossen  Myomen  in  jüngeren  Jahren  normale  Menses 
haben,  während  sie  in  den  40  er  Jahren  unter  starken  Menor¬ 
rhagien  leiden,  auch  wenn  die  Tumoren  nicht  submukös  ge¬ 
worden  sind.  Es  macht  sich  eben  dann  hier,  wofür  auch  unsere 
Präparate  sprechen,  die  Myofibrosis  praeclimacterica  bemerkbar, 
wie  z.  B.  auch  bei  Herzklappenfehlern  die  Kompensation  durch 
die  hypertrophische  Muskulatur  sehr  häufig  in  den  vorgerückten 
Jahren  nachlässt.  Namentlich  bei  kleinen  Myomen  gelingt  es 


14.  Oktober  1902. 


muencHener  medicinische  Wochenschrift. 


sehr  oit,  wahrend  der  Menorrhagie  den  Uterus  als  ungewöhnlich 
weiches  und  schlaffes  Organ  Zu  fühlen,  beim  Nachlassen  der 
Blutung  ist  der  U  terus  wieder  weit  härter.  Beim  Uterus  myoma- 

tosus  fuhrt  die  Myofibrosis  um  so  leichter  zu  starken  Blu¬ 
tungen,  als 

a)  der  arterielle  Blutariuss  zum  Uterus  sehr  stark  ist,  da 
das  Myom  sehr  viel  Ernährungsmaterial  braucht, 

b)  .)Vanf,in  der  das  My°m  »itzt,  an  und  für  sich  zum 
grossen  Teil  unfähig  ist,  sich  zu  kontrahieren.  Es  kommt  nun 
zur  venösen  Stase.  Laparotomiert  man  bei  solchen  Patientinnen 
so  hndet  man  gewöhnlich  eine  ganz  kolossale  Entwicklung  der 

terusyenen.  Die  Folge  der  venösen  Stase  ist  die  Endometritis 
hyperplastica,  die  allerdings  mit  dazu  beiträgt,  die  Blutungen 
noch  zu  verstärken.  Dass  die  Endometritis  allein  nicht  immer 
die  Ursache  der  Blutungen  ist,  sah  ich  daran,  dass  sie  doch 
hau  hg  an  exstirpierten  Uteris  mit  stark  blutenden  Myomen  ver¬ 
misst  wird.  Eine  weitere  Folge  der  venösen  Stase  ist  der  Um¬ 
stand,  dass  man  gerade  in  den  präklimakterischen  Jahren  häufig 
ein  aus  säergewöhn  lieh  rasches  Wachstum  der  Myome  beobachtet. 

b.  Die  Submvolutio  uteri:  Hiebei  handelt  es  sich 
zunächst  wohl  um  zu  schwache  Kontraktionen  der  Uterus¬ 
muskulatur.  Die  Folge  ist  mangelhafte  Rückbildung  der  Ge- 
fasse,  sekundär  können  sich  dann  noch  allmählich  die  Symptome 
der  venösen  Stase  herausbilden.  Nach  Ablauf  der  ersten  Wochen 
pflegt  die  Grösse  des  Uterus  in  diesem  Falle  nicht  wesentlich 
von  dem  dieser  Zeit  entsprechenden  normalen  Typus  abzuweichen 
Nach  einer  Reihe  von  Monaten  kann  sich  jedoch  eine  sekundäre 
Hyperplasie  des  Organs  infolge  der  Stauung  herausbilden,  dann 
wird  der  Uterus  grösser  und  dicker. 

(Schluss  folgt.) 


1701 


Aus  dem  Elisabeth-Krankenhaus  Kassel. 

Zur  Extension. 

Von  Dr.  Franz  Kuhn,  dirig.  Arzt. 

.  Wenn  die  folgende  Abhandlung  auch  nicht  gerade  ein  hoch¬ 
wissenschaftliches  Thema  behandelt,  so  darf  sie  doch  vielleicht 
einigen  Anspruch  auf  allgemeines  Interesse  erheben,  denn  der 
dem  Folgenden  zu  gründe  liegende  Gegenstand  ist  ein  Apparat, 
der  direkt  im  praktischen  Leben  aus  praktischen 
Bedürfnissen  heraus  entstanden  und  direkt  für  das 
praktische  Leben  des  Arztes  innerhalb  und  ausserhalb  des 
Krankenhauses  bestimmt  ist. 

Welchem  Chirurgen  oder  praktischen  Arzte,  der  sich  mit 
chronischen  Gelenkerkrankungen  oder  Knochenbrüchen  beschäf¬ 
tigt,  sollte  sich  nicht  schop  häufig  im  Angesichte  eines  neuen 
a  les  das  Bedürfnis  fühlbar  gemacht  haben,  ein  Instrumentarium 
zui  Extension  zu  besitzen,  das  er  überall  und  zu  allen  Verwen¬ 
dungen  gebrauchen  könnte,  das  nicht  gerade  auf  e  i  n  e  Bettform 
und  zu  e  i  n  e  r  Art  von  Extension  zugeschnitten  ist,  das  viel¬ 
mehr  alle  Variationen  in  Bezug  auf  Befestigung  und  viele  Mög¬ 
lichkeiten,  Rollen  anzubringen,  zulässt?  Selbst  im  Krankenhause 
ist  dies  nicht  anders,  denn  die  Form  der  Betten  ist  auch  hier 
meist  nicht  dieselbe,  in  jedem  Falle  hat  man  Betten  für  Kinder 
und  Erwachsene.  Zudem  steigern  sich  in  der  Klinik  begreiflicher¬ 
weise  die  Anforderungen  an  die  Extension  und  man  muss  für 
kompliziertere  \  erwendungen  eingerichtet  sein. 

Auch  der  Kostenpunkt  verbietet  der  Klinik  sowohl  wie 
em  Arzte,  zu  viele  einzelne,  für  spezielle  Zwecke  konstruierte, 
komplizierte  Extensionseinrichtungen  anzuschaffen  und  vorrätig 
zu  haben.  Man  muss  einmal  die  Rumpelkammer  einer  chi¬ 
rurgischen  Klinik  oder  eines  grösseren  Krankenhauses  durcli- 
gestübert  haben,  um  zu  sehen,  wie  viele  solcher  Maschinen  im 
Laufe  der  Zeit  antiquiert  und  obsolet  geworden  sind,  und  weil 
sie  eben  gerade  für  einen  bestimmten  Zweck  einmal  empfohlen 
worden  und  Mode  gewesen  sind,  jetzt  ungenutzt  im  Hause  herum¬ 
hegen.  Auch  bei  der  Auswahl  einer  Extensionsvorrichtung  muss 
eben  dem  Arzte  der  Grundsatz  gelten,  zu  erwerben,  um  zu  besitzen. 
„Was  du  nicht  nutzest,  ist  eine  schwere  Last“,  heisst  es  auch  hier, 
und  er  muss  Einrichtungen  wählen,  zu  denen  er  gerne  und  oft 
greift,  die  er  niemals  nach  dem  Gebrauche  beiseite  legt,  sondern 
immer  wieder  unter  anderen  Umständen  und  Voräussetzungen 
zu  neuen  Zwecken  hervorzieht. 

Ein  solcher  Apparat  kann  aber  nur  der  sein,  der  sich  aus 
relativ  primitiven  Bestandteilen  aufbaut. 

No.  41. 


In  unserem  Falle  sind  diese  Bestandteile  einerseits  die  seit 
Jahrtausenden  bei  Kulturvölkern  gebräuchliche  Rolle  und  der 
mcht  minder  bekannte  S  c  h  r  a  u  b  s  t  o  c  k,  die  in  wechselndem 
bpiele  aneinander  und  an  andere  Gegenstände  gesetzt,  immer 
neue  Apparate  geben,  welche  den  konträrsten  Zwecken  zu  genü-en 
vermögen.  Schraubstock  und  Rolle  sind  einfache  Dinge,  die  nie 
veralten  oder  verderben  und  ihrer  Einfachheit  halber  stets  passen. 

Wenn  ich  nun  in  dem  Folgenden  auf  die  Einzelheiten  bei  der 
Verwendung  meiner  Rollklammer  näher  eingehe,  so  verzichte  ich 
auf  alle  theoretisierenden  Langatmigkeiten.  Ich  werde  einfach 
an  der  Hand  von  Beispielen  und  Bildern  zeigen,  was 
alles  das  kleine  Instrument  leisten  soll  und  kann. 

..  .  dasselbe  ist  in  Fig.  1  dargestellt.  Es  ist  eine  Klammerein- 
i  lchtung,  an  welcher  Rollen  Befestigung  finden  können.  Die  merk- 


Fig.  1. 

würdige  Vielseitigkeit  in  der  Verwendung  dieser  Teile,  namentlich 
in  Vervollständigung  durch  einige  längere  oder  kürzere  Eisen¬ 
stangen,  am  besten  aus  Gasrohr,  erlaubt  dem  Arzte  und  intelli¬ 
genten  Laien,  ohne  Zuziehung  von  Handwerkern  allen  einschlägigen 
Anforderungen  leicht  und  vollständig  zu  genügen. 

Meine  Rollklammer,  wie  ich  der  Kürze  wegen  in  Zu¬ 
kunft  die  kleine  Einrichtung  nennen  will,  ist  ein  kleiner 
Schiaubstock  aus  Eisen  von  rechteckiger  oder 
polygonaler  Form  mit  einer  Schraube  und  meh¬ 
reren  Löchern,  in  welch  letztere  die  Gewinde  der  anzu¬ 
schraubenden  Rollen  passen  (Fig.  1).  Die  Rollklammer  haftet 
an  allem  und  kann  daher  an  jedem  Gegenstand  von  Holz  oder 
Eisen  angebracht  werden. 

In  die  Löcher  passen  die  Schrauben  der  Rollen  etc  die  ent¬ 
weder  feststehend  sind  (Fig.  4  u.  6)  oder  mittels  Kugelgelenk  be¬ 
weglich  (Fig.  5)  konstruiert  sind.  Von  ihnen  können  eine  oder 
mehrere  angeschraubt  werden,  je  nach  der  Form  der  Extension. 

Damit  die  Klammer,  ihrer  Bestimmung  entsprechend,  recht 
vielseitig  verwendbar  sei,  ist  es  von  Interesse,  derselben  recht 
viele  Verbindungsmöglichkeiten  zu  eröffnen,  sei  es  zum  Zwecke 
der  Verbindung  mit  einer  zweiten  oder  dritten  Klammer,  sei  es 
mit  einer  oder  mehreren  Rollen.  Es  empfiehlt  sich  daher,  einer 
jeden  Klammer  recht  viele  Scliraubenöffnungen  zu  geben,  sie  also 
am  besten  polygonal  zu  konstruieren,  d.  i.  ungefähr  in  der 
Form  des  5.  Teiles  eines  Achteckes,  und  auf  jeder  Polygon¬ 
seite  ein  Schraubenloch  anzubringen. 

Fügt  man  dann  noch  kurze  Verbindungsschrauben- 
s  t  ü  c  k  e,  wie  sie  z.  B.  in  Fig.  1  dargestellt  sind,  in  das  Inventar 
ein,  zur  Kuppelung  zweier  Klammern,  so  hat  man  sowohl  die 
Möglichkeit,  wie  in  Fig.  3  dargestellt,  nicht  nur  2  Klammern  zu 
verbinden,  sondern  selbst  3  und  4  Klammern,  was  zum  Zwecke 
der  Konstruktion  eines  tri-  oder  quadrangulären  Galgens  gelegent¬ 
lich  wichtig  wäre,  als  auch  die  Möglichkeit,  zahlreiche  Rollen  und 
diese  in  verschiedener  Form  anzubringen,  was  alles  die  Freiheit 
in  der  Verwendung  des  Apparates  und  seine  Leistungsfähigkeit 
steigert. 

Dank  dieser  Mannigfaltigkeit  in  der  Befestigung  von  Rollen 
ist  schon  eine  einzige  Klammer  allein  oder  mit  einer  anderen  zu- 
sammengekoppelt  ein  sehr  leistungsfähiges  Geräte  für  eine  Ex¬ 
tension  und  kann  sich  der  Arzt  mit  einer  oder  einigen  solcher 
Klammern  im  täglichen  Leben  schon  sehr  wohl  helfen. 

Was  kann  er  doch  schon  alles  mit  einer  Klammer  machen? 

In  Fig.  2  ist  die  gewöhnliche  Extension  am  Unterschenkel 
mit  oder  ohne  V  o  1  k  m  a  n  n  sehen  Schlitten  dargestellt.  Eine 
Klammer  mit  2  Rollen  an  eine  Querstange  des  eisernen  Bettes 
angebracht  genügt  vollauf,  die  Extensionsschnur  vom  Beine  her¬ 
zuführen  und  aussen  den  Sand  sack  genügend  weit  vom 

4 


1702 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Bette  wegzuhalten, 
lic-b  auch  der  Beachtung. 


Dieser  letztere  Punkt  bedarf  bekannt- 


Bemerken  möchte  ich,  dass  es 
sich  erfahrungsgemäss  empfiehlt, 
bei  allen  Extensionen  die  dem  zu 
extendierenden  Körperteile  zu¬ 
nächst  sitzende  Rolle  beweg¬ 
lich  zu  machen,  d.  h.  mit 
Kugelgelenk  (Fig.  1)  an  die 
Klammer  anzuschrauben,  denn 
kein  extendiertes  Glied  dürfte 
ganz  ruhig  liegen.  Im  Falle  aber, 
wie  z.  B.  bei  Extensionen  nach 
vielen  Seiten,  das  Glied  voraus¬ 
sichtlich  sich  viel  bewegt,  ist  die 
Rolle  mit  Kugelgelenk  ein  ganz  er¬ 
heblicher  Vorteil:  sie  erlaubt,  ohne 
dass  die  Schnur  aus  der  Rolle 
ausspringt,  jede  Stellungsänderung 
und  folgt  gefällig  und  willig  jeder 
neuen  Lage  und  adaptiert  sich  dem 
Kranken.  Vergleiche  hierzu  Fig.  5, 
welche  eine  Extension  im  Ellen¬ 
bogen  darstellt.  Die  beweglichen 
Rollen  machen  dem  Kranken  jede 
Lageänderung  möglich  und  so  die 
Situation  sehr  angenehm.  .  Die 
zweite  folgende  Leitrolle  wird 
aber  stets  feststehend  gewählt. 

Findet  die  Extensionsrolle  am 
Bette  schwer  Halt,  so  kann  die¬ 
selbe  an  einen  dem  Bette  nahege¬ 
rückten  Gegenstand  angeschraubt 
jfijg  2.  werden,  etwa  einen  kleinen  Tisch 

oder  einen  an  das  Bettende  ge¬ 
rückten  Stuhl.  Diese  Art  der  Extension  ist  sehr  stabil  und  voll- 

K " Feh  1  f’d <ndStü tzpunk t  für  die  Rollklammer  am  unteren  Bett¬ 
ende,  wie  etwa  an  den  Drahtwänden  der  Kinderbetten  oder  den 
Steinersehen  Reformbetten,  so  genügt  ein  kurzer  Querstab,  de 
ebenfalls,  wie  in  Fig.  4  dargestellt,  mit  einigen  Klammern  an¬ 
geschraubt  wird,  um  die  Rolle  anbringen  zu  können.  Dass  ein 
solcher  Querstab  im  Notfälle,  falls  man  eben  nicht  Klammern  ge¬ 
nug  vorrätig  hätte,  auch  angebunden  werden  konnte,  biauclie  ich 
einem  routinierten  Praktiker  natürlich  nicht  erst  zu  sagen  Der 
Querstab  kann  direkt  am  Bett,  an  der  Aussen-  oder  Innenseite  der 
Fusswand  (Fig.  6),  angebracht  werden  oder  auch  in  einer  gewissen 
Entfernung  von  der  Bettwand  unter  Benutzung  je  einer  Doppel¬ 
klammer  an  den  beiden  Endpunkten  des  Querstabes,  wobei  eine 
Klammer  am  Eckpfosten  des  Bettes  (Fig.  3)  Befestigung  findet 


Fig.  3. 


und  die  an  sie  gekuppelte  zweite  Klammer  den  Stab  trägt  und  den¬ 
selben  in  einiger  Entfernung  vom  Bette  hält.  Unterstützt  könnte 
eine  auf  diese  Weise  angekuppelte  Stange  in  ihrer  Tragfähigkeit 
durch  ein  Paar  Schnüre  werden,  die  von  ihr  nach  dem  oberen 

Geländer  der  Bettwand  reichen. 

Wie  leicht  zu  begreifen  ist,  können  nämlich  die  einzelnen 
Klammern,  sobald  sie  ungleichmässig  belastet  werden,  die  Nei¬ 
gung  bekommen,  sich  um  ihren  Befestigungspunkt  zu  drehen. 
Zum  Teil  zu  vermeiden  ist  dies  allerdings,  wie  in  der  Fig.  2  zu 
ersehen  ist,  wenn  man  die  Stellung  der  Klammer  und  die  An¬ 
bringung  der  Rollen  derart  wählt,  dass  kein  Drehmoment  zu  stände 
kommt,  dass  also  die  Zug-  und  Belastungskräfte  alle  mit  gleichen 
Hebeln  an  dem  Drehpunkte  der  Klammer  anfassen.  Es  ist  dies 
oft  recht  leicht,  wie  auch  Fig.  3  noch  eine  Reihe  von  Beispielen, 
alle  an  einem  Querstab  angebracht,  zeigt.  Die  Klammern  be¬ 
finden  sich,  in  der  abgebildeten  Form  angebracht,  alle  im  sta¬ 
tischen  Gleichgewicht.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  so  kann  man  das 
Gleichgewicht  hersteilen,  indem  man  durch  ein  mitein¬ 
geklemmtes  Brettchen,  das  den  Drehpunkt  der  Klammer 
der  äusseren  Rolle  näher  rückt,  den  Hebel  der  inneren  Rolle  ver- 
längei't  und  den  der  äusseren  ad  libitum  verkürzt.  Zudem  schoneu 
derartig  miteingeklemmte  Brettchen  sehr  die  Betten  und  geben, 
wenn  sie  aus  weichem  Holze  sind,  in  das  sich  die  Eisenteile  ein- 
drücken  können,  der  Rollklammer  sehr  viel  festeren  Halt 

Besser  noch  wird  der  Drehung  vorgebeugt  durch  Benützung 
der  am  Ende  des  Artikels  erwähnten  Klammer  mit  2  Schrauben. 

Andere  Beispiele  eines  für  die  praktische  Verwendung  aus¬ 
reichenden  Gleichgewichtes  stellen  Fig.  4  und  5  dar.  In  Fig.  4 


ist  allerdings  auf  eine  Rolle  mit  Kugelgelenk  verzichtet,  in  b  ig.  o 
sitzt  die  Klammer  an  einer  Längsstange  am  Bettende. 

Will  man  auf 
die  genannten  Arten 
der  Aequilibrierung 
verzichten,  so  steht 
es  frei,  wie  oben 
kurz  angedeutet, 
einen  Faden  zu  Hilfe 
zu  nehmen,  der 
Drehung  durch 
Hochbinden  eines 
vorspringenden 
Teiles  der  Klammer, 
etwa  auch  eine 
Rolle,  entgegenzu¬ 
wirken. 

Eine  andere  Art, 
die  Extension  am 
unteren  Bettende 
mit  Hilfe  der  Roll¬ 
klammer  möglich  zu 
machen,  ist  in  Fig.  7 
dargestellt, 

Bekanntlich  bietet  gerade  die  untere  Bettwand  eines  hölzernen 
Bettes,  die  undurchbrochen  ist,  dem  Anbringen  einer  Rollvorrich¬ 
tung  Schwierigkeiten  und  führte  diese  jedenfalls  zur  Erfindung 
des  Ebertli  sehen  Rollenträgers,  wie  er  durch  die 


Lehrbücher  geht  (vergl.  Hoffa:  Atlas  und  Grundriss  der  Ver¬ 
bandlehre,  Tafel  131).  Dieser  Rollenträger  besteht  bekanntlich  in 
einer  Leiste,  die  viele  Löcher  zum  Anstecken  von  Rollen  hat  und 
selbst  vertikal  am  unteren  Bettende  eingesteckt  wird.  An  ihr  lassen 
sich  Lauf-  und  Leitrollen  in  jeder  Höhe  anbringen,  ohne  dass 
Löcher  durch  die  Fusswand  des  Bettes  gebohrt  oder  Rollen  an¬ 


geschraubt  werden  müssen. 


Ganz  denselben  Zweck  erreichen  wir  mit  Hilfe  unserer  Roll¬ 
klammern  und  eines  Eisenstabes,  wie  Fig.  6  zeigt.  Am  Fussende 
des  Bettes  wird  ein  Eisen¬ 
stab  eingesteckt,  wenn 
nötig  bis  zum  Boden  des 
Zimmers  reichend.  Oben 
wird  er  mittels  einer  ein 
fachen  oder  zweier  ge¬ 
kuppelter  Klammern 
(Fig.  G)  an  der  Fuss¬ 
wand  des  Bettes  ange- 
klammert  und  befestigt. 

So  erhält  man  eine  Lauf¬ 
stange,  an  welcher  in 
jeder  Höhe  Rollen  mittels 
Klammern  befestigt  wer¬ 
den  können. 

Des  weiteren  ist  die 
einfache  Rollklammer 
stets  ausreichend,  wenn 
es  sich  um  seitliche  Ex¬ 
tensionen  nach  Barden¬ 
heuer  oder  Schede, 
sei  es  zum  Ausgleich  von 
Kontrakturen  einer  Ex-  Fig.  6. 

tremität  oder  Verkrüm¬ 
mungen  des  ganzen  Stammes,  handelt.  Eine  solche  Extension  bei 
Skoliose  nach  Koxitis  findet  man  in  Fig.  IG  in  dem  Prospekt, 
welcher  den  Apparaten  beigegeben  ist,  dargestellt  *). 

Wie  bereits  des  mehrfachen  angedeutet,  findet  die  Roll¬ 


klammer  erst  ihre  vollendete  Anwendung,  wenn  man  in  das  In¬ 
ventar  noch  einige  einfache  Geräte  einfügt,  vor  allem  einige  Eisen¬ 
stangen  verschiedener  Länge  und  Tragkraft,  seien  es  solche  von 
Gasrohr  oder  von  Eisen  mit  T-  oder  U-förmigem  Querschnitt. 
Solcher  Stäbe  darf  man  für  eine  einigermassen  komfortable 
Krankenhauseinrichtung  eine  grössere  Anzahl  vorrätig  haben,  was 


*)  Alleinige  Fabrikanten:  Evens  &  Pistor,  Kassel. 


14.  Oktober  1902. 


MUENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1703 


.  a  aueh  leicht  ohne  Aufwand  möglich  ist,  da  die  einfachen  Stäbe 
billig  sind,  stets  ihren  Eisenwert  behalten  und  zu  jedem  Zwecke 
weiter  zu  gebrauchen  sind.  Zudem  stehen  sie  einem  im  Hai 
nicht  im  Wege,  sondern  können  leicht  auseinander  genommen  und 
als  Bündel  aufgehoben  werden.  8  ™ 

Für  den  praktischen  Arzt  genügen  natürlich  oft  kleine  Ein¬ 
richtungen  und  Improvisationen;  aber  auch  hier  ist  die  Beschaf¬ 
fung  von  Gasrohr  heutzutage  nicht  schwer;  im  Notfälle  können 
auch  Latten  und  Bretter  zur  Aushilfe  dienen  sonnen 

Eine  grössere  Leistung  wäre  es  schon,  sich  einen  fertigen 
Iragrahmen,  der,  wie  später  gezeigt  wird,  zu  vielem  nütze  Ist 
beizulegen  Wir  kommen  später  auf  ihn  zurück.  ’ 

i  lt  den  genannten  Eisenstäben  nun  und  meinen  Rollklam- 
mern  sind  wir  in  der  Lage,  über  jedem  Bett  jederzeit  jede  vS 
langte  Extensionsvorrichtung  zu  konstruieren  J 

,nrnUrer-e.KIfmmcf1;  dient.hiebei  den  mannigfachsten  Zwecken 
bald  als  einfacher  Schraubstock  zum  Kuppeln  zweier  Teile  seien 
es  Bretter  oder  Eisenstäbe,  um  neue  feste  Punkte  zu  schaffen  bald 
als  Träger  von  einer  oder  mehreren  Rollen,  bald  als  Stützpunkt 
für  anzuhangende  Dinge,  etwa  Flaschenzüge.  11 

Typische  Beispiele  genannter  Kuppelung  sehen  Sie  in  FK  a 
wo  em  senkrechter  Eisenstab  an  einer  hiilzernen  Bettwänd  fnte 
Befestigung  findet,  oder  in  Fig.  3  und  4,  wo  an  einem  Ki, Sw. 
bettchen  mit  Drahtgeflechte  quere  Stäbe  zum  Tragen  der  Rollen 
angekuppelt  werden.  Aelinliclies  sehen  Sie  in  Fig  7  und  Fig.8 


Fig.  7. 

Weitere  naheliegende  Kuppelungen  finden  statt  zur  Konstruk¬ 
tion  von  G  algen  und  Hängeeinrichtungen  über  einem 
nett,  wobei  entweder  eine  Längsstange,  die  über  die  höheren  Kopf- 
wande  und  Fusswände  des  Bettes  gelegt  und  daselbst  ange¬ 
schraubt  wird,  ausreicht  (Fig.  6  und  Fig.  7),  oder  ein  komplet- 
<-  i  Galgen  konstruiert  wird,  indem  man  die  Stange  am  oberen 


Fig.  8. 

und  unteren  Bettende  je  in  eine  Gabel  legt,  die  mittels  Eisen¬ 
stangen  und  mit  Hilfe  einer  einzigen  Klammer  hergestellt  wird, 
Diese  Gabeleinrichtung  steht  sehr  fest,  passt  an  jedes 
.ett,  ob  es  von  Holz  oder  Eisen  ist,  und  ist  ebenso  einfach,  wie 
sie  aufgebaut  ist,  im  Augenblicke  wieder  zu  zerlegen  und  zur  Seite 
zu  stellen.  Dass  man  die  Gabelvorrichtung  auch  durch  Binden 
mittels  eines  einfachen  Bindfadens  herstellen  kann,  ist  klar  und 
bedarf  nicht  der  Erwähnung.  Die  Tragfähigkeit  einer  solchen 


rabel  (F  i g.  8)  ist  sehr  gross,  selbst  schon,  wenn  2  Stäbe  durch  nur 
eine  Klammer  aneinander  gekuppelt  und  geschraubt  sind.  Sta¬ 
biler  wird  die  Gabel,  wenn  man  2  Klammern  aneinander  schraubt 
und  dann  jede  Klammer  für  sich  einen  Eisenstab  halten  lässt.  In 
(Füg  8)  SOlChe1’  Gabeln  fassen  sich  zuverlässig  quere  Stäbe  legen 

Einfacher  aber  noch  dürfte  es  sein  wenn 
man  eine  solche  Gabel  über  ein  Bett  quer  kreuzt 
derselben  nach  dem  Fuss-  und  Kopfende  des 
Bettes  Befestigung  gibt  und  an  dieser  Gabel 
alles  m  Frage  stehende  aufhängt. 

Die  Tragfähigkeit  dieses  einfachsten  Galgens  ist  eine  ge¬ 
waltige  und  kann,  falls  man  durch  seitliche  Klammern  oder  An- 
bmden  ein  seitliches  Ausgieiten  verhütet  und  unmöglich  gemacht 
hat,  bequem  der  schwerste  Mann  mittels  Flaschenzuges  von  einer 
Schwestei  oder  durch  sich  selbst  hochgezogen  werden.  Die  Be¬ 
deutung  einer  solchen  einfachen  Hebeeinrichtung  bei  Bauchopera¬ 
tionen  oder  Becken-  und  Wirbelsäulenbrüchen  erscheint  mir  nicht 
gering. 


Was  alles  wir  ferner  an  einem  derartigen  Galgen  aufhängen 
und  extendieren  können,  deuten  zum  Teil  die  Bilder  7  und  8  und 
weitere  im  Prospekte  an.  Da  ist  zunächst  in  Fig.  7  die  Schede- 
sche  vertikale  Extension  bei  Oberschenkel¬ 
brüchen  der  Kinder  dargestellt.  Die  quere  Stange  dürfte 
vielleicht  vorteilhafter  Weise  etwas  höher  liegen,  dann  könnte  die 
Rollklammer  nach  unten  hängend  angebracht  sein  und  etwas  leich¬ 
ter  funktionieren.  Dies  wäre  natürlich,  wie  soeben  erwähnt,  leicht 
nach  Analogie  der  Fig.  8  mit  Hilfe  zweier  Gabeln  zu  erreichen,  die 
aus  je  2  Eisenstäben  mittels  Klammer  hergestellt,  an  dem  oberen 
oder  unteren  Bettende  oder  beiden  angebracht  würden. 

Im  übrigen  aber  ist.  wie  auf  dem  Bilde  zu  sehen,  die  Ex¬ 
tension  mit  Hilfe  der  Rollklammer  eine  ganz  vorzügliche  und  auch 
die  weiteren  seitlichen  Züge  sind  mit  Hilfe  der  Klammer  leicht 
in  jeder  Richtung  anzubringen,  wie  das  Bild  es  zeigt.  Natürlich 
v.  iid  man  sich  im  Einzelfalle  ganz  von  seinem  eigenen  Ermessen, 
von  der  vorliegenden  Aufgabe  und  vor  allem  von  dem  Bettgeräte 
und  seiner  Konstruktion  leiten  lassen  und  darnach  die  Klammern 
anbringen.  Einige  Hebung  kommt  dabei  sehr  zu  statten. 

Ein  weiteres  Beispiel  ist  eine  Extension  am  Beine  ohne  Ver¬ 
wendung  eines  Volk  m  a  n  n  sehen  Schlittens,  indem  der  Unter¬ 
schenkel  bloss  durch  Gewichte  getragen  ist 
(Tafel  X  des  Prospektes),  am  besten  mit  Verwendung  einer  dor¬ 
salen  Schiene  oder  einer  dorsalen  Gipshanfschiene  oder  vorderen 
Drahtschiene  nach  Smit  h.  Eben  diesen  Verband  dem  Patienten 
recht  aneenehm  zu  machen,  wurde  neuerdings  eine  balan¬ 
cierende  Schwebe  vorgeschlagen.  (Vergl.  Fr.  Gramer: 
Bert.  klin.  Wochenschr.  1901,  No.  36.)  Diese  Extension  bietet  den 
Vorteil,  dass  das  extendierte  und  aufgehängte  Glied  ganz  frei  be¬ 
weglich  ist,  dass  vor  allem  das  Becken  auch  leicht  gehoben  werden 
kann  und  so  die  Pflege  sehr  erleichtert  wird.  Verfasser  verwendet 
eine  dorsale  Schiene,  in  welche  Rollen  eingegipst  werden,  ca.  3  bis 
4  Rollen,  eine  am  Dorsum  pedis,  eine  über  dem  Unterschenkel,  eine 
über  dem  Knie,  die  dritte  über  dem  Oberschenkel.  Tafel  XI  des 
Prospektes  deutet  die  Verhältnisse  nur  an,  ohne  Anspnich  auf 
Genauigkeit;  nur  die  Führung  des  Seiles  kann  man  daraus  ersehen. 
Dieses  zieht  abwechselnd  von  einer  der  eingegipsten  Rollen  (die 
dann  im  Sinne  der  Dynamik  als  Kraftrollen  wirken)  nach  einer 
der  an  dem  Galgen  angebrachten  Leitrollen.  Man  hat  auf  diese 
Weise  in  dem  System  einen  aufgelösten  Flaschenzug  vor  sich,  und 
kann  mittels  eines  kleinen  Gegengewichtes  das  Bein  tragen  und 
in  Schwebe  erhalten. 


Wie  oben  erwähnt,  finden  eine  besonders  zweckmässige  und 
weitreichende  Verwendung  meine  Rollklammern  in  der  Kranken¬ 
pflege  zum  Zwecke  des  Hebens  von  Kranken  oder  Schwerverletz¬ 
ten.  sei  es  der  Kranken  im  ganzen  oder  nur  des  Beckens.  Bis 
jetzt  finden  wir  in  den  Lehrbüchern  nur  einen  Hebeapparat 
von  grösserer  Bedeutung  verzeichnet,  den  von  Hase- Beck, 
welcher  mit  einer  Reihe  zangenartiger  Instrumente  den  Kranken 
umfasst  (vergl.  H  o  f  f  a  1.  c.,  Tafel  94).  Der  Apparat  ist  natürlich 
teuer  und  lässt  nur  eine  beschränkte  Verwendung  zu.  Ich  ver¬ 
wende  in  meiner  Klinik  seit  Jahren  zum  Transport  und  Heben  der 
Kranken  einen  einfachen  Rahmen  aus  Gasrohr,  auf  den  mittels 
einiger  ouergezogener,  abnehmbarer  Gurte  der  Patient  gelagert 
wird.  Wesentlich  ist  die  Abschnallbarkeit  meiner  Gurte.  Die¬ 
selben  tragen  an  beiden  Enden  einen  breiten  Ring.  Nachdem  nun 
der  leere  Rahmen  über  den  ruhig  im  Bett  oder  auf  dem  Operations¬ 
tisch  liegenden  Kranken  gedeckt  ist.  ziehen  die  Schwestern  unter 
dem  Kranken  die  Gurte  an  verschiedenen  Stellen  durch  und 
schnallen  sie  seitlich  mit  Hilfe  kleiner  Lederriemen  an  den  Schen¬ 
keln  des  Rahmens  fest.  4  Gurte,  von  denen  einer  (vielleicht  brei¬ 
terer)  den  Kopf,  ein  zweiter  die  Schulterblätter,  ein  dritter  das 
Becken,  ein  vierter  die  Waden  trägt,  genügen  vollständig,  um  einen 
Menschen  zuverlässig  transportieren  zu  können.  So  wird  der 
Kranke,  ohne  im  leisesten  gerüttelt  werden  zu  müssen,  über 
Treppen  transportiert,  eingewickelt  in  eine  um  das  Ganze  ge¬ 
schlagene  Decke.  Am  Ankunftsorte  wird  das  Ganze  über  Tisch 
oder  Bett  gelegt,  und  beim  Abnehmen  des  Rahmens  wiederholen 
sich  die  Manipulationen  wie  oben  in  umgekehrter  Reihenfolge. 
Man  begreift,  wie  bemerkenswert  schonend  der  Transport  der 
Patienten  auf  diese  Weise  wird,  namentlich  auch  solcher  mit 
Bauchoperationen.  Sie  gelangen  vom  Operationstisch,  ohne  an- 
gerührt  zu  sein,  über  ihr  Bett,  und  sinken  beim  Lösen  der  Riemen 
ganz  sachte  in  richtiger  Lage  in  ihre  Kissen.  Dabei  ist  wichtig, 
dass  durch  solche  Arbeitsteilung  der  Krankentransport  sehr  er- 

4* 


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MUENCHENEß  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


leichtert  wird  und  selbst  schwache  Schwestern  über  einen 
schweren  Kranken  sehr  leicht  Herr  werden.  Wenn  man  im 
Gegensatz  hiezu  das  Gezerre  vergleicht,  das  man  gelegentlich  beim 
Krankentransport  durch  Wärter  sehen  kann,  so  ist  die  Nützlich¬ 
keit  des  Tragralnnens  sehr  in  die  Augen  springend. 

Eben  dieser  Tragrahmen  nun  wird  vorteilhafter  Weise  zum 
Heben  eines  Kranken  ins  Bett  als  Heberrahmen  benutzt  (vergl. 
Fig.  8).  In  dem  Bilde  ist  der  ganze  Aufbau  einer  solchen  Vor¬ 
richtung.  wie  er  mit  Hilfe  einiger  Rollklammern  leicht  zu  be¬ 
werkstelligen  ist.  am  leeren  Eisenbette  dargestellt.  Natürlichei 
Weise  kann  der  Rahmen  jederzeit,  z.  B.  während  des  ganzen  Tages 
entfernt  werden  und  wird  nur  zum  Legen  des  Kranken  heran¬ 
geholt.  Auf  der  Darstellung  sieht  man,  wie  mit  Hilfe  von  nur 
4  beweglichen  Rollklammern  ein  Flaschenzug  konstruiert  ist.  der 
mit  leichtem  Gegengewichte  den  Kranken  in  Schwebe  zu  halten 
gestattet.  Dass  man  natürlich  an  dem  zu  hebenden  Kopfende 
auch  einen  kompletten  Flaschenzug  verwenden  kann,  ist  klar.  Der 
Galgen  ist  mittels  zweier  Gabeln  und  einer  quergelegten  Stange 
aufgebaut. 

Die  einfachste  Art,  ein  Becken  zu  heben,  ist  auch  wieder  die. 
welche  nur  eine  quer  über  das  Bett  gestellte  Ga  b  e  1 
oder  Schere,  wie  oben  angedeutet,  benötigt.  Die  Schere  wird 
am  besten  mittels  einer  Klammer  mit  2  Schrauben  ge¬ 
kuppelt,  wobei  sich  die  Schrauben  einander  gegenüberstehen;  die 
Klammer  in  Fig.  1  würde  also  an  Stelle  der  nach  oben  sehenden 
Rolle  eine  Schraube,  wie  nach  unten  tragen. 

Diese  Rollklammer  mit  2  Schrauben  ist  weitaus 
die  vollkommenste  und  für  viele  Zwecke  die  praktischste:  sie  sitzt 
fester,  kuppelt  die  Teile  fester  aneinander,  und  erlaubt  mehr  Varia¬ 
tionen  in  der  Verwendung;  auch  erlaubt  sie  eine  Verlegung  des 
Drehpunktes  der  Klammer  um  ihre  Befestigungsstelle. 


Aus  der  orthopädischen  Heilanstalt  des  Dr.  A.  Schanz  in 

Dresden. 

Der  operative  Ersatz  des  gelähmten  Quadriceps 

femoris. 

Von  Dr.  Magnus,  Assistenzarzt  der  Anstalt. 

Zu  denjenigen  Operationen,  welche  als  wichtige  Fortschritte 
der  modernen  Orthopädie  zu  nennen  sind,  gehören  in  erster  Linie 
die  Sehnentransplantationen.  Diese  Operationsmethode,  welche 
bekanntlich  darin  besteht,  gelähmte  funktionswichtige  Muskeln 
durch  ungelähmte  funktionsunwichtigere  zu  ersetzen,  ist  erst 
wenige  Jahre  im  allgemeinen  Gebrauch,  hat  jedoch  eine  schnelle 
Verbreitung  gefunden  und  ist  in  zahlreichen  Variationen  aus¬ 
geführt  worden.  Es  sind  auch  durchweg  günstige  Resultate  be¬ 
richtet  worden.  Nur  über  eine,  und  zwar  ganz  besonders  wichtige 
Lähmung,  nämlich  die  des  Quadriceps  femoris,  ist  die  Kasuistik 
der  operierten  Fälle  eine  kleine,  und  ausserdem  sind  nur  wenige 
Fälle  berichtet,  bei  denen  die  Operation  mit  Erfolg  ausgeführt 
wurde.  G  o  c  h  t  („Reitrag  zur  Lehre  der  Sehnenplastik“,  Zeit- 
schr.  f.  Orthopädie  1900,  Bd.  VII,  p.  77)  hat  für  diese  Operation 
auf  Grund  von  Resultaten  der  II  o  f  f  a  sehen  Klinik  eine  un¬ 
günstige  Prognose  gestellt;  er  sagt:  „Ein  dauerhafter,  funktionell 
guter  Ersatz  des  Quadrizeps  wird  sich  durch  die  Implantation 
des  Sartorius  kaum  schaffen  lassen“.  Er  beruft  sich  dabei  auf  einen 
von  Vulpius  in  gleicher  Weise  operierten  Fall.  Lange-Münclien 
und  K  raus  e  haben  seitdem  günstige  Erfolge  berichtet.  Beide 
übten  ein  kompliziertes  Verfahren.  Lange  bildet  eine  seidene 
Sehne,  welche  den  überpflanzten  Muskel  mit  der  Tuberositas 
tibiae  verbindet.  Krause  verzeichnet  nur  einen  Fall,  bei  dem 
er  ebenfalls  eine  sehr  komplizierte  Operation  ausführte.  Er  ver¬ 
wendet  den  Bizeps,  Semimembranasus,  Semitendinosus,  Gracilis 
und  Sartorius,  zieht  die  Muskeln  durch  einen  Schlitz  im  mitt¬ 
leren  Teile  des  Vastus  int.  und  vernäht  ihre  Sehnen  am  Rande 
der  Patella. 

Unter  diesen  Umständen  dürfte  ein  Bericht  über  3  in  hiesi¬ 
ger  Anstalt  mit  bestem  Erfolg  nach  einfacher  Methode  operierte 
Fälle  Aussicht  auf  einiges  Interesse  haben.  Die  von  meinem 
Chef,  Herrn  Dr.  Schanz,  geübte  Methode  ist  folgende :  Zu¬ 
nächst  wird  ein  15  cm  langer  Hautschnitt  an  der  vorderen  Seite 
des  Oberschenkels  in  der  Medianlinie  vom  oberen  Rande  der 
Patella  nach  oben  hin  geführt,  Fett  und  Faszie  durchtrennt  und 
der  Quadrizeps  und  obere  Teil  der  Patella  freigelegt.  Ebenso 
wird  ein  Schnitt  durch  die  Mitte  der  Kniekehle  bis  zur  Mitte  des 
Oberschenkels  herauf  angelegt.  Von  da  aus  wird  der  Sartorius 
aufgesucht,  unmittelbar  von  seiner  Insertionsstelle  abgetrennt 
und  etwa  auf  ein  Drittel  seiner  Länge  isoliert  ;  dasselbe  geschieht 
mit  dem  Bizeps.  Nun  wird  auf  beiden  Seiten  zwischen  Muskula¬ 
tur  und  Faszie  vom  vorderen  Schnitt  nach  hinten  ein  Eleva- 
torium  durchgestossen  und  die  so  gebildeten  Oeffnungen  durch 


Hin-  und  Herziehen  des  Elevatoriums  erweitert.  Durch  die  auf 
diese  Weise  gebildeten  Schlitze  werden  Sartorius  und  Bizeps 
nach  vorn  gelagert.  Darauf  wird  die  Sehne  des  Quadrizeps  direkt 
an  ihrem  Ansatz  an  der  Patella  durchstochen,  durch  den  so  ge¬ 
bildeten  Spalt  wird  das  freie  Ende  des  Sartorius  hindurchgezogen 
und  unter  straffem  Anziehen  so  zurückgeschlagen,  dass  eine 
Schlinge  gebildet  wird.  Diese  wird  durch  Naht  fixiert.  Dieselbe 
Manipulation  wird  dann  mit  dem  Bizeps  vorgenommen.  Die 
Nähte  werden  mit  Silber  oder  Aluminiumbronze  ausgeführt. 
Nun  wird  durch  fortlaufende  Hautnaht  die  Wunde  vollständig 
geschlossen,  nicht  drainiert.  Durch  einen  Gipsverband,  der  auch 
das  Becken  mit  umfasst,  wird  das  Bein  in  Strecksteilung  ge¬ 
halten. 

Die  Hautnähte  werden  nach  10  Tagen  entfernt.  Nach 
3  Wochen  geht  Patient  im  Gipsverband;  nach  6  Wochen  wird  der 
Verband  abgenommen.  Das  Bein  bleibt  jetzt  völlig  frei;  es  wer¬ 
den  dann  fleissig  aktiv  und  passiv  Streckbewegungen  ausgeführt. 

Was  die  3  in  oben  beschriebener  Weise  operierten  Fälle  an¬ 
belangt,  so  sei  aus  den  Krankengeschichten  folgendes  kurz  hervor¬ 
gehoben  : 

Im  ersten  Falle  handelte  es  sich  um  den  12  Jahre  alten 
Knaben  Z.  Patient  litt  an  einer  schweren  Kinderlähmung,  die 
am  rechten  Bein  eine  völlige  Parese  des  Quadrizeps  mit  einer 
Beugekontraktur  des  Kniees  erzeugt  hatte.  Dabei  bestand  ein 
hochgradiger  paralytischer  Plattfnss.  Patient  vermochte  nur  mit 
Hilfe  einer  Krücke  zu  gehen. 

Nachdem  der  Plattfnss  mit  Hilfe  von  Sehnentransplantation 
beseitigt  worden  war,  wurde  am  31.  V.  1901  der  Ersatz  des  Qua- 
drizeps,  wie  oben  beschrieben,  in  Chloroformnarkose  ausgeführt. 

Temp.  nach  der  Operation  normal,  Schmerzen  nicht  vor¬ 
handen. 

Am  IS.  VI.  werden  die  Nähte  entfernt.  Wunde  ist  p.  p.  ge¬ 
heilt;  neuer  Gipsverband. 

Am  22.  VI.  Gips  verband  Wechsel. 

Am  2.  VII.  wird  Pat.  aus  der  Klinik  entlassen. 

Nach  Entfernung  des  Gipsverbandes  wird  Patient  mit  Massage 
und  gymnastischen  Uebungen  noch  einige  Zeit  weiter  behandelt. 

Der  Knabe  wurde  am  1.  II.  1902  der  Dresdener  Gesellschaft 
für  Natur-  und  Heilkunde  vorgestellt.  Er  zeigt  vollständig  aktive 
Streckfähigkeit  des  operierten  Beines  und  geht  ohne  Stütze. 

Tn  Fall  2  handelt  es  sich  um  einen  7jährigen  Knaben  II. 
Vorher  war  die  Korrektion  eines  paralytischen  Klumpfusses  aus¬ 
geführt  worden.  Der  Knabe  trug  wegen  vollständiger  Quadrizeps- 
lühmung  einen  Schienenhülsenapparat  mit  künstlichem  Quadrizeps. 

Am  8.  VI.  1901  Operation  in  Chloroformnarkose  wie  oben. 
Der  Sartorius  zeigt  eine  gut  rotbraune  Farbe. 

Befinden  nach  der  Operation  gut.  Schmerzen  sind  nicht  vor¬ 
handen.  Temp.  ist  normal. 

Am  2G.  VI.  Entfernung  der  Nähte.  Die  Wunde  ist  reaktions¬ 
los  geheilt.  Neuer  Gipsverband. 

Am  27.  VI.  Gips  verband  Wechsel. 

Am  18.  VII.  wird  der  Gipsverband  entfernt  und  Patient  von 
jetzt  ab  mit  Massage,  aktiven  und  passiven  Streckbewegungen 
nachbehandelt. 

Auch  in  diesem  Falle  ist  der  Erfolg  der  Operation  ein  voll¬ 
ständiger  gewesen.  Patient  kann  sein  Bein  im  Knie  aktiv  voll¬ 
ständig  strecken  und  geht  ohne  jede  Unterstützung.  Er  wurde 
am  obengenannten  Tage  ebenfalls  der  hiesigen  Gesellschaft  für 
Natur-  und  Heilkunde  vorgestellt. 

Der  erst  vor  kurzem  operierte  3.  Fall  betrifft  einen  12  Jahre 
alten  Knaben,  G.  B.,  mit  einer  seit  seinem  2.  Lebensjahre  be¬ 
stehenden  Lähmung  des  linken  Beines.  Bei  dem  im  übrigen  recht 
gesund  aussehenden  Knaben  zeigt  der  linke  Ober-  und  Unter¬ 
schenkel  eine  erhebliche  Atrophie  der  Muskulatur.  Besonders  be¬ 
troffen  ist  der  Quadrizeps,  der  sich  sehr  dünn  und  weich  anfühlt. 
Patient  kann  sein  Bein  nicht  aktiv  im  Knie  strecken,  bei  empor¬ 
gehobenem  Oberschenkel  fällt  der  Unterschenkel  schlaff  herab. 
Im  Knie  ist  eine  leichte  Beugekontraktur  vorhanden.  Kniebeuger 
sind  kräftig.  Zu  gehen  ist  ihm  nur  mit  Hilfe  einer  Krücke  mög¬ 
lich,  wobei  das  Bein  nur  schleift.  Ausserdem  besteht  ein  para¬ 
lytischer  Klumpfuss  hohen  Grades. 

Nachdem  am  27.  II.  1902  die  Operation  am  Fusse  vorgenoimnen 
ist,  wird  am  14.  III.  1902  die  Transplantation  am  Oberschenkel 
ausgeführt.  Bei  der  Operation  zeigt  sich  der  Vastus  internus 
noch  zum  Teil  erhalten;  eine  Funktion  desselben  war  nicht  nach¬ 
weisbar  gewesen. 

Am  22.  III.  1902  Entfernung  der  Nähte,  Wunde  p.  p.  geheilt; 
Gipsverband. 

Am  28.  IV.  1902  wird  der  Gipsverband  abgenommen. 

Patient  ist  jetzt  im  stände,  im  Knie  leichte  Streckbewegung 
auszuführen.  Die  Narbe  ist  auf  dem  überpflanzten  Muskel  zum 
Teil  angewachsen,  man  sieht  an  ihr  während  der  Extensions- 
bewegung  den  Zug  der  Muskeln.  Die  Streckfähigkeit  des  Beines 
mehrt  sich  von  Tag  zu  Tag.  während  Patient  mit  Massage,  Fara- 
disation  und  gymnastischen  Uebungen  weiterbehandelt  wird,  so 
dass  das  Bein  jetzt,  9  Wochen  nach  der  Operation,  schon  ziemlich 
gerade  extendiert  werden  kann.  Patient  geht  ohne  jede  Stütze. 

Ein  weiterer  Fall  von  Sehnentransplantation  bei  doppelseitiger 
Quadrizepslähmung  ist  erst  vor  ganz  kurzer  Zeit  ausgeführt  bei 
einem  7  jährigen  Mädchen.  Da  Patientin  sich  noch  im  Gipsver- 


14.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1705 


band  befindet,  lässt  sich  über  das  Resultat  der  Operation  noch 
kein  Urteil  abgeben.  Bemerkenswert  ist  an  dem  Fall  dass  säch 
dei  Tensoi  fasciae  latae  besonders  kräftig  erwies,  sowohl  funk¬ 
tionell,  indem  Pat.  das  Bein  durch  Anspannung  des  Tensor  seitlich 
emporhob,  als  auch  bei  der  Okularinspektion  während  derOperation 
Die  Faszie  war  hier  in  einen  dicken,  derben,  flachrundlichen  Strang 
umgeAvandelt,  der  beinahe  einer  Sehne  glich  und  infolgedessen 
an  Stelle  des  Bizeps  zum  Ersatz  herangezogen  wurde. 

Die  Ansicht,  dass  bei  der  Lähmung-  des  Quadrizeps  der  Sar¬ 
torius  meist-  mitbetroffen,  und  infolgedessen  nicht  zur  Transplan¬ 
tation  zu  verwenden  sei,  hat  sich  in  unseren  Fällen  nicht  bestätigt 
gefunden.  Wir  fanden  in  allen  unseren  Fällen  den  Muskel  stark, 
kräftig  und  von  guter  brauner  Farbe. 


Nachtrag  bei  der  Korrektur  am  12.  S  e  p  t.  1902. 

Bei  Tall  o  hat  sich  bisher  noch  eine  kleine  Zunahme  der 
Streckfähigkeit  eingestellt. 

In  dem  zuletzt  erwähnten  Falle  konnten  wir  nach  einer  Ende 
August  vorgenommenen  Untersuchung  den  gewünschten  Erfolg 
der  Operation  feststellen.  Patientin  geht  ohne  Stütze  frei  umher, 
wenn  auch  noch  mit  geringer  Ausdauer. 


Zum  Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und 

Unfallskranken. 

Bemerkungen  zu  dem  Artikel  von  Hofrat  Dr.  R.  v.  H  o  e  s  s  1  i  n 
in  No.  37  dieser  Wochenschrift. 

Von  Stabsarzt  Dr.  Otto  Niedner  (I.  med.  Universitäts¬ 
klinik  in  Berlin). 

Bei  dem  grossen  Interesse,  welches  die  richtige  Beurteilung 
der  Unfallkranken,  insbesondere  auch  der  Simulanten,  für  alle 
wirklich  Unfallkranken,  wie  für  das  Ansehen  des  ärztlichen 
Standes  hat,  ist  es  sicherlich  sehr  dankenswert,  wenn  die  Er¬ 
fahrungen  solcher  Aerzte,  welche  viel  mit  Unfallkranken  zu  tun 
haben,  weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht  werden,  um  das 
Rüstzeug  letzterer  gegen  Täuschung  von  seiten  der  Kranken  zu 
bereichern.  Denn  je  einfacher  die  zur  Entlarvung  von  Simulation 
geeigneten  Mittel  sind,  desto  eher  werden  sie  schon  bei  der  ersten 
Beurteilung  des  Kentenbewerbers  richtig  angewandt  und  zur 
schnellen  Entscheidung  des  Streitfalles  verwertet  werden  können. 

Auch  das  vom  Verfasser  des  oben  erwähnten  Aufsatzes  em¬ 
pfohlene  Symptom  (die  paradoxe  Kontraktion  der  Antagonisten) 
erscheint  sehr  geeignet,  Simulation  oder  wenigstens  gewollte 
Aggravation  der  Beschwerden  des  zu  Untersuchenden  objektiv 
nachzuweisen,  und  ist  von  mir  auch  schon  wiederhol^  mit  Erfolg 
bei  der  Begutachtung  entsprechender  Fälle  verwertet  worden. 
Andrerseits  konnte  ich  mich  doch  bei  Lektüre  des  genannten  Ar¬ 
tikels  des  Eindruckes  nicht  erwehren,  als  ob  dem  Symptom  eine 
zu  hohe  Bedeutung  insofern  beigemessen  würde,  ais  diejenigen 
Fälle  unberücksichtigt  geblieben  sind,  in  denen  neben  einem 
sicheren  objektiven  Befrmd  dennoch  deutlich  nachweisbare  Simu¬ 
lation  vorliegt,  und  ich  glaube  wohl,  dass  jedem,  der  viel  mit 
Unfallbegutachtung  zu  tun  hat,  schon  derartige  Fälle  vorgekommen 
sind. 

Gerade  der  Satz:  ,,Bei  allen  denjenigen  Unfallkranken,  bei 
denen  der  objektive  Befund  die  von  den  Kranken  angegebenen 
Beschwerden  erklärt,  habe  ich  das  Symptom  der  paradoxen  Kon¬ 
traktion  der  Antagonisten  regelmässig  vermisst“,  steht  u.  a.  auch 
zu  einem  erst  vor  kurzer  Zeit  beobachteten,  recht  eklatanten  Fall 
in  Widerspruch,  welchen  ich  —  der  Aufforderung  des  Herrn  Ver¬ 
fassers  zu  weiterer  Prüfung  der  von  ihm  angeregten  Frage  fol¬ 
gend  —  hier  kurz  erwähnen  möchte. 

Es  handelte  sich  um  einen  42  jährigen  Arbeiter,  welcher 
14  Monate  vor  seiner  jetzigen  Begutachtung  beim  Balkentragen 
dadurch  einen  Unfall  erlitten  hatte,  dass  ihm  infolge  vorzeitigen 
Loslassens  der  anderen  Träger  der  Balken  auf  die  Schulter  wuch¬ 
tete  und  angeblich  eine  Luxation  der  letzteren  herbeiführte.  Die 
Luxation  soll  auf  einer  Unfallstation  sofort  reponiert  worden  sein, 
doch  waren  Beweise  für  diese  Angaben  nicht  mehr  zu  erbringen. 
Der  Kranke  wurde  alsdann  wochenlang  mit  festen  Verbänden, 
Massage  und  Elektrisieren  behandelt  und  übernahm  dann,  da  er 
den  verletzten  Arm  angeblich  gar  nicht  gebrauchen  konnte,  aus¬ 
hilfsweise  Botendienste.  Da  er  Rentenansprüche  erhob,  wurde 
er  im  Laufe  der  folgenden  Zeit  wiederholt  von  verschiedenen 
Aerzten  untersucht  und  begutachtet.  Die  anfänglich  gewährte 
hohe  Rente  wurde  ihm  bald  gekürzt,  „da  objektiv  nichts  mehr 
nachzuweisen  sei  ausser  einem  leichten  Knurpsen  in  dem  Schulter¬ 
gelenk  und  da  der  Arm  gut  beweglich  sei.  Die  noch  vorhandenen 
Schmerzen  würden  sich  bald  geben.“  Andere  Gutachter  schlossen 
sieh  dieser  Beurteilung  an,  während  ein  vom  Kranken  privatim 
konsultierter  Arzt  ein  Zeugnis  dahin  lautend  ausstellte,  dass  der 
Arm  in  seiner  Beweglichkeit  ungemein  beeinträchtigt  sei,  dass 
Parese  der  linksseitigen  Armmuskeln  bestehe  und  dass  daher  eine 
Verletzung  des  Armnervenplexus  angenommen  werden  müsse. 
Der  Kranke  wurde  behufs  genauer  Beobachtung  und  endgültiger 
Beurteilung  in  die  Klinik  aufgenommen.  Er  trug  die  linke  —  an- 

No.  41. 


geblich  kranke  —  Schulter  sehr  hoch  und  zeigte  bei  der  geringsten 
Bewegung  des  Armes,  ja  selbst  bei  einfacher  Betastung  der 
Schulter  die  lebhaftesten  Schmerzäusserungen.  Er  lag  im  Bett 
nur  auf  der  rechten  Seite,  da.  er  beim  Liegen  auf  der  Linken  un¬ 
erträgliche  Schmerzen  verspüre,  und  vermied  peinlich  auch  den 
geringsten  Gebrauch  des  linken  Armes.  Bald  "wurde  ihm  nach¬ 
gewiesen,  dass  er  stundenlang  Nachts  auf  der  erkrankten  Seite 
fest  schlief;  doch  markierte  er  die  Gebrauchsunfähigkeit  des 
Armes  weiterhin  mit  seltener  Ausdauer  und  grossem  Geschick. 
Passiven  und  aktiven  Motilitätsprüfungen  setzte  er  den  grössten 
Widerstand  entgegen  und  zeigte  das  von  v.  H  o  e  s  s  1  i  n  be¬ 
schriebene  Symptom  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antago¬ 
nisten  bei  allen  Untersuchungen  in  so  markanter  Weise, 
dass  ich  es  seinerzeit  wiederholt  einem  weiteren  Kreise 
demonstriert  habe.  Er  hielt  an  diesem  Symptom  auch 
fest,  als  er  bezüglich  seiner  falschen  Angaben  über  Schmerz¬ 
empfindungen  und  bezüglich  anfänglich  simulierter  Sensibilitäts¬ 
störungen  der  Täuschung  schon  überführt  war.  Da  die  Masse  der 
linksseitigen  Muskulatur  kaum  hinter  denen  der  rechtsseitigen 
(trotz  des  12  monatigen  Bestehens  der  Verletzung)  zurückstanden  und 
objektiv  nur  eine  Abflachung  der  Portio  cost.  des  M.  pectoralis 
major,  sowie  eine  geringe  Herabsetzung  der  elektrischen  Erreg¬ 
barkeit  des  linken  M.  triceps  nachweisbar  war,  hätte  die  Ver¬ 
suchung,  den  der  offenbaren  Simulation  mehrfach  überführten 
Mann  als  Simulant  mit  seinen  Klagen  abzuweisen,  recht  nahe  ge¬ 
legen,  wenn  nicht  eine  genaue  Untersuchung  mit  Röntgenstrahlen 
noch  zuletzt  ein  überraschendes  Ergebnis  gezeitigt  hätte.  Es  zeigte 
sich  nämlich,  dass  das  linke  Tuberculum  maj.  grösstenteils  abge¬ 
sprengt  war,  dass  sich  in  der  Gegend  des  Collum  anatomicum  und 
tuberculum  minus  eine  Deformität  des  Knochens  befand,  und  end¬ 
lich  wies  die  Gelenkkapsel  an  mehreren  Stellen  Schattenbildungen 
auf,  welche  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als  verknöcherte  Ein¬ 
lagerungen  gedeutet  werden  konnten.  Den  objektiven  Nachweis 
dieser  Veränderungen  durch  Palpation,  durch  aktive  und  passive 
Bewegungen  hatte  der  Kranke  durch  sein  Widerstreben  vereitelt, 
vielleicht  wäre  durch  diese  Methoden  auch  gar  nicht  alles  zu  er¬ 
mitteln  gewesen;  und  doch  war  es  nun  erwiesen,  dass  eine  ganz 
wesentliche  Schädigung  des  verletzten  Armes  —  des  Gelenkes  so¬ 
wohl  als  der  Muskulatur  —  vorlag. 

Dieser  Fall  erscheint  mir  erwähnenswert,  weil  trotz  mehr¬ 
fach  nachgewiesener  Simulation,  trotz  des  deutlich  vor¬ 
handenen  Symptoms  der  paradoxen  Kontrak¬ 
tion  der  Antagonisten  eine  schwere  organische 
Veränderung  bestand.  Also  mit  dem  Nachweis  der  Simu¬ 
lation  Avar  noch  nicht  Adel  gewonnen. 

Man  könnte  sich  nun  vielleicht  auf  den  Standpunkt  stellen: 
der  Kranke  ist  angesichts  seiner  Uebertreibungen  mehrfach  in 
Ruhe  ermahnt  worden,  in  seinem  eigenen  Interesse  jeden  Täu- 
schungs versuch  zu  ATermeiden,  wenn  er  dies  trotzdem  nicht  tut, 
so  hat  er  sich  die  Folgen  seines  unredlichen  Verfahren  selbst  zu¬ 
zuschreiben.  Aber  was  hat  denn  den  Kranken  zur  Simulation  ge¬ 
trieben  ? 

Im  Beginn  seines  Leidens  hatte  er,  nach  den  damaligen  Be¬ 
richten  offenbar  nicht  simuliert  und  dadurch  Veranlassung  ge¬ 
geben,  dass  bei  oberflächlicher  Untersuchung  sein  Leiden  erheb¬ 
lich  unterschätzt  wurde.  Von  der  Grösse  der  ihm  wiederfahrenen 
Schädigung  überzeugt,  übt  er  sich  nun  darin,  die  völlige  Ge¬ 
brauchsunfähigkeit  des  Armes  zu  markieren — -mit  dem  Erfolg,  dass 
er  von  einem  privatim  konsultierten  Arzt  ein  Attest  erhält,  welches 
bei  schneller  Untersuchung  zAvar  zu  falschen  Annahmen  führt, 
die  Schädigung  des  Mannes  jedoch  —  Avenn  auch  infolge  doppelter 
Missverständnisse  —  im  allgemeinen  richtig  Avürdigt.  Dass  ein 
Kranker  mit  solchen  Erfahrungen,  welchen  angesichts  seiner  In- 
A'alidität  die  Sorge  um  seine  Zukunft  und  seine  Familie  zum 
äussersten  drängt,  simuliert,  dürfte  psychologisch  überaus  ver-  - 
stündlich  und  — -  verzeihlich  sein.  Ich  glaube  daher  nicht,  dass 
Avir  mit  solchem  Kranken  allzu  streng  ins  Gericht  gehen  dürfen. 

Es  liegt  mir  natürlich  fern,  den  Adelen  begutachtenden  Aerzten 
aus  der  unzutreffenden  Beurteilung  des  Falles  einen  Vorwurf  kon¬ 
struieren  zu  AArollen:  sie  konnten  nach  den  ihnen  zu  Gebote  stehen¬ 
den  Hilfsmitteln  avoIiI  schwerlich  anders  urteilen.  Der  Fehler 
dürfte  vielmehr  darin  liegen,  dass  bisweilen  ein  und  derselbe  Fall 
—  selbst  Avenn  schon  divergierende  Urteile  ATorliegen  —  noch 
Aveiterhin  anderen  Aerzten  zur  einmaligen  Untersuchung  und  Be¬ 
urteilung  zugeschickt  wird.  Hat  sich  durch  Avesentlich  diffe¬ 
rierende  Begutachtung  ergeben,  dass  ein  Fall  besondere  SchAvierig- 
keiten  bietet,  so  dürfte  eine  Klarstellung  der  Verhältnisse  im  all¬ 
gemeinen  wohl  nur  dann  zu  envarten  sein,  wenn  der  nächste  Gut¬ 
achter  entweder  durch  Beobachtung  und  wiederholte  Unter¬ 
suchung  oder  durch  Anwendung  grösserer  Hilfsmittel  (in  unserem 
Fall  Röntgenuntersuchung  und  eventuell  Narkose)  in  die  Lage  ver¬ 
setzt  ist,  einen  wirklichen  Fortschritt  in  die  Beurteilung  der  Sach¬ 
lage  zu  bringen.  Aufgabe  der  zuerst  untersuchenden  Aerzte  wird 
es  allerdings  sein,  auf  die  Notwendigkeit  solcher  Untersuchungen 
in  allen  nicht  Aröllig  geklärten  Fällen  Aron  vornherein  hinzuweisen. 


5 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


1706 


Aus  der  I.  medizinischen  Universitätsklinik  in  Wien 
(Chef :  Hofrat  Prof.  N  othnagel). 

Zur  Therapie  und  Pathogenese  der  Stenokardie  und 

verwandter  Zustände. 

Zwei  Fälle  von  „intermittierender  ischämischer  Dysperistaltik“ 

(S  c  h  n  i  t  zl  e  r). 

Von  Dr.  Robert  Breuer,  klin.  Assistenten. 

(Schluss.) 

IV. 

Die  letzte  Beobachtung  bildet  einen  Uebergang  zu  2  Fällen, 
die  ich  mir  erlauben  möchte,  hier  anzufügen,  obwohl  sie  auf  den 
ersten  Blick  in  ein  ganz  anderes  Kapitel  der  Pathologie  zu  ge¬ 
hören  scheinen.  Ihrer  Mitteilung  muss  folgendes  vorausgeschickt 
werden : 

J.  Schnitzler  hat  vor  einem  Jahr  unter  dem  Titel :  „Zur 
Symptomatologie  des  Darmarterienverschlusses“  einen  sehr  inter¬ 
essanten  Krankheitsfall  veröffentlicht  und  höchst  bemerkenswerte 
Betrachtungen  daran  geknüpft.  Die  Einzelheiten  der  Kranken¬ 
geschichte  müssen  im  Original  nachgelesen  werden;  hier  sei  sie 
nur  kurz  resümiert. 

Es  handelte  sich  um  eine  55  jährige  Frau,  bei  der  seit  dem 
51.  Jahre  oft  krampfartige,  von  Erbrechen  gefolgte  Magen¬ 
schmerzen  nach  dem  Essen  aufgetreten  waren.  Im  letzten  halben 
Jahi’e  hatte  das  Erbrechen  sistiert,  aber  es  war  hartnäckige  Obsti¬ 
pation  auf  getreten  und  die  krampfartigen  Schmerzen,  die  jetzt 
mehr  imN  Unterbauch  sassen,  traten  nun  spontan,  ohne  Beziehung 
zum  Essen  auf,  waren  von  grösster  Heftigkeit  und  in  den  letzten 
Monaten  fast  kontinuierlich.  Die  Kranke  verlegte  die  Schmerzen 
in  den  Darm  und  beschrieb  sie  als  heftigste  krampfartige  Zu¬ 
sammenziehungen  und  Aufbäumungen  der  Gedärme,  doch  konnte 
nie  ein  objektives  Zeichen  eines  Hindernisses  in  der  Darmpassage 
(Steifung,  Peristaltik  eines  hypertrophischen  Darmstückes)  be¬ 
obachtet  werden.  Die  Stühle  erfolgten  nur  auf  Abführmittel,  waren 
aber  von  normalem  Aussehen.  Eine  Laparotomie  ergab  nur  ein 
paar  offenbar  bedeutungslose  lockere  Adhäsionen  um  die  einige 
Steine  enthaltende  Gallenblase,  keine  Darmstenose.  Der  Tod  er¬ 
folgte  unter  Erschöpfung,  am  Tag  vor  dem  Exitus  spontan 
ein  breiiger,  schwarzer  Stuhl. 

Die  Obduktion  ergab  allgemeine  Arteriosklerose.  Der 
Stamm  der  Art.  meseraica  sup.  durch  einen  alten 
Thrombus  nahe  ihrem  Ursprung  aus  der  Aorta 
vollkommen  verschlossen,  die  peripheren  Aeste  frei. 
Frische  hämorrhagische  Infarzierung  des 
Darms  mit  vielfachen  Ulzerationen,  Nekrosen  und  Blutungen 
der  Schleimhaut  und  des  Peritoneums  und  rezente  fibrinöse  Peri¬ 
tonitis. 

Schnitzler  meint,  und  gewiss  mit  vollem  Recht,  dass 
hier  trotz  des  alten,  offenbar  langsam  eingetretenen  throm¬ 
botischen  Verschlusses  der  Meseraica  die  arterielle  Blutversorgung 
im  Darm  durch  lange  Zeit  auf  kollateralen  Bahnen  notdürftig 
aufrecht  erhalten  worden  sei.  Erst  in  den  letzten  Tagen  sei  unter 
dem  Einfluss  der  gesunkenen  Herzkraft  die  hämorrhagische  In- 
farcierung  des  Darmes  unter  wenig  stürmischen  Erscheinungen 
aufgetreten.  Die  ausserordentlich  heftigen,  krampfartigen 
Darmschmerzen  jedoch,  welche  monatelang  vor  dem  Tode  be¬ 
standen  hatten,  bringt  er  in  Parallele  mit  der  Claudicatio  inter- 
mittens  infolge  von  vollständigem  oder  fast  vollständigem  Ver¬ 
schluss  der  Beinarterien  und  bezeichnet  das  Symptomenbild  als 
intermittierende  anämische  (besser  vielleicht  isch¬ 
ämische)  Dysperistaltik. 

Zur  Zeit  als  Schnitzlers  Veröffentlichung  erschien,  be¬ 
obachtete  ich  bei  einer  Patientin  ganz  ähnliche  Symptome,  deren 
Pathogenese  mir  aber  erst  durch  den  Obduktionsbefund  in  jenem 
Falle  verständlich  wurde.  Die  Erscheinungen,  unter  denen  bald 
darauf  der  Tod  meiner  Kranken  eintrat,  machen  es  trotz  der 
fehlenden  Autopsie  so  gut  wie  sicher,  dass  es  sich  um  ganz  ana¬ 
loge  Verhältnisse  gehandelt  habe. 

10.  Beobachtung. 

Frau  L.,  56  Jahre  alt,  Fabrikantensgattin.  Seit  jeher  sehr 
„nervös“.  Hatte  in  ihrer  Jugend  viel  unter  Appetitlosigkeit  und 
Neigung  zur  Obstipation  zu  leiden,  häufig  Migräne.  Im  Anfang 
ihrer  Ehe  (Verheiratung  mit  20  Jahren)  einige  der  Beschreibung 
nach  hysterische  Krampfanfälle.  Späterhin  war  sie  im  ganzen 
recht  gesund,  bis  sich,  ungefähr  im  Alter  von  50  Jahren,  leichte 
Herzbeschwerden  einstellten  (Dyspnoe,  besonders  Nachts;  leichte 
schmerzhafte  Empfindungen  in  der  Herzgegend,  verbunden  mit 
Angstgefühl;  Unfähigkeit  zu  steigen  oder  längere  Strecken  zu 
gehen).  In  den  letzten  Jahren  einige  schwere  nächtliche  Anfälle 
von  „Herzkrampf“  mit  Schmerzen  hinter  dem  Sternum  und 
quälender  Oppression;  nach  dem  Auf  hören  des  Anfalles  erfolgte 
jedesmal  die  Entleerung  einer  auffallend  grossen  Quantität  sehr 


hellen  „wässerigen“  Urins,  während  sonst  die  Harnentleerung 
eher  spärlich  ist. 

Seit  etwa  2  Jahren  hat  sich  nun  ausserdem  ein  eigen¬ 
tümlicher  Zustand  herausgebildet.  Es  treten  Anfälle  heftigster 
„Bauchkrämpfe“  auf,  die  von  der  Kranken  und  ihrem  Manne 
folgendermassen  geschildert  werden.  Nachdem  kurze  Zeit  un¬ 
angenehme  Empfindungen  und  lebhaftes  Kollern  im  Leibe  voraus¬ 
gegangen  sind,  setzen  plötzlich  „wüthende“  Krämpfe  im  ganzen 
Leibe,  besonders  um  den  Nabel  ein;  die  Kranke  hat  dabei  das 
Gefühl,  dass  sich  die  „Eingeweide  zusammendrehen“  und  sich 
„krampfhaft  aufbäumen  und  durcheinander  wänden“.  Ein  solcher 
Anfall  dauert  y2 — 2  Stunden;  die  Kranke  liegt  dabei  unbeweglich 
auf  dem  Rücken,  sieht  blass  und  verfallen  aus  und  schreit  manch¬ 
mal  „wie  rasend“.  Wiederholt  ist  sie  während  der  Schmerzen 
ohnmächtig  geworden,  fast  immer  besteht  zugleich  mit  den 
Ivrä mpfen  Oppressionsgefühl. 

Zugleich  mit  dem  ersten  Auftreten  der  „Bauchkrämpfe“  hat 
sich,  während  der  Stuhlgang  in  den  letzten  Dezennien  ziemlich  ge¬ 
regelt  gewesen  vrar,  hartnäckige  Obstipation  eingestellt.  Die 
Kranke  hat  fast  niemals  spontan  Stuhlgang,  sondern  muss  stets 
einnehmen.  Sowie  aber  das  Laxans  (sie  hat  alle  möglichen  ver¬ 
sucht)  zu  wirken  beginnt,  tritt  einer  der  oben  geschilderten  „Baucli- 
krämpfe“  ein.  Tat.  hat  aus  Angst  vor  den  Schmerzen  zu  Zeiten 
tagelang  nichts  getan,  um  eine  Entleerung  herbeizuführen;  seitdem 
sie  sich  aber  überzeugt  hatte,  dass  dann  schliesslich  stets  ein' 
Anfall  von  besonders  grosser  Heftigkeit  sich  einstellt,  und  dass 
nach  mehrtägiger  Verstopfung  endlich  auch  spontan  Krämpfe  auf¬ 
traten,  nimmt  sie  (seit  mehreren  Monaten)  stets  leichte  Abführ¬ 
mittel  (Cascara,  Bitterwasser),  hilft  mit  Irrigationen  nach  und 
hat  dabei  zwar  häufig,  aber  doch  weniger  schwere  Schmerzen. 
Uebrigens  treten  die  Krämpfe  manchmal  auch  ohne  Laxantia  auf; 
ein  kalter  Trunk,  etwas  Obst,  oder  „nasse  Fiisse“  haben  wieder¬ 
holt  genügt,  um  einen  Anfall  auszulösen;  mehrmals  ist  ein  solcher, 
besondei’s  in  letzter  Zeit,  auch  während  eines  kurzen  Spazierganges 
gekommen. 

Die  Darmentleerungen  zeigten  nach  Angabe  der  Kranken  und 
ihres  Arztes  niemals  Besonderheiten;  die  Stühle  waren  meistens 
hart,  knollig,  selten  kamen  nach  einigen  festeren  Skybalis  weiche, 
angeblich  stark  stinkende  Massen.  Hie  und  da  trugen  feste  Ivoth- 
knollen  an  der  Oberfläche  kleine  Streifchen  frischen  Blutes  (die 
Kranke  hat  zwei  kleine  äussere  Hämorrhoidalknoten). 

Niemals  sind  grössere  Mengen  Blutes  mit  dem  Stuhl  ab¬ 
gegangen,  nie  war  der  Stuhl  schwarz,  teerartig  oder  hat  Eiter 
oder  Schleim  in  sichtbaren  Mengen  enthalten. 

Magenbeschwerden  fehlen,  nur  nach  fetten  Speisen  zuweilen 
etwas  Aufstossen.  Der  Appetit  ist  gut;  trotzdem  isst  die  Kranke 
nur  wTenig  und  sehr  vorsichtig,  weil  sie  fürchtet,  den  Darm  zu 
beschweren  und  so  das  Auftreten  der  „Bauchkrämpfe“  zu  be¬ 
günstigen. 

Der  behandelnde  Hausarzt  hat  den  Zustand  als  „veralteten 
Darmkatarrh“  aufgefasst  und  die  verschiedensten  Behandlungs¬ 
methoden,  aber  ohne  viel  Erfolg  versucht.  Leichtere  Anfälle  er¬ 
trug  die  Kranke  unter  Applikation  feuchter  Wärme.  Während 
der  schweren  Krampfanfälle  erwiesen  sich  von  Anfang  an  grosse 
Dosen  von  Opium  oder  subkutane  Morphiuminjektionen  als  not¬ 
wendig,  die  aber  dann  jedesmal  wieder  eine  längere  Obstipation 
zurückliessen.  Trotzdem  sei  das  Morphium  unbedingt  nötig  ge¬ 
wesen;  die  Schmerzen  seien  „hundertmal  ärger  gewesen  als  bei 
einer  Entbindung“.  In  der  Zwischenzeit  zwischen  den  Anfällen 
nie  schmerzhafte  Empfindungen  im  Leibe.  Wichtig  ist  wohl  noch, 
dass  im  Krampfanfall  weder  der  Mann  der  Kranken,  der  die 
Patientin  pflegte  und  genau  beobachtete,  noch  der  Arzt,  der  sie 
jedesmal  während  der  Schmerzen  sali,  am  Abdomen  irgend  etwas 
von  Bewegung  und  Steifung  der  Därme  beobachtet  haben;  wäli- 
rend  die  Kranke  auf  das  heftigste  über  das  „Zusammendrehen“ 
der  Därme  klagte,  sei  der  Bauch  etwas  auf  getrieben,  aber  nie  sei 
eine  Bewegung  der  Därme  zu  bemerken  gewesen. 

In  früheren  Zeiten  reichlicher  Biergenuss;  kein  Anhaltspunkt 
für  Lues.  Menopause  seit  dem  47.  Jahr. 

Bei  der  Untersuchung  in  der  anfallsfreien  Zeit  ergab  sich  fol¬ 
gender  Status:  Grosse,  kräftig  gebaute,  offenbar  abgemagerte 
Frau,  blass  und  ganz  leicht  cyanotisch,  aber  nicht  kachektisch 
gefärbt,  kein  Ikterus.  Sehr  lebhaft  und  nervös;  keine  hysterischen 
Stigmata.  Radial-  und  Temporalarterien  etwas  hart,  leicht  ge¬ 
schlängelt,  Pulsspannung  nicht  wesentlich  vermehrt.  Leichte 
Knöchelödeme.  Herzaktion  zeigt  leichte  Arhythmie,  Spitzenstoss 
nicht  deutlich  palpabel,  Herzdämpfung  klein  (Lungenblähung!), 
2.  Aortenton  nicht  akzentuiert,  aber  klingend.  Lungen  gebläht, 
über  beiden  Unterlappen  bronchitisehe  Geräusche.  Harn  konzen¬ 
triert,  enthält  Spuren  von  Albuinen  und  0,5  Proz.  Zucker.  Bauch¬ 
decken  äusserst  schlaff;  es  lässt  sich  mit  Leichtigkeit  die  AVirbel 
säule  durchtasten.  Druck  auf  die  Bauchaorta  empfindlich,  ebenso 
der  Druck  an  verschiedenen  Stellen  in  der  Nähe  des  Nabels. 
Keine  auffallende  Dilatation  oder  Härte  der  Aorta  abdominalis. 
Magen,  Leber  und  beide  Nieren  etwas  tiefstehend,  die  Leber  wohl 
auch  etwas  geschwollen,  plumper.  Därme  etwas  gebläht,  hie 
und  da  eine  Andeutung  von  normaler  Peristaltik  durch  die 
schlaffen  Bauchdecken  sichtbar.  Keine  Spur  von  Darmsteifung 
oder  pathologischer  Peristaltik  auslösbar.  Nirgends  eine  abnorme 
Resistenz.  Rektum  frei. 

Die  Kranke  machte  ohne  viel  Erfolg  eine  Karlsbader  Kur 
durch  und  befand  sich  dann  unter  Belladonnagebrauch  ein  Jahr 
halbwegs  erträglich;  es  traten  zwar  häufig  und  manchesmal  sehr 
intensive  Krampfanfälle  auf,  aber  im  ganzen  wrar  der  Zustand 
doch  leidlicher  geworden.  Von  nächtlichem  Oppressionsgefühl 
und  sporadisch  auftretenden  Herzkrämpfen  wurde  die  Kranke 


14.  Oktober  1902. 


Äff  mehr  Se<IUäI‘  a‘S  ,rthCT-  Z,,ckel'  *lt  Karlsbad 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1707 


.  ,  .Jakr  nach  meiner  ersten  Untersuchung  erhielt 

ich  die  Nachricht,  dass  die  Patientin  nach  1  wöchentlicher 
schwerer  Krankheit  unter  folgenden  Umständen  gestorben  sei- 
Die  „Bauchkrampfe*  hatten  seit  einigen  Wochen  Nachgelassen" 
kamen  seltener  und  weniger  intensiv  und  die  Kranke wär  S 
Beg-ntte  eine  Reise  anzutreten,  als  sich  wieder  ein  aussei  ordentlich 
heftiger  Anfall  von  mehrstündiger  Dauer  einstellte.  Daran  schloss 
®in  ^  oder  6  Ta&e  dauernder  Zustand  qualvollsten  Leidens 
Dl®  ,I]vra°ke  batte  täglich  mehrere,  bis  zu  8,  schwerste  Krampf¬ 
anfalle,  die  fast  kontinuierlich  ineinander  übergingen  und  durch 
Morphiuminjektionen  kaum  gelindert  werden  konnten-  dabei  be 
tand  Obstipation  und  nur  durch  Abführmittel  konnten  kleine 
Mengen  normal  aussehenden  Stuhles  erzielt  werden.  Der  Vpnetit 
ag  vollständig  darnieder  und  die  Kranke  kam  rapid  herunter 
Die  Schmerzen  hatten  vollkommen  den  alten  Charakter  auch Netzt 
SiCkt'  °dCT  «“baren  DarmkontrSnä  Ä 
achtet.  Schliesslich  trat  Auftreibung  des  Leibes,  wiederholtes 
Erbrechen  galliger  Massen,  Fieber  und  rapider  Verfall  ein  so 
dass  der  Arzt  an  eine  akute  Peritonitis  dachte;  nach  mehreren 
Stunden  erfolgte  dann  der  Exitus.  Kurze  Zeit  vor  dem  Sd! 
entleerten  sich  in  wiederholten  Schüben  spontan  reichlich 

»Sr  n'  ■ teerartige  Masseu'  <»•  wVÄt 

Eine  Obduktion  ist  nicht  vorgenommen  worden. 

Diese  Krankengeschichte  ist  der  von  .Schnitzler  mit¬ 
geteilten  so  ausserordentlich  ähnlich,  insbesondere  stimmen  die 
Schmerzen  und  der  schliesslich«  Ausgang  in  beiden  Fällen  so 
sehr  überein,  dass  mir  an  der  Analogie  der  zu  gründe  liegenden 
Prozesse  ein  Zweifel  kaum  möglich  scheint.  Ich  habe  bereits  er- 
wahnt,  dass  bis  zu  dem  eigentümlichen  Ende  das  Krankheitsbild 
völlig  unklar  gewesen  war:  das  konstante  Fehlen  aller  Ste¬ 
noseerscheinungen  machte  das,  Bestehen  eines  mechanischen 
mdernisses  höchst  unwahrscheinlich ;  die  Schmerzanfälle  waren 
so  furchtbar  schwerer  Art,  dass  etwa  an  eine  „spastische  Obsti¬ 
pation“  nicht  wohl  gedacht  werden  konnte.  Und  so  blieb  zu¬ 
nächst  nicht  viel  anderes  übrig,  als  die  Annahme  eines  jener 
eigentümlichen  Fähe  von  rätselhaften  Darmkoliken  ohne  nach¬ 
weisbare  Stenose,  die  Nothnagel  beschreibt,  und  die  er 
i  dem  Mangel  jeder  anderen  Erklärung  als  nervöse  Enteralgien 
auf  fassen .  möchte.  S  c  h  n  i  t  z  1  er  wirft  die  Frage  auf,  ob  nicht 
manche  dieser  Fälle  bei  älteren  Personen  als  die  Folgen  von  Ge- 
fässveränderungen  nach  Art  des  intermittierenden  Hinkens  zu 
deuten  seien.  In  meinem  Fall  scheint  mir  diese  Auffassung 
durch  die  sicher  bestehende  Arteriosklerose  und  die  anginösen 
Beschwerden  (Koronarsklerose?)  gestützt;  der  Ausgang' unter  den 
Erscheinungen  der  Darmparese  und  Peritonitis  mit  blutigen  Ent¬ 
leerungen  macht  sie  trotz  der  fehlenden  Leichenöffnung  so  gut 
wie  sicher.  Man  wird  sich  vielleicht  vorstellen  können,  dass  hier 
di®  Blutversorgung  des  Darmes  durch  länge  Zeit  keine  so  ganz 
schlechte  wie  in  Schnitzlers  Fall  gewesen,  dass  der  Haupt¬ 
stamm  der  Mesaraica  hier  vielleicht  nur  hochgradig  verengt  ge¬ 
wesen  oder  nur  kleinere  Aeste  betroffen  gewesen  seien,  und  dass 
erst  m  der  letzten  Zeit  ein  vollkommener  Verschluss  mit  seinen 
folgen  sich  ausgebildet  habe  —  viel  Wert  haben  derartige  Ver¬ 
mutungen  ja  nicht. 

Schnitzler  hat  aus  der  Literatur  einige  Fälle  von 
I hrombose  der  Darmarterien  (von  Lepine,  Hasenfeld 
u.  a.)  zusammengestellt,  in  denen  die  heftigen  Kolikschmerzen 
zwar  von  den  Autoren  in  anderer  Weise  aufgefasst  wurden,  aber 
oltenbar  richtig  als  „ischämische  Dysperistaltik“  zu  deuten  sind. 

Er  erwähnt  auch  die  Aehnlichkeit  mit  den  Koliken,  wie  sie  bei 
ierden  mit  Aneurysmen  der  Darmarterien  beobachtet  werden. 

Ich  moche  dem  hinzufügen,  dass,  wie  die  Durchsicht  der  Litera¬ 
tur  zeigt,  auch  b  e  i  m  M  e  n  s  c  h  e  n  in  den  Fällen  von  Aneu¬ 
rysmen  der  Gekrösarterien,  resp.  in  den  häufigeren, 
woemAneurysmaderBauchaorta  in  der  Gegend  des 
Abgangs  der  Mesaraica  sitzt,  über  ganz  ähnliche,  lange  an¬ 
dauer  n  d  e,  s  c  h  w  e  r  s  t  e  k  o  1  i  k  a  r  t  i  g  e  D  a  r  m  s  c  li  m  e  r - 

z  e  n  berichtet  wird. 

r  b  Scllni1tzler  spricht  die  Vermutung  aus,  dass  sich  ähn- 
bebe  Beobachtungen,  wie  die  seine,  nicht  so  selten  werden  machen 
lassen,  und  erwähnt,  dass  er  nach  dem  oben  zitierten  Fall  noch 
Kranke  beobachtet  habe,  bei  denen  er,  allerdings  ohne  durch  den 
Obduktionsbefund  gestützt  zu  sein,  ähnliche  Verhältnisse  habe 
annehmen  müssen. 

Ich  hatte  vor  Kurzem  Gelegenheit  eine  Kranke  wiederholt 
zu  sehen,  bei  der  mir  die  gleiche  Annahme  gerechtfertigt  er¬ 


scheint,  und  deren  Krankengeschichte  aus  einem  bestimmten 
Grunde  hier  noch  mitgeteilt  sei. 

11.  Beobachtung. 

65  jährige  Frau,  Kaufmannswitwe.  Leidet  seit  mehrerpn 

skää»  ääSI«? 

schmerzhafte  Krampfanfälle  im  Leibe  auf  ‘  IpTgNI  w  u  N'1- 
Ga«H.  als  ol,  sich  die  Därme  ln  d«  ÄÄfÄ 

WÄ.,  Ausst  »der  OmresslL^efühTfehl  W 

u lesen  Anruiien.  Die  Schmerzen  sind  sehr  heftisr  von  P-cwÄhn 

Änrten  Ws’  V1  Stirn, UlT11'6  nN  ?aDZ  versckie<ien;  sie  dauern 
-  i  nuten  llls  Va  Stunde  lang.  Dabei  fühlt  sie  sich  ausserordent- 

‘d1  elend  und  matt.  Die  Anfälle  kommen  spontan,  besonders  am 

rnN'  vnitmg’  °  "J6  Stuiulcn  nacl1  dem  Mittagessen,  manchmal  auch 
des  Juchts  und  am  frühen  Morgen;  die  Kranke  selbst  bringt  sie 
int  der  Arbeit  der  Därme  in  Zusammenhang  und  will  beobachtet 
iahen  dass  sie  regelmässig  nach  Gebrauch  von  Abführmitteln 

wendem115  msbesoudere  Senua  könne  sie  deswegen  gar  nicht  an- 

V  ähiend  der  Krämpfe  sei  am  Leibe  von  aussen  trotz  heftia-er 
Schmerzen  nichts  zu  sehen  oder  zu  fühlen.  Der  Stuhlgang  se7 
wie  erwähnt,  angehalten,  doch  sähen  die  Entleerung Normal 

sssz 

tmerter,  klingender  Aortenton,  keine  Arhythmie.  Lungenbefuml 
normal  bis  auf  leichtes  Volumen  auctum.  Im  Urin  nichts  Abnormes. 
.....  ,.Im  Abdomen  trotz  schlaffer  Bauchdecken  nichts  Abnormes 
IN.lnfN  A(!rt:l  d®utlick  zu  tasten-  zeigt  lebhaftes  Spritzgeräusch 
Nabe/  1  VN-istn  hil-  emPfindkch’  besonders  in  der  Gegend  über  dem 
v/,v,-T,k„  Pw  S  lt  kF  dei\  Darmsteifung  absolut  nicht  zu  pro¬ 
vozieren.  Rektum  frei.  Genitaluntersuchung  ergibt  bis  auf  senile 

diN0inp,h0rmalen  ,Befrd-  Ein  Stub1’  de*  ick  untersuchte^ 

Sonderheiten  geformt’  ziemlich  fest,  zeigte  sonst  keine  Be- 

Es  ist  ja  nach  den  vorstehenden  Erfahrungen  nicht 
unwahrscheinlich ,  dass  auch  in  diesem  Falle  arterio¬ 
sklerotische  Veränderungen  in  den  Abdominalgefässen  zu 
„ischämischen  Schmerzen“  bei  der  Peristaltik  geführt  haben;  trotz¬ 
dem  hatte  ich  diese  Beobachtung  hier  nicht  reproduziert,  wenn 
nicht  ein  therapeutischer  Versuch  ein  bemerkenswertes  Resultat 
ergeben  hätte. 

nvn  „waLin  verschiedenster  Art,  zuletzt  (wahrschein¬ 

lich  wegen  Verdachtes  auf  Hypersecretio  resp.  Hyperaciditas 

mit  Karlsbadf  Salz  und  grossen  Quantitäten  Soda  mit 
entschiedenem  Misserfolg  behandelt  worden.  Der  Stuhlgan»-  wurde 

h-Nfi'feSeNaSS^er’  doch  traten  die  Krämpfe  im  Bauch  um  so 
hauflgci  uncl  quaiender  auf.  —  Nachdem  ich  zunächst  durch  Re¬ 
gelung  der  Diät  und  Belladonna  nur  sehr  geringen  Erfolg  erzielt 
hatte,  versuchte  ich,  die  Kranke  Diuretin  nehmen  zu  lassen 
und  zwar  3  g  pro  die.  Nach  14  Tagen  meldete  sie  mir,  dass  sie 
wahrend  der  letzten  beiden  Wochen  im  ganzen 

v  G11r  er'Cbtepn  ®  c  h  m  e  rz  a  n  f  a  1 1  gehabt  habe,  während 
vorher  die  Krampfe  täglich  wenigstens  einmal  aufgetreten  waren. 
Dabe1  lebe  sie  im  übrigen  ganz  wie  sonst.  Der  Stuhl  sei  re^el- 
nnisssiger,  doch  könne  sie  nun  auch  Abführmittel  nehmen,  ohne 
Schmerzen  zu  bekommen.  Auch  die  nächtlichen  Oppressions- 
empfindungen  haben  seit  der  Diuretinmedikation  aufgehört 

halten  t6rhin  babe  i<?h  V°n  der  Krankeu  keine  Nachricht  er- 

Der  prompte  Erfolg  des  Diuretins  in  diesem  Falle  macht  es 
wohl  sicher,  dass  es  sich  auch  hier  um  keine  echten  Darmkolikeil, 
sondern  um  Schmerzen  auf  arterieller  Basis  ge¬ 
handelt  habe. 

Ein  ganz  ähnlicher,  gleichfalls  durch  den  Erfolg  der 
Idierapie  bemerkenswerter  lall  wird  mir  von  befreundeter  Seite 
zur  Verfügung  gestellt. 

v  /Voriger  Mann  mit  Arteriosklerose,  Hypertrophie  des  linken 
Ventrikels.  Seit  Wochen  heftigste,  in  der  letzten  Zeit  fast  kon¬ 
tinuierliche  Schmerzen  im  ganzen  Abdomen  von  „blähendem“ 
Gharakter.  Stuhlverhältnisse  normal.  Keine  Herzbeschwerden 

Anderweitige  Therapie  erfolglos.  3,0  Diuretin  pro  die 
beseitigt  die  Schmerzen.  Jeder  Versuch,  das  Medikament 
auszusetzen  oder  auf  1,0 — 2,0  pro  die  herunterzugehen  bewirkt  am 
selben  oder  am  nächsten  Tag  heftiges  Einsetzen  der  alten  Schmer¬ 
zen.  So  nahm  der  Krankfe  durch  %  Jahre  ununterbrochen 
3,0,  manchmal  auch  4,0  Diuretin.  Tod  in  einem  Anfall  von  Herz¬ 
insuffizienz. 

Wie  man  sieht,  scheinen  liier  alle  Kombinationen  zwischen 
Schmerzen  und  muskulären  Insuffizienzerscheinungen  vor¬ 
zukommen. 

V. 

Die  im  Vorstehenden  referierten  Krankheitsfälle  bilden 
eine  Leihe,  die  von  reinen  Stenokardien  mit  verschiedenen 
TL  bei gä ngen  bis  zu  Schmerzanfällen  reicht,  die  von  Kranken  in 

5* 


1708 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


die  Schulter  resp.  in  den  Magen  und  Darm  lokalisiert  werden. 
Die  letzten  weisen  keine  Züge  des  Anginafalles  mehr  auf.  Alle 
diese  Zustände  haben  in  therapeutischer  Beziehung  das  Gemein¬ 
same,  dass  sie  durch  Diuretin  gebessert  resp.  verhindert  wurden, 
und  sie  sind  offenbar  in  pathologischer  Beziehung  als  sämtlich 
auf  dem  Boden  der  Arteriosklerose  erwachsen  zu  betrachten. 

Es  gibt  zweifellos  noch  andere  Arten  von  Schmerzanfällen 

hei  Arteriosklerotikem,  die  in  dasselbe  Kapitel  gehören. 

So  entsinne  ich  mich  eines  vor  einigen  Jahren  an  der  Klinik 
beobachteten  älteren  Kranken,  bei  dem  wiederholt  heftige  Schmerz¬ 
anfälle  in  einer  Lendengegend  nach  Art  von  Nierenkoliken  aut- 
traten  und  bei  dem  an  einen  Nierentumor,  resp.  wegen  der  gleich¬ 
zeitig  bestehenden  Herzinsuffizienz  an  Nierenihfarkte  gedacht 
wurde,  obwohl  im  Urin  nie  ein  anderer  Befund  als  der^  eines  ein¬ 
fachen  Stauungsharnes  erhoben  werden  konnte.  Die  Sektion  ei- 
gab  weder  einen  Tumor,  noch  Residuen  von  Infarkten  in  der 
Niere,  sondern  nur  starke  Sklerose  der  Renalarterien. 

Ferner  gehören  ja  auf  dasselbe  Blatt  auch  die  Schmerzen 
hei  Sklerose  der  Extremitätenarterien,  die  sich  gewöhnlich  mit 
dem  Bilde  der  intermittierenden  Muskelinsuffizienz  verbinden. 

Während  über  Vorkommnisse,  wie  sie  in  den  Beobachtungen 
9,  10  und  11  geschildert  sind,  relativ  wenig  bekannt  zu  sein 
scheint,  ist  der  feinere  Mechanismus  der  Claudicatio  intermittens 
und  der  als  ihr  Analogon  auf  gefassten  Stenokardie  ausserordent¬ 
lich  vielfach  besprochen  und  diskutiert  worden,  ohne  dass  aber, 
wie  es  scheint,  eine  Einigung  über  den  näheren  Zusammenhang 
der  Erscheinungen  erzielt  worden  wäre.  Vor  allem  über  die 
Frage,  in  welchem  Verhältnis  bei  der  Claudicatio  intermittens 
(Dysbasia  intermittens)  und  bei  der  Angina  pectoris  Arterien¬ 
erkrankung,  Schmerz  und  Funktionsstörung  zu  einander  stehen, 
findet  man  recht  differente  und  namentlich  aus  früherer  Zeit 
recht  verschwommene  Ansichten.  Aeltere  Autoren  denken  beim 
intermittierenden  Hinken,  wie  bei  der  Stenokardie,  nur  an  die 
direkten  Folgen  einer  grob-anatomischen,  obliterierenden  Gefäss- 
erkrankung  und  betrachten  Schmerz  und  Funktionsstörung  ein¬ 
fach  als  von  der  Ischämie  abhängig ;  sie  sprechen  sich  nicht  weiter 
darüber  aus,  ob  denn  der  Satz:  „der  funktionierende  Muskel 
braucht  mehr  Blut;  bekommt  er  keines,  so  wird  er  ischämisch“, 
wirklich  so  einfach  den  ganzen  Vorgang  erkläre.  Neuere  Autoren 
haben  sich  in  mehr  oder  minder  deutlicher  Weise  dahin  aus¬ 
gesprochen,  dass  hier  doch  wohl  noch  ein  Zwischenglied  fehlen 
dürfte. 

So  sagt  Erb  in  seiner  grossen  Arbeit  über  das  intermittierende 
Hinken:  „Je  mehr  ich  die  Sache  überlege,  desto  mehr  bin  ich 
geneigt,  dem  funktionellen  Moment,  der  wechselnden 
physiologischen  Funktion  der  Gefässwandungen,  einen  ganz  her¬ 
vorragenden  Anteil  an  dem  Zustandekommen  des  Symptomen- 
komplexes  des  intermittierenden  Hinkens  zuzuweisen“.  Und  an 
einer  anderen  Stelle  schreibt  er  bezüglich  der  Frage,  wie  denn 
der  Versuch  der  Muskelaktion  in  der  kranken  Extremität  eigent¬ 
lich  zu  dem  ischämischen  Phänomen  führe:  „Wir  dürfen  wohl  an¬ 
nehmen,  dass  die  mit  der  Funktion  der  Muskeln  eintretende  und 
zur  Gefässerweiterung  führende  Erregung  der  Vasodilatatoren 
hier  ausbleibt;  ja  es  wäre  denkbar,  dass  gerade  das  Gegenteil, 
eine  Erregung  der  Vasokonstriktoren  in  den  pathologisch  ver¬ 
änderten  Gefässen,  eintritt  und  zur  stärkeren  Gef äss Verengerung 
(also  zu  einer  absoluten  Ischämie)  führt“  etc. 

Bezüglich  der  Stenokardie  haben  namentlich  französische 
Autoren  den  Versuch  gemacht,  ein  funktionelles  Moment  in  die 
Auffassung  des  pathologischen  Mechanismus  einzuführen. 

Huchard  definiert  den  stenokardischen  Anfall  als  „eine 
organisch  oder  funktionell  bedingte  Ischämie  des  Herzens“, 
und  sein  Schüler  A.  Webe  r  sieht  in  der  ganzen  Angina  pectoris 
nur  eine  Koronaralgie,  erzeugt  durch  spastische  Kontraktion 
der  Koronararterien;  er  spricht  auch  vielleicht  zuerst  den  Gedanken 
aus,  dass  die  ausstrahlenden  Schmerzen  in  einem  Uebergreifen 
dieses  Krampfes  auf  benachbarte  Gefässgebiete  ihren  Grund 
haben,  und  stützt  sich  dabei  auf  Beobachtungen,  in  denen  wäh¬ 
rend  des  anginösen  Paroxysmus  die  Arterien  der  1.  oberen  Ex¬ 
tremität  anfallsweise  enger  und  schmerzhaft  wurden. 

Die  Auffassung,  dass  Schmerzen  wie  die  stenokardischen,  sei 
es  als  Parenchymschmerzen,  sei  es  als  funktionelle  Gefässkolik- 
schmerzen,  in  den  Arterien  selbst  ihren  Sitz  haben  könnten,  ist 
wohl  zuerst  von  Nothnagel  ausgesprochen  und  neuerdings  von 
G  o  1  d  f  1  a  m  für  die  Schmerzen  bei  der  Dysbasia  intermittens, 
von  Pauli  und  Iv  a  u  f  m  a  n  n  für  die  Irradiationsschmerzen 
und  vielleicht  auch  für  die  Brustschmerzen  bei  der  Stenokardie 
besonders  geltend  gemacht  worden. 

Es  ist  nicht  möglich,  im  Rahmen  dieses  Aufsatzes  auf  alle 
diese  Meinungen  und  auf  die  ganze  ungeheuere  Literatur  des 
Gegenstands  einzugehen.  Ich  muss  es  mir  leider  insbesondere 
auch  versagen,  im  einzelnen  hervorzuheben,  in  wie  hohem  Masse 
die  folgenden  Ausführungen  durch  die  Arbeiten  meines  verehrten 
Lehrers,  Hof  rat  Nothnagel,  beeinflusst  sind,  dem  wir  ja  die 
Begründung  unserer  Kenntnisse  von  den  Angioneurosen  und  den 


Gef  ässchmerzen  verdanken.  Es  sei  nur  gestattet,  ohne  weiter  auf 
kritische  Erwägungen  und  Begründungen  einzugehen,  im  fol¬ 
genden  zu  zeigen,  wie  man  sich  meiner  Meinung  nach  den  patho¬ 
genetischen  Zusammenhang  der  vorstehenden,  anscheinend  so 
verschiedenartigen  Fälle  wohl  vorstellen  könnnte,  ohne  den  Tat¬ 
sachen  Gewalt  anzutun  und  gewissermassen  ein  Resume  zu 
geben  von  Ausführungen,  die  den  Raum  dieses  Aufsatzes  über¬ 
schreiten  würden. 

1.  Die  Arteriosklerose  und  ebenso  gewiss  auch  andere,  z.  B. 
syphilitische  Arterienerkrankungen,  führen  zur  Entstehung  kon¬ 
stanter  Schmerzen  in  den  Gefässen,  die  häufig  auch  nach  Alt  dei 
II  e  a  d  sehen  Beobachtungen  auf  die  äussere  Haut  irradiieren. 
Ausserdem  aber  geben  sie  zur  Entstehung  von  Schmerzanfällen 
in  den  verschiedensten  Territorien  des  Körpers  Veranlassung. 
Die  unmittelbare  Ursache  dieser  Schmerzanfälle  bildet  manchmal 
vielleicht  direkt  der  gesteigerte  Blutdruck  und  die  Spannung  der 
kranken  Gefässe,  häufiger  liegt  sie  wohl  in  Gef ässkrämpf en. 
Es  ist  eigens  zu  betonen,  dass  dabei  offenbar  weniger  die 
schweren,  alten  Formen  der  Arteriosklerose  in  Betracht  kommen, 
als  frischere  und  leichtere  endarteriitische  Veränderungen  (vergl. 
das  „Gesetz  von  Lasegu  e“). G) 

2.  Die  Gefässkrämpfe,  die  besonders  gerne  in  den  kleinen 
Gefässen  mit  stark  entwickelter  Muskularis  aufzutreten 
scheinen,  sind  in  diesen  I  ällen  ein  pathologischer,  resp.  patho¬ 
logisch  gesteigerter  Reflex  von  der  erkrankten  Gefässwand  aus. 
Er  wird  ausgelöst  durch  alle  Faktoren,  die  eine  allgemeine  Steige¬ 
rung  des  Blutdruckes  (und  damit  eine  mechanische  Anspannung 
des  kranken  Gefässes)  bewirken,  so  durch  allgemeine  Muskel¬ 
arbeit,  durch  Gemütsbewegungen,  durch  die  horizontale  Lage 
(besonders  das  Schlafen  in  horizontaler  Lage).  Er  wird  ferner 
besonders  an  den  Gefässen  solcher  Organe,  die  zu  ihrer  Funktion 
einer  stark  vermehrten  Menge  arteriellen  Blutes  bedürfen 
(Muskulatur,  Verdauungskanal,  vielleicht  auch  das  Herz),  durch 
die  arterielle  Fluxion,  welche  die  gesteigerte  F unktion  begleitet, 
erzeugt. 

Der  Gefässkrampf  kann  gleichzeitig  mehrere  erkrankte  Teile 
des  arteriellen  Systems  befallen,  er  kann  aber  auch  sich  von 
einer  erkrankten  Stelle  des  Systems  aus  auf  benachbarte 
gesunde  erstrecken;  das  gibt  dann  zum  Auftreten  irradiierender 
Schmerzen  Veranlassung. 

3.  Wird  die  arterielle  Blutzufuhr  zu  einem  Körperteile  durch 
den  Gefässkrampf  stark  vermindert,  SO'  treten  in  ihm  ischämische 
Symptome  auf.  Diese  ischämischen  Erscheinungen  können  in 
empfindlichen  Organen  schon  auftreten,  wenn  auf  ihre,  im 
übrigen  gesunden  Gefässe  ein  Angiospasmus  von  der  Nachbar¬ 
schaft  übergeht.  Viel  schwerer  wird  die  Ischämie,  wenn  die  Ge¬ 
fässe  des  betreffenden  Körperteiles  selbst  erkrankt,  vielleicht 
schon  dauernd  durch  pathologische  Prozesse  verengt  sind,  oder 
wenn  gar  der  Spasmus  in  Kollateralgefässen  auftritt,  welche  die 
Funktion  eines  Organs,  dessen  Hauptarterien  verschlossen  sind, 
nur  mühsam  aufrecht  erhalten. 

4.  Die  ischämischen  Phänomene  bestehen  bei  muskulären  Or¬ 
ganen  in  paretischen  Zuständen  (Extremitäten:  intermittierendes 
Hinken ;  Magen-Darm:  Paresen,  Meteorismus;  Herz:  plötzliche 
Insuffizienz,  Lähmung).  Bei  Organen,  von  denen  charakte¬ 
ristische  sensible  Phänomene  ausgehen  können,  kommen  noch 
solche  dazu  (Muskeln:  Gefühl  des  Krampfes;  Haut:  Parästhe- 
sien  etc.;  Herz:  Angst,  Angor,  resp.  Vernichtungsgefühl).  Be¬ 
sitzen  die  von  der  Ischämie  betroffenen  Gefässe  Endigungen 
schmerzvermittelnder  Nerven,  so  können  durch  die  Ischämie  in 
ihnen  Parenchymsehmerzen  auftreten,  und  es  lässt  sich  dann  nur 
schwer  entscheiden,  ob  die  Schmerzen  des  Anfalles  in  den  Ge¬ 
fässen  selbst  oder  in  dem  ischämischen  Parenchym  ihren  Sitz 
haben  (Extremitäten,  Magen-Darm).  Auch  bei  den  Schmerz¬ 
anfällen,  die  anscheinend  in  den1  ganz grossenGefässen  (Aorta)  auf¬ 
treten,  und  die  wohl  nicht  auf  einen  Spasmus  dieser  selbst, 
sondern  ihrer  Vasa  vasorum  zu  beziehen  wären,  bleibt  es  zweifel¬ 
haft,  ob  die  Schmerzempfindung  als  Spasmusschmerzen  der  Er- 
nährungsgefässe  oder  als  ischämische  Parenchymschmerzen  der 

.  grossen  Gefässe  selbst  zu  betrachten  ist.  Und  ebenso  ist  beim 
Herzschmerz  durch  Koronarspasmus  nicht  leicht  zu  entscheiden, 

°)  „Pathologische  Reflexe  treten  auf  bei  oberflächlichen 
Läsionen  der  Organe,  bei  tiefgreifenden  verschwinden  sie“.  (Zitiert 
nach  Huchar  d.) 


14.  Oktober  1902. 


ob  es  sich  nur  um  den  Ausdruck  d0.  Tr  <• 

d«  „Vasa  vasorum  conlis“,  „der  “eh  Zh  ^  ^  G¥“se> 

mischen  Parenehymsclimerz  des  Herzens  handelt1  ""  "®h*' 

Empfindung  der  Herzangst,  des  A».„t  “7 1  h”  t’  Spf?lflsche 
von  llerzschmerz  mit  Ilerzaimst  fWFi  ’•  \  '  P1GSe  Kombination 
des  Herzens  seihst  gesund  shul  S  j  ™»  ^Gefässe 

kranken  Teilen  des  Arterie, s  -  ,  ?pasmen  i»  anderen 

gezogen  werden  HertÄ^'  ^ 

f  ^rz:z 

gefässe).  Umgekehrt  kan»  bei  endTSrTi’ *T 
Ooronarme  der  K’ranmf  ,  _  r  JJLT  Hi  Kränkung-  der 

verschiedensten  Arteriengebiete  ütergrei'ta^feX'f  ?® 
anginösen  Schmerzes  in  die  fVf"  (irrtdiationen  des 

tremitäten ,  der  ffiefe”  Z.  H  ,  **  °beren  .  Ex‘ 

m  die  Bauehgefässe:  Angine  de  r.oit'ri,/^' ’ 
gique).  Warum  dabei  giesse  Ge  s  LiHe  0 

SÄ  g“‘- 

Im  zweiten  Fähe  auttntt,  ist  vorläufig-  nicht  vollkommen  klar, 
sind  die  spezifischen  angin&Tn  jS^h^rdmln' dw  Eegei'srl”11’ 

fiissobli  terationen  der  TT™?*®"  ^  Ge' 

des  Herzens  in 

Schwächezuständen  bis  zur  plötzliciieiHHerzparaly^au^8^101^™ 

dann  wTm,  ’erlfilht' dlc'l’1  Z  He^ar?eriei>  “dtt  offenbar 
gemeine  Blutdracksteigerang  etT  Ursaelien  (all- 

direkte  Reizun«-  der  rw  +-  ’’  f  ,  oben),  sondern  durch 

Embolus pZziert wirf "T  U  T™  Thromtes 

Stenokardie  und  die  Synkope  Tn  "  äU  '’  l!aSS  aI1erschwerste 
so  häufig  sind  nicht  ,,  anglnosa  resp-  plötzliche  Tod 

durch  einen  Pfropf  veTTpftTZ  ^  ““  (?an2e  Kranzarterie 
anämisch  wird  sondern  ,,,  ““  ^0SSW  Teil  de8  Perzens 

kleineren  ^  — 


in. i  \t  !ii:xn;  medicinisc  he  Wochenschrift. 


1709 


Phänomene  bei  der  A  rterio  s /- ir p,, i >a r st 0 1 1 " 1  'p  der  angiospastischen 
liclikeit  für  sich  eu  ST?e  w^™chein- 

mehr  hypothetischer  Weise’  den  VmSf.i  b  "V  fol#enden  in  viel 
keit  zu  beseitigen  dip  T ; , . i >  •  tlsuch  machen,  die  Schwierig- 

Syndrom  He.Äe?“+S‘ HeiSTSt  ",  !U  «f?“  «*»*.  & 
der  „echten“  Stenokardie  und  beiÜnfnm?  111  gleielier  Weise  bei 
vorkommt,  in  beiden  Fällen  für  euvnerv1°.se,n  Anginaformeu 
erklären.  Dieses  Symptomennaar  iS  m  .verKS(*iedei1  bedingt  zu 
typisch,  dass,  wenn  SS  «!  beideu  Fällen  so  sehr 

fehlen,  die  gewiegtesten  Bpob*,PhwaC^enUStaUde  des  Herzens 
Paroxysmus  oft  iin  Zweifel  y„  •  11  behaupten,  während  des 
kardie  es  sich  haiuFh  dL  ■  welche  Form  der  Steno 

eine  Folge  der  I schände  des  Mvobl  vd?^1^11  IvompIex  eiinnal  für 
rein  neurotische  Empfindung  Sf  lind.das  andere  Mal  für  eine 
liehe  Sache.  1  dUng  zu  eiklareil>  ist  und  bleibt  eine  miss- 

Verhältnisse  so  znreohtlegen: 
betroffenen  Organe  verschiedenpn  Pv.iZen  UJ?d  den  Ü  nacb  dem 

twten^Sie 'we^en1  ^ann^icht^wi  «efässystem  Tuf- 

sie  werden  deswegen  auch  nicht  beu‘?cbbai'ter  Gefässteile  und 
gerung  des  Gefässinnendrnci-oa  punozi.ert  durch  allgemeine  Stei- 

nrteriiwerotiÄ ^toSer  snSt  Ursaeb™  ** 

zentralnervöse  Innervation  Ibr  nk  Ä  Sle  entstehen  durch 
Organsystemen  her  (Harn)  DitS  ,  eXe  Von  §’anz  äderen 
können  die  verschiedenen  GefässW?, ,  ’  nefv.0®eu  Gefässkrämpfe 

gebiet  infolge  zentraler  tti-cjopU  r  Gefasskrampf  ina  Koronar- 
Ursache  in  der  iÄnh  vl  Jn  !  ^’  w?  anderen  Formen  liegt  die 

Nothnagels1  Man  dürft  n  «  gebart  dl.T  An.gina  vasomotoria 
bilde  wohl  am  eliesteii  Ä  Äe^‘Umllchen  Symptomen- 
es  sich  liioi.  „.vT  -en  weiden,  indem  man  annimmt  dass 

sw.|a«räS£S3& 


in  anderen  GefäSbezirken  ''(Bauchiefässe)1^!-  Kon,t.1';lktioil('u 
vielleicht  deswegen  nicht  ngemsse)  kommen  durfte,  ist 

N.th«a,«l‘ÄÄnTÄÄ2r  wo"  den  '»'> 

drueksteigerung  im  Anfall  einti-n  ‘i  611  a"!;  deutliche  Blut- 
K  rehl  bemerkt,  die  Kontraktion  ’  der  nZ“  Veretandni»,  wie 
ausreichen  dürfte  011  dei  Hautgefasse  wohl  nicht 

e  ÄftÄ,  ä'*p  f11^®  "»»  *■  diesen 

besonders  die  durch  An  f?wi.sse  toxische, 
t  i  n  i  s  m  u  s  bedingten  wahrsclH'inhv-/  1 1  -°  ^  C  b  e..u  N  i  k  o  - 
haben  mit  den  arteriosklerotischen  gemein1  dfs^sto i*11®8,8 
die  Lrsachen,  die  den  arteriellen  nnifi-  n!.,'  ,  ’  da?.s  ,sle  durch 
strengung,  Schlaf  etc  )  nrnvnyipi-t  ,  U?,  eikohen  (körperliche  An- 

für  ihre  Entstehung  SVlnfSS.Ä l""**  desbalb 

fasse,  so  doch  eine  besonder«*  ip „,,!!•  V  -  b  Erkrankung  der  Ge- 

druck  vorausseteen.  Sornil  ÄÄSt' S*T'  *»  I“>«" 
teriosklerotisclien  nahe  wofür  Iabakftenokardie  der  ar- 

Therapie  spricht  ’  ^ens  auc'b  der  Einfluss  der 

nnhTeTiuä'TrlSe/dm.  'CÄS  <lurfh  .«•  An- 

toris  trotz  ganz  differentpr  i>iii  a'.  ‘  .tndioin  Angina  pec- 

auf  denselbe? au  “■  leSf.ter  Linie  iai“er 

vor  allem  den  ein  Smsmus  ,  gewiss  Hinwände  erheben, 

eine  Yerschlechterf/ng  "der  HLzleXng6^1  doeb'  °W 

yösen  Pseudoanginen  notorisch  nicht  SntHtt  M  ner' 

Ein  wand  nicht  für  stichhaltig.  Er  müSte  dann 
jenigen  sicher  vorkommenden  Fälle  Cmltun-  i  ,'  "  (  fur  dle' 

organische  Stenokardie,  bei  der  an  de.neu  eme 

sicher  etwas  nmi  r.*  <+  ■  i  •  au  den  Herzgefassen  sich  doch 

ss">,o^?®i,itwiÄ!ir üärs 

SS5ST  ssssfssiagp  ■“  =  —Sil 

VI. 


Wie  ist  nun  der  ausgezeichnete  therapeutische  (oder  besser 
prophylaktische)  Effekt  des  Theobromins  gegnüber  den  auf 
Arteriosklerose  beruhenden  Stenokardien  und  verwandten  Zu¬ 
standen  zu  erklären?  Unsere  bisherigen  Kenntnisse  über  die 
Wirkung  des  Theobromins  geben  darauf  keine  Antwort.  Diese 
Substanz  wirkt  nach  Tierexperimenten  als  Diuretikum  angeblich 
nur  durch  direkte  Wirkung  auf  die  Epithelien  der  Niere.  Eine 
Wirkung  auf  die  Herzmuskulatur  nach  Art  eines  Herztonikums 
ist  nach  den  vorliegenden  experimentellen  Untersuchungen  ab¬ 
solut  unbewiesen  und  nach  allen  klinischen.  Erfahrungen  höchst 
unwahrscheinlich  (von  den  Fällen,  wo  es  durch  Wegschaffung  von 
Oedemeii  günstig  auf  die  gestörte  Herzarbeit  einwirkt,  ist  dabei 
natur  ich  abgesehen).  Dass  es  kein  einfaches  schmerzlinderndes 
.Mittel  ist  wie  manche  Antipyretika,  steht,  gleichfalls  fest,  übri¬ 
gens  wurde  eine  einfache  schmerzstillende  Wirkung  seinen  Ein- 
liuss  aut  die  Stenokardie  und  das  Kardialasithma  nicht  erklären. 
Man  kann,  wie  mir  scheint,  nicht  anders,  als  annehmen,  dass 
das  Theobromin  em  G  e  f  ä  s  s  m  i  1 1  e  1  ist,  und  zwar  ein  solches, 
das  nicht  wie  das  Amylnitnt  gewisse  Gef  ässpartien  akut  erweitert 
sondern  das,  ähnlich  wie  die  langsam  wirkenden  Nitrite,  geeignet 
ist,  die  pathologisch  gesteigerte  Reflexerregbarkeit  in  den  Ge- 
assen  der  Artenosklerotiker  herabzusetzen,  und  so  den  Eintritt 
von  Spasmen  zu  verhindern.  Vielleicht  wirkt  es  ausserdem,  in¬ 
dem  es  den  durch  weit  verbreitete  Enge  der  kleinen  Gefässe 
pathologisch  erhöhten  Blutdruck  etwas1  herabsetzt.  Einige  tono- 
metrisehe  Beobachtungen  an  Patienten  mit  chronischer  Nephritis 
und  Arteriosklerose  mit  hohem  Blutdruck  (ohne  Stenokardie) 
lassen  mich  das  vermuten.  Dass  das  Theobromin  in  den  bisher 
vorgenommenen  Tierexperimenten  keine  Gefässwirkung  gezeigt 
lat,  spricht  natürlich  durchaus  nicht  gegen  diese  Annahme.  Eine 
prophylaktische  Wirkung  gegenüber  pathologischen  Reflexen  an 
kranken  menschlichen  Gefässen  durch  Versuche  an  gesunden 
_  unden  beweisen  oder  widerlegen  zu  wollen,  geht  natürlich 
nicht  an  ).  Es  ist  klar,  wieso  das  Theobromin  durch  die  sup- 

T-  7)  Sollte  nicht  die  bekannte,  auffallend  günstige  Wirkung  der 
Kombination  Digitalis  und  Diuretiu  auch  bei  solchen  ZustfndS 

6 


1710 


MUENCHENER  MEDlCLNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  41. 


ponierte  Wirkungsweise  auch  prophylaktisch  gegenüber  dem 
kardialen  Asthma  der  Nephritiker  und  Artariosklerotiker  (und 
nur  dieser)  sich  nützlich  zeigt:  offenbar  durch  die  Hmtanhaltung 
jener  besonders  bei  Nacht  auftretenden  allgemeinen  Geiasskon¬ 
traktionen,  die  plötzliche  Blutdrucksteigerungen  und  damit  In¬ 
suffizienz  des  linken  Ventrikels  hervorrufen.  _  . 

Auch  noch  andere  „arterielle“  Schmerzen  scheinen,  wie  ich 
hier  kurz  erwähnen  möchte,  durch  das  Theobromin  beseitigt  zu 
werden.  Mein  Freund,  Herr  Dozent  Dr.  Hammerschi  a  g, 
hat  mir  vor  einiger  Zeit  mitgeteilt,  dass  heftige,  allen  anderen 
Mitteln  gegenüber  refraktäre  Kopfschmerzen  bei  einem 
alten  Herrn  mit  Arteriosklerose  durch  Diuretm  prompt 
beseitigt  wurden.  Ich  habe  in  letzter  Zeit  bei  einer  64  jährigen 
Frau,  bei  der  seit  einigen  Jahren  sich  häufig,  neuerdings  fast 
täglich,  quälende  Kopfschmerzen  nach  Art  einer  Migräne  mit 
Flimmerskotom  und  Schwindelempfindungen  eingestellt  hatten, 
ganz  ähnliche  Erfahrungen  mit  Agurin  gemacht.  Erfahrungen 
über  eine  eventuelle  günstige  Wirkung  des  Theobromins  bei  der 
Claudicatio  intermittens  der  Extremitäten  besitze  ich  nicht.  Es 
wäre  in  solchen  Fällen  wenigstens  eines  Versuches  wert. 

Bei  der  typischen  angiospastischen  Migräne  schien  es.  mir 
in  einem  Versuche  ohne  Wirkung.  Ebenso  versagte  es  bei  einem 
Kranken  mit  Angina  pectoris  vasomotoria. 

Verzeichnis  der  zitierten  Arbeiten. 


alter  auf  (31,6  Proz.  der  Fälle  zwischen  16.  und  20.,  19  Proz. 
zwischen  21.  und  25.  Lebensjahr)  und  am  häufigsten  sind  die 
Drüsen  des  Halsgebietes  betroffen.  Die  hauptsächlich  in  1  rank- 
reicli  üblichen  Injektionen  von  Chlorzink  und  Naphtholkampher 
bieten  nicht  die  sicheren  Aussichten  auf  Heilung  der  lokalen 
Tuberkulose  wie  die  Exstirpation.  F.  schildert  eingehend  das 
jetzige  Vorgehen  behufs  möglichst  radikaler  Exstirpation,  be¬ 
fürwortet  auch  den  Küttn  ersehen  breitbasigen  Hautmuskel¬ 
lappen  am  Halse.  Partialoperationen,  wie  Inzision  und  Aus¬ 
schabung,  sollen  nur  bei  sehr  weit  fortgeschrittenen  Fallen,  im 
allgemeinen  jedoch  nicht  vorgenommen  werden.  Nach  einer  Zu¬ 
sammenstellung  von  1273  operierten  Fällen  berechnen  sich 
57,65  Proz.  Heilungen,  28,84  Proz.  lokale  Rezidive,  13,51  Proz. 
Todesfälle  (1 — 16  Jahre  nach  der  Operation). 

Von  den  Geschwülsten  der  Lymphdrüsen  findet  besonders 
das  maligne  Lymphom  eingehende  Darstellung,  dessen  Aetiologie 
im  allgemeinen  noch  dunkel  ist.  Auch  bakteriologisch  konnte  I . 
an  12  aufs  genaueste  untersuchten  Fällen  nichts  nachweisen; 
einen  ätiologischen  Zusammenhang  mit  Tuberkulose  weist  auch 
F.  zurück.  Bezüglich  der  Behandlung  rät  F.  von  operativer 
Behandlung  nicht  unbedingt  ab,  wenn  auch  bisher  nur  m  wenigen 
Fällen  scheinbare  Heilung  von  3—4  Jahren  erzielt  wurde.  Im 
allgemeinen  bietet  die  Arsenbehandlung  am  meisten  Chancen, 
die  nach  Z  i  e  m  s  s  e  n  s  u.  a.  Vorschlägen  genauer  besprochen 


Potain:  Dietionn.  encyclop.  des  Sciences  med.  18,0.  — 
Huchard:  Maladies  du  coeur  et  de  l’aorte  1899.  —  C  har  cot. 
Comptes  rendus  de  la  societe  de  biologie  1858.  —  Nothnagel. 
Perl.  klin.  Wochensehr.  1867;  Kongr.  t.  inn.  Med.  V  lesbaden  1891 
(Diskussion  über  Angina  pectoris);  Ueber  Gefässclimerzen  (\oi- 
trag  in  der  Ges.  d.  Aerzte  zu  Wien,  10.  Nov.  1893);  Deutsch.  Arch. 
f.  klin.  Med.,  Bd.  III;  Zeitsclir.  f.  klin.  Med.,  Bd.  19.  —  Askanazy. 
Klinisches  über  Dinretin.  Deutsch.  Arch.  f.  klm.  Med.  189o. 
Krelil:  Die  Erkrankungen  des  Herzmuskels.  Nothnagels  spez. 

Path  Bd  XV  _  Blanc:  Medico-chirurgical  Transactions  IV. 

Zitiert  nach  Krelil.  —  Erb:  lieber  das  intermittierende  Hinken 
utc.  Deutsche  Zeitsclir.  f.  Nervenlieilk.,  Bd.  13.  —  Weber. 
Societe  med.  des  liöpitaux  1892.  —  G  o  1  d  f  1  a  m:  Deutsche  med. 
Wochensehr.  1S95,  No.  36.  —  Pauli  und  K  a  u  i  m  a  n  n:  W  lenei 
klin.  Rundschau.  Festnummer  für  N  o  t  li  n  a  g  e  1,  Oktober  1901. 
J.  Schnitzler:  Wiener  med.  Wochenschr.  1901,  No.  11  uncl  i-. 


Referate  und  Bücher anzeigen. 

Prof.  Friedr.  Fischer-  Strassburg :  Krankheiten  der 
Lymphgefässe,  Lymphdrüsen  und  Blutgefässe.  Deutsche  Chi¬ 
rurgie,  herausgeg.  von  E.  v.  Bergmann  und  P.  v.  Bruns. 
Lief.  24  a.  Mit  12  Abbildungen.  Stuttgart,  E  n  k  e,  1901.  Preis : 

11.60  M.  .  ,  .  .  , 

Die  Arbeit  behandelt  nach  der  30  Seiten  einnehmenden  Auf¬ 
führung  der  Literatur  des  betr.  Gebietes  zunächst  die  akute  Ent¬ 
zündung  der  Lymphgefässe,  deren  Aetiologie,  Pathologie  und  Be¬ 
handlung,  dann  die  Lymphangitis  truncularis,  die  Lymphangitis 
tuberculosa,  deren  Entstehung  durch  Eindringen  tuberkulöser 
Stoffe  durch  reiche  kasuistische  Beobachtungen  ( J^o  r  d  a  n)  er¬ 
wiesen  ist,  die  Lymphangitis  syphilit.  und  die  Karzinose  der 
Lymphgefässe  (wobei  nach  Ansicht  des  Referenten  auch  die 
Melanose  derselben  etwas  nähere  Anführung  verdient  hätte). 
Auch  die  retikuläre  Form  der  Lymphangitis  und  die  Lymph- 
varizen  finden  nach  Symptomen,  Diagnose  und  Behandlung  ent¬ 
sprechende  Darstellung.  Sodann  werden  die  Erkrankungen  der 
Lymphdrüsen,  die  akuten  wie  die  chronischen,  der  Reihe  nach 
eingehend  besprochen.  Der  Abortivbehandlung  durch  Injektion 
antiseptischer  Flüssigkeiten  kann  F.  nicht  das  Wort  reden,  da 
häufig  Eiterung  dadurch  entsteht ;  auch  mit  Kataplasmen  will  F. 
nicht  Zeit  verlieren,  sondern  plädiert  für  Exstirpation  erkrankter 
Drüsen,  wobei  verdächtiges  Gewebe  möglichst  mitzuentfernen 
sei.  Im  Interesse  der  Lymphzirkulation  rät  F.  dagegen,  mög¬ 
lichst  das  gesunde  Fettgewebe  zu  verschonen,  besonders  das  m 
nächster  Nähe  der  grossen  Gefässe  liegende.  Bezüglich  der 
Häufigkeit  der  Drüsentuberkulose  erscheint  diese  nach  einer 
grösseren  Statistik  bei  weiblichen  Individuen  nicht  häufiger  (die 
männlichen  verhalten  sich  zu  den  weiblichen  Fällen  wie  4 .  o), 
weitaus  die  Mehrzahl  der  Fälle  tritt  im  Kindes-  und  Pubertäts- 

von  Herzinsuffizienz,  die  ohne  wesentliche  Oedeme  einhergehen, 
sich  dadurch  erklären,  dass  das  Theobromin  die  Wirkung  der  Digi¬ 
talis  auf  die  Gefässe  (die  ja  jetzt  wohl  zweifellos  feststeht;  Gott- 
lieb  und  M  a  g  n  u  s)  herabsetzt,  während  die  \V  irkung  aut  den 
Herzmuskel  bestehen  bleibt? 


Im  3.  Abschnitt  werden  die  chirurgischen  Erkrankungen 
der  Arterien,  die  akute  Entzündung,  die  chronische  Erkrankung, 
Endarteriitis  def .  und  besonders  die  Aneurysmen,  eingehend  be¬ 
handelt,  deren  Aetiologie,  Symptomatologie,  Diagnose  und  Be¬ 
handlung  besprochen,  bezüglich  letzterer  die  mancherlei  jetzt  vei- 
lassenen  Methoden  auch  erwähnt,  die  intermittierende  Kom¬ 
pression,  G  alvano-Elekt  ropunktur  und  Filipunktur  und  besonders 
die  verschiedenen  Methoden  der  Unterbindung  des  näheren  ge¬ 
schildert.  Auch  das  Rankenangiom,  die  akute  Entzündung  und 
chronische  Erkrankung  der  Venen  (Varizen)  finden  entsprechende 
Darstellung. 

Einzelne  histologische  und  pathologisch-anatomische  Abbil¬ 
dungen  und  einige  von  charakteristischen  klinischen  Befunden 
tragen  das  ihre  zur  Erläuterung  des  Textes  bei.  Mit  der  vor¬ 
liegenden  Arbeit  ist  die  „Deutsche  Chirurgie“  wieder  um  eine 
wichtige  Lieferung  bereichert,  so  dass  aus  dem  allgemeinen  ei 
nur  mehr  wenige  Lieferungen  noch  ausstehen.  Sehr. 

B.  K  r  ö  n  i  g:  Die  Therapie  beim  engen  Becken.  Leipzig, 
A.  Georg  i,  1901.  Preis  5  M. 

Die  Arbeit  berichtet  in  ausführlicher  Weise  über  die  in  den 
Jahren  1891 — 1899  an  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Leipzig 
beobachteten  Geburten  bei  engem  Becken.  Sie  stutzt  sich  auf 

über  700  Geburtsbeobachtungen.  # 

Bei  der  Besprechung  der  Anzeigestellung  zu  operativen  Ein¬ 
griffen  sind  die  platten  Becken  mit  einer  Conjugata  vera  über 
7  cm  zusammen  mit  den  mehr  allgemein  verengten  Becken  mit 
einer  Conjugata  vera  über  714  cm  abgehandelt.  lür  diese 
Becken  wird  die  künstliche  Frühgeburt  verworfen,  und  weil  bei 
ihnen  mit  Wahrscheinlichkeit  ein  natürlicher  Geburtsverlauf  er¬ 
wartet  werden  darf,  ist  die  Geburt  zunächst  abwartend  zu  be¬ 
handeln.  Operativ  soll  erst  vorgegangen  werden,  wenn  bei  einer 
längeren  Geburtsbeobachtung  n  a  c  h  dem  Blasensprunge  trotz 
anhaltender  kräftiger  Wehentätigkeit  der  Kopf  nicht  durch  den 
Beckeneingang  hindurchtritt.  Hat  man  sich  davon  überzeugt, 
dass  eine  spontane  Geburt  nicht  möglich  ist,  so  kommt  nach  den 
Erfahrungen  der  Leipziger  Klinik  nur  die  Symphyseotomie  und 
der  bedingte  Kaiserschnitt  in  Frage.  Beide  Eingriffe  müssen 
aber  abgelehnt  werden,  wenn  bereits  Gefahr  für  Mutter  oder  Kind 
besteht.  Ist  das  Kind  bereits  gefährdet,  so  wird  es  entweder 
über  diesen  grossen  Eingriffen  absterben  oder  bald  nach  der  Geburt 
zu  Grunde  gehen,  besteht  Gefahr  für  die  Mutter  (Fieber,  Zer 
Setzung  des  Fruchtwassers),  so  ist  nur  die  Kranioklasie  gerec  t 

fertigt.  . 

Vor  der  Ausführung  der  Symphyseotomie  oder  des  Kaiser¬ 
schnittes  ist  der  Versuch  mit  der  hohen  Zange  zu  verwerfen. 

Nach  ausgeführter  Symphyseotomie  soll  die  Ausstossung 
des  Kindes  abgewartet  und  nur  eingegriffen  werden,  wenn  durch 
das  Verhalten  der  Mutter  oder  des  Kindes  hierfür  eine  Anzeige 
eintritt.  Bei  abwartendem  Verhalten  lassen  sich  sicherer  Zer 


14.  Oktober  1902. 


reissungen  der  Weichteile  und  schwer  zu  stillende  Blutungen  ver¬ 
meiden.  ö 

Es  ist  fraglich,  ob  die  Symphyseotomie  eine  Einschränkung 
des  Ka.serseto.ttes  aus  bedingter  Anzeige  bringen  wird.  Sie 
stellt  bei  der  Operation  und  in  der  Nachbehandlung  höhere  An¬ 
forderungen  und  lasst  öfter  längere  Störungen  (Incontinentia 
ur  nae  Storungen  der  Gehfähigkeit)  zurück,  sie  vermeidet  aber 
sicher  Bauchbruche  und  erleichtert  sehr  häufig  die  späteren  Go- 
bürten. 

Stellt  sich  das  Kind  in  Quer-  oder  Beckenendlage  zur  Ge¬ 
läut,  so.  soll  bei  den  Beckenverengerungen  über  7  bis  7V2  cm  im 
allgemeinen  der  Kaiserschnitt  und  die  Symphyseotomie  nicht 
ausgefu hrt.  werden,  weil  hier  die  Beobachtung  des  Geburtsver- 
laufes  zur  Beurteilung  des  Einflusses,  den  das  enge  Becken  aus- 
ubt,  lernt. 

Von  der  Impression  des  Kopfes  in  Walcher  scher  Hänge¬ 
lage  ist  eine  wesentliche  Erleichterung  des  Geburtsverlaufes  nicht 
zu  erwarten. 

Ebenso  wird  bestritten,  dass  die  künstliche  Frühgeburt  die 
prophylaktische  Wendung  und  die  Zange  am  über  dem  Becken¬ 
eingang  stehenden  Kopfe  im  stände  seien,  die  Vorhersage  für 
Mutter  oder  Kind  beim  engen  Becken  zu  bessern. 

Die  Kranioklasie  bei  lebendem  Kinde  ist  auf  die  Fälle  zu 
beschränken,  bei  denen  schon  Gefahr  für  die  Mutter  besteht 
oder  wenn  bei  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  Symphyseo¬ 
tomie  und  Kaiserschnitt  sich  verbieten.  Der  Versuch  der  hohen 
Zange  vor  Ausführung  der  Kranioklasie  ist  zu  unterlassen. 

,  ,  Die  Kranioklasie  bei  totem  Kinde  verdient  weitere  Aus- 
ochnung,  sie  soll  stets,  bei  grösseren  Widerständen  und  bei  Ge- 
itirn  für  die  .Mutter  in  Anwendung1  kommen. 

Bei  einer  Verengerung  der  Conjugata  vera  unter  7  cm  beim 
platten  und  unter  7%  cm  beim  allgemein  verengten  Becken  ist 
die  Geburt  eines  ausgetragenen  Kindes  nicht  mehr  zu  erwarten. 
Es  kommen  also  hier  bei  lebendem  Kinde  und  nicht  gefährdeter 
Mutter  der  Kaiserschnitt  und  die  Symphyseotomie  in  Frage, 
etzteie  jedoch  nur  dann  mit  günstigem  Ergebnis  für  Mutter 
und  Kind,  wenn  im  allgemeinen  die  Conjugata  diagonalis  nicht 
unter  8%  cm  beträgt. 

Ist  die  Mutter  in  Gefahr,  d.  h.  besteht  Fieber  oder  Zer¬ 
setzung  des  Fruchtwassers,  so  ist  bis  zu  einer  Verengerung  der 
Conjugata  vera  wenig  unter  6  cm  die  Kranioklasie  auszuführen. 
Bei  einer  Conjugata  vera  von  etwa  6  cm  soll  im  allgemeinen  bei 
lebendem  und  totem  Kinde  der  Kaiserschnitt  ausgeführt  werden 
und  zwar  womöglich  am  Ende  der  Eröffnungszeit  vor  oder  we¬ 
nigstens  bald  nach  dem  Blasensprunge. 

.  Die  sehr  günstigen  Ergebnisse,  die  an  der  Leipziger  Klinik 
nnt  der  Symphyseotomie  und  dem  Kaiserschnitt  erzielt  werden, 
mögen  eine  derartige  Befürwortung  für  die  Klinik  vielleicht 
rechtfertigen,  sicherlich  trifft  dies  aber  für  die  allgemeine  Praxis 
nicht  zu.  Betrug  doch  z.  B.  in  Bayern  nach  dem  letzten  General¬ 
bericht  die  Sterblichkeit  nach  den  in  den  Kliniken  und  in  der 
I  raxis  ausgeführten  Kaiserschnitten  über  30  Proz. !  Dagegen 
ist  der  Empfehlung  eines  mehr  abwartenden  Verhaltens  hei  den 
mittleren  Graden  der  Beckenverengerung  und  der  Einschränkung 
der  Wendung  für  diese  Fälle  gewiss  nur  zuzustimmen.  Der 
völligen  Verwerfung  der  künstlichen  Frühgeburt  und  der  pro¬ 
phylaktischen  Wendung  wird  wohl  kaum  jemand  zustimmen 
W0  en*  A.  Gessner-  Erlangen. 


MüENCIIENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1711 


Piof.  Dr.  A.  H  o  c  h  e,  unter  Mitwirkung  von  Prof.  Dr. 
A  s  ch  aff  e  n  b  u  r  g,  Privatdozent  Dr.  E.  S  c  h  u  1 1  z  e,  Prof. 
iJr.  W  o  1 1  e  n  b  e  r  g:  Handbuch  der  gerichtlichen  Psychiatrie. 

August  II  i  r  s  c  h  w  a  1  d.  Berlin  1901.  732  Seiten. 

Es  ist  recht  erfreulich  zu  sehen,  wie  die  Berücksichtigung 
der  .Tatsachen  gegenüber  der  rein  theoretischen  Deduktion 
auch  m  der  Jurisprudenz  Schritt  für  Schritt  Boden  gewinnt,  trotz 
^wussten. und  durch  manche  unnötige  Gefühlsbetonung  ver¬ 
schärften  Widerstandes  der  Grosszahl  der  Juristen.  Ein 
sprechender  Ausdruck  liiefür  ist  die  buchhändlerische  Möglichkeit 
eines  Werkes,  wie  das  vorliegende. 

Im  ersten  Teil  des  Buches  werden  die  „rechtlichen  Grund¬ 
lagen  der  gerichtlichen  Psychiatrie“  erörtert,  d.  h.  die  einschlägi¬ 
gen  Gesetzesbestimmungen  in  ihrer  Begründung,  ihrer  recht- 
lchen  und  praktischen  Bedeutung  und  Tragweite  dargelegt. 

Ein  Muster  von  Klarheit  und  logischer  Schärfe  ist  der  von 
Aschaffenburg  bearbeitete  erste  Abschnitt  geworden,  der 


das  allerdings  relativ  einfache  Material,  das  das  Strafrecht  bietet, 
m  sich  aufgenommen  hat. 

Zurechnungsfähigkeit,  Strafunmündigkeit,  •geschlechtliche 
Vergehen,  Verantwortlichkeit  des  Irrenarztes,  das  Recht  der 
chirurgischen  Eingriffe  an  Geisteskranken  und  das  Berufsgeheim¬ 
nis  finden  ihre  erschöpfende  Behandlung,  sowohl  de  lege  lata, 
als  m  den  weitgehenden,  aber  scharf  begründeten  Wünschen  der 
lex  ferenda  In.  dem  Abschnitt  über  die  Strafprozessordnung 
bildet  natürlich  die  formelle  Sachverständigentätigkeit  ein  wich¬ 
tiges  Kapitel. 

Es  .  folgt  die  verwickeltere  zivilrechtliche  Psychiatrie 
(S  c  h  u  1 1  z  e)  mit  der  Geschäftsfähigkeit  und  ihren  Beeinträchti¬ 
gungen,  den  Formen  und  Gründen  der  Entmündigung,  der  Pfleg¬ 
schaft,  die  Ehe-  und  Testierfähigkeit,  die  Deliktfähigkeit  für 
eigene  und  Dritter  Handlungen. 

.  Im  zweiten  Teil  gibt  der  Herausgeber  selbst  die  Grundzüge 
einer  allgemeinen  gerichtlichen  Psychopathologie,  die  allgemeine 
Symptomenlehre,  die  Diagnose  des  Irreseins  mit  den  Grenz- 
zustanden  und  der  Simulation  und  Dissimulation,  hierauf  von 
Wolle  n  berg  ergänzt,  eine  Klinik  der  einzelnen  Psychosen. 

Schon  die  allgemeine  Psychopathologie  behandelt  manches, 
was  der  Arzt  eher  in  einem  Lehrbuch  der  Psychiatrie  suchen 
wird ;  dass  aber  Leute  ohne  psychiatrisch  klinische  Bildung,  z.  B. 
das  Gros  der  Juristen,  diese  genügend  verstehen,  um  sie  praktisch 
verwerten  zu  können,  scheint  dem  Referenten  ausgeschlossen  — - 
trotz  der  prächtigen,  verblüffend  einfachen  Darstellung  (die  Her¬ 
vorhebung  des  Wichtigsten  durch  gesperrte  Schrift  wird  durch 
Missbrauch  der  letzteren  ziemlich  verunmöglicht),  doch  ist  dieses 
Kapitel  wegen  der  speziellen  Beziehung  zur  Jurisprudenz  (Auf¬ 
lassung  der  Bewusstlosigkeit,  des  Willens  etc.)  nicht  zu  entbehren. 

Eine  wohl,  unlösbare  Schwierigkeit  bietet  aber  in  einem  sol¬ 
chen  Werke,  die  Beschreibung  der  einzelnen  Psychosen.  Setzt 
man  alles  nötige  hinein,  so  wird  der  Raum  auch  eines  so  gross 
angelegten  Buches  um  ein  vielfaches  überschritten,  geht  man  nur 
a  in  die  Details  ein,  wo  die  forensischen  Gesichtspunkte  es  ver¬ 
langen,  so  erhält  man  eine  unzusammenhängende  Darstellung, 
die  nur  dem  verständlich  ist,  der  die  klinische  Psychiatrie  bereits 
beherrscht. 

.  So  finden  wir  hier  ganz  ungleichmässige  Abschnitte :  bei  den 
einen  Krankheiten  ganz  kurze  Zusammenfassungen  der  wich¬ 
tigsten  Symptome,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  foren¬ 
sisch  Bedeutsamen;  bei  den  anderen  eine  ausführliche,  wenn 
auch  unmöglich  erschöpfende  Darstellung,  die  z.  B.  bei  Alkoholis¬ 
mus  und  Epilepsie  sehr  willkommen  sein  wird,  da  die  Lehrbücher 
der  Psychiatrie  hier  für  diese  Zwecke  zu  kurz  bleiben;  bei  anderen 
ist  kaum  versucht  worden,  ein  Krankheitsbild  zu  skizzieren,  so 
bei  den  Verblödungsformen  und  den  angeborenen  Schwäche- 
zustanden.  Die  kurze  Abfertigung  der  ersten  ist  aus  praktischen 
Gründen  gewiss  zu  loben,  wenn  auch  der  juristische  Teil  da  und 
dort  eine  klinische  Ergänzung  gut  vertrüge,  z.  B.  in  Bezug  auf 
die  Bedeutung  der  Dementia  praecox  als  Ehescheidungsgrund. 
Dagegen  lässt  sich  die  kurze  Behandlung  des  angeborenen  Blöd¬ 
sinns  nur  aus  Raummangel  erklären;  denn  die  Lehrbücher  sind 
hier  unzureichend  und  einige  klinische  Fingerzeige,  wie  der  ge¬ 
sunde  Menschenverstand  bei  den  Untersuchungen  auf  Schwach¬ 
sinn  anzuwenden  sei,  namentlich  Hinweise,  in  welcher  Rich¬ 
tungen  nach  Lücken  des  Verständnisses  gesucht  werden  müsse, 
wären  gewiss  sehr  nützlich.  Auch  für  eine  klare  Charak¬ 
terisierung  der  als  Gefängnis-  und  Militärpsychosen  bezeichneten 
Zustände,  deren  Eigentümlichkeiten  die  Lehrbücher  der  Psychia¬ 
trie  ebenfalls  nicht  gerecht  werden,  hätte  sich  vielleicht  da  und 
doit  etwas  Platz  sparen  lassen.  —  Die  funktionellen  traumatischen 
Psychosen,  denen  die  allgemeine  Beschreibung  der  Hysterie  und 
Neurasthenie  nicht  genügen  kann,  sind,  trotz  der  Vertröstung 
des  einen  Verfassers  auf  den  folgenden,  vernachlässigt.  Wenn 
dieses  schwierige.  Kapitel  hier  nicht  erörtert  werden  konnte,  so 
wäre  wohl  wenigstens  eine  Verweisung  auf  die  benutzbare 
Literatur  erwünscht  gewesen. 

Im  übrigen  finden  sich  Wiederholungen  und  Widersprüche, 
die  unvermeidlich  durch  das  Zusammenarbeiten  mehrerer  be¬ 
dingt  werden,  merkwürdig  selten  und  nur  in  unbedeutenden 
Nebensachen. 

Das  Buch,  das  an  Vollständigkeit  alle  anderen  übertrifft,  ist, 
wie  ja  die  Namen  seiner  Bearbeiter  mit  Sicherheit  erwarten 
lassen,  ein  ausgezeichnetes  und  wird  hoffentlich  recht  viel  Gutes 
stiften  de  lege  lata,  wie  de  lege  ferenda.  Es  wäre  sehr  zu 

6* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


wünschen,  dass  auch  die  unterdrückten  Kapitel  über  soziale  Ge-  | 
setzgebung  und  Irrenrecht  in  absehbarer  Zeit  erscheinen  und  das 
Werk  zu  einem  lückenlosen  Ganzen  abrunden  würden. 

Bleuler-  Burghülzli. 

Aerztliclie  Kriegswissenschaft.  Vierzehn  Vorträge.  Heraus¬ 
gegeben  vom  Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Eortbildungswesen, 
in  dessen  Aufträge  redigiert  von  Prof.  K  u  t  n  e  r.  333  Seiten 
mit  2  Tafeln,  56  Abbildungen  und  14  Diagrammen  im  Text.  Ab¬ 
druck  aus  dem  klinischen  Jahrbuch,  9.  Bd.  Jena,  Gustav 
Fischer,  1902.  Preis  broch.  6  M.,  geb.  7  M. 

Das  Buch  umfasst  14  Vorträge,  welche  das  Zentralkomitee 
für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  im  Herbst  1901  in  Berlin 
veranstaltet  hat,  davon  beziehen  sich  4  auf  die  Militär¬ 
gesundheitspflege  :  R.  Koch:  Seuchenbekämpfung  im  Kriege. 
M.  Kirchner:  Ernährung  und  Trinkwasserversorgung  im 
Felde.  Schumburg:  Hygiene  des  Marsches  und  Truppen¬ 
unterkunft.  Krocker:  Bekleidung  und  Ausrüstung.  6  Vor¬ 
träge  umfassen  die  Kriegschirurgie :  v.  Bergmann:  Erste 
Hilfe  auf  dem  Schlachtfelde  und  Asepsis  und  Antisepsis  im 
Kriege.  Küttner:  Schusswunden  an  den  Extremitäten. 
König:  Schussverletzungen  am  Rumpfe,  v.  Bergmann: 
Schusswunden  des  behaarten  Kopfes.  A.  Köhler:  Hieb-  und 
Stichwunden.  Die  letzten  4  Vorträge  beziehen  sich  auf  die 
Organisation  des  Kriegssanitätsdienstes  und  die  Kriegssanitäts¬ 
statistik:  Schjerning:  Organisation  des  Sanitätsdienstes 
im  Kriege.  Werner:  Krankentransport  und  -Unterkunft  im 
Kriege.  Schaper:  Krankenpflege  im  Kriege.  K  ü  b  1  e  r : 
Kriegs-Sanitätsstatistik.  Die  Vorträge  geben  eine  vortreffliche 
Uebersicht  über  die  gesamte  ärztliche  Kriegswissenschaft;  sie 
sind  auch  einzeln  im  Buchhandel  zu  haben. 

Dieudonne  -  Würzburg. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medicin.  1902.  46.  Bd.  Heft 

1.  bis  4.  Festschrift  für  Theodor  Dun  in  in  Warschau. 

1)  W.  D  o  m  b  r  o  w  s  k  i- Warschau:  Untersuchungen,  über 
das  Kontagium  der  Pocken. 

Verfasser  fand  im-  Inhalt  der  Variolapustel  in  den  ersten 
Stadien  derselben  zahlreiche  feine,  dunkle,  punktförmige  Gebilde 
mit  lebhafter  Bewegung  und  hellem  Saum;  in  den  späteren  Stadien 
waren  diese  Gebilde  weniger  zahlreich,  dafür  traten  mehr  grössere, 
regelmässig  geformte  Kugeln  mit  deutlichem  schmalen,  weissen 
Saum  teils  frei,  teils  in  den  Leukocyten  auf.  Häufig  sind  Doppel¬ 
gebilde  zu  selieu  und  zwar  namentlich  solche,  bei  welchen  das  eine 
Gebilde  bedeutend  kleiner  ist  als  das  andere,  so  dass  das  ganze 
Bild  sehr  an  die  Sprossung  der  Hefezellen  erinnert.  Dieselben  Ge¬ 
bilde  fand  Verfasser  auch  im  Abszesseiter;  im  Blute  fanden  sich 
die  kleinsten  Formen.  Mit  Anilinfarbstoffen  Hessen  sie  sich  nicht 
färben.  Der  Versuch,  sie  auf  Agar  oder  Gelatine  zu  züchten, 
schlug  fehl;  die  mit  Pustelinhalt  geimpften  Platten  blieben  steril. 
Die  mit  dem  Pustelinhalt  übertragenen  Kügelchen  blieben  Monate 
lang  erhalten.  Tierversuche  wurden  nicht  angestellt.  Verfasser 
hält  die  Kügelchen  für  die  Erreger  der  Variola,  welche  sich  von 
den  von  Pfeiffer  gefundenen  hauptsächlich  durch  Fehlen  der 
Vermehrung  auf  dem  Wege  der  Sporoblastenbildung  unterscheiden, 
sonst  ihnen  ziemlich  ähnlich  sind. 

2)  M.  Ha  Ipern:  Zur  Frage  über  die  Behandlung  der 
Aortenaneurysmen  mit  subkutanen  Gelatineinjektionen.  (Aus 
der  inneren  Abteilung  Dun  ins  im  Krankenhause  Kindlein  Jesu 
in  Warschau.) 

Verfasser  machte  bei  zwei  Kranken  mit  Aortenaneurysmen 
Injektionen  mit  2  proz.  Gelatinelösungen  von  100 — 200  ccm,  ohne 
damit  irgend  eine  Besserung  oder  einen  Stillstand  der  Krankheit 
zu  erzielen. 

3)  St.  Kopczynski:  Kasuistische  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Geschwülste  und  Abszesse  des  Gehirns.  (Aus  der  Nerven  - 
klinik  der  Universität  in  Warschau.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

4)  W.  JanoAVSki:  Ueber  die  diagnostische  und  pro¬ 
gnostische  Bedeutung  des  Blutbrechens.  (Aus  dem  Krankenhaus 
Kindlein  Jesu  in  Warschau.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

5)  Derselbe:  3  Fälle  von  Neuritis  arsenicalis. 

Verfasser  geht  im  Anschluss  an  drei  diesbezügliche  Fälle 

näher  auf  die  Aetiologie,  die  Symptomatologie  und  die  Therapie 
der  Arsenikneuritis  ein.  Hienaeli  kommt  die  Neuritis  sowohl  in¬ 
folge  von  akuten  als  auch  von  chropLSchenVergiftunge.il  mit  Arsenik 
vor.  am  häufigsten  allerdings  bei  akuten  Vergiftungen.  Die  Läh¬ 
mungen  entwickeln  sich  am  öftesten  an  den  unteren  Extremitäten, 
besonders  im  Peroneusgebiet,  greifen  nicht  selten  auf  die  oberen 
Extremitäten  über;- in  manchen  Fällen  werden  auch  Lähmungen 
im  Gebiete  der  Gehirnnei’ven  beobachtet.  Die  nicht  gelähmten 
Muskeln  zeigen  oft  Kontrakturen,  besonders  die  Beuger  an  den 
unteren  und  oberen  Extremitäten;  gleichzeitig  finden  sich  häufig 
Muskelzittern  und  tonische  Krämpfe.  Die  Muskelatrophie,  welche 


meist,  aber  nicht  immer,  die  Lähmung  begleitet,  erreicht  je  nach 
der  Intensität  verschiedene  Grade.  Schmerzen  sind  sehr  häufig 
vorhanden  und  gehören  zu  den  am  frühesten  auftretenden  Sym- 
tomen;  nicht  selten  sind  Pariisthesien.  Die  Nervenstämme  und  die 
Muskeln  sind  häufig  auf  Druck  empfindlich.  Der  Tastsinn  ist  auf¬ 
gehoben  oder  vermindert  bei  gleichzeitig  bestehender  Hyperalgesie; 
Temperatursinn,  Drucksinn,  Ortssinn  bleibt  häufig  normal.  Der 
stereognostisclie  Sinn  ist  meist  sehr  stark  und  lange  dauernd  ge¬ 
stört:  der  elektrische  Sinn,  entsprechend  der  Hyperalgesie,  meist 
gesteigert;  die  elektrische  Erregbarkeit  zeigt  alle  Uebergänge  von 
der  kompletten  Entartungsreaktion  zum  normalen  Verhalten.  Die 
Hautreflexe  sind  normal  oder  gesteigert  oder  vermindert;  die 
Sehnenreflexe  verschwinden  oft  für  lange  Zeit,  manchmal  kehren 
sie  früh  wieder  und  werden  gesteigert.  Die  mechanische  Muskel¬ 
erregbarkeit  ist  häufig  gesteigert;  Ataxie  ist  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  vorhanden.  Vasomotorische  und  trophische  Störungen  sind 
nicht  selten.  Blasen-  und  Mastdarmstörungen  und  Störungen  der 
Genitalfunktionen  kommen  hie  und  da  vor.  Sehstörungen  sind 
selten,  noch  seltener  Gehörstörungen  und  psychische  Störungen. 
Die  Prognose  ist  ziemlich  günstig.  Der  Sitz  der  Erkrankung  ist 
primär  in  den  peripheren  Nerven,  sie  kann  aber  sekundär  auch  auf 
das  zentrale  Nervensystem  übergreifen.  Für  die  Diagnose  und  Be¬ 
handlung  ist  das  Auffinden  des  ätiologischen  Momentes  von  aus¬ 
schlaggeltender  Bedeutung. 

(b  .T.  M  a  rkie  w  i  c  z:  Beitrag  zur  chronischen  ankylosieren¬ 
den  Entzündung  der  Wirbelsäule.  (Aus  der  Abteilung  D  u  n  i  n  s 
im  Kindlein  Jesu-IIospital  zu  Warschau.) 

Von  den  drei  Fällen  des  Verfassers  waren  bei  dem  ersten 
hauptsächlich  das  Kreuzbein  und  die  unteren  Lendenwirbel  affi- 
ziert,  bei  den  beiden  letzten  ausser  den  Gelenken  der  Wirbelsäule 
auch  die  Hüftgelenke  und  Gelenke  der  oberen  Extremitäten, 
bei  dem  dritten  ausserdem  noch  die  Kiefergelenke  betroffen. 


7)  S.  M  int  z- Warschau:  Ueber  hämorrhagische  Magen¬ 
erosionen. 

Das  von  Einliorn  auf  gestellte  Krankheitsbild  der  liamor- 
rliagischen  Magenerosionen  wurde  vom  Verf.  bei  zwei  Patientinnen 
diagnostiziert  bei  welchen  neben  Erbrechen  und  Magenschmerzen 
als  wichtigster  Befund  konstant  Partikelchen  von  Magenschleim¬ 
haut  in  der  Spülflüssigkeit  des  nüchtern  ausgespülten  Magens 
zu  finden  waren.  Die  Salzsäureabscheidung  kann  dabei  von 
Superazidität  bis  zur  Anazidität  variieren;  die  Motilität  ist  meistens 
ungestört.  Die  Behandlung  besteht  in  Spülungen  mit  Höllenstein- 
lösungen,  1— 2  prom.,  und  in  Darreichung  grosser  Bismutlidosen; 
eventuell  ist  eine  typische  Ulcuskur  einzuleiten. 

8)  St.  Mutermilch- War  schau:  Die  chemischen  und 
morphologischen  Eigenschaften  der  fettigen  Ergüsse  (Hydiops 
chylosus  et  chyliformis). 

Bei  einem  5  monatlichen  Kinde  trat  im  Anschluss  an  einen 
Fall  eine  Flüssigkeitsansammlung  in  der  rechten  Pleurahöhle  auf. 
Die  Untersuchung  der  aspirierten  Flüssigkeit,  welche  milchiges 
Aussehen  hatte,  ergab,  dass  es  sich  um  eine  sehr  feine  Fett¬ 
emulsion  handelte.  Der  Gehalt  an  Fett  und  an  Eiweiss  war  ziem¬ 
lich  bedeutend,  das  Fett  in  Form  zarten  Staubes  voi lianden, 
grössere  Fettkugeln  oder  Fettropfen  fehlten.  Demnach  harte  sich 
Chylus  ergossen.  Zur  Unterscheidung  von  fettigen  Ergüssen, 
weiche  durch  Verfettung  zeitiger  Elemente  des  Exsudates  ent¬ 
stehen,  dienen  folgende  Momente.  Bei  letzteren  Ergüssen  finden 
sich  alle  Uebergangsformen  der  verfetteten  Zellen  zu  freien  bett¬ 
tropfen  vor.  Traubenzucker,  dessen  Anwesenheit  in  mehr  als 
zweifelhaften  Spuren  früher  als  beweisend  für  Erguss  von  Gliylus 
angesehen  wurde,  kommt  auch  in  ganz  gewöhnlichen  Trans¬ 
sudaten  und  Exsudaten  vor.  Der  Nachweis  zahlreicher  viel¬ 
kerniger,  neutrophiler  Leukocyten  spricht  gegen  die  cliylose  Natur 
einer  Flüssigkeit.  Endlich  spricht  der  U ebergang  von  Naliiungs- 
fett  direkt  für  die  chylöse  Natur. 


9)  a.  Pulawski:  Periodische  Neurasthenie.  (Aus  der 

Heilanstalt  in  Nalentsclioff.)  . 

Verf.  beschreibt  9  selbst  beobachtete  Fälle  von  periodischer 
Neurasthenie.  Die  Neurasthenie  tritt  bei  dieser  Krankheitsform 
in  Anfällen  auf  oder  exazerbiert  wenigstens  anfallsweise.  Die 
Dauer  der  Anfälle  variiert  von  einigen  Stunden  bis  zu  mehreren 
Monaten.  Manchmal  treten  die  Anfälle  stets  zur  gleichen  Tages¬ 
zeit  auf.  so  dass  Verwechslungen  mit  Malaria  Vorkommen  können. 
Die  Anfälle  haben  den  Charakter  der  Depression.  Fälle,  bei 
denen  Exzitationsstadien  auch  Vorkommen,  gehören  zu  der  zirku¬ 
lären  und  alternierenden  Neurasthenie  und  sind  meist  zu  wirk¬ 
lichen  Psychosen  zu  rechnen.  Bei  der  periodischen  Neurasthenie 
ist  die  hereditäre  Belastung  belanglos;  die  Prognose  der  periodi¬ 
schen  Neurasthenie  ist  ungünstiger  als  die  der  gewöhnlichen  b  orm. 
Für  die  Pathogenese  der  periodischen  Neurasthenie  hat  die  An¬ 
nahme  einer  Autointoxikation  sehr  viel  Wahrscheinliches. 

10)  Derselbe:  Versuch  der  Nährwertsbestimmung  m 

einer  Heilanstalt.  .  .  , 

Verfasser  berechnet  die  Mengen  von  Eiweiss,  bett  und  Konie- 
hydraten,  sowie  die  Kalorienzahl,  welche  bei  den  verschiedenen 
Mahlzeiten  in  den  einzelnen  Gerichten  in  der  Heilanstalt  Nalent- 
sclioff  auf  die  einzelne  Person  treffen,  hauptsächlich  nach  den 
Koni  g  sehen  Tabellen. 

11)  .T.  Pstrokonski:  Zur  pathologischen  Anatomie  und 
Klinik  des  primären  Magensarkoms.  (Aus  dem  pathologisch- 
anatomischen  Institut  in  Warschau.) 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet.  . 

12)  C.  v.  Rzetkowski:  Zur  Lehre  des  Stoffwechsels  bei 
chronischer  Nierenentzündung.  (Aus  dem  Kindlein  Jesu-IIöspita 
in  Warschau.) 


14.  Oktober  1902. 


MtTEN CTIENER  MEDIOINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1713 


tt.,+01?.10  iUlter  V'.-,N  °,°  v  (1  0  n  s  Leitung  in  Frankfurt  ausgefiilirten 
I  nteisuchungen  des  Verfassers  bei  einem  Kranken  mit  chronischer 

tlTI,  glSCl??'  «-gaben  als  Untei-sclnede  Im  ISff- 

^eclistl  gegenüber  dem  Gesunden:  Retention  von  Phosolmten 

dpm 11  kl1  n^eu  hl  der  täglichen  N-Ausselieidung  mit 
dim  Hain,  endlich  etwas  verminderte,  die  niedrigste  Norm-ihn-enzo 

ab«;  nicht  ilbei-schfeltende  Harnsauremengen  n  Ha  f-  "  ,1s 
schbesst  der  Verfasser,  .lass  die  Nieren  1,“  toto  eSmnkt  waten 

r“e”n“  faTfSni»artl?f  **<*  “flslert  umi 

zn  emei  fast  völligen  Kompensation  ausreichend  waren  Die 

hieuaus  sich  ergebenden  Indikationen  für  die  Belmndlum*-  sind  die 

möglichster  Schonung  der  Nieren.  Das  Eiweäss  soll  ideht  n  r  in 

1' 01111  1011  ?Illcl1  gereicht  werden,  da  sonst  die  Flüssigkeitsmenge 

rIüpa7ieW1wiVSSonmt1  eS  kM]  Kiise’  gekochte  Eier,  verschiedene 
i  lapaiate,  A\ie  Somatose,  Nutrose,  und  auch  gesottenes  Fleisch 

re?iernde  Hiilfte  rte»  Eiweissbedarfes 
duicli  Milch  (1%  Liter)  zu  decken  ist.  Ferner  sind  Perioden  mit 

laxeiei  I hat  zu  gestatten,  da  es  nicht  möglich  ist.  jahrelang  strenge 
Diät  ununterbrochen  durchzuführen.  Die  Schädlichkeit  des  Vlkoliols 
scheint  zwar  im  allgemeinen  übertrieben  zu  Averden,  derselbe  ist 
jedoch  mii  zu  gestatten,  wenn  er  die  Aufnahme  anderer  Naliruims- 
sto'fe.  Ane^der  Fette,  befördern  oder  als  Stomacliikum  bei  gänz- 
he  lei  Appetitlosigkeit  und  stark  heruntergekommenem  Eriiiihrun«-s- 
zustande  dienen  soll.  Endlich  soll  der  Einfluss  der  Diät  R  die 
Ausscheidungen  im  Harn  überwacht  werden. 

1  vi’1  1  v r  j  1 11  S  k  1  ’  Woloczyska :  lieber  die  operative  Be¬ 
handlung  des  Hydrops  Anasarka. 

,1or  \01'fasser  ziellt  auf  6rund  seiner  Erfahrungen  die  Entleerung 
der  Oedeme  an  den  Beinen  durch  Punktion  mit  Drainage  d£ 
.Klugen  durch  Inzision  vor.  da  es  bei  ersterem  Verfahren  leichter 
gelingt,  die  Extremitäten  trocken  zu  halten. 

,  ^l-Anas^.az*Y,  E  and  au:  Untersuchungen  über  die  Lei¬ 
stungsfähigkeit  der  Nieren  mit  Hilfe  des  Methylenblau  (  Vus 

VarSuT  AbtelImis  D  "  '■  ‘  >'  »  Im  Kimllem  .Tem.-HoSital  lÜ 

,a,es  Verf?sseFs  mit  subkutanen  Injek- 
,  ’  f) '  &  J^tliylenblau  in  wässriger  Lösung  sprechen  nicht 

zu  Gunsten  der  Methylenblaumethode.  Bei  akuten  Nierenent 
Bildungen,  bei  welchen  aus  dem  sonstigen  Befund  auf  eine  sehr 
intensive  Storung  der  Nierenfunktion  geschlossen  werden  musste 
T\ar  nur  eine  sehr  geringe  Verspätung  des  Anfangs  und  eine 
massige  V  erlangerung  der  Ausscheidung  zu  konstatieren,  während 
nach  Bard  em  verfrühter  Anfang  und  eine  verkürzte  Dauer  der 
Ausscheidung  zu  erwarten  gewesen  wäre.  Bei  chronischer  par- 
.  encliymatoser  Nephritis  fand  sich  ebenfalls  statt  Verfrühung  Ver- 

7P,vtinfi  id<iS  i  ,Aufangs  der  -Ausscheidung.  Bei  Schrumpfniere 
zeigte  sich  bald  ganz  normaler  Typus  der  Ausscheidung,  bald  ver¬ 
frühter  Anfang  und  verlängerte  Dauer,  nie  dagegen  verspäteter 
Anfang  und  verlängerte  Dauer  der  Ausscheidung,  Avie  es  nach  den 
französischen  Autoren  zu  erwarten  geAvesen  Aväre.  Bei  Stauungs- 
niere  infolge  von  Herzinsuffizienz  zeigte  sich  eine  Tendenz  zu  Ver¬ 
spätung  des  Anfangs  und  zur  Verlängerung  der  Dauer  der  Aus¬ 
scheidung.  Bei  Fällen  mit  Arteriosklerose  Aveeliselten  die  Ver- 
haltnisse  der  Ausscheidung  sehr.  Die  Methylenblaumethode  ge¬ 
stattet  also  weder  einen  Schluss  auf  die  Art  der  Nierenerkrankung 
noch  auf  den  Grad  der  Niereninsuffizienz. 

,  Tr'  Henryk  L  a  n  d  a  u:  Experimentelle  Untersuchungen  über 
aas  Verhalten  des  Eisens  im  Organismus  der  Tiere  und  Men- 
t-- e^‘  .  ^Alls  der  -Abteilung  'und  dem  Laboratorium  Dunins  im 
Kindlem  Jesu-Hospital  in  Warschau.) 

Verfasser  gibt  zunächst  eine  kritische  Uebersiclit  über  die 
Literatur  der  Eisenfrage  und  beschreibt  dann  seine  Untersuchungen 
«am  Menschen  und  an  Tieren,  bei  welchen  teils  mikrochemisch 
auf  Eisen  m  den  verschiedenen  Organen  mit  Schwefelammonium 
nezw.  I  erroeyankalium  geprüft  wurde,  teils  quantitative  Eisen¬ 
bestimmungen  in  den  Organen  gemacht  Avurden.  Die  Resultate 
(  u sei  Vei suche  sind:  Bei  Menschen  Avie  bei  Tieren  Averden  die 
«anorganischen  Eisensalze  ausschliesslich  im  Duodenum  resorbiert, 
durch  Lymph-  und  Blutgefässe.  Die  absoluten  Mengen  des  resor¬ 
bierten  Eisens  sind  hiebei  sehr  gering.  Das  resorbierte  ’  Eisen 
wird  hauptsächlich  in  der  Milz,  zum  Teil  auch  in  der  Leber  und 
nn  Knochenmark  abgelagert,  in  beiden  letzteren  wahrscheinlich  in 
emer  testen  organischen  Verbindung,  in  welcher  es  durch  die  ge¬ 
wöhnlichen  Reagentien  nicht  immer  nachweisbar  ist.  Nur  das  in- 
lolge  massenhaften  Zerfalls  von  roten  Blutkörperchen  frei 
Averdende  Eisen  sammelt  sich  fast  völlig  in  der  Leber  in  Form 
einer  lockeren  Verbindung  an,  Avodurcli  der  Gesamteisengehalt 
des  Organes  bedeutend  steigt.  Die  Eisenausscheidung  findet  haupt¬ 
sächlich  in  den  unteren  Darmabschnitten  (Blind-,  Dick-,  Mastdarm), 
ni  viel  geringerem  Masse  in  den  Nieren,  in  den  gewundenen  Ka¬ 
nälchen  statt.  Zusatz  von  anorganischen  Eisensalzen  zum  ge¬ 
wöhnlichen  Futter  steigert  bei  Kaninchen  den  Eisengehalt  der 
Leber  und  der  Milz  ziemlich  bedeutend.  Zusatz  von  anorganischen 
Eisensalzen  zu  künstlich  eisenfreier  Nahrung  steigert  den  Eisen¬ 
gehalt  bedeutend,  letzterer  erreicht  aber  nicht  den  Eisengehalt 
normal  gefütterter  Tiere.  Die  Zufuhr  anorganischer  Eisensalze 
nbt  einen  günstigen  Einfluss  auf  die  Entwicklungsfähigkeit  und 
auf  den  Allgemeinzustand  der  Tiere  aus.  Der  Grund  der  Wirk¬ 
samkeit.  der  anorganischen  Eisenpräparate  bei  anämischen  Zu¬ 
standen  ist  nicht  in  deren  Nebenwirkung  auf  die  blutbildenden 
Organe,  sondern  wahrscheinlich  in  einer  direkten  Wirkung  zu 
suchen,  indem  sie  das  Material  zur  Hämoglobinbildung  und  damit 
zur  Bildung  von  roten  Blutkörperchen  liefern. 

Ib)  .T.  S  w  i  e  n  t  o  c  h  o  w  s  k  y.:  Ueber  den  Einfluss  des  Al¬ 
kohols  auf  die  Blutzirkulation. 


l-n.nL,  f  1  1  1  ,  te  m  Ueberemstimmung  mit  dem  bisher  Be¬ 

kannten  durch  sphymographische  Kurven  als  Wirkung  des  Al¬ 
kohols  vor  allem  Erweiterung  der  Blutgefässe,  ferner  Besclileu- 
«m,T8  w  61‘  Herzaktl?11  nachweisen,  ferner  mit  dem  Gärtner- 
"tlieu  Tonometer  leichte  Druckverminderung;  dass  ein  Schluss 
Verbesserung  der  Herzarbeit  aus  dem  Vollerwerden  des 
l  ulses  und  der  I  requenzzunalime  bei  Alkoholzufuhr  nicht  an¬ 
gängig  ist,  zeigen  Untersuchungen  bei  Arteriosklerose,  bei  welcher 
die  Aenderung  der  Gefässweite  beeinträchtigt  ist.  Es  zeigte  sich 
hier  deutlich  ebenfalls  Druckabnahme.  Dasselbe  zeigte  sich  be 

lm  heiSßen  Baa°>  in  welchem  auch  durch  den 
Alkohol  keine  nennenswerte  Erweiterung  der  Gefässe  mehr 
hervorgerufen  Averden  konnte.  Ebenso  war  bei  einem  fiebernden 
Phthisiker,  der  bei  hoher  Pulsfrequenz  und  sehr  bedeutender  Ge- 
f a sserweiterung  einen  sehr  niedrigen  Blutdruck  hatte  durch  VI- 
kohol  keine  Besserung  zu  erzielen,  sondern  es  trat  jedesmal  kurze 
Zeit  nach  der  Alkoholzufuhr  Kollaps  auf.  Bei  einem  Falle  von 
Heimsystolie,  bei  welchem  durch  einmaliges  Gehen  durch  das 
Zimmer  die  zweite  Welle  im  Pulsbilde  hervorzurufen  war  w-lr 

AikoholAJal°sll0lTfU-h1'  di6S  nicht  211  ei'ziel(‘n-  Es  kommt'  dem 
Alkohol  also  keine  erregen  d  e,  sondern  eine  s  c  h  aa-  ä 

chen  de  Wirkung  auf  das  Zirkulationssystem  zu. 

L  i  n  d  e  m  a  n  n  -  München. 

Centralblatt  für  innere  Medicin.  1902.  No.  37. 

Luigi  Ferra  nini:  Alimentäre  Glykosurie  und  Lävulo- 
sune  bei  Erkrankungen  der  Leber. 

Nach  einem  kurzen  geschichtlichen  Rückblick  über  die  ali¬ 
mentäre  Glykosurie  und  Lävulosurie  berichtet  Verf.  über  Unter¬ 
suchungen  auf  alimentäre  Lävulosurie  und  Glykosurie  bei  16  kli¬ 
nisch  beobachteten  Lebererkrankungen.  In  einem  Falle  war  im 
I  rin  nach  Darreichung  von  100  g  Traubenzucker  und  100  g  Lävu- 
mse  weder  l  raubenzucker  noch  lümilose  naclizuAveisen  In 
15  Fällen  war  die  Lävuloseprobe,  in  10  Fällen  die  Traubenzucker- 
probe  positiv.  Die  Lävuloseausselieidung  war  bei  «allen  Kranken 
deutlicher  als  die  Glykoseausscheidung. 

Es  ergibt  sich  daraus,  dass  die  Lävulose  mehr  als  die  Gl.vkose 
die  Insuffizienz  der  glykogenbildenden  Funktion  der  Leber  anzeigt 
und  dass  man  bei  den  Erkrankungen  der  Leber  die  Probe  auf 
alimentäre  Glykosurie  mit  Lävulose  und  nicht  mit  Traubenzucker 
anstellen  muss.  ,  K.  L  i  e  p  e  1 1  -  Berlin. 

No.  40.  1902. 

_  *4'  ®  11  (1  °  r  1 f  e  v-  Ein  Fall  von  Vergiftung  durch  die 

Uouglasfichte  (Tsuga  Douglasii). 

Eine  etwa  60jälirige  Gärtnersfrau  erkrankte,  nachdem  sie 
sich  wahrend  zweier  Tage  und  eines  Teiles  der  Nacht  in  an¬ 
gestrengter  Weise  mit  Kränzebinden  unter  fast  ausschliesslicher 
t  envendung  von  Zweigen  der  Douglasfichte  beschäftigt  hatte  mit 
Kopfschmerzen.  Uebelkeit;  bald  bildete  sich  ein  schwerer  Sopor 
mit  unwillkürlicher  Harn-  und  Stuhlentleerung,  SeliAväche  des 
linken  Armes  aus.  Erscheinungen  von  Benommenheit,  Unbesinn¬ 
lichkeit,  Unruhe  hielten  an.  Im  Urin  kein  Terpentin.  Erst  nach 
etAva  5  Wochen  genas  Pat,  während  der  Rekonvaleszenz  traten 
die  psychischen  Symptome,  Gedächtnisschwäche,  leichte  Benom¬ 
menheit  am  längsten  lieiwor.  Als  Ursache  wird  Vergiftung  mit 
einem  toxischen,  nicht  näher  festgestellten  Stoff  der  Douglasfichte 
angenommen,  der  durch  die  Atmung  und  durch  die  Haut  der 
Hände  (bei  dem  Kranzbinden)  in  den  Körper  eindrang.  Aelmliehe 
Erkrankungen  leichteren  Grades  hatte  Pat.  bei  derselben  Arbeit 
Aviederliolt  durchgemacht.  Beobachtungen  gleicher  Art  Avie  die 
des  Verf.  liegen  bislang  nicht  vor.  "  '  W.  Zinn  -  Berlin 

j 

Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie, 
Bd.  VI,  Heft  5.  1902. 

1)  Wilhelm  Schlesinger  -  Wien:  Ueber  das  Nahrungs¬ 
bedürfnis  der  Diabetiker.  (Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  des 
Hofrats  Prof.  N  o  t  h  n  a  g  e  1.)  1.  Teil. 

2)  Theodor  Büdingen-  Todtmoos  (Schw.arzAvald):  Ueber 
den  Einfluss  des  Lichtes  auf  den  motorischen  Apparat  und  die 
Reflexerregbarkeit.  Experimentelle  Untersuchungen  und  kri¬ 
tische  Betrachtungen. 

^  ersuche  am  Nervmuskelpräparate  des  Frosches  und  ent- 
liirnten  Fröschen  zeigten,  dass  weder  die  Bestrahlung  mit  kon¬ 
zentriertem  roten  oder  blauen  elektrischen  Bogenlichte,  noch 
Sonnenlichte  nach  Eliminierung  der  Wärmestrahlen  eine  direkte 
Erregung  der  Nerven  und  Muskeln  zu  stände  bringt;  ebensoAveuig 
liess  sich  eine  Tätigkeitsänderung  anderweitig  gereizter  Muskeln 
durch  Licht  nachAveisen.  Die  Reflexerregbarkeit  des  Rücken¬ 
markes  Avurde  durch  auf  die  Haut  applizierte  Strahlen  nicht  be¬ 
einflusst. 

3)  E.  M  o  r  y  -  Adelboden  (Schweiz):  Die  Fangokur  und  deren 
Indikationen. 

Erfolgreiche  Anwendung  bei  akutem  und  chronischem  Rheu¬ 
matismus,  gonorrhoischen  Gelenkentzündungen,  typischem  Gicht- 
anfalle,  Muskelrheumatismus,  Lumbago,  Icliias  und  anderen  Neur¬ 
algien,  Neuritiden  und  Beschäftigungsneurosen.  Beckenexsudaten, 
Metritiden,  Oophoritis.  Salpingitis,  ferner  bei  Nachbehandlung  von 
Distorsionen  und  Frakturen. 

4)  Alfred  Martin:  Verwendung  älterer  Fahrradsysteme 
zu  therapeutischen  Zwecken.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu 
Zürich.)  (Mit  6  Abbildungen.) 

Beschreibung  atou  Fahrrädern,  bei  denen  statt  der  kreisrunden 
Pedalkurbeln  Elipsenkurbeln  in  Verwendung  sind,  um  die  Tret- 


1714 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


bewegungen  den  gewöhnlichen  Muskelbewegungen  beim  Gehen 
möglichst  anzupassen. 

5)  Rossnitz:  Ein  neuer  Zerstäubungsapparat  für  All¬ 
gemeininhalation.  (Aus  der  Abteilung  für  physikalische  Therapie 
im  Krankenhause  München  1.  I.)  (Mit  6  Abbildungen.) 

M.  W  asser  m  ann  -  München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  G5.  Band,  1.  Heft. 
August  1902.  Leipz’g,  Vogel. 

1)  M  a  n  n  i  n  g  e  r  -  Ofen-Pest:  lieber  die  Enderfolge  der 
operativen  Behandlung  bei  Coxitis  tuberculosa.  (Chirurg.  Klinik 
Bern.) 

Bericht  über  44  Fälle.  Unter  den  statistischen  Daten  inter¬ 
essiert  zunächst  die  Tatsache,  dass  Sequesterbildung  weit  seltener 
vorkommt,  als  man  früher  annahm,  in  etwa  25  Proz.  der  Fälle. 
Von  Wichtigkeit  für  die  Diagnose  der  Knochenerkrankung  ist  das 
Röntgenbild. 

Die  Operation  bestand  immer  in  der  Resektion  nach  dem 
Kocher  sehen  Verfahren,  die  Nachbehandlung  in  Extension  bei 
Abduktionsstellung.  Die  Ergebnisse  der  Wundbehandlung  waren: 
Per  primam  geheilt  27,  per  secundam  10,  fraglich  7  Fälle. 

Bezüglich  der  Endresultate  konnten  von  41  Patienten  brauch¬ 
bare  Nachrichten  erhalten  werden.  Von  denselben  sind  gut  ohne 
Fistel  geheilt  IG;  mit  geringer  Fisteleiterung  7;  mit  profuser  Eite¬ 
rung  5;  gestorben  sind  9. 

Diese  Resultate  scheinen  ja.  sehr  gut,  sie  werden  aber  ver¬ 
schlechtert  durch  die  weniger  glänzenden  funktionellen  Resultate. 
In  der  Hälfte  der  Fälle  bestand  Adduktionskontraktur  von  im 
Durchschnitt  20°.  Die  Ursache  für  die  Kontraktur  sucht  Ver¬ 
fasser  in  der  ungenügenden  Nachbehandlung.  Die  Gebrauchs¬ 
fähigkeit  des  Beines  war  allerdings  trotz  der  Kontraktur  meist 
eine  gute.  Die  meisten  Kranken  konnten  2 — 4  Stunden  gehen. 

Bei  der  Indikation  zur  Operation  kommt  im  wesentlichen  die 
Eiterung  und  das  Vorliegen  eines  schweren  ostalen  Herdes  in 
Betracht.  In  der  Armenpraxis  wird  man  die  Indikationen  weiter 
stecken.  Das  scheint  in  Bern  der  Fall  zu  sein. 

2)  Ilartmann-Kassel:  Ein  Beitrag  zu  den  retroperi- 
tonealen  Geschwülsten. 

Verfasser  berichtet  sehr  ausführlich  über  die  Probelaparo¬ 
tomie  bei  einem  inoperablen  retroperitonealen  Tumor,  von  dem  er 
glaubt,  dass  er  ein  Drüsensarkom  sei. 

3)  Goldstein:  lieber  die  in  den  letzten  20  Jahren  auf  der 
chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  im  Friedrichshain  vorgekommenen  Verletzungen  der 
Niere. 

27  Fälle.  G  Todesfälle,  in  4  Fällen  lagen  noch  weitere  Ver¬ 
letzungen  vor. 

Die  Ursache  war  am  häufigsten  Ueberfahrenwerden. 

Das  Hauptsymptom  war  in  allen  Fällen  der  blutige  Harn.  Da¬ 
neben  kolikartige  Schmerzen  und  Dämpfung.  In  G  Fällen  kam  es 
nach  Verschwinden  der  primären  Blutung  zu  recht  beträchtlicher 
Nachblutung. 

Die  Therapie  war  in  den  meisten  Fällen  symptomatisch.  Ope¬ 
riert  wurde  2  mal,  beide  Male  mit  tödlichem  Ausgang. 

4)  Derlin:  Zur  Kasuistik  seltener  Hodenerkrankungen. 
(Städt.  Krankenhaus  Stettin.) 

a)  Hämorrhagischer  Infarkt  eines  Hodens 
infolge  von  Torsion  des  Samenstranges.  Die  Tor¬ 
sion  wurde  begünstigt  durch  eine  linksseitige  Hydrocele.  Ex¬ 
stirpation.  Heilung. 

b)  Sarkom  atöse  Entartung  eines  Bruch¬ 
sackes. 

5)  II  i  1  g  e  r  und  von  der  B  r  i  c  1  e:  Heber  Nachempfin¬ 
dungen  nach  Amputationen.  (Krankenanstalt  Sudenburg-Magde¬ 
burg.) 

Nachempfindungen  nach  Operationen  werden  in  mehreren 
Formen  beobachtet:  1.  der  Patient  glaubt  die  fehlende  Extremi¬ 
tät  noch  zu  besitzen;  2.  der  Patient  denkt  im  Eifer  nicht  an  die 
fehlende  Extremität,  stürzt  beim  Gehen,  greift  beim  Greifen  ins 
Leere;  bei  Aufmerksamkeit  kommt  so  etwas  nicht  vor. 

Verfasser  deuten  diese  Nachempfindungen  als  die  Wirkung 
von  psychischen  Erinnerungsbildern.  Diese  Erinnerungsbilder 
können  durch  Reizung  der  peripheren  Nerven  wieder  erweckt  wer¬ 
den,  zeigen  aber  auch  einen  durchaus  selbständigen  Charakter. 

Auch  accidentelle  Empfindungen  bleiben  nach  der  Amputation 
oft  bestehen. 

6)  Blecher:  Ein  Fall  von  operativ  geheilter  Peritonitis 
nach  Durchbruch  eines  Duodenalgeschwürs.  (Garnisonslazarett 
Brandenburg.) 

Auffallend  war  der  sehr  allmähliche  Beginn.  Patient  tat 
trotz  der  Peritonitis  noch  2  oder  3  Tage  Dienst.  Der  Patient  wurde 
geheilt.  Kreck  e. 

Archiv  für  Gynäkologie.  67.  Bd.  1.  Heft.  Berlin  1902. 

1)  W.  Vassmer,  Frauenarzt  in  Hannover:  Zur  Pathologie 
des  Ligamentum  rotundum  uteri  und  des  Processus  vaginalis 
peritonei. 

Von  den  2  mitgeteilten  Beobachtungen  betrifft  die  eine  ein 
Fibromyom  des  Ligamentum  rotundum,  die  andere  wahrscheinlich 
eine  Hydrocele  muliebris  eystica.  Die  klinische,  anatomische  und 
histologische  Different ialdiagnose  wird  eingehend  besprochen. 

2)  W.  Stoeckel:  Weitere  Erfahrungen  über  Ureterfisteln 
und  Ureterverletzungen.  (Aus  der  Bonner  Frauenklinik.) 


In  der  Aetiologie  der  Ureter  Verletzungen  treten  die  gynäko¬ 
logischen  Operationen  in  den  Vordergrund.  Für  die  Diagnose  ist 
die  Oystoskopie  unentbehrlich.  Die  dominierende  Operation  ist 
die  abdominale  Ureterimplantation  in  die  Blase,  welche  nach  dem 
F  ritsch  sehen  Verfahren  unter  10  Fällen  niemals  im  Stich  liess. 
Dabei  wird  der  Ureterstumpf  in  die  an  die  seitliche  Beckenwand 
fixierte  Blase  eingeniilit  und  mit  der  Blasenwand  umnäht.  Katgut, 
Dauerkatheter.  Als  Ersatz  dieser  Methode  kann  die  zirkuläre 
Naht  des  Ureters  vorgenommen  werden  bei  partieller  Verletzung 
desselben  ohne  völlige  Kontinuitätstrennung. 

Ureterimplantation  in  den  Darm  oder  gar  in  den  anderen 
Ureter  ist.  zu  verworfen,  dagegen  muss  die  Nephrektomie  auch  bei 
Ureterfisteln  als  ein  durchaus  berechtigter  Eingriff,  als  ultimum 
refugium,  angesehen  werden,  wenn  anders  eine  Heilung  nicht  zu 
erzielen  ist.  Eingehende  Mitteilung  von  5  Fällen  abdominaler 
Ureterimplantation  in  die  Blase  mit  dem  späteren  cystoskopiselien 
Befund . 

3)  G.  Heinricius:  Ein  Fall  von  Kaiserschnitt  nebst  Mit¬ 
teilung  über  die  in  Finnland  ausgeführten  Kaiserschnitte.  (Aus 
der  geburtshilfl.-gynäkolog.  Universitätsklinik  in  Helsingfors.) 

Eine  32  jährige  Bauersfrau,  IX.  Gravida,  mit  Conj.  vera  von 
8,75  cm  wollte  ein  lebendes  Kind  haben.  Da  sie  schon  4  mal  Par¬ 
tus  arte  praematurus  durchgemacht  hatte  und  ferner  bei  ihr  am 
Ende  der  Gravidität  schon  2  mal  Kraniotomie  (dabei  1  mal  Uterus¬ 
ruptur  und  Austritt  der  Plazenta  in  die  Bauchhöhle)  und  je  1  mal 
Forzeps  bei  hochstehendem  Kopf  und  Symphyseotomie  gemacht 
worden  war,  so  wurde  Sektio  caesarea  vorgeschlagen  und  glatt 
ausgeführt.  Aber  dieses  lebend  entwickelte  Kind  starb  nach 
10  Stunden  infolge  eines  angeborenen  Bildungsfehlers,  Geliirn- 
nrucli.  Dieses  war  in  der  seit  1833  bestehenden  geburtshilflichen 
Klinik  zu  Helsingfors  erst  der  vierte  Kaiserschnitt,  der  in  dieser 
ganzen  Zeit  vorgenommen  wurde.  Der  erste  genau  beschriebene 
Kaiserschnitt  in  Schweden  wurde  1758  ausgeführt,  die  Frau  starb, 
das  Kind  blieb  lebend. 

4)  R.  Ziegenspeck,  Privatdozent  in  München:  Ueber  die 
Entstehung  der  Hymencysten. 

Der  von  Z.  beschriebene  neue  Fall  einer  Hymencyste  beweist, 
dass  sich  diese  Gebilde  auch  im  extrauterinen  Leben  bilden 
können.  Aus  dem  mikroskopischen  Befund  ergab  sich,  dass  diese 
Cyste  durch  Abschnürung  aus  Epithelpapillen  entstanden  war, 
und  die  beigegebenen  Abbildungen  zeigen  alle  Stadien  des  Ab¬ 
schnürungsprozesses  kleiner  Cystchen  neben  der  vorhandenen 
grösseren  Cyste. 

5)  P.  S  t  r  a  s  s  m  a  n  n  -  Berlin:  Placenta  praevia. 

Die  sehr  umfangreiche  Arbeit  besteht  aus  einem  anatomischen 
und  einem  klinischen  Teil  und  basiert  auf  dem  Material  der 
Charite,  wo  Str.  selbst  101  Fälle  von  Placenta  praevia  beobachtete. 
Die  Besonderheiten  und  Vorbedingungen  einer  Placenta  praevia 
sieht  Str.  in  einer  Heterotopie  des  Eies  und  der  Chorionzotten, 
verursacht  und  begründet  durch  abnorme  Beschaffenheit  des 
Endometrium'  und  funktionelle  Anpassung  an  diese  Ernährung 
mittels  Ausstreckung  der  Eiwurzeln  nach  Gegenden,  wo  sie  sonst 
nicht  hingelangen.  Jede  Blutung  bei  Placenta  praevia  wurde  als 
Indikation  zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  angesehen,  so 
dass  auf  Tamponade  verzichtet  wird.  Einfachste  und  sicherste 
Therapie  bleibt  das  Durchleiten  eines  Fusses.  Metreuryse,  welche 
Str.  nur  2  mal  anwandte,  findet  eine  ziemlich  abfällige  Beurteilung 
und  wird  nur  empfohlen,  wenn  bei  reifer  Frucht  und  mangelhafter 
Erweiterung  ein  lebendes  Kind  gewünscht  wird.  Unter  235  Fällen 
starben  Gl  Proz.  der  Kinder  und  9.5  Proz.  der  Mütter. 

G)  Albiu  Haberd  a,  Professor  der  gerichtlichen  Medizin  und 
Landgerichtsarzt  in  Wien:  Zur  Frage  des  Beweiswertes  der 
Lungenprobe. 

Die  Lungenschwimmprobe  allein  beweist  nichts,  für  den  Er¬ 
fahrenen  ist  sie  sogar  sicher  entbehrlich.  Lungen,  welche  durch 
Vergärung  lufthaltig  geworden  sind,  kann  man  mit  solchen,  die 
geatmet  haben,  nicht  verwechseln.  Die  Arbeit  richtet  sich  be¬ 
sonders  gegen  den  Aufsatz  von  Hitschmann  und  L  inden- 
t  li  a  1,  Arch.  f.  Gynäkol.  G6,  II.  Anton  H  e  n  g  g  e  -  Greifswald. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  34.  Bd.,  5.  u.  6.  Heft. 

W.  Caro:  Ueber  Buttermilch  als  Säuglingsnahrung.  (Aus 
dem  Kai.  er-  und  Kaiserin-Friedricli-Kinderkrankenhause  in  Berlin.) 

Bei  einer  grösseren  Anzahl  an  akuten  und  chronischen  Darm¬ 
affektionen  leidender  Säuglinge,  wie  auch  bei  Kindern  mit  nor¬ 
maler  Verdauung,  wurde  als  Nahrung  Buttermilch  gegeben.  Die 
Resultate  waren,  wie  auch  Baginsky  in  einem  Nachwort  be¬ 
stätigt,  sehr  gute,  Besserung  der  Stühle  und  des  Ernährungs¬ 
zustands  befriedigend,  die  Gewichtszunahmen  beträchtlich,  so  dass 
die  Buttermilch  als  Nahrungsmittel  und  Diiitetikum  entschieden 
Beachtung  verdient.  Wichtig  ist,  dass  sie  stets  aus  möglichst 
frischem  Rahm  gewonnen  wird;  hergestellt  wird  sie  im  Spital  auf 
folgende  Wese:  Einem  Liter  Buttermilch  werden  25  g  feinstes 
Weizenmehl  und  35  g  Rohrzucker  unter  fortwährendem  Umrühren 
zugefügt  und  das  Ganze  2  Minuten  lang  gekocht. 

II.  Sidlauer  -  Miskolcz :  Ein  Fall  von  Persistenz  des 
Ductus  arteriosus  Botalli. 

Der  Fall  betrifft  ein  4  jähriges  Mädchen,  bei  welchem  schon 
im  Alter  von  11  Monaten  die  Diagnose  auf  Offenbleiben  des  Duktus 
gestellt  wurde.  Klinisch  findet  sich  Vergrösserung  des  Herzens, 
besonders  im  Breitedurchmesser,  systolische  und  diastolische  Ge¬ 
räuscherscheinungen;  Zurückbleiben  der  körperlichen,  bei  nor¬ 
maler  geistiger  Entwicklung;  Bradykardie,  frequente  Respiration. 
Dagegen  fehlen  Cyauose,  Trommelschlegelbildung  der  Finger  und 


1715 


14.  Oktober  1902. _  MtTENCHENEft  MEftlcmiSCIIE  WÖCHENSCHRIET. 


Veränderungen  der  grossen  Bauelidrtisen.  Bezüglich  der  einzelnen 
Punkte,  die  zur  Diagnose  führen,  sowie  der  eingehend  behandelten 
Differentialdiagnose  muss  auf  die  das  Thema  erschöpfende  Origi¬ 
nalarbeit,  welche  auch  die  Literatur  vollständig  verwertet  ver¬ 
wiesen  werden. 

E.  S  c  h  1  e  s  i  n  g  e  r  -  Strassburg:  Eigentümlicher  Beginn 
einer  tuberkulösen  Meningitis. 

Ein  2y„  jähriges  Kind  wurde  in  voller  Gesundheit  plötzlich 
von  stundenlangen,  heftigen,  klonischen  Krämpfen  auf  der  rechten 
Körperhälfte  befallen;  diesen  folgte  eine  vollständige  Lähmung 
der  rechten  Extremitäten  und  Aphasie.  All  diese  Erscheinungen 
waren  nach  2  Tagen  verschwunden,  das  Kind  schien  gesund;  und 
nun  setzte  eine  tuberkulöse  Meningitis  ein,  mit  typischem  Verlauf 
und  letalem  Ausgang  am  15.  Tage.  Autopsie  wurde  nicht  ge¬ 
stattet,  doch  schliesst  Verfasser  nach  einem  analogen  obduzierten 
Fall,  dass  das  insultartige  Auftreten  der  Hirnsymptome  und  ihr 
schnelles  Verschwinden  durch  Entzündungsprozesse  auf  der  Kon¬ 
vexität  ohne  Herderkrankung  bedingt  gewesen  sei. 

E.  May  er- Köln:  Portative  orthopädische  Apparate  in 
der  Kinderheilkunde. 

Allgemeine  Gesichtspunkte  über  orthopädische  Therapie, 
Apparate  und  Technik. 

L.  Voigt- Hamburg:  Bericht  über  die  im  Jahre  1901  er¬ 
schienenen  Schriften  über  die  Schutzpockenimpfung. 

Enthält  alles  über  die  Geschichte  der  Impfung,  das  Kontagimn 
der  Variola  und  Vaccine,  Variolavaccine,  lokale  und  allgemeine 
Erscheinungen  der  Variola,  Vaccine  und  Varicellen;  über  Statistik 
und  Hygiene,  Technik,  Pathologie  der  Impfung  und  staatliche 
Verwaltung  des  Impfwesens. 

Referate.  Lichtenstein  -  München. 

t 

Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  psychisch¬ 
gerichtliche  Medicin.  59.  Bd.,  4.  Heft.  1902. 

1)  Kirchhoff:  Die  Höhenmessung  des  Kopfes,  besonders 

die  Ohi’höhle. 

K.  betont,  dass  die  Lage  des  Ohrlochs  relativ  fest  und  für 
Messungen  sehr  brauchbar  ist.  Die  Ohrhöhe  und  in  Verbindung 
damit  die  Oberstirnlinie  lassen  sich  am  Lebenden  leicht  bestimmen. 
Man  gewinnt  durch  sie  Schlüsse  auf  den  Teil  des  Schädelgrundes, 
der  die  grossen  Hirnganglien  trägt. 

2)  Räcke:  Ueber  Hypochondrie. 

Unter  kurzer  Schilderung  von  9  Fällen  bezeichnet  R.  die 
Hypochondrie  als  eine  abgeschlossene  Krankheitsform,  die  vor¬ 
wiegend  bei  Neurasthenie,  Hysterie,  schwerer  Belastung  auf  tritt. 
Sie  hat  chronischen  Verlauf  mit  Intensitätsschwankungen.  Bei 
scheinbarem  U ebergang  in  eine  andere  Psychose  handelt  es  sich 
um  das  hypochondrische  Vorstadium  letzterer. 

3)  Nawratzki:  Ueber  Ziele  und  Erfolge  der  Familien- 
pflege  Geisteskranker. 

Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  im  Bereich  des  von  den  Ber¬ 
liner  Krankenanstalten  angewandten  Systems  kommt  N.  zu  den 
Schlüssen,  dass  man  die  Familienpflege  von  den  Anstalten  ab¬ 
trennen  soll,  sie  an  die  Armendirektion  event.  an  die  Deputation 
für  irrenpflege  angliedern  und  unter  die  selbständige  Leitung 
eines  in  Berlin  wohnhaften  Irrenarztes  stellen  solle,  unter  dessen 
Aufsicht  die  Pfleglinge  bis  zur  endgültigen  Entlassung  bleiben. 

4)  Osswald:  Die  Tuberkulose  in  den  Irrenanstalten  mit 

besonderer  Berücksichtigung  der  grossherzoglich  hessischen  und 
ihre  Bekämpfung.  « 

Die  Tuberkulosesterblichkeit  bei  den  Irren  betrug  das 
3,95  fache  derjenigen  bei  Geistesgesunden.  Bei  14, S2  Prom.  der 
Verpflegten,  23,25  Proz.  der  Gestorbenen  war  Tuberkulose  die 
Todesursache.  Besonders  Frauen  sind  bedroht.  O.  betont,  dass 
durch  die  Psychose  eine  Disposition  zur  Tuberkulose  geschaffen 
wird;  grössere  Bedeutung  kommt  jedoch  der  Infektion  als  solcher 
zu.  Man  soll  die  Phthisiker,  auch  die  latenten,  aussuchen  und  un¬ 
schädlich  machen.  Besondere  Beobachtungsstationen  für  Ver¬ 
dächtige  sind  nötig.  Für  grössere  Anstalten  sind  besondere  Tuber¬ 
kulosehäuser  zu  verlangen,  in  denen  das  ganze  therapeutische 
Regime  anwendbar  ist.  Hinsichtlich  der  Prophylaxe  der  Dis¬ 
position  ist  vor  allem  die  Ueberfüllung  der  Anstalten  zu  be¬ 
kämpfen.  Eine  reiche  Literaturübersicht  begleitet  die  Arbeit. 

5)  Pobiedin:  Zur  Lehre  von  den  akuten  halluzinatori¬ 
schen  Pychosen. 

P.  sucht  eine  halluzinatorische  Paranoia  von  der  halluzina¬ 
torischen  Amentia  zu  unterscheiden.  Er  steht  durchaus  auf 
äusserlich  symptomatologischem  Standpunkt  und  sucht  die  psy¬ 
chischen  Störungen  auf  derb-schematischem  Weg  zu  erläutern;  so 
redet  er  z.  B.  von  der  „Vorstellung,  die  der  Zelle  a  entspricht“. 

0)  Chotzen:  Zur  Kenntnis  der  polyneuritischen  Pychosen. 

Unter  anschaulicher  Schilderung  von  4  Fällen  betont  C.,  dass 
die  Defektsymptome  wie  beim  Delirium  tremens,  nicht  aber  dessen 
Reizsymptome  auf  treten,  wozu  jedoch  noch  eine  stärkere  Hem¬ 
mung  der  assoziativen  Tätigkeit  erscheint  und  ganze  Erinnerungs- 
reihen  aus  der  Zeit  vor  der  Erkrankung  auslöschen.  Die  der  Re¬ 
produktionsstörung  zu  Grunde  liegende  Veränderung  ist  schon 
durch  die  Wahrnehmungsstörung  bedingt. 

Weygandt  -  Wiirzburg. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  6.  1902. 

1)  Weichselbau  m,  Golm  und  Sachs-  Wien:  Beiträge 
zur  Kenntnis  der  anaeroben  Bakterien  des  Menschen. 


In  der  Folge  soll  eine  Reihe  von  Abhandlungen  über  die  an¬ 
aeroben  Bakterien  zur  Veröffentlichung  gelangen,  deren  erste  über 
die  an  aerobe  Züchtung  berichtet.  Nach  Prüfung  der  ver¬ 
schiedensten  Methoden  gelangen  die  Verf.  zu  dem  Resultat,  dass 
in  erster  Linie  die  Züchtung  durch  Verdrängung  des  Sauerstoffs 
durch  W  asser Stoff  das  beste  sei.  Jedoch  müssten  nach  Um¬ 
ständen  auch  andere  Methoden  zu  Rate  gezogen  werden. 

2)  H.  Ziem  an  n:  Ist  die  Schlafkrankheit  der  Neger  eine 
Intoxikations-  oder  Infektionskrankheit? 

Es  wird  ein  Fall  von  Schlaf  k  r  a  nklieit  bei  einem  Neger 
in  Viktoria  ausführlich  nach  Entstehung  und  Verlauf  geschildert 
und  im  Anschluss  daran  die  Beziehungen  zur  Aetiologie  be¬ 
sprochen.  Der  Stuhl  enthielt  Eier  von  Ascaris  luinbri- 
c  o  i  d  e  s,  aber  kein  Ankylostoma  duodenale.  Im  Blut 
fanden  sich  Embryonen  von  F  i  1  a  r  i  a  persta  n  s.  Bakterio¬ 
logisch  zeigte  sich  das  Blut  völlig  steril.  Die  Ursache  der  Schlaf¬ 
krankheit,  die  bisher  auf  F  i  1  a  r  i  a  perstans  oder  A  n  k  y  lo¬ 
st  o  m  a  duodenale  oder  den  F  ränkel  sehen  D  i  p  lo¬ 
co  c  c  u  s  p  n  e  u  m  oniae  oder  den  Bazillus  von  C  a  g  i  g  a  1 
und  Lepierre  zurückgeführt  wurde,  konnte  nicht  als  stich¬ 
haltig  angesehen  werden;  es  lenkte  sich  vielmehr  der  Verdacht 
auf  eine  Intoxikation  durch  Nahrungsmittel,  und  zwar,  ähn¬ 
lich  wie  in  Italien  bei  der  Pellagra  verdorbener  Mais  Schuld 
ist,  so  soll  hier  der  Genuss  schlechten  oder  unzweck- 
m  ä  s  s  i  g  bereiteten  Manioks  die  Ursache  sein.  Es  spricht 
dafür,  dass  bei  Europäern  noch  kein  sicherer  Fall  von  Schlaf¬ 
krankheit  beobachtet  worden  ist  und  dass  Kinder  unter  3  Jahren, 
die  bis  dahin  bei  den  Negern  die  Mutterbrust  bekommen,  kaum  voii 
dieser  Krankheit  befallen  werden. 

3)  Bronstein  und  G  r  ü  n  b  1  a  1 1  -  Moskau:  Zur  Frage 
über  die  Differenzierung  von  Diphtherie-  und  Pseudodiphtherie¬ 
bazillen. 

Die  Verf.  schlagen  vor,  die  Bouillonkulturen  von  fraglicher 
Diphtherie  oder  Pseudodiphtherie  mit  Mankowskis 
Reagens  zu  versetzen.  (2  g  Indigokarmin  in  100  g  Aq. 
clest.;  10  g  S  ä  u  r  e  f  u  clisi  n  in  100  g  1  proz.  KOH.  Von  Lösung  a 
werden  2  Teile,  von  b  1  Teil  mit  22  g  Aq.  vermischt.)  Als  Zusatz 
genügen  3  'Tropfen,  nachdem  die  Bouillon  24  Stunden  im  Brut¬ 
schrank  gestanden  hat.  Die  normale  Bouillon  färbt  sich  sofort 
schön  blau,  die  Diphtheriebouillon  wird  rubinrot  und  die  Pseudo- 
diphtheriekulturen  werden  grün.  Später  wird  auch  die  Pseudo- 
diplitheriebouillon  rot. 

4)  Colamida  und  B  e  r  t  a  r  e  1 1  i  -  Turin:  Ueber  die  Bak- 
terienflora  der  Nasensinus  und  des  Mittelohrs. 

Beim  Hunde  und  beim  Menschen  sind  die  Frontal-  und 
Ethmoidalsinus  fast  konstant  steril,  während  die  Kieferhöhlen  beim 
Hunde  weniger  konstant  steril,  beim  Menschen  dagegen  viel  häu¬ 
figer  konstant  steril  sind.  Auch  das  Mittelohr  ist  beim  Hunde 
fast  immer  steril.  Keime  sind  verhältnismässig  wenig  vorhanden, 
auch  die  Arten  sind  gering.  Nur  ein  gezüchteter  Staphyloeoccus 
albus  erwies  sich  als  pathogen.  Das  Vordringen  der  Bakterien 
geschieht  leichter  nach  der  Kieferhöhle,  weniger  leicht  nach  der 
Frontalhöhle,  am  schwierigsten  nach  der  Paukenhöhle  hin. 

5)  S  C  h  ü  1 1  e  r  -  Berlin:  Ueber  eigenartige  Parasitenbefunde 
bei  Syphilis.  Ihre  Bedeutung  für  die  Entstehung,  Diagnose  und 
Ausbreitung  dieser  Infektionskrankheit  bei  Erwachsenen  und  Kin¬ 
dern,  sowie  für  die  Beziehungen  der  Syphilis  zu  anderen  Krank¬ 
heitsprozessen.  (Fortsetzung.) 

0)  T  r  o  m  m  sdorf  f -München:  Ueber  den  Alexingehalt  nor¬ 
maler  und  pathologischer  menschlicher  Blutsera. 

Sowohl  beim  n  ormalen  Mensche  n,  wie  beim  sep¬ 
tisch  schwer  erkrankte  n  Patienten  finden  sich  allerdings 
in  sehr  wechselnder  Menge  Alexine.  Es  ist  daher  aus  dem 
Gehalt  des  Blutserums  an  Alexinen  kein  Schluss  auf  krankhafte 
Affektionen  zu  ziehen.  Für  die  Diagnose  und  Prognose  einer 
Krankheit  spielt  also  der  Nachweis  der  Alexine  im  Blut  keine 
Rolle. 

7)  A  s  c  h  e  r  -  Königsberg:  Die  Leukocyten  als  Komplement¬ 
bildner  bei  der  Cholerainfektion. 

8)  Halb  a  n  und  Land  Steiner:  Zur  Frage  der  Präzipi¬ 
tationsvorgänge. 

Polemik  gegen  Eisenbergs  Präzipitationsreak¬ 
tion  (Zentralbl.  f.  Bakt.,  XXXI.,  No.  15.) 

9)  Michaelis  -  Berlin :  U  eher  Inaktivierungsversuche  mit 
Präzipitinen. 

10)  Joch  mann:  Zur  Schnelldiagnose  der  Typhusbazillen. 
Eine  Nachprüfung  des  von  Weil  angegebenen  Nährbodens. 

Verf.  kommt  zu  folgendem  Schluss:  Der  W  e  i  1  sehe  Nähr¬ 
boden  hat  gegenüber  dem  gewöhnlich  in  Laboratorien  als  Nähr¬ 
agar  verwendeten  höher  prozentuierten  Fleischwasseragar  den 
Vorzug,  dass  er  bei  der  Aussaat  typhusverdächtiger  Stühle  bereits 
nach  12  Stunden  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  auf  die 
Erkennung  etwa  vorhandener  Typhuskolonien  hinleitet.  Da  aber 
auch  gewisse  Kolistämme  ähnlich  geformte  Kolonien  bilden  wie 
der  Typhusbazillus,  so  kann  man  nie  aus  dem  Aussehen  der  Ko¬ 
lonien  allein  auf  das  Vorhandensein  von  Typhusbazillen  schliessen, 
sondern  muss  stets  die  differentialdiagnostischen  Verfahren  zur 
Sicherstellung  der  Diagnose  mit  heranziehen. 

11)  Kr  aus -Wien:  Ueber  eine  neue  regulierbare  Vorrich¬ 
tung  für  den  heizbaren  Objekttisch. 

12)  Kraus- Wien:  Ueber  einen  Apparat  zur  bakterio¬ 
logischen  Wasserentnahme. 

13)  Loe  b-  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  Versuche  mit  bakteriellem 
Lab  und  Trypsin. 


1716 


MTTENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


14»  M  e  u  s  1>  u  r  g  e  r  und  R  a  m  b  o  u  s  e  k  -  Klagenfurt:  Bei¬ 
trag-  zum  bakteriologischen  Nachweis  von  Trinkwasserver- 
unreinigungen  anlässlich  infektiöser  Erkrankungen. 

Zur  leichteren  Ermittlung  des  Typhus  aus  dem  Trinkwasser 
schlagen  die  \  erf.  die  früher  von  Parietti  angegebene  Methode 
vor,  welche  darin  besteht,  dass  man  3  Bouillonröhrchen  mit  ca. 
5  ccm  Bouillon  mittels  einer  4  proz.  Salzsäure  und  5  proz.  Karbol¬ 
säure  enthaltenden  Lösung  in  der  Weise  ansäuert,  dass  das  erste 
Röhrchen  mit  3,  das  zweite  mit  (>  und  das  dritte  mit  D  Tropfen  von 
diesem  Säuregemisch  versehen  werden.  Man  fertigt  sich  3  Serien 
solcher  Röhrchen  an:  der  ersten  Serie  werden  4  Tropfen,  der 
zweiten  8  Tropfen,  der  dritten  Serie  12 — l(i  Tropfen  des  zu  unter¬ 
suchenden  Wassers  hinzugefügt.  Die  Röhrchen  bleiben  alsdann 
24 — 18  Stunden  im  Brutschrank  stehen.  Von  den  Kulturen,  in 
denen  Trübung  eintritt,  werden  Platten  gegossen.  Freilich  müssen 
bei  dieser  Methode  auch  die  weiteren  diagnostischen  Merkmale  der 
Gasbildung,  Milchkoagulation,  Indolbildung  zu  Hilfe  genommen 
werden,  so  dass  die  Methode  leider  auch  nicht  viel  mehr  leistet, 
Arie  alle  anderen  bisher  bekannten.  (Ref.) 

II.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  40. 

1)  M.  Sommer-Jena:  Akroparästhesien  nach  Trauma. 

Im  Vordergrund  des  Krankheitsbildes  stehen  unangenehme 

Sensationen  in  den  Händen,  meist  anfallsweise,  und  zAvar  am 
stärksten  Nachts  und  Morgens  auftretend.  Die  Parästhesien  sind 
fast  nie  auf  das  Verbreitungsgebiet  eines  peripheren  Nerven  be¬ 
schränkt,  auch  fehlt  eine  Druckempfindlichkeit  der  Nervenstämme. 
ln  dem  vom  Verfasser  beschriebenen  Falle  trat  bei  dem  45  jährigen 
Kranken,  der  eine  Finger  Verletzung  der  linken  Hand  erlitten  hatte, 
3 — 4  Monate  nach  dem  Trauma  Prickeln  und  Stechen  der  verletz¬ 
ten  Hand  ein.  Der  objektive  Befund  war  negativ,  auch  bestanden 
keine  Zeichen  einer  allgemeinen  Neurose.  Die  Behandlung  hat 
bisher  nichts  gefruchtet. 

2)  II.  Ziemann:  Tse-Tse-Krankheit  in  Togo  (Westafrika). 

Verfasser  konnte  das  Vorkommen  genannter  Krankheit  in 

Togo  feststellen  und  berichtet  eingehend  über  die  Blutbefunde  bei 
den  erkrankten  Tieren,  sowie  über  den  NachAveis  der  Parasiten'  im 
gefärbten  Präparat. 

3)  Fr.  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Zur  Einheit  der  Streptokokken. 

Verfasser  hat  eine  grosse  Reihe  von  Streptokokkenstämmen 

untersucht,  die  teils  in  der  Sammlung  des  Paste  urschen  Insti¬ 
tuts  zu  Paris  gezüchtet  Avaren,  teils  frischen  menschlichen  Krank¬ 
heitsfällen  entstammten.  Die  hinsichtlich  Morphologie,  Virulenz, 
Hämolyse,  Filtratwachstum,  Immunsera  erhobenen  Befunde 
Aveisen  auf  die  Forderung  hin,  mit  der  Unität  der  verschiedenen 
Streptokokken  zurückzuhalten  und  vor  allem  die  pyogenen  mensch¬ 
lichen  Arten  von  den  Formen  vieler  Anginen  und  den  tierischen 
Streptokokken  zu  trennen. 

4)  E.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Berlin:  Heber  Quecksilberdermatitis 
und  die  ihr  zu  Grunde  liegenden  histologischen  Veränderungen 
nebst  Bemerkungen  über  die  dabei  beobachtete  lokale  und  Blut¬ 
eosinophilie. 

Vergl.  Bericht  der  Münch,  med.  Woehenschr.  über  die  Sitzung 
der  Gesellschaft  der  Chariteärzte  a'oiu  10.  .Tnli  1902. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  40. 

1)  Th.  A  x  e  n  f  e  1  d  -  Freiburg:  Ein  Beitrag  zur  Pathologie 
und  Therapie  der  frontalen  und  der  ethmoidalen  Sinusitis  und 
ihrer  orbitalen  Komplikationen. 

Aus  den  beiden  Beobachtungen  geht  hervor,  dass  die  nicht 
eröffnete  Schleimhaut  des  Sinus  einen  erheblichen  Schutz  gegen 
eine  Infektion,  die  ihre  Aussenfläclie  direkt  berührt,  darbieten 
kann,  auch  avcuu  der  sie  bedeckende  Knochen  ziemlich  umfang¬ 
reich  entfernt  ist.  und  auch,  wenn  der  Kontakt  mit  der  septischen 
Eiterung  lange  Zeit  dauert. 

2)  O.  L  a  ssar  -  Berlin:  Ueber  Impf  tuberkulöse. 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  am  14.  .Tuli  1902 
gehaltenen  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  Woehenschr. 
No.  30,  pag.  1278. 

3)  A.  M  o  e  1 1  e  r  -  Belzig:  Zur  Frage  der  Ueber tragbarkeit 
der  Menschentuberkulose  auf  Rinder  und  Ziegen. 

Als  Resultat  seiner  Untersuchungen  ergibt  sich,  dass  Kälber 
durch  Füttern  und  subkutane  Injektion  von  menschlichem  tuber¬ 
kulösen  Sputum,  durch  Inhalation,  intraperitoneale  und  intravenöse 
Injektion  oder  kutane  Einverleibung  von  Reinkulturen  mensch¬ 
licher  Tuberkulose  nicht  an  Tuberkulose  erkranken, 
ebensowenig  nach  intraperitonealer  Injektion  von  menschlichen 
Tuberkelbazillen,  die  den  Ziegenkörper  passiert  haben;  Ziegen 
durch  Füttern  mit  diesen  Bazillen,  auch  Avenn  man  enorme  Mengen 
zum  Futter  mengt,  nicht  erkranken,  bei  ihnen  durch  intraperi¬ 
toneale  Injektion,  falls  man  grosso  Quantitäten  injiziert,  eine 
Knötchenkrankheit  des  Peritoneums  entstehen  kann,  jedoch  auch 
dann  (‘in  Angehen,  d.  h.  ein  Weiter  wuchern  und  damit  eine 
Ausbreitung  der  Krankheit  im  ganzen  Organismus  des  Tieres  nicht 
zu  erzielen  ist. 

4)  E.  Neisser-  Stettin:  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis 
vom  chronischen  Rachendiphtheroid. 

Kasuistische  Mitteilung,  als  Ergänzung  zu  der  in  No.  33  der 
Deutsch,  med.  Woehenschr.  in  Gemeinschaft  mit  Kahnert  be¬ 
schriebenen  Gruppe  klinisch  und  ätiologisch  zusammengehöriger 
Fälle  Aon  chronischer  Erkrankung  der  oberen  Luftwege. 


•  i)  F.  M  a  r  c  h  a  n  d  -  Leipzig:  Ueber  Gewebswucherung  und 
Geschwulstbildung  mit  Rücksicht  auf  die  parasitäre  Aetiologie 
der  Karzinome.  (Schluss  aus  No.  39.) 

M.  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  bei  Ansschliessung  einer 
echten  infektiösen  (mikroparasitären)  Ursache  die  Erscheinungen 
der  Malignität  der  epithelialen  Neubildungen  nur  durch  die  An¬ 
nahme  von  „toxischen“,  durch  den  Lebensprozess  der  Zellen  ent¬ 
standenen  Substanzen  erklärt  werden  können,  wenn  Bildung  und 
Anhäufung  auf  eine  „Entartung“  der  Zellen,  d.  h.  auf  eine  Ab- 
Aveicliung  A'on  ihren  normalen  Stoffwechselvorgängen  und  damit 
zugleich  auch  von  ihrer  normalen  Zellstruktur,  unter  dem  Wegfall 
normaler  Regulierung  der  Zelltätigkeit  zurückzuführen  ist.  Diese 
Entartung  kann  soaa’oIiI  dem  Grade  als  der  Qualität  nach  sehr 
verschieden  sein.  Eine  gesteigerte  Wucherungsfähigkeit  kann, 
besonders  bei  embryonalem  GeAvebe,  unabhängig  von  einem  Ent- 
artungsvorgange  sein.  Die  Zerstörung  des  normalen  Gewebes 
durch  die  wuchernden  Elemente  setzt  aber  auch  hier  das  Vor¬ 
handensein  toxischer  Substanzen  voraus.  Durch  die  Annahme 
toxischer  Eigenschaften  erscheint  auch  das,  was  man  als  ver- 
minderte  Widerstandsfähigkeit  des  GeAvebes  bezeichnet,  in  etwas 
anderer,  weniger  grob  mechanischer  Bedeutung.  Die  'Wider¬ 
standsfähigkeit  des  normalen  Organismus  gegen  die  Verbreitung 
Avueliernder  Elemente  Avürde  zum  grossen  Teil  darin  bestehen,  dass 
die  Zellen  nicht  die  für  ihre  Weite  reut  Wickelung  geeigneten  stoff¬ 
lichen  Bedingungen  finden  oder  dass,  mit  anderen  Worten,  ihre 
spezifischen  schädlichen  Eigenschaften  durch  normale  Stoffwechsel¬ 
vorgänge  („gesunde  Säfte")  neutralisiert  worden. 

(1)  ,T.  NI  i  t  u  1  e  s  c  u  -  Bukarest:  Einfluss  des  neuen  Tuber¬ 
kulins  auf  den  Zellstoffwechsel.  (Schluss  aus  No.  39.) 

Das  Ergebnis  seiner  Stoffwechselversuche  fasst  M.  dahin  zu¬ 
sammen,  dass  das  Tuberkulin,  als  therapeutisches  Mittel  in  kleinen, 
vorsichtig  an  wachsenden  Mengen  und  nur  in  den  für  diese  Be¬ 
handlung  geeigneten  Fällen  angeAvandt  „keine  zelluläre  Des- 
assimilationsvergrösserung  hervorruft,  sondern  für  den  Organis¬ 
mus  den  Vorteil  bietet,  eine  nutritive  Zellerregung  zu  verursachen, 
ein  erkennbares  Streben  zum  Proteinansatz  und  eine  schichtweise 
Bildung  von  spezifischen  Immunkörpern,  welche  die  Vitalität  des 
Tuberkelbazillus  vermindern  und  seine  Toxine  und  Proteine  neu¬ 
tralisieren.  Lokal  entsteht  eine  perituberkulöse  Reizung,  welche 
die  Begrenzung  und  Incystierung  des  Tuberkels  durch  das 
sklerotische  GeAvebe  begünstigt. 

7)  G.  Galli-Rom:  Die  deutsch-italienischen  Beziehungen 
und  die  Aerzte. 

8)  A.  Strauss-  Barmen:  Zur  Aufklärung  über  das  günstige 

Verhältnis  der  Verbreitung  der  Geschlechtskrankheiten  in  Bar¬ 
men  zu  anderen  gleich  grossen  Städten.  M.  Lache  r. 

Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  32.  Jahrg.  No.  19. 

Max  A'.  A  r  x  -  Kantonspital  Olten:  Ueber  Gallenblasenruptur 
in  die  freie  Bauchhöhle.  (Schluss  folgt.) 

Arth.  Bossart:  Zur  Chloräthylnarkose.  (Aus  der  chi¬ 
rurgischen  Abteilung  der  Krankenanstalt  Aarau.) 

Kurzer  Bericht  über  157  Chloräthylnarkosen  (Maske  von 
N  i  e  r  i  k  e  r)  bei  kleineren  Operationen  und  Verbandwechsel,  in 
letzterem  Fall  auch  Aviederliolt..  Die  Epikrise  lautet  sehr  günstig; 
unangenehme  Nebenerscheinungen  sind  selten  und  gering,  ln 
einem  Fall  (Diphtherie  und  Thymusvergrösserung)  tödlicher  Aus¬ 
gang.  Pischinge  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  40.  1)  P.  Dömeny-Wien:  Stammt  die  wirksame  Substanz 
der  hämolytischen  Blutflüssigkeiten  aus  den  mononukleären 
Leukocyten? 

Mets  c  h  ni  k  o  f  f  hat  diese  Frage  bejaht;  Verfasser  gelangt 
jedoch  auf  Grund  neuer  Tierversuche  zu  dem  Ergebnis,  dass  die 
M.sche  Hypothese  vorläufig  nicht  beAA'iesen  Averden  kann,  A'ielmehr 
der  Ursprung  der  wirksamen  Substanz  hämolytischer  Blutflüssig¬ 
keiten  noch  in  Dunkel  gehüllt  bleibt. 

2)  R.  M  a  t  z  e  n  a  u  e  r  -  Wien:  Brustdrüsensyphilis  im  Früh¬ 
stadium. 

Im  ganzen  sind  12  derartige  Fälle  beschrieben,  in  denen  sich 
die  Erkrankung  meist  schon  im  ersten  Jahre  nach  der  Infektion 
entAvickelte.  Verfasser  teilt  einen  Fall  mit,  avo  bei  einer  17  jähri¬ 
gen  Kranken  im  Frühstadium  sich  eine  doppelseitige  Mastitis  mit 
eitriger  Einschmelzung  des  I )  rii  senge  aat  ebes  entwickelte.  Die 
ScliAvellung  der  Brust  kommt  bei  diesen  Fällen  meist  binnen  Aveni- 
gen  Tagen  zustande  und  geht  bei  spezifischer  Behandlung  inner¬ 
halb  einiger  Wochen  oder  Monate  A’öllig  zurück.  Meist  betrifft  die 
entzündliche  Infiltration  das  ganze  Organ. 

3)  A.  K  u  r  k  a  -  Wien:  Ueber  metastatische  Bindehautent¬ 
zündung  bei  Gonorrhöe. 

Analog  den  übrigen  gonorrhoischen  Metastasen  kommen 
solche,  allerdings  sehr  selten,  auch  in  der  Bindehaut  atoi\  Verfasser 
teilt  2  derartige  Fälle  mit.  Gonokokken  wurden  hierbei  im  Kon- 
junkti valsekret  nicht  gefunden,  auch  nicht  im  GeAvebe  eines  ex- 
zidierten  Konjunkti vastückchens.  Die  Affektion  wurde  bisher  nur 
bei  Männern  beobachtet.  Ihre  klinischen  Zeichen  sind:  starke 
Rötung  der  Conj.  palpebr.  bei  geringer  Schwellung,  dagegen  starke 
Schwellung  und  tiefe  episklerale  Injektion  der  Conj.  bulbi,  schlei¬ 
mige,  fadenziehende  Sekretion.  Häufig  treten  Komplikationen 
A’on  seiten  anderer  Teile  des  Auges,  soAvie  der  Gelenke  ein,  ebenso 


MtTEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


34.  Oktober  1902. 


häufig  sind  Rezidive.  Der  Ausgang  ist  restitutio  ad  integrum  Die 
Behandlung  ist  dieselbe  wie  die  des  akuten  Bindehautkatarrhs. 

Dr.  Grassmann  -  München. 

Wiener  medicinische  Wochenschrift. 

N°-  38.  R.  Trzebicky:  Phlegmone  und  Amputation. 

I»estiebt,  die  konservative  Behandlung'  (tiefe  Inzision)  soweit 
wie  möglich  dui chzufühi en,  hat  T.  bei  3 < G  schweren  Phlegmonen 
nur  26  (ö  Todesfälle)  primär  amputiert.  Von  den  347  übrigen 
starben  33;  darunter  waren  nur  11,  bei  denen  der  Tod  eine  Folge 
dei  Eiterung  selbst  war,  8  von  diesen  waren  über  GO  Jahre  alt 
sie  starben  an  der  Allgemeininfektion  (hypost.  Pneumonie).  Für 
die  nicht  ganz  zu  umgehende  Amputation  stellt  T.  folgende  In¬ 
dikationen  auf:  1.  Putride  Gangrän  mit  Symptomen  schwerer  All¬ 
gemeininfektion,  um  der  weiteren  Giftresorption  vorzubeugen; 
2.  absolute  Unmöglichkeit,  dem  Eiter  freien  Abfluss  zu  schaffen' 
wie  bei  manchen  Gelenkentzündungen;  3.  Phlegmone  bei  grosser 
Quetschung  der  Gewebe  und  Hemmung  des  arteriellen  und  ve¬ 
nösen  Kreislaufes,  wo  die  Erhaltung  der  Extremität  ohnehin  aus¬ 
geschlossen  ist;  4.  wenn  ein  krankes  und  bejahrtes  Individuum 
ein  langes  Fieber  und  profuse  Eiterung  voraussichtlich  nicht  er¬ 
tragen  wird. 

M.  Reiner-  Wien:  Die  Zirkumferenz-Osteotomie. 

Beschreibung  einer  neuen  Operationsmethode  für  die  blutige 
Knochentrennung  bei  Genu  valgum,  wie  sie  an  der  Lorenz- 
sehen  Abteilung  geübt  wird. 

Ko.  37  u.  38.  J.  W  e  n  g  1  e  r:  Ein  Versuch,  das  spezifische 
Körpergewicht  am  lebenden  Menschen  zu  bestimmen. 

W  engler  hat  die  bekannte  •  physikalische  Methode 
des  Untertauchens  in  Wasser  und  Bestimmung  der 
Volumsverdrängung  auf  den  Menschen  angewandt  und 
sich  hierzu  besonderer  einfacher  Apparate  bedient.  Bei  3  männ¬ 
lichen  Personen  erhielt  er  ein  spezifisches  Gewicht  von  1,013  bis 
1,042,  bei  3  weiblichen  1,019  bis  1,02S.  Unter  Berücksichtigung 
der  Körperluft,  welche  sich  genau  berechnen  lässt,  ergeben  sich 
Werte  von  1,07—1,11.  Schwieriger  und  nur  bis  zu  einem  gewissen 
Wahrscheinlichkeitsgrad  wird  sich  die  Knochensubstanz  aus  der 
Berechnung  ausscheiden  lassen. 

No.  39.  A.  K  a  r  s  c  h  u  1  i  n  -  Olmütz:  Kasuistische  Mit¬ 
teilungen. 

a)  Darmverschluss.  Atropinbehandlung  ohne  Erfolg.  Darm¬ 
resektion,  Tod,  Pankreaskarzinom,  b)  Riss  der  Quadrizepssehne 
bei  habitueller  Luxation  der  Patella,  Heilung  mit  voller  Gebrauchs¬ 
fähigkeit.  c)  2  Fälle  komplizierter  Schädelfraktur,  Trepanation, 
Heteroplastik  nach  A.  Fraenkel;  in  dem  einen  Fall  glatte  Hei¬ 
lung,  im  zweiten  Abstossung  der  Platte,  Heilung  durch  Knochen¬ 
neubildung. 

No.  39.  R.  P  i  r  o  n  e  -  Neapel:  lieber  die  Gegenwart  von  Fett 
in  den  Zellen  der  Neoplasmen. 

Seine  histologischen  Untersuchungen  führen  P.  zu  dem  Re¬ 
sultat,  dass  fettige  Degeneration  und  Fettinfiltration  nicht  länger 
als  differente  Prozesse,  sondern  mehr  und  mehr  als  verschiedene 
Formen  der  Fettmetamorphose  gelten  müssen. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Inaugnral-Lissertationen. 

Universität  Erlangen.  September  1902. 

2G.  Stubbe  Paul:  Ein  Fall  einer  eigenartigen  Herzverletzung. 

27.  Hart  m  an  n  Matthäus:  Ueber  die  Beziehungen  von  Erkran¬ 
kungen  des  Zentralnervensystems  zum  Decubitus  pliaryngis. 

28.  Hof  bau  er  Georg:  Ein  Fall  von  Tumorbildung  im  4.  Ven¬ 
trikel  mit  dem  Symptomenkomplex  eines  Tumors  in  der  Vier- 
liügelgegend. 

29.  Graf  Paul:  Ein  Fall  vou  Leberabszess  nach  fötider  Bronchitis. 

30.  Recknagel  Georg  Wilhelm:  üeber  die  Ausscheidung  des 
Methylenblau  durch  den  Harn. 


Universität  Freiburg.  September  1902. 

49.  Salomon  Willy:  Ein  Beitrag  zur  solitären  Tuberkulose  der 
Chorioidea. 

50.  Hartmann  Adolf:  Zur  Kasuistik  der  Oesophagotomie,  nebst 
einigen  Bemerkungen  über  die  Bedeutung  der  Oesophagoskopie 
und  Durchleuchtung  mit  Röntgenstrahlen  bei  verschluckten 
Fremdkörpern. 

51.  Hemmerdinger  Karl:  Ueber  die  Heruia  inguinalis  und 
Hydrocele  muliebris. 

52.  End  Friedrich:  Ueber  den  Wert  der  Drainage  des  Choledochus. 

53.  David  sohn  Felix:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Verschluss 
der  Zentralarterie. 

Universität  Giessen.  August  und  September  1902. 

27.  Fuhrmann  Manfred:  Analyse  des  Vorstellungsmaterials  bei 
epileptischem  Schwachsinn. 

28.  Oh  ly  Otto:  Beitrag  zur  Lehre  der  tragfähigen  Amputations¬ 
stümpfe. 

29.  Terbrüggen  Wilhelm:  LTeber  die  eitrigen  Mittelohrent¬ 
zündungen  im  Kindesalter. 

30.  W  o  1  f  f  Walter:  Die  Bewegungen  des  Duodenums,  nebst  Be¬ 
merkungen  über  einzelne  Bewegungsformen  des  Dünndarms 
überhaupt. 

31.  Flath  Hermann:  Ein  Fall  von  doppelseitiger  Mucocele  des 
Siebbeinlabyrinths. 

32.  Pullmann  Willy:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Elephantiasis 
des  Penis. 


~  ~  j.i.aoujftuis.  uer  jt-amcreasnaemorrnagie 

und  Fectgewebsnekrose. 

34.  Budde  Josef:  Ein  Fall  von  Orchidopexie  nach  Hahn. 

o5.  Hof  mann  Julius:  Zur  Lehre  von  den  Geistesstörungen  im 
Senium. 

36.  Watz  Wilhelm:  Zur  Statistik  der  Neuritis  optica,  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  eines  Falles  von  beiderseitiger  re¬ 
zidivierender  retrobulbärer  Neuritis. 

37.  Bohn  Philipp:  Ueber  angeborene  und  erworbene  pathologische 
Pigmentierung  am  Bulbus. 

Universität  Greifswald.  August  1902. 

29.  Gottschalk  A.:  Sectio  caesarea  aus  relativer  Indikation. 

30.  Joachim  Erich:  Ueber  Blutungen  des  Gehirns  bei  Fett¬ 
embolie. 

31.  W  eski  Oskar:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  mikroskopischen 
Baues  der  menschlichen  Prostata. 

Nachträge  zu  den  Verzeichnissen  August  1901  bis  August  1902: 

Prang  Arthur:  Ueber  alte  Erstgebärende. 

Zachlehne  r  Kurd:  Ueber  Achsendrehung  im  Dickdarm. 

Prochnow  M.:  Zur  Klinik  und  pathologischen  Anatomie  der 
sulzigen  Skleritis. 

S  p  ä  1 1  i  n  g  Theodor:  Die  Rückbildung  des  Pneumothorax  nach 
Empyemoperation  und  ihre  Beeinflussung  durch  eine  neue  Ven¬ 
tilvorrichtung. 

Ferner  ist  zu  lesen: 

1901:  S.  1763  statt  Amelohr  —  Amdohr. 

1902 :  S.  1067  statt  Leuken  —  L  u  i  k  e  n. 

Universität  Heidelberg.  Juli  bis  September  1902. 

16.  H  erz  Kurt:  Ein  Fall  von  Sklerodermie. 

17.  Spuler  Rudolf:  Ueber  die  feinere  Histologie  der  Chondrome. 

18.  Keuthe  Walter:  Ueber  Entwicklungshemmung  pathogener 
Bakterien,  insbesondere  von  Typhus,  durch  Medikamente. 

19.  Pagen  Stecher  Adolf  H.:  Ueber  Optikustumoren. 

20.  Joseph  Eugen:  Die  Morphologie  des  Blutes  bei  der  akuten 
und  chronischen  Osteomyelitis. 

21.  Löffler  Gustav:  Ueber  kleine  abgekapselte  Empyeme  im 
Kindesalter. 

22.  Küster  Hermann  A.:  Ueber  den  Durchgang  von  Bakterien 
durch  den  Insektendarm. 

Universität  München.  August  und  September  1902. 

95.  Schmid  Heinrich:  Ueber  Pachymeningitis  haemorrhagicä 
interna  traumatica. 

96.  Goebel  Walther:  Ueber  Kotgeschwülste. 

97.  Reitz  Johannes:  Beiträge  zur  Kasuistik  des  Karzinoms  im 
jugendlichen  Alter. 

98.  Steffan  Bruno:  Ueber  Glykosurie  und  deren  Beeinflussung 
durch  Medikamente. 

99.  Brugg  er  Rudolf:  Ueber  die  Sterblichkeit  und  Ernährungs¬ 
verhältnisse  der  Kinder  im  ersten  Lebensjahre  in  München. 
(Bearbeitet  nach  einer  Statistik  vom  Jahre  1888  und  1898.) 

.  100.  W  u  rm  Stefan:  Beitrag  zur  Kasuistik  des  Carcinoma  duodeui. 

101.  H  ü  f  f  e  1 1  Adolf :  50  Fälle  von  Speiseröhrenkrebs  aus  dem 
pathologischen  Institut  zu  München. 

102.  K  rinn  er  Anton:  Ueber  7  akute  Phosphorvergiftungeil,  mit 
Berücksichtigung  der  neueren  Theorien  über  diese  Intoxi¬ 
kation. 

103.  Przegendza  Adolf:  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Doppel¬ 
missbildungen  (Diceplialus  tripus  mit  Sakralcyste). 

104.  Plaut  Felix:  Ueber  kryptogene  Septikopyämie  nach  sub¬ 
kutaner  Muskelzerrung. 

105.  Miller  Hermann:  Unter  welchen  Bedingungen  tritt  nach 
Verschluss  des  Ductus  thoracicus  Aszites  auf? 

106.  Richter  Fritz:  Zur  Kasuistik  der  Sarkome  der  Samen¬ 
stranghüllen. 

107.  Spangenthal  Hermann:  LTeber  primären  Gallertkrebs 
des  Omentum  majus.  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  dem  pri¬ 
mären  Endothelkarzinom  der  serösen  Häute. 

10S.  Roith  Otto:  Die  Füllungsverhältnisse  des  Dickdarms. 

109.  Breustedt  Karl:  Ueber  die  Wirkung  einiger  Aldehyde 
der  Fettsäure  auf  das  Blut. 

110.  Schramm  Erich:  Ein  seltener  Fall  von  Kolonkarzinom,  als 
Beitrag  zur  Kasuistik  des  Dickdarmkrebses. 

111.  Heitz  Friedrich:  Kasuistische  Beiträge  zur  akuten  Chrom¬ 
säurevergiftung. 

112.  Leonhard  Stephan:  Beiträge  und  klinische  Erfahrungen 
zur  Kenntnis  der  Influenza  aus  der  Klinik  des  Herrn  Prof. 
Dr.  v.  Bauer  aus  den  Jahren  1891 — 4900. 

113.  Wiest  Franz:  Ueber  die  in  den  Jahren  1890 — 1901  in  der 
hiesigen  chirurgischen  Klinik  in  Behandlung  gekommenen 
Fälle  von  „Caput  obstipum  musculare“. 

114.  Oszwaldowski  Alexander:  Ueber  Dermoidcysten  der 
Kreuzsteissbeingegend. 

115.  Hey  mann  Emil:  Zur  Kasuistik  der  Schussverletzungen 
des  Schädels  vom  Jahre  1S97 — 1902. 

116.  Thorna  Rudolf:  Ein  Fall  von  Lupus  vulgaris  unter  dem 
Bilde  des  Lupus  erythematosus. 

117.  Eckart  Hans:  Die  operative  Behandlung  der  Trigeminus¬ 
neuralgie. 

118.  Wallau  Wilhelm:  Neuere  Reaktionen  auf  Acetessigsäure. 

119.  Rauch  Ferdinand:  Zwei  Fälle  von  Wangenkarzinom  auf 
Grund  von  Leucoplacia  bucc-al. 

120.  Weidner  Fritz:  30  Nierenexstirpationen  während  der  letz¬ 
ten  10  Jahre  in  der  Münchener  chirurgischen  Klinik, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


1718 


321.  Glaser  Kurt:  Ueber  die  Möglichkeit  eines  Zusammenhanges 
zwischen  der  progressiven  spinalen  Muskelatrophie  und  einem 
Trauma, 

322.  Adler  Heinrich:  Statistische  Zusammenstellung  der  in  der 
Münchener  chirurgischen  Klinik  in  den  Jahren  3893  mit  1900 
zur  Beobachtung  und  Behandlung  gekommenen  traumatischen 
Luxationen. 

123.  Utz  Fritz:  Ein  Fall  von  Cysticercus  racemosus  der  Gehim- 
hasis. 

124.  Dietlen  Johannes:  Ueber  einige  Methoden  des  Nachweises 
von  Blei  im  Harn. 

125.  Pfister  Eduard:  Ein  Fall  von  primärem  Zervixmyom. 

120.  Herzog  Heinrich:  Ein  Fall  von  disseminierter  Myelitis. 

327.  Horeld  Eugen:  Erfahrungen  bei  der  Nachbehandlung  des 

Empyems  der  Pleura  mit  dem  Perthes  sehen  Aspirations¬ 
apparate. 

128.  Dlessl  Karl:  Ueber  akute  Alkoholvergiftung  mit  tödlichem 
Ausgang. 

329.  G  angele  Karl:  Ein  Fall  von  Polyneuritis  alcoholica,  kom¬ 
biniert  mit  Hysterie. 

130.  Engelmann  Wilhelm :  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Bauch¬ 
fellentzündung,  besonders  der  tuberkulösen  Form. 

131.  Brünn  Friedrich  Wilhelm:  Zur  Kenntnis  der  angeborenen 
Sakraltumoren. 

332.  Salvendi  Hugo:  Ueber  den  qualitativen  Nachweis  von 
Aceton  im  Harn. 

333.  Bucerius  Arthur:  Ueber  die  Beziehungen  des  Morbus  Base- 
dowii  zu  den  Erkrankungen  der  weiblichen  Genitalien. 

134.  Illing  Ludwig:  Ueber  Dystrophia  musculorum  progressiva. 

135.  Wandinger  Sebastian:  Ueber  Ponsläsionen. 

136.  K  arpeles  Sigmund:  Ein  Fall  von  Nebennierentuberkulose 
ohne  Morbus  Addisonii. 

137.  Gerngross  Richard:  Ueber  komplizierte  Schädelfrakturen. 

338.  Croneberg  Hans:  Rhinophyma  und  ähnliche  angiomatöse 

elephantiastische  Erscheinungen  an  der  Hand. 

139.  Reimers  Hermann:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Tumoren 
des  rechten  Parietalhirns. 

140.  Haas  Alfred:  Ueber  Vergiftung  durch  Arsen  Wasserstoff  gas. 

Universität  Strassburg.  September  1902. 

29.  Nikes  Peter:  Abhängigkeit  des  Geburtsgewichtes  der  Neu¬ 
geborenen  vom  Stand  und  der  Beschäftigung  der  Mutter. 

30.  Borg  Jakob:  Ueber  die  Hutchinson  sehe  Sommereruption. 

31.  Mey  erhoff  Max:  Ein  Fall  von  Ruptur  des  schwangeren 
Nebenhornes. 

32.  H  a  n  n  e  s  Viktor:  Ein  Fall  von  Endarteriitis  syphilitica  an  der 
unteren  Extremität. 

33.  Hirse  li  horn  Walther:  Die  erweiterte  F  r  e  u  n  d  sehe 
Operation  beim  Krebs  der  schwangeren  Gebärmutter. 

34.  Ohl  mann  Eugen:  Ueber  Metastasen  der  Vagina  bei  Karzi¬ 
nom  des  Uterus  und  der  Ovarien  und  die  Bedeutung  des  retro¬ 
graden  Transportes. 

35.  Altschüler  Emil:  Die  Konservierung  des  Hackfleisches 
mit  (neutralem)  schwefligsaurem  Natrium,  und  einige  Be¬ 
merkungen  über  die  Beurteilung  des  Zustandes  von  Hackfleisch. 

36.  Bartels  Martin:  Ueber  Enceplialo-myelo-meningitis  diffusa 
haemorrhagica  mit  endoplilebitischen  Wucherungen. 

37.  Neubauer  Max:  Ueber  die  Blutungen  bei  Placenta  praevia. 

Universität  Tübingen.  August  1902. 

38.  Elia  Leo:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Ectopia  lentis  congenita. 

39.  Häcker  Rudolf:  Katalog  der  anthropologischen  Sammlung 
in  der  anatomischen  Anstalt  zu  Tübingen.  Nebst  einer  Ab¬ 
handlung:  Ueber  die  Grössenentwicklüng  der  Hinterhaupts¬ 
schuppe  und  deren  Beziehungen  zu  der  Gesamtform  des 
Schädels. 

40.  Schliep  Leopold:  Ueber  Cataracta  zonularis. 

41.  Quenstedt  Franz:  Ueber  Venenthrombose  bei  Chlorose. 

September  1902: 

42.  Fries  Felix:  lieber  die  Behandlung  der  Konjunktivitis  blen- 
norrhoica  neonatorum  et  adultorum  nach  der  Methode  von 
Kalt. 

43.  Müller  Hans:  Carcinoma  ventriculi,  kompliziert  mit  Peri- 
earditis  haemorrhagica  und  Pachymeningitis  chronica  haemor¬ 
rhagica  interna. 

44.  Uebelmesser  Hugo:  Ueber  32  Fälle  von  Kephalokramo- 
klasie  nach  Zweifel. 

Universität  Würzburg.  September  1902. 

46.  Ahr  ent  Fritz:  Ueber  Mitosen  in  bösartigen  Geschwülsten. 

47.  Appelbaum  Leo:  Ueber  Hämochromatose. 

48.  Assmann  Heinrich:  Zur  Kasuistik  der  Pityriasis  rubra 
pilaris. 

49.  Bamberger  Isaak:  Ueber  die  Resorption  des  Silbers  von 
der  Haut  aus. 

50.  Baue  r  Siegfried:  Ueber  Cysten-  und  Divertikelbildung  der 
ableitenden  Harnwege. 

51.  Bausewein  Otto:  Ueber  die  Wirkung  des  Aluminiums  auf 
den  tierischen  Organismus. 

52.  Dahms  Wilhelm:  Ein  Karzinom  des  Pankreas  mit  unge¬ 
wöhnlicher  Generalisation. 

53.  Eise  rt  Hans:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  des  primären 
diffusen  Nierenkarzinoms. 

54.  Gärtner  Rudolf:  Ueber  einen  unter  dem  Bilde  der  perni¬ 
ziösen  Anämie  verlaufenen  Fall  von  Carcinoma  ventriculi  mit 
Knochenmetastasen. 


55.  G  u  t  m  a  n  n  Bernhard:  Ueber  die  Entwicklung  und  das  Wachs¬ 
tum  des  Hautkarzinoms. 

56.  Lelirnbecher  Paul:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Binde- 
substanz-Drüsen-Mischgeschwülste  der  Brustdrüse. 

57.  Meyer  Friedrich:  Die  intrakanalikuläre  Form  der  Hoden¬ 
tuberkulose.  Untersuchungen  mit  Weigerts  Elastinfärbung. 

58.  O’Brien  L.  J.:  Ueber  Verknöcherungs Vorgänge  an  den 
Arterien. 

59.  Peter  mann  J.:  Ein  hyalines  Endotheliom  der  Parotis  mit 
Pigmentmetamorphose,  nebst  Bemerkungen  über  die  Natur 
der  Mischgeschwülste  der  Parotis. 

60.  Rüge  Ernst  L.:  Die  Entwickelungsgeschichte  des  Skelettes 
der  vorderen  Extremität  von  Spinax  niger. 

61.  S  a  n  d  1  e  r  Aron:  Ueber  die  Gasgangrän. 

62.  v.  Schertel  Max:  Kritisch-experimenteller  Beitrag  zur 
Lehre  von  der  Absorption  und  Respiration  der  tierischen  und 
menschlichen  Haut. 

63.  Scheu  er  mann  Emil:  Ueber  chronische  Tuberkulose  der 
Mamma  unter  dem  Bilde  des  Fibroadenoma. 

64.  Schroen  Fr.  W.  Chr.  A.:  Historisches  und  Theoretisches 
zu  der  Lehre  von  den  Schädelbrüchen,  speziell  den  sogen. 
Gegenbrüchen. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

1.  Hauptversammlung  des  Deutschen  Medizinal¬ 
beamtenvereins. 

(Eigener  Bericht.) 

Am  15.  und  16.  September  ds.  Js.  hielt  in  München  der 
neugogründete  Deutsche  Medizmalbeamtenverein  seine  erste 
Hauptversammlung  ab.  Er  ist  hervorgegangen  aus  dem  preussi- 
schen  Medizinalbeamtenverein,  der  aus  den  kleinen  Anfängen 
eines  Provinzialvereins  unter  der  tatkräftigen  Leitung  seines 
Vorsitzenden,  Regierungs-  und  Geh.  Med. -Rats  Dr.  Rapmund 
in  Minden,  sich  zu  beachtenswerter  Grösse  entwickelt  hatte.  Der 
deutsche  Verein  zählte  anfangs  September  1136  Mitglieder  (wo¬ 
von  889  aus  Preussen)  und  hat  seitdem,  namentlich  auch  aus 
bayerischen  Kreisen,  manchen  Zuwachs  erfahren. 

Die  Lebensfähigkeit  des  neuen  Vereins  steht  demgemäss 
ausser  Zweifel  und  für  seine  Bedeutung  spricht,  dass  die  Re¬ 
gierungen  mehrerer  deutscher  Bundesstaaten  V ertreter  ent¬ 
sandt  hatten.  Mit  derselben  Berechtigung  und  Notwendigkeit, 
wie  in  der  wissenschaftlichen  Medizin  sich  Spezialfächer  und 
Spezialvereine  gebildet  haben,  vollzieht  sich  auch  im  Bereiche 
der  angewandten  Medizin  eine  Arbeitsteilung  nach  Spezial¬ 
gebieten,  und  wie  der  Deutsche  Aerztevereinsbund,  der  Deutsche 
Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege  und  die  deutschen 
Bahnärzte,  halten  nun  auch  die  deutschen  Medizinalbeamten 
ihre  eigenen  V ersammlungen  ab.  Alle  diese  und  ähnliche  \  er- 
eine  sind  berufen,  sich  gegenseitig  zu  unterstützen  und  zu  er¬ 
gänzen;  sie  sind  auch,  jeder  für  sich,  zu  erspriesslichen 
Leistungen  befähig!,  nur  dürfen  sie  den  Zusammenhang  mit 
dem  Gesamtgebiete  der  Medizin  nicht  verlieren. 

Die  in  einzelnen  Bundesstaaten  bestehenden  Landesvereine 
der  Medizinalbeamten  sollen  durch  den  deutschen  Verein  keines¬ 
wegs  ersetzt  oder  verdrängt  werden,  sondern  in  und  neben  ihm 
weiterbestehen  und  wirken.  In  Bayern  bestand  bisher  kein 
eigener  Medizinalbeamtenverein  —  die  ärztlichen  Bezirksvereine 
werden  nur  oft  irrtümlich  als  bezirksärztliche  Vereine  an¬ 
gesprochen  — ;  die  Aerztekammern  haben  von  jeher  auch  die 
Stellung  und  Dienstesobliegenheiten  der  Amtsärzte  in  den  Kreis 
ihrer  Beratungen  einbezogen.  Ob  die  bayerischen  Mitglieder  des 
deutschen  Medizinalbeamtenvereins  sich  zu  einer  besonderen 
Sektion  organisieren,  bleibt  der  Zukunft  Vorbehalten.  Bayern, 
das  von  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  an  sich  der  besten 
Medizinalgesetzgebung  und  -Verwaltung  rühmen  konnte,  ist  in 
den  letzten  Jahren  zurückgedrängt  und  namentlich  von  Preussen 
überflügelt  worden.  Es  fehlt  an  den  nötigen  Mitteln  und  auch 
Personen;  ein  einziger  Medizinalreferent  in  der  Zentralinstanz 
kann  bei  bestem  Willen  und  grösster  Arbeitsleistung  nicht  alle 
Aufgaben  bewältigen  —  hat  doch  schon  die  Kreisregierung  von 
Oberbayern  zwei  Medizinalreferenten  —  und  in  der  dem  Mini¬ 
sterium  des  Innern  beigegebenen  beratenden  Körperschaft,  dem 
Obermedizinalausschusse,  hat  ausser  dem  Vorsitzenden  kein  wei¬ 
terer  Medizinalbeamter  Sitz  und  Stimme.  Die  Macht  der  Ver¬ 
hältnisse  und  die  immer  mehr  anerkannte  Bedeutung  einer  gut 
organisierten  Medizinalverwaltung  für  die  soziale  Volkswohlfahrt 
drängen  zu  einem  Vorwärtsgehen,  zu  einer  Verbesserung  der 
Stellung  der  Amtsärzte,  zu  einer  Erweiterung  und  Befestigung 
ihrer  Dienstesobliegenheiten.  Eine  Vereinigung  bayerischer 


14.  Oktober  1902. 


Medizinalbeamter  könnte  liier  möglicherweise  erfolgreich  mit- 

Der  deutsche  Medizinalbeamtenverein  verfolgt  nach  seinen 
Satzungen  den  Zweck:  die  Wissenschaft  auf  dem  gesamten 

' ebiete  der  Staatsarzneikunde  (Hygiene  und  öffentliches,  Ge¬ 
sundheitswesen,  gerichtliche  Medizin  und  Psychiatrie)  zu  pflegen- 
dmch  \  ortrage  und  Austausch  persönlicher  Erfahrungen  eine 
Verständigung  über  wichtige  Fragen  und  die  einschlägige  Ge¬ 
setzgebung  auf  diesem  Gebiete  herbeizuführen,  sowie  seinem  Mit¬ 
gliedern  Gelegenheit  zu  gegenseitiger  Annäherung  zu  geben. 

Hat  r  ^  1  tsb  ere  c  h  f  1  gh  smd  alle  in  den  deutschen  Bundes¬ 
staaten  im  Staatsdienst,  sowie  die  mit  voller  Beamteneigenschaft 
im  Gemeindedienst  fest  angestellten  Medizinalbeamten,  die  Uni¬ 
versitätslehrer  der  Hygiene,  gerichtlichen  Medizin  und  Psy¬ 
chiatrie  sowie  die  an  hygienischen,  gerichtsärztlichen  und  psy- 
cluatnsehen  Instituten  fest,  angestellten  Aerzte,  die  Direktoren 
öffentlicher  Anstalten  für  Geisteskranke,  Epileptiker  und  Idio¬ 
ten  sowie  alle  staatsärztlich  approbierten  Aerzte,  auch  wenn  sie 
nicht  im  Staats-  oder  Gemeindedienst  angestellt  sind  Der 
Jahresbeitrag  beträgt  12  M.;  dafür  erhalten  die  Mit- 

g  !ed^  den  1.cht  u1ber  che  Hauptversammlung  und  die  „Zeit¬ 
schrift  für  Medmnalbeamte“  unentgeltlich  und  portofrei  zu- 
geschickt.  In  den  V  orstand  wurden  gewählt :  Rap  m  u  n  d  - 
Minden,  v  D  a  1 1  A  r  m  i  -  München,  Engelbrecht  -  Braun¬ 
schweig  I  1 1  n  z  e  r  -  Plauen,  Gaffky- Giessen,  H  e  c  k  e  r  - 
\  eissenburg  i.  E.,  K  ö  s  1 1  i  n  -  Stuttgart,  Kürz-  Heidelberg, 
L  ehr-  Darmstadt,  Le  senberg- Rostock,  Philipp-  Gotha. 
Richter-  Dessau,  Siemens-  Lauenburg  i.  P  Strass 
m  ann- Berlin,  Wahncau  -  Hamburg. 

Der  V erlauf  der  ersten  Hauptversammlung  ist,  ein  sehr  gün¬ 
stiger  zu  nennen;  die  Beteiligung  war  eine  ziemlich  grosse. 
Seitens  des  Ministeriums  des  Innern  begrüsste  Obermedizinalrat 

!  V-  y.a.9 und  seitens  der  oberbayerischen  Kreisregierung 
Kreismedizmalrat  Dr.  Messerer  die  Versammlung.  Die  «m- 
haltenen  Vorträge,  die  hier  nur  kurz  wiedergegeben  werden 
oinnen  und  an  anderer  Stelle  nachzulesen  sind,  behandelten 
interessante  Gegenstände.  Den  ersten  Vortrag  hielt 

Geh.  MedURat  Prof.  Dr.  Fritsch-  Bonn  über  die  Be¬ 
griffen^  der  der  Patienten  zu  operativen  Ein- 

Mehrere  gerichtliche  Entscheidungen  der  letzten  Jahre  haben 
diaser  Frage  nicht  nur  ein  theoretisches,  sondern  auch  ein  grosses 
praktisches  Interesse  zugewendet.  Der  Vortragende  stellte  fol¬ 
gende  fhesen  auf: 

»1.  Gesetzliche  Bestimmungen  über  die  Notwen fHo-ton 
Einwilligung  des  Patienten  zu  liner  ojeraüon  Sgen Ä  im 
Interesse  der  Aerzte  noch  weniger  im  Interesse  des  Patienten. 

2.  t  lelmehi  ist  das  Emholen  der  Einwilligung  des  Patienten 

’iiyr;  amtliche  mÄ Ä 

k  !pierPng  .  bei  fehlerhaftem  -Handeln,  noch  zur  Recht- 
erti„ung  des  ärztlichen  Handelns  überhaupt  dienen.“ 

•  jEr  b<U'ründete  dieselben  eingehend  und  sprach  sich,  wie  auch 
m  der  Diskussion  Strass  mann  -  Berlin,  entschieden  gegen 
\U\  J|Ur^tlSGbe  _  Auffassung  aus,  die  wegen  gewisser  äusserer 
Aehniichkeit  mit  verbrecherischen  Verletzungen  in  der  chirurgi¬ 
schen  Operation  eine  —  allerdings  meist  straflos  verübte  — 
Körperverletzung  im  Sinne  des  Strafgesetzbuches  erblickt. 

Der  nächste  Vortrag  verbreitete  sich  über  den  normalen 
hnd  pathologischen  Rausch.  Der  Referent,  Professor  Dr. 
kr  am  er- Göttingen  führte  einleitend  aus,  dass  es  streng 
wissenschaftlich  nicht  richtig  sei,  von  einem  „normalen“  Rausch 
zu  sprechen,  da  jeder  Rausch  etwas  Pathologisches,  eine  Alkohol¬ 
vergiftung  des  Gehirns  darstelle.  Wenn  trotzdem  das  Straf¬ 
gesetzbuch  m  dem  Rausche  einen  Straf ausschliessungs-  oder 
ötratmilderungsgrund  nicht  erblicke,  so  sei  dies  darauf  zurück- 
zutuhren,  dass  mit  Rücksicht  auf  die  heutigen  Volksgewohn- 
eiten  das  allgemeine  Volksbewusstsein  von  jedem  Erwachsenen 
voraussetze,  dass  er  im  Gegensätze  z.  B.  zur  CO-Vergiftung  eine 
gewisse  Quantität  Alkohol  vertragen  könne,  ohne  in  seinem  Tun 
und  Lassen  auffällig  zu  werden,  die  Direktion  zu  verlieren  oder 
Strafgesetzbuch  in  Konflikt  zu  kommen.  Obschon 
J18  l  >  roz-  a^er  strafrechtlichen  Vergehungen  in  irgend  einem 
msammenhang  mit  dem  Alkohol  begangen  werden,  seien  doch 
ne  nach  dieser  Berechnung  gewonnenen  Zahlen  verschwindend 
VR>1Uir  e®ei^bber  den  Räuschen  und  Räuschchen,  welche  all- 
a  jeiidhch  im  Deutschen  Reiche  nachhause  gebracht  werden, 
lese  latsaehe  erkläre  sich  daraus,  dass  ähnlich  wie  bei  der 


MUE NCI1ENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1719 


Hypnose  auch  im  Rausche  die  kontrastierenden  Vorstellungen 
ihren  Einfluss  geltend  machen  können  und  eine  gewisse  Schulung 
mich  hier  sich  anerziehen  lässt.  Unter  diesem  Gesichtspunkte 

zelmkTst  T Ch  ^  T  V0lksbeWUSStsein  in  letzter  Instanz  wur- 
zelnde  Strafgesetzgebung  verstehen.  Zum  Thema  selbst  stellte 

rtruktt^Ä  “  begründete  sie  in  eingehender,  in- 

«r 

2n,H»/r  ..  r1!’010*180»«'  I'h'selieinungen  im  eigentifehen 

/U.  tand  des  pathologischen  Rausches  (Angst,  delirante  Zustände 

eigentümliche  motorische  Reaktionen'  ‘  Ver- 
halten  der  Pupillen,  terminaler  Schlaf  u.  s.  w.).  ’ 

vs  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  bei  Punkt  3  hänfiir 

Ibe^Pnikt^'uMT1?^11'11118'  Mufig  lassen 

auei  1  unkt  i  und  2  sich  genauer  feststellen,  so  dass  doch  nnru. 

nut  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  Diagnose  gestellt  werden  kann 

Begreiflicherweise  wird  es  aber  auch  Fälle  geben,  wolieh  weS 

d  e  Hrankheü  ausschliessen,  noch  die  Gesundheit  beweisen  lässt 

V  ir  müssen  uns  aber  auch  immer  vor  Augen  halten  dass  die 

pSä'fürTloW™’-  V  l11?  Dla*nose  1,1  Betracht  kommenden 

eü“  «■“  •— *-  K 

II.  Als  besonders  erwähnenswerte  Punkte 
kommen  noch  weiter  in  Betracht:  c 

1.  Nach  dem  heutigen  Stande  der  Gesetzgebung:  kann  nur 

oh!uRailSCh  ?ls  Pathol°gisch  angesehen  werden,  bei  dem  eine  Be¬ 
einflussung  durch  krankhafte  Momente  erwiesen  ist. 

Da  sachverständige  Arzt  nur  über  Krankheit  ein  Gut- 
bämn  a.b^lbt>  nichf  aber  über  gesunde  Zustände,  wird  er  am 
GrmH  3  Gutac*Jei\  uber  einen  normalen  Rausch  und  dessen 
d  ’  wenn  er  überhaupt  danach  gefragt  wird,  ablehnen. 

Rausch^  Intoleranz  ^gen  Alkohol  ist  noch  kein  pathologischer 

4.  Der  pathologische  Rausch  kann  sich,  namentlich  bei  schwe- 

rn!t  P^c‘hopafh'schen  Zuständen,  bei  ein  und  demselben  Individuum 
mit  fast  gleichen  strafbaren  Handlungen  wiederholen. 

ha nripi,  oJ1'  ^eim  habitueI1  eine  Intoleranz  gegen  Alkohol  vor- 
eäeftlnÄn  T--no  ef  ausnahmsweise  gelingt,  die  besonderen 
begleitenden  Umstande  herbeizuführen,  ist  es  möglich,  mit  dem 
Experiment  einen  einigermassen  positiven  Erfolg  zu  erhalten 
.  Zur  Diagnose  des  pathologischen  Rausches  genügt  der  Nach¬ 
weis  der  transitorischen  Bewusstseinsstörung  allein  nicht  es 
muss  vielmehr  der  Nachweis  erbracht  werden,  dass  diese  Be¬ 
wusstseinsstörung  durch  krankhafte  Momente,  die  nicht  allein  in 
der  Alkoholvergiftung-  liegen,  herbeigeführt  ist 

7.  Die  Erinnerung  an  das  Vorgefallene  kann  bei  dem  patho- 
ogisclien  Rausch  fehlen,  sie  kann  aber  auch  mehr  oder  weniger 
partiell  sein.  b 

8  Die  Handlungen  im  pathologischen  Rausch  sind  häufig  Ge- 

WcllttiKtO. 

-  ,9-  .^ach  4blau,f  des  pathologischen  Symptomenkomplexes  er- 

rolgt  häufig  ein  jäher  Zusammenbruch  mit  anschliessendem  ter¬ 
minalem  Schlaf. 

n  1()-.  P*e  Trägheit  der  Pupillenreaktion  kann  zur  Diagnose 
sein  wichtig  sein;  ihr  Fehlen  scliliesst  aber  den  pathologischen 
Rausch  nicht  ans. 

In  der  Diskussion  machte  G  udden  -  München  Mit¬ 
teilungen  uber  Beobachtungen  bezüglich  der  Pupillarreaktion  und 
des  Patellarrefiexes  bei  Berauschten. 

Dr.  W  o  1  f  f,  Kreisassistenzarzt  in  Stralsund,  sprach  sodann 
über  den  jetzigen  Stand  des  serodiagnostischen  Verfahrens 
zur  Unterscheidung  der  verschiedenen  Arten  von  Blut,  Milch 

u.  s.  w.  und  erläuterte  mit  Benutzung  von  Demonstrationen  die 
Bedeutung,  die  Methoden  und  die  praktische  Anwendung  dieses 
Vei  fall rens-,  das  in  der  Hand  eines  geübten  Sachverständigen 
noch  bestimmte  Schlussfolgerungen  ermöglicht,  wo  die  bisherigen 
l  Tntersuchungsmethoden  versagten. 

Am  zweiten  Sitzungstag  erstattete  Professor  Dr.  Fränkel- 
Ilalle  einen  sehr  lehrreichen  und  mit  grossem  Beifall  aufgenom- 
menen\  ortrag  über:  Wissenschaftliche  und  praktische  Hygiene. 

Der  berufene  Träger  der  Gesundheitspflege  sei  der  Medizinal¬ 
beamte,  zu  seinen  wichtigsten  Aufgaben  gehöre  der  Seuchen¬ 
schutz.  Der  persönlichen  Disposition  käme  zwar  eine  grosse 
Wichtigkeit  für  die  Ausbreitung  von  Seuchen  zu,  doch  dürfe 
man  sich  auf  diesen  unbestimmten  Faktor  nicht  zu  sehr  verlassen, 
da  auch  bei  geringer,- Disposition  eine  Infektionskrankheit  sich' 
ausbreite,  wenn  die  notwendigen  Sohutzmassregeln  vernachlässigt 
werden;  das  Wichtigste  sei  eine  planmässige  vernünftige  Pro¬ 
phylaxe  und  eine  energische  Seuchenbekämpfung,  wobei  Wissen¬ 
schaft  und  Praxis  Hand  in  Hand  gehen  müssen  und  das  Vor¬ 


gehen  sich  bei  den  einzelnen  Infektionskrankheiten  verschieden 


1720 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


gestalten  muss.  Mit  einer  weiteren  Ausdehnung  und  Durch¬ 
führung  der  Anzeigepflicht,  einem  möglichst  frühzeitigen  und 
raschen  Eingreifen,  einer  Isolierung,  die  nach  Art  der  Er¬ 
krankung  strenger  oder  milder  zu  handhaben  sei,  einer  fort¬ 
laufenden  Desinfektion  der  pathogenen  und  Mikroorganismen 
und  der  Prüfung  und  Feststellung  aller  WTege,  auf  denen  eine 
Verschleppung  der  Krankheit  möglich  sei,  lasse  sich  in  jedem 
Kalle  ein  Seuchenschutz  zweckmässig  organisieren  und  durch¬ 
führen.  Namentlich  der  beamtete  Arzt  habe  einen  unermüd¬ 
lichen  Kampf  gegen  die  Feinde  der  Gesundheit  zu  führen,  er 
solle  möglichst  viel  in  seinem  Kreise,  möglichst  wenig  in  seinem 
Amtszimmer  sein;  dabei  sei  eine  möglichst  enge  Fühlung  mit 
den  Fortschritten  der  Wissenschaft  unerlässlich.  Es  empfehle 
sich  daher  die  weitere  Durchführung  hygienischer  Kurse  für 
die  Medizinalbeamten  an  den  Universitäten  und  hygienischen 
Instituten  in  höchstens  3  jährigen  Kursen,  wie  sie  in  Hessen 
eingerichtet  sind.  Von  grosser  Bedeutung  sei  ferner  die  Ei¬ 
richtung  von  Anstalten,  in  denen  hygienische  Untersuchungen 
unentgeltlich  vorzunehmen  seien  und  die  sich  zweckmässig  an 
die  bestehenden  hygienischen  Universitätsinstitute  angliederten; 
die  Kosten  sollten  auf  Staat  und  Gemeinde  verteilt  werden. 

In  der  sich  anschliessenden  Besprech  u  n  g.  wobei  . 
M  e  w  i  u  s  -  Neustadt  i.  Schl.,  S  i  e  g  e  1  -  Leipzig,  S  a  1  o  m  o  n  - 
Koblenz,  R  a  p  m  u  n  d  -  Minden,  R  o  t  h  -  Potsdam,  Fielitz- 
Halle  und  der  Referent  zum  Worte  kamen,  wurde  hauptsächlich 
die  Frage  erörtert,  inwieweit  die  Medizinalbeamten  selbst  tech¬ 
nische  Untersuchungen  vornehmen  sollten  und  in  welcher  Weise 
die  vorgenannten  Untersuchungsanstalten  zu  organisieren  seien. 

Sodann  sprach  Kreisarzt  Medizinalrat  Dr.  Pfann- 
m  ü  1 1  e  r  -  Offenbach  eingehend  über  die  Beteiligung  der  Me¬ 
dizinalbeamten  bei  der  Wohnungbeaufsichtigung  an  der.  Hand 
nachstehender  Thesen: 

1.  Die  soziale  Fürsorge  für  gesundes  Wohnen  berührt  die 
öffentliche  Gesundheitspflege  so  intensiv,  dass  die  Mitwirkung 
der  Medizinalbeamten  dabei  notwendig  ist. 

2.  Der  beamtete  Arzt  (Kreis-,  Bezirks-  u.  s.  w.-Arzt)  soll  in 
Gemeinschaft  mit  den  Verwaltungsbehörden  den  Erlass  von  Bau¬ 
ordnungen,  die  Ausarbeitung  von  Ortsbauplänen  und  Ortsbau¬ 
statuten  für  jede  Gemeinde  anstreben  und  begutachtend  dabei  mit- 

wirken.  . 

3.  Vor  der  Genehmigung  von  Gesuchen  um  Dispensation  von 
Bauvorschriften  ist  der  beamtete  Arzt  gutachtlich  zu  hören. 

4.  In  Gemeinden  mit  über  5000  Einwohnern  ist  ein  Wohnungs¬ 
inspektor  anzustellen,  der  nach  Massgabe  seiner  Dienstanweisung 
alle  insbesondere  die  Wohnungen  der  Minderbemittelten,  die 
Schlafstellen  für  Lehrlinge,  Dienstboten,  die  Massenquartiere  und 
Herbergen  beaufsichtigt  und  in  Verbindung  mit  dem  beamteten 
Arzt  dafür  Sorge  trägt,  dass  gesundheitliche  Nachteile  vermieden 

werden.  .  ,  .  ,  ..  , 

5.  In  Gemeinden  mit  weniger  als  5000  Einwohnern  sind  ört¬ 
liche  Gesundheitskommissionen  entsprechend  zu  organisieren,  um 
denselben  Aufgaben  zu  genügen. 

6.  Zur  Beurteilung  der  Wohnungen,  Schlafstellen  u.  s.  w. 
dienen  die  durch  Gesetz  oder  Polizeiverordnungen  festzulegenden 
Mindestforderungen  an  Wohnungen,  Schlafräumen,  Herbergen 


7.  In  allen  Fällen,  in  denen  diesen  Minimalforderungen  nicht 
genügt  ist  oder  dem  Wohnungsinspektor  bezw.  dem  betr.  Ge- 
sundheitskommissionsmitglied  gesundheitliche  Bedenken  entgegen¬ 
treten,  ist  das  Gutachten  des  beamteten  Arztes  eiuzuholen. 

8  Der  beamtete  Arzt  revidiert  auch  ohne  solche  direkte  Re¬ 
quisitionen  alljährlich  mit  dem  Wohnungsinspektor  oder  der  Ge- 
sundheitskommission  eine  Anzahl  von  Wohnungen. 

9.  Dem  beamteten  Arzt  steht  jederzeit  Einblick  m  die  Woh¬ 
nungsregister  und  die  sonstigen  Akten  des  Wohnungsinspektors 
zu  er  kann  demselben  Belehrungen  und  Aufträge  erteilen  und 
übernimmt  auch  die  Anleitung  und  Ausbildung  der  demselben 


etwa  noch  beigegebenen  Wohnungspfleger. 

10  Werden  dem  beamteten  Arzt  in  Ausübung  seines  Dienstes, 
insbesondere  bei  Ermittelung  ansteckender  Krankheiten,  unge¬ 
sunde  Wohnverhältnisse  bekannt,  so  stellt  er  bei  der  Polizeibehörde 
Anträge;  ausserdem  hat  er  den  Wohnungsinspektor  aut  solche 

Wohnungen  aufmerksam  zu  machen.  ,  M  _  ,  .. 

11.  Der  beamtete  Arzt  soll  durch  Wort  und  Schrift,  Vortrage 
in  Vereinen,  Verbreitung  geeigneter  volkshygienischer  Schritten, 
periodische  Veröffentlichungen  über  Wohnungsfragen  belehrend 
und  anregend  auf  das  Publikum  einwirken  und  bei  der  Gründung 
von  Bauvereinen,  Herstellung  von  Arbeiter  Wohnungen  in  geeig¬ 
neter  Weise  mitwirken. 

12  Die  Mitwirkung  der  praktischen  Aerzte  oder  dei  fetaat- 
iirzte  kann  bei  der  dauernden  Beaufsichtigung  der  Wohnungen 
nicht  entbehrt  werden;  der  beamtete  Arzt  soll  deshalb  im  Ver¬ 
kehr  mit  denselben,  sowie  in  den  ärztlichen  Vereinen  Anregungen 
geben  und  selbst  zu  empfangen  suchen. 

Eine  Diskussion  schloss  sich  nicht  an. 

Den  letzten  Punkt  der  Tagesordnung  bildete  die  Einrich¬ 
tung'  einer  Zentralauskunftsstelle  über  Kurpfuscher.  Der  Be¬ 
richterstatter,  Kreisarzt  Dr.  Steinmetz  -  Strassburg  i.  E.,  be¬ 


tonte  die  Schwierigkeit,  denjenigen  zahlreichen  Kurpfuschern 
beizukommen,  die  sich  unter  Zuhilfenahme  ausgedehnter  Zei- 
tungsreklame  vorzugsweise  mit  der  brieflichen  Behandlung  aus¬ 
wärtiger  Kranker  befassen;  an  ihrem  Wohnorte  selbst  benähmen 
sie  sich  oft.  sehr  zurückhaltend,  so  dass  sie  den  dortigen  Me- 
dizinalbehörden  entweder  gar  nicht  oder  nur  ungenügend  be¬ 
kannt  seien.  Auch  sonst  seien  die  Auskünfte  meist  unzulänglich 
und  das  Verfahren  bei  den  Erkundigungen  zu  umständlich  und 
langsam;  es  empfehle  sich  daher  die  Einrichtung  einer  Zentral¬ 
stelle  durch  den  Verein,  vermittels  deren  die  Medizinalbeamten 
der  verschiedenen  Bundesstaaten  in  einfacher  und  rascher  Weise 
Auskunft  über  Kurpfuscher  sich  verschaffen  könnten. 

In  der  Diskussion  verbreitete  sich  'Wille-  Oberdorf 
über  die  Kurpfuscherei  überhaupt  und  äusserte  sich  pessimistisch 
über  die  dagegen  gerichteten  Massnahmen:  seiner  Auffassung, 
dass  durch  die  Anzeigepflicht  bei  ansteckenden  Krankheiten  und 
die  Anmeldung  beim  Kreisärzte  die  Kurpfuscher  gewissermassen 
staatlich  anerkannt  und  in  ihrem  Ansehen  bei  der  Bevölkerung  ge¬ 
hoben  seien,  wurde  von  Ra  p  m  u  n  d-  Minden ■Widersprochen  dei 
die  Zweckmässigkeit  und  Nützlichkeit  dieser  für  die  Kurpfusche 
lästigen  und  unangenehmen  Massregeln  betonte.  Beckei- 
München  sprach  sich  mehr  für  eine  amtliche  Auskunftsstelle  — 
etwa  beim  Reichsgesundheitsamte  —  aus,  da  die  amtlichen  Er¬ 
kundigungen  zuverlässiger  seien  und  den  Verwaltungsbehörden 
und  Gerichten  mehr  Handhaben  bieten  als  private  Auskünfte. 
Wenn  in  gleicher  Weise  wie  auf  dem  Gebiete  der  Aahrungsmittel- 
^esetzgebung  alle  Verurteilungen  von  Kurpfuschern  dem  Reichs¬ 
gesundheitsamte  mitgeteilt  werden  müssten,  wäre  dieses  leie1  i 
der  Lage,  den  Amtsärzten  zuverlässige  amtliche  Auskünfte  zu  ei 

teilen.  .  .. 

Die  Versammlung  beschloss,  dem  Vorstand  des  Vereins  die 
weitere  Bearbeitung  dieser  Frage  und  die  etwa  erforderlichen 
Schritte  zu  überlassen. 

Hierauf  wurde  unter  den  üblichen  Förmlichkeiten  die  erste 
Hauptversammlung  geschlossen. 


74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Karlsbad  vom  21.— 27.  September  1902. 
Referent:  Dr.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 


TTT 


Sitzung  der  medizinischen  Hauptgruppe  vom 

25.  September  1902. 

Die  zahlreich  besuchte  Versammlung  wurde  von  dem  Vor¬ 
sitzenden  Stintzing-Jena  mit  dem  Hinweise  darauf  er¬ 
öffnet,  dass  zum  5.  Male  seit  der  Neuorganisation  der  Gesell¬ 
schaft  die  medizinischen  Abteilungen  sich  zu  gemeinsamer 
Sitzung  versammeln  und  die  Erfolge  der  früheren  Sitzungen 
bewiesen  hätten,  dass  gerade  bei  den  Aerzten  infolge  der  Spe¬ 
zialisierung  der  Fächer  ein  besonderes  Bedürfnis  nach  Kon¬ 
zentration  besteht.  Als  heuriges  Verhandlungsthema  ist  die 
physiologische  Albuminurie  gewählt  worden. 

Erster  Referent :  Prof.  Dieser-  Düsseldorf : 

Seit  den  Arbeiten  von  Bright  (1827)  über  Albuminurie 
in  ihrem  Zusammenhang  mit  Wassersucht  und  Nephritis  hatte 
unter  den  Aerzten  und  Laien  dem  Symptom  der  Enveissausschei- 
dung  gegenüber  eine  unbedingt  pessimistische  Auffassung  Platz 
gegriffen,  die  erst  durch  die  Feststellung  der  „physiologischen 
Albuminurie“  (L  e  u  b  e)  herabgemindert  wurde.  Diese  Erschei¬ 
nung  kommt  durch  verschiedene  Gelegenheitsursachen  deren 
Natur  aus  dem  zweiten  Referat  erhellt  zu  stände. 

Hinsichtlich  der  chemischen  Seite  der  physiologischen 
Albuminurie  muss  man  zunächst  fragen,  bei  welchem  Eiweiss 
gehalt.  die  Heller  sehe  Schichtungsprobe  noch  positiv  ausfällt. 
3  Prom.  sind  noch  sicher  zu  erkennen.  Kühne  hat  gezeigt, 
dass  die  Nubecula  des  normalen  Harnes  Eiweiss  enthält.  Es 
kommt  darauf  an,  grössere  Harnmengen  auf  Eiweiss  zu  unter 
suchen,  v.  N  o  o  r  d  e  n  gibt  0,6  mg  Eiweissgehalt  für  1  Liter 
normalen  Harnes  an.  Welche  Eiweissmengen  sind  noch  physio¬ 
logisch?  v.  Leube  gibt  auf  diese  Frage  an:  bis  0,1  Proz., 
v.  Noordenbis  gegen  0,4  Proz.  Die  Beimengung  von  Zylin¬ 
dern,  besonders  hyalinen,  deutet  schon  auf  pathologische  u 
stände  hin.  Das  Harneiweiss  besteht  aus  Serumalbumin,  Serum 
globulin,  Nukleoalbumin.  Erstere  können  nach  der  von  P  o  i 
angegebenen  Methode,  welche  Redner  näher  anführt,  voneinander 
getrennt  werden.  Es  liegen  Beobachtungen  von  einem  ran 
zösischen  Autor  vor,  der  bei  gesunden  jungen  Leuten  am  or 
mittag  im  Harne  Serumglobulin,  am  Abend  Serumalbumin  ge- 


14.  Oktober  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  W O CHEN S CTIRIFT. 


funden  bat.  Der  Harn  zeigt  dabei  verringerte  Menge,  dunklere 
Farbe,  höheren  Salzgehalt. 

Hinsichtlich  der  experimentellen  Tatsachen,  welche  auf  die 
Albuminurie  Bezug  haben  können,  erwähnt  D.  die  Theorien 
einerseits  von  Ludwig,  andrerseits  von  H  e  i  d  e  n  h  a  i  n. 
Jedenfalls  ist  festzuhalten,  dass  mit  der  Produktion  des  Harnes 
die  physiologische  Funktion  der  Niere  nicht  erschöpft  ist,  denn 
sie  regelt  überhaupt  die  ganze  Wasserbilanz  des  Körpers,  den 
Alkaleszenz-  resp.  Säurezustand  des  Organismus.  Mit  der 
Ludwig  sehen  mechanischen  Theorie  sind  zwei  Tatsachen  un¬ 
möglich  zu  erklären.  Es  zeigte  sich  nämlich,  dass  bei  einer  nur 
IVa  Minuten  fortgesetzten  Kompression  der  Nierenarterie  die 
Harnsekretion  erst  45  Minuten  später  wieder  begann.  Ferner 
sprechen  die  Versuche  von  Schwarz  in  Prag,  der  bei  Hunden 
das  Blut  ungerinnbar  machte,  dagegen.  Auch  existieren  kli¬ 
nische  Beobachtungen  (Thrombose  der  Von.  cav.  oberhalb  der 
Nierenvenc  bei  reichlichem  Harn),  die  gegen  die  Filtrations¬ 
theorie  sprechen.  Tiger  stedt  betont  die  Möglichkeit,  dass 
im  Glomerulu's  sowohl  filtriert  als  sezerniert  wird.  D.  schliesst 
sich  dieser  Anschauung  vollkommen  an  und  zwar  auf  Grund 
seiner  kryoskopischen  Untersuchungen,  die  er  schon  seit  1891 
ausgeführt  hat.  Er  untersuchte,  ob  der  Harn  osmotisch  ver¬ 
dünnter  ist  als  das  Blut.  Aber  auch  rechnerisch  lässt  sich,  wie 
Redner  zahlenmässig  darlegt,  die  Filtrationstheorie  ad  absurdum 
führen.  Bei  der  Harnsekretion  spielt  eine  Zellentätigkeit  mit, 
nicht  allein  der  Blutdruck.  Andrerseits  kann  aber  auch  —  ent¬ 
gegen  II  eidenhain  —  eine  Resorption  von  Harnwasser  statt¬ 
finden,  wie  sich  ebenfalls  durch  Rechnung  nachweisen  lässt,  die 
den  CI  Na-Gehalt  des  Serums  und  Harnes  berücksichtigt.  Tat¬ 
sächlich  bilden  eben  die  Ludwig  sehe  und  die  Heidenhain- 
B  o  w  m  a  n  n  sehe  Theorie  keine  prinzipiellen  Gegensätze;  jeden¬ 
falls  ist  aber  eine  spezifische  Selektion  der  Zellen  der  Harn¬ 
kanälchen  nicht  zu  entbehren. 

V  ie  kommt  es,  dass  bei  der  Bildung  des  Harnwassers  im 
Glomerulus  aus  dem  Blute  fast  kein  Eiweiss  herübertritt?  Ein 
analoges  Verhältnis  findet  sich  für  das  Kammerwasser  des  Auges. 
Auch  hier  ist  der  Eiweissgelialt  viel  geringer  als  jener  der 
Lymphe.  Wichtig  ist  eben  der  Durchgang  durch  eine  Zellschicht, 
welche  die  Kapillaren  überzieht.  Dann  kommen  quantitative 
Verhältnisse  des  Eiweisses  in  Betracht:  So  wies  CI.  Bernard 
in  seinem  Harn  schon  nach  Genuss  von  2  rohen  Eiern  Eier- 
eiweiss  nach.  Am  leichtesten  erscheint  das  Serumalbumin  im 
Harn,  wofür  C  1  o  e  1 1  a  die  Bedingungen  aufgedeckt  hat.  In 
jedem  Eiweissharn  ist  Serumalbumin,  aber  nicht  Serumglobulin 
enthalten.  Das  Serumglobulin  scheint  schwerer  zu  diffundieren. 

Experimentelle  Eingriffe  können  Albuminurie  zur  Folge 
haben :  Verletzungen  am  Boden  des  4.  Ventrikels  (CI.  Bernar  d), 
Durchschneidung  der  vorderen,  Reizung  der  hinteren  spinalen 
Wurzeln,  Thoraxkompression,  Absperrung  des  arteriellen  oder 
venösen  Blutstromes  zu  den  Nieren.  Albuminurie  entsteht  ferner 
bei  Eklampsie  der  Gebärenden,  bei  Strychninvergiftung,  Blei¬ 
kolik,  Tetanus.  Auf  jede  Art  von  O-Mangel  reagieren  die 
N ierenepithelien  mit  Albuminurie.  Ebenso  wirken  Ureterenkom- 
pression,  Entziehung  des  CI  Na  aus  der  Nahrung,  spezielle  Ein¬ 
flüsse  der  Ingesta,  z.  B.  reichlicher  Genuss  von  Seefischen.  Bei 
der  Fäulnis  von  Fischen  entstehen  Stoffe,  welche  die  Niere 
reizen.  Ferner  erscheint  Albuminurie  im  Verlauf  von  Darm¬ 
krankheiten  mit  vermehrter  Bildung  von  Indikan  und  Aether- 
schwef eisäuren,  dann  durch  Metalle,  verschiedene  ätzende  und 
reizende  Substanzen.  Die  Epithelien  der  gewundenen  Harn¬ 
kanälchen  nehmen  das  für  sie  giftige  Agens  auf,  werden  ge¬ 
schädigt  und  dann  ausgestossen.  Albuminurie  wird  auch  be¬ 
wirkt  durch  eine  Steigerung  der  Viskosität  (Zähflüssigkeit)  des 
Blutes.  Diese  verursacht  langsameren  Blutlauf  und  dadurch 
O-Mangel  für  die  Epithelien.  Bei  der  Entstehung  der  Al¬ 
buminurie  kommt  es  eben  an  auf  die  Empfindlichkeit  des  Glo- 
merulusüberzuges,  auf  abnorme  Porenweite  des  Epithels  des¬ 
selben,  vielleicht  angeborene  Eigentümlichkeiten  des  Epithel¬ 
überzuges.  Ein  verwertbares  Objekt  für  das  Studium  der  ganzen 
Frage  wäre  die  Wanderniere  und  die  daran  auf  tretenden  Ein¬ 
klemmungserscheinungen. 

Dem  sehr  beifällig  aufgenommenen  Vortrage  folgte  sofort 
das  zweite  Referat  durch  v.  L  e  u  b  e  -  Würzburg: 

Die  frühere  Annahme  der  Physiologie,  dass  der  normale 
Harn  eiweissfrei  sei,  kann  seit  den  von  Redner  (seit  1878)  an 
119  gesunden  Soldaten  angestellten  Massenuntersuchungen  nicht 


1721 


mehr  anerkannt  werden.  Bei  4  Proz.  der  Soldaten  fand  v.  L. 
Eiweiss,  nach  Märschen  bei  12  Proz.  Andere  Forscher  haben 
dies  bestätigt,  dann  hiess  es,  dass  jeder  normale  Urin  Eiweiss 
enthalte.  Da  die  Frage  wegen  der  Militärtauglichkeit,  Heirats¬ 
konsens,  Lebensversicherungen  praktisch  wichtig  war,  so  ent¬ 
stand  über  die  von  Redner  so  benannte  physiologische  Albuminurie 
eine  grosse  Reihe  Arbeiten.  Fest  steht,  dass  bei  ca.  15 — 25  Proz. 
der  Fälle  im  normalen  Harn  mit  den  gewöhnlichen  Reagentien 
Eiweiss  nachgewiesen  werden  kann  (Serumglobulin,  Serum¬ 
albumin  und  Nukleoalbumin).  Vor  Vz  Jahr  hat  v.  L.  speziell 
auf  das  Vorkommen  der  ersteren  Bestandteile  untersucht  und 
fand  an  Soldaten  im  Nachtharn  Eiweiss  in  35  Proz.  (Nukleo¬ 
albumin  24  Proz.,  Serumalbumin  11  Proz.),  im  Tagharu 
(Exerzieren)  in  59  Proz.  (Nukleoalbumin  32  Proz.,  Serumalbumin 
und  Serumglobulin  21  Proz.).  Bei  leichterem  Dienst  trat  eher 
das  Fl  ukleoalbumin  auf.  Es  scheint  bei  diesen  Unterschieden 
vor  allem  die  aufrechte  Körperstellung  mitzuspielen.  Posner 
konstatierte  zuerst,  dass  mit  feinsten  Reagentien  in  jedem  Harn 
sich  Eiweiss  nachweisen  lässt,  wenigstens  in  Spuren.  Eiweiss¬ 
ausscheidung  gehört  also  zur  Norm,  aber  es  kommt  auf  die 
Menge  an. 

Warum  nun  bei  gewissen  Anlässen  im  Harn  einzelner  Ei¬ 
weiss  deutlicher  auftritt,  ist  schwer  zu  sagen.  Diese  Anlässe 
sind:  Muskelanstrengung,  aufrechte  Körperstellung,  Nahrungs¬ 
zufuhr,  psychische  Erregungen,  kühle  Bäder. 

Am  wichtigsten  ist  wohl  die  aufrechte  Stellung.  Ein  zur 
physiologischen  Albuminurie  disponierter  Mensch  kann  beim 
Stehen  Eiweiss  haben,  beim  Liegen  nicht.  Mechanisch  kann  der 
Zusammenhang  nicht  einfach  sein.  Legt  man  den  Menschen  auf 
den  Bauch  oder  die  Seite,  so  erscheint  kein  Eiweiss.  Auch  Leute 
mit  Wandernieren,  die  auf  die  Seite  gelegt  werden,  so  dass  die 
Nierenlage  eine  andere  wird,  zeigen  hiervon  keinen  Einfluss.  Es 
kann  Vorkommen,  dass  beim  Sitzen  kein  Eiweiss  vorhanden  ist, 
das  sofort  beim  Stehen  auftritt,  wofür  v.  L.  ein  typisches  Bei¬ 
spiel  anführt.  Der  betreffende  Patient  hatte  kein  Eiweiss,  wenn 
er  auf  dem  Bettrande  sass,  ging  er  über  das  Zimmer  zum  Stuhle, 
so  zeigte  er  Eiweiss.  Die  Muskelanstrengung  kann  die  Al¬ 
buminurie  nicht  allein  verursachen,  das  zeigt  sich  bei  liegenden 
Menschen,  die  man  sich  anstrengen  lässt,  ohne  dass  sie  Eiweiss 
aufweisen.  Es  gehört  die  Position  auf  die  Fiisse  dazu.  Es  ist 
mindestens  wahrscheinlich,  dass  solche  Anstrengungen  zur  Al¬ 
buminurie  Veranlassung  geben,  welche  Ermüdung  herbei¬ 
führen.  Man  kann  sich  vorstellen,  dass  bei  dieser  Tätigkeit  die 
Versorgung  der  arbeitenden  Teile  mit  Blut  auf  Kosten  der 
Niere  geschieht.  Sicher  spielen  nervöse  Einflüsse  eine  Rolle, 
wie  schon  F  rer  ich  s  feststellte.  Nach  starken  geistigen  An¬ 
strengungen  tritt  Eiweiss  im  Harn  auf,  bei  manchen  Leuten  nur 
an  bestimmten  Tagen  (z.  B.  bei  Hysterischen).  Unter  dem  Ein¬ 
flüsse  des  Nervensystems  können  die  Zirkulationsverhältnisse 
verändert  werden,  wie  auch  von  der  Haut  aus  durch  kalte 
Bäder,  wenn  deren  Temperatur  unter  20°  beträgt.  Heisse 
Bäder  können  die  Albuminurie  redressieren.  Die  Nahrungs¬ 
aufnahme  als  solche  ruft  sicher  keine  Albuminurie  hervor, 
sondern  kann  im  Gegenteil  eine  bestehende  Albuminurie  re¬ 
duzieren.  Die  Quantität  der  Ingesta  kann  von  Einfluss  sein, 
doch  ist  darüber  wenig  bekannt.  Der  Genuss  weniger  roher  Eier 
kann  Albuminurie  provozieren,  aber  nur  wenn  die  Eier  im 
Stehen  genossen  werden,  wobei  dann  erst  Serumalbumin,  später 
Eieralbumin  in  grösserer  Menge  von  den  Nieren  ausgeschieden 
wird.  Leute  mit  physiologischer  Albuminurie  verhalten  sich 
bei  Aufnahme  geringer  Eiermengen  wie  Gesunde,  aber  nur,  wenn 
sie  liegen. 

Die  genannten,  den  Eintritt  der  Albuminurie  provozierenden 
Faktoren  sind  nur  wirksam,  wenn  die  Nieren  der  betreffenden 
gesunden  Menschen  zum  Uebertritt  von  Eiweiss  in  den  Harn 
disponiert  sind,  wie  v.  L  e  u  b  e  schon  1878  annahm.  Diese  in- 
dh  iduelle  Disposition  erklärt  sich  am  besten  durch  die  Annahme 
einer  angeborenen  grösseren  Durchlässigkeit  der  Filtrationsmem¬ 
bran  der  Niere,  wofür  auch  das  Vorkommen  eklatanter  physio¬ 
logischer  Albuminurie  bei  mehreren  Gliedern  derselben  Familie 
spricht. 

Nach  Ansicht  des  Vortragenden  gibt  es: 

a)  Individuen,  welche  unter  völlig  normalen  Verhältnissen, 
auch  ohne  die  Einwirkung  jener  die  Albuminurie  begünstigenden 
Faktoren  (auch  im  Nachturin),  Eiweiss  im  Harn  entleeren  — 
Menschen  mit  absolut  undichtem  N  ierenfilter. 


1722 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


b)  Menschen  mit  relativ  undichtem  Nieren¬ 
filter,  d.  h.  Individuen,  die  nur  bei  Einwirkung  der  genannten  ' 
Faktoren  (aufrechte  Körperstellung  etc.)  Eiweiss  mit  dem  Harn 
entleeren,  während  für  gewöhnlich  der  Urin  eiweissfrei  ist. 

e)  Menschen  mit  relativ  dichtestem  Nieren- 
f  i  1 1  c  r,  deren  Urin  unter  allen  Umständen  eiweissfrei  ist. 

Die  Kategorie  b  umfasst  die  Mehrzahl  der  Gesunden. 

Ein  Krankheitsbild  der  physiologischen  Albuminurie  gibt  es 
nicht. 

Bei  der  Diagnose  der  physiologischen  Albuminurie,  die 
besonders,  wie  erwähnt,  wichtig  ist  wegen  der  Frage,  ob  die  be¬ 
treffenden  Menschen  militärpflichtig  sind,  heiraten  dürfen,  in 
eine  Lebensversicherung  aufgenommen  werden  können  u.  ä.,  ist 
es  notwendig,  gewisse  Krankheiten  im  voraus  auszuschliessen : 
abklingende  Nephritiden,  Schrumpf nieren  im  Beginn  der  Ent¬ 
wicklung,  wo  das  Eiweiss  noch  nicht  regelmässig  auftritt,  und 
„Pubertätsalbuminurien“,  die  von  den  physiologischen  Albu¬ 
minurien  prinzipiell  abzutrennen  sind.  Das  sind  Krankheits¬ 
bilder. 

Die  Pubertätsalbuminurie  ist  die  Folge  von  per¬ 
verser  Blutbildung  oder  von  Herzinsuffizienz  bei  heranwachsen- 
den  Menschen  mit  überstürzter  und  protrahierter  Pubertät.  Die 
Pubertätsalbuminurien  heilen  vollständig  ab.  Die  allgemein  ge¬ 
brauchte  Bezeichnung  „zyklische  Albuminurie“  ist  ganz  fallen  zu 
lassen. 

Zur  Differentialdiagnose  schlägt  v.  L.  vor:  Findet  man  bei 
Tag  Eiweiss,  so  muss  zuerst  nach  etwaiger  renaler  Ursache  ge¬ 
forscht  werden.  Ferner  ist  an  Cystitis  und  Tuberkulose  der  Harn¬ 
wege  zu  denken.  Aus  der  Quantität  des  Harnes  und  Eiweisses 
lässt  sich  nicht  viel  entnehmen.  Auch  soll  aus  der  Art  des  Ei¬ 
weisses  kein  bindender  Schluss  gezogen  werden.  Wichtig  ist  die 
Regelmässigkeit  oder  Unregelmässigkeit  des  Auftretens.  Natür¬ 
lich  sind  die  direkt  auf  Nephritis  weisenden  Symptome  (Herz¬ 
hypertrophie,  Pulsspannung  etc.).  Harnzylinder  sind  wichtig, 
ohne  entscheidend  zu  sein  (besonders  nicht  bei  zentrifugierten 
Harnen),  da  sie  auch  nach  forcierten  Radtouren,  Sportspielen  etc. 
erscheinen,  v.  L.  rät,  erst  nach  einem  Jahr  ein  bindendes  Urteil 
zu  sprechen.  Kommen  bei  körperlicher  Ruhe  Harnzylinder,  be¬ 
sonders  Epithelzylinder  vor,  so  liegt  immer  Nephritis  vor,  wie 
Sektionen  beweisen. 

Das  Auftreten  von  Eiweiss  im  Harn  ist  bei  Menschen  mit 
physiologischer  Albuminurie  eine  harmlose  Erscheinung  und  des¬ 
wegen  kein  Gegenstand  der  Behandlung;  die  Leute  sollen 
sich  wie  Gesunde  verhalten.  Dagegen  kann  die  Pubertätsalbu¬ 
minurie,  die  nur  vereinzelt  in  Nephritis  übergeht,  gebessert  oder 
ganz  geheilt  werden,  nämlich  durch  Verbesserung  der  Blut- 
beschaffenheit  und  der  Herztätigkeit.  Zu  diesem  Zwecke  sind 
systematisch  abgestufte  Muskelbewegungen,  Mechanotherapie, 
Terrainkuren  in  waldiger  Gegend,  Hydrotherapie,  Eisenpräparate 
besonders  empfehlenswert. 

Diskussion:  Harz  -  Karlsruhe  berichtet  über  einen  Fall 
von  Albuminurie  bei  einem  14  jährigen  Knaben,  wo  9  monatliche 
Beobachtung  sicher  erwies,  dass  hier  die  geistige  Anstrengung  den 
vorwiegendsten  Einfluss  auf  das  Erscheinen  des  Eiweisses  hatte. 

H  e  u  b  ner  -  Berlin  hat  Albuminime  bei  zwei  Knaben  von 
7  resp.  9  Jahren  beobachtet.  Hier  schien  das  Aufrechtstehen  ätio¬ 
logisch  wirksam.  Solche  Leute  sollen  nicht  im  Bett  gehalten 
werden,  es  sind  keine  Kranken.  In  dem  ersten  Falle  war  nur 
Serumalbumin  da. 

P  o  s  n  e  r  -  Berlin  hat  bei  einem  Kollegen  seit  17  Jahren 
Albuminurie  beobachtet,  ohne  dass  andere  Erscheinungen  als 
Neurasthenie  hinzutreten.  Das  Eiweiss  des  normalen  Harnes  ist 
ein  Nukleoalbumin. 

Matth  es -Jena  hat  Lehrlinge  (14 — 18  Jahre)  untersucht, 
fand  in  10 — 20  Proz.  Eiweiss  (2  Prom.).  Diese  Leute  fühlten  sich 
meist  völlig  wohl.  Allo  77  Fälle  mit  Albuminurie  zeigten  sich  als 
vorübergehend,  nach  dem  18.  Lebensjahre  erfolgte  schon  eine 
kleine  Abnahme,  nach  dem  25.  Jahr  verschwand  das  Eiweiss 
immer. 

A  1  b  u  -  Berlin  betont  als  ätiologische  Faktoren  die  sportlichen 
Leistungen,  besonders  Wettsport.  Alle  Rennfahrer  zeigten  nach 
forciertem  Training  Eiweiss  und  meist  auch  morphotische  Be 
standteile.  In  einzelnen  Fällen  präsentierte  sich  völlig  das  Bild 
der  Nephritis.  Z  u  n  t  z  und  A 1  b  u  haben  einige  Leute  des  Distanz¬ 
marsches  zwischen  Dresden — Berlin  untersucht.  Alle  hatten  Ei¬ 
weiss  bis  zu  2  Prom.,  das  Sediment  entsprach  einer  schweren 
Nephritis  (sogar  Hämaturie).  Redner  warnt  vor  sportlichen  Ueber- 
treibungen. 

Schatz-  Rostock:  Die  beim  Stehen  auftretende  Albuminurie 
lässt  sich  doch  mechanisch  erklären  aus  dem  erhöhten  intra- 
abdominellen  Druck,  der  beim  Liegen  sinkt,  beim  Sitzen  steigt. 

1  >adurck  sind  einzelne  Beobachtungen  v.  L  e  u  b  e  s  zu  erklären. 


Ist  der  intraabdominelle  Druck  gering,  so  sind  die  Venen  weniger 
belastet,  die  Niere  wird  besser  durchblutet.  Der  intraabdominelle 
Druck  ist  sehr  raschen  Wechsels  fähig. 

Benjamin-  Berlin  hat  vor  Eintiütt  der  Menses  bei  einem 
20  jährigen  Mädchen  regelmässig  Eiweiss  im  Harne  beobachtet 
und  konnte  das  bei  erweiterten  Untersuchungen  öfters  konsta¬ 
tieren. 

P 1  ö  n  i  e  s  hat  bei  Heus  ventr.  öfter  Albuinen  gefunden,  das 
sich  während  der  Behandlung  bald  verlor. 

S  t  e  c  k  e  1  vertritt  ebenfalls  die  Berechtigung  der  mechani¬ 
schen  Theorie  für  die  physiologische  Albuminurie  mit  Hinweis  auf 
die  Beobachtung,  dass  Frauen,  bei  denen  die  Nierenuntersuchung 
mittels  bimanueller  Palpation  vorgenommen  worden  war,  nachher 
Eiweiss  im  Harn  hatten. 

Pribram  -  Prag:  Die  Eiweissmenge  ist  bei  den  Pubertäts¬ 
albuminurien  relativ  reichlich.  Sie  treffen  zusammen  mit  dem 
schubweisen  Wachsen  der  langen  Röhrenknochen. 

Pick-  Prag  hat  seit  4  Jahren  Sportsleute  (Fussballspieler) 
untersucht  und  bei  SO  Proz.  bis  0,4  Prom.  Eiweiss  gefunden.  Trotz¬ 
dem  sind  die  Leute  gesund.  Bei  trainierten  Engländern  hat  P. 
bis  8,5  Prom.  Eiweiss  gefunden.  Redner  ist  gegen  zuviele  ärzt¬ 
liche  Warnungen. 

Sternberg  -  Wien  fand  bei  vielen  seiner  Untersuchten 
dyspeptische  Erscheinungen,  seltener  Herzinsuffizienz.  Die  Leute 
mit  Albuminurie  gaben  meist  an,  dass  sie  nur  schwer  und  wenig 
schwitzen.  Es  ist  der  Antagonismus  zwischen  Haut  und  Nieren 
in  Betracht  zu  ziehen. 

Weisker  wendet  sich  gegen  Schatz  auf  Grund  seiner 
Untersuchungen  im  Ludwig  sehen  Laboratorium,  Ausführungen, 
welche  Schatz  später  bekämpft. 

Aufrecht  -  Magdeburg  hat  öfter  nach  Partus  Albuminurie 
gefunden,  welche  v.  L  e  u  b  e  später  als  physiologische  erklärt. 

Kleinknecht- Braunschweig  berichtet  von  einem  30 jähr. 
Patienten,  wo  das  Eiweiss  (0,2  Prom.)  erst  wieder  verschwand, 
nachdem  durch  Aenderung  der  Diät  das  Verschwinden  von  Oxal¬ 
säurekristallen  erzielt  worden  war,  welche  vielleicht  die  Niere 
vorher  gereizt  hatten. 

Nachdem  S  t  i  n  t  z  i  n  g  -  Jena  auf  die  schwierige  Abgrenzung 
der  physiologischen  Albuminurie  gegen  Nephritis,  spez.  beginnende 
Schrumpf niere  hingewiesen  und  vor  dem  zu  häufigen  Gebrauch 
der  Zentrifuge  gewarnt  hatte,  wird  die  Sitzung  nach  kurzen  Ant¬ 
wortbemerkungen  des  2.  Herrn  Referenten  geschlossen. 

Abteilung  für  innere  Medizin. 

Referent :  A 1  b  u  -  Berlin. 

II.  Sitzung. 

1.  Herr  P  ä  s  s  1  e  r  und  Herr  R,  o  1 1  y  -  Leipzig :  Experi¬ 
mentelle  Untersuchungen  über  die  Kreislaufstörung  bei 
akuten  Infektionskrankheiten.  (Der  Vortrag  erscheint  in  dieser 

Wochenschrift.) 

2.  Herr  Lewin  sohn  -  Soden :  Kritisches  zur  Mechano¬ 
therapie  chronischer  Herzkrankheiten. 

Vortr.  macht  zum  Gegenstand  seiner  Erörterungen  die  jetzt 
vielfach  üblich  gewordene  ITehungstherapie  bei  Herzschwäche 
infolge  chronischer  Myokarditis.  Er  hält  dafür,  dass  sie  erheb¬ 
lich  eingeschränkt  werden  muss,  um  die  Patienten  vor  Schaden 
zu  bewahren.  Denn  durch  Vermehrung  der  Herzarbeit  werde  der 
fortschreitenden  Degeneration  der  Herzmuskulatur  Vorschub  ge¬ 
leistet.  Solche  Herzen  bedürfen  vielmehr  der  Ruhe  und  Scho¬ 
nung.  Vortr.  empfiehlt  kohlensaure  Bäder. 

3.  Herr  Mager- Brünn:  Beitrag  zur  Lehre  von  den 
Aneurysmen. 

Vortr.  demonstriert  das  Herzpräparat  eines  33  jähr.  Mannes, 
der  mit  Fiebererscheinungen  und  den  Symptomen  einer  akuten 
Endokarditis  zur  Aufnahme  kam  und  am  18.  Tage  seiner  Er¬ 
krankung  Symptome  darbot  —  heftigster  Schmerz,  Atemnot  ohne 
Cyanose,  kleiner  Puls  — .  welche  ein  Aneurysma  dissecans  dia¬ 
gnostizieren  liessen.  Im  Präparat  findet  sich  eine  von  einem  Kalk¬ 
stachel,  der  von  den  Aortenklappen  ausgeht,  hervorgerufene  Per¬ 
foration  der  Aorta,  die  zur  Bildung  einer  von  der  Adventitia  be¬ 
grenzten  Höhle  Veranlassung  gab,  welch  letztere  wieder  eine  Per¬ 
foration  in  die  Aorta  pulmonalis  zeigte.  Weiter  fand  sich  noch 
ein  Fibrom  an  den  Pulmonalklappen.  Die  Entstehung  der  Hoble 
wird  als  traumatisch-mykotisch  (Kalkstachel,  Fieber)  angenommen 
und  an  der  Bezeichnung  Aneurysma  dissecans  gegenüber  Haema¬ 
toma  arteriae  sec.  Eppinger  festgehalten. 

4.  Herr  Singer-Prag:  Zur  Kenntnis  der  Fälle  von 
akutem  Herzjagen. 

Vortr.  berichtet  über  einen  Fall,  der  seit  10  Jahren  in  seiner 
Beobachtung  ist.  Bei  dem  jetzt  42  jährigen  Mann  ist  die  Tachy¬ 
kardie  mit  Symptomen  seitens  des  Zentralnervensystems  kom¬ 
pliziert:  Dilatation  beider  auf  Licht  wie  Akkommodation  starrer  Pu¬ 
pillen,  linksseitige  Ptosis,  rechtsseitige  Trochlearislähmung  u.  a.  m. 
Die  früher  paroxysmale  Tachykardie  ist  nach  einem  Gelenkrheu¬ 
matismus  permanent  geworden.  Es  hat  sich  eine  Aorteninsuffizienz 
mit  Erscheinungen  von  Angina  pectoi’is  ausgebildet.  Bei  Bett¬ 
ruhe  hat  Pat.  nxir  80  Pulsschläge.  Ganz  besonders  bemerkenswert 
ist,  dass  axich  bei  Anfällen,  sowie  überhaupt  erhöhter  Pulsfrequenz 
stärkere  körperliche  Bewegungen  keine  Besclxwei’den  hervorrufen. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1723 


14.  Oktober  1902. 


Durch  tiefe  Einatmungen  können  die  Attacken  koupiert  werden 
Auf  Grund  dieser  Beobachtung  rät  Vortr.  zur  Vorsicht,  eine  funk¬ 
tioneile  Neurose  als  das  Wesen  jeder  paroxysmalen  Tachykardie 
anzusehen. 

5.  Herr  v.  Schrötter  jun.  -  YV  ien:  Bronchiektasie  der 
rechten  Lunge,  Fremdkörperextraktion  per  vias  naturales. 

Von  einem  verschluckten  Knochen  war  der  Pat.  ein  Stück 
aus  dem  Bachen  herausgezogen  worden.  Nach  3  Jahren  stellten 
sich  Erscheinungen  ein,  welche  auf  eine  Bronchiektasie  scliliessen 
Hessen.  RVU  bestand  eine  leichte  Dämpfung,  doch  war  das 
Röntgenbild  negativ.  Mittels  der  direkten  Bronchoskopie  nach 
K  i  1 1  i  a  n  gelang  es,  das  Knochenstück  im  rechten  Bronchus  zu 
sehen  und  aus  einer  Tiefe  von  29,5  cm  zu  extrahieren,  wo  es  in 
stark  blutender  Schleimhaut  fest  eingekeilt  war.  Die  Lungen¬ 
höhle  ist  in  Ausheilung  begriffen. 

6.  Herr  Ziemssen  -  Wiesbaden :  Gesichtsfeldauf  nähme 
als  Kontrolle  in  der  Behandlung’  der  Hirn-  und  Rückenmarks¬ 
lues. 

Vortr.  hat  Gesichtsfeldaufnahmen  für  Schwarz,  Rot  und 
Grün  gemacht  und  besonders  für  die  beiden  letzteren  Farben 
bedeutende  Einengungen  festgestellt,  zum  Teil  bei  Patienten, 
die  anscheinend  ganz  gesunde  Augen  hatten,  öfters  selbst  in  ganz 
leichten  Fällen  von  syphilitischen  Hirnerkrankungen.  In  einer 
sehr  grossen  Zahl  von  Fällen  hat  sich  nach  einer  erfolgreichen 
antiluetischen  Kur  die  Wiederherstellung  des  normalen  Farben  - 
gesichtsfeldes  ergeben. 

III.  Sitzung. 

1.  Herr  H.  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin :  Ueber  Osmodiätetik. 

Es  kann  jetzt  als  feststehend  gelten,  dass  das  Ziel  der  os¬ 
motischen  Arbeit  der  verschiedenen  Organe  auf  eine  Konstant¬ 
erhaltung  des  osmotischen  Druckes  des  Blutes  gerichtet  ist.  Die 
osmodiätetische  Schonung  des  Magens  verlangt  insbeson¬ 
dere  bei  motorischer  Insuffizienz  eine  möglichst  „gastroisotoni- 
sehe“  Nahrung,  weshalb  Alkohol  und  grössere  Salz-  und  Zucker¬ 
mengen  bei  motorischer  Insuffizienz  kontraindiziert  seien,  wäh¬ 
rend  dieEiweiss-Fettbehandlung  der  motorischen  Insuffizienz  auch 
durch  osmologische  Gründe  gestützt  werde.  Alkoholika,  insbeson¬ 
dere  „Schnäpse“,  dürfen  als  osmodiätetische  Reizmittel  angesehen 
werden,  wenn  sie  auch  in  hoher  Konzentration  zunächst  die  Re¬ 
sorption  und  dann  erst  osmotische  Störungen  anzuregen  scheinen. 
Für  die  Osmodiätetik  der  Nieren  spiele  die  Dosierung  der 
Wasser-  und  Eiweisszufuhr  eine  grosse  Rolle.  Da  die  Polyurie 
häufig  —  insbesondere  bei  chronischen  interstitiellen  Nephri¬ 
tiden  —  einen  kompensatorischen  Zweck  zu  erfüllen 
scheine,  so  solle  die  Flüssig  keits  zufulir  bei  Polyurie  nicht 
so  generell  gekürzt  werden,  als  es  in  den  letzten  Jahren  wieder¬ 
holt  geraten  worden  sei,  wenn  auch  drohende  oder  vorhandene 
Herzschwäche  ein  solches  V,or gehen  tatsächlich  rechtfertige.  Das 
E  i  w  e  i  s  s  quantum  solle  zwar  ausreichend  sein,  aber  doch  der 
unteren  Grenze  des  zur  Erhaltung  guter  Leistungsfähigkeit  not¬ 
wendigen  Bedarfes  nahestehen.  Zweckmässig  sei  vielleicht  eine 
intermittierende,  periodisch  durchzuführende  relativ  ei  weissarme 
Diät.  Auch  die  Grösse  der  Salz  zufuhr  erscheine  bei  gewissen 
Formen  von  Nephritis  nicht  ganz  gleichgültig. 

2.  Herr  v.  P  o  e  h  1  -  Petersburg :  Die  Autointoxikationen, 
bedingt  durch  Anomalien  der  Gewebsatmung  und  der  osmo¬ 
tischen  Spannungen. 

3.  Herr  Leo-  Bonn :  Zur  Kenntnis  des  Fettumsatzes  im 
Organismus. 

Vortr.  berichtet  über  eine  Reihe  experimenteller  Unter¬ 
suchungen  bei  Tieren  und  Menschen,  gesunden  und  kranken,  über 
das  Schicksal  einverleibten  Glyzerins  im  Organismus.  Zur  Iso¬ 
lierung  und  quantitativen  Bestimmung  des  im  Harn  zur  Aus¬ 
scheidung  gelangenden  Glyzerins  hat  er  eine  eigene  Methode  aus¬ 
gearbeitet.  Nach  Eingabe  von  10  g  Glyzerin  ist  der  Harn  stets 
frei  davon.  Erst  nach  der  3  fachen  Menge  ist  es  sicher  darin  nach¬ 
zuweisen.  Der  Grenzwert  der  Glyzerinmenge,  die  im  Organis¬ 
mus  vollständig  verbrannt  wird,  ist  höchstens  auf  20  g  zu 
schätzen.  Nach  8  Stunden  ist  die  Ausscheidung  schon  beendet, 
Vortr.  schlussfolgert  aus  den  Ergebnissen  dieser  Untersuchungen, 
dass  anzunehmen  ist,  dass  die  Fettzer Setzung  im  Organismus 
durch  eine  Spaltung  in  Glyzerin  und  Fettsäure  eingeleitet  wird. 

4.  Herr  F.  Rosenfeld  - Berlin :  Ueber  Indoxylurie. 

Vortr.  berichtet  über  Versuche,  die  er  gemeinschaftlich  mit 
F.  Bl  umenthal  -  Berlin  angestellt  hat  zur  Entscheidung  der 
Frage,  ob  Indol  auch  durch  Gewebszerfall  im  Körper  entstehen 


kann.  Lei  Kaninchen,  die  bei  ausreichender  Ernährung  gehalten 
waren,  wurde  durch  Phloridzininjektion  ein  gesteigerter  Stick¬ 
stoffzerfall  erzeugt,  welcher  das  Auftreten  von  Indol  im  Harn 
zur  Folge  hatte.  Für  die  Abstammung  desselben  aus  dem  Dann 
ist  kein  Anhaltspunkt  ersichtlich. 

5.  Herr  Langstein  -  Wien :  Die  Kohlehydratgruppen 
der  Eiweisskörper  im  Blutserum.  (Der  Vortrag  erscheint  in 
dieser  Wochenschrift.) 

6.  Herr  v.  Noorden -I  rankfurt  a.  M. :  Bemerkungen  zur 
Pathologie  und  Therapie  des  Diabetes  mellitus. 

Zunächst  betont  Vortr.,  dass  die  neuerdings  vielfach  üblicli 
gewordene  übermässige  Eiweisszufuhr  in  der  Nahrung  der  Dia¬ 
betiker  zu  widerraten  sei,  da  sie  die  Z ucker ausscheidung  steigert 
und  die  Toleranz  für  die  Kohlehydratassimilation  herabdrückt. 
Unterschiede  der  einzelnen  Eiweissarten  hinsichtlich  ihres  Ein¬ 
flusses  auf  die  Glykosurie  sind  noch  nicht  bekannt.  Nach  Beob¬ 
achtungen  an  20  Patienten  stellt  sich  am  günstigsten  das  Hühner  - 
eiweiss,  dann  Pflanzeneiweiss,  Kasein  und  schliesslich  Muskel- 
eiweiss.  Aber  viel  mehr  ausschlaggebend  ist  die  Individualität 
des  Kranken.  Ein  einzelner  Eiweisskörper  scheint  die  Glyko¬ 
surie  günstiger  zu  beeinflussen  als  die  Vereinigung-  mehrerer. 
Von  den  Nahrungsfetten  erhöht  die  Butter  am  meisten  die 
Azetonausscheidung,  wahrscheinlich  infolge  ihres  Gehaltes  an 
Buttersäure.  Dennoch  verdient  sie  in  der  Praxis  den  Vorzug, 
zumal  durch  Auswaschen  die  Fettsäuren  entfernt  werden  können. 
Bei  weniger  als  150  g  Buttefzufuhr  ist  auch  die  Differenz  in  der 
Azetonausscheidung  unwesentlich.  Durch  Alkalien  ist  der  Ge¬ 
fahr  auch  unschwer  entgegenzutreten.  In  vielen,  besonders 
schweren  Fällen  wird  der  Hafer  doppelt  so  gut  vertragen  wie 
entsprechende  Mengen  von  Brot,  doch  nicht  allgemein.  In  eini¬ 
gen  Fällen  sank  die  Glykosurie  sogar  unter  gleichzeitiger  Ab¬ 
nahme  der  Azetonurie.  Eine  Erklärung  dafür  lässt  sich  aber  bis¬ 
her  nicht  geben.  Aber  nach  Aussetzen  der  längere  Zeit  an¬ 
dauernden  Verabreichung  dieser  Haferkost  steigt  Zucker-  und 
Azetonausscheidung  sehr  jäh  wieder  an,  ja  es  entsteht  sogar  die 
Gefahr  des  Coma  diabeticum,  so  dass  diese  Ernährungsform 
praktisch  als  undurchführbar  sich  erweist. 

7.  Herr  v.  J  akscli-  Prag  demonstriert  das  Sputumpräparat 
eines  Falles  von  Asthma  bronchiale,  das  eine  sehr  grosse  Zahl  von 
eosinophilen  Zellen  zeigt. 

8.  Herr  Singer- Wien:  Ueber  spastische  Obstipation. 

Vortragender  unterscheidet  eine  symptomatische  und  eine 
idiopathische  Form.  Erstere  kommt  bei  Frauen  mit  Genitaler¬ 
krankungen  vor,  bei  Männern  infolge  von  Prostataaffektionen, 
ferner  Mastdarmerktankungen,  Analfissuren,  Hämorrhoiden 
u.  dergl.,  schliesslich  auch  bei  Nierensteinkoliken.  Das  Haupt¬ 
kontingent  der  zweiten  Form  wird  von  Neurasthenikern  gebildet. 
Neben  dyspeptischen  Beschwerden  bestehen  Klagen  über  Schmer¬ 
zen  in  der  Gegend  des  Nabels,  des  Coekum  und  im  linken  Hypo- 
chondrium.  Der  Dickdarm  ist  in  toto  oder  an  einzelnen  Stellen 
strangförmig  zu  tasten,  oft  wechselnd.  Selbst  das  Bild  der  Darm¬ 
okklusion  kann  vorgetäuscht  werden.  Der  krampfhafte  Spasmus 
des  Sphincter  recti  kann  durch  die  Digitalexploration  festgestellt 
werden.  Die  Fäzes  sind  schafkotartig  oder  bleistift-  und  band¬ 
förmig,  oft  mit  Schleimauflagerungen.  Auch  Blut  ist  zuweilen 
beigemischt.  Therapie:  Narcotiea,  am  besten  in  Suppositorien, 
warme  Sitzbäder  und  Umschläge,  warme  Oelklystiere  und  Mast¬ 
darmbougierung.  Zu  verwerfen  sind  Abführmittel  und  Massage. 

9.  Herr  L  o  r  a  n  d  -  Karlsbad :  Ueber  die  Wirkung  der 
Karlsbader  Wässer  auf  den  Diabetes. 

Vortragender  beobachtete  eine  Reihe  von  Fällen  mit  alimen¬ 
tärer  Glykosurie  ex  amylo,  sowie  einige  Fälle  von  leichtem  Dia¬ 
betes,  welche  ohne  jede  Diätbeschränkung  am  Ende  der  Kur 
ein  stark  amvlaceenreiches  Probemahl  ohne  Zucker  auszuscheiden 
vertrugen.  In  2  Fällen  von  alimentärer  Glykosurie  ex  amylo 
konnten  sogar  60  g  Traubenzucker  keine  Spuren  von  Zucker 
hervorbringen.  Er  glaubt,  dass  den  Wässern  allein  ein  zucker¬ 
vermindernder  Einfluss  wenigstens  für  den  leichten  Diabetes 
nicht  abgesprochen  werden  kann.  Er  empfiehlt  die  Karlsbader 
Kur  prophylaktisch  schon  in  Fällen  von  alimentärer  Glykosurie 
ex  amylo,  besonders  wenn  es  sich  um  Kinder  von  diabetischen 
Eltern  handelt,  um  auf  diese  Weise  den  Ausbruch  des  Diabetes 
zu  verhindern. 


MUENCIIENER  ME  DT  CIN  I  SCH  E  WOCHENSCHRIFT 


No.  41. 


1724 

Abteilung  für  Chirurgie. 

Referent :  Herr  W  ohlgemuth-  Berlin. 

II.  Sitzung. 

Vorsitzender :  Herr  Riedel-  Jena. 

1.  Herr  v.  Büngner  - Hanau:  Zur  Anatomie  und  Patho¬ 
logie  der  Gallenorgane  und  des  Pankreas. 

Die  Forderung,  die  heute  mit  Recht  an  die  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  Gallensteine  gestellt  wird,  begnügt  sich  nicht  nur 
mit  der  Entleerung  der  Steine,  sondern  verlangt  auch  eine  Jrei- 
legung  des  ganzen  Choledochus  und  Inspektion  seiner  Durch¬ 
gängigkeit.  Diese  Forderung  nun  und  praktische  Erwägungen 
haben  ihn  dazu  veranlasst,  an  58  Leichen  Erwachsener  neue  ana¬ 
tomische  Untersuchungen  über  den  Verlauf  des  Duct.  choledochus, 
des  Duct.  Wirsungianus  und  deren  Beziehungen  zu  einander 
anzustellen. 

Das  Resultat  dieser  Untersuchungen  war  folgendes : 

1.  Der  Choledochus  verlief  fast  stets  —  in  95  Proz.  der 
Fälle  —  durch  die  Substanz  des  Pankreas  hindurch  und  nur 
ausnahmsweise  —  in  5  Proz.  der  Fälle  —  am  Ivopf  desselben 
vorbei.  Dabei  durchsetzte  er  den  Ivopf  des  Pankreas  in  durch¬ 
schnittlich  2  cm  Länge.  Der  im  Pankreas  liegende  Teil  des 
Choledochus  war  so  fest  in  das  Gewebe  desselben  eingeschlossen, 
dass  er  auf  stumpfem  Wege  nicht  aus  demselben  herauspräpariert 
werden  konnte. 

2.  Der  Choledochus  vereinigte  sich  fast  nie  —  nur 
in  1 — 2  Proz.  der  Fälle  —  mit  dem  Wirsungiaus,  sondern 
Choledochus  und  Wirsungianus  mündeten  beinahe  immer  —  in 
gg — 99  proz.  der  Fälle  —  getrennt  in  das  Duodenum.  Dabei 
erfolgte  die  Mündung  beider  Gänge  in  durchschnittlich  0,2  cm 
Entfernung  von  einander  am  Boden  des  in  der  Papilla  duodenalis 
liegenden  Diverticulum  Vateri.  Das  relative  Lageverhältnis 
beider  Gänge  vor  der  Mündung  verhielt  sich  verschieden,  doch 
wurde  der  Wirsungianus  in  der  Regel  vom  Choledochus  über¬ 
kreuzt. 

3.  Der  Wirsungianus  verlief  gewöhnlich  ungeteilt.  Nur 
in  10  Proz.  der  Fälle  gab  er  einen  Nebengang  ab,  der  in  ver¬ 
schiedener  Entfernung  vom  Hauptgange  isoliert  in  das  Duo¬ 
denum  einmündete. 

Das  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  weicht  in  mancher  Be¬ 
ziehung  von  den  althergebrachten  anatomischen  Lehren  ab. 
Was  bedeutet  dasselbe  für  die  Praxis? 

1.  Die  Tatsache,  dass  das  Endstück  des  extraduodenalen 
Teiles  des  Choledochus  fast  stets  in  die  Sub¬ 
stanz  der  Bauchspeicheldrüse  eingebettet  ist, 
lehrt:  a)  Die  operative  Freilegung  des  Choledochus  ist  ohne 
blutige  Verletzung  des  Pankreas  meist  nur  bis  zur  Eintrittsstelle 
desselben  in  dieses,  nicht  aber  bis  zum  Eintritt  desselben  in  die 
Darmwand  möglich,  b)  Solange  wir  annahmen,  dass  der  Chole¬ 
dochus  in  der  Regel  am  Kopfe  des  Pankreas  vorbeiläuft,  konnten 
wir  folgern,  dass  derselbe  durch  eine  Vergrösserung  des  Pankreas¬ 
kopfes  —  sei  es  infolge  entzündlicher  Veränderungen,  sei  es 
infolge  von  Geschwulstbildung  —  nur  verschoben  und  erst  bei 
sehr  erheblicher  Vergrösserung  komprimiert  werden  könnte. 
Jetzt,  wo  wir  wissen,  dass  der  Choledochus  fast  immer  durch 
den  Kopf  des  Pankreas  hindurchtritt,  wird  es  begreiflich,  wes¬ 
halb  eine  Kompression  des  Hauptgallenganges  bei  allen  den¬ 
jenigen  Krankheitsprozessen,  welche  zu  einer  pathologischen 
Vergrösserung  des  Pankreaskopfes  führen,  gewöhnlich  unaus¬ 
bleiblich  ist.  Je  nach  dem  Grade  der  Kompression  werden  wir 
deshalb  nicht  nur  bei  den  Krankheiten  des  Gallensystems,  son¬ 
dern  auch  bei  denjenigen  des  Pankreas  meistens  alle  diejenigen 
Symptome  im  klinischen  Bilde  in  die  Erscheinung  treten  sehen, 
welche  uns  die  Retention  und  Resorption  der  Galle  mit  ihren 
Folgeerscheinungen  anzeigen.  Nur  werden  dabei  im  Gegensatz 
zu  den  isolierten  Krankheiten  des  Gallensystems  natürlich  auch 
diejenigen  Erscheinungen  auftreten,  welche  mit  einer  Retention 
des  Pankreassaftes  einherzugehen  pflegen. 

2.  Die  Tatsache,  dass  Choledochus  und  Wirsungianus 
sich  fast  nie,  wie  wir  früher  als  Regel  annahmen,  vereinigen, 
sondern  getrennt  voneinander  münden,  lehrt  fol¬ 
gendes  : 

Die  Verlegung  des  einen  Ganges  muss  nicht  naturnotwendig 
diejenige  des  anderen  nach  sieh  ziehen.  Vielmehr  werden  wir 
erwarten  müssen,  dass  Prozesse,  welche  isoliert  im  Choledochus 


spielen,  nur  Krankheitserscheinungen  von  seiten  dieses  Ganges, 
Prozesse,  welche  isoliert  im  Wirsungianus  spielen,  nur  solche 
von  seiten  des  letzteren  zur  Erscheinung  bringen;  es  wird  also 
bei  Verlegung  des  Wirsungianus  die  Galle,  bei  solcher  des  Chole¬ 
dochus  der  Pankreassaft  frei  in  den  Darm  abfliessen  können. 

Anders  liegen  die  Verhältnisse,  wenn  Krankheitsprozesse 
vorliegen,  welche  nicht  in  den  Gängen  selbst  spielen,  sondern  die 
zu  beiden  in  Beziehung  stehende  Ampulle  der  Papilla  duodenalis, 
das  Diverticulum  Vateri,  ergreifen.  Schwillt  bei  Duodenal¬ 
katarrh  die  Oeffnung  der  Ampulle  zu,  lagert  sich  ein  grösserer 
Gallenstein  vor  seinem  Austritt  in  den  Darm  derart  in  die  Am¬ 
pulle,  dass  er  dieselbe  obturiert,  oder  wird  endlich  die  Mündung 
der  Ampulle  durch  ein  Duodenalkarzinom  an  dieser  Stelle  ver¬ 
schlossen,  kurz  handelt  es  sich  um  Prozesse,  welche  die  Papille 
als  solche  und  damit  die  an  sich  getrennten  Ausmündungen 
beider  Gänge  verstopfen,  erst  dann  wird  die  Sekretion  der  Galle 
und  des  Pankreassaftes  stocken ;  beide  werden  sich  in  den 
Gängen  vor  dem  Hindernis  zurückstauen  und  klinisch  werden 
nicht  nur  die  Symptome  der  Gallenretention,  sondern  auch  die¬ 
jenigen  der  Pankreassaftretention  zur  Beobachtung  kommen. 
Ja,  wir  werden  um  so  mehr  annehmen  müssen,  dass  in  solchen 
Fällen  auch  die  Sekretion  des  Pankreassaftes  in  den  Darm  auf¬ 
hören  muss  und  solche  Symptome  hervortreten,  welche  eine  Ver¬ 
legung  des  Wirsungianus  erkennen  lassen,  als  —  wie  oben  unter  3 
angegeben  —  der  Wirsungianus  gewöhnlich  ungeteilt  verläuft, 
die  Abzweigung  eines  isoliert  in  den  Darm  mündenden  Neben¬ 
ganges  von  demselben  mithin  zu  den  Ausnahmen  gehört. 

2.  Herr  S  t  o  1  z  -  Strassburg :  lieber  das  Wachstum  der 
Gallensteine. 

Redner  weist  darauf  hin,  dass  Gallenstauung  und  Infektion 
nach  Naunyn  u.  a.  die  wesentlichsten  Momente  für  Gallen¬ 
steine  sind,  und  macht  demgegenüber  darauf  aufmerksam,  dass 
nach  seinen  Untersuchungen  in  einer  Gallenblase,  welche  bereits 
Gallensteine  besitzt  und  dadurch  gewiss  den  beiden  Faktoren 
Stauung  und  Infektion  Vorschub  leistet,  sich  doch  nicht  neue 
Gallensteine  bilden.  Dieser  Theorie  stehe  auch  entgegen,  dass 
sich  die  vorhandenen  Steine  wieder  auflösen  können.  Dagegen 
haben  seine  Untersuchungen  an  extrahierten  Steinen  bewiesen, 
dass  es  sich  bei  Vermehrung  und  Vergrösserung  der  Steine  stets 
um  eine  Auflagerung  von  Kalk  handelt,  in  deren  Schale  im 
Zentrum  der  Gallenstein  liegt.  Redner  demonstriert  die  gewon¬ 
nenen  Steine. 

3.  Herr  Riedel  - J  ena:  lieber  den  pathologisch-anatomi¬ 
schen  Befund  bei  dem  ersten  Anfall  von  Gallensteinkolik. 

R.  bekommt,  wie  die  Appendizitis,  so  auch  jetzt  die  Gallen¬ 
steinkoliken  in  den  ersten  12  Stunden  nach  dem  ersten  Anfall 
überwiesen.  Er  berichtet  über  einige  Fälle,  die  den  Eindruck 
einer  Hydronephrose  machten,  die  er  also  gleich  nach  dem  ersten 
Anfall  operierte  und  die  ihn  in  Erstaunen  setzten  wegen  der 
grossen  Veränderungen,  die  sich  bereits  gebildet  hatten:  Fast 
stets  freie  Flüssigkeit  im  Bauche,  Ductus  cysticus  papierdünn, 
der  Perforation  nahe,  dabei  bakteriologisch  fast  nichts.  Wenn 
daher  auch  die  Gefahr  der  bereits  eingetretenen  Perforation  noch 
durch  schleunige  Operation  abgewendet  werden  kann,  so  plädiert 
er  doch  nach  dem  Gesehenen  für  schleunigste  Operation  nach 
dem  ersten  Anfall. 

4.  Herr  Keh r- Halberstadt:  Ein  Rückblick  auf  720  Gallen¬ 
steinlaparotomien  unter  besonderer  Berücksichtigung1  von 
90  Hepatikusdrainagen.  (Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in 
dieser  Wochenschrift.) 

5.  Herr  Körte-  Berlin :  Erfahrungen  über  Gallenstein¬ 
operationen. 

Unter  135  Operationen  wegen  eitriger  Gallenblasen-  und 
Gallengangsentzündung  wurde  17  mal  die  Operation  im  akuten 
Entzündungsstadium  nötig  aus  vitalen  Indikationen.  Die  Ge¬ 
fahren  bestanden  in  akuter  Sepsis  oder  im  Fortschreiten  der 
Entzündung  auf  das  Peritoneum.  Bei  16  Fällen  wurden  Gallen¬ 
steine  gefunden,  in  einem  Falle  2550  Stück.  In  3  Fällen  han¬ 
delte  es  sich  um  Solitärsteine,  nur  1  mal  wurden  keine  Steine 
gefunden.  Trotz  Vorhandenseins  von  Steinen  war  das  Leiden 
sehr  häufig  latent  geblieben,  bis  akute  Cholecystitis  eintrat.  Der 
Beginn  derselben  war  stets  ein  sehr  plötzlicher,  oft  mit  schweren 
Allgemeinerscheinungen  eintretender.  Der  Vorgang  des  Pro¬ 
zesses  in  der  Gallenblase  war  stets  der:  Verstopfung  des  Aus¬ 
wegs  der  Galle,  Infektion  in  dem  abgeschlossenen  Hohlraum. 
Durch  den  Abschluss  des  Hohlraums  steigt  nun  die  Virulenz 


14.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


1725 


der  Bakterien,  meist  Bact.  coli  oder  auch  Eiterkokken.  Eine 
fernere  Gefahr  ist  die  Spannung-  der  Wand  durch  den  wachsen¬ 
den  Innendruck,  welcher  zur  Nekrose  und  Perforation  führt.  Er 
hat  einen  solchen  Fall  operiert,  der  nach  Abstossung  eines  grossen 
Stücks  der  Gallenblase  heilte.  2  mal  wurde  bei  älteren  Frauen 
in  der  Heilung  von  Herniotomien  das  Bestehen  akuter  eitriger 
Cholecystitis  mit  schweren  septischen  Erscheinungen  beobachtet 
bei  per  primam  geheilter  Wunde.  K.  glaubt,  dass  durch  die 
vorangegangene  Einklemmung  Bakterien  aus  dem  Darm  die  In¬ 
fektion  besoigt  haben.  3  mal  wurde  dicht  vor  dem  Ausbruch 
einer  allgemeinen  Peritonitis  operiert.  Es  fand  sich  die  Gallen¬ 
blase  gespannt  zum  Platzen,  mit  nekrotischen  Flecken  besetzt; 
ein  Fall  bereits  perforiert.  Alle  3  Fälle  heilten.  In  allen  3  Fällen 
war  die  Wand  der  Gallenblase  verdickt,  ödematös,  mit  Abszessen 
mehrfach  durchsetzt.  2  mal  fanden  sich  Eiterherde  zwischen 
Gallenblase  und  Leber,  im  Begriff,  in  diese  einzudringen.  Die 
Schleimhaut  war  gelockert,  ulzeriert,  in  einigen  Fällen  so  stark, 
dass  kaum  noch  intakte  Schleimhaut  gefunden  wurde.  Diese 
Geschwürsbildung  war  nicht  immer  durch  Steindruck,  sondern 
auch  durch  Eiterung  entstanden,  sie  erinnerte  in  einigen  Fällen 
an  das  Ficus  rotundum  ventriculi.  In  einem  Falle  waren  Chole- 
dochus  und  Hepatikus  mit  Steinen  vollgestopft.  Die  Spontan¬ 
heilung  oder  Heilung  mit  interner  Behandlung  ist  in  den  Fällen 
geschilderter  Art  vielleicht  in  einzelnen  Fällen  möglich,  sicher 
nicht  einmal  wahrscheinlich.  Im  ganzen  sind  durch  die  Ope¬ 
ration  im  akuten  Stadium  von  den  17  Fällen  akuter  infektiöser 
Cholecystitis  14  geheilt,  3  gestorben;  diese  waren  65,  66,  75  Jahre 
alte  I  rauen,  die  mit  Myokarditis,  Schrumpfniere  und  Diabetes 
behaftet  waren  und  daran  zu  Grunde  gingen.  Ein  grosser  Bauch¬ 
schnitt  und  reichliche  Umstopfung  des  Operationsfeldes  mit 
Gaze  schützen  vor  Peritonitis.  Im  ersten  seiner  Fälle  hat  K 
die  Cystotomie  mit  nachfolgender  Tamponade  und  Drainage  ge¬ 
macht.  Später  hat  er  die  Gallenblase  entweder  in  toto  exzidiert 
(6  mal)  oder  reseziert  (5  mal)  mit  nachfolgender  Tamponade  und 
Drainage.  2  mal  wurde  mit  der  Cystektomie  die  Choledochus- 
drainage  verbunden.  K.  hält  die  Cystektomie  für  das  am  meisten 
zu  empfehlende  V  erfahren,  weil  1.  der  Infektionsherd  entfernt, 
2.  beginnende  Lebereiterung  freigelegt,  3.  die  Gefahr  des  Zurück¬ 
lassens  von  Steinen  verringert  wird.  Ausgiebige  Tamponade  und 
Drainage  ist  dringend  notwendig.  Subphrenische  Eiterung  und 
Lebereiterung  infolge  der  Cholelithiasis  wurde  in  9  Fällen  ope- 
i  iert.  Der  Ausgangspunkt  war  in  6  Fällen  die  Gallenblase,  sie 
heilten  durch  Inzision  und  Drainage.  In  3  Fällen  waren  es 
cholangitische  Leberabszesse.  Sie  sind  meist  multipel;  bei  zweien 
war  die  Operation  vergeblich.  Der  3.  Fall  war  ein  Abszess  im 
rechten  Leberlappen,  der  nach  längerem  Suchen  gefunden  und 
perpleural  von  hinten  her  inzidiert  wurde.  Er  heilte  nach  schwe¬ 
rem  Krankenlager.  Diffuse  Peritonitis  ist  6  mal  zu  stände  ge¬ 
kommen,  von  denen  nur  ein  Fall  durch  Laparotomie  geheilt 
werden  konnte.  —  Auch  wenn  ein  grosser  Gallenstein  durch  die 
Naturkräfte  ins  Duodenum  perforiert,  ist  die  Gefahr  noch  nicht 
vorbei,  es  droht  Darmverschluss  durch  Gallensteine.  K.  hat  den 
Vorgang  13  mal  beobachtet. 

Bei  den  dann  operierten  Fällen  sass  der  Stein  meist  im  un¬ 
teren  Heum,  1  mal  in  der  Flexura  sigmoidea,  1  mal  im  oberen 
Jejunum.  Bei  der  Operation  Längsschnitt  mit  querer  Ver- 
nähung,  1  mal  mit  Enteroanastomose.  Von  den  9  Operierten 
wurden  5  geheilt,  4  starben,  2  im  Kollaps  gleich  nach  der  Ope¬ 
ration,  2  an  schon  bestehender  Peritonitis.  Die  Diagnose  auf 
Gallensteinileus  ist  schwer  zu  stellen,  baldige  Operation  zu  raten, 
einmal,  weil  man  die  Diagnose  nicht  sicher  stellen  kann,  zweitens 
wegen  der  bei  bestehendem  Darmverschluss  drohenden  Gefahr 
der  Erschöpfung  oder  der  Peritonitis. 

6.  Herr  F  i  n  k  -  Karlsbad :  Operationen  am  Gallensystem 
und  an  der  Leber. 

Während  in  dem  ersten  Teile  der  Arbeit  die  interne  Behand¬ 
lung  mit  der  Karlsbader  Kur  erörtert  wurde,  wird  in  dem 
zweiten  Teile  die  chirurgische  Seite  des  Gallensteinleidens  ver¬ 
folgt.  Die  ausgeführten  Operationen  waren  leichte  und  schwere. 
Zu  den  ersteren  zählt  er:  Spaltungen,  Naht  der  Fistel,  Cysto- 
stomie  und  Cystenteroanastomose;  zu  den  schweren:  Cystikotomie, 
Cystektomie,  Choledochotomie,  Hepatikotomie  und  Hepatikosto- 
mie.  Die  schweren  sind  überdies  untereinander  kombiniert. 
Während  die  Zahl  der  einfachen  26  beträgt,  beläuft  sich  die 
Zahl  der  kombinierten  auf  22  Operationen  mit  64  schweren 
Einzeleingriffen.  Die  Schwere  der  Operation  und  ihre  Köm-  i 


bination  fällt  bei  der  Beurteilung  der  Erfolge  in  die  Wagscliale. 
Geheilt  wurden  81, 2o  Proz.,  unvollständig  war  die  Operation 
und  neue  Beschwerden  traten  auf  in  41  Proz.,  Tod  an  den  Folgen 
der  Operation  in  2  Proz.  und  Tod  an  Komplikationen  in  12,5  Proz. 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  nicht  die  Operation  als  solche,  son¬ 
dern  dass  die  Komplikationen  die  Gefahr  bei  der  Operation 
bilden. 

7-  Heil  Riedel-  Jena  stellt  2  Kranke  vor,  die  er  wegen 
Gallensteinen  nach  Karlsbad  geschickt  hat.  Bei  der  Operation 
der  einen  Frau,  wo  die  Diagnose  nach  Abgang  von  Steinen  und 
wiederauftretendem  Ikterus  sicher  schien,  fand  sich  in  dein  er- 
öffneten  und  sondierten  Choledoclius  nichts.  Dagegen  konnte 
Bact.  coli  gezüchtet  werden.  Dieses  schuldigt  R.  nun  für  den 
wiederauftretenden  Ikterus  an  und  ist  der  Meinung,  diese  Fälle 
gehörten  nach  Karlsbad.  Der  zweite  Fall,  ein  19  jähriges  Mäd¬ 
chen.  ein  ähnlicher  Fall,  in  dem  nach  Exstirpation  der  Gallenblase, 
genauer  Inspektion  des  Choledoclius  wieder  Ikterus  auftrat,  wurde 
zum  zweiten  Mal  operiert.  It.  schnitt  wieder  den  Choledoclius  auf, 
dann  das  Duodenum,  drainierte  den  Hepatikus,  alles  mit  ne¬ 
gativem  Erfolge,  schickte  dann  die  Pat.  nach  Karlsbad.  Er  be¬ 
im  uptet  demnach,  dass  typische  Gallensteinkoliken  auch  ohne 
Gallensteine  nur  durch  die  Infektion  der  Gallenwege  Vorkommen. 

III.  Sitzung. 

Vorsitzender :  Herr  v.  Eiseisberg  -  Wien. 

1.  Herr  Reger-  Hannover  demonstriert  Fieberkurven,  die 
die  gesetzmässige  Einwirkung  der  bakteriologischen  Infektion, 
des  biologischen  Verhaltens  der  Mikroorganismen  auf  den  Nähr¬ 
boden  „Mensch“  dartun  sollen. 

2.  Herr  Kausch-  Breslau :  Der  Diabetes  in  der  Chirurgie. 

Redner  empfiehlt  zunächst  in  allen  Fällen  sorgfältigste 
Urinuntersuchung,  kommt  dann  auf  die  Operationen  an  Dia¬ 
betikern  zu  sprechen,  beleuchtet  die  Gefahren  derselben  und  will 
die  Patienten  möglichst  im  zuckerfreien  Stadium  nach  einge¬ 
leiteter  antidiabetischer  Kur  operiert  wissen.  Er  zieht  die  Kon¬ 
sequenzen  daraus  so  weit,  dass  er  den  Patienten,  der  nicht  zucker¬ 
frei  zu  bekommen  ist,  wenn  keine- vitale  Indikation  vorliegt,  nicht 
operiert.  Er  erinnert  an  die  von  R  e  y  n  i  e  r  aufgestellte  For¬ 
derung,  die  Diabetiker  nicht  zu  operieren,  wenn  die  Patellar- 
reflexe  nicht  vorhanden  sind,  sondern  erst  dann,  wenn  dieselben 
durch  eine  antidiabetische  Kur  wieder  da  sind.  Wir  wissen 
längst,  dass  die  Forderung  auf  falschen  Voraussetzungen  beruht 
und  dass  sie  Reynier  z.  B.  dahin  geführt  hat,  ein  Mamma¬ 
karzinom  1  J ahr  lang  auf  die  Amputation  warten  zu  lassen. 
K.  kommt  dann  auf  die  Narkose  an  Diabetischen  zu  sprechen 
und  empfiehlt  die  Aethernarkose.  Vor  der  Operation  und  eine 
längere  Zeit  vorher  empfiehlt  er,  grosse  Dosen  von  Natr.  bicarbon. 
zu  geben,  per  os,  per  elysma  oder,  wenn  die  Wirkung  schnell  ein- 
treten  soll,  mittels  intravenöser  Injektion.  Die  Indikationen  für 
die  Absetzung  bei  diabetischer  Gangrän  sollen  nicht  zu  eng  ge¬ 
zogen  werden ;  die  Absetzung  soll  allerdings  individualisiert 
werden,  je  nach  dem  schnellen  oder  langsamen  Fortschreiten  der 
Gangrän,  je  nach  der  Beschaffenheit  der  durchschnittenen  Ge- 
fässe. 

3.  Herr  Sternberg  - Wien :  lieber  Operationen  an  Dia¬ 
betischen. 

Vortragender  gibt  eine  kasuistische  Statistik  über  die  in  der 
G  e  r  s  u  n  y  sehen  Klinik  operierten  Fälle,  die  nichts  neues 
bieten.  Einige  seiner  Fälle,  die  geheilt  sind,  würden  nach  der 
Indikationsstellung  von  Kausch  nicht  mehr  operiert  worden 
sein.  |  I  i  +| 

4.  Herr  Friedrich  -  Leipzig:  lieber  die  physiologischen 
und  pathologischen  Funktionen  des  Stirnhirns. 

Demonstration  eines  Falles  von  grossem  Tumor  (Sarkom) 
Durae  matris  frontalis,  der  mit  dem  Stirnbein  in  breiter  Aus¬ 
dehnung  verwachsen  war  und  das  Stirnhirn,  1.  und  2.  Stirnwin¬ 
dung  rechts  nicht  nur  komprimiert  hatte,  sondern  bei  dessen  Ent¬ 
fernung  sich  Rindenteile  im  Zustande  gelber  Erweichung  mit¬ 
lösten,  so  dass  der  rechte  Seitenventrikel  breit  eröffnet  wurde. 
Die  grossen  geistigen  Störungen,  die  sich  besonders  auf  sexuellem 
Gebiete  bewegten,  verschwanden  sofort  nach  der  Exstirpation. 

Demonstration  des  Präparats  und  des  Patienten.  Die  Ope¬ 
ration  ist  1  .Talir  und  1  Monat  her.  Der  über  handtellergrosse 
Schädeldefekt  ist  nicht  geschlossen. 

5.  Herr  Kuhn -Kassel:  Die  Ueber  Windung  der  Flexura 
sigmoidea. 

Demonstration  eines  Darmrohres. 

G.  Herr  U  1 1  m  a  n  n  -  Wien:  Demonstration  eines  Hydro- 
thermoregulators  und  verschiedener  Thermokörper. 

7.  Herr  Brenner-  Linz :  Die  operative  Behandlung  des 
kallösen  Magengeschwürs. 


1726 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Nach  kurzer  Betrachtung  der  Symptome  und  der  Diagnose 
des  kallösen  Magengeschwürs  berichtet  B.  über  24  von  ihm  ope¬ 
rierte  Fälle  und  beleuchtet  die  Frage  der  Resektion  oder  der 
Gastroenterostomie,  erwähnt  einige  Fälle  von  der  Literatur,  in 
denen  nach  der  Gastroenterostomie  die  Resektion  angeschlossen 
werden  musste,  demonstriert  dann  einige  Präparate,  deren  eines 
eine  zweite  Verbindung  zwischen  Magen  und  Duodenum  an  der 
kleinen  Kurvatur  aufweist,  ein  mit  dem  Duodenum  verwachsenes 
und  in  ihm  perforiertes  Geschwür.  12  Fälle  sind  mit  Resektion 
behandelt  worden,  12  mit  Gastroenterostomie.  Von  den  resezierten 
sind  4  gestorben:  1  Urämie,  1  Peritonitis  nach  Lösung  der  Naht, 

2  inanitionen,  eine  durch  Sanduhrmagenbildung  mit  undurch¬ 
gängiger  Verbindung,  entstanden  durch  Längsnaht  des  Magens. 
Die  Passagehemmung  wurde  auch  nicht  durch  eine  zweite  Ope¬ 
ration  (Längsschnitt  mit  Quernaht)  behoben. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Sitzung  vom  22.  September,  Nachmittags. 

Referent :  Dr.  Edmund  Falk-  Berlin. 

Herr  R.  Müllerheim  - Berlin :  Ueber  Infantilismus. 

In  der  Pathologie  gibt  es  eine  Reihe  krankhafter  Zustände, 
welche  darauf  beruhen,  dass  gewisse  Organe  in  ihrer  Grösse  oder 
Lage,  in  ihrer  Form  oder  Funktion  in  einem  Stadium  verharren, 
welches  dem  fötalen  oder  infantilen  Leben  entspricht.  M.  liefert 
einen  neuen  Beitrag  zum  Infantilismus  auf  Grund  einer  ange¬ 
borenen  Lageanomalie  und  zwar  in  4  Fällen,  in  welchen  die 
Niere  an  einer  Stelle  liegen  geblieben,  an  der  sie  nur  in  der 
ersten  Zeit  des  embryonalen  Lebens  gefunden  wird, 
d.  i.  im  Beck  en.  Dieser  Zustand  —  Dystopia  renis 
hat  nichts  mit  der  Wanderniere  zu  tun,  welche  abnorm  beweglich, 
während  die  kongenitale  Verlegung  eine  absolut  fixierte  ist.  In 
der  Literatur  konnte  er  fast  200  Beispiele  zusammenstellen. 

Herr  Sperling  - Königsberg :  Zur  Aetiologie  der  sogen, 
intrauterinen  Frakturen  des  Unterschenkels. 

Sp.  ist  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  es  sich  nicht 
um  eigentliche  Frakturen,  um  Kontinuitätstrennungen  handelt, 
sondern  dass  die  Verbiegung  und  Verkrümmung  der  Knochen 
das  Resultat  einer  ähnlichen  amniotischen  Einwirkung  ist,  wie 
die  Abschnürung  der  langen  Röhrenknochen.  Viele  dieser  sogen, 
solitären  Frakturen  sind  nämlich  mit  Defekten  verbunden. 
Diese  Tatsache,  sowie  angestellte  Belastungsversuche  bei  einem 
8  monatlichen  Fötus  überzeugten  Sp.,  dass  es  sich  nicht  um  ge¬ 
heilte  Frakturen  handeln  kann.  Bewiesen  aber  wurde  dieses 
vollends  durch  mikroskopische  Untersuchungen.  Denn  bei  den 
anscheinend  frakturierten  Knochen  sieht  man  keine  durch¬ 
gehende  Kallusbildung,  keine  Auftreibung  des  Knochens.  Das 
mikroskopische  Bild  zeigt  häufig  kleinzellige  Infiltration  in  der 
Umgebung  der  Krümmungsstelle  und  es  spricht  dieses  dafür, 
dass  es  sich  um  eine  Periostitis  gehandelt  hat,  welche  durch 
den  Druck  eines  amniotischen  Fadens  entstanden  ist. 

Herren  F.  Hitschmann  und  Lindenthal  -  Wien : 
Ueber  das  Wachstum  der  Plazenta  und:  Ueber  die  Entwick¬ 
lung  der  Plazenta  unter  normalen  und  pathologischen  Be¬ 
dingungen. 

2.  Sitzung:  23.  September  1902,  V  ormittags. 

Herr  W.  A.  Freund:  Zur  pathologischen  Anatomie  der 
Parametritis  chronica  atrophicans.  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von 
den  nervösen  Störungen,  speziell  von  der  Hysterie. 

F  r  e  u  nd  hat  schon  1895  die  pathologisch-anatomischen  Ver¬ 
änderungen  bei  der  Parametritis  chronica  atrophicans  unter¬ 
sucht  und  neben  dem  Befunde  der  narbigen  Hyperplasie  des 
interstitiellen  Bindegewebes  eine  wahre  Perineuritis  des  grossen 
Ganglienapparates  (F  r  ankenhäuse  r)  mit  Auseinander- 
drängung  der  Elemente  des  Geflechtes,  teilweisem  Untergang  der 
Nervenfasern,  die  sich  im  Narbengewebe  verlieren,  und  Schwund 
der  dunkelpigmentierten  und  zu  verschiedenen  Formen  ge¬ 
schrumpften  Ganglienzellen  als  wesentlich  beschrieben.  Dieser 
Vorgang,  welchen  man  in  Hinsicht  auf  die  reichliche  hyper- 
plastische  Entwicklung  des  peri-  und  endoganglionären  Binde¬ 
gewebes  als  Neuritis  proliferans  (V  i  r  c  h  o  w)  bezeichnen  kann, 
hat  vielfache  Analogien.  Fr.  demonstriert  die  hochinteressanten 
Tafeln,  welche  die  Verhältnisse  des  Nervengeflechtes  bei  Para¬ 
metritis  acuta,  sowie  bei  Parametritis  chronica  atrophicans  in 
höchst  lehrreicher  Form  darstellten. 


Herr  Freund  hat  die  Befunde  der  Parametritis  chronica 
atrophicans,  speziell  des  Nervenapparates  dieser  Region,  neuer¬ 
dings  einer  Revision  unterworfen,  für  welche  das  reiche  Material 
des  pathologischen  Institutes  des  Friedrichshainer  Kranken¬ 
hauses  zu  Gebote  stand.  Die  unter  tätiger  Beihilfe  des  Herrn 
v.  Hanse  m  a  n  n,  seines  Assistenten  Herrn  Dr.  F  rieden- 
t  h  a  1  und  des  Herrn  Dr.  Haschimoto  nach  den  modernen 
Methoden  ausgeführten  Untersuchungen  haben  Resultate  er¬ 
geben,  welche  seine  alten  Befunde  der  Hauptsache  nach  be¬ 
stätigten,  dieselben  aber  in  einigen  Punkten  modifizierten  und  ge¬ 
nauer  präzisiert  haben.  F  r  e  u  n  d  erklärt  an  einem  das  Becken¬ 
bindegewebe  reproduzierenden  Wachspräparat  die  Topographie 
des  Ganglienapparates,  ferner  zeigt  er  die  die  gefundenen  Re¬ 
sultate  klar  und  anschaulich  beweisenden  Präparate  und  zwar  in 
makroskopischen  Schnitten,  welche  das  normale  Parametrium  und 
neben  diesem  einige  Fälle  von  Parametritis  chronica  atrophicans 
darstellen,  endlich  eine  Reihe  von  wohlgelungenen  mikro¬ 
skopischen  Präparaten,  meistens  mit  Giesonfärbung,  einige  mit 
Ilämatoxilin  und  Eosin  gefärbt,  und  zwar  erstens  normales  Para¬ 
metrium  eines  6  jährigen  Mädchens,  zweitens  das  atrophische 
Parametrium  einer  63  jährigen  Greisin,  drittens  akute  Para¬ 
metritis  haemorrhagica,  viertens  mehrere  Präparate  von  Para¬ 
metritis  chronica  atrophicans.  Aus  den  Darlegungen  Freu  n  d  s 
ist  zu  erkennen,  dass  er  diese  Untersuchungen  auf  breiter  Basis 
auszuführen  beschloss  und  es  ist  F  r  e  u  n  d  beizustimmen,  dass 
dieselben  gerade  an  diesem  Organkomplexe  ausgeführt  ein  sehr 
lehrreiches  Paradigma  für  derartige  Untersuchungen  an  anderen 
Organen  und  Organkomplexen  abgeben  müssen.  Wir  wissen  seit 
langer  Zeit,  dass  dieser  gangliöse  Apparat  am  Parametrium  erst 
in  der  Pubertät  zur  vollständigen  Reife  gelangt,  dass  er  sich  in 
der  Gravidität  mächtig  entwickelt,  dass  er  nach  der  senilen  In¬ 
volution  ganz  bedeutend  mit  Lückenbildung  schrumpft. 
Freunds  Untersuchungen  haben  interessante  Veränderungen 
bei  der  akuten  und  chronischen  Parametritis  nachgewiesen.  Auf 
Basis  dieser  reellen  Kenntnisse  darf  man  vermuten,  dass  auch 
andere  physiologische  (die  Menstruation,  das  Wochenbett,  die 
Laktation)  und  vor  allem  andere  pathologische  Zustände  ört¬ 
licher  und  allgemeiner  Natur  auf  das  anatomische  Verhalten  des 
Ganglienapparates  und  damit  auf  das  Zustandekommen  von  Re¬ 
flexneurosen  einen  Einfluss  üben  werden.  Wenigstens  hat  er  in 
den  Leichen  von  Mädchen,  die  an  akuten  Infektionskrankheiten 
(Diphtherie  und  Scharlach)  zu  gründe  gegangen  waren,  auf¬ 
fallende  Veränderungen  an  dem  Ganglienapparate  gefunden. 
F  r  e  u  n  d  glaubt,  dass  auch  andere  akute  Infektionskrankheiten, 
welche,  wie  z.  B.  der  Typhus,  die  Cholera,  die  Pocken,  erfahrungs- 
gemäss  sehr  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Genitalfunktion  üben 
können,  ferner  chronische  konstitutionelle  Erkrankungen  (Chlo¬ 
rose,  Diabetes  u.  s.  w.),  deren  störenden  Einfluss  auf  die  Geni¬ 
talien  man  ebenfalls  kennt,  ein  fruchtbares  Feld  für  weitere 
Untersuchungen  abgeben  werden.  Den  Ausgangspunkt  seiner 
Untersuchungen  haben  die  die  Hysterie  einleitenden  Reflex¬ 
neurosen  abgegeben. 

Herr  S  e  1 1  h  e  i  m  -  Freiburg  i/B.:  Der  normale  Situs  der 
Organe  im  weiblichen  Becken. 

Dem  Bedürfniss  des  in  der  praktischen  Arbeit  stehenden 
Gynäkologen  und  Chirurgen  nach  einer  anschaulichen  Bearbei¬ 
tung  der  Topographie  des  weiblichen  Beckens  ist  noch  nicht  hin¬ 
reichend  entsprochen.  Für  seine  speziellen  Fragen  bleibt  die 
Ausbeute  aus  den  anatomischen  Werken  unzureichend.  In  der 
Art  der  Darstellung  auf  Schnitten  besteht  wenig  System  und 
Neigung  zur  Anpassung  an  die  Bedürfnisse  des  Gynäkologen  und 
Geburtshelfers.  Es  fehlt  ein  Anschauungsmittel,  an  der  Hand 
dessen  man  die  normale  Anatomie  des  weiblichen  Beckens  be¬ 
quem  lehren  und  lernen  und  zu  jeder  neu  auftauchenden  Frage 
Stellung  nehmen  könnte. 

Vortragender  bestrebte  sich,  diesem  Mangel  abzuhelfen.  Aus 
dem  i’eichen  Material  des  pathologisch-anatomischen  Instituts 
der  k.  k.  deutschen  Universität  in  Prag,  welches  der  Leiter,  Herr 
Hofrat  Chiari,  in  freigiebigster  Weise  zur  Verfügung  stellte, 
wurden  unter  allen  möglichen  Kautelen  10  Becken  geschlechts¬ 
reifer  weiblicher  Personen  mit  normalem  Situs  der  Genitalien 
ausgewählt.  Nach  der  Fixation  in  Formol,  der  Härtung  in 
Alkohol  und  der  Einbettung  in  Celloidin  wurden  die  Präparate 
nach  der  vom  Vortragenden  angegebenen  Methode  entsprechend 
dem  II  o  d  g  e  sehen  Ebenensystem  (durch  bestimmte  Knochen¬ 
punkte  gehende,  in  sagittaler,  frontaler  und  querer  Richtung  an- 


14.  Oktober  1902. 


1727 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


gelegte,  aufeinander  senkrecht  stehende  Ebenen,  mit  der  medianen 
Sagittalebene  als  Basis)  in  Serienschnitte  zerlegt.  Die  Sagittal- 
schnitte  wurden  entsprechend  der  Lage,  in  welcher  man  unter¬ 
sucht  und  vielfach  operiert  (Steinschnittlage,  Rückenlage),  also 
mit  einer  Beckenneigung  von  20 — 30°,  wiedergegeben.  Die  ge¬ 
bräuchliche  räumliche  Bestimmung  eines  mobilen  Organs  nach 
den  selbst  verschieblichen  Weichteilen  oder  der  sogen.  Führungs¬ 
linie  wird  als  durchaus  unpraktisch  verworfen  und  statt  dessen 
das  Prinzip,  sich  bei  der  Orientierung  im  Becken  nach  fixen 
Knochenpunkten  zu  richten,  für  die  Untersuchung  der  Weich¬ 
teile  an  den  Lebenden  und  an  der  Leiche  eingeführt. 

Die  Resultate  der  Arbeit  wurden  in  40  lebensgrossen,  von 
Künstlerhand  ausgeführten  Tafeln,  soweit  es  die  Zeit  zuliess,  im 
einzelnen  demonstriert. 

Im  allgemeinen  fand  sich  bei  dem  eingeschlagenen  Verfahren 
eine  Bestätigung  der  herrschenden  Ansicht  über  die  Topographie 
der  weiblichen  Geschlechtsorgane. 

Als  eine  besondere  Frucht  dieser  Studien  ist  es  aber  anzu¬ 
sehen,  dass  die  genaue  Untersuchung  der  anatomischen  Verhält¬ 
nisse  bei  Nulliparen  und  Multiparen,  bei  jüngeren  und  älteren, 
bei  entwickelten  und  unentwickelten  Individuen,  ferner  bei  dem 
wechselnden  Eüllungszustand  der  Blase  und  des  Mastdarms,  in 
welchem  der  Tod  die  Personen  überraschte,  so  recht  die  Breite  des 
Spielraums  kennzeichnet,  in  welchem  die  normale  Lage  der  Ein¬ 
geweide  des  weiblichen  Beckens  naturgemäss  schwanken  muss. 

Der  Schwerpunkt  dieser  Arbeit  wurde  aber  dahin  verlegt, 
durch  die  Anwendung  von  dicht  aufeinander  folgenden,  in  den 
drei  Dimensionen  des  Raumes  aufeinander  senkrecht  stehenden 
Schnitten  einen  anschaulichen,  gewissermassen.  plastischen  Be¬ 
griff  des  als  richtig  anerkannten  Situs  von  Uterus  und  Eier¬ 
stöcken  zugleich  mit  allen  übrigen  Gebilden  des  weiblichen 
Beckens  und  ihren  gegenseitigen  räumlichen  Beziehungen  zu 
geben.  Einen  dauernden  Ratgeber  für  den  Gynäkologen  und 
Chirurgen  zu  schaffen,  war  die  Absicht  des  Vortragenden. 

Herr  S  c  h  a  t  z  -  Rostock :  Wann  tritt  die  Geburt  ein? 

Vortragender  hat  die  bisherigen  Ergebnisse  seiner  Unter¬ 
suchungen  über  dieses  Thema  bereits  in  der  „Deutschen  Klinik“ 
veröffentlicht. 

Herr  Stolz-  Graz:  Studien  zur  Bakteriologie  des  Genital¬ 
kanales  in  der  Schwangerschaft  und  im  Wochenbette. 

Die  in  der  Klinik  des  Prof.  v.  Rosthor  n  angestellten 
Untersuchungen  ruhen  insofern  auf  einer  neuen  Grundlage,  als 
nur  solche  Fälle  herangezogen,  wurden,  die  in  der  Geburt  nur  mit 
steriler,  d.  h.  mit  sterilem  Handschuh  bekleideter  Hand  oder  gar 
nicht  untersucht  worden  waren.  Zur  Züchtung  der  Bakterien 
benutzte  Stolz  Nährböden,  die  nach  den  Vorschriften  von 
Paul  und  K  r  ö  n  i  g  im  hygienischen  Institute  Graz  hergestellt 
waren. 

Die  Untersuchungen  über  den  Keimgehalt 
der  Scheide  Schw  a  n  g  e  r  e  r  führten  zu  dem  Ergebnisse, 
dass  sowohl  das  normale  als  pathologische  Sekret  (im  Sinne 
Döderleins)  zahllose  Keime,  insbesondere  aber  auch  Strepto¬ 
kokken  enthalten  könne.  Die  Streptokokken  Hessen  sich  stets 
aerob  und  anaerob  züchten.  Injektionen  von  0,1  ccm  in  das 
Cavum  peritoneale  von  weissen  Mäusen  erwiesen  ihre  hohe  Viru¬ 
lenz.  Im  Herzblute  und  im  Cavum  peritonei  fanden  sich  Strepto¬ 
kokkenreinkulturen.  Die  bakterizide  Kraft  des  Scheidensekretes 
hatte  sich  also  nicht  erwiesen. 

Untersuchungen  der  Uteruslochien  am 
9.  Tage  post  partum  lehrten,  dass  diese  in  vielen  Fällen 
bakterienhaltig  waren.  Darunter  befanden  sich  auch  Strepto¬ 
kokken.  Die  Differenz  im  Reichtum  an  Bakterien  und  insbe¬ 
sondere  an  Streptokokken  war  bei  Untersuchten  und  Nichtunter¬ 
suchten  gering.  Ebenso  schienen  die  in  der  Geburt  wirkenden 
Umstände  (Dauer  der  Geburt-  und  Nachgeburtsperiode,  Prirni- 
und  Multiparietät  etc.)  im  Bakteriengehalt  der  Lochien  nicht 
ausgeprägt. 

Die  Untersuchungen  der  Uterualochien  an 
verschiedenen  Wochenbettstagen  ergaben,  dass 
am  3.  Tage  u.  s.  f.  bis  zum  9.  stets  Keime  nachgewiesen  werden 
konnten,  auch  Streptokokken.  Und  zwar  schien  der  Keimgehalt 
im  F rühwoehenbetfe  grösser,  als  im  Spätwochenbette. 

Die  Untersuchungen  über  den  Keimgehalt 
der  Uteruslochien  des  4.  Wochenbettages  er¬ 
gaben  in  der  Tat  mehr  Keime  und  mehr  Streptokokken  als  am 


9.  Tage.  Auch  hier  waren  die  in  der  Geburt  wirkenden  Verhält¬ 
nisse  und  Komplikationen  in  Verschiedenheiten  des  Reichtums 
an  Keimen  nicht  deutlich  ausgesprochen.  Nur  bei  Erstwöch¬ 
nerinnen  überwog  die  Reichhaltigkeit  der  Keime  (und  Strepto¬ 
kokken)  die  der  Mehrwöchnerinnen. 

Aus  diesen  Ergebnissen  zog  Stolz  die  Schlussfolgerungen, 
dass  ein  Aszendieren  der  Keime  der  Scheide  und  des  äusseren 
Genitales  unmittelbar  nach  der  Geburt  beginne  und  während  des 
ganzen  Wochenbettes  statthabe.  Die  grössere  Reichhaltigkeit 
des  Frühwochenbettes  gegenüber  dem  Spätwochenbette  konnte 
nur  dadurch  erklärt  werden,  dass  man  annahm,  dass  die  bakteri¬ 
ziden  Kräfte  des  Uteruswundsekretes  und  der  Wunde  selbst  bis 
zum  9.  Tage  schon  einen  Teil  der  Bakterien  vernichtet  hatte  und 
dass  der  erschöpfte  Nährboden  für  das  Fortkommen  eingewander¬ 
ter  Keime  unzureichend  geworden  war. 

Aber  warum  kommt  es  bei  einem  so  frühzeitigen  Eindringen 
von  Keimen  in  den  Uterus  nicht  stets  zu  Wochenbettfiebern? 

Wir  wissen,  dass  jede  Infektion  von  der  Pathogenität  der 
eingedrungenen  Keime,  ihrer  Virulenz,  ihrer  Zahl,  der  Zeit  ihres 
Vordringens  und  von  dem  Zustand  der  Wunde  abhängig  ist. 

Um  über  die  Virulenz  der  gefundenen  Streptokokken  Auf¬ 
schluss  zu  erhalten,  hat  Stolz  mit  geringen  Mengen  von 
Bouillonreinkulturen  (0,1  bis  0,3  ccm)  ca.  150  weisse  Mäuse  intra¬ 
peritoneal  geimpft.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Virulenz,  d.  h.  die 
dem  Individuum  innewohnende  lebenszerstörende  Kraft,  seine 
Lebensenergie,  ausserordentlich  verschieden  ist.  Züchtet  man  die 
Streptokokken  aus  den  Lochien  aufeinanderfolgender  Tage,  so 
findet  man  auch  bei  den  schwersten  Fiebern,  die  überraschendsten 
Virulenzschwankungen.  Trotzdem  kann  man  im  grossen  und 
ganzen  sagen,  dass  die  Streptokokken  der  Nichtfiebernden  sich 
für  die  weisse  Maus  ebenso  virulent  erwiesen,  als  die  der  Fiebern¬ 
den.  Die  Virulenz  schien  mit  der  Dauer  des  Aufenthaltes  im 
Uterus  zuzunehmen. 

Nach  dem  Gesagten  kann  die  Virulenz  allein  das'  Auftreten 
und  die  Abwesenheit  von  Fiebern  nicht  erklären. 

Dagegen  fand  Stolz,  dass:  die  Streptokokken  aus  den 
Lochien  Fiebernder  in  ungleich  grösserer  Reichlichkeit  und 
Leichtigkeit  angingen. 

Bezüglich  der  Zeit  ihres  Eindringens  sei  darauf  hingewiesen, 
dass  das  Endometrium  schon  am  5.  Tage  p.  p.  grösstenteils  re¬ 
generiert  und  somit  widerstandsfähiger  geworden  ist,  deshalb 
sehen  wir  die  schweren  Wochenbettsfieber  gewöhnlich  frühzeitig 
beginnen. 

Stolz  hat  in  ca.  90  Fällen  die  Infektion  durch  intra¬ 
uterine  Ausspülungen  mit  2  proz.  Wasserstoffsuper¬ 
oxydlösung  zu  bekämpfen  versucht.  Das  Ergebnis  war  ein  durch¬ 
aus  negatives.  Auch  die  Virulenz  der  Streptokokken  nahm  nach 
den  Ausspülungen  nicht  ab.  Dagegen  verschwand  der  üble  Ge¬ 
ruch  der  Scheidenlochien.  Die  Ergebnisse  der  Stolz  sehen 
Untersuchungen  erklären  auch  jene  Wochenbettsinfektionen,  die 
ohne  jede  Berührung  des  inneren  Genitales  eintreten  und  selbst 
tödlich  verlaufen  können. 

Herr  Schröder  -  Bonn :  Zur  Eklampsiefrage. 

Vortragender  geht  auf  verschiedene  Einwände  ein,  die  sich 
der  Dienst  sehen  Eklampsietheorie  machen  lassen,  und  sucht 
den  Grund  für  manche  Widersprüche  in  einer  unzureichenden 
Kenntnis  wichtiger  positiver  Befunde,  die  teils  irrtümlich,  teils 
ungenau  beobachtet  sind.  Im  Besonderen  wird  darauf  hinge¬ 
wiesen,  dass  wir  sicherlich  ein  falsches  Bild  über  das  Zusammen¬ 
treffen  von  Eklampsie  und  Albuminurie  gewonnen  haben,  und  der 
Behauptung  von  Dienst,  dass  auch  bei  den  leichtesten  Formen 
der  Eklampsie  wohl  schon  vor  dem  ersten  Anfall  eine  Albumin¬ 
urie  bestanden  hat,  die  nur  bei  klinischem  und  subjektivem  Wohl¬ 
befinden  unbemerkt  geblieben  ist,  entgegengetreten.  Die  Sta¬ 
tistiken  über  das  Zusammentreffen  von  Eklampsie  und  Albumin¬ 
urie  sind  unzureichend,  es  ist  häufig  in  den  Krankengeschichten 
nicht  angegeben,  welche  Form  der  Nierenschädigung  bestanden 
hat,  sie  sind  weiter  ungenau,  weil  bei  vielen  Eklampsien  der 
erst  nach  mehreren  Anfällen  katheterisierte  Harn  zur  Entschei¬ 
dung  der  Frage  benutzt  wurde,  ob  vor  dem  ersten  Anfall  schon 
eine  Albuminurie  bestand.  Hier  muss  eine  neue  sorgfältigere 
Statistik  Wandel  schaffen  und  alle  solche  Fälle,  bei  denen  nicht 
die  Urinuntersuchung’  gleich  nach  dem  ersten  Anfall  vorge¬ 
nommen  wurde,  müssen  als  ungenau  fortgelassen  werden.  Alle 
früheren  Angaben  sind  dabei  nicht  mehr  zu  benutzen  oder  nur 


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MÜENCHENER  MEDICTNISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4L 


die  genau  mitgeteilten  Fälle  nach  strenger  Prüfung  zuzulassen. 
Vortragender  liest  ein  Schema  der  Bonner  Frauenklinik  vor,  das 
in  jedem  Eklampsiefalle  ausgefüllt  wird.  Hie  Hauptfragen,  auf 
die  es  in  erster  Linie  ankommt,  sind  folgende:  1.  Wie  häutig 
zeigt  sich  bei  der  Eklampsie  die  Albuminurie  erst  nach  mehreren 
Anfällen?  Wie  viel  Eklampsien  treten  also  bei  fehlender  Nieren¬ 
läsion  ein?  2.  Wie  gross  ist  der  Prozentsatz  der  Nephritiden, 
an  die  sich  eine  Eklampsie  anschliesst?  3.  Wie  verteilt  sich  die 
Eklampsie  auf  die  einzelnen  Formen  der  Nephritis?  4.  Welche 
Form  der  Nieren erkrankung  stellt  für  die  Eklampsie  das  ge¬ 
ringste  Mortalitätsprozent?  Weitere  Fragen  beantworten  sich 
aus  dem  ausführlichen  Schema. 

Abteilung“  für  Kinderheilkunde. 

Referent :  Privatdozent  Dr.  Bendix  -  Berlin. 

II.  Sitzungstag:  23.  September  1902,  V  ormittags. 

Vorsitzender :  Herr  C  o  m  b  y. 

Referat:  Ueber  plötzliche  Todesfälle  im  Kindesalter. 

I.  Herr  v.  Ganghofner  -  Prag :  Als  die  zu  erörternden, 
plötzlichen  Todesfälle  werden  jene  bezeichnet,  wo  sich  bei  der 
Sektion  keine  Organveränderungen  finden,  welche  den  plötzlichen 
Tod  genügend  erklären.  Hie  Ansicht,  dass  die  vergrösserte 
Thymus  durch  Hruck  auf  die  Luftwege  plötzlichen  Erstickungs¬ 
tod  herbeiführen  könne,  hat  seit  Anfang  der  achtziger  Jahre 
wieder  Anhänger  gefunden.  Her  Vortragende  bespricht  die  in 
der  Literatur  des  verflossenen  Hezenniums  enthaltenen  Fälle,  die 
eine  Kompressionswirkung  der  vergrösserten  Thymus  auf  Trachea 
und  Bronchien  dartun.  Eine  Kategorie  dieser  Fälle  geht  mit 
längere  oder  kürzere  Zeit  bestehender  Hyspnoe  einher,  so  dass 
der  Tod  nicht  ganz  unerwartet,  nicht  plötzlich  erfolgt,  diese  ge¬ 
hören  nicht  hierher.  Eine  andere,  nicht  grosse  Zahl  von  Fällen, 
bietet  dem  klinischen  Verständniss  insofern  Schwierigkeiten,  als 
der  plötzliche  Tod  nur  dann  durch  die  mechanische  Wirkung  der 
vergrösserten  Thymus  erklärlich  wäre,  wenn  man  eine  ganz  akut 
auftretende  Anschwellung  der  Thymus  annehmen  würde. 

Wenn  man  von  diesen  absieht,  so  erübrigen  noch  zahlreiche 
Beobachtungen,  wo  Zeichen  einer  Kompression  der  Luftwege 
fehlen  und  daher  von  einer  mechanischen  Wirkung  abgesehen 
werden  muss.  Für  diese  wurde  von  vielen  Klinikern  die  Lehre 
A.  Paltaufs  vom  sogen.  Status  lymphaticus  zur  Erklärung 
herangezogen.  Hieser  von  P  a  1 1  a  u  f  als  besondere  Konstitu¬ 
tionsanomalie  aufgefasste  Zustand  ist  gekennzeichnet  durch  eine 
Hyperplasie  des  gesamten  lymphatischen  Apparates  oder  grösserer 
Abschnitte  desselben,  wobei  die  Hyperplasie  des  Thymus  nur 
ein  Teilsymptom  bildet.  Hiese  Konstitutionsanomalie  geht  ein¬ 
her  mit  krankhaften  Veränderungen  der  nervösen  Zentren  für 
die  Herzbewegung,  daher  kommt  es  bei  solchen  Individuen  zu 
Herzlähmung  infolge  verschiedener,  oft  geringfügiger  Schädlich¬ 
keiten.  Hiese  Auffassung  wurde  geltend  gemacht  für  die  plötz¬ 
lichen  Todesfälle  bei  Kindern  mit  Laryngospasmus,  da  die  kli¬ 
nische  Beobachtung  dafür  spricht,  dass  es  sich  dabei  häufig  um 
plötzliches  Versagen  der  Herztätigkeit  handelt  und  nicht  um  Er¬ 
stickungstod;  ferner  wurde  dieselbe  herangezogen  für  die  Er¬ 
klärung  von  unerwartetem  Tod  bei  geringfügigen  Eingriffen 
(hydropathische  Einwirkung)  oder  Schädlichkeiten,  und  zwar 
nicht  nur  bei  Säuglingen,  sondern  auch  bei  älteren  Kindern  und 
bei  jugendlichen  Erwachsenen.  Es  gehören  hierher  die  Todesfälle 
nach  Sturz  ins  Wasser  (ohne  Zeichen  des  Erstickungstodes)  und 
die  rätselhaften  Todesfälle  bei  der  Narkose;  von  letzteren  ist  auch 
schon  früher  angenommen  worden,  dass,  sie  nicht  der  Giftwirkung 
des  Chloroforms  allein  zugeschrieben  werden  können.  Seit  dem 
Bekanntwerden  der  P  a  1 1  a  u  f  sehen  Darlegungen  ist  bei  zahl¬ 
reichen  Narkosetodesfällen  das  Vorhandensein  des  Status  lym¬ 
phaticus  konstatiert  worden,  zugleich  auch,  dass  der  Tod  unter 
den  Erscheinungen  plötzlichen  Herzstillstandes  erfolgt.  Eben¬ 
so  fand  man  Hyperplasie  des  lymphatischen  Apparates  und  häufig 
auch  eine  vergrösserte  Thymus  in  solchen  Fällen,  wo  Kinder 
oder  jugendliche  Erwachsene  nach  anscheinend  nicht  lebensge¬ 
fährlicher  Erkrankung,  besonders  solcher  infektiöser  Natur,  rasch 
und  unerwartet  gestorben  waren.  Diese  Beobachtungen  reihen 
sich  an  einzelne,  plötzliche  Todesfälle  nach  Seruminjektionen, 
welche  wohl  ähnlich  aufzufassen  sind,  wie  die  Beobachtungen 
der  (  hirurgen  über  plötzlichen  Tod  bei  oder  vor  einer  Operation 
mit  oder  ohne  Narkose.  Neuerdings  ist  wieder  die  Behauptung 


diskutiert  worden,  dass  Säuglinge  nach  Abheilung  von  Haut- 
ausschlägen  unter  dem  Einfluss  lokaler  Behandlung  unerwartet 
sterben  können.  Wenn  keinerlei  Organerkrankung  bei  solchen 
Säuglingen  nachgewiesen  wurde,  so  dürfte  die  Erklärung  des 
plötzlichen  Todes  zu  suchen  sein  in  den  deletären  Folgen  einer 
Stoffwechselstörung  bezw.  Ernährungsstörung.  Auf  Ernährungs¬ 
störungen  als  die  wahrscheinliche  Ursache  plötzlicher  Todesfälle 
bei  Kindern  der  ersten  Lebensjahre  scheint  eine  Reihe  von  Unter¬ 
suchungsergebnissen  hinzuweisen,  aus  denen  hervorgeht,  dass  das 
Nervensystem  von  Säuglingen  durch  die  Art  der  Ernährung  sehr 
beeinflusst  wird  in  dem  Sinn,  dass  eine  unzweckmässige  Er¬ 
nährung  leicht  zu  Erregbarkeitssteigerung  der  Nerven  führt. 
Hie  Beobachtungen  über  den  plötzlichen  Tod  der  an  Laryngo¬ 
spasmus  leidenden  Kinder,  der  sich  häufig  als  ein  Herztod  dar¬ 
stellt,  scheinen  die  Vorstellung  Paltaufs  von  krankhaften 
Veränderungen  nervöser  Zentren  bei  Individuen  mit  Status  lym¬ 
phaticus  zu  stützen,  denn  diese  Laryngospastiker  bieten  häufig 
die  Erscheinungen  der  lymphatischen  Konstitution,  zugleich 
aber  auch  Zeichen  einer  Neurose  (Tetanie  und  tetanische  Zu¬ 
stände,  Erregbarkeitssteigerung  der  Nerven). 

Es  sind  auch  verschiedene  Hypothesen  aufgestellt  worden, 
welche  darauf  hinausgehen,  die  mit  dem  Status  lymphaticus  ein¬ 
hergehende  Thymusvergrösserung  zugleich  mit  einer  Funktions¬ 
anomalie  derselben  in  Verbindung  zu  bringen,  welche  eine  Art 
Autointoxikation  zur  Folge  haben  soll;  man  dachte  dabei  an  eine 
Analogie  mit  Funktionsstörung  der  Schilddrüse.  Eine  dieser 
Hypothesen  gipfelte  in  der  Annahme  einer  Ilyperthymisation  des 
Blutes  durch  Hypersekretion  der  vergrösserten  Schilddrüse. 

Eine-  solche  Annahme  entbehrt  ausreichender  Grundlagen, 
die  Tierexperimente  sind  nicht  beweisend.  Hie  Annahme  ist  aus 
verschiedenen  Gründen  nicht  wahrscheinlich  und  kann  ins¬ 
besondere  für  den  Herztod  der  Laryngospastiker  nicht  Geltung 
beanspruchen,  da  nur  ein  Bruchteil  derselben  eine  vergrösserte 
Thymus  auf  weist,  während  eine  solche  Vergrösserung  bei  der 
Mehrzahl  fehlt.  Was  die  von  Pal  tauf  als  lymphatische  Kon¬ 
stitution  beschriebenen  Veränderungen  betrifft,  so  ist  es  sehr 
fraglich,  ob  diese  Veränderungen  einer  besonderen  Konstitutions¬ 
anomalie  entsprechen.  Wohl  drängen  dieklinischen  Beobachtungen 
zu  der  Annahme,  dass  es  Individuen  gibt  mit  einer  besonderen 
Körperbeschaffenheit,  die  zur  Herzlähmung  disponiert.  Der 
Status  lymphaticus  kann  jedoch,  wenn  er  vorliegt,  nur  als  Finger¬ 
zeig  gelten,  dass  Störungen  des  Stoffwechsels  vorhanden  sind,  die 
eine  solche  abnorme  Körperbeschaffenheit  darstellen;  es  scheint 
jedoch  der  Status  lymphaticus  nicht  konstant  mit  diesen  Stoff¬ 
wechselstörungen  verbunden  zu  sein.  In  ätiologischer  Be¬ 
ziehung  dürften  ausser  fehlerhafter  Ernährung  wohl  auch  noch 
andere  Noxen,  vielleicht  auch  pathologische  Veranlagung  eine 
Rolle  spielen,  dies  entzieht  sich  vorerst  einer  sicheren  Beurtei¬ 
lung. 

Während  bei  den  jüngsten  Altersstufen  die  häufig  vor¬ 
handenen  Zeichen  einer  Neurose  darauf  hinweisen,  dass  der  plötz¬ 
liche  Tod  von  krankhaften  Veränderungen  nervöser  Zentren 
abhängt,  ist  für  Erwachsene  kein  Nachweis  in  dieser  Richtung 
erbracht. 

II.  Korreferat:  Herr  R  i  c  h  t  e  r  -  Wien  bespricht  die 
pathologisch-anatomischen  Befunde  bei  plötzlich  gestorbenen 
Kindern  nach  den  im  Wiener  gerichtlich-medizinischen  Institute 
gemachten  Erfahrungen.  1897—1901,  in  5  Jahren,  kamen  1797 
plötzlich  gestorbener  und  tot  aufgefundener  Kinder  (bis  zum 
15  Lebensjahre)  zur  Obduktion,  darunter  im  1.  Lebensjahre 
allein  1525.  In  den  weiteren  Lebensjahren  nimmt  die  Zahl  rapid 
ab;  sie  beträgt  von  1 — 5  Jahren  218,  5 — 10  Jahren  40,  10 — 15 
Jahren  14.  R.  bespricht  die  einzelnen  Todesursachen,  in  welchen 
weitaus  die  häufigste  die  kapilläre  Bronchitis  ist,  welche  die 
Kinder  durch  Erstickung  tötet ;  nicht  selten  ist  sie  von 
katarrhalischer  Lungenentzündung  oder  von  Harmkatarrh  be¬ 
gleitet.  Seltener  ist  Darmkatarrh  oder  Erstickung  im  Brech¬ 
akte  die  Ursache  plötzlichen  Todes.  Ein  negativer  anatomischer 
Befund  ergab  sich  nur  in  4  Fällen  (abgesehen  die  faulen  Leichen). 
Es  handelte  sich  einmal  um  einen  Tod  im  epileptischen  Anfall 
bei  einem  12 14  jährigen  Knaben,  einmal  um  ein  rhachitisches 
Kind,  das  wiederholt  Glottiskrämpfe  hatte,  einmal  um  ein  rha¬ 
chitisches  Kind  mit  fettiger  Degeneration  des  Herzmuskels,  ohne 
dass  eine  Ursache  für  die  Degeneration  gefunden  werden  konnte. 
Nur  einmal,  bei  einem  214  Monate  alten  Kinde,  wird  Status 
lymphaticus,  Lungenödem  als  Todesursache  angegeben.  Hie 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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Thymus  mass  5  cm  in  der  Länge  und  5  cm  in  der  Breite;  dabei 
war  jedoch  die  linke  Kammer  kaum  erweitert,  die  inneren 
Schichten  des  Herzmuskels  blass. 

^  Was  die  I  läge  des  ursächlichen  Zusammenhangs  zwischen 
Thymusvergrüsserung  und  plötzlichem  Tode  anlangt,  so  verhält 
sich  R.  einer  solchen  Annahme  gegenüber  skeptisch.  Er  findet  in 
der  Literatur  keinen  beweiskräftigen  Fall  für  die  Annahme  einer 
mtra thorakalen  Druckwirkung;  auch  die  Frage,  ob  dem  sogen. 
Status  lymphaticus  die  ihm  vielfach  zugesprochene  Rolle  zu¬ 
komme,  hält  R.  noch  nicht  für  entschieden.  Dazu  wären  ge¬ 
nauere  Untersuchungen  nötig,  namentlich  über  den  Zustand  des 
lymphatischen  Apparates  bei  gesunden,  gewaltsam  ums  Leben 
gekommenen  Menschen,  da  der  Befund  einer  grossen  Thymus 
und  grosser  Follikel  u.  s.  w.  möglicher  Weise  ein  normaler  sei 
oder  doch  so  häufig,  dass  ihm  im  konkreten  Falle  eine  Bedeutung 
nicht  zugeschrieben  werden  konnte. 

III.  Herr  J.  Lange-  Leipzig :  Thymushyperplasie  lind 
Thymustod. 

Abgesehen  von  den  relativ  seltenen  Fällen  von  Thymustod 
infolge  von  Kompression  der  Trachea  kommen  nicht  so  selten 
Fälle  von  Störung  der  Herztätigkeit  durch  Druck  der  ver- 
grösserten  Thymus  auf  die  grossen  Gefässe  vor.  Ein  von  einem 
8  monatlichen  Kinde,  das  plötzlich  verstorben  ist,  stammendes 
Piäparat  erläutert  die  dadurch  entstehende  Hypertrophie  und 
Dilatation,  die  unter  dem  Einfluss  zufällig  verstärkter  In¬ 
anspruchnahme  des  Herzens  zum  „Herztod“  führen  kann.  Von 
einem  sogen.  „Status  lymphaticus“  ist  hier  nicht  die  Rede.  — - 
Ausser  diesen  perakut  verlaufenden  Fällen  gibt  es  solche,  wo 
vorher  eine  Diagnose  und  eventuell  eine  Therapie  möglich  ist. 
Zwei  kurze  Krankengeschichten  erläutern  diese  Verhältnisse.  Die 
Symptome  der  Kompression  der  grossen  Gefässe  sind:  Zeichen 
von  Herzangst,  Unruhe,  Schlaflosigkeit,  Schreien  und  Nahrungs¬ 
verweigerung,  ferner  Hypertrophie  und  schliesslich  Dilatation 
des  Herzens  bei  gleichzeitig  nachweisbarer  „Thymusdämpfung“; 
zuweilen  Herzklopfen,  Cyanose,  Ueberschnappen  der  Stimme  und 
Trachealstenose,  Die  zu  versuchende  Therapie  wäre  Beruhigung 
des  Kindes  durch  Chloral  etc.,  in  manchen  Fällen  Einverleibung 
von  Jodkali.  Nach  dem  ersten  Lebensjahre  werden  die  Aus¬ 
sichten  durch  das  Wachstum  des  Brustkorbes  wesentlich  gün¬ 
stiger. 

Diskussion:  1.  Herr  K  a  s  s  o  w  i  t  z  -  Wien:  Auch  für  K. 
gibt  weder  die  grosse  Thymus  noch  der  Status  lymphaticus  eine 
ausreichende  Erklärung  für  die  plötzlichen  Todesfälle.  Aber  in 
einem  Faktor,  der  bisher  wenig  berührt,  sieht  K.  allerdings  eine 
T  l  Sache  für  den  plötzlichen  Tod.  nämlich  in  der  exspira torischen 
Apnoe  (Dyspnoe),  wie  sie  bei  schädelrhachitischen  Kindern  im 
laryngospastisclien  Anfall  eintritt.  Die  Sektion  kann,  aber  muss 
den  plötzlichen  Tod  nicht  Erklären.  Im  Phosphor  sieht  K.  ein 
ausserordentliches  Prophylaktikum  gegen  plötzliche  Todesfälle  bei 
Kindern,  die  an  Ivraniotabes  leiden. 

2-  Herr  v.  R  a  nke-  München  sah  in  den  letzten  10  Jahren 
bi  Fälle  plötzlichen  Todes.  Davon  zeig' ten  5  keine  Thymusvergrös- 
serung,  4  grosse  Thymus  bis  zu  20  g  mit  anderen  Nebenbefunden 
(Bronchitis,  Dariukatarrhe,  Pneumonien),  7  zeigen  nur  Thymus- 
vergrösserungen,  davon  waren  6  mit  Ekzem  behaftet,  welche  nach 
Bleiwasserbehandlung  plötzlich  zu  Grunde  gingen. 

3.  Herr  H  o  c  h  s  in  g  er-  Wien  macht  auf  die  Bedeutung  der 
Bestimmung  der  Thymusgrösse  durch  Iiöntgenographie  aufmerk¬ 
sam.  Chloroform  hält  II.  für  gefährlich  bei  der  vorhandenen 
Hyperplasie  des  adenoiden  Gewebes.  .Mit  Ekzem  stellt  der  plötz¬ 
liche  Tod  nicht  in  Verbindung. 

4.  Herr  E  s  c  li  e  r  ich-  Wien  versteht  unter  Status  lymplia- 
tieus  eine  Art  Disposition,  die  für  den  plötzlichen  Todesfall  ver¬ 
antwortlich  gemacht  werden  muss.  Nach  E.  ist  die  exspiratorische 
Apnoe  ein  Krampf  des  Zwerchfells,  der  bisweilen,  wenn  auch  nicht 
so  oft,  wie  K  a  s  s  o  w  it  z  annimmt,  die  Todesursache  abgibt.  Oft 
führt  auch  der  Stridor  inspiratorius  zum  Tode.  E.  gibt  Phosphor, 
beobachtet  aber  trotz  dieser  Behandlung  Todesfälle. 

•>.  Herr  R  a  u  c  h  f  u  s  s  -  Petersburg  zeigt  an  einem  in  der 
Praxis  erlebten  Fall,  in  dem  eine  grosse  Thymusdrüse  bestand 
neben  verbreiteter  Bronchitis,  dass  wiederkehrend  die  Bronchitis 
Erstickungserscheinungen  machte,  welche  jedesmal  durch  mecha¬ 
nische  Entfernung  des  Schleimes  beseitigt  wurde.  Wäre  dieses 
Kind  einem  solchen  Anfall  erlegen,  so  hätte  man  dieses  Ereignis 
sicher  unter  die  Fälle  von  Thymustod  gerechnet. 

d.  Herr  Epstein- Prag  bezeichnet  den  Namen  „Tliymus- 
tod"  als  eine  Hintertür  für  diagnostische  Impotenz.  Nicht  gar  so 
selten  ist  die  Todesursache  in  der  Fettsucht  der  Kinder  zu  suchen, 
bei  welcher  derTod,  wenn  auch  nicht  plötzlich,  sodoch  überraschend 
auf  treten  kann.  Bei  rliachitischen  Kindern  tritt  bisweilen  rascher 
Tod  im  Verlauf  von  yz  bis  1  Stunde  durch  Dyspnoe  ein.  Die  Sek¬ 
tion  ergibt  bei  solchen  ein-  bis  zweijährigen  Kindern  Atelektase 
der  Lunge. 


7.  Herr  Basch -Wien  hofft  durch  spätere  Darlegungen  von 
Experimenten  über  die  Thymusdrüse  über  deren  Physiologie  und 
Funktion  einen  Anhalt  zu  weiteren  Forschungen  über  den  Thymus- 
tod  geben  zu  können. 

N.  Herr  F  i  s  c  h  1  -  Prag  weist  auf  die  jüngst  von  Gregor 
und  F  inkelstein  betonten  Beziehungen  der  künstlichen  Er¬ 
nährung  zum  Laryngospasmus  und  der  Tetanie  hin.  Die  Bron¬ 
chitis  rufe  doch  wohl  nicht  allein  plötzliche  Todesfälle  hervor. 
'Venn  die  mechanischen  Verhältnisse  für  den  Thymustod  von  so 
einschneidender  Bedeutung  sind,  so  müssten  häufige  plötzliche 
Todesfälle  auch  bei  der  Pleuritis  gesehen  werden.  Phosphor  hilft 
ihm  nicht  immer  bei  rhachitischem  Laryngospasmus. 

9.  Herr  B  a  g  insky  -  Berlin  macht  darauf  aufmerksam,  dass 
g-anz  junge  Säuglinge  auch  bei  einfacher  Coryza  plötzlich  zu 
Grunde  gehen.  Neben  der  exspiratorischen  Apnoe  (K  a  s  s  o  w  i  t  z) 
existiert  auch  ein  Tod  in  inspiratorischer  Apnoe.  Viele  derartige 
Kinder  sind  gewiss  rhachitisch.  aber  nicht  alle,  und  auch  solche 
bekommen  apnoische  Anfälle.  Bei  ihnen  gibt  die  Phosphortherapie 
keinen  Erfolg.  Sicher  existieren  aber  auch  Fälle,  die  durch  grosse 
1  hymus,  Tracheakompression  den  Tod  herbeiführen. 


10.  Herr  F  r  i  e  d  j  ung-  Wien  führt  an,  dass  plötzliche  Todes¬ 
fälle  bei  Empyemkranken  kurz  vor  der  Operation  bei  Beginn  der 
Narkose  oder  auch  vor  derselben  Vorkommen.  Wir  sollten  uns  be¬ 
mühen,  genauer  noch  wie  vorher  klinisch  die  Symptome  solcher 
Kinder  zu  studieren,  die  den  Verdacht  eines  Status  lymphaticus 
aufkonunen  lassen. 

11.  Herr  S  w  o  b  o  d  a  -  Prag  macht  auf  die  plötzliche  Todes¬ 
fälle  im  Kindesalter  durch  Schreck  aufmerksam. 

12.  Herr  T  h  o  m  a  s  -  Freiburg  sieht  die  Erklärung  für  plötz¬ 
liche  Todesfälle  einmal  in  Ernährungsstörungen  des  Atmungs¬ 
zentrums,  ferner  in  plötzlichem  Schreck,  hervorgerufen  durch 
Aspiration  von  Flüssigkeit  nach  dem  Trinken. 

13.  Herr  G  a  nghofner  (Schlusswort)  hofft,  dass  sein  Re¬ 
ferat  zu  weiteren  Studien  auf  dem  fraglichen  Gebiet  Veranlassung 
gebe.  Frappant  bleiben  immerhin  die  Fälle  von  plötzlichem  Tod 
mit  nachgewiesener  Kompression  der  Trachea.  Dieser  Befund 
beruht  vielleicht  doch  nicht  immer  auf  einem  -  Artefakt.  Bei 
vielen  Kindern  fehle  Schädelrhachitis.  Manche  zeigten  das  Bild 
einer  einfachen  Neurose.  Die  meisten  Kinder  der  Art  sind 
künstlich  ernährt.  Jedenfalls  lasse  sich  nicht  leugnen,  dass  alle 
diese  Kinder  von  einer  abnormen  Körperbeschaffenheit  sind  oder, 
wie  man  es  nennen  möge,  eine  Disposition  oder  einen  Status  lym¬ 
phaticus  aufweisen. 


14.  Herr  Rieht  er -Wien  (Schlusswort):  Die  Fettsucht  der 
Kinder  genüge  kaum  zur  Erklärung  des  plötzlichen  Todes.  Auch 
glaubt  R.  nicht,  dass  die  Experimente  Baschs  an  Tieren  weitere 
Schlüsse  zulassen  werden.  Die  Bronchitiden  führen  meist  all¬ 
mählich,  häufig  im  Verlauf  einer  Nacht,  den  Tod  herbei,  der  dann 
Morgens  konstatiert  als  plötzlich  imponiert.  II.  hat  nie  einen 
plötzlichen  Tod  durch  Schreck  konstatieren  können. 


II.  Sitzungstag:  23.  September  1902,  Nach  m. 

Vorsitzender:  Herr  Rauchfuss. 

I.  Herr  S  a  1  g  e :  Ueber  Agglutination  bei  Scharlach. 

S.  berichtet  über  Versuche,  die  er  zusammen  mit  Hasen- 
k  n  o  p  f  angestellt  hat,  in  der  Absicht,  festzustellen,  ob  sich 
spezifische  Beziehungen  zwischen  den  bei  Scharlach  gefundenen 
Streptokokken  und  dem  Serum  von  Scharlachkranken  auffinden 
lassen,  und  zwar  wurde  das  Phänomen  der  Agglutination  für  die 
Untersuchungen  benutzt.  Da  die  Streptokokken  schon  nach 
kurzem  Wachstum  sich  zusammenballen,  so  musste  eine  be¬ 
sondere  Methode  angewandt  werden,  die  es  gestattet,  die  Strepto¬ 
kokken  fein  und  gleichmässig  zu  verteilen. 

Dann  wurde  nach  dem  Vorgang  von  Koch  (bei  Agglutina¬ 
tion  von  Tuberkelbazillen)  so  vorgegangen,  dass  die  von  der 
kalten  Flüssigkeit  getrennten  Streptokokken  mit  einigen  Tropfen 
von  Voo  Natronlauge  im  Achatmörser  A — A  Stunde  lang  ver¬ 
rieben  wurden;  die  entstandene  Emulsion  wird  mit  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  Norm,  so  stark  verdünnt,  dass  eine 
opaleszierende,  gleichmässig  leicht  getrübte  Flüssigkeit  entsteht. 
Setzt  man  zu  dieser  Flüssigkeit  Serum  eines  scharlachkranken 
Kindes,  und  stellt  es  auf  24  Stunden  in  den  Brutschrank,  bei 
37",  so  tritt  bis  zu  einer  Verdünnung  von  1:  500  nach  24  Stunden 
deutliche  Agglutination  ein,  d.  h.  die  Flüssigkeit  wird  klar  und 
es  bildet  sich  ein  krümeliger  Bodensatz,  der  sich  auch  durch 
Schütteln  nicht  wieder  gleichmässig  verteilen  lässt. 

Diese  Reaktion  tritt  nicht  ein  mit  Streptokokken  anderer 
Provenienz,  ebenso  nicht  mit  normalem  Serum.  Es  war  dem  Vor¬ 
tragenden  nicht  möglich,  bisher  die  Wirksamkeit  der  Sera  solcher 
Kranken,  die  eine  Streptokokkenaffektion,  wie  Erysipel  etc. 
hatten,  auf  Streptokokken  zu  prüfen,  wodurch  erst  entschieden 
werden  könnte,  ob  die  beobachtete  Reaktion  wirklich  spezifisch 
für  Scharlach  ist. 

Es  geht  aus  diesen  Untersuchungen  hervor,  dass  zwischen 
den  Streptokokken  bei  Scharlach  und  dem  scharlachkranken 


1730 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Organismus  sich  deutlich  ausgeprägte  biologische  Beziehungen 
auffinden  lassen;  weitere  Untersuchungen  müssen  lehren,  wieweit 
diese  Beziehungen  als  spezifische  gelten  könnten. 

2.  Herr  Baginsky-  Berlin :  Ueber  die  Anwendung  des 

Streptokokkenserums  hei  Scharlach. 

Der  Vortragende  erinnert  an  seine  Untersuchungen  bei 
Scharlach,  die  er  in  der  medizinischen  Gesellschaft  in  Berlin  vor¬ 
getragen  und  welche  bereits  publiziert  sind.  Die  Zahl  von  411 
Scharlachfällen,  bei  welchen  regelmässig  im  I  harynx  Strepto¬ 
kokken  nachgewiesen  wurden,  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  auf 
700  vermehrt.  Von  diesen  Fällen  wurden  in  S2  Streptokokken 
auch  im  Blut  und  in  den  Organen  nachgewiesen.  Dieser  Befund 
gab  die  Veranlassung,  durch  Dr.  Aronsohn  ein  Antistrepto- 
kokkenserum  hersteilen  zu  lassen.  -Dasselbe,  zuerst  im  Tierver¬ 
such  erprobt,  wurde  dann  bei  Kindern  zur  Verwendung  gebracht. 
Der  klinische  Versuch  —  und  zwar  wurden  meist  schwerere  Fälle 
ausgewählt  —  ergab  keine  ausschlaggebenden  Resultate.  Grössere 
Dosen  (20  ccm)  bringen  sogar  gewisse  Gefahren  und  Kompli¬ 
kationen  mit  sich;  wenn  auch  keine  eklatanten  Erfolge  mit  klei¬ 
neren  Dosen  (10  ccm)  zu  erzielen  waren,  so  brauche  man  doch  bei 
der  Unschädlichkeit  des  Mittels  die  Versuche  noch  nicht  aufzu¬ 
geben. 

3.  Herr  P.  Moser- Wien:  Ueber  die  Behandlung  des 
Scharlachs  mit  einem  Scharlachstreptokokkenserum. 

Der  Vortragende  weist  in  seinen  Erörterungen  auf  die  Streit¬ 
frage  betreffs  der  Beziehungen  des  Scharlachs  zu  den  Strepto¬ 
kokken  hin  und  bringt  als  Beitrag  seine  positiven  Streptokokken¬ 
befunde  aus  dem  Herzblute  von  63  unter  99  gestorbenen  Schar¬ 
lachkranken.  Da  der  Beweis  für  die  Aetiologie  dieser  Strepto¬ 
kokken  beim  Scharlach  nicht  direkt  zu  führen  ist,  versuchte  der 
Autor  denselben  auf  dem  indirekten  Wege  der  Therapie.  Vor¬ 
bildlich  waren  für  ihn  vor  allem  die  Anschauungen  der  belgischen 
Schule  über  die  Darstellung  von  polyvalentem  Streptokokken¬ 
serum.  Mit  Rücksicht  auf  die  bisher  noch  nicht  bewiesene  Art¬ 
einheit  der  Streptokokken  überhaupt,  sowie  der  bei  Scharlach  vor¬ 
kommenden  im  besonderen,  benützte  er  zur  Immunisierung  von 
Tieren  ein  Gemenge  der  aus  verschiedenen  Scharlachfällen  stam¬ 
menden  Streptokokkenbouillonkulturen.  Gleichzeitig  verzichtete 
er  angesichts  der  Tatsache,  dass  die  Virulenz  der  Streptokokken 
gegenüber  den  Menschen  und  den  Versuchstieren  durchaus  nicht 
parallel  geht,  auf  die  Virulenzsteigerung  dieser  Mikroorganismen 
durch  die  Tierpassage,  um  die  durch  letztere  bedingten  bio¬ 
logischen  Veränderungen  hintanzuhalten.  Indem  er  so  ledig¬ 
lich  mit  aus  dem  Blute  von  Scharlachfällen  gezüchteten  lebenden 
und  in  Bouillon  weiter  kultivierten  Streptokokken  Pferde  im¬ 
munisierte,  gewann  er  ein  Serum,  welchem  er  zufolge  der  an  der 
k.  k.  Universitätskinderklinik  des  Prof.  Es  eher  ich  in  Wien 
gemachten  Erfahrungen  eine  spezifische  Heilwirkung  auf  den 
Scharlachprozess  zuschreibt.  Das  Serum,  welches  im  staatlichen 
serotherapeutisohen  Institute  (Vorstand  Prof.  R.  P  a  1 1  a  u  f ) 
hergestellt  wurde,  kam  seit  November  1900  zur  klinischen  Ver¬ 
wendung.  Unter  699  scharlachkranken  Kindern  des  St.  Anna- 
Spitales  wurden  81  injiziert,  hiezu  kommen  noch  3  ausserhalb 
des  Spitalcs  behandelte  Fälle.  Bei  der  Injektion  wurden  die  pro¬ 
gnostisch  ungünstigen  Fälle  stets  bevorzugt.  Auf  Grund  der 
statistischen  Daten,  sowie  vor  allem  der  klinischenBeobachtungen 
zeigt  der  Vortragende  den  Wert  dieser  Behandlungsmethode.  Bei 
frühzeitiger  Seruminjektion  (1.  oder  2.  Tag)  war  kein  Todesfall, 
bei  späterer  Injektion  eine  stetig  steigende  Mortalität  zu  be¬ 
obachten  (3.  Tag  14,29  Proz.,  4.  Tag  23,08  Proz.,  5.  Tag  40,0  Proz. 
u.  s.  w.,  50  Proz.  am  9.  Tag).  Vor  allem  ist  es  jedoch  das 
klinische  Bild,  welches  für  die  spezifische  Heilwirkung  des 
Serums  spricht.  Das  Allgemeinbefinden  bessert  sich  in  über¬ 
raschend  kurzer  Zeit,  die  nervösen  Störungen  schwinden  bald, 
Temperatur  und  Puls  zeigen  oft  schon  zu  Beginn  des  Exanthem- 
stadiums  rapiden  Abfall  im  Gegensatz  zur  normalen  Scharlach¬ 
kurve.  Das  Exanthem,  die  schweren  Respirationserscheinungen 
etc.  gelien  ebenfalls  bald  zurück,  .dagegen  lassen  sich  die  ver¬ 
schiedenen  Eiterungsprozesse,  sowie  die  Nephritis  nicht  immer 
zurückhalten,  treten  aber  seltener  und  weniger  schwer  auf.  Die 
auch  mit  anderen  Serumsorten,  z.  B.  Marmoreks  Strepto¬ 
kokkenserum  angestellten  Versuche  fielen  im  Gegensätze  zu  dem 
Scharlachserum  negativ  aus.  Auch  die  prophylaktischen 
Impfungen  schienen  da,  wo  es  nicht  mehr  gelang,  die  Krankheit 
zu  verhüten,  den  Verlauf  derselben  günstig  zu  beeinflussen. 


Nachteilige  Wirkungen  der  Injektion  treten  trotz  der  vorläufig 
noch  notwendigen  grossen  Dosen  selten  und  dann  in  derselben 
Weise  auf,  wie  sie  vom  Diphtherieheilserum  bekannt  sind.  Es 
ist  gelungen,  im  St.  Anna-Kmderpital  bei  fast  400  an  Schailaeh 
Erkrankten  die  Mortalität  im  Jahre  1901  auf  8,9  Proz.  gegen¬ 
über  der  Durchschnittsmortalität  von  13,09  Proz.  in  anderen 
Wiener  Spitälern  herabzumindern  und  dies  trotz  der  ungenügen¬ 
den  Menge  und  niederen  Konzentration  des  noch  derzeit  zur  "V  er- 
fiig'ung  stehenden  Serums,  wodurch  nur  ein  Bruchteil  der  Ei- 
krankten  dieser  Behandlung  teilhaftig  werden  konnte. 

4.  Herren  Moser  und  v.  Pirquet:  a)  Agglutination 
von  Scharlachstreptokokken  durch  menschliches  Serum. 

Der  zur  Agglutination  verwendete  Stamm  ist  aus  dem  Herz¬ 
blute  eines  an  Scharlach  verstorbenen  Kindes  entnommen. 

1.  Serum  Scharlachkranker  agglutiniert  in  geringen  Verdün¬ 

nungen  in  der  Hälfte  der  Fälle.  (37  Versuche;  Agglutination  in 
19  Fällen  (51  Proz.),  Maximum  1:8.)  ,  . 

2.  Serum  nicht  Scharlachkranker  (von  Kindern  und  Plazenten) 
agglutiniert  viel  seltener.  (28  Versuche;  3  mal  Agglutination,  Ma¬ 
ximum  1:4.) 

3.  Hochagglutinierendes  Streptokokken-!  in  in  unser  um  Aon 
Pferden  verleiht  dem  menschlichen  Serum  hei  subkutaner  In¬ 
jektion  stets  agglutinierende  Eigenschaften.  (G6  Untersuchungen 
hei  IS  Personen.) 

4.  Dieselben  sind  ungefähr  der  injizierten  Serummenge  pro¬ 
portional,  erreichen  ihre  grösste  Höhe  (maximale  Agglutination 
1  : 16  000)  nach  24 — 36  Stunden,  sinken  allmählich  wieder  ah  (nach 

5  Monaten  keine  Agglutination).  ,  .  .  .  ,  . 

5.  Vom  Darmkanale  aus  gehen  die  Agglutimne  nicht  ms  Blut 

über  (2  Personen,  5  Untersuchungen). 

Dieselben:  b)  Agglutination  von  Streptokokken  durch 


Pf erdeserä 

1.  Normales  Pferdeserum  agglutiniert  Streptokokken  verschie¬ 
dener  Herkunft  häufig,  jedoch  nur  in  mässigen  Verdünnungen. 
(14  Stämme;  5  mal  Agglutination  zwischen  1:4  und  1:64.) 

2.  Serum  von  Pferden,  welche  mit  verschiedenen  Strepto¬ 
kokken  immunisiert  wurden,  die  aus  dem  Herzblute  Scharlach¬ 
kranker  ohne  Tierpassage  gezüchtet  sind  (polyvalentes  Serum 
Moro)  agglutiniert  dieselben  Streptokokkenstämme  in  sein  be¬ 
deutender  Verdünnung.  (2  Sera,  6  Stämme  12  Untersuchungen; 
5  mal  Agglutination  1 :  64  000,  1  mal  1 : 16  000,  3  mal  1 . 4000,  2  mal 

1 . 10g  -^ndere  gtämme  aus  dem  Herzblute  Scharlachkranker,  mit 
welchen  nicht  immunisiert  wurde,  werden  gleichfalls  hoch  agglu¬ 
tiniert.  (2  Stämme,  2  Sera,  3  Untersuchungen;  Agglutination 
1  mal  1 :  250  000,  1  mal  1 : 16  000.  1  mal  1 : 1000;  ferner  em  Stamm 
aus  dem  Rachen,  2  Sera  1:4000,  1:1000.) 

4  Streptokokkenstämme,  die  von  anderen  Erkrankungen  her- 
rüliren,  wurden  von  denselben  Seris  nur  wenig  über  der  Hohe 
des  normalen  Pferdeserums  agglutiniert.  (6  Stamme,  2  seia, 
0  Untersuchungen :  4  mal  Agglutination  zwischen  1.4  und  .  o  .) 

5  Sera  von  Pferden,  welche  mit  Streptokokken  aus  anderen 
Erkrankungen  immunisiert  wurden,  agglutinieren  die  Strepto¬ 
kokken  des  Scharlach  nur  im  Masse  des  normalen  Pferdesenuns, 
die  homologen  Stämme  jedoch  in  verschiedener  Hohe.  (oJ  Ver¬ 
suche  mit  Serum  Marmorek,  Tavel,  Wiener  Streptokokkenserum, 
Maximum  der  Agglutination  gegenüber  Scharlachstreptokokken 
1-64  gegenüber  homogenen  Stämmen  1:4000.) 

6  Ebenso  verhält  sich  das  Arouso  li  n  sehe  Serum  gegenüber 
Streptokokken  des  Scharlach.  (9  Stämme,  5  mal  Agglutination, 
Maximum  1:16.) 

5.  Herr  Langer-  Prag :  Zur  Frage  der  Hamagglutma- 
tion  im  Kindesalter. 

Grün  b  a  u  m  hatte  behauptet,  dass  Scharlach-  und  lyphus- 
serum  die  Erythrocyten  Gesunder  und  anders  Erkrankter  zu  ag¬ 
glutinieren  vermag,  nicht  aber  die  gleich  Erkrankter.  Dem 
Blutagglutinationsphänomen  kommt,  wie  auch  andere  Autoren 
hervorheben,  keine  spezifische  diagnostische  Bedeutung  zu;  es  ist 
keine  Reaktionserscheinung  nach  Resorption  von  Bakterien¬ 
produkten  oder  übergegangenen  Erythrocyten.  Bezüglich  letz- 
terer  Anschauung1  berichtet  L.  über  Hämagglutinationsbefunde 
bei  Luxationen  und  Frakturen,  die  in  verschiedenen  Zeiträumen 
gewonnen  ■  wurden  und  immer  das  gleiche  Agglutinationsbild 
boten ;  nur  darf  man  nicht  mit  einer  oder  wenigen  Blutproben  al» 
Testblut  arbeiten,  sondern  muss  die  Landsteinerschen  Typen 
berücksichtigen.  Die  Ilämagglutinine  sind  nicht  Immunkörper, 
denn  sie  finden  sich  bei  Gesunden,  ferner  bei  Infektionskrank¬ 
heiten  schon  am  1.,  2.,  3.  Krankheitstage  und  ändern  sich  nicht 
im  weiteren  Verlaufe,  noch  in  der  Rekonvaleszenz.  Bakterien¬ 
agglutinine  sind  nicht  identisch  mit  den  Hämagglutinincn,  denn 
beide  können  selbständig  nebeneinander  nachgewiesen  werden 
oder  aber  sie  finden  sich  überhaupt  einzeln. 

Bis  jetzt  fehlt  jeder  tiefere  Einblick  in  das  Phänomen  der 
Blutagglutination,  da  uns  die  „physiologische“  Breite  dieses  Blut¬ 
phänomens  unbekannt  ist.  L.  will  diese  Lücke  ausfüllen,  indem 


14.  Oktober  19ÖÖ. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1731 


ei*  nunmehr  das  Hämagglutinationsbild  in  15  F  a  in  i  1  i  e  n  fixiert. 
Hie  projektierte  Untersuchung  in  verschiedenen  Zeiträumen  wird 
uns  Aufklärung  bringen  über  ein  Schwanken  oder  eine  Konstanz 
der  Blutagglutination :  in  den  Familien  finden  sich  die  L  a  n  d  - 
steiner  sehen  Bluttypen  teils  einzeln,  teils  kombiniert;  nie¬ 
mals  liess  eine  Aehnlichkoit  die  Blutverwandtschaft  erschliessen. 

Diskussion:  1.  Herr  Escherich  -  Wien:  Nach  einem 
Dank  auf  Pa  ltauf,  den  Hersteller  des  Serums,  v.  Kusi  n, 
den  TJnterstiitzer  der  Bestrebungen,  und  den  verstorbenen 
v.  W  iderhofe  r,  der  mit  grossem  Interesse  den  Versuchen 
Mosers  gefolgt  ist,  betont  E.,  dass  er  auf  Grund  der  klinischen 
Beobachtung  ein  überzeugter  Anhänger  der  Serumbehandlung  sei. 
per  Erfolg  tritt  um  so  sicherer  und  eklatanter  auf,  je  früher 
injiziert  wird.  In  den  schwersten  Eällen,  wo  sonst  in  wenigen 
Stunden  das  Ende  erfolgte,  macht  sich  insofern  eine  Einwirkung 
des  Serums  bemerkbar,  als  der  Tod  auf  Tage  hinausgeschoben 
wird. 

In  vielen  Fällen  ist  deutlich  innerhalb  24  Stunden  ein  ekla¬ 
tanter  Erfolg  (unter  Auftritt  agglutinierender  Substanzen  im  Blut) 
sichtbar. 

Derselbe  manifestiert  sich:  a)  durch  das  bisweilen  kritische 
Abfallen  der  Temperatur,  b)  durch  Sinken  von  Puls  und  Tem¬ 
peratur,  c)  durch  die  Besserung  des  Allgemeinbefindens  und 
Schwinden  der  Zerebralerscheinungen,  d)  das  Exanthem  verliert 
die  starke  Hyperämie,  e)  das  sogen.  Schaiiachdiphtlieroid  schreitet 
nicht  weiter.  Die  Komplikationen  der  Nephritis  und  Endokarditis 
scheinen  durch  das  Serum  nicht  vermieden  zu  werden,  indessen 
scheint  ihre  Häufigkeit  geringer  zu  sein.  Die  klinischen  Erfolge 
sind  unbestreitbar,  doch  fehlt  allerdings  noch  die  experimentelle 
Begründung  derselben. 

2.  Herr  Paltauf  - Wien  berichtet  über  die  Geschichte  und 
Herstellung  des  Serums  und  hebt  hervor,  dass  man  insofern  noch 
im  Dunkeln  taste,  als  er  noch  nicht  in  der  Lage  sei,  die  Scharlach¬ 
toxine  zu  gewinnen. 

Das  Serum  sonst  wurde  steril  hergestellt,  ohne  Karbolzusatz. 
Die  Technik  und  Gewinnung  sei  sehr  schwierig;  vorläufig  seien 
noch  sehr  grosse  Dosen  zur  Injektion  erforderlich. 

3.  Herr  B  aginsky  -  Berlin  erklärt  sich  noch  nicht  für  über¬ 
zeugt  von  der  Wirksamkeit  des  Serums  durch  die  Darlegungen 
Esche  r  ich  s,  da  er  kritische  Temperaturabfälle  auch  nach  An¬ 
wendung  des  A  r  o  n  s  o  li  n  sehen  Serums  und  auch  ohne  jedes 
Mittel  gesehen  habe. 

4.  Herr  Moser  (Schlusswort)  betont  gegenüber  einer  An¬ 
frage,  dass  einfaches  Normalserum  ohne  die  günstige  Wirkung 
des  Antistreptokokkenserums  sei.  Er  gebe  zu,  dass  die  zu  in¬ 
jizierenden  Mengen  vorläufig  noch  sehr  grosse  seien;  gegenüber 
dem  Skeptizismus  besonders  von  Baginsky  hebe  er  hervor, 
dass  er  Erfolge  mit  dem  Serum  in  den  schwersten,  ja  selbst  in 
von  Kollegen  für  moribund  erklärten  Eällen  unzweifelhaft  ge¬ 
sehen  habe. 

6.  Herr  v.  Ranke-  .München :  Ein  weiterer  Beitrag1  zur 
Behandlung  des  nomatösen  Brandes  durch  Exzision  des  er¬ 
krankten  Gewebes.  (Der  Vortrag  erscheint  in  d.  Wochenschr.) 

7.  Herr  E  p  s  t  e  i  n  -  Prag:  Ueber  einen  Kindersessel  für 
kleine  Rhachitiker  von  1 — 3  Jahren,  zur  Behandlung  und 
Verhütung  von  rhaehitischen  Rückgratsverkrümmungen. 

Die  Ueberlegung,  dass’ Apparate,  Mieder,  Gradhalter,  heil¬ 
gymnastische  Uebungen,  entweder  überhaupt  nicht  anwendbar 
oder  nur  unvollkommen  in  diesem  frühen  Alter  zu  verwerten  sind, 
hat  E.  den  Gedanken  nahe  gelegt,  den  Kindern  die  gymnastische 
Tätigkeit  so  beizubringen,  dass  sie  dieselbe  mehr  spielend  und 
unbewusst  ausführen.  Zu  diesem  Zwecke  verwendet  E.  einen 
Schaukelstuhl  (Thonet-  Wien),  in  welchem  das  Kind  verkehrt, 
d.  h.  das  Gesicht  den  Lehnen  zugewendet,  hineingesetzt  wird; 
die  Beine  hängen  durch  den  Zwischenraum  zwischen  Lehnen  und 
Sitz  frei  heraus,  oder  die  Füsse  stützen  sich  auf  die  hintere  Ver¬ 
bindungsstange  auf.  Beim  Schaukeln,  das  das  Kind  sehr  bald 
erlernt  und  mit  Vergnügen  ausiibt,  findet  dasselbe  sehr  bald  die 
richtige  Sitzhaltung  mit  Streckung  des  Rückens  heraus  und  be¬ 
wirkt  aktiv  eine  Geradhaltung  der  Wirbelsäule.  Die  mit  diesem 
„Schaukelstuhl“  bisher  erzielten  Resultate  sind  sehr  günstige. 
Der  Stuhl  ist  auch  bei  muskelschwachen  und  nach  längeren 
Krankheiten  herabgekommenen  Kindern  zur  Kräftigung  der 
Muskeln  zu  empfehlen. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  7.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Kümmel! 

I.  Demonstrationen: 

Herr  Urban  demonstriert  zwei  penetrierende  Bauchver¬ 
letzungen,  die  der  frühzeitig  ausgeführten  Laparotomie  und  Naht 
der  verletzten  Intestina  ihre  Heilung  verdanken.  Fall  1:  Schuss¬ 
verletzung  des  Magens.  4  Stunden  danach  Aufnahme  ins  Kranken¬ 
haus,  ohne  Zeichen  einer  Intestinalverletzung.  Fall  2:  Kind,  fiel 


aus  der  1.  Etage  auf  ein  Staket.  Eine 
sich  durchspiesst,  aus  der  Bauchwunde 
gleich  nach  dom  Unfall. 


Dünndarmschlinge  fand 
hing  Netz.  Operation 


II.  "V  o  r  t  r  a  g  des  Herrn  0.  Rumpel:  Erfahrungen  über 
die  praktische  Anwendung  der  Gefrierpunktbestimmungen 
von  Blut  und  Harn  bei  Nierenerkrankungen. 

Einleitend  bespricht  Vortragender  die  Theorie  und  Methode 
der  Kryoskopie.  Die  grosse  Konstanz  der  osmotischen  Konzen¬ 
tration  des  Blutes  macht  die  Gefrierpunktbestimmung  zu  einer 
ungemein  genauen  physikalischen  Untersuchungsmethode.  Die 
Untersuchung  ist  einfach.  2  Fehlerquellen  sind  zu  erwähnen: 

1.  Das  Thermometer  muss  ganz  in  die  zu  untersuchende  Flüssig¬ 
keit  eintauchen  und  darf  nicht  am  Boden  des  Gefässes  anstossen. 

2.  Die  Flüssigkeit  muss  so  lange  mit  dem  Platinrührer  bewegt 
werden,  bis  das  Thermometer  fällt,  da  die  freiwerdende  Wärme 
gemessen  werden  soll. 


Es  wurden  an  mehr  als  300  Kranken  jbestimmungen  vor¬ 
genommen.  1.  Gruppe:  normale  Fälle:  j  =  — 0,55  bis 
—0,57;  cf  (Urin)  =  — 0,9  bis — 2,3.  2.  Gruppe:  doppelseitige 
Nierenerkrankungen :  41  chronische  Nephritiden,  15  mal  Cystitis 
und  Pyelonephritis,  13  mal  doppelseitige  Nephrolithiasis, 
3  Nierentuberkulose,  3  Cystennieren,  2  Tumoren.  Im  Durch¬ 
schnitt  war  j  =  — U,6u  bis  —0,65  bmal  —0,59,  6mal  —0,66. 

3.  Gruppe:  klinisch  nachgewiesene  einseitige  Nierenerkran¬ 
kung:  ca.  85  Fälle,  in  denen  der  Blutgefrierpunkt  stets  in  nor¬ 
malen  Grenzen  lag. 

\  erbindet  man  die  Kryoskopie  mit  dem  Ureterenkatheteris- 
mus,  so  ist  man  stets  in  der  Lage  prognostisch  und  diagnostisch 
wichtige  Aufschlüsse  zu  erzielen.  Man  wird  daher  bei  Nieren¬ 
insuffizienz  von  Nephrotomien  Abstand  nehmen  und  gegebenen 
1  alles  nur  die  Niere  spalten  etc.  Einer  postoperativen  Nieren¬ 
insuffizienz  ist  daher  auch  keiner  der  operierten  Fälle  erlegen, 
während  vor  Kenntnis  dieser  Methode  4  Todesfälle  in  ca.  120  von 
lv  ii  m  mell  operierten  Fällen  auf  diesen  Faktor  zu  beziehen 
waren. 

Die  Gefrierpunktbestimmung  des  Urins  hat  nur  vergleichen¬ 
den  Wert  und  gibt  in  Verbindung  mit  der  Harnstoffanalyse  inter¬ 
essante  physiologische  Aufschlüsse.  Werner. 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Officielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  8.  Juli  1902. 

1.  Herr  Hegener:  Heilung  eines  chronischen  Stirn¬ 
höhlenempyems  durch  die  K  i  1 1  i  a  n  sehe  Radikaloperation. 

(Vortrag  wird  anderweitig  ausführlich  veröffentlicht.) 

Der  Patient,  ein  32  jähriger  Schmied,  erkrankte  im  Juli  1901 
ohne  nachweisliche  Ursache  unter  heftigen  Stirnkopfschmerzen, 
denen  sich  bald  Schmerzen  im  linken  Auge  zugesellten.  Es  stellte 
sich  eine  Schwellung  im  Bereich  des  linken  oberen  Lides  ein,  später 
Doppelsehen.  Zeitweilig  entleerte  sich  übelriechender  Eiter  aus 
dem  linken  Nasenlocke.  Unerträgliche  Heftigkeit  der  Kopfschmer¬ 
zen,  die  ihn  arbeitsunfähig  machten,  zwangen  ihn  am  28.  VIII.  01 
die  Hilfe  der  Universitäts-Ohrenklinik  aufzusuchen. 

Der  Aufnahmebefund  liess  mit  Sicherheit  ein  chronisches 
Stirnhöhlenempyem,  links  mit  Durchbruch  in  die  Orbita  annehmen. 

Der  erste,  sofort  vorgenommene  operative  Eingriff  be¬ 
schränkte  sich  darauf,  nach  einem  bogenförmig  durch  die  Augen¬ 
braue  geführten  Hautschnitt  eine  1,5  cm  grosse  Oeffnung  in  der 
vorderen  Stirnhöhlenwand  anzulegen,  von  da  aus  die  mit  Granu¬ 
lationen  und  Eiter  erfüllte  Höhle  auszukratzen  und  einen  bleistift- 
dicken  Kanal  nach  der  Nase  zu  anzulegen.  Die  Kopfschmerzen 
wurden  danach  wesentlich  gebessert,  das  Doppelsehen  blieb. 

14  Tage  später  zweite  Operation:  Oberes  Lid  und  Periost  wer¬ 
den  von  der  wieder  getrennten  ersten  Schnittwunde  aus  nach  unten 
hin  abgelöst  und  das  Dach  der  Orbita  freigelegt.  Es  fand  sich  vom 
liande  aus  1,5  cm  nach  hinten  ein  haselnussgrosser  subperiostaler 
Abszess,  der  mit  der  Stirnhöhle  durch  eine  feine  Oeffnung  in  der 
Mitte  des  Daches  kommunizierte.  Das  Orbitaldach  wurde  um  die 
Fistel  herum  in  Pfennigstückgrösse  entfernt,  die  Abszesshöhle  aus¬ 
gekratzt,  die  Stirnhöhle  nochmals  sorgfältig  mit  scharfem  Löffel 
gesäubert,  der  Kanal  nach  der  Nase  erweitert  und  die  Hautwunde 
bis  zum  Augenbrauenkopf,  wo  ein  Gazestreifen  eingelegt  wurde, 
geschlossen.  Erfolg:  das  Doppelsehen  blieb  dauernd  fort,  da¬ 
gegen  gelang  es  trotz  sorgfältiger,  langer  Nachbehandlung-  nicht, 
die  Eiterung  zu  peseitigen. 

Am  5.  VI.  02  Wiederaufnahme  und  Itadikaloperation  nach 
Killian  (Arch.  f.  Laryngol.,  Bd.  XIII).  Vor  der  Operation  sorg¬ 
fältige  Tamponade  der  linken  Nasenseite.  Der  bogenförmige 
Hautschnitt  geht  durch  die  Narbe  des  früheren  Hautperiost¬ 
schnittes  und  die  am  Brauenkopfe  noch  bestehende  Fistel.  Letz- 


No.  41. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1732 


tere  wird  exzidiert.  Die  Ablösung  der  Haut  vom  Periost  erweist 
sich  als  schwierig  und  gelingt  bei  der  starken  Blutung  in  dem 
alt«  u  Narbeugewebe  erst  nach  längerer  Zeit.  Nach  Bildung  der 
Orbitalspange  wird  die  ganze  vordere  Wand  der  sehr  weit  nach 
aussen  und  in  die  Tiefe  reichenden  Stirnhöhle  entfernt.  Diese  ist 
mit  schlaffen  Granulationen  erfüllt.  Dort,  wo  der  freie  Abfluss  in 
die  Nase  sein  sollte,  besteht  eine  Eiteransammlung  zwischen  miss¬ 
farbenen  Granulationen,  ebenso  an  der  Stelle,  wo  früher  die  Fistel 
nach  der  Orbita  hin  bestanden  hatte.  Die  Höhle  wird  gesäubert 
und  unter  Abtragung  der  flachen  Septen  vollkommen  geglättet, 
dann  wird  von  oben  her  die  untere  Wand  der  Stirnhöhle  soweit 
wie  möglich  abgetragen  und  die  Innenseite  der  Orbitalspange  ge¬ 
säubert.  Bei  dem  Abkratzen  des  Septum  interfrontale  fand  sich 
eine  kleine  Eiteransammlung,  die  aus  einer  verfärbten  Partie  des 
Septum  zu  kommen  schien.  Die  Stelle  wurde  abgetragen  und  da¬ 
bei  die  rechte  Stirnhöhle  eröffnet,  die  gesund  war.  Es  sei  gleich 
hinzugefügt,  dass  sie  auch  gesund  blieb  (cf.  K  i  1  li  a  n  s  Erfahrung 
Fall  VIII  und  XIII  1.  c.).  Dann  wurden  von  dem  nach  unten  bis 
zur  Höhe  der  Apert.  pyrif.  bogenförmig  verlaufenden  Hautperiost¬ 
schnitte  aus  die  Weichteile  bis  zum  Tränennasenkanal  hin  zurück¬ 
geschoben,  der  Proc.  frontal,  des  Oberkiefers  und  ein  Teil  des  Proc. 
nasal,  des  Stirnbeins  abgetragen  und  so  eine  breite  Kommuni¬ 
kation  nach  der  Nase  hin  geschaffen.  Die  vorderen  Stirnzellen 
waren  klein,  mit  Granulationen  erfüllt,  sie  wurden  ganz  entfernt 
und  dann  das  vordere  Siebbeinlabyrinth  ausgeräumt,  das  ebenfalls 
erkrankt  ist.  Schliesslich  wird  die  hinterste  von  oben  nicht  er¬ 
reichbare  Partie  der  unteren  Stirnhöhlenwand,  sowie  die  vordere 
Hälfte  der  mittleren  Muschel  abgetragen.  Aus  der  freiliegenden 
Nasenschleimhaut  wird  nach  Killians  Vorschlag  ein  Lappen  zur 
Auskleidung  des  Verbindungskanales  zwischen  Stirnhöhle  und 
Nase  gebildet  Dann  wird  ein  Gummidrain  vom  Nasenloch  bis  zur 
lateralsten  Partie  der  Stirnhöhlenwunde  reichend  eingeführt,  das¬ 
selbe  mit  Tampons  in  der  Nase  befestigt,  nachdem  zuvor  die 
Nasentamponade,  die  vor  der  Operation  angelegt  war,  entfernt 
worden.  Ueber  dem  Drain  wurde  die  Wunde  mit  exakt  angelegten 
Seidennähten  geschlossen.  Von  der  Verwendung  antiseptischer 
Streupulver  wurde  abgesehen.  Kompressionsverband  auf  die 
Stirn,  lockere  Gaze  aufs  Auge. 

Patient  überstand  die  2  ständige  Operation  gut,  mehrfaches 
Erbrechen  schadete  der  Wunde  nichts.  Am  Tage  nach  der  Opera¬ 
tion  fühlte  er  sich  subjektiv  wohler  als  je  seit  Beginn  der  Erkran¬ 
kung.  Das  Auge  blieb  reizlos,  keine  Doppelbilder.  Am  4.  Tage 
wurde  der  Drain  entfernt,  am  5.  die  Nähte,  er  stand  auf,  am 
Tage  wurde  der  Verband  fortgelassen. 

10  Tage  nach  der  Operation  wird  aus  der  Nase  noch  ein  oben 
eingeklemmt  gebliebenes  Stück  des  Siebbeinlabyrinthes  mit 
Schlinge  entfernt,  seitdem  sind  die  Kopfschmerzen  dauernd  ge¬ 
schwunden.  Die  Sekretion  war  ganz  gering,  nach  14  Tagen  wurde 
noch  alle  4  Tage  eine  kleine  Sekretborke  von  der  mittleren  Muschel 
entfernt.  Die  vom  Orbitalgewebe  und  der  äusseren.  Haut  nicht 
primär  geschlossene  Partie  der  Höhle  verkleinerte  sich  sehr 
schnell;  die  Nachbehandlung  war  leicht  und  bestand  ausschliess¬ 
lich  in  der  Einführung  eines  passend  gebogenen,  mit  2,5  proz. 
Arg.  nitric.-Lösung  getränkten  Wattestäbchens  in  die  Wundhöhle 
von  der  Nase  aus. 

Patient  wurde  zu  genauer  Beobachtung  noch  4  Wochen  in  der 
Klinik  behalten  und  dann  als  vollkommen  geheilt  ohne  jede  Sekre¬ 
tion  entlassen.  Die  Heilung  ist  dauernd  geblieben,  er  ist  wieder 
vollkommen  arbeitsfähig. 

Der  kosmetische  Effekt  ist  ein  vorzüglicher.  Die  Schnittnarbe, 
abgesehen  von  der  Stelle,  wo  sich  die  Fistel  befand,  kaum  sichtbar, 
die  Einsenkung  trotz  der  tiefen  Stirnhöhle  eine  ganz  geringe.  Ohne 
die  vorangegangenen  Operationen  wäre  der  Effekt  sicher  noch 
besser  gewesen  und  man  würde  kaum  sehen  können,  dass  über¬ 
haupt  «'ine  Operation  vorgenommen  war.  Die  Kill  i  an  sehe  Me¬ 
thode  hat  also  in  diesem  hartnäckigen  und  schweren  Falle  chro¬ 
nischen  Stirnhöhlenempyems,  was  Schnelligkeit  und  Sicherheit  der 
Heilung,  sowie  guten  kosmetischen  Erfolg  angeht,  ein  ganz  her¬ 
vorragend  gutes  Resultat  ergeben. 

Diskussion:  Herren  V  ö  1  k  e  r,  P  a  s  s  o  w,  .To  r  d  a  n, 
H  e  g  e  n  e  r. 

2.  Herr  Brauer:  Die  Erfolge  der  Kardiolysis.  (Rippen- 
rc-sektion  bei  chronischer  adhäsiver  Mediastino-Perikarditis.) 

Unter  Hinweis  auf  die  Ausführungen  vom  13.  Mai  1902 
(diese  Wochenschrift  No.  25)  demonstriert  der  Vortragende  den 
zweiten  der  seiner  Zeit  vorgeführten  Kranken. 

Herr  Dr.  Simon  hatte  bei  dem  Kranken  die  von  dem  Vor¬ 
tragenden  empfohlene  Operation  ausgeführt,  dieses  Mal  unter 
gleichzeitiger  Resektion  eines  beträchtlichen  Teiles  des  Sternum. 

Auch  hier  findet  sich  der  erwartete  Erfolg.  Der  Kranke, 
dessen  Herz  nun  nicht  mehr  bei  der  Systole  die  ganze  vordere 
knöcherne  Thoraxwand  hereinzuziehen  hat,  vielmehr  jetzt  an 
einer  nachgiebigeren  Bedeckung  zieht,  hat  sich  wesentlich  erholt, 
fühlt  sich  viel  freier  in  Bewegungen  und  beim  Atmen  und  ist 
von  den  seiner  Zeit  bedrohlichen  Ilerzinsuffizienzerscheinungen 
nahezu  völlig  befreit. 

Die  ausführliche  Mitteilung  erfolgt  demnächst. 

Diskussion:  Herren  Kaposi,  Simo  n,  M  a  g  u  u  s, 
S  o  e  t  b  e  e  r,  B  r  a  u  e  r. 


Physiologischer  Verein  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  M  a  i  1902. 

Herr  Helferich:  TJeber  die  Talma  sehe  Operation 
bei  Lebercirrhose. 

H.  gibt  zunächst  eine  U ebersicht  über  den  Gedankengang, 
welcher  Talma  in  Utrecht  und  gleichzeitig  die  englischen 
Aerzte  Moriso  n  und  I)  r  u  m  m  o  n  d  zu  der  neuartigen  ope¬ 
rativen  Behandlung  des  Aszites  geführt  hat.  Es  sind  jetzt  schon 
zahlreiche  Fälle  in  der  von  Talma  beschriebenen  Weise  ope¬ 
riert.  In  manchen  Fällen  wurde  nur  eine  Adhärenz  des  Netzes 
an  der  Bauchwand  erstrebt,  in  anderen  auch  die  Fixation  der 
Leber,  der  Gallenblase  und  namentlich  der  Milzoberfläche  an  oder 
gar  innerhalb  der  Bauchwand  ausgeführt.  Die  Erfolge  sind 
natürlich  wesentlich  von  dem  zu  gründe  liegenden  Krankheits¬ 
zustand  abhängig  und  um  so  schlechter,  wenn  die  ursächliche 
Krankheit  schon  recht  weit  fortgeschritten  ist,  die  Operation  also 
erst  in  extremis  zur  Ausführung  kommt. 

Die  theoretischen  Einwände  gegen  die  Operation  haben  sich 
nicht  als  berechtigt  erwiesen.  Wenn  die  Leber  als  ein  das  Blut 
entgiftendes  Organ  tätig  ist,  so  folgt  doch  aus  einer  direkten  Ver¬ 
bindung  zwischen  Pfortader  und  Cava  inferior  nicht  die  Not¬ 
wendigkeit  einer  Vergiftung,  wenn  wenigstens  ein  kleinerer  Teil 
der  Leber  noch  in  Funktion  bleibt,  wie  es  ja  wohl  in  praxi  immer 
der  Fall  sein  wird.  Auch  die  Tatsache,  dass  das  grundlegende 
Leiden  häufig  durch  Alkoholmissbrauch  bedingt  und  deshalb  bei 
diesen  Kranken  mit  den  Folgen  des  Alkoholismus  zu  rechnen  ist, 
kann  nicht  massgebend  sein.  Lokale  Störungen  durch  die 
Omentofixation  haben  sich  bis  jetzt  nicht  herausgestellt. 

Von  hohem  Interesse  sind  für  die  Beurteilung  der  Talma¬ 
schen  Operation  alte  und  neue  Experimente  von  Claude  Ber- 
n  a  r  d,  T  a  p  p  e  i  n  e  r,  Schiff,  Eck,  Queirolo,  Min¬ 
kowski,  Hoppe-Seyler  u.  a.,  und  namentlich  diejenigen 
von  Tilmann,  B  o  z  z  i,  Kusnetzo  w,  1 1  o  und  Omi,  weil 
die  letztgenannten  zuerst  die  gleichzeitige  oder  vorherige  Netz- 
implantation  etc.  mit  ausgeführt  haben.  Unter  Vergleich  mit 
sonstigem  Vorkommen  von  venöser  Stauung  bei  chirurgischen 
Affektionen  ist  festzustellen,  dass  bei  den  der  Talma  sehen 
Operation  unterworfenen  Fällen  von  Aszites  jedenfalls  häufig 
nicht  bloss  mechanische  Störungen  und  Transsudatbildungen  vor¬ 
liegen,  sondern  vielmehr  entzündliche  Prozesse  und  entzündliche 
Exsudation.  II.  glaubt,  dass  für  den  Erfolg  der  Talma  sehen 
Operation  neben  der  Herstellung  neuer  und  der  Erweiterung  der 
bekannten  vorgebildeten  Verbindungen  zwischen  Pfortader- 
bahnen  und  dem  grossen  Kreislauf  die  Entstehung  einer  mög¬ 
lichst  vollkommenen  Verödung  der  Bauchhöhle  durch  \  erwach- 
sung  der  Eingeweide  miteinander  und  mit  der  Bauchwand 
wesentlich  sei;  denn  durch  die  letztgenannte  Veränderung  wird 
ein  Aszites  unmöglich  gemacht. 

Der  Fall,  welchen  H.  im  Dezember  1901  zn  operieren  Ge¬ 
legenheit  hatte,  war  sehr  schwer.  (Er  ist  in  der  Dissertation  von 
Herrn  Dr.  W  eispfennig,  Kiel  1902,  genauer  beschrieben.)  Am 
Tag  der  Aufnahme  in  die  Klinik,  26.  November,  musste  wegen 
der  Grösse  des  Aszites  sofort  die  Punktion  ausgeführt  werden. 
Schon  am  29.  November  war  eine  neue  Punktion  erforderlich  und 
am  o.  Dezember,  als  die  Talmasehe  Operation  gemacht  wurde, 
war  wiederum  eine  starke  aszitisclie  Flüssigkeitsansammlung  vor¬ 
handen.  Bei  dieser  Operation  wurde  das  Netz  in  eine  breite 
fächerige  Lücke  der  Bauchwand  eingenälit,  welche  durch  Ablösung 
des  Peritoneums  nebst  der  Fascia  transversa  gebildet  wurde.  Die 
Wundheilung  war  bei  völligem  Verschluss  der  Hautwunde  ohne 
Drainage  eine  günstige;  doch  platzte  der  obere  Teil  der  Hautwunde 
etwa  8  Tage  nach  der  Operation,  als  sich  ein  starker  Aszites 
wieder  eingestellt  hatte.  Von  da  an  bestand  mehrere  Tage  lang 
ein  sehr  reichlicher  Abfluss  seröser  Flüssigkeit  aus  der  Bauch¬ 
höhle,  und  H,  glaubt,  dass  diesem  Umstande  der  günstige  Erfolg 
zu  danken  ist,  dass  die  Eingeweide  unter  sich  und  mit  der  Bauch¬ 
wand  an  sehr  vielen  Stellen  verwachsen  konnten  und  die  Patientin 
am  14.  Januar  1902  in  befriedigendem  Zustande  und  frei  von 
Aszites  entlassen  werden  konnte.  Unter  den  wenig  günstigen 
Verhältnissen  zuhause  trat  aber  eine  allgemeine  Abnahme  der 
Körperkräfte  ein  und  die  Frau  erlag  am  9.  Februar  .1902,  nachdem 
besonders  die  früher  schon  vorhandenen  Herzbeschwerden  sich  ge¬ 
steigert  hatten,  ihrem  Leiden.  Die  Sektion  (am  10.  Februar 
von  Herrn  Geh. -Rat  Heller  ausgeführt)  ergab,  dass  das  im¬ 
plantierte  Netz  in  voller  Breite  eingeheilt  war  und  zu  der  Ent¬ 
wicklung  neuer,  bis  zu  2  mm  dicker  Gefässe  an  der  vorderen 
Bauchwand  und  von  dieser  zu  angewachsenen  Dünndarmschlingen 
geführt  hatte.  Ausgedehnte,  stark  ödematöse  Verwachsungen 
sämtlicher  Baucheingeweide.  Zirkumskripte  eitrige  Peritonitis  in 
beiden  Hypochondrien.  Enorm  vergrößerte  Fettleber  mit  zahl- 


14.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1733 


reichen  oberflächlichen  Narben  und  starker  Bindegewebswuche¬ 
rung.  Zähe  Milzschwellung.  Starke  trübe  Schwellung  der  Nieren. 
Lungen  zeigten  Emphysem,  Oedem,  starke  Kompression  der  un¬ 
teren  Paitien.  Starke  Trübung  des  Herzens  mit  einzelnen  mvo- 
karditischen  Schwielen.  Verkürzung  der  Sehnenfäden  an  der 
Mitralis.  Geringe  fettige  Fleckung  an  der  Aorta.  Cdironisehe 
Meningitis. 

_  T  r  li  s  ma  n  n:  Zwei  Fälle  von  soliden  Tumoren  der 

Bauchhöhle,  unbekannten  Ursprungs. 

Ein  über  kindskopfgrosses  Fibrosarkom  wurde  .  bei  einer 
in  der  Bauchhöhle  bei  reichlichem  Aszites  vor- 
den  Organen  der  Leibeshöhle  war  keine  sichtbare 
Nach  Erwähnung  aller  Möglichkeiten  betr.  der  Ur- 
w  —  Geschwulst  bleibt  für  ein  accessorisches  Ovarium 
noch  die  grösste  Wahrscheinlichkeit. 

Der  zweite  Tumor,  ein  zweifaustgrosses  Fibrom  mit  regres¬ 
siven  Veränderungen,  war  mit  der  Serosa.  des  kleinen  Beckens 
allseitig  verklebt.  Aszites  war  reichlich  vorhanden.  Eine  festere 
gefässhaltige  Verbindung  bestand  nur  nach  der  Flexura  sigmoidea,’ 
so  dass  der  Gedanke  an  eine  fibrös  veränderte  Appendix  epiploica 
nahegelegt  war. 

Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  den  Beitr.  z.  Geburtsh  u 

Gyn. 

Herr  Knoop  demonstriert  und  bespricht  ein  Fibromyom, 
welches  mit  der  Nachgeburt  ausgestossen  wurde,  da  es  mit  dem 
Chorion  verwachsen  war. 


25  jähr.  Frau 
gefunden.  An 
Veränderung, 
sprungsart  der 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  8.  Oktober  1902. 

Nachkläng'e  und  Missklänge  von  der  Leichenfeier  für 
Virchow.  —  Komitee  für  populär-medizinische  Vorträge. 
Kassenärztliches.  —  Beilegung  des  Apothekenboykotts. 

Wenige  Tage  waren  vergangen,  nachdem  sich  über  dem 
Grabe  Virchows  die  Erde  geschlossen  hatte,  da  hörte  man 
von  einigen  peinlichen  Vorgängen  bei  der  Festsetzung  der  Be¬ 
erdigungsfeier,  welche  unliebsames  Aufsehen  nicht  nur  in  Aerzte- 
k reisen,  sondern  auch  im  Publikum  erregt  hatten.  Die  Stadt 
Berlin  hatte  es  als  ihre  Ehrenpflicht  erkannt,  den  grossen  Toten 
mit  allen  seinem  Andenken  gebührenden  Ehren  zu  bestatten;  es 
wurden  dem  Gelehrten,  denn  Politiker,  dem  Bürger  Lorbeeren 
gestreut;  für  den  Arzt  Virchow  fand  man  kaum  ein  Wort  der 
Dankbarkeit  und  Anerkennung  und  für  die  Vertretung  der 
Aerzteschaft  fand  sich  bei  der  Beerdigungsfeier  kein  Raum. 
Die  Schuld  an  dieser  Unterlassungssünde  trifft  nicht  die  ärzt¬ 
lichen  Körperschaften,  die  hier  in  Betracht  kommen,  sondern 
ausschliesslich  die  Stadtverwaltung  resp.  diejenigen  ihrer  Or¬ 
gane,  welche  mit  den  Arrangements  betraut  waren.  Dem  Vor¬ 
sitzenden  der  Berlin-Brandenburger  Aerztekammer,  der  zugleich 
den  Auftrag  hatte,  den  Ausschuss  der  Preussisclien  Aerzte- 
kammern  zu  vertreten,  war  eine  Einladungskarte  nicht  zugesandt 
worden.  Er  bemühte  sich  daher  auf  dem  Rathaus  um  Karten 
für  die  Vertreter  der  Aerztekammer,  wurde  aber  abschlägig  be- 
schieden,  und  zwar  —  so  wird  unwidersprochen  berichtet  —  auf 
Veranlassung  des  zufällig  mit  anwesenden  Stadtverordneten¬ 
vorstehers,  der  selbst  Arzt  ist  und  im  übrigen  als  ein  warmer 
Förderer  ärztlicher  Interessen  gilt.  Besonders  auffallend  klingt 
die  Motivierung  des  abschlägigen  Bescheids :  Virchow  wäre 
cm  Gegner  der  Ehrengerichte  und  der  Aerztekammern  gewesen 
und  von  der  Berlin-Brandenburger  Kammer  wäre  ihm  sehr  gegen 
seinen  W  dien  eine  Steuer  von  176  M.  auferlegt  worden.  Es  wird 
weiter  berichtet,  dass  auch  das  Gesuch  eines  Abgeordneten  der 
Berliner  medizinischen  Gesellschaft,  welcher  für  die  Mitglieder 
dieser  Gesellschaft  die  bei  dem  beschränkten  Raum  allerdings 
beträchtliche  Zahl  von  100  Karten  verlangte,  rundweg  abgelehnt 
wurde.  Wenn  man  sich  vorstellt,  dass  Virchow  die  ganze 
Affaire  erlebt  oder  erfahren  hätte,  glaubt  man  da  nicht,  sein 
satirisches  Lächeln  auf  seinen  Lippen  zu  sehen?  Und  mit  einem 
seiner  heissend  satirischen  Worte  wäre  die  Sache  abgetan  ge¬ 
wesen.  Gewiss,  es  handelt  sich  da  nicht  um  ein  blosses  Ver¬ 
sehen,  es  mag  das  Wort  Taktlosigkeit  dafür  noch  als  eine  milde 
Bezeichnung  gelten;  aber  um  einen  Affront  gegen  den  ganzen 
Aerzteetand  handelt  es  sich  nicht.  Wir  hätten  gewünscht,  dass 
nachträglich  durch  einige  entschuldigende  Worte  die  ganze  Sache 
aus  der  Welt  geschafft  wäre,  noch  ehe  sie  zu  einer  Art  Prinzipien¬ 
frage  aufgebauscht  wurde;  es  wäre  dann  nicht  nötig  gewesen, 
dass  sich  in  die  vielen  Nachrufe  für  den  grössten  Mediziner 
unserer  Zeit  der  Missklang  solcher  Erörterungen  mischt.  Aus  I 


diesem  Grunde  hatten  wir  in  unserem  früheren  Bericht  die  Dinge 
mit  Stillschweigen  übergangen.  Indessen  sie  werden  in  brei¬ 
tester  Oeffentlichkeit  verhandelt  und  der  Vorstand  der  Aerzte¬ 
kammer  hat  beschlossen,  seinem  beleidigten  Ehrgefühl  durch 
eine  Beschwerde  an  den  Oberbürgermeister  Ausdruck  zu  geben. 
Ob  der  Sache  dadurch  viel  genützt  wird,  darüber  kann  man  zum 
mindestens  verschiedener  Ansicht  sein.  Dem  verantwortlichen 
Stadtrat  kann  man  wohl  seine  in  jenen  Tagen  gerade  sehr  be¬ 
deutende  .  Ueberlastung  und  dem  greisen  Stadtverordnetenvor¬ 
steher  seinen  Schmerz  um  den  ihm  persönlich  eng  befreundet 
gewesenen  I  oten  zu  Gute  halten.  Zu  solchen  Zeiten  und  in 
solchen  Stimmungen  legt  man  sein  Wort  nicht  auf  die  Goldwage. 
Dass  nachträglich  eine  Entschuldigung  oder  auch  nur  eine  Er¬ 
klärung  des  eigentümlichen  Verhaltens  erfolgt  ist,  davon  hat 
man  leider  allerdings  auch  nichts  vernommen,  und  aus  diesem 
Grunde  mag  die  formelle  Beschwerde  des  Aerztekammervor- 
standes  nicht  unberechtigt  erscheinen.  Wenn  wir  uns  aber 
wiederum  vorstellen,  dass  V  irchow  in  einer  solchen  Sitzung 
zugegen  gewesen  wäre,  er  wäre  wohl  mit  den  Worten  „wir  haben 
hier  wichtigeres  zu  tun,  als  Beschwerden  über  Etikettefragen  zu 
beraten“  zur  Tagesordnung  übergegangen. 

Seit,  einigen  Jahren  werden  in  jedem  Winter  auf  Ver¬ 
anlassung  der  Zentralkommission  der  Berliner  Krankenkassen 
iiir  die  Kassenmitglieder  populär-medizinische  Vorträge  ge¬ 
halten,  welche  sich  aufs  Beste  bewährt  haben.  Eine  ähnliche.  Ein¬ 
richtung,  jedoch  auf  breiterer  Grundlage,  hat  der  Aerzteverein 
unserer  Nachbarstadt  und  \  orstadt  Schöneberg  ins  Leben  ge¬ 
rufen.  Auf  seine  Initiative  wurde  ein  Komitee  zur  Abhaltung 
populär-medizinischer,  speziell  volkshygienischer  Vorträge  ge¬ 
gründet,  dem  ärztliche  und  nichtärztliche  Mitglieder,  u.  a.  auch 
der  Oberbürgermeister  angehören.  Der  Verein  geht  von  der 
^  oraussetzung  aus,  dass  Verständniss  für  hygienische  und  medi¬ 
zinische  Fragen  und  das  Bestreben,  sich  über  diese  Fragen  zu 
unterrichten,  bei  allen  Bevölkerungsklassen  vorhanden  ist,  und 
ei  steht  zugleich  auf  dem  Standpunkt,  dass  dieses  Bestreben  von 
den  Abwegen  und  Irrwegen  -fernzuhalten  und  in  die  rechten 
Bahnen  zu  lenken,  zu  den  sozialen  Aufgaben  der  Aerzteschaft 
gehört.  So  glaubt  der  Aerzteverein  einer  sozialen  Pflicht  zu  ge¬ 
nügen,  indem  er  sich  gewiss ermassen  zu  einem  Organ  der  öffent¬ 
lichen  Gesundheitspflege  macht.  Eine  Einschränkung  des  Kur¬ 
pfuscherwesens  und  seiner  unheilvollen  Folg'en  herbeizuführen, 
war  nicht  der  leitende  Gedanke,  welcher  zur  Gründung  des 
Komitees  \  eranlassung  gab,  sondern  es  waren  weiter  aus¬ 
schauende  ethische  Gesichtspunkte.  Da  aber  gegen  jene  Seuche 
Bildung  noch  immer  als  wirksamste  Waffe  gilt,  so  würde,  wenn 
der  Verein  das  Ziel,  das  er  sich  vorgesteckt  hat,  weiter  verfolgt, 
auch  nach  dieser  Richtung  hin  ihm  ein  moralischer  Erfolg  sicher 
sein. 

Fin  Stück  soziale  Medizin  war  auch  der  Gegenstand  einer 
Pressfehde,  welche  kürzlich  im  „Vorwärts“,  dem  Organ  der  sozial¬ 
demokratischen  Partei,  zwischen  einem  männlichen  und  einem 
weiblichen  sozialdemokratischen  Arzt  geführt  wurde,  und  bei  dem 
die  Kollegin  den  unbestrittenen  Sieg  davontrug.  Es  handelte 
sich  um  die  Zustände  bei  der  Ortskrankenkasse  der  Gastwirte, 
der  rückständigsten  aller  Berliner  Kranlienkassen.  Der  Vorstand 
der  Kasse  beabsichtigt  in  den  kassenärztlichen  Verhältnissen 
einige  Aenderungen  zu  treffen,  die  jedoch  keine  Verbesserungen 
sind;  und  in  dem  neuen  Vertragsentwurf  sind  die  Grundsätze, 
welche  von  fast  allen  anderen  Kassen  bei  der  Anstellung  von 
Aerzten  anerkannt  sind,  so  sehr  ignoriert,  dass  die  Vertrags¬ 
kommission  des  Vereins  der  freigewählten  Kassenärzte,  welcher 
fetatutenmässig  alle  mit  Krankenkassen  abzuschliessenden  Ver¬ 
träge  vorgelegt  werden  müssen,  diesen  Vertrag  für  unannehmbar 
erklärt  hat.  Wie  mehrere  andere  der  bisherigen  Aerzte  der  Kasse 
hatte  auch  Irl.  Dr.  W.  —  welche  ebenso  wie  die  beiden  anderen 
in  Berlin  praktizierenden  und  in  Deutschland  approbierten 
Aerztinnen  vom  1.  Januar  an  Mitglieder  des  Vereins  der  frei¬ 
gewählten  Kassenärzte  sein  wird  —  es  abgelelmt,  auf  diesen  Ver¬ 
trag  einzugehen.  In  einer  Zuschrift  an  den  „Vorwärts“  ver¬ 
wahrt  sie  sich  gegen  den  aus  diesem  Verhalten  ihr  gemachten 
Vorwurf  der  Arbeiterfeindlichkeit  und  weist  dem  Vorstand  In¬ 
konsequenz  gegen  die  politischen  Lehren  und  Forderungen  der 
Partei  nach.  Während  der  Arbeiter  sonst  von  den  Unternehmern 
die  Anerkennung  der  von  der  Arbeiterorganisation  festgesetzten 
Arbeitsbedingungen  verlange,  wünsche  -der  Kassenvorstand  als 


MUENCIIENER  MEDICINISC1IE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


1734 

Arlieitgeber  von  seinen  Aerzten  bedingungsloses  Eingehen  auf  die 
einseitig  festgesetzten  Arbeitsbedingungen,  und  das  im  Wider¬ 
spruch  zu  den  Forderungen  der  ärztlichen  Organisation,  er  ver- 
lange  also  nichts  geringeres  als  einen  Streikbruch.  Im  Interesse 
der  Arbeiter  aber  liege  es  gerade,  die  Forderungen  der  ärztlichen 
Organisation  zu  erfüllen,  weil  nur  so  eine  gewissenhafte  Behand¬ 
lung  gewährleistet  werden  könne;  wer  dem  Rassenarzt  unwüidige 
Bedingungen  aufzwingt,  macht  den  Kassenkranken  zu  einem 
Kranken  zweiten  Grades.  Anders  denkt  darüber  Herr  I)r.  B., 
der  sachlich  wenig  oder  gar  nichts  bringt,  dagegen  die  ganze  An¬ 
gelegenheit  im  Ton  eines  sozialdemokratischen  Agitators  be¬ 
handelt.  Nach  einer  Flut  von  Vorwürfen  gegen  die  freie  Arzt¬ 
wahl  und  die  Tyrannei  des  Vereins  der  freigewählten  Kassen¬ 
ärzte  —  dem  er  aber  selbst  anzugehören  nicht  Bedenken  trägt  -  , 
erklärt  er,  dass  er  der  schwer  bedrängten  Kasse  nach  wie  vor  seine 
Dienste  zu  leisten  entschlossen  sei.  Es  kann  also-  hier  der  inter¬ 
essante  Fall  statuiert  werden,  dass  ein  politisch  hervortretender 
Sozialdemokrat  in  einem  wirtschaftlichen  Kampf  gegen  seine 
eigenen  Berufsgenossen  das  Streikbrechertum  predigt.  Bei  der 
definitiven  Erledigung  der  Angelegenheit  wird  jedenfalls  die 
ärztliche  Vertragskommission  noch  ein  Wort  mitzureden  haben 
und  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  einmal  den  moralischen  V  ert 
einer  festen  Organisation  beweisen  können.  Noch  einen  anderen 
Fall  wird  sie  in  den  Bereich  ihrer  Jurisdiktion  zu  ziehen  haben, 
einen  Fall,  der  die  neueste  und  wohl  eigentümlichste  Blüte  am 
Baume  des  Krankenkassengesetzes  darstellt.  Die  Tischlerkasse 
hat  einen  Arzt  engagiert,  einen  einzigen,  dem  sie  die  gesamte 
Behandlung  ihrer  30  000  Mitglieder  übertragen  hat.  Da  der  Arzt 
erkennt,  dass  er  dieser  Aufgabe  allein  nicht  gewachsen  ist,  so 
bemüht  er  sich,  eine  grössere  Anzahl  Kollegen  zu  gewinnen, 
welche  von  ihm  angestellt  werden  und  sub  forma  Vertretung  die 
Arbeit  mit  ihm  teilen  sollen.  Also  eine  Art  Unternehmertum  zur 
En  gros-Lieferung  ärztlicher  Arbeit.  Der  Gedanke  hat  ent¬ 
schieden  den  Reiz  der  Neuheit,  dürfte  aber  wohl  weder  bei  der 
Vertragskommission,  noch  beim  Ehrengericht,  noch  bei  der  Auf¬ 
sichtsbehörde  das  nötige  Verständnis  finden. 

Seit  einiger  Zeit  schweben  wieder  Verhandlungen  zwischen 
den  Krankenkassenvorständen  und  den  Apothekenbesitzern,  die 
dieses  Mal  endlich  zu  einem  Erfolge  zu  führen  scheinen. 
Neuesten  Berichten  zufolge  ist  die  Beilegung  des  Apotheken¬ 
boykotts  so  gnt  wie  gesichert  ;  und  wenn  man  das  Resultat  be¬ 
trachtet,  so  haben  in  dem  langen  und  ermüdenden  Krieg  die 
Krankenkassen  gesiegt.  Der  von  ihnen  verlangte  Rezepturrabatt 
von  12Va  Proz.  ist  von  den  Apothekern  bewilligt  worden;  zur 
Lieferung  von  Handverkaufsartikeln  sollen  Apotheker  und  Dro¬ 
gisten  zugelassen  sein.  Eine  Schwierigkeit  bereiten  noch  die 
früher  zwischen  Krankenkassen  und  Drogisten  getroffenen  Ver¬ 
einbarungen,  denen  zufolge  die  Handverkaufsartikel  angeblich 
nur  von  Drogisten  entnommen  werden  sollen.  Es  wird  der  Zen¬ 
tralkommission  der  Krankenkassen  nicht  schwer  werden,  diese 
Klippe  zu  überwinden,  und  dann  werden  hoffentlich  wieder  ein¬ 
fache  und  geordnete  Verhältnisse  in  der  Arzneiverordnung  und 
-lieferung  bestehen.  M.  K. 


Bilder  aus  China. 

Von  Oberarzt  I)r.  G  g.  Mayer. 

I. 

Eine  Wasserzentrale  in  Peking, 
ln  meinem  5.  Briefe  aus  Ostasien  erwähnte  ich  kurz  die  von 
mir  in  Peking  für  die  Seebataillone  errichtete  Wasserzentrale. 
Da  ich  hier  Filter  und  Kocheinrichtung  in  grösserem  Masstabe 
verwandte,  ist  eine  nähere  Schilderung  vielleicht  nicht  ohne  Inter¬ 
esse.  Schon  die  Auswahl  des  Platzes  war  schwierig  in  einer  Stadt, 
deren  Boden  im  allgemeinen  einem  festgetretenen  Düngerhaufen 
nahekommt.  Der  Platz  musste  leicht  adaptierbare  Gebäude  bieten, 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Truppenunterkünfte  liegen,  für  Wasser- 
t'ulinverke  ohne  Störung  passierbar  sein,  das  Erdreich  erhöht  be¬ 
hufs  Ausschluss  einer  Verunreinigung  durch  schädliche  Zuflüsse 
von  aussen,  das  Gelände  selbst  früher  möglichst  wenig  oder  nicht 
bebaut,  geringste  Ansiedlung  in  der  Umgebung  zur  Verhütung  von 
Grundwasserverunreinigung  direkt  von  diesen  aus,  auf  dem  Ge¬ 
lände  bei  dem  völligen  QuellenmangeUein  wegen  der  Schmack¬ 
haftigkeit  sp  ziell  durch  Kochsalz  nicht  zu  verderbtes  Grund¬ 
wasser.  Mit  Hilfe  chinesischer  Polizei  fand  ich  einen  solchen 
Platz  in  einem  verlassenen  Tempel  auf  einem  niedrigen  Hügel 
in  dem  gegebenen  NW-Viertel  der  Chinesenstadt:  Längs  der  hin- 
leren  Umfassungsmauer  begrenzte  den  Hügel  ein  grosser  aus¬ 
getrockneter  Teich,  die  beiden  Seiten  breite  Gärten,  vor  dem 


Tempel  ein  weiter  Tlatz  mit  einem  verlassenen  Theater,  der, 
wieder  von  Mauern  umzogen,  auf  die  Chunehitliorstrasse  abfiel; 
diese  Strasse  führte  zu  den  Revieren  des  1.,  eine  weitere  längs  des 
Teiches  zu  denen  des  2.  Seebataillons.  Der  Tempel  hatte  -1  gut 
erhaltene  Hauptgebäude,  davor  in  einem  Doppelhof  8  kleinere 
halb  verfallene  (die  Priesterwohnungen)  und  einen  Schachtbrunnen 
mit  wenig,  aber  genügendem  Wasser.  Tempelhof  und  Boden  der 
Gebäude  waren  mit  Ziegelplatten  gepflastert,  auf  dem  übrigen 
Gelände  mächtige  Bäume.  Der  Tempel  war  kein  ganz  gewöhn¬ 
licher  des  buddinstisch-taoistiselien  Mischglaubens  (Foismus).  Er 
war  mit  grünen  Ziegeln  gedeckt;  in  der  Haupthalle  sass  in  der 
Mitte  erhöht  O-mi-do-Fo,  der  allglänzende  Buddha,  zu  seinen 
Seiten  Wu-liang-Kuan  und  Kuan-schi-yin,  die  Inkarnationen 
Buddhas  im  Pantschen  Rimpotsehe  in  Taschilhumpo  und  Dalai 
Lama  in  Lhasa;  an  den  Längswänden  die  8  taoistisclien  Genien 
(pa-sien);  in  den  Nebenhallen  gewöhnliche  Götter:  der  des  Krieges, 
Reichtums,  häuslichen  Herdes,  der  Zauberer,  Literaten  u.  a. ;  in 
der  4.  Halle  in  der  Mitte  die  Göttin  Kwang-Yin  tausendarmig, 
links  davon  dieselbe  mit  dem  Kind  auf  dem  Schoss,  rechts  Tien- 
niu-se,  die  taoistisclie  himmlische  Jungfrau,  mit  dem  Blumenkorb 
und  dem  K-i-lin  zur  Seite,  einer  löwenartigen  Ilundegestalt. 
Zwischen  den  Idolen  der  1.  und  4.  Halle  standen  die  Ho-schang, 
Räucherkerzen  haltende  Knaben:  alle  Figuren  aus  Lelnn,  auf  mäch¬ 
tigen  Backsteinpostamenten;  in  den  4  Hallen  vor  den  Idolen  ein 
schwerer  Eichenholztisch  mit  den  5  buddhistischen  Opfergeräten: 
Räucherstäbchenkessel.  2  Kerzen-  und  2  Blumenträger,  aus  Lelnn- 
masse:  in  der  1.  und  4.  Halle  dahinter  noch  die  symbolischen  Ab¬ 
zeichen  der  8  lamaistiselien  Kostbarkeiten  (aus  Holz):  Rad,  Panier, 
Glückseligkeitslinie,  Weihwassergefäss,  weisse  Lotosblume,  weisse 
Muscheltrompete,  goldene  Fische  aus  dem  Strom  des  Unheils  und 
der  Freude,  weisser  Schirm;  endlich  im  Hofe  vor  den  Türeingängen 
inschriftenbedeckte  Gedenksteine  an  den  Ta-rI  selling  Kaiser 
Kien-lung,  den  grossen  Förderer  des  Buddhismus,  tiagende,  un¬ 
geheure  Schildkröten  aus  weissem  Marmor,  vor  dem  Tempelviereck 
die  Torhalle  mit  den  4  Himmelskönigen  seitlich  (ein  blauer,  weisser, 
gelber  und  roter),  in  der  (Mitte  Mi-Loe,  der  stehende  Buddha  der 
Zukunft. 

Das  Aeussere  dieser  Gebäude  war  noch  gut,  das  Innere  desto- 
weniger:  Fingerdicker  Staub  überall,  die  verschmutzten  Papier¬ 
tapeten  zerfetzt  von  den  spinnwebenüberzogenen  Wänden  und 
1  lecken  hängend,  der  Boden  und  die  Ecken  voll  Gerümpel,  dei 
Papierüberzug  der  Holzgitterwände  nur  angedeutet,  die  Schrift  auf 
den  herumhängenden  Gebetsrollen  und  -Tafeln  unter  Staub  und 
Schmutz  verschwunden,  die  Türschlösser  durchgerostet,  die  Lüren 
kaum  mehr  in  den  Angeln.  Es  begann  das  Aufräumen.  Die  Lehm¬ 
götzen  wurden  gestürzt  von  Soldatenhand  (zur  Schonung  der 
religiösen  Gefühle  der  chinesischen  Arbeiter),  mit  dem  Schutt  auf¬ 
geräumt.  die  Postamente  herausgerissen,  deren  Backsteine  zur 
Wiederverwendung  aufgehoben,  die  Wände  abgekratzt  und  mit 
Kalkmilch  getüncht,  die  Papierverkleidung  der  Holzgitterseiten 
erneuert  und  die  nötigen  Glasscheiben  eingefügt,  die  Holzgitter- 
decke  (der  Rattentummelplatz)  herausgerissen,  die  nun  zutage 
tretende  innere  Holzauskleidung  des  Daches  weiss  getüncht, 
Pflasterung  ausgebessert,  die  störenden  Verbindungsmauern  zwi¬ 
schen  den  Hallen  abgetragen,  die  altersschwache  Aussenmauer 
geflickt,  die  verfallenen  Priesterlniuser  und  das  dem  Umsturz  nahe 
Torhaus  niedergelegt  zur  Materialgewinnung,  die  unbrauchbaren 
wackeligen  Mauertiirchen  zugemauert,  dafür  die  Vorder-  und 
Hintermauer  breit*  durchbrochen  und  mit  verscliliessbaren  Holz- 
fliigeltoren  versehen,  mit  dem  Bauschutt  Zufahrtstrassen  ge¬ 
schaffen. 

Auch  die  eigentliche  Einrichtung  führten  die  chinesischen 
Handwerker  rasch  und  gut  aus,  wie  stets,  wenn  man  sich  an 
chinesische  Muster  hielt.  Nur  die  5  grossen  Berkef eidfilter  mach¬ 
ten  Schwierigkeiten,  sie  hatten  in  ihrer  üblichen  Packung  durch 
den  Transport  unglaublich  gelitten:  Ein  Kessel  war  der  Länge 
nach  gebrochen,  eine  Pumpe  in  der  Mitte  schräg  durchgesprengt, 
die  Bretter  gesprungen,  3  Kessel  von  den  eisernen  Stützen  und 
diese  vom  Brett  gebrochen,  zahlreiche  Kerzen  zertrümmert,  vor 
allem  aber  die  Verbindungsrohre  zwischen  Pumpe  und  Filterkessel 
verbogen,  geknickt,  eingerissen  (diese  Rohre  hatten  bei  allen 
(21)  Filtern  gelitten,  die  in  meine  Hände  kamen,  was  um  so  miss¬ 
licher  ist.  da  die  Pumpe  nicht  mehr  dicht  arbeitet  und  eine  Dich¬ 
tung  wegen  nötiger  Verschraubungs-  und  Lötungsarbeiten  sehr 
schwierig  ist).  Mein  alter  Vorarbeiter  zog  heftig  an  seinem  Zopf 
und  wir  murmelten  beide:  „buchaula,  eben  buchaula“  (sehr 
schlimm):  aber  wir  brachten  aus  den  5  gebrochenen  4  ganze  Filter 
fertig.  3  kleine  Filter,  vom  Marine-Regiment,  übergeben,  waren 
ebenso  wie  2  weitere  grosse,  die  ich  zur  Erweiterung  des  Betriebs 
später  erhielt,  in  passablem  Zustand,  abgesehen  von  Sprüngen  im 
Brett,  verbogenen  Schrauben  und  Verbindungsstücken,  zertrüm¬ 
merten  Kerzen. 

Das  Aussehen  der  fertigen  Station  war  folgendes: 

In  der  Mitte  des  gepflasterten  Hofes,  der  neu  gegrabene 
Brunnen,  angelegt  nach  Art  der  chinesischen  Schachtbrunnen, 
2  m  breit,  8,5  m  tief.  Die  Erdschicht  war  bis  5 %  in  Kulturschutt 
(Backsteine,  Thon-  und  Porzellanscherben,  Kupfer-  und  Bronze¬ 
trümmer).  hierauf  lehmig-sandig;  die  wasserführende  Schicht,  m 
714  m  beginnend,  wurde  noch  iyä  m  tief  ausgehoben,  war  bräun¬ 
lich-gelblich,  sandig,  nicht  riechend,  Wasser  klar  und  mit  starkem 
Druck  hervordrängend.  Der  unterste  Meter  des  Schachtes  wurde 
aus  übereinandergelegten  breiten  Ziegelplatten  gebaut  und  hierauf 
mit  Backsteinen  aufgemauert,  das  Innere  des  Schachtes  zu  unterst 
mit  einer  Lage  halbrunder  Dachziegel,  darüber  mit  Kieselsteinen, 
dann  30  cm  hoch  mit  einer  Mischung  von  Kohlenasche  und  Sand 


14.  Oktober  1902. 


MtTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1735 


mul  diese  wieder  mit  Kieselsteinen,  das  Ganze  y,  m  hoch,  gedeckt 
Ebenso  wurde  die  Aussenwand  des  Schachtes“  mit  einem  Filter 
umgeben:  1  ya  m  von  der  Schachtmauer  wurden  bis  zu  2  m  Höhe 
Dachziegel  übereinander  geschichtet,  hinter  diesen  eine  30  cm 
bi  eite  Kieselschicht,  dann,  je  C>()  cm  breit,  eine  Asche  und  zu  innerst 
eine  Sandschicht,  jede  Schicht  durch  lose  gestellte  Backsteine  von 
der  anderen  getrennt.  Der  über  dem  Hof  50  cm  erhabene  Rand 
wurde  mit  Sandsteinplatten  abgedeckt,  die  beiden  Oeffnungen  zum 
Wasserschöpfen  erhielten  50  cm  hohe,  durch  Schiebdeckel  schliess- 
bare  Lochsteine,  dazu  kam  noch  eine  Ziehrolle  mit  Doppeleimer. 
Aus  dem  schon  vorhandenen  Schachtbrunnen  wurde  der  Schlamm 
ausgeschöpft  und  ausgeschaufelt,  bis  in  9  m  Tiefe  reiner  gelber 
Sand  erschien,  hierauf,  wie  in  dem  neuen  Brunnen,  ein  Innenfilter, 
Vs  m  hoch,  hergestellt,  erhöhte  Schöpfsteine,  Ziehrolle,  Doppeleimer 
angebracht,  Pflasterung  um  die  Brunnen  erneuert. 

In  Gebäude  1  waren  2  durch  eine  2  m  hohe  Mauer  getrennte 
Räume,  im  kleineren  (la),  der  Filterkammer,  auf  einem  ITolz- 
gestell  3  grosse  und  3  kleine  Berkefeldfilter  montiert,  deren 
Schläuche  den  darunter  befindlichen  Tontöpfen  das  Wasser  ent¬ 
nahmen,  die  Saugtrichter  waren  noch  mit  einer  G  fachen  Lage  Mull 
überzogen ;  das  filtrierte  Wasser  gelangte  je  in  einen  Zinkblechtrichter, 
von  dem  von  jedem  Filter  eine  gleiche  Röhre  durch  Hie  Mauer  das 
Wasser  den  Tontöpfen  in  1  b,  dem  Kochraum,  zuführte.  Hier  war 
eine  Heizanlage  von  5  Feuerungen  für  je  2  hintereinander  ge¬ 
mauerte  chinesische  Eisenkessel  von  SO  Liter  Fassungsvermögen, 
im  ganzen  also  10  Stück,  in  denen  das  filtrierte  Wasser  y4  Stunde 
wallend  gesotten  wurde.  Die  Rauchgase  wurden  durch  2  Kamine 
abgeleitet,  der  Wasserdampf  durch  einen  D/2  m  breit  und  hoch 
dem  Dach  aufgesetzten,  mit  verstellbarem  Klappdeckel  versehenen 
Ventilationsschlot.  Die  von  der  Halle  ganz  getrennten  Seiten¬ 
räume  1  e  und  d  dienten  den  Kulis  zur  Kleiderablage  und  zum 
Essen.  Gebäude  2  war  ähnlich  eingerichtet  wie  1:  In  2a  3  grosse 
Filter,  deren  Wasser  durch  die  Scheidemauer  nach  2  b  gelangte 
und  hier  aus  den  Tontöpfen  in  G  Kessel  mit  3  Feuerungen;  1  Kamin, 
im  Dach  der  Ventilationsschlot,  ln  Gebäude  3  waren  25  mit  Ilolz- 
declceln  versehene,  je  170  Liter  fassende  Tontöpfe  zur  Aufbe¬ 
wahrung  des  gebrauchsfertigen  Wassers.  Durch  die  Hinterwand 
gingen  3  Röhren,  innen  mit  Trichteransätzen,  durch  die  das  Wasser 
mittels  einer  auf  einer  Leiste  über  den  Tontöpfen  durch  Roll- 
hrett  verschieblichen,  mit  Saug-  und  Druckschlauch  versehenen 
Handpumpe  (von  einem  abyssinischen  Brunnen  entsprechend 
adaptiert)  direkt  aus  den  Tontöpfen  in  die  unter  den  Ausgussrohren 
aussen  vorfahrenden  Wasserwagen  gepumpt  wurde.  Gebäude  4 
enthielt  2  Räume,  in  dem  einen  wurden  die  Reserveteile  der  Filter 
aufbewahrt  und  die  Kerzen  gereinigt,  zum  Auskochen  derselben 
war  hier  ein  besonderer  Heizkessel,  daneben  ein  Gestell  zum  Ab¬ 
reiben  der  Filter  und  Auf  hängen  der  reinen  Kerzen.  Der  andere 
Raum  diente  den  2  Aufsichtsmannschaften  zur  Wohnung,  hatte 


i  einen  mit  2  Durchsichten  mit  Eisenplatten  versehenen,  2  m  hohen 
Ziegelofen;  in  beiden  Längswänden  Flügeltüren  und  Ventilations¬ 
klappfenster.  Gebäude  5  enthielt  Latrine  und  Abortsitz  für  die 
Mannschaften,  Tonnensystem  mit  Auswechseltopf,  Desinfektion 
|  aus  danebenstehendem  Kalkmilchtopf.  Hinter  Gebäude  1  der 
Chinesenabort,  mit  G  Töpfen  (bezw.  Wechseltöpfen).  Die  Abfälle 
wurden  an  einer  entfernten  Stelle  des  ausgetrockneten  Teiches 
abgelegt.  Der  Platz  zwischen  4.  und  5.  Gebäude  diente  für  Hand¬ 
werkarbeiten  und  zur  Aufstapelung  des  Brennmaterials. 

Zum  Betriebe  dienten  2  Seesoldaten  als  Aufsicht,  dazu  14  Kuli, 
jeder  derselben  mit  festgelegter  Arbeit:  je  2  hatten  Herbeitragen 
des  Brunnenwassers,  Einschöpfen  des  filtrierten  Wassers  in  "die 
Kessel,  Feuerung  und  Kesselreinigung,  Hinübertragen  des  ge¬ 
kochten  Wassers  in  Gebäude  3,  Pumpen  in  die  Wägen  nebst  den 
nötigen  Hausarbeiten,  3  pumpten  durch  die  Filter,  1  hatte  Filterreini¬ 
gung  und  Auswechseln.  Folgende  Vorschriften  waren  in  chinesischer 
Schrift  an  den  Wänden  auf  gehängt:  Die  Arbeit  dauert  von  7  Uhr 
Morgens  bis  7  Uhr  Abends,  mit  einstiindiger  Esspause  um  12  Uhr. 
Vor  Arbeitsbeginn  um  7  und  1  Uhr  sind  die  Hände  in  dem  blauen 
Blechtopfe  im  Hofe  mit  Seife  und  lieissem  Wasser  zu  waschen. 
Zur  Arbeit  werden  die  Oberkleider  in  Raum  c  und  d  abgelegt, 
die  Zöpfe  um  den  Kopf  gebunden.  Ausspucken,  ausser  in  die 
weissen  Blechschüsseln,  rauchen,  essen  in  den  Arbeitsräumen, 
Hineinlangen  mit  den  Händen  in  die  Wassertöpfe,  Hineinwerfen 
von  Gegenständen  in  die  Brunnen  oder  Herumwerfen  von  solchen 
auf  dem  Hof,  das  Knoblauchessen  überhaupt  sind  verboten.  Die 
Holzkübel  werden  täglich  vor  Gebrauch  mit  lieissem  Wasser  ge¬ 
bürstet,  Abends  in  Raum  3  gestellt,  Boden  nach  oben.  Zum  Holen 
des  Brunnenwassers  dienen  die  blauen,  des  filtrierten  die  roten,  des 
gekochten  die  gelben  Kübel.  Alle  Räume  werden  allabendlich  mit 
verdünnter  Kalkmilch  aufgewaschen.  Die  Abgänge  sind  in  dem 
Chinesenabort  abzulegen,  jedesmal  ein  Löffel  Kalkmilch  nachzu¬ 
schütten.  Verfehlungen  werden  mit  Lohnabzügen  gestraft. 
Fürchtet  euch  und  gehorchet!  —  Die  Kuli  machten  zunächst  grosse 
Augen  über  die  unangenehme  Reinlichkeit  und  das  Verbot  so  vieler 
süsser  Gewohnheiten,  doch  nach  einigen  Lohnentziehungen  (die 
später  wieder  erstattet  wurden)  ging  alles  glatt. 

Die  gesamten  Adaptierungsarbeiten  waren  in  IG  Tagen  fertig 
geworden.  Inwieweit  entsprach  nun  die  Station  den  gestellten 
Anforderungen?  Die  IG  Kochkessel  fassten  rund  1200  Liter,  das 
Kochen  nahm  je  1  Stunde  in  Anspruch,  durch  die  9  Filter  liefen 
unter  kräftigem  Pumpen  und  einmal  täglichem  Filterwechsel  in 
der  Stunde  ca.  900  Liter,  bei  zwei-  bis  dreimaligem  Wechsel  1200, 
demnach  konnten  bei  mässigem  Betriebe  9000,  bei  starkem  bis 
zu  12  000  Liter,  oder  9 — 12  Liter  pro  Kopf  und  Tag  abgegeben 
werden.  Das  Durchschnittsresultat  der  Wasseruntersuchung  im 
Schacht  des  neuen  Brunnens  vor  Einrichtung  des  Sand-Kohle¬ 
filters  war: 


Datum 

Wasser¬ 

tierchen 

Gesamt- 

Keimzahl 

Komma- 

Kolonien 

Koli- 

Kolonien 

Anaerobier 

Hitzebe¬ 

ständige 

Bakterien 

H  arte 

Chlor 

Salpeter¬ 

säure 

Salpetrige 

Säure 

Ammoniak 

Organische 

Substanz 

13.  III.  01 

42 

28  730 

102 

251 

172 

327 

14.  III.  01 

27 

25  604 

114 

204 

104  . 

292 

89,6 

1,09 

zuviel 

zuviel 

zuviel 

3,79 

Nach  Einrichtung  des  Filters  und  wiederholtem  Ausschöpfen  : 


31.  III.  01 

12 

15  300 

89 

115 

127 

201 

_ 

_ 

2.  IV.  01 

3 

8  275 

26 

53 

98 

107 

_ 

_ 

_ 

4.  IV.  01 

4 

3  160 

18 

36 

82 

76 

78,4 

0,53 

zuviel 

wenig 

wenig 

1,91 

9.  IV.  01 

0 

1  876 

5 

9 

31 

26 

70,1 

0,51 

viel 

6 

0 

0,81 

20. IV.  01 

0 

1790 

7 

11 

22 

19 

70,1 

0,5 

viel 

0 

0 

0,92 

39.  IV.  01 

0 

1902 

5 

7 

42 

21 

70,1 

0,5 

viel 

0 

0 

0,86 

15.  V.  01 

0 

2  400 

11 

20 

60 

40 

70,1 

0,5 

viel 

0 

0 

0,97 

Im  alten  Brunnen : 


24.  XII.  1900  |  21  |  18  900  |  61 


45  i  102  i  189 


Nach  Einrichtung  des  Innenfilters  und  wiederholtem  Ausschöpfen : 


71,0 


0,6 


viel 


0  |  wenig 


15.  III,  01 

8 

9  200 

22 

16 

31 

71 

70,0 

0,5 

viel 

0 

0 

10.  IV.  01 

0 

3  300 

15 

17 

21 

39 

70,0 

0,5 

viel 

0 

0 

15.  V.01 

0 

5  200 

30 

22 

65 

40 

70,0 

0,5 

viel 

0 

0 

1,09 


0,97 

0,87 

0,93 


Meine  Voraussetzungen  hinsichtlich  Boden  und  Grundwasser 
waren  nicht  bestätigt.  Zwar  wurde  der  Tempel  nach  einer  der 
Denksäulen  im  9.  Regierungsjahre  Yung-Chings,  also  1732  erbaut, 
später  von  Kien-Iung  renoviert,  bei  der  geringen  Grösse  des  Tem¬ 
pels  und  der  Zahl  der  Priesterhäuser  war  die  Verunreinigung  von 
oben  nicht  übergross,  der  5 y2  m  hohe  Kulturschutthügel,  aus 
noch  früherer  Zeit,  wäre  ebenfalls  unbedenklich,  zumal  bei  dem 
Fehlen  der  sonst  im  Untergrund  gefundenen  Knochen.  Doch  hatte 
der  Grundwasserstrom  eine  andere  als  die  angenommene  Richtung, 
von  Osten,  aus  einem  dichtbevölkerten  Viertel,  statt,  dem  Aussehen 
des  Geländes  nach,  von  Nordnordost;  die  Richtung  erhellte,  ab¬ 
gesehen  von  dem  stärkeren  Hervorquellen  des  Wassers  von  Osten 
in  beiden  Brunnen,  daraus,  dass  wir  reichliches  Wasser  erhielten, 
als  ich  wegen  Wasserabnahme  2,  ungefähr  400  m  östlich  in  der 
Chunehistrasse  liegende,  vielgebrauchte  Brunnen  scliliessen  lassen 
musste  (dies  war  möglich,  da  in  der  Strasse  noch  5  andere  Brunnen 
waren).  Ferner  nahm  ich  Abfluss  des  Grundwassers  zu  dem 
Untergrund  des  trockenen  Teiches  an,  während  dessen  Grund¬ 
wasser,  wie  ein  dort  angelegter  abyssinisclier  Brunnen  (mit  total 


unbrauchbarem  Wasser)  bewies,  auf  gleichem  Niveau  stand.  Die 
auffällige  Abnahme  in  der  chemischen  und  bakteriologischen  Zu¬ 
sammensetzung  beobachtete  ich  auch  anderenorts,  die  im  Boden 
angehäuften  Stoffe  erfuhren  durch  Anlage  und  starken  Gebrauch 
eines  Brunnens  augenscheinlich  eine  Art  Ausspülung  und  blieben 
später  in  ihrer  Zusammensetzung  beständig;  das  Verschwinden 
von  salpetriger  Säure  und  Ammoniak,  sowie  der  Rückgang  von 
organischer  Substanz  und  Bakterienzahl  kommt  wohl  auch  auf 
Rechnung  der  Filter,  der  schon  nach  einem  Monat  wieder  ein¬ 
setzende  Anstieg  der  letzterwähnten  Bestandteile  beweist  das 
beginnende  Versagen  der  Filter.  Das  gewonnene  Wasser  war  ge¬ 
ruchlos,  in  hoher  Schicht  weisslieh,  nur  für  grosse  Buchstaben 
durchsichtig,  es  enthielt  feinst  suspendierten  Lehm.  Durch  das 
Passieren  der  Berkefeldfilter  wurde  es  klar,  Härte  40 — 41  (durch 
Ausfallen  des  kohlensauren  Kalkes),  Kochsalz  0,5,  organische  Sub¬ 
stanz  0,35 — 0,4.  Nach  %  ständigem  Kochen,  n  i  c  h  t  e  li  e  r,  fiel 
nochmals  ein  ansehnlicher  weissgelblicher  Niederschlag  aus, 
Härte  38,  es  bildete  sich  ein  gelblich-bräunlicher  Schaum,  auf  der 
Oberfläche  ferner  eine  Schicht  zusammenrinnender,  öliger,  glänzen- 


1736 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


der  Tropfen,  organische  Substanz  0,3—0,35.  Schaum  und  Tropfen 
wurden  abgeseliöpft.  Die  Borkefeld  arbeiteten  1  Stunde  keimfrei 
und  leicht,  in  der  2.  leicht,  aber  schon  bis  100  Keime,  in  der  3. 
schwer,  bis  400  Keime,  in  der  4.  sehr  mühsam,  900 — 1000  Keime; 
nach  längstens  4  Stunden  Filterwechsel.  Die  Aussenfhiclie  der 
Kerzen  war  dicht  überzogen  mit  einer  schmierigen,  gelblich-bräun¬ 
lichen  Masse,  aus  Lehm,  Kalk,  Bakterien,  Wassertierchen  be¬ 
stehend.  Das  fertige  Wasser  war  für  Peking  brauchbar,  nicht 
zu  kochsalzreich  und  zu  hart,  genügend  an  Menge,  aber  nicht  von 
hervorragendem  Wohlgeschmack.  Einwandfreies  geschmackloses 
Wasser  lässt  sich  in  Peking  *)  nur  durch  Destillatoren  erzielen, 
was  ich  schon  wegen  der  geologischen  Bodenentstehung  in  den 
ersten  14  Tagen  meiner  Untersuchungen  erklärt  hatte. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  14.  Oktober  1902. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Hamburg,  den  9.  d.  M.:  Vom  G.  bis 
8.  Oktober  tagte  hier  die  9.  Jahresversammlung  des 
Zentralverbandes  von  Ortskrankenkassen  im 
Deutschen  Reiche,  die  am  3.  Verhandlungstage  die  Be¬ 
schlüsse  des  30.  Aerztetages  in  Königsberg,  soweit  sie  sich  auf  die 
Krankenkassen  beziehen,  auf  ihre  Tagesordnung  gesetzt  hatte. 
Wohl  selten  sind  wir  Aerzte  in  einer  öffentlichen  Versammlung 
so  schmählichen  Angriffen  und  Verleumdungen  ausgesetzt  worden, 
als  in  dieser  Debatte  am  8.  Oktober,  und  den  als  Delegierten  an¬ 
wesenden  Kollegen  Lennhof  f-  Berlin  und  Liebeschütz- 
Dessau  war  es  nicht  möglich,  gegen  die  Uebermacht  wirksam  auf¬ 
zukommen.  Einige  Sätze  aus  den  in  der  Diskussion  gehaltenen 
Reden  mögen  zeigen,  von  welchen  Gesichtspunkten  aus  in  diesen 
Kreisen  die  Vertretung  der  deutschen  Aerzte  beurteilt  wird. 

Der  Berichterstatter  erklärte  die  Beschlüsse  des  Aerztetages 
als  den  Ausfluss  der  krassesten  Standesinteressen.  Die  letzten 
Aerztetage  hätten  nicht  Zeugnis  davon  abgelegt,  dass  deren  Teil¬ 
nehmer  an  sozialpolitischer  Erkenntnis  gewonnen  hätten.  Ein 
anderer  Redner  Deputierte  den  Aerzten,  sie  nähmen  was  sie  be¬ 
kommen  könnten.  Nach  ihrer  Meinung  müsse  es  im  Kranken¬ 
versicherungsgesetz  heissen:  „Für  jeden  Kranken  wird  3,00  M. 
Honorar  bezahlt,  das  übrige  erhalten  die  Kranken.“  Man  sprach 
wiederholt  von  sozialpolitischer  „Rückständigkeit“  der  Aerzte, 
und  ein  Redner  verstieg  sich  zu  dem  Ausspruche,  viele  Aerzte 
Ständen  an  sozialpolitischer  Bildung  hinter  Schustern  und  Schnei¬ 
dern  zurück. 

Schliesslich  gelangte  mit  grosser  Majorität  die  folgende  Re¬ 
solution  zur  Annahme: 

„1 )  i  e  9.  J  a  hresversa  m  m  1  u  ng  d  e  s  Z  e  n  t  r  alver- 
b  a  n  d  es  der  Ortskrankenkassen  erblickt  in  de  n 
Beschlüsse  n  d  e  s  30.  d  euts  c  li  e  n  Aerzte  t  a  g  e  s,  d  e  n 
II  o  n  o  rarbesti  m  m  ungen  bei  den  Krankenkassen 
die  staatliche  Taxe  zu  Grunde  zu  legen,  und 
Personen  mit  einem  Gesamteinkommen  über 
2000  M.  von  der  Krankenversicherung  a  u  s  z  u  - 
schliessen,  den  Ausdruck  einseitiger  Inter- 
essenpoliti  k“,  nachdem  ein  Antrag  des  Vorsitzenden,  an 
Stelle  der  letzten  4  Worte  zu  setzen:  „zu  weitgehende  For¬ 
derungen“,  abgelehnt  worden  war. 

Es  ist  wieder  die  leidige  Honorarfrage,  welche  die  Kranken¬ 
kassen  so  in  Harnisch  gebracht  hat  und  sie  das  altbekannte  Ge¬ 
spenst  des  „finanziellen  Ruins“  an  die  Wand  malen  lässt.  Dabei 
ist  der  Königsberger  Aerztetag  von  der  früher  stets  erhobenen 
Forderung  der  Bezahlung  der  Einzelleistung  abgegangen  und  ver¬ 
langte  nur,  dass  den  Honorarbestimmungen  die  staatliche  Taxe 
zu  Grunde  gelegt  werde.  Es  ist  nicht  recht  verständlich,  warum 
die  Kassen  hiergegen  sich  so  energisch  wehren  zu  müssen  glauben. 
Nach  dem  Tone,  der  auf  dem  Verbandstage  herrschte,  und  der  all¬ 
seitig  zur  Schau  getragenen  Animosität  gegen  die  Aerzte  und  spez. 
gegen  den  Aerztetag,  scheint  an  Verständigung  mit  den  Orts¬ 
krankenkassen,  wenigstens  vorläufig,  nicht  zu  denken  zu  sein. 

—  Die  einem  Münchener  Apotheker  bisher  gesetzlich  ge¬ 
schützte  sogen.  „G  raduieru  n  g“  der  Sublimatpastillen,  d.  i. 
die  Anbringung  einer  Einkerbung  in  der  Mitte  der  Pastille,  wo 
durch  es  ermöglicht  wird,  dieselbe  leicht  in  zwei  gleiche  Teile 
zu  zerbrechen,  ist  neuerdings  gelöscht  worden.  Die  Herstellung 
„graduierter“  Pastillen  ist  somit  freigegeben. 

—  Die  konstituierende  Versammlung  der  Deutschen  Ge¬ 
sell  s  c  li  a  ft  zu  r  B  e  k  ä  m  pfung  der  Geschlechts- 
k  r  a  n  k  li  e  i  t  e  n  findet  am  19.  Oktober  1.  J.  lly3  Uhr  im  Bürger¬ 
saal  des  Rathauses  in  Berlin  statt. 

—  Pest.  Aegypten.  In  der  Zeit  vom  19.  bis  2G.  Sep¬ 
tember  sind  in  Alexandrien  4  Erkrankungen  und  2  Todesfälle  an 
der  Pest  festgestellt  worden.  —  Britisch-Ostindien.  In  der  Präsi¬ 
dentschaft  Bombay  sind  in  den  am  G.  und  am  13.  September  ab- 
gelaufenen  Wochen  5479  und  7492  Erkrankungen  (3932  und  5409 
Todesfälle)  au  der  Pest  zur  Anzeige  gekommen,  davon  44  und  50 
(37  und  56)  in  der  Stadt  Bombay,  G  und  7  (G  und  5)  in  der  Stadt 
und  dem  Hafen  Karachi.  Die  Seuche  zeigte  somit  wieder 
eine  erhebliche  Zunahme.  —  Hongkong,  ln  der  Zeit  vom  10.  bis 
30.  August  sind  31  Pestfälle,  welche  sämtlich  einen  tödlichen  Ver¬ 
lauf  hatten  und  Chinesen  betrafen,  zur  Anzeige  gelangt.  — 
Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  ist  am  2..  3.,  4.,  5.  und  7.  September 
je  ein  weiterer  Todesfall  an  der  Pest  festgestellt  worden. 

—  In  der  39.  Jahreswoche,  vom  21.  bis  27.  September  1902, 


*)  Dieser  Umstand,  sowie  die  hochgradige  chemische  Ver¬ 
unreinigung  führen  sich  zum  Teil  auf  die  Lössformation  zurück, 
weitere  Details  sind  hier  nicht  möglich. 


hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Königshütte  mit  35,2,  die  geringste  Kaiserslautern 
mit  5,1  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Altona,  Beutlien, 
an  Unterleibstyphus  in  Bromberg.  V.  d.  K.  G.-A. 

_  Im  Aufträge  des  Vereins  für  freie  Arztwahl  in  Stuttgart 

haben  die  Herren  Dr.  Gutbro  d,  Prof.  Königshöf  er  und 
Stabsapotheker  Seel  unter  Mitwirkung  vieler  Stuttgarter  Aerzte 
(äne  „A  n  1  e  i  t  u  n  g  zur  ökonomischen  Rezeptur“ 
herausgegeben.  Das  an  bekannte  Muster  sich  anlehnende  Heft¬ 
chen  bringt  eine  kurze  Anleitung  zum  billigen  Rezeptieren,  die 
allgemeinen  Bestimmungen  der  württembergischen  Arzneitaxe  und 
endlich  das  Verzeichnis  der  Medikamente  mit  den  Preisen  nach 
der  Taxe  von  1902  mit  zahlreichen  Rezeptbeispielen.  Als  Anlagen 
folgen  Verzeichnis  der  Spezialitäten,  deren  Anwendung  den 
Kassenärzten  ohne  weiteres  gestattet  sein  soll,  Maximaldosen¬ 
tabolle  und  Arzneiverordnung  und  Dosierung  für  Kinder.  Man 
kann  nur  wünschen,  dass  die  hier  gegebenen  kurzen  Anleitungen 
von  den  Kollegen,  für  die  sie  bestimmt  sind,  nach  Möglichkeit  be¬ 
achtet  werden,  um  endlich  die  unverhältnismässig  hohen  Ausgaben 
der  Kassen  für  Rezeptur  zu  verringern. 

(II  oc  h  sc  liulnach  richte  n.) 

Berlin.  Als  Nachfolger  Karl  Gerhardts  wurde  Prof. 
Friedrich  K  r  a  u  s  in  Graz  zum  Leiter  der  II.  medizinischen 
Klinik  berufen.  Der  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Fürbringe  r  hat 
aus  Gesundheitsrücksichten  bei  der  städtischen  Behörde  um  Ent¬ 
bindung  von  der  ärztlichen  Leitung  der  inneren  Abteilung  des 
Krankenhauses  Friedrichshain  zum  1.  April  1903  nachgesucht. 

M  ünche  n.  Die  Anders  Retziusmedaille  in  Gold  der 
schwedischen  ärztlichen  Gesellschaft  wurde  dem  Geheimrat  Dr. 
C.  v.  V  o  i  t  zuerteilt. 

G  r  a  z.  Prof.  v.  Rosthorn  hat  einen  Ruf  als  Professor  der 
Frauenheilkunde  in  Heidelberg  angenommen. 

P  r  a  g.  Habilitiert:  Dr.  E.  Formanek  für  gerichtliche  Me¬ 
dizin  und  Toxikologie  an  der  czechischen  medizinischen  Fakultät. 

R  o  m.  Habilitiert:  Dr.  M.  J  a  1 1  a,  bisher  Privatdozent  an 
der  medizinischen  Fakultät  zu  Pavia,  für  allgemeine  Pathologie. 

W  i  e  n.  Als  Privatdozent  für  Geburtshilfe  bestätigt  Dr.  Josef 
F  a  b  r  i  c  i  u  s.  Mit  der  Supplierung  der  Lehrkanzel  für  Hygiene 
wurde  Prof.  Dr.  Sc  hatten  fr  oh  betraut. 

(T  odesfäll  e.) 

In  Bonn  starb  der  Geheime  Obermedizinalrat  a.  D.  Hermann 
E  u  1  e  li  b  u  r  g,  ein  hochverdienter  Medizinalbeamter  und  Schrift¬ 
steller  auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Gesundheitspflege.  Er 
war  von  1870—1890  Vortragender  Rat  in  der  Medizinalabteilung  des 
preuss.  Kultusministeriums. 

Dr.  Eduard  Meyer,  G4  Jahre  alt,  seit  38G3  Augenarzt  in 
Paris,  ein  Schüler  G  r  a  e  f  e  s.  Ein  von  ihm  zuerst  in  französischer 
Sprache  herausgegebenes  Handbuch  der  Augenheilkunde  fand 
grosse  Verbreitung.  Seit  1882  Herausgeber  der  „Allgemeinen 
Revue  der  Augenheilkunde“. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Richard  Günther  in  Treucht- 
lingen,  seiner  Bitte  entsprechend,  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in 
Ilöchstadt  a.  Aisch. 

Verzogen:  Dr.  Grimm  von  Nürnberg  nach  Berlin.  Dr. 
Voigt  von  Nürnberg  nach  Säargemünd.  Dr.  Iliepp  von  Alsenz 
(Rheinpfalz)  nach  Lindau  i.  B. 

Gestorben:  Dr.  Fronmüller  in  Fürth,  40  Jahre  alt. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  39.  Jahreswoche  vom  2i.  bis  27.  September  1902. 
Beteiligte  Aerzte  132.  —  Brechdurchfall  14  (20*),  Diphtherie  u. 
Krupp  7  (7),  Erysipelas  7  (9),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  (1),  Kindbettfieber  1  ( — ),  Meningitis  cerebrospin.  • —  ( — ), 
Morbilli  10  (15),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  5  (2),  Parotitis 
epidem.  —  (  — ),  Pneumonia  crouposa  4  (3),  Pyämie,  Septikämie 

—  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  10  (15),  Ruhr  (Dysenteria)  —  (3), 

Scarlatina  2  (6),  Tussis  convulsiva  20  (20),  Typhus  abdominalis  4 
(1),  Varicellen  4  (2),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  2  (1). 
Summa  88  (104).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  39.  Jahreswoche  vom  21.  bis  27.  September  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen :  Masern  1  (1*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  —  (2),  Rotlauf  —  ( — ),  Kindbettfieber — ( — ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  —  (1),  Brechdurchfall  6  (12),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  2  (3),  Kruppöse  Lungenentzündung  —  (--),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  16  (19),  b)  der  übrigen  Organe  4  (4),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
4  (1),  Unglücksfälle  1  (1),  Selbstmord  4  (2),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  221  (215),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  22,7  (22,1),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  11,1  (10,8). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  Y.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdrucken*  A.U.,  München. 


Die  Münch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöehenti 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen. 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Ungarn  vierteljührl.  6  „ä 
ins  Ausland  8.—  M~  Einzelne  No.  80  4. 


MÜNCHENER 


Zn^endungen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Amulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND-  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  C!i.  Bäumler,  0,  Billiger,  H.  Curschmann,  W,  v,  Leiibs,  G,  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H,  v.  Ranke,  F  v  Wi 

München.  - -  ”  -  -  -  1  '  " 


Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Würzburg. 


Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen. 


München. 


München. 


No.  42.  21.  Oktober  1902, 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Leipzig. 

Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Natur  der 
Kreislaufstörung  im  Kollaps  bei  akuten  Infektions¬ 
krankheiten.*) 

Von 

Privatdozent  Dr.  Pass ler  und  Dr.  Rolly, 

1.  Assistent  der  Klinik.  Assistent  der  Klinik. 

Als  Ziel  jeder  Behandlung  der  akuten  Infektionskrankheiten 
erstreben  wir  neben  der  Bekämpfung  der  Krankheit  selbst  die 
Beseitigung  der  das  Leben  direkt  bedrohenden  Symptome. 

Wenn  es  auch  unzweifelhaft  ist,  dass  eine  Infektion  die  ver¬ 
schiedensten  lebenswichtigen  Funktionen  schädigen  kann,  so 
steht  doch  unter  den  das  Leben  unmittelbar 
gefährdenden  Symptomen  eine  Störung  des 
Kreislaufs  in  der  ersten  Reihe  der  klinischen 
Erscheinunge  n. 

Die  Kreislaufsschwäche  der  Fieberkranken  glaubte  man 
früher  ohne  weiteres  auf  eine  Schädigung  des  Herzens,  die  Er¬ 
lahmung  des  Kreislaufs  im  Kollaps  auf  eine  Herzparalyse  zurück- 
führen  zu  dürfen. 

Man  berücksichtigte  nicht,  dass  Störungen  der  Zirkulation 
nicht  nur  vom  Herzen,  sondern  ebenso  von  den  Gefässen  ihren 
Ausgang  nehmen  können.  Für  die  Therapie  ist  es  na¬ 
türlich  von  fundamentaler  Wichtigkeit,  zu 
wissen,  ob  die  Kreislaufschwäche  bei  den 
akuten  Infektionskrankheiten  durch  eine 
Schädigung  des  Herzens  oder  der  Gefässe  oder 
beider  zugleich  herbeigeführt  wird. 

Durch  klinische  Beobachtung  allein  liess  sich  diese  Frage 
nicht  endgültig  lösen;  nur  im  Tierexperiment  sind  wir  in  der 
Lage,  die  Leistungsfähigkeit  des  Herzens  und  diejenige  der 
Vasomotoren  getrennt  zu  prüfen. 

ln  einer  grösseren  Versuchsreihe  an  infizierten  Tieren  haben 
zuerst  R  o  m  b  e  r  g  und  P  ä  s  s  1  e  r J)  die  Erscheinungen  am 
Kreislauf  in  exakter  Weise  zu  analysieren  gesucht.  Sie  kamen 
zu  dem  Resultat,  dass  eine  Lähmung  des  Vasomotorenzentrums 
in  der  Medulla  oblongata,  nicht  eine  Schädigung  des  Herzens 
die  unmittelbare  Ursache  für  die  Kreislaufstörungen  im  Kol¬ 
laps  sei. 

Eine  Bestätigung  dieses  Satzes  fand  Pässler2)  später 
darin,  dass  er  ebenfalls  im  Experiment  an  infizierten  Tieren 
den  sinkenden  Blutdruck  durch  Vasomotorenreizmittel  in  un¬ 
gleich  besserer  Weise  günstig  beeinflussen  konnte  als  durch  Herz¬ 
mittel. 

Die  der  bisherigen  Anschauung  widersprechenden  Resultate 
gaben  verschiedentlich  Veranlassung  zu  Nachprüfungen. 

Rolly'"’)  untersuchte  die  Tätigkeit  des  Warmblüterherzens 
an  dem  nach  Hering  isolierten  Kreislauf.  Er  kam  zu  dem 
Schluss,  dass  unter  dem  Einfluss  von  grossen  Mengen  in  den 
Kreislauf  injizierten  Diphtheriegiftes  die  Herztätigkeit  erlahmt. 

*)  Nach  einem  auf  der  74.  Versammlung  Deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  zu  Karlsbad  gehaltenen  Vortrage. 

J)  Deutsch.  Arch.  f.  ldin.  Med.,  LXIV.,  1899,  pag.  652. 

)  Deutsch.  Arch.  f.  ldin.  Med.,  LXIAh,  1899,  pag.  715. 

s)  Arch.  f.  exper.  Patli.  u.  Pharm.,  XLII.,  pag.  283. 

No,  42 


Ferner  stellte  v.  S  t  e  j  s  k  a  1 4)  im  v.  Basch  sehen  Labora¬ 
torium  Tierversuche  an.  Er  injizierte  Hunden  im  Blutdruck¬ 
versuch  grosse  Mengen  Diphtheriegiftes  in  die  Vene.  Der  Druck 
wurde  nach  der  W  a  1 1  e  r  sehen  ')  Methode  gleichzeitig  in  der 
Kar otis  und  im  linken  Vorhof  gemessen. 

v.  S  t  e  j  s  k  a  1  glaubte  in  seinen  V ersuchen  eine  Bestätigung 
der  Angaben  von  Homberg  und  Pässler  zu  sehen,  dass 
das  Diphtheriegift  die  Vasomotoren  lähmt.  Die  ausschlaggebende 
1  rsache  für  die  letale  Blutdrucksenkung  sei  jedoch  in  einer 
unabhängig  von  der  Vasomotorenlähmung  auftretenden  Lähmung 
des  Diphtherieherzens  zu  suchen. 

Diese  zum  Teil  widersprechenden  Resultate  sind  auf  ver¬ 
schiedenen  Wegen  gewonnen  worden.  Es  lag  nahe,  dass  die 
V  idersprüche  durch  Unvollkommenheiten  der  Methodik  bedingt 
sind. 

Wir  stellten  uns  daher  zunächst  die  Auf¬ 
gabe,  erneut  zu  prüfen,  ob  und  in  welcher  Weise 
sich  Vasomotorenlähmung  und  Herzschwäche 
im  Blutdruckversuch  mit  Sicherheit  von  ein¬ 
ander  unterscheiden  lassen. 

Die  früher  von  R  o  m  b  e  r  g  und  P  ä  s  s  1  e  r  angewandte 
A  ersuchsmethode  bestand  im  wesentlichen  darin,  dass  bei  in¬ 
fizierten  Tieren  in  verschiedenen  Stadien  der  Krankheit  der 
Blutdruck  gemessen  wurde.  Die  Erregbarkeit  des  Vasomotoren¬ 
zentrums  wurde  durch  starke  sensible  Reize  oder  durch  vorüber¬ 
gehende  Erstickung  geprüft.  Die  hierbei  auftretende  Blutdruck¬ 
steigerung'  setzt  die  intakte  Funktion  von  Gefässen  und  Ilerz 
voraus.  Ein  Versagen  der  Reaktion  auf  sensible  Reizung  oder 
Erstickung  konnte  daher  bedingt  sein  entweder  durch  eine  Schä¬ 
digung  der  Vasomotoren  oder  durch  die  Unfähigkeit  des  Herzens, 
seine  vermehrte  Füllung  gegen  erhöhte  Widerstände  auszutreiben. 

Durch  Kompression  des  Unterleibs  —  Bauchmassage  — 
wird  das  Blut  aus  den  grossen  Abdominalvenen  dem  Herzen 
ohne  aktives  Mitwirken  der  Gefässe  in  vermehrter 
Menge  zugeführt.  Ein  leistungsfähiges  Herz  treibt  die  ver¬ 
mehrte  I  üllung  mehr  oder  weniger  vollständig  aus,  der  Blutdruck 
steigt. 

Einen  weiteren  Masstab  für  die  Leistungsfähigkeit  des 
Herzens  sahen  Romberg  und  Pässler  in  dem  Verhalten 
des  Blutdrucks  bei  Verschluss  der  Aorta  oberhalb  des  Zwerch¬ 
fells.  Das  leistungsfähige  Herz  wirft  sein  Blut  auch  gegen  die 
erhöhten  Widerstände  aus,  der  Druck  in  der  Aorta  steigt.  Ein 
geschwächtes  Herz  dagegen  vermag  sich  gegen  den  erhöhten 
Widerstand  nur  mangelhaft  zu  entleeren. 

Versagte  nun  an  den  infizierten  Tieren  beim  Eintritt  der 
Kreislaufstörung  die  Reaktion  auf  sensible  Reizung  und  Er¬ 
stickung,  während  die  Drucksteigerung  bei  Bauchmassage  und 
Aortenkompression  bestehen  blieb,  so  wurde  daraus  auf  eine 
Lähmung  der  Vasomotoren  bei  erhaltener  Herzkraft  geschlossen. 
Versagten  alle  Reaktionen,  so  war  die  Herzkraft  erlahmt. 

Die  von  v.  Stejskal  angewandte  Waller  sehe  Methode 
gründet  sich  darauf,  dass  normalerweise  die  dem  Herzen  zu- 
stömefiden  Blutmengen  vom  Ventrikel  jeweilig  vollkommen 
wieder  ausgeworfen  werden.  Wenn  das  Herz  ebensoviel  Blut 
in  die  Arterie  befördert,  als  der  Verhof  erhält,  so  muss  das  Ver- 


4)  Zeitsehr.  f.  klin.  Med.,  XLIV.,  1902,  pag.  367. 

Du  Bois-Reymonds  Arch.  f.  Physiol.  1878,  S.  525. 

1 


No.  42. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1738 


liältnis  zwischen  Arteriendruck  und  Vorhofdruck  ein  konstantes 
sein.  Sinkt  der  Blutdruck  in  der  Aorta  bei  Gefässlähmung,  also 
infolge  verminderten  Widerstandes,  so  wird  dadurch  die  Ent¬ 
leerung  des  Herzens  nicht  gehemmt.  Sinkt  der  Blutdruck  da¬ 
gegen,  weil  das  Herz  insuffizient  geworden  ist  und  sich  unvoll¬ 
kommen  entleert,  so  muss  auch  die  Entleerung  des  linken  \  or- 
hofs  in  den  Ventrikel  Not  leiden:  während  der  Aortendruck 
sinkt,  steigt  der  Vorhof  druck.  In  dem  Quotienten  aus  Karotis- 
druck  und  Vorhof  druck  sah  v.  Stejskal  den  Masstab  für  die 
jeweilige  Leistungsfähigkeit  des  Herzens  bei  seinen  Versuchs¬ 
tieren.  Es  galt,  die  Zuverlässigkeit  beider  Methoden  nachzu¬ 
prüfen.  LTnsere  Versuche  wurden  sämtlich  an  Kaninchen  an¬ 
gestellt.  c) 

Unsere  Versuche  begannen  wir  damit,  dass  wir  das  Para¬ 
digma  einer  sicheren  Vasomotorenlähmung 
zu  gewinnen  suchten.  Zunächst  injizierten  wir  den  Kaninchen 
intravenös  Chloralhydrat.  Danach  sank  der  Karotisdruck, 
während  gleichzeitig  der  Druck  im  linken  Vorhof  stieg.  Das 
Gift  rief  ausser  der  ebenfalls  eintretenden  Gefässlähmung  eine 
Insuffizienz  des  Herzens  hervor,  die  sich  überdies 
durch  eine  Abnahme  der  Reaktionen  auf  Bauchmassage  und 
Aortenkompression  kennzeichnete.  Das  Verhalten  des 
Blutdrucks  bei  Chlor  alvergiftung  war  dem¬ 
nach  zum  Paradigma  einer  reinen  Gefäss¬ 
lähmung  nicht  geeignet. 

Da  bei  dem  pflanzenfressenden  Kaninchen  die  vom  Splancli- 
nikus  innervierten  Gefässe  den  Blutdruck  vollkommen  beherr¬ 
schen,  so  kommt  die  Wirkung  einer  Splanchnikuslähmung  bei 
diesen  Tieren  —  im  Gegensatz  zu  den  Fleisch¬ 
fressern  —  derjenigen  einer  totalen  Vasomotorenlähmung 
auf  den  Blutdruck  bekanntlich  vollständig  gleich.  Wir  haben 
deshalb  den  Kaninchen  den  N.  splanchnicus 
beiderseits  in  der  Bauchhöhle  ausgerottet. 
Das  Verhalten  des  Blutdruckes  wurde  vor  und  nach  der  Opera¬ 
tion  geprüft.  Wir  betrachteten  die  Ausrottung  als  gelungen, 
wenn  auf  faradische  Reizung  der  Nasenschleimhaut  und  des 
N.  isehiadicus  keine  nennenswerte  Blutdrucksteigerung  mehr 
auftrat.  Der  Blutdruck  wurde  in  der  linken  Karotis  und  im 
linken  Vorhof  gemessen.  Die  Folge  der  Splanch- 
nikusresektion  ist  ein  Sinken  des  Druckes  in 
beiden  Manometern.  Die  Grösse  der  Druck¬ 
senkung  ist  jedoch  in  der  Karotis  und  im  \  or- 
hof  ungleich.  Ausnahmsweise  sinkt  der  Vorhof  druck  stär¬ 
ker  als  der  Karotisdruck.  In  der  Regel  sinkt  umgekehrt  der 
Karotisdruck  beträchtlicher  als  der  Vorhof  druck:  das  Herz 
arbeitet  dann  also  nach  Eintritt  der  Vaso¬ 
motorenlähmung  ungünstiger  als  bei  intakter 
Gefässfunktion. 

Die  Fähigkeit  des  Herzmuskels,  grössere 
Arbeit  zu  verrichten,  ist  aber  nicht  geschä¬ 
digt.  Wir  erkennen  das  sofort,  wenn  wir  durch  Bauchmassage 
oder  durch  Aortenkompression  dem  Herzen  grössere  Leistungen 
zumuten.  Bauchmassage  bewirkt  jetzt  eine  mindestens  ebenso¬ 
grosse,  oft  grössere  Drucksteigerung,  als  vor  der  Vasomotoren¬ 
lähmung;  auch  der  Vorhof  druck  steigt,  aber  viel  geringer  als  der 
Arteriendruck.  Der  Quotient  aus  Karotisdruck  und  Vorhofdruck 
wird  dadurch  bei  Bauchmassage  wesentlich  vergrössert,  und  zwar 
steigt  er  oft  auf  höhere  Werte  als  vor  der  Splanchnikusresektion. 

Auch  die  arterielle  Drucksteigerung  bei  Arterienkompression 
sehen  wir  nach  Eintritt  der  Vasomotorenlähmung  zunehmen, 
während  gleichzeitig  der  Vorhofdruck  nur  wenig  steigt  oder  sogar 
sinkt.  Der  Quotient  aus  beiden  Druckwerten  erreicht  dadurch 
noch  dieselben  Werte  wie  bei  Aortenkom¬ 
pression  vor  der  Splanchnikusresektion. 

Obwohl  also  nach  Eintritt  der  Gefässlähmung  das.  Herz, 
wenn  der  Kreislauf  sich  selbst  überlassen  bleibt,  relativ  ungünstig 
arbeitet,  so  ist  es  erhöhten  Anprüchen  gegenüber 
keineswegs  insuffizient.  Der  Herzmuskel  hat, 
wie  vorauszusetzen  war,  an  seiner  Leistungsfähig¬ 
keit  nichts  eingebüsst. 


8)  Bei  Ueberwindung  der  technischen  Schwierigkeiten  der 
Vorhof  druck  messung  kamen  uns  Ratschläge  des  Herrn  Prof, 
v.  Basch  zu  Hilfe.  Wir  gestatten  uns,  ihm  für  seine  bereit¬ 
willige  Unterstützung  unseren  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 


Hervorgehoben  zu  werden  verdient  übrigens  noch  der  Um¬ 
stand,  dass  der  Anstieg  des  Blutdrucks  in  der  Karotis  im  Augen¬ 
blick  der  Aortenkompression  von  dem  tieferen  Niveau  ebenso 
rasch  erfolgen  kann,  wie  vor  der  Splanchnikuslähmung  von  den 
höheren  Werten  aus,  wenn  nur  der  Vorhof  genügend  mit  Blut 
gefüllt  wird.  Ein  Unterschied  ist  nur  insofern  vorhanden,  als 
jetzt  der  Druck  nach  dem  ersten  rapiden  Anwachsen  bei  gleich¬ 
zeitig  fortschreitender  Besserung  der  Herzarbeit  noch  eine  Zeit- 
lang  allmählich  weiter  steigt,  während  bei  intakter  Gefässfunk¬ 
tion  die  Drucksteigerung  auf  Aortenkompression  das  anfangs 
erreichte  Mass  später  kaum  noch  wesentlich  überschreitet. 

Der  Kreislauf  zeigt  das  hier  geschilderte  Verhalten  bei  V asor 
motorenlähmung  nur  kurze  Zeit.  Bald  nämlich  beginnt  sich  der 
Ausfall  der  Reaktionen  zu  ändern.  Bauchmassage  steigert  den 
Karotisdruck  nicht  mehr  so  stark,  man  erzielt  damit  auch  nur 
noch  eine  geringere  Verbesserung  der  Herzarbeit. 

Ebenso  ändert  sich  das  Bild  bei  Aortenkompression.  Auch 
hier  werden  sowohl  die  arteriellen  Drucksteigerungen  wie  die 
Verbesserung  der  Herzarbeit  geringer;  zudem  erfolgen  sie  be¬ 
trächtlich  langsamer  als  anfangs. 

Wir  sehen  daraus,  dass  der  Herzmuskel  bei  einiger 
Dauer  der  Vasomotorenlähmung  erhöhten  An¬ 
sprüchen  gegenüber  nicht  mehr  dieselbe 
Leistungsfähigkeit  zeigt  wie  anfangs. 

Es  liegt  nahe  diese  unzweideutige  Schädi¬ 
gung  der  FI  e  r  z  k  r  a  ft  auf  eine  geringere  Durch¬ 
blutung  des  Herzmuskels,  bei  Vasomotoren- 
1  ä  h  m  u  n  g  zurückzuf  ii  h  r  e  n.  Wir  suchten  diese  Ver¬ 
mutung  auf  folgendem  Wege  zu  beweisen. 

Die  Aorta  wurde  oberhalb  des  Zwerchfells  dauernd  kompri¬ 
miert,  der  so  eingeengte  Kreislauf  durch  intravenöse  Kochsalz¬ 
infusion  in  die  Vena  jugularis  besser  gefüllt.  War  unsere  Auf¬ 
fassung  —  Schädigung  der  Herzkraft  infolge  mangelhafter 
Durchblutung  des  Herzmuskels  —  richtig,  so  war  anzunehmen, 
dass  das  Herz  sich  von  der  Schädigung  durch  die  Vasomotoren- 
lä Innung  wieder  erholte.  In  der  Tat  erzielten  wir  eine  zu¬ 
nehmende  Erhebung  des  Karotisdrucks,  bei  allmählich  immer 
mehr  sich  bessernder  Herzarbeit  bis  zu  Werten,  welche  zeitweise 
die  vorher  durch  Aortenkompression  erzielte  Verbesserung  der 
Herzarbeit  sogar  noch  überschritten.  Die  nach  Vaso- 
motorenlähmung  aufgetretene  Herzschädi¬ 
gung  liess  sich  also  durch  ausreichende  G  e  - 
fässfüllung  wieder  beseitigen. 

Für  die  von  uns  erstrebte  Beurteilung  der  Kreislaufkompo- 
nenten  gewinnen  wir  aus  den  Versuchen  mit  Splanchnikusresek¬ 
tion  den  Schluss,  dass  der  Quotient  aus  dem  Vorhof  druck  in  den 
Karotisdruck  wohl  ein  Bild  von  der  jeweils  besseren  oder  schlech¬ 
teren  Herz  a  r  b  e  i  t  geben  kann,  dass  wir  in  ihm  jedoch  kein 
exaktes  Mass  für  die  Herz  kraft  besitzen.  Einen  Mass¬ 
stab  für  die  Leistungsfähigkeit  des  Herzens, 
für  die  Herz  kraft,  erhalten  wir  durch  den 
Quotienten  erst,  wenn  wir  an  das  Herz  erhöhte 
Anforderungen  stellen,  wie  es  bei  Anwendung 
der  Bauchmassage  und  besonders  der  Aorten- 
kompression  der  Fall  ist. 

Wir  gingen  nun  dazu  über,  das  V  erhalten  des  Blut¬ 
druckes  bei  Herzinsuffizienz  noch  näher  zu  stu¬ 
dieren.  Zunächst  versuchten  wir,  eine  isolierte  Herzschwäche 
bei  intakt  bleibender  Gefässfunktion  zu  erzeugen.  Ein  Gift, 
welches  ausschliesslich  den  Herzmuskel  schädigt,  kennen  wir 
nicht.  Den  Versuch,  das  Herz  nach  dem  Vorgänge  v.  Stejs¬ 
kal  s  7)  durch  Erstickung  zu  schädigen,  hielten  wir  für  un¬ 
geeignet,  weil  in  der  Asphyxie  ausser  der  Schädigung  der  ILerz- 
kraft  in  ganz  unkontrollierbarer  Weise  noch  andere  Faktoren 
auf  das  Verhalten  des  Blutdrucks  wirken. 

Wir  suchten  deshalb  das  Herz  durch  intensive  Abkühlung  zu 
schwächen.  Auch  dieser  Weg  zeigte  sich  ungangbar,  da  das  Herz 
unter  dem  Einfluss  der  Kälte  zuerst  seine  diastolische  Erweite¬ 
rungsfähigkeit  verliert  und  schliesslich  in  Systole  stehen 
bleibt.  Uebrigens  erfährt  mit  dem  Herzen  auch  sein  Inhalt 
eine  starke  Abkühlung;  die  Folge  davon  war  eine  rasch  auf¬ 
tretende  Vasomotorenlähmung. 

Es  stand  uns  so  kein  geeignetes  Mittel  zur  Verfügung,  bei 
sicher  intakten  Gefässfunktionen  eine  isolierte  Herzschwäche  zu 
erzeugen.  Wir  können  jedoch  den  Einfluss  der  Herz- 


21.  Oktober  1902. 


MUENCITENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1739 


Schädigung  auf  die  Blutdruck Verhältnisse 

auch  dann  rein  d  a  r  s  t  e  1 1  e  n,  wen  wir  das  Herz  bei 
vollkommen  gelähmten  Vasomotoren  s  c  h  ä  d  i  - 
g  e  n.  Man  hat  dazu  nur  nötig,  den  Tieren  mit  Splanchnikus- 
lähmung  ein  Gift  einzuverleiben,  welches  schädigend  auf  Herz 
und  \  asomotoren  wirkt.  Die  bereits  vorhandene  Lähmung  der 
Vasomotoren  kann  durch  ein  solches  Mittel  nicht  mehr  ver¬ 
stärkt  werden.  Veränderungen  an  den  Blutdruckkurven  müssen 
also  ausschliesslich  auf  die  Schädigung  des  Herzens  bezogen 
werden. 

\\  ir  benutzten  C  h  1  o  r  a  1.  Sofort  sank  der  Ivarotisdruck 
noch  tiefer,  der  Vorhof  druck  stieg  gleichzeitig  mächtig  an,  so 
dass  der  letztere  den  Arteriendruck  sogar  noch  iibertraf.  Aorten¬ 
kompression  und  Bauchmassage  steigerten  wohl  noch  den  Blut¬ 
druck,  sie  verbesserten  auch  die  stark  verschlechterte  Herzarbeit 
noch  etwas,  aber  nicht  entfernt  in  dem  Masse  wie  vor  der  Cliloral- 
injektion.  Hier  sehen  wir  also  den  Ausdruck  einer  wirk¬ 
lichen  Herzinsuffizienz.  Ein  ganz  entsprechendes  Bild  tritt 
auf,  wenn  wir  das  Chloral  einverleiben,  nachdem  wir  bei  bestehen¬ 
der  Gefässlähmung  durch  Aortenkompressäon  und  nachfolgende 
Kochsalzinfusion  in  der  oben  beschriebenen  Weise  einen  nor¬ 
malen  Blutdruck  und  günstige  Ilerzarbeit  geschaffen  haben. 
Auch  dann  kreuzen  sich  mit  dem  Auftreten  der  Herzschwäche 
nach  der  Chloralinjektion  die  Kurven  des  Arterien-  und  des  Vor- 
hofdrueks.  Damit  ist  auch  der  Beweis  geliefert,  dass  die  hohe 
Drucksteigerung  im  arteriellen  System  nach  Aortenkompression 
und  NaCl-Infusion  in  unseren  Versuchen  nicht  etwa  künstlich 
durch  den  Infusionsdruck,  sondern  nur  durch  die  Energie  des 
linken  Ventrikels  erzeugt  und  unterhalten  wurde. 

Die  bisher  geschilderten  Versuche  haben  uns  gezeigt,  wie 
verschieden  sich  die  Blutdruckkurven  bei  Gefässlähmung  und 
bei  Herzinsuffizienz  verhalten.  Wir  sind  darnach  wohl 
im  stände  zu  erkennen,  ob  eine  im  Experiment 
aus  unbekannter  Ursache  auf  treten de  Druck¬ 
senkung  auf  einer  Schädigung  des  Herzens 
oder  der  V  asomotoren  beruht.  Es  genügt  dazu 
freilich  nicht,  einfach  den  Karotisidr  u  c  k  m  i  t 
d  e  m  Vorh,üf  druck  zu  vergleiche  n,  sonder  n  w  i  r 
müssen  gleichzeitig  den  Ausfall  der  Re¬ 
aktionen  auf  sensible  Reizung  und  Aorten¬ 
kompression  oder  B  a  u  c  h  m  a  s  si  a  g  e  in  Betracht 
ziehen,  wie  sie  schon  früher  von  Romberg  und  Pässler  an¬ 
gewandt.  wurden.  Insbesondere  erhalten  wir  ein  für  Vergleiche 
am  selben  Individuum  sehr  exaktes  Mass  der 
Leistungsfähigkeit  des  Herzmuskels  in  dem 
Quotienten  Ivarotisdruck  :  Vorhofsdruck  bei  Aortenkompression. 

Wir  gingen  nun  dazu  über,  mit  dieser  verbesserten  Methode 
den  Kreislauf  bei  kranken  Tieren  zu  studieren. 

Zunächst  wählten  wir  Diphtherie.  Da  frühere  Ver¬ 
suche  von  Rollys)  ergeben  hätten,  dass  Kaninchen  nach  Ver¬ 
giftung  mit  Diphtherietoxin  genau  dasselbe  Verhalten  des  Kreis¬ 
laufs  zeigen,  wie  es  vorher  von  R  o  m  b  e  r  g  und  Pässler  für 
Tiere  festgestellt  war,  die  mit  lebenden  Diphtheriebazillen  in¬ 
fiziert  sind,  so  arbeiteten  wir  mit  einem  hochwertigen  Diphtherie¬ 
toxin.  Die  Höchster  Farbwerke  haben  uns  die  nötigen 
Giftmengen  in  freundlichster  Weise  zur  Verfügung  gestellt.  Das 
Toxin  kam  teils  mit  0,5  Proz.  Karbolzusatz,  teils  ohne  jeden 
Zusatz  zur  Verwendung. 

Da  es  erwünscht  sein  musste,  an  einem  und  demselben  Tier 
den  ganzen  Verlauf  der  Blutdrucksverhältnisse  vom  gesunden 
Zustand  bis  zum  Kollaps  zu  verfolgen,  so  wurden  zunächst  den 
Kaninchen,  trotz  naheliegender  Bedenken,  sehr  grosse,  hundert- 
und  mehrfach-tödliche  Dosen  Diphtheriegifts  intravenös  in¬ 
jiziert.  Wir  beabsichtigten  dadurch  die  Latenzzeit,  die  be¬ 
kanntlich  selbst  bei  Anwendung  grösster  Giftmengen  bis  zum 
Eintritt  des  Kollapses  mindestens  mehrere  Stunden  beträgt, 
möglichst  kurz  zu  gestalten. 

Vorversuche  hatten  uns  gezeigt,  dass  bei  Kaninchen,  ebenso 
übrigens  bei  Hunden,  selbst  nach  intravenöser  Injektion  ganz 
enormer  Giftdosen  4 — 5  Stunden  bis  zum  Eintritt  schwerer 
Kra i lkhei tsersche i nu ngen  vergehen . 

Es  war  zu  prüfen,  ob  und  welche  Störungen  etwa  eine  der¬ 
artig  lange  Versuchsdauer  an  sich  schon  am  Kreislauf  des  ope¬ 

7)  1.  c. 

8)  1.  c. 


rierten  und  aufgebundenen  Tiers  bedingte.  Es  zeigte  sich  dabei 
sofort,  dass  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  keine  brauchbaren 
Resultate  zu  erzielen  waren.  Trotzdem  wir  die  Abkühlung  dos 
Versuchstiers  durch  Watteeinpackung  nach  Möglichkeit  ver¬ 
hinderten,  trat  im  Verlaufe  von  ca.  2  Stunden  eine  komplete 
Vasomotorenlähmung  auf.  Ferner  entwickelten  sich  auch  Herz¬ 
störungen,  die  nur  zum  Teil  auf  die  Vasomotorenlähmung  zu  be¬ 
ziehen  waren. 

Die  Vergiftung  desi  Tieres  erst  während  des  Blutdruckver¬ 
suchs,  wie  sie  von  v.  Stejskal7 8)  angewandt  wurde,  müssen  wir 
deshalb  als  gänzlich  ungeeignet  verwerfen.  Die  Versuchsresul- 
tate  des  genannten  Autors,  welche  mit  dieser  Methode  erhalten 
wurden,  sind  zur  Lösung  der  vorliegenden  Frage  überhaupt  nicht 
zu  verwerten,  da  die  längst  vor  Ablauf  der  Latenzzeit  aufge- 
|  tretenen  Kreislaufstörungen  gar  nicht  durch  das  Toxin  bedingt 
gewesen  sein  dürften. 

Es  blieb  nur  übrig,  nach  der  Intoxikation  den  Krankheits¬ 
verlauf  zu  beobachten  und  den  Blutdruckversuch  anzustellen,  so¬ 
bald  das  allgemeine  Verhalten  der  Tiere  zeigte,  dass  der  Eintritt 
des  Kollapses  bevorstand.  Wenn  es  gelang,  den  richtigen  Zeit¬ 
punkt  zu  wählen,  in  dem  sich  die  ersten  Anfänge  der  Kreislauf¬ 
störungen  eben  entwickelten,  so  musste  man  bei  ihrem  rapiden 
Fortschreiten  den  ganzen  Verlauf  derselben  verfolgen  und  ihre 
Komponenten  analysieren  können. 

Unsere  derart  angestellten  Versuche  ergaben  folgendes:  Die 
Blutdruckverhältnisse  bei  den  diphtherievergifteten  Thieren 
blieben  zunächst  lange  Zeit  normal.  Sobald  Störungen  auftraten, 
bestanden  sie  regelmässig  zuerst  in  einer  Ver¬ 
minderung  der  Blutdrucksteigerung  auf  sen¬ 
sible  Reizung,  bei  gleichzeitiger  prompter  Reaktion  auf 
Bauchmassage  und  Aortenkompression,  und  bei  noch  un¬ 
verändertem  oder  schon  sinkendem  Vorhof- 
druck,  während  der  Karotisidruck  noch  keine  deutliche  Ten¬ 
denz  zum  Sinken  zeigte.  Wir  finden  also>  die  Herzarbeit 
in  dieser  Periode  mindestens  normal  oder  gegen  vor¬ 
her  sogar  gebessert.  Bei  Anwendung  der  Aortenkom¬ 
pression.  ergeben  die  Quotienten  aus  Vorhofdruck  in  den  Karotis- 
druck  in  dieser  Zeit  sogar  höhere  Werte  als  vorher,  auch  die 
Leistungsfähigkeit  des  Herzens  ist  mithin 
keinesfalls  vermindert,  möglicherweise  wesent¬ 
lich  erhöht. 

In  diesem  Verhalten  des  Herzens  ist  wohl  auch  der  Grund 
dafür  zu  suchen,  dass  der  arterielle  Druck  nicht,  wie  zu  erwarten, 
sogleich  im  Beginn  der  Kreislaufstörung  und  nicht  in  demselben 
Masse  sinkt,  wie  die  Abnahme  der  Erregbarkeit  der  Vasomotoren 
fortschreitet. 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Krankheit  wird 
die  reflektorische  Erregbarkeit  der  Vaso¬ 
motoren  bald  auch  für  die  stärksten  fara- 
dischen  Ströme  fast  vollkommen  oder  gänz¬ 
lich  aufgehoben.  Dabei  kann  die  Herzarbeit  eine  so 
vorzügliche  sein,  dass  die  Vasomotorenlähmung  zunächst 
fast  ausschliesslich  ein  Sinken  des  Vorhof  druckes  bedingt, 
während  der  Ivarotisdruck  sich  noch  in  ziemlich  beträchtlicher 
Höhe  hält.  Komprimiert  man  die  Aorta,  so  wird  die  Herzarbeit 
noch  weiter  gebessert.  Trotzdem  erfolgt  der  Anstieg  des  Karotis- 
drucks  nach  der  Aortenkompression  jetzt  langsamer  als  normal. 
Der  Grund  dafür  ist  ohne  weiteres  einleuchtend;  er  liegt  in  dem 
verlangsamten  Zufluss  von  Blut  zum  Herzen.  Erst  der  End¬ 
effekt  einer  längerdauernde n  Aortenkompression  ist  dem¬ 
entsprechend  eine  bedeutende  arterielle  Drucksteigerung  bei 
relativ  ausgezeichneter  Herzarbeit, 

Endlich  sinkt  im  weiteren  Verlauf  des  Versuchs  der  Karotis¬ 
druck  auf  durchschnittlich  dieselben  niedrigen  Werte,  wie  nach 
einer  Splanchnikusresektion ;  der  Vorhofsdruck  sinkt  aber  gleich¬ 
zeitig,  die  Herzarbeit  bleibt  gut,  in  der  Regel  bessert 
sie  sich  eine  Zeit  lang  noch  immer  weiter.  Auch  die 
Leistungsfähigkeit  des  Herzens,  gemessen  an  der  Blut¬ 
drucksteigerung  durch  Aortenkompression  bei  gleichzeitiger  Vor¬ 
hofsdruckmessung, •  ist  während  dieses  arteriellen  Druckabfalls 
zunächst  noch  intakt. 

Erst  nunmehr  entwickelt  sich  allmählich 
II  erzsch  w  ä  c  h  e.  Aortenkompression  macht  nur  noch  ge- 


°)  1.  c. 


1* 


1740 


MUENCILENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


ringe  Drucksteigerung,  die  ITerzarbeit  bessert  sieh  hierbei  wohl 
noch  im  Vergleich  zu  vorher,  aber  nur  massig. 

Es  war  nun  zu  prüfen,  ob  diese  Herzschwäche  rein  aus  dem¬ 
selben  Grunde  auftritt,  wie  bei  Vasomotorenlähmung  nach 
Splanchnikusresektion,  nämlich  infolge  mangelhafter  Durch¬ 
blutung  des  Herzens;  oder  ob  daran  jetzt  eine  direkte  schädliche 
Wirkung  des  Diphtherietoxins  in  massgebender  Weise  be¬ 
teiligt  war. 

Wir  haben  zu  diesem  Zwecke  wiederum  bei  unterbundener 
Aorta  physiologische  Kochsalzlösung  in  die  Vena  jugularis  in¬ 
fundiert.  Das  Herz  begann  sofort  sich  zu  erholen.  Der  Blut¬ 
druck  stieg  während  der  Dauer  der  Infusion  gleichzeitig  mit  dem 
Vorhof  druck;  bald  darauf  sank  jedoch  der  letztere  wieder  ab, 
das  Herz  entleerte  sich  gut.  War  der  Zeitpunkt  für  den  Beginn 
der  Na  Cl-Infusion  günstig  gewählt,  so  konnte  auf  diese  Weise 
der  Karotisdruck  und  die  Herzarbeit  noch  lange  Zeit  hindurch 
(1  Stunde  und  mehr)  auf  dem  Ausgangsniveau  erhalten  werden. 
Die  bei  Diphtherievergiftung  final  auftretende  Herzschwäche  be¬ 
ruht  also  ebenfalls  auf  mangelhafter  Durchblutung,  nicht 
auf  einer  Schädigung  des  Herzmuskels  durch  das  Diphtheriegift. 

Unsere  Versuche  an  diphtherievergifteten 
Tieren  lehren  also  unzweifelhaft,  dass  der 
Eintritt  der  Kreislaufsstörung  im  Kollaps 
ausschliesslich  abhängig  ist  von  einer  Läh¬ 
mung  der  Vasomotoren.  Die  Gef  ässlähmung 
ruft  erst  sekundär  Herzschwäche  hervor. 
Kompensiert  man  die  Folgen  der  Vaso- 
motorenlähmung  durch  Einengung  und  bes¬ 
sere  Füllung  des  Kreislaufs,  so  kann  der  Ein¬ 
tritt  der  Herzschwäche  noch  lange  verzögert 
werde  n. 

Dennoch  verhält  sich  der  Herzmuskel  beim 
Beginn  des  Diphtheriekollapses  nicht  voll¬ 
kommen  wie  ein  normaler.  Wiederholt  konnten  wir  be¬ 
obachten,  dass  eine  ganz  kurzdauernde  Asphyxie 
(30”)  das  Herz  intensiv  un  d  dauernd  schädigte. 
Bei  gesunden  Herzen  ruft  eine  solche  kurzdauernde  Erstickung 
kaum  geringe,  jedenfalls  rasch  vorübergehende  Schädigung  der 
Herzfunktion  hervor.  Diese  Eigenschaft  des  Diph¬ 
therieherzens  dürfen  wir  wohl  als  den  Aus¬ 
druck  einer  direkten  Schädigung  durch  das 
Diphtheriegift  ansehen.  Der  anatomischen  Schädi¬ 
gung  des  Diphtherieherzens,  die  ihren  Ausdruck  in  der  starken 
parenchymatösen  Degeneration,  besonders  der  fettigen  Entartung 
des  Herzmuskels  findet,  entspricht  physiologisch  eine  hohe  Em¬ 
pfindlichkeit  gegen  Einflüsse,  die  sonst  nur  in  geringerem  Masse 
den  Herzmuskel  schädigen.  Man  kann  sich  wohl  denken,  dass 
diese  verminderte  Widerstandsfähigkeit  den  Beginn  einer  Herz¬ 
schädigung  darstellt,  die  bei  weiterem  Fortschreiten  der  Gift¬ 
wirkung  zum  Herztod  führen  könnte.  Bis  es  dahin  kommt,  ver¬ 
geht  jedoch  vom  Eintritt  der  Vasomotorenlähmung  an  selbst  bei 
dem  rapiden  Krankheitsverlauf  nach  Injektion  vielfach  tödlicher 
Toxindosen  eine  beträchtliche  Zeit.  Für  die  ohne  äussere  Ver¬ 
anlassung  auf  der  Flöhe  der  Infektion  —  nicht  postdiphtherisch 
—  auftretenden  Kreislaufstörungen  kommt  diese  direkte  Schädi¬ 
gung  des  Herzens  durch  das  Diphtheriegift  deshalb  nicht  in  Be¬ 
tracht.  Sie  wird  aber  eine  grosse  klinische  Be¬ 
deutung  haben  können,  wenn  z.  B.  die  Atmung 
durch  Lary  nxstenose  beschränkt  ist.  Aus  dieser 
Eigentümlichkeit  des  Diphtherieherzens,  durch  relativ  geringe 
Schädigungen  insuffizient  zu  werden,  lassen  sich  zum  Teil  auch 
die  früheren  Resultate  Rollys10)  an  diphtherievergifteten  Ka¬ 
ninchen  nach  Herstellung  des  Hering  sehen  isolierten  llerz- 
Lungenkreislaufs  erklären. 

In  einer  weiteren  Versuchsreihe  prüften  wir  mit  unserer 
Methode  den  Kreislauf  im  Kollaps  nach  Pneumo- 
kokkeninfektio  n.  Wir  infizierten  Kaninchen  mit  Pneumo¬ 
kokkenbouillonkulturen  und  benutzten  die  Tiere  wieder  zum 
Blutdruckversuch,  teils  auf  der  Höhe  des  Fiebers,  teils  im  Be¬ 
ginn  des  Kollapses. 

Das  Gesamtbild  der  Kreislauf  Verhältnisse  war  demjenigen 
nach  Diphtherieintoxikation  äusserst  ähnlich.  Als  erstes  Zeichen 
der  Kreislaufstörung  trat  auch  hier  eine  Abnahme  der  Druck¬ 
steigerung  auf  sensible  Reizung  hervor.  Das  Sinken  des  Karotis- 

,#)  1.  c. 


drucks  erfolgte  auch  bei  dieser  Krankheit  erst  allmählich.  Es 
wurde  durch  verbesserte  Herzarbeit  aufgehalten.  Die  Leistungs¬ 
fähigkeit  des  Herzens,  gemessen  an  der  Herzarbeit  bei  Aorten¬ 
kompression,  war  im  Beginn  der  Störung  ausgezeichnet,  erst 
sekundär  entwickelte  sich  wieder  Herz- 
sch  w  äche.  Auch  bei  den  Pneumokokkentieren 
konnte  durch  Infusion  von  physiologischer 
NaCl-Lösung  bei  Aortenkompression  der  Ein¬ 
tritt  der  Herzschwäche  lange  Zeit  verhindert 
werden.  Wir  sahen  sogar,  wie  der  Quotient  der  Herzarbeit 
(Karotisdruck  :  Vorhof  druck),  nachdem  die  unmittelbare  Wirkung 
der  Injektion  vorüber  war,  Zahlen  erreichte,  die  fast  das  Dop¬ 
pelte  des  Quotienten  im  Versuchsbeginn  bei  noch  ungestörtem 
Kreislauf  betrugen.  Das  Pneumokokkenherz  z  e  i  g  t  c 
sich  in  diesen  Versuchen  eher  noch  leist  ungs- 
f  ä  h  i  g  e  r  als  da  s  Diphtheriehe  r  z.. 

Ein  wesentlicher  Unterschied  der  Versuchsergebnisse  bei 
Pneumokokkenkaninchen  voll  denjenigen  bei  Diphtherie  bestand 
darin,  dass  nach  Asphyxie  eine  abnorme  Schädi¬ 
gung  des  Pneumokokkenherzens  nicht  be¬ 
obachtet  werden  konnte.  Eine  Erstickung  von  2  und 
selbst  4  Minuten  Dauer  machte  das  Herz  nur  vorübergehend 
insuffizient  ;  bereits  Vz  bezw  lVs  Minuten  nach  Wiederbeginn  der 
Atmung  hatte  der  Quotient  der  Herzarbeit  den  im  Versuchs¬ 
beginn  erhaltenen  Wert  wieder  erreicht. 

Eine  weitere,  bei  unseren  Diphtherietieren  nicht  beobachtete 
Eigentümlichkeit  der  Pneumokokkeninfektion  bestand  darin, 
dass  auf  der  Höhe  des  Fiebers,  vor  Eintritt 
der  Vasomotorenlähmung  ganz  ausserordent¬ 
lich  hohe  Steigerungen  des  Vorhofdrucks,  be¬ 
sonders  bei  asphyktischer  Reizung,  teilweise 
auch  bei  den  übrigen  Reaktionen,  zu  stände  kam.  Der  Zufluss 
von  Blut  zum  Herzen  war  ein  so  mächtiger,  dass  der  Quotient 
der  Herzarbeit  selbst  bei  enormer,  gleichzeitiger  Steigerung  des 
Karotisdrucks  sank.  Das  Herz  konnte  für  den  Augenblick  den 
grossen  Zufluss  nicht  bewältigen.  Diese  relative  Herz¬ 
insuffizienz  ist  aber  nicht  der  Ausdruck 
einer  gegen  die  Norm  geschwächten  Herz¬ 
kraft.  Das  Herz  war  vielmehr  hier  an  der  na¬ 
türlichen  Grenze  seiner  Leistungsfähigkeit 
an  ge  langt.  Wir  gehen  wohl  nicht  fehl,  wenn  wir  die  Ur¬ 
sache  dieser  Erscheinung  darin  sehen,  dass  der  Vaso¬ 
motorenlähmung  ein  Z  stand  erhöhter  Reiz¬ 
barkeit  vorausgeht. 

Ueber  blicken  wir  das  Ergebnis  unserer 
mit  der  verbesserten  Methode  angestellten 
Versuche  an  kranken  Tieren,  so  sehen  wir  in 
erster  Linie  eine  vollkommene  Bestätigung 
der  früher  von  R  o  m  b  e  r  g  und  P  ä  s  s  1  e  r  auf  ge¬ 
stellten  Sätze.  Die  auf  der  Höhe  verschie¬ 
dener  akuter  Infektionskrankheiten  auf¬ 
tretenden  Kreislaufstörungen  beruhen  auf 
einer  Lähmung  der  Vasomotoren.  Das  Herz 
ist  an  der  im  Kollaps  auf  tretenden  Blutdruck¬ 
senkung  nicht  beteiligt.  Vermehrte  ILerz- 
arbeit  vermag  sogar  den  bedrohlichen  Ab¬ 
sturz  des  arteriellen  Drucks  eine  Zeitlang 
aufzu  halten.  Wenn  schliesslich  der  Blut¬ 
druck  sinkt,  so  wird  das  Herz  sekundär  ge¬ 
schädigt. 

Allerdings  beobachteten  wir  (ausser  der 
schon  früher  von  Romberg  und  Pässler  so  ge¬ 
deuteten  Aenderung  der  Schlag  folge)  auch 
eine  direkte  Beeinflussung  des  Herzens  durch 
das  Diphtheriegift.  Zu  einer  Zeit,  wo  der 
Herzmuskel  noch  vollkommen  im  stände  ist, 
eine  beträchtliche  Kraft  zu  entwickeln,  zeigt 
er  eine  wesentliche  Verminderung  seiner 
Widerstandsfähigkeit  gegen  Erstickung. 

Eine  direkte  Schädigung  des  Herzens 
durch  die  Pneumokokkeninfektion  liess  sich 
dagegen  überhaupt  nicht  nach  weisen.  Damit 
stimmt  es  sehr  gut  überein,  dass  sich  auch  anatomisch  am 
Pneumokokkenherzen  keine  Veränderungen  finden,  während  das 
Diphtherieherz  bei  Tieren  dieselbe  bekannte  Verfettung  und  die 


21.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1741 


gleichen  sonstigen  Veränderungen  am  Parenchym  aufweist,  wie 
beim  Menschen.  Wir  gehen  daher  wohl  nicht  fehl, 
w  e  nn  wir  die  herabgesetzte  Widerstands¬ 
fähigkeit  als  einen  funktionellen  Ausdruck 
der  parenchymatösen  Degenerationen  des 
Herzmuskels  bei  Diphtherie  anseh  en. 

Es  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass 

diese  Herabsetzungder  Widerstandsfähigkeit 

des  Diphtherieherzens  das  Auftreten  der 
sekundären  Herzschwäche  bei  der  Vaso¬ 
motorenlähmungbegünstigt  und  beschleunigt. 

An  der  Entstehung  der  auf  der  Höhe  der  In¬ 
fektion  auftretenden  Kreislaufstörung  ist 
das  Herz  indessen  auch  bei  der  Diphtherie 
nicht  beteiligt. 


Aus  der  k.  Universitäts-Frauenklinik  München. 

Zwei  weitere  Fälle  von  Uterusruptur,  operativ  geheilt. 

\  on  Dr.  Gustav  Wiene  r,  Frauenarzt  in  München-Bad  Kohl¬ 
grub,  früher  1.  Assistenzarzt  der  Klinik. 

In  No.  1  des  Jahrganges  1902  der  Münch,  nied.  Wochenschr. 
veitrat  ich  den  operativen  Standpunkt  bei  Uterusruptur  und  ver¬ 
öffentlichte  2  von  mir  durch  Laparotomie  geheilte  Fälle.  In  der 
Zwischenzeit  hatte  ich  Gelegenheit,  abermals  2  Frauen  wegen 
Uterusruptur  und  Austritt  des  Kindes  in  die  Bauchhöhle  zu 
operieren,  und  zwar  mit  gutem  Erfolg.  Gerade  in  letzter  Zeit 
ist  der  Streit  wieder  stärker  entbrannt:  Soll  man  bei  jeder  Rup¬ 
tur  operieren  oder  konservativ  behandeln  ?  Welchen  Standpunkt  die 
Münchener  Frauenklinik  zu  dieser  Frage  einnimmt,  hat  ja  mein 
hochverehrter  früherer  Chef,  Herr  Geheimrat  v.  Winckel, 
selbst  und  habe  auch  ich  in  meiner  oben  zitierten  Arbeit  genau 
festgelegt.  U m  aber  zu  einem  bleibenden  Resultat  über  diese 
Frage  zu  kommen,  empfiehlt  es  sich,  jeden  Fall  zu  veröffentlichen, 
sei  er  nun  geheilt  oder  nicht  geheilt  worden.  Nur  dann  kann  die 
Statistik  von  Wert  sein. 

Aus  diesem  Grunde  seien  auch  meine  Fälle  beschrieben. 

I-  I  fäulein  H.,  31  Jahre,  III.  Para.  Mutter  lebt  und  ist  gesund, 
Vater  mit  43  Jahren  an  Herzleiden  gestorben.  11  Geschwister, 
9  davon  im  Kindesalter  gestorben,  2  leben  und  sind  gesund.  Will 
als  Kind  stets  krank  gewesen  sein,  was  ihr  gefehlt  hat,  weiss  Pat. 
nicht  anzugeben.  Erst  mit  3  Jahren  lernte  sie  laufen,  erst  vom 
G.  Jahr  an  war  sie  gesund.  Mit  7  Jahren  „Gicht“.  Vor  3  Jahren 
will  Pat.  ein  Geschwür  an  den  Geschlechtsteilen  gehabt  haben, 
sowie  über  den  ganzen  Körper  verteilte  rötliche  Flecken.  In  Be¬ 
handlung  hat  sie  sich  damals  nicht  begeben.  Erste  Menstruation 
mit  21  Jahren,  unregelmässig,  mit  6— 8  wöchentlichen  Zwischen¬ 
pausen,  3 — 4  Tage  dauernd,  mit  Schmerzen  verbunden  und  sehr 
schwach.  Zuletzt  Mitte  Mai.  1901. 

2  Geburten,  zuerst  im  Jahre  1895  mit  8  Monaten,  spontan, 
Wochenbett  fieberfrei.  Das  Kind  starb  mit  0  Wochen,  woran, 
weiss  Pat.  nicht.  Dann  im  Jahre  1S99  mit  6  Monaten  spontan 
„totfaul“.  Vor  der  Entbindung  14  Tage  lang  „Krämpfe“.  Wochen¬ 
bett  fieberfrei. 

Jetziger  Befund:  Leibesumfang  108  cm.  Nabelhöhe  30. 
Fundushöhe  50.  Sp.  27.  Cr.  30.  Cj.  extern.  20.  Sehr.  r.  21. 
Sehr.  1.  22.  Cjt.  diagon.  11.  Beckenunifang  104. 

V  ehenbeginn  am  9.  III.,  Abends,  am  10.  III.,  7  Uhr  Morgens 
kommt  Parturiens  auf  den  Kreissesaal.  Das  Fruchtwasser  ist 
noch  nicht  abgeflossen.  Starker  Hängebauch.  Rücken  links,  Steiss 
mi  Fundus,  kleine  Teile  rechts.  Herztöne  in  der  linken  Nabel- 
spmallinie,  Kopf  über  dem  Becken  beweglich.  Innere  Unter¬ 
suchung:  Muttermund  für  2  Finger  durchgängig.  Vorliegender 
Teil;  Kopf,  Blase  steht. 

12  Uhr  Mittags.  Wehen  alle  5  Minuten,  von  2  Minuten  langer 
Dauer.  Pat.  erbricht  öfter  gallig  gefärbten  Schleim. 

1  Uhr  30  Min.  Wehenpausen  kürzer.  Wehen  von  V«  Min 
Dauer.  /ä 

4  Uhr.  Innere  Untersuchung.  Muttermund  fünfmarkstück- 
gross;  Pfeilnaht  quer  1  cm  vom  Promontorium  entfernt,  Blase 
gesprungen,  deutliche  Kopfgeschwulst  auf  dem  vorderen  Scheitel¬ 
bein  zu  fühlen. 

7  Uhr  30  Min.  Muttermund  etwas  mehr  als  fünfmarkstück¬ 
gross.  Grosse  Kopfgeschwulst,  Pfeilnaht  am  Promontorium,  Kopf 
fest  im  Beckeneingang. 

10  Uhr.  Muttermund  handtellergross,  Pfeilnaht  am  Pro¬ 
montorium.  Muttermundslippen  nicht  ödematüs. 

11.  III.  12  Uhr  30  Min.  Herztöne  12:13:12.  Wehen  alle 
3  Minuten,  über  1  Min.  dauernd,  sehr  schmerzhaft.  Morphium 
0,02  subkutan.  Kein  Kontraktionsring.  Wehen  immer  schmerz¬ 
hafter.  Der  Uterus  sehr  druckempfindlich,  verträgt  kaum  leises 
Aufsetzen  des  Stethoskopes.  Infolge  des  dargereichten  Morphiums 
nimmt  nun  die  Schmerzhaftigkeit  der  Wehen  ab,  ohne  sich  jedoch 
an  Intensität  und  Dauer  zu  verringern. 

No.  42. 


5  Uhr  Morgens.  Muttermund  vollständig  erweitert.  Kopf¬ 
stand  unverändert,  sehr  grosse  Kopfgeschwulst.  Temperatur  37,4. 
Da  die  Herztöne  des  Kindes  schwankend  wurden,  wird  um  9  Uhr 
zur  operativen  Beendigung  der  Geburt  geschritten.  Ich  lasse  hier 
den  Wortlaut  des  Operationsberichtes  des  behandelnden  Arztes 
folgen,  dem  ich  auch  die  bisherigen  Angaben  verdanke: 

Es  gelingt  nicht,  die  Medullarnarkose  auszuführen,  da  man 
wegen  der  starken  Lordoskoliose  die  Nadel  nicht  zwischen  die 
Wirbelkörper  bringen  kann.  Deshalb  Narkose  mit  Schleich¬ 
gemisch  I. 

Der  Muttermund  ist  Vollständig  erweitert.  Pfeilnaht  quer 
verlaufend,  ganz  nahe  am  Promontorium  (vordere  Selieitelbein- 
einstellungj.  Starke  Kopfgeschwulst.  Es  wird  zunächst  kathe- 
terisiert,  der  elastische  Katheter  dringt  ohne  Schwierigkeit  in  die 
Blase  ein,  doch  entleert  sich  kaum  ein  Kaffeelöffel  voll  rötlich¬ 
braunen  Urins.  Anlegung  der  Breus  sehen  Zange.  Zuerst  Ein¬ 
führung  des  linken,  dann  des  rechten  Löffels,  wobei  sich  eine 
geringe  Menge  Blut  entleert.  Der  rechte  Löffel  wird  nach  vorne 
geführt,  die  Zange  also  im  linken  schrägen  Durchmesser  angelegt. 
Auf  Probezug  folgt  der  Kopf  nicht,  sondern  die  Zange  droht  ab¬ 
zugleiten  und  wird  daher  abgenommen.  Da  die  kindlichen  Herz¬ 
töne  noch  hörbar  sind,  wird  nochmaliger  Zangenversuch  beab¬ 
sichtigt.  Doch  schon  beim  Einführen  der  Hand  fällt  es  auf,  dass 
der  zuerst  feststehende  Kopf  nun  ganz  beweglich  ist  und  vom 
Beckeneingang  nach  der  rechten  Seite  abweicht,  wo  er  dicht  unter 
der  Haut  deutlich  gefühlt  werden  kann.  Die  innere  Hand  tastet 
nun  einen  von  vorne  nach  rechts  hin  sich  erstreckenden  starken 
Riss,  durch  den  das  Kind  zum  grössten  Teil  in  die  Bauchhöhle 
ausgetreten  ist.  Im  Muttermund  ist  an  Stelle  des  Kopfes  ein 
Fuss  fühlbar,  aus  der  Scheide  fliesst  eine  mässige  Menge  dunklen 
Blutes. 

Die  innere  Hand  bleibt  im  Uterus  liegen  und  drückt  mit  der 
äusseren  fest  gegen  die  Risstelle,  worauf  die  Blutung  vollkommen 
steht.  Diese  Kompression  wird  ca.  y2  Stunde  fortgesetzt,  bis  nach 
operativer  Eröffnung  der  Bauchhöhle.  Der  Puls  wird  indessen 
etwas  schwächer,  auf  3  Kampherinjektionen  erholt  er  sich  aber 
wieder. 

Es  wurde  nun  sofort  zur  Operation  geschritten.  In  Aether- 
narkose  wird  in  Beckenhochlagerung  der  Leib  eröffnet.  Es  zeigt 
sich  sofort  das  in  2.  Beckenendlage  frei  zwischen  den  Darm¬ 
schlingen  befindliche  tote  Kind.  Dasselbe  wird  rasch  extrahiert 
und  der  Uterus  vor  die  Bauchdecken  gebracht.  Die  Hinterwand 
desselben  ist  frei,  ebenso  die  rechte  und  linke  Seite,  nur  ist  das 
Lig.  latum  rechts  durch  eiuen  grösseren  Bluterguss  zwischen  seine 
Blätter  entfaltet.  Vorne  ist  der  Uterus  vollständig  abgesprengt. 
Man  sieht  einen  fetzigen  und  zerrissenen  Trichter,  der  vorerst 
eine  genaue  Orientierung  unmöglich  macht,  zumal  das  ganze  Ope¬ 
rationsfeld  mit  Blut  überschwemmt  ist.  In  der  Bauchhöhle  selbst 
befindet  sich  weniger  Blut.  Die  Plazenta  hängt  zum  Teil  aus  dem 
vorderen  Uterusriss  heraus.  Sie  wird  manuell  extrahiert,  dann,  vom 
vorderen  Riss  anfangend,  Klammern  um  den  Uterus  gelegt,  die 
Ligamenta  lata  ebenfalls  in  Klammern  gefasst  und  dann  mit  der 
Schere  das  ganze  Organ  abgeschnitten.  Erst  jetzt,  nachdem  die 
Bauchhöhle  von  Blut,  Vernix  caseosa,  Mekonium  gereinigt  ist, 
kann  man  sich  genauer  orientieren. 

Die  hintere  Lippe  wrar  erhalten,  dagegen  war  die  vordere 
senkrecht  von  unten  nach  oben  gespalten  und  dann  von  rechts 
nach  links  abgerissen,  und  zwar  in  der  Höhe  des  inueren  Mutter¬ 
mundes.  Das  Peritoneum  der  Blase  war  ebenfalls  von  rechts 
nach  links  vollständig  abgerissen.  Dasselbe  wird  nun  zunächst 
durch  kleine  Klammern  fixiert  und  etwas  nach  oben  gezogen. 
Dann  wird  ein  Katheter  vorsichtig  in  die  Blase  eingeführt,  wobei 
sich  herausstellt,  dass  dieselbe  tief  unten  im  kleinen  Becken  an 
einer  etwa  pfenniggrossen  Stelle  durchrissen  ist.  Die  Ränder  sind 
ödematüs  geschwollen,  nicht  scharfrandig,  weshalb  von  einer  Naht 
erstens  deshalb  und  dann  auch  wegen  des  tiefen  Sitzes  im  kleinen 
Becken  abgesehen  wird.  Ausserdem  muss  man  den  Wunsch  haben, 
möglichst  rasch  zu  operieren,  weshalb  nur  der  Rest  der  vorderen 
Lippe  über  die  Blasenwunde  gedeckt  wird.  Denn  man  hofft,  durch 
Narbenschrumpfung  und  Verwachsung  der  wunden  hinteren  Blasen¬ 
wand  mit  dem  Rest  der  vorderen  Lippe  werde  ein  spontaner  Ver¬ 
schluss  der  Blase  herbeigeführt.  Ein  kleiner  Riss  im  Mesenterium 
des  Colon  ascendens  und  descendens  wird  mit  feinstem  Katgut  ge¬ 
schlossen,  die  Parametrien  sowohl  als  auch  der  Uterusstumpf  ein¬ 
zeln  mit  Katgut  umstochen  und  die  Ränder  des  vorderen  sagittalen 
Risses  je  mit  einer  Kugelzange  gefasst  und,  wie  schon  oben  er¬ 
wähnt,  nach  vorne  gezogen  und  durch  2  Nähte  vereinigt,  dann 
der  Halsteil  des  Uterus  von  rechts  nach  links  durch  fortlaufend 
Katgut  geschlossen  und  das  Peritoneum  sehr  sorgfältig  darüber¬ 
genäht. 

Die  Bauchhöhle  wird  mit  trockenen  Tupfern  gereinigt  und 
die  Wunde  typisch  in  3  Etagen  geschlossen.  Von  unten  war  die 
Blasenverletzung  nicht  zu  erreichen.  Der  Puls,  der  während  der 
ganzen  Operation  gut  war,  setzte  nur  1  mal  auf  kurze  Zeit  aus; 
auf  Kampher  il  Spritze  während  der  Operation)  hob  er  sich  rasch 
wieder.  Dauer  der  Operation  1  Stunde  30  Min.  Aetherverbrauch 
225  g. 

’  Das  Kind,  ein  total  ausgetragener  Knabe,  ist  53  cm  lang 
und  3960  g  schwer.  Kopfdurchmesser:  grosser  querer  10  cm, 
kleiner  querer  8 y4  cm,  gerader  querer  10  cm,  grosser  schräger 
15  cm,  kleiner  schräger  11  cm,  Umfang  38  cm,  Suboccip.  breg. 
35  cm.  Nabelschnur:  Länge  64  cm,  Dicke  1  cm,  Insertion  4  cm 
vom  Rande,  Windungen  spärlich.  Eihäute:  vollständig,  Dicke: 
derb,  Riss:  seitlich.  Plazenta:  Gewicht  495  g,  Grösse  20/15  cm, 
Gestalt  oval,  Dicke  iys  cm,  Gewebe  grosslappig,  Kalk,  Apoplexien, 
Cysten;  nicht,  fibröse  Schwarten;  am  Rande, 


2 


1742 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Die  Rekonvaleszenz  verlief  gut.  Fatientin  bekam  kein 
nennenswertes  Fieber,  nur  am  5.,  7.  und  S.  Tag  nach  der  Ope¬ 
ration  war  die  Temperatur  über  38°,  jedoch  bei  vollständigem 
subjektiven  Wohlbefinden.  Die  höchste  Temperatur  betrug  38,8. 

Urin  ging  nur  die  ersten  3  Tage  per  vaginam  ab,  vom  4.  Tage 
an  schon  konnte  Patientin  den  Urin  spontan  entleeren,  ohne  dass 
von  der  Blasenverletzung  Weiteres  wahrgenommen  worden  war. 
Auch  in  der  späteren  Zeit,  und  selbst  beim  Gehen,  Husten  oder 
Niessen.  hat  sich  dieser  günstige  Zustand  nicht  mehr  geändert. 
Vom  13.  Tage  an  war  Patientin  ausser  Bett  und  am  40.  Tage 
wurde  sie  entlassen.  Der  Zeitpunkt  der  Entlassung  wurde  nur 
deshalb  so  weit  hinausgeschoben,  weil  sehr  langwierige  Verhand¬ 
lungen  mit.  der  Gemeinde  wegen  Uebernahme  der  weiteren  Ver¬ 
pflegung  d£r  Kranken  geführt  werden  mussten.  Bei  der  Ent¬ 
lassung  war  die  Wunde  am  Abdomen  gut.  verheilt,  der  Portio¬ 
stumpf  ist  ganz  klein  und  nicht  druckempfindlich,  ziemlich  be¬ 
weglich.  Die  Parametrien  sind  frei,  nirgends  Resistenzen  oder 
schmerzhafte  Stellen.  Die  Blase  ist  vollständig  kontinent,  von 
der  alten  Blasenverletzung  ist  nichts  mehr  zu  entdecken. 

2.  Th.  H.,  Taglöhnersfrau,  24  Jahre  alt,  III.  Para,  wurde  am 
2(5.  III.  1002  Morgens  0  Uhr  in  sehr  anämischem  Zustande  in  die 
Anstalt  aufgenommen.  Sie  gab  an:  Vater  an  Bauchfellent¬ 
zündung  gestorben.  Mutter  lebt  und  ist  gesund.  4  Geschwister 
starben  im  Kindesalter,  eines  davon  an  Meningitis.  Erste  Men¬ 
struation  mit  10  Jahren,  alle  14  Tage  wiederkehrend,  zuletzt  Ende 
Juni  1901.  2  spontane  Geburten  1898  und  1901.  Wochenbett 

fieberfrei.  In  der  jetzigen  Schwangerschaft  fiel  Patientin  im 
Januar  auf  den  Leib  und  hatte  seitdem  öfters  Schmerzen  auf  der 
rechten  Seite  und  in  den  ,, Mutterbändern“. 

Am  24.  III.  02  11  Uhr  Nachts  ging  das  Fruchtwasser  ab. 
Die  gerufene  Hebamme  fand  bei  der  inneren  Untersuchung  den 
Muttermund  für  einen  Finger  durchgängig.  Kopf  im  Beckenein¬ 
gang  ('?).  Wehen  waren  keine  vorhanden.  Nach  Aussage  der 
Hebamme  sei  ihr  auffällig  gewesen,  dass  der  Uterus  immer  in 
die  Höhe  steige. 

Am  25.  III.  1  Uhr  Mittags  treten  schwache  Wehen  auf,  die 
um  5  XJlir  stärker  werden  und  bis  11  Uhr  Nachts  anhalten.  Wäh¬ 
rend  dieser  Zeit  war  Patientin  mitunter  auf  und  fühlte  sich  ganz 
wohl.  Um  7  Uhr  Abends  hatte  die  Hebamme  noch  einmal  inner¬ 
lich  untersucht  und  keine  Veränderung  am  Muttermund  gefunden. 
Um  12  Uhr  Nachts  habe  Patientin  scheinbar  etwas  Drang  zum 
Mitpressen  gehabt,  was  aber  bei  Bettruhe  auf  hörte. 

Am  20.  III.  1  Uhr  Nachts  abermalige  innere  Untersuchung 
durch  die  Hebamme.  Muttermund  fünfmarkstückgross.  Gegen 
3  Uhr  liess  die  Hebamme  die  Frau  zur  Anregung  der  Wehen¬ 
tätigkeit  aufstehen.  Dabei  kollabierte  Patientin:  8ie  bekam  plötz¬ 
lich  keinen  Atem  mehr  und  wurde  ohnmächtig.  Zwar  kam  sie 
bald  wieder  zum  Bewusstsein  zurück,  jedoch  bestand  die  Atem¬ 
not  fort.  Gleichzeitig  trat  auch  eine  stärkere  Blutung  aus  der 
Scheide  auf,  nachdem  überhaupt  seit  1  Uhr  fortwährend  Leib¬ 
schmerzen  vorhanden  waren.  Der  um  y2 4  Uhr  Morgens  gerufene 
Arzt  aus  der  Nachbarschaft  war  der  Ansicht,  dass  der  Mutter 
muud  genügend  zur  Anlegung  der  Zange  geöffnet  sei.  Wegen 
der  ungünstigen  Wohnungsverhältnisse  sandte  er  jedoch  die  Frau 
in  die  Klinik. 

Aufnahmebefund:  Aeusserst  anämische,  kollabierte 
Frau  mit  beschleunigter  oberflächlicher  Atmung  und  kleinem, 
fadenförmigen  Puls  von  144  p.  M.  Geringe  Blutung  aus  den 
Genitalien. 

Die  Palpation  des  Leibes  ergibt  unterhalb  der  beiden  Rippen¬ 
bögen  unmittelbar  unter  den  Bauchdecken  kleine  Teile,  der  stark 
vorgewölbte  Leib  ist  besonders  unterhalb  des  Nabels  druck¬ 
empfindlich.  Ueber  der  Symphyse,  direkt  median  gelegen,  fühlt 
man  eine  bis  beinahe  zum  Nabel  hinaufreichende,  mässig  harte 
Resistenz  von  bimförmiger  Gestalt,  die  für  den  Uterus  gehalten 
wurde.  Temperatur  30.4.  Die  Diagnose  wurde  auf  komplete 
Uterusruptur  mit  Austritt  des  Kindes  in  die  Bauchhöhle  gestellt 
und  daher  sofort  die  Operation  beschlossen. 

In  Aethernarkose  wird  der  Leib  vom  Nabel  bis  zur  Symphyse 
eröffnet,  und  es  stürzt  sofort  eine  grosse  Menge  flüssigen  Blutes 
hervor.  Der  Fundus  uteri  liegt  zwischen  Nabel  und  Symphyse, 
das  Kind  in  der  freien  Bauchhöhle  und  zwar  in  I.  Steisslage. 
Neben  dem  Kinde,  ebenfalls  frei  in  der  Bauchhöhle,  die  Plazenta. 

Der  Schnitt  wird  nun  über  den  Nabel  hinauf  verlängert,  das 
Kind  am  Fuss  gepackt  und  gleichzeitig  mit  der  Plazenta  entfernt, 
wobei  sich  herausstellt,  dass  es  sich  um  einen  sehr  grossen 
Hydrokephalus  handelt.  Nun  wird  der  Uterus  vor  die 
Bauchwunde  gebracht.  Derselbe  ist  rechts  und  hinten  bis  weit 
über  die  Tubeninsertion  auseinandergerissen,  die  Wundränder 
sind  fetzig  und  weit  klaffend,  etwas  nach  aussen  ektropioniert. 
Es  wird  nun  zunächst  das  sehr  reichlich  vorhandene  Blut  aus 
dem  kleinen  Becken  ausgetupft,  das  zerrissene  Ligamentum  latum 
dextrum  in  eine  Klammer  gefasst,  ebenso  das  Lig.  latum  sinistrum, 
letzteres  jedoch  unter  Zurücklassung  des  linken  Ovariums,  dann 
weiter  von  der  Risstelle  aus  der  Uterus  in  mehrere  Klammern 
gelegt  und  das  Organ  abgetragen.  Nunmehr  Umstechung  der 
Ligamenta  lata,  sowie  der  Uterussubstanz  und  isolierte  Um¬ 
stechung  der  noch  etwas  blutenden  Arteria  uterina  dextra.  Es 
folgt  hierauf  die  Vereinigung  des  Uterusstumpfes  mit  fortlaufen¬ 
dem,  starken  Katgut  und  Uebersäumung  der  Lig.  lata,  sowie  des 
Uterusrestes  mit  Peritoneum  durch  dünnes  fortlaufendes  Katgut 
und  dazwischen  gelegte  einzelne  Katgutfäden,  so  dass  das  ganze 
Operationsfeld  vollständig  von  der  Bauchhöhle  abgeschlossen  ist. 
Dann  wird  die  Bauchhöhle,  soweit  es  eben  geht,  von  freiem  Blut 
und  den  stellenweisen  faustgrossen  Koagulis  gereinigt,  mit  trocke- 
uen  Tupfern  werden  die  letzen  Reste  von  Blut  und  Fruchtwasser 


und  Blut  aufgesaugt  und  die  Bauchhöhle  wird  in  3  Etagen  durch 
fortlaufendes  Katgut  und  einzelne  tiefgreifende  Celluloidzwirn¬ 
fäden  geschlossen. 

Gegen  Schluss  der  Operation  wurde  der  Puls  sehr  schwach. 
Deshalb  erhielt  Patientin  3  mal  je  1  1  Kochsalzlösung  mit  Kognak¬ 
zusatz  per  rectum  (wovon  nur  vom  letzten  Einlauf  eine  geringe 
Menge  zurückfloss)  und  nach  Beendigung  der  Operation  500  ccm 
physiologischer  Kochsalzlösung  subkutan.  Der  Blutverlust 
während  der  Operation  war  gleich  Null,  die  Narkose  ungestört. 
Puls  nach  der  Operation  120  p.  M.,  regelmässig,  Dauer  der  Opera¬ 
tion  1  Stunde. 

Das  Kind  ist  ein  Knabe  von  53  cm  Länge  und  4100  g  Ge¬ 
wicht.  Die  Kopfmasse  sind:  Grosser  querer  13,5  cm,  kleiner  querer 
11,0,  gerader  10,0,  grosser  schräger  17,5,  kleiner  schräger  11,5, 
Umfang  48  cm,  Suboccipit.  breg.  42  cm.  Nabelschnur  37  -f-  7  cm 
lang,  Dicke  derselben  %  cm,  Insertion  am  Rande,  Windungen 
spärlich.  Eihäute  vollständig,  Dicke:  derb.  Riss  am  Rande.  Pla¬ 
zenta:  Gewicht  535,  Grösse  20/14,  Gestalt  länglich,  Dicke  1  cm. 
Gewebe  mittelgross,  gelappt;  Kalk,  Apoplexien,  Cysten  fehlen. 
Fibröse  Schwarten  am  Rande  und  in  der  Mitte. 

Die  Rekonvaleszenz  war  hier  keine  glatte.  Nicht  nur  dass 
Patientin  bis  zum  25.  Tag  katheterisiert  werden  musste  (ohne  dass 
jedoch  Cystitis  auftrat),  bekam  Patientin  schon  vom  3.  Tag  an 
Fieber,  und  zwar  fast  immer  nur  Abends  zwischen  38  und  39 u. 
Erst  am  34.  Tag  fiel  das  Fieber  ab.  Es  bildete  sich  schon  bald  ein 
doppelseitiges  Exsudat,  das  der  Beckenwand  flach  aufsass,  jedoch 
in  die  Vagina  durchbrach.  Es  entleerten  sich  stellenweise  reich¬ 
liche  Mengen  von  nicht  stinkendem  Eiter.  Am  14.  Tag  wurde 
eine  vorsichtige  innere  Untersuchung  vorgenommen,  wobei  sich 
zeigte,  dass  die  Portio  ziemlich  gut  zurückgebildet  war,  etwa  1  cm 
lang.  Rechts  hinten  ein  ziemlich  tiefer  Einriss,  narbige  Ein¬ 
ziehungen  links  und  vorne.  Muttermund  geschlossen.  Der  Uterus¬ 
stumpf  über  der  Symphyse  zu  tasten.  Links  zwischen  Portio  und 
Beckenwand  eine  flache,  ziemlich  derbe,  nicht  druckempfindliche 
Resistenz,  die  sich  zirkulär  nach  hinten  zwischen  Rektum  und 
Vagina  und  nach  rechts  in  eine  weichere,  etwas  fluktuierende  Re¬ 
sistenz  fortsetzt,  die  eben  über  dem  Beckeneingang  zu  tasten  ist. 

Am  37.  Tag  konnte  Patientin  auf  ihren  Wunsch  entlassen 
werden.  Die  Bauchwunde  war  bis  auf  eine  kleine,  etwa  zelin- 
pfennigstückgrosse  Stelle  am  unteren  Wundwinkel  geschlossen, 
nirgends  im  Leib,  selbst  auf  starken  Druck,  Schmerzen. 

Die  beiden  liier  beschriebenen  Fälle  haben  eine  grosse  Aehn- 
lichkeit  miteinander,  bei  beiden  handelte  es  sich  um  ein  Miss¬ 
verhältnis  zwischen  Kindskopf  und  mütterlichem  Becken. 
Während  im  ersten  Falle  das  Kind  zwar  den  regulären  Kopf¬ 
umfang  aufwies,  war  das  Becken  zu  sehr  verengt,  während  im 
zweiten  Fall  zwar  das  Becken  gross  genug  war,  jedoch  der  Ilydro- 
kephalus  unverkleinert  unmöglich  den  harten  Beckenring 
passieren  konnte. 

Auch  sonst  waren  die  Verhältnisse  ziemlich  gleich,  indem 
beide  Frauen  sehr  lange  vorher  schon  gekreisst  hatten.  Wie  in¬ 
tensiv  der  Uterus  in  beiden  Fällen  gearbeitet  hat,  um  seinen  In¬ 
halt  auszupressen,  sieht  man  daran,  dass  in  der  letzten  Zeit  vor 
der  Geburt  schon  die  Wehen  sehr  schmerzhaft  wurden  und  nach 
Eintritt  des  Risses  sowohl  Kind  wie  Plazenta  rasch  in  die  Bauch¬ 
höhle  geboren  worden  sind.  Im  ersten  Falle  ist  sicher  kein  Kon¬ 
traktionsring  aufgetreten,  während  man  mit  derselben  Sicherheit 
im  zweiten  an  einen  solchen  denken  muss,  will  man  anders  die 
ja  ganz  richtige  Beobachtung  der  Hebamme:  „Der  Uterus  sei 
immer  nach  oben  gestiegen“  sich  erklären,  nur  wurde  eben  dieses 
„Nachobensteigen“  von  derselben  falsch  gedeutet. 

Ein  Unterschied  zwischen  beiden  Fällen  bestand  insofern, 
als  der  erste  Fall  sofort  erkannt  worden  ist  und  dementsprechend 
sofort  operiert  werden  konnte,  auserdem  von  dem  operierenden 
Arzt  sofort  die  Risstelle  mit  der  inneren  Hand  solange  zu¬ 
sammengehalten  wurde,  bis  die  Blutstillung  nach  Eröffnung  des 
Leibes  von  oben  vorgenommen  werden  konnte.  In  dem  zweiten 
Falle  dagegen  wurde  die  Ruptur  ausserhalb  der  Klinik  überhaupt 
nicht  erkannt  und  die  Diagnose  erst  in  letzterer  gestellt.  Der 
Eintritt  der  Ruptur  lag  3  Stunden  zurück,  denn  Kollaps  und 
Ruptur  sind  wohl  direkt  durch  einander  bedingt  gewesen. 

Diese  Verschiedenheit  der  Behandlung  kurz  nach  Erfolgen 
des  Risses  und  die  raschere  Operationsmöglichkeit  im  ersteren 
Falle  hat  sich  auch  bei  der  Rekonvaleszenz  gezeigt. 

Wenn  schon  im  zweiten  Falle  eine  geringe  Infektion  im 
Beckenbindegewebe  erfolgt  ist,  die  wohl  auch  auf  die  häufigeren 
inneren  Untersuchungen  durch  Arzt  und  Hebamme  und  die  Ver¬ 
unreinigung  des  Peritoneums  zurückzuführen  sind,  so  hat  sich 
Patientin  1  doch  viel  rascher  erholt.  Die  gar  nicht  empfindliche 
Parametritis  im  zweiten  Falle  wäre  von  Patientin  2  wohl  rascher 
überwunden  worden,  wenn  hier  nicht  die  Anämie  solch  bedenk¬ 
liche  Grade  schon  erreicht  haben  würde. 

Durch  die  vorhandene  Anämie  soll  man  sich  nie  von  der 
Operation  abhalten  lassen,  denn  wir  haben  in  den  Kochsalzein* 


21.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1743 


laufen  subkutan  oder  per  rectum  ein  ausgezeichnetes  Mittel. 
Dass  bei  grossen  Blutverlusten  sehr  grosse  Mengen  vertragen 
werden,  sieht  man  am  besten  bei  Fall  2,  bei  dem  noch  während 
der  Operation  3  Liter  in  den  Darm  eingegossen  worden  sind,  die 
fast  vollständig  behalten  wurden.  Nur  habe  ich  hier  während  des 
Einlaufes  die  l'lüssigkeit  vorsichtig  im  Darme  nach  oben  ge¬ 
strichen  und  sie  dadurch  sehr  rasch  zur  Resorption  gebracht. 

Die  Frage,  wie  man  operieren  will,  ergibt  sich,  wie  ich  in 
meiner  ersten  Arbeit  angegeben,  aus  der  Natur  der  Verletzung. 
Ist  der  Riss  glatt:  Vernähung,  ist  er  zerfetzt:  Entfernung  des 
Uterus.  Ob  man  nun  den  Uterus  supravaginal  abtragen  will 
oder  ihn  total  entfernen,  untersteht  nach  meiner  Ansicht  der 
Wahl  des  Operateurs.  Wenn  ich  auch  die  Vorteile  der  breiten 
Drainage  nach  unten,  die  gerade  in  letzter  Zeit  von  A  m  a  n  n  ’) 
für  die  Uterusrupturen  warm  empfohlen  wird,  durchaus  nicht  be¬ 
streiten  will,  so  glaube  ich  andererseits,  dass  der  Uterusrest  nicht 
nur  eine  gute  Stütze  für  den  Beckenboden  abgibt,  sondern  auch 
als  Deckmittel  für  Defekte  der  Nachbarorgane  sich  gut  verwerten 
lässt.  So  gelang  es  mir  in  Fall  1  durch  einfaches  Ueberdachen 
der  vorhandenen  Blasenverletzung,  letztere  dauernd  zu  heilen, 
und  ich  ersparte  mir  die  zeitraubende  und  manchmal  doch  nicht 
haltende  Blasennaht. 

Wenn  auch  die  grossen  Statistiken  der  letzten  Zeit 
(Schmit,  Klien,  v.  Franque)  und  die  Wiener  gynäko¬ 
logische  Gesellschaft  sich  fast  durchwegs  für  konservative  Be¬ 
handlung  der  Uterusruptur  aussprachen,  so  mehren  sich  doch 
immer  mehr  die  Fälle,  in  denen  Rupturen  durch  rasches  opera¬ 
tives  Eingreifen  geheilt  worden  sind. 

Ich  gebe  gerne  zu,  dass  nicht  überall  und  nicht  von  jedem 
Arzt  Rupturen  durch  Koeliotomien  behandelt  werden  können, 
aber  in  Kliniken  selbst  und  in  Städten  mit  Kliniken  oder  grossen 
Krankenhäusern  können  alle  Fälle  rasch  eingeliefert  und  dann 
in  kürzester  Zeit  der  Operation  zugeführt  werden.  Dass  selbst 
längere  Zeit  nach  dem  Eintritt  der  Verletzung  noch  mit  Erfolg 
operiert  werden  kann,  beweist  wieder  klar  mein  zweiter  Fall. 

Von  den  Verfechtern  der  konservativen  Methode  wird  als 
Hauptmotiv  ins  Feld  geführt,  dass  die  von  ihnen  empfohlene 
Methode  auch  von  Nichtspezialisten  und  vor  allem  von  der 
grossen  Zahl  der  praktischen  Aerzte  angewandt  werden  könne. 
Aber  meine  Erfahrungen  sind  leider  nicht  derart,  dass  ich  die 
Anschauung  vertreten  könnte,  dass  die  Uterustamponadel  von 
der  Hand  eines  geburtshilflich  Ungeübten  als  so  vollständig  un¬ 
gefährlich  oder  gar  leicht  ausführbar  zu  betrachten  sei.  Die 
enorme  Blutung,  die  gewöhnlich  nach  einem  Riss  eintritt,  macht 
den  über  die  Schwere  des  Falles  schon  vorher  etwas  aufgeregten 
Kollegen  erst  recht  nervös,  und  um  sie  zu  stillen,  wird  dann  ins 
Blaue  hineintamponiert.  Dass  dann  sehr  häufig  nicht  in  den 
Uterus,  sondern  direkt  durch  den  Riss  in  die  Bauchhöhle  die 
Gaze  eingeführt  wird  und  dabei  oft  nicht  unbedenkliche  Ver¬ 
letzungen  der  Bauchorgane  (wie  Abreissen  des  Darmes;  cf. 
meinen  zweiten  Fall,  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  1,  und 
Amann,  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  11)  gesetzt  wer¬ 
den,  habe  ich,  wie  gesagt,  schon  selbst  erlebt. 

Der  Arzt  in  der  Stadt,  welchem  eine  Ruptur  vorkommt,  täte 
meines:  Erachtens  viel  besser,  nur  einen  ordentlichen  Watte¬ 
oder  Gazebausch  in  die  Scheide  zu  legen  und  den  Uterus  mit 
Tüchern  oder  Kissen  und  einer  festen  Binde  von  aussen  zu  kom¬ 
primieren  und  die  Kranken  so^  rasch  wie  möglich  einer  Klinik 
zuzuführen. 

Dass  die  Operation  bei  Uterusrupturen  uns  wirklich  ausge¬ 
zeichnete  Resultate  gebracht  hat,  davon  konnte  ich  mich  durch 
Augenschein  überzeugen.  Zu  Anfang  meiner  Assistentenzeit 
wurden  alle  Rupturen,  die  uns  unterkamen,  durch  Tamponade 
behandelt,  und  von  allen  Patientinnen  blieb  nur  eine  einzige  am 
Leben;  während  in  den  letzten  2  Jahren  die  6  operierten  Fälle 
(1  von  Herrn  Geheimrat,  4  von  mir  und  1  von  einem  anderen 
Assistenten)  bis  auf  den  letzten  geheilt  worden  sind  und  auch 
dieser  kann  der  Operation  nicht  zur  Last  gelegt  werden,  denn 
die  Frau  kam  schon  mit  Temperatursteigerung  über  39°  in  die 
Anstalt. 

Ich  glaube  also,  dass  sich  die  Resultate  der  operativen  Be¬ 
handlung-  der  Uterusruptur  immer  mehr  bessern,  je  syste¬ 
matischer  dieselbe  durchgeführt  wird. 


Eine  Statistik  über  diese  Frage  in  späteren  Jahren  wird 
dann  ein  Plus  von  Heilungen  bei  operativ  behandelten  Fällen  er¬ 
geben,  welche  die  bis  jetzt  ja  der  Masse  nach  noch  ziemlich  un¬ 
günstigen  Zusammenstellungen  überwiegen  dürften.  Denn  man 
darf  nicht  vergessen,  dass  in  denselben  noch  sehr  viele  Fälle  ent¬ 
halten  sind,  die  zu  einer  Zeit  operiert  wurden,  wo  die  Technik 
noch  nicht  auf  der  heutigen  Höhe  stand. 

Die  so  oft  betonte  Infektionsgefahr  darf  in  einer  gut  ge¬ 
leiteten  Anstalt  durch  die  Operation  kaum  erhöht  werden.  Es 
bleibt  also  nur  der  Infektionsweg1  von  unten,  d.  h.  durch  den 
Riss  selbst.  Eine  derart  infizierte  Frau  geht  auch  bei  Behand¬ 
lung  mit  Tamponade  zu  Grunde.  Ob  nicht  sogar  die  Abschlies¬ 
sung  dieses  Infektionsweges  durch  sorgfältige  Vernähung  des 
Peritoneums  nach  unten  verringert  wird,  ist  nicht  als  vollstän¬ 
dig  ausgeschlossen  zu  betrachten.  Denn  so  gut  der  Gazestreifen 
im  Uterus  und  oft  zwischen  den  Rändern  des  Risses  nach  unten 
drainiert,  ebenso  kann  er  das  auch  nach  oben,  und  die  Vagina  ist 
nie  ganz  keimfrei. 

Zum  Schlüsse  erfülle  ich  die  angenehme  Pflicht,  meinem 
hochverehrten  früheren  Chef,  Herrn  Geheimrat  v.  W  inckel, 
für  Ueberlassung  der  Operationen  und  der  Fälle  zur  Veröffent¬ 
lichung  meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 


Ein  Fall  von  kongenitaler  Cystenniere  mit  pararenalem 
Haematom  bei  einem  Luetiker. 

Ein  Beitrag  zur  Nierenpathologie. 

Von  II  e  r  m  a  n  n  Fels,  I.  Assistent  des  patholog.-anatomischen 

Instituts  in  Zürich. 

Am  1.  Oktober  1901  kam  J.  D.,  42  Jahre  alt,  in  meine  Be¬ 
handlung  als  poliklinischer  Patient  des  German  Hospitals  in 
London.  Der  Fall  scheint  mir  einmal  wegen  des  eigentümlichen 
klinischen  Bildes,  dann  wegen  der  Schwierigkeit  der  Diagnosen¬ 
stellung  und  auch  wegen  des  höchst  interessanten  Sektions¬ 
befundes  wert,  vei-öff entlieht  zu  werden.  Speziell  für  den  Nieren¬ 
chirurgen  ist  dieser  Fall  von  Interesse. 

Die  Anamnese  ist  in  Kürze  folgende:  Der  ratient  stammt  aus 
gesunder  Familie,  ist  Engländer  von  Geburt.  Er  war  früher  lange 
Jahre  Seemann  und  fuhr  als  solcher  viel  in  ostindischen  und 
chinesischen  Gewässern  herum,  war  auch  in  Australien  und 
Amerika  gewesen.  Er  arbeitete  meist  als  Heizer  in  grossen  Ozean¬ 
dampfern  und  hatte  als  solcher  einen  sehr  angestrengten  Dienst. 
Patient  gibt  an,  vor  14  Jahren  am  Darmfieber  (wahrscheinlich 
Dysenterie  oder  Typhus  abdominalis)  gelitten  zu  haben.  Er  war 
damals  7  Wochen  in  Philadelphia  in  einem  Hospital.  Malaria  hat 
Patient  nach  seiner  Beschreibung  auch  durchgemacht.  Lues  wird 
anamnestisch  in  Abrede  gestellt,  wird  aber  positiv  bei  der  Sektion 
festgestellt.  Im  übrigen  war  Patient  stets  kräftig  und  gesund 
gewesen.  Seit  längerer  Zeit  hatte  er  jedoch  eine  blasse  Gesichts¬ 
farbe.  Die  jetzige  Erkrankung  führt  Pat.  auf  einen  Diätfehler 
zurück,  den  er  vor  2 — 3  Wochen  begangen.  Angeblich  nach  dem 
Genuss  einer  Flasche  Limonade  bekam  Pat.  heftige  Diarrhöen  und 
wiederholtes  Erbrechen,  verbunden  mit  kolikartigen  Leib¬ 
schmerzen.  Nach  einigen  Tagen  besserte  sich  diese  akute  Gastro¬ 
enteritis  und  Patient  reiste  von  London  nach  Kent.  Die  Appetit¬ 
losigkeit,  die  seit  der  Störung  bestanden,  nahm  zu.  Der  Pat. 
magerte  ab,  und  klagte  über  heftige  Schmerzen  in  der  Milzgegend. 
Seit  ca.  14  Tagen  bemerkte  er  eine  wachsende  Geschwulst  in  der 
linken  Seite,  dicht  unter  dem  Rippenbogen;  diese  Neubildung  be- 
Avog  ihn  dann  die  allgemeine  Poliklinik  des  German  Hospital 
zu  besuchen,  wo  ich  Gelegenheit  hatte,  den  Pat.  zu  untersuchen, 
und  ihn  dann  auch  ins  Hospital  aufnahm.  Der  Pat.  stellte  jeg¬ 
liches  Trauma  in  der  Gegend  der  Neubildung  in  Abrede.  Die 
Harnabsonderung  sei  stets  normal  gewesen.  Pat.  hatte  nie  Blut 
im  Urin  bemerkt. 

Status  bei  der  Aufnahme  am  1.  Oktober  1901:  Grosser, 
ziemlich  gut  genährter  Mann,  von  sehr  blasser  Hautfarbe,  mit 
leicht  fahl-gelbem  Ton,  wie  bei  Kachexie  verbunden  mit  Auämie. 
Die  Schleimhaut  der  Lippen  und  des  Mundes  hochgradig  anämisch, 
ebenso  die  Konjunktiven.  Kein  Ikterus  vorhanden,  keine  Haut- 
ausschläge.  Das  Knochensystem  ist  sehr  gut  gebaut,  keine  Un¬ 
ebenheiten  an  den  Tibiae,  noch  an  den  Schädelknochen.  Die 
Muskulatur  ist  relativ  kräftig  entwickelt.  Im  Hals  an  der  linken 
Tonsille  und  nach  innen  eine  zweimarkstückgrosse  derbe,  strahlige 
Narbe.  Zunge  belegt,  etwas  trocken,  starker  Foetor  ex  ore.  Die 
Zähne  sind  stark  defekt.  Der  Hals  ist  verdickt,  beiderseitige 
Struma  mittleren  Grades.  Die  Venen  des  Halses  kaum  sichtbar. 
Der  Thorax  ist  gut  gebaut,  leicht  fassförmig.  Es  besteht  ein  ge¬ 
ringer  Grad  von  Lungenemphysem  mit  leichter  chronischer  Bron¬ 
chitis.  Im  übrigen'  die  Lungen  perkultoriscli  und  auskultatorisch 
ohne  weitere  Veränderungen.  Die  Herzdämpfung  überragt  die 
linke  Mammillarlinie  um  2 — 3  cm.  Die  Herztöne  sind  rein,  jedoch 
leise.  Die  Leberdämpfung  ist  normal,  reicht  bis  an  den  unteren 
Rand  des  Rippenbogens.  Das  Abdomen  ist  leicht  aufgetrieben,  die 

2* 


’)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  11. 


1744 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Haut  fettreich,  jedoch  nicht  ödematös.  Im  linken  Hypochondrium 
sieht  man  schon  bei  der  Inspektion  eine  Vorwölbung  von  längs¬ 
ovaler  Form,  von  gut  Handgrösse.  Bei  der  Palpation  fühlt  man 
einen  harten,  rundlichen  Tumor  von  20  cm  Länge,  15  cm  Breite, 
der  mit  seinem  oberen  Pol  unter  dem  Rippenbogen  verschwindet, 
und  so  nach  oben  nicht  scharf  abzugrenzen  ist,  mit  dem  unteren 
Pol  bis  etwas  unter  Nabelhöhe '  reicht.  Der  Tumor  ist  wenig  be¬ 
weglich,  stark  prominent,  von  glatter  Oberfläche;  die  Haut  und  die 
gesamten  Bauchdecken  darüber  verschieblich.  Bei  der  Verschie¬ 
bung  sowohl,  als  auch  bei  bimanueller  Untersuchung  hat  man  das 
Gefühl,  dass  derselbe  bi’eit  in  der  Nierengegend  aufsitzt  und  auf 
der  Unterlage  ziemlich  fest  angewachsen  ist  und  in  die  Abdominal¬ 
höhle  hineinragt.  Fluktuation  ist  keine  nachzuweisen.  Beim  Ver¬ 
such,  den  Tumor  in  toto  zu  verschieben,  überraschte  uns,  dass  die 
stark  prominente  Partie  sich  nach  der  Mediane  hin  umklappen 
liess,  und  dabei  trat  unter  die  palpierende  Hand  ein  scharfer  Rand, 
wie  bei  einer  grossen  leukämischen  Milz.  Keine  respiratorische 
Verschieblichkeit  nachzuweisen.  Keine  Schmerzhaftigkeit  bei  der 
Palpation.  Ueber  dem  Tumor  ist  gedämpfter  Perkussionsschall, 
nirgends  Tympanie  von  einer  etwa  vorgelagerten  Darmschlinge. 
Die  Dämpfungsfigur  geht  nach  oben  bis  zur  8.  Rippe  in  der  Axillar¬ 
linie,  geht  also  über  in  die  Milzdämpfung.  Es  lässt  sich  durch  Per¬ 
kussion  auch  keine  Grenze  zwischen  Tumor  und  Milz  nachweisen. 
Das  übrige  Abdomen  normal.  Die  rechte  Niere  nicht  vergrössert, 
nicht  palpabel.  Leicht  vergrösserte,  aber  nicht  indurierte  Lyrnph- 
drüsen  in  der  Inguinalgegend.  Im  Abdomen  kein  freier  Aszites 
nachzuweisen.  Eine  Aufblähung  des  Darmes  vom  Rektum  aus 
wurde  leider  nicht  vorgenommen;  sie  hätte  in  diesem  Fall,  wie  der 
Sektionsbefund  zeigte,  die  Diagnose  intra  vitam  erleichtern  können. 
In  der  Knöchelgegend  besteht  ein  leichter  Grad  von  Oedem. 

Der  Urin  besass  ein  spezifisches  Gewicht  von  1010.  Die  Tages¬ 
mengen  waren  800—1000  ccm  in  den  ersten  Tagen.  Später  wurde 
er  nicht  mehr  gemessen,  Reaktion:  neutral,  die  Farbe:  hellgelb,  der 
Ui’in  ist  klar,  leicht  eiweisshaltig,  mit  Spui’en  von  Zucker.  Im 
Sediment  keine  oi'gaxxischen  Bestandteile,  wie  Blut-  oder  Eiter- 
körperchen,  Zylinder  und  Epithelien,  nachzxiweisen. 

Die  Blutuntei’sueliung  ergab  ei*st  eiixen  Hämoglobingehalt  von 
20  Pi’oz.,  später  von  35  Pi’oz.,  also  eine  sehr  starke  Oligochromämie. 
Beim  Einstich  in  die  Fingerkxxppe  fliesst  das  Blut  aus  der  kleinen 
Oeffnung  sehr  reichlich  aus,  ist  blass-hellrot,  wässrig,  voix  sehr 
schwachem  Gerinnungsvermögen.  Zur  Stillung  der  Blutung  aus 
dem  Nadelstich  musste  ein  kleiner  Kompressionsverband  um  den 
Finger  angelegt  werden.  In  den  frischen  ungefärbten  Blutprä¬ 
paraten  tritt  eine  stai’ke  Vermindenxng  der  Zahl  der  roten  Blut¬ 
körperchen  zu  Tage;  letztere  sind  zudem  blass,  habeix  jedoch  eine 
gute  Tendenz  zxxr  Geldrollenbildung.  Keine  Abnormitäten  in  der 
Form  der  roten  Blutköx*perchen,  ebenso  keine  kernhaltigen  Formen 
zxx  sehen.  Es  besteht  neben  der  Vei’minderung  der  Zahl  der  roten 
Blutkörperchen  eine  leichte  Vermehrung  der  weissen  Elemente,  so 
dass  oft  5—10  sich  in  einem  Gesichtsfeld  finden  bei  starker  Ver- 
grösserung  Leitz  Ocul.  II,  Objekt  7.  Die  Untersuchung  von  mit 
E  h  r  1  i  c  h  s  Triazidgemisch  gefärbtexx  Blutkörperchen  ergibt  ge¬ 
ringe  Hypei’leukocytose  mit  sehr  wenig  eosinophilen  Zellen. 

Ich  stellte  anfangs  die  Diagnose  auf  Nierentuxnor  ganz 
allgemein,  dachte  an  eine  maligne  Form  desselben,  an  ein  Karzi¬ 
nom  oder  Sarkom,  oder  an  grosse  eixxseitige  Cystenniere,  wofür 
die  Oberfläche  des  Tumors  aber  zu  glatt  war,  oder  dann  an  eine 
jener  selteneren  Niei’entumoren,  wie  Rhabdomyome  oder  Hyper¬ 
nephrome.  Die  stai’ke  Anämie  und  den  leichten  Grad  der  Ab- 
magerung  in  der  letzten  Zeit  suchte  ich  durch  beginnende  Kachexie 
zu  erklären;  dachte  auch  an  Niei’enblutungen  als  Ursache  der 
Anämie,  wie  sie  bei  Tumoren  und  Steinen  so  häufig  Vorkommen, 
wogegen  jedoch  die  Anamnese  sprach,  nach  der  Patient  nie 
blutigen  Urin  bemerkt  hatte.  Da  ich  also  in  der  Diagnose  un¬ 
sicher  war,  nahm  ich  den  Patienten  auf  die  chirurgische  Station 
auf,  wo  ihn  Dr.  z  u  m  Busch,  Oberarzt  der  Abteilung,  sah  und 
untersuchte  und  wo  er  bis  zum  8.  X.  verblieb.  Bei  totaler  Bett¬ 
ruhe,  guter  Ernährung  gingen  die  Oedeme  der  Knöchel  zurück,  der 
Appetit  besserte  sich  bedeutend.  Die  Temperaturen  waren  normal, 
zwischen  3G,6 0  und  37,1  °.  Der  Puls  regelmässig,  80 — 90  Schläge 
in  der  Minute,  jedoch  von  sehr  geringer  Spannung.  Der  Patient 
fühlte  sich  relativ  wohl,  hatte  keine  Schmerzen,  der  Tumor  jedoch 
blieb  unverändert.  Das  Sensorium  war  stets  klar,  nie  Zeichen  von 
Urämie.  Da  von  seiten  der  Nieren  ausser  dem  leichten  Beinödem, 
dem  gelängen  Eiweissgehalt  des  Urins,  i/2 — 1  Prom.,  keine  weiteren 
Störungen  Vorlagen,  und  der  Palpationsbefund,  der  deutlich  fühl¬ 
bare  schai’fe  voi’dere  Rand,  und  ebenso  die  Dämpfungsfigur,  die 
ja  bis  zur  8.  Rippe  hinaufreichte,  mehr  für  einen  Milztumor 
sprachen,  wurde  die  zuerst  von  mir  gemachte  Diagnose  „maligner 
Nierentumor“  fallen  gelassen.  Gegen  diese  Diagnose  sprachen  die 
Verschieblichkeit  des  Tumors,  die  absolute  Schmerzlosigkeit  des 
Patienten  und  der  auffallend  gute  Emähningszustand  bei  der 
hochgradigen  Anämie.  Wir  fassten  deshalb  die  Geschwulst  als 
Milztumor  auf,  und  bei  der  bestehenden  Hyperleukoeytose  und  der 
Anämie  dachten  wir  an  eine  lineale  Leukämie  mit  atypischem 
Verlauf.  Deshalb  wurde  auch  von  jedem  operativen  Eingriff  ab¬ 
gesehen  und  der  Patient  der  internen  Station  des  Hen-n 
Dr.  Fürth  überwiesen.  Da  der  Patient  mit  aller  Wahi’sclieinlich- 
keit  Malaria  dux’chgemacht,  wurde  der  Tumor  hier  als  chronischer 
Malariamilztumor  angesehen  und  die  Anämie  und  Leukocytose  als 
chronische  Malaiäakachexie  axxfgefasst.  Die  Differentialdiagnose 
war  also  in  diesem  Fall  für  den  Kliniker  keine  leichte  Aufgabe. 
Die  Lage  des  Tumors  sowohl,  als  auch  seine  derbe  Konsistenz 
sprachen  mehr  für  einen  Niei’entumoi’,  der  breit  in  der  Lumbal¬ 


gegend  aufsitzt,  seitlich  jedoch  beweglich  ist;  die  Forin  und  die 
mit  der  normalen  Milzdämpfung  konfluierende  Dämpfungs¬ 
figur  jedoch  mehr  für  einen  Milztumor.  Der  Urinbefund 
war  für  eine  schwere  Nierenaffektion  axxeh'  nicht  beweisend,  der 
Blutbefund  sprach  mehr  für  eine  Milzerkrankung.  Die  Anamnese 
war  zu  unsicher,  um  daraus  sichere  Schlüsse  zu  ziehen.  Da  kein 
Trauma  vorausgegangen,  wxxi’de  die  Fi’age  eines  traixmatischen 
Nierenhämatoms  gar  nicht  aufgeworfen.  Die  Diagnose  blieb  also 
(äne  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  und  musste  bis  zur  Sektion  offen 
gelassen  werden. 

Die  Krankengeschichte  ist  in  Kürze  folgende:  Patient  wxxi’de 
vom  1.— 8.  X.  auf  der  chirurgischen,  vom  8.-24.  X.  auf  der  inneren 
Station  behandelt.  Er  erhielt  Liq.  kali  arsenic.  und  erholte  sich 
recht  gut.  Am  22.  X.  trat  eine  ganz  akute  Verschlimmeniug  im 
Zustand  des  Patienten  ein,  mit  leichten  Temperaturerhöhungen 
bis  38,0  °.  Pulszahlen  von  108—112.  Die  Oedeme  der  Beine  kehlten 
zurück,  daneben  wurde  Patient  leicht  benommen.  Der  Eiweiss- 
gelialt  des  Urins  war  stark  vermeint,  heftige  Diarrhöen  traten  ein 
und  am  24.  X.  machte  der  Patient  ganz  plötzlich  und  unerwartet 
Exitus  unter  dem  Bilde  einer  Sepsis  oder  Urämie  mit  akuter 
Dyspnoe.  Die  Sektion  fand  am  25.  X.  statt,  etwa  12  Stunden  nach 
eingetretenem  Tod,  und  wurde  ausgeführt  von  Hex-m  Professor 
A  schoff  -Göttingen,  der  an  jenem  Tage  das  German  Hospital 
mit  seinem  Besuche  beeliil  hatte. 

Sektionsprotokoll:  Grosse,  gutgenährte  männliche 

Leiche  von  sehr  blasser  Hautfarbe.  Gyanose  der  Lippen,  starker 
Foetor  ex  ore.  Wenig  Totenflecken,  Oedem  der  unteren  Exti’emi- 
täten  und  der  abhängigen  Partien  des  Rumpfes.  Abdomen  vor¬ 
getrieben,  wenig  gespannt,  Bauchdecken  leicht  grün  verfärbt. 
Keine  Narben  am  Körper,  auch  am  Penis  keine  Zeichen  eines  ver¬ 
heilten  syphilitischen  Ulcus  zu  finden.  Paniculus  adiposus  gut 
entwickelt,  Muskulatur  kräftig,  aber  sehr  blass. 

Lungexi  beidei’seits  frei,  in  beiden  Pleurahöhlen  etwas  klare, 
hellgelbe  Flüssigkeit,  rieuren  spiegelnd  und  glatt,  auf  der  Schnitt¬ 
fläche  beide  Lungen  von  gutem  Luftgehalt,  in  den  Unterlappen 
ödematös,  stark  anämisch.  Keine  Herde  in  den  Lungen,  keine 
Narben  in  den  Spitzen.  Schleimhaut  der  Bronchen  injiziert,  glatt, 
mit  schleimigeitrigem  Sekret  belegt.  Hilusdriisen  etwas  ver- 
grössei’t,  stark  anthrakotisch,  jedoch  ohne  Verkäsung  noch  Ver¬ 
kalkung.  Der  Hei’zbeutel  ist  sehr  gross,  in  ihm  ca.  200  ccm  hell¬ 
gelber,"  klarer  Flüssigkeit.  Das  Herz  sehr  gross,  fast  doppelte 
Grösse  der  Faust  des  Besitzers,  sehr  schlaff,  mit  geringem  Grad 
von  Fettumwachsung,  namentlich  des  rechten  Ventrikels.  Rechter 
Vorhof  weit,  Wandung  dünn  und  blass,  im  Herzohr  keine  Throm¬ 
ben.  Txäcuspidalostium  weit  offen,  für  3  Finger  gut  durchgängig; 
der  rechte  Ventrikel  ebenfalls  stark  dilatiert,  Wandung  sehr 
schlaff,  leicht  hypertrophisch.  Die  Muskulatur  sehr  schlaff  und 
anämisch.  Vom  Rande  her  stellenweise  Fetteinwachsung  in  den 
Muskel.  Im  i’echten  Ventrikel  keiixe  Thromben.  Tricuspidal- 
klappen  ohne  Veränderungen,  ebenso  die  Arteria  pulmonalis  ohne 
Abnonnitäten.  Intima  glatt.  Der  linke  Vorhof  und  Ventrikel 
nur  wenig  ei’weitert,  die  Wandung  des  Ventrikels  hyperti’ophisch, 
von  gelblicher,  blasser  Farbe,  fühlt  sich  weich  an.  Die  Trabekel 
etwas  abgeplattet,  die  Papillarmuskel  noch  lmtftig  entwickelt,  axxf 
dem  Endokard  derselben  deutliche  Gitterzeichnung.  Die  Mitral¬ 
klappen  zart  und  glatt,  die  Klappen  der  Aorta  ebenfalls  ohne  Auf- 
lagei’ungen  noch  Verkalkungen.  Die  AoxTa  selbst  von  normaler 
Weite,  wenig  elastisch,  die  Intima  hochgradig  verändert,  mit 
schwieligeix  Verdickungen  und  nindliclien,  bis  fünfpfennigstück¬ 
grossen  Flecken  von  heller  Farbe,  wenig  vertieftem  Zentrum, 
ziemlich  dicht  übersät.  Diese  Flecken  sind  nicht  konfluierend  und 
nicht  verkalkt. 

Die  Zunge  ist  stark  belegt,  an  ihr  keine  Narben,  noch  Ge- 
schwüre  zu  sehen.  Die  Tonsillen  sind  von  mittlerer  Grösse,  ohne 
Beläge;  auf  der  Schnittfläche  keine  Eiterpfropfe  zu  sehen.  Neben 
der  linken  Tonsille  eine  rundliche,  strahlige  Narbe  von  derber  Kon¬ 
sistenz,  auf  dem  Quei’schnitt  weiss  gefärbt.  Die  Uvula  ist  ver¬ 
grössert,  dunkelrot,  mit  eixxem  stecknadelkopfgrossen,  frischen 
Eitei’hei'd  an  der  Spitze.  Die  Schleimhaut  der  Uvula  und  ihrer 
Umgebung  ist  ödematös  und  stark  hyperämisch,  ebenso  die  der 
Epiglottis,  des  Pharynx  und  des  Larynx.  Die  Stimmbänder  und 
dei’en  Umgebung  sind  gescliwürig  verändert,  auf  dem  Geschwürs¬ 
grund  nekrotisches,  schmutzig  grau-grün  gefärbtes  Material;  an 
einzelnen  Stellen  festhaftende  Membranen  auf  dem  Geschwür  zu 
sehen.  Die  Geschwinde  umgeben  von  eixxem  stark  liyperämischen 
Hof.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Geschwürsmaterials 
und  der  Membranen  ergab  in  Aufstrichpräparaten  mit  Gram  scher 
Fäi’bung  reichliche  Streptokokken  und  Staphylokokken  neben¬ 
einander-.  Keine  Diphtheriebazillen  mit  Löfflers  Methylen¬ 
blau  nachzuweisen.  Auf  der  stark  injiziei’ten  Schleimhaut  der 
Trachea  eiixe  lange,  lose  aufliegende,  aus  zähem  Schleim  und 
Speisei’esten  bestehende  Membran.  In  der  Ti’acliea  und  in  den 
Bronchien  keine  Membranen,  Schleimhaut  hyperämisch.  Mittel¬ 
grosse  seitliche  pai’enchymatöse  Strumen.  Die  gi’ossen  Gefässe 
des  Halses  und  die  Brustaoi’ta  zeigen  dieselben  fleckigen  und 
schwieligen  Verdickungen  wie  der  Anfaxxgsteil  der  Aorta. 

In  der  Bauchhöhle  keine  freie  Flüssigkeit,  noch  Blutgerinnsel. 
Das  Netz  zurückgezogen,  die  Leber  ist  zurückgesunken,  übei’ragt 
den  Rippenbogen  um  2  cm.  Magen  und  Därme  mässig  gebläht, 
Serosa  spiegelnd  und  glatt.  In  der  Wandung  der  Flexura  sigmoidea 
und  des  untersten  Abschnittes  des  Colon  descendens  ausgedehnte 
subseröse  flächenhafte  Blutungen  von  dunkelbraunroter  Farbe, 
ebenso  das  Mesentei’ium  des  Koloix  xxnd  der  Dünndärme  der 
rechten  Seite  blutig  infundiert.  Die  Milz  sehr  gross,  nach  oben 


21.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1745 


mit  dem  Zwerchfell,  nach  unten  mit  dem  im  Leben  wahrgenom¬ 
menen  Tumor  verwachsen.  Die  Masse  sind:  18  zu  10  zu  4  cm. 
Die  Kapsel  ist  verdickt,  gefleckt,  es  wechseln  hellgraue  Partien 
mit  dunkelbraun  pigmentierten  ab.  Auf  der  Schnittfläche  ist  das 
Organ  von  sehr  weicher  Konsistenz,  blassroter  Farbe,  sein- 
wenig  bluthaltig,  die  Milzpulpa  weich,  zerfliesslich,  die 
Zeichnung  verwischt.  Die  Leber  ist  mittelgross.  Die  Serosa  zeigt 
tief  einschneidende  Narben,  namentlich  am  scharfen  Rande  der 
Leber,  daneben  bindegewebige  Verdickungen.  Die  Gallenblase 
enthält  wenig  dunkelgelbe,  zähe  Galle,  keine  Steine.  Auf  der 
Schnittfläche  der  Leber  die  azinöse  Zeichnung  sehr  deutlich,  die 
Zentren  braunrot,  die  Peripherie  blass.  Das  intraazinöse  Binde¬ 
gewebe  nur  -wenig  verbreitert.  Die  Sektion  des  Magen-  und  Darm¬ 
kanals  ausser  den  schon  erwähnten  blutigen  Infiltrationen  der 
Serosa,  des  S  romanum  und  des  Mesenterium  keine  Abnormitäten. 
In  beiden  Hoden  strahlige  derbe  Narben,  die  vom  Hilus  zur  Tunica 
albiginea  gehen. 

Einer  eingehenden  Beschreibung  bedürfen  die  beiden  Nieren, 
indem  die  im  Leben  wahrgenommene,  und  zuerst  als  Nierentumor 
aufgefasste  Geschwulst  auch  wirklich  die  Niere  ist,  und  nicht  ein 
Milztumor,  wie  später  angenommen  wurde.  Der  Tumor  liegt 
retroperitoneal  in  der  linken  Lumbalgegend,  ist  kindskopfgross, 
stark  prominent,  von  länglich-ovaler  Form,  25  cm  lang,  15  cm 
breit  und  14  cm  hoch.  Die  Oberfläche  ist  ziemlich  glatt,  über  der 
höchsten  Prominenz  verläuft  das  Colon  descendens;  letzteres  ist 
leer  und  gut  kontrahiert.  Die  ganze  Geschwulst  ist  etwas  beweg¬ 
lich  auf  der  Unterlage  und  schimmert  durch  das  Peritoneum  als 
dunkelblaurote  Masse  durch.  Das  subperitoneale  Fettgewebe  der 
ganzen  Umgebung  ist  blutig  infundiert.  Nach  oben  ist  der  Tumor 
von  der  unteren  Hälfte  der  Milz  bedeckt  und  ist  mit  derselben 
verwachsen;  der  untere  Pol  der  Niere  ist  in  derbe  infiltrierte 
Massen  eingebettet,  mit  der  Muskulatur  des  Ileopsoas  verwachsen. 
In  diesen  schwartigen  Massen  derben  Bindegewebes  ist  der  Ureter 
eingebettet.  Nach  Ablösung  des  Colon  descendens  wird  der  Tumor 
in  toto  mit  Nebenniere,  Fettkapsel  und  Peritoneum  heraus¬ 
geschnitten  und  von  der  Hilusseite  der  Niere  aus  aufgeschnitten, 
also  umgekehrt  wie  bei  der  gewöhnlichen  Sektionstechnik.  Die 
Nebenniere  sitzt  dem  oberen  Pol  auf  und  ist  von  normaler  Be¬ 
schaffenheit.  Das  Bild,  das  sich  beim  Durchschnitt  der  Niere  und 
ihrer  Umgebung  zeigte,  ist  ein  in  jeder  Beziehung  überraschendes 
und  ungewohntes.  Es  zerfällt  das  ganze  Gebilde  in  drei  von 
einander  gut  abgegrenzte  Teile.  Oben  unter  der  Nebenniere  ist 
ein  helles  Gewebe,  bestehend  aus  vielen  Cysten,  die  durch  eine 
derbe,  z.  T.  Fettgewebe  enthaltende  Zwischensubstanz  von  ein¬ 
ander  getrennt  werden;  darunter  ist  hellgelbe  Nierensubstanz,  und 
zwar  ist  von  der  Niere  nur  ungefähr  die  untere  Hälfte  erhalten. 
An  der  Stelle  der  oberen  Nierenhälfte  ist  das  beschriebene  cystöse 
Gewebe,  zwischen  beiden  ist  eine  scharfe  Grenze  zu  erkennen. 
Der  Nierenrest  ist  auf  seiner  lateralen  und  vorderen  Seite  um¬ 
geben  von  einem  weichen  braunroten  Gewebe,  das  auch  den  un¬ 
teren  Nierenpol  ganz  umgibt.  Der  erhaltene  Nierenrest  selbst  ist 
von  sehr  blasser  Farbe,  sieht  homogen  aus,  die  Zeichnung  in  Mark 
und  Rinde  ist  verwischt,  die  Pyramidenstreifung  der  Markkegel 
kaum  angedeutet.  Die  Konsistenz  des  Gewebes  ist  eine  derbe. 
Vom  Nierenbecken  ist  auch  nur  die  untere  Hälfte  erhalten;  es  ist 
klein,  ziemlich  fettreich,  geht  über  in  den  nicht  erweiterten  Ureter, 

der  bis  weit  hinunter  in  derbe 
schwartige  Massen  von  Gra¬ 
nulationsgewebe  eingebettet 
ist.  In  der  Schleimhaut  des 
Nierenbeckens  punktförmige, 
dunkelgefärbte  Hämorrhagien. 
Neben  dem  Ureter,  der  zuerst 
etwas  nach  oben  verläuft,  um 
dann  im  Bogen  nach  unten  zu 
gehen,  befinden  sich  die  quer¬ 
geschnittenen  Nierengefässe. 
Die  Nierenvene  ist  weit,  die 
Wandung  zeigt  •  keine  Ver¬ 
änderungen.  Die  Nierenarterie 
klafft,  die  Wandung  zeigt 
starke  atheromatöse  Ent 
artung,  jedoch  keine  Verkal¬ 
kung.  Der  Platz  der  fehlen¬ 
den  oberen  Nierenhälfte  wird 
eingenommen  von  dem  er¬ 
wähnten  mit  Cysten  durch¬ 
setzten  Gewebe.  Die  Cysten 
sind  erbsen-  bis  kirschgross, 
nicht  kommunizierend,  glatt- 
wandig,  angefüllt  mit  hell¬ 
gelber,  klarer  Flüssigkeit,  in 
keiner  blutiger  Inhalt  oder 
Petechien  in  der  Wandung. 
Das  derb  faserige,  mit  Fettge¬ 
webe  durchsetzte  Stroma 
zwischen  den  Cysten,  erinnert 
am  meisten  an  eine  binde- 
gewebsreiche  Fettkapsel  der 
Niere.  Diese  cystös  degene¬ 
rierte  obere  Hälfte  der  Niere  ist  scharf  abgegrenzt  gegen  die 
untere,  noch  erhaltene  Nierenhälfte  und  ebenso  gegen  die  weichen 
Tumormassen.  Gegen  das  Nierenbecken  hin  ist  keine  scharfe  Ab¬ 
grenzung  vorhanden,  und  hat  man  hier  den  Eindruck,  als  ob  das 
No.  42. 


Fett  desselben  übergehe  in  das  Fett  des  Stromas  der  cystös  de¬ 
generierten  Nierenhälfte.  In  der  verschmälerten  und  komprimier¬ 
ten  Grenzzone  der  unteren  Nierenhälfte  gegen  das  cystöse  Ge¬ 
webe  hin  finden  sich  in  der  Nierensubstanz  auch  einige  bis  erbsen¬ 
grosse  Cysten.  Am  oberen  Ende  der  Niere,  auf  der  lateralen  Seite, 
ist,  tvie  die  Figur  zeigt,  eine  nussgrosse  Cyste,  deren  Wandung  aus 
einer  Fortsetzung  der  Nierensubstanz  gebildet  wird.  Der  eigent¬ 
liche  Tumor  umgibt  die  erhaltene  untere  Nierenhälfte  auf  ihrer 
konvexen  und  vorderen  Fläche  wie  eine  Kappe,  überragt  auf  der 
lateralen  Seite  die  Niere  bedeutend  nach  oben;  er  ist  scharf  ab¬ 
gegrenzt  gegen  die  Umgebung.  Von  der  blassen  Nierensubstanz 
hebt  er  sich  durch  seine  dunkelbraunrote  Farbe  scharf  ab.  An  der 
Grenze  der  beiden  Gewebe  lässt  sich  deutlich  die  verdickte  fibröse 
Kapsel  der  Niere  erkennen.  Die  Tumormasse  besteht  aus  einem 
weichen,  bröckligen  Gewebe  von  rotbrauner  Farbe;  sieht  aus  wie 
geronnenes  Blut,  das  zu  einer  festen,  kompakten  Masse  kompri¬ 
miert  wurde  durch  den  allseitigen  Druck  der  die  Blutung  um¬ 
gebenden,  straff  gespannten  Kapsel,  oder  dann  wie  ein  weiches 
hämorrhagisches  Sarkom.  Die  Struktur  auf  dem  Querschnitt  ist 
ziemlich  homogen,  keine  alveolare  Zeichnung  wie  bei  einem  Tumor; 
an  einzelnen  Stellen  sieht  man  schon  makroskopisch  die  für  ge¬ 
ronnenes  Blut  charakteristische  zwiebelschalenförmige  Anordnung 
der  Substanz. 

Die  Drüsen  des  Nierenliilus  sind  wie  die  der  Leberpforte  stark 
vergrössert  und  markig  geschwellt,  von  weisser  Farbe.  Um  den 
ganzen  Tumor  herum  geht  eine  derbe  Kapsel,  die  sich  fortsetzt  in 
die  Fettkapsel  der  Niere,  darüber  ist  das  Peritoneum. 

Die  rechte  Niere  ist  wenig  grösser  als  eine  normale  Niere,  die 
Fettkapsel  ist  gut  entwickelt.  Die  fibröse  Kapsel  teilweise  mit  der 
Niere  verwachsen.  Die  Oberfläche  höckerig.  Die  Höcker  werden 
gebildet  von  vielen,  dicht  nebeneinander  stehenden,  erbsen-  bis 
kirschgrossen,  blau  durchschimmernden  Cysten  mit  klarem,  gelbem 
Inhalt.  Auf  dem  Querschnitt  zeigt  sich  das  ganze  Organ  durch¬ 
setzt  von  diesen  dünnwandigen  Cysten,  die  alle  isoliert  sind  und 
durch  ein  blassrotes,  faseriges  Stroma  von  einander  getrennt  wer¬ 
den.  Normal  beschaffenes  Nierengewebe  ist  darin  keines  mehr  zu 
erkennen.  Die  ganze  Niere  zeigt  also  das  typische  Bild  der  sogen, 
kongenitalen  Cystenniere,  nur  dass  in  diesem  Fall  die  Niere  nicht 
sehr  gross  ist,  während  sonst  gewöhnlich  die  Cystennieren  enorme 
Dimensionen  annehmen.  Das  Nierenbecken  ist  weit,  mit  punkt¬ 
förmigen  Blutungen  in  den  Nierenkelchen.  Der  Ureter  von  nor¬ 
maler  Weite,  die  Harnblase  angefüllt  mit  hellgelbem  Urin,  ohne 
Blut.  Magen-  und  Darmkanal  ohne  Besonderheiten.  Die  Hirn¬ 
sektion  musste  unterlassen  werden. 

Der  anatomische  Befund  lautet  also:  HochgTadige 
Anämie  aller  Organe.  Oedem  der  Beine,  Hydrothorax  duplex. 
Bronchitis.  Hydroperikardium.  Dilatatio  cordis  mit  Hypertrophie 
des  Muskels.  Degeneratio  adiposa  myocardii.  Hochgradige  hie¬ 
tische  Atheromatose  der  Aorta  intima  sowie  der  übrigen  Arterien 
im  Körper,  insbesondere  auch  der  Nierenarterie.  Syphilitische 
alte  Narben  am  rechten  Gaumenbogen  und  in  beiden  Hoden.  Ab¬ 
szesse  an  der  Uvula.  Pharyngitis,  Glottisödem.  Pseudodiphtherie 
des  Larynx.  Milztumor  (auf  luetischer  Basis).  Perisplenitis.  Peri¬ 
hepatitis  mit  Narben  in  der  glissonischen  Kapsel.  Stauungsleber 
mit  fettiger  Degeneration.  Kongenitale  Cystenniere  rechts.  Pe¬ 
techien  im  rechten  Nierenbecken.  Halbseitiger  Mangel  der  linken 
Niere.  Hochgradige  parenchymatöse  Nephritis  der  erhaltenen 
unteren  Nierenhälfte.  Cystöse  Degeneration  der  Fettkapsel  der 
linken  Niere.  Ausgedehntes  abgekapseltes  pararenales  Hämatom 
der  linken  Niere  zwischen  fibröser  Kapsel  und  Fettkapsel  und 
Peritoneum. 

Einer  mikroskopischen  Untersuchung  wurden  unterworfen 
die  Milz,  die  Nieren  und  die  Leber. 

Der  makroskopisch  wahrgenommenen  Milzschwellung  ent¬ 
spricht  mikroskopisch  eine  starke  Hyperplasie  der  Milzsubstanz, 
mit  starker  Hyperämie  und  Leukocytenansammlungen.  Die 
Kapillaren  sind  strotzend  mit  Blut  gefüllt,  daneben  sind  auch  Blut¬ 
austritte  in  das  Milzstroma  und  die  Milzkapsel.  Die  Follikel  sind 
stark  geschwellt,  leukocytenreich,  um  die  Gefässe  knötchenförmig 
angeordnet,  zirkumskript.  Nirgends  miliare  Gummata  zu  sehen. 
Die  Wandungen  der  Gefässe  zeigen  starke  Wucherungen  der  In¬ 
tima,  einzelne  zeigen  völligen  Verschluss  des  Lumens  (Endarteritis 
obliterans).  Die  Media  der  grösseren  Arterien  und  Venen  auch 
verdickt,  die  Gefässe  umgeben  von  hyalin  degeneriertem  Binde¬ 
gewebe.  Das  Milzstroma  ist  stark  verbreitert  und  zeigt  hyaline 
Degeneration. 

In  der  Milz  findet  sich  reichliches  Blutpigment  in  amorphen 
gelben  Schollen  abgelagert.  Die  Kapsel  ist  stark  verdickt,  mit  viel 
Blut-  und  Kohlepigment  versehen,  an  verschiedenen  Stellen  deut¬ 
liche  kleinzellige  Infiltration  wahrzunehmen.  Die  Milz  zeigt  also 
nebeneinander  akute  Prozesse  (akuter  hyperplastischer  Milztumor) 
und  alte  chronische  Prozesse,  als  Induration  der  Milz,  Binde¬ 
gewebsvermehrung  mit  hyaliner  Degeneration,  Pigmentablagerung 
und  Kapselverdickungen.  Alle  diese  chronischen  Prozesse  lassen 
sich  zurückführen  auf  die  hochgradigen  Veränderungen  an  den  Ge- 
fässen,  als  deren  Ursache  wir  die  Syphilis  bezeichnen  können. 

Die  Leber  zeigt  das  Bild  der  chronisch  indurierten  Stauungs¬ 
leber  mit  reichlicher  Ablagerung  von  Blutpigment  als  braungelbe 
Körner  in  die  Leberzellen  hinein.  Daneben  besteht  eine  inter¬ 
stitielle  Hepatitis  mit  Bindegewebsvermehrung  der  Septen  der 
Acini,  Neubildung  von  Gallengängen  und  geringer  kleinzelliger  In¬ 
filtration.  Jedoch  nirgends  Gummibildung.  Die  Leberkapsel  ist 
verbreitert,  besteht  aus  einem  derbfaserigen  Bindegewebe  mit 
spärlichen  langgezogenen  Kernen.  An  der  Oberfläche  einige  tief 

3 


2/s  der  natürl.  Grösse. 


1746 


MUENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


einschneidende  Narben  und  Einziehungen  der  Kapsel,  von  denen 
aus  breite  Bindegewebssepta  in  die  Tiefe  führen.  Die  Gefässe  des 
interacinösen  Bindegewebes  zeigen  dieselben  Veränderungen  von 
Intima  und  Media  wie  die  der  Milz,  jedoch  nicht  so  starke  hyaline 
Degeneration.  Also  an  der  Leber  in  der  Form  von  Perihepatitis 
und  Gefässentartung  auch  die  Zeichen  durchgemachter  Lues  zu 
erkennen. 

Die  rechte  Niere  zeigt  das  Bild  der  typischen  kongenitalen 
Cystenniere.  Die  grossen  Cystenräume  sind  von  einem  zum  Teil 
desquamierten  Endothel  ausgekleidet.  Das  Gewebe  zwischen  den 
Cysten  ist  bindegewebsreicli,  zeigt  zum  Teil  noch  sehr  gut  er¬ 
haltene  Glomeruli  und  Harnkanälchen,  zum  Teil  sind  dieselben 
stark  komprimiert  und  viele  total  hyalin  entartet.  Daneben  be¬ 
steht  fleckweise  kleinzellige  Infiltration  und  die-  oben  beschriebenen 
Gefässveränderungen.  Von  der  linken  Niere  wurden  verschiedene 
Stellen  untersucht.  Erstens  Partien,  auf  denen  sowohl  Nierensub- 
*  stanz  als  auch  das  vermeintliche  Tumorgewebe  vorhanden  ist, 
dann  Partien  aus  der  Grenze  des  Nierengewebes  gegen  das  mit 
Cysten  durchsetzte  Gewebe.  Der  vermeintliche  Tumor  erweist 
sieh  auch  mikroskopisch  als  ein  Hämatom,  bestehend  aus  ge- 
ronnenem  Blut,  von  homogener  Beschaffenheit,  dichtem  Gefüge. 
An  vielen  Stellen  ist  die  Masse  konzentrisch  oder  exzentrisch 
zwiebelschalenförmig  angeordnet.  Das  Ganze  färbt  sich  mit  Eosin 
leicht  rosa.  Das  ßiut  ist  noch  zu  erkennen  an  der  an  einzelnen 
Stellen  noch  schön  erhaltenen  bienenwabenähnlichen  Zeichnung, 
entsprechend  den  einzelnen  roten  Blutkörperchen,  die  sich  gegen¬ 
seitig  komprimieren.  An  anderen  Stellen  sind  die  roten  Blut¬ 
körperchen  zu  Grunde  gegangen  und  liegen  als  amorphe,  unregel¬ 
mässige  Schollen  von  leicht  rosa  Farbe  zwischen  den  Zügen  von 
geronnenem  Fibrin.  Das  Blut  ist  durchsetzt  mit  Leukocyten- 
kernen,  die  noch  gut  erhalten  sind.  Bindegewebskerne  oder  Ge- 
füssprossen  sind  in  der  Blutmasse  keine  wahrzunehmen.  Die 
Grenze  zwischen  Blutung  und  der  Niere  ist  sehr  scharf  und  wird 
gebildet  durch  eine  breite  Zone  von  kernarmem,  fasrigen  Binde¬ 
gewebe,  das  der  Capsula  fibrosa  der  Niere  entspricht.  Die  Blutung 
liegt  also  ausserhalb  der  fibrösen  Kapsel  im  Zellgewebe  der  Fett¬ 
kapsel  der  Niere,  ist  demnach  also  ein  pararenales  Hämatom,  In 
der  Nierenkapsel  ist  sehr  viel  dunkles  Kohlen-  und  gelbbraunes 
Blutpigment.  Die  Kapsel  selbst  ist  durchsetzt  von  frischen  kleinen 
Hämorrliagien.  Die  mit  Eosiu  leuchtend  rot  gefärbten  Blut¬ 
körperchen  sind  gut  erhalten  und  liegen  herdweise  angeordnet 
zwischen  den  Bindegewebszügen  der  Kapsel.  Das  Nierengewebe 
des  erhaltenen  unteren  Nierenpols  zeigt  hochgradige  parenchyma¬ 
töse  Veränderungen.  Die  Epitlielien  der  Harnkanälchen,  nament¬ 
lich  der  H  e  n  1  e  sehen  Schleifen,  zeigen  starke  körnige  Trübung 
und  viele  Kernschwund.  Die  Epitlielien  sind  von  der  Basalmem¬ 
bran  abgelöst  und  liegen  unregelmässig  im  Lumen  der  Harn¬ 
kanälchen.  Die  Glomeruli  sind  stark  vergi’össert,  also  hyper¬ 
trophisch,  wie  bei  der  kleinen  Menge  von  funktionierendem  Nieren¬ 
gewebe  ja  zu  erwarten  war.  Die  B  o  w  m  a  n  sehe  Kapsel  ist  nicht 
verdickt  und  zeigt  keine  Endothelablösung.  Die  Gefässknäuel 
füllen  die  Glomeruli  total  aus  und  sind  sehr  kernreich.  Die  Tubuli 
contorti  sind  deutlich  zu  erkennen,  zeichnen  sich  aus  durch  ihre 
abnorme  Weite  und  die  relativ  gut  erhaltene  Kernfärbung.  Das 
Protoplasma  der  Epitlielien  ist  stark  gekörnt,  im  Lumen  der  Tu¬ 
buli  contorti  findet  sich  geronnenes  Eiweiss.  Die  Schaltstücke 
sind  ebenfalls  erweitert  und  die  Kerne  gut  erhalten,  basalständig. 
Neben  den  beschriebenen  hypertrophischen  Glomeruli  finden  sich 
auch  total  hyalin  degenerierte  und  atrophische,  die  nur  wenig  oder 
keine  gefärbten  Endothelkerne  mehr  aufweisen.  Die  kompri¬ 
mierten  hyalinen  Glomeruli  liegen  in  Bindegewebe  eingeschlossen, 
das  auch  schon  die  Erscheinung  der  hyalinen  Entartung  auf  weist. 
Diese  Bindegewebsvermehrung  ist  nur  eine  fieckenweise.  nament¬ 
lich  unter  der  Nierenkapsel;  an  den  übrigen  Partien  der  Niere 
zeigt  das  Interstitium  der  Harnkanälchen  normale  Beschaffenheit. 
Neben  den  komprimierten  und  atrophischen  Glomeruli  finden  sich 
mich  viele  komprimierte  Harnkanälchen  mit  engem  Lumen,  aber 
noch  gut  erhaltenen,  basalständigen  Kernen  in  den  sklerotischen 
Partien.  Diese  sind  auch  durchsetzt  mit  fleckweiser,  kleinzelliger 
Infiltration,  welche  an  einzelnen  Stellen  verdickt  ist,  dass  sie  ab¬ 
gegrenzte  Knötchen  bildet,  also  kleine  Abszesschen.  In  der  Mark¬ 
substanz  der  Niere  treten  einzelne  dicht  mit  Leukocyten  und  Epi- 
thelien  angefüllte  Harnkanälchen  besonders  intensiv  mit  Häma- 
toxylin  gefärbt  hervor,  und  daneben  verschwommene,  schwarze 
Klexe,  die  als  Kokkenhaufen  angesehen  werden  müssen.  Die  Ge¬ 
fässe  zeigen  im  histologischen  Bild  die  schon  bei  der  Milz  be¬ 
schriebenen  hochgradigen  Veränderungen  der  Intima  und  Media. 
Auf  diesem  Schnitt  zeigt  der  Nierenrest  das  Bild  einer  kompen¬ 
satorischen  Nierenhypertrophie,  wie  wir  es  bei  Aplasie  einer  Niere, 
bei  einseitiger  Hydroneplirose  und  anderen  einseitigen  Nieren¬ 
erkrankungen  treffen,  und  wie  es  auch  experimentell  nach  ein¬ 
seitiger  Nierenexstirpation  bei  Mensch  und  Tier  hervorgerufen 
werden  kann.  Ob  es  sich  hier  um  eine  einfache  Hypertrophie  oder 
auch  um  Hyperplasie  handelt,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Da 
wir  aber  annehmen  müssen,  die  rechte  Niere  sei  eine  kongenitale 
Cystenniere,  so  wird  wohl  auch  Hyperplasie  mit  im  Spiele  sein, 
da  ja  bekanntlich  im  jugendlichen  Organismus  die  Niere  noch 
die  Fähigkeit  besitzt,  die  Zahl  der  funktionierenden  Elemente, 
also  der  Glomeruli  und  der  Harnkanälchen,  zu  vermehren,  wie  dies 
neuerdings  experimentell  durch  Galeotti  in  Villa  Santa  an 
Hunden  und  Kaninchen  bewiesen  wurde.  Daneben  besteht  hoch¬ 
gradige  parenchymatöse  Nephritis,  im  Zusammenhang  mit  der  sep¬ 
tischen  Infektion  durch  die  Pseudodiphtherie  (Streptodiplitherie) 
des  Patienten,  was  die  Kokken  und  Epithelzylinder  der  Harn¬ 


kanälchen  beweisen.  Neben  diesem  frischen  Entzündungsprozess 
finden  sich  in  der  Bindegewebswucherung  und  hyalinen  Degenera¬ 
tion  der  Glomeruli  chronische  Vorgänge,  welche  in  Zusamenhang 
zu  bringen  sind  mit  den  ausgedehnten  Veränderungen  in  den  Ge- 
fässen,  also  mit  der  Lues  des  Patienten. 

Von  grossem  Interesse  ist  das  histologische  Bild  eines  Stück¬ 
chens  Nierengewebes  gegen  das  mit  Cysten  durchsetzte  Fettgewebe 
hin.  Die  ganze  Nierensubstanz  ist  hier  analog  dem  Vorgang  bei 
Hydroneplirose  auf  eine  schmale  Zone  von  y2  cm  zusammen¬ 
gepresst  und  umgibt  eine  erbsengrosse  Cyste,  deren  Epithel  zum 
grössten  Teil  ausgefallen  ist.  Die  Grundsubstanz  besteht  aus 
derbem,  kernarmem  Bindegewebe  mit  herdweiser  Infiltration. 
Die  Harnkanälchen  sind  stark  komprimiert,  an  vielen  Stellen  ohne 
Lumen.  Die  Glomeruli  sind  auf  %  der  normalen  Grösse  kom¬ 
primiert,  stehen  dicht  gedrängt  beieinander,  sind  alle  kernlos  und 
bestehen  aus  hyaliner,  homogener  Substanz.  In  diesem  funktions¬ 
unfähigen  Nierengewebe  sind  viele  frische  Hämorrhagien  beson¬ 
ders  ausgedehnt  in  der  schmalen  Brücke  von  Nierensubstanz 
zwischen  der  Cyste  und  dem  Hämatom.  Nach  diesem  Präparat  zu 
schliessen,  wäre  die  Niere  früher  viel  grösser  gewesen,  und  muss 
ein  grosser  Teil  von  funktionsfähigem  Gewebe  durch  langsamen 
Druck  allmählich  zu  Grunde  gegangen  sein.  Wir  können  uns 
fragen,  ob  nicht  vielleicht  die  ganze  Niere  in  früher  Jugend  nor¬ 
mal  bestanden  und  erst  im  Laufe  der  Entwicklung  eine  cystöse 
Degeneration  der  Nierenkapsel  und  wohl  auch  des  oberen  Nieren¬ 
pols  eingetreten,  als  deren  Endprozess  wir  da  halbseitigen  Nieren¬ 
schwund  und  die  eben  beschriebene  Kompression  der  Nierensub¬ 
stanz  an  der  Grenzzone  aufzufassen  haben. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  München  (Prof.  Dr.  v.  Angerer). 

Weitere  Bemerkungen  über  Atropin. 

Von  Hr.  II.  G  e  b  e  1  e. 

Mit  Rücksicht  auf  einen  Fall  von  Kotsteinobturation,  der 
durch  Atropin  nicht  behoben  wurde  und  ob  der  zu  spät  erfolgten 
Operation  letal  endigen  musste,  nahm  ich  voriges  Jahr  Anlass, 
vor  der  Anwendung  des  Atropins  beim  mechanischen  Ileus  zu 
warnen.  Ich  schrieb  damals,  dass  Atropin  höchstens  beim  para¬ 
lytischen  Ileus  in  Betracht  käme,  und  empfahl,  vor  allem  das 
Mittel  bei  schwerer  Koprostase,  die  ileusähnliche  Symptome 
liervorrufen  könne,  sowie  bei  reflektorischen  Spasmen  des 
Darms  zu  applizieren.  Bei  letzteren  Affektionen  konnte  auch 
Ostermai  e  r  die  Wirkung  kleiner  Atropindosen  nicht  ge¬ 
nug  rühmen.  Neuerdings  berichtet  nun  Ostermaier  über 
G  Fälle  von  inkarzerierten  Hernien,  die  auf  subkutane  Injektion 
von  1 — 4  mg  Atropin  spontan  zurückgingen.  Er  schliesst  daraus, 
dass  Atropin  hauptsächlich  die  Peristaltik  an  rege  und  eine  Ver¬ 
engerung  der  Mesenterialgefässe  herbeiführe.  Die  spontane  Re¬ 
position  erfolge,  indem  durch  gesteigerte  motorische  Tätigkeit 
des  nicht  eingeklemmten  Darms  der  eingeklemmte  aus  dem 
Bruchsack  herausgezogen  werde  oder  im  atonisclien  Darmstück 
sich  wieder  peristaltische  Bewegung  einstelle  und  der  nachteilige 
Spasmus  sich  löse,  wodurch  die  räumlichen  Verhältnisse  im  Bruch¬ 
sack  wieder  günstiger  würden.  Ostermaier  stützt  sich  bei 
diesen  Deduktionen  vor  allem  auf  die  Arbeit  Hägens. 

Nun  kam  Hage  n  auf  Grund  von  13  experimentellen  Ver¬ 
suchen  neben  anderen  besonders  zu  folgenden  Schlüssen:  „Nach 
Gaben  des  Atropinsulfates  bis  zu  1  mg  pro  d  o  s  i  wurde  eine 
Lähmung  der  Darmmuskulatur  nicht  beobachtet. 

In  5  Versuchen  trat  eine  sehr  heftige,  längere  Zeit  andauernde 
Peristaltik  ein;  in  G  Versuchen  war  dieselbe  mässig;  nach  ver¬ 
schiedenen  Injektionen  wiederholt  auftretend;  nur  in  einem  Ver¬ 
suche  konnte  keine  deutliche  Erregung  nachgewiesen  werden.“ 

Von  20  klinischen  Fällen  wurden  3  mit  Atropin  behandelt, 
die  Gesamtmenge  des  Atropins  betrug  nur  0,001 — 0,0015  g;  pro 
dosi  kam  0,0005  Atropin  in  Anwendung.  Hagen  resümiert,  man 
könne  somit  wohl  den  Satz,  dass  kleine  Gaben  eine  peristaltik- 
erregende  Wirkung  zeigen,  als  sicher  begründet  hinstellen. 

Schmiedeberg,  aus  dessen  Institut  die  Arbeit  Hägens 
hervorging,  schreibt  in  seinem  Grundriss  der  Pharmakologie:  „An 
den  Organen  mit  glatten  Muskelfasern  ist  der  -Einfluss  des 
Atropins  auf  die  Peristaltik  des  Darms  besonders  zu  beachten. 
Diese  Bewegung  wird,  insbesonders  an  Katzen,  d  u  r  c  li 
die  kleinsten  Mengen  des  Alkaloids  vollständig 
sistiert,  wenn  sie  bloss  von  den  motorischen 
Ganglien  in  der  Darm  wand  ihre  Impulse  em¬ 
pfängt.  Sind  die  Darmbewegungen  von  vorneherein  durch  eine 
direkte  Erregung  der  Muskeln  verursacht,  so  bleibt  die  Wirkung 
des  Atropins  mehr  oder  weniger  vollständig  aus.  Auf  die 
Darmmuskulatur  dagegen  wirkt  das  Atropin 
in  kleinen  Gaben  erregend.  Nach  etwas  grösseren 
Gaben  bleibt  die  Muskulatur  wenigstens  erregbar  und  kontrahiert 
sich  auf  direkte  Reizung,  ohne  dass  es  indes  zu  einer  Peristaltik 
kommt.  Nach  sehr  grossen  Mengen  erfährt  auch 
die  Muskelerregbarkeit  eine  merkliche  Ab¬ 
seh  w  ä  c  li  u  n  g.  An  den  übrigen  Organen  mit  glatten  Muskel¬ 
fasern,  am  Magen,  an  der  Milz,  der  Harnblase  und  dem  Uterus 
tritt  die  Wirkung  des  Atropins  nur  dann  deutlich  vor,  wenn 
sich  diese  Organe  im  Zustand  einer  krampfhaften  Kontraktion 
befinden,  wie  es  namentlich  bei  der  Muskarinvergiftung  geschieht. 
Das  Atropin  führt  vollständige  Erschlaffung  herbei.“ 

Tappeiner  sagt  in  seinem  Lehrbuch  der  Arzneimittellehre, 
dass  Atropin  eine  Lähmung  der  gesamten  glatten  Muskulatur  des 


21.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1747 


wirkt  das 
in  grossen 


Körpers,  der  Speiseröhre,  des  Darms,  der  Bronchien,  der  Harn¬ 
blase,  des  Auges  etc.  bedinge.  „Die  Wirkung  ist  nicht 
auf  die  Muskelzellen  selbst,  sondern  auf  die 
Ne  i  v  e  n  e  1  e  m  ent  e  dieser  Organe  gerichtet.  Der 
Lähmung  der  Peristaltik  geht  häufig  eine  Erregung  durch  direkte 

VOra.US-  lch  erinnere  mich  auch  des  Yorlesungs- 
yersuches  Tappeiners,  am  lebenden,  laparotomierten,  in 
wairnei,  physiologischer  Kochsalzlösung  gehaltenen  Kaninchen 
durch  I  ilokarpin  den  Darm  bezw.  die  Ganglien  zu  erregen,  durch 
Atropm  Darm  bezw.  Ganglien  zu  lähmen  und  schliesslich  durch 
I  liysostigmin  nochmals  den  Darm,  und  zwar  die  Muskelzellen  zu 
erregen. 

Der  pharmakologische  Standpunkt  in  dieser  Frage  ist  also 
genau  präzisiert.  Atropin  hat  vor  allem  eine  läh¬ 
mende  Wirkung  auf  den  Darm  und  nicht  eine  er¬ 
regende,  w  i  e  Ostermaier  glaubt.  Atropin  macht 
die  in  der  Darm  wand  gelegenen  Nervenele- 
mente  (Ganglienzellen),  von  welcher  die  regu¬ 
lären  Darmbewegungen  abhängig  sind,  uner- 
r  e  g  b  a  r.  Auf  die  Da  r  m  m  uskulatu  r 
Alkaloid  in  kleinen  Dosen  erregend 
Mengen  lähmend. 

Das  Atropin  ist  auch  kein  Narkotikum,  wie  andererseits 
O  st  er  ma!  er  meint.  Nur  die  in  der  Belladonna  enthaltenen 
anderen  Alkaloide,  speziell  das  Hyoscyamin  und  das  Skopolamin 
wirken  narkotisch.  Die  Gehirnerscheinungen  bei  Atropinvergif¬ 
tungen  an  Menschen  bestehen  hauptsächlich  in  Exaltatious- 
zuständen  der  psychischen  Funktionen  und  empfiehlt  Schmie  d  e- 
berg  gerade  die  Anwendung  des  Atropins  zur  Bekämpfung  von 
Lahmungszuständen  des  Gehirns.  Die  Wirkung  des  Atropins  auf 
das  Zentralnervensystem  ist  somit  der  auf  den  Darm  konträr. 

Atropin  soll  ferner  nach  Ostermaier  als  „Narkotikum“ 
den  Blutdruck  steigern.  Um  hiebei  irrtümlichen  Anschauungen 
vorzubeugen,  sei  hervorgehoben,  dass  die  meisten  Narkotika,”  so 
z;  B-  a.U®  .au?_  der  Fettreihe,  wie  Chloroform,  Aether,  Aethylbromid, 
Aetliylclilorid  etc.,  den  Blutdruck  durch  Lähmung  des  Gefäss- 
nervenzentrums  und  des  Herzens  herabsetzen.  Nur  das  Morphin 
bei  welchem  lediglich  eine  Beeinfiussung  des  Gehirns  zu  beob¬ 
achten  ist,  tangiert  vasomotorisches  Zentrum  und  Herz  nicht 
direkt.  Die  Blutdrucksteigerung  nach  Anwendung  von  Atropin 
ist  auf  Lähmung  der  Vagusfasern,  d.  i.  der  Hemmungsvorrich- 
tuiigen  des  Herzens,  zurückzuführen,  wie  Sahli  auch  ausdrück¬ 
lich  in  seinem  vorzüglichen  Referat  über  Herzmittel  und  Vaso¬ 
motorenmittel  auf  dem  19.  Kongress  für  innere  Medizin  erwähnt. 

Ist  nun,  um  zu  den  klinischen  Beobachtungen  Oster- 
m  a  i  e  r  s  zurückzukehren,  die  Einklemmung  des  Darms  nicht 
schwer,  besteht  der  Zustand  der  Obturation,  bei  welcher  das  Darm- 
limun  nicht  ganz  geschlossen,  der  Durchtritt  von  Gasen,  sowie 
Peristaltik  des  Darms  noch  möglich  ist,  so  wird  bei  den  von 
Ostermaier  angewandten  Atropinmengen,  welche  pro  dosi 
mindestens  1  mg  betragen,  die  Peristaltik  gehemmt,  der  meteo¬ 
ritische  Druck  verteilt,  wahrscheinlich  auch  die  Darmsekretion 
herabgesetzt.  Dadurch  werden  zweifelsohne  im  Bruchsack  bessere 
räumliche  Verhältnisse  geschaffen.  R  u  m  p  e  1  hält  gleichfalls  für 
denkbar,  dass  ein  Minimum  der  Abnahme  des  Druckes  oberhalb 
der  Einschnürung  oder  innerhalb  der  eingeschnürten  Darmschlinge 
ein  Zurückgleiten  dieser  Schlinge  erleichtern  könne.  Leichte 
Darmeinklemmungen  —  als  solche  sieht  Ostermaier  auch 
seine  Falle  an  —  mögen  also  nach  Applikation  höherer  Atropin¬ 
dosen  aus  den  oben  erwähnten  Gründen  spontan  zurückgehen, 
doch  sehen  wir  solche  Einklemmungen  täglich 
im  warmen,  prolongierten  Bad  nach  Injektion 
v  on  0,01 — 0,02  Morphium  zurückgehen.  Für  die 
stärker  eingeklemmten  Hernien,  bei  denen  eine 
Inkarzeration  oder  gar  eine  Strangulation  mit 
Unterbrechung  der  Kot-  und  Blutzirkulation 
v.orüegt,  muss  aber  aus  der  Atropinbehandlung 
ein  grosser  Schaden  erwachsen.  Die  gelähmte  Schlinge 
wird  durch  Atropin  noch  mehr  atoniscli,  es  schliesst  sich  eine  all¬ 
gemeine  Darmparese  mit  ihren  schweren  Folgen  an.  Die  zeitliche 
Dauer  der  Einklemmung  ist  kein  Gradmesser  für  die  Veränderung 
der  Darmwand. 


L  a  n  z  macht  auch  darauf  aufmerksam,  dass  schon  nach 
Stunden  Darmgangrän  vorliegen  kann;  dies  namentlich  in  Fällen, 
wo  die  elastische  Kompression  der  Bruchpforte  bezw.  des  Brucli- 
sacklialses  so  stark  ist,  dass  neben  dem  venösen  Abfluss  auch  die 
arterielle  Zufuhr  abgeschnitten  und  eine  anämische  Nekrose  der 
Darmwand  die  Folge  ist.  Und  gerade  diese  Formen  der  Einklem- 
sehen  in  ihren  Lokalsymptomen  nach  Lanz  weniger  ge¬ 
fährlich  aus.  Weil  die  Zirkulation  ganz  ausgeschaltet  ist,  kommt 
es  nicht  zu  Blutstauung  und  ihren  Folgen,  weder  zu  er¬ 
heblicherem  Exsudat  in  die  Darmwand,  noch  zu  reichlicher  Bil¬ 
dung  von  Bruchwasser,  so  dass  der  Tumor  klein  bleibt.  Die 
Schmerzhaftigkeit  der  Geschwulst  ist  immer  ein  individueller  Be¬ 
griff.  Selbst  die  Beschaffenheit  des  Pulses  und  eventuell  die  Art 
des  Erbrochenen  sind  nicht  sichere  Kriterien  für  die  Schwere  der 
Einklemmung.  Nachdem  sich  somit  leichte  und 
schwere  Darmeinklemmungen  klinisch  häufig 
nicht  differenzieren  lassen,  ist  die  Anwendung 
des  Atropins  bei  inkarzerierten  Hernien  prin¬ 
zipiell  zu  verwerfen.  Die  Verwendung  des  Alkaloids  kann 
nicht  geringeren  Schaden  anrichten  als  die  Taxis,  gegen  die  sich 
L  a  n  z  energisch  gewandt  hat.  Wie  sehr  L  a  n  z  mit  seiner  For¬ 
derung:  „Weg  mit  der  Taxis!“  Recht  hat,  ergibt  sich  wieder  aus 


einem  Fall,  den  wir  jüngst  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten  und 
den  ich  kurz  mitteilen  will. 

E.  M„  Taglöhnerin,  0<>  .Tahre  alt,  mit  linksseitiger  Inguinal¬ 
hernie. 

Einklemmung  am  29.  VIII.,  Trismus  am  2.  IX.  Am  5.  IX. 
Perforation.  5.  IX.  Ueberführung  der  Patientin  in  die  Klinik  und 
Herniolaparotomie.  Partielle  Nekrose  (L  i  1 1  r  6  sehe  Hernie)  einer 
punndarmschlinge,  welche  am  Annulus  inguin.  internus  liegt  und 
herausgelagert  wird.  15.  IX.  Zirkuläre  Darmresektion.  Die  voll- 
standig  erschöpfte  Patientin  ist  nahezu  geheilt  und  entlassen.  Nach¬ 
träglich  erfahre  ich,  dass  der  Taxis,  welche  blutig  war,  Atropin- 
mjektionen  vorausgingen. 


Es  ist  offenbar  in  diesem  Falle  nicht  zu  einer  direkten  son¬ 
dern  zu  einer  Spätperforation  gekommen  durch  die  nachträg¬ 
lich  sich  ausbildende  Nekrose  der  eingeklemmt  gewesenen  Darm¬ 
wandpartie. 


Zudem  schlägt  Ostermaier  bei  eingeklemmten  Hernien 
in  kurzen,  etwa  halbstündigen  Zwischenräumen  so  lange  Atropin¬ 
dosen  vor  von  1 — 2  mg,  bis  die  Darmwirkung  erzielt  ist  oder  bis 
Vergiftungserscheinungen  eine  weitere  Gabe  verbieten.  Er  em¬ 
pfiehlt,  in  4—5  Stunden  bis  zu  10  mg  Atropin  zu  injizieren.  Ein 
derartig  forciertes  Vorgehen  ist  nach  meiner  Ansicht  zum  min¬ 
desten  sehr  bedenklich  und  werden  unter  diesen  Umständen  neben 
schwerster  Lähmung  des  ganzen  Darmtraktus  starke  Vergiftungs¬ 
erscheinungen  des  Zentralnervensystems  nicht  ausbleiben,  welche 
alte,  mehr  oder  weniger  kollabierte  Patienten,  für  die  der  Ver¬ 
such  der  Atropinbehandlung  zunächst  in  Frage  käme,  nicht  mehr 
überwinden  können. 


Last  not  least  ist  ohne  Zweifel  die  Gefahr  naheliegend,  dass 
die  „oft  geradezu  zauberhafte“  Al  irkung  des  Atropins  bei  weniger 
hohen  Dosen  trotz  fortbestehender  Einklemmung  des  Darms  den 
Patienten  nicht  mehr  zur  rechten  Zeit  zum  Entschluss  der  Ope¬ 
ration  kommen  lassen  wird.  Der  Patient,  der  sich  infolge  der 
Schmerzen,  des  Erbrechens  etc.  anfangs  nachgiebig  der  Operation 
gefügt  hätte,  wird  sich  nach  Atropininjektionen  und  Nachlass  der 
subjektiven,  ja  teilweise  auch  objektiven  Beschwerden  so  und  so 
oft  weigern,  die  Operation  rechtzeitig  an  sich  vornehmen  zu  lassen 
und  die  Chancen  der  Operation  werden  sich  zusehends  ver¬ 
schlechtern. 


Bezüglich  des  von  Ostermaier  gemachten  Einwands  der 
zu  geringen  Atropinmenge  bei  dem  von  mir  früher  mitgeteilten 
Fall  von  Kotsteinobturation,  der  letal  endigte,  wiederhole  ich,  dass 
die  Atropinbehandlung  des  Ileus  jedenfalls  den  Patienten  wie  den 
Arzt  über  den  Ernst  der  Lage  leicht  hinwegtäuschen  kann.  Diese 
Seite  des  Alkaloids  wird  auch  charakterisiert  durch  einen  Fall, 
den  Herr  Dr.  La  über  in  Neuburg  a.  D.  behandelte  und  mir 
gütigst  zur  Veröffentlichung  anheim  stellte. 

B.  aus  \V„  69  Jahre  alt,  am  20.  V.  1902  unter  Ileuserschei- 
nungen  plötzlich  erkrankt.  Nach  vorübergehender  Opiumbehand¬ 
lung  Injektion  von  0,001  Atropin  am  3.  Tag  nach  der  Erkrankung. 
Hierauf  stellten  sich  die  schwersten  Vergiftungserscheinungen 
ein  (!).  Am  5.  Tag  allgemeines  AArolilbefinden,  Abgang  von  Flatus 
und  etwas  Stuhl.  Am  6.  Tag  wieder  Koterbrechen.  Da  hohe 
AVasser-  und  Oelkly stiere  nichts  fruchteten,  die  vorgeschlagene 
Operation  abgelehnt  wurde,  bekam  Patient  vom  7. — 13.  Tag  wieder 
Atropin  in  allmählich  ansteigenden  Dosen  von  y2 — 2yg  mg,  am 
13.  Tag  eine  Gesamtmenge  von  5  mg  Atropin.  Doch  trat  keine 
richtige  AVendung  in  dem  Zustand  des  Patienten  ein,  deshalb  An¬ 
legung  des  Patienten  ins  Krankenhaus  am  2.  VI.  zwecks  Ope¬ 
ration.  Am  3.  VI.  früh  Abgang  von  riesigen  Mengen  Stuhl,  wes¬ 
halb  auf  einen  operativen  Eingriff  verzichtet  wurde.  Nach  2  Tagen 
wieder  kotiges  Erbrechen  in  geringem  Grade  trotz  Stuhlabgang. 
Operativer  Eingriff  wegen  Erschöpfung  des  Patienten  nicht  mehr 
möglich.  Exitus  letalis  am  9.  VI. 

Die  Sektion  ergab  eine  nicht  vollkommene  Abklemmung  einer 
50  cm  langen  Dünndarmschlinge  in  einem  Mesenterialschlitz.  Die 
Darmschlinge  war  etwas  mit  Kot  gefüllt,  die  Darmwand  nahezu 
nekrotisch  und  ganz  schlaff. 

Der  Fall  illustriert  weiter  die  Gefährlichkeit  und  Nutzlosig¬ 
keit  der  Anwendung  des  Atropins  beim  mechanischen,  speziell 
beim  Strangulationsileus,  mit  dessen  Bild  übrigens  eine  nicht  ge¬ 
ringe  Anzahl  eingeklemmter  Hernien,  wie  oben  schon  angedeutet, 
übereinstimmt.  Einen  zweiten,  letalen  Ileusfall  (Intussuszeption?) 
bei  einer  32  jährigen  Frau,  den  Herr  Dr.  Lauber  ebenfalls  in 
Behandlung  hatte,  teile  ich  nicht  näher  mit,  weil  er  nicht  zur 
Sektion  kam.  Die  Patientin  erfreute  sich  unter  der  vom  Arzt  un¬ 
gern  durchgeführten  Atropinbehandlung  —  Operation  wurde  näm¬ 
lich  verweigert  —  eines  guten  AVoldbefindens  trotz  einer  mehr  und 
mehr  zunehmenden  Geschwulst  im  linken  Hypogastrium.  9  Tage 
nach  der  Erkrankung  kollabierte  Patientin  plötzlich  und  trat  der 
Exitus  ein.  Auf  den  Nonsens  einer  Atropinbehandlung  des  ana¬ 
tomisch-mechanischen  Ileus  haben  speziell  auch  Kümmell  und 
AV  i  e  s  i  n  g  e  r  aufmerksam  gemacht.  Hieran  will  ich  noch  einen 
lehrreichen  Fall  knüpfen,  den  ich  selbst  beobachtet  habe. 

G.  J„  Bäcker,  42  Jahre  alt,  am  20. /21.  X.  1901  plötzlich  unter¬ 
diffusen  schneidenden  Schmerzen  im  Abdomen  erkrankt.  Nach 
Zunahme  der  Schmerzen,  Auftreibung  des  Abdomens,  Stuhlver¬ 
haltung  seit  20.  X.  Eintritt  ins  Krankenhaus  1.  I.  und  am  25.  X. 
AVasser-,  Glyzerin,  Oeleinliiufe,  auch  Kalomel  und  Rizinus 
führten  zu  keinem  Ergebnis  —  es  war  die  Diagnose  auf  Kopro- 
stase  gestellt  — ,  deshalb  vom  30.  auf  31.  X.  Injektion  von  0,005  g 
Atropin  subkutan. 


3* 


1748 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Meteorismus  maximal,  Darmpunktion  an  8  Stellen  ohne  Ei- 
foig.  Nun  Transferierung  am  31.  X.  ad  forum  ckirurgicum  mit 
der  Diagnose:  Ileus. 

Der  Befund  ergab  Hockstand  der  unteren  Lungengrenzen. 
Der  untere  Beberrand  stand  3  Querfinger  über  dem  Rippenbogen. 
Abdomen  riesig  und  zwar  gleichmässig  aufgetrieben.  Perkussion*, 
schall  überall  tvmpanitisch.  Keine  Resistenz,  keine  geblakte 
Scklinge,  keine  Peristaltik  zu  fiiklen.  Rektum  oline  besonderen 
Befund.  Bruckpforten  frei.  Pat.  verfallen.  Puls  klein,  weich, 
frequent,  132  pro  Minute.  Temperatur  38,2.  Starker  Smgultus. 

Diagnose:  Strangulationsileus.  . 

Die  sofort  in  Aethernarkose  ausgefükrte  Laparotomie  (ca. 

20  cm  langer  Mediausclmitt)  ergab  Spangen  und  fläckenlnute  Ad- 
käsionen  in  der  Ileoeoekalregion  mit  zweimaliger  Knickung  des 
Ileums  nake  der  Baukin  scken  Klappe.  Darmwand  zw iscken 
den  2  Knickungen  bezw.  Absckniirungen  in  der  Länge  von  lo  cm 
nekrotisck.  Appendix  selbst  frei,  lang.  Lösung  der  Verwachs¬ 
ungen.  Entlastung  des  enorm  gebläkten  Darmes  oberhalb  der 
Knickungen  durch  kleine  Inzision,  welche  wieder  übernäht  wird. 
Die  nekrotische  Darmpartie  wurde  nach  aussen  gelagert.  Patient 
erholte  sich  während  der  Operation  unter  Kampherinjektion  und 
subkutaner  Kocksalzinfusion.  Nack  Schluss  der  Operation  plötz¬ 
lich  Herzkollaps  und  Exitus. 

Die  Sektion  ergab  starke  Adipositas  cordis  mit  Dilatation 
beider  A^entrikel;  die  Muskulatur  der  Ventrikel  war  von  Fett 
nahezu  vollständig  verdrängt.  Das  von  Haus  aus  schlechte  Heiz 
war  durch  das  10  tägige  Krankenlager  so  geschwächt,  dass  es 
den  Schädigungen  der  Narkose  (Aetherverbrauch  130  ccm)  nicht 
mehr  gewachsen  war.  Ein  Passagekindemis  des  Darms  konnte 
nicht  mehr  gefunden  werden. 

Wie  kritiklos  Atropin  zum  Teil  angewandt  wird,  bewies  mir 
ein  Fall  von  tvpischer  Perityphlitis  mit  grossem,  deutlich  abgrenz- 
baren  und  sehr  druckempfindlichen  Exsudat  in  der  lleocoekal- 
region  das  auch  per  vaginam  und  rectum  gut  zu  fühlen  war. 
Dabei  bestand  hohes  Fieber,  galliges  Erbrechen,  Stuhlverhaltung. 
Die  Patientin  bekam,  wegen  „Ileus“  innerhalb  4  Tagen  lo  mg 
Vtropin  Am  5.  Tag  wurde  erst  ein  operativer  Eingriff  und  die 
Ueberfükmng  in  die  Klinik  in  Betracht  gezogen,  nachdem  diffuse 
Druckempfindlichkeit  des  Abdomens  etc.  auf  getreten  wai.  Am 
0.  Tag  erfolgte  die  Perforation  —  die  Operation  war  unterblieben 
und  Atropin  fort  gegeben  worden  — ,  am  7.  Tage  Kollaps  und 

Exitus  letalis.  ,  ,  ,  .  .  . 

Bemerkenswert  ist  noch,  dass  Bios,  der  das  Atropin  bei 
postperitonitischer  und  postoperativer  Darmatonie  sehr  empfiehlt, 
von  der  Anwendung  des  Atropins  auf  der  Höhe  der  Peritonitis 
abrät.  Die  Entzündung  sei  zu  mächtig,  als  dass  eine  durch  sie 
hervorgerufene  Atonie  medikamentös  bekämpft  werden  könne.  Da 
müsse  erst  die  Operation  das  ihrige  getan  haben.  Vollständig 
beistimmen  muss  ich  Bios  hinsichtlich  der  unter  allen  Umständen 
irrationellen  Opiumbehandlung  in  der  Therapie  der  Appendizitis 
und  des  Ileus.  Doch  schätze  ich  andrerseits  bei  diesen  Er¬ 
krankungen  das  Morphium  sehr  hoch  ein. 

Also  fort  mit  dem  Atropin  beim  anatomisch-mechanischen 
Ileus*!  Aber  auch  fort  damit  bei  inkarzerierten  Hernien,  bei  denen 
die  von  jedem  Arzt  sogleich  auszuführende  Herniotomie  allein 
sicher  zum  Ziele,  zur  Genesung  des  Patienten  fühl  t,  sobald 
Spontanreposition  auf  dem  einfachen  Wege  des  warmen  Bades 
und  der  Morphiuminjektion  nicht  zu  erreichen  ist.  Die  Anwen¬ 
dung  des  Atropins  hat  nur  ihre  Berechtigung  bei  schwerer  Kopro- 
stase,  bei  reflektorischen  Darmspasmen,  bei  Darmatonie  und  bei 
paralytischem  Ileus,  und  zwar  bei  ersteren  Affektionen  in  grös¬ 
seren,  bei  letzteren  in  kleineren  Mengen  (1  bezw.  %  mg  pro  dosi). 

Zum  Schlüsse  erlaube  ich  mir,  meinem  hochverehrten  Chef, 
Herrn  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  v.  Angerer,  für  das  dem 
Thema  gewidmete  Interesse  meinen  besten  Dank  auszuspiechen. 

Literatur. 

Bios:  lieber  die  Entzündungen  des  Wurmfortsatzes.  Beitr. 
z.  klin.  Chir.,  32.  Bd.,  2.  H.,  1902.  —  Geb  eie:  Zur  Atropinbehand¬ 
lung  des  Ileus.  Münch,  med.  Wockenschr.  1901,  No.  33.  —  Hagen: 
Ueber  die  Wirkung  des  Atropins  auf  den  Darmkanal.  Inaug.-Diss., 
Strassburg  1890.  —  K  ü  mmel  1:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901, 
No.  27.  Vereinsbeil.  —  Lanz:  Weg  mit  der  Taxis!  Münch,  med. 
Wochenschr.  1902,  No.  5.  —  Ostermaier:  Zur  Darmwirkung 
des  Atropins.  Münch,  med.  AN  ockensckr.  1900,  No.  49;  desgleichen 
Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  3G.  —  Rumpel:  Deutsche 
med.  AA'ochenschr.  1901,  No.  27;  Vereinsbeil.  —  Sahli:  Herzmittel 
und  ATasomotorenmittel.  19.  Kongr.  f.  inn.  Med.  1901,  pag.  00. 
Schmiedeberg:  Grundriss  der  Pharmakologie  1902.  —  Tap¬ 
peiner:  Lehrbuch  der  Arzneimittellehre  1901.  —  Wiesinger: 
Deutsche  med.  AVockenschr.  1901,  No.  27.  Vereinsbeil. 


Gleich  ihm  habe  auch  ich  seit  dem  im  vergangenen  Jahre  in 
vielen  Nummern  der  Münch,  med.  AVockenschr.  abgehandelten 
Thema  „Ileus  und  Atropin“  letzteres  als  ein  überaus  dankbares 
Darmmittel  weiter  schätzen  gelernt  und  dasselbe  neben  Morphium, 
Kokain  u  s.  w.  meinem  Arzneischatze  eingefügt.  Zwar  sind  mir 
in  dieser  Zeit  keine  Fälle  von  mechanischem  Ileus,  von  einge¬ 
klemmten  Leisten-  und  Schenkelbrüchen  vorgekommen,  wohl  aber 
eine  grössere  Anzahl  von  Blinddarmentzündungen  (von  Pen-  und 
Paratyphlitiden),  in  welchen  ich  es  mit  günstigem  Erfolge  in 
täglichen  subkutanen  Injektionen  in  Dosen  von  0,001— 0,003  an¬ 
wandte.  In  allen  diesen  Fällen  konstatierte  ich  fast  unmittelbar 
nach  der  Einspritzung  subjektives  Wohlbefinden;  die  grosse 
Schmerzhaftigkeit  der  Ileocoekalgegend  liess  spontan  und  bei  der 
Palpation  nach,  bei  ruhiger  Lage  erklärten  die  Kranken  ihren  Zu¬ 
stand  für  erträglich,  Flatus  stellten  sich  bald,  Stuhl  gewöhnlich 
spontan  am  5.  oder  G.  Tage  schmerzlos  ein. 

In  allen  Fällen  fehlte  nach  der  Einspritzung  die  Brechneigung, 
das  Uebelsein,  Schwindel  und  Kopfschmerz,  die  unangenehmen 
Begleiterscheinungen  der  Morpkiuminjektionen.  Lokal  erhielten 
die  Kranken  kalte  Kompressen  aufs  Abdomen,  symptomatisch  bei 
Fiebererscheinungen  Phenacetin  und  Antipyrin. 

Auf  Grund  dieser  Erfahrungen  bin  ich  auch  der  Ansicht,  dass 
das  Atropin  zu  unseren  vorzüglichen  Narkoticis  und  Anästlieticis 

zu  zählen  ist.  .  . 

Im  Oktober  vorigen  Jahres  hielt  ich  im  Aerzteverem  zu 
Hagen  i/AV.  einen  Vortrag  (er  erscheint  gerade  jetzt  im  Auszüge 
in  der  AViener  klin.  Rundschau),  in  dem  ich  nach  Aufzählung 
meiner  und  der  übrigen  in  der  Münch,  med.  Wochenschr  ver¬ 
öffentlichten  Fälle  von  günstiger  Behandlung  paralytischen  Ileus 
mit  Atropin,  die  Kollegen  aufforderte,  in  geeigneten  Fällen,  wegen 
der  AATcktigkeit  des  Gegenstandes,  die  Wirkung  des  Atropins  nach¬ 
zuprüfen  und  über  den  Erfolg  zu  berichten. 

Nach  sehr  lebhafter  und  eingehender  Diskussion  wurde  ein¬ 
stimmig  der  Vorschlag  des  Vorsitzenden,  Herrn  Geh.  Sanitätsrat 
Dr  Schaber g,  angenommen,  in  Fällen  von  paralytischem  Ileus 
Atropin  in  Dosen  von  0,001—0,003  anzuwenden  und  von  jedem  so 
behandelten  Falle  in  den  Sitzungen  Mitteilung  zu  machen. 

Schon  nach  kurzer  Zeit  konnte  mir  der  Herr  Vorsitzende  von 
günstigen  Erfolgen  derart  behandelter  Ileusfälle  erfreut  berichten. 

Um  zu  einem  abschliessenden  Urteile  über  die  Wirkung  des 
Atropins  bei  Ileus,  paralytischem  sowohl  wie  mechanischem,  Peri- 
typlilitis,  inkarzerierten  Hernien  u.  s.  w.  zu  gelangen,  mochte  ich 
das  Vorgehen  des  Hagener  Aerztevereins  allgemein  empfehlen. 


Ueber  den  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisskörper 

in  Exsudaten. 

Von  Prof.  Moritz  in  Greifswald. 

In  letzter  Zeit  ist  mehrfach  ein  durch  Essigsäure  fällbarer 
Eiweisskörper  besprochen  worden,  der  den  entzündlichen  serösen 
Ergüssen  im  Gegensatz  zu  den  nicht  entzündlichen,  also  den  Ex- 
sudaten  im  Gegensatz  zu  den  Transsudaten  zukommt.  Rune¬ 
berg1 2)  erachtet  ihn  als  zuerst  (1892)  von  Paijkull  )  be¬ 
obachtet.  In  der  Folge  haben  Umber3)  und  (auf  Anlegung 
F.  Müllers)  Staehelin4)  dem  Körper  ihre  Aufmerksamkeit 

zugewendet.  ,  „..  .  _  . 

Die  Akten  über  die  chemische  Natur  des  Körpers  sind  noch 
nicht  geschlossen.  Er  wird  von  Paijkull  als  Nukleoalbumin 
von  Umber  als  eine  zwischen  Eiweisskörper  und  Mucinen 
stehende  Substanz  (Serosamucin),  von  Staehelin  als  den  Glo¬ 
bulinen  nahestehend  bezeichnet.  Die  Autoren  legen,  und  wohl  mit 
Recht,  diesem  Körper  nicht  nur  in  theoretischer,  sondern  auch  in 
praktischer  Hinsicht  eine  gewisse  Bedeutung  bei,  da  er  zu  der 
manchmal  nicht  ganz  leichten  Entscheidung,  ob  bei  einem  serösen 
Erguss  ein  Exsudat  oder  Transsudat  vorliege,  schon  an  ganz 
kleinen,  durch  Probepunktion  gewonnenen  Mengen,  beitragen 

könne.  .  ,  ,  - 

Ich  entnehme  diesen  Publikationen  die  Veranlassung,  daraut 
hinzuweisen,  dass  ich  diesen  Körper  gelegentlich  einer  Unter¬ 
suchung  über  Exsudate  und  Transsudate  im  Jahre  1886  beobachtet 
und  in  meiner  Inauguraldissertation“)  beschrieben  habe.  Es  heisst 
daselbst:  „Tropfen weiser  Zusatz  von  verdünnter,  annähernd  5  proz. 
Essigsäure  bringt  in  der  unverdünnten  Flüssigkeit  (dem  Exsudat) 
eine  starke  Trübung  hervor,  die  anfangs  beim  Umschütteln  wieder 
verschwindet,  jedoch  bleibend  wird,  wenn  die  Reaktion  neutral 
oder  schwach  sauer  wird.  Weiterer  Zusatz  von  Säure  verstärkt 
die  Trübung,  die  öfters  flockig  wird.  Im  Ueberschuss  von  Essig- 


Zur  Darmwirkung  des  Atropins. 

Von  Dr.  Aronheim  in  Gevelsberg. 

Zu  dem,  Artikel  von  Dr.  Paul  Ostermaier  - München . 
„Zur  Darmwirkung  des  Atropins“  (No.  36  vom  9.  Septembei  1902) 
gestatte  ich  mir  einige  kurze  Bemerkungen  zu  machen. 

Herr  Dr.  Ostermaier  veröffentlicht  seine  Fälle  von 
mechanischem  Ileus  (inkarzerierten  Hernien),  bei  denen  durch  sub¬ 
kutane  Atropininjektionen  überraschend  schnell  eine  Spontan¬ 
reposition  eintrat,  in  der  Absicht,  die  Atropinfrage  wieder  in  Fluss 
zu  bringen. 


1)  Runeberg:  Von  der  diagnostischen  Bedeutung  des  Ei¬ 
weissgehaltes  in  pathologischen  Transsudaten  und  Exsudaten. 
Berl.  klin.  AVockenschr.  1897,  S.  710. 

2)  Paijkull:  Bidrag  tili  kännedomen  af  de  serosa  ex- 
sudateus  kemi.  Ref.  im  Jahresbericht  f.  Tierchemie  1892,  S.  558. 

3)  Umber:  Ueber  autolytische  Vorgänge  in  Exsudaten. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  28. 

Staehelin:  Ueber  den  durch  Essigsäure  fällbaren  Ei¬ 
weisskörper  der  Exsudate  und  des  Urins.  Müncli.  med.  A\roehen- 

schr.  1902,  No.  34.  „  ,  .  - 

»)  f.  Al  o  ritz:  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Exsudaten  unu 
Transsudaten.  Inaug.-Diss.,  Alünchen  1886;  auch  veröffentlicht  in 
den  „Arbeiten  aus  dem  med.-klin.  Institut  in  Alünchen“,  Bd. 
Leipzig,  F.  O.  W.  Y  o  g  e  1. 


21.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISClfE  WOCHENSCHRIFT. 


1749 


säure  löste  in  einigen  Fällen  der  Niederschlag  sich  völli«-  wieder 
auf,  meist  war  jedoch  zwar  Aufhellung,  aber  keine  völlige" Lösung 
selbst  mit  sehr  viel  Säure  zu  erreichen.  In  verdünnten  Mineral¬ 
säuren,  z.  B.  Salzsäure,  und  ebenso  in  Alkalien  ist  die  Fällung  un¬ 
schwer  löslich.  Durch  sehr  vorsichtigen  Zusatz  verdünnter 
jNlineral sauren  kann  übrigens  ebenso  wie  durch  Essigsäure  eine 
Fällung  erhalten  werden“. 

Auf  Grund  eingehenderer,  in  meiner  Dissertation  nieder- 
gelegtei  ^  ei  suche,  sprach  ich  den  Körper  als  eine  globulinartige 
Substanz  an  und  machte  auf  seine  Aehnlichkeit  mit  der  im  Harn 
\  oikommepden,  durch  Essigsäure  fällbaren  Substanz  aufmerksam 
die  damals  gerade  von  F.  Müller8)  beschrieben  worden  war’ 
Ich  beobachtete  in  jener  Untersuchung  die  Essigsäurefällung  in 
ausgesprochenem  Masse  nur  in  Exsudaten,  eine  Regel,  von  der  sich 
mir  auch  späterhin  keine  Ausnahme  aufdrängte.  Ich  habe  daher 
von  der  Essigsäureprobe  als  Unterscheidungsmerkmal  zwischen 
Exsudaten  und  Transsudaten  in  Unterricht  und  Praxis  seitdem 
häufig  Gebrauch  gemacht. 


Ein  Rückblick  auf  720  Gallensteinlaparotomien,  unter 
besonderer  Berücksichtigung  von  90  Hepatikus- 

drainagen. 

Von  Professor  Dr.  Hans  Kehr  in  Halberstadt. 

(Fortsetzung.) 

Sie  ersehen,  m.  IT.,  aus  der  Aufstellung  meiner  Indikationen, 
die  natürlich  keinen  Anspruch  auf  erschöpfende  Vollständigkeit 
macht,  dass  ich  nicht  der  blutdürstige  Chirurg  bin,  der  immer 
gleich  das  Messer  in  die  kochende  Sodalösung  wirft,  sobald  ein 
Gallensteinkranker  die  Schwelle  des  Wartezimmers  überschreitet. 
In  gewissen  Fällen  drehe  ich  mich  99  mal  herum,  ehe  ich  eine 
Operation  empfehle.  »Meistenteils  weiss  ich  sofort  nach  An¬ 
hören  der  Anamnese  und  nach  einer  einmaligen  Untersuchung, 
was  ich  zu  tun  habe.  Vergessen  wir  aber  einen  Punkt  nicht. 
Wenn  wir  Aerzte  uns  hier  auch  über  die  Indikationen  zur  Opera¬ 
tion  ungefähr  einigen,  die  Patienten  fragen  weder  danach,  ob  sie 
grosse  oder  kleine  Steine  haben,  noch  ob  ihre  Gallenblase  Eiter 
oder  Serum  enthält,  ob  ihre  Koliken  mit  oder  ohne  Ikterus  ver¬ 
laufen.  Die  Art  des  Schmerzes  gibt  schliesslich  den  Ausschlag. 
Ich  habe  immer  gefunden,  dass  Kranke,  die  unter  einem  fort¬ 
währenden  Magendruck  —  und  sei  er  noch  so  gelinde  —  leiden, 
sich  rascher  zur  Operation  entschliessen,  als  solche,  die  schwere 
Koliken  durchgemacht  haben,  in  der  Zwischenzeit  aber  völlig 
frei  von  Beschwerden  waren.  In  der  Tat  stellt  bei  keiner  anderen 
Erkrankung  der  Patient  selbst  so  häufig  die  Indikation  zur 
Operation,  wie  bei  der  Cholelithiasis  und  unter  diesem  Gesichts¬ 
punkt  betrachtet,  ist  es  ganz  richtig,  wenn  Kocher  sagt :  „Die 
Gallensteine  gehören  zunächst  dem  Patienten,  und  wenn  er  vor¬ 
zieht,  sie  zu  behalten  und  Karlsbader  Wasser  dazu  zu  trinken, 
so  ist  das  sein  Recht,  das  bekanntlich  auch  von  sehr  operations¬ 
lustigen  Chirurgen  in  Anspruch  genommen  wird,  wenn  sie  selber 
Gallensteine  bekommen.  Und  wenn  es  ein  Patient  darauf  an¬ 
kommen  lassen  will,  die  Steine  per  vias  naturales  unter  Qual 
und  Schmerz  sich  durcharbeiten  zu  lassen,  so  ist  das  ebenfalls 
sein  Privatvergnügen“.  Aber  mit  demselben  Recht  können  wir 
doch  sagen:  auch  der  Kropf,  der  kranke  Wurmfortsatz,  die  Blasen- 
und  Nierensteine  und  das  Magenkarzinom  gehören  zunächst 
dem  Patienten,  und  wenn  er  es  vorzieht,  beim  Kropf  Jodkali 
einzunehmen,  bei  der  Appendizitis  Massage  des  Abdomens  zu 
verwenden,  bei  Nierensteinen  Urotropin  zu  schlucken  und  bei 
Magenkrebs  Condurangowein  zu  trinken,  so  ist  das  sein  Recht. 
Ich  glaube  nicht,  dass  Kocher  solche  Ansichten  des  Kranken 
gutheisst  und  billigt,  jedenfalls  kommen  wir  auf  solche  Weise 
nicht  weiter  und  Kocher  selbst  scheint  dies  empfunden  zu 
haben,  denn  einige  Zeilen  später  sagt  er :  „Aber  dazu  hat  der 
Chirurg  gegenwärtig  sicherlich  das  Recht,  einem  Patienten  mit 
Gallensteinen  zu  sagen,  dass  er  durch  die  Operation  rascher  und 
sicherer  von  seinem  Leiden  geheilt  und  rascher  und  sicherer  vor 
späteren  Gefahren  bewahrt  werden  könnte,  als  mit  jeder  anderen 
Behandlung“. 

Gewiss  bleibt  der  Entschluss,  ob  ein  Patient  operiert  werden 
soll  oder  nicht,  in  erster  und  letzter  Linie  abhängig  von  dem 
Willen  des  Kranken.  Mancher  Patient  wünscht  aber  eine  Ope¬ 
ration,  wo  sie  unzweckmässig  ist,  z.  B.  beim  akuten  Choledochus- 
verschluss  mit  seinen  rasenden  Schmerzen,  und  er  verweigert 
sie,  weil  er  keine  Schmerzen  hat,  z.  B.  beim  chronischen  Chole- 

- 1 - ..  .  ■  ■  i  «I 

)  F.  Müller:  Mitteilungen  ans  der  med.  Klinik  in  Würz¬ 
burg,  Bd.  1. 

No.  42 


dochusverschluss.  Und  gerade  bei  dieser  Form  der  Gallenstein¬ 
krankheit  kann  nur  ein  Arzt  die  Indikation  zur  Operation 
stellen,  der  weiss,  wie  viele  Menschen  an  den  Folgen  der  Chole- 
dochusobstruktion  zu  Grunde  gehen.  Ein  Kranker  handelt  jeden¬ 
falls  richtiger,  wenn  er  auf  den  erfahrenen  Arzt  hört,  als  wenn 
er  nach  seinem  Gutdünken  sich  eine  Operation  oder  eine  Karls¬ 
bader  Kur  auswählt.  Ich  lehne  oft  die  Operation  ab,  wo  sie 
gewünscht  wird,  und  schlage  sie  vor,  wo  der  Patient  lieber  das 
Wort  Karlsbad  oder  Neuenahr  gehört  hätte.  Der  Kranke  kennt 
nicht  die  pathologische  Anatomie  der  Cholelithiasis  und  hat  in¬ 
folgedessen  gar  kein  Urteil  über  die  Therapie,  die  zur  Anwen¬ 
dung  kommen  soll.  Er  geht  lieber  in  unseren  herrlichen  Bade¬ 
ort,  um  sich  am  Sprudel  zu  erquicken  und  in  den  schönen  Wäl¬ 
dern  des  Abergs  frische  Luft  zu  atmen,  als  dass  er  sich  in  ein 
Krankenhaus  oder  in  eine  Klinik  aufnehmen  lässt,  um  die  Ge¬ 
fahren  einer  Operation,  die  seiner  Meinung  nach  doch  „immer 
auf  Leben  und  Tod“  geht,  in  Kauf  zu  nehmen. 

Ich  finde  es  sehr  begreiflich,  dass  jeder  Gallensteinkranke 
nicht  sofort  nach  ein  paar  Koliken  sich  operieren  lässt,  sondern 
sein  Heil  itn  Durande  sehen  Mittel,  in  Olivenöl,  in  Eunatrol, 
in  Zitronenkuren  und  in  cholagogen  Mitteln  sucht. 

Nebenbei  bemerkt  sollten  die  letzteren  nur  zur  Anwendung 
kommen,  wenn  der  Verlauf  der  Krankheit  dafür  spricht,  dass 
Steine  im  Choledochus  stecken.  Bei  Steinen  in  der  Gallenblase 
ist  es  geradezu  falsch,  die  Steine  abtreiben  zu  wollen,  dadurch 
verschlimmert  man  nur  die  Krankheit.  Man  treibt  die  Steine 
aus  der  leicht  zugänglichen  Gallenblase  in  den  tiefliegenden 
Gallengang,  wo  die  Konkremente  viel  mehr  Unheil  anrichten 
können  wie  in  der  geräumigen  Gallenblase.  Zudem  ist  die  ope¬ 
rative  Entfernung  von  Choledochussteinen  3 — 4  mal  gefährlicher 
wie  die  von  Konkrementen  in  der  Gallenblase.  Das  soll  man 
nicht  vergessen,  wenn  man  dem  Patienten  cholagoge  Mittel  ver¬ 
ordnet.  Zum  Glück  gibt  es,  wie  ich  annehmen  möchte,  kein 
Arzneimittel,  welches  die  Kraft  besitzt,  Konkremente  durch  den 
engen  Cystikus  und  Choledochus  in  den  Darm  zu  treiben;  noch 
viel  weniger  V ertrauen  schenke  ich  den  sog.  Gallensteine  auf- 
lö  senden  Mitteln  und  es  ist  sehr  bedauerlich,  dass  so  viele 
Gallensteinkranke  in  die  Hände  von  Kurpfuschern  fallen,  welche 
versprechen,  die  Steine  durch  Thee  und  Pulver  aufzulösen  und 
abzutreiben. 

Unter  die  Kurpfuscher  muss  ich  leider  auch  solche  Aerzte 
rechnen,  welche  behaupten,  Mittel  zu  besitzen,  welche  die  Steine 
in  weiche  Massen  umformen  können,  so  dass  ein  spontaner  Ab¬ 
gang  durch  die  enge  Papille  des  Duodenums  ermöglicht  wird. 
Sie  machen  in  politischen  Blättern  Reklame,  verschicken  Pro¬ 
spekte,  hüten  sich  aber,  die  Zusammensetzung  ihrer  Mittel  in 
medizinischen  Fachschriften  zu  veröffentlichen.  Wenn  ein  Arzt, 
der  auf  einen  wissenschaftlichen  Namen  Anspruch  erhebt,  ein 
Mittel  gefunden  zu  haben  glaubt,  von  dem  er  sich  eine  beson¬ 
dere  WTrkung  verspricht,  so  darf  er  sich  über  die  Zusammen¬ 
setzung  desselben  nicht  in  Schweigen  hüllen,  sondern  muss  es 
der  Allgemeinheit  der  Aerzte  mitteilen,  damit  es  von  objektiver 
Seite  nachgeprüft  wird  und,  wenn  es  gut  ist  und  nützt,  allen 
Gallensteinkranken  zugute  kommt.  Geschieht  das  nicht,  so 
kommt  ein  solcher  Arzt  in  den  Verdacht,  dass  er  seine  Erfindung 
nur  zu  eigenem  schnöden  Gelderwerb  verwerten  will.  Es  kommt 
nun  noch  dazu,  dass  die  Wundermittel  —  wie  ich  feststellen 
konnte  —  zur  Anwendung  gelangen,  gleichgültig,  ob  ein  grosser 
Stein  den  Cystikus  verschliesst,  ob  die  Gallenblase  mit  Eiter 
angefüllt  ist  oder  wallnussgrosse  Konkremente  im  Choledochus 
sich  aufhalten.  Viele  meiner  Patienten  waren  auf  solche 
Wunderkuren  hereingefallen,  denen  durch  gleichzeitige  Röntgen¬ 
aufnahmen  vor  und  nach  der  Kur,  durch  Anwendung  der 
"V  ibrationsmassage  und  durch  eine  bestimmte  Lagerung  des 
Kranken  ein  wissenschaftliches  Mäntelchen  umgehängt  wird. 
Wer  die  pathologische  Anatomie  der  Cholelithiasis  genau  kennt, 
der  kann  einem  solchen  Vorgehen  nur  den  Namen  „Schwindel“ 
geben.  Schade  nur  um  das  Geld,  welches  solche  betrogene  Pa¬ 
tienten  umsonst  ausgeben  müssen;  aber  in  der  ersten  Freude 
über  den  vorgezeigten  abgegangenen  Gries,  wie  man  ihn  ge¬ 
legentlich  aus  jedem  Stuhlgang  heraussieben  kann  und  der  mit 
Gallensteinen  gär  nichts  zu  tun  hat,  schwinden  häufig  —  wie 
auch  nach  Sellerie-,  Zitronen-  und  anderen  Kuren  —  die 
Schmerzen,  und  bleiben  sie  eine  Zeitlang  aus,  so  lebt  der  Name 
des  Wunderdoktors  in  aller  Munde.  Die  ihre  Koliken  aber 
behalten,  schweigen  schön  still,  damit  ja  niemand  erfährt,  dass 

4 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


1750 

sie  auch  zu  den  Dummen,  die  „nicht  alle  werden“,  gehörten.  So 
wird  nur  über  gute  Erfolge  berichtet,  die  Misserfolge  werden 
verschwiegen. 

Wenn  ich  mich  gegen  die  „Auflöserei“  und  „Abtreiberei“ 
der  Gallensteine  wende,  so  will  ich  keineswegs  behaupten,  dass 
nicht  einmal  ein  Mittel  gefunden  wird,  dem  eine  solche  Wunder- 
kraft  innewohnt.  Aber  solange  wir  kein  solches  Mittel  besitzen, 
muss  es  Aufgabe  der  inneren  Medizin  bleiben,  die  Steine  resp. 
die  Entzündung  zur  Ruhe  zu  bringen.  Ich  wiederhole  noch  ein¬ 
mal:  Nicht  gegen  die  Steine  als  solche  richten  sich  unsere 
inneren  therapeutischen  Massnahmen,  sondern  gegen  ihre  Folge¬ 
zustände,  gegen  die  Entzündung  und  die  Gefahren  der  Chol¬ 
angitis,  der  Cholämie  und  der  Peritonitis  u.  s.  w. ;  der  Chirurg 
aber  entfernt,  indem  er  die  Steine  beseitigt,  die  begünstigende 
Ursache  der  Entzündung  und  seine  Erfolge  müssen  deshalb  voll¬ 
kommener  sein  wie  die  seiner  inneren  Kollegen. 

Nachdem  Sie,  m.  H.,  nunmehr  meine  Indikationsstellung 
kennen  gelernt  haben,  möchte  ich  mir  erlauben,  mit  wenigen 
Worten  meine  Tabellen  zu  erläutern  und  meine  augenblicklichen 
und  Dauererfolge  zu  besprechen. 

(Siehe  Tabelle  I ) 

Zunächst  bitte  ich  Sie,  Ihre  Aufmerksamkeit  auf  diese  Ta¬ 
belle  I  zu  lenken,  welche  Ihnen  eine  U ebersicht  gibt  über  sämtliche 
von  mir  ausgeführte  Gallensteinoperationen.  Ihre  Zahl  beträgt 
720  und  umfasst  1131  Einzeleingriffe,  die  an  655  Kranken  vor¬ 
genommen  wurden.  Von  den  Patienten  waren  536  Frauen, 
119  Männer;  der  jüngste  Kranke  war  15,  der  älteste  78  Jahre  alt. 
Eine  besondere  Genugtuung  ist  es  mir  gewesen,  dass  ich  12  Aerzte, 
9  Aerztefrauen,  3  Aerztemütter,  und  5  Aerzteschwiegermütter  von 
ihren  Steinen  befreien  konnte.  Wenn  eine  Schwiegermutter  auf 
den  Rat  ihres  Schwiegersohnes  hin  sich  einer  Gallensteinoperation 
unterwirft,  so  ist  das  gewiss  der  beste  Beweis,  dass  der  chirur¬ 
gischen  Behandlung  der  Gallensteinkrankheit  viel  Vertrauen  ent¬ 
gegengebracht  wird.  In  meiner  Monographie,  die  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  Gallensteinkrankheit,  habe  ich  mitgeteilt,  dass  ich 
2  Ehepaare  von  ihren  Steinen  befreit  habe.  Beide  sind  gesund 
geblieben  und  das  eine  steht  jetzt  in  meinen  Diensten.  Der  Mann 
trägt  die  schweren  Kokseimer  zu  den  Kesseln  der  Zentralheizung 
und  besorgt  Hof  und  Garten,  und  die  Frau  überwacht  in  der  Klinik 
die  Wäsche  und  die  Hausmädchen.  In  gesundheitlicher  Beziehung- 
lassen  diese  Ehepaare  nichts  zu  wünschen  übrig. 

Ein  flüchtiger  Blick  auf  diese  Tabelle  genügt,  um  Ihnen  die 
Mannigfaltigkeit  des  Materials  zu  beweisen,  welches  mir  bisher 
zu  Gebote  stand.  Sie  finden  hier  alle  möglichen  Operations¬ 
methoden  verzeichnet,  von  der  einfachen  Cystostomie  bis  zur  kom¬ 
plizierten,  schon  der  Aussprache  Schwierigkeiten  bereitenden 
Clioledochoduodenostomia  interna,  und  die  komplizierenden  Ope¬ 
rationen  am  Magen,  Darm  und  Pankreas  können  Ihnen  einen 
ungefähren  Begriff  davon  geben,  wie  verwickelt  die  pathologisch¬ 
anatomischen  Veränderungen  gewesen  sein  müssen,  welche  ich 
bei  meinen  Gallensteinoperationen  antraf.  An  einer  grossen  Zahl 
von  Kranken  wurden  neben  der  Gallensteinoperation  zugleich  Ein¬ 
griffe  am  Magen,  Darm  etc.  vorgenommen.  So  kamen  Ektomien, 
kompliziert  mit  Gastroenterostomien,  Pyloroplastiken  und  Ap¬ 
pendektomien  häufig  zur  Ausführung  —  ich  bitte  die  Nummern  25, 
26  und  33  zu  vergleichen  —  und  der  komplizierteste  Eingriff,  den 
ich  in  dieser  Hinsicht  vornehmen  musste,  betraf  einen  42  jährigen 
Herrn,  bei  dem  ich  eine  Gallenblasenkolonfistel  vorfand,  die  ich 
beseitigte.  Das  Loch  im  Dann  wurde  genäht,  die  Gallenblase 
samt  Steinen  exstirpiert,  der  kranke  Processus  vermifonnis  ent¬ 
fernt  und,  da  ich  schliesslich  noch  eine  Stenose  am  Duodenum 
vorfand,  eine  Gastroenterostomie  hinzugefügt,  an  welche  sich 
zur  sicheren  Verhütung  des  Circulus  vitiosus  eine  Enteroentero- 
stomie  anschloss.  Der  Patient  hat  die  fast  2  stündige  Operation 
gut  überstanden  und  ist  ganz  gesund  geworden. 

Doch  ich  verliere  mich  in  Einzelheiten,  wenden  wir  uns  wieder 
der  Betrachtung  der  Tabellen  zu. 

Auf  Tabelle  I  finden  Sie  hinter  jeder  Operation  3  Zahlen. 
Die  erste  Zahlenreihe  umfasst  die  von  mir  in  den  ersten  8  Jahren 
ausgeführten  360  Lapai’otomien  (vgl.  No.  225  der  Samml.  klin.  Vor¬ 
träge:  Die  Resultate  von  360  Gallensteinlaparotomien  etc. 
Oktober  3898);  die  zwmite,  eine  ebenso  grosse  Zahl  von  Operationen, 
die  ich  in  den  letzten  4  Jahren  in  meiner  Klinik  vorgenommen 
habe,  und  die  dritte  Zahlenreihe  gibt  die  Summe  sämtlicher 
Operationen  wieder.  Ein  Vergleich  der  ersten  mit  der  zweiten 
Zahlenreihe  wird  Ihnen  zeigen,  dass  sich  mein  Material  in  den 
letzten  4  Jahren  verdoppelt  hat  und  dass  ich  in  der  Ausw-alil  der 
Operationsmethoden  grosse  Wandlungen  durchgemacht  habe. 

Während  sich  unter  meinen  ersten  360  Gallensteinlaparo¬ 
tomien  194  Cystostomien  befinden,  zähle  ich  unter  den  letzten  360 
nur  74  Cystostomien.  Dafür  hat  sich  die  Zahl  von  70  Ektomien 
um  204  vermehrt  und  beträgt  jetzt  274.  Man  sieht  daraus,  dass 
ich  die  Cystostomie  zu  Gunsten  der  radikalen  Ektomie  ein¬ 
geschränkt  habe,  und  da  ich  in  den  letzten  Jahren  die  frühzeitige 
Operation  nur  selten  ausgeführt  habe,  musste  naturgemäss  die 
Zahl  der  Cystostomien  sich  wesentlich  vermindern. 


Tabelle  I. 

720  Gallensteinlaparotomien. 

Vom  l.V.  1890  bis  10.  VI.  1898 

503  Einzeleingriffe  bei  360  Laparotomien  an  307  Kranken, 

Vom  11.  VI.  1898  bis  10.  VIII  1902 

628  Einzeleingriffe  bei  360  Laparotomien  an  348  Kranken. 

Summa  1131  Einzeleingriffe  bei  720  Laparotomien  an  655  Kranken. 
(536  Frauen,  119  Männer). 


A.  Eingriffe  an  den  Gallenwegen  selbst. 


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£ 

Art  des  Eingriffs 

1890—1898 

8  Jahre 

1898—1902 

4  Jahre 

Summa  j 

12  Jahre  1 

1 

Einzeitige  Cystostomie . 

194 

74 

268 

2 

Zweizeitige  „  . 

8 

4 

12 

3 

Cystikotomie . 

37 

42 

79 

4 

Cystikolithotripsie . 

1 

— 

1 

5 

Cystendyse . 

7 

6 

1 3 

6 

Extraperit.  ideale  Operation . 

2 

— 

Z 

7 

Cystektomie . 

70 

204 

274 

8 

Choledochotomie . 

46 

21 

67 

9 

Choledochoplastik  . 

— 

3 

3 

10 

Choledocholithotripsie . 

1 

87 

1 

11 

Hepatikusdrainage . 

3 

90 

12 

Hepatikotomie . 

1 

3 

4 

13 

Choledochoduodenostomia  int . 

— 

6 

6 

14 

Cystogastrostomie  . 

— 

7 

7 

15 

Cystenterostomie . . 

5 

5 

10 

16 

Choledochoenterostomie . 

3 

— 

3 

17. 

Cystikoenterostomie . 

3 

— 

3 

18 

Gallenblasenfistelverschluss . 

11 

2 

13 

19 

Wiederöffnung  schon  geschlossener 
Gallenblasen . 

7 

2 

9 

20 

Probeinzision  wegen  Tuberkulose,  Kar¬ 
zinom,  Lues  und  Lösung  von  Ad¬ 
häsionen  als  selbständige  Operation 

20 

42 

42 

B.  Eingriffe  am  Magen,  Darm,  Pankreas,  Niere,  Leber  etc., 
welche  die  Gallensteinoperationen  complizierten. 


12 

Laparotomie  wegen 

a)  Gallensteinileus . 

2 

1 

b)  Nachblutung  nach  Ektomie  .  .  . 

1 

— 

22 

Eröffnung  von  intraperitonealen,  durch 
Cholelithiasis  bedingten  Abszessen  . 

6 

1 

23 

Herniotomien,  (Hernie  der  linea  alba, 
Bauchwandbrüche) . 

5 

7 

24 

Magenresektion . 

1 

2 

25 

Gastroenterostomie . 

25 

38 

26 

Pyloroplastik . 

8 

17 

27 

Loretas  Divulsio  pylori . 

1 

— 

28 

Gastroanastomose  . 

1 

— 

29 

Excisio  ulc.  ventr.  et  Duodeni . 

1 

1 

30 

Darmresektion . 

1 

— 

31 

Enteroenterostomie . 

4 

9 

32 

Beseitigung  von  Fisteln  zwischen  Gallen¬ 
system  und  Intestinis . 

14 

16 

33 

Appendektomie . 

3 

15 

34 

Einnähung  und  Exzision  von  Pankreas¬ 
cysten  . .  .  - 

2 

1 

35 

Inzision  von  Pankreasabszess  ..... 

1 

1 

36 

Nephropexie  (Wanderniere) . 

5 

1 

37 

Nephrektomie  (Eiterniere) . 

1 

— 

38 

Leberresektion . 

2 

10 

39 

Hepatopexie . 

— 

14 

40 

Rippenresektion  (Subphrenischer  Abszess 
und  Empyem  der  Pleurahöhle)  ,  . 

— 

4 

41 

Leberechinokokkus . 

— 

2 

Gesamt-Summe:  1131  Einzeleingriffe. 

3 

1 

7 

12 

3 

63 

25 

1 

1 

2 

1 

13 

30 

18 

3 
2 
6 
1 

12 

14 

4 
2 


Zertrümmerungen  von  Steinen  im  Cystikus  und  Choledochus 
habe  ich  in  den  letzten  4  Jahren  nicht  mehr  gemacht;  ich  bin 
dafür,  dass  man  diese  Operationsmethode  vollständig  streicht. 

Ebenso  will  ich  heute  mein  absp ziehendes  Urteil  über  die 
Cystendyse  und  deren  Modifikationen  nicht  wiederholen. 

Die  primäre  Cystikotomie,  früher  meine  Lieblingsoperation, 
habe  ich  in  den  letzten  Jahren  nur  ein  paarmal  ausgeführt,  da 
ich  überhaupt  die  Cystostomie  selten  geübt  habe.  Die  letzten 
42  Cystikotomien  aus  den  letzten  4  Jahren  sind  meistenteils  Vor¬ 
operationen  der  Hepatikusdrainage  gewesen.  Nur  wo  ich  nicht 
ektomieren  konnte  und  bei  der  Ausführung  der  Cystostomie  w-egen 
akuter  seröser  Cholecystitis  die  sofoilige  Entleerung  des  Cystikus- 
steines  auf  andern  Weise  nicht  möglich  war,  habe  ich  die  primäre 
Cystikotomie  voi'genommen.  Sekundäre  Cystikotomien  kenne  ich 
bei  meinen  letzten  360  Opex-ationen  nicht  mehr.  Ueberhaupt  haben 


21.  Oktober  1902. 


1751 


MHENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


sich  die  2  und  3  maligen  Laparotomien  an  einer  Person  wesentlich 
verringert.  Es  gelingt  mir  jetzt  fast  regelmässig,  in  einer  Sitzung 
die  Verhältnisse  so  herzustellen,  dass  die  Entfernung  der  Steine 
ohne  einen  zweiten  Bauchschnitt  möglich  ist.  Besonders  gilt  das 
für  die  Choledochotomien  resp.  die  Hepatikusdrainagen. 

Ueber  die  Choledochoplastik,  die  ich  in  den  letzten  2  Jahren 
3  mal  ausführte,  habe  ich  auf  dem  diesjährigen  Chirurgenkongress 
gesprochen,  so  dass  weitere  Mitteilungen  heute  überflüssig  sind. 

Der  Verschluss  von  Gallenblasenfisteln  nach  Cystostomie  und 
die  Wiedereröffnung  schon  geschlossener  Gallenblasenfisteln  ist 
in  den  letzten  4  Jahren  nur  je  2  mal  nötig  gewesen,  aus  dem  ein¬ 
fachen  Grunde,  weil  ich  lernte,  die  Technik  der  Cystostomie  besser 
zu  gestalten,  und  weil  ich  diese  Operationsmethode  gegen  früher 
bedeutend  eingeschränkt  habe. 

Permanente  Fisteln,  welche  die  Cystostomie  recht  in  Verruf 
gebracht  haben,  kenne  ich  nicht.  Temporäre  Gallen-  und  Schleim¬ 
fisteln  sind  häufig  eine  Notwendigkeit,  aber  dauernde  Fisteln 
sollten  dem  geübten  Gallensteinchirurgen  nicht  Vorkommen,  es  sei 
denn,  dass  der  Patient  gegen  ihre  Verscldiessung  sich  hartnäckig 
sträubt.  Mir  persönlich  ist  es  bisher  stets  gelungen,  den  Ver¬ 
schluss  solcher  Fisteln  durchzusetzen.  Sehr  oft  habe  ich  per¬ 
manente  Gallen-  und  Schleimfisteln  beseitigen  müssen,  welche 
von  anderen  Chirurgen  angelegt  waren.  Welche  Operations 
methoden  dabei  zur  Anwendung  kamen  (Cystendyse,  Ektomie, 
Cystikotomie,  Choledochotomie,  Hepatikusdrainage,  Cystentero- 
stomie,  Cystikoenterostomie),  darüber  zu  berichten,  würde  zu  weit 
führen. 

Unter  den  ersten  360  Operationen  befinden  sich,  wie  ans 
No.  8  und  11  hervorgeht,  46  Choledochotomien  mit  Naht  und  nur 
3  Hepatikusdrainagen,  unter  den  letzten  360  kommen  auf  21  Chole¬ 
dochotomien  mit  Naht  87  Hepatikusdrainagen. 

Die  erste  Hälfte  meiner  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Gallen¬ 
steinchirurgie  umfasst  also  54  Proz.  Cystostomien,  20  Proz. 
Ektomien,  13  Proz.  Choledochotomien  und  1  Proz.  Hepatikus¬ 
drainagen,  während  auf  die  letzten  360  Fälle  20  Proz.  Cysto¬ 
stomien  (gegen  54  Proz.),  54  Proz.  Cystektomien  (gegen  20  Proz.), 

6  Troz.  Choledochotomien  (gegen  13  Proz.),  41  Proz.  Hepatikus¬ 
drainagen  (gegen  1  Proz.)  kommen.  Daraus  geht  hervor,  dass  ich; 

1.  radikaler  geworden  bin  in  der  Operationstechnik,  dass  ich  2.  in 
den  letzten  4  Jahren  viel  mehr  schwere  Fälle  und  Spätoperationen 
ausgeführt  habe  und  dass  ich  3.  die  Frühoperation  gegen  früher 
eingeschränkt  habe. 

Warum  ich  jetzt  die  Ektomie  und  Hepatikusdrainage  der 
Cystostomie  und  Choledochotomie  mit  Naht  vorziehe,  habe  ich 
schon  bei  anderen  Gelegenheiten  auseinandergesetzt,  und  da  der¬ 
artige  Erörterungen  mehr  vor  das  Forum  des  Chirurgenkongresses 
gehören,  verzichte  ich  auf  eine  Begründung  meiner  diesbezüg¬ 
lichen  Ansichten.  Aber  Sie  ersehen,  wie  man  erst  nach  sehr  grosser 
Erfahrung  die  Indikation  für  die  einzelnen  Operationen  heraus¬ 
findet.  Als  ich  meine  ersten  360  Operationen  ausgeführt  hatte, 
glaubte  ich  schon  die  Auswahl  der  Operationsmethoden  sehr  weise 
getroffen  zu  haben.  Je  mehr  ich  aber  operierte,  um  so  klarer 
wurde  es  mir,  dass  der  Chirurg  mit  seinem  Urteil  über  Wert  und 
Unwert  dieser  oder  jener  Operationsmethode  doch  sehr  zurück¬ 
haltend  sein  muss,  und  ich  sah  ein,  dass  das  Wort  volle  Geltung 
hat:  „Mit  der  Zeit  kommt  die  Erfahrung  und  mit  ihr  kommt  Be¬ 
scheidenheit.“ 

Eins  aber  glaube  ich  jetzt  doch  mit  voller  Bestimmtheit  sagen 
zu  können,  dass  bei  allen  akuten  Prozessen  in  der  Gallenblase  die 
Cystostomie  den  Vorzug  verdient,  während  bei  Operationen  im 
freien  Intervall  - —  analog  der  Indikationsstellung  bei  der  Appen¬ 
dizitis  — -  die  Entfernung  des  kranken  Organs,  die  Langen¬ 
buch  sehe  Operation,  die  richtige  Operationsmethode  ist  und  dass 
bei  Extraktionen  von  Steinen  aus  dem  Clioledochus  die  Choledocho¬ 
tomie  mit  Naht  der  offenen  Wundbehandlung,  d.  h.  der  Drainage 
des  Ductus  hepaticus,  in  jeder  Beziehung  nachsteht.  Der  Um¬ 
stand,  dass  Steine  im  Ductus  clioledochus  und  hepaticus  sich  lange 
Zeit  latent  verhalten  können  und  sich,  weil  sie  hoch  im  Hepatikus 
sitzen,  der  Palpation  vollständig  entziehen,  hat  mich  im  letzten 
Jahr  veranlasst,  der  Ektomie  fast  stets  die  Hepatikusdrainage 
hinzuzufügen,  weil  man  nur  auf  diese  Weise  den  Steinen  bei¬ 
kommen  und  später  eintretenden  Rezidiven  entgegentreten  kann. 
Nimmt  man  einmal  das  Messer  zur  Hand,  so  muss  man  gründlich 
operieren,  und  im  freien  Intervall,  wo  die  Entzündung  fehlt,  wird  | 
die  Gefahr  der  Ektomie  durch  Hinzufügung  der  Hepatikusdrainage 
kaum  erhöht.  Bei  einem  sonst  noch  widerstandsfähigen  Patienten, 
dessen  Lungen,  Herz  und  Nieren  noch  intakt  sind  und  dessen 
Gallenwege  frei  von  eitriger  Entzündung  und  Karzinom  sind, 
schätze  ich  die  Mortalität  der  Ektomie  inklusive  Hepatikus¬ 
drainage  nicht  höher  als  2—3  Proz.  Doch  davon  wollen  wir  später 
reden. 

Unter  den  komplizierenden  Eingriffen  am  Magen,  Darm, 
Pankreas  u.  s.  w.  finden  Sie  unter  No.  20,  42  Fälle,  bei  denen 
Probeinzisionen  wegen  Karzinom  und  Tuberkulose  vorgenommen 
wurden.  Unter  dieser  Rubrik  habe  ich  auch  jene  Fälle  unter¬ 
gebracht,  bei  denen  statt  der  vermuteten  Gallensteine  sich  nur 
Adhäsionen  vorfanden.  Verwachsungen  an  der  Gallenblase,  be¬ 
sonders  solche  am  Hals  und  am  Cystikus,  können,  worauf  ich 
schon  in  früheren  Publikationen  hingewiesen  habe,  dieselben  Er¬ 
scheinungen  machen  wie  Steine.  Die  Galle  kann  sich  nicht  voll¬ 
kommen  entleeren;  es  kommt  durch  Stagnation  zu  entzündlichen 
Prozessen,  welche  die  Koliken  auslösen.  Ich  habe  mich  häufig 
begnügt,  die  Verwachsungen  zu  lösen  oder  eine  Gallenblasenfistel 


anzulegen;  will  man  aber  sicher  vor  Rezidiven  geschützt  sein,  so 
möchte  ich  Ihnen  in  solchen  Fällen  empfehlen,  die  Gallenblase 
zu  entfernen. 

Im  übrigen  hat  jede  Probeinzision,  die  ich  bei  hochgradigen 
Beschwerden  und  mangelndem  Untersuchungsbefund  ausgeführt 
habe,  Verhältnisse  auf  gedeckt,  welche  die  Gefahren  der  Narkose 
und  des  blutigen  Eingriffes  rechtfertigten.  Ich  habe  niemals  um¬ 
sonst  wieder  die  Bauchhöhle  geschlossen,  bin  aber  ganz  der  Mei¬ 
nung,  dass  man  von  der  Probeinzision  keinen  zu  ausgedehnten 
Gebrauch  machen  soll.  Es  gibt  aber  Fälle,  bei  denen  selbst  der 
beste  Diagnostiker  nicht  ein  noch  aus  weiss.  Dann  soll  man, 
vorausgesetzt,  dass  die  Schmerzen  sehr  intensiv  sind  und  jeder 
inneren  Behandlung  gespottet  haben,  getrost  zum  Messer  greifen: 
meine  Patienten  und  ich  haben  in  solchen  Fällen  den  gemein¬ 
samen  Entschluss  niemals  zu  bereuen  gehabt. 

Das  Karzinom  der  Gallenblase  sehen  wir  Chirurgen  sehr 
häufig,  ungefähr  in  10  Proz.  der  Fälle,  die  uns  zugehen.  Aber 
wenn  wir  bedenken,  wie  viele  Tausende  von  Menschen  Gallen¬ 
steine  haben  und  dass  ca.  95  Proz.  der  Gallensteinträger  von  ihren 
ungebetenen  Gästen  niemals  etwas  spüren,  so  muss  man  doch 
sagen,  dass  das  Karzinom  der  Gallenblase  eine  sehr  seltene  Kom¬ 
plikation  der  Cholelithiasis  ist.  Aus  der  unumstösslichen  Tatsache, 
dass  die  Steine  durch  Druck  und  Reiz  zur  Entstehung  von  Kar¬ 
zinomen  beitragen,  die  Forderung  ihrer  frühzeitigen  Entfernung 
abzuleiten,  ist  schon  deshalb  nicht  durchzuführen,  weil  die  aller¬ 
meisten  Gallensteinkranken,  die  später  ein  Karzinom  bekamen, 
niemals  von  ihren  Steinen  etwas  gefühlt  haben.  Erst  wenn  das 
Karzinom  so  gross  geworden  ist,  dass  es  der  Palpation  zugäng¬ 
lich  wird,  macht  es  Symptome.  Aber  dann  nützt  auch  eine  Ope¬ 
ration  nichts  mehr.  Am  besten  ist  es,  man  behandelt  solche 
Kranke  mit  der  Morphiumspritze. 

Ich  habe  aber  dann  und  wann  bei  weit  fortgeschrittenem 
Karzinom  der  Gallenblase  operieren  müssen,  obgleich  ich  die  volle 
Gewissheit  hatte,  dass  der  Eingriff  nicht  viel  nützen  würde.  Der 
betreffende  Arzt,  der  mir  den  Patienten  überwies,  hatte  diesem 
erklärt:  Nur  eine  Operation  kann  noch  helfen.  Ich  wollte  den 
armen  Kranken  die  letzte  Hoffnung  auf  Heilung  nicht  nehmen; 
sie  wussten  ganz  genau,  dass,  wenn  sie  nicht  operiert  wurden,  sie 
unter  allen  Umständen  verloren  waren.  Der  Chirurg,  der  in  sol¬ 
chen  Fällen  eine  Operation  seiner  Statistik  zuliebe  ablehnt,  handelt 
nach  meiner  Auffassung  inhuman.  Zwar  bin  ich  froh,  wenn  diese 
Kranken  nichts  von  einer  Operation  wissen  wollen;  aber  wünschen 
sie  dieselbe  unter  allen  Umständen,  auch  auf  die  Gefahr,  hin,  dass 
sie  unglücklich  verläuft,  so  führe  ich  dieselbe  aus:  ein  baldiger 
Tod  ist  für  solche  Patienten  nur  eine  Erlösung.  Diese  meine  Auf¬ 
fassung  bitte  ich  nachher  bei  dem  Bericht  über  die  Sterblichkeit 
nach  meinen  Operationen  zu  berücksichtigen. 

Recht  häufig  kombiniert  sieh  das  Karzinom  der  Gallenblase 
mit  eitriger  Cholecystitis.  Man  diagnostiziert  ein  Empyem,  hofft 
auf  einen  günstigen  Verlauf  und  ist  überrascht,  neben  dem  Em¬ 
pyem  ein  Karzinom  zu  finden.  Die  Cystostomie,  die  man  dann 
ausführt,  beschleunigt  nur  das  Ende,  wenn  auch  die  Schmerzen 
erheblich  gemindert  werden. 

Wegen  Gallensteinileus  habe  ich  3  mal  operiert;  alle  3  Kranke 
sind  gestorben,  aber  nicht  an  den  Folgen  der  Operation,  sondern 
weil  die  Einklemmungen  schon  zu  lange  bestanden  und  zur  Per¬ 
foration  resp.  zur  Peritonitis  geführt  hatten.  Ich  gebe  zu,  dass 
viele  Fälle  von  Gallensteinileus  auch  beim  Abwarten  günstig  ver¬ 
laufen,  in  den  meisten  wird  aber  der  Chirurg  zu  spät  um  Hilfe 
angegangen. 

Unter  274  Cystektomien  habe  ich  nur  1  mal  wegen  einer 
Nachblutung  die  Bauchhöhle  wieder  eröffnen  müssen.  Der  Patient 
ging  aber,  da  die  Operation  sehr  rasch  ausgeführt  werden  musste 
und  die  aseptischen  Massnahmen  nicht  mit  der  gewöhnlichen 
Peinlichkeit  durchgeführt  werden  konnten,  an  Sepsis  zu  Grunde. 
Nachblutungen  aus  der  Arteria  cystica  sind  durch  gute  Unter¬ 
bindungen  zu  verhüten;  manchmal  ist  mau  gezwungen,  die  Klam¬ 
mern  liegen  zu  lassen,  da  man  in  der  Tiefe  des  Wundtrichters  nicht 
unterbinden  kann.  Die  Blutung  aus  dem  Leberbett  stand  stets  auf 
Tamponade  mit  steriler  Gaze.  Den  Paquelin  habe  ich  auch  nicht 
ein  einziges  Mal  benutzt;  die  Vaporisation  anzuwenden,  dazu  hatte 
ich  auch  keine  Veranlassung. 

Weiterhin  wird  Ihnen  unter  No.  25  und  26  die  grosse  Zahl  der 
Gastroenterostomien  und  Pyloroplastiken,  zusammen  88,  auffallen. 
In  der  Tat  waren  ca.  12  Proz.  der  Gallensteinleiden  durch  Magen¬ 
affektionen  kompliziert  und  es  hatte  sich  auf  dem  W  ege  der  Peri¬ 
cholecystitis  und  Peripyloritis  eine  Stenose  am  Pylorus  ausgebildet. 
Nach  Trennung  der  Adhäsionen  habe  ich  bei  hochgradigen  Ste¬ 
nosen  63  mal  gastroenterostomiert  (13  mal  in  Verbindung  mit  der 
Enteroenterostomie  zur  sicheren  Verhütung  des  Circulus  vitiosus). 
Bei  25  habe  ich  die  Pyloroplastik  geübt,  doch  möchte  ich,  wenn 
man  einmal  die  Stenose  gründlich  beseitigen  will,  der  allerdings 
gefährlicheren  Gastroenterostomie  den  Vorzug  geben.  In  einigen 
Fällen  war  die  Cholelithiasis  kompliziert  mit  Ulcus  ventriculi  und 
duodeni  und  deshalb  eine  Gastroenterostomie  nötig. 

Unter  No.  33  finden  Sie  18  Appendektomien  verzeichnet. 
15  mal  war  die  Appendix  krank,  3  mal  gesund  und  trotz  der  ver¬ 
nichtenden  Kritik  des  Herrn  v.  Hippel  habe  ich,  wie  gesagt, 

3  mal  die  gesunde  Appendix  dann  entfernt,  wenn  kein  besonderer 
Bauchdeckenschnitt  öder  eine  Erweiterung  desselben  nötig  war, 
die  ursprüngliche  Operation  glatt  von  statten  ging  und  sich  ge¬ 
rade  das  Coekum  mit  seinem  nichtswürdigen  Anhang  in  die  Bauch- 
wunde  einstellte.  Wie  wichtig  es  aber  ist,  bei  einer  Gallenstein¬ 
operation  sich  daran  zu  erinnern,  dass  etwaige  Gallenbeschwerden 

4* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


1752 

durch  eine  gleichzeitige  Appendicitis  simplex  resp.  larvata  we¬ 
sentlich  erhöht  werden  können,  möge  Ihnen  ein  Fall  beweisen, 
bei  welchem  neben  Cholelithiasis  ein  schwer  kranker  Wurmfort¬ 
satz  aufgefunden  wurde,  obgleich  niemals  ein  typischer  Anfall 
von  Appendizitis  beobachtet  worden  war.  Dass  diese  Krankheit 
von  vorneherein  ganz  chronisch  verlaufen,  d.  li.  ohne  akute  Exazer¬ 
bationen  auftreten  kann,  ist  eine  noch  nicht  sehr  lange  bekannte 
Tatsache.  Dank  der  aufklärenden  Dienste  der  chirurgischen 
Autopsien  in  vivo  haben  wir  über  diese  Verhältnisse  guten  Auf¬ 
schluss  erhalten.  Es  handelte  sich  um  einen  Chirurgen  aus 
Amerika,  der  gallensteinkrank  war  und  wünschte,  dass  ich  auch 
seiner  Appendix  bei  Gelegenheit  meiner  Gallensteinoperation  meine 
Aufmerksamkeit  zuwenden  solle.  I  >ie  Amerikaner  sind  gewiss 
praktische  Leute  und  gehen  mit  der  Entfernung  der  Appendix  nicht 
so  zimperlich  um  wie  wir.  Und  auch  in  diesem  Fall  hatte  der 
Vorschlag  des  amerikanischen  Kollegen  sehr  viel  praktischen 
Sinn;  denn  in  der  Tat  fand  ich  neben  einer  chronischen  Chole¬ 
cystitis  einen  stenosierten  und  ulzerierten  und  verwachsenen 
Wurmfortsatz.  Er  wanderte  natürlich  in  das  Präparatenglas. 

Von  den  weiteren  komplizierenden  Operationen  möchte  ich 
nur  noch  über  die  Pankreaserkrankungen,  die  Hepatopexie  und 
die  Nephropexie  einige  Worte  einflechten. 

Ich  habe  in  den  letzten  Jahren  immer  das  Pankreas  ab¬ 
getastet  und,  soweit  man  sich  auf  das  Gefühl  seiner  Fingerspitzen 
verlassen  kann,  es  nur  in  06  Proz.  normal,  d.  li.  nicht  verdickt 
und  vergrössert  vorgefunden  und  ich  bin  in  der  Tat  der  Ueber- 
zeugung,  dass  die  Bauchspeicheldrüse  ausserordentlich  häufig  in¬ 
folge  von  Cholecystitis  und  Cholangitis  erkrankt.  Die  7  Cysto- 
gastrostomien  (unter  No.  14)  und  die  10  Cystenterostomien  (unter 
No.  15)  sind  nicht  nur  wegen  Pankreaskarzinom  ausgeführt  wor¬ 
den,  sondern  wegen  chronischer  Entzündung  im  Pankreaskopf, 
auf  welche  Krankheitsform  zuerst  hingewiesen  zu  haben,  Itiedel 
das  Verdienst  gebührt.  ist  man  gezwungen  eine  Anastomose 
zwischen  Gallenblase  und  Darm  auszuführen,  so  möchte  ich  das 
Vorgehen  von  Majo  Robson,  der  gern  die  Gallenblase  mit  dem 
Kolon  verbindet,  verwerfen.  Denn  hierbei  ist  die  Möglichkeit 
einer  aufsteigenden  Cholangitis  gegeben  und  dann  wird  die  Galle 
bei  der  Darm  Verdauung  nicht  ausgenutzt.  Ich  führte  in  den  letz¬ 
ten  Jahren  mit  Vorliebe  die  Anastomose  zwischen  Magen  und 
Gallenblase  aus  und  habe  niemals  durch  Einlaufen  von  Galle  in 
den  Magen  einen  schädlichen  Einfluss  auf  die  Verdauung  und  den 
Appetit  bemerkt.  Kein  Patient  hat  Galle  erbrochen  oder  sonst 
über  Beschwerden  geklagt.  Anderweitige  Pankreaserkrankungen, 
wie  Pankreascysten  und  Nekrose  habe  ich  selten  beobachtet, 
möchte  aber  doch  einen  Zusammenhang  mit  der  Cholelithiasis  in 
den  von  mir  operierten  Fällen  nicht  gänzlich  leugnen. 

Die  Nephropexie,  die  ich  unter  den  ersten  360  Fällen  5  mal, 
unter  den  letzten  nur  1  mal  ausgeführt  habe,  ist  eine  Operation, 
deren  Notwendigkeit  und  Nützlichkeit  ich  in  den  meisten  Fällen 
von  jeher  bezweifelt  habe.  Ich  will  damit  nicht  sagen,  dass  sie 
vollkommen  überflüssig  ist,  aber  ich  habe  im  allgemeinen  durch 
die  Bandagenbehandlung  so  gute  Erfolge  erzielt,  dass  ich  selten 
einen  Grund  fand,  gegen  dieses  Leiden  operativ  vorzugehen. 

Die  Hepatopexie  führe  ich  aus,  erstens  bei  Hepatoptose  und 
zweitens  bei  der  Ektomie,  um  den  subphrenischen  Raum  abzu- 
schliessen.  Zwar  ist  der  subphrenische  Abszess  keine  häufige 
Komplikation  nach  Gallensteinoperationen,  aber  seine  Entstehung 
wird  nach  einer  Exstirpation  einer  infizierten  und  bei  der  Opera¬ 
tion  eröffneten  Gallenblase  durch  die  Hepatopexie  fast  sicher  ver¬ 
mieden.  (Schluss  folgt.) 


Aus  der  Privatpraxis  und  dem  Institut  für  Hygiene  und  Bak¬ 
teriologie  in  Strassburg  i.  E.  (Direktor:  Prof.  Dr.  J.  Förster). 

Eine  Endemie  von  Paralyphus. 

Von 

F.  M.  G.  de  Fey  fer  «»d  Dr.  med.  Heinr.  Kayser, 

praktischem  Arzt  in  Eibergen  I.  Assistenten  des  hygienischen 
(Holland).  Inst  tuts  in  Strassburg. 

(Schluss.) 

Resümierend  haben  wir  es  hier  in  Eibergen  mit  einer 
Paratyphusendemie  zu  tun ;  die  Krankheit  zeigt  fol¬ 
genden  Charakter  bezw.  Symptomenbild : 

1.  Ein  kurzes  Prodromalstadium  leitet  sie  ein 
(1 — 4  Tage);  es  ist  durch  unregelmässige  Temperatursteige- 
rungen  gekennzeichnet  (nicht  höher  als  38  0  C.),  durch  Appetit¬ 
losigkeit,  oft  auch  Kopf-,  Rücken-  und  Gliederschmerzen. 

2.  Der  Verlauf  ist  gutartig,  wie  heftig  sich  auch  die 
Erkrankung  u.  U.  im  Anfang  anlässt.  Die  Rekonvaleszenz  dauert 
kurz  und  die  Patienten  werden  nicht  sehr  von  der  Krankheit 
mitgenommen. 

3.  Der  akut-infektiöse  Charakter  steht  un¬ 
zweifelhaft  fest.  Auf  Grund  unserer  Wahrnehmungen  bei  den 
Hausepidemien  können  wir  sagen,  dass  der  Paratyphus  sich  leicht 
auf  die  Umgebung  des  Patienten  überträgt.  Erkrankten  doch 
im  Laufe  der  Hausepidemie  I  alle  diejenigen  Familienglieder, 
welche  mit  M.  A.  (No.  1)  in  direkter  Berührung  gewesen  waren. 


4.  Die  Temperaturkurve  ist  typisch ;  in  den  leichten 
wie  schweren  Fällen  kann  man  ein  remittierendes  und 
intermittierendes  Fieberstadium  wahrnehmen.  Im 
remittierenden  Stadium  ist  manchmal  eine  Morgen-  und  Abend¬ 
exazerbation  zu  konstatieren.  Bisweilen  fällt  das  Fieber  kritisch 
ab.  —  Die  Mischinfektion  —  Typhus  +  Paratyphus 
(No.  13)  —  verlief  a  f  e  b  r  i  1. 

5.  Die  Pulsfrequenz  stimmt  im  ganzen  zu  der 
Temperaturhö  li  e.  Der  Puls  ist  regelmässig,  äqual,  weich 
und  bisweilen  (während  des  intermittierenden  Fieberstadiums) 
klein. 

6.  Was  die  Erscheinungen  am  Tr  actus  intestinalis 
betrifft,  so  wird  bisweilen  im  Krankheitsbeginn  Vomitus  und 
Magengurren  (Borborygmus)  wahrgenommen.  Die  Zunge  ist 
fast  immer  mehr  oder  weniger  belegt.  Bauchschmerzen  kommen 
vor;  dabei  ist  der  Leib  nicht  druckempfindlich.  Stets  kann  man 
ein  Ileocoekalgeräusch  konstatieren.  Die  Milz  ist  ge¬ 
wöhnlich  nicht  palpabel,  aber  oft  perkutorisch  vergrössert. 
East  immer  besteht  starker  Durchfall,  dem  u.  U. 
ein  Zustand  von  Obstipation  folgt.  Der  dünne  Stuhl  ist  gelb 
und  stark  riechend.  Der  Urin  zeigt  saure  Reaktion  (spez.  Gew. 
ungefähr  1020)  und  ist  meist  eiweissfrei.  Anfangs  enthält  er 
viel  Sedimentum  lateritium.  ln  den  daraufhin  untersuchten 
Fällen  bestand  positive  Diazoreaktion  und  starker 
Indik  angeh  alt. 

7.  Das  Sensor  ium  findet  man  gewöhnlich  frei.  Dann 
und  wann  sind  die  Pat.  etwas  somnolent  und  apathisch. 

8.  Roseolen  wurden  in  der  Hälfte  der  Fälle  angetroffen. 

9.  Das  Blutserum  der  Patienten  agglutinierte  in  allen 
daraufhin  untersuchten  Fällen  die  Paratyphusbazillen  des 
Typus  B.  (Bezüglich  der  Details  s.  u.) 

10.  Bronchitis  ist  eine  oft  vorkommende  Komplikation. 

11.  Angina  wird  häufig  im  Beginn  der  Erkrankung  kon¬ 
statiert. 

12.  Leichte  Darmblutungen  sieht  man  spärlich. 

Hier  mögen  noch  einige  Bemerkungen  zur  Klinik  unserer 

Fälle  Platz  finden:  Einige  Male  wäre  bei  den  ersten  unserer 
Erkrankungen  fast  die  Diagnose  Typhus  abdominalis  aus¬ 
gesprochen  worden,  so  bei  der  Hausepidemie  P.,  wo  Roseolen, 
palpable  Milz,  Durchfall  und  Diazoreaktion  die  klinische  Dia¬ 
gnose  Typhus  zu  sichern  schienen.  In  der  Hausepidemie  M. 
jedoch  konnte  die  Diagnose  durchaus  nicht  gestellt  werden.  Wir 
fanden  eine  normale  Milz  in  zwei  Fällen,  ein  wenig  vergrössert 
war  sie  bei  dreien.  Zwei  Roseolen  wurden  im  Fall  2  gesehen, 
aber  darauf  liess  sich  bei  den  übrigen  Erscheinungen  keine  Dia¬ 
gnose  „Typhus“  bauen.  Die  Fieberkurve  sprach  bald  für,  bald 
gegen  diese  Krankheit,  so  z.  B.  in  Fall  2  mit  seinem  remittieren¬ 
den  und  intermittierenden  Teil,  und  in  Fall  3,  dessen  Temperatur¬ 
zeichnung  der  verkürzten  Reproduktion  einer  Typhusfieberkurve 
ähnelt.  Sicher  festgestellt  war  die  ansteckende  Natur  der  Er¬ 
krankung.  Bei  Pat.  v.  d.  L.  (9)  hätte  die  Diagnose  Typhus  auf 
Grund  des  Bestehens  einer  Milzvergrösserung,  Roseolen,  posi¬ 
tiver  Diazoreaktion  und  der  Pulsbeschaffenheit  gestellt  werden 
können.  Doch  war  der  Beginn  der  Erkrankung  derart,  dass  zur 
Sicherung  der  Diagnose  das  Blut  auf  seine  Agglutinationsfähig¬ 
keit  für  verschiedene  Bakterien  untersucht  wurde.  Das  Resultat 
dieser  Untersuchungen  bildete  den  Ausgangspunkt  unserer  wei¬ 
teren  Beobachtungen. 

Fälle,  wie  die  von  uns  wahrgenommenen,  finden  sich  von 
Schott  m  filier,  Kurth  und  Brion  - Kayser  be¬ 
schrieben.  Von  Juni  bis  Dezember  1899  untersuchte  Schott¬ 
müller  alle  ihm  zugänglichen,  klinisch  als  solche  bezeichneten 
Fälle  von  Typhus  zu  Llamburg  (St.  Georg).  In  80  Proz.  der¬ 
selben  gelang  es  ihm,  den  spezifischen  Krankheitserreger  (B.  typhi) 
aus  Armvenenblut  zu  züchten.  In  einem  Falle  jedoch  fand  er 
einen  Bazillus,  welcher  sich  durch  seine  Kultureigenschaften  von 
dem  E  b  e  r  t  h  sehen  unterschied.  Der  klinische  Verlauf  war 
dem  des  Typhus  abdominalis  ziemlich  ähnlich.  Diese  Unter¬ 
suchungen  setzte  Schottmüller  auch  im  J ahre  1900  fort, 
und  unter  68  Fällen,  die  klinisch  als  Typhus  abdominalis  galten, 
fanden  sich  wieder  5,  deren  Krankheitserreger  die  obigen  Stäb¬ 
chen  waren.  Er  konnte  selbst  zwei  Arten  von  „typhusähnlichen 
Bakterien“  unterscheiden. 

Kurth  in  Bremen  untersuchte  ebenso  im  Jahre  1900  eine 
grosse  Anzahl  von  derartigen  Fällen.  Hierunter  waren  5,  bei 
welchen  die  klinische  Diagnose  Typhus  sicherstand,  wiewohl  d  i  e 


21.  Oktober  1902. 


MUENCITENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1753 


Gruber-W  idalsche  Reaktion  immer  negativ 
ausfiel.  Kurth  vermochte  den  spezifischen  Krankheits¬ 
erreger  durch  die  Serumreaktion  und  Züchtung  nachzuweisen. 
Er  meinte  die  Ursache  der  schon  vergessenen  Febris  gastrica  ge¬ 
funden  zu  haben,  und  nannte  den  von  ihm  gefundenen  Bazillus : 
B.  bremensis  febris  gastricae.  —  Im  Jahre  1901  fanden  Brion 
und  Iv  ay  s  e  r  in  dem  Blut  einer  Patientin,  welche  an  Gastralgie 
(und  florider  Gonorrhöe)  litt,  einen  „typhusähnlichen“  Bazillus. 
Kayser,  welcher  in  den  Besitz  der  von  Iv  u  r  t  h  und  Schott- 
m  ü  1 1  e  r  gezüchteten  Bazillen  kam,  konnte  durch  vergleichende 
bakteriologische  Untersuchung  entscheiden,  dass  die  bis  dahin 
gefundenen  Bakterien  auf  2  Typen  zurückzuführen  sind:  das 
Bacterium  paratyp  hi  Typi  A  und  B.  Vertreter  von 
beiden  Typen  waren  unter  Schottmüllers  Fällen. 

Hie  Benennung  der  Krankheit  als  „P  aratyphu  s“  wurde 
von  Schottmüller  erstmals  gebraucht.  —  Wir  sind  nach 
den  Resultaten  des  einen  von  uns,  sowie  von  B  r  u  n  s  und 
Kayser  im  stände,  die  bis  jetzt  in  der  Literatur  beschriebenen 
Fälle  von  Paratyphus  folgendermassen  zu  gruppieren: 

Typus  A:  2  Fälle  von  Schottmüller,  1  Fall  von 
Brion  - Kayser. 

Typus  B :  5  Fälle  von  Schottmülle  r,  5  Fälle  von 
K  u  r  t  h,  13  bezw.  14  Fälle  von  uns  (1  Mischinfektion  —  Pat. 
No.  13). 

Was  die  Bakteriologie  dieser  Fälle  anlangt,  so  stehen 
ihre  Krankheitserreger  zwischen  dem  B.  typhi 
abdominalis  und  dem  Bact.  coli  commune.  Hie 
Lebenseigenschaften  dieser  beiden  Stäbchen  dürfen  wir  als  be¬ 
kannt  voraussetzen.  Die  Typen  A  und  B  des  Bacterium 
paratyplii  zeigen  Zuckervergährung  bei  fehlender  Milch¬ 
koagulation  und  unterscheiden  sich  ferner  dadurch  von  Bact. 
typhi,  dass  sie  Neutralrotagar  (Schüttelkultur  nach  Roth- 
b  e  r  g  e  r)  zum  Fluoreszieren  bringen ,  sowie  aufhellen. 
Auf  dem  Milchzucker-Lackmus-Boden  nach  v.  Drygalski- 
G  o  n  r  a  d  i  bilden  beide,  wie  die  Typhusbazillen,  einen 
blauen  Rasen.  Indol  ist  bei  beiden  in  alten  Bouillonkulturen 
nicht  nachzuweisen.  Ihren  Gelatinekolonien  fehlt  die  aderförmige 
Obertlächenfurchung,  welche  die  Koli-  und  Typhusbazillen 
haben,  sowie  kurz  nach  der  Reinzüchtung  aus  Krankenmaterial 
deren  Buchten.  Durch  folgende  Eigenschaften  lassen  sich 
die  Typen  A  und  B  des  B.  paratyphi  voneinander  trennen : 
Typus  A  wächst  auf  allen  Nährböden  viel  zarter  und  lang-- 
samer  als  Typus  B.  Die  glänzenden,  dünnen,  runden  Gelatine¬ 
kolonien  von  Typus  A  sind  fast  farblos,  von  Typus  B  dagegen 
dicker  und  weisslich.  Auf  der  Kartoffelscheibe  ent¬ 
wickelt  sich  Typus  A  unsichtbar  wie  Bact.  typhi,  Typus  B  als 
graubrauner,  dicker  Belag  wie  Bact.  coli  commune.  In  Lack¬ 
musmolke  bildet  Typus  A  geringe  Mengen  Säure,  ebenso 
wie  Bact.  typhi,  bei  Typus  B  wird  die  anfangs  ebenfalls  saure 
Molke  von  der  zweiten  Woche  ab  alkalisch.  Auch  ihr  Verhalten 
in  der  Milch  ist  ein  verschiedenes :  Typus  A  lässt  dieselbe  un¬ 
verändert,  Typus  B  hellt  die  Milch  nach  Wochen  (ohne  vorherige 
Koagulation)  fast  völlig  auf. 

Auf  die  Agglutinationsverhältnisse  insbeson¬ 
dere  des  Typus  A  sind  schon  A.  Brion  und  H.  Kayser  ein¬ 
gegangen;  unter  Einbeziehung  des  Typus  B  und  mit  Berück¬ 
sichtigung  der  Gruppenagglutination  haben  kürzlich  H  a  y  o, 
Bruns  und  H.  Kayser  diese  Frage  experimentell  behandelt. 
Sie  erklären  es  als  bewiesen,  dass  die  bekannten  Ver¬ 
treter  von  Bact.  paratyphi  des  Typus  A  und  B 
(welch  letzterem  der  Bacillus  bremensis  febris  gastricae  angehört) 
kulturell  und  bezüglich  ihrer  Agglutinin¬ 
empfindlichkeit  je  eine  Einheit  dar  stellen, 
ebenso  wie  die  BB.  typhi  abdominalis. 

Sie  stellten  ferner  fest,  dass  ein  K  a  n  i  n  c  h  e  n  i  m  m  u  n  - 
s  e  r  u  m,  welches  sein  Bact.  paratyphi  des  T  y  pus  A  im 
Maximum  bei  einer  Zugabe  von  1  Teil  Serum  auf  2500  Teile 
12  stündiger  Bouillonkultur  agglutiniert  (mikroskopische  Grenze), 
auch  im  Verhältnis  1 :  50  u  n  w  i  r  k  s  a  m  für  B  a  c  t.  p  ara- 
typhi  des  Typhus  B,  für  BB.  typhi  abdominalis 
und  eine  Anzahl  Typhusverwandte  ist. 

Versuche  mit  dem  Serum  zweier  Kaninchen,  die  i  n 
gleichem  Masse  gegenüber  2  Vertretern  des  B  a  c  t.  p  a  r  a  - 
typhi  Typ.  B  immunisiert  waren  (1 : 2500  -(-),  ergaben 
andere  Resultate.  Hier  wurden  Typhusbazillen  im  Maxi¬ 
mum  bis  zu  einer  Serumverdünnung  1 : 100  mitagglutiniert 

No.  42. 


(mikroskopische  Probe),  dagegen  erwies  es  sich  auch  bei  noch  stär¬ 
keren  Zusätzen  als  unwirksam  für  B.  paratyphi 
Typ.  A.  \  on  den  nahestehenden  Fleischvergiftungsbakterien 
ist  diesem  I  ypus  B  der  Bae.  breslaviensis  Känsche  am 
nächsten  verwandt,  wie  die  Gruppenagglutinationsresultate  lehren. 
Schottmüller  sah  (mit  einer  einzigen  Ausnahme)  niemals, 
dass  die  Patientenseren  des  Typus  B  das  Bact.  paratyphi  Typ.  A 
agglutinierten,  und  ebensowenig  das  Umgekehrte  von  den  Paten - 
tenseren  des  Typus  A.  Bei  seinem  Ausnahmefall  hat  wohl 
Mischinfektion  Vorgelegen. 

Bruns  und  Kayser  schliessen  folgendes  aus  ihren  Ver¬ 
suchen  und  Strassburger  Erfahrungen :  Klinisch  diagnostisch  ist 
ein  rascher  positiver  Ausfall  der  Reaktion  (makroskopisch)  nach 
dem  Zusatz  von  1  Teil  Serum  auf  75  Teile  12  stündiger  Bouillon¬ 
kultur  der  betreffenden  Bakterien  für  das  Bestehen  eines  Para¬ 
typhus  beweisend.  Sehr  hochwertige  Patienten¬ 
seren  können  infolge  von  Gruppenagglutination  Typhus 
und  Paratyphusstäbchen  zusammen  ballen.  Bei 
solcher  Familienagglutination  liegen  die 
Agglutinationsmaxima  meist  um  ein  20-  und 
mehrfaches  auseinander.  Nähern  sie  sich  beträchtlich, 
so  ist  vermutlich  Mischinfektion  im  Spiel  und  der 
Castellani  sehe  Versuch  muss  angestellt  werden.  (Auf  diesen 
gehen  wir  unten  ein.) 

Nach  diesen  Untersuchungen  besteht  ein  Parallelismus 
zwischen  Agglutinationstiter  eines  Immunserums 
und  der  Ausdehnung  der  Gruppenagglutina¬ 
tion  auf  Verwandte  des  Bakteriums,  gegenüber  welchem  das 
Agglutinationsvermögen  hervorgerufen  wurde. 

Die  Agglutinationsproben,  welche  mit  den  Seren  unserer 
Patienten  angestellt  wurden,  und  deren  Resultate  zum  Teil  bei 
der  Schilderung  der  Krankengeschichten  angeführt  sind,  liefern 
interessante  Bestätigungen.  Die  Agglutinations¬ 
maxima  (mikroskopisch)  unserer  Patienten- 
seren  für  das  B.  paratyphi  Typus  B  (ein  von  Fall  Seemann 
Schottmüllers  stammendes  Bakterium,  und  ein  solches  von 
Kurt  h’s  Fällen)  schwanken  zwischen  Serumver¬ 
dünn  u  n  g  e  n  v  o  n  1 :  120  (No.  14)  und  1 :  5700  (No.  11).  Alle 
diese  Seren  hatten  keinen  Einfluss  auf  B.  para- 
typhi  (B)  des  Typus  A  (1:  33).  Als  Vertreter  des  Typus  A 
wurden  die  Stäbchen  vom  Fall  Müller  Schottmüllers, 
und  Fall  S.  Brion-Kaysers  verwandt. 

Was  das  Verhalten  zum  B.  typhi  abdominalis 
anlangt,  so  wurde  dieses  durch  unsere  niedrigwertigen 
Patientenserennicht  agglutiniert  (1 :  33),  dagegen  durch 
die  beiden  ziemlich  starken  Seren  No.  11  und  12  der  Haus¬ 
epidemie  P.  Serum  No.  11  (Agglutinationsmaximum  =  1:  5700) 
rief  in  einer  Verdünnung  von  1:60  rasch  makroskopisch 
erkennbare  Agglutination  der  Typhusbazillen  hervor,  beim 
Zusatz  1 :  120  war  sie  nur  noch  mikroskopisch  festzustellen,  einige 
Bazillen  bewegten  sich.  Serum  No.  12  agglutinierte  B.  typhi 
etwas  niedriger.  Wir  sind  geneigt,  hier  eine  Gruppen¬ 
agglutinationswirkung  anzunehmen,  gestützt  auf  die 
oben  angeführten  Erfahrungen  mit  dem  Serum  immunisierter 
Kaninchen.  Das  weite  Auseinanderliegen  der  Agglutinations¬ 
maxima  für  B.  paratyphi  Typ.  B  und  B.  typhi,  sowie  schliesslich 
der  "V  erlauf  der  Fälle  sprechen  ebenfalls  für  diese  Annahme.  So 
wie  hier  die  Verhältnisse  lagen,  war  der  Castellani  sehe  Ver¬ 
such  nicht  durchführbar. 

Dagegen  sollte  er  uns  im  Fall  No.  13  Aufklärung  verschaffen. 
Castellani  trägt,  wenn  ein  Serum  2  (oder  mehr)  Bakterien 
agglutiniert,  zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  Mischinfek¬ 
tion  besteht,  in  mehreren  Zwischenräumen  solange  Bazillen¬ 
aufschwemmungen  einer  Art  in  das  verdünnte  Immunserum,  bis 
die  Agglutinationskraft  =  Null  für  diese  Mikroorganismen  ist. 
Nachdem  die  Röhre  längere  Zeit  im  Eisschrank  ruhig  stand, 
wird  das  ziemlich  klare  Serum  abpipettiert.  Im  Falle  einer 
Mischinfektion  agglutiniert  es  das  zweite  Bakterium  in  un¬ 
geschwächtem  Masse.  War  die  Doppelagglutination  nur  ein 
Ausdruck  der  Bakterienverwandtschaft,  so  ist  sie  natürlich  er- 
loschen,  nachdem  die  Agglutinine  durch  das  stärkst  beeinflusste 
Bakterium  gesättigt  sind.  Das  Seru  m  von  N  o.  13  B.  M.  zeigte 
1 :  720  noch  positive  (mikroskopisch)  Reaktion  für  Typhus¬ 
bazillen,  und  das  B.  paratyphi  Typ.  B  wurde  bis  1 : 1440 
agglutiniert  (mikr.).  Hier  gelang  es,  mit  Hilfe  des 
ebengenannten  Versuches,  die  Diagnose  einer  Misch- 

5 


1754 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


inf  ektion  (Typhus  +  Paratyphus)  zust.ellen.  Die 
nach  Castelia  ni  behandelte  abpipettierte  Flüssigkeit  enthielt 
noch  einige  wenige  bewegliche  Paratyphusbakterien.  Trug  man 
in  einen  Teil  dieses  Serums  neue  Paratyphusbakterien  Typus  B 
ein,  so  blieben  dieselben  lebhaft  beweglich  und  keine  Häufchen 
waren  zu  bemerken ;  die  andere  Hälfte,  mit  Typhusbazillen 
vermischt,  agglutinierte  die  neueingeführten  Stäbchen  augen¬ 
blicklich  "). 

Einen  Gruppenagglutinationsversuch  haben 
wir  mit  dem  hochwertigen  Serum  des  Falles  P.  D.  No.  11  an¬ 
gestellt.  Es  wurde  am  5.  Juni  1902  entnommen.  Folgende  Bak¬ 
terien  wurden  verwandt : 

1.  B  a  c  t.  paratyp  hi  Typ.  B  (2  Stämme)  1 :  3000  positiv 
rna. ;  1 :  5700  positiv  mi. 

2.  Baet.  paratyphi  Typ.  A  (2  Stämme)  1 :  33  n  e  g  a  - 
t  i  v  mi. 

3.  B  a  c  t.  typhi  (E  b  e  r  t  h)  1 :  60  positiv  ma. ;  1 :  120 
positiv  (?)  mi. 

4.  B  a  c.  breslaviensis  (K  ä  n  s  c  h  e)  1 :  360  positiv 
ma.;  1:720  positiv  (?)  mi. 

5.  Bac.  G  a  u  s  t  a  d  (FI  ölst)  1 : 180  positiv  ma. ;  1 :  360 
positiv  (?)  mi. 

6.  Bac.  Bäcker  (Holst)  1 :  60  negativ  mi. 

7.  Bac.  Morseelensis  (v  a  n  E  r  m  enghe  m)  1  :  60 
n  e  g  a  t  i  v  mi. 

8.  Bac.  Abel  1:  60  negativ  mi. 

9.  Bac.  morbificans  bovis  (Forster-Basenau) 
1 :  60  positiv  (?)  mi. 

10.  Bac.  enteritidis  (Gärtner)  1:60  negativ  mi. 

11.  Bac.  Friedebergenais  (Gaffky-Paak)  1 :  60 
negativ  mi. 

12.  B  a  c  t.  paracoli  (Kayser)  1 :  60  negativ  mi. 

No.  4 — 11  sind  Fleischvergiftungsbakterien. 

die  zwischen  Bact.  typhi  und  coli  stehen,  No.  6  stammt  von  einer 
Käse  Vergiftung  (ma.  =-•  makroskopische,  mi.  =  mikro¬ 
skopische  Probe,  ?  =  einige  wenige  Stäbchen  bleiben  unbeein¬ 
flusst,  die  überwiegende  Mehrzahl  ist  agglutiniert). 

Die  Agglutinationsresultate  stimmen  mit  den  Befunden 
B  r  u  n  s  und  Ifaysers  bei  ihren  Tierversuchen  überein. 

Die  Krankheitserreger  selbst  waren  in  keiner  der 
daraufhin  untersuchten  Blutproben  nachzuweisen.  Doch  muss 
hier  bemerkt  werden,  dass  zu  den  diagnostischen  Zwecken,  in 
jedem  der  Fälle  nur  wenige  Tropfen  Blut  zur  Verfügung  standen. 

Die  Paratyphen  sind  gar  nicht  so  selten.  Schottmüller 
fand  unter  118  Fällen,  die  klinisch  als  Typhus  abdominalis  an¬ 
gesehen  waren,  7  Paratyphen,  Kurt  h  unter  62  Fällen  5.  Im 
ganzen  wurden  also  12  Pa  r  a  t y  p  hen  unter  180  vorher 
als  Typhen  geltenden  Fallen  festgestellt  —  6,6  Proz. 

Unsere  Eibergener  Fälle  tragen  den  Charakter  einer  En¬ 
demie.  Vergleichen  wir  sie  mit  denen  von  Schottmüller 
und  Kurt  h,  so  sehen  wir,  dass  im  grossen  und  ganzen  letztere 
schwerer  als  die  unserigen  verliefen.  Das  F  ieberstadium  dauerte 
länger  und  die  Kurve  glich  mehr  der  des  Typhus  abdominalis. 
Im  Verlauf  der  10  Fälle  (Bakterientypus  B)  beobachtete  man 
2  mal  Obstipation,  2  mal  normalen  Stuhlgang  und  6  mal  bestand 
Durchfall.  Auch  hier  war  Bronchitis  eine  oft  vorkommende 
Komplikation,  welche  in  10  Fällen  nur  4  mal  fehlte.  Roseolen 
wurden  in  8  der  9  Fälle  gesehen,  bei  welchen  davon  die  Rede  ist. 
Die  Zunge  war  meist  trocken  und  belegt;  zerebrale  Erscheinungen 
traten  viel  mehr  in  den  Vordergrund  als  bei  der  Eibergener  En¬ 
demie.  Ferner  währte  das  Rekonvaleszenzstadium  länger  als  bei 
unseren  Patienten. 

Oft  fühlten  unsere  Patienten  sich  so  wenig  krank,  dass 
sie  nicht  das  Bett  aufsuchten,  zum  Teil  sogar  ihre  Arbeit  weiter 
verrichteten ;  wir  könnten  also  von  einem  Paratyphus  a  m  - 
bulatorius  reden. 

Differentialdiagnostisch  und  hygienisch,  wegen 
der  Möglichkeit  der  Verschleppung,  sind  folgende  Krankheiten 
wichtig : 

1.  Typhus  abdominalis  und  zwar  besonders  a)  Typhus 
levissimus,  b)  Typhus  abortivus,  c)  Kindertyphus. 

i  Hierbei  ist  zu  bemerken,  dass  die  Diagnose  einer  „  Misch - 
infoktion“  von  bakteriologischer  Seite  ohne  Kenntnis  vom  Verlauf 
des  Falles  gestellt  wurde;  aus  der  Krankengeschichte  und  Fieber¬ 
kurve  erkennt  man  in  der  Tat  ein  von  den  übrigen  Fällen  ver¬ 
schiedenes  Krankheitsbild. 


2.  Die  typhöse  For m  der  Influenza. 

3.  Catarrhusgastro-intestinalis  (mit  oder  ohne 
Fieber). 

Schon  oben  gelten  einige  Worte  dem  Versuch  einer  klinischen 
Abgrenzung  unserer  Krankheit  gegenüber  dem  I  yphus  abdomi¬ 
nalis.  An  einfachen  Catarrhus  gastro-intestinalis  wurde  anfangs 
in  den  Fällen  1  und  13  gedacht.  Bei  dem  weiteren  Verlaufe  wurde 
aber  diese  Diagnose  auf  gegeben,  und,  als  andere.  Familienmit¬ 
glieder  ergriffen  wurden,  an  eine  typhusähnliche  Krankheit  ge¬ 
dacht.  (Die  bakteriologische  Untersuchung  deckte  bekanntlich 
den  letzteren  Fall  dann  als  solchen  von  Mischinfektion  durch 
Typhus-  und  Paratyphusbazillen  auf).  Bei  den  Patienten  10,  11 
und  12  stellte  man  anfangs  die  Diagnose  „typhöse  Form  von  In¬ 
fluenza“,  doch  bald  zeigte  es  sich,  dass  hier  eine  Erkrankung 
vorlag,  welche  dem  Typhus  abdominalis  ähnlich  war,  aber  gut¬ 
artiger  verlief. 

In  der  folgenden  Zusammenstellung  ist  in  Prozenten  die 
Häufigkeit  des  Vorkommens  der  Paratyphussymptome  aus- 
gedrückt,,  welche  auch  für  den  Typhus  abdominalis  als  kenn¬ 
zeichnend  angenommen  werden.  Wir  nahmen  nur  die¬ 
jenigen  I1  ä  1  le  auf,  deren  Krankheitserreger  das  Bact. 
paratyphi  des  Typus  B  war ;  auch  die  von  Schott- 
m  ü  1 1  e  r  und  K  u  r  t  li  fanden  hier  Platz. 

Die  durch  sch  nittlicheDauer  war  20  Tage.  Man 
kann  sie,  wenn  die  Verlängerung  durch  Komplikationen  ab¬ 
gezogen  wird,  wohl  noch  kürzer  annehmen. 

Roseolen:  In  23  der  24  F’älle  wurde  auf  Roseolen  ge¬ 
achtet;  sie  kamen  in  56  Proz.  vor,  manchmal  nur  in  spär¬ 
licher  Fleckenzahl. 

Milz:  In  42  Proz.  der  Fälle  war  die  Milz  nicht 
vergrössert,  in  12,5  Proz.  nicht  palpabel,  in  16,5  Proz.  per¬ 
kutorisch  vergrössert,  in  29  Proz.  wenig  vergrössert.  Ein  leil 
der  letzteren  29  Proz.  kann  wohl  fast  unter  die  Fälle  mit  nor¬ 


maler  Milz  gerechnet  werden. 

Sensor  ium:  ln  55  Proz.  war  dies  vollkommen 
frei,  d.  h.  es  bestand  weder  Somnolenz  noch  Apathie  (Kopf- 
!  schmerzen  sind  hier  nicht  berücksichtigt). 

U  rin:  Bei  fast  21  P  r  o  z.  fand  man  E  i  w  e  i  s  s ;  in  66  Proz. 
der  hierauf  untersuchten  Fälle  (15)  war  die  Diazoreaktion 
positiv. 

Komplikationen:  In  41  Proz.  bestand  Bron¬ 

chitis.  Einmal  wurde  Nasenbluten  im  Beginn  wahrgenommen. 

Der  Typhus  levissimus  kennzeichnet  sich  nach 
Jürgense n  durch  einen  plötzlichen  Anfang  mit  Schüttelfrost 


und  das  Fehlen  eines  intermittierenden  Fieberstadiums,  1^  i  eb  e  r- 
I  m  e  i  s  t  e  r  wiederum  beschreibt  einen  allmählichen  Beginn  ohne 
Schüttelfrost.  Bei  Typhus  abortivus  und  Kinder¬ 
typ  h  u  s  soll  der  plötzliche  Anfang  eine  Ausnahme  darstellen, 
und  die  typische  Typhusfieberkurve  zu  finden  sein.  Vergleicht 
man  das  obige  Symptomenbild  mit  entsprechenden  Details  aus 
den  Arbeiten  Jürgen  sens,  Liebermeisters  und  II  e  - 
noch  s,  so  lässt  sich  der  Paratyphus  bei  keiner  der  drei  unter¬ 
schiedenen  Formen  von  leichtem  Typhus  unterbringen.  Wir 
erkennen  ferner,  dass  die  Differentialdiagnose, 
ob  Typhus  oder  Paratyphus  v  o  r  1  i  e  g  t,  allein  auf 
Grund  der  klinischen  Beobachtungen  ein  Ding 
der  Unmöglichkeit  ist. 

Das  Bild  der  einzelnen  Typhusfälle,  sowie  von  Typhus¬ 
epidemien  wechselt  sehr.  Der  Typhus  abdominalis  lässt  sich 
nicht  in  den  klinischen  Panzer  einzwängen,  den  man  ihm  gerne 
schmiedet.  Was  die  früher  beschriebenen  leichten  Typhusfälle 
anlangt,  so  wäre  es  sehr  wichtig  gewesen,  wenn  immer  Aggluti¬ 
nationsversuche  stattgefunden  hätten.  Man  würde  dann  die 
Gruber-Widal  sehe  Reaktion  wohl  mehr  als  einmal  vermisst 
haben,  und  hätte  heute  Grund,  an  Paratyphus  zu  denken.  Für 
die  Kenntnis  und  Diagnose  von  Typhus  und  Paratyphus  i  s  t 
jetzt  die  bakteriologische  Untersuchung  eine 
gebietende  Notwendigkeit  geworden. 

Noch  sind  die  Erkrankungsfälle  zu  erwähnen,  bei  welchen 
das  Bact.  paratyphi  des  Typus  A  als  Erreger  an¬ 


zusprechen  ist.  Schottmüller  und  Brio  n-K  a  y  s  e  r  haben 
drei  derselben  wahrgenommen  und  beschrieben. 

Die  Fieberkurve  ist  der  des  Paratyphus,  welcher  vom 
Stäbchentypus  B  verursacht  wird,  ziemlich  ähnlich.  Die  Krank¬ 
heit  hatte  eine  kurzes  Prodromalstadium.  In  einem  Falle  be¬ 
stand  Durchfall,  einmal  normaler  Stuhlgang  und  einmal  Obsti- 


21.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1755 


pation.  Immer  beobachtete  man  p  a  1  p  a  b  1  e  Milz  und 
Roseolen.  Das  Fieber  verschwand  lytisch ;  im  Falle  Brion- 
Kayser  wurde  der  lytische  Verlauf  von  einem  plötzlichen 
Steigen  der  Temperatur  unterbrochen,  worauf  dieselbe  kritisch 
herunterging.  Letzterer  Fall  ist  durch  zwei  Rezidive 
merkwürdig.  Bronchitis  bestand  bei  allen  diesen  Patienten. 

Auch  hier  beruht  der  Schwerpunkt  der 
Diagnose  auf  der  bakteriologischen  Unter¬ 
suchung  und  dem  Agglutinationsversuch. 


Es  erübrigt  uns  noch,  einige  epidemiologische  V 


er¬ 


hält  n  i  s  s  o  zu  erörtern,  ein  Versuch,  das  gemeinschaftliche 


Band  zu  finden,  welches  unsere  Fälle  aneinander  kettet. 
Vierzehn  Fälle  haben  wir  beschrieben;  aber  es  ist 


ohne 


Zweifel,  dass  mehr  Erkrankungen  vorkamen  und  sich  zum  Teil 
jetzt  noch  abspielen.  Die  unter  Umständen  leichten  Symptome 
machen  eine  Hilfe  des  Arztes  eben  nicht  immer  notwendig,  so  dass 
besonders  der  P  a  ratyphus  ambulato  r  i  u  s  selten  unter 
seine  Augen  kommt.  Unter  den  14  Patienten  waren  4  Mädchen 
von  2 — 13  Jahren,  eine  54  jährige  Frau,  6  Knaben  von  6 — 15 
Jahren,  und  3  männliche  Patienten,  welche  das  15.  Lebensjahr 
überschritten  hatten. 


Die  Pat.  1  (M.  A.)  und  6  (O.  Z.)  erkrankten  ungefähr  gleich¬ 
zeitig;  auf  den  Tag  genau  ist  dieser  Zeitpunkt  nicht  anzugeben, 
besonders  nicht  bei  O.  Z.,  welcher  vielleicht  schon  länger  als  M.  A. 
die  Para  typhuskeime  in  sich  trug.  Wieder  fast  gleichzeitig, 
ungefähr  14  Tage  später,  wurden  die  Pat.  2,  3,  4  und  5 
(Haus  M.)  ergriffen  (Kontaktinfektion  von  M.  A.  her). 
In  denselben  Tagen  wurden  die  Pat.  11  (P.  D.)  und  12  (P.  G.) 
krank,  kurz  nachdem  sich  deren  Mutter  und  Pat.  10  (H.  P.j 
eine  Infektion  zugezogen  hatten.  Pat.  9  (v.  d.  L.)  war  nift 
keinem  Paratyphuskranken  in  Berührung  gekommen;  Infektions¬ 
möglichkeiten  sind  oben  genannt.  Nur  1  Pat.  erkrankte  zur  selben 
Zeit  wie  er,  7  (O.  D.),  Letzterer  ist  mutmasslich  von  6  (O.  Z.) 
infiziert  worden. 

Wir  glauben  vier  Ilauptdata  des  Beginns  annehmen  zu 
können:  den  21.  März  1902  für  Hausepidemie  M.  und  O.,  den 
8.  M  a  i  für  Hausepidemie  P.,  den  9.  Juni  für  Hausepidemie  B., 
den  20.  April  für  Fall  v.  d.  L. 

Von  einer  Explosion  ist  also  keine  Rede. 

Schwierig  wird  die  Suche  nach  der  gemeinsamen  Infektions¬ 
quelle  dadurch,  dass  sehr  wohl  leichte  Fälle  von  Paratyphus  auch 
in  der  Umgebung  Eibergens  sich  abgespielt  haben  können,  die 
nicht  zur  Beobachtung  kamen. 

Bei  den  verschiedenen  Hausepidemien  sind  schon  kurz  die 
Infektionsmöglichkeiten  angedeutet.  Wir  nannten: 

1.  Die  flüssigen  Milchprodukte  der  Natur¬ 
butterfabrik  in  Ei  bergen,  mit  welcher  die  Familien 
M.,  O.  und  P.  in  Verbindung  stehen.  Diese  Milchprodukte  wer¬ 
den  bei  80 "  pasteurisiert  ’)  und  in  sterilisierten  eisernen  Be¬ 
hältern  abgegeben.  Es  sind  natürlich  Fehler  im  Fabrikbetriebe 
möglich. 

Gegen  eine  Verdächtigung  dieser  Ware  spricht  aber  ausser 
der  Pasteurisierung  der  wenig  explosive  Charakter  der  Endemie 
und  die  Tatsache,  dass  Personen  ersterkrankten,  welche  keine 
Abnehmer  der  Fabrik  waren  (v.  d.  L.,  B.). 

2.  Die  Butter.  Bemerkenswert  ist  sicher,  dass  Familie 
M.  und  v.  d.  L.  die  gleiche  Butter  brauchten.  P.s  und  B.s  be¬ 
zogen  sie  bei  anderen  Händlern,  welche,  ihren  Bedarf  direkt  bei 
Bauern  deckten.  Aber  die  Fälle  M.  und  v.  d.  L.  nahmen  zu  ganz 
verschiedenen  Zeiten  ihren  Anfang’. 

Andere  Lebensmittel  kamen  nicht  in  Betracht. 

3.  Der  Hauptverdacht  bleibt  also  auf  dem  T  rinkwass  e  r 
ruhen.  Pat.  O.  Z.  (6)  hatte  Wasser  aus  der  Berkel 
getrunken.  In  dieser  war  Wäsche  eines  aus  B  o  r  k  e  n  zu¬ 
gereisten,  typhusähnlich  erkrankten  Weibes  gereinigt  worden. 
Eine  Infizierung  der  Berkel  hat  auf  diese  Weise  wohl  statt¬ 
gefunden.  Die  Berkel  ist  ein  grosser,  schnell  strömender  Bach. 

Wenn  man  die  Topographie  unserer  Fälle  auf  der  beigefüg¬ 
ten  Karte  verfolgt,  so  ersieht  man  die  Nähe  der  Berkel  für  fast 
alle  unsere  Fälle.  Eine  Infizierung  des  Strömchens  hatte  wohl 
oberhalb  Eibergens  stattgefunden  (s.  o.).  Uebrigens  reinigte  auch 
Familie  M.  ihre  Wäsche  in  der  Berkel.  Von  Pat.  B.  Z.  (14) 
wissen  wir,  wie  häufig  er  beim  Fischen  dieses  Wasser  trank.  Seine 


s)  Nach  Untersuchungen  im  Strassburger  Institut  werden 
Paratyphusbazillen  bei  05"  schon  nach  1  Minute  getötet. 


Mutter  B.  M.  (13)  (Mischinfektion)  säuberte  die  gefangenen 
Fische  und  bereitete  sie  zu.  Für  Fall  v.  d.  L.  und  Familie  P. 
kommen  vielleicht  die  offenen  Grundwasserbrunnen  nahe  der 
Berkel  in  Betracht. 


Wir  kommen  zu  dem  Resultat,  dass  das  Wasser  der 
Berkel  in  einigen  Fällen  als  Infektionsquelle 
anzunehmen  ist. 

Wir  haben  im  Paratyphus  offenbar  eine 
weitverbreitete,  typhusähnliche,  akute  I  n  - 
fektionskrankheit  vor  uns,  welche,  unter  ähnlichen 
ursächlichen  Verhältnissen  wie  der  Typhus,  epidemieartig 
a  uf  treten  kan  n. 

Die  bisher  beobachteten  Fälle  sind  gut¬ 
artig  verlaufen. 

Der  Paratyphus  muss  u.  E.  hygienisch-sani¬ 
tär  wie  der  Abdominaltyphus  behandelt  wer- 
d  e  n,  d.  h.,  es  liegt  im  Interesse  der  öffentlichen  Gesundheits¬ 
pflege,  ihn  der  Anzeigepflicht  zu  unterwerfen  und  die  gleichen 
Desinfekticnsmassregeln  wie  beim  Typhus  anzuordnen. 

Dies  ist  umsomehr  zu  empfehlen,  als  —  entsprechend  der 
Aetiologie  —  von  uns  Mischinfektion  durch 
Typhus-  und  Paratyphusbazillen  beobachtet 
w  u  r  d  e. 

Die  Diagnose  Paratyph  u  s  wird  mit  Hilfe  der 
Agglutinationsprobe  oder  durch  die  Bakterienzüchtung  gestellt. 

Literatu  r: 

A.  Brion  und  H.  Iv  a  y  s  e  r:  Ueber  eine  Erkrankung  mit 
dem  Befunde  eines  typliusähnlichen  Bakteriums  im  Blute  (Para- 
typlius).  Diese  Woebensohr.  1902,  No.  15.  —  II.  Bruns  und 
II.  K  ay  s  e  r:  Ueber  die  Verwertbarkeit  des  Agglutinations¬ 
phänomens  zur  klinischen  Diagnose  und  zur  Identifizierung  von 
Bakterien  der  Typlms-Coligruppe  (Paratyplms  etc.).  Zeitsehr.  f. 
Hyg.  u.  Infektionskrankli.  1902.  —  A.  Castell  a  ui:  Die  Ag¬ 
glutination  bei  gemischter  Infektion  etc.  Zeitschr.  f.  Hygiene 
u.  Infektionskrankli.  Bd.  40,  1902.  —  F.  d  e  F  e  y  f  e  r  und  H.  K  a  y  - 
s  e  r:  Over  een  ziekte  veroorzaakt  door  Bact.  paratyphi  Typ.  B 
(Paratyphus).  Nederlandsch  Tydsclirift  voor  Geneeskunde,  er¬ 
scheint  später.  —  K  u  r  t  h  -  Bremen:  Ueber  typhusähnliche,  durch 
einen  bisher  nicht  beschriebenen  Bazillus  bedingte  Erkrankungen. 
Deutsche  med.  Wochensehr.  1901,  No.  30/31.  —  Schottmülle  r: 
Ueber  mehrere,  das  Bild  des  Typhus  bietende  Krankheitsfälle,  her¬ 
vorgerufen  durch  typhusähnliche  Bazillen.  Zeitschr.  f.  Hvg.  u. 
Infektionskrankli.  1901.  Bd.  XXXVI,  S.  308  und  Deutsche  med. 
Wochensehr.  1900,  No.  32. 

Nachtrag:  Interessante  Beiträge  zur  Paratyphusfrage 
bringt  neuerdings  W.  Hoff  mann  (Zur  Frage  des  Paratyphus 
etc.)  im  17.  Heft  der  Hygienischen  Rundschau  1902. 


Ursachen,  Symptome  und  Behandlung  der  Insuffizienz 
des  nicht  schwangeren  Uterus. 

Von  Dr.  A.  T  h  e  i  1  h  a  b  e  r. 

(Schluss.) 

D  i  e  F  o  1  g  e  n  d  er  Uterusinsuffizienz  sind  vor 
allem:  Menorrhagien,  Metrorrhagien,  Hyperplasie  des  Uterus¬ 
parenchyms,  Hypersekretion. 

a)  Meno  r  r  h  a  g  i  e  n  und  Metror  r  h  a  g  i  e  n.  Bei 
allen  Formen  von  Uterusinsuffizienz  beobachtet  man  länger¬ 
dauernde  Blutungen.  Dieselben  können  bis  zu  mehreren  Wochen, 
ja  sogar  bis  zu  einer  ganzen  Reihe  von  Monaten  dauern  (ich 


1756 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


selbst  habe  des  öfteren  starke  ununterbrochene  Blutungen  von 
4 — 5  Monaten  Dauer  gesehen),  ohne  dass  eine  wesentliche  Ano¬ 
malie  an  der  Schleimhaut  sich  findet.  Die  stärksten  Blutungen 
sieht  man  beim  myomatösen  Uterus  in  den  präklimakterischen 
Jahren;  aber  auch  bei  Uteris  ohne  Geschwulstbildung  sind  in  den 
präklimakterischen  Jahren  kolossal  langdauernde  Blutungen 
von  grosser  Stärke  durchaus  nichts  seltenes.  Dabei  ist  es  nahezu 
pathognomonisch  für  diese  Zeit,  dass  viele  dieser  Patientinnen 
berichten,  dass  die  Menstruationsintervalle  zuweilen  weit  länger 
als  normal  sind.  Viel  Aehnlichkeit  mit  der  Blutungskurve  der 
präklimakterischen  Periode  hat  der  Verlauf  der  Blutungen  bei 
der  Ilypoplasia  uteri  infantilis;  nur  sind  hier  die  ausserordent¬ 
lich  langdauernden  Blutungen  etwas  seltener.  Doch  kommen 
sie  auch  hier  vor  und  auch  hier  sind  die  Intervalle  zwischen 
den  einzelnen  Menstruationen  zuweilen  von  mehrmonatlicher 
Dauer.  Bei  der  Salpingitis  und  Perimetritis  sind  die  Men¬ 
struationsintervalle  dagegen  meist  annähernd  normal,  manch¬ 
mal  ein  wenig  länger  als  normal.  Dagegen  ist  die  Dauer  der 
Blutung  meist  verlängert,  nicht  selten  hält  sie  2 — 3  Wochen  un¬ 
unterbrochen  an.  Blutungen  von  über  3 — 4  wöchentlicher  Dauer 
sind  jedoch  hier  sehr  selten.  —  Bei  der  extrauterinen  Gravidität 
geht  meist  dem  Eintritt  der  Menorrhagie  eine  5 — 8  wöchentliche 
Amenorrhoe  voraus.  Wenn  Abortus  tubarius  oder  Hämatocele 
sich  gebildet  hat,  so  dauert  die  Blutung,  wenn  nicht  operativ 
eingeschritten  wird,  meist  mehrere  Monate  an,  zuweilen  mit  ein¬ 
zelnen  Unterbrechungen  von  2 — 3  tägiger  Dauer. 

Die  Blutungen  treten  häufiger  als  Menorrhagien  denn  als 
Metrorrhagien  auf,  d.  h.  sie  halten  sich  öfter  an  den  Typus  der 
Menstruation,  wenigstens  bei  der  reinen  Insuffizienz;  wenn  sich 
jedoch  die  Insuffizienz  kombiniert  mit  starker  Hyperplasie  der 
Schleimhaut,  dann  kommen  nicht  selten  Metrorrhagien  vor. 
Häufig  ereignet  es  sich  namentlich  bei  nervösen  Erauen,  dass  die 
Blutungen  durch  psychische  Erregungen  wesentlich  verstärkt 
oder  sogar  vor  dem  gewöhnlichen  Eintritte  hervorgerufen 
werden;  es  können  auch  Blutungen,  die  aufgehört  haben,  sofort 
wieder  beginnen,  wenn  eine  starke  psychische  Erregung  statt¬ 
findet. 

b)  Leukorr  h  ö  e,  vermehrte  Absonderung  von  Sekret, 
findet  sich  ebenfalls  ausserordentlich  häufig  als  Folge  der  Atonia 
uteri :  die  übermässig  ernährten  Drüsen  sezernieren  stärker,  auch 
aus  den  stark  gefüllten  Lymphspalten  quillt  mehr  Transsudat. 
Natürlich  ist  nicht  selten  auch  ein  wirklicher  Katarrh  kom¬ 
pliziert;  besonders  häufig  ist  dies  der  Fall  bei  den  Erkrankungen 
der  Adnexa,  da  ja  die  Tubenerkrankung  meist  sekundär  ent¬ 
standen  ist,  oft  durch  Fortleitung  einer  gonorrhoischen  Ent¬ 
zündung  von  der  Schleimhaut  des  Uterus  aus.  Aber  auch  sonst 
ist  der  atonische  Uterus  natürlich  nicht  immun  gegen  Infektion, 
gonorrhoische  Infektion  kompliziert  nicht  allzu  selten  die 
Atonie  des  Uterus.  Bei  unkomplizierter  Atonie  sah  ich  die 
Hypersekretion  häufiger  und  stärker  bei  jungen  Personen,  wäh¬ 
rend  umgekehrt  die  Menorrhagien  sich  öfter  bei  alten  Erauen 
finden.  Sowohl  die  Leukorrhoe  als  die  Blutungen  hängen  ausser 
von  den  bereits  erwähnten  Umständen  noch  ab  von  der  Ein¬ 
wirkung  aktiver  Kongestionen  (Exzesse  in  venere,  Steigerung 
des  Blutdruckes  durch  reichliche  Einfuhr  üppiger  Kost,  starken 
Kaffees  und  Thees,  grösserer  Alkoholmengen  u.  s.  f.).  Auch  die 
Leukorrhoe  wird  wesentlich  beeinilusst  durch  psychische  Er¬ 
regungen  (wohl  infolge  der  Steigerung  des  Blutdruckes  durch 
die  Erregung).  Es  kann  aber  auch  Stauung  in  den  grossen  Unter¬ 
leibsvenen  die  Blutungen  und  den  Ausfluss  begünstigen :  Hier¬ 
her  gehören  das  hochgradige  Schnüren,  starke  Stuhlver¬ 
stopfung  u.  s.  f.  Namentlich  sieht  man  nicht  selten,  dass  die  Be¬ 
seitigung  einer  Koprostase  allein  zuweilen  genügt,  den  Ausfluss 
wesentlich  zu  bessern. 

c)  Vergrösserung  des  Uterusparenchyms,  Ver¬ 
dickung  desselben,  Hyperplasie  der  Schleim¬ 
haut  ist  eine  häufige,  aber  durchaus  nicht  regelmässige  Folge 
der  Insuffizienz  des  Uterus.  Sie  ist  durchaus  inkonstant,  denn 
sie  hängt  ausser  vom  Grad  der  Insuffizienz  des  Muskels  ja  noch 
ab  von  der  Stärke  der  Stauung,  von  der  Dauer  derselben,  von 
der  Blutmenge  des  gesamten  Körpers,  ferner  von  dem  Umstande, 
ob  die  Stauung  konstant  durch  viele  Monate  hindurch  standhält 
oder  ob  sie  periodisch  während  der  Menses  auftritt.  Bei  Hyper- 
plasia  uteri  virginalis  ist  der  Uterus  oft  jahrelang  klein,  in  einem 
späteren  Stadium  wird  er  infolge  der  Stauung  oft  grösser;  beim 


Adnexuterus  ist  die  Gebärmutter  zunächst  gross  und  breit,  weich, 
wird  im  späteren  Stadium  kleiner  und  härter.  Bei  der  Sub- 
involutio  uteri  postpuerperalis  ist  der  Uterus  in  der  ersten  Zeit 
gross,  nach  einigen  Monaten  kann  er  normale  Grösse  und  Form 
zeigen,  um  nach  Verlauf  von  weiteren  Monaten  wieder  durch 
Stauung  anzuschwellen.  Auch  bei  hyperplastischem  Meso- 
raetrium  findet  sich  zuweilen  normale  Schleimhaut.  —  Nahezu 
pathognomonisch  ist  für  die  Uterusinsuffizienz  eine  grössere 
Weite  der  Uterushöhle. 

Die  Prognose  der  Uterusinsuffizienz  ist 
natürlich  verschieden,  je  nach  der  veranlassenden  Ursache.  Wo 
letztere  operativ  beseitigt  werden  kann,  ist  natürlich  die  Uterus¬ 
insuffizienz  mit  einem  Schlage  gehoben  (Enukleation  von  Myomen, 
Entfernung  einer  Traubenmole  etc.).  Dementsprechend  pflegen 
auch  dann  die  Blutungen  schon  wenige  Tage  nach  der  Operation 
verschwunden  zu  sein.  —  Beim  Adnexuterus  pflegen  Ausfluss  und 
Menorrhagie  mit  dem  Rückgängigwerden  der  akuten  Erschei¬ 
nungen  zu  verschwinden.  —  Beim  präklimakterischen  Uterus  tritt 
häufig  Spontanheilung  ein,  wenn  der  arterielle  Blutzufluss  zum 
Uterus  spärlicher  wird,  die  Verengerung  der  Gefässe  weitere 
Fortschritte  macht  u.  s.  f. 

Für  die  Behandlung  der  Uterusinsuffi¬ 
zienz  stehen  uns  eine  ganze  Reihe  von  Mitteln  zu  Gebote, 
fch  möchte  die  sämtlichen  uns  als  wirksam  bekannten  Mittel 
in  folgende  Gruppen  einteilen: 

1.  gegen  die  Insuffizienz  spezifisch  wirksame  Mittel; 

2.  Mittel,  die  Kontraktionen  des  Uterus  erregen; 

3.  Mittel,  die  eine  Verringerung  des  Blutzuflusses  zu  den 
Beckenorganen  bewirken ;  - 

4.  Mittel,  die  den  allgemeinen  Blutdruck  herabsetzen; 

5.  Behandlung  der  (sekundären)  Hyperplasie  der  Schleimhaut 
des  Uterus. 

ad  1.  Zu  den  gegen  die  Uterusinsuffizienz  spezifisch  wir¬ 
kenden  Mitteln  gehört  z.  B.  das  Eisen  bei  der  chlorotischen  In¬ 
suffizienz;  liier  scheint  in  der  Tat  durch  das  Eisen  eine  Neu¬ 
bildung  der  Muskulatur  angeregt  zu  werden,  wenigstens  bemerkt 
man  nicht  allzu  selten  nach  der  Verabreichung  von  Ferrum  das 
völlige  Verschwinden  von  Menorrhagien  bei  chlorotischen  Mäd¬ 
chen.  —  Beim  Adnexuterus  werden  alle  Mittel,  die  Resorption 
der  Adnexerkrankung  herbeiführen,  auch  häufig  genügen,  um 
die  Menorrhagie  zu  beseitigen.  —  Beim  Uterus  myomatosus  lässt 
sich  manchmal  auf  relativ  einfache  Weise  durch  vaginale 
Enukleation  der  Myome  die  Insuffizienz  beseitigen  etc. 

ad  2.  Können  wir  die  Folgen  der  Insuffizienz,  den  Fluor 
und  die  Blutungen,  häufig  dadurch  beseitigen,  dass  wir  Kon¬ 
traktionen  des  Uterus  erregen.  Empirisch  hat  man  längst  zu 
diesem  Mittel  gegriffen,  da  man  den  Nutzen  der  kontraktions¬ 
erregenden  Mittel  durch  die  Erfahrung  konstatiert  hatte;  nur 
hat  man  sich  bis  jetzt  die  Art  der  Wirkung  anders  vorgestellt, 

Uteruskontraktionen  lassen  sich  erzielen  durch  mechanische, 
chemische,  thermische,  elektrische  Reize. 

a)  Der  mechanische  Reiz  kommt  zur  Geltung  bei  der 
Ausübung  der  Massage ;  auch  die  namentlich  von  Schultze 
vielfach  empfohlene  Ausspülung  der  Uterushöhle  mit  Soda-  oder 
Karbollösungen  wirkt  wohl  in  erster  Linie  nicht  durch  die 
Einwirkung  des  geringprozentigen  Medikaments  auf  die  Schleim¬ 
haut,  sondern  die  Wirkung  wird  wohl  erzielt  durch  den  me¬ 
chanischen  Reiz.  Günstig  wirkt  auch  bezüglich  der  Erregung 
der  Kontraktionen  die  der  Ausspülung  oft  vorausgeschickte  Dila¬ 
tation  mit  Laminaria.  —  Die  zur  Heilung  der  Endometritis  viel¬ 
fach  angewandte  Tamponade  der  Uterushöhle  mit  Jodoformgaze 
wirkt  wohl  auch  in  erster  Linie  durch  das  mechanische  Moment, 
da  der  Fremdkörper  Kontraktionen  des  Uterus  erregt.  Der 
Nachteil  der  Tamponade  liegt  nur  in  ihrer  grossen  Umständlich¬ 
keit  und  dem  Umstande,  dass  sie  nicht  ganz  ungefährlich  ist. 

b)  Die  chemische  Reizung  wird  sehr  häufig  an¬ 
gewendet,  indem  man  Aetzmittel  in  die  Uterushöhle  bringt. 
Unter  den  zu  diesem  Zwecke  empfohlenen  Aetzmitteln  bevor¬ 
zuge  ich  für  leichtere  Fälle  die  pure  Jodtinktur,  für  hartnäckigere 
Fälle  Chlorzink  in  10-,  30-,  50  proz.  Lösung,  ferner  das  von 
Menge  empfohlene  Forinalin  in  40 — 50 proz.  Lösung.  Wenn 
der  Uterus  überhaupt  noch  eine  grössere  Menge  Muskulatur  be¬ 
sitzt,  so  pflegt  er  auf  die  Einführung  der  in  ein  Aetzmittel  ge¬ 
tauchten  Sonde  mit  einem  Tetanus  zu  reagieren,  der  sehr  lange 


21.  Oktober  1902. 


anliält  und  durch  den 
in  ausserordentlich 

Von  den  verschiedenen  Sonden,  die  zu  diesem  Zwecke  em¬ 
pfohlen  sind,  bevorzuge  icli  die  von  M  enge  angegebene  Hart¬ 
gummisonde.  Dagegen  war  ich  mit  den  bisher  vorhandenen 
Spekulis  niemals  recht  zufrieden.  Die  im  Handel  vorrätigen 
Spekula  sind  in  der  Hegel  viel  zu  lang.  Will  man  um  den 
.Knickungswinkel  im  inneren  Muttermund  herumkommen,  so 
muss  man  die  I  ortio  ein  gutes  Stück  in  die  Vagina  herunter¬ 
ziehen.  Das  gelingt  nach  Einstellung  in  die  langen  Mutter¬ 
spiegel  meist  nicht.  Auch  kann  man  in  den  gebräuchlichen 
Mutterspiegeln  die  Sonde  nicht  genügend  tief  auf  den  Damm 
senken,  um  in  den  anteflektierten  Uterus  hoch  hinauf  gelangen 
zu  können.  Besser  ist  das  von  Ban  dl  empfohlene  kurze 
Spekulum,  dessen  Länge  an  der  vorderen  Wand  7  cm,  an  der 
hinteren  9  cm  beträgt.  Allein  es  hat  den  Nachteil,  dass  sich 
mittels  desselben  die  Portio  bei  einigermassen  langer  Scheide 
oder  bei  Fehlen  abnormen  Tiefstandes  des  Scheiden  teils  meist 
gai  nicht  einstellen  lässt.  Man  muss  dann  erst  ein  langes  Spe¬ 
kulum  einführen,  nachher  ein  scharfes  Häkchen  einsetzen,  dann 
das  lange  Spekulum  herausnehmen,  um  nochmals  das  kurze  ein- 
zufiihren,  eine  sehr  umständliche  Prozedur,  bei  der  es  auch 
Schwierigkeiten  hat,  die  Portio  während  des  Wechsels  der  Spe¬ 
kula  genügend  zu  fixieren.  Ich  habe  deshalb  Spekula  anfertigen 
lassen,  die  vorne  9  cm,  hinten  11  cm  lang  sind,  die  ausserdem 
nicht  konisch  verlaufen,  sondern  bei  denen  die  äussere  Oeffnung 
viel  weiter  ist  wie  die  innere.  Mit  ihnen  gelingt  es,  99  Proz. 
aller  Vaginalportionen  einzustellen.  Die  Portio  ist  leicht  soweit 
mit  der  Kugelzange  herunterzuziehen,  dass  der  Knickungswinkel 
im  inneren  Muttermunde  sich  streckt,  so  dass  es  ganz  leicht  ge¬ 
lingt,  mit  der  Sonde  in  die  Höhle  des  Uteruskörpers  einzudringen. 
Ausserdem  gestattet  das  weite  periphere  Ende  des  Spiegels, 
den  Sondengriff  tief  hinunterzusenken,  und  infolge  der  starken 
Erweiterung  des  peripheren  Endes  fallen  viel  mehr  Lichtstrahlen 
in  die  Vagina,  so  dass  die  Portio  weit  besser  beleuchtet  wird 
als  mit  den  gewöhnlichen  Spiegeln.  Ich  ziehe  deshalb  mein  Spe¬ 
kulum,  das  in  der  Gummiwarenhandlung  Metzeier  hier  zu 
haben  ist,  den  übrigen  Spiegeln  vor,  nicht  bloss  dann,  wenn  es 
sich  um  Aetzung  handelt,  sondern  überhaupt  bei  Besichtigung 
der  Portio,  des  Scheidengewölbes  etc. 

Eine  sehr  wirksame  Art  der  Aetzung  ist  zweifellos  die 
mittels  Anwendung  der  Braun  sehen  Spritze,  bekanntlich  sind 
jedoch  bei  Gebrauch  derselben  Unglücksfälle  passiert :  Infolge 
von  Durchfliessen  der  injizierten  Flüssigkeit  in  die  Tuben  etc. 
trat  nach  den  vorliegenden  Berichten  einzelne  Male  Peritonitis 
mit  nachfolgendem  Tod  ein.  Ich  habe  deshalb  seit  vielen  Jahren 
die  Braun  sehe  Spritze  nicht  mehr  in  Anwendung  gebracht. 
Die  H  o  f  m  a  n  n  sehe  Modifikation  der  Braun  sehen  Spritze 
ist  jedenfalls  weniger  gefährlich,  doch  sah  ich  in  den  Fällen, 
m  denen  ich  dies  Verfahren  anwendete,  keinen  wesentlichen 
Vorzug  gegenüber  der  Aetzung  mittels  der  mit  Watte  um¬ 
wickelten  Sonde.  Das  gleiche  gilt  von  den  Antrophoren.  Auch 
sie  schienen  mir  in  den  Fällen,  in  denen  ich  sie  anwendete, 
keinen  Vorzug  gegenüber  der  Aetzung  mit  der  Sonde  zu  besitzen. 

c)  Der  elektrische  Reiz  ruft  ebenfalls  Kontraktionen 
des  Uterus  hervor.  Vor  allen  war  es  Apostoli  in  Paris  und 
seine  Schüler,  die  für  die  Anwendung  der  Elektrizität  in  der 
Gynäkologie  eifrig  Propaganda  machten.  Mit  der  Elektrizität 
ging  es  wie  mit  der  Massage.  Vor  12  Jahren  hochgepriesen, 
ist  sie  heute  in  der  deutschen  Gynäkologie  beinahe  vergessen. 
Ich  glaube,  nicht  ganz  mit  Recht.  Gute  Wirkung  beider  Ver¬ 
fahren  lässt  sich  nicht  abstreiten,  nur  sind  leider  beide  etwas 
umständlich,  und  zur  elektrischen  Behandlung  bedarf  es  etwas 
komplizierter  Apparate.  Apostoli  unterschied  eine  polare 
und  eine  interpolare  Wirkung.  Die  polare  Wirkung  war  bei 
starkem  galvanischen  Strom  in  der  Hauptsache  wohl  Aetz- 
wirkung,  die  Säuren  wirken  in  statu  nascendi  ähnlich  wie  eine 
starke  Chlorzink-,  Formalinlösung  oder  dgh,  d.  li.  sie  wirken  als 
chemische  Reize  auf  die  Schleimhaut ;  hierzu  kommt  dann  noch 
die  sog.  interpolare  Wirkung,  für  die  Apostoli  eine  aus¬ 
reichende  Erklärung  zu  geben  nicht  in  der  Lage  war.  Ich 
glaube,  dass  dieselbe  identisch  ist  mit  der  kontraktionserregenden 
Wirkung  des  elektrischen  Stromes.  So  erklärt  sich  die  vielfach 
beobachtete  Wirkung  des  galvanischen  Stromes  auf  die  Metror¬ 
rhagien  und  die  Endometritis,  so  auch  zum  Teil  der  Einfluss 

No.  42. 


1757 

aui  den  Uterus  myomatosus.  Auch  hier  dürfte  die  Besserung 
der  Muskelinsu t bzienz  durch  die  Erregung  von  Uteruskontrak¬ 
tionen  sehr  viel  dazu  beitragen,  die  myomatösen  Blutungen,  die 
ja  häufig  nur  atonische  sind,  zu  beseitigen.  Wenn  der  Uterus 
sich  kontrahiert,  so  können  durch  die  Kontraktionen  auch  die 
Ernährungsverhältnisse  der  Myome  so  geändert  werden,  dass  das 
V  achstum  derselben  einigermassen  aufgehalten  wird.  —  Der 
f ai adische  Strom  ist  in  seiner  Wirksamkeit  weit  schwächer  als 
der  galvanische.  —  Die  von  Apostoli  empfohlene  Elektro- 
punktur  habe  ich  niemals  in  Anwendung  gezogen,  da  dieselbe 
nicht  ganz  ungefährlich  ist. 

d)  Die  thermische  Reizung  der  Uterus¬ 
innenfläche  wurde  in  den  letzten  Jahren  namentlich  auf 
die  Empfehlung  von  S  n  e  g  i  r  e  w  und  Pincus  vor  allem  in 
Form  der  Atmokausis,  der  Aetzung  mit  dem  YVasserdampf,  an¬ 
gewendet.  Die  Atmokausis  (Y  aporisation)  der  Uterushöhle  kann 
dadurch  wirken,  dass  durch  dieses  Verfahren  die  Schleimhaut 
der  Uterushöhle  vollständig  zerstört  wird.  Dieses  Verfahren 
wäre  unter  Umständen  gut  bei  schweren  klimakterischen  Blu¬ 
tungen,  wenn  maligne  Neubildungen  sicher  auszuschliessen  sind. 
Allem  die  totale  gleichmässige  Zerstörung  der  Schleimhaut  wird 
nach  den  vorliegenden  Berichten  meist  nicht  erreicht,  und  wenn 
Schleimhautinseln  stehen  bleiben,  so  ist  die  Möglichkeit  neuer 
Blutungen  nicht  auszuschliessen.  In  der  Regel  ist  also  die  Ein¬ 
wirkung  der  Atmokausis  auf  die  Schleimhaut  bezüglich  ihres 
Effektes  sehr  ähnlich  der  Wirkung,  die  mittels  vieler  anderer 
Methoden  ebenfalls  erzielt  werden  kann.  Dagegen  ist  allerdings 
die  kolossale  Hitze,  die  bei  der  Atmokausis  auf  die  Innenfläche 
des  Uterus  einwirkt,  ein  ausserordentlich  wirksamer  Reiz  für  den 
I  terusmuskel.  Es  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  auf  die  Ein¬ 
wirkung  des  heissen  Dampfes  langandauernde  Kontraktionen  er¬ 
folgen,  und  ich  bin  der  Auffassung,  dass  hierin  in  der  Haupt¬ 
sache  die  Wirkung  der  Atmokausis  zu  suchen  ist.  — 

Ausspülungen  der  Vagina  wirken  erfahrungsgemäss  häufig 
sowohl  gegen  den  uterinen  Fluor  als  gegen  Menorrhagien  günstig. 
Es  war  eigentlich  nach  den  bisherigen  Anschauungen  über  die 
Endometritis  häufig  nicht  recht  einzusehen,  wieso  derartige  Aus¬ 
spülungen  gegen  den  Fluor  wirken  sollen,  dringt  doch  bei  sehr 
vielen  Fällen,  z.  B.  bei  Nulliparen  mit  engem  Muttermund,  ab¬ 
solut  gar  nichts  von  der  Flüssigkeit  in  die  Uterushöhle.  Nach 
meiner  Anschauung  wirken  die  vaginalen  Irrigationen  ebenfalls 
kontraktionserregend,  und  zwar  mechanisch  durch  die  Erschütte¬ 
rung  des  Uterus,  thermisch  durch  die  differenten  Temperaturen. 
Ich  lasse  deshalb  auch  gewöhnlich  die  Scheideneinspülungen  mit 
35  40  IL  heissem  Wasser  machen,  um  möglichst  energische 
Kontraktionen  des  Uterus  zu  erregen.  In  hartnäckigen  Fällen 
lasse  ich  mit  8 — 10 "  kalten  Irrigationen  beginnen  und  darnach 
eine  heisse  Irrigation  nachfolgen.  Auf  das  den  Einspülungen 
zugesetzte  Medikament  lege  ich  einen  weit  geringeren  Wert. 

Ein  vorzügliches  Mittel  gegen  die  Insuffizienz  auch  des 
nichtschwangeren  Uterus  ist  das  Ergotin.  Namentlich  bei 
Myomen  wirkt  das  Ergotin  zuweilen  sehr  segensreich.  Natürlich 
lasst  es  auch  bei  vielen  Myomen  im  Stiche,  z.  B.  bei  den  sub¬ 
mukösen  Myomen  und  vor  allem  auch  dann,  wenn  wenig  kon¬ 
traktionsfähige  Muskulatur  mehr  vorhanden  ist,  wenn  die  Myo- 
fibrosis  schon  sehr  weit  vorgeschritten  ist,  wenn  der  Uterus  in 
der  Hauptsache  aus  Bindegewebe  besteht. 

Die  örtliche  Hyperämie  im  Becken  zu  be¬ 
seitige  n,  mache  ich  vielfach  Gebrauch  von  kühlen  Sitzbädern, 
die  ich  meist  mit  Temperaturen  von  15 — 20°  R.  verwende;  die 
Patientinnen  lasse  ich  5 — 30  Minuten  drinnen  sitzen,  bei  mage¬ 
ren,  anämischen  Patientinnen  nehme  ich  das  Sitzbad  wärmer  und 
kürzer,  bei  fetten  länger  und  kühler. 

Eine  Verringerung  in  der  Blutzufuhr  zum  Becken  lässt  sich 
auch  erzielen  durch  Hydrastis  canadensis,  die  Kontrak¬ 
tionen  der  grossen  Unterleibsgefässe  bewirkt.  Sie  ist  namentlich 
dann  indiziert,  wenn  das  Ergotin  im  Stiche  lässt,  oder  wenn  im 
vornherein  anzunehmen  ist,  dass  die  kontraktionsfähige  Muskula¬ 
tur  des  Uterus  so  atrophisch  ist,  dass  das  Ergotin  nichts  mehr  er¬ 
reicht.  Das  Stypticin  scheint  mehr  durch  Herabsetzung  des 
allgemeinen  Blutdruckes  zu  wirken. 

Eine  Verringerung  der  Hyperämie  des  Uterus  wird  auch  er¬ 
zielt  durch  Skarifikationen,  durch  die  man  dem  Uterus  1 — 2  Ess¬ 
löffel  voll  Blut  entzieht,  ferner  durch  die  Applikation  von  Gly¬ 
zerintampons,  wodurch  den  Geweben  Serum  entzogen  wird. 

(i 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


die  Ernährungsverhältnisse  des  Uterus 
günstiger  Weise  beeinflusst  werden. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


1758 

ln  nicht  zu  lange  bestehenden  Fällen  von  Insüfficientia  uteri 
isl  eine  eigentliche  Behandlung  der  Schleimhaut 
des  Uterus  meist  nicht  notwendig,  die  Behandlung  der 
Uterusatonie  genügt,  um  die  sekundäre  Hyperämie  und  Schwel¬ 
lung  der  Mukosa  zum  Schwinden  zu  bringen.  Hatte  dagegen 
die  Insuffizienz  der  Uterusmuskulatur  sehr  lange  bestanden,  so 
ist  es  zuweilen  wünschenswert,  die  Hyperplasie  der  Schleimhaut 
noch  speziell  zu  bekämpfen.  Dies  geschieht  nebenbei  schon  durch 
einen  grossen  Teil  der  Maassnahmen,  die  Kontraktionen  der 
U  terusmuskulatur  erregen. 

Relativ  unbedeutend  wirken  auf  die  Textur  der  Mukosa  ein 
die  Ausspülungen  des  Uterus  mittels  intrauteriner  Katheter,  da 
zu  diesen  Ausspülungen  doch  nur  recht  schwache  Lösungen  der 
differenten  Arzneien  genommen  werden  können,  eine  energischere 
Einwirkung  auf  die  Mukosa  wird  erzielt  durch  die  Aetzuug 
mittels  starker  Chlorzink-,  Formalinlösungen  etc.  (vermittels  der 
mit  Watte  umwickelten  Sonde),  noch  stärker  wirkt  auf  die 
Schleimhaut  ein  die  Verbrühung  derselben  vermittels  der  Atmo- 
kausis;  die  grösste  Verbreitung  hat  mit  Recht  für  sehr  hart¬ 
näckige  Fälle  die  Entfernung  der  kranken  Schleimhaut  mittels 
der  Kürette.  Fast  immer  jedoch  muss  nach  Entfernung  der 
Schleimhaut  noch  eine  lange  Zeit  fortgesetzte  Behandlung 
mittels  Aetzmitteln  eingeleitet  werden,  um  durch  Herbeiführung 
von  energischen  Kontraktionen  die  Schleimhaut  zur  völligen 
Norm  zurückzuführen. 

Die  Herabsetzung  des  allgemeinen  Blut¬ 
drucks  wirkt  ebenfalls  sehr  günstig  bei  vielen  Fällen  von 
Metrorrhagien  und  von  Fluor  infolge  von  Insuffizienz  der  Uterus- 
muskulatur :  sie  lässt  sich  erreichen  durch  hydrotherapeutische 
Prozeduren,  ferner  durch  diätetische  Massregeln  (Entziehung -des  | 
Alkohols,  Kaffees,  der  scharfen  Gewürze,  der  Fleischkost  etc.), 
ferner  auch  durch  Kuren  in  Sool-,  Stahlbädern  etc. 

Die  Erfolge  der  Balneotherapie  werden  bezüglich  der  Be¬ 
handlung  von  derartigen  Menorrhagien  und  von  Iluor  zur  Zeit 
von  der  Mehrzahl  der  Aerzte  nicht  hoch  eingeschätzt.  Ich  glaube, 
nicht  ganz  mit  Recht.  In  den  Badeorten  wirken  doch  eine  Menge 
von  Faktoren  ein,  die  geeignet  sind,  die  Zirkulation  im  all¬ 
gemeinen  in  günstiger  Weise  zu  beeinflussen  und  dadurch  auch 
die  venöse  Stauung  im  Becken  zu  vermindern.  Solche  1  aktoren 
sind  die  dünnere  Gebirgsluft,  das  Fernsein  von  der  gewohnten 
Beschäftigung,  körperliche  und  geistige  Ruhe,  die  gesteigerte  Be¬ 
wegung  im  Freien  etc.  Dazu  kommt,  dass  die  die  Haut  reizen¬ 
den  warmen  Sool-,  Moor-,  Stahlbäder  etc.  durch  \  ermehrung  der 
Blutfülle  in  der  äusseren  Haut  eine  Verminderung  der  Hyper¬ 
ämie  in  den  inneren  Organen  herbeiführen.  Leider  wird  nun  der 
Nutzen,  den  derartige  Kuren  mit  sich  bringen,  häufig  zum  Teil 
paralysiert  durch  die  von  den  Hoteliers  provozierte  Unmässigkeit 
im  Essen  und  Trinken,  wie  sie  zur  Zeit  in  den  meisten  Kurorten 
üblich  ist.  Vom  ärztlichen  Standpunkt  ist  der  Zwang,  bei 
jeder  Mahlzeit  grössere  Mengen  Wein  zu  trinken,  ebenso  ener¬ 
gisch  zu  bekämpfen,  wie  die  Sitte,  die  Gäste  zur  Vertilgung  von 
5 — 6  verschiedenen  Speisen  innerhalb  einer  Stunde  zu  ver¬ 
anlassen.  Aerztlich  ist  den  Kurgästen  zu  empfehlen,  zur  Ver¬ 
meidung  von  Ueberladung  von  Magen  und  Darm  sich  auf  höch¬ 
stens  2  Gänge  bei  einer  Mahlzeit  zu  beschränken,  den  Alkohol¬ 
konsum  auf  ein  Minimum  hcrabzusetzen  oder  besser  ganz  zu 
unterlassen. 


Wilhelm  Griesinger. 

Zu  seinem  Todestage  am  26.  Oktober. 

Vor  einigen  Monaten,  am  18.  April  d.  J.,  wurde  im  Garten 
der  Berliner  Charite  vor  dem  Neubau  der  psychiatrischen  und 
Nervenklinik  den  Manen  Wilhelm  Griesingers  ein 
schlichtes,  würdiges  Denkmal  geweiht.  Keiner  der  zahlreichen 
Orte,  an  welchen  dieser  in  jeder  Hinsicht  ausserordentliche 
Mann  seine  bedeutungsvolle  Wirksamkeit  entfaltet  hat,  ist  so 
wie  Berlin  und  das  Charitekrankenhaus  berechtigt  und  ver¬ 
pflichtet,  sein  Andenken  auch  nach  aussen  hin  wach  zu  erhalten. 
Denn  hier  war  es,  wo  er,  mit  einer  hervorragenden  Stellung  und 
grossen  Aufgaben  betraut,  in  kurzer,  nur  3  jähriger  Wirksam¬ 
keit  den  Gipfelpunkt  seines  erfolgreichen  Lebens  erreichte  und 
wo  er  mitten  aus  seiner  grosszügigen  und  fruchtbaren  Arbeit, 
mitten  aus  weitschauenden  Reform plänen  und  aus  einer  ganz 


originalen,  geistreichen,  zündenden  Lehrtätigkeit  heraus  am 
26.  Oktober  1868  starb. 

Er  hat  berufene  Biographen  gefunden  und  seine  interessante, 
ungemein  komplizierte,  ebenso  zart  als  kraftvoll  organisierte  Per¬ 
sönlichkeit,  seine  hervorragenden  Qualitäten  als  Arzt,  als  kli¬ 
nischer  Lehrer,  als  wissenschaftlicher  Beobachter,  als  scharf¬ 
sinniger  und  formvollendeter  Darsteller  sind  seinerzeit,  kurz  nach 
dem  Tode,  von  Wunderlich,  C.  Westphal  u.  a.  hin¬ 
reichend  gewürdigt  worden. 

Aber  inzwischen  sind  3  Dezennien  dahingegangen.  Die  fort¬ 
schreitende  Entwicklung  der  Naturwissenschaften,  im  beson¬ 
deren  der  Medizin,  die  Ausgestaltung  verschiedener  Spezial¬ 
disziplinen,  das  Suchen,  Hasten  und  Jagen  nach  kleinen  Tat¬ 
sachen  und  die  gänzlich  veränderten  Daseinsbedingungen  des 
ärztlichen  Standes  drohen  den  Blick  des  einzelnen  und  der  All¬ 
gemeinheit  von  solch  ragenden  Persönlichkeiten,  wie  Griesinger 
eine  war,  abzulenken,  so  dass  man  im  Alltagsgetriebe  vergisst, 
was  sie  waren  und  was  sie  uns  jetzt  noch  sind  und  sein  können. 

Aus  diesem  Grunde  war  es  ein  glücklicher  und  verdienst¬ 
voller  Gedanke,  ihm  in  der  oben  bezei ebneten  Weise  ein  Denkmal 
zu  setzen,  welches  geeignet  ist,  die  daran  vorüberziehende  junge 
Aerztegeneration  an  Griesinger  und  daran  zu  erinnern,  wie 
immer  und  überall  die  Weite  der  Gesichtspunkte  und  die  Be- 
geisterungsfähigkeit  für  grosse  Gedanken  alle  Jämmerlichkeiten 
des  Daseins  überwindet  und  wahrhaft  frei  macht.  Sein  Lebens¬ 
gang  und  sein  Lebenswerk  führen  uns  auf  die  Höhen  der  Mensch¬ 
heit.  Er  ist  ein  Klassiker  unter  den  Aerzten.  Was  er 
leistete,  war  gross,  tief,  monumental.  Der  vollendete  Stil  seiner 
Werke,  welcher  mit  dem  Goetheschen  verglichen  wurde,  und 
die  elegante  Form,  welche  er  ihnen  gab,  bereitet  uns  noch  jetzt 
einen  in  der  heutigen  medizinischen  Literatur  allzu  seltenen 
ästhetischen  Genuss.  Seine  gewinnende  Persönlichkeit  und  der 
unvergängliche  wissenschaftliche  Wert  seiner  Werke  trug  mit 
dazu  bei,  deutschen  Geist  und  deutsche  Wissenschaft  im  Aus¬ 
lande  zu  hohem  Ansehen  zu  bringen. 

Wilhelm  Griesinger  wurde  am  29.  Juli  1817  in 
S  tuttgart  geboren.  Er  besuchte  die  Schulen  seiner  Vater¬ 
stadt  und  war  schon  seit  der  frühesten  Jugendzeit  eng  befreundet 
mit  denjenigen  beiden  Mitschülern  und  späteren  Studien¬ 
genossen,  welche  es  nachmals  gleich  ihm  zu  hohem  Ruhm  bringen 
sollten,  mit  Wunderlich  und  mit  Roser.  Nach  Vol¬ 
lendung  seiner  Studien  in  Tübingen,  Zürich  und  Paris 
(1834 — 38)  liess  er  sich  1839  in  Friedrichshafen  a.  Boden¬ 
see  als  praktischer  Arzt  nieder.  Aber  bereits  1840  nahm  er  eine 
Assistentenstelle  an  der  württembergischen  Staatsirrenanstalt  in 
Winnenthal  an,  welche  damals  von  dem  bekannten  Medi¬ 
zinalrat  Zeller  geleitet  wurde.  Hier  sammelte  Griesinger 
seine  psychiatrischen  Kenntnisse,  welche  später  so  reiche  Flüchte 
trugen,  obwohl  er  zunächst  gar  nicht  die  Absicht  hatte,  sich 
dauernd  diesem  Fache  spezialistisch  zu  widmen;  denn  wir  finden 
ihn  bereits  2  Jahre  später  wieder  als  praktischen  Arzt  in 
Stuttgart.  Als  dann  W  underlich  1843  Direktor  der 
medizinischen  Klinik  in  Tübingen  wurde,  machte  er  seinen 
Freund  zu  seinem  Assistenten.  In  Tübingen  habilitierte 
sich  Griesinger  als  Privatdozent,  gab  1845  seine  epoche¬ 
machende  „P  athologie  und  Therapie  der  Geistes¬ 
kran  k  h  e  i  t  e  n“  heraus,  veröffentlichte  eine  Reihe  inter¬ 
essanter  Arbeiten  über  die  verschiedensten  allgemein-wissen¬ 
schaftlichen  Themata  in  dem  von  Roser  und  W  underlich 
geleiteten  „Archiv  für  physiologische  Heilkunde“  und  pflegte 
—  ein  erfreulicher  Gegensatz  zu  unseren  heutigen,  streng  ab¬ 
geschlossenen  Spezialistenkasten  —  einen  anregenden  Umgang 
mit  den  Vertretern  anderer  Disziplinen,  gleichfalls  jungen 
Tübinger  Dozenten,  wie  Bruns,  K  ö  s  1 1  i  n,  F.  Th.  V  i  s  c  h  e  r, 
Zeller,  Schwegler  u.  a.  Die  Folge  hat  gezeigt,  wie  wert¬ 
voll  dieser  geistige  Austausch  für  jeden  einzelnen  gewesen  ist. 
Exempla  docent ! 

1847  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt,  nahm 
er  1849  einen  Ruf  nach  Kiel  an,  folgte  indessen  schon  1  J ahr 
später,  1850,  einem  glänzenden  Antrag  nach  Aegypten  als 
Organisator  und  Direktor  der  medizinischen  Schule  in  Kairo, 
Leibarzt  des  Khedive  etc.  Hier  machte  er  seine  berühmten 
Studien  über  Tropenkrankheiten.  Aber  nicht  länger  als  2  Jahre 
litt  es  ihn  inmitten  der  dortigen  Misswirtschaft  und  er  kehrte 
ins  Privatleben  nach  Deutschland  zurück,  aus  dem  er  1854 


21.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1759 


als  ordentlicher  Professor  der  Medizin  und  Vorstand  der  Klinik 
nach  Tübingen  berufen  wurde.  Im  darauffolgenden  Jahre, 
1855,  erschien  seine  „Pathologie  und  Therapie  der 
Infektion  skrankheite  n“,  ein  heute  noch  nicht  über- 
troffenes  klassisches  Meisterwerk,  in  dem  viele  „Entdeckungen“ 
vorweggenommen  sind,  deren  sich  heute  manche  geschichts- 
unkundigen  Bakteriologen  rühmen.  1860  erfolgte  seine  Be¬ 
rufung  nach  Zürich,  wo  er  als  Nachfolger  Schönleins, 
der  ihn  dort  ehemals  als  Studenten  so  sehr  gefesselt  hatte, 
gleichzeitig  mit  Billrot  li  wirkte.  Hier  wurde  ihm  1863  neben 
seinem  Amt  als  Professor  der  inneren  Medizin  eine  psychiatrische 
Klinik  eingerichtet  und  bald  darauf  der  Entwurf  der  Vor¬ 
arbeiten  für  den  Neubau  einer  grossen  Irrenanstalt  aufgetragen. 

Nach  5  jähriger  erfolgreicher  Tätigkeit  in  Zürich  erfolgte 
dann  die  Berufung  in  die  psychiatrische  Professur  nach  Berlin 
(1865),  an  welche  er  die  Bedingung  knüpfte,  dass  ihm  neben 
der  Irrenabteilung  in  der  Charite  eine  Nervenklinik  und  eine 
allgemeine  Poliklinik  eingerichtet  würde.  Denn  er  ging  von 
dem  Grundsatz  aus,  dass  einerseits  der  Spezialist  sich  nicht  ein¬ 
seitig  auf  sein  Spezialfach  beschränken  dürfe  und  dass  andrer¬ 
seits  die  psychischen  und  die  Nervenkrankheiten  im  engeren 
Sinne  Gegenstand  derselben  Klinik  und  desselben  Lehrers  sein 
müssten,  da  sie  als  Erkrankungen  eines  und  desselben  Systems 
zahllose  enge  Berührungspunkte  und  Uebergänge  darböten.  Dass 
dieses  letztere  Prinzip  späterhin  von  den  meisten  und  hervor¬ 
ragendsten  Vertretern  seines  Faches  als  richtig  erkannt  und,  so¬ 
weit  möglich,  in  die  Praxis  umgesetzt  wurde,  dürfte  bekannt 
sein.  Neben  seiner  umfangreichen  wissenschaftlichen  und  Lehr¬ 
tätigkeit  und  neben  seiner  ausgedehnten  Praxis  —  er  hatte  in¬ 
zwischen  einen  Weltruf  als  der  grösste  Nervenarzt  seiner  Zeit 
erlangt  —  wirkte  er  hier  1865  als  Mitglied  der  Cholerakommis¬ 
sion,  leitete  1866  den  internationalen  Cholerakongress  in  Weimar 
und  gründete  1867  das  Archiv  für  Psychiatrie  und 
Nervenkrankheiten,  dessen  erster  Band  gleich  mehrere 
der  bedeutendsten  Aufsätze  aus  seiner  eigenen  Feder  brachte. 

Seine  Arbeitslust  und  seine  Arbeitskraft  hatten  um  diese 
Zeit  das  höchste  Mass  erreicht,  welches  einem  Menschen  ver¬ 
gönnt  ist;  seine  geniale  Produktivität  und  seine  weit  angelegten 
Pläne  erregten  Aufsehen  ini  Kreise  seiner  Fachgenossen;  speziell 
die  praktische  Psychiatrie  war  im  Begriff,  durch  Griesinger 
teilweise  reformiert  zu  werden;  es  entwickelte  sich,  wie  immer,  wenn 
es  sich  um  reformatorische  Ideen  eines  weitausschauenden  Geistes 
handelt,  ein  heftiger  Kampf,  den  Griesinger  ebenso  erbittert 
führte,  wie  seine  Gegner  —  da  wurde  er  am  26.  Oktober  1868 
nach  5  monatlicher  Krankheit  dahingerafft.  Ein  perityphlitischer 
Abszess  ergab  sich  als  Grund  dieses  allzufrühen  Todes.  Seine 
Sache  aber  trug  den  Sieg  davon  und  seine  Werke  bleiben  un¬ 
vergänglich. 

Wenn  diese  wenigen  Worte  am  Todestage  Griesingers 
sein  wohlgelungenes  Porträt  begleiten,  so  mögen  sie  nicht  nur 
den  Zweck  erfüllen,  das  Gedenken  dieses  Mannes  und  dessen, 
was  er  w  a  r,  für  einen  Moment  wachzurufen,  sondern  auch  das 
Gedenken  dessen,  was  er  uns  jetzt  noch  sein  kann.  Nicht  nur, 
dass  seine  kleineren  wie  seine  grösseren  Arbeiten  auch  jetzt  noch 
ihren  wissenschaftlichen  Wert  haben  und,  stilgewandt,  fesselnd 
wie  sie  sind,  einen  fast  modernen  ästhetischen  Genuss  gewähren: 
sein  Entwicklungsgang  zeigt  uns  —  der  Nacheiferung  würdig  — 
das  fortschreitende  Anwachsen  mit  den  grösseren  Zielen,  das  stete 
Bestreben  und  eine,  besondere  Begabung,  einzelne  Tatsachen 
unter  gemeinsame  und  grosse  Gesichtspunkte  zu  bringen,  nicht 
am  Kleinen  hängen  zu  bleiben  und  bei  allen  Arbeiten  die  höch¬ 
sten  Ziele  der  Erkenntnis  im  Auge  zu  behalten.  Uns  Jüngeren 
gewährt  es,  wenn  wir  seine  „Gesammelten  Abhandlungen“  oder 
die  alten  Jahrgänge  unserer  Fachzeitschriften  durchmustern, 
ein  erhebendes  Gefühl,  zu  sehen,  wie  die  Persönlichkeit  Grie¬ 
singers  erst  nur  ganz  vereinzelt  und  kaum  beachtet,  dann 
immer  bestimmter  und  fast  immer  mit  neuen  Ideen  hervortritt. 
So  war  e  r  es  z.  B.  —  was  ziemlich  wenig  bekannt  ist  — ,  der, 
selbst,  noch  wenig  anerkannt,  in  einer  Psychiaterversammlung 
den  uns  heute  selbstverständlichen  Antrag  stellte,  kein  foren¬ 
sisches  Gutachten  ohne  persönliche  Voruntersuchung  des  Geistes¬ 
kranken  abzugeben;  sein  Antrag  wurde  damals  nur  mit  Ein¬ 
schränkung  angenommen.  Er  war  es  auch,  der  späterhin  das 
„No  restraint“  (zwangfreie  Behandlung  der  Geisteskranken)  als 
erster  in  Deutschland  energisch  verfocht  und  in  der  Charite  prak¬ 


tisch  durchführte.  Hierin  und  in  seinen  anderen,  praktisch¬ 
psychiatrischen  Plänen  zeigt  sich  ein  weiterer  Zug  Griesin¬ 
gers,  von  dem  wir  lernen  können,  nämlich  seine  Begeisterungs¬ 
fähigkeit  für  Ideale,  für  grosse  Gedanken,  welche  Kulturfort- 
?<  hritte  bedeuten,  und  im  Zusammenhang  damit  ist  auch  jenes 
schöne  Wort  zu  verstehen,  welches  er  selbst  einst  gesprochen  hat : 
„D  ie  grossen  Gedanken  kommen  aus  dem 
Herze  n“.  W.  Seiffer  -  Berlin. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Forel  et  Mahaim:  Crime  et  Anomalies  Mentales  con- 
S'  itutionelles.  Geneve,  Henry  Kündig,  1902.  300  Seiten. 

Ist  unser  Strafrecht  gerecht?  Entspricht  es  den  sozialen 
Bedürfnissen?  Ist  es  da  für  das  Wohl  der  Gesellschaft  oder 
mehr  zur  Rache  für  verletzte  Rechte  oder  eine  verletzte  Gottheit  ? 
Das  sind  die  Fragen,  welche  die  Verfasser  sich  stellen. 

Die  Antwort  knüpft  zunächst  an  einige  hochinteressante 
Fälle  an,  die  in  allen  ihren  Konsequenzen  besprochen  werden: 
Luccheni,  der  Mörder  der  Kaiserin  von  Oesterreich ;  dann 
Dr.  Favr  e,  der  als  pathologischer  Schwindler  erklärt,  des¬ 
halb  vom  Verbrechen  der  Fruchtabtreibung  freigesprochen  und 
dann  gleich  darauf  von  den  Sozialisten  in  den  neuenburgischen 
Kantonsrat  gewählt  wurde.  So  eingehend  diese  letztere  Unter¬ 
suchung  durchgeführt,  so  schön  dieses  Gutachten  ist,  so  wünscht 
man  doch  noch  eine  eingehendere  Diskussion  der  Frage,  warum 
hier  nicht  Paranoia  vorliegt.  Die  wissenschaftlichen  Wahn¬ 
ideen  des  Exploranden  scheinen  dem  Leser  doch  sehr  paranoid 
zu  sein. 

Es  folgt  der  Fall  eines  wenig  bemittelten  Mannes,  der  sich 
durch  ganz  einfältigen  Betrug  ca.  400  000  Fr.  erschwindelt  hatte, 
ohne  auch  nur  die  mindesten  Massregeln  getroffen  zu  haben,  um 
unentdeckt  zu  bleiben,  oder  die  Früchte  seines  Verbrechens  ge¬ 
messen  zu  können.  Trotzdem  sogar  einzelne  Geschädigte  die 
Krankheit  des  Mannes  erkannten,  war  eine  psychiatrische  Unter¬ 
suchung  nicht  zu  erreichen.  Es  ist  sehr  schwer,  sich  in  die  Logik 
des  betreffenden  Staatsanwaltes  hineinzudenken,  der  einfach  die 
Wahrheit  nicht  sehen  wollte,  eine  Expertise  verhinderte  und 
dann  den  Petenten  vorwarf,  ihre  Meinung  beruhe  auf  ungenügen¬ 
der  Untersuchung. 

Klüger  handelte  das  Gericht  im  Falle  eines  talentvollen 
Schriftstellers,  der  in  Bezug  auf  Geldsachen  ungeschickter  und 
einsichtsloser  als  ein  Kind  war  und  in  der  Not  eine  Anzahl  recht 
kindischer  Betrugverbrechen  verübte.  Er  'wurde  nicht  bestraft, 
dafür  aber  sorgte  man  durch  Bevormundung,  dass  er  in  Zukunft 
die  Früchte  seiner  Arbeit  selber  gemessen  kann.  Dieses  Vor¬ 
gehen  mag  wenig  juristisch  sein,  aber  jedenfalls  ist  es  praktisch, 
denn  der  Mann  ist  nun  in  ganz  nützlicher  Weise  in  den  Dienst 
der  Gesellschaft  gestellt  worden,  während  die  von  anderen  Ge¬ 
richten  gegen  ihn  ausgesprochenen  Strafen  jeweilen  niemandem 
genützt,  aber  allen  Teilen  Schaden  gebracht  haben. 

Es  folgen,  ganz  aus  der  Feder  F  o  r  e  1  s,  mit  aller  seiner 
Schärfe  und  Klarheit,  Erörterungen,  die  eine  praktische  Behand¬ 
lung  der  antisozialen  Elemente  anstreben,  wobei  den  Alkoholikern 
ein  besonderer  Abschnitt  gewidmet  ist.  Wer  diese  Ausführungen 
mit  den  jetzigen  juristischen  Anschauungen  vereinigen  will, 
stösst  natürlich  auf  Unmöglichkeiten.  Wer  aber,  unbekümmert 
um  juristische  und  philosophische  Systeme,  nur  auf  die  Tat¬ 
sachen  sieht  und  aus  diesen  deduzieren  will,  wie  sich  die  Gesell¬ 
schaft  am  besten  vor  ihren  Feinden  schütze,  wird  ihm  recht  geben 
müssen.  Das  Buch  rüttelt  mit  Macht  an  eingerosteten 
Meinungen  und  unzweckmässigen  Einrichtungen.  Es  wäre  g-ut, 
wenn  es  von  allen,  die  an  solchen  Dingen  ein  Interesse  haben, 
gelesen  würde,  weshalb  auch  eine  deutsche  Uebersetzung  recht 
wünschbar  ist 1).  Bleuler-  Burghölzli. 

P.  Haushälter,  G.  Etienne,  L.  Spillmann, 
Ch.  T  i  r  y :  Cliniques  medicales  iconographiques.  62  planches 
hors  texte.  Paris,  C.  N  a  u  d,  1902. 

Das  Werk,  dessen  erste  Lieferung  bereits  in  der  No.  4  dieser 
Wochenschrift,  pag.  150,  angezeigt  war,  liegt  jetzt  vollständig  vor 
in  einem  recht  stattlichen  Bande  von  fast  400  Seiten  Text  mit 

’)  Die  in  Seite  289  von  einem  anderen  Autor  übernommene 
Behauptung,  dass  in  Deutschland  jeder  Angeschuldigte  auf  Antrag 
psychiatrisch  untersucht  werden  m  ü  s  s  e,  könnte  dann  korrigiert 
werden. 


6* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


1760 


62  Tafeln.  Etwa  die  Hälfte  umfasst  das  Gebiet  der  Neurologie 
und  berücksichtigt  vor  allem  die  Neuritis,  Kinderlähmung, 
trophische  Störungen,  F azialislähmung,  Hydrokephalen, Hysterie, 
Akromegalie,  Basedow.  Der  Rest  ist-  vorwiegend  der  Dermato¬ 
logie  gewidmet,  und  hier  vorwiegend  der  Lues  mit  6  Tafeln. 

Was  früher  hinsichtlich  des  ersten  Heftes  gesagt  ist,  gilt 
auch  für  das  ganze  Werk.  Die  Abbildungen  verdienen  alle  An¬ 
erkennung  wegen  der  geschickten  Auswahl,  der  vorzüglichen  Auf¬ 
nahme  und  der  meisterhaften  technischen  Wiedergabe,  die  man¬ 
chen  Werken  unserer  Literatur  als  Vorbild  dienen  dürfte.  Um 
nur  einiges  zu  erwähnen,  sei  besonders  hingewiesen  auf  die  Dar¬ 
stellung  der  Fazialislähmung,  der  Basedow  sehen  Krankheit, 
sowie  auf  Tafel  40,  die  ein  bullöses  Exanthem  sehr  gut  wieder¬ 
gibt. 

Die  Tafeln  bieten  in  Ermangelung  der  Objekte  sicher  ein 
gutes  Anschauungsmaterial  und  erfüllen  durchaus  den  Zweck  der 
Verfasser.  Auf  mehr  Absatz  dürfte  der  Atlas  wohl  rechnen, 
wenn  er  weniger  Gebiete,  aber  diese  vollständig  und  erschöpfend 
behandelt  hätte.  Ernst  Schultze. 

Georg  J  oachimsthal:  Die  angeborenen  Verbil¬ 
dungen  der  oberen  Extremitäten.  Mit  8  Tafeln  und  24  Ab¬ 
bildungen  im  Text.  Preis  9  M.  Hamburg,  Gräfe  &  Sille m, 
1900. 

Derselbe:  Die  angeborenen  Verbildungen  der  un¬ 
teren  Extremitäten.  Mit  9  Tafeln  und  52  Abbildungen  im 
Text.  Preis  12  M.  Hamburg,  Gräfe  &  Sille  m,  1902. 

Die  beiden  Hefte  bilden  Band  2  und  8  vom  Archiv  und 
Atlas  der  normalen  und  pathologischen  Anatomie  in  typischen 
Röntgenbildern,  herausgegeben  von  Dr.  med.  Albers-Schön¬ 
borg  in  Hamburg.  Band  2  ist  zwar  bereits  im  Jahre  1900 
kurz  in  dieser  Wochenschrift  angezeigt  worden.  Doch  recht¬ 
fertigt  sich  ein  nochmaliger  Hinweis  auf  diesen  Band  durch 
das  kürzliche  Erscheinen  von  Band  8. 

Beiden  Arbeiten  gemeinsam  ist  die  Behandlung  des  Gegen¬ 
standes  fast  nur  nach  eigenen  Beobachtungen,  wobei  J.  den 
Hauptwert  auf  die  morphologischen  Verhältnisse  legt 
und  auf  die  theoretische  Seite  nur  wenig  eingeht.  Der  Wunsch, 
nur  eigene  Beobachtungen  zu  bringen,  hat  den  Nachteil  im 
Gefolge  gehabt,  dass  manche  Deformitäten  fehlen,  weil  J.  keine 
Gelegenheit  hatte,  sie  selbst  zu  sehen.  Dahin  gehören  der  an¬ 
geborene  Defekt  der  Klavikula,  Makrodaktylie,  angeborene 
Luxationen  in  den  Gelenken  der  oberen  Extremität  u.  a.  m.  Im 
2.  Teil  hat  J.  auch  auf  die  Therapie  Rücksicht  genommen,  so  be¬ 
sonders  bei  den  kongenitalen  ILüftluxationen  und  dem  Klump- 
fuss,  wo  er  die  jetzt  üblichen  Behandlungsmethoden  bespricht. 

Was  den  Inhalt  anlangt,  so  enthält  der  1.  Abschnitt  den 
Text  nebst  den  dazu  gehörigen  Abbildungen,  der  2.  die  Tafeln. 

Die  im  ersten  Heft  behandelten  Deformitäten  sind:  Der  an¬ 
geborene  Hochstand  des  Schulterblattes,  die  fötalen  Ampu¬ 
tationen,  die  angeborenen  Defekte  langer  Röhrenknochen  (Ober¬ 
und  Vorderarm,  Radius),  Defekte  einzelner  Finger  und  Teile  der 
Hand,  die  Brachydaktylie  und  Hyperphalangie,  die  Polydaktylie, 
Verschmelzung  von  Metakarpalknochen,  Knochen  und  Fingern, 
Verdoppelung  der  Zeigefinger  bei  Mangel  der  Daumen,  endlich 
die  sogen.  Spalthand. 

Das  2.  Heft  bringt  nach  einer  kurzen  embryologischen  Ein¬ 
leitung  über  die  normale  Entwicklung  der  unteren  Extremität 
die  fötalen  Amputationen,  die  angeborenen  Defekte  der  langen 
Röhrenknochen  (Oberschenkeldefekte  nebst  Coxa  vara  congenita, 
Tibia-  und  Fibuladefekte,  sogen.  Phokomelen)  die  angeborenen 
Anomalien  der  Patella,  überzählige  Bildungen  im  Bereiche  des 
Fusses,  Defektbildungen  desselben,  den  partiellen  Riesenwuchs, 
die  angeborenen  Verrenkungen  und  Verlagerungen  des  Fusses 
(speziell  den  Klumpfuss),  endlich  die  sogen.  Sirenenbildungen. 

An  den  Text  schliesst  sich  in  beiden  Heften  ein  ausführ¬ 
liches  Literaturverzeichnis. 

Die  Tafeln  des  1.  Heftes  sind  durchweg  tadellos  scharf  und 
gut  gelungen.  Das' Rekonstruktionsbild  Fig.  4  a  auf  Tafel  III 
hätte  wohl  eher  in  den  Text  gehört,  in  dem  auch  die  übrigen  Re¬ 
konstruktionsbilder  ihren  Platz  gefunden  haben. 

Dasselbe  uneingeschränkte  Lob  lässt  sich  auf  die  Tafeln 
des  2.  Heftes  nicht  anwenden.  Dieselben  lassen  vielfach  an 
Schärfe  und  Deutlichkeit  zu  wünschen  übrig,  so  besonders  die 
Beckenaufnahmen  der  VIII.  Tafel.  Eine  technisch  missglückte 


Reproduktion,  wie  Fig.  1  a  dieser  Tafel,  dürfte  in  ein  Werk, 
das  auch  künstlerischen  Anforderungen  genügen  will,  nicht  auf¬ 
genommen  werden.  Die  fehlerhafte  Hinweisung  auf  eine  falsche 
Tafel,  S.  48,  Z.  1  und  2  von  unten  (Taf.  VII  statt  Taf.  VIII),  ist 
wohl  auf  eine  Flüchtigkeit  in  der  Korrektur  zurückzuführen. 

Diese  Mängel  werden  bei  einer  etwaigen  Neubearbeitung  aus¬ 
gemerzt  werden  können.  Die  beiden  Hefte  J.s  bleiben  trotzdem 
eine  wertvolle  Bereicherung  der  Röntgenliteratur. 

J  affe-  Hamburg. 

Otto  K  ü  s  t  n  e  r :  Stereoskopischer  medizinischer  Atlas 
der  Gynäkologie.  Als  39.  und  43.  Lieferung  der  stereoskopisch¬ 
medizinischen  Atlanten  herausgegeben  von  Albert  N  e  i  s  s  e  r. 
Leipzig,  Ambr.  Barth.  Jede  Lieferung  5  M. 

Die  beiden  neuen  gynäkologischen  Lieferungen  enthalten 
24  Tafeln,  welche  hauptsächlich  (39.  Lief.)  normale  und 
pathologische  Schwangerschaft,  darunter  Blasen¬ 
mole,  Tubargravidität,  Uterusruptur,  sowie  (in  der  43.  Lieferung) 
Missbild  n  g  e  n  (Epiglossus,  Fötus  mit  Spontanamputa¬ 
tionen,  Hernia  diaphragmatica)  und  gynäkologische  Er- 
kran  k  u  n  g  e  n  darstellen,  darunter  Endothelioma  portionis, 
Medianschnitt  durch  Uterus-  und  Scheidenprolaps,  Inversio 
uteri,  vom  x\bdomen  aus  gesehen.  Jeder  Tafel  ist  eine  kurz- 
gefasste  Krankengeschichte  nebst  Erklärung  des  Präparates  an¬ 
gefügt.  Durch  Fensterschnitte  sind  die  graviden  Uteri  sehr 
übersichtlich  und  die  Plastik  beim  Betrachten  ist  tadellos  — 
einen  besseren  plastischen  Ersatz  des  natürlichen  Präparates  gibt 
es  zurzeit  nicht  und  ausserdem  kommt  ihnen  dokumentarischer 
Wert  zu.  Besonders  sind  hervorzuheben  die  Bilder:  Traubenmole 
in  situ,  Fötus  mit  Spontanamputationen,  Cystis  subchorialis 
placentae.  Vielleicht  wäre  es  für  die  folgenden  Lieferungen  mög¬ 
lich,  einzelne  Präparate  in  Uebersichtsbildern  und  ausserdem  die 
wichtigste  Stelle  in  grösserem  Bilde  wiederzugeben,  z.  B.  das  so 
seltene  und  interessante  Bild  eines  Endothelioma  portionis  vagi¬ 
nalis  uteri.  In  den  letzen  Semestern  habe  ich  die  stereoskopischen 
Bilder  regelmässig  zum  Unterrichte  verwendet  und  das  grosse 
Interesse  feststellen  können,  mit  welchem  sie  betrachtet  werden. 

Dr.  Gustav  Klei  n. 

Ernst  Schreiber:  Die  Krankheiten  der  Verdauungs¬ 
organe  im  Kindesalter.  Für  Aerzte  und  Studierende.  Würz¬ 
burg,  Stübers  Verlag,  1902.  293  Seiten.  Preis  5  M.  40  Pf. 

Im  Vorwort  zu  dieser  Arbeit,  die  das  Bruchstück  eines  Lehr¬ 
buches  darstellt,  weist  der  Verfasser  auf  die  Tatsache  hin,  dass 
die  Erkrankungen  der  Verdauungsorgane  neben  den  Infektions¬ 
krankheiten  die  häufigste  Todesursache  im  Kindesalter  bilden. 
Weiterhin  wird  sehr  richtig  bemerkt,  dass  es  deshalb  Pflicht  des 
Arztes  ist,  sich  speziell  für  diese  Erkrankungen  die  nötigen 
Kenntnisse  anzueignen. 

Es  braucht  nun  doch  wohl  kaum  betont  zu  werden,  dass  es 
unter  den  Erkrankungen  der  Verdauungsorgane  insbesondere  die 
Magendarmkrankheiten  sind,  deren  Diagnose  und  Therapie  so 
grosse  Schwierigkeiten  machen.  Man  ist  deshalb  erstaunt,  dass 
gerade  diesem  Kapitel  nur  etwa  ein  Drittel  des  Buches  gewidmet 
ist,  während  der  übrige  Raum  auf  eine  teilweise  recht  ausführ¬ 
liche  Beschreibung  der  Erkrankungen  der  Mund-  und  Nasen¬ 
höhle,  der  Speiseröhre,  des  Peritoneums,  der  Leber,  der  Gallen¬ 
wege,  der  Milz  und  des  Pankreas  entfällt.  Es  ist  schade,  dass 
der  Autor  auf  den  letzteren  Teil  so  viel  Zeit  und  Kraft  verwen¬ 
dete,  denn  wir  finden  diese  Krankheiten  auch  in  anderen  Lehr¬ 
büchern  z.  T.  ebenso  mustergültig  beschrieben.  Was  wir  brauchen, 
ist  eine  Neubearbeitung  des  Themas  „Magendarmkrankheiten  im 
Kindesalter“  auf  Grund  der  wichtigen  Aufschlüsse,  die  wir  aus 
den  neuesten  wissenschaftlichen  Forschungen  erhalten  haben. 
Diese  Neubearbeitung  dürfte  nicht  darin  bestehen,  dem  alten 
Kleide  neue  Flicken  aufzusetzen,  etwa  in  der  Beschreibung  ein¬ 
zelner  neuer  Symptome  und  Behandlungsarten,  sondern  sie 
müsste  uns  vor  allem  dazu  verhelfen,  eine  einheitlichere  Auf¬ 
fassung  über  die  Aetiologie  und  die  Beziehungen  der  Magen¬ 
darmkrankheiten  untereinander  zu  gewinnen.  Da  noch  zu  viel 
wichtige  Fragen  ihrer  Lösung  harren,  scheint  der  Zeitpunkt  für 
das  Erscheinen  eines  solchen  abschliessenden  Werkes  in  Lehr- 
b  u  c  li  f  o  r  m  noch  nicht  gegeben.  In  Sch.s  Buche  vermissen 
wir  in  C.  „Krankheiten  des  Magendarmkanals“  den  einheitlichen 
führenden  Gedanken.  Der  Autor  bietet  uns  hier  ein.  buntes 


21.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1761 


Mosaik  aus  z.  T.  schönen  Steinen,  die  aber  nicht  zu  rasch 
und  klar  erkenntlichem  Bilde  zusammengesetzt  sind. 

Trumpp, 


...  ^10ner-  Die  Therapie  an  den  Berliner  Universitäts¬ 
kliniken.  Berlin  1902,  Urban  &  Schwarzenber  g. 
515  S.  Preis  10  M. 

.  üer  Autor  hat  sich  mit  mehreren  an  den  Berliner  Instituten 
tätigen  Herren  vereinigt,  um  eine  vollständige  therapeutische 
Enzyklopädie  in  kompendiösem  Masstabe  herauszugeben.  Die 
meisten  Anstalten  Berlins  sind  vertreten.  Das  Arbeitsgebiet  ist 
geteilt  wie  folgt:  Innere  Krankheiten:  Klinik  v.  Leyden: 
Blumen  t,  h  a  1,  Klinik  Gerhardt:  d  e  1  a  Camp,  Klinik 
und  Poliklinik  Senator:  Croner;  Kinderkrankheiten: 
(11  eubner)  Stoeltzner;  Nervenkrankheiten :  (Poliklinik 
S  e  n  a  t  o  r)  Rosin;  Nasen-,  Rachen-,  Kehlkopf  krankheiten : 
(B.  1  ränkels  Klinik)  Finder;  chirurgische  Krankheiten- 
Klinik  v.  Bergmann:  W  o  1  f  f ,  Klinik  König:  Pels- 
L  e  u  s  d  e  n ;  Augenkrankheiten :  G  r  e  e  f  f ;  Ohrenkrankheiten : 
(Lucae)  Heine;  Geburtshilfe  und  Gynäkologie:  (Gusserow) 
Leo  Z  u  n  t  z ;  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  (Lessers 
Klinik)  A.  Buschke.  Der  Anhang  enthält:  Vergiftungen 
(vom  Herausgeber),  die  für  den  Arzt  wichtigsten  Vorschriften 
bezüglich  der  Aufnahme  Geisteskranker  in  Irrenanstalten,  Vor¬ 
schi  iften,  betreffend  die  Abgabe  stark  wirkender  Arzneimittel  in 
den  Apotheken  (Tuerckhei  m).  Register  der  Krankheiten, 
Register  der  Behandlungsmethoden  und  der  Arzneimittel  bilden 
den  Schluss. 

Das  Buch  enthält  in  der  Tat  eine  vollständige  Therapie  nach 
den  an  den  Berliner  Kliniken  bestehenden  Grundsätzen.  Ins¬ 
besondere  sind  auch  neben  der  medikamentösen  Therapie  die 
übrigen  Methoden  so  eingehend  und  kritisch  berücksichtigt,  wie 
es  dem  Zwecke  des  Buches  entspricht. 

Wir  können  das  Werk  dem  Studierenden  und  Arzte  als  einen 
zuverlässigen  Ratgeber  empfehlen.  W.  Zinn-  Berlin. 


Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie 
Bd.  VI,  Heft  6.  1902.  1 

1)  Albert  H  o  f  f  a  -  Berlin:  Ueber  die  orthopädische  Behand¬ 
lung  der  spinalen  Kinderlähmung.  (Mit  22  Abbildungen]) 

Das  erste  Hilfsmittel  der  eigentlichen  orthopädischen  Behänd- 
^  oii  Kontiaktiiren  ist  dio  Rodrossion.  Näcli  "Vollendung'  der- 
selben  wird  das  Glied  gewöhnlich  mit  Gipsverbänden  behandelt. 
Da  aber  die  ursprüngliche  Lähmung  weiterbesteht,  tritt  bald  ein 
Rezidiv  auf.  Letzteres  kann  durch  orthopädische  Apparate. 
Schienenhülsen  Vorrichtungen,  wie  sie  zuerst  von  Hessin  g  nach 
genau  gearbeiteten  Modellen  angefertigt  wurden,  verhindert  wer- 
don.  Rs  folgt  Abbildung*  iyid  Beschreibung  der  zweckmässigsten 
Appaiate.  Jedoch  tritt  leicht  bei  Gebrauch  dieser  Vorrichtungen, 
tiotz  aller  Vorzüge  moderner  Stützvorrichtungen  eine  wesentliche 
Muskelatrophie  ein.  Die  von  Nicola doni  inaugurierte  Methode 
doi  Sehnentransplantation  gewährt  nun  glücklicherweise  in  vielen 
Fällen  die  Möglichkeit,  auf  das  Tragen  eines  orthopädischen  Appa¬ 
rates  verzichten  zu  können.  Im  wesentlichen  kommen  4  Opera¬ 
tionsmethoden  in  Betracht:  Die  Anheftung  der  Sehne  eines  ge¬ 
sunden  Muskels  an  die  Sehne  eines  gelähmten  Muskels  nach 
beiderseitiger  vollständiger  Durchtrennung,  die  Fixation  der  durch¬ 
schnittenen  Sehne  eines  gelähmten  Muskels  an  die  intakt  gelassene 
Sehne  eines  gesunden  Muskels,  die  nur  partielle  Ueberpflanzung 
der  zur  Hälfte  durchschnittenen  Sehne  eines  gesunden  Muskels 
auf  die  durchtrennte  Sehne  eines  gelähmten  Muskels  und  schliess- 
lieh  die  indirekte  Sehnenplastik,  indem  wegen  zu  grosser  Kürze 
der  zu  überpflanzenden  Sehne  ein  Stück  gesunder  Sehne  ein¬ 
geschaltet  wird.  Als  besondere  Form  ist  ausserdem  noch  die 
periostale  Verpflanzung  Langes  zu  nennen,  der  die  gesunde 
Sehne  nicht  mit  einer  kranken,  sondern  direkt  mit  dem  Periaste 
vernäht,  so  dass  der  Operateur  die  gewünschte  Funktion  möglichst 
günstig  gestalten  kann.  Kombiniert  werden  diese  Methoden 
zweckmässig  durch  Sehnenverkürzungen  oder  Sehnenverlänge¬ 
rungen,  da  die  normale  Spannung  eines  Muskels  für  die  Funktion 
von  fundamentaler  Bedeutung  ist.  An  der  Hand  einer  kleinen 
Kasuistik  zeigt  Verfasser,  dass  in  speziellen  Fällen  nicht  wie  ge¬ 
wöhnlich  die  Verlagerung  der  Muskelansatzstelle  zum  Ziele  führt, 
sondern  auch  umgekehrt  eine  Verpflanzung  der  Muskelursprungs¬ 
stelle  als  indiziert  erscheinen  kann.  So  gelang  ihm  die  Behebung 
einer  Pronationskontraktur  im  Ellbogengelenke  durch  Verlagerung 
(les  rronator  teres-Ursprungs  vom  Condylus  internus  an  den  Con- 
ü.vlus  externus. 

-)  Karl  \V  a  1  k  o  -  Prag:  Ueber  die  Behandlung  der  Enuresis. 
(Aus  der  medizinischen  Klinik  des  Prof.  v.  Jakscli.) 

Kasuistik  mehrerer  Fälle  sowohl  reiner  idiopathischer  wie 
symptomatischer  Enuresis,  welche  durch  3— 5  malige  bimanuelle 
Massage  vom  Rektum  und  von  der  Sympliysis  aus  geheilt  wurden. 


Das  ätiologische  Moment  der  Enuresis  erblickt  Verfasser  in  einem 
Iiemmungsphanomen  eines  an  und  für  sich  normal  funktionieren- 
<  en  Oigans.  Erfahrungsgemäss  sind  derartige  Hemmungswir¬ 
kungen  leicht  suggestiven  Behandlungsmethoden  zugänglich.  Wie 
l]Sr  Massageeffekt  dabei  mit  Suggestionswirkung  zusammen- 
fallt,  lasst  W.  dahingestellt. 


3)  Karl  Grube-Neuenahr:  Ueber  den  Einfluss  der 
Mineralwasser  auf  das  Blut.  Bestimmung  des  osmotischen 
Druckes  (volumetrischer  Vergleich  der  Blutkörperchen  in  ver¬ 
schiedenen  Lösungen  mittels  Hämokrit)  und  des  Wassergehaltes 
des  Blutes  (Verdampfungsmethode  nach  Stintzing)  einer¬ 
seits  bei  reizloser  Nahrung,  andrerseits  bei  der  gleichen  Kost, 
sowohl  unter  Zuführung  gewöhnlichen  warmen  Wassers  als 
auch  warmen  Neuenahrer  Sprudels. 

Verfasser  gelangt  zu  dem  Resultate,  dass  der  osmotische 
Druck  und  der  Wassergehalt  des  Blutes  bei  gleichbleibender  Kost 
konstant  bleibt,  bei  Zufuhr  gewöhnlichen  Wassers  sich  verringert; 
dagegen  tritt  bei  regelmässigem  Genüsse  Neuenalirer  Sprudels 
eine  Steigerung  des  osmotischen  Drucks  bei  gleichzeitiger  Ver¬ 
ringerung  des  Wassergehalts  auf.  Verschiedene  Bestimmungen 
am  Tage  der  Wasserzufuhr  selbst  ergaben,  dass  diese  Verände¬ 
rungen  des  Blutes  mit  Beginn  der  Diurese,  also  ca.  1  Stunde  nach 
der  Aufnahme  einsetzen  und  nach  ca.  2 yz  Stunden  ihr  Maximum 
erreichen. 

4)  Wilhelm  S  c  li  1  e  s  i  n  g  e  r  -  Wien:  Ueber  das  Nahrungs- 
bedürfnis  der  Diabetiker.  (Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  des 
Hof  rat  es  Prof.  Nothnage  1.)  (Schluss.) 

Sc-hl.  hat  in  langen  Perioden  die  hinlängliche  Nahrungsmenge 
für  Diabetiker  durch  Vergleiche  der  Nahrungszufuhr  und  des  Kör¬ 
pergewichts  studiert,  um  festzustellen,  ob  die  von  II  u  b  n  e  r  nach 
Kalorien  berechneten  Zahlen  des  Nahrungsbedürfnisses  Gesunder 
auch  bei  Diabetes  Geltung  haben.  Jedoch  kam  er  auf  Grund 
zahlreicher  Beobachtungen  zu  dem  Resultate,  dass  Diabetiker  mit 
hoher  Zuckerausscheidung  eine  auffallend  geringere  Kalorien¬ 
zufuhr  benötigen,  als  Gesunde,  um  sich  im  Körpergleichgewichte 
zu  erhalten;  anders  verhält  es  sich  dagegen  bei  Diabetes.'  kompli¬ 
ziert  mit  sonstigen  Stoffwechselanomalien,  ingoferne  dadurch  das 
Nahrungsbedürfnis  häufig  eine  wesentliche  Aenderung  erfährt. 

5)  C.  B  o  1 1  e  -  Berlin:  Zur  Therapie  der  B  a  r  1  o  w  sehen 
Krankheit. 

Schwerer  Fall  dieser  Erkrankung,  der  innerhalb  17  Tage  durch 
pasteurisierte  Milch  geheilt  wurde,  während  vorher  stets  15  Minu¬ 
ten  lang  gekochte  Milch  gereicht  worden  war. 

M.  Wasserma  n  n  -  München. 


Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  41. 

L.  Rydygier:  Die  intrakapsuläre  Prostataresektion  als 
Normalverfahren  bei  Prostatahypertrophie. 

R.  empfiehlt  neuerlich  diese  Methode,  nachdem  er  schon  vor 
mehr  als  2  Jahren  die  intrakapsuläre  Enukleation  empfahl  (die 
auch  Al  bar  ran  neuerlich  häufiger  ausführte),  bei  letzterer  aber 
zuweilen  eine  Verletzung  der  Pars  prostat.  urethrae  auftreten  sah, 
die  die  Nachbehandlung  bedeutend  verlängerte.  R.  legt  die  hin¬ 
tere  Fläche  der  Prostata  vom  Damm  aus  frei  (für  gewöhnlich  von 
einfachem  Raplieschnitt  aus,  bei  schwierigen  Fällen  von  querem 
Bogenschnitt  aus).  Nach  Spaltung  der  Dammfaszie  arbeitet  man 
sich  stumpf  in  die  Tiefe,  um  die  hintere  Prostatafläche  freizulegen, 
unter  starkem  Auseinanderhalten  der  Wundränder  schneidet  man 
zuerst  auf  der  einen  Seite  in  einiger  Entfernung  von  der  Mittel¬ 
linie  die  Prostatakapsel  breit  auf,  fasst  die  Ränder  des  Spaltes 
mit  Hakenzangen  und  versucht  den  entsprechenden  Lappen  der 
Prostata  aus  der  Kapsel  herauszuschälen  und  vor  den  Kapselspalt 
herauszuwälzen,  in  einiger  Entfernung  der  durch  den  eingeführten 
Katheter  sicher  markierten  Harnröhre  hört  man  mit  der  Aus¬ 
lösung  auf.  nach  Anlegung  einer  Klemmzange  wird  dann  der  aus¬ 
gelöste  Lappen  reseziert  und  in  derselben  Weise  auf  der  anderen 
Seite  verfahren.  Bezüglich  Rezidive  äussert  sich  R.  noch  re¬ 
serviert. 

C.  Ewald:  Thermophorspritze  zur  Paraffininjektion. 

Beschreibung  einer  von  .1.  Leiter  gefertigten  entsprechenden 
Spritze.  Sehr. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  40  u.  41. 

D  F.  K  leine  rtz  -  Stuttgart:  Ein  Fall  von  spontaner  kom¬ 
pletter  Uterusruptur. 

Der  Fall  ereignete  sich  bei  einer  kleinen  geschwächten  Frau, 
die  S  Geburten  und  2  Aborte  durchgemacht  hatte.  15  Stunden 
nach  der  Ruptur  machte  K.  die  abdominelle  Totalexstirpation 
nach  Extraktion  des  (toten?)  ausgetragenen  Kindes.  Heilungsver¬ 
lauf  ungestört.  An  dem  exstirpierten  Uterus  fand  K.  mikro¬ 
skopisch  die  Muskelfasern  durch  ein  „gleichartiges,  dünnwandiges 
Gewebsgerüst“  auseinander  gedrängt  .  Eine  sonstige  Aetiologie  der 
Spontanruptur  liess  sich  nicht  feststellen. 

2)  E.  S  c  h  r  o  e  d  e  r  -  Königsberg:  Vaginale  Uterusexstir¬ 
pation  im  6.  Schwangersehaftsmonat  wegen  Karzinoms. 

Zu  erwähnen  ist  nur,  dass  es  sich  um  eine  VI.  Para  handelte, 
die  an  der  vorderen  Muttermundslippe  ein  beginnendes  Platten¬ 
epithelialkarzinom  trug.  Die  Operation  machte  S.  nach 
S  c  li  u  c  h  a  r  d  t.  Der  Verlauf  war  glatt. 

No.  41.  1)  F.  A  h  1  f  e  1  d:  Ueber  Durchgängigkeit  der  Tuben. 

Bericht  über,  einen  Fall,  wo  A.  wiederholt  10  cm  tief  die 
Sonde  in  der  Richtung  der  1.  Tube  vorschieben  konnte  und  wo 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


1762 


der  Uterus,  der  am  Tage  darauf  wegen  Yentrofixation  freigelegt 
wurde,  absolut  keine  Verletzung  und  keine  Narbe  auf  wies. 

2)  K  r  ö  n  i  g  -  Leipzig:  Die  doppelseitige  Unterbindung  der 
Aa.  hypogastrica  und  ovarica  zur  palliativen  Behandlung  des 
U  teruskarzinoms. 

Die  in  der  Uebersehrift  genannte  Operation  hat  K.  3  mal  mit 
befriedigendem  Erfolg  ausgeführt.  Die  Blutungen  sistierten 
lirompt,  der  jauchige  Ausfluss  kehrte  allerdings  bald  wieder. 
K.  hält  die  Operation  für  indiziert  in  allen  Fällen,  wo  die  Laparo¬ 
tomie  ergibt,  dass  eine  Radikaloperation  nicht  mehr  möglich  ist. 

3)  II.  Peters- Wien:  Zum  Artikel:  ,,Zur  Lehre  vom  pri¬ 
mären  Chorionepitheliom  der  Scheide.“  (cf.  das  Referat  in  No.  31 
dieser  Wochensclir.,  pag.  1312.) 

Ein  Nachtrag  zu  obigem  Artikel. 

4)  O.  K  a  i  s  e  r  -  Dresden:  Zur  schnellen  Erweiterung  des 
Muttermundes  nach  B  o  s  s  i. 

Tv.  empfiehlt  zur  B  o  s  s  i  sehen  Erweiterung  des  Mutter¬ 
mundes  statt  des  vom  Autor  angegebenen  ein  neues  Instrument 
(zu  haben  bei  Herrn.  Straube  in  Dresden),  welches  8  Hebel  be¬ 
sitzt  und  sich  bequem  in  seine  Teile  zerlegen  lässt.  In  25  Mi¬ 
nuten  soll  der  uneröffnete  Muttermund  damit  auf  34  cm  Weite 
gebracht  sein.  Indiziert  ist  das  Verfahren  nur  bei  notwendiger 
schleuniger  Entbindung,  besonders  bei  Eklampsie.  Bei  künstlicher 
Frühgeburt  ist  der  Metreurynter  vorzuziehen. 

5)  IT.  Queissner  -  Bromberg:  Zur  Verwendung  von  Klem¬ 
men  und  Kugelzangen  in  der  Geburtshilfe. 

Q.  hat  in  verschiedenen  Fällen  die  Kugelzangen  mit  Erfolg 
benutzt,  so  bei  verschleppter  Querlage  zum  Fassen  der  Thorax¬ 
ränder  und  Extraktion  der  verkleinerten  Kindeshälften,  zum 
Fassen  des  perforierten  Kopfes  beim  weiteren  Verkleinern  des¬ 
selben,  zum  Herabziehen  des  Uterus  wegen  Atonia  post  partum. 
Die  Klemmen  benutzt  Q.  zur  Extraktion  todfauler  Früchte. 

fl)  O.  K  a  i  s  e  r  -  Dresden:  Ein  neues  Nähinstrument. 

Das  Instrument,  von  K.  , .Nähmaschine“  genannt,  vereinigt  in 
sich  Klemme,  Nadelhalter,  Nadel  und  Fadenfänger  und  beruht 
auf  dem  Prinzip  der  Kurz  sehen  Nadelzange.  Abbildung  s.  im 
Original.  (Zu  haben  bei  Herrn.  Straube  in  Dresden.) 

J  a  f  f  e  -  Hamburg.- 

Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten.  36.  Bd., 
1.  Heft.  1902. 

E.  H  i  t  z  i  g -Halle:  Alte  und  neue  Untersuchungen  über 
das  Gehirn.  IV.  (Mit  Abbildungen.) 

Eine  grosse  Reihe  an  die  vorausgegangenen  Untersuchungen 
sich  anschliessender  Versuche  von  Läsionen  frontaler  Hirnwin- 
dungen  beim  Hunde  liess  erkennen,  dass  nach  solchen  Eingriffen 
Sehstörungen  und  Störungen  der  optischen  Reflexe  als  unmittel¬ 
bare  Folgen  von  Verletzungen  des  Gyrus  sigmoides,  ebenso  Stö¬ 
rungen  der  optischen  Reflexe  als  direkte  Folgen  von  Verletzungen 
des  Zentrums  für  den  Orbikularisteil  des  Fazialis  so  gut  wie  regel¬ 
mässig  eintreten,  dass  ferner  Verletzung  des  mehr  nach  vorn  und 
lateral  gelegenen  Zentrums  für  den  Rest  des  Fazialis  noch  häufiger 
zu  einer  Störung  des  Nasenlidreflexes  führt,  während  Verletzungen 
der  vorderen  Schenkel  der  II. — IV.  Urwindung,  einschliesslich  des 
vorderen  Teils  des  grossen  Marklagers  und  der  inneren  Kapsel,  nie¬ 
mals  direkt  eine  Sehstörung  hervorriefen.  Dagegen  können  nicht 
nur  durch  Schädigung  der  Rinde  des  Gyrus  sigmoides,  sondern 
auch  auf  Grund  von  Verletzungen  eines  Teils  seiner  Markstrahlung 
resp.  deren  Einstrahlungen  in  das  grosse  Marklager  oder  die 
innere  Kapsel  vorübergehende  Sehstörungen  entstehen. 

IT.  Zingerle-Graz:  Ein  Fall  von  umschriebener  Störung 
im  Oberflächenwachstum  des  Gehirnes.  Ein  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  der  Porenkephalie.  (Mit  1  Tafel.) 

Das  Gehirn  eines  erwachsenen,  nicht  gelähmten,  erwerbs¬ 
fähigen  Mannes,  der  in  seinem  Beruf  verunglückt  war,  wies  an  der 
Konvexität  der  linken  Hemisphäre  einen  grossen  ponisähnlichen, 
allenthalben  mit  Rinde  überkleideten  und  von  Pia  überzogenen 
Defekt  auf;  in  der  rechten  Hemisphäre  fand  sich  innerhalb  der 
Stabkranzfaserung  zum  vorderen  Scheitellappen  eine  walnussgrosse 
Cyste.  Das  mikroskopische  Bild  zeigte  in  der  den  linksseitigen 
Defekt  auskleidenden  Rinde  Verminderung  der  Zahl  der  Zeilen 
und  verschiedene  Formen  von  Zellatrophie,  ausserdem  flecken¬ 
weise  Narbenherde  und  in  dem  darunter  gelegenen  Mark  einen 
Degenerationsstreifen  filzig  verflochtenen  Fasergewebes,  i.  e.  eine 
grosse  Narbe.  Die  sekundären  Degenerationen  waren  nur  sehr 
geringfügig.  An  den  Gefässen  wurden  keine  schwereren  Verände¬ 
rungen  nachgewiesen.  Als  Ursache  der  erwähnten  Veränderungen 
wird  eine  in  den  letzten  Monaten  des  intrauterinen  Lebens  durch¬ 
gemachte  Erkrankung  vermutet,  die  durch  Zirkulationsstörung  im 
Gebiete  der  Arteria  cerebralis  media  im  Marklager  anämische 
Nekrose  verursachte,  während  die  mit  reicherer  Gefässversorgung 
versehene  Rinde  verhältnismässig  wenig  geschädigt  wurde;  der 
gleiche  Krankheitsprozess  hatte  im  entsprechenden  Gefässgebiet 
der  anderen  Seite  eine  vaskuläre  Erweichungscyste  wohl  durch 
Thrombosierung  eines  kleinen  Astes  geschaffen.  In  den  nicht 
direkt  betroffenen  Teilen  der  verletzten  Hemisphäre  (Thalamus 
opticus)  und  in  den  der  Läsion  symmetrischen  der  anderen  Hemi¬ 
sphäre  hatte  sich  durch  Volumszunahme  eine  gesteigerte  Wachs¬ 
tumsenergie  bemerkbar  gemacht. 

M.  P  r  o  b  s  t- Wien:  Ueher  Pachy-meningitis  cervicalis  hyper- 
tvophica  und  über  Pachymeningitis  interna  haemorrhagica  bei 
chronisch  fortschreitenden  Verblödungsprozessen  in  der  Jugend. 
(Mit  2  Tafeln.) 


Der  Verf.  vergleicht  2  Krankengeschichten,  die  klinisch  das 
gemeinsam  haben,  dass  in  jugendlichem  Alter  ein  chronisch  ohne 
Fieber  verlaufender  Krankheitsprozess  fortschreitend  mit  .T  a  c  k  - 
son  sehen  Anfällen  zu  vollständiger  Verödung  aller  psychischen 
Funktionen  und  durch  Lähmungserscheinungen,  Sensibilitäts¬ 
störungen,  Inkontinenz,  Muskelatrophien  und  Kontrakturen  zur 
körperlichen  Hinfälligkeit  geführt  hatte.  Aetiologisch  kamen  An¬ 
lage,  Heredität,  Geburtstraumen,  spätere  Schädeltraumen  und 
hereditäre  Lues  in  Betracht.  Anatomisch  war  den  Fällen  gemein¬ 
sam  ein  allgemein  atrophischer  Prozess  im  Gehirn,  der  mit  Ver¬ 
schmälerung.  Ganglienzellenschwund  und  Kernanhäufung  um  die 
vermehrten  Gefässe  vorzugsweise  die  Rinde  betraf.  Da  nun  im 
einen  Fall  eine  Pachymeningitis  cervicalis  hypertrophica  bestand, 
die  im  andern  fehlte,  nimmt  der  Verf.  an,  dass  der  pachymenin- 
gitisclie  Prozess  in  solchen  Fällen  nur  ein  sekundärer  ist, 
demnach  die  Pachymeningitis  cervicalis  hypertrophica  und  aus 
dieser  wieder  die  hier  noch  gefundene  hämorrhagische  Pachy- 
meningits  nur  Folgeerscheinungen  eines  chronischen  entzündlichen 
Prozesses  im  Gehirn  sind. 

CI.  N  e  i  s  s  e  r  -  Lublinitz:  Beitrag  zur  Aetiologie  der  perio¬ 
dischen  Psychosen. 

Anknüpfend  an  die  Beobachtungen  von  Pilcz,  dass  or¬ 
ganische  zerebrale  Erkrankungen,  soweit  sie  zu  „Himnarben“  ge¬ 
führt  haben,  periodische  Psychosen  auslösen  können,  teilt  der  Verf. 
mehrere  einschlägige  Krankengeschichten  mit.  Eine  51  jährige 
Dame  erkrankte  im  Anschluss  an  einen  apoplektischen  Insult  mit 
Sprachstörung  und  linksseitiger  Hemiparese  an  zirkulärem, 
manisch-depressiven  Irresein.  Zur  Zeit  der  maniakalischen  Er¬ 
regungen  kamen  Reizerscheinungen  im  paretischen  linken  Arm 
und  vorübergehende  aphasiche  Störungen  rein  transkortikal- 
motorischen  Charakters  zur  Beobachtung.  Mit  dem  Fortschritt 
der  Psychose  zeigte  sich  Tendenz  zur  Verblödung.  2  andere  Fälle 
periodischer  Psychosen  liessen  Blitzschlag  bezw.  in  frühester 
Kindheit  durchgemachte  traumatisch-zerebrale  Störung  als  einzig 
verwertbares  ätiologisches  Moment  erkennen.  Endlich  hebt  der 
Verf.  auf  Grund  einer  weiteren  eigenen  Beobachtung  hervor,  dass 
die  in  (maniakalischen)  Einzelanfällen  im  unmittelbaren 
auch  zeitlichen  Anschluss  an  Traumen  auftretenden 
periodischen  Psychosen  eine  günstige  Prognose  zu  geben 
scheinen,  dass  aber  die  Krankheit  solange  fortbesteht  und  Anfälle 
wiedereinsetzen  können,  als  in  der  Zwischenzeit  zwischen  den  An¬ 
fällen  die  Pupillen  noch  abnorm  weit  und  labil  bleiben. 

R.  C  a  s  s  i  r  e  r  -  Berlin:  Ueber  metastatische  Abszesse  im 
Zentralnervensystem.  (I.  Isolierter  metastatischer  Abszess  im 
Pons  und  in  der  Medulla  oblongata.  II.  Multiple  metastatische 
Abzesse  im  Rückenmark.)  (Mit  2  Tafeln.) 

Im  ersten  Fall  hatte  ein  allgemein  pyämischer  Prozess  mit 
Leberabszess  und  Lungenabszessen  wohl  im  Anschluss  an  Peri¬ 
typhlitis  zu  einem  Abszess  im  Hirnstamm  geführt,  dessen  Folge¬ 
erscheinungen  (linksseitige  Hemianästhesie  infolge  Schleifenläsion 
und  rechtsseitige  Kern-  bezw.  Wurzellähmung  von  Fazialis  und 
Abduzens)  das  klinische  Bild  vor  dem  Tode  beherrschten.  Im 
zweiten  Falle  fanden  sich  im  Rückenmark  einer  an  rekurrierender 
akuter  Endokarditis  mit  vielfachen  embolischen  Eiterungen  ge¬ 
storbenen  Syringomyelie-Kranken  ausser  Gliosis  und  Höhlen¬ 
bildung  im  Grau  des' Zervikal-  und  Dorsalmarks  zahlreiche  kleine 
perivaskuläre,  i.  e.  embolische  Entzündungsherde.  Die  grössten 
davon  waren  im  gefärbten  Präparat  eben  makroskopisch  erkenn¬ 
bar;  eine  klinische  Bedeutung  kam  diesen  Abszessen  anscheinend 
nicht  zu.  Beide  Fälle  sind  eingehend  mikroskopisch  untersucht 
und  mit  den  in  der  Literatur  bekannt  gewordenen  ähnlichen  Be¬ 
trachtungen  in  Vergleich  gestellt  worden. 

M.  Bartels-  Strassburg  i.  E.:  Ueber  Encephalo-myelo- 
meningitis  diffusa  haemorrhagica  mit  endophlebitischen  Wuche¬ 
rungen.  (Mit  2  Tafeln.)  ^ 

Eine  Frau  von  32  Jahren  kam  nach  halbjähriger,  von^  Kopf¬ 
schmerzen  und  gastrischen  Beschwerden  allmählich  zu  Konvul¬ 
sionen,  Lähmungen,  Neuritis  optica,  Aphasie,  Albuminurie,  vaso¬ 
motorischen  Störungen  und  endlich  Kollaps  führender  Krankheit 
zur  Obduktion.  Das  wesentliche  Merkmal  des  mikroskopisch  ge¬ 
fundenen  Entzündungsvorganges  mit  feinsten  Blutungen  im  Ge¬ 
hirn.  dem  Rückenmark  und  deren  Häuten  war  eine  universale  Er¬ 
krankung  der  Venen  dieser  Gebiete,  nicht  durchwegs  gleieli- 
mässiger  Verteilung  und  Entwickelung.  Die  Kapillaren  waren 
gleichfalls  stark  verändert;  an  den  Arterien  bestand  nur  Peri¬ 
arteriitis.  Aus  dem  anatomischen  Bilde  wird  eine  syphilitische 
Affektion  erschlossen,  während  klinisch  keinerlei  Anzeichen  von 
Lues  Vorlagen.  Die  starke  Albuminurie  fand  durch  die  sorgfältige 
Untersuchung  der  Nieren  keine  Erklärung. 

II  e  n  n  e  b  erg  und  Max  Koch-  Berlin:  Ueber .  „zentrale* 
Neurofibromatose  und  die  Geschwülste  des  Kleinhimbiiicken- 
winkels  (Akustikusneurome).  (Mit  1  Tafel.) 

Im  ersten  hier  mitgeteilten  Falle  von  multipler  Neurofibio- 
matose  bestanden  zahlreiche  kleine  Tumoren  der  Haut,  der  peii- 
pheren  Nerven,  der  intra-  und  extraduralen  Rückenmarkswurzeln 
und  ausser  anderen  Tumoren  der  Hirnnerven  wurzeln,  sowie  einem 
Rankenneurom  der  Rami  recurrentes  des  Vagus,  doppelseitig  ein 
fast  hühnereigrosses  Neurofibrom  im  Kleinhirnbrückenwinkel,  mit 
dem  Faciales  und  Acustici  verwachsen  waren.  Zudem  fanden 
sich  ein  stecknadelkopfgrosses  Fibrom  im  Zervikalmark  um 
gliöse  Wucherungen  in  der  Hirnrinde.  Von  den  klinischen  Li- 
seheinungen  waren  ausser  den  allgemein  zerebralen  Störungen 
(Kopfschmerz,  Erbrechen,  Neuritis  optica)  noch  dysarthnsc  e 


21.  Oktober  1902. 


MüENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1763 


Sprachstörung,  Schwerhörigkeit,  Nystagmus,  zerebellare  Ataxie 
und  multiple  Hirnnervenlähmung  zu  erwähnen.  Aehnlich  war  das 
i.dd  des  zweiten  Falles,  doch  fehlten  hier  die  Hauttumoren,  die 
Sprachstörung  und  die  Ataxie,  dagegen  war  frühzeitig  völlige 
Blindheit,  Pupillenstarre  und  Taubheit  aufgetreten.  Hier  waren 
doppelseitige, _  über  kastaniengrosse  Neurofibrome  des  Akustikus 
und  taubeneigrosses  Fibrom  der  Falx  an  der  medialen  Fläche 
des  rechten  Stirnhirns  mit  Fibrosarkom  im  vorderen  Teile  des 
rechten  Seitenventrikels,  Tumoren  in  der  Mitte  der  Medulla 
oblongata  und  multiplen  Fibromen  und  Psammofibromen  der 
u  eichen  und  halten  Hirnhaut  kombiniert.  Auch  hier  fanden  sich 
gliöse  Wucherungen  in  der  Hirnrinde.  Hieran  scliliesst  sich  mit 
einer  weiteren  einschlägigen  Krankengeschichte  nebst  Obduktions¬ 
befund  eine  Besprechung  der  wohl  meist  zu  den  Neurofibromen 
gehörenden  Tumoren  des  Kleinhimbrückenwinkels.  Ein  beson¬ 
deres  Interesse  gewinnen  diese  Geschwülste  durch  die  bisher  aller¬ 
dings  wenig  erfolgreichen  Versuche  chirurgischer  Inangriffnahme. 

27.  Wanderversammlung  der  Südwestdeutschen  Neurologen 
und  Irrenärzte  in  Baden-Baden  am  24.  und  25.  Mai  1902. 

Sitzungsprotokolle. 

Fedor  Iv  r  a  u  s  e  -  Berlin:  Entgegnung  auf  Herrn  Dr.  Böt- 
tigers  Erwiderung. 

Abschluss  der  Polemik  aus  dem  vorigen  Band  des  Archivs. 

J  a  in  i  n  -  Erlangen. 


Ziegler’s  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie.  32.  Bd. 
2.  Heft.  1902. 

6)  F.  Katsurada- Okayama  (Japan) :  lieber  das  Vor- 
kommen  des  Glykogens  unter  pathologischen  Verhältnissen. 
(Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Freiburg  i.  B.) 

Iv.  bringt  seinen  Versuchstieren  sterilisierte  Holundermark¬ 
plättchen  unter  die  Haut  und  untersucht  die  Plättchen,  die  er 
nach  bestimmten  Zeiten  wieder  entnommen  hat,  d.  h.  die  in  die¬ 
selben  eingewanderten  Zellelemente  auf  ihren  Glykogengehalt 
mittels  Jodglyzerin.  Dabei  konstatiert  Iv.,  dass  die  normalen  Blut¬ 
leukozyten  kein  oder  fast  kein  Glykogen  enthalten,  mehr  oder 
weniger  jedoch  bald  nach  ihrer  Emigration  aus  den  Gefässen, 
ebenso  enthält  ein  grosser  Teil  der  eingewanderten  Fibroblasten 
und  Riesenzellen  Glykogen,  manchmal  sogar  in  grossen  Mengen. 
Eine  gewisse  Unterernährung  der  betreffenden  Zellen  scheint  die 
Bedingung  für  die  Ablagerung  zu  sein. 

7)  Derselbe:  Ueber  eine  bedeutende  Pigmentierung  der 
Kapillarendothelien  im  Gehirn  bei  einer  ausgedehnten  Melano- 
sarkomatose.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Freiburg  i.  B.) 

K.  fand  in  den  Kapillarendothelien  aufgenommenes  Pigment 
sowohl  im  Bereich  der  metastatischen  Geschwulstzellen,  als  auch 
an  Kapillaren,  die  mit  denselben  keinen  direkten  Zusammenhang 
zeigten. 

8)  D.  Iv  i  sch  eil  sky-  Moskau:  Zur  Frage  über  die  Eettresorp- 
tion  im  Darmrohr  und  den  Transport  des  Fettes  in  andere  Or¬ 
gane.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Freiburg  i.  B.) 

Nach  Verfasser  ist  der  Farbstoff  ,,S  c  li  a  rlac  li  It“  (Kalle 
&  Cie.)  das  schärfste  Färbemittel  für  allerkleinste  Fetttröpfchen; 
dabei  färbt  es  nur  Fette  und  Fettsäuren.  So  gelang  es  Iv.  nach 
Milchfütterung  an  jungen  Katzen  im  Kutikularsauin  der  Epithel¬ 
zellen  an  den  Zotten  des  Duodenums  und  Jejunums  feinste  Fett- 
tröpfclieu  nachzuweisen  und  dadurch  festzustellen,  dass  Fett  in 
Form  kleinster  Tröpfchen  den  Kutikularsauin  passieren  und  so 
in  das  Protoplasma  der  Epithelzellen  des  Darmes  gelangen  kann 
tbei  neugeborenen  Katzen  fand  Iv.  auch  in  den  Zwischenepithel¬ 
räumen  Fett,  wo  es  sich  zu  grösseren  Tropfen  vereinigt,  die  auf 
dem  Lymphweg  weiter  transportiert  werden.  Ebenso  war  in  den 
Epithelzellen  des  Dickdarms  sowohl  wie  des  Magens  (Pylorus- 
gegend)  Fett  nachzuweisen.  Als  Folge  dieser  Nahrungsfettresorp¬ 
tion  erschien  Fettinfiltration  der  Leber,  Nieren,  Lungen  und  teil¬ 
weise  der  Milz. 

9)  It.  Spuler:  Ueber  den  feineren  Bau  der  Chondrome. 
(Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Heidelberg.) 

Die  Untersuchungen  zeigen,  dass  in  allen  Chondromen  und 
zwar  nicht  nur  —  wie  bekannt  —  an  Degenerationsstellen,  son¬ 
dern  auch  an  Gewebe  mit  typischem  Chondrombau  in  der  Grund¬ 
substanz  Fibrillen  nachzuweisen  sind;  an  elastischen  Chondromen 
findet  sich  eine  dem  Normalen  vollständig  analoge  Histogenese  des 
Knorpelgewebes. 

10)  Y.  Fukuhara:  Die  morphologischen  Veränderungen 
des  Blutes  bei  der  Hämolyse.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu 
Osaka-Japan.) 

11)  Fr.  Saxer:  Ependymepithel,  Gliome  und  epitheliale 
Geschwülste  des  Zentralnervensystems.  (Aus  dem  patholog.  In¬ 
stitut  zu  Leipzig.) 

S.  berichtet  in  der  umfangreichen,  sehr  interessanten  Ab¬ 
handlung  zunächst  über  epitheliale  Formationen  in 
Gliomen  und  beschreibt  1.  ein  grosses,  scharf  abgegrenztes 
Gliom  des  Grosshirns  mit  Bildung  zentraler,  von  Epithelbelägen 
ausgekleideter  Höhlen,  2.  ein  Gliom  des  Rückenmarkes,  kombiniert 
mit  Syringomyelie,  wobei  nach  S.  die  Höhlenbildung  durch  zen¬ 
tralen  Geschwulstzerfall  entstanden  sein  soll,  und  3.  eine  sehr 
eigentümliche  (vom  Ependymepithel  ausgehende?)  Geschwulst  der 
Gauda  equina  von  teils  myxomatösem,  teils  epithelialem  Bau. 

S.  erblickt  in  der  Erscheinung,  dass  innerhalb  eines  Glioms 
sehr  reichliche  epitheliale  Bildungen  in  Form  von  Cysten,  Kanälen, 
Schläuchen  auftreteu,  nur  einen  weiteren  Beweis  für  den  innigen 
Zusammenhang  zwischen  Epithel  und  Neuroglia;  in  Gliomen,  die 
ursprünglich  frei  sind  von  epithelialen  Formationen,  können  nach 
S.  solche  Elemente  sich  erst  bilden  als  Auskleidung  von  Höhlen 


oder  Cysten,  welche  durch  Nekrose  und  Zerfall 
schwulstteile  entstanden  waren. 


der  zentralen 


Ge 


l'einei.  beschreibt  8.  3  rein  epitheliale  Geschwülste  des 
Gehirns,  nämlich  1.  einen  rein  papillären,  haselnussgrossen  Tumor 
des  1.  Seitenventrikels,  ausgehend  vom  Ventrikelependym  (das  nach 
S.  mit  dem  I  lexusepitliel  identisch  ist!);  2.  ein  walnussgrosses 
Karzinom  (!)  der  Rauten  grübe  *),  an  dem  S.  den  direkten  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Ventrikelependym  und  Geschwulstmasse 
nacnweisen  zu  können  glaubt;  in  dessen  Innern  fanden  sich 
Spangen  von  Bindegewebsknochen;  3.  eine  epitheliale  (karzinoma- 
löse?)  Geschwulst  dts  Infundibulums  und  des  mittleren  Ven¬ 
trikels,  von  der  S.  vermutet,  dass  sie  aus  (in  die  Vorderwand  des 
Ilypophysisstieles)  abgesprengten  epithelialen  Hypophysisschläu- 
clien  entstanden  sein  könnte;  dieselbe  hängt  nicht  mit  dem  Ven¬ 
trikelependym  zusammen. 


In  den  anschliessenden  allgemeinen  Ausführungen  spricht 
sich  S.  sowohl  gegen  die  C  o  h  n  h  e  i  m  sehe  Theorie  von  der  Ge¬ 
schwulstlehre,  wie  gegen  die  Modifikation  durch  W  ilms  aus. 


H.  Merkel-  Erlangen. 


Archiv  für  Hygiene.  44.  Bd.  4.  Heft.  1 902. 

1)  Weigl -München:  Untersuchungen  über  die  bakterizide 
Wirkung  des  Aethylalkohols. 

Gegenüber  den  neueren  Anschauungen,  wonach  ein  Alkohol 
nur  dann  genügende  bakterizide  Kraft  habe,  wenn  er  nur  50  bis 
70  Proz.  betrüge,  bringt  Verf.  neue  Versuche,  durch  die  bewiesen 
wird,  dass  der  80 — 90  proz.  Alkohol  entschieden  den  nie¬ 
deren  Konzentrationen  überlegen  ist.  Es  muss  je¬ 
doch  ein  gewisser  Wassergehalt  vorhanden  sein  und  die  Ent¬ 
stehung  von  gröberen  Niederschlägen  muss  vermieden  werden. 
Die  Desinfektionsfähigkeit  kann  andrerseits  noch  erhöht  werden, 
wenn  der  Alkohol  angesäuert  oder  alkalisch  gemacht  wird. 

2)  Cathcart  und  Hahn-  München:  Ueber  die  reduzieren¬ 
den  Wirkungen  der  Bakterien. 

Am  besten  lassen  sich  die  reduzierenden  Wirkungen  der  Bak¬ 
terien  studieren  unter  Zusatz  von  Methylenblau  als  In¬ 
dikator  bei  37°.  Bei  60°  erlischt  die  reduzierende  Fähigkeit.  Die 
reduzierenden  Vorgänge  spielen  sich  am  besten  in  den"  Lösungen 
ab,  die  für  das  Wachstum  der  Bakterien  die  günstigsten  sind,  wo¬ 
bei  N-lialtige  Substanzen  das  Wichtigste  zu  sein  scheinen.  Luft¬ 
abschluss  wirkt  konservierend,  ebenso  starke  Zusätze  von  Natrium- 
sulfat,  Glyzerin,  Rohrzucker;  dagegen  vermindern  Antiseptika  die 
Reduktionsfähigkeit,  relativ  am  wenigsten  noch  Chloroform  und 
Toluol. 

Es  gelang,  Trockenpräparate  von  Bakterien  herzustellen, 
welche  keine  Vermehrungsfähigkeit,  dagegen  ein,  wenn  auch  ver¬ 
mindertes,  Reduktionsvermögen  zeigten.  Daraus  kann  geschlossen 
werden,  dass  die  reduzierenden  Wirkungen  hauptsächlich  an  die 
Bakterienzelle  geknüpft  sind  und  von  ihr  durch  einen  nur  auf 
bestimmte  Reize  hin  abgesonderten  enzymartigen  Körper  aus¬ 
geübt  werden. 

3)  II.  Wolpert  -  Berlin:  Ueber  den  Einfluss  der  Besonnung 
auf  den  Gaswechsel  des  Menschen. 

Die  Wirkung  der  Besonnung  auf  den  Gaswechsel  des  Men¬ 
schen  äussert  sich  darin,  dass  die  wärmende  Wirkung  der  Sonne 
in  einer  dem  Steigen  der  Lufttemperatur  gleichwertigen  Weise  nach 
Massgabe  der  Hälfte  des  Temperaturüberschusses 
der  Sonnen-  über  die  Schattentemperatur  zu  Tage 
tritt.  Die  Kohlensäurebildung  wird  bei  tiefer  Luft¬ 
temperatur  verminde  r  t,  bei  mittlerer  Lufttemperatur 
e  r  li  ö  li  t,  besonders  bei  geringer  Strahlung.  In  sehr  warmer  Luft 
wird  die  Kohlensäurebildung  regelmässig  vermindert. 

4)  Schattenfroh  -  Wien:  Spezifische  Blut  Veränderungen 
nach  Harninjektionen.  I.  Abhandlung. 

Durch  Injektionen  von  Menschenharn,  Ziegenharn  und  Rinder¬ 
harn  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen  bezw.  Kaninchen  lassen 
sich  spezifische  Hämolysine  im  Blute  der  vorbeliandelten  Tiere 
erzeugen.  Bei  Injektionen  mit  Hundeham  entstehen  auch  bei 
Kaninchen  Agglntinine.  Pferdeharn  ruft  bei  Meerschweinchen 
und  Kaninchen  weder  Hämolysin-  noch  Agglutininbildung  hervor. 
Die  lysogenen  Stoffe  des  Menschenharns  sind  nicht  dialysierbar, 
ertragen  verhältnismässig  hohe  Temperaturen  und  sind  durch 
Alkoholäther  fällbar.  Bakterienwachstum  im  Harn  lässt  unter 
Umständen  die  lysogenen  Stoffe  derselben  intakt. 

R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 


Arbeiten  aus  dem  kaiserlichen  Gesundheitsamte.  19.  Bd., 
2.  Heft.  1902 

1)  Sc  ha  u  d  i  n  n-Rovigno:  Studien  über  krankheitserregende 
Protozoen.  II.  Plasmodium  vivax  (Grassi  u  n  d  F  e  - 
1  e  1 1  i),  der  Erreger  des  Tertianfiebers  beim 
M  e  n  sehe  n. 

ln  einer  sehr  ausführlichen  Arbeit  bringt  Schaudinn  seine 
Experimente,  Beobachtungen  und  Erfahrungen  über  den  endo¬ 
genen  und  exogenen  Entwicklungsgang  des  Tertianapa  r  ä  - 
s  i  t  e  n  zur  Publikation.  Die  Arbeit  ist  von  besonderem  Wert, 
weil  sie  mit  grosser  Sachkenntniss  und  Kritik  die  bisherigen 
Arbeiten  beleuchtet  und  vieles  Neue  bringt.  Wohltuend  wirkt  die 
Klarstellung  der  Nomenklatur  der  Parasiten  nach  den  internatio¬ 
nalen  zoologisch-botanischen  Regeln  und  Grundsätzen,  die  leider 


*)  Durch  v.  Wuns  c  h  heim  bereits  publiziert. 


1764 


MÜENCHENEß  HEDICINlSCHE  WOCHEN S CHßlET. 


No.  42. 


so  off  vernachlässigt  worden.  2  Tafeln  bringen  in  2000  faelier  Vor- 
grösserung  die  Parasiten  sehr  schön  zur  Anschauung. 

2)  Weber:  Ueber  die  tuberkelbazillenähnlichen  Stäbchen 
und  die  Bazillen  des  Smegmas. 

Verfa  sser  prüfte  die  von  Petri,  M  ö  1 1  e  r,  G  r  a  s  s  b  erge  r, 
Uiihiuo  w  i  t  s  e  li  u.  s  .w.  gefundenen  tuberkelähnlichen  Organis¬ 
men  nach.  Dabei  züchtete  er  aus  den  Schwarten  eines  mit  Butter 
intra peritoneal  geimpften  Meerschweinchens  eine  Bakterienart, 
welche  auf  gewöhnlichen  fettfreien  Nährböden  nicht  säure¬ 
fest  war.  Merkwürdigerweise  erhielt  dieselbe  Säurefestig- 
k  e  i  t.  als  sie  auf  Rinderfett-,  Schweinfett-,  Hammeltalg-,  Butter-, 
Olivenöl-,  Lanolin-  und  Leinölagar  gezüchtet  wurde.  Die  Kultur 
auf  Leinöl-  und  Olivenölagar  besass  geringere  Säure¬ 
festigkeit. 

Bei  der  Untersuchung  von  18  SmegmaprQ-ben  fanden  sich 
10  mal  Stäbchen,  welche  ebenfalls  auf  Lanolinnährboden 
säure-  und  resp.  alkoholfest  wurden.  Diese  Bakterien,  welche  vom 
P  s  e  u  d  o  diphtheriebakteriu  m  nur  durch  die  ebenge¬ 
nannte  Eigentümlichkeit  und  durch  ihr  blattartiges  Wachs¬ 
tum  abweichen,  werden  möglicherweise  für  die  echten 
Smeg  m  abazille  n  gehalten. 

3)  Schmidt:  Die  Bestimmung  des  Rohrzuckers  in  ge¬ 
zuckerten  Früchten. 

4)  Fischer:  Beiträge  zur  Kenntnis  über  die  im  Handel 
befindlichen  Zündwaaren  und  über  ihre  Untersuchung. 

Die  Arbeit  befasst  sich  mit  der  Ausarbeitung  von  Unter¬ 
suchungsmethoden  für  die  Zündwaren  ohne  w  e  i  s  s  e  n 
Phosphor,  Z  ü  n  d  w  a  r  e  n  mit  weissem  Phosphor  und 
Z  ii  n  d  w  a  reu  o  li  ne  l’hos  p  h  o  r.  Neben  der  qualitativen  und 
quantitativen  Bestimmung  der  chemischen  Bestandteile  werden 
in  die  Untersuchung  auch  die  Bestimmung  des  Verhaltens  der 
Zündhölzer  gegen  Feuchtigkeit,  die  Entzündungstemperatur  und 
das  Verhalten  der  Zündhölzer  gegen  Schlag  und  Stoss  mit  ein¬ 
bezogen. 

5)  W.  Busse:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Dammarharze. 

0)  S  c  li  m  i  d  t :  Beiträge  zur  Zuckerbestimmung  nach  An¬ 
lage  B  und  E  der  Ausführungsbestimmungen  zum  Zuckersteuer¬ 
gesetz. 

In  dieser  Arbeit  sind  Vorschriften  ausgearbeitet  für  die  Be¬ 
stimmung  des  Zuckers  in  C  h  o  k  o  1  a  d  e,  Karamelle  n  und 
Bonbons,  Raf  f  inadezeltchen,  Dessertbonbons, 
M  arzipa u  s,  Kakes,  Sch  a  u  m  w  a  r  e  n,  verz  u ckerte 
F  r  ii  chte  und  kondensierte  Milch. 

7)  Mitteilungen  aus  den  deutschen  Schutzgebieten. 

Die  Mitteilungen  umfassen  die  ausführlichen  Zusammenstel¬ 
lungen  der  Sanitätsverhältnisse  im  Berichtjahr  1899  und  1900  für 
Deutsch.- Ostafrika,  Iv  a  nr  e  r  u  n,  S  en  a  gaflussge- 
b  i  e  t,  Togo,  Deutsch-Süd  westafrika,  Marshall¬ 
inseln,  Neu-Guinea,  Karolinen,  Marianen  und 
Y  a  p. 

8)  G  ii  n  t  li  e  r:  Chemische  Untersuchung  eines  neuen  im 
Handel  befindlichen  „Dauerwurstsalzes  Borolin“  und  eines 
„Dauerwurstgewürzes“. 

Die  chemische  Zusammensetzung  dieser  beiden  Präparate  war 
fast  dieselbe,  nur  waren  in  letzterem  noch  Pfefferkörner  und  zer- 
stossener  Pfeffer  vorhanden.  Beide  Präparate  enthielten  Bor- 
s  ä  u  r  e  und  sehr  viel  Zuc  k  e  r,  das  Dauerwurstsalz  auch 
Borax.  Nach  dem  Bundesratsbeschluss  vom  18.  Februar  1902 
sind  beide  Salze  verboten.  It.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  41. 

1)  R.  Breuer- Wien:  Zur  Technik  der  Leukocytenzählung. 

Verf.  gibt  hierzu  eine  neue  Einteilung  der  Zählkammer  an, 

welche  aus  9  qmm  besteht,  welche  in  Rechtecke  eingeteilt  sind 
(cf.  Abbildung  im  Original,  wo  auch  die  für  die  Zählung  nötige 
Berechnung  angegeben  ist). 

2)  A.  B  u  s  e  h  k  e  -  Berlin:  Ueber  Skierödem. 

Bei  einem  sonst  kräftigen  und  gesunden  46  jähr.  Mann  trat, 
vielleicht  im  Anschluss  an  einen  Influenzaanfall,  ein  aussemi’d ent¬ 
lieh  pralles  und  tiefsitzendes  Oedeiq  am  Nacken,  Rücken,  Kopf, 
Kinn,  Gesicht  und  den  Oberarmen  auf,  das  im  Verlaufe  von 
2  Jahren  sich  grösstenteils  zurückbildete,  ohne  dass  in  der  er¬ 
krankt  gewesenen  Haut  wahrnehmbare  Veränderungen  zurück¬ 
blieben;  nur  im  Gesicht  blieb  eine  dauernde  Verdickung  der  tie¬ 
feren  Schichten  der  Haut,  ohne  dass  in  den  oberflächlichen  Schich¬ 
ten  sich  Veränderungen  entwickelt  hätten.  Diese  Umstände 
trennen  den  Fall  von  der  Sklerodermie,  mit  welcher  er  sonst 
einige  Aehnlichkeit  besitzt.  Möglicherweise  handelt  es  sich  hier 
um  eine  diffuse  Lympligefässerkrankung. 

3)  C.  Frhr.  v.  Schüler-  Gelsenkirchen:  Erfahrungen  über 
die  medikamentöse  Behandlung  des  Typhus  abdominalis  mit 
Laktophenin  in  450  Fällen. 

Da  bei  den  Kranken  eine  regelrechte  Bädertherapie  nicht 
durchgeführt  werden  konnte,  verwendete  Verf.  konsequent  das 
Laktophenin  und  sah  nach  Darreichung  von  1  g  ein  Sinken  des 
Fiebers  um  2  bis  sogar  4  Grad,  wobei  der  Wiederanstieg  in  einigen 
Fällen  unter  Schüttelfrost  erfolgte.  Der  Puls  zeigte  in  keinem 
Falle  eine  Verschlechterung.  Günstig  beeinflusst  wurde  nament¬ 
lich  der  Zustand  des  Zentralnervensystems,  indem  die  aufgeregten 
Kranken  ausnahmslos  beruhigt  wurden  und  das  Sensorium  freier 
wurde.  Auf  periphere  nervöse  Schmerzen  schien  keine  Wirkung 
durch  das  Laktophenin  einzutreten.  Dagegen  wurde  der  Magen¬ 
darmkanal  günstig  beeinflusst,  indem  die  Symptome  der  Darm¬ 


fäulnis  eingeschränkt  wurden  und  eine  frühzeitige  lle'bung  d.  s 
Appetitgefiihh’S  sich  bemerkbar  machte.  Letztere  Wirkung  wird 
auf  die  Abspaltung  von  Milchsäure  aus  denn  Laktophenin  zurück¬ 
geführt.  Auch  eine  abführende  Wirkung  des  Laktophenins  war 
zu  bemerken,  lieble  Nebenwirkungen  kamen  nicht  zur  Beobach¬ 
tung.  Die  Tagesdosis  betrug  3  g.  Ein  spezifischer  Einfluss  des 
Laktophenins  auf  den  Verlauf  der  Erkrankung  war  nicht  zu  kon¬ 
statieren.  Die  Mortalität  betrug  ca.  10  Proz. 

4)  G.  L  e  v  i  n  s  o  h  n  -  Berlin:  Ueber  die  Ursachen  des  pri¬ 
mären  Glaukoms.  (Schluss  folgt.)  Grassm  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  41. 

1)  L.  M  i  c  h  a  e  1  i  s  -  Berlin:  Untersuchungen  über  Eiweiss¬ 
präzipitine. 

Zugleich  ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Eiweissverdauung. 
Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin  am  24.  März 
1902  gehaltenen  Vortrag,  als  erste  Mitteilung  einer  mit  Dr.  Carl 
Oppenheimer  gemeinsam  begonnenen  Arbeit. 

Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschrift,  No.  13,  pag.  540. 

2)  G.  A  s  c  0  1  i  -  Genua:  Ueber  hämolytisches  Blutplasma. 

Das  Ergebnis  seiner  Beobachtungen  fasst  A.  in  folgender 

Weise  zusammen: 

1.  Dem  Plasma  sind  dieselben  hämolytischen  Eigenschaften 
eigen,  die  an  entsprechenden  Serumarten  in  vitro  und  in  vivo 
nachgewiesen  sind. 

2.  Diese  Wirkung  tritt  unter  Umständen  zutage,  durch  welche 
das  Eingreifen  osmotischer  Faktoren  ausgeschlossen  ist.  —  In  An¬ 
betracht  der  vollkommenen  Analogie  der  in  Frage  kommenden 
Vorgänge  erscheint  demnach  die  Annahme  unhaltbar,  dass  die 
hämo-  und  bakteriolytischen  Wirkungen  von  Immun-  und  Normal¬ 
seris  auf  einer  Plasmolyse  oder  Plasmoptyse  infolge  veränderter 
osmotischer  Verhältnisse  bei  Uebertragung  in  Freunds  Serum 
beruhen. 

3.  Soweit  durch  die  an  lytischen  Seris  ausgeführten  Beob¬ 
achtungen  die  Annahme  gestützt  erscheint,  dass  iln*e  spezifische 
Wirkung  auf  einem  Zusammenwirken  zweier  Substanzen  —  sen- 
sibilisante  und  Alexin,  Zwischenkörper  und  Komplement  —  be¬ 
ruht.  müssen  wir  auch  annehmen,  dass  dieselben  bereits  im  un¬ 
veränderten  Plasma  vorhanden  und  dass  Gerinnung,  Leukolyse 
und  postmortale  Vorgänge  für  dieselben  nicht  von  genetischer 
Bedeutung  sind. 

3)  B  ö  n  n  i  n  g  e  r  -  Giessen:  Zum  Nachweis  der  Milchsäure 
im  Magensaft. 

Gestützt  auf  verschiedentlich  angestellte  Versuche  betreff  der 
zurzeit  noch  strittigen  Frage  des  Nachweises  der  Milchsäure  modi¬ 
fiziert  Verf.  die  bisher  geltenden  Anschauungen  dahin:  Deutliche 
Eisenchloridreaktion  bei  Probefrühstück  beweist  Milchsäure- 
gälirung,  ebenso  starke  Reaktion  in  dem  Morgens  nüchtern 
Ausgeheberten  bei  motorischer  Insuffizienz.  Die  Probemahlzeit  ist 
für  den  Milchsäurenachweis  nicht  zu  verwerten.  Bei  guter  Mo¬ 
tilität  und  Verdacht  auf  Milclisäuregährung  ist  eine  Mehlsuppe 
zu  geben  und  nach  2 — 2  >/3  Stunden  auszuhebern,  wenn  das  I’robe- 
frühstück  keine  deutlich  positive  Reaktion  gibt. 

4)  M.  J.  R  o  s  t  o  w  z  e  w  -  St.  Petersburg:  Ein  Fall  von  hoch¬ 
gradiger  eystischer  Erweiterung  des  Ductus  choledochus. 
(Schluss  folgt.) 

5)  E.  Wormser-Basel:  Ueber  Hautgangrän  nach  sub¬ 
kutaner  Infusion. 

Kasuistische  Mitteilung. 

0)  F.  K  a  1  i  s  k  i  -  Breslau:  Ein  Beitrag  zur  Pentosurie. 

Verf.  resümiert  seine  Ausführungen  dahin,  dass  man  sich  be¬ 
hufs  Entscheidung  der  Frage,  ob  eine  Pentose  oder  eine  Dextrose 
vorliegt,  nicht  mit  der  Gährungsprobe  allein  begnügen  soll,  son¬ 
dern  zur  Diagnose  der  Pentosurie  die  Phlorogluzinsalzsäure  oder 
die  Orcinprobe  vornehmen  soll.  Besonders  geeignet  für  den  Prak¬ 
tiker  ist  die  von  B  i  a  1  vorgeschlagene  Modifikation  der  Orcinprobe 
(Deutsche  med.  Wochenschr.,  No.  25),  die  sich  in  wenigen  Mi¬ 
nuten  ausführen  lässt.  Durch  die  von  Verf.  angegebene  Extrak¬ 
tion  der  lauwarmen  Urinlösung  mit  Aether  gewinnt  die  Reaktion 
noch  ganz  besonders  an  Deutlichkeit. 

7)  v.  K  a  r  w  a  t  -  Strasburg  i/Pr.:  Ein  Fall  von  Uterusruptur 
intra  partum  mit  Netz  Vorfall  durch  Laparotomie  geheilt. 

8)  F.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  -  Berlin:  Atrabilin  in  der  Urologie. 

Mitteilung  erfolgreicher  Anwendung  des  Nebennierenextrak¬ 
tes,  welcher  bisher  hauptsächlich  in  der  rliinologischen  und 
oplithalmologischen  Praxis  sich  Eingang  verschafft  hat  und  der 
von  den  verschiedenen  Autoren  in  seiner  Wirksamkeit  überein¬ 
stimmend  gelobt  wird,  auch  in  einigen  Fällen  in  der  Urologie  (bei 
Blasen-  und  Prostataerkrankung.)  —  Auch  prophylaktisch  gegen 
Blutungen,  wie  sie  gelegentlich  beim  Bougieren  oder  bei  der  Endo¬ 
skopie  besonders  der  hinteren  Harnröhre  auftreten,  mit  Einspritz¬ 
ungen  von  10  ccm  einer  25  proz.  Lösung. 

9)  K.  K  ü  s  t  e  r  -  Berlin:  Zur  Verhinderung  des  Schnarchens. 

10)  Asyl  a  n  d  e  r:  Zur  sozialen  Lage  des  Aerztestandes. 

NI.  L  a  c  li  e  r. 

Berichtigung:  In  dem  Referat  über  No. 39  der  D.med.W. 
muss  es  bei  Artikel  4:  Ebstein:  Nochmals  die  Tastperkussion, 
heissen:  E.  verteidigt  seine  Methode  gegen  die  Kritik  von  E.  Bälz 
(Sammelreferat  von  A.  Hesse  in  den  Fortschritten  der  Medizin 
1902,  No.  19).  F.  L. 


21.  Oktober  1902. 


MUENCITENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  41.  1)  r.  Mos  er -Wien:  Heber  die  Behandlung1  des 

Scharlachs  mit  einem  Scharlachstreptokokkenserum. 

Yergl.  hierüber  die  Berichte  der  Münch,  med.  Woclienschr. 
über  die  diesjährige  Naturforscherversanimlurig  in  Karlsbad,  spe¬ 
ziell  die  Sitzung  der  Abteilung  für  Kinderheilkunde  am  22  Sep¬ 
tember  1902  (S.  1730). 

2)  S.  G  o  1  d  li  e  r-  Wien:  Beitrag  zur  Diagnostik  und  Häufig¬ 
keit  des  kongenitalen  Leistenbruches. 

Verf.  hat  seine  Befunde  an  800  nach  der  Methode  von 
B  a  s  s  i  n  i  Operierten  erhoben.  Seine  Ausführungen  bezwecken 
den  Nachweis,  dass  es  viel  mehr  kongenitale  Hernien  gibt  als 
meist  angenommen  wird.  Zunächst  stellt  er  die  Merkmale  zu¬ 
sammen,  welche  nach  der  Ansicht  der  Autoren  für  die  Diagnose 
eines  angeborenen  Bruches  massgebend  sind,  und  betont,  dass  der 
Befund  bei  der  Operation  nicht  immer  einen  sicheren  Anhalts¬ 
punkt  dafür  liefert,  ob  man  es  mit  einem  kongenitalen  Bruche  zu 
tun  hat.  An  seinem  grossen  Material  prüfte  G.  besonders  das 
Merkmal  des  subserösen  Lipoms,  sowie  das  Verhalten  des  M.  cre- 
master  auf  ihre  diagnostische  Stichhaltigkeit.  In  den  meisten 
Fällen  der  Vorgefundenen  subserösen  Lipome  bestanden  daneben 
noch  andere  Anzeichen  des  kongenitalen  Charakters  der  Hernie. 
Für  letzteren  erwies  sich  auch  der  gut  entwickelt  vorhandene 
Kremaster  als  beweiskräftig.  Mit  Rücksicht  auf  den  Befund  bei 
8  Fällen  glaubt  Verf.,  dass  das  gleichzeitige  Nebeneinanderbestehen 
einer  Hernia  directa  und  obliqua  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit 
für  kongenitale  Anlage  spricht.  Nach  seinen  Kriterien  fand  Verf. 
bei  Männern  in  53  Proz.,  bei  Frauen  in  56  Proz.  kongenitale  An¬ 
lage  des  operierten  Bruches,  trotzdem  der  anatomische  Befund 
keine  Anhaltspunkte  für  kongenitale  Verhältnisse  ergab.  Aus 
alledem  glaubt  Verf.  zu  der  eingangs  erwähnten  Folgerung  berech¬ 
tigt  zu  sein. 

3)  I.  J.  Sternberg  -  Wien:  Zur  Kenntnis  der  Brachy- 
daktylie. 

Mitteilung  und  eingehende  Beschreibung  zweier  Fälle.  Im 
ersten  derselben  bestand  bei  dem  24jähr.  Mädchen  eine  sym¬ 
metrische  Verkürzung  der  beiden  Mittelfinger,  bei  sonst  ganz  nor¬ 
malen  Knochenverhältnissen.  Die  Verkürzung  der  betroffenen 
Finger  beruhte  auf  einer  Verkürzung  der  Metakarpalknochen,  wie 
bei  der  Durchleuchtung  sich  mit  Sicherheit  nachweisen  liess.  Nach 
Anführung  der  einschlägigen  Kasuistik  kritisiert  Verf.  an  der 
Hand  seines  Falles  die  von  Klimm  eil  über  die  Entstehung  der¬ 
artiger  Missbildungen  gegebene  Erklärung,  mit  dem  Schlüsse,  dass 
für  die  vorliegende  Beobachtung  eine  klare  Pathogenese  nicht 
formuliert  werden  könne;  speziell  kann  der  Einfluss  eines  voraus¬ 
gegangenen  Traumas  nicht  abgeschätzt  werden.  Die  Missbildung 
kann  in  diesem  Falle  überhaupt  nicht  als  kongenital  gefasst  wer¬ 
den,  sondern  ist  erst  im  Kindesalter,  vielleicht  aus  einer  embryo¬ 
nalen  Anlage  heraus,  entstanden.  Im  zweiten  Falle  handelt  es 
sich  um  Verkürzung  des  5.  Mittelhandknochens. 

4)  L.  Hof  bauer-Wien:  Rekurrenslähmung  bei  Mitral¬ 
stenose.  !  |]  ;j 

Bei  einem  32  jähr.  Hilfsarbeiter  fanden  sich  die  Erscheinungen 
der  Mitralstenose,  zu  gleicher  Zeit  Heiserkeit,  als  deren  Ursache 
eine  linksseitige  Rekurrenslähmung  festgestellt  wurde.  Ein  Media¬ 
stinaltumor  konnte  ausgeschlossen  werden.  Zur  Erklärung  der 
Nervenlähmung  nimmt  Verf.  nicht  in  Anlehnung  an  2  frühere  Fälle 
an,  dass  durch  den  stark  ausgedehnten  rechten  Vorhof  der  Nerv 
stark  an  die  Aorta  gedrückt  und  dadurch  geschädigt  werde,  son¬ 
dern  dass  die  Schädigung  erfolge  durch  die  Kreuzung  und  Läh¬ 
mung  des  N.  recurrens  am  Ligament.  Botalli.  Der  Fall  bot  noch 
das  Besondere,  dass  die  vorhandene  Heiserkeit  eine  Abnahme  er¬ 
fuhr,  sobald  der  Kranke  Rechts-  oder  Rückenlage  einnahm. 

5)  F.  Rode- Wien:  Ueber  einige  Fälle  von  traumatischen 
Abszessen  der  Nasenscheidewand. 

Nach  allgemeiner  Schilderung  des  Krankheitsbildes  der  übri¬ 
gens  recht  seltenen  Affektion  bespricht  Verf.  besonders  die  Rolle 
des  Traumas  für  die  Aetiologie  derselben.  Soll  durch  ein  solches 
eine  zum  Abszess  führende  Schädigung  der  Nase  eintreten,  so  darf 
die  einwirkende  Kraft  nicht  zu  bedeutend  sein,  da  sonst  eine 
Fraktur  erfolgt,  ferner  muss  sie  einen  ganz  bestimmten  Bezirk  der 
Nase  treffen,  nämlich  den  fixen  Teil  des  kartilaginösen  Septums. 
Verf.  gibt  die  Krankheitsgeschichte  von  5  derartigen  Fällen,  welche 
an  der  Klinik  von  G  li  i  a  r  i  beobachtet  wurden.  In  allen  Fällen 
wurde  eine  Perforation  des  Knorpels  durch  den  entstandenen 
Abszess  nachgewiesen,  der  Abszess  selbst  durch  Inzision  behan¬ 
delt,  worauf  immer  Heilung  eintrat.  Die  von  den  Autoren  unter 
den  auftretenden  Erscheinungen  aufgeführte  Nasenverstopfung 
tritt  nach  den  an  diesen  Fällen  gemachten  Beobachtungen  nicht 
schon  so  frühzeitig  ein.  wie  gewöhnlich  angegeben  wird,  sondern 
erst  nach  3 — 7  Tagen.  Bei  der  Inzision  der  Abszesse  fiel  auf,  dass 
die  Bepinselung  der  betreffenden  Stelle  mit  20  proz.  Kokainlösung 
nicht  ausreichte,  um  sie  unempfindlich  zu  machen,  weshalb  es  sich 
empfehlen  dürfte,  eine  1  proz.  Eukainlösung  in  die  Abszesshöhle 
z.u  injizieren.  Grassmann  - München. 

Französische  Literatur. 

G.  Carriöre  -  Lille:  Einige  Fälle  von  Angina  mit  dem 
Tetragenus.  (Revue  de  medecine,  Juni  1902.) 

G.  führt  hier  sowohl  die  sekundär  durch  den  Tetragenus  ent¬ 
standenen  (von  Dieulafoy  und  A  p  e  r  t  beobachteten)  als  auch 


1765 


die  primären  Fälle  von  Angina  auf,  von  welch  letzteren  (11  im 
ganzen)  7  seiner  eigenen  Beobachtung  entstammen.  Die  letzteren 
kamen  im  Alter  von  3 — 12  Jahren  vor,  beim  Säugling  wurden  sie 
bis  jetzt  nicht  beobachtet;  beide  Geschlechter  waren  gleichmässig 
affiziert.  Alle  Fälle  entstanden,  während  die  Atmosphäre  ausser¬ 
ordentlich  feucht  war  (gegen  Ende  des  Herbstes).  Was  die  bak¬ 
teriologische  Untersuchung  betrifft,  so  färbt  sich  der  im  Rachen 
der  Kranken  gefundene  Tetragenus  leicht  mit  Karbolsäure-Tliioniu 
und  allen  basischen  Anilinfarben,  ebenso  nach  Gram.  In  kli¬ 
nischer  Beziehung  unterscheidet  C.  2  Arten  von  Angina,  welche 
durch  den  Tetragenus  verursacht  werden:  1.  den  Typus  mit  Röte 
und  Eiterung  und  2.  jenen  mit  Eiterung  und  diphtherieartigem 
Belag.  Ersterer  beginnt  plötzlich  mit  Magenstörungen,  Fieber. 
Schluckbeschwerden;  die  Tonsillen  sind  geschwollen,  der  Rachen 
lebhaft  rot,  rasch  erscheinen  kleine  eitrige  Herdehen:  ausgespro¬ 
chene  Drüsenschwellung.  Die  Angina  ist  nach  3  Tagen  zu  Ende 
und  es  bleibt  nur  die  submaxillare  Drüsenschwellung,  die  Hyper¬ 
trophie  der  Mandeln,  Tachykardie  und  Anämie.  Bei  der  zweiten 
Form  ist  der  Beginn  ebenfalls  ein  brüsker,  mit  rasch  ansteigendem 
Fieber;  es  ist  eine  heftige  Angina  mit  weissliehen,  resistenten 
Pseudomebranen  vorhanden,  letztere  stossen  sich  bald  ab  und  nach 
3  Tagen  ist  nur  mehr  eine  diffuse  Röte  des  Rachens  vorhanden 
und,  ebenso  wie  oben,  Drüsenschwellung,  Tachykardie  und  An¬ 
ämie.  Die  Differentialdiagnose  von  der  rein  diphtlieritisehen  An¬ 
gina,  ebenso  wie  von  der  Pseudodiphtherie,  welche  durch  Strepto- 
und  Staphylokokken  hervorgerufen  wird,  ist  nur  mikroskopisch 
zu  stellen.  Die  P  r  o  g  n  o  s  e  der  Tetragenusangina  ist  eine  durch¬ 
aus  günstige,  in  3 — 4  Tagen  ist  alles  vorüber  und  niemals  traten 
schlimme  Folgen  ein,  mag  sie  primärer  oder  sekundärer  Natur 
gewesen  sein.  Die  Behandlung,  welche  C.  einleitete,  bestand  da¬ 
rin:  1.  die  Nase  mit  Mentholöl  (1:50)  —  6  Tropfen  4  mal  täglich  — 
zu  desinfizieren,  2.  Asepsis  und  Antisepsis  von  Mund  und  Rachen 
(Gurgeln,  Pinseln  mit  Na-carbon.  1:100,  mit  Sauerstoff wasser), 
3.  ein  Brechmittel  am  ersten  Tage  zu  geben,  dann  flüssige  Diät 
und  4.  während  der  Rekonvaleszenz  stärkende  Mittel,  wie  Leber¬ 
tran  u.  s.  w. 

( ’h.  F  e  r  e  und  M.  Francillon:  Ueber  die  Häufigkeit 
der  Retraktion  der  Aponeurosis  palmaris  bei  Geisteskranken. 
(Ibidem.) 

Dieser  Zustand  kam  bei  allgemeiner  Paralyse  zur  Beobach¬ 
tung,  und  seit  dem  Jahre  1887  hat  man  6  Fälle  von  bilateraler  und 

1  Fall  von  einseitiger  Retraktion  gesammelt;  bei  allen  Kranken 
hatte  die  Aftektion  der  Hände  begonnen,  bevor  deutliche  Zeichen 
der  Geisteskrankheit  sich  eingestellt  haben.  Nach  den  8  Fällen, 
welche  \  erfasset’  hier  beschrieben,  ist  die  Retraktion  der  Pal- 
mara poneürose  häufiger  bei  chronischem  Delirium  —  in  5  von 
35  Fällen  — ,  während  bei  38  Paralytikern  nur  2  mal  dieser  Zu¬ 
stand  getroffen  wurde.  Auch  in  anderen  Fällen  von  Geistes¬ 
krankheit,  bei  Dementia  senilis,  bei  Imbeeillitas  fanden  Verfasser 
die  Retraktion  der  Aponeurosis  palmaris,  welche,  der  Narben¬ 
kontraktion  ähnlich  (s.  Abbildung)  durch  ihr  symmetrisches  Auf¬ 
treten  auf  eine  trophoneurotisehe  Störung  schliessen  lässt.  Ver¬ 
fasser  fanden  im  ganzen  unter  226  Geisteskranken  14  mal  diesen 
Zustand,  d.  i.  in  einer  Proportion  von  6.19  Proz.  Diese  Verhältnis- 
zahl  ist  eine  etwas  höhere  wie  die  bei  allgemeiner  Paralyse  allein 
(5.16  Proz.)  gefundene.  Daraus,  dass  diese  Sehnenretraktion  vor 
dem  Auftreten  der  trophischen,  der  Paralyse  eigentümlichen 
Störungen  sich  einstellt,  schliessen  Verfasser,  dass  sie  bei  dieser, 
ebenso  wie  bei  anderen  Geisteskrankheiten,  auf  einen  angeborenen 
anatomischen  Defekt  zurückzuführen  ist. 

Georges  Rosenthal:  Die  kontinuierliche  pseudolobäre 
Bronchopneumonie.  (Ibidem.) 

Ebenso  wie  der  Streptokokkus  erysipelatis  verschiedenartige 
klinische  Erscheinungen  verursachen  kann,  ebenso  kann  der 
Enterokokkus,  dessen  Chemismus  mit  jenem  des  Bakterium  coli 
verwandt  ist,  den  Respirationsapparat  befallen  und  eine  gewöhn¬ 
liche  Bronchitis  oder  Bronchopneumonie  verursachen.  Die  4  Fälle 
dieser  Art,  welche  R.  beobachtete,  betrafen  alle  Erwachsene,  bei 
welchen  Darmstörungen,  zuweilen  heftige  Diarrhöe  mit  Inkonti¬ 
nenz  vorausgegangen  waren.  Der  Beginn  der  Lungenaffektion 
drückt  sich  durch  Schwäche,  Appetitlosigkeit,  Brustschmerzen, 
Fieber  aus.  Dasselbe  nimmt  zu,  der  Husten  wird  schmerzhaft,  der 
Auswurf  schleimig-eitrig.  Die  Auskultation  konstatiert  eine  all 
gemeine  Bronchitis,  kompliziert  mit  bi’oncho-pneumonischen  Her¬ 
den,  welche  entweder  an  der  Basis  oder  an  der  Spitze  oder  unter 
der  Achselhöhle  sitzen.  Die  physikalischen  Zeichen  können  sich 
bessern,  aber  an  einigen  Stellen  bleiben  noch  Rhonchi  und  Rassel¬ 
geräusche,  matter  Schall  bei  der  Perkussion,  kurz  alle  Zeichen 
einer  Lungenhepatisation,  welche  auf  einen  Lappen  oder  auf  eine 
Lungenpartie  begrenzt  ist;  dieser  Zustand  kann  Wochen  und 
Monate  hindurch  stationär  bleiben,  analog  einem  ähnlichen  Sta 
dium  bei  Typhus  —  daher  der  Ausdruck  kontinuierlich.  Der  Aus 
wurf,  die  Punktion  der  Lungen  und  die  Präparate  nach  der 
Autopsie  haben  in  2  Fällen  den  reinen  Enterokokkus  und  in  den 

2  anderen  den  Enterokokkus  mit  dem  Kokkobazillus  assoziiert 
ergeben.  Die  Prognose  dieser  Bronchopneumonie  muss  als  eine 
schlechte  angesehen  werden,  da  von  den  4  Fällen  2  tödlich  endeten, 
in  den  beiden  handelte  es  sich  um  oben  genannte  Mischinfektion. 
Differentialdiagnostisch  ist  es  wichtig,  anfangs  Typhus  und 
während  des  Verlaufs  der  Krankheit  tuberkulöse  Broncho¬ 
pneumonie  auszuschalten.  Bei  allen  4  Patienten  handelte  es  sich 
übrigens  um  einen  geschwächten  Organismus  (ITeberarbeitung, 
Diabetes),  bei  zweien  davon  noch  um  Alkoholiker.  Die  Kenntnis 
dieser  schweren  Form  von  Enterokokkenpneumonie  ist  für  Ver¬ 
fasser  ein  Antrieb,  ein  spezifisches  Mittel  gegen  den  Enterokokkus, 


1766 


MIJEN CilEXEJi  MEDIClNiSCHE  WüCHENSClIKl  ET. 


No.  42. 


vielleicht  ein  Antienterokokkenserum,  zu  suchen,  welches  man 
allein  oder  vermischt  mit  dem  gegen  den  Kokkohazillus  wirk¬ 
samen  Serum  anwenden  müsste. 

A.  Mos  so:  Die  Kartoffelkur  beim  Diabetes  mellitus  und 
dessen  Komplikationen.  (llevue  de  medecine,  Februar — April 
und  Juli  11)02.) 

Der  Schluss,  welchen  M.  aus  seinen  äusserst  ileissigen.  um¬ 
fangreichen  rutersuchungen  zieht,  ist.  dass  die  Anwendung  der 
Kartoffel  als  Nahrungsmittel  beim  Diabetes  und  dessen  chirur¬ 
gischen  Komplikationen  nicht  nur  unschädlich,  sondern  sehr  vor¬ 
teilhaft  ist.  Durch  die  neuen  hier  beigebrachten  Beweise  sind 
sogar  der  Heilkraft  der  Kartoffelkur  beim  Diabetes  und  die 
Theorie,  welche  M.  über  diese  Heilwirkung  schon  früher  aufge¬ 
stellt  hat,  wonach  es  sich  bei  den  Kartoffeln  um  eine  ähnliche 
Wirkung  wie  bei  den  alkalischen  Mineralwässern  handelt,  be¬ 
stätigt.  Bei  den  Kartoffeln,  welche  vollständig  als  Ersatz  für  Brot, 
natürlich  je  nach  der  Toleranz  des  Patienten,  zu  geben  sind,  ist 
das  wirksame  Alkali  Kalium,  welches  in  vieler  Beziehung  bei  den 
saueren  Diatliesen  und  den  in  verlangsamter  Ernährung  bestehen¬ 
den  Krankheiten  dem  Natrium  vorzuziehen  sei.  Die  Einzelheiten 
über  Indikationen  und  Gegenindikationen  der  Kartoffelkur,  über 
die  verschiedenen  Zubereitungsarten  (Kartoffelbrot)  u.  s.  w.  sind 
im  Original  nachzusehen. 

Bertrand:  Einige  Betrachtungen  über  den  Mechanismus 
der  intestinalen  Infektion  bei  der  Dysenterie.  (Revue  de  me¬ 
decine,  Juli  1902.) 

B.  hält  daran  fest,  dass  die  Dysenterie  durch  mehrere 
Mikrobenarten  und  deren  Assoziation  zu  stände  kommt;  dies  ist 
zu  beweisen  durch  das  Aussehen  der  Stühle,  durch  die  Mikrobio¬ 
logie  der  lveberabszes.se  (Staphylokokken,  Streptokokken,  Proteus, 
Bac.  coli  u.  s.  w.)  und  auch  durch  die  bei  Dysenterie  vorkommen¬ 
den  Arthropathien.  Der  weitere  Mechanismus  ist  vermehrte  Viru¬ 
lenz  der  Mikroorganismen  im  Darme  (Vas  dose),  ebenso  wie  es 
(nach  I)  i  e  u  1  a  f  o  y)  bei  der  Appendizitis  der  Fall  ist.  Thera¬ 
peutisch  ist  daher  bei  Dysenterie  die  Anwendung  von  Opium,  von 
Adstringentien  u.  ä.  vollständig  zu  verwerfen,  sondern  der  einzig 
rationelle  und  zweckmässige  Weg  ist  ergiebige  Evakuation. 

Henri  F  r  enkel:  Die  rythmischen  Kopfbewegungen 
(M  u  s  s  e  t  sches  Zeichen)  bei  Aortenaffektion  und  bei  gesunden. 
Personen.  (Ibidem.) 

Fr.  hält  im  Gegensatz  zu  Valentine  (s.  diese  Wochen¬ 
schrift  No.  35,  S.  1174)  daran  fest,  dass  in  seinem  Falle  von  Pleu¬ 
ritis  das  Müsset  sehe  Zeichen  ohne  irgend  welche  Affektion  der 
Aorta  vorhanden  ist,  ferner  bringt  er  den  Beweis,  dass  auch  bei 
ganz  gesunden  Personen  dasselbe  Vorkommen  kann.  Er  schliesst 
daraus,  was  diese  Kopfbewegungen  bei  Kranken  mit  Aortenin¬ 
suffizienz  u.  s.  w.  und  bei  manchen  gesunden  Personen  sichtbar 
mache,  sei  nicht  diese  oder  jene  Erkrankung  des  Herz-Gefäss- 
systems,  sondern  die  Energie  des  Herzschlages,  die  in  den  Fällen 
mit  arterieller  Hypertension  und  zumal,  wenn  noch  Hypertrophie 
des  linken  Ventrikels  damit  verbunden,  besonders  ausgeprägt 
sei.  Aber  weder  letztere,  noch  die  übermässige  Spannung  im 
Arteriensystem  sind  absolut  notwendige  Bedingungen,  wie  Fr.  bei 
mehreren  gesunden  Personen  vermittels  der  graphischen  Methode 
und  selbst  mit.  blossem  Auge  konstatiert  hat. 

I*  o  ula  in;  Der  Einfluss  der  Lymphdrüsen  auf  die  Ab¬ 
sorption  und  Resorption  des  Fettes.  (Revue  mensuelle  des  rua- 
ladies  de  l'enfance,  Juli  1902.) 

Diese  aus  dem  Laboratorium  von  Prof.  Hutinel  kommende 
Arbeit  beschäftigt  sich  in  ihrem  ersten  Teile  mit  dem  physio¬ 
logischen  Zustande  der  Lymphdrüseu;  dieselben  sind  demnach  als 
Reservoire  für  die  Fettsubstanzen  oder  noch  besser  als  Organe 
aufzufassen,  welche  dieselben  sezernieren.  In  den  Drüsen  wird  ein 
fetthildendes  Ferment  abgesondert,  welches  eine  Rolle  bei  der  Ab¬ 
sorption  und  Resorption  spielt;  diese  Rolle  ist  vor  allem  eine  re¬ 
gulierende.  bestimmt,  gegen  die  Erschöpfung  anzukämpfen,  wenn 
die  Ernährung  ungenügend  wird,  und  im  Gegenteil  ein  Fett¬ 
rest  rvoir  anzulegen,  wenn  dieselbe  zu  reichlich  ist.  Von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  halten  die  Lymphdrüsen,  zugleich  mit  Leber 
und  Pankreas,  das  Gleichgewicht  der  Ernährung  aufrecht.  Im 
zweiten  Teile  der  Arbeit  wird  die  Pathologie,  besonders  bei  In¬ 
fektionen  besprochen.  Dieselben  vermindern  in  den  Lymph- 
territorien.  welche  den  kranken  Organen  entsprechen,  die  fett- 
bihlend  >  "Wirkung  der  Lymphdrüsen;  daraus  resultiert  speziell 
eine  rasche  Abmagerung  in  Fällen  von  Darminfektion.  Vielleicht 
kann  diese  Veränderung  der  Drüsen  auch  zu  den  ätiologischen 
Faktoren  der  Fettsucht  gerechnet  werden,  aber  sie  ist  jedenfalls 
unabhängig  von  der  sogen.  Steatose  des  Parenchyms.  Die  sub¬ 
kutane  Oelinjektion,  welche  einigermassen  günstig  bei  kachek- 
tischen  Tieren  wirkte,  hat  sich  übrigens  beim  kranken  Menschen 
als  ganz  unwirksam  erwiesen. 

V  e  r  g  e  1  y  -  Bordeaux:  Die  bei  Kindern  untertags  vorkom¬ 
menden  Halluzinationen.  (Ibidem.) 

Während  die  nächtlichen  Halluzinationen  im  Kindesalter 
schon  häufig  beobachtet  und  beschrieben  worden  sind,  ist  dies 
weniger  mit  den  bei  Tag  auftretenden  der  Fall,  welche  sich  nach 
V.  in  der  Konvaleszenz  mancher  Krankheiten  der  Unterleibsorgane 
einstellen.  Im  ersten  der  beiden  von  V.  beschriebenen  Fälle  han¬ 
delte  es  sich  um  Appendizitis  bei  einem  7  jährigen  Knaben,  nach 
deren  Ablauf  ausgesprochene  Gehörshalluzinationen,  im  zweiten 
um  Typhlokolitis  bei  einem  10  jährigen  Mädchen,  nach  deren 
Rückgang  Gesichtshalluzinationen  auftraten.  In  beiden  Fällen 
■waren  diese  nervösen  Störungen  besonders  ausgeprägt,  wenn  die 
Kinder  ermüdet  waren,  verliefen  jedoch  ohne  weitere  Folgen. 

F.  D  e  v  e;  Die  inneren  Gallenergüsse  infolge  Ruptur  von 
Hydatidcncysten  der  Leber  und  speziell  der  intraperitonale  Er¬ 


guss  von  Gallenfiiissigkeit  (Hydatidencholeperitonitis).  Revue  de 
Chirurgie,  Juli  1902.) 

Es  handelt  sich  in  diesen  Fällen  um  einen  direkten  Erguss 
von  Gallenfiiissigkeit  in  die  Bauchhöhle  im  Gegensatz  zu  der  in¬ 
direkten  Art  — -  Ascites  biliosus  — ,  wo  die  Galle  durch  die  Blut¬ 
hahn  in  das  Peritoneum  gelangt.  Auf  Grund  von  14  aus  der 
Literatur  gesammelten  Fällen,  welchen  sich  ein  selbst  beobachteter 
und  5  noch  späterhin  von  Alexinsky  publizierte  hinzugesellen, 
also  insgesamt  20  Fällen,  gibt  hier  D.  eine  genaue  Beschreibung 
dieser  Folgeerscheinung  der  Lebercysten,  deren  Symptomatologie, 
Verlauf,  pathologische  Anatomie,  Aetiologie  und  Behandlung.  Bei 
dieser  Choleperitonitis  handelt  es  sich  um  einen  Flüssigkeitserguss, 
der  im  allgemeinen  die  gesamte  Bauchhöhle  ausfüllt  und  bei 
welchem  man  alle  Symptome  des  gewöhnlichen  Aszites  findet;  zu¬ 
weilen  ist  jedoch  ein  abgesacktes  Exsudat  vorhanden.  Die  ge¬ 
wöhnlich  sehr  reichliche  Flüssigkeit  dehnt  die  Bauch  wände  aus, 
drängt  das  Zwerchfell  nach  oben  und  verursacht  eine  Atemnot, 
welche  früher  oder  später  die  Punktion  notwendig  macht.  Es  ist 
k  ein  I  k  t  erus  und  kein  F  i  e  b  e  r  vorhanden.  1  >er  Anfang 
der  Affektion  (Ruptur)  ist  ein  brüsker,  der  Schmerz  nimmt  aber 
rasch  ab,  um  nach  einigen  Stunden  ganz  verscim unden  zu  sein, 
der  Leib  wird  sehr  stark  aufgetrieben  —  zuweilen  schon  in 
24  Stunden  bis  einige  Tage.  Die  Flüssigkeitsmenge,  welche  man 
bei  der  Punktion  entleert,  beträgt  oft  8—10  Liter,  häufig  sind 
mehrere  Punktionen,  2,  3  —0,  nötig.  Die  Affektion  kann  mehrere 
Monate  hindurch  indolent  und  ohne  Fieber  verlaufen,  der  All¬ 
gemeinzustand  wird  jedoch  bald  ein  schlechter.  Magen-Darm¬ 
störungen  treten  auf  und  unter  dem  Bilde  der  Kachexie  stellt 
sich  letales  Ende  ein.  Nicht  immer  ist  dies  der  Fall,  sondern  die 
Gallenfistel  kann  sich  schliessen  und  spontan  ausheilen.  Von  den 
Komplikationen  kommen  besonders  in  Betracht  einerseits  die 
sekundäre  Echinokokkenbildung  im  Peritoneum,  andererseits  die 
Infektion  der  Cystentasche  und  dadurch  des  Bauchfells  —  2  der 
angeführten  Fälle,  wo  die  Infektion  in  8  resp.  14  Tagen  den  Tod 
herbeiführte,  sind  dafür  ein  Beispiel.  AVas  die  Aetiologie  des 
Gallenergusses  in  die  Bauchhöhle  betrifft,  so  erfolgte  die  Ruptur 
der  Cyste  unter  den  15  Fällen  7  mal  spontan,  4  mal  gelegentlich 
einer  besonderen  Anstrengung  und  1  mal  in  Folge  eines  Traumas; 
in  3  Fällen  war  die  Ursache  nicht  zu  ermitteln.  AVTas  die  D  i  a  - 
gnose  betrifft,  so  könnte  sie  sich  bei  vorher  erkannter  Leber¬ 
cyste  aus  dem  oben  beschriebenen  Verlauf  ergeben;  hat  die  Probe¬ 
punktion  das  Vorhandensein  von  Galleflüssigkeit  bei  kompletter, 
aseptischer  Peritonitis,  welche  ganz  spontan  eingetreten  ist,  er¬ 
geben.  so  sollte  man  in  erster  Linie  an  die  Wahrscheinlichkeit 
einer  Hydatidencyste  denken.  Bezüglich  der  B  e  h  a  n  d  lang 
verwirft  Verfasser  vollständig  die  Methode  der  wiederholten 
Punktionen  und  hält  für  die  einzig  rationelle  möglichst  frühzeitige 
Laparotomie  (in  der  Mittellinie),  Auswaschung  der  Bauchhöhle 
(mit  einfach  gekochtem  oder  Salzwasser)  und  Schliessung  der 
Wunde  mit  Drainage. 

Robert  Picque:  Die  Coxa  vara  in  der  Adoleszenz.  (Ibidem.) 

Seit  Hofmeister  (1S94)  bezeichnet  man  unter  diesem 
Namen  eine  Deformation  des  oberen  Endes  des  Femur,  welche  in 
einer  Deviation  von  Hals  und  Schenkelkopf  nach  unten  und  hinten 
besteht;  klinisch  kennzeichnet  sich  dieselbe  dadurch,  dass  die 
Unterextremität  nach  aussen  rotiert  und  adduziert  ist.  P.  bringt 
hier  eine  genaue  Beschreibung  dieser  Affektion  —  deren  patho¬ 
logische  Anatomie,  Symptomatologie  (3  Perioden  der  Entwicke¬ 
lung).  Aetiologie  und  Pathogenese,  diagnostische  Schwierigkeit  und 
Behandlung  unter  Zugrundelegung  der  gesamten  Literatur  (An¬ 
gabe  derselben).  Die  Hauptschlüsse  P.s  seien  hier  angeführt. 
Die  Coxa  vara  ist  angeboren  oder  erworben,  im  ersteren  Falle 
entsteht  sie  aus  einer  Missbildung  des  oberen  Femurendes,  im 
zweiten  tritt  sie  erst  nach  der  Kindheit,  im  Alter  der  Tarsalgie  (?), 
auf.  Sie  entwickelt  sich  dann  in  schleichender  AVeise,  ohne  fühl¬ 
bare  Ursache  und  ohne  Spuren  von  Rliaehitis  und  lokalisiert  sich 
mit  ATorliebe  an  einem  Femur,  der  ursprünglich  länger  als  sein 
Homologen  der  anderen  Seite  ist.  Diese  Gelenksaffektion  hat  also 
die  Bedeutung  eines  Kompensationsprozesses,  welcher  eine 
knöcherne  Extremität  betrifft,  die  in  der  Wachstumsperiode  dem 
Einfluss  eines  einseitigen  Körpergewichts  unterliegt  und  das  Be¬ 
streben  hat,  die I )yssjymmetrie)  derUnterextremitäten  auszugleichen. 
Die  Coxa  vara  entwickelt  sich  in  zwei  Stadien:  im  ersten,  schmerz¬ 
haften  Stadium  sind  Erscheinungen  von  Osteoarthritis  mit  Kon¬ 
traktion  vorhanden,  woraus  eine  bedeutende  Beschränkung  der 
Bewegungen  und  die  Stellung  der  Extremität  in  Adduktion  und 
Rotation  nach  aussen  resultiert.  Im  zweiten  Stadium,  der  ab¬ 
geschlossenen  Deformität,  hört  jede  Reizerscheinung  auf,  es  be¬ 
stehen  nur  die  funktionellen,  auf  der  knöchernen  Deformation  be¬ 
ruhenden  Störungen.  Die  Behandlung  muss  also  darin  bestehen, 
diese  Heiltendenz  der  Natur  zu  begünstigen  durch  Bettruhe  und 
Extensionsverband.  Späterhin  könnte  im  äussersten  Falle  die 
Osteotomie  (über  dem  Condylus)  eine  allzu  hochgradige  Deforma¬ 
tion  korrigieren. 

Krasmitski  (bakteriolog.  Institut  zu  Kiew):  Immuni¬ 
sierung  gegen  die  Tollwut  vermittels  der  intravaskulären  In¬ 
jektionen  des  Lyssagiftes.  (Annales  de  l’institut  Pasteur.  Juni 
1902.) 

Nach  den  experimentellen  Untersuchungen  von  K.  sind  die 
Injektionen  des  Tollwutgiftes  direkt  in  die  Blutbahn  hinein  nicht 
gefährlich,  vorausgesetzt,  dass  es  in  filtrierter  und  diluierter 
Emulsion,  welche  auf  37  0  erhitzt  und  langsam  entwickelt  ist,  ge¬ 
braucht  wird.  Durch  die  intravenösen  Injektionen  macht  man  die 
Tiere  rascher  refraktär  gegen  die  Tollwut  und  erhält  man  eine 
festere  Immunität  als  mit  den  anderen  Impfmethoden;  macht  man 


21.  Oktober  1902. 


MtTEN CHENETv  MEDT  CINIS  CHE  WOCHENSCHRIFT. 


1767 


diese  Injektionen  dem  Kaninchen, 
empfindlichsten  gegen  Tollwut  ist, 
Einimpfung  des  Tollwutgiftes,  so 
hruch  der  Krankheit  zu  verhüten, 
und  grosse  Wirksamkeit  dieser 
und  es  ausserordentlich  wieliti 


welches  von  allen  Tieren  am 
sogar  nach  der  intrakraniellen 
gelingt  es  zuweilen,  den  Aus- 
Nachdem  die  Unschädlichkeit 
intravenösen  Injektionen  feststeht 
ist,  bei  Personen,  welche  von  toll- 


^  - - - *  v.ovumt,  »vv-ivuc  V  Uli  Ulli- 

wutkranken  lieren  gebissen  wurden,  besonders  in  Fällen  schwerer 
Bisswunden,  rasch  eine  verstärkte  Immunität  zu  erzielen,  so 
machte  Prof'.  W  y  s  o  lt  o  w  i  e  z  im  bakteriologischen  Institut  zu 
Kiew  die  ersten  Versuche  mit  den  intravenösen  Injektionen  an 
gebissenen  Personen  und  die  Resultate  an  den  70  bis  jetzt  damit 
behandelten  sollen  im  ganzen  sehr  ermutigende  sein. 

Ein  neues  Verfahren  von  Tetanusreinkultur. 


a  n  d : 


L.  Deb  r 
(Ibidem.) 

I).  hatte  schon  früher  bewiesen,  dass  die  Toxine  des  Tetanus¬ 
bazillus  und  die  Toxine,  welche  aus  der  Reinkultur  dieses  Bazillus, 
assoziiert  m  i  t  dem  Bac.  subtilis,  entstehen,  identisch  seien.  Die 
weiter  sich  ergebende  Schlussfolgerung,  dass  man  mit  den  Toxinen, 
welche  durch  Reinkultur  dieser  beiden  Mikroorganismen  zusammen 
gewonnen  werden,  ein  ebenso  wirksames  Heilserum  erhält,  wie 
mit  dem  alten  klassischen  Verfahren,  sucht  er  durch  die  in  vor¬ 
liegender  Arbeit  beschriebenen  Experimente  zu  beweisen.  Dieses 
neue  Kulturverfahren  könnte  daher  an  Stelle  des  alten  zur  Her¬ 
stellung  des  Tetanusheilserums  angewandt  werden. 


Cantacuzene:  Untersuchungen  über  die  Resorption  der 
in  den  Organismus  injizierten  Leberzellen.  (Ibidem,  Juli  1902.) 

Das  interessante  Problem  der  Zellresorption  im  gesunden  oder 
kranken  Organismus,  welches  schon  lange  die  Biologen  beschäf¬ 
tigt.  wird  hier  in  einer  längeren  Untersuchungsreihe  von  C..  einem 
Schüler  Metschnikoffs,  wieder  aufgenommen  und,  je  nach¬ 
dem  die  Leber  in  das  Bauchfell  oder  in  die  Venen  injiziert  wird, 
sind  die  Erscheinungen  verschiedene.  Im  erstereu  Falle  ist  die  Re¬ 
sorption  eine  vollständige  und  die  dazu  nötige  Zeit  beträgt  10  Tage 
bis  3  Monate.  Die  injizierten  Leberzellen  bleiben  3  Tage  am 
Leben.  Am  Anfänge  spielen  bei  der  Resorption  der  Leberzellen 
die  vielkernigen  Leukocyten  eine  gewisse  Rolle,  während  die  Zer¬ 
störung  der  Zellen  ausschliesslich  den  grossen  einkernigen  Blut¬ 
körperchen  zukommt,  welche  allmählich  bis  in  das  Zentrum  der 
Zellhaufen  Vordringen,  dieselben  auseinanderdrängen,  die  Zellen 
umfassen  und  in  grossen  Vakuolen  gleichsam  auffressen.  Die  mit 
den  Leberkörnchen  beladenen  Makrophagen  gehen  in  den  Lympli 
ström  zurück,  sei  es  im  Innern  der  Lyntphwege,  welche  zum  Epi 
ploon  gehen  oder  direkt  in  die  Milz  und  Mesenterialdrüsen  durch 
das  Endothel  des  Peritoneums  gelangend.  Ausserhalb  der  Zellen 
beobachtete  man  weder  im  Exsudat  noch  an  der  Oberfläche  des 
Epiploons  eine  Zerstörung  der  Lebersubstanz;  die  Resorption  der¬ 
selben  vollzieht  sich  um  so  rascher,  je  näher  das  Tier,  welchem 
die  Injektion  gemacht  wurde,  der  Tierart,  von  welcher  die  Leber 
stammt,  stellt.  Bei  den  Injektionen  der  Leber  in  die  Venen  wird 
ein  Teil  der  Lebersubstanz  in  den  Blutgefässen  der  Lunge  auf¬ 
gehalten.  Die  Leberpartikelchen,  zuerst  von  vielkernigen  Leuko¬ 
cyten  durchdrungen,  werden  rasch  auseinandergedrängt  und  von 
den  einkernigen  eingehüllt,  welche  sie  nach  24 — 3d  Stunden  in  die 
Lymphorgane  treiben.  Die  Kupf f e r sehen  Leberzellen  halten, 
ebenfalls  am  Anfang,  einen  Teil  der  injizierten  Leberzellen  auf; 
die  allmähliche  Zerstörung  von  Protoplasma  und  Leberpigment 
kommt  hier  im  Verlaufe  von  S — 10  Tagen  zu  stände.  Der  Hauptort 
jedoch,  wo  die  auf  dem  Wege  der  Blutzirkulation  eingeführten 
Leberzellen  zerstört  werden,  findet  sich  in  den  Blutbahnen  der 
Milz,  wo  man  dieselbe  Reihenfolge  von  Tatsachen  beobachtet  wie 
am  Epiploon.  Die  Injektionen  von  Lebersubstanz  verursachen 
eine  Anzahl  toxischer  Veränderungen  an  den  Zellen  des  Organis¬ 
mus,  wie  z.  B.  eine  Nephritis,  welche  ausschliesslich  die  Zellen 
der  Tubuli  betrifft.  Die  interessanteste  Modifikation  ist  aber  die 
amyloide  Entartung  der  Milz,  wie  sie  von  D  o  m  i  n  i  c  i  beobachtet 
und  beschrieben  wurde.  (Dazu  2  sehr  instruktive  Farbentafeln.) 

P.  Desfosses  und  A.  AI  a  r  tine  t.:  Der  Aderlass.  (Presse 
medicale  1902,  No.  5G.) 

Nach  einem  historischen  Ueberblick  über  die  frühere  ausge¬ 
dehnte  Anwendung  des  Aderlasses,  zum  Teile  mit  sehr  interessanten 
Abbildungen  aus  Werken  der  vergangenen  Jahrhunderte  illustriert, 
beschreiben  die  Verf.  genau  diesen  kleinen  Eingriff,  die  Zufälle, 
welche  dabei  Vorkommen  können,  und  die  physiologischen  Wir¬ 
kungen  des  Aderlasses.  Die  therapeutischen  Indikationen,  welche 
auch  jetzt  noch  für  denselben  gegeben  sind,  sind  Plethora  und 
Toxämie;  speziell  bildet  der  Aderlass  ein  ganz  hervorragendes  Er¬ 
leichterungsmittel  in  gewissen  Fällen  von  Herzkrankheiten,  bei  un¬ 
komplizierter  Insuffizienz  der  Mitralis,  bei  herzkranken  Schwange 
ren  u.  s.  f.  Das  akute  Lungenödem  und  gewisse  Fälle  von  lcapil 
lärer  Bronchitis  mit  Zeichen  der  Dilatation  des  rechten  Herzens 
sind  fernere  Indikationen  für  den  Aderlass,  auch  Kongestionen 
des  Gehirns  und  Blutungen  in  dasselbe  am  Beginne  des  Leidens. 
Schliesslich  muss  der  Aderlass  bei  akuter  Urämie  (infolge  von 
Scharlachnephritis,  von  akuter  primärer  Nephritis  und  bei  akuten 
Anfällen  der  Br  i  glitschen  Krankheit)  und  bei  puerperaler 
Eklampsie  als  wichtiges  blutreinigendes  Mittel  bezeichnet  werden. 

Maurice  Per  rin:  Tetanus  des  Neugeborenen.  (Annales  de 
medecine  et  Chirurgie  infantiles,  15.  Juli  1902.) 

In  den  2  beschriebenen  Fällen,  wo  typischer  Tetanus  im  An¬ 
schluss  an  den  Abfall  der  Nabelschnur  (am  15.  resp.  5.  Tage  nach 
der  Geburt)  auftrat,  verlief  die  Affektion  ganz  verschieden;  im 
ersten  Falle  trat  nach  Gebrauch  des  Tetanusheilserums  vollstän¬ 
dige  Restitutio  ein,  im  zweiten  schon  nach  5  Tagen  der  Tod.  Die 
bakteriologischen  Untersuchungen  des  Nabelschnurrestes  wie  des 
stark  nässenden  Nabels  blieben  in  beiden  Fällen  völlig  negativ. 
Dennoch  zweifelt  P.  nicht,  dass  die  Infektion  durch  unsaubere 


! 


1  Linde,  schmutzige  Masche  oder  ähnliches  von  der  Nabelwund.* 
aus,  welche  in  beiden  Fällen  sehr  verunreinigt  schien,  zu  stände 
gekommen  ist. 

J  e  a  n  s  e  1  m  e:  Die  Opfer  der  Blattern  im  französischen 
Indochina.  (Presse  medicale,  No.  02,  1902.) 

.1.  schätzt,  dass  in  diesen  französischen  Besitzungen  und  in 
der  benachbarten  chinesischen  Provinz  Yunnarn  der  vierte  Teil 
der  Kinder  den  Blattern  erliegt.  Nach  N  o  g  u  e  soll  die  Zahl  der 
von  der  Krankheit  überhaupt  befallenen  Kinder  ca.  90  Proz.  und 
die  Sterblichkeit  sogar  00—70  Troz.  betragen.  Am  stärksten  wer¬ 
den  die  Kinder  im  Alter  von  2 — 5  Jahren  befallen;  die  Ursache 
hiefür  liegt  darin,  dass  1.  die  Schutzimpfung  (Vaccination)  nicht 
eingeführt  ist  und  2.  die  eingeborenen  Aerzte  zum  grössten  Teile 
noch  der  sehr  schädlichen  Variolisation  huldigen.  Um  diese,  für 
das  Land  so  verderbliche,  Seuche  zum  Stillstand  zu  bringen,  for¬ 
dert  .T..  der  an  zahlreichen  Beispielen  die  schlimmen  Folgen  des 
jetzigen  Systems  nachweist,  wie  natürlich,  Abschaffung  der 
Variolisation  und  obligatorische  Schutzimpfung  der  Eingeborenen, 
Itevacciuation  der  einzelnen  Truppen,  der  Miliz,  der  Polizei¬ 
organe,  der  Prostituierten  und  der  in  den  verschiedenen  Anstalten 
gefangen  Gehaltenen.  Stern-  München. 

Holländische  Literatur. 

C.  L.  Itümke:  Die  Wirkung  von  Antiarin  auf  das  Herz. 
(Weekbl.  van  bet  Nederl.  Tydschr.  vor  Geneeskunde  1902.  I,  No.  15.) 

R.  studierte  die  Wirkung  minimaler  Dosen  von  Antiarin,  dem 
bekanten  ostindischen  Pfeilgifte  aus  dem  Milchsäfte  von  Antiaris 
toxicaria,  bei  Rana  esculenta  und  fand,  dass  das  Mittel  zu  Un¬ 
recht  unter  die  Kardiotonika  gezählt  wird.  Es  bewirkt  bei  Rana 
in  sehr  kleinen  Quantitäten,  am  besten  bei  einer  Verdünnung  von 
1 :  7*00  000,  einen  P  u  1  s  u  s  alter  n  a  u  s.  1  )iese  eigenartige  Allo- 
rliythmie  beruht  vorwiegend  auf  Verminderung  der  Kontraktilität 
und  Abnahme  des  Leitungsvermögens  des  Herzmuskels. 

.T.  A.  Roorda-Smit:  Zungenamputation  mit  dem  Ketten- 
ecraseur.  (Ibidem.) 

R.  teilt  2  Fälle  von  Zungenkarzinom  mit,  allerdings  ohne  Be¬ 
teiligung  der  Lymplidrüsen,  die  er  mit  dem  Eeraseur  radikal 
operierte  und  bei  denen  Rezidiv  erst  nach  7  Jahren  auftrat. 

Prof.  Pekelharing:  Ueber  den  Einfluss  von  Alkohol 
auf  die  Abscheidung  des  Magensaftes.  (Ibidem,  I,  No.  10.) 

Die  Versuche  wurden  an  einem  kräftigen  Hunde  ausgeführt, 
dem  nach  der  Methode  von  P  a  w  1  o  w  eine  Magen-  und  Speise¬ 
röhrenfistel  angelegt  worden  war.  In  Uebereinstimmung  mit 
R  a  dikowsky,  Frouin  und  Moli  vier  ergab  sich,  dass  die 
Zuführung  von  Alkohol  per  Klysma  die  Absonderung  des  Magen¬ 
saftes  befördert. 

J.  Breitling:  Ueber  alimentäre  Glykosurie  und  Lävulo- 
surie  bei  Leberkrankheiten.  (Ibidem,  II,  No.  18.) 

Verf.  hat  in  der  Klinik  von  Prof.  Rosen  st  ein  die  Re¬ 
sultate  von  S  trau  ss  (Deutsche  med.  Wochensehr.  1901,  No.  44 
bis  45),  sowie  die  von  Bierens  de  Haan  (Arch.  f.  Verdau- 
ungskrankh.,  Bd.  III)  nachgeprüft.  Die  Untersuchung  geschah 
bei  21  Patienten,  worunter  19  mit  Cirrliose,  1  mit  Care,  hepat.  et 
ventr.,  1  mit  kat.  Ikterus.  An  Zucker  wurde  gegeben:  100  g  Gly- 
kose,  100  g  Lävulose,  150  g  Saccharose,  entweder  7  Uhr  Abends 
oder  0  Uhr  Morgens. 

Das  Resultat  von  12  Patienten,  bei  welchen  nach  Lävulo- 
surie  gesucht  wurde,  war  10  mal  positiv  und  2  mal  negativ;  auf 
Cirrliose  berechnet,  ergab  sich  ein  positiver  Ausfall  von  90  Proz. 

Von  15  Patienten,  denen  Dextrose  gegeben  wurde,  reagierten 
3  negativ,  2  positiv  (negativ  =  87  Proz.). 

Von  15  Patienten,  die  Saccharose  erhalten  hatten,  zeigten  13 
Dextrose,  2  Lävulose.  Die  Resultate  bezüglich  der  Lävulosurie 
decken  sich  also  mit  den  von  Strauss  erhaltenen. 

R.  H.  Willems:  Hautemphysem  bei  Keuchhusten.  Ibid., 
I,  No.  19.) 

Mitteilung  eines  ziemlich  seltenen  Falles  (4  jähriger  skrophu- 
löser  Junge),  bei  welchem  infolge  von  Keuchhusten  und  Broncho- 
piieumouie  Hautemphysem  im  Gesichte  und  am  ganzen  Thorax 
mit  letalem  Ausgang  auftrat. 

A.  M.  van  der  Willigen:  Rosacea  gravidarum.  (Ibidem, 
1,  No.  20.) 

Kasuistische  Mitteilung  von  4  einschlägigen  Fällen.  W.  be¬ 
tont  das  Konstantbleiben  derselben  Erkrankungsform  bei  Re¬ 
zidiven,  ferner  die  Häufigkeit  der  letzteren,  die  Neigung  zu 
Spontanheilung  unmittelbar  nach  der  Geburt  und  den  akuten  Ver¬ 
lauf  dieser  sonst  so  chronischen  Krankheitsform. 

F.  S.  Meyers:  Idiosynkrasie  gegen  Folia  Uvae  Ursi.  (Ibid., 
No.  21.) 

Die  Intoxikationserscheinungen  bei  der  48jälirigen  Frau  be¬ 
standen  in:  Atemnot,  Uebelkeit,  Cyanose,  kleinem,  frequenten, 
unregelmässigen  Pulse  und  einem  blauroten  kontluierenden  Exan¬ 
them  auf  Brust  und  Rücken. 

Prof.  W.  K  o  s  t  e  r  -  Leiden:  Die  operative  Behandlung  von 
Strabismus,  kompliziert  mit  Drehung  des  Auges  um  die  Corneal¬ 
achse.  (Ibid.,  No.  22.) 

Von  der  interessanten  und  eingehenden  Abhandlung  können 
hier  nur  die  Konklusionen  angeführt  werden: 

Beim  postparalytischen  Schielen  kann  dann  operiert  werden, 
wenn  die  eigentliche  Paralyse  so  gut  wie  ganz  gewichen  ist. 
Selbst  sehr  grosse  Abweichungen  können  dann  durch  Muskel¬ 
kürzung  und  Tenotomien  an  einem  oder  beiden  Augen  korrigiert 
Werden. 

Das  rotierte  Schielen  (Strabismus  naso-,  sive  temporo-rotatus) 
muss  in  der  Hauptsache  auf  dem  Auge  korrigiert  werden,  auf 


1768 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


welchem  es  entstanden  ist.  Das  konvergente  und  divergente 
Schielen  sowohl,  wie  der  Strabismus  sursuni-,  sive  deorsum  ver- 
gens  können  auf  beiden  Augen  korrigiert  werden,  wobei  vor  allem 
die  Ausdehnung  des  Gesichtsfeldes  in  Rechnung  gezogen  werden 

muss. 

Um  eine  Rotation  des  Auges  zu  erhalten,  kann  man  in  An- 
weudung  ziehen:  1.  Die  Tenotomie  eines  der  geraden  Augen¬ 
muskeln  oder  die  Tenotomie  des  Itectus  Superior  für  die  tem¬ 
porale  Rotation  und  umgekehrt  für  die  nasale.  2.  Die  Tenotomie 
eines  der  rechten  Augenmuskeln  mit  Durchtrennung  der  Tenon- 
schen  Kapsel  parallel  dem  Limbus  corneae  an  der  Seite  der 
Sehne,  wohin  das  Auge  rotiert  werden  muss.  3.  Die  seitliche  Ver¬ 
schiebung  der  Insertion  von  einem  der  geraden  Muskeln  in  einer 
der  gewünschten  Rotation  entgegengesetzten  Richtung.  Dabei 
muss  die  Sehne  jedesmal  für  3°  Strabismus  temporo-rotatus  um 
1  mm  und  für  je  9  0  Strabismus  naso-rotatus 'ebenfalls  um  1  mm 
gekürzt  werden.  Zugleich  ist  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Tenon- 
sclie  Kapsel  genau  senkrecht  zur  Sehne  längs  des  Bulbus  voll¬ 
ständig  lospräpariert  wird,  aber  nicht  längs  des  Muskels  selbst. 
Die  seitliche  Verschiebung  der  Insertion  soll  für  alle  Grade  der 
Rotation  etwa  3  mm  betragen;  nur  wenn  die  Muskelkürzung  wegen 
einer  anderen  Abweichung  grösser  wie  angegeben  genommen 
werden  muss,  soll  man  die  Insertion  etwas  weniger  seitlich  ver¬ 
pflanzen,  z.  B.  um  1,5  mm.  4.  Behufs  Erhaltung  einer  genauen 
Korrektion  tut  man  gut,  soviel  wie  möglich  nach  Anleitung  der 
Doppelbilder  zu  operieren. 

Prof.  J.  Rotgans:  Gastroenterostomia  ypsilif ormis  ante- 
colica  anterior.  (Ibidem,  No.  23.) 

R.  bespricht  hier  die  beste  Operationsmethode  der  gut¬ 
artigen  Pylorusstenose  und  teilt  zunächst  3  Fälle  mit,  die  er 
nach  Wölfflers  Methode  operiert  hat,  davon  2  mit  gutem 
Resultate,  während  ein  Fall  erlag.  Er  ging  dann  zu  der 
oben  angegebenen  Methode  von  R  o  u  x  über,  nur  mit  dem  Unter¬ 
schiede,  dass  er  das  abführende  Darmstück  nicht  in  die  Hinter-, 
sondern  in  die  Vorderwand  des  Magens,  und  zwar  so  dicht  als 
möglich  über  der  Curvatura  major  einheftet.  Sämtliche  13  bis¬ 
her  auf  solche  Weise  Operierte  sind  mit  vollständiger  Wieder¬ 
herstellung  der  Magenfunktion  geheilt. 

A.  A.  H  y  m  a  n  s  van  den  Bergh:  Der  Wert  der  Gefrier- 
punksbestimmung  von  Blut  und  Urin  für  die  Diagnostik  der 
Nierenfunktionen.  (Ibidem,  No.  24.) 

Verf.  ist  überzeugt,  dass  in  Zukuft  die  getrennte  Unter¬ 
suchung  des  Urins  der  beiden  Nieren  als  Regel  zu  gelten  hat,  will 
aber  dieses  Moment  bei  der  vorliegenden  Besprechung  ausser  acht 
lassen. 

Bei  der  molekularen  Untersuchung  des  Blutes  fand  er  bei 
gesunden  Nieren  einen  Gefrierpunkt  von  etwa  —  0,56,  in  einigen 
Fällen  von  Urämie  dagegen  einen  solchen  von  —  0,60  bis  —  0,78. 
Die  Ansicht  Kümmells,  dass  man  bei  hohem  Werte  von  d 
<  Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes)  nicht  operieren  soll, 
teilt  B.  nicht,  es  müssen  hier  alle  anderen  klinischen  Erscheinungen 
mit  in  Erwägung  gezogen  werden.  So  kann  z.  B.  die  Erkrankung 
der  einen  Niere  „reflektorisch“  auch  auf  die  andere  funktions¬ 
hemmend  wirken. 

Bezüglich  der  Gefrierpunktsbestimmung  des  Urins  fand 
Verf.  in  einem  Falle  von  chronischer  Nephritis,  ebenso  wie 
S  t  r  a  u  s  s,  annähernd  normale  Werte  und  hält  daher  die  Theorie 
v.  Koranyis  für  nicht  einwandfrei.  Er  kommt  zu  dem  Re¬ 
sultate:  1.  dass  auch  die  Gefrierpunktsbestimmung  des  Harns  für 
sich  allein  nicht  im  stände  ist,  über  die  Funktion  der  Nieren  Auf¬ 
schluss  zu  geben;  2.  dass  die  Methode  von  Baltliazard  und 
Claude  dies  ebensowenig  vermag;  3.  dass  dagegen  das  Ver¬ 
fahren  von  Roth -Schulz  und  Kövesi  (Bestimmung  der 
..Akkommodationsbreite“)  sehr  beachtenswert  ist.  Doch  muss  auch 
hier  erst  noch  mehr  Material  gesammelt  werden. 

Dr.  S  c  h  1  o  t  h  -  Bad  Brückenau. 

Skandinavische  Literatur.*) 

Thorkild  Rovsing  (D):  Die  Behandlung  der  Prostatahyper¬ 
trophie.  (Hospitalstidende,  No.  25,  26,  27  u.  28.) 

Auf  eine  Reihe  von  143  eigenen  Fällen  gestützt,  gibt  Verf. 
einen  Bericht  über  seine  Erfahrungen  bezüglich  der  Behandlung 
der  Prostatahypertrophie.  Er  gibt  genau  die  Indikationen  der 
Katheterbehandlung  und  der  operativen  Behandlungen  an.  Was 
die  Operationen  betrifft,  zieht  er  die  Kastration  und  die  Vasektomie 
der  Bottini  sehen  Operation  und  der  Totalexstirpation  vor,  die 
gefährliche  Operationen  sind  und  nie  als  Normalmethoden  be¬ 
trachtet  werden  sollen.  In  gewissen  Fällen  ist  es  indiziert,  eine 
Prostatektomia  partialis  suprapubica  vorzunehmen.  Wenn  Vas¬ 
ektomie,  Kastration,  Bottinis  Operation  oder  Prostatektomie 
nicht  den  gewünschten  Erfolg  haben,  muss  man  seine  Zuflucht 
entweder  zu  regelmässiger  Katheterisation  oder  zur  Cystostomie 
nehmen.  Für  wohlhabende  Patienten  empfiehlt  Verfasser  die 
Katheterbehandlung,  für  arme  Leute  der  arbeitenden  Klasse  und 
in  allen  den  Fällen,  in  welchen  die  Katheterisation  Schwierigkeiten 
verursacht,  die  Cystostomie,  die  er  nach  folgendem  Verfahren  aus¬ 
führt:  Ein  kleiner  Sectio-alta-Sclmitt  Avird  in  Lokalanästhesie, 
durch  streifenförmige  Injektion  y2  proz.  Kokainlösung  in  die  Haut, 
gemacht.  Nach  Lösung  der  Peritonealfalte  wird  ein  kleiner  Teil 
der  Blasen  wand  entweder  vermittels  zweier  Seidenfäden  oder 
zweier  Kocherscher  Pinzetten  inzidiert.  Zwischen  diesen  wird 


*)  Nach  jedem  Autornamen  wird  durch  die  Buchstaben  D,  F, 
N  oder  S  angegeben,  ob  der  Verfasser  Däne,  Finnländer,  Norweger 
oder  Schwede  ist. 


eine  kleine  Inzision  gemacht;  wenn  der  eingeführte  Finger  keinen 
Blasenstein  oder  gestielten  mittleren  Lappen  (besonders  zur  Ex¬ 
stirpation  geeignet),  fühlt,  wird  ein  P  e  z  z  e  r  scher  Katheter 
No.  25  eingelegt,  und  eArentuell  wird  die  Blasenwunde  durch  ein 
Paar  Katgutsuturen  dicht  an  den  Katheter  genäht.  Man  lässt 
dann  die  Blase  zurücksinken,  legt  eine  kleine  sterile  Gazemeclie 
zwischen  die  Symphyse  und  den  Katheter  und  näht  den  oben¬ 
liegenden  Teil  der  Bauchwunde  mit  Aluminium-Brouzesuturen  in 
2  Etagen.  Es  bildet  sich  bald  eine  Fistel  um  den  Katheter  ohne 
Heraussickern. 

K.  K.  K.  Lundsgaard  (D):  Atrophiert  die  Tränendrüse, 
wenn  der  Tränensack  exstirpiert  wird?  (Ibidem,  No.  28.) 

Verf.  gibt  auf  diese  Frage  eine  verneinende  Antwort  unter 
Bezugnahme  auf  eine  sorgfältige  mikroskopische  Untersuchung  der 
rechten  Tränendrüse  einer  an  Pneumonie  gestorbenen  Frau, 
deren  Tränensack  er  vor  13  Monaten  exstirpiert  hatte  und  deren 
Tränenfluss  kurz  nach  der  Operation  aufhörte.  Verf.  glaubt,  dass 
ein  (nervöser)  Zusammenhang  zwischen  dem  Tränensäcke  und  der 
Tränendrüse  existiert,  so  dass  das  Ausbleiben  eines  vom  Tränen¬ 
säcke  auf  die  Drüse  reflektorisch  wirkenden  Irritamentes  schuld 
an  einer  verminderten  Sekretion  ist. 

P.  Lieb  mann  (D):  Ueber  Fixierung  und  Färbung  des 
organisierten  Harnniederschlags.  (Ibidem,  No.  31.) 

Verf.  empfiehlt  folgendes  Verfahren:  Der  Harn  wird  zentri¬ 
fugiert,  bis  die  obenstehende  Flüssigkeit  sich  abgiessen  lässt,  ohne 
dass  der  Niederschlag  mitfolgt.  Dann  werden  die  organisierten 
Teile  des  Niederschlags  fixiert  und  durch  Zusatz  von  2  bis 
4  Tropfen  von  folgender  Flüssigkeit  gefärbt:  Methylenblau 
(Merck)  2  g,  gelöst  in  10 proz.  Formalinlösung,  100  g,  die  einige 
Minuten  einwirken  soll,  während  das  Zentrifugeglas  gut  ge¬ 
schüttelt  Avird.  Ferner  wird  das  Glas  mit  Wasser  gefüllt,  um  die 
farbige  Flüssigkeit  zu  verdünnen;  gleichzeitig  wird  der  grösste 
Teil  der  ungelösten  Salze  gelöst  werden.  Das  Glas  wird  Avieder 
geschüttelt;  man  zentrifugiert  Avieder,  giesst  die  obenstehende 
Flüssigkeit  ab,  und  der  Niederschlag  ist  fertig  zu  mikroskopischer 
Untersuchung.  Die  hyalinen  Zylinder  haben  eine  hellblaue  Farbe 
angenommen  und  sind,  abgesehen  von  der  mehr  oder  weniger  be¬ 
deutenden  Spiral  Windung,  die  man  bei  diesen  Avie  bei  allen  anderen 
Formen  von  Zylindern  findet,  vollständig  homogen.  Dasselbe  gilt 
von  den  Avachsartigen  Zylindern,  aber  diese  sind  sehr  intensiv  ge¬ 
färbt,  so  dass  sie  fast  ganz  undurchsichtig  sind.  In  den  körnigen 
Zylindern  sind  die  Körner  stark  gefärbt,  und  gewöhnlich  kann  man 
auch,  eine  heller  gefärbte  Grundsubstanz  nachAveisen.  Die  mit 
Epithel-  oder  Rundzellen  bedeckten  Zylinder  sind  durch  die  inten¬ 
siv  gefärbten  Zellenkerne  leicht  kennbar.  Die  roten  Blutkörper¬ 
chen  sind  graublau  gefärbt  und  können  nicht  verwechselt  werden 
mit  den  Leukocyteu,  deren  Kerne  distinkt  blau  sind.  Auch  Bak¬ 
terien  werden  sehr  intensiv  gefärbt.  Vergleichende  Untersuch¬ 
ungen  haben  gezeigt,  dass  die  kurze  Einwirkung  des  Formal  ins, 
ohne  die  Zylinder  oder  andere  Bestandteile  des  organisierten 
Niederschlags  zu  zersetzen,  im  Gegenteil  einen  weit  konstanteren 
Erfolg  der  gleichzeitigen  Methylenblaufärbung  bedingt,  als  wenn 
nur  die  einfache,  Avässerige  Lösung  des  Farbstoffes  benutzt  wird. 

Aage  A.  Meisling  (D):  Ein  neues  Hämoglobinometer. 
(Ibidem,  No.  33.) 

Verf.  beschreibt  ein  von  ihm  auf  physisch-mathematischer 
Grundlage  konstruiertes  Hämoglobinometer,  für  Avelehes  er  das 
Prinzip  der  chromatischen,  zirkulären  Polarisation  benutzt.  Das 
Prinzip  ist  in  den  Ilauptzligen  folgendes:  Wenn  eine  planparallele, 
auf  der  Achse  senkrecht  geschnittene  Quarzplatte  zwischen  zAvei 
Nicolsprismen  angebracht  wird,  nimmt  sie  (in  gemischtem  Lichte) 
Farbe  an.  Die  Farbe  hängt  teils  von  der  Dicke  der  Quarzplatte 
ab,  teils  von  der  Stellung  der  ZAvei  Prismen.  Durch  die  Wahl  einer 
Platte  von  passender  Dicke  kann  man  über  eine  ganze  Reihe  für 
verschiedene  kolorimetrische  Untersuchungen  brauchbarer  Farben 
verfügen.  Verf.  meint,  der  erste  zu  sein,  der  Polarisationsfarben 
zur  Hämoglobinbestimmung  benutzt  hat.  Die  Kontrollunter- 
suchungen,  die  später  veröffentlicht  werden,  haben  gezeigt,  dass 
das  neue  Hämoglobinometer  ausserordentlich  genau  ist.  Der  Ap¬ 
parat  kann  ferner  als  eine  Art  Universalkolorimeter  benutzt 
Averden.  Die  Firma  Leitz  in  Wetzlar  hat  die  Fabrikation 
übernommen. 

Knud  Faber  (I)):  Appendicitis  obliterans.  (Ibidem,  No.  34 
u.  35.) 

Mit  dem  dänischen  Arzte  Toft1)  übereinstimmend,  aber  im 
Gegensätze  zu  den  meisten  deutschen  Klinikern,  betrachtet  der 
Verf.  die  sogen.  Appendicitis  obliterans  nicht  als  eine  physio¬ 
logische  Obliteration  (einen  senilen  Involutionsprozess),  sondern 
als  die  Folge  einer  Entzündung.  Verf.  stützt  seine  Ansicht  auf  ver¬ 
schiedene  Krankengeschichten,  Sektionsbefunde  und  mikro¬ 
skopische  Untersuchungen.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
zeigt  keinen  Unterschied  zwischen  den  Fällen,  in  welchen  die  Ob¬ 
literation  nur  als  zufälliger  Sektionsbefund  zur  Beobachtung  ge¬ 
langt,  und  den  Fällen,  in  welchen  der  Entzündungsprozess 
Avährend  eines  frischeren  Stadiums,  bei  der  operativen  Entfernung 
der  Appendix,  beobachtet  wird.  Auch  nicht  aus  anderen  Gründen 
kann  die  Versehliessung  als  ein  seniler  Involutionsprozess  an¬ 
gesehen  werden.  Sie  kann  in  jedem  Alter  eintreten,  und  tritt  bei 
alten  Individuen  nicht  häutiger  als  bei  jungen  ein,  obgleich  das 
Resultat  der  Entzündung,  die  Obliteration,  am  häufigsten  bei  alten 
Individuen  beobachtet  wird.  Gewöhnlich  verläuft  die  Appendicitis 
obliterans,  ohne  krankhafte  Symptome  zu  geben,  jedenfalls  ohne 


*)  Om  Ulceration  of  Processus  vermiformis.  Dissert.,  Kopen¬ 
hagen  1868. 


21.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1769 


d«ass  sie  als  Appendizitis  diagnostiziert  werden  können.  In  einer 
kleineren  Anzahl  von  Fällen  haben  die  Kranken  die  gewöhnlichen 
Symptome  der  chronischen  Appendizitis.  Bei  den  Fällen  der  chro¬ 
nischen  Appendizitis,  welche  zur  Operation  gelangen,  ist  es  selten 
Obliterationen  zu  treffen,  und  dieselben  sind  in  solchen  Fällen 
eine  für  die  Krankheit  unbedeutende  Erscheinung.  Gleichzeitig 
mit  der  Obliteiation  w erden  oft  bedeutende  Adhärenzen  g'ebildet 
werden,  welche  eine  grosse  klinische  Bedeutung  haben  können. 

.  (ff) •  Eine  Methode,  Radikaloperation 

bei  Kruralbruchen  auszuführen.  (Nordiskt  medicinskt  Arkiv 
1902,  Abt.  I:  Chirurgie,  Heft  2,  No.  7.) 

Nachdem  dei  Biuchsaclc  in  gewöhnlicher  Weise  exstirpiert 
und  so  hoch  wie  möglich  abgebunden  worden  ist,  und  möglicher¬ 
weise  vorkommende  vergrösserte  Lymplidrüsen,  wie  auch  Fett¬ 
gewebe  entfernt  worden  sind,  wird  die  V.  fern.,  ohne  die  Gefäss- 
scheide  zu  öffnen,  freigelegt.  Jetzt  wird  der  Kruralring  durch 
Durchschneiden  des  Lig.  Foupartii  gleich  nach  innen  von  der 
Durchgangsstelle  der  Gefässe  gespalten.  Der  Schnitt  wird  auf¬ 
wärts  durch  die  sämtlichen  Schichten  der  Bauchwand  bis  an  das 
präperitoneale  Fettgewebe  heran  verlängert.  Das  abgeschnittene 
zentrale  Ende  des  Lig.  rotundum  wird  an  seinem  riatze  mittels 
Suturen  fixiert.  Auf  diese  Weise  wird  ein  dreieckiger  Lappen  ge¬ 
bildet,  dessen  Basis  nach  oben  und  nach  innen  liegt,  dessen 
einer  Iiand  durch  die  untere  Kante  des  Lig.  Foupartii,  dessen 
anderer  durch  den  Wundrand  gebildet  wird.  Der  Lappen  wird 
mobil  gemacht,  herabgezogen  und  in  der  vom  Verfasser  näher 
beschriebenen  Weise  fixiert,  so  dass  die  Stelle  der  alten  Krural- 
öffnung  völlig  mit  einem  kräftigen  Lambeau  bedeckt  wird.  Wenn 
eine  Inkarzeration  vorliegt,  muss  man  das  Lig.  Foupartii  soweit 
wie  möglich  nach  aussen  durchschneiden.  Die  Methode  kann  nur 
Anwendung  bei  Frauen  finden  und  ist  nur  bei  den  gewöhnlichen 
Formen  von  Kruralbrüchen  erprobt  worden. 


Elis  Essen  - Möller  (S):  Weiterer  Beitrag  zur  Frage  von 
der  plazentaren  Nabelschnurinsertion.  (Ibidem,  No.  11.) 

Auf  eine  grössere  Reihe  von  Untersuchungen  gestützt,  hält 
Verf.  sich  berechtigt,  zu  glauben,  dass  die  zentrale  Insertion  bei 
den  jüngsten  Plazenten  die  gewöhnlich  vorkommende  ist,  während 
diese  Art  der  Insertion  mit  dem  Fortschreiten  der  Schwangerschaft 
immer  seltener  wird,  ferner  dass  die  Nabelschnur  an  der  reifen 
Nachgeburt  in  den  überwiegend  meisten  Fällen  exzentrisch  in¬ 
seriert,  dass  kein  gesetzmässiger  Zusammenhang  zwischen  der 
Nabelschnurinsertion  und  der  jedesmaligen  Höhe  des  Plazentar¬ 
sitzes  an  der  reifen  Nachgeburt  nachzuweisen  ist,  und  dass  bei 
der  exzentrischen  Insertion  die  Nabelschnur  ebenso  oft  sich  dem 
oberen  oder  seitlichen,  wie  dem  unteren  Plazentarrand  nähern 
kann. 

Th.  Lunding  Smith  (D) :  Ein  Fall  von  Struma  accessoria 
baseos  linguae,  behandelt  durch.  Pharyngotomia  transhyoidea. 
(Ibidem,  No.  10.) 

Verf.  referiert  einen  eigenen  Fall  und  die  ihm  aus  der  Literatur 
bekannten  19  anderen  Fälle. 

Viggo  Christiansen  (D) :  Ein  Fall  von  Schussläsion 
durch  die  zentralen  optischen  Bahnen.  (Ibidem,  Abt.  II:  Innere 
Medizin,  Heft  2.) 

Verf.  berichtet  einen  sehr  interessanten,  seltenen  Fall  von 
Schussläsion  durch  die  zentralen  optischen  Bahnen;  ein  Tier¬ 
experiment  hätte  nicht  schöner  als  diese  Läsion  ausfallen  können. 
Die  genaue  klinische  und  anatomische  Untersuchung  des  Falles 
stützt  die  Auffassung,  dass  die  Sehfasern  an  das  vordere  und  mitt¬ 
lere  Drittel  der  medialen  Fläche  des  Occipitallappens  gebunden 
sind,  während  die  verschiedenen  Assoziationsbahnen  teils  im  hin¬ 
teren  Drittel  der  medialen  Fläche,  teils  auf  der  konvexen  Ober¬ 
fläche  endigen,  und  dass  das  kortikale  Zentrum  der  Sehfasern 
auf  der  medialen  Fläche,  besonders  in  den  um  die  Fissura  cal- 
carina  gelegenen  Teilen  zu  suchen  ist. 


Kristen  I  saget-  (D):  Zum  Auftreten  der  Tuberkulose  auf 
dem  Lande.  (Ibidem,  Heft  1  u.  2.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeigneter,  epidemiologischer 
Beitrag  zur  Aetiologie  der  Tuberkulose. 

Aage  Kock  (D) :  U eher  die  therapeutische  Anwendung  der 
Kakodylverbindungen  besonders  bei  Lungentuberkulose.  Ibid., 
Heft  1  u.  2.) 

Auf  eine  Reihe  klinischer  und  anderer  Untersuchungen  ge¬ 
stützt,  findet  Verf.,  dass  das  kakodylsaure  Natron  dieselbe  Haupt¬ 
wirkung  auf  den  Organismus  wie  Arsen  hat.  Diese  Ueberein- 
stimmung  hat  er  ferner  in  seinen  Nebenwirkungen,  in  seinem  Ver¬ 
halten  gegen  das  Blut  und  in  seinem  Verhalten  gegen  die  Lungen¬ 
tuberkulose  wiedergefunden.  Verf.  hält  es  für  berechtigt  und  be¬ 
gründet,  in  den  frischen  Formen  der  Lungentuberkulose  kakodyl- 
saures  Natron  zu  verwenden.  Es  ist  kein  Spezifikum,  aber  doch 
ein  Hilfsmittel  in  der  Behandlung,  und  die  Aussichten  auf  eine 
Heilung  werden  sich  durch  die  Einführung  des  kakodylsauren 
Natrons  in  die  Reihen  der  therapeutischen  Mittel  gegen  die  Tuber¬ 
kulose  nur  verbessern. 

Victor  Scheel  (D):  Ein  Fall  von  primärem  Karzinom  der 
Lebergallengänge.  (Ibidem,  Heft  2.) 

Der  Fall  hat  u.  a.  wegen  der  bis  jetzt  spärlichen  Kasuistik 
des  intrahepatischen  Gallengangkarzinoms  Anspruch  auf  Inter¬ 
esse. 

E.  Hel  lesen  (N):  Ueber  den  Stickstoffwechsel  der  an 
Adipositas  nimia  leidenden  Kinder,  besonders  bezüglich  Ab¬ 
magerungskuren.  (Norsk  Magazin  for  Lägevidenskab,  September.) 

Durch  eine  Reihe  Stoffwechselversuche  bei  einem  12  jährigen 
Mädchen,  welches  48  Kilo  wog  und  eine  Höhe  von  141  cm  hatte, 
gelangt  Verf.  zu  dem  Resultat,  dass  Abmagerungskuren  im  Kindes¬ 
alter  wesentlich  durch  Einschränkung  der  Fettnahrung  geschehen 


müssen  bei  einer  Kalorienmenge,  die  nur  %  kleiner  als  die  der 
Bilanznahrung  ist.  Man  kann  auch  mit  Eiweiss-Kolilehydratdiät 
leichter  den  Hunger  des  Kindes  stillen  als  mit  Eiweiss-Fettdiät. 

Johann  Scha  r  f  f  enbe  r  g  (N) :  Zur  Geschichte  des  männ¬ 
lichen  Pseudohermaphroditismus  in  Dänemark  und  Norwegen. 
(Ibidem.) 

Verf.  beschreibt  8  solcher  Fälle. 

Drejer  (N) :  Meine  Erfahrungen  über  die  Entbindung  bei 
Beckenverengerung,  speziell  über  die  operative  Behandlung  der¬ 
selben.  (Ibidem,  Juli  u.  August.) 

Verf.  hat  in  privater  Praxis  154  Frauen  mit  194  geburtshilf¬ 
lichen  Operationen  wegen  Beckenverengerung  behandelt  und  gibt 
detallierte  Mitteilungen  über  sein  Verfahren  und  die  Resultate  in 
den  verschiedenen  Fällen. 

M.  Geirsvold  (N) :  Die  Dysenterieepidemie  in  Aaseral. 
(Ibidem,  August.) 

ln  einem  kleinen  Dorfe  in  Norwegen  wurden  11  Personen, 
insbesondere  Kinder,  von  Dysenterie  angegriffen.  Nur  einer  der 
Kranken  genas.  Die  Ursache  der  Epidemie  war  die  Verunreini¬ 
gung  eines  Brunnens  mit  Menschen-  und  Tierexkrementen;  nach¬ 
dem  der  Brunnen  geschlossen  war  und  die  Einwohner  nur  ge¬ 
kochtes  Wasser  benützten,  hörte  die  Epidemie  auf.  Die  Dauer 
der  Krankheit  war  durchschnittlich  8  Wochen.  Der  Sektions¬ 
befund  ergab  in  allen  Fällen  gangränöse  Ulzeration  des  Darmes. 
Im  Brunnenwasser  wurde  ein  kolifoiynes  Bakterium  isoliert,  das  bei 
Tieren  eine  generelle  hämatogene  Infektion  mit  spezieller  Lokali¬ 
sation  im  Darme  hervorrief;  zugleich  wurde  ein  typhoides  Bak¬ 
terium  gefunden,  das  nicht  virulent  für  Tiere  war;  es  war  in  der 
Darm  Schleimhaut  und  den  Exkrementen  reichlich  vorhanden. 
Das  Blut  der  Kranken  war  steril.  Agglutinationsversuche  mit  dem 
Blute  der  Kranken  und  den  isolierten  Bakterien  waren  negativ. 
Striga  - Kruses  Bazillus  wurde  nicht  gefunden.  Verf.  unter¬ 
sucht  die  Häufigkeit  der  Dysenterie  in  Norwegen  und  erwähnt  die 
neuesten  bakteriellen  Untersuchungen  über  diese  Krankheit. 

P.  Aaser  (N):  Die  Ansteckungsgefahr  der  entlassenen 
Scharlachpatienten.  (Tidsskrift  for  den  norske  Lägeforening, 
No.  15.) 

Verf.  hat  von  1895  bis  1902  3800  Scharlachpatienten  behan¬ 
delt,  79  von  diesen  sollen  von  entlassenen  Patienten  angesteckt 
sein.  Verf.  huldigt  der  Ansicht,  dass  die  Ansteckung  mit  der  Ab¬ 
schilferung  gar  nichts  zu  tun  hat,  aber  dass  der  Ansteckungsstoff 
sich  lange  Zeit  in  den  Schleimhäuten  der  Nase,  des  Rachens  und 
des  Mittelohrs  halten  kann.  Er  isoliert  deshalb  die  Patienten,  bis 
keine  abnorme  Sekretion  mehr  vorhanden  ist.  Durch  Pinselung 
mit  Wasserstoffhyperoxyd  entsteht  eine  starke  Gasentwicklung 
bei  abnormer  Sekretion;  wenn  die  Schleimhaut  normal  ist,  entsteht 
keine  oder  sehr  unbedeutende  Gasentwicklung.  Verf.  empfiehlt 
dann  in  dieser  Beziehung  Wasserstoff hyperoxyd  als  Diagnostikum. 

Henry  Marcus  (S):  Studien,  über  die  Aetiologie  der  De¬ 
mentia  paralytica  in  Schweden.  (Hygiea,  Juli.) 

Die  Untersuchungen  umfassen  400  Fälle  (352  Männer, 
48  Frauen).  In  70  Proz.  der  Fälle  wurde  vorhergehende  syphi¬ 
litische  Infektion  erwähnt,  in  40  Proz.  der  Fälle  wurde  hereditäre 
Anlage  für  Geisteskrankheiten  nachgewiesen.  Verf.  ist  der  An¬ 
sicht,  dass  Syphilis  die  Ursache  der  Krankheit  ist,  ohne  doch  ganz 
die  Möglichkeit  abweisen  zu  können,  dass  ebenso  auch  andere 
Giftstoffe  und  Ursachen  die  generelle  Paralyse  hervorrufen  können. 
Die  Erblichkeit  spielt  eine  ebenso  grosse  Rolle  bei  dieser  als  bei 
anderen  Geisteskrankheiten. 

Anna  Stecksen  (S) :  Trockenpräparat  von  Hefen.  (Ibid.) 

Verf.  hat  durch  Untersuchung  (Pfiaumengelatinekulturen) 
von  Couturieux’  „Levurine“  nachgewiesen,  dass  dieses  Prä¬ 
parat  lebende  Hefenzellen  enthält.  Ferner  hat  sie  selbst  ein  wirk¬ 
sames  Hefenpräparat  dargestellt,  welches  sie  Saccharo- 
mycetes  sicci  (Blomquist)  1:1  nennt;  dieses  Präparat 
enthält  keine  lebenden  Hefezellen  und  lässt  sich  sterilisieren, 
ohne  seine  Kraft  zu  verlieren.  Das  Präparat  wird  insbesonders 
gegen  Fluor  gonorrhoischen  Ursprungs,  aber  auch  gegen  Furun¬ 
kulose  und  ähnliche  Hautkrankheiten  empfohlen.  Die  Dosis  ist 
ein  Kaffeelöffel  voll  (3 — 7  g)  3  mal  täglich  vor  der  Mahl¬ 
zeit  in  einem  kleinen  Glas  Bier  zu  nehmen.  Verf.  empfiehlt  auch, 
das  Präparat  gegen  Diabetes  und  die  B  a  r  1  o  w  sehe  Krankheit 
zu  prüfen,  vielleicht  auch  gegen  Cystitis  mit  Bakteriurie  und  al¬ 
kalischem  Harn. 

Johan  Holm  ström  (S):  Einige  Fälle  der  sogen,  essen¬ 
tiellen  Bindehautschrumpfung  (Pemphigus  conjunctivae).  (Ibid.) 

Verf.  berichtet  4  Fälle  dieser  seltenen,  unheimlichen  Augen¬ 
krankheit.  Die  Patienten  waren  sämtlich  aus  Malmö  und  seiner 
Umgegend  (00  000  Einwohner). 

R.  Faltin  (F):  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Volvulus  coeci. 
(Finska  läkaresällskapets  handlingar,  Juli.) 

Als  Volvulus  coeci  bezeichnet  Verf.  jede  zu  Darmokklusion 
führende  Knickung,  Achsendrehung  oder  Verknotung,  bei  wel¬ 
cher  der  Blinddarm  beteiligt  ist.  Auf  eine  Kasuistik  von 
75  Fällen  gestützt,  gibt  Verf.  eine  eingehende  monographische 
Darstellung  dieses  Krankheitsbildes.  26  Fälle  stammen  aus  Finn¬ 
land,  ausserdem  sind  dem  Verf.  noch  6  Fälle  bekannt,  die  aus  ver¬ 
schiedenen  Gründen  nicht  berücksichtigt  werden  konnten;  es  sind 
also  in  Finnland  im  ganzen  32  Fälle  von  Volvulus  coeci,  davon 
28  seit  Anfang  1897,  zur  Beobachtung  gelangt.  25  Fälle  hat  Verf. 
aus  der  ausländischen  Literatur  gesammelt  und  24  sind  von 
v.  Manteuffel  in  seiner  Monographie  zusammengestellt. 
(Uebrigens  muss  auf  ein  einschlägiges  deutsches  Referat  der  Ab¬ 
handlung  im  selben  Heft  verwiesen  werden.) 


1770 


MTTEN CIIENER  MElHCINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


K.  E  d  g  r  e  n  (F) :  Zur  Kasuistik  der  Magen-  und  Darm¬ 
perforationen.  (Ibidem,  August.) 

Yerf.  referiert  einen  Fall  von  V ulnus  perforans  ventriculi, 
einen  Fall  von  Ulcus  perforans  ventriculi  und  einen  Fall  von 
Contusio  abdominis  c.  ruptura  intestini,  in  welchen  die  Heilung 
durch  Laparotomien  und  Nähte  der  Wunden  der  Eingeweide  ein¬ 
trat,  endlich  einen  Fall  von  Ulcus  perforans  duodeni  c.  peritonitide 
septica  diffusa  mit  Exitus  letalis  trotz  Operation.  Als  Oi)eration 
indizierende  Kardinalsymptome  der  Perforationen  gibt  Verf.  an: 
die  Alteration  des  Allgemeinbefindens  und  des  Gesichtsausdruckes, 
die  reflektorische  Kontraktion  der  Bauchwandung  und  den  Er¬ 
guss  in  die  Peritonealhöhle.  Yerf.  empfiehlt  Drainage  mittels 
Mikulicz’  Tampon  und  als  Nachbehandlung  Kochsalzinfusion. 

Georg  M  e  1 1  i  n  (F):  Zur  Kenntnis  der  Bakteriurie  bei  Kin¬ 
dern.  (Ibidem.) 

Im  Jahre  1900  hat  Verf.  10  Fälle  von  Bakteriurie  bei  Kindern 
im  Kinderspitale  zu  Helsingfors  behandelt,  5  Knaben  und  5  Mäd¬ 
chen  im  Alter  von  5  Monaten  bis  zu  4  J  ahren,  nur  ein  Knabe  war 
10  Jahre  alt.  Schwere  Allgemeinsymptome  waren  nicht  vorhanden. 
In  der  Hälfte  der  Fälle  litten  die  Kinder  an  Digestionsstörungen, 
in  einem  Fall  entstand  die  Bakteriurie  nach  einem  Abszess  in  der 
Analregion  und  schwand  nach  Inzision  desselben,  ln  5  Fällen 
waren  Schmerzen  während  des  Urinierens,  in  5  Fällen  unangenehmer 
Geruch  des  Harns,  in  3  Fällen  Pollakiurie  vorhanden.  Der  10  jälir. 
Patient  litt  seit  2  Jahren  an  Incontinentia  diurna.  Genitalia  ext. 
waren  in  allen  Fällen  normal.'  Die  Reaktion  des  Harns  war  in 
8  Fällen  sauer,  in  einem  alkalisch,  in  einem  Falle  amphoter. 
Zucker  wurde  nie,  Eiweiss  nur  in  einem  Falle  als  Spur  gefunden. 
Der  Harn  war  diffus  unklar,  Bouillonkulturen  von  Bakterien  ähn¬ 
lich.  In  8  Fällen  war  Bacterium  coli  commune,  in  2  Fällen 
Staphylococcus  pyogenes  albus  als  Reinkulturen  vorhanden.  Im 
zentrifugierten  Harn  wurden  ab  und  zu  einzelne  Leukocyten  und 
Epithelzellen  gefunden.  Impfversuche  auf  Kaninchen  zeigten, 
dass  die  Virulenz  der  Bakterien  gewöhnlich  sehr  schwach  war. 
Verf.  huldigt  der  Ansicht,  dass  die  Krankheit  mit  Verdauungs- 
störungen  in  Verbindung  steht;  aber  wie  die  Bakterien  in  die 
Blase  hineinkommen,  weiss  man  nicht.  Zur  Behandlung  der  Krank¬ 
heit,  die  oft  spontan  durch  Regulieren  der  Diät  und  durch  Be¬ 
handlung  der  Verdauungsstörungen  heilt,  empfiehlt  Verf.  Salol 
25  cg  3  mal  täglich  zu  verabreichen;  zugleich  werden  Spülungen  der 
Harnblase  mit  3  proz.  Borsäurelösung,  (4 — Vä  proz.  Lysollösung, 
in  schwereren  Fällen  vielleicht  mit  y2  prom.  Lapislösung  em¬ 
pfohlen.  Alle  die  Fälle  des  Verfassers  wurden  geheilt,  so  dass 
er  die  Prognose  für  eine  gute  hält. 

Adolph  H.  Meyer-  Kopenhagen. 

Unfallheilkunde. 

Görtz-Mainz:  Kommen  traumatische  Leistenbrüche  in 
Wirklichkeit  vor  und  von  welchen  Erscheinungen  sind  sie  even¬ 
tuell  begleitet?  (Monatsschr.  f.  Unfallheilk.  1902,  No.  5.) 

Durch  Gegenüberstellung  zweier  typischer  Fälle,  eines  wirk¬ 
lich  traumatischen  Bruches  und  eines  nur  angeblichen  „Bruch¬ 
unfalles“  zeigt  Verf.  die  Schwierigkeiten,  die  sich  bei  Beantwor¬ 
tung  der  obigen  Fragen  ergeben. 

Aus  dem  ersteren  Falle  ist  zu  ersehen,  wie  viele  und  wie 
schwere  Symptome  und  besondere  Umstände  erforderlich  sind,  um 
die  ausnahmsweise  traumatische  Entstehung  einer  Hernie,  wenn 
auch  noch  nicht  sicher,  doch  wenigstens  wahrscheinlich  zu  machen. 
Die  auf  Grund  eines  reichen  Materiales  gesammelten  Erfahrungen 
des  Verf.  ergeben  höchstens  0,1  Proz.  „Bruchunfälle“. 

E.  Bourquin  und  F.  de  Quervain-  Chaux-de-Fonds: 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  Herzklappenverletzungen  durch  plötz¬ 
liche  Ueberanstrengung.  (Ibidem.) 

Bei  einem  vorher  völlig  gesunden,  zu  jeder  schweren  Arbeit 
fähigen  35  jährigen  Fuhrmann  trat  im  unmittelbaren  Anschluss 
an  eine  plötzliche  heftige  Muskelanstrengung  (Versuch,  ein  000  1 
haltendes,  im  Rollen  befindliches  Spiritusfass  zurückzuhalten)  ein 
ebenso  plötzliches,  von  dem  Patienten  mit  einem  Peitschenhieb 
verglichenes  Gefühl  in  der  Brust  auf.  Daran  schloss  sich  Nasen¬ 
bluten,  Mattigkeit,  am  folgenden  Tage  Bluthusten,  Unfähigkeit  zu 
jeder  Arbeit,  dann  Cyanose,  Pulsbeschleunigung,  ein  auffallend 
starkes  Mitralgeräusch,  Temperatursteigerung,  multiple  Embolien, 
deren  eine,  eine  Hirnembolie,  7y2  Wochen  nach  dem  Unfälle  den 
Tod  zur  Folge  hatte.  —  Die  Autopsie  ergab  eine  auf  einen  Teil 
des  medialen  Mitralsegels  beschränkte,  ulzerös-verruköse,  durch 
Staphylokokken  bedingte  Endokarditis  mit  Fehlen  der  Sehnenfäden 
im  Bereich  des  veränderten  Klappenteils.  Die  Autopsie  zeigte 
ferner  das  Vorhandensein  von  verhältnismässig  frischen  Milz-  und 
Niereninfarkten  und  von  einer  frischen  Embolie  der  rechten  Ar- 
teria  foss.  Sylvii  mit  rückläufigen  Blutungen  im  Bereiche  des 
plötzlich  auf  Nulldruck  gesetzten  Gebietes. 

Der  ganze  Verlauf  des  genau  pathologisch-anatomisch  und 
bakteriologisch  untersuchten  Falles  liess  sich  nur  durch  die  An¬ 
nahme  erklären,  dass  bei  der  stattgefundenen  Ueberanstrengung 
eine  vielleicht  nur  geringe  Zerreissung  im  Bereiche  des  medialen 
Mitralsegels  oder  seiner  Sehnenfäden  stattgefunden  hatte,  die  ge¬ 
nügte,  um  sofort  die  Zirkulation  zu  schädigen  und  den  Pat.  ar¬ 
beitsunfähig  zu  machen.  Zu  dieser  traumatischen  Schädigung  der 
Mitralis  gesellten  sich  von  der  3. — 4.  Woche  an  die  Erscheinungen 
einer  subakut  verlaufenden  Endokarditis,  deren  Entstehung  nur 
so  zu  denken  ist,  dass  ein  zufällig  im  Blut  zirkulierender  Staphylo¬ 
kokkus  sich  auf  der  verletzten  Klappe  ansiedelte.  Der  Umstand, 
dass  die  Entzündung  auf  das  ursprünglich  befallene  Gebiet  be¬ 
schränkt  blieb  und  dass  es  in  den  Milz-  und  Niereninfarkten  nur 


zur  Nekrose,  nicht  aber  zur  Eiterung  gekommen  ist,  liess  an- 
nehmen,  dass  der  betreffende  Staphylokokkus  verhältnismässig 
wenig  virulent  war. 

Das  Gutachten  der  Verf.  sprach  sich  demgemäss  dahin  aus, 
dass  einzig  die  Annahme  einer  traumatischen  Endokarditis  den 
Verlauf  genügend  zu  erklären  vermöge,  woraufhin  der  Witwe  des 
Verunglückten  von  der  Versicherungsgesellschaft  der  volle  Betrag 
zugesprochen  wurde. 

S  c  h  m  i  d  t:  Ueber  Riss  des  geraden  Bauchmuskels  und 
seinen  Mechanismus.  (Chir.  und  mechan.  Heilanstalt  zu  Kottbus. 
Prof.  Dr.  Thiem.)  (Monatsschr.  f.  Unfallheilk.  1902,  No.  6.) 

Der  durch  zwei  nacheinander  erfolgte  Muskelanstrengungen 
zu  stände  gekommene  Riss  des  rechten  Rectus  abdom.,  3  Quer¬ 
finger  breit  über  der  Symphyse,  ist  nach  zwei  Richtungen  hin 
interessant:  einmal,  weil  eine  Vereiterung  desselben  eintrat,  was 
sehr  selten  erfolgt,  da  die  Verletzung  in  den  allermeisten  Fällen 
nur  eine  subkutane  ist;  zweitens  hinsichtlich  des  nach  dem  Unfall 
„ohne  Würgen“  erfolgten  Erbrechens,  das  vor  der  Operation  einen 
perityplilitischen  Abszess  vortäuschte  und  auf  eine  Reizung  des 
Bauchfells  hindeutet. 

Wagner-Bad  Kreuznach:  Zur  fabrikmässigen  Herstel¬ 
lung  von  Plattfusseinlagen.  (Mit  3  Abbildungen.)  (Ibidem.) 

Im  Hinblick  auf  die  enorme  Verbreitung  des  statischen  und 
des  traumatischen  Plattfusses  verteidigt  W.  die  f  a  b  r  i  k  m  ä  s  - 
sige  Herstellung  von  Einlagen,  um  die  vorzügliche  Wirkung  der¬ 
selben  einem  grösseren  Kreise  zuteil  werden  zu  lassen,  als  dies 
möglich  ist,  wenn  die  Anfertigung  nur  dem  erfahrenen  Orthopäden 
gelingen  sollte.  Die  individuelle  Behandlung,  wie  sie  Schanz 
und  Karch  verlangen,  fällt  weg  bei  Benützung  der  vom  Verf. 
angegebenen  Einlagen  aus  federnd  gehärtetem  Stahl  mit  Auflage 
eines  dünneren  oder  dickeren  Filzkeils  oder  Wattebauschs  auf  das 
Fersenende,  wodurch  die  Höhe  der  Wölbung  reguliert  und  so  eine 
Einlage  geschaffen  ist,  die  dem  Arzte  zur  Verwendung  bei  seinen 
Patienten  ohne  weiteres  in  die  Hand  gegeben  werden  kann.  Einer 
kleinen  Aenderung,  die'  der  Arzt  jedoch  selbst  leicht  vornehmen 
kann,  bedarf  die  Einlage  nur  in  jenen  seltenen  Fällen,  wo  das 
Os  naviculare  wie  eine  Exostose  hervortritt;  das  Os  nav.  muss 
dann  gegen  den  seitlichen  Druck  der  Einlage  geschützt  werden, 
indem  man  vor  und  hinter  dem  Kahnbein  an  der  Einlage  selbst  ein 
Stück  Filz  befestigt,  so  dass  das  Kalinbein  hohl  liegt,  was  übrigens 
schon  bei  der  Herstellung  der  Einlage  berücksichtigt  werden  kann, 
indem  eine  Vertiefung  in  den  Stahl  beim  Pressen  eingedrückt  wird. 
— -  Im  Einzelnen  werden  noch  die  Vorzüge  der  Einlage  gegenüber 
den  aus  Celluloid,  Nickelin,  Durana  etc.  hergestellten  Sohlen  aus¬ 
einandergesetzt. 

E.  Iv  i  r  s  c  h  -  Magdeburg:  Der  Nachweis  der  Simulation  und 
Uebertreibung.  (Monatsschr.  f.  Unfallheilk.  1902,  No.  7.) 

Von  der  geradezu  „physiologischen“  Uebertreibung  wirklich 
bestehender  Beschwerden  von  seiten  Unfallverletzter  —  und  zwar 
nicht  nur  der  berufsgenossenschaftlich  versicherten  Arbeiter,  son¬ 
dern  auch  der  bei  Privatunfallversicherungs-Gesellschaften  Ver¬ 
sicherten  —  bis  zur  gröbsten  absichtlichen  Simulation  eines  ganzen 
Krankheitsbildes  gibt  es  alle  möglichen  Abstufungen,  so  dass  sich 
nur  schwer  eine  Grenze  ziehen  lässt.  Deshalb  gebraucht  der 
Autor  die  Ausdrücke  Uebertreibung  und  Simulation  als  gleich¬ 
bedeutend.  Beides  muss  „nachgewiesen“,  d.  h.  durch  einen  schlüs¬ 
sigen  Beweis  einem  Dritten,  dem  Richter,  überzeugend  klargelegt 
werden  können;  die  subjektive  Ueberzeugung  des  Untersuchers 
hat  für  sich  allein  keinen  Wert.  Zum  Nachweis  aber  gehören 
Methoden,  die  eine  Kritik  der  Angaben  des  Verletzten  und  der 
gefälscht  dargestellten  Funktion  gestatten,  Methoden,  die  sonst 
in  der  Krankenbehandlung  nicht  verwendet  werden,  weil  das  Ver¬ 
trauen,  das  sonst  die  schönste  Grundlage  des  Verhältnisses  zwi¬ 
schen  Arzt  und  Patient  ist,  bei  dieser  Beschäftigung  den  beiden 
in  Betracht  kommenden  Personen  gänzlich  fehlt. 

Nach  Vorausschickung  allgemeiner  Grundsätze  für  das  Ver¬ 
fahren  des  Arztes,  wenn  der  Verdacht  der  Uebertreibung  etc.  vor¬ 
handen  ist,  gibt  Verf.  die  Methoden  zum  Nachweis  der  E  r  d  i  c  h  - 
t.  ung  und  Vorspiegel  u  n  g  krankhafter  Zust  ä  nde 
durch  falsche  Angaben  und  Verstellung,  ohne  auf 
die  freiwillige  H  e  r  v  o  r  r  u  fung  v  o  n  Krankheite  n 
etc.  (von  Mydriasis  durch  Atropin,  von  Fisteln  durch  unter  die 
Haut  geschobene  Fremdkörper  u.  s.  w.)  mul  die  fälschliche 
Beziehung  von  schon  bestandenen  Krankheiten 
z  u  d  e  m  Unfall  (z.  B.  Verwertung  alter  Hernien,  Stempelung 
mancher  Alkohol-  und  Nikotinneurosen  zu  traumatischen)  einzu¬ 
gehen. 

Die  Methoden  und  Manipulationen  zur  Prüfung  des  Spontan¬ 
schmerzes,  des  Druckschmerzes,  der  Sensibilität,  des  Zitterns,  der 
Parese,  der  Gelenksteifigkeit  werden  genau  besprochen  und  für 
den  praktischen  Arzt  für  Schwachsichtigkeit  das  Verfahren  von 
Ziehe  n,  für  Schwerhörigkeit  das  Verfahren  mit  dem  doppelten 
Gummischlauch  empfohlen.  Interessante  und  lehrreiche  Beispiele 
sind  überall  eingestreut  und  auch  die  Rolle  des  Zufalls  auf  dem 
Gebiet,  auf  dem  der  Untersucher  „nicht  nur  gelehrter,  son¬ 
dern  auch  gescheiter“  sein  muss  als  der  Untersuchte,  ist 
gebührend  beleuchtet. 

F.  Apelt:  Arteriosklerose  und  Commotio  cerebi’i.  („Her¬ 
mannhaus“,  Unfallnervenklinik  der  sächs.  Baugewerks-Berufs- 
genossenschaft,  Stötteritz-Leipzig.  Chefarzt:  Prof.  Dr.  W  ind- 
scheid.)  (Aerztl.  Sachverständigen-Zeitg.  1902,  No.  12.) 

Der  nach  Commotio  cerebri  (mit  Kocher  statt  Ilirnerschiit- 
terung  besser  mit  Hirnpressung  zu  bezeichnen)  häufig  sich  dar¬ 
bietende,  an  das  Bild  der  sog.  traumatischen  Neurose  vielfach 


21.  Oktober  1902. 


MUEIST CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1771 


erinnernde  Allgemeinzustand  (erhöhte  Reizbarkeit,  Erregbarkeit 
über  Kleinigkeiten,  Intoleranz  gegen  Alkohol,  Klagen  über  "rosse 
Energielosigkeit  und  Mattigkeit,  Unfähigkeit  zu  körperlichen  wie 
geistigen  Anstrengungen,  beträchtliche  Herabsetzung  der  rohen 
Kraft,  besonders  regelmässig:  Kopfschmerz,  Schwindel  und  Ab¬ 
nahme  des  Gedächtnisses)  findet  sich  einerseits  bei  Patienten,  bei 
denen  eine  Arteriosklerose  mit  ihren  bekannten  Symptomen:  Härte 
Rollbarkeit  und  Schlängelung  der  sicht-  und  fühlbaren  Arterien’ 
oft  auch  accentuierter  II.  Aortenton  sich  nachweisen  lässt;  andrer¬ 
seits  lässt  sich  bei  diesen  Patienten  nicht  gerade  häufig  eine 
Besserung  ihrer  Beschwerden,  die  oft  schon  2—3  Jahre  lang  be¬ 
standen,  erzielen,  während  bei  Patienten  ohne  Arteriosklerose  mit 
ähnlichen  Klagen  in  kurzer  Zeit  durch  Ruhe,  roborierende  Diät 
und  milde  hydrotherapeutische  Kuren  recht  ansehnliche  Erfolge 
erreicht  werden  können. 

Aus  den  zum  Belege  angeführten  Krankengeschichten  geht 
u.  a.  auch  hervor,  dass  die  frühzeitig  entwickelte  Gefässverliärtung 
im  Arbeiterstand  viel  häufiger  anzutreffen  ist  als  gemeinhin  an¬ 
genommen  wird:  von  17  Patienten  mit  Arteriosklerose  waren  nicht 
weniger  als  7,  die  das  30.  Lebensjahr  noch  nicht  erreicht  hatten. 
Ursache  hierfür  sind  jedenfalls  körperliche  Arbeit  und  Alkohol. 

M.  B  i  e  r  f  r  e  u  n  d  -  Insterburg:  Beiträge  zur  traumatischen 
Entstehung  innerer  Krankheiten  in  aktenmässiger  Darstellung. 

I.  Zwei  Fälle  von  Rippennekrose  und  linksseitigem  Empyema 
necessitatis  nach  Quetschung  der  Brust.  (Ibidem.) 

Die  aktenmässige  Mitteilung  von  Fällen  ans  der  Un¬ 
fallpraxis  ist  bei  dem  Werte  dieser  Art  der  Darstellung  für  die 
Unfallheilkunde,  versicherungsrechtliche  und  forensische  Medizin 
nur  zu  begrüssen  und  als  Lektüre  dem  Praktiker  zu  empfehlen; 
speziell  auf  dem  noch  so  dunklen  Terrain  der  traumatischen  Ent¬ 
stehung  innerer  Krankheiten  wird  sie  auch  ohne  Beifügung  einer 
eingehenden  Epikrise  manchen  wertvollen  Beitrag  zur  Klärung 
von  obwaltenden  Zweifeln  und  strittigen  Meinungen  theoretischer 
und  praktischer  Natur  zu  liefern  im  stände  sein. 

Das  TJnfallkrankenhaus  zu  Strassburg  i.  E.  (Ibidem.) 

Das  am  27.  November  1901  eingeweilite  Haus  mit  einem  Raum 
für  110  Betten,  errichtet  auf  Anregung  von  Prof.  Ledderhose 
unter  Teilnahme  mehrerer  Berufsgenossenschaften  von  einer  Ge¬ 
sellschaft  mit  beschränkter  Haftung  mit  Aufwendung  eines  Ka¬ 
pitals  von  400  000  M.,  ist  als  erstes  seiner  Art  bemerkenswert. 

Besonders  beachtenswert  ist,  dass  Ledderhose,  eine  der 
ersten  Autoritäten  auf  dem  Gebiet  der  Unfallheilkunde,  dazu  ge¬ 
kommen  ist,  nicht  mehr  den  Schwerpunkt  bei  der  Behandlung  der 
Unfallfolgen  auf  die  Apparat  Übungen  zu  legen,  sondern  sich  auf 
einfachere  Methoden  der  Behandlung  beschränkt  und  das  Haupt¬ 
gewicht  auf  das  persönliche  Moment  legt,  welches  der  massierende 
oder  elektrisierende  Arzt  ausiibt. 

Aus  den  Worten,  welche  L.  über  die  gutachtliche  Tätigkeit 
in  seiner  Festrede  sprach,  sei  das  Resümee  derselben  zitiert,  das 
als  Direktive  für  jede  gutachtliche  Aeusserung  dienen  kann:  „Die 
begutachtende  Tätigkeit  der  Aerzte  hat  sich  darin  vervollkommnet, 
dass  sie  mehr  und  mehr  eine  wissenschaftliche  Richtung  ein- 
gesclilagen  hat.  Wissenschaft  ist  nicht  so  zu  verstehen,  dass 
möglichst  viel  Gelehrsamkeit  zum  Ausdruck  kommen  soll,  sondern 
definiert  als  das  freie,  von  keinem  Vorurteil  behinderte,  von' keiner 
Vorliebe  beherrschte  Suchen  und  Bekennen  der  Wahrheit.  Eine 
in  diesem  Sinne  wissenschaftliche  Begutachtung  wird  auch  dem 
höchsten  Ansprüche  Genüge  leisten,  auf  den  es  in  der  sozialen 
Praxis  in  erster  Linie  ankdmmt:  gerecht  zu  sein.“ 

M.  B  i  e  r  f  r  e  u  n  d  -  Insterburg:  Beiträge  zur  traumatischen 
Entstehung  innerer  Krankheiten  in  aktenmässiger  Darstellung. 

II.  Lungenentzündung,  mit  Schulter-  und  Hüftgelenksentzün¬ 
dung  kompliziert,  als  Unfall  anerkannt.  (Aerztl.  Sachverst.- 
Ztg.  1902,  No.  13.) 

Der  „Unfall“  entstand  dadurch,  dass  der  Besitzer  F.  G.  auf 
dem  Dachfirst  seines  Hauses  etwa  1 — ly2  Stunden  lang  eine  Aus¬ 
besserung  des  Daches,  welches  durch  einen  augenblicklich  herr¬ 
schenden  Sturm  zerstört  zu  werden  drohte,  vornehmen  musste 
und  während  dieser  Arbeit  dem  heftigsten  Luftzug  ausgesetzt 
war.  Hierbei  war  die  körperschädigende  Wirkung  des  kalten 
Luftzuges  zeitlich  so  zusammengedrängt,  dass  die  daraus  resul¬ 
tierende  Schädigung  als  Folge  eines  Unfalles  aufzufassen  ist. 
Aehnlich  wurde  vom  R.-V.-A.  das  Erfrieren  eines  Fusses  bei  einem 
Pferdejungen,  welcher  bei  strenger  Winterkälte  im  Aufträge  eines 
landwirtschaftlichen  Unternehmers  längere  Zeit  auf  derselben 
Stelle  hatte  stehen  müssen,  um  einen  Jagdhund  zu  halten,  als 
Betriebsunfall  anerkannt;  nicht  aber  eine  Lungenentzündung, 
welche  sich  ein  Rohrleger  dadurch  zugezogen  hatte,  dass  er 
m  ehrere  Tage  bei  seiner  Arbeit  mit  blossen  Füssen  im  Wasser 
hatte  stehen  müssen. 

L  o  e  s  e  r  -  Berlin:  Enophthalmus  traumaticus.  (Aerztl.  Sach- 
verst.-Ztg.  1902,  No.  14.) 

In  der  gesamten  Literatur  sind  bisher  nur  53  Fälle  be¬ 
schrieben.  Im  vorliegenden  54.  Falle  handelte  es  sich  um  einen 
27jiihL\  Tischler,  der  einen  Faustschlag  gegen  das  rechte  Auge 
erlitten  hatte;  der  Schlag  hatte  hauptsächlich  die  äussere  und 
obere  Partie  der  Augenhöhlenwandung  betroffen. 

Befund:  Auge  deutlich  zurückgesunken,  so  dass  die  Lid¬ 
spalte  etwas  schmäler,  das  Auge  im  ganzen  etwas  kleiner  er¬ 
scheint.  Das  dem  zurückgesunkenen  Augapfel  aufliegende  Ober- 
lid,  das  in  seiner  Bewegungsfähigkeit  ungestört  ist,  erscheint 
etwas  verbreitert,  und  lässt  unter  dem  Supraorbitalrand  eine  tiefe, 
furchenartige  Einsenkung  erkennen,  die  links  fehlt;  noch  deut¬ 
licher  wird  dieser  Reliefunterschied  bei  geschlossenen  Augen. 


Ferner  bildet  sich  bei  äusserster  Rechtswendung  zwischen  dem 
äusseren  Lidwinkel  und  der  Bulbuswandung  eine  tiefe  taschen¬ 
förmige  Einsenkung,  während  sich  auf  der  gesunden  Seite  die 
Lider  dicht  an  den  in  gleicher  Stellung  befindlichen  Augapfel  an- 
sclimiegen.  Dieses  bisher  noch  nicht  erwähnte  Symptom  ist  be¬ 
merkenswert,  weil  sein  Vorhandensein  möglicherweise  diffe¬ 
rentialdiagnostisch  gegenüber  den  gar  nicht  selten  a  n  - 
g  e  b  o  r  e  n  e  n  Entwicklungsassymmetrien  Verwendung  finden 
kann.  Die  sonstigen  Störungen  betreffen  den  Muskelapparat 
(Doppelbilder).  Schliesslich  ist  die  rechte  Pupille  deutlich  weiter 
als  die  linke,  während  die  Reaktion  auf  Licht  und  Konvergenz 
prompt  erhalten  ist.  (Akkommodation,  Sehschärfe,  Gesichtsfeld, 
Tonus  und  ophthalmoskopischer  Befund  zeigen  ganz  normales  Ver¬ 
halten;  auch  sonstige  Störungen,  speziell  von  seiten  des  Nerven¬ 
systems,  sind  nicht  vorhanden.) 

Die  Traumen  (Hufschlag,  Wurf-,  Stoss-,  Sturz-  etc.-Ver- 
letzung),  die  zum  Enophthalmus  führen,  betreffen  fast  ausschliess¬ 
lich  die  Stirn-  oder  Schläfengegend  in  der  Umgebung  des  Auges. 
Anatomische  Untersuchung  fehlt  bisher.  Die  Anschauung  L  e  - 
derers,  der  52  Fälle  zusammengestellt  hat  —  dass  nämlich  die 
Verletzung  zunächst  zu  einer,  sei  es  direkten,  sei  es  fortgesetzten 
oder  indirekten  Fraktur  der  Orbitalwand  führt,  die  einen  Blut¬ 
erguss  in  das  Orbitalgewebe  zur  Folge  hat  mit  Zerreissung  des¬ 
selben  und  nachfolgender  Narbenbildung,  welche  ihrerseits  zur 
Retraktion  des  Augapfels  führt,  und  dass  teils  auf  direkte,  gleich¬ 
zeitige  Läsion  der  einzelnen  Orbitalgebilde  durch  die  Blutung, 
eventuell  auch  durch  Knochenfragmente,  teils  aber  auf  Mitleiden¬ 
schaft  der  den  Orbitalwänden  jeweils  benachbarten  Gebilde  bei 
der  Vernarbung  der  Orbitalwandbrüche  alle  die  mannigfaltigen 
Begleiterscheinungen  des  traumatischen  Enophthalmus  zurückzu¬ 
führen  sind  (Lähmungen  der  äusseren  Augenmuskeln,  Pupillenver- 
änderungen,  Störungen  der  Akkommodation  oder  Sehkraft,  Läsionen 
des  Sehnerven,  Gefühlsstörungen  in  der  betreffenden  Gesichts¬ 
hälfte  u.  s.  w.)  — ,  erklärt  am  einfachsten  und  ungezwungensten 
alle  Erscheinungsformen  und  verdient  den  Vorzug  vor  allen  an¬ 
deren. 

Was  die  ärztliche  Begutachtung  eines  traumatischen 
Enophthalmus  bezüglich  der  Erwerbsbeeinträchtigung  betrifft,  so 
ist  zu  bemerken,  dass  die  Lageanomalie  des  Bulbus  an  sich  —  die 
übrigens  einer  Besserung  kaum  zugänglich  ist  —  keinerlei 
Funktionsstörungen  bedingt.  Schädliche  Folgen  für  den  Gebrauch 
des  Sehorgans  können  ausschliesslich  aus  den  Begleiterscheinungen 
resultieren,  deren  Mannigfaltigkeit,  verschiedenartige  Dignität  und 
Dauer  in  jedem  einzelnen  Fall  eine  besondere  Beurteilung  not¬ 
wendig  machen  wird.  Schwab-  Neuweissensee-Berlin. 

Inaugriral-Dissertationen. 

Univei’Sität  Kiel.  August  und  September  1902. 

93.  Backhaus  Fritz:  lieber  Entstehung  und  Behandlung  der 
kompletten  Dammrisse. 

94.  Vollmer  Theodor:  Ein  Fall  von  Aneurysma  des  Arcus  mit 
Durchbruch  in  den  Herzbeutel. 

95.  Wortmann  Julius:  Ein  Fall  von  Enchondi’om  der  Tibia. 
9G.  Blumensath  Fiätz:  Statistisch -klinische  Mitteilungen 

über  das  runde  Magengeschwür. 

97.  Bi  spin  g  Heinrich:  Zur  Kasuistik  der  Luxatio  genu  con¬ 
genita. 

9S.  Cli  astinet  Mathias:  Kasuistischer  Beiti’ag  zur  Tabes  dor¬ 
sal  is  mit  Ophthalmoplegie  und  Muskelatrophie. 

99.  O  d  e  f  e  y  Theodor:  Kasuistische  Beitrüge  zur  Lehi’e  von  den 
Fremdkörpern  des  Uterus. 

100.  Elimke  Ulrich:  Ueber  die  Syndaktylie. 

101.  Heger  Ewald:  Ueber  Gaumentumoren,  nebst  Mitteilung 
eines  Falles  von  Sarkom  des  harten  Gaumens. 

102.  Sievert  Johannes:  Beitrag  zur  Lehi’e  von  den  Psychosen 
bei  Infektionskrankheiten.  Ein  Fall  von  Psychose  bei  gonor¬ 
rhoischer  Infektion. 

103.  W  o  s  s  i  d  1  o  Georg:  Vier  Fälle  von  Peniskarzinom. 

104.  Braess  Louis:  Ueber  Pfählungsverletzungen. 

105.  Eckstein  Hans:  Ein  Fall  von  primärer  Darmtuberkulose. 

106.  Mayer  Felix:  Ein  Fall  von  traumatischer  Fraktur  des  Ober¬ 
schenkelhalses  bei  einem  4  jährigen  Kinde. 

107.  Frey  er  Eduard:  Ueber  das  Rhabdomyosarkom  der  Niere. 

108.  Iv  ruse  Ernst:  Ein  Fall  von  Meningocele  occipitalis. 

109.  Bilfinger  Oskar:  Ueber  Leberabszess. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Karlsbad  vom  21.  bis  27.  September  1902. 

Referent :  Dr.  Grassmann  -  München. 

2.  allgemeine  Versammlung  a  m  26.  S  e  p  t.  1902. 
Zur  Eröffnung  der  zweiten  allgemeinen  Versammlung  hatte 
sich  eine  sehr  zahlreiche  Zuhörerschaft,  darunter  auch  viele 
Damen,  eingefunden,  die  dem  feierlichen  Schluss  der  diesjährigen 
Tagung  beiwohnen  wollten.  Zunächst  erfolgte  die  Bekanntgabe 
der  Telegramme,  welche  von  ihren  Majestäten  dem  Kaiser  von 
Oesterreich  und  dem  deutschen  Kaiser  an  die  Versammlung  als 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


1772 


Antwort  auf  die  dargebrachte  Huldigung  eingetroffen  waren; 
sodann  dankte  der  Vorsitzende  II  e  u  b  n  e  r  -  Berlin  der  Gesell¬ 
schaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und  Lite¬ 
ratur  in  Böhmen,  welche  jedem  Teilnehmer  des  Karlsbader  Kon¬ 
gresses  eine  Widmung  hatte  überreichen  lassen,  nämlich  den 
1.  Band  des  Briefwechsels  zwischen  J.  W.  v.  Goethe  und  dem 
Grafen  Iv.  v.  Sternberg,  dem  Mitbegründer  nicht  nur  des 
reichen  böhmischen  Landesmuseums  in  Prag,  sondern  auch 
tätigen  Mitbegründer  der  Versammlungen  deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte,  der  denselben  noch  weitere  und  grössere 
Aufgaben  zugedacht  hat  als  Oken  selbst  und  besonders  die 
Teilnahme  der  österreichischen  Gelehrtenwelt  an  dem  LTnter- 
nehmen  auf  das  Eifrigste  betrieb.  Wie  A.  Sauer  in  der  Ein¬ 
leitung  der  sehr  interessanten  Briefsammlung,  die  auf  die  warme 
Freundschaft  Goethes  mit  dem  naturwissenschaftlich  aus¬ 
zeichnet  gebildeten  Grafen  ein  helles  Licht  wirft,  des  näheren 
auseinandersetzt,  gewann  erst  durch  den  Beitritt  v.  Stern¬ 
bergs  die  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
den  Glanz  und  das  Ansehen,  das  sie  brauchte,  die  richtige  Per¬ 
sönlichkeit  zum  Führer  und  einen  Mittelpunkt,  an  den  sich 
andere  angliedern  konnten.  Es  war  daher  gewiss  eine  gute  und 
dankbar  zu  begrüssende  Idee,  ein  Werk  gerade  dieser  Art  den 
Teilnehmern  der  Tagung  in  Karlsbad  zu  widmen. 

Als  erster  Redner  sprach  A.  Freih.  v.  Eiseisberg  -Wien 
über  die  Bedeutung  der  Schilddrüse  für  den  Haushalt  der 
Natur  und  führte  folgendes  aus: 

Vor  tausenden  von  Jahren  haben  die  Chinesen  Krankheiten 
der  Leber  und  des  Gehirns  dadurch  behandelt,  dass  sie  den  Pa¬ 
tienten  rohe  Leber  und  rohes  Gehirn  zu  essen  gaben.  Wie  oft 
mag  seit  dieser  Zeit  diese  Behandlungsmethode  belächelt  worden 
sein!  I)a  begannen  vor  etwa  12  Jahren  die  Aerzte  auf  Grund 
wissenschaftlicher  Forschungen  eine  Reihe  von  Schilddrüsen¬ 
erkrankungen  dadurch  zu  behandeln,  dass  sie  ihren  Patienten 
rohe  Schilddrüsen  von  Tieren  zu  essen  gaben.  Bei  keinem  Organ 
ist  in  zwei  Dezennien  soviel  in  Pathologie  und  Therapie  geleistet 
worden  als  bei  der  Schilddrüse.  Deshalb  will  ich  versuchen,  in 
kurzem  den  gegenwärtigen  Stand  der  Kenntnis  von  der  Schild¬ 
drüse  auseinander  zu  setzen. 

Die  Schilddrüse  ist  eine  hufeisenförmige,  am  Halse  gelegene 
Drüse  ohne  Ausführungsgang.  Bis  in  die  neueste  Zeit  war  man 
über  die  Bedeutung  derselben  vollkommen  im  Unklaren.  Man 
vermutete,  sie  wäre  bloss  da,  um  den  Hals  voller,  schöner  zu 
machen,  die  Stimmbänder  vor  Erkältung  zu  bewahren;  noch  vor 
24  Jahren  schien  sie  eigentlich  bloss  dazu  vorhanden,  durch  ihre 
Entartung  den  Menschen  zu  schädigen.  Zwei  Momente  brachten 
Klärung:  die  Kropfexstirpation  und  das  Tierexperiment. 

Dass  der  Kropf  nicht  nur  von  kosmetischem  Nachteil  für  den 
Träger  ist,  sondern  durch  Atembeschwerden  und  nervöse  Erschei¬ 
nungen  ihn  aufs  schwerste  schädigen  kann,  lehrt  ein  Blick  auf 
obige  Tafel  (Demonstr.).  Seit  hundert  Jahren  ist  das  Jod  ein  sou¬ 
veränes  Mittel  zur  Behandlung  des  Kropfes;  leider  erweist  es  sich 
nicht  immer  als  ausreichend.  Dort,  wo  die  Luftröhre  eng  zu¬ 
sammengedrückt  ist,  heisst  es,  den  Kropf  rasch  zu  entfernen 
oder  den  Kehlkopfschnitt  zu  machen.  Schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  vorigen  Jahrhunderts  wurden  solche  Operationen  wiederholt 
und  mit  Glück  ausgeführt.  Wie  unsicher  aber  im  allgemeinen 
dabei  die  Erfolge  noch  waren,  lehrt  der  Ausspruch,  den  der 
Würzburger  Professor  v.  L  inhart  im  Jahre  1872  getan,  der 
die  Kropfoperation  als  einen  Mordversuch  bezeichnete.  Und 
wenige  Jahre  später  konnten  Billroth  und  Kocher  über  eine 
Reihe  von  mit  bestem  Erfolge  ausgeführte  Kropfoperationen  be¬ 
richten.  Und  damit  ja  kein  Kropf  nach  der  Operation  mehr  kam, 
nahm  man  gleich  die  ganze  Schilddrüse  mit  weg.  Da  erfolgte 
mit  einem  Male  eine  schwere  Reaktion.  Ein  Teil  der  Operierten 
erkrankte  an  schweren  starrkrampfähnlichen  Zuständen,  um 
daran  sogar  zu  Grunde  zu  gehen;  bei  anderen  traten  Schwel¬ 
lungen  im  Bereiche  der  Haut  ein,  Haarausfall,  und  was  das 
Schrecklichste  war,  es  machte  sich  bei  ihnen  eine  zunehmende 
Verblödung  geltend;  handelte  es  sich  dabei  um  jugendliche  In¬ 
dividuen,  so  blieben  dieselben  im  Wachstume  zurück.  Was  war 
die  Ursache  dieser  furchtbaren  Erscheinungen?  In  diesem 
Punkte  hat  das  Tierexperiment  Klarheit  geschafft,  welches  ergab, 
dass  bei  Fleischfressern  (Katze  und  Hund)  die  Entfernung  der 
Schilddrüse  von  ganz  ähnlichen  starrkrampfartigen  Zuständen 
gefolgt  ist,  wie  dies  beim  Menschen  beobachtet  wurde,  und  dass 


die  Piianzenfresser,  welche  meist  diesen  Eingriff  längere  Zeit 
überleben,  das  Bild  der  Verblödung,  und  falls  es  sich  um  jugend¬ 
liche  Tiere  handelt,  bei  denen  die  Operation  ausgeführt  war,  das 
schwerer  Wachstumsstörung  zeigen. 

Dass  da  nur  der  Ausfall  der  Schilddrüse  und  nichts  anderes 
die  Ursache  dieser  schweren  Erscheinungen  war,  wird  dadurch  be¬ 
wiesen,  dass  die  Entnahme  der  Hälfte,  selbst  2/s  bis  s/4  der 
Schilddrüse  dem  Tiere  nichts  schadet,  erst  Reduktionen  von  4/0 
bis  5/0  schädliche  Einwirkungen  zeigen.  Ein  weiterer  Beweis 
für  diese  Auffassung  wird  durch  die  interessanten  Experimente 
Schiffs  gegeben.  Demselben  gelang  es,  die  Tiere  nach  Schild¬ 
drüsenexstirpation  am  Leben  zu  erhalten,  dadurch,  dass  er  die 
Schilddrüse  in  dem  Bauche  des  Tieres  zur  Einheilung  brachte. 
Später  versuchte  man,  ob  ein  gleicher  Erfolg  nicht  durch  Ein¬ 
spritzung  A^on  Schilddrüsensaft,  bezw.  durch  die  Fütterung  der 
rohen  Schilddrüse  zu  erzielen  wäre,  und  auch  dies  gelang  und 
führte  zu  der  eingangs  erwähnten  Schilddrüsen therapie. 

Damit  war  die  Wichtigkeit  des  Organs  für  das  Leben  fest¬ 
gestellt,  und  die  Kropfoperation,  an  welche  man  sich  nur  unter 
den  schwersten  Gefahren  für  den  Menschen  herangewagt  hatte, 
Avar  zu  dem  segensreichsten  Eingriffe  geworden,  bei  dem  kaum 
1  Proz.  Mortalität  zu  verzeichnen  ist,  vorausgesetzt,  dass  man 
Sorge  trägt,  ein  Stückchen  Schilddrüse  zurückzulassen.  Diese 
grosse  Errungenschaft  verdankt  die  Menschheit  vorwiegend  dem 
Tierversuche.  Ich  möchte  hier  soAvohl  die  moralische  Berechti¬ 
gung,  wie  auch  den  Wert  derselben,  gegen  welche  beide  so  häufig 
Aron  den  Gegnern  der-  Vivisektion  angekämpft  Avird,  besonders 
betonen. 

Dass  der  Mensch  über  die  Tiere  frei  verfügt  und  verfügen 
darf,  bestreitet  wohl  niemand.  Er  scheut  sich  auch  nicht,  wo 
cs  sein  Vorteil  erheischt,  das  Tier  zu  quälen;  die  Kastration  der 
Haustiere,  die  Mästung  der  Enten,  das  Rupfen  der  Gänse  sind 
genügende  Belege  hiefür.  Und  gar  erst,  wenn  es  sich  um  die  Be¬ 
friedigung  eines  Sports  oder  Vergnügens  handelt;  das  Wild, 
welches  auf  der  Jagd  angeschossen  elend  verkümmert,  das  Pferd, 
Avelches  als  erstes  beim  Distanzritt  ankommt,  um  tot  zusammen¬ 
zubrechen,  der  Singvogel,  der,  damit  er  schöner  singt,  geblendet 
wird,  all  das  sind  Grausamkeiten,  welche  gelegentlich  verurteilt 
Averden,  niemals  aber  eine  so  energische  und  fanatische  Ver¬ 
dammung  erfahren,  wie  die  angeblichen  Gräuel  der  Vivisektion. 
Wenn  es  für  Eigennutz  und  Vergnügen  erlaubt  ist,  die  Tiere  zu 
quälen,  soll  es  dem  Naturforscher,  der  im  Dienste  der  Wissen¬ 
schaft,  dem  Arzte,  welcher  dies  im  Dienste  der  Humanität  tut, 
verwehrt  bleiben?  Die  Dutzende  atoii  Hunden,  die  der  kühne 
Nordpolfahrer  mit  sich  nimmt,  sind  einem  sicheren  und  qual¬ 
vollen  Ende  geweiht,  die  moderne  Physiologie,  die  ganze  moderne 
Heilkunde  ist  auf  dem  Tierversuche  aufgebaut;  durch  Heka¬ 
tomben  von  Tierversuchen,  und  zAvar  recht  schmerzvollen,  ist 
man  zum  Diphtherieserum,  zum  Tetanusserum  gelangt;  bevor 
Billroth  seine  erste  Operation  am  menschlichen  Magen  und 
Kehlkopfe  ausgeführt  hat,  hat  er  die  Möglichkeit  dieses  Ein¬ 
griffes  an  Dutzenden  von  Hunden  studiert.  „Ja  da  kommt  etAvas 
heraus“  —  höre  ich  die  Feinde  der  Vivisektion  sagen  — ,  aber 
bloss  wissenschaftlicher  Probleme  wegen  ist  sie  nicht  erlaubt !“ 
Der  grosse  AI  o  m  m  sen  hat  vor  kurzem  die  Forderung  der  vor¬ 
aussetzungslosen  Forschung  aufgestellt,  der  Erforschung  der 
Wahrheit  —  das  ist  und  bleibt  das  einzige  Ziel.  Voraussetzungs¬ 
los  waren  die  Experimente  Schiffs,  die  er  im  Jahre  1859  über 
die  Folgen  der  Schilddrüsenexstirpation  beim  Tiere  unternahm, 
und  heute  danken  Avir  ihm  zum  grossen  Teile,  wenn  so  viele 
Kropfpatienten  durch  die  Operation  glücklich  geheilt  Averden 
können.  Dieser  kühne  Forscher,  welcher  sich  als  solcher  Wohl¬ 
täter  der  Alenschheit  erwies,  musste  im  Jahre  1878  Florenz,  die 
Stelle  seiner  Tätigkeit,  verlassen,  da  die  Regierung,  aufgehetzt 
durch  die  Gegner  der  Vivisektion,  ihm  jeden  Versuch  am  leben¬ 
den  Tiere  verbot.  Ich  möchte  hier  übrigens  erwähnen,  dass  die 
meisten  der  Tierversuche  unter  Narkose  ausgeführt  werden,  da¬ 
neben  aber  immer  Avieder  Versuche  ohne  Narkose  gemacht  Averden 
müssen.  Die  angeblichen  Gräuel  der  Vivisektion  stellen  nur 
einen  verscliAvindenden  Bruchteil  all  der  Schmerzen  und  des 
Leidens  dar,  welche  tagtäglich  der  Mensch  dem  Tiere  aus  Eigen¬ 
nutz  und  Sportsucht  zufügt.  Auch  ich  verabscheue,  wie  jeder 
Gebildete,  unnütze  Quälerei :  Avenn  ein  Pferd  vom  Kutscher  miss¬ 
handelt  wird,  wenn  mutAAdllige  Jungen  eine  verwundete  Katze 
quälen,  der  Schnecke  das  Haus  langsam  zerstören  u.  s.  w.  Das 


21.  Oktober  1Ö02. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1773 


wäre  ein  Feld  für  die  Gegner  der  Vivisektion,  das  ist  zwecklose 
Tierquälerei!  Ich  meine  ferner,  dass,  solange  so  viel  Elend  und 
Armut  bei  den  Menschen  besteht,  diese  Sorge  als  eine  über¬ 
triebene  Sentimentalität  bezeichnet  werden  kann.  Wir  Aerzte 
und  Naturforscher  werden  uns  durch  das  Geschrei  der  Gegner 
nicht  irre  machen  lassen  in  dem  Streben  nach  Wahrheit  und  dem 
Wunsche,  unseren  kranken  Mitmenschen  zu  helfen. 

Und  nun  zurück  zu  unserem  Thema.  Der  Kropf  ist  nicht 
nur  eine  lästige,  sondern  eine  sehr  häufige  Erkrankung  der 
Schilddrüse.  Es  gibt  bestimmte  Orte,  wo  er  besonders  häufig 
vorkommt:  Alpen,  Pyrenäen,  Karpathen,  Erz-,  Riesengebirge, 
Schwarzwald,  Thüringen  u.  s.  w.  Im  Gebirge  sind  es  die  luft¬ 
armen  Täler,  die  Umgebung  der  Flüsse,  wo  er  besonders  häufig 
beobachtet  wird;  Hochplateaus,  sowie  die  Tiefebene  und  die 
Seeküste  sind  fast  völlig  frei  davon.  Nun  sollte  man  meinen, 
dass  es  dabei  nicht  schwierig  sein  würde,  die  Ursache  des  Kropfes 
zu  ermitteln.  Man  weiss  eine  Reihe  von  Gelegenheitsursachen 
dazu:  Vererbung,  das  Tragen  schwerer  Lasten  auf  dem  Kopfe, 
anstrengendes  Singen  und  Schreien  u.  s.  w.  Sicher  festgestellt 
ist  es  jedoch  nur,  dass  der  Kropf  durch  das  Wasser  verbreitet 
wird,  und  zwar  durch  das  Wasser,  welches  von  einem  Boden  mit 
einer  bestimmten  geologischen  Beschaffenheit  stammt.  Unter 
den  zahlreichen  Beispielen  sei  hier  das  von  B  i  r  c  h  e  r  mit¬ 
geteilte  angegeben.  Die  Schweizer  Gemeinde  Rapperswyl  wies 
bis  zum  Jahre  1885  bei  59  Proz.  der  Schulkinder  kropfige  Ent¬ 
artung  der  Schilddrüse  auf.  Es  wurde  daher  aus  einer  kropf- 
f'reien  Gegend  eine  Wasserleitung  angelegt.  Schon  1866  waren 
nur  mehr  44  Proz.,  1889  25  Proz.  und  im  Jahre  1895  gar  nur  bloss 
10  Proz.  kropfig.  Eine  bestimmte  Beschaffenheit  des  Wassers 
oder  gar  ein  bestimmtes  Bakterium  als  Ursache  des  Kropfes  ist 
bisher  noch  nicht  nachgewiesen  worden.  Jedenfalls  ist  es  sicher¬ 
gestellt,  dass  das  kröpf  erzeugende  Wasser  durch  Kochen  un¬ 
schädlich  gemacht  wird. 

Dort,  wo  der  Kropf  sehr  häufig  beobachtet  wird,  also  ge- 
wissermassen  im  Zentrum  seines  Vorkommens,  sieht  man  auch 
den  Kretinismus.  Ihnen  allen  sind  von  den  Gebirgsreisen  her 
diese  unglücklichen  Menschen  bekannt.  Ein  Blick  auf  die  Bilder 
schildert  sie  besser,  als  eine  lange  Beschreibung  dieser  im  Wachs¬ 
tum  zurückgebliebenen,  halb  blöden  Menschen,  deren  Haut  ein 
greisenhaftes  Aussehen  darbietet,  deren  Schilddrüse  meist  zu 
einem  unförmigen  Kropfe  entartet  ist  oder  vollkommen  fehlt. 
Die  grosse  Analogie  dieses  Krankheitsbildes  mit  dem  Zustande, 
welche  der  vollkommenen  Herausnahme  des  Kropfes  bei  jugend¬ 
lichen  Menschen  in  den  80  er  Jahren  folgte,  musste  dazu  führen, 
in  beiden  Fällen  die  Ursache  auf  eine  fehlende  Funktion  der 
Schilddrüse  zurückzuführen.  In  der  Tat  ergab  auch  dabei  die 
Schilddrüsenfütterung,  wie  Sie  sich  in  dem  einen  Bilde  über¬ 
zeugen  können,  gute  Resrlltate.  Eine  weitere  Erkrankung,  das 
sog.  Myxödem,  wurde  vor  etwa  20  Jahren  in  England  beschrieben; 
bei  bis  dahin  gesunden  Menschen  traten  Schwellungen  im  Ge¬ 
sichte,  Ausfallen  der  Haare  und  Nägel  auf  unter  zunehmender 
Apathie  und  Stumpfsinn,  die  sich  bis  zur  Idiotie  steigerten. 
Die  Analogie  mit  dem  Bilde  der  operativen  Kachexie  und  dem 
Kretinismus  lenkte  auch  dabei  die  Aufmerksamkeit  auf  die 
Schilddrüse,  welche  sich  als  klein  und  geschrumpft,  in  anderen 
Fällen  als  kropfig  degeneriert  erwies.  Bis  zum  Beginne  der 
90  er  Jahre  fehlte  jedwede  Aussicht  auf  eine  erfolgreiche  Be¬ 
handlung  dieser  schweren  Erkrankung;  die  Transplantation, 
später  Injektion,  zum  Schlüsse  sogar  Fütterung  mit  roher  Schild¬ 
drüse  feierten  gerade  bei  dieser  Krankheit  ihre  schönsten 
Triumphe. 

Wir  sehen  somit,  dass  die  Schilddrüse  eine  wichtige  Rolle 
im  Haushalte  der  Natur  besitzt.  Sondert  sie  einen  lebenswich¬ 
tigen  Saft  ab,  zerstört  sie  ein  beim  Stoffwechsel  gebildetes  Gift 
oder  fesselt  sie  in  der  Drüse  selbst  ein  solches  Gift  —  das  alles 
ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  zu  ermitteln.  In  neuester  Zeit 
haben  die  Chemiker  sich  der  Frage  angenommen  und  es  ist  dem 
zu  früh  verstorbenen  Chemiker  Baumann  gelungen,  eine  or¬ 
ganische  Jodverbindung  in  der  Schilddrüse  des  Menschen  und 
der  Tiere  nac-hzuweisen.  Dieselbe  konnte  sogar  chemisch  rein 
dargestellt  werden  und  hat  man  damit  sowohl  beim  Tierversuche 
als  wie  bei  Ausfallserscheinungen  von  seiten  der  menschlichen 
Schilddrüse  positive  Resultate  erzielt. 

Jedenfalls  kann  die  Schilddrüse  als  ein  sehr  wichtiges,  un¬ 
entbehrliches  Organ  bezeichnet  werden,  das  niemals,  selbst  wenn 


es  anscheinend  kropfig  zerstört  ist,  ganz  entfernt  werden  darf 
und  eine  wichtige  Rolle  im  Haushalte  der  Natur  spielt.  Wenn 
Sie,  meine  Damen  und  Herren,  überlegen,  dass  die  Kenntnis 
dessen,  was  ich  heute  vorgetragen,  kaum  25  Jahre  alt  ist,  so  ist 
dies  dazu  angetan,  den  Naturforscher  und  Arzt  bescheiden  zu 
machen,  indem  er  jederzeit  zu  gewärtigen  hat,  dass  der  gegen¬ 
wärtig  anscheinend  so  hohe  Standpunkt  seines  Wissens  durch 
Forschungen  und  Funde,  die  vielleicht  die  nächste  Zukunft 
bringt,  weit  überholt  wird.  Ich  möchte,  wenn  dasselbe  Thema 
nach  1  bis  2  Dezennien  wieder  vor  dieser  gelehrten  Gesellschaft 
besprochen  wird,  wünschen,  dass  der  Vortragende  in  der  Lage 
sei,  das  Wesen  der  Schilddrüsenfunktion  genau  zu  erklären  — 
und,  wenn  ich  heute  über  glänzende  Erfolge  der  operativen  Be¬ 
handlung  des  Kropfes  berichten  konnte,  dann  über  gänzliche 
Verhütung  des  Kropfes  und  des  Kretinismus  zu  berichten,  so 
dass  dann  diese  Erkrankungen  zu  den  historischen,  zur  Ver¬ 
gangenheit  gehörenden  zu  rechnen  sein  werden. 

Dass  der  durch  zahlreiche  Zeichnungen  dem  Verständnisse 
der  ja  auch  aus  zahlreichen  Laien  bestehenden  Zuhörer  möglichst 
nahe  gebrachte  Vortrag  sowohl  durch  seinen  Gegenstand,  als 
besonders  durch  seine  oratorisch  glückliche  Form  und  die  ein¬ 
geflochtene  warme  Verteidigung  des  Tierexperiments  einen  leb¬ 
haften  Widerhall  und  besondere  Anerkennung  bei  den  Hörern 
fand,  bewies  der  ihm  folgende  äusserst  lebhafte  Beifall. 

R.  v.  W  e  1 1  s  t  e  in,  der  Wiener  Botaniker,  hatte  als  Vor¬ 
tragsthema  gewählt:  Der  Neo-Lamarckismus. 

Entwicklungsgeschichtliche  Probleme  haben,  wie  Redner 
ausführt,  auch  schon  im  vorigen  Jahre  die  Naturforscherver¬ 
sammlung  in  Hamburg  beschäftigt  und  ist  man  ja  in  der  An¬ 
nahme  der  Deszendenztheorie  im  allgemeinen  einig,  aber  nicht 
in  der  Frage,  in  welcher  Weise  die  Bildung  von  neuen  Formen 
in  der  Natur  zu  Stande  kommt.  Für  diesen  Vorgang,  besonders 
für  die  Vererbung  der  durch  individuelle  Anpassung  erworbenen 
Eigenschaften,  reicht  die  Selektionstheorie  nicht  aus  und  es 
lässt  sich  nachweisen,  dass  die  früheren  Arbeiten  hierin  keinen 
Abschluss  bedeuten  und  dass  Darwinismus  und  Lamarckismus, 
d.  h.  jene  Lehre,  welche  dem  Organismus  selbst  die  Fähigkeit  zur 
Entwicklung  neuer  Formen  zupricht,  sich  kombinieren  und 
keine  prinzipiellen  Gegensätze  bedeuten.  Die  Lamarckistische 
Theorie  besitzt  noch  nicht  viele  überzeugte  Anhänger.  Von 
Neo-Lamarckismus  wird  gesprochen  als  einer  Fortbildung  der 
früheren  Lamarck  sehen  Lehre,  da  viele  Erscheinungen  jetzt 
eben  besser  in  diesem  Sinne  erklärt  werden  können.  Die  meisten 
Zoologen  sind  Gegner  des  Neo-Lamarckismus,  der  aber  doch  als 
zweites  Prinzip  neben  jenem  der  Selektion  herangezogen  werden 
muss.  Auseinander  zu  halten  sind  die  „Organisations“-Merk- 
male  und  die  „Anpassungs“-Merkmale,  für  welche  verschiedene 
Momente  der  Entstehung  und  Abänderung  vorhanden  sind. 
Mutation  und  Kreuzung  vermögen  nicht  alle  Erscheinungen  zu 
erklären,  besonders  aber  nicht  den  Fortschritt  in  der  Entwick¬ 
lung.  Redner  betont.,  dass  er  sich  durchaus  nicht  ablehnend 
gegen  den  Darwinismus  verhalte;  aber  gerade  Beobachtungen 
am  Pflanzenreich  zeigen,  dass  die  Veränderungen  der  Organis¬ 
men  meist  auf  dem  Wege  der  direkten  Anpassung  zu  stände 
kommen.  Die  erste  Voraussetzung  des  Lamarckismus,  nämlich 
die  individuelle  Anpassungsfähigkeit,  ist  zweifellos  erwiesen ;  hin¬ 
sichtlich  der  zweiten,  der  Vererbung  der  durch  individuelle  An¬ 
passung  erworbenen  Eigenschaften,  ist  Redner  selbst  vollkommen 
überzeugt,  dass  sie  zu  Recht  besteht,  doch  ist  das  Beweismaterial 
hoch  nicht  so  ausreichend.  Belege  hiefür  gibt  es  aber  bereits 
in  grosser  Zahl,  namentlich  aus  botanischem  Gebiete.  Die 
Zoologen  bestreiten  bekanntlich  meist  das  Zutreffen  dieser  zwei¬ 
ten  Voraussetzung.  1879  hat  Pasteur  die  Beobachtung  ge¬ 
macht,  dass  ältere  Kulturen  des  Hühnercholerabazillus  bei 
längerem  O-Zutritte  ihre  Virulenz  verlieren,  und  ähnliche  Beob¬ 
achtungen  hat  die  moderne  Bakteriologie  sehr  zahlreich  geliefert, 
ebenso  auch  die  Untersuchungen  an  Hefezellen  von  Hansen. 
Es  kann  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  dass  gewissen  Bakterien¬ 
arten  Eigentümlichkeiten  angezüchtet  werden  können,  die  sie 
durch  Vererbung  festhalten,  bis  wieder  veränderte  Kulturbeding¬ 
ungen  andere  Eigenschaften  bewirken.  Bei  der  Vererbung  der 
durch  individuelle  Anpassung  erworbenen  Eigenschaften  handelt 
es  sich  immer  um  Vererbung  von  Modifikationen.  Dazu  kommt, 
dass  immer  eine  längere  Periode  der  Anpassung  stattgehabt  haben 
muss,  bis  eine  Vererbung  möglich  wird.  Wichtige  Belege  für 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


letztere  liefern  z.  B.  auch  die  Beobachtungen  am  Weizen.  Es 
zeigt  sich  liier,  dass  bei  gewissen  Sorten  die  Versuche  der  Ein¬ 
bürgerung  daran  scheitern,  dass  schon  im  Laufe  weniger  Ge¬ 
nerationen  die  wesentlichen  Merkmale  der  heimischen  Sorten 
hervortreten.  Das  zeigte  sich  z.  B.  in  Ungarn  und  Skandinavien 
(S  c  h  ii  b  e  1  e  r).  Redner  selbst  hat  analoge  Beobachtungen  am 
Lein  machen  können.  Fichten  und  Lärchen,  die  aus  alpinem 
Samen  in  der  Ebene  gezogen  werden,  behalten  ihr  langsames 
Wachstum  und  ihre  geringe  Zuwachsgrösse  als  erworbene  Eigen¬ 
schaften  ihrer  Vorfahren  bei.  Es  muss  daher  auch  die  zweite 
Voraussetzung  des  Lamarckismus  als  zutreffend  bezeichnet  wer¬ 
den,  so  dass  man  sich  dieser  Theorie  gegenüber,  welche  auch 
am  besten  die  Rückbildung  nicht-funktionierender  Organe  er¬ 
klärt,  nicht  auf  den  Standpunkt  der  Ablehnung  stellen  darf. 
In  der  direkten  Anpassung  liegt  ein  Vorgang,  welcher  den  Fort¬ 
schritt  in  der  Entwicklung  erklären  kann.  Es  ist  von  allgemeiner 
Bedeutung,  anzuerkennen,  dass  neben  der  Selektionstheorie  auch 
der  Neo-Lamarckismus  zu  Recht  besteht,  wobei  man  nur  an 
ethnographische  Probleme,  aber  auch  an  die  Aufgaben  der  Hy¬ 
giene  zu  denken  braucht. 

Nach  einer  längeren  Pause  sprach  0.  v.  Miller  -  München 
über:  Die  Naturkräfte  im  Dienste  der  Elektrotechnik. 

Redner  möchte  es  als  Nicht-Fachmann  unterlassen,  über  die 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Elektromedizin  zu  sprechen, 
und  weist  nur  hin  auf  die  unaufgeklärte  Wirkung  der  Tesla¬ 
ströme.  Die  Lösung  der  darin  liegenden  grossen  Rätsel  würde 
sicher  einen  grossen  Fortschritt  in  der  Heilkunde  bedeuten. 

Es  werden  in  erster  Linie  die  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Elektrochemie  erwähnt.  Die  Fabrikation  des  Kalziumkarbids 
brachte  wirtschaftlich  grosse  Enttäuschungen;  die  freigeworde¬ 
nen  Arbeitskräfte  und  Maschinen  wurden  zum  grossen  Teil  in 
den  Dienst  der  Elektrochemie  gestellt.  Die  elektrische  Heizung 
im  Llaushalte  ist  jetzt  in  allen  möglichen  Formen  in  An¬ 
wendung;  es  lässt  sich  berechnen,  dass  elektrische  Heizung  in 
grossem  Masstab  billiger  kommt  als  jene  mit  Kohle  (Nutzeffekt 
von  fast  100  Proz.).  Die  von  Auer  angestrebte  Verbesserung 
des  elektrischen  Lichtes  verspricht  das  günstigste  Ergebnis.  Die 
Nernstsche  Lampe  wird  noch  weitere  Verbreitung  finden. 
Auch  die  Bogenlichtbeleuchtung  wurde  vervollkommnet.  Redner 
ist  überzeugt,  dass  die  Elektrizität  in  Zukunft  das  angenehmste 
und  billigste  Licht  liefern  wird.  Sodann  wendet  sich  v.  M.  zur 
Verwendung  der  elektrischen  Kräfte  im  Verkehr  (Strassen-  und 
Fernbahnen).  Die  elektrischen  Verkehrsmittel  können  nicht  nur 
schneller,  sondern  auch  sicherer  gestaltet  werden  als  die  bis¬ 
herigen.  Die  elektrischen  Bahnen  setzen  dichten  Betrieb  voraus, 
zu  dem  die  Bahnverwaltungen  die  Bedingungen  schaffen  müssen. 
Ausserordentlich  wichtig  ist  die  Kräfteverteilung  und  -Ueber- 
tragung  mittels  der  Elektrizität  (erste  Versuche  von '  Marcel 
D  e  p  r  e  z,  O.  v.  Miller  u.  a.).  Vor  11  Jahren  konnte  die  erste 
Kraftübertragung  auf  weitere  Entfernung  ins  Werk  gesetzt 
werden.  Kolossale  Wasserkräfte  können  noch  herangezogen 
werden.  Den  Regierungen  der  verschiedenen  Länder  erwachsen 
neue  Aufgaben  in  der  Feststellung  der  noch  brach  liegenden 
Wasserkräfte,  der  Beobachtung  der  Gefälle,  der  Ergänzung  ein¬ 
schlägiger  gesetzlicher  Bestimmungen.  Wenn  alle  diese  Natur¬ 
kräfte  noch  besser  ausgenützt  werden,  so  werden  diese  nicht 
die  Dampfmaschinen  verdrängen,  aber  dazu  beitragen,  unsere 
Kohlen  zu  schonen,  deren  Dauer  nicht  unbegrenzt  ist  und  die 
immer  kostbarer  werden.  Für  die  Fortentwicklung  der  Kultur 
ist  es  von  höchster  Bedeutung,  dass  alle  verfügbaren  Kräfte  der 
Natur  zur  Ausnützung  gelangen. 

Der  hochinteressante  Vortrag  war  von  der  Versammlung 
mit  grösster  Spannung  entgegengenommen  worden  und  sprach 
der  Vorsitzende  dem  Redner  hiefür  den  wärmsten  Dank  aus. 
In  seinen  Schlussworten  gab  Heubner  -  Berlin  einen  kurzen 
Rückblick  „auf  diese  ganz  wunderbaren  Tage“  und  dankte  all 
den  Männern,  die  im  Laufe  derselben  soviel  Anregung  und  Er¬ 
leuchtung  gegeben  hätten. 

In  den  Abteilungssitzungen  wurde  viel  Bedeutsames  ge¬ 
fördert.  So  wurden  in  der  Abteilung  für  Physik  wertvolle 
Untersuchungen  über  die  Eigenschaften  der  Elektronen,  sowie 
über  die  radioaktiven  Salze  mitgeteilt,  in  der  Abteilung  für 
Chemie  das  jüngste  Element  begrüsst,  in  jener  für  Botanik  um¬ 
fassende  Untersuchungen  über  Leuchtbakterien  und  deren  Ver¬ 
breitung  mitgeteilt;  die  Abteilungen  für  Zoologie  und  Botanik 


haben  den  gemeinsamen  Beschluss  gefasst,  an  die  österreichische 
Regierung  den  Antrag  zu  stellen,  eine  Durchforschung  des 
Adriameeres  zu  veranstalten;  in  der  Abteilung  für  Geologie 
wurde  das  Alter  des  prähistorischen  Menschen  erörtert  und  ein 
interessanter  Vortrag  über  das  Antlitz  der  Alpen  gehalten;  in 
der  Abteilung  für  pathologische  Anatomie  fand  ein  solcher  statt 
über  den  gegenwärtigen  Stand  der  experimentellen  Teratologie; 
viele  wichtige  Mitteilungen  wurden  gemacht  in  der  Abteilung 
für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  und  liier  scheint,  wie 
Redner  mit  Rücksicht  auf  die  Mitteilungen  betr.  der  Erfolge 
des  Moser  sehen  Scharlachserums  hervorhob,  das  Gebiet  der 
Serumtherapie  eine  äusserst  wichtige  Bereicherung  erfahren  zu 
haben.  „Tage  fast  elysischer  Heiterkeit  liegen  hinter  uns!“ 
schloss  II  e  u  b  n  e  r,  an  denen  aber  die  mit  so  viel  Geschick  und 
Takt  arrangierten  Vergnügungen  den  Hauptzweck  der  Ver¬ 
sammlung,  nämlich  ernste  Arbeit,  nicht  gestört  haben.  Diese 
Versammlung  hat  im  Gegenteil  den  glänzenden  Beweis  dafür 
geliefert,  dass  es  möglich  ist,  ohne  jede  Beeinträchtigung  des 
ersten  Zweckes  der  Gesellschaft  diese  Vereinigung  zu  einem 
wahren  Feste  zu  gestalten.  Das  verdanken  wir  der  Karlsbader 
Bürgerschaft  und  speziell  den  Herren  und  Damen  des  Komitees. 
Besonderer  Dank  gebührt  vor  allem  auch  den  beiden  Herren 
Geschäftsführern.  Der  allgemeine  Dank,  der  hier  ausgesprochen 
werden  muss,  gebührt  jedoch  der  gesamten  Einwohnerschaft  als 
Komplex  einer  äusserst  rührigen  und  lebendigen  Bevölkerung. 
Das  auf  Karlsbad  ausgebrachte  Lloch!  wurde  von  der  Versamm¬ 
lung  begeistert  und  dankbar  wiederholt.  Nachdem  der  1.  Ge¬ 
schäftsführer,  Stadtgeologe  J.  Knet  t,  der  Versammlung  den 
Dank  der  k.  k.  Regierung,  sowie  der  Stadt  Karlsbad  übermittelt 
hatte,  sprach  Bürgermeister  L.  S  c  h  a  e  f  f  1  e  r  noch  warme 
Worte  des  Abschiedes  und  bat  um  Nachsicht,  dass  die  Stadt 
sich  nicht  in  der  Möglichkeit  befunden  habe,  der  Versammlung 
so  grosse  Räume  und  schöne  Institute  zu  den  Sitzungen  zur  Ver¬ 
fügung  zu  stellen,  wie  das  wohl  anderwärts  der  Fall  sei.  Mit 
der  Versicherung,  dass  die  treu-deutsche  Stadt  Karlsbad  min¬ 
destens  von  bestem  Willen  beseelt  war,  und  dem  herzlichen  Zu¬ 
ruf  an  die  Versammlung  „Auf  Wiedersehen!“  verabschiedete 
sich  der  um  das  schöne  Gelingen  des  Ganzen  so  verdiente  Mann. 
Um  1/2  Uhr  erkl  ärte  der  2.  Geschäftsführer,  Dr.  Herrmann, 
die  74.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  für 
geschlossen. 

Während  der  Abend  des  Vortages  einen  grossen  Teil  der 
Teilnehmer  zu  einer  glänzend  verlaufenden  Reunion  in  den 
grossen  Räumen  des  Schützenhauses  vereinigt  hatte,  bildete  den 
Abschluss  der  festlichen  Veranstaltungen  am  Freitag  Abend  ein 
grosser  Kommers  in  der  mächtigen  Glashalle  des  Stadtparkes. 
Bei  rauschender  Musik  und  den  sehr  guten  Darbietungen  meh¬ 
rerer  Karlsbader  Gesangvereine  wurde  dort  von  dem  unermüd¬ 
lichen,  allzeit  munteren  1.  Vorsitzenden  der  diesjährigen  Ver¬ 
sammlung,  ferner  vom  Bürgermeister  der  Stadt  und  noch  an¬ 
deren  manch  zündendes  Wort  gesprochen,  das  die  enge  Ver¬ 
brüderung  der  Teilnehmer  mit  der  Karlsbader  Bürgerschaft  noch 
inniger  gestalten  musste,  und  wohl  keiner  von  allen  hatte  beim 
Weggehen  einen  anderen  Gedanken  als  jenen  lebhaftester  und 
ungetrübtester  Befriedigung  über  den  Verlauf  all  dieser  so  präch¬ 
tig  gelungenen  Festtage  und  über  den  so  ausgezeichneten  Geist 
der  Arbeitsfreude  und  des  lebensfrohen  Genusses,  der  über  den 
Karlsbader  Tagen  schwebte. 

Nachtragen  möchte  Referent  noch,  dass  der  entomologisohe 
Verein  für  Karlsbad  und  Umgeb img  während  der  Dauer  der 
Tagung  eine  reichhaltige  und  sehr  schön  geordnete  Ausstellung 
arrangiert  hatte,  welche  Gelegenheit  bot,  die  bunte  Fauna  der 
Umgebung  von  Karlsbad,  die  Schädlinge  der  dortigen  Land-  und 
Forstwirtschaft,  sowie  die  neueste  entomologische  Literatur 
kennen  zu  lernen.  Die  vornehmen  Räume  des  Kaiserbades  be¬ 
herbergten  ferner  eine  reich  beschickte  Ausstellung  von  chirur¬ 
gischen,  optischen  und  physikalischen  Instrumenten  und  Appa¬ 
raten,  Röntgeninstrumentarien,  Apparaten  zur  Krankenpflege 
u.  a.,  sowie  eine  spezielle  Ausstellung  der  Stadt  Karlsbad,  na¬ 
mentlich  in  geologischer  Hinsicht. 

Die  schönen  Tage  von  Karlsbad  sind  vorüber.  In  diesem 
Augenblicke,  wo  ein  dichter  Herbstnebel  Tal  und  Höhen  bedeckt 
und  ein  rauher  Wind  über  die  leeren  Fluren  streicht,  tauchen 
sie  im  vollsten  Glanze  ihres  strahlenden  Sonnenscheines,  in  der 
ganzen  Fülle  ihres  Gehaltes  an  geistigen  und  materiellen  Ge- 


21.  Oktober  1902. 


MUENCIJENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


müssen,  im  Schimmer  der  ungetrübtesten  Feststimmung  und  ar¬ 
beitsfrohen  Heiterkeit  aus  der  Versenkung. empor.  Die  Karls¬ 
bader  Tagung  muss  den  wohlgelungensten  ihrer  73  Vorgänge¬ 
rinnen  an  die  Seite  gestellt  werden.  Die  Gesellschaft  deutscher 
Naturforscher  und  Aerzte  hat  wieder  bewiesen,  dass  sie  kein 
blosses  Rumpfparlament,  sondern  eine  vollorganisierte  Ver¬ 
tretung  unserer  wissenschaftlichen  Gelehrtenrepublik  darstellt 
und  insbesondere  auch,  dass  das  vom  Grafen  v.  Sternberg 
vor  Dezennien  so  heiss  ersehnte  Ziel,  nämlich  das  eng  ver¬ 
bündete  wissenschaftliche  Zusammenwirken  deutscher  und  öster¬ 
reichischer  Forscher,  im  vollsten  Masse  erreicht  ist.  Denn  letz¬ 
tere  gerade  sind  auf  der  Karlsbader  Tagung  mit  dem  vollen  Ein¬ 
sätze  ihrer  Leistungen  hervorgetreten  und  man  begreift  voll¬ 
kommen  die  patriotische  Freude,  der  österreichischen  Presse,  wenn 
sie  die  ausgezeichnete  Rolle  hervorhebt,  welche  österreichische 
Gelehrte  und  deren  Forschungsresultate  in  Karlsbad  gespielt 
haben. 

Allein,  wie  im  Laufe  der  Versammlung  mehrfach  hervor¬ 
gehoben  wurde,  der  wissenschaftlichen  Forschung  gegenüber  gibt 
es  keine  Schlagbäume  und  farbigen  Grenzpfähle :  Alle  dienen  wir 
einer  Naturforschung.  An  dieser  gemeinsam  zu  arbeiten, 
über  die  gelösten  und  noch  zu  lösenden  Aufgaben  Aussichten  und 
Ueberblicke  zu  gewinnen,  welche  die  engen  Schranken  der  Ein¬ 
zelnarbeit,  des  Einzelnlebens  vergessen  lassen,  das  wird  stets  die 
Hauptaufgabe  und  den  bleibenden  Gewinn  der  herbstlichen  Heer¬ 
schau  unserer  deutschen  Naturforscher  und  Aerzte  bilden. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

Referent :  Herr  Wohlgemuth-  Berlin. 

IV.  Sitzung. 

Vorsitzender:  Herr  K  ö  r  t  e  -  Berlin. 

1.  Herr  Hoeftmann  -  Königsberg  spricht  zuerst  über  ein 

Verfahren  zur  Heilung  tuberkulöser  Sehnenscheiden  und  Ge¬ 
lenke. 

Dasselbe  besteht  in  energischer  Massage  mit  einem  Blei¬ 
hammer.  II.  hat  Fälle,  die  von  anderer  Seite  amputiert  werden 
sollten,  geheilt;  gibt  die  Krankengeschichten  derselben  und  de¬ 
monstriert  Photographien.  H.  empfiehlt  dann  noch  die  Jod¬ 
injektionsbehandlung  der  Ganglien,  die  er  so  ausführt,  dass  auf 
der  einen  Seite  eine  mit  Jodtinktur  gefüllte  Pravazsche 
Spritze,  auf  der  anderen  eine  stärkere  Kanüle  eingestochen  wird. 
Die  P  r  a  v  a  z  sehe  Spritze  wird  nun  in  das  Ganglion  entleert, 
bis  der  Inhalt  des  Ganglions  aus  der  anderen  Kanüle  ausgeflossen 
und  etwas  Jodtinktur  nachgekommen  ist. 

2.  Herr  L  ö  w  e  -  Berlin  demonstriert  ein  Verfahren  und  In¬ 
strumente  zur  Freilegung  der  Basis  cranii  et  cerebri  von  der 
Nase  aus  an  Zeichnungen. 

Temporäre  Resektion  der  harten  Gaumenplatte  in  toto,  Aus¬ 
räumung  des  Naseninnem  bis  zur  Unterfläche  der  Lamina  cribrosa. 
Er  liat  dies  Verfahren  bisher  10  mal  ausgeführt. 

3.  Herr  Graser-  Erlangen :  Ueber  Anomalien  der  Mesen¬ 
terien. 

Nach  einigen  einleitenden  Bemerkungen  über  die  Wichtig¬ 
keit  der  Kenntnis  abnormer  Lagerung  der  Eingeweide  und  Me¬ 
senterien  in  der  Bauchhöhle  auch  für  die  praktische  Chirurgie 
gibt  G.  zunächst  einen  Ueberblick  über  die  verschiedenen  Ab¬ 
weichungen  der  Form  und  der  Befestigung  der  einzelnen  Dann¬ 
teile,  dabei  besonders  des  Coekums,  des  Colon  transversum  und 
der  Flexura  sigmoidea  gedenkend;  weist  auf  die  Erfolg  ver¬ 
sprechenden  Versuche  hin,  auch  für  die  Dünndarmschlingen  all¬ 
mählich  bestimmte  Durchschnittsnormen  festzustellen  (TI  enke, 
Weinberg,  Koch  und  namentlich  P.  Mal  1).  Der  kom¬ 
plizierteste  Punkt  der  Entwickelung  liegt  in  der  Gegend  des 
Duodenums. 

Eine  eigenartige  Erfahrung,  die  G.  bei  einer  Operation 
machte,  ist  ihm  zur  Veranlassung  geworden,  sich  mit  diesen 
Dingen  eingehender  zu  beschäftigen. 

Bei  einer  Laparotomie,  welche  er  unter  Mitwirkung  von  Dr. 
d  e  Quervain  im  Krankenhaus  zu  Löcle  wTegen  diagnostisch 
unklarer,  seit  langer  Zeit  bestehender  Magenbescliwerden  bei 
einem  58  jährigen  Manne  vornahm,  fand  G.  eine  sehr  starke  Ste¬ 
nose  des  Pylorus,  die,  federkieldick,  merkwürdigerweise  keine  wei¬ 
teren  Erscheinungen  als  Magenschmerzen  gemacht  hatte.  Keine 
Erweiterung,  nur  Hypertrophie  der  Muskulatur.  Pyloroplastik 
war  bei  der  starken  Verdickung  unmöglich.  Es  sollte  nun  in  der 
gewöhnlichen  Weise  nach  Hervorziehung  des  Querkolons  die  erste 
Jejunumschlinge  aufgesucht  werden.  Aber  sie  war  trotz  voll¬ 
kommener  Freilegung  der  Gegend  an  der  normalen  Stelle  nicht 


zu  finden.  Nachdem  die  vorgezogenen  Teile  wieder  in  die  Bauch¬ 
höhle  zurückgebracht  waren,  zeigte  es  sich,  dass  das  Querkolon 
nicht  bis  in  die  Lebergegend  herüberreichte,  sondern  schon  in  der 
Mittellinie  nach  unten  abbog  und  in  ein  kurzes,  vollkommen  frei 
bewegliches  Colon  ascendens  undCoekum  überging.  Das  Duodenum 
lief  nicht,  wie  normal,  unter  dem  Colon  transversum  durch,  son¬ 
dern  zog  von  der  Pylorusgegend  weg  (wo  pathologische  Verwach¬ 
sungen  bestanden)  entlang  dem  unteren  Lebex-rande  nach  rechts 
unten,  wo  es  in  den  Dünndarm  überging.  Das  Duodenum  war 
an  der  hinteren  Bauchwand  nicht  festgewachsen,  hatte  vielmehr 
ein  Mesoduodenum,  das  kontinuierlich  in  das  Mesojejunum  über¬ 
ging  und  nach  abwärts  zu  immer  länger  wurde.  Das  Mesoileum 
ging  unmittelbar  in  das  Mesocoekum  und  Mesocolon  ascendens 
über.  Da  das  Jejunum  sich  vom  Magen  ganz  weit  entfernte, 
hätte  eine  Gastrojejunostomie  ziemlich  gi-osse  Komplikationen  ge¬ 
geben,  während  der  senkrecht  neben  dem  Magen  nach  abwärts 
ziehende  Teil  des  Duodenums  unmittelbar  zur  Vornahme  einer 
Anastomose  zwischen  Magen  und  Duodenum  einlud,  eine  Ope- 
ration,  welche  aus  anderem  Anlass  bei  hochfixiertem  Pylorus 
schon  von  Mikulicz  (Heule)  ausgefühlt  war. 

Es  konnte  zur  Anastomose  ein  Teil  des  Duodenums  gewählt 
wei-den,  der  fast  unmittelbar  unterhalb  der  Stenose  sass,  also  noch 
oberhalb  der  Papilla  Vateri.  Damit  waren  zugleich  die  einfachsten 
funktionellen  Verhältnisse  gegeben,  die  einen  Circulus  vitiosus  von 
vornhei’ein  ausschlossen.  Heilung  und  Genesung  ist  auch  in  voll¬ 
kommenster  Weise  eingeti’eten. 

Durch  Alsberg  in  Hambui'g  erfuhr  G.  einen  zweiten  ganz 
ähnlich  gelagexten  Fall,  bei  dem  aber  die  Orientierung  während 
der  Operation  nicht  gelang  und  bei  dem  langen  Suchen  dieselbe 
sich  wesentlich  komplizierte  und  in  die  Länge  zog.  Es  wurde  eine 
Gastroenterostomia  anterior  ausgeführt;  Pat.  starb  nach  14  Tagen. 
Bei  der  Sektion  fand  sich  ein  dem  oben  beschriebenen  ganz  ähn¬ 
licher  Befund.  Der  Dünndarm  lag  fast  ausschliesslich  auf  der 
rechten  Seite,  der  Dickdarm  ganz  links,  Coekum,  Colon  ascendens 
und  transversum  frei  beweglich  und  in  Bezug  auf  Mesenterium 
ohne  scharfe  Trennung  vom  Dünndarm.  Ob  auch  in  diesem  Falle 
eine  Gastroduodenostomie  bequem  möglich  gewesen  wäi’e,  ist  nicht 
zu  entscheiden.  Sicher  aber  ist  der  Fall  dazu  angetan,  die  prak¬ 
tische  Bedeutung  derartiger  Anomalien  zu  illustrieren. 

Unter  Darlegung  der  Entwickelung  der  Bauehorgane  nach 
den  T  o  1  d  t  sehen  Untersuchungen,  deren  Verständnis  durch  die 
Demonstration  grosser  Tafeln  erleichtert  wurde,  bezeichnet  G. 
den  Zustand  der  beiden  mitgeteilten  Fälle  als  ein  Persistieren 
eines  früheren  Stadiums,  welcher  in  Bezug  auf  die  Anordnung, 
nicht  aber  die  Entwickelung  der  Teile  auf  den  Status  zurück¬ 
geführt  werden  muss,  wie  wir  ihn  gegen  Ende  des  zweiten  Mo¬ 
nats  des  fötalen  Lebens  vorfinden.  Es  ist  sowohl  die  Fixierung 
des  Duodenums  als  auch  die  Ueberdrehung  und  Fixierung  des 
Dickdarms  ausgeblieben,  fast  so,  wie  man  den  Zustand  im 
„Nabelschleif  enstadiu  m“  findet,  in  welchem  das  hin¬ 
tere  Mesogastrixxm  kontinuierlich  iix  Mesoileuxn  und  Mesokolon 
übergeht.  Ein  solches  Persistiereix  hat  man  wohl  axicli  mit  dem 
Namen  eines  „Mesenterium  commune“  belegt,  welche  Bezeich¬ 
nung  aber  auch  daixn  noch  gewählt  wird,  wenn  nur  Dünndarm 
uixd  Dickdarm  aix  einer  gemeinsaixien  Bauchfellduplikatur  auf¬ 
gehängt  sind.  Illustriert  wird  die  Bedeutung  dieses  gemein¬ 
samen  Mesenteriums  noch  durch  die  Beobachtung  voxx  Achsen¬ 
drehungen  des  Dünn-  und  Dickdarms  im  Zu¬ 
sammenhänge,  wofür  G.  auch  noch  ein  Beispiel  anführt,  das 
ihm  aus  der  Kocher  sehen  Klinik  zur  Verfügung  gestellt  war. 

4.  Herr  Gross- Jena:  Die  syphilitische  fibröse  Magen- 
und  Darmstriktur. 

Vortragender  beschreibt  zunächst  die  syphilitische  fibröse 
Darmstriktur  als  das  Produkt  einer  Infektionsform,  die  sich 
lediglich  durch  die  Bildung  von  reinem  Bindegewebe  charak¬ 
terisiere.  Er  ist  auch  geneigt,  durch  zwei  Beobachtxxngen  an  ge- 
wonnenen  Präparaten,  die  Zugehörigkeit  des  ihnen  zu  Grunde 
liegenden  syphilitischen  Prozesses  zxx  der  eiixfach  entzündlichen 
irritativen  Form  aixzunehmen.  Gegen  die  Zugehörigkeit  zu 
spezifisch-gummöseix  Formeix  spräche  die  Intaktheit  der  Mukosa 
im  Bereiche  der  Strikturierungen,  die  auch  Senn  als  charakte¬ 
ristisch  hervorgehoben  hat,  weiter  die  ausgespi’ochene  zylindrische 
Gestalt  der  Strikturen,  ganz  entsprechend  der  Neigung  der  ein¬ 
fach  entzündlichen  Infiltration,  wie  sie  bisher  bei  der  heredi¬ 
tären  Syphilis  der  Neugeborenen  aixi  Darm  wie  auch  am  Magen 
beschrieben  wurde,  sich  dififxxs  in  der  Fläche  auszubi*eiten.  — 
Redner  berichtet  über  zwei  Beobachtungen,  die  beide  den  Typus 
der  zirkumskripten  Magenstriktur  illustrieren,  erstere  den  in  der 
Pars  präpylorica1  bei  relativ  freiem  Pylorus.  Im  Gegensatz  zu 
Hemmeter-Stokes  hat  G.  keine  spezifischen  Verände¬ 
rungen,  ixur  eineix  einfach  entzündlichen,  fibrös  hypei’plastischen 
Prozess  wesentlich  in  der  Submukosa  wahrnehmen  körmen.  Die 
grosse  Wahrscheinlichkeit  bezw.  Gewissheit  ihrer  syphilitischen 


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MUENCHENER  MEDICTNISCHE  WOCHENSCHRIFT.  • 


No.  42. 


Genese  ergibt  sich  aber  aus  den  Begleiterscheinungen,  Einlage¬ 
rungen  von  schwieligen  Infiltraten  mit  strahligen  Ausläufern,  . 
wie  sie  unter  dem  Bilde  der  Perihepatitis  und  Perisplenitis  be¬ 
kannt  sind.  Zum  Schlüsse  werden  von  dem  Vortragenden  dann 
noch  die  eventuellen  Komplikationen  durch  gummöse  Bildungen, 
die  Aehnlichkeit  des  vorliegenden  Prozesses  mit  den  Affektionen, 
die  neuerdings  von  den  Franzosen  mit  dem  Kollektivbegriff  der 
„submukösen,  hypertrophischen  und  stenosierenden  Sklerose“ 
zusammengefasst  werden,  und  dann  die  Frage  der  Therapie  er¬ 
örtert. 

5.  Herr  v.  Eiseisberg  - Wien :  Ueber  Invagination. 

E.  betont  zunächst  das  seltene  Vorkommen  von  Invagination 
in  deutschen  Landen,  gegenüber  der  Häufigkeit  derselben  in 
Amerika.  Er  hat  13  Fälle  operiert,  die  6  mal  durch  Tumoren 
bezw.  Polypen,  Steine  verursacht  waren,  7  mal  war  als  einzige 
Ursache  ein  abnorm  langes  Mesenterium  zu  finden,  welches  sicher 
angeboren  war.  Bei  gestellter  Diagnose  hält  er  Abwarten 
höchstens  bei  Kindern  für  entschuldbar,  sonst  muss  sofort 
laparotomiert  werden.  In  5  von  diesen  Fällen  konnte  desinvagi- 
niert  werden.  E.  legt  noch  einmal  seinen  schon  bekannten 
Standpunkt  klar,  dass  die  Desinvagination  keine  radikale  Heil¬ 
methode  ist,  macht  auf  die  Gefahren  aufmerksam,  die  die  Darm¬ 
ausschaltung  allein  mit  sich  führen  kann,  die  er  an  einem  Falle 
klar  macht,  in  welchem  der  Kopf  des  invaginierten  Stückes 
über  die  Anastomosenstelle  hinausgegangen  ist,  der  sogar  nach 
einer  zweiten  Laparotomie  in  tiefer  Enteroanastomose  zu  Grunde 
gegangen  ist. 

Auch  die  partielle  Resektion  hält  er  nicht  in  allen  Fällen 
für  gut  und  ausreichend  und  empfiehlt  ausschliesslich  totale 
Resektion.  Von  seinen  12  Totalresektionen  sind  9  geheilt.-  In 
einem  Fall  hat  eine  Netzübernäliung  resp.  ein  zu  langer  Faden 
zur  neuen  Stenose  und  Relaparotomie  nach  3  Monaten  geführt. 
Sie  konnte  leicht  behoben  werden.  Bei  schwachen  Patienten 
empfiehlt  er  eine  zweizeitige  Operation. 

6.  Herr  Hofmeister  -  Tübingen :  Ueber  Darminvagi- 
nation. 

H.  verfügt  über  7  Fälle,  4  chronische  mit  einem,  3  akute  mit 
zwei  Todesfällen.  Ein  Fall  von  Intussusception  des  ganzen 
Colon  ascendens  und  transversum  mit  kolossalem  (25  cm)  Pro¬ 
laps  per  anum  ist  besonders  interessant.  Die  Länge  des  resezierten 
Stückes  betrug  140  cm.  In  den  Invagxnationstrichter  war  das 
Duodenum  mit  hineinbezogen,  das  an  seiner  Pars  verticalis  bei 
der  Resektion  durchgeschnitten  wurde.  Sofortige  Naht  des¬ 
selben.  Der  Fall  wurde  geheilt.  Vorlegung  des  Präparates  mit 
einer  Photographie  vor  der  Operation. 

Vortragender  spricht  dann  kurz  über  die  Art  der  Resektion. 
Er  bevorzug!  die  Methode  von  Braun  mit  der  Doyen  sehen 
Modifikation.  Ein  zweiter  Fall,  3 Vz  jähriges  Kind  mit  akuter 
Invagination,  deren  Spitze  in  der  Ampulla  recti  zu  fühlen  war, 
verlief  wegen  des  schon  bestehenden  10  tägigen  Ileus  unglücklich. 
Das  Präparat  zeigt  ein  Kocher  sches  Dehnungsgeschwür,  das 
eine  einfache  Enterostomie  nutzlos  erscheinen  liess. 

7.  Herren  Clairmont  und  R  a  n  z  i  -  Wien :  Experimen¬ 
telle  Untersuchungen  über  Ileus. 

C.  und  R.  haben  nach  an  Tieren  künstlich  erzeugtem  Ileus 
mit  dem  im  Bauche  gefundenen,  filtrierten  Inhalt  anderer  Tiere 
injiziert  und  haben  mit  grossen  Dosen  (25 — 30  ccm)  unter 
40  Tieren  30  mal,  am  schnellsten  bei  intravenöser  Injektion,  Er¬ 
folg  gehabt.  Die  Tiere  starben  unter  Krämpfen  nach  Stunden 
bis  zum  21.  Tage.  Es  ist  demnach  erwiesen,  dass  das  Gift,  welches 
bei  Ileus  zum  Exitus  führt,  aus  dem  Darm  stammt. 

8.  Herr  Schloff  er  -  Prag  referiert  über  31  Fälle  von 
operierten  Dickdarmkarzinomen. 

Er  empfiehlt  für  die  Resektion  des  Dickdarms  mit 
Ausschluss  des  Coekums,  namentlich  wenn  im  Stenosenanfalle 
operiert  werden  muss,  zunächst  das  Anlegen  einer  Anus  praeter¬ 
naturalis  oberhalb  des  Hindernisses,  hernach  die  Resektion  und 
Darmnaht  als  zweiten,  den  Schluss  des  Anus  praeternaturalis 
als  dritten  Akt.  S.  spricht  sich  gegen  die  einzeitige  Methode  aus 
und  zieht  seine  dreizeitige  Operatiosmethode  in 
gewissen  Fällen,  in  denen  sich  das  Karzinom  schlechter  vorziehen 
lässt,  auch  der  zweizeitigen  (Hochenegg,  v.  Mikulicz) 
vor.  Alle  7  nach  der  dreizeitigen  Methode  operierten  Fälle 
wurden  geheilt.  Im  ganzen  starben  von  10  Dickdarmresektionen 
wegen  Karzinom  nur  2, 


9.  Herr  Hilgen  reiner  -  Prag :  Bericht  über  822  in 
der  Prager  Klinik  operierte  Hernien. 

Der  Vortrag  umfasst  im  wesentlichen  eine  Statistik  mit  ein¬ 
zelnen  Krankengeschichten,  unter  denen  Typhlitis,  Perityphlitis, 
Empyem  des  Proc.  vermiformis  im  Bruchsack  hervorzuheben 
sind.  Er  empfiehlt  die  W  ö  1  f  1  e  r  sehe  Methode  der  Radikal¬ 
operation  vor  der  B  a  s  s  i  n  i  sehen,  weil  alle  die  Nachteile  der 
Verlagerung  des  Samenstranges  hier  fortfallen. 

10.  Herr  Ellbogen  -  Kladno :  Ueber  Pfählungsver¬ 
letzungen. 

Demonstration  eines  Patienten,  der  beim  Sturz  mit  einer 
Leiter  sich  auf  eine  Sprosse  aufgespiesst  hatte.  Parasakraler 
Schnitt,  Entfernung  der  zahlreichen  Holzsplitter,  prophylaktische 
Injektion  von  Tetanusserum.  Am  7.  Tage  Tetanus.  Nochmalige 
Injektion  von  Tetanusserum  und  Heilung.  E.  berichtet  dann 
noch  kurz  über  3  ähnliche  Fälle,  die  ebenfalls  in  Heilung  über¬ 
gegangen  sind. 

11.  Herr  H  a  b  e  r  e  r  -  Wien  berichtet  über  experimentelle 
Untersuchungen,  die  er  zusammen  mit  Clairmont  über  das 
Verhalten  des  gesunden  und  kranken  tierischen  Peritoneums 

gemacht  hat. 

12.  Herr  Steinthal  -  Stuttgart :  Zur  Diagnose  und 
Prognose  der  Perityphlitis. 

St.  wendet  sich  zunächst  gegen  die  moderne  Unterscheidung 
der  Appendicitis  simplex,  gangraenosa  und  perforativa  und  will 
nur  zwei  Formen  unterschieden  wissen:  die  lokale,  beschränkte 
Appendizitis,  a)  Appendicitis  simplex,  b)  Periappendicitis  cir¬ 
cumscripta,  und  solche,  die  Neigung  zur  Ausbreitung  in  die 
Bauchhöhle  hat.  A.  ulcerosa  perforativa,  A.  gangraenosa,  Peri¬ 
appendicitis  progressiva.  Er  gibt  dann  eine  längere  Ausführung 
über  die  Symptome,  Diagnose,  Therapie  und  über  die  Prognose 
nach  der  Operation,  beleuchtet  die  Fälle,  die  nach  derselben  an 
Darmlähmung  zu  Grunde  gehen,  und  empfiehlt  die  Coekalfistel 
mittels  Witzeldrain,  deren  lebensrettende  Wirkung  er  an  einem 
Falle  erprobt  hat. 

13.  Herr  Posner  -  Berlin :  Zur  Kenntnis  der  Urogenital¬ 
tuberkulose. 

p.  referiert  kurz  über  folgenden  Fall:  Haselnussgrosser 
Knoten  in  der  rechten  Epididymis,  ein  ebensolcher  im  Corpus 
cavernosum  urethrae  in  der  Nähe  des  Orifiziums.  Trüber  Urin  mit 
Eiter.  Diagnose:  Blasentuberkulose.  Die  Knoten  fluktuierten. 
Entfernung  der  beiden  cystischen  Tumoren.  Inhalt:  Detritus  mit 
Cholestearin.  Mikroskopische  Untersuchung  der  Cystenwand  er¬ 
gab  Tuberkulose.  Die  Hodenwunde  heilte  glatt,  am  Penis  bildete 
sich  eine  Fistel.  Der  Fall  zeigt  klar  den  Gang  der  Urogenital¬ 
tuberkulose.  Der  Knoten  im  Penis  trat  8  Monate  nach  Auftreten 
des  ersten  Knotens  ein. 

14.  Herr  Zabludowski  - Berlin :  Zur  Therapie  der 
Erkrankungen  der  Hoden  und  deren  Adnexe. 

Z.  hat  seine  Methode  der  Behandlung  der  Impotentia  virilis 
weiter  ausgearbeitet.  Seine  neue  Methode  bezweckt  in  erster 
Linie,  starke  Blutschwankungen  in  den  affizierten  Organen  her¬ 
vorzurufen.  Dies  wird  in  einfacher  und  bequem  auszuführender 
Art  durch  wiederholte  Umschnürung  der  Wurzel  des  Penis  und 
der  Basis  des  Hodensackes  mit  einem  elastischen  Gummischlauche 
von  etwa  8  mm  Durchmesser  und  100  cm  Länge,  dann  durch 
Melkbewegungen  an  den  Samensträngen  und  durch  Torsionen 
derselben  erreicht.  Ausserdem  kommen  zur  Anwendung  mehr 
oder  weniger  ausgedehnte  Erschütterungen,  intermittierende 
Drückungen,  Knetungen,  Klopfungen  des  bei  der  entsprechenden 
Technik  diasen  Manipulationen  gut  zugänglichen  Urogenital¬ 
gebietes.  Neben  den  passiven  Bewegungen  wird  von  denjenigen 
duplizierten  Bewegungen  „Widerstandsbewegungen“  Gebrauch 
gemacht,  welche  die  benachbarten  Muskeln  am  Abdomen  und  an 
den  unteren  Extremitäten  in  Tätigkeit  bringen  und  dabei  Mit¬ 
bewegungen  der  für  solche  Uebungen  unmittelbar  schwer 
zugänglichen  Muskeln  des  Genitalapparates  hervorrufen.  Z.  de¬ 
monstriert  an  seinem  Phantom  sein  Verfahren  und  stellt  die  In¬ 
dikationen  für  diese  Methode  auf. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Referent :  Dr.  Edmund  Falk-  Berlin. 

Sitzung  vom  23.  September  1902,  Nachmittags. 

Herr  0.  Schaeffer-  Heidelberg:  1.  Schlussfolgerungen 
aus  Untersuchungen  der  Blutkörperchenresistenz  in  isotoni¬ 
schen  Lösungen  während  Schwangerschaft,  Geburt  und 
|  Wochenbett. 


21.  Oktober  1902. 


MUEN  CHEN  ER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1777 


Mischblutproben  aus  der  Fingerbeere,  im  Verhältnis  1:100 
untersucht  in  der  für  Blut  unter  physiologischen  Umständen  iso¬ 
tonisch  festgestellten  Jodjodkalilösung  (1:2:300),  ergeben  bei 
normalen  Schwangeren  und  Selbstnährenden  folgende  Reihen¬ 
folge  der  Befunde: 

1.  Zunahme  des  Hömoglobingehaltes  der  einzelnen  Erythro¬ 
zyten  (der  Gesamthämoglobingehalt  des  Blutes  bleibt  hierbei  un- 
berührt),  Auftreten  von  hochpotenzierten  jodophilen  Zellen  vom 
Beginn  der  Schwangerschaft  bis  zum  Ende  des  Stillgeschäftes. 
Das  Auftreten  erfolgt  nach  der  Geburt  freilich  in  geringerem 
Grade,  während  der  Gebui't  selbst  und  einige  Tage  nach  der¬ 
selben  findet  sogar  ein  vorübergehendes  Absinken  statt,  um  dann 
wieder  etwas  anzusteigen.  2.  Bedeutende  Resistenzerhöhung 
während  der  ersten  Schwangerschaftsmonate,  ebenso  während  des 
Stillgeschäftes.  In  der  2.  Hälfte  der  Schwangerschaft  und  vor 
allem  kurz  vor,  während  und  nach  der  Geburt  erhebliches  Sinken 
der  Resistenz.  Auftreten  dunkler  bis  entfärbter  granulierter 
Erythrocyten,  erstere  sind  bisher  noch  nirgends  beobachtet. 
Diese  Beobachtungen  führen  zu  folgender  Deutung:  Der  Fötus 
bezieht  aus  dem  mütterlichen  Serum  von  der  Mitte  der 
Schwangerschaft  durch  das  Syncytium  nicht  genügend  Nähr¬ 
material,  besonders  Phosphate,  welche  er  zur  Skelettossifikation, 
Gewebskonsolidierung,  Ausbildung  des  Hirnes  bedarf.  Das  Syn¬ 
cytium  beeinflusst,  vielleicht  nach  Art  der  Seitenkettenbildung, 
die  an  Phosphaten  reicheren  Erythrocyten  direkt  zur  Ilergabe 
des  Hämoglobinkörpers. 

Bei  Frauen,  die  nicht  stillen  können,  finden  sich  bereits 
während  der  Schwangerschaft  Vorzeichen  in  der  Form  geringerer 
Blutkörperchenresistenz,  die  sich  post  partum  unverhältnismässig 
steigert. 

Bei  Anämischen  besteht  während  der  Schwangerschaft  eine 
bedeutende  Resistenzsteigerung,  desgleichen  im  Wochenbett, 
während  direkt  nach  der  Geburt  ein  auffallend  kurzer,  wenn  auch 
heftiger  Blutkörperchenzerfall  stattfindet.  Nach  Ausräumung 
eines  Abortus  incompletus  ist  der  Befund  derselbe  wie  bei  Nicht¬ 
stillenden,  nach  Ausräumung  eines  retinierten  Ovum  Vorhanden¬ 
sein  jodophiler  Zellen  zunächst  neben  allen  Zerfallsformen.  Bei 
Genitalphlebektasien  findet  man  schon  vor  Beginn  der 
Schwangerschaft  einen  Mangel  an  Hämoglobin  und  dauernd 
Zerfallsformen.  Bei  stark  ausgeprägtem  Chloasma  uterinum  be¬ 
steht  wechselndes  Verhalten:  im  Beginn  der  Schwangerschaft 
Jodophilie  und  physiologisches  Verhalten,  in  der  Mitte  Sinken 
und  gegen  das  Ende  mässige  Erholung.  Um  die  Geburt  herum 
starkes  Sinken.  Bei  Nichtstillenden  fehlen  die  jodophilen  roten 
Blutkörperchen  im  Puerperium  ganz. 

2.  Ein  Beitrag-  zur  Aetiologie  einer  Form  des  Icterus  gTavi- 
darum. 

Der  Vortrag  ist  bereits  in  der  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u. 
Gynäkol.  1902  veröffentlicht. 

Herr  Winternitz  -  Stuttgart-Tübingen.:  Die  Wahl  der 
Behandlungsmethoden  bei  Retroflexio  uteri  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  subjektiven  Besclv werden. 

Bei  der  Frage,  inwieweit  die  subjektiven  Beschwerden  und 
Klagen  bei  vorhandener  Rückwärtsbeugung  der  Gebärmutter  mit 
dieser  Lageveränderung  in  Zusammenhang  zu  bringen  sind  und 
welchen  Einfluss  dieselben  auf  die  Wahl  des  einzuschlagenden 
therapeutischen  V  erf  ahrens  haben,  unterscheidet  Winternitz 
bestimmte  Gruppen. 

Zur  ersten  Gruppe  zählen  diejenigen  Fälle,  in  denen  es  sich 
um  ledige  oder  verheiratete  Nulliparen  handelt  und  bei  denen 
man  eine  Retroflexio  uteri  mobilis  ohne  weitere  Komplikationen 
findet.  Solche  Kranke  sind  deshalb,  weil  ihnen  die  falsche  Lage 
ihrer  Gebärmutter  mitgeteilt  wurde  und  weil  sie  schon  eine 
Zeitlang  behandelt  worden  sind,  auf  ihren  Unterleib  aufmerksam 
gemacht  worden  und  halten  sich  daher  für  unterleibsleidend.  Bei 
der  Untersuchung  findet  man  einen  kleinen  retroflektierten 
Uterus,  den  man  unmöglich  für  alle  diese  Klagen  und  Be¬ 
schwerden  verantwortlich  machen  kann,  zumal  da  jede  Kom¬ 
plikation  fehlt.  Man  wird  daher  in  solchen  Fällen  ohne  Rück¬ 
sicht  auf  die  anamnestischen  Angaben  sein  therapeutisches  Ver¬ 
fahren  einzuleiten  haben.  In  der  weitaus  grössten  Zahl  aller 
dieser  Fälle  tritt  die  Neurasthenie  resp.  Hysterie  bei  der  Wahl 
der  Behandlungsart  in  den  Vordergrund.  Das  beste  für  solche 
Kranken  wäre,  wenn  sie  überhaupt  nicht  untersucht  und  damit 
auch  nicht  auf  eine  Lageanomalie,  die  ohne  Bedeutung  ist,  auf¬ 


merksam  gemacht  worden  wären.  Eine  lokale  gynäkologische 
Behandlung  ist  daher  bei  den  Kranken  dieser  Gruppe  nicht  an¬ 
gezeigt,  sie  wirkt  sogar  schädlich  und  verschlimmernd  auf  den 
ganzen  Zustand.  Am  zweckmässigsten  wäre  es,  wenn  dieselben 
aus  der  Behandlung  des  Frauenarztes  in  die  eines  inneren  Me¬ 
diziners  übergehen  würden,  um  die  Aufmerksamkeit  von  der 
belanglosen  Unterleibsaffektion  abzulenken.  Auch  die  operative 
Behandlung,  welcher  Art  sie  auch  sein  möge,  ist  hier  zu  ver¬ 
werfen. 

Bei  der  zweiten  Gruppe  handelt  es  sich  um  Kranke,  welche 
geboren  haben.  Bei  diesen  findet  man  den  Uterus  retroflektiert 
und  den  Beckenboden  gut  erhalten,  auch  sonst  sind  keine 
nennenswerten  Komplikationen  nachweisbar.  Prüfen  wir  hier 
die  subjektiven  Beschwerden  im  Verhältnis  zum  lokalen  Befund, 
so  können  wir  uns,  trotzdem  die  Retroflexio  unkompliziert  ist, 
des  Eindruckes  nicht  erwehren,  dass  die  Klagen  über  Kreuz-  und 
Rückenschmerzen  auf  diese  Lageanomalie  zurückzuführen  sind, 
besonders  in  den  Fällen,  in  welchen  es  sich  um  eine  Vergrös- 
serung  des  Uterus  handelt,  denn  die  Beschwerden  verschwinden, 
nachdem  der  Uterus  in  Anteflexionsstellung  gebracht  worden  ist. 
Da  die  Beschwerden  auf  die  Retroflexio  zurückgeführt  werden 
müssen,  so  ist  auch  die  Lageanomalie  zu  korrigieren.  Für  diese 
verhältnismässig  selteneren  Fälle  kommen  ausser  der  Pessar¬ 
behandlung  die  verschiedenen  Retroflexionsoperationen  in  Be¬ 
tracht. 

Weitaus  die  meisten  Fälle  von  Retroflexio  sind  aber  solche, 
bei  denen  es  sich  um  Frauen  handelt,  welche  mehrfach  geboren 
haben  und  bei  welchen  infolge  eines  Dammrisses  oder  infolge 
Erschlaffung  des  Beckenbodens  ein  Deszensus  resp.  eine  In¬ 
version  der  Scheidenwände  entstanden  ist.  Nicht  selten  wurde 
bei  diesen  Kranken  die  erste  Geburt  mit  der  Zange  beendigt  und 
diese  Art  der  Entbindung  muss  als  LTrsache  der  Lageverände¬ 
rung  von  Uterus  und  Scheide  angesehen  werden. 

Von  den  Kranken  dieser,  der  dritten,  Gruppe  hört,  man  die 
bekannten  Beschwerden  und  Klagen  über  Druck  und  Drang  nach 
abwärts;  sie  haben  keinen  Halt  mehr  im  Unterleib,  das  Gefühl, 
als  ob  unten  alles  herausfallen  wollte,  auch  wenn  es  sich  nur 
um  einen  leichten  Deszensus  der  Scheide  handelt.  Fragen  wir 
uns,  inwieweit  in  diesen  Fällen  die  Beschwerden  auf  die  gleich¬ 
zeitig  vorhandene  Rückwärtslagerung  des  Uterus  zurückzuführen 
sind,  so  lehrt  der  Erfolg  der  Behandlung,  dass  in  den  meisten 
dieser  Fälle  die  Retroflexio  als  solche  in  den  Hintergrund  tritt 
und  dass  bei  der  W ahl  der  Behandlung  nur  der  Descensus  vaginae 
in  Frage  kommt.  Legt  man  nämlich  ohne  weitere  Berücksich¬ 
tigung  der  Retroflexio  einen  runden  Celluloidring  ein,  so  sind 
die  Beschwerden  gehoben. 

Untersucht  man  solche  von  ihren  Beschwerden  befreite 
Kranke,  so  findet  man  in  vielen  Fällen  den  Uterus  retroflektiert, 
ein  Beweis,  dass  die  Retroflexio  nicht  die  Ursache  der  Be¬ 
schwerden  abgegeben  hat.  Winternitz  ist  infolgedessen 
davon  abgekommen,  in  solchen  Fällen  ein  Hodgepessar  einzu¬ 
legen,  weil  mit  den  Schultze  sehen  Celluloidringen  bessere  Re¬ 
sultate  erzielt  wurden.  Bei  der  Behandlung  tritt  also  der  Des— 
zensus  resp.  die  Inversion  der  Scheide  in  den  Vordergrund,  wo¬ 
bei  natürlich  auch  ein  operativer  Eingriff  in  Frage  kommen  kann. 

Die  letzte  Gruppe  umfasst  diejenigen  Fälle  von  Retro- 
flexionen,  bei  welchen  Komplikationen  der  verschiedensten  Art, 
wie  Endometritis,  Pelveoperitonitis,  Adnexerkrankungen,  Fixa¬ 
tion  des  Uterus  u.  a.  m.  vorhanden  sind.  Bei  der  Verwertung  der 
verschiedenen  Klagen  und  Beschwerden  für  die  Art  der  Behand¬ 
lung  tritt  die  Lageveränderung  als  solche  in  den  Hintergrund, 
da  die  subjektiven  Symptome  wohl  hauptsächlich  auf  die  be¬ 
gleitenden  Affektionen  zurückzuführen  sind.  Meistens  dürfte  es 
sich  um  eine  operative  Therapie  handeln. 

Die  Klagen  und  Beschwerden  bei  Retroflexio  uteri  müssen 
also  mit  Vorsicht  beurteilt  werden.  Es  dürfen  dieselben  nicht 
ohne  weiteres  für  die  Behandlung  bestimmend  sein,  da  in  einer 
grossen  x\nzahl  von  Fällen  die  subjektiven  Symptome  nicht  auf 
die  bestehenden  Lageveränderungen  zurückzuführen  sind. 

Herr  Jung-  Greifswald :  Zur  Behandlung  eitriger  Affek¬ 
tionen  der  Adnexe  und  des  Beckenbindegewebes. 

Jung  gibt,  einen  Bericht  über  122  Fälle  von  Becken¬ 
eiterung,  welche  in  der  Greifswalder  Klinik  zur  Behandlung 
kamen.  Die  Mortalität  betrug  18  Proz.  Die  hohe  Sterblichkeit 
fällt  hauptsächlich  der  Laparotomie  zur  Last,  welche  für  schwere, 
mit  starken  Verwachsungen  verbundene  Adnextumoren  als  Ope- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  W 0 CHEN S CHEIET . 


No.  42. 


1778 


ration  der  Wahl  gilt,  während  nur  kleine,  nicht  verwachsene 
Tumoren  durch  die  Kolpoköliotomie  angegriffen  werden.  Die 
ungünstigen  Resultate  sind  auf  den  hohen  Virulenzgrad  des 
Eiters  zurückzuführen.  Das  Vorwiegen  der  Streptokokken  und 
der  tuberkulösen  Erkrankungen,  welche  mit  schweren  Verwach¬ 
sungen  einhergehen,  muss  die  Indikation  für  operative  Eingriffe 
einschränken.  Martin  hat  daher  in  letzter  Zeit  wieder  das 
Verfahren  der  Inzision  von  der  Scheide  und  der  Drainage  mehr 
geübt  und  die  21  so  behandelten  Erauen  geheilt.  Die  Rückbil¬ 
dung  der  Infiltrate  und  Exsudate  wird  durch  Heissluftbehand- 
lung  nach  Bier  wesentlich  gefördert,  auch  nicht  operierte 
Fälle  werden  dadurch  vorzüglich  beeinflusst.  Für  die  Diagnose 
des  Vorhandenseins  von  Eiter  bildet  die  Leukocytenzählung  we¬ 
sentliche  Vorteile. 

Herr  Knapp:  Zur  Frage  des  Accouchement  force  durch 
instrumentelle  Aufschliessung  des  Muttermundes. 

Die  mechanisch  forcierte  Aufschliessung  des  puerperalen 
Muttermundes,  wie  B  o  s  s  i  sie  fordert,  gestattet  in  kurzer  Zeit 
schwierige  Geburten  bei  nicht  erweitertem  Muttermunde  zu 
Ende  zu  führen.  K.  hat  so  in  der  Klinik  von  Leopold  mit 
Erfolg  bei  Plaeenta  praevia  und  bei  Eklampsie  operiert;  in 
25  Minuten  gelang  die  Erweiterung  des  Zervikalkanals.  B  o  s  s  i 
hat  ca.  120  mal  die  forcierte  Dilatation,  38  mal  bei  Eklampsie, 
angewendet.  Auch  in  der  Agone  tritt  das  Accouchement  force 
mit  der  Sectio  caesarea  in  Rivalität;  ferner  kann  man  es  in 
Fällen  von  Frühgeburt  anwenden  und  in  der  Zeit  von  2  bis 
3  Stunden  mit  günstigem  Erfolg  die  Geburt  einleiten.  Es  fragt 
sich  nun,  wie  sind  die  Verletzungen?  Dieselben  können  Quet¬ 
schungen  durch  direkten  Druck  und  Ileberdehnungen  an  den 
Zwischenstellen  sein.  Leopold  sah  keine  gefährlichen 
Verletzungen.  Ein  Nachteil  ist  die  ungleichmässige 
Dehnung,  ferner,  dass  das  Instrument  von  B  o  s  s  i  schwer  zu 
halten  ist,  und  endlich  sein  hoher  Preis.  Knapp  stellte  da¬ 
her  ein  leichter  handliches  Instrument  her.  Die  Spreizvorrich¬ 
tung  unterscheidet  sich  von  der  von  B  o  s  s  i  angegebenen  in  der 
Art,  dass  die  Dilatation  eine  gleichmässigere  wird.  Verletz¬ 
ungen  und  Ueberdehnungen  sind  daher  vermeidbar.  Der  Preis 
ist  geringer. 

Sitzung  vom  24.  September  1902,  Nachmittags. 

Herr  Neumann  - Wien :  Ueber  die  Erweiterung  der  un¬ 
teren  Beckenaperturen  während  der  Geburt. 

Verf.  hat  durch  zahlreiche  Messungen  nach  der  Methode 
von  B  r  e  i  s  k  y  festgestellt,  dass  sowohl  der  Querdurchmesser 
des  Beckenausganges,  als  die  Conj.  der  Beckenenge  während  der 
Geburt  sich  auch  in  anderen  Fällen  als  solchen  des  kyphotischen 
Beckens  verlängern  können,  und  zwar  maximal  bis  zu  2Vz  resp. 
2  cm.  Die  Erweiterung  der  unteren  Beckenaperturen  findet 
nicht  in  allen  Geburtsfällen  statt.  Es  wäre  nun  weiter  zu  be¬ 
stimmen,  bis  zu  welchem  Grade  und  unter  welchen  Umständen 
diese  Erweiterung  eintritt. 

Herr  A.  Mueller  - München :  Zum  Mechanismus  der  Ge¬ 
burt. 

M.  ist  der  Ansicht,  dass  bei  weitaus  den  meisten  Geburten 
beide  Druckarten  (allgemeiner  Inhaltsdruck  und  Fruchtwirbel¬ 
säulendruck)  zur  Wirkung  kommen,  doch  kann  man  den  Ge¬ 
burtsmechanismus  durch  jede  einzelne  allein  erklären.  Die  Wir¬ 
kung  des  Innendruckes  dürfte  von  L  a  h  s  im  allgemeinen  zu¬ 
treffend  studiert  worden  sein;  die  Wirkung  des  Fruchtachsen¬ 
druckes  trete  nicht,  wie  meist  angenommen  werde,  am  Foramen 
magnum,  wo  sie  allerdings  angreift,  in  Wirkung,  sondern  an 
dem,  im  Einzelfalle  allerdings  schwer  zu  bestimmenden  Gleich¬ 
gewichtspunkte  aller  Widerstände,  welche  die  Schädeloberfläche 
im  Geburtskanal  findet.  Der  Einfluss  der  Kopfform  und  Kon¬ 
figuration  ist  von  M.  früher  erörtert.  L  a  h  s’  Berührungsgürtel 
gibt  dem  Kopfe  die  konzentrische  Konfiguration  und  ist  von  M. 
früher  besonders  eingehend  im  Texte  zu  seinem  Phantom  be¬ 
handelt  und  Kompressionsring  genannt  worden. 

Die  einseitigen  Abplattungen  des  Kopfes  entstehen  haupt¬ 
sächlich  durch  den  Fruchtachsendruck,  welcher  den  Kopf  gegen 
eine  Beckenwand  drückt.  Wenn  Ols  hausen  jeden  Einfluss 
der  Rotation  des  Kopfes  auf  die  Rotation  des  Rückens  leugnet, 
so  stimmt  M.  dem  nicht  bei,  glaubt  vielmehr,  dass  beide  sich  be¬ 
einflussen  und  dass  der  Rumpf  die  Rotation  des  Kopfes  hemmen 
oder  befördern  kann. 


Herr  F  ü  t  h -Leipzig:  Ueber  Diabetes  mellitus  und  gynäko¬ 
logische  Operationen. 

F.  bespricht  die  Vorsichtsmassregeln,  welche  bei  gynäko¬ 
logischen  Operationen  notwendig  sind,  damit  einem  unglück¬ 
lichen  Ausgange  infolge  Coma  diabeticum  nach  Möglichkeit  vor¬ 
gebeugt  werde.  Diese  sind  einschliesslich  der  seither  üblichen . 

1.  Entzuckerung  des  Urins  vor  der  Operation.  In  mittel¬ 
schweren  Fällen,  die  mit  malignen  Neubildungen  kompliziert 
sind,  Einleitung  der  strengen  Diät.  Prophylaktische  Dar¬ 
reichung  von  Natrium  bicarbonicum  (N  auny  n)  bezw.  Natrium 
citricum  (Rumpf).  2.  Vorsichtige  Vorbereitung  der  Kranken 
auf  die  Operation,  soweit  dies  möglich  ist.  Bekämpfung  der 
psychischen  Erregung.  Vorbereitung  darauf,  dass  gegebenen 
Falls  kein  Narkotikum  gegeben,  aber  alles  getan  wird,  dass 
Schmerzen  nicht  verspürt  werden.  3.  Besondere  Aufmerksamkeit 
auf  die  Anti-  und  Asepsis.  4.  Keine  diätetische  Vorbereitung 
mit  Abführmitteln  und  Ivlystieren  zwecks  Vermeidung,  einer 
Unterernährung  (II  irschfei  d).  Besondere  Vorsicht  in  der 
Hinsicht,  dass  die  Flüssigkeitszufuhr  nach  Möglichkeit  nicht 
leidet,  zwecks  Vermeidung  des  Wasserverlustes  (Rumpf). 
Abends  vor  der  Operation  ein  Klystier.  Prophylaktische  Dar¬ 
reichung  von  Natrium  citricum.  Operation  früh  am  Vormittag 
zur  Zeit  des  physiologischen  Ilungerns  und  Dürstens  (Gross- 
m  a  n  n).  5.  Durchführung  der  ganzen  Operation  womöglich 

unter  vollständiger  Vermeidung  der  allgemeinen  Narkose.  Für 
Laparotomien  eventuell  Beginn  unter  Lokalanästhesie.  Fort¬ 
führung  soweit  als  möglich  ohne  Narkotikum  (V  eit).  Lumbal¬ 
narkose,  für  die  sich  hier  ein  Feld  zu  eröffnen  scheint.  6.  Ener¬ 
gische  systematische  Flüssigkeitszufuhr  mit  Zusätzen,  sofort 
nach  der  Operation  per  rectum,  sowie  sobald  als  irgend  mög¬ 
lich  Darreichung  von  leicht  verdaulichen,  den  Magen  nicht  be¬ 
schwerenden  und  den  Darm  nicht  blähenden  festen  Substanzen. 
7.  Bei  sonst  ungestörtem  Verlauf  der  Nachbehandlung  Versuch, 
die  dem  Diabetiker  so  notwendige  körperliche  Bewegung  durch 
Massage  zu  ersetzen. 

Herr  Schenk:  Weitere  Untersuchungen  über  das  ela¬ 
stische  Gewebe  der  weiblichen  Genitalorgane  (von  Schenk 
und  Austerlitz). 

Das  elastische  Gewebe  nimmt  in  allen  Organen  des  weib¬ 
lichen  Genitaltraktes  mit  dem  Alter  zu,  wobei  es  ganz  typische 
Veränderungen  auf  weist.  Die  Menge  des  elastischen  Gewebes 
und  alles  desssen,  was  sich  wie  elastisches  Gewebe  färbt,  lässt 
keinen  Schluss  zu  auf  elastische  Qualität.  W  ird  schon  an  dem 
normal  elastisch  sich  färbenden  Gewebe  eine  erheblichere  Elasti¬ 
zität  angezweifelt,  so  gilt  dies  in  noch  höherem  Masse  von  der 
überraschenden  Menge  des  scheinbar  elastischen  Gewebes  in  den 
weiblichen  Genitalorganen,  namentlich  alter  Individuen,  schon 
weil  dasselbe  vielfach  Degenerationszeichen  an  sich  trägff. 

Ueber  die  Funktion  des  elastischen  Gewebes  der  weiblichen 
Genitalorgane  lässt  sich  nichts  Positives  aussagen. 

Herr  Schenk:  Zur  Therapie  der  Extrauteringravidität. 

Das  Material  der  Prager  Frauenklinik  seit  Uebernahme  der¬ 
selben  durch  Prof.  S  ä  n  g  e  r,  d.  i.  seit  1899,  umfasst  bis  heute 
58  Fälle  von  ektopischer  Gravidität.  Hiervon  wurden  operiert  32, 
konservativ  behandelt  26.  Unter  den  32  operierten  F  ällen  han¬ 
delte  es  sich  7  mal  um  Ruptur  der  schwangeren  Tube,  in 

25  Fällen  um  Tubenarbort.  Von  den  32  Fällen  starb  ein  Fall, 
der  bereits  hochfiebernd  eingebracht  worden  war.  Die  Obduktion 
ergab  ausser  hochgradiger  Anämie  eine  fettige  Degeneration  des 
Herzens. 

Die  mittlere  Dauer  des  Spitalaufenthaltes  betrug  einschliess¬ 
lich  der  in  der  Klinik  zugebrachten  Zeit  vor  der  Operation 
33,7  Tage.  Operiert  wurde  in  allen  Fällen  abdominal.  Nach¬ 
richten  über  das  spätere  Befinden  liegen  vor  von  17  Frauen.  \  on 
diesen  waren  3  sofort  nach  der  Entlassung,  3  nach  1  Monat, 
2  nach  2  Monaten  zu  schweren  Arbeiten  fähig,  8  konnten  bald 
nach  ihrer  Entlassung  alle  häuslichen  Arbeiten  verrichten,  1  gibt 
an,  bei  grösseren  Anstrengungen  Schmerzen  zu  haben.  Von  den 

26  konservativ  behandelten  Fällen  wurden  15  nachuntersucht. 
Die  durchschnittliche  Dauer  des  Spitalaufenthaltes  hatte 
31,5  Tage  betragen.  Von  den  15  Fällen  hatte  es  sich  je  5  mal 
um  eine  grosse,  mittlere  bezw.  kleine  ILämatocele  gehandelt. 

Was  die  Arbeitsfähigkeit  anbelangt,  so  sind  13  =  86  Proz. 
zu  jeder,  auch  der  schwersten,  Arbeit  fähig  und  vollkommen  be¬ 
schwerdefrei;  nur  2  sind  wegen  zeitweise  auftretender  Schmerzen 
für  schwerere  Arbeit  untauglich.  Die  Nachuntersuchung  ergab 


21.  Oktober  1902. 


177!) 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


in  4  Fällen  kleine  Resistenzen  an  Stelle  der  einstigen  Ilämato- 
cele,  bei  den  übrigen  ist  vollständige  Resorption  eingetreten. 

Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  die  Dauerresultate  der  exspek- 
tativ  Behandelten  denen  der  Operierten  in  nichts  nachstehen  und 
daher  die  exspektative  Therapie  in  den  hierzu  geeigneten  Fällen 
anzuwenden  ist,  wenn  auch  die  primären  Operationsresultate 
sehr  günstige  sind. 

M  as  die  bekannten  neueren  Befunde  über  die  Einbettung 
des  Eies  in  der  Tube  anbelangt,  so  können  diese  bis  jetzt  mangels 
klinischer  Erscheinungen  zur  Stütze  der  operativen  Therapie  von 
Ilämatocelen  nicht  herangezogen  werden. 

Herr  Kleinhan  s-Prag:  Demonstrationen  (Menstruatio 
praecox  und  2  Fälle  von  Chorioepitheliom) . 

Herr  Nenadovics-  Franzensbad :  Zur  wissenschaft¬ 
lichen  Verordnung’  der  Franzensbader  Moorbäder  bei  Frauen¬ 
krankheiten. 

Herr  C  u  k  o  r  -  Ofen-Pest-Franzensbad:  Heber  die  Dis¬ 
lokation  der  Bauchorg’ane  der  Frau. 

Herr  H.  F  i  s  c  h  e  r  -  Karlsbad :  Heber  intrauterine  The¬ 
rapie  mit  luftfreiem  Spray. 

Herr  Kleinhans  - Prag :  Erfahrungen  über  die  ab¬ 
dominale  Radikaloperation  des  Gebärmutterkrebses. 

Die  Bestrebungen,  den  karzinomatösen  Uterus  mit  den  Ge¬ 
weben,  welche  die  nächsten  Einbruchstätten  des  die  Uterus¬ 
grenze  überschreitenden  Karzinoms  sind,  ausgiebiger  zu  ent¬ 
fernen,  sind  zurzeit  besonders  aktuell  und  kamen  auf  dem  vor¬ 
jährigen  gynäkologischen  Kongress  in  Giessen  zum  Ausdruck. 
K.  hat  bis  jetzt  32  Fälle  operiert  (zumeist  nach  der  Methode, 
wie  sie  Wertheim  angegeben)  mit  3  Todesfällen. 

(K.  gibt  eine  Tabelle  herum  mit  schematischen  Abbildungen, 
welche  die  Befunde  bezüglich  der  Neubildung,  das  Verhalten  der 
Parametrien  und  der  Drüsen  wiedergeben.) 

Zur  Operation  kamen  leichte  und  vorgeschrittene  Fälle. 

In  den  ersten  Fällen  hat  Kl.  die  Operation  vaginal  be¬ 
gonnen  —  mit  Ablösung  der  Scheide  im  obersten  Drittel,  Tampo¬ 
nade  —  dann  wurde  köliotomiert ;  später  jedoch,  nach  ent¬ 
sprechender  vaginaler  Vorbereitung,  nur  von  oben  operiert. 
Schilderung  des  Operationsganges.  Die  Schwierigkeit,  die  Ure- 
teren  frei  zu  präparieren,  ist  oft  durch  entzündliche  Verände¬ 
rungen  gegeben.  Das  Auf  finden  der  Ureteren  ist  manchmal  ver¬ 
zögert  durch  bedeutende  subseröse  Fettmassen. 

Das  Erkennen  des  Ureters  wird  bisweilen  durch  die  Peri¬ 
staltik  derselben  erleichtert.  Auf  die  Gef  äss  Versor¬ 
gung  des  Ureters  wurde  gewöhnlich  keine  Rücksicht  genommen 
und  ist  dies  auch  nicht  gut  durchführbar. 

Da  die  Infektion  vom  Karzinomherd  aus.  die  Hauptgefahr 
bildet,  muss  man  in  erster  Linie  trachten,  dieser  vorzubeugen. 

Kl.  scheinen  die  bisherigen  Vorkehrungen,  wenn  einzeln 
angewendet,  nicht  vollkommen  zu  genügen.  Er  verwendete  des¬ 
halb  in  einer  Reihe  von  I  allen  nach  gründlicher  Auslöffelung 
und  Kauterisieren  Knieklemmen;  in  den  letzten  Fällen  aber, 
soweit  es  möglich  war,  die  Exzisio  colli  mit  dem  Thermokauter, 
wodurch  Infektion  noch  sicherer  ausgeschaltet  werden  dürfte. 
In  den  letzten  Fällen  wurde  auch  die  von  K  r  ö  n  i  g  angegebene 
und  ausgeführte  Blasenraffung,  die  K.  von  Vorteil  zu 
sein  schien,  vorgenommen.. 

Wichtig  ist  es,  ein  grösseres  Stück  Scheide  mitzunehmen 
(W  erthei  m),  1.  wegen  besserer  Drainage,  2.  weil  hierdurch 
Wundrezidive  eher  verhindert  werden. 

In  allen  Fällen  wurden  die  tastbaren  Drüsen  entfernt.  Sie 
waren  karzinomatös  in  28  Proz.  der  Fälle.  Entzündlich  ver¬ 
änderte  Drüsen  fanden  sich  natürlich  in  weit  mehr  Fällen.  Kl. 
weist  auf  die  schon  mehrfach  hervorgehobene  Tatsache  hin, 
dass  auch  bei  nicht  weit  vorgeschrittenem  Karzi¬ 
nom  Drüsen  schon  infiziert  sein  können  und  umgekehrt.  Die 
Konsistenz  der  Drüsen  gibt  nach  Kl.  keinen  An¬ 
haltspunkt  dafür,  ob  die  Drüse  karzinomatös  ist  oder  nicht.  Es 
sind  alle  auffindbaren  Drüsen  zu  entfernen. 

In  der  Ueberzeugung,  dass  bei  sehr  vorgeschrit¬ 
tenem  Karzinom  —  Grenzen  lassen  sich  nicht  definieren  — 
die  Operation  eine  Radikalheilung  nicht  bedingt,  hat  Kl.  die  In¬ 
dikationsgrenzen  nicht  zu  weit  gesteckt.  Die  primären  Heil¬ 
erfolge  sind  gut  zu  nennen,  werden  sich  aber  bei  zunehmender 
Erfahrung  noch  bessern. 


Altonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  23.  April  1902. 

Vorsitzender :  Herr  II  e  n  o  p. 

Schriftführer :  Herr  Felgner. 

Herr  G  r  ii  n  e  b  e  r  g  stellt  ein  1  jähriges  Kind  vor,  das  seit 
seiner  3.  Lebenswoche  mit  einem  Naevus  linearis  behaftet  ist, 
der  dicht  unterhalb  der  Analfalte  beginnend,  strichförmig  an  der 
inneren,  hinteren  Seite  des  linken  Beines  zur  Planta  pedis  herab¬ 
zieht  und  dort,  am  inneren  Rande  bis  zur  grossen  Zehe  verläuft. 
Derselbe  zeigt  am  Oberschenkel  mehr  den  Charakter  des  Naevus, 
während  er  vom  Unterschenkel  ab  mehr  papillomatöse  Beschaffen¬ 
heit  hat.  Er  gehört  in  das  Gebiet  der  systematisierten  Naevi  und 
ist,  da  er  sich  immer  einseitig  findet,  auch  als  Naevus  unius  lateris 
bezeichnet  worden.  Man  glaubte  in  Bezug  auf  die  Entstehung 
früher  an  Nerveneinflüsse,  daher  der  Name  Nervennaevus  oder 
neuropathisehes  Hautpapillom.  Nach  der  allgemeinen  Annahme 
jedoch  entspricht  der  Verlauf  den  Voigt  sehen  Grenzlinien, 
Linien,  die  durch  die  Wachstumsverhältnisse  der  Haut  im  embryo¬ 
nalen  Leben  bedingt  sind.  Das  bei  dem  Patienten  bestehende 
Jucken  und  das  Ekzem  ist  als  Folge  und  nicht  als  Ursache  anzu¬ 
sehen. 

Therapeutisch  kommen  Elektrolyse,  Aetzung  mit  rauchender 
Salpetersäure,  Sublimatkollodium  und  starke  Salizylpflastermulle 
in  Frage. 

Ferner  demonstriert  G.  einen  8  jährigen  Knaben,  der  gesunden 
Eltern  entstammt,  dessen  Grossvater  mütterlicherseits  an  Tuber- 
!  kulose  gestorben  ist,  der  jedoch  sonst  keine  hereditäre  Belastung 
aufweist.  4  Geschwister  des  Patienten  leben  und  sind  gesund, 
j  Geburt  des  Patienten  war  sehr  schwer,  dauerte  2  Tage.  Er  fiel  der 
|  Mutter  in  den  ersten  beiden  Lebensjahren  durch  seine  Adiposität 
und  durch  seine  krumme  Körperhaltung  auf.  Lernte  Anfang  des 
3.  Lebensjahres  laufen,  ln  den  letzten  beiden  Jahren  wird  das 
Gehen  immer  schlechter,  so  dass  er  nicht  mehr  zur  Schule  gehen 
■  kann. 

Organe  sind  gesund.  Intellekt  des  Pat.  etwas  minderwertig. 
Die  Sensibilität  ist  am  ganzen  Körper  vollständig  erhalten.  Tatel- 
j  larreflexe  beiderseits  nur  schwach  vorhanden.  Die  Muskulatur 
der  oberen  Extremitäten,  des  Rückens  und  der  Oberschenkel  sehr 
dünn,  an  beiden  Waden  hypertrophisch.  Die  muskuläre  .Kraft  be¬ 
deutend  herabgesetzt.  Pat.  geht  breitbeinig,  watschelnd  und  kann 
sich  nur  mit  grosser  Anstrengung  in  typischer  Weise,  indem  er 
an  den  Beinen  herauf  klettert,  aus  der  liegenden  Stellung  erheben. 
Die  Füsse  zeigen  minimalen  Grad  von  Spitzfusstellung.  Die 
faradische  Erregbarkeit  der  Muskulatur  ist  herabgesetzt.  Ent- 
i  artungsreaktiön  nirgends  vorhanden.  Nirgends  fibrilläre 
Zuckungen. 

Wenn  auch  in  diesem  Falle  die  familiäre  Ausbreitung  fehlt, 
so  bietet  Pat.  doch  im  übrigen  das  typische  Bild  der  Dystrophia 
muscularis  progressiva, 

rrognosis  dubia.  Die  Therapie  besteht  in  Massage,  Gym¬ 
nastik  und  Faradisierung  der  Muskulatur. 

LIerr  Al.  Schmidt:  Ueber  einen  Fall  von  Osteopsathy- 
rosis.  (Erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  B  a  r  g  u  m  zeigt  einige  mikroskopische  Präparate,  die 
nach  der  G  r  a  m  sehen  Methode  behandelt  sind,  nachdem  sie  vorher 
mit  Methylenblau  gefärbt  waren,  ein  Verfahren,  das  nach 
Dr.  Sclioltz  von  der  N  ei  ss  er  sehen  Klinik  den  Wert  der 
G  r  a  m  sehen  Methode  nicht  beeinträchtigt.  B.  weist  darauf  hin, 
wie  angenehm  es  in  vielen  Fällen  ist,  vor  Einleitung  des  kom¬ 
plizierten  Gram  sehen  Verfahrens  erst  durch  die  einfache 
Methylenblaufärbung  prüfen  zu  können,  ob  überhaupt  verdächtige 
Stellen  im  Präparat  Vorkommen. 

Herr  Schroeder:  Statistische  Mitteilungen  über  die 
Gesundheitsverhältnisse  Altonas. 

Herr  Fischer  zeigt  die  Präparate  von  einem  1(4  jährigen 
Kinde,  das  im  Kinderspital  an  gangränöser  Diphtherie  der 
Vagina  gestorben  war.  Das  Kind  war  wegen  einer  Vulvovaginitis 
gonorrhoica  poliklinisch  behandelt,  nach  10  Tagen  wegen  Diph¬ 
therie  der  Vulva  aufgenommen,  nach  weiteren  3  Tagen  plötzlich 
gestorben. 

Die  Sektion  ergab  eine  ausgedehnte  gangränöse  Diphtherie 
der  ganzen  Vulva  und  Vagina  bis  zum  Muttermund,  dagegen  Avar 
die  Uterusschleimhaut  völlig  gesund.  Auf  beiden  Gaumenmandeln 
fanden  sich  kleine  GeschAVÜre  ohne  Belag,  leichter  Belag  noch  auf 
der  Rachenschleimhaut.  Die  Muskulatur  des  Herzens  zeigte 
hochgradige  Verfettung,  Leber  und  Nieren  starke  trübe  Schwel¬ 
lung.  Milztumor;  Rötung  der  Magenschleimhaut  und  Darmfollikel; 
Bronchitis.  Abstreifpräparate  der  Mandelgeschwüre  und  aus  der 
Scheide  zeigten  von  ersteren  spärliche,  von  letzterer  massenhafte 
Diphtheriebazillen  und  Streptokokken.  Bei  der  ersten  Unter¬ 
suchung  des  Vaginaleiters  waren  nur  Gonokokken  in  Reinkultur 
A'orhanden.  Danach  hat  sich  bei  dem  Kinde  auf  dem  Boden  einer 
Gonorrhöe  infolge  einer  leichten  Halsdiphtherie,  die  klinisch  keine 
Symptome  gemacht  hatte,  eine  hochgradige  diphtheritische  Erkran¬ 
kung  der  Vulva. und  Vagina  entwickelt,  die  den  Tod  des  Kindes 
veranlasste. 

Interessant  ist,  dass  bald  darauf  eine  etwas  ältere  ScliAvester 
an  einer  einfachen  Gonorrhöe  der  Vagina  und  Diphtherie  der  Man¬ 
deln  erkrankte;  eine  Verschleppung  der  Diphtheriebazillen  trat  bei 
diesem  Kinde  aber  nicht  ein. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN SCHRIET. 


No.  42. 


1780 

TIi-it  Fiseber  seliliesst  daran  eine  Bemerkung  über  die  un¬ 
endliche  Häufigkeit  der  kindlichen  Gonorrhöe  ausserhalb  der 
Hospitäler. 

Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Officielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Juli  1902. 

1.  Herr  v.  Hippel:  lieber  Beziehungen  zwischen  dem 
Endothel  und  Epithel  der  Cornea  unter  physiologischen  und 

pathologischen  Verhältnissen. 

Die  von  Scher  zuerst  erkannte  Tatsache,  dass  eine  Schädi¬ 
gung  des  Hornhautendothels  Trübung  der  Kornea  nach  sich 
zieht,  suchte  Vortragender  für  die  Pathologie  der  Hornhaut¬ 
erkrankungen  in  grösserem  Umfange  als  es  früher  geschehen,  zu 
verwerten,  indem  er  mittels  seiner  Fluoreszinmethode,  über 
welche  zuerst  1898  beim  Heidelberger  Ophthalmologenkongress 
berichtet  wurde,  es  ermöglichte,  klinisch  Endothelerkrankungen 
durch  die  Grünfärbung  nachzuweisen.  Durch  experimentelle 
Untersuchungen  wurde  festgestellt,  dass  eine  tief  liegende  Grün¬ 
färbung,  soweit  man  nachzuweisen  vermag,  n  u  r  bei  Endothel¬ 
erkrankungen  eintritt.  4  Jahre  lang  fortgesetzte  klinische  Be¬ 
obachtungen  lehrten,  dass  gewisse  parenchymatöse  Horahaut- 
erkrankungen,  z.  B.  tiefe  Zentren  scheibenförmige  Trübungen 
ohne  Gefässe  durch  Endothelerkrankung  entstehen  und  im  An¬ 
fangsstadium  als  einfache  Quellungstrübungen  zu  betrachten 
sind.  Die  Trübung  beim  glaukomatösen  Anfall  beruht  eben¬ 
falls  auf  Endothelschädigung.  Auch  gewisse  angeborene  par¬ 
enchymatöse  Hornhauterkrankungen  gehen  von  der  Hinterfläche 
aus.  Die  schädigenden  Stoffe,  welche  das  Endothel  beeinträchti¬ 
gen,  müssen  im  Kammerwasser  enthalten  sein,  ihre  Natur  und 
Herkunft  ist  noch  unbekannt.  Pathologisch-anatomische  Unter¬ 
suchungen  stützen  die  durch  klinische  Beobachtungen  ge¬ 
wonnenen  Anschauungen. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  des  Gegenstandes  wird 
demnächst  in  v.  Graefes  Archiv  erscheinen. 

Diskussion:  Herren  Leber,  v.  Hippel. 

2.  Herr  Fischler:  Zur  Frage  der  Fettdegeneration. 

Es  wird  an  der  Hand  mikroskopischer  Präparate  demon¬ 
striert,  dass  völlig  anämische  Niereninfarkte,  die  experimentell 
durch  Unterbindung  eines  Astes  der  Arteria  renalis  erzeugt  wur¬ 
den,  nur  in  ihren  äussersten  Randpartien  fettig  degenerieren,  da¬ 
gegen  im  grossen  Inneren  keine  Spur  morphologisch  nachweis¬ 
baren  Fettes  enthalten. 

Die  Randpartie  unterscheidet  sich  vom  Inneren  namentlich 
insofern,  als  in  ihr  noch  eine  Säftebewegung,  eine  kollaterale 
Fluxion,  eine  Art  Zirkulation  möglich  ist,  die  im  Inneren  des 
Infarktes  fehlt.  Fehlen  der  Zirkulation  und  Fehlen  des  Fettes, 
andererseits  Vorhandensein  irgend  einer  Zirkulation  und  Auf¬ 
treten  des  Verfettung  sind  evident.  Das  Infarktinnere  verfettet 
also  nur  desshalb  nicht,  weil  ihm  sozusagen  die  Gelegenheit  dazu 
fehlt,  also  die  Bausteine,  die  ihm  vom  Blut  zugeführt  werden 
müssen.  Es  scheint  somit  das  Auftreten  auch  des  Degenerations¬ 
fettes  als  von  aussen  kommend  angesehen  werden  zu  müssen 
und  somit  ein  neuer  gewichtiger  Grund  gegen  die  Theorie  der 
Eiweissfettdegeneration  geliefert  zu  sein.  Denn  es  hat  bis  jetzt 
niemand  gezweifelt,  dass  das  Auftreten  von  Fett  im  Infarktrand 
als  eine  Degenerationserscheinung,  als  eine  „Fettdegeneration“ 
zu  deuten  ist.  Ob  nun  aber  im  Blut  das  Fett  in  seinen  Kom¬ 
ponenten  zirkuliert,  was  das  wahrscheinlichste  ist,  und  die  Zellen 
daraus  synthetisch  Fett  bilden,  oder  ob  ein  unbekannter  Stofi 
darin  ist,  der  seinerseits  vielleicht  in  fermentativem  Sinne  Ei- 
weiss  so  spaltet,  dass  Fett  daraus  entsteht,  was  sich  auf  Grund 
dieser  Versuche  nicht  feststellen  lässt,  wird  diskutiert,  letzteres 
aber  als  unwahrscheinlich  bezeichnet. 

Die  Zirkulationsstörung  löst  nun  ihrerseits  Verfettung  aus 
und  es  tritt  z.  B.  nach  temporärer  Ligatur  der  Nierenarterie 
oder  eines  ihrer  Aeste  in  dem  versorgten  Gebiet  Fett  auf,  und 
zwar  zunehmend  nach  Zeit  der  temporären  Anämisierung  und 
der  Wiederdurchströmung.  Hierfür  lässt  sich  ein  bestimmter 
Turnus  des  Auftretens  von  Fett  nachweisen.  Dauert  die  Liga¬ 
tur  so  lange,  dass  das  Nierenparenchym  abstirbt,  dann  verfettet 
nur  das  Zwischengewebe,  was  resistenter  ist.  Völlig  abgestorbene 
Nerven  nehmen  kein  Fett  mehr  auf.  Andererseits  lässt  sich 
zeigen,  dass  das  Fett  aus  einem  nicht  allzu  lange  temporär  ab¬ 


gesperrten  Nierenteile  mit  der  Zeit  wieder  verschwindet,  sozu¬ 
sagen  eine  restitutio  ad  integrum  stattfindet  und  somit  auch  das 
Hauptcharakteristikum  zwischen  Eettdegeneration  und  Eett- 
infiltration  als  wertlos  zu  bezeichnen  ist. 


Physiologischer  Verein  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  9.  J  uni  1902. 

Herr  Hoppe-Seyler:  Uebei'  Entwickelungshemmung 
nach  Gelenkrheumatismus. 

II. -S.  schildert  die  Veränderungen,  welche  sich  bei  einem  nn 
städtischen  Krankenhause  jahrelang  verpflegten  und  im  Mai  d.  J. 
im  Alter  von  22  Jahren  verstorbenen  Mädchen  im  Anschluss  an 
einen  subakuten  Gelenkrheumatismus,  der  im  7.  Lebensjahre  be¬ 
gonnen  und  in  den  nächsten  Jahren  öfter  rezidiviert  hatte,  an  den 
Extremitäten  entwickelt  hatten.  Befallen  waren  sämtliche  Ge¬ 
lenke  der  Arme  und  Beine  in  verschieden  hohem  Grade  gewesen. 
Ls  waren  teils  Verdickungen  der  Gelenkenden,  teils  Defekte  der¬ 
selben,  Ankylosen  und  Schlottergelenke,  Luxationen  und  \  erkrüm- 
mungen  in  der  Weise  entstanden,  wie  sie  bei  derartigen  chro¬ 
nischen  Polyarthritiden  aufzutreten  pflegen.  Auffallend  war 
namentlich  die  Kürze  und  Kleinheit  der  Extremitäten,  und  es  er¬ 
gab  sich  bei  Messungen,  dass  die  Masse  ungefähr  denen  von 
7-  bis  13  jährigen  Kindern  entsprachen.  Die  am  stärksten  befal¬ 
lenen  Teile,  Vorderarm  und  Hand,  entsprachen  in  der  Grösse  denen 
von  7  jährigen  Kindern.  Röntgenaufnahmen  zeigten,  dass  die 
Knochen  der  Extremitäten  sehr  dünn  waren,  abgesehen  von  Ver¬ 
dickungen  an  einzelnen  Gelenkenden.  Die  Muskulatur  war  auch 
mangelhaft  entwickelt.  Da  die  Kranke  im  übrigen  vollkommen 
das  Bild  eines  erwachsenen  Mädchens  darbot  (in  Bezug  auf  die 
Grössenverhältnisse  von  Kopf  und  Rumpf,  Menstruation),  auch 
aus  einer  Familie  stammte,  welche  sich  nicht  durch  Kleinheit  aus- 
zeiclmete,  so  ist  anzunehmen,  dass  das  Wachstum  der  Extremi¬ 
täten,  besonders  der  oberen,  durch  den  polyarthritischen  Prozess 
gehemmt  wurde.  Entwicklungsstörung  im  Knochen  Wachstum  er¬ 
klärt  sich  am  besten  durch  die  Annahme,  dass  der  entzündliche 
Prozess  vom  Gelenk  aus  auf  die  Epiphysen  überging,  in  ihnen 
den  Intermediärknorpel  ergriff  und  funktionsuntüchtig  machte. 
Aehnliche  Wachstumshemmung  sieht  man  ja  auch  auftreten  nach 
tuberkulösen  Gelenkerkrankungen,  nacli  Gelenkrheumatismus 
scheint  aber  ein  solcher  Vorgang  noch  nicht  beobachtet  oder  be¬ 
schrieben  zu  sein.  (Wird  ausführlicher  a.  a.  O.  veröffentlicht.) 

Herr  Nicolai  stellt  einen  Fall  von  seltener  Form  der 
hereditären  Keratodermia  palmarum  et  plantarum  vor,  die  kli¬ 
nisch  und  mikroskopisch  der  von  Besnier  beschriebenen  sym¬ 
metrischen  Iveratodermie  sehr  gleicht,  aber  insoferne  ein  Novum 
ist,  als  für  diese  Krankheitsform  ein  hereditäres  Auftreten  in 
3  Generationen  noch  nicht  beobachtet  wurde.  (Wird  in  einer  Fach¬ 
zeitschrift  ausführlich  publiziert.) 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  September  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Büchner. 

Herr  Friedrich  Merkel  berichtet  über  folgende  Fälle,  die 
er  in  den  letzten  14  Tagen  in  seiner  Klinik  operiert  hat: 

1.  G2  jähr.  II.  Para.  Bauchumfang  99  cm,  rechtsseitiger  rie¬ 
siger  Ovarien  tumor  mit  2  maliger  Stieldrehung;  links 
nussgrosse  Ovarialcyste.  Operation.  Heilung. 

2.  56  jähr.  V.  Para.  Bauchumfang  101  cm;  rechtsseitige  klein¬ 
kindskopfgrosse  Ovarialcyste  mit  3  m  a  1  i  g  e  r  Stieldrehung, 
links  Kystoma  proliferum  papillare;  im  Uterus  2  kirschgrosse 
Myome,  blutiger  Aszites,  Peritoneum  und  Darm  mit  kleinen  Knöt¬ 
chen  besetzt.  Beide  Ovarialtumoren  entfernt,  vorläufige  Heilung. 

3.  51  jähr.  XIII.  Para.  Bauchumfang  123  cm,  linksseitiger 
mehrkammeriger  Ovarientumor,  2 ys  malige  Stieldrehung; 
blutiger  Aszites.  Operation.  Heilung. 

Auffallend  war  besonders  in  Fall  1  und  3  bei  den  grossen 
Dimensionen  der  Tumoren  die  mehrmalige  Stieldrehung. 

Herr  Hahn  demonstriert  das  Präparat  einer  Oberschenkel¬ 
osteomyelitis,  das  durch  Hüftgelenkexartikulation  gewonnen 
wurde;  ferner  berichtet  er  über  einen  Osteomyelitisfall,  der  inner¬ 
halb  6  Tagen  an  Sepsis  zu  Grunde  ging. 

Herr  H.  K  o  ch  bespricht  an  der  Hand  der  im  XXX.  Band 
des  Archivs  für  Kinderheilkunde  erschienenen  Arbeit  N  etters 
die  in  der  Literatur  bekannt  gewordenen  Komplikationen  bei 
Varizellen  und  berichtet  im  Anschluss  daran  folgenden  Fall 
eigener  Beobachtung : 

Ein  1  jähriger  kräftiger  Knabe  war  8  Tage  vor  Beginn  der 
Behandlung  an  Varizellen  erkrankt.  Aus  den  Residuen  zu 
schliessen,  hatten  die  einzelnen  Effloreszenzen  nur  geringen  Um¬ 
fang. 

Im  Gesicht,  am  Rumpf,  sowie  an  den  Extremitäten  waren 
noch  zahlreiche  eingetrocknete,  meist  linsengrosse  Bläschen  vor¬ 
handen.  Keines  war  geschwürig  zerfallen. 

Der  Knabe  hatte  hohes  Fieber  (40,2  “),  profuse  Diarrhöen  und 
eine  Pneumonie  im  oberen  Teil  des  r.  Oberlappens.  (25.  aI.  1900.) 


21.  Oktober  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1781 


Am  13.  Tag  nach  ihrer  Entstehung  ging  die  Pneumonie  unter 
typischen  kritischen  Erscheinungen  zurück.  Die  Diarrhöen  hatten 
schon  früher  nachgelassen. 

Nun  folgten  einige  Tage  der  Euphorie. 

Am  13.  XII.  00  trat  neuerdings  eine  Temperatursteigerung 
auf  39,8°  ein. 

Am  14.  XII.  00  wurde  konstatiert,  dass  das  Kind  bei  Be¬ 
rührung  des  linken  Armes  Schmerzen  äusserte  und  den  linken 
Arm  steif  und  unbeweglich  hielt.  Direkter  Druck  auf  das  linke 
Schultergelenk  verursachte  heftigen  Schmerz. 

Auf  einige  Dosen  Antipyrin  schien  die  Schmerzhaftigkeit  im 
linken  Schultergelenk  nachzulassen.  Das  Fieber  ging  ebenfalls 
zurück,  doch  schwand  es  nicht  ganz. 

Am  18.  XII.  00  zeigte  sich  unter  erneuter  Fiebersteigerung 
eine  Pneumonie  im  linken  Unterlappen;  zugleich  kamen  die 
Schmerzen  bei  Berührung  und  Bewegung  des  linken  Schulter¬ 
gelenks  wieder. 

Am  23.  XII.  00  schwanden  die  pneumonischen  Erscheinungen 
bei  Fortbestehen  des  Fiebers. 

Am  24.  XII.  00  plötzlich  starke  Anschwellung  der  linken 
Schultergelenksgegend. 

Eine  am  25.  XII.  00  vorgenommene  Probepunktion  ergab 
dicken,  rahmigen  Eiter. 

Ich  nahm  an,  dass  es  sich  um  eine  eitrige  Scliultergelenks- 
entziindung  handle  und  schritt  am  anderen  Tage  zur  Operation. 

Es  ergab  sich,  dass  das  Gelenk  selbst  vollständig  intakt  war 
und  der  eitrige  Prozess  sich  im  periartikulären  Gewebe  abspielte. 

Unter  ganz  ähnlichen  Erscheinungen  entwickelte  sich  inner¬ 
halb  zweiter  Tage  (vom  6.  bis  8.  I.  01)  an  der  rechten  Schulter  ein 
periartikulärer  Abszess.  Auch  hier  erwies  sich  bei  der  Operation 
das  Schultergelenk  selbst  unversehrt. 

Trotz  ausgiebiger  Inzisionen  und  Gegeninzisionen  blieb  die 
Temperatur  noch  volle  3  Wochen  über  der  Norm  und  die  Aus¬ 
heilung  der  Wunden  beanspruchte  eine  ungewöhnlich  lange  Zeit. 

Obgleich  es  sich  nur  um  einfache  Weichteilwunden  handelte 
und  weitere  Komplikationen  nicht  mehr  auftraten,  war  der  linke 
Arm  erst  am  2.  April,  der  rechte  sogar  erst  am  1.  Mai  1901  ge¬ 
heilt.  Eine  Störung  in  der  Funktion  der  Arme  ist  nicht  zurück¬ 
geblieben;  das  Kind  hat  sich  nach  Ablauf  der  Erkrankung  überaus 
rasch  und  gut  erholt. 

Eiweiss  war  im  Urin  niemals  naclizuweisen.  In  diesem 
Falle  hatte  sich  an  eine  scheinbar  leichte  Erkrankung  von  Vari¬ 
zellen,  ähnlich  wie  bei  einer  von  Netter  mitgeteilten  Beob¬ 
achtung,  im  Rückbildungsstadium  eine  Reihe  schwerer  Kom¬ 
plikationen  angeschlossen,  die  als  mit  der  primären  Krankheit 
in  ursächlichem  Zusammenhang  stehend  und  als  Ausdruck  einer 
sekundären  Allgemeininfektion  anzusehen  sind.  Profuse  Durch¬ 
fälle,  Pneumonien  in  verschiedenen  Teilen  der  Lungen  und  zu 
verschiedenen  Zeiten  auftretend,  dann  schwere  eitrige  Prozesse 
im  periartikulären  Gewebe  beider  Schultergelenke  geben  zweifel¬ 
los  das  Bild  einer  schweren  Pyoseptikämie. 

Eine  besondere  Eingangspforte,  z.  B.  eine  gesehwürig  zer¬ 
fallene  Pustel  oder  sonst  ein  Eiterherd,  konnte  nicht  nach¬ 
gewiesen  werden. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  Nürnberg. 

In  der  ordentlichen  Vierteljahresversammlung  vom  9.  Ok¬ 
tober  gibt  der  Vorsitzende,  Herr  Hof  rat  W.  B  e  c  k  h,  zunächst  be¬ 
kannt,  dass  der  Mittelfränkische  Aerztetag  nunmehr 
endgültig  am  Sonntag,  den  2.  November  stattfinden  soll  und  zwar, 
dank  dem  Entgegenkommen  des  Stadtmagistrates  und  des 
Krankenhausdirektors  im  städtischen  Krankenhaus,  von  1  bis 
4  Uhr  Nachmittags.  Als  grössere  Vortragsthemata  sind  in  Aus¬ 
sicht  genommen:  Die  diagnostische  und  therapeuti¬ 
sche  Bedeutung  der  Köntgenstrahlen  auf  allen  Ge¬ 
bieten  der  Medizin,  wozu  mehrere  Referenten  sprechen  werden, 
ferner:  Die  Bekämpfung  der  Geschlechtskrank¬ 
heiten  von  Herrn  Epstein;  weiter  haben  Vorträge  zugesagt 
Herr  Medizinalrath  G.  Merkel:  Ueber  den  Wert  der  Harnzentri¬ 
fuge,  und  Herr  Prof.  Graser  aus  Erlangen  (Thema  unbestimmt). 
Nähere  Bestimmungen  und  Einladung  werden  in  Bälde  erscheinen. 

Der  Delegierte  des  Vereins  auf  dem  Deutschen  Aerzte¬ 
tag  in  Königsberg,  Herr  Oberarzt  Schuh,  erstattet  kurzen  Be¬ 
licht  über  die  dortigen  Verhandlungen. 

Ein  weiterer  Punkt  der  Tagesordnung  betrifft  die  Erwer¬ 
bung  der  Rechte  der  juristischen  Person  sei¬ 
tens  des  Deutschen  Aerztevereinsbun  de  s.  In 
seinem  auf  Ersuchen  der  Vorstandschaft  hierüber  erstatteten 
klaren  und  erschöpfenden  Referat  gibt  Herr  F  r  a  n  k  e  n  b  u  r  g  e  r 
zunächst  seiner  Verwunderung  darüber  Ausdruck,  dass  der  Aus¬ 
schuss  angesichts  der  auch  unter  den  Juristen  herrschenden  Mei¬ 
nungsverschiedenheiten  über  die  im  vorliegenden  Falle  nötigen 
Voraussetzungen  zur  Erlangung  der  Rechtsfähigkeit  sich  nicht 
vorher  an  der  zuständigen  Stelle,  d.  h.  beim  Amtsgericht  Berlin, 
hierüber  vergewissert  habe.  Sodann  spricht  er  unter  allgemeiner 
Zustimmung  die  Erwartung  aus,  dass  der  Geschäftsausschuss  trotz 
des  mit  geringer  Majorität  gefassten  entgegenstehenden  Be¬ 
schlusses  des  Aerztetages  nicht  selbständig  auf  Grund  der  zur 


Zeit  gefassten  gutachtlichen  Beschlüsse  der  einzelnen  Vereine  die 
Statutenänderung  des  Aerztevereinsbundes  betätigen  möge,  son¬ 
dern  dem  nächstjährigen  Aerztetag  einen  verbesserten  Entwurf 
zur  Beratung  und  Beschlussfassung  vorlegen  solle;  so  grosse  Eile 
hätte  die  Sache  nicht;  sodann  gibt  er  seine  später  einstimmig  an¬ 
genommenen  Thesen  bekannt:  1.  Der  ärztliche  Bezirks- 
v  ei’ein  N  ü  r  n  b  e  r  g  i  s  t.  d  a  f  ii  r,  dass  v  o  m  Gesc  li  ä  f  t  s  - 
a  usschusg  des  Ae.-V.-B.  a  u  f  G  r  u  n  d  der  jetzt  v  o  n 
den  Vereinen  eingereichten  Vorschläge  ein 
neuer  Satzungsentwurf  behufs  Erlangung  der 
Rech  t.  s  f  ä  h  i  g  k  e  i  t  des  Ae.-V.-B.  ausgea  r  b  e  i  t  e  t  u  n  <1 
d  e  m  nächstjährigen  Aerztetag  zur  d  e  f i n i t  i  v  e  n 
Beschlussfassung  unterbreitet  w  e  rde,  2.  Die 
Rechtsfähigkeit  soll  er 1 a  n g  t  w  e  r den  o  h  n  e  A e n - 
d  e  r  u  n  g  der  bis  h  e  r  i  g  e  n  O  r  g  a.  nisation  des  Bun  d  e  s. 
s  o  dass  n  a  c  h  w  i  e  vor  derselbe  aus  den  Vereine  n 
und  nicht  aus  den  Delegier  t  e  n  der  V  e  r  eine  a  1  s 
Mitglieder  besteh  t.  3.  Demgemäss  ist  z  u  n  ii  clist 
d.  e  r  \  e  r  s  u  c  h  z  u  m  aclien,  die  E  intragung  des 
Ae.-V.-B.  in  das  Vereinsregister  auf  Grund  der 
bisherig  e  n  Organisation  zu  erreiche  n.  4.  Schlägt 
dieser  Versuch  fehl,  so  ist  die  Rechtsfähigkeit 
d  a  durch  zu  erreichen,  dass  die  einzelnen  Ver¬ 
eine,  welche  Mitglieder  des  Ae.-V.-B.  sin  d.  für  sic  h 
die  Rechtsfähigkeit,  soweit  sie  dieselbe  nicht 
s  c  hon  besitzen,  e  r  1  a  n  gen.  5.  Die  bis  li  e  r  i  g  e  n 
S  a  tzungen  des  Ae.-V.-B.  sollen  nur  insoweit  g  e  - 
ändert  w  e  r  d  e  n,  als  o  h  ne  Aenderunge  n  der  g  r  u  n  d- 
lege  n  den  Bestimmungen  rein  f  o  r  m  a  1  e  Z  u  s  ä  t  z  e 
oder  Ae  n  d  erunge  n  n  a  c  h  de  m  B.  G.-B.  not  w  e  n  d  i  g 
sind.  Insbesondere  sind  die  Bestimmungen  des 
§  5  Abs.  II  (Dringliche  Anträge),  §  G  Satz  II  (K  oop- 
t  a  t  i  o  n  des  Ausschuss  e  s)  beiz  u  b  e  li  alte  n. 

Ein  Eventualantrag  des  Herrn  Seiler,  betr.  diejenigen  Ver¬ 
eine,  welche  aus  irgend  welchen  Gründen  die  Rechtsfähigkeit  für 
sich  nicht  erlangen  wollten,  wird  mit  Rücksicht  auf  These  1 
(nochmalige  Beratung)  einstweilen  zurückgestellt. 

Beim  nächsten  Punkt  der  Tagesordnung:  Vorlagen  zur 
Aerztekammer,  zu  welchem  bereits  früher  gefasste  Be¬ 
schlüsse  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg  vorliegen,  betr. 
Geheimmittel-  und  Kurpfuschereiunwesen,  ärztliche  •Fortbildungs¬ 
kurse,  wird  der  Anregung  des  Vorsitzenden,  der  Bezirksverein 
wolle  sich  als  solcher  dem  bereits  vom  ständigen  Kammerausschuss 
von  Mittelfranken  und  Oberbayern,  sowie  vom  ärztlichen  Bezirks¬ 
verein  München  angeregten  Protest  gegen  die  beab¬ 
sichtigte  Errichtung  e  i  n  es  Lehrstuhles  f  ii  r 
H  o  m  öopathie  anschliessen.  einstimmig  beigetreten.  Des¬ 
gleichen  der  weiteren  Anregung  des  Vorsitzenden,  dass  der  B  e  i  - 
tritt  zum  Pensionsverein  für  die  in  Staats-  und 
städtischen  Diensten  befindlichen  Aerzte  obligatorisch  gemacht 
werden  solle.  Auch  der  Antrag  Frankenburge  r  findet  ein¬ 
stimmige  Annahme:  die  Staatsregierung  solle  ersucht  werden,  die 
betr.  Justizbehörden  anzuweisen,  dass  die  von  den  Aerzten  ein¬ 
geforderten  „einfachen  Berichte  in  Form  eines 
kurzen  Gutachtens“  nicht,  wie  bisher  vielfach  geschehen, 
nach  Ziff.  A  6  a  der  Gebührenordnung  (1 — 5  M.j,  sondern 
nach  Ziff.  A  G  b  (3 — 10  M.)  zu  honorieren  seien.  Antragsteller 
weist  in  der  kurzen  Begründung  u.  a.  auf  den  Fall  Jungen  g  e  1 
hin  und  stellt  fest,  dass  die  Wendung  in  Ziff.  A  6  a  „worunter 
auch  ganz  einfache  Berichte  oder  Gutachten  fallen“,  in  der  ur¬ 
sprünglichen,  vom  Bezirksverein  Nürnberg  redigierten  Fassung  der 
Gebührenordnung  nicht  enthalten  gewesen,  sondern  erst  später 
von  anderer  Seite  hineingekommen  sei.  In  der  Diskussion  wird 
betont,  die  Aerzte  sollten  bis  zur  voraussichtlich  länger  dauernden 
Verbescheidung  des  Antrages  eine  ihren  Leistungen  entsprechende 
Bezahlung  von  seiten  der  Justizbehörden  entweder  auf  dem  Klage¬ 
wege,  oder  einfacher  dadurch  zu  erreichen  suchen,  dass  sie  den 
eingeholten  „einfachen  Bericht“  derart  kurz  fassten,  dass  die 
Justizbehörden  veranlasst  würden,  nachträglich  noch  einen  aus¬ 
führlichen  Krankenbericht  (A  6  b)  oder  ein  begründetes  Gut¬ 
achten  (A  6  c,  9 — 30  M.)  eiuzufordern. 

Den  Schluss  bildeten  die  üblichen  Anträge  in  Betreff  der 
K  r  aukenkasse  n.  iy. 


Sterbekasseverein  der  Aerzte  Bayerns  (E.  V.). 

Die  3.  ordentliche  Generalversammlung  findet  am  29.  No¬ 
vember  1902,  Abends  G  Uhr,  in  München  im  Lokale  des  ärztlichen 
Vereins,  Altheimereck  20,  statt. 

T  a  g  e  s  o  r  d  n  u  n  g: 

1.  Wahl  des  Vorstandes.  2.  Abnahme  des  Rechenschafts-  und 
Geschäftsberichtes  des  bisherigen  Vorstandes  und  Beschluss  über 
die  demselben  zu  erteilende  Decharge.  3.  Abänderungen  der  Satz¬ 
ungen  mit  Rücksicht  auf  das  Reichsgesetz  vom  12.  Mai  1901,  die 
privaten  Versicherungsuntemelimungen  betr.  (Entwurf  der  Sta¬ 
tutenänderung  folgt  unten.)  Die  Vorstandschaft. 

Satzungsänderungen  des  Sterbekassevereins 
der  Aerzte  Bayerns. 

§  4.  Ein  Mitglied,  das  einen  Jahresbeitrag  bis  zum  Ablauf 
des  betr.  Jahres  nicht  bezahlt,  gilt,  soweit  ihm  nicht  vom  Vor¬ 
stände  Stundung  gewährt  wurde,  vom  1.  Januar  des  darauffolgen- 


1782 


MUENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT 


No.  42. 


den  Jahres  al>  als  aus  dem  Verein  ausgeschlossen..  Es  haben  seine 
Relikten  im  Falle  seines  Todes  keinen  Anspruch  gegen  den  Ver¬ 
ein  auf  irgendwelche  Leistung  oder  auf  Rückvergütung  der  bisher 
gemachten  Zahlungen. 

§  5  Abs.  3.  Im  Falle  von  Rechtsstreitigkeiten  aus  dem  Ver¬ 
einsverhältnis  zwischen  dem  Verein  und  seinen  Mitgliedern  ist 
ohne  Rücksicht  auf  den  Streitwert  das  k.  Amtsgericht  München  I 
zuständig. 

§  7  Zusatz:  Erst  mit  der  Bezahlung  des  Eintrittsgeldes  und 
des  ersten  Jahresbeitrages  gilt  die  Aufnahme  als  rechtswirksam. 

§  8  einzuschalten:  ist  das  oberste  Organ  des  Vereines. 

§  18  Abs.  4.  Alle  von  dem  Vorstand  zu  erlassenden  Bekannt¬ 
machungen  sind  in  der  Münchener  medizinischen  V  ochenschrift 
zu  veröffentlichen.  Der  Vorstand  ist  jedoch  in  jedem  einzelnen 
Falle  berechtigt,  sich  zu  diesem  Zwecke  noch  weiterer  Zeitungen 
zu  bedienen. 

§  20  Abs.  5.  Das  Vereinsvermögen  ist  in  mündelsicheren 
1  “apieren  anzulegen. 

§  2S  Abs.  2.  Der  Antrag  auf  Auflösung  des  Vereins,  soweit  er 
von  Mitgliedern  ausgeht,  muss  rechtzeitig  beim1  Vorstand  ein¬ 
gereicht  werden,  so  dass  er  mindestens  14  Tage  vor  der  General¬ 
versammlung  in  der  in  §  18  der  Satzungen  festgesetzten  Weise 
veröffentlicht  werden  kann.  —  Abs.  3  (der  bisherige  Abs.  4)  mit 
Zusatz:  Vertreter  von  Mitgliedern  müssen  sich  durch  Vollmachten 
mit  beglaubigter  Unterschrift  legitimieren. 

§  20  Abs.  1.  Mit  der  Auflösung  des  Vereins  erlöschen  alle 
bis  dorthin  noch  nicht  zur  Entstehung  gelangten  Rechte  der  Ver¬ 
einsmitglieder  und  bezw.  ihrer  Relikten  auf  das  Vereinsvermögen. 
Die  Liquidation  des  Vereinsvermögens  erfolgt  durch  den  letzten 
Vorstand;  die  Generalversammlung,  welche  die  Auflösung  des 
Vereins  bescliliesst,  kann  aber  auch  bescliliessen,  dass  die  Liqui¬ 
dation  durch  einen  oder  mehrere  zu  diesem  Zwecke  von  ihr  zu 
wählende  Liquidatoren  durchgeführt  wird;  das  Verhältnis  der 
Liquidatoren  zu  einander  regelt  sich  analog  den  Bestimmungen 
im  V.  Abschnitt  der  Satzungen. 

Das  Vermögen  des  Vereins  fällt  im  Falle  seiner  Auflösung  nach 
Abzug  aller  Schulden  und  der  Kosten  der  Liquidation  an  die  vor¬ 
handenen  Mitglieder,  welche  sich  in  dasselbe  nach  Verhältnis  der 
Zahl  ihrer  Mitgliedschaftsjahre  teilen. 

Die  Generalversammlung  kann  aber  auch  bescliliessen,  dass 
das  verbleibende  Vermögen  an  einen  bestehenden  oder  zu  grün¬ 
denden,  den  Interessen  der  Aerzte  dienenden  Verein  falle  oder  zu 
einer  Stiftung  ähnlicher  Art  verwandt  werde. 

Auswärtige  Briefe. 

Bilder  aus  China. 

Von  Oberarzt  Dr.  G  g.  Maye  r. 

II. 

Der  Untergrund  Pekings. 

Feber  den  Untergrund  Pekings  liegen  bislang  keine  direkten 
Untersuchungen  vor.  Desto  mehr  sind  wir  durch  die  chinesische 
Reichsgeschichte  und  -geographie,  sowie  die  Berichte  der  alten 
Jesuiten  über  einen  wichtigen  Faktor  für  den  Untergrund,  näm¬ 
lich  Dauer  der  Besiedelung  der  Stätte  und  ihre  Schicksale  unter¬ 
richtet.  Der  vom  Himmel  gestiegene  mythische  Kaiser  Hoangti 
soll  Ki  am  Platze  des  jetzigen  Peking  gegründet  haben.  Die  geo¬ 
graphischen  Verhältnisse,  die  nur  bei  den  Engpässen  von  Nankau 
und  Kupeiku  überschreitbare  Gebirgsmauer  im  Rücken,  der  leichte 
Zugang  zu  den  grossen  Ebenen  von  China  nach  Süden,  haben  mit 
sich  gebracht,  dass  trotz  der  exzentrischen  Lage  Peking  von  allen 
Eroberern  des  chinesischen  Landes  als  Hauptstadt  bevorzugt 
wurde.  So  war  es  zunächst  die  des  Königreiches  Yenn  (723 — 221), 
unter  den  Tchouenn-tsiau  und  Tchann-kouo.  Clii-hoang-ti,  der 
2.  Tsin-Kaiser,  der  China  vereinigte  und  die  Feudalherrschaft 
brach,  zerstörte  dann  die  Stadt  (221).  Im  4.  Jahrhundert  Haupt¬ 
stadt  der  tatarischen  Herrschaft  der  Mou-Yong,  dann  Provinzial¬ 
stadt  unter  dem  Namen  Ki,  Yenn,  Yeou-tcheou,  erfolgt  98G  die 
Eroberung  durch  die  Kitan  oder  Leao,  deren  Residenz  sie  ebenso 
ist,  wie  die  der  nächsten  Eroberer,  der  tungusischen  Dynastie  Kinn 
(1151).  Tcliong-tou  oder  Ta-ching-fu  hiess  es  damals,  und  wurde 
in  2  Teile  geschieden,  die  innere  Stadt  Da-ching-chienn  und  die 
äussere  Quann-p’ing-chienn.  1215  wird  die  Kinn-Stadt  von 
Tschinghis-Klian  erobert,  von  Kublai-Khan  (chinesisch  Clii-tsou) 
zerstört  und  dafür  12G4 — 12G7  eine  neue  Stadt  als  Residenz  erbaut, 
Khanbalig  oder  Ta-tou  (die  grosse  Hauptstadt)  von  Marco  Polo  be- 
sclirieben.  Nach  Vertreibung  der  mongolischen  Yuen  (1366) 
änderte  der  1.  Ming-Kaiser  Taitsou  1368  den  Namen  in  Pei-ping-fu, 
der  3.,  Yunglu  (1403 — 1423),  residierte  hier  und  hiess  sie  Pei-king. 
1543  wurden  die  südlichen  Vorstädte,  die  heutige  Chinesenstadt, 
mit  einer  Mauer  umzogen.  Seit  1644,  dem  Jahre  des  Sturzes  der 
Ming  durch  den  Empörer  Li-tse-cliing,  ist  sie  Hauptstadt  der 
Tsching,  im  Volke  King-t’-cheng  oder  King-tu  geheissen. 

Wie  viele  von  den  in  China  gemeldeten  Erdbeben  Peking 
trafen,  ist  nicht  zu  ermitteln  für  die  alte  Zeit.  Dagegen  ist  es 
1499,  1679,  1720  und  1731  von  solchen  getroffen.  1679  soll  eine 
ganze  Reihenfolge  schwerer  Erderschütterungen  mit  grossem  Ver¬ 
lust  an  Menschenleben  gewesen  sein,  1720  dauerten  die  Erdstösse 
2()  Tage.  1731  wurde  die  Stadt  zerstört  durch  das  mächtigste,  bis 
dahin  in  China  bekannte  Erdbeben,  in  einigen  Minuten  waren 
100  000  Einwohner  in  den  Ruinen  begraben. 


Schlägt  man  vom  Süd westtor  der  heutigen  Chinesenstadt  den 
Reitweg  nach  der  Hunliobrücke  Lu-ku-kiau  ein,  so  trifft  man  beim 
Friedhofe  Heikong  auf  einen  westlich  ziehenden  Wall,  längs  seiner 
Südseite  ein  kleines  Flüsschen,  er  biegt  nördlich  dann  um  und 
verläuft  bis  nahe  an  die  Steinstrasse  zur  selben  Brücke.  Ein 
anderer,  westlich  ziehender  Wallrest  ist  ausserhalb  der  Nordwest¬ 
ecke  der  Chinesenstadt  zu  finden,  nördlich  des  Klosters  Po-yun- 
kuan.  Im  Norden  der  Stadt  setzt  sich,  in  direkter  Verlängerung 
der  jetzigen  Mauer,  der  Tatarwall  fort,  die  Anlage  seiner  Eck¬ 
türme  und  Bastionen  ist  noch  gut  zu  erkennen,  ebenso  die  Stelle 
von  4  Toren.  Reitet  man  durch  das  westliche  zum  Sommerpalast, 
so  liegt  ausserhalb  eine  fortartige  Umwallung,  im  Inneren  ein 
Tempel.  Endlich  beginnt  noch  ein  Wallrest  am  Nordufer  des 
Tung-tchu-Kanales,  parallel  zur  Ostmauer  der  Mandschustadt 
laufend,  aussen  längs  ein  kleines  Flüsschen,  das  von  der  Haupt¬ 
strasse  nach  Tung-tchu  weiter  nördlich  von  einer  unmotiviert 
grossen  Mormorbrücke  überschritten  wird.  Jene  Wälle  im  Siul- 
westen  der  Chinesenstadt  sind  nach  Bretschneiders  und 
F  a  v  i  e  r  s  Untersuchungen  die  Reste  der  Kinn-Stadt,  deren  Nord¬ 
ostecke  ungefähr  am  Platze  des  heutigen  Chun-tin-Tores  lag,  so 
dass  der  Teil  westlich  von  der  grossen  Chun-tin-Torstrasse  noch 
innerhalb  der  alten  Residenz  lag.  Kublais  neue  Stadt  umfasste 
die  heutige  Tatarenstadt  und  das  innerhalb  des  nördlich  ziehenden 
Walles  gelegene  Gebiet.  Hongvou,  der  1.  Minkaiser.  liess  5  Li  vom 
nördlichen  Teil  wegnehmen,  so  dass  der  Umfang  sich  von  60  auf 
40  chinesicbe  Meilen  (23  km)  verringerte;  Yunglu  erneuerte  die 
Mauern  und  verlegte  die  südliche,  welche  früher  das  Obser¬ 
vatorium  als  Ecke  hatte,  weiter  südlich.  Yunglus  Mauern  und 
Tore  sind  dieselben  wie  jetzt,  der  Kaiserpalast  steht  so  ziemlich 
auf  dem  Platze  derer  der  Ming  und  Yruen.  Der  Lotossee  ist  schon 
im  12.  Jahrhundert  angelegt,  der  Hügel  der  Ming-Pagode,  Pei-ta- 
shan  soll  von  den  Kinn  zerstört,  von  Kublai  wieder  errichtet  sein. 
Der  King-shan  (Kohlenhügel)  wurde  erst  unter  den  Mingkaisern 
erbaut,  der  letzte  erhängte  sich  auf  ihm.  Die  heutige  Mandschu¬ 
stadt  ist  seit,  über  600  Jahren  also  besiedelt,  die  Chinesenstadt  seit 
mindestens  450  Jahren. 

In  meinem  4.  Briefe  aus  Ostasien  hob  ich  hervor,  dass  Peking 
jetzt  nur  durch  den  Ablauf  des  durch  die  Quellen  von  Yü-tsuan- 
shan  gespeisten,  im  12.  Jahrhundert  von  den  Kinn  angelegten 
Sees  des  Sommerpalastes,  des  Kun-ming-hu,  messendes  Wasser 
erhält,  das  durch  den  Tung-tclm-Kanal  das  Stadtgebiet  verlässt. 
Dies  war  nicht  immer  so.  Der  San-li-ho,  jetzt  im  Winter  trocken, 
im  Sommer  ein  kleiner  Bach,  bezog  ehedem  aus  Quellen  des  west¬ 
lich  Pecking  ziehenden  Tempelgebirges  Ta-ör-ting  reichlich  Wasser, 
bildete  einen  kleinen  See,  jetzt  ein  Salzsumpf,  an  dessen  Ufer  noch 
ein  verfallenes  kaiserliches  Sommerhaus  mit  Garten  liegt,  und  floss 
dann  durch  die  jetzige  Chinesenstadt;  sein  Lauf  lässt  sich  noch  in 
einer  in  tiefen  Mulden  liegenden  Reihe  sumpfiger,  mit  Salzaus- 
blülnmgen  umzogener,  im  Winter  fast  trockener  Weiher  finden, 
die  sich  von  der  N.W.-Ecke  der  Chinesenstadt  gegen  den  Tempel 
des  Ackerbaues  und  des  Himmels  und  weiter  gegen  den  südlichen 
Teil  der  Ostmauer  der  Chinesenstadt  fortsetzen.  Viel  besser  er¬ 
halten  sind  die  Reste  einer  grossartigen  Kanalanlage,  die  das 
Wasser  des  Hunho  seinerzeit  nach  der  Kinn-Stadt  und  dem  schon 
damals  vorhandenen  Tung-tchu-Kanal  führten.  Dem  gegen  das 
Hunho-Tal  abfallenden  Tempelgebirge  ist  der  isolierte,  steil  zum 
Fluss  abstürzende  Hügel  Sche-King-shan  vorgelagert,  zwischen 
ihm  und  dem  Gebirge  ist  die  schmale,  tiefe  Landsenke  des  Kinn- 
Iveou,  in  dem  eine  mächtige  Bronzekuh  den  Fluss  bewacht;  der 
Sage  nach  brüllt  sie  beim  Steigen  des  Wassers.  Hier,  am  west¬ 
lichen  Ausgang  des  Kinn-Iveou  verläuft  am  Flusse  eine  gewaltige, 
sandüberdeckte  Steinbarriere,  hinter  der  ein  Graben  beginnt,  40  m 
breit,  mit  7  m  hohen  Dämmen,  zahlreichen  Krümmungen,  um  die 
Kraft  des  Wassers  zu  hemmen.  Das  Bett  ist  jetzt  teilweise  Kultur¬ 
land,  geht  durch  die  Landsenke,  dann  weiterhin  südlich  Pei-sin- 
ugan,  nördlich  Yang-Kia-tchwang,  nördlich  der  Hügel  Pa-pan- 
shan,  südlich  Tien-tsun,  gelangt  in  die  Nähe  des  Sumpfsees  Wang- 
he-leu,  und  verschwindet  in  Löss-Ravinen,  zeigt  sich  wieder  in 
einer  tiefen  Ravine  beim  Sumpf  Lien-hua-tche,  wo  eine  verfallene 
Steinbrücke  die  Ravine  kreuzt.  Hierher  wird  die  N.W.-Ecke  der 
Kinn-Stadt  verlegt,  in  deren  N. -Graben  der  Kanal  mündete;  von 
hier  verlief  er  zu  der  tiefen  Senke  des  Grabens  am  Tatarenwall 
in  den  Tung-tchu-Kanal.  1170  wurde  der  Hunho-Kanal  angelegt, 
wegen  Ueberschwemungen  1175  geschlossen,  durch  Kublai  1266 
neu  eröffnet,  1298  aus  demselben  Anlass  geschlossen,  ebenso  frucht¬ 
los  war  ein  3.  Versuch  1342.  Soweit  die  Geschichte. 

Die  vielbewegte  Vergangenheit  Pekings  lässt  sich  an  seinem 
Untergrund  verfolgen.  Erbaut  in  der  äusserst  flachen  Mulde  eines 
mächtigen  Lössbeckens,  hat  die  Stadt  auf  dem  Löss  eine  ver¬ 
schieden  mächtige  Auflagerung  von  Kulturschutt,  gemischt  mit 
dem  jährlich  durch  die  Staubstürme  aus  den  Steppen  der  Mongolei 
herangewehten  Sandmassen.  Ich  legte  2  Tiefbohrungen  zu  abys- 
sinischen  und  chinesischen  Brunnen  in  der  westlichen  Chinesen¬ 
stadt  an,  2  in  der  östlichen,  4  im  Gesandtschaftsviertel.  4  in  der 
östlichen  Mandschustadt.  Das  bemerkenswerteste  sei  hier  kurz 
angeführt:  In  der  östlichen  Chinesenstadt  fand  sich  5  m  hoch 
Kulturschutt,  Ziegelstücke,  Thon-  und  Porzellanscherben,  Bronze¬ 
stücke,  Türwinkel;  hierauf  folgte  in  einem  Schacht  bis  O'/s  nl 
gelbrötlicher  Sand,  dann  aber  wieder  eine  Lage  Bauschutt,  ein 
Zeichen  einer  vor  der  allgemeinen  Besiedelung  angelegten  Wohn¬ 
stätte.  Im  westlichen  Teil  wurde  auf  dem  Boden  der  Kinn-Stadt 
ein  Schacht  angelegt,  in  einem  im  Winter  trockenen  Teich,  einem 
Reste  des  ehemaligen  San-li-ho-Bettes,  was  der  in  der  Tiefe'  ge- 


1783 


21.  Oktober  1902.  MtTEKCHENER  MEDICIEIS CIIE  WOCHENSCHRIFT. 


fundene  Seelöss  und  gerollte  Steine  bewiesen.  Unter  der  Lelnn- 
kruste,  in  1,35 — 2,75  in,  Knochen  und  Kulturreste;  in  2,50  ni,  hart 
über  der  Lösschicht  und  in  diese  bis  zu  3,75  m  reichend  viereckig 
zugehauene,  regelmässig  aufeinander  geschichtete  Kalk  Stein¬ 
quadern,  an  einer  vermutlichen  Stelle  des  Ufers.  In  der  östlichen 
Mandschustadt  war  ein  Schacht  in  einem  Garten  mit  mächtigen 
Brunnen,  nächst  dem  Yamen  eines  „Herzogs“,  das  Gartenniveau 
3%m  unter  dem  der  Strasse,  eine  nur  2  m  starke  Schuttschicht, 
dann  angewehter  Boden  und  in  4  m  charakteristischer  Löss;  die 
Stätte  muss  seit  alten  Zeiten  nur  als  Garten  gedient  haben.  In 
einem  an  der  Ha-ta-Torstrasse  befindlichen  alten  Tempelhof, 
Niveau  ebenfalls  tief  unter  der  Strasse,  war  der  Löss  dierekt  unter 
dem  Pflaster,  der  Buddhatempel  soll  aus  der  Zeit  der  Yuen 
stammen,  die  direkt  auf  dem  Löss  gebauten  Höfe  und  Hallen  be¬ 
weisen,  dass  die  heutigen  Anlagen  so  ziemlich  dieselben  sind, 
wie  zur  Zeit  der  ersten  Erbauung;  wegen  der  Zerstörung  der  Denk¬ 
säulen  war  das  Alter  nicht  zu  bestimmen.  Im  Yamen  des  Reis- 
ministers  fand  sich  10  m  hoch  Kulturschutt,  auch  äusserlicli  an 
dem  Terrain  kenntlich,  zum  Teil  erklärt  durch  Anlage  eines  künst¬ 
lichen  Sees  innerhalb  der  Planierung  der  ausgehobenen  Massen. 
Von  0 — 7%  m  war  hier  der  reinste  Tierfriedhof:  Köpfe  und 
Knochen  von  Mauleseln,  Schafen,  Schweinen  füllten  die  ganze 
Schicht.  Auf  dem  Boden  der  deutschen  Schutzwache  befanden 
sich  die  4  Schächte  auf  einem  erst  von  Yunglu  der  Mandschustadt 
einverleibten  Gelände.  Wieder  7—8  m  Kulturschutt,  aber  mit 
merkwürdigen  Einschlüssen.  In  zwei  nebeneinander  liegenden 
Brunnen  fanden  sich  in  6 %  m  menschliche  Extremitätenknochen 
einerseits,  menschliche  Gerippe  andererseits,  in  gleicher  Tiefe 
100  m  entfernt  im  3.  Schacht  eine  geschichtete  Ziegellage  und 
darunter  eine  Lage  mächtiger,  glatt  behauener  Kalksteinquadern, 
ganz  das  Eckfundament  eines  chinesischen  Hauses.  Im  4.  Schacht 
begann  im  östlichen  Eck  in  8%  m  ein  gemauerter  chinesischer 
Brunnen,  bis  11%  m  reichend,  anfangs  durch  völlig  schuttfreies, 
sandig-lehmiges,  später  mit  gerollten  Steiuchen  dicht  durchsetztes 
Erdreich.  In  11%  m  begann  hier  hellgelber  Schwemmlöss,  dem 
wieder  in  18 14  01  aus  eckigen  Steinen  bestehende  Schichten  folgten. 
Nach  Beschaffenheit  des  Erdreiches  ist  der  Brunnen  in  der  Zeit 
der  ersten  Besiedelung  des  Platzes  mit  steinernen  Häusern  an¬ 
gelegt,  und  zwar  nach  Art  des  Löss  und  der  gerollten  Steine  am 
Bande  eines  Wasserlaufes,  vermutlich  des  (durch  den  Hunho- 
Kanal  verstärkten)  Zwischenstückes  zwischen  Nordgraben  der 
Kinn-Stadt  und  Tung-tchu-Kanal. 


Verschiedenes. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  135.  Blatt  der  Galerie  bei: 
Wilhelm  Griesinge  r.  Text  hiezu  siehe  S.  1758. 

Therapeutische  Notizen. 

Das  ß  i  t  s  e  r  t  sehe  Anästhesin  (Para-Amidobenzoesäure- 
Aetliylester)  wurde  von  II  a  rt  m  a  n  n  -  Kassel  seit  einigen 
Monaten  in  der  chirurgischen  Praxis  mit  gutem  Erfolg  verwendet. 
Bei  den  unerträglichen  brennenden  Schmerzen  nach  Hämorrhoidal- 
operatiou,  bei  tuberkulösen  Geschwüren  im  Munde,  bei  Stomatitis 
ulcerosa,  bei  Verbrennungen  und  schmerzhaften  granulierenden 
Flächen  erwies  sich  das  Mittel«  als  recht  brauchbar  und  glaubt  II., 
dass  dasselbe  „unter  den  schmerzstillenden  Medikamenten  in  kur¬ 
zer  Zeit  eine  hervorragende  Stelle  einnehmen  und  dem  Aerzte  ein 
unentbehrliches  Mittel  in  seinem  Arzneischatze  sein  wird“.  (Die 
Therapie  d.  Gegenwart  1902,  Oktober.)  B.  S. 

In  der  Charlottenheilanstalt  für  Augenkranke  in  Stuttgart 
wurde  seit  über  2  Jahren  und  in  mehr  als  800  Fällen  das  Pro- 
targol  angewendet  und  zeigte  sich  als  das  bei  weitem  wirk¬ 
samste  Mittel  bei  allen  mit  starker  Sekretion  einhergehenden 
Bindehauterkrankungen.  Es  hat  dem  Argentum  nitricum  gegen¬ 
über  den  Vorzug  der  relativen  Beizlosigkeit  und  der  grösseren 
Tiefenwirkung  bei  gleicher  antiseptischer  Wirkung.  Die  Wirkung 
des  Protargol  ist  nachhaltiger,  ebenso  bakterizid  und  adstrin¬ 
gierend  wie  die  des  Arg.  nitr.,  aber  nicht  kaustisch  und  daher  nie 
verschorfend.  Es  wirkt  in  10 — 20  proz.  Lösung  ebenso  energisch 
spezifisch  gegen  die  Gonokokken  wie  Arg.  nitr.  in  2  proz.  Lösung, 
ohne  dessen  verätzende  Eigenschaften  zu  teilen,  kann  daher  zur 
Prophylaxe  gegen  Blennorrhoea  neonatorum  auch  Hebammen  un¬ 
bedenklich  in  die  Hand  gegeben  werden  und  ist  geeignet,  die 
Höllensteinlösung  in  der  Prophylaxe  zu  ersetzen  und  zu  ver¬ 
drängen.  (Büppel:  Ueber  Protargol.  Die  oplithalm.  Klinik 
1902,  No.  17.)  B.  S. 


Tagesgeschichtliche  iNotizen. 

München,  21.  Oktober  1902. 

—  Durch  Erlass  des  k.  bayer.  Staatsministeriums  des  Aeussern 
und  des  k.  Hauses  vom  26.  September  1.  J.  wurde  das  Gesuch  der 
oberbayerischen  Aerztekammer  um  Gewährung  von  Portofreiheit 
für  die  Zählkarten  der  Morbiditätsstatistik  abgelehnt. 
Der  Erlass,  der  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer  abgedruckt  ist, 
zeigt,  welche  Wertschätzung  die  hohe  Stelle  der  mühevollen  Arbeit 
der  Aerzte  im  Interesse  der  Morbiditätsstatistik  entgegenbringt: 
eine  „Korrespondenz  mit  den  k.  Bezirksärzten“!  Wir  fürchten  sehr, 
dass  die  Aerzte  in  Zukunft  noch  mehr,  als  bisher  schon,  die  Kon¬ 


sequenz  aus  dieser  Auffassung  ziehen  und  ihre  „Korrespondenz" 
mit  den  k.  Bezirksärzten  entsprechend  einschränken  werden.  Es 
ist  aber  höchst  bedauerlich,  dass  auf  diese  Weise  ein  Werk  zu 
gründe  gerichtet  wird,  an  dem  die  bayerischen  Aerzte  seit  fast 
ZAvei  Dezennien  mit  grösstem  Eifer  und  mit  nicht  geringem  Auf¬ 
wand  von  Zeit  und  Mühe  und  gewiss  auch  nicht  ohne  Nutzen  für 
das  öffentliche  Wohl  gearbeitet  haben. 

—  An  den  sozialen  Reformbestrebungen  der 
Gegenwart  dürfte  kein  Stand  von  Anbeginn  an  tätiger  und  opfer¬ 
williger  Anteil  genommen  haben,  als  der  ärztliche,  ohne  dessen 
verständnisvolle  Mitwirkung  gerade  die  wichtigsten  sozialpoliti¬ 
schen  Gesetze,  das  Kranken-,  Unfall-  und  Invaliditätsversicherungs¬ 
gesetz,  undurchführbar  wären.  Wie  wenig  die  Selbstverleugung, 
welche  die  Aerzte  bewiesen  haben,  indem  sie  sich  freudig  in  den 
Dienst  der  sozialen  Gesetze  stellten,  gerade  in  den  Kreisen,  denen 
ihre  Tätigkeit  zu  gute  kam,  anerkannt  wird,  beweist  so  recht 
deutlich  wieder  die  Jahresversammlung  des  Zentralverbandes  von 
Ortskrankenkassen  im  Deutschen  Reiche  in  Hamburg  (s.  vor.  Nr.), 
wo  die  Aerzte  mit  Schmähungen  überhäuft  wurden,  weil  sie  endlich 
versuchen,  für  ihre  Arbeit  Bedingungen  zu  schaffen,  unter  denen 
ihnen  wenigstens  eine  standeswürdige  Existenz  ermöglicht  wird. 
Bei  dieser  Verständnislosigkeit,  die  dem  sozialpolitischen  Wirken 
der  Aerzte  entgegengebracht  wird,  ist  es  erfreulich,  dass  ein  Blatt, 
das  an  der  Spitze  der  sozialen  Bewegung  in  Deutschland  steht, 
die  von  Prof.  Dr.  Ernst  F  r  a  ncke  in  Berlin  herausgegebene 
„Soziale  Praxis“,  mit  Beginn  ihres  neuen  Jahrganges  eine 
ständige  Rubrik  für  „Soziale  Medizin“  eingerichtet  hat. 
Alit  der  Redaktion  der  neuen  Rubrik  ist  Dr.  Moritz  F  ii  r  s  t  in 
Hamburg  betraut,  der  in  seinem  einführenden  Programmartikel 
als  Zweck  der  Neueinrichtung  angibt,  zu  zeigen,  „welch  bedeut¬ 
samer  Faktor  für  die  Entwicklung  der  sozialen  Reform  der  Arzt 
geworden  ist“  und  ferner,  eine  möglichst  grosse  Anzahl  tatkräf¬ 
tiger  und  einsichtsvoller  Mediziner  als  Mitarbeiter  an  der  Reform 
unserer  sozialen  Zustände  zu  gewinnen“.  Wir  wünschen  der 
„Sozialen  Praxis“  den  besten  Erfolg  in  diesen  ihren  Bestrebungen, 
sowohl  im  Interesse  der  Lösung  unserer  sozialen  Aufgaben,  wie 
im  Interesse  einer  gerechteren  Beurteilung  der  Mitwirkung  der 
Aerzte  an  diesen  Aufgaben. 

—  Die  VIII.  Versammlung  mitteldeutscher 
Psychiater  und  Neurologe  11  findet  am  25.  u.  26.  d.  Mts. 
in  Dresden  im  Sitzungssäle  des  k.  Landes-Medizinalkollegiums 
(Zeughausplatz)  statt.  Geschäftsführer  sind  die  Herren  Ganser- 
Dresden  und  Pierson-  Coswig. 

• — ■  Cholera.  Aegypten.  Zufolge  dem  Wochenberichte  des 
Generaldirektors  des  Gesundheitswesens  für  die  Zeit  vom  16.  bis 
22.  (und  vom  23.  bis  29.)  September  ist  die  Zahl  der  choleraver¬ 
seuchten  Orte  auf  1830  (1932)  gestiegen.  Die  Seuche  selbst  zeigte 
jedoch  eine  erhebliche  Abnahme,  da  in  der  Berichts woche  6388 
(4022)  Erkrankungen  und  5808  (3593)  Todesfälle  zur  Meldung 
kamen.  Von  den  letzteren  ereigneten  sich  3394  (2125)  ausserhalb 
der  Krankenhäuser.  —  Niederländisch-Indien.  In  Soerabaya  sind 
in  der  Zeit  vom  24.  August  bis  6.  September  184  Erkrankungen 
(und  146  Todesfälle)  an  der  Cholera  gemeldet,  davon  betrafen  172 
(136)  die  Rhede. 

—  Pest.  Russland.  In  der  Zeit  vom  24.  bis  29.  September 
sind  in  Odessa  6  Erkrankungen  und  3  Todesfälle  an  der  Pest  fest¬ 
gestellt  worden.  Es  wird  nunmehr  als  unzweifelhaft  angenommen, 
dass  es  sich  nicht  mehr  um  vereinzelte  Fälle,  sondern  um  ein  epi¬ 
demisches  Auftreten  der  Seuche  handelt.  —  Britisch-Ostindien. 
In  der  Präsidentschaft  Bombay  sind  vom  14.  bis  20.  September 
9249  Erkrankungen  (und  6731  Todesfälle)  an  der  Pest  gemeldet 
worden,  davon  65  (48)  in  der  Stadt  Bombay,  23  (15)  in  der  Stadt 
und  dem  Hafen  Karachi.  Die  Seuche  hat  sonach  weitere  erheb¬ 
liche  Fortschritte  gemacht.  — -  Neu-Süd-Wales.  Die  Pest  wird 
für  ganz  Australasien  als  erloschen  angesehen. 

—  Pocken.  Grossbritannien.  Die  Zahl  der  Neuerkrank¬ 
ungen  an  Pocken  in  London  ist  im  Monat  September  immer  ge¬ 
ringer  geworden.  Dementsprechend  fiel  die  Zahl  der  in  Behand¬ 
lung  befindlichen  Kranken  im  Berichtsmonat  von  109  auf  42.  An 
Todesfällen  waren  in  den  ersten  3  Wochen  je  2  zu  verzeichnen, 
in  der  letzten  dagegen  keiner  mehr. 

—  In  der  40.  Jahreswoche,  vom  28.  September  bis  4.  Oktober 
1902,  hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die 
grösste  Sterblichkeit  Fürth  mit  31,1,  die  geringste  Potsdam  mit 
0,9  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Altona,  Beutlien,  Königs¬ 
hütte,  Mülheim  a.  d.  R„  an  Masern  in  Aachen,-  Ludwigshafen. 

V.  d.  K.  G.-A. 

—  Einer  auf  dem  internationalen  otologisclien  Kongress  in 
London  zuerst  gegebenen  und  dort  mit  Beifall  aufgenommenen  An¬ 
regung  entsprechend,  haben  die  Heimen  O.  Brieger  -  Breslau  und 
G.  Gradenigo  -  Turin  die  Herausgabe  eines  „I  n  t  e  r  natio¬ 
nalen  Zentralblattes  für  Ohrenheilkunde“  über¬ 
nommen.  Dasselbe  beginnt  im  Laufe  dieses  Monats  im  Verlage 
von  .T.  A.  B  a  r  t  h  in  Leipzig  zu  erscheinen.  Das  neue  Zentralblatt 
wird  ausschliesslich  Referate  bringen.  Der  Preis  für  den  Jahr¬ 
gang.  von  12  Heften  beträgt  M.  16. — . 

_ _ ln  Berlin  (Verlag  von  Max  II  i  r  s  c  h)  erschien  das  1.  Heft 

einer  „Russischen  medizinischen  Rundschau. 
Monatsschrift  für  .die  gesamte  russische  medizinische  Wissen¬ 
schaft  und  Literatur“.  Dieselbe  wird  unter  Mitwirkung  russischer 
Aerzte  herausgegeben  von  Dr.  S.  L  i  p  1  i  a  w  s  k  y  und 
Dr.  S.  Weissbein  in  Berlin.  Das  neue  Blatt  verfolgt  die 
dankenswerte  Absicht,  den  deutschen  Äerzten  einen  vollständigeren 
Ueberblick  über  die  russische  medizinische  Literatur  zu  ermög- 


1784 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET. 


No.  42 


liehen,  als  er  sonst  in  deutschen  Zeitschriften  gegeben  werden 
bann.  Den  russischen  Aerzten  erwächst  aus  dem  Blatte  der  Ge¬ 
winn,  dass  ihre  Arbeiten  mehr  als  bisher  in  Westeuropa  bekannt 
werden.  Im  Interesse  beider  Teile,  zwischen  denen  das  Blatt  zu 
vermitteln  sucht,  kann  man  daher  nur  wünschen,  dass  das  Unter¬ 
nehmen  von  Erfolg  begleitet  sein  möge.  Die  russische  medi¬ 
zinische  Rundschau  wird  monatlich  im  Umfang  von  4 — 6  Bogen 
erscheinen  und  12  M.  für  den  Jahrgang  kosten. 

(Hochschulnachrichten.) 

Erl  a  nge  n.  Der  Spezialarzt  für  Ohren-,  Nasen-  und  Hals¬ 
kranke  in  Hagen  (Westfalen)  Dr.  med.  Alfred  Denker  wurde  an 
Stelle  des  im  Juli  d.  J.  verstorbenen  ausserordentlichen  Professors 
Dr.  Wilhelm  Kiesselbach  als  Professor  für  Ohrenheilkunde 
und  Direktor  der  ohrenärztlichen  Klinik  an  der  hiesigen  Universi¬ 
tät  berufen.  D  enke  r  ist  ein  Schüler  Friedrich  B  e  z  o  1  d  s. 

Göttingen.  Zum  Nachfolger  des  nach  Berlin  berufenen 
Geheimrat  Orth  ist  Prof.  Hugo  Bibbert  in  Marburg  ernannt 
worden.  Prof.  Ribbert  wird  sein  neues  Amt  im  Sommer¬ 
stunester  1903  antreten  und  bis  dahin  von  Prof.  Asch  off, 

1.  Assistenten  am  pathol.  Institut,  vertreten  werden. 

Kiel.  Dr.  med.  Hentze  habilitierte  sich  für  das  Fach  der 
Zahnheilkunde. 

Kopenhagen.  Der  bekannte  Lepraforscher  Dr.  Ehlers 
ist  zum  Professor  an  der  Universität  ernannt  worden. 

Prag.  Habilitiert:  Dr.  W.  Lieblein  für  Chirurgie,  Dr. 
W.  Anton  für  Oto-Rhino-Laryngologie  an  der  deutschen  med. 
Fakultät. 

(Todesfäll  e.) 

Am  12.  d.  M.  starb  der  Ohrenarzt,  Privatdozent  für  Laryngo- 
logie,  Otologie  und  Rhinologie  an  der  Universität  in  Basel,  Dr.  med. 
Anton  S  c  h  w  e  n  d  t. 

In  New- York  starb  der  ausgezeichnete  Orthopäde  Dr.  Abel 
Mix  Plielps  im  Alter  von  51  Jahren. 

(B  e  r  i  c  h  t.  i  g  u  n  g.)  Herr  Dr.  S  p  r  i  n  g  e  r  berichtigt  das  in 
No.  40,  S.  1074,  erschienene  Referat  über  seinen  in  Karlsbad  ge¬ 
haltenen  Vortrag,  wie  folgt: 

1.  Lautete  der  Vortrag:  „U  eher  Operationsresul- 
t  a  t  e  bei  angeborenen  Spalten  des  Gau  me  n  S“. 

2.  Sollte  es  heissen:  „B  ericht  über  53  Fälle  v  o  n 
Gaumenplastik“  (Hasenschartenoperationen  sind  in  diese 
Zahl  nicht  eingeschlossen). 

3.  Ist  zu  lesen  statt:  „von  31  rezidivierten  Fällen“  „von 
31  operierte  n  Fällen“. 

4.  8  nicht  geheilte  Fälle  ist  unrichtig.  Wir  haben  nur  in  1  Fall 
einen  Misserfolg  gehabt,  in  8  Fällen  blieben  kleine  Defekte 
zurück. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Karl  Schreitmüller  in  Bechhofen  (B.-A. 
Feuchtwangen),  approb.  1901. 

Verzogen:  Dr.  Pinkus  M  ii  n  z  von  Bad  Kissingen  nach 
N  ürnberg. 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  und  funktionierende  Hausarzt  am 
Zuchthause  zu  Kaisheim,  Dr.  Joseph  Bscliore  r,  zum  Bezirks¬ 
arzt  I.  Klasse  in  Neustadt  a.  Aisch. 

Auszeichnung:  Dem  praktischen  Arzte  Dr.  August  Di  ruf 
in  Bad  Kissingen  wurde  die  Rettungsmedaille  verliehen. 

Im  aktiven  Heere:  Der  Abschied  mit  der  gesetzlichen 
Pension  bewilligt:  Dem  Generaloberarzt  Dr.  Dessauer,  Di¬ 
visionsarzt  der  3.  Division,  unter  Verleihung  des  Charakters  als 
Generalarzt  und  mit  der  Erlaubnis  zum  Forttragen  der  Uniform 
mit  den  für  Verabschiedete  vorgeschriebenen  Abzeichen. 

Mit  ihrem  Ausscheiden  aus  der  ostasiatischen  Besatzungs¬ 
brigade  wieder  angestellt:  Der  Oberarzt  Di*.  Mayer  im  9.  Inf.- 
Reg.  und  der  Assistenzarzt  Dr.  Müller  im  14.  Inf. -Reg.,  beide 
mit  ihren  früheren  Patenten. 

Befördert:  Zu  Assistenzärzten  die  Unterärzte:  Alois  Heil- 
m  a  i  e  r  im  4.  Inf.-Reg.,  Dr.  August  Muggenthaler  im  G.  Feld- 
Art.-Reg.;  Hans  Meyer  im  7.  Inf.-Reg.,  Heinrich  Kain  dl  im 
12.  Inf.-lleg.;  Joseph  M  e  i  e  r  im '20.  Inf.-Reg. 

Im  Beurlaubtenstande:  Abschied  bewilligt:  Dem 
Stabsarzt  Dr.  Konrad  Sc  ha  ad  von  der  Landwehr  1.  Aufgebots 
(Hof)  mit  der  Erlaubnis  zum  Tragen  der  Uniform  mit  den  für  Ver¬ 
abschiedete  vorgeschriebenen  Abzeichen. 

Befördert:  Zu  Assistenzärzten  die  Unterärzte:  Dr.  Wilhelm 
Hagen  in  der  Reserve  (Nürnberg)  und  Kuno  Linneborn  in 
der  Landwehr  1.  Aufgebots  (I.  München). 


Amtlicher  Erlass. 

(Bayern.) 

No.  5224  II.  München,  den  26.  September  1902. 

Die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1901;  hier: 
Postportofreiheit  für  die  Morbiditätsstatistik  der  Infektions¬ 
krankheiten  betr. 

Wie  das  Unterzeichnete  k.  Staatsministerium  bereits  in  seiner 
Note  vom  17.  August  18S6  No.  2833 II  ausgeführt  und  das  k.  Staats- 
ministerium  des  Innern  durch  Erlassung  seiner  Entscliliessung 
vom  2.  September  1886  No.  11639  anerkannt  hat,  bieten  die  Be¬ 
stimmungen  der  Kgl.  Allerhöchsten  Verordnung  vom  23.  Juni 
1829,  die  rostportofreiheit  in  Amtssachen  betreffend,  keinen  Raum, 


um  den  praktischen  Aerzten  hinsichtlich  ihrer  unmittel- 
ba  reu  Korrespondenz  mit  den  k.  Bezirksärzten  Portofreiheit  zu 
gewähren,  auch  wenn  diese  Korrespondenz  sanitiitspolizeiliche 
und  damit  öffentliche  Verhältnisse  zum  Gegenstände  hat. 

Die  augestrebte  Portofreiheit  für  die  Einsendung  von  Zähl¬ 
karten.  welche  seitens  der  praktischen  Aerzte  im  Interesse  der 
Morbiditätsstatistik  der  Infektionskrankheiten  an  die  Amtsärzte 
erfolgt,  könnte  demnach  nur  durch  einen  Akt  besonderer  aus- 
nalimsweiser  Verleihung  begründet  werden. 

Von  Seite  des  Unterzeichneten  k.  Staatsministeriums  wurde 
schon  wiederholt  (vergl.  z.  B.  den  stenographischen  Bericht  über 
die  Verhandlungen  der  bayerischen  Kammer  der  Abgeordneten 
vom  IS.  Januar  1.  .T.  S.  459  f.)  hervorgehoben,  dass  bei  der  ohne¬ 
hin  unzuträglichen  Ausdehnung  des  Portofreiheitswesens  in  Bayern 
jede  Erweiterung  desselben,  namentlich  aber  die  Schaffung  neuer 
Portofreiheiten,  welche  ausserhalb  des  Rahmens  der  vorbezeicli- 
neten  Allerhöchsten  Verordnung  liegen,  aus  grundsätzlichen  Er¬ 
wägungen  abzulehnen  sei. 

Das  Unterzeichnete  k.  Staatsministerium  sieht  sich  deshalb 
zu  seinem  Bedauern  nicht  in  der  Lage,  der  von  der  oberbayerischen 
Aerztekammer  gegebenen  Anregung  näher  zu  treten. 

Das  k.  Staatsministerium  des  k.  Hauses  und  des  Aeusseren. 
gez.  Graf  v.  Crailsheim. 


Generalrapport  über  die  Kranken  der  k.  bayer.  Armee 

für  den  Monat  August  1902. 


Iststärke  des  Heeres: 

65  755  Mann,  —  Invaliden,  208  Kadetten,  149  Unteroff.-Vorschüler. 


1.  Bestand  waren  am 

31.  Juli  1902: 

Mann 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Unter- 

offlz.- 

Vor- 

schüler 

1071 

— 

— 

— 

[ 

im  Lazarett: 

1041 

— 

— 

9 

2.  Zugang*. 

im  Revier: 

2814 

— 

’ - 

- ; 

1 

in  Summa: 

3855 

— 

— 

9 

Im  Ganzen 

sind  behandelt: 

4926 

— • 

— 

9 

°/oo  der  Iststärke: 

74,9 

— 

— 

60,4 

dienstfähig: 

3468 

— 

— 

8 

°/oo  der  Erkrankten : 

704,0 

— 

— 

888,8 

gestorben : 

8 

— 

— 

— 

°/oo  der  Erkrankten : 

1,6 

- ■' 

— 

— 

3.  Abgang; 

invalide : 

33 

— 

— 

— 

dienstunbrauchbar : 

18 

— 

— 

— 

anderweitig : 

157 

- 

— 

— 

.  in  Summa: 

3684 

— 

— 

8 

4.  Bestand 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke : 

1242 

18,9 

— 

— 

1 

6,7 

bleiben  am 

davon  im  Lazarett: 

831 

— 

— 

1 

31.  Juli  1902: 

.  davon  im  Revier: 

411 

— 

— 

— 

Von  den  in  Ziffer  3  auf  geführten  Gestorbenen  haben  gelitten: 
1  an  akuter  Miliartuberkulose,  2  an  Lungentuberkulose,  1  an  Ge¬ 
hirnblutung,  2  an  Lungenentzündung,  1  an  Leukämie,  1  an  Blind¬ 
darmentzündung. 

Ausserhalb  militärärztlicher  Behandlung  sind  keine  Todes¬ 
fälle  vorgekommen. 

Der  Verlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im  Monat 
August  nur  S  Mann. 

Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  40.  Jahreswoche  vom  28.  September  bis  4.  Oktober  1902. 
Beteiligte  Aerzte  139.  —  Brechdurchfall  16  (14*),  Diphtherie  u. 
Krupp  10  (7),  Erysipelas  5  (7),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  (— ).  Kindbettfieber  —  (1),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 

Morbilli  27  (10),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  4  (5),  Parotitis 
epidem.  1  (-),  Pneumonia  crouposa  10  (4),  Pyämie,  Septikämie 
1  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  8  (10),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 
Scarlatina  7  (2),  Tussis  convulsiva  28  (20),  Typhus  abdominalis  4 
(4),  Varicellen  2  (4),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  1  (2). 
Summa  124  (88).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  40.  Jahreswoche  vom  28.  September  bis  4.  Okt.  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  4  (1*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Krupp  1  (— ),  Rotlauf  1  (— ),  Kindbettfieber  1  (— ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  —  ( — ),  Brechdurchfall  7  (6),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  3  (2),  Kruppöse  Lungenentzündung  1  (  --),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  24  (16),  b)  der  übrigen  Organe  10  (4),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
3  (4),  Unglücksfälle  2  (1),  Selbstmord  6  (4),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  242  (221),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  24,9  (22,7),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjalir  stehende  Bevölkerung  12,9  (11,1). 

*>  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  K.  Mühlthaler’s  Buch-  und  Kunstdrucken^  A.G.,  München. 


t>Ie  Münch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöehentl. 
ln  Kümmern  von  durchschnittlich  5—6  Bogen 
Preis  in  Deutschi,  u  Oest.-Unearn  vierteljährl.  6  JC 
ins  Ausland  8.—  JL.  Einzelne  No.  80  *). 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Amulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh¬ 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

0.  v.  Anprer,  Ch.  Bäumler,  0,  Bollinpr,  H.  Curschmann,  W.  v.  Leube,  G,  Marke!,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H,  v.  Ranke,  F,  v.  Winckel, 

München.  ,•  o  •  .  -  —  --  — 


Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Würzburg. 


Nürnberg. 


Berlin. 


Erlaugen. 


München. 


München. 


No.  43.  28.  Oktober  1902, 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  pathologischen  Institut  der  Universität  Bonn  (Direktor; 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Koeste  r). 

lieber  den  Wert  der  Elastinfärbung  für  die  histo¬ 
logische  Diagnostik. 

Von  Dr.  med.  Bernhard  F  i  s  c  h  e  r,  Assistenten  am  Institut. 

Die  W  e  i  g  e  r  t  sehe  Methode  der  spezifischen  Färbung 
elastischer  Fasern  hat  sich  dank  ihrer  Sicherheit  und  Einfach¬ 
heit  nicht  nur  für  wissenschaftliche  Untersuchungen  als  vor¬ 
züglich  geeignet  erwiesen,  sondern  sie  kann  auch  der  praktischen 
Medizin  unter  Umständen  die  besten  Dienste  leisten. 
Michaelis1)  hat  diese  Methode  bereits  für  den  Nachweis 
elastischer  Fasern  im  Sputum  wärm  empfohlen  und  gewiss  mit 
Recht.  Mit  Hilfe  dieser  Färbung  gelingt  es  bei  genügender 
Alkoholdifferenzierung ")  mit  aller  nur  wünschenswerten  Sicher¬ 
heit  auch  die  feinsten  elastischen  Fasern  im  Auswurf  aufzu¬ 
finden,  womit  der  sichere  Nachweis  eines  destruierenden  Prozesses 
in  der  Lunge  oder  den  Luftwegen  gegeben  ist. 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  kurz  auf  die  grossen  Vorteile  auf¬ 
merksam  machen,  welche  die  Elastinfärbung  bei  der  Unter¬ 
suchung  kleiner  Geschwulstteilchen,  Probeexzisionen  u.  s.  w. 
bietet.  Heute,  wo  Chirurgen  und  Gynäkologen  immer  wieder  be¬ 
tonen,  dass  eine  weitere  Verminderung  der  Krebs-  und  Sarkom¬ 
todesfälle  sich  hauptsächlich  nur  noch  durch 
frühere  Diagnosestellung  erreichen  lasse,  sind 
diese  Untersuchungen  ja  von  der  grössten 
praktischen  Bedeutung.  Von  der  Beurteilung 
eines  exzidierten  Teilchens  hängt  oft  sehr  viel 
ab,  eine  Fehldiagnose  kann  traurige  Folge 
haben.  In  den  meisten  Fällen  kommen  wir 
allerdings  mit  den  bis  jetzt  üblichen  Hilfs¬ 
mitteln  zum  Ziele,  aber  es  ist  doch  auch  keine 
Seltenheit,  dass  wir  eine  Entscheidung,  ob 
gut-,  ob  bösartig,  mit  Sicherheit  nicht  treffen 
können;  es  gibt  auch  hier  Grenzgebiete,  deren 
Beurteilung  selbst  dem  Geübtesten  schwierig 
oder  unmöglich  werden  kann.  Dazu  kommt 
noch,  dass  das  exzidierte  Teilchen  gerade 
sehr  wenig  charakteristische  Stellen  enthalten 
und  so  zu  Fehlschlüssen  Anlass  geben  kann, 
während  die  Geschwulst  an  anderen  Stellen 
ihren  Charakter  leicht  offenbart  hätte.  Da  ist 
es  denn  wohl  angebracht,  wenn  wir  uns  noch  nach  weiteren  Hilfs¬ 
mitteln  umsehen,  um  zur  sicheren  Diagnose  zu  gelangen,  und  als 
solches  möchte  ich  hier  die  (W  e  i  g  e  r  t  sehe)  Elastinfärbung 
(natürlich  stets  verbunden  mit  Kernfärbung)  warm  empfehlen. 
Sie  kann  in  solchen  Fällen  vorzügliche  Dienste  leisten,  und  zwar 
aus  mehreren  Gründen. 

Zunächst  gibt  uns  die  Elastinfärbung  in  den  meisten  Fällen 
einen  vorzüglichen  Ueberblick  über  die  Topographie  des  Gewebes. 


Die  einzelnen  Schichten,  z.  B.  der  Haut,  heben  sich  sehr  scharf 
und  deutlich  von  einander  ab;  wir  können  das  Vordringen  einer 
Geschwulst  besser  übersehen,  feststellen,  dass  dieselbe  die 
elastischen  Fasernetze  durchbricht,  in  die  Tiefe  eindringt  u.  s.  w. 
Sodann  treten  die  Gefässe  und  ihre  Beziehungen  zur  Geschwulst 
sehr  deutlich  hervor  und  gerade  diese  letzteren  können  von 
grösster  Bedeutung  für  die  Beurteilung  einer  Geschwulst  sein. 
Bricht  Geschwulstgewebe  in  ein  Gefäss  ein,  so  ist  damit 
die  Bösartigkeit  eines  Tumors  wohl  stets  erwiesen,  und 
dieses  Einbrechen  lässt  sich  oft  ohne  Hilfe  der  Elastinfärbung 
gar  nicht  feststellen,  weil  die  Gefässwand  eben  durch  die  Ge¬ 
schwulst  zerstört  ist  und  nur  noch  Reste  der  elastischen  Fasern 
erhalten  sind.  Von  wie  grossem  Werte  in  solchen  Fällen  die 
Elastinfärbung  ist,  möge  kurz  an  einem  Beispiel  erläutert  werden. 
Am  14.  Juni  d.  J.  wurde  uns  mit  der  Bitte  um  genaue  Unter¬ 
suchung  ein  etwa  wallnussgrosser,  subkutan  am  Halse  gelegener 
Tumor  zugesandt,  der  von  einer  45  jährigen  Dame  stammte. 
Derselbe  erwies  sich  (mit  den  gewöhnlichen  Färbemethoden  be¬ 
handelt)  als  zusammengesetzt  aus  zahlreichen  kleinen  Rundzellen, 
die  jedoch  durch  ein  deutliches  Maschenwerk  zusammengehalten 
waren.  Nur  an  wenigen  Stellen  war  diese  lymphatische  Struk¬ 
tur  ein  wenig  undeutlich,  verwischt;  wir  vermochten  uns  deshalb 
nicht  von  der  Bösartigkeit  der  Geschwulst  zu  überzeugen,  son¬ 
dern  nahmen  ein  einfaches  Lymphom  an  und  beantworteten  in 
diesem  Sinne  die  Anfrage.  Nachträglich  färbte  ich  nun  —  mit 


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*)  Michaelis:  Ueber  den  Chemismus  der  Elastinfärbung 
und  seine  Anwendung  auf  Sputumpräparate.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  1901,  S.  219. 

2)  Vgl.  hierüber  meine  in  Virchows  Archiv,  Nov.  1902,  er¬ 
scheinende  Abhandlung:  „Ueber  Chemismus  und  Technik  der 
W  e  i  g  e  r  t  sehen  Elastinfärbung“. 

No.  43. 


Fig.  2. 

ausgedehnteren  Untersuchungen  über  das  elastische  Gewebe  der 
Geschwülste  gerade  beschäftigt  —  einen  Schnitt  dieser  Ge¬ 
schwulst  auf  elastische  Fasern  und  war  nicht  wenig  erstaunt, 
jetzt  an  mehreren  Stellen  einen  Einbruch  der  Gesehwulstzelleai. 
in  die  Gefässe  mit  voller  Sicherheit  feststellen  zu  können.  Da¬ 
mit  war  also  die  Bösartigkeit  der  Geschwulst  dargetan,  und  wir 
berichtigten  dementsprechend  unsere  Mitteilung.  In  neben¬ 
stehenden  Zeichnungen  habe  ich  versucht  die  geschilderten  Ver¬ 
hältnisse  wiederzugeben. 

Fig.  1  zeigt  eine  Stelle  der  genannten  Geschwulst  nach 
van  Gieson  gefärbt,  Fig.  2  dieselbe  Stelle  mit  Elastinfärbung. 
In  Fig.  1  sieht  man  im  Gewebe  ein  kleines  Gefässlumen;  Fig.  2 
hingegen  zeigt,  dass  das  letztere  nur  der  Rest  des  Lumens  eines 
grösseren  Gefässes  ist.  Die  Wand  desselben  ist  in  das  Geschwulst- 


MUENCHENER  MEDICINISCFIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


1786 


gewebe  völlig  aufgegangen;  nur  die  elastischen  Fasern  sind  noch 
erhalten  und  zeigen  an  der  linken  Seite  deutlich  den  Durch¬ 
bruch  der  Geschwulstzellen  in  das  Gefäss.  Hier  haben  die  Ge¬ 
schwulstzellen  also  die  Gefiisswand  durchbrochen,  sind  unter  dem 


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Fig.  3. 


Fig.  4. 


Gefässendothel  zwischen  Intima  und  Media  vorgedrungen  und 
haben  das  Gefässlumen  bis  auf  den  noch  sichtbaren  schmalen 
Spalt  verschlossen.  Ohne  die  Elastinfärbung  aber  ist  es,  wie 
Eig.  1  zeigt,  völlig  unmöglich,  diese  Verhältnisse  zu  erkennen. 
Mit  Hilfe  von  Stufenschnitten  gelang  es  mir,  an  tieferen  Stellen 
der  Geschwulst  das  wohlerhaltene,  ziemlich  grosse  Gefäss  zu 
Gesicht  zu  bringen.  Selbstverständlich  muss  man  sich  in  solchen 
Fällen  hüten,  eine  Endarteriitis  oder  Endophlebitis  —  wie'  sie 
in  Geschwülsten  nicht  selten  angetrotfen  wird  und  ähnliche 
Bilder  gibt  —  mit  einem  Durchbruch  von  Geschwulstzellen  zu 
verwechseln.  Doch  dürfte  dies  bei  aufmerksamer  Beobachtung 
kaum  Vorkommen;  die  Art  der  Zellen,  ihre  Anordnung,  die  Zer¬ 
störung  der  Gefässwand,  die  oft  noch  nachweisbare  Durchbruch¬ 
stelle  schützen  hiervor.  Diese  Geschwulstdurchbrüche  in  Ge- 
fässe  bekommt  man  mit  Hilfe  der  Elastinfärbung  häufiger  zu 
Gesicht  als  man  glaubt  und  vor  allem  auch  schon  in  frühen 
Stadien  bösartiger  Tumoren. 

Ein  weiterer  Umstand,  der  die  Anwendung  der  Elastinfär¬ 
bung  für  die  histologische  Diagnostik  sehr  wertvoll  macht,  ist 
die  grosse  Widerstandsfähigkeit  der  elastischen  Fasern  gegen 
zahlreiche  destruierende  Rrozesse,  Fäulnis  und  ähnliche.  Wenn 
wir  in  einem  Partikelchen,  das  erbrochen,  ausgehustet,  abge- 
stossen  oder  mit  dem  Urin  entleert  wurde,  keine  Zelle,  keinen 
Kern,  kein  Gewebe  mehr  nachweisen  können  infolge  von  Nekrose, 
Fäulnis  oder  Zersetzung,  so  können  wir  über  die  Natur  dieser 
Partikelchen  so  gut  wie  nichts  aussagen.  Es  kann  sich  da  um 
zersetztes  Blut,  konkrementartige  Ablagerungen  u.  ähnl.,  aber 
auch  um  nekrotisches  Gewebe  handeln.  In  diesen  Fällen  sind 
dann  oft  die  elastischen  Fasern  noch  sehr  schön  erhalten  und 
lassen  sich  mit  Hilfe  der  Elastinfärbung  deutlich  zur  Darstellung 
bringen.  Mit  ihrem  Nachweis  ist  dann  sofort  die  Entscheidung 
dahin  gegeben,  dass  abgestorbene  Gewebsteile  vorliegen;  ja  die 
Anordnung  der  elastischen  Fasern  oder  der  Nachweis  grösserer 
Gefässe  können  auf  einen  leichteren  oder  schwereren  Prozess 
hinweisen,  bei  dem  vielleicht  grössere  Gewebs-  oder  Geschwulst¬ 
teile  abgestossen  werden.  All  dies  kann  natürlich  unter  Um¬ 
ständen  für  den  Kliniker  von  Wert  sein.  Ein  Beispiel  möge  das 
Gesagte  erläutern.  Am  19.  Juli  d.  J.  wurden  uns  mehrere  kleine, 
weiche,  braune  Teilchen  mit  der  Bitte  um  die  Diagnose  zugesandt, 
über  deren  Natur  nichts  weiter  mitgeteilt  werden  konnte,  als 
dass  sie  der  Blase  eines  24  jährigen  Mädchens  entstammten.  Die 
histologische  Untersuchung  dieser  Tumormassen  gab  zunächst 
nicht  den  geringsten  Aufschluss,  kein  Kern,  keine  Zelle  färbte 
sich  mehr,  krümlige  Massen  bedeckten  das  Gesichtsfeld,  ohne 
jede  Struktur,  nur  hin  und  wieder  stärker  mit  Hämatoxylin  ge¬ 
färbt,  so  dass  man  an  Kalkniederschläge  denken  konnte.  Dies 
Bild  ändert  sich  jedoch  bei  Anwendung  der  Elastinfiirbung.  Es 
zeigten  sich  nicht  nur  zahlreiche  feine  und  gröbere  elastische 
Fasern,  sondern  auch  ziemlich  starke  Gefässe  in  mehrfacher 
Anzahl  und  zwar  Venen  und  Arterien,  beide  nur  kenntlich  an 
ihrem  elastischen  Gewebe.  Fig.  3  zeigt  eine  Stelle  des  be¬ 
schriebenen  Präparates,  gefärbt  nach  van  G  i  e  s  o  n,  Fig.  4 


dieselbe  Stelle  bei  Elastinfärbung,  beides  bei  schwacher  Ver- 
grösserung.  In  letzterem  Bilde  sieht  man  elastische  Fasern, 
sowie  eine  Vene  und  zwei  Arterien.  Es  lagen  also  in  diesem 
Falle  nicht  etwa  —  wie  man  versucht  sein  konnte,  anzunehmen  — 
abgestossene  Blasenepithelien  mit  zersetztem 
Blut  und  anorganischen  Niederschlägen  oder 
ähnliches  vor,  sondern  es  konnte  sich  nur  um 
einen  Prozess  handeln,  der  zur  Nekrose 
grösserer  Gewebsteile  geführt  hatte.  Wie 
wertvoll  eine  solche  Feststellung  für  die  kli¬ 
nische  Beurteilung  istj  liegt  auf  der  Hand. 

Diese  wenigen  Beispiele  —  die  ich  leicht 
vermehren  könnte  — -  mögen  genügen,  um 
darzutun,  von  wie  grossem  Werte  in  nicht 
wenigen  Fällen  die  Elastinfärbung  auch  für 
die  angewandte  Histologie,  die  mikro¬ 
skopische  Diagnostik  sein  kann.  Dieselbe 
trägt  fast,  stets  zu  einer  grösseren  Klarlegung 
der  histologischen  Einzelheiten  bei,  ja  zu¬ 
weilen  kann  sie  für  die  Diagnose  von  aus¬ 
schlaggebender  Bedeutung  sein  und  ich  halte 
es  nach  den  mitgeteilten  Erfahrungen  in 
jedem  Falle,  in  dem  ich  nicht  mit  den  ge¬ 
wöhnlichen  Kern-  und  Doppelfärbungen  zu 
einem  ganz  sicheren  Resultate  komme,  für  meine  Pflicht,  bei  der 
Untersuchung  auch  die  Elastinfärbung  zu  Hilfe  zu  nehmen. 
Möge  sie  anderen  die  gleichen  Dienste  erweisen ! 


Aus  der  med.  Klinik  des  Flerrn  Geh. -Rat  Prof.  Dr.  Riegel 

in  Giessen. 

Ueber  die  Sahlische  Methode  der  Funktionsprüfung 

des  Magens. 

Von  Dr.  Bönniger,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Sahli1)  hat  jüngst  ein  neues  Verfahren  zur  Untersuchung 
der  Magenfunktionen  angegeben,  ausgehend  von  folgendem  Gq- 
dankengang:  ,,Wenn  es  gelingt,  eine  Substanz  zu  finden,  welche, 
der  Probemahlzeit  zugesetzt,  im  Magen  nicht  resorbierbar  ist 
und  sich  leicht  quantitativ  bestimmen  lässt,  so  kann  nach  dey 
Ausheberung  aus  der  zurückgebliebenen  Menge  dieser  Substanz 
berechnet  werden,  wieviel  davon  im  Mag’eii  zurückgeblieben  und 
ein  wie  grosser  Teil  des  ausgeheberten  Inhaltes  also  aus  Sekret 
besteht.“  In  diesem  Sinne  gibt  Sahli  300  ccm  einer  Mehl¬ 
suppe,  die  Butterfett  in  gleichmässiger  Verteilung  enthält.  Sie 
wird  nach  % — 1  Stunde  ausgehebert,  Menge  und  Rückstand  nach 
Matthieu  bestimmt.  Aus  der  Verdünnung  der  Suppe,  be¬ 
rechnet  nach  dem  Fettgehalt  des  Ausgeheberten,  wird  die  Menge 
des  abgeschiedenen  Sekrets,  welches  zur  Zeit  der  Ausheberung 
im  Magen  sich  befand,  bestimmt.  Durch  Umrechnung  wird  dann 
die  Azidität  des  reinen  Sekrets  aus  der  Gesamtazidität  des  Aus¬ 
geheberten  berechnet. 

Zur  Brauchbarkeit  einer  derartigen  für  den  praktischen  Ge¬ 
brauch  bestimmten  Methode  gehört  neben  der  Zuverlässigkeit 
auch  Einfachheit.  Gegenüber  den  gewöhnlichen  Bestimmungen 
scheint  sie  mir  nun  dieses  Postulat  nicht  zu  erfüllen.  Schon 
die  Bereitung  der  Suppe  ist  nach  meiner  Erfahrung  nicht  ganz 
einfach,  und  wenn  nicht  sehr  genau  ausgeführt,  gibt  sie  zu  be¬ 
denklichen  Fehlerquellen  Anlass.  Von  der  Suppe  ist  zu  ver¬ 
langen,  dass  sie  keine  Fettaugen  zeigt,  dass  sie  völlig  gleichmässig 
ist,  und  dass  sie  auch  nach  einigem  Stehen  sich  nicht  absetzt. 
Diese  Schwierigkeit  lässt  sich  überwinden;  es  gelingt,  eine  Suppe 
herzustellen,  die  diese  Bedingungen  erfüllt. 

Dazu  kommt  dann  noch,  dass  die  Methode  an  sich  sehr  viel 
komplizierter  ist,  wie  unsere  früheren.  Indessen  wäre  das 
Nebensache. 

Erste  Frage  ist:  Ist  die  Methode  als  solche  gut  und  zu¬ 
verlässig,  zweite:  gibt  sie  bessere  Aufschlüsse  über  die  Magen¬ 
funktionen  als  die  alten  Methoden. 

Bezüglich  der  ersten  Frage  handelt  es  sich  zunächst  darum, 
festzustellen,  ob  die  Suppe  die  Bedingung  erfüllt,  dass  sie  das  Fett 
in  gleichmässiger  Verteilung  enthält. 


0  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  No. 
Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  71  u.  72 


10  u.  17  und  Seiler: 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1787 


Als  Methode  der  Fettbestimmung  habe  ich  dieselbe  benutzt, 
wie  sie  Y  o  1  h  a  r  d  ")  für  seine  Arbeiten  über  das  fettspaltende 
Ferment  des  Magens  in  letzter  Zeit  angewandt.  Es  werden 
20  ccm  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  mit  75  ccm  Aether, 
dem  2  ccm  Alkohol  zugesetzt,  mehrere  Stunden  im  Schüttel¬ 
apparat  ausgeschüttelt,  dann  50  ccm  Aether  abgegossen,  mit 
50  ccm  neutralem  Alkohol  absolutus  versetzt  und  durch  Titration 
mit  Phenolphthalein  die  freien  Fettsäuren  bestimmt.  Dann  wird 
10  ccm  Normal-Natronlauge  zugesetzt,  mehrere  Stunden  mitRück- 
flusskiihler  auf  dem  Wasserbad  verseift.  Nach  Zusatz  von  10  ccm 
Normal-HCl  wird  titriert.  Die  erhaltenen  Werte  stimmen  vor¬ 
züglich  überein.  Ein  Vergleich  mit  der  Soxhletextraktion  gibt 
annähernd  die  gleichen  Werte.  Bei  der  ersteren  Methode  muss 
natürlich  zu  den  gefundenen  Zahlen  die  Hälfte  zugezählt  werden, 
da  sie  nur  %  des  gesamten  Fettgehalts  darstellen.  Die  Zahlen 
von  2  Versuchen  lasse  ich  folgen: 

Suppe  a.  Fettsäure  Neutralfett  (nach  der  Verseifung  als  Fettsäure) 

mit  */ io  Normal-NaOH  titriert. 


20  ccm  f  1.  0,37  23,1 

mit  Aether  ausgeschüttelt  \  2.  0,37  23,1 

20  ccm  f  1.  0,65  24,0 

im  Soxhlet  24  Std.  extrah.  \  2.  0,6  21,0 

-  S  u  pjp  e  b. 

20  ccm  fl.  1,6  14,55 

mit  Aether  ausgeschüttelt  \  2.  0,8  14,55 

20  ccm  f  1.  0,75  14,2 

im  Soxhlet  24  Std.  extrah.  \  2.  0,75  14,1 


Zur  Kontrolle  habe  Ich  dann  in  2  Versuchen  den  nach  Ab¬ 
hebung  von  50  ccm  Aether  gebliebenen  Rest  nochmals  mit  50  ccm 
Aether  versetzt,  in  derselben  Weise  ausgeschüttelt  und  verseift. 

Versuch  a  b 

Ursprüngliche  ganze  Neutral-Fettmenge  (nach  der 


Verseifung)  mit  1I io  Normal-NaOH  titrirt  .  .  .  14,25  23 

nach  erneuter  Schüttelung  mit  50  ccm  Aether  in 

50  ccm  abgehobenem  Aether .  3,4  5,7 

nach  Berechnung  mussten  darin  sein  2/g  des 

ganzen  =  2,2  5,1 


Also  nennenswerte  Mengen  Fett  konnten  durch  erneutes  Aus¬ 
schütteln  mit  Aether  nicht  gewonnen  werden.  Wenn  es  auch 
hier  nicht  auf  absolute  Zahlen  ankommt,  so  ist  es  immerhin  von 
Interesse,  sich  von  der  Genauigkeit  der  Methode  auch  für  quanti¬ 
tative  Bestimmungen  zu  überzeugen.  Dass  HCl  nicht  in  stören¬ 
der  Menge  in  den  Aether  übergeht,  erhellt  schon  aus  den  fol¬ 
genden  Zahlen;  ich  habe  mich  davon  auch  noch  durch  Versuche 
mit  stärkeren  HCl-Lösungen  überzeugt. 

Behält  nun  die  Suppe  im  Magen  diese  gleichmässige  Fett¬ 
verteilung  bei  und  mischt-  sie  sich  so  mit  dem  Sekret,  dass  sie 
sich  nicht  absetzt?  Denn  es  ist  klar,  dass  man  nur  so  von  einer 
bestimmten  Menge  ausgeheberten  Inhalts  aus  dem  Fettgehalt  die 
Menge  der  Suppe  bestimmen  kann,  die  darin  ist.  Dies  schien 
mir  nun  a  priori  sehr  unwahrscheinlich;  denn  schon  wenn  bei  der 
Bereitung  der  Suppe  nur  wenig  mehr  Wasser  als  vorgeschrieben 
genommen  wurde,  zeigte  sie  eine  bedenkliche  Neigung  zum  Ab- 
sedimentieren.  Wenn  nun  nach  Sahlis  Berechnung  im  Magen 
mindestens  die  gleiche  Menge  Saft  hinzutritt,  so  ist  ein  Ab¬ 
sedimentieren  zu  erwarten.  Ich  habe  nun  zu  meinen  Versuchen 
nur  Patienten  genommen,  die  grössere  Rückstände  hatten,  weil 
naturgemäss  bei  diesen  ein  Absedimentieren  am  leichtesten  fest¬ 
zustellen  ist;  für  die  letzteren  Versuche  sind  natürlich  nur 
solche  zu  brauchen.  Selbstverständlich  überzeugte  ich  mich  vor¬ 
her  zuerst,  dass  der  Magen  leer  war.  Zunächst  habe  ich  nun  die 
Suppe  1  h.  p.  exprimieren  lassen,  dann  sofort  in  einen  Schüttel¬ 
trichter  gefüllt,  die  Flüssigkeit  einen  Augenblick  zur  Ruhe 
kommen  lassen  und  in  verschiedenen  Portionen  den  Fettgehalt 
bestimmt.  Schon  äusserlich  war.  eine  Schichtung  deutlich. 


Versuch  I. 

Atonie  mit  guten  Aziditäten. 


mit  il io  Normal-NaOH  titi 

Suppe  1  .  . 

1,3 

23,1 

„  2 . 

0,7 

23,1 

Mageninhalt : 

oberste  Schicht  .  .  . 

0,7 

6,7 

mittlere  „ 

0,75 

15,0 

unterste  |f  ... 

0,9 

14,25 

Versuch  II. 

Derselbe  Pat. 


Suppe  1  . 

0,37 

22,25 

„  2 . 

Mageninhalt : 

0,3 

22 

oberste  Schicht  .  . 

1,6 

18 

mittlere  „  .  . 

1,8 

17,7 

unterste  „  .  . 

1,9 

Versuch  III. 

21 

Hyperazidität, 

motor.  Insuffizienz. 

Suppe  1  . 

0,3 

31,7 

„  2 . 

Mageninhalt : 

0,3 

33,7 

zuerst  exprimiert  . 

2,4 

38,5 

unterste  Schicht  . 

1,1 

6,Y 

mittlere  ,. 

0,9 

3,3 

oberste  „ 

1,6 

49,6 

Im  1.  Versuch  besteht  also  eine  ausgesprochene  Schichtung 
des  Fettes,  im  2.  stimmen  die  Werte  einigermassen  überein,  den 
3.  führe  ich  nur  an,  um  zu  zeigen,  welch  grosse  Fehler  durch 
eine  nicht  ganz  vorschriftsmässige  Bereitung  der  Suppe  ent¬ 
stehen.  Die  Suppe  war  zu  dick  und  zeigte  einige  dickere 
Brocken.  So  kommen  Werte  zu  stände,  die  den  Fettgehalt  der 
Suppe  beträchtlich  übersteigen.  Indessen  kann  man  auch  gegen 
die  beiden  ersten  Versuche  einwenden,  dass  die  Flüssigkeit  im 
Magen  nicht  so  zur  Ruhe  komme,  wie  in  einem  Scheidetrichter 
auch  nur  bei  ganz  kurzem  Stehen.  Immerhin  geht  doch  daraus 
hervor,  dass  die  Neigung  zum  Absedimentieren  in  hohem  Grade 
besteht. 

Ich  habe  dann  dieselben  Versuche  gemacht,  wie  Koziczko- 
w  s  k  y  3).  Ich  habe  bei  Patienten,  die  an  die  Einführung  der 
Sonde  gewöhnt  waren  und  nicht  würgten,  den  Magenschlauch 
langsam  eingeführt  und  aspiriert,  nachher  exprimieren  lassen. 
Beide  Teile  werden  für  sich  bestimmt.  Den  exprimierten  Teil 
habe  ich  geschüttelt  und  so  den  mittleren  Fettgehalt  bestimmt. 


Versuch  I. 

Atonie,  gute  Azidität. 

Fettsäure  Neutralfett(nach  der  Verseifung  alsFcllsaure) 
mit  io  Normallauge  titriert: 

Suppe  l .  0,4  16,5 

„  2 .  0,3  17,2 

Mageninhalt : 

zuerst  exprimiert  ....  0,6  6,3 

mittlere  Werte  des  Restes  0,8  10,2 

Versuch  II. 

Motor.  Insuffizienz  und  Hyperazidität, 

Suppe  1  .  0,3  23,4 

,  2  .  0,4  22,0 

Mageninhalt : 

zuerst  exprimiert  ....  0,45  5,4 

mittlere  Werte  des  Restes  0,5  10,2 


V 

Derselbe  Pat. 

Suppe  1  . 

,,  2 . 

Mageninhalt: 

zuerst  exprimiert  .... 

mittlere  Werte  des  Restes 


r  s  u  c  h  III. 


0,45 

16,95 

0,6 

17,0 

0,75 

12,6 

0,75 

7,35 

Derselbe  Pat. 
Suppe  1  .  .  .  . 


Mageninhalt : 
zuerst  exprimiert  .  .  . 
mittlere  Werte  des  Restes 
dto . 


Versuch  IV. 


0,45 

29,4 

0,45 

29,4 

0,75 

4,6 

0,9 

5,4 

0,9 

6,1 

In  allen  Fällen  finden  wir  also  einen  völlig  verschiedenen 
Fettgehalt  in  dem  zuerst  Ausgeheberten  und  in  dem  Mittel  des 
Restes.  Ich  komme  also  zu  dem  gleichen  Resultat  wie  K  o  - 
ziezkowsky,  dass  die  Fettverteilung  im  Magen,  wenigstens 
für  viele  Fälle,  keine  gleichmässige  ist.  Dies  ist  aber  die  Grund¬ 
bedingung  der  Methode. 

Ich  bemerke  noch,  dass,  wie  aus  den  Versuchsprotokollen 
hervorgeht  und  bereits  von  Seiler  nachgewiesen  ist,  eine  Fett¬ 
spaltung  merkwürdigerweise  nicht  oder  nur  in  ganz  geringem 
Grade  zu  konstatieren  ist.  Es  muss  das  wohl  durch  die  eigen¬ 
tümliche  Bindung  des  Fettes  an  das  Mehl  bedingt  sein. 


2)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  42  u.  43. 


3)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1902,  No.  26. 


1* 


17S8 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


No.  43. 


Endlich  möchte  ich  noch  eines  Versuches  erwähnen.  Bei 
einer  Patientin  fand  sich  bei  den  Ausheberungen  der  Mehlsuppe 
%  h.  bezw.  1  h.  p.  c.  keine  freie  HCl.  Bei  Probefrühstück  hatte 
sie  die  Werte  34  bezw.  49  Gesamtazidität,  25  bezw.  32  freie 
HCl,  bei  Probemahlzeit  3  h.  p.  124!  Gesamtazidität  und  36  freie 
HCl.  Schon  dieser  eine  Fall  lässt  Zweifel  aufkommen,  ob  die 
Mehlsuppe  überhaupt  eine  geeignete  Probemahlzeit  für  alle 
Fälle  ist. 

Wie  sieht  es  nun  weiter  mit  den  mittels  der  Sahli  sehen 
Methode  gewonnenen  Resultaten  aus?  Die  wenigen  Fälle,  die 
Se  i  1  e  r 4)  anführt,  scheinen  mir  nicht  entscheidend.  Insbeson¬ 
dere  vermisse  ich  mehrfache  Untersuchungen  an  demselben  Pa¬ 
tienten.  Stimmen  die  einzelnen  Untersuchungen  überein, 
stimmen  sie  auch  nur  annähernd  überein,  wie  die  Bestimmungen 
der  alten  Methode? 

Koziczkowsky  hat  derartige  Versuche  gemacht  und 
fand  bei  denselben  Versuchspersonen  Werte  für  die  Azidität  des 
reinen  Magensaftes,  die  zwischen  6,9  und  1,8  Prom.  schwankten. 
Nun  scheint  mir  allerdings  die  Versuchsperson  nicht  sehr  glück¬ 
lich  gewählt.  Denn  wenn  die  Motilität  so  grosse  Schwankungen 
zeigt,  dass  einmal  1  h.  p.  mehr  Inhalt  da  ist,  als  eingeführt 
wurde,  das  anderemal  76  ccm,  so  wäre  es  nicht  wunderbar,  wenn 
auch  die  Sekretion  grössere  Schwankungen  zeigte. 

Dagegen  möchte  ich  einige  Zahlen  als  Beispiel  für  die 
ausserordentliche  Konstanz  der  Resultate  der  alten  Methoden  in 
vielen  Fällen  anführen.  Ich  habe  dieselben  nicht  besonders  aus¬ 
gewählt,  sondern  die  erste  grössere  Untersuchungsreihe,  die  mir 
in  die  Hand  kam,  genommen  ;  ich  könnte  zahlreiche  andere  ähn¬ 
liche  aus  den  Protokollen  über  die  Magenuntersuchungen  der 
Klinik  anführen.  Es  handelt  sich  um  einen  Magen  mit  guter 
Azidität  und  leichter  Motilitätsstörung.  Es  wurden  an  ver¬ 
schiedenen  Tagen  Probefrühstücke  1  h.  p.  ausgehebert  und  fol- 


gende  Werte  festgestellt: 

Menge 

ccm 

Gesamtazidität  freie  HCl 

in  1  /io  Normal-NaOH. 

1. 

140 

59 

33 

2. 

150 

55 

36 

3. 

80 

51 

38 

4. 

150 

51 

37 

Derartige  Fälle  scheinen  mir  die  geeigneten,  eine  Methode 
wie  die  Sahli  sehe  auf  ihre  Brauchbarkeit  zu  prüfen;  wir 
müssen  von  ihr  verlangen,  dass  sie  ebenso  gleichmässige  Re¬ 
sultate  liefert.  Das  dürfte  aber  nach  den  Untersuchungen 
Koziczkowsky  s  und  meinen  eigenen  schwerlich  zu  er¬ 
warten  sein. 

Obgleich  damit  eigentlich  auch  unsere  zweite  Frage,  ob  die 
neue  Methode  bessere  Aufschlüsse  über  die  Magenfunktionen  wie 
die  bisher  üblichen  gibt,  erledigt  ist,  so  sei  es  mir  doch  gestattet, 
sie  in  dem  Sinne  zu  erörtern,  was  wir  überhaupt  von  einer  Me¬ 
thode  im  Sinne  der  Sahli  sehen  gegenüber  unseren  früheren, 
von  Sahli  so  geringschätzig  beurteilten,  zu  erwarten  haben. 
Eine  Methode,  die  nur  für  einzelne  Fälle,  nicht  aber  für 
alle  Fälle  Anhaltspunkte  über  die  Magenfunktionen  gibt,  ist 
meines  Erachtens  völlig  unbrauchbar.  Denn  wie  soll  man  vorher 
wissen,  welche  Fälle  hiefür  geeignet  sind,  welche  nicht? 

Ich  behaupte  dagegen:  Die  alten  Methoden  sind  für  alle 
Fälle  brauchbar.  Nähere  Aufschlüsse  durch  eine  neue  Methode 
wären  in  einzelnen  Fällen  gewiss  erwünscht. 

Sahli  meint,  die  Aziditätswerte,  die  wir  mit  den  üblichen 
Bestimmungen  finden,  seien  von  verschiedenen  Faktoren  ab¬ 
hängig.  Gewiss.  Die  Azidität  ist  gleichsam  die  Resultierende 
aus  den  verschiedensten  Komponenten.  Trotz  dieser  kompli¬ 
zierten  Verhältnisse  finden  wir  bei  demselben  Menschen  so 
häufig  stets  dieselben  Werte;  ich  habe  oben  ein  derartiges  Bei¬ 
spiel  angeführt.  Soll  man  da  annehmen,  dass  die  verschiedenen 
I  aktoren,  aus  welchen  die  Azidität  resultiert,  stets  absolut  gleich 
sind?  Mir  scheint  das  nicht  sehr  wahrscheinlich.  Aber  auch 
bei  verschiedenen  Patienten  mit  normalem  Magen  stimmen  die 
Aziditätsbestimmungen  gut  überein,  wenn  auch  der  eine  relativ 
viel,  der  andere  wenig  Rückstände  hat,  die  Zahlen  sind 
in  gewissen  Breiten  dieselben.  Das  scheint  mir  doch  ein 
Beweis,  dass  unter  normalen  Verhältnissen  die  Magen¬ 
sekretion  sich  der  Motilität  anpasst;  wir  finden  beim  ge¬ 
sunden  Menschen  keine  niedrigeren  Werte  bei  relativ  grösseren 


Rückständen.  Es  ist  also  doch  klar,  dass  der  Magen  bedeutend 
viel  mehr  Saft  abgesondert  hat,  als  bei  einem  Menschen,  bei 
dem  etwa  nach  %  Stunden  kaum  noch  ein  paar  Kubikzentimeter 
zu  erhalten  sind.  Nachdem  P  a  w  1  o  w ")  die  ausserordentlich 
wunderbare  Anpassung  des  Magens  an  die  Nahrung  festgestellt,, 
so  ist  es  doch  selbstverständlich,  dass  die  Sekretion  eben  dem 
Inhalt  angepasst  verläuft,  der  sich  gerade  im  Magen  befindet. 
Exprimiert  der  Magen  seinen  Inhalt  schnell,  so  wird  die  Sekretion 
auch  bald  schwächer  werden.  Dasselbe  gilt  von  der  Resorption 
der  Eiweisskörper.  Berechnet  Sahli  bei  einem  Magen,  der 
nach  den  alten  Bestimmungen  normale  Werte  hat,  dass  er  weniger 
als  normal  absondert,  dass  also  der  Magen  pathologisch  ist,  so 
scheint  mir  dem  Magen  unrecht  zu  geschehen,  der  nach  physio¬ 
logischen  Gesetzen  ebensoviel  absondert,  als  genügt.,  um  die 
nötigen  Säuregrade  hervorzurufen.  Tut  er  die  s  nicht,  sondert 
er  weniger  oder  mehr  ab,  so  wird  der  Mageninhalt  eben  sub- 
oder  hyperazid,  dann  ist  die  Sekretion  meiner  Meinung  nach 
pathologisch.  Ob  er  absolut  viel  oder  wenig  absondert,  kann  uns 
zunächst  einerlei  sein,  wenn  er  nur  seine  Aufgabe  erfüllt.  Frei¬ 
lich  muss  man  sich  bewusst  bleiben,  dass  man,  wenn  man  von 
Hyperazidität  oder  Subazidität  spricht,  damit  nicht  aus¬ 
drückt,  dass  der  Magensaft,  der  abgesondert  wird,  hyper¬ 
azid  oder  subazid  ist,  sondern  nur,  dass  der  Magen  zu 
viel  oder  zu  wenig  Säure  für  den  jeweiligen  Inhalt  ab¬ 
sondert.  Dabei  leugne  ich  nicht,  dass  es  wünschenswert 
wäre,  eine  Methode  zu  besitzen,  die  uns  darüber  auf¬ 
klärte,  ob  diese  Ilyperazidität  durch  eine  vermehrte  Sekretion 
oder  durch  Hyperazidität  des  Sekrets  entstanden  wäre. 

Wenn  dagegen  die  Azidität  bei  den  verschiedenen 
Probemahlzeiten  normal  ist,  so  halte  ich  es  für  ausgeschlossen, 
dass  die  Sekretion  pathologisch  ist.  Es  kommen  hier  die  sog. 
nervösen  Magenstörungen  in  Betracht  (subjektive  Beschwerden 
bei  normalem  Befund).  Dieselben  sind  in  unserer  Klinik  eine 
ziemliche  Seltenheit.  Dass  es  wirklich  rein  nervöse,  besser  nach 
Strümpell6)  psychogene  Magenstörungen  gibt,  wird  wohl  nie¬ 
mand  bestreiten. 

Was  die  Beurteilung  der  Motilität  nach  der  Menge 
des  Mageninhalts  betrifft,  so  ist  die  Abhängigkeit  dieser 
von  der  Sekretion  nicht  zu  leugnen ;  trotzdem  können  wir 
im  allgemeinen  doch  aus  der  Menge  des  Rückstandes  Schlüsse 
auf  die  Motilität  machen.  Dies  dürfen  wir  um  so  mehr, 
wenn  wir,  wie  es  an  der  hiesigen  Klinik  von  jeher  üblich, 
ausser  dem  E  w  a  1  d  sehen  Probefrühstück  auch  die  Riegel- 
sche  Probemahlzeit  geben  und  je  nach  dem  Fall  die  Zeit  der  Aus¬ 
heberung  wählen.  Auch  hier  gebe  ich  zu,  dass  eine  Methode  für 
einzelne  Fälle  sehr  wertvoll  wäre,  Motilitätsstörungen  von 
solchen  Fällen  unterscheiden  zu  können,  wo  eine  vermehrte  Menge 
durch  stärkere  Verdünnung  von  seiten  des  Magens  entstanden 
wäre. 

„Die  vermeintliche  Exaktheit  der  bisherigen  Untersuchungs¬ 
methoden“  scheint  mir  demnach  keine  „Täuschung“  zu  sein. 
Sie  genügen  sicher  für  die  meisten  Fälle,  nicht  nur  für  einzelne. 

Aus  dem  Gesagten  geht  schon  hervor,  für  welche  Fälle 
meiner  Ansicht  nach  die  neue  Methode  erwünscht  wäre. 

Dagegen  scheint  es  mir  von  vornherein  zweifelhaft,  ob  man 
aus  der  Berechnung  der  Menge  und  besonders  der  Azidität  des 
reinen  Sekrets  ohne  weiteres  für  die  Diagnose  brauchbare  Re¬ 
sultate  bekommt.  Die  „Sekretion“  ist  doch  nichts  Einheitliches, 
setzt  sich  vielmehr  aus  verschiedenen  Faktoren  zusammen:  aus 
der  eigentlichen  spezifischen  Magensekretion  (mit  HCl  und  Fer¬ 
menten)  und  der  Verdünnung,  welche  durch  einfache  Osmose 
und  die  dem  Magen  eigentümliche  Fähigkeit,  Flüssigkeiten 
hypotonisch  (bezogen  auf  das  Blut)  zu  machen,  zu  stände  kommt7). 
Wie  weit  sich  diese  Faktoren  an  der  Bildung  des  „Sekrets“  be¬ 
teiligen,  wie  sie  zeitlich  nebeneinander,  wie  sie  bei  den  verschie¬ 
denen  Mägen  verlaufen,  wissen  wir  einstweilen  noch  nicht.  Dass 
beide  unabhängig  von  einander  verlaufen  können,  ist  bekannt. 
Dass  aber  diese  Verhältnisse  gerade  für  die  Aziditätsbestimmung 
des  Sekrets  nach  Sahli  eine  grosse  Rolle  spielen,  liegt  auf  der 
Hand.  Es  wäre  z.  B.  möglich,  dass  bei  einem  Magen  die  Ver¬ 
dünnung  des  Mageninhalts  durch  die  spezifische  Sekretion  hinter 
der  anderen  zurückbliebe,  die  Quantität  und  Qualität  könnte 

°)  Die  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen.  Wiesbaden  1898. 

c)  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  73. 

*)  Cf.  St  rau  ss  u.  Roth:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  37. 


4)  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  71  u.  72, 


28.  Oktober  1902. 


1789 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


völlig'  normal  sein,  nach  Sahli  würde  eine  Subazidität  eventuell 
mit  „Hypersekretion“  diagnostiziert  werden,  was  mir  nicht  be¬ 
rechtigt  scheint.  Im  umgekehrten  Falle  hätten  wir  eine  Hyper¬ 
azidität  s). 

Auch  kann  man  sich  auf  diese  Weise  sehr  wohl  den  Fall 
von  „paradoxer  oder  perverser“  Sekretion,  den  Sahli  beschreibt, 
erklären,  natürlich  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Berech¬ 
nung  der  Aziditäten  des  reinen  Sekrets  richtig  wäre.  Es 
bestand  eine  Hypersekretion,  der  Patient  hatte  Morgens 
nüchtern  ein  stark  azides  Sekret  im  Magen.  Wurde  er  nach 
Probemahlzeit  ausgehebert,  so  war  bei  normaler  Menge  das  Se¬ 
kret  nur  schwach  azid.  Es  trat  eben  eine  stärkere  Verdünnung 
ein,  während  die  Ausscheidung  der  Säure  relativ  zurückbliab. 
Diese  Erklärung  erscheint  mir  ungezwungener,  als  die  Annahme, 
dass  die  Nahrungsaufnahme  hemmend  auf  die  Sekretion  ein¬ 
wirkte. 

Vorläufig  dürften  also  wohl  unsere  alten  Methoden  der 
Funktionsprüfungen  des  Magens  noch  ihre  Rechte  behalten  und 
ich  glaube,  sie  werden  auch  stets  die  wichtigsten  bleiben,  wenn 
auch  eine  Methode  im  Sinne  der  Sahli  sehen  für  einzelne  Fälle, 
besonders  aber  für  das  Studium  mancher  Fragen,  von  aller¬ 
grösstem  Werte  wäre. 

Zum  Schlüsse  sage  ich  meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn 
Geheimrat  Riegel,  meinen  aufrichtigsten  Dank  für  die  An¬ 
regung  zu  dieser  Arbeit  und  das  Interesse  an  derselben. 


Ein  weiterer  Beitrag  zur  Behandlung  des  nomatösen 
Brandes  durch  Exzision  des  erkrankten  Gewebes. 

Von  Prof.  Dr.  H.  v.  Ranke. 

In  einem  Vortrage,  den  ich  im  Herbst  1900  in  der  Sektion 
für  Kinderheilkunde  der  Naturforscherversammlung  zu  Aachen 
hielt  (vergl.  diese  Wochenschrift  1900,  S.  1485),  teilte  ich  3  Fälle 
von  Noma  faciei  mit,  welche  in  unmittelbarer  Auf¬ 
einanderfolge,  durch  Exzision  des  brandigen  Gewebes,  mit 
nachfolgender  Verschorfung  durch  den  Thermokauter,  geheilt 
wurden. 

Dieser  therapeutische  Erfolg  stand  in  schneidendem  Gegen¬ 
satz  zu  meinen  früheren  Erfahrungen  mit  den  sonst  üblichen, 
weniger  eingreifenden  und  in  ihrer  Wirkung  weniger  kontrollier¬ 
baren  Behandlungsmethoden,  mit  welchen  ich  bisher  meine 
sämtlichen  Fälle  von  Noma  faciei  ohne  Ausnahme  durch  den 
Tod  verloren  hatte. 

Bei  der  Seltenheit  von  Noma  in  München  war  es  nicht  auf¬ 
fallend,  dass  erst  im  Laufe  dieses  Jahres  wieder  ein  Fall  von 
Noma  in  meine  Klinik  aufgenommen  wurde. 

Der  Fall  betraf  ein  3  jähriges,  schlecht  genährtes  Mädchen, 
das  am  4.  Tage  nach  Ausbruch  der  Masern  an  Noma  der  Geni¬ 
talien  und  des  Afters,  sowie  der  beiden  Schenkelbeugen  erkrankte 
und  durch  gründliche  Exzision  alles  Erkrankten,  im  gesunden 
Gewebe,  glatt  geheilt  wurde. 

Dieser  4.  Fall  von  Heilung,  in  ununterbrochener  Reihen¬ 
folge,  beweist  mir,  dass  in  der  Tat  in  möglichst  frühzeitiger  und 
vollständiger  Exzision,  eventuell  Kauterisation,  des  Erkrankten 
der  Schlüssel  zur  Heilung  einer  bisher  fast  ausnahmslos  tödlich 
verlaufenden,  zweifellos  durch  lokale  Einwirkung  von  Mikro¬ 
organismen  erzeugten  Krankheit  gefunden  ist. 

Diesen  vierten  Fall  verdanke  ich  der  Güte  meines  Kollegen, 
Herrn  Prof.  Dr.  Wilhelm  Herz  o  g,  des  Vorstandes  unserer 
chirurgischen  Abteilung,  welcher  auch  die  Operation  ausführte. 

Der  Fall  war  am  22.  Juli  1902  in  die  chirurgische  Ab¬ 
teilung  unserer  Poliklinik  mit  der  eben  beginnenden  Affektion 
zur  poliklinischen  Behandlung  gebracht  worden.  Bereits  am 
folgenden  Tage  (24.  Juli)  hatte  der  Brand  erschreckende  Fort¬ 
schritte  gemacht,  wie  sie  auf  nachstehender  Photographie  er¬ 
sichtlich  sind. 

Als  mir  Herr  Kollege  Herzog  den  Fall  zeigte,  kamen  wir 
sofort  überein,  dass  hier  nur  eine  gründliche  Exzision  alles 
Brandigen,  im  gesunden  Gewebe,  möglicher  Weise  noch  Rettung 

bringen  könne. 

8)  Auf  unsere  gewöhnlichen  Methoden  haben  diese  Verhält¬ 
nisse  natürlich  auch  Einfluss,  jedoch  in  weit  geringerem  Grade, 
als  wenn  die  Aziditäten  auf  das  Sekret  umgerechnet  werden. 

No.  43. 


Die  Operation  wurde  in  Narkose  ausgeführt  und,  da  offen¬ 
sichtlich  alles  Erkrankte  entfernt  war,  wurde  von  Anwendung 
des  Thermokauters  abgesehen. 

Die  Patientin\wurde  dann  in  meine  Abteilung  aufgenommen. 

Der  Verlauf  war  ein  überraschend  günstiger.  An  keiner 
Stelle  zeigte  sich  weiterhin  noch  brandiger  Zerfall.  Der  Zer¬ 
störungsprozess  war  wie  mit  einem  Zauberschlage  an  allen  ver¬ 
schiedenen  Stellen  zum  Stillstand  gebracht,  und  die  Heilung 
vollzog  sich  unter  antiseptischer  Behandlung,  täglichen  Bädern 
und  kräftiger  Ernährung  ohne  jeden  Zwischenfall,  trotz  der 
grossen  ausgeschnittenen  Flächen,  auch  ohne  wesentliche  Ver¬ 
unstaltung,  wie  die  zweite  Abbildung  erkennen  lässt. 


Nachstehend  die  Krankengeschichte: 

Anna  B.,  eheliche  Tochter  eines  Schlossergehilfen,  3  Jahre 
3  Monate  alt,  erkrankte  am  18.  Juli  an  den  Masern;  4  Tage  später 
bemerkte  die  Mutter  brandige  Stellen  auf  der  Haut  der  Ge¬ 
schlechtsgegend. 

Am  24.  Juli  erfolgte  die  Aufnahme  in  die  Klinik  und  wurde 
folgender  S  t  a  t.  prae  s.  auf  genommen :  Kind  in  schlechtem  Er¬ 
nährungszustand,  Haut  und  Schleimhäute  blass.  Allgemein¬ 
befinden  stark  affiziert.  Am  ganzen  Körper  noch  ein  abgeblasstes 
Masernexanthem  erkennbar. 

Augen,  Nase  und  Ohren.  Eauces,  Herz,  Lungen,  Abdomen 
ohne  Besonderheiten. 

Im  oberen  Drittel  der  Innenseite  der  beiden  Oberschenkel 
ausgedehnte,  fast  handtellergrosse  brandige  Geschwüre,  ebensolche 
kleinere  an  der  Vulva  und  am  After.  Geschwüre  schwarzbraun 
verfärbt,  gangränös,  von  jauchig-brandigem  Geruch.  Temp.  38,4. 
Körpergewicht  11850  Gramm. 

Di  a  g  n  o  s  e:  Noma  post  Morbillos. 

Therapie:  Exzision  der  Geschwüre  in  ihrer  ganzen 
Flächen-  und  Tiefenausdehnung  bis  ins  gesunde  Gewebe;  teil¬ 
weises  Vernähen  der  Wundränder.  Feuchter  Verband  mit  Bor¬ 
lösung.  Möglichst  kräftige  Nahrung:  Milch,  Eier,  Wein.  Bad 
2  mal  täglich. 

25.  VII.  Es  wird  nur  sehr  wenig  Nahrung  genommen.  Harn 
mit  Blut  vermischt,  geringer  Husten.  Temp.  38,0 — 38,2. 

26.  VII.  Geringe  Sekretion  der  Wunden.  Wundränder  in¬ 
filtriert;  Temp.  38,2.  Es  wurden  einige  Nähte  entfernt.  Masern¬ 
exanthem  vollständig  verschwunden.  Kind  klagt  beim  Urinieren 
über  Schmerzen. 

27.  VII.  Wunden  von  gutem  Aussehen.  Appetit  besser. 
Temp.  37,9—38,0. 

28.  VII.  Allgemeinbefinden  bedeutend  besser.  Kind  beginnt 
im  Bett  zu  spielen.  Temp.  37,8.  Es  werden  wieder  einige  Nähte 
entfernt. 

29.  VII.  Allgemeinbefinden  dauernd  gut.  Normale  Temperatur. 

30.  VII.  Wunden  beginnen  zu  granulieren.  Es  werden  die 
letzten  Nähte  entfernt.  Aus  der  Vulva  geringer  Ausfluss.  Das 
Kind  erhält  T.  ferri  pom.  mit  Sirup  zu  gleichen  Teilen  3  mal 
täglich  12  Tropfen  und  Abends  1  Kinderlöffel  voll  Leberthran. 

1.  VIII.  Wunden  schon  bedeutend  kleiner,  zeigen  gute  Gra¬ 
nulationen.  Allgemeinbefinden  dauernd  gut,  reichliche  Nahrungs¬ 
aufnahme. 

8.  VIII.  Körpergewicht  12  S50  g. 

10.  VIII.  Da  die  Granulationen  stellenweise  stark  wuchern, 
werden  dieselben  mit  Lapis  leicht  geätzt. 

15.  VIII.  Wunden  von  heute  ab  trocken,  mit  Jodoform  und 
Acid.  bor.  pulv.  ää  verbunden.  . 

18.  VIII.  Wunden  bedeutend  verkleinert,  Allgemeinbefinden 
und  Appetit  dauernd  gut.  Temperatur  und  Urin  normal. 

21.  VIII.  Körpergewicht  13  600  g.  Die  Wunde  der  rechten 
Leistengegend  schon  bis  auf  ca.  1  cm  Breite  zugeheilt. 

26.  VIII.  Wunden  der  Vulva  und  des  Afters  seit  gestern,  die 
der  rechten  Inguinalgegend  seit  heute  geschlossen.  Die  Wunde 
der  linken  Inguinalgegend  etwa  in  der  Ausdehnung  eines  Zwanzig¬ 
pfennigstückes  noch  offen. 

Am  28.  VIII.  war  das  Körpergewicht  14  200  g,  am  5.  IX.  14  800 
und  am  13.  IX.  15  150  g. 


2 


179Ö 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43 


Nachstehende  Photographie  wurde  am  10.  IX.  anfgenommen 
und  zeigt  das  Kind  vollständig  geheilt. 


Beachtenswert  ist  noch  das  Körpergewicht.  Dasselbe  be¬ 
trug  am  Tage  der  Aufnahme,  24.  Juli,  11850  g  und  am  13.  Sep¬ 
tember  15150  g.  Das  Kind  hatte  also  während  seines  58  tägigen 
Aufenthaltes  in  der  Klinik  um  3300  g  zugenommen,  was  einer 
durchschnittlichen  täglichen  Zunahme  von  57  g  entspricht  oder, 
anders  ausgedrückt,  das  Körpergewicht  hatte  sieh  um  volle 
22  Proz.  vermehrt. 


Zur  Frage  der  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft.*) 

Von  M.  Graefe  in  Halle  a/S. 

In  unserer  Zeit,  in  welcher  die  Operationsmethoden  und  die 
Indikationen  zu  denselben  so  schnell  wechseln  und  die  Ansichten 
über  die  einen  wie  die  anderen  oft  weit  auseinander  gehen,  ist  es 
stets  mit  Freude  zu  begrüssen,  wenn  über  die  Anzeige  zu  einem 
operativen  Eingriff  eine  Einigung  erzielt  wird.  Dies  schien  hin¬ 
sichtlich  der  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft  der  Fall  zu 
sein.  Eine  Eierstocksgeschwulst  hei  einer  Schwangeren  galt 
während  der  letzten  Jahre  allgemein  als  eine  Indikation  für  die 
letztere. 

Von  langer  Dauer  ist  diese  Uebereinstimmung  nicht  ge¬ 
wesen.  Auf  der  Naturforscherversammlung  zu  Aachen  im  Sep¬ 
tember  1900  hat  sich  Fehling1 2)  wieder  im  gegenseitigen 
Sinn  ausgesprochen.  Er  sieht  eine  strikte  Indikation  zur  Opera¬ 
tion  nur  in  der  Stieldrehung  eines  Ovarialtumors  in  der  Schwan¬ 
gerschaft,  bei  Einklemmung  im  kleinen  Becken  oder  bei  rasch 
wachsenden  Eierstocksgeschwülsten,  welche  durch  ihre  Grösse  be¬ 
drohliche  Erscheinungen  hervorrufen.  Bei  Erstschwangeren,  bei 
Frauen,  welche  Kinder  gehabt,  aber  verloren  haben,  kurz  überall, 
wo  auf  das  Kindesleben  viel  ankommt,  rät  er,  die  Operation 
möglichst  hinauszuschieben;  bei  Frauen  dagegen,  wo  man  deut¬ 
lich  ein  starkes  Wachstum  der  Geschwulst  beobachtet,  in  Be¬ 
rücksichtigung  der  günstigeren  Prognose  der  früheren  Monate, 
so  bald  wie  möglich  zu  operieren.  Er  schliesst  mit  dem  Satz : 
„Die  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft  ist  also  durchaus  nicht 
der  Operation  einer  ungeborstenen  Graviditas  tubaria  unbedingt 
an  die  Seite  zu  stellen“. 

E  e  h  1  i  n  g  stützt  seine  von  dem  bisherigen  Standpunkt  ab¬ 
weichende  Haltung  auf  eine  auf  seine  Veranlassung  von 
W  ähmer  ')>  als  Fortsetzung  der  Oiehausen  sehen  und 
Dsirneschen  Zusammenstellung  auf  gestellte  Liste  von  130  Fällen 
von  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft,  Aus  derselben  ergibt 
sich  eine  mütterliche  Mortalität  von  5  Proz.,  eine  Unterbrechung 
der  Schwangerschaft  in  22,4  Proz.,  bezw.  unter  Hinzunahme  der 
durch  den  Tod  der  Mutter  zu  Grunde  gegangenen  Föten  in 
27,8  Proz.  der  Fälle.  Fehling  fügt  hinzu :  „Es  ist  aber  zu  be¬ 
denken,  dass,  wie  üblich,  mehr  nur  die  günstigen  Fälle  veröffent¬ 
licht  sind,  dass  ungünstige  Fälle  für  Mutter  und  Kind  wohl  mehr 
vorhanden  sind,  als  wir  wissen“.  Aus  dieser  Annahme  folgert 
er  keine  in  Zahlen  ausgedrückte  Erhöhung  der  Mortalität  der 
Mütter,  wohl  aber  eine  solche  der  Früchte  auf  33  Proz.  Was  ihn 
dazu  veranlasst,  diese  nicht  veröffentlichten  Schwangerschafts¬ 
unterbrechungen  gerade  mit  5,2  Proz.  zu  berechnen,  erwähnt  er 
nicht. 


*.)  Nach  einem  in  der  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  zu  Leipzig 
am  1<>.  VI.  02  gehaltenen  Vortrag. 

’)  Centralbl.  f.  Gynäk.  1900.  S.  1044  und  Deutsche  Aerzte- 
zeitung  1900,  S.  497. 

2)  Beiträge  zur  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft.  Dissert., 

Halle  1900. 


Schon  Orgler3)  hat  sich  gegen  eine  derartige,  ganz  will¬ 
kürliche  Schätzung  ausgesprochen.  Wollte  man  sie  zulassen,  so 
würde  statistischen  Berechnungen  jede  feste  Grundlage  entzogen. 
Sehr  mit  Recht  weist  Orgler  darauf  hin,  dass  es  zweifellos 
auch  manche  Operateure  geben  wird,  welche  es  für  überflüssig 
halten,  durch  Veröffentlichung  ihrer  glücklichen  Fälle  das  zu 
Gunsten  der  Operation  sprechende  Material  noch  zu  vermehren. 
Anhänger  der  uneingeschränkten  Ovariotomie  in  der  Schwanger¬ 
schaft  könnten  daher  schliesslich  mit  demselben  Recht  die  Sta¬ 
tistik  zu  ihren  Gunsten  aufbessern.  Es  ist  aber  nicht  angängig, 
dass  wir  bei  Entscheidungen  auf  grund  einer  Statistik  in  die 
letztere  nach  Gutdünken  Faktoren  einstellen.  Wir  müssen  uns 
streng  an  das  tatsächliche  Material  halten.  Je  grösser  dieses  ist, 
um  so  geringer  werden  die  stets  vorhandenen  Fehlerquellen  sein. 
Aus  diesem  Grunde  möchte  ich  die  jüngst  von  Orgler  ver¬ 
öffentlichte  Tabelle  um  27  weitere  Fälle  vermehren,  von  denen 
ich  3  selbst  beobachtet  habe,  die  übrigen  seit  dem  Erscheinen  der 
Orgl  ersehen  Arbeit  veröffentlicht  worden  sind.  Ich  lasse 
nachstehend  zunächst  die  eigenen  Beobachtungen  ausführlich 
folgen. 

1.  Frau  E.,  25  Jahre  alt.  I.  Para.  Normale  Geburt  vor 
<i  Wochen.  Stand  bereits  am  6.  Tag  p.  part.  auf.  Nährte.  Suchte 
ärztliche  Hilfe  wegen  geringer  Blutung  und  Kreuzschmerzen  nach. 
Pntersuchung  ergab  damals  einen  schlecht  involvierten  Uterus, 
links  neben  ihm  einen  kindskopfgrossen,  beweglichen  Ovarial¬ 
tumor.  Die  genannten  Beschwerden  verschwanden  bei  Bettruhe 
und  innerlichem  Gebrauch  von  Ergotin.  Die  angeratene  Operation 
verweigerte  Patientin,  da  sie  ihr  Kind  nährte  und  der  Sommer 
vor  der  Türe  stand.  Erst  nach  Ablauf  eines  Jahres,  während 
dessen  sie  sich  angeblich  wohl  befunden  haben  wollte,  liess  sie  mich 
rufen,  nachdem  am  Morgen  plötzlich  heftige  Unterleibsschmerzen 
und  Erbrechen  aufgetreten  waren.  Sie  gab  an,  im  VI.  Monat 
schwanger  zu  sein.  Bei  der  Untersuchung  fand  sich  das  Abdomen 
auf  Druck  sehr  empfindlich.  Der  wie  im  III.  Monat  der 
Schwangerschaft  vergrösserte  Uterus  war  stark  autefiektiert;  ihm 
aufliegend,  hauptsächlich  die  linke  Unterleibsseite  ausfüllend,  fand 
sich  ein  mannskopfgrosser,  schmerzhafter  Tumor.  Erst,  als  sich 
in  den  nächsten  2  Tagen  die  peritonealen  Reizerscheinüngen  ver¬ 
schlimmerten,  willigte  die  Patientin  in  die  Ueberführung  in  das 
Diakonissenhaus  ein.  Bei  Eröffnung  des  Abdomens  quoll  sofort 
reichlicher,  blutig  fingierter  Aszites  hervor.  Das  Kystom  war 
überall  flächenhaft  adliäreut.  doch  Hessen  sich  die  Verwachsungen 
leicht  mit  der  Hand  lösen.  Nachdem  die  Cyste  eröffnet  und  ihr 
gleichfalls  blutiger  Inhalt  entleert  worden,  wurde  sie  vorgezogen. 
Es  zeigte  sich  der  Stiel  zweimal  torquiert,  blauschwarz,  ungefähr 
5  cm  dick.  Er  wird  dicht  am  Uterus  abgebunden.  Dabei  ergab 
sich,  dass  er  infolge  völliger  Durchblutung  ganz  morsch,  das  ihn 
bekleidende  Peritoneum  sehr  zerreisslicli  war.  Schluss  der  Bauch¬ 
höhle.  Ungestörter  Heilungsverlauf.  Keine  Wehen  p.  op.  Pa¬ 
tientin  wurde  nach  3  Wochen  entlassen.  Normale  Geburt  am 
rechtzeitigen  Termin. 

2.  Frau  Scli.,  II.  Gravida.  Erste  Geburt  vor  1  Jahr,  verlief 
normal,  desgleichen  das  Wochenbett.  Nährt  noch.  Hat  die  Menses 
3  mal  seit  der  Entbindung  regelmässig  gehabt.  Letzte  am  17.  VII. 
Seit  kurzer  Zeit  Rücken-  und  wehenartige  Unterleibsschmerzen. 
2—3  Tage  anhaltende  Obstipation,  Aufstossen,  zeitweis  Erbrechen. 
Häufiger  Urindrang.  Drängen  nach  unten.  Untersuchung  am 
2b.  IX.  ergibt  das  Corpus  uteri  autefiektiert.  entsprechend  dem 
II.  Monat  der  Schwangerschaft  vergrößert.  Hinter  ihm,  bis  nahe 
an  das  hintere  Scheidengewölbe  reichend,  ein  mehr  als  faust¬ 
grosser,  praller,  druckempfindlicher  Tumor,  welcher  sich  ohne  Ge¬ 
walt  nicht  nach  oben  schieben  lässt.  Kolpotomia  post,  durch 
Längsschnitt.  Bei  Druck  von  den  Bauchdecken  her  stellt  sich  die 
Cyste  in  den  durch  eine  hintere  Spiegelrinne  zugänglich  gemachten 
Douglas  ein.  Sie  wird  angestochen.  Es  entleert  sich  schleimig1 
Flüssigkeit.  Leichte  Entwicklung  des  mit  einer  Klemme  ge¬ 
fassten  Cystensackes  bis  zum  Tubenwinkel.  Abbinden  des  Stiels 
mit  Ivatgut.  Abtragen  des  Cyste.  Reposition.  Schluss  der  Kolpo- 
tomiewunde  bis  auf  den  untersten  Wundwinkel,  in  den  ein  ganz 
kleiner  Jodoformgazestreifen  gelegt  wird,  da  hier  das  Peritoneum 
ausgerissen  und  nicht  zu  vereinigen  ist.  Am  ersten  Tag  in  längeren 
Zwischenräumen  ganz  leise,  wehenartige  Schmerzen.  Deswegen 
3  mal  Tct.  Op.  simpl.  glitt.  X.  Fieberloser  Heilungsverlauf.  Ent¬ 
lassung  der  I'at.  am  14.  Tag  p.  op.  Schwangerschaft  ungestört. 
Pat.  ist  laut  brieflicher  Mitteilung  am  normalen  Termin  spontan 
niedergekommen. 

3.  Frau  A.,  35  Jahre  alt.  Verheiratet  seit.  4  Jahren.  In  dieser 
Zeit  3  normale  Geburten.  Das  letzte  Wochenbett  scheint  nicht, 
ganz  fieberlos  verlaufen  zu  sein.  Letzte  Menses  Ende  Oktober. 
Seit  ungefähr  3  Wochen  Rücken-  und  rechtsseitige,  wehenartige 
Unterleibsschmerzen.  Kombinierte  Untersuchung  ergibt  einen  dem 
Ende  des  II.  Schwangerschaftsmonates  entsprechend  vergrösserten 
Uterus.  Hinter  ihm  im  Douglas,  mehr  nach  rechts  gelagert,  ein 
faustgrosser,  prallelastischer  Tumor,  welcher  sich  ohne  Gewalt¬ 
anwendung  nicht  nach  oben  schieben  lässt.  Kolpotomia  post, 
durch  Längsschnitt.  Einstellen  des  Tumors  durch  Druck  von 
oben  nach  Einführen  einer  Rinne  in  den  Douglas.  Durch  An- 


3)  Zur  Prognose  und  Indikation  der  Ovariotomie  in  der 
Schwangerschaft.  Arch.  f.  Gynäkol.  <15.  II.  1,  pag.  124. 


28.  Oktober  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1791 


stechen  entleert  sieh  kolloide  Flüssigkeit.  Leichtes  Verziehen  des 
erschlafften  Cystensackes.  Abbinden  des  Stiels  mit  Katgut  Ab¬ 
tragung  der  Cyste.  Uebernähen  des  Stumpfes  mit  Peritoneum. 
Reposition.  Schluss  der  Vagmal  wunde.  Im  Laufe  des  nächsten 
Tages  mehrmals  von  der  Patientin  als  schwach  wehenartig  be- 
zeichnete  Schmerzen,  welche  nach  Tct.  op.  simpl.  verschwinden 
darter  Heilungsverlauf.  Entlassung  am  20.  Tag  p.  0p.  Schwanger¬ 
schaftsverlauf  bisher  ungestört  (VI.  Monat).3*) 


Die  nachstehende  Tabelle  enthält,  genau  wie  die  Or  gl  ersehe 
angeordnet,  die  24  von  mir  aus  der  Literatur  gesammelten  und 
die  3  mehligen  Fälle.  Die  laufende  Nummer  schliesst  sich  der 
letzten  O  r  g  1  e  r  sehen  an. 


Resultat  für 

Unterbrechung  dei 

?-1 

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Operateur  und  Publikation 

die 

Mutter 

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14) 

Bossi,  La  gynicol.  V.  No.  6 
Frommei ,  Bericht  1900  S.  742 

VI. 

+ 

— 

— 

— 

4- 

— 

Kindskopfgrosser  Tumor.  Kompressions- 

150 

Derselbe,  ebendaselbst 

VI. 

+ 

4- 

erscheinungen.  Leichte  Wehen  p.  op. 

Mannskopfgrosser  'lumor.  Leichte  Wehen 

151 

Jarmann,  The  Amer.  Journ. 
of  Obst.  Bd.  XLII  S.  244 

III. 

4- 

— 

— 

— 

4- 

— 

p.  op. 

152 

Derselbe  ,  ebendaselbst 

VIII. 

4- 

— 

— 

4 

— 

— 

— 

Im  II.  M.  wallnussgrosser  Tumor  bemerkt. 

Wuchs  sehr  schnell  (Dermoid).  Fiüh- 

153 

Quenu,  Compt. rend  delasoc. 
d’obstr.,  de  gyn  et  de  päd.  II. 
S.  144 

IV. 

4- 

— 

+ 

— 

— 

— 

gehurt  3  Wochen-  p.  op. 

Dermoid.  Aboit  am  Tag  p.  op.,  die  nicht 
schwierig. 

154 

Sapalli-Frommel,  Bericht 
1900  S.  751 

VI. 

+ 

— 

4- 

— 

— 

— 

— 

Stiel torsion  des  mannskopfgrossen  Tumors, 

der  mit  Uterus  und  Därmen  verwachsen. 

155 

Lapeyre,  L’Obstetrique  1901 
S.  47 

II. 

4- 

— 

4 

— 

— 

— 

Abort  am  Tag  p.  op. 

Künstlicher  Abort  wegen  Hyperemesis. 

155 

Bland-Sutton,  The  Lancet 
1901.  Febr.  9. 

II. 

4- 

— 

— 

— 

— 

+ 

4  Tage  nach  Kolpotomia  post. 

Seit  18  Monaten  verheirathete  IV.  Gravida. 

Bereits  3mal  abortiert.  Im  Douglas  faust- 

157 

Kahn,  Amer.  gvn.  Journ.  1901 
Octob  S  357 

II. 

4- 

— 

— 

— 

— 

4- 

grosser  Ovarialtumor. 

Doppelseitige  Ovariotomie.  Zahlreiche  Ver- 

158 

Loewenberg,  Zentraibl.  f. 
Gyn.  1901,  No.  51,  8.  1389 

III. 

4 

— 

— 

— 

4 

— • 

wachsungen. 

Doppelseitige  Ovariotomie  (Stieltorsion). 

159 

Piersig,  Inaug.-Diss.  München 
1901 

VII. 

4- 

— 

— 

— 

— 

— 

4- 

Sehr  grosses  Kystom.  Punktion  desselben 

3  Tage  a.  o.  Eventration  des  Uterus  be- 

1G0 

151 

Derselbe,  ebendaselbst 
Derselbe  ,  ebendaselbst 

III. 

IV. 

4* 

4- 

— 

— 

_ 

— 

4 

4- 

hufs  Stielung  des  Tumors. 

Grosser  Tumor.  Leichte  Operation. 

W ehenartige  Schmerzen  schon  einige  Wochen 

vor  der  Operation,  hörten  nach  derselben 

162 

Derselbe,  ebendaselbst 

V. 

+ 

— 

4 

— 

— 

— 

— 

auf. 

Sehr  schwierige  Operation  infolge  zahlreicher 

Verwachsungen  des  Tumors.  Viel  Er¬ 
brechen  p.  op.  Erst  am  6.  Tag  auf  hohe 
Eingiessungen  Flatus  und  Stuhl.  Am 

163 

164 

Derselbe,  ebendaselbst 
Derselbe,  ebendaselbst 

VIII. 

V. 

4- 

4- 

_ 

_ 

— 

— 

— 

4 

4 

7.  Tag  Zwillinge  ausgestossen. 

Punktion  14  Tage  a.  o. 

Stieltorsion.  Ausgedehnte  Verwachsungen 

165 

166 

Derselbe ,  ebendaselbst 
Derselbe,  ebendasölbst 

VI. 

VI. 

4- 

4 

— 

4- 

- 

4- 

— 

des  Tumors. 

Ausschälen  des  intraligamentären  Tumors. 
Leichte  Operation.  26  Tage  nach  derselben 

Frühgeburt  von  Zwillingen,  die  20  Mi- 

167 

Derselbe ,  ebendaselbst 

IV. 

4- 

— 

— 

— 

— 

4 

_ 

nuten  p.  p  starben. 

Stieltorsion.  Glatte  Genesung.  Künstliche 

168 

169 

Derselbe ,  ebendaselbst 
Derselbe,  ebendaselbst 

IH. 

IV. 

4- 

4- 

— 

+ 

— 

— 

— 

4- 

Frühgeburt  4  Wochen  a.  f. 

Stieltorsion. 

Stieltorsion.  Schwierige  Operation  infolge 

fester  Verwachsungen.  Glatte  Heilung. 
Fehlgeburt  10  Wochen  p.  op.  infolge 

170 

171 

Derselbe ,  ebendaselbst 
Derselbe ,  ebendaselbst 

IV. 

vm. 

_ 

_ 

+ 

z 

— 

4- 

körperlicher  Anstrengung. 

Starke  Verwachsungen. 

Stieltorsion.  Feste  Verwachsungen.  Am  Tag 

p.  op.  Frühgeburt.  Kind  starb  nach  ei- 

172 

173 

174 

175 

Derselbe ,  ebendaselbst 
Gräfe,  noch  nicht  veröffentlicht 

IV. 

III. 

4" 

4- 

— 

— 

— 

— 

— 

4“ 

-p 

nigen  Stunden. 

S.  oben.  Stieltorsion. 

Desgleichen 

Desgleichen 

II. 

H. 

4- 

4- 

— 

— 

— 

— 

4- 

4- 

Desgl.  Kolpotomia  post. 

Kolpotomia  post. 

21 


Vont^iki  !1p  ^  k  U  4JL  k  6  *  4e4  K  or  re  k  tu  r:  Inzwischen  sind  noch  folgende  Fälle  veröffentlicht:  1.  Heller,  Lancet  1901,  Dez. 

uplifirpi  Vri  ^yn.  190l,  pag.  11)  —  3  Fälle  im  III.,  IV.  u.  VI.  M.  2  Kinder  ausgetragen,  1  erweicht  (wohl  todfaul?)  8  Wochen  p.  op. 

OpLi  4  ?;  Fl ai  sc  hl  er  (Zentraibl.  f  Gyn.  1902,  No.  34).  Kindskopfgrosser  Tumor  im  III.  M.  entfernt.  Ausgetragen.  8.  Doktor,  Gyn. 

P  Aerzteverems  zu  Budapest  27.  XI.  00.  Mannskopfgrosse  Dermoidzyste  des  rechten  Ovarium.  Operation  im  VII.  M. 

sStnU  tat  "nge®torfc  m4-Bafc^er.(Ibld-)-  Mannskopfgrosses  Kystom.  Operation  im  II  M.  Geburt  rechtzeitig.  5.  Marschner  (Gyn.  Ge- 
„  i  ...  ZU  ^sdcn  20.  II.  02).  Vereitertes  Dermoidkystom  im  Douglas  eingekeilt.  Kindstöne  schon  hörbar.  Schwere  Operation.  Schwanger- 
unges  ort.  G  Derselbe.  Eigrosses  Ovarialkystom.  Mehrwöchentliche  Blutung.  Operation.  Schwangerschaft  ungestört. 


^  ährend  F  e  h  1  i  n  g,  wie  bereits  erwähnt,  eine  mütterliche 
Mortalität  von  5  Proz.  nach  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft 
berechnet,  sinkt  dieselbe  in  der  O  r  g  1  e  r  sehen  Statistik 

'*)  Nachtrag  bei  der  Korrektur:  Ist  inzwischen  rechtzeitig 
niedergekommen. 


(146  Fälle  mit  4  Todesfällen)  auf  2,7  Proz.  Das  Verhältnis  ge¬ 
staltet  sich  noch  günstiger,  wenn  wir  die  eben  wiedergegebenen 
27  Fälle,  von  denen  keiner  starb,  hinzurechnen.  Es  ergibt  sich 
dann  eine  Mortalität  von  nur  2,3  Proz. 

Von  den  letzten  100  Fällen  der  O  r  g  1  e  r  sehen  Zusammen- 

2* 


1792 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Stellung  starben  nur  2,  die  eine  Kranke  (No.  128)  3  Monate  p.  op.  ^ 
ausserhalb  der  Klinik,  so  dass  ein  Zusammenhang-  mit  der  Opera-  j 
tion  nicht  anzunehmen  ist,  die  andere  (No.  130)  an  den  Folgen  j 
der  Entfernung  einer  intraligamentär  entwickelten  Cyste  am 
3.  Tag  p.  op.  Diese  Cyste  enthielt  geruchlosen,  gelblichen,  | 
dünnen  Eiter,  aus  welchem  Bacterium  coli  gezüchtet  wurde.  Die 
Obduktion  ergab  Adhäsionen  des  Netzes  an  die  rechte  Regio  in- 
guinalis  und  iliaca,  in  Folge  davon  Kompression  der  unteren 
Partien  des  Ileum  ohne  Aufhebung  der  Durchgängigkeit.  Jen¬ 
seits  der  Kompression  war  der  Dünndarm  erweitert  und  vorder¬ 
armdick,  in  der  Wand  des  Jejunum  diplitheritische  und  gan¬ 
gränöse,  bis  an  die  Serosa  reichende  Herde.  Die  Darmwand 
wurde  durchgängig  und  gab  zur  fibrinösen  Peritonitis  Ver¬ 
anlassung. 

Ich  habe  diesen  Sektionsbefund  ausführlich  wiedergegeben, 
da  er  beweist,  dass  der  Tod  der  Patientin  höchstens  durch  die 
Operation  beschleunigt,  aber  nicht  veranlasst  wurde.  Auch  ohne 
dieselbe  würden  die  bis  an  die  Serosa  reichenden  gangränösen 
Herde  binnen  kurzem  durchgebrochen  sein  und  zum  Exitus 
letalis  geführt  haben.  Dagegen  ist  anzunehmen,  dass,  wäre  die 
Patientin  frühzeitiger  zur  Operation  gekommen,  die  Kompression 
des  Darmes  noch  nicht  zu  den  erwähnten  geschwürigen  Prozessen 
geführt  hätte  bezw.  diese  nicht  so  weit  vorgeschritten  gewesen 
wären  und  die  Kranke  dann  den  Eingriff  überstanden  hätte. 

Dieser  Fall  würde  also,  will  man  ihn  überhaupt  verwerten, 
nicht  gegen  die  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft  sprechen, 
scndern  für  eine  möglichst  frühzeitige  Vornahme  derselben. 

Leider  fehlen  bezüglich  der  3  anderen  Todesfälle  (No.  5, 
47,  48)  in  der  O  r  g  1  e  r  sehen  Tabelle  alle  Angaben  über  die 
Todesursache  und  etwaige  Komplikationen,  Schwierigkeit  der 
Operation.  Der  Fromme  Ische  Jahresbericht,  nach  welchem 
sie  zitiert  sind,  ergibt  gleichfalls  keine  Details.  Die  Original¬ 
arbeiten  konnte  ich  mir  nicht  verschaffen.  Ich  kann  deswegen 
nicht  beurteilen,  inwieweit  bei  diesen  Fällen  die  Operation  direkt 
für  den  tödlichen  Ausgang  verantwortlich  zu  machen  ist  und 
ob  nicht  auch  bei  ihnen  dringende  Indikationen  zur  Entfernung 
der  Geschwulst  Vorgelegen  haben. 

Erfreulich  ist  es,  dass  die  letzten  126  Operationen,  welche 
alle  erst  seit  dem  Jahre  1892  vorgenommen  worden  sind,  nur 
1  Todesfall  aufzuweisen  haben,  den  oben  erwähnten  (No.  130  der 
Or  gl  e  r  sehen  Tabelle),  welcher  der  Ovariotomie  nicht  zuzu¬ 
schreiben  ist.  Dieses  glänzende  Ergebnis  ist  wohl  unfraglich 
zum  grossen  Teil  der  Vervollkommnung  der  Asepsis  und  der 
Technik  der  Bauchoperationen  in  den  letzten  10  Jahren  zu  zu¬ 
schreiben.  Finden  sich  doch  unter  den  Operationen  eine  ganze 
Reihe  schwieriger,  sowie  doppelseitiger  Ovariotomien. 

Eine  erhöhte  Gefährdung  des  mütterlichen  Lebens  durch 
die  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft  liegt  also  auf  keinen 
Fall  vor.  Anders  verhält  es  sich  mit  der  des  Fötus,  welche,  wie 
schon  erwähnt,  Fehling  Veranlassung  gibt,  eine  Ein¬ 
schränkung  der  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft  zu  befür¬ 
worten.  Wir  haben  gesehen,  dass  Wähmer  aus  seiner  Zu¬ 
sammenstellung  22,4  Proz.  Schwangerschaftsunterbrechungen  be¬ 
rechnet,  denen  Fehling  mit  Recht  noch  die  infolge  des  Todes 
der  Mutter  (nach  ihm  5,4  Proz.)  zu  Grunde  gegangenen  Kinder 
und  willkürlich  weitere  5,2  Proz.  hinzufügt.  Dass  letzteres  nicht 
zulässig  ist,  wurde  bereits  erörtert. 

Die  Orgler  sehe  Statistik  gibt  ungleich  günstigere  Zahlen. 
Alle  vorzeitigen  Schwangerschaftsunterbrechungen  (sowohl  durch 
Abort  und  Frühgeburt,  wie  durch  das  Absterben  der  Frucht 
durch  den  Tod  der  Mutter)  zusammengerechnet  erhält  er  nur 
22,5  Proz.  gegenüber  Fehlings  27,8  Proz.  Ein  um  ein  ge¬ 
ringes  ungünstigerer  Prozentsatz  (22,7  Proz.)  ergibt  sich,  wenn 
wir  den  142  Orgler  sehen  Fällen  unsere  25  —  einer,  in  dem 
wegen  Hyperemesis  später  künstlicher  Abort  eingeleitet  wurde 
(No.  155),  ein  zweiter,  in  dem  10  Wochen  p.  op.  infolge  körper¬ 
licher  Feberanstrengung  Frühgeburt  eintrat  (No.  169),  scheiden 
aus  —  hinzufügen,  von  denen,  wie  oben  angegeben,  alle  Mütter 
am  Leben  blieben,  während  es  6  mal  zum  Abort  bezw.  Früh¬ 
geburt  kam.  Das  Resultat  wird  aber  ein  weit  besseres,  sofern 
wir  der  Berechnung  nur  die  von  Orgler  gesammelten  bezw. 
eigenen  und  unsere  Fälle,  ingesamt  119  (von  den  100  Fällen 
O  r  gl  e  rs  scheiden  6  —  1  krimineller  Abort,  2  künstliche  Früh¬ 
geburt  n,  1  todfaule  Frucht  (am  Tage  p.  op.  ausgestossen), 
1  Blasenmole,  1  Tod  der  Mutter  (nicht  durch  die  Operation)  — 


aus)  zu  Grunde  legen.  Wir  erhalten  dann  nur  16  Proz.  der 
letzteren  mit  19  Schwangerschaftsunterbrechungen.  Dieser 
Prozentsatz  ist  noch  geringer  wie  der,  welchen  sowohl  R  e  in  y  ) 
wie  J  e  f  f  e  r  ")  für  die  Fälle  festgestellt  haben,  bei  welchen  der 
Tumor  nicht  operativ  entfernt  wird  (17  Proz.). 

Ob  dies  Zurückgehen  der  Häufigkeit  der  Schwangerschafts¬ 
unterbrechung  nach  Ovariotomie  ein  konstantes  ist,  muss  die 
Zukunft  zeigen.  Möglich,  dass  es  nur  dem  Zufall  zuzuschreiben. 
Wenigstens  spricht  die  Zahl  von  6  Aborten  bezw.  Frühgeburten 
unter  den  25  von  mir  gesammelten  bezw.  beobachteten  Fällen, 
welche  alle  erst  den  letzten  2  Jahren  entstammen,  hierfür.  Sie 
würden  wieder  24  Proz.  ergeben. 

Bei  der  Wertung  der  Schwangerschaftsunterbrechungen 
muss  aber  ohne  Frage  berücksichtigt  werden,  dass  eine  ganze 
Reihe  nach  Operationen  eingetreten  sind,  welche  auch  nach 
F  e  h  1  i  n  g  strikt  indiziert  waren  durch  Stieltorsion,  Einklem¬ 
mung  des  Tumors  im  kleinen  Becken  und  andere  Erscheinungen, 
welche  eine  sofortige  Entfernung  der  Geschwulst  erforderten. 
So  war  in  Fall  4  (die  Nummer  bezieht  sich  auf  die  Or  gl  er¬ 
sehe  Statistik  und  meine  Fortsetzung  derselben)  ein  malignes 
Ovarialkystom  rupturiert.  In  der  Folge  hatte  sich  starker 
Aszites  entwickelt.  Unmittelbar  nach  der  Operation  trat  Fehl¬ 
geburt  einer  6  monatlichen  Frucht  ein.  Hier  wäre  einerseits 
Abwarten  bis  zur  Lebensfähigkeit  derselben  geradezu  ein  Kunst¬ 
fehler  gewesen,  andrerseits  würde  aller  Voraussicht  nach  auch 
spontan  bald  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  eingetreten 
sein.  Bei  Fall  7  bestand  Stieltorsion.  In  Fall  14  bestanden 
Wehen  und  blutiger  Ausfluss.  Pat.  fieberte.  Puls  156.  Er¬ 
brechen.  Durch  Koeliotomie  wurde  eine  überall  adhärente,  ver¬ 
eiterte  Ovarialcyste  entfernt.  4  Stunden  später  Abort.  Trotz¬ 
dem  genas  die  Patientin.  Hier  war  also  bereits  vor  der  Operation 
der  Abort  im  Gang. 

Bei  Fall  31  gaben  plötzlich  aufgetretene  Schmerzen 
(Wehen?)  die  Anzeige  zur  Operation.  Es  wurde  eine  doppel¬ 
seitige  Dermoidcyste  entfernt.  Am  3.  Tag  p.  op.  erfolgte  Abort. 

Fall  34  wies  Stieltorsion  auf. 

In  Fall  41  bestanden  bei  der  im  8.  Monat  Schwangeren, 
welche  seit  5  Wochen  bettlägerig  war,  Verschiebung  der  Herz¬ 
dämpfung,  über  der  Ilerzbasis  Katzenschnurren,  über  dem  ganzen 
Herzen  ein  systolisches  Geräusch,  kolossale  Auftreibung  des 
Abdomen,  Oedem  der  Unterschenkel,  Atemnot  bei  Bewegungen. 
Es  wurde  zunächst  zur  Sicherung  der  Diagnose  vom  rechten 
Hypogastrium  punktiert  (Entleerung  von  100  ccm  zäher  Flüssig¬ 
keit),  4  Tage  später  ovariotomiert.  5  Tage  später  trat  Früh¬ 
geburt  ein. 

In  Fall  72  und  79  war  es  zur  Stieltorsion  gekommen.  Ausser¬ 
dem  bestand  bei  dem  letzteren  Peritonitis;  das  am  Tag  p.  op. 
ausgestossene  Kind  war  bereits  faultot. 

Bei  Fall  130  wurde  wegen  schnellen  Wachstums  der  Ge¬ 
schwulst  operiert.  Letztere,  intraligamentär  entwickelt,  war  viel¬ 
fach  verwachsen  und  enthielt  dünnen  Eiter,  in  dem  sich  Bac¬ 
terium  coli  fand.  Patientin  starb  3  Tage  p.  op.  Ohne  den  Ein¬ 
griff  wäre  sie  sicher  zu  Grunde  gegangen,  während  durch  den¬ 
selben  die  Möglichkeit  ihrer  Rettung  gegeben  war. 

In  Fall  138  bestand  Stieltorsion. 

Bei  Fall  140  waren  bereits  Wehen  und  Blutungen  voraus¬ 
gegangen.  Der  intraligamentär  entwickelte  Tumor  war  vielfach 
mit  Netz,  Darm,  Beckenwand  verwachsen,  so  dass  die  Operation 
sehr  schwer  war.  Am  4.  Tag'  trat  Abort  ein. 

In  Fall  154  war  es  zu  Stieltorsion  gekommen,  der  mannskopf- 
grosse  Tumor  mit  Uterus  und  Därmen  verwachsen.  Abort  am 
Tag  p.  op. 

Bei  Fall  162  war  der  Leib  seit  Jahresfrist  immer  stärker  ge¬ 
worden.  Es  bestanden  heftige  Leibschmerzen,  Atembeschwerden 
und  Mattigkeit.  14  Tage  vor  der  Operation  wurden  durch  Punk¬ 
tion  14  Liter  Flüssigkeit  entleert.  Der  Tumor  war  mit  dem 
Bauchfell,  der  Blase  und  der  vorderen  Beckenwand  fest  und  breit 
verwachsen.  Infolgedessen  gestaltete  sich  die  Operation 
schwierig.  Erst  6  Tage  nach  derselben  gingen,  nachdem  immer 
wieder  hohe  Einläufe  vergeblich  gemacht  worden  waren,  Flatus 
und  etwas  Stuhl  ab.  Am  folgenden  Tag  wurden  Zwillinge 
(5.  Monat)  geboren. 

4)  De  la  grossesse  compliquee  de  Kyste  ovarique.  Paris  1886. 

5)  lieber  den  Einfluss  der  Eierstocksgeschwülste  auf  die  Kon¬ 
zeption.  Inaug.-Diss.,  Tübingen  1861. 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1793 


In  Fall  169  und  171  bestanden  ausser  Stieltorsion  feste  Ver¬ 
wachsungen  des  Tumors,  welche  die  Operation  erschwerten.  Nur 
in  dem  zweiten  ist  die  Frühgeburt  der  letzteren  zuzuschreiben; 
im  ersten  trat  diese  erst  10  Wochen  p.  op.  nach  schwerer  körper¬ 
licher  Anstrengung  ein. 

Aus  den  vorstehenden  kurzen  Angaben  ist  ersichtlich,  dass 
in  diesen  15  Fällen  von  jeder  Rücksichtnahme  auf  das  kindliche 
Leben  Abstand  genommen  werden  musste,  da  sonst  das  mütter¬ 
liche  direkt,  bei  weiterem  Abwarten  oder  bei  der  Geburt  schwer 
gefährdet  worden  wäre.  Man  könnte  sie  daher  bei  der  Entschei¬ 
dung  der  Frage,  ob  Ovarientumoren  in  der  Schwangerschaft  auch 
ohne  zwingende  Indikation  operiert  werden  sollen,  ausscheiden, 
und  das  umsomehr,  als  es  sich  fast  durchweg  um  schwierige 
Operationen  handelt,  nach  denen  von  vornherein  der  Eintritt  der 
Fehl-  oder  Frühgeburt  zu  fürchten  war.  Allerdings  muss  zu¬ 
gegeben  werden,  dass  sich  die  Wahrscheinlichkeit  der  letzteren 
nicht  immer  proportional  der  Schwere  des  Eingriffs  verhält.  Es 
finden  sich  mehrere  Fälle,  in  denen  trotz  schwieriger  Opera  timt 
die  Schwangerschaft  ihren  ungestörten  Verlauf  nahm.  Ins¬ 
besondere  gilt  letzteres  für  die  doppelseitige  Ovariotomie,  bei 
welcher  man  früher  in  dieser  Beziehung  die  Prognose  sehr 
schlecht  stellte.  Schon  O  rgler  hat  darauf  hingewiesen,  dass 
sie  keine  ungünstigeren  Chancen  bietet,  wie  die  einfache.  Er 
stellte  30  Fälle  mit  6  Schwangerschaftsunterbrechungen  zu¬ 
sammen.  Zu  diesen  treten  aus  meiner  Zusammenstellung  noch 
2  weitere  (157,  158),  bei  welchen  die  Gravidität  ungestört  weiter 
verlief,  obwohl  sich  in  dem  einen  zahlreiche  Verwachsungen,  in 
dem  anderen  Stieltorsion  des  einen  Tumors  fanden. 

Auf  der  anderen  Seite  sehen  wir  manchmal  Fehlgeburten 
bei  nicht  komplizierten  Fällen  und  nach  infolgedessen  glatten 
Operationen  eintreten,  so  in  Fall  9,  17,  23,  27,  28,  29,  107,  148, 
153,  155,  166.  Ich  glaube,  dass  es,  sich  hier  ebenso  verhält,  wie 
bei  Aborten  nach  anderen  Traumen.  Wir  beobachten  nicht  selten, 
dass  geringfügige  zur  Schwangerschaftsunterbrechung  führen, 
während  heftige  dies  manchmal  nicht  tun.  Es  ist  dies  nur  so  zu 
erklären,  dass  im  ersteren  Fall  schon  eine  Disposition  zum  Abort, 
wohl  meist  infolge  einer  Endometritis  decidualis  vorhanden  ist, 
so  dass  es  nur  eines  geringen  Anstosses  bedarf,  um  jenen  aus¬ 
zulösen,  während  im  letzteren  diese  fehlt  und  infolgedessen  selbst 
stärkere  Gewalteinwirkungen  ohne  Effekt  auf  den  Uterus  bezw. 
das  Schwangersehaftsprodukt  bleiben.  Wahrscheinlich  würde  in 
den  Fällen,  in  welchen  sich  die  Fehlgeburt  glatten,  schnellen 
Ovariotomien  anschliesst,  diese  auch  ohne  den  operativen  Ein¬ 
griff  über  kurz  oder  lang  eintreten. 

In  der  Kasuistik  finden  sich  3  Krankengeschichten,  wo  schon 
bei  den  Anzeichen  des  AJrortus  imminens  (wehenartige  Schmer¬ 
zen,  oder  Blutungen,  oder  beide  zusammen)  operiert  wurde 
(Fall  14,  140,  141).  Auch  bei  diesen  lag  eine  gewisse  Berechti¬ 
gung  vor,  sie  bei  der  prozentualen  Berechnung  der  Schwanger- 
sehaftunterbrechung  nach  Ovariotomie  auszuscheiden,  da  der 
Abort  nicht  dieser,  sondern  der  Komplikation  der  Gravidität 
durch  den  Tumor  zuzuschreiben  ist. 

Schliesslich  sind  noch  die  Fälle  zu  erwähnen,  bei  denen  die 
Anamnese  insofern  eine  Disposition  zum  Abort  ergibt,  als  ein 
solcher  schon  mehrfach  vorhergegangen  ist,  oder  die  Beschaffen¬ 
heit  des  Eies  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  erklärt. 
Letzteres  ist  in  Fall  6  der  Fäll,  wo  es  infolge  von  Placenta 
praevia  14  Tage  p.  op.  zur  Frühgeburt  kam,  in  Fäll  98,  bei  dem 
Blasenmole  bestand  und  in  Fall  79,  wo  die  am  Tage  nach  der 
Operation  ausgestossene  Frucht  bereits  faultot  war.  In  Fall  17 
war  während  der  letzten  Jahre  mehrfach  Abort  erfolgt;  zum  letz¬ 
ten  Mal  4  Monate  zuvor.  Bei  Fall  139  waren  3  Aborte,  der  letzte 
vor  %  Jahren  vorausgegangen. 

Berücksichtigen  wir  also,  dass  es  bei  durch  Ovarialtumoren 
komplizierter  Schwangerschaft  in  17  Proz.  der  Fälle  auch  ohne 
operativen  Eingriff  zur  Unterbrechung  der  letzteren  kommt,  dass 
nach  Ovariotomie  Fehl-  oder  Frühgeburt  auch  nur  in  22,5  Proz. 
eintritt,  dass  in  einem  Drittel  der  Fälle,  in  welchen  dies  der  Fall 
war,  eine  unabwendbare  Indikation  zur  Operation  vorlag,  dass 
sehr  wahrscheinlich  oder  sicher  bei  einer  Reihe  von  Patientinnen, 
bei  welchen  es  nach  der  Operation  zur  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  kam,  dies  auch  ohne  dieselbe  der  Fall  gewesen 
sein  würde,  so  ergibt  sich  schon  hieraus,  dass  ein  abwartendes 
Verhalten  nicht  gerechtfertigt  ist.  Und  das  umsoweniger,  als 
durch  ein  solches  den  Trägerinnen  der  Geschwulst  sowohl 

No.  43. 


während  der  Fortdauer  der  Schwangerschaft,  wie  während  der 
Geburt  und  des  Wochenbettes  Gefahren  erwachsen  können.  Ich 
verweise  bezüglich  derselben  auf  die  Ausführungen  Orglers0), 
sowie  auf  die  Berechnung  v.  W  i  n  c  k  e  1  s  ’),  nach  der  bei  ex- 
spektativem  Verhalten  in  der  Schwangerschaft  die  Sterblichkeit 
der  Mutter  39,2  Proz.,  die  der  Kinder  67  Proz.  beträgt.  Nur  auf 
einen  Punkt  möchte  ich  noch  eingehen.  Findet  man  bei  einer 
Schwangeren  eine  Eierstocksgeschwulst,  und  entschliesst  man 
sich,  dieselbe  nicht  zu  entfernen,  so  ist  man  doch  verpflichtet, 
der  Patientin  von  ihrem  Vorhandensein  Mitteilung  und  sie  auf 
die  durch  dieselbe  unter  Umständen  bedingten  Gefahren  auf¬ 
merksam  zu  machen.  Unterliesse  man  dies,  so  würde  man  eine 
schwere  Verantwortung  auf  sich  nehmen.  Selbst  wenn  man  die 
Kranken  auffordert,  sich  von  Zeit  zu  Zeit  wieder  vorzustellen 
oder  bei  eintretenden  Beschwerden  zu  schicken,  so  hat  man  da¬ 
durch  noch  keine  Gewähr,  dass  man  sie  tatsächlich  unter  den 
Augen  behält  und  Gelegenheit  hat,  im  gegebenen  Augenblick  so¬ 
fort  einzugreifen.  Heutzutage  wird  nur  allzu  gern  der  Arzt  ge¬ 
wechselt  und  dem  neu  zu  Rate  gezogenen  die  frühere  Konsul¬ 
tation  eines  anderen  verschwiegen.  Nach  einigen  Wochen,  selbst 
nach  kürzerer  Zeit  kann  aber  das  Krankheiitsbild,  der  Unter¬ 
suchungsbefund  derart  verändert  sein,  dass  derjenige,  welcher 
den  Fall  früher  nicht  untersucht  hat,  zu  einer  falschen  Diagnose 
kommen  kann.  Besonders  gilt  dies  von  der  Stieltorsion  ovarieller 
Tumoren  im  Wochenbett.  Die  beiden  Fälle,  welche  ich  selbst 
operiert  habe,  waren  von  den  behandelten  Aerzten  irrtümlich  ge¬ 
deutet  worden. 

1.  Fräulein  Sp.,  Multipara.  Frühere  Entbindungen  und 
Wochenbetten  normal,  auch  die  letzte.  Am  8.  Tag  des  Wochen¬ 
bettes  bekam  die  Wöchnerin,  als  sie  sich,  nachdem  sie  das  Kind 
gestillt  hatte,  schnell  auf  die  andere  Seite  drehte,  plötzlich  heftige 
Schmerzen,  welche  sich  unter  Erbrechen  in  den  nächsten  Stunden 
steigerten.  Der  hinzugezogene  xlrzt  fand  das  Abdomen  stark  auf¬ 
getrieben  und  ausserordentlich  druckempfindlich.  Er  stellte  die 
Diagnose  auf  Peritonitis.  Am  2.  Tag  stieg  die  Temperatur  auf 
39,7  °,  am  3.  auf  40  °.  Bis  zum  14.  Tag  schwankte  sie  zwischen 
38,2  und  39,5°.  Nach  5  Tagen  zugezogen,  stellte  ich  die  Diagnose: 
Stieltorsion  eines  grossen  Ovarialtumors.  Die  Angehörigen  ver¬ 
weigerten  die  Ueberführung  der  Kranken,  welche  eine  einstündige 
Bahn-  und  halbstündige  Wagenfahrt  nötig  machte.  Erst  nach 
3  Wochen  gestatteten  sie  dieselbe.  Die  Operation  war  durch  feste 
Verwachsung  der  ganzen  Vorderfläche  des  torquierten  Kolossal- 
tumors  mit  der  Bauchwand,  sowie  Netz-  und  Darmadhäsionen  sehr 
erschwert.  Trotzdem  war  der  Heilungsverlauf  ein  glatter. 

2.  Frau  H.,  Multipara.  Vor  mehreren  Monaten  spontane  Ge¬ 
burt  eines  11  pfündigen  Kindes.  Angeblich  beschwerdefrei,  bis 
sich  plötzlich  in  einer  Nacht  heftige  rechtsseitige  Unterleibs- 
Schmerzen  einstellten.  Der  zugezogene  Arzt  führte  sie  auf  Ver¬ 
stopfung,  bezw.  Blinddarmentzündung  zurück.  Am  3.  Tag  kon¬ 
statierte  ich  einen  mannskopfgrossen,  hinter  dem  Uterus  gelegenen, 
sehr  schmerzhaften,  prallelastischen,  wenig  beweglichen  Tumor. 
Puls  120.  Temperatur  38,5  °.  Patientin  sieht  verfallen  aus.  Dia¬ 
gnose:  torquierter  Ovarialtumor.  Bei  der  Köliotomie  am  nächsten 
Tag  fand  sich  ein  zweimal  um  seinen  Stiel  gedrehtes  Ovarial¬ 
kystom.  In  dem  Stiel  bleistiftdicke  Venen.  Die  Tube  blutrot, 
fingerdick.  Abtragung  des  Tumors.  Glatte  Genesung.  Das  Zu¬ 
standekommen  der  Torsion  war  hier  durch  die  ausserordentliche 
Schlaffheit  der  Bauchdecken  begünstigt  worden. 

Man  ist  also  ohne  Frag’e  verpflichtet,  eine  Schwangere,  bei 
welcher  man  einen  Ovarialtumor  konstatiert,  die  man  aber  nicht 
operieren  will,  von  dem  Vorhandensein  derselben  und  eventuellen 
durch  ihn  entstehenden  Gefahren,  bezw.  einer  vielleicht  not¬ 
wendig  werdenden  Operation  in  Kenntnis  zu  setzen.  Ob  es  rich¬ 
tig  ist,  hierdurch  eine  durch  ihren  augenblicklichen  Zustand  in 
der  Regel  auf  der  einen  Seite  sehr  erregbare,  auf  dffr  anderen 
zu  psychischer  Depression  neigende  Frau  in  eine  stete  Angst  und 
Sorge  zu  versetzen,  ist  mehr  als  zweifelhaft,  selbst  bei  Erst¬ 
schwangeren  oder  Frauen,  welche  Kinder  verloren  haben.  Wenn 
man  diesen  auseinandersetzt,  dass  später  die  Operation  doch  vor¬ 
genommen  werden  müsse,  dass  bei  einer  Verschiebung  derselben 
verschiedene,  zum  mindesten  sehr  unangenehme  Zwischenfälle 
eintreten  können,  vor  allem  eine  Unterbrechung  der  Schwanger¬ 
schaft  durch  jene  nicht  mit  Sicherheit  vermieden  werde,  so 
werden  auch  sie  sich  meist  zur  Ovariotomie  bereit  erklären. 

Obwohl,  wie  schon  erwähnt,  schwierige,  langdauernde  Ovario¬ 
tomien  des  öfteren  nicht  zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
führen,  so  muss  doch  der  Operateur  bestrebt  sein,  den  Eingriff 
schnell  und  unter  möglichster  Vermeidung  von  Manipulationen 


6)  a.  a.  O.  S.  156. 

)  Piersig:  14  Fälle  von  Ovariotomie  in  der  Schwanger¬ 
schaft.  Inaug.-Diss.,  München  1901,  S.  20. 


3 


1794 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


am  Uterus  zu  beenden.  Am  leichtesten  wird  dies  in  der  Regel 
auf  dem  Weg  der  abdominellen  Köliotomie  zu  erreichen  sein. 
Sie  gestattet,  bei  Beckenhochlagerung  die  Geschwulst  unter  ge¬ 
nauer  Kontrolle  des  Auges,  in  nicht  komplizierten  Fällen  ohne 
Dislokation  des  Uterus  zu  entfernen.  Bei  intraligamentärer  Ent¬ 
wicklung,  Verwachsung  des  Tumors  mit  den  Nachbarorganen 
kommt  allein  der  Bauchschnitt  in  Frage. 

Der  andere  Weg-,  von  der  Scheide  aus,  ist  nach  meinem  Da¬ 
fürhalten  nur  für  eine  bestimmte  Gruppe  von  Fällen  benutzbar. 
Die  Ivolpotomia  anterior  scheidet  von  vornherein  aus,  da  das  Ab- 
schieben  der  Blase  von  der  Zervix,  das  eventuell  notwendig 
werdende  Hervorziehen  des  Corpus  uteri,  die  Vernähung  der  ge¬ 
setzten  Wunde,  welche  teilweise  den  letzteren  in  Mitleidenschaft 
zieht,  ein  viel  zu  starkes  und  dabei  völlig  vermeidbares  Trauma 
für  den  schwangeren  Fruchthalter  bilden.  In  Betracht  kommt 
nur  die  Kolpotomia  posterior  und  zwar  ausschliesslich  für  die 
Fälle,  in  denen  ein  cystischer  Tumor  im  Douglas  bezw.  auf  dem 
hinteren  Scheidengewölbe  liegt.  Hier  gestaltet  sich  die  Operation 
sehr  einfach.  Die  hintere  Lippe  der  Portio  wird  im  Rinnen¬ 
spekulum  eingestellt,  mittels  Kugelzange  gefasst  und  nach  oben 
gezogen,  die  hintere  Scheidenwand  median  gespalten,  der  Douglas 
eröffnet,  eine  nicht  zu  breite  Rinne  nach  hinten  in  ihn  ein¬ 
geführt.  Entweder  stellt  sich  jetzt  die  Cyste  von  selbst  ein 
oder  sie  wird  durch  Druck  von  den  Bauchdecken  her  sichtbar 
gemacht.  Sie  wird  angestochen,  die  Schnittränder  beiderseits 
mit  Klemmen  gefasst  und,  während  sich  der  Inhalt  entleert,  der 
Sack  langsam  so  weit  extrahiert,  bis  er  gestielt  und  abgetragen 
werden  kann.  In  den  beiden  von  mir  mittels  Kolpotomia  posterior 
operierten  Fällen  gelang  letzteres  ohne  jede  Schwierigkeit,  vor 
allem,  ohne  dass  ein  gewaltsamer  Zug  am  Uterus  hätte  ausgeübt 
werden  müssen.  Flat  man  sich  nach  Legung  der  Ligaturen  und 
Abtragung  des  Tumors,  indem  man  die  Fäden  locker  lässt,  über¬ 
zeugt,  dass  es  aus  dem  Stumpf  nicht  mehr  blutet,  so  werden 
jene  abgeschnitten  und  der  Uterus  zurückgeschoben.  Darauf 
wird  die  Scheidenwunde  durch  das  Peritoneum  mitfassende 
Ivatgutnähte  geschlossen,  eventuell  in  den  unteren  Wundwinkel 
ein  kleiner,  kurzer  Jodoformgazestreifen  eingelegt. 

Zix  den  7  O  rgler  sehen  durch  Kolpotomia  post,  operierten 
Fällen  kommen  noch  meine  beiden  und  ein  von  Lapeyre  (155) 
mitg'eteilter.  In  letzterem  wurde  4  Tage  p.  op.  wegen  anhaltender 
Hyperemesis  der  künstliche  Abort  eingeleitet.  Von  den  übrigen 
9  nahmen  7  bezüglich  der  Schwangerschaft  einen  ungestörten 
Verlauf  (3  im  II.  Monat,  2  im  IV.  Monat,  je  einer  im  V.  und 
IX.  Monat);  in  2  kam  es  zum  Abort  bezw.  Frühgeburt 
(Schwangerschaft  im  IV.  und  VIII.  Monat).  Aus  diesen  kleinen 
Zahlen  irgendwelche  Schlüsse  zu  ziehen,  ob  die  Kolpotomia  post, 
bei  vorgeschrittener  Schwangerschaft  häufiger  zur  Unterbrechung 
der  Schwangerschaft  führt,  als  in  früheren,  ist  nicht  angängig. 
Es  liegt  aber  auf  der  Hand,  dass  der  Uterus,  je  grösser  er  ist, 
um  so  gewaltsamer  nach  unten  gezogen  werden  muss,  um  die 
Stielung-  und  das  Abbinden  des  Tumors  zu  ermöglichen.  Man 
muss  Bedenken  haben,  ob  dies  ganz  gleichgültig  ist.  Voraus¬ 
sichtlich  wird  sich  die  Operation  vom  Abdomen  in  den  letzten 
Monaten  der  Gravidität  wesentlich  einfacher  gestalten,  als  von 
der  Scheide  aus.  Auf  der  anderen  Seite  wäre  vielleicht  zu  diesem 
Zeitpunkt  zu  berücksichtigen,  dass,  falls  die  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  dem  Eingriff  schnell  folgt,  die  frische  Bauch¬ 
wunde  nicht  ganz  gleichgültig  ist,  sowohl  bezüglich  des  Verlaufes 
der  Geburt  in  Folge  mangelhafter  Funktion  der  Bauchpresse, 
wie  eines  eventuellen  Auseinandergehens  der  Nähte,  während  die 
kleine  Scheidenwunde  hier  von  weit  geringerer  Bedeutung  ist. 

Schliesslich  wäre  auch  die  Frage  zu  beantworten,  ob  es  an¬ 
gezeigt  ist,  auch  da  noch  zu  ovariotomieren,  wo  der  Abort  sich 
bereits  durch  Wehen  oder  auch  Blutungen  ankündigt.  Es  ist  das 
entschieden  zu  bejahen.  Denn  eine  Reihe  von  Fällen  (Fleisch- 
len:  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  1894,  S.  48,  ferner  Fall 
86,  101,  161,  174,  175)  beweisen,  dass  nach  Entfernung  des  Tu¬ 
mors  die  Uteruskontraktionen  wieder  naclilassen,  die  Blutungen 
aufhören  können.  Tritt  der  Abort  oder  die  Frühgeburt  aber  doch 
ein,  so  verlaufen  diese  bei  sachgemässer,  schonender  Behandlung 
ohne  Schädigung  für  die  Patienten. 


8)  Die  Erkrankungen  des  Eierstocks  und  Nebeneierstocks. 
Veits  Handbuch  der  Gynäkologie  III.  Bd.,  I.  Hälfte,  S.  489. 


Nach  alledem  kann  auch  ich  mich,  wie  O  rgler  nur  dem 
Rath  Pfannenstiels8)  anschli essen,  „zu  operieren,  sobald 
die  Diagnose  von  Ovarialtumor  bei  Schwangerschaft  gestellt  ist“. 


Zur  Frage  der  Blasennaht  nach  Sectio  alta. 

Von  C.  Hof  mann  in  Köln-Kalk. 

Wenn  es  auch  keinem  Zweifel  unterliegt,  dass  man  nach  der 
operativen  Eröffnung  der  Harnblase  sowohl  durch  die  Naht,  als 
auch  durch  die  Drainage  bei  der  Nachbehandlung  gute  Resultate 
erzielen  kann,  so  ist  doch  nicht  zu  vergessen,  dass  die  Naht  ent¬ 
schieden  das  erstrebenswerte  und  ideale  Verfahren  darstellt,  das, 
erfolgreich  ausgeführt,  in  viel  kürzerer  Zeit  eine  Heilung  herbei¬ 
führt,  als  es  selbst  beim  glattesten  Verlauf  der  Drainage  möglich 
wäre.  Bekanntermassen  versagt  aber  die  Naht  häufig  und  in 
manchen  Fällen  von  starker  Cystitis,  Wandveränderungen, 
Quetschung  und  Zerfetzung  der  Wundränder  etc.  ist  sie  geradezu 
kontraindiziert;  und  so  kann  die  Frage  trotz  der  befriedigenden 
Resultate  bei  richtiger  Auswahl  der  Fälle  für  die  eine  oder  andere 
Wundversorgungsmethode  nicht  als  gelöst  gelten.  Unser  Streben 
wird  noch  immer  auf  eine  Verbesserung  der  Naht,  sei  es  im 
Sinne  der  Technik  oder  der  Herbeiführung  geeigneter  Vor¬ 
bedingungen,  die  unter  Umständen  selbst  bei  vollkommenster 
Technik  erst  den  Erfolg  garantieren,  gerichtet  sein  müssen. 

Es  würde  zu  weit  führen,  die  Vorteile  der  Drainagebehand¬ 
lung  gegenüber  der  Naht  oder  umgekehrt  abzuwägen,  auch  will 
ich  nicht  auf  die  Gründe  näher  eingehen,  die  bei  einem  ver¬ 
mittelnden  Standpunkt  im  gegebenen  Falle  für  die  eine  oder  an¬ 
dere  Art  des  Vorgehens  sprechen;  ich  will  nur  erwähnen,  dass 
tatsächlich  eine  grosse  Divergenz  in  den  Anschauungen  herrscht. 
Wir  finden  neben  eifrigen  Anhängern  der  Drainage  —  ich  nenne 
neben  den  bekannten  älteren  v.  Dittel,  Guyon,  Tren¬ 
delenburg,  Zuckerkandl  noch  Kaczowski1)  und 
Stierlin2)  — ,  abgesehen  von  Vertretern  eines  eklektischen 
Standpunktes,  auch  warme  Fürsprecher  der  Naht;  vor  allem 
haben  Chirurgen  unserer  östlichen  Nachbarn,  bei  denen  die  Stein¬ 
krankheit  ■ —  besonders  in  Russland  und  Bulgarien  —  recht 
häufig  zu  sein  scheint,  uns  durch  mehrere  neue  Nahtmethoden 
in  den  letzten  Jahren  bereichert.  In  erster  Linie  ist  hier 
Rasumowskis3)  Methode,  die  als  wesentlich  Neues  eine 
gleichzeitige  Fixation  der  Harnblase  an  die  vordere  Bauchwand 
(Cystopexie)  mit  der  Naht  bringt,  zu  nennen.  Das  Annähen  an 
die  Bauchdecke  halte  ich  überhaupt  für  sehr  empfehlenswert, 
da  es  sowohl  den  Dauerkatheter  unnötig  macht,  als  auch  vor 
allem  den  prävesikalen  Raum  ausschaltet.  Die  Art  des  Nähens 
ist  bei  R.  ziemlich  kompliziert  und  gipfelt  darin,  dass,  da  die 
Fäden  der  einen  Seite  der  Blasenwunde  auf  der  entgegen¬ 
gesetzten  Seite  der  Hautwunde  herausgeführt  werden,  eine  voll¬ 
ständige  Herausnahme  der  Fäden  ermöglicht  ist.  Dass  dieses  Vor¬ 
gehen  vor  einer  gewöhnlichen  zweietagigen  versenkten  Katgut- 
oder  Seidennaht  einen  Vorzug  hat,  glaube  ich  nicht,  so  sehr  die 
gleichzeitig  ausgeführte  Cystopexie  Vorzüge  in  sich  sohliesst,  die 
bei  keiner  anderen  Naht,  es  sei  denn,  dass  man  die  Cystopexie 
hinterher  besonders  ausführt,  erreicht  werden.  Weitere  Naht¬ 
methoden  haben  Jonnescu4 5),  E.  Juvara  und  Bala- 
cescu1)  angegeben,  die  aber  wegen  ihrer  Kompliziertheit  wenig 
empfehlenswert  sind.  Auch  Iwanow0)  spricht  sich  sehr  für 
die  Naht  aus  ;  er  fixierte  in  seinen  Fällen  nach  der  gewöhnlichen 
Etagennaht  die  Blase  an  der  vorderen  Bauchwand.  Seine  Re¬ 
sultate  sind  übrigens  keine  sehr  günstigen,  da  er  kaum  mehr  als 
50  Proz.  primärer  Heilung  zu  verzeichnen  hat,  während 
R  a  s  u  m  o  ws  k  i  nach  seiner  Methode,  wie  wir  einer  Mitteilung 
Golisohenskis  auf  dem  russischen  Chirurgenkongress  1899 
entnehmen,  unter  32  Fällen  27  mal  eine  primäre 

9  Centralbl.  f.  Cliir.  1899,  No.  11  und  16.  Eine  neue  Methode 
der  Harnblasendrainage  nach  hohem  Blasenschnitt  zur  Verhütung 
der  Harninfiltration. 

2)  Stierlin:  Zur  Technik  des  hohen  Steinschnitts.  Deutsch. 
Zeitschr.  f.  Chir.  Bd.  44,  p.  293. 

3)  v.  Langenbecks  Archiv  Bd.  57,  H.  2.  Ein  neues  Verfahren 
der  Blasennaht  nach  Sectio  alta. 

4)  Gaz.  des  höpitaux  1899,  22.  Cystorrhaphie  primitive. 

Nouveau  procede  opöratoire. 

5)  Wien.  klin.  Bundschau  1898,  40  u.  41.  Eine  neue  Methode 
der  Cystorrhaphie  durch  Ueberdachung. 

°)  Wratsch  1899,  No.  29,  zit.  nach  Centralbl.  f.  Chir.  1899, 
No.  45.  Einige  Bemerkungen  zu  Gunsten  der  primären  Blasennaht 
bei  hohem  Steiusclinitt. 


28.  Oktober  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1795 


Heilung  der  Nahtlinie  erzielte.  Dieses  Resultat  kann 
sich  den  besten  an  die  Seite  stellen  und  beruht  wohl  in  erster 
Linie  auf  der  vollkommenen  Technik. 

R  o  m  m 7),  ebenfalls  ein  prinzipieller  Anhänger  der  Naht, 
berichtet  über.  28  Fälle,  die  alle  primär  genäht  wur¬ 
den  ,  4  starben,  12  heilten  p.  p.,  die  anderen  12  wur¬ 

den  undicht.  R  o  m  m  öffnet  die  Blase  nahe  dem  Fun¬ 
dus,  um  die  Wunde  möglichst  vom  Blasenhals,  wo  bei 
der  Entleerung  die  stärksten  Kontraktionen  der  Wandung 
auf  treten,  zu  entfernen.  Da  R.  auch  bei  septischer  Cystitis  die 
A  aht  versucht,  so  erklärt  sich  daraus  sein  verhältnismässig  nicht 
sehr  günstiges  Resultat  in  Bezug  auf  die  primäre  Heilung. 

Mehr  der  Auswahl  redet  L  i  s  s  j  a  n  s  k  i 8 *)  das  Wort,  der 
50  neue  Fälle  mitteilt.  Bei  gesunder  Blase  empfiehlt  er  die  Naht 
mit  Fixation  an  die  vordere  Bauchwand,  welche  er  für  wesentlich 
hält,  wenn  auch  weitere  Erfahrungen  darüber  noch  zu  sammeln 
seien.  Für  die  Fälle  mit  cystitischen  Erscheinungen  hält  er  die 
partielle  Naht  oder  die  offene  Behandlung  indiziert,  besonders 
wenn  es  sich  um  schwächliche  Patienten  handelt.  Mehr  dem 
R  omni  sehen  Standpunkt  kommt  Lotheissen ö)  nahe,  dessen 
Ausführungen  sich  allerdings  nur  auf  wenige  Fälle  stützen.  Er 
empfiehlt  für  die  Sectio  alta  bei  Steinen  und  Fremdkörpern  die 
Naht,  für  Geschwülste  der  Blase  und  Tuberkulose  dagegen  die 
Nachbehandlung  mittels  Drainage,  ein  Standpunkt,  den  man 
wohl  nicht  immer  wird  teilen  können. 

Wenn  man  die  Resultate  der  einzelnen  Autoren  vergleicht, 
dann  muss  man  mit  Rücksicht  auf  die  Rasumowski  sehen 
Erfolge  fast  zu  der  Ueberzeugung  kommen,  dass  die  Heilung 
zum  grössten  Teil  von  der  Nahtmethode  abhänge  und  dass  sich 
Verbesserungsvorschläge  nur  nach  dieser  Richtung  hin  bewegen 
dürften.  Wahrscheinlich  beruht  aber  das  günstige  Resultat  von 
Rasumowski  neben  der  guten  Technik  mit  auf  einer  sach- 
gemässen  Auswahl  der  Fälle.  Rom  m,  der  ausnahmslos  die 
A  aht  macht,  hat  trotz  der  F  ixation  der  Blase  an  die  vordere 
Bauch  wand,  die  ja  auch  das  Wesentliche  der  Rasumowski- 
schen  Methode  darstellt,  ein  viel  schlechteres  Ergebnis  erzielt 
und  zwar  wohl  deswegen,  weil  er  ohne  Ausnahme  auch  Fälle  mit 
septischer  Cystitis  zu  nähen  versucht  hat.  In  dem  jeweiligen  Zu¬ 
stande  der  Blase  scheint  mir  daher  doch  wohl  der  Schwerpunkt 
des  Zustandekommens  oder  Versagens  der  Naht  zu  liegen.  Aus 
dieser  Erkenntnis  heraus  empfiehlt  auch  Lissjanski  die 
Naht  nur  bei  gesunder  Blase. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  bei  dieser  Sachlage  der  Stand¬ 
punkt  Lotheissens,  der  die  Indikation  für  die  Blasennaht 
lediglich  auf  Grund  der  vorliegenden  Erkrankung  ohne  Berück¬ 
sichtigung  des  Zustandes  der  Blase  gestellt  wissen  will,  nicht 
sehr  rationell  erscheint.  Man  wird  viel  häufiger  eine  Blase  nach 
einer  Geschwulstexstirpation  erfolgreich  nähen  können  als  nach 
einer  Stein-  oder  Fremdkörperextraktion.  Die  freien  Körper  be¬ 
dingen  fraglos  viel  schneller  und  eher  einen  Entzündungszustand 
der  Blase  als  ein  Tumor  der  Wandung,  der  lange,  abgesehen  von 
gelegentlichen  Blutungen,  symptomlos  verlaufen  kann.  Von 
dem  Stein  oder  Fremdkörper  wird  man  dies  nicht  sagen  können. 
Schon  die  Beweglichkeit  des  freien  Körpers  bedingt  durch  fort¬ 
gesetzte  Reizung  eine  Entzündung  der  Blasenschleimhaut ;  dieser 
Blasenkatarrh  ist,  wie  Sonnenburg10)  mit  Recht  hervorhebt,  cha¬ 
rakteristisch  durch  sein  Verhalten  zur  Ruhe  und  Bewegung;  der 
Iremdkörper  wird  eben  durch  die  Bewegungen  des  Körpers  über 
dem  Gehen  oder,  was  noch  schlimmer  ist,  über  dem  Fahren  hin- 
und  hergeworfen  werden  und  so  einen  Entzündungszustand  er¬ 
zeugen.  Bei  Bettruhe  kann  die  Entzündung  nicht  auftreten  oder 
wird  verschwinden,  wenn  sie  bereits  vorhanden  war. 

Diese  schon  auf  den  ersten  Blick  sehr  einleuchtende  und 
bekannte  Tatsache  habe  ich  für  die  primäre  Blasennaht  nutzbar 
zu  machen  versucht.  Ich  sagte  mir,  dass  ein  geeignetes  Ver¬ 
halten  eines  Steinkranken  oder  eines  Patienten  mit  einem  Fremd¬ 
körper  in  der  Harnblase,  bei  dem  sich  schon  seit  längerer  Zeit 
entzündliche  Symptome  gezeigt  haben,  unter  allen  Umständen 

7)  Rom  in:  Zur  Kasuistik  und  Technik  der  Sectio  alta  und 
Blasennaht.  Deutsche  Zeitsclir.  f.  Cliir.  Bd.  44,  pag.  572. 

8)  Lissjanski:  Zur  Frage  vom  hohen  Blasenschnitt. 
oO  neue  Fälle.  Wratsch  1900,  6  und  7;  ref.  Centralbl.  f.  Cliir. 
No.  24. 

°)  Lotheissen:  Zur  Blasennaht  beim  hohen  Steinschnitt. 
V  ien.  klin.  Woehenschr.  1900,  9. 

10)  Handbuch  der  prakt.  Chir.  Bd.  111,  2,  2, 


den  entzündlichen  Zustand,  die  Cystitis,  Epididymitis  u.  s.  w., 
zum  mindesten  bessern,  wenn  nicht  vollständig  zur  Heilung 
bringen  würde.  Gelingt  es  aber  durch  eine  systematische 
Vorbehandlung,  und  um  eine  solche  müsste  es  sich  ja 
handeln,  nach  dieser  Richtung  hin  bessernd  einzugreifen,  dann 
ist  ein  wesentlicher  Fortschritt  zu  gunsten  der  primären  Blasen¬ 
naht  erreicht. 

So  bin  ich  kürzlich  in  einem  Fall  von  Fremdkörper  in  der 
Harnblase  vorgegangen  : 

Ein  junger,  20  jähriger  Mensch  hatte  sich  Ende  Dezember 
1901  ein  dickes  Wachsstreichholz  in  die  Urethra  gesteckt,  offenbar 
zu  onanistischen  Manipulationen;  das  Wachsstäbchen  war  seiner 
Hand  entglitten  und  in  der  Oeffnung  völlig  verschwunden.  Ex¬ 
traktionsversuche  förderten  den  Körper  aber  nicht  zu  Tage;  er 
war  und  blieb  verschwunden.  Besondere  Beschwerden  sollen 
direkt  nicht  auf  getreten  sein;  erst  nach  einigen  Tagen  entstand 
eine  Trübung  des  Harns  mit  Schmerzen  nach  dem  Urinieren. 
Eine  Behandlung  mit  Bettruhe  etc.  brachte  vor¬ 
übergehend  Besserung,  während  sich  nach  dem 
Aufstehen  bald  die  alten  Beschwerden  wieder 
einstellten.  Später  trat  eine  schmerzhafte  Anschwellung  des 
rechten  Hodens  auf,  die  sich  offenbar  unter  dem  Einfluss  einer 
cystoskopischen  Untersuchung  noch  erheblich  verschlimmerte. 

Als  der  blass  aussehende  und  sehr  abgemagerte  Patient  etwa 
Ö  Monate  nach  dem  Einbringen  des  Fremdkörpers  in  die  Blase 
zu  mir  in’s  Krankenhaus  kam,  bestand  neben  einer  hochgradigen 
Cystitis,  eine  starke  rechtsseitige  Epididymitis.  Der  Urin  war 
trüb,  alkalisch  und  enthielt  Blasenepithelien  und  reichlich  Eiter¬ 
körperchen. 

Da  mir  bei  dem  vorliegenden  Zustande  nach  der  Sectio  alta, 
die  zur  Extraktion  des  Fremdkörpers  nur  in  Frage  kommen  konnte, 
eine  Blasennaht  aussichtslos  erschien,  so  leitete  ich  zunächst  eine 
systematische  Vorbehandlung  der  sekundär  entzündlichen  Erschei¬ 
nungen  mit  absoluter  Bettruhe,  hydropathischen  Umschlägen  und 
Darreichung  von  Salol  —  Massnahmen,  denen  sich  eventuell  noch 
Blasenspülungen  beizugesellen  hätten  —  ein,  obwohl  man  ja  zu  der 
Ansicht  hätte  kommen  können,  dass  nach  der  sofortigen  Extraktion 
des  Fremdkörpers  die  entzündlichen  Erscheinungen  von  selbst 
zurückgehen  würden.  Der  Erfolg  der  Vorbehandlung  war  ein  sehr 
prompter;  die  Cystitis  und  Epididymitis  gingen  bald  zurück  und 
nach  14  Tagen  konnte  ich  durch  eine  glatte  Sectio  alta  das  zu- 
sammengerollte  und  inkrustierte  Wachsstreichholz  entfernen;  die 
allgeschlossene  2  etagige  Naht  der  Blase  mit  Katgut  innen  und 
Seide  aussen  heilte  glatt.  Die  übrige  Wunde  war  ausgestopft 
und  für  die  ersten  Tage  ein  Dauerkatheter,  den  ich  dem  sonst  not¬ 
wendigen  häufigeren  Katheterisieren  vorziehe,  eingelegt  worden. 

Ich  bezweifle  nicht,  dass  schon  häufig  vor  der  Sectio  alta 
zur  Verbesserung  der  Urinverhältnisse  zuweilen  Blasenaus¬ 
spülungen  -  und  ähnliche  Massnahmen  ausgeführt  worden  sind, 
der  Vorschi  ag  einer  systematischen  Vorbe¬ 
handlung  zur  Erreichung  günstiger  Ver¬ 
hältnisse  für  die  Blasennaht  ist  aber  meines 
Wissens  bisher,  so  naheliegend  er  auch  ist,  nicht  gemacht  worden. 
Ein  Anlauf  zu  einer  solchen  Vorbehandlung-  genügt  natürlich 
nicht;  sie  muss  so  lange  konsequent  fortgesetzt  werden,  bis  die 
entzündlichen  Erscheinungen  zum  mindesten  erheblich  gebessert 
oder  ganz  beseitigt  sind.  Der  Zeitaufwand  wird  reichlich  durch 
die  abgekürzte  Heilungsdauer  nach  der  Operation  ausgeglichen. 

Erfolg  mit  der  Vorbehandlung  wird  man  in  vielen  Fällen 
von  Blasensteinen  und  Fremdkörpern  haben,  in  denen  die  ent¬ 
zündlichen  Erscheinungen  sekundärer  Art  sind;  setzt  beispiels¬ 
weise  die  Steinbildung  erst  auf  dem  Boden  einer  alten  Cystitis, 
die  schon  zu  Wandverdiekung-en  geführt  hat,  ein,  dann  wäre 
natürlich  eine  solche  Vorbehandlung  verfehlt.  Ueberhaupt  lassen 
sich  ja  solch  alte,  hartnäckige  Cystitiden  kaum  anders  als  durch 
eine  zum  Zwecke  der  Drainage  ausgeführte  Sectio  alta  heilen ; 
hier  schliesst  die  Art  der  Erkrankung  die  Blasennaht  von 
selbst  aus. 

Verfährt  man  in  den  geeigneten  Fällen,  die  gar  nicht  selten 
sind,  in  der  geschilderten  Weise,  dann  wird  doch  häufig  eine 
primäre  Heilung  der  Blasennaht,  wo  sie  bisher  nicht  eintrat, 
zu  erreichen  sein.  Ich  habe  selbst  Fälle,  wie  den  eben  geschil¬ 
derten,  in  der  Erinnerung,  wo  die  Blasennaht  nach  der  sofort 
ausgeführten  Sectio  alta  undicht  wurde  und  wo  die  beschriebene 
Vorbehandlung  doch  wohl  zum  gewünschten  Ziele  geführt  hätte. 
—  Ich  möchte  hier  noch  im  Gegensatz  zu  Lotheissen  bei 
Tumoren  der  Blase  gerade  die  Naht  empfehlen,  da  sich  seltener 
bei  ihnen,  abgesehen  von  ulzerierten,  jauchigen  Geschwülsten, 
cystitische  Zustände  finden.  Nach  solchen  Geschwulstexstir¬ 
pationen  heilt  die  Blasennaht,  wenn  sonst  keine  Ilinderungs- 
gründo  vorliegen,  ganz  gut;  ich  habe  wenigstens  eine  ganze  An¬ 
zahl  noch  während  meiner  früheren  Tätigkeit  bei  W  i  t  z  e  1  an¬ 
standslos  heilen  sehen. 


p.  221. 


3* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


1796 


Aus  der  kgl.  Universitäts-Ohrenklinik  zu  Halle  a/S.  (Geh.  Rat 

Prof.  Schwartze). 

Ueber  die  neuen  Angriffe  gegen  die  Parazentese  des 
Trommelfelles  bei  der  Therapie  der  akuten  Otitiden.*] 

Von  Prof.  Dr.  Grunert,  I.  Assistenten  der  Klinik. 

Wenn  auch  das  Bestreben  der  praktischen  Medizin, 
für  die  Therapie  ein  immer  breiteres  Feld  zu  gewinnen,  auf 
die  Dauer  nur  in  enger  Fühlung  mit  der  fortschreitenden  theo¬ 
retischen  Erkenntnis  von  Erfolg  sein  kann,  so  darf  es  doch 
nicht  zu  dem  Fehler  verleiten,  durch  langjährige  Erfahrung  er¬ 
probte  ärztliche  Massnahmen  einfach  deshalb  preiszugeben, 
weil  sich  dieselben  mit  der  herrschenden  theoretischen  Anschau¬ 
ung  des  Tages  nicht  recht  in  Einklang  bringen  zu  lassen  scheinen. 
So  frisch,  fröhlich  und  fortschrittlich  das  Leben  der  theoretischen 
Forschung  pulsieren  muss,  so  konservativ  soll  die  Therapie  sein 
in  Bezug  auf  das,  was  die  Praxis  bewährt  gefunden  hat.  Welchem 
Wechsel  sind  oft  schon  in  den  kürzesten  Zeitspannen  unsere  theo¬ 
retischen  Anschauungen  unterworfen  gewesen?  Wie  oft  haben 
sie  nur  ein  Eintagsfliegendasein  gefristet?  Diese  Tatsache  darf 
die  praktische  Medizin  niemals  aus  dem  Auge  verlieren,  und  des¬ 
halb  darf  sie  sich  auch  niemals  blindlings  mit  Leib  und  Seele 
der  herrschenden  Tagestheorie  verschreiben,  sondern  ihr  Vor¬ 
wärtsschreiten  soll  ein  vorsichtig  tastendes,  sorgfältig  abwägendes 
sein!  Nur  wenn  sie  sich  diesen,  mit  Stillstand  durchaus  nicht 
zu  verwechselnden,  und  sie  allein  zu  einem  wahren  Fortschritte 
führenden  Konservativismus  bewahrt,  schützt  sie  sich  vor  der 
Gefahr  verhängnisvoller  und  sie,  wegen  der  Notwendigkeit  baldi¬ 
gen  Widerrufs,  in  den  Augen  des  Publikums  biosstellender 
Irrtümer- 

Leider  kann  man  es  noch  täglich  erleben,  dass  sie  diese  Klippe 
nicht  zu  vermeiden  versteht,  und  auch  unsere  Fachwissenschaft 
bietet  eine  Anzahl  einschlägiger,  wenig  erfreulicher  Beispiele. 

Wir  brauchen  nur  auf  die  Unsicherheit  hinzu  weisen,  welche 
im  letzten  Jahrzehnt  durch  die  leidige  theoretische  Spekulation 
in  die  Behandlung  der  entzündlichen  Ohrerkrankungen  hinein¬ 
getragen  ist.  Wer  gedächte  nicht  der  Anfeindungen,  welche 
die  Anwendung  des  Katheters,  sowie  der  Ohrenspritze  bei  der 
Behandlung  der  Ohreneiterung  nur  deshalb  erfahren,  weil  eine 
müssige  und  unfruchtbare  Spekulation  Gespenster  sah,  welche 
das  Auge  des  einsichtsvollen  und  erfahrenen  Ohrenarztes  bei 
richtiger  Anwendung  jener  unentbehrlichen  Instrumente  in 
Tausenden  von  Fällen  niemals  erblickt  hatte? 

Ja  neuerdings  ist  sogar  die  Parazentese  des  Trommelfells 
angefeindet  worden,  die  bisher  für  einen  gesicherten  Besitzstand 
der  Medizin  in  der  gesamten  Kulturwelt  galt,  und  deren  segens¬ 
reiche  Wirkung  für  Gesundheit,  Leben  und  Gehör  über  jeden 
Zweifel  erhaben  schien.  Diese  Angriffe  auf  ihre  Stichhaltigkeit 
zu  prüfen,  soll  unsere  heutige  Aufgabe  sein. 

Es  ist  das  dauernde  V  erdienst  Hermann  Schwartze  s, 
durch  seine  vor  ca.  30  Jahren  erschienene,  grundlegende  Arbeit  **) 
„Studien  und  Beobachtungen  über  die  künstliche  Perforation 
des  Trommelfelles“  das  allgemein  abfällige  Urteil  aus  dem  Wege 
geräumt  zu  haben,  welchem  die  Parazentese  durch  das  Fehlen 
wissenschaftlich  begründeter  Indikationen  anheimgefallen  war; 
durch  die  Aufstellung  und  Begründung  neuer,  wie  durch  Ver¬ 
werfung  alter,  wissenschaftlich  unhaltbarer  Indikationen,  durch 
die  Mitteilung  einer  reichen  Kasuistik,  aus  deren  erfreulichen 
Erfolgen  man  nicht  weniger  gelernt  hat,  wie  aus  den  rückhalts¬ 
los  publizierten  ungünstigen  Erfahrungen,  gelang  es  Schwartze, 
einen  durchgreifenden  Umschwung  in  der  allgemeinen  Wert¬ 
schätzung  der  Operation  herbeizuführen.  Und  dieser  Umschwung 
war  ein  verblüffend  schneller;  voll  und  ganz  wurden  die  pro¬ 
phetischen  Worte  erfüllt,  welche  Schwartze  an  den  Schluss 
seiner  oben  genannten  Arbeit  gestellt  hat:  „Ich  hoffe,  dass  bei 
Uebereinstimmung  der  Erfahrungen  in  nicht  zu  ferner  Zeit  der 
Parazentese  ein  wichtiger  Platz  in  der  Therapie  der  gedachten 
Erkrankungen  gesichert  ist.“ 

Der  dauernde  Wert  der  obigen,  grundlegenden  Arbeit  verrät 
sich  nicht  nur  durch  den  Siegeslauf,  welchen  von  da  an  die  Para¬ 
zentese  durch  die  ganze  Kulturwelt  genommen  hat,  sondern  vor 
allem  auch  dadurch,  dass  in  ihr  bereits  alles  gesagt  ist,  was  über 

*)  Vortrag,  gehalten  auf  der  74.  Versammlung  deutscher 
Naturforscher  und  Aerzte  in  Karlsbad. 

**)  Arcln  f.  Ohrenheillt.  Bd.  II,  S.  24,  S.  239;  Bd.  III,  S.  281. 


diesen  Gegenstand  überhaupt  zu  sagen  war.  Die  Arbeit  bietet 
ein  so  in  sich  geschlossenes,  vollkommenes  Ganze  dar,  dass  ein 
weiterer  Ausbau  sowohl  hinsichtlich  der  Indikationsstellung’,  als 
auch  der  Technik  überflüssig  war.  Alles,  was  nach  dieser  Arbeit 
über  die  Parazentese  geschrieben  ist,  ist  nebensächlich  oder  nur 
eine  Wiederholung  der  Schwartze  scheu  Ideen.  Heute  noch 
gelten  die  von  Schwartze  aufgestellten  Indikationen  für 
massgebend,  was  schon  daraus  erhellt,  dass  sie  in  jedes  moderne 
Lehrbuch  der  Ohrenheilkunde  übernommen  worden  sind. 

Wenn  wir  die  modernsten  Angriffe  gegen  die  Anwendung 
der  Parazentese  bei  der  Behandlung  der  akuten  Otitiden 
einer  Kritik  unterziehen  wollen,  müssen  wir  zunächst  den  Stand¬ 
punkt  festlegen,  welcher  bis  heute  allgemein  bezüglich  ihrer 
Indikationsstellung  bei  jenen  akuten  Erkrankungsformen 
eingenommen  worden  ist. 

Wir  folgen  dabei  den  bisher  allgemein  anerkannten  Indika¬ 
tionen  Schwartze s,  wie  sie  in  seiner  Operationslehre  (Hand¬ 
buch  II,  S.  741)  für  die  akuten  Fälle  auf  gestellt  worden 
sind : 

1.  „Bei  schweren  akuten  Katarrhen,  wenn  die  Exsudation 
eine  so  reichliche  ist,  dass  das  Trommelfell  konvex  vorgewölbt 
ist,  oder  bei  der  Luftdusche  durch  den  Katheter  kein  Auskul¬ 
tationsgeräusch  hörbar  wird.  Bei  seröser  Exsudation  (deutliche 
Begrenzungslinien,  gelbgrünliches  Durchscheinen  des  Exsudates, 
Knisterrasseln  bei  der  Auskultation)  nur  dann,  wenn  Taubheit 
und  Ohrensausen  hochgradig  sind  und  nach  öfterer  Anwendung 
des  Katheters  keine  schnell  fortschreitende  Besserung  der  Sym¬ 
ptome  erfolgt. 

2.  „Bei  Otitis  media  purulenta  acuta,  wenn  sich  der  spon¬ 
tane  Durchbruch  des  Trommelfells  verzögert.“ 

3.  „Als  antiphlogistisches  Mittel  bei  Myringitis  acuta,  wo 
eine  hochgradige  Schwellung  des  dunkelblauroten  Trommelfells, 
am  stärksten  im  hinteren  oberen  Quadranten,  besteht  neben  un¬ 
erträglichen  Schmerzen.“ 

Aus  diesen  Indikationen  erhellt,  dass 
Schwartze  nicht  in  jedem  Falle  von  akuter 
Otitis  unterschiedslos  die  Parazentese  für 
indiziert  hält,  sondern  nur  unter  ganz  be¬ 
stimmten,  oben  genau  präzisierten  Voraus¬ 
setzungen. 

Wir  heben  das  deshalb  besonders  hervor,  weil  die  neueren  An¬ 
griffe  gegen  die  Parazentese  den  Fürsprechern  des  Trommelfell¬ 
schnittes  den  Standpunkt  einer  unterschiedslosen  Vornahme 
dieser  Operation  in  jedem  Falle  akuter  Otitis  zu  imputieren 
scheinen. 

Die  älteren  Angriffe  interessieren  uns  an  dieser  Stelle  nicht, 
weil  sie  jeder  Beweiskräftigkeit  entbehrt  haben  und  bereits  von 
berufenerer  Seite  abgetan  worden  sind. 

Die  neueren  dagegen  verdienen  deshalb  eine  kritische  Be¬ 
leuchtung,  weil  sie  durch  ihr  scheinbar  wohlbegründetes,  theo¬ 
retisches  Beiwerk  sehr  wohl,  besonders  in  dem  Urteil  der  all¬ 
gemein  praktizierenden  Kollegen,  Verwirrung  anzurichten  im 
stände  sind.  Dies  gilt  besonders  von  der  diesbezüglichen  Arbeit 
Piffls:  „Ueber  akute  Mittelohrentzündung  und  ihre  Behand¬ 
lung“;  der  Verfasser  wendet  sich  sogar  direkt  an  die  allgemeine 
Praxis  treibenden  Kollegen,  wie  aus  dem  Publikationsort  der 
Arbeit  —  Prager  med.  Wochenschr.  XXV,  No.  21 — 24,  1900  — , 
sowie  aus  dem  Umstande  hervorgeht,  dass  seine  Schrift  entstanden 
ist  aus  einem  Vortrage,  welchen  er  in  einer  Versammlung  von 
praktischen  Aerzten  gehalten.  Wenn  es  auch  in  der  Wissen¬ 
schaft  eine  Autorität  nicht  gibt,  wenn  im  Gegenteil  nur  durch 
den  vor  Autoritäten  nicht  Llalt  machenden  Kampf  diver¬ 
gierender  Meinungen  miteinander  der  wissenschaftliche  Fort¬ 
schritt  zu  stände  kommen  kann,  so  sind  wir  uns  doch  der  be¬ 
sonderen  Schwierigkeit  unseres  Unternehmens,  mit  dem  Ver¬ 
fasser  eine  Lanze  brechen  zu  wollen,  voll  bewusst,  beruft  sich 
doch  Piffl  auf  die  Autorität  eines  Forschers,  der  jederzeit 
als  rückhaltsloser  Vorkämpfer  der  chirurgischen  Behandlung 
der  Ohrenkrankheiten  mit  im  Vordertreffen  gestanden  hat,  näm¬ 
lich  Z  a  u  f  a  1  s.  Er  sagt  nämlich,  dass  die  von  ihm  geschilderte 
Behandlungsart  seit  fast  einem  Dezennium  an  der  Zauf  al- 
schen  Klinik  üblich  sei. 

Ehe  wir  auf  die  von  Piffl  geschildei*te  Therapie  der  akuten 
Mittelohrentzündungen  und  die  Kritik  derselben  eingehen,  müssen 
wir  ein  paar  Punkte  des  theoretischen  Teiles  seiner  Abhandlung 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1797 


hervorheben,  die  für  seine  Auffassung  nach  der  Seite  der  Therapie 
hin  uns  von  einschneidender  Bedeutung  zu  sein  scheinen. 

Die  aus  dem  Bedürfnisse  der  Praxis  heraus  entstandene  Ein¬ 
teilung  der  akuten  Otitiden  in  den  akuten  Katarrh  und  die  akute 
Eiterung  will  Piffl  nicht  beibehalten,  betont  vielmehr,  „dass 
wir  in  diesen  verschiedenen  Formen  einen  und  denselben  Prozess 
sehen,  der  nur  verschiedene  Grade  der  Ausbildung  zeigt,  sei  es 
infolge  wechselnder  Virulenz  der  Erreger,  sei  es  infolge  ungleicher 
Disposition  des  betroffenen  Individuums“. 

Zwingt  uns  denn  diese  theoretische  Erkenntnis,  dass  es  sich 
in  beiden  Otitisformen  nicht  um  prinzipielle,  sondern  nur  um  gra¬ 
duelle  Unterschiede  handelt,  die  lediglich  praktischen  Zwecken 
dienende,  d.  li.  dem  Praktiker  bestimmte  Anhaltspunkte  für  Dia¬ 
gnose  und  Therapie  gebende  Zweiteilung  aufzugeben  ?  Tritt  uns 
nicht  täglich  in  unserer  Praxis  die  akute  Otitis  in  einer  der  beiden 
Formen  entgegen,  die  doch  klinisch  ein  so  differentes  Verhalten 
zeigen,  dass  wir  von  zwei  besonderen  Formen  zu  sprechen  be¬ 
rechtigt  sind? 

Wenn  sich  P  i  f  f  1  weiterhin  darauf  beruft,  dass  es  Fälle  gibt, 
in  welchen  ein  einfacher  Katarrh  schliesslich  in  eine  Eiterung 
übergeht,  und  dass  in  Fällen  von  eitrigem  Sekret  in  der  Pauken¬ 
höhle  „das  klinische  Bild  und  der  Verlauf  mehr  für  eine  katar¬ 
rhalische  Affektion  gesprochen  hätte“,  so  ist.  doch  das  nicht  Hegel, 
sondern  immerhin  Ausnahme. 

Piffl  will  an  einer  Einteilung  der  akuten  Mittelohrentzün¬ 
dungen  festhalten,  die  sich  auf  die  Aetiologie  stützt.  Er  teilt  die 
akuten  Mittelohrentzündungen  ein  in  primäre  oder  genuine  und 
sekundäre,  eine  Bezeichnung,  unter  welcher  er  die  bei  oder  nach 
allgemeinen  Infektionskrankheiten  auf  tretenden  Mittelohrentzün¬ 
dungen  verstanden  wissen  will« 

Kann  denn  diese  Einteilung  den  Anspruch  darauf  erheben, 
eine  ätiologische  genannt  zu  werden? 

Die  Einteilung  in  genuine  und  sekundäre  Mittelohrentzün¬ 
dungen  wird  stets  den  Widerspruch  herausfordern,  weil  auch  bei 
oder  nach  allgemeinen  Infektionskrankheiten  nicht  selten  Otitiden 
auf  treten,  welche  sich  in  nichts  von  den  sogen,  genuinen  Otitis¬ 
formen  unterscheiden. 

Aber  selbst  wenn  die  bei  Infektionskrankheiten  auftretenden 
Formen  akuter  Mittelohrentzündungen  durchgreifende  Unter¬ 
schiede  von  den  genuinen  Formen  zeigen  würden  —  dass  ein¬ 
zelne  Scharlach-,  Influenza  otitiden  etc.  einen  charakteristischen 
klinischen  Verlauf  haben,  kann  man  ebensowenig  als  „durch¬ 
greifenden“  Unterschied  anerkennen,  wie  die  Tatsache,  dass  unter 
den  Entzündungserregern  bei  den  genuinen  Formen  der  Pneumo¬ 
kokkus  vorherrscht  — ,  wäre  die  Einteilung  in  genuine  und  se¬ 
kundäre  Formen  nicht  als  „ätiologisch“  zu  bezeichnen. 

Eine  ätiologische  Einteilung  wäre  eine  solche,  bei  welcher  die 
jeweiligen  Entzündungserreger  für  die  Sonderstellung  und  Be¬ 
zeichnung  der  Otitis  massgebend  sind. 

Ob  wir  jemals  in  der  Lage  sein  werden,  diesem  Einteilungs¬ 
prinzip  bei  der  Gruppierung  der  akuten  Otitiden  Geltung  zu  ver¬ 
schaffen,  mag  dahingestellt  bleiben;  jetzt  sind  wir  jedenfalls  noch 
himmelweit  von  diesem  Ziele  entfernt,  wenn  es  uns  auch  gelungen 
ist,  gewisse  Verlaufseigentümlichkeiten,  z.  B.  der  Pneumokokken¬ 
otitiden.  als  solche  zu  erkennen. 

Die  Ausführungen  des  Kollegen  1*  i  f  f  1  haben  es  nicht  ver¬ 
mocht,  uns  für  sein  Einteilungsprinzip  so  zu  erwärmen,  dass  wir 
der  leidigen  Theorie  zu  Liebe  der  in  der  Praxis  altbewährten  Ein¬ 
teilung  der  akuten  Otitiden  in  den  akuten  Katarrh  und  die  akute 
Eiterung  untreu  geworden  wären. 

Von  einzelnen  Punkten  abgesehen,  in  denen  unsere  Ansicht 
auf  Grund  einer  13  jährigen  Erfahrung  in  der  Sch  w  artze  sehen 
Klinik  von  der  P  i  f  f  1  s  abweicht  —  z.  B.  dass  man  regelmässig 
den  eitrigen  Inhalt  durch  die  blasenartigen  Ausbuchtungen  im 
Trommelfell  hindurchschimmern  sehen  solle,  dass  die  Perforation 
gewöhnlich  Stecknadelkopfgrösse  habe  und  im  vorderen  und 
unteren  Quadranten  liege  — ,  müssen  wir  noch  diejenige  Auf¬ 
fassung  P  i  f  f  1  s,  den  Verlauf  der  akuten  Otitiden  betreffend,  be¬ 
rühren,  welche  geradezu  die  theoretische  Grundlage  der  von  ihm 
befürworteten  Therapie  ist.  „Als  normal  ist  der  zyklische  oder 
typische  Verlauf  der  Otitiden  zu  betrachten,  wie  wir  ihn  bei  der 
kruppösen  Pneumonie  zu  sehen  gewöhnt  sind:  Beginn  mit  Schüttel¬ 
frost  und  kritischer  oder  lytischer  Abfall  der  Temperatur  am 
7.  oder  8.  Tage.“ 

Dieser  von  Zaufal  herrührenden  Anschauung  vermögen  wir 
uns  nicht  anzuschliessen;  nach  unseren  Erfahrungen  kann  man  bei 
den  akuten  Otitiden  von  einem  typischen  zyklischen  Verlauf  über¬ 
haupt,  nicht  sprechen. 

Was  die  Fiebererscheinungen  anbetrifft,  die  sich  im  Beginn  der 
akuten  Eiterung  regelmässig,  beim  akuten  Katarrh  aber  in  seinen 
leichteren  und  leichtesten  Formen  nicht  immer  einzustellen  pflegen, 
so  ist  es  nach  unseren,  in  der  Sch  w  a  r  t  z  e  sehen  Klinik  gesam¬ 
melten  Erfahrungen  auch  bei  den  schwersten  Formen  des  akuten 
Katarrhs  nicht  die  Regel,  dass  das  Fieber  7  oder  8  Tage  anhält. 
Bei  der  akuten  Eiterung  aber  ist  es  Regel,  dass  das  Fieber  sofort 
nach  spontaner  oder  künstlicher  Perforation  des  Trommelfells  und 
Entleerung  des  eitrigen  Sekretes  aufhört.  Die  spontane  Perforation 
und  mit  dieser  der  Abfall  der  Temperatur  pflegt  in  den  meisten 
Fällen  am  2.  oder  3.  Tage  nach  Beginn  der  Entzündung  ein¬ 
zutreten  und  nicht  am  7.  oder  8.  Tage. 

Gewiss  gibt  es,  aber  nur  ausnahmsweise,  Fälle,  in  welchen 
nach  Eintritt  der  Perforation  mittleres,  ja  vorübergehend  höheres 
Fieber  sich  noch  längere  Zeit  hinzieht  und  welche  trotzdem  weiter 

No.  43. 


hin  günstig  verlaufen;  wir  vermögen  aber  uns  niemals  einer  ge¬ 
wissen  Besorgnis  zu  entschlagen,  wenn  das  Fieber  bei  der  akuten 
Otitis  so  lange  anhält,  wie  es  nach  Piffl  zum  „normalen“  Ver¬ 
lauf  der  akuten  Mittelohrentzündung  gehören  soll. 

Wenden  wir  uns  nun  dem  Hauptgegenstand  dieses  Vortrages 
zu,  demjenigen  Teil  der  therapeutischen  Vorschläge  I*  i  f  f  1  s, 
welcher  die  Angriffe  gegen  die  Parazentese  des 
T  r  ommelfells  bei  der  Behandlung  der  akuten  Otitis  media 
enthält;  hierbei  ist  für  die  kritische  Beleuchtung  dieser  Angriffe 
eine  möglichst  genaue  Wiedergabe  des  I’  i  f  f  1  scheu  Gedanken- 
ganges  unerlässlich. 

„Massgebend  für  die  Behandlung  der  akuten  Entzündung  des 
Mittelohrs“,  sagt  Piffl,  „ist  für  Zaufal  die  Erwägung,  dass 
diese  Erkrankung  einen  cyklischen  Verlauf  besitzt  mit  akutem  Be¬ 
ginn  und  kritischem  oder  lytischem  Abfall  am  7.  oder  8.  Tage, 
und  dass  sie  im  allgemeinen  rascher  und  günstiger  abläuft,  wenn 
es  überhaupt  nicht  zur  Perforation  des  Trommelfells  kommt.  Es 
gilt  daher  als  Kardinalgrundsatz:  Die  Behandlung  hat  anzustreben, 
die  Schmerzen  zu  lindern  und  den  Prozess  selbst  derart  zu  beein¬ 
flussen,  dass  der  natürliche  Durchbruch  des  Trommelfells  hint¬ 
angehalten  und  ein  künstlicher  Durchbruch  (Parazentese)  nicht 
notwendig  wird.  Um  dies  zu  erreichen,  muss  einerseits  die  Aus¬ 
scheidung  von  Sekret  vermindert  und  andererseits  die  ohnedies 
ungeheure  Resorptionskraft  der  Paukenhöhlenschleimhaut  unter¬ 
stützt  werden.  In  manchen  Fällen  wird  auch  der  Abfluss  des 
Paukenhöhlensekretes  per  tubam  zur  Erreichung  dieses  Zweckes 
beitragen.“  Im  Anschluss  hieran  hebt  Piffl  die  sogen.  Gefahren 
der  Fälle  mit  Perforation  des  Trommelfells,  die  Gefahr  der  Se¬ 
kundärinfektion,  sowie  der  Cholesteatombildung  scharf  hervor. 

Piffl  empfiehlt,  im  Beginn  der  Entzündung  mit  Billrotli- 
battist  bedeckte  und  in  heisser  essigsaurer  Tonerde  getränkte,  alle 
3  Stunden  zu  wechselnde  Wattelagen  auf  Ohr  und  Warzenfortsatz 
zu  legen.  Ueber  Nacht  könnten  die  Umschläge  liegen  bleiben. 
Zugleich  soll  innerlich  alle  2  Stunden  0,5  Natrium  salicylicum  - 
bei  Kindern  entsprechend  weniger  —  dargereicht  werden. 
Von  dieser  Therapie  verspricht  er  sich  nicht  nur  einen  prompten 
schmerzstillenden  Effekt,  den  er  vor  allem  auf  die  Wirkung  des 
Natrium  salicylicum  bezieht,  nach  Analogie  der  schmerzstillenden 
Wirkung  beim  akuten  Gelenkrheumatismus,  sondern  auch  eine 
günstige  Wirkung  auf  die  Resorption  des  entzündlichen  Exsudates, 
selbst,  wenn  es  ein  rein  eitriges  sei  und  als  solches  schon  durch 
das  vorgewölbte  Trommelfell  hindurchschimmerte.  Werden  die 
heissen  Umschläge  nicht  vertragen,  so  plädiert  er  für  Anwendung 
der  Kälte,  eventuell  mit  Hilfe  eines  L  eite  r  sehen  Kühlapparates. 
Von  der  Kälteapplikation  behauptet  er,  dass  sie  in  der  Regel  von 
den  Patienten  „sehr  unangenehm  empfunden  und  bald  weggelassen 
werden  muss“.  Bei  Entzündungserscheinungen  am  Warzenfort¬ 
satze  —  starke  Schmerzhaftigkeit  und  Oedem  —  rühmt  er  Ein- 
pinselungen  mit  Jodtinktur  —  eventuell  bei  empfindlicher  Haut  zu 
gleichen  Teilen  mit,  Tinktura  Gallarum  vermischt  —  eine  günstige 
Wirkung  nach.  Die  Parazentese  hält  er  im  allgemeinen  nur  für 
indiziert,  „wenn  am  7.  oder  8. Tage  die  Symptome,  besonders  Fieber 
und  Schmerzen,  nicht  abgenommen  oder  sogar  zugenommen 
haben“.  Ein  Abweichen  von  dieser  Regel,  d.  h.  eine  frühere  Vor¬ 
nahme  der  Parazentese,  will  er  nur  dann  für  angezeigt  wissen, 
wenn  es  sich  um  akute  Otitiden  kleiner  Kinder  mit  schwerem 
Allgemeinzustande  handelt,  „ferner  bei  jeder  Otitis,  wenn  sich  un¬ 
zweifelhafte  Zeichen  einer  Komplikation  einstellen,  z.  B.  Oedem 
am  Warzenfortsatz,  Erbrechen,  Krämpfe,  Benommenheit  u.  dergl“. 

I*  i  f  f  1  hält  die  Besorgnis  für  nicht  gerechtfertigt,  dass  in 
Fällen,  die  nicht  parazentesiert  werden,  leichter  lebensgefährliche 
Komplikationen  zu  stände  kommen  könnten.  „Denn  einerseits 
entstehen  Komplikationen  infolge  allgemeiner  und  örtlicher  ana¬ 
tomischer  Disposition  oder  in  Folge  hochgradiger  Virulenz  des 
Entzündungserregers  und  lassen  sich  daher  durch  die  Parazentese 
nicht  verhüten,  und  anderseits  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  ein 
Prozess,  der  im  stände  ist.,  binnen  kurzer  Zeit  selbst  den  Knochen 
des  Warzenfortsatzes  zu  durchbrechen,  sich  noch  viel  leichter 
durch  das  entzündlich  gelockerte  Trommelfell  einen  Weg  wird 
bahnen  können.“ 

Dies  die  wichtigsten  Gedanken  P  i  f  f  1  s  sowie  seine  wich¬ 
tigsten  therapeutischen  Vorschläge,  bei  deren  Befolgung  es  mög¬ 
lich  sein  solle,  die  Parazentese  in  der  Regel  bei  der  Behandlung 
der  akuten  Otitiden  zu  umgehen. 

Wir  haben  uns  des  Eindruckes  bei  der  Lektüre  der  Piffl- 
sclien  Abhandlung  nicht  erwehren  können,  dass  sie.  anstatt  dem 
Praktiker  eine  sichere  Direktive  im  ärztlichen  Handeln  zu  geben, 
nur  im  stände  ist,  ihn  zu  verwirren  und  unsicher  zu  machen.  Sie 
hat  zwar  seinen  Glauben  an  die  segensreiche  W  irkung  der  Para¬ 
zentese  bei  der  Behandlung  der  akuten  Otitiden  erschüttert,  hat 
ihm  aber  keine  sichere  Richtschnur,  wie  er  sich  nun  zu  verhalten 
hat,  gegeben. 

Diese  verwirrende  Einwirkung  kann  für  den  allgemein  prak¬ 
tizierenden  Arzt  nicht  ausbleiben  angesichts  der  Widersprüche, 
welche  die  Arbeit  aufweist. 

Wozu  ist  bei  der  akuten  Otitis  der  kleinen  Kinder  mit 
schwerem  Allgemeinzustande  „ohne  langes  Zögern“  die  Para¬ 
zentese  nötig,  wenn  die  Behandlung  mit  essigsaurer  Tonerde  und 
Natrium  salicylicum  ein  selbst  eitriges  Exsudat  zur  Resorption  zu 
bringen  vermag?  Wozu  nicht  überhaupt  die  Parazentese  über  Bord 
werfen,  wenn  „ein  Prozess,  der  im  stände  ist,  binnen  kurzer  Zeit 
selbst  den  Knochen  des  Warzenfortsatzes  zu  durchbrechen,  sich 
wohl  noch  leichter  durch  das  entzündlich  gelockerte  Trommelfell 
einen  Weg  wird  bahnen  können?“  Wir  können  die  Meinung  nicht 

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MÜENCHENER  MEDICIN1SCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41 


1793 


zurückhalten,  dass  das  unsichere  Hin-  und  Hertasten  P  i  f  f  1  s  in 
Hinsicht  seiner  therapeutischen  Vorschläge  vor  allem  dadurch 
bedingt  ist,  dass  er  die  altbewährte  Einteilung  der  akuten 
Mittelohrentzündungen  in  akuten  Katarrh  und  akute  Eiterung 
nicht  beibehalten  hat. 

Wenden  wir  uns  nun  nach  Schilderung  des  allgemeinen  Ein- 
druckes,  welchen  die  Lektüre  des  1*  i  f  f  1  sehen  Artikels  in  uns 
erweckt  hat,  zum  Speziellen.  Bringt  seine  Schrift  uns  denn  etwas 
Neues  V  Er  zeigt  u  ns,  dass  es  F  o  r  m  e  n  von  akute  r 
Otitis  gibt,  w  e  1  c  li  e  o  li  n  e  Parazentese  und  ohne 
spontane  Perforation  heilen.  Das  ist  allen  längst  be¬ 
kannt.  Wir  nennen  diese  Formen  „akuten  Katarrh“  und  halten 
für  die  grosse  Mehrzahl  derselben  mit  Schwa rtze  die  Para¬ 
zentese  für  überflüssig. 

Er  sagt  uns  ferner,  dass  die  Fälle  akuter 
Otitis  ohne  Perforation  rascher  zur  Heilung 
k  o  m  m  e  n. 

Kein  Mensch  zweifelt  daran,  dass  der  akute,  nicht  zur  Per¬ 
foration  des  Trommelfells  führende  Katarrh  der  akuten  Eiterung 
gegenüber  sich  im  allgemeinen  durch  einen  rascheren  Ablauf  aus¬ 
zeichnet. 

Er  führt  an,  dass  es  Fälle  von  akuter  Otitis 
gibt,  bei  denen  die  Parazentese  infolge  der  Bös¬ 
artigkeit  der  Infektion  ihren  gewöhnlich  in  die 
Augen  springenden  Nutzen  nicht  entfaltet,  und 
F  ä  1 1  e,  bei  denen  sie  zu  s  p  ä  t  k  o  m  m  t. 

Wer  wartet  aber  auch  so  lange  mit  der  Vornahme  der  Para¬ 
zentese,  wie  es  P  i  f  f  1  tut,  bis  sicli  unzweifelhafte  Zeichen  einer 
Komplikation,  Krämpfe  und  Benommenheit  einstellen?  Wer  so 
lange  wartet,  hat  selbst  verschuldet,  dass  die  Parazentese  zu  spät 
kommt. 

Was  noch  einige  einzelne  Punkte  der  P  i  f  f  1  sehen  Aus¬ 
führungen  anbetrifft,  so  können  wir  es  wenigstens  nicht  für  die 
Formen  der  akuten  Otitis  media  purulenta  als  „Kardinalgrund¬ 
satz“  der  Behandlung  anerkennen,  den  natürlichen  Durchbruch  des 
Trommelfells  hintanzuhalten.  Denn  erstens  ist  auf  die  Tube  als 
Abflussrohr  des  eitrigen  Sekretes  so  gut  wie  nicht  zu  rechnen, 
und  zweitens  ist  uns  P  i  f  f  1  den  Beweis  noch  schuldig,  dass  sich 
eitriges  Sekret  in  der  Paukenhöhle  bei  seiner  Behandlung  zu  re¬ 
sorbieren  vermag. 

Der  vor  der  Behandlung  erbrachte  otoskopische  Nachweis  des 
„durchscheinenden  Eiters  durch  das  vorgewölbte  Trommelfell“  ge¬ 
nügt  uns  als  Beweis  seiner  Behauptung  nicht  —  da  sind  Täu¬ 
schungen  möglich  —  und  noch  weniger  genügt  uns  die  Angabe, 
dass  in  der  Prager  Ohrenklinik  unter  482  akuten  Mittelohrent¬ 
zündungen,  welche  im  Zeitraum  eines  Jahres  (1896)  zur  Beobach¬ 
tung  kamen,  „kaum  10  Parazentesen“  ausgeführt  wurden.  Ja, 
wenn  P  i  f  f  1  hinzugefügt  hätte,  dass  die  übrigen  472  Fälle  o  h  n  e 
nachträgliche  Spontan  Perforation  geheilt  worden 
Avären!  Das  wäre  ein  ReAveis!  Er  hat  uns  ja  aber  nicht  einmal 
angegeben,  in  AA’ie  A-ielen  atou  den  472  Fällen  später  eine  Spontan¬ 
perforation  eingetreten  ist.  Deshalb  sagen  diese  Zahlen  gar  nichts! 

Wenn  P  i  f  f  1  weiterhin  behauptet,  die  Parazentese 
könne  das  Zustandekommen  lebensgefährlicher  Komplikationen 
nicht  verhüten,  weil  die  letzteren  infolge  allgemeiner  und  ört¬ 
licher  anatomischer  Disposition  oder  infolge  hochgradiger  Virulenz 
des  Entzündungserregers  entstünden,  so  ist  diese  Behauptung 
nicht  bewiesen  und  setzt  sich  in  ihrer  Allgemeinheit  in  direkten 
Widerspruch  mit  der  allgemeinen  Erfahrung  der  Mehrzahl  unserer 
Fachgenossen.  Wenn  er  seine  Behauptung  durch  ein  Beispiel 
zu  belegen  versucht,  so  ist  ihm  doch  selbst  aus  der  otologisclien 
Literatur  bekannt,  dass  dieser  von  ihm  angeführte  Fall  ein  Unikum 
ist,  Avelchem  in  der  Literatur  nur  Avenige,  an  den  Fingern  abzühl- 
bare,  zur  Seite  stehen. 

Das  Hauptbedenken,  Avelches  er  gegen  die  spontane  Avie  arte- 
lizielle  Perforation  des  Trommelfells  geltend  macht,  sei  die  Gefahr 
der  Sekundärinfektion  vom  Gehörgange  und  A'on  der  Tube  aus. 
Weshalb  die  Gefahr  der  Sekundärinfektion  auf  dem  letzteren 
W  ege  grösser  sein  soll  bei  perforiertem  als  bei  unperforiertem 
Trommelfelle,  entzieht  sich  unserem  Verständnis.  Die  Gefahr  der 
Sekundärinfektion  vom  Gehörgange  aus  müssen  Avir  zugeben, 
Avissen  aber  auch,  dass  wir  derselben  durch  peinliche  Reinlichkeit 
des  äusseren  Ohres  und  seiner  Umgebung  in  der  Regel  ohne  be¬ 
sondere  Schwierigkeit  Herr  zu  werden  vermögen. 

V  as  die  Applikation  der  Kälte  auf  den  Warzenfortsatz  an¬ 
betrifft,  so  behauptet  Piff  1.  dass  sie  „in  der  Regel  sehr  un¬ 
angenehm  empfunden  und  bald  Aveggelassen  werden  müsse“.  Ich 
kann  nur  betonen,  dass  diese  Behauptung  in  direktem  Widerspruch 
stellt  zu  unseren  Erfahrungen.  Wir  möchten  die  Anwendung  der 
Kälte  (Eisbeutel)  bei  der  Behandlung  der  akuten  Otitiden  nicht 
entbehren  und  haben  gesehen,  das  sie  nur  ausnahmsweise  nicht  er¬ 
tragen  wird  und  ZAvar  von  anämischen  Personen. 

Es  könnte  dem  Leser  der  P  i  f  f  1  sehen  Arbeit  erscheinen,  dass 
abgesehen  von  theoretischen  Differenzen  zwischen  seiner  und 
unserer  Auffassung  in  praktischer  Hinsicht,  die  Indikation  zur 
Parazentese  betreffend,  kein  nennenswerter  Unterschied  der 
Meinung  bestehe.  Der  Unterschied  sei  nur  der,  dass 
Piffl  die  Parazentese  im  allgemeinen  nicht  vor  dem  7.  oder 
8.  Tage  ausgeführt  Avissen  wolle,  während  Avir  nach  Schwartze 
dieselbe  bei  den  von  Piffl  erwähnten  Symptomen  Adel  früher  ans- 
1  (ihren  wollten.  Aber  dieser  Unterschied  bezüglich  des  Zeitpunktes 
der  Parazentese  ist  ja  von  grösster  Bedeutung. 


Ob  die  P  i  f  f  1  sehe  Behandlung  in  ebenso  prompter  Weise  den 
Schmerz  stillt,  wie  die  Parazentese,  entzieht  sich  unserer  Er¬ 
fahrung,  aber  so  viel  können  Avir  behaupten,  dass  nach  den  Er¬ 
fahrungen  der  S  c  h  wartze  sehen  Klinik  im  allgemeinen  die 
Fälle,  in  denen  frühzeitig  parazentesiert  worden  ist,  einen  günsti¬ 
geren  und  rascheren  Verlauf  nehmen,  als  diejenigen,  welche  erst 
später  zur  Parazentese  gekommen  sind.  Diese  Ansicht  vertritt 
auch  K  ö  r  n  e  r  J),  Avelcher  sie  sogar  durch  ein  zwar  noch  kleines, 
aber  doch  interessantes  statistisches  Material  belegt  hat.  Derselbe 
Autor  beAvies  desgleichen  durch  die  Statistik,  dass  die  früh¬ 
zeitige  Parazentese  den  besten  Schutz  gegen  eine  komplizierende 
Mastoiditis  gewährt. 

Wie  die  diesjährigen  Verhandlungen  der  deutschen  oto- 
logischen  Gesellschaft  zu  Trier  dargetan  haben,  lehnten  die  dort 
versammelten  Ohrenärzte  die  von  Piffl  befürwortete  Therapie 
der  akuten  Mittelohrentzündungen  kurzer  Hand  ab;  nur  ein  ein¬ 
ziger  namhafter  Fachgenosse  teilt  die  Piffl  sehen  Anschauungen 
bezüglich  der  Gegnerschaft  der  Parazentese,  es  ist  Prof.  Sieben- 
m  a  n  n  aus  Basel  (Zeitsehr.  f.  Olirenlieilk.  Bd.  40,  S.  213).  „Auf 
Grund  langjähriger  Erfahrung“,  sagt  er,  „sind  wir  nämlich  zur 
Ueberzeugung  gekommen,  dass  eine  parazentesierte  Mittelohrent¬ 
zündung  nicht  günstiger  verläuft,  als  wenn  das  spontane  Zurück¬ 
gehen  unter  Behandlung  mit  Bettruhe  und  Eis  abgewartet  wird. 
Im  Gegenteil,  die  parazentesierten  Fälle  gestalten  sich  bezüglich 
der  Schwere  und  der  Dauer  und  dementsprechend  auch  der  spä¬ 
teren  Funktionsfähigkeit  infolge  nachträglicher  Mischinfektion  — 
im  ganzen  genommen  —  entschieden  ungünstiger.“ 

Diese  Einwände  gegen  die  Parazentese  erledigen  sich  nach 
dem,  was  Avir  über  die  P  i  f  f  1  sehen  Angriffe  gesagt  haben,  von 
selbst. 

Solche  Aeusserungen  öffnen  Missverständnissen  Tür  und  Tor, 
weil  nicht  zwischen  akutem  Katarrh  und  akuter  Eiterung  unter¬ 
schieden  Avorden  ist.  Was  bei  der  einen  Form  der  Otitis  zu  tun 
richtig  ist,  ist  bei  der  anderen  oft  grundfalsch. 

Wenn  aber  gar  nach  Sieben  mann  die  parazentesierten 
Fälle  beziehentlich  der  Dauer  und  späteren  Funktionsfähigkeit  im 
ganzen  genommen  entschieden  ungünstiger  verlaufen  sollen,  so 
steht  diese  Erfahrung  in  diametralem  Gegensatz  zu  der  anderer 
Fachgenossen.  Zur  Erklärung  dieses  Widerspruchs  bleibt  uns 
dann  nichts  anderes  übrig,  als  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen, 
dass  die  Ursache  der  ungünstigeren  Erfolge  Sieben  m  a  n  n  s 
in  seiner  Technik  der  Parazentese  und  deren  Nachbehandlung  zu 
suchen  ist. 

Ich  hotte,  m.  II.,  Sie  davon  überzeugt  zu  haben,  dass  die 
hier  erörterten  Angriffe  gegen  den  Trommelfellschnitt  nicht 
dazu  angetan  sind,  die  gesicherte  Stellung  dieses  Eingriffes  bei 
der  Behandlung  der  akuten  Otitiden  zu  erschüttern.  Wir  haben 
es  bei  diesen  Angriffen  mit  einer  Erscheinung  zu  tun,  welcher 
wir  auch  sonst  vielfach  in  der  Medizin  begegnet  sind  und  welche 
beAveist,  dass  das  Wort  „quieta  non  movere“  nirgends  weniger 
Geltung  hat  als  gerade  in  der  Medizin.  Ich  erinnere  nur  an  den 
Wechsel  der  Anschauungen  bezüglich  der  Therapie  des  Furunkels, 
des  Ilypopyon,  der  Irrigationen  von  Wunden. 

Wer  die  Geschichte  der  Medizin  studiert,  kann  eine  ganze 
Fülle  derartiger  Beispiele  sammeln.  Und  im  Interesse  des  wirk¬ 
lichen  Fortschrittes  in  der  Medizin  liegt,  es  auch,  anstatt  dem 
Quieta  non  movere  zu  huldigen,  hin  und  wieder  einmal  das 
Quieta  movere  zur  Tat  zu  machen.  Es  müssen  von  Zeit  zu  Zeit 
solche  Behandlungsarten,  welche  bereits  ein  gesicherter  Bestand 
der  I  herapie  zu  sein  scheinen,  mit  dem  Masstabe  nachgeprüft 
werden,  den  eine  Menge  neuen  Beobachtungsmaterials  uns  an  die 
Hand  gegeben.  Und  den  Anstoss  zu  solchen  Nachprüfungen 
geben  gerade  oft  solche  Angriffe  und  Anfeindungen.  Und  darin 
liegt  ihr  Nutzen!  Für  bedenklich  halten  wir  es  nur,  mit  diesen 
Angriffen  vor  ein  Forum  zu  treten,  welchem  naturgemäss  nicht 
in  dem  (Masse  die  Kritik  zur  Verfügung  steht,  wie  das  vor  einem 
Forum  spezieller  Fachgenossen  der  Fall  ist. 

Und  was  speziell  die  Angriffe  gegen  die  Parazentese  des 
Trommelfells  anbetrifft,  so  müssen  dieselben  geradezu  verwirrend 
wirken,  wenn  sie  vor  einem  Kreise  allgemein  praktizierender 
Kollegen  vorgetragen  werden,  unter  denen  endlich  nach  vielen 
Mühen  die  Anschauung  sich  durchgerungen,  dass  dieser  Ein¬ 
griff  bei  der  Behandlung  der  akuten  Otitiden  unentbehrlich  ist, 
und  dass  man  viel  leichter  Schaden  anrichten  kann  durch  seine 
Unterlassung,  als  durch  seine  Adelleicht  einmal  indikationslos 
vorgenommene  Ausführung. 


r)  s.  Arch.  f.  öhrenheilk.  Bd.  56,  S.  S7  u.  88. 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1799 


Ein  Fall  von  kongenitaler  Cystenniere  mit  pararenalem 
Haematom  bei  einem  Luetiker. 

Ein  Beitrag  zur  Nierenpathologie. 

Von  Hermann  E  e  1  s,  I.  Assistent  des  patholog.-anatomischen 

Instituts  in  Zürich. 

(Schluss.) 

Der  eben  beschriebene  Fall  hat  sowohl  klinisches  als  patho¬ 
logisch-anatomisches  Interesse.  Die  Differentialdiagnose  war, 
wie  erwähnt,  für  den  Kliniker  in  diesem  Fall  keine  leichte  Auf¬ 
gabe.  Da  der  Tumor  sich  hart  anfühlte  und  auch  von  solider 
Konsistenz  war,  dachte  niemand  an  ein  Hämatom,  welche  ja 
fluktuieren.  Für  den  Chirurgen  ist  der  Fall  wegen  seiner  Selten¬ 
heit  und  der  Tragweite  eines  in  Frage  kommenden  operativen 
Eingriffes  von  grossem  praktischen  Interesse.  Wäre  an  der  Dia¬ 
gnose  „Nierentumor“,  die  zuerst  gestellt  wurde,  festgehalten 
und  ein  Exstirpationsversuch  unternommen  worden,  so  hätten  wir 
dem  Patienten  noch  den  letzten  funktionierenden  Nierenrest  ent¬ 
fernt.  Selbst  dem  erfahrenen  Pathologen  war  es  bei  der  Autopsie 
nicht  sofort  möglich,  makroskopisch  die  Diffcrentialdiagnose 
zwischen  geronnenem,  zu  einer  soliden  Masse  komprimierten 
Blut  und  einem  weichen  sarkomatösen  Tumor  mit  Plämorrhagien 
zu  stellen.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  wäre  es  dem  Chi¬ 
rurgen  im  Verlauf  der  Operation  auch  nicht  möglich  gewesen. 
Wie  schwer  in  einem  solchen  Fall  die  klinische  Diagnose  sein 
kann,  beweist  nur  die  eine  Tatsache,  dass  intra  vitam  keine  sichere 
Diagnose  gestellt  werden  konnte  und  wir  alle  bei  der  Autopsie 
überrascht  waren  von  dem  ungewöhnlichen  Bild  dieser  Niere 
mit  Aplasie  der  oberen  Hälfte,  cystöser  Degeneration  der  Kapsel 
und  dem  pararenalen  Hämatom.  Der  plötzliche  Exitus  letalis, 
nachdem  sich  der  Pat.  unter  Spitalpflege  ordentlich  erholt  hatte, 
wird  erklärt  durch  die  bei  der  Autopsie  nachgewiesene  Strepto¬ 
kokkendiphtherie  mit  Glottisödem.  Die  Aetiologie  derselben  ist 
nicht  zu  ermitteln,  Pat.  muss  sie  im  Hospital  selbst  erworben 
haben  und  zwar  erst  in  den  letzten  Tagen  vor  seinem  Tode. 
Zum  mindesten  ist  sicher,  dass  kein  ursächlicher  Zusammenhang 
zwischen  dem  pararenalen  Hämatom  und  dieser  lange  Zeit  nach¬ 
her  aufgetretenen  septischen  Infektion  des  ganzen  Körpers  be¬ 
steht.  Da  ja  in  der  Niere  starke  kleinzellige  Infiltration  besteht 
mit  kleinen  Abszesschen,  Hämorrhagien  in  der  Rinde  und  im 
Parenchym  der  Niere  selbst,  daneben  Kokkenanhäufungen  um 
die  Gefässe  und  in  den  Harnkanälchen,  so  liegt  ja  der  Gedanke 
nahe,  die  Blutung  auf  eine  Kokkenembolie  oder  Thrombose  eines 
Kapselgefässes  zurückzuführen.  Es  muss  diese  Erklärung  aber 
in  diesem  Fall  wegen  der  zeitlichen  Differenz  der  beiden  Er¬ 
krankungen  fallen  gelassen  werden.  Die  Literatur  ist  nicht  reich 
an  solchen  Fällen  von  abgekapselten  pararenalen  Hämatomen, 
die  spontan  entstanden  sind.  Die  Ursache  der  meisten  in  der 
Literatur  beschriebenen  Fälle  von  diffusen  oder  abgesackten  grös¬ 
seren  Blutungen  in  und  um  die  Nieren  ist  eine  traumatische 
Nierenruptur  oder  eine  Zerreissung  der  Nierenkapsel,  seltener 
liegt  eine  Ruptur  eines  Aneurysmas  der  Arteria  renalis  oder 
suprarenalis  vor.  Nach  der  Anamnese  müssen  wir  diese  Ursachen 
ausschalten.  Eine  Verletzung,  Fall  oder  Kontusion  der  Nieren¬ 
gegend  wird  in  Abrede  gestellt,  auch  ist  am  anatomischen  Prä¬ 
parat  nirgends  eine  Rupturstelle  in  der  Niere  oder  deren  Kapsel 
nachzuweisen.  Auf  ein  Aneurysma  wurde  an  den  grösseren 
Gefässtämmen  auch  gefahndet,  jedoch  ohne  positiven  Erfolg. 
Es  ist  aber  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  ein  kleiner 
Ast  der  Nierenarterie  ein  Aneurysma  besessen,  das  der  Unter¬ 
suchung  entgangen  und  das  die  Ursache  des  Hämatoms  gewesen. 
Heller  beschreibt  in  einer  Arbeit  „Ueber  die  syphilitische 
Aortitis  und  ihre  Bedeutung  für  die  Entstehung  des  Aneurysma“ 
Fälle,  wo  an  den  verschiedensten  Stellen  des  Körpers  solche  ab¬ 
gekapselte  Hämatome  entstanden  infolge  von  Aneurysma¬ 
rupturen.  In  unserem  Fall  muss  man  um  so  eher  an  eine  solche 
Aetiologie  denken,  als  der  Pat.  Syphilis  durchgemacht,  die  ja 
bekanntlich  unter  den  LVsachen  des  Aneurysmas  die  erste  Stelle 
einnimmt.  Auch  waren,  wie  schon  im  Sektionsbefund  hervor¬ 
gehoben  wurde,  an  der  Aorta  und  allen  anderen  grösseren  Ge¬ 
fässtämmen,  speziell  an  den  Nierenarterien,  hochgradige  Ver¬ 
änderungen  der  Intima  und  Media  vorhanden,  welche  für  Lues 
typisch  sind.  Die  Blutung  liesse  sich  schon  aus  der  Endarteriitis 
syphilitica  allein  erklären  ohne  Zuhilfenahme  eines  Aneurysmas, 
für  dessen  Annahme  wir  ja  auch  keine  Berechtigung  haben.  Ich 
erinnere  hier  nur  an  die  oft  ausgedehnten  Hämatome  der  Hirn¬ 


arteriell  bei  Syphilitikern,  ohne  dass  Aneurysmen  nachzuweisen 
sind.  In  dieser  Ansicht  über  die  Aetiologie  des  pararenalen 
Hämatoms  wurde  ich  bestärkt  durch  eine  kürzlich  von  mir  am 
pathologisch-anatomischen  Institut  in  Zürich  ausgeführte  Sektion 
einer  47  Jahre  alten  Frau  mit  schwerer  Syphilis,  miliarer  Aus¬ 
saat  von  kleinen  Gummaknötchen  über  die  ganze  Leber,  lue¬ 
tischem  Milztumor  und  denselben  Veränderungen  der  Aorta  und 
der  Arterien  des  Körpers  wie  in  dem  beschriebenen  Fall.  Die 
I  rau  besass  ebenfalls  ein  ausgedehntes  Hämatom,  nur  diesmal 
zwischen  Dura  und  Pia  mater,  welches  die  Todesursache  gewesen 
war.  Die  Sektion  dieses  interessanten  und  für  unsere  Gegend 
so  seltenen  I  alles  von  schwerer  allgemeiner  Lues  überraschte  mich 
durch  seine  Analogie  mit  dem  Fall  D.  und  bestärkte  mich  in 
der  Ansicht,  dass  die  Ursache  des  pararenalen  Hämatoms  wohl 
auch  in  den  spezifisch  luetischen  Veränderungen  der  Nieren- 
gefässe,  eventuell  in  einer  aneurysmatischen  Ausweitung  einer 
kleinen  Arterie  der  Nierenkapsel  zu  suchen  sei.  Neben  diesem 
Erklärungsversuch,  der  für  mich  auch  die  grösste  Wahrschein¬ 
lichkeit  besitzt,  existiert  noch  ein  anderer,  den  ich  noch  be¬ 
sprechen  will.  Es  könnte  sich  in  unserem  Fall  auch  um  eine 
Blutung  in  eine  Cyste  handeln  aus  irgend  einer  Ursache.  Die 
Blutung  ist  ja  völlig  abgekapselt,  ihr  oberer  Teil  liegt  noch  im 
Bereich  der  cystös  degenerierten  Nierenhälfte  und  dachte  ich 
auch  anfänglich,  es  würde  sich  um  einen  grossen  Bluterguss  in 
eine  geplatzte  Cyste  handeln.  Es  sind  Fälle  in  der  Literatur 
der  kongenitalen  Cystennieren  bekannt  mit  Hämorrhagien  in 
den  Cysten,  jedoch  keine  von  so  ausgedehnten  Hämatomen.  Es 
steht  in  unserem  Fall  auch  die  Grösse  der  Blutung  in  einem 
Gegensatz  zu  der  Grösse  der  Gefässe,  welche  eine  solche  ge¬ 
platzte  Cyste  versorgen.  Die  Literatur  über  spontan  entstandene 
pararenale  Hämatome  ist  nicht  reich.  Hildebrand  be¬ 
schreibt  einen  solchen  Fall  bei  einem  19  jährigen  Mädchen,  wo 
ebenfalls  spontan  und  ganz  akut  ein  grosses,  lVz  1  Blut  ent¬ 
haltendes  pararenales  Hämatom  entstanden.  Die  Diagnose  wurde 
in  diesem  Fall  auch  nicht  mit  Sicherheit  gestellt;  es  war  nicht 
sicher  festzustellen,  ob  das  Hämatom  von  der  Niere  oder  der 
Milz  ausgehe  und  ob  dasselbe  nicht  etwa  kombiniert  sei  mit 
einer  Neubildung.  Das  Hämatom  erwies  sich  bei  der  Operation 
als  ein  grosser  cystisclier  Sack,  dessen  Innenfläche  ein  .schleim¬ 
hautähnliches  Aussehen  hatte  und  dessen  Inhalt  dickflüssiges 
Blut  war.  Die  Diagnose  war  in  diesem  Fall  leichter  zu  stellen, 
da  das  Hämatom  bei  der  Palpation  als  elastischer,  praller,  rund¬ 
licher  Tumor  zu  fühlen  war,  während  in  unserem  Fall  alles  eine 
derbe,  tumorartige  Konsistenz  besass  und  die  diagnostisch  wich¬ 
tige  Fluktuation  völlig  fehlte.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
der  Wandung  der  Blutcyste  ergab  nur  kernarmes  Bindegewebe, 
ebenso  wie  in  unserem  Fall.  Bellamy  operierte  einen  Fall 
von  pararenalem  Hämatom  am  unteren  Pol  der  Niere.  Die  Dia¬ 
gnose  war  auf  Ovarialcyste  gestellt  worden.  Sinnreich  be¬ 
spricht  in  einer  kürzlich  erschienen  Arbeit  „Ueber  Cystenbildung 
am  Ureter  und  seiner  Umgebung“  im  Zusammenhang  mit  einem 
eigenen  Fall  von  Uretercyste  diese  pararenalen  Hämatome  und 
kommt  zu  der  Auffassung,  es  handle  sich  in  diesen  Fällen  von 
spontan  entstandenen  abgekapselten  Blutungen  im  retroperi- 
tonealen  Zellgewebe  um  Hämorrhagien  in  vorher  bestandene  iso¬ 
lierte  Cysten,  „die  entweder  aus  dem  normalen  oder  überzähligen 
Ureter  direkt  hervorgehen  oder  ihrer  Entstehung  nach  mit  diesen 
Gebilden  in  einem  entfernten  Zusammenhang  stehen“.  Ob  unser 
Fall  hierher  zu  zählen  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden;  seiner 
Lage  nach  nicht. 

Das  Bild,  welches  die  Niere  selbst  auf  dem  Querschnitt  zeigt, 
ist  ein  ganz  ungewohntes.  Es  erinnert  etwas  an  einen  von 
Krönlein  beobachteten  Fall,  der  in  Wyss:  „Nierenchirurgie. 
Erfahrungen  aus  der  chirurgischen  Klinik  Zürich“  beschrieben 
und  abgebildet  ist. 

Nur  handelte  es  sich  in  dem  Fall  von  Krönlein  um  eine 
enorme  Cystenniere,  wo  obenauf  der  Nierenrest  hantelförmig 
sass.  Auch  in  diesem  Fall  kann  man  sich  fragen,  ob  es  sich 
nicht  um  cystöse  Degeneration  des  Nierenbeckens  und  der 
Kapsel  handelt.  Das  gewöhnliche  Bild  der  sogen,  kongenitalen 
Cystenniere,  über  die  bereits  eine  enorme  Literatur  besteht,  ist 
das  einer  meist  sehr  grossen  Geschwulst,  oft  über  Mannskopf¬ 
grösse,  die  sich  zusammensetzt  aus  dicht  aneinander  liegenden 
einkammerigen  Cysten  mit  hellgelbem  bis  dunkelbraunem,  oft 
kolloiden  Inhalt.  Die  Oberfläche  ist  infolgedessen  grob  höckerig, 
es  reiht  sich  auch  hier  Cyste  an  Cyste,  welche  dunkelblau  durch 

4.* 


1800 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nu:  43. 


die  Nierenkapsel  durchschimmern.  Die  Zwischensubstanz  lässt 
makroskopisch  nichts  von  Nierensubstanz  erkennen,  besteht  aus 
Balken  derben  hellgelben  Gewebes.  Mikroskopisch  sind  immer 
noch  Glorneruli  und  Harnkanälchen  in  funktionsfähigem  Zustand 
zu  erkennen.  Meist  ist  die  ganze  Niere  von  solchen  Cysten 
durchsetzt.  Die  Fälle,  wo,  wie  in  unserem  (linke  Niere)  und  in 
dem  K  r  ö  n  1  e  i  n  sehen  Fall,  noch  ein  Rest  intakter  Niere  er¬ 
halten  ist,  sind  selten.  Gewöhnlich  sind  auch  beide  Nieren  von 
dem  Prozess  ergriffen,  welche  Tatsache  für  den  Chirurgen  von 
grosser  praktischer  Wichtigkeit  ist.  So  erlebte  ich  einen  Fall, 
wo  bei  einem  alten  Herrn  wegen  Nephrolithiasis  und  Nierenstein¬ 
koliken  eine  Nephrektomie  ausgeführt  wurde.  Die  exstirpierte 
Niere  war  aber  eine  solche  grosse  kongenitale  Cystenniere  und 
der  Pat.  starb  kurz  nach  der  Operation  an  Urämie;  bei  der 
Sektion  war  die  andere  Niere  ebenfalls  eine  gleiche  Cystenniere. 
Bei  der  Durchsicht  der  Literatur  über  kongenitale  Cystennieren 
fällt  auf,  wie  die  meisten  Patienten  ein  oft  überraschend  hohes 
Alter  erreichen.  Auch  in  unserem  Fall  wurde  ein  Alter  von 
42  Jahren  erreicht,  ohne  dass  Pat.  je  Beschwerden  von  seiten 
der  uropoetischen  Organe  gehabt.  Es  ist  erstaunlich,  mit  wie 
wenig  Nierengewebe  ein  Mensch  auskommen  kann  und  ein  Leben 
lang  die  schwerste  Arbeit  zu.  verrichten  im  stände  ist.  Unser 
Pat.  hätte  sich  sicherlich  von  seinem  pararenalen  Hämatom  er¬ 
holen  können,  wenn  nicht  die  Sepsis  als  gefährliche  Kom¬ 
plikation  dazu  gekommen  wäre.  Touche  teilt  einen  Fall  mit, 
wo  ein  76  jähr.  Pat.  mit  doppelter  Cystenniere  zur  Autopsie  kam, 
der  an  Pneumonie  gestorben  und  wo  im  Leben  die  ganze  Nieren¬ 
affektion  symptomlos  bestanden.  Ewald  beschreibt  einen  Fall, 
wo  bei  einer  67  jährigen  Dame,  deren  Urin  stets  eiweissfrei  ge¬ 
wesen,  der  Tod  ganz  plötzlich  an  Urämie  erfolgte  und  bei  der 
Sektion  sich  ebenfalls  beiderseitig  total  cystös  degenerierte 
Nieren  fanden.  Wenn  wir  auch  in  unserem  Fall  nicht  ent¬ 
scheiden  können,  oh  die  linke  Niere  eine  kongenitale  Cystenniere 
ist,  so  ist  dies  bei  der  rechten  ziemlich  sicher  und  müssen  wir 
annehmen,  dass  bei  der  geringen  Grösse  der  rechten  Niere  und 
dementsprechend  des  funktionierenden  Zwischengewebes  fast  die 
ganze  Stickstoffausscheidung  des  Körpers  von  dem  erhaltenen 
hypertrophischen  Rest  der  1.  Niere  besorgt  wurde.  Dem  Kliniker 
zeigt  dieser  Fall  in  demonstrativer  Weise,  welch  hohen  Wert  jeder 
Rest  von  funktionsfähigem  Nierengewebe  für  die  Vita  des  Pa¬ 
tienten  besitzt,  und  dass  deshalb,  wo  es  möglich  ist,  die  Nieren¬ 
resektion  der  Totalexstirpation  vorzuziehen  ist.  Neben  dieser 
Form  der  Cystenniere,  die  schon  seit  Virchows  ersten  Zeiten 
ein  vielbeschriebenes  und  vielumstrittenes  Objekt  der  patho¬ 
logisch-anatomischen  Untersuchung  gewesen,  namentlich  was 
ihre  Aetiologie  anbelangt,  bestehen  noch  die  sogen.  Retentions¬ 
cysten  der  Nieren.  Diese  kommen  zu  stände  durch  kongenitale 
oder  erworbene  Atresie  der  Nierenpapillen  und  damit  auch  der 
Sammelröhrchen,  infolge  dessen  Harnstauung  in  den  Glorneruli 
und  Harnkanälchen  und  Bildung  dieser  meist  kleinen  Urincysten. 
Dieser  Prozess  kann  im  späteren  Leben  entstehen,  durch  Ent¬ 
zündungen  im  Nierenbecken  oder  in  der  Niere  selbst,  die  mit 
Bindegewebswucherungen  einhergehen  und  deren  Folge  die 
Atresie  von  Harnkanälchen  oder  Nierenpapillen  ist.  So  ent¬ 
stehen  wohl  die  meisten,  gerade  bei  Nierencirrhosen  häufig  vor¬ 
kommenden  isolierten  kleinen  Harncysten.  Anfänglich  wurde 
auch  die  echte  kongenitale  Cystenniere  auf  solche  interstitielle 
Entzündungen  der  Papillen  in  der  Marksubstanz  zurückgeführt. 
So  spricht  V  i  r  c  h  o  w  noch  von  einer  Atresie  der  Papillen  als 
Ursache  der  Cystenniere.  Thom  in  seiner  „Genese  der  Cysten¬ 
nieren“  (I.-D.,  Bonn  1882)  fand  eine  interstitielle  Entzündung 
der  Marksubstanz,  Durlach:  „Ueber  die  Entstehung  der 
Cystenniere“  glaubt  an  eine  Entzündung  des  Nierenbeckens  mit 
Bindegewebsprozessen  in  den  Markkegeln,  Leichte nstern 
an  eine  interstitielle  Papillitis.  Jetzt  wird  wohl  von  den  meisten 
Forschern,  die  sich  mit  der  Genese  der  kongenitalen  Cystenniere 
beschäftigen,  angenommen,  es  handle  sich  dabei  um  eine  em¬ 
bryonale  Störung,  und  wird  dieselbe  angesehen  als  ein  Neoplasma, 
ein  Adenokystorn  der  Niere.  Es  würde  zu  weit  führen,  hier  diese 
Streitfragen  zu  erörtern.  Die  Genese  der  Cystenniere  und  damit 
ihre  Auffassung  als  Neubildung  oder  als  ein  einfaches  Retentions¬ 
produkt  ist  noch  eine  offene  Frage;  ich  verweise  zur  Orien¬ 
tierung  auf  die  Arbeit  von  Iv  a  h  1  d  e  n  „Ueber  die  Genese  der 
Cystennieren  und  der  Cysten  der  Leber“  in  Zieglers  Beiträgen 
zur  patholog.  Anatomie  1893,  Bd.  13. 

Neben  dieser  cystösen  Degeneration  der  Nierensubstanz  selbst 
finden  sich  auch  noch  Cysten  der  Nierenkapsel  beschrieben,  die 


oft  grosse  Tumoren  bilden,  und  die  schon  erwähnten  isolierten 
Cysten  des  Ureters  und  des  Nierenbeckens,  die  ja  nach  Sinn 
reich  die  Grundlage  der  spontan  entstandenen,  abgekapselten, 
j  pararenalen  Hämatome  bilden. 

Das  Bild,  das  unsere  linke  Niere  darbietet,  ist  ein  Kuriosum 
und  in  der  Literatur,  soweit  mir  dieselbe  zugänglich  war,  noch 
nicht  beschrieben.  Von  der  Niere-  ist,  wie  wir  sahen,  die  untere 
Hälfte  ganz  gut  erhalten,  mit  gut  ausgebildetem  Nierenbecken, 
Ureter  und  Gefässen.  An  der  Stelle  der  oberen  Nierenhälfte  ist 
ein  derbes  Bindegewebe  mit  vielen  Cysten,  das  scharf  gegen  die 
Nierensubstanz  abgegrenzt  ist  und  die  angrenzenden  Partien  der 
Niere  komprimirt  hat,  wie  schon  bei  der  Betrachtung  der  mikro¬ 
skopischen  Bilder  erwähnt  wurde.  Diese  Cysten  entsprechen 
mehr  dem  Bilde,  wie  es  als  Cysten  der  Nierenkapsel  beschrieben 
wurde.  Daneben  finden  sich  gleiche  Cysten  in  der  Grenzzone 
der  Niere  gegen  das  cystöse  Gewebe  hin.  Es  wäre  denkbar,  dass 
in  diesem  Fall  beide  Bilder  vereinigt  sind,  dass  wir  also  neben¬ 
einander  Adenocystoma  renis,  sogen,  kongenitale  Cystenniere  und 
Cysten  der  Nierenkapsel  haben. 

Für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und  die  Unterstützung 
während  ihrer  Ausführung  erstatte  ich  Herrn  Prof.  Aschoff- 
Göttingen  meinen  besten  Dank,  ebenso  meinem  verehrten  Chef, 
Herrn  Prof.  E  r  n  s  t  -  Zürich,  für  die  Durchsicht  der  Präparate 
und  der  Arbeit  selbst,  und  Herrn  Dr.  F  ü  r  t  h  -  London  für  die 
freundliche  Ueberlassung  des  Falles. 

Literaturverzeichnis: 

1.  Carl  Sinnreich:  Ueber  Cystenbildung  am  Ureter  und 
seiner  Umgebung.  Zeitsclir.  f.  Heilk.  Br.  23,  1902.  —  2.  Hilde¬ 
brand:  Beitrag  zur  Nierenchirurgie.  Deutsche  Zeitsclir.  f.  Cliir. 
Bd.  40.  —  3.  Bellamy:  British  med.  Journal  1888.  —  4.  Adler: 
Ueber  paranephritische  Cysten.  Berl.  klin.  Wochensehr.  1893, 
Nu.  12.  —  5.  C.  v.  Kahlde  n:  Ueber  die  Genese  der  multiokularen 
Cystenuieren  und  der  Cysten  der  Leber.  Zieglers  Beiträge  zur 
pathol.  Anat.  Bd.  13,  1893.  —  7.  Schmieden:  Die  Erfolge  der 
Nierenchirurgie.  Deutsch.  Zeitsclir.  f.  Chirurgie  62.  Bd.,  Heft  3. 

—  8.  Güter  bock:  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Nieren  Ver¬ 
letzungen.  Arch.  f.  klin.  Chirurg.  Bd.  51.  —  9.  Hoff  mann: 
Ueber  die  Cysten  der  Nierenkapsel.  Inaug.-Diss„  Königsberg  1895. 

—  10.  R  i  ralta:  Ueber  Cysten  der  Fettkapsel  der  Niere.  Cen- 
tralbl.  f.  Patholog.  VII.  —  11.  v.  Nustach:  Beitrag  zur  Genese 
der  kongenitalen  Cystennieren.  Virchows  Arch.  Bd.  142.  — 
12.  H.  Bibbert:  Ueber  die  Entwicklung  der  bleibenden  Niere 
und  die  Entstehung  der  Cystenniere.  Verhandl.  d.  pathol.  Gesell¬ 
schaft  S.  187.  —  13.  Helfer:  Ueber  isolierte  Cysten  der  Niere 
und  der  Nierenkapsel.  —  14.  v.  Brackei:  Ein  Fall  von  solitärer 
Nierencyste.  Sammlung  klin.  Vorträge  No.  75,  neue  Folge.  — 

15.  V  i  r  c  li  o  w:  Gesammelte  Abhandlungen  S.  837 — 872.  — 

16.  Ewald:  Zur  totalen  cystischen  Degeneration  der  Nieren. 
Centralbl.  f.  Patholog.  VII,  S.  699.  —  17.  Touche:  Mitteilungen 
eines  Falles  von  cystiseher  Entartung  der  Nieren.  Centralbl.  f. 
Patholog.  Bd.  VII.  —  18.  H  u  b  er:  Syphilitische  Gefässerkrankung. 
Virch.  Arch.  Bd.  79,  1880.  — -  19.  v.  Lange  nb  eck:  Arteriitis 
syphilitica.  Arch.  f.  klin.  Cliir.  Bd.  26.  —  20.  Heller:  Ueber 
die  syphilitische  Aortitis  und  ihre  Bedeutung  für  die  Entstehung 
des  Aneurysma.  Verhandl.  d.  deutsch,  pathol.  Gesellsch.  1900.  — 
21.  Krönlein:  Demonstration  eines  mächtigen  Cystadenoms  der 
Niere.  Bericht  über  die  Verhandl.  der  deutsch.  Gesellsch.  für 
Chirurgie  1899. 

Ein  Rückblick  auf  720  Gallensteinlaparotomien,  unter 
besonderer  Berücksichtigung  von  90  Hepatikus- 

drainagen. 

Von  Professor  Dr.  Hans  Kehr  in  Plalberstadt. 

(Schluss.) 

Ich  komme  nunmehr  auf  die  Sterblichkeit  nach  meinen 
Gallensteinoperationen  zu  sprechen  und  ich  bitte,  Ihre  Aufmerk¬ 
samkeit  der  Tabelle  II  zuzuwenden. 

Tabelle  II. 

Die  Sterblichkeit  nach  Gallensteinoperationen. 

1.  237  konservative  Operationen,  (Cystostomien,  C3'st- 

endysen,  Cystikotomien)  mit  5  Todesfällen  .  =  2,1  Proz. 

2.  161  Cystektomien  mit  5  Todesfällen . =  3,1  „ 

3.  137  Choledochotomien  und  Hepatikusdrainagen  mit 

9  Todesfällen  . =  6,5  „ 

4.  114  gleichzeitige  Operationen  am  Magen,  Darm, 

Pankreas,  Leber,  Niere  etc.  mit  24  Todesfällen  =  21  „ 

5.  71  gleichzeitige  Operationen  bei  inoperablem  Kar¬ 

zinom  der  Gallenblase,  des  Choledocbus ,  der 
Ieber,  diffuser  eitriger  Cholangitis,  diffuser 
eitriger  Peritonitis,  Sepsis  mit  69  Todesfällen  .  =  97  „ 

Sa.  720  Laparotomien  mit  112  Todesfällen  =  15,5  Proz. 

Unter  Abzug  von  4.  114  Operationen  und 
5.  71  Operationen 

535  reine  Gallensteinlaparotomien  mit  19  Todesfällen  =  3,5  „ 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1801 


Bemerken  muss  ich,  dass  die  eigentliche  Zahl  der  Cvsto- 
stomien  und  Cystektomien  viel  grösser  ist,  als  die  hier  ange- 
Bei  vielen  Choledochotomien  wurde  zugleich  cysto- 
oder  cystektomiert,  aber  da  die  Cystostomie  und  Cyst- 
der  C  holedochotomie  gegenüber  als  untergeordnete  Ein- 


gebene. 

storniert 

ektomie 


griffe  gelten 


mu,S8e?'  und  es  llIer  nur  auf  die  Zahl  der  Laparo¬ 
tomien  (<20)  und  nicht  der  Einzeleingriffe  (1131)  ankommt  habe 
ich  nur  die  Cystostomien  und  Cystektomien  in  Rechnung  gebracht 
die  als  unkomplizierte  Eingriffe  anzusehen  sind. 

W  ill  man  die  Sterblichkeit  nach  Gallensteinoperationen  genau 
kennen  leinen,  so  darf  man  nicht,  Avie  das  häufig  geschieht,  au  der 
Hand  von  20 — 30  Fällen  statistische  Erhebungen  anstellen  man 
muss  mindestens  100  Operationen  gemacht  haben,  ehe  man  sich 
in  dieser  Beziehung  ein  Urteil  erlauben  darf.  So  könnte  ich  sagen: 
die  Mortalität  einer  nicht  durch  Karzinom  oder  septische  Cholan¬ 
gitis  komplizierten  Gallensteinoperation  ist  gleich  Null,  vvenn  ich 
z.  B.  die  letzten  50  1  alle  nur  in  Betracht  ziehe,  denn  atoh  diesen 
ist  überhaupt  kein  einziger  letal  verlaufen.  Wenn  man  aber  eine 
Serie  von  ein  oder  mehreren  Hundert  Fällen  zu  gründe  legt,  so 
kommt  man  doch  zu  einem  etAvas  anderen  Ergebnis. 

Betrachte  ich  meine  sämtlichen  720  Gallensteinoperationen 
auf  ihre  Ausgänge  hin,  so  habe  ich  eine  Sterblichkeit  von 
15,5  Froz.  zu  beklagen,  wenn  ich  aber  die  komplizierenden  Opera¬ 
tionen  an  Magen,  Darm  und  Leber  und  die  ganz  desolaten,  jeder 
Therapie  unzugänglichen  Karzinom-  und  Oholangitisfälle  nicht 
mitrechne,  so  ergibt  das  eine  Mortalität  von  3,5  Froz. 

Dabei  habe  ich  nicht  nur  die  Todesfälle,  die  in  den  ersten 
Tagen  nach  der  Operation  eintraten,  berücksichtigt,  sondern  auch 
noch  all  die  tödlichen  Ausgänge,  die  während  der  ersten  100  Tage 
nach  der  Operation  erfolgten.  Daher  die  erschreckende  Mortalität, 
z.  B.  beim  Karzinom  der  Gallenblase.  Auch  die  Todesfälle,  die 
ganz  unabhängig  von  der  Operation  sich  ereigneten,  z.  B.  Apo¬ 
plexien  bei  alten  Leuten,  sind  mit  in  die  Tabelle  aufgenommen 
worden.  Gehen  wir  etwas  spezieller  auf  die  Sterblichkeit  nach  den 
einzelnen  Operationsmethoden  ein,  so  ergibt  die  Cystostomie, 
Cystendyse  und  Cystikotomie  eine  Sterblichkeit  Aron  2,1  Froz.,  die 
Cystektomie  eine  solche  von  3,1  Proz.  und  die  Clioledochotomie 
und  die  Hepatikusdrainage  eine  Mortalität  von  6,5  Froz.  In  den 
letzten  2  Jahren  habe  ich  von  meinen  Choledochotomierten  nur 
noch  3  Proz.  verloren,  und  ich  verdanke  diese  günstigen  Resultate 
in  erster  Linie  dem  Umstand,  dass  ich  nach  einer  Choledoclio- 
tomie  den  Gang  nicht  mehr  nähe,  sondern  prinzipiell  offen  lasse, 
d.  h.  die  Hepatikusdrainage  ausführe.  Je  länger  man  seine  Hände 
Aväscht  (zu  ihrer  Sterilisation  verwende  ich  genau  eine  halbe 
Stunde),  je  schneller  man  operiert,  je  grösser  die  Erfahrung  wird, 
je  besser  man  die  Technik  beherrscht,  um  so  günstiger  werden  die 
Erfolge.  Auch  Majo  Robson  weist  darauf  hin,  dass,  seitdem 
er  in  kurzer  Zeit  eine  Clioledochotomie  zu  Ende  führt,  die  Resultate 
viel  besser  geworden  sind.  In  wenigen  Minuten  muss  die  Bauch¬ 
höhle  eröffnet  sein,  und  zwar  durch  einen  nicht  unnütz  langen, 
aber  hinreichend  grossen  Schnitt,  und  dann  kann  man  oft  in  5  bis 


10  Minuten  eine  Ektomie  beendigt  haben.  Manche  Hepatikus¬ 
drainage  inklusrte  Ektomie  hat  mich  nicht  länger  als  20  bis 
30  Minuten  aufgehalten.  Aber  unter  dieser  Schnelligkeit  darf  die 
Gründlichkeit  nicht  leiden,  man  muss  die  Gänge  so  abtasten  und 
sondieren,  dass  man  möglichst  sicher  ist,  keinen  Stein  übersehen 
zu  haben. 

Unter  den  5  Todesfällen,  welche  die  konservativen  Methoden 
ergaben,  sind  auch  jene  Operierte  verrechnet,  welche  durch  un¬ 


glückliche  Zufälle,  Avie  sie  eben  nach  jeder  Operation  eintreten 
können,  zu  gründe  gingen.  In  dem  einen  Fall  starb  die  Patientin 
nach  einem  völlig  fieberfreien  Verlauf  2  Wochen  post  op.  an  einer 
Embolie  der  Pulmonalarterie,  die  zweite,  eine  60  jährige  Frau, 
7  Tage  später  an  einer  Apoplexie,  die  dritte  an  Urämie  infolge  einer 
wahrscheinlich  durch  das  Narkotikum  wieder  akut  gewordenen 
chronischen  Nephritis  u.  s.  av. 

Die  Cystektomie  ist  nur  um  1  Proz.  gefährlicher  Avie  die 
Cystostomie  und  hat  dabei  den  Vorzug,  dass  sie  radikaler  ist.  Auf 
die  Funktionen  des  Magens  und  des  Darms  hat  die  Exstirpation 
der  Gallenblase  keinen  ungünstigen  Einfluss;  auch  habe  ich  bisher 
eine  nachträgliche  Entstehung  von  Lebersteinen  nicht  beobachtet. 
Die  Gründe,  welche  gegen  die  Ektomie  immer  Avieder  vorgebracht 
AA’erden,  sind  schon  deshalb  hinfällig,  weil  meistenteils  das  Organ 
durch  Entzündung,  Narbenbildung,  Schrumpfung  so  verändert  ist, 
dass  es  die  ihm  von  der  Natur  zuerteilten  Funktionen  nicht  mehr 
erfüllen  kann.  Keine  Gallenblase  ist  besser  wie  eine  chronisch 
entzündete,  ulzerierte  und  geschrumpfte  Gallenblase.  Dass  ich 
aber  in  gewissen  Fällen  die  Gallenblase  erhalte,  geht  daraus  her¬ 
vor,  dass  ich  in  den  letzten  4  Jahren  7S  Cystostomien  ausgeführt 
habe. 


Kompliziert  sich  das  Gallensteinleiden  mit  Erkrankungen  des 
Magens  und  Darms,  müssen  wir  zur  gleichen  Zeit  Gastroentero¬ 
stomien  und  Pyloroplastiken  ausführen,  so  haben  wir  mit  einer 
Mortalität  von  21  Proz.  zu  rechnen. 

Ganz  schlecht  wird  die  Prognose  der  Operation,  wenn  wir  ein 
Karzinom,  Lebercirrhose,  Pankreasnekrose,  diffuse  Cholangitis 
u.  s.  w.  aufdecken,  und  kein  objektiv  denkender  Arzt  wird  an 
solchen  desolaten  Fällen  die  Leistungsfähigkeit  der  Chirurgie 
messen  wollen.  Es  ist  hier  eben  unmöglich  zu  helfen,  denn  die 
Patienten  sind  gewöhnlich  so  schwach,  dass  sie  kaum  eine  Nar¬ 
kose  vertragen.  Nur  mit  Mühe  bringt  man  sie  mit  Kochsalz¬ 
infusionen  über  den  Schock  hinaus  und  schliesslich  sterben  die 


No.  43. 


Operierten  doch  an  der  Grundkrankheit  und  alle  Arbeit  war  ver¬ 
gebens.  Das  V  ort  von  P  laten:  ,,So  A'iel  Mühe  um  ein  Leichen¬ 
tuch  kann  gerade  auf  diese  Kategorie  der  Operierten  seine  Au- 
Avendung  finden! 

„Warum“  —  so  höre  ich  einwenden  —  „werden  solche  Fälle 
dann  überhaupt  noch  operiert,  Avenn  Avir  dabei  mit  einer  Mortali¬ 
tät  von  97  Proz.  rechnen  müssen?“ 

Auf  diesen  Einwand  möchte  ich  folgendes  antworten: 

Gewiss  wäre  es  im  Interesse  der  Entwicklung  der  Gallenstein¬ 
chirurgie  das  Richtigste,  wenn  wir  derartige,  völlig  desolate  Fälle 
\  on  dei  Operation  ausschlössen.  Warum  das  nicht  immer  möglich 
ist,  habe  ich  bereits  oben,  bei  Erklärung  der  Tabelle  I  (Karzinom 
der  Gallenblase)  auseinandergesetzt.  Es  kommt  noch  hinzu,  dass 
Avie  eine  jüngst  gemachte  Erfahrung  beweist,  selbst  die  ausge- 
breiteteste  diffuse  Cholangitis  durch  eine  Operation  geheilt  werden 
kann.  Bei  dem  betreffenden  Patienten  enthielt  der  Choledochus 
stinkende  Galle,  und  selbst  aus  einem  kleinen,  am  unteren  Rand 
des  rechten  Leberlappens  während  der  Operation  entstandenen 
Einriss  floss  eitrige  Galle  ab.  Die  ausgeführte  Hepatikusdrainage 
tat  so  sehr  ihre  Schuldigkeit,  dass  schon  nach  5  Tagen  die  Galle 
ganz  klar  wurde.  I’at.  wäre  ohne  Operation  unter  allen  Um¬ 
ständen  verloren  gewesen,  und  wenn  es  in  solchen  Fällen  n  u  r 
in  3  Proz.  gelingt,  das  Leben  zu  retten,  so  ist  die  Freude  über  der¬ 
artige  unverhoffte  Erfolge  um  so  grösser,  da  eine  innere  Behand¬ 
lung  niemals  den  tödlichen  Ausgang  verhüten  kann. 

Schliesslich  ist  zu  bedenken,  dass,  so  sehr  sich  auch  unsere 
diagnostischen  Fertigkeiten  gehoben  haben,  Avir  manchen  Fall  für 
ein  sicheres  Karzinom  halten,  wo  der  Verlauf  nach  der  Opera¬ 
tion  ergibt,  dass  eine  gutartige,  heilbare  Krankheit  (Pancreatitis 
chron.  interst.,  Cholangitis)  Vorgelegen  hat.  Stellen  wir  solche 
Fälle  von  der  Operation  zurück,  so  stirbt  eben  ein  solcher  Patient, 
dessen  Heilung  durch  eine  Operation  nicht  allzu  schwer  gewesen 
wäre.  Ich  werde  nachher  noch  Gelegenheit  haben,  auf  diesen 
Punkt  zurückzukommen. 

M.  H.!  Es  liegt  mir  völlig  fern,  zu  behaupten,  dass  eine 
Gallensteinoperation  ein  unschuldiger  Eingriff  sei;  er  ist  es  be¬ 
sonders  deshalb  nicht,  Aveil  die  allermeisten  Kranken  durch  die 
Schmerzen,  das  Fieber,  den  Ikterus  einen  guten  Teil  ihrer  Wider¬ 
standsfähigkeit  eingebiisst  haben.  Haben  wir  es  aber  mit  sonst 
gesunden  Menschen  zu  tun,  d.  h.  mit  solchen,  deren  Herz,  Lungen 
und  Nieren  noch  intakt  sind,  und  werden  wir  Chirurgen  nicht  ganz 
zuletzt  aus  vitaler  Indikation  zu  Hilfe  gerufen,  so  ist  die  Gefahr 
der  unkomplizierten  Gallensteinoperation  sehr  gering  und  beträgt 
k  a  u  m  m  ehr  av  i  e  2  Proz.  Wäre  die  Gefahr  gleich  Null,  so 
Aväre  es  unsere  Pflicht,  jeden  Gallensteinkranken  schon  nach 
der  ersten  Gallenkolik  zu  operieren,  aber  da  AA'ir  vorher  nie 
Avissen  können,  ob  der  Kranke  zu  den  98  Proz.  gehört,  die  geheilt 
werden,  oder  zu  den  2  Proz.,  die  dem  Tode  verfallen,  müssen  wir 
schon  auf  prophylaktische  Operationen  verzichten,  obgleich  die 
Gefahren  der  ab  wartenden  Behandlung  in  den  meisten  Fällen 
grösser  sind  Avie  die  der  Operation. 

Jedenfalls  werden  die  Gefahren  einer  Gallensteinoperation 
allgemein  zu  sehr  übertrieben  und  das  bezieht  sich  besonders  auf 
die  Möglichkeit  einer  postoperativen  Peritonitis.  Ich  habe  unter 
den  letzten  300  Operierten  nur  einen  einzigen  an  peritonealer  Sepsis 
verloren. 

So  sicher  AArir  nun  eine  Infektion  durch  eine  peinliche  Asepsis 
und  durch  A'orsiclitiges  und  dabei  doch  schnelles  Operieren  ver- 
hiiten  können,  gegen  die  Gefahren  der  Narkose,  gegen  Pneumonien 
und  Embolien  und  gegen  das  rätselhafte,  besonders  nach  Gallen¬ 
steinoperationen  auftretende  schwarze  Erbrechen  sind  unsere  Ope¬ 
rierten  nicht  vollständig  gefeit.  Der  Choledochotomien  Gefahren 
sind  besonders  bedingt  durch  cholämische  Blutungen,  die  man 
zweckmässig  durch  Chlorkalzium  bekämpfen  kann,  durch  Pneu¬ 
monien  und  durch  akute  Nachschübe  der  schon  bestehenden 
Cholangitis.  Die  grosse  Sterblichkeit  der  Clioledochotomie,  über 
die  von  anderer  Seite  berichtet  Avird,  kann  nur  durch  zu  langes 
Operieren  und  durch  den  Nahtverschluss  der  Choledochusinzision 
bedingt  sein.  Die  allermeisten  Kranken  erliegen  aber  deshalb  dem 
Eingriff,  Aveil  sie  zu  spät  dem  Operateur  überwiesen  werden.  Ich 
habe  es  in  dieser  Beziehung  verhältnismässig  gut,  denn  die  Aerzte 
meines  Bezirks  schicken  fast  alle  ihre  Gallensteinkranken  recht¬ 
zeitig  in  die  Klinik. 

Die  logische  Schlussfolgerung,  welche  sich  aus  der  Betrach¬ 
tung  meiner  augenblicklichen  Resultate  ergibt,  sollte  also  die  sein, 
dass  man  die  Steine  entfernt,  so  lange  sie  noch  in  der  Gallenblase 
stecken  und  noch  nicht  in  den  Choledochus  übergetreten  sind,  oder 
gar  durch  entzündliche  Vorgänge  Magen  und  Darm,  Pankreas  und 
Leber  in  Mitleidenschaft  gezogen  und  zur  Karzinombildung  ge¬ 
führt  haben.  Aber  die  zuerst  von  Riedel  aufgestellte  Forderung 
der  frühzeitigen  Operation  ist  einstAveilen  in  der  Praxis  undurch¬ 
führbar,  und  deshalb  bin  ich  froh,  wenn  ich  beim  Hydrops  und 
Empyem  der  Gallenblase,  beim  chronischen  Choledoehusver- 
sclduss,  bei  häufigen,  die  Erwerbsfähigkeit  und  den  Lebensgenuss 
in  Frage  stellenden  BeschAverden  nicht  garzu  spät  zum  Messer 
greifen  kann. 

M.  H.!  Bei  der  Aufstellung  von  statistischen  Untersuchungen 
läuft  man  leicht  Gefahr  seinen  subjektiven  Auffassungen  allzu 
sehr  nachzugehen  und  die  Leistungsfähigkeit  dieser  oder  jener 
Operationsmethode  in  ein  allzu  rosiges  Licht  zu  setzen,  besonders 
dann,  wenn  man  an  ihrer  Einführung  selbst  beteiligt  ist.  Sie  alle 
kennen  gewiss  das  Wort  von  Talleyrand:  „Die  Statistik  ist  die 
Lüge  in  Zahlen“,  und  jenes  von  Billroth  (Archiv  f.  klin.  Chir. 

& 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


.  -(>2 

Bd.  X.  pag.  50,  1809):  „Die  Statistik  ist  wie  ein  Weib,  ein  Spiegel 
reinster  Wahrheit  und  Tugend,  oder  eine  Metze  für  jeden,  zu  allem 
zu  gebrauchen.“  Nun,  m.  H.,  bei  meinen  sämtlichen  Publikationen 
ist  es  mir  nie  eingefallen,  nur  die  Vorteile  der  Operation  zu  schil¬ 
dern  und  ihre  Nachteile  zu  verschweigen;  ich  habe  über  jeden 
Todesfall  berichtet,  ich  habe  niemals  den  Versuch  gemacht,  et¬ 
waige  Todesfälle,  die  einer  mangelhaften  Technik  oder  schlechten 
Narkose,  einer  falschen  Indikationsstellung,  einer  peritonealen  In¬ 
fektion  erlegen  sind,  in  die  Grabesrubrik  der  unheilbaren  Fälle, 
der  Karzinome  oder  der  diffusen  eitrigen  Cholangitis  unter¬ 
zubringen.  Immer  habe  ich  meine  Wandlungen  in  der  Auswahl 
der  Operationsmethoden  offen  eingestanden.  Die  Begeisterung  für 
die  Cystostomie  und  die  Cystikotomie  hat  einer  ruhigeren  Beur¬ 
teilung  Platz  machen  müssen,  und  die  anfängliche  Verachtung  der 
Ektomie  hat  sich  in  eine  grosse  Vorliebe  für  diese  Operation  um¬ 
gewandelt.  Aber  so  oft  auch  meine  Ansichten  gewechselt  haben 
und  unvorhergesehene  Todesfälle  mich  daran  erinnerten,  dass 
unser  Können  und  Wissen  nur  Stückwerk  ist,  das  schöne  V  ort 
Billrot lis  habe  ich  nicht  aus  den  Augen  verloren:  ..Die  un¬ 
bedingte  Wahrhaftigkeit  gegen  sich  selbst  und  gegen  andere  ist 
die  Grundlage,  auf  welcher  die  Statistik  beruht.  Zweifelt  man  bei 
einer  statistischen  Mitteilung  an  der  .Richtigkeit  der  Tatsachen, 
so  ist.  es  nicht  wert,  dass  man  sich'  mit  dem  Studium  solcher  Ar¬ 
beiten  abgibt.“  Und  ich  möchte  hinzufügen:  Der  Arzt,  der  die 
Gefahren  einer  Operation  bemäntelt  und  beschönigt,  ihre  N  orteile 
allzu  sehr  in  das  Licht  rückt,  ist  nicht  wert,  dass  er  an  der  herr¬ 
lichen  chirurgischen  Arbeit  teilnimmt.  Als  ich  kürzlich  mit  einem 
mir  befreundeten  Kollegen  über  meine  Sterblichkeitstabelle  sprach, 
wunderte  sich  dieser,  dass  ich  die  komplizierenden  Operationen  am 
Magen  und  Darm  etc.  und  die  Laparotomien  wegen  inoperablem 
Karzinom  und  diffuser  Cholangitis  und  Sepsis  mitrechne.  Seine 
Meinung  war,  ich  hätte  nur  die  535  reinen  Gallensteinoperationen 
mit  3,5  Proz.  Sterblichkeit  berücksichtigen  sollen.  „Viele  Aerzte 
würden  sich  durch  die  hohe  Sterblichkeit  bei  der  unter  Rubrik  4 
und  5  angeführten  Fälle  von  der  Operation  absclirecken  lassen.“ 
Möglicherweise  hat  der  Kollege  nicht  unrecht,  aber  ich  hielt  es  für 
richtiger,  auch  die  Karzinom-  und  Cliolangitisfälle  mitzurechnen, 
damit  man  erkennt,  wie  relativ  oft  der  Chirurg  es  mit  solchen 
unglücklichen  Kranken  zu  tun  hat  und  wie  selten  es  gelingt,  hier¬ 
bei  zu  helfen.  Und  dann  wollte  ich  nicht  in  den  Verdacht  kommen, 
dass  ich  mir  die  Fälle  aussuche,  nur  die  günstigen  operiere,  die 
schweren  von  der  Hand  weise.  Ich  greife  zum  Messer,  sobald  ich 
die  Ueberzeugung  habe,  dass  eine  innere  Behandlung  nichts  mehr 
nützen  kann,  der  Patient  ohne  Operation  verloren  ist,  und  wenn 
ich  von  100  nur  3  rette,  so  bin  ich  schon  zufrieden. 

Bei  der  Beurteilung  der  Sterblichkeit  nach  Gallensteinopera¬ 
tionen  kommt  es  übrigens  sehr  darauf  an.  wie  viel  Cystostomien 
und  Cystektomien,  Avie  Adele  Choledocliotomien  und  Hepatikus- 
drainagen  der  Chirurg  ausgeführt  hat,  ob  er  auch  die  verzweifelten 
Fälle  A’oii  Cholangitis  und  Karziom  operiert,  oder  ob  er  sie  von 
der  Operation  zurückstellt.  Ich  muss  darauf  hinweisen,  dass  z.  B. 
unter  meinen  letzten  hundert  Operationen  sich  ca.  30  Hepatikus- 
drainagen  und  50  Cystektomien  befanden,  und  dass  es  sich  in  fast 
sämtlichen  Fällen  um  Spätoperationen  handelte.  Ich  lese  in 
anderen  Berichten,  dass  auf  ca.  100  Operationen  50  Cystostomien 
und  nur  3  Ektomien  und  13  Choledocliotomien  kommen,  ein  Unter¬ 
schied,  der  bei  der  Beurteilung  der  Sterblichkeit  doch  sehr  ins  Ge- 
Avicht  fällt.  Ich  hatte  unter  meinen  ersten  360  Operationen  42  Todes¬ 
fälle,  gleich  11,7  Proz.  Mortalität,  unter  Abzug  der  völlig  desolaten 
Fälle  3,8  Proz.;  unter  den  letzten  360  70  Todesfälle,  gleich  19  Proz., 
unter  Abzug  der  desolaten  Fälle  aber  nur  3,3  Proz.  Natürlich 
musste  die  allgemeine  Sterblichkeit  sich  vergrössern,  Aveil  mir 
jetzt  die  schwersten  Fälle  überwiesen  Averden,  seitdem  bekannt 
geAvorden  ist,  dass  ich  mich  ganz  speziell  mit  der  Chirurgie  der 
Gallensteinkrankheit  beschäftige.  Die  leichten  Fälle  werden  sel¬ 
tener,  die  Choledocliotomien  nehmen  zu.  Auf  die  ersten  360  Fälle 
kamen  nur  49  Choledocliotomien  und  Hepatikusdrainagen,  gleich 
14  Proz.,  auf  die  letzten  360  108,  gleich  30  Proz.  Sicher  der  beste 
Beiveis,  Avie  die  schweren  Fälle  sich  gemehrt  haben.  Die  3,8  Proz. 
Mortalität  unter  den  ersten  360  Fällen  müsste  einer  Sterblichkeit 
von  ca.  8  Proz.  der  letzten  360  entsprechen,  wenn  die  Erfolge  sich 
gleich  geblieben  wären.  Es  ist  aber  eine  wesentliche  Besserung 
eingetreten  und  unter  den  letzten  200  reinen  Gallensteinopera- 
tionen,  d.  li.  solchen,  bei  denen  weder  diffuse  Cholangitis  noch 
Karzinom  vorlag,  hatte  ich  nur  noch  3  Todesfälle,  gleich  1,5  Proz.. 
Mortalität.  Diese  Sterblichkeit  ist  jedenfalls  sehr  gering,  und  bei 
weiterer  innerer  Behandlung  wäre  nur  ein  sehr  geringer  Prozent¬ 
satz  geheilt  worden,  und  diese  Heilung  wäre  fast  immer  nur 
eine  scheinbare  geAvesen,  d.  h.  man  hätte  wohl  die  Symptome 
der  Krankheit,  den  Ikterus,  die  Schmerzen  und  das  Fieber  be¬ 
seitigt,  die  Steine  aber  Avären  zurückgeblieben,  und  über  kurz  oder 
lang  Aväre  ein  Rückfall,  resp.  ein  unglücklicher  Ausgang  ein¬ 
getreten. 

M.  II.!  Was  ich  bisher  mitgeteilt  habe,  betrifft  lauter 
Punkte,  die  ich  schon  in  früheren  Publikationen  mehr  oder  we¬ 
niger  ausführlich  erörtert  habe.  Ich  möchte  Ihnen  aber  auch 
gerne  etwas  neues  sagen  und  über  neue  Erfahrungen  berichten 
resp.  frühere  \ron  mir  vertretene  Ansichten  erweitern  und  kor¬ 
rigieren. 

Hm  gleich  mit  dem  letzten  Punkt  zu  beginnen,  so  habe  ich 
früher  gesagt,  man  solle  Patienten,  die  60  Jahre  überschritten 


haben,  nur  unter  ganz  ZAvingender,  d.  li.  vitaler  Indikation  ope¬ 
rieren.  Das  ist  nur  teilweise  richtig,  seitdem  ich  eingesehen 
habe,  dass  gerade  alte  Leute  den  blutigen  Eingriff  oft  über¬ 
raschend  gut  vertragen.  So  habe  ich  im  Verlauf  weniger  Wochen 
drei  70  jährige  Frauen  operiert  und  einen  ganz  glatten  Verlauf 
beobachtet  und  dabei  handelte  es  sich  2  mal  um  Ektomie  und 
Ilepatikusdrainage. 

Weiterhin  bedarf  einer  Korrektur  eine  früher  von  mir  aus¬ 
gesprochene  Ansicht,  dass  man  Patienten  mit  chronischem 
Ikterus,  der  nach  der  Anamnese  nicht  auf  Steinverschluss,  son¬ 
dern  auf  Pankreaskarzinom  beruht,  nicht  operieren  soll,  da  eine- 
Operation  bei  dem  letzeren  Leiden  keinen  grossen  Zweck  habe. 
Ich  habe  aber  einsehen  gelernt,  dass  die  Pankreatitis  chronica 
interstitialis  oft  dieselben  Erscheinungen  macht  wie  ein  Pan¬ 
kreaskarzinom  :  dieselbe  Kachexie,  denselben  hochgradigen  Ik¬ 
terus  u.  s.  av.  Da  aber  eine  Operation  bei  der  Pankreatitis  das 
Leben  retten  kann,  soll  man  also  operieren;  man  muss  natürlich 
vorher  in  Bezug  auf  die  Prognose  sich  den  Angehörigen  gegen¬ 
über  vorsichtig  ausdrücken. 

Bei  Cystostomien  und  Cystektomien  habe  ich  keine  nennens¬ 
werten  neuen  Erfahrungen  gesammelt.  Um  so  mehr  bei  der 
Hepatikusdrainage,  deren  Ausbildung  mir  nach  wie  vor  sehr  am 
Herzen  liegt. 

Ich  habe  die  Hepatikusdrainage  bisher  6  mal  kombiniert  mit 
der  Cystostomie,  29  mal  mit  der  Ektomie  u  n  d  Cystikotomie, 
49  mal  mit  Ektomie  und  6  mal  für  sich  allein  ausgeführt.  Die 
Ektomie  mit  der  Hepatikusdrainage  kombiniert  ist  die  radikalste, 
dabe.i  aber  nicht  besonders  gefährliche  Operation  am  Gallen¬ 
system.  Ihre  Mortalität  beträgt  ca.  3  Proz.  und  in  Bezug  auf 
die  Dauererfolge  gibt  sie  ganz  ausgezeichnete  Resultate.  Ich 
übe  diese  Operationsmethode  bereits  seit  6  Jahren  und  kann  mir 
also  in  dieser  Hinsicht  schon  ein  Urteil  erlauben. 

Ohne  auf  die  Technik  der  Operation  näher  eingehen  zu 
wollen,  will  ich  nur  bemerken,  dass  nach  Eröffnung  des  Chole- 
dochus,  gewöhnlich  im  supraduodenalen  Teil,  und  Entfernung 
womöglich  aller  Steine  ein  kleinfingerdickes  Rohr  in  den  He- 
patikus  ca.  4  cm  Aveit  vorgeschoben  wird.  Durch  dasselbe  wird 
sämtliche  Galle  die  ersten  14  Tage  nach  aussen  geleitet.  Die 
Steine  im  Ilepatikus  lassen  sich  gewöhnlich  leichter  Avie  die  im 
retroduodenalen  und  papillären  Teil  des  Choledochus  liegenden 
entfernen,  und  wo  man  nicht  sicher  ist,  dass  diese  Teile  des 
Choledochus  gänzlich  frei  sind  von  Konkrementen,  füge  ich 
der  Hepatikusdrainage  noch  eine  solche  des  Choledochus  hinzu. 
Dadurch  erleichtere  ich  mir  die  spätere  Ausspülung  des  Ganges 
und  die  nachträgliche  Entfernung  von  übersehenen  Steinen. 
Durch  den  anfänglichen  totalen  Gallenverlust  habe  ich  —  und 
das  wird  besonders  die  inneren  Kollegen  interessieren  — •  nie¬ 
mals  einen  besonderen  Schaden  für  die  Verdauung  eintreten 
sehen,  obgleich  doch  fast  14  Tage  lang  fast  sämtliche  Galle  (oft 
500 — 800  g  pro  die)  abfioss.  Das  einzige,  was  sich  zeigte,  war 
eine  etwas  erschwerte  Defäkation  und  ein  mässig  herabgesetzter 
Appetit.  Aber  in  den  allermeisten  Fällen  hatten  die  Kranken 
gar  keine  Unannehmlichkeit. 

Die  Hepatikusdrainage,  kombiniert  mit  der  Ektomie,  halte 
ich  jetzt  für  die  Normalmethode  bei  der  chirurgischen  Behand¬ 
lung  der  chronisch  rezidivierenden  Cholelithiasis.  Damit  will 
ich  nicht  behaupten,  dass  die  Choledochotomie  mit  Naht  nicht 
auch  zum  Ziele  führe;  habe  ich  doch  bei  meinen  ersten  49  Chole- 
docliotomien  die  Choledochusinzision  stets  geschlossen  und  dabei 
ganz  leidliche  Erfolge  gehabt.  Aber 

1.  Ist  die  Mortalität  nach  einer  Hepatikusdrainage  geringer 
als  nach  einer  Choledochotomie  mit  Naht.  Das  kommt  daher, 
dass  die  Operation  rascher  von  statten  geht  und  die  Infektion 
im  Ilepatikus  viel  schneller  beseitigt  wird. 

2.  Uebersieht  man  nach  einer  Hepatikusdrainage  viel  sel¬ 
tener  Steine  Avie  nach  einer  Choledochotomie  mit  Naht.  Bei  der 
letzteren  Operation  muss  auch  der  geübteste  Chirurg  in  ca.  10 
bis  15  Proz.  der  Fälle  mit  übersehenen  Steinen  rechnen.  Bei  der 
Hepatikusdrainage  richtet  man  aber  die  Wundverhältnisse  so 
ein,  dass  ein  nachträgliches  Entfernen  der  Steine  leicht  möglich 
wird.  Ich  habe  so  oft  bei  der  Nachbehandlung  Steine  aus  den  He- 
patikusästen  herausgespült,  dass  ich  bedaure,  dass  die  Hepatikus¬ 
drainage  von  anderen  Chirurgen  so  selten  geübt  wird.  Aber  die 
Zeit,  dess  bin  ich  gewiss,  wird  nicht  mehr  fern  sein,  dass  man 
ganz  und  gar  auf  die  Choledochotomie  mit  Naht  verzichtet. 
Früher  hat  man  ja  auch  die  Cystendyse  häufig  vorgenommen, 


28.  Oktober  1902. 


MUENCIIFNER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1803 


in  letzter  Zeit  aber  mehr  und  mehr  verlassen.  Und  wer  die 
pathologische  Anatomie  der  Cholelithiasis  als  die  Richtschnur 
seines  Handelns  betrachtet,  der  wird  derartige  Versenkungen 
und  Nähereien  an  Choledochus  und  Gallenblase  aufgeben  und 
den  sicheren  Weg  der  Drainage  wählen.  Um  aber  eine  spätere 
Ausspülung  der  Steine  aus  den  Gallengängen  zu  ermöglichen, 
ist  eine  recht  ausgiebige  Tamponade  um  den  Hepatikusschlauch 
herum  notwendig,  wie  ich  dieselbe  früher  in  verschiedenen 
Publikationen  schon  ausführlich  genug  beschrieben  habe. 

Natürlich  besitzen  wir  selbst  in  der  Ilepatikusdrainage  kein 
absolut  sicheres  Mittel  zur  Entfernung  sämtlicher  Steine,  denn 
wenn  diese  in  den  feinen  Aesten  des  Hepatikus  verteilt  sind,  so 
hilft  überhaupt  keine  Operation,  man  müsste  schon  die  ganze 
Leber  entfernen,  was  bisher  aber  nur  dem  pathologischen  Ana¬ 
tomen  erlaubt  war. 

Hat  man  nach  der  Hepatikusdrainage  die  Tamponade  ent¬ 
fernt,  was  gewöhnlich  in  meiner  Klinik  am  14.  Tage  post  op. 
vorgenommen  wird,  so  führt  man  einen  Spülkatheter  erst  in 
den  Hepatikus  und  dann  duodenalwärts  in  den  Choledochus  ein 
und  befördert  übersehene  oder  absichtlich  zurückgelassene  Steine 
heraus.  Aber  das  ist  oft  leichter  gesagt  als  getan.  Man  fühlt 
den  Stein  bisweilen  mit  der  Sonde,  er  steckt  aber  so  fest,  dass 
er  weder  mit  Kornzange  noch  mit  Steinlöffeln  erreichbar  ist. 
Da  hat  sich  mir  einmal  eine  technische  Massnahme  bewährt,  die 
vielleicht  Ihr  Interesse  erwecken  wird.  Ich  habe  in  die  Cliole- 
dochusinzision  leberwärts  einen  Laminariastift  vorgeschoben 
und  so  den  Hepatikus  derartig  erweitert,  dass  der  Stein  am 
nächsten  Tag  mit  einer  Kornzange  gefasst  und  entfernt  werden 
konnte.  Für  den  Patienten  war  diese  Prozedur  höchst  unan¬ 
genehm.  Der  quellende  Stift  machte  ihm  unsagbare  Beschwerden 
und  ich  musste  schon  12  Stunden  später  denselben  entfernen. 
Aber  er  hatte  seine  Schuldigkeit  getan,  so  dass  ich  am  nächsten 
Tag  den  Stein  extrahieren  konnte.  Der  Kranke  ist  jetzt  völlig 
geheilt. 

Endlich  will  ich  noch  bemerken,  dass  ich  nachträgliche 
Folgen  der  Hepatikusdrainage  (aszendierende  Cholangitis,  Fisteln 
und  Stenosen)  bisher  nicht  beobachtet  habe :  Der  Gallenfluss  ver¬ 
siegt  durchschnittlich  in  der  3.  Woche  und  in  der  6.  Woche 
ist  die  äussere  Wunde  verheilt. 

Ich  will  heute  weitere  Erfahrungen  nicht  mitteilen,  da  ich 
befürchten  muss,  Ihre  Aufmerksamkeit  zu  sehr  in  Anspruch  zu 
nehmen.  Ich  behalte  mir  dieselben  für  eine  spätere  Veröffent¬ 
lichung  vor,  denn  es  wird  Zeit,  dass  ich  Ihnen  über  die  Rezidive 
nach  Gallensteinoperationen  berichte. 

Auch  in  dieser  Beziehung  kann  ich  mich,  da  ich  bereits  zwei 
ausführliche  Arbeiten  veröffentlicht  habe,  kurz  fassen. 

Ich  leugne  keineswegs  die  Möglichkeit  eines  echten  Rezidivs, 
d.  h.  ein  Wiederwachsen  der  Steine,  ja  ich  habe  gerade  im  letzten 
Jahre  mehrere  Beobachtungen  bei  meinen  Operationen  gemacht, 
die  darauf  hinweisen,  dass  die  Steinbildung  nicht,  wie  z.  B. 
Leichtenstern  glaubt,  als  „einmaliger  Vorgang,  der  sich 
das  ganze  übrige  Leben  nicht  mehr  wiederholt“,  aufzufassen  ist. 
Nach  meiner  Meinung  kann  jede  neue  Infektion  der  Gallenwege 
zur  Steinbildung  führen  und  ist  deshalb  das  Rezidiv  in  der  er¬ 
haltenen  Gallenblase  nach  Cystostomie  recht  gut  denkbar,  trotz¬ 
dem  ich  persönlich  ein  solches  durch  eine  erneute  Operation 
noch  nicht  habe  nachweisen  können. 

In  ca.  10  Proz.  der  operierten  Fälle  entstehen  aber  unechte 
Rezidive  durch  absichtliches  oder  unabsichtliches  Zurücklassen 
der  Steine,  durch  neue  Entzündung  in  der  Gallenblase,  durch 
Bildung  von  bandförmigen  Adhäsionen  und  Hernien.  Wer  die 
radikale  Ektomie  der  Cystostomie  vorzieht,  wird  seltener  Re¬ 
zidive  sehen  wie  der  Chirurg,  der  nur  Fisteln  anlegt,  und  wer, 
statt  die  Hepatikusdrainage  in  Anwendung  zu  bringen,  grund¬ 
sätzlich  den  Choledochus  näht,  muss,  worauf  ich  schon  oben  hin¬ 
wies,  in  ca.  15  Proz.  mit  einem  Zurücklassen  der  Steine  rechnen. 

Es  gibt  nun  Kollegen,  die  sich  eine  Freude  daraus  zu  machen 
scheinen,  Rezidive  nach  Gallensteinoperationen  zu  sammeln. 
Mit  einer  Lust  und  Liebe,  wie  man  sie  kaum  bei  Sammlern 
exotischer  Schmetterlinge  und  seltener  Käfer  findet,  gehen  sie 
an  ihre  Arbeit.  Ob  diesen  Aerzten  die  herrliche  Entwicklung 
der  Gallensteinchirurgie  Sorge  macht  oder  ob  sie  nur  von  Wahr¬ 
heitsdrang  getrieben  die  Schattenseiten  der  Gallensteinoperation 
aufdecken  wollen,  wer  will  das  ergründen?  Ich  halte  mich  auf 
Grund  meiner  Erfahrungen  nicht  nur  für  berechtigt,  sondern 
sogar  für  verpflichtet,  nochmals  darauf  hinzuweisen,  dass  kein 


Arzt  über  die  Art  des  Rezidivs  ein  Urteil  abgeben  sollte,  der 
nicht  bei  der  betreffenden  Operation  zugegen  war  oder  mit  dem 
Operateur  über  den  aufgenommenen  Befund  und  die  angewandte 
Methode  Rücksprache  genommen  hat.  Nur  der  Chirurg,  bei¬ 
den  Fall  unter  dem  Messer  gehabt  hat,  kann  entscheiden,  ob 
übersehene  Steine,  Adhäsionen  oder  sonstige  pathologische  Vor¬ 
gänge  das  sog.  Rezidiv  veranlasst  haben.  Sobald  aber  ein  Gallen¬ 
steinoperierter  wieder  Schmerzen  bekommt,  so  tönt  es  aus  allen 
Ecken:  „Die  Steine  sind  wieder  gewachsen!“  Und  wenn  man 
dann  dem  Lärm  nachgeht,  so  entpuppen  sich  die  vermeintlichen 
Steine  als  Fruchtkerne  oder  sonstige  Gebilde,  die  der  Verdauungs¬ 
kraft  des  Darmtraktus  widerstehen.  Es  ist  wahrhaftig  nicht 
nötig,  dass  wir  Chirurgen  in  der  Frage  des  Rezidivs  so  bevor¬ 
mundet  werden.  Ein  guter  Chirurg  muss  so  wahrheitsliebend 
sein,  dass  er  von  ganz  allein  das  Vorkommen  von  Rezidiven  be¬ 
kennt,  und  er  muss  so  klug  sein,  dass  er  nicht  erst  abwartet,  bis 
andere  ihn  darauf  aufmerksam  machen. 

Jedenfalls  habe  ich  bisher  ein  echtes  Rezidiv,  d.  h.  ein  Wieder¬ 
wachsen  von  Steinen  in  einer  bestimmt  völlig  geleerten  Gallen¬ 
blase  noch  nicht  beobachtet  und  könnte  somit  die  Frage 
Naunyns,  ob  die  Operation  auch  wirklich  eine  völlige  Hei¬ 
lung  garantiert,  mit  einem  lauten  „Ja“  beantworten,  denn  ich 
sehe  bereits  auf  eine  12  jährige  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der 
Gallensteinchirurgie  zurück.  Aber  ich  halte  die  Frage  Naunyns 
für  gar  nicht  berechtigt.  Wenn  wir  Blasensteine  durch  Litho- 
lapaxie  oder  durch  die  Sectio  alta  entfernen  oder  wenn  wir 
Nierensteine  aus  dem  Nierenbecken  durch  die  Nephrotomie  ans 
Tageslicht  befördern,  so  verlangt  weder  der  Arzt  noch  der 
Patient  eine  Garantie,  dass  solche  Steine  nicht  wieder  wachsen. 
Aus  welchen  Gründen  ist  diese  Forderung  bei  Gallensteinen  be¬ 
rechtigt?  Verlangt  denn  der  Chirurg,  wenn  er  einen  Patienten 
nach  Karlsbad  schickt,  dass  unter  allen  Umständen  die  Koliken 
schwinden,  Steine  abgehen  und  niemals  neue  Beschwerden  auf- 
treten?  Man  gehe  also  in  seinen  Anforderungen  an  den  Chi¬ 
rurgen  nicht  zu  weit,  und  wenn  es  wirklich  wahr  ist,  dass  die 
Steine  wieder  wachsen,  dann  ist  es  eine  sehr  schöne  Aufgabe  der 
inneren  Medizin,  die  Wiederentstehung  der  Steine  zu  verhüten 
und  Rezidiven  vorzubeugen.  Die  gründliche  Entfernung  der 
Steine  ist  Aufgabe  des  Chirurgen,  die  Verhütung  ihrer  Wieder¬ 
kehr  Pflicht  des  Inneren,  so  laute  die  Parole.  Jedenfalls  steht 
das  Argument,  welches  immer  wieder  gegen  die  Operation  vor¬ 
gebracht  wird,  dass  die  Steine  wiederwachsen  könnten,  auf  sehr 
rhachitischen  Beinen. 

Seit  meiner  letzten  Arbeit  über  Rezidive  nach  Gallenstein¬ 
operationen  in  der  Berliner  Klinik  (Heft  148)  habe  ich  in  13  *) 
von  mir  operierten  Fällen  über  sogen.  Rezidive  etwas  gehört  und 
ich  habe  über  sämtliche  720  Laparotomien  ganz  genaue  Erkundi¬ 
gungen  eingezogen. 

In  2  Fällen  hatte  ich  die  Gallenblase  entfernt,  und  da  zur  Zeit 
kein  Ikterus  bestand,  und  die  Palpation  des  Choledochus  negativ 
ausfiel,  glaubte  ich  auf  die  Inzision  des  Choledochus  resp.  auf 
die  Hepatikusdrainage  verzichten  zu  können.  Es  kam  aber  später 
zu  Koliken  mit  Ikterus  und  zum  Abgang  von  alten  fazettierten 
Steinen  und  es  ist  mir  jetzt  klar,  dass  ich  dieselben  im  Choledochus 
zurückgelassen  habe.  Gerade  diese  beiden  Fälle  haben  mich  in 
meiner  schon  oben  ausgesprochenen  Ansicht,  dass  die  Ektomie 
inklusive  Hepatikusdrainage  die  Nonnalinethode  im  sogen,  freien 
Intervall  sein  sollte,  bestärkt. 

In  einem  3.  Fall  hatte  ich  bei  Empyem  der  Gallenblase, 
welches  schon  in  die  Bauchdecken  perforiert  war,  operiert  und 
einen  wallnussgrossen  Stein  entfernt.  Patient,  im  Jahre  1894 
operiert,  war  8  Jahre  lang  völlig  gesund  und  bekam  dann  wieder 
Beschwerden,  die  auf  eine  neue  Entzündung  in  der  Gallenblase 
hindeuteten.  Der  Kranke  ist  aber  so  wenig  in  seinem  Beruf  ge¬ 
stört,  dass  ich  zu  einer  Wiedereröffnung  der  Gallenblase  keinen 
Grund  hatte. 

In  einem  4.  Fall  hatte  ich  eine  Choledochotomie  mit  Naht 
ausgeführt  und  einen  Stein  zurückgelassen.  Patient  war  4  Jahre 
lang  gesund  und  bekam  dann  wieder  Ikterus,  Koliken  und  Fieber. 
Ich  habe  deshalb  eine  neue  Operation  vorgeschlagen  und  hoffe, 
durch  dieselbe  den  Kranken  zu  heilen. 

Die  beiden  letzten  Fälle  zeigen,  welch’  grosse  Tendenz  die 
Cholelithiasis  zur  Latenz  hat. 

In  einem  5.  Fall  hatte  sich  ein  Stückchen  der  Gazetamponade 
in  den  Choledochus  abgestossen  und  zur  Inkrustation  geführt. 
Eine  Hepatikusdrainage  besserte  den  angerichteten  Schaden 
völlig  aus. 

*)  Noch  in  einem  14.  Fall  kam  es  nach  einer  Ektomie  zum 
Abgang  von  Steinen,  die  bei  der  Operation  im  Choledochus  über¬ 
sehen  wui'den. 


5* 


IS04 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Im  6.  Fall  entpuppte  sieli  das  nach  einer  Ektomie  auftretende 
sogen.  Rezidiv  als  ein  Bandwurm.  Als  dieser  samt  Kopf  ab¬ 
getrieben  war,  blieben  die  Leibschmerzen  weg. 

Bei  3  Fällen  verschwand  das  Rezidiv,  d.  li.  ein  bohrender  und 
dumpfer  Schmerz  in  der  Gegend  der  Gallenblase,  als  die  Narbe 
wieder  aufbrach  und  sich  Seidenfäden  abstiessen.  Seitdem  ich 
keine  versenkten  Nähte  mehr  anwende,  sondern  dieselben  lang 
lasse  und  vollständig  entferne,  habe  ich  von  solchen  Rezidiven 
nichts  mehr  gehört. 

Im  10.  Fall  verlor  sich  das  rätselhafte  Erbrechen  und  die 
häufig  wiederkehrenden  Schmerzen  im  Bauche,  als  statt  des  er¬ 
warteten  Abgangs  von  Steinen  ein  10  pftindiger  Knabe  zum  Vor¬ 
schein  kam. 

Im  11.  Fall  sind  mir  die  trotz  Ektomie  immer  wiederkehrenden 
Koliken,  offen  gestanden,  unerklärlich.  Ob  dieselben  mit  der  noch 
bestehenden  Wanderniere  in  Zusammenhang  zu  bringen  sind, 
möchte  ich  bezweifeln,  aber  soviel  steht  fest,  dass  gleichzeitige 
Erkrankungen  des  Magens  (Ulcus),  der  Appendix  und  auch  die 
bewegliche  Niere,  nicht  selten  den  Erfolg  der  gut  gelungenen 
Gallensteinoperation  sehr  in  Frage  stellen.  Ich  habe  in  den  meisten 
Fällen,  wie  auch  schon  aus  der  Tabelle  I  hervorgeht,  kompli¬ 
zierende  Erkrankungen  des  Magens  und  des  Darmes  sofort  opera¬ 
tiv  angegriffen,  aber  bei  einigen  besonders  schwachen  Kranken 
musste  jeder  Nebeneingriff  unterbleiben,  und  in  solchen  Fällen 
kann  man  nicht  immer  auf  einen  vollen  Erfolg  rechnen. 

Auch  dann,  wenn  die  Operation  ganz  zuletzt  als  Ultimum 
refugium  ausgeführt  wird  und  wir  den  Choledochus  und  He- 
patikus  vollgepfropft  mit  Steinen  vorfinden,  kehren  die  Koliken 
oft  wieder. 

2  Fälle  dieser  Art  möchte  ich  zum  Schluss  noch  kurz  mit- 
teilen : 

Bei  der  einen  Patientin  lag  ein  typischer  Hydrops  der  Gallen¬ 
blase  vor.  Nach  der  Cystostomie  floss  Galle,  aber  das  Stöpsel¬ 
experiment  stellte  fest,  dass  der  Choledochus  undurchgängig  war. 
Ich  operierte  zum  zweitenmal  und  war  erstaunt,  den  Choledochus 
mit  vielen  Steinen  angefüllt  zu  finden,  um  so  mehr  als  jede  Spur 
von  Ikterus,  auch  bei  der  ersten  Operation  fehlte.  Ich  führte  die 
Hepatikusdrainage  aus,  aber  immer  kamen  noch  Steine  während 
der  Nachbehandlung  zum  Vorschein.  Schliesslich  schloss  sich  die 
Choledocliusfistel,  doch  bekam  Patientin  wieder  Koliken  mit 
Ikterus,  und  es  unterliegt  gar  keinem  Zweifel,  dass  ich  nicht  alle 
Steine  entfernt  hatte.  Die  Kranke  war  in  diesem  Jahr  in  Karls¬ 
bad  und  ist  zur  Zeit  frei  von  Ikterus  und  Schmerzeu.  Es  ist  aber 
sehr  leicht  möglich,  dass  eine  nochmalige  Operation  notwendig 
wird. 

Der  andere  Fall  ist  seinem  Rezidiv  erlegen.  Hier  hatte  ich 
ebenfalls  bei  der  ersten  Operation  nicht  alle  Steine  auf  einmal  ent¬ 
fernen  können.  Sie  steckten  tief  in  den  Hepatikusästen  und  erst 
während  der  Nachbehandlung  gelang  es  mir,  noch  ca.  200  Steine 
aus  den  Gallengängen  herauszuspülen.  3y2  Monate  lang  habe 
ich  die  Choledocliusfistel  aufgehalten  und  die  Lebergänge  aus- 
gespiilt.  Da  dann  die  Galle  klar  abfloss,  und  ich  schon  wochen¬ 
lang  keine  Steine  mehr  gefunden  hatte,  drängte  die  Patientin  zur 
Abreise.  Zu  Hause  fühlte  sie  sich  %  Jahre  lang  ganz  wohl,  sah 
blühend  aus,  nahm  ausserordentlich  an  Körpergewicht  zu  und 
konnte  alle  Speisen  vertragen.  Dann  bekam  sie  Cholangitis 
( Fieber,  Schüttelfröste  und  Ikterus)  und  ging  unoperiert  zu  Grunde. 
Erst  am  8.  Tage  der  Erkrankung  wurde  ich  um  meinen  Rat  ge¬ 
lragt.  Ich  schlug  Spaltung  der  Narbe  und  Hepatikusdrainage  vor, 
aber  ich  kam  mit  meinem  Vorschlag  zu  spät.  Noch  an  demselben 
Tag  starb  die  Patientin  ohne  Operation. 

Im  übrigen  habe  ich  nach  der  Ektomie,  kombiniert  mit  der 
Hepatikusdrainage,  kein  Rezidiv  erlebt  und  ich  möchte  deshalb 
dieser  Methode  die  besten  Dauererfolge  zuerkennen.  Aber  auch 
bei  den  einfachen  Cystostomien  und  Ektomien  gehören  nach¬ 
trägliche  Beschwerden  zu  den  Ausnahmen  und  ich  kann  mit 
voller  Bestimmtheit  behaupten,  dass  90  Proz.  aller  Operierten 
von  Koliken,  Ikterus  und  sonstigen  Qualen  verschont  blieben. 

M.  II.!  Nachdem  Sie  nunmehr  meine  Ansichten  über  die 
Erühoperation,  die  Indikationsstellung  zur  inneren  und  chi¬ 
rurgischen  Behandlung  der  Cholelithiasis  gehört  haben  und  über 
meine  augenblicklichen  und  Dauererfolge  genau  orientiert  sind, 
bescliliesse  ich  meinen  Rückblick  mit  einem  freudigen  Ausblick 
in  die  Zukunft,  denn  ich  bin  gewiss,  dass  der  Gallensteinchirur¬ 
gie  noch  herrliche  Erfolge  beschieden  sind.  Zwar  wird  dieselbe 
niemals  Allgemeingut  der  praktischen  Aerzte  werden,  denn  dazu 
ist  die  Technik  der  Operationen  zu  schwierig  und  die  Nach¬ 
behandlung  zu  zeitraubend  und  nur  in  einem  gut  geleiteten  Kran¬ 
kenhause  kann  man  gute  Erfolge  erzielen.  Man  muss  sich  ganz 
und  gar  auf  seine  klinische  Tätigkeit  beschränken,  wenn  man 
den  grossen  Anforderungen,  welche  die  Nachbehandlung  der 
Gallensteinoperierten  an  den  Arzt  stellen,  gerecht  werden  will. 
Aus  diesem  Grunde  werden  nur  Spezialchirurgen,  die  in  ihrer 
Pflichterfüllung  durch  eine  hausärztliche  Praxis  nicht  gestört 
werden,  die  Gallensteinchirurgie  mit  Erfolg  ausüben  können. 
Deshalb  sollte  der  allgemein  praktizierende  Arzt  von  einer  Gallen¬ 


steinoperation  im  Hause  des  Patienten  ein  für  alle  Mal  absehen. 
Aber  es  ist  zu  hoffen,  dass  unter  den  Chirurgen  selbst  die  Zahl 
derer  wachsen  wird,  welche  die  Ausbildung  dieses  herrlichen 
Zweiges  der  operativen  Heilkunde  sich  angelegen  sein  lassen. 
Bisher  liegt  die  Gallensteinchirurgie  nur  in  den  Händen  ein¬ 
zelner  Chirurgen :  diese  müssen  ihre  Erfahrungen  mitteilen,  da¬ 
mit  die  weniger  Geübten  daraus  einen  Nutzen  ziehen.  Am 
meisten  lernt  man  aber,  wenn  man  bei  den  Operationen  zugegen 
ist,  und  auch  der  innere  Arzt  soll  das  nicht  versäumen,  damit 
er  die  pathologische  Anatomie  erlernt  und  in  der  Diagnosen- 
und  Indikationsstellung  sich  ausbildet.  Wird  dieser  mein  Wunsch 
erfüllt,  so  bin  ich  überzeugt,  dass  die  Opposition,  die  sich  noch 
vielfach  gegen  die  operative  Behandlung  der  Cholelithiasis  in 
inneren  Kreisen  geltend  macht,  von  ganz  allein  schwinden  wird. 

Bei  der  Behandlung  vieler  Krankheiten,  die  bisher  zur  un¬ 
bestrittenen  Domäne  der  inneren  Medizin  gehörten,  hat  sich  das 
Wort  Billroths:  „Die  innere  Medizin  muss  chirurgisch  wer¬ 
den“,  teilweise  bereits  erfüllt.  Für  die  Therapie  der  Cholelithiasis 
möchte  ich  dies  Wort  etwas  modifizieren  und  sagen:  „Die  innere 
Medizin  muss  chirurgischer  werden“,  und  fürwahr,  nach 
den  Erfolgen,  die  wir  Chirurgen  auf  dem  Gebiete  der  Abdomi¬ 
naloperationen  erzielt  haben,  dürfte  dieses  Wort  Billroths, 
der  selbst  einmal  hier  in  Karlsbad  weilte  und  die  vortreffliche 
\\  irkung  einer  Karlsbader  Kur  am  eigenen  Körper  erprobte,  sich 
verwirklichen  lassen.  Doch  dazu  gehört  ein  einmütiges 
Vorgehen  der  inneren  Medizin  und  Chirurgie. 

Ich  möchte  die  Stellung,  welche  der  Chirurgie  neben  der 
inneren  Medizin  bei  der  Behandlung  der  Gallensteinkrankheit 
heutzutage  gebührt,  durch  eine  Art  von  Vergleich,  der  sich  mir 
in  dieser  Zeit  der  herbstlichen  Manöver  unwillkürlich  aufdrängte, 
kennzeichnen  und  sagen :  das  Oberkommando  im  Kampfe  gegen 
die  Gallensteine  gehört  unter  allen  Umständen  der  inneren  Medi¬ 
zin,  doch  darf  des  Chirurgen  beratende  Stimme  nicht  gänzlich 
überhört  werden.  Wir  Chirurgen  sind  ja  nicht  unbescheiden 
und  verlangen  nicht  etwa  den  Posten  eines  Chefs  des  General¬ 
stabs  zu  verwalten,  doch  dürfen  wir  auch  nicht  ganz  zuletzt, 
wenn  alle  Hilfstruppen  erschöpft  und  alle  Angriffe  vom  Feinde 
abgeschlagen  sind,  um  unseren  Rat  gefragt  werden.  Von  An¬ 
fang  an  muss  dem  Chirurgen  Gelegenheit  gegeben  werden,  an 
der  Ausarbeitung  des  I  eldzugplans  und  an  der  Kriegsführung 
sich  zu  beteiligen.  Und  herrscht  dann  zwischen  uns  Einigkeit 
und  Eintracht,  und  ziehen  wir  dann  vereint  gegen  den  hart¬ 
näckigen  Feind  ins  Feld,  die  sieggewohnten  Fahnen  mit  der  In¬ 
schrift  „V  iribus  unitis“  entrollend,  dann  werden  von  unserem 
einmütigen  Vorgehen  den  grössten  Nutzen  haben  unsere  Schütz¬ 
linge,  für  die  wir  kämpfen,  unsere  Kranken,  die  vor  Schmerzen, 
Siechtum  und  Tod  zu  bewahren  unsere  höchste  Aufgabe  ist: 

„Salus  acgroti  suprema  lex !“ 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Otfrid  Förster:  Die  Physiologie  und  Pathologie  der 
Koordination.  Eine  Analyse  der  Bewegungsstörungen  bei  den 
Erkrankungen  des  Zentralnervensystems  und  ihre  rationelle 
Therapie.  Jena  1902.  Gustav  Fischer.  316  S. 

Das  Buch,  in  dem  Verfasser  eine  zusammenhängende  Dar¬ 
stellung  der  Lehre  von  der  Koordination  zu  geben  beabsichtigt, 
zerfallt  in  2  Teile,  in  einen  allgemeinen  und  in  einen  speziellen 
Teil;  der  allgemeine  Teil  enthält  einen  physiologischen  und  einen 
pathologischen  Abschnitt. 

Eine  Bewegung  ist  dann  koordiniert,  wenn  sie  einen  be¬ 
stimmten  Zweck  mit  geringstem  Energieverbrauch  erfüllt;  hier¬ 
zu  bedarf  es  des  Zusammenwirkens  verschiedener  Muskeln  und 
der  Tätigkeit  von  einzelnen  Teilen  des  Zentralnervensystems. 
Diese  Assoziation  beruht,  wenn  überhaupt,  sicher  nicht  allein 
auf  besonderen  präformierten  Einrichtungen  in  motorischen  Ab¬ 
schnitten  des  Nervensystems,  sondern  auf  der  Funktion  zentri¬ 
petaler  Bahnen,  die  eine  positive  und  negative  Rolle  bei  der  Aus¬ 
lösung  der  Muskelinnervation  spielen  können.  Das  Grosshirn 
verwertet  optische,  vestibuläre  und  sensible  Merkmale  im  engeren 
Sinne.  Das  Rückenmark  wirkt  rasch,  grob  automatisch,  das 
Gehirn  langsamer,  feiner  abgestuft,  mit  Wahl;  das  Kleinhirn  ist 
tätig  im  Sinne  der  Gleichgewichtserhaltung  des  ganzen  Körpers. 

Koordinationsstörungen  sind  alle  diejenigen  Motilitäts¬ 
störungen,  wrelche  auftreten,  wenn  ein  bezweckter  Effekt  produ- 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1805 


ziert  wird.  Isolierte  Störungen  einer  einzelnen  einwertigen  Bahn 
sind  selten.  Das  Studium  der  Störungen  wird  weiter  erschwert, 
da  diese  durch  bestimmte  Einrichtungen  cachiert  und  vermieden 
werden  können.  Tritt  an  Stelle  des  defekten  Mechanismus  ein 
anderer  der  verschiedenen  über-  und  nebeneinander  geschalteten 
Mechanismen,  so  sprechen  wir  von  Kompensation.  Auf  der  Mög¬ 
lichkeit  der  gegenseitigen  Vertretung  baut  sich  eine  rationelle 
Therapie  aus,  der  Blinde  macht  von  ihr  unbewussten  Gebrauch, 
der  den  visu-zerebralen  Koordinationsmechanismus  durch  den 
sensit  ivo-zerebralen  ersetzt. 

Die  Funktion  eines  geschädigten  Mechanismus  kann  durch 
Aufmerksamkeit,  durch  attentionelle  Bahnen,  verfeinert  werden  ; 
geschieht  dies  dauernd,  so  spricht  man  von  Uebung’.  Auch  diese 
wird  neben  der  Kompensation  therapeutisch  verwertet. 

Der  spezielle,  bei  weitem  grössere  Teil  behandelt  eingehend 
die  tabische  Bewegungsstörung.  Er  bespricht  das  Verhalten  ein¬ 
zelner  Muskelgruppen  oder  Muskeln  bei  ihren  verschiedenen 
Funktionen,  erörtert  die  Art  und  Natur  einer  Koordinations¬ 
störung,  ihre  Korrektur  bezw.  Ueberkorrektur  und  die  Möglich¬ 
keit  einer  Besserung  durch  Kompensation  oder  Uebung.  Ein¬ 
zelne,  besonders  gewählte  Effekte,  wie  Stehen,  Gehen,  werden 
analog  behandelt. 

In  kurzen  Zügen  entwirft  er  ein  Bild  der  physiologischen 
Therapie  und  nimmt  besonders  auf  die  Bedürfnisse  der  Praxis 
Rücksicht.  Vor  allem  warnt  er  vor  Uebermüdung,  die  sich  in 
der  Zunahme  der  Pulsfrequenz  kundgibt.  Zum  Beweis  für  den 
guten  Erfolg  der  Therapie  teilt  er  verschiedene  eigene,  lehrreiche 
Beobachtungen  mit. 

Die  klare  und  anregende  Darstellungsweise,  die  immer  auf 
bestimmte  und  gut  gewählte  Beispiele  zurückgreift  und  durch 
Illustrationen  unterstützt  wird,  sei  besonders  hervorgehoben.  Sie 
macht  das  Buch  auch  für  den  anziehend,  der  dem  Studium  der 
Koordination  nicht  ein  solches  Interesse  entgegenbringt,  dass  er 
sich  ohne  weiteres  zur  Lektüre  einer  so  umfangreichen  Abhand¬ 
lung  über  diesen  Gegenstand  entschliesst.  Dass  es  mit  der  be¬ 
sonderen  Berücksichtigung  der  Therapie  den  Praktikern  einen 
guten  Dienst  erweist,  ist  bereits  hervorgehoben. 

Ernst  Sch  u  1 1  z  e. 

L.  W.  W  e  b  e  r  -  Göttingen :  Die  Beziehungen  zwischen 
Geistesstörungen  und  körperlichen  Erkrankungen.  Sammlung 
zwangloser  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Nerven-  und 
Geisteskrankheiten,  herausgegeben  von  Dr.  Konrad  A  1 1.  III.  Bd. 
Heft  7.  Halle  a.  S.,  Verlag  von  Carl  Mar  hold. 

Die  Abhandlung  ist  nach  einem  Habilitationsvortrag  ge¬ 
schrieben.  Auf  50  Seiten  gibt  Verfasser  in  ausserordentlich  über¬ 
sichtlicher  Weise  ein  Bild  von  dem,  was  über  den  Zusammenhang 
von  körperlichen  Erkrankungen  und  Geistesstörungen  bekannt 
ist.  Die  Erkrankungen,  welche  sich  ausschliesslich  am  Gehirn 
abspielen  und  dort  gröbere  Veränderungen  setzen,  werden  natur- 
gemäss  nur  gestreift.  Die  einzelnen  Abschnitte  betreffen : 
1.  traumatische  Einwirkungen  aller  Art,  2.  Intoxikationen, 
3.  akute  Infektionskrankheiten,  4.  sogen,  konstitutionelle  er¬ 
schöpfende  Erkrankungen,  wie  Anaemie,  Diabetes,  Karzinose, 
chronische  Tuberkulose,  5.  verschiedene,  hauptsächlich  in  ein¬ 
zelnen  Organen  oder  Organsystemen  lokalisierte  Erkrankungen. 
Dass  man  bei  manchen  Schädlichkeiten  im  Zweifel  sein  kann, 
in  welche  dieser  Gruppen  man  sie  einreihen  soll,  gibt  Verfasser 
selbst  zu.  Selten  kommt  für  die  Geistesstörung  die  körperliche 
Erkrankung  allein  in  Betracht.  So  hält  Verfasser  z.  B.  eine 
lediglich  durch  eine  Infektionskrankheit  entstandene  Paralyse 
nicht  für  wahrscheinlich.  Zahlreiche  andere  Ursachen,  die  man 
als  Prädisposition  zusammenfassen  muss,  spielen  ebenfalls  eine 
Rolle.  Oft  ist  die  körperliche  Erkrankung  nur  das  auslösende 
Moment.  Deshalb  haben  auch  die  betreffenden  Psychosen  nichts 
für  die  Entstehungsursache  Charakteristisches  und  verschwinden 
nach  Behebung  des  Grundleidens  nicht.  Wenn  jedoch  in  seltenen 
Fällen  die  körperliche  Erkrankung  die  einzige  oder  hauptsäch¬ 
lichste  Ursache  der  Pychose  ist,  so  weist  auch  das  klinische  Bild 
gewisse  Symptome  auf,  welche  für  die  Entstehung  charak¬ 
teristisch  sind,  und  es  hört  mit  dem  Verschwinden  der  äusseren 
Schädlichkeit  auch  die  psychische  Störung  auf  oder  bessert  sich 
wenigstens.  (Einzelne  Intoxikations-  und  Infektionspsychosen.) 
Eine  Literaturangabe  zum  Schluss  des  Buches  erhöht  den  Wert 
desselben.  Bostoski  -  Würzburg. 


Bibliothek  von  Coler-Schjerning.  Band  XIII : 
A.  M  e  n  z  e  r :  Die  Aetiologie  des  akuten  Gelenkrheumatismus. 

Mit  einem  Vorwort  von  Senator.  Mit  5  Tafeln.  Berlin, 
A.  II  i  r  s  c  h  w  a  1  d,  1902.  Preis  5  M. 

Seit  der  akute  Gelenkrheumatismus  als  eine  Infektions¬ 
krankheit  erkannt  wurde,  ist  man  von  den  verschiedensten  Seiten 
bemüht  gewesen,  den  spezifischen  Erreger  zu  entdecken.  Nach 
einer  kritischen  Uebersicht  über  diese  Forschungen  schildert 
Verf.  seine  eigenen  Untersuchungen,  nach  denen  allerdings 
Mikroorganismen,  und  zwar  in  der  Regel  Streptokokken,  die 
Krankheit  verursachen,  aber  nur  dann,  wenn  das  Körpergewebe 
in  seiner  Lebensfähigkeit  in  irgend  einer  Weise  geschädigt  ist. 
Die  Eingangspforte  bilden  erfalirungsgemäss  die  Tonsillen  bezw. 
die  oberen  Luftwege;  man  kann  daher  den  Gelenkrheumatismus 
als  die  Folge  einer  Angina  auf  fassen,  welche  nicht  auf  die  lokale 
Rachenerkrankung  beschränkt  bleibt,  sondern  durch  eine  Blut¬ 
infektion  zum  Austrag  kommt.  Bezüglich  der  Therapie  glaubt 
Verf.,  dass  die  durch  hohe  Salizylgaben  angestrebte  rasche  Be¬ 
seitigung  der  Gelenkschwellungen  und  des  Fiebers  der  natür¬ 
lichen  Heilreaktion  des  Organismus  entgegengerichtet  ist,  und 
erhofft  günstige  Resultate  von  einer  Behandlung  mit  Anti¬ 
streptokokkenserum. 

Band  XIV:  A.  Hi  11  er:  Der  Hitzschlag  auf  Märschen. 

Mit  Benutzung  der  Akten  der  Medizinalabteilung  des  preussi- 
schen  Kriegsministeriums.  Mit  6  Holzschnitten  und  3  Kurven. 
Berlin  1902.  Preis  7  M. 

Verf.,  dem  wir  bereits  von  früher  her  eine  Reihe  von  grund¬ 
legenden  Arbeiten  über  den  Ilitzschlag  verdanken,  gibt  in  dem 
vorliegenden  Werk  eine  eingehende  Beschreibung  dieser  so  wich¬ 
tigen  Armeekrankheit.  Zunächst  wird  die  Geschichte  des  Hitz- 
schlages  besprochen,  dann  sein  Vorkommen  und  seine  Häufig¬ 
keit,  hierauf  besonders  ausführlich  die  Aetiologie;  es  folgt  dann 
die  Pathogenese,  das  Krankheitsbild,  Verlauf  und  Ausgänge, 
Leichenbefund,  Prophylaxis  und  Therapie.  Die  Arbeit  stützt 
sich  auf  ein  Material  von  574  Fällen  von  Hitzschlag  mit 
95  Todesfällen,  die  in  der  preussischen  Armee  während  der 
Jahre  1889  bis  1900  sich  ereignet  haben,  und  ist  dadurch  be¬ 
sonders  wertvoll  und  zuverlässig. 

Dieudonne  -  Würzburg. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medicin.  1902.  74.  Bd* 

1.  u.  2.  Heft. 

Nekrologe  auf  Adolf  Kuss  maul  und  Karl  Gerhardt. 

1)  B  u  1 1  e  r  m  a  u  n :  Einige  Beobachtungen  über  das  V er¬ 
halten  des  Blutdrucks  bei  Kranken.  (Aus  der  medizinischen 
Klinik  in  Greifswald.) 

Die  mit  einem  modifizierten  Riva-Rocc  i’schen  Apparat 
angestellten  Beobachtungen  ergaben,  dass  bei  vielen  Fällen  von 
akuter  Nephritis  der  Blutdruck  erheblich  steigt,  und  zwar  ziemlich 
rasch  nach  Beginn  der  Nephritis,  um  in  der  Regel  das  Maximum 
nach  einigen  Tagen  zu  erreichen,  und  parallel  der  Besserung  der 
nephritisehen  Erscheinungen  abzusinken.  Gleichzeitig  besteht  ent¬ 
weder  nur  eine  Accentuation  der  2.  Töne  an  der  Herzbasis  und 
hebender  Spitzenstoß«  oder  auch  noch  Dilatation.  In  anderen, 
leichten  und  schweren  Fällen  blieb  die  arterielle  Blutdruck- 
Steigerung  völlig  aus,  ohne  dass  sich  hiefür  ein  Grund  angeben 
lässt.  Bei  chronischer  Nephritis  (primäre  und  sekundäre  Schrumpf¬ 
niere)  wurde  der  Blutdruck  ebenso  regelmässig  dauernd  erhöht 
gefunden,  als  er  bei  Amyloidniere  fehlte;  bei  der  chronisch-par¬ 
enchymatösen  Nephritis  schwankte  der  Befund  von  subnormalen 
bis  zu  normalen  Werten.  Das  Herz  war  entweder  frei  von  kli-  , 
nischen  Befunden,  oft  aber  fanden  sich  accentuierte  Töne  an  der 
Herzbasis,  Verbreiterung  etc.;  in  solchen  Fällen  bestanden  auch 
meist  Oedeme,  die  recht  wohl  eine  Folge  relativer  Herzinsuffizienz 
sein  konnten,  und  die  Nierenerkrankung  beherrschte  das  Krank¬ 
heitsbild. 

Bei  Venaesektion  Gesunder  sank  der  Blutdruck  in  allen 
Fällen,  um  langsam  zur  Norm  zurückzukehren;  bei  mehr  als  200  g 
Blutentnahme  gesellten  sich  Kopfschmerz,  Schwindel,  Ohren¬ 
sausen  dazu.  Bei  Zirkulationsstörungen  liesse  sich  dadurch  viel¬ 
leicht  eine  günstige  therapeutische  Wirkung  erzielen,  da  wohl  eine 
vorübergehende  Erleichterung  der  Herzarbeit  eintreten  würde. 

Bei  Bleiintoxikation  war  der  Blutdruck  unverändert:  Gesunde 
und  Herzkranke  ohne  Kompensationsstörung  zeigten  nach  Arbeit 
am  Ergostaten  eine  mässige  Steigerung,  während  bei  Kompen¬ 
sationsstörung  ein  Sinken  auftrat. 

2)  H.  Hochhaus:  Zur  Pathologie  der  Bronchitis  fibrinosa. 

Die  Untersuchung  ausgehusteter  Gerinnsel  ergab  in  einem 
Falle  hauptsächlich  Schleim,  dem  in  mässiger  Menge  desquamiertes 
Bronchialepithel  und  wenige  Leukocyten  beigemengt  waren.  H. 
ist  geneigt,  die  „Bronchitis  fibrinosa“  in  eine  mueinöse  und  fibri- 


1806 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


No.  43. 


nüse  Form  einzuteilen;  warum  bei  wesentlich  gleichem  anatomi¬ 
schen  Befunde  in  einem  Falle  Fibrin,  in  anderen  Mucin  abgeson¬ 
dert  wird,  ist  schwer  zu  sagen.  Doch  findet  sich  auch  in  ähnlicher 
Weise  beim  Bronchialasthma  ein  wechselnder  Sputumbefund. 
Eine  dazu  verwandte  Erkrankung  ist  wohl  auch  die  sogen.  Bron¬ 
chiolitis  ohliterans.  Vielleicht  repräsentieren  diese  3  Affektionen 
nur  3  Typen  steigender  Intensität  der  Schleimhauterkrankung  der 
Bronchialwand,  wobei  auch  die  klinischen  Symptome  manche  Aehn- 
lichkeit  aufweisen. 

3)  E.  II  e  d  i  n  g  e  r:  Klinische  Beiträge  zur  Frage  der  Hämo¬ 
lyse.  ("Aus  der  mediz.  Universitätsklinik  zu  Königsberg  i.  Fr.) 

II.  studierte  die  hämolytischen  Eigenschaften  von  Blutserum 
verschiedener  Herkunft,  das  aus  therapeutischen  oder  diagnosti¬ 
schen  Gründen  durch  Funktion  einer  Arnivene  gewonnen  wurde. 
Bei  Typhus,  in  verschiedenen  Stadien  der  Erkrankung,  Pneumonie, 
Scharlach,  Kompensationsstörungen,  Pyämie,  Coma  diabeticum, 
Nephritis  ohne  Urämie  war  die  Hämolyse  ganz  normal.  Alle  diese 
Sera  zeigten  in  inaktiviertem  Zustande  eine  starke  Agglutination 
der  roten  Blutkörperchen,  um  so  intensiver,  je  prompter  die  Hämo¬ 
lyse  eintrat.  Auf  der  Höhe  der  Urämie  bei  Nephritis  kam  sowohl 
in  unverändertem,  als  auch  mit  inaktivem  Serum  versetztem  Serum 
keine  Hämolyse  zu  stände;  erst  mit  dem  Abklingen  der  Urämie 
stellten  sich  wieder  normale  Lösungsverhältnisse  ein,  gleichzeitig 
kam  es  bei  blossem  Zusatz  inaktivierten  Serums  wieder  zu  starker 
Agglutination.  In  einem  Falle  von  Urämie  (Scharlachnephritis) 
dauerte  die  gestörte  Hämolyse  noch  lange  fort,  als  schon  die  kli¬ 
nisch  erkennbaren  urämischen  Erscheinungen  vorüber  waren. 

Während  bei  Transsudaten  die  Hämolyse  meist  gut  war,  be¬ 
stand  bei  Exsudaten  eine  ausgesprochene  Hemmung  der  Hämolyse, 
ohne  dass  sich  bei  der  wenig  scharfen  Grenze  beider  ein  bestimmtes 
Gesetz  aufstellen  Hesse. 

Die  Frage,  warum  sich  die  Störung  der  Hämolyse  nur  in 
urämischen  Seris  findet,  muss  zur  Zeit  noch  als  eine  offene  be¬ 
zeichnet  werden,  da  die  als  Erklärungsmöglichkeit  in  Betracht 
kommende  Erhöhung  der  molekularen  Konzentration  des  Blut¬ 
serums  nicht  in  allen  Fällen  von  Urämie  vorhanden  ist,  anderer¬ 
seits  die  Stärke  der  Hämolyse  in  serösen  Flüssigkeiten  nicht  von 
der  Menge  der  Eiweisskörper  abhängig  ist.  Der  praktisch-klinische 
Wert  der  hämolytischen  Untersuchung  entspricht  zur  Zeit  nicht 
seiner  theoretischen  Bedeutung;  dies  würde  erst  dann  der  Fall 
sein,  wenn  dadurch  auf  das  Drohen  einer  Urämie  aufmerksam 
gemacht  würde,  bevor  andere,  grobklinische  Merkmale  darauf  hin¬ 
wiesen,  sowie  bei  der  Differentialdiagnose  gegenüber  urämieähn- 
liclien  Erscheinungen. 

4)  Jul.  A.  Grober:  Der  Tierversuch  als  Hilfsmittel  zur 
Erkennung'  der  tuberkulösen  Natur  pleuritischer  Exsudate,  seine 
Methodik  und  die  Bewertung  seiner  Ergebnisse.  (Aus  der  mediz. 
Universitätsklinik  zu  Jena.) 

Die  Probepunktion  gibt  wohl  über  die  Eigenschaften  patho¬ 
logischer  Flüssigkeiten  manchen  Aufschluss,  lässt  aber  in  Folge 
der  geringen  Quantität  des  Versuchsmaterials  bezüglich  der  Aetio- 
logie  meist  im  Stiche.  Viel  wertvoller  ist  dagegen  die  Ueber- 
itnpfung  der  durch  Punktion  gewonnenen  pleuritischen  Flüssigkeit 
in  die  Bauchhöhle  eines  Tieres,  die  zugleich  ein  vorzüglicher  Nähr¬ 
boden  für  den  Tuberkelbazillus  ist  und  die  Verwendung  grösserer 
Mengen  (10  ccm)  gestattet.  Dann  entsteht  bei  der  fast  absoluten 
Empfänglichkeit  der  injizierten  Tiere  für  Tuberkulose  bei  intra¬ 
peritonealer  Infektion  eine  spezifische  Entzündung,  die  autoptisch 
bestätigt  werden  kann.  Nach  ausführlicher  Besprechung  der  Vor- 
sichtsmassregeln,  die  nötig  sind,  um  eine  zufällige  Infektion  zu 
vermeiden,  kommt  G.  zu  dem  Schluss,  dass  in  klinisch  als  tuber¬ 
kulös  anzusprechenden  Pleuraexsudaten  trotz  mangelnden  Nach¬ 
weises  durch  mikroskopische  Methoden  der  Bazillus  regel¬ 
nd  ä  s  s  i  g  enthalten  ist;  bei  der  sogen,  idiopathischen,  nicht  durch 
Neubildung  oder  Infektionskrankheiten  bedingten  Pleuritis  ist  in 
% — y2  der  Fälle  Tuberkulose  vorliegend.  Es  empfiehlt  sich,  meh¬ 
rere  Tiere  mit  dem  gleichen  Exsudat  (je  10  ccm)  zu  impfen,  um 
von  dem  zufälligen  Fehlen  der  Bazillen  selbst  in  einem  grösseren 
Quantum  unabhängig  zu  sein. 

5)  W.  Müller:  Experimentelle  und  klinische  Studien  über 
Pneumonie.  II.  Vorkommen  und  Verbreitungsweise  der  Bak¬ 
terien  bei  der  Pneumonie.  (Aus  der  medizin.  Klinik  zu  Leipzig.) 

In  dieser  sehr  interessanten  Arbeit  sucht  M.  den  Werdeprozess 
der  Lungenentzündung  Schritt  für  Schritt  an  Hand  experimen¬ 
teller  Vaguspneumonien  zu  verfolgen  und  ganz  besonders  das  Ein¬ 
dringen  und  Fortschreiten  der  Infektionserreger  im  Verlaufe  der 
Genese  der  Lungenentzündung  auf  Uebersiclitsbildern  über  die 
ganze  Lunge  zu  studieren.  Nach  kurzer  Besprechung  des  kli¬ 
nischen  Bildes  der  Vaguspneumonie  kommt  M.  auf  Grund  seiner 
mit  grosser  Sorgfalt  angestellten  Beobachtungen  und  möglichst 
den  natürlichen  Verhältnissen  angepassten  Versuchsbedingungen 
zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Die  bakterienführenden  Fremdkörper  (Mundepit  heben) 
reizen  die  Bronchialschleimhaut  zu  stärkerer  Sekretion  und  Aus¬ 
tritt  von  Kundzellen.  Eine  Infektion  des  Lungengewebes  durch 
die  Bronchialschleimhaut  hindurch  findet  nicht  statt. 

2.  Auf  das  respiratorische  Gewebe  gelangt,  erzeugen  die  bak¬ 
terienführenden  Fremdkörper  zunächst  eine  mechanische  Schä¬ 
digung  des  nächstliegenden  Lungengewebes,  wodurch  wohl  die 
Aufnahme  der  Bakterien  in  die  Alveolenwand  begünstigt  wird. 
Von  dieser  aus  werden  gleichzeitig  die  anliegenden,  nicht  mit  dem 
das  Infektionsmaterial  zuführenden  Endbronclius  kommunizieren¬ 
den  Alveolen  ergriffen.  Bei  der  Weiterausbreitung  in  den  Septen 


gerät  der  Endluftsack  des  Endbronchus  durch  Infektion  der  ge¬ 
meinschaftlichen  Wand  gleichzeitig  in  Entzündung. 

3.  Die  Weiterverbreitung  der  Bakterien  von  dem  primären 
Infektionsherd  erfolgt  in  den  Saftkanälen  der  Septen,  die  Aus¬ 
breitungsweise  der  Bakterien  bei  der  Vaguspneumonie  ist  also  eine 
interstitielle,  an  das  Lymphgefässystem  gebundene. 

4.  Die  in  den  Septen  weitergewanderten  Bakterien  werden 
dadurch  nach  dem  Innern  der  Alveolen  eliminiert,  dass  die  aus¬ 
kleidenden  Epithelien  sich  mit  ihnen  von  der  Wand  lösen. 

5.  Auf  diese  Art  der  Verbreitung  können  durch  Weiteraus¬ 
breitung  einzelner  Herde  und  deren  Konfluenz  völlig  lobäre  Pro¬ 
zesse  entstehen. 

Bei  menschlichen  Pneumonien  zeigte  sich,  dass  die  Aus¬ 
breitung  der  Infektionserreger  auch  bei  den  Aspirationsprozessen 
und  der  kruppösen  Pneumonie  auf  interstitiellem  Wege  in  den 
Saftbahnen  der  Septen  geschieht  und  von  da  aus  auf  die  eigent¬ 
lichen  Lymphgefässe  übergreift.  Die  interstitielle  Verbreitung 
der  Keime,  die  schon  für  die  „zelügen“  und  die  Bronchopneumo¬ 
nien  bekannt  ist,  kommt  also  allen  Pneumonieformen  als  gemein¬ 
schaftliches  Ausbreitungsprinzip  zu.  Die  frühzeitige  Entzündung 
der  pleuralen  Lymphgefässe  erklärt  die  Seitenschmerzen,  welche 
im  Beginn  der  Lungenentzündung  auftreten,  noch  ehe  die  Infil¬ 
trationen  und  Exsudationsprozesse  manifest  geworden  sind. 

Unter  103  Pneumonien  fand  sich  98  mal  Diplokokkus  Fränkel- 
Weichselbaum,  18  mal  in  Reinkultur,  sonst  Bakteriengemische, 
4  mal  Friedländer,  ohne  dass  sich  für  die  eine  oder  andere  Form 
prägnante  Symptome  aufstellen  Messen. 

6)  L.  Schreiber:  Ueber  multiple  Divertikelbildung  im 
Dickdarm.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Königsberg  i.  Pr.) 

Man  unterscheidet  angeborene,  wahre  Darmdivertikel, 
die  von  sämtlichen  Darmwandschichten  gebildet  werden  (z.  B. 
Meckel  sclies  Divertikel),  e  r  w  orbene  fai  s  c  li  e,  meist  mul¬ 
tipel  auftretende,  die  lediglich  einen  liemiösen  Durchtritt  der 
Schleimhaut  durch  die  Muskularis  darstellen,  und  erworbene 
wahre  Divertikel.  Als  Ursache  der  erworbenen,  echten  Diver¬ 
tikel  fanden  sich  in  einigen  Fällen  Tumoren  der  äusseren  Darm¬ 
wand  oder  chronische  Peritonitis,  bei  den  meisten  jedoch  blieb 
die  Genese  völlig  dunkel.  Unter  Ablehnung  der  Gras  ersehen 
Gefässtheorie,  dass  bei  Individuen  mit  stärkerer  Stauung  im  Ge¬ 
biete  der  Mesenterialvenen  leicht  Ausstülpungen  der  Darmschleim¬ 
haut  entstehen,  da  bei  der  durch  die  Zirkulationsstörung  bedingten 
Schwankung  in  der  Füllung  und  Ausdehnung  der  Venen  grosse 
Lücken  in  der  Darmwand  entstehen,  die  eine  verminderte  Wider¬ 
standsfähigkeit.  besonders  der  Muskelhaut  bedeuteten,  neigt  Sehr, 
hei  seinen  6  Fällen,  die  er  für  Pulsionsdivertikel  hält,  zu  der  An¬ 
sicht,  dass  es  sich  um  eine  primäre,  erworbene  Schwäche  der 

I  iarmmuskulatur  handelt. 

7)  M.  Kaufmann  und  L.  Mohr:  Beiträge  zur  Alloxur- 
körperfrage  und  zur  Pathologie  der  Gicht.  (Aus  der  mediz.  Ab¬ 
teilung  des  städt.  Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.) 

Muss  im  Original  gelesen  werden. 

8)  II.  L  ii  t  h  j  e:  Ueber  die  Wirkung  von  Salizylpräparaten 
auf  die  Harnwege  nebst  einigen  Bemerkungen  über  die  Genese 
der  Zylinder  und  Zylindroide.  (Aus  der  mediz.  Klinik  zu  Greifs¬ 
wald.) 

L.  machte  an  33  Kranken  die  auffällige  Beobachtung,  dass 
nach  Verabreichung  von  Salizylsäure  und  deren  Präparaten 
(Aspirin,  Salipyrin,  Salol)  regelmässig  bei  vorher  ei  weiss¬ 
freien  Urinen  entweder  eine  mehr  oder  weniger  reichliche  Albu¬ 
minurie  oder  auch  bloss  Zylinder  oder  andere  pathologische  Form¬ 
bestandteile  aus  allen  Abschnitten  des  Harnapparates,  gelegent¬ 
lich  auch  noch  weisse  und  rote  Blutkörperchen  auftraten;  sehr 
häufig  fanden  sich  auch  Kalkoxalatkristalle  im  Sediment.  Die 
Wiederkehr  normaler  Urinverhältnisse  erfolgte  durchschnittlich 
2 — 3  Wochen  nach  Aussetzen  des  Mittels.  Je  grösser  die  Dosis 
und  die  zeitliche  Konzentration,  um  so  ausgesprochener  im  all¬ 
gemeinen  die  pathologischen  Erscheinungen.  Stets  wurden  die 
Kochprobe  mit  Essigsäure,  die  Unterschichtung  mit  N03  H  und  die 
Essigsäure-Ferrocyankaliumprobe  nebeneinander  verwendet,  auch 
die  minimalste  Trübung  als  positiver  Eiweissbefund  verzeichnet. 

II  ä  u  f  i  g  w  a.  r  e  n  zahlreiche  Z  y  1  i  n  d  er  v  e  r  s  c  li  i  e  d  e  - 
n  e  r  A  r  t.  v  o  r  h  a  n  d  e  n,  o  b  W  o  h  1  Biwei  s  s  fehl  t  e  (in 
33  Fällen  204  mal  Zylirder,  96  mal  Eiweiss).  Es  erscheint  dem¬ 
nach  zweifellos,  dass  die  Salizylsäure  konstant  an  allen  Stellen 
des  ganzen  Harnapparates  Reizerscheinungen  mit  vorwiegend 
desquamativem  Charakter  setzt.  Wenn  auch  ein  völliger  Verzicht 
auf  ein  so  wichtiges  Arzneimittel  nicht  möglich  ist,  so  gibt  doch 
Verf.  jetzt  nur  mehr  massige  Dosen  und  nur  3 — 4  Tage  lang. 
Jedenfalls  ist  vor  einem  chronischen  Gebrauch  der  Salizylpräparate 
zu  warnen.  Den  Schluss  der  Arbeit  bildet  eine  Besprechung  der 
bisherigen  Theorien  über  die  Entstehung  der  Zylinder. 

9)  A.  II  a  vi  s  m  a  n  n:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Azidität 
des  Harns  durch  Rhodanverbindungen.  (Aus  dem  ehern.  Labora¬ 
torium  der  mediz.  Klinik  zu  Freiburg  i.  Br.)  (Mit  3  Kurven.) 

II.  gab  einigen  Kranken  Rhodannatrium  in  Dosen  von  0.1  bis 
0,5  g  pro  die  ohne  wesentlichen  Einfluss  auf  das  Allgemeinbefinden. 
Dagegen  fand  sich  eine  Abnahme  der  Azidität  des  Harnes,  beson¬ 
ders  der  zweifach  sauren  Phosphate;  Harnsäure  und  Gesamt- 
pliosphorsäure  waren  nicht  regelmässig  verändert. 

10)  R.  R  ö  s  s  1  e:  Ueber  abnorme  Sehnenfäden  des  Herzens. 
(Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Kiel.)  (Mit  Tafel  I.) 

Das  Vorkommen  angeborener  abnormer  Sehnenfäden 
des  Herzens  ist  bekannt,  in  einigen  Fällen  sogar  intra  vitam  dia¬ 
gnostiziert  aus  dem  eigentümlichen  Charakter  des  dadurch  he- 


28.  Oktober  1902. 


MUERCHENER  MEOICIHISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1807 


dingten  Geräusches.  R.  berichtet  über  einen  Autopsiefall,  in  wel¬ 
chem  die  abnormen  Sehnenfäden  des  Herzens  wohl  infolge  einer 
Kompensationsstörung  (Insuff,  aortae  et  mitralis)  aus  den  druck- 
atrophischen  und  verdünnten  Trabekeln  entstanden  sind.  Die 
Anomalie  war  natürlich  infolge  des  Vitium  cordis  intra  vitam  nicht 
festzustellen. 

31)  O.  Henssen:  Ueber  sakkadiertes  Atmen.  (Heilstätte 
Sonnenberg  des  Kreises  Saarbrücken.) 

Der  klinische  Begriff  des  sakkadierten  Atmens  beschränkt 
sich  auf  lediglich  bei  direkter  Auskultation  wahrnehmbare  Ab¬ 
sätze  des  Atemgeräusches,  welche  durch  Unterbrechung,  Ab¬ 
schwächung  oder  auch  Verstärkung  des  Atemgeräusches  bedingt 
sein  können.  Das  sakkadierte  Atmen  in  den  oberen  Lungen¬ 
abschnitten  gilt  meist  als  Frühsymptom  der  Lungentuberkulose. 
H.  fand  dasselbe  bei  8(5  Gesunden  nur  2  mal,  unter  28(!  Tuber¬ 
kulösen  31)  mal,  beim  Inspirium  am  häufigsten,  und  zwar  fielen 
die  einzelnen  Abschnitte  der  Sakkade  mit  dein  Herzschlage  zu¬ 
sammen.  Das  pulsrhythmisch  abgesetzte  Atmen  ist  bei  Tuber¬ 
kulose  die  Regel  (besonders  nach  Amylni'trit  deutlich)  und  ein 
Zeichen  einer  Hyperämie  des  betreffenden  Lungenabschnittes 
oder  Resterscheinung  vorangegangener  Entzündungen  der  Pleura 
oder  Lunge. 

12)  Kleinere  Mitteilungen. 

a)  II.  E  i  c  h  h  o  r  s  t  -  Zürich:  Ueber  ein  Myxom  des  Magsns. 
(Mit  Tafel  II.) 

Ein  37  jähriger  Mann,  der  seit  kurzer  Zeit  leichte  Magen¬ 
beschwerden  ohne  objektiven  Befnud  darbot,  erbrach  unter  leicht 
blutigem  Auswurf  ein  4  cm  langes,  3  cm  breites  und  ca.  0,5  cm 
dickes  Myxom,  das  wohl  nur  an  einem  sehr  dünnen  Stiel  der 
Magenschleimhaut  aufsass.  Das  Ereignis  scheint  ohne  weiteren 
besonderen  Schaden  abgelaufen  zu  sein. 

b)  W.  Pfeiffer:  Pleuritis  im  Verlaufe  von  Typhus  ab¬ 
dominalis.  (Aus  der  mediz.  Klinik  zu  Kiel.)  (Mit  1  Kurve.) 

Kasuistische  Mitteilung. 

13)  Besprechung.  B  a  m  b  e  r  g  e  r  -  Kronach. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie.  Red.  von  P.  v.  Brun  s. 
Tübingen,  JL  a  u  p  p.  1j02.  <35.  Bd.  2.  Heft.  Mit  6  Abb.  im 

Text  u.  9  Tafeln. 

Eine  Arbeit  aus  der  Breslauer  Klinik  über  Kohlensäure¬ 
narkose  vou  O.  It  o  t  li  s  <•  li  i  1  d  berichtet  über  entsprechende,  an 
traclieotomierten  Kaninchen  mit  dem  Kionka sehen  Apparat 
unternommene  Versuche  zur  Klarstellung  der  Frage,  ob  sich  durch 
Ueberladung  des  Blutes  mit  Kohlensäure  eine  Narkose  erzielen 
lässt.  Nach  anfänglicher  Reizung  des  Atmungszentrums  zeigt  sich 
sofort  eine  lähmende  Wirkung,  die  um  so  rascher  zum  Exitus  führt, 
je  konzentrierter  das  Kohlensäuregemisch;  bei  20  Proz.  trat  keine 
ausgesprochene  Narkose  auf,  bei  40  Proz.  verschwanden  nach 
1 — 2  Minuten  die  Itefiexe  und  nach  30 — 00  Sekunden  trat  voll¬ 
kommene  Unempfindlichkeit  auf.  bei  40 — 70  proz.  Gemischen  er¬ 
folgte  in  kürzester  Zeit  tiefe  Narkose,  aber  nicht  nur  die  in  Blu¬ 
tungen  auftretenden  Veränderungen  an  Lungen  und  Pleura,  son¬ 
dern  besonders  die  nach  der  Kohlensäurenarkose  auftretende 
toxische  Nephritis  lässt  diese  Art  der  Narkose  für  die  Chirurgie 
nicht  tunlich  erscheinen. 

Aus  der  gleichen  Klinik  berichtet  E.  G.  Stu  m  m  e  über  die 
Erfahrungen  derselben  über  die  Kokainisierung  des  Rücken¬ 
marks,  im  Anschluss  an  62  solche  Narkosen.  55  mit  Kokain,  7  mit 
Tropakokain,  von  denen  bei  den  ersten  nach  T  u  f  f  i  e  r  sterilisiert, 
bei  den  meisten  eine  2  proz.,  nach  besonderem  Verfahren  sterili¬ 
sierte  Kokainlösung  injiziert  wurde  (24  mal  mit  positivem  Erfolg, 
6  mal  mit  unvollkommenem,  6  mal  mit  negativem);  in  der  Regel 
wurde  in  sitzender  Stellung  in  der  Höhe  der  Darmbeinschaufeln, 
etwas  seitlich  von  der  Mittellinie  eingestocheu  und  nach  Abfluss 
von  ca.  1  ccm  Spinalflüssigkeit  die  Lösung  injiziert  und  zwar  in 
kleinen  Absätzen.  Die  Analgesie  trat  (wenn  überhaupt)  meist 
nach  30 — 35  Minuten,  bei  einigen  erst  nach  y2  Stunde  ein.  Sie  war 
4o  mal  eine  vollkommene,  9  mal  unvollkommene  und  reichte  in  der 
Regel  bis  zur  Nabelhöhe,  selten  bis  zur  Mammillarhölie,  12  mal 
trat  sie  nicht  ein.  Als  unangenehme  Nebenwirkungen  werden 
Uebelkeit  und  Brechreiz,  Erbrechen,  Schweissausbruch,  Beklem¬ 
mung,  Tremor,  Kopfschmerz  bezeichnet,  als  Nachwirkungen: 
Uebelkeit,  Kopfschmerz,  Rückenschmerzen,  Gürtelgefühl,  Schlaf¬ 
losigkeit.  Diese  sind  auch  die  Ursache,  warum  man  in  der  M  iku- 
1  i  c  z  scheu  Klinik  von  der  Kokainisierung  des  Rückenmarkes  Ab¬ 
stand  genommen  hat,  besonders  seit  fast  ausschliesslich  Aether 
zur  Narkose  verwendet  wird. 

W.  Kassel  gibt  aus  der  gleichen  Klinik  einen  Beitrag  zur 
operativen  Behandlung  der  angeborenen  Gaumenspalte,  mit  be¬ 
sonderer  Rücksicht  auf  die  funktionellen  Erfolge,  worin  über 
40  Fälle  berichtet  wird  (von  denen  er  17  persönlich  nachunter¬ 
suchen  konnte,  über  23  schriftlichen  Bericht  erhielt).  Nachdem 
eine  lndicatio  vitalis  zur  Frühoperation  nicht  liestelit,  werden 
die  Kinder  in  Mikulicz’  Klinik  meist  zwischen  2 y2  und 
4  Jahren  operiert.  Betr.  Prognose  und  funktionellen  Erfolg  werden 
die  Fälle  nach  Altersgruppen  geschildert;  im  allgemeinen  wurden 
iu  90  Proz.  günstige  Erfolge  erzielt  (lückenlose  Heilung  in  62  Proz., 
27,5  Proz.  fast  geheilt,  30  Proz.  wurden  nicht  geheilt. 

Aus  der  Königsberger  Klinik  belichtet  V'.  S  i  m  o  n  über 
Splenektomie  hei  dem  primären  Sarkom  der  Milz,  im  Anschluss 
an  einen  glücklich  operierten  Fall  bei  38  jähriger  Frau,  deren 
Tumor  kein  schnelles  Wachstum  hatte  und  bei  dem  Schmerzen 
fehlten.  Im  Anschluss  daran  bespricht  S.  die  bisher  operierten 
Fälle  von  Milzsarkom  (7  Fälle,  6  mit  glücklichem  Ausgang),  ohne 


daraus  die  sich  ergebenden  66%  Dauerresultate  folgern  zu 
wollen;  nur  3  Fälle  scheinen  als  primäre  Karzinome  aufzufassen 
zu  sein. 

Aus  der  Rostocker  Klinik  schildert  .T.  E  lter  —  Rektum¬ 
tumor  und  Corpus  liberum  der  Bauchhöhle  —  einen  Fall,  in  dem 
ein  harter,  liöckriger,  in  den  Douglas  vorspringender  Tumor  als 
Karzinom  des  Rektums  genommen  und  als  solches  operiert 
wurde,  aber  später  bei  dem  an  Karzinommetastasen  erfolgten 
Exitus  und  durch  Nachweis  mehrerer  ähnlicher  Knoten  in  Netz 
und  Mesenterium,  wie  diese  wohl  als  nekrotisiertes  und  verkalktes 
Fibrolipom  zu  deuten  ist,  das  in  die  Bauchhöhle  gelangt  und  sich 
am  Rektum  festgesetzt  hatte.  Anschliessend  daran  gibt  E.  noch 
einige  Mitteilungen  über  freie  Körper  der  Bauchhöhle. 

Aus  der  Königsberger  Klinik  berichtet  ferner  O.  Ehrhardt 
zur  Anatomie  und  Klinik  der  Struma  maligna  und  bespricht  nach 
den  bisher  in  der  Literatur  niedergelegten  Erfahrungen  Aetiologie, 
Pathologie  und  Histologie  der  malignen  Struma;  in  der  weit  über¬ 
wiegenden  Mehrzahl  wird  diese  in  schon  vorher  kropfigen  Schild¬ 
drüsen  beobachtet,  in  21  Fällen  wurde  jedoch  besonders  erwähnt, 
dass  kein  Kropf  vorher  bestand,  besonders  die  retrosternale  Lage 
begünstigt  regressive  Veränderungen,  ln  %  der  Fälle  von  bös¬ 
artigem  Kropf  entstanden  die  Geschwülste  hinter  dem  Sternum. 
E.  bespricht  den  Entwicklungsgang  und  das  Wachstum,  das  zu¬ 
nächst  intrakapsulär  erfolgt,  später  durch  Infiltration  und  Ver¬ 
schmelzung  von  primären  und  sekundären  Knoten  erfolgt;  histo¬ 
logisch  trennt  er  die  häufigste  Geschwulstart,  das  Medullakarzinom, 
von  den  Adenokarzinomen  (und  unterscheidet  bezüglich  letzterer 
«las  Zylinderepithelkarzinom  und  das  Adenokarzinom  im  engeren 
Sinne).  Auch  die  Sarkome  und  Mischgeschwülste  epithelialer  und 
bindegewebiger  Tumoren  werden  besprochen.  Bezüglich  der  Sym¬ 
ptome  sind  die  rasche  Vergrösserung  des  Kropfes,  die  Schmerzen 
und  Atmungs-  sowie  Schlingbeschwerden  zu  betonen;  in  40  Proz. 
der  Fälle  hatte  der  Tumor  seine  Beweglichkeit  beim  Schluckakt 
verloren,  war  auch  nicht  verschieblich.  Von  131  Karzinomen  und 
307  Sarkomen  der  Literatur  hatten  49  resp.  38  zu  Lymplidrüsen- 
metastasen  geführt;  bezüglich  der  Metastasen  wird  die  auffällige 
Bevorzugung  der  Knochenmetastasen  besonders  bei  den  Adeno¬ 
karzinomen  betont,  bezüglich  der  Diagnose  auch  auf  eine  bei  der  Pal 
p  ition  event.  sich  zeigende  Venenthrombose  als  wichtig  aufmerksam 
gemacht,  da  bei  gutartigem  Kropf  Venenthrombosen  nicht  vorzu¬ 
kommen  scheinen.  Im  allgemeinen  muss  jeder  Kropf,  der  beim 
Erwachsenen  unmotiviert  zu  wachsen  oder  zu  Beschwerden  Anlass 
zu  geben  beginnt,  als  der  Malignität  verdächtig  erscheinen,  wenn 
nicht  Blutung  oder  Entzündung  als  Motiv  dieser  Veränderungen 
nachzuweisen.  E.  schildert  auch  die  Str,  mal.  bei  Tieren  und  be¬ 
tont  bezüglich  der  Therapie,  die  allein  in  zeitiger  Exstirpation  be¬ 
stehen  kann,  die  Wichtigkeit  der  Vermeidung  allgemeiner  Nar 
kose;  jedenfalls  soll  man  die  Operation  mit  Lokalanästhesie  ver¬ 
suchen  und  zur  Narkose  erst  übergehen,  wenn  sich  der  Eingriff  als 
zu  schmerzhaft  oder  wegen  Unruhe  des  Patienten  unmöglich  er¬ 
weist.  Chloroform,  in  der  B  i  1 1  r  o  t  h  sehen  Mischung  tropfen¬ 
weise  gegeben,  ist  dann  noch  das  Beste  (Aether  wegen  des  Katarrhs 
der  Luftwege  kontraindiziert).  Speziell  auch  bei  Tracheotomie 
wegen  Struma  mal.  verschlechtert  die  Narkose  die  Prognose.  Auch 
die  Komplikationen  bei  der  Operation,  einseitige  Karotisunter- 
bindung,  Vagusdurelitrennung  werden  besprochen;  im  allgemeinen 
berechnet  sich  30  Proz.  Mortalität  für  die  Operation  der  Struma 
maligna,  30  Proz.  für  die  mit  Resektion  der  Trachea  oder  des 
Schlundes  etc.  komplizierten  Fälle.  Auch  die  Palliativoperation 
(mit  sehr  ungünstiger  Prognose)  findet  Berücksichtigung  und 
werden  am  Schlüsse  26  Krankengeschichten  mitgeteilt  und  eine 
ausführliche  Literaturübersicht  gegeben. 

.1.  51  i  c  lial.ski  gibt  aus  der  Züricher  Klinik  den  Schluss 
der  Arbeit  über  Hydronephrosis  intermittens. 

W.  A  n  s  c  li  ü  t  z  berichtet  aus  der  Breslauer  Klinik  zur 
Operation  der  Skrotalhernien  bei  Kindern  und  schildert  das  hier¬ 
bei  von  Mikulicz  geübte  Verfahren;  der  Bruchsackhals  wird 
freigelegt,  von  seiner  Unterlage  losgelöst  und  zunächst  in  geringer 
Ausdehnung  inzidiert,  der  Inhalt  des  Bruchsacks  reponiert  (oder 
reseziert)  und  dann  der  Bruclisacklials  mit.  feiner,  immer  bloss 
das  Peritoneum  fas  Sender  Tabaksbeutelnaht  verschlossen,  der  peri¬ 
phere  Teil  des  Sackes  wird  analog  der  .1  a.  b  o  u  1  a  y  -Winkel- 
m  a  n  li  sehen  Hydrocelenhehandlung  behandelt,  d.  li.  durch  Heraus¬ 
ziehen  des  Testis  umgekrempelt  und  durch  einige  Nähte  so  fixiert; 
danach  wird  die  O  z  e  r  n  y  sehe  Pfeilernaht  oder  B  a  s  s  i  n  i  sehe 
Operation  vorgenommen.  A.  schildert  im  Anschluss  auch  die  bis¬ 
herigen  Methoden  (W  ö  1  f  1  e  r  etc.),  eine  Resektion  des  peripheren 
Teils  des  Bruchsacks  zu  vermeiden.  Bisher  sind  21  Fälle  mit  dem 
Verfahren  tadellos  geheilt  (wegen  zu  kurzer  Zeit  nach  der  Opera¬ 
tion  können  diese  aber  noch  nicht  als  Dauerresultate  gelten).  Sollte 
sich  noch  später  ein  Nachteil  der  Methode  ergeben,  so  würde  nach 
.V.  beabsichtigt,  eine  Resektion  eines  Streifens  am  Bruclisacklials 
vorzunehmen;  das  Zurücklassen  des  umgekrempelten  Bruchsackes 
würde  jedenfalls  nicht  mehr  aufgegeben,  da  es  in  all  den  Fällen 
praktisch  erscheint,  wo  die  Auslösung  des  Samenstrangs 
schwierig  ist. 

Aus  der  Tübinger  Klinik  bespricht  11.  K  ii  t  tne  r  schonende 
Nachbehandlung  septischer  Operationen  und  gibt  darin  sehr  be¬ 
herzigenswerte  Winke,  inwiefern  hiebei  Schmerzen  erspart,  werden 
können.  K.  empfiehlt,  wo  es  angängig,  statt  der  Tampons  Drai¬ 
nageröhren  anzuwenden,  die  längere  Zeit  ruhig  liegen  bleiben 
können  und  leicht  zu  wechseln  sind;  er  empfiehlt  u.  a.  warm  die 
Verwendung  grosser  Mikulicz  scher  Tampons,  bei  Phlegmone 
der  tiefen  Muskelschichten  am  Vorderarm  soll  z.  B.  unter  Ent¬ 
spannung  der  Muskelbäuche  durch  Flexion  der  Hand  die  ganze 
Wunde  in  ihrer  Länge  und  Tiefe  mit  einer  grossen  Gazeschürze 


MtTENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


isoä 


a.ustapeziert  werden  und  daun  erst  mit  Gazebäuschen  tamponiert 
werden.  Verbandwechsel  lässt  sich  oft  mehrere  Tage  hinaus¬ 
schieben,  wenn  nach  ausgedehnter  Inzision  Temperatur  und 
Schmerzhaftigkeit  abnimmt;  bei  feuchter  Tamponade  werden 
event.  nur  frische  Kompressen  aufgelegt;  auch  der  in  der  Bruns- 
schen  Klinik  bei  septischen  Wunden  geübten  Aetzung  mit  reiner 
Karbolsäure  kommt  ein  wohltätiger  Einfluss  bezüglich  der  Nach¬ 
behandlung  zu,  insofern  als  dadurch  das  Wundsekret  längere  Zeit 
hintangehalten  wird.  Nach  K.s  Erfahrungen  hat  der  feuchte  Ver¬ 
band  viel  mehr  schmerzlindernde  Eigenschaften,  als  der  trockene; 
beim  Verbandwechsel  soll  möglichst  wenig  an  der  Wunde  mani¬ 
puliert  werden.  Bei  Notwendigkeit  der  Erneuerung  festsitzender 
Tampons  empfiehlt  K.,  dieselben  mit  Wasserstoffsuperoxydlösung 
zu  tränken,  da  sie  sich  danach  leicht  ablösen.  Zur  Wiederein¬ 
führung  von  Tampons  in  Spalten  und  Gänge  sollen  immer  die 
Teile  mit  stumpfem  Wundhaken  auseinander  gehalten  und  auf 
sorgfältiges  Halten  der  betreffenden  Partie  geachtet  werden ; 
häufiges  Abtupfen  und  Abwischen  der  'Wund fläche  ist  sehr  zu  ver¬ 
werfen,  auch  der  Höllensteinstift  hat  seinen  Platz  nur  gegen 
Schluss  des  Heilungsprozesses;  vor  Abkratzen  von  Granulations¬ 
flächen  ist  schon  wegen  der  erneuten  Infektionsgefahr  zu  warnen. 
Sobald  die  akute  Entzündung  demarkiert,  Sekretion  und  Schmerz¬ 
haftigkeit  geringer  werden,  treten  die  Salben  verbände  in  ihre 
Rechte.  Bei  Notwendigkeit  neuer  Inzisionen  empfiehlt  K.  sehr  die 
Narkose  (besonders  Operieren  im  ersten  Aether rausch),  da  bei 
eitrigen  Prozessen  grösserer  Ausdehnung  alle  lokalen  Anästhetika 
versagen  und  bei  den  durch  Schmerz  und  Fieber  geschwächten 
Patienten  dann  meist  die  Gründlichkeit  des  Eingriffes  zu 
wünschen  übrig  lässt.  Sch  r. 

Archiv  für  Hygiene.  35.  Bd.  1.  Heft.  1902. 

1)  R.  O.  Neumann-Kiel:  Experimentelle  Beiträge  zur 
Lehre  von  dem  täglichen  Nahrungsbedarf  des  Menschen  unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  notwendigen  Eiweissmenge 
(Selbstversuche). 

Die  Versuche  erstreckten  sich  im  ganzen  über  einen  Zeitraum 
von  746  Tagen  und  zerfielen  in  3  getrennte  Abschnitte.  Im  ersten 
und  dritten  Abschnitt,  welcher  je  10  Monate  umfasste,  suchte 
Verf.  das  Kostmass  empirisch  auf  dem  Wege  der  Berechnung  fest¬ 
zustellen.  Im  zweiten  Abschnitt,  welcher  120  Tage  umfasste,  sollten 
die  empirisch  gefundenen  Resultate  durch  Stof  f  wechsel- 
vers  ii  c  h  e  kontrolliert  werden. 

Das  Ergebnis  war  folgendes: 

Auf  70  Kilo  berechnet,  wurde  für  den  Tag  ermittelt  ein  Bedarf  von: 


Eiweiss 

Fett 

Kohlehydrate 

Alkohol 

Kalorien 

I.  Versuch : 

69,1 

99,2 

242*0 

45,6 

2427,0 

pro  Kilo 

0,99 

1,3 

34,5 

0,56 

34,7 

II.  Versuch: 

79,5 

163,0 

234,0 

— 

2777,0 

pro  Kilo 

El 

2,3 

33,4 

— 

59,7 

III.  Versuch : 

74,0 

106,0 

164,2 

5,3 

1999,0 

pro  Kilo 

1,0 

1,5 

23,4 

90,7 

28,5 

Die  Mittelzahlen  betragen :  74,2  Eiweiss ,  117  Fett,  213  Kohle¬ 
hydrate  =  2367  Kalorien  und  sind  wesentlich  niedriger  als  die 
von  V  o  i  t  geforderten,  auch  noch  bedeutend  niedriger,  wie  sie 
M  u  n  k  und  Demuth  verlangen. 

Die  Zusammenstellung  der  Biermengen  ergaben,  trotzdem  nur 
relativ  wenig  —  ca.  1000  ccm  —  pro  die  genossen  wurde,  dass  sie 
einen  erheblichen  Teil  der  notwendigen  Kalorien  decken,  aber  im 
Vergleich  mit  der  festen  Nahrung  ungleich  viel  teurer  als  diese 
sind  und  deshalb  ein  recht  unrationelles  Nahrungsmittel  darstellen. 

Die  Kostenberechnung  zeigt,  dass  eine  allseitig  ge¬ 
nügende  Nahrung  mit  60 — 70  Pfennig  pro  die  sehr  wohl  beschafft 
werden  kann,  ohne  dass  das  Stickstoffgleichgewicht  und  das  Wohl¬ 
befinden  darunter  leiden. 

Verf.  ist  der  Meinung,  dass  sich  die  an  seiner  Person  ge¬ 
fundenen  Resultate  auch  auf  andere  Personen  mit  leichter 
Arbeit  anwenden  lassen  und  das  Kostmass  sich  folgendermassen 
zu  stellen  hätte: 

70  -8D  g  Eiweiss,  80  -  90  g  Fett  und  300  g  Kohlehydrate.  9  ' 

Die  graphischen  Darstellungen  der  Versuche  erläutern  die  Er¬ 
gebnisse. 

2)  K.  B.  Lehmann-  Würzburg:  Untersuchungen  über  die 
hygienische  Bedeutung  des  Zinns,  insbesondere  in  Konserven. 

Neben  einer  Reihe  von  Untersuchungen  über  den  Zinn- 
gehalt  verschiedener  Konserven  (Rindfleisch,  Goulasch, 
Filet),  welcher  sowohl  auf  gewichtsanalytischem,  wie 
elektrolytischem  Wege,  wie  auch  jodomet  risch  be¬ 
stimmt  wurde,  berichtet  V erf.  über  Fütterungsversuche 
mit  Zinn,  welche  bisher  mit  praktisch  wichtigen  ge¬ 
ringen  Dosen  noch  nicht  durchgeführt  waren.  Eine  junge  Katze 
erhielt  13  Monate  lang  zinnsaures  Natron;  die  andere 
18  Monate  lang  Zinnacetat,  die  3.  Katze  Zinntatrat  20  Monate 
lang.  Irgendwelche  erhebliche  Störungen  im  Befinden  der  Tiere 
wurden  nicht  konstatiert,  auch  war  der  Sektionsbefund  so  gut  wie 
negativ.  Auf  Grund  seiner  eigenen  Erfahrungen  mit  den  Ergebnissen 
der  Literatur  lautet  das  Resultat  der  Untersuchung  so,  dass  bei 
Genuss  von  Konserven  aus  Zinnbüchsen  keine  besondere  Vorsicht 
geboten  erscheint,  falls  es  sich  nicht  um  stark  wein- 
oder  apfelsaure  Objekte  handelt.  Akute,  aber 
meist  leichte  Verdauungsstörungen  können  durch  den  Genuss  von 
Nahrungsmitteln  hervorgebracht  werden,  welche  grössere  Mengen 


Zinn  (100  bis  mehrere  100  mg)  in  löslicher  Form  enthalten.  C  li  r  o  - 
nische  Vergiftungen  durch  die  Mengen,  wie  sie  in  Kon¬ 
serven  längere  Zeit  aufgenommen  werden  können  (4 — 6  mg  Zinn 
pro  Kilo  lind  Tag)  sind  bisher  niemals  am  Menschen  beobachtet. 
Im  Katzen  versuch  sind  noch  10 — 14  mg  Zinn  pro  1  kg  und  Tag 
bei  1- — D/o  Jahre  lang  dauernden  Versuchen  nicht  merklich  schäd¬ 
lich  befunden  worden.  Trotz  der  geringen  Schädlichkeit  des  Zinns 
ist  eine  Verpackung  der  Konserven,  bei  welchen  der  Genuss 
auch  geringer  Mengen  an  Zinn  ausgeschlossen  wäre,  sehr  er¬ 
wünscht.  Ii.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  No.  7.  1902. 

1)  Sion  und  Negel:  Ueber  eine  von  einem  atypischen 
Colibacillus  veranlasste  typhusähnliche  Hausepidemie  hydri- 
schen  Ursprunges.  (Fortsetzung  folgt.) 

2)  M.  S  c  h  ü  1 1  e  r  -  Berlin:  Ueber  eigenartige  Parasiten¬ 
befunde  bei  Syphilis.  (Fortsetzung.) 

3)  E  n  g  e  1  s  -  Marburg:  Weitere  Studien  über  die  Sterili¬ 
sation  von  Trinkwasser  auf  chemischem  Wege  (Traube  sches 
Verfahren  mit  Hilfe  von  Chlorkalk). 

T  rauhes  Verfahren  der  Wasserreinigung  von  Bakterien  be¬ 
steht  darin,  dass  kleinste  Mengen  von  Chlorkalk,  0,000426  g, 
mit  einem  Gehalte  von  0,0001065  g  wirksamen  C  h  1  o  r  s  zu  100  ccm 
bakterienhaltigem  Wasser  zugesetzt  werden  sollen.  Nach  2  Stun¬ 
den  setzt  man  0,000209  g  Natriumsulfit  hinzu.  Statt 
Natriumsulfit  kann  auch  Calciumsulfit  zugesetzt  werden.  Diese 
Methode,  welche  früher  als  brauchbar  auch  von  anderen  Autoren 
anerkannt  wurde,  prüfte  Verf.  nach  und  kommt  zu  dem  Schluss, 
dass  der  Chlorgehalt  erst  in  einer  Dosis  von  0,45  g  pro  Liter,  also 
in  der  von  Traube  angegebenen  100  fachen  Konzentration, 
sicher  im  stände  ist,  das  Trinkwasser  innerhalb  10  Minuten  von 
Cholera-  und  Typhusbakterien  zu  befreien.  Danach  würde  auch 
das  Wasser  um  7,1  Härtegrade  härter  werden.  Auf  Grund 
seiner  früheren  Nachprüfungen  über  das  Schu  m  b  u  r  g  sehe  Ver¬ 
fahren,  welche  auch  negative  Resultate  lieferten,  glaubt  er  über¬ 
haupt  nicht,  dass  mit  chemischen  Mitteln,  abgesehen  vom  Ozon, 
Wasser  praktisch  in  kurzer  Zeit  zu  sterilisieren  sei. 

4)  Müll  er- Graz:  Weitere  Studien  über  die  Fällung  des 
Kaseins  durch  Lab  und  Laktoserum. 

Durch  Immunisierung  mit  den  peptischen  und  tryptischen 
Spaltungsprodukten  des  Kaseins  liess  sich  kein  kaseinfällendes 
Immunserum  erzielen,  auch  zeigten  die  erhaltenen  Sera  keine  be¬ 
sondere  präzipitierende  Fähigkeit  gegenüber  den  Kaseinderivaten, 
welche  zur  Injektion  verwendet  worden  waren.  Dagegen  riefen 
Injektionen  von  Labparakasein,  sowie  von  Jodkasein  die  Bildung 
von  Präzipitinen  hervor,  welche  Kasein  niederschlugen.  Die  lab¬ 
trennenden  Substanzen  des  erhitzten  Normalkaninchenserums 
können  durch  verdünnte  Essigsäure  oder  durch  Halbsättigung  mit 
Ammonsulfat  gefällt  werden.  Trotz  der  Hemmung  der  sichtbaren 
Abscheidung  des  Kaseins  wird  Molkeneiweiss  aus  demselben  ab¬ 
geschieden;  es  wird  somit  die  Einwirkung  des  Labfermentes  auf 
das  Kasein  durch  das  inaktivierte  Serum  nicht  verhindert. 

5)  Klinge  r:  Beitrag  zum  v.  Dry  galski-Conradi- 
schem  Verfahren  des  Typhusbazillennacüweises  und  zur  Iden¬ 
tifizierung  typhusverdächtiger  Bazillen  durch  die  Agglutina¬ 
tionsprobe. 

Bei  einer  Reihe  von  T  yphusf  ällen  hat  sich  gezeigt,  dass 
der  v.  Drygalski-Conradi  sehe  Nährboden  zur  sicheren 
Diagnose  des  Typhus  nicht  genügt,  da  man  eben  auch  wie 
früher  die  anderen  Unterscheidungsmerkmale  heranziehen  muss. 
Auch  die  Benützung  des  N  eutralrotagars,  der  sich  nicht 
verändern  darf,  und  die  geringe  Säurebildung  in  Lack¬ 
musmolke  reicht  nicht  aus.  Es  wurde  nun  der  Versuch  gemacht, 
wie  v.  Drygalski  vorschlug,  die  Diaguose  durch  Anwendung 
stärkerer  Verdünnungen  hochwertiger  Immunsera  sicherer  zu  ge¬ 
stalten,  jedoch  führte  auch  dies  nicht  zu  dem  gewünschten  Ziele, 
trotzdem  Ziegeuser  u  m  verwendet  worden  war. 

6)  II  e  s  s  e  -  Dresden:  Zur  quantitativen  Bestimmung  der 
Wasserkeime. 

Verf.  teilt  2  Versuchsreihen  von  Gage  und  Phelps  mit, 
welche  konstatierten,  dass  der  mit  Nährstoff  Heyden  zu¬ 
sammengesetzte  Nährboden  bei  der  Bestimmung  der  Anzahl  der 
Wasserkeime  bessere  Resultate  lieferte  als  der  gewöhnliche  Agar 
und  die  gewöhnliche  Gelatine. 

7)  Iv  u  n  t  z  e  -  Leipzig:  Einige  Bemerkungen  über  die  Fär¬ 
bung  der  Geissein,  besonders  über  das  Verfahren  von  van  Er¬ 
men  g  e  n. 

Das  neue  Verfahren  ist  eine  Modifikation  der  van  Er- 
m  e  n  g  e  n  sehen  Silbernitratmethode.  Auf  das  Präparat  wird  zu¬ 
nächst  alkoholische  Silber  lös  ung  gebracht ,  alsdann 
„Entwickler“  (Tannin.  Acid.  gallic.),  darauf  wieder  alko¬ 
holische  Silberlösung  und  endlich,  nachdem  man  mit 
Wasser  abgespült  hat,  Goldchlorid  1:2000.  Am  besten  ge¬ 
schieht  die  Geisselfärbung  bei  Tageslicht,  weil  ein  photochemischer 
Prozess  vor  sich  gehen  muss.  R.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  42. 

1)  F.  J  o  1 1  y  -  Berlin:  Ueber  Flimmerskotom  und  Migräne. 

(Schluss  folgt.) 

2)  H.  Krause:  Zur  Behandlung  der  Lungen-  und  Kehl¬ 
kopftuberkulose  mit  Hetol  (Länderer). 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1809 


Für  die  Hetolbehandlung,  welche  Verfasser  als  eine  wenig 
umständliche  und  bei  einiger  Vorsicht  für  den  Patienten  ungefähr¬ 
liche  bezeichnet,  verlangt  K.  vor  allem  eine  sehr  lange,  auf 
mindestens  Wochen,  aber  auch  auf  Jahre  sich  erstreckende" Dauer. 
Di  sah  ielati\  günstige  Ergebnisse  auch  bei  schon  vorgeschrittener 
Erkrankung  und  zwar  Rückgang  des  Fiebers,  sogar  innerhalb  einer 
A\  oclie,  Aufhören  der  Schweisse,  Abnahme  des  Sputums,  Resse¬ 
rung  der  physikalischen  Erscheinungen.  Diese  Erfolge  bei  schwe¬ 
ren  Fällen  fallen  um  so  mehr  ins  Gewicht,  als  gerade  für  diese 
Kategorien  von  Kranken  vorläufig  keine  Heilstätten  existieren, 
welche  aber  sehr  nötig  wären.  Die  Kur  verlangt  sorgfältiges  In¬ 
dividualisieren.  ferner  intravenöse  Injektionen,  welche  an  den  er¬ 
krankten  Stellen  zu  Anhäufung  von  Leukocyten  führen.  An 
kleinen,  aus  erkrankten  Kehlköpfen  exzidierten  Stückchen  konnte 
Verf.  direkt  die  Heilvorgänge  verfolgen,  die  aber  auch  in  den  gün¬ 
stigen  Fällen  mehrere  Monate  beanspruchen.  Bei  dem  Hetol- 
tuberkel  kommt  es  in  jedem  Stadium  zur  Leukocytenanhäufung 
K.  berichtet  hier  über  21  behandelte  Fälle,  von  welchen  4  geheilt! 
K!  wesentlich  gebessert  und  4  gebessert  wurden.  Die  Kranken¬ 
geschichten  liegen  bei. 

3)  II.  A  r  o  n  s  o  n  -  Berlin:  Untersuchungen  über  Strepto¬ 
kokken  und  Antistreptokokkenserum.  (Schluss  folgt.) 

4)  G.  Levinsohn:  Ueber  die  Ursachen  des  primären 

Glaukoms. 

Vergl.  Bericht  Seite  732  der  Münch,  med.  Wochensehr.  1902. 

Grass  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No.  42. 

P.  IC.  Pel- Amsterdam:  In  memoriam  Prof.  Dr.  B.  J.  Stokvis. 

1)  O  1  s  h  atisen  -  Berlin:  Impfmetastasen  der  Karzinome. 

Kasuistische  Mitteilung  nach  einem  in  der  Sitzung  der  Freien 

Vereinigung  der  Chirurgen  Berlins  am  14.  Juli  1902  gehaltenen 
Vortrag  mit  Krankenvorstellung. 

2)  Fr.  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Die  Agglutination  der  Strepto¬ 
kokken. 

In  Kürze  zusammengefasst  ergibt  sich  aus  seinen  Versuchen: 

1.  Dass  die  Streptokokken  in  gleicher  Weise,  wie  wir  es  für 
andere  Bakterien  wissen,  von  entsprechenden  Immunsera  aggluti- 
niert  werden. 

2.  Dass  mittels  dieses  Phänomens  sich  bei  den  menschlichen 
Streptokokken  absolute  Unterschiede  zwischen  denen  der  An¬ 
ginen  und  der  pyogenen  Infektionen,  wie  es  bisher  den  Anschein 
hat,  heraussteilen.  Unter  denjenigen  der  ersten  Art  (Scharlach, 
Gelenkrheumatismus,  Angina  Simplex)  ergeben  sich  je  nach  der 
Provenienz  und  Art  der  Krankheit  graduelle  Unterschiede;  Tat¬ 
sachen,  welche  mit  Sicherheit  gegen  die  von  anderer  Seite  be¬ 
hauptete  Einheit  der  Streptokokken  sprechen. 

3.  Dass  bakterizide  Sera,  welche  in  der  menschlichen  Therapie 
t  erwemlung  finden  sollen,  voraussichtlich  nicht  mittels  Bakterien 
hergestellt  werden  dürfen,  welche,  wie  es  bisher  gebräuchlich  war. 
durch  Tierpassagen  virulent  gemacht  worden  sind. 

3)  Uzuhiko  M  a  y  e  d  a  -  Giessen:  Ein  Visimeter. 

Vortrag,  gehalten  in  der  medizinischen  Gesellschaft  in  Giessen 
am  15.  Juli  1901. 

Von  mehr  spezialärztlichem  Interesse. 

4)  A.  Schanz-  Dresden:  Schmerzende  Füsse. 

Interessante  Details  und  nützliche  Fingerzeige  zur  erfolg¬ 
reichen  Behandlung  der  Plattfüsse,  besonders  während  des  Ent¬ 
stehens  derselben. 

5) .  Cornel  M  a  s  s  a  c  i  u  -  Berlin:  Ueber  den  Einfluss  des 
Lecithins  auf  den  Eiweissansatz. 

Verfasser  schliesst  aus  seinem  Stoffwechselversuch,  dessen  Ver¬ 
öffentlichung  mit  den  analytischen  Belegen  und  neuen  gleich¬ 
sinnigen  Versuchen  er  ankündigt,  dass  das  Lecithin  im  stände  ist, 
auch  beim  Erwachsenen  einen  Eiweissansatz  zu  bewirken,  ohne 
dass  so  gewaltige  Mengen  Eiweiss,  wie  von  L  ti  t  li  j  e  (Archiv  f. 
Min.  Med.  1900)  verabreicht  werden  und  ohne  dass  eine  der  bisher 
bekannten  Vorbedingungen  (Wachstum,  Rekonvaleszenz,  Arbeits¬ 
hypertrophie)  vorliegt. 

0)  M.  ,T.  R  o  s  t  o  w  z  e  w  -  St.  Petersburg:  Ein  Fall  von  hoch¬ 
gradiger  cystischer  Erweiterung  des  Ductus  choledochus. 
(Schluss  aus  No.  41.) 

Kasuistische  Mitteilung  einer  seltenen  Erkrankung,  welche  in 
der  Literatur  nur  4  analoge  Fälle  zur  Seite  hat.  Der  Fall  ist 
interessant  sowohl  hinsichtlich  der  Dimensionen  der  Erweiterung, 
als  auch  wegen  des  isolierten  Ergriffenseins  eines  Gallenganges 
und  endlich  hinsichtlich  der  Aetiologie. 

7)  P.  S  c  h  e  n  k  -  Berlin:  Impfergebnisse  und  Impftechnik. 

S)  J.  Friedlän  d  er-  Frankfurt  a/M. :  Vergiftung  durch 

ein  Hausmittel. 

9)  V  einer:  Ist  bei  Schwarzwasserfieberanurie  die  Nephro¬ 
tomie  indiziert? 

10)  Th.  F  1  o  re  t  -  Elberfeld :  Mesotan,  ein  äusserlich  anwend¬ 
bares  Antirheumatikum. 

Verfasser  glaubt  aus  dem  Resultate  seiner  eingehenden  kli¬ 
nischen  Prüfung  des  Mesotaus,  des  Metliyloxymethylesters  der 
Salizylsäure,  den  Schluss,  ziehen  zu  dürfen,  dass  in  demselben 
ein  Mittel  gefunden  ist,  welches  als  wertvolle  Bereicherung  des 
Arzneischatzes,  als  durchaus  harmloses  Heilmittel,  eine  grosse 
Rolle  in  der  Behandlung  der  so  häutigen  und  wichtigen  rheuma¬ 
tischen  Erkrankungen  zu  spielen  berufen  ist.  M.  L. 


Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  32. Jahrg.  No.  20. 

E.  Wormser-  Basel:  Die  Excochlea tio  uteri  im  Wochen¬ 
bett. 

Das  Gurettement  ist  für  die  allgemeine  Praxis  nicht  indiziert 
bei  Eihautretention  (hier  würde  eher  das  „ecouvillon",  eine  Art 
Rürstchen,  in  Betracht  kommen),  ebenso  wenig  bei  Fieber  während 
der  Geburt  oder  während  des  Wochenbettes,  weil  nicht  ungefährlich 
und  nicht  sicher  erfolgreich  (Beobachtung  von  20  Fällen);  dagegen 
ist  es  von  Nutzen  bei  Blutungen  des  Früh-  und  Spätwochenbettes 
(18  Fälle).  Die  Gefahr  der  Perforation  besteht  bei  Anwendung 
breiter  Küretten  für  den  einigermassen  Geübten  nicht. 

Max  v.  Arx- Olten:  Ueber  Gallenblasenruptur  in  die  freie 
Bauchhöhle.  -(Schluss.) 

Eine  Kranke  nü!  Gallensteinen  erlitt  bei  Defäkation  unter 
deutlichen  objektiven  und  subjektiven  Symptomen  einen  Durch¬ 
bruch  der  Gallenblase  in  die  freit»  Bauchhöhle.  Am  nächsten  Tag- 
Laparotomie,  Cystostomie,  Reinigung  des  Peritoneums  mit  55" 
lieisser  Kochsalzlösung,  Heilung  mit  Gallenfistel;  kein  Ikterus, 
kein  Kollaps.  Bisher  nur  7  ähnliche  Fälle.  Kritische  Zusammen¬ 
stellung  der  Fälle  von  traumatischem  und  spontanem  intraperi¬ 
tonealen  Gallenblasendurchbruch.  Ohne  Operation  würde  lebens¬ 
gefährliche  Gallenvergiftung  (Gallensäuren,  experimentell  be¬ 
wiesen)  eintreten,  dagegen  keine  eitrige  Peritonitis. 

P  i  s  e  li  i  n  g  e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  42.  1)  G.  A  1  e  x  a  n  d  e  r  und  B.  lteko  -  Wien:  Zur  Frage 
der  Verwertbarkeit  der  Rhodanreaktion  des  Speichels  bei  Ohr¬ 
erkrankungen. 

An  85  Kranken  haben  die  Verf.  ihre  Untersuchungen  vor¬ 
genommen,  auf  Grund  welcher  sie  zu  folgenden  Schlüssen  ge¬ 
langen:  Der  Rhodan reaktion  des  Speichels  kommt  bei  Ohrerkrank¬ 
ungen  eine  gewisse  diagnosticlie  Bedeutung  insofern  zu,  als  bei 
vorhandener  Ohrerkrankung  Rhodanmangel  oder  Spuren  von 
Rhodan  für  eine  Mittelohrerkrankung  sprechen.  Unmittelbar  nach 
Radikaloperationen  tritt  Rhodanmangel  im  Speichel  auf;  dasselbe 
erscheint  wieder  zumeist  4  Wochen  nach  der  Operation,  stellt  hie¬ 
durch  ein  typisches  Ereignis  dar  und  kennzeichnet  einen  unkom¬ 
plizierten  Wundverlauf.  Beiderseitige  Zerstörung  des  Pauken¬ 
geflechtes  kann  zu  dauerndem  Rhodanmangel  führen.  Eine  all¬ 
gemein  prognostische  Bedeutung  kommt  der  Rhodanreaktion  bei 
Ohrerkrankungen  nicht  zu.  Die  Erkrankungen  der  äusseren  Ohr¬ 
sphäre  und  der  Parotis  beeinflussen  den  Rhodangehalt  des  Spei¬ 
chels  nicht. 

2)  L.  Spitzer-  Wien:  Erfahrungen  über  die  Janet- 
sche  Methode  der  Urethral-  und  Blasenbehandlung. 

Zur  Ausführung  der  Spülung  bedient  sich  Verf.  einer  in 
2  Hälften  geteilten  Y-förmigen  Kanüle,  deren  einer  Schenkel  mit 
dem  Irrigator  verbunden  wird,  während  der  andere  als  Ausfluss 
dient.  Es  wurden  vergleichende  Untersuchungen  mit  verschie¬ 
denen  Spülflüssigkeiten  angestellt,  aus  welchen  hervorging,  dass 
dem  Kalium  liypermanganicum  der  Vorzug  gebührt.  Hinsichtlich 
Konzentration,  Temperatur  und  Quantität  hielt  sich  Verf.  genau 
an  die  von  J  an  et  selbst  gegebenen  Vorschriften.  Man  verwendet 
Lösungen  von  1 — 3:5000  Wasser.  Die  Spülungen  müssen  möglichst 
früh  begonnen  werden  und  wird  der  erzielbare  Effekt  mit  12  bis 
15  Spülungen  im  allgemeinen  erreicht.  Die  Spülung  liess  Verf. 
immer  im  Sitzen  ausführen.  Bei  Periurethritis  ist  die  Spü¬ 
lung  kontraindiziert.  Bei  Urethritis  anterior  wird  meist 
nach  wenigen  Spülungen  die  Urethra  fast  vollständig  trocken. 
Tritt  bei  Urethritis  post.  Blut  im  Sekret  auf,  so  ist  nach  den  Er¬ 
fahrungen  von  Sp.  die  Irrigation  zu  unterlassen.  Eine  vorhandene 
Epididymitis  stellt  keine  absolute  Kontraindikation  dar,  ebenso¬ 
wenig  eine  Prostatitis,  ausser  bei  sehr  heftigen  akuten  Erschei¬ 
nungen.  Für  die  Behandlung  der  Cystitis  gebührt  der  Janet- 
schen  Irrigation  ein  gleichberechtigter  Platz  neben  den  anderen 
Methoden.  Ihr  Hauptfeld  ist  aber  die  frische  Urethritis  anterior. 
Die  mit  anderen  Medikamenten  und  Durchspülung  erzielten  Re¬ 
sultate  sind  aus  einer  Tabelle  des  Originals  zu  entnehmen. 

3)  R.  B  a  r  a  n  y  -  Freiburg  i.  Br:  Zur  Kasuistik  der  meta- 
statischen  Karzinome  des  Gehirns,  nebst  Bemerkungen  zu  dem 
Symptom  der  Perseveration. 

Die  klinische  Diagnose  lautete  bei  der  47  jähr.  Kranken  zu¬ 
nächst  auf  rechtsseitige  Hemiplegie,  chronische  Myokarditis,  alte 
Pleuritis  rechts  und  Encephalomalacie.  Später  trat  eine  Reihe 
eigentümlicher  zerebraler  Störungen  ein,  deren  Einzelheiten  im 
Original  genau  angeführt  sind.  Die  Sektion  ergab  primäres  Kar¬ 
zinom  der  rechten  Lunge  mit  Metastasen  in  den  Lymplidrüsen, 
am  Lungenhilus,  der  Pleura,  der  Leber,  der  Schilddrüse,  ferner 
in  Rinde  und  Mark  beider  Hemisphären  und  in  der  Dura  mater. 
Auf  die  sehr  ausführliche  Epikrise  kann  hier  nicht  eingegangen 
werden. 

4)  Fr.  Erben -Wien:  Ein  Fall  von  produktiver  tuber- 
kulöser  Pleuritis. 

Bei  der  24  jähr.  Patientin,  einer  Prostituierten,  trat  zunächst 
infolge  der  Tuberkulose  der  linken  Lungenspitze  ein  Pyopneumo- 
tliorax  auf,  im  Anschluss  daran  ein  längerer  Stillstand  des  Lungen¬ 
prozesses,  ferner  ein  verkäsendes  Granulationsgewebe  in  den 
Pleuren,  eine  produktive  tuberkulöse  Pleuritis,  deren  käsige  Massen 
dem  Exsudat  beigemengt  erschienen.  Letzteres  zeigte  ein  ganzes 
Jahr  hindurch  einen  ungewöhnlichen  Reichtum  an  Tuberkel¬ 
bazillen.  Grassmann  -  München. 


810 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  37 — 39.  M.  B  u  c  li  -  Wilmanstrand:  Uebei’  den  Einfluss 
von  Gemütsbewegungen  auf  den  Sympathikus. 

Die  bekannten,  mit  heftiger  Gemütsbewegung,  Schreck  u.  dgl. 
verknüpften  vasomotorischen  und-  sekretorischen  Erscheinungen 
werden  allgemein  als  Sympathikusreflexe  erklärt,  sie  werden  unter 
Umständen  zu  besonderer  Heftigkeit  oder  längerer  Dauer  ge¬ 
steigert  und  können  geradezu  besondere  Krankheitsbilder  liervor- 
rufen,  die  Verfasser  als  Sympathizismus  bezeichnen  möchte.  Als 
deren  Grundlage  nimmt  er  eine  Neuralgie  oder  Hyperalgesie  des 
Sympathikus  an,  die  er  in  vielen  Fällen  durch  eine  beim  Gesunden 
nicht  vorhandene  Druckempfindlichkeit  des  Sympathikus  längs  der 
Lendenwirbelsäule  (scheinbares  „Wirbelweh“)  nachweisen  konnte, 
ein  Symptom,  das  er  mit  grosser  Regelmässigkeit  auch  bei  Neur¬ 
asthenie  gefunden  hat.  14  Krankengeschichten. 

No.  39.  G.  S  c  li  e  f  t  e  1  -  Kiew:  Ueber  die  Entstehung  der 
Fistula  vestibulo-rectalis  sub  coitu  primae  noctis. 

Veranlasst  war  in  diesem,  wie  in  einem  zweiten  ähnlichen 
Falle  die  Verletzung  durch  das  Bestehen  einer  angeborenen  Ver¬ 
engerung  der  Vagina;  es  wurde  bei  der  ersten  Kohabitation  ein 
falscher  Weg  vom  Vestibulum  durch  das  paravaginale  Gewebe 
und  die  Rektalwand  gebahnt  und  eine  Fistel  von  3  cm  Länge 
und  2  cm  Breite  hergestellt.  Operative  Behandlung:  a)  Verschluss 
der  Fistel,  b)  plastische  Erweiterung  der  Hymenalöffnung  und 
Dilatation  der  Vagina. 

No.  40.  G.  Holzkneclit-Wien:  Die  Bedeutung  der 
funktionellen  Anpassung  für  die  Pathogenese  der  abnormen 
Bindegewebsverknöcherung. 

Solche  Verknöcherungen,  durch  die  Röntgenuntersuchung 
feststellbar,  linden  sich  häufig  nach  Traumen,  speziell  der  Knochen 
mit  unvollständiger  Heilung,  wo  eine  Störung  der  statischen  Ver¬ 
hältnisse  eingetreten  ist.  Für  deren  möglichste  Ausgleichung  und 
für  die  Wiederherstellung  der  Funktion  unter  veränderten  Be¬ 
dingungen  sind  sie  von  grosser  Bedeutung.  Aehnliche  funktionelle 
Aufgaben  erfüllen  die  bei  neurotischen  Arthropathien  (Tabes)  sich 
rasch  einstellenden  Ossifikationen;  sie  dienen  hier  nach  des  Ver¬ 
fassers  Annahme  zur  Verstärkung  des  unter  dem  Krankheits¬ 
prozess  in  seiner  Leistungsfähigkeit  herabgekommenen  para- 
artikulären  Bindegewebes.  Vielleicht  liegt  auch  der  Myositis  ossi- 
ficans  eine  und  zwar  angeborene  Funktionsschwäche  des  intra- 
muskulären  Bindegewebes  zu  Grunde. 

No.  41/42.  A.  Pilcz-Wien:  Zur  Prognose  und  Therapie 
des  Delirium  tremens. 

Auf  der  v.  W  agner  sehen  Klinik  kamen  auf  110  Fälle  von 
Delirium  tremens  4  Todesfälle,  wovon  nur  einer  eigentlich  dem 
Delirium  zur  Last  fällt.  Dieses  sehr  günstige  Verhältnis  schreibt 
P.  der  Therapie  zu:  Alkohol  als  spezifisches  Reizmittel  bei  An¬ 
zeichen  von  Herzschwäche,  keine  Hypnotica,  ausgiebige  Darm¬ 
entleerung.  Die  Anstalten,  avo  der  Alkohol  verpönt,  die  Hyp- 
notika,  speziell  Opium  und  Chloral,  im  Gebrauch  sind,  haben  viel 
ungünstigere  Mortalitätsziffern.  Wenn,  wie  es  mehr  und  mehr  an¬ 
genommen  wird,  das  Delirium  eine  Autointoxikation  darstellt,  so 
erscheint  schon  vornherein  die  Opiumbehandlung  weniger  rationell 
als  die  energische  Ausscheidung  des  Darminhaltes. 

Prager  medicinische  Wochenschrift. 

No.  40 — 42.  F.  Neumann-Prag:  Kieferatrophie. 

Systematische  Abhandlung  über  die  verschiedenen  Formen 
der  Atrophie  des  Kiefers.  Nach  N.’s  Beobachtungen  verläuft  die 
physiologische  Atrophie  des  Alters  mit  einer  gewissen  Regelmässig¬ 
keit,  indem  etappemveise  zuerst  die  Zähne  des  Oberkiefers  oder 
zuerst  die  des  Zwischenkiefers,  nie  aber  gleichzeitig  Vorder-  und 
Seitenzähne  sich  zu  lockern  beginnen.  Als  Beispiel  für  die  vor¬ 
zeitige  Atrophie  wird  ein  Mann  angeführt,  der  mit  33  Jahren  be¬ 
reits  alle  Zähne  bis  auf  einen  Eckzahn  und  die  G  Frontzähne  des 
Unterkiefers  verloren  hatte.  Aetiologiseli  kam  höchstens  ein  vor 
14  Jahren  aufgetretener  Skorbut  in  Betracht. 

No.  40.  0.  M  ö  r  1  -  Kostenblatt:  Ueber  einen  Fall  von  Myx¬ 

ödem. 

Die  Erscheinungen  des  Kretinismus  waren  bei  der  37  jährigen 
Patientin  hochgradig  ausgebildet.  Schilddrüsenfütterung  hatte  in 
kurzer  Zeit  einen  deutlichen  Erfolg  durch  Verminderung  der 
Oedeme,  Hebung  des  Appetites  und  vermehrte  Lebhaftigkeit. 
Dabei  blieb  es.  dagegen  stellten  sich  bald  Diarrhöen  und  beträcht- 
lielie  Abmagerung  ein,  so  dass  die  Therapie,  welche  schliesslich 
mehr  zu  schaden  als  zu  nützen  schien,  eingestellt  Averden  musste. 
Bei  so  alten  Individuen  wird  man  sich  überhaupt  von  der  Schild¬ 
drüsenbehandlung  nicht  viel  versprechen  und  besonders  vorsichtig 
sein  müssen.  Bergeat  -  München. 

Italienische  Literatur. 

M  o  r  i  liefert  einen  Beitrag  zum  Studium  der  Nabeltumoren. 

(Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  63.) 

Diese  Neoplasmen  enthalten  fast  immer  myxomatöses  Ge- 
Avebe  mehr  oder  weniger  mit  fibrösem  gemischt,  Dies  entspricht 
dem  Umstande,  dass  in  den  Nabelresiduen  Reste  der  Warte  n- 
schen  Sülze  sich  befinden,  Avelche  aus  embryonalem,  myxomatösem 
Gewebe  besteht.  M.  berichtet  über  einen  kleinen,  von  ihm  ent¬ 
ferntem  Tumor,  welcher  aus  fibrösem  Bindegewebe  und  myxoma¬ 
tösem  Gewebe  bestand  und  gibt  ausser  einem  mikroskopischen 
Bilde  einen  Ueber  blick  über  die  Literatur  der 
Nabeltumoren. 

Schiassi:  Chirurgie  und  Organtherapie  bei  Morbus  Banti. 

(Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  69.) 


In  einem  anscheinend  aussichtslosen  Falle  von  Morbus  Banti 
—  Vergrösserung  der  Milz  auf  das  Vierfache  ihres  Volumens, 
Schrumpfung  der  Leber,  Aszites  und  reduzierter  Blutbildung  — - 
machte  S.  die  Einpflanzung  der  Pfortader  in  die  Vena  cava  und 
später  die  Einnähung  der  Milz  in  eine  Parietalfalte  des  Peri¬ 
toneums.  Die  Zirkulationsverhältnisse  besserten  sich  durch  das 
Verfahren;  die  Blutbildung  blieb  schwer  darniederliegend.  In 
diesem  Zustande  envies  sich  frischer  Parenchymsaft  der  Leber, 
zu  1 — 3  g  pro  die  injiziert,  A’on  ausgezeichneter  Wirkung  auf  die 
Leberfunktion.  Die  Besserung  war  sofort  an  einer  Steigerung  der 
Harnstoffmenge  nachweisbar.  Der  Autor  glaubt,  dass  die  Kom¬ 
bination  von  chirurgischem  Eingriff  und  Opo¬ 
therapie  für  die  Zukunft  bei  der  Bantische  n 
Splenomegalie  Aussicht  auf  besseren  t  h  e  r  a  - 
p  e  u  t  i  s  c  heu  Erfolg  biete  n  av  i  r  d. 

Moresc  o:  Ueber  einen  Fall  von  Torsion  des  Netzes.  (Gaz¬ 
zetta  degli  ospedali  1902,  No.  69.) 

Zur  Kasuistik  der  sehr  seltenen  Fälle  von  Netztorsion  teilt 
M.  einen  Fall  mit,  in  welchem  das  entartete  Netz  sich  als  ein 
fast  kindskopfgrosser,  zum  Teil  brandiger  Tu¬ 
rn  o  r  e  r  av  i  e  s.  Im  ganzen  konnte  M.  10  Fälle  dieser  All  aus  der 
Literatur  zusammenstellen;  immer  handelte  es  sich  um  Epiplocele, 
bewirkt  durch  alte  Hernien  mit  chronischer  Entzündung,  De¬ 
generation  und  Verlängerung  des  in  ihnen  angewachsenen  Netzes. 

Mastri:  Die  Schwierigkeiten  der  Differentialdiagnose 
zwischen  Milztumor  und  Tumor  der  retroperitonealen  Lymph- 
drüsen.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  63.) 

M.,  Assistenzarzt  am  Krankenhause  zu  Copparo,  erwähnt, 
Avie  diese  Schwierigkeiten  unüberwindliche  sein  können  bei  chro¬ 
nischen  Malariakranken  und  linksseitigem 
A  b  d  o  m  i  nalt  u  m  o  r  dann,  wenn  Tumor  und  Milzdämpfung  in 
einander  übergehen.  Die  Milz  zeigte  sich  bei  der  Sektion  um  das 
Doppelte  vergrössert  und  an  dieselbe  sich  anschliessend  präsen¬ 
tierte  sich  eine  Geschwulst  Aron  der  Grösse  des  Kopfes  eines  Er¬ 
wachsenen,  Avelche  Vena  cava  und  Aorta  umgab,  ohne  ihr  Lumen 
zu  verengern.  Diese  GeschAvulst  hatte  ihren  Ausgang  genommen 
von  den  linksseitig  von  der  Aorta  liegenden  retroperitonealen 
Drüsen;  sie  charakterisierte  sich  als  ein  Zylindroma  mit  meta¬ 
statischen  Knoten  in  Arerschiedenen  Organen.  Der  27  jährige 
Kranke  starb  nach  4  tägigem  Aufenthalt  im  Krankenhause,  ehe 
zur  Laparotomie  geschritten  werden  konnte. 

Geraldinis  Beiträge  zur  therapeutischen  Anwendung 
der  Gelatine  bei  schAveren  Enterorrhagien  ergaben  das  Resultat, 
dass  dieselbe  nicht  nur  subkutan,  sondern  auch  per  rectum 
angewendet  sich  einer  sicheren  Wirkung  e  r  - 
f  r  e  u  t.  Die  unleugbare  Gefahr  der  Tetanusinfektion  bei  der 
käuflichen  Gelatine  schliesst  man  durch  die  Anwendung  per  Klys¬ 
ma  ta  mit  Sicherheit  aus. 

Neuerdings  wurde  von  Merck  sowohl,  als  auch  im  Hospital 
zu  Rom  Gelatine  (2  proz.)  dargestellt,  AArelche  sicher  sterilisiert  ist. 
G.  spricht  die  Befürchtung  aus,  dass  solche  Gelatine  durch  das 
Sterilisierungsverfahren  ihre  blutkoagulierende,  antihämorrhagische 
Wirkung  verlieren  wird.  (Gazetta  delgi  osped.  1902.  No.  69.) 

Tedeschi  erwähnt  einen  Fall  von  ungewöhnlicher  Sklero¬ 
dermie.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  72.) 

Derselbe  bietet  Berührungspunkte  sowohl  mit  der  Lepra  als 
mit  der  Elephantiasis,  indessen  waren  beide  bei  genauer  Unter¬ 
suchung  auszuschliessen.  Es  handelte  sich  an  den  Extremitäten 
um  Aveinrote  bis  kirschenrote  harte,  stellemveise  auch  erhabene 
Flecke  bei  starker  elephantiasisartiger  Zunahme  der  Beine. 
Namentlich  aber  Avar  eine  Hypertrophie  mit  Tendenz 
zur  Abschuppung  stark  pigmentierter  ichthyo- 
sisartiger  Schuppen  vorhanden.  T.  erwähnt  einen  Fall 
Aron  L  eder  m  a  n  n  „mit  einer  eigenartigen  ichthyotischen  Fel- 
derung“,  wmlchem  der  seinige  gleiche. 

Bezüglich  der  Erklärung  dieser  Veränderungen  sind  Degene¬ 
rationen  am  Nervensystem  anzuführen:  der  Fall  reiht  sich  ein 
unter  die  mit  Polyneuritis  komplizierten  Sklerodermafälle. 

A  m  e  n  t  a  berichtet  über  einen  Fall  von  allgemeiner  Hyper- 
idrosis.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  72.) 

Derselbe  trat  auf  im  Anschluss  an  eine  syphilitische  Infektion. 
wrelclie  durch  34  Sublimatinjektionen  anscheinend  geheilt  Avar. 
A.  nimmt  eine  Reizung  des  von  neueren  Forschem  in  die  Medulla 
oblongata  verlegten  Zentrums  für  Schweissekretion  an,  Aron  wel- 
chem  aus  der  Reiz  durch  die  auf  den  Bahnen  des  Sympathikus 
Arerlauf enden  Nervenfasern  an  die  Schweissdrüsen  gelangt.  Dieses 
Zentrum  stellt  er  sich  als  durch  Luestoxine  gereizt  vor  und  fasst 
den  ganzen  Symptomen  komplex  als  eine  parasyphi¬ 
litische  Erscheinung  auf,  wmlche  weder  durch  eine  anti- 
luetische  noch  durch  eine  anderweitige  spezifische  Behandlung  be¬ 
einflusst  sich  spontan  wieder  verlor. 

Boeri:  Ueber  kardiovaskulären  Druck.  (Gazzetta  degli 
ospedali  1902,  No.  63.) 

Ueber  Blutdruck  und  die  Wichtigkeit  der  B  e  - 
s  t,  i  m  m  u  n  g  der  Blutdruckverhältnisse  für  die 
Klinik  spricht  B.,  Kliniker  der  I.  med.  Klinik  Neapels,  in  einer 
längeren  Vorlesung,  deren  Inhalt  wir  hier  nicht  erschöpfen  können. 

„Wir  sind“,  so  sagt  der  Autor,  „gewöhnt,  in  Bezug  auf  Be¬ 
urteilung  der  Blutzirkulationsverhältnisse  eine  grosse  Wichtigkeit 
dem  Herzen  und  seiner  Tätigkeit  beizumessen  und  dabei  die 
Untersuchung  der  Gefässe  etAvas  zu  vernachlässigen,  und  auch 
selbst,  wenn  wir  Störungen  der  peripherischen  Zirkulation  wahr¬ 
nehmen,  so  pflegen  wir  solche  als  Folgen  der  Herzaffektion  zu  be¬ 
trachten.  Es  ist  dies  bis  zu  einfem  gewissen  Grade  vielleicht  eine 


28.  Oktober  1902. 


MUEJSf CHENeR  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1811 


wohltätige  Reaktion  gegen  die  Methode  der  alten  Aerzte  welche 
dem  Pulse  und  seiner  Beschaffenheit  eine  zu  exklusive  Bedeuten»' 
vmdizierten;  aber  in  der  Tat  verdient  heute  der  Zustand  des  neri- 
pheren  Gefässystems  eine  sorgfältigere  und  methodischere  Unter- 
suchung.  Die  Ursache  der  Herzaffektionen  ist  oft  ein  gestörter 
Gleichgewichtszustand  des  vasalen  Blutdrucks,  während  man 
meist  denselben  für  die  Folge  hält.“ 

r,.n  £eit  ,dem,,Jah.re  1897 .  wurden  in  der  Neapolitaner  Klinik 
;>.)<)  Kranke  aller  Art  auf  ihre  Blutdruckexponenten  geprüft’  zur 
Anwendung  kam  das  Biva-Ilocci  sehe  Sphygmomanometer. 
Bei  noimalen  \  eilialtnissen  schwankte  für  gewöhnlich  der  Blut¬ 
druck  zwischen  120—140  mm.  Die  höchste  Ziffer  fand 
sich  bei  einem  Hemiplegiker  mit  Arterio- 
skierose,  sie  betrug  2S0  mm.  Ueberliaupt  fanden  sich  bei 
Arteriosklerose  170—200—220  mm.  Die  nächst  grössten 
Zahlen  boten  Nephritiden,  besonders  inter¬ 
stitielle,  bei  welchen  nicht  selten  200  mm  erreicht  und  selbst 
überschritten  wurden.  Auch  bei  Aorteninsuffizienz  fand  man 
einen  hohen  Blutdruckexponenten,  während  er  bei  der  Mitral¬ 
insuffizienz  viel  weniger  hoch,  bei  der  Mitralstenose  geradezu 
niedi  ig  "v\  ai .  Bei  der  M  yokarditis  ist  er  dagegen 
oft  hoch,  bei  Bleiintoxikation  ist  er  beträ  c&h  t  - 
lieh  und  kann  steigen  bis  190  mm. 

Den  niedrigsten  Druck  konstatierte  man  bei  L  ungen¬ 
au  cli  Peritonealtuberkulose,  beim  Ileotyplius,  bei  der 
Lebercirrhose,  bei  der  chronischen  Malaria,  beim  Diabetes,  bei 
der  Influenza,  auch  bei  der  fibrinösen  Pneumonie  und  noch  mehr 
bei  der  Bronchopneumonie.  Ein  bemerkenswertes  Faktum  war 
der  Einfluss  des  Schmerzes  auf  den  kardio¬ 
vaskulären  Blutdruck.  In  Anfällen  von  Gallenkolik 
stieg  derselbe  beträchtlich,  um  sofort  mit  dem  Aufhören  des 
Schmerzes  nachzulassen;  auch  experimentell  durch  elektrische 
P  ai  adisiei  ung  liess  sich  diese  Druckerhöhung  beim  Schmerz  be¬ 
stätigen. 

Aus  der  Bestimmung  des  Blutdrucks  lassen  sich  Schlüsse  auf 
den  Zustand  des  Herzens  ziehen,  wie  auf  den  der  Gefässe  und 
ihre  Brüchigkeit.  Für  gewöhnlich  bestimmt  der  Ueberdruck  die 
Arteriosklerose  mehr,  als  dass  er  als  Folgezustand  derselben  auf¬ 
zufassen  ist.  Die  Individuen  mit  erhöhtem  Gefässdruck  sind  als 
prädestiniert  zu  Gehirnblutungen,  zu  interstitieller  Nephritis,  zu 
arteriellen  Kardiopathien  zu  betrachten. 

Satullo:  lieber  abnorm  hohe  Temperaturen  bei  akuten 
Pneumonien  mit  Schmerzen  in  der  Appendixgegend. 

Vielfach  finden  sich  in  der  modernen  medizinischen  Literatur 
ohne  Gefahr  vorübergehende  hohe  Temperaturen  verzeichnet,  so 
hoch,  wie  sie  früher  für  unmöglich  und  mit  dem  Fortbestände’ des 
heben s  für  unvereinbar  angesehen  wurden.  S.  teilt  Temperatur¬ 
kurven  von  Pneumonikern  mit,  welche  43 — 45,5°  aufweisen.  Diese 
abnorm  hohen  Temperaturen  hielten  4 — 5  Stunden  an.  Die  Pneu¬ 
monien  verliefen  günstig. 

Interessant  war  in  allen  3  Fällen  der  bereits  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  unter  der  Rubrik  „Italienische  Literatur“  erwähnte  Schmerz 
im  Ausstrahlungsgebiet  des  vorderen  Astes  des  linken  12.  Inter¬ 
kostalnerven,  welcher  eine  Appendizitis  hätte  Vortäuschen  können. 

S.  erwähnt,  dass  ähnliche  atypische  Fälle  von  akuter  Pneu¬ 
monie  in  seinem  Bezirke  in  der  Umgebung  von  Messina,  wo  häufig 
auch  Pneumonieepidemien  vorkämen,  gar  nichts  seltenes  seien. 

G  a  m  p  a  n  e  1 1  a  empfiehlt  subkutane  Injektionen  von 
Atropin  gegen  Asthma,  mit  1  Dezimilligramm  beginnend  und 
wenn  nötig  bis  1  Milligramm  steigend.  Die  Wirkung  soll  der  der 
anderen  Narkotika  überlegen  sein.  Bei  v  e  g  e  tarianis  e  li  e  r 
Lebensweise  werde  das  Mittel  erheblich  besser 
vertragen.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  69.) 

Scotti:  Ueber  das  Verhalten  des  Pulses  bei  der  willkür¬ 
lichen  Aufhebung’  der  Respiration. 

Studien,  welche  Scotti  in  der  De  R  e  n  z  i  scheu 
Klinik  anstellte  und  welche  er  im  Giornale  internazio- 
nale  delle  Scienze  mediclie  1902,  No.  21,  veröffentlicht, 
ergaben,  dass  die  Pulsverlangsamung,  welche  bei  der  frei¬ 
willigen  Apnoe  erfolgt,  intensiver  ist  bei  der 
inspiratorischen  Apnoe  als  bei  der  exspiratori- 
s  c  li  e  n.  Diese  Verlangsamung  hängt  von  einer  Erregung  des 
Vagus  ab.  welche  durch  Hemmung  des  Respirationszentrums  be¬ 
wirkt  wird,  vielleicht  auch  von  Reflexaktionen.  Bei  tiefen,  schnell 
aufeinander  folgenden  Atmungen  bemerkt  man  keine  besonderen 
1  eräuderungen  des  kardialen  Rhythmus. 

Die  respiratorischen  Schwankungen,  welche  man  in  dem 
Herzkurvenbilde  beobachtet,  haben  ihren  Grund  nicht  in  Kon¬ 
traktionen  der  Respirationsmuskeln. 

Cölbe  rtaldo  beschreibt  3  Fälle  von  Aphasie  bei  Typhus, 
Kinder  von  9  und  6%  Jahren  betreffend.  (Gazzetta  degli  ospedali 
1902,  No.  60.) 

Er  erwähnt,  dass  fast  alle  in  der  Literatur  bekannt  gewor¬ 
denen  Fälle  Kinder  betreffen,  und  sieht  die  Ursache  in  einer  Wir¬ 
kung  des  Typhustoxins  auf  die  noch  zarten  und  in  der  Entwick¬ 
lung  begriffenen  nervösen  Zentralapparate  der  Sprache.  Die  Pro¬ 
gnose  ist.  immer  günstig. 

Comandini:  Ueber  Chorea.  (Gazzetta  degli  ospedali  1902 
No.  69.) 

Die  Chorea  ist  nach  den  neueren  Anschauungen  eine  Krank- 
hed  infektiöser  Natur  resp.  die  Folge  einer  vorhergegangenen  In¬ 
fektion.  Nach  Mu  rri  ist  bei  derselben  immer  die 
/j0Ua  Rolandi  beteiligt.  Ferner;  sie  ist  vor  dem  5.  Jahre 


selten,  doch  kann  sie  ausnahmsweise  auch  jüngere  Kinder  sogar 
solche  unter  einem  Jahre  befallen. 

C.  berichtet  über  die  Krankengeschichte  von  3  Fällen,  welche 
geeignet  sind,  die  obigen  Anschauungen  zu  bestätigen. 
^IMttipaldi:  Ueber  Diabetes.  (Gazzetta  degli  ospedali 

Aus  einer  dritten  von  F.  aufgezeichneten  Vorlesung 
De  Renz  is  entnehmen  wir  über  Diabetesdiät:  Ein  be¬ 
deutender  Fortschritt  war  die  Einführung  des  Ge¬ 
brauchs  grüner  Gemüse,  welche  gut  von  Diabetikern 
a  (-  i  ti  agen  a\  eiden,  feiner  der  Lävulose  und  des  Inn  lins 
von  denen  das  erstere  sowohl  allein  als  von  Dextrose  begleitet 
als  linksdrehender  Zucker  im  Pflanzenreiche  sehr  verbreitet  ist, 
das  zAveite,  ein  Polysaccharid,  mit  der  Eigentümlichkeit,  durch 
hydi olytische  Spaltung  nur  Lävulose  zu  erzeugen,  in  gewissen 
Pflanzenarten  vorkommt.  Das  Inulin  kann  vollständig  das  ge¬ 
wöhnliche  Amylum  ersetzen;  es  ist  ein  weisses,  körniges,  in  Wasser 
ziemlich  lösliches  Pulver,  nicht  färbbar  durch  Jodtinktur;  mit  an¬ 
gesäuertem  Wasser  gekocht,  verdoppelt  es  sein  Molekül  und  er¬ 
zeugt  Lävulose. 

Die  gewöhnliche  Diabetikerdiät  in  der  Neapolitaner  Klinik  be¬ 
steht  aus  5  sogen,  grünen  Suppen,  5  Stücken  Fleisch,  Avelche  alle 
zusammen  300  g  wiegen,  5  Eiern,  y2  Liter  Wein:  eine  Diät,  welche 
2104  Kalorien  liefert.  Diese  Kalorienmenge  würde  in  Anbetracht, 
dass  man  auf  ein  mittleres  Individuum  2500  Kalorien  rechnet,  g-e- 
ring  erscheinen;  aber  man  muss  das  grosse  Assimilationsvermögen 
der  Diabetiker  in  Rechnung  ziehen. 

Wenn  diese  Diät  die  Glykosurie  nicht  beseitigt,  so  reduziert 
inan  oder  entzieht  in  erster  Linie  das  Fleisch;  wenn  dies  nicht 
hilft,  so  vermindert  man  die  Gemüsesuppen  bis  zum  gewünschten 
Effekt.  Immer  soll  es,  auch  bei  starkem  Diabetes,  gelingen,  den 
Zucker  in  normale  ( ?)  Grenzen  zu  bringen.  Fasten,  Avie  es  C  a  n  - 
t  a  n  i  unter  Umständen  empfohlen  hat,  hält  De  Re  nz  i  angesicht-i 
der  vielen  toxischen  Substanzen,  welche  sich  bei  der  Inanition  im 
Gewebe  bilden,  für  gefährlicher  als  diese  seine  unzureichende 
Ernährung. 

Experimente  an  durch  Pankreasexstirpation  diabetisch  ge¬ 
machten  Hunden,  die  man  an  vegetabilische  Diät  zu  gewöhnen 
suchte,  ergaben,  dass  nur  diejenigen,  welche  sich  zu  dieser  Diät 
bequemten,  keine  Glykosurie  mehr  zeigten;  desgleichen  Avurde  das 
bemerkenswerte  Faktum  notiert,  dass  diejenigen  Hunde,  welche 
sich  an  die  Ernährung  durch  grünes  Gemüse  gewöhnt  hatten,  nach 
der  Pankreasektomie  nicht  diabetisch  wurden. 

Diese  Ernährungskur,  ursprünglich  symptomatische  Therapie, 
Avird  später  eine  ätiologische  insofern,  als  man  durch  die  Schonung 
derjenigen  Organe,  welche  zur  Umwandlung  der  Kohlehydrate  in 
Zucker  bestimmt  sind,  eine  Wiederherstellung  ihrer  normalen 
Funktion  erlangt.  Unterstützt  wird  diese  Kur  durch  alle  Be¬ 
handlungsarten,  welche  die  organische  Oxydation  verbessern: 
Landaufenthalt,  Gymnastik,  Hydrotherapie,  Mineralkuren  etc.  Die 
Elektrizität  scheint  in  der  Behandlung  des  Diabetes  eine  grosse 
Wichtigkeit  zu  haben;  aber  De  Renzi  empfiehlt  Vorsicht  in  der 
Anwendung.  Er  konnte  nacliAveisen,  dass  die  Tesla  scheu 
Ströme  die  Glykosurie  wieder  hersteilen,  wenn  sie  auf  dem  Wege 
der  Diät  beseitigt  ist.  Diese  Ströme  beschleunigen  den  Albumin¬ 
stoffwechsel;  aber  sie  greifen  zugleich  die  Nukleinsubstauzen  an, 
führen  zur  Harnsäureausscheidung  durch  den  Urin  und  spalten 
andrerseits  Elemente  ab,  Avelche  zu  den  von  Kossel  nachgewie- 
senen  Nukleinkohlehydraten  gehören. 

De  Domenicis:  Ueber  den  Phloridzindiabetes.  (Gazzetta 
degli  ospedali  1902,  No.  75.) 

Die  alte  Galen  sehe  Anschauung,  dass  die  Veränderung  in 
den  Nieren  der  Diabetiker  die  Ursache  und  nicht  die  Folge  des 
Diabetes  sei,  hat  neuerdings  Avieder  durch  Lepine,  Klein- 
p  e  r  e  r,  II  i  c  h  ter,  Schupfe  r  u.  a.  an  Boden  gewonnen. 

Auch  bezüglich  des  Phloridzindiabetes  stellten  Minkowsky 
und  Lepine  die  Hypothese  auf,  dass  er  dadurch  entstünde,  dass 
•  die  Nieren  das  Phloridzin  in  Zucker  und  Phloretin  spalten. 

De  Domenicis  veröffentlicht  seine  mit  De  G  i  a  n  a  ge¬ 
meinsam  gemachten  Experimentaluntersuchungen,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  das  Phloridzin  keine  besondere 
W  i  r  k  u  n  g  auf  die  Nieren  ä  u  ssert,  sondern  a  u  f 
alle  lebenden  G  e  av  e  b  e  die  gleichmässige  Wir¬ 
kung  übt,  dass  es  den  Glykogen  ge  halt  derselben 
v  erzeh  r  t.  Diese  Wirkung  kommt  zu  stände  wie  eine  In¬ 
toxikation  auf  dem  Wege  des  Nervensystems  und  sie  ist  in  dieser 
Beziehung  analog  dem  durch  Verletzung  des  4.  Ventrikels  und 
dem  durch  Pankreasexstirpation  erzeugten  Diabetes;  auch  diese 
letztere  Form  wirkt  nach  dem  Autor  durch  Nerveneinfluss. 

G  a  e  t  a  n  o,  Kliniker  Palermos,  teilt  über  den  klinischen 
Wert  der  kryoskopischen  Urinuntersuchungen  dem  medizinischen 
Kongresse  von  Sizilien  seine  Untersuchungsresultate  mit.  Die¬ 
selbe  hat  eine  bestimmte  diagnostische  und  prognostische  Be¬ 
deutung  namentlich  für  chirurgische  Massnahmen.  Zeigt  schon 
der  normale  Urin  gewisse  Schwankungen,  so  sind  dieselben  beim 
pathologischen  Urin  noch  Aveit  ausgiebiger. 

EiAveissgelialt  des  Urins  soll  den  Gefrierpunkt  nicht  beein¬ 
flussen;  auch  bestimmt  das  spezifische  GeAvicht  den  Gefrierpunkt 
nicht. 

Sehr  zahlreiche  Untersuchungen  haben  ergeben,  dass,  wenn 
d  bis  0,95  beträgt,  sicher  eine  Niere  gesund  ist.  Sind  beide  Nieren 
krank,  so  sinkt  J  bis  0,45  und  0,30. 

Die  Kryoskopie  soll  ferner  eine  Differentialdiagnose  zAvisclien 
Gystitis  und  Pyelitis  erleichtern. 


1812 


MUENCHENF.R  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Zwischen  dem  Gefrierpunkte  des  Urins  und  dem  des  Blutes 
bestehen  keine  bestimmten  Beziehungen  und  die  Kryoskopie  des 
Urins  gestattet  keinen  Schluss  auf  die  Toxizität  des  Blutes. 

Bei  der  Stauungsniere  der  Herzkranken  wird  die  Storung  der 
Nierentätigkeit  dadurch  angezeigt,  dass  die  Quantität  des  i  vms 
gering  und  J  abnorm  niedrig  ist. 

Zur  Untersuchung  hat  man  immer  den  Urin  von  24  stunden 
zu  verwenden;  den  Urin  durch  Ureterenkatheter  von  jeder  Niere 
zu  entnehmen,  hält  G.  für  unnötig  und  gefährlich. 

Endlich  erwähnt  G.  noch  die  verschiedenen  Formen  der  Kri¬ 
stallisierung  beim  Urin  und  hält  es  für  möglich,  dass  dieselben 
für  die  Zukunft  diagnostische  Bedeutung  gewinnen  können. 

(Gazzetta  degli  ospedali  1902,  No.  69.)  ,, 

Hager-  Magdeburg  N . 

Laryngo-Rhinologie. 

1)  B  u  k  o  f  z  e  r  -  Königsberg  i/Pr.:  Untersuchungen  über  die 
Wirkungen  von  Nebennierenextrakt  (Adrenalin)  auf  die 
Schleimhaut  der  oberen  Luftwege  bei  äusserlicher  Anwendung. 
(Archiv  f.  Laryngol.  u.  Rhinol.  Bd.  18,  II.  2.)  .  ,  0 

Um  die  Wirkungsweise  des  Nebennierenextraktes  aut  das 
Blutgefässystem  zu  studieren,  wurden  Versuche  teils  an  Tieren 
(Kaninchenohr,  Schwimmhaut  des  Frosches),  teils  am  Menschen 
(oberer  Respirationstraktus,  Vorderarm)  vorgenommen.  Diese 
Hessen  erkennen,  dass  das  Adrenalin  bei  ansserliclier  Anwendung 
streng  lokal  wirkt.  Auf  der  Schleimhaut  wirkt  es  zunächst  durch 
Kontraktion  der  Kapillaren  anämisierend,  ohne  eine  Verengei ung 
der  Arterien  oder  Venen  im  Gefolge  zu  haben,  vermag  aber  auch 
Arterien  und  Venen  zu  verengern,  sobald  es  ihnen  möglichst  nahe 
gebracht  wird.  Die  normale  Haut  dagegen  ist  gegen  Adrenalin 
wenig  empfindlich;  nach  Entfernung  eines  Teiles  des  Stratum 
eorneum  der  Epidermis  trat  eine  Reaktion  auf  Adrenalin  auch 
hier  ein  die,  „wenn  man  einen  leichten  Einschnitt  mit  dem  Messei 
machte,  ohne  dass  etwa  Blut  floss,  und  dann  Adrenalin  auf  die 
Stelle  brachte“,  nach  einigen  Minuten  sich  in  einer  starken  Kon¬ 
traktion  der  Arterie  und  einer  Blutleere  der  zugehörigen  \  ene 
äusserte  (Kaninchenohr).  Diese  „Wirkung  auf  die  Haut  nach  Be¬ 
seitigung' des  obersten  Epithellagers  dürfte  vielleicht  eine  Per¬ 
spektive  zur  dermatologischen  Verwertung  geben“.  Die  mter- 
essaiiten  Versuche  mit  ihren  physiologischen  und  therapeutischen 
Schlussfolgerungen  eignen  sich  nicht  zu  kurzem  Referat. 

2)  Grün  wald -München:  Der  heutige  Stand  der  Ozaena¬ 
frage.  (Ibid.)  ..  . 

In  einem  eingehenden  Vortrag  präzisiert  G  r  u  n  w  a  Dl  seine 
Stellung  zu  dem  „Ozaena  genannten  Symptomenkomplex  ,  be¬ 
spricht  kritisch  die  verschiedenen  Theorien,  die  von  den  Anhängern 
'der  g  e  n uiiie  u  Ozaena  zur  Erklärung  des  Krankheitsprozesses 
herangezogen  werden,  negiert  deren  wissenschaftliche  Berech¬ 
tigung  und  weist  einzelnen  derselben  eine  mehr  accidentelle  Rolle 
zu-  So  führt  die  Infektion  mit  dem  Bacillus  mucosus  Abel  zu  einer 
starken  Klebrigkeit  des  Sekretes,  wodurch  neben  dessen  relativer 
Wasserarmut  und  dessen  räumlich  und  zeitlich  ausgedehnterem 
Kontakt  mit  der  umgebenden  Luft  ein  weiteres  wesentliches  Mo¬ 
ment  für  die  Vertrocknung  desselben  und  die  Borkenbildung  ge¬ 
geben  ist.  „Die  Atrophie,  soweit  nicht  primär  vorhanden,  entsteht 
unter  dem  Drucke  und  infektiösen  Einfluss  der  massenhaft  lagern¬ 
den  Borken.“  „Der  Gestank  entsteht  durch  sapropliytische  Zer¬ 
setzung  der  in  halbfeuchtem  Zustande  durch  die  abnorme  Klebrig¬ 
keit  festgehaltenen  Sekretmassen."  Die  Ursache  des  Kiaukheits- 
prozesses  aber,  der  Herkunftsort  des  Sekrets  ist  fast  ausnahmslos 
in  Herd  eiterungen  (Nebenhöhlen,  Nasengänge  und  adenoides 
Gewebe  in  Epi-  und  Mesopharynx)  zu  suchen.  Der  neuerdings 
von  Perez  in  der  Nase  gesunder  Hunde  auf  gefundene  und  für 
die  Ozaena“  als  Infektionsursache  bezeichnete  „Cocco-Bacillus 
foetidus“  findet  gleichfalls  eine  kritisch-einschränkende  Bespre¬ 
chung.  _  . 

3)  Citelli  und  Calamida-Tunn;  Beitrag  zur  Lehre 
von  den  Epitheliomen  der  Nasenschleimhaut.  Mit  2  Tafeln. 

(Ibid.)  .  „ 

Die  Besprechung  der  einschlägigen  Literatur  bietet  einen  Be¬ 
weis  für  das  seltene  Vorkommen  von  Karzinom  der  Nasenschleiin- 
haut.  Nach  kurzer  Erörterung  der  Lokalisation  (in  erster  Linie 
Dach  der  Nasenhöhlen,  Siebbein-Labyrinth,  dann  vorderer  Teil  des 
Septum),  Aetiologie,  Symptomatologie,  Alter,  Diagnose  (Differen- 
t  ialdiaguose  mit  Polypen  und  Sarkomen),  Prognose  und  Therapie 
berichten  die  Autoren  über  8  neue  Fälle  aus  der  Gr  a  <1  enigo- 
sclien  Klinik,  deren  Krankengeschichten  nebst  ausführlichem  Be¬ 
richt  über  die  mikroskopischen  Befunde  in  extenso  angeführt  sind. 

4)  C  horonshi  t  z  k  y  -  Warschau :  Eine  Modifikation  des 
Schütz  sehen  Doppelmeissels.  Mit  1  Abbild.  (Ibid.) 

Handgriff  ähnlich  dem  Mat  hi  eu  sehen  Tonsillotom;  das  In¬ 
strument  kann  sowohl  zur  Abtragung  rechtsseitiger,  wie  links¬ 
seitiger  Spinen  verwendet  werden. 

ö)  llanszel  - Wien:  Involution  eines  Rhinolaryngo- 
skleroms  durch  Erysipel  der  Gesichtshaut  und  eines  Sarkoms 
des  Rachens  durch  Streptokokken-  und  Staphylokokkenmfek- 
tion.  (Monatsschr.  f.  Ohrenheilk.  etc.  1902,  No.  7.) 

Nach  ausführlichem  Bericht  über  obige  2  Fälle  aus  der 
C  li  iari  sehen  Klinik  zitiert  Autor  eine  Reihe  ähnlicher  Fälle  aus 
der  Fachliteratur,  bespricht  die  Frage,  ob  man  berechtigt  sei.  bei 
derartigen  inoperablen  Erkrankungen  durch  Erysipelübertragung 
eine  eventuelle  Heilung  oder  Besserung  zu  erstreben,  erwähnt  die 
neueren  Versuche  mit  Erysipel-  und  Rhinosklerom-Seren  und  er¬ 


örtert  zum  Schlüsse  die  Wirkungsweise  der  interkurrenten,  spontan 
auf  tretenden  oder  artifiziell  gesetzten  Infektionserkrankungen  «aut 
Entwicklung  und  Verlauf  dieser  Neubildungen.  Verf.  weist  dabei 
auf  die  Wichtigkeit  des  Fiebers  hin,  auf  dessen  Höhe  er  bezüg¬ 
lich  des  Erfolges  ein  besonderes  Gewicht  legt. 

6)  Broeckaert  -  Galid:  Paraffininjektionen  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Oto-Rhino-Laryngologie.  Mit  7  Abbild.  (Revue  lieb- 
domadaire  de  laryngologie  etc.  1902,  No.  27.) 

Unter  Bezugnahme  auf  seine  frühere  Arbeit  berichtet 
Broe  c  k  «a  e  r  t  über  einige  Modifikationen  der  Technik:  Das  Eck¬ 
stein  sehe  Paraffin  dürfte  das  Gersunysche  Vaselin  voll¬ 
ständig  verdrängen.  Während  letzteres  mit  der  Zeit  resorbiert 
wird  bleibt  das  Paraffin  dauernd  unverändert  und  erfüllt  voll¬ 
kommen  die  in  dasselbe  gesetzten  Erwartungen.  Anstatt  des  bis¬ 
her  verwandten  Paraffins  mit  einem  Schmelzpunkt  von  60"  oder 
(J5°  verwendet  Autog  ein  Paraffin,  das  bei  56°  oder  57°  schmilzt, 
und  vermeidet  hierdurch  etwa  mögliche  Verbrennungen.  Als  ge¬ 
eignetste  Injektionsspritze  empfiehlt  Autor  eine  weite 
und  kurze  Spritze  mit  einem  Fassungsvermögen  von  3  ccm 

. _ diese  vermeidet  ein  zu  rasches  Erkalten  des  Paraffins  ,  sow  ie 

besonders  konstruierte  Ansätze  in  verschiedenen  Krümmungen, 
die  in  der  Arbeit  abgebildet  sind.  Anschliessend  verbreitet  sich 
Verf.  über  die  Technik,  die  er  als  äusserst  einfach  bezeichnet,  und 
fügt  unter  Zitierung  einer  Reihe  von  Krankengeschichten  die  In¬ 
dikationen  zur  Paraffininjektion  bei  den  einzelnen,  dazu  geeig¬ 
neten  Affektionen  der  Nase,  des  Rachens  und  des  Ohres  an. 
(cf.  diese  Wochenschrift  1902,  No.  35,  8.  1477/78,  Referate  No.  9, 

11  u.  12.)  ,  ..  , 

7)  Albert  R  u  a  u  1 1  -  Paris:  Bemerkungen  zur  Technik  der 
operativen  Verkleinerung  der  Gaumenmandeln.  Mit  1  Abbild. 
(Ibid.  No.  35.) 

Beschreibung  und  Abbildung  des  vom  Autor  seit  10  .Jahren 
mit  Erfolg  angewandten  Instrumentes  zur  Verkleinerung  der 
Gaumentonsillen.  Dasselbe  stellt  eine  entsprechend  gekrümmte, 
scherenartige  Doppelkürette  vor,  mittels  der  die  Tonsillen  stück¬ 
weise  abgetragen  werden.  Details  und  Technik  sind  im  Original 
a usf ührlich  beschrieben. 

8)  Ai  mar  R  a  o  ult-  Paris:  Instrumente  zur  Verkleinerung 
und  Ausräumung  der  Gaumenmandeln.  Mit  3  Abbild,  (ibid. 
No.  3(5.) 

Angabe  dreier  Instrumente  zur  Freilegung  und  Ausräumung 
der  Gaumenmandeln:  Das  erste,  ein  kleines,  abgebogenes  Knopf- 
messerclien,  dient  zur  Spaltung  der  halbmondförmigen  Falte  vor 
dem  Reeessus  supratonsillaris;  das  zweite,  mit  besonderer  Krüm¬ 
mung  versehen,  ist  zur  Trennung  der  Verwachsungen  zwischen 
Tonsillen  und  Gaumenbögen  bestimmt.  D«as  dritte  endlich  —  zur 
Verkleinerung  der  Tonsillen  und  Beseitigung  der  Cryptenzwischeu- 

wiinde  _  besteht  aus  einem  schneidenden  Löffelpaar,  das  ähnlich 

der  11  e  r  y  n  g  -  L  a  n  d  g  r  a  f  sehen  Doppelkürette  (welche  für 
diesen  Eingriff  noch  geeigneter  sein  dürfte.  Ref.)  angewandt 
wird.  Die  Instrumente  sind  in  der  Arbeit  abgebildet,  die  Technik 
findet  entsprechende  Erwähnung. 

9)  (j  h  arles-  Grenoble:  Pemphigus  der  Schleimhäute;  akute 
und  chronisch  rezidivierende  Form.  (Ibid.,  No.  3.8.) 

Nach  Zitierung  zweier  kasuistischer  Fälle  bespricht  Autor 
unter  Hinweis  auf  die  Literatur  Symptomatologie,  Aetiologie,  Dia¬ 
gnose.  pathologische  Anatomie,  Bakteriologie,  Prognose  und  The¬ 
rapie  dieser  Affektion.  deren  Details  zu  kurzem  Referat  nicht  ge¬ 
eignet  sind. 

10)  T  e  x  i  e  r-  Nantes:  Beitrag  zum  Studium  der  Diagnose 
von  Erkrankungen  der  mittleren  Partieen  des  Cavum  nasi.  Mit 

I  Abbild.  (Ibid.)  11 

Besprechung  der  von  K  i  1 1  i  a  n  angegebenen  Methode  der 
Rhinoskopia  media  nebst  Schilderung  der  Technik  und  des  In¬ 
strumentariums,  welch  letzteres  Autor  in  der  W  eise  modifizierte, 
dass  er  statt  des  K  r  a  m  e  r  -  H  a  r  t  m  a  n  n  sehen  Spekulums  das 
I>  u  p  1  a  y  sehe  mit  entsprechend  verlängerten  Schnäbeln  an  wandte. 
Autor  empfiehlt  die  Rhinoskopia  media  aufs  wärmste,  mit  der  ei 
diagnostisch  und  therapeutisch  ausgezeichnete  Erfolge  erzielte. 

11)  K  i  1 1  i  a  n  -  Freiburg  i/Br.:  Die  durch  die  direkte  Endo¬ 
skopie  erhaltenen  diagnostischen  und  therapeutischen  Resultate 
bei  Fremdkörpern  des  Oesophagus  und  des  Respirationstraktus. 
(Annales  des  maladies  de  l’oreille  etc.  1902.  No.  9.) 

In  einem  Referat  über  obiges  Thema  fasst  Killian  seine 
mit  Kasuistik  belegten  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  zu¬ 
sammen:  Die  Oesophagoskopie  ermöglicht  uns  in  einer  grossen 
Keihe  von  Fremdkörperfällen  die  Vermeidung  der  Oesopkagotomie 
und  Gastrostomie  und  die  Extraktion  per  vias  naturales.  Nur 
bei  grossen  Fremdkörpern  mit  scharfen  Rändern,  z.  B.  künstlichen 
Gebissen,  sind  Extraktionsversuche  gefährlich  und  können  durch 
Verletzung  des  Oesophagus  zum  Tode  führen;  hier  tritt  die  Oeso- 
phagotomie  in  ihre  Rechte,  falls  der  Fremdkörper  nicht  weitei 

wie  24 _ 26  cm  von  den  oberen  Schneidezähnen  entfernt  liegt;  sitzt 

er  tiefer,  so  schreitet  man  zur  Mediastinotomia  posterior  oder 
Gastrostomie.  Eine  Ausnahme  unter  den  künstlichen  Gebissen 
machen  solche  aus  gehärtetem  Kautschuk  ohne  grossen  Metall¬ 
belag;  derartige  verschluckte  Gebisse  kann  man  zunächst  mit  der 
Glühschlinge  zerstückeln  und  dann  Stück  für  Stück  extrahieren. 
Besteht  bereits  eine  Oesophagusperforation,  so  enthalte  man  sich 
jeglicher  Extraktionsversuche  und  schreite  zur  Eröffnung  von 
aussen.  Heber  die  Technik  und  Indikation  der  Traclieo-  und 
Bronclioskopia  superior  und  inferior,  die  gleichfalls  in  dem  Re¬ 
ferat  erörtert  werden,  wurde  bereits  des  öfteren  hier  berichtet. 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1813 


12)  Bezy  und  Escat:  Neue  Resultate  der  Intubation  ohne 
dauernde  Ueberwachung  des  Patienten.  (Archives  internationales 
de  laryngologie  etc.  1902,  No.  4.) 

Unter  Bezugnahme  auf  die  frühere  Publikation  E  scats 
(cf.  diese  Wochenschr.  1899,  No.  28,  S.  939,  lief.  No.  22)  treten 
die  Autoren  erneut  für  die  ausgedehntere  Verwertung  der  In¬ 
tubation  an  Stelle  der  Tracheotomie  auch  in  der  Privatpraxis  eiu. 
Sowohl  bei  Larynx-Diphtherie  und  -Pseudo-Diphtherie,  als  aucli 
bei  einigen  Fällen  kindlicher  akuter  Larynxstenose  wurde  die  In¬ 
tubation  ausgeführt,  ohne  dass  eine  dauernde  Ueberwachung  der 
Kranken  seitens  einer  mit  der  Technik  der  In-  und  Extubation 
vertrauten  Person  stattgefunden  hätte;  die  Resultate  waren  sein- 
befriedigende.  Die  neuerdings  von  D  i  o  n  i  s  i  o  angegebene  Mo¬ 
difikation  der  O’Dwyer  sehen  uud  Bayeux  sehen  Tuben 
durch  Anbringung  seitlicher  Dehnungen  verringern  die  Er¬ 
stickungsgefahr  durch  etwaige  plötzliche  Verstopfung  des  bis¬ 
herigen  alleinigen  Immens  für  den  Respirationsstrom  um  ein  be¬ 
deutendes.  Hecht-  München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Leipzig.  Juli  1902. 

TS.  Bloch  Otto:  Beiträge  zur  Kohlenoxydvergiftung  nach  dem 
Material  der  II.  medizinischen  Klinik  zu  Berlin  (Geh.  Med.- 
Rat  Prof.  Dr.  Gerhardt). 

79.  Deutschmann  Heinrich:  Luxationen  im  Bereiche  des 
Talus. 

SO.  Enge  Johannes:  Ueber  die  Dauer  der  menschlichen 
Schwangerschaft. 

81.  Hilgers  Paul:  Ein  Fall  von  akuter  gelber  Leberatrophie. 

82.  Sonntag  Louis:  Beitrag  zur  Therapie  der  auf  Ulcus  molle 
folgenden  Bubonen  mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer 
Behandlung  mit  S  a  1  z  w  e  d  e  1  sehen  Spiritusverbänden. 

83.  Unge r  Hans:  Das  Erbrechen  schwangerer  Frauen. 

84.  Salamonski  Albert:  Zur  Geschichte  der  Sauerstoff¬ 
therapie. 

85.  Rebbeling  Adolf:  Ueber  idiopathische  Osteopsatliyrosis. 

80.  Gathmann  Adolf:  Ein  Fall  von  allgemeiner  Karzinose  des 
Knochensystems  4  Jahre  nach  der  Amputation  einer  kar- 
zinomatösen  Mamma  ohne  Auftreten  eines  Lokalrezidivs. 

87.  G  e  i  b  el  Alexander:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Ovarialübrome. 

88.  Eichmeyer  Wilhelm:  Pathogenese  uud  pathologische  Ana¬ 
tomie  des  Hydrocephalus  congenitus. 

89.  Baumfelder  Gerhard:  Sarcoma  ovarii. 

90.  Aulhorn  Ernst:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  primären  kom¬ 
binierten  Strangerkrankung. 

91.  Campbell  Duncan:  Zwillingsirresein  und  induziertes  Irre¬ 
sein. 

92.  Cohn  Gotthilf:  Ueber  das  Mangan  in  physiologischer  Hin¬ 
sicht  nebst  Versuchen  über  den  Einfluss  von  Mangan  und 
Eisen  auf  die  Pepsinverdauuug. 

93.  Hannig  Richard:  Ueber  kongenitale  und  traumatische 
Cystengeschwülste  insonderheit  der  Abdominalhöhle. 

94.  Roesle  Emil:  Die  Reaktion  einiger  Infusorien  auf  einzelne 
Induktionsschläge. 

95.  Stein  Arthur:  Der  Ikterus  ein  Symptom  sekundärer  Sy¬ 
philis. 

90.  Hillel  Gustav:  Myxödem,  Syphilis  und  Tabes  dorsalis. 

97.  Kiwi  Simon:  Ein  Fall  juveniler  Tabes  mit  pied  tabetique. 

98.  Meyerstein  Richard:  Ein  Fall  von  einer  beim  Menschen 
seltenen  Cysticercenform  im  Kleinhirn  eiues  Kindes. 

99.  Moritz  Viktor:  Ueber  die  tuberkulöse  Peritonitis  mit  Rück¬ 
sicht  auf  ihre  spontane  Ausheilung. 

100.  Nehmiz  Johannes:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  der 
akuten  Perityphlitis. 

101.  Schultze  Bruno:  Aneurysma  aortae  bis  perforans  arteriam 
pulmonalem.  Zur  Kasuistik  der  Perforationen  von  Aorten¬ 
aneurysmen. 

102.  Simon  Friedrich:  Eiu  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Ulcus  ven- 
triculi  carcinomatosum. 

103.  Kühn  Willy:  Ein  Fall  von  Morbus  Weilii  mit  atypischem 
Verlauf. 

104.  Meyer  Hermann:  Ein  Beitrag  zur  Exarticulatio  iuterilio- 
abdominalis. 

105.  Rau  Kurt:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Hirngliose. 

100.  Schüfftan  Leopold:  Ueber  Spontanfrakturen  im  Anschluss 
an  einen  in  der  berufsgenossenschaftlichen  Unfallstation 
Berlin  IV  vom  Roten  Kreuz  beobachteten  Fall. 

107.  Sie  wert  Fritz:  Ueber  Polyneuritis  und  Korsakowsche 
Psychose. 

108.  Weber  Friedrich:  Ueber  die  kongenitale  Verbindung  zwi¬ 
schen  Oesophagus  und  Trachea. 

August  1902. 

109.  II  e  m  p  e  1  Hugo:  Untersuchungen  über  den  Nachweis  von 
Tuberkelbazillen  und  ihre  Zählung  im  Sputum. 

110.  Hissbach  Friedrich:  Ueber  Polydaktylie,  deren  Wesen 
und  Behandlung. 

111.  Naumann  Leopold:  Ueber  das  spektroskopische  Verhalten 
der  Blutfarbstoffe. 

112.  Tliümer  August:  Ueber  Chyluscysten  der  Darmzotten. 

113.  Sauer  br  uch  Ferdinand:  Ein  Beitrag  zum  Stoffwechsel 
des  Kalks  und  der  Phosphorsäure  infantiler  Osteomalacie. 


114.  Ebstein  Emil:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Augenmuskel¬ 
lähmungen. 

115.  Goldschmidt  Adolf:  Ueber  das  Vulvakarzinom. 

116.  Laskowski  Michael:  Zur  Kasuistik  des  Myoms  während 
der  Schwangerschaft. 

117.  Mellin  Hans:  Ueber  die  Entstehung  der  paralytischen 
Skoliose. 

118.  Rentrop  Adolf:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Mesenterial¬ 
sarkome. 

119.  Feichtmayer  Fritz:  Gibt  es  ein  Abortiv  verfahren  bei 
der  Lues? 

120.  Wagner  Julius:  Ueber  operative  Behandlung  bei  Prostata¬ 
hypertrophie. 

September  1902. 

121.  Gehl  haar  Ernst:  Beitrag  zur  Therapie  der  Oxalurie. 

122.  Kirchheim  Ludwig:  Ueber  die  sogen,  diffuse,  wahre 

Mammahypertrophie  (B 1 1 1  r  o  t  h)  und  ihr  Verhältnis  zum 
Fibrom.  , 

123.  Lange  Walther:  Ueber  2  Fälle  von  Keuchhusten,  in  denen 
unter  allgemeinen  Konvulsionen  der  Tod  eintrat,  sowie  über 
den  Sektionsbefund  bei  denselben. 

124.  v.  Schroeter  Franz:  Ueber  Neubildung  elastischer  Fasern 
in  der  Hautnarbe. 

125.  Reinstädtler  Wilhelm:  Ueber  Gicht  mit  hochgradigen 
Muskelatrophien. 

126.  Berg  Hugo:  Ein  Fall  von  halbseitigem  Riesenwuchs. 

127.  Lehmann  Wilhelm:  Ueber  idiopathische  Hautatrophie. 

128.  V  o  1 1  o  1  i  n  i  August:  Ueber  einige  der  neueren  Untersuch¬ 
ungsmethoden  bei  schwerem  Diabetes  und  über  Milchkuren 
bei  demselben. 

129.  Fräulein  Ethel  Blume  aus  London:  Zur  Kenntnis  der  tuber¬ 
kulösen  Blutgefässerkrankungen. 

Auslände  r: 

März  1902.  W  ata  nabe  Hiroschi,  approb.  Arzt  in  Japan:  Ueber 
eine  schnellwachsende  Struma  in  der  Schwangerschaft  mit 
tödlichem  Ausgange. 

16.  Juli  1902.  v.  Ofen  heim  Ernst,  Dr.  phil.  aus  Wien:  Ueber 
einen  Fall  von  Volvulus  infolge  eines  Mesenterialdefekts. 

31.  Juli  1902.  Myers  Burton  aus  Attika,  Ohio,  U.  S.  A.:  Beitrag 

zur  Kenntnis  des  Chiasmas  und  der  Kommissuren  am  Boden 
des  3.  Ventrikels. 

Universität  Rostock.  September  1902. 

32.  Higuchi  Shigeji:  Ueber  die  Verdoppelung  des  Uterovaginal- 
kanals. 

33.  Isermeyer  A.:  Ueber  Störungen  des  Nervensystems  bei 
Karzinom,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Krebsstatistik. 

34.  Kiku  Chi  Junichi:  Untersuchungen  über  den  menschlichen 
Steigbügel  mit  Berücksichtigung  der  Rassenunterschiede. 

35.  Schultz  Werner:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Konjuuktiva- 
epithels. 

36.  Wind  sc  hü  gl  B.:  Ueber  Staphylombildung  durch  Tuber¬ 
kulose  des  Augeninnern. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

IV.  internationaler  Gynäkologenkongress 

in  R  o  m,  15. — 20.  September  1902. 

Bericht,  erstattet  von  J.  A.  A  m  a  n  n,  Vorstand  der  k.  II.  gynäko¬ 
logischen  Klinik  in  München. 

Oefters  hört  man  abfällige  Urteile  über  den  wissenschaft¬ 
lichen  Wert  der  Kongresse,  aber  sicher  sind  dieselben  für  viele 
Bälle  unrichtig;  denn  wenn  wir  auch  absehen  von  der  gewiss- 
grossen  Anregung,  die  die  persönliche  Aussprache,  der  nähere 
Verkehr  mit  Bachgenossen  bietet,  die  man  bis  dahin  vielleicht  nur 
aus  ihrer  literarischen  Tätigkeit  gekannt,  muss  doch  zugegeben 
werden,  dass  eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Vorträgen  speziell  für 
einen  solchen  Zweck  eingehend  ausgearbeitet  werden  und  somit 
gewiss  unser  Interesse  beanspruchen  dürfen.  Besonders  gilt  dies 
für  spezielle  Fachkongresse,  bei  welchen  schon  lange  Zeit  vorher 
für  bestimmte  Themen,  welche  gerade  im  Mittelpunkt  des  Inter¬ 
esses  stehen,  vom  Komitee  eine  Reihe  von  Referenten  aufgestellt 
werden  und  somit  eine  spezielle,  oft  fast  erschöpfende  Bear¬ 
beitung  der  betreffenden  Fragen  zu  stände  kommt.  Im  Anschluss 
an  solche  Referate  kann  sich  dann  die  Diskussion  in  geordneten 
Bahnen  und  mit  besserem  Erfolg  bewegen. 

Zum  IV.  internationalen  Gynäkologenkongress  in  Rom 
hatten  sich  ca.  400  Mitglieder  eingefunden,  die  den  verschieden¬ 
sten  Nationen  der  Erde  angehörten,  darunter  40 — 50  Deutsche. 
Die  grossen  Schwierigkeiten,  die  die  Organisation  gerade  eines 
internationalen  Kongresses  bietet,  hat  das  Komitee  des  rö¬ 
mischen  Gynäkologenkongresses  in  glänzender  Weise  übeiv 
wunden.  Das  Komitee  war  gebildet  aus  den  Professoren  Pas- 
q  u  a  1  i  (Präsident),  Morisani,  Mangiagallj,  P  e  s  t  a  - 


1814 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


1  o  z  z  a,  ferner  Calderini,  Guzzoni,  N  e  g  r  i,  Truzzi 
und  den  Sekretären  Regnoli,  Caruso,  R  o  s  s  i  Doria, 
M  i  ch  eli.  Gemeinsam  mit  dem  Organisationskomitee  rechnete 
es  sich  offenbar  auch  die  Stadt  zu  besonderer  Ehre,  den  Verlauf 
des  Kongresses  möglichst  glänzend  zu  gestalten;  allerdings  ist 
wohl  auch  kaum  eine  andere  Stadt  nur  annähernd  im  stände, 
dies  so  durchzuführen,  wie  Rom.  Als  Sitzungslokal  dienten  die 
grossartigen  Räume  des  Konservatorenpalastes  auf  dem  Capitol. 
Die  feierliche  Eröffnungssitzung  wurde  vom  italienischen  Unter¬ 
richtsminister  N  a  s  i  als  Vertreter  des  Königs  mit  längerer, 
herrlicher  Rede  eingeleitet,  es  folgten  Begrüssungsreden  des 
Vertreters  der  Stadt,  sowie  derjenigen  Kongressmitglieder,  die 
als  offizielle  Vertreter  auswärtiger  Regierungen  und  Gesell¬ 
schaften  fungierten. 

Von  der  Stadt  wurde  am  Abend  des  ersten  Tages  ein  offi¬ 
zieller  Empfang  in  den  festlich  beleuchteten  Räumen  der  capito- 
linischen  Museen  den  Kongressmitgliedern  geboten  und  auch 
die  folgenden  Abende  waren  durch  Empfänge  und  Veranstal¬ 
tungen,  eine  Zusammenkunft  im  Pressverein,  Serenade  auf  dem 
Pincio,  Illumination  des  Kolosseums  und  der  umliegenden 
Denkmäler  in  der  geschmackvollsten  und  gastlichsten  Weise  be¬ 
setzt.  Ganz  entzückend  war  der  den  ganzen  Freitag  in  Anspruch 
nehmende  Ausflug'  nach  Tivoli,  zu  den  W asser fällen  und  Villa 
Iladriana,  in  deren  Ruinen  jedem  Teilnehmer  ein  Korb,  der  ein 
reichliches  Frühstück  enthielt,  gereicht  wurde.  Nach  Abschluss 
des  Kongresses  war  noch  eine  Exkursion  nach  Neapel  inszeniert 
worden,  an  der  eine  Reihe  von  Mitgliedern  teilnahm. 

Die  liebenswürdige  und  sympathische  Art  unserer  italieni¬ 
schen  Fachgenossen  wird  jedem  Besucher  des  Kongresses  in  an¬ 
genehmer  Erinnerung  bleiben. 

Was  nun  die  w  i  s  s  e  n  s  c  h  a  f  1 1  ic  h  e  Seite  des  Kongresses 
anlangt,  muss  hervorgehoben  werden,  dass  trotz  der  F  ülle  un¬ 
vergleichlicher  Anziehungspunkte,  di©  Rom  für  jeden  Fremden 
bietet,  und  trotz  der  noch  ziemlich  grossen  Hitze  die  Sitzungen 
stets  sehr  zahlreich  besucht  waren.  Auch  wurde  die  Erledigung 
des  Programmes  von  seiten  des  Komitees  in  mustergültiger  W  eise 
durchgeführt. 

Folgende  4  Themen  waren  zur  Diskussion  gestellt  worden: 

1.  Indikationen  der  künstlichen  Frühgeburt, 

2.  Die  Hysterektomie  in  der  Behandlung  der 
puerperalen  Infektion,  3.  Die  Genitaltuber¬ 
kulose,  4.  Die  chirurgische  Behandlung  des 
Uteruskrebses. 

Vom  Organisationskomitee  waren  hiefür  folgende  Referenten 
ernannt  worden: 

zu  Thema  1:  Barton  Cook  Hirst-  Philadelphia,  Hof¬ 
meier-  Würzburg,  P  i  n  a  r  d  -  Paris,  Rein-  St.  Petersburg, 
S  c  h  a  u  t  a  -  Wien,  Simpson-  Edinburgh ; 

zu  Thema  2 :  Fehling-  Strassburg,  Leopold  -  Dresden, 
rF  r  eub-  Amsterdam,  T  u  f  f  i  e  r  -  Paris ; 

zu  Thema  3 :  Martin-  Greifswald,  V  eit-  Leiden, 
A  m  a  n  n  -  München,  F  aure  -  Paris; 

zu  Thema  4:  Cullen-  Baltimore,  F  reund  -  Berlin, 
Jonnesco  -  Bukarest,  P  o  z  z  i  -  Paris,  Wertheim-  Wien. 

Die  Referate  mussten  Anfang  August  bereits  eingeliefert 
werden,  damit  sie  gedruckt  (mit  den  in  die  verschiedenen 
Sprachen  übersetzten  Konklusionen)  dem  Kongresse  vorgelegt 
werden  konnten.  Ein  kurz  vor  dem  Kongresse  ausgebrochener 
Buchdruckerstreik  hätte  beinahe  die  Fertigstellung  der  letzten 
Referate  verhindert. 

Sitzung  v  o  m  15.  S  e  p  t  e  m  her  1902,  Nachmittags. 

Engelmann  -  Boston  hielt  einen  Vortrag  über  das  Alter, 
in  dem  die  erste  Menstruation  in  nördlichen  und  südlichen 
Klimaten  auftritt. 

An  grossen  statistischen  Tabellen  zeigt  er,  dass  die  gewöhnlich 
in  den  Lehrbüchern  vertretenen  Ansichten  von  dem  frühen  Auf¬ 
treten  der  Menstruation  in  südlichen  Klimaten  nicht  richtig  sei. 

Sitzung  vom  IG.  September  1902. 

I.  Diskussionsthema:  Die  Indikationen  zur  künst¬ 
lichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft. 

Referent  H  o  f  m  e  i  e  r  -  Würzburg  bespricht  die  durch 
Nephritis  gegebene  Indikation  zur  künstlichen  Frühgeburt. 

II.  unterscheidet  hierbei  den  Einfluss  der  chronischen 
Nephritis  auf  die  Schwangerschaft,  die  sogen.  Schwan¬ 
gerschaftsniere  und  die  akute  Nephritis  in  der 
Schwangerschaft.  Die  chronische  Nephritis  beeinflusst  das  Be¬ 
finden  der  Schwangeren  sehr  ungünstig,  besonders  durch  Kom¬ 
pensationsstörungen,  Oedeme,  Ergüsse  in  die  Bauchhöhle,  die 


Pleura,  das  Perikard;  nach  der  Geburt  kann  das  Leiden  verhängnis¬ 
voll  fortschreiten.  Die  Gefahr  der  Eklampsie  ist  hierbei  relativ 
gering.  Die  Therapie  wird  also  wesentlich  von  der  all¬ 
gemeinen  Beeinflussung  der  Gesundheit  derartiger  Kranken  be¬ 
stimmt.  Die  grosse  Gefahr,  die  bei  dieser  Erkrankung  für  Mütter 
und  Kinder  besteht,  geht  aus  einer  früheren  Arbeit  H  of  meiers 
(aus  der  Berliner  Frauenklinik)  hervor,  in  der  festgestellt  wurde, 
dass  von  33  Fällen  11,  d.  li.  33  Proz.  allein  an  den  Folgen  der 
Nephritis  (ohne  hinzugetretene  Eklampsie)  starben,  von  den  Kin¬ 
dern  gingen  50 — 60  Proz.  zu  gründe.  II  ofmeie  r  kommt  somit 
zu  seiner  ersten  These: 

„Bei  chronischer  Nephritis  ist  im  Interesse  der  Mutter  die 
Schwangerschaft  dann  künstlich  zu  unterbrechen,  wenn  trotz  ge¬ 
eigneter  Behandlung  die  sekundären  Erscheinungen  der  Erkran¬ 
kung  sich  nicht  bessern,  sondern  verschlimmern.“ 

Die  sogen.  Schwangerschaftsniere  ist  wohl 
toxischen  Ursprungs;  „ob  ein  Uebergang  einer  Schwangerschafts¬ 
niere  in  chronische  Nephritis  möglich  ist,  dafür  ist  noch  kein  Be¬ 
weis  erbracht.  Es  kommen  auch  rezidivierende  Schwangerschafts¬ 
nieren  voi\  Der  Nachweis,  dass  vor  der  Schwangerschaft  gar 
keine  Alteration  der  Niere  bestand,  ist  oft  schwer  zu  erbringen. 
Die  Gefahr  der  Eklampsie  ist  bei  Schwangerschaftsniere  viel  be¬ 
denklicher.  Hof  meiers  zweite  These  lautet: 

„Bei  der  sogen.  Schwangerschaftsniere  ist  mit  Rücksicht  auf 
die  Gefahr  der  Eklampsie  die  künstliche  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  (hier  meist  künstliche  Frühgeburt)  dann  ge¬ 
boten,  wenn  trotz  geeigneter  diätetischer  Behandlung  die  Sym¬ 
ptome  sich  andauernd  verschlimmern.“ 

Die  akute  Schwangerschaftsnephritis  unter¬ 
scheidet  sich  von  der  Schwangerschaftsniere  besonders  durch  die 
reichlichen  dem  Urin  beigemischten  roten  Blutkörperchen;  die 
akute  Nephritis  in  der  Schwangerschaft  kann  trotz  Weiter- 
bestehens  der  Schwangerschaft  selbst  bei  lebendem  Kinde  bei 
geeigneter  Behandlung  vollkommen  verschwinden.  Im  Wesent¬ 
lichen  käme  hierbei  nur  die  Gefahr  der  Eklampsie  in  Betracht. 
Hof  meiers  dritte  These  lautet  demnach: 

„Bei  akuter  Nephritis  in  der  Schwangerschaft  ist  die  künst¬ 
liche  Unterbrechung  derselben  mit  Rücksicht  auf  die  Möglichkeit 
eines  günstigen  Ausganges  und  mit  Rücksicht  auf  die  Wirkungs¬ 
losigkeit  bezüglich  der  drohenden  Eklampsie  nicht  angezeigt.“ 

Referent  Pinard  -  Paris  bespricht  die  Frage  auch  nach  all¬ 
gemeinen  Gesichtspunkten,  erörtert  die  Rechtsfrage,  und  betont, 
dass  man  nicht  allein  das  Leben  der  Mutter,  sondern  auch  das  des 
Kindes  in  Betracht  ziehen  solle.  Pinard  unterscheidet  zwei 
Gruppen  von  Indikationen:  erstens  solche,  die  von  Erkrankungen 
ausgehen,  die  durch  die  Schwangerschaft  bedingt;  zweitens 
solche,  die  von  Erkrankungen  ausgehen,  die  sich  während  der 
Schwangerschaft  verschlimmerten.  Zur  ersten  Gruppe  gehören: 
Uterusblutungen,  wenn  Puls  über  100,  Hydramnios,  Molen¬ 
schwangerschaft,  Schwangerschaftstoxämien,  wie  unstillbares  Er¬ 
brechen,  Albuminurie,  Eklampsie,  toxische  Nephritis. 

Zur  zweiten  Gruppe  gehören:  Erkrankungen  der  Kreislauf¬ 
organe,  Herzkrankheiten,  hiebei  sei  aber  jeder  Fall  für  sich  zu 
beurteilen,  Erkrankungen  der  Harnwege,  Nephritis,  wenn  die  täg¬ 
liche  Harnmenge  weniger  als  800  oder  1000  g  beträgt,  Pyelo¬ 
nephritis,  wenn  sehr  schwere  Allgemeinerscheinungen  bestehen. 
Die  Lungentuberkulose  ist  jedoch  nach  Pinard  in  keinem  Falle 
eine  Indikation  zur  künstlichen  Frühgeburt.  Pinard  hat  in 
10  Jahren  von  22  708  Schwangeren  (abgesehen  von  den  engen 
Becken)  nur  bei  20  die  künstliche  Frühgeburt  eingeleitet. 

Referent  E  e  i  n  -  St.  Petersburg  ist  der  künstlichen  Früh¬ 
geburt  geneigter-,  als  die  übrigen  Referenten.  In  13  Jahren  (bis 
1899  in  Kiew)  hat  er  unter  2G90  Schwangerschaften  in  37  Fällen, 
also  in  1,3  Proz.  (1:72  Schwangere)  die  künstliche  Frühgeburt 
eingeleitet;  hiezu  kommen  noch  4  weitere  Fälle,  die  er  seitdem 
in  Petersburg  beobachtete.  Seine  Indikationen  waren: 

a)  geburtshilfliche:  enges  Becken  25  mal,  Extrauteringravidi¬ 
tät  mit  lebendem  Kind  2  mal,  narbige  Vaginalstenose,  habituelles 
Absterben  des  Fötus,  septische  Endometritis  je  1  mal. 

b)  innere  Indikationen:  Nephritis  6  mal,  Eklampsie  4  mal, 
Herzleiden  1  mal.  In  diesen  11  Fällen  konnten  sämtliche  Mütter 
und  7  Kinder  gerettet  werden. 

Reins  Konklusionen  lauten:  „Die  künstliche  Frühgeburt  ist 
eine  der  sympathischsten  und  nützlichsten  geburtshilflichen  Opera¬ 
tionen.  Sie  gibt  günstige  Resultate  sowohl  für  die  Mutter,  als 
das  Kind.  Die  Mortalität  und  Morbidität,  die  in  direktem  Zu¬ 
sammenhang  mit  dieser  Operation  steht,  ist  fast  gleich  Null.  Die 
häutigsten  Indikationen  bei  inneren  Krankheiten  sind  Nieren-  und 
Herzkrankheiten.  Diese  Indikationen  sollten  im  allgemeinen  in 
grösserem  Masstabe  gelten,  als  dies  bisher  der  Fall  war.  Bei 
schwerer  Eklampsie  während  der  Schwangerschaft,  besonders  bei 
Erstgebärenden,  ist  man  berechtigt,  statt  der  künstlichen 
Schwangerschaftsunterbrechung  den  Kaiserschnitt  aus  relativer 
Indikation  auszuführen.“ 

Referent  Sch  au  ta- Wien  bearbeitete  das  Thema  an  der 
Hand  seines  ausserordentlich  grossen  Materials,  nahezu  40  000  Ge¬ 
burten  und  mit  eingehender  Berücksichtigung  der  betreffenden 
Literatur.  Er  bespricht  sämtliche  inneren  Krankheiten,  die  event. 
zur  künstlichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  Veranlassung 
geben  können.  Aus  seinen  Schlussfolgerungen  sei  folgendes  er¬ 
wähnt: 

Nerven-  und  Geisteskrankheiten.  Polyneuritis 
gravidarum  gibt  in  schweren  Fällen  eine  Indikation  ab.  Bei 
Chorea  gravidarum  entscheidet  der  Verlauf  in  den  ersten  8  Tagen. 
Bei  Tetanie  kann  im  Interesse  des  mütterlichen  Lebens,  bei  G  e  - 
hirntumoren,  Hemiplegien  kann  im  Interesse  des  kind- 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1815 


lieben  Lebens  eine  Indikation  zur  Unterbrechung  eintreten  Bei 
Psychosen  nur  bei  Gefahr  des  Selbstmordes.  II  ück  e  n  - 
markserkrankungen,  Hysterie  geben  keine  Indika¬ 
tionen,  Epilepsie  nur  in  sehr  schweren  Füllen. 

Krankheiten  der  Sinnesorgane.  Von  Augen- 
k  i  a  u  k  li  e  i  t  e  n  kommt  Retinitis  albuminurica,  von  Haut¬ 
krankheiten  event,  Pityriasis  versieolor.,  Pruritus,  Ekzem, 
Pemphigus,  besonders  der  Herpes  gestationis  (M  i  1 1  o  n)  in  Be¬ 
tracht. 

Respirationsorgane.  Pneumonie  und  Pleu  r  i- 
t  i  s  kontraindizieren  die  künstliche  Unterbrechung;  bei 
Lungentuberkulose  wird  höchstens  der  künstliche  Abortus, 
(besonders  bei  der  Larynxtuberkulose)  etwas  nützen.  Macht  die 
Tuberkulose  starke  Fortschritte,  so  kann  auch  später  eine  Indika¬ 
tion  eintreten.  In  aussichtslosen  Fällen  von  Tuberkulose  ist  die 
künstliche  Frühgeburt  indiziert,  sobald  das  Kind  lebensfähig  ist. 

Bronchitiden,  E  m  p  hyse  m  und  Asth  m  a  geben 
keine  Indikation,  Pneumothor a x  kontraindiziert  die  Unter¬ 
brechung. 

Herzkrankheiten.  Bei  zweckentsprechender  Behand¬ 
lung  übersteht  die  übergrosse  Mehrzahl  der  Kranken  die  Anstreng¬ 
ungen  der  Geburt  ohne  jegliche  Störungen  (95  Proz.).  Kompli¬ 
kationen  mit  Tuberkulose  und  Nephritis  sind  sehr  ungünstig. 
Mitralstenosen  sind  schwere  Komplikationen.  Sie  indizieren  schon 
bei  geringen  Kompensationsstörungen  die  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft.  Bei  inkompensierten  Vitien  ist  zuerst  interne 
Therapie  zu  versuchen.  Bei  Appendizitis  muss  ohne  Rück¬ 
sicht  auf  bestehende  Schwangerschaft  operiert  werden.  Ebenso 
bei  schweren  Gallensteinkoliken.  Bei  Peritonitis 
ist  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  kontraindiziert. 

Die  Prognose  der  Hyperemesis  ist  weit  günstiger,  als 
im  allgemeinen  angenommen  wird.  Nur  in  den  seltensten  Fällen 
kommt  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  in  Betracht.  An¬ 
staltsbehandlung,  absolute  Ruhe,  Aufnahme  flüssiger  Nahrung  in 
kleinen  Quantitäten  in  horizontaler  Lage  führen  meist  zum  Ziel. 

Albuminurie  und  Nephritis  geben  Indikationen 
ab,  wenn  trotz  Milchdiät  eine  Besserung  nicht  eintritt.  Bei 
chronischer  Nephritis  ist  eine  Schwangerschaft  zu  unterbrechen, 
sobald  das  Kind  lebensfähig  ist,  oder  schwere  Komplikationen  ein¬ 
treten. 

Bei  Eklampsie  ist  nur  bei  Häufung  der  Anfälle  trotz 
sonstiger  Therapie  die  Schwangerschaft  zu  unterbrechen. 

Bei  Pyelonephritis  sind  zunächst  interne  Mittel  axi- 
zuwenden,  event.  in  der  32.  Woche  die  Frühgeburt  einzuleiten. 

Bei  1  i  e  n  a  1  e  r  Leukämie  ist  nur  in  schweren  Fällen  der 
künstliche  Abortus  indiziert. 

Morbus  B  a  s  e  d  o  w  i  i  kann  durch  Blutungen  ins  Endo¬ 
metrium  zur  Eiablösung  führen.  Bei  hochgradigen  Störungen  des 
Allgemeinbefindens  ist  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
indiziert. 

Diabetes  gravid  a  r  u  m  gibt  eine  schlechte  Prognose 
(y4  der  Fälle  sterben);  die  Schwangerschaft  ist  schon  in  der  ersten 
Zeit  zu  unterbrechen,  event.  kann  die  Lebensfähigkeit  des  Kindes 
abgewartet  werden. 

Für  Osteom  alacie  progrediente,  besonders  rezidivierende, 
bei  durchgängigem  Becken  künstliche  Frühgeburt,  event.  Tuben¬ 
resektion  nach  Wochenbett;  bei  exazerbierter  ovarieller  Osteo- 
malacie  in  der  Schwangerschaft  Kastration,  nach  Ablauf  des 
Wochenbettes. 

Bei  hochgradiger  oder  absoluter  Beckenverengerung  event. 
Sectio  caesarea,  bei  Schwangerschaf tsosteomalacie  mit  Sterili¬ 
sation,  bei  ovarieller  mit  sofortiger  Kastration  oder  Porrooperation 
oder  abdomineller  Totalexstirpation.  Bei  schwerer  rezidivierender 
Osteomalacie  event.  schon  in  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten 
Totalexstirpation,  vaginal  oder  abdominal. 

Bei  Typhus. ist  die  Unterbrechung  höchstens  in  den  ersten 
Tagen  von  Nutzen,  sonst  ist  sie  kontraindiziert.  Bei  Typhus 
exanthematicus,  Morbillen,  V  airiola,  Erysipel, 
Dysenterie  ist  keine  Indikation  vorhanden,  bei  Diph¬ 
therie,  Cholera  sogar  kontra  indiziert;  bei  Malaria  ist  die 
künstliche  Frühgeburt  unnötig,  nur  bei  hochgradiger  Kachexie 
indiziert.  Lyssa,  Rotz,  Milzbrand  bieten  keine  Indikation. 

Bei  Influenza  können  nur  Komplikationen  eine  Indikation 
darstellen,  ebenso  bei  Rekurrens,  Parotitis  epidemica, 
Pertussis. 

Bei  den  meisten  Infektionskrankheiten  besteht  keine  Indika¬ 
tion  zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft;  in  vielen  Fällen  be¬ 
steht  Kontraindikation  wegen  Gefahr  der  Verschlimmerung  durch 
septische  Infektion.  (Variola,  Diphtheri  e).  Bei  II  heu- 
matismus  besteht  Kontraindikation  wegen  seiner  Gefährlich¬ 
keit  im  Wochenbett.  Bei  den  verschiedenen  Intoxikationen  (Mor¬ 
phium,  Blei,  Quecksilber)  tritt  meist  spontan  Unterbrechung  ein. 

Bei  Tumoren,  Myomen,  Cysten,  Dermoiden  be¬ 
steht  keine  Indikation;  bei  Carcinoma  uteri  ist  ohne  Riick- 
sieli  auf  die  Schwangerschaft  die  Totalexstirpation  zu  machen,  bei 
lebendem  Kinde  Sectio  caesarea,  nicht  Einleitung  der  Frühgeburt. 
Bei  Struma  ist  die  Strumektomie,  nicht  die  künstliche  Früh¬ 
geburt  indiziert. 

Referent  A.  R.  Simpson  -  Edinburg  gibt  eine  historische 
Einleitung,  in  der  er  erwähnt,  dass  der  Schotte  George  Macau- 
1  a  y,  der  in  Padua  promoviert  hatte,  der  erste  war,  der  die 
künstliche  Frühgeburt  einleitete. 

Simpson  unterscheidet  2  Gruppen  von  Indikationen,  fötale 
und  mütterliche.  Erstere  betreffen  a)  das  habituelle  Ab¬ 
sterben  der  Frucht,  b)  das  habituelle  Zugrosswerden  der  Frucht, 
absolut  oder  relativ,  im  Verhältnis  zum  Becken,  betrachtet. 


Die  mütterlichen  Indikationen  trennt  er  in  solche  Erkran¬ 
kungen,  die  schon  vorher  bestanden  haben,  oder  inter- 
lc  urrent  sind  und  solche,  die  direkt  von  der  Schwange  r- 
Schaft  a  b  h  ä  n  g  en  . 

Zu  ersteren  gehören  Erkrankungen  des  Nervensystems, 
wie  Wahnsinn,  Apoplexie,  Meningitis,  Epilepsie  und  besonders 
Chorea,  dann  Zirkulationsstörungen,  namentlich  Herz- 
leiden;  ferner  Erkrankungen  des  Res  pirations  traktus;  die 
akuten,  wie  Pneumonie  und  Pleuritis,  geben  keine  Indikation.  Bei 
fortgeschrittener  Lungentuberkulose  kommt  die  Unterbrechung  in 
Betracht,  auch  im  Interesse  des  Kindes.  Verschiedene  akute 
Krankheiten,  wie  gelbe  Leberatrophie,  Peritonitis  führen  oft  selbst 
zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft;  eine  künstliche  Unter¬ 
brechung  führt  dabei  weder  für  Mutter,  noch  Kind  zu  Vorteilen. 
Bei  fest  mit  dem  Uterus  verwachsenen  Genitaltumoren,  besonders 
Dermoiden,  könne  auch  die  Frage  der  künstlichen  Frühgeburt  in 
Betracht  kommen;  bei  Carcinoma  uteri  solle  man  das  Ende  der 
Schwangerschaft  ab  warten. 

Letztere,  die  Erkrankungen,  welche  in  direktem  Zusammen¬ 
hang  mit  der  Schwangerschaft  stehen,  betreffen  die  Hyperemesis 
gravidarum,  Hydramnios,  Plazentarhämorrhagien,  Schwanger¬ 
schaftsnephritis  und  ihre  Konsequenzen. 

Diskussion:  Bossi  -  Genua  erwähnt  seine  Tierversuche, 
nach  denen  trächtige  Tiere  für  Infektionskrankheiten  empfäng¬ 
licher  seien  wie  andere,  ferner  Versuche  mit  dem  Ergographen 
über  die  Muskelkraft  während  der  Menstruation,  Schwangerschaft, 
Geburt  und  Wochenbett.  Die  Muskelkraft  sinkt  vor  der  Menstrua¬ 
tion  und  steigt  allmählich  während  der  Menstruationsdauer, 
während  der  Schwangerschaft  sinkt  sie  bedeutend  und  steigt  rasch 
im  Wochenbett. 

Bei  der  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt  kommt  auch  die 
Art  des  operativen  Eingriffes  sehr  in  Betracht  und  empfiehlt 
Bossi  hiefür  als  schnellstes,  sicherstes  und  bezüglich  Infektion 
unschädlichstes  Verfahren  die  Anwendung  seines  Dilatators. 

K  o  h  e  g  h  i  -  Szeged:  Ist  bei.  Tuberkulose  der  Mutter  von 
2  Aerzten  der  Nachweis  von  Tuberkelbazillen  erbracht,  so  soll  der 
künstliche  Abortus  eingeleitet  werden,  um  den  Nachwuchs  tuber¬ 
kulöser  Generationen  zu  hindern. 

Henrotay  - Antwerpen  bespricht  die  juristischen  und  reli¬ 
giösen  Gesichtspunkte  in  dieser  Frage. 

Gutierrez  -  Madrid  hebt  das  habituelle  Absterben  der 
Kinder  als  wichtige  Indikation  zur  künstlichen  Frühgeburt  hervor. 

Sinclair-  Manchester  betrachtet  die  Lebensgefahr  der 
Mutter  als  das  einzig  massgebende.  Jeder  Fall  muss  für  sich 
beurteilt  werden. 

La  Torre  -  Rom:  Zirkulationsstörungen ,  Hyperemesis, 
Eklampsie  sind  an  sich  keine  Indikationen.  In  jedem  Falle  soll 
ein  zweiter  Arzt  beigezogen  werden. 

Zweifel-  Leipzig:  Die  weitgehenden  Einschränkungen  der 
Indikation,  wie  sie  von  S  c  h  a  u  t  a  und  Pinard  vertreten 
wurden,  erschweren  dem  praktischen  Arzt  seine  in  diesen  Fällen 
ohnedies  schwere  Stellung  sehr. 

Das  Material  der  Kliniker  allein  ist  nicht  ganz  massgebend, 
da  die  jugendlichen  Personen  dabei  so  sehr  überwiegen.  Z.  hat 
fast  alle  Fälle  schwerer  Komplikationen  der  Schwangerschaft 
durch  innere  Krankheiten  bei  älteren  Mehrgebärenden  im  Privat¬ 
hause  kennen  gelernt. 

Das  Erbrechen  kann  tatsächlich  unstillbar  sein;  Z.  hat  einen 
Fall  trotz  und  nach  der  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt 
und  trotz  aller  anderen  Mittel  an  dem  Erbrechen,  das  „unstillbar“ 
war,  sterben  sehen. 

In  den  Referaten  vermisst  Z.  den  Hinweis  auf  den  objek¬ 
tiven  Anhalt,  welcher  eine  Gefahr  anzeigt  oder  die  Ungefährlich¬ 
keit  sichert,  nämlich  das  Verhalten  des  Körper¬ 
gewichtes;  sinkt  dieses  konstant  (in  regelmässigen  Intervallen 
gemessen),  so  besteht  Indikation  zum  Eingreifen. 

Z.  hat  nur  3 — 4  mal  im  ganzen  den  künstlichen  Abortus  wegen 
Erbrechens  eingeleitet.  Das  Körpergewicht  gebe  auch  bei  Tuber¬ 
kulose  den  richtigen  Anhaltspunkt;  Z.  habe  dabei  noch  nie  die 
künstliche  Frühgeburt  eingeleitet,  doch  möchte  er  wegen  eines 
im  Puerperium  traurig  verlaufenen  Falles  die  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  nicht  grundsätzlich  verwerfen. 

Bei  Chorea  bestehe  nach  eigenen  Erfahrungen  strikte  Indi¬ 
kation  zur  Unterbrechung. 

Bezüglich  der  Beziehung  der  Nierenerkrankungen  zur  Eklamp¬ 
sie  stimme  er  Hofmeier  bei,  dass  nämlich  die  chronische 
Nephritis  verhältnismässig  wenig  zur  Eklampsie  tendiere  und  diese 
vorwiegend  bei  der  sogen.  Schwangerschaftsnephritis  ausbricht. 

Treten  in  den  letzten  2  Monaten  der  Schwangerschaft  stär¬ 
kere  Blutungen  auf,  so  ist  die  Frühgeburt  indiziert,  weil  er- 
falirungsgemäss,  auch  wenn  die  erste  Blutung  von  selbst  zum 
Stehen  kommt,  innerhalb  kurzer  Frist  eine  zweite  zu  folgen  pflegt, 
welcher  die  dann  erst  in  Behandlung  kommenden  Frauen  in  grosser 
Zahl  erliegen,  weil  sie  durch  den  ersten  grossen  Blutverlust  zu  sehr 
geschwächt  sind,  um  den  zweiten  noch  auslialten  zu  können. 

K  r  o  e  n  i  g  -  Leipzig  will  die  sozialen  Verhältnisse  bei  der 
Indikationsstellung  mehr  berücksichtigt  wissen. 

D  r  a  g  h  i  e  s  c  o  -  Bukarest:  In  9  Jahren  ist  bei  18132  Ge¬ 
burten  in  Bukarest  17  mal  die  Schwangerschaft  künstlich  unter¬ 
brochen  worden,  13  mal  wegen  Eklampsie,  3  mal  wegen  Herzfehler, 

1  mal  wegen  Epilepsie. 

Referent  Pinard  (Schlusswort)  betont  nochmals,  dass  bei 
Tuberkulose,  besonders  Miliartuberkulose,  eine  Indikation  nicht 
bestehe  und  dass  für  die  Indikation  einzig  und  allein  der  Arzt 
massgebend  sei. 


1816 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Referent  Rein  (Schlusswort)  befürwortet  nochmals  die  Ope¬ 
ration,  die  ungefährlich  sei  und  90  Proz.  der  Kinder  rette. 

Referent  S  c  h  a  u  t  a  (Schlusswort)  bleibt  auf  seinem  kon¬ 
servativen  Standpunkt.  Bei  Chorea  seien  die  Gefahren  der  Ge¬ 
burt  gross.  Soziale,  ökonomische  Rücksichten  kämen  nicht  m  Be- 

traclit.  • 

Referent  Simpson  (Schlusswort)  erwähnt  noch,  dass  bei 

habituellem  Absterben  der  Frucht  der  Arzt  stets  die  Ursachen  des¬ 
selben  bekämpfen  müsse. 

Sitzung  vom  IG.  September  1902,  Nachmittags. 
II.  Diskus  sionsthe  m  a:  Die  Hysterektomie  in  der  Be- 

1  _ _  J1  _ _  »„»««Annlnn  T n  -poEll  AB 


handlung  der  puerperalen  Infektion 

Referent  Fehling-  Strassburg  war  nicht  anwesend,  aber 
sein  Referat  lag  gedruckt  vor.  Fehling  hat  an  der  Hand  der 
Literatur,  der  eigenen  Erfahrung  und  der  Berichte,  die  er  von 
einer  grossen  Zahl  von  Gynäkologen,  an  die  er  1  ragebogen  ge¬ 
schickt  hatte,  erhielt,  das  Thema  bearbeitet.  Er  kommt  zu  fol¬ 
genden  Thesen:  .  .. 

1.  Die  puerperalen  Erkrankungen  der  Genitalorgane  werden 
am  besten  unterschieden  in  toxische  und  infektiöse. 

2.  Bei  Intoxikation  (Sapriimie)  ist,  der  Erkrankungsherd  aut 
den  Uterus  beschränkt;  bei  der  Infektion  ist  der  Prozess  selten 
noch  auf  den  Uterus  beschränkt,  meist  handelt  es  sich  um 
schwere  Allgemeininfektion  des  Organismus. 

3.  Die  Hysterektomie  des  puerperalen  Uterus  ist  bei  allge¬ 
meiner  Septikämie  aussichtslos  und  zu  verwerfen. 

4.  Die  Hysterektomie  des  puerperalen  Uterus  kann  rationell 
nur  empfohlen  werden,  wenn  der  Herd  der  Intoxikation  oder  In¬ 
fektion  auf  den  Uterus  beschränkt  ist.  also  bei  Zersetzung  durch  V  er- 
haltung  der  Plazenta  oder  Teile  derselben,  bei  Verjauchung  puer¬ 
peraler  Myome,  bei  verjauchten  Eiresten  nach  Abort  und  Un¬ 
möglichkeit  der  Entfernung  derselben  auf  anderem  Wege.  Die 
Indikation  hierzu  wird  demnach  sehr  selten  vorhanden  sein. 

5.  Bei  einzelnen  Fällen  von  Metrophlebitis  puerperalis 
(Pyämie)  kann  die  Hysterektomie  von  Nutzen  sein,  zumal  im  Zu¬ 
sammenhang  mit  Unterbindung  oder  Exstirpation  der  tluom- 
bosierten  Vonen  der  LigH.ro enta  lata  und  der  Sperroatika,  odei  die 
letzte  Operation  für  sich  allein. 

Referent  Leopold-  Dresden  unterscheidet  folgende  Grup¬ 
pen  puerperaler  Infektion:  1.  die  puerperale  Peritonitis,  bei  der 
eine  chirurgische  Behandlung  unter  Umständen  nützen  kann,  eine 
Entfernung  des  Uterus  aber  keinen  Zweck  hat.;  2.  die  Aufspeiche¬ 
rung  der  Eitererreger,  in  den  Venengeflechten,  venöse  Form,  wie 
sie  besonders  nach  kriminellem  Abort,  Placenta  praeHa  und  ma¬ 
nueller  Plazentarlösung  Vorkommen,  bei  denen  die  Entfernung 
des  Uterus  allein  keinen  Zweck  hat,  höchstens  im  Zusammenhang 
mit  den  vereiterten  Venen  Vorteile  haben  kann.  Ein  günstiger 
Verlauf  nach  Totalexstirpation  darf  nicht  zu  dem  Schlüsse  führen, 
dass  diese  Art  die  allein  richtige  Therapie  war.  Einen  hervor¬ 
ragenden  Fortschritt  bedeute  hierin  das  T  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g  - 
sehe  Verfahren  der  Entfernung  der  Thromben  allein.  3.  Die  Art 
des  Fortschreitens  der  septischen  Infektion  vom  Endometrium  auf 
Adnexe  der  einen  Seite  (Endometritis,  Salpingitis,  Oophoritis  puru- 
lenta  puerperalis).  Hier  käme  die  Entfernung  der  kranken  Ad¬ 
nexe  in  Betracht.  4.  Die  Metritis  acuta  puerperalis  abscedens, 
Parametritis  posterior  et  pelveoperitonitis.  Die  Aufsuchung  aller 
Eiterherde  per  laparotomiam  scheint  hierbei  nach  Leopolds 
Erfahrungen  der  Totalexstirpation  vorzuziehen  zu  sein.  5.  Quet¬ 
schung  von  Tumoren,  Myomen.  Dermoiden  mit  Gewebszertrum- 
merung  und  beginnende  Sepsis;  die  Hysterektomie  kann  hiebei 
Vorteile  bieten,  besser  ist  aber  die  Trockenlegung  und  Drainage 
der  betr.  Höhle.  G.  Verjauchung  des  puerperalen  Uterus  bei  Re- 
tentio  placentae,  die  auf  keine  Weise  durch  die  Scheide  zu  ent¬ 
fernen  ist;  hier  ist  die  Hysterektomie  indiziert. 

Leopold  kommt  zu  folgenden  Schlüssen :  ... 

1.  In  den  Fällen  von  schwerer  puerperaler  Infektion  ist  die 
Hysterektomie  nur  dann  begründet,  wenn  alle  Symptome  darauf 
hin  weisen,  dass  der  Uterus  allein  der  Sitz  und  die 
fort  wirkende  Quelle  der  Infektion  ist  und  wenn 
alle  anderen  Massnahmen  zur  Bekämpfung  dieser  Quelle  erfolglos 

gewesen  sind.  .  .  . 

Hier  kommen  vorwiegend  die  Fälle  mit  retmierter,  m  \  er- 
jauchung  begriffener  und  nicht  entfernbarer  Plazenta  in  Betracht. 

2.  Hat  aber  die  Infektion  den  Uterus  schon  überschritten,  sei 
es,  dass  eine  schwere  Peritonitis  oder  septische  Thrombose  oder 
Uterusabszesse  oder  ein-  oder  doppelseitige  schwere  Adnex erkrank- 
ungen  den  Hauptcharakter  der  Krankheit  bilden,  so  ist  die 
Hysterektomie  allein  eine  unzureichende  Massnahme,  weil  sie 
den  anatomischen  Veränderungen  nicht  Rechnung  trägt. 

Bei  unaufhaltsamer  fortschreitender  Erkrankung  hat  hier  je 
nach  Lage  der  Sache  vor  allem  die  chirurgische  Behandlung  em- 
zusetzen,  die  sich  mit  der  Aufsuchung  und  En  t  - 
leerung  der  Eiterherde  zu  befassen  hat.  Inwieweit 
die  innere  Behandlung  mit  Antistreptokokkenserum  und  ähnlichen 
Massnahmen  an  sich  oder  unterstützend  anzuwenden  ist,  weiden 
klinische  Beobachtungen  weiter  auszubauen  haben. 

Jedenfalls  muss  der  grösste  Nachdruck  hier  gelegt  werden 
auf  die  möglichst  frühzeitige  und  u  n  e  r  m  ü  d  1  i  c  h  e 
Aufsuchung  von  Eiterherde  n.  Für  die  Rettung  der  so 
schwer  Erkrankten  bleiben  mit  der  Aufsuchung  und  Entfernung 
vereiterter  Venenstränge  glänzende  Erfolge  der  Neuzeit  Vor¬ 
behalten.  ..  ...  ' 

Referent  Treub  -  Amsterdam  berichtet  zunächst  über  seine 
eigenen  Fälle  von  puerperaler  Infektion  und  gibt  eine  eingehende 
Zusammenstellung  der  für  dieses  Thema  in  Betracht  kommenden 
Fälle  der  Literatur  (36  Fälle  von  Hysterektomie  bei  puerperaler 


Infektion,  ohne  Lokalisation  derselben  ausserhalb  des  Uterus  odei 
uterinen  Komplikationen  (Retentio  placentae,  I  ibrom  etc.)  \  on 
diesen  3G  Fällen  sind  15  geheilt,  21  gestorben.  Tieu  b  kommt 

zu  folgenden  Schlussätzen:  ^  ,  ..  . ,  .  . 

1.  Bei  der  Behandlung  der  ganz  auf  die  Gebärmutter  be¬ 
schränkten  Puerperalinfektion  sind  die  üblichen  Mittel  genügend 

in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle.  Tiv«mv<4'toniio 

2  In  einzelnen  Ausnahmsfallen  kann  die  Hysterektom 
nützen  wo  die  geburtshilfliche  Behandlung  ungenügend  ist. 

3.  Die  Indikation  zur  Hysterektomie  soll  nur  gestellt  w eitlen 
auf  Grund  einer  sehr  genauen  klinischen  Untersuchung  und  unte 
gew i sseiih after  Abwägung  der  Vor-  und  Nachteile  der  Operation 
&  5.  Derjenige,  der  in  diesen  Fällen  viele  Hysterektomien  macht, 

macht  deren  bestimmt  zu  viel.  . 

Referent  Tuff  ier  -  Paris  war  selbst  nicht  anwesend,  .  e  in 

Referat  wurde  verlesen.  Er  bespricht  die  Frage,  ob  es  gerecht¬ 
fertigt  ist,  den  tlterus  wegen  einer  akuten  Infektion  zu  exstirpieren 
und  welches  die  Indikationen  hiefür  sind.  .  .  .. 

In  seinen  Erörterungen  betont  er  die  grosse  Schwierigkeit 
der  Indikationsstellung,  neue  Gesichtspunkte  sind  jedoch  nicht 

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ääästä- 

sich  befindet. 


74  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Karlsbad  vom  21.— 27.  September  1902. 

Abteilung'  für  innere  Medizin. 

Referent :  A 1  b  u  -  Berlin. 

IV.  Sitzung. 

1.  Herr  Fr.  Pick- Prag:  Ueber  das  glykogenlösende 

Fer^cbdeiLm  kurzen  Hinweise  auf  die  wechselvolle  Geschichte 
der  Streitfrage,  ob  die  Umwandlung  des  Glykogens  in  Zucker 
innerhalb  der  Leber  ein  Akt  vitaler  Zelltätigkeit  oder  eine  Fer¬ 
mentwirkung  ist,  welch’  letztere  Anschauung  auch  m  neuesten 
Zeit  wieder  von  verschiedenen  Autoren  verworfen  wurde,  be¬ 
richtet  P.  über  diesbezügliche  eigene  Untersuchungen..  Fr  er  hie  t 
durch  Extraktion  des  alkoholgefällten  Leberbreies  mittels  Koch¬ 
salzfluornatriumlösung  eine  klare  zellfreie  Lösung,  welche  Glyko¬ 
gen  in  beträchtlicher  Weise  zu  verzuckern  vermag;  diese  Fähig¬ 
keit  wird  durch  Kochen  aufgehoben.  Weitere  Versuche  betrafen 
die  quantitativen  Verhältnisse  der  Fermentwirkung  und  deren 
Beeinflussung  durch  verschiedene  pharmakologische  Agentien, 
wobei  Methylviolett  eine  leichte,  Chinin  eine  deutlich  hemmen  e 
Wirkung  zeigte.  Ein  Vergleich  der  quantitativen  Ferment¬ 
wirkung  mit  der  postmortalen  Zuckerbildung  m  der  Leber  zeigt, 
dass  die  Potenz  der  Fermentmenge,  welche  aus  einem  Leberstuc  v 
extrahiert  werden  kann,  noch  grösser  ist,  als  der  Umfang  der  m 
derselben  Lebermenge  vor  sich  gehenden  postmortalen  Glykogen¬ 
lösung.  Das  Ferment  erweist  sich  in  der  Leber  gleichmassig  ver¬ 
teilt,  bei  zweizeitiger  Entnahme  von  Leberstücken  finden  sieb 
keine  nennenswerten  Differenzen.  Vergleich  des  Ferment¬ 
gehaltes  verschiedener  Gewebe  erwies  die  Leber  wirksamer  als 
das  Blut,  Nierensubstanz  wirksamer  als  Leber.  Weiter  erörtert 
P  die  über  die  Herkunft  des  Fermentes  geäusserten  Anschau¬ 
ungen-  im  Hinblicke  auf  die  verschiedentlich  vertretene  An¬ 
schauung,  dass  das  Leberferment  aus  dem  Pankreas  und  den 
Speicheldrüsen  stamme  (Neumeister  u.  A.),  hat  er  bei  einem 
Hunde  dem  das  Pankreas  exstirpiert  wurde,  am  8.  läge  die 
Leber  untersucht  und  den  Fermentgehalt  nicht  herabgesetzt  ge¬ 
funden.  Zum  Schlüsse  betont  P.,  dass  seine  Versuche  zwar  che 
Möglichkeit  der  Extraktion  eines  kräftigen  Fermentes  aus  der 
Leber  ergeben  und  in  diesem  Sinne  für  die  Fermenttheorie  und 
gegen  die  Deutung  der  Glykogenlösung  als  Zelltätigkeit  sprechen, 
dass  jedoch  dies  eigentlich  nur  ein  Streit  um  Worte  ist,  da  ( ie 
Ergebnisse  der  modernen  Biochemie  doch  gezeigt  haben,  welch 
grosse  Rolle  intracellulären  Fermenten  für  die  vitalen  Vorgänge 

zukommt.  . 

2.  Herr  L.  Schwarz  - Prag:  Ueber  den  Fettgehalt  des 

U  Ausgehend  von  seinen  Erfahrungen  über  die  Zunahme  der 
Azetonkörperausscheidung  nach  Fettzufuhr  bei  Diabetes  hat  or 
tragender  bei  mehreren  Fällen  von  schwerem  Diabetes  ver 
gleichende  Fettbestimmungen  vor  und  nach  der  Au  na  me 
grösserer  Buttermengen  vorgenommen.  Die  Methodik  bestand  m 
Vorbehandlung  des  Blutes  mit  Pepsin-Salzsäure,  Trocknen  mi 


28.  Oktober  1902. 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1817 


Seesand  und  geglühtem  Kupfersulfat  und  Wägen  des  Aetlier- 
extrak tes.  Die  so  ermittelten  Differenzen  belaufen  sich  auf  17, 
So  und  26,8  I  roz.  Audi  makroskopisch  und  mikroskopisch  bot 
namentlich  im  letzten  Fall,  das  Blutserum  das  Bild  der  Erhöhung 
des  Fettgehaltes  dar.  Die  zum  Vergleich  an  Nichtdiabetikern 
unter  gleichen  Bedingungen  angestellten  Untersuchungen  er¬ 
gaben  W  erte  von  nui  3  5  Proz.  Demnach  scheint  beim  schweren 

Diabetes  alimentäre  Lipämie  vorzukommen.  Einige  an  pankreas¬ 
losen  Hunden  gewonnene  Beobachtungen  lassen  sich  gleichfalls 
im  Sinne  einer  Störung  des  Fettstoffwechsels  verwerten. 


3.  Herr  0.  S  i  m  o  n  -  Karlsbad :  Ueber  Nachweis  und  Vor¬ 
kommen  von  Glykogen  im  Harn. 

Vortragender  bediente  sich  des  von  Nerkin  g  für  die 
quantitative  Bestimmung  des  Leberglykog'ens  angegebenen  Ver¬ 
fahrens  zum  Aufsuchen  von  Glykogen  im  Harn.  90  ccm  Harn 
werden  mit  10  ccm  40  proz.  KOH-Lösung  versetzt;  vom  er¬ 
haltenen  Phosphatniederschlag  abfiltriert,  zum  Filtrat  10  g  Jod¬ 
kalium  und  50  ccm  90  proz.  Alkohol  zugesetzt. 

Glykogen  scheidet  sich  flockig  ab.  Normale  Harne  bleiben 
klar.  II ratreiche  Harne  geben  kristallinische  Niederschläge,  von 
noch  nicht  näher  zu  bezeichnender  Zusammensetzung.  28  dia¬ 
betische  Harne  waren  frei  von  Glykogen.  Aus  drei  diabetischen 
Hainen,  die  geringe  Menge  von  Albumen  ohne  Zylinder  ent¬ 
hielten,  war  auf  die  beschriebene  Weise  Glykogen  dargestellt  und 
als  solches  identifiziert  worden.  Drei  albumenhaltige  diabetische 
Hafne  zeigten  kein  Glykogen.  Vortragender  hält  das  Harnglyko¬ 
gen  für  den  Ausdruck  einer  glykogenen  Nierendegeneration. 

4.  Herr  Schuster  -  Aachen :  Lebercirrhose  und  Diurese. 

Die  Punctio  abdominis  fördert  nicht  immer  die  Diurese; 

auch  die  bewährtesten  Diuretika  versagen  oft  auf  die  Dauer. 
Die  Diurese  hängt  in  erster  Reihe  von  der  Herzkraft,  in  zweiter 
\  on  der  aufgenommenen  Flüssigkeitsmenge  ab.  Bei  zunehmender 
Herzschwäche,  wo  Digitalis  versagt,  helfen  in  einem  Falle  Aether- 
und  Sparteinsubkutaninjektionen.  Bei  guter  Herzkraft  bleibt  die 
durch  dieNiere  ausgeschiedene  Flüssigkeitsmenge  um  2 — 300  ccm 
hinter  der  auf  genommenen  zurück.  Vortragender  huldigt  der 
Lance reau  sehen  und  der  von  Ebstein  auf  dem  XI.  Kon¬ 
gress  für  innere  Medizin  empfohlenen  Anwendung  der  Jodprä¬ 
parate.  Als  solche  hat  er  weniger  das  Jodipin  subkutan  ange¬ 
wendet,  dagegen  viel  mehr  Rektalinjektionen  von  Jodkali  in  Ver¬ 
bindung  mit  dem  innerlichen  Gebrauch  von  Jodtinktur;  letztere 
begann  mit  2  mal  täglich  5  Tropfen  in  Milch,  jeden  Tag  ge¬ 
steigert  um  1  Tropfen  bis  zu  2  mal  täglich  30 — 40  Tropfen,  wo¬ 
durch  schliesslich  die  Diurese  gesteigert  wird. 

5.  Herr  F  i  n  c  k  -  Karlsbad :  Die  Erfolge  der  Karlsbader 
Kur  bei  Gallensteinkranken. 


6.  Herr  P  o  n  f  i  c  k  -  Breslau:  Pyelothrombose  und  Trauma. 

Vortragender  hat  nur  solche  Erkrankungen  im  Auge,  wo  es 
ohne  Infektion  und  sogar  ohne  Entzündung  zur  Thrombose  der 
Pfortader  kommt.  Sie  sind  anscheinend  häufiger,  als  man  bisher 
geglaubt  hat.  Die  auf  Grund  der  Ergebnisse  der  Experimental¬ 
physiologie  gewonnene  Anschauung,  dass  es  sich  stets  um  ein 
schweres,  schnell  tötlich  verlaufendes  Leiden  handele,  kann 
nicht  mehr  als  zutreffend  erachtet  werden.  Vielmehr  kann  die 
Thrombose  der  Pfortader  in  manchen  Fällen  unter  geringen  Er¬ 
scheinungen  oder  ganz  symptomlos  verlaufen,  was  sich  teilweise 
aus  der  schleichenden  Entwicklung  des  Leidens  erklären  lasse. 
Als  ätiologische  Momente  sind  bisher  Stauung,  Tumoren,  Ver¬ 
legung  der  Gefässe  durch  Parasiten,  Erkrankung  der  Wand  der¬ 
selben  selbst  bekannt.  In  manchen  Fällen  lässt  sich  aber  keines 
dieser  Momente  als  Ursache  wirklich  in  Anspruch  nehmen.  Des¬ 
halb  hält  Vortragender  es  für  geboten,  auf  die  Bedeutung  des 
Trauma  in  der  Pathogenese  dieser  Affektion  aufmerksam  zu 
machen.  Er  berichtet  über  2  einschlägige  Fälle,  wo  im  An¬ 
schluss  an  ein  stattgehabtes  Trauma  ein  Krankheitsbild  sich  ent¬ 


wickelt  hatte,  das  zur  Diagnose  einer  Lebercirrhose  geführt  hatte 
(Magenblutung,  Erbrechen,  Aszites  u.  dergl.  m.).  Die  Sektion 
stellte  lediglich  eine  Thrombose  der  Venae  portae  fest. 

7.  Herr  Takahashi  -  Tokio :  Ueber  Giftfische. 

Unter  den  Giftfischen  ist  jedenfalls  der  Tetrodon,  welcher 
in  Japan  oft  zur  Vergiftung  führt,  der  giftigste.  Die  Versuche 
des  Vortragenden  haben  erwiesen,  dass  verschiedene  Arten  des 
letrodons  qualitativ  gleich,  aber  quantitativ  ungleich  wirken, 
lerner  ist  bemerkenswert,  dass  der  Eierstock  das  Gift  am  meisten 
enthält,  nächstdem  die  Leber.  Der  Hoden,  die  Haut  und  das 


Blut  enthalten  aber  bedeutend  weniger  Gift.  Dagegen  ist  der 
M  uskel  ganz  ungiftig.  Die  Wirkung  des  Giftes  ist  beim 
Kaltblüter  Herabsetzung  der  willkürlichen  und  reflektorischen 
Bewegungen;  die  Atmung  wird  flacher  und  seltener.  Schliess¬ 
lich  treten  Atemstillstand  und  vollständige  Lähmung  ein,  wobei 
das  Herz  noch  eine  IV eile  fortschlägt.  Beim  Warmblüter  be¬ 
obachtet.  man  ausser  der  Respirationsstörung’  eine  bedeutende 
Herabsetzung  des  Blutdruckes.  Genauere  Versuche  haben  er¬ 
wiesen,  dass  die  Todesursache  bei  der  Tetrodonvergiftung  die 
gleichzeitige  Lähmung  des  Atemzentrums  und  des  vasomoto¬ 
rischen  Zentrums  ist.  Hieraus  kann  man  ersehen,  dass  die 
Therapie  bei  der  schweren  Vergiftung  ziemlich  erfolglos  ist. 
Künstliche  Respiration  und  Faradisation  des  Phrenikus  wären 
zu  versuchen. 

8.  Herr  J.  Pohl-  Prag:  Ueber  Allantoinausscheidung  bei 
Intoxikationen. 

Die  subkutane  Hydrazinvergiftung  führt  fast  regelmässig 
zur  Allantoinausscheidung  durch  den  Harn  (Baumann- 
Borissow).  In  Bezug  auf  die  Herkunft  dieses  Körpers  be¬ 
stehen  eine  Reihe  von  Möglichkeiten,  die  experimentell  durch¬ 
geprüft  werden.  Das  Allantoin  ist  —  beim  Hund  —  kein  inter¬ 
mediäres  Stoffwechselprodukt,  da  es,  per  os  gereicht,  quantitativ 
ausgeschieden  wird,  andererseits  im  Hungerharn  völlig  fehlt. 
Für  die  in  der  Literatur  geäusserte  Anschauung,  einer  Beziehung 
des  Allantoins  zur  Harnsäure,  gelang  es  nicht,  Stützen  zu  fin¬ 
den.  Die  fernere  Möglichkeit  der  Abspaltung  oder  Bildung  des 
Allantoins  aus  Zellbestandteilen  setzt  eine  Methode  der  Allan- 
toinbestimmung  aus  Organen  voraus,  die  vom  Vortragenden  aus¬ 
gearbeitet  wurde.  Während  der  normale  Körper  in  seinen 
Organen  kein  Allantoin  nachweisen  lässt,  finden  sich  auf  der 
Höhe  der  Hydrazinvergiftung  beträchtliche  Mengen  desselben 
in  der  Leber.  Unter  Beziehung  auf  die  nekrobiotischen  Verände¬ 
rungen  dieses  Organs  durch  das  Gift  erhellt  die  Abstammung  des 
Allantoins  aus  den  Zellkernpurinen,  insbesonders  aus  dem  Hypo¬ 
xanthin.  Es  gelang  ferner  die  Bildung  des  Allantoins  in  be¬ 
stimmten  Organen  extra  corpus  durch  A  u  t  o  1  y  s  e  nachzu¬ 
weisen,  was  für  die  Beurteilung  der  physiologischen  Rolle  auto¬ 
lytischer  Fermente  von  Bedeutung  erscheint.  Positive  Allan  - 
toinbefunde  wurden  sodann  noch  erhoben  bei  Vergiftungen  mit 
Hydroxylamin,  Semikarbozid  und  Amidoguanidin,  negative  bei 
solchen  mit  Phosphor  und  Arsen. 

9.  Herr  Hocke-  Prag :  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Diabetes 
insipidus. 

Aus  den  Stoffwechsel  Untersuchungen  des  Vortragenden  in 
einem  von  ihm  beobachteten  Falle  sind  folgende  Ergebnisse  her¬ 
vorzuheben  : 

Auffallend  zeigte  sich  das  Verhalten  des  Gefrierpunktes  des 
Harns.  Die  gefundenen  Zahlen  schwankten  zwischen  —  0,2 
bis  —0,33°  C.,  Werte,  wie  man  sie  unter  anderen  Umständen 
nur  äusserst  selten  findet.  Der  Gesamtstickstoff,  sowie  die  Aus¬ 
scheidung  von  Harnstoff  zeigten  sich  bei  wiederholt  ausgeführten 
Bestimmungen  normal.  Das  spezifische  Gewicht  des  Blutserums 
betrug  1028.  Der  Stickstoffgehalt  des  Gesamtblutes  betrug 
o,13  Proz.  Die  Bestimmung  des  Gefrierpunktes  des  Blutserums 
wurde  zweimal  ausgeführt.  Die  gefundenen  Zahlen  waren  das 
erstemal  —  0,47,  das  zweitemal  0,52 0  O. 

Das  Wesen  des  krankhaften  Prozesses  in  dem  vorliegen¬ 
den  Falle  scheint  darnach  darin  zu  bestehen,  dass  der  Organismus 
auf  einen  erhöhten  Wasserstoffwechsel  eingestellt  ist:  Vermehrte 
Wassereinfuhr,  Hydrämie,  vermehrte  Wasserausfuhr  bei  normaler 
Gesamtstickstoff-  und  Harnstoffausscheidung.  Mit  der  Erhöhung 
des  Gefrierpunktes  des  Blutserums  stimmt  auch  die  Herab¬ 
setzung  des  spezifischen  Gewichtes  desselben,  sowie  die  Herab¬ 
setzung  des  Stickstoffgehaltes  des  Gesamtblutes  gut  überein. 

10.  Herr  Zupnik-Prag:  Ueber  den  zentralen  Angriffs¬ 
punkt  des  Tetanusgiftes. 

Vortragender  spricht  sich  auf  Grund  von  experimentellen 
Untersuchungen  sowohl  anderer  Forscher  (Brunner  und 
Rou  x)  wie  umfangreichen  eigenen,  die  an  Kaninchen,  Hunden, 
Katzen,  Ratten  und  Meerschweinchen  vorgenommen  wurden, 
dahin  aus,  dass  1.  der  sogen.  Tetanus  cerebralis  mit  dem  „Wund¬ 
starrkrampf“  nichts  Gemeinschaftliches  hat,  2.  dass  mit  steigen¬ 
der  Empfänglichkeit  verschiedener  Tierspezies  für  Tetanus  das 
Bild  des  cerebralen  Tetanus  immer  mehr  an  seiner  Vehemenz  und 
Deutlichkeit  verliert,  welche  bei  hochempfänglichen  Tieren  die 


1818 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


intracerebralen  Injektionen  einen  typischen  Tetanus  erzeugen, 

3.  dass  alle  therapeutischen  Bestrebungen  ausschliesslich  auf  das 
Rückenmark  zu  richten  sind,  da  letzteres  den  einzigen  cerebralen 
Angriffspunkt  darstellt. 

V.  S  itzun  g. 

1.  Herr  K  e  11  i  n  g  -  Dresden:  Ueber  die  Bedeutung  des 
sympathischen  Reizzustandes  für  Diagnose  und  Behandlung 
des  Magengeschwürs. 

Der  Boas  sehe  Druckpunkt  ist  nichts  anderes  als  der  über¬ 
empfindliche  Ramus  dorsalis  der  Interkostalnerven.  Er  entsteht 
durch  Reflexhyperäsithesie  von  den  sympathischen  Nerven  aus. 
Beim  Ulcus  ventriculi  beweist  dies  einen  besonderen  Reizzustand 
des  sympathischen  Nervensystems.  Da  dieser  Reizzustand  die 
Heilung  des  Ulcus  schädlich  beeinflusst,,  ist  es  empfehlenswert, 
ihn  durch  Narkotika  herabzusetzen,  auch  wenn  bei  flüssiger  Kost 
keine  besonderen  Beschwerden  bestehen.  Das  Ulcus  soll  bei 
älteren  Leuten  von  Anfang  an  ganz  energisch  und  wenn  dies 
ergebnislos  ist,  nicht  länger  als  ein  Vierteljahr  intern  behandelt 
werden.  Wenn  die  Magengeschwüre  bei  älteren  Leuten  chro¬ 
nisch  werden,  so  werden  sie  leicht  karzinomatös. 

2.  Herr  v.  Jaksch-  Prag- :  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des 
pathologischen  Stoffwechsels. 

Bei  neueren  Untersuchungen  über  die  Verteilung  der  stick¬ 
stoffhaltigen  Substanzen  im  Harn  des  kranken  Menschen  hat  Vor¬ 
tragender  den  Nachweis  liefern  können,  dass  nicht,  wie  man  bis¬ 
her  geglaubt  hat,  in  allen  Fällen  der  Harnstoff  dasi  Hauptprodukt 
der  Stickstoffausscheidung  ist,  sondern  in  einer  Reihe  von  Krank¬ 
heiten  ein  Stickstoffrest  auftritt,  welcher  die  Eigenschaft  hat 
wie  der  Harnstoff,  durch  Phosphorwolframsäure  nicht  fällbar  zu 
sein  und  doch  nicht  Harnstoff  ist.  Er  bedeutet  vielmehr  Amido- 
säuren.  Sie  treten  in  mehr  oder  minder  grosser  Menge  auf  1.  bei 
Nierenkrankheiten,  2.  bei  Phosphorvergiftung,  3.  bei  Diabetes 
insipidus,  4.  in  geringem  Grade  auch  bei  Diabetes  mellitus,  5.  bei 
Typhus  abdom.  Hier  bestehen  20 — 25  Proz.  des  an  sich  schon 
vermehrten  Gesamtstickstoffs  im  Harn  aus  Amidosäuren  oder 
Allantoin. 

3.  Herr  S  t  ü  r  t  z  -  Berlin :  Ein  intra  vitam  beobachteter 
Fall  von  Eustrongylus  gigas. 

(Bereits  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  med.  Gesellschaft 
publiziert.) 

4.  Herr  Petruschky  - Danzig:  Ueber  die  diagnostische 
Verwendbarkeit  der  Spinalgie  als  Frühsymptom  tuberkulöser 
Infektion. 

Tn  Fällen  mit  negativem  Untersuchungsbefund  auf  den 
Lungen,  die  erst  durch  den  positiven  Ausfall  der  Tuberkulin¬ 
injektionen  als  tuberkulös  erkannt  waren,  hat  Vortragender 
öfters  eine  exquisite  Druckempfindlichkeit  der  Dornfortsätze  des 
2.  bis  7.  Brustwirbels  konstatiert,  die  er  als  Frühsymptom  initialer 
Phthise  betrachtet.  Er  bezieht  diese  Spinalgie  auf  eine  latente 
Bronchialdrüsentuberkulose  als  Ausgangspunkt  der  Lungen¬ 
erkrankung.  Er  hat  sie  auch  bei  37  von  285  Schulkindern,  d.  li. 
13  Proz.  beobachtet. 

5.  Herr  Singer-Prag:  Ueber  Venenentzündung  als 
Frühsymptom  der  Lungentuberkulose  (Phlebitis  praetuber- 
culosa). 

Vortragender  teilt  sehr  detailliert  die  mehrjährige  Kranken-  * 
gesehichte  eines  jungen,  hereditär  nicht  belasteten  Mannes  mit, 
bei  dem  eine  Entzündung  der  Vena  saph.  sin.  mit  all  ihren  cha¬ 
rakteristischen  Symptomen  dem  Ausbruch  der  Phthisis  längere 
Zeit  vorherging. 

6.  Herr  Mitulescu  - Bukarest :  Die  Entwickelung  der 
chronischen  Tuberkulose,  vom  Standpunkte  des  Zellstoff¬ 
wechsels  aus  betrachtet. 

Die  Bedingungen,  deren  der  Tuberkelbazillus  zu  seiner  Ent¬ 
wickelung  bedarf,  bestehen  bekanntlich  einerseits,  in  einem  ge¬ 
wissen  Giftigkeitsgrade  des  Bazillus  und  anderseits  in  der  Taug¬ 
lichkeit  des  Organismus  als  Substrat.  Einen  Anhalt  dafür,  in 
welchem  Grade  sich  der  Bazillus  bereits  des  Organismus  be¬ 
mächtigt  hat  und  seinen  zerstörenden  Einfluss  ausübt,  geben 
exakt  ausgeführte  Stoffwechselversuche.  Im  Anfangsstadium  der 
Infektion  ist  der  Zellstoffwechsel  vergrössert  und  in  einigen 
Fällen  befinden  sich  die  Zellen  in  einem  Inkompensations¬ 
zustande,  welcher  durch  die  Unmöglichkeit  des  Organismus, 
Schutzstoffe  zu  bilden,  bedingt  wird;  nachher  folgt  in  vielen 
Fällen  eine  Periode  von  annäherndem  Gleichgewichtszustände, 


welche  durch  den  Umstand  erklärt  wird,  dass  jetzt  die  Zellen  die 
Fähigkeit  besitzen,  die  aus  den  tuberkulösen  Herden  diffundierten 
Proteine  zu  neutralisieren.  Wenn  aber  dieses  Gleichgewicht  nicht 
mehr  zu  bestehen  vermag,  so  befinden  sich  die  Zellen  von  neuem 
in  einem  andauernd  wachsenden  Inkompensationszustande,  \  om 
prognostischen  Standpunkte  aus  teilt  M.  die  Evolutionskurve  der 
Tuberkulose  in  3  Perioden  ein:  1.  Evolutions-  resp.  Entwicke¬ 
ln  ngsperiode,  2.  Stillstandsperiode,  3.  Periode  der  organischen 
Degeneration.  In  der  ersten  Periode  ist  die  Lungeninfektion 
durch  wenige  äussere  Anzeichen  charakterisiert  und  Heilung 
leicht  möglich;  sichere  Diagnose  nur  mit  Hilfe  von  Tuberkulin, 
ln  der  zweiten  Periode  treten  Lungenanzeichen  auf,  welche  über 
eine  lokale  Läsion  Aufschluss  geben;  Kompensationszustand 
durch  Behandlung  andauernd  möglich;  sichere  Diagnose  auch 
durch  Sputumuntersuchung.  In  der  dritten  Periode  besitzt  der 
Körper  nicht  mehr  die  Fähigkeit,  den  Zerstörungen  zu  begegnen, 
da  die  Läsionen  schon  zu  gross  sind  und  der  allgemeine  Zustand 
schon  zu  tief  beeinflusst  ist. 

7.  Herr  S  t  e  c  k  1  -  Wien:  Zur  Pathologie  und  Therapie  der 
Influenza. 

Vortragender  führt  aus,  dass  es  eine  Reihe  von  Influenza¬ 
fällen  gebe,  die  unter  dem  Bilde  einer  Diphtherie  verlaufen.  Dif¬ 
ferentialdiagnostisch  kommen  aus  der  bakteriologischen  Unter¬ 
suchung  das  Franke  sehe  Symptom  (fleckige  Rötung  des 
Rachens),  Milzschwellung,  begleitende  Bronchitis  und  Verände¬ 
rungen  des  Pulses  in  Betracht.  Auch  aus  der  Wirkung  des  Chi¬ 
nins,  das  nach  Ansicht  des  Vortragenden  eine  fast  spezifische  Wir¬ 
kung  entfaltet,  lasse  sich  die  Diagnose  stützen.  Zwischen  Diph¬ 
therie  und  Influenza  bestehe  ein  gewisser  Antagonismus. 

8.  Herr  Zupnik-Prag:  Die  Tuberkulinreaktion. 

Auf  Grund  umfangreicher  Tierversuche  mit  Reinkulturen 
von  Tuberkelbazillen  und  verwandten  säurefesten  Bakterien  arten, 
den  Pseudotuberkelbazillen  und  Streptotriclieen,  ist  Vortragender 
zu  der  Ansicht  gelangt,  dass  die  Tuberkulinreaktion  keine  abso¬ 
lute,  spezifische  für  Tuberkulose  ist,  sondern  nur  eine  Gruppen¬ 
reaktion  all  der  Bakterien,  welche  dieselben  Stoffe  erzeugen.  Die 
zur  selben  Gruppe  gehörigen  Bakterien  können  auch  die  gleichen 
Krankheitsbilder  im  menschlichen  Körper  hervorrufen.  Vor¬ 
tragender  teilt  als  Beweis  dafür  einen  Fall  von  scheinbarer 
Nierentuberkulose  mit,  wo  sich  als  Erreger  aber  nicht  der  Tu¬ 
berkelbazillus,  sondern  ein  verwandtes  Gruppenbakterium  fand. 

9.  Herr  Adler-  Prag :  Zur  Diagnose  des  Typhus  abdomi¬ 
nalis. 

Vortragender  empfiehlt  für  die  Frühdiagnose  die  Milzpunk¬ 
tion  und  Untersuchung  des  Milzsaftes  auf  seine  Agglutinations¬ 
kraft.  1 — 10  Tropfen  streng  aseptisch  mittels  Spritze  entnom¬ 
menen  Milzsaftes  werden  auf  sterile  Bouillon  verimpft  und  zu 
Ziegenblutserum  in  einer  Verdünnung  von  1:100  000  zugesetzt. 
In  92  Proz,  der  Fälle  fällt  die  Prüfung  positiv  ausi.  Die  Milz¬ 
punktion  ist  gefahrlos,  wenn  der  Patient  danach  ruhige  Lage 
innehält.  Kontraindikationen  sind :  Hämophilie,  hämorrhagische 
Diathese,  Arteriosklerose  und  höheres  Alter.  Die  Reaktion  kann 
mit  Erfolg  zur  Differentialdiagnose  verwertet  werden. 

10.  Herr  Fuchs-  Biebrich :  Zur  Theorie  der  Wismuth- 
wirkung. 

Vortragender  ist  auf  Grund  eigener  Untersuchungen  zu  der 
Ansicht  gelangt,  dass  das  Wismuth  in  der  Behandlung  des  Ulcus 
ventr.  nicht  nur  physikalisch  (als  Deckmittel  für  den  Substanz- 
defekt)  wirkt,  sondern  in  chemischen  Kontakt  mit  der  Magen¬ 
schleimhaut  tritt.  Es  erfährt  dort  eine  Umsetzung  und  zwar  eine 
Reduktion  durch  das  Kochsalz  des  Blutes,  welches  freie  Salz¬ 
säure  enthält. 

11.  Herr  W  i  e  c  h  o  w  s  k  y  -  Frag:  Die  vasomotorische 
Wirkung  der  Analgetica. 

VI.  Sitzung. 

1.  Herr  B  a  r  u  c  h  -  New-York:  Die  Beförderung  der  Re¬ 
aktion  der  hydrotherapeutischen  Prozeduren. 

2.  Herr  S  t  i  c  h  -  Leipzig :  Die  heutigen  Aufgaben  der 
deutschen  Krankenhausapotheken. 

Vortragender  fordert  für  jede  Krankenhausapotheke  die 
Schaffung  von  Einrichtungen,  welche  die  rasche  Anfertigung 
jeder  einzelnen  Medizin  gestatten,  ferner  ein  technisches  Labora¬ 
torium  zur  Herstellung  von  Präparaten,  welche  sonst  fertig  aus 
Fabriken  bezogen  werden  müssen,  schliesslich  ein  analytisches 
Laboratorium  zur  Nahrungsmittel-  und  Geheimmittelunter- 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1819 


Buchung-,  toxikologischen  Untersuchungen  u.  dergl.  m. 

o.  Herr  M  iura -Tokio:  Die  Behandlung-  der  Beri-Beri 
\  ortragender  empfiehlt  für  die  leichten  Fälle  Abführmittel’ 
namentlich  eine  mehrere  Wochen  durchgeführte  Kur  mit  salini- 
schen  Abführmitteln.  In  Fällen  mit  Zirkulationsstörungen  hat 
sich  der  Aderlass  sehr  bewährt,  der  namentlich  bei  gleichzeitiger 
Anwendung  der  erstgenannten  Medikamente  günstig  wirkte 
Diese  Kombination  hat  Vortragendem  auch  ausgezeichnete 
Dienste  geleistet  bei  den  Komplikationen  der  Beri-Beri :  Herz¬ 
insuffizienz,  Pneumonie,  Pneumothorax,  Nephritis  u.  dergl. 

4  Herr  S  e  h  n  e  e  jun.-Karlsbad :  Das  elektrische  Vier¬ 
zellenbad. 

5.  Herr  P  1  o  e  n  i  e  s  -  Wiesbaden :  Die  Beziehung  der  Mi¬ 
gräne  zum  Ulcus  ventriculi. 

Die  cephalalgischen  Symptome  sollen  auf  Reizung  der  Sym- 
pathikusverzweigungen  im  Magen  beruhen. 


Abteilung  für  Kinderheilkunde. 

Referent :  Privatdozent  Dr.  Bendix-  Berlin. 

ITI.  S  i  t  z  u  n  g  s  t  a  g :  24.  September  1902. 

V  orsitzender :  Herr  Ganglio  f  n  e  r. 

1.  Herr  M  o  n  t  i  -  W  ien :  Zur  Frage  der  Serumexantheme. 

Die  Serumexantheme  sind  nach  Oertel  die  Folge  einer 
durch  die  Einspritzung  einer  eiweisshaltigen  Flüssigkeit  einer 
anderen  Tiergattung  in  das  Gewebe,  bezw.  ins  Blut  bewirkten 
Intoxikation.  Diese  Annahme  wurde  durch  die  Versuche  von 
Johannessen  und  Monti-  bestätigt,  die  bei  gesunden  In¬ 
dividuen  bei  Einspritzungen  von  einfachem  sterilisierten  Serum 
die  gleichen  Serumexantheme  wie  bei  der  Anwendung  des  Diph¬ 
therieserums  auftreten  sahen.  Nach  M.s  Versuchen  ist  es  be¬ 
greiflich,  dass,  je  grösser  das  Volumen  des  eingespritzten  Serums, 
um  so  häufiger  Serumexantheme  auftreten.  Seitdem  man  das 
hochwertige  Serum  eingeführt  hat,  wo  grössere  Volumina  von 
Serum  nicht  mehr  angewendet  werden,  sind  die  Serumexantheme 
harmloser  und  seltener. 


G.  demonstriert  an  Photographien  die  vom  Normalen  ab¬ 
weichenden  Atembe wegungen  solcher  Kinder,  sowie  eine  bei  der- 
ai-tgen.Fäiien  auftretende  Thoraxfomi,  den  „starren,  in  schlech¬ 
te!  Haltung  fixierten  Lliorax“ .  Eine  sogen,  schlechte  Schulterhal- 
ung  ist  nach  G.  an  sich  noch  nicht  patliognomonisch  für  eine 
Atmungsanonialie,  sondern  erst  dann,  wenn  sie  auf  Kommando  oder 
spontan  überhaupt  nicht  oder  nur  unter  Beschwerden  von  Seiten 
der  Kinder  korrigiert  werden  kann. 

4.  Herr  Zuppinger-  Wien:  Ueber  Gelatineinjektionen 
im  Kindesalter. 


Z.  machte  mit  den  subkutanen  Gelatineinjektionen  bei  den 
verschiedenen  hämorrhagischen  Diathesen  des  Kindesalters  die 
besten  Erfahrungen,  wofür  er  einen  eklatanten  Fall  als  Beweis 
an  fuhrt.  Bei  leichten  Fällen  genügt  die  interne  Verabreichung 
5  10  proz.  Gelatine.  Wenn  sich  die  Gelatinetherapie  noch 
immer  nicht  allgemeiner  Anwendung  erfreut,  sind  daran  die  mit¬ 
unter  nach  den  Injektionen  aufgetretenen  Nebenerscheinungen, 
wie  Fieber,  Schmerzen,  Abszessbildung,  Hautgangrän,  Nephritis’ 
Hämoglobinurie  und  vor  allem  das  Schreckgespenst  des  Te¬ 
tanus  schuld.  Die  gewöhnliche  käufliche  Gelatine,  aus  der  bis- 
liei  die  meisten  Injektionsflüssigkeiten  hergestellt  wurden,  darf 
als  ganz  ungeeignet  zu  therapeutischen  Zwecken  nicht  mehr  ver¬ 
wendet  werden,  sondern  muss  aus  den  leimgebenden  Substanzen 
um  kommissioneil  gesund  erklärter  und  frisch  geschlachteter 
Kälber  hergestellt  werden.  Die  Sterilisierung  muss  man  nach 
bakteriologischen  Grundsätzen  streng  durchführen,  so  dass  abso¬ 
lute  Keimfreiheit  erzielt  wird.  In  Deutschland  hat  M  e  r  c  k  die 
Ei zeugung  solcher  2  proz.  sterilisierter  Gelatinelösungen  über¬ 
nommen,  welche  allen  Anforderungen,  die  man  an  eine  Injek¬ 
tionsflüssigkeit  stellen  muss,  genügen  dürfte.  Die  Dosierung 
richtet  sich  nach  dem  Alter  des  Kindes  und  der  Gefährlichkeit 
der  Blutungen.  Bei  Säuglingen  fängt  man  mit  15  ccm  einer 
2  proz.  Lösung  an  und  wiederholt  die  Dosis,  wenn  die  Wirkung 
ausgeblieben  ist.  Durch  lokale  Applikation  und  internen  Ge¬ 
bt  auch  kann  man  die  Wirkung  der  Injektionen  unterstützen. 
Ob  Albuminurie  und  Nephritis  als  wirkliche  Kontraindikationen 
anzusehen  sind,  wird  die  Zukunft  lehren. 


Monti  rät  am  Schlüsse  seines  Vortrages,  um  möglichst 
Serumexantheme  zu  vermeiden,  folgende  Regeln  zu  beachten: 
1.  Man  wende  nur  ein  Serum  an,  welches  ganz  klar  ist.  2.  Wenn 
das  Serum  trüb  ist,  so  erwärme  man  dasselbe  vor  der  Anwendung 
auf  35  0  C.  und  verwende  dasselbe  nur  dann,  wenn  nach  wieder¬ 
holtem  Erwärmen  die  Trübung  vollkommen  verschwunden  ist. 
3.  Dasselbe  gilt  auch  von  Serumsorten,  die  längere  Zeit  auf¬ 
bewahrt  werden  und  die  einen  weissen,  flockigen  Bodensatz 
zeigen.  4.  Man  wähle  nur  solche  hochwertige  Serumsorten,  die 
uns  ermöglichen,  trotz  Wiederholung  der  Injektionen  über  ein 
grösseres  Volumen  als  10  ccm  nicht  hinaus  zu  gehen.  5.  Vor¬ 
sichtshalber  wäre  die  wiederholte  Erwärmung  des  Serums  auf 
35"  C.  nach  den  vorliegenden  Erfahrungen  zu  empfehlen,  weil  man 
ohne  Schädigung  der  Wirksamkeit  auch  bei  Anwendung  von 
grösseren  Volumina  von  Serum  die  etwa  vorhandenen  ursäch¬ 
lichen  Momente  für  eine  Intoxikation  und  Bildung  von  Exan¬ 
themen  am  besten  beseitigen  kann. 

2.  Herr  R  a  u  d  n  i  t  z  -  Prag:  Demonstration  von  experi¬ 
mentellem  Nystagmus. 

3.  Herr  Gregor-  Breslau :  Ueber  Atmungsanomalien  im 
Kindesalter. 

Der  Umstand,  dass  gewisse  Respirationserkrankungen  an 
ganz  umschriebene  Perioden  des  kindlichen  Alters  gebunden  sind, 
egt  die  Vermutung  nahe,  dass  sie  mit  der  gesetzmässigen  Ent¬ 
wicklung  der  kindlichen  Atemmechanik  und  mit  Störungen  der¬ 
selben  in  ursächlicher  Beziehung  sitehen. 

G.  studierte  in  parallel  gehenden  Untersuchungen  an  nor¬ 
malen  und  pathologischen  Fällen  den  Gang  der  Entwicklung  der 
Atmung  vom  Säuglingsalter  bis  zum  14.  Lebensjahre  mit  Hilfe 
spuo metrischer  Bestimmungen  der  Atemgrösse  und  durch  die 
p  lotographische  Messung  und  Registrierung  der  Atembewegungen 
nach  0.  Hasse. 

Der  abweichende  Gang  der  Atmungsentwicklung  bei  patho¬ 
logischen  Fällen  nimmt  seinen  Anfang  im  2.  Lebensjahr,  ist  nach¬ 
weisbar  als  eine  geringere  Ausbildung  der  Atemtiefe,  die  im 
spateren  Kindesalter  zu  einer  Beeinträchtigung  der  normaler 
eise  vorherrschenden  Tendenz  führt,  die  bei  der  Atmung  ge¬ 
erntete  Muskelarbeit  durch  Verlangsamung  und  Vertiefung  des 
einzelnen  Atemzuges  herabzusetzen. 


5.  Heu  Söldner-  Grunbach  (V  ürttemberg) :  Die  Aschen¬ 
bestandteile  des  neugeborenen  Menschen  und  der  Frauenmilch. 

Die  Einzelheiten  der  Arbeit  erscheinen  demnächst  in  der 
Zeitschrift  für  Biologie. 

6.  Herr  K  a  s  s  o  w  i  t  z  -  Wien :  Infantiles  Myxödem,  Mon¬ 
golismus  und  Mikromelie. 

K.  bespricht  eingehend  den  Symptomenkomplex  bei  den  ge¬ 
nannten  Anomalien.  Was  den  Einfluss  der  Schilddrüsentherapie 
anlangt,  so  ist  er  bei  den  myxödematösen  Individuen  e  v  i  - 
d  e  n  t,  namentlich  was  die  Aenderung  des  äusseren 
Habitus  anla  n  g- 1,  in  manchen  Fällen  geradezu  verblüffend. 
Die  Aenderung  beruht  hauptsächlich  auf  dem  rapiden  Schwinden 
des  Myxödems,  der  Verkleinerung  der  Zunge,  der  Beförderung 
des  Haarwuchses,  und  namentlich  bei  frühzeitigem  Beginne  der 
Behandlung  einer  sehr  auffallenden  Hebung  der  intellektuellen 
I  ähigkeiten.  In  vielen  Fällen  bleiben  immer  noch  bedeutende 
Intelligenzdefekte  zurück. 

Eine  sichere  V  irkung  dagegen  hat  die  Organotherapie  auf 
das  Längenwachstum,  auf  das  Schwinden  der  Nabelhernie,  auf 
die  Entwicklung  der  sexuellen  Funktionen  und  der  sekundären 
Geschlechtscharaktere  (Pubesi,  Bartwuchs,  Mammae  etc.)  auf  die 
Involution  der  Fontanelle,  auf  die  Dentition,  auf  die  Schweiss- 
sekretion,  auf  die  Hebung  der  (vor  der  Behandlung  fast  immer 
subnormalen)  Temperatur  und  namentlich  auf  die  Obstipation. 

Viel  weniger  günstig  ist  der  Einfluss  dieser  Therapie  beim 
Mongolismus.  Hier  lässt  sich  nur  dasi  ziemlich  prompte  Schwin¬ 
den  der  Obstipation,  die  Heilung  der  Nabelhernie  und  die  Be¬ 
seitigung  der  initialen  psychischen  Torpidität  (Schlafsucht,  ver¬ 
minderte  Nahrungseinnahme)  mit  Sicherheit  konstatieren.  Un¬ 
sicher  ist  schon  die  Wirkung  auf  die  Dentition  und  den  Fon- 
tanellschluss  und  ganz  negativ  bleibt  der  Erfolg  in  Bezug  auf 
den  äusseren  Habitus  und  die  früher  charakterisierte  psychische 
Anomalie. 

V  as  endlich  die  mikromelische  Missbildung  anbelangt,  so  ist 
auf  diese  eine  Einwirkung  der  Organtherapie  überhaupt  nicht  zu 
konstatieren. 

7.  Herr  P  i  n  e  1  e  s  -  Wien:  Ueber  das  kongenitale  und 
infantile  Myxödem. 

8.  Herr  F  r  i  e  d  j  u  n  g  -  Wien :  Die  Diastase  der  Musculi 
recti  abdominis  in  der  Pathologie  des  Kindes, 


1820 


Ko.  48. 


MUEKCHEKER  MEDICIRISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Im  Jahre  1897  hat  Büdinger  über  die  Beobachtung  von 
Inkarzerationserscheinungen  an  Kindern  mit  Diastase  der  Linea 
alba  berichtet.  F.  hat  diese  Frage  an  der  Hand  eines  grossen 
Materials  seit  Jahren  verfolgt  und  kommt  auf  Grund  von  32  ein¬ 
schlägigen  Beobachtungen  und  auf  zugehörige  ergänzende  Unter¬ 
suchungen  gestützt  zu  folgenden  Schlüssen :  Die  Diastase  der 
Muaculi  recti  abdominis  bezeichnet  im  Kindesalter  ohne  Unter¬ 
schied  des  Geschlechts  das  normale  Verhalten;  es  findet  sich  bei 
75  Kindern  vom  100  und  macht  im  allgemeinen  keine  krank¬ 
haften  Erscheinungen.  Dort,  wo  sie  mit  Hysterie  zusammen- 
trifft,  kann  sie  zu  einem  typischen  Krankheitsbilde  führen,  das 
sich  durch  inkarzerationsähnliche  Anfälle  charakterisiert;  es 
handelt  sich  dabei  um  eine  Hyperästhesie  der  Baucheingeweide, 
die  auch  in  der  anfallsfreien  Zeit  bei  der  Untersuchung  nach¬ 
weisbar  ist.  Diese  Deutung  der  Anfälle  ist  nur  nach  der  Aus¬ 
schliessung  aller  ähnlichen  Symptomenkomplexe  zulässig.  Das 
Fehlen  des  Rachenreflexes,  noch  mehr  der  herabgesetzte  Korneal- 
reflex  sind  bei  sonst  nervengesunden  Kindern  keine  ganz  zuver¬ 
lässigen  Kriterien  der  Hysterie.  Jenes  hysterische  Symptom  des 
Kindesalters  bietet  der  Suggestivtherapie  ein  sehr  lohnendes  Feld. 
Die  Tinctura  valeriana  leistet  dabei  in  den  meisten  Fällen  gute 
Dienste. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  13.  Oktober  1902. 

Herr  v.  Leyden  widmet  den  verstorbenen  Mitgliedern 
C.  Gerhardt  und  Rudolph  V  i  r  c  h  o  w  einen  kurzen,  warm 
empfundenen  Nachruf  und  teilt  mit,  dass  eine  eigene  Gedächtnis¬ 
feier  für  die  beiden  Dahingeschiedenen  am  27.  d.  Mts.  vom 
Verein  abgehalten  werden  wird. 

Tagesordnung' : 

Herr  M.  Wassermann:  Heber  die  biologische  Mehr¬ 
arbeit  des  kindlichen  Organismus  bei  künstlicher  Ernährung. 

Bordet  hatte  seine  glänzende  Entdeckung  von  den  Prä¬ 
zipitinen  und  der  Differenzierbarkeit  der  Eiweisse  verschie¬ 
dener  Tierarten  mittels  derselben  u.  a.  auch  zum  Nachweise 
dafür  verwendet,  dass  zwischen  der  Frauen-  und  Kuhmilch  deut¬ 
liche  biologische  Unterschiede  bestehen.  Hierüber  und  über  da¬ 
raus  zu  ziehende  Schlüsse  auf  die  Säuglingsernährung 
hatte  Vortr.  im  verflossenen  Jahre  in  diesem  Vereine  berichtet 
(gemeinsam  mit  Schütze).  Es  ergab  sich  aus  den  Unter¬ 
schieden  zwischen  den  Eiweissen  der  Frauen-  und  Kuhmilch 
eine  Bestätigung  der  klinisch  schon  feststehenden  Tatsache, 
dass  erstere  Ernährungsweise  als  die  naturgemässe  vorzuziehen 
sei;  sie  sei,  wie  Vortr.  sich  ausdrückt,  die  unmittelbare  Fort¬ 
setzung  der  Plazentarernähxung. 

In  jüngster  Zeit  hat  Heubner  mit  Hilfe  des  Rubner- 
schen  Verfahrens  nachgewiesen,  dass  künstlich,  d.  h.  mit  Kuh¬ 
milch  genährte  Kinder,  auch  bei  gleichem  Kalorienwert  der 
Nahrung,  erheblich  hinter  natürlich,  d.  h.  mit  Muttermilch  ge¬ 
nährten  Zurückbleiben.  Es  geht  also  bei  künstlicher  Ernährung 
ein  Teil  der  zugeführten  Energien  verloren.  Diesen  Verlust, 
den  die  Kliniker  als  durch  die  Verschiedenheit  der  Verdauungs¬ 
säfte  bedingt  anselien,  suchte  Vortr.  experimentell  zu  erklären. 

Wenn  man  nach  Bordets  Vorgang  einem  Meerschwein¬ 
chen  Serum  einer  fremden  Tierart  in  die  Bauchhöhle  einspritzt, 
so  1  ioht  man  bald  darauf  eine  sehr  grosse  Menge  von  Bakterien, 
z.  B.  Typhusbazillen,  die  man  nach  einiger  Zeit  ebenfalls  ein¬ 
spritzte,  zu  Grunde  gehen,  sie  werden  aufgelöst.  Spritzt  man 
da  fremde  Serum  nicht  ein,  so  erliegt  das  Tier  der  Typhus- 
infoktion.  Dies  Vermögen,  die  eingespritzten  Bazillen  aufzu¬ 
lösen,  i  iihrt  daher,  dass  sich  unter  dem  Einfluss  des  vorher  ein¬ 
gespritzten  Serums  F  e  r  m  onte  (Komplemente  E  h  r  1  i  c  h  s. 
Alexine  B  u  e  h  n  e  r  s)  in  der  Bauchhöhle  ansammeln.  Der 
gleiche  Vorgang  der  Ansammlung  von  Fermenten  findet  nicht 
bloss  bei  Einspritzung  von  Serum,  sondern  von  jedem  hetero- 
logen,  also  einer  anderen  Tierart  entstammenden  Eiweiss,  also 
z.  B.  Milch,  ebenfalls  statt.  Diese  Ansammlung  von  Fermenten 
bedingt  aber,  da  sie  dem  übrigen  Körper  entzogen  werden,  einen 
\  erlus  t  für  den  Gesamtorganismus  und  dieser  Verlust  erkläre 
die  Differenz  in  dem  Wachstum  künstlich  und  natürlich  ge¬ 
nährter  Säuglinge. 

Diskussion:  Herr  L.  Michaelis:  Der  eigentliche  Mechanis¬ 
mus,  weshalb  fremdes  Ehveiss  eine  Mehrleistung  verlange,  sei  durch 


die  mitgeteilten  Beobachtungen  noch  nicht  geklärt,  denn  nach 
seinen  eigenen  Untersuchungen  sei  die  eigentliche  Funktion  des 
Pepsins  darin  zu  suchen,  die  Spezifität  des  Ei¬ 
weis  s  e  s  zu  vernichten.  Das  Eiweiss,  welches  den  Magen 
passiert  hat,  also  der  Pepsinwirkung  unterlegen  war,  ist  kein 
fremdes  Eiweiss  mehr.  Bei  der  Milch  komme  nun  aber  noch  die 
Labwirkung  hinzu.  Das  Labferment  bewirke,  dass  die  eingeführte 
Milch  sofort  in  Klumpen  gerinne  und  somit  der  Einwirkung  der 
W  assermann  sehen  Fermente  entzogen  werde.  Die  Milch 
muss  erst  durch  das  Pepsin  wieder  gelöst  werden,  welches  aber 
dabei  seine  entdifferenzierende  Wirkung  entfalte.  Somit  sei  die 
Erklärung  Wassermanns  —  wenigstens  für  den  Erwach¬ 
senen,  worauf  sich  seine  Untersuchungen  beschränken  —  nicht 
zutreffend;  es  bleibe  noch  zu  beweisen,  dass  für  das  Kind  die 
Verhältnisse  anders  lägen. 

Herr  G.  Klein  pe  rer:  Er  gehe  noch  weiter  wie  Michaelis 
und  gestehe  nicht  zu,  dass  der  nicht  zu  leugnende  Unterschied 
zwischen  natürlicher  und  künstlicher  Ernährung  in  den  Präzipi¬ 
tinen  begründet  sei.  Denn  die  Fermentansammlung,  von  der 
Wasser  m  a  n  n  gesprochen,  finde  zwar  in  der  Bauchhöhle,  nicht 
aber  im  Darme  statt.  Ausserdem  werden,  wie  Michaelis 
schon  betonte,  die  Eiweisse  im  Darme  völlig  ihres  Eiweisscharak¬ 
ters  entkleidet  und  das  Eiweissmolekül  völlig  zertrümmert,  um 
als  Tyrosin,  Leucin  und  ähnliche  Zerfallsprodukte  resorbiert  zu 
werden.  Ein  Unterschied  zwischen  Erwachsenen  und  Kindern 
bestehe  nicht. 

Herr  v.  Leyden:  Er  frage,  wie  denn  die  Resorption  der 
Milch  von  der  Bauchhöhle  aus  zu  stände  komme. 

Herr  L.  Michaelis:  Für  das  Serum  könne  er  diese  letz¬ 
tere  Frage  beantworten.  Es  bilden  sich  auf  dem  Peritoneum 
Klümpchen  von  Serum,  die  von  einem  Lymphoeyten- 
wall  umgeben  sind,  die  wohl  den  Metschnikoff  scheu 
Phagocyten  entsprechen.  Es  findet  also  wohl  ein  Zusammen¬ 
wirken  von  Fermentwirkung  E  h  r  1  i  c  h  s  und  Phagoeytose 
Metschnikoffs  statt. 

Herr  A.  Baginsky:  Der  Darm  des  Kindes  sei  anders  als 
der  des  Erwachsenen,  die  lymphatischen  Apparate  seien  noch 
nicht  völlig  entwickelt. 

Er  glaube,  dass  ein  Teil  der  Frauenmilch  direkt  resorbiert, 
werde,  ohne  dass  eine  Fermentwirkung  statthabe. 

Herr  G.  Ivlemperer:  Diese  Ansicht  Baginsky  s  könne 
nicht  richtig  sein,  da  sonst  nach  den  Untersuchungen  V  o  i  t  s 
Milchzucker  im  Urin  auftreten  müsste. 

Herr  Baginsky:  Das  Auftreten  von  Zucker  im  Lü'in  junger 
Kinder  sei  auch  nachgewiesen. 

Herr  Wassermann:  Die  biologische  Reaktion  sei  viel 
feiner  als  die  chemischen  und  unsere  Einblicke  in  die  chemischen 
Verhältnisse  noch  nicht  genügende.  Die  Resorptionsverhältnisse 
des  kindlichen  Darmes  seien,  wie  Esche  rieh  nachgewiesen, 
grundverschieden  von  denjenigen  des  Erwachsenen.  Letztere  re¬ 
sorbieren  z.  B.  Antitoxine  nicht  unverändert,  dagegen  tue  das  der 
kindliche  Darm.  Das  gleiche  hat  Ehrlich  für  das  Diphtherie¬ 
serum  gefunden.  Und  dies  gelte  wohl  auch  für  Milcheiweiss. 

Hans  K  o  h  n. 


Aerztlicher  Verein  Jn  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Kümmel! 

I.  Demonstrationen: 

1.  Herr  Kellner  demonstriert  3  Idioten  mit  Missbil¬ 
dungen;  a)  7  jähriger  Knabe  mit  ausgedehntem,  halbseitigen,  den 
Nervenstämmen  folgenden  Xanthom  (Naevus  verrucosus),  b)  12jähr. 
Knabe  mit  einer  eigentümlichen  Schädelform,  die  auf  Hydro- 
cephalus  und  Rachitis  zu  beziehen  ist.  c)  Knabe  mit  Spalthänden 
beiderseits,  Fehlen  der  Mittelfinger  und  Mittelmetakarpalknochen, 
Syndaktylie  etc. 

2.  Herr  König-  Altona  demonstriert  eine  neue  Lagerungs- 
Vorrichtung  für  zu  operierende  oder  zu  verbindende  Kranke,  die 
darin  besteht,  dass  ein  beliebiger  Teil  des  Körpers  erhöht  werden 
kann  durch  eine  an  einer  Kurbel  auf-  und  abwärts  zu  bewegende 
schmale,  rollenartige  Vorrichtung.  Diese  ist  an  den  Seitenbauten 
des  Operationstisches  beweglich  anzubringen.  Der  Vorteil  besteht 
darin,  dass  die  Kissen  und  Rollen,  die  man  sonst  uu terzuschieben 
hat,  durch  ein  schmales  handliches  Gestell  ersetzt  sind. 

3.  Herr  Frieben  demonstriert  ein  ausgedehntes  Karzinom 
des  Handrückens,  das  die  Exarticulatio  liumeri  bedingt  hat  und 
seine  Entstehung  einem  Röntgenulcus  verdankt.  Patient  war  Ar¬ 
beiter  in  einer  Röntgenröhrenfabrik  und  benutzte  4  Jahre  lang 
seine  Hand  als  Testobjekt  bei  der  Röhrenprüfung.  Aus  einem 
anfangs  kleinen  Röntgenulcus  entwickelte  sich  allmählich  ein 
grosses  Kankroid;  Demonstration  von  mikroskopischen  Präparaten 
des  Kankroids  und  der  durch  die  Röntgenbestrahlung  bedingten 
histologischen  Kutisveränderungen  mittels  Skioptikon. 

4.  Herr  Grube  bespricht  an  der  Hand  eines  Falles  von 
Ileus  die  erfolgreiche  Wirkung  des  salpetersaueren  Strychnins 
auf  die  Darmperistaltik,  das  er  in  Gaben  von  0,003,  0,003  und  0,004, 
zusammen  also  0,01  (Maximaldosis)  innerhalb  0  Stunden  gibt. 
Peristaltik  und  Flatus  werden  bald  ausgelöst,  häufig  auch  Stuhl¬ 
gang.  Genaueres  über  die  Darreichung  des  Mittels  in  der  Arbeit 
des  Vortragenden:  Oentralb!  f.  Gyn.  1901,  No.  25. 

5.  Herr  W  a  i  t  z  demonstriert  einen  Mann,  bei  dem  er  die 
Weichteilnase  aus  der  Haut  des  Armes  ersetzt  hat.  Es  handelte 


28.  Oktober  1902. 


MUENCHENER  MEDIOINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


1821 


sich  um  eine  Zerstörung  durch  Lupus,  die  nach  Heilung  des  Lupus 
durch  Auskratzung  und  Röntgenbestrahlung  ersetzt  wurde  d  i 
eine  am  Unterarm  vorgebildete  Prothese.  Ein  ähnlicher  Fa  11  ist 
früher  schon  demonstriert.  1 

II.  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  0  Rum¬ 
pel:  Erfahrungen  über  die  praktische  Anwendung  der  Ge- 
irierpunktsbestimmungen  von  Blut  und  Harn  bei  Nieren¬ 
erkrankungen. 

Heil  B  ert  elsmann  bestätigt  die  Angaben  des  Herrn 
Rumpel  und  bezeichnet  es  als  besonders  wichtig,  dass  ein  nor¬ 
maler  Gefrierpunkt  bei  doppelseitiger  Nierenerkrankung  nicht 
Er  fragt,  ob  bei  einseitigem  Nierenkarzinom  j  stets 
herabgesetzt  ist,  wie  das  beschrieben  ist.  B.  hat  ferner  bei  einer 
'  schwerer  Verbrennungen  d  -Bestimmungen  gemacht  und 
glaubt  in  dem  Verhalten  des  Gefrierpunktes  einen  prognostisch 
wichtigen  Fingerzeig  annehmen  zu  können.  Die  tödlicheS  Ver¬ 
brennungen  ergaben  eine  Herabsetzung. 

Herr  Iv  ö  n  i  g  erwähnt  Israels  Angaben,  wonach  d 
gesetzt  ist  auch  bei  ausgedehnten  Karzinomen  besonders  der 
Bauchhöhle.  Die  Kryoskopie  allein  genügt  nicht  immer,  um  sich 
ubei  den  F  unktionsgrad  der  Nieren  zu  orientieren.  Der  Ureteren- 
kathetensmus  bezw.  ähnliche  Methoden,  die  auf  das  getrennte 

ÄTichtS.  Sekrt>te  j6der  6inzelnen  Niere  ^richtet  sind,  sind 

Herr  J  e  ®  s e  n  erwähnt  Untersuchungen  bei  chronischer  Ne¬ 
phritis  und  gibt  vorläufige  Notizen  über  das  Resultat  wieder¬ 
holter  Untersuchungen  beim  gleichen  Individuum. 

Heu  Kümmell  rekapituliert  kurz  seine  ausgedehnten  Er¬ 
fahrungen  auf  kryoskopischem  Gebiet  und  betont  besonders  dass 
J  —  r-0:59  die  .°üerste  Grenze  sei,  bei  der  noch  eine  Operation 
zulässig  ist.  Ein  normaler  Gefrierpunkt  zeigt  eine  normale 
Nierenfunktion  an,  lässt  aber  nicht  mit  Sicherheit  auf  normales 
Nierengewebe  schliessen. 

Herr  R  umpel:  In  dem  Falle  von  einseitigem  Nierenkarzinom 
mit  erhöhtem  d  bot  die  andere  Niere  das  Bild  der  Nephritis  war 
also  in  der  Funktion  gestört,  daher  die  d  -Erhöhung.  _  Bezüglich 
der  Untersuchungen  von  Nierenkranken  hat  R.  zumeist  nur%in- 
malige  Bestimmungen  ausgeführt.  Im  urämischen  Anfall  kann 
es  sich  wohl  um  ^-Erhöhung  wegen  der  Konzentrationserhöhung 
handeln.  —  Der  ursprüngliche  Bechmann  sehe  Apparat  ist  den 
neueren  Modifikationen  vorzuziehen. 


III.  Herr  Albers-Schönberg  hält  seinen  angekün- 
digteii  Vortrag  über  die  Röntgendiagnostik  in  der  inneren 
Medizin. 

Es  wird  in  erster  Linie  die  von  Moritz  angegebene  Me¬ 
thode  der  Herzmessung  besprochen  und  durch  Vorführung 
der  in  Betracht  kommenden  Apparate  erklärt. 

Projektionsbilder,  welche  der  Sammlung  des  Vortragenden 
und  der  von  Professor  Moritz-  Greifswald  entstammen,  er¬ 
läutern  den  Vortrag.  Werner. 


Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Wien,  25.  Oktober  1902. 

Die  Hilfsärzte  der  Wiener  Krankenanstalten.  —  Ein 
sozialärztlicher  Kongress.  —  Aerzte  als  sachverständige  Zeu¬ 
gen  vor  Gericht.  —  Die  Wiener  Aerztekammer  gegen  neue 
Krankenkassen. 

Das  Dienstverhältnis  der  Hilfsärzte  in  den  Wiener 

k.  k.  Krankenanstalten  soll  künftighin  ein  anderes  werden. 
Einige  Bestimmungen  des  jüngst  publizierten  Statutes  sind  aber 
derart,  dass  die  davon  betroffenen  Aerzte,  wie  dies  jetzt  Usus  ist, 
m  einer  sofort  einberuf enen  Versammlung  dagegen  Stellung¬ 
nahmen.  Zum  besseren  Verständnisse  wollen  wir  vorerst  mit- 
teilen,  dass  es  sich  hier  keineswegs  um  die  Universitätskliniken 
handelt,  deren  Assistenten  den  Unterrichtsbehörden  unterstehen, 
dass  also  vom  neuen  Statute  die  Aspiranten,  Sekundarärzte  und 
Assistenten  der  zahlreichen  chirurgischen,  internen,  gynäko¬ 
logischen,  sowie  der  Abteilungen  für  Augen-,  Syphilis-, 
Hautkranke  etc.  berührt  werden,  deren  Vorgesetzte  Behörden  die 
Statthaltereien  resp.  das  Ministerium  des  Innern  sind.  Bisher 
wurde  ein  Doktor  an  einer  Spitalsabteilung  Aspirant  und  diente 
als  solcher  2 — 3  Jahre  und  auch  länger  ganz  unentgeltlich;  er 
rückte  sodann,  wenn  eine  Stelle  frei  wurde,  zum  bezahlten  Sekun¬ 
da  rarzt  II.  Kl.  vor  und  wurde  sogar,  wenn  er  recht  viel  Glück 
und  einige  Protektion  hatte,  ein  besser  bezahlter  Sekundararzt 

l.  Kl.,  vulgo  Abteilungsassistent.  Der  Sekundararzt  musste  im 
Hause  wohnen  und  konnte  4  Jahre  lang  an  verschiedenen  Ab¬ 
teilungen  seine  praktische  Ausbildung  anstreben.  In  Hinkunft 
wird  die  Dienstzeit  eines  Hilfsarztes,  also  die  des  Aspiranten  und 


Sekundararzt  es  zusammengerechnet,  bloss  4  Jahre  betragen 
düifen,  was  naturgemäss  dazu  führen  muss,  dass  der  Aspirant 
f  i  ü  h  e  r  in  die  besoldete  Sekunda rär ztl iehe  Stelle  vorrücken 
wird.  Das  ist  eine  Bestimmung,  die  allen  zusagt,  da  man  wäh¬ 
rend  eines  4  jährigen  Spitaldienstes  (als  Aspirant  und  Sekun¬ 
dararzt)  zur  Genüge  für  die  Praxis  ausgebildet  sein  kann.  Um 
abei  gegen  allerlei  zu  befürchtende  Protektionsmassnahmen 
sichei  zu  sein,  fordern  die  llilfsärzte,  dass  die  Ernennung  der 
Sekundarärzte  nur  nach  der  Anciennität  erfolge  und  nicht,  wie 
es  im  neuen  Statut  lautet:  „unter  gleichmässiger  Berücksich¬ 
tigung  der  dienstlichen,  ferner  der  wissenschaftlichen  Quali¬ 
fikation,  sowie  der  Dauer  ihrer  Dienstzeit“.  Weiters  fordern  die 
Hilfsärzte  die  Zusage  von  alljährlichen  Urlauben,  die  Abschaf¬ 
fung  der  geheimen  Qualifikationslisten,  die  Zulässigkeit  der  Ver¬ 
längerung-  der  Dienstzeit  eines  Assistenten  bis  zu  3,  auf  chi¬ 
rurgischen  und  gynäkologischen  Abteilungen  bis  zu  5  Jahren, 
die  unbeschränkte  Zulassung  von  Aspiranten  (das  neue  Statut 
will  einen  förmlichen  Numerus  clausus  derselben  einführen), 
die  Einsetzung  von  Disziplinarkommissionen,  in  welchen  auch 
die  llilfsärzte  durch  2  Mitglieder  vertreten  seien  etc.  etc.  End¬ 
lich  fehlen  in  den  neuen  Bestimmungen  alle  Uebergangsbestim- 
mungen. 

Sonderbar  berührte  es  den  Fernstehenden,  dass  eine  so  in¬ 
terne  Spitalsangeigenheit,  wie  es  die  Neuregelung  des  hilfsärzt¬ 
lichen  Dienstes  ist,  in  unseren  grossen  politischen  Tagesblättern 
des  Langen  und  Breiten  erörtert  wurde.  Es  ist  aber  vielleicht 
gut  so,  denn  bei  uns  in  Oesterreich  erreichen  in  den  letzten 
Jahren  nur  jene  Parteien  und  jene  Volksklassen  etwas,  die  so 
laut  schreien,  dass  es  den  verschiedentlichen  Bureaukraten  lange 
m  den  Ohren  gellt.  Andrerseits  war  es  untunlich,  ein  solches 
Statut  zu  erlassen,  ohne  auch  nur  die  Direktion  der  Kranken¬ 
häuser  um  ihre  Ansicht  gefragt  zu  haben.  Schliesslich  und  end¬ 
lich  erscheint  uns  das  neue  Statut  auch  ganz  unzeitgemäss,  weil 
ja  fiülier  oder  später  für  die  promovierten  Mediziner  das  obligate 
praktische  Dienst jahr  in  den  Spitälern  wird  eingeführt  werden 
müssen,  was  wiederum  neue  Erlässe,  neue  Statuten  etc.  zur  Folge 
haben  wird.  Die  Hilfsärzte  haben  durch  ihre  lebhafte  öffentliche 
Agitation  schon  das  erreicht,  dass  das  neue  Statut  den  Spitals¬ 
direktoren  zur  nochmaligen  Begutachtung  übergeben  wurde,  dass 
Uebergangsbestimmungen  für  die  derzeit  schon  dienenden  Se¬ 
kundarärzte  erlassen  wurden  u.  dgl.  m. 

Eine  Aktion  im  grossen  Stile  plant  auch  der  Verband  der 
Aerzte  Wiens,  nämlich  die  Einberufung  eines  sozialärztlichen 
Reichskongresses,  der  zu  Ostern  nächsten  Jahres  in  Wien  tagen 
soll.  Erst  jüngst  fand  ein  Aerztekammertag  statt.  Neuerdings 
wurde  eine  ganze  Reihe  von  Resolutionen  gefasst,  wurden  Me¬ 
moranden  an  die  gesetzgebenden  Körperschaften  und  Ministerien 
gelichtet  und  wichtige  Anträge  hinsichtlich  der  Regelung  des 
Verhältnisses  der  Aerzte  zu  den  Krankenkassen,  der  Erhöhung 
der  Disziplinarbefugnisse  der  Aerztekammern  etc.  beraten  und 
zum  Beschlüsse  erhoben.  Man  wünscht  jedoch  eine  lebhaftere 
und  eindringlichere  öffentliche  Manifestation,  die  Beleuchtung 
der  traurigen  Lage  der  praktischen  Aerzte  Oesterreichs  —  sit 
venia  verbo  —  mit  elektrischem  Lichte,  so  dass  die  grosse  Publi¬ 
zität  und  mit  ihr  alle  Schichten  der  Bevölkerung  eine  volle  Auf¬ 
klärung-  darüber  erhalten,  dass  es  nicht  weiter  angehe,  die  För¬ 
derung  der  sozialen  Wohlfahrt  stets  neuer  Volksklassen  immer 
wieder  auf  Kosten  der  Aerzte  durch-  und  diese  selbst  dem  völligen 
Ruine  entgegenzuführen.  Der  soziale  Reichskongress  soll  aber 
auch  die  zahlreichen  indolenten  Mitglieder  unseres  Standes  selbst 
aus  ihrer  Gedankenträgheit  aufrütteln  und  sie  zur  kräftigen 
Mitarbeit  aneifern.  Zumal  unsere  besser  situierten  Kollegen,  die 
mit  grossen  Erdengütern  und  leichtem  Erwerbe  gesegneten  sog. 
Koryphäen  der  Medizin  sollen  durch  diesen  Kongress  daran  er¬ 
innert  werden,  dass  sie  gegen  die  Plebs  misera  contribuens 
der  praktischen  Aerzte  ernste  Verpflichtungen  haben,  denen  sie 
sich  in  Hinkunft  nicht  mehr  entziehen  können,  wie  dies  leider 
derzeit  noch  vielfach  geschieht.  Es  wird  sich  die  Gelegenheit 
ergeben,  hierüber  zur  Zeit  noch  mehr  zu  sagen. 

Es  hat  sich  des  öfteren  ereignet,  dass  Aerzte  statt  als  Sach¬ 
verständige  vor  Gericht  vernommen  und  dafür  bezahlt  zu  werden, 
bloss  als  „sachverständige  Zeugen“  vorgeladen  wurden,  dass  sie 
dann  förmliche  Gutachten  abgeben  mussten,  ohne  dafür  und  für 
den  Zeitverlust  ein  Entgelt  zu  erhalten.  Diese  Angelegenheit 
war  eine  prinzipiell  wichtige  und  wurde  da  und  dort  angeregt. 


1822 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


jedoch  nicht  endgültig  erledigt.  Die  deutsch-tirolische  Aerzte- 
kammer  hat  jüngst  von  ihrem  Rechtsfreund  in  der  Frage  der 
Verpflichtung  der  Aerzte  zu  gerichtlichen  Aussagen  als  „sach¬ 
verständige  Zeugen“  ein  Gutachten  eingeholt,  welches  in  seinen 
Hauptpunkten  lautet : 

„Der  §  350  der  geltenden  Prozessordnung  bestimmt,  dass 
die  Vorschriften  über  den  Zeugenbeweis  auch  Anwendung  fin¬ 
den,  insoweit  zum  Beweise  vergangener  Tatsachen  oder 
Zustände,  zu  deren  Wahrnehmung  eine  besondere  Sachkunde 
erforderlich  war,  solche  sachkundige  Personen  zu  vernehmen 
sind.  Dieser  Vorschrift  sind  auch  vom  Gerichte  geforderte  sach¬ 
kundige  Aussagen  von  Aerzten  unterworfen  und  darf  die  Aus¬ 
sage  bei  drohender  Arreststrafe  nicht  verweigert  werden.  Für 
solche  Aussagen  können  nach  Massgabe  der  bestehenden  Vor¬ 
schriften  nur  Zeugengebühren  verlangt,  nicht  aber  Sachver¬ 
ständigengebühren  in  Rechnung  gestellt  werden,  wenn  sich  das 
Gericht  weigert,  solche  Gebühren  zu  liquidieren.  Sollten  die  Ge¬ 
richte  diese  Verpflichtung  der  Aerzte  in  einem  Umfange  oder 
unter  Voraussetzungen  in  Anspruch  nehmen,  die  ein  Entgegen¬ 
wirken  der  Aerzte  rechtfertigen,  kann  dies  nur  in  folgender  Weise 
geschehen :  a)  Der  Arzt  ist  berechtigt,  die  Aussagen  über 
gegenwärtige  Tatsachen  und  Zustände,  welche  durch 
Sachverständige  festgestellt  werden  können,  zu  verweigern; 
b)  der  Arzt  ist  nur  verpflichtet,  über  Tatsachen  und  Zustände 
fachkundige  Auskunft  zu  geben  und  kann  die  Aussage  über  alle 
fachmännischen  Konklusionen,  die  er  aus  dem  Befundmateriale 
gezogen,  verweigern,  kurz,  es  kann  von  ihm  nur  die  Aussage 
über  den  objektiven  Befund  verlangt  werden ;  c)  jeder 
Zeuge  ist  nur  verpflichtet,  über  Tatsachen  Auskunft  zu  geben, 
soweit  sie  in  seinem  Gedächtnis  erhalten  sind,  und  kann  keine 
gesetzliche  Bestimmung  gefunden  werden,  welche  den  Zeugen 
verpflichtet,  aus  ihm  allfällig  zur  Verfügung  stehenden  Mate¬ 
rialien  und  Aufzeichnungen,  eventuell  durch  anderweitige  Er¬ 
hebungen  sein  Gedächtnis  vor  der  Vernehmung  nach  Möglich¬ 
keit  aufzufrischen“.  —  Da  .hier  ein  systematisches  Vorgehen 
der  Gerichte  gegen  Fachärzte,  also  eine  konsequente  Schädigung 
des  ärztlichen  Standes  vorzuliegen  scheint,  so  wird  ein  gemein¬ 
sames  Vorgehen  aller  Aerztekammern  Oesterreichs  geplant,  um 
dauernde  Abhilfe  zu  schaffen. 

Fortwährend  finden  noch  Neugründungen  von  beruflichen 
Kranken-  und  Ilnterstiitzungskassen  statt,  deren  Vertreter  so¬ 
dann  an  die  Aerzte  herantreten,  damit  diese  ihre  Hilfe  so  billig 
als  möglich  zur  Verfügung  stellen.  So  rief  auch  die  neugegrün¬ 
dete  Unterstützungskasse  „Gasterea“  des  Bundes  österreichischer 
Gastgewerbe-Angestellter  (registrierte  Hilfskasse)  in  Angelegen¬ 
heit  der  in  ihrem  Statute  vorgesehenen  Beistellung  der  freien 
ärztlichen  Behandlung  ihrer  erkrankten  Mitglieder 
durch  angestellte  Aerzte  die  Intervention  der  Wiener  Aerzte- 
kammer  an.  Der  Vorstand  der  besagten  Aerztekammer  hat  je¬ 
doch  folgendes  geantwortet:  „Der  Beschluss  der  Wiener  Aerzte¬ 
kammer  vom  25.  Februar  1902,  mit  welchem  die  Annahme  jeder 
wie  immer  gearteten  und  benannten  ärztlichen  Stelle  bei  allen 
neu  zu  gründenden  Hilfskassen,  welche  ihren  Mitgliedern  unent¬ 
geltliche  ärztliche  Behandlung  Freistellen,  für  standeswidrig  er¬ 
klärt  wurde,  findet  seine  Anwendung  auch  auf 
die  neugegründete  Hilfskasse  G  a  s  t  e  r  e  a.“  — 
Hievon  wurden  auch  alle  Aerzte  Wiens  verständigt  und  so  mag 
die  neue  Kasse  Zusehen,  wie  sie  sich  fix  angestellte  Kassen-  und 
Revisionsärzte  verschafft.  Dass  dies  gegen  den  Willen  der 
Kammer  nicht  gelingt,  das  hat  die  Krankenkasse  der  Bank¬ 
beamten  Wiens  zur  Genüge  erfahren. 


Bilder  aus  China. 

Von  Oberarzt  Dr.  Georg  Mayer. 

III. 

Oeff  entliehe  Gesundheitspflege  und  Wohlfahrtseinrichtungen. 

Die  Regierungen  von  China  versuchten  von  jeher  bei  Pesti¬ 
lenz,  Teuerung,  Wassersnot  durch  unentgeltliche  Verabreichung 
von  Arzneien,  Naturalien,  Steuernachlass,  Geldspende  den  be¬ 
troffenen  Gegenden  zu  helfen.  In  früheren  Jahrhunderten,  bei  Ver¬ 
minderung  der  Bevölkerung  durch  Aufstände  etc.  wurde  viel  für 
das  Wiederanwachsen  der  Steuerzahler  getan.  189  vor  Christus 
wurden  unverheiratete  Mädchen  zwischen  15  und  30  Jahren  mit 
der  5  fachen  Steuer  eines  Mannes  belegt.  S5  nach  Christus 
sollte  jedes  Weib  im  letzten  Monat  der  Schwangerschaft  3  Sack 
Ilirse  aus  der  Schatzkammer  erhalten,  der  Mann  ein  Jahr  frei  von 


der  Kopfsteuer  sein.  Unter  den  Tang,  Anfang  7.  Jahrhunderts, 
wurden  zur  Erleichterung  der  Volksernährung  bestimmte  Preise 
für  die  Nahrungsmittel  festgesetzt.  845  mussten  265  000 
buddhistische  Mönche  zur  Welt  zurückkehren.  Ende  10.  Jahr¬ 
hunderts  erteilten  die  Sung  den  Beamten  Belohnung,  wenn  sie  die 
gewohnheitsmäßige  Landstreicherei  und  den  Menschenverkauf 
einschränkten.  Die,  welche  sich  aus  Not  verkauft,  wurden  aus¬ 
gelöst;  zur  Einschränkung  des  Kindermordes  sollten  Arme  Geld 
und  Nahrung  erhalten,  ausgesetzte  Kinder  auf  Staatskosten  er¬ 
nährt,  solche,  die  Ausgesetzte  aufnahmen,  belohnt  werden.  Die 
Beamten,  die  alles  stahlen,  konnten  jedoch  lange  nicht  zur  Aus¬ 
führung  gezwungen  werden.  Die  Kinn  im  nördlichen  Reich  zwan¬ 
gen  ebenfalls  die  nicht,  mit  Regierungserlaubnis  ermächtigten 
Mönche  zur  Rückkehr  in  die  Welt.  Die  Yuen  verboten  den  Ver¬ 
kauf  der  Kinder  als  Sklaven  und  ihre  Verpfändung,  entzogen  den 
Klöstern  die  ihnen  früher  zugeschriebenen  Bauern.  Kanghi  gebot 
40  Hiebe  für  den,  der  den  Schmutz  des  Hauses  auf  der  Strasse 
liesse. 

Die  Lepra  ist  eine  Geissei  im  Süden;  der  Volksglaube  und  Re¬ 
gierungsedikte  bezeichnen  sie  als  erblich,  unheilbar,  ansteckend, 
schändlich;  Berührung  und  Geschlechtsverkehr  als  Verbreiter.  Im 
Falle  des  Verdachtes  holen  die  Nachbarn  den  Aeltesten  eines  Lepra¬ 
dorfes  und  Aerzte,  bei  Konstatierung  wird  der  Kranke  aus  den 
Gesellschaftsrechten  ausgestossen,  Kinder  dürfen  sich  von  Eltern 
trennen,  Verlobung  und  Heirat  werden  gelöst.  Der  Kranke  hat 
sich  im  Lepradorf  (Ma-fung-tsun)  niederzulassen,  für  Arme  steuern 
die  Nachbarn  zusammen,  sich  ihrer  zu  erledigen;  das  Lepradorf 
steht  unter  dem  Aeltesten,  der  über  den  Stand  des  Asyls  an  die  Be¬ 
hörde  berichtet  und  unumschränkter  Machthaber  ist.  Manchmal 
sind  die  Geschlechter  in  getrennten  Abteilen  untergebracht;  Hei¬ 
raten  kommen  nur  unter  Kranken  gleichen  Grades  vor,  in  der 
3.  Linie  soll  die  Lepra  sich  mildern,  in  der  4.  versclrwinden.  Jedes 
Asylmitglied  soll  15 — 20  Mo  (=  3—4  Pfg.j  täglich  erhalten,  teils 
von  der  Regierung,  teils  durch  private  Stiftung,  viel  Geld  wird 
aber  von  den  Behörden  gestohlen.  Es  ist  erlaubt,  zum  Betteln 
das  Asyl  zu  verlassen.  Beim  Tode  wird  der  Körper  verbrannt. 
Ein  Arzt  soll  unentgeltlich  die  Behandlung  üben.  In  Hunan  soll 
Lepra  verschwunden  sein  durch  das  Edikt,  jeden  einzusperren  und 
lebendig  zu  verbrennen.  In  Amoy  sind  eine  Anzahl  Lokalgesetze, 
ein  eigener  Unterstützungsverein  zur  Unterbringung  ausserhalb 
der  Stadt.  Swatau  ist  der  grosse  Verladeplatz  der  nach  auswärts 
angeheuerten  Kuli,  auf  einem  der  Kulidampfer  sah  ich  bei  meiner 
Anwesenheit  dortselbst  zahlreiche  Lepröse,  obwohl  solche  nicht  ex¬ 
portiert  werden  sollen.  In  der  Stadtumgebung  heissen  zahlreiche 
Orte  „Lepradorf“,  doch  sieht  man  Gesunde  und  Lepröse  durch¬ 
einander.  In  Futshau  sind  ausserhalb  des  Ost-  und  Westtores 
Asyle,  in  jedem  in  erbärmlichen  Hütten  ungefähr  300,  sie  haben 
kleine  Läden  und  eine  Freischule.  In  Canton  waren  früher  2  Asyle, 
jetzt  nur  eines,  ungefähr  3  km  vom  südlichen  Osttor  der  alten 
Stadt,  mit  einer  Hauptstrasse,  einigen  Seitengassen,  einem  grossen 
Platz  mit  Bäumen,  Tempel,  Schule,  die  Häuser  klein,  schmutzig, 
ca.  5 — 600  verlumpte  Unglückliche.  In  der  Stadt  ist  ein  Heim  für 
Lepröse  besserer  Stände,  sie  dürfen  nur  in  dicht  geschlossenen 
Sänften  ausgehen.  Auf  dem  Fluss  sind  2  Leprabootankerstellen, 
eine  wurde  mir  unterhalb  Shamin  und  eine  in  der  östlichen  Vor¬ 
stadt  gezeigt.  Da  überall  den  Leprösen  der  Bettel  gestattet  ist, 
so  ist  die  Isolierung  illusorisch.  Auch  in  Hongkong  sieht  man 
Lepra,  die  Erkrankten  sollen  aber  nach  Konstatierung  auf  das 
Festland  evakuiert  werden,  trotzdem  wissen  sie  immer  wieder  zu 
kommen. 

Gesellschaften  für  öffentliche  Wohlfahrt,  grösstenteils  von 
Privaten,  durch  Schenkung  von  Häusern,  Grundstücken,  Geld,  teil¬ 
weise  von  den  Behörden  und  durch  öffentliche  Sammlung  unter¬ 
stützt  und  erhalten,  sind  allgemein  verbreitet.  Genaueres  erfuhr 
ich  bei  gelegentlichem  Aufenthalt  in  den  Küstenstädten  Hangtshau, 
Futshau,  Canton,  in  Shanghai  und  Sutshau,  in  den  Yangtsestädten 
Chingkiang,  Wuliu,  Kiukiang,  Hankau,  Shasi,  Kueitshau,  Tshung- 
king.  In  Peking  war  m  der  Nordwest-  und  Südwestvorstadt  ein 
Asyl  für  Greise  und  eines  für  Kinder,  früher  angeblich  unter  Auf¬ 
sicht  von  Hofbeamten,  damals  ein  schmutzstarrender  Aufenthalt 
verdächtigen  Lumpengesindels.  Durch  Privatmittel  werden  Wägen 
unterhalten,  zum  alltäglichen  Einsammeln  toter  Kinder  und  Ver¬ 
bringung  in  einen  allgemeinen  Friedhof.  Ausserdem  würden  die 
Kinder  einfach  in  Matten  gewickelt  vor  die  Mauer  gelegt,  „dem 
„himmlischen  Hund“  dargebracht,  da  die  Menschenseele  bis  zum 
8.  Jahr  unvollständig,  daher  ungeeignet  für  das  Familienbegräbnis. 
In  Ningpo  sind  längs  der  Stadtmauer  2  Türme,  durch  deren  iy2  m 
über  dem  Boden  befindliche  Fenster  tote  Kinder  hineingeworfen 
werden,  von  Zeit  zu  Zeit  wrerden  dann  die  Leichen  heraus¬ 
geräumt  und  ausserhalb  der  Stadtmauer  vergraben.  Alle 
Wohltätigkeitswerke  werden  nicht  des  edlen  Zweckes  halber 
getan,  sondern  zur  Anhäufung  von  Verdienst,  Erreichung  per¬ 
sönlichen  Vorteils  bei  der  Gottheit;  besondere  Bücher  lehren  die 
praktische  Anwendung  der  Tugend  und  die  Abrechnung  zwischen 
guten  und  bösen  Taten.  In  den  erstgenannten  Städten  finden  sich 
Asyle  für  alte  Leute,  erwerbsunfähige  Männer, 
eines  in  Hangtshau  besonders  gut;  Speiseraum,  Küche,  Schlaf¬ 
zimmer,  Arbeitsraum;  ferner  Findling-  und  Waisen¬ 
häuser:  die  neugeborenen  Kinder,  meist  Mädchen,  wTerden 
Ammen  übergeben,  die  15 — 1800  Mo  monatlich  erhalten,  können 
sie  ein  zweites  Kind  nähren,  1000  Mo  mehr  Sie  haben  die  Kinder 
2 — 4  wöchentlich  zu  zeigen,  mit  dem  2.  Lebensjahr  kommen  diese 
ins  Haus  zurück,  werden  unter  Wärterinnen  erzogen,  Knaben  zu 


28.  Oktober  1902. 


M  t'KN(  'I  lERKlt  MEDtCtNlSCÜE  WOCHENSCHRIFT. 


1825 


einem  Handwerk  und  in  die  Schule  geschickt,  Mädchen  wird  ein 
Älann  aus  dem  ärmeren  Volke  verschafft,  der  sie  als  Frau  kauft 
\  erkauf  als  Konkubinen  ist  verboten,  die  Distriktspolizei  soll  dar¬ 
über  wachen.  In  den  Asylen  soll  sich  wöchentlich  ein  Arzt  Um¬ 
sehen.  Die  Sterblichkeit  ist  enorm,  über  50  Proz.  In  anderen 

Asylen  werden  Kranke  und  Verunglückte  aufgenommen 
erhalten  etwas  Unterhalt,  meist  müssen  sie  noch  betteln  Den 
ganzen  langtse  hinauf  sind  Lebensrett  ungs°- es  eil 
schäften,  sie  unterhalten,  unterstützt  von  der  Regierung,  rote 
Boote  auf  dem  Fluss,  vorzüglich  bemannt,  rasch  und  wirksam  bei 
dt n  häufigen  Unfällen,  namentlich  in  den  Stromschnellen  oberhalb 
Itshang  eingreifend;  bei  Ertrunkenen  werden  Wiederbelebungs¬ 
versuche  gemacht,  Gerettete  erhalten  Nahrung  und  Kleidun-  bei 
Krankheit  freie  Medizin  und  Verpflegung,  10-20  Cent  tüi  jeden 
lhImE?fTegeS/a?  ,der  Heiuiat.  Die  Rettungsboote  er¬ 
halten  1000  Mu  für  jeden  Lebenden,  500  für  jeden  Toten  dieser 
wird  beerdigt  Grosse  Vereine  unterstützen  tugendhafte 
W  itwen,  sie  bringen  sie  entweder  samt  Verpflegung  in  Häusern 
unter  oder  geben  ihnen,  z.  B.  in  Futshau  die  Gesellschaft  im 

^lieIwnte^ni)e1’,  4r5(-0^Iu  monatlich,  auf  Lebenszeit  odnr,  wenn 
sie  einen  Sohn  haben,  bis  zu  dessen  IG.  Lebensjahr,  heiratet  er 

bekommt  er  4-5000  Mo,  stirbt  de  Witwe,  wird  Begräbnis  und  ein 
Zuschuss  an  die  Hinterbliebenen  bezahlt.  Die  kostenlose  Liefe- 
mng  von  Sargen,  Bestattung,  Begräbnisplatz  für  Arme  ist  Zweck 
grosser  Vereine,  die  ausserdem  beiseite  gestellte  Särge  und  auf¬ 
gedeckte  menschliche  Gebeine  bestatten.  Freie  Schulen  wei¬ 
den  unterhalten  zum  Unterricht  der  Knaben,  so  ist  es  möglich 
dass  fast  jeder  etwas  lesen  und  schreiben  kann.  Es  werden 
m  o  r  a  i  i  s  c  h  e  Bücher  unter  das  Volk  verteilt,  so  namentlich 
}?u  Staatsexamenskandidaten  Schriften  gegen  den  Mädchenmord 
hiergegen  erscheinen  auch  Edikte.  Einige  Vereine  beschäftigen 
sich  mit  Unterstützung  der  Behörden  mit  der  U  nterd  r  ü  c  k  u  n  - 
unmoralischer  Bücher.  Schwangere  Frauen  erhalten 
Bücher  über  das  Verhalten  bei  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Kindespflege.  Die  organisierten  Bettlergilden  bekommen 
Abfindungssummen,  um  Aermere  nicht  zu  belästigen  ihre  Mit¬ 
glieder  werden  in  Häusern  untergebracht.  Unglücklich  Ver¬ 
armten  schiessen  Geldinstitute  zinsenlos  Summen  vor  so  in 
Tshungking  bis  zu  50' 0  Mo,  in  100  Tagen  in  5  tägigen  Raten  zu- 
luckzahlbai.  Ebenso  werden  zinsenlose  Vorschüsse  für  Heirat 
und  Begrabniss  geleistet.  Bei  Ueberschwemmung  und  Brand  er- 
'''c* t0“ , .  besondere  Vereine  Mattenhäuser  für  die  Betroffenen. 
Oeftenthche,  freie  Hospitäler,  genannt  Schi-i-King-Keuli  in 
Kreisstadt  vorhanden,  von  den  Behörden  mit  unter¬ 
stützt,  sind  mir  in  Hangtsliau,  Shanghai,  Sutshau,  Tshungking  und 
Tshengtu,  der  Hauptstadt  von  Szecliuen,  gezeigt  worden.  In 
Canton  ist  ein  Heim  für  Blinde,  in  Tshungking  und  Hankau 
sind  2  Apotheken  und  einige  Drogerien,  in  denen  kostenlos 
Medizin  verabreicht  wird;  die  kostenlose  Arzneiverteilung  im 
Sommer,  namentlich  gegen  Malaria  und  Dysenterie,  ist  allgemein 
von  Vereinen  und  Behörden  geübt;  längs  der  Landstrassen  und  in 
den  Städten  stehen  Mattenhäuschen,  darinnen  ein  grosser  irdener 
Topf  mit  Thee,  oder  Thee  mit  einer  adstringierenden  Arznei  ge¬ 
mischt,  für  die  durstigen  Arbeiter.  Ebenso  werden  im  Winter 
alte  wattierte  Kleider  und  Decken  verteilt  an  Bedürftige,  speziell 
auch  an  die  Gefangenen.  Bei  grosser  Kälte,  Hungersnot,  Ueber¬ 
schwemmung,  wie  voriges  Jahr  ich  im  Yangtsetal  bewiesen  sah, 
wird  überall  gesammelt,  der  Hof  und  die  Gouverneure  steuern 
grosse  Summen,  es  werden  Suppenküchen  errichtet,  Reis, 
Thee,  Brot  verabreicht,  Regierungs-  und  Privatspeicher  geöffnet 
und  den  von  der  Polizei  festgestellten  Bedürftigen  die  Vorräte 
ausgeteilt.  Im  \\  inter  bestehen  solche  Suppenküchen  durch 
3  Monate,  in  Tshungking  soll  eine  Gesellschaft  im  ersten  Monat 
des  Jahres  an  50  arme  Männer  und  100  arme  Witwen  Beträge  bis 
zu  1500  Mo  zahlen.  Noch  2  Arten  von  Wohltätigkeit  sind  auf- 
zufuhren:  Die  eine  ist  ein  Asyl  für  Tiere  im  Tempel  Yuing- 
sce  bei  Hangtshau:  die  Tiere  sollen  bei  der  nächsten  Seelen  wande- 
lung  durch  die  Heiligkeit  des  Tempels  Männer  werden.  Die 
andere  ist  die  hochwichtige  Erbauung  von  Pagodent  ti  r  m  e  n 
durch  den  Kaiser,  hohe  Beamte,  Reiche  oder  öffentliche  Subskrip¬ 
tion,  zur  Beeinflussung  des  Fong-Sliue  (Wind  und  Wasser),  der 
dämonischen  Einwirkung  unangreifbarer,  allgegenwärtiger,  all¬ 
mächtiger  Naturkräfte,  Bringer  von  Epidemien  und  Unglück,  aber 
auch  von  allem  Glück;  durch  die  Pagode  wird  das  Fong-Sliue 
günstig  gestimmt. 


Badchäuscr  findet  man  zahlreich  in  grossen  und  kleinen 
Städten.  Das  Bad  kostet  6-10  Mo.  Im  Eingang  des  Hauses  ist 
ein  grosser  Raum  mit  Schränken,  zum  Aufheben  der  Kleider,  der 
Besucher  erhält  hier  ein  Handtuch.  In  der  neueren  Art  der  Bade¬ 
hauser  (nur  in  den  fremden  Niederlassungen)  steht  im  Badezimmer 
ein  grosser  irdener  Topf,  der  mit  lieissem  Wasser  gefüllt  wird, 
zum  Vonbad  oder  Sitzbad.  Die  ältere,  gewöhnliche  Art  enthält 
mi  Badezimmer  eine  seichte,  viereckige  Vertiefung  aus  Ziegeln 
oder  Marmor,  in  den  Boden  eingekittet  mehrere  grosse  eiserne 
Kessel,  die,  mit  Wasser  beschickt,  von  unten  geheizt  werden,  man 
sitzt  auf  Pfosten  darüber  und  wäscht  sich  in  den  aufsteigenden 
YVasserdämpfen;  das  Wasser  wird  höchstens  2  mal  täglich  er¬ 
neuert,  die  Anstalt  nur  von  Männern  benützt.  Jede  Art  kalten 
Bades  gilt  als  gesundheitsgefährlich. 

Zum  Schlüsse  einige  Gesundheitssprüche  aus  dem  Nei-kin: 
Nimm  Speise,  wenn  du  Bedürfnis  hast,  im  Alter  ist  es  geringer, 
reize  es  nicht.  —  Nimm  bei  gutem  Appetit  nicht  mehr  Nahrung  als 
billig.  —  Oftmaliges  Waschen  zerstört  oder  mindert  die  Lebens¬ 


kraft.  _  Der  ganze  Zimmerboden  soll  nicht  geheizt  sein.  — 
Nichts  schadet  mehr  als  Zorn.  —  Tiefes  und  ernstes  Nachdenken 
dauere  nicht  zu  lange.  —  Unter  den  4  Jahreszeiten  ist  der  Winter 
lur  Alte  und  Schwache  am  besten.  Lebe  im  Frühling  an  einem 
massig  warmen  Ort  ruhig  und  heiteren  Gemütes.  Bleibe  im 
Sommer  an  kühlen  Plätzen  und  bewege  dich  nicht  zu  heftig.  Ge- 
niesse  im  Herbst  ölige,  saftige  Speisen  und  mache  dir  viel  Be¬ 
wegung. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Thomas-Pessar.  Um  den  Vorteil  des  verdickten  Bügels 
des  Thomaspessar  mit  der  Biegsamkeit  der  Celluloidpessare”  zu 
vereinigen,  habe  ich  mir  ein  gewöhnliches  ringförmiges  Celluloid¬ 
pessar  in  der  Weise  lierricliten  lassen,  dass  ich  ein  Viertel  des 
Kreisbogens  mit  Celluloidmasse  verdicken  liess.  Legt  man  dies 
Pessar  in  kochendes  Wasser,  so  kann  man  ihm  jede  beliebige  Form 
nach  dem  Erweichen  geben.  Dies  ist  ein  grosser  Vorteil  gegen¬ 
über  den  starren  aus  Hartgumi  gefertigten  Thoniaspessaren,  die 
sich  sicher  einer  grösseren  Beliebtheit  erfreuen  würden,  wenn  das 
einzelne  Exemplar  eine  grössere  Variabilität  der  Gestalt  erlaubte. 

Die  Pessare  sind  beim  Bandagisten  F  u  c  h  s  in  Lüneburg  zu 
haben.  Dr.  Hildebrandt  -  Lüneburg. 

DDr.  S.  Drago  und  A.  M  o  1 1  a  C  o  c  o,  Assistenten  am 
pathologisch-anatomischen  Institut  der  Universität  Catania  stellten 
klinisch-experimentelle  Untersuchungen  über 
die  Wirkung  des  T  h  i  o  c  o  1  s  und  des  Sirolins  an,  aus 
welchen  sie  scliliessen,  dass  die  beiden  Mittel  in  der  Therapie  der 
Tuberkulose  hohe  Beachtung  verdienen.  Sie  übertreffen  das  Kreo¬ 
sot  und  Guajakol  durch  die  völlige  Geruch-  und  Reizlosigkeit,  die 
leichte  Assimilierbarkeit  und  hauptsächlich  durch  den  wohltätigen 
Einfluss  auf  den  lokalen  Prozess,  die  Beeinflussung  der  per¬ 
kutorischen  und  auskultatorischen  Erscheinungen,  des  Hustens, 
des  Fiebers,  der  Nachtschweisse.  Die  Tuberkelbazillen  nehmen 
unter  der  Thiocolbeliandlung  an  Zahl  immer  mehr  ab,  nehmen 
die  spezifische  Färbung  schlecht  an  und  weisen  eine  Granulierung 
auf;  mit  dem  Sputum  von  mit  Tliiocol  behandelten  Kranken  ge¬ 
impfte  Meerschweinchen  wiesen  keinerlei  tuberkulöse  Erschei¬ 
nungen  auf  und  zeigten  auch  bei  der  Sektion  keinerlei  tuberku¬ 
löse  Veränderungen.  Die  experimentellen  Untersuchungen  an 
Tieren  ergaben,  dass  das  Tliiocol  die  Blutbeschaffenheit  günstig 
beeinflusst,  indem  die  Eiweisskörper  des  Plasmas  beträchtlich  zu¬ 
nehmen,  und  das  prozentuale  Verhältnis  zwischen  Serumglobulin 
und  Serumalbumin  sich  zu  Gunsten  des  letzteren  ändert.  Die  Zahl 
der  roten  Blutkörperchen  und  die  Hämoglobinmenge  wird  erhöht, 
die  Leukocyten  nehmen  auf  Kosten  der  Polynukleären  zu,  die  Iso- 
tonie  und  die  Alkaleszenz  des  Blutes  wurden  gesteigert.  Die  Dar¬ 
reichung  der  Mittel  geschah  entweder  bei  Tliiocol  in  Pulvern  von 
0,3—0, 5  pro  dosi  und  1,0— 5,0  pro  die,  oder  bei  Sirolin  in  Dosen 
von  2 — 6  Tlieelöffeln  tägl.  (Klin.-therap.  Wochensclir.  1902,  No.  31 
11  ■  32.  —  Experimentelle  und  klinische  Versuche  an  der  III.  medizini¬ 
schen  Abteilung  des  k.  k.  allgemeinen  Krankenhauses  in  Wien  er¬ 
gaben  gleichfalls,  dass  das  Tliiocol  und  Sirolin  infolge  ihrer  Vor¬ 
teile  gegenüber  allen  Kreosotderivaten,  besonders  durch  ihre  Un¬ 
giftigkeit,  Appetit  und  Verdauung  fördernde,  Fieber,  Nacht¬ 
schweisse  und  vor  allem  den  Lokalprozess  günstig  beeinflussende 
Wirksamkeit  als  die  derzeit  besten  Guajakolpräparate  bei  Phthise 
zu  bezeichnen  und  zu  empfehlen  sind,  und  zwar  vor  allem  bei  be¬ 
ginnender  Phthise,  aber  auch  gegen  die  Symptome  schwerster 
Lungentuberkulose  und  besonders  bei  Komplikation  mit  Darm¬ 
tuberkulose.  Das  Tliiocol  wurde  hier  in  Pulver  oder  in  Tabletten 
ä  0,5,  pro  die  3,0  bis  6,0  gegeben,  vom  Sirolin  3— 5  mal  täglich  ein 
Kaffeelöffel.  Widerwille,  Intoleranz  oder  unangenehme  Neben¬ 
wirkungen  traten  nie  auf,  dagegen  zeigte  sich  seiir  rasch  eine  be¬ 
deutende  Hebung  des  Appetits  als  erste  und  konstanteste  Wirkung. 
(Fuchs:  Klinisch-therapeutische  Erfahrungen  über  Tliiocol  und 
Sirolin.  Wiener  klin.  Rundschau  1902,  No.  21  u.  22.)  R.  S. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  28.  Oktober  1902. 

—  Am  19.  ds.  wurde  in  Nürnberg  der  von  der  „Nürnberger 
medizinischen  Gesellschaft  und  Poliklinik“  errichtete  Neub  a  u 
der  Poliklinik  durch  eine  würdige  Feier  eingeweiht.  Der 
Vorsitzende  Dr.  Flat  a  u  hielt  eine  glänzende  Festrede,  eine  von 
dem  Schriftführer  Dr.  F  r  ankenburge  r  verfasste  Festschrift 
schildert  die  Gründung  und  das  bisherige  24  jährige  Wirken  der 
Poliklinik.  Der  schmucke,  von  Architekten  Prof.  J.  Schmitz 
entworfene  Bau  enthält  Warteräume,  Sprechzimmer,  Labora¬ 
torium,  Operationszimmer,  Bibliothek  und  Sitzungssaal.  Der  Bau 
bildet  die  Krönung  langjähriger,  selbstloser  Arbeit  der  medi¬ 
zinischen  Gesellschaft  im  Dienste  der  Wissenschaft  und  der 
Humanität.  Die  Gesellschaft  kann  auf  den  erzielten  Erfolg  mit 
Recht  stolz  sein. 

—  Das  k.  bayer.  Staatsministerium  des  Innern  hat  die  hohe  Be¬ 
deutung,  welche  es  der  Verbesserung  der  Wohnungsverhiiltuisse 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


für  die  Wohlfahrt  der  Bevölkerung  beimisst,  von  Neuem  dadurch 
bewiesen.  dass  sie  im  Finanzgesetz  für  die  kommende 
XXVI.  Finanzperiode  den  Betrag  von  300  000  M.  für  Zwecke  der 
F  ö  r  d  e  r  u  11  g  d  e  r  W  ohnungspflege  vorgesehen  hat.  Nach 
den  Motiven  zum  Entwürfe  dieses  Gesetzes  können  aus  diesen 
Mitteln  vor  Allem  einzelnen  Gemeinden  Zuschüsse  gewährt  wer¬ 
den,  wenn  die  Durchführung  der  Wohnungsaufsicht  und  insbe¬ 
sondere  die  Veranstaltung  umfassender  Wohnungserhebungen 
namentlich  in  den  grösseren  Städten  beträchtlichere  Kosten  ver¬ 
ursachen.  Den  Vereinen  und  Genossenschaften,  die  sich  die  Ob¬ 
sorge  für  Wohnungen  zur  besonderen  Aufgabe  machen,  können 
zwar  staatliche  Zuwendungen  für  ihre  Bautätigkeit  nicht  in  Aus¬ 
sicht  gestellt  werden;  insoweit  jedoch  auf  die  Begründung  und 
Befestigung,  Ausgestaltung  und  Förderung  solcher  Vereinigungen 
erheblichere  Ausgaben  erwachsen,  ist  es  ermöglicht,  auch  nach 
diesen  Richtungen  dem  gemeinnützigen  Wirken  für  das  Wohnungs¬ 
wesen  mit  Beiträgen  des  Staates  entgegenzukommen  und  Vor¬ 
schub  zu  leisten.  Der  Stadtgemeinde  München  wurde  zur  Durch¬ 
führung  einer  allgemeinen  Wohnungserhebung  ein  angemessener 
Staatszuschuss  in  Aussicht  gestellt,  so  dass  zu  erwarten  steht, 
dass  die  Veranstaltung  einer  Wohnungsenquete  in  München  nun¬ 
mehr  in  Bälde  in  Gang  gebracht  werde. 

—  Das  Museum  für  A  r  b  e  i  t  e  r  -  Wohlfahrtsein¬ 
richtungen  in  München  (Kegelhof  3  in  der  Au),  eine  nach 
ihrer  hygienischen  Bedeutung  von  den  Aerzten  kaum  genügend 
gewürdigte  und  gekannte  Anstalt,  hat  mit  der  Herausgabe  einer 
illustrierten  Beschreibung  ausgewählter  Ausstellungsgegenstände 
des  Museums  begonnen.  Von  dieser  Beschreibung  sind  bis  jetzt 
3  Bogen  erschienen,  welche  die  Schutzvorrichtungen  beim  Dampf¬ 
betrieb  (Wasserstandssicherungen,  Kontroll-  und  Warnapparate, 
Manometer,  Absperrventile  u.  a.  m.)  behandeln.  Die  Beschreibung 
wird,  soweit  der  Vorrat  reicht,  an  den  regelmässigen  Besuchstagen 
—  jeden  ersten  und  dritten  Sonntag  im  Monate,  Vormittags  von 
10  bis  12  Uhr  —  im  Museum  an  Interessenten  abgegeben,  auch 
kann  dieselbe  durch  das  Museumsbureau  bezogen  werden. 

—  Anlässlich  des  am  9.  Januar  1903  zu  feiernden  Geburtstages 
Friedrich  v.  Esmarchs  beabsichtigt  ein  Komitee,  an  dessen 
Spitze  Prinz  Heinrich  von  Preussen,  Prinz  Ludwig  Ferdinand 
von  Bayern  und  Herzog  Karl  Theodor  in  Bayern  stehen,  die  Er¬ 
richtung  eines  Denkmals  in  Esmarchs  Vaterstadt  Tönning. 
Es  ergeht  daher  an  alle  Verehrer,  Berufsgenossen  und  Schüler 
des  hochverdienten  Chirurgen  der  Ruf,  Beiträge  für  diesen  Zweck 
zu  leisten.  Der  Geschäftsausschuss  des  Esmarcli-Denkmal- 
Komitees  besteht  aus  den  Herren  E  h  r  i  c  li,  Bürgermeister, 
A.  Davids  und  Dr.  Thran  in  Tönning.  Beiträge  sind  unter 
dem  Vermerk  „Esmarch-Denkmal“  zu  senden  an  die  Reichsbank¬ 
hauptstelle  in  Kiel  oder  an  die  Städtische  Spar-  und  Leilikasse  in 
Tönning.  Näheres  siehe  auf  dem  Umschlag  dieser  Nummer. 

_ Die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfu  n  g 

der  Geschlechtskrankheiten  ist  am  19.  ds.  durch  die 
konstituierende  Versammlung  im  Berliner  Rathaus  begründet  wor¬ 
den.  Zum  Vorsitzenden  wurde  Neisser  -  Breslau,  zum  stell¬ 
vertretenden  Vorsitzenden  Besser-  Berlin  und  zum  General¬ 
sekretär  Blascliko- Berlin  gewählt.  Die  Gesellschaft  zählt 
bereits  700  Mitglieder. 

_  Die  33.  Versammlung  der  südwestdeutschen  Irrenärzte 

findet  am  1.  und  2.  November  in  Stuttgart  statt.  Beginn  der  Ver¬ 
sammlung  am  Samstag  den  1.  November,  Nachmittags  2 y3  Uhr  im 
Vortragssaal  des  k.  Landesgewerbemuseums.  Geschäftsführer 
sind  die  Herren  Sanitätsräte  Dr.  Wilder  muth  und  Dr.  F  aus  er. 

—  C  li  o  1  e  ra.  Russland.  Nach  den  im  Regierungsanzeiger 
vom  9.  Oktober  veröffentlichten  amtlichen  Mitteilungen  sind  im 
Amurbezirke  vom  29.  September  bis  5.  Oktober  22  Neuerkran¬ 
kungen  an  der  Cholera  vorgekommen.  Im  Ganzen  sind  im  Amur¬ 
bezirk  seit  dem  Ausbruch  der  Seuche  11S3  Personen  an  der  Cholera 
erkrankt;  davon  entfielen  888  —  75  Proz.  auf  die  drei  bedeutend¬ 
sten  Städte  des  Gebiets:  Blagowesclitsehensk,  Wladiwostok  und 
Chabarowsk.  Im  Kwantungbezirke  sind  vom  28.  September  bis 
1.  Oktober  nur  in  Fort  Arthur  5  Personen  und  in  Dalnij  1  Ferson 
an  der  Cholera  erkrankt,  im  Ganzen  sind  in  diesen  beiden  Städten 
vom  13.  Juli  bis  1.  Oktober  1015  Cholerafälle  beobachtet.  —  Türkei. 
In  Syrien  dringt  die  Cholera  von  Süden  in  der  Richtung  auf 
Jerusalem  vor.  Einer  Mitteilung  vom  0.  Oktober  zufolge  war  die 
Seuche  zunächst  in  2  Ortschaften,  die  4 — 0  Stunden  von  Gaza  ent¬ 
fernt  liegen,  festgestellt.  Jn  Gaza  selbst  wurde  zunächst  eine  auf¬ 
fallend  iiohe  Sterblichkeit  beobachtet  und,  nachdem  gegen  dessen 
Herküufte  eine  10  tägige  Quarantäne  angeordnet  war,  wurde  dort 
am  18.  Oktober  die  Cholera  amtlich  festgestellt;  2  Tage  vorher  war 
schon  in  Lydda  bei  Randeh  die  gleiche  Feststellung  erfolgt.  Der 
Verkehr  zwischen  Jaffa  und  Ramleli  war  zufolge  einer  Mit¬ 
teilung  vom  18.  Oktober  unterbrochen.  Die  Angabe,  dass  in 
Hauran  Cholerafälle  •  vorgekommen  seien,  wird  neuerdings  be¬ 
stritten.  In  Hodeida  sind  einer  Mitteilung  vom  5.  Oktober  zufolge 
25  Erkrankungen  und  21  Todesfälle  festgestellt.  In  Medina  ist 
am  28.  September  unter  den  Soldaten  ein  Choleratodesfall  vor- 
aekommen.  —  Aegypten.  In  der  Woche  vom  30.  September  bis 
6.  Oktober  sind  nach  dem  Berichte  des  Generaldirektors  des  Ge¬ 
sundheitswesens  1971  Ortschaften  verseucht  gewesen,  aber  nur 
noch  1571  Erkrankungen  (und  1546  Todesfälle)  an  der  Cholera 
zur  Anzeige  gelangt,  d.  i.  2451  (2047)  weniger  als  in  der  Woche 
vorher.  Von  den  Choleratodesfällen  der  letzten  Berichtswoche 
ereigneten  sich  668  in  den  Krankenhäusern,  87S  ausserhalb  der¬ 
selben.  —  Japan.  Nach  einer  Bekanntmachung  des  Ministeriums 
des  Innern  waren  bis  zum  29.  August  in  Alt-Japan  4329  Erkran¬ 
kungen  an  asiatischer  Cholera  vorgekommen,  von  denen  jedenfalls 
1650  tödlich  endeten.  Hierzu  kommen  uoch  213  Fälle,  die  bis 


zum  26.  August  auf  Formosa  festgestellt  sind  und  von  denen  133 
einen  tödlichen  Ausgang  nahmen. 

—  Pest.  Russland.  In  der  Zeit  vom  30.  September  bis 
7.  Oktober  wurden  in  Odessa  5  neue  Erkrankungen  und  1  Todesfall 
an  der  Pest  festgestellt.  —  Aegypten.  Am  11.  Oktober  wurde  in 
Alexandrien  ein  neuer  Pestfall  festgestellt.  —  Britisch-Ostindien.  In 
der  Präsidentschaft  Bombay  sind  vom  21.  bis  27.  September  9931 
Erkrankungen  (und  7443  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  Anzeige  ge¬ 
langt,  d.  i.  682  (712)  mehr  als  während  der  W'oche  vorher.  Aus 
der  Stadt  Bombay  waren  78  (63),  aus  Stadt  und  Hafen  Karachi 
39  (13)  Fälle  gemeldet. 

—  In  der  41.  Jahreswoche,  vom  5.  bis  11.  Oktober  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Beuthen  mit  39,1,  die  geringste  Schöneberg  mit  6,8  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Dortmund,  Kiel,  an  Diphtherie 
und  Krupp  in  Borbeck,  Bromberg,  Elberfeld,  Königsberg. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Iiochschulnachrichten.) 

M  ü  nche  n.  An  Stelle  des  verstorbenen  Prof.  Hans  Buch- 
n  e  r  wurde  Hofrat  Prof.  Max  G  r  u  b  e  r  zum  ordentlichen  Mitglied 
des  k.  Obermedizinalausschusses  ernannt. 

Strassbur  g.  Herr  Dr.  med.  Richard  T  h  o  in  e  habilitierte 
sich  für  Anatomie  mit  einer  öffentlichen  Antrittsvorlesung  über 
das  Thema:  ,,Der  Bau  der  Lymphdrüsen“. 

Baltimore.  Der  Professor  der  Anatomie  Dr.  Randolpli 
W  i  n  s  1  o  w  wurde  zum  Professor  der  Chirurgie  an  der  University 
of  Maryland  ernannt. 

Belfast.  Dr.  T.  IT.  Milroy  wurde  zum  Professor  der 
Physiologie  ernannt. 

Kasan.  Habilitiert:  Dr.  V.  Wladimir  off  für  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie. 

Lausan  n  e.  Dr.  A.  II  o  u  d  wurde  zum  ausserordentlichen 
Professor  der  Anatomie  ernannt. 

Neapel.  Habilitiert:  Dr.  A.  Capuldi  für  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie. 

Philadelphia.  Dr.  H.  M.  Christian  wurde  zum  Pro¬ 
fessor  der  Krankheiten  der  Harn-  und  Geschlechtsorgane  an  der 
Philadelphia  Poliklinik  ernannt. 

T  o  m  s  k.  Habilitiert:  Dr.  S.  Tsc  h  u  gunoff  für  Chirurgie. 

T  u  r  i  n.  Habilitiert:  Dr.  E.  Berta  relli  für  Experimental¬ 
hygiene. 

Wien.  Habilitiert:  Dr.  Julius  Zappert  als  Privatdozent 
für  Kinderheilkunde. 

(Todesfälle.) 

Am  17.  ds.  starb  in  Kiel  der  ausserordentliche  Professor  für 
gerichtliche  Medizin  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Johannes  Bockeudahl, 
75  Jahre  alt. 

Dr.  A.  Castro,  Professor  der  chirurgischen  Klinik  zu 
Buenos-Ayres. 

Dr.  Melitön  Gonzalez  del  Solar,  Professor  der  Hygiene 
zu  Buenos-Ayres. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Philipp  Klingel,  approb.  1894,  in  Nürn¬ 
berg.  Eugen  Schlesinger,  approb.  1900,  in  Nürnberg.  Dr.  Hans 
Eisert,  approb.  1902,  zu  Würzburg.  Dr.  Johannes  V  e  1 1  u  n  g, 
approb.  1S79,  zu  Würzburg. 

Gestorben:  Dr.  Theodor  Gaggel  in  Miltenberg,  63  Jahre 
alt.  Dr.  Joli.  Biiclel  in  Oberstaufen,  54  Jahre  alt. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  41.  Jahreswoche  vom  5.  bis  11.  Oktober  1902. 
Beteiligte  Aerzte  145.  —  Brechdurchfall  11  (16*),  Diphtherie  u. 
Krupp  15  (10),  Erysipelas  11  (5),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  (1),  Kindbettfieber  —  (  — ),  Meningitis  cerebrospin.  —  ( — ), 

Morbilli  28  (27),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  1  (4),  Parotitis 
epidem.  —  (1),  Pneumonia  crouposa  10  (10),  Pyämie,  Septikämie 
1  (1),  Rheumatismus  art.  ac.  15  (8),  Ruhr  (Dysenteria)  1  ( — ), 
Scarlatina  5  (7),  Tussis  convulsiva  29  (28),  Typhus  abdominalis  2 
(4),  Varicellen  9  (2),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  1  (1). 
Summa  139  (124).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Müller. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  41.  Jahreswoche  vom  5.  bis  11.  Oktober  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  4  (4*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Krupp  —  (1),  Rotlauf  —  (1),  Kindbettfieber  1  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  ( — ),  Brechdurchfall  6  (7),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  5  (3),  Kruppöse  Lungenentzündung  2(1),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  33  (24),  b)  der  übrigen  Organe  7  (10),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
4  (3),  Unglücksfälle  4  (2),  Selbstmord  3  (6),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  236  (242),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  24,3  (24,9),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  15,6  (12,9). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mülilthaler's  Buch-  und  kunstdruckerw  A.G.,  München. 


Die  Munch.  Med  Wochenscbr.  erscheint  wöchentl 
ln  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Botren 
Preis  in  Deutsch!,  u  Oest.-Üngarn  vlertelifthrl.  6  JC 
ms  Ausland  8. —  M..  Einzelne  No.  80  -d. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstrasse  26.  —  Für  Abonnement  an  J.  F.  Leh- 
mann,  Heustrasse  20.  —  Für  Inserate  und  Beilagen 
an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16. 


MEDHMISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0,  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0,  Bollinger,  H.  Curschmann,  W.  v,  Leube,  G.  Merkel, 

München.  Freiburg  1,  B.  München.  Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg 


J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt, 

Berlin.  Erlangen. 


NO.  44.  4.  November  1902,  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 

Verlag:  J.  P.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


H. ».  Ranke,  F.  y,  Winckel, 

München.  München. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  staatlichen  hygienischen  Institute  zu  Hamburg 
(Prof.  Dr.  Dunbar). 

Lieber  Zellgifte  und  Schutzeinrichtungen  im  mensch¬ 
lichen  Organismus.*) 

Von  Dr.  Wolfgang  Weichardt,  Assistent  am  Institute. 

Nachdem  der  Unterschied  zwischen  aktiver  und  passiver 
Immunisierung  und  zwischen  antitoxischen  und  bakteriziden 
Seris  erörtert  worden,  so  dürften  Sie  auf  Grund  der  E  h  r  1  i  c  h  - 
sehen  Iheone  nunmehr  auch  die  komplizierteren  Vorgänge  ver¬ 
stehen,  welche  an  die  neueren  und  neuesten  biologischen  For¬ 
schungen  auf  diesem  auch  für  die  Praxis  mehr  und  mehr  wich¬ 
tigen  Gebiete  anknüpfen. 

Lm  die  Wirkung  der  bakteriziden  Sera  sicherer  zu  gestalten, 
fügte  W  assermann,  wie  wir  oben  sahen,  den  einzuverleiben¬ 
den  Zwischenkörpern  grosse  Quantitäten  bestimmter  Kom¬ 
plemente  zu. 

Leider  gehen  diese  Komplemente  im  Körper  infolge  von 
Antikomplementbildung  oder  Verankerung  an  indifferente 
Körperzellen  zumeist  zu  Grunde.  Daher  verdient  der  Vorschlag 
Ehrlichs  Beachtung :  Möglichst  grosse  Mannigfaltigkeit  von 
Amboceptoren  zu  erzielen  durch  Behandlung  der  verschie¬ 
densten  Tierspezies,  damit  die  Amboceptoren  möglichst  grosse 
Chancen  haben,  passende,  natürlich  vorkommende  Komplemente 
in  dem  passiv  zu  immunisierenden  Organismus  zu  finden. 

Es  dürfte  z.  B.  ein  bakterizides  Affenserum  sicherlich  vor 
allem  bei  der  Gattung  homo  sapiens  ein  passendes  Komplement 
finden ! 

Obigem  V orschlage  Ehrlichs  folgend,  hat  Römer  ein 
bakterizides  Pneumokokkenserum  dargestellt,  welches  er  bei 
Ulcus  corneae  verwendet.  Diese  Erkrankung  beruht  bekanntlich 
auf  Invasion  von  Pneumokokken.  Jedoch  kann  bei  Ergriffen¬ 
sein  einer  so  minimalen  Partie  des  Körpers  keine  merkliche 
Antikörperbildung  stattfinden,  nicht  entfernt  so  wie  bei  lobärer 
Pneumonie,  wo  sie  uns  unter  dem  Bilde  der  Krisis  entgegentritt. 
Daher  ist  ein  Zufügen  von  Antitoxin  bei  Ulcus  corneae  durch¬ 
aus  zweckmässig. 

Die  Antitoxine  sind,  wie  wir  bereits  gesehen  haben,  ab- 
gestossene  Atomgruppen  —  Receptoren.  E  h  r  1  i  c  li  nennt  diese 
freien  abgestossenen  Receptoren  ILaptine.  Er  unterscheidet 
Uniceptoren  und  Amboceptoren. 

Zu  ersteren  gehören: 

1.  Die  Haptine  erster  Ordnung,  die  Antitoxine,  welche  re¬ 
lativ  einfach  gebaut  sind  und  die  haptophoren  Gruppen  der  To¬ 
xine  verankern. 

2.  Die  Haptine  zweiter  Ordnung,  die  Koaguline,  Präzipi¬ 
tine  und  Agglutinine.,  Diese  sind  komplizierter  gebaut  und  be¬ 
stehen  aus  einer  haptophoren  Gruppe,  welche  verankert,  und 
einer  zymophoren,  welche  die  Zerlegung  der  Eiweisstoffe  ein¬ 
leitet. 


*)  Nach  einem  Vortrage,  gehalten  am  30.  Sept.  1902  in  der 
biologischen  Abteilung  des  ärztlichen  Vereines  zu  Hamburg.  Der 
Abdruck  des  ersten  Teiles  dieses  Vortrages,  in  dem  die  elemen¬ 
taren  Tatsachen  der  Immunitätslehre  erörtert  wurden,  ist  absicht- 
iQn  unterlassen  worden,  weil  er  sich  zum  Teil  mit  der  in  No.  52 
1901  dieser  Wochenschr.  veröffentlichten  Arbeit  des  Autors:  „Mo¬ 
derne  Immunitätslehre“  decken  würde. 

No.  44. 


Die  Cytolysine,  Hämolysine  und  Bakteriolysine  besitzen 
die  Amboceptoren  —  früher  Immunkörper  genannt  —  als  spe¬ 
zifisches  Agens.  Sie  reihte  Ehrlich  unter  die  Haptine  dritter 
Ordnung  ein.  Ihr  Bau  ist  noch  komplizierter:  Die  Amboceptoren 
haben  die  Fähigkeit,  zunächst  die  fermentartig  wirkenden  Kom¬ 
plemente  des  normalen  Blutes  an  sich  zu  reissen  und  dadurch 
die  verankerten  Stoffe  weiter  zu  zerlegen. 

Metschnikoff  stellt  sich  nun  vor,  dass  die  Ambo¬ 
ceptoren  —  Fixateure,  wie  er  sie  nennt  —  sich  an  die  Bakterien 
fixieren  und  sie  dadurch  geeignet  machen  für  die  Phagocytose, 
die  durch  die  Amboceptoren  selbst  mächtig  angeregt  wird. 

Die  Zerstörung  der  grossen  Protoplasmamoleküle  braucht 
übiigens  nicht  in  den  Körpersäften  vor  sich  zu  gehen,  sondern 
kann  im  Innern  der  Leükoeyten  erfolgen.  Die  dies  bewirkenden 
Kräfte,  die  Makrocytase  und  Mikrocytase,  welche  nach 
Metschnikoff  erst  beim  Tode  der  Leükoeyten  frei  werden, 
konnte  Metschnikoff  isolieren  und  ihre  Wirkungen  ge¬ 
nauer  studieren. 

Gestatten  Sie  mir  nunmehr  auf  die  Art  und  Weise,  wie  sich 
die  Toxine  an  die  Körperzellen  zu  verankern  pflegen,  einzugehen. 

V  asserma  n  n  fand,  dass  1  rösche,  denen  er  Tetanus¬ 
toxin  injiziert  hatte,  bei  8 "  C.  überhaupt  nicht  an  Tetanus  er¬ 
krankten,  wohl  aber,  sobald  er  die  Temperatur  auf  32°  erhöhte. 
Also  ist  die  \  erankerung  der  haptophoren  Gruppe  je  nach  der 
Temperatur  unter  Umständen  eine  verschiedene. 

Bei  cytolytischen  Seris  kann  die  Avidität  des  Amboceptors 
zui  Zelle  dadurch,  dass  sich  Komplemente  an  ihn  ketten,  ver¬ 
mehrt  werden. 

Sind  mehr  Amboceptoren  vorhanden,  als  sich  an  die  Zelle 
ketten  können,  so  sind  bei  gewissen  Aviditätsverhältnissen  die 
freien  Amboceptoren  im  stände,  die  Komplemente  in  Beschlag 
zu  nehmen.  N  e  i  s  s  e  r  und  W  echsberg'  haben  diese  Ver¬ 
hältnisse  zuerst  genauer  studiert  und  gezeigt*  dass  so  durch  ein 
Zuviel  des  bakteriziden  Serums  dessen  Wirkung  abgeschwächt 
wird  (Komplementablenkung). 

Das  Tetanustoxin  wird  nur  an  die  Receptoren  der  Nerven¬ 
zellen  gebunden.  Kocht  man  aber  das  Rückenmark,  so  binden 
dessen  Receptoren  das  Tetanustoxin  nicht  mehr.  Der  Zustand 
der  Körperzellen  ist  somit  ausschlaggebend  für  die  mehr  oder 
weniger  leichte  Bindung  der  Toxine  an  die  Receptoren  und  für 
die  Antitoxinbildung. 

Durch  allzu  starke  Reizung  bestimmter  Zellen  mittels 
wiederholter  grosser  Dosen  von  Toxinen  kann  ein  Schwund  der 
Zellreceptoren  eintreten,  so  dass  bisweilen  durch  wiederholte 
Injektion  eines  bestimmten  Giftes  hochimmunisierte  Tiere  bei 
weiteren  Injektionen  einen  rapiden  Rückgang  des  Antitoxin¬ 
gehaltes  ihres  Blutserums  zeigen  und  schliesslich  zur  Antitoxin¬ 
produktion  für  ein  bestimmtes  Gift  gänzlich  unbrauchbar 
werden. 

Antitoxinproduktion  entsteht  übrigens  nur  durch  Bin¬ 
dung  eines  Giftes  an  die  Körperzellen,  nicht  durch  blosse  Ab¬ 
lagerung  der  Gifte  in  den  Organen.  Die  Narkotika  und 
Antipyretika,  die,  wie  wir  sahen,  nicht  die  Bildung  spezifischer 
Antikörper  im  Organismus  anzuregen  vermögen,  also  nicht  assi¬ 
milationsfähig  sind,  gehen  nach  Ehrlich  mit  dem  Zellproto¬ 
plasma  eine  Verbindung  ein,  wie  sie  bei  starren  Lösungen  oder 
lockeren  Salzbildungen  gefunden  wird.  Hierfür  spricht  u.  a. 
die  leichte  Extrahierbarkeit  solcher  „nicht  assimilationsfähiger 

1 


1823 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Stoffe“  aus  ihren  Protoplasmaverbindungen.  Rach  den  Versuchen 
von  Besredka  sind  auch  Glukoside  nicht  im  stände,  im  tie¬ 
rischen  Organismus  Antikörper  zu  bilden.  Assimilierbar 
sind  nur  die  hochkompliziert  gebauten  Pro¬ 
dukte  der  tierischen  und  pflanzlichen  Zelle, 
nur  sie  vermögen  durch  ihre  Bindung  an  das 
Zellprotoplasma  die  Produktion  von  Anti¬ 
körpern  anzuregen. 

Manche  Tiere  können  Antitoxin  auch  produzieren  gegen 
Gifte,  gegen  die  sie  selbst  gänzlich  unempfindlich  sind:  Die 
Organzellen  des  Alligators  reissen  z.  B.  injiziertes  Tetanusgift 
schnell  aus  dem  Blutkreisläufe  an  sich  und  bilden  reichlich  Anti¬ 
toxin.  Die  Alligatorzellen  selbst  aber  werden  durch  das  Tetanus¬ 
gift  nicht  geschädigt,  sie  sind  unempfindlich  gegen  die  toxophore 
Gruppe  des  Giftes. 

Ganz  anders,  wenn  man  einer  Schildkröte  Tetanustoxin  in¬ 
jiziert.  Auch  hier  bleibt  das  Tier  nach  der  Injektion  gesund, 
eine  Tetanus- Antitoxinbildung  findet  jedoch  in  diesem  Palle 
nicht  statt,  die  Zellen  besitzen  keine  Receptoren  für  das  Tetanus¬ 
gift,  sie  binden  es  nicht,  so  dass  das  Gift  noch  lange  Zeit 
nach  der  Injektion  im  Blute  nachweisbar  ist.  Bei  der  Schild¬ 
kröte  findet  dementsprechend,  ganz  im  Gegensätze  zum  Alligator, 
keine  Antitoxinproduktion  statt. 

Ebenso  kommt  eine  Antikörperproduktion  nicht  zu  stände 
hei  Bakterienagglutininen  und  Bakterienimmunkörpern,  finden 
doch  diese  ihre  Receptoren  an  den  Bakterien  und  nicht  an  den 
Körperzellen.  Es  nahm  daher  Ehrlich  schon  früher,  auf 
Grund  der  Seitenkettentheorie,  die  Unmöglichkeit  einer  Anti- 
körperbildung  in  diesem  Palle  an.  In  der  lat  konnten  Wasser¬ 
mann,  Kraus  und  Eisenberg  nachweisen,  dass  diese 
theoretische  Annahme  der  Wirklichkeit  entspricht.  Ganz  anders 
liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Agglutininen  von  Körperzellen, 
die  ja  ihre  Receptoren  an  den  Körperzellen  selbst  finden.  Hier 
müssen  diese  abgestossenen  Receptoren  als  Antiagglutinine  auf- 
treten.  So  konnte  ich  Antiagglutininwirkung,  welche  im  stände 
war,  Spermatozoenagglutinine  zu  neutralisieren,  in  einem  anti- 
spermatoxinhaltigen  Serum  nachweisen.  Ford  konnte,  wie  aus 
einer  unter  Wassermanns  Leitung  angefertigten  Arbeit 
hervorgeht,  Antihämagglutininbildung  finden. 

Alles  das  und  vieles  andere  sind  Bestätigungen  der  E  h  1  - 
1  i  c  h  sehen  Seitenkettentheorie;  doch  möchte  ich  mich  an  cliesei 
Stelle  auf  weitere  Einzelheiten  nicht  einlassen. 

Um  sich  ein  Urteil  bilden  zu  können  über  einen  theoretisch 
oder  praktisch  wichtigen  Fortschritt  auf  dem  Gebiete  der  Serum¬ 
forschung,  muss  man  sich  stets  zunächst  3  Fragen  vorlegen . 

1.  Welche  Zellreceptoren  kommen  in  Betracht  ? 

2.  Welche  Aviditätsverhältnisse  sind  möglich? 

3.  In  welchen  quantitativen  Verhältnissen  stehen  die  ver¬ 
schiedenen  Bestandteile  zu  einander? 

Die  Anregung,  welche  die  moderne  Pathologie  und  Physio¬ 
logie  der  Cytolysinlehre  verdankt,  ist  schon  jetzt  nicht  gering, 
namentlich  seit  dem  Bekanntwerden  der  Isolysine  und  Auto- 

lysine.  #  .... 

Wird  einem  Meerschweinchen  Kaninchenblut  injiziert,  so 

bildet  sich,  wie  wir  bereits  gesehen  haben,  Hämolysin,  eines  der 
Cytolysine  oder,  nach  Ehrlich,  da  dieses  Cytolysin  im  Blute 
einer  anderen  Spezies  auftritt,  ein  Heterolysin.  Wird  dagegen 
Blut  eines  Kaninchens  einem  anderen  Kaninchen,  also  derselben 
Spezies,  injiziert,  so  erfolgt  auch  Hämolysinbildung,  hier  Iso- 
liämolysin  genannt,  aber  weit  schwieriger  und  nur  unter  An¬ 
wendung  gewisser  Kunstgriffe. 

Bei  einigen  Erkrankungen,  bei  Typhus,  Scharlach  und  Lues, 
konnten  von  verschiedenen  Autoren  im  menschlichen  Blute  Iso¬ 
lysine  und  Isoag'glutinine  konstatiert  werden.  Eine  Autolysm- 
bildung,  die  gegen  das  Blut  desselben  Individuums  gerichtet  ist, 
wurde  dabei  nicht  beobachtet.  Dagegen  meinen  Michaelis 
und  Kober  eine  Autohämolysinbildung  bei  rascher  Resorption 
von  grossen  Blutergüssen  beobachtet  zu  haben.  Ebenso  ist 
Autocytolysinbildung  möglich,  ja  wahrscheinlich  bei  Lebercir- 
rhose,  parenchymatöser  Nephritis  u.  s.  f. 

Man  vergegenwärtige  sich,  dass  in  den  betreffenden  Organen 
einige  wenige  Zellen  zerfallen  und  im  Körper  des  Patienten,  spe¬ 
zifische  Cytotoxine  erzeugen.  Dadurch  muss  ein  Circulus  vitiosus 
eintreten;  denn  die  Cytolysine  greifen  unaufhaltsam  immer 
neue  Zellen  der  geschädigten  Organe  an  und  hinwiederum  ent¬ 


steht  allmählich  eine  immer  grössere  Menge  der  in  derartigen 
Fällen  höchst  verderblichen  Autolysine. 

Nicht  unerwähnt  möge  folgender  Versuch  von  D  e  1  e  - 
zenncs  bleiben:  Er  erzeugte  bei  Hunden  mit  kleinen  Dosen 
Chromsäure  Nephritis.  Das  Serum  dieser  liere*  obschon  nicht 
mehr  chromhaltig,  erzeugte,  anderen  Hunden  injiziert,  ebenfalls 

Nephritis.  _  .  .  . 

Metschnikoff  schädigte  die  eine  N iere  eines  Kanin¬ 
chens  dadurch,  dass  er  den  einen  Ureter  unterband.  Die  andere 
Niere  liess  er  intakt.  Das  Tier  blieb  gesund,  eine  Autolysm- 
bildung  trat  nicht  ein.  Wohl  aber  hatte  Isocytolysinbildung 
stattgehabt;  denn  das  Serum  dieses  Tieres,  anderen  Kaninchen 
injiziert,  erzeugte  bei  denselben  parenchymatöse  Nephritis. 

A  r  c  o  1  i  und  F  i  g  a  r  i  sind,  wie  aus  einer  neueren  Ver¬ 
öffentlichung  hervorgeht,  der  Meinung,  dass  Nephrolysine  durch 
direkte  Einwirkung  auf  verschiedene  Organe  gewisse  Uranne- 
symptome  hervorzurufen  im  stände  seien.  Weitere  exakte  Ver¬ 
suche  müssen  auf  diesem  Gebiete  noch  Klarheit  schaffen. 

Ein  interessanter  Befund  von  Delezennes  möge  hiei 
Erwähnung  finden.  Dieser  Autor  konnte  nachweisen,  dass  die 
von  den  Makrophagen  (Metschnikoff)  gebildete  Entero- 
kynase  des  Darmsaftes  sich  an  Fibrin  kettet,  dass  aber  eine  Ver¬ 
dauung  des  Fibrins  erst  dann  zu  stände  kommt,  wenn  aussei  - 
dem  der  Pankreassaft,  dem  in  diesem  Falle  die  Rolle  des  Kom¬ 
plements  zukommt,  sich  an  dieser  Verbindung  mitbeteiligt. 

Bordet  zeigte,  dass  durch  Injektion  von  Meerschweinchen 
mit  Kaninchenserum  ein  Antikörper  im  Meerschweinchen - 
Organismus  gebildet  wird,  der  nur  gegen  den  hitzebeständigen 
Teil  des  Fibrinfermentes  im  Kaninchenserum  gerichtet  ist. 

Ueberhaupt  lässt  sich  ein  ausreichendes  Verständnis  der 
Fermentwirkungen  mittels  der  Seitenkettentheorie  anbahnen . 
Für  das  Labferment  kann  man  eine  haptophore,  spezifisch  ver¬ 
ankernde  Gruppe  annehmen;  eine  zweite  Gruppe,  die  zymophore 
des  Fermentes,  wirkt  katalytisch  auf  die  verankerten  Körper. 

Komplizierter  gebaute  Fermente  dürften  von  gleicher  Struk¬ 
tur  sein  wie  die  Amboeeptoren. 

Metschnikoff  injizierte  Meerschweinchen  Spermato¬ 
zoon  anderer  Meerschweinchen.  Dadurch  bildeten  sich.,  bei 
den  injizierten  Tieren  Isospermatoxine;  denn  das  Serum  tötete 
sofort  die  Spermatozoon  anderer  Meerschweinchen,  während 
die  Spermatozoen  der  behandelten  Tiere  intakt  blieben. 
Nahm  Metschnikoff  aber  die  Spermatozoen  der^  letz- 
teren  aus  den  Hodenkanälchen  heraus  und  fügte  das  Serum 
eines  anderen  Meerschweinchens  hinzu,  so  wurden  sie  schnell 
leblos.  Bei  dem  somit  zweifellos  gebildeten  Autocytotoxni 
war  also  das  Komplement  wahrscheinlich  durch  eine  regula- 
torische  Einrichtung  in  der  Wand  der  Samenkanälchen,  wie 
Metschnikoff  annimmt,  in  den  Leukocyten,  zurück- 
gehalten  worden.  Uebrigens  ist  anzunehmen,  dass  die  Autocyto- 
toxine  durch  die  Bildung  von  Antiautotoxinen  im  Organismus 

unschädlich  gemacht  werden.  .  . 

Das  Vorhandensein  eines  Antiautohämolysins,  im  mensen- 
lichen  Serum,  das  gegen  ein  etwa  auftretendes  Autohämolysin 
wirken  muss,  wies  Besredka  nach.  Auf  die  komplizier te 
Versuchsanordnung  dieses  Autors  hier  einzugehen,  würde,  zu 
weit  führen.  Ich  möchte  daher  auf  das  interessante  Original 
(Annal.  de  lTnstit.  Pasteur  1901)  verweisen.  Die  Befunde  von 
Müller,  der  in  erwärmtem  Meerschweinchenserum  ein  anti- 
hämolytisches  Vermögen  spezifischem  hämolytischen  Meer¬ 
schweinchenserum  gegenüber  fand,  ferner  die  Befunde  von 
Camus  und  Pagniez  können  in  eben  diesem  Sinne  ge¬ 
deutet  werden. 

Im  normalen  Pferde-  und  Menschenserum  lassen  sich  spe¬ 
zifische  Antihämolysine  nachweisen,  die  gegen  ganz  bestimmte 
Hämolysine  wirksam  sind;  und  zwar  konnte  Müller  zeigen, 
dass  hierbei  Antikomplementwirkungen  in  Frage  kommen. 

Uebrigens  sind  die  Hämolysine  keineswegs  lediglich.  Pro¬ 
dukte  von  Körperzellen;  auch  verschiedene  Mikroorganismen 
vermögen  ganz  spezifische  Hämolysine  zu  produzieren.  Ich  ei- 
innere  an  den  schnellen  Austritt  des  Hämoglobins  aus  den  Blut¬ 
körperchen  septischer  Leichen.  Besonders  genau  studiert  ist 
durch  Neisser  und  W  e  c  h  s  b  e  r  g  das  Staphylolysin.  Die 
genannten  Autoren  zeigten,  dass  dasselbe  eine  haptophore  und 
toxophore  Gruppe  besitzen  müsse.  Ausser  dem  die  roten  Blut¬ 
körperchen  auflösenden  Staphylolysin  produzieren  die  Staphylo- 


4.  November  1902. 


_ MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


c"enge"st“din’  WWra**  «■“  ^ 

Das  Serum  eines  Kaninchens,  das  mit  Ziegenserum  behan¬ 
delt  wurde,  lost  Meerschweinchenblut  nicht  auf,  während  das 
Serum  des  unbehandelten  Kaninchens  hämolytisch  auf  Meer- 
schweanchenblutkörper  wirkt.  Diese  Tatsache  beruht  nach 
Eh  ihc  h  und  M  o  r  g  e  n  r  o  t  h  auf  einer  Autoantikomplement- 
bildung.  Die  Autoantikomplementbildung  hebt  die  Komplement- 
Auktionen  der  Kaninchenhämolysine  auf,  so  dass  eine  Auf¬ 
lösung  der  Meerschweinchenblutkörper  nach  Behandlung  der 
Kaninchen  mit  Ziegenserum  nicht  mehr  eintreten  kann 

Folgende  Heberlegungen  führten  zu  dieser  Anschauung: 
Das  Ziegenserum  enthält  viele,  den  Kaninchenkomplementen 
ähnliche,  m  ihrer  haptophoren  Gruppe  gleiche  Komplemente. 
Diese  besetzen  die  Amboceptoren  des  Kaninchens  und  machen 
sie  unwirksam,  so  dass  die  Zellen  zur  Abstossung  neuer  Ambo¬ 
ceptoren  angeregt  werden.  Diese  neu  abgestossenen  Ambo¬ 
ceptoren  müssen  jetzt  als  Autoantikomplemente  die  Komplement¬ 
funktionen  des  Kaninchenserums  aufheben. 

.  Jk  durfte  am  platze  sein,  noch  einmal  die  feineren  Vorgänge 
im  Plasma,  um  die  es  sich  bei  der  Wirkung  eines  Cytolysins 
handelt,  kurz  zusammenfassend  zu  besprechen. 

Durch  Cytolysme,  z.  B.  das  oben  erwähnte  Hämolysin,  oder 
von  mir  zuerst  experimentell  hergestellte  Cytolysine  der  Plazenta 
werden  die  einzelnen  Zellen  gleichsam  zerrissen;  denn  die  hapto- 
phore  Gruppe  des  Cytolysins  fesselt  einzelne  Atomgruppen  der 
Zelle  (Receptoren)  an  sich  und  hierbei  werden  andere,  wahr¬ 
scheinlich  zahlreiche  Atomgruppen  frei.  Grobsinnlich  kann  man 
bei  richtiger  Versuchsanordnung  unter  dem  Mikroskop  einen 
derartigen  fortgeschrittenen  Prozess  als  Zellzerfall  wahr- 
nehmen.  Die  freigewordenen  Atomgruppen  treten  nunmehr  als 
Joxine  auf,  welche,  da  sie  ja  ungesättigt  sind,  an  geeigneten 
Receptoren  des  Protoplasmas  der  Körperzellen  sich  zu  verankern 
suchen  und  dadurch  unter  Umständen  toxisch  wirken. 

3?ie  wie  man  den  mangelhaften  Antitoxinschutz 

der  für  ein  Gift  empfänglichen  Individuen  zu  denken  hat,  kann 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  ganz  verschieden  beantwortet 
werden. 


Ich  will  zunächst  eine  Betrachtungsweise  vorweg  nehmen, 
die  neuerdings  am  Ehrlich  sehen  Institut  experimentell  be¬ 
gründet,  vielleicht  unsere  Begriffe  von  Zellimmunität  und 
Giftkonstitution  im  wesentlichen  zu  modifizieren  berufen 
sein  wird :  Elechser  und  Noguchi  hatten  zunächst  ge¬ 
zeigt,  dass  gewisse,  früher  als  einheitlich  angesehene  Schlangen¬ 
gifte  aus  einer  Anzahl  von  Amboceptoren  bestehen,  die  durch 
Komplemente  des  Serums  aktiviert  werden.  Mittels  exakter 
Versuche  konnte  nun  amEhrlich  sehen  Institute  nachgewiesen 
werden,  dass  gewisse  durch  Schlangengift  lösliche  Blutkörper- 
c  ien  diese  die  Giftambozeptoren  aktivierenden  Komplemente  im 
Inneren  ihres  Protoplasmaleibes  besitzen,  und  dass  anderen,  durch 
das  Gift  nicht  löslichen  roten  Blutkörperchen  diese  sogen.  Endo- 
vomplemente  fehlen.  Von  dem  Vorhandensein  dieser  Endokom- 
plemente  in  den  Zelleibern  hängt  es  also  in  vielen  Fällen  ab,  ob 
ein  nicht  einheitliches  Gift  auf  Zellen  einzuwirken  vermag  oder 
nicht.  Auch  ist  hier  das  oben  beschriebene  N  e  i  s  s  e  r  sehe 
Phänomen  der  Komplementablenkung  zu  beobachten.  Sehr  starke 
osen  des  Giftes  lassen  die  Blutkörperchen  intakt,  während  die¬ 
selben  durch  schwache  Dosen  gelöst  werden,  denn  die  bei  starken 
Dosen  in  grossem  Ueberschuss  vorhandenen  freien,  nicht  an 
(he  Blutkörperchen  geketteten  Amboceptoren  nehmen  alle  Endo- 
komplemente  aus  den  Zellen  heraus  und  für  sich  in  Anspruch. 
Die  Zellen  bleiben  also  ungelöst. 

Eührt  man  einem  Tiere  grosse  Mengen  eines  einheitlichen 
Giftes,  ein  und  das  Tier  erkrankt  unter  typischen  Vergiftungs¬ 
eischeinungen,  so  kann  zunächst  nicht  vorliegen  vollständiger 
Receptorenmangel  der  Zellen  für  das  Toxin,  oder  eine  gänzliche 
nempfänglichkeit  gegen  die  toxophore  Gruppe  desselben.  An 
den  Beispielen  der  Schildkröte  und  des  Alligators,  denen  Tetanus¬ 
toxin  injiziert  wurde,  sahen  wir  oben  diese  beiden,  ursächlich  so 
verschiedenen  Arten  der  Unempfänglichkeit  erläutert. 

Es  ist  vielmehr  zunächst  daran  zu  denken,  dass  Antitoxin 
im  Blute  des  unter  typischen  Vergiftungserscheinungen  erkrank¬ 
en  Individuums  in  genügender  Menge  nicht  vorhanden 
ist..  Wäre  Antitoxin  reichlich  vorhanden,  so  würde  das  In¬ 
dividuum  gegen  gewöhnliche  Dosen  des  einheitlichen  Giftes  sich 
immun  verhalten  haben,  wäre  gesund  geblieben. 


Ferner  besteht  die  Möglichkeit,  das  Erkranken  des  betreffen¬ 
den  Biuividuums  auf  noch  nicht  abgeschlossene  Antitoxinbildung 
zuruckzuiuhren.  Man  nimmt  eine  Ueberempfindlichkeit  der 
Zellen  an,  dadurch  zu  stände  gekommen,  dass  die  auf  das  Toxin 
eingestellten  Rezeptoren  von  den  betreffenden  Zellen  nicht  in  ge- 
g einigender  Menge  in  das  Blut  abgestossen  worden  sind  '). 

Endlich,,  drittens,  können  ja  die  Antitoxine  bei  unempfind¬ 
lichen  Individuen,  wenn  nicht  im  Blute,  so  doch  als  Rezeptoren 
an  indifferenten  Körperzellen  existieren,  während  diese  Rezep¬ 
toren  bei  empfänglichen  Individuen  vor  allem  an  lebenswichtigen 
Organen  vorhanden  sind. 

Um  mit  voller  Sicherheit  entscheiden  zu  können,  welcher 
Modus  von  allen  diesen  der  vorherrschende  ist,  bedarf  es  in  jedem 
einzelnen  Falle  besonderer  Tierversuche. 

Jedenfalls  wird  Ihnen  jetzt  die  Beobachtung  von  Belirin  g 
verständlich  sein,  dass  bei  aktiver  Immunisierung,  d.  h.  also  in 
den  Fallen,  in  welchen  die  Körperzellen  das  Antitoxin  selbst  pro¬ 
duzieren,  die  Avidität  des  Toxins  zu  diesen  Körperzellen  grösser 
ist,  als  zu  den  freien,  in  das  Blut  abgestossenen  Receptoren.  Um¬ 
gekehrt  bei  passiver  Immunisierung,  bei  welch  letzterer  ja  die 
von  anderen  Tieren  stammenden  Antitoxine  nur  in  Blut  und 
Lymphstrom  vorhanden  sind. 

Möge  also  die.  Auffassung  in  Bezug  auf  die  feineren  Modali¬ 
täten  des  unzureichenden  Antitoxinschutzes  sich  in  jedem  be¬ 
sonderen  Falle  nach  der  einen  oder  anderen  Richtung  zuneigen 
das  steht  zweifellos  fest:  Die  rechtzeitige  Einverlei¬ 
bung  genügender  Mengen  eines  spezifischen 
Antitoxins  gewährt  Schutz  gegen  ein  einheitliches,  nicht 
komplex  gebautes  Toxin  aus  tierischen  oder  pflanzlichen  Zellen. 


Aus  dem  hygienischen  Institute  in  München. 

Zur  Kenntnis  der  hämolytischen  Saponinwirkung. 

Von  Dr.  W.  Schanzenbach. 

Das  Saponin  wurde  von  Schräder1)  zuerst  im  Jahre  1809 
aus  den  Wurzeln  der  Saponaria  rubra  dargestellt. 

_  En  Laufe  der  Zeit  hat  man  auch  in  anderen  Arten  der 
Sileneen  einen  dem  Saponin  analogen  Stoff  gefunden;  selbst 
Pflanzen  anderer  Familien,  so  der  Primulaceen,  Spiraceen,  Poly- 
galeen  und  Sapoteen,  haben  diesen  Körper  geliefert. 

.  Rochleder  und  Schwarz2)  erhielten  beim  Kochen 
einer  wässerigen  Saponinlösung  mit  verdünnter  Salz-  oder 
Schwefelsäure  einen  Körper,  den  sie  als  identisch  mit  der  China¬ 
säure  bezeichneten  : 


C  24  H  20  0  11  c  12  H  0  O  3  -f-  C  12  H  11  0  11  J 
SaPonin  Chinasäure  Kohlehydrat. 

B  o  1 1  e  y  nimmt  eine  Spaltung  des  Saponins  durch  ver¬ 
dünnte  Schwefelsäure  in  Sapogenin  und  Zucker  an. 

Im  Jahre  1891  stellte  Kruskal  Nicolae3)  fest,  dass  die 
Saponinstoffe  Protoplasmagifte  seien,  die,  in  das  Blut  ein¬ 
gespritzt,  Auflösung  der  roten  Blutkörperchen,  hämorrhagische 
Enteritis,  subseröse  Extravasate  und  Tod  durch  Kollaps  zur 
Folge  haben. 

Die  W  irkung  auf  die  roten  Blutkörperchen  wurde  bestätigt 
von  P  o  u  s  c  h  e  t 4),  K  u  n  k  e  1 5)  und  K  o  b  e  r  t  °).  Sie  erklären 
die  Saponine  ebenfalls  als  Protoplasmagifte.  Durch  Erhitzen  in 
alkalisch  reagierender  Lösung  könne  man  im  Tierkörper  stark 
wirksam  befundene  Saponine  unwirksam  machen.  Die  Saponin¬ 
kni  per  seien  vom  Darme  aus  schlecht  resorbierbar ;  mit  2  proz. 
Schwefelsäure  gekocht,  liefern  die  Saponinkörper  verschiedene 
Mengen  von  Zucker  (rechtsdrehend)  und  Sapogenin. 

in  neuerer  Zeit  hat  sich  Ransom  ')  wiederum  mit  der 
hämolytischen  Eigenschaft  des  Saponins  beschäftigt  und  dabei 


,)  bpezihscli  erhöhte  Reizempfindlichkeit  von  Zellen  und  zwar 
im  Gehirn  gravider  Tiere  bestimmten  Krampfgiften  gegenüber  ist 
4  on  /  u  n  z  und  Blum  reich  konstatiert  worden;  eine  nach 
Obigem  vielleicht  erklärliche  Tatsache. 

9  Schräder:  Gehl.  allg.  Journal  d.  Chem.  Bd.  S. 

2)  Rochleder  und  Schwarz:  Wien.  akad.  Berichte 
Bd.  11,  S.  335. 


')  Kruskal  Nicolae:  Ueber  einige  Saponinsubstanzen.  Dor- 
pater  pharmakol.  Arbeiten  VII,  S.  1. 

4)  Pou  sehet:  Scille  et  saponaires.  Etüde  pharinacolog 
Bull,  de  Ther.  CXXXV,  6,  1898. 

5)  Kunkel:  Handbuch  der  Toxikologie. 

°)  Kobert:  Experiment.  Pathol.  u.  Pharmakol.  23,  S.  233. 
7)  Ransom:  Saponin  und  sein  Gegengift.  Deutsche  med 
Z.  1891,  S.  194. 


1* 


1823 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


folgende  Feststellungen  gemacht,  die  sich  auf  das  Saponin,  pur. 

alb.  Merck  beziehen: 

1.  Saponin  löst  die  Blutkörperchen  auf. 

2.  2  mg  Saponin  lösende  Dosis  für  rote  Blutkörperchen  m 

0,7  ccm  Hundeblut.  _  T  . 

3.  2  mg  Saponin  teilweise  lösende  Dosis  für  0,9  ccm  Hunde- 

WU  4.  2  mg  Saponin  ohne  Wirkung  auf  2  ccm  Hundeblut. 

5.  Wird  das  Blut  der  Saponinmenge  in  Raten  zugesetzt,  so 
löst  sich  weniger  Blut  auf,  als  wenn  die  Blutmenge  mit  einem 
Male  zugegeben  wird.  Das  Saponin  wird  bei  der  Entfaltung 
seiner  hämolytischen  Wirkung  verbraucht  oder  gebunden. 

6.  Serum  gewährt  einigermassen  Schutz  gegen  den  Angriff 
des  Saponins,  indem  es  selbst  das  Gift  fixiert. 

7  0  75  ccm  Hundeserum  sind  im  stände,  2  mg  Saponin 
so  zu  fixieren,  dass  nachgeschicktes  Blut  nicht  angegriffen  wird. 

8.  Rote  Blutkörperchen  selbst  fixieren  das  Saponin.  Hunde¬ 
blutkörperchen  aus  0,75  ccm  ohne  Serum  binden  2  mg  Saponin, 
so  dass  bei  weiterem  Zusatz  von  Blut  keine  Auflösung  stattfindet. 

Auf  Veranlassung  von  Herrn  Professor  Dr.  Hans  Büchner 
habe  ich  eine  Nachprüfung  der  Ransom  sehen  Resultate  vor¬ 
genommen  und  die  Saponinwirkungen  zunächst  bestätigen 
können.  Zur  Verwendung  kam  das  Saponin,  puriss.  alb.  Merck 

Was  zunächst  die  mikroskopische  Wirkung  des  Saponins  aut 
die  Blutkörperchen  anlangt,  so  sieht  man  im  hängenden  Tropfen, 
wenn  Blut  mit  Saponinlösung  zusammengebracht  wird,  zuerst 
deutliches  Anschwellen  der  Blutkörperchen,  dann  Austreten  von 
kleinen  Bläschen  aus  dem  Inneren  der  Blutkörperchen ;  diese 
Bläschen  sammeln  sich  zu  kleinen  Häufchen  an;  die  Blutkörper¬ 
chen  nehmen  wieder  runde  Form  an,  erscheinen  aber  kleiner  in 
ihrem  Umfang.  Im  vorletzten  Stadium  strecken  die  Blutkörper¬ 
chen  Fortsätze  aus  und  gewinnen  so  Sprosspilzform.  Zuletzt 
lösen  sie  sich  ganz  auf.  Die  Stromata  verschwinden  auf  einmal. 

Wie  aus  nachfolgender  Tabelle  I  ersichtlich,  wurden  die 
Versuche  mit  verschiedenen  Blutarten  angestellt.  1  ccm  einer 
2  prom.  Saponinlösung  wurde  mit  von  1 — 8  ccm  verdünntem 
Blut  (1:5  CI  Na  0,78  proz.)  im  Reagensglase  zusammengebracht 
und  das  Elüssigkeitsquantum  durch  weiteren  Zusatz  von  physio¬ 
logischer  CI  Na-Lösung  auf  10  ccm  ergänzt. 

Tabelle  I. 


1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  ccm 
1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  ccm 

1  . 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1 


8  ccm 
6  „ 

5  „ 

4  „ 

1  „ 

5  ccm 

6  „ 

5  „ 

4  „ 

1  „ 

8  ccm 

6  „ 

5  „ 

4  „ 

1  „ 

8  ccm 

6  „ 

5  „ 

4  „ 

1  „ 

8  ccm 

6  „ 

5  „ 

4  „ 

1  „ 

8  ccm 

6  „ 

5  „ 

4  „ 

1  - 


1  ccm 

3  , 

4  „ 

5  „ 

8  „ 

1  ccm 

3  „ 

4  „ 

5  „ 

8  „ 

1  ccm 

3  „ 

4  „ 

5  , 

8  „ 

1  ccm 

3  „ 

4  „ 

5  „ 

8  „ 

1  ccm 

3  „ 

4  „ 

5  „ 

8  „ 

1  ccm 

3  „ 

4  . 

5  „ 

8  „ 


Rind 


Hammel 


Schwein 


Ziege 


Meerschwein 


Mensch 


15  Min. 
35  „ 

1  Std. 

5  „ 

24  „ 

20  Min. 

1  Std. 

8  „ 

24  n 

12  Min. 
17  „ 

1  Std. 
12  „ 

24  „ 

19  Min. 

1  Std. 

8  „ 

24  „ 

sofort 

2  Min. 

3  „ 

15  „ 

7  Std. 

5  Min. 
10  „ 
24  Std. 

\  24  „1 


gegebene  Art  durch  Nachschicken  von  Blut  zu  schon  von  Saponin 
aufgelöstem  Blut  beweisen. 

Doch  versuchte  ich  auch  auf  eine  andere  Art  den  Beweis 
zu  führen. 

5  ccm  Saponinlösung  (lprom.)  wurden  mit  5  ccm  unverdünn¬ 
tem  Rinderblut  zusammengebracht  und  sofort  zentrifugiert.  Von 
der  überstellenden  klaren  Flüssigkeit  wurden  2  ccm  mit  0,6  ccm 
Rinderblut  und  1,4  ccm  physiologischer  Kochsalzlösung  gemischt. 
Dieses  Blutgemisch  war  nach  14  Stunden  ungelöst,  während  die 
Kontrolle  —  1  ccm  frische  1  prom.  Saponinlösung  +  3  ccm 
Rinderblut  (1:5)  —  nach  14  Stunden  fast  ganz  gelöst  war. 

Was  die  Resistenz  der  Körperchen  der  einzelnen  Blutartei 
betrifft,  so  wurden  die  voll  Meerschweinchen  am  leichtesten,  von 
Hammel  und  Ziege  am  schwersten  gelöst  (Tabelle  I  u.  II). 

Auch  das  Blut  immunisierter  Tiere  wurde  verwendet,  deren 
Blutkörperchen  eine  etwas  grössere  Resistenz  gegen  Saponin 
zeigen. 

Tabelle  II. 


Saponinlösg. 

CI  Na 

Blutmenge 

Blutart 

gelöst 

2  prom. 

0,78  Proz. 

1:5  CI  Na 

Die  Beschlagnahme  von  Saponin  durch  die  roten  Blut¬ 
körperchen  konnte  ich  zunächst  auf  die  von  R  a  n  s  o  m  an¬ 


Saponinlösg. 

2  prom. 

CI  Na 

0,78  Proz. 

Blutmenge 

1 :  5  CI  Na 

Blutart 

1  ccm 

8  ccm 

1  ccm 

Ziege  mit 

1  „ 

0  „ 

Menschen- 

1  ,, 

5  „ 

4  )j 

blut  immu- 

1  ,, 

4  » 

5  „ 

nisiert 

1  „ 

i  „ 

8  „ 

1  ccm 

8  ccm 

1  com 

Meerschwein 

1  ,, 

6  „ 

3  „ 

mit  Rinder- 

1  „ 

5  „ 

4  „ 

blut  immu- 

1  ,, 

)> 

nisiert 

1  „ 

i  „ 

8  „ 

1  ccm 

8  ccm 

1  ccm 

1 

6  „ 

3  „ 

Meerschwein 

1  „ 

5  „ 

4  „ 

typhusimmu- 

1  „ 

4  „ 

5  „ 

nisiert 

1  ,, 

1  „ 

8  „ 

gelöst 


30  Min. 
2  Std. 
10  „ 

(24 

3g  Min. 
12  .. 
35  „ 

6  Std. 

24  „ 

4  Min. 
15  „ 

45  „ 

7  Std. 
24 


Bei  der  immunisierten  Ziege  brauchten  2  mg  Saponin 
30  Minuten,  um  1  ccm  Blut  aufzulösen,  dagegen  19  Minuten 
für  die  gleiche  Blutmenge  einer  normalen  Ziege  (Tabelle  I). 

Bei  dem  mit  Menschenblut  immunisierten  Meerschweinchen 
lösten  2  mg  Saponin  1  ccm  Blut  in  3V2  Minuten,  bei  dem  typhus¬ 
immunen  Tiere  in  4  Minuten;  dagegen  wurde  die  gleiche  Blut¬ 
menge  eines  normalen  Meerschweinchens  sofort  gelöst. 

Wie  aus  nachstehender  Tabelle  ersichtlich,  verleiht  auch 
Salzzusatz  von  0,75—5  Proz.  Schutz  gegen  die  Saponinwirkung, 
während  höhere  Salzlösungen  (5 — 20  Proz.)  die  Saponinwirkung 
verstärken.  Auch  hier  zeigten  die  Blutkörperchen  der  verschie¬ 
denen  Tierarten  ein  voneinander  abweichendes  Verhalten. 

^Tabelle  III  siehe  nächste  Seite.) 

Die  schützende  Wirkung  des  Serums  der  gleichen  Tierart, 
die  von  Ransom  angegeben  wurde,  konnte  in  der  von  ihm 
angegebenen  Versuchsordnung  bestätigt  werden. 

Tabelle  IV. 


Saponinlösg. 

Serum 

CI  Na 

Blutart 

gelöst 

2  Prom. 

0,78  Troz. 

1  ccm 

1 
1 
1 
1 


» 


1  ccm 

1 
1 
1 
1 


>» 
y> 
n 

1  ccm 

1 
1 
1 
1 


a 


ccm 

i 

0,75 
0,5 
0,25 
0,125 

1 

0,75 
0,5 
0,25 
0,125 

1 

0,75 
0,5 
0,25 
0,125 


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Rind 

-d  0,5  ccm 
§  0,5  „ 
0,5  „ 
0,5  „ 
0,5  „ 

0,5  ccm 
0,5  „ 
0,5  „ 
0,5  „ 
0,5  „ 

0,5  ccm 
0,5  „ 
0,5  „ 
0,5  . 
0,5  „ 


(nach  24  Stund. 

J  nicht  gelöst. 
24  Std.  etwas  gel. 
24St.fastganzgel. 
24  Std.  gelöst. 

(nach  24  Stund, 
j  nicht  gelöst. 
24Std  etwas  gel. 
24St.  fastganzgel. 
24  Std.  gelöst. 

(nach  24  Stund 
)  nicht  gelöst. 
;24Std  etwas  gel. 
24St.  fastganzgel. 
24  Std.  gelöst. 


Es  ergibt  sich,  dass,  je 
der  gleichen  Menge  Saponin 


grösser  die  Serummenge  gegenüber 
war,  um  so  energischer  das  Saponin 


4.  November  1902. 


nr dex«  ttener  medicinische  Wochenschrift. 


1829 


T  abelle  III. 


Saponinlösg 
2  prom. 

CI  Na-Lösun 
in'  Proz 

y\ 

"  Blutmenge 

Blntart 

gelöst 

1  ccm 

1  „ 

8  ccm  25 

8  „  10 

1  ccm 

1  „ 

Rind 

2 

Min. 

1  „ 

1  „ 

8  „ 

8  „ 

5 

1,5 

i : 

)) 

0 

6 

ö 

yy 

yy 

1  „ 

8  „ 

0,78 

i  » 

15 

yy 

yy 

1  ccm 

1  H 

8  ccm  25 

8  „  10 

1  ccm 

1  , 

Hammel 

3 

7 

Min. 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

8  „ 

8  „ 

8  „ 

5 

L5 

0,78 

1  „ 

1  . 

1  „ 

yy 

yy 

yy 

yy 

8 

10 

19 

yy 

yy 

yy 

yy 

1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

8  ccm  25 

8  „  10 

8  „  5 

8  „  1,5 

8  „  0,78 

1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  . 

Schwein 

yy 

yy 

yy 

yy 

1 

3 

5 

7 

12 

Min. 

yy 

yy 

yy 

1  ccm 

1  * 

8  ccm  25 

8  „  10 

1  ccm 

1  „ 

Ziege,  normal 

2 

c 

Min. 

1  , 

1  . 

1  ,, 

8  „ 

8  „ 

8  „ 

5 

1,5 

0,78 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

yy 

yy 

w 

9 

15 

19 

yy 

yy 

yy 

» 

1  ccm 

1  „ 

8  ccm  25 

8  ..  10 

1  ccm 

1 

Ziege  mit 

4  Min. 

1  „ 

1  „ 

8  „ 

8  „ 

5 

1,5 

A  n 

i  „ 
i  „ 

Menschen¬ 
blut  immu- 

O 

15 

1  Q 

yy 

yy 

1  * 

8  „ 

0,78 

i  „ 

nisiert 

30 

yy 

1  ccm 

1  „ 

8  ccm  25 

8  _  10 

1  ccm 

1 

Meerschwein 

1/2  Min. 

1  „ 

8 

5 

1 

mit  Rinder- 

X 

o 

yy 

1  * 

8^ 

1.5 

*-  )) 

1 

blut  immuni- 

Q 

yy 

1  „ 

8  „ 

0,78 

1  „ 

siert 

ö 

4 

yy 

1  ccm 

8  ccm 

25 

1  ccm 

Pferde 

1  Min. 

1  n 

i  * 
i  „ 
i  „ 

8  „ 

8  „ 

8  „ 

8  „ 

10 

5 

1,5 

0,78 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

yy 

» 

yy 

ry 

U/s 

2 

4 

6 

„ 

yy 

yy 

yy 

1  ccm 

8  ccm 

25 

1  ccm 

Mensch 

1/2  Min. 

1  ,, 

8  „ 

10 

1  ,, 

1  „ 

8  „ 

5 

1  „ 

yy 

9 

yy 

1  „ 

1  „ 

8  „ 

8  „ 

1,5 

0,78 

1  „ 

1  . 

yy 

yy 

yy 

9Va 

5 

yy 

» 

yy 

vom  Serum  unschädlich  gemacht  wird  und  zwar  gleichviel,  ob 
frisches  Serum  oder  auf  55  0  und  65  0  erhitztes  Serum  verwendet 
wurde. 


Durch  Salzzusatz  wird  die  konservierende  Wirkung  des 
Serums  verstärkt  und  zwar  so,  dass  bei  Serumzusatz  im  Gegen¬ 
sätze  zu  den  Ergebnissen  der  Tabelle  II  hier  eine  höhere  Salz- 
Konzentration  mehr  Schutz  gewährt,  am  meisten  die  5  proz. 

Tabelle  V. 


bringt  die  mit  0,78  proz.  CI  Na-Lösung  aufgeschwemmten  restie- 
renden  Blutkörperchen  mit  1  ccm  Hundeserum  zusammen,  so 
tritt  hei  37  nach  50  Minuten  Lösung  ein,  während  die  Kontrolle 
(0,5  ccm  frisches  Rinderblut  und  1  ccm  Hundeserum)  in  24  Stun¬ 
den  noch  nicht  gelöst  ist. 

Wie  Kontrollversuche,  in  denen  das  Blut  nicht  abzentri¬ 
fugiert,  sondern  nur  durch  Absetzen  die  Blutkörperchen  ge¬ 
wonnen  wurden,  zeigen,  ist  diese  Differenz  nicht  etwa  allein 
durch  eine  Beschädigung  der  Blutkörperchen  beim  Zentrifugieren 
zu  erklären,  wenngleich  die  Differenz  sich  hier  verkleinerte. 

.  Dle  lösende  Wirkung  des  Saponins  im  Tierkörper  macht 
sich,  wie  ich  feststellen  konnte,  schon  in  Dosen  von  5  mg  pro 

Kilo  Tier  geltend,  welche  noch  nicht  den  Tod  des  Tieres  herbei¬ 
führen. 

.  ..  3  ccm  Blut  eines  mit  1,5  ccm  einer  2  prom.  Saponinlösung 
injizierten  Meerschweinchen  zeigten,  mit  8  ccm  CI  Na-Lösung 
zusammengebracht,  deutliche  Auflösung  der  Blutkörperchen 
aurch  Rotfärbung  der  überstehenden  CI  Na-Lösung,  während 
3  ccm  Blut  des  Kontrolltieres  in  24  Stunden  nicht  gelöst  waren 
und  die  überstehende  CI  Na-Lösung  völlig  klar  blieb. 

Dieses  Verhalten  des  Saponinblutes  legte  den  Gedanken 
nahe,  zu  untersuchen,  ob,  wie  II.  Büchner8)  wiederholt  fest¬ 
gestellt  hat,  die  bakterizide  Wirkung  eines  mit  kleinen  Saponin¬ 
dosen  behandelten  Blutes  bezw.  des  Blutes  von  einem  Tiere,  das 
mtra vaskulär  der  Saponinwirkung  ausgesetzt  war,  erheblich 
sich  ändert,  weil  liier  die  aus  den  roten  Blutkörperchen  aus¬ 
gelösten  Nährstoffe  der  bakteriziden  Aktion  entgegenwirken 

Zunächst  musste  aber  festgestellt  werden,  ob  das  Saponin’ 

a  ein  zum  Serum  zugefügt,  nicht  die  bakterizide  Aktion  be¬ 
einflusst. 


Tabelle  VI. 


2  ccm 


2  ccm 


B  a  e  t.  lactis. 


1  ccm  Rinderserum  -f-  1  ccm  Saponinlösung  2  prom. 


sofort  nach 
Aussaat 

nach  3  Std. 

nach  6  Std. 

nach  24  Std. 

f  aktiv, 
f  inakt. 

1  ccm  I 
(  aktiv. 

\  inakt. 

1620 

4910 

tinderserum, 

4320 

6930 

900 

11  790 

4-  1  ccm  Clh 
990 

30  370 

85 

16  085 

'a-Lösung  0,7 ; 

99 

59  837 

3  440 

83  700 

3  proz. 

59  750 

250  000 

t  aus  Tabelle  VI  ersichtlich,  ist  die  oben  supponierte 

Wirkung  des  Saponins  nicht  vorhanden.  Die  bakterizide  Aktion 
des  Rinderserums  wird  durch  Saponinzusatz  nicht  beeinflusst. 

Dagegen  ergibt  sich  ein  grosser  Unterschied  in  der  hak¬ 
ten  ziden  Wirkung,  wenn  man  nicht  Serum,  sondern  Blut  für 
den  Versuch  wählt. 


Tabelle  VII. 


Seram 


g 

5 

cn 

s- 

<x> 

T3 

2 


rö 

G 

c3 


1  ccm 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  ccm 
1  „ 

1  „ 

1  „ 

1  .. 


§  1  ccm 

I  1  .. 


CI  Na-Lösung 
in  Proz. 

Blutmenge 

Blutart 

gelöst 

3  ccm  25 

1  ccm 

Meerschwein 

lnach  24  Stdn. 

3  „  lu 

1  „ 

yy 

/etwas  gelöst. 

3  „  5 

1  ,, 

yy 

ungelöst. 

3  „  1,5 

1  ,, 

n 

5  Stdn.  gelöst. 

3  „  0,75 

1  „ 

yy 

55  Min.  gelöst. 

3  ccm  25 

1  ccm 

Pferd 

lnach  24 Stdn. 

3  „  lu 

1  „ 

yy 

/etwas  gelöst. 

3  „  5 

1  ,, 

yy 

ungelöst. 

3  „  1,5 

1  ,, 

lnach  24  Stdn. 

3  „  0,75 

1  „ 

» 

/fast  ganz  gel. 

3  ccm  25 

1  ccm 

Rind 

1  nach  24  Stdn. 

3  „  10 

1  „ 

yy 

/etwas  gelöst. 

3  „  5 

1  ,, 

yy 

ungelöst. 

3  „  1,5 

1  „ 

lnach  24  Stdn. 

3  „  0,75 

1  „ 

yy 

/fast  ganz  gel. 

Der  durch  das  Serum  verliehene  Schutz  des  Blutkörperchens 
gegen  die  Saponinwirkung  ist  nach  meinen  Versuchen  kein  voll¬ 
ständiger,  da  doch  eine  gewisse  Beschädigung  der  Blutkörper¬ 
chen  durch  das  Saponin  eintritt. 

Lasst  man  2  mg  Saponin  auf  1  ccm  Rinderserum  einwirken 
Un  gibt  nach  !4  Stunde  0,5  ccm  Rinderblut  zu,  zentrifugiert  und 

No.  44. 


Baet.  lactis. 

2  ccm  Rinderblut  -j-  2  ccm  Saponinlösung  2  prom. 

sofort  nach 
Aussaat 

nach  3  Std. 

nach  6  Std. 

nach  24  Std. 

aktiv 

inaktiv 

2  ccm 
aktiv 
inaktiv 

2610 

7650 

Rkiderblut  - 
2790 

7830 

1080 

9180 

-  2  ccm  CIN 

126 

8230 

9  010 

46  080 

a  Lösung  0,78 

48  1 

46  800  ; 

cn 

cn 

proz. 

cn 

JrJ  a  c.  typhi, 


2  ccm 

Hammelblut  -f~  2  ccm  Saponinlösung  ] 

prom. 

sofort  nach 
Aussaat 

nach  3  Std. 

nach  6  Std. 

nach  24  Std. 

aktiv 

inaktiv 

155 

3650 

87 

48  700 

59  400 

cn 

cn 

-  I  CA 

2  ccm  Hammelblut,  +  2  ccm  01  Na-Lösung  0,78  Proz. 


aktiv 

inaktiv 


167 

3730 


3 

40  770 


0 

53  750 


t/3 


CA) 


)  H.  Büchner:  Ueber  den  Einfluss  der  Neutralsalze  auf 
Serumalexine,  Enzyme,  Toxalbumine,  Blutkörperchen  und  Milz¬ 
brandsporen.  Arch.  f.  Hygiene  1803,  S.  139. 


2 


1830 


MUElSfCHENER  MEDICINI  SCITE  TV  OCIIEN SGIIRII T. 


No.  44. 


Diese  Versuche  lassen  kaum  eine  andere  Erklärung  zu,  als 
dass  hier  das  Austreten  der  Zellinhaltsstoft'e  aus  den  roten  Blut¬ 
körperchen  die  Ernährung  der  Bakterien  begünstigt  und  c  arm 
die  bakterizide  Aktion  zurückgedrängt  hat. 

Nach  diesen  Feststellungen  wurde  versucht,  auch  innerhalb 
des  Tierkörpers  die  durch  Saponininjektion  eingetretene  V  er- 
minderung  des  bakteriziden  Vermögens  und  damit  die  gemmder  e 
Resistenz  gegen  Infektion  nachzuweisen. 

Die  ersten  Versuche  wurden  an  Meerschweinchen  angestellt, 
die  1  mg  Saponin  subkutan  erhielten  und  6  Stunden  darauf 
mit  Milzbrand  infiziert  wurden,  während  je  ein  Konfrontier 
Saponin,  ein  anderes  nur  Milzbrand  erhielt.  Die  Tiere  starben 
fast  gleichzeitig  in  allen  4  Versuchsreihen,  so  dass  ein  beschleu¬ 
nigender  Einfluss  durch  das  Saponin  nicht  zu  erkennen  war, 
trotzdem  das  nach  dem  Tode  entnommene  Blut,  des  Saponintieres, 
mit  Kochsalz  vermischt,  Auflösungserscheinungen  zeigt»  .  .  u 

fallend  war  nur,  dass  das  Milzbrandödem  bei  den  Saponintieren 

fehlte. 

Weitere  Versuche  wurden  an  Kaninchen  gemacht,  die  1  mg 
Saponin  pro  Kilogramm  Tier  bekamen  und  zwar  intravenös  (m 
die  Ohrvene  eingespritzt);  20  Stunden  darauf  wurden  dieselben 
Tiere  mit  Schweineseuche  infiziert,  während  je  ein  Kontrolltier 
nur  Saponin,  ein  anderes  nur  Schweineseuche  erhielt.  Die  mit 
Saponin  und  Schweineseuche  behandelten  Tiere  gingen  durch¬ 
schnittlich  um  48  Stunden  früher  ein,  als  die  mit  Scliweine- 
seuche  allein  infizierten.  Die  Saponinkontrolltiere  blieben  am 

Leben. 

Tabelle  VIII.  _ . 


Kaninchen 


Saponininjektion 


Sehweinesem  he 


6.  II.  3  U.  n. 
6.  II.  3  U.  n. 

13.  II.  3  U.  n. 
13.  II.  3  U.  n. 

24.  II.  3  U.  n. 
24.  II.  3  U.  n. 

3.  III.  3  U.  n. 

4.  III.  3  U.  n. 
14.  III.  3  U.  n. 


7.  II.  10.  U.  v. 
7.  II.  10.  U.  v. 


H. 

14. 


II. 

II 


25.  II. 
25.  II. 

4.  III 
4  III. 

5.  III 
5.  III. 


10  U.v. 
10.  U.  v. 

10.  U.  V 
10.  TJ.  v. 

10.  U.v 

10. U.  V. 

10  U.  v. 
10.  U.  v. 


lebend. 

7.  II.  2  TJ  n. 

8.  II  8U.fr. 

lebend. 

17.  II.  4  U.  n. 
19.  II.  10 U.v. 

lebend. 

28.  II.  8U.fr. 
3.  III.  8U.fr. 


15.111.  10.  U.v. 
15.111.  10.  U.v. 


7. III. 
10.  III. 

10.111. 

11. 111. 


4  U.  n. 
10  U.v. 

4  U.  n. 
fr. 


16. III  8  U.  fr 
18  III.  10U.fr. 


Da  die  Tiere,  welche  Saponin  allein  erhalten  hatten,  munter 
blieben  und  sogar  teilweise  an  Gewicht  Zunahmen,  so  ist  die 
Saponinwirkung  an  sich  hier  nicht  das  entscheidende.  Man 
kann  vielmehr  nicht  umhin,  da  in  allen  Versuchen,  in  denen  die 
Tiere  Saponin  und  die  Bakterien  der  Schweineseuche  erhalten 
hatten,  der  Tod  früher  erfolgte,  diese  Wirkung  auf  eine  Kom¬ 
bination  der  Saponinwirkung  mit  der  Infektion  zurückzuführen, 
und  nach  den  vorausgegangenen  Versuchen  über  die  Vermin¬ 
derung  der  bakteriziden  Aktion  in  vitro  bleibt  das  wahrschein¬ 
lichste,  dass  auch  im  tierischen  Organismus  selbst  die  Auflösung 
der  roten  Blutkörperchen  die  Ernährung  der  Bakterien  begün¬ 
stigt  und  damit  die  bakterizide  Aktion  erschwert  hat.  Es  ist 
aber  durchaus  nicht  notwendig,  dass  nun  auch  jedes  hämolytisch 
wirkende  Gift  oder  Saponin,  mit  jeder  Infektion  kombiniert,  die 
gleiche  Wirkung  auslöst.  Meine  negativen  Versuche  nnt  Milz¬ 
brand  deuten  darauf  hin,  dass  die  Art  der  infizierenden  Bakterien 
hiebei  entscheiden  kann,  und  Rosatzins”)  negative  \  ersuche 
mit  Toluylendiamin  und  Glyzerin  zeigen,  dass  auch  die 
Art  des  hämolytischen  Giftes  wesentlich  in  Betracht  kommt. 

München,  den  20.  Juni  1902. 


°)  Rosatzin:  Untersuchungen  über  die  bakterientötenden 
Eigenschaften  des  Blutserums  und  ihre  Bedeutung  für  die  ver¬ 
schiedene  Widerstandsfähigkeit  des  Organismus  II.  Teil.  Zur 
Lehre  von  den  Geschwülsten  und  Infektionskrankheiten  i .  Lot. 
Dr.  O.  Lu  bar  sch,  Wiesbaden  1899. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Bonn  (Direktor:  Geheimrat 

Prof.  Dr.  Schultz  e). 

Ueber  Pleuraergüsse  bei  Herzkranken. 

Von  Dr.  Jos.  Esser,  Assistenzarzt. 

Unter  obiger  Ueberschrift  weist  D.  Gerhardt1)  an  der 
Hand  von  7  Krankengeschichten  auf  eine  Art  von  Pleuraergüssen 
bei  Herzkranken  hin,  die,  eine  mehr  selbständige  Stellung  im  Ge¬ 
samtkrankheitsbilde  einnehmend,  sich  vorwiegend  bei  Herz- 
muskelerkrankungen  finden,  meist  die  rechte  Brustseite  betreffen 
und  trotz  häufiger  Punktionen  und  Digitalisverabreichung  sehr 
hartnäckig  weiter  bestellen  bleiben.  Nehmen  wir  die  neueren 
deutschen  Werke  über  Herzkrankheiten  zur  Hand,  so  finden  wir 
über  diese  Art  von  Pleuraergüssen  nur  ungenügende  Angaben. 

R  o  m  b  e  r  g 2)  spricht  nur  von  einer  Kombination  von  ex¬ 
sudativer  Pleuritis  und  Hydrothorax  bei  Herzkranken,  die  sich 
durch  eine  auffällige  Verschiedenheit  der  Flüssigkeitsmengen  m 
beiden  Pleurahöhlen  kundgäbe.  „Die  Stauungspleuritiden“  heisst 
es  weiter,  „verlaufen  oft  noch  torpider  als  die  Broncho¬ 
pneumonien  Herzkranker.“  .  _ 

K  rehl 3)  erwähnt  ebenfalls  nur  die  Kombination  von  Pleu¬ 
ritis  und  Hydrothorax,  und  bei  Jürgensen4)  lesen  wir  die 
Notiz :  „Transsudate  —  Hydrops  pleurae  —  sind  bei  den  höheren 
Graden  der  Herzschwäche  etwas  Gewöhnliches.  In  der  Regel 
aber  sie  hat  öfters  Ausnahmen  —  finden  sich  die  Ergüsse  doppel¬ 
seitig.  Aeltere  Verwachsungen  auf  einer,  freie  Verschiebbarkeit 
der  Pleurablätter  auf  der  anderen  Seite,  dann  eine  Körperhal¬ 
tung,  welche  die  Schwerkraft  vorwiegend  in  einer  Richtung  zur 
Wirkung  kommen  lässt  —  das  sind  die  Bedingungen,  unter  deren 
Herrschaft  die  Abweichungen  vom  Gewöhnlichen  entstehen.“ 

Wir  sehen,  einer  Sonderstellung  sind  Pleuraergüsse  bei  Herz¬ 
kranken  von  den  bisher  zitierten  Autoren  wohl  nicht  gewürdigt; 
eingehender  sollen  sie  nach  Gerhardt  in  einer  auf 
Huchards  Anregung  entstandenen  These  von  F.  Robert 
(Paris  1897)  besprochen  sein.  Nach  dessen  Ausführungen  sollen 
allerdings  die  meist  rechtsseitigen  Pleuraergüsse  Herzkranker 
vorwiegend  bei  Aortenklappenfehlern  und  Krankheiten  der  auf- 
steigenden  Aorta  oder  des  Aortenbogens  Vorkommen. 

Durch  die  Arbeit  D.  Gerhardts  veranlasst,  machte  kurz 
nachher  O.  Rosen  bach  darauf  aufmerksam,  dass  er  schon  seit, 
langer  Zeit  diese  Komplikationen  bei  Herzkrankheiten  verfolgt 
und  ihre  diagnostische  und  therapeutische  Bedeutung  ver¬ 
schiedentlich  '')  literarisch  hervorgehoben  habe.  So  lesen  wir  z.  B. 
in  seiner  Monographie  über  „die  Erkrankungen  des  Brustfells“ 
in  Nothnagels  Spez.  Pathologie  u.  Therapie  auf  S.  98:  „Bei  chio- 
nischer  Muskelerkrankung  des  Flerzens,  die  sich  ausnahmsweise 
noch  nicht  durch  erhebliche  allgemeine  Symptome  dokumentiert, 
kommt  auffallend  häufig  ein  rechtsseitiger,  langsam  steigender 
Erguss  in  der  Pleura  vor,  an  den  sich  erst  nach  längerem  Be¬ 
stehen  Oedem  der  Beine,  stärkere  Leberschwellung  und  erst  viel 
später  auch  ein  linksseitiges  Transsudat  der  Pleura  anschliesst“. 

Die  Aetiologie  dieser  eigentümlichen  Pleuraergüsse  ist  bis¬ 
her  dunkel. 

Gerhardt  meint,  dass  es  sich  schwerlich  um  einfache 
Stauungstranssudate  als  Folge  der  Herzschwäche  handele.  Da¬ 
gegen  spräche  der  Mangel  oder  doch  die  viel  geringere  Entwick¬ 
lung  anderer  Flüssigkeitsansammlung  im  Körper,  ferner  der  hart¬ 
näckige  Verlauf  und  das  ständige  Wiederanwachsen  des  Ergusses 
auch  bei  guter  Diurese.  Das  auf  der  Grenze  zwischen  dem  bei 
entzündlicher  und  dem  bei  hydropischer  Flüssigkeit  stehende 
spezifische  Gewicht  könne  auch  nicht  zur  Entscheidung  hei  an¬ 
gezogen  werden.  Er  neigt  zu  der  Vorstellung,  dass  diese  Ergüsse 
eine  Mittelstellung  einnehmen  zwischen  Trans-  und  Exsudaten. 
Auch  nach  Rosenbach  gehören  diese  Ergüsse,  wie  der  Ver¬ 
lauf  der  Erkrankung  lehre,  wohl  ebensowenig  ausschliesslich  in 
die  Kategorie  der  Pleuritis,  wie  in  die  des  Hydrothorax,  wohin- 

9  I>.  Gerhardt:  Deutsche  Aerzteztg.  1901,  H.  1. 

*)  It  o  m  b  e  r  g:  Ebstein-Schwalbes  Handbuch  d.  prallt.  Mod. 
Bd.  I.  8.  706.  .  „_r 

9  Ivrehl:  Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Therapie  Bd.  XV, 
I.  Teil.  V.  Abteil.,  S.  122. 

4)  Jürgensen:  Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Therapie 
Bd.  XV,  I. 'Teil,  I.  Abteil.,  S.  158.  ( 

9  O.  Bosen  bach:  Münch,  med.  Wochensohr.  1901,  S.  o34. 
°)  O.  Rosenbach:  a)  Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  Therapie 
Bd.  XIV,  I,  S.  98;  b)  Eulenburgs  Realencyklopädie,  III.  Aufl., 
Artikel:  Hydrothorax,  Bd.  XI,  S.  171. 


4.  '.November  1902. 


-M_LK  ~X  (  1 1  I:xi':r  tMEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


7  m  l  V  1  d  "  R  2  b  6  r  tj  nachdcm  cr  Infarktbildung  in  der 
Lunge,  Einfluss  einer  Stauungsleber  und  Kompression  der  Verna 
azygos  als  recht  unwahrscheinliche  Ursachen  eines  solchen  Er 
gusses  zuruckgewiesen  hat,  .sich  für  ihre  Entstehn,  g  au  (LVl 
e.nes  von  der  Aortenwand  auf  die  Pleura  übergreifenden  chrö 
rnsch  entzündlichen  Prozesses  ausspricht.  Gerhardt  steht  letz- 
eiei  Annahme  nicht  völlig  ablehnend  gegenüber,  erwartet  aber 

von  IeuUeret  ■1UT'lt  U1  Che  Entstehungsweise  dieser  Ergüsse 
lon  Sektionsbefunden.  ÖUÖtw 

Solche  stehen  mir  nun  von  3  Fällen  zu  Gebote  und  sie 

PnthneU’  W1G  f  ß.aube’  emig6S  Licht  in  die  bisher  noch  dunkle 

^aergüsse  bei  Herzkrank 


1831 


9.  s'ss  ?'V 

Klinik  behandelt  wurde.  "  XL  1  01  111  hlesiger  medizinischer 
auamnesShenlchtf' BesoSekTnnzuglben  ‘V,™ M11''’* 

jor  seiner  Aufnahme  wieder  einer  Verschlimmerung  Platz  iimcht“ 

£  ääS 

~  IÄ? 

“Sr°SDte  SÄ1'^  ,M'mn  mässl*em  Ernährungs: 

S.  mttSgf o1Sem.,St  ***»*  Cyan',tlScl1-  ”>■  Uutcr- 

Die  Atmung  ist  dyspnoisch  (Anzahl  der  Atemzüge  24  nro  Min  i 
Die  Lungengrenze  stellt  vorn  rechts  im  G.  Interimstalrau  hinten 
lechts  an  der  8.  und  hinten  links  an  der  10.  Kippe  liier  ist  sie 
ma  wenig  hinten  rechts  gar  nicht  verschieblich  Ueber  der  ge 
dampften  Partie  hinten  rechts  unten  ist  das  Atem-eräilsch  auf’ 
gehoben,  sonst  vesikulär  mit  diffusen  giemenden  Nebengeräuschen' 

?eXgbisAzurriec^LBSftSPlUTn-  ^  HeBdtoÄÄ 

inius  uis  zum  lechten  Stemalrand,  nach  links  2  cm  qnwwhüih 
!-nmn  ;UaminurIip-M’  W0Selbst  der  Spitzenstoss  im  5.  Iiiterkostal 
GalopprhAdhimistUlistai' i10/' •  Dle  Herztätigkeit  zeigt  deutlichen 

t  a  eiTT  unf.e8elmässig  und  beschleunigt 
ti-u  l  uise  pio  Mm.).  Die  Herztone  sind  leise,  dumnf-  an  der 

Herzspitze  hört  man  ein  systolisches  Geräusch  und  über  der  Pul 
monalis  keine  Verstärkung  des  2.  Tones.  u1' 

Im  Abdomen  ist  ein  mässiger  Aszites  nachweisbar.  Die  Leber 

ist  aXtSr1  Rippenbogen;  eine  deutliche  Pulsation 

,  ,Pie  ^rilz  ist  nicht  palpabel.  Der  Urin  enthält  Albumen  in 

zelte  bv«wnge’ifeiner  ,fm(len  sicb  iu  ihm  mikroskopisch  verein¬ 
zelte  hjalme  und  granulierte  Zylinder. 

nissen™  Nei'vensysteru  entspricht  der  Befund  normalen  Verhält- 

TTnfü!Cb°n.“ach  5  Ti agen  fühlte  sich  der  Kranke  bedeutend  besser 
IfJlf1  Pigitahs  und  Bettruhe  sind  die  Oedeme  an  den  Beinen  fast 
olh&  geschwunden,  das  Atmen  ist  beschwerdefrei,  die  Urinmenge 
hat  ion  oOO  bis  auf  3100  ccm  zugenommen  und  der  Urin  ist  frei 
gW  VV(?1SS  ^md  Formbestandteilen.  Der  Befund  am  Herzen  ist, 

•  »gesehen  von  einer  geringen  Verlangsamung  der  Herztätigkeit 
4er  gleiche  geblieben.  Die  Lungengrenze  hinten  ?echts  unten 

•  ttht  nach  wie  vor  an  der  8.  Rippe.  Die  Leber  überragt  den 
Rippenbogen  etwa  3  Querfinger  breit 

stelbmf^r  °ilK;S  Mo^es  blieb  der  Zustand  leidlich,  dann  aber 
nip  iL  f  wieder  stärkere  Herz-  und  Atembeschwerden  ein. 
Die  Dampfung  hinten  rechts  stieg  höher,  während  links  die 

Punktionen11^  d^10-  RiPPe  blieb-  Auch  nach  mehrfachen 

L,  iv  \Per  fChten  PKuraliöhle  und  Verabreichung  von  Digi- 
‘  iSn1,1Uretm  GtC'  batte  (las  Flüssigkeitsniveau  bald  wieder  die 
errebld11^  scblles*llch  eiüe  Höhe  bis  zur  Mitte  der  Skapula 
öe«  Ac  ’-fals  sf  Zunahme  der  Oedeme  an  den  Beinen  und 

üdefe  ^  •  allmaüllch  auch  ein  linksseitiger  Hydrothorax  aus- 
L  miete.  Bei  der  1.  Punktion  wurden  über  ly2  Liter  einer  klar 

Dm  SttU-  FlllSSlgkeit  mit  einem  spez.  Gewicht  von  1013  entleert 

trnt  Tl*nler  n£h“  Jetzt  mehr  und  mehr  ab  und  schliesslich 
tiat  am  19.  XI.  01  der  Exitus  letalis  ein. 

Die  Körpertemperatur  schwankte  zwischen  3G  und  3G  5  0 
Hoi-vn  i  •  einf'  klinischen  Vorstellung  Anfang  November  von 
T.>i-,  peheimrat  Schnitze  gestellte  Diagnose  lautete  auf  eine 
p  la ukmig  des  Herzmuskels  mit  eventueller  Beteiligung  des 
Endokards  und  den  erwähnten  Folgezuständen.  Aus  dem  Sektions- 
bebe.,lcb  folgendes  hervor:  Hypertrophie  und  Dilatation 
Si-  ,\eiRrikel:  Herzmuskulatur  makroskopisch  trüb,  mikro- 
stHmu  T?  1  V’  neben  fettiger  Degeneration  diffus  zerstreute,  inter- 
vrmiov  Herderkrankungen;  geringe  Endocarditis  verrucosa  am 
T  .  i en  Mitralzipfel;  Aortenwand  ohne  Abnormität;  Stauungs- 
in?n/e,  'Heber,  -Niere,  -Milz;  in  beiden  Lungen  mehrere  bis  wal- 
mssgrosse  Infarkte;  die  Pleuren  blank;  die  Lym  p  li  drüsen 
•>  in  rechten  L  u  n  genhilus  beträcli  tlic  h  ver- 
grossert  (einige  über  walnussgross),  äusserst 
r'i,“”??,  schwarz  pigmentiert;  am  linken 
»enhilus  nur  wenige,  kaum  bohnengrosse, 


nicht  völlig  indurierte  Lymphdrüsen-  auch  die 

u  n  d  vorh  ä  r  t  e  t“  Mediastlnaldrüsen  ve’rgrössert 

Bei  dem  zweiten  Falle  handelt  es  sich  um  einen  32  Tab  re 

To™  nmff  ?OT  vom  2li  1X'  1901  M»  ™"Seinem 

-Lode  am  11.  I.  02  in  der  hiesigen  medizinischen  Klinik  befand 

?mTHA?Dfime  gab  er  aa>  dass  seine  Eltern,  64  iSp! 
l  .  ‘  11  ?  aR,  beRle  am  „Herzschlag“  gestorben  seien.  Er  selbst 
hat,  soviel  er  sich  zu  erinnern  weiss,  in  der  Kindheit  nur  Masern 
daan  wahrend  des  Feldzuges  1870/71  gastrisches  Fieber  Gehabt 
und  will  sonst  stets  gesund  gewesen  sein  bis  zum  Aprif  1901 
Bei  angestrengter  Tätigkeit  habe  er  immer  gut  und  reiJhl  ch  ae 
lebt,  doch  me  übermässig  getrunken.  11CÜ  ge 

,  V,11  April  1901  bekam  er  plötzlich  in  einer  Nacht  einen  starken 

Ant«11  von  Atemnot  mit  Schmerzen  in  der  Herzgegend  In  der 
°  sollen  sich  derartige  Anfälle  meist  Nachts  doch  snäter 

auol,  am  Tage  wiederholt  haben,  nnd  zwar  in  immer  küraeren 
Zwisehemaumen,  so  dass  sie  sieh  in  den  letzten  Wochen  vor  seiner 
Aufnahme  in  die  Klinik  fast  jede  Nacht  einstellten.  Dazu  ge- 
sdlte  sich  Herzklopfen,  ferner  Husten  mit  etwas  Auswurf  Annetit- 
losigkeit  und  allgemeines  Schwächegefühl.  Seit  etwa  4  Wochen 
vor  seinem  Eintritt  in  die  Klinik  sollen  auch  die  FüZe  nameSlicS 
Abends  häufiger  angeschwollen  sein.  Der  Kranke  ist  ein  grosser 
ter  Herr  in  ziemlich  gutem  Ernährungszustand 
geii4ef  Oedema  1St  ’  Über  den  Knöcbelu  ündet  sich  ein 

Die  Atmung  ist  anfallsweise  beschleunigt  (28  pro  Min)  und 
erschwert.  Die  Lungengrenze  steht  vorn  rechts  an  der  5.  hinten 
lechts  an  der  8.  und  hinten  links  an  der  10.  Rippe;  links  ist  sie 
verschieblich,  rechts  nicht.  Ueber  beiden  Lungen  ist  das  Atem 
ge  lausch,  abgesehen  von  den  gedämpften  Partien,  über  denen  es 
aufgehoben  ist,  vesikulär,  von  mässig  zahlreichen  giemenden  und 
rasselnden  Nebengeräuschen  begleitet.  Spärlicher  Auswurf  mit 
Herzfehlerquellen.  Die  Herzdämpfung  reicht  nach  rechts  1  Quer- 
hnger  über  den  rechten  Brustbeinrand  und  nach  links,  3  Ouer- 
finger  ausserhalb  der  Mammillarlinie.  Der  Spitzenstoss  ist  im 
o.  Hiterkostalraum  eben  fühlbar.  Die  Herztätigkeit  ist  reo-el- 
massig,  pro  Min.  100  Schläge.  Die  Herztöne  sind  leise  und 

düng  niclS^'eSartct1  S“ 

+1  \n  einer  Tagesmenge  von  1000—1200  ccm  gelassene  Harn 
Zylinder81116  maSSlge  Menge  von  E‘weiss  und  spärliche  hyaline 

Sonst  lässt  sich  an  den  Unterleihsorganen  ebenso  wie  am 
Neivensy stem  kein  abnormer  Befund  erheben.  Psychisch  ist  der 
Kranke  deprimiert  und  neigt  leicht  zum  Weinen,  wenn  er  auf  sein 
Leiden  zu  sprechen  kommt. 

\\  ährend  etwa  zweier  Monate  blieb  sein  Zustand,  abgesehen 
her  mm'm  dauernder  subjektiver  Besserung,  im  wesentlich  objektiv 
dei  gleiche.  Dann  aber  kamen  die  Anfälle  von  Atemnot  Beklem- 
Schmerzen  in  der  Herzgegend  immer  Mufigfr. 
Trotz  mehrfacher  Punktionen  nahm  der  rechtsseitige  Hydro- 
tliorax  immer  wieder  zu.  —  Bei  der  ersten  Punktion  hatte  die  ent¬ 
leerte  klar  seröse  Flüssigkeit  das  spez.  Gewicht  1010  —  Die 
vorübergehend  geschwundenen  Oedeme  an  den  Beinen  wurden 
starker,  zu  dem  rechtsseitigen  Hydrothorax  gesellte  sich  ein  links¬ 
seitiger  und  allmählich  bildete  sich  ein  Aszites  aus 

Der  Kranke  delirierte  viel  und  am  11.  I.  02  trat  der  Tod  ein 
Fieber  war  wahrend  des  ganzen  Krankheitsverlaufes  nicht  vor- 
Jmnden.  Die  klinische  Diagnose  lautete  auf  Myodegeneratio  als 
ursächliches  Leiden. 

Bei  der  Sektion  war  das  Herz  in  allen  Teilen  vergrössert- 
m  der  hypertrophischen  Muskulatur  Hessen  sich  makroskopisch 
vorne  Herderkrankungen  erkennen,  dagegen  erwies  sie  sich  mikro- 
skopisch  in  diffuser  Weise  von  kleinen  interstitiellen  Rundzellen- 
lnfiltrationen  durchsetzt.  An  der  Aorta  fand  sich  geringe  Intima- 
veiuickimg.  Die  Koronararterien  waren  durchgängig,  nicht  sklero- 
siert.  Die  verschiedenen  inneren  Organe  zeigten  einfache  Stau- 
ungs Veränderungen.  In  den  Lungen,  von  denen  namentlich  die 
rechte,  vrnl  weniger  die  linke  komprimiert  war,  fanden  sich  keine 
Infarkte. 

Wiederum  waren  die  rechtsseitigen  Hilus- 
df'usen  stark  ver  grosse  r  t,  fast  steinhart,  sch  w  a  r  z 
pigmentiert,  mit  verkalkten  Partien,  wohin¬ 
gegen  sich  am  linken  Lungenhilus  nur  wenige 
kaum  haselnussgrosse,  sukkulente  Drüsen 

fände  n. 

Tv  E,in  dritter,  erst  jüngst  nur  kurze  Zeit  klinisch  beobachteter 
1<  all  betrifft  einen  51  jährigen  pensionierten  Lehrer,  der  schon 
2  J  age  nach  seiner  am  8.  IX.  02  erfolgten  Aufnahme  in  die  medi¬ 
zinische  Ivlinik  starb. 

Früher  immer  gesund,  auch  aus  gesunder  Familie,  wollte  er  seit 
etwa  12  Jahren  namentlich  nach  geringen  Anstrengungen  Atemnot 
und  Herzklopfen  bekommen,  viel  an  Husten  mit  manchmal  blu¬ 
tigem  Auswurf  gelitten  und  häufiger  geschwollene  Füsse  gehabt 
haben.  ö 

Als  vor  etwa  einem  Jahre  die  Beschwerden  stärker  wurden, 
musste  er  seine  Stellung  als  Schullehrer  aufgeben. 

Im  letzten  halben  Jahre  liess  er  sich  von  einem  „naturwissen¬ 
schaftlich-medizinischen  Privatgelehrten“  und  zwar  mitgebrachten 
Rezepten  gemäss  mit  homöopathischen  Dosen  von  Strophantin 
und  Digitoxin  Merck  etc.  behandeln.  Als  auch  selbst  hierbei  keine 
Besserung,  vielmehr  Verschlimmerung  eintrat,  liess  er  sich  in  die 
hiesige  Klinik  aufnehmen. 

Er  kam  mit  starker  Cyanose,  mit  ausgebreiteten  Oedemen 
an  Armen  und  Beinen,  mit  Aszites  und  doppelseitigem,  aber  rechts 

2* 


1832 


MUENCHENEB  MEDICINISCHE  WOCHENSCHBIET. 


No.  44. 


bedeutend  stärkeren  Hydrothorax.  Die  Lungengrenze  stand  vorn 
rechts  an  der  4.  Rippe,  hinten  rechts  Mitte  der  Skapula,  hinte 
links  9.  Rippe  und  war  nirgends  verschieblich.  Die  Atmung  war 
sehr  erschwert  und  beschleunigt  (pro  Min.  20).  Ueber  den  Lung 
hörte  man  nur  Giemen  und  Rasseln. 

Am  Herzen,  dessen  Grenze  nach  rechts  nicht  bestimmbar  war 
und  sich  links  2  Querfinger  ausserhalb  der  Mammfilarbme  befand, 
hörte  man  bei  beschleunigter  (210  Schläge  pro  Mm.),  umc„^ 
massiger  Aktion  nur  leise,  dumpfe  Töne.  Der  luls i  war  an  den 
nicht  "  geschlängelten  und  nicht  sklerosierten  Gelassen  kaum 

Die  Palpation  und  Perkussion  des  Abdomens  ergab  c^es 
Aszites  wegen  kein  Resultat.  Der  in  äimserst  spärlicher  Menge 
gelassene  Urin  enthielt  ziemlich  viel  Eiweiss  und  hyaline  Zyimae  . 
Der  Befund  am  Nervensystem  war  der  Norm  entsprechend. 

2  Tage  nach  der  Aufnahme  starb  der  Kranke.  Als  uns  be¬ 
sonders  hier  interessierend  fand  sich  bei  der  Sektion  ein  in  aRen 
seinen  Teilen  hypertrophisches  Herz  mit  makroskopisch^  sicht¬ 
barer  fettiger  Degeneration  (Tigerung)  und  fleckiger  Tiubung. 
Mikroskopisch  fanden  sich  ausserdem  zerstreut  lnteistitielle  eu 
zündliche  Veränderungen.  Im  Anfangsteil  der  Aoita  j! 
mässige  Intimaverdickung  und  -Verfettung  nachzuwuse  . 

Lungen  waren  durch  alte,  ziemlich  feste  Adhäsionen  au  die  Kostal- 
pleura  in  ihren  hinteren  und  seitlichen  Partien  fixiert,  und  zua 
namentlich  die  rechte.  Links  fand  sich  ein  massiger  (etwa  /«  LteO, 
rechts  ein  drei-  bis  vierfach  so  starker  Hydrothorax  (spez.  Gewicht 
bei  einer  Punktion  1012).  In  den  Lungen  fanden  sich,  abgesehen 
von  den  durch  Stauung  hervorgerufenen  Veränderungen,  die  a 
die  Abdominalorgane  zeigten,  und  einer  sehr  starken  Bionchit  s 
keine  Herderkrankungen. 

Noch  weit  stärker  als  in  den  beiden  vorigen 
Fällen  war  in  diesem  die  Veränderung  der 
rechtsseitigen  Hilus  -  und  Bronchialdrus  e  n  au  - 
geprägt.  Durch  über  eigrosse,  verhärtete  und 
schwarz  pigmentierte,  auf  dem  D  ur  c  h s  c  hn i  t 1 
mit  gelblich  erweichten  und  mit  vei  kalkten 
Herdchen  durchsetzte  Lymphdrusen  w  a  r  d  e  r 
rechte  Hauptbronchus  bedeutend  ko  mp  r  i  m  i  e  r  t. 
Auch  noch  weit  ins  Innere  der  Lunge  hinein  um¬ 
fehl  o  s  se  n  verdickte  und  schiefrig  indurierte 

Lymplidrüsen  die  B  r  o  n  c  h  i  al  v  e  r  z  w  e  i  g  u  n  g  e  n 

Auch  die  rechtsseitigen  Mediastinaldrusen 
waren  derart  verändert,  während  sich  linker¬ 
seits,  wie  auch  in  den  beiden  anderen  1  alle 
nur  einige  kaum  haselnussgrosse,  derbe,  pig¬ 
mentierte  Drüsen  vorfanden. 

Diesen,  klinischen  und  pathologisch-anatomischen  Befunden 
gemäss  haben  wir  in  allen  3  Fällen  hei  Herzmuskelerkrankungen 
(im  ersten  neben  einer  Endokarditis)  einen  rechtsseitigen  lesp. 
rechtsseitig  stärkeren  Hydrothorax  und  gerade  auf  der  Seite  des 
stärkeren  Ergusses  im  Brustraum  hochgradige  Lymphdrüsenver- 


änderungen. 

Zunächst  wäre  nun  zu  erörtern,  warum  sich  diese  Pleura¬ 
ergüsse  am  häufigsten  bei  Erkrankungen  des  Herzmuskels  vor¬ 
finden.  Ich  glaube,  weil  gerade  Herzmuskelerkrankungen  über¬ 
haupt  früher  und  häufiger  als  Herzklappenerkrankungen  zu  den 
verschiedenen  Arten  der  Eymphstauung  V eranlassung  geben, 
letztere  eben  nur  dann,  wenn  wiederum  der  Herzmuskel  aus 
irgend  einem  Grunde  insuffizient  wird.  So  fand  sich  denn  auch 
z.  B.  bei  den  von  Gerhardt  (1.  c.)  aus  der  Strassburger 
Klinik  beliebig  herausgegriffenen  150  Klappenfehlerkranken 
29  mal  Hautödem  und  Höhlenhydrops,  19  mal  nur  Hautödem  und 
10  mal  nur  Höhlenerguss,  wogegen  bei  119  Herzmuskelerkran¬ 
kungen  die  betreffenden  Zahlen  44,  19  und  9  betrugen,  also 
38,6  Proz.  gegenüber  60,5  Proz. 

Eine  andere  Frage  ist  die,  warum  diese  Ergüsse  in  die  Pleura 
überwiegend  rechts  Vorkommen.  Der  Pleuraraum  ist  als  ein 
grosser  lymphatischer  Baum  aufzufassen,  in  dem  die  zum  Zweck 
des  leichteren  Auseinandergleitens  der  Pleurablätter  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen  in  geringer  Menge  enthaltene  1  Bissigkeit 
einem  steten  Wechsel  unterworfen  ist.  Der  Flüssigkeitsstrom 
geht  hierbei  wahrscheinlich  von  der  pulmonalen  zur  kostalen 
Pleura  (G  r  o  b  e  r 7).  Nun  geht  nach  Henle8)  gerade  rechter¬ 
sei  ts  die  Ly  mph  (Bissigkeit  aus  der  inneren  Auskleidung  des 
Thorax  in  einen  Lymphdrüsenstamm,  den  Truncus  broncho- 
mediastinus,  in  den  unter  anderem  auch  die  Vasa  efferentia  dei 
Bronchialdrüsen  führen.  Linkerseits  gehen  die  Vasa  efferentia 
dagegen  der  Begel  nach  direkt  in  den  Ductus  thoracicus,  doch 
kann  auch  links  ein  Truncus  bronchiomediastinus  aus¬ 


gebildet  sein. 


7)  Grober:  Zieglers  Beiträge  z.  pathol.  Anatomie  u.  allg. 

rathol.  Bd.  XXX,  S.  267  u.  ff.  TTT 

6)  Henle:  Handburch  der  Anatomie  des  Menschen  Bd.  Ill, 

S.  438. 


Ist  nun  infolge  von  Entzündungen  etc.  eine  völlige  y  er- 
ödung  und  Verlegung  der  Drüsen  und  Lymphgefässe .  einge¬ 
treten  so  führt  diese  allein  nur  äusserst  selten  zur  Entwicklung 
eines  Oedems,  weil  ausserordentlich  zahlreiche^  Anastomosen 
helfend  eintreten  können,  ferner  ein  direkter  üebergang  der 
Lymphe  in  das  Blut  stattfindet. 

Anders  liegen  aber  die  Verhältnisse  in  den  Fällen,  wo  ein 
lokales  Hindernis  in  den  Lymphbahnen  sich  zu  einer  Schwache 
der  auch  die  Lymphe  treibenden  Herzkraft  gesellt.  Die  Druck¬ 
erhöhung  in  den  Venen  behindert  dann  den  direkten  Uebertntt 
von  Lymphe  in  die  Blutbahn,  bedingt  vielmehr  erhöhte  Trans¬ 
sudation,  und  dabei  ist  der  andere  Weg  durch  die  Lymphbahn 
zum  grossen  Teil  verlegt.  Genügend  ist  durch  letzteres  mecha¬ 
nische  Moment  meiner  Ansicht  nach  auch  die  Hartnäckigkeit 
der  Ergüsse  erklärt;  und  schliesslich  dürfte  es  auch  verständ¬ 
lich  sein,  dass  sich  bei  dem  langen  Bestehen  der  Ergüsse  nach 
den  Gesetzen  der  Endosmose  ein  für  einfache  Stauungstrans 
sudate  hohes  spezifisches  Gewicht  einstellt.  Dass  endlich  gerade 
bei  Herzkranken  infolge  der  chronischen  Bronchitiden  auch  die 
Bronchialdrüsen  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  und  zwar 
unter  Bevorzugung  der  auch  sonst,  z.  B.  bei  Tuberkulose,  meist 
rechts  stärker  als  links  befallenen  ),  bedarf  nur  einer  kurzen 
Erwähnung. 

Meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Geheimrat  S  ch  u  1  t  z  e, 
spreche  ich  für  die  Ueberlassung  der  Fälle  und  die  Durchsicht 
der  Arbeit  meinen  herzlichsten  Dank  aus. 


Aus  der  Bostocker  chirurgischen  Klinik  (Prof.  Garre). 

lieber  parenchymatöse  Magenblutungen. 

Von  Dr.  Ernst  Moser  in  Zittau,  früherem  Assistenten 

der  Klinik. 

Bei  dem  allgemeinen  Interesse,  das  den  parenchymatösen 
Magen-  und  Darmblutungen  heutzutage  entgegengebracht  wird, 
dürfte  sich  die  Besprechung  selbst  einzelner  einschlägiger  Fälle 
ohne  weiteres  rechtfertigen.  Ich  teile  deshalb  in  folgendem  einen 
Fall  mit,  der  noch  unter  Herrn  Geheimrat  Garre  in  der 
Kostocker  Klinik  beobachtet  wurde.  Eine  Beihe  von  un¬ 
vorhergesehenen  Ereignissen  hat  die  Mitteilung  verzögert. 

Die  Krankengeschichte  gebe  ich  aus  den  Beobachtungen  der 
Bostocker  medizinischen  und  chirurgischen  Klinik  im  Aus¬ 
zuge. 

Am  22.  X.  1897  wurde  der  41jährige  Taglöliner  Wilhelm  S. 
in  die  medizinische  Klinik  (Geh.  Ober-Med.-Rat  Thierf  eldei) 
aufgenommen.  Er  will  früher  stets  gesund  gewesen  sein  und 
meint,  dass  seine  jetzige  Krankheit  dadurch  veranlässt  sein  könne, 
dass  er  Johanni  97  in  erhitztem  Zustande  kaltes  Quellwasser  ge¬ 
trunken  habe.  Er  hat  damals  Schmerzen  in  der  Magengegend, 
LTebelkeit  und  schliesslich  Erbrechen  gehabt.  Die  Beschwerden 
haben  seit  der  Zeit  angehalten.  Die  Schmerzen  waren  unabhängig 
vom  Essen,  dauerten  oft  einen  ganzen  Tag;  an  anderen  Tagen 
wiederum  war  Pat.  vollkommen  schmerzfrei.  Das  Erbrechen  er¬ 
folgte  stets  1 — 2  Stunden  nach  dem  Essen;  blutig  oder  kaffeesatz¬ 
ähnlich  soll  es  nie  ausgesehen  haben.  Oefters  dagegen  hat  Pat. 
Aufstossen,  verbunden  mit  salzigem  Geschmack.  Saueres  hat  er 
gar  nicht  mehr  vertragen  können.  Der  Stuhlgang  soll  in  den  letz¬ 
ten  Wochen  vorübergehend  schwarz  gewesen  sein.  Durchfall 
wechselte  dabei  mit  Verstopfung.  Allmählich  ist  Pat.  abgemagert 
und  blass  geworden.  Der  Bauch  soll  dagegen  auch  nach  Ansicht 
des  Arztes  angeschwollen  gewesen  sein.  An  vermehrtem  Durst 
hat  Pat.  zeitweise  gelitten. 

Aus  dem  Status  der  Aufnahme  wäre  zu  erwähnen,  dass  Pat. 
mittelgross  und  von  gutem  Knochenbau  war,  Muskulatur  massig, 
Fettpolster  gering.  Von  Seiten  der  Lunge  und  des  Nervensystems 
keine  Besonderheiten,  Herztöne  rein,  Puls  56 — 72.  Das  Abdomen 
ist  im  Mesogastrium  teilweis  vorgewölbt.  Im  rechten  Hypo- 
chondrium  Druckempfindlichkeit.  Gleich  am  Tage  der  Aufnahme 
erbrach  Pat.  %  Topf  voll,  später  nochmals  H  Topf  voll. 

23.  X.  Probefrühstück.  Exprimiert  wurden  400  ccm  gut  zer¬ 
kleinerten  Inhalts.  Freie  Salzsäure  +,  Milchsäure  — .  Gesamt¬ 
acidität  =  50  Proz.,  freie  Salzsäure  35. 

24.  X.  Nüchtern  400  ccm  einer  sauer  riechenden,  trüben, 
wässrigen  Masse  exprimiert,  deren  Gesamtacidität  =  68  Proz.  ist. 
Milchsäure  — ,  freie  Salzsäure  -|—  Nach  dem  Exprimieren  ver¬ 
schwanden  die  Schmerzen  bis  zum  Mittagessen.  Am  Nachmittag 
wieder  100  ccm  erbrochen. 

25.  X.  Nachts  wegen  Schmerzen  nicht  geschlafen.  y2  Dipl 
voll  erbrochen.  Abends  iy2  Glas  voll  exprimiert.  Hinterher  Spü¬ 
lung  des  Magens.  Ord.:  Natr.  bicarbon.  30,0,  Rhizom,  zing.  3.6; 
i/o  Theelöffel  voll  nach  jeder  Mahlzeit. 

I  9)  E  s  s  e  r:  Münch,  med.  Wochensehr.  1902,  S.  356. 


4.  November  1902. 


»  Ä”  etwas  Bitten  kaP  'Ä  t?  ocT"  •**? 
Gesamtacidität  =  50  Pros.  Ausspülung  expmmert. 

.  breiten  unter  den  Nabel.  1  leicllt  ^ — 3  Finger¬ 

kleinerten  Inhalts Cmi?e  Flöckchen  ^^eronnener1  MnSjiCh  gUt  -zer' 
Gesamtacidität  =  39  Proz.  Milchsäure  expnmiert. 

wurde.  X'  °Ut  geschlafen>  obwohl  gestern  Abend  nicht  exprimiert 

3.  XI.  Dauernd  beschwerdefrei.  Wünscht  mehr  zu  essen 
o  XI.  Expression  nach  Probefrühstück  (Tliee  und  JSw 
ergibt  einen  Esslöffel  voll  trüb  gelblicher  Fl  iss  -  Z^lebacb) 
acidität  =  24  Proz.  Salzsäure  +  lussigkeit.  Gesamt- 

Zunehmender  Appetit  bei  fester  Kost. 

hntnri^h  ni  Abdomen  nirgends  druckempfindlich.  Magen  ner 
kutonsch  nicht  vergrossert.  Entlassen.  gen  pei 

Nach  seiner  Entlassung  fühlte  sich  Pst  wr>i,i  m  0 

ö  swn  rat.  wohl  bis  zum  Sommer 

ä  iävSHsHSSt? 

ÄfpSSS 

letztei  /eit.  Appetit  schlecht,  Durst  gesteigert  Ci  .  ,L 
Schmerzen  Tknr»r>i-*-pr»n  *  1,  .  oClilHt  (luicli 

gestört,  Durchfall  wechselt  mit  Verstopfim«-  nb  Auf. 

ahme  in  die  medizinische  Klinik  am  21.  XII.  1899  ^ Schlechter 

Ä; 

04  Au/  Einlauf  erfolgt  schwarzer  Stuhlgang. 

ISVauf' M™h  ’o  0l“ritf' 

„*  *  *>  * »  “  * 

Ä  ° Ä  &  r  Erbrechen 

aber  ohne  Blutbeimengung.  Gegen  4  Uhr  wird  wieder  B  1  n  t  er’ 

a  Ä,sr  «  ^ 

Ord. f'NiihrM, Stere“  im  Eplgastrlum'  Ke,ne  Uebellret  mehr. 

11-  I*  Pat.  erholt  sich  wieder. 

milch.2'  L  Keine  Schmerzen’  auch  nicht  beim  Trinken  von  Eis- 
im  bS:  L  .  Gestern  gegen  10  Uhr  bekam  Pat.  heftige  Schmerzen 

rSzEEStdeT’siche  an?  allm^HCh  Steigerten-  EanftralS 

9  ITh,.  ff rf'ih  «K  1  ^  e1lne  MorPhiumgabe  etwas  legte,  gegen 

:  1  ln  1  ruh  a*>er  zum  Erbrechen  von  50  ccm  s.  t  a  r  thi  ,7  t 

£«,Sr,Ä  *  öS  Blntbrecben  LSrte  SfrSÄ  S?  T™ 

SÄ  5S?äs-  -«•  Ä 

nach1BeIwegungenBb,nb4<: '»«“  -'««erU.U  .leb,  besonders 

vcriett  La  Gf°.sle  Mattigkeit.  Pat.  nach  der  chirurgischen  Klinik 

(Pmf^Garfll  rm  rUfige-r  Morphin-Aetliernarkose  Operation 
U  ior  haiie).  Laparotomie  in  der  Mittellinie  zwistou  n 

T*  “er  Magen  ! 

dickimeen  n?  1  SICh  frische  Blutungsspuren  oder  Ver- 
Perm  f  V  Dagegen  zei^en  sich  kleine  weissliehe  Stränge  in  der 
%rjrT  Kuryatur,  und  besonders  in  der'  Pyloris- 
gegend.  Gastioenteroanastomosis  posterior  retrocolica  '  nach 
1ßCT  imit  dreifac‘her  Nahtreihe.  Bauchdeckennaht. 

Befinden.  c  merzen  unter  der  linken  Schulter,  sonst  leidliches 

Jo  {•  ScWechtM  Aussehen.  Ansteigen  des  Pulses  auf  132 
peratm-  38  o  erschlecliterung  des  Pulses  (bis  150).  Tem- 

ausspülung  ’  ’  brechen  gaIlig  ^färbter  Flüssigkeit.  Magen- 
19.  I.  Exitus  letalis. 

tone ^^Bon^iro tokoll^.)1  V"in ^er^ U mgebung  der  WuSe^a's  Perf 

S“*  freie  Flüssigkeit.  Nacb  Entf  emung ÄZ* 
SSÄ1«  kollabiert,  die  zutührenV  SÄS"  Bei 

SSÄ8»  dH  W?“ ist d  1 1  V ^ iÄ£ 

die'o  dt'  1  '  “V  P»  “  0  P  d  Vo^  Ringen  ‘  £  £ 

In  derfpvT8  111  den  Darm  8'ut  für  einen  Daumen  durchgängig 
einer  HÄfl-  Tiehllte  Verwachsungen  in  der  Grösse 
Handfläche.  Die  Magenschleimhaut  ist  blass,  teilweise 
No.  44. 


MTEm-IIEXER  MEDICtNISCIIE  WOtHTErnnnmeT 


1833 


,  .  fh  ®™n'1  ,k:r  immerhin  reichlichen  Magenblutung  waren 
ei  der  Obduktion  nur  4  punktförmige  Blutstellen  gefunden 
worden,  von  denen  nur  eine  einen  flachen  Epitheldefekt  zeigte' 
Auch  die  weitere  Untersuchung  dieser  Stellen  hat  gar  nichts  bei 

d“  Lebe7sf  e“tst“d™  nun  diese  Blutungen  während 

lieh  E-nh  1  Sei‘S  genü*fellde  Erklärung  zu  geben  ist  nicht  mög- 
hch,  lch  mochte  nur  versuchen,  einige  Punkte  näher  zu  be- 
leuchten  und  ihre  Bedeutung  hervorzulieben. 

Es  sei  kurz  auf  verschiedene,  uns  hier  interessierende  Ent¬ 
stehungsarten  von  Magenblutungen  hingewiesen. 

Experimentell  konnten  hämorrhagische  Erosionen  im  Magen 
nach  Unterbindung  der  Pfortader  erzeugt  werden  (Müller) 
Biese  Entstehungsart  ist  ja  erklärlich.  Viel  schwieriger  ist  die 
Deutung  der  viel  herangezogenen  Schiff  sehen  und  E  b  s  t  e  i  n- 

VppW  VerSUCht  T>DlGSe  Autoren  konnten  bei  Kaninchen  nach 
\  erletzung  und  Beizung  gewisser  Hirnteile  (Einseitige  Durch- 
schneidung  des  Thalamus  opticus  und  der  PeduncuH  cerebri 
Ibchitf],  Läsionen  der  vorderen  Vierhügel,  Verletzungen  des 

lokal vei+teib  Markb  Und  ^  °beren  Teils  des  Rückenmarks) 
Wn  h  -  am°T  f 8Che  Infiltrationen  der  Magenschleimhaut 

NeZ»rag?-  r Au,ch"ach  wiederh°R-  Beizung  peripherer 
Nerven  Hschmdmus),  ferner  durch  Durchtrennung  des  Ischiadi- 

cus  hoch  oben  konnten  dieselben  Veränderungen  im  Magen  ge- 

funden  werclen.^  F.  v.  P  r  e  u  s  c  h  e  n  stellte  auch  derartige 

IV  i?11’  mdTp  er  (-üu’omsau reherde  im  Gehirn  anlegte, 

danach  sah  er  rni  Magen  m  dreifacher  Weise  Veränderuno-en 
aiif treten.  Einmal  fand  er  etwa  steeknadelkopf-  bis  hanfkom- 
giosse  Extravasate  m  der  Schleimhaut,  besonders  an  der  Kardia 
und  am  h  undus  (beim  Kaninchen!),  in  anderen  Fällen  fand  er 
die  Extravasate  dem  Verlauf  der  Gefässe  folgend,  in  noch  anderen 
hallen  schliesslich  nur  einzelne  Blutextravasate  von  1—2  cm 
Lange.  Blieb  das  Versuchstier  am  Leben,  so  konnte  es  wieder 
spater  durch  Arrosion  der  diese  Stellen  bedeckenden  Schleim- 
naut  zu  beträchtlichen  Blutungen  kommen. 

V-  ?  r  6  Uf  n  und  Pomorski  erklären  das  Auftreten 
on  Melaena  deshalb  als  Folge  von  Hirnblutungen,  auch  Gärt- 

11  6  dieSer  Ansicht  für  einen  Teil  der  Melaenafälle. 

\Y  ahrend  die  früheren  Experimentatoren  erst  nach  einer 
Keine  von^  Stunden  diese  Blutaustritte  fanden,  konnte  v.  Preu- 
se  ien  sie  schon  214  Stunden  nach  der  Hirnverletzung  fest- 
steilen.  unwillkürlich  wird  man  dadurch  an  die  Mitteilung 
3.  Kruegs  erinnert,  der  Blutbrechen  bei  Paralytikern  kurz 
nach  Verstandenen  Anfällen  oder  ärgeren  Aufregungs- 
zustanden  auch  bei.  anderen  Geisteskrankheiten  konstatierte. 

lese  Blutergüsse  bei  der  progressiven  Paralyse,  die  K  r  u  e  g  be- 
schneb,  sind  rein  parenchymatöse.  Das  Blut  wurde  oft  direkt 
auf  die.  freie  Oberfläche  der  Magenschleimhaut  ergossen,  be¬ 
sonders  m  der  Pylorusgegend.  In  anderen  Fällen  fand  er  Blut¬ 
ergüsse  neben  den  Gefässen  der  Mukosa  und  Submukosa,  mit 
seröser  Durchtränkung  der  letzteren.  Ein  weiteres  überein¬ 
stimmendes  Moment  zwischen  den  Erscheinungen  bei  der  pro¬ 
gressiven  Paralyse  und  solchen  nach  Hirnverletzungen  bei 
leren  bilden  die  oft  beobachteten  subpleuralen  Blutungen. 

Es  ergibt  sich  daraus  die  Notwendigkeit,  bei  Magenblutungen 
auch  stets  an  eine  zerebrale  Ursache  zu  denken. 

Wie  die  Blutungen  bei  Verletzungen  und  Krankheiten  des 
Gehirns  zu  stände  kommen,  ist  noch  ganz  unklar.  Die  Möglieh- 
kmt  dass  die  Widerstandskraft  der  Blutgefässwandungen  und 
überhaupt  des  Gewebes  leidet,  ist  wohl  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen,  wenn  auch  über  das  „Wie“  des  Zustandekommens  damit 
wenig  gesagt  ist.  Bemerkenswert  sind  die  Ausführungen  von 
Brosch  über  Buptur  des  Oesophagus.  Dieser  Autor  nimmt 
direkt  eine  Prädisposition  des  Oesophagus  zur  Malacie  bei  Ver¬ 
letzungen  und  Krankheiten  der  Schädelhöhle  an. 

Auch  reine  Neurosen  als  Ursache  von  Magenblutungen  sind 
beschrieben  worden  (Leo,  Lancereaux).  Lancereaux  gibt 

3 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  44. 


1834 


als  Kriterium  der  neuropathischen  Blutungen  an,  dass  sie  in 
aufeinander  folgenden  Schüben  kommen,  und  dass  sie  durch  ihre 
Wiederholung  gefährlich  werden.  Er  fand  solche  neuropatlnsehe 
Blutungen  in  den  Schleimhäuten  der  Verdauungs-,  Atmungs¬ 
und  Harnwege,  dann  ausserdem  in  der  Haut  in  der  Nähe  der 
Gelenke.  Sainton  beschreibt  gleiche  Blutungen  aus  Ohr  und 

Mammilla.  .  , 

Dass  übrigens  auch  bei  den  Blutungen  auf  der  Basis  der 
Hämophilie  das  Zentralnervensystem  eine  grosse  Rolle  spielt, 
dafür  sprechen  die  prämonitorischen  Erscheinungen  vor  Blu¬ 
tungen:  Angst,  allgemeine  Unruhe,  Schwindelgefühl,  Ohren¬ 
sausen,  Ilerzpalpitationen  u.  a.  m.  Nach  Litten  machen  t  le 
Lungen-,  Nieren-  und  Magenblutungen  bei  der  Hämophilie  nur 
6  Proz.  aus.  Auch  beim  Skorbut  können  Magen-  und  Darm¬ 
blutungen  ohne  ulzerative  Prozesse  eintreten,  oft  nach  Anregung 
der  Peristaltik  durch  Abführmittel.  _ 

Nur  beiläufig  erwähnt  seien  die  vikariirende.n  und 
menstruellen  Magenblutungen,  und  solche,  die,  dem  Mitte  - 
schmerz  entsprechend,  in  die  Mitte  von  2  Perioden  lallen 

Auch  nur  kurz  erwähnen  will  ich  hier  die  entfernter  liegen¬ 
den  Ursachen  für  Magenblutungen,  da  sie  in  unserem  Fall  ganz 
bestimmt  nicht  in  Betracht  kommen.  So  sind  Blutungen  be¬ 
schrieben  bei  Appendizitis  von  D  i  e  u  1  a  f  o  \  (meist  ei 
allgemeiner  Sepsis!)  und  J.  Bo  ecke  1.  Heber  heftige  Magen¬ 
blutungen  bei  chronischer  Milzvergrösserung  und 
Chlorose  in  Zwischenräumen  von  9 — 12  J ahren  berichtet  O  s  t  e  r. 

Blutungen  ohne  Geschwürssymptome  bei  Cliole- 
1  i  t  h  i  a  s  i  s  erwähnt  Fleiner.  Magenblutungen  nach  Gallen¬ 
blasenoperationen  erklärt  D  a  hl  er  mit  Infarcierung  der  Magen¬ 
schleimhaut  infolge  Abbindens  der  adhärenten  Netzstränge.  Au 
dieselbe  Art  werden  die  Blutungen  nach  Herniotomien  erklärt 
(Eiseisberg,  Lauenstein).  Blutungen  bei  inkarzenerten 
Brüchen,  die  natürlich  viel  mehr  den  Darm,  als  den  Magen  be¬ 
treffen,  erklärt  Kukula  in  einigen  Fällen  durch  Verletzungen 
bei  der  Taxis,  in  anderen  durch  hämorrhagische  Infarktbildung 
der  Darmwand  infolge  Kompression  der  Venen  des  Darms  oder 
des  Mesenteriums;  in  noch  anderen  Fällen  hält  er  Blutungen 
infolge  kompletter  Ischämie  durch  Inkarzeration  für  möglich. 

L.  T  i  x  i  e  r  und  C.Niannay  konnten  nach  einer  Hämatemesis 
mit  innerer  Einklemmung  bei  der  Sektion  irgend  eine  Ver¬ 
letzung  der  Darmschleimhaut  nicht  feststellen.  Es  war  allei- 
dings  ein  E  all  von  schwerer  Allgemeinintoxikation.  Preindls- 
b  e  r  g  er  fand  bei  der  Sektion  eines  46  jährigen,  nach  der  Opera¬ 
tion  einer  inkarzerierten  Hernie  gestorbenen  Mannes,  der  Darm¬ 
blutungen  gehabt  hatte,  nekrotische  Schorfe,  teilweise  schon  ab- 
gestossen,  auf  der  Höhe  der  Ileumfalten,  eine  Lokalisation,  die 
früher  schon  II  a  r  1 1  u  n  g  als  besonders  zu  Blutungen  geeignet 
hervorgehoben  hatte.  Erinnert  sei  schliesslich  noch  an  die  Darm¬ 
blutungen,  die  nach  längerem  Ilutigern  aufzutreten  pflegen,  die 
auch  einer  anatomischen  Unterlage  entbehren. 

Im  Magen  selbst  finden  ihre  Entstehung  die  Blutungen  aus 
Aneurysmen  der  Magenarterien  und  aus  Varicen.  Einen  Fall 
tödlicher  Blutung  aus  einem  kleinen  Aneurysma  einer  Magen¬ 
arterie  bei  einem  79  jährigen  Mann  teilt  Sachs  mit.  Hier 
fand  sich  in  der  Nähe  der  kleinen  Kurvatur,  etwa  in  der  Mitte 
des  Magens,  ein  ganz  kleines,  fadenförmiges  Gerinnsel,  der  Kuppe 
einer  Hervorragung  in  der  Schleimhaut  aufsitzend.  Mikro¬ 
skopisch  fand  sich  Aneurysma.  „Dasselbe  sass  einer 
kleinen  Arterie  der  Submukosa  gerade  an  einer  Stelle  auf,  wo 
dieselbe  einen  Bogen  beschrieb,  dessen  Konvexität  in  die  Schleim¬ 
haut  hineinragte.  Die  Arterie  war  dabei  so  scharf  abgebogen, 
dass  die  konkave  Seite  geradezu  wie  abgeknickt  erschien  und  eine 
Art  Sporn  in  das  Lumen  hineinschickte. . . .  Die  Kuppe  zeigte 
sich  auch  im  mikroskopischen  Präparat  geborsten  und  durch  eine 
mit  roten  Blutkörperchen  durchsetzte  Fibrinflocke  verlegt,  .  lieber 
dem  Aneurysma  war  auch  die  Schleimhaut,  die  der  Arterie  sein 
dicht  anlag,  verdünnt  und  an  der  Kuppe  eingerissen,  die  um¬ 
gebende  Schleimhaut  eine  Strecke  weit  reichlich  mit  Rundzellen 

durchsetzt.“  , 

Variköse  Blutungen  sind  von  einer  Reihe  von  Autoren  be¬ 
schriebenworden  (Sachs,  Lancaster,  Le  t  u  1 1  e,  A.  Ca  h  n)- 
Nach  Sachs  treten  die  varikösen  Magenblutungen  „ohne  v  or- 
boten,  ohne  dyspeptische  Beschwerden,  ohne  äusseren  Anlass  auf, 
und  es  können  bis  mehrere  Liter  flüssiges  Blut  erbrochen  werden. 
Sie  wiederholen  sich  und  sind  stets  von  auffallend  rascher  Wieder- 


herstellung  gefolgt,  Symptome  eines  Ulcus  ventriculi,  eines 
Karzinoms  fehlen.  Dagegen  sind  venöse  Stauungserscheinungen 
der  Abdominalorgane,  oft  eine  Lebercirrhose,  fast  stets  ein  zu¬ 
weilen  sehr  beträchtlicher  Milztumor  vorhanden.  Letzterer  kann 
während  der  Blutung  gänzlich  verschwinden,  selbst  bei  vorher 
enormer  Grösse.“  Da  der  blutende  Varix  oft  sehr  schwer  nach¬ 
zuweisen  ist,  so  hat  C  a  h  n  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  bei 
den  mitgeteilten  Fällen  unaufgeklärter  Magenblutungen  es  sich 
möglicherweise  um  variköse  gehandelt  habe.  Zum  Nachweis  des 
Varix  empfiehlt  er  Lufteinblasung  in  die  Venen.  Nun  ist  ja  das 
in  unserem  Fall  nicht  geschehen,  trotzdem  halte  ich  es  für  aus¬ 
geschlossen.  Die  Untersuchung,  die  seinerzeit  von  Herrn 
Dr.  Rick  er  angestellt  wurde,  ergab  nichts  weiter  als  die  er¬ 
wähnten  vier  punktförmigen  Blutaustritte  in  dm  Schleimhaut, 
Andere  Untersucher  waren  auch  nicht  glücklicher;  in  einem  Fal  e 
von  Reichard  konnte  die  Untersuchung  von  Stücken  der 
Magenwand  im  Laboratorium  von  Ewald  keinerlei  Verände¬ 
rungen  nachweisen.  Schliesslich  sind  in  unserem  Fall  auch  keine 
Zeichen  von  Stauung  vorhanden  gewesen,  wie  Milztumor,  die 
gerade  Cahn  als  pathognomonisch  für  variköse  Magenblutung 
ansieht. 

Schliesslich  kommen,  wenn  auch  selten,  so  doch  .  sicher 
Magenblutungen  bei  akuter  und  chronischer  Gastritis  vor 
(Ewald,  L  a  m  b  o  1 1  e).  Dieser  Umstand  scheint  mir  auch 
in  unserem  Fall  nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen.  Die 
Verwachsungen  um  den  Pylorus  herum  müssen  ja  mangels 
anderer  Erkrankungen  auf  irgend  welche  entzündliche  Prozesse 
bezogen  werden.  Ich  glaube  daher,  dass,  obschon  nichts  nachweis¬ 
bar  war,  doch  eine  Gastritis,  wenn  auch  nur  als.  unterstützendes 
Moment,  mit  im  Spiel  war.  Bei  weitem  wichtiger  scheint  mir 
aber  ein  anderer  Umstand  zu  sein,  nämlich  die  Pylorusstenose. 

Eine  deutliche  Stenose  am  Pylorus  ist  bei  der  Obduktion 
ja  nicht  gefunden  worden.  Dass  sie  aber  intra  vitam  vorhanden 
war,  beweist  der  anatomische  Befund  der  Muskularishypertrophie 
am  Magen  und  zweitens  der  klinische  Verlauf.  Durch  eine  Reihe 
von  Beobachtungen  ist  es  erhärtet,  dass  während  des  Lebens 
Stenosen  (meist  muskuläre)  am  Pylorus  vorhanden  sein  können, 
ohne  dass  man  bei  der  Obduktion  die  geringste  Verengerung 
findet  (Ben  n  et).  Ueber  das  Bestehen  einer  Pylorusstenose 
besteht  wohl  kein  Zweifel,  wenn  z.  B„  wie  bei  dem  ersten  Auf¬ 
enthalt  des  Pat.  in  der  medizinischen  Klinik,  400  ccm  Magen¬ 
inhalt  früh  nüchtern  exprimiert  werden  können. 

Folgen  der  Pylorusstenose  sind  Retention  von  Mageninhalt 
und  venöse  Hyperämie  der  Schleimhaut  (L  a  m  b  o  1 1  e).  Aus 
dieser  hyperämischen  Schleimhaut  erklären  sich  die  Blutaus- 
tritte  als  Folge  der  Muskelkontraktionen  ohne  besonderen  Zwang. 
Hat  doch  Harttung  Blutaustritte  aus  hyperämischer  Schleim¬ 
haut  im  Darm  auch  ohne  nachweisbare  Veränderung  der  Kapil¬ 
laren  gefunden;  um  wie  viel  leichter  müssen  sie  bei  einem  Magen 
zu  stände  kommen  können,  wo  die  Verengerung  des  Ausganges 
immer  wieder  neue  Muskelkontraktionen  in  der  stets  wieder  mehr 
liyperämisch  gewordenen  Schleimhaut  anregt.  Auch  die  Magen¬ 
kontraktionen  beim  Erbrechen  befördern  natürlich  die  Blutungen, 
während  andererseits  das  in  den  Magen  ergossene  Blut  als 
Emetikum  wirkt,  vielleicht  sogar  dadurch  auch  neue  Pylorus- 
kontraktionen  anregt,  so  dass  der  Circulus  vitiosus  dann  vol  - 
ständig  wird.  Auffallend  ist  jedenfalls,. dass  auch  Lambotte 
bei  seinen  Fällen  von  parenchymatösen  Magenblutungen  Pylorus¬ 
stenosen  vorfand. 

Auf  ähnliche  Weise,  Muskelkontraktion  bei  Hyperämie,  er¬ 
klärt  Harttung  im  Magen  das  Zustandekommen  von 
Erosionen,  indem  das  hämorrhagisch  infiltrierte  Schleimhaut¬ 
gewebe  nur  unvollkommen  oder  gar  nicht  von  Blut  durchströmt 
wird  und  somit  der  verdauenden  Wirkung  des  Magensaftes 
unterliegt.  In  unserem  Fall  war  nur  an  der  einen  kleinen  Stelle 
eine  Andeutung  einer  Erosion,  und  es  drängt  sich  die  Frage  au  , 
warum  hier  keine  Erosion  resp.  Ulcus  entstanden  ist.  .  Denn 
dieser  früher  angezweifelte  Uebergang  von  Erosionen  in  Ge¬ 
schwüre  dürfte  jetzt  wohl  als  sicher  gelten  (cf.  z.  B.  Glu 
zinski).  Zunächst  kommt  es  da  wohl  darauf  an,  ob  das  Blut 
sogleich  an  die  freie  Oberfläche  und  in  die  Drüsenlumina  oder 
aber  in  das  Gewebe  der  Schleimhaut  selbst  ergossen  wird.  Je 
nachdem  das  Blut  mehr  hierhin  als  dorthin  gelangt,  kommen, 
natürlich  LTebergänge  von  grösseren  Blutextravasaten,  späteren 
Erosionen,  zu  punktförmigen,  parenchymatösen  Blutungen  vor. 


4.  November  1902. 


Ausser  der  Ausdehnung  der  in  die  Schleimhaut  hinein  er¬ 
gossenen  Blutmassen  kommen  zur  Entwickelung  der  Erosion  auch 
noch  andere  Momente  m  Betracht,  wie  Hyperchlorhydrie  oder 

A.Chf  !C’  ^nfW1\Ung  def  Bacillus  lacticus  u.  a.  m.  Besonders 
wird  dem  Catarrhus  aeidus  jetzt  eine  grosse  Einwirkung  auf  das 
Entstehen  der  Geschwüre  zugesprochen.  Ich  halte  es  für  o-ar 
nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  unser  Patient  in  der  Gefahr  der 
Erosions-  und  Geschwursbildung  geschwebt  hat,  und  dass  durch 
che  seinerzeit  bald  nach  der  Erkrankung  in  der  medizinischen 
Jvlimk  eingeleiteten  Therapie  eine  zerstörende  Wirkung  des 
Magensaftes  auf  die  kleinen  blutenden  Stellen  hintangehalten 
wurde.  Die  Therapie  bestand  in  Magenspülungen  und  Dar- 
leichung  von  Alkalien  (Natr.  bicarb.).  Der  Abfall  der  Säure- 
mengen  vom  24.  X.  zum  25.  X.  nach  der  Magenspülung  von 
68  Proz,  auf  50  Proz.  und  weiterhin  auf  39  Proz.,  dabei  das 
prompte  Aufhoren  der  Schmerzen  sprechen  deutlich  für 'eine 
unangenehme  Aetzwirkung  der  Säure.  Die  innere  Therapie  hat 
demnach  vielleicht  das  Entstehen  eines  Ulcus  verhindert,  aber 
nicht  die  Pylorusstenose  beseitigt,  so  dass  Pat.  durch  diese 
schliesslich  als  letzte  Ursache  zu  Grunde  gegangen  ist.  Eine 
entsprechend  zeitiger  angelegte  Gastroenteroanastomose,  Pyloro- 
plastik  oder  vielleicht  nur  Pylorusdehnung  hätte  ihm  meiner 
Ueberzeugung  nach  das  Leben  gerettet. 

Wo  die  Pylorusstenose  herkommt,  ob  sie,  was  mir  das  Wahr¬ 
scheinlichste  ist,  eine  durch  den  Magenkatarrh  ausgelöste 
spastische  ist,  ob  sie  eine  primäre  ist,  lasse  ich  mangels  Ge¬ 
nügender  Anhaltspunkte  dahingestellt.  Die  Sekretionsverhäl't- 
msse  des  Magens  scheinen  mir  nicht  genügend  für  diese  oder  jene 
Auflassung  zu  sprechen. 

Jedenfalls  stehe  ich  nicht  an,  auf  Grund  dieses  unseres 
I  alles  und  der  einschlägigen  Beobachtungen  von  L  a  m  b  o  1 1  e 
der  Pylorusstenose  einen  grossen  Einfluss  auf  das  Zustande¬ 
kommen  parenchymatöser  Magenblutungen  zuzuschreiben. 

Die  5  Fälle  Lambottes  lasse  ich  im  Auszuge  folgen. 
Der  letzte,  von  ihnen  ist  vielleicht  keine  rein  parenchymatöse 
Blutung;  jedenfalls  zeigen  aber  alle  eine  Pylorusstenose. 

I.  34  jährige  Frau.  1892  vaginale  Uterusexstirpation  wegen 
hämorrhagischer  Metritis.  Morphinismus,  chronische  Obstipation 
Verdauungsbeschwerden.  Juli  1897  reichliches  Erbrechen  von 
irischem  Blut.  Bei  der  geringsten  Flüssigkeitsaufnahme  heftige 
Schmerzen,  gefolgt  von  Blutbrechen.  Dieser  Zustand  durch 
7  Wochen  hindurch.  Trotz  rektaler  Ernährung  bleibt  Blut- 
brechen.  Schmerzpiuikt  im  Epigastrium.  Zunehmende  Schwäche. 

...  ,  °  P  e  r  a  t  i  o  n  12.  IX.  1897.  Keine  Verwachsungen  oder  Ver¬ 
härtungen  am  Magen,  nur  starke  Hyperplasie  des 
i  yiorus  und  Dilatatio  ventriculi.  Pylorusresektion.  Heilung 

Am  resezierten  Pylorus  beträchtliche  Hypertrophie  der  Musku- 
Ian*;  Mukosa  gesund,  nur  an  der  des  Magenteils  Erosionen  des 

II.  31  jährige  Frau.  Seit  der  letzten  Entbindung  vor  7  Jahren 
Dyspepsie  und  saures  Aufstossen.  15.  VI.  1899.  Enorme  Häma- 
temese  mit  plötzlichem  Kollaps.  Am  30.  VII.  wieder  schwere  Svn- 
kope,  am  nächsten  Tage  schwarze  Stühle. 

Operation  1.  VIII.  1899.  Keine  Verwachsungen.  Pv- 
hT™,S  v  erd  ic  kt,  sonst  Magen,  Dünndarm  ohne  Besonder¬ 
heiten.  Pylorektomie.  Heilung.  Keine  Blutungen  mehr. 

■  °0  jähriger  Mann.  Seit  27  Jahren  magenleidend,  Schmer- 
zen  und  saures  Aufstossen  nüchtern.  1892  plötzliche  Hämatemese 
j}}  /  ^  ^  dann  Bliitbrocbon,  Öfter  wiederholt.  Bei  dem  letzten 

Afid  er  tUf  der  Strasse  um-  Emphysem,  Bronchitis, 
u  i  gr.adl^e  Anämie  bei  leidlichem  Ernährungszustand.  Magen- 
dilatation ;  nüchtern  Plätschern. 

Operation:  Am  Magen  keine  Verwachsungen;  Varicen 
Pylorus,  m  der  Tiefe  fixiert,  zeigt  leichte  Ver- 
n  g:  ..  K.ein  Ulcus.  Gastroenteroanastomosis  anterior. 

Tl-g'  schwindet.  Nach  8  Wochen  6  kg  Zunahme. 

-6  Ja*nge  Emu.  Guter  Ernährungszustand.  Seit  der 

,SlI  xraUllU?SbeSChWerden-  Vor  7  J ahren  erste,  lebens- 
d-n.,  ^be  Hämatemese.  Erscheinungen  von  Hyperchlorhydrie; 

“ne  Reihe  von  Magenblutungen.  Letzte  Hämatemese 

bei  dov  LT1’  T  C?I,erat1011-  Plätschern.  Erträgliche  Schmerzen 
oei  clei  I  alpation  der  Magengegend. 


JflUENClIENER  M EDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1835 


wiel-elmV  atiOIi-39-  XL  1899-  Erweiterter  Magen,  stark  ent- 
PvU  m,  Ke,me  Adhäsionen,  kein  Ulcus,  keine  Induration. 

y  e 1  Eypertropüis  c  h.  Pylorektomie.  Heilung, 
v  '  •  30  jähriges  Fräulein.  Gross  und  kräftig.  Verdauungs- 

geschät7t  eüASen  •Ialnln'  ,15-  X  hefti-e  Hämatemese.  auf  2  Liter 
Anuri?  L  ÄUC'h  mit  Stuhl  BIllt  eutleert  Anämie,  Hypothermie, 

sichtWa  vR  i  \°  11  31‘  X'  Helles  Blut-  schwer  gerinnend.  Keine 

am  Magen ;  Pylorushypertrophisc  h. 
Liosion  des  Pylorus.  Heilung.  Anämie  verschwindet. 

trrwB  TTider  ^IaSenoberfläche  des  resezierten  Stückes  eine  3  mm 
blosse  ülzeration. 


Literatur. 

i  YT', B  en  net.  A  clinical  lecture  on  some  cases  of  dila 

n?d°niärn  i?00m3ChFpbnSidered  for0m  the  sulEflcal  aspect.  Brit. 
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bed  S'i  Arch'  f-  klin-  Chirurgie  Bd.  59.  —  9.  Fl  ein  er-  Feber 
Gallenblasenentzündung  und  davon  abhängige  Ma<>enstörun<ren 
Munch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  38  -10  OU-tnlf  e 
tralbl.  f.  Gynäkol.  1894,  pag.  691.  J  h  g  1  u  zins  k  n  v  °vfU' 
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»  Geistesstörungen.  Arch.  f.  Psj-chiatriFl  Nen-enlJS 

five«  -i  rt  •  Rukula.  L  ötiologie  des  enterorragies  consecu- 

Ä1  SÄS  KU  K„st rB *  s<“f  - 

bÄ  woch“T^:rpdSn  ATITlI”  “o TUT 
T  U‘4  iokTca.esT.nsTa 

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8  m  t  Q  •  Munch-  med-  Wochenschr.  3896,  No.  45  _ 

¥'  Lancer eaux:  Des  hemorrhagies-nevronathioues  Tn 
semame  med.  1900,  pag.  286  und  Sitzung  vom  4  Dezeäber  1001 

Her  Venia, „mg  „“„eisto  nag  m  g°fe  rU  1Kra"ikl,elteI‘ 

^  -TaS:  l  Wge1 ‘ 6  Ä 

Her  apk  7m  3  f  T  m  üflTUU, 

UTW1'  ‘“vT8™’  DaTmkaTal  ErlUgS, 8  liTU 

-I.  Ostei.  Edinburgh  med.  jouru.  Vol.  VII.  _ 25  Pomorabi- 

Um.  Ä  WbeUUY 

»ÄmÄ  *27kap  TTU  UcTe  „ .  ü'eT  > ,l11- 

foöme,,TeüSh  ÄÄ’J'Ä  Uh  Tfd 'T  TT 

-  30.  M.  Sainton:  La  semaine  medicale  1901,  pag  i43  _ 
trall  >1.  f . k  Gynäkol.  189L  No.T-^  I^TixTe  TeTcTZ  ^ 
^ebdS^NoV3118  ^  COlU'S  de  r°CcluSion  iatestinale.  ‘  Ste 


Ein  Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  der  syphi¬ 
litischen  Trachealstenosen. 

Von  Dr.  Alexander  S  t  r  u  b  e  11  in  Dresden. 

In  einer  Sitzung  der  k.  u.  k.  Wiener  dermatologischen  Ge- 

Wi  li  V  lhabVC1,  anlässlich  der  Vorstellung  eines  Falles  von 
syphilitischer  Trachealstenose  durch  Herrn  Ilofrat  Neumann 
eines  ähnlichen  I  alles  Erwähnung  getan,  den  ich  während  meiner 
Jenenser  Assistentenzeit  zu  behandeln  Gelegenheit  hatte.  Meine 
Bemerkung-  wir  hatten  unseren  Fall  nicht  tracheotomiert,  weil 
syphilitische  Tracheotomien  eine  schlechte  Prognose  quoad  vitam 
und  restitutionem  boten  —  erfuhr  seitens  einiger  namhafter 
byphihdologen  einen  Widerspruch,  der,  ebenso  wie  der  Umstand, 
c  ass  der  I  all  auch  sonst  manches  interessante  bietet,  die  Ver¬ 
anlassung  zu  dieser  Publikation  ist.  I)a  mir  genauere  Auf¬ 
zeichnungen  fehlen,  so  werde  ich  den  Fall  aus  meinem  Gedächt¬ 
nis,  das  mich  nur  m  Bezug  auf  das  genaue  Datum  der  Auf¬ 
nahme  und  Entlassung  im  Stiche  lässt,  mitteilen,  und  an  den¬ 
selben  einige  Bemerkungen  über  die  Therapie  der  syphilitischen 
I  rachealstenosen  knüpfen. 

iw*  m  ?•"  Tin  43  Jähriger  Kaufmann  aus  P.  Wurde  Ende  Januar 
’  die  metL  K1inlt  aufgenommen.  Der  Patient  hatte 

1881  bei  einem  Itegimente  von  Light  Horse  in  englischen  Krie<-s- 
diensteii  den  Feldzug  in  Natal  gegen  die  Kaffem  mitgemacht 
.Nach  Beendigung  des  Krieges  blieb  er  als  Kaufmann  in  Natal 
und  akquirierte  1S82  in  Port  Natal  (Durban)  Lues,  die  bis  auf 
Kaiomeibehandhmg  des  Primäraffektes,  die  ein  englischer  Arzt 

IDtie!  hand,'ltbll(T-  Anfang  der  neunziger  Jahre  siedelte 

I  atient  nach  Amerika  über  und  hielt  sich  in  New- York  auf  wo 
er  sich  auch  vor  einem  Jahre  (d.  li.  1898)  verheiratete.  KurzeZeit 

iTnu?  HoT<jbz1eit  bekam  Pat-  eine  Schwellung  des  rechten 
Hodens,  der  Hoden  wurde  ihm  von  einem  amerikanischen  Arzte 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


'  Or» 

bob 


exstirpiert.  Als  ein  halbes  Jalir  darauf  der  linke  Hoden  ebenfalls 
erkrankte,  entfernte  der  amerikanische  Arzt  auch  den  linken 
Hoden.  Da  sein  Leiden:  allgemeine  Zeichen  seiner  Syphilis  (Haut¬ 
geschwüre),  sich  trotz  dieser  radikalen  operativen  Behandlung 
nur  verschlimmerte  und  Patient  den  Wunsch  hatte,  sich  in 
Deutschland  behandeln  zu  lassen  und,  falls  die  Behandlung  er¬ 
folglos  bliebe,  wenigstens  in  seinem  Vateriande  zu  sterben,  siedelte 
der  unglückliche  Mann  mit  seiner  jungen  Frau  nach  I.  in  Th. 
über  und  suchte  die  Jenenser  med.  Klinik  auf. 

Bei  der  Aufnahme  bot  der  Pat.  das  Bild  grosser  Entkräftung: 
Der  Ernährungszustand  war  stark  herabgekommen,  die  Musku¬ 
latur  atrophisch.  An  den  Beinen  und  Armen  fanden  sich  kutane 
und  subkutane  (auch  der  Subkutis)  ungehörige)  Geschwüre  bis  zu 
Thalergrösse,  von  denen  das  eine  über  dem  rechten  Ellbogen¬ 
gelenk  bis  auf  das  Gelenk  ging  und  die  Sehnen  freilegte.  Dieses 
Geschwür  war  schlaff,  seine  Ränder  unterminiert,  die  übrigen  Ge¬ 
schwüre  mit  speckig  belegtem  Grund  zum  Teil  wie  mit  dem  Loch¬ 
eisen  herausgeschlagen.  Ueber  den  Lungen  einzelne  Rassel¬ 
geräusche,  die  rechte  Spitze  leicht  gedämpft. 

Stimme  heiser.  Kehlkopfbefund:  Taschenbändei  ge¬ 
rötet  und  geschwellt,  Stimmbänder  in  ihrem  hinteren  Drittel 
beiderseits  oxulzeriert,  in  den  vorderen  zwei  Dritteln  verbreitert 
und  verdickt.  Keine  Zeichen  von  Dyspnoe.  Keine  Tuberkelbazillen 
in  dem  mässig  reichlichen  Sputum.  An  den  Bauchorganen  nichts 
Abnormes;  Urin:  kein  Eiweiss,  kein  Zucker.  Am  Penis  ausser 
der  Narbe  vom  Primäraffekt  nichts  Abnormes.  Das  Skrotum  ist 
leer,  rechts  und  links  glatte  Operationsnarben. 

Diagnose:  Lues  ulcerosa  cutis  und  subcutis, 
luetische  Ulzerationen  der  Stimm  bä  ndei. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Schwere  der  Affektion  wurde  trotz  des 
herabgekommenen  Zustandes  des  Patienten  bei  reichlicher  Er¬ 
nährung  eine  höchst  energische  Sclnnierkur  und  Jodkalikur  (o,0 
Unguent.  hydrargyr.  und  5,0  Kali  jodat.  pro  die)  eingeleitet  und 
S  Wochen  lang  mit  kürzeren  Unterbrechungen,  die  durch  die 
Stomatitis  mercurialis  erzwungen  wurden,  fortgesetzt.  Ausseidem 
Emplastrum  hydrargyr.  auf  die  Geschwüre.  Der  Erfolg  liess  lange 
auf  sich  warten,  aber  allmählich  überhäuteten  sich  die  Geschwüre, 
das  Körpergewicht  nahm  um  mehrere  Kilo  zu,  Patient  erholte  sich 
sichtlich.  Da  trat  nach  etwa  0  wöchentlicher  Behandlung  eine  Ver¬ 
schlimmerung  des  Zustandes  auf  in  Gestalt  einer  allmählich  sich 
steigernden  Heiserkeit  mit  in-  und  exspiratorischer  Dyspnoe. 
Patient  wurde  völlig  aplionisch,  die  Dyspnoe  erreichte  bedenkliche 
Grade.  Allmählich  wurde  der  Pat.  gezwungen,  die  Nächte  im 
Bette  sitzend  zu  verbringen  und  es  war  ihm,  als  ob  sich  beim  Aus¬ 
atmen  und  Husten  etwas  vor  die  Stimmritze  legte.  Laryngo- 
skopisch  erscheint  der  Kehlkopf  sehr  verengt  dadurch,  dass  die 
Stimmbänder  in  den  vorderen  zwei  Dritteilen  stark  verbreitert  sind 
und  mit  ihren  Rändern  nicht  nebeneinander,  sondern  übereinander 
liegen ;  bei  der  Inspiration  erweitert  sich  die 
Glottis  nicht  und  es  kommt  der  Rand  des  linken  Stimm¬ 
bandes  über  das  rechte  zu  liegen  und  bildet  so  einen  ventilartigen 
Verschluss  eines  grossen  Teiles  der  Glottis.  Die  Inspirationslutt 
strömt  fast  ausschliesslich  durch  das  hintere  exulzerierte  Dritteil 
der  Glottis.  Die  Ulzerationen  der  Stimmbänder  sind  grösser  als 
früher,  die  Aryknorpel  sind  geschwellt  und  gerötet,  ebenso  die 
TaschenbändeiC  Einen  Einblick  in  den  subglottischen  Teil  des 
Kehlkopfes  und  die  Trachea  zu  gewinnen  war  nicht  möglich,  da 
sich  bei  der  Inspiration  der  Glottis  nicht  erweiterte.  Bei  den  zahl¬ 
reichen  Hustenstössen  wird  ein  reichliches  zähes,  schleimig-eitriges 
Sputum  entleert,  das  bei  mehrfacher  Untersuchung  keine  Tuberkel¬ 
bazillen  enthält.  Aashafter  Geruch  des  Sputums,  starker  süsslich- 
fauliger  Fötor  ex  ore  des  Patienten. 

l)a  Patient  durch  die  Dyspnoe  und  die  schlaflosen  Nächte 
sehr  herabgekomraen  ist,  wird  der  Versuch  gemacht,  mittels  der 
Sehr  ötter  sehen  Hartgummidilatatoren  die  bestehende  Stenose 
zu  erweitern.  Der  Versuch  misslang,  da  es  mir  nicht  möglich  war, 
den  Sonden  die  für  diesen  Fall  geeignete  Krümmung  zu  geben. 

Da  wir  die  Verantwortung  des  schweren  Falles  bei  den  täg¬ 
lich  sich  wiederholenden  Suffokatiousanfällen  nicht  mehr  allein 
tragen  wollten,  so  wurde  der  Patient  unserem  Chirurgen  (Geheim¬ 
rat  Riedel)  zur  Verfügung  gestellt  behufs  eventueller  Tracheo¬ 
tomie.  Geheimrat  Riedel  lehnte  binnen  4  Wochen  2  mal  die 
Tracheotomie  ab.  Es  blieb  somit  nichts  übrig,  als  es  weiterhin 
mit  einer  konservativen  Behandlung  zu  versuchen.  Ich  wählte 
mir  beim  Instrumentenmacher  metallene  Uteruskatheter  in  ge¬ 
eigneter  Stärke  aus,  denen  ich  eine  entsprechende  Krümmung  gab, 
und  es  gelang  mir  nach  einigen  fehlgeschlagenen  Versuchen,  unter 
Leitung  des  Spiegels  und  unter  gründlicher  Kokainanästhesie  mit 
einer  ziemlich  dünnen  Nummer  im  hinteren,  beiderseits  exulzerier- 
ten  Dritteil  der  sonst  fest  schliessenden  Stimmbänder  die  Stenose 
zu  passieren.  Die  Sonde  war  dabei  in  einem  schwach  konvexen 
Bogen  fast  bis  zum  Winkel  von  180 0  gestreckt  und  wurde  bei  stark 
zurückgeneigtem  Kopfe  des  Patienten  eingeführt.  Beim  Passieren 
des  Haupthindernisses,  das  unterhalb  der  Stimmbänder  lag,  musste 
ich  ziemliche  Kraft  anwenden.  Der  Patient  empfand  durch  die 
Sondierung  Erleichterung  (der  Katheter  blieb  %  Stunde  liegen), 
welche  wuchs,  als  ich  mit  Röhren  stärkeren  Kalibers  die  verengte 
Stelle  forcierte.  Das  Passieren  des  —  soweit  ich  taxieren  konnte 

y, _ l  cm  unter  der  Glottis  liegenden  —  ersten  Hindernisses  (dass 

mehrere  bestanden,  wurde  im  späteren  Verlaufe  wahrscheinlich, 
dann  sicher)  geschah,  sobald  Katheter  von  etwas  beträchtlichem 
Kaliber  (Bleistift-  bis  Kleinfingerstärke)  eingeführt  wurden,  unter 
Anwendung  nicht  unerheblicher  Kraft,  die  nötig  war,  um  den 


Widerstand  der  anscheinend  knorpelharten  Stenose  zu  überwinden. 
Neben  der  täglich  wiederholten  Sondierung  wurde  die  Schmier¬ 
kur,  die  wir  eine  Zeitlang  ausgesetzt  hatten,  mit  erneuter  Energie 
fortgesetzt.  Patient  hatte  noch  weiterhin  das  Gefühl,  dass  ein 
Körper  unter  den  Stimmbändern  mit  dem  Luftstrom  auf-  und 
abwärts  flottierte.  Eines  Morgens  hustete  er  mit  vielem  Sekiet 
zwei  kleinere  rauhe  Knorpelstückchen  aus.  Etwa  14  Tage  nach 
Beginn  der  Sondierung  bekam  Patient  früh  Morgens  einen  be¬ 
sonders  starken  Suffokationsanfall  und  würgte,  als  ich  gerufen 
wurde,  unter  grosser  Dyspnoe  und  mit  vielen  Anstrengungen  einen 
rundlichen  Körper  von  der  Grösse  einer  kleinen  Bohne  aus. 
Dieser  Geschwulstknoten  war  von  einer  Schicht  schleimig-eitrigen 
Sekretes  bedeckt  und  von  elastischer  gummiartiger  Konsistenz 
(leider  ging  der  Tumor  verloi'en  und  wurde  nicht  mikroskopiert). 

Nach  Abstossung  des  Geschwulstknotens  fühlte  sich  Patient 
beträchtlich  erleichtert,  doch  bestand  Dyspnoe  noch  fort.  Die 
Sonde  fand  unter  den  Stimmbändern  geringeren  Widerstand,  beim 
tieferen  Einführen  des  Katheters  aber  war  eine  zweite  stenosierte 
Stelle,  an  der  es  gelang,  denselben  mit  Anwendung  einiger  Kraft 
vorbeizuführen.  Nach  weiteren  14  Tagen  bekam  Pat.  wieder  das 
sich  täglich  steigernde  Gefühl  eines  mit  der  Atmung  auf  und  ab 
gehenden  Körpers  und  hustete  unter  vielem  Würgen  mit  einigen 
Knorpelstückchen  eine  zweite,  kleinkirschgrosse,  rundliche  Ge¬ 
schwulst  von  gummiartiger  Konsistenz  aus.  Danach  trat  be¬ 
deutende  Erleichterung  ein:  Patient  schlief  wieder,  bekommt 
Appetit.  Die  Hautgummata  sind  sämtlich  vernarbt.  Husten  und 
Auswurf  sind  geringer,  der  Auswurf  stinkt  wenigei.  Die  Son¬ 
dierung  gelingt  leichter,  doch  besteht  noch  immer  eine  deutliche 
Stenose.  Patient  hat  auch  das  subjektive  Gefühl  des  Druckes 
an  der  vorderen  Trachealwand,  besonders  zur  Zeit  der  Inspiration. 
Anfang  Mai  1899  wurde  Patient  wesentlich  gebessert  entlassen. 
Im  Juli  1899  erhielt  ich  von  ihm  einen  Brief,  worin  er  seine  grosse 
Besserung  zwar  konstatierte,  aber  die  Absicht  kund  gal),  zur  Hei¬ 
lung  seines  noch  immer  quälenden  Leidens  die  Klinik  a\  iedei  auf¬ 
zusuchen.  Seitdem  habe  ich  nichts  mehr  von  ihm  gehört. 

Der  ätiologisch,  wie  mir  scheint,  eindeutige  I  all  ist  —  ab¬ 
gesehen  von  der  offenbaren  in  New-York  erfolgten,  hei  einem 
jung  verheirateten  Mann  geradezu  tragischen  Verwechslung  einer 
Orchitis  gummosa  mit  einer  tuberkulösen,  mit  nachfolgender 
doppelseitiger  Exstirpation  der  Hoden  in  mehrfacher  Be¬ 
ziehung  interessant.  Erstens  sind  syphilitische  Trachealstenosen 
an  sich  nicht  allzu  häufig.  Zweitens  ist  die  Form,  unter  dei 
die  Stenose  hier  auftrat,  die  Entwicklung  von  umschriebenen 
Gummiknoten,  die  bei  weitem  seltenere,  wobei  selbstverständlich 
nicht  gesagt  sein  soll,  dass  in  diesem  I  alle  nicht  auch  diffuse 
gummöse  Infiltration  der  Trachealwand  und  des  subglottischen 
Teiles  der  Kehlkopfwand  bestanden  haben  kann;  es  ist  im  Gegen¬ 
teil  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass  die  nach  Ausstossung 
der  beiden  Tumoren  zurückbleibende  Enge  durch  narbige  Retiak- 
tion  früheren  gummös  infiltrierten  Gewebes  resp.  durch  Per¬ 
sistenz  solcher  gummösen  Infiltration  bewirkt  wurde.  Im  höchsten 
Masse  bedauerlich  ist  es,  dass  die  beiden  Knoten  abhanden  ge¬ 
kommen  sind  und  nicht  mikroskopiert  wurden.  Dass  dieselben 
nicht  subchordale  Polypen,  sondern  wirkliche  Gummen  waren, 
dafür  spricht  schon  die  Tatsache,  dass  gleichzeitig  Zeichen  von 
Zerstörung  der  Trachealwand :  aus  gehustete  Knorpel- 
stückchen,  vorhanden  waren.  Die  Art,  wie  man  sich  die  all¬ 
mähliche  Vergrösserung  und  spätere  Lockerung  und  endliche  Los¬ 
lösung  der  Knoten  von  der  Wand  der  Trachea  zu  denken  hat, 
ist  folgende:  Der  Knoten  wächst  von  der  Wand  in  das  Lumen 
hinein  und  dann  beginnt  das  Gewebe  an  der  Stelle,  wo  er  auf¬ 
sitzt,  zu  ulzerieren,  so  dass  aus  dem  breit  aufsitzenden  Knoten 
ein  solcher  mit  immer  dünner  werdendem  Stiele  wird:  der  Tumor 
flottiert  mit  der  In-  und  Exspiration  auf  und  ab,  schliesslich 
hört  der  Zusammenhang  mit  der  Basis  auf;  der  Tumor  ist, 
event.  mit  anderen  Bestandteilen  der  Wand  (Knorpelstückchen) 
herausulzeriert  und  wird  ausgehustet  oder  verlegt  als  Fremd¬ 
körper  einen  Bronchus.  Sehr  gut  wird  dieser  Abstossungs- 
vorgang  durch  eine  Abbildung  eines  Leichenpräparates  in  dem 
Lehrbuche  der  Laryngologie  von  Sehr  ötter  anschaulich  ge¬ 
macht,  wo  sich  auch  dieselbe  Deutung  des  Befundes  verzeichnet 
findet.  Es  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  ein  solcher  Abtrennungs¬ 
vorgang  durch  tägliche  Sondierung  der  Trachea  begünstigt  und 
beschleunigt  werden  kann,  in  unserem  Falle  sicher  beschleunigt 
worden  ist.  Immerhin  ist  diese  Besserung  durch  Abstossung 
der  Tumoren  eine  höchst  erfreuliche  und,  wie  es  scheint,  recht 
seltene,  da  ich  in  der  Literatur  einen  ähnlichen  Vorgang  intra 
vitarn  nicht  verzeichnet  finde. 

Was  die  Methode  der  Sondierung  mit  metallenen  Uterus¬ 
kathetern  anbetrifft,  so  ist  es  selbstverständlich,  dass  bei  wech¬ 
selndem  Sitz  und  Gestalt  der  Verengerungen  teils  in  Form  von 
Knoten,  teils  in  Form  von  diffusen  Infiltrationen  oder  Narben- 


4.  November  1902. 


zugen  der  Wand,  bald  dies,  bald  jenes  Instrument  das  geebnetste 

sb 1  dl,eB™,raUe  missIa"S  dio  Soudierunl  mit  den 
Schrott  er  sehen  Dilatatoren,  die  anderen  gute  Dienste  Z 

leistet  haben.  Es  kommt  hier  viel  auf  die  subjektive  Vorliebe 

man  ? t6S  an’  SC.,l  iesshch  lst  jedes  Instrument  dazu  gut,  wenn 
man  ihm  nur  leicht  die  entsprechende  Krümmung  geben  und 
es  gut  desinfizieren  kann :  diese  beiden  Eigen  sch  af- 

t/u  hab®n  dl^  Metallinstrumente.  In  unserem 
Dalle,  wo  die  Geschwülste  anscheinend  an  der  vorderen  Wand 
sassen  und  das  hintere  Drittel  der  Glottis  durch  die  Exulzerierung 
dei  Stimmbänder  erweitert,  die  vorderen  zwei  Drittel  verengert 
waien,  gelang  die  Sondierung  im  hinteren  Drittel,  während"  sie 
vorn  unmöglich  war.  Dass  solche  instrumenteile  Eingriffe  nur 
bei  völliger  ßeaktionslosigkeit  des  Patienten,  also  unter  gut” 
okainanasthesie  und  unter  genauer  Leitung  durch  den  Snio-nd 
angestgllt  werden  dürfen,  leuchtet  ein,  besonders  wenn,  wie  "in 
unserem  Falle,  ein  gewisser  Kraftaufwand  zum  Passiven  der 
Stenose  notig  war;  man  muss  da  schon  sehr  genau  wissen  in 
welcher  Richtung  man  die  Sonde  stösst,  wenn  man  Wen 
Schaden  anrichten  will.  So  angreifend  die  Behandlungsmethode 
fm  den  Patienten  auch  ist  und  so  viel  Geduld  sie  auch  erfordert 
T  dQ°chreme  der  dankbarsten:  Der  Patient  fühlt  sich 
das  Gesehen]'”1  ]p01  tT  Crleidlt.ert  und  empfängt  gewissermassen 
Arztel!  h  v  1  LebenS  ghch  aufs  neue  aus  der  Hand  des 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


183? 


i  T^m.  nan  auf  dl®  .  Drage  der  Tracheotomie  in  diesem  Ealle 
und  bei  den  syphilitischen  Trachealstenosen  überhaupt  ein¬ 
zugehen,  muss  ich  des  genaueren  auseinander  setzen,  warum 
unser  Patient  nicht  tracheotomiert  wurde.  Zunächst  hatten  wir 
t  gewichtige  Bedenken,  den  schwer  kachektischen  Mann 
einer  eingrerienden  Operation  zu  unterziehen.  Geheimrat 

1  ,  6  ;  der.  Bedenken  teilte,  hatte  aber  noch  einen 

zweiten  Grund  für  die  wiederholte  Weigerung  in  diesem  Falle 

um  Messer  zu  greifen.  Nach  seiner  auf  dem  Gebiete  der 
rurgie  der.  Syphihs  besonders  grossen  Erfahrung  bluten 
T  C1,e  SJP  uh  tische  Infiltrationen  der  Luftröhrenwand  bei  der 
Tracfieotonne  oit  so  profus,  dass  es  fast  unmöglich  erscheint, 
dei  Blutung  Herr  zu  werden,  und  die  höchste  Gefahr  besteht 
den  Patienten  durch  Suffokation  auf  dem  Tische  zu  verlieren 
0  fr  bmnen  wenigen  Tagen  an  Aspirationspneumonien  zu  Grunde 
geien  zu  sehen.  Diese  Erfahrungen,  die  Geheimrat  Riedel 
nur  persönlich  zu  explizieren  die  Freundlichkeit  hatte,  erscheinen 
allerdings  wenig  geeignet,  günstig  für  die  Tracheotomie  zu 
stimmen,  am  wenigsten  bei  einem  Mann,  der  nicht  in  der  Lage 
war,  einen  stärkeren  Blutverlust  auszuhalten  und  der  sicher  an 
der  vorderen  Trachealwand  luetische  Infiltrate  sitzen  hatte. 

w  1  W1’  n°ACh  Bedenken  steht  im  allgemeinen  der  aus- 
b  dehnteren  Anwendung  der  Tracheotomie  bei  der  in  Frage  kom¬ 
menden  Affektion  entgegen:  Wer  einige  Erfahrungen  über  die 
Iiacheotomie  bei  Diphtheriekindern  hat,  der  kennt  die  grosse 
Befahr  der  Granulationsstenosen.  Diese  Gefahr  steigt  zweifellos 
mit  der  Lange  der  Zeit,  während  der  man  die  Kanüle  in  der 
liachea  liegen  lasst.  Ich  kann  mich  von  einer  ziemlich  grossen 
Anzahl  von  Tracheotomien  an  Diphtheriekindern,  bei  denen  ich 
teils  selbst  operiert,  teils  assistiert  habe,  nur  eines  einzigen 
i  alles  entsinnen,  bei  dem  eine  Nachoperation  wegen  Granula- 
tionsstenose  rmtjg  gewesen  wäre.  Dieses  günstige  Resultat  führe 
oli  aut  die  konsequente  Anwendung  des  Prinzipes  zurück,  wenn 
igend  möglich,  am  4.  Tage  post  Operationen!  die  Kanüle  zu 
topsein  und  am  5.  Tage  zu  entfernen.  In  anderen  Kranken- 
niusern,  wo  die  Kanüle  länger  liegen  gelassen  wird,  sind  die  Re¬ 
sultate  durchschnittlich  schlechter.  Wenn  nun  schon  ein  über 
Wochen  sich  erstreckendes  Verweilen  der  Kanüle  in  einer  jugend¬ 
lichen  Irachea  eine  solche  Reizung  hervorbringen  kann,  wie  viel 
grosser  muss  die  Gefahr  einer  nachträglichen  Stenosierung  durch 
diesen  Reiz  sein  bei  syphilitischen,  kachektischen  Individuen, 
eren  Irachealwand  bereits  gummös  infiltriert  ist,  wo  die  Röhre 
o  viele  Monate  event.  Jahre  lang  liegen  bleiben  muss.  Wenn 
cas  Wort:  Reizung  und  Syphilis  irgend  wo  mit  Recht  Anwen¬ 
dung  findet,  so  ist  es  in  derartigen  Fällen,  wo  durch  die  Opera¬ 
tion  (wenn  dieselbe  an  und  für  sich  ohne  Schädigung  des  Pa¬ 
tenten  verläuft)  nur  momentane  Erleichterung,  aber  keine  Hei¬ 
lung  der  Stenose  erfolgt,  wo  diese  Heilung  auch  nach  der 
racheotomie  erst  durch  langwierige  Dilatationsverfahren  an¬ 
gestrebt  werden  muss.  Ich  glaube,  dass  wir  unserem  Patienten 

No.  44. 


haben“  k°nSerTativen  Behandlung  den  besten  Dienst  erwiesen 
knoten  auf.  Sole,“ 

verengten  Stelle  der  Trachea  fanden  sic  ,  3  uV  oA  ,  ■  d.er 

rundliche,  ü  b  e  i-  d  i  e  U  m  g  e  b  u  u  V.  |  ", "  ,  ®  g„e,! , 11  “  8  8 1  * 

“mV“"  <1<!1'  ?r8SSe  elues  50  Centimesstückes  von  blass! 

welcher  KoÄS.  Sks"  Zentrum  ' jtfe? 

I  uftrühr, weicher  als  die  Ränder;  beim  AnseiuanderVhen  der 
Luftröhre  n  querer  Richtung  bildeten  die  Depressionen  tu.fl 

rii  ZTJ^TZosT^eT  Ä  ÄÄÄ 

äs  vssss  rÄiisfjc,"?? 

?„  trf  wai'  r‘.e  Sehleimhaut  bis  über  die  BifurkationssteUe  hinaus 
n  ein  weiss  glanzendes  Narbengewebe  verwandelt  das  mit  nnni  t 
förmigen  Einsenkungen  und  mehr  oder  weniger brSÜu  Vw 

zu  Sde  kam!S)  VerSehen  war’  80  dass  eiu  wabenartiges  Ausselen 

die  Bd-  XV>  S-  308  -  3*>)  beschreibt 

,  f’1316,  Narbenmasse  in  der  Trachea  ist  ausserordentlich  vor 

g^e™M£irBo1oft“L^ChrUm?ft  aUf  daS  illlsserste  und  macht 
t,exaue  uesnaib  so  oft  Laryngostenose.  Dafür  erheben  sich  «w 

gewe?enSSürtPundre  Wucheranfn-  Teil  durch  Narben- 
öcvveue  aDgeschmut  und  emporgehoben,  nicht  selten  qi«  (u„i-0 

reine,  glatte  Kolben  und  Zapfen,  aus  ganz  verdicktem  ÄlerolÄS 

hat^Vgie^f^o'wn('Sft°091O1^)ela,rti^e,1Tr'XifSSehen  bestehend.“  Ferner 
uat  vnchow  (S.  o09)  in  einem  Falle  eine  flache  linsen«rosse 

Narbe Sge sehen .  hmteren  Trachealwand  nebst  einer  strahligen 

Es  ist  klar,  dass  die  Tumoren,  die  Moissonet  sah  etwn« 

schreibt  und  di*  Papillären  Erhebungen,  die  Virchöw  be- 
chreibt  und  die  Steiner  —  Jalirb.  f.  Kinderheilk  1862  2  en 

gefunden  hat.  Bei  den  letzteren  beiden  handelt 
mS  n  h  Um  Schieimhautpartien,  die  von  dem  umgebenden  straffen 
IS  ai  beuge  webe  abgeschnürt  und  emporgehoben  wurden  um  Pro 
dukte  eines  entschieden  reparatorischra  Vorgänge“  während  d!e 
be,  M  o  i  s  s  o  n  e  t  beschriebenen  Erhebungen  ebfnso  wie  d  e  von 
meinem  Patienten  ausgehusteten  Knoten  jedenfalls  wirklich  -um- 
mose  Gebilde  sind  bei  dem  noch  bestehenden  regressiven  d  h 

ÄÄt1*  Umgebung.  Sehr  lehrreich Z  S  schon 
onen  erwähnte  Fall  von  Schrott  er  (Vorlesungen  über  die 
viankheiten  der  Luftröhre,  Wien  und  Leipzig  18ÜG  S  62)  wo 

Heinei8  StefufT*^111  Grauula‘tionsgewebe  bestehende,  'an“  einer 

hm^dis^RtiihlTenpu^^n11«’  ^Umgebung  derselben :  Umwand- 
1  ftundzellen-  in  Spindelzeliengewebe  zeigende  Tumor  meb 

der  Schleimhautoberfläche  nlzerierte.  Das  etwm  eidisenäroäse  Ge- 
schwur  sass  an  seiner  Basis  an  der  vorderen  Trachealwand  und 
brach  in  die  Aorta  gleich  nach  Abgang  deT  1  Subklarta  dnS 
Merkwürdigerweise  ist  Schrott  er  im  Gegeniitze  zu  anderen 
Autoren  der  Ansicht,  dass  diese  zirkumskripte  Gummabüdung  dte 
häufigste  Form  der  Lues  in  der  Trachea  sei!  Dassdas Auftreten 
ton  Syphilis  in  Form  von  Gummiknoten  in  der  Trachea  ein  seltenes 
m i'f c™uss’  falur  spricht  auch  die  Tatsache,  dass  J.  Neumann 
f  l  ,eiEAr  grossen  Erfahrung  in  seinem  Buch  über  Syphilis  (Notli- 

S  ,  UtCh’  Bd-  XXI11’  1S9ß)  die  Gummafonn  in  dei  Tra¬ 
chea  überhaupt  nicht  erwähnt. 

«ni,  .S  c  b  e  c  ^internationale  klinische  Rundschau  1S87,  p.  142  ff) 

de?  Bifnfw-l  a11  trache°Sk0pisch  eiueu  “Obrere  Zentimeter  übe? 

cp1  an  ?er  vorderen  Wand  gelegenen,  bleistift- 
dicken,  konisch  zugespitzten  Tumor  der  von 

wähl  Jo“reTr,"-,dei'  re,ctteu  Seitc  HlntVrä 

e  nd  der  Tiachea  aufsitzenden,  breitbasi^pn 

n  n  d  nach  links  schauenden  Geschwulst  kaum 

1  mm  getrennt  war.  Bei  der  Sektion  fand  sich  dass  der 

konisch  zugespitzte  Tumor  die  obere,  wallarttee  Ab- 

lk1nZ1Ung  ^neS  vertikal  gestellten  Geschwüres  war,  Im  Be- 

dieS,GS  Geschwüres  ist  clie  Trachea  und  das  peritoneale 

8  imnbDicke  VerdlCkt;  die  recllte  Wand  hat  noch  1  cm,  die  linke 

P  eJ  s.e  1  b  e  Äut°r  beschreibt  2  Fälle  von  Trachealsvnhilis 
(Deutsch.  Arch.  f.  Hin.  Med.,  Bd.  XXXI,  S.  410).  Bei  dem  ersten 
wurde  im  Auswurf  ein  schwerer  Gewebsfetzen  (Lungengewebe) 
ausgehustet.  Ebenso  stellten  sich  im  zweiten  Falle  von  Tracheal¬ 
stenose  nach  Syphilis  einige  ausgehustete  roteFlerich“ 
nVkroskoP1®ch  als  Lungengewebe  mit  deutlichen  Lungen¬ 
alveolen  heraus.  Im  übrigen  waren  Kehlkopf  und  der  obere  Teil 
dei  Trachea  frei.  Unmittelbar  über  der  Bifurkation  erscheint  das 
Lumen  der  Trachea  verengt  durch  breit  aufsitzende,  knotige  kreis- 
oiniig  angeordnete  Unebenheiten  von  dunkelroter  Farbe-  die¬ 
selben  setzen  sich  hauptsächlich  in  den  r.  Bronchus  fort,  dessen 


1838 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Lumen  etwas  verzogen  erscheint.  •  Durch  kräftige  antisyphilitische 
Kur  wurde  sowohl  die  Traeheal-  wie  die  Lungensyphilis  (?)  ge¬ 
heilt;  an  Stelle  der  eben  beschriebenen  Tumoren  besteht  einfache 
Rötung  der  Schleimhaut.  Substanzverlust  oder  Narben  wurden 
nicht  bemerkt.  Es  handelt  sich  nach  Schechs  Meinung  sicher 
um  Syphilome  der  Trachea. 

Pletscher-  Ingals  (New-York  med.  Journ.  1889,  11.  Okt.) 
beobachtete  unter  3  Fällen  einen,  wo  y2  Zoll  unter  der  Glottis  an 
der  vorderen  Wand  der  Trachea  ein  kleiner  Tumor  laryngoskopisch 
nachgewiesen  werden  konnte,  nach  dessen  Verschwinden  (!  ■) 

2  mal  analoge  konische  Geschwülste  auftraten,  die  schliesslich  die 
Tracheotomie  wegen  hochgradiger  Stenose  notwendig  machten. 
Der  Gebrauch  von  Jodkali  ermöglichte  6  Monate  nach  Ausführung 
der  Operation  die  Entfernung  der  Kanüle.  In  den  beiden  anderen 
Fällen  wurde  durch  den  Gebrauch  grosser  Mengen  von  Jodkalium 
Besserung  resp.  Heilung  erzielt. 

Ivopp:  Syphilis  der  Trachea  und  der  Bronchien  (Deutsch. 
Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  XXXII,  1883,  S.  303)  beschreibt  einen  Fall 
(Fall  1)  von  syphilitischer  Trachealstenose,  wo  man  in  der  Tiefe 
der  Trachea  knapp  oberhalb  der  Bifurkation  eine  Geschwulst  mit 
höckeriger  Oberfläche  sah,  die  hochrot  und  röter  als  die  umgebende 
Schleimhaut  mit  schiefer  Abdachung  gegen  das  Lumen  zu  vor¬ 
sprang  und  dasselbe  bis  auf  einen  halbmondförmigen  Spalt  ’s  er- 
engte.  Bei  der  Sektion  stellte  sich  heraus,  dass  eine  trichter¬ 
förmige  Verengerung  der  Trachea  bestand,  die  Wand  war  an  dieser 
Stelle  von  derbem  faserigen  Bindegewebe  (Narbengewebe)  zu¬ 
sammengesetzt. 

Einen  ähnlichen  Fall  beschreibt  Vierling  (Deutsch.  Arch. 
f.  klin.  Med.  Bd.  XXI,  S.  325),  wo  man  in  der  Tiefe  der  Trachea 
eine  nicht  genauer  definierbare,  mit  eitrigem  Sekret  bedeckte  Pro¬ 
minenz  wahrnahm.  Die  Sektion  ergab  ältere  und  frischere  Ge¬ 
schwüre  in  der  Trachea  unterhalb  der  Tracheotomiewunde  bis  in 
die  Bronchien  hinein. 

Krieshaber  (Contribution  ä  l’etude  des  troubles  respira- 
toires  dans  les  laryngoplithisies  syphilitiques;  Paris  1879,  S.  26) 
sah  bei  einer  28jährigen,  mit  Larynxstenose  behafteten  Frau: 
,,une  tumefaction  sous-glottique“,  von  der  er  supponiert,  dass  sie 
eine  Gummigeschwulst  sei.  Nach  17  Tagen  schon  sah  er  voll¬ 
ständige  Heilung  eintreten  (zitiert  nach  L  e  w  i  n). 

Hanszel  (Wiener  klin.  Wochenschr.  1898,  S.  955,  No.  42) 
sah  einen  interessanten  Fall,  den  er  als  zirkumskriptes  Gumma 
der  Trachea  deutet,  das  sich  unter  Jodkaligebrauch  prompt  ver¬ 
kleinerte.  Der  laryngoskopische  Befund  der  49  jährigen  Patientin, 
die  Lues  negiert,  niemals  abortiert  hat  und  auch 
sonst  keine  Symptome  von  Lues  bot,  war  folgen¬ 
der:  „Larynxsclileimhaut  anämisch,  Stimmbänder  normal  und  gut 
beweglich.  Unterhalb  der  Glottis  sitzt  breitbasig  am  Ringknorpel 
und  nach  abwärts  an  der  rechten  und  hinteren  Trachealwand  ein 
intensiv  roter,  kugeliger  Tumor,  dessen  Oberfläche  ein  dichtes  Ge- 
fässnetz  besitzt.  Der  Tumor  füllt  das  Lumen  der  Trachea  bis 
auf  einen  kleinen  seitlichen  Spalt  aus,  durch  den  man  nur  eine 
ganz  kurze  Strecke  in  die  Tiefe  sehen  kann.  Seine  Konsistenz, 
mit  der  Sonde  geprüft,  ist  weich,  er  ist  leicht  kompressibel.  Thera¬ 
pie:  Inzision  des  Tumors  an  mehreren  Stellen  mit  dem  gedeckten 
Kehlkopfmesser  unter  Kokainanästhesie,  womach  mässige  Blu¬ 
tung;  doch  wird  kein  Eiter  entleert.  Gleich  nach  der  Blutung  wird 
der  Tumor  etwas  kleiner.  Bereits  nach  9  Tagen  war  der  Tumor, 
auf  Gaben  von  nur  2  g  Jodkali  täglich,  wesentlich  verkleinert. 

Seidel  hat  in  einer  mir  nicht  zugänglichen  Arbeit  (Jenaische 
Zeitschrift  1866,  S.  497)  eine  blassrote  Exkreszenz  beschrieben,  von 
der  Grösse  einer  Erbse,  in  der  Höhe  des  4.  Trachealringes,  auf 
der  Mitte  der  hinteren  Wand.  Er  hielt  diese  Exkreszenz  für  ein 
breites  Kondylom. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Frage  zu  ventilieren,  ob  diese 
Deutung,  die  Seidel  dieser  Exkreszenz  gibt,  die  richtige  sei;  noch 
auf  den  wissenschaftlichen  Streit  einzugehen,  der  sich  an  die  be¬ 
kannte  Arbeit  von  C.  Gerhardt  und  Roth  (Virchows  Archiv 
Bd.  XX,  S.  402  und  Bd.  XXI,  S.  1)  angeschlossen  hat,  welche  be¬ 
haupteten,  dass  als  die  allgemeinste  Ursache  der  frühzeitigen 
Heiserkeit  bei  Syphilitischen,  sowie  der  damit  zusammentreffenden 
Schlingbeschwerden,  Halsschmerzen  etc. :  breite  Kondy- 
1  o  m  e  angesehen  werden  müssten.  L  e  w  i  n  (Charite- Annalen 
1881,  S.  549  unterzieht  in  seiner  fast  monographischen  Arbeit  diese 
Ansicht  von  C.  Gerhardt,  Rot  h  und  Seidel  einer  scharfen 
Kritik  und  ist  der  Meinung,  dass  breite  Kondylome,  wo  immer 
sie  Vorkommen  mögen,  niemals  die  Form  von  „flachen,  weissliclien 
Zacken,  stecknadelkopfgrossen,  zugespitzten  Höckern“,  „roten 
Wülsten“,  „auf  ihrer  Höhe  von  freien  Exkreszenzen  besetzt“  an¬ 
nehmen.  Auch  die  mangelnde  Wirksamkeit  des  Hydrargyrum 
führt  L  e  w  i  n  gegen  die  Auffassung  dieser  Autoren  an. 

Dagegen  dürfte  es  von  Wichtigkeit  sein,  darauf  hinzuweisen, 
dass  die  Feststellung  solcher  Knoten  als  Gummigeschwülste  auf 
sehr  grosse  Schwierigkeiten  stösst.  L  e  w  i  n  stellt  in  seiner  oben 
zitierten  Arbeit  die  kleine  Zahl  der  bis  1881  veröffentlichten  Fälle 
von  Gummen  des  Kehlkopfes  zusammen  und  schliesst  sich  der  An¬ 
sicht  Ziemssens  an,  „dassdas  G  u  m  m  a  a  m  Lebenden 
n  och  nicht  genügend  studiert  s  e  i“.  C.  Gerhardt 
(Ileymanns  Handbuch  Bd.  I,  2.  Hälfte,  S.  1199  u.  1208)  äussert 
sich  sehr  skeptisch  auch  über  die  mikroskopische  Diagnose  des 
Gummiknotens.  Er  schreibt  S.  1199:  „Bei  den  Gewebsverände¬ 
rungen,  die  durch  Syphilis  zu  Stande  gebracht  werden,  liegt  die 
Sache  wiederum  anders.  Hier  kennen  wir  zur  Zeit  keinen  bezeich¬ 
nenden  Parasiten  mit  genügender  Sicherheit,  hier  ist  nur  für  die 


Minderzahl  der  Erkrankungsformen,  die  durch  Syphilis  zu  stände 
kommen,  die  gewebliche  Bauart,  die  ein-  und  kleinzellige  Neu¬ 
bildung  einigermassen  bezeichnend .  Die  einfachen  Reizungs¬ 

erscheinungen  der  Gewebe  kommen  ohnehin  viel  häufiger  vor,  als 
ihre  eigentliche  gummöse  Neubildung.“ 

Eine  genaue  histologische  Untersuchung  derartiger  isolierter 
Gummata  der  Trachea  scheint  demnach  bis  jetzt  zu  fehlen,  und 
man  wird  sich  vorläufig  damit  begnügen  müssen  —  wie  ich  schon 
oben  ausgeführt  habe  — ,  die  auf  dem  Boden  gummöser  Infiltration 
oder  selbständig  sich  erhebenden  Gummiknoten  mit  eventuell  spä¬ 
ter  ulzerös  zerfallender  Haftstelle  von  den  durch  Narbengewebe 
abgescliniirten  polypenähnlichen  Exkreszenzen  zu  unterscheiden. 

Was  nun  die  mangelhafte  Erweiterung  der  Stimmritze  an- 
betrifft,  so  war  ich  anfangs  geneigt,  sie  als  Postikuslähmung  an¬ 
zusehen.  Es  ist  aber  in  Rücksicht  auf  die  starke  Exulzeration 
des  hinteren  Dritteils  der  Stimmbänder  wohl  nicht  zweifelhaft, 
dass  es  sich  um  Perichondritis  des  Cricoarytaenoidealgelenkes 
gehandelt  hat,  die  erst  zur  Infiltration  und  später  durch  Narben¬ 
bildung  zur  Ankylose  des  Gelenkes  geführt  hat.  I1  ür  eine  Peii- 
chondritis  dieses  Gelenks  spricht  ferner  auch  noch  der  Umstand, 
dass  aus  der  Trachea  neben  den  oben  erwähnten  Tumoren  auch 
rauhe  Knorpelstückchen  ausgehustet  wurden,  also  auch  hier  peri- 
chondritische  Veränderungen  Vorlagen.  Auch  Lew  in  erwähnt 
in  seiner  Arbeit  (Beiträge  zur  Lehre  der  Perichondritis  laryugea; 
Charite-Annalen  1887,  S.  781)  die  Tatsache,  dass  Knorpelstückchen 
ausgehustet  wurden  und  bezieht  sich  auf  eine  Bemerkung  des 
Ilippokrate  s,  sowie  auf  Fälle  von  Sachse,  T  ü  r  c  k  und 
Schrotte  r,  und  berichtet  über  zwei  eigene  Fälle. 

Uebrigens  sind  syphilitische  Postikusläh¬ 
mung  e  n  wohl  recht  selten: 

Penzoldt  (Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  XIII,  S.  107) 
sah  bei  einer  61  jährigen  Frau,  welche  eine  Apoplexie  nach  Lues 
gehabt  hatte,  Lähmung  der  Postici:  Luetischer  Defekt  des  weichen 
Gaumens;  Stimmbänder,  Epiglottis  und  Aryknorpel  nicht  wesent¬ 
lich  gerötet  und  geschwellt.  Bei  der  Inspiration  lassen  die  Stimm¬ 
bänder  nur  einen  kleinen  Spalt  offen.  Starke  Dyspnoe:  Tracheo¬ 
tomie;  nach  8  Tagen  Exitus  durch  Pneumonie:  die  Sektion  ergab, 
dass  beide  Vagi  und  Recurrentes  ebenso  wie  Accessorii  auffallend 
dünn  und  grau  verfärbt  waren.  Die  Mm.  cricoarytaenoidei  postici 
waren  beiderseits  blass  braunrot,  mehr  als  die  übrigen  Muskeln 
ins  fahle  spielend.  Die  genannten  Muskeln  und  Nerven  wiesen 
auch  mikroskopisch  Zeichen  leichter  Degeneration  auf. 

Hansen  (Petersburger  med.  Wochenschr.  1876,  No.  6)  sali 
einen  Fall,  wo  ausser  Postikuslähmung  auch  noch  andere  syphi¬ 
litische  Larynxaffektionen  vorhanden  waren,  unter  Schmierkur 
völlig  heilen. 

Lewin  (Charite-Annalen  1881,  S.  579)  beobachtete  einmal 
klinische  Symptome  von  Postikusparese,  aber  gleichzeitig  bei 
besserer  Beweglichkeit  des  linken  Stimmbandes  eine  rundliche 
erbsengrosse  Ulzeraticn  des  rechten  Processus  vocalis.  Antisyphi¬ 
litische  Kur  brachte  Besserung,  nicht  Heilung. 

Ziemssen  (Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  XVIII)  sah 
Postikuslähmung  bei  einem  26  jährigen  Bäckergesellen,  der  mit 
16  Jahren  eine  zwar  „nur  kurz  dauernde  Geschlechtskrankheit  ge¬ 
habt  hatte,  bei  der  aber,  als  die  Lähmung  eintrat,  eine  gänseei¬ 
grosse  Geschwulst  des  rechten  Hodens  und  Nebenhodens  von  knor¬ 
pelharter  Konsistenz,  sowie  geringe  Schwellung  des  linken  Neben¬ 
hodens  bestand“. 

Sokolowski  (Gazetta  lekarska  1887,  No.  35,  Referat: 
Centralbl.  f.  innere  Med.  1888,  S.  461)  berichtet  über  2  interessante 
Fälle  von  offenbar  syphilitischer  Postikuslähmung. 

Der  zweite  Fall,  bei  dem  wegen  der  Postikuslähmung  Tracheo¬ 
tomie  gemacht  wurde,  hatte  vor  20  Jahren  Lues  gehabt.  Er  ging 
nach  einigen  Monaten  an  Lungenblutung  (!?)  zu  Grunde(i).  Nach 
des  Autors  Meinung  war  die  Lähmung  eine  syphilitische,  da  In¬ 
fektion  vor  20  Jahren  stattgefunden  hatte  und  Tuberkelbazillen 
im  Sputum  nicht  gefunden  wurden.  Der  erste  Fall,  ein  19  jähriger 
Patient,  kam  mit  Zeichen  starker  Stenose  (vollständige  Postikus¬ 
lähmung)  ins  Spital,  wo  er  traclieotomiert  wurde.  Nach  14  Tagen 
Exitus  plötzlich  suffokatoriseh.  Bei  der  Autopsie  fand  sich  die 
Wand  der  Luftröhre  2— 3  fach  verdickt,  aus  blassem,  faserigem 
Bindegewebe  bestehend,  die  innere  Fläche  blassrot,  hier  und  da 
injiziert  und  mit  sternförmigen  Narben  durchsät;  die  ganze 
Schleimhaut  epithellos  und  an  vielen  Stellen  gänzlich  vernichtet. 
Auf  dem  Durchschnitt  fanden  sich  in  der  ganzen  Dicke  infiltrierte 
Wanderzellen,  an  einigen  Stellen  so  gedrängt,  dass  es  zu  um¬ 
schriebenen,  aus  Granulationsgewebe  bestehenden  Knötchen 
kommt,  welche  teils  in  der  Schleimhaut  sitzen,  teils  auf  die  Sub¬ 
mukosa  und  auch  den  Knorpel  übergehen.  Riesenzellen  und  Tu¬ 
berkelbazillen  waren  nicht  gefunden.  Die  Luftröhre  und  die  Bron¬ 
chien,  in  deren  Wand  sich  ähnliche  Veränderungen  finden,  sind 
wegen  der  Verdickung  der  Wand  um  ein  Drittel  verengt.  Die 
mehrjährige  Schweratmigkeit  hing  mit  der  Lähmung  der  Postici 
und  der  Verengerung  der  Atemwege  zusammen;  den  Erstickungs¬ 
tod  führte  die  Verstopfung  beider  Bronchien  mit  Schleimpfropfen 
herbei  (!  ?). 

Mechanisches  Dilatationsverfahren:  ^ Bereits 
Hippokrates  hat  die  Einführung  von  Röhren  in  den  Kehlkopf 
bei  Larynxstenosen  empfohlen  (siehe  Bardeleben:  Chirurgie 
1872,  III.  Bd.,  p.  442).  Desault  liess  irrtümlich  eine  Schlund¬ 
sonde  8  Stunden  in  der  Trachea  liegen  und  empfahl  daraufhin  die 
Anwendung  derselben  zur  Behandlung  der  Trachealstenosen. 
Roux  (Gazette  des  höpitaux  1856)  versuchte  vergebens  einen 


4.  November  1902. 


tuberkulösen  Larynx  zu  dilatieren. 


jlüENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1839 


- -  - VCUU 

ZT  «?/',%* 1  ».  *  *  >:  *?*>*>»  Katheter 
■  Wiener  Klinik  1890).  W  e  i  n  1  e  e  ] ,  . ,  l.V  ■lT!\n\  ^nehealslenasMi, 
N.  F.  4  Jahr«-  1S71  n  7m  ^  V1  UT 1  Gabi  buch  f,  Rmderheilk. 
har  dt  an,  C.  Ger- 


g  a  n  g  b  a  r  g  e  m  a  c  h  t  Die  S  c  h  r  8 1 1  e  r  sehe  MethoSe  ist  so 


^  qkj  QfWk  i.  ~  lvim*  '  im  uime  I5(i.  XIII  1 079 

,**.*^  ^  (^aaP^hationEf^stzusSteflen,  Kach^iner^  Idee  von 
Luftdraek 

Schundröhr1’  ^  Wendet  unter  Kokainanästhesie  unten J  'offene 
lässt.  Was  V?  8ta?**  liegen 

Tmchealstmmsen  anbetrifft,  so  is?  zmSSL?  an  ÄffiÄ! 
i  1  6  lat  f  Gazette  hebdomadaire  1 Nn  17  nn/i  im  •  '  11 

von  5  Fällen  wurden  4  opertertNTdenen1!  sterben!  "  m,aum: 

«  oo\ie!I«ng  (Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med  Bd  XXI  ists 

sammen  dlron  starten  w -7  s;v|,l'nill?che"  Trachealstenosen ' 

heilten  2; 

ÄTÄ  8  FäU0  1  Stlm<le  »is  na^dT der 

S  ausKKn*hch  bat  sich  Le  win  (Charite- Annalen  1S82 

S  o89  u.  ff.)  mit  dieser  Frage  beschäftigt.  Obwohl  der  Autor  der 
-  n^endung  der  Tracheotomie  bei  Tracheal-  und  Larynxsynhilis 
lw°1Iend  gegenübersteht  und  eine  Reihe  von  'Falle,/. -m- 
•  it,  wo  durch  Tracheotomie  wenigstens  bei  Larynxstenose  Hei 
mg  erzielt  wurde,  verkennt  er  nicht,  wie  gefährlich  diese  One/a- 
tion  sem  und  welche  schwere  Folgen  sie  nach  sich  ziehen  kann. 

fliesseis  von  BbTm/r  aTUfffie  Gefahr  der  Blutung  und  des  Ein- 
dis  BbitveH.Soi  r-  e  LuGw.?ge  ein,  würdigt  sowohl  die  Gefahr 
die  i  Uu  ^schwächte  Syphilitische  überhaupt,  als 

s m!,  +deU  operatlven  Schnitten  auf  obstruierende 
,'i,SohdG  tl0nen  211  stossen-  was  unfehlbar  eine  Hämor- 
/  •  tn-  T  dieS<oU  80  leicht  blutenden  Gebilden  erzeugen  müsse 
Er  zitiert  eine  Bemerkung  aus  einer  Arbeit  von  SchüleT  der 

ein  GkngaS  de^Cr  1sogfrt.erleben  könne-  dass  in  wenigen  Stunden 
iSnüle  bPifofcf^®  ?  Ulatl°nen’  welcher  beim  Herausnehmen  der 
JollsSndit Zh  ?r?Teg  n0Ch  der  Lichtung  derselben  entsprach, 
man  atl?nen  ausgefullt  und  verwachsen  ist.  Wird 

man  dann  durch  die  zunehmende  Asphyxie  gezwungen  die  Kanüle 

«>  man  durch  Zerquetschen  der  Gmmdi 
moift  iecbt  unangenehme  Blutungen  hervorrufen.“  Bö  ekel 

iarti  der  Trno/0m+e’  Tll{,'SO  ?e  Strassbourg  1867)  sali  wenige  Tage 
01  Mao  Tracheotomie  etaie  Blutung  auftreten.  desgleichen  vei- 

nach  der  o™/6  r™*  durch  Blut™S  m  der  ersten  Woche 

die  MöMichkAif^  A^~Win  macht  weiterhin  aufmerksam  auf 
I  no'r  /  2  l  i  Ablösung  der  Schleimhaut  der  Trachea  vom 
SohSlmnt 1  cb  Eiter  oder  durch  zwischen  Perichondrium  und 
hleimhaut  sich  ausbildendes  gummöses  Gewebe  Man  führt 

knmmeTdf  ibIÖ?.Vn?  be8teht  nach  Durchschneidung  der  Tracheah 
li  -i  ut  ,/  Kanu|e  111  das  vermeintliche  Tracheallumen,  in  Wirk- 
sode  ZW18cbea  Knoi-pel  und  Schleimhaut  ein  und  vermehrt 
Po  ,  te  *  von  Pit  ha,  Lew  in,  Schrötter  und 
,  W  \®  rrning  VOn  Dupuytren  (Leeons  orales  Tom.  III. 
l  •  »oh  Auch  phlegmonöse  Entzündung,  Gangrän  der  Wunde  Zell 

SÄrwr?  mm  l ' 

P  *  Komplikationen  der  Tracheotomie  Syphilitischer  auf. 

hält  d  ehKaZnV!m-euSCl?atZeuder  Prozentsatz  von  Syphilitischen  be- 
dleselb!  :,V  e  Jabrelang  weil  es  nicht  möglich  ist.  den  Patienten 
u  bi/  fugewohnen.  Dafür  aber,  dass  der  Begriff:  Reizung 

nteressan/  8  1  l^fer  Wahn  isti  fühi‘t  Lewin  einen  lioch- 

mteiessanten,  eigenen  Fall  auf: 

-^nSn/,jilhriger  Knabe,  Sohn  syphilitischer  Eltern,  anscheinend 
L.i  t  ,  lf *• X)ren’  erkrankte  später  an  Hautgeschwüren.  Er  wurde 
R,  n.  hifT-n!ld  hatte  Schlingbeschwerden  (Ulzera  der  Epiglottis, 
h,  Z:ßflei;hm^eren  Larynx  wand  und  der  Stimmbänder).  Patient, 
s‘  holl  Trachea  man  ausser  Rötung  der  vorderen  Wand  nichts 
tiachhnS  tr°tZ  Kmreibungskur  Erstickungsanfälle  und  musste 
‘Vhlhvni  7en  werden.  Er  wurde,  entgegen  den  ärztlichen  Rat- 
sd  nü,"  -  °ach  Kause  genommen;  die  Inunktionskur  wurde 
Kam-üJ  /  Tf  fortaeführt-  Kfich  8  Monaten  bekam  Pat.,  der  die 
vm.  ?  tTr1-f.  Wleder  Erstickungsanfälle,  denen  er  erlag,  be- 

I  irv’nv  /  h,6  i11  kam-  Es  fand  si°h  bei  der  Eröffnung  des 
.  ux  und  der  Trachea  eine  tumorartige  Anschwel¬ 


lung  unterhalb  der  Operationswunde  am  4 _ 8  Trachealknomel 

von  6  cm  Breite.  Die  Schleimhaut  darüber  ^  grau  von  deSll 

n  r 1 S,tenz;  An  der  stelle>  wo  die  Kanüle  auf  lag,  fand  sich  eine 
I. ii. „liehe  Ulzeration.  Der  Vergleich  des  laryngologischen  Be- 
tundes  mit  dem  der  Sektion  weist  nach  Lewins  Mein  um-  mit 
►  mherheit  darauf  hin,  dass  die  Geschwulst  in  der  Trachea  erst 
nachträglich  unter  dem  Einfluss  der  rezidivierenden  Syphilis  durch 
die  Trachealschleimhaut  stattfindenden  Druck  erzeugt 
^oiden  ist.  Fui  diese  Ansicht  plaidieren  vielleicht  auch  iene  Fälle 
m  welchen  innerhalb  eines  grösseren  Zeitraums  die  Traclieotomik 
wegen  neu  auftretender  Stenosierung  des  Larynx  und  der  Trachea 
ausgefuhrt  werden  musste.  Während  die  erste  Tracheotomie 
wegen  Stenosierung  des  Larynx  ausgeführt  wurde  musste  die 
™,e,  e  wegen  Trachealstenose  gemacht  werden’  (Fähe  von 
PUha  und  Trendelenburg).  Ferner  hat  auch  ohne  (len 
Reiz  der  Kanüle  das  Narbengewebe  an  der  Operationsstelle  die 

i  igung,  stark  zu  schrumpfen  und  von  neuem  Stenose  zu  er¬ 
zeugen.  cuutnc  4U  CI 

C.  Gerhardt  (Heymanns  Handbuch)  steht  der  Tracheo- 
In  {Lesen  Fallen  sehr  kühl  gegenüber,  hält  die  bisherigen 
Li  folge  für  sehr  wenig  ermutigend  und  spricht  die  Hoffnung  aus 
dass  durch  das  mechanische  Dilatationsverfahren  in  Zukunft  über¬ 
flüssige  Tracheotomien  vermieden  werden  möchten.  Auch  bei  Er¬ 
krankungen  im  untersten  Abschnitt  der  Trachea  hält  er  dm 
1  racheotomie  in  vielen  Fällen  für  entbehrlich,  ein  konservatives 
Bougierungs verfahren  für  indiziert. 

Interessant  für  unsere  Frage  ist  die  Bemerkung  von  Jurasz 
(Referat  auf  der  Sitzung  der  laryngo-rhinologischen  Abteilung  der 
>o.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürn¬ 
berg  am  12.  September  1893),  welcher  die  Seltenheit  des  zirkum- 
s  \iipten  Syphiloms  der  Trachea  betont  und  bei  blutigen  Eingriffen 
an  der  Trachea  empfiehlt,  Jodkali  weiter  zu  geben,  selbst  wenn 
keine  Dyskrasie  mehr  zu  bestehen  scheint,  damit  m  a  n 
sicher  ist,  dass  durch  die  Verletzung  das 
schlummernde  Gift  nicht  geweckt  und  der  Hei¬ 
lungsvorgang  nicht  gestört  wird. 

Genug  der  Beispiele !  Der  Ueberblick  über  die  ein¬ 
schlägige  Literatur,  den  wir  gewonnen  haben,  bestärkt  uns  in 
der  Meinung,  dass  Tracheotomien  bei  den  syphilitischen  Tracheal¬ 
stenosen  tunlichst  vermieden  werden  sollen,  und  an  ihre  Stelle 
irgend  ein  rechtzeitig  eingeleitetes  dilatatives  Verfahren  gesetzt 
zu  werden  verdient.  Die  Prognose  ist  auch  dann  noch  immer  nicht 
glänzend  zu  nennen,  jedenfalls  spart  man  Kräfte  des  Patienten 
und  erspart  ihm  Gefahren,  die  man  vorher  nicht  übersehen  kann. 


Aus  der  Dr.  Brehmer  sehen  Heilanstalt  zu  Görbersdorf  i/Schl. 

(Chefarzt :  Geheimrat  Dr.  Petr  i). 

Ein  Beitrag  zur  Diagnose  der  Lungen-Kavernen. 

Von  Dr.  H.  Cybulski,  Sekundärarzt  der  Anstalt. 

Unter  den  zahlreichen  Symptomen,  welche  uns  instand¬ 
setzen,  sei  es  durch  Auskultation  oder  durch  Perkussion,  die  An¬ 
wesenheit  von  Kavernen  gewisser  Grösse  zu  erkennen,  habe  ich 
niemals  dasjenige,  auf  welches  ich  jetzt  die  Aufmerksamkeit 
lenken  möchte,  vorgefunden.  Dieses  Symptom  stützt  sich  auf 
die  Tatsache,  dass  das  Rasseln,  welches  in  der  Kaverne  entsteht, 
nicht  nur  beim  Auskultieren  wahrzunehmen  ist,  sondern  auch 
dann,  wenn  wir  das  Ohr  dem  breitgeöffneten 
Munde  des  Kranken  nähern  und  ihn  tief  atmen 
lassen;  dann  hört  man  ganz  deutlich  in  der  Tiefe  der  Lungen 
das  Rasseln,  dessen  Charakter  und  Grösse  vollständig  dem  ent¬ 
spricht,  was  man  auf  gewöhnlichem  Wege  zu  hören  vermag.  Ich 
muss  nun  noch  hinzufügen,  dass  der  Charakter  dieses  Rasseins 
meist  etwas  schärfer  und  deutlicher  wahrzunehmen  ist;  man  hört 
also  auf  diese  Weise  klingendes  Rasseln,  metallisches,  Gargoulle- 
ment;  ebenso  Rasseln,  welches  zwischen  klingendem  und  feuch- 
^cra  <be  Mitte  hält.  Durch  gleichzeitiges  Auskultieren  auf  ge¬ 
wöhnlichem  Wege  ist  man  imstande,  identische  Geräusche  über 
der  Kaverne  wahrzunehmen.  Von  dem  feuchten  Rasseln,  welches 
in  den  Luftröhren  entsteht,  unterscheiden  sich  diese  Geräusche 
durch  den  Charakter,  sowie  durch  ihre  Lokalisation.  Man  ist 
nämlich  sehr  gut  imstande  wahrzunehmen,  dass  sie  aus  der  Tiefe 
dei  Lungen  stammen  und  nicht  in  den  gröberen  Luftröhren 
lokalisiert  sind;  dabei  weist  ihr  Kaliber  auf  die  Entstehung  in 
feineien  Bronchien  hin.  Dieses  Symptom  ist  ungemein  ver¬ 
breitet;  man  kann  es  nämlich  fast  in  jedem  Falle  von  Lungen¬ 
kavernen  antreffen,  wovon  ich  mich  durch  zahlreiches  Material 
uberzeugt,  habe.  Dieses  Symptom  kann  einen  diagnostischen 
Veit  in  jenen  Fällen  erlangen,  wo  das  Kavernenrasseln  durch 
andere  Geräusche  verdeckt  wird,  welche  in  den  umgebenden  Ge¬ 
weben  entstehen.  Dann  weisen  die  Geräusche,  welche  man  auf 
oben  beschriebene  Weise  wahrnehmen  kann,  ganz  deutlich  auf 

4* 


1840 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


die  Existenz  von  Lungenkavernen  hin.  In  einigen  ähnlichen 
Fällen  hat  sich  dieses  Symptom  vollständig  bewährt;  denn  als 
das  umgebende  Gewebe  sich  ein  wenig  gereinigt  hatte,  und 
man  infolgedessen  das  tiefer  liegende  Rasseln  deutlicher  hören 
konnte,  nahm  man  die  Existenz  von  Kavernen  wahr,  nachdem 
früher  nur  bronchiales  Rasseln  gehört  worden  ist. 

Es  wäre  überhaupt  wünschenswert,  diese  Art  von  direkter 
Auskultation  (wenn  man  sie  so  nennen  darf)  öfters  anzuwenden. 
Auch  jedes  Rasseln,  welches  in  Trachea  und  Bronchien  entsteht 
(Giemen,  Pfeifen  u.  s.  w.),  lässt  sich  auch  auf  diese  Weise  wahr¬ 
nehmen. 

Ein  Fall  von  Morphiumvergiftung  im  frühesten 

Kindesalter. 

Von  Dr.  Katzenstein  in  München. 

Schweren  Fällen  von  Morphiumvergiftung  im  frühesten  Kin¬ 
desalter  begegnet  man  in  der  Praxis  wie  in  der  Literatur  recht 
selten.  Infolgedessen  ist  die  Symptomatologie  diesei  sein 
schweren,  ja  meist  letalen  Erkrankung  bis  jetzt  noch  nicht  ge¬ 
sichert,  und  Edlefsen  fordert  mit  Recht,  dass  jeder  derartige 
Fall  mitgeteilt  werden  möge. 

Ich  habe  nun  vor  kurzem  einen  sehr  schweren  Fall  von 
Morphiumvergiftung  erlebt ;  da  sich  derselbe  sowohl  durch  die 
im  Vergleich  zu  dem  jugendlichen  Alter  des  Kindes  hohe  Dosis, 
als  auch  durch  die  erfolgreiche  Therapie  und  besondere  Sym¬ 
ptomatologie  auszeichnet,  möge  derselbe  in  etwas  ausführlicherer 
Weise  dargestellt  werden. 

In  der  Naclit  vom  3.  bis  4.  Mai  dieses  Jahres  wurde  ich  zu 
dem  24  Tage  alten,  bis  dahin  gesunden  Kinde,  Gretch.  R.,  ge¬ 
rufen,  weil  es  im  Schlafe  gestöhnt  und  bald  darauf  einen  Krampf¬ 
anfall  bekommen  habe,  wobei  es  ganz  blau  geworden  sei.  Da  ich 
die  Familie  seit,  langem  kenne,  und  das  Kind  seit  seiner  Geburt 
fast  täglich  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  war  es  mir  un¬ 
begreiflich,  aus  welcher  Ursache  heraus  sich  dieser  telephonisch 
gemeldete  Anfall  entwickelt  haben  konnte.  Bei  meiner  Ankunft 
fand  ich  das  Kind  in  einem  eklamptischen  Anfall;  die  Atmung 
■war  sehr  erschwert,  das  Kind  hochgradig  cyanotiscli.  Die  Pu¬ 
pillen  waren  klein,  jedoch  nicht  übermässig  verengt.  Pupillar- 
und  Kornealreflex  waren  erloschen.  Da  sich  der  Fall  in  einer 
Familie  ereignete,  in  welcher  die  Pflege  der  Kinder  mit  hervor¬ 
ragender  Sorgfalt  und  Äengstliclikeit  gehandhabt  wird,  so  unter¬ 
drückte  ich  den  Gedanken  an  eine  Vergiftung  mit  einem  Narkoti¬ 
kum  und  behandelte  den  Fall  wie  einen  eklamptischen  Anfall. 
Ich  badete  das  Kind,  machte  kalte  Uebergiessungen,  hierauf  gab 
ich  dem  Kind  einen  kühlen  Mastdarmeinlauf.  Darauf  machte  ich 
eine  heisse,  nasse  Einpackung  des  ganzen  Kindes  bis  zum  Hals 
und  auf  den  Kopf  kam  die  Eisblase.  Das  Kind  wurde  liieiauf 
ruhiger,  nur  fiel  es  auf,  dass  die  Lippen  und  die  Gesichtsmuskeln 
fortwährend  in  zitternder  Bewegung  waren.  Die  Atmung  war 
verlangsamt  und  oberflächlich.  Nach  etwa  10  Minuten  wollte  ich 
mich  überzeugen,  ob  das  Klystier  von  Erfolg  Avar,  und  da  fand  ich. 
dass  trotz  der  sorgfältigen  Einpackung  das  Kind  nicht  nur  nicht 
Avarm,  sondern  am  Körper  ganz  kalt  geAvorden  war.  Das  erregte 
von  neuem  meinen  Verdacht  auf  eine  Vergiftung  mit  einem 
Opiumpräparat.  Auf  meine  Frage  versicherte  mir  die  Wärterin, 
dass  irgend  ein  Beruhigungsmittel  nicht  gegeben  worden  sei. 
Da  die  Konvulsionen  von  neuem  auf  traten,  wurde  die  ganze,  oben 
beschriebene  Prozedur  wiederholt.  Als  auch  jetzt  sowohl  das 
zweite  Klystier  ohne  irgend  eine  Wirkung  blieb,  der  Leib  viel¬ 
mehr  sich  teigig,  ich  darf  sagen,  Avie  leblos  anfühlte,  als  auch 
Aviederum  trotz  der  heissen  Ganzpackung  eine  erschreckende  Ab¬ 
kühlung  des  Kindes  erfolgt  Avar,  erfuhr  ich  endlich  durch  eine  List, 
dass  die  Wärterin  in  der  Tat  dem  Kinde  ein  Morphiumpulver  ge¬ 
geben  hatte.  Ich  entfernte  sofort  Eisblase  und  Wickel  und  liess 
dem  Kinde  fortwährend  mit  heissen  Tüchern  den  Körper  reiben. 
Da.  das  Pulver  bereits  um  10  Uhr  Abends  gegeben  Avorden  war,  und 
seitdem  3  Stunden  verflossen  waren,  glaubte  ich  von  einer  Magen¬ 
spülung  absehen  zu  sollen.  Ich  flösste  dem  Kinde  mit  dem  Löffel 
etwas  Tliee  und  ein  Kalomelpulver,  das  zur  Hand  Avar,  ein,  gab 
Seifenwassereinläufe  in  den  Mastdarm  und  später  ein  Glyzerin- 
klvstier.  Die  Krampfanfälle  Aviederholten  sich  von  nun  an,  an¬ 
fangs  in  Pausen  von  einer  halben  und  später  von  einer  ganzen 
Stunde,  so  dass  Avir  bis  Nachmittags  3  Uhr  am  4.  Mai  etwa 
20  Anfälle  hatten.  Inzwischen  Avaren  die  Pupillen  bis  zur  Steck¬ 
nadelkopfgrösse  verkleinert.  In  den  ZAvischen  den  Anfällen 
liegenden  Pausen  lag  das  Kind  bewusstlos  auf  seinem  Bettchen. 
Von  dem  dargereichten  schwarzen  Tliee  schluckte  es  zeitweise, 
Avährend  zuweilen  gar  keine  Schluckbewegungen  stattfanden,  so 
dass  das  vorsichtige  Darreichen  von  Flüssigkeiten  ganz  unter¬ 
brochen  Averden  musste.  Die  Zuckungen  im  Gesicht  dauerten  in 
den  anfallsfreien  Zeiten  immer  fort;  der  Kornealreflex  war 
Avalirend  dieser  Zeit  abgeschwächt,  zum  Teil  nicht  vorhanden,  die 
Lippen  Avaren  schön  rot  gefärbt,  die  Atmung  verlangsamt.  Das 
Herz  funktionierte  ausserordentlich  gut  während  der  anfallsfreien 
Zeit;  die  Herztöne  waren  deutlich  und  der  Puls  klein  aber  leidlich 
fühlbar.  Leider  bin  ich  nicht  im  Stande,  die  Frequenz  der  Atem¬ 


züge  und  der  Herztöne  in  Zahlen  anzugeben,  da  ich  mich  infolge 
der  angestrengten  Aufmerksamkeit  auf  die  Lebensäusserungen  des 
Kindes  auf  meine  abschätzenden  Empfindungen  beschranken 
musste.  So  beruhigend  das  Aussehen  des  Kindes  im  anfallsfreien 
Intervall  war,  so  erschrecklich  gestalteten  sich  die  Anfalle,  welche 
nach  wenigen  Momenten  in  einen  Zustand  atoii  A’ollstandigei  As- 
phvxie  übergingen.  Während  anfangs  die  Anfälle  den  Eindruck 
einer  infantilen  Eklampsie  machten,  etwa  wie  bei  einem  Stimm¬ 
ritzenkrampf,  gestalteten  sich  dieselben  später  folgendermassen: 
Bei  dem  ruhig  liegenden  Kinde  sah  man  zuerst  eine  allmählich 
stärker  werdende  Blaufärbung  der  Fingernägel  und  der  Lippen. 
Gleichzeitig  wurde  die  Atmung  seltener  und  noch  flacher  als  vor¬ 
dem;  hierauf  trat  ein  Tetanus  des  ganzen  Körpers  ein  und  zu 
gleicher  Zeit  mit  diesem  hörte  die  Atmung  vollständig  auf.  Dabei 
schlug  das  Herz  zunächst  ruhig  und  gleichmässig  fort  Der 
Tetanus  löste  sich  nach  etwa  15  bis  30  Sekunden,  es  trat  a  oll- 
ständige  Erschlaffung  der  Muskeln  ein  und  der  Zustand  war  genau 
wie  man  ihn  bei  neugeborenen  asphyktischen  Kindern  zu  sehen 
Gelegenheit  hat.  Ich  behandelte  diese  Anfälle  mit  den  bekannten 
Methoden  der  künstlichen  Atmung  und  achtete  ganz  besonders 
auch  auf  die  Massage  des  Herzens.  Denn  wenn  die  Massage  des 
Brustkorbs  nicht  konstant  fortgesetzt  und  auch  nur  auf  Sekunden 
unterbrochen  oder  gemässigt  wurde,  so  erlebte  ich  es.  in  jedem 
Anfall  mehrere  Male,  dass  die  Herztöne  an  Kraft  nachliessen  und 
die  Herzschläge  in  immer  grösser  werdenden  Intervallen  auf¬ 
einander  folgten.  Die  Massage  des  Brustkorbs  setzte  ich  deshalb 
auch  dann  fort,  Avenn  ich  das  Kind  während  des  Anfalles  in 
lieisses  Wasser  Arerbrachte.  Während  in  diesem  asphyktischen 
Zustande  alle  Hautreize,  sogar  kalte  Uebergiessungen  im  Bad,  ohne 
eine  Spur  von  Wirkung  waren,  so  konnte,  selbst  wenn  die  Asphyxie 
die  höchsten  Grade  erreicht  hatte,  das  Eintauchen  des  Kindes  m 
lieisses  Wasser  stets  einen  Reflex  hervorrufen.  Jedesmal  machte 
das  Kind  einen  tiefen  Atemzug  und  bewegte  Arme  und  Beine. 
Die  Wirkung  Avar  zwar  bloss  momentan,  immerhin  war  ein  erfolg¬ 
reicher  Hautreiz  gesetzt,  dem  Kinde  eine  geAvisse  Wärmemenge 
wieder  zugeführt  und  die  Lungen-  und  Herzmassage  konnte  ant 
dem  Tisch  wieder  fortgesetzt  Averden.  Ich  benutzte  allerdings 
Wasser  von  35 0  R.,  d.  s.  ca.  44 0  C.  Die  Dauer  dieser  Anfalle, 
während  Avelcher  das  Kind  selbständig  nur  3  bis  4  Atemzüge,  d.  h 
je  einen  Atemzug  beim  jedesmaligen  Eintauchen  in  das  Masse 
machte,  war  Arerscliieden  gross.  Nach  Angabe  des  Vaters,  der  di 
Anfälle  mit  der  Uhr  verfolgte,  dauerten  die  leichtesten  Anfall 
15  Minuten,  die  meisten  35  Minuten,  der  längste  Anfall  ubei 
40  Minuten.  Die  Anfälle  gingen  vorüber,  indem  das  Kind  verein¬ 
zelte  Atemzüge  machte,  AArelclie  allmählich  sich  vertieften  und 
häufiger  wurden.  Mit  der  Massage  konnte  ich  jedoch  erst  dann 
aufhören,  wenn  das  Kind  auf  Hautreize  milderer  Art  als  heisse 
Bäder,  z.  B.  auf  die  zum  Schluss  der  Anfälle  im  Bad  gemachten 
brunnenkalten  Uebergiessungen  oder  auf  Kneifen  der  Haut  mit 
tiefen  Atemzügen  reagierte.  Es  ist  hieraus,  ersichtlich,  dass  es 
einer  grossen  körperlichen  Anstrengung,  ebenso  bedeutender  Aul  - 
merksamkeit  und  Energie  bedurfte,  um  durch  die  Massage  die 
Tätigkeit  des  Herzens  aufrecht  zu  erhalten  und  die  der  Lungen 
Avieder  lieiworzurufen.  Rechne  ich  alle  Zeit  der  künstlichen  Atem- 
beAvegungen  zusammen,  so  dürfte  die  Summe  mindestens  0  bis 
7  Stunden  innerhalb  des  ganzen  Zeitraums  von  14  Stunden  be¬ 
tragen.  Um  auf  die  Eliminierung  des  Giftes  einzuwirken,  machte 
ich  dem  Kinde,  bei  welchem  die  Mastdarmeinläufe  noch  nicht  ei- 
scliienen  waren,  in  Intervallen  warme  Kochsalzeinläufe  in  den 
Mastdarm  und  ebensolche  subkutane  Einspritzungen.  Es  wurden 
ungefähr  12  subkutane  Einspritzungen  ä  10  ccm  =  120  ccm  Wasser 
gemacht.  Mast  da  rmeinsprit  zungen  ä  100  ccm  machte  ich  ca.  10 
—  1  Liter,  ist  zusammen  etwa  5/4  Liter  Wasser,  abgerechnet  die 
vorher  zur  Erreichung  eines  Stuhles  schon  erwähnten  Ein¬ 
spritzungen.  Vermittels  dieser  Mastdarmeinläufe  wurden  dem 
Kinde  im  ganzen  auch  4  Kaffeelöffel  Kognak  beigebracht,  ebenso 
etwa  50  ccm  schwarzen  Kaffee.  Am  Sonntag  Vormittag  hatte  Heu 
Dr.  Oppenheimer  die  LiebensAVÜrdigkeit,  mir  bei  den  an¬ 
strengenden  Wiederbelebungsversuchen  beizustehen.  Auf  seinen 
Wunsch  wurden  Inhalationen  von  Sauerstoff  versucht,  doch  waren 
dieselben  während  der  Atmungslosigkeit  des  Kindes  erfolglos,  so 
dass  schliesslich  von  einem  av eiteren  Versuch  abgesehen  Avurde. 
Von  Nutzen  dagegen  schienen  dieselben  zu  sein  von  dem  Augen¬ 
blick  an,  avo  das  Kind  selbständig  atmete.  Die  erwähnten  Frot¬ 
tierungen  mit  heissen  Tüchern  während  der  anfallsfreien  Zeiten 
Avurden  ca.  30  Stunden  unaufhörlich  fortgesetzt.  Selbstverständ¬ 
lich  war  das  Zimmer,  in  welchem  sich  das  Kind  befand,  sehr  gut 
geheizt.  Da  weder  Stuhlgang,  noch  Urin  entleert  Avurden,  gab  ich, 
als  das  Kind  gut  schluckte,  ein  weiteres  Kalomelpulver  und  ent¬ 
nahm  der  gefüllten  Harnblase  am  Vormittag  ca.  120  ccm  Urm 
vermittels  Katheter.  Der  Urin  Avar  eiweisshaltig.  Nach  etAva 
G  Wochen  war  der  Harn  eiweissfrei.  Da  vor  der  Vergiftung  zu 
einer  Urinuntersuchung  keine  Veranlassung  vorlag,  ist  es  unmög¬ 
lich,  festzustellen,  ob  die  Vergiftung  das  Auftreten  des  Albumens 
verursacht  hat.  Der  letzte  Anfall  erfolgte  Sonntag  um  3  Uhr 
Nachmittags,  also  17  Stunden  nach  der  Vergiftung.  Nachts  um 
12  Uhr,  also  26  Stunden  nach  der  Einverleibung  des  Morphium¬ 
pulvers,  trank  das  Kind  die  erste  Flasche  Milch.  Nunmehr  er¬ 
folgten  frehvillige  Entleerung  von  Urin  und  einer  Reihe  reich¬ 
licher  dünner  Stühle.  Erbrechen  war  während  der  ganzen  _v  cr- 
giftungsperiode  nicht  vorhanden.  In  der  Nacht  vom  4.  >•  )  • 

verhielt  sich  das  Kind  ganz  ruhig  und  machte  den  Eindruck,  wie 
Avenn  es  sich  in  gutem  Schlafe  befinde.  Am  anderen  Morgen,  dem 
5.  V.,  hatte  das  Kind  Früh  um  10  Uhr  eine  Temperatur  Aron  40, o 


4.  November  1902. 


_ ^UENCHENER  MEDIOINTSOI  LE  WOCHENSCHRIFT. 


betrug  1,11,1  am  Abeml  noch  38,5 

Das  Kind  Zi  ,',n  v  -  ien!PT:ltlu'  vollständig  normal. 

Eindruck,  nimmt  seine  Nalmmg  wie  zuvo“  hat  ST  ulsleenn^in 
und  bat  nur  folgende  Verletzungen  davongeti-a^n-  Die  Haut  auf 
beiden  Seiten  des  ganzen  Brustkorbes  etwa  in  der  Mammnia  • 

hmg  in  Hebung  SÄÄ  Ä,  T'Ch 

Bi-anlnSe  Ä  “eines3 S  ^ 

InjektiinenS  dM  Kind ZT  1I?eil.ung  slchtbar-  Die  subkutanen 

konstatierte  TemperaturerhöhTg^ensSeSuf^tSleTSnlen 

können.  Was  die  Menge  des  Morphiums  betrifft,  Teiche  daTlHM 

PniT.men  ,at  S?.eifulu'  ich  V011  der  Wärterin,  dass  sie  ein  ganzes 
....  . ' e!  '  ei  ab  reicht  habe.  Nach  Ausweis  des  Rezeptes  welches 
lui  eine  erwachsene  Person  aufgeschrieben  war  enthielt  das 
Pulver  g  0,007  Morphium  hydrochloricum.  enthielt  das 

Von  besonderem  Interesse  an  dem  mitgeteilten  Fall  sind  die 
beschriebenen  klonischen  und  tonischen  Krämpfe.  Infolge  nar¬ 
kotischer  Vergiftung  treten  nach  Angabe  der  Lehrbücher  der 
ioxikologie  und  der  Arzneimittellehre  derartige  Krämpfe  regel- 
massig  bei  niederen  Tieren,  z.  B.  bei  den  kaltblütigen  Fröschen 
aut.  Bei  Menschen  sind  sie  nur  dem  allerfrühesten  Lebensalter 
eigentümlich.  S  oltmann  gibt  hierfür  eine  plausible  Er- 
i  arung.  Darnach  besitzt  das  Gehirn  des  Neugeborenen,  schon 
gegenüber  dem  des  alteren  Säuglings  auf  Grund  seiner  rück¬ 
ständigen  anatomischen  Beschaffenheit  (Fehlen  der  strengen 
rennung  zwischen  weisser  und  grauer  Substanz;  vielfaches 
elilen  der .  Markscheiden  um  die  Achsenzylinder,  mangel¬ 
hafte  Entwicklung  der  Pyramidenbündel  etc.)  an  und  für 
sich  eine  erhöhte  Reflexdisposition.  Auf  Grund  dieser  ver¬ 
schiedenen  physiologischen  Entwicklungen  reagiert  eben  der  Neu¬ 
geborene  auf  Opium  wie  ein  niederes  Rückenmarkswesen.  So 
kennte  ich  infolge  der  grossen  Jugend  des  Kindes  die  deletäre 
irkung  des  Morphiums  auf  die  Zellen  der  Grosshirnrinde  und 
der  Medulla  oblongata  nebeneinander  beobachten.  Bei  älteren 
Säuglingen  und  Erwachsenen  fällt  die  bis  zu  Krämpfen  führende 
Wirkung  des.  Morphiums  infolge  der  zahlreichen  Reflex- 
hemmungsvorrichtungen  gewöhnlich  fort. 

Das  Gewicht  des  Kindes  beträgt  3500  g,  infolgedessen  be- 
lechnet  sich  für  das  Kilo  Körpergewicht  2  mg  Morphin.  Für 
einen  Erwachsenen  von  50  kg  Gewicht  würde  das  eine  Dosis  von 
1  dcg  Morphin  bedeuten,  d.  i.  das  Dreifache  der  Maximaleinzel¬ 
dose.  Es  ist  bekannt,  dass  bei  Erwachsenen  die  Toleranz  gegen 
Morphin  sehr  verschieden  ist  (Singer).  Lew  in  teilt  einen 
tall  mit,  bei  dem  schon  bei  einer  Dosis  von  0,06  g  der  Tod  er- 
w  v-i  •Bei  Hindern  jedoch  ist  die  Intoleranz  gegen  Morphin  im 
V  erhältnisse,  zu  ihrem  Gewichte  und  ihrer  Jugend  ganz  unver- 
haitnissmässig  gross.  Diese  Anschauung  finden  wir  in  der  ganzen 
hier  zutreffenden  Literatur  vertreten.  Ich  erwähne  unter 
anderen  die  Arbeiten  vonLewin  und  H  a  r  n  a  c  k,  W  y  s  s  und 
S  o  1 1  m  a  n  n.  Tappeiner  sagt  in  seiner  Arzneimittellehre  • 
„Besonders  empfindlich,  weit  mehr  als  sich  durch  das  geringe 
Körpergewicht  erkennen  lässt,  sind  kleine  Kinder.  Bei  Säug¬ 
lingen  kann  schon  ein  Tropfen  Opium tinktur  oder  0,001  g  Mor- 
phrn  lebensgefährliche  Vergiftungen  hervorrufen.“  In  einem 
ausführlichen  Gutachten,  teilt  E  d  1  e  f  s  e  n  einen  Fall  mit,  der 
einem  Arzte  so  verhängnisvoll  wurde.  Dort  bekam  ein  7  Monate 
altes  Kmd  pro  Körpergewicht  1,045  mg  Morphin  innerhalb  eines 
Zeitraumes  von  mehreren  Stunden  und  ging  daran  zu  gründe. 
Unser  kleiner  Patient  von  24  Tagen,  bei  dem  die  Toleranz  der 
grosseren  Jugend  wegen  entsprechend  kleiner  als  in  jenem  Falle 
angenommen  werden  muss,  erhielt  auf  einmal  2  mg  Morphin  pro 
Kilo  Körpergewicht.  Der  selten  schwere  Verlauf  der  Vergiftung, 
infolge  deren  das  Kind  einmal  40  Minuten,  mehrere  Male  rund 
30  Minuten  vollständig  ohne  eigene  Atmung  war,  und  das  Herz 
öfter  seine  Thätigkeit  einzustellen  drohte,  beweist,  dass  2  mg 
Morphin  pro  Kilo  Körpergewicht  des  kindlichen  Körpers  als  im 
allgemeinen  letale  gelten  muss. 

Der  glückliche  Ausgang  dieser  Vergiftung  ist  wohl  in  aller¬ 
erster  Linie  der  künstlichen  Atmung  zu  verdanken.  Dieses  beste 
und  ohne  jegliches  Hilfsinstrument  überall  und  jederzeit  ver¬ 
wendbare  Mittel  wird  daher  von  vielen  Autoren  gerühmt.  So 
teilt  Husemann  einen  Fall  von  Thomas  mit,  in  dem  es 
gelang  durch  Thoraxkompression  bei  einem  Säugling  in 
24  Stunden  37  mal  die  Atmung  zu  beleben  und  schliesslich  das 
Leben  zu  retten.  Unter  anderem  wurde  künstliche  Atmung  an¬ 
gewendet  von  Caldi,  der  sich  ausser  auf  warme  Bäder  mit 
U  ebergiessungen  auf  dieses  Mittel  beschränkte.  Von  einer  Reihe 
No.  44. 


1841 


.  utoren  wird  die  künstliche  Atmung  neben  anderen  Heilmitteln 
empfohlen-  Da  schemt  allerdings  nach  den  Berichten  von 
Model,  Gor  ton  und  anderen  die  Faradisation  der  Nervi 
phrenici  eine  sehr  wichtige  Rolle  zu  spielen. 

Der  Einfluss  der  Atropinbehandlung  als  Antidot  wird  sehr 
gelobt  von  Wyss,Lewin,  Husemann  und  Dornberger 

Gruse  empfiehlt  auch  bei  Kindern  grosse  Dosen  Atropin.' 

urgess  dagegen  teilt  mit,  dass  er  von  Atropin  keinen  ErfoD 
gesehen  habe,  während  Lenhartz  die  Atropinbehandlung  bei 
Morphiumvergiftung  sowohl  infolge  seiner  Erfahrung  als  auch 
aut  Grund  experimenteller  Studien  für  absolut  irrationell  hält. 
Ich  selbst  habe  im  vorliegenden  Falle  von  der  Anwendung  des 
Atropin  abgesehen.  Aus  meiner  Studienzeit  unter  Wagner 
m  Leipzig  erinnerte  .  ich  mich  mehrerer  schwerer  Fälle  von 
Morphin  Vergiftung,  die  trotz  rechtzeitiger  Atropinbehandlung 
einen  unglücklichen  Ausgang  nahmen.  Dann  aber  scheint  mir 
eine  wirksame  und  doch  unschädliche  Dosis  für  das  Säuglings¬ 
alter  schwer  zu  finden;  andererseits  aber  habe  ich  den  Eindruck 
dass  alle  m  der  Literatur  mitgeteilten  Fälle  von  Heilung  der 
Morphin  Vergiftung  durch  Atropin  so  leichte  waren,  dass  sie  wahr¬ 
scheinlich  auch  ohne  Atropin  geheilt  wären. 

Auf  die  von  englischen  Autoren  vielgerühmte  Methode  der 
Kaliumpermanganbehandlung  der  Morphinvergiftung  sei  hier  nur 
hingewiesen  und  gleichzeitig  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
hinwiederum  zwei  Engländer,  Thomson  und  Holder,  den 
\Vert  des  Kaliumpermangan  als  Antidot  nachgeprüft  und  bei 
J  leren  ein  absolut  negatives  Resultat  bekommen  haben. 

In  dem  vorliegenden  Fall  schien  mir  die  sonst  vielgerühmte 
Magenspülung  nicht  opportun.  Erstens  waren  bereits  3  Stunden 
seit  der  Darreichung  des  Pulvers  verstrichen;  so  war  das  Vor¬ 
handensein  des  Morphium  zweifelhaft,  und  dann  wurde  be- 
urchtet,  dass  durch  die  Manipulation  ein  neuer  Krampf  und 
ein  neuer  Anfall  von  Asphyxie  hervorgerufen  werden  könnte. 

cnn  wenn  auch  die  Anfälle  ohne  äussere  Veranlassung  sich 
wiederholten,  so  hatte  ich  doch  den  Eindruck,  dass  verschiedene- 
male  die  Anfälle  früher  erfolgten,  wenn  an  dem  Kinde  irgend 
welche  Manipulationen  vorgenommen  wurden. 

P m  dp©  Magenspülung  zu  ersetzen,  hatte  ich  im  Anfang 
als  das  Kind  ,  noch  schluckte  und  später,  als  es  nach  Schluss 
der  Anfalle  wieder  schluckte,  Kalomel  gegeben,  das  denn  auch, 
wie  oben  angegeben,  reichliche  grüngefärbte  Kalomelstühle  her¬ 
vorrief  Ferner  waren  dem  Kinde  VA  Liter  Kochsalzwasser  bei¬ 
gebracht  worden,  eine  für  das  Körpergewicht  des  Kindes  an¬ 
sehnliche  Menge.  Dieses  Wasser  sollte  das  Gift  verdünnen  und 
rascher  zur  Ausscheidung  bringen.  Mir  scheint  das  gelungen 
zu  sein,  denn  das  Kind  bekam  nach  26  Stunden  die  ersten 
Stuhl-  und  Harnentleerungen.  Und  da  besonders  durch  den 
Darmkanal  (Tappeiner)  das  Gift  entfernt  wird,  und  der 
grösste  Teil  des  resorbierten  Wassers  durch  Darm  und  Nieren 
entfernt  wurde,  so  wurde  unsere  Absicht  sicher  erreicht. 

In  der  Tat  erholte  sich  das  Kind  ausserordentlich  gut  und 
schnell ;  es  war  nach  26  Stunden  so  gut  wie  ganz  frei  von  jeg- 
liehen  Symptomen  der  Morphiumverg’iftung*. 

Hie  Notwendigkeit,  die  mangelhafte  Wärmeentwicklung  des 
Kindes  künstlich  zu  unterstützen,  ergab  sich  jedoch  durch  die 
schnelle  Abkühlung  der  Extremitäten  von  selbst.  Die  erwähnten 
Exzitationsmittel  dürften  wohl  nicht  ohne  Nutzen  gewesen  sein. 

.  Zum  Schlüsse  möge  noch  bemerkt  werden,  dass  das  Kind 
seinem  Alter  gemäss  frisch,  dass  seine  Ernährung  eine  vorzüg¬ 
liche  ist.  In  der  ersten  Woche  nach  der  Vergiftung  hatte  es 
um  210,0  g  an  Gewicht  zugenommen.  Auch  Caldi  z.  B.  be¬ 
merkt,  dass  das  von  ihm  behandelte  Kind  späterhin  ganz  ge¬ 
sund  war. 

Literatur. 

1CQP.T  a  PFGi  U.G  r:  yrzueimittellelire.  —  W  y  s  s:  Toxikologie. 

Le  win:  Eulenburgs  Real-Enzyklopädie:  Artikel  Mor- 
plmim..—  Husemann:  Handbuch  der  Therapie  von  P  e  nz  o  1  d  t 
u.  b  1 1  n  t  z  i  n  g  —  Schmiedeberg:  Arzneimittellehre.  — 
Lenhartz:  1.  Munch,  med.  Wochenschr.,  No.  5,  1901-  2  Deutsch 
Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  40  ,1887,  S.  580  u.  617.  —  Burgess1 
llierap.  Monatsh.  1892.  Referat.  -  Cruse:  Arch.  f.  Kinderheilk., 

1  P  ornber^e  r:  Miinch.  med.  Wochenschr.  1897  No  15 

—  Model:  Munch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  5.  —  Gordonne: 
llierap  Monatsh.  1894,  S.  134.  —  Eisenhart  (Referat):  Theran 

?s1fiatSh'rP“95’  S‘  390,  ~  Bennert:  Therap.  Monatsh.’  1895  u.’ 

KV  ,  V  Börner:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1896  No  14  _ 

Walker:  Therap.  Monatsh.  1896.  —  Caldi  (Referat):  Ärch  f 
Kinderheilk.,  31.  Bd.,  1.  u.  2.  Heft,  S.  139,  —  Harnack;  Münch. 


No.  44. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


1S42 


inod.  W'oehensclir.  1S9G,  No.  44.  —  Singer:  Therap.  Monatsh. 
1900,  .Juli.  —  Edlefsen:  1.  Therap.  Monatsh.  1901,  April; 

2.  Münch,  med.  Wochenschi*.,  No.  5,  1901.  —  Pani:  Prager  med.  , 
Wochenschr.  1893.  No.  17.  —  Sol  t  manu:  Die  Beziehungen  der  ( 
physiologischen  Eigentümlichkeiten  des  kindlichen  Organismus  zur 
Pathologie  und  Therapie.  Leipzig  1895.  —  Esc  lile:  Ein  Beitrag 
zur  Kasuistik  der  Opiumvergiftungen.  Therap.  Monatsh.  1890, 
Aprilheft. 


Zur  unblutigen  Phimosen-Dehnung. 

Von  Dr.  Graeser, 

dirig.  Arzt  am  Deutschen  Krankenhaus  in  Neapel. 

Die  Erfolge  mit  unblutiger  Phimosendehnung,  über  welche 
Orlipski  in  No.  35  dieser  Wochenschrift  berichtet,  kann  ich 
nur  bestätigen.  Ich  wende  dies  Verfahren,  durch  lange  Er¬ 
fahrung  ermutigt,  bei  jeder  Art  Phimosen  an  und  bediene  mich 
dabei  gewöhnlicher  Kornzangen,  welche  mich  bisher  immer  zum 
Ziele  geführt  und  niemals  unangenehme  Nebenwirkungen, 
wie  Druckerscheinungen,  gemacht  haben.  Die  Vorhaut  wird 
anfänglich  zweimal  täglich  je  einige  Minuten  nach  allen  Rich¬ 
tungen  gedehnt  und  jeweils  direkt  daran  anschliessend  werden 
Versuche  gemacht,  die  Vorhaut  über  die  Eichel  zurückzuziehen. 
Man  kann  auf  diesem  Wege  alte  Narbenverengerungen  dehnen 
und  für  die  Eichel  passierbar  machen.  Intelligente  Personen 
lasse  ich  die  Dehnung  eigenhändig  vornehmen,  um  durch  öftere 
Wiederholung  schneller  zu  einem  Dauererfolg  zu  kommen.  Der 
bei  starker  Dehnung  eintretende  Schmerz  bildet  ein  genügendes 
Korrigens  gegen  zu  gewalttätiges  Vorgehen. 


Ueber  rhino-pharyngologische  Unterrichtsmethoden. 

Von  Dr.  R.  Kaf  e m  a  n  n, 

Privatdozent  an  der  Universität  zu  Königsberg. 

Wenn  ich  nach  10  jähriger  ununterbrochener  unterriclitlicher 
Tätigkeit  in  der  Rhinopharyngologie  heute  an  dieser  Stelle  das 
Fazit  meiner  Erfahrungen  ziehe,  so  geschieht  es  nur  aus  dem 
Grunde,  weil  ich  dieselben  für  wichtig  genug  halte,  um  auch 
einen  grossen,  der  Rhinologie  fernstehenden  Leserkreis  zu  inter¬ 
essieren.  Dass  ich  diese  Erfahrungen  überhaupt  sammeln  konnte, 
verdanke  ich  ausschliesslich  der  einzig  dastehenden  L  i  b  e  r  a  1  i  - 
t  ä  t  des  Leiters  des  k.  anatomischen  Instituts 
zu  Königsberg,  Herrn  Geheimrat  Prof.  S  t  i  e  d  a,  der  mir  zu 
jeder  Zeit  das  reichhaltige  Leichenmaterial  zur  Verfügung  stellte, 
wofür  ich  auch  an  dieser  Stelle  nicht  verfehle,  meinen  verbind¬ 
lichsten  Dank  abzustatten. 

Der  praktische  Aerzt  wird  sich  gewöhnlich  erst  nach  dem  Ver¬ 
lauf  einer  längeren  selbständigen  Thätigkeit  mit  tiefem  Bedauern 
darüber  klar,  welche  Bedeutung  den  Erkrankungen  der  oberen 
Luftwege,  sowohl  ihre  Fülle  als  die  Wichtigkeit  ihrer  Mani¬ 
festationen  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen  gestattet.  Der  Prak¬ 
tiker  sieht  sich  aber  leider  infolge  des  Mangels  an  jeglicher 
Technik  genötigt,  von  jeder  eigenen  Betätigung  auf  diesem  schwie¬ 
rigen  Gebiet  Abstand  zu  nehmen.  Sollte  er  mit  aussergewülin- 
licliem  Mute  ausgestattet  es  wagen,  sich  desselben  zu  bemächtigen, 
so  würde  er  sehr  bald  die  Erfahrung  machen,  dass  die  von  ihm  in 
der  besten  Absicht  unternommenen  Eingriffe  nicht  den  Patienten 
zu  helfen,  sondern  ihn  zu  verscheuchen  geeignet  sind.  Die  Er¬ 
klärung  dafür  liegt  einzig  und  allein  in  dem  Mangel  jedweder 
Technik.  Ich  entsinne  mich  selber  noch  genau  jenes  mich  be¬ 
schämenden  Momentes,  als  ich  nach  Monate  währender  rliino- 
skopirender  Beschäftigung  zum  ersten  Male  den  Auftrag  erhielt, 
eine  gewaltige  Hyperplasie  des  vorderen  Endes  der  mittleren 
Muschel  mit  der  galvanokaustischen  Schlinge  abzutragen  und  hier¬ 
zu  aus  Mangel  an  genügender  technischer  Ausbildung  nicht  im 
stände  war. 

Bereits  im  Jahre  1897  bemerkte  ich  hierüber  in  meiner  Ab¬ 
handlung:  Zur  R  e  f  o  r  in  des  r  li  i  n  o  -  p  li  a  r  y  n  g  o  1  o  gischen 
Unterrichtes1),  deren  Lektüre  ich  auch  heute  noch  allen 
Interessenten  auf  das  wärmste  empfehle. 

Jeder,  der  wie  ich,  oft  Gelegenheit  gehabt  hat,  zu  beobachten, 
wie  anscheinend  geschickte  Individuen  einen  ganz  besonders  be¬ 
quem  sich  der  Schlinge  darbietenden  Nasenpolypen,  resp.  eine 
Muschelhyperplasie  erst  nach  zahlreichen,  den  Kranken  erheblich 
belästigenden,  erfolglosen  Versuchen  zu  fassen  im  stände  waren, 
wird  diesen  in  doppeltem  Sinne  humanen  Bemühungen  (nämlich 
durch  fieissige  Uebungen  an  der  Leiche  diese  Technik  zu  über¬ 
mitteln)  sein  Interesse  nicht  versagen  können.  Human  erstens, 
weil  dieselben  zahllosen  Patienten  eine  Unsumme  von  Quälereien 
zu  ersparen,  zahlreichen  Studierenden  jenes  Mass  von  Technik 
zu  übermitteln  im  stände  sind,  dessen  Besitz  einen  moralischen 
Faktor  allerersten  Ranges  darstellt  und  sie  befähigt,  erfolgreicher, 
als  es  bis  heutigen  Tages,  der  Fall  ist,  im  eigenen  Wirkungskreise 
der  Ausübung  der  Nasenheilkunde  sich  zu  widmen. 


J)  Verlag  von  Franz  Deuticke,  Preis  40  Pf.  —  Vergleiche 
auch  Verhandlungen  der  Berliner  laryngol.  Gesellschaft,  in  welcher 
ich  auf  den  Wunsch  des  Herrn  Geheimrath  B.  Fraenkel  1897 
über  diese  Frage  Demonstrationen  vornahm. 


In  der  Tat  kann  ich  heute  nach  achtjährigen  Beobachtungen 
mit  Sicherheit  sagen,  dass  diese  von  mir  inaugurierten  Uebungen 
eine  erstaunliche  Abkürz  u  n  g  d  e  r  D  a  u  er  de  r  A  u  s  - 
Bild  u  n  g  herbei  zu  führen  im  stände  sind  —  ein  Moment,  welches 
angesichts  des  gewaltigen  zu  assimilierenden  Wissensstoffes  und 
der  grossen  Summe  zu  erwerbender  technischer  Fähigkeiten  bei 
dem  Mediziner  gewiss  sehr  bedeutungsvoll  ist.  Ich  unterscheide 
eine  externe  und  interne  rhinologisclie  Chirurgie.  Dass  die  Kennt¬ 
nis  ersterer,  welche  Operationen,  wie  die  Eröffnung  der  Stirnhöhle 
nach  Kuh  nt  und  Killian,  der  Kieferhöhle  nach  L  u  c  etc., 
umfasst,  genau  nach  den  Grundsätzen  der  allgemeinen  Chirurgie 
übermittelt  werden  jnuss  an  der  Hand  von  Uebungen  an  der 
Leiche,  erscheint  von  vornherein  selbstverständlich.  Aber  auch  die 
interne  Chirurgie,  wie  die  Operation  von  Polypen,  Muschel¬ 
abtragungen,  Eröffnung  der  Nebenhöhlen,  insbesondere  der  Sieb¬ 
beinzellen  etc.  etc.  von  innen,  verlangt  gebieterisch  die  Beobach¬ 
tung  derselben  Grundsätze. 

In  erster  Linie  wird  der  Studierende  die  Fähigkeit  sich  er¬ 
werben  müssen,  die  Entfernungen  in  der  Nasenhöhle  richtig  zu 
taxieren.  Am  schnellsten  wTird  er  dazu  gelangen  durch  Uebungen 
mit  der  Sonde  und  der  Schlinge.  Ist  er  im  stände,  Tumoren  von 
jeder  Grösse,  winzige  wie  ein  Stecknadelkopf  und  gewaltige  wie 
eine  Walnuss,  mit  unfehlbarer  Sicherheit  zu  ergreifen,  so  sind 
schon  die  Vorbedingungen  für  eine  Reihe  schwierigerer  Eingriffe, 
wie  z.  B.  die  Eröffnung  der  Siebbeinzellen  mit  der  II  a  r  t  m  a  n  n  - 
G  r  ti  n  w  a  1  d  sehen  Zange  erreicht.  Mit  einem  reichen  Leichen¬ 
material  ausgestattet,  ist  man  im  stände,  die  so  erstaunlich  grosse 
Mannigfaltigkeit  der  Natur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  nach- 
zualimen  und  den  lebensvollen  Reichtum  der  Verschiedenheit 
wieder  herzustellen.  Ein  künstliches  Nasenphantom  kann  meines 
Erachtens  deshalb  nicht  mit  der  Leichennase  konkurrieren,  weil 
man  an  der  letzteren  annähernd  den  gleichen  Bedingungen  sich 
gegenüber  sieht,  wie  bei  einer  kokainisierten  und  adrenalisierten 
Käse  des  Lebenden.  Letztere  empfindet  auch  keine  Schmerzen 
und  produziert  nur  minimale  Blutungen.  Die  starre  schematische 
Anordnung  eines  Modells  des  Naseninnern  kann  niemals  die 
launenhafte  Mannigfaltigkeit  der  Natur,  ihre  zahllosen  Kompli¬ 
kationen  ersetzen,  welche  gegenüber  den  Modellen  den  wertvollen 
Vorzug  besitzen,  ein  bedeutend  gesteigertes  diagnostisches  und 
technisches  Können  herbei  zu  führen. 

Ich  habe  eine  ziemlich  erhebliche  Zahl  von  Studierenden  und 
Aerzten  auszubilden  Gelegenheit  gehabt  und  bei  dieser  Gelegenheit 
recht  häufig  beobachten  können,  wie  schnell  sich  diejenigen  asso- 
ciativen  Verbindungen  herausbildeten,  welche  die  manuelle  Technik 
der  Nase  erfordert. 

Ich  kann  meine  heutigen  Bemerkungen  nicht  besser  schliessen, 
als  mit  den  Schlussätzen  meines  vorhin  erwähnten  Vortrages: 

Würden  derartige  Uebungen,  mehr  als  es  bisher  der  Fall  war, 
einen  integrierenden  Bestandteil  des  rhinologischen  Unterrichtes 
bilden,  so  würde  nach  einer  kurzen  Frist  die  Betätigung  der  prak¬ 
tischen  Aerzte  in  dem  Gebiet  der  Rhinologie  eine  erfolgreichere 
und  umfangreichere  werden  und  die  jetzt  allerorten  bestehende 
Misstimmung  der  praktischen  Aerzte  gegen  das  Spezialistentum, 
soweit  die  Rhinologie  in  Frage  kommt,  baldigst  verschwinden. 


Aerztliche  Standesang elegenheiten. 

Zur  Geschichte  der  Versammlungen  mittelrheinischer 

Aerzte. 

Von  Dr.  A  r  thurHoff  m  a  n  n  in  Darmstadt. 

In  No.  23  der  Münch,  med.  Wochenschr.  vom  10.  Juni  1902, 
pag.  981,  erstattete  Dr.  Benno  Lewinsolin-Bad  Soden  a/T.  Be¬ 
richt  über  die  „48.“  Jahresversammlung  mittelrheinischer  Aerzte  zu 
Bad  Soden  a/T.  vom  20.  Mai  1902.  Am  Schlüsse;  seines  Berichtes 
bemerkt  der  Referent,  mit  dem  nicht  direkt  ausgesprochenen  Hin¬ 
weis  auf  ein  im  Jahre  1904  zu  feierndes  50  jähriges  Jubiläum, 
dass  in  Frankfurt  a/M.  1854  der  erste  mittelrheinische  Aerztetag 
abgehalten  worden  sei. 

Es  ist  dies  ein  historischer  Irrtum.  Wie  ich  mich  auf  der 
Sodener  Versammlung  überzeugte,  wurde  dieser  Irrtum  von  vielen 
dort  anwesenden  Aerzten  geteilt,  und  ist  deshalb  eine  Richtig¬ 
stellung  wohl  am  Platze. 

Eine  kurte  Betrachtung  der  Entstehungs-  und  Entwicklungs¬ 
geschichte  der  Versammlungen  mittelrheinischer  Aerzte  dürfte 
aber  auch  weiteren  ärztlichen  Kreisen  von  Interesse  sein.  Han¬ 
delt  es  sich  doch  um  eine  der  ältesten  derartigen  Institutionen  in 
Deutschland  und  verdankt  dieselbe  ihre  Gründung  doch  im  wesent¬ 
lichen  der  Initiative  eines  Mannes,  der  in  seiner  Wissenschaft,  der 
operativen  Gynäkologie,  eine  bahnbrechende,  hervorragende  Rolle 
zu  spielen  späterhin  berufen  war.  Zudem  blicken  wir  in  diesem 
Jahre  schon  auf  50  Versammlungen  mittelrheinischer  Aei*zte  zu¬ 
rück,  eine  Tatsache,  welche  die  Existenzberechtigung  und  Lebens¬ 
kraft  dieser  regelmässigen  Zusammenkünfte  wohl  hinlänglich  be¬ 
weist. 

Als  Quelle  benutzte  ich  neben  den  Akten  des  Vereins  hessischer 
Aerzte  in  erster  Linie  den  von  dem  langjährigen,  hochverdienten 
Vorsitzenden  dieses  Vereins,  Geh. -Rat  Dr.  Eigenbrodt*),  imJahre 
1884  abgefassten  „Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  vom 

*)  Geb.  7.  Febr.  182G  zu  Darmstadt,  gest.  25.  Mai  1900  zu 
Darmstadt. 


4.  November  1902. 


S  tat.  als 

kolle  der  Versammlungen  ndtSin  If  ,  benchtet-  Da  die  Proto- 
wo  die  Aerzte  stets  am  Orte. 

recht  mühsam,  die  einzelnen  Versnmn  /  '  ,  ei  )en’  war  es  zum  Teil 
zustellen;  durch  dte  danlS?wS?  uachträglich  fest- 

ssr- K—  trs 

»Ä  ln  ’Ä”  '*  ro?t’>-  ”hatte 

regung  zu  gemeinschaftlichen  wisselSaftbMpn  ^v“  e  erf!te  An' 

«SÄ  —= 

»  «  Vf? S-  f  « ÄS 

wärmste  Entgegenkommen  fand1 U“d  Dr-  8  P  1  e  s  s  sen.  das 

Vereinsakten  befindet:  „Mehrere  Frankfurter"!  nt°ch  bei  (lerl 
‘C  so  “sreile“' ich  IS®“,-  r  ""»Ä 

un? ÄÄ“Sr  ~ 

den,  !r  ÄÄCÄS  St« 

hrzShen81!  **?"  Prä|,l<Jent!  anterselchnete  VoStand 

SL  *«“«!*••  «•  erl!ulbt  sich.  Ihnen  mit 
iir  ’  k>  Di.  Spie  ss  dem  Vereine  tinzeie’te  wie  e^  riei* 

Y  n.nsch  mres  Vereines  ist,  dass  von  beiden  Seitef  einV  gemeln- 
.  <  mt  liehe  Zusammenkunft  zur  Förderung  der  Wissenschaft  vn 
s  ande  komme.  In  unserer  gestrigen  Sitzung  wird^Ihr  Vorschlag 
mit  vielem  Vergnügen  angenommen  und  zugleich  beschlossen  dn^ 
staZtn  würdSWert  Se/’  wenn  es  den  Mitgliedern  beider  vSe  ge 
Etalldu™? ^;i1PrnS/“i-an  Aerzte  ihrer  Bekanntschaft  seinerzfit 
lassen  wn.  ü/' ete,lbgunj>  an  gedachter  Versammlung  zu  er- 
T‘, ‘  ’  ,M*!  hoffen,  dass  diese  letztere  Ansicht  gleichfalls  von 

men  gebilligt  werde,  und  indem  wir  Sie  ersuchen  uns  gefälligst 
hierüber  Antwort  zukommen  zu  lassen,  wünschen  wir  SS 

mh  Ihne? naS  Nabere  uber  die  gemeinschaftliche  Zusammenkunft 
niit  Ihnen  besprechen  zu  können.  Indem  wir  Sie  ersuchen  unser 

reSrtäfer ' S'lS'JVT  Y«*®"«  **  bri^n,  verbleiten  wir. 
f  ,™0,  IIeri  Präsident,  mit  grösster  Hochachtung-  der  Vor 

K  ^s^erzthehen  Vereins  zu  Frankfurt  a.  M.  Dr.  E.  Seidl- 
lu»>  !•  Präsident.  Dr.  F.  Funck,  Sekretär.“ 

.  w.,  J  Dezember  1856  frug  dann  der  Verein  hessischer  Aerzte 
n  I  lankfurt  an,  ob  für  den  Schluss  des  Monats  Januar  eine  ae 
— Zusammenkunft  des  Frankfurter  und  hiesigen 

könne hGAi  V£rem!-  zur  Fördening  der  Wissenschaft“  stattfinden 
^>nne.  Als  Tag  dieser  ersten  Zusammenkunft  wurde  nach  einem 

Bnffe  \°rnPr-  SPiess  der  24.  Januar  1857  und  als  Oit  Frau 
ounA  M‘  fe|tgfs?tzt‘  Die  wissenschaftliche  Sitzung  fand  Nach 
*  laft  !°«3T,5  SlLcm  Hörsaale.del'  Senckenterglschen  GeseH- 
„HollLÄm  Ho?  gemeinschaftliches  Mittagessen  in, 

teilt  ”DnifSeu-eiVe  Zusammenkunft  ist“,  wie  Eigenbrodt1)  ur¬ 
teilt,  „als  die  Urversammlung1)  de  r  „m  i  1 1  e  1  r  h  e  i  n  i  - 


_J^UENC1IEN ER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1843 


.  0  Jahresbericht  des  Vereins  hessischer  Aerzte,  zugleich  ärzt- 
dafLÄr6lnS,  fflr  «•  Darmstaat  und  Grelgerau  fte 

e«  v  11  .  1884’  111 A  einem  Berichte  über  die  40  jährige  Tätigkeit 
Pag.  Ao  Vom  Tage  seiner  Gründung,  dem  30.  Sept.  1S44,  an. 

0  1.  c.  pag.  19. 

Armt--  GelJ'  3°;  Mai  1824  zu  Darmstadt,  1848—1861  grossh  liess 
Militärarzt  und  prakt.  Arzt  in  Darmstadt,  1SG1— 1867  Professor  der 

ZZUl^D£°Tk'  l86^878  Pl0,esSM-  *'“•  Chirnrgieln  Heidel1. 
äi-zmehef vf;-,  ,UfUSt  1S7(l  m  Heselberg.  Simon  hatte  für 
L  ,s  ^  ei einsieben  ein  besonderes  Interesse.  So  gründete  er 

AerzteSednerr  ^  Rostock  den  Verein  baltischer 

wah/  wfoT  ,  ’  I)1saf'lll!dl  die  3  nordischen  Universitäten  Greifs- 
vaiü,  Kiel  und  Rostock  umfassen  sollte;  späterhin  war  er  auch 

e?eif  er  Jf  vUl'hebei'i  der  DeutÄ“  Gesellschaft  für  Clfirurgfe 
ücien  eiste  \  ersammlung  im  Jahre  1872  stattfand. 

)  1.  c.  pg.  19. 

o.  Inn??,.  .nu5L  diese  Frankfurter  Zusammenkunft  vom 
hum  mXi,iw7-af  v  o  r  Versammlung  oder  als  erste  Versamm- 
5S1 lrbc ^^^her^erzte  auffassen  will,  erscheint  ziemlich  un- 
weSf!'  lll  bJn  bie1'  der  Auffassung  E  igenbrodts  gefolgt, 
lehemu  nach  dem  Aktenmaterial  des  Vereins  hessischer  Aerzte 
Slcb  za  Paben  scheint.  Dass  übrigens  schon  damals  auch 
r  ‘  adere  Auffassung  Anhänger  hatte,  geht  daraus  hervor,  dass 
THrm  . !“  if11  bei  der  Veröffentlichung  seines  am  4.  Juli  1857  in 
mir  ta  dt  fehaltenen  Vortrags  (Monatsschrift  für  Geburtskunde 
and  Frauenkrankheiten,  Berlin  1858,  Bd.  XII,  pg.  42)  bemerkt- 


l  a  n  z  e  n  M?  ’  I,g  n  ü.  e  n  Zusammenkünfte  die  A  e  r  z  t  e  d  e  s 

privatim  Aerzte  ihrer  Bekanntschaft  eingeladen  w2Tf  ’  n1ur 
noch  im  selben  Jahre  für  den  4  Juli  nach  Ält  bG1  der 

ST»?  -«.x 
SMxisSSl 

sammenkunft  ebenfalls  SSS^SchS 

Aerzte  zu  Darmstadt“,  und  auch  Dr.  Th  v  nt«,'!  • 

Namen  des  Heidelberger  Naturhistorischen  Vereins  für  die' 'von 
ergangene  Einladung  dankte,  spricht  in  diesem  Sclireb 
n  l  on  dei  „1  ersammlung  mittelrheinischer  Aerzte“. 

lese  erste,  am  4.  Juli  1857  in  Darmstadt  abgehaltene  Ver 
Sammlung  mittelrheinischer  Aerzte  tagte  im  7 V  r' 
Traube“  und  begann  Nachmittags  um  3  Uhr.  Es  waren  mich  der 
mir  vorliegenden  Präsenzliste  50  Teilnehmer  erschienen  uml  zwar 

stedt°  Frankfurf1611^03^1-61’  Cl'ontha1’  Crumstadt,  Darmstadt,  Eber- 
bui^’v  a  a'  M"  Giessen,  Grossgerau,  Heidelberg.  Bad  Hom- 
buig  \ .  d  H.,  Langen,  Mainz,  Mannheim,  Marburg  a.  d.  L  Offen- 
bacli  a.  M.,  Pfungstadt,  Umstadt  und  Worms.  Ausserdem  war 
noch  ein  Arzt  aus  Russland  anwesend.  Von  diesen  50  Teiknebmmm 
1A  ben/1zuizeit  üoch  6;  es  sind  dies  die  Herren:  E  c  k  h  a  r  d  -  Giessen 

zu  Freibur«?  f  rRiDaw-fitaidt’  1864  Professor  der  Gynäkologie 
stmit  f  ^  ’  Mdhelm  Hess- Mainz,  Heumann-Pfung- 

Worms  m  Bensbeim»  H-  O  r  t  h  -  Darmstadt  und  Salzer- 

.  1  ,i(‘  1  ;1gesordnung  dieser  ersten  Versammlung  ist  nicht  allein 
tgen  der  Vortragenden,  sondern  auch  wegen  der  gewählten  The- 
JSSJ“  besonderem  Interesse.  Es  wurden  füllende  VortSge 

d«,  Ueber  Durchschneidung 

?:  Prof-  Dr-  Kussmaul-  Heidelberg:  Ueber  Fallsucht  Dip 
kiirl,nffgeteUte.r  ”kÜ1'Zlieb  beendeten“  berühmten  Arbeit»)  wurden 

A  Sr  Dr• .  P  °  s  e  r. '  Marburg:  Ueber  Cystenfisteln. 

4  Militärarzt  Dr.  Simon-  Darmstadt:  Ueber  die  Heiluiv 

lidt  \-  '!Sfeiu"Scliei<Tc!1"-1,lll|d  Blasen-Gebärmutter-Scheidenfisteln 1), 

mit  Vorstellung  geheilter  Frauen.  ’ 

obacLS\™ ppepMe'ISe.,'mStadt:  Ue6er  eh,e  •«- 

FhloretomSt  Bücbner' Darmstadt:  Ueber  einen  Fall  von 

auf  d7ip^°^?lonECVard-Hiessen:  Ueber  den  Nerveneinfluss 
aut  die  Speichelabsonderung,  mit  einem  Experiment. 

+  «  Aus^deni  standen  noch  auf  der  Tagesordnung  folgende  Vor- 
tia&e.  Dr.  P  a  s  s  a  v  a  n  t  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  die  Hei- 
b!af,  der  Gaumenspalte.  Militärarzt  Dr.  Eigenbrodt-  Darm- 
stadt.  Ueber  die  Operation  der  Cataracta  aecreta.  Dr.  Alfred 
H  e  g  a  r  -  Darmstadt :  Ueber  die  Beschaffenheit  der  Nieren  bei  Er¬ 
hängten.  Militärarzt  Dr.  T  e  n  n  e  r  -  Darmstadt:  Ueber  die  An- 
des  Ecraseur  von  Chassaigna c,  nebst  Vorstellung 
\°n  Patienten  bei  welchen  derselbe  angewendet  wurde 

An  die  wissenschaftliche  Sitzung  schloss  sich  „ein  heiteres 
gemeinschaftliches  Mittagessen  in  demselben  Lokale“  an. 

kur  die  in  den  folgenden  Jahren  abgehaltenen  Versamm¬ 
lungen  mittelrheinischer  Aerzte  wurde  das  Programm  ganz  in 
i  ei  selben  V  eise  auf  gestellt,  wie  für  die  eben  geschilderte  erste 

V  ersammlung.  Die  wissenschaftliche  Sitzung  beginnt  gewöhnlich 
i  1V1^r.frUhen  Nachmit tagsstunde,  etwa  um  1  Uhr,  das  gemein¬ 
schaftliche  Essen  etwa  um  4  Uhr.  Es  ist  hierdurch  den  Teil¬ 
nehmern  möglichst  Gelegenheit  gegeben,  vor  ihrer  Abreise  an  den 
Versammlungsort  ihren  dringendsten  Beriifsverpflichtungen  zu 
Hause  noch  nachzukommen.  In  jeder  Versammlung  wird  der  Ver¬ 
sammlungsort  des  nächsten  Jahres  auf  Grund  der  eingegangenen 
Einladungen  durch  Abstimmung  festgesetzt. 

Nur  in  den  Jahren  1S60,  1862,  1863  und  1872  wurden  2  Ver- 
sammlungen  abgehalten.  In  allen  übrigen  Jahren  fand  nur  eine 

V  ei  Sammlung  statt,  und  zwar  wurde  schliesslich  ein  für  allemal 
clei  I  fingstdienstag  als  Versammlungstag  angenoaimen. 

„gehalten  am  4.  Juli  1857  in  der  zweiten  Versammlung  der 
„mittelrheinischen  Aerzte“  in  Darmstadt.“  Simo  n  gibt  in  einer 
Anmerkung  noch  folgende  Erklärung:  „Zu  diesen  Versammlungen, 
welche  im  vorigen  Jahre  (1857)  zweimal  stattfanden,  vereinigen 
sich  Aerzte  von  Frankfurt,  Darmstadt,  Heidelberg,  Giessen,  Mar¬ 
burg,  Offenbach,  Wiesbaden,  Mannheim  u.  s.  w.  Die  erste  Ver¬ 
sammlung  wurde  in  Frankfurt,  die  zweite  in  Darmstadt  gehalten.“ 

")  Untersuchungen  über  Ursprung  und  Wesen  der  fallsucht¬ 
artigen  Zuckungen  bei  der  Verblutung,  sowie  Fallsucht  überhaupt 
\  oii  I  lof.  Adolf  Kussniäul  und  Adolf  T  g  n  n  g  r  in  Hoidolborg. 
Untei  suchungen  zur  Naturlehre  des  Menschen  und  der  Tiere  her¬ 
ausgegeben  von  Jacob  Moleschott,  Bd.  III  pg  1  Frank¬ 
furt  a.  M„  1857.  ’  i e 

7)  Monatsschrift  für  Geburtskunde  1.  c. 


5* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


An  folgenden  Orten  wurden  die  einzelnen  Versammlungen 
abgebalten:  I.  4.  VII.  1857  Darmstadt;  II.  26.  IV.  1858  Giessen; 
III.  26.  IV.  1859  Heidelberg;  IV.— VI.  30.  V.  1860,  13.  X.  1860, 
22.  V.  1861  Frankfurt  a.  M.;  VII.  22.  IV.  1862  Darmstadt;  VIII. 
1.  XI.  1862  Heidelberg;  IX.  26.  V.  1863  Mainz;  X.  28.  XII.  1863 
Frankfurt  a.  M.;  XI.  17.  V.  1864  Wiesbaden;  XII.  6.  VI.  1865  Bad 
Nauheim;  XIII.  3.  IV.  1866  Frankfurt  a.  M.;  XIV.  23.  IV.  1867 
Darmstadt;  XV.  2.  VI.  1868  Heidelberg;  XVI.  18.  V.  1869  Mainz; 
XVII.  7.  V.  1870  Mannheim;  XVIII.  30.  V.  1871  Wiesbaden; 
XIX.  22.  V.  1872  Frankfurt  a.  M.;  XX.  S.  X.  1872  Winzingen 
i.  d.  Pf.8);  XXI.  3.  VI.  1873  Worms;  XXII.  20.  V.  1874  Darmstadt; 
XXIII.  IS.  V.  1875  Heidelberg;  XXIV.  6.  VI.  1876  Karlsruhe; 
XXV.  23.  V.  1877  Frankfurt  a.  M.;  XXVI.  11.  VI.  1S78  Mainz; 
XXVII.  3.  VI.  1879  Wiesbaden;  XXVIII.  18.  V.  1880  Bad  Hom¬ 
burg  v.  d.  H.;  XXIX.  7.  VI.  1881  Mannheim;  XXX.  30.  V.  18S2 
Heidelberg;  XXXI.  15.  V.  1883  Dürkheim  a.  H.;  XXXII.  3.  VI.  1884 
Mainz;  XXXIII.  26.  V.  18S5  Wiesbaden;  XXXIV.  15.  VI.  1886 
Darmstadt;  XXXV.  31.  V.  18S7  Bad  Sodena.T.;  XXXVI.  22.  V.  1S88 
Frankfurt  a.  M.;  XXXVII.  11.  VI.  1889  Mannheim;  XXXVIII. 
27.  V.  1890  Mainz;  XXXIX.  19.  V.  1891  Heidelberg;  XL.  7.  VI.  1892 
Worms;  XLI.  23.  V.  1893  Kreuznach;  XLII.  15.  V.  1894  Darmstadt; 
XLIII.  4.  VI.  1895  Baden-Baden;  XLIV.  26.  V.  1896  Bad  Nauheim; 
XLV.  8.  VI.  1897  Marburg  a.  d.  L.;  XLVI.  31.  V.  1898  Otten¬ 
bach  a.  M.;  XLVII.  23.  V.  1899  Hanau;  XLVIII.  5.  VI.  1900  Bad 
Homburg  v.  d.  H.;  XLIX.  2S.  V.  1901  Bingen;  L.  20.  V.  1902  Bad 
Soden  a.  T. 

Die  Versammlungen  fanden  also  statt:  8  resp.  9  mal  in  Frank¬ 
furt  a.  M.,  je  6  mal  in  Darmstadt  und  Heidelberg,  5  mal  in  Mainz, 
4  mal  in  Wiesbaden,  3  mal  in  Mannheim,  je  2  mal  in  Bad  Hom¬ 
burg  v.  d.  H.,  Bad  Nauheim,  Bad  Soden  a.  T.  und  Worms,  je  1  mal 
in  Baden-Baden,  Bingen,  Dürkheim  a.  H.,  Giessen,  Hanau,  Karls¬ 
ruhe,  Kreuznach,  Marburg  a.  d.  L.,  Offenbach  a.  M.  und  Win¬ 
zingen  i.  d.  Pf. 

Eine  Zusammenstellung  sämtlicher  Vorträge,  welche  auf 
diesen  50  Versammlungen  mittelrheinischer  Aerzte  gehalten 
worden  sind,  würde  jedenfalls  ein  intex-essantes  Bild  der  Entwick¬ 
lung  unserer  medizinischen  Wissenschaft  geben.  War  es  doch  von 
jeher  das  Bestreben  der  Vortragenden,  auf  diesen  Versammlungen 
gerade  das  für  die  Praxis  wichtige  Neue,  man  kann  wohl  sagen: 
die  aktuellen  Fragen  zu  behandeln. 

Vielleicht  versucht  später  einmal  ein  fleissiger  Sammler, 
das  zerstreute  Material  zusammenzutragen  und  auf  diese  Weise 
ein  getreues  Bild  der  ersten  50  Versammlungen  mittelrheinischer 
Aerzte  zu  geben.  Vivant  sequentes! 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Prof.  Dr.  Friedrich  E  e  i  n  k  e,  Prosektor  am  anatomischen 
Institut  in  Rostock:  Grundzüge  der  allgemeinen  Anatomie. 

Zur  Vorbereitung  auf  das  Studium  der  Medizin  nach  biologischen 
Gesichtspunkten  bearbeitet.  Mit  64  Abbildungen.  Wiesbaden, 
Verlag  von  J.  F.  Bergmann,  1901.  333  Seiten. 

Das  vorliegende  Werk  ist  das  erste  in  seiner  Art;  es  ist  der 
erste  wirkliche  Versuch  einer  Sammlung  des  Stoffes  auf  dem 
Gebiete  der  allgemeinen  Anatomie.  Die  älteren,  unter  gleichem 
Titel  erschienenen  Werke  sind  nicht  in  Anrechnung  zu 
bringen,  da  sie  dem  Usus  ihrer  Zeit  gemäss  nur  Histologie 
enthalten.  R  e  i  n  k  e  s  Buch  würde  also  sicherlich  auch  dann 
noch  verdienstlich  sein,  wenn  es  weniger  glücklich  abgefasst  wäre, 
als  wirklich  der  Fall  ist. 

Von  der  „erkenntnistheoretischen  Einleitung“,  welche  der 
Autor  gibt,  möchten  wir  absehen :  R  e  i  n  k  e  ist  auf  diesem  Ge¬ 
biete  Dilettant,  und  es  schadet  seinem  guten  Namen  nur,  wenn 
er  sich  auf  derartige  Dinge  einlässt.  Wir  besitzen  auf  dem  in 
F rage  kommenden  Gebiete  ein  exzellentes  W erk  von  A.  Riehl 
(Philosophischer  Kritizismus,  Leipzig,  W.  Engelmann, 
Bd.  II),  welches  jedem  Bedürfnis  genügt  und  auf  welches  wir 
verweisen. 

Der  Verfasser  beginnt  dann  zunächst  mit  dem  Bau  der  Zelle, 
betrachtet  das  Protoplasma,  seine  chemische  Zusammensetzung, 
seinen  Aggregatzustand,  seine  Struktur,  sichtbare  und  un¬ 
sichtbare  etc.,  geht  dann  gleicherweise  auf  den  Zellkern  und  die 
Zentralkörper  über  und  scliliesst  dann,  nach  Betrachtung  des 
Morphologischen,  die  allgemeine  Physiologie  der  Zelle  an,  soweit 
sie  dem  Usus  gemäss  von  Anatomen  untersucht  und  abgehandelt 
wird.  Hierzu  gehört  zunächst  das  Kapitel  der  Zellteilung,  der 
Bewegung,  der  gestaltenden  Tätigkeit,  der  Reizbarkeit,  der  Be¬ 
fruchtung  und  Vererbung.  Hierauf  lässt  Reinke  das  Kapitel 
der  Entwicklungsmechanik  folgen,  welches  in  ziemlich  ausführ¬ 
licher  Weise  nach  dem  Vorbilde  Roux’  abgehandelt  wird.  An 


8)  Nachbarort  von  Neustadt  a.  d.  H.,  jetzt  als  Neustadt-Ost 
eingemeindet.  Diese  Versammlung  wurde  iu  Verbindung  mit  der 
20.  Generalversammlung  des  Vereins  Pfälzer  Aerzte  abgehalten. 
Dr.  Fr.  Loechner:  Zur  Geschichte  des  Vereins  Pfälzer  Aerzte. 
Vereinsbl.  d.  Pfalz.  Aerzte,  V.,  pg.  168,  Aug.  1889. 


dieses  schliessen  sich  dann  sinngemäss  die  „funktionelle  An¬ 
passung“  und  endlich  die  „Regeneration“  an,  womit  das  Buch 
endet. 

Wie  aus  dieser  Inhaltsangabe  ersichtlich  ist,  findet  man  in 
Reinkes  Buch  sehr  vieles,  und  bei  der  zweifelsohne  grossen 
Intelligenz  des  Autors  ist  auch  die  Darstellung  im  allgemeinen 
eine  glückliche  und  angemessene.  Nur  ist  der  Autor  manchmal 
zu  stark  ins  Exzerpieren  geraten,  was  bei  der  Wiedergabe  der 
meist  schwierig  stilisierten  Arbeiten  Roux’  der  Verständlich¬ 
keit  sehr  schadet. 

Was  die  Auswahl  des  Stoffes  anlangt,  so  würde  ja  jeder 
Anatom  in  einem  solchen  Werke,  bevor  nicht  der  Umfang  des 
in  Frage  kommenden  Gebietes  der  „allgemeinen“  Anatomie  völlig 
feststeht,  seine  eigenen  Liebhabereien  hervorkehren.  Es  ist  also 
nicht  möglich,  im  einzelnen  an  dem  Inhalt  Ausstellungen 
zu  machen.  Trotzdessen  hoffen  wir  keinen  Anstoss  zu  erregen, 
wenn  wir  hervorheben,  dass  das  Buch  eine  grosse  Lücke 
besitzt,  die  bei  einer  zweiten  Auflage  des  Werkes,  welche  wir  dem 
Verfasser  herzlichst  wünschen,  sicher  ausgefüllt  werden  muss. 
Reinke  hat  nämlich  unterlassen,  jene  allgemeinen  Prinzipien 
der  Anatomie  zur  Darstellung  zu  bringen,  welche  aus  der  ver¬ 
gleichenden  Anatomie  herfliessen.  Eine  „allgemeine“  Anatomie, 
in  welcher  nicht  die  Rede  ist  von  Metamerie,  Antimerie,  bio¬ 
genetischem  Grundprinzip,  Caenogenese,  Palingenese,  Indivi¬ 
duen,  Tierstöcken,  Kolonien  etc.  ist  nicht  gut  denkbar. 

Im  übrigen  möchten  wir  keine  Ausstellungen  machen. 
Reinkes  Leistung  ist  gross  genug,  um  alle  Anerkennung  zu 
verdienen.  Es  gehört  viel  Mut  dazu,  ein  solches  Werk  zu  planen 
und  zu  schreiben,  und  empfehlen  wir  dasselbe  der  Aufmerksam¬ 
keit  weitester  Kreise.  Martin  Heidenhain. 

Prof.  E.  Leser:  Operationsvademekum  für  den  prak¬ 
tischen  Arzt.  II.  Aufl.  Berlin  1902.  Verlag  von  S.  Karger. 

Die  neue  Auflage  des  vorliegenden  Buches  bietet  im  Gegen¬ 
satz  zu  der  ersten  Auflage  eine  Fülle  von  Originalabbildungen. 
Es  musste  ja  bei  der  Besprechung  der  ersten  Auflage  darauf 
hingewiesen  werden,  dass  der  Verleger  sich  seine  Aufgabe  durch 
Entnahme  zahlreicher  Bilder  aus  den  gangbaren  Büchern  und 
Atlanten  von  Kocher,  Zucker kandl  u.  a.  etwas  zu  leicht 
gemacht  hatte.  Für  die  neue  Auflage  hat  der  Herr  Verfasser 
es  sich  angelegen  sein  lassen,  bei  Operationen  an  der  Leiche  oder 
am  Lebenden  passende  Präparate  zu  gewinnen  und  dieselben 
durch  photographische  Aufnahme  zu  fixieren;  für  die  Photo¬ 
graphien  sind  dann  autotypische  Nachbildungen  hergestellt  wor¬ 
den.  Diese  Verbesserung  ist  entschieden  anzuerkennen,  doch 
dürfte  es  einer  dritten  Auflage  Vorbehalten  sein,  eine  weitere 
Verbesserung  durch  Herstellung  noch  deutlicherer  Abbildungen 
anzubahnen.  W'er  die  Abbildungen  Fig.  6,  7,  8,  9,  10,  11  z.  B. 
betrachtet,  wird  wohl  noch  nicht  ganz  zufrieden  sein,  denn  die 
Abbildungen  werden  nur  durch  den  dazu  gehörigen  Text  ver¬ 
ständlich  gemacht,  während  sie  doch  im  Gegensatz  dazu  zu  der 
Illustrierung  des  Textes  dienen  sollen.  Auch  andere  Abbildungen, 
z.  B.  diejenigen,  welche  die  Resektion  und  zirkuläre  Naht  des 
Darmes,  Fig.  46,  47,  48,  erläutern  sollen,  sind  nicht  deutlich,  und 
ich  kann  nicht  sagen,  dass  die  zu  demonstrierenden  Details  in 
diesen  Abbildungen  gut  kenntlich  wären.  Ebenso  steht  es  auch 
mit  einigen  Abbildungen  von  Operationen  an  Extremitäten,  wie 
Figur  81,  84  u.  a.  Das,  was  einem  grösseren  Leserkreis  das  Buch 
wertvoll  gemacht  hat,  sind  offenbar  nicht  die  Abbildungen,  son¬ 
dern  das  ist  der  Text,  welcher  in  einer  kurzen,  klaren  Weise 
die  Beschreibung  der  nach  Ansicht  des  Verfassers  für  den  prak¬ 
tischen  Arzt  wünschenswerten  Operationsmethode  darstellt. 

Eine  kleine  Bemerkung  möchte  ich  zum  Schluss  aber  auch 
in  dieser  Richtung  machen.  L.  beschreibt  als  empfehlenswerte 
Methode  für  die  Entfernung  kleiner  Unterlippenkarzinome  die 
keilförmige  Exstirpation.  Ich  vertrete  den  Standpunkt,  dass  man 
prinzipiell  bei  der  Exstirpation  von  malignen  Tumoren  ohne  jede 
Rücksicht  auf  die  nachherige  Vereinigung  der  Wunde  resp. 
Plastik  vorgehen  soll,  und  halte  aus  diesem  Grunde  auch  die 
prinzipielle  Ausführung  des  Keilschnittes  bei  Unterlippenkrebs 
für  keine  empfehlenswerte  Methode.  Ich  finde,  dass  in  dem  be¬ 
treffenden  Passus,  und  namentlich  in  der  Fig.  21  des  Les  er¬ 
sehen  Vademekums  ein  Moment  zu  Gunsten  meiner  Anschauung 
vorliegt:  der  in  dieser  Figur  rot  gezeichnete  Keilschnitt  kommt 
zu  nahe  an  das  Karzinom,  und  wie  das  hier  auf  der  Abbildung, 
welche  ein  Fachmann  zur  Belehrung  von  praktischen  Aerzten 


4.  November  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


publiziert,  der  lall  ist,  so  wird  es  noch  weit  mehr  in  der  Praxis 
Vorkommen,  wenn  Aerzte  zur  Exstirpation  von  Unterlippenkarzi- 
nomen  schreiten  und  von  vornherein  darauf  rechnen,  mit  derKeil- 
exzision  die  erforderliche  Plastik  zu  ermöglichen. 

Helfe  rieh  -  Kiel. 

Di.  H.  Chailton  Bastian:  Heber  Aphasie  und  andere 
Sprachstörungen.  Aus  dem  Englischen  übersetzt  von  Dr  Moritz 
U  r  s  t  e  i  n.  511  S.  Leipzig  1902.  W.  Engel  m  a  n  n.’ 

Das  interessante  Werk,  das  jetzt  in  verdienstvoller  deutscher 
1  Übersetzung  erschienen  ist,  behandelt  hauptsächlich  die  ver¬ 
schiedenen  Formen  der  „Aphasien“.  Der  Verfasser  schildert  sie 
eingehend  und  veranschaulicht  sie  durch  114  eigene  und  fremde 
Krankengeschichten.  An  zahlreichen  Stellen  führt  er  zur  Er¬ 
klärung  der  Aphasien  seine  eigenen,  früher  schon  hier  und  dort 
ausgesprochenen,  Auffassungen  vor.  Dieselben  weichen  von  denen 
anderer  Autoren  zum  Teil  erheblich  ab,  was  sich  ja  leicht  ergibt 
bei  \  ersuchen,  verwickelte  seelische  Vorgänge  in  bestimmte 
Gegenden  des  Gehirns  zu  verlegen.  Ich  greife  aus  dem  reich¬ 
haltigen  Buche  folgendes  heraus. 

Zunächst  bespricht  Bastian  die  Entwicklung  des  Sprech- 
\  ei mögens  und  der  Fähigkeit  zu  lesen  und  zu  schreiben  beim 
Kinde,  dabei  nimmt  er  an,  dass  nicht  eine  Uebung,  sondern  nur 
eine  genügende  Reife  des  Gehirns  zum  Sprechen  nötig  sei.  Er 
unterscheidet  dann  4  Arten  des  Wortgedächtnisses:  ein 
akustisches,  optisches,  glossokinästhetisches  und  cheirokinästhe- 
tisches,  die  beiden  letzten  für  die  Bewegungsempfindungen  beim 
Sprechen  und  Schreiben.  Diese  4  Arten  sind  an  4  besondere, 
durch  mancherlei  Kommissuren  verbundene  Zentren  geknüpft. 
Die  grösste  Intensität  der  primären  Wiederbelebung  der  Worte 
und  damit  die  grösste  Bedeutung  für  das  Denken  besitzt  bei  den 
meisten  Menschen  das  akustische  Wortzentrum,  nächst  diesem 
das  optische,  während  die  selbständige  Erinnerungsfähigkeit  der 
beiden  kinästhetischen  Wortzentren  sehr  gering  ist;  diese  werden 
von  den  beiden  anderen  Zentren  aus  erregt.  Bastian  nennt 
jene  beiden  Zentren  sensorische,  „Unästhetische“,  obwohl  sie  in 
der  Broca  sehen  und  wahrscheinlich  im  Eusse  der  zweiten 
linken  Stirnwindung  liegen,  also  an  Stellen,  die  man  sonst  als 
motorische  Gebiete  bezeichnet.  Nach  seiner  Ansicht  gibt  es 
nämlich  eigentliche  motorische  Zentren  nur  in  den  motorischen 
Zellen  des  Bulbus  und  des  Rückenmarks.  Die  Aphasie  ist  keine 
eigentliche  Lähmung,  sondern  die  Folge  eines  Verlustes  des  Ge¬ 
dächtnisses  für  die  Sprechbewegungen..  Die  Wortzentren  können 
durch  äussere  Sinneseindrücke,  durch  Assoziation  oder  drittens 
.  durch  willkürliche  Wiederbelebung  erregt  werden.  Die  letztere 
1  orm  leidet  am  ehesten  not.  In  der  rechten  Hemisphäre  sind 
die  gleichen  Wortzentren,  aber  nicht  so  hoch  entwickelt,  wie 
in  der  linken  Hemisphäre,  die  infolge  der  Rechtshändigkeit 
überhaupt  besser  organisiert  und  schwerer  geworden  ist  als  die 
rechte.  Die  einfachen  Formen  des  Denkens  sind  nicht,  wohl  aber 
die  höheren,  notwendig  an  die  Sprache  geknüpft.  Bastian 
läugnet  das  Vorhandensein  eines  Begriffszentrums  als  psycho¬ 
logisch  unannehmbar  und  überflüssig.  Bekanntlich  erklärt  er 
die  sogen,  „transkortikale  motorische  Aphasie“  einfach  durch 
verminderte  Erregbarkeit  des  akustischen  Wortzentrums.  Die 
Begriffe  werden  in  Adnexen  der  Wahrnehmungszentren  vollendet, 
die  den  Assoziationszentren  Flechsigs  entsprechen. 

Die  Sprachstörungen  nach  Läsionen  der  bulbären  Zentren 
und  der  Pyramidenbahnen  und  besonders  die  Aphasien  nach 
kortikalen  Läsionen  der  Zentren  und  der  Kommissurenbahnen 
werden  eingehend  hinsichtlich  der  Symptomatologie,  Aetiologie, 
Diagnose,  Prognose  und  Therapie  besprochen.  Auch  wird  die 
Frage  erörtert,  welche  Aphatiker  zur  Ausübung  bürgerlicher 
Rechte,  namentlich  der  Abfassung  von  Testamenten,  noch  fähig 
seien. 

Der  Verfasser  steht  ganz  auf  dem  Boden  der  Lehre  von  der 
Zusammensetzung  der  Sprachvorstellungen  aus  einzelnen 
Sprachbildern  und  von  den  verschiedensten  Sprachzentren. 

Ei  glaubt  sogar  an  eigene  Zentren  für  Zahlen  und  für 
Musiknoten,  entsprechend  den  Wortzentren,  und  denkt  sich 
m  der  rechten  Ilirnhiilfte  ebenso  viele  solcher  Zentren  ge¬ 
lagert  wie  in  der  linken.  Ausser  grundsätzlichen  Be¬ 
denken  drängt  sich  dem  Leser  wiederholt  die  Empfindung  auf, 
dass  die  Erklärungen  des  Verfassers  für  die  Sprachstörungen 
bezw.  für  das  Ausbleiben  von  Sprachstörungen  in  Fällen,  wo 

No.  44. 


1845 

_ _ 

nach  den  schematischen  Anschauungen  solche  zu  erwarten  ge¬ 
wesen  wären,  zu  gewagt  und  willkürlich  seien,  zumal  da,  wo  eine 
Sektion  fehlt.  Es  sollte  z.  B.  die  wichtige  und  wohlgestützte  Er¬ 
kenntnis  der  ganz  überwiegenden  Bedeutung  der  Läsionen  der 
linken  Hirnhälfte  für  die  Aphasien  Rechtshändiger  nicht  ohne 
triftige  Gründe  durch  die  Annahme  verwischt  werden,  dass  die 
i  echte  Hälfte  für  die  Sprache  ganz  ähnlich,  nur  weniger  gut  aus- 
gebildet  sei.  Wäre  dies  der  Fall,  dann  müssten  Beschädigungen 
der  rechten  Hälfte  öfter  Aphasien  verursachen  oder  Aphasien 
bei  links  gelegenen  Herden  öfter  ausheilen.  Auch  geht  es  nicht 
an,  rein  funktionelle  Störungen,  wie  die  hysterische  Stummheit, 
durch  eine  Läsion  in  den  engen  Grenzen  der  beiden  unteren 
Stirnwindungen  zu  erklären.  Solche  Hypothesen  werden  zu 
leicht  als  Tatsachen  auf  gefasst. 

Das  klar  und  anziehend  geschriebene  Buch  kann  dem,  der 
sich  für  Aphasie  näher  interessiert,  warm  empfohlen  werden. 

Th.  Zahn  -  Würzburg. 

v.  M  i  k  u  1  i  c  z  und  V.  Toraascze  wski:  Ortho¬ 
pädische  Gymnastik  gegen  Rückgratsverkrümmungen  und 
schlechte  Körperhaltung.  Mit  103  Figuren  im  Text.  Jena 
Verlag  von  G.  Fische  r,  1902.  Preis  3  M. 

Das  Büchlein  ist  dazu  bestimmt,  Aerzten  und  Erziehern  eine 
Anleitung  zum  orthopädischen  Turnen  zu  geben.  Die  von 
v.  Mikulicz  herrührende  Einleitung  schildert  in  kurzer, 
klarer,  allgemein  verständlicher  Darstellung  Ursachen  und  Sym¬ 
ptome  der  Skoliose,  die  wesentlichen  Gesichtspunkte  für  Pro¬ 
phylaxe  und  Therapie.  Der  Hauptteil  des  Buches  hat  zur  Ver¬ 
fasserin  die  erfahrene  Leiterin  einer  orthopädischen  Turnanstalt 
in  Breslau. 

Auf  die  Beschreibung  der  notwendigen  Turnapparate  folgt 
die  ausführliche  und  durch  gute  und  viele  Bilder  verdeutlichte 
Aufzählung  von  Uebungen  auf  der  Turnbank,  mit  Hanteln  und 
Stab,  an  Trapez  und  Leiter,  an  Schaukelringen  etc. 

Die  Auswahl  von  Uebungen  ist  so  gross,  dass  der  Arzt  sich 
leicht  aus  derselben  eine  Serie  solcher  aussuchen  kann,  welche 
iiir  den  speziellen  Fall  besonders  geeignet  scheinen. 

Das  übersichtlich  angeordnete  und  vorzüglich  ausgestattete 
Buch  erfüllt  seinen  Zweck  in  ausgezeichneter  Weise. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  65.  Bd,  2.-4.  Heft. 
September  1902.  Leipzig,  Vogel. 

2)  _  Stolper  -Breslau:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen 
Syphilis  und  Trauma,  insbesondere  in  gerichtlich.-  und  versiehe- 
rungsrechtlich-medizinischer  Hinsicht. 

Auf  Grund  ausgedehnter  Literaturstudien  und  reicher  eigener 
Erfahrungen  erörtert  Verf.  die  Beziehungen  zwischen  Syphilis  und 
Trauma  im  allgemeinen,  sowie  im  Hinblick  auf  die  Fragen  des 
gegenwärtigen  Rechts. 

Bezüglich  der  Veränderungen  an  Haut  und  Muskulatur  exi¬ 
stieren  eine  Zahl  von  einwandfreien  Beobachtungen,  bei  denen 
sich  eine  syphilitische  Hautmuskelaffektion  am  Orte  eines  Traumas 
entwickelte.  In  unseren  Fällen  fiel  die  Verletzung  in  die  Zeit  zwi¬ 
schen  Infektion  und  Ausbruch  des  ersten  Exanthems.  In  den 
meisten  Fällen  zeigte  sich  an  dem  Orte  des  Traumas  eine  spät¬ 
syphilitische  Produktion  (ulzeröses  Hautgumma)  in  Verbindung 
mit  gummöser  Muskelerkrankung. 

Bezüglich  der  Erkrankung  der  Knochen  und  Gelenke  ist  zu¬ 
nächst  die  Tatsache  von  Interesse,  dass  gewisse  oberflächlich  lie¬ 
gende  Knochen  (Schädel,  Tibia,  Vorderarmknochen,  Klavikula) 
häufiger  erkranken.  Das  ist  wohl  darauf  zurückzuführen,  dass 
diese  Knochen  eben  häufiger  Traumen  ausgesetzt  sind.  Dass 
Traumen  gelegentlich  ein  auslösendes  Moment  für  syphilitische 
Neubildungen  sind,  ergibt  sich  aus  der  Kasuistik  mit  Bestimmt¬ 
heit,  häufig  führen  die  Traumen  auch  eine  mehr  oder  weniger 
jähe  Verschlimmerung  herbei.  Ferner  kann  es  am  Orte  alter 
Traumen  zur  Entwicklung  eines  luetischen  Prozesses  kommen. 
Die  Diagnose  der  luetischen  Knochenerkrankungen  ist  durch  die 
Untersuchung  mit  Röntgenstrahlen  wesentlich  erleichtert  worden. 
Verf.  bringt  die  Abbildungen  mehrerer  charakteristischer  Röntgen¬ 
bilder  aus  der  Sammlung  des  Breslauer  pathologischen  Institutes. 
Charakteristisch  ist  besonders  eine  tiefere  Schattenbildung  im  ver¬ 
breiterten  Periostband.  Natürlich  müssen  daneben  alle  an¬ 
deren  Untersuchungsmethoden  verwertet  werden. 

Die  Spontanfrakturen,  die  ja  so  häufig  durch  Lues  bedingt 
sind,  kommen  gewöhnlich  erst  in  der  Spätperiode  der  Syphilis 
vor,  10—12  Jahre  nach  der  Infektion.  Bekannt  ist  auch,  dass  die 
Lues  häufig  eine  verzögerte  Konsolidation  und  Pseudarthrosen- 
bildung  verursacht.  Wichtig  ist  weiter,  dass  in  alten  Fraktur¬ 
narben  sich  oft  ein  Gumma  festsetzt. 

fi 


1846 


Für  die  Gelenksyphilis  kann  das  Trauma  auch  gelegentlich 
ein  auslösendes  Moment  werden,  wenn  auch  die  Kasuistik  über 
diese  Verhältnisse  keinen  sicheren  Aufschluss  gibt. 

An  den  inneren  Organen  sind  besonders  wichtig  diejenigen 
Fälle,  in  denen  eine  umschriebene  syphilitische  Erkrankung  des 
Zirkulationsapparates  durch  ein  Trauma  ausgelöst  oder  verschlim¬ 
mert  wird.  Dahin  gehören  die  gummöse  Myokarditis,  die  lue¬ 
tischen  Veränderungen  der  Aorta  besonders  an  den  Abgängen  der 
Koronararterien,  die  Aneurysmen.  Auch  die  Venenentzündungen 
jugendlicher  Individuen  müssen  oft  auf  ein  Trauma  in  A  erbin- 
dung  mit  Lues  zurückgeführt  werden.  Von  den  Organen  der 
Bauchhöhle  ist  Sicheres  bisher  nur  über  den  Hoden  bekannt,  m 
dem  es  häufig  zu  Gummabildung  nach  voraufgegangenem  Trauma 

kommt.  .. 

Die  gerichtliche  Frage,  inwieweit  ein  Trauma  als  verschlim¬ 
merndes  Moment  bei  immanenter  Syphilis  anzusehen  ist,  kann 
natürlich  nur  von  Fall  zu  Fall  entschieden  werden. 

8)  Matthiolius-Kiel:  Betrachtungen  über  den  Stand 
der  Kriegschirurgie. 

Auf  Grund  der  Erfahrungen  in  den  letzten  Kriegen  gibt  M. 
eine  kurze  Uebersicht  über  diejenigen  Punkte,  die  für  den  Militär¬ 
arzt  in  einem  Feldzuge  in  Betracht  kommen  werden.  Die  A  erlust- 
grössen  werden  kaum  über  diejenigen  der  früheren  Kriege,  10  bis 
20  bis  30  Proz.  hinausgehen.  Die  Verletzungen  werden  sich  ent¬ 
sprechend  den  Erfahrungen  mit  den  kleinkalibrigen  Geschossen 
gestalten.  Verblutungen  auf  dem  Schlachtfelde  werden  selten 
sein,  Aneurysmen  häufiger.  Bauchschüsse  sind  relativ  ungefäln- 
lich  Die  frische  Kleinkaliberschusswunde  kann  für  die  Praxis 
als  rein  angesehen  werden.  Für  die  Anfertigung  fixierender  A  er- 
bände  gibt  Verf.  trotz  aller  empfohlenen  Schienen  immer  wieder 
dem  Gips  den  \Torzug. 

Für  die  Seeschlachten,  bei  denen  die  gewaltigen  Schnellade- 
kanonen  den  starken  Panzern  gegenüber  stehen,  fehlt  eigentlich 

bis  jetzt  noch  jede  Erfahrung.  . 

9)  Z  i  e  g  1  e  r  -  München:  Beiträge  zur  Zirkulation  m  der 

Schädelhöhle. 

In  weiterer  A'erfolgung  seiner  bekannten  früheren  Unter¬ 
suchungen  hat  Verf.  Injektionen  der  Gefässe  des  Gehirns  und 
seiner  Häute  vorgenommen  und  dabei  an  der  Dura  ein  äusseres 
und  inneres  ziemlich  enges  Gefässmaschennetz  gefunden.  Auch  in 
den  das  Gehirn  einhülleuden  weichen  Gehirnhäuten  und  in  dem 
Gehirne  hat  Z.  ein  reiches  Gefässnetz  gefunden.  Messungen  der 
Volumenszunahme  des  Gehirns  bei  diesen  Injektionsversuchen  er¬ 
gaben,  dass  eine  solche  nicht  stattfindet:  der  Liquor  entweicht  in 
den  dehnbaren  Rückenmarkskanal. 

Bei  weiteren  Studien  über  die  Resorption  des  Liquor  hat  Verf. 
den  Optikus  vom  Subduralraum  aus  injiziert  und  hat  die  injizierte 
Flüssigkeit  bis  in  einen  Sack  direkt  hinter  der  Sklera  verfolgen 

können.  ,  .  . 

10)  L  o  e  v  y:  Zur  Indikation  der  Trepanation  bei  Gehirn¬ 
blutung  im  Verlaufe  des  Keuchhustens.  (Friedrichshain  Berlin.) 

Bei  einem  7 y3  jährigen  keuchhustenkranken  Kinde  trat  plötz¬ 
lich  Bewusstlosigkeit,  Lähmung  der  rechten  Körperhälfte  mit 
Aphasie  und  Krämpfen  in  den  gelähmten  Gliedern  ein.  In  der 
Annahme,  dass  es  sich  um  einen  grösseren  Bluterguss  handle, 
wurde  wiederholt  die  Notwendigkeit  der  Trepanation  erwogen.  Es 
trat  jedoch  spontane  Heilung  ein. 

11)  Biagi:  Ueber  die  Reparationsprozesse  der  Schädel¬ 
knochen  mit  Bezug  auf  die  gewöhnlich  angewandten  Methoden 
der  Kranioresektion.  (Chirurg.  Institut  Rom.) 

5  Jahre  bevor  Müller  sein  osteoplastisches  Verfahren  der 
Schädelresektion  veröffentlichte,  hat  Durante  einen  ähnlichen 
AA^eg  beschritten.  Durante  beschränkt  sich  darauf,  Knochen¬ 
bruchstücke  am  Periost  anliängen  zu  lassen:  halbkreisförmiger 
oder  rechteckiger  Hautschnitt,  Ablösung  kleiner,  am  Periost  an¬ 
hängender  Knochenstückchen  durch  den  tangential  aufgesetzten 
Meissei;  nach  Ablösung  des  sehr  beweglichen  Hautknochenlappens 
Anlegung  des  Schädeldefektes. 

Nach  diesem  Verfahren  hat  Verf.  mehrere  Experimente  an 
Tieren  ausgeführt,  auch  Teile  der  ganzen  Dicke  des  Schädeldaches 
dauernd  und  temporär  reseziert  und  die  Knochenreparationspro¬ 
zesse  genau  studiert.  Eine  klinische  Beobachtung  hatte  ihn  be¬ 
lehrt,  dass  11  Jahre  nach  der  Durante  sehen  Operation  eine 
vollkommene  Restitution  des  Knochens  eingetreten  war.  Die  Tier¬ 
experimente  zeigten,  dass  sowohl  Dura  als  Periost  an  der  AVieder- 
herstellung  des  Defektes  gleichen  Anteil  hatten.  Eine  Beteiligung 
der  Elemente  der  Diploe  und  der  Hävers  sehen  Kanäle  konnte 
ebenfalls  erwiesen  werden. 

Wurde  die  Dura  exzidiert,  so  trat  nur  eine  Verzögerung  der 
Knochenneubildung  ein.  Der  resezierte,  von  den  AVeichteilen 
ganz  befreite  und  reimplantierte  Knochen  gellt  beständig  der 
Nekrose  entgegen;  von  der  Dura  und  dem  Periost  her  diingen  die 
Osteoblasten  ein  und  ossifizieren  sich. 

AVird  der  resezierte  Knochen  von  den  bedeckenden  A\  eich¬ 
teilen,  Periost  und  Dura  nicht  getrennt  und  bleibt  er  mittels  eines 
grossen  Stieles  mit  den  AATeichteilen  in  Zusammenhang,  so  bleibt 
die  Knochenscheibe  grösstenteils  am  Leben.  Beschränkte  nekio- 
tische  Zonen  können  Vorkommen  dort,  wo  die  Gefässe  der  Throm¬ 
bose  verfallen. 

12)  P  e  r  t  h  e  s  -  Leipzig:  Heber  gutartige  Epitheliome,  wahr¬ 
scheinlich  kongenitalen  Ursprungs. 

In  dein  ersten  der  2  beschriebenen  Tumoren,  von  der  Ober- 
lippe  eines  Chinesen  stammend,  fand  sich  ein  Netzwerk  von  Epi¬ 


No.  44. 


thelzellenzügen,  die  von  der  Epidermis  in  die  Tiefe  zogen.  Durch 
das  Verhornen  des  Plattenepithels  waren  in  den  Zellzügen  Cysten 
von  wechselnder  Grösse  entstanden.  Einzelne  Bälge  zeigten  in¬ 
folge  der  Bildung  von  haarähnlichen  Hornfäden  und  des  Hervor- 
sprossens  von  Talgdrüsen  Analogien  zu  den  Haarbälgen.  Die 
letztgenannten  Verhältnisse  lassen  den  Tumor  als  eine  kongenitale 
Missbildung  auf  fassen. 

Auch  der  zweite  Tumor,  ebenfalls  von  der  Oberlippe  stam¬ 
mend,  zeigte  von  den  Epidenniszapfen  ausgehende  Zellschläuche, 
welche  sich  vielfach  in  Cysten  umgewandelt  hatten.  Das  Epithel 
zeigte  aber  hier  fast  durchgängig  den  Typus  eines  zweischichtigen 
Zylinderepithels,  A^erhornung  fehlte  gänzlich,  ebensowenig  waren 
haarähnliche  Bildungen  und  Talgdrüsen  in  den  Cystenwandungen 
nachzuweisen.  Verf.  fasst  diese  Bildungen  als  abnorm  entwickelte 
Schweissdrüsenanlagen  auf  und  schlägt  für  den  Tumor  den  Namen 
,.Hydradenom“  vor. 

13)  P  e  i  s  e  r:  Zur  Kenntnis  der  Pankreasnekrose.  (Moabit- 

Berlin.)  . 

Bei  einer  28  jährigen  Patientin  entwickelte  sich  im  Epi- 
gastrium  ein  Tumor,  der  als  Pankreascyste  diagnostiziert  wurde. 
Im  Urin  fanden  sich  4  Proz.  Zucker.  Bei  der  Operation  fanden 
sich  als  Inhalt  des  Tumors  grössere,  schmierige,  gelbliche  Fetzen 
neben  etwas  gelblicher  breiiger  Flüssigkeit,  die  keine  Fermente 
enthielt,  aber  verschiedene  Bakterien  (Staphylococcus  albus, 
Streptokokken,  Diplokokken,  kurze  Stäbchen).  Nach  2  Tagen 
wurde  eine  nekrotische  Masse  aus  der  AVunde  ausgestossen,  die 
anscheinend  das  ganze  Pankreas  darstellte.  Die  Anwesenheit  von 
Pigmentschollen  im  Sekret  macht  es  wahrscheinlich,  dass  Blu¬ 
tungen  in  das  Pankreasgewebe  zu  der  Nekrose  des  Organs  geführt 
haben.  Die  Ursache  für  die  Blutungen  muss  wohl  in  einer  bei 
einer  Entbindung  zu  stände  gekommenen  Anämie  und  in  der  Ge¬ 
burt  selbst  gesucht  werden. 

Die  Patientin  starb  5  Wochen  nach  der  Operation  an  ihrem 

Diabetes.  _  . 

Dos  weiteren  berichtet  Verf.  über  2  Fälle  von  Pankreatitis 
haemorrhagica  und  stellt  die  Literatur  dieser  interessanten  Er¬ 
krankung  zusammen.  41  mal  hat  dieselbe  Veranlassung  zu  chi¬ 
rurgischem  Eingreifen  gegeben.  Nur  2  der  Operierten  blieben  am 
Leben. 

14)  G  f  e  1 1  e  r:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  angeborenen  Darm¬ 
cysten.  (Spital  in  Chaux-de-Fonds.) 

11  jähriges  Mädchen.  Seit  dem  5.  Jahre  häufig  kolikartige 
Beschwerden.  Vor  2  Tagen  wieder  erkrankt  unter  peritonitischen 
Erscheinungen.  Laparotomie.  Eine  grössere  Dünndarmschlinge 
um  360°  gedreht,  ln  der  Darmwand  des  dilatierten  Teiles  fand 
sich  eine  orangengrosse  Cyste.  Exstirpation  derselben.  Heilung. 

Die  Cyste  sass  zwischen  Längs-  und  Quermuskulatur.  Ihre 
AVand  bestand  aus  einer  doppelten  Schicht  von  glatter  Muskulatur, 
einem  lockeren  subepidermoidalen  Gewebe  und  einer  grossenteil s 
aus  geschichtetem  Pflasterepithel  bestehenden  Epithelschicht,  in 
die  geschichtetes  und  einschichtiges  Zylinderepithel  (kein  Darm 
epithel!)  eingelagert  war. 

Verf.  teilt  die  einschlägige  Literatur  mit  und  verbreitet  sich 
ausführlich  über  die  Genese  der  Cyste.  Dieselbe  kann  mit  Be¬ 
stimmtheit  weder  den  ektodermoiden,  noch  den  entodermoiden. 
noch  den  gemischten  Cysten  zugeschrieben  werden. 

15)  Regling:  Ueber  solitäre  Darmstenosen.  (Chirurgische 
Klinik  Greifswald.) 

3  Fälle.  In  den  ersten  beiden  Fällen  konnte  die  Aetiologie 
nicht  aufgeklärt  werden.  Bei  der  ersten  58  jährigen  Patientin 
waren  die  typischen  Erscheinungen  der  Darmstenose  vorauf¬ 
gegangen;  die  zweite  Patientin,  ein  9  jähriges  Mädchen,  war  ganz 
plötzlich  unter  den  Zeichen  des  Darm  Verschlusses  erkrankt.  Der 
dritte  Fall  kam  zur  Sektion:  die  Stenose  sass  4  Querfinger  ober¬ 
halb  der  B  aulii  n  sehen  Klappe  und  war  auf  Grund  der  fibrösen 
Verdickungen  und  der  Obliteration  des  AVurmf ortsatzes  als  Peri¬ 
tonealnarbe  von  einer  alten  Perityphlitis  herrührend  anzusprechen. 
Alle  3  Fälle  wurden  operiert  und  jedesmal  die  Enteroplastik  nach 
Art  der  Pyloroplastik  Heineke-Mikulicz  ausgeführt.  Die 
beiden  ersten  Patienten  wurden  geheilt,  der  dritte  starb  infolge 
Nahtinsuffizienz  und  Peritonitis. 

16)  v.  Eicken:  Ein  Sarkom  der  Speiseröhre.  (Laryngo- 
rlrinolog.  Klinik  Freiburg.) 

Die  Krankheit  verlief  unter  dem  Bilde  eines  Abszesses  der 
Speiseröhre.  Die  pathologische  Diagnose  wurde  bei  der  Sektion 
zunächst  auf  Phlegmone  oesophagi  dissecans  gestellt,  erst  die 
mikroskopische  Untersuchung  wies  nach,  dass  es  sich  um  ein 
Spindelzellensarkom  handelte. 

Es  sind  bisher  13  Fälle  von  Speiseröhrensarkom  bekannt  ge¬ 
worden. 

17)  AVendel:  Ueber  die  Torsion  eines  Eettbruches  und 
ihre  Folgen.  (Chirurg.  Klinik  Marburg.) 

Es  handelte  sich  um  eine  leere  Schenkelhernie,  bei  der  die 
Torsion  eines  präperitonealen  Lipoms  zu  Einklemmungserschei¬ 
nungen  geführt  hatte.  Interessant  war  die  Bildung  einer  Er¬ 
weichungscyste  in  dein  Lipom. 

18)  Ilertle:  Ueber  eine  neue  Methode  zum  plastischen 
Ersatz  von  Sehnendefekten.  (Chirurg.  Klinik  Gi’az.) 

Auf  Grund  eines  glücklich  geheilten  Falles  schlägt  H.  vor. 
bei  Sehnendefekten  die  beiden  Stümpfe  zunächst  an  eine  Nachbar¬ 
sehne  anzunähen  und  nach  3  AVochen  dieselben  wieder  loszu¬ 
trennen  unter  Mitnahme  der  halben  Sehne,  an  die  sie  angeheilt 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


4.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1847 


wurden.  In  des  Verf.  Falle  wurde  der  Substanzverlust  im  Ex¬ 
tensor  pollicis  longus  durch  eiu  Stück  aus  der  benachbarten  Sehne 
des  Radialis  extemus  ersetzt.  K  r  e  c  k  e. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Heft  6. 

1)  S  ta  u  d  e  -  Hamburg:  Ueber  Totalexstirpation  des  karzi¬ 
nomatösen  Uterus  mittels  doppelseitiger  Scheidenspaltung. 

S.  teilt  das  Ergebnis  von  51  seit  1894  von  ihm  operierten 
Uteruskarzinomen  mit.  Die  Operabilität  aller  Fälle  beträgt 
56,7  Proz.  Für  seltene  Fälle  zieht  S.  die  abdominelle  Operation 
nach  W  erthei  m  in  Ueberleguug,  für  die  meisten  aber  hält  er 
zunächst  die  erweiterte  vaginale  Methode  nach  Schuch  ardt 
1  iir  durchaus  berechtigt.  Diese  änderte  er  bei  seinen  Operationen 
dahin  ab,  dass  er  eine  doppelseitige  Scheidenspaltung  ausführte 
und  das  obere  Vaginaldrittel  bis  hinter  die  Portio  unterminierte, 
um  den  nötigen  Raum  zur  weiten  Freilegung  und  guten  Uebersicht 
über  das  Parametrium  zu  gewinnen. 

2)  Krönig-  Leipzig:  Zur  Technik  der  abdominellen  Total¬ 
exstirpation  des  karzinomatösen  Uterus. 

K.  operierte  in  letzter  Zeit  8  Fälle  nach  der  Werthei  m  - 
sehen  Methode.  Ein  Todesfall  infolge  einer  Nachblutung  am 
14.  Tag  nach  der  Operation.  Um  die  Gefahren  des  Nekrotisch¬ 
werdens  des  Ureters,  der  oft  eintretenden  postoperativen  Cystitis 
und  der  Bindegewebsphlegmone  zu  verringern,  verfährt  K.  ab¬ 
weichend  von  Wertheim  in  der  Weise,  dass  er  das  Peritoneum 
nicht  mehr  nahe  am  Ureter  spaltet,  sondern  nach  Spaltung  der 
Blätter  des  Ligamentum  latum  den  Ureter  am  hinteren  Blatt  auf¬ 
sucht  und  einen  breiten  Peritoneallappen  mit  ihm  in  Verbindung 
lässt.  Nach  Exstirpation  des  Uterus  wird  ferner  die  freiliegende 
hintere  Blasenwand  stark  eingerafft,  und  der  vordere  Scheiden¬ 
wundrand  mit  der  Basis  des  vorderen  Peritoneallappens  an  der 
Stelle,  wo  dieser  auf  den  Fundus  der  Blase  übergeht,  mit  einigen 
Knopfnähten  vernäht.  Das  Peritoneum  des  Douglas  wird  in  ähn¬ 
licher  Weise  mit  dem  hinteren  Scheidenwundrand  vernäht,  die 
Bindegewebswunden  auf  den  Dannbeinschaufeln  über  je  ein  in 
die  Scheide  führendes  Drainrohr  geschlossen,  die  Bauchhöhle  so¬ 
dann  mit  dem  vorderen  Peritoneallappen  vollständig  geschlossen. 

Nach  seinen  bisherigen  Erfahrungen  ist  K.  überzeugt,  dass 
die  Wertheim  sehe  Operation  berufen  ist,  alle  vaginalen  Me¬ 
thoden  definitiv  aus  dem  Felde  zu  schlagen. 

3)  K  r  ö  n  i  g  -  Leipzig:  Gleichzeitiges  Vorkommen  vonUterus- 
und  Magenkarzinom.  Abdominelle  Totalexstirpation  des  Uterus, 
Gastrektomie  mit  Gastrojejunostomose. 

Bei  einem  der  nach  Wertheim  operierten  Fälle  handelte  es 
sich  neben  einem  Portiokarzinom  um  ein  gleichzeitiges  Vorhanden¬ 
sein  eines  Pyloruskrebses.  Dieser  wurde  bei  der  Exstirpation  des 
Uterus  übersehen  und  3  Monate  später  von  K.  nach  Kocher 
operiert.  Das  kleinfaustgrosse  Magenkarzinom  kann  nicht  als 
Metastase  des  beginnenden  Portiokarzinoms  angesehen  werden. 

Der  Fall  ist  ein  weiterer  Beweis  dafür,  wie  wichtig  es  ist,  bei 
Anwesenheit  von  Genitalkrebsen  den  übrigen  Körper  auf  das  Be¬ 
stehen  einer  Neubildung  zu  untersuchen. 

4)  Schaeffer  -  Heidelberg:  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  des 
wiederkehrenden  Icterus  graviditatis. 

Durch  jahrelange  Beobachtung  eines  Falles  von  Ict.  grav.  ist 
Verfasser  in  der  Lage,  eine  ausführliche  Pathogenese  dieser  Form 
festzustellen.  Der  eingehend  beschriebene  Fall  lässt  sich  nicht 
kurz  referieren  und  muss  im  Original  nachgesehen  werden. 

5)  Dirmoser  -  Wien:  Die  Vaginae-  und  Ventrofixation 
des  Uterus,  ausgeführt  in  der  Zeit  vom  Jahre  1893  bis  Ende 
1900. 

Geschichtlicher  Ueberblick  über  die  Vaginae-  und  Ventro- 
ftxation,  nebst  einer  Zusammenstellung  der  in  dem  Maria  There- 
sien-Frauen-Hospitale  in  Wien  ausgeführten  Operationen  dieser 
Art.  Weinbrenner  -  Erlangen. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  42  u.  43. 

No.  42.  1)  J.  M.  C.  Mouton- Haag:  Zur  Geschichte  der 

fötalen  Theorie  über  die  Ursachen  der  Eklampsie. 

Bekanntlich  hat  Fehling  zuerst  1899  die  fötale  Theorie  der 
Eklampsie  aufgestellt,  wonach  die  fötalen  Toxine  im  Kreislauf  der 
Mutter  unter  gewissen  Bedingungen  zur  eklamptischen  Erkrankung 
der  letzteren  führen.  M.  stellt  nun  fest,  dass  van  der  Hoeven 
schon  1896  dieselbe  Theorie  aufgestellt  und  verteidigt  hat.  Nach 
v.  d.  H.  entsteht  die  Toxämie  dadurch,  dass  die  Quantität  Arbeit, 
welche  die  Nieren  zu  leisten  haben,  dabei  über  ihre  Kräfte  geht 
und  die  Stoffwechselprodukte  nicht  genügend  ausgeschieden  wer¬ 
den.  Hierdurch  kommt  es  zur  Akkumulation  von  Toxinen  und 
deren  Folgen.  Als  Stützen  für  seine  Theorie  nennt  v.  d.  H.  das 
öftere  Vorkommen  von  Eklampsie  bei  Zwillingsschwangerschaften 
und  das  Verschwinden  der  Symptome,  wenn  der  Fötus  in  utero 
abstirbt.  ,  H  I3? 

2)  Axel  Wallgren  -  Helsingfors:  Ueber  anaerobe  Bak¬ 
terien  und  ihr  Vorkommen  bei  fötiden  Eiterungen. 

Obligate  Anaerobien  sind  bisher  bei  appendikulären  Peritoni¬ 
tiden,  Leber-  und  Lungenabszessen,  Lungengangrän,  fötiden  Oti¬ 
tiden,  Hirnabszessen  und  vom  weiblichen  Urogenitalapparat  aus¬ 
gehenden  Infektionen  gefunden  worden.  Als  beste  Methode  zur 
Untersuchung  empfiehlt  W.  das  Liborius-Veillon  sehe  Ver¬ 
fahren,  dessen  Beschreibung  im  Original  nachzusehen  ist. 

W.  selbst  fand  bei  einer  Frau,  die  im  Anschluss  an  eine  akute 
Parametritis  Hirnabszesse  bekommen  hatte  und  gestorben  war, 


in  den  letzteren  alle  Bakterien,  die  schon  in  vivo  aus  dem  Eiter 
des  Beckenabszesses  gezüchtet  worden  waren,  darunter  6  verschie¬ 
dene  Obligatanaerobien:  4  Kokken  und  2  Stäbchenformen. 

3)  O.  S  c  h  m  i  d  t  -  Bremen:  Ueber  einen.  Fall  von  Chorion¬ 
epithelioma  malignum 

Der  Fall  ereignete  sich  bei  einer  23  jähr.  Nullipara  im  An¬ 
schluss  an  eine  Blasenmole  und  kam  durch  vaginale  Totalexstir¬ 
pation  zur  Heilung.  Als  Ursache  nimmt  S.  eine  mangelhafte  Ge¬ 
rinnbarkeit  und  geringen  Hämoglobingehalt  des  mütterlichen 
Blutes  an,  die  von  Albert  und  Kworostansky  als  begün¬ 
stigende  Momente  für  das  Zustandekommen  der  Geschwulst  be¬ 
zeichnet  worden  sind. 

No.  43.  L.  A.  Oliva- Genua:  Neuer  Apparat  für  Hypo- 
dermoklyse  und  endovenöse  Injektionen. 

Beschreibung  eines  Apparates  zur  subkutanen  oder  intra¬ 
venösen  Infusion  von  Kochsalzlösung  nach  Blutungen.  Derselbe 
besteht  im  wesentlichen  aus  einem  Irrigator,  einem  doppelwan¬ 
digen  Schlauch  mit  Trichter  und  einer  Hohlnadel.  Die  nähere  Be¬ 
schreibung  ist  im  Original  nachzusehen. 

O.  hat  seinen  Apparat  bisher  nur  in  3  Fällen  von  Urämie  ge¬ 
braucht,  zwreifelt  aber  nicht,  dass  derselbe  sich  besonders  bei  Blu¬ 
tungen  post  partum  empfehlen  dürfte. 

Verfertiger  sind  L  i  n  c  k  &  P  1  a  z  o  1 1  a  in  München,  Vertreter 
Glorialanza  Anafesto  in  Genua,  Piazza  Ospedale  Pam- 
matone.  Jaf  f  e  -  Hamburg. 

Virchows  Archiv.  Bd.  169.  Heft  3.  1902. 

16)  M.  Penkert:  Ueber  idiopathische  Stauungsleber  (Ver¬ 
schluss  der  Venae  hepaticae).  (Aus  dem  pathol.  Institut  der  Uni¬ 
versität  Greifswald.) 

Bei  einem  22  Monate  alten  Knaben  wurde  eine  stetige  Zu¬ 
nahme  des  Leibesumfanges  bemerkt.  Der  dies  bedingende  Aszites 
wird  durch  öfteres  Punktieren  entfernt,  kehrt  aber  rasch  wieder, 
auch  die  Vornahme  der  Talma  sehen  Operation  hält  den  Exitus 
nicht  auf.  Bei  der  Sektion  findet  sich  ein  fast  vollständiger  Ver¬ 
schluss  der  Lebervenen,  in  die  Vena  cava  münden  nur  einige  ganz 
feine,  kleine  Venen,  die  noch  durch  vollständig  organisierte 
Thromben  verschlossen  sind.  Die  Leber  bildet  das  Bild  der  ex¬ 
quisiten  Stauungsleber.  P.  führt  diese  Verhältnisse  auf  eine  kon¬ 
genitale  Anomalie  zurück. 

17)  Mönckebe  r  g:  Ueber  einen  Fall  von  Doppelkarzinom 
der  Gallenblase,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Metaplasiefrage.  (Aus 
dem  pathol.  Institut  des  allgemeinen  Krankenhauses  Hamburg- 
Eppendorf.) 

Das  mikroskopische  Bild  einer  karzinomatösen  Gallenblase 
zeigte  einmal  ein  Adenokarzinom  und  dann  auch  einen  Platten¬ 
epithelkrebs  mit  Hornperlen.  An  einzelnen  Stellen  sind  Epithelien, 
die  weder  zu  der  einen,  noch  zu  der  anderen  Krebsform  gezählt 
werden  können.  M.  hält  sie  für  pseudometaplastische  Gebilde.  In 
den  Metastasen  kommen  beide  Geschwulstformen  teils  getrennt, 
teils  zusammen,  aber  nicht  in  einander  übergehend  vor.  Das  Kan- 
kroid  ging  nach  M.  von  einer  durch  Metaplasie  ent¬ 
standenen  Plattenepithelinsel  der  Gallenblasenwand  aus,  nicht 
aber  wandelte  sich  das  Adenokarzinom  in  ein  Kankroid  um. 

18)  Pappenheim  -  Hamburg:  Weitere  kritische  Aus¬ 
führungen  zum  gegenwärtigen  Stand  der  Plasmazellenfrage. 
Dazu  ein  Anhang:  Die  Histogenese  des  Tuberkels  betreffend. 

Im  Anschluss  an  die  Abhandlungen  des  gleichen  Autors  über 
Plasmazellen  (d.  Arch.  165/166)  kommt  P.  in  der  vorliegenden 
Arbeit  zu  dem  Ergebnis,  dass  im  Granulationsgewebe  nur  die 
multinukleären  Leukocyten  hämatogener  Abkunft 
seien,  alle  anderen  Rundzellen  dort  betrachtet  er  als 
Derivate  von  Bindegewebszellen. 

Bezüglich  der  Tuberkelknötchenbildung  kommt  P.  zu  dem 
Schluss,  dass  ausschliesslich  im  Sinne  von  Baumgarten  eine 
histiogene  Bildung  der  Knötchen  stattfinde  und  nicht  eine 
histiogen-hämatogene. 

19)  A.  Schlesinger:  Ueber  Plasmazellen  und  Lympho- 
cyten.  (Aus  dem  pathol.  Institut  des  städt.  Krankenhauses  am 
Urban.  Prosektor  Prof.  Dr.  Bend  a.) 

Sch.  erklärt  die  Unna  sehe  Methode,  weder  was  Härtung, 
noch  was  Färbung  anbetrifft,  als  eine  spezifische.  Zellen 
des  lymphoiden  Gewebes  können  durch  Aufnahme  von  Plasma  in 
Plasmazellen  verwandelt  werden,  dies  ist  besonders  deutlich  bei 
akuter  Lymphämie. 

20)  Ostwald:  Die  Chemie  und  Physiologie  des  Kropfes. 
(Aus  dem  chemischen  Laboratorium  der  med.  Klinik  in  Zürich.) 

Nach  Untersuchungen  des  Autors  hängt  der  Jodreichtum  der 
Strumen  von  der  Colloidmenge  derselben  ab.  Der  relative  Ge¬ 
halt  aber  an  Jod-Thyreoglobulin,  also  der  wirksamen  Substanz, 
ist  um  so  kleiner,  je  vorgeschrittener  die  Colloidentartung  ist. 

Das  .Tod-Thyreoglobulin  aus  Strumen  hat  die  gleichen  physio¬ 
logischen  Eigenschaften  wie  das  aus  normaler  Schilddrüse  ge¬ 
wonnene  Thyreoglobulin,  aber  in  etwas  geringerem  Masse.  Nach 
O.  ist  die  Erkrankung  der  Schilddrüse  bei  der  Basedow  sehen 
Krankheit  nicht  die  Ursache  dieser,  sondern  ein  Folgezustand. 

21)  Herter  und  Wakemann  -  New-York:  Ueber  Adrena- 
ling’lykosurie  und  verwandte,  durch  die  Wirkung  reduzierender 
Substanzen  und  anderer  Gifte  auf  die  Pankreaszelle  hervor¬ 
gerufene  experimentelle  Glykosurien. 

In  zahlreichen  Versuchen  zeigt  H.  und  W.,  dass  Adrenalin, 
wie  auch  andere  reduzierende  Substanzen,  besonders  Blausäure, 
wahrscheinlich  durch  Beeinträchtigung  der  Oxydationsfähigkeit  der 

6* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Pankreaszellen  Glykosurien  hervorrufen.  Histologische  Verände¬ 
rungen  wurden  dabei  am  Pankreas  nicht  beobachtet. 

22)  A  r  o  n  s  o  h  n  -  Ems-Nizza:  TJeber  den  Ort  der  Wärme¬ 
bildung  in  dem  durch  Gehimstich  erzeugten  Fieber.  (Aus  der 
speziell-physiologischen  Abteilung  des  physiologischen  Instituts  zu 
Berlin.) 

Als  Ort  der  Wärmebildung  wird  von  A.  beim  natürlichen  wie 
beim  künstlich  erzeugten  Fieber  die  Muskulatur,  besonders  die  des 
Skeletts,  bezeichnet.  Das  Blut  nimmt  keinen  direkten  Anteil  an 
der  Wärmebildung. 

Kleine  Mitteilung. 

23)  Liepmann:  TJ eber  die  B  e  n  d  a  sehe  Reaktion  auf 
Fettnekrosen.  (Aus  dem  patholog.  Institut  des  städt.  Kranken¬ 
hauses  am  Urban.) 

Die  im  161.  Band  d.  Arcli.  publizierte  Bend  a  sehe  Methode 
der  Fettnekrosereaktion  wurde  von  L.  darauf  untersucht,  ob  nicht 
kadaveröse  Veränderungen  die  Ursache  der  Reaktion  seien.  Die 
Versuche  L.’s  ergaben  nun,  dass  kadaveröse  Veränderungen  — 
auch  in  bakterieller  Hinsicht  —  die  Reaktion  nicht  beeinflussen. 

Konr.  Schneider  -  Erlangen. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

48.  Bd.,  3.  u.  4.  Heft. 

11)  Leie  k  und  Winckler  -  Greifswald:  Die  Herkunft  des 
Fettes  bei  Fettmetamorphose  des  Herzfleisches. 

Zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  das  Fett  im  Herzen  bei  der 
fettigen  Degeneration  durch  Einwanderung  aus  anderen  Fett¬ 
depots  oder  an  Ort  und  Stelle  durch  Protoplasmazerfall  entstanden 
sei,  untersuchten  die  Verfasser  die  Fettarten  in  den  verschiedenen 
Organen  mittels  Bestimmung  der  Jodzahl  bei  normalen  und  mit 
Phosphor  vergifteten  Hunden  und  Hammeln,  sowie  bei  Hunden, 
die  zuvor  mit  Hammelfett  gefüttert  worden  waren.  Es  ergab  sich, 
dass  das  Herzfett  unter  allen  Umständen  eine  höhere  Jodzahl  als 
das  Fett  der  Fettdepots  besass.  Bei  Phosphorvergiftung  stieg 
die  Jodzahl  noch  weiter  an.  Das  fettig  entartete  Herz  des  vor  der 
I>- Vergiftung  mit  Hammelfett  gefütterten  Hundes  enthielt  mit 
dem  Hammelfett  fast  identisches  Fett,  woraus  man  auf  ein  Ein¬ 
wandern  von  Depotfett  in  den  Herzmuskel  schliessen  muss.  Ob 
das  Fett  in  die  degenerierenden  Organe  wandert,  um  den  Platz 
untergegangenen  Protoplasmas  auszufüllen  oder  ob  es  nur  sicht¬ 
bar  wird,  weil  es  nicht  mehr  sofort  verbrennt,  ist  eine  noch  offene 
Frage. 

12)  Schwenke-  Greifswald:  lieber  den  Stoffwechsel  von 
Tieren  in  der  Rekonvaleszenz. 

Es  wurde  der  Stickstoff-  und  Kohlenstoff- Stoffwechsel  bei 
3  Hunden  festgestellt,  von  denen  der  erste  eine  Hungerperiode 
durchgemacht  hatte,  der  zweite  und  dritte  durch  Injektionen  einer 
Pepsin-  und  Albumosenlösung  resp.  einer  Colibouillonkultur  krank 
gemacht  worden  war.  Das  Ergebnis  war,  dass  die  gesamte 
W  ärmeproduktion  bei  gleicher  Nahrungszufuhr  während  der  Re¬ 
konvaleszenz  sich  nicht  wesentlich  anders  gestaltete  als  bei  voller 
Gesundheit;  dagegen  vermag  der  rekonvaleszente  Organismus  Ei- 
weiss  leichter  zurückzuhalten  und  Fett  in  erhöhtem  Masse  zu 
verbrennen. 

13)  R.  C  o  h  n  -  Königsberg  i/Pr.:  Zur  Frage  der  Glykokoll- 
bildung  aus  Leucin  im  tierischen  Organismus. 

Cohn  konnte  entgegen  Angaben  von  Wiener  feststellen, 
dass  an  sich  ungiftiges  Leucin  in  Verbindung  mit  nicht  toxischen 
Benzoesäuredosen  intensive  Vergiftungserscheinungen  bewirkt. 
Zu  einer  Vermehrung  der  Glykokollbildung  resp.  Hippursäureaus¬ 
scheidung  kommt  es  nicht. 

14)  H.  Lüthj  e  -  Greifswald:  Ueber  die  Kastration  und  ihre 
Folgen.  I.  Mitteilung.  Der  Fett-  und  Eiweisstoffwechsel  nach 
Kastration,  nebst  einigen  allgemeinen  Bemerkungen  über  die 
Folgen  der  Kastration. 

Von  rassereinen  Hunden  eines  Wurfes  wurden  2  Paare  unter 
ganz  gleiche  Lebensbedingungen  gesetzt  und  nach  einiger  Zeit  das 
eine  Tier  jeden  Paares  kastriert,  während  das  andere  als  Kontrol¬ 
lier  diente.  An  beiden  Paaren  wurden  genaue  Stoffwechsel-  und 
Gewichtsuntersuchungen  angestellt,  nach  2  Jahren  alle  Tiere  ge¬ 
tötet  und  die  Körper  einer  Analyse  auf  N-  und  Fettgehalt  unter¬ 
worfen.  Als  Resultat  der  äusserst  sorgfältigen  Untersuchungen 
ergab  sich,  dass  ein  häufig  angenommener  direkter  spezifischer 
Einfluss  der  Geschlechtsdrüsen  auf  den  Fetthaushalt  nicht 
existiert.  Die  nach  Kastration  öfter  beobachtete  Zunahme  des 
Fettpolsters  ist  vielmehr  als  indirekte  Folge  zu  betrachten, 
indem  zunächst  eine  Wirkung  auf  die  psychische  Sphäre  (gi'össere 
Ruhe)  und  daran  anschliessend  geringere  mechanische  Arbeits¬ 
leistungen,  somit  verminderter  Verbrauch  an  Energie  stattfindet. 
Scheinbar  nur  geringe  Differenzen  in  den  Körperleistungen  können 
dennoch  grosse  Unterschiede  im  Energieumsatz  bedingen. 

15)  M.  C  1  o  e  1 1  a  -  Zürich:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen 
Funktionsleistung  der  Niere  und  Albuminurie  bei  der  akuten 
Nephritis. 

Nachdem  Verfasser  früher  festgestellt  hatte,  dass  Globulin 
und  Nukleoalbumin  bei  Nephritis  um  so  reichlicher  ausgeschieden 
werden,  je  frischer  und  heftiger  die  Entzündung  ist,  suchte  er 
jetzt  nach  Beziehungen  zwischen  dem  Verhalten  der  Ei  weisskörper 
im  Harn  und  der  molekularen  Konzentration  des  Blutes.  Zu  dem 
Zwecke  wurden  Kaninchen  mit  Aloin,  Cantharidin  und  Kali 
•  hromieum  vergiftet  und  neben  der  Harnanalyse  die  Gefrier¬ 


punktsbestimmung  im  Blut  ausgeführt.  Es  ergab  sich,  dass  weder 
die  Mischung  der  Eiweisskörper  im  Harn,  noch  die  Höhe  der  Albu¬ 
minurie  überhaupt  eine  bestimmte  Beziehung  zur  molekularen 
Konzentration  des  Blutes  hat,  ja  es  kann  die  Albuminurie  ganz 
verschwinden,  die  Nephritis  also  anscheinend  abheilen  und  trotz¬ 
dem  die  molekulare  Konzentration  des  Blutes  ansteigen.  Das 
hauptsächlich  auf  die  Glomeruli  wirkende  Cantharidin  scheint  die 
Funktion  der  Niere  weniger  zu  schädigen,  als  Aloin  und  Kal. 
chromieum,  welche  mehr  das  Epithel  der  gewundenen  Harnkanäl¬ 
chen  angreifen. 

16)  E.  Erd  mann  -  Halle:  Ueber  das  Kaffeeöl  und  die  physio¬ 
logische  Wirkung  des  darin  enthaltenen  Furfuralkohols. 

Aus  gerösteten  Kaffeebohnen  geht  mit  gespanntem  Wasser¬ 
dampf  ein  flüchtiges  Oel  über,  das  Valeriansäure,  Furfuralkoliol 
(zu  50  Proz.),  eine  stickstoffhaltige  Substanz,  welche  die  wesent¬ 
liche  Trägerin  des  Kaffeearomas  ist,  und  Phenole  enthält.  Auf 
dem  Gehalt  an  Furfuralkoliol  beruht  ein  Teil  der  toxischen  Eigen¬ 
schaften  des  starken  Kaffeeabsudes  (Wirkung  auf  die  Atmung. 
Sensibilitätsverminderung,  Sinken  der  Körpertemperatur-,  Saii- 
vation,  Durchfall).  Die  pharmakologische  Prüfung  der  aroma¬ 
tischen  stickstoffhaltigen  Substanz  steht  noch  aus. 

17)  R.  Gottlieb  und  R.  Magnus-  Heidelberg:  Ueber  den 
Einfluss  der  Digitaliskörper  auf  die  Hirnzirkulation. 

Bei  der  Blutdrucksteigerung  nach  Digitaliskörpern  verhält 
sich  der  Hirnkreislauf  gleich  den  Gefässen  der  Körperoberfläche. 
Strophanthin  bewirkt  eine  Zunahme  des  Blutstroms  durch  das  Ge¬ 
hirn,  ebenso  wie  in  Haut  und  Muskeln,  während  gleichzeitig  das 
Splanehnikusgebiet  verengt  wird.  Nur  Digitoxin  bewirkt  in  beiden 
Gruppen  von  Gefässen  eine  Verengerung. 

18)  E.  S.  F  a  u  s  t  -  Strassburg:  Ueber  das  Acocantherin.  Ein 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  amerikanischen  Pfeilgifte. 

Chemisch-pharmakologische  Studie  über  ein  in  Ostafrika  ge¬ 
bräuchliches,  zur  Digitalisgruppe  gehöriges  Pfeilgift. 

19)  G.  S  w  i  r  s  k  i  -  Dorpat:  Ueber  das  Verhalten  der  festen 
Magendarminhalts  bei  absoluter  Karenz  der  Kaninchen. 

V  enn  man  Kaninchen  vollkommen  hungern  lassen  will,  so 
muss  man  ihnen  einen  Maulkorb  vorlegen,  da  sie  sonst  regelmässig 
ihren  eigenen  Kot  fressen.  J.  Müller-  Würzburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  43. 

DP.  Baumgarten  -  Tübingen:  Weitere  Untersuchungen 
über  Hämolyse  im  heterogenen  Serum. 

\  ortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  der  Deutschen  pathologischen 
Gesellschaft  auf  der  diesjährigen  Naturforscherversammlung  in 
Karlsbad. 

2)  IV.  Thor  ner  -  Berlin:  Zur  Photographie  des  Augen¬ 
hintergrundes. 

Verf.,  der  sich  schon  lange  mit  diesem  Problem  beschäftigt, 
hat  nun  einen  Apparat  zusammengestellt,  welcher  erlaubt,  den 
Augenhintergrund  solcher  Tiere  zu  photographieren,  welche  ein 
sogen.  Tapetum  von  viel  erheblicherer  Lichtstärke  besitzen  als 
der  Mensch,  z.  B.  jenes  der  Katze.  Die  Beschreibung  und  das 
Schema  des  Apparates  ist  im  Originale  einzusehen.  Die  Photo¬ 
graphien  lassen  besonders  hinsichtlich  der  Gefässe  eine  grosse 
Menge  von  Details  erkennen,  z.  B.  die  rechtwinklige  Ueber. 
kreuzung  von  Arterien  und  Venen,  dann  die  Dicke  der  Gefässe, 
deren  Grössenverhältnisse  genau  gemessen  werden  können.  Da¬ 
durch  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  die  Wachstumsveränderungen, 
die  Einwirkung  verschiedener  Arzneien,  von  Temperaturdifferenzen, 
elektrischen  Strömen,  von  Nervenreizung  oder  Durchschneidung 
am  lebenden  Tier  mittels  der  Photographie  genau  zu  verfolgen. 

3)  F.  J  o  1 1  y  -  Berlin:  Ueber  Flimmerskotom  und  Migräne. 

Verf.,  der  in  seiner  Jugend  das  linke  Auge  verloren  hat.  gibt 

eine  genaue  Schilderung  des  an  sich  selbst  beobachteten  Verlaufes 
von  Flimmerskotomanfällen,  aus  dem  besonders  hervorzuheben  ist. 
dass  .T.  hie  und  da  auch  einen  zum  gewöhnlichen  Ablauf  um¬ 
gekehrten  Verlaufsmodus  an  sich  genau  beobachten  konnte.  Sehr 
interessant  sind  die  beigegebenen  Zeichnungen.  Auf  Grund  seiner 
anatomisch-physiologischen  Erwägungen  kommt  J.  zu  dem  Schlüsse, 
dass  das  Flimmerskotom  in  seiner  häufigsten,  hemioptischen  Form 
wahrscheinlich  nicht  im  grossen  Gehirn,  jedenfalls  nicht  in  der 
Rinde  zu  stände  kommt,  sondern  in  den  primären  optischen  Bahnen 
und  zwar  im  Tractus  opticus  oder  in  der  Gegend  des  Corp.  genic. 
extern.:  ferner,  dass  die  binokularen  zentralen  und  die  die  Mittel¬ 
linie  überschreitenden  halbseitigen  Skotome  in  noch  mehr  peri¬ 
pheren  Teilen  der  Bahn,  wahrscheinlich  in  der  Gegend  des  Chiasma. 
ihre  Entstehung  haben,  dass  die  rein  einäugigen  Skotome  im  Nerv, 
opticus  oder  in  der  Retina  des  betr.  Auges  zu  stände  kommen. 

4)  II.  Aronson  -  Berlin:  Untersuchungen  über  Strepto¬ 
kokken  und  Antistreptokokkenserum. 

Vergl.  hierüber  das  Referat  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
S.  1278  des  diesjährigen  Jahrgangs. 

5)  IV.  K  o  e  r  t  e  -  Berlin:  R.  Virchows  Unfall  und  Krank¬ 
heit. 

Der  Fall  auf  dem  Pflaster  hatte  eine  Fractura  colli  feinoris 
sin.  intertroclianterica  zur  Folge  gehabt.  Es  erfolgte  ausge¬ 
sprochene  Kallusbildung.  (Röntgenaufnahme  beigegeben).  Der 
Tod  erfolgte  unter  den  Erscheinungen  des  allmählichen  Herznach¬ 
lasses.  (Sektionsbericht  fehlt.  Die  Unterlassung  der  Obduktion 
dürfte  wohl  kaum  im  Sinne  des  grossen  pathologischen  Anatomen 
gelegen  gewesen  sein.  Red.)  G  r  a  s  s  m  a  n  u  -  München. 


4.  November  1902. 


JHJENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Deutsche  medicinische  Wochenschrift.  1902.  No  43 

PylomsV‘  P‘  °brastzo  w  -  Kiew :  lieber  die  Palpation  des 

Nach  einem  auf  dem  VIII.  P  i  r  o  g  o  f  f  sehen  Kongress  zu 
Moskau  am  20.  Januar  1902  gehaltenen  Vortrag 
Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet.  *  ' 

.  .  zj  J  '  F  1  a  s  e  r  -  Berlin:  Die  Bedeutung  des  Typhusbazillus 
bei  Erkrankungen  des  Respirationsapparates  im“  Gefolge  d-s 
Ileotyphus  und  sein  Auftreten  im  Auswurf.  (Schluss  ffdgt  > 

HosÄSÄ  a/M':  ^ 

15.  S^ptonber^BOil^ehaltenmi^mlrag^  ZU  Fraukt‘lirt  a/M-  am 
Im  Sinne  des  N  e  i  s  s  e  r  sehen  Falles:  .Ueber  chrnnter-imw 
Raehendiphtheroid“,  ausgeführte  Untersuchungen  ergaben  eben- 

Hnmf  S  •  I.ufc!;tlonsursaclie  bei  einer  Hospitalepidemie  virulente 
DiphthenebazUlen  im  Rachensekret  einer  scheinbar  gesunden 
YU.iteiin  Ein  Vergleich  des  Dienstganges  dieser  Schwester  mit 
e,".?  ifeS  A}lftretens  der  Diphtheriefälle  in  den  einzelnen  Fällen 
<  ^ab  dass  die  ganzen  Diphtherieerkrankungen  mit  dem  Dienst 
da  sei  Schwester  gingen.  Ganz  entschieden  blieb  die  Frage  nicht 
ob  die  beiden  Schwestern  den  Kindern  die  Diphtherie  gebracht 
oder  ob  sie  selbst  von  den  letzten  Fällen  infiziert  wurden" 

Pfropfes  be]n.‘ Neugebore^"'  ^  Bedeut'In=  Mekonium- 
}  on  mehr  spezialärztlichem  Interesse. 

5)  K.  G  erson- Berlin:  Seifenspiritus  als  Desinfiziens  medi¬ 
zinischer  Instrumente. 

wesentlichen  Vorteile  dieses  Verfahrens,  dessen  Zuver¬ 
lässigkeit  in  Bezug  auf  Aseptik  der  Instrumente  Verfasser  durch 
gleichzeitig  angegebene  bakteriologische  Versuche  hinlänglich  er- 
l  ti,n!irhfb8f11  glaubt,  lassen  sich  dahin  zusammenfassen: 

1.  Schnelligkeit.  Einfachheit  und  Bequemlichkeit  der  Sterili¬ 
sierung.  indem  das  umständliche  und  den  Instrumenten  schädliche 
Kochen  unnötig  wird;  2.  stete  Keimfreiheit  und  daher  3  stete 
Gebiauchsfertigkeit  der  Instrumente. 

fraktur.SCllUlteS"'Tena:  Seltene  Ursacbe  einer  Phalangeal- 

.ri  C.  S  t  e  r  n  -  Düsseldorf:  Bemerkungen  zu  der  II.  inter¬ 
nationalen  Konferenz  zur  Verhütung  der  Syphilis  und  der 

Iieefimrn?hei\  ^a^kheiten  in  Brüssel,  mit  einer  Antwort  auf  vor¬ 
stehenden  Artikel  von  A.  Blaschko. 

7)  O.  v.  Fürth-  Strassburg:  Mahnung  zur  Vorsicht  beim 
Gebrauch  von  Nebennierenpräparaten.  M.  Lacher 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

Mvxödenrf'  „«li  F-'  f  1  ed:  Ueber  Thyreoplasie  (kongenitales 
itt.yxod.em)  und  infantiles  Myxödem. 

und  \erziagmaw  J,4'  Versammlnng  deutscher  Naturforscher 
mid  Aeizte  in  Karlsbad,  am  24.  September  1.  J.  Vergl  hiezu  die 
Referate  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

K-  D®1  ne  r- Wien:  Ueber  die  sogen,  skarlatiniformen 
Serumexantheme  bei  Diphtherie. 

~  '  erf‘  beachtet  über  eine  Reihe  von  sogen,  skarlatiniformen 

il/^Semeil’t,WelChe  SiCh  aber  bei  bingerer  Beobachtung  alle 
Tt  ;  '  h(|xantheme  erwiesen.  Im  Jahre  1901  sah  L  unter 

fos  F;niithenek^anSn  M  Solche  Fälle’  im  heurigen  Jahre  unter 
ION  Fallen  von  Diphtherie  6  derartige  Exantheme.  Dieselben  traten 

£5  “  !e“  fsten  5  Taf™  nach  der  Injektion  auf,  waren  vS 

Nephritis  r»ÄUng+if  gt:-Öfter  erschien  nachher  Glomerulo- 
iefTlItls;  I)as  Exanthem  erwies  sicli  als  kontagiös  und  zwar  hatte 
das  Koatagium  eine  hohe  Tenazität.  Exanthem  und  Sehuppung 
ahmen  häufig  von  der  Injektionsstelle  ihren  Ausgang.  Die  Trans" 
fenerung  der  betreffenden  Kinder  auf  das  Scharlachzimmer  und 

Schiria?Wnr11FefhaItnn  de™selbeu  batte  hei  denselben  nie  einen 

ÄS  B™Äe.Dan“  llesen  <,te  BCWe,Se  fItr  ,,le  SohIlrla''"- 

Diinndarmvolvulus!  a  ^  1  V-ieu:  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  des 

Bei  der  25  jährigen  Kranken,  welche  mehrere.  Geburten  und 
n  u  n  Abort us  durchgemacht  hatte,  trat  Meteorismus,  Erbrechen 
Uenstaltik  im  Gebiete  des  Dünndarmes,  zeitweise 
me  iw  mm  tv  S°  dass  unkompletter  Darmverscbluss  angenom- 

3  K tri  ,  ?*L?nSdld"rch*ie  Operation  bestätigt,  bei  welcher 


1849 


«»  CU  ••  W.U.  ivu  uic  wpciclliuil  UcöUllliil.  I)P1  WP  O  lPl 

idrehtgsogdflsm^ni7Uidem-  Der  ganze  Eünndarm  war  um  180  " 
n  l  !i  e  Vorderflache  des  Mesenteriums  nach  rückwärts 
hesi »rieht  frangbildung  war  die  rechte  Tube  beteiligt.  Verf. 

•  JiKbt  in  der  Literatur  anfgeführte  ähnliche  Fälle,  die  zum 
Teil  eine  wenig  aufgeklärte  Aetiologie  zeigen. 

G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

,9‘  Drankl- Wien:  Die  Kraniotomie  und  deren 
Technik  im  Hinblick  auf  die  Privatpraxis. 

mal  ZwS?  aiit  aus/dhrlichen  Gründen  für  die  Unentbehrlichkeit 

des  n™SS5aSS1?Ce!f  der  Kraniotomie>  zumal  für  die  Verhältnisse 
ms  praktischen  Arztes  ein. 

die  Beriirrmt!?rCh  die  bäufig  verspätete  Ausführung  und  durch 
lnsti-mn  n+ht  g-  V°aJ  scbweren  Verletzungen  der  Mutter  durch  die 

•  t  ui  mente  so  m  Misskredit  gekommen.  E.  hat  ein  neues  Instru- 


*  ®rt’  welcbes  tlie  breite  Eröffnung  des  kindlichen 
Sno'!.dw  •VOn  “i11011  nacl1  aussen  bewirkt  und  dessen  Zacken  in 
yl  Meise  gedeckt  sind,  dass  die  mütterlichen  Weichteile  nicht 

ÄÄtT  Aut"  ™'-  '«'■  I>el’foration  .1«  SÄ 
i  Kopfes  gibt  I  .  ein  —  zur  Vermeidung  von  Verletzungen  zu 
sammenklappbares  —  Perforatorinm  an.  gen  /u~ 

-  «  Nb).  41/42.  .1  H  r  a  c  k  -  PrzemySl:  Aphasie  und  Hemiplegie 

naHs86  Emb°he  der  Arteria  fossae  S3rivii  nach  Typhus  abdomi- 

tt  >ii,Kl:Ui)keU-J:eScbi<‘bte  eilles  23  jährigen  Mannes,  bei  dem  die 
Iulung  bereits  zu  einem  sehr  befriedigenden  Grade  gediehen  ist 
t  ei  asser  warnt  eindringlich  vor  einer  längeren  (mehr  als  24  Stiin- 
!  <“n)  Applikation  der  Eisblase,  da  sie  die  notwendige  Entwicke¬ 
lung  des  Kollateralkreislaufes  liemmt.  •  imnvicki 

Aug^0’  42'  A'  T°P  °1  an  ski:  Ueber  Vaselininjektionen  am 

„  ,Teclmiscli  ist  das  Wichtigste,  das  Vaselin  in  einem  Zustand 
z  I|d1/-icren,  wo  es  rasch  erstarrt  und  durch  Vermeidung’  von 

l'aS  l,er  varhUten  lylm 

werte«  T IM 'Sf'-t ‘  j^ftiousraasse  «och  geän.U'rt 
„  Wi  ■  bat  aber  bereits  jetzt  bei  Ektropium  Entronimn 

Ä*SÄ  S8.l“es  «ml  WwJTto 


Ueber  diabetische  und 


2o  Fällen  recht  gute  Resultate  gehabt. 

No.  43.  S.  E  li  r  m  a  n  n  -  Wien: 
gj.clitisch-arthritische  Dermatosen. 

liehe?-  °u  eUier  Wiedergabe  der  genauen  Charakterisienm«-  fra«>- 
lei!  lelwl1”^?8011  milss  hier  abgesehen  werden.  Bei  Diabetes 

den  Genitalien  ‘an  den  rf"  5rpiSCh!  Ekzeme  mit  Lokalisation  an 
dm-ch  (2  t “  L  5D  en  1111  Fllssoblen-  die  sich  besonders 

nuszeiehnen  welche  off  den 

sam  erwmst  sieh  nur  die  diätetische  Behandlung  während-  mII  o- 

v e rl nt ■] n-e ii"* IRe -hüse he"^ e ^ ^  und  Bissigkeit’ der  Haut  noch 
.n,e  ,  .  y  iBmchen  Dermatosen  treten  in  ähnlicher  Weise 

lU'iUgt  zirkumskripte  Affektionen,  zflk  - 
liehkeit^  il  a  aiigememer  Verbreitung  und  erhöht  die  Empfind 
H  hkeit  der  Haut  gegen  differente  Mittel,  wie  Teer  Clirvsarnbin 

i-raS  ä1e°Sai,tLl?w,"‘Te-nd'  ,  Auch  auf  •»“*«•  JoKlan-eichuug 
s  aie  Dant  solcher  Kranken  ausnehmend  leicht. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

tung^  und* Reproduktloii  vo'n  kSgraSln  ^  DeU' 

Mangelhaftigkeit,  fest'unbi^ 

™S«2tEei,r0!ll,k|-?ei1  liacb  Böntgenanf nahmen  Hin. 
vl ’  I  1  1,b&t  oft  Ursprünglich  auch  ganz  fein  gelungen  waren 

.  ,  ^.1.1)1bfleblt  dann  auch  die  Herstellung  und  lithoo-rapliisohe  \'ei- 
vieltal tigung  von  guten  Zeichnungen  nach  RöStgenbilclem 

befimllei,S'  bSt  em<’  Eelhe  ln8truktlver  Zeichnungen  nach  Knoclien- 

Arthropathien.  D  °  ‘  k  ’  °fen-Pest:  Beitrag  au  den  tabiachen 

•  Dtfr  ein.e  Fal1  zei^t  bei  einer  tabischen  Kniegelenksscliwelluinr 
l!!10  ,.  ä'i'ossening  des  Unterschenkelumfanges  durch  derbe  In" 
fiitration  der  Wadenmuskulatur,  nach  D.s  AiitTassuig  eine  der  Ge- 
(  n  vsei  vianivimg-  analoge  Affektion,  in  dem  zweiten  ist  die  seltene 
rH  enkd^'V  Artbropathie  am  Ellenbogengelenk  und  an  einem 
b  ö  e  k  ffnd  n  “ Sfl,ng,ers,  »«“«kenswert.  Im  Gegensatz  zu  K  i  “ 
beteilig  Voi  T  rfa<?  -eine  Barifikation  der  an  der  Arthropathie 

sonderin  VeräSng““  8  ,e,stere  aUerdlnS8  **»»• 

Prag'er  medizinische  Wochenschrift. 

No.  43.  J.  Wedeles-  Rossbach:  Ueber  Einführung  riner  ge¬ 
regelten  Geburtsbeschau.  ö  g 

t  amnL0?nrSpiich^  sich  vori  eiuer  solchen,  der  obligatorischen 
Leichenschau  analogen,  den  Amtsärzten  zu  übertragenden  Mass¬ 
egel  vor  allem  eine  bessere  Belehrung  der  Mütter,  eine  vS- 
,  daag  Tmancher  Sauglmgskra nkheiten  (Augenblennorrhöe)  eine 
Ä^raCl'?ng  dei‘  Hebammen,  alles  in  allem  besonders 
e  nc  Herabsetzung  der  grossen  Kindermortalität  in  den  armen  Be- 
volkerungskla  ssen.  Bergeat- München 


Englische  Literatur. 

Bern  ay  s:  Zur  Frage  der  Dünndarmresektion.  (Aunals 
of  Surgery,  Juni  1902.) 

V  erfasser  resezierte  bei  einem  30  jährigen  Manne  bei  der  Ent¬ 
fernung  eines  Mesenterialsarkoms  9  Fass  31  Zoll  vom  Ileum  und 
ejunnm.  Der  Kranke  erholte  sich  rasch,  leidet  aber  seit  einiger 
Zeit  an  Attacken  von  heftigem  Kopfschmerz  und  gelegentlichem 
Erbrechen  beides  verschwindet  stets  prompt  nach  einem  sali- 
mschen  Abführmittel.  Verfasser  stellt  35  Fälle  von  ausgedehnte-’ 
Resektion  des  Dünndarms  zusammen,  nur  in  4  Fällen  wurde  mehr 
als  m  Verfassers  Fall  entfernt.  Gelegentlich  wurden  Verdauiings- 
beschwerden  beobachtet,  auch  trat  unverdaute  Nahrung  im  Stuhl 
aut  trotzdem  scheint  es,  als  ob  man  ohne  grosse  Gefahr  10  Fass 
entfernen  kann. 

Bo  u  l  f  1  e  u  r:  Die  Bottini  sehe  Operation  von  der  Blasa 
aus.  (Annals  of  Surgery,  Juli  1902.) 

Da  die  Durchbrennung  der  hypertrophischen  Prostata  nach 
°  1 1  ni  eigentlich  doch  ziemlich  im  Dunkeln  gemacht  werden 
muss  und  Neben  Verletzungen  nicht  mit  Sicherheit  auszuschliessen 


1850 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


sind  so  empfiehlt  Verfasser  die  in  die  Blase  vorstehende  Prostata 
durch  einen  suprapubischen  Blasenschnitt  freizulegen  und  nun 
unter  Leitung  des  Auges  von  der  Blase  aus  die  Prostata  mit  dem 
Thermokauter  durchzubrennen.  In  2  Fällen  will  er  aut  diese 
Weise  gute  Erfolge  erzielt  haben.  (Die  Methode  ist  nicht  neu,  mit 
sich  anderen  Autoren  aber  nicht  bewährt.  Refer.) 

A.  M  a  c  C  o  li  key:  Mastitis  purulenta,  hervorgerufen  durch 
den  Typhusbazillus.  (Brit.  Med.  Journ.,  13.  Sept.  1902.) 

Eine  38jälirige  Frau  erkrankte  nach  völlig  abgeheiltem 
Tvplius  an  einer  Mastitis.  Der  durch  Operation  entleerte  Eiter  ent¬ 
hielt  Typhusbazillen  in  Reinkultur.  Während  der  Eiter  sowohl  auf 
die  aus  ihm  gezüchteten  Bazillen,  wie  auch  auf  andere  im  Jennei- 
institut  gezüchtete  Typhusbazillen  stark  agglutinierend  "ii  \  e,  »a,  * 
das  Blut  der  Patientin  nur  eine  sehr  schwache  Serumreaktion. 

E.  T.  Bur  ton:  Cannabis  indica  bei  Chorea  und  Keuch¬ 
husten.  (Ibid.)  „  . 

Die  Tinct.  Cannabis  indicae  hat  sich  dem  Verfasser  in  ein 
sehr  schweren  Falle  von  Chorea  glänzend  bewahrt,  nachdem 
Arsenik  und  Opium  in  grossen  Dosen  keinerlei  Besserung 
gebracht  hatten,  auch  bei  Keuchhusten  wirkt  das  Mittel  prompt 

gCgenCrEHMtfPhy:  Angeborene  Stenose  der  Urethra  (Ibid.) 

Vertes  “r  operferte  bef  einem  24  Stunden  alten  Knaben  da 
auch  die  feinste  Sonde  nicht  passieren  konnte  Es  fand  sich  e 

fast  völliger  Verschluss  der  Harnröhre  1  Zoll  Analer  über 

die  Striktur  war  V,  Zoll  lang  und  wurde  exzulieit  und  spateiuo 

einem  Dauerkatlieter  yenüült.  Glatte  Heilnng. 

dem  Knaben  das  Präputium  fast  v ollstandi». 

SelU' James  Barr:  3  Fälle  von  B  a  n  t  i  scher  Krankheit. 

(LaUNatch2|enauer1Beschreibung  der  3  von  ihm  beobachteten  Fälle 
(Anaemia  splenica)  spricht  Verfasser  die  Ueberzeugung  aus,  dass 
die  Bantfsche  Krankheit  als  eine  vasomotorische  Parese  im  Ge¬ 
biete  des  Splanchnikus  aufzufassen  sei;  hervorgerufen  durch  eme 
Erkrankung  der  viszeralen  Sympathikusganglien.  u's  . 

Anschoppung  der  Leber  und  Milz,  zu  vermehrter  Hamolysis  mit 
Oligochromaemie  und  Oligocythämie.  Nach  und  nach  tritt .  b 
gewebige  Schrumpfung  in  den  befallenen  Organen  auf,  mit  den 
bekannten  Folgen.  Therapeutisch  rät  \  erfassei  nicht  die  L 
fernung  der  Milz,  sondern  eine  kräftige,  leicht  verdauliche  Diät, 
Eisen,  Digitalis  und  grosse  Dosen  von  Chlorkalzium  gegen 
aroheua^Bimungem^:  ^  ^  von  Leistenheraie  nach 

Kocher-Bassini  operiert.  (Ibid.) 

Verfasser  wendet  die  Verfahren  von  Koc  her  und  Bass  in 
kombiniert  an  und  hat  damit  gute  Erfolge  erzieh ®rn h?nV  Jeh 
wichtig,  die  Hautnähte  sehr  frühzeitig  zu  entfernen  oft  nach 
24  Stunden),  da  man  auf  diese  Weise  am  sichersten  Stichkanaleite- 
rungen  und  tiefere  Eiterungen  vermeidet. 

A.  E.  B  a  r  ker:  Operationen  wegen  gutartiger  Magenleiden. 

(Ibl<Verfasser  hat  im  Laufe  des  letzten  Jahres  10  derartige  Fälle 
operiert..  8  mal  operierte  er  wegen  Pylorusstenose  und  Magen¬ 
erweiterung  (1  mal  Sanduhnnagen),  2  mal  wegen  häufiger  u- 
tungen  aus  einem  Magen-  resp.  Duodenalgeschwür.  Alle  Falle 
wurden  geheilt.  Verfasser  legt  grosses  Gewicht  auf  die  \  oi- 
bereitung  der  Kranken.  Mehrere  Tage  lang  spült  er  vor  der  Opera¬ 
tion  den  Magen  häufig  mit  Borsäure  aus,  dann  gibt  er  Darmanti- 
septica  und  Klysmen,  ausserdem  hebt  er  durch  subkutane  In¬ 
fusion  von  5  proz.  Glukoselösungen  den  Kraftezustand.  Die 
Gastroenterostomie  wird  immer  als  retrocolica  und  ohne  Knopf  ge¬ 
macht.  In  der  Nachbehandlung  wird  darauf  geachtet,  dass  der 
Kranke  auf  der  rechten  Seite  und  etwas  aufgerichtet  liegt.  r  ris¬ 
sige  Nahrung  wird  schon  in  den  ersten  24  Stunden  nach  der 
Operation  gegeben,  bei  Brechreiz  wird  sofort  der  Magen  ausge- 

*  H  Raquer:  Der  Gebrauch  der  Narkotika  bei  der  Schlaf¬ 
losigkeit  in  beginnenden  Psychosen.  (Journal  of  Mental  Science, 

JUh  So°  wichtig  es  auch  häufig  ist,  bei  beginnenden  Psychosen 
Schlaf  herbeizuführen,  so  sollte  man  nach  Verfassers  Meinung 
doch  eigentlich  niemals  von  Narkoticis  und  Hypnoticis  Gebrauch 
machen.  Höchstens  sind  ganz  kleine  Dosen  von  Bromsalzen  und 
Alkohol  erlaubt.  Meistens  genügen  protrahierte  warme  Bader  und 
Massage,  beides  Massnahmen,  die  zugleich  auch  den  Appetit  an¬ 
regen  und  den  Stoffwechsel  fördern. 

Dawson  Turner:  Krebs  und  Röntgenstrahlen.  (Bnt.  Med. 

Journ.,  27.  Sept.  1902.)  .  . 

Kurze  Notiz  über  9  Fälle  rezidivierender  Krebse  (o  Biust-, 
1  Larynx-,  1  Unterkiefer-,  2  Drüsenkrebse),  die  durch  Behandlung 
mit  Röntgenstrahlen  wesentlich  gebessert,  oder,  was  das  Bestehen 
von  Tumoren  anlangt,  scheinbar  geheilt  wurden. 

Mayo  Roh  son:  Zur  Radikalbehandlung  der  chronischen 
Darmtuberkulose  mit  Bemerkungen  über  die  Behandlung  fri¬ 
scherer  Formen,  sowie  der  tuberkulösen  Peritonitis.  (Lancet, 

27.  Sept.  1902.)  ,  ...  . 

Die  Arbeit  enthält  7  sehr  interessante  Krankengeschichten 

von  Fällen,  die  wegen  Tuberkulose  des  Magens  und  Darmes  ope¬ 
riert  wurden;  Verfasser  empfiehlt  übrigens,  wenn  wegen  tuberku¬ 
löser  Peritonitis  laparotomiert  wird,  womöglich  immer  den  pri¬ 
mären  Herd  in  den  Tuben,  Mesenterialdrüsen,  tuberkulöse  Darm¬ 
schlingen  oder  Wurmfortsätze  zu  entfernen. 


G.  A.  Moynihan:  Ueber  einige  Fälle  von  chronischer 

Pankreatitis.  (Ibid.)  '  ,  .  , 

Verfasser  hat  im  ganzen  bei  7  Fallen  dieser  nicht  allzu 
seltenen  Krankheit  operiert,  1  mal  fand  er  ein  Gumma  des  Pan¬ 
kreaskopf  es,  2  mal  Steine  im  Ductus  pankreaticus  und  ilei  Papille 
und  4  mal  Steine  im  Ductus  choledochus  als  Ursache  der  chroni¬ 
schen  Verhärtung.  Beseitigung  der  Steine  und  Drainage  dei 
Gallenblase  brachte  in  6  Fällen  Heilung,  in  dem  Gummafalle  tiat 
Heilung  durch  Jodkali  ein.  Verfasser  glaubt  übrigens,  dass  es 

auch  eine  alkoholische  Pankreatitis  gibt.  .  ,  nbid  1 

T  R  Glvmr  2  Fälle  von  gonorrhoischer  Paralyse,  (lind.) 

Im  1  Falle  handelte  es  sich  um  eine  Mischung  von  aufsteigen¬ 
der  Paralyse  und  peripherer  Neuritis,  im  zweiten  um  einfache  peri¬ 
phere  Neuritis  im  Gefolge  einer  Gonorrhöe.  (Da  die  Kranken  g  - 
surnl  wurden,  so  steht  ein  genauerer  Befund  aus,  und  durfte  die 
Diagnose  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben  sein;  che  interessanten 
ausführlichen  Krankengeschichten  sind  im  Original  einzusehen. 

H.  Littlewood:  Ueber  Operationen  unter  spinaler  An- 

&  Verfasser  operierte  als  ersten  Fall  einen  Kranken  mit  Alteis- 
gangrän,  die  Amputation  durch  das  Knie  war  schmerzlos,  üble 
Nebenwirkungen  traten  nicht  ein.  Im  ganzen  hat  er  11  mal  d  e 
Kokainisierung  des  Rückenmarks  angewendet  und  10  mal  volle 
Schmerzlosigkeit  erzielt,  einmal  war  der  Erfolg  ungenügend  doch 
handelte  es  sich  um  einen  sehr  aufgeregten  Kranken.  Ohnmächten 
llaubt  er  durch  vorherige  subkutane  Einspritzung  von  Strychnin 
vermeiden  zu  können.  Trotz  dieses  guten  Erfolges  verwendet  ei 
die  Methode  nicht  gern  und  will  sie  nur  in  den  Fällen  gelten  lassen, 
in  denen  ein  allgemeines  Anästhetikum  als  direkt  lebensgefährlich 
erscheint,  also  z.  B.  bei  Diabetesgangrän  etc. 

William  G.  Savage:  Eine  Erleichterung  der  Leukocyten- 

ZähT»  beiratzt  einen  Zählapparat  nach  T  ho  m  a- Z  e  i  s  s  und 
zieht  .las  Blut  bis  zur  Marke  1,0,  dann  verdünnt  man  es  hundert- 
mal  mit  der  To isson sehen  Lösung  (Methylviolett  0,02o,  Natrium¬ 
chlorid  1,0,  Natriumsulfat  8,0,  Glyzerin  30,0,  Aqu.  dest.  160  ccm, 
die  Lösung  muss  häufig  erneuert  und  vor  dem  Gebrauch  filtriert 
werden).  Nachdem  man  die  roten  Blutkörperchen  m  gewohnte 
Weise  gezählt  hat,  zieht  man  das  Okular  des  Mikroskopes  so  weit 
aus  bis  das  Gesichtsfeld  genau  eine  gewisse  Anzahl  von  Quadraten 
enthält  Diese  Anzahl,  die  das  ganze  Gesichtsfeld  genau  ausfullen 
muss,  bezeichnet  man  mit  x.  Dann  zähle  man  m  verschiedenen 
Gesichtsfeldern  die  Leukocyten  und  dividiere  die  gefundene  Zal 

der  Leukocyten  mit  der  Anzahl  der  Gesichtsfelder  um  die  Dm ch- 

schnittszahl  für  jedes  Gesichtsfeld  zu  erhalten  diese  Zahl  be 
zeichnet  man  mit  y;  die  ^Anzahl  der  Leukocyten  im  Kubikmill 

meter  ist  nun  =  y-  ™here  Begründung  diese 

ynrmpl  ist  im  Originale  nachzusehen.  . 

F.  Parkes  Weber:  Syphilis  und  die  Lebensversicherungen. 

Q  bi  hinter  500  Todesfällen,  die  nacheinander  der  „North  British 
and  Mercantile  Insurance  Company“  zur  Auszahlung  (1er  V  ei- 
«icheruno-ssumme  vorgelegt  wurden,  sind  18  nach  Webers 
Meinung*  der  Syphilis  zuzuschieben  (8  Fälle  von  Dementia  paia- 
lvtica  4  von  Tabes,  3  Hirnerkrankungen  apoplektischer  Natu  , 

3  Herz-  und  Aortenerkrankungen).  Die  Aufnahmeprotokolle  dieser 
'500  KraSken  ergaben  nur  in  3  Fällen  eine  Gesehnte  von  vorbei 
o-po-mo-ener  luetischer  Erkrankung  und  diese  3  Kianken  staibcn 
nhM  an  Folgen  der  Lues.  Runeberg  hat  für  die  finnische  Ver¬ 
sicherung  „Kaleva“  ausgerechnet,  dass  15  Proz.  aller  Todesfälle 
auf  Lues  zurückzuführen:  Weber  berechnet  für  die  englische 
Gesellschaft  nur  3,6  Proz.  Die  Tuberkulosetodesfalle  beiechnet 
2uneberg  für  die  „Kaleva“  auf  21,3.  Weber  für  die  englische 
Gesellschaft  nur  auf  7,8  Proz.;  allerdings  erreichten  240  seiner 
500  Fälle  ein  Alter  von  65  Jahren  oder  darüber.  Weber  «ribrf 
betont  übrigens,  dass  seine  Lebensversicherung  ihre  Kandidaten 
durchschnittlich  aus  den  besser  gestellten  Standen  nimmt,  wahrend 
die  „Kaleva“  auch  viele  Arme  versichert. 

j  Shaw  M’Laren:  Ueber  intraperitoneale  Blasenzerreis- 
sunff.  (Scotish  Medical  and  Surgical  Journal,  Aug.  1902.) 

Der  Riss  in  der  Blase  verläuft  nach  des  Verfassers  Statistik 
fast  immer  in  vertikaler  Richtung,  dies  beruht  wahrscheinlich  auf 
der  Anordnung  der  Muskelfasern,  die  im  intrapentonealen  Ab 
schnitt  der  Blase  vorwiegend  in  der  Längsrichtung  verlaufen. 
Unter  den  Symptomen,  die  auf  Blasenzerreissung  hmweisen,  nimmt 
die  sogen,  „blutige  Anurie“  die  erste  Stelle  ein.  Verf.  v^rwirft  e- 
durchaus,  die  Blase  mit  Luft  zu  füllen,  um  bei  Bestehen  des  Bisses 
das  Entweichen  der  Luft  in  die  Bauchhöhle  und  das  Verschwinden 
der  Leberdämpfung  nachzuweisen.  Dieser  Versuch  fuhrt  leicht  . 
schwerem  Schock.  Die  Behandlung  hat  stets  in  der  . Nalit  m 
Blase  zu  bestehen  und  zwar  näht  Verf.  auch  die  Schleimhaut  diese 
natürlich  mit  Katgut,  darüber  kommen  zwei  Reihen  Bembert- 
scher  Seidennähte.  Er  empfiehlt  ferner,  den  Douglas  zu  garnieren, 
verwirft  dagegen  das  Einlegen  eines  Dauerkatheteis  und  e 
denselben  *du.-cb  regelmäßige»  vierstündiges  Käthe W«« 
2  Krankengeschichten  (1  Fall  geheilt,  1  gestorben)  scliliessen  die 

Alb( Alexander  Bruce:  Ueber  Blutung  im  Rückenmark  wäh¬ 
rend  der  Schwangerschaft.  (Ibid.) 

Eine  31jährige  Frau  erkrankte  im  5.  Monat  der  Schwankt  r 
schaft  plötzlich  mit  Schmerzen  im  Rücken  und  Rumpf,  die  mtolg 


4.  November  1902. 


MUENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1851 


heftigen  Erbrechens  auftreten,  daran  schliesst  sich  sofort  Lähmung 
der  Beine  der  Rumpfmuskeln,  Retentio  urinae,  Verstopfung  und 
4  Unterhalb  des  Proc.  enslformis  ist  di"  Se ™ 

bilitat  völlig  erloschen.  Pie  Lähmung  war  eine  schlaffe,  der  linke 
Kniereflex  war  erloschen,  der  rechte  war  vorhanden;  B  a  b  i  n  s  k  i 
Phänomen  war  vorhanden;  die  tiefen  Reflexe  verschwanden  nach 
b  Tagen,  um  am  10.  zurückzukehren.  Vorübergehend  bestand 
Tarese  beider  Hände;  Dekubitus  trat  rasch  auf.  Inf?  Mo“t 
w  urden  ohne  Gefühl  und  ohne  Wissen  der  Kranken  spontan  Zwll- 
lmge  geboren,  bald  darauf  verstarb  sie  an  Bronchitis  und  Er¬ 
schöpfung.  Die  Sektion  ergab  eine  Anzahl  kleinster  Angiogliome 
und  eine  sehr  ausgedehnte  intramedulläre  Blutung  Verf  schliesst 
au  diesen  Fall  Betrachtungen  über  die  Physiologie  der  Geburt  die 
im  Original  nachzulesen  sind.  ’ 

L.  R.  Sutherland:  Ein  Fall  von  Chloroma.  (Ibid  ) 
Genaue  Krankengeschichte  und  Sektionsprotokoll  eines  dieser 
seltenen  Falle,  die  Verf.  in  enge  Beziehung  zur  Leukämie  bringt 
Die  grünen  Geschwülste  waren  sehr  verbreitet  durch  den  Körper. 

R.  A.  I'  lern  i  n  g:  Ueber  die  periphere  Theorie  der  Nerven- 
regeneration  und  über  periphere  Neuritis.  (Ibid.,  Sept.  1902.) 

Die  Arbeit  bringt  experimentelle  Bestätigung  der  schon  1891 
von  Bungne  r  und  kürzlich  wieder  von  Ballance  und  S  t  e 
wart  aufgestellten  Behauptung,  dass  auch  das  periphere  Stück 
eines  durchschnittenen  Nerven  sich  aus  sich  selbst  regeneriert; 
zur  V  ledei lierstellung  der  Funktion  müssen  die  neugebildeten  peri- 
pheren  Fasern  natürlich  mit  dem  zentralen  Stumpf  wieder  ver¬ 
bunden  werden. 

TubSio3eM(IbMlftn:  D‘e  Behandlun^  d8r  <*‘mrgtachen 

,  ..  Verf.  operiert  in  der  Hospitalpraxis  die  tuberkulösen  Hals¬ 
drusen,  wahrend  er  in  der  Privatpraxis  häufig  durch  Aufenthalt 
an  der  See  und  gute  Ernährung  Heilung  erzielt,  allerdings  nur 
dann,  wenn  die  Falle  frühzeitig  zur  Behandlung  kommen  '  Auch 
in  der  Behandlung  der  Knochen-  und  Gelenktuberkulose  ist  das 
konservative  Verfahren  am  meisten  angezeigt,  es  ist  dazu  aber 
notig,.  Spezialhospitäler  für  diese  chirurgischen  Tuberkulosen  zu 
•  bauen  und  zwar  womöglich  an  der  See. 

Henry  M.  Ohurch:  Ueber  einen  Fall  von  Fistel  im  Je¬ 
junum.  (Ibid.) 

.  ,  Es  f?1  hler  nur  auf  die  für  die  Verdauungsfrage  interessante 
Arbeit  hingewiesen;  die  Kranke  konnte  übrigens  eiweissreiche 
Nahrung  sehr  gut,  vegetabilische  dagegen  nur  schlecht  ausnützen. 

1  uüiew  MacKaig:  Fliegen  und  die  Verbreitung  der 
Cholera.  (Edinburgh  Medical  Journ.,  August  1902.) 

,  Verf-  weist  in  dieser  Arbeit  darauf  hin,  dass  in  Indien  zweifel¬ 
los  die  I  liegen  als  Helfer  bei  der  Verbreitung  der  Cholera  zu  be¬ 
trachten  sind.  Der  Cholerakranke  und  seine  Dejektionen  sind 
buchstäblich  mit  Fliegen  bedeckt,  ebenso  aber  auch  die  Nahrung 
der  Gesunden;  er  führt  eine  Reihe  von  Fällen  an,  wo  Europäer  die 
sehr  vorsichtig  in  Bezug  auf  Wassertrinken  waren,  auf  diese  Weise 
5J1"  , V  »hrscheinlichkeit  infiziert  wurden.  (Im  südafrikanischen 
1  eldzuge  haben  englische  Aerzte  vielfach  darauf  hingewiesen 
dass  Fliegen  den  Typhus  verbreiten.  Ref.) 

J.  A.  Coutts:  Das  Vorkommen  und  die  Behandlung  der 
kruppösen  Pneumonie  im  frühen  Kindesalter.  (Ibid.,  September ) 

Verf.  sieht  eine  grosse  Anzahl  dieser  Fälle  in  seinem  Kranken¬ 
hause  und  zwar  sind  sehr  häufig  die  Oberlappen  ergriffen  Eine 
spezifische  Behandlung  gibt  es  nicht.  (In  England  wird  noch 
immer  auf  Droguen,  wie  Akonit  und  Veratrum  grosses  Gewicht 
gelegt.  Ref.)  Die  Hauptsache  ist  die  Bekämpfung  zu  hoher  Tem- 
peraturen;  Die  Hyperpyrexie,  die  manchmal  am  ersten  Tage  auf- 
tritt  bekämpft  man  am  besten  mit  Opium,  im  späteren  Verlaufe 
der  Krankheit  steht  der  Alkohol  an  etster  Stelle,  event.  in  Ver¬ 
bindung  mit  lauwarmen  Abwaschungen.  Kalte  Packungen  ver¬ 
wirft  Verf.;  das  Bad  erwähnt  er  überhaupt  nicht;  sehr  empfehlens¬ 
wert  sind  nach  seiner  Meinung  dagegen  kühle  Eingiessungen  in 
aas  Rektum.  Gelingt  es  auf  diese  Weise  nicht,  die  Temperatur 
herabzusetzen,  so  gibt  er  Antipyrin  oder  noch  besser  Chinin  in 
Dosen  von  0,2  für  ein  1  jähriges  und  0,35  für  ein  2  jähriges  Kind. 
Heftige  Schmerzen  bekämpft  er  mit  Opium  und  Blutegeln;  die 
Eisblase  verwirft  er,  weil  der  längere  Gebrauch  derselben  leicht  zu 
Kollaps  fuhrt.  Gegen  Schlaflosigkeit  gibt  er  Alkohol,  im  Anfangs- 
stadium  auch  Opium.  Gegen  die  drohende  Herzschwäche  ist 
EUghahs  ganz  machtlos;  von  grossem  Nutzen  sind  dagegen  Alkohol 
und  Strychnin.  In  schweren  Fällen  greift  er  zum  Aderlass  und 
zwar  öffnet  er  die  Arteria  dorsalis  des  Fusses,  da  die  Venen  am 
Arm  bei  kleinen  Kindern  schwer  zu  eröffnen  sind.  Bei  Zeichen 
von  Otitis  oder  Meningitis  setzt  er  Blutegel  hinter  das  Ohr.  Bei 
Empyemen  versucht  er,  besonders  wenn  sie  klein  sind,  zuerst  die 
einfache  Aspiration,  sammelt  sich  wieder  Eiter  an,  so  inzidiert  er 
bei  kleinen  Kindern,  bei  grösseren  reseziert  er  eine  Rippe.  Er 
sowie  sein  chirurgischer  Kollege  im  Shadwell  Hospital  London 
glauben,  dass  die  einfache  Inzision  bei  kleinen  Kindern  völlig  ge- 
nugt;  auffallend  ist  noch,  dass  Verfasser  empfiehlt,  die  Empyem- 
hohle  mit  schwachen  Jodlösungen  auszuwaschen.  Bei  eitriger 
e-IikardA's’  die  er  häufig  sieht,  empfiehlt  er  einen  operativen  Ein- 
giift,  falls  die  Kräfte  des  Kindes  ihn  noch  erlauben.  2  operierte 
Kinder  starben  4  Tage  nach  der  Operation,  die  zu  bedeutender 
zeitweiliger  Besserung  geführt  hatte. 

iqao^011^^11  Hutchinson:  Arsenikkrebs.  (Polyclinic,  Juli 
1902.) 

Am  29.  September  1899  sah  Verfasser  einen  70  jährigen  Mann, 
der  am  rechten  Zeigefinger  und  auf  der  rechten  Schulter  (dort, 
wo  der  Hosenträger  rieb)  ein  eigentümliches  Geschwür  hatte;  da 


ausserdem  noch  Keratose  beider  Handflächen  bestand,  so  dia¬ 
gnostizierte  H  u  t  c  li  i  n  s  o  n  Arsenikkrebs,  d.  h.  ein  Epitheliom, 
das  dl~  "  del\  fortgesetzten  Gebrauch  von  Arsenik  entstanden 
,.Sory011  der  K,ranke  wie  sein  Arzt  behaupteten,  dass  er  nie 
.m^eie  Zeit  Arsenik  genommen  hatte,  genauere  Nachforschung 
jedoch  ergab,  dass  er  seit  dem  Alter  von  20  Jahren  an  Psoriasis 
gelitten  hat,  wogegen  er  häufig  mit  Arsenik  behandelt  wurde;  zu- 

fiZtr^hmT,er  Yir.etiVa  3  Jahren  3  Monate  lang  täglich  21  Tropfen 
des  Liqu.  I  owlen,  dann  traten  Nebenerscheinungen  auf  die  zum 
Aussetou  des  Mittels  zwangen;  bald  nachher  nahm  er  es  jedoch 
"l;.:1'“1  ..mKl  n,ln  traten  zuerst  die  Iteratosen  an  der  Handfläche 
.Ulf ,  spater  traten  auch  Iveratosen  an  den  Seiten  und  am  Rücken 
der  Iunger  auf,  sowie  zahlreiche  kleine  Plaques  von  trockener 
lauher  Haut  an  verschiedenen  Körperteilen,  auch  Im  Gesicht,  am 
Kopf  und  an  den  Fussen  sind  Iveratosen  zu  finden.  Die  exstir- 
pierten  Ulzera  (der  Finger  wurde  amputiert)  zeigten  bei  mikro¬ 
skopischer  Untersuchung  die  Zeichen  des  Epithelioms.  Ein  Jahr 
spater  fand  sich,  nicht  weit  entfernt  von  der  Narbe  an  der  Schulter 
nnn5rOSnr’  subkutaner  Tumor;  die  darüber  liegende  Haut  war 
Im  n  ‘  ••  DleEntfernuug  und  nachfolgende  Untersuchung  ergab 
ein  azinöses  Karzinom.  Hutchinson  hat  zuerst  1887  auf  das 
\  orkomen  dieser  Epitheliome  und  auf  ihren  Zusammenhang  mit 
dem  ubermassigen  Gebrauch  von  Arsenik  hingewiesen.  1894  wuitD 
dann  von  Arbuthnot  Laue  ein  Fall  beschrieben;  ein  63  jähriger 
Mann  hatte  seit  etwa  30  Jahren  wegen  Psoriasis  Arsenik  ge- 
nomrnen.  Apnl  1892  wurde  vom  Rücken  des  Vorderarms  ein 
-  Zoll  grosses  Epitheliom  entfernt;  1893  wurde  3  Epitheliome  des 
Skrotums  entfernt,  9  Monate  später  und  Anfang  1894  wurden  -in 
derseiben  Stelle  neue  Epitheliome  gefunden.  Im  ganzen  wurden 
11  Epitheliome  entfernt.  Obwohl  1893  das  Arsenik  ausgesetzt 

Ferrnw  w**?}  -n°Ch  1  Jahr  später  neue  Epitheliome  auf. 

der  1 H  ti  t  c  hins  on  einen  35  jährigen  Mann  beobachtet, 

f-vlm  r  ?  x.ArSen.1.kgebraucl1  an  Iveratosen  beider  Hände  er- 

v  anlvte,  10  Jahre  später  traten  an  verschiedenen  Stellen  Epi- 

smh  iri4aTl’b?ieAeiltfeiint  WU1'den-  Ein  46  iahriger  Mann  hat  seit 
^  l  t)  Inik  §enomm°n.  In  einer  alten  Psoriasisstelle 

Bauck  tiat  Krebs  auf,  ein  zweites  Epitheliom  fand  sich  am 

stllh  n;mbeideillandf  waren  sprö<3e  und  trocken.  Der  Kranke 
F?fle  sah e“  mn  Hutchinson  gesehen  hatte.  2  weitere 
!w'l!!?v,  i  \l  f  w-er’  m  deuen  bei  Personen,  die  lange  Arsenik  se¬ 
inen  hatten,  Karzinome  am  Halse  auftraten.  (Diese  Fälle  sind 

lae^eUAUSfnaIl  be0baChtet  Iief->  Ferner  sah  er^ine  Dame,  die 
lange  Arsenik  genommen  hatte.  Dezember  1888  trat  Keratose  der 

KeJItoI  <laS  Al‘senik  wurde  ausgesetzt  und  dS 

ilnbnl  H  TVerSCbwanden-  Während  sie  1877  viel  Arsenik  nahm 
nahm  der  Lupus,  an  dern  sie  litt,  alle  Zeichen  eines  Lupus  rodens 
j dann  durch  starke  Aetzmittel  zerstört  wurde.  Eine 
Ain  Hnfse  S  ^  langer  Zelt  an  Keratosis  der  Handflächen, 
wurdl  dm*  Tbltl  h  18olierter  aPfelgrosser  Tumor,  der  entfernt 
.  ’  dl.e  Untersuchung  ergab  Karzinom.  Gleichzeitig  bestand 

'  H  ’eschb  ulst  unter  der  Haut  der  linken  Brustgegend,  ferner 
<  en  die  Leistendrüsen  einer  Seite  stark  vergrössert  Mehrfach 
J,erdickte1  imd  ulzerierte  Hautstellen  aus  den  Handflächen 
g '  .  iniUen  v  oiden,  doch  waren  dieselben  stets  rezidiviert  Hut 
c  h  i  ns  o  n  diagnostizierte  sofort  Arsenikkrebs,  doch  wurde  der  Ge¬ 
brauch  von  Arsenik  geleugnet.  Spätere  Erkundigungen  bei  tom 
Arzte  ergaben  jedoch,  dass  sie  1879  und  1SS0  während  20  Monale 

naehdInI0v1OfPfen  S°L  Fowlen  genommen  hatte.  Sie  starb  bald, 
nachdem  \  eifasser  sie  gesehen  hatte,  unter  dem  Verdacht  von 

im  Gehirn.  (Ich  habe  die  Arbeit  des  bekannten  Dermato- 
ogen  lnev  so  genau  referiert,  weil  eben  Hutchinson  der  Autor 
*st’  »leichzeitig  kann  ich  mich  aber  der  Meinung  nicht  enthalten 
das®  dle  dann  niedergelegten  Theorien  nur  wenig  Anklang  finden 
u  erden,  zumal  da  die  Anzahl  und  auch  die  Art  der  Fälle  nur 
wenig  beweiskräftig  ist.  Ein  so  gesuchter  Konsiliarius  wJe 
a  1 11  s  ?.u  Slellt  doch  sicher  im  Laufe  des  Jahres  eine  grosse 

Anzahl  von  Fällen,  die  lange  Zeit  hindurch  Arsenik  genommen 
haben,  und  es  muss  deshalb  überraschen,  dass  es  ihm  nicht  ge¬ 
lungen  ist,  mehr  einschlägige  Fälle  zu  finden.  Nebenbei  möchte 
II  I  nrh  ei‘wal\nea-  dass  Verfasser  vor  kurzem  auch  die  Meinung 

r'iflr,10i<'10n  dass  eine  Entstehungsweise  der  Sarkome  auf 
Jodkaligebrauch  beruhe.  Ref.) 

,  H*  E  G  oclw  in:  Antistreptokokkenserum  bei  Puerperal¬ 
fieber.  (Lancet,  27.  Sept.  1902.)  * 

Genau  beschriebener  Fall,  bei  dem  290  ccm  Serum  angewandt 
wurden ;  es  scheint,  als  ob  die  schliessliche  Heilung  auf  die  spe¬ 
zifische  Behandlung  zurückzuführen  war. 

serum  ^Ibid )  *'  *'  **  d=  Akute  SePsis  und  Antistreptokokken- 

Dieser  Fall  ist  auch  deshalb  interessant,  weil  das  scheinbar 
so  erfolgreiche  Serum  (trockenes  Serum  des  Institut  Pasteur  zu 
Paus)  bereits  über  2  Jahre  vom  Verfasser  in  Indien  gehalten 
Avorden  war.  8 

_  Charles  Ballance:  Die  Unterbindung  der  Vena  iugularis 
■p 1  Sp?  Sri)  Schlafenbein  ausgehenden  Eiterungen.  (Lancet, 

Die  für  den  Arzt  sehr  lesenswerte  Arbeit  würde  meiner  An¬ 
sicht  nach  erheblich  gewonnen  haben,  wenn  Verfasser  die  zahl- 
leichen  (übei  50)  Zitate  aus  älteren  und  neueren  Dichtungen  fort¬ 
gelassen  hätte,  die  sich  in  einem  wissenschaftlichen  Aufsatz  über 
die  Chirurgie  des  Schläfenbeins  recht  sonderbar  ausnehmen. 
Verfasser  rät,  in  jedem  Falle  eine  möglichst  genaue  Untersuchung 
und  Diagnose  vor  der  Operation  zu  machen  und  womöglich  schon 
vorher  zu  entscheiden,  ob  die  Vena  jugularis  zu  unterbinden  ist 


1852 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  44, 


oder  nicht.  Dies  ist  immer  nötig,  wenn  akute  Pyämie  oder  Sepsis 
besteht,  einerlei,  ob  der  Sinus  flüssiges  oder  geronnenes  Blut  ent¬ 
hält,  ferner  wenn  die  Sinuswand  gangränös  und  sein  Inhalt  faulig 
ist;  dann  wenn  der  Bulbus  jugularis  oder  gar  die  Jugularvene 
tlirombosiert  sind;  in  allen  diesen  Fällen,  also  fast  immer,  entfernt 
Verfasser  die  Vena  jugularis  nach  Abbindung  ihrer  Seitenäste  bis 
/.um  Bulbus  hin.  Bei  Thrombosis  der  Jugularis  interna  beginnt  die 
Abtragung  an  der  Vereinigungsstelle  mit  der  V.  subclavia.  M  o- 
möglicli  beginnt  die  Versorgung  der  Vena  jugularis  die  Operation 
am  Schläfenbein,  dann  erst  legt  man  den  Sinus  vom  Bulbus  jugu¬ 
laris  bis  zur  Torcula  Heropliili  frei  und  entfernt  alle  darübei- 
liegenden  Knochen.  Nur  diese  sehr  ausgedehnten  Operationen 
geben  einen  gewissen  Schutz  gegen  weitere  Verbreitung  des  sep¬ 
tischen  Materials.  Sehr  wichtig  ist  eine  rasche  und  sichere  Aus¬ 
führung  der  Operation. 

H.  D:  Rolleston:  Dauerndes  hereditäres  Oedem  der  un¬ 
teren  Extremitäten.  (Ibid.) 

Verfasser  gibt  die  Krankengeschichten  einer  Mutter  und  lhiei 
beiden  Kinder.  Die  Mutter  leidet  seit  vielen  Jahren  an  Oedemen 
beider  Beine,  bei  den  jetzt  16  resp.  13  Jahre  alten  Kindern  haben 
sich  die  Oedeme,  die  bis  zur  Leiste  reichen,  seit  dem  10.  Lebens¬ 
jahre  bemerkbar  gemacht.  Alle  3  Personen  sind  im  übrigen  völlig 
gesund.  Das  Oedem  verschwindet  bei  Hochlagerung  der  Beine; 
trotz  des  langen  Bestehens  sind  keinerlei  Störungen  an  der  Haut 
der  Beine  zu  verzeichnen,  elephantiastisclie  Schwellung  fehlt  'voll¬ 
kommen.  Verfasser  bespricht  die  mögliche  Aetiologie  dieser 
hereditären  Erkrankung,  sowie  ihre  Beziehungen  zur  Rayn  a  u  d  - 
scheu  Krankheit  und  zur  Erythromelalgie. 

W.  Stuart- Low:  Mucin  und  maligne  Geschwülste. 

Tatsachen  und  Theorien.  (Ibid.)  ... 

Verfasser  betont  in  dieser  Arbeit,  dass  bösartige  Geschwülste 
besonders  bei  Personen  Vorkommen,  die  an  Hjpomyxia  (mangel 
hafter  Schleimabsonderung)  leiden.  Die  nähere  Begründung  dieser 
Behauptung  muss  im  Original  nachgelesen  werden;  liier  sei  nur 
erwähnt,  dass  Verfasser  seine  Krebskranken,  angeblich  nnt  gutem 
Erfolge  mit  Mucin  behandelt,  und  zwar  wird  das  Mucin  sowohl 
innerlich  genommen,  als  auch  in  die  Krebsgeschwulst  resp.  deren 

Nähe  eingespritzt.  ,  .  _  . 

Byrom  Bram  well:  Die  Behandlung  der  akuten  Peri¬ 
karditis.  (Clinieal  Studies,  1.  Okt.  1902.) 

Verfasser  legt  ein  grosses  Gewicht  darauf,  bei  akutem  Gelenk¬ 
rheumatismus  eine  ausschliessliche  Milchdiät  zu  geben:  bei  be¬ 
ginnender  Perikarditis  sucht  er  durch  lokale  Anwendung  von  Hitze 
oder  Kälte  den  Prozess  aufzuhalten;  hat  sich  ein  Erguss  aus¬ 
gebildet,  so  setzt  er  eine  Anzahl  von  Blasenpflastern  auf  die  Herz¬ 
gegend;  nur  bei  Perikarditis  im  Gefolge  von  Nierenentzündung 
oder  Pyämie  vermeidet  er  das  Blasenpflaster,  sonst  glaubt  er 
grossen  Nutzen  davon  gesehen  zu  haben.  Innerlich  gibt  er  Jodkali, 
zuweilen  auch  Merkur,  bei  grossen  Exsudaten  aspiriert  er.  Gegen 
die  Schmerzen  gibt  er  Morphium.  Da  es  niemals  absolut  sicher 
ist,  ob  ein  Erguss  vorliegt  oder  eine  Herzerweiterung,  so  rät  Verf. 
dazu,  lieber  auf  das  Perikard  einzuschneiden  als  zu  punktieren, 
er  selbst  hat  durch  Punktion  mit  nachfolgender  Blutung  in  den 
Herzbeutel  einen  Fall  verloren.  Anhangsweise  spricht  Verf.  noch 
über  die  von  amerikanischen  Aerzten  geratene  direkte  Punktion 
des  Herzens  bei  Erschwerung  des  Kreislaufs.  B  r  a  m  w  e  1 1  und 
S  1  o  a  n  haben  einen  solchen  Fall  geheilt.  Es  handelte  sich  um 
eine  19jähr.  Lehrerin,  die  an  Rheumatismus  und  Perikarditis  er¬ 
krankte.  Während  die  Aerzte  anwesend  waren,  kollabierte  die 
Kranke  plötzlich  und  schien  bereits  tot,  als  man  die  Nadel  eines 
Aspirators  in  den  4.  Interkostalraum  stiess.  Es  folgten  301)  ccm 
reinen  Blutes;  nachdem  das  Blut  auf  gehört  hatte  zu  fliessen  und 
Verf.  die  Nadel  entfernte,  fing  das  Herz  plötzlich  wieder  an  zu 
schlagen.  Es  dauerte  aber  ungefähr  12  Stunden,  bis  ein  einiger- 
massen  leidlicher  Zustand  eintrat,  da  die  Kranke  fortwährend 
schaumige  Massen  avishustete  und  häufig  kollabierte.  Urin  wurde 
erst  24  Stunden  später  entleert,  schliesslich  trat  vollkommene  Hei¬ 
lung  ein.  In  diesem  Falle  wurde  das  Herz  unabsichtlich  punktiert, 
wie  es  scheint  aber  mit  glänzendem  Erfolge. 

R.  J.  Pye- Smith:  Ein  einzig  dastehender  Fall  von  Cyste 
des  Hodens.  (Quarterly  Medical  Journal,  August  1902.) 

Ein  34  jähr.  Arzt  war  vor  ungefähr  6  Jahren  während  eines 
Fieberanfalls  in  Indien  katheterisiert  worden.  Bald  darauf  be¬ 
merkte  er  eine  Schwellung  am  rechten  Hoden,  die  allmählich 
grösser  und  deutlich  cystiseh  wurde.  Die  Punktion,  die  6  Jahre 
später  von  Pye-Smitli  gemacht  wurde,  entleerte  etwa  80  ccm 
einer  milchigen  Flüssigkeit.  Dieselbe  enthielt  zahlreiche  Sperma¬ 
tozoon  und  ausserdem  eine  grosse  Anzahl  von  lebenden  Vertretern 
einer  Acarusart.  Im  ganzen  waren  ca.  800  dieser  lebenden  In¬ 
sekten  vorhanden.  Dr.  Trou  essart  aus  Paris  stellte  fest,  dass 
es  sich  um  einen  nahen  Verwandten  der  Krätzmilbe  handelte,  der 
aber  bisher  noch  nicht  bekannt  war.  Er  beschrieb  ihn  als  „Hestio- 
gaster  spermaticus“.  Trou  essart  glaubt,  dass  ein  eiertragen¬ 
dos  Weibchen  am  Katheter  geklebt  hat  und  mit  ihm  in  die  Urethra 
und  von  hier  aus  durch  den  Ductus  ejaculatorius  und  das  Vas 
doferens  in  den  rechten  Hoden  gelangte.  Hier  legte  das  Insekt 
seine  Eier  und  der  Reiz  der  auskriechenden  Jungen  führte  zur 
Bildung  der  Cyste. 

A.  E.  W  right:  Ueber  die  Erfolge  der  Schutzimpfung  gegen 
Typhus.  (Mit  1  Tabelle.)  (Lancet,  6.  Sept.  1902.) 

Verf.,  der  bekannte  Bakteriologe  des  Netley-Hospitales,  hat 
in  dieser  Arbeit  alle  Zahlen  zusammengestellt,  die  ihm  in  Bezug 
auf  die  von  ihm  inaugurierten  Schutzimpfungen  gegen  Typhus  zu¬ 
gegangen  sind.  Meist  handelt  es  sich  um  Soldaten  in  Indien  oder 


Südafrika.  Es  ist  unmöglich,  hier  das  ganze,  in  2  grossen  Tabellen 
niedergelegte  Zahlenmaterial  wiederzugeben;  ich  beschränke  mich 
deshalb  darauf,  aus  den  24  Unterabteilungen  3  herauszugreifen, 
,lie  die  grösste  Anzahl  von  Einzelbeobachtungen  umfassen.  In 
Indien  wurden  4502  englische  Soldaten  geimpft,  während  25  851  un- 
geimpft  blieben.  Von  den  geimpften  erkrankten  44  (0,98  Proz.), 
von  den  ungeimpften  657  (2,54  Proz,).  Von  ersteren  starben  9 
(0.2  Proz.),  von  letzteren  146  (0,56  Proz.).  Die  Sterblichkeit  der 
Fälle  betrug  1  auf  4,9  im  ersteren,  1  auf  4,5  im  letzteren  Falle. 
Im  belagerten  Ladysmith  waren  1705  geimpfte  auf  10  529  un- 
geimpfte  Soldaten.  Von  ersteren  erkrankten  35  (2,05  Proz.)  und 
starben  8  (0,47  Proz.),  von  letzteren  erkrankten  1489  (14,14  Proz.) 
und  starben  329  (3,12  Proz.).  Die  Sterblichkeit  der  Fälle  betrug 
also  1  auf  4,7  und  1  auf  4,5.  Im  Jahre  1900  wurden  in  Indien 
5999  englische  Soldaten  geimpft,  während  54554  uugeimpft  blieben. 
Es  erkrankten  52  (0,87  Proz.)  und  starben  8  (0,13  Proz.)  gegen 
731  (1,69  Proz.)  und  224  (0,58  Proz.).  Die  Sterblichkeit  unter  den 
Fällen  betrug  1  auf  6,5  und  1  auf  3,3.  Verf.  ist  überzeugt  davon, 
dass  seine  Schutzimpfung  von  grossem  Nutzen  ist;  sie  kann  aber 
auch  gefährlich  werden  und  zwar  dann,  wenn  die  allgemeine  Ver¬ 
fassung  des  Kranken  vor  der  Impfung  eine  schlechte  war  oder 
wenn  ein  Mensch  mit  einer  vollen  Dosis  geimpft  wird  und  ge¬ 
zwungen  ist,  in  einer  typhusgefährlichen  Umgebung  zu  leben,  oder 
wenn  die  Impfung  mit  zu  grossen  Dosen  vorgenommen  wurde 
oder  eine  zweite  der  ersten  sehr  rasch  folgt.  In  allen  diesen 
Fällen  scheint  die  Schutzimpfung  das  Gegenteil  von  dein  zu  be¬ 
wirken,  Avas  sie  leisten  soll,  und  scheint  sie  wirklich  die  Disposition 
für  die  Ansteckung  zu  steigern.  Diese  Nachteile  lassen  sich  aber 
A  crmeiden;  auch  ist  es  gelungen,  einen  Schutzstoff  herzustellen, 
dessen  ImmunisierungSAvert  bekannt  ist,  so  dass  zu  starke  Dosen 
leichter  zu  vermeiden  sind  Avie  früher. 

Thelwall  Thomas:  Die  Tenotomie  der  Achillessehne  bei 
gewissen  Brüchen  des  Beines.  (Ibid.) 

Namentlich  bei  Brüchen  des  unteren  Femureudes,  bei  Schräg¬ 
brüchen  der  Tibia,  bei  tiefsitzenden  Brüchen  der  Tibia  und  Fibula 
und  bei  Brüchen  des  Fersenbeins  hat  Verf.  grossen  Nutzen  von 
der  Tenotomie  der  Achillessehne  gesehen.  Selbst  in  den  Fällen, 
in  denen  eine  Reposition  ganz  unmöglich  schien  resp.  keine 
Schiene  oder  Lagerung  die  Reposition  fixierte,  gelang  es  der  Teno¬ 
tomie,  alle  Schwierigkeiten  zu  überwinden,  so  dass  man  von 
Nageln  oder  Nähen  abselien  konnte. 

Leonard  Rogers:  Der  diagnostische  und  prognostische 
Wert  der  Leukocytenzählung  bei  Cholera  asiatica.  (Ibid.) 

Verf.  hat  gefunden,  dass  bei  Cholera  stets  die  Leuköcyten 
vermehrt  sind;  pathognomonisch  für  Cholera  und  deshalb  für  dia¬ 
gnostisch  sehr  wichtig  hält  er  das  Verhältnis  der  grossen  mono¬ 
nukleären  Zellen  zu  den  Lymphocyten,  erstere  überwiegen  die 
Lymphocyten  und  finden  sich  zu  ihnen  oft  im  Verhältnis  von  2 
zu  1,  statt  1  zu  5,  wie  in  der  Norm.  Ein  prognostisch  sehr  un¬ 
günstiges  Zeichen  ist  es,  Avenn  eine  bedeutende  Leukocytose  (über 
20  000  im  Kubikzentimeter)  besteht  und  gleichzeitig  die  grossen, 
mononukleären  Zellen  stark  vermehrt  sind. 

Byrom  Br  am  well:  Ueber  Chlorose  und  perniziöse  An¬ 
ämie.  (Clinieal  Studies,  1.  Okt.  1902.) 

Ausführliche  Beschreibung  dieser  beiden  Krankheiten.  Verf. 
hält  es  für  sehr  schädlich,  clilorotisehe  Kranke  herumgehen  zu 
lassen;  er  hält  strenge  Bettruhe  für  das  beste  Heilmittel,  daneben 
gibt  er  Eisen  in  grossen  Quantitäten.  In  seinen  Bemerkungen 
über  perniziöse  Anämie  Averden  ausführlich  Hunters  Ansichten 
kritisiert,  der  glaubt,  dass  die  perniziöse  Anämie  als  chronische 
Sepsis  infolge  ausgedehnter  Zahnkaries  aufzufassen  ist.  Ein¬ 
spritzungen  von  Antistreptokokkenserum  haben  Bramwell 
nichts  genützt,  Arsenik  scheint  manchmal  wirksam.  Verf.  hält 
aber  die  Prognose  für  sehr  schlecht,  da  er  selbst  nie  eine  Heilung 
beobachtet  hat.  Er  hat  alle  seine  Fälle  nachverfolgt  und  hat  ge¬ 
funden,  dass  auch  die  Kranken,  die  scheinbar  gebessert  oder  ge¬ 
heilt  das  Krankenhaus  verlassen,  bald  rückfällig  werden  und  an 
ihrer  Anämie  sterben.  J.  P.  zum  Busch-  London. 

Ophthalmologie. 

Steindorff:  Ueber  den  Einfluss  klimatischer  Faktoren 
auf  den  Ausbruch  des  akuten  primären  Glaukomanfalles. 
(Sitzungsber.  d.  Berl.  oplithalmolog.  Gesellsch.  Centralbl.  f.  Augen- 
lieilk.,  August  1902,  S.  238.) 

Das  Beobachtungsmaterial  umfasst  83  Kranke,  an  denen 
vom  1.  Mai  1885  bis  30.  April  1902  102  akute,  primäre  Glaukom¬ 
anfälle  zur  Behandlung  kamen.  65  derselben  fallen  in  die  Zeit 
vom  1.  September  bis  31.  März  und  37  in  die  Sommermonate.  Das 
Maximum  zeigen  Dezember  und  Januar  (11  bezw.  18  Anfälle),  das 
Minimum  der  Juni  (kein  Anfall).  Demnach  kommt  akutes  Glau¬ 
kom  in  der  kalten  Jahreszeit  weit  häufiger  vor  als  in  der 
warmen.  An  der  Hand  der  Veröffentlichungen  des  k.  preuss. 
meteorolog.  Instituts  bespricht  Vortr.  die  klimatischen  Faktoren 
an  den  betreffenden  Aufallstagen  und  Aveist  besonders  der  T  e  m  - 
p  erat  u  r  einen  bedeutenden  Einfluss  zu  auf  die  Spannung  im  Ge- 
fässrolir  bezAv.  Auge.  Andere  klimatische  Faktoren,  Avie  Luft¬ 
druck,  Luftgeschwindigkeit,  absolute  und  relative  Feuchtigkeit 
der  Luft  u.  s.  aa\,  sind  ohne  Bedeutung. 

Bach  L. :  Die  okularen  Symptome  bei  Erkrankungen  des 
Kleinhirns,  der  Vierhügel  und  der  Zirbeldrüse.  (Zeitsclir.  f. 
Augenheilk.,  August  1902,  H.  2,  S.  213 — 237.) 

Die  Arbeit  Bachs  ist  eine  Zusammenstellung  und  kritische 
Betrachtung  der  bisher  in  der  Literatur  veröffentlichten  experimen- 


4.  November  1902. 


MUENCIbENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1853 


teilen  Untersuchungen  und  der  Kasuistik  der  einschlägigen  Fälle. 

I  le  kntische  Betrachtung  lehrt  nun  zunächst  dass  Seli- 
s  t ()  ru  ii  g  e  n  sowohl  bei  Kleinhirnaffektionen  als  bei  solchen 
der  Vierkugel-  und  der  Zirbeldrüse  stets  als  indirekte  Svm 
ptome  zu  betrachten  sind  —  hervorgebracht  entweder  durch  den 
gesteigerten  intrakraniellen  Druck  oder  durch  die  Mitbeteiligung 
des  ausseren  Kniehockers,  der  Sehstrahlung  etc. 

,r.  A  u.?enm  "  ?k  el  Störungen.  Für  die  Diagnose  einer 
Vieiliugelaffektion  ist  in  hohem  Grade  wertvoll  das 
t  ui  handensein  von  s  y  mmetrischen  Augenmuskelaffektionen 
Zu  solchen  wird  es  hauptsächlich  kommen  bei  Erkrankungen  der 
Iv  e  r  n  gebiete  se  1  b  s  t  und  dann,  wenn  vom  Vie  r  h  ü  g  e  1 - 
c  f  ^  k  !^e  e  1  n  Druck  auf  das  Kerngebiet  ausgeübt 
vird.  Aach  dem  Austritt  aus  dem  Kerngebiet  verlaufen  die 

t0in?ndQer  011U  aSern  bekl°1'  Seiten  ziemlich  weit  getrennt  von 
Bei  Kleinhirnaffektio  n  e  n  sind  symmetrische  Läli- 

wmS1  Hier  h  r^t0rillr  Trochlearis  selten  beobachtet 
v  oiden.  Hier  betreiten  die  Augenmuskellähmungen  den  Ab- 

duzens  und  den  okularen  FaziaLis,  und  zwar  ein-  und  doppelseitig 
Ay stagmus,  sowie  konjugierte  Ablenkungen  der  Augen  wer- 
vf  m-61  Kiemhn-nerkrankungen  weit  öfter  als  bei  solchen  der 
\  ierhügel  beobachtet. 

Pupillen.  In  den  vorliegenden  Beobachtungen  von  Stö¬ 
rungen  im  Verhalten  der  Pupillen  können  keinerlei  diagnostische 
Merkmale  weder  für  Kleinhirn-,  noch  für  Vierhügel-Zirbeldrüsen¬ 
erkrankungen  gefunden  werden. 

,  Sensibilitätsstörungen  am  Auge  durch  Affektion 
des  Trigeminus  werden  sowohl  bei  Kleinhirntumoren  als  bei  sol¬ 
chen  der  V lerhugelgegend  beobachtet;  sie  scheinen  bei  ersteren 
häufiger  zu  sein.  H 

*  V,6  rrT  e  U  °  stöl’ungen.  Es  kommen  vor:  Ataxie 

Schnindel,  Hemi-  und  Paraparese  und  -plegie,  Sensibilitäts¬ 
storungen,  Schwerhörigkeit,  Kopfschmerzen.  Ertireclien  etc  Im 
allgemeinen  tritt  bei  Kleinhirnerkrankungen  die  Ataxie  etwas 
fmhzeiüger  und  intensiver  auf,  die  Kopfschmerzen  sind  heftiger 
das  Erbrechen  anhaltender  und  häufiger.  Neben  den  symmetri- 
schen  Augenmuskellähmungen  sprechen  zentrale  einseitige"  T  a  u  b  - 
hct,  durch  Erkrankung  des  mit  dem  tauben  Ohre  fekreuäen 
hinteren  Vierhugels  bedingt,  sowie  deutliche  Ataxie  der  Arme  und 
—rscho^atische  Bewegungen  mehr  für  die  Lokalisation  des 
Krankheitsherdes  im  Vierhügel. 

f  a  P'  RT.Ö-^er;  Zur  Fra§'e  des  Blendungsschmerzes.  (Zeitsclir 
f.  Augenheilk.,  August  1902,  H.  2,  S.  237  ) 

scinvom  wVTbtrheft  ?er  klin-  MonatsbL  f.  Augenheilk.  1901  be- 
.  hieibt  TV  A.  N  a  g  e  1  seine  Beobachtungen  „über  den  Ort  der 
Auslosung  des  Blendungsschmerzes“,  wonach,  wie  wir  seinerzeit 
berichtet,  beim  plötzlichen  Einfall  hellen  Lichtes  ins  Auge  neben 
dein  Blendungsgefühl  auch  noch  unter  Umständen  wirklicher 

Srt  meiv  nnf^UgewftrittL,Nagel  ist  der  Meiu«ng,  dass  dieser 
r  H  u  öeftigeu  Zu^ammenziehung  der  Iris  beruhe  und 

Tnrnw  i,  Beweis  dafür  das  Ausbleiben  dieses  Schmerzes  bei 
LnuhesteHung  der  Pupille  durch  Homatropin. 

,  Corner  hat  nun  die  Nage  Ischen  Angaben  über  den  Blen- 
dungssclimerz  mit  Unterstützung  von  G  medizinisch  gebildeten 

rten'eL^o?igtePn  rrrDie  VerSuche  werden  unter  den  vefschieden- 
'  Beleuclitungsdifferenzen  nach  verschieden  langen  Dunkel- 
adaptionen  beim  Blick  gegen  wolkenlosen  Himmel  und  direkt  in 

a  t  SÄllt;  dieselben  ergaben,  „dass  von  einem  im  Auge 
auftretenden  Sch  m  e  r  z  keine  Rede  sein  kann“.  Unangenehme 

nihahenUUg  UUd  Scllmerzempfinduhg  ist  hier  scharf  auseinander- 

It.  folgert  weiter:  Wenn  es  richtig  wäre,  dass  die  heftige  Zu- 

bedinSUZiohU“:?  /leSv  Spllinkter  pupillae  den  Blendungsschmerz 
der  iiL  i  usste  dleser  Schmerz  noch  heftiger  auftreten,  wenn 
üen  n  .it  gez™m&n  wird,  sich  noch  viel  stärker  zu  kontra- 

stärkste  Lichtintensität  bewirken  kann, 
Blenrbin o-n  Eserinwirkung.  Der  Versuch  zeigte,  dass  hiebei  die 
Ilen-pn  in.r  J1Z|  enorm.  war’  aber  V011  keinem  der  kontrollierenden 
träufeln  w  Scdime.rz  !™  Auge  empfunden  wurde.  Auch  bei  Ein- 
K',n  i  Bserm  m  die  Augen  von  lichtscheuen  ekzematösen 
i\  winken  wurde  keine  Zunahme  der  Lichtscheue  beobachtet. 

abfiihr  Ueber  Tränenabsonderung  und  Tränen- 

Gesefisr-l?  ,  Exstirpation  der  Säcke.  (Verhandl.  d.  Ophthalm. 
(jcsellsch.  zu  Heidelberg  v.  Jahre  3902.) 

öO  Patienten,  denen  der  Tränensack  vor  3 — 81/,  Jahren 

Hälfte 'der  U"  n  ^i  Waf’  lmt.  ^  ortr'  eruiert,  dass  iu  der  grösseren 
WhKle  tSJ  16  V  iV1?0  1111  Zimmer  nicht,  wohl  aber  stets  im 
ri  on  +  nm'  dle.  kle,meFe  Hälfte  gibt  an,  dass  nach  der  Ope- 
beruht  nä  h/  ™“entruufeln  besser  geworden  sei.  Die  Besserung 
be  m  Menti  em,er  Ati;opllie  der  Tränendrüse;  eine  solche  ist 
kennen  F«  w  ?  ■  \  !  Velen  Jahren  klinisch  nicht  zu  er- 

vom  nnnnu  ^  crdeii  viel  in  ehr  beim  ruhigen  Aufenthalt  im  Zimmer 

v  !!•  n?  ’r™  Y  uge  Tranen  in  so  geringer  Menge  produziert  (%  bis 

niefs/  niciu3?  '  niir  lüle  1—2  Stunden  ein  Tropfen  fliesst,  was 
Bindeh  nii*!  Tranen  empfunden  wird.  Für  die  Befeuchtung  der 

lriut  pHouI  -11^  d‘eSe  Sekretion  nickt  in  Betracht;  die  Sclileim- 
.  nt  eilialt  sich  vorzugsweise  selbst  feucht.  Wenn  nach  Ex- 

iunkt'ivit'i  dai  Tranenträufeln  fortdauert,  so  liegt  entweder  Kon- 
Be  em  L  er1  Entropium  vor.  Führt  hier  eine  entsprechende 
;  “lc.ht  bald  zum  Ziel,  so  soll  man  zur  Entfernung  der 

paipebralen  Druse  schreiten.  Rhein. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Konferenz  des  internationalen  Zentralbureaus  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose 

zu  Berlin  v o  m  22. — 26.  Oktober  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

Alkohol,  Syphilis,  Tuberkulose  —  die  drei  Erbfeinde  des 
Menschengeschlechts !  Wohin  man  um  sich  blickt,  überall  ist 
dci  Rumpf  gegen  sie  entbrannt  und  wird  auf  der  ganzen  Linie 
mit  zähester  Erbitterung  geführt.  Wo  auf  irgend  einer  Tagung 
die  Gelegenheit  sich  bietet,  auf  dem  Frauentage,  auf  "dem 
Ki  ankenkassentage,  da  sucht  man  ihnen  einen  Hieb  zu  versetzen 
und  schliesslich  lässt  man  auch  das  schwerste  Geschütz  auffahren, 
das  die  moderne  Zeit  kennt :  die  Hongresse'!  In  Stuttgart  kon¬ 
zentrierte  sich  die  Armee  der  Antialkoholisten,  m  Brüssel  ver¬ 
sammelten  sich  die  Venereologen  aus  aller  Herren  Länder  zur 
Beratung  prophylaktischer  Massregeln  gegen  die  Syphilis,  vor 
einer  Woche  konstituierte  sich  in  Berlin  die  Deutsche  Gesell¬ 
schaft  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten  und  vor 
o  ragen  wurde,  ebenfalls  in  Berlin,  die  Honferenz  des  inter¬ 
nationalen  Zentralbureaus  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  er¬ 
öffnet.  Man  sieht,  es  ist  viel  sozialer  Kampfesmut  in  der  Welt 
und  das  internationale  Heer  der  Tuberkulosekämpfer,  das  in 
diesen  lagen  zu  gemeinsamer  Aussprache  hier  zusammenkam, 
machte  einen  recht  stattlichen  Eindruck.  Man  sah  die  Träger 
bekannter  N  amen  des  In-  und  Auslandes,  besonders  zahlreich 
waren  die.  Delegierten  aus  Frankreich,  Oesterreich  und  Russ¬ 
land  erschienen..  Heber  das  Wesen  und  den  Zweck  dieser  Kon¬ 
ferenz  wollen  wir  noch  vorausschicken,  dass  das  „Zentralbureau 
zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose“  als  eine  internationale  Zentral¬ 
stelle  von  den  in  den  meisten  Ländern  bestehenden  Tuberkulose¬ 
gesellschaften  begründet  wurde.  Die  Organisation  des  inter¬ 
nationalen  Bureaus  wurde  dem  deutschen  Zentralkomitee 
übertragen,  der  Organisationsausschuss  besteht  aus  den  Herren 
A.l  t  h  o  f  f ,  B.  Fraenkel,  v.  Leyden  und  Pannwitz. 
Die  jetzt  stattfindende  Konferenz  ist  die  erste  Versammlung 
sämtlicher  Mitglieder,  zu  ihren  Aufgaben  gehört  ausser  der 
gegenseitigen  Aussprache  über  alle  aktuellen  Fragen  der  Tuber¬ 
kulosebekämpfung  u.  a.  auch  die  Organisation  der  internatio¬ 
nalen  T  uberkulosekongresse. 

Die  Verhandlungen  wurden  von  dem  Präsidenten,  Staats- 
minister  v.  Posadowsky,  mit  einer  längeren  Ansprache  er¬ 
öffnet,  es .  folgten  Begrüssungsreden  durch  den  Vizeoberzere- 
monienmeister  der  Kaiserin  und  durch  den  Oberbürgermeister 
von  Berlin  und  dann  begann  B.  Fraenkel  -  Berlin  die  Reihe 
der  Vorträge  mit.  einem  Ueberblick  über  die  Entwicklung  des 
Kampfes  gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrankheit  bis  zur  Be¬ 
gründung  des  internationalen  Bureaus.  Er  erwähnte  die  For¬ 
schungen  von  Virchow,  Vi  llem  in  und  Koch,  welche 
uns  die  Erkennung  des  Wesens  der  Krankheit  als  einer  Infektions¬ 
krankheit  ermöglichten.  Die  Richtung,  in  welcher  sich  die  Be¬ 
stie  billigen  zur  Verhütung  der  Krankheitsverschleppung  bewegen 
müssen,  ist  durch  die  Untersuchungen  von  Cornet  und  Flügge 
angegeben,  die  Wege,  welche  zur  Heilung  führen,  sind  von 
B  rehmer  und  Dettweiler  gezeigt;  worden.  Die  auf  der 
Grundlage  der  gewonnenen  Erkenntnisse  allenthalben  errichteten 
^  olksheilstätten  haben  schon  jetzt  schöne  Erfolge  aufzuweisen. 
An  diese  Ausführungen  schlossen  sich  Mitteilungen  über  den 
Stand  der  Bestrebungen  gegen  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose 
m  den  einzelnen  Ländern  an;  und  als  dritter  Punkt  der  ersten 
Sitzung  wurden  die  Mittel  zur  weiteren  Propaganda  besprochen. 
Die  gesamte  .  Tagesordnung  ist  eine  ungemein  reichhaltige  und 
es  kam  dabei  eine  solche  Fülle  anregender  Fragen  zur  Erörte¬ 
rung,  dass  wir  uns  im  Rahmen  dieses  Referates  darauf  be¬ 
schränken  müssen,  aus  den  Vorträgen  und  den  von  den  ein¬ 
zelnen  Rednern  aufgestellten  Leitsätzen  nur  das  Wichtigste  in 
kurzen  Zügen  hervorzuheben.  Obertüschen  -  Wiesbaden  be¬ 
sprach  die  Aufgaben  der  Schule  bei  der  Schwindsnchtsbekämpf- 
ung.  Als  Hauptträgerin  der  Kultur  habe  sie  das  Recht  und 
als  eine  obligatorische  staatliche  Einrichtung  die  Pflicht,  an 
dieser  allgemeinen  sozialen  Aufgabe  im  Interesse  der  Lehrer  und 
der  ihr  anvertrauten  Schüler  mitzuwirken.  Die  Heilbarkeit  der 
Krankheit  einerseits,  ihr  ansteckender  Charakter  andrerseits  be¬ 
dinge  die  Fernhaltung  aller  tuberkulösen  Kinder  und  Lehrer 
von  der  Schule.  Die  erkrankten  Kinder  müssen  möglichst  in 


MUENCLIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


1854 


einer  Kinderheilstätte  untergebracht,  dem  Lehrer  müsse  Gelegen¬ 
heit  gegeben  werden,  ohne  dass  sein  Gehalt  eine  Verminderung 
erleidet,  solange  in  einer  Heilanstalt  zu  bleiben,  wie  seine  Krank¬ 
heit  noch  übertragbar  ist  resp.  solange  es  ärztlicherseits  für  not¬ 
wendig  erachtet  wird.  Bei  der  Natur  des  Krankheitserregers 
habe  die  direkte  Prophylaxe,  welche  in  einer  Vermeidung  der 
unmittelbaren  Ansteckungsgefahr  besteht,  nur  bedingten  W  ert, 
um  so  grösseren  aber  die  indirekte  Prophylaxe,  welche  auf  die 
Bekämpfung  der  durch  die  Disposition  begründeten  Verbrei¬ 
tungsgefahr  gerichtet  ist.  Diese  indirekte  Prophylaxe  wird  in 
erster  Linie  in  einer  grösseren  Berücksichtigung  der  freien 
Leibesübungen  zu  bestehen  haben,  insbesondere  solcher  Hebungen, 
welche  der  Kräftigung  der  Lungen  und  des  Herzens  dienen. 
Auf  diese  Lungengymnastik  ist  besonders  zur  Pubertätszeit  Wert 
zu  legen,  wo  erfahrungsgemäss  ein  vorhandener  Krankheitskeim 
am  leichtesten  sich  entwickelt.  Die  Schule  soll  auch  den  von  ihr 
entlassenen  Zöglingen  bei  der  Berufswahl  zur  Seite  stehen  und 
überhaupt  alle  diejenigen  Bestrebungen  unterstützen,  welche 
zur  Kräftigung  der  heranwachsenden  Jugend  beitragen.  Schliess¬ 
lich  soll  die  Schule  auch  die  Belehrung  der  Schüler  über  die  Natur 
der  Infektionskrankheiten  und  die  Mittel  zu  ihrer  Verhütung 
in  den  Bereich  ihrer  Tätigkeit  ziehen;  zu  diesem  Zweck  müssen 
die  Lehrer  auf  dem  Seminar  die  entsprechende  Vorbildung  er¬ 
halten.  Bei  der  Durchführung  dieser  Aufgaben  wird  die  Schule 
der  Mitwirkung  ärztlicher  Kräfte  nicht  entraten  können,  daher 
ist  eine  wirksame  Mithilfe  der  Schule  bei  der  Schwindsuchts¬ 
bekämpfung  nur  bei  der  überall  durchzuführenden  Anstellung 
von  Schulärzten  zu  erreichen. 

Nach  einer  kurzen  Pause,  während  welcher  Grunmach- 
Berlin  die  von  ihm  ausgestellten  sehr  instruktiven  Aktinogramme 
aus  dem  Gebiete  der  Brusticrankheiten  und  Blumenthal- 
Moskau  eine  von  ihm  zusammengestellte  „Tuberkulosekollektion“ 
erläuterte,  wurde  die  Nachmittagssitzung  eröffnet,  deren  The¬ 
mata  die  Anzeigepflicht,  Polikliniken  und  Dispensaires,  Werk¬ 
stätten  und  sonstige  geschlossene  Räume  und  Sputumbeseitigung 
waren.  Vor  Eintritt  in  die  Tagesoi’dnung  machte  v.  Baum- 
g’  a  r  t  e  n  -  Tübingen  eine  kurze  Mitteilung  über  den  „Kampf 
gegen  die  Tuberkulose  vom  Standpunkte  der  pathologischen 
Mykologie“.  Er  entwickelte  dabei  seine  Ansichten  über  die 
Natur  des  Krankheitsgiftes  und  die  Art  seiner  Verbreitung.  Den 
Tuberkelbazillus  innerhalb  des  Organismus  zu  töten,  ist  bisher 
nicht  gelungen;  alle  Versuche,  welche  darauf  hinzielten,  be¬ 
wirkten  nur  eine  Vernichtung  des  Gewebes,  in  welchem  der 
Bazillus  lebt.  Nichtsdestoweniger  müssen  die  Versuche  zur 
direkten  Vernichtung  des  Krankheitserregers  im  Körper  fort¬ 
gesetzt  werden.  Hm  die  Ausbreitung  der  Krankheit  zu  ver¬ 
hindern,  bemüht  man  sich,  die  aus  dem  erkrankten  Körper 
stammenden  Tuberkelbazillen  unschädlich  zu  machen.  So  wesent¬ 
lich  das  auch  ist,  so  dürfen  doch  auch  die  anderen  Faktoren 
der  Tuberkuloseverbreitung  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden, 
das  sind  die  Vererbung  und  Disposition.  Gegenüber  der  heute 
fast  allgemein  herrschenden  Ansicht,  dass  die  Vererbung  nicht 
in  einer  unmittelbaren  Hebertragung  der  Krankheit  von  der 
Mutter  auf  das  Kind,  sondern  in  einer  Vererbung  der  Krankheits¬ 
anlage  besteht,  betont  v.  Baumgarten,  dass  eine  direkte 
Vererbung  sehr  wohl  vorkomme,  und  dass  man  tuberkulöse  Er¬ 
krankungen  bei  Kindern  in  den  ersten  Wochen,  ja  in  den  ersten 
Tagen  ihres  Lebens  konstatiert  habe.  Diesen  Fällen  gegenüber 
können  die  Einwände,  dass  es  sich  um  eine  durch  den  engen 
Verkehr  mit  den  Eltern  bedingte  Ansteckung  handle,  nicht  als 
stichhaltig  angesehen  werden.  Neben  der  Heredität  ist  natürlich 
die  Disposition  von  wesentlicher  Bedeutung;  das  eigentliche 
Wesen  der  Disposition  ist  uns  aber  noch  nicht  völlig  bekannt; 
um  eine  krankhafte  konstitutionelle  Anlage  zu  bekämpfen,  sind 
wir  auf  die  allgemeinen  hygienischen  Massregeln  angewiesen. 

In  Vertretung  des  abwesenden  van  R  y  n  -  Brüssel  ent¬ 
wickelte  D  e  w  e  z  die  Prinzipien  der  Anzeigenflicht  hei  Tuber¬ 
kulose.  Hm  die  Ansteckungsherde  zerstören  zu  können,  muss  man 
vor  allem  über  ihren  Ritz  unterrichtet  sein,  aus  diesem  Grunde 
bedarf  es  für  alle  Länder  der  gesetzlichen  Regelung  der  Anzeige¬ 
pflicht.  Bei  der  Durchführung  dieser  Forderung  wird  man  aller¬ 
dings  mancherlei  Einwänden  begegnen;  durch  die  Anzeige  der 
Erkrankung  könne  der  Arzt  in  Konflikt  kommen  mit  seiner 
Pflicht  zur  Wahrung  des  Berufsgeheimnisses  und  der  Kranke 
einen  Eingriff  in  seine  persönliche  Freiheit  erleiden.  Aus  Furcht 
vor  einem  solchen  würde  der  Kranke  sich  vielfach  der  ärztlichen 


Beobachtung  zu  entziehen  suchen,  und  dadurch  würde  sein  Zu¬ 
stand  verschlimmert  werden.  Auch  wirtschaftlich  würde  der 
Kranke  geschädigt  werden;  denn  dadurch,  dass  seine  Krankheit 
bekannt  ,wird,  würde  er  Gefahr  laufen,  seine  Stellung  zu  ver¬ 
lieren  und  keine  Beschäftigung  zu  finden,  van  R  y  n  ist  jedoch 
der  Ansicht,  dass  diese  Einwände  gegenüber  dem  grossen  all¬ 
gemeinen  Interesse  nicht  schwer  ins  Gewicht  fallen.  Allerdings 
wird  man  sich  hüten  müssen,  bei  der  praktischen  Durchführung 
der  Anzeigepflicht  allzu  schroff  vorzugehen,  man  wird  sie  viel¬ 
mehr  Schritt  für  Schritt  zur  Ausführung  bringen  müssen.  In 
erster  Reihe  ist  eine  genaue  Statistik  der  Todesfälle  an  Tuber¬ 
kulose  in  allen  Ländern  erforderlich.  Ferner  müssen  die  Ver¬ 
walter  von  Asylen,  Gefängnissen,  Pensionaten,  Hotels  und 
anderen  Häusern,  in  denen  eine  grössere  Anzahl  von  Personen 
Zusammenkommen,  verpflichtet  werden,  den  Namen  und  den 
letzten  Aufenthaltsort  jedes  in  den  betreffenden  Anstalten  ver¬ 
kehrenden  Tuberkulösen  zur  Anzeige  zu  bringen.  Diese  Ver¬ 
pflichtung  kann  auch  dem  behandelnden  Arzt  auferlegt  werden. 
Nach  erfolgter  Anzeige  müssen  die  Behörden  sofort  die  not¬ 
wendigen  prophylaktischen  Anordnungen  treffen.  Bei  Erkran¬ 
kungen  von  Privatpersonen  soll  eine  freiwillige  Anzeige  durch 
die  behandelnden  Aerzte  eingeführt  werden.  Es  soll  dann  zu¬ 
nächst  den  Kranken  und  ihrer  Umgebung  selbst  überlassen  blei¬ 
ben,  die  erforderlichen  Massnahmen  gegen  die  Weiterverbreitung 
der  Krankheit  zu  treffen ;  und  erst  wo  sich  das  nicht  als  aus¬ 
reichend  erweist,  sollen  die  Behörden  eingreifen.  Ob  die  frei¬ 
willige  und  unentgeltliche  Anzeige  genügt,  oder  ob  es  zweckmässig 
sein  wird,  Prämien  für  die  Ermittelung  der  Krankheit  auszu¬ 
setzen,  und  ob  es  schliesslich  möglich  sein  wird,  die  allgemeine 
Anzeigepflicht  einzuführen,  wird  Sache  der  einzelnen  Re¬ 
gierungen  sein.  Dass  diese  letztere,  weitestgehende  Vorschrift 
gute  Früchte  zu  zeitigen  geeignet  ist,  beweise  das  Beispiel-Mer 
Vereinigten  Staaten,  besonders  New-Yorks,  wo  im  Laufe  der  letz¬ 
ten  Jahre  die  Tuberkulosesterblichkeit  um  30  Proz.  zurückge¬ 
gangen  sei. 

Im  Anschluss  an  diese  Ausführungen  schilderte  Andvord- 
Christiania  die  einschlägigen  Verhältnisse  in  Norwegen,  wo  seit 
dem  1 .  Januar  1902  das  Gesetz,  betreffend  die  Anzeigepflicht  bei 
tuberkulösen  Krankheiten,  in  Kraft  ist.  Anzeigepflichtig  sind 
nur  die  Fälle,  welche  mit  solchen  Absonderungen  verbunden  sind, 
von  denen  eine  Ansteckungsgefahr  zu  befürchten  ist.  Die  An¬ 
zeige  muss  durch  den  behandelnden  Arzt  erfolgen,  und  zwar  an 
den  Vorsitzenden  der  Gesundheitsbehörde,  welcher  ebenfalls 
immer  ein  Arzt  ist.  Besondere  Schwierigkeiten  haben  sich  bis 
jetzt  nicht  ergeben,  ein  abschliessendes  Urteil  über  den  Wert 
der  Einrichtung  lässt  sich  bei  der  Kürze  der  Zeit  bis  jetzt  nicht 
fällen. 

In  der  Diskussion  wies  v.  Schroetter-  Wien  darauf 
hin,  dass  es  sich  hier  um  eine  für  die  Kranken,  die  Behörden  und 
die  Aerzte  in  gleicher  Weise  höchst  schwierige  Frage  handle,  und 
machte  den  Vorschlag,  es  solle  ein  internationales  Komitee  ein¬ 
gesetzt  werden,  welches  die  Frage  beraten  und  dann  seine  Vor¬ 
schläge  dem  internationalen  Zentralbureau  unterbreiten  solle. 
Dieses  sollte  sie  dann  wieder  den  einzelnen  Regierungen  vorlegen 
und  ihnen  auf  diese  Weise  zugleich  den  Rückhalt  schaffen,  den  sie 
bei  der  Einführung  so  einschneidender  gesetzlicher  Bestimmungen 
brauchten.  Kirchner  zeigte  an  der  Hand  der  Bestimmungen, 
welche  in  den  einzelnen  Staaten  eingeführt  sind  und  ein  sehr  ver¬ 
schiedenartiges  Bild  zeigen,  Avie  ausserordentlich  schwierig  die 
Behandlung  der  ganzen  Materie  ist.  Er  empfiehlt  ebenfalls  ein 
nicht  zu  schroffes,  schrittweises  Vorgehen.  Vorerst  müsse  man 
sich  damit  begnügen,  jeden  Todesfall  an  Tuberkulose  und  jeden 
Fall  vorgeschrittener  Lungen-  oder  Kehlkopftuberkulose,  welcher 
mit  der  Gefahr  der  Weiterverbreitung  der  Krankheit  verbunden 
ist,  zur  Anzeige  zu  bringen;  diese  Bestimmungen  können  eventuell 
später,  wenn  sie  sich  als  nicht  ausreichend  erAAreisen,  weiter  aus¬ 
gedehnt  werden. 

Heber  die  Tuberkulosebekämpfung  in  Frankreich,  speziell 
über  die  „Dispensaires  antituberculeux“  berichtete  Calmette- 
Lille.  Diese  „Dispensaires“  stellen  Einrichtungen  dar,  Avelche 
von  den  betreffenden  Stadtbehörden  und  den  dabei  interessierten 
privaten  Gesellschaften  unterhalten  werden  und  den  Zweck  haben, 
durch  häusliche  Hilfe,  welche  den  Kranken  gewährt  wird,  sowie 
durch  ärztlichen  und  materiellen  Beistand  und  durch  Belehrung 
vorbeugend  gegen  die  Tuberkulose  zu  wirken.  Sie  sollen  also  die 
Sanatorienbehandlung  nicht  ersetzen,  sondern  ergänzen.  Ihre 
Zahl  hat  sich  im  Laufe  der  letzten  2  Jahre  erheblich  vergrößert, 
i  Die  Aufgabe  des  leitenden  Arztes  besteht  nicht  nur  in  der  Er- 
I  teilung  ärztlicher  Ratschläge,  sondern  er  muss  die  Kranken  auch 


4.  November  19Ö2. 


1\IÜEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SOHR 1 FT. 


1855 


auf  die  in  ihrem  eigenen  Interesse  und  dem  ihrer  Umgebung 
zu  treffenden  prophylaktischen  Massregeln  aufmerksam  machet 
besonders  auf  die  Innehaltung  der  nötigen  Sauberkeit  in  ihren 
Wohnungen  und  bezüglich  ihrer  Wäsche;  und  schliesslich  muss 
er  ihnen^ Lebensmittel  zur  Verfügung  stellen  für  die  Zeit,  in  der 
sie  am  "V  erdienen  ihres  Lebensunterhalts  verhindert  sind/  Einen 
Typus  dieser  Einrichtungen  stellt  das  Dispensaire  „Emile  Roux“ 
in  Lille  dar,  dessen  Betrieb  C  a  1  m  e  1 1  e  im  einzelnen  beschreibt. 
Es  besteht  dort  der  Grundsatz,  dass  die  grösste  Hilfe  denjenigen 
armen  Kranken  zu  gewähren  ist,  welche  am  wenigsten  leidend 
sind.  Darin  liegt  keine  Inhumanität,  sondern  das  Bestreben,  das 
Leben  der  Kranken  möglichst  zu  verlängern  und  sie  wieder 
leistungsfähig  zu  machen.  Nach  dem  Grade  ihrer  Bedürftigkeit 
und  dem  Stadium  ihrer  Krankheit  werden  die  Patienten  in 
3  Kategorien  eingeteilt.  Bei  der  ersten  Kategorie  erhält  jeder 
Kranke  die  Miete,  100  kg  Kohlen  pro  Monat  und  250  g  Ochsen¬ 
fleisch  für  jeden  zweiten  Tag;  in  der  zweiten  Kategorie  100  kg 
Kohlen  pro  Monat,  1  kg  Brot  und  1  Liter  Milch  pro  Tag  und 
ferner  täglich  einen  Gutschein  für  ein  Mittagbrot  in  den  Volks¬ 
küchen,  welches  aus  Suppe,  Gemüse  und  Fleisch  besteht.  Die 
dritte  Kategorie  endlich  erhält  täglich  1  Liter  Milch  und  wöchent¬ 
lich  13  Eier.  Ausserdem  wird  jedem  Kranken  ein  Spucknapf, 
eine  Taschenspuckflasche  und  das  nötige  Quantum  Lysol  ein¬ 
gehändigt,  nach  Bedarf  auch  Kleidung  und  Schuhwerk  verab- 
i  eicht.  In  bestimmten  Zwischenräumen  werden  die  Wohnungen 
der  Kranken  gesäubert  und  desinfiziert  und  ihre  Wäsche  zum 
Reinigen  abgeholt.  Die  Kranken  stellen  sich  zu  bestimmten 
Zeiten  zur  Untersuchung  vor;  ihr  Auswurf  wird  mindestens 
einmal  im  Monat  untersucht;  soweit  es  irgend  angängig  ist,  wer¬ 
den  die  Kinder  in  ein  am  Meer  gelegenes  Sanatorium  geschickt. 
Ein  Angestellter  des  Dispensaire  besorgt  die  hygienische  Be¬ 
lehrung  in  den  lamilien.  Die  durchschnittliche  Frequenz  be¬ 
tlägt  jetzt  etwa  120  pro  lag,  wovon  ungefähr  je  20  der  ersten 
und  zweiten  und  80  der  dritten  Kategorie  angehören;  für  diese 
120  Kranken  belaufen  sich  die  Kosten  auf  ungefähr  2500  Fr. 
monatlich,  wobei  aber  die  allgemeinen  Unkosten  nicht  eingerech¬ 
net  sind.  Die  Unterstützungsdauer  schwankte  zwischen  1  und 
9  Monaten,,  dabei  wurden  zum  Teil  recht  befriedigende  Resultate 
erzielt.  \  iele  der  Kranken  konnten  ihre  Arbeit  wieder  auf¬ 
nehmen  und  boten  das  Bild  vollster  Gesundheit  dar.  Angesichts 
dieser  Erfolge  müssen  die  Bestrebungen  dahin  gehen,  viele  der¬ 
artige  Einrichtungen  zu  treffen,  und  besonders  in  den  Industrie¬ 
städten  Anstalten  zu  schaffen,  in  denen  nicht  nur  Konsultation 
abgehalten,  sondern  auch  die  Kranken  mit  Rat  und  Tat  unter¬ 
stützt  werden. 

.Das  Beispiel  Frankreichs  hat,  wie  C  o  z  z  o  1  i  n  o  -  Neapel 
berichtete,  in  Italien  bereits  Nachahmung  gefunden.  In  Deutsch¬ 
land  haben  wir  solche  Einrichtungen  nicht;  hier  ist  auch  das 
Bedürfnis  dafür  ein  geringeres,  denn  ihre  Aufgaben  werden  zum 
Teil  von  den  V olksheilstätten  erfüllt ;  ein  Analogon  dazu,  wenn 
auch  mit  engerem  Wirkungskreise,  bildet  die  Berliner  Poliklinik 
für  Lungenkrankheiten,  über  welche  ihr  Leiter  M.  W  o  1  f  f  - 
Berlin  berichtete.  Sie  dient  in  erster  Reihe  als  Untersuchungs¬ 
stelle  für  die  ihr  überwiesenen  bezw.  in  ihr  Rat  suchenden 
Kranken;  dabei  wird  es  ermöglicht,  die  Diagnose  mit  allen  Hilfs¬ 
mitteln  der  V  issenschaft  so  früh  als  möglich  zu  stellen  und  eine 
Auswahl  für  die  Heilstättenbehandlung  zu  treffen.  Unter  den 
ca.  16000  Patienten  sind  ca.  5000  für  Heilstätten  geeignet  be¬ 
funden,  worden.  Einen  weiteren  Zweck  erfüllt  die  Poliklinik  als 
Unterrichtsanstalt  für  spezialistisch  auszubildende  Aerzte.  Be¬ 
handelt  werden  nur  solche  Patienten,  welche  nicht  in  ander¬ 
weitiger  ärztlicher  Behandlung  stehen,  allen  wird  die  nötige  Be¬ 
lehrung  zu  Teil,  wobei  auch  von  der  Verteilung  geeigneter 
Druckschriften  ausgiebiger  Gebrauch  gemacht  wird. 

lieber  die  Massregeln  gegen  die  Verbreitung  der  Phthise  in 
Arbeitssälen,  Bureaux  etc.  hatte  Flügge-  Breslau  einen  Vor¬ 
trag  angemeldet.  Er  war  zwar  verhindert,  den  Vortrag  zu  halten; 
bei  dem  Interesse,  das  der  Gegenstand  bietet,  wollen  wir  jedoch 
kurz  den  Inhalt  seiner  Leitsätze  angeben.  Der  Staub,  welcher 
auf  Möbeln,  Akten  etc.  1 — l’A  m  über  dem  Fussboden  liegt,  ent¬ 
hält,  auch  wenn  sich  in  den  Räumen  Phthisiker  aufgehalten 
haben,  nur  selten  virulente  Tuberkelbazillen.  Das  erklärt  sich 
daraus,  dass  das  Sputum  nur  sehr  schwierig  in  so  feine,  trockene 
Teilchen  verwandelt  werden  kann,  dass  sie  bis  zu  Kopfhöhe  auf¬ 
gewirbelt  werden;  viel  eher  können  sie  von  Taschentüchern, 
Kleidungsstücken  oder  von  den  Händen  aus  auf  die  Möbel  etc. 


gelangen.  Das  Aufsammeln  des  Sputums  in  Spucknäpfen  und 
Spuckflaschen  allein  genügt  daher  nicht,  sondern  es  muss  auch 
dafür  geborgt  werden,  dass  die  I  aschentücher,  welche  stets  zum 
Abwischen  von  Sputumresten  benutzt  werden,  unschädlich  ge¬ 
macht  werden.  Am  geeignetsten  wären  Papiertaschentücher, 
v eiche  nach  ihrer  Benutzung  verbrannt  werden;  auch  müssen 
die  Kranken  auf  die  Reinhaltung  der  Kleidung  hingewiesen 
werden.  Eine  oft  noch  wichtigere  Ursache  für  den  Gehalt  der 
Atmungsluft  an  luberkelbazillen  ist  die  \  erstreuung  aus¬ 
gerüsteter  Tröpfchen.  Da  diese  meist  nicht  weiter  als  1  m  in 
horizontaler  Richtung  geschleudert  werden,  so  ist  der  Phthisiker 
anzuweisen,  heftiges  Husten  mit  offenem  Munde  möglichst  über¬ 
haupt  zu  vermeiden,  bei  Hustenstössen  sich  auf  Armlänge  von 
anderen  Menschen  fern  zu  halten,  den  Kopf  abzuwenden  und  die 
Hand  oder  das  Taschentuch  vor  den  Mund  zu  halten.  In  Arbeits- 
läumen  soll  der  Abstand  zwischen  je  2  Köpfen  mindestens  1  m 
betragen;  es  empfiehlt  sich,  bei  Schreibpulten,  an  denen  sich 
2  Personen  gegenüber  sitzen,  in  der  Mitte  eine  vertikale  Glas¬ 
wand  bis  %  m  über  Kopfhöhe  und  zwischen  benachbarten  Ar¬ 
beitern,  soweit  es  der  Betrieb  erlaubt,  eine  trennende  Zwischen¬ 
wand  anzubringen. 

Besondere  „KrankheitsveiRütungs-Vorschriften“  für  Ar¬ 
beitsstätten,  analog  den  bereits  gesetzlich  eingeführten  „Unfall¬ 
verhütungsvorschriften“  empfiehlt  Freund,  der  Vorsitzende  der 
Landesversicherungsanstalt  Berlin.  Es  sollen  dadurch  nach 
Möglichkeit  die  ungünstigen  Einwirkungen,  welche  durch 
schlechte  Beschaffenheit  der  Arbeitsräume,  die  Einatmung  von 
IIolz-,  Metall-  und  Steinstaub  u.  a.  erfahrungsgemäss  leicht  zur 
Entwicklung  der  Tuberkulose  führen,  verhindert  werden.  Von 
wesentlicher  Bedeutung  ist  es  auch,  dass  der  krank  gewesene  Ar¬ 
beiter  nach  beendigtem  Heilverfahren  nicht  wieder  in  die  alten 
Arbeitsräume  mit  ihren  vielfachen  Schädlichkeiten  zurückkehrt. 
Ein  Mangel  unserer  Gesetzgebung  besteht  nach  Freunds  An¬ 
sicht  darin,  dass  die  Kranken-  und  die  Invaliditätsversicherung 
getrennte  Organisationen  bilden.  Die  Invaliditätsversicherungs¬ 
anstalt  hat  das  grösste  Interesse  daran,  dass  die  Diagnose  sehr 
früh  gestellt  und  das  Heilverfahren  früh  eingeleitet  wird; 
sie  wird  daher  ihre  Aufgaben  bei  der  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  sehr  viel  wirksamer  erfüllen  können,  wenn  ihr  auch  die 
Durchführung  der  Krankenversicherung  gesetzlich  übertragen 
wird. 

Aus  der  Notwendigkeit  der  Frühdiagnose  und  der  Häufig¬ 
keit  derUebertragung  der  Tuberkulose  in  Bureaux,  Werkstätten 
etc.  ergibt  sich  nach  der  Ansicht  Savoires-Paris  auch  die  Pflicht, 
in  solchen  Räumen  eine  obligatorische  ärztliche  Ueberwachung 
einzurichten.  Die  Aufgabe  des  überwachenden  Arztes  hätte  darin 
zu  bestehen,  die  Arbeiter  über  die  Verbreitung  der  Tuberkulose 
und  über  die  Nützlichkeit  der  getroffenen  Einrichtungen  zu 
unterrichten,  die  nötigen  hygienischen  Anordnungen  zu  treffen 
und  ihre  Ausführung  zu  überwachen.  Der  Arzt  hätte  ferner  den 
Gesundheitszustand  aller  Mitglieder  der  betreffenden  Gemein¬ 
schaft  zu  überwachen,  die  Verdächtigen  oder  Prädisponierten 
so  oft  zu  untersuchen,  bis  sie  sich  als  gesund  oder  krank  er¬ 
weisen.  Die  heilbaren  Tuberkulösen  müssen  den  Sanatorien, 
die  unheilbaren  besonderen  Pflegestätten  überwiesen  werden. 
Letztere  könnten  auch  unter  der  Bedingung  strenger  Innehaltung 
der  hygienischen  Vorschriften  und  bei  Strafe  sofortiger  Ent¬ 
lassung  im  Falle  des  Zuwiderhandelns  in  der  Werkstätte  ver¬ 
bleiben. 

Zum  Schluss  der  zweiten  Sitzung  besprach  v.  Dubräv- 
\\  ien  die  technischen  Hilfsmittel  zur  Aufnahme  tuberkulösen 
Sputums  zum  individuellen  und  allgemeinen  Gebrauche.  Das 

Prinzip,  dass  das  Sputum  nicht  auf  den  Boden  geschleudert 
werden  dürfe,  sondern  in  besonderen  Behältnissen  aufgefangen 
werden  müsse,  sei  zwar  allgemein  anerkannt,  die  Wahl  dieser 
Behältnisse  aber  vielfach  dem  Belieben  des  einzelnen  überlassen. 
Es  sind  infolge  dessen  vielfach  unzweckmässige  Vorrichtungen 
im  Gebrauch,  deren  Reinigung  und  Instandhaltung  mitunter 
schwierig,  umständlich  und  unzuverlässig  ist,  so  dass  gerade 
dadurch  von  neuem  die  Gefahr  der  Verbreitung  des  Infektions¬ 
stoffes  hervorgerufen  wird.  v.  Dubräv  hält  es  daher  für  not¬ 
wendig,  dass  von  autoritativer  Seite  die  an  solche  Utensilien  zu 
stellenden  hygienischen  Anforderungen  festgestellt  und  dass  ein¬ 
fache,  leicht  zu  behandelnde  Spuckutensilien  autoritativ  em¬ 
pfohlen  werden. 


Ib56 


No.  44. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Am  Freitag  fand  keine  Sitzung  statt.  Ein  grosser  Teil  der 
Teilnehmer  benutzte  den  Tag  zur  Besichtigung  der  Volksheil- 
stiitte  in  Belzig  und  der  neuen  Heilstättenanlagen  der  Landes- 
Versicherungsanstalt  in  Beelitz. 

In  der  Vormittagsitzung  am  Sonnabend  wurde  über  die  ver¬ 
schiedenen  Arten  der  Unterbringung  der  Kranken  verhandelt; 
die  ersten  Vorträge  beschäftigten  sich  mit  der  Fürsorge  für 
tuberkulöse  Kinder.  Andvord  -  Christiania  weist  darauf 
hin,  dass  der  Zeitpunkt  der  Infektion  bei  der  weitaus  über¬ 
wiegenden  Mehrzahl  der  Kranken  in  das  Kindesalter  fällt,  und 
dass  ein  bedeutend  grösserer  Zwischenraum,  als  man  im  allge¬ 
meinen  anzunehmen  gewohnt  ist,  zwischen  der  Infektion  und  dem 
Ausbruch  der  Krankheit  liegt.  Aus  dieser  Tatsache  ergibt  sich 
die  Notwendigkeit,  für  einen  Schutz  der  Kinder  gegen  die  ba¬ 
zilläre  Infektion  Sorge  zu  tragen;  in  der  Pubertätszeit  muss 
darauf  Bedacht  genommen  werden,  dass  die  häufig  schon  vor¬ 
handene  Disposition  nicht  zur  Entwicklung  der  Krankheit  selbst 
füren  kann.  Um  das  zu  erreichen,  ist  es  notwendig,  dass  die 
Prinzipien  der  Sanatoriumsbehandlung,  soweit  sie  prophylak¬ 
tische  Bedeutung  haben,  auch  der  Lebensweise  innerhalb  und 
ausserhalb  des  Hauses  zu  Grunde  gelegt  werden.  Auch  Egger- 
Basel  spricht  sich  dafür  aus,  dass  das  Hauptgewicht  bei  der  Be¬ 
kämpfung  der  Kinder  tuberkulöse  auf  die  Prophylaxe  zu  legen  sei, 
da  die  Formen,  in  denen  die  Krankheit  bei  Kindern  .auf tritt, 
einer  Behandlung  überhaupt  nicht  zugänglich  sind.  Patienten 
mit  offener  Tuberkulose  der  Lungen  oder  der  Knochen  müssen 
unbedingt  isoliert  werden,  während  solche  mit  geschlossener 
Tuberkulose  auch  in  Rekonvaleszentenheimen  mitverpflegt  werden 
können.  Egger  beschreibt  die  Einrichtungen,  welche  die  Stadt 
Basel  seit  einer  Reihe  von  Jahren  mit  gutem  Erfolge  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Kindertuberkulose  getroffen  hat;  sie  bestehen  im 
wesentlichen  in  Krippen,  Ferienkolonien,  Rekonvaleszenten¬ 
heimen,  Kinderspitälern  und  einer  Kinderheilstätte. 

Derecq-  Paris  erinnerte  an  die  verringerte  Widerstands¬ 
fähigkeit,  welche  ein  Organismus  in  der  Rekonvaleszenz  von 
anderen  Krankheiten  dem  Tuberkelbazillus  gegenüber  zeigt,  und 
folgert  daraus  die  Notwendigkeit,  bei  Rekonvaleszenten  mit 
grösserer  Sorgfalt,  als  es  gewöhnlich  zu  geschehen  pflegt,  auf  die 
strenge  Durchführung  aller  prophylaktischen  Vorschriften  zu 
dringen. 

Eine  verhältnismässig  grosse  Bedeutung  hat  in  Frankreich 
die  bei  uns  nur  in  geringem  Umfang  bestehende  Einrichtung  von 
Sanatorien  an  der  Seeküste;  die  dort  erzielten  Resultate  sind, 
wie  Armaingaud  -  Bordeaux  berichtete,  sehr  befriedigend 
und  machen  sich  nach  zwei  Richtungen  hin  geltend.  Einmal 
werden  die  infolge  von  Anämie,  Rhaehitis  oder  anderen  Ursachen 
schwächlichen  Kinder  gekräftigt,  so  dass  sie  der  Invasion  des 
tuberkulösen  Virus  gegenüber  einen  weniger  günstigen  Nähr¬ 
boden  darbieten.  Ausserdem  aber  sind  eine  ganze  Reihe  von 
Kindern,  die  an  Knochen-  und  Gelenktuberkulosen  litten,  tat¬ 
sächlich  geheilt  worden,  wenn  die  Behandlung  frühzeitig  be¬ 
gonnen  und  auf  genügend  lange  Zeit  ausgedehnt  werden  konnte. 
Armaingaud  empfiehlt  daher,  den  Regierungen  die  Begrün¬ 
dung  und  Förderung  solcher  Seehospize,  als  einer  wertvollen 
Waffe  im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose,  vorzuschlagen.  Auch 
Ewald-  Berlin  bestätigt  die  günstigen  Erfolge,  welche  bei  uns 
in  den  Kinderheilstätten  an  der  deutschen  Seeküste  erzielt 
wurden,  besonders  seitdem  es  ihnen  ermöglicht  wurde,  die  Kuren 
auf  längere  Zeit  auszudehnen. 

Als  ein  wertvoller  Faktor  in  der  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  haben  sich  die  von  Becher  und  Lennhof  f  ins  Leben 
gerufenen  Erholungsstätten  erwiesen,  über  deren  Betrieb 
Becher-  Berlin  berichtete.  Den  Anstoss  zu  ihrer  Begründung 
gaben  die  Untersuchungen  über  die  Wohn ungs Verhältnisse  der 
Tuberkulösen,  speziell  der  tuberkulösen  Kassenkranken.  Die 
Kranken  waren  arbeitsunfähig  geschrieben,  bezogen  ihr  Kranken¬ 
geld,  waren  zum  Teil  für  die  Lungenheilstätten  angemeldet;  aber 
während  der  vorläufig  noch  unvermeidbaren  Wartezeit  ver¬ 
brachten  sie  den  ganzen  Tag  in  der  Stadt  resp.  in  ihren  schlecht 
ventilierten  Wohnräumen  und  inzwischen  verschlimmerte  sich 
ihr  Zustand.  Diesem  Uebelstand  wurde  durch  Gründung  der 
Erholungsstätten  abgeholfen;  aber  es  werden  in  ihnen  alle  Arten 
von  Kranken  aufgenommen,  von  den  leichtesten  bis  zu  den 
schwersten  Formen.  In  Folge  dessen  dienen  die  Erholungs¬ 
stätten  zugleich  als  Nachkur  für  Kranke,  die  aus  den  Heilstätten 
entlassen  sind,  und  ferner  als  ein  Ersatz  für  die  Asyle  für  sieche 


Tuberkulöse.  Ein  besonderer  Vorzug  der  Erholungsstätten  be¬ 
steht  darin,  dass  die  Aufnahme  eine  sehr  leichte  ist  —  meist  ver¬ 
gehen  zwischen  Anmeldung  und  Aufnahme  nur  wenige  Tage 
und  dass  die  Herstellungs-  und  Unterhaltungskosten  verhältnis¬ 
mässig  geringe  sind;  die  Herstellungskosten  betragen,  wenn  der 
Grund  und  Boden  unentgeltlich  zur  Verfügung  gestellt  wird, 

4 — 5000  Mark.  Eine  Ergänzung  hat  die  Einrichtung  durch  Be¬ 
gründung  einer  Kinder-Erholungsstätte  gefunden.  Bei  Kindern 
zeigt  bekanntlich  die  Tuberkulose  häufig  nur  selxr  wenig  aus¬ 
gesprochene  Erscheinungen,  viele  der  anämischen,  rliachitischen, 
schwächlichen  Kinder  haben  kaum  mehr  als  eine  geringe 
Dämpfung  über  der  Klavikula,  aber  bei  fast  allen  besteht  eine 
hereditäre  Belastung.  Solche  Kinder  sollen  möglichst  lange,  etwa 
10 — 13  Wochen  in  der  Erholungsstätte  bleiben,  sie  stehen  dort 
unter  dauernder  ärztlicher  Beobachtung,  im  Gegensatz  zu  den 
Erwachsenen,  welche  in  Behandlung  ihrer  eigenen  Aerzte  bleiben. 

Um  die  Fürsorge  für  die  Kinder  wirksam  zu  gestalten,  hält 
Becher  es  für  noth wendig,  eine  Auslese  der  tuberkulösen 
Kinder  in  der  Schule  zu  treffen,  und  empfiehlt,  dass  zu  diesem 
Zweck  sämtliche  Schulkinder  einmal  jährlich  auf  Tuberkulose 
untersucht  werden.  Der  einzige  Mangel  der  Erholungsstätten 
könnte  darin  gesehen  werden,  dass  sie  nur  im  Sommer  geöffnet 
sind;  aber  man  hat  bei  einem  Teil  der  Tuberkulösen  die  Be¬ 
obachtung  gemacht,  dass  die  Sommerkur  sie  in  den  Stand  setzte, 
im  Winter  zu  arbeiten ;  und  vielleicht  wird  es  später  möglich  sein, 
den  Betrieb  auch  auf  den  Winter  auszudehnen. 

Es  folgten  jetzt  Mitteilungen  Espenä  y  Capos  -  Madrid 
über  gewisse  Bedingungen,  welche  bei  der  Gründung  und  Ein¬ 
richtung  für  Sanatorien  für  arme  Kranke  in  der  Umgebung 
grosser  Städte  auf  gestellt  werden  müssen  und  ein  Vortrag 
v.  Leub es- Würzburg  über  Tuberkulosespitäler  und  -Stationen, 
in  dem  er  für  eine  bessere  Fürsorge  für  die  in  späteren  Stadien 
der  Erkrankung  befindlichen  Tuberkulösen  eintritt.  Er  empfiehlt 
die  Errichtung  von  eigenen  Tuberkulosespitälern  von  Seiten  der 
Gemeinden  in  waldiger  Gegend  in  der  Nähe  der  Städte,  oder 
wo  dies  nicht  möglich  ist,  die  Errichtung  besonderer  Tuberkulose¬ 
stationen  in  den  allgemeinen  Krankenhäusern. 

Auf  der  Tagesordnung  standen  noch  mehi'ere  andere  Vor¬ 
träge,  die  jedoch  der  vorgerückten  Zeit  wegen  nicht  mehr  zur 
Verhandlung  kommen  konnten,  denn  das  grösste  Interesse  kon¬ 
zentrierte  sich  auf  die  Nachmittagssitzung,  in  welcher  die  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Menschen-  und  Tiertuberkulose  erörtert 
wurden.  In  einem  einleitenden  Vortrage  gab  Köhler-  Berlin 
ein  übersichtliches  Referat  über  den  augenblicklichen  Stand 
dieser  Frage.  Die  Auffassungen  über  die  Identität  der  Menschen- 
und  Rindertuberkulose  sind  bekanntlich  durch  die  Mitteilungen 
Kochs  auf  dem  Londoner  T  uberkulosekongress  erschüttert 
worden.  Köhler  beschreibt  ausführlich  die  von  Koch  dort 
mitgeteilten  negativen  Resultate  der  Uebertragungsv ersuche. 
Die  Versuche  sind  seitdem  an  verschiedenen  anderen  Stellen 
wiederholt  worden,  u.  a.  auf  Kochs  eigene  Veranlassung  am 
Kaiserlichen  Gesundheitsamte ;  diese  sind  noch  nicht  abge¬ 
schlossen.  Die  anderweitigen  Versuche  ergaben  entweder  ein 
negatives  Resultat  oder  doch  jedenfalls  eine  Abschwächung  der 
Virulenz  beim  Uebergang  auf  den  Tierkörper.  Wichtiger  aber  als 
die  Frage  der  Uebertragbarkeit  der  menschlichen  Tuberkulose 
auf  das  Rind  ist  die  Möglichkeit  der  Liebertragung  der  Rinder¬ 
tuberkulose  auf  den  Menschen.  Die  Frage  ist  naturgemäss  ex¬ 
perimentell  schwer  zu  entscheiden.  Für  und  gegen  die  Identität 
sind  manche  .Gründe  statistischer,  bakteriologischer  und  kli¬ 
nischer  Art  angeführt  worden,  doch  können  sie  auf  absolute 
Stichhaltigkeit  keinen  Anspruch  machen,  auch  stehen  sie  zum 
Teil  im  Widerspruch  mit  einander.  Lassar,  Joseph  u.  a. 
haben  untersucht,  ob  Leute,  die  viel  mit  Rindern  zu  tun  haben, 
wie  Schlächter,  Tierärzte  u.  a.  besonders  häufig  an  Hauttuber¬ 
kulose  leiden;  zum  Teil  bestätigen  diese  Untersuchungen  die  An¬ 
nahme  der  Identität,  doch  lassen  auch  sie  ein  abschliessendes 
Urteil  nicht  zu.  Man  versprach  sich  einen  Aufschluss  in  dieser 
Frage  von  der  Untersuchung  über  das  Vorkommen  primärer 
Darmtuberkulose  beim  Menschen.  Es  war  besonders  vor  der 
Entdeckung  des  Tuberkelbazillus  sehr  oft  Gelegenheit,  die  Milch 
tuberkulöser  Kühe  zu  gemessen;  es  müsste  also,  zumal  bei  Kin¬ 
dern,  besonders  häufig  eine  primäre  Tuberkulose  der  Verdauungs¬ 
organe  sich  zeigen.  Die  Beobachtung  ist  allerdings  auch  hier  eine 
schwierige.  Man  muss  auch  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  dass 
nicht  Milch,  sondern  Staub,  Schmutz  u.  dergl.,  welche  mit  den 


4.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1857 


Fingern  in  die  Mundhöhle  gebracht  werden,  die  Infektion  ver¬ 
mitteln.  Im  allgemeinen  aber  hat  man  gefunden,  dass  die  Fälle 
primärer  Darmtuberkulose  verhältnismässig  viel  weniger  zahl¬ 
reich  sind,  als  man  unter  der  Voraussetzung  der  Identität  beider 
Bazillenarten  annehmen  müsste.  Die  ziemlich  häufige  Tabes 
mesaraica  der  älteren  Autoren  erwies  sich  nicht  als  identisch 
mit  Tuberkulose,  sondern  diese  Fälle  beruhten  meist  auf  Angaben 
der  Standesbeamten.  Allerdings  sind  die  Wege,  welche  der  dem 
Organismus  mit  der  Nahrung  zugeführte  Tuberkelbazillus  im 
Eörper  nimmt,  noch  nicht  völlig  bekannt,  z.  B.  kann  die  Infektion 
durch  die  Mandeln  geschehen.  Immerhin  spricht  die  relative 
Seltenheit  primärer  Darmtuberkulose  gegen  die  Identität.  Sehr 
interessant  sind  Versuche,  welche  an  unheilbaren  Krebskranken 
angestellt  wurden.  Diesen  Kranken  wurden  mit  ihrer  Zustim¬ 
mung  Tuberkelbazillen  eingeimpft.  Man  ging  dabei  von  der 
Annahme  aus,  dass  die  Gifte  des  Krebses  und  der  Tuberkulose 
einander  ausschliessen,  und  wollte  an  die  Stelle  des  Karzinoms 
als  das  kleinere  Hebel  die  Tuberkulose  setzen.  Die  meisten  lebten 
noch  über  1  Jahr.  Die  Obduktion  ergab  bei  keinem  Tuberkulose; 
man  kann  daraus,  schliessen,  dass  Kranke  mit  vorgeschrittener 
Karzmomatose  keinen  geeigneten  Nährboden  für  die  Entwicke¬ 
lung  der  Tuberkulose  abgeben.  Aus  den  bis  jetzt  vorliegenden 
Forschungen  und  Erfahrungen  kann  man  nur  den  Schluss 
ziehen,  dass  zurzeit  weder  die  Gleichheit  noch  die  Ungleichheit 
der  Menschen-  und  Rindertuberkulose  nachgewiesen  ist ;  die 
Uebertragbarkeit  ist  weder  bewiesen  noch  widerlegt,  es  sind  viel¬ 
mehr.  noch  weitere  Forschungen  zur  Klärung  der  Frage  not- 
Avendig.  Darum  ist  es  auch  noch  nicht  an  der  Zeit,  Schluss¬ 
folge]  ungen  für  die  Praxis  zu  ziehen  und  die  bestehenden  Be¬ 
stimmungen  zu  ändern.  Insbesondere  wird  man  die  Abkochung 
der  Milch  noch  immer  für  notwendig  halten  müssen,  schon  des¬ 
halb,  weil  sie  auch  für  andere  pathogene  Organismen  einen 
günstigen  Nährboden  gewährt.  Jede  Infektionskrankheit  hat, 
wie  Koch  sagt,  ihre  besondere  Eigentümlichkeit,  welche  zugleich 
einen  Fingerzeig  für  ihre  Bekämpfung  bietet;  das  ist  für  die 
Cholera  das  Wasser,  für  die  Pest  die  Ratten,  für  die  Pocken 
dei  Impfzwang,  für  die  Tollwut  der  Maulkorbzwang,  für  die 
Tuberkulose  ist  es  die  Erkennung  derjenigen  Bedingungen, 
unter  denen  das  Zusammenleben  der  Menschen  ohne  gegenseitige 
Gefährdung  möglich  ist. 

Einen  sehr  viel  schärfer  ausgesprochenen  Standpunkt  nimmt 
A  r  1  o  i  n  g  -  Lyon  ein.  Seiner  Ansicht  nach  besteht  die  Auf¬ 
fassung  von  der  Identität  der  menschlichen  und  der  Rinder¬ 


tuberkulose  trotz  der  gegenteiligen  Ansichten  von  Koch  und 
Sc  h  ü  t  z  auch  heute  noch  zu  Recht.  Es  bestehen  zwar  gewisse 
Unterschiede  zwischen  der  Virulenz  und  der  Wirkung  des  Tu¬ 
berkelbazillus  beim  Menschen  und  beim  Rind ;  in  manchen 
Fällen  wird  die  \  irulenz  des  Bazillus  bei  der  Uebertragung  auf 
Ilerbivoren  erheblich  abgeschwächt,  in  anderen  jedoch  bleibt  sie 
in  vollem  Masse  bestehen.  Aber  auch  bei  abgeschwächter  Viru¬ 
lenz  treten,  zum  mindesten  bei  intravenöser  Inokulation,  in  den 
Lungen  Veränderungen  auf,  die  häufig  nur  mikroskopisch  er¬ 
kennbar  sind  und  sehr  bald  eine  fibröse  Umwandlung  erfahren. 
Die  negativen  Resultate  Koch  s  erklärt  A  r  1  o  i  n  g  aus  der 
Veränderung  der  Virulenz  der  Bazillen.  Er  konnte  Rinder  mit 
menschlicher  Tuberkulose  infizieren  und  die  Weiterverimpfung 
gelang  noch  bei  der  vierten  Passage.  G egen  die  Schlussfolgerung 
Koch  s,  dass,  wenn  eine  Darmtuberkulose  beim  Menschen 
durch  Perlsuchtbazillen  hervorgerufen  werden  kann,  die  Bazillen 
dieser  Darmtuberkulose,  dem  Rinde  eingeimpft,  eine  allgemeine 
T  uberkulose  des  Rindes  bewirken  müssten,  was  in  Wirklichkeit 
nicht  geschieht,  führt  Arloing  an,  dass  allgemeine  Tuber¬ 
kulose  beim  Rinde  durch  subkutane  Impfung  überhaupt  schwer 
zu  erzeugen  sei.  Entsprechende  Versuche  fielen  negativ  aus,  ob¬ 
gleich  sich  das  Virus  später  bei  intravenöser  Einspritzung  als 
sehr  virulent  gegen  Kälber  erwies.  Der  Genuss  roher  Milch 
bringt  jedoch,  wie  Nocard  -  Alfort  ausführte,  mancherlei  Ge¬ 
fahren  mit  sich.  Die  Gefahr  ist  besonders  gross  für  Kinder 
und  für  Kranke,  denen  ein  Milchregime  verordnet  ist.  Darum 
wird  es  nötig  sein,  Tiere  mit  Eutertuberkulose  aus  den  Kuhställen 
fernzuhalten  und  zu  diesem  Zweck  die  Kuhställe  einer  regel¬ 
mässigen  Aufsicht  zu  unterstellen.  Da  dies  vorläufig  noch  nicht 
durchzuführen  ist,  ist  zurzeit  das  wichtigste  Mittel,  um  einen 
Schaden  durch  die  Milch  zu  verhüten,  die  Milch  nur  im  ab¬ 
gekochten  Zustand  gemessen  zu  lassen. 


An  die  Vorträge  schloss  sich  eine  sehr  lebhafte  Diskussion 
an.  H  ueppe  -  Prag  wies  darauf  hin,  dass  nicht  nur  die  Bazillen 


von  Mensch  und  Tier  verschieden  sind,  sondern  dass  sie  auch 
beim  Menschen  selbst  sich  sehr  verschieden  verhalten  können;  er 
hatte  mit  Bazillen  experimentiert,  welche  sich  in  dem  einen  Fall 
als  hoch  virulent,  in  einem  andern  als  ganz  wirkungslos  zeigten. 
Man  darf  eben  nicht  die  Reaktion  des  Organismus  auf  die  ver- 
suchte  Difektion  unterschätzen.  Diese  spielt  eine  sehr  bedeutungs- 
Aolle  Rolle  und  so  erklärt  sich  die  verschiedenartige  Wirkung  der¬ 
selben  Mikroorganismen  auf  verschiedene  Individuen,  nicht  nur 
aut  verschiedene  Spezies;  es  sind  eben  verschiedene  Nährböden, 
auf  die  die  Bakterien  verimpft  werden  und « auf  denen  sie  sich 
daher  in  verschiedener  Weise  entwickeln.  Angesichts  dieser  Tat¬ 
sachen  genügt  ein  einziger  Fall  —  und  es  sind  bereits  mehrere 
bekannt  — ,  um  die  Uebertragbarkeit  der  menschlichen  Tuberkulose 
auf  das  Rind  und  umgekehrt  zu  beweisen.  Für  die  Praxis  ist  es 
jedenfalls  unbedingt  notwendig,  alle  Vorsichtsmassregeln  im  bis¬ 
herigen  Umfang  aufrecht  zu  erhalten,  v.  Baumgarten  hält 
die  Versuche  Kochs  ebenfalls  für  nicht  einwandfrei,  schon  des 
halb,  weil  der  subkutane  Weg  fast  nie  zum  Ziel  führt.  M.  W  o  1  f  f 
führt  gegen  die  Annahme  der  Verschiedenheit  der  Krankheitsarten 
an,  dass  die  Fälle  primärer  Darmtuberkulose  in  Wirklichkeit  gar 
nicht  so  sehr  selten  sind.  W  o  1  f  f  hat  einen  zweifellosen  Fall 
primärer  Darmtuberkulose  benutzt,  um  auf  dem  Wege  über  ein 
Meerschweinchen  ein  durch  Tuberkulinprobe  als  gesund  erwie¬ 
senes  Kalb  mit  dem  so  produzierten  Virus  zu  infizieren.  Das  Kalb 
bekam  an  der  Injektionsstelle  einen  Tumor,  in  dessen  Umgebung 
auch  die  Lymphdrüsen  anschwollen;  es  reagierte  jetzt  sehr  stark 
auf  Tuberkulin.  Die  Obduktion  des  Kalbes  ergab  eine  exquisite 
Perlsucht  der  inneren  Organe.  Der  Fall  beweist  jedenfalls,  dass 
ein  Kalb  perlsüchtig  gemacht  werden  kann  durch  Material,  welches 
von  Menschen  stammt.  B  a  n  g  -  Kopenhagen  konnte  bei  3  Käl¬ 
bern  durch  Einimpfung  tuberkulösen  Materials  typische  Iristuber¬ 
kulose  erzeugen;  eine  weitere  subkutane  Verimpfung  von  einem 
dieser  Kälber  auf  ein  viertes  ergab  Knötchenbildung,  aber  keine 
allgemeine  Tuberkulose.  M  ö  11er-  Belzig  berichtete  über  den 
negativen  Ausfall  seiner  Uebertragungsversuche,  dagegen  vertrat 
auch  Orth-  Berlin  und  mehrere  andere  die  Ansicht,  dass  eine 
Verschiedenheit  zwischen  Menschen-  und  Tiertuberkulose  keines¬ 
wegs  erwiesen  sei,  dass  viele  Momente  zwar  gegen  eine  solche 
Verschiedenheit  sprechen,  dass  aber  die  Frage  heute  noch  nicht 
völlig  spruchreif  sei.  Mit  gespannter  Aufmerksamkeit  folgte  die 
Versammlung  den  Ausführungen  Koch  s,  des  letzten  Diskussions¬ 
redners.  Er  versuchte  in  längerer  Rede  die  Richtigkeit  seiner  Auf¬ 
lassung  zu  beweisen,  beschäftigte  sich  jedoch  so  gut  wie  gar  nicht 
mit  der  Uebertragung  menschlicher  Tuberkulose  auf  das  Rind, 
sondern  übte  hauptsächlich  Kritik  an  den  in  der  Uiterätur  ver¬ 
öffentlichten  Fällen  von  primärer  Darmtuberkulose.  Wenn  sonst 
Vergiftungen  durch  pathogene  Mikroorganismen  Vorkommen,  wie 
bei  Typhus,  Cholera,  Milzbrand,  so  sind  immer  Massenvergiftungen 
die  Folge,  das  ist  aber  bei  der  Tuberkulose  nur  ganz  verschwindend 
selten  beobachtet  worden;  und  doch  werden  unendlich  grosse 
Mengen  von  Milch,  Fleisch  und  —  worauf  gewöhnlich  wenig  Wert 
gelegt  wird  —  Butter,  in  denen  Perisuchtbazillen  enthalten  sind, 
genossen.  Wenn  man  das  bedenkt,  so  muss  man  annehmen,  dass 
fast  jeder  Mensch  Perlsuchtbazillen  genossen  hat,  und  doch 
kommen  Massenerkrankungen  so  gut  wie  nie  vor;  die  ausserordent- 
lich  wenigen  Beobachtungen  dieser  Art  halten  einer  strengen 
Kritik  nicht  stand.  Einzelerkrankungen  kommen  allerdings  vor. 
aber  sie  bieten  doch  immer  gewisse  Besonderheiten  dar,  welche 
ihre  Beweiskraft  in  Frage  stellen,  meist  können  sie  durch  In¬ 
fektion  von  der  Umgebung  der  Erkrankten  aus  erklärt  werden; 
auch  müsste  in  jedem  Fall  bewiesen  werden,  dass  die  Milch  von 
einem  Tier  mit  Eutertuberkulose  stammt  und  dass  jede  andere 
Infektionsquelle  ausgeschlossen  ist.  Im  übrigen  leugnet  Koch 
nicht  die  Möglichkeit  der  Uebertragbarkeit  der  menschlichen 
Tuberkulose  auf  das  Rind  überhaupt,  er  hält  sie  nur  für  ausser¬ 
ordentlich  selten.  Nach  seiner  Ansicht  ist  noch  kein  einziger  Fall 
von  tuberkulöser  Erkrankung  des  Menschen  durch  den  Genuss 
perlsuchtbazillenhaltiger  Stoffe  einwandfrei  erwiesen,  obwohl  fast 
jeder  Mensch  schon  mehr  oder  weniger  solcher  Stoffe  genossen  hat. 

Wenn  man  versucht,  das  Fazit  aus  diesen  so  ungemein  wich¬ 
tigen  und  aktuellen  Verhandlungen  zu  ziehen,  so  muss  man  sich 
eingestehen,  dass  die  Frage  eine  wesentliche  Förderung  nicht 
erfahren  hat;  man  ist  kaum  um  einen  Schritt  weiter  gekommen, 
es  stehen  sich  die  Gründe  für  und  wider  noch  ohne  Ausgleich 
gegenüber  und  von  einem  abschliessenden  Urteil  sind  wir  vor¬ 
läufig  noch  weit  entfernt.  Nach  der  einstündigen  Rede  Kochs 
war  die  Zeit  bereits  so  weit  vorgerückt  und  auch  die  Arbeits¬ 
fähigkeit  der  Versammlung  so  weit  erschöpft,  dass  die  Ver¬ 
handlungen  für  diesen  Tag  geschlossen  und  zur  Erledigung  der 
noch  auf  der  Tagesordnung  stehenden  Themata  eine  ausserordent¬ 
liche  Sitzung  für  Sonntag  Vormittag  anberaumt  werden  musste. 

In  dieser  Sitzung  sprach  zunächst  Gebhard  -  Lübeck 
über  Invalidenlieime  für  Tuberkulöse.  Da  niemals  sämtliche 
Tuberkulöse  in  Heilanstalten  untergebracht  werden  können,  so 
bedarf  es,  wie  Gebhard-  Lübeck  ausführte,  der  Gründung 
von  Invalidenheimen  für  solche  Kranke,  die  für  die  Sanatorien¬ 
behandlung  nicht  mehr  geeignet  sind.  Die  Versicherungs¬ 
anstalten  sind  in  erster  Reihe  zwar  nicht  Organe  der  öffent¬ 
lichen  Gesundheitspflege,  aber  sie  sind  dennoch  in  der  Lage, 


1868 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


solche  Invalidenheime  zu  gründen,  und  können  das  Recht  dazu 
aus  den  gesetzlichen  Bestimmungen  herleiten,  insofern  alle  Ein¬ 
richtungen  der  vorbeugenden  Gesundheitspflege  wiederum  den 
Versicherungsanstalten  zu  gute  kommen.  Mit  diesen  Isolier¬ 
anstalten  muss  ein  Grundbesitz  in  solchem  Umfang  verbunden 
sein,  dass  die  Kranken,  soweit  ihr  Zustand  es  erlaubt,  sich  im 
Freien  ergehen  können,  ohne  dass  sie  das  Gefühl  haben,  sich  in 
einer  Art  Gefängnis  zu  befinden.  Eine  Schwierigkeit  bereitet 
die  Kostenfrage,  denn  die  Anlagekosten,  berechnet  auf  den  ein¬ 
zelnen  Pflegfall,  sind  ungleich  grösser  als  bei  den  Heilanstalten, 
weil  in  den  letzteren  die  Kurdauer  auf  durchschnittlich  3  Mo¬ 
nate,  bei  ersteren  dagegen  auf  3 — 4  Jahre  zu  veranschlagen  ist. 
Da  mit  solchen  Anstalten  aber  auch  Aufgaben  wissenschaft¬ 
licher  und  anderer  Natur  verbunden  werden,  welclie  über  den 
unmittelbaren  Zweck  der  Landesversicherungsanstalten  hinaus¬ 
gehen,  so  wäre  es  gerechtfertigt,  einen  Teil  der  Kosten  auf  an¬ 
dere  Organe,  eventuell  auf  den  Staat,  abzuwälzen,  und  je  nach 
den  gegebenen  Umständen  wird  ein  Zusammenwirken  dieser  Or¬ 
gane  mit  den  Versicherungsanstalten  gute  Früchte  bringen 
können.  Die  Insassen  der  Invalidenheime  sind  immer  Renten¬ 
empfänger,  also  im  Sinne  des  Gesetzes  erwerbsunfähig;  man  wird 
ihnen  Arbeiten  in  irgendwie  nennenswertem  Umfang  nicht  auf- 
bürden  dürfen.  Auch  die  Frage  der  Familienversorgung  bedingt 
gewisse  Schwierigkeiten,  da  es  sich  um  jahrelange  Unterstütz¬ 
ungen  handelt.  Indessen  sind  die  von  Gebhard  erwähnten 
Schwierigkeiten  nicht  allzu  hoch  anzuschlagen;  das  zeigen,  wie 
F  r  e  u  n  d  -  Berlin  berichtete,  die  Erfahrungen  der  Landesver- 
sicherungsanstalt  Berlin,  welche  ein  Invalidenheim  besitzt.  Die 
Herstellungskosten  sind  allerdings  grosse,  aber  doch  im  Rahmen 
der  Aufgaben  der  Versicherungsanstalten  gerechtfertigt.  Die 
anfangs  gehegten  Befürchtungen,  dass  die  Pfleglinge  sich 
wie  in  einer  Totenkammer  Vorkommen  würden,  haben  sich  nicht 
bestätigt.  Bei  dem  bekannten  Optimismus  der  Schwindsüch¬ 
tigen  haben  selbst  die  Todesfälle,  die  dort  vorgekommen  sind, 
keinen  anhaltenden  deprimierenden  Einfluss  ausgeübt.  Zur  Auf¬ 
nahme  eignen  sich  aber  nur  ganz  schwere  Fälle,  denn  die  anderen 
fühlen  sich  bald  so  weit  gebessert,  dass  sie  wieder  heraus  wollen. 
Dadurch  werden  aber  die  Kosten  geringer,  denn  die  meisten  In¬ 
sassen  haben  nicht  3 — 4  Jahre,  sondern  nur  % — 1  Jahr  noch 
zu  leben  und  es  regelt  sich  so  auch  die  Frage  der  Familienver¬ 
sorgung,  da  ölen  Angehörigen  nicht  der  Ernährer  geraubt,  son¬ 
dern  eine  Last  abgenommen  wird.  Ein  Verkehr  der  Pfleglinge 
mit  ihrer  Familie  ist  aus  humanitären  Gründen  nicht  ganz  zu 
verbieten,  doch  ist  die  Infektionsgefahr  bei  den  seltenen  kurzen 
Besuchen  nicht  eben  gross. 

Beherzigenswerte  Vorschläge  zum  Zweck  der  internationalen 
Verständigung  machte  Turban-  Davos.  Die  Nomenklatur 
und  die  Klassifikation  der  verschiedenen  Formen  und  Stadien 
der  Tuberkulose  bedürfen  einer  einheitlichen  Regelung  als 
Grundlage  aller  statistischen  und  diagnostischen  Untersuchungen. 
Die  von  den  Franzosen  zuerst  eingeführte  Unterscheidung  zwi¬ 
schen  offener  und  geschlossener  Tuberkulose  ist  auch  von  den 
anderen  Autoren  angenommen  worden.  Als  eine  möglichst  ein¬ 
fache  Klassifikation  hat  Turban  die  Einteilung  der  Krankheit 
in  3  Stadien  vorgeschlagen;  das  erste  umfasst  die  leichte  Er¬ 
krankung  höchstens  eines  Lungenlappens,  das  zweite  die  leichte 
Erkrankung  höchstens  zweier  oder  schwere  Erkrankung  höch¬ 
stens  eines  Lappens  und  das  dritte  alle  über  I  und  II  hinaus¬ 
gehenden  Formen.  Turban  wünscht,  dass  diese  Stadienein¬ 
teilung  als  Grundlage  internationaler  Verständigung  allgemein 
eingeführt  werde.  So  wünschenswert  das  ist,  so  ist  doch  nicht 
zu  verkennen,  was  auch  in  der  Diskussion  hervorgehoben  wurde, 
dass  dieser  Forderung  in  der  Praxis  sich  mancherlei  Schwierig¬ 
keiten  in  den  Weg  stellen,  da  die  Krankheit  meist  nicht  einen 
so  schematischen  Verlauf  nimmt. 

Der  letzte  der  wissenschaftlichen  Vorträge  wendet  sich 
gegen  die  TJebertreibungen  in  den  prophylaktischen  Vorschrif¬ 
ten.  Sangmann-Dänemark  stellt  den  Satz  auf:  Der  Kampf 
gegen  die  Tuberkulose  darf  nicht  zu  einem  Kampf  gegen  die 
Tuljerkulösen  werden.  Er  wendet  sich  gegen  die  aus  der 
Flügge  sehen  Lehre  von  der  Tröpfcheninfektion  gezogenen 
allzu  weit  gehenden  Schlussfolgerungen,  wie  die  Aufstellungen 
von  Scheidewänden  in  Bureaux  und  Arbeitssälen  u.  dgl.,  die  bei¬ 
nahe  an  die  Warnungssignale,  zu  denen  früher  die  Leprösen  ver¬ 
urteilt  waren,  erinnern.  Die  Folge  solcher  Uebertreibungen  ist 
die  Förderung  der  Phthiseophobie.  Zudem  ist  die  Infektiosität 


ausgehusteter  Tröpfchen  bis  jetzt  nur  durch  Tierversuche  bei 
Meerschweinchen  erwiesen,  für  den  Menschen  aber  nicht.  Direkte 
Versuche  am  Menschen  können  natürlich  nicht  angestellt  wer¬ 
den,  aber  die  Natur  hat  sie  in  vielen  Tausenden  von  Fällen  bei 
den  Spezialärzten  für  Hals-  und  Lungenleiden  angestellt,  welche 
dem  täglich  wiederholten  Angehustetwerden  sich  gar  nicht  ent¬ 
ziehen  können,  und  doch  ist  eine  besonders  starke  Morbidität 
oder  Mortalität  unter  diesen  Kollegen  nicht  bekannt.  Sang- 
m  a  n  n  stellt  eine  Sammelforschung  bei  den  Hals-  und  Lungen¬ 
spezialisten  in  Aussicht,  durch  welche  er  seine  Auffassung  sta¬ 
tistisch  zu  begründen  gedenkt. 

Nachdem  der  wissenschaftliche  Teil  der  Verhandlungen  be¬ 
endet  war,  folgte  eine  Schlussitzung,  in  welcher  der  Vorsitzende 
Brouardel  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Arbeiten  der 
Konferenz  gab,  die  Ernennung  von  Ehrenmitgliedern  verkündete 
und  einige  geschäftliche  Mitteilungen  machte.  Nach  einer  An¬ 
sprache  des  Kultusministers  S  t  u  d  t  wurde  dann  die  erste  Kon¬ 
ferenz  des  internationalen  Bureaus  zur  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  geschlossen. 

Es  erübrigt  nun  noch  ein  Rundgang  durch  das  in  den 
Räumen  des  Abgeordnetenhauses,  in  dem  die  Verhandlungen 
stattfanden,  ausgestellte  Tuberkulosemuseum.  Dieses  bot  un- 
gemein  viel  Interessantes  und  Sehenswertes.  Von  historischem 
Interesse  ist  eine  Reinkultur  von  Tuberkelbazillen,  die  erste, 
welche  Koch  im  J ahre  1881  hergestellt  hat ;  daneben  sehen  wir 
eine  Zusammenstellung  von  Bildwerken,  welche  den  Habitus 
phthisicus  in  der  Kunst  zeigen.  Sehr  umfangreiche  karto¬ 
graphische  Darstellungen  und  verschiedene  Druckschriften 
zeigen  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose.  Aus  der  Abteilung 
„Diagnose“  ist  die  sehr  reichhaltige  Moulagensammlung  (von 
Besser,  Lassar  und  Berliner  ausgestellt),  sowie  Möllers 
Kulturen  von  Tuberkulose-  und  Pseudotuberkulosebazillen  er¬ 
wähnenswert,  ferner  eine  grosse  Anzahl  höchst  instruktiver 
pathologisch-anatomischer  Präparate  und  Röntgenbilder.  Zahl¬ 
reich  sind  die  ausgestellten  Spucknäpfe  und  Spuckflaschen,  man 
sieht  da  alte  und  neue,  brauchbare  und  auch  weniger  brauchbare 
Modelle;  am  praktischsten  sind  jedenfalls  die  ganz  wohlfeilen, 
die  bald  nach  der  Benutzung  verbrannt  werden;  sehr  sehenswert 
sind  auch  die  Einrichtungen,  welche  sich  auf  die  Schulhygiene 
beziehen,  die  verschiedenen  Muster  von  Schulbänken  und  Tafeln, 
welche  die  durch  schlechte  Haltung  der  Schulkinder  entstehenden 
Rückgratverkrümmungen  illustrieren.  In  einem  anderen  Saal 
werden  Liegestühle,  ein  Respirationsstuhl,  ein  Zimmerruder¬ 
apparat  und  verschiedene  andere  Einrichtungen,  die  sich  auf  die 
Krankenpflege  beziehen,  gezeigt.  Pläne  und  Modelle  von  Heil¬ 
stätten  und  den  in  ihnen  befindlichen  Einrichtungen  vervoll¬ 
ständigen  die  Ausstellung,  die  in  ihrer  Gesamtheit  wohl  einen 
lückenlosen  Ueberblick  über  alle  die  Mittel  gibt,  welche  uns  bei 
der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  zu  Gebote  stehen.  M.  K. 


IV.  internationaler  Gynäkologenkongress 

in  R  o  m,  15.- — 20.  September  1902. 

Bericht,  erstattet  von  J.  A.  A  m  a  n  n,  Vorstand  der  k.  II.  gynäko¬ 
logischen  Klinik  in  München. 

(Fortsetzung  statt  Schluss.) 

Sitzung  vom  17.  September  1902,  Vorm.  Sy2  U  h  r. 

III.  Thema:  Die  Tuberkulose  der  weiblichen  Genitalien. 
Referent  Martin-Greisfwald.  Seit  Hegars  bahnbrechender  Arbeit 
(1886)  ist  auf  diesem  Gebiet  viel  gearbeitet  worden.  M.  bespricht 
die  grosse  Häufigkeit  der  weiblichen  Geuitaltuberkulose  (2 — 7  Proz. 
aller  weiblichen  Genitalerkrankungen).  M.  erwähnt  die  aszen- 
dierende  und  deszendierende  Form  (letztere  sei  häufiger),  die  Infek¬ 
tion  auf  metastatischem  Wege,  vom  Nabel  aus,  vom  Darm  aus  (diese 
sei  am  häufigsten)  und  die  plazentare  Infektion,  ferner  die  Ueber- 
tragung  per  coitum.  Disposition  sei  gegeben  in  der  Aplasie  und 
Hypoplasie,  in  den  Schwangerschafts  Veränderungen,  Gonorrhöe, 
Lues  und  Arteriosklerose.  Der  ganze  Genitaltraktus  oder  einzelne 
Abschnitte  können  erkrankt  sein.  Die  Symptome  sind  nicht  cha¬ 
rakteristisch,  meist  besteht  Sterilität.  Die  Prognose  ist  sonst  aber 
nicht  unbedingt  ungünstig.  Martin  bespricht  die  Tuberkulose 
der  Vulva,  der  Scheide,  des  Uterus,  der  Tube  und  der  Ovarien. 

Martin  kommt  zu  folgenden  Schlussfolgerungen: 

1.  Die  weiblichen  Genitalien  sind  viel  häufiger,  als  wie  bisher 
angenommen  wurde,  an  der  Infektion  durch  Tuberkelbazillen  be¬ 
teiligt. 

2.  Die  Infektion  durch  Tuberkelbazillen  kann  sich  in  allen 
Abschnitten  des  weiblichen  Genitalapparates  lokalisieren  und  zur 
Entwicklung  kommen. 


1859 


4.  November  1902.  MUENCHENEÜ  MEDICINIÖCHE  WOCHENSCHRIFT. 


3.  Primäre  Erkrankung  der  Genitalien  an  Tuberkulose  kommt 
vor,  ist  aber  wesentlich  seltener  als  die  sekundäre. 

4.  Die  Uebertragung  der  Bazillen  erfolgt  zuweilen  von  der 
t  ulva  aus  (aszendierende  Infektion),  häufiger  von  den  oberen  Ab¬ 
schnitten  her  (deszendierende  Infektion).  Wahrscheinlich  erfolgt 
dieselbe  am  häufigsten  von  dem  Darm  her,  sei  es  direkt,  sei  es 
durch  die  Vermittelung  der  Drüsen  oder  des  Peritoneums.  Die 
Infektion  der  weiblichen  Genitalien  entwickelt  sich  auch  auf  häma¬ 
togenem  oder  nietastatischem  Wege. 

5.  Bei  allen  Formen  der  Uebertragung  kann  die  Lokalisation 
in  den  Genitalien  sich  kontinuierlich  oder  sprungwese  ausbreiten 
Meist  sind  mehrere  Abschnitte  gleichzeitig  erkrankt,  zwischen 
ihnen  liegen  gelegentlich  auch  gesunde  Abschnitte. 

6.  Oft  kommt  die  Tuberkulose  an  der  Ursprungsstelle  zur  Hei¬ 
lung,  während  sie  sich  in  den  Genitalien  zu  intensiver  Höhe  ent¬ 
wickelt. 

7.  Chronische  Entzündungsprozesse,  puerperale,  gonorrhoische, 
luetische  schaffen  in  den  Genitalien  eine  Art  Disposition,  ebenso 
wie  die  Dystrophie  und  Hypoplasie. 

8.  Pathognomonische  Symptome  kennen  wir  zurzeit  noch  nicht. 

t).  Entzündliche  Erkrankung  der  Genitalien  bei  evidenter 

Tuberkulöse  in  anderen  Organen  muss  den  Verdacht  einer  Tuber¬ 
kulose  auch  in  den  Genitalorganen  erwecken. 

10.  Die  Diagnose  ist  nur  auf  Grund  einer  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Untersuchung  als  einwandfrei  zu  erachten.  In  den 
meisten  Fällen  ist  es  möglich,  durch  den  Nachweis  von  Tuberkel¬ 
bazillen  die  Diagnose  einwandfrei  zu  stellen.  Bei  mangelndem 
Bazillenbefund  wird  der  mikroskopische  Nachweis  typischer  Tu¬ 
berkel  von  vielen  Autoren  als  genügend  bezeichnet. 

11.  Die  Prognose  ist  stets  eine  ernste,  aber  nur  bei  weit¬ 
gehender  Zerstörung  eine  aussichtslose. 

12.  Bei  weitgehender  Erkrankung,  besonders  auch  anderer 
Organe,  ist  die  Therapie  auf  die  Allgemeinbehandlung  und  die 
Bekämpfung  einzelner  Symptome  zu  beschränken.  Ist  der  Pro¬ 
zess  auf  die  Genitalien  beschränkt  oder  tritt  die  Genitalerkrankung 
zurzeit  in  lebenbedrohender  Weise  in  den  Vordergrund,  so  bietet 
die  Exstirpation  des  betreffenden  Herdes  eventuell  der  gesamten 
Genitalorgane  Aussicht  auf  Erfolg  und  ist  daher  geboten. 

Referent  Faure-  Paris  betrachtet  das  Thema  nur  vom  rein 
chirurgischen  Standpunkt  aus.  Das  makroskopische  Bild  der  Er¬ 
krankung  des  Ivavum  der  Tuben  ist  bald  das  eines  alten  Abszesses 
der  Tube,  bald  das  einer  fungösen  Salpingitis.  Uterus  und  Ovarien 
sind  selten  von  Tuberkulose  ergriffen.  Die  Diagnose  wird  selten 
vor  der  Operation  gestellt.  Jeder  als  solcher  erkannte  tuber¬ 
kulöse  Herd  an  den  Genitalien  muss  zerstört  werden,  wenn  die 
K ranke  im  stände  ist,  die  Operation  zu  überstehen. 

Bei  lokalem  tuberkulösem  Portiogeschwür  soll  dasselbe  kau- 
terisiert  werden.  Bei  Kollumtuberkulose  ist  die  supravaginale  Am¬ 
putation  zu  machen  oder  besser  der  Uterus  vaginal  zu  exstir- 
pieren,  da  man  nicht  weiss,  Avie  weit  der  Prozess  vorgeschritten 
ist.  Bei  ausgesprochener  Uterustuberkulose  ist  der  Uterus  mit 
den  Adnexen  vaginal  zu  exstirpieren.  Sind  mit  Bestimmtheit  nur 
die  Adnexe  der  einen  Seite  als  erkrankt  zu  bezeichnen,  so  kann 
man  konservativ  verfahren,  andernfalls  ist  der  Uterus  mitzu¬ 
nehmen.  Faure  empfiehlt  hiefür  den  abdominalen  Weg.  In 
seltenen  Fällen,  in  denen  die  Tuberkulose  mit  sekundärer  eitriger 
Infektion  verbunden  ist,  zieht  F.  den  vaginalen  Weg  vor. 

F  aure  empfiehlt  besonders  die  subtotale  Uterusexstirpation 
per  laparotomiam.  In  eingehender  Weise  beschreibt  F.  die  ver¬ 
schiedenen  Methoden  der  abdominalen  Entfernung  des  Uterus  und 
der  Adnexe  von  Doyen,  Richelot,  Kelly,  Terrie r  etc. 
und  seine  eigene  Technik. 

Der  Allgemeinbehandlung  der  Tuberkulose  sei  nicht  viel  zu 
vertrauen.  Auch  bei  recht  schweren  Erkrankungen  gibt  oft  das 
operative  Vorgehen  noch  gute  Erfolge. 

Referent  A  m  a  n  n  hat  das  Thema  mehr  vom  ätiologischen 
und  prophylaktischen  Standpunkt  aus  bearbeitet  und  in  einem  An¬ 
hang  auch  die  sog.  Urogenitaltuberkulose  besprochen.  Er  kommt 
in  seinem  Referate  zu  folgenden  Schlussfolgerungen: 

1.  Die  kongenitale  tuberkulöse  Infektion  des  Menschen  kommt 
bestimmt  vor,  sicher  erfolgt  dieselbe  auf  dem  Blutwege,  die  Lo¬ 
kalisation  der  Tuberkulose  kann  hierbei  in  den  verschiedensten 
Organen,  auch  im  Genitaltraktus,  stattfinden.  Manche  Genital¬ 
tuberkulose  kleiner  Kinder  ist  darauf  zurückzuführen,  aber  auch 
hier  werden  gewöhnlich  die  Keime  zuerst  in  den  Drüsen  auf¬ 
gespeichert  und  gelangen  A’on  dort  erst  in  die  Blutbahn.  Wahr¬ 
scheinlich  gehen  die  kongenital  tuberkulös  infizierten  Kinder  bald 
zu  Grunde,  doch  ist  lange  dauernde  Latenz  nicht  ganz  auszu- 
schliessen.  In  seltenen  Fällen  kommen  tuberkulöse  Primäraffekte 
an  den  äusseren  Genitalien  kleiner  Kinder  durch  lokale  In¬ 
fektion  vor. 

2.  Bei  älteren  Kindern  und  Erwachsenen  erfolgt  die  tuber¬ 
kulöse  Infektion  des  Körpers  fast  ausnahmslos  vom  Respirations- 
traktus  aus  (aerogen)  und  zwar  zunächst  in  die  Traclieo- 
bronchialdriisen  mit  oder  ohne  Schädigung  der  Eingangs¬ 
pforte  —  weit  seltener,  wenn  überhaupt  primär,  vom  Darm  (Füt¬ 
terungstuberkulose)  aus:  Mesenterialdrüsen.  Unter  Verkäsung  der 
Drüsen  vermehren  sich  die  Tuberkelbazillen  in  den  Lymphdrüsen 
sehr  stark,  durch  Arrosion  der  naheliegenden  Blutgefässwände 
gelangen  sie  in  die  Blutbahn,  werden  auf  dieser  in  die  verschie¬ 
densten  Körperorgane  verschleppt  und  setzen  dort  sekundäre 
tuberkulöse  Herde. 


3.  Es  ist  sicher,  dass  sich  der  primäre  Drüsenherd  ziemlich 
oder  sehr  weit  zurückbilden,  ja  verkalken  kann,  während  sich  der  in 
einem  speziell  disponierten  Organe  (z.  B.  Knochen,  Niere,  Geni¬ 
talien  etc.)  befindliche  sekundäre  Tuberkuloseherd  Aveit  aus¬ 
breiten  kann  und  auch  wieder  seinerseits  in  das  Gefässystem  eiu- 
brechen  und  sogar  eine  Miliartuberkulose  veranlassen  kann. 

4.  Von  den  Wegen  der  Entstehung  der  Aveiblichen  Genital¬ 
tuberkulose  ist  nur  der  hämatogene  Weg  von  Bronchialdrüsen 
aus  sicher  erwiesen  (Fälle  ohne  Beteiligung  des  Peritoneums,  des 
Darmes  etc.,  Avie  mein  Fall,  Fall  Gostensoux  etc.).  Weibliche 
Genitaltuberkulose  durch  Vermittelung  von  Peritonealtuberkulose 
oder  per  conti g'uitatem  vom  Darm  aus  scheint  ziemlich  selten  zu 
sein,  ebenso  die  Vermittelung  durch  Lympliwege. 

5.  Bei  weiblicher  Genitaltuberkulose  ist  fast  ausnahmslos 
Lungen-  resp.  Bronchialdrüsentuberkulose  gleichzeitig  vorhanden. 
Die  Formveränderungen  an  Tube  etc.  sind  bei  einwandfrei  er¬ 
wiesener  hämatogener  Infektion  die  gleichen  typischen  Avie  bei 
den  Aveiblichen  Genitaltuberkulosen  überhaupt. 

6.  Die  Disposition  der  weiblichen  Genitalien  für  Tuberkulose 
ist  grösser  als  die  der  männlichen:  bei  tuberkulösen  Männern 
3  Proz.,  bei  tuberkulösen  Frauen  bis  20  Proz.  Genitaltuberkulose. 
Die  Hypoplasie  der  Genitalorgane  steigert  beim  Mann  und  der 
Frau  die  Disposition  zur  tuberkulösen  Infektion  (unter  80  weib¬ 
lichen  Genitalhypoplasien  24  Genitaltuberkulosen,  Merletti). 
Desgleichen  scheinen  chronisch  entzündliche,  z.  B.  gonorrhoische, 
Veränderungen,  soAvie  der  puerperale  Zustand  die  Disposition  zu 
steigern. 

7.  Zuerst  ist  fast  ausnahmslos  die  Tube  ergriffen,  auch  stets 
am  stärksten,  von  hier  aus  erfolgt  die  Infektion  des  Uterus,  der 
Zervix,  der  Vagina  durch  abfiiessendes  Sekret  oder  sie  sind  auch 
sämtlich  oder  nur  streckenweise  auf  hämatogenem  Wege  infiziert. 

8.  Die  Existenz  einer  primären,  durch  direkte  Infektion  von 
aussen  entstandenen  Genitaltuberkulose  beim  Weibe  ist  in  hohem 
Grade  fraglich. 

9.  Die  als  Beispiele  für  primäre  Genitaltuberkulose  angeführ¬ 
ten  Fälle  sind  fast  durchgehend  nicht  einwandfrei.  Nicht  klinische 
oder  Operationsbefunde  können  hier  in  Betracht  kommen,  sondern 
nur  Autopsiebefunde  und  von  diesen  nur  solche,  die  mit  der  be¬ 
stimmten  Absicht,  nach  den  eventuell  verborgenen  Herden  zu 
suchen,  erhoben  sind  (cf.  N  ä  g  e  1  i). 

1U.  Die  Grösse  der  Ausbreitung  der  tuberkulösen  Veränderung 
im  Genitaltraktus  ist  für  die  Frage  primär  oder  sekundär  belanglos. 

11.  Die  Hinaufbeförderung  der  Tuberkelbazillen,  die  keine 
Eigenbewegung  haben,  in  die  Tube  liesse  sich  noch  am  besten 
durch  Beteiligung  der  Spermatozoen  erklären.  Im  Sperma  Tuber¬ 
kulöser  auch  ohne  Genitaltuberkulose  können  sich  Tuberkelbazillen 
befinden.  Allein  der  Tuberkelbazillus  geht  stets  mit  dem  Sekret- 
strom,  also  im  Uterus  nach  abwärts,  die  Spermatozoen  regt  da¬ 
gegen  der  Sekretstrom,  Avie  bekannt,  zum  Gegensclrwimmen  an. 
Es  müssten  also  die  ohnedies,  Avie  festgestellt,  sehr  spärlichen 
Tuberkelbazillen  als  direkt  den  Spermatozoen  angeklebt  angenom¬ 
men  Averden.  Bei  dem  reichlichen  Uterussekret  dürfte  die  Flirume- 
rung  der  Schleimhaut  kaum  einen  Einfluss  haben.  Durch  die  Ver¬ 
suche  Pinners  ist  festgestellt  worden,  dass  korpuskulare  Ele¬ 
mente  durch  den  Flüssigkeitsstrom  durch  die  Tube  und  den 
Uterus  bis  in  die  Scheide  rasch  transportiert  werden. 

12.  Meiner  Ansicht  nach  bietet  bei  den  sogen.  Kohabitations- 
infektionen  das  lange  Zusammenleben  mit  einem  tuberkulösen 
Manne  viel  mehr  andere  Infektionsmöglichkeiten,  besonders  für 
den  Respirationstraktus  der  Frau,  als  die  Kohabitation. 

13.  Tuberkulöse  Primäraffekte  an  den  äusseren  Genitalien 
oder  Vagina  mit  entsprechender  Drüsenschwellung  sind  so  gut 
wie  nicht  beobachtet,  diese  müssten  bei  den  von  einigen  Autoren 
angenommenen  Einimpfungen  ins  paravaginale  GeAvebe  vorhanden 
sein. 

14.  Von  besonderer  Wichtigkeit  erscheinen  die  Angaben 
der  pathologischen  Anatomen:  Bollinger,  v.  Reckling¬ 
hausen,  R  i  b  b  e  r  t,  Albrech  t- Wien,  Schmaus,  Schmorl, 
A  s  c  h  o  f  f ,  Albrecht  -  München  haben  keinen  einwandfreien 
Fall  von  primärer  Genitaltuberkulose  beim  Erwachsenen  gesehen. 

15.  Die  Bezeichnung  aszendierende  und  deszendierende  Form 
der  Genitaltuberkulose  ist  unzweckmässig,  da  auch  in  den  sogen, 
primären,  also  angeblich  aszendierenden,  Fällen  die  Tuben  zuerst 
ergriffen  sind. 

16.  Mit  absoluter  Sicherheit  ist  jede  äussere  Infektion  aus¬ 
geschlossen  in  den  Fällen  von  Genitaltuberkulose  bei  kongenitaler 
Atresie  der  Vagina  (Thompson,  Kretz). 

17.  Die  Prophylaxe  der  Genitaltuberkulose  beruht,  Avie  bei  der 
Lungentuberkulose,  auf  Stärkung  der  Reaktionskraft  des  Organis¬ 
mus,  Verminderung  der  Infektionsgefahr,  Beeinflussung  der  prä¬ 
disponierenden  schädigenden  Momente  (Gonorrhöe,  Puerperium 
etc.). 

18.  Der  Ausdruck  „weibliche  ürogenitaltuberkulose“  ist  un¬ 
zweckmässig;  es  handelt  sich  um  zAvei  selbständige,  nebeneinander 
bestehende  Systemerkrankungen;  Uebergänge  von  der  einen  zur 
andern  kommen  wohl  nicht  vor.  Die  Tuberkulose  der  Hamwege 
ist  deszendierend,  die  Niere  wird  auf  hämatogenem  Wege  von 
eiern  Drüsenhefd  aus  infiziert  (Ausscheidungstuberkulose  oder 
tuberkulöse  Embolie),  von  hier  aus  erfolgt  die  Infektion  der  Ure- 
teren  und  der  Blase;  letztere  können  auch  isoliert  auf  hämatogenem 
Wege  infiziert  werden. 

Referent  Veit-  Leyden  erörtert  zunächst  die  Häufigkeit  der 
weiblichen  Genitaltuberkulose  auch  an  der  Hand  des  von 


L860 


MUEN  CHEN  ER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


v.  Hanse  mann  ilim  zur  Verfügung  gestellten  Materials,  nach 
letzterem  4 — 5  Proz.  der  tuberkulösen  Frauen,  nach  Stolper  und 
Posner  20—  30  Proz.  der  tuberkulösen  Frauen.  Veit  betont  bezüg¬ 
lich  der  primären  Genital  tuberkulöse,  dass  dieselbe  sehr  selten  ist;  die 
hiefür  angeführten  klinischen  Beweise  seien  sehr  mit  Vorsicht  auf- 
zuuehmen,  nur  sorgfältige  anatomische  Untersuchung  kann  zum 
Beweis  herangezogen  werden.  Veit  stellt  einige  Fälle  aus  der 
Literatur  zusammen,  die  er  als  primäre  anerkennt.  Der  aszen- 
dierende  und  der  deszendierende  Weg  käme  in  Betracht,  letzterer 
\  on  der  Peritonealhöhle  aus,  ferner  müsse  noch  der  hämatogene 
Weg  der  Infektion  und  der  Weg  der  Lymphbahnen  als  möglich 
angenommen  werden.  Veit  bespricht  die  Diagnose  und  die  The¬ 
rapie,  wobei  er  die  Behandlung  von  Genitaltuberkulösen  in  Sana¬ 
torien  befürwortet.  Wenn  überhaupt  operiert  werden  soll,  dann 
sehr  radikal;  der  abdominale  Weg  ist  vorzuziehen. 

Veit  gelangt  zu  folgenden  Schlussfolgerungen:  a)  bezüglich 
der  Genitaltuberkulose: 

1.  Die  Genitaltuberkulose  ist  häufiger,  als  man  früher  an¬ 
nahm. 

2.  Primäre  Genitaltuberkulose  kommt  sicher  vor,  die  sekun¬ 
däre  ist  häufiger. 

3.  Die  Genese  der  Genitaltuberkulose  ist  meist  deszendierend, 
seltener  aszendierend,  doch  kann  auch  auf  dem  Wege  der  Blut¬ 
bahn  oder  nach  zufälligen  Verletzungen  auf  den  Lymphbahnen  die 
Infektion  erfolgen. 

4.  Die  Diagnose  der  Genitaltuberkulose  soll  sich  möglichst 
auf  den  Nachweis  des  Tuberkelbazillus  gründen,  doch  genügt  even¬ 
tuell  auch  der  sichere  Nachweis  der  Tuberkel. 

5.  Spontane  Heilung  von  Tuberkulose  der  Genitalien 
kommt  vor. 

0.  Bei  primärer  resp.  isolierter  Genitaltuberkulose  ist  die 
Operation,  wenigstens  zur  Zeit,  noch  die  beste  Heilungsmethode. 

7.  Bei  nicht  isolierter  resp.  sekundärer  Tuberkulose  der  Geni¬ 
talien  kommt  in  erster  Linie  die  allgemeine  Therapie,  vor  allem 
Anstaltsbehandlung  in  Frage,  doch  kann  mau  nicht  verkennen, 
dass  in  einzelnen  Fällen  auch  die  Operation  gute  Dauererfolge  er¬ 
reichte,  sie  kommt  also  ausnahmsweise  in  Frage. 

8.  Unter  der  palliativen  lokalen  Therapie  steht  die  Anwendung 
des  Jodoform  obenan. 

bi  Bezüglich  der  tuberkulösen  Peritonitis: 

1.  Die  tuberkulöse  Peritonitis  ist  stets  sekundär;  man  unter¬ 
scheidet  die  aszitische  und  die  adhäsive  Form. 

2.  Die  Erkrankung  der  Genitalien  kann  primär  sein,  kann 
sekundär  sein  und  kann  endlich  nur  in  Tuberkulose  des  Peri¬ 
tonealüberzuges  der  Genitalien  bestehen. 

3.  Peritonitiden  mit  ausgedehnter  Knötchenbildung,  die  nicht 
durch  Ovarialtumoren  oder  durch  Karzinom  zu  erklären  sind,  muss 
man  im  allgemeinen  als  tuberkulös  ansehen. 

4.  Die  Peritonitis  tuberculosa  kann  spontan  ausheilen,  wenn 
auch  nicht  sehr  häufig. 

5.  Die  Peritonitis  tuberculosa  heilt  durch  Laparotomie,  wenn 
auch  einzelne  Misserfolge,  meist  bedingt  durch  weit  vorge¬ 
schrittene  Tuberkulose  anderer  Organe,  beobachtet  wurden. 

6.  Eine  allgemein  angenommene  Erklärung  dieser  Heilungen 
besteht  noch  nicht;  der  Einttuss  des  —  normalen  oder  antitoxisch 
gewordenen  —  Serum  ist  hier  sehr  wahrscheinlich. 

7.  Therapeutisch  soll  man  bei  frischen  Fällen  dann  operieren, 
wenn  Beschwerden  durch  die  Pex-itonitis  bestehen;  die  Wieder¬ 
holung  der  Operation  kann,  wenn  man  sehr  früh  operiert,  nötig 
werden. 

8.  Chronische  Fälle  beobachte  man;  beginnt  sich  nicht  bald 
der  Anfang  der  spontanen  Heilung  zu  zeigen,  so  operiere  man. 

0.  Die  Operation  besteht  in  der  einfachen  Laparotomie  in  der 
Linea  alba,  der  völligeix  Entleerung  der  Flüssigkeit  und  dem 
Schluss  der  Bauchhöhle;  nur  bei  gleichzeitig  gefundener,  völlig- 
isolierter  Genitaltuberkulose  schliesse  man  die  abdominale  Radi- 
kaloperation  an. 

Diskussion:  G  ut  i  e  r  r  e  z  -  Madrid:  Die  primäre  uterine 
Genitaltuberkulose  existiert;  man  findet  sie  öfter,  wenn  man  die 
Vaginalsekrete  untersucht.  G.  hat  10  Fälle  beobachtet.  Die 
sekundäre  Form  ist  häufiger.  Bei  der  tuberkulösen  Peritonitis  ist 
eine  aszitische  und  eine  adhäsive  Form  zu  unterscheiden;  erstere 
heilt  oft  spontan  aus,  letztere  vei-anlasst  chirurgische  Eingriffe 
wegen  Darmokklusion. 

Pichevin-  Paris  ist  mehr  für  subtotale  Exstirpation.  Zur 
Diagnose  sei  die  charakteristische  Tubenform  zu  verwerten. 

S  p  i  n  e  1 1  i  -  Neapel  berichtet  über  31  Fälle  von  Genital¬ 
tuberkulose;  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nimmt  er  primäre  Form  au. 
In  3  Fällen  war  der  Mann  lungenleidend,  in  einem  Falle  litt  der 
Mann  an  Genitaltuberkulose.  Das  Puerperium  wirkt  für  die  Aus¬ 
breitung  der  Tuberkulose  begünstigend.  Die  tuberkulöse  Peri¬ 
tonitis  geht  meist,  von  den  Genitalien  aus.  Es  gibt  eine  knotige 
Form  der  Peritonitis  tubei’culosa,  die  als  maligner  Tumor  ange¬ 
sehen  werden  kann,  auch  am  Utenis  kommen  Verwechselungen 
mit  Adenokarzinom  vor.  S  p  i  n  e  1 1  i  ist  für  operative  Eingriffe. 

v.  F  r  a  n  q  u  e  -  Würzburg:  Im  Wochenbett  findet  die  Tuber¬ 
kulose  wohl  Gelegenheit  zu  deszendieren,  ebenso  wie  die  Gonori'höe 
unter  gleichen  Umständen  häufig  aszendiert.  v.  Franquö  er¬ 
wähnt  einen  charakteristischen  Fall,  in  dem  offenbar  eine  schon 
vorher  bestandene  Peritonealtuberkulose  am  zav eiten  Wochenbetts¬ 
tage,  zur  Zeit  der  ersten  Temperatursteigerung,  in  das  Cavum 
uteri  deszendiei*te.  Die  Diffei-entialdiagnose  zwischen  schleichend 
verlaufenden,  puerperalen  Infektionsprozessen  und  deszendieren¬ 


der  Genitaltuberkulose  ist  nicht  immer  möglich,  v.  Franque 
pflichtet  ausdrücklich  A  m  a  n  n  bei,  der  eine  ausgedehntere  An¬ 
wendung  von  Impfversuchen  an  Tieren  behufs  Diagnosestellung 
empfiehlt,  da  es  öfters  trotz  charakteristischen  Verlaufes,  Be¬ 
fundes,  Anamnese  nicht  gelingt,  Bazillen,  Tuberkel,  Riesenzellen 
zu  finden. 

P  o  z  z  i  -  Paris  erklärt  sich  im  Gegensatz  zu  F  a  u  l*  e  absolut 
gegen  den  vaginalen  Weg  der  Uterusexstirpation  in  diesen  Fällen: 
1.  aa  eil  dieser  Weg  gefährlich  sei  Avegen  der  starken  Vei’Avacli- 
sungen,  2.  Aveil  er  nur  ganz  un\Tollkommene  Operationen  zulässt. 
Trotzdem  er  sonst  konseiwativ  sei,  so  sei  er  für  die  Operation 
tuberkulöser  Prozesse  absolut  radikal;  immer  müssen  beide  Ad¬ 
nexe  entfernt  werden  und  auch  der  Uterus  total,  um  nicht  Schleim¬ 
haut  zurückzulassen,  die  tuberkulös  sein  könnte.  Er  venvirft 
die  Hemisektion  und  das  Morcellement  des  Uterus.  Ist  die  Lungen¬ 
tuberkulose  gleichzeitig  weit  vorgeschritten,  so  soll  mau  nichts 
mehr  tun. 

Fargas  -  Bai-celona  glaubt,  dass  G0  Troz.  von  Peritoneal¬ 
tuberkulosen  spontan  mit  Hinterlassung  von  destruierendeu  Pro¬ 
zessen  an  den  Adnexen  ausheilen  können. 

T  h  e  i  1  h  a  b  e  r  -  München:  Bei  der  tuberkulösen  Peritonitis 
sei  die  Entstehung  des  Aszites  wesentlich  durch  Kompression  der 
Mesenterialvenen  bedingt.  Die  Heilung  nach  Laparotomie  komme 
zu  stände  durch  Adhäsionsbildung;  in  den  Adhäsionen  entAvickle 
sich  ein  Kollateralkreislauf,  dadurch  verschwinde  der  Aszites.  Die 
vaginale  Koeliotomie  sei  daher  für  die  Behandlung  der  tuberku¬ 
lösen  Peritonitis  nicht  so  geeignet,  Avie  die  abdominale. 

Gottschalk  -  Berlin  bespricht  die  Frage  der  hereditären 
primären  Geixitaltuberkulose;  diese  kommt  auf  hämatogenem  Wege 
zu  stände  oder  es  können  dem  befruchtenden  Samenkeni  an¬ 
haftende  Tuberkelbazillen  die  Geschlechtszelle  und  damit  die  spä¬ 
teren  Keimzellen  bezAV.  die  Keimzelle  infizieren.  Zum  Beweise  er- 
Avähnt  Gott  schalk  einen  Fall,  der  eine  32  jährige  Vii'go  be¬ 
traf,  die  in  zweiter  Generation  väterlicherseits  hereditär  tuberkulös 
belastet  war.  Käsige  Saktosalpingen,  Verkäsung  beider  Ovarien, 
Pyometra,  zottiger  Tumor  an  Portio;  Aplasie  der  Tuben  und  des 
Uterus.  Vaginale  Totalexstirpation;  Pat.  seitdem  2y3  Jahve  ge¬ 
sund.  G.  nimmt  primär  hereditäre  Ovarialtuberkulose  an.  Ferner 
zeigt  G.  Präparate,  die  eine  in  der  Uterusmuskulatur  lokalisiei-te 
Tuberkulose  erweisen.  G.  ist  nicht  für  Spaltung  des  Uterus,  da 
in  demselben  ein  infektiöser  Abszess  vorliegen  kann. 

Truzzi-  Padua  dankt  A  m  a  n  n,  dass  er  in  seinem  Referat 
der  aus  seiner  Schule  heiworgegangenen  Arbeit  Merlettis  so 
viel  Interesse  entgegengebracht  hat.  Er  betont  nochmals  die 
Uterus-  und  Tubenhypoplasie  als  Avichtiges  prädisponierendes 
Moment  für  die  Entwicklung  der  Genitaltuberkulose.  Ferner  hebt 
er  den  hohen  Wert  der  Impfungen  der  Sekrete  auf  Tiere  zu  dia¬ 
gnostischen  Zwecken  hervor.  Zur  Therapie  der  Peritonealtuber¬ 
kulose  erwähnt  er  die  endoperitonealeu  Injektionen  einer  dünnen 
Formalinlösung  Avährend  der  Laparotomie. 

Schlusswort  der  Referenten,  Martin:  Der  von 
allen  Referenten  aufgestellte  Satz  der  überraschenden  Häufigkeit 
der  Genitaltuberkulose  hat  sich  in  der  Diskussion  bestätigt.  Die 
pathologische  Anatomie  hat  als  Ausgangspunkt  für  die  Therapie 
zu  gelten.  Bei  den  meist  irgendAVo  im  Körper  noch  vorhandenen 
^Herden  kann  von  einer  radikalen  Heilung  auf  operativem  Wege 
nicht  gesprochen  Averden.  Mit  radikalen  Eingriffen  muss  man 
vorsichtig  sein.  Allgemeinbehandlung  kann  auch  im  Augenblick 
nicht  harmlos  erscheinende  Herde  zur  Ausheilung  bringen.  M  a  r  - 
t  i  n  tritt  für  den  vaginalen  Weg  ein;  derjenige,  der  vaginal  zu  ope¬ 
rieren  versteht,  wird  sehr  vieles  vaginal  mit  genügendem  Erfolge 
erledigen  xmd  dabei  der  Kranken  die  ganzen  Gefahren  der  Bauch¬ 
narbe  ersparen.  Man  soll  nicht  „radikal“  Vorgehen,  sondern  nur 
die  Herde  selbst  entfernen,  die  zu  Resorptionserscheinungen 
führen. 

A  m  a  u  n:  Die  Diskussion  und  die  Referenten  haben  zu  meiner 
Befriedigung  den  von  mir  aufgestellten  Satz  bestätigt,  dass  die 
aus  der  Literatur  zu  entnehmende  angebliche  Häufigkeit  der  p  r  i  - 
m  ä  r  e  n  Genitaltuberkulose  nicht  dem  Tliatsächlichen  entspricht. 
Mit  Recht  hat  Veit  gesagt,  eine  primäre  Genitaltuberkulose  ge¬ 
hört  zu  den  Raritäten.  Natürlich  gebe  auch  ich  zu,  dass  schliess¬ 
lich  ebenso,  wie  vereinzelt  einmal  eine  Inokulationstuberkulose 
an  der  äusseren  Haut  vorkoiumt,  auch  einmal  am  Genitaltraktus 
eine  vielleicht  durch  Colpitis  senilis  veränderte  Portiooberfläche 
(event.  Fall  K  auf  f  mann)  auf  irgend  eine  Weise  direkt  mit 
Tuberkelbazillen  infiziert  Averden  mag  —  aber  der  gewöhnliche  In¬ 
fektionsmodus  bei  der  Genitaltuberkidose  ist  dies  nicht  (vergl.  mein 
Referat).  Die  Genitaltuberkulose  des  Weibes  ist  im  allgemeinen 
als  sekundäre  Erkrankung  aufzufassen.  Für  die  Beurteilung 
zAveifelliafter  Fälle  möchte  ich  nochmals  auf  die  hierfür  ange¬ 
gebene  Sektionstechnik  Naegelis  hinweisen. 

Für  die  Therapie  ist  Avichtig,  dass  auch  in  ganz  desolaten 
Fällen  noch  Spontanheilung  gesehen  Avurde;  allgemeine  Therapie 
bietet  gute  Chancen,  doch  ist  trotz  des  meist  sekundären  Charak¬ 
ters  der  Erkrankung  auch  nicht  selten  opexutiv  einzuschreiten, 
wie  bei  anderen  sekundären  Organtubei'kulosen;  die  Art  der 
Operation  soll  sich,  wie  auch  Martin  mit  Recht  betont,  nach 
dem  pathologisch-anatomischen  Befunde  richten.  Ich  freue  mich, 
dass  auch  v.  F  ranque  die  Notwendigkeit  häufigerer  Tier- 
impfungen  zu  diagnostischen  Zwecken  betont. 

Veit:  Die  Notwendigkeit,  unsere  Therapie  mit  der  patho¬ 
logischen  Anatomie  in  Einklang  zu  bringen,  wurde  besondex's  von 
Martin  betont;  Veit  schliesst  sich  ihm  voll  an,  dagegen  kann 


4.  November  1902. 


MlTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1861 


gi  F  «i  u  i  0  und  1  o  z  z  i  niclit  folgen,  wenn  sic  lipi  TnhovimiA 
den  eingreifendsten  Operationen  raten.  Poni  fürch et be  Tube" 
k ulose  etwas  zuruckzulassen,  etwa  wie  beim  Karzinom  -  aber  e,' 
muss  uns  aut  Grund  der  Anatomie  Zusehen  “  ,,  „  e 

:iirn^s 

ÄÄ  ffSSn  SSÄ  habe!- 

ldSonsbUdung^uch^nic^!  fo^gen^11^  e^Tt  ^oi-d.01?^^  ^  der  Ad‘ 
mente  publizieren  lassen,  die  für  den  Einfluss  des Sera ms 'sprechen 
\  eit  kann  nicht  zugeben,  dass  die  Laparotomie  als  ^ehe 
Adhäsionen  macht.  Das  Wichtige  an  (w  «„n,  •  +  ,  solclle 
olme  makroskopisch  sichtbare  Ursache  Heilung  etaStefsfehT" 

Sitzung  vom  17.  September  1902,  Nach  m  .3  V  li  r 
im  hygienischen  Institut  des  Herrn  Prof.  Celli.  * 

Martin-  Greifswald  demonstriert  mittels  Proiektinns 
apparat  eine  Reihe  mikrophotographischer  Aufnahmen  ins  drnn 
Gebiete  der  weiblichen  Genitaltuberkulose.  h  dem 

a °Jr  n  tt4°  n  Cincinnati  demonstriert  mikroskopische  Schnitte 
d ui  cli  die  Uterus wandung  verschiedener  Tiere.  1  hmtte 

R  e  i  n  - Petersburg  demonstriert  Photogramme  von  am 
tomischen  Praparaten  des  Nervensystems  der  Beckenorgane.' 

C  u  1 1  e  n  - Baltimore  demonstriert  Bilder  von  19  Fällen  vrm 

H f  d^ÄSSii  ££ 

oW  enTwSeP  Zte  T  ^  im  Zentrilm  befindliches  Str- 

WS!,"  einT  Jährigen  Patientin.  Metastasen 
nicht  nachzuweisen  A.  bezeichnet  den  Fall  als  Unikum 
(Schluss  folgt.) 

74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

m  Karlsbad  vom  21.-27.  September  1902. 

VI. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

V.  Sitzung. 

Vorsitzender:  Herr  v.  H  a  e  k  e  r  -  Innsbruck. 

1.  Herr  Stolper-  Breslau :  Heber  Beckenbrüche. 

“  d6r  Hand  V011  33  anatomischen  Prä- 
“;°n  Eeckenb™chei1  Ulld  ^stützt  auf  zahlreiche  klinische 
Beobachtungen  besonders  den  Typus  der  Beckenbrüche.  Diese 
seien  meist  die  nicht  durch  Kontusion,  sondern  durch  Kom¬ 
pression  des  ganzen  Beckenringes  oder  Zusammenwirken  beider  zu 

:  ^ebkr“  V1®lfachen  Biegungsbrüche,  Die  Folge  der 
c  ttgehabten  akuten  Zusammenpressung  des  Beckenringes  seiet 
J  rakturenbezw.  Fissuren  an  der  vorderen  und  an  der  hinterer 
aiite.  \  orn  seien  besonders  häufig  Brüche  der  Umrahmung  des 

^endeetd  ^  Kamuf.  horiz‘  descend.  ossis  pubis  u.  r 
deSCend-.os"ls  lscllll>  ibrem  Sitz  nach  oft  symmetrisch 
hinten  komme  es  m  leichten  Fällen  zur  Lockerung  der  Kreuz¬ 
ern  ugen,  m  schwereren  zu  Kompresisionsverletzungen  des 

furch2  n  ^  Seitenteile  splittern  oder  Fissuren 

durch  die  Eoramma  sacralia  einseitig  oder  beiderseitig  hinziehen. 

Seltener  gehe  die  hintere  Fissur  durch  die  Darmbeinschaufeln, 

W  ld  begkltende  Randbrüche  in  der  Regel  Folge  der  direkten 
Jvontusion  seien. 

]•  ,  DleQ  BlSSaren  Sltzen  in  leichteren  Fällen  einseitig,  z.  B.  am 

etnfl  l  r  Td  an  der  linken  Symphysis  sacroiliaea,  ge- 
egentlieh  aber  auch  gekreuzt,  also  vorn  links,  hinten  rechts. 

t  e  f  algaignesche  doppelte  Vertikalfraktur,  auch  ein 
typischer  Biegungsbruch  ist  als  besonders  markant  herausge- 
hoben,  weil  sie  mit  Verlängerung  bezw.  Verkürzung  eines  Beines 
einhergeht..  Schneidet  nämlich  die  Fissur  vor  dem  Hüftgelenk 
flfl  lejenige  hinter  demselben,  dieses  gewissermassen  aus  dem 
■  (  v(  innige  heraus,  so  hat  jede  Dislokation  dieses  das  Hüft¬ 
gelenk  umfassenden  Segments  eine  scheinbare  Längenverände¬ 
rung  des  zugehörigen  Beins  zur  Folge.  In  geringem  Grade  ist 
•KS?  -i  schein ung  bei  allen  mit  Dislokation  verbundenen  Becken - 
nngbrüchen  zu  beobachten. 

Nicht  bloss  bei  schweren  vielfachen  Beckenbrüchen,  auch  bei 
leichteren  komme  es  gelegentlich  zu  Harnröhren-  und  Blasenzer- 
reissungen.  Die  Harnröhre  ist  durch  die  sehr  häufigen  Frak- 
ruren  am  Ramus  horizontal«  und  an  der  Symphyse,  die  Harn- 
ase  durcb  im  Moment  der  Pressung  am  Innenrande  ab- 
SP  't  lern  de  und  in  die  Tiefe  g'etriebene  Knochenspangen  ge¬ 


fährdet.  Wo  sich  eine  Läsion  der  Harnröhre  oder  der  Harnblase 
mit  Sicherheit  annehmen  lässt,  da  ist  sofortige  Operation, 
ITrethrotomia  externa  bezw.  Blasenschnitt,  geboten.  Blutbei¬ 
mischung  zum  erstentleerten  Urin  ist  oft  das  ausschlaggebende 
Symptom,  welches  auf  diese  anfänglich  oft  sehr  harmlos  sich  aus¬ 
nehmende,  im  Grunde  aber  sehr  ernste  Komplikation  hinweist. 

Die  primäre  Naht  einer  Harnröhrendurchquetsehung  hält 
Stolper  für  unausführbar  wegen  der  weitreichenden  Ver¬ 
letzung.  Die  Behandlung  der  Beckenbrüche  besteht  im  all¬ 
gemeinen  in  einfacher  Rückenlagerung  im  Bett.  Deutliche  Dis¬ 
lokation  lässt  sich  dabei  meist  durch  einen  leichten  Zug  beseiti¬ 
gen.  Bei  Hüftgelenksverletzung  ist  daneben  leichte  Extension 
des  Beins  geboten. 

2.  Herr  Friedrich  Straus-  Frankfurta.M. :  Zur  Ureteren- 
und  Nierentätigkeit  bei  Ectopia  vesicae. 

Vortragender  stellte  diesbezügliche  Untersuchungen  an 
einem  Fall  von  totaler  Bauchblasenspalte  an.  Ein  solcher  Fall 
bietet  den  \  orteil,  dass  er  am  Lebenden  Untersuchungen  un¬ 
mittelbar  zulässt,  die  sonst  nur  mittels  des  Cystoskops  bezw. 
des  Ureteren cystoskops  möglich  sind. 

Blasenschleimhaut  auf  ihrer  ganzen  Oberfläche  in  granu¬ 
lationsähnlichem  Zustand  und  mit  glasig  gallertiger  Schleim- 
schicht  bedeckt.  Dieser  Schleim  wird  von  verlagerten  Urethral- 
driisen  abgesondert.  Eigentliche  Urethraldrüsen  fehlen. 

Fs  wird  die  Erfahrung  bestätigt,  die  vermittels  des  Ureter¬ 
katheters  an  der  normalen  Blase  gemacht  wurde.  Es  zeigt  sich 
die  gleiche  Erscheinung  an  der  freiliegenden  Blase:  Beide 
Nierenbecken  arbeiten  niclit  synchron,  sondern  alternierend. 
Urinmenge  rechts  3  mal  soviel  wie  links.  Bei  über  IV2  stündigem 
Verweilen  der  Katheter  in  den  Ureteren  fliesst  nicht  1  Tropfen 
I  rins  neben  den  Kathetern  aus:  Beweis  dafür,  dass  zum  getrenn¬ 
ten  Auffangen  des  Urins  nur  Katheterisierung  eines  Ureters 
nötig  ist. 

Fs  interessierte  zu  erfahren,  wie  sich  die  oberen  harnableiten- 
den  Organe,  die  fortgesetzt  der  Infektion  ausgesetzt  waren  — 
wie  sich  Ureteren,  Nierenbecken  und  Nieren  verhielten.  Der 
Blasen-Gesamturin  war  stark  ammoniakalisch  mit  viel  Mucin. 
Darnach  hätte  doppelseitige  Pyelitis  vermutet  werden  können, 
nd essen  entleerten  linke  wie  rechte  Niere  völlig  klaren,  stark 
sauren  Urin.  Mikroskopisch  keine  Formbestandteile,  weder  aus 
der  Niere  noch  aus  dem  Nierenbecken,  weder  links  noch  rechts. 
Die  Ursache,  dass  keine  Infektion  eintrat,  ist  nach  der  Ansicht 
\on  St.  darin  zu  suchen,  dass  der  Urin  seinen  ständigen  Abfluss 
hatte  und  die  Ureteren  durch  die  eigentümliche  Klappenbildung 
lhier  Orifizien  gegen  Infektion  geschützt  waren. 

S.  bespricht  sodann  die  Operation  der  totalen  Bauchblasen¬ 
spalte. 


A  ü  X  1 


LiUUUl 


fine  lVLusKe  zur  üetnyi- 
ihm  konstruierten  Mundsperre 


Chloridnarkose  nebst  einer  von 
und  Aetliylchloridtube. 

4.  Heu  Kersting  -  Aachen  demonstriert  leicht  abnehm¬ 
bare  Angelschienen  für  Unterkieferbrüche  und  Resektionen. 

5.  Herr  Salz  wedel  - Berlin :  Die  Verwendung  des  Spiri¬ 
tus  für  chirurgische  Zwecke.  (Der  Vortrag  erscheint  in  d.  W.) 

<>.  Herr  S  c  h  1  o  f  f  e  r  -  Prag:  Ueber  embolische  Verschlep¬ 
pung  von  Projektilen.  ^ 

Sc  bloffer  demonstriert  einen  Fall  von  Schussverletzung 
cles  Thorax,  m  deren  Gefolge  eine  ischämische  Lähmung  des 
rechten  \  orderarms  eintrat.  Das  Projektil  entfernte  S.  aus 
.  u.  m  e  11  d  e  r  A  r  t  e  r  i  a  axillaris.  An  der  Hand  der 

einschiiigigen  bisher  publizierten  Erfahrungen  und  kasuistischen 
i  litteilungen  weist  der  A  ortr.  nach,  dass  das  Projektil  einzig  und 
allem  111  den^  linken  Ventrikel  eingedrungen  und  von  dort  in  den 
aiteiiellen  Kreislauf  emboliscli  verschleppt  worden  sein  kann. 


Der  Kranke  weist  jetzt,  offenbar  infolge 


einer  Schädigung  von 


- ^ iiuui6c  ciiiri  oviiUAiii;  uug  V  UU 

l  apillarmusKeln  gelegentlich  der  Verletzung,  eine  Stenose  lind  In' 
sufflzienz  des  linken  venösen  Ostiums  auf. 


7.  Herr  Länderer-  Stuttgart :  Operative  Behandlung 
der  Varikositäten  und  Beingeschwüre. 

L.  beleuchtet  zunächst  die  T  rendelenburg  sehe  Opera¬ 
tion  in  Bezug  auf  ihre  Erfolge  und  spricht  sich  dahin  aus,  dass 
von  einer  so  kleinen  Operation  eine  Rückbildung  grosser  Vari¬ 
kositäten  nicht  erwartet  werden  kann.  Auch  die  Exstirpation 
einzelner  Stücke  verwirft  er  vollkommen,  da  die  von  ihm  so  ope¬ 
rierten  Patienten  noch  schlechter  daran  waren,  als  vor  der  Opera¬ 
tion.  Er  steht  vollkommen  auf  dem  Standpunkt  der  Totalexstir¬ 
pation,  die  er  70  mal  mit  80  Proz.  Dauerheilung  ausgeführt  hat. 

8.  Herr  Graser-  Erlangen :  Ueber  die  sogen.  Bursitis 
proliferans. 


1862 


Unter  diesem  Namen  verstellt  man  mit  Virchow  eine 
chronische  Erkrankung  der  Schleimbeutel,  welche  mit  einer  \  er- 
grösserung  des  Hohlraums,  einer  Verdickung  der  Kapselwand 
und  sehr  unregelmässiger  Innenfläche  einhergeht.  Die  Innen¬ 
fläche  ist  oft  mit  zahlreichen  Prominenzen  der  verschiedensten 
Gestalt,  mit  Balken,  welche  den  Hohlraum  durchqueren  und  mit 
der  Bildung  freier  Körper  der  verschiedensten  Grösse  verbunden, 
Befunde,  welche  zwar  verschiedentlich  beschrieben  sind,  aber 
doch  verhältnismässig  wenig  Berücksichtigung  und  Bearbeitung 
erfahren  haben.  Die  Deutung  dieses  Zustandes  war  bisher  ziem¬ 
lich  allgemein  die,  dass  es  sich  um  entzündliche  Gewebsneubil¬ 
dung  handle,  auf  welcher  wiederum  mehrschichtige  Fibrinnieder¬ 
schläge  zu  Stande  kommen,  die  ihrerseits  wieder  von  den  Ge- 
fässen  aus  organisiert  werden  können.  Bei  der  Untersuchung 
eines  besonders  kompliziert  ausgestatteten  derartigen  I  alles  fand 
nun  G.  einen  Teil  der  Prominenzen  und  der  freien  Körper  aus 
in  Schrumpfung  begriffenem  Fettgewebe  bestehend,  und  damit 
war  wenigstens  für  diesen  Teil  der  Innenwand  die  Möglichkeit 
der  bisherigen  Erklärung  ausgeschlossen.  Kicker-  Rostock 
hatte  bereits  im  Jahre  1900  in  1  irchows  Archiv  eine  Arbeit  über 
die  Verflüssigung  des  Bindegewebes  veröffent¬ 
licht.  Dort  ist  neben  anderen  1  erflüssigungen,  innerhalb  von 
Tumoren  und  neugebildetem  Bindegewebe,  auch  über  eine  fort¬ 
schreitende  Zerstörung  der  Innenwand  von  Schleimbeuteln  be¬ 
richtet.  G.  hat  nun  im  Verlauf  eines  Jahres  in  6  verschiedenen 
Fällen,  die  alle  durch  Operation  gewonnen  wurden,  eine  grosse 
Anzahl  von  Präparaten  gesammelt,  die  alle  geeignet  sind,  die 
von  Kicker  vertretene  Ansicht  zu  bestätigen.  Die  unregel¬ 
mässige  Gestaltung  der  Innenfläche  entsteht  nicht  durch  Wuche¬ 
rung,  sondern  durch  eine  ungleiclnnässige  Degeneration  und 
Auflösung  der  den  Hohlraum  umgebenden  Teile.  Die  Prominen¬ 
zen  und  die  den  Hohlraum  durchquerenden  Balken  sind  die¬ 
jenigen  Teile,  welche  wegen  besserer  Ernährung  der  Zerstörung 
bisher  getrotzt  haben.  Die  van  Giesonsche  Färbung  ist  ein  gutes 
Reagens  auf  die  der  Verflüssigung  vorangehenden  Verände¬ 
rungen,  indem  die  dem  Zerfall  geweihten  Teile  nicht  mehr  die 
fuchsinrote  Färbung,  sondern  eine  gelbe  Farbe  annehmen,  wo¬ 
bei  häufig  ein  unmittelbarer  Zusammenhang  und  U  ebergang  der 
verschiedenen  Bestandteile  nachzuweisen  ist.  Gegen  die  Deu¬ 
tung  dieser  Massen  als  Exsudat  oder  Niederschlag  spricht  über¬ 
zeugend  die  Tatsache,  dass  man  in  den  degenerierten  Teilen  oft 
noch  die  Anordnung  der  Kerne  in  typischer  Weise  auffinden 
kann.  Auch  die  kompliziertesten  Bilder  sind  vollkommen  durch 
diese  Deutung  zu  erklären.  Der  Prozess  der  Zex*störung  geht 
nicht  nur  an  der  Innenfläche,  sondern  auch  in  den  tieferen 
Schichten  vor  sich  und  kommt  bisweilen  zum  Stillstand,  so  dass 
mit  der  Zeit  eine  Art  von  Selbstheilung  eintreten  kann. 

Andeutungen  über  solche  Erklärung  hatte  schon  Virchow 
in  seinen  Abhandlungen  über  die  Geschwülste  gegeben.  Auch 
Schuch  ardt  hat  in  einer  Arbeit  aus  dem  Jahre  1890  einen 
Teil  der  Befunde,  namentlich  in  kleinen  Schleimbeuteln  als 
„fibrinoide  Entartung“  gekennzeichnet.  Diese  Deutungen  be¬ 
zogen  sich  aber  stets  nur  auf  einzelne  Stellen  und  namentlich 
war  für  die  chronische  Wucherung  immer  noch  Raum  freige¬ 
lassen.  Die  Befunde  erinnern  vollständig  an  diejenigen,  welche 
durch  Ledderhose  und  Payer  über  die  Entstehung  der 
Ganglien  gewonnen  wurden  und  nun  allgemein  anerkannt  sind. 
Die  dort  im  Gewebe  auf  tretende  gallertartige  Vei*flüssigung  ist 
zwar  ein  ähnlicher,  aber  nicht  der  gleiche  Vorgang. 

G.  schlägt  für  die  Bezeichnung  der  beschriebenen  Erkran¬ 
kungsform  Hygroma  destruens  vor;  weitere  im  Gang  befindliche 
Untersuchungen  werden  ergeben,  ob  nicht  alle  Hygroine  diesen 
Werdegang  auf  weisen. 

9.  Herr  S  c  b  a  n  z  -  Dresden:  lieber  Quadrizepstransplan- 
tation. 

Vorstellung  eines  kleinen  Patienten,  dessen  Quadrizeps  er 
durch  den  Sartorius  ersetzt  hat. 

10.  Herr  Dollinger-  Ofen-Pest :  Methode  zur  blutigen 
Reposition  veralteter  Schulterverrenkungen. 

D.  hatte  in  der  chirurgischen  U Universitätsklinik  in  Ofen- 
Pest  während  der  letzten  5  Jahre  19  veraltete  Sehulterverren- 
kungen  zu  behandeln.  Davon  deponierte  er  meistens  nach 
K  o  chers  Methode  7,  grösstenteils  4 — o  W ochen  alte  Fälle  und 
(inen  3  Monate  alten  Fall.  In  2  Fällen  wurde  noch  vor  voll¬ 
kommener  Ausbildung  seines  Operationsverfahrens  in  den 
Jahren  1897 — 99  während  der  Rotation  der  Oberarm  abgedreht, 


No.  44. 


und  in  10  Fällen,  in  welchen  die  Repositionsversuche  erfolglos 
waren,  wurden  blutige  Operationen  ausgeführt.  Ein  I  all  von 
diesen  war  mit  Bruch  im  Collum  chirurgicum  und  einer  mit 
Bruch  im  Collum  anatomicum  kompliziert.  Davon  wurde  in 
einem  Falle  das  in  Winkelstellung  angeheilte  obere  Bruchende 
mit  dem  Kopfe  reseziert,  im  zweiten  wurde  eine  lineare  Osteo¬ 
tomie  ausgeführt.  In  einem  dritten,  mit  Bruch  des  Tuberculum 
majus  komplizierten  Falle  wurde  dieses  entfernt  und  dann  re- 
poniert. 

In  7  Fällen  war  keine  Komplikation  vorhanden.  Die  Luxa¬ 
tion  bestand  seit  5,  8,  10  12,  16  und  17  W  ochen.  Zuerst  wurde 
in  Narkose  die  Reposition  nach  Kochers  Methode  versucht 
und  dann,  nach  Erfolglosigkeit  dieses  Versuches,  operiert.  Auf¬ 
fallend  war  bei  der  Operation  in  allen  Fällen  der  Mangel  seiner 
grossen  Veränderungen  —  Kallusmassen,  dicke  Bindegewebs- 
schwarten  etc.  — ,  welche  die  meisten  Autoren  als  Befund  be¬ 
schreiben  und  wegen  welcher  sie  das  Ivollum  gewöhnlich  skeletti- 
sieren.  Die  Operation  ist  nun  folgende:  Hautschnitt  etwas  ein¬ 
wärts  von  der  Vena  cephaliea  vom  Schlüsselbein  bis  zum  Ansatz 
des  M.  pectoralis  major.  Eindringen  in  die  Tiefe  in  dem  Spalt 
zwischen  Deltoideus  und  Pectoralis  major  bis  auf  den  I  roc.  cora- 
coides.  M.  pectoralis  minor  nach  oben,  Coraco-brachialis  nach 
aussen,  Pectoralis  major  nach  innen  gezogen.  Jetzt  liegt  der 
Sulcus  intertubercularis  und  das  Tuberkulum  minus  vor.  Die 
lange  Bizepssehne  wird  während  der  Operation  nicht  freigelegt. 
Der  Humeruskopf  steht  jetzt  nach  hinten  und  etwas  nach  innen 
gedreht.  Es  wird  nun  nach  aussen  rotiert,  worauf  der  M.  sub- 
scapularis  hervortritt  und  ihn  bedeckt.  Nun  wird  die  Sehne  des 
M.  subscapularis  durchgeschnitten,  die  Auswärtsrotation  wird  da¬ 
durch  nun  bis  zum  erwünschten  Grade  möglich  und  die  Repo¬ 
sition  nach  Kochers  Methode  gelingt  leicht.  Aus  dieser  Tat¬ 
sache,  dass  die  Reposition  in  allen  7  Fällen,  in  denen  sie  vor  der 
Tenotomie  der  Subscapularis  nicht  gelungen  ist,  nach  dieser 
Durchschneidung  leicht  ausgeführt  werden  konnte,  schliesst  D., 
dass  das  Repositionshindernis  bei  den  nicht  komplizierten  ver¬ 
alteten  Schulterverrenkungen  nicht,  wie  bisher  angenommen 
wurde,  neugebildete  Bindegewebsschwarten,  oder  wie  Kocher 
annahm,  Verwachsungen  im  Bereiche  des  alten  Kapselrisses 
zwischen  dem  Pfannenrande  und  dem  anatomischen  Halse  sind, 
sondern  dass  der  retraliierte  imd  vielleicht  auch  sklerotische  M. 
subscapularis  das  Hindernis  bildet,  unter  dem  bei  der  Luxatio 
subcoracoidea  der  Humeruskopf  zu  liegen  kommt  und  dessen  In¬ 
sertionspunkte  einander  um  1 — 3  cm  genähert  werden.  D.  ist  der 
Meinung,  dass  auch  in  akuten  Fällen,  in  der  Reihe  jener  Fak¬ 
toren,  welche  den  ganzen  Mechanismus  des  Repositionshinder¬ 
nisses  zusammensetzen,  dem  M.  subscapularis  eine  bedeutende 
Rolle  zufällt. 

In  einem  Falle  gelang  die  Reposition  trotz  des  Sehnen¬ 
schnittes  nicht,  weil  in  der  Fovea  glenoidalis  das  Hindernis  sass. 
Durch  den  Sehnenschnitt  hindurch  konnte  dies  leicht  entfernt 
werden.  Von  11  Operationen  heilten  6  mit  Eiterung,  5  per 
primarn. 

11.  Herr  Hofmeister  -  Tübingen  spricht  über  ein  neues 
Massageverfahren,  welches  in  rhythmischem  Eintauchen  der  be¬ 
treffenden  Extremität,  in  metallisches  Quecksilber  besteht.  Die 
Hebung  kaun  der  Patient  selbst  besorgen,  15  Minuten.  1  Stunde 
lang,  je  uach  der  Kraft  des  Patienten.  g_; 

11.  benutzt  einen  50  cm  hohen  Eisenzylinder,  den  er  zur  Hälfte 
mit  Quecksilber  füllt.  Ein  Vorzug  des  von  ihm  mit  grossem  Er¬ 
folge  erprobten  Verfahrens  ist  die  absolute  Schmerzlosigkeit. 

12.  Herr  Worizek-  Prag  demonstriert  einen  Redressions¬ 
apparat  für  Skoliosen  und  Kyphosen. 

13.  Herr  Stäuber  - Ivonicz:  lieber  die  Behandlung 
skrophulöser  Prozesse  mit  Ivoniczer  Jodsoole. 

Herr  Dr.  X  enge  b  a  uer  -  Miihr.-Ostrau  wünscht  das  über 
seinen  Vortrag  in  Xo.  40,  S.  1074  gebrachte  Referat  wie  folgt  zu 
berichtigen: 

„Durch  Erfahrungen,  welche  mit  der  Kückeumarksanalgesie 
mit  Tropakokain  in  170  Fällen  gemacht  wurden,  kommt  X.  zu 
dem  Schlüsse,  dass  man  mit  der  Verwendung  kleinerer  Gaben, 
welche  allerdings  nur  die  unteren  Extremitäten  und  die  angrenzen¬ 
den  Beckenabschuitte  genügend  zu  analgesieren  im  stände  sind, 
vorzügliche  Erfolge  erzielen  kann.  Eine  Voraussetzung  der¬ 
selben  sind:  1.  frischausgekochte  Lösungen  des  Mittels,  2.  Verwen¬ 
dung  eines  sterilisierten  und  völlig  trockenen  Instrumen¬ 
tariums,  zur  Vermeidung  von  Beimengungen  anderer  Flüssigkeiten. 
Die  Folgeerscheinungen  fehlen  dann  zum  Teile  gänzlich,  oder 
können  wohl  mit  denen  tiefer  Xaikosen  konkurrieren.“ 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


4.  November  1902. _ MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


Abteilung  für  Kinderheilkunde. 

Referent :  Privatdozent  Dr.  B.  Bendix  -  Berlin. 

IV.  Sitzung sta g,  25.  September  1902. 

1.  Herr  v.  Pirquet  - Wien  demonstriert  einen  neuen 
Zungenspatel. 

2.  Herr  H  o  h  1  f  e  1  d  -  Leipzig :  Zur  Pathologie  der  Niere 
bei  den  Magendarmerkrankungen  des  Säuglings. 

Der  Vortragende  hat  bei  40  magendarmkranken  Kindern  aus 
dem  ersten  Lebensjahre  in  methodischer  Weise  den  Harn  unter¬ 
sucht  und  bei  35  dieser  Fälle  der  klinischen  auch  die  anatomische 
Untersuchung  der  Nieren  angeschlossen. 

Im  Gegensatz  zu  den  bisher  darüber  vorliegenden  Mit¬ 
teilungen  hat  er  relativ  häufig  und  besonders  bei  den  protrahierten 
Fällen  auch  1  eränderungen  am  Blutgefässbindegewebsapparat 
der  Niere  nachweisen  können;  in  erster  Linie  an  den  Malpighi- 
schen  Körperchen  in  Form  von  teilweiser  oder  völliger  Verödung 
des  Glomerulus  und  Verdickungen  der  Kapsel.  Weiterhin  fand 
sich  aber  in  der  Hälfte  seiner  Fälle  auch  in  den  anderen  Teilen 
der  Niere  liier  und  da  eine  Hyperplasie  des  Bindegewebes,  so  in 
Gruppen  von  Kanälchen  dicht  unter  der  Oberfläche,  in  der  Um¬ 
gebung  der  Gefässe  und  auch  mitten  im  Parenchym;  manchmal 
liess  sich  in  solchen  Herden  eine  kleinzellige  Infiltration  mässigen 
Grades  nachweisen.  Häufig  fanden  sich  kleine  Cysten,  bei  einigen 
Fällen  auch  infarcierende  Prozesse. 

Auf  die  Genese  aller  dieser  Veränderungen  will  der  Vor¬ 
tragende  an  anderer  Stelle  eingehen,  deutet  aber  an,  dass  bei 
einer  Reihe  von  ihnen  einfache  Störungen  der  Ernährung  in 
Betracht  kommen  dürften.  Fälle,  die  auf  Lues  verdächtig 
waren,  wurden  in  der  Arbeit  nicht  verwertet. 

3.  Herren  Boeder  und  Sommerfeld  -  Berlin :  Die 
kryoskopische  Untersuchung  des  Säuglingsharns  bei  ver¬ 
schiedenen  Ernährungsformen. 

Zur  Untersuchung  gelangten  Säuglinge  verschiedener  Alters¬ 
stufen,  und  zwar  erstens  normale  Säuglinge,  die  mit  Muttermilch, 
mit  verschiedenen  Milchmischungen  ernährt  wurden,  zweitens 
Säuglinge,  welche  nach  überstandenen  Verdauungsstörungen  ver¬ 
schiedener  Art  sich  in  Gewichtszunahme  befanden,  und  eine  An¬ 
zahl  pathologischer  Fälle,  darunter  Säuglinge  mit  Nephritiden. 
Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  waren  folgende :  Die  Gefrier¬ 
punktserniedrigung  des  Harns  der  Säuglinge  ist  geringer  wie 
beim  Erwachsenen  und  schwankt  je  nach  der  Ernährung  in  er¬ 
heblichen  Grenzen.  Die  Gefrierpunktswerte  sind  schwankend, 
bald  höher,  bald  geringer  und  stehen  nicht  in  einem  konstanten 
Verhältnis  zu  den  in  den  einzelnen  Proben  ausgeschiedenen 
Kochsalzmengen.  Die  Schwankungen  erscheinen  am  geringsten 
bei  dem  mit  Muttermilch  ernährten  Säugling.  Verglichen  mit  den 
Gefrierpunktswerten,  dem  osmotischen  Druck  der  Nahrung  zeigte 
sich  bei  dem  Brustkind  und  dem  mit  verdünnter  Kuhmilch  er¬ 
nährten  Kind,  dass  die  Gefrierpunktserniedrigung  des  Urins  ge¬ 
ringer  ist  wie  die  der  Nahrung.  Jedenfalls  ist  der  osmotische 
Druck  des  Nahrungsmittels  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  mole¬ 
kularen  Konzentrationsverhältnisse  des  Harns.  Unter  Berück¬ 
sichtigung  der  pro  Kilogramm  Körpergewicht  eingeführten 
Flüssigkeitsmenge  ist  die  Gefrierpunktserniedrigung  des  Harns 
als  eine  verhältnismässig  sehr  grosse  zu  bezeichnen.  Ob  die  hohen 
Werte  auf  Rechnung  der  Dissoziation  zu  setzen  sind,  wird  von 
den  beiden  Autoren  auf  Grund  entsprechender  Untersuchungen 
an  anderer  Stelle  noch  berichtet  werden. 

4.  Herr  R  o  e  d  e  r  -  Berlin :  Ein  kritischer  Beitrag  zur 
Harnsekretion,  mit  Berücksichtigung  der  osmotischen 
Leistung  der  Säuglingsniere. 

5.  Herr  Gutzmann-  Berlin :  Die  Schreiatmung  des 
Säuglings. 

6.  Herr  Moro-Wien:  Ueber  die  Fermente  der  Milch. 

Vortragender  konnte  in  der  Milch  (Mensch,  Kuli,  Ziege) 
diastatisches,  proteolytisches  Ferment  (in  Spuren),  ferner  Fibrin¬ 
ferment,  Salol  spaltendes  Ferment  (Lipasenwirkung)  und  Oxy- 
dasen  nachweisen.  Die  Anwesenheit  eines  unorganisierten  glyko- 
lytischen  Fermentes  (Spolverini)  wird  bezweifelt. 

Vortragender  berichtet  ferner  über  2  Versuche,  die  er  an 
Brustkindern  angestellt  hatte.  Beide  Säuglinge  erhielten  Men¬ 
schenmilch  aus  der  Saugflasche;  vorerst  im  unveränderten,  dann 
im  sterilisierten  Zustande.  Während  der  2.  Ernährungsperiode 
verhielten  sich  beide  Säuglinge  entschieden  weniger  gut,  was  an 
den  Gewichtskurven  demonstriert  wurde.  Es  ist  anzunehmen, 


18G3 


dass  durch  die  Sterilisation  die  Milch  minderwertig  geworden  ist, 
was  gegen  die  Milchsterilisation  einerseits  und  für  die  sich  immer 
mehr  und  mehr  verbreitende  Rohmilchernährung  andererseits 
spricht. 

7.  Herr  E.  M  ü  1 1  e  r  -  Berlin :  Beitrag  zum  Kalkstoff¬ 
wechsel  des  Säuglings  nach  gemeinschaftlichen  Stoffwechsel¬ 
untersuchungen  mit  Dr.  W.  A  r  o  n  h  e  i  m. 

Die  Verfasser  haben,  angeregt  durch  einen  früheren  Stoff¬ 
wechselversuch,  bei  welchem  ein  Kind  bei  Ernährung  mit  sterili¬ 
sierter  Kuhmilch  eine  negative  Kalkbilanz  zeigte,  nun  weitere 
Stoffwechseluntersuchungen  an  2  Säuglingen  angestellt,  indem 
sie  den  Kindern  in  dem  einen  Versuche  rohe  Milch  und  in  dem 
Kontrolversuche  die  gleiche  Milch  sterilisiert,  und  zwar  in 
gleicher  Menge  pro  Tag  und  Kilogramm  verabreichten.  Die  Ver¬ 
fasser  schliessen  aus  ihren  Versuchen,  dass  sehr  gesunde  Kinder 
wohl  in  der  Lage  sind,  ihren  Kalkbedarf  aus  roher  wie  aus  sterili¬ 
sierter  Kuhmilch  zu  decken,  wenigstens  für  kurze  Zeit,  dass  aber 
doch  die  sterilisierte  Milch  mit  Bezug  auf  den  bei  dem  ver¬ 
schiedenen  Organismus  so  wichtigen  Kalkansatz  der  rohen  nicht 
ganz  gleichwertig  ist.  Der  N  und  das  Fett  der  sterilisierten 
Milch  wurde  mindestens  ebenso  gut  retiniert,  wie  die  gleichen 
Stoffe  der  rohen  Milch.  Die  Verfasser  betonen  zum  Schlüsse 
noch  die  Möglichkeit,  dass  die  durch  die  Sterilisation  der  Milch 
zerstörten  Fermente  und  Enzyme  der  rohen  Milch  eine  gewisse 
Bedeutung  besitzen,  deren  Einfluss  sich  allerdings  bisher  unserem 
Nachweise  entzieht. 

8.  Herr  Hochsinger-  Berlin :  a)  Hereditäre  Früh¬ 
syphilis  ohne  Exanthem. 

H.  stellt  die  Tatsache  fest,  dass  es  eine  exanthemlose  heredi¬ 
täre  Erühsyphilis  gibt.  Er  betont  mit  Nachdruck,  dass  man  bei 
sicher  gestellter  Diagnose  der  hereditären  Syphilis,  gleichviel  in 
welchen  Organen  dieselbe  lokalisiert  ist,  unverzüglich  die  Be¬ 
handlung  des  Falles  in  Angriff  nehmen  muss.  Es  wäre  verfehlt, 
den  Ausbruch  eines  Exanthems  abzuwarten,  weil  ein  solches  nicht 
immer  auftreten  muss  und  weil  es,  wie  die  Fälle  des  Vortragen¬ 
den  bewiesen  haben,  auch  gelingen  kann,  solche  rein  viszeral 
lokalisierte  Formen  der  hereditären  Infektion  durch  sofort  ein¬ 
geleitete  syphilitische  Behandlung  zur  Heilung  zu  bringen. 

b)  Die  radioskopischen  Verhältnisse  der  hereditären 
Knochensyphilis  der  Neugeborenen  und  Säuglinge. 

9.  Herr  Holz:  Zur  Frage  de*r  von  Stöltzner  bei  der 
Nebennierenbehandlung  der  Rhachitis  beobachteten  Knochen¬ 
veränderung. 

Holz  wendet  sich  gegen  Stöltzners  Angabe,  wonach 
durch  Einwirkung  der  Nebennierensubstanz  auf  den  rhachi- 
tischen  Knochen  eine  Umwandlung  der  azidophilen  Reaktion  des 
osteoiden  Gewebes  in  eine  basische  zu  stände  kommt.  Er  ist  ge¬ 
neigt,  die  in  Anwendung  gezogene  Technik  hierfür  verantwort¬ 
lich  zu  machen. 

10.  Herr  Basch-  Prag:  Ueber  Ausschaltung  der  Thymus¬ 
drüse. 

In  Anknüpfung  an  die  Versuche  Friedlebens  aus  dem 
Jahre  1858  hat  Basch  Totalexstirpationen  der  Thymus  bei 
jungen  Hunden  vorgenommen  und  die  hiernach  eintretenden 
Veränderungen  am  Knochensysteme  studiert.  Um  ausser  dem 
anatomischen  Verhalten  der  Knochen  auch  das  Ossifikationsver¬ 
mögen  zu  prüfen,  hat  derselbe  bei  operierten  Tieren  und  bei 
Kontrolltieren  desselben  Wurfs  subkutane  und  komplizierte 
Frakturen  an  gleichen  Stellen  angelegt  und  deren  Heilung  ver¬ 
folgt.  Es  stellte  sich  heraus,  dass,  während  das  Kontrolltier  an 
der  Stelle  der  Fraktur  einen  deutlichen,  massigen  Kallus  dar¬ 
bot,  beim  operierten  Tiere  mir  eine  geringe  periostale  Verdickung 
an  der  Frakturstelle  zu  fühlen  war  und  die  Verletzung  bei  dem 
letzteren  klinisch  wie  eine  Infraktion  beim  rhachitischen  Kinde 
verlief.  Um  alle  Phasen  des  Ablaufs  der  Fraktur  zu  verfolgen, 
wurden  Röntgenphotographien  hergestellt  und  deren  Kopien  de¬ 
monstriert.  Als  auffällige  Begleiterscheinung  dieser  Verände¬ 
rungen  zeigte  sich  im  Stoff  Wechsel  versuche,  dass  das  Tier  ohne 
Thymus  wesentlich  mehr  Kalk  durch  die  Nieren  ausschied  als 
das  Kontrolltier.  Neben  der  individuellen  Schwankung  in  dem 
Unterschiede  der  Kallusbildung  zeigte  sich  auch  eine  Differenz 
je  nach  der  Zeit,  in  welcher  die  Fraktur  nach  der  Herausnahme 
der  Thymus  angelegt  wurde.  Frakturen  aus  den  ersten  2  Wochen 
nach  der  Thymusexstirpation  zeigten  keine  so  bedeutende  Diffe¬ 
renz  der  Heilung,  wie  solche,  die  nach  1 — 2  Monaten  angelegt 


MUEN OHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


864 


waren,  was  damit  zusammen  zu  hängen  scheint,  dass  die  Ver¬ 
armung  an  zirkulierendem  Thymussekret  erst  längere  Zeit  nach 
Wegnahme  dieses  Organs  einzutreten  scheint.  Als  physiologische 
Wirkung  dieses  Sekrets  bei  Einführung  in  die  Blutbahn  zeigte 
sich  Herabsetzung  des  Blutdrucks,  bei  toxischen  Dosen  gleich¬ 
zeitig  allgemeine  Krämpfe  und  Atmungsstillstand.  Bei  den  Ver¬ 
suchen  von  Wiedereinheilen  der  eigenen  Thymus  der  Tiere  an 
verschiedenen  Stellen  der  Haut  nach  Herausnahme  der  Drüse  aus 
dem  Brustraume,  wurden  die  eingepflanzten  Thymusstücke  inner¬ 
halb  14  Tagen  resorbiert,  und  kurze  Zeit  nach  festgestellter  Re¬ 
sorption  gingen  die  so  operierten  Tiere,  meist  unvermittelt,  unter 
allgemeinen  Krämpfen  zu  gründe.  Milzexstirpation  nach  vor¬ 
genommener  Thymusexstirpation  erhöhte  die  Veränderung  am 
Knochensysteme  nicht.  Die  anatomischen  Veränderungen  am 
Knochensysteme  der  operierten  Tiere  bestanden  vorwiegend 
darin,  dass  die  Knochen  weicher  und  biegsamer  wurden  und  in 
der  Entwicklung  und  Verknöcherung  zurückgeblieben  waren.  Sie 
zeigten  eine  stärkere  Hyperämie,  eine  Verbreiterung  und  Un¬ 
regelmässigkeit  der  Epiphysenlinie,  eine  Erweiterung  der  Mark¬ 
räume.  Bei  frischen  Frakturen  fand  sich  nur  ein  geringer  peri¬ 
ostaler  Kallus  vor,  während  beim  Kontrolltier  neben  dem  mäch¬ 
tigen  periostalen  Kallus  oft  auch  ein  die  ganze  Markhöhle  sklero- 
sierender  medullärer  Kallus  vorhanden  war.  Die  erwähnten  Ver¬ 
hältnisse  werden  als  Knochenlängsschnitte,  die  mit  natürlicher 
Färbung  in  Kayserling  scher  Lösung  konserviert  wurden, 
demonstriert. 

1  1.  Herr  Flachs-  Dresden :  Beitrag  zur  Impftechnik. 

Die  sogen.  Impfschädigungen  werden  der  Reihe  nach  durch¬ 
gegangen  und  die  Vorkehrungen,  welche  dieselben  verhüten  sollen, 
einer  Kritik  unterzogen.  Redner  empfiehlt,  nicht  mehr  am  Arm 
zu  impfen,  sondern  an  der  Brust.  Seine  Residtate  ergaben  einen 
glatten,  reaktionslosen  Verlauf  und  lassen  diese  Methode  als  sehr 
zweckmässig  erscheinen. 

12.  Herr  S  w  o  b  o  d  a  -  Wien :  Zur  Lösung  der  Variola- 
Varizellenfrage. 

S.  erklärt  die  Behauptung  der  Unitarier,  dass  ein  Vari¬ 
zellenkranker  auf  einen  Gesunden  echte  Blattern  übertragen 
kann,  damit,  dass  es  eine  schwere  Form  der  Varizellen,  Varieellae 
varioloformes,  gebe.  S.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  bei  Vari¬ 
zellen  alle  Formen  und  Abstufungen,  ebenso  wie  bei  Variola  Vor¬ 
kommen  können,  so  dass  im  sporadischen  Fall  z.  B.  bei  den  Erst¬ 
lingen  einer  Variolaepidemie  eine  Differentialdiagnose  unmöglich 
sein  kann.  Die  Dualisten  hätten  also  Unrecht,  wenn  sie  den 
Unitariern  gegenüber  an  der  morphologischen  und  klinischen 
Trennung  festhielten.  Die  Tatsache,  dass  es  eine  Varicella 
varioloformis  gibt,  hat  das  theoretische  Interesse,  dass  man  durch 
sie  die  Variola-Varizellenfrage  aus  der  Welt  schaffen  kann,  dass 
sich  ferner  der  Einwand  gegen  den  Wert  der  Impfung,  dass  ein 
Individuum  nach  der  Impfung  oder  nach  überstandener  Variola 
noch  Variola  bekommen  kann,  wesentlich  reduzieren  lässt,  denn 
hier  handelt  es  sich  meist  um  Fälle  von  Varicella  varioloformis. 
Diese  Tatsache  hat  auch  ein  praktisches  Interesse.  Wenn  ein 
solcher  Fall  richtig  erkannt  wird,  wird  der  Bevölkerung  die  Auf¬ 
regung  des  falschen  Blatternalarmes  erspart. 

13.  Herr  P  a  s  s  i  n  i  -  Wien:  Ueber  anaerobe  Darm- 
bakterien. 

P.  hat  aus  Stühlen  von  Brustkindern,  Flaschenkindern  und 
Erwachsenen  regelmässig  anaerobe  Bakterien  gezüchtet  —  und 
zwar  den  beweglichen  Buttersäurebazillus  (G  r  u  b  e  r),  den  un¬ 
beweglichen  Buttersäurebazillus  (Schatten  froh  und 
Grassberger)  und  den  Bacillus  putridus  Bienstok.  Er  er¬ 
kennt  den  Bacillus  bifidus  communis  (Tissier)  nicht  als 
Anaerobier  im  strengsten  Sinne  des  Wortes  an,  da  derselbe  auch 
üppiges  Wachstum  bei  vorwiegender  Tension  des  Sauerstoffes 
zeigt. 

14.  Herr  Fischl-Prag:  Ueber  das  Elastingewebe  des 
Säuglingsdarmes. 

Im  Magendarmtrakt  des  Erwachsenen  und  verschiedener 
Tierrassen  spielt  das  mächtig  entwickelte  Elastingewebe  die  Rolle 
eines  Gerüstes,  in  welchem  die  Gewebselemente  quasi  eingehängt 
erscheinen.  Bei  Föten  aus  den  letzten  Sehwangerschaftsmonaten 
ist  es  selbst  in  den  Arterien  mittleren  Kalibers  kaum  angedeutet, 
bei  reifen  Neugeborenen  in  den  Wandschichten  des  Digestions¬ 
kanals  noch  nicht  vorhanden,  und  auch  in  den  ersten  Lebens¬ 
monaten  erlangt  es  bei  Brustkindern  eine  äusserst  geringe  Ent¬ 


wicklung.  Gleich  anderen  anatomischen  Besonderheiten  des 
Verdauungsschlauches  sieht  F.  auch  in  diesen  von  ihm  er¬ 
hobenen  Befunden  einen  Beweis  für  seine  geringe  Leistungs¬ 
fähigkeit,  welche  digestive  Schonung  derselben  gebietet.  Vor¬ 
tragender  erläutert  seine  Ausführungen  durch  Demonstration 
zahlreicher  mikroskopischer  Präparate. 


Altonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  Mai  1902. 

Herr  König  zeigt  einen  51  jährigen  Patienten,  bei  dem  er 
wegen  eines  40  cm  hinter  der  Zahnreihe  gelegenen  Karzinoms  der 
Kardia  am  11.  März  d.  .T.  eine  schräge  Magenfistel  angelegt  hatte, 
unter  Herunterziehen  des  Magens  und  Durchziehen  durch  den 
linken  M.  rectus  abdominis.  Bei  dem  Patienten,  der  nur  flüssige 
Speisen  mehr  nehmen  konnte,  war  bereits  starke  Abmagerung  und 
Kachexie  aufgetreten.  Schon  2  Tage  nach  der  Operation  konnte 
er  durch  den  Mund  schlucken,  und  während  die  Wunde  heilte, 
wurde  die  Nahrung  bald  durch  den  Mund,  bald  durch  die  Fistel 
eingeführt.  Zur  Zeit  der  Vorstellung  hat  der  Patient  wieder  be¬ 
trächtlich  zugenommen,  schluckt  alles,  sogar  Brot  und  Kartoffel, 
durch  den  Mund,  benutzt  die  Fistel  nicht  mehr.  Iv.  erklärt  die  gute 
Wirkung  hier  —  ebenso  wie  in  einem  früher*)  vorgestellten  Fall  — 
dadurch,  dass  bei  der  Magenfistelbildung  der  Magen  tief  nach  unten 
und  dadurch  die  polypösen  Karzinommassen  aus  der  Kardia  bezw. 
aus  dem  Zwerchfellring  nach  unten  gezogen  werden,  wodurch  die 
Passage  wieder  frei  wird.  Er  sieht  also  in  diesem  Herabziehen 
des  Magens  eine  kurative  Wirkung  der  Operation  insofern,  als  der 
Patient,  der  wieder  schlucken  kann,  selbst  an  die  Heilung  glaubt. 

Im  Anschluss  daran  demonstriert  K.  das  Sektionspräparat 
von  dem  Oesophaguskarzinom  eines  42  jährigen  Mannes,  dessen 
Tod  dadurch  erfolgt  ist  dass  ganz  spontan  und  nicht  etwa  nach 
einer  Sondierung  an  demselben  Morgen  eine  Perforation  in  die 
Aorta  und  an  einer  anderen  Stelle  in  den  linken  Bronchus  erfolgte. 
Die  eintretende  Blutung  setzte  dem  Leben  ein  Ende.  Dass  wirk¬ 
lich  die  Ereignisse  ganz  frisch  waren,  ist  daran  zu  ersehen,  dass 
keine  Spur  einer  Phlegmone  oder  einer  Lungenerkrankung  zu 
finden  war.  K.  macht  angesichts  dieses  Falles  auf  die  Gefahren 
aufmerksam,  die  sicli  dem  Arzt  hier  beim  Sondieren  hätten  ergeben 
können:  gewiss  war  der  Fall  geeignet,  eine  plötzliche  Verblutung 
beim  Sondieren  eintreten  zu  lassen.  Er  empfiehlt  im  allgemeinen 
die  Anlegung  der  Magenfistel,  wenn  nur  flüssige  Speisen  passieren 
und  spricht  seine  Verwunderung  aus  über  das  scheinbar  sehr 
häufige  Auftreten  des  Speiseröhrenkrebses  hier  am  Orte. 

Herr  Hahn:  Ueber  die  therapeutische  Verwendung  von 
Röntgentrahlen  hei  Hautkrankheiten. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  1.  Juli  1902. 

Vorsitzender :  Herr  E.  F  r  ä  n  k  e  1. 

Schriftführer :  Herr  Moltrecht. 

I.  Demonstrationen: 

Herr  Richter  berichtet  unter  Vorzeigung  von  mikro¬ 
skopischen  Präparaten  über  einen  Fall  von  Malaria,  welcher  sich 
klinisch  als  F.  quotidiana  darstellte.  Die  Blutpräparate  zeigen  nun 
gleichzeitig  verschiedene  Entwicklungsstufen  der  Plasmodien  der 
F.  tertiana  und  zwar  neben  den  .Tugendformen  (eiförmige  Gebilde 
und  Ringe)  auch  Sporulationsformen  und  vereinzelte  Gameten. 
Dieser  Befund  rechtfertigt,  die  Auffassung,  dass  es  sieh  um  ein 
doppeltes  Tertianfieber  gehandelt  hat,  indem  zwei  Generationen 
von  Parasiten  vorhanden  sind,  deren  Entwicklung  im  Abstande 
von  24  Stunden  zur  Teilung  geführt  hat. 

Der  Erfolg  der  eingeleiteten  Chininbehandlung  war  ein 
prompter. 

Herr  Schümm:  Ueber  die  chemische  Identifizierung  des 
Pankreassekrets. 

S.  stellte  im  Anschluss  an  die  Entdeckung  Danilewskys, 
dass  sich  bei  der  Einwirkung  von  Labferment  auf  Produkte  der 
peptischen  Eiweissverdauung  bei  schwach  saurer  Reaktion  bei 
Körpertemperatur  eine  ei  weissähnliche  Substanz  ausscheidet,  Ver¬ 
suche  an  über  die  Einwirkung  verschiedener  Fermente  auf  Lö¬ 
sungen  von  Albumosen  und  Peptonen.  —  Er  berichtet  über  Ver¬ 
suche  mit  dem  Sekret  einer  menschlichen  Pankreasfistel,  das 
eiweisspaltende,  fettspaltende  und  diastatische  Kraft  besass. 

Wurde  eine  neutrale,  konzentrierte,  sterilisierte  Lösung  von 
Wittepepton  mit  etwa  0,5  Proz.  Soda  alkalisiert  und 
mit  dem  Sekret  längere  Zeit  bei  Körpertemperatur  dige¬ 
riert,  so  entstand  eine  mehr  oder  weniger  reichliche 
Ausscheidung  von  Tyrosin.  Die  Menge  des  ausgeschiedenen 
Tyrosins  wechselte  je  nach  dem  Verhältnis,  in  dem  die 

*)  Münch,  med.  Wochensehr.  1902,  p.  100. 


4.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Peptonlösung  mit  dem  Sekret  gemischt  war.  Es  schied  sich 
stets  in  den  bekannten  feinen,  nadelförmigen  Kristallen  aus  die 
meist  zu  makroskopischen,  rein  weissen,  garben-  und  sternartigen 
Drusen  angeordnet  waren.  In  sekretreichen  Gemischen  hatten  die 
gebildeten  Kristallaggregate  makroskopisch  oft  die  Form  kreis- 
rundei  Scheiben,  die  einzeln  oder  zu  zweien  aneinander^elagert 
auftraten.  s 

Der  Durchmesser  der  Scheiben  betrug  etwa  0,5  mm.  Bei 
mikroskopischer  Betrachtung  erschienen  diese  Scheiben  als  stern¬ 
förmige  Aggregate  feiner  Nadeln.  Am  schnellsten  erfolgte  die 
Bildung  der  Tyrosindrusen  in  Mischungen  aus  einem  Gewichtsteil 
Sekret  und  einem  bis  drei  Gewichtsteiien  einer  etwa  30  proz.,  mit 
0,5  Proz.  Natr.  carb.  sicc.  versetzten  Lösung  von  Wittepepton 
Eine  Mischung  aus  gleichen  Gewichtsteilen  Sekret  und  obiger 
Peptonlösung  lieferte  ausnahmslos  innerhalb  24  Stunden  eine  reich¬ 
liche  Ausscheidung  makroskopischer  Tyrosindrusen.  Zur  Ver¬ 
hütung  der  Fäulnis  wurden  sämtliche  Proben  mit  Chloroform  ge¬ 
sättigt  oder  mit  1  Prom.  Sublimat,  in  wenig  heissem  Krasser  gelöst, 
vermischt;  Fäulniserscheinungen  wurden  in  keinem  Falle  be¬ 
obachtet.  Seit  langem  gilt  die  Fähigkeit,  die  Eiweisskörper  inner¬ 
halb  kurzer  Zeit  bei  alkalischer  Reaktion  bis  zu  den  kristallisier¬ 
baren  Amidosäuren  zu  spalten,  als  eine  Eigentümlichkeit  des 
Trypsins.  Die  bekanntesten  der  Amidosäuren  sind  das  Leucin 
und  Tyrosin.  Sie  entstehen  nach  K  ii  h  n  e  bei  der  tryptischen  Ver¬ 
dauung  aus  dem  zunächst  gebildeten  Pepton.  Da  demnach  unter 
obigen  Bedingungen  und  bei  Ausschluss  der  Fäulnis  der  Nachweis 
einer  reichlichen  Bildung  von  Tyrosin  gleichbedeutend  ist  mit  dem 
Nachweis  des  Trypsins,  so  empfiehlt  S.  bei  der  Untersuchung  der- 
artiger  Flüssigkeiten  folgendes  Vorgeben: 

In  starkwandigen  Reagensgläsern  oder  anderen  gut  ver- 
scliliessbaren  Gläsern  setzt  man  an:  a)  etwa  5  ccm  einer  25  bis 
30  proz..  mit  Soda,  schwach  alkalisierten  Lösung  von  Wittepepton 
mit  einigen  Kubikzentimeter  der  zu  prüfenden  Flüssigkeit  und 
einigen  Tropfen  Chloroform;  b)  5  ccm  derselben  Peptonlösung, 
etwas  Chloroform  und  soviel  mit  Soda  schwach  alkalisierten 
M  asseis  wie  bei  ,,a)‘  von  der  zu  prüfenden  Flüssigkeit  genommen 
wurde;  c)  eine  kleine  Menge  Fibrin  und  einige  Kubikzentimeter 
der  zu  prüfenden  Flüssigkeit  und  etwas  Chloroform;  d)  die  gleiche 
Menge  Fibrin,  etwas  Chloroform  und  ebensoviel  mit  Soda  schwach 
alkalisierten  Wassers  wie  bei  ,,c)“  von  der  zu  prüfenden  Flüssig¬ 
keit  genommen  wurde;  e)  die  gleiche  Menge  Fibrin,  etwas  Chloro- 
fonn  und  ebensoviel  von  der  zuerst  aufgekochten  Flüssigkeit  Avie 
bei  ,,d)“.  (Zur  Prüfung  auf  diastatisches  und  fettspaltendes  Fer¬ 
ment  setzt  man  in  üblicher  Weise  einige  Proben  mit  Stärkekleister 
und  einige  mit  neutralem  Olivenöl  an.) 

Die  Proben  werden  kräftig  durchgeschüttelt  und  gut  ver¬ 
schlossen  in  den  Brutschrank  gestellt.  Ist  Trypsin  in  grösserer 
Menge  vorhanden,  so  tritt  innerhalb  24  Stunden  in  Probe  „a“  reich¬ 
liche  Ausscheidung  von  Tyrosin  ein,  bei  Gegenwart  sehr  geringer 
Mengen  von  Trypsin  dauert  es  dagegen  länger;  auch  sind  dann 
die  Tyrosindrusen  kleiner,  immer  aber  bei  mikroskopischer  Be¬ 
trachtung  leicht  zu  erkennen. 

Ist  es  auch  nach  48  ständigem  Verweilen  im  Brutschrank  in 
der  Probe  ,,a“  noch  nicht  zur  Bildung  ATon  Tyrosindrusen  ge¬ 
kommen,  so  lässt  man  sie  noch  einige  Zeit  bei  gewöhnlicher  Tem¬ 
peratur  stehen,  damit  sich  etwa  in  Lösung  befindliche  kleine  Mengen 
von  Tyrosin  ausscheiden.  BisAveilen  kann  man  solche  auch  da¬ 
durch  zur  Ausscheidung  bringen,  dass  man  die  Flüssigkeit  ein¬ 
dampft,  bis  sich  an  der  Oberfläche  eine  Haut  zu  bilden  beginnt, 
und  dann  erkalten  lässt.  S.  konnte  auf  letzterem  M7ege  nach 
20  ständigem  Stehen  im  Brutschrank  noch  bei  einer  Mischung  aus 
10  Tropfen  Peptonlösung,  3  Tropfen  Sekret,  2  Tropfen  Chloroform, 
0,02  g  getrockneter  Soda  und  5  ccm  Wasser  eine  deutliche  Tyrosin¬ 
ausscheidung  konstatieren.  Der  feine  kreidige  Niederschlag  be¬ 
stand  bei  mikroskopischer  Betrachtung  aus  einer  grossen  Anzahl 
schöner  Drusen  von  feinen  Tyrosinnadeln.  Bei  Anwendung  des 
unverdünnten  Sekrets  liess  sich  der  NacliAveis  der  Tyrosinbildung 
schon  in  der  Art  führen,  dass  ein  Tropfen  Peptonlösung  mit  einem 
Tropfen  Sekret,  in  einen  hohlgeschliffenen  Objektträger  gebracht, 
gemischt,  etwa  die  Hälfte  mit  Fliesspapier  abgesogen,  dann  ein 
Deckglas  aufgelegt  und  das  ganze  etwa  20  Stunden  in  den  Brut¬ 
schrank  gestellt  wurde.  Es  fanden  sich  dann  in  grösserer  Zahl 
weisse  bis  etwa  y2  mm  im  Durchmesser  haltende  Tyrosindrusen, 
die  mikroskopisch  leicht  zu  identifizieren  Avaren. 

Das  zu  den  Versuchen  benutzte  Wittepepton  erwies  sich  als 
genügend  rein;  denn  es  gelang  nicht,  in  G  g  der  trockenen  Substanz 
1  y  ros  in  aufzufinden.  Ebenso  kam  der  normale  Tyrosingehalt  des 
Sekrets  nicht  in  Betracht,  da  er  sich  in  diesen  überhaupt  erst  bei 
I  ntersuehung  einer  grösseren  Portion  nachweisen  liess.  Hat  man 
auf  keine  M7eise  eine  Ausscheidung  von  Tyrosin  erhalten,  so  kann 
der  Tyrosingehalt  des  Sekrets  nur  sehr  gering  sein,  und  man  ist 
dann  gezAvungen,  in  der  bisher  üblichen  umständlichen  MTeise  den 
Nachweis  des  Tyrosins  zu  führen.  Man  überzeugt  sich,  ob  in 
1  robe  „c“  das  Fibrin  in  der  charakteristischen  Weise  „angefressen“ 
ist  und  prüft  dann  die  Probe  „c“,  „d“  und  ,,e“  in  bekannter  Art 
vergleichend  auf  etwa  vorhandene  Spaltungsprodukte  des  Fibrins. 
Ein  etAvaiger  Gehalt  des  zu  untersuchenden  Sekrets  an  Tyrosin  er¬ 
schwert  die  Untersuchung  nicht.  Erhebliche  Mengen  Tyrosin 
durften  sich  nur  in  trypsinreichen  Sekreten  finden,  und  bei  solchen 
liefert  die  unter  „a“  angegebene  Probe  ein  eindeutiges  Resultat; 
em  minimaler  Tyrosingehalt  des  Sekrets  macht  sich  aber  bei  obiger 
V  ersuchanordnung  überhaupt  nicht  bemerklich.  Zur  genauen 
Indentifizierung  der  bei  den  verschiedenen  Versuchen  gebildeten 


1865 


Tyrosinkristalle  bediente  sich  S.  der  Piriaschen  und  Ilof- 
mann  sehen  Probe.  Eine  ausführliche  Beschreibung  hierher¬ 
gehöriger  Versuche,  sowie  der  Eigenschaften  des  dabei'  benutzten 
Pankreassekrets  stellt  S.  in  Aussicht. 

Diskussion:  Herr  Schmilinsky  fragt  an,  wie  das 
Pankreassekret  desinfiziert  sei. 

Herr  S  c  li  u  m  m:  Beim  Desinfizieren  von  Pankreassaft  müsse 
man  sehr  vorsichtig  sein.  Er  hat  demselben  1  Prom.  Sublimat¬ 
lösung  zugesetzt,  wonach  keine  Fällungen  entstehen.  Später  hat 
S.  nach  S  a  1  k  o  w  sky  Chloroform  benutzt,  wodurch  das  bei 
Sublimat  eintretende  Dunkelwerden  der  Präparate  vermieden  wird 

Herr  U  n  n  a  erwähnt,  dass  Salko  w  sky  die  Chloroform¬ 
methode  nicht  erfunden  habe,  sondern  dass  dieselbe  schon  früher 
von  ihm  selbst  und  M  i  e  1  c  k  angewandt  und  auch  publiziert  sei. 

Herr  Embden:  Ausser  dem  genannten  hat  die  Chloroform - 
methode  noch  einen  Vorzug;  das  Chloroform  fällt  Blutfarbstoff 
und  stellt  so  aus  dem  oft  mit  Blut  untermischten  Pankreassaft 
eine  klare  Lösung  her.  Die  Methode  ist  von  Salko  w  sky  zuerst 
veröffentlicht,  allerdings  schon  früher  im  Eppendorfer  Kranken¬ 
hause  angewandt  worden. 

Herr  Schümm:  Bei  geringen  Blutmengen  ist  die  Methode 
von  Nutzen,  grosse  Mengen  dagegen  erzeugen  eine  gallertige  Fäl¬ 
lung.  Er  empfiehlt,  das  Sekret  gut  zu  filtrieren,  damit  keine  Fctt- 
kristalle  hineingeraten. 

Herr  Adam:  Demonstration  eines  Präparates  von  einem 
in  den  Hauptbronchus  des  linken  unteren  Lungenlappens  durch¬ 
gebrochenen  periösophagealen  Abszess.  Diagnostiziert  Avar  diese 
Kommunikation  von  Oesophagus  und  Bronchus  aus  der  Heftigkeit, 
mit  der  jede  auch  flüssige  Nahrung  Hustenstösse  auslöste,  es  war 
jedoch  angenommen  Avorden,  dass  ein  erweichtes  Oesophagus¬ 
karzinom  die  Verbindung  hervorgerufen  habe.  Der  Abszess  sass 
an  einem  Oesophagusdivertikel. 

Diskussion:  Herr  Fraenkel  hat  einige  Präparate  der 
Art  beobachtet,  Avie  Herr  Adam  vorgestellt  hat.  Zweimal  waren 
es  zufällige  Sektionsbefunde,  ein  Beweis,  dass  eine  solche  Kom¬ 
munikation  nicht  stets  Besclnverden  zu  machen  braucht.  Fehlt 
der  Hustenreiz  beim  Schlucken,  so  muss  man  allerdings  annehmen, 
dass  die  Kommunikation  ganz  allmählich  entstanden  und  ein  ge¬ 
schlängelter  Weg  zwischen  beiden  Organen  vorhanden  ist.  Die 
Deutung  Herrn  A  d  a  m  s  hält  er  auch  für  die  nächstliegende,  dass 
es  sich  nämlich  entweder  um  ein  Divertikel  oder  um  einen  entzünd¬ 
lichen  Prozess  gehandelt  hat,  sowie  dass  die  Affektion  des  Oeso¬ 
phagus  das  Primäre  war. 

II.  Vortrag  des  Herrn  Unna:  Ueber  eine  Modifikation  der 
Pappe  n  heim  sehen  Färbung  auf  Granoplasma  und  deren 
Anwendungsgebiet. 

Dieselbe  bedient  sich  einer  Mischung  von  Lösungen  des 
Methylgrüns  und  Pyronins  zu  einer  einzeitigen  Doppelfärbung 
und,  wenn  Schnitte  gefärbt  werden,  einer  nachträglichen  Beize 
mit  einer  Resorcinlösung.  Diese  Methode  wurde  von  U  n  n  a 
dahin  vereinfacht,  dass  er  die  notwendige  Beize  gleich  der 
Farbmischung  zusetzte;  unter  den  dazu  brauchbaren  Beizen: 
Resorcin,  Karbolsäure,  Formalin  erwies  sich  als  beste  die 
Karbolsäure  als  Vz  proz.  Zusatz.  Die  Sicherheit  des 
Erfolges  Avurde  durch  ein  viel  höheres  prozentuales  Verhältnis 
des  Pyronins  5:3  Methylgrün  vermehrt  (statt  1 :  3  in 
der  ursprünglichen  Vorschrift).  Danach  lautet  IT  nnas  Formel 
der  P  appenheim  sehen  Mischung : 


Methylgrün 

0,15 

Plvronin 

0,25 

Alkohol 

2,50 

Glyzerin 

20,10 

V 2  proz  Karbolwass 

mrad  100,0 

Hierin  werden  die  nur  in  Alkohol  gehärteten  und  in 
Celloidin  geschnittenen  Gewebe  10  Minuten  gefärbt,  dann  in 
Alkohol  entwässert  und  in  Bergamottöl  auf  gehellt.  An  so  ge¬ 
färbten  Schnitten  ist  jedoch  das  Granoplasma  weniger  tief  ge¬ 
färbt  als  an  solchen,  die  mit  polychromer  Methylenlösung  ge¬ 
färbt  sind.  Dieser  tinktoriellen  Schwäche  des  Pyronins  wird 
abgeholfen  durch  eine  Färbung  in  der  Wärme  (30 — 40  0  C. 
5  Minuten)  und  rasches  Abkühlen  der  gefärbten  Schnitte. 

Die  P  appenheim  sehe  Methode  Avurde  ursprünglich  er¬ 
sonnen,  um  Lymphocyten  zu  färben,  und  dann  für  Plasmazellen 
gebraucht.  Diese  Spezialfälle  ordnen  sich  aber  der  allge¬ 
meinen  Indikation  unter.  Kernchromatin  und 
Granoplasma  tinktoriell  zu  trennen.  Diese  kommt 
Avieder  hauptsächlich  für  das  sclnvierige  Studium  der  kleinen 
P  lasmazellen  (Plasmatochterzellen)  in  Betracht,  bei  denen 
alles  auf  dife  gute  Färbung  der  kleinen  Granoplasmareste  neben 
stark  tingiblcn  Kernen  ankommt.  Hierbei  erleichtert  der  prä¬ 
zise  Farbenkontrast  im  kleinsten  Raume  das  Studium,  ohne  dass 
sich  wesentlich  neue  Resultate  ergäben.  Eine  wichtigere  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  hat  die  Färbungsmethode  aber 
bei  dem  Studium  der  Zellbröckel  und  Zellabkömm- 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


1866 


1  i  n  g  e,  die  sich  frei  im  Gewebe  befinden ;  sie  lehrt  auf  das  ein¬ 
fachste  ihre  Herkunft  aus  dem  Granoplasma  der  Zellenleiber 
oder  dem  Kernchromatin  erkennen.  Nächst  der  Konstatierung; 
von  Kerncliromatin  und  Granoplasma  steht  als  zweitwichtigste 
die  zwischen  Kern  chromatin  und  schwer  färb¬ 
baren  Bazillen.  Das  Prototyp  für  diese  Anwendung  liefert 
der  Streptobazillus  des  weichen  Schankers, 
dessen  erste  Entdeckung  bekanntlich  IT  n  n  a  auch  nur  auf  Grund 
seiner  Protoplasmafärbmethoden  gelang.  Die  modifizierte 
Pappenheim  sehe  Färbung  gibt  nun  bei  einfacher  Alkohol¬ 
fixation  direkt  schon  so  scharf  kontrastierende  Bilder  des 
Streptobazillus,  wie  die  Methylenblaufärbung  erst  bei  Formalin¬ 
fixation  und  nachträglicher  Tannin-Orange-Entfärbung. 

In  dritter  Linie  kommt  für  die  neue  Färbung  das  alte 
Problem  in  Betracht :  Kokken  und  Kernchromatin 
tinktoriell  zu  differenzieren,  speziell  bei  den  Staphylo¬ 
kokken  inmitten  von  Eiter  mengen.  Hier  reiht 
sich  die  Methode  ebenbürtig  und  als  die  einfachere  den  Gen¬ 
tiana- Jod-Methoden  an.  Ja,  sie  ist  diesen  noch  in  Bezug  auf 
das  feinere  Detail  der  toxischen  Wirkung  der  Staphylokokken 
überlegen,  indem  sie  zeigt,  dass  in  nächster  Nähe  der  Kokken 
die  Kerne  der  absterbenden  Leukoeyten  ihr  Chromatin  in  diffuser 
Weise  an  die  Leiber  der  Leukoeyten  abgeben. 

Im  Anschlüsse  an  diese  3  Hauptindikationen  der  neuen 
Färbemethode  bespricht  Herr  Tnna  noch  ihre  Anwendung  zur 
Färbung  der  Krusten,  des  Gonokokkeneiters  und 
zum  Studium  der  Kernkörperchen  und  des  K  e  r  a  to¬ 
ll  y  a  1  i  n  s. 

Diskussion:  Herr  Pappenheim:  Die  Ausführungen 
des  Herrn  U  n  n  a  haben  mich  begreiflicherweise  mit  grosser  Ge¬ 
nugtuung  erfüllt.  Wenn  eine  Autorität,  ein  anerkannter  Meister 
der  Technik,  wie  IT  n  n  a.  eine  Methode  der  Anwendung  und  Kul¬ 
tivierung  für  wert  befindet,  so  darf  ihr  Erfolg  wohl  als  von  vorn¬ 
herein  gesichert  gelten;  die  Verwendung  der  konzentrierten  Me- 
thylgrün-Pyroninfärbung  zur  differenziellen  Analyse  der  sogen. 
C  h  r  o  m  atin  sc  h  m  elze  seitens  U  n  n  a,  so  bei  Rotz,  Typhus¬ 
roseolen  etc.,  war  eine  seinerzeit  von  mir  noch  gar  nicht  geahnte. 

Hinsichtlich  der  „Plasmazellen“  haben  nun  die  Bemüh¬ 
ungen  IT  n  n  a  s  erreicht,  dass  nunmehr  auch  die  schmalen  em¬ 
pfindlichen  Cytoplasmen  der  kleinen  Tochterzellen  den  ba¬ 
sischen  Farbstoff  festlialten.  was  mir  seinerzeit  in  diesem  Um¬ 
fang  noch  nicht  gelungen  war.  Aus  diesem  tinktorielleri 
Verhalten  a  1 1  e  i  n  indes  einen  Schluss  herzuleiten,  dass  diese 
Gebilde  „Plasmazellen“,  d.  h.  bindegewebige  Elemente  und 
keine  Blutlymphocyten  seien,  halte  ich  nicht  für  berechtigt.  Ich 
habe  in  dieser  neuen  Modifikation  noch  keine  Erfahrung;  ich  stehe 
indessen  keinen  Augenblick  an,  zu  behaupten,  dass  die  Methode 
in  ihrer  jetzigen  Form  auf  lymphoide  Organe  angewendet  —  wa s 
bisher  noch  nicht  geschehen  ist  —  daselbst  die  Lymphocyten  eben¬ 
falls  als  ,, Plasmazellen“  wird  erscheinen  lassen.  In  Schnittpräpa¬ 
raten  ist  solches  bisher  von  mir  ebenfalls  noch  nicht  erzielt  worden. 

Tch  habe  Ihnen  unter  dem  Mikroskop  einen  Tonsillenschnitt 
aufgestellt.  Sie  sehen  schon  mit  mittelstarken  Vergrösserungen, 
dass  sich  in  den  Follikeln  nur  die  grossen  Keimzentrumszellen  wie 
..Plasmazellen“  verhalten,  dagegen  die  kleinen  Tochterzellen  der 
Peripherie  vorwiegend  nur  Kernfärbung  aufweisen.  Auf  dem 
Deckglaspräparat  finden  Sie  dagegen,  wie  das  Blutpräparat  von 
Lymphocytoseleukämie  demonstriert,  dass  auch  die  kleinen 
Lymphocyten  ebenso  wie  die  grossen  Pyroninreaktion  (Plasma¬ 
reaktion)  aufweisen. 

Es  besteht  also  eine  vollständige  Analogie  zwischen  Plasma¬ 
zellen  und  Lymphocyten,  und  zwar  verhalten  sich  die  grossem 
Plasmazellen  wie  die  grossen  Lymphocyten  der  Keimzentren  blut¬ 
bildender  Organe,  die  kleinen  Tochterzellen  Avie  die  kleinen 
Lymphocyten  des  Blutes. 

Dastink  torieile  Verhalten  der  Plasmazellen 
allein  berechtigt  also  nicht,  diese  Gebilde  als 
e  t.  w  a  s  Besonderes,  als  nicht  hä  m  a  t  o  g  e  n  e,  i.  e. 
histiogene  Gebilde  anzusprechen. 

Umgekehrt  aber  bestreite  ich  entschiede n, 
dass  wegen  des  tinktoriell  und  morphologisch 
gleichen  Verhaltens  die  Plasmazelle  n,  i.  e.  d  i  e 
Rund  zellen  des  granulierenden  Bindegewebes 
als  basale,  ausge  av  änderte  B  1  u  1 1  y  mphocyte  n 
angesprochen  w  e  r  d  e  n  d  iirfen:  Ein  Zwilling,  ein 
Doppelgänger  kann  ja  freilich  leicht  mit  seinem  Ebenbild  Arer- 
wechselt  werden,  dieses  alter  ego  ist  doch  aber  eine  zweite  In¬ 
dividualität  und  nicht  mit  seinem  Ebenbild  identisch,  geht  auch 
aus  ihm  nicht  hervor.  Und  wenn  den  Lymphocyten,  aa'us  in  letzter 
Zeit  geschehen  ist,  noch  so  sehr  Lokomobilität  zuzuerkennen  ist, 
eine  Tatsache,  die  in  unversöhnlichem  Widerstreit  allerdings  zu 
einem  der  obersten  Axiome  der  Ehrlich  sehen  Hämatologie 
steht,  für  die  allgemein  pathologische  Lehre  der  Bindegewebs- 
granulatiou  sind  daraus  keine  Konsequenzen  herzuleiten. 


Hier  sind  es  A'or  allem  z  aat  e  i  andere  Tatsachen,  die 
vornehmlich  gegen  die  Lehre  \r.  Baumgartens 
sprechen,  dass  die  Rundzellen  der  sogen,  kleinzelligen  Infil¬ 
tration  nur  vom  Blut  ausgewanderte  Exsudatzellen  seien; 
erstens  das  Fa  k  t  um,  dass  man  im  Eiter  grosse 
L  y  m  phocyten  findet,  die,  im  Gegensatz  zu  den  kleinen, 
bekanntlich  im  Blut  selten  fehlen  —  ein  ansgestelltes  Präparat*) 
von  Gonorrhöe  veranschaulicht  diese  Verhältnisse  und  an  Schnitten 
von  Ule.  molle  sieht  man,  Avieso  diese  grossen  Lymphocyten  in 
das  Exsudat  gelangen.  (Der  Exsudatstern  selbst  besteht  aus  poly¬ 
nukleären  Leukoeyten,  er  reisst  aber  von  den  mit  Plasmazellen 
„infiltrierten“  Geschwürs  rändern  grosse  Plasmazellen  mit 
sich.)  Zweitens  ist  es  Ar  ö  1 1  i  g  unerklärlich,  aat  i  e 
die  L  y  m  phocyten  durch  dicke  Arterien  av  ä  n  d  e 
li  indurch  emigrieren  solle  n,  da  doch  Emigration  nur 
an  Kapillaren  der  kleinen  Venen  statthat.  Aber  gerade  um  Ar¬ 
terien  herum  findet  man  im  Granulationsgewebe  Plasmazellen¬ 
anhäufung.  Bei  einer  normalen  Milz  hat  noch  kein  Mensch  be¬ 
hauptet,  dass  die  Lymphocyten  der  auf  den  Pinselarterien  sitzen¬ 
den  M  a  1  p  i  g  h  i  sehen  Follikel  aus  der  Arterie  ausgewanderte 
Zellen  seien;  bei  den  ganz  homologen  Granulomen  tut  man  es  un¬ 
begreiflicherweise. 

Hier  bleibt  nichts  übrig,  als  die  Feststel- 
1  u  n  g  e  n  M  a  r  c  h  a  n  d  s  z  u  r  E  rklärungheranzuziehe  n, 
der  zeigte,  dass  bei  der  Infiltration  gewisser  Zellen  der  Ad vent.it ia 
eine  Brut  lymphocytenähnlicher  Elemente  entsteht,  dass  es  sich 
also  um  periarteriitische  Herde  handelt.  Somit  halten  auch  AA'ir 
die  Plasmazellen  der  Granulation  für  lokal  entstandene  autochthone 
Elemente,  für  Bildungszellen  des  Gewebes  selbst,  für  Abkömm¬ 
linge  fixer  Strumazellen.  Sie  sind  Lymphocyten  ähnlich,  können 
aber  keine  Blutlymphocyten  sein,  sondern  sind  nur  lymplio- 
c  y  t  o  i  d  e  Elemente  oder  allenfalls  —  diese  äusserliche  Kon¬ 
zession  bin  ich  zu  machen  bereit  — ,  Avenn  „lymphocyt“  nur  einen 
morphologischen  Begriff  ohne  g  e  w  e  b  s  genea¬ 
logischen  Index  bedeutet  (denn  auch  Plasmazellen  können 
ins  Blut,  geraten  und  dort  als  „Lymphocyten“  figurieren),  dann 
sind  die  Plasmazellen  der  Bindegewebsgranu- 
1  a  t  i  o  n  nicht  „h  ämatogene  Lymphocyte  n“,  s  o  n  - 
d  o  r  n  „h  istiogene  Lymphocyte  n“.  Dadurch  bleibt  aber 
die  Anschauung  U  n  n  a.  s  gewahrt,  dass  ein  Gra n ulo  m  kein 
I  n  f  i  1  t  r  a  t,  s  ondern  ein  Neoplasma  i  s  t. 

Herr  Fraenkel  fragt,  ob  die  Methode  anwendbar  sei  ohne 
Rücksicht  auf  die  Art  der  Fixierung  der  Präparate. 

Herr  IT  n  n  a:  Zur  Granoplasmafärbung  ist  eine  Härtung  der 
Präparate  in  reinstem  Alkohol  notwendig.  Formol,  Sublimat,  be¬ 
sonders  Tannin  sind  schädlich,  da  sie  mit  dem  Granoplasma  Ver¬ 
bindungen  eingehen,  welche  nur  diffus  färbbar  sind.  Dann  färben 
sich  natürlich  nur  grobe  Dinge,  feinere  Einzelheiten  sind  nicht 
erkennbar. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  29.  Oktober  1902. 

Gedächtnisfeier  für  Rudolf  Virchow. 

In  dem  zweckentsprechend  geschmückten  Saale  des  Langen- 
beckhauses  Areranstaltete  die  medizinische  Gesellschaft  eine  ihres 
verstorbenen  Ehrenpräsidenten  würdige  Gedächtnisfeier. 

Etwa  800  Aerzte,  darunter  die  Jugendfreunde  Virohows, 
Körte  sen.,  Langerhans,  der  Stadtverordnetenvorsteher, 
und  N  e  u  m  a  n  n,  dann  die  meisten  Angehörigen  der  Fakultät, 
der  Rektor  der  Universität,  Gierke,  der  Kultusminister 
Dr.  S  t  u  d  t  mit  mehreren  seiner  Räte,  die  Spitzen  des  Sanitäts¬ 
korps  der  Armee  und  endlich  die  Gattin  des  Verstorbenen  mit 
den  übrigen  liier  lebenden  Familienmitgliedern  Avaren  anwesend. 

Nach  einem  Liede  des  Domchors  ergriff  Exz.  v.  Berg- 
m  a  n  n  das  Wort  zu  einer  kurzen,  tiefempfundenen  Ansprache,, 
in  welcher  er  das  Verhältnis  V  ireho  ws  zu  der  medi¬ 
zinischen  Gesellschaft  schilderte,  der  er  42  Jahre  und 
darunter  den  grösseren  Teil  als  Präsident  angehörte. 

Nach  dem  Liede  „Integer  vitae“  hielt  Herr  Prof.  Orth, 
der  Amtnachfolger  Virchows,  die  eigentliche  Gedächt¬ 
nisrede  und  entledigte  sich  in  meisterhafter  Weise  der 
schwierigen  Aufgabe,  die  so  oft  geschilderten  und  darum  all¬ 
bekannten  Züge  des  Lebensbildes  Virchows  aufs  Neue  in 
fesselnder  Weise  zu  einem  objektiven,  von  allen  Uebertreibungcn 
freien  Bilde  des  unvergleichlichen  Mannes  zusammenzufassen. 

Ein  weiterer  Gesang  schloss  die  erhebende  Feier. 

Hans  Koh  n. 


*)  Hier  siebt  man  auch  die  Doppelfärbung  der  Zellkerne  (grün) 
und  Gonokokken  (rot). 


4.  November  1902. 


MTIEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1867 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  28.  April  1902. 
Vorsitzender :  Herr  Hochhaus. 
Schriftführer :  Herr  Schulte. 


Herr  F.  Cahen:  Chirurgische  Demonstrationen. 

1.  Multiple  Karzinose  des  Gesichtes. 

C.  zeigt  die  Photographie  einer  58  jährigen  Frau  mit  3  von¬ 
einander  getrennten  Krebsgeschwülsten  der  linken  Gesichtsseite. 
3  derselben  von  Markstückgrösse  am  unteren  Augenlid  und  an  der 
linken  Nasenseite  zeigen  das  ausgeprägte  Bild  des  Ulcus 
roden  s.  Eine  dritte,  handflächengrosse,  pilzförmige  Geschwulst 
mit  zerklüfteter,  leicht  blutender  Oberfläche  nimmt  den  Raum  zwi¬ 
schen  der  linken  Augenbraue  und  der  Haargrenze  ein.  Keine 
nachweisbaren  Drüsenschwellungen,  ziemlich  gutes  Allgemein¬ 
befinden.  Die  Haut  der  Patientin  weist  zahlreiche,  auf  dem 
ganzen  Körper  zerstreute  Pigmentflecken,  sowie  kleine  Angiome 
von  wechselnder  Grösse  auf.  —  Ueber  die  zeitliche  Entwickelung 
der  Gesichtstumoren  liess  sich  nichts  Sicheres  feststellen.  Eine 
operative  Hilfe  wurde  verweigert. 


Es  handelt  sich  in  diesem  Fall  um  das  gleichzeitige 
Auftreten  zweier  verschiedener  Karzin  o  in  - 
arten  der  Gesichtshaut  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  von¬ 
einander.  Wenn  auch  für  eines  der  beiden  Kankroide  die  Möglich¬ 
keit  der  Implantation  vom  andern  zugegeben  werden  muss,  so  ist 
der  Stirntumor  sicherlich  eine  gleichzeitige,  primäre  Karzinom¬ 
entwickelung. 

Die  in  der  Literatur  niedergelegten  Beobachtungen  von  mul¬ 
tiplem,  primären  Karzinom  sind  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ent¬ 
weder  Impfmetastasen  derart,  dass  z.  B.  Plattenkrebse  des  Ge¬ 
sichts,  der  Speiseröhre  oder  Zunge  sekundäre  Tumoren  im  Magen 
verursachten  oder  unabhängig  voneinander  an  zwei  verschiedenen 
Organen  aufgetretene  verschiedene  Karzinomarten.  Der  vor¬ 
liegende  Fall  hat  am  meisten  Aehnliehkeit  mit  dem  von 
Schimmelbusc  h  beschriebenen  Augenlid  d  r  ii  s  e  n  • 
k  rebs  bei  gleichzeitigem  Auftreten  zweier  Ho  r  n  krebse 
der  Wange. 


2.  Luxation  des  Os  lunatum. 

C.  demonstriert  die  Röntgenbilder  eines  derartigen  Falles. 
Dieselben  stammen  von  einem  28  jährigen  Patienten,  der  am 
20.  I.  1902  7  m  hoch  von  einem  Gerüst  herabgestürzt  war.  Be¬ 
fund  vom  0.  III.:  Der  linke  Vorderarm  des  muskelkräftigen 
Mannes  zeigt  eine  Abmagerung  gegenüber  dem  rechten,  das  linke 
Handgelenk  verbreitert  und  verdickt.  Umfang  desselben  distal- 
wärts  von  dem  Proc.  styloideus  gemessen  links  19,  rechts  1(5,5  cm. 
Beim  Abtasten  der  Vorderarmknochen  keine  Veränderung.  In  der 
ttegend  der  ersten  Handwurzelreihe,  ungefähr  in  der  Mitte  ein 
Knochenvorsprung,  welcher  die  Beugesehnen  vorwölbt.  In/ 
Handgelenk  ist  aktiv  Volar-  und  Dorsalflexion  um  ca.  20  * 
möglich,  passiv  ist  die  Dorsalflexion  frei,  die  Volarflexion  bis 
20°  ausführbar.  Die  Bewegungen  der  Finger  sind  passiv 
unbehindert,  aktiv  ist  die  Streckung  der  Finger  in  normalem 
Umfang  auszuführen,  die  Beugung  derselben  dagegen  stark  be¬ 
hindert.  Auf  der  Volarfläche  der  Hand  und  der  Finger  bestehen 
Sensibilitätsstörungen  genau  dem  Gebiet  des  N.  medianus  ent¬ 
sprechend.  Von  den  vorliegenden  Photogrammen  zeigt  das  kleine 
bei  der  Durchleuchtung  der  Hand  von  der  Dorsalseite,  dass  das 
Os  lunatum  zum  Teil  von  dem  Os  capitatum  und  Os  hamatum 
überlagert  ist.  Eine  Aufnahme  in  Mittelstellung  der  Hand  und 
Beleuchtung  von  oben  lässt  die  ungemein  starke  Verbreiterung 
des  Handgelenks  sehr  deutlich  erkennen.  Dem  Verletzten  wurde 
die  Exzision  des  Os  lunat.  angeraten.  Er  war  jedoch  zu  keinem 
operativen  Eingriff  zu  bewegen. 

3.  Vortr.  zeigt  die  nach  dem  Pick  sehen  Verfahren  konser¬ 
vierten  Präparate  eines  gangränösen  Darm wandbruches  und  eines 
faustgrossen  Karzinoms  des  Colon  descendens,  bei  denen  durch 
Vereinigung  der  resezierten  Darmenden  mittels  Murphyknopf 
glatte  Heilung  erzielt  wurde. 


4.  Ueber  einen  Fall  von  Gehirnabszess. 

Das  vorliegende  Gehirn  entstammt  der  Sektion  eines  39  jälir. 
Brunnenbauers,  der  am  18.  N.  1901  in  einen  Brunnen  lieh  Hinter¬ 
herstürzende  Steine  brachten  ihm  5  Kopfwunden  bei.  Er  wurde 
auswärts  behandelt  und  am  25.  XII.  mit  einer  fistulösen  Narbe 
über  dem  1.  Stirnbein  in  unser  Krankenhaus  aufgenommen. 

Freilegung  der  Wunde  in  Narkose  ergab,  dass  ein  ca.  3  Mark¬ 
stück  grosses  Stück  des  Schädels  vollständig  losgesprengt  unter 
das  Schädeldach  deprimiert  und  gänzlich  nekrotisch  war.  Das¬ 
selbe  lag  rings  von  Eiter  umspült  losgelöst  auf  der  Dura  und 
wurde  nach  ausgiebiger  Trepanation  entfernt.  5  Wochen  später, 
24.  XII.,  nachdem  die  Wunde  sich  gereinigt  hatte,  wurde  der  De¬ 
fekt  im  Schädel  durch  eine  Müller  sehe  Knochenplastik  ge¬ 
schlossen. 


2  Tage  nach  dieser  Operation  zeigten  sich  Störungen  des  All¬ 
gemeinbefindens;  am  1.  II.  motorische  Aphasie,  rechtsseitige  Fa¬ 
zialisparese;  kein  Fieber,  keine  Pulsverlangsamung.  In  der  An¬ 
nahme  einer  Schädigung  des  Gehirns  durch  die  Knochenplastik 
werden  die  Nähte  gelöst,  der  Lappen  zurückgeklappt.  Aphasie 
und  Fazialisparese  gehen  zurück,  der  Kranke  erholt  sich  soweit, 
dass  er  das  Bett  verlassen  kann;  der  blossliegende  Knochen  des 
Knochenlappens  wird  nekrotisch  und  daher  abgetragen. 


Am  14.  ir.  abermalige  motorische  Aphasie,  Parese  des  r.  Fa- 
zialis  und  rechten  Armes.  Patellarreflex  r.  gesteigert,  ln  der  An¬ 
nahme  eines  Hirnabszesses  wird  die  Schädelöffnung  in 
Narkose  nach  hinten  und  nach  der  Schläfe  hin  erweitert.  Die 
Dura  pulsiert  überall.  Nach  Spaltung  der  Dura  dringen  reichliche 
Mengen  Eiters  hervor.  Die  Dura  ist  in  der  Gegend  der  II.  und 
II I.  Stirn  Windung  mit  der  Pia  verwachsen;  hier  findet  sich  ein 
P  1  1 il  11 111  engrosser  Hir  n  a  bszess  mit  der  Längsachse 
nach  hinten  unten.  Breite  Eröffnung  desselben  und  Tamponade 
mit  Jodoform gaze,  die  nach  Verlauf  von  2  Tagen  durch  Drainage 
ersetzt  wird. 

Die  Hirnerscheinungen  bildeten  sich  zunächst  zurück.  Das 
Allgemeinbefinden  besserte  sich  und  wir  glaubten  den  Kranken 
auf  dem  Wege  zur  Heilung,  da  traten  am  3.  III.  abermals  die 
oben  beschriebenen  Ausfallssymptome  auf  in  ausgedehnterem 
Masse  als  zuvor;  motorische  und  sensorische  Aphasie,  Lähmung 
des  rechten  Fazialis,  Armes  und  Beines;  dazu  gesellte  sich  all¬ 
mählich  zunehmende  Benommenheit.  Kein  Fieber,  keine  Pulsver¬ 
langsamung.  Augenhintergrund  unverändert.  Die  Erscheinungen 
wiesen  auf  eine  abermalige  Eiteransammlung  im  Gehirn  hin,  aber 
alle  Versuche,  durch  Probepunktion  nach  den  verschiedensten 
Richtungen  Eiter  zu  aspirieren,  schlugen  fehl.  Da  der  Zustand 
des  Kranken  sich  von  Tag  zu  Tag  verschlechterte,  wurde  am 
10.  III.  durch  eine  ausgedehnte  osteoplastische  Lappenbildung  die 
Gegend  der  Zentralwindung  freigelegt,  aber  auch  hier  nirgendwo 
Eiter  gefunden.  Am  14.  III.  Exitus. 

Die  Sektion  zeigte  uns  den  Abszess  da,  wo  wir  ihn  nicht  ver¬ 
mutet  hatten.  Sie  sehen  hier  eine  kugelige,  kleine,  apfelgrosse 
Abszesshöhle  von  5  cm  Durchmesser  im  vordersten  medialen  Teil 
der  weissen  Substanz  des  Stirnhirns.  Die  Reste  des  ersten  ope¬ 
rativ  eröffneten,  nahezu  völlig  ausgeheilten  Abszesses  finden  sich 
in  Gestalt  eines  2  cm  langen,  engen,  fistulösen  Ganges  in  der 
dritten  Stirnwindung;  eine  Kommunikation  zwischen  den  beiden 
Herden  lässt  sich  bei  genauester  Prüfung  nicht  nachweisen. 

Das  Interesse  der  Beobachtung  besteht  einmal  in  dem  Auf¬ 
treten  zweier  getrennter  Stirnabszesse,  andrerseits  in 
der  schwierige  n  Lokalisation  u  n  d  A  u  f  f  i  n  d  u  n  g 
des  zweiten  Abszesses.  Alle  Erscheinungen  sprachen 
dafür,  den  Abszess  in  der  Nähe  der  Zentralwindung  zu  suchen; 
es  erschien  uns  unwahrscheinlich,  dass  die  Lähmungssymptome 
durch  Fernwirkung  auf  die  innere  Kapsel  bedingt  waren.  Diese 
Ueberlegnng  erwies  sich  bei  der  Sektion  als  irrig;  der  grosse  un- 
eröffnete  Abszess  in  der  Marksubstanz  des  Stirnhirns  hatte,  offen¬ 
bar  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  neuerdings  von  den  Abszessen 
des  Schläfenlappens  angenommen  wird,  Störungen  im  Blut-  und 
Lymplistrom  der  inneren  Kapsel  und  dadurch  die  Ausfall¬ 
erscheinungen  herbeigeführt. 

Herr  Huismanns: 

1.  demonstriert  einen  selten  grossen  Tumor  lienis  leucae- 
micus,  welcher  in  vivo  unten  bis  zur  Symphysis  pubis,  oben  die 
Zwerchfellkuppel  hinaufdrängend  bis  zur  linken  3.  Rippe  reichte; 

2.  führt  2  Patienten  mit  gekreuzten  Adduktorenreflexen  bei 
Syringomyelie  und  Neuritis  iseliiadica  vor.  (Der  Vortrag  erscheint 
in  extenso  in  der  Deutsch,  med.  Wochenschr.) 

3.  spricht  über  das  Thema:  Trauma,  Myelitis,  Syringo¬ 
myelie. 

II.  betont,  dass  er  von  der  Annahme  einer  Neuritis  ascendens 
als  Bindeglied  zwischen  Trauma  und  Rückenmarkserkrankung 
zurückgekommen  ist,  und  begründet  diese  Ansicht. 

Bezüglich  des  anatomischen  Prozesses  bei  der  Syringomyelie 
erwähnt  er  die  Arbeiten  von  W  e  s  t  p  h  a  1,  Schultze  u.  a. 
und  kommt  zu  dem  Resultate: 

Das  Bild  der  Syringomyelie  kann  durch  Gliome  (oder  durch 
Sekundärinfektion  einer  Blutung  im  Rückenmark  V)  hervor- 
gerufen  werden.  In  den  meisten  Fällen  aber  liegt  demselben 
eine  chronisch-progrediente,  in  Erweichung  übergehende  in¬ 
fektiöse  Myelitis  im  Anschluss  an  Embolie  resp.  Thrombose  der 
zentralen  Gefässe  des  Zervikalmarkes  zu  Grunde. 

Weitere  Einzelheiten,  auch  bezüglich  der  Frage,  weshalb 
die  Arthropathien  bei  der  Syringomyelie  in  dem  oberen,  bei  der 
Tabes  in  dem  unteren  Extremitätengürtel  sich  zuerst  zeigen, 
siehe  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  in  welcher  der  Vortrag  ausführlich 
veröffentlicht  werden  wird. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

(Sommersemester  1902.) 

Herr  Schloff  er:  Annäherung  abstehender  Ohren  auf 
operativem  Wege  an  den  Kopf. 

Herr  v.  Jaksch  demonstriert  einen  hochgradig  anämi¬ 
schen  Patienten,  bei  dem  Ankylostoma  duod.  im  Stuhle  gefunden 
wurde.  Im  Blute  geringer  Grad  von  Poikilocytose,  hingegen  be¬ 
deutende  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen.  Er  seliliesst  sich 
deshalb  der  Ansicht  an,  dass  die  Erscheinungen  nicht  allein  durch 
den  Blutverlust  hervorgerufen  werden,  sondern  dadurch,  dass  die 
I  Tiere  ein  Ferment  produzieren,  welches  giftig  wirkt  und  eine 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


1868 


Heizung  in  denjenigen  Organen  liervorruft,  welche  als  Bildungs¬ 
stätten  der  eosinophilen  polynukleären  Leukocyten  anzusehen  sind. 
Die  angestellten  Stoffwechseluntersuchungen  haben  keine  wesent¬ 
lichen  Veränderungen  ergeben. 

Herr  C  h  i  a  r  i :  TJ eher  Darmstrikturen,  durch  sekundäres 
Peritonealkarzinom  bedingt. 

Herr  P  e  t  r  i  n  a  demonstriert  einen  Fall  von  Stenosis  art. 
pulm.  mit  Offenbleiben  des  Ductus  Botalli.  Bemerkenswert  das 
Alter  des  Pat.  (24  Jahre)  und  die  geringen  Störungen,  die  er  auf 
das  Offenbleiben  des  D.  B.  zurückführt. 

Herr  Winternitz  demonstriert  1.  Kopfhaare  eines 
Knaben,  die  an  ihren  Schnittenden  verdickt  sind.  Die  Verdickung 
lässt  sich  mikroskopisch  in  Reinkulturen  von  Bazillen  auflösen. 

2.  Eine  Patientin,  bei  der  früher  eine  Alopecia  areata  vorhanden 
war,  und  bei  der  die  nachgewachsenen  Haare  vollständig  weiss 
sind. 

Herr  Tauber  spricht  über  Hämoglobinurie  nach  geplatz¬ 
ter  Tubargravidität.  Bei  einer  35  jährigen  Pat.,  bei  der  die  Dia¬ 
gnose  auf  Tubarabort  gestellt  wurde,  trat  unter  Fieber  am  3.  Tage 
eine  dunkelrote  Färbung  des  Harnes  ein,  der  eine  intensive  Blut¬ 
reaktion,  im  mikroskopischen  Bilde  nur  eine  geringe  Anzahl  roter 
Blutkörperchen  zeigte.  Nachdem  Tauber  alle  anderen  Momente 
(Nephritis,  paroxysmale  Albuminurie  oder  Durchbruch  des  Extra¬ 
vasates  in  die  Blase)  ausschliesst,  nimmt  er  als  Erklärung  das 
Auftreten  von  Autolysinen  an,  denen  der  Organismus  bei  der 
schnellen  Resorption  des  Blutes  und  der  grossen  Menge  desselben 
keine  Antiautolysine  entgegensetzen  konnte. 

Herr  Fritz  24  e  u  m  a  n  n  hat  eine  über  wallnussgrosse  Zahn- 
wurzelcyste  durch  Paraffininjektionen  zur  Heilung  gebracht  und 
rühmt  den  therapeutischen  und  kosmetischen  Effekt. 

Herr  Klein  ha  ns  demonstriert  ein  4  jähriges  Mädchen, 
welches  mit  Ablauf  des  ersten  Lebensjahres  regelmässig  men¬ 
struiert  wird.  Brüste  gut  entwickelt,  Pubes  schwarz  behaart. 
Körperlänge  112  cm.  Becken  breit,  nähert  sich  in  seiner  Form  dem 
der  Erwachsenen. 

Herr  v.  Ritter  zeigt  einen  geheilten  Fall  von  Atresia 
laryngis  ex  intubatione. 

Herr  Springer  demonstriert  ein  13  Monate  altes  Mädchen 
mit  ausgebreiteter  Nekrose  an  Stirne  und  Hinterhaupt,  ent¬ 
sprechend  den  Touren  einer  Mitra.  Als  Ursache  sieht  er  Er¬ 
nährungsstörungen  infolge  eines  Magendarmkatarrhes  an. 

2.  einen  Fall  von  durch  Laparotomie  geheilter  retroperitonealer 
Cyste  bei  einem  8  jährigen  Knaben.  3.  Ein  Präparat  von  Echino¬ 
kokkus  der  rechten  Pleurahöhle  (nach  Durchbruch  von  der  Leber), 
der  durch  Resektion  zweier  Rippen,  Drainage  und  Tamponade  in 
toto  zum  Abstossen  gebracht  wurde. 

Herr  Leo  Schwarz  zeigt  1.  eine  Patientin  mit  doppel¬ 
seitiger  Lähmung  der  Stimmritzenerweiterer  (Paresis  bilat. 
musc.  cricoarythenoid.  post.)  nach  Abkühlung;  2.  einen  20jähr. 
Mann  mit  Friedreich  scher  Ataxie,  bei  dem  das  späte  Ein¬ 
setzen  der  Erkrankung  und  der  Umstand,  dass  er  bis  jetzt  das 
einzige  kranke  Mitglied  der  Familie  ist,  bemerkenswert  erscheint; 

3.  einen  Fall  von  Polyneuritis  alkoh.  mit  Stereoagnosie. 

Herr  Friedei  Pick  spricht  über  die  Beeinflussung  des  Ge- 
fässtonus  durch  mechanische  und  thermische  Mittel.  (Vergl. 
Bericht  des  internen  Kongresses.  Münch,  med.  Wochenschr. 
No.  18,  S.  766,  1902.) 

Herr  Schenk  stellt  eine  30jährige,  im  VIII.  Monate  gra¬ 
vide  Frau  vor  mit  acquirierter  Stenose  der  Vagina.  Die  Scheide 
ist  am  Uebergange  in  das  obere  Drittel  durch  eine  Membran  ver¬ 
legt,  in  deren  Mitte  sich  eine  feine  Oeffnung  befindet,  durch  die 
sich  eiterähnliches  Sekret  entleert.  Die  Stenose  ist  auf  eine  im 
18.  Lebensjahre  durchgemachte  Blatternerkrankung  zurückzu¬ 
führen. 

Herr  R.  W.  Raudnitz:  Experimenteller  Nystagmus. 

R.  hat  bereits  vor  7  Jahren  eine  Theorie  des  Spasmus  nutans  ent- 
wi ekelt,  welchen  er  als  Analogon  des  Nystagmus  der  Bergleute, 
hervorgerufen  durch  Finsterheit  der  Wohnung,  hinstellte.  Aus¬ 
gehend  von  der  Tatsache,  dass  zentrale  Makeln  der  Hornhaut  beim 
Menschen  Nystagmus  zur  Folge  haben,  hat  R.  solche  Trübungen 
bei  3  16  tägigen  Hündchen  sowohl  ein-  als  auch  beiderseits  er¬ 
zeugt.  Trotzdem  2  Hunde  1  Jahr  lebten,  zeigten  sie  keine  beson¬ 
deren  Erscheinungen.  Im  heurigen  Frühjahre  wurden  nun 
2  Hunde  desselben  Wurfes  vom  14.  Lebenstage  an  in  verhängten 
Käfigen,  2  im  Freien  gehalten.  2  Monate  nach  Beginn  des  Ex¬ 
perimentes  boten  die  2  Duukeltiere  schönen  horizontalen  Nystag¬ 
mus.  Derselbe  verlor  sich,  als  das  Tier  ins  Freie  gelassen  wurde, 
in  den  nächsten  3  Wochen,  um  bei  neuem  Dunkelarreste  wieder¬ 
zukehren.  Es  scheint  daraus  hervorzugehen,  dass  es  nicht  Ueber- 
müdung,  sondern  der  Ausfall  regulatorischer  Gesichtseindrücke 
ist,  welcher  den  Spasmus  nutans  erzeugt.  Bei  dem  Nystagmus  der 
Bergleute  scheint  ausserdem  noch  Uebermiidung  eine  gewisse  Rolle 
zu  spielen.  O.  W. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Clinical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  10.  Oktober  1902. 

Die  nasale  Behandlung  des  Asthmas. 

A.  F  r  a  n  c  i  s  -  Brisbane  (Australien)  führte  aus,  dass  seinen 
Erfahrungen  nach,  entgegen  der  Auffassung  der  meisten  Rliino- 
logen  diejenigen  Fälle  von  Asthma  einer  nasalen  Behandlung 
am  meisten  zugängig  sind,  bei  denen  Polypen  und  sonstige  grö¬ 
bere  Abnormitäten  fehlen.  Seine  Statistik  umfasst  402  Fälle. 


Von  diesen  zeigten  normale  Verhältnisse  an  der  Nase:  346,  Polypen 
fanden  sich  32  mal  und  andere  gröbere  Abnormitäten  24  mal. 
Resultate:  komplette  Heilung  194 mal;  vollständige  Heilung,  soweit 
die  Beobachtung  dauerte:  30;  wesentliche  Besserung:  73;  wesent¬ 
liche  Besserung,  so  lange  die  Beobachtung  dauerte:  50;  vorüber¬ 
gehende  Besserung:  20:  geringe  Besserung:  4;  nicht  genauer  ver¬ 
zeichnet:  17;  kein  Erfolg:  14  Fälle.  Männer  2S2,  Frauen  120. 
F.  stellt  folgende  Thesen  auf:  Asthma  ist  bedingt  durch  einen  re- 
flektorisclien  Krampf  der  Bronchien.  2.  Der  Reiz  kann  in  der 
Nase  entstehen;  dies  wird  erhärtet  durch  die  Erfahrungen  beim 
Heufieber  und  dem  auf  manche  Nasenverletzungen  erfolgenden 
Asthma.  3.  Asthma  wird  nicht  durch  irgend  welchen  mecha¬ 
nischen  Verschluss  der  Nasenwege  unmittelbar  verursacht,  und 
die  Komplikation  von  Asthma  und  Polypen  ist  nicht  so  häufig, 
wie  gewöhnlich  angenommen  wird.  Verfasser  hat  die  besten  Re¬ 
sultate  durch  Kauterisieren  des  Septums,  ohne  die  Polypen  zu  be¬ 
rühren,  erzielt,  während  in  einigen  Fällen  die  Totalexstirpation 
der  Polypen  das  Asthma  geradezu  verschlimmerte.  Das  Betupfen 
des  Septums  mit  Kokain  beseitigt  oft  alle  Beschwerden,  selbst 
bei  verdickten  Muscheln,  während  die  mechanische  Freilegung  der 
Passage  nichts  erzielt. 

G.  Mac  Donald  lobt  das  Verfahren  als  einfach  und  wirk¬ 
sam;  er  hält  die  Beobachtungen  von  F.  für  durchaus  zuverlässig. 

Scanes  S  p  i  c  e  r  wundert  sich,  dass  das  einfache  Berühren 
mit  dem  Galvanokauter  bei  einem  so  grossen  Prozentsatz  von 
Fällen  dauernde  Heilung  bewirken  sollte.  Allerdings  entstehen 
vielfach  asthmatische  Beschwerden  dadurch,  dass  das  Os  turbi- 
natum  medium  auf  das  Tuberkulum  septi  narium,  den  vom  Vor¬ 
tragenden  behandelten  Teil,  drückt.  Somit  wird  eine  Verkleine¬ 
rung  des  einen  oder  des  anderen  der  sich  berührenden  Teile  von 
Nutzen  sein.  Andererseits  bedingt,  wie  gezeigt  worden  ist,  ein 
Verschluss  der  Nase  einen  ganz  erheblichen  negativen  Druck  im 
Respirationstraktus  und  im  Zusammenhang  damit  einen  starken 
Blutandrang.  Auch  werden  zugleich  verschiedentlich  Nervenendi¬ 
gungen  gedrückt  und  gereizt.  Jedenfalls  aber  dürfte  das  Ver¬ 
fahren  im  englischen  Klima  sich  kaum  als  dauernd  ausreichend 
erweisen. 

II.  T  i  1 1  e  y  hat  bei  einer  Familie  von  Asthmatikern  von 
wiederholtem,  ausgiebigen  Kauterisieren  keinen  Erfolg  gesehen. 

F  r  a  ncis  sagte,  dass  er  durch  Zufall  auf  seine  Behandlungs¬ 
weise  gestossen  sei  und  selbst  über  die  Erfolge  sehr  erstaunt  ge¬ 
wesen  wäre.  Philippi  -  Bad  Salzschlirf. 

Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  Augsburg. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Augsburg  hat  in  seiner  Sitzung 
vom  21.  Oktober  1902  beschlossen,  und  zwar  einstimmig,  beim  Ge- 
schäftsausscliusse  des  deutschen  Aerztevereinsbundes  vorstellig  zu 
werden,  dass  nachstehende  Punkte  in  die  neuen  Satzungen  auf- 
genominen  werden. 

1.  Nicht  die  Delegierten,  sondern  die  Ver¬ 
eine  als  solche  sollen  Mitglieder  sein. 

Gründe:  Sinken  der  Machtstellung  nach  aussen,  wenn  der 
deutsche  Aerzte  Vereins  bund  nur  mehr  ein  Delegierten- 
bund  ist.  —  Teilnahmslosigkeit  für  die  Angelegenheiten  des  deut- 
.  sehen  Aerztevereinsbundes  bei  den  einzelnen  Mitgliedern  der  Be¬ 
zirksvereine,  wenn  diese  nicht  mehr  Mitglieder  des  Aerztevereins¬ 
bundes  sind.  —  Entstehung  von  Parteilagern  in  den  einzelnen  Ver¬ 
einen,  wenn  neben  dem  Vorsitzenden  der  Delegierte  —  als  Re¬ 
präsentant  des  Vereines  im  Aerztevereinsbunde  —  eine  zweite 
Spitze  bildet  oder  Interesselosigkeit  der  einzelnen  Mitglieder,  wenn 
das  Amt  eines  Vorsitzenden  und  eines  Delegierten  vereint  ist  (cf. 
auch  Gründe  zu  2). 

2.  Ein  Verein  kann  mehrere  Delegierte  zum 
Aerztetage  entsenden. 

Gründe:  Jedem  Mitgliede  muss  die  Möglichkeit  gegeben 
sein,  Delegierter  zu  werden.  —  Die  Entsendung  von  mehreren  Dele¬ 
gierten  kann  bei  wichtigen  Fragen  sachdienlich  sein,  oder  bei 
Fragen,  in  denen  das  eine  oder  andere  Vereinsmitglied  besonders 
orientiert  ist. 

3.  Mehrere  Vereine  können  das  Mandat  ein 
u  n  d  dem  sei  bell  Delegierten  übertragen. 

Grund:  Kleinere  Vereine,  welche  aus  pekuniären  Gründen 
einen  eigenen  Vertreter  nicht  entsenden  können,  sind  sonst  von  der 
Beschlussfassung  ausgeschlossen. 

4.  Die  Anerkennung  eines  Vereines  hat  nicht 
durch  den  Vorsitzenden  allein,  sondern  durch 
den  Geschäftsausschuss  zu  erfolgen. 

Grund:  Eine  für  einen  Verein  so  wichtige  Entscheidung 
darf  nicht  in  das  Ermessen  einer  Persönlichkeit  gelegt  sein.  In 
keinem  Vereine  entscheidet  der  Vorsitzende  allein  über  die  Auf¬ 
nahme  eines  Mitgliedes. 

5.  Bei  der  Zuwahl  der  Mitglieder  des  Ge¬ 
schäftsausschusses  sind  die  sonst  nicht  ver¬ 
tretenen  Teile  des  Reiches  tunlichst  zu  berück¬ 
sichtigen. 

G  r  u  n  d:  In  einem  deutschen  Bunde  müssen  auch  an  der 
leitenden  Stelle  die  einzelnen  Teile  des  Reiches  entsprechend  ver¬ 
treten  sein. 


4.  November  1902. 


1869 


MÜENCHENEB  MEDICINISCITE  .WOCHENSCHRIFT. 


Auswärtige  Briefe. 

Hamburger  Brief. 

(Eigener  Bericht.) 

Hamburg,  26.  Oktober  1902. 

Der  Kampf  um  die  Polikliniken. 

Wie  Ihren  Lesern  wohl  erinnerlich  sein  wird,  habe  ich  vor 
Vs  Jahre  über  die  hiesige  Agitation  gegen  die  Polikliniken  be¬ 
richtet,  die  ihren  Ausdruck  in  einer  Denkschrift  des  Aerztlichen 
Vereins  fand,  welche  Senat  und  Bürgerschaft  überreicht  werden 
sollte  und  worin  um  die  Aufhebung  der  staatlichen  Polikliniken 
und  Ambulatorien  petitioniert  wurde  (cf.  No.  16  dieser  Wochen¬ 
schrift,  S.  684).  Von  der  Bürgerschaft  ist  überhaupt  keine  Ant¬ 
wort  erfolgt.  Dagegen  hat  der  Senat  in  einem  kurzen  Bescheid 
an  den  \  orstand  des  Aerztlichen  \  ereins  sich  dahin  ausgespro¬ 
chen,  dass  auf  die  Petition  nicht  einzugehen  sei. 

Inzwischen  hat  die  vom  Verein  eingesetzte  Kommission 
fleissig  in  dieser  Frage  weiter  gearbeitet  und  unter  den  hiesigen 
Aerzten  eine  Enquete  darüber  veranstaltet,  welches  ihre  Stellung 
zu  den  Polikliniken  und  Ambulatorien  sei?  Das  Ergebnis  dieser 
Enquete  lag  dem  Verein  in  einer  ad  hoc  einberufenen  General¬ 
versammlung  am  25.  d.  Mts.  vor.  Dieselbe  hatte  sich  vorher 
über  die  Frage  zu  äussern,  ob  es  einem  Arzt,  der  noch  nicht  Mit¬ 
glied  des  Vereins  ist,  sich  aber  zur  Aufnahme  gemeldet  hatte, 
erlaubt  ist,  eine  Privatpoliklinik  zu  gründen?  Der  betreffende 
junge  Kollege,  gegen  den  sonst  nichts  vorlag,  hatte  im  vorigen 
Jahr  auf  Grund  eines  zu  diesem  Zweck  bestimmten  Legats  eines 
Verwandten  eine  Kinderpoliklinik  gegründet,  die  sich  regen 
Zuspruchs  erfreuen  soll.  Die  umwohnenden  Aerzte  hatten  gegen 
diese  Poliklinik  Einspruch  erhoben  und,  als  dieser  erfolglos  blieb, 
beim  Ausschuss  des  Aerztlichen  Vereins  gegen  die  Aufnahme 
des  Kollegen  protestiert.  Der  Ausschuss  des  Vereins  stimmte 
zwar  mit  o  gegen  2  Stimmen  für  die  Aufnahme;  da  aber  statuten- 
gemäss  4  Stimmen  zur  Aufnahme  erforderlich  sind,  so  machten 
die  vorschlagenden  Kollegen  von  dem  ihnen  in  diesem  Falle  zu¬ 
stehenden  Rechte  Gebrauch,  an  die  Entscheidung  der  Generalver¬ 
sammlung  zu  appellieren.  In  solchen  Fällen,  die  bei  uns  zu 
den  grössten  Seltenheiten  gehören  und  in  den  letzten  20  Jahren 
kaum  einmal  vorgekommen  sind,  stimmt  die  Generalversamm¬ 
lung  ohne  Diskussion  durch  Kugelung  ab,  wobei  zwei  Drittel 
Majorität  zur  Aufnahme  notwendig  sind.  Bei  der  am  25.  statt¬ 
gefundenen  Abstimmung  erhielt  der  fragliche  Kollege  nicht  ein¬ 
mal  die  Hälfte  der  abgegebenen  Stimmen  (76  von  184),  wodurch 
die  Versammlung  ihre  Stellung  zur  Poliklinikenfrage  sehr  un¬ 
zweideutig  zum  Ausdruck  gebracht  hat. 

Das  Ergebnis  der  Enquete,  an  der  407  Aerzte  sich  durch 
Beantwortung  der  Fragebogen  beteiligt  hatten,  war  z.  T.  über¬ 
raschend.  Während  nämlich  304  Aerzte  die  Frage,  ob  sie 
glauben,  dass  Polikliniken  und  Ambulatorien  den  ärztlichen 
Stand  schädigen,  mit  Ja  beantwortet  hatten,  waren  nur  116. 
also  etwas  über  28  Proz.,  für  völlige  Abschaffung  derselben  und 
181,  also  über  44  Proz.,  erklärten,  dass  sie  dieselben  für  dem 
ärztlichen  Stande  nützlich  halten.  Dagegen  erklärte  eine  grosse 
Mehrheit,  nämlich  268,  also  über  65  Proz.,  die  jetzige  Kontrolle 
an  den  Polikliniken  für  ungenügend  und  fast  ebensoviele,  nämlich 
227  =:  55  Proz.,  befürworteten  eine  Unterstellung  der  Poli¬ 
kliniken  unter  die  Armenanstalt.  In  dieser  Richtung  bewegte 
sich  auch  ein  neuer  Antrag  der  Kommission,  der  schliesslich 
mit  81  gegen  59  Stimmen  angenommen  wurde  und  dahin  lautete, 
dass  die  Ergebnisse  der  Enquete  dem  Senat  und  der  Bürger¬ 
schaft  zur  Kenntnis  gebracht  werden  sollen  mit  der  aus  dem 
Resultat  der  Enquete  motivierten  Bitte,  die  Polikliniken  und 
Ambulatorien  der  Armenanstalt  zu  unterstellen. 

Dass  dieser  Antrag  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  habe,  als  der 
ursprüngliche  radikale  auf  Abschaffung  der  staatlichen  Poli¬ 
klinik  und  Ambulatorien,  ist  kaum  anzunehmen,  nachdem  der 
Senat  den  letzteren  soeben  a  limine  abgelehnt  hat  und  bekannt 
geworden  ist,  dass  die  Armenanstalt  sich  gegen  die  Uebernahme 
der  Polikliniken  ebenfalls  ablehnend  verhält.  Es  stehen  der¬ 
selben  eine  genügende  Anzahl  von  besoldeten  Armenärzten  und 
freiwilligen  Spezialärzten  zur  Verfügung,  um  ihren  Schutz¬ 
befohlenen  hinreichend  ärztliche  Hilfe  zuteil  werden  zu  lassen. 
Das  Hauptmaterial  der  Polikliniken  bilden  Frauen  und  Kinder 
solcher  Arbeiter,  die  zwar  selbst  in  irgend  einer  Krankenkasse 
gegen  Krankheit  versichert  sind,  deren  Familienmitglieder  aber 


I  nicht.  I  ür  letztere  in  Erkrankungsfällen  die  ärztlichen  Kosten 
aufzubringen,  ist  den  Arbeitern  oft  schwer  oder  unmöglich  und 
an  die  Armenärzte  können  sie  sich  nicht  wenden.  Diese  Leute 
strömen  in  die  1  olikliniken  und  sie  würden  ganz  ohne  ärztliche 
Hilfe  sein,,  wenn  letztere  nur  für  notorisch  Arme  reserviert 
blieben.  Sie  bilden  auch  ein  schlagendes  Beispiel  für  die  Not¬ 
wendigkeit,  die  Lücke  im  Krankenversicherungsgesetz  auszu- 
füllen,  wonach  auch  die  I  amilienmitglieder  obligatorisch  mit¬ 
versichert  sein  müssen.  Hoffentlich  füllt  die  demnächst  zu  er¬ 
wartende  Novelle  des  K.-V.-G.  diese  Lücke  aus. 


Bilder  aus  China. 

Von  Oberarzt  Dr.  Georg  Mayer. 

IV. 

Kulturelle  Auswüchse. 

Nach  Meng-tse  ist  die  grösste  Beleidigung  kindlicher  Liebe, 
keine  Kinder  zu  haben,  aber  nur  Knaben  gelten  als  solche,  nur  sie 
können  in  der  Ahnenhalle  opfern.  Fragt  man  jemand  nach  der 
Zahl  seiner  Kinder,  so  nennt  er  nur  die  der  Knaben.  Mädchen 
zählen  nicht.  Das  Gewohnheitsrecht  gibt  dem  Vater  Gewalt  über 
Leben  und  Tod  des  Kindes,  daher  kann  man  sich  überflüssiger 
Kinder  entledigen.  Der  Kinder  m  o  r  d  erscheint  zum  erstenmal 
beglaubigt  unter  den  späteren  Sung  (11.  und  12.  Jahrh.),  die  Be¬ 
amten  setzten,  um  die  von  der  Regierung  gewünschte'.  Familien¬ 
vermehrung  zu  erzielen,  unmündige  Kinder  auf  die  Zählungs-  und 
Steuerlisten,  die  Armen  töteten  die  Kinder,  um  dem  Steuerdruck 
zu  entgehen.  Jetzt  beschränkt  sicli  der  Kindermord  fast  nur  auf 
Miidchen,  herrscht  am  stärksten  in  den  südlichen  Provinzen,  in 
Fokien  sollen  bis  40  Proz.  umgebracht  werden.  Der  Mord  ge¬ 
schieht  durch  Ertränken  in  einem  Wassertopf  oder  Fluss,  oder 
lebendig  Verbrennen;  in  letzterem  Fall  soll  das  nächste  Kind  ein 
Knabe  werden.  Der  Vater  ist  gewöhnlich  der  Ausführer.  Die 
Armen  töten  das  Mädchen  aus  Not,  die  Reichen,  weil  sie  nicht 
zuviel  wollen.  Bei  wiederholten  Mädchengeburten  werden  diese 
grausam  zerstückelt,  man  glaubt,  es  sei  ein  böser  Geist,  der  die 
Eltern  höhnt  und  eine  derbe  Lehre  erhalten  müsse.  Bei  Er¬ 
krankung  der  Mutter  nach  der  Geburt  wird  das  Kind  oft  dafür 
beschuldigt,  getötet,  um  den  Geist,  der  die  Krankheit  brachte,  zu 
versöhnen.  Schwer  kranke  oder  sterbende  Kinder  werden  aus 
dem  Haus  geschafft  und  sich  überlassen;  der  böse  Geist  wird  so 
abgehalten,  weitere  Opfer  zu  holen.  Genest  das  Kind,  wird  es 
wieder  angenommen,  wenn  nicht,  für  einen  bösen  Geist  gehalten, 
der  sich  als  Unglüekb ringer  ins  Haus  geschlichen.  Getötete  Miul- 
clien  gewinnen  nach  dem  Glauben  der  Seelenwanderung,  denn  ihre 
Seelen  können  das  nächstemal  in  Knaben  erscheinen.  Früh 
sterbende  Kinder  heissen  Twan-ming-Kwei:  kurzlebiger  Geist. 
Der  Körper  wird  aus  dem  Hause  geworfen,  nicht  begraben.  Feuer¬ 
zeug  abgebrannt  und  mit  Gongschlägen  und  Musik  der  Geist  ver¬ 
trieben. 

Leibeigenschaft  existiert  noch  heute.  Als  unter  Slii- 
liwang-ti  (3.  Jb.  v.  Ch.)  die  Frohnleistungen  zu  drückend  wurden, 
konnten  die  Armen  sich  nicht  loskaufen,  verkauften  sich  selbst 
und  ihre  Familien  und  entgingen  der  Steuer,  die  nur  Freie  zahlen. 
Gewolinheitsmässige  Verschreibung  als  Leibeigene  auf  Dauer  oder 
Zeit  begann  unter  den  Han  (200  v.  Chr.);  lebte  stärker  auf  unter 
den  Sung  (10.  Jahrh.  n.  Clir.).  Trotz  oftmaligen  Verbotes  von 
Menschenverkauf  und  -pfändung  und  selbst  Auslösung  der  Be¬ 
troffenen  durch  die  Regierung,  blieb  die  Sitte.  Es  besteht  das  Ge¬ 
brauchsrecht,  dass  Eltern  ihre  Kinder  verkaufen  können  als  Leib¬ 
eigene,  als  Adoptivkinder,  die  Mädchen  als  Nebenfrauen,  leibeigene 
Dienerinnen,  in  öffentliche  Häuser  als  Scheinheirat  oder  Schein¬ 
adoption.  Eine  verheiratete  Frau  kann  nur  mit  ihrer  Einwilligung 
und  nur  als  Frau  eines  anderen  verkauft  werden.  Gekaufte  Kinder 
können  weiter  verkauft  werden,  der  Verkauf  geschieht  auf  Dauer 
oder  Zeit,  letzteres  speziell  an  Theater.  Weibliche  Sklaven  sollen 
im  heiratsfähigen  Alter  einen  Mann  erhalten,  er  kauft  sie  meist. 
Männliche  Sklaven  sollen  mit  30  Jahren  eine  Frau  erhalten,  die 
Söhne  und  Enkel  gehören  dem  Eigner,  werden  meist  nicht  ver¬ 
kauft;  die  4.  Generation  ist  frei.  Weibliche  Kinder  gehören  dem 
Vater,  Leibeigene  können  das  Staatsexamen  machen,  wenn  sie  ihre 
Vorfahren  loskaufen,  sie  gelten  dann  freigeboren.  Die  Behandlung 
der  männlichen  wie  weiblichen  Leibeigenen  ist  gut.  Viele  Leib¬ 
eigene  kauft  man  aus  Findlings-  und  Waisenhäusern.  Hier  der 
Wortlaut  eines  Kaufvertrages  aus  Shanghai  (dem  Handel  habe 
ich  beigewohnt):  „Ich,  Ching-tu-siaug  (Blechmacher  im  englischen 
Viertel),  habe  eine  15  jährige  Tochter  Da-oel  (grosser  Edelstein), 
von  mir  geboren.  Ich  und  meine  Frau  können  sie  nicht  unter¬ 
halten,  daher  überlassen  wir  sie  einem  anderen,  in  der  Ferne  oder 
Nähe,  zu  Wasser  oder  Lande.  Wir  teilten  es  den  Grosseltern  mit, 
die  sie  nicht  behalten  wollen.  Daher  suchten  wir  den  Zwischen¬ 
händler  Kong-clieong  (im  Hongkew-Viertel)  auf,  der  einen  Käufer 
brachte,  dem  sie  gefällt  und  der  sie  unter  den  festgesetzten  Be¬ 
dingungen  nimmt.  Der  Preis  ist  50  Hai-kwan-Taels  (150  Mark). 
Wir  stimmen  alle  3  überein,  ebenso*  die  beiden  Familien,  der 
Handel  gilt.  Der  Verkauf  ist  rechtmässig,  sie  ist  nicht  gestohlen, 
nicht  wider  Willen  gezwungen,  nicht  als  Schuldobjekt  übergeben. 
Sie  ist  garantiert  jungfräulich,  frei  von  körperlichen  und  geistigen 
Gebrechen;  der  Verkauf  ist  hinfällig  beim  Gegenteil.  Sie  kann 


1870 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


sofort  weggeführt,  ihr  Name  geändert  werden,  sie  bleibt,  wo  der 
Käufer  will,  sie  steht  ihm  ganz  zur  Verfügung,  bei  Ungehorsam 
steht  ihm  freies  Recht  zu;  wir  haben  jedes  Recht  an  sie  abgetreten, 
jede  Beziehung  zu  unserer  Familie  ist  gelöst,  sie  wird  nie  zurück¬ 
gekauft.  Im  Todesfall,  der  von  beiden  Seiten  als  Verhängnis  des 
Himmels  zu  betrachten,  gebührt  ihr  rechtmässiges  Begräbnis.“ 
Unterzeichner:  der  Vater,  der  Schreiber,  ein  Bürge,  der  Zwischen¬ 
händler,  sowie  die  Fingereindrücke  des  Mädchens. 

Eigentliches  Kastenwesen  gibt  es  nicht.  Doch  sind 
gewisse  Klassen  ausgeschlossen  vom  Staatsexamen,  dürfen  nur 
unter  sich  heiraten,  auch  ihre  Kinder  sind  davon  mitbetroffen. 
Dahin  gehören  die  Schauspieler,  Wäscher,  Barbiere,  Leibeigenen, 
alle  in  niedrigen  Diensten  (Kuli)  und  die  ganze  Bootbevölkerung. 
Diese  hat  sich  schon  unter  den  Tsin  (3.  Jahrhundert  vor  Christus), 
dann  unter  den  Sung  (10.  Jahrhundert  nach  Christus)  und  speziell 
unter  den  Yuen  (13.  und  14.  Jahrhundert)  gebildet,  um  den 
Kriegen  und  Aufständen  zu  entgehen  und  dem  Steuerdruck,  da  die 
Abgabe  an  den  Besitz  von  Land  gebunden  ist.  Jetzt  liegt  vor 
allen  Städten  der  Küste  und  des  Yangtse  eine  grosse  Hausboot¬ 
stadt,  der  Abschaum  des  Volkes,  die  in  Canton  z.  B.  über 
300  000  Seelen  zählen  soll. 

Dem  Volke  ist  nur  eine*  durch  Heirat  rechtmässige  Frau 
erlaubt,  dagegen  kann  jeder  beliebig  viele  Nebenfrauen  besitzen, 
Grund  zum  Konkubinat  ist  oft  Kinderlosigkeit  der  Ehefrau.  Kinder 
der  Konkubinen  gelten  als  rechtmässige  Kinder  der  Ehefrau  und 
werden  von  ihr  erzogen.  Nach  dem  Tode  der  Frau  kann  eine 
Nebenfrau  an  ihre  Stelle  rücken.  Als  Ehescheidungsgründe  gelten 
ausser  anderem  Unfruchtbarkeit,  Sinnlichkeit,  unheilbare  Krank¬ 
heit  der  Frau,  gegen  den  Mann  nur  Aussatz.  Ausser  mit  Tanten 
und  Nichten  ist  mit  allen  Blutsverwandten  überhaupt  die  Ehe 
verboten,  Verschwägerung  gilt  vor  dem  Gesetze  nicht  als  Ver¬ 
wandtschaft,  nur  auf  Heirat  der  Witwe  des  Bruders  steht  Er¬ 
drosselung.  Erst  als  Grossmutter  erhält  die  Frau  höhere  Rechte, 
sie  dirigiert  die  Frauen  und  Diener  der  ganzen  Familien  ihrer 
Söhne. 

Polyandrie  herrscht  in  der  Präfektur  T’ing  tshu  in  Fo- 
kien.  Die  Einwohner  sind  Hakka-Iieste,  sehr  arm;  sie  haben 
die  Sitte  mit  nach  Formosa  gebracht.  Meist  teilen  sich  Brüder 
in  eine  Frau,  die  sie  wechselnd  bestimmte  "Zeit  besitzen. 

Zur  künstlichen  TT  nterbrechung  der  S  c  hwanger- 
scliaft  werden  Mittel  teils  durch  Hebammen,  teils  Apotheken 
in  grossen  Plakaten  auf  der  Strasse  angepriesen:  Pillen  oder 
Arznei  zur  Umformung  des  Fötus  in  Blut,  Aufsaugung  aller  Gc- 
seliwiilste  im  Unterleib,  Unterdrückung  schädlicher  Scheiden¬ 
geschwülste,  lebenschützende  Pillen;  Warnungen  vor  Austragen 
des  Kindes:  „Die  Geburt  ist  schwer,  das  Kind  kann  quer  liegen 
oder  zu  rasch  kommen,  ehe  Mutter  wird  geschädigt;  wenn  ihr  einen 
Sohn  habt,  überrascht  euch  neue  Schwangerschaft,  die  das  Leben 
der  Frau  bedroht.  Wollt  ihr  keine  Kinder,  so  geht  und  kauft  die 
Pillen,  die  Unfruchtbarkeit  machen  auf  Jahre  hinaus,  10  000  Er¬ 
folge.“  Die  Behörden  kümmern  sich  um  diesen  Unfug  gar  nichts. 

Von  den  zahlreichen  Geheimgesellschaften  ist  eine 
auch  unter  den  Mädchen  verbreitet,  ich  hörte  von  ihr  in  Wei-hsien 
in  Schantung,  wo  gerade  ein  Fall  einer  Ermordung  eines  Gatten 
in  der  Hochzeitsnacht  passierte.  Diese  Mädchen  verpflichten  sich, 
nicht  zu  heiraten,  oder  wenn  dazu  gezwungen,  dem  Manne  keine 
Annäherung  zu  gestatten,  ihn  ums  Leben  zu  bringen.  Sie  richten 
es  so  ein,  dass  mehrere  des  Bundes  am  gleichen  Tage  heiraten, 
in  der  Nacht  stürzen  sie  sich  gemeinsam  ins  Wasser,  vergiften  sich. 
Die  Gesellschaftsangehörigen  graben  Knabenleichen  ans  und 
tragen  deren  Knochen  mit  sich,  wodurch  ihnen  Zauberkunst  ver¬ 
liehen  ist. 

Eunuchen  hat  der  kaiserliche  Hofstaat  (ca.  3000),  die 
Prinzen  von  Geblüt  je  30,  die  Neffen  und  Enkel  des  Kaisers  je  20. 
die  entfernteren  Verwandten  je  10,  die  Abkömmlinge  der  Mand- 
schurenfürsten,  die  Shun-te  zum  Tron  verhalten,  je  10.  Jeder 
Prinz  hat  alle  5  Jahre  8  Eunuchen  dem  Hofe  zu  stellen  und  erhält 
für  jeden  250  Taels.  Die,  welche  Eunuchen  zu  Averden  wünschen, 
melden  sich  in  einem  Hause  nahe  dem  Da-Tshing-Tor,  dort  wird 
die  Operation  gemacht;  das  Amt  ist  in  der  Familie  erblich,  der 
Operateur  erhält  6  Taels.  Es  soll  zunächst  eine  leichte  Iloden- 
atrophie  durch  Umschnürung  bewirkt  werden,  dann  durch  Droguen 
Schmerzlinderung.  Der  Betreffende  kommt  auf  eine  Art  Bettlade, 
und  wird  um  Bauch  und  Gesäss  zusammengeschnürt.  Ein  Gehilfe 
fasst  ihn  um  die  Hüfte,  zwei  andere  spreizen  die  Beine.  Zur  Opera¬ 
tion  dienen  gekrümmte  und  gerade,  breite  Messer,  oder  auch  eine 
Blattscheere.  Der  Operateur  fasst  mit  der  linken  Hand  die  Ge¬ 
schlechtsteile,  drückt  sie  zusammen  und  dreht  sie.  Nun  fragt  er 
nochmals  den  Mann,  oder  bei  einem  Kinde  die  Eltern,  um  ihre  Ein¬ 
willigung.  dann  —  werden  mit  eine  m  Schnitt  die  ganzen  Ge¬ 
schlechtsteil»'  radikal  Aveggeschnitten.  Ein  kleines,  rundes  Stück 
Holz  oder  Zinn  kommt  in  die  Harnröhre,  die  Wunde  wird  mit 
kaltem  Wasser  und  Branntwein  gewaschen,  feuchte  Papierblätter 
aufgelegt  und  mit  Druck  sorgfältig  verbunden.  Der  Operierte 
muss  zunächst  mehrere  Stunden  auf  und  ab  gehen,  darf  3  Tage 
nichts  trinken,  Verband  bleibt  liegen,  heftige  Schmerzen  durch  die 
Wunde  und  die  Harnverhaltung.  Nach  3  Tagen  wird  der  Verband 
gewechselt,  der  Patient  muss  versuchen,  zu  urinieren,  geht  es 
nicht,  ist  es  gleichbedeutend  mit  Tod,  denn  Katheter  kennt  man 
nicht.  Die  Heilung  erfolgt  durch  heftige  Eiterung,  sie  soll  100  Tage 
dauern,  ein»'  dreieckige  Narbe  hinterbleibt.  Tod  in  5  Proz. 
Häufigste  Folge  Inkontinenz  des  Urins,  die  sich  später  manchmal 


bessert.  Gegen  den  Verschluss  der  Harnröhre  Avird  entweder 
-obiges  Holzstück,  meist  ein  gebogenes  Zinnstück  eingeführt,  das 
fortwährend  getragen  und  im  Bedürfnisfall  entfernt  wird.  Trotz¬ 
dem  häufig  Obliteration  der  Harnröhre,  Blasenkatarrh  und  Blasen- 
stein  sind  gewöhnlich.  Nach  erfolgter  Heilung  kommen  die  Leute 
gleich  zu  ihren  Herren.  Die  Geschlechtsteile,  „das  grosse  Wert- 
A'olle“,  Averden  vom  Eunuchen  oder  gegen  Schein  vom  Operateur 
aufgehoben  in  Branntweingläsem,  da  jeder  Eunuclie  sein  Wert¬ 
volles  bei  Beförderung  und  bei  Revision  durch  den  Aufseher  A’or- 
zeigen  muss.  Ausserdem  erhält  er  sie  mit  in  den  Sarg  und  ist 
dann  im  Jenseits  AA'ieder  intakt.  Hat  der  Eunuche  das  ,,Wert- 
Arolle“  verloren  oder  beim  Operateur,  so  muss  es  bei  Reichen  um 
hohe  Summen  im  Todesfall  Avieder  erworben  AA'erden. 


Verschiedenes. 

Eine  ehrengerichtliche  Entscheidung. 

Eine  interessante  und  prinzipiell  Avichtige  Entscheidung  hat 
unterm  7.  Februar  1.  J.  der  preuss.  Ehrengerichtshof  getroffen. 
Dieselbe  ist  im  Ministerialblatt  für  Medizinal-  etc.  Angelegenheiten 
unter  der  Ueberschrift  „Fö  r  d  erung  der  Ei  n  f  ü  li  r  u  n  g 
freier  Arztwahl“  veröffentlicht  und  lautet  Avie  folgt: 

„Durch  Beschluss  des  ärztlichen  Ehrengerichts  für  die  Pro¬ 
vinz  . vom  6.  Dezember  1901  ist  der  Angeschuldigte  im 

nichtförmlichen  Verfahren  wegen  standeswidrigen  Verhaltens  mit 
einer  Geldstrafe  von  Einhundert  Mark  und  einem  Verweise 
kostenpflichtig  bestraft  Avorden. 

Gegen  diesen  Beschluss  hat  er  rechtzeitig  in  einer  als  Be¬ 
rufung  bezeiclmeten  Eingabe  Beschwerde  eingelegt. 

Unter  Verneinung  der  Schuldfrage  bezüglich  einiger  anderen 
Punkte  stellt  die  erste  Entscheidung,  auf  Avelche  hiermit  Bezug 
genommen  wird,  einen  Verstoss  des  Angeschuldigten  gegen  §  3  des 
Gesetzes  vom  25.  November  1899  fest,  weil  derselbe  in  einer  von 
Mitgliedern  der  Gemeindekrankenkasse  Sch.  abgehaltenen  Ver¬ 
sammlung  ATom  21.  April  1901  das  Bl.  14  der  Akten  abschriftlich 
befindliche  Gesuch,  in  welchem  die  Unterzeichneten  Mitglieder  im 
Namen  sämtlicher  Mitglieder  der  Kasse  die  Einführung  der  freien 
Arztwahl  erbitten,  verfasst  und  dieses  Gesuch  bei  dem  Landrats¬ 
amt  in  E.  eingereicht  hat,  trotzdem  bereits  ein  anderer  Arzt. 
Dr.  P„  sich  im  Besitze  der  Kassenpraxis  in  S.  befand.  Insbesondere 
macht  die  erste  Instanz  dem  Angeschuldigten  zum  Vorwurf,  dass 
er  in  das  offizielle  Schriftstück  die  übertriebene  Behauptung,  die 
Unterzeichneten  handelten  im  Namen  sämtlicher  Kassenmitglieder, 
aufgenommen,  ferner,  dass  er,  ohne  sicli  mit  Dr.  P.  dieserhalb 
A'orher  zu  A'erständigen,  in  die  Agitation  für  die  rfeie  Arztwahl 
in  Sch.  eingegriffen  habe.  Das  notorisch  zwischen  dem  Angeschul¬ 
digten  und  Dr.  P.  bestehende  unkollegiale  Verhältnis  —  der  An¬ 
geschuldigte  ist  bereits  durch  ehrengerichtliches  Urteil  Arom 
17.  November  1900  wegen  Beleidigung  des  Dr.  P.  mit  einem  Ver- 
Aveise  bestraft  Avorden  —  lasse  keinen  ZAveifel,  dass  der  Ange- 
schuldigte  beabsichtigt  habe,  Dr.  P.  von  Sch.  aus  der  Kassenpraxis 
zu  verdrängen. 

In  der  Beschwerderechtfertigung  macht  der  Angeschuldigte, 
unter  Wiederholung  seiner  erstinstanzlichen  An-  und  Ausführungen 
geltend,  dass  er  lediglich  den  Wunsch  der  Mitglieder  der  Ge¬ 
meindekrankenkasse,  welche  infolge  ihrer  niedrigen  Bildungsstufe 
zur  Selbsthilfe  nicht  befähigt  gewesen  wären,  zum  Ausdruck  ge¬ 
bracht  habe.  Die  in  der  schriftlichen  Eingabe  an  das  Landrats¬ 
amt  enthaltene  Behauptung,  dass  sämtliche  Kassenmitglieder 
die  freie  ArztAvahl  wünschten,  habe  er  auf  Grund  einer  dies¬ 
bezüglichen  Erklärung  der  in  der  fraglichen  Versammlung  An¬ 
wesenden  auf  gestellt.  Eine  A’orhergehende  Verständigung  mit 
Dr.  P.  habe  ihm  dieser  selbst  durch  sein  alle  kollegialen  An¬ 
näherungsversuche  abweisendes  Verhalten  unmöglich  gemacht. 
Im  übrigen  rechtfertigt  der  Angeschuldigte  sein  Verhalten  mit  Er- 
strebung  des  dem  ärztlichen  Stande  vorschwebenden  Zieles  der 
allgemeinen  Einführung  freier  AerzteAvahl. 

Es  kann  dahingestellt  bleiben,  ob  der  Angeschuldigte  in  der 
an  das  Landratsamt  gerichteten  Eingabe  vom  21.  April  1901  tat¬ 
sächlich  einem  allgemeinen  Wunsche  der  Gemeindekrankenkassen¬ 
mitglieder  das  Wort  geredet  hat,  ob  ferner  ihm  damit  ein  Vorwurf 
zu  machen  ist,  dass  er  sich  mit  dem  ihm  offenbar  feindlich  ge¬ 
sinnten  Dr.  P.  nicht  ms  Einvernehmen  gesetzt  hat,  bevor  er  die 
Bestrebungen  der  Kassenmitglieder  auf  Einführung  der  freien 
Arztwahl  unterstützte.  Die  Verletzung  der  ärztlichen  Stanaes- 
pflichten  seitens  des  Angeschuldigten  besteht  darin  —  hierin  ist 
dem  ersten  Richter  durchaus  beizutreten  — ,  dass  er  für  Ein¬ 
führung  der  freien  Arztwahl  bei  einer  Kasse  agitiert  hat,  deren 
Praxis  sich  bereits  in  festen  Händen  eines  anderen  Arztes  befand. 
Die  von  dem  Angeschuldigten  beanstandete  Alt  und  Weise  der  Er¬ 
langung  dieser  Praxis  durch  Dr.  P.  ist,  selbst  wenn  die  Vorwürfe 
des  Angeschuldigten  nach  dieser  Richtung  begründet  wären,  hier¬ 
bei  unerheblich.  Die  Standeswidrigkeit  in  dem  Verhalten  des  An- 
gescliuldigten  ist  insbesondere  dadurch  begründet,  dass  sein»1  Be¬ 
mühungen  um  Einführung  der  freien  Arztwahl  gleichzeitig  seinem 
eigenen  materiellen  Interesse  dienen  sollten,  mithin  darauf  ge¬ 
richtet  waren,  den  gegenwärtigen  Besitzstand  des  Dr.  1*.  zu  seinen, 
des  Angeschuldigten,  Gunsten  zu  beeinträchtigen. 

Die  Beschwerde  des  Angeschuldigten  war  demnach,  da  auch 
die  Höhe  der  erkannten  Strafe  nach  Lage  der  Sache,  insbesondere 
im  Hinblick  auf  die  Vorstrafe  desselben,  angemessen  erscheint, 


4.  November  1902. 


MUENCIIENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1871 


wie  geschehen,  als  unbegründet  zurückzu weisen.  Den  Kosten¬ 
punkt  regelt  §  46  des  Gesetzes  vom  25.  November  1S99  “ 

Dieses  Erkenntnis  ist  der  Gegenstand  erregter  Erörterungen 
m  der  medizinischen  Presse.  Man  erblickt  in  demselben  einen 
gegen  die  freie  Arztwahl  gerichteten  Schlag;  man  meint,  wenn  die 
dort  ausgesprochenen  Grundsätze  allgemein  zur  Geltung  kommen 
sollten,  so  wurde  jede  Agitation  für  freie  Arztwahl  gegen  die 
Ehre  des  Standes  verstossen  und  zu  bestrafen  sein;  die  Mitglieder 
des  Berliner  \erems  zur  Einführung  freier  Arztwahl  würden 
dm  cli  ilne  blosse  Zugehörigkeit  zu  dem  Verein  Standes  widrig 
handeln.  Hier  wird  das  Kind  mit  dem  Bade  ausgeschüttet.  Es 
ist  zuzugeben,  dass  Ueberschrift  und  Begründung  des  Erlcennt- 
nisses  recht  unglücklich  gefasst  sind.  Wenn  man,  ohne  Berück¬ 
sichtigung  des  Tatbestandes,  sich  nur  an  den  Wortlaut  der  Be¬ 
gründung  hält,  so  mag  allerdings  die  Meinung  entstehen,  dass  hier 
die  Agitation  für  freie  Arztwahl,  sofern  damit  ein  eigener  ma¬ 
terieller  Vorteil  angestrebt  wird,  unter  allen  Umständen  für 
standeswidng  erklärt  werde.  Das  war  gewiss  nicht  die  Absicht 
des  Ehrengerichtshofes.  Wenn  man  dagegen  den  Kern  der  Sache 
ins  Auge  fasst  und  fragt,  ob  in  dem  besonderen  Falle  ein  unkolle¬ 
giales  Verhalten  vorlag,  das  von  dem  Ehrengericht  mit  Beeilt  zu 
rügen  war,  so  wird  wohl  jeder  diese  Frage  bejahen.  Unter  dem 
Vorwände  der  Agitation  für  freie  Arztwahl  sollte*  hier  einem 
Kollegen  ein  Teil  seiner  Praxis  abgejagt  werden.  Es  heisst  die 
Vereine  für  freie  Arztwahl  beleidigen,  wenn  man  ihre  in  der 
Hauptsache  von  idealen  Motiven  ausgehende  Tätigkeit  auf  gleiche 
Stufe  stellt  mit  der  von  Gehässigkeit  und  Eigennutz  diktierten 
Handlungsweise  des  hier  verurteilten  Arztes.  Als  überzeugte  und 
warme  Anhänger  des  Gedankens  der  freien  Arztwahl  sprechen  wir 
es  aus,  dass  uns  eine  freie  Arztwahl  um  jeden  Preis,  auch  um 
den  Preis  einer  Verschlechterung  der  ärztlichen  Sitten,  wie  sie  in 
dem  vorliegenden  Falle  zu  Tage  tritt,  nicht  wünschenswert  er¬ 
scheint.  Es  kann  darum  nur  auf  einer  missverständlichen  Auf¬ 
fassung  der  Tendenz  des  Urteils  beruhen,  wenn  wir  lesen,  dass 
der  Berliner  Verein  zur  Einführung  freier  Arztwahl  das  Erkennt¬ 
nis  zu  einer  Haupt-  und  Staatsaktion  zu  machen  gedenkt  und  dass 
sogar  die  Zentrale  für  freie  Arztwahl  diese  Gelegenheit  zu  be¬ 
nützen  beabsichtigt,  um  zu  zeigen,  dass  sie  noch  am  Leben  ist 
Und  wenn  wir  gar  hören,  dass  ein  Berliner  Kollege  bei  dem 
Ehrengericht  der  Berlin-Brandenburger  Aerztekammer  die  Ein¬ 
leitung  eines  ehrengerichtlichen  Verfahrens  gegen  sich  selbst  be¬ 
antragt  habe,  weil  er  in  Versammlungen  von  Kassenmitgliedern 
für  Einführung  der  freien  Arztwahl  agitiert  habe,  obwohl  ihm 
bekannt  gewesen  sei,  dass  bei  der  Kasse  flxierte  Kassenärzte  an¬ 
gestellt  sind  und  ihm  durch  Einführung  der  freien  Arztwahl  ein 
Vorteil  in  Aussicht  stand,  so  hoffen  wir,  dass  die  Männer,  die  dieses 
Ehrengericht  zusammensetzen,  ernstere  Aufgaben  zu  erfüllen 
haben  werden,  als  sich  mit  einer  derartigen  Farce  zu  beschäftigen. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

Münche  u,  4.  November  1902. 

~  sächsische  Gesetz,  betr.  die  ärztlichen 
Bezirksvereine,  das  in  den  6  Jahren  seines  Inkraftseins 
schon  so  manche  Lücke  und  manchen  Mangel  gezeigt  hat,  soll  jetzt 
abgeändert  werden.  Ein  vom  Ministerium  ausgearbeiteter  Entwurf 
des  abgeänderten  Gesetzes  soll  demnächst  in  der  Plenarversamm¬ 
lung  des  Landesmedizinalkollegiums  beraten  werden.  Die  Aende- 
rungen  sind  zum  Teil  einschneidender  Art  und  sichtlich  beein¬ 
flusst  durch  die  1  orkommnisse  anlässlich  des  Konfliktes  zwischen 
Ortskrankenkasse  und  Bezirksverein  Leipzig.  So  der  neue  Absatz  3 
des  §  1,  der  bisher  nur  als  Verordnung  bestand,  nunmehr  aber  in 
das  Gesetz  auf  genommen  wird:  „Die  ärztlichen  Bezirks  vereine  sind 
der  Aufsicht  der  Kreishauptmaunschaften  unterstellt,  welche  ins¬ 
besondere  darauf  zu  achten  haben,  dass  die  Vereine  und  deren 
Organe  ihre  Obliegenheiten  erfüllen  und  sich  ungesetzlicher  Mass- 
legeln,  insbesondere  einer  Ueberschreitung  ihrer  Zuständigkeit, 
enthalten.  Zur  Durchführung  ihrer  Verfügungen  können  die 
Kreishauptmannschaften  gegenüber  den  Vorsitzenden  und  den 
übrigen  Vorstandsmitgliedern  der  Bezirksvereine  Geldstrafen  an¬ 
drohen  und  vollstrecken.“  Ferner  Absatz  2  §  6:  „Auf  Grund  der 
Standesordnung  kann  von  keinem  Arzte  ein'  Verhalten  gefordert 
werden,  welches  ihn  mit  seinen  staatsbürgerlichen  Pflichten  in 
Widerspruch  bringen  oder  Organe  oder  Körperschaften  des  öffent- 
liehen  Rechts  an  der  Erfüllung  ihrer  öffentlich-rechtlichen  Ob¬ 
liegenheiten  hindern  würde.“  Die  Ehrenräte,  29  an  der  Zahl,  die 
bisher  von  den  Bezirksvereinen  gewählt  wurden,  werden  ersetzt 
durch  5  aus  der  Wahl  der  Kreisvereinsausschüsse  hervorgehende 
Ehrenräte,  die  ihren  Sitz  bei  den  Kreishauptmannschaften  haben. 
Sie  bestehen  aus  einem  Vorsitzenden  und  drei  ärztlichen 
Beisitzern,  welche  nebst  der  entsprechenden  Zahl  von  Stellver¬ 
tretern  vom  Kreisvereinsausschusse  gewählt  werden,  und  einem 
vom  Ministerium  des  Innern  hierzu  aus  den  Räten  und  Hilfs¬ 
arbeitern  der  Kreishauptmannschaft  bestimmten  juristischen  Bei¬ 
sitzer.  An  Stelle  der  bisherigen  5  Ehrengerichtshöfe  tritt  ein 
einziger  Ehrengex*ichtshof  in  Dresden,  welcher  aus  einem  juristi¬ 
schen  Vorsitzenden  und  4  ärztlichen  Beisitzern  besteht.  Der  Vor¬ 
sitzende  wird  vom  Minister  ernannt,  die  Beisitzer  vom  Landes¬ 
medizinalkollegium  gewählt.  Die  Entscheidungen  des  Ehren¬ 
gerichtshofs  sollen  nicht,  wie  bisher,  endgültig  sein,  sondern  sie 
sollen  angefocliten  werden  können  durch  Klage  bei  dem  Ober- 


I  Verwaltungsgerichte.  Dieses  hat  sich  auf  die  Prüfung  der  Frage 
|  oli  eine  Rechtsverletzung  vorliegt,  zu  beschränken,  und  wenn  es 
infolge  dessen  zu  einer  Aufhebung  der  angefochtenen  Entscheidung 
gelangt,  dm  Sache  an  den  Ehrengerichtshof  zurückzuverweisen. 
Dieser  ist  an  die  Rechtsansehauung,  von  der  das  Oberverwaltungs- 

der 


.  ,  ,  g  o'  1  »  ui  »v  au  ii 

rericlit  ausgegangen  ist,  gebunden.  Alles  in  allem  bedeutet 


wesentliche  Ein- 
das  Gesetz  vom 


Entwurf  neben  zweifellosen  Verbesserungen  eine 
Schränkung  der  den  sächsischen  Aerzten  durch 
23.  März  1896  gegebenen  Rechte. 

Zur  Erhaltung  eines  tüchtigen  Hebammenstandes  und  im 
Interesse  der  hiezu  unbedingt  notwendigen  F  o  r  t  b  i  1  d  u  n  «•  d  e  r 
II  e  b  a  m  m  e  n  ist  es  dringend  angezeigt,  dass  die  Hebammen 
durch  Besuch  eines  Repetitionskurses  ihre  Kenntnisse 
und  Erfahrungen  auffrischen,  festigen  und  ergänzen.  Die  k  Staats¬ 
ministerien  des  Innern  beider  Abteilungen  haben  deshalb  in  ähn¬ 
licher  Weise,  wie  in  anderen  deutschen  Staaten,  die  Einrichtum- 
getroffen,  dass  alljährlich  für  eine  grössere  Zahl  von  Teilnelimw 
rinnen  Repetitionskurse  und  zwar  vorläufig  an  der  Hebammen¬ 
schule  in  München  abgehalten  werden.  Die  Zeit  der  Abhaltung 
der  Repetitionskurse,  deren  Dauer  sich  vorerst  auf  4  Wochen  er¬ 
strecken  soll,  wird  mit  der  Aufforderung  zur  Bewerbung  um  die 
Zulassung  bekannt  gegeben.  Die  Kosten  für  eine  Teilnehmerin 
berechnen  sich  mit  Einschluss  der  Kosten  für  Unterkunft  und 
Verpflegung  in  der  Anstalt  zurzeit  auf  80  M„  wozu  noch  die  Reise¬ 
kosten,  sowie  ein  mässiger  Betrag  für  kleinere  Bedürfnisse 
kommen.  Mit  einer  Summe  von  100  M.  wird  liienach  in  der  Regel 
der  Gesamtaufwand  gedeckt  sein.  Die  Bewerbungsgesuche,  in 
welchen  anzugeben  ist,  ob  die  Gesuchstellerin  die  Kosten  der  Teil¬ 
nahme  an  dem  Kurse  aus  eigenen  Mitteln  bestreitet  oder  ob  sie 
hiezu  um  eine  Unterstüzung  nachsuchen  will,  ferner  ob  und  even¬ 
tuell  wann  die  Gesuchstellerin  bereits  einen  Repetitionskurs  mit¬ 
gemacht  hat,  sind  bei  den  zuständigen  Distriktsverwaltungs¬ 
behörden  nebst  dein  Prüfungszeugnisse  nach  §  16  der  K.  Allerh. 
Verordnung  vom  26.  Juli  1890  einzureichen.  Wünschenswert  ist. 
dass  bedürftigen  Hebammen  zu  fraglichem  Zwecke  aus  Gemeinde-' 
Distrikts-  und  Kreismitteln  tunlichst  ergiebige  Beihilfen  geleistet 
werden;  soviel  bekannt,  werden  im  Bedarfsfälle  auch  staatliche 
Zuschüsse  gewährt:. 

—  D('1-  24.  Baineologenkongress  wird  unter  Leitung 
des  Herrn  Geheimrat  Liebreich  im  März  1903  in  Berlin  tagen. 
-7  Anmeldungen  von  Vorträgen  und  Anträgen  nimmt  entgegen  der 
Generalsekretär  der  Baineologischen  Gesellschaft,  Geh.  Sanitätsrat 
Broc  k,  Berlin  SO.,  Melcliiorstr.  18. 


Das  College  of  Physicians  in  Philadelphia  schreibt  den 
A  1  v  a  r  enga-Preis  im  Betrag  von  180  Doll,  für  das  Jahr  1903 
aus.  Preisarbeiten,  die  irgend  einen  Gegenstand  der  Medizin  be¬ 
handeln  können,  sind  bis  1.  Mai  1903  an  den  Sekretär  des  College, 
1  >r.  Thomas  R.  N  e  i  1  s  o  n,  einzusenden.  Die  Arbeit  muss  ein 
Motto  tragen  und  von  einem  verschlossenen  Briefumschlag  be¬ 
gleitet  sein,  der  dasselbe  Motto  zeigt  und  Name  und  Adresse  des 
Verfassers  enthält.  Der  Alvarenga-Preis  für  das  Jahr  1902  wurde 
mangels  einer  entsprechenden  Arbeit  nicht  verliehen. 

—  C  h  o  1  e  r  a.  Russland.  Nach  den  im  Regierungsanzeiger 
vom  16.  Oktober  veröffentlichten  amtlichen  Mitteilungen  sind  im 
Amurbezirke  vom  6.  bis  11.  Oktober  28  Personen  an  der  Cholera 
erkrankt.  Hiervon  entfielen  3  Erkrankungsfälle  auf  die  den 
Amur  befahrenden  Dampfer;  die  übrigen  25  Fälle  verteilten  sich 
auf  die  Städte  Blagowesclitschensk  (4),  Chabarowsk  (10),  Nikola 
jewsk  (6),  Nikols-U ssurysk  (3)  und  Wladiwostok  (2).  Im  Kwantung- 
bezirke  erkrankten  in  der  Zeit  vom  2.  bis  8.  Oktober  in  Port 
Arthur  6  und  in  Dalnij  5  Personen.  —  Aegypten.  Vom  7.  bis  13.  Ok¬ 
tober  hat  die  Choleraepidemie  nach  dem  Berichte  des  General¬ 
direktors  des  Gesundheitswesens  weiter  erheblich  nachgelassen. 
Im  Laufe  dieser  Woche  wurden  819  Erkrankungen  und  772  Todes¬ 
fälle  gemeldet.  Von  letzteren  hatten  sich  259  in  den  Kranken¬ 
häusern  und  513  ausserhalb  derselben  ereignet;  11  Choleratodes¬ 
fälle  entfielen  auf  Kairo,  57  auf  Alexandrien,  26  auf  Damiette, 
je  7  auf  Suez  und  auf  Port  Said.  Besonders  heftig  trat  die  Seuche 
noch  immer  in  und  bei  Rosette  auf,  von  wo  während  der  Berichts¬ 
woche  147  Erkrankungen,  darunter  129  ausserhalb  des  Hospitals 
tödlich  verlaufene,  gemeldet  waren.  Vom  13.  bis  17.  Oktober  waren 
aus  ganz  Aegypten  nächeinander  noch  128,  95,  79,  116,  zusammen 
418  neue  Erkrankungen  und  110,  84,  74,  85,  zusammen  353  Todes¬ 
fälle  an  der  Cholera  gemeldet. 

-  Pest.  Russland.  In  der  Woche  vom  8.  bis  15.  Oktober 
wurden  in  Odessa  2  neue  Erkrankungen  und  1  Todesfall  an  der 
Pest  amtlich  festgestellt.  —  Britisch-Ostindien.  In  der  Präsident¬ 
schaft  Bombay  sind  vom  28.  September  bis  4.  Oktober  10  861  Er¬ 
krankungen  (und  7903  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  Anzeige  gelangt, 
d.  i.  930  (460)  mehr  als  während  der  Woche  vorher,  in  der  Stadt 
Bombay  112  (101),  in  der  Stadt  und  dem  Hafen  Karachi  26  (23). 

—  In  der  42.  Jahreswoche,  vom  12. — IS.  Oktober  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Liegnitz  mit  25,1  ,die  geringste  Linden  mit  5,6  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Ge¬ 
storbenen  starb  an  Scharlach  in  Altona,  Beuthen,  Bochum,  Brom¬ 
berg,  Königshütte;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Gleiwitz,  Königs¬ 
berg;  an  Unterleibstyphus  in  Gera.  V.  d.  K.  G.-A. 

—  Das  von  Dr.  E.  Graetzer  in  Sprottau  herausgegebene 
„Centralblatt  für  Kinderheilkunde“  (Verlag  von 
Job.  Ambr.  Barth  in  Leipzig)  wird  vom  1.  Januar  1903  ab  in 
bedeutend  erweitertem  Umfange  erscheinen. 


1S72 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHENS  CHBIFT. 


No.  44. 


(Hochsehulnaeh  richte  n.) 

Berlin.  Am  27.  v.  Mts.  wurde  das  neue  pharmazeutische 
Institut  eingeweiht.  Leiter  desselben  ist  Prof.  Dr.  T  h  o  m  s.  — 
Zu  Professoren  wurden  ernannt  die  Privatdozenten  Dr.H. Straus», 
1  )r  II.  li  o  s  i  n,  Dr.  P.  Jaco  b  und  Dr.  M.  Mich  a  e  1  i  s. 

II  a  1 1  e  a.  S.  Dr.  med.  O.  F  rese,  Assistenzarzt  an  der  medi¬ 
zinischen  Klinik,  habilitierte  sich  für  Laryngologie  und  Rhinologie. 

_  Der  Privatdozent  der  Augenheilkunde  Dr.  B  r  a  u  n  s  c  h  w  e  i  g 

und  der  Privatdozent  der  Hygiene  Dr.  So  beruhe  im  erhielten 


den  Professortitel. 

K  o  i>  enhage  n.  Zum  Rector  magniflcus  an  der 
Universität  wurde  für  das  Universitätsjalir  1902 — 190.1 
der  Philosophie  H.  Hoff  ding,  zum  Dekan  an  der  med 
Fakultät  wurde  Professor  Th.  Rovsing  gewählt. 


hiesigen 

Professor 

iziuisclien 


(Todesf  ä  1 1  e.) 

In  Berlin  starb  am  1.  ds.  der  ausgezeichnete  Chirurg  Professor 
Dr.  Eugen  Hahn.  Direktor  der  chirurgischen  Abteilung  des 
städtischen  Krankenhauses  am  Friedriclishain,  61  Jahre  alt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Phil.  Bohn  zu  Albisheim,  Dr.  Heinr. 
K  u  li  1  m  a  n  n  zu  Maikammer,  Dr.  Karl  Miesemer  zu  Schopp. 

Verzogen:  Dr.  Haverkamp  von  Maikammer.  Dr.  P.  Münz 
wohnt  nur  im  Winter  in  Nürnberg,  im  Sommer  auch  fernerhin  in 
Bad  Kissingen  (Berichtigung  der  Notiz  in  No.  42). 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Felix  Maria  Sc  h  m  i  d  t  in 
Schwarzhofen  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in  Neustadt  a.  d.  WN. 

Auszeichnungen:  Der  Verdienstorden  vom  heil.  Michael  2.  Kl. 
dem  Obermedizinalrate  im  k.  Staatsministerium  des  Innern  Hubert 
Ritter  v.  G  r  a  s  h  e  y.  Der  Titel  und  Rang  eines  k.  Hofrates  dem 
prakt.  Arzt  Dr.  Friedr.  Gramer  in  München. 

Gestorben:  Dr.  Anton  Ott,  k.  Bezirksarzt  a.  D.  in  München. 
Dr.  Friedrich  Albert  Bratsc  h,  k.  Generalarzt  a.  D.  in  München. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  42.  Jahreswoche  vom  12.  bis  18.  Oktober  1902. 
Beteiligte  Aerzte  109.  —  Brechdurchfall  16  (11*),  Diphtherie  u. 
Krupp  b  (15),  Erysipelas  5  (11),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
2  (1).  Kindbettfieber  —  (-),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 
Morbilli  18  (28),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  3  (1),  Parotitis 
epidem.  —  ( — ),  Pneumonia  crouposa  6  (10),  Pyämie,  Septikämie 
—  (1),  Rheumatismus  art.  ac.  6  (15),  Ruhr  (Dysenteria)  —  (1), 
Scarlatina  6  (5),  Tussis  convulsiva  17  (29),  Typhus  abdominalis  1 
(2),  Varicellen  9  (9),  Variola,  Variolois  —  (— ),  Influenza  1  (1) 
Summa  94  (139).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwoche. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  42.  Jahreswoche  vom  12.  bis  18.  Oktober  1902. 

Bevölkerungszabl :  499  932. 

Todesursachen :  Masern  —  (4*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  1  (— ),  Rotlauf  —  (— ),  Kindbettfieber  1  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  (1),  Brechdurchfall  —  (6),  Unterleib-Typbus 
( — ),  Keuchhusten  4  (5),  Kruppöse  Lungenentzündung  —  (2),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  26  (33),  b)  der  übrigen  Organe  5  (7),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
6  (4),  Unglücksfälle  1  (4),  Selbstmord  1  ()3,  Tod  durch  fremde 
Hand  l  (— ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  205  (236),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  21,1  (24,3),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  11,9  (15,6). 


Morbiditätsstatistik  der  Infektionskrankheiten  in  Bayern:  August1)  und  September  1902. 


Regierungs¬ 
bezirke 
bezw. 
Städte  mit 
über  30,000 
Ein¬ 
wohnern 

Brech¬ 

durchfall 

Diphtherie, 

Krupp 

Erysipelas 

Influenza 

Intermittens 

Neuralgia 

int. 

Kindbett- 

M 

£> 

Q 

0) 

Meningitis 

cerebrospin. 

s 

f-, 

o 

Ophthalmo- 

Blennorrh. 

neonator. 

A.  | 

S. 

A. 

S. 

A. 

S 

A. 

S. 

A  |  S. 

A.  | 

s. 

A.  I 

S. 

A.  |  S. 

A. 

S 

Oberbayern 

481 

440 

66 

69 

93 

77 

102 

129 

11 

10 

11 

6 

3 

5 

131 

141 

9 

13 

Niederbay. 

163 

171 

18 

33 

28 

30 

60 

69 

8 

12 

5 

3 

2 

5 

5 

4 

3 

2 

Pfalz 

39  t 

311 

33 

42 

14 

17 

16 

8 

8 

5 

4 

3 

3 

1 

72 

32 

6 

3 

Oberpfalz 

246 

197 

37 

30 

29 

23 

17 

56 

4 

6 

3 

2 

1 

— 

3 

2 

3 

4 

Oberfrank. 

158 

145 

81 

90 

32 

26 

31 

29 

3 

2 

3 

2 

— 

— 

213 

114 

— 

— 

Mittelfrank. 

42' > 

359 

56 

62 

41 

38 

55 

44 

3 

10 

5 

1 

2 

1 

6t 

28 

4 

5 

Unterfrank. 

111 

136 

20 

32 

29 

22 

44 

15 

1 

2 

— 

1 

— 

37 

30 

— 

i 

Schwaben 

365 

295 

32 

31 

31 

28 

91 

181 

2 

2 

6 

4 

1 

1 

231 

218 

4 

8 

Summe 

2338 

2084 

343 

339 

297 

261 

416 

531 

39 

48 

39 

21 

13 

13 

753 

569 

29 

36 

Augsburg5) 

51 

75 

6 

16 

4 

4 

4 

3 

_ 

_ 

1 

1 

_ 

_ 

109 

152 

_ 

2 

Bamberg 

33 

32 

26 

16 

1 

1 

2 

5 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

— 

— 

Hof 

9 

8 

5 

2 

3 

— 

- - 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

4 

3 

— 

— 

Kaiserslaut. 

23 

13 

2 

4 

2 

Ludwigshaf 

85 

30 

4 

5 

3 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

14 

21 

1 

— 

München3) 

120 

106 

lb 

29 

27 

28 

— 

3 

1 

1 

3 

1 

1 

2 

50 

49 

5 

9 

Nürnberg 

220 

177 

27 

35 

26 

26 

13 

14 

— 

3 

1 

— 

2 

— 

12 

10 

3 

5 

Pirmasens 

25 

11 

4 

3 

1 

1 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Regensburg 

55 

56 

5 

4 

4 

5 

6 

15 

2 

1 

— 

1 

1 

— 

3 

— 

3 

2 

Würzburg 

33 

31 

5 

1 

7 

9 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

— 

Bevölkerungsziffern:  Oberbayern  1'323,888,  Niederbayern  678,192, 
Pfalz  831,678,  Oberpfalz  553,841,  Oberfranken  608,116,  Mittelfranken  815,895,  Unter¬ 
franken  650,766,  Schwaben  713,681.  —  Augsburg  89,170,  Bamberg  41,823,  Hof  32,781, 
Kaiserslautern  48,310,  Ludwigshafen  61,914,  München  499,932,  Nürnberg  261,081, 
Pirmasens  30,195,  Regensburg  45,429,  Würzburg  75,499. 

Einsendungen  fehlen  aus  den  Aemtern  Bogen,  Grafenau,  Wegscheid,  Ncu- 
markt,  Neunburg  v./W.,  Höchstadt  a./A  ,  Stadtsteinaeb,  Staflelstein  Fürth,  Nürn¬ 
berg,  Weissenburg,  Hofheim,  Königshofen,  Lohr,  Mellrichstadt,  Ocbsenfurt, 
Würzburg,  Augsburg,  Kaufbeuren,  Kempten  und  Nördlingen. 

Höhere  Erkrankungszahlen  (ausser  von  obigen  Städten)  werden  gemeldet 
aus  folgenden  Aemtern  bezw.  Orten: 

Brechdurchfall:  Stadt-  und  Landbezirke  Freising  52,  Schwabach  39, 
Neu-Ulm  38,  Schweinfurt  35,  Straubing  32,  Aemter  Germersheim  56,  Neustadt  a./H. 
54,  Zweibrücken  42,  Pfaffenhofen  und  Wolfratshausen  je  33  beh.  Fälle. 

Diphtherie,  Krupp:  Fortsetzung  der  Epidemie  im  ärztl.  Bezirk  Creussen 
(Pegnitz),  23  beh.  Fälle. 

Influenza:  Weitprs  gehäufte  Fälle  im  Amte  Zusmarshausen  in  den  ver¬ 
schiedensten  Orten,  19  behandelt,  meist  gastrische  Formen.  Stadt-  und  Land¬ 
bezirk  Neuburg  a /D  49,  Aemter  Dachau  31  (davon  23  im  ärztl.  Bezirke  Schön¬ 
brunn),  Krumbaek  25,  Regensburg.  Sonthofen  und  Müncben  je  21  (von  letzteren 
11  meist  schwere  Fülle  in  Uuterschleissheim),  ärztl  Bezirk  Lauingen  (Dillingen) 
27  beb.  Fälle. 

Morbilli:  Fortsetzung  der  Epidemie  in  der  Stadt  Memmingen,  Abnahme 
(47  beb.  Fähe)  im  Amte  Wunsiedel.  Epidemisches  Auftreten  ferner  in  den  Be¬ 
zirken  Traunstein  (von  81  beh.  Fällen  60  im  ärztl.  Bezirk  Bergen,  Schulschluss 
in  Siegsdorf',  Marktheidenfeld  (leichte  Epidemie  in  Stadt-  und  Dorfprozelten  und 
Schollbrunn)  und  Donauwörth  (ausgebreitete  Epidemie  in  Donauwörth,  6  Schul¬ 
klassen  geschlossen,  nur  32  Fälle  behandelt) 

Parotitis  epidemica:  Epidemie  im  kath.  Waisenhause  in  Landstuhl 
(Homburg),  33  heb.  Fälle. 

Scarlatina:  Fortsetzung  der  Epidemie  in  Weiden  (Neustadt  a./WN.). 

Tussis  convulsiva:  Fortsetzung  der  Epidemien  in  den  Bezirken 
München  (noch  häufig  in  Feldmoching),  Alzenau  (sehr  intensiv  neben  Masern  in 


Parotitis 

epidemica  || 

Pneumonia 

crouposa 

Pyaemie, 

Septi- 

kaemie 

Rheumatis¬ 

mus  art.  ac. 

Ruhr 

(dysenteria) 

Scarlatina 

Tussis 

convulsiva 

Typhus 

abdominalis 

Varicellen 

1  Variola, 

00 

O 

o 

c 

<£ 

Zahl  der  Aerzte 

überhaupt 

Zahl  der  be¬ 

teil.  Aerzte  | 

A., 

s. 

A. 

S. 

A. 

S. 

A. 

S. 

A.  | 

S. 

A.  | 

S. 

A 

S. 

A. 

S. 

A. 

s. 

A. 

s. 

s. 

23 

26 

104 

77 

6 

6 

135 

118 

4 

5 

12 

23 

245 

201 

4 

16 

46 

23 

_ 

_ 

949 

219 

14 

2 

51 

45 

4 

4 

52 

41 

3 

— 

2 

4 

38 

23 

6 

7 

11 

3 

— 

— 

188 

80 

7 

39 

74 

63 

3 

6 

39 

22 

1 

— 

32 

44 

149 

97 

9 

18 

4 

8 

— 

— 

299 

110 

4 

_ 

63 

44 

4 

2 

32 

28 

1 

— 

27 

21 

126 

67 

1 

4 

10 

2 

— 

— 

158 

82 

4 

4 

124 

104 

1 

3 

31 

29 

1 

1 

21 

34 

84 

99 

1 

10 

14 

10 

— 

— 

206 

108 

7 

11 

142 

112 

2 

1 

58 

57 

2 

2 

84 

84 

113 

95 

5 

1 

2t 

32 

— 

— 

367 

196 

9 

11 

90 

80 

1 

1 

16 

23 

— 

1 

25 

17 

56 

35 

8 

5 

13 

7 

— 

— 

328 

82 

10 

13 

129 

59 

5 

3 

47 

39 

1 

— 

4 

9 

108 

64 

9 

3 

14 

— 

— 

— 

295 

173 

78  106 

1 

777 

584 

26 

26 

410 

357 

13 

9 

207 

236 

919 

681 

43 

64  133 

85 

— 

2790 

1050 

*) 

12 

12 

1 

2 

6 

11 

3 

2 

9 

6 

i 

1 

_ 

_ 

55 

54 

_  - 

— 

4 

3 

— 

— 

2 

1 

— 

— 

3 

6 

19 

29 

— 

— 

— 

2 

— 

41 

13 

_ 

1 

2 

1 

— 

— 

_ 

4 

— 

— 

4 

6 

10 

13 

— 

1 

— 

— 

— 

17 

6 

3 

1 

1 

1 

3 

3 

— 

2 

2 

2 

— 

23 

4 

_ 

_ 

7 

8 

1 

— 

3 

1 

— 

— 

9 

141  16 

30 

— 

3 

— 

— 

30 

18 

6 

2 

15 

11 

_ 

1 

50 

49 

2 

4 

9 

16 

132 

106 

2 

8 

15 

11 

— 

583 

132 

2 

2 

32 

35 

2 

_ 

31 

26 

2 

1 

53 

59 

74 

58 

3 

1 

16 

25 

— 

156 

126 

_ 

1 

2 

_ 

1 

1 

— 

— 

— 

1 

1 

6 

1 

14 

4 

_ 

. _ 

5 

6 

— 

1 

6 

5 

— 

— 

3 

3 

67 

34 

1 

1 

— 

44 

35 

— 

3 

10 

7 

— 

— 

2 

3 

— 

11 

8 

5 

3 

3 

4 

4 

90 

24 

Krombach,  heftig  in  Feldkahl  und  Rottenherg),  Donauwörth  (in  Weinding)  und 
Neuburg  a./D.  (in  Neuburg,  Etting.  Untermaxfeld).  Epidemisches  Auftreten  ferner 
in  den  Aemtern  Tirschenreuth,  Münchberg  (leicht,  nur  19  beh.  Fälle)  und  Hers- 
bruck  (in  d°n  Landgemeinden) ;  Stadt-  und  Landhezirk  Günzburg  27  beh.  Fälle. 

Typhus  abdominalis:  Aemter  Wunsiedel  5,  Freising,  Deggendorf  und 
Zweibrücken  je  4  beb.  Fälle. 

Varicellen:  Epidemie  in  Alsenz  (Rockenhausen). 

Fehris  gastr. :  Fortsetzung  der  Epidemien  in  den  Aemtern  Dachau 
(64  beh.  Fälle)  und  Mallersdorf  (massenhafte,  mit  hohem  Fieber,  Schüttelfrost, 
intensivem  Kopfschmerz  einhergehende  Magen-  und  Darmerkrankungen) ;  häufige 
Erkrankungen  ferner  im  Amte  Landau  a./I. 

Pemphygus  infect. :  Mehrere  Fälle  in  Steingaden  (Schongau),  nur 
3  behandelt. 

Milzbrand:  1  Fall  im  ärztl.  Bezirke  Weyarn  (Miesbach). 

Im  Interesse  möglichster  Vollständigkeit  vorliegender  Statistik  wird  um 
regelmässige  und  rechtzeitige  (bis  längstens  20.  des  auf  den  Berichts¬ 
monat  folgenden  Monats)  Einsendung  der  Anzeigen  bezw.  von  Fehl¬ 
anzeigen  ersucht,  womöglich  unter  anmerkungsweiser  Mittheilung  von  Epi¬ 
demien.  Zur  Vermeidung  von  Doppelzählungen  erscheint  es  wünschenswerth, 
dass  Fälle  aus  sog.  Grenzpraxis  entweder  dem  Amtsärzte  des  einschlägigen 
Amtes  oder  dem  K.  Statistischen  Bureau  unter  Ausscheidung  nach  Aemtern 
mitgetheilt  werden. 

Meldekarten  nebst  Umschlägen  zur  portofreien  Einsendung  an  das 
K.  Statistische  Bureau  sind  durch  die  k.  Bezirksärzte  zu  erhalten.  Diese  Karten 
dienen  ebenso  zu  sog.  Sammelkarten,  welch’  letztere  zur  Vermeidung  von 
Verzögerungen  ohne  Rücksicht  auf  etwa  ausständige  Anzeigen  gleich¬ 
falls  bis  längstens  20.  jeden  folgenden  Monats  einzusenden  wären.  Allenfalls 
später  eingekommene  Meldungen  wollen  auf  der  nächstfolgenden  Karte  als 
Nachträge  gekennzeichnet,  aufgenommen  werden.  Noch  in  Händen  be¬ 
findliche  sog.  Postkarten  wären  aufzubrauchen,  jedoch  durch  Angabe  der 
behandelten  Influenzafälle  zu  ergänzen  und  gleichfalls  unterümschlag  ein¬ 
zusenden.  —  Sog.  Zählblättchen  dagegen  werden  vom  K.  Statistischen  Bureau 
weder  beschafft  noch  versendet. 


*)  Einschliesslich  einiger  seit  der  letzten  Veröffentlichung  (No.  40)  eingelaufener  Nachträge.  —  s)  Im  Monat  August  1902  einschliesslich  der  Nach 
träge  1067.  —  ®)  32  mit  35.  bezw.  36.  mit  39.  Jahreswoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthaler’ß  Buch-  und  Kunatdruekerw  A.G.,  München. 


bie  künch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöchentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  6—6  Bneen. 
Preis  in  Deutschland,  Oeslerr. -Ungarn  u.  Luxemburg 
vierteljährl.  Ji  6. —  in  allen  übrigen  Ländern  Jt  8.—° 
Einzelne  No.  80  4. 


Zusendungen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Arnulfttr.  26.  —  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr.  — 
Für  Abonnement  an  F.  J.  Lehmann,  Heustr  20.  — 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse, 
Promenadcplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0. 

München.  Freiburg  i.  B.  München. 


Herausgegeben  von 

>  H-  Curschmann,  W .  v.  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H,  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 


Leipzig. 


Würzburg. 


Nürnberg. 


Berlin 


Erlangen. 


München. 


München. 


No.  45.  11.  November  1902, 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

M.  v.  Nenckis  Untersuchungen  über  den  Blutfarb¬ 
stoff  und  dessen  Beziehungen  zum  Blattfarbstoff.*) 

Von  Frau  Dr.  Nadine  Sieber-Scliumoff  in  St.  Petersburg. 

In  der  umfassenden  Lebensarbeit  M.  Nenckis  nehmen 
seine  und  seiner  Schüler  Untersuchungen  über  den  Blutfarb¬ 
stoff  eine  hervorragende  Rolle  ein.  Mit  unermüdlichem  Fleiss 
und  dem  ganzen  Aufgebot  aller  zur  Verfügung  stehenden 
Methoden,  mit  seltenem  Scharfsinn  hat  N  e  n  c  k  i  gerade  dieses 
Gebiet  bis  in  seine  letzte  Lebenszeit  hinein  bearbeitet  und,  man 
darf  sagen,  etwas  Ganzes  geschaffen,  das  die  biologischen  Grund¬ 
anschauungen  in  hohem  Grade  zu  beeinflussen  geeignet  ist.  Da 
aber  seine  Untersuchungen  zum  Teil  mehr  in  chemischen,  dem 
Mediziner  schwerer  zugänglichen  Zeitschriften  niedergelegt  und, 
ihrer  Form  nach,  mehr  für  den  Chemiker  geschrieben  sind,  so 
erscheint  es  nicht  überflüssig,  dieses  wichtige  und  abgeschlossene 
Gebiet  auch  einmal  im  Zusammenhänge  der  medizinischen  Lese¬ 
welt  näher  zu  bringen. 

Die  erste  Arbeit  M.  Nenckis  über  den  Blutfarbstoff  ist 
im  Jahre  1884  erschienen.  Ihr  folgten  jedes  Jahr  weitere  Unter¬ 
suchungen  bis  1890.  Dann  trat  eine  Unterbrechung  von  einigen 
Jahren  ein,  nach  denen  er  von  neuem  das  für  eine  Zeitlang 
verlassene  Gebiet  aufnahm.  Seine  Hauptaufmerksamkeit  wandte 
N  e  n  c  k  i  dem  TI  ä  m  i  n  zu.  Ungeachtet  dessen,  dass  die 
Teichmann  sehen  Kristalle  seit  einem  halben  Jahr¬ 
hundert  entdeckt  waren,  herrschte  bis  in  die  letzte  Zeit  hinein 
keine  Einigkeit  unter  den  Forschern,  welche  mit  der  ge¬ 
nannten  Substanz  sich  beschäftigt  hatten,  betreffend  die  Zu¬ 
sammensetzung  dieses  Körpers.  Jeder,  welcher  sich  damit  be¬ 
schäftigte,  kannte  zu  gut,  sagt  N  e  n  c  k  i,  alle  die  Schwierig¬ 
keiten,  mit  welchen  man  zu  kämpfen  hat,  um  den  Körper  voll¬ 
kommen  rein  zu  erhalten. 

Dank  anhaltender,  während  mehrerer  Jahre  fortgeführter 
mühevoller  Untersuchungen  ist  es,  Nencki  gelungen,  in  glän¬ 
zender  Art  und  Weise  alle  die  hierauf  bezüglichen  Meinungs- 
differenzen  durch  feststehende  Tatsachen  und  Beobachtungen  zu 
beseitigen.  In  der  ersten  Arbeit,  die  gemeinschaftlich  mit 

N.  Sieber  ausgeführt  wurde,  ist  es  Nencki1)  gelungen,  durch 
Amylalkohol  den  Farbstoff  aus  dem  Blute,  zu  extrahieren  und 
das  Hämin  in  grossen  Quantitäten  und  sehr  reiner  Form  zu  er¬ 
halten.  Durch  vielfache  Analysen  der  verschiedenen  Präparate 
wurde  die  Formel  festgestellt,  und  zwar  für  Hämin 
=  C82  H31  N4  03  Fe  CI. 

Durch  Auflösen  des  Hämins  in  Alkalien  wurde  das  freie 
Hämatin  von  der  Formel  =  C8,  H32  N4  Fe  04  erhalten. 

Darauf  folgten  weitere  Untersuchungen,  welche  immer  mehr 
Licht,  sowie  neue  und  wichtige  Fortschritte  und  Tatsachen  zur 
Erkenntnis  des  Charakters  und  der  Zusammensetzung  dieser  und 
anderer  Verbindungen  brachten.  So  z.  B.  wurde  von  Nencki2) 
mit  N.  Sieber  das  venöse  Hämoglobin  in  kristallinischer 
Form  fast  zu  gleicher  Zeit,  aber  ganz  unabhängig  von  Hüfner 
im  Jahre  1886  dargestellt.  Auch  wurde  das  sogen.  Parahämo- 

*)  Nach  einem  in  der  russ.  Aerztegesellschaft  gehaltenen  Vor¬ 
träge. 

ü  Ber.  1884,  S.  267. 

s)  Ber.  1886,  S.  128. 

No.  45. 


globin  erhalten  und  von  Nencki3)  und  Lachowitz4 * * 7 8)  weiter 
untersucht. 

Von  sehr  grosser  Bedeutung  war  die  Erkenntnis,  dass  die 
mit  salzsäurehaltigem  Amylalkohol  aus  dem 
Blute  dargestellten  Häminkristalle  Amylalkohol, 
sowie  dass  die  mittels  Eisessig  erhaltenen  Kristalle 
in  ihrem  Molekül  Eisessig  enthalten. 

Diese  Beobachtung  war  leider  von  den  anderen  Forschern 
nicht  genügend  beachtet,  obschon  gerade  die  Verwendung  von 
Alkohol  und  Mineralsäuren  bei  der  Darstellung  des 
Hämins  den  Verdacht  erwecken  sollte,  sagt  Nencki,  dass 
das  Haemin  zum  Teil  esterifiziert  werden  könnte. 

Die  Vermutung  wurde  durch  weitere  Untersuchungen  be¬ 
stätigt,  und  zwar  zuerst  durch  die  aus  dem  N encki sehen  Labora¬ 
torium  (in  St.  Petersburg)  stammende  Untersuchung  von 
M.  Bialob  rzeski  '),  welcher  feststellen  konnte,  dass  aus 
Häminlösungen  im  Amylalkohol,  in  welchem  Chlorwasserstoff 
enthalten  ist,  beim  lange  Zeit  fortgesetzten  Erwärmen  ein 
Produkt  erhalten  wird,  das  nicht  mehr  in 
Alkalien  löslich  ist.  Nencki  mit  Rozycki1')  ist  es 
weiter  gelungen,  verschiedene  Ester  des  Hämins  darzu¬ 
stellen  und  rein  zu  erhalten.  Hauptsächlich  aber  durch  die 
weiteren  wichtigen  Untersuchungen  von  Nencki  mit 
Z  a  1  e  s  k  i  ')  wurde  festgestellt,  dass  im  Häminmolekül 
zwei  Hydroxyle  enthalten  sind,  und  dass  dieser 
Körper,  nicht  allein  mit  Säuren  und  Alkylradi¬ 
kalen  Aether  gibt,  sondern  selbst  mit  indiffe¬ 
renten  Verbindungen  Additionsprodukte 
bildet. 

So  erhält  man,  wenn  Blut  durch  Eisessig  und  Kochsalz 
zum  Zweck  der  Hämindarstellung  nach  Teichmann  be¬ 
handelt  wird,  Acethämin,  in  welchem  eine  Acetyl- 
gruppe  enthalten  ist,  die  weder  mit  O,  noch  mit  N 
in  Verbindung  steht. 

Die  verschiedenen  Hämine  und  seine  Derivate  sind  durch 
verschiedene  Kristallformen  zu  unterscheiden.  Das  Hämin  aus 
Aceton  kommt  in  haarförmigen  Kristallen;  aus  Amyalkohol  in 
sechsseitigen  Tafeln  u.  s.  w. 

Zur  Darstellung  des  Hämatoporp  hy  r  i  n  s,  das  von 
M  u  1  d  e  r  und  Hoppe-Seyler  durch  Auflösen  des 
Hämatins  in  konzentrierter  Schwefelsäure 
erhalten  und  analysiert  wurde,  schlugen  Nencki  mit  Sieber*) 
vor,  Bromwasserstoff  in  Eisessig  zu  verwenden.  Nach  dieser 
Methode  erhaltenes  Iläinatoporphyrin  ist  eisenfrei  und 
zeichnet  sich  durch  charakteristische  Absorptionsbänder  des 
Spektrums  als  ein  Farbstoff  von  der  Formel  C10 II1S  N2.08  aus. 
Durch  Salzsäure  wurde  aus  dem  Hämatoporphyrin  das  salz¬ 
saure  Ilämatoporphyrin  in  kristallin  i.  scher 
Form  von  prächtig  roter  Farbe  erhalten  (C16  H1S  N„  03  HCl). 
Durch  Reduktion  mittels  naszierenden  Wasserstoffes,  am 
besten  durch  Zinn  und  Salzsäure  in  alkoholischer  Lösung,  erhält 
man  aus  Hämatoporphyrin  einen  dem  Urobilin  aus 

3)  Ber.  1885,  S.  2126. 

4)  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmol.  Bd.  XX,  332  u.  325. 

B)  Ber.  1896,  2842. 

°)  Ber.  XXXII,  2928. 

7)  Zeitschr.  f.  pliysiolog.  Chemie  Bd.  30,  S.  384,  1900. 

8)  Arch.  f.  exp.  Pathol.  Bd.  24,  430. 


1 


s74 


Bilirubi  n  ähnlichen,  isomeren  Körper,  der  durch 
grüne  Fluoreszenz  mit  der  ammoniakalischen  Chlorzink¬ 
lösung  ,  sowie  durch  das  gleiche  Absorptionsband ,  näm¬ 
lich  in  gleicher  Lage  des  Spektrums,  ausgezeichnet,  ist. 
Durch  Verreiben  der  Häminkristalle  mittels  konzentrierter 
Schwefelsäure  nach  N  e  n  c  k  i  und  Sieber  wurde  das  An¬ 
hydrid  des  Hämatoporphyrins,  wie  es  sich  nachher 
gezeigt  hat,  erhalten,  das  aus  zwei  Molekülen  des  Hy¬ 
drats  unter  Austritt  vom  Wasser  gebildet 
wird:  (Clö  II18  N„  03)2  =  C32  IF34  N4  05  +  H2  O. 

Von  Nene  k  i  mitl.  Zaleski0)  wurde  das  Hämato- 
porphyrin,  von  der  Formel  C16  H1S  N2  03  auch  durch  B  r  o  m- 
wasser  Stoff  aus  Acethämin  erhalten  und  durch  ein¬ 
gehende  Untersuchungen  festgestellt,  dass  das  Hämatoporphyrin 
den  Charakter  einer  Amidosäure  besitzt,  auch  Salze 
mit  Basen  zu  geben  vermag.  Auch  wird  es  leicht 
esterifiziert. 

Inzwischen  hatten  E.  S  c  h  u  n  k  und  Marchlewski  ) 
darauf  hingewiesen,  dass  das  Phylloporphyrin  C10H18N,O, 
der  roteBlutfarbstoff,  der  aus  Phyllotaonin  resp.  C  h  1  o  r  o  - 
p  h  y  1 1  erhalten  wird,  dem  spektroskopischen  A  erhalten  und  der 
Zusammensetzung  nach  nahe  dem  Hämatoporphyrin 
von  Nencki  und  Sieber  steht. 

Phylloporphyrin  =  C10 II1S  O  V 
Hämatoporphyrin  =  C10  H1S  03  N2. 

Nunmehr  wurden  von  Nencki  und  seinem  Mitarbeiter  Ver¬ 
suche  angestellt,  ob  man  durch  Entziehen  von  2  Atomen  Sauer¬ 
stoff  aus  dem  Hämatoporphyrin  nicht  zu  dem  Phylloporphyrin 
von  S  c  h  u  n  k  und  Marchlewski,  dem  Derivate  des  Chloro¬ 
phylls,  gelangen  könnte. 

Von  Nencki  mit  Zaleski  wurde  versucht,  durch 
Schütteln  mit  Diamid  den  Sauerstoff  zu  entziehen,  sowie  auch 
nach  dem  Beispiel  von  E.  Fischer  die  beiden  Hydroxyle  des 
Hämatoporphyrins  mittels  (PC15)  Phosphorpentachlorid  durch 
Chlor  und  hierauf  die  eingeführten  Chloratome  wieder  durch 
Wasserstoff  zu  ersetzen.  Im  letzteren  Fall  fand  in  der  Tat  eine 
Einwirkung  statt,  aber  die  Reaktion  ging  zu  weit.  Es  wurde 
sogar  zu  einem  biologischen  Reduktionsmittel  'ge¬ 
griffen  und  dadurch  die  Einwirkung  an  aerober  Bak¬ 
terien  (Tetanus  und  malignes  Oedem),  sowie  durch  C  li  o  1  e  r  a- 
Vibrionen  in  Mischkultur  versucht,  den  Sauerstoff 
dem  Hämatoporphyrin  zu  entziehen,  ohne  aber  dass  das  erstrebte 
Ziel  erreicht  wurde. 

In  einer  Abhandlung,  welche  im  J ahre  1896  u)  veröffentlicht 
wurde,  hat  Nencki  auf  die  Aeknlichkeit  der  Muttersub¬ 
stanzen  der  beiden  F  arbstoffe,  des  Hämins  und  des  P  h  y  1  Io¬ 
ta  o  n  i  n  s  (aus  Chlorophyll),  betreffend  ihr  chemisches  V er¬ 
halten,  speziell  auf  das  V ermögen,  Ester  zu  bilden,  hin¬ 
gewiesen.  Durch  Verseifung  der  entsprechenden  Ester  werden 
einerseits  das  FI  ä  m  a  t  i  n  (C32  H31  03  N4  Fe  OH),  anderer¬ 
seits  das  freie  Phyllotaonin  (C40  H30  N„  05  OII)  erhalten. 

Nencki  äusserte  die  Ansicht,  „dass  er  es  als  eine  der 
wichtigsten  Aufgaben  der  physiologischen  Chemie  betrachtet, 
die  Ueberführung  des  einen  der  beiden  Farb¬ 
stoffe  in  den  anderen  zu  bewirken  und  dadurch  ihre 
genetische  Beziehung  zu  einander  festzustellen.  Er  meinte,  dass 
damit  „uns  ein  Einblick  in  die  entfernteste  Vergangenheit  der 
Entwickelungsgeschichte  organisierter  Wesen  gestattet  und  auf 
die  Stammverwandtschaft  der  so  verschiedenen  Organismen,  wie 
der  pflanzliche  und  tierische  sind,  hingewiesen  wird“. 
Die  Verschiedenheit  der  Organismen,  sagt  Nencki,  ist 
„nicht  allein  durch  die  Form  und  den  Bau  der  Organe,  sondern 
auch  durch  die  chemischen  Verbindungen,  aus  welchen  die 
lebendigen  Zellen  bestehen,  bedingt.  Von  der  Natur  dieser  Ver¬ 
bindungen  hängt  der  Modus  des  Stoffwechsels  ab,  und  je  nach 
dem  Stoffwechsel  richtet  sich  die  Gestalt  der  Zellen  und  ihre 
Differenzierung  zu  einzelnen  Organen.  Ein  tieferes  A  erständnis 
der  Entwickelungsgeschichte  der  Organismen  ist  daher  nicht 
allein  vom  Vergleich  der  Formen,  sondern  auch  vom  Vergleich 
der  chemischen  Zusammensetzung  des  Zelleibes  und  des  Stoff¬ 
wechsels  zu  erhalten.“ 

°)  Zeitschr.  f.  physiolog.  Chemie  Bd.  XXX,  384. 

10)  Ann.  d.  Chem.  284,  81  und  290,  306. 

X1)  Ber.  1S96,  2877. 


No.  45. 


Enthält  das  Hämatoporphyrin  zwei  durch  Al¬ 
kyle  ersetzbare  W  asserstoffe,  so  kann  es  als  Di¬ 
oxydverbindung  des  Phylloporphyrins  ange¬ 
sehen  werden.  Zum  Ziele  konnte  man  auf  zwei  AV  egen,  wie 
Nencki  meinte 12),  kommen,  nämlich  entweder  durch  Oxy¬ 
dation  des  Phylloporphyrins,  d.  h.  durch  Dar¬ 
stellung  seines  Dioxydproduktes  oder  umgekehrt  d  u  r  c  h 
ReduktiondesHämatoporphyrins.  Da  das  Phyllo¬ 
porphyrin  schwer  zugänglich  ist,  so  wurde  zuerst  der  zweite  W  eg 
eingeschlagen.  Durch  frühere  Beobachtungen  von  Nencki 
und  Sieber  wusste  man  nämlich,  dass,  wenn  bei  der  Dar¬ 
stellung  des  Hämatoporphyrins  statt  des 
bromwasserstoffhaltigenEisessigs  jodwasser¬ 
stoffhaltiger  verwendet  wird,  kein  Hämatopor¬ 
phyrin,  sondern  ein  jodhaltiges  amorphes  Produkt 
entsteht.  Aus  dem  Roh- Acethämin  wurde  durch  J odwasser- 
stoff  oder  Jodwasserstoff  säure  auch  ein  amorphes  Produkt  er¬ 
halten.  Durch  Einwirkung  aber  von  Phosphonium- 
jodid  auf  Roh-Acethämin,  in  Eisessig  auf¬ 
gelöst,  wurde  nunmehr  von  Nencki  und  Zaleski  )  ein 
kristallinischer  j  o  d  f  r  e  i  e  r  Körper,  der  mit 
Mineralsäuren  kristallinische  Salze  gibt,  er¬ 
halten.  Die  Analysen  dieses  neuen  Körpers  haben  ergeben,  dass 
ihm  die  Formel  C10  FI1S  0„  N2  zukommt,  und  dass  er  infolge¬ 
dessen  in  der  Mitte  zwischen  dem  Phylloporphyrin  und 
dem  Hämatoporphyrin  steht,  weswegen  er  Meso- 
porphyrin  genannt  wurde.  Spektroskopisch  sind  das  Meso- 
und  Hämatoporphyrin  nicht  zu  unterscheiden. 

Mittels  Salzsäure  erhält  man  das  Salzsäure  - Meso- 
porphyri  n.  Aus  der  alkoholischen  Lösung  des  Salzsäure- 
Mesoporphyrins  wurde  durch  Kalium-,  Natrium-,  Ammonium¬ 
acetat  das  freie  Mesoporphyrin  in  grösseren  Kristallen  erhalten. 
Es  wurden  auch  Kristalle  dargestellt,  die  grosse  Aehnlichkeit 
mit  den  Hämatoidinkristallen  besassen,  welche  in  den 
Blutextravasaten  beobachtet  werden.  A  on  besonderer  AVichtig- 
keit  war  aber  die  Entdeckung  des  M  e  s  o  p  o  r  p  h  y  r  i  n  s,  weil 
dies  bedeutend  reaktionsfähiger  zu  sein  scheint  als  das  Hämato¬ 
porphyrin  und  damit  für  weitere  Forschungen  über 
den  Zusammenhang  zwischen  Blatt-  und  Blut¬ 
farbstoff  auch  viel  geeigneter. 

Durch  Oxydation  des  Mesoporphyrins  in  Salzsäurelösung 
mittels  AVasserstoffsuperoxyd  wurde  eine  Verbindung  erhalten, 
w  eiche  dunkelgrün  gefärbte  mikroskopische 
Kristall  nadeln  bildet  und  als  chlorhaltiges  Produkt  auf- 
gefasst  werden  kann. 

Von  Nencki  und  Zaleski13)  wurde  weiter  beobachtet, 
dass,  wenn  bei  der  Darstellung  des  Mesoporphyrins  die  Lösung 
länger  erwärmt  oder  mehr  (PH4I)  Jodphosphonium  zugesetzt 
wird,  ein  mit  AVasser dämpfen  flüchtiger,  sauerstof freier,  ölartiger 
Körper  erhalten  wird,  welcher  Hämopyrrol  genannt  wurde. 
Das  Hämopyrrol  ist  in  Wasser  wenig  löslich,  es  färbt  einen 
befeuchteten  Fichtenspan  intensiv  rot,  was  für  ein  Pyrrolderivat 
spricht.  Es  besitzt  einen  an  Skatol  oder  Naphthalin  erinnern¬ 
den  Geruch.  Mit  Sublimat  gibt  das  Hämopyrrol  ein 
Quecksilber-Doppelsalz  in  Form  eines  amorphen, 
weissen  Niederschlages,  welcher  in  Alkohol  löslich,  in  AVasser 
aber  vollkommen  unlöslich  ist;  durch  Pikrinsäure  erhält  man 
ein  Pikrat  in  Form  von  gelben  Nadeln  oder  6  seitigen  Blätt¬ 
chen.  Die  Analysen  der  beiden  Salze  ergaben  Zahlen,  welche 
für  die  folgende  Zusammensetzung  des  Hämopyrrol  sprechen 
—  C8 II13  N.  Das  Hämopyrrol  ist  in  Mineralsäuren  löslich, 
nicht  aber  in  Essigsäure. 

Die  Zusammensetzung  des  Quecksilbersalzes  spricht  dafür, 
dass  durch  Metall  im  Hämopyrrol  der  Imidwasserstoff 
ersetzt  wird. 

Das  Hämopyrrol  färbt  sich  schnell  (schon  nach 
2  tägigem  Stehen)  an  der  Luft  rot  und  gibt  hämatogenes 
LT  r  o  b  i  1  i  n,  welches  durch  entsprechende  Reaktionen  fest¬ 
gestellt  wurde.  Die  Absorptionsbänder  des  Spektrums  sind  iden¬ 
tisch  mit  denen  des  Urobilins  aus  Bilirubin  (Gallen¬ 
farbstoff). 

AVeiter  wurde  ermittelt,  dass  das  Hämopyrrol  durch  den 
Tierkörper  (Hund  und  Kaninchen)  als  Urobilin  aus- 

,2)  Monatsh.  f.  Chemie  9,  91,  1888. 

13)  Ber.  34,  S.  997. 


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11.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1875 


geschieden  wird.  Im  Ivanincbenharn  wurde  nach  Ilämo- 
pyrrolinjektion  kein  Indikan  gefunden. 

Da  das  Hämin  durch  Bromwasserstoff  fast  quantitativ  in 

2  Moleküle  Hämatoporphyrin  gespalten  wird,  so  müssen, 
meinte  Fi  e  n  c  k  i,  das  H  ä  m  a  t  o  -  resp.  IVl  eso-  resp. 
P  h  lloporphyrin  aus  2  Molekülen  Hämopyrrol  bestehen. 
Unter  \  orbehalt,  dass  die  weiteren  Untersuchungen  es  bestätigen 
würden,  wurde  von  N  e  n  c  k  i  und  Z  a  1  e  s  k  i  ein  unge¬ 
fähres  Bild  von  dem  chemischen  Bau  des 
Hämins  und  der  Porphyr  ine  entworfen  und  zwar  die 

3  Möglichkeiten  ausgesprochen.  Entweder  ist  das  Hämo¬ 
pyrrol  ein  Ilexahydroindol  oder  die  mit  dem 
P  y  rrolkern  verbundene  C4II3- Gruppe  bildet 
eine  offene  Kette,  d.  h.  das  Hämopyrrol  konnte  ein 
B  u  t  y  1  oder  Methylpropylpyrrol  u.  s.  w.  sein. 

Da  es  nicht  gelungen  ist,  sagt  Nencki,  auch  nur  in 
Spuren  Indol  aus  Hämopyrrol  zu  erhalten,  so  spricht 
alles  mehr  für  die  letzten  2  angeführten  Möglich¬ 
keiten,  d.  h.  dass  das  Hämopyrrol  entweder 
Butyl  oder  Methylpropyl-Pyrrol  repräsen¬ 
tiert. 

Für  die  Methyl-Pyrrol-Präexistenz  im  besonderen  spricht 
nun  aber  der  Umstand,  dass  diese  Farbstoffe  aller  Wahrschein¬ 
lichkeit  nach  als  Spaltungsprodukte  des  Eiweisses  bezw.  der 
chromogenen  Gruppe  desselben  gebildet  werden. 

Nach  Nencki  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  beiden 
Porphyrinmoleküle  im  Hämin  durch  das  Eisen 
zusammengehalten  werden.  V on  den  3  Sauerstoffen 
des  Hämins  hat  keiner  die  Eigenschaften  eines  Aldehyds  oder 
Ketonsauerstoffes.  Nachgewiesen  sind  darin  2  Sauerstoffe, 
welche  als  Hydroxyle  enthalten  sind.  Das  Chlor  in  der 
salzsauren  Verbindung  ist  wahrscheinlich  mit  dem  Eisen  ver¬ 
bunden  und  durch  Hydroxyle  beim  Auflösen  des  Hämins  in 
Alkalien,  wobei  Hämatin  entsteht,  ersetzt.  Möglich,  auch  nach 
Nencki,  dass  das  Eisen  nicht  2  Kohlenstoffatome, 
sondern  2  Stickstoffatome  in  dem  Porphyrinmolekül  zu¬ 
sammenhält. 

Schon  in  der  vorher  zitierten  Arbeit  hat  Nencki  seine 
Meinung  geäussert,  dass  er  nicht  zweifelt,  dass  aus  Phyllo- 
porphyrin  mittels  J odwasserstoff  und  Phosphoniumjodid  in 
Eisessig  Hämopyrrol  zu  erhalten  wäre.  Es  war  ferner  be¬ 
reits  festgestellt  —  und  auch  das  liess  sich  zu  Gunsten  der 
Pyrrolnatur  des  Hämato-  und  Phylloporphyrins  anführen  — , 
dass  beide  Präparate  bei  der  trockenen  Destillation  Pyrrol 
resp.  seine  Homologe  liefern. 

Aber  der  Zusammenhang  zwischen  Hämato-  und 
Phyllo  porphyrin  konnte  erst  als  endgültig  festgestellt 
werden,  wenn  es  gelang,  auf  dem  gleichen  Wege  —  also  mittels 
Jodwasserstoffsäure,  Phosphoniumjodid  und 
Eisessig  —  das  Phylloporphyrin  in  Hämopyrrol 
überzuführen.  Dieses  Ziel,  das  endgültig  die 
Beziehung  des  Blatt-  und  Blutfarbstoffes 
klar  stellt  und  damit  auch  einen  grundlegenden  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Tier-  und  Pflanzen¬ 
welt,  wurde  durch  Nenckis  und  Marchlewskis11) 
Unter  suchungen  erreicht.  Aus  Phyllocyaninkupfer- 
acetat  (Chlorophyllderivat)  gelang  es  in  der  Tat,  durch  Jodwasser¬ 
stoffsäure,  Phosphoniumjodid  und  Eisessig  Hämopyrrol  zu 
erhalten  und  durch  charakteristische  Reaktionen,  so  wie  in 
Form  seiner  Quecksilberverbindung  darzustellen  und  dasselbe 
auch  in  Urobilin  überzuführen. 

In  der  mehrmals  zitierten  Abhandlung  „U  eher  die  bio¬ 
logische  Beziehung  des  Blatt-  und  Blutfarb¬ 
stoff  e  s‘k  sagt  Nene  k  i,  „wir  haben  Grund,  anzunehmen, 
dass  Lebewesen,  welche  relativ  mit  den  einfachsten  Mitteln 
die  organische  Materie  aus  Kohlensäure,  Wasser  und  Ammoniak 
aufbauen,  mit  zu  den  ältesten  Bewohnern  unserer 
Erde  gehöre n“.  Die  pflanzlichen  Organismen  bedürfen, 
das  Chlorophyll,  um  unter  Mitwirkung  der  Sonnenstrahlen  die 
Kohlensäure  in  Stärke  überzuführen.  Aus  der  Muttersubstanz 
des  Chlorophylls  entsteht  dann  in  einer  viel  späteren  Periode 
nn  Tierkörper  der  Blutfarbstoff.  Dessen  Funktion  scheint,  vor¬ 
läufig,  eine  viel  einfachere  zu  sein,  nämlich,  den  Luftsauerstoff 
in  lockerer  Bindung  zu  den  Zollen  der  einzelnen  Organe  zu  über¬ 


bringen.  Das  Chlorophyll  aber,  sagt  Nencki,  ist  nicht  nur 
den  Pflanzen  eigen.  Nach  Untersuchungen  von  K.  Brand 
gibt  es  zahlreiche  Protozoen,  Coelente  raten,  sowie 
Planarien,  in  welchen  das  Chlorophyll  nicht  von 
diesen  Tieren  selbst  erzeugt  ist,  sondern  in  besonderen  Organis¬ 
men,  einzelligen  Algen  (Zoochlorellen)  enthalten  ist.  Diese 
Zoochlorellen  ernähren  ihre  Wirte  vollständig.  „Wenn  der 
Wirt  wenig  oder  gar  keine  Zoochlorellen  ent¬ 
hält,  so  ernährt  er  s  i  ch  als  echtes  Tier  durch 
Aufnahme  organischer  Stoffe.  Sobald  die 
Wirte  genügende  Mengen  dieser  grünen  Algen 
enthalten,  ernähren  sie  sich  vermöge  derselben 
wie  echte  Pflanzen  —  durch  Assimilation  von 
anorganischen  Körper  n.“ 

Die  chlorophyllosen  Nitritbakterien  sind 
andererseits  nach  S.  Winogradski  im  stände ,  aus 
Kohlensäure,  Ammoniak  und  anorganischen  Salzen  auch 
komplexe  organische  Verbindungen  aufzubauen.  Gleich  wie  in 
grünen  Pflanzen  findet  in  ihnen  eine  Reduktion  der  CO„  und 
Bildung  organischer  Substanz  statt,  mit  dem  einzigen  Unter¬ 
schiede,  dass  der  Sauerstoff  nicht  als  Gas  entweicht,  sondern  zur 
Oxydation  des  Ammoniaks  zu  salpetriger  Säure  verwendet  wird. 
Es  gibt  aber  auch  Spaltpilze,  welche  wie  die  tierischen  Organis¬ 
men  von  komplexen  Eiweissubstanzen  sich  ernähren  und  der 
zur  Oxydation  notwendige  Sauerstoff  wird  entweder  aus  der  Luft 
oder  aus  dem  Nährboden  (Anaerobiose)  entnommen.  Es  gibt  un¬ 
zweifelhaft  auch  Tiere,  sagt  Nencki,  welche  mittels  eines  an 
ihr  eigenes  lebendiges  Protoplasma  gebundenen,  von  Chloro¬ 
phyll  nicht  zu  unterscheidenden  Farbstoffes 
im  Lichte  wie  grüne  Pflanzen  Kohlensäure  assimilieren.  Wie  es 
chlorophyllose  Pflanzen  gibt,  so  gibt  es  bekanntlich  im  Tier¬ 
reiche  ganze  Klassen,  die  kein  rotes  Blut  haben,  so  z.  B.  findet 
sich  bei  den  Coelente  raten,  Ascidien  und  acephalen 
Mollusken  statt  roten  Blutes  eine  farblose  Flüssigkeit  vor, 
in  welcher  Eiweisstoffe  und  zellige  Elemente  enthalten  sind. 
Die  Cephalopoden,  Gastropoden  und  Crusta- 
c  e  e  n  haben  in  ihren  Gef ässen  einen  farblosen  Eiweisskörper, 
der  an  der  Luft  bläulich  wird  —  das  Hämocyanin  — ,  wel¬ 
chem  respiratorische  Funktion  zugeschrieben  wird.  Erst  bei 
den  W  ürmern  und  bei  allen  Wirbeltieren  ist  rotes  liämo- 
globin  haltiges  Blut  vorhanden. 

Ferner  gibt  es  nach  Nencki  „in  der  organisierten 
Welt  zahlreiche  Beispiele,  wonach  die  Reduktion 
der  Kohlensäure  zu  organischer  Materie  und 
die  Oxydation  der  letzteren  zu  Kohlensäure 
ohne  Chlorophyll  oder  Hämoglobin  geschieht. 
Bei  den  extremen  Repräsentanten  des  Pflanzenreiches,  den 
Blattpflanzen,  und  andererseits  den  rotes  Blut 
führenden  Tieren  werden  aus  einer  und  der¬ 
selben  Muttersubstanz  einerseits  das  Chloro¬ 
phyll,  andrerseits  das  Hämoglobin  aufgebaut. 

Unserem  biologischen  Denken  ist,  wie  wir  sehen,  ein  neues 
Gebiet  erschlossen  und  eine  neue,  wichtige  Erkenntnis  zu  den 
vorhandenen  Tatsachen  hinzugefügt,  die  uns  beweisen,  dass 
Tier-  und  Pflanzenreich  auch  in  biologischer  Bezieh¬ 
ung  nicht  so  streng  von  einander  zu  scheiden 
sind,  wie  man,  noch  vor  wenigen  J ahrhunderten,  anzunehmen 
geneigt  war. 

Hämoglobin 
Hämin 

Hämatin 

Hämatoporphyrin 

Cl6  Hl8  N2  Ü3 

Mesoporphyrin 
Cl6  His  N2  62 

\ 


3")  Damit  Urobilin  aus  Hämopyrrol  entsteht,  müssen  4  Mole¬ 
küle  Hämopyrrol  unter  Aufnahme  von  Sauerstoff  uncl  Abspaltung 
von  Wasserstoff,  wie  es  aus  der  folgenden  Gleichung  zu  sehen  ist, 
in  Reaktion  treten:  (C3  H13  N)4 -ff  Ö13  =  C32  H10  07  N4 -|- 6  H,  O. 

1* 


Chlorophyll 

Pb  yllocyanin 

Phyllotaonin 

Phylloporphyrin 
Cie  His  N2  0 


Hämopyrrol 
Cs  H13  N 

I 

Urobilin13) 
C32  Hio  O7  N4. 


u)  Ber.  34,  S.  1687. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


1876 


Wir  verdanken  diese  Erkenntnis  den  bahnbrechenden  Unter¬ 
suchungen,  der  unermüdlichen  Arbeit  eines  Gelehrten,  der  in  sel¬ 
tener  Weise  chemisches  und  biologisches  Wissen  in  seiner  Person 
vereinigte  und  gerade  dadurch  befähigt  war,  dieses  schwierige 
Gebiet  zu  klären. 

Zur  besseren  Orientierung  sei  hier  noch  einmal  der  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Blut-  und  Blattfarbstoff,  sowie  ihrer 
Derivate,  kurz  gegeben.  (Siehe  vorige  Seite.) 

Die  Kohlehydrate  der  Eiweisskörper  des  Blutserums.*) 

Von  Dr.  med.  et  phil.  Leo  Langstein. 

Die  klinisch  und  experimentell  sichergestellte  Tatsache,  dass 
sich  im  tierischen  Organismus  Zucker  aus  Eiweiss  bilden  könne, 
hat  die  Aufklärung  des  Problems  der  Zuckereiweissfrage  von 
chemischer  Seite  erhoffen  lassen.  „Das  Eiweiss  lässt  sich  als  ein 
Glykosid  bezeichnen,  das  bei  seiner  Spaltung  im  Organismus 

neben  kohlensaurem  Ammon .  hauptsächlich  Kohlehydrat 

liefert“,  zu  dieser  Auffassung  bekennt  sich  v.  Hering  im 
Jahre  1887  in  einem  Vortrag  über  Diabetes  melitus,  und  er 
schliesst  daran:  „Ich  bin  fest  überzeugt,  dass  es  der  Chemie 
gelingen  wird,  aus  Eiweiss  Kohlehydrat  und  Kohlehydratsäuren 
abzuspalten“. 

Man  war  nahe  daran,  das  Problem  der  Zuckereiweissfrage 
für  gelöst  zu  halten,  als  es  P  a  v  y  gelungen  war,  aus  einigen  Ei¬ 
weisskörpern  reduzierende  und  Osazon  gebende  Substanz  zu  ge¬ 
winnen,  und  er  selbst  war  wohl  der  überzeugteste  Vertreter  jener 
Richtung,  die  in  der  „glykosidischen  Natur“  des  Eiweisses  des 
Räthsels  Lösung  erblickte. 

Die  heutzutage  ziemlich  allgemein  geteilte  Auffassung  ist, 
um  es  kurz  zu  sagen,  derjenigen,  die  Pavy  und  mit  ihm  viele 
andere  vertraten,  gerade  entgegengesetzt.  Diese  Wandlung  der 
Anschauungen,  die  sich  innerhalb  des  letzten  Dezenniums  voll¬ 
zog,  ist  eine  Folge  genauerer  Kenntnisse  der  Kohlehydratgruppen 
gewisser  Eiweisskörper.  Es  empfiehlt  sich  wohl,  dieselben  in 
folgendem  kurz  zu  präzisieren. 

Aus  Knorpeleiweiss  lässt  sich  ein  stickstoffhaltiges  komplexes 
Kohlehydrat  abspalten,  das  sog.  Chondrosin.  Nach  Schmiede¬ 
berg  enthält  dasselbe  in  seinem  Molekül  die  Gruppe  des  Chito¬ 
samins  und  der  Glykuronsäure.  Doch  ist  diese  Tatsache  noch 
nicht  hinlänglich  gestützt.  Eine  Reihe  von  Mucinen,  Mucoiden, 
wie  auch  einige  echte  Eiweisskörper  —  Eialbumin,  Eiglobulin, 
Albumin  aus  Eigelb  —  enthalten  Chitosamin,  dasjenige  stick¬ 
stoffhaltige  Kohlehydrat,  das  Ledder  h  ose  aus  Chitin  durch 
Spaltung  mit  konzentrierter  Salzsäure  erhielt.  Die  Kohlehydrate 
der  Nukleoproteide  scheinen  vorwiegend  Pentosen  zu  sein. 

Das  Kohlehydrat  des  Pankreasnukleoproteids  hat  Neu¬ 
berg  durch  eine  wichtige  Untersuchung  als  Xylose  identi¬ 
fiziert. 

Wir  sehen,  dass  es  bisher  nicht  gelungen  ist,  aus  einem  Ei¬ 
weisskörper  einen  gärfähigen  Zucker,  ein  Kohlehydrat,  dessen 
Beziehungen  zur  Glykogenbildung  unzweifelhaft  sind,  abzu¬ 
spalten  ;  und  man  ist  immer  mehr  geneigt,  den  Befund  des  Chito¬ 
samins  zu  verallgemeinern  und  damit  den  chemischen  Teil  des 
Zuckereiweissproblems  für  gelöst  zu  halten.  Es  wird  dabei  über¬ 
sehen,  dass  die  im  Haushalt  des  tierischen  Organismus  eine  Rolle 
spielenden  Eiweisskörper  fast  gar  nicht  untersucht  sind.  Gerade 
eine  genauere  Kenntnis  der  Kohlehydratgruppen  dieser  —  das 
werden  meine  folgenden  Ausführungen  zeigen  —  beweist  jedoch, 
dass  auch  der  chemische  Teil  der  Zuckereiweissfrage  viel  kom¬ 
plizierter,  als  man  gegenwärtig  annimmt,  dass  eine  jede  Vei’- 
allgemeinerung  auf  Grund  vorliegender  Befunde  verfrüht  ist. 

Als  bestbekannte  Repräsentanten  tierischer  Eiweisskörper 
habe  ich  die  des  Blutserums  untersucht.  Bezüglich  des  krystalli- 
sierten  Serumalbumins  kann  ich  mich  kurz  fassen,  da  eine  Mit¬ 
teilung  meiner  Resultate  vor  einiger  Zeit  in  Hofmeisters  Bei¬ 
trägen  erfolgte.  Das  Serumalbumin  ist  ein  kohlehydratarmer 
Eiweisskörper.  Auf  das  Reduktionsvermögen  der  Glukose  be¬ 
rechnet,  enthält  es  ungefähr  Vs  Proz.  Kohlehydrat.  Dieses  ist 
Chitosamin  oder  ein  isomeres.  Ausserdem  beteiligt  sich  an  seiner 
Zusammensetzung  eine  stickstoffhaltige,  ammoniakalische  Silber¬ 
lösung  reduzierende  Kohlehydratsäure,  deren  Konstitution  noch 
nicht  hinreichend  geklärt  ist. 

*)  Nach  einem  in  der  inneren  Sektion  der  74.  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Karlsbad  gehaltenen  Vor¬ 
trag. 


Viel  komplizierter,  aber  auch  viel  interessanter  liegen  die 
Verhältnisse  beim  Blutglobulin,  das  ich  im  Laboratorium  meines 
verehrten  Chefs,  Herrn  Prof.  Friedrich  Müller,  an  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  in  Basel  untersuchte.  Ich  habe  bei  dieser  Unter¬ 
suchung  vollständig  von  der  noch  nicht  geklärten  Frage  ab¬ 
gesehen,  wie  viele  Eiweisskörper  sich  an  der  Zusammensetzung 
des  Blutglobulins  beteiligen.  Zur  Untersuchung  wurde  der  ge¬ 
samte,  durch  Halbsättigung  von  Pferdeblutserum  mit  Ammon¬ 
sulfat  aussalzbare  Anteil  herangezogen.  Bei  der  Herstellung  des¬ 
selben  wurde  ich  in  uneigennütziger  Weise  von  den  Höchster 
Farbwerken  unterstützt.  Dass  im  Blutglobulin  ein  Kohle¬ 
hydratkomplex  präformiert  ist,  war  durch  Untersuchungen  von 
lörner  und  E  i  c  h  li  o  1  z  sichergestellt.  Ueber  die  Natur  des¬ 
selben  haben  die  beiden  Forscher  nichts  Näheres  ermittelt. 
Eichholz  ist  der  Meinung,  dass  das  Kohlehydrat  nicht  aus 
dem  Globulin,  sondern  aus  einem  diesem  beigemengten  Mucoid- 
stoff  stamme.  Auf  Grund  meiner  eigenen  diesbezüglichen  Er¬ 
fahrungen,  die  ich  a.  a.  O.  mitteilen  werde,  kann  ich  dieser  Auf¬ 
fassung  von  Eich  holz  nicht  beipflichten,  ich  schliesse  mich 
Mörner  an,  der  in  einem  Globulin  die  Muttersubstanz  des 
Kohlehydrates  sieht. 

Da  in  nächster  Zeit  eine  ausführliche  Mitteilung  meiner 
Untersuchung  der  Kohlehydrate  der  Blutglobuline  in  Hofmeisters 
Beiträgen  erscheint,  mit  genauer  Angabe  der  Methodik,  kann 
ich  mich  hier  auf  die  Mitteilung  des  Notwendigsten  beschränken. 
Zur  Abspaltung  der  Kohlehydrate  diente  mir  verdünnte  Brom¬ 
wasserstoffsäure,  zur  Identifizierung  jener  die  Oxydations-  und 
Benzoylprodukte,  aus  welch  letzteren  die  Kohlehydrate  selbst 
durch  Verseifung  dargestellt  wurden.  Es  wurden  isoliert:  Lin 
stickstoffhaltiges  Kohlehydrat,  das  nicht  Chitosamin  ist,  dessen 
Benzoylprodukt  durch  gutes  Kristallisationsvermögen  ausge¬ 
zeichnet  ist;  ein  linksdrehender,  nicht  vergärbarer,  ein  gut 
kristallisierbares  Osazon  gebender  Zucker;  endlich  als  wich¬ 
tigstes  Ergebnis:  ein  rechtsdrehendes,  ver¬ 
gärbares,  zu  Zuckersäure  oxydables  Kohle¬ 
hydrat,  dessen  Benzoylprodukt  vollständig 
identisch  war  mit  Benzoylglukose.  Es  kann 
demnach  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
Traubenzucker,  dieses  im  Haushalt  des  tieri¬ 
schen  Organismus  die  wichtigste  Rolle  spie¬ 
lende  Kohlehydrat,  sich  am  Aufbau  des  Blut¬ 
globulins  beteiligt. 

Ob  von  mir  nachgewiesener  Fruchtzucker  im  Blutglobulin 
wirklich  präformiert  ist,  muss  vorläufig  dahingestellt  bleiben, 
da  er  sich  bei  der  zweimal  vorhanden  gewesenen  alkalischen-  Re¬ 
aktion  möglicherweise  aus  Traubenzucker  sekundär  gebildet  hat. 

Auf  die  Bedeutung  des  Befundes  von  Traubenzucker  im  Ei¬ 
weissmolekül  als  stickstof  freien  Baustein  desselben  wurdevon  Prof. 
Hofmeister  bereits  in  seinem  Vortrag  über  die  Konstitution  des 
Eiweissmoleküls  in  Karlsbad  hingewiesen,  es  mögen  hier  nur  noch 
ein  paar  Worte  über  die  physiologische  Bedeutung  Platz  finden. 
Vor  allem  sei  die  Frage  aufgeworfen:  Erklärt  uns  der  Befund 
von  Traubenzucker  im  Blutglobulin  seine  Bildung  aus  Eiweiss 
im  Organismus?  Können  die  grossen  Mengen  Traubenzuckers, 
die  z.  B.  vom  diabetischen  Organismus  aus  Eiweiss  gebildet  wer¬ 
den,  durch  die  einfache  Abspaltung  von  Traubenzucker  aus  Blut¬ 
globulin,  durch  die  glykosidische  Natur  dieses  Eiweisskörpers, 
ihre  Erklärung  finden? 

Külz  hat  seinerzeit  den  Ausspruch  getan,  dass,  wenn  es 
selbst  einmal  gelänge,  aus  Eiweiss  einen  Körper  abzuspalten, 
dessen  Beziehungen  zur  Glykogenbildung  unzweifelhaft  sind,  es 
für  die  Beurteilung  der  physiologischen  Bedeutung  dieses  Be¬ 
fundes  im  wesentlichen  auf  die  Menge  ankäme,  in  der  dieser 
Körper  vorhanden  wäre.  Nach  meiner  Berechnung  enthält  das 
Blutglobulin  ungefähr  1  Proz.  Glukose,  eine  nicht  im  entfern¬ 
testen  ausreichende  Menge,  um  die  vom  diabetischen  Organismus 
aus  Eiweiss  gebildete  zu  decken.  Allerdings  gibt  der  Befund  des 
Traubenzuckers  zu  einer  anderen  Betrachtungsweise  Anlass. 
Das  Blutglobulin  könnte  im  stände  sein,  sich  mit  Kohlehydrat  zu 
beladen,  um  es  in  der  Leber  abzugeben,  so  dass  es  kohlehydrat¬ 
ärmeres  und  kohlehydratreicheres  Blutglobulin  gäbe  —  eine  An¬ 
nahme,  die  jüngst  Mörner  für  das  kristallisierte  Ovalbumin 
gemacht  hat.  Diese  Hypothese  gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit 
durch  den  von  S  e  e  g  e  n  erhobenen  Befund  eines  stickstoffhalti¬ 
gen  Kohlehydrates  in  der  Leber,  das  durch  Spaltung  sich  in  einen 
vergärbaren  Zucker  überführen  lässt;  denn  ein  stickstoffhaltiges 


11.  November  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1877 


Kohlehydrat  muss  nach  Hörners  und  meiner  Untersuchung 
auch  als  Muttersubstanz  der  Globulinglukose  angenommen 
werden. 

Was  ich  eben  vorbrachte,  ist  nur  eine  Hypothese,  die  nicht 
mehr  als  den  Wert  einer  solchen  beansprucht.  Der  Zweck  dieser 
vorläufigen  Mitteilung  ist  vollständig  erfüllt,  wenn  es  mir  ge¬ 
lungen  ist,  zu  zeigen,  dass  auch  der  chemische  Teil  der  Zucker¬ 
eiweissfrage  noch  keineswegs  erledigt  ist,  dass  vielmehr  ein  jeder 
Fortschritt  in  diesem  anregend  wirkt  für  höchst  wichtige  Stoff¬ 
wechselfragen. 


Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  des  Herrn  Professor  v.Bauer 

in  München. 

Zur  Kenntnis  der  rhinogenen  purulenten  Meningitis 
und  Zerebrospinalmeningitis. 

\ on  Dr.  Theodor  Struppler. 

Noch  bis  vor  ca.  20  Jahren  wurde  bei  Sektionen  von 
Menmgitisf allen  der  Ausgangspunkt  häufig  nicht  aufgedeckt;  als 
man  aber  den  pneumatischen  Höhlen  des  Schädels  mehr  Beach¬ 
tung  schenkte,  ist  die  Diagnose  „sporadische  epidemische  Zere¬ 
brospinalmeningitis“  klinisch  und  auch  auf  dem  Sektionstisch 
viel  seltener  geworden  und  die  Literatur  über  die  sogen,  rhinogene 
und  otogene  Meningitis,  je  fleissiger  danach  gesucht  wird  hat 
stets  zugenommen.  Damit  soll  nun  nicht  gesagt  sein,  dass  bei 
der  echten  Zerebrospinalmeningitis  nicht  auch  in  den  Nasen¬ 
nebenhöhlen  ausserdem  noch  andere  komplizierende  Prozesse  sich 
lokalisieren  könnten,  die  höchst  wahrscheinlich  erst  nach  Aus¬ 
bruch  des  Grundleidens  entstanden  sein  können,  zu  welcher  An¬ 
nahme  daraufhin  gerichtete  Untersuchungen  von  E.  Fränkel 
drängen. 

Nachdem  W  eigert  bei  einigen  Sektionen  von  Zerebro¬ 
spinalmeningitis  gezeigt  hatte,  dass  die  oberen  Teile  der  Nasen¬ 
höhlen  einen  intensiv  entzündlich-eitrigen  Zustand  auf  wiesen, 
hat  Strümpell  (1882)  bei  einer  Besprechung  der  Aetiologie 
der  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica  den  Gedanken  aus¬ 
gesprochen,  dass  die  Entzündung  in  der  Nasenhöhle  möglicher¬ 
weise  einen  Anhaltspunkt  geben  könne  für  die  Erforschung  des 
Weges,  .  äuf ^  welchem  der  Infektionsstoff  der  epidemischen 
Meningitis  in  den  Körper,  speziell  in  die  scheinbar  so  abge¬ 
schlossenen  Höhlen  des  Gehirns  und  Rückenmarks  gelangt. 
Strümpell  hat  deshalb  damals  ausser  den  Störungen  des 
Gesichts  und  Gehörs  auch  den  Störungen  des  Geruchs  eine  ge¬ 
wisse  Bedeutung  beim  Beginn  und  im  Wesen  der  Zerebrospinal¬ 
meningitis  beimessen  wollen.  Eine  ältere,  sichere  und  genau  be¬ 
schriebene  Beobachtung  von  Mair,  wo  der  Zusammenhang 
zwischen  diffuser  eitriger  Meningitis  und  linksseitiger  Antrum¬ 
eiterung  nach  Karies  eines  Molarzahnes  (also  dentalen  Ursprungs) 
vollständig  klar  war,  hatte  indessen  schon  vorher,  seit  1866  Vor¬ 
gelegen. 

Auch  W  eichselbaum,  der  wohl  zuerst  am  posi¬ 
tivsten  auf  den  rhinogenen  Zusammenhang  hingewiesen  hat, 
fand  in  5  von  10  1  allen  tödlich  verlaufener  Zerebrospinal¬ 
meningitis  die  Nasenhöhle  mitergriffen  und  konnte  somit  den 
früheren  Hinweis  von  Weigert  und  Strümpell  bestätigen. 
Im  Eiter  der  erkrankten  Stellen  waren  von  W  eichselbaum 
Pneumoniekokken  nachgewiesen  worden. 

Die  hierher  gehörigen  klinischen  Beobachtungen  über  die 
nasale  Aetiologie  der  Meningitis  haben  bis  zum  Jahre  1896 
Grünwald,  Dreyfuss  und  neuerdings  K  i  1 1  i  a  n, 
Schultz  e,  auf  deren  Arbeiten  wir  hiermit  verweisen  wollen, 
bereits  aufgeführt.  Aus  dieser  Kasuistik  kann  man  entnehmen, 
dass  es  unrichtig  ist,  wenn  man  die  chronischen  Eiterungen  der 
Highmorshöhlen  unter  den  eitrigen  Nebenhöhlenkatarrhen,  für 
die  am  meisten  harmlosen  in  Bezug  auf  Mortalität  halten  wollte. 
Auch  ohne  dass  operative  Eingriffe  an  der  Nase  —  die  man 
gerne  anzuschuldigen  pflegte  —  vorausgegangen  wären,  kann  es 
von  der  Kieferhöhle  aus  auf  dem  Wege  der  venösen  Blut-  und 
Ly ni p li bahnen  zu  Infektion  der  Meningen  kommen  (nach  den 
Untersuchungen  Zuckerkandis  anastomosieren  die  Nasen¬ 
venen  mit  denen  der  Dura  mater1);  dabei  kann  das  Siebbein- 

’)  Z  u  c  k  e  r  k  a  n  d  1  gelang  es,  durch  Injektion  einer  Flüssig- 

111  öen  Sinus  longitud.  superior  unmittelbar  über  der  Nasen¬ 
höhle  zu  beweisen,  dass  die  Venen  der  Schleimhaut  der  Stirn¬ 
höhlen  und  diejenigen,  welche  zum  Foramen  coeeum  hinführen, 
ebenso  wie  die  der  oberen  Hälfte  der  Nase  mit  der  von  obenher 

No.  45. 


labyrinth  gleichzeitig  sekundär  miterkrankt  sein  oder  ganz  gesund 
befunden  werden. 


Ganz  besonders  hat  Grünwald  den  Zusammenhang  der 
tödlichen  endokephalen  Entzündungen  mit  latenten  Eite¬ 
rungen  betont  und  zu  beweisen  versucht,  dass  die  jeweilige  Ope¬ 
ration  —  von  Fällen  wirklicher,  grober  Kunstfehler  abgesehen  — 
nur  als  Gelegenheitsursache  zum  Ausbruch  der  ersteren  aufgefasst 
werden  könne.  —  Im  Verlaufe  der  letzten  paar  Jahre  ist  eine 
weitere  Reihe  von  Fällen,  welche  teils  mit  gutem,  teils  mit 
schlechtem  Erfolg  operiert  wurden,  und  solche,  die  unoperiert  ge¬ 
blieben  und  ad  exitum  gekommen  sind,  bekannt  geworden.  Be¬ 
merkenswert  erscheinen  uns  die  folgenden: 

Dennis:  Empyem  der  Siebbeinzellen.  Operation.  Tod. 

E.  Fränkel:  Chronische  Eiterung  in  beiden  Highmors¬ 
höhlen.  Empyem  der  Stirnhöhle.  Thrombophlebitis  des  oberen 
Längsblutleiters  mit  Fortkriechen  nach  dem  Querblutleiter  und 
konsekutiver  Pyämie.  Keine  Operation.  Tod. 


iNaen  n.  vvertneims  Statistik  über  10  394  Autopsien 
des  Breslauer  pathologischen  Instituts  durften  6  der  endo- 
kraniellen  Eiterungsfälle2)  der  Kategorie  zugezählt  werden,  bei 
welcher  die  Nasenaffektion  mit  Sicherheit  die  endokranielle  Kom¬ 
plikation  ausgelöst  hatte: 

4  männliche  Individuen  von  13,  17,  23  und  43  und  2  weibliche 
Individuen  von  37  und  52  Jahren.  In  den  Wertheimscheu 
Fallen  handelte  es  sich  4  m  a  1  um  eine  Menin- 
g  1 * 1 1  s  p  u  rulenta,  1  m  a  1  um  Hirnabszess  mit 
Meningitis,  1  m  a  1  um  Stirnlappenabszess  In 
emem  der  6  Fälle  bestand  nur  Stirnhöhleneiterung,  in  einem 
andern  nur  Keilbeinhöhlenempyem,  2  mal  Keilbein-  und  Kiefer- 
liohlenempyem  zugleich;  1  mal  waren  Stirnhöhlen,  Siebbeinzellen- 
und  Keilbeinhöhlen,  1  mal  Stirnhöhlen,  Siebbeinzellen  und  Kiefer¬ 
höhlen  gleichzeitig  Sitz  der  Erkrankung. 

d1  r  e  i  t  e  1  hat  etwa  6000  Sektionsprotokolle  des  Berliner 
pathologischen  Instituts  durchgesehen,  darunter  konnten  3  Fälle 
von  Hirnabszess  auf  eine  Eiterung  der  Stirn  -resp.  der  Stirn- 
und  Siebbeinhöhle  bezogen  werden. 

Röpke  Stirnhöhleneiterung  mit  Durchbruch  in  die  Orbita 
und  vordere  Schädelgrube.  Operation. 

Nach  Aufmeisselung  der  eiternden  Stirnhöhle  liegt  die  Dura 
frei;  lateral wärts  kommt  man  mit  der  Sonde  in  die  Orbita  4b- 
meisselung  des  grössten  Teiles  der  vorderen  Wand,  breite  Durcli- 
meisselung  nach  dem  Siebbein,  Ausschabung  der  kranken,  stark 
verdickten,  sulzigen  Schleimhaut  der  Stirnhöhle.  Seitdem  Wohl¬ 
befinden  des  Patienten. 

Hopmann  beobachtete  einen  ähnlichen  günstig  verlau¬ 
fenen  Fall. 


Claoue:  Empyem  der  1.  Kieferhöhle.  Akute  Sekundär¬ 
affektion  der  anderen  linken  Nebenhöhlen.  Tod  durch  diffuse 
Meningitis. 

Kieferhöhle  war  von  der  Alveole  her  geöffnet  worden, 
die  Infektion  der  Stirnhöhle  und  besonders  die  der  Etlimoidal- 
zellen  konnte  aber  dadurch  nicht  verhütet  werden.  Es  wurden 
diese  letzteren  noch  von  aussen  her  eröffnet.  Trotzdem  kam  es 
sehr  bald  zu  Meningitis. 

Gibson:  Empyem  der  Stirnhöhlen  und  intrakranielle  In¬ 
fektion. 


Symptome  von  seiten  der  Nasen-  und  Stirnhöhlen,  die  seit 
ü  Jahren  bestanden.  Eröffnung  beider  Sinus.  Exitus  nach 
9  Tagen  an  basaler  Meningitis. 

Schlagenhauf er :  Meningitis  suppurativa  und  Thrombo¬ 
phlebitis  der  Sinus  longitudinalis  bei  „cystischer  Entartung“ 
der  Schleimhaut  der  Keilbeinhöhle,  der  Nase,  beider  Highmors¬ 
höhlen  und  der  Siebbeinzellen. 

Denker:  Rhinogener  Frontallappenabszess  und  extra¬ 
duraler  Abszess  in  der  Stirngegend,  durch  Operation  geheilt. 

H  insberg:  Stirnhöhleneiterung.  Meningitis.  36  Stunden 
nach  der  Operation  Exitus  letalis.  — 

Wir  verfügen  über  3  weitere  einschlägige  Fälle,  welche  wir 
unter  dem  Meningitismaterial  der  medizinischen  Abteilung  des 


injizierten  Flüssigkeit  erfüllt  waren.  Die  Vena  ethmoidalis  anterior 
und  post,  münden  gewöhnlich  in  den  Sinus  longitudinalis  superior, 
manchesmal  treten  sie  auch  durch  die  Vena  ophthalmica  sup  in  die 
Meningea  ein  und  seltener  durch  die  Vena  ophthalm.  inferior. 
Es  existiert  auch  eine  Vene,  welche  durch  die  Lamina  cribrosa 
durchtritt  und  in  den  Sinus  longitudinalis  einmündet  oder  in  die 
Venen  des  Tractus  olfactorius. 

2)  „Bezeichnend  für  diese  mehr  oder  weniger  klargestellten 
Fälle  ist  die  Zeit,  in  der  sie  zur  Beobachtung  kamen:  einer  der 
6  Fälle  wurde  nämlich  1892/93,  3  Fälle  wurden  1895/96  und 

2  Fälle  1896/97  obduziert.  Darnach  entfallen  also  5/0  dieser  Fälle 

auf  das  letzte  Lustrum,  in  dem  man  ja  erst  angefangen  hat,  bei 

der  Sektion  solcher  Fälle  auf  die  Verhältnisse  in  den  Nebenhöhlen 

der  Nase  besonders  zu  achten.“ 


2 


L878 


MtTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  45. 


Herrn  Prof.  v.  Bauer  in  den  letzten  6  J ahren  beobachten 
konnten.  Für  die  Ueberlassung  der  Kranlienberichte  sage  ich 
auch  an  dieser  Stelle  meinem  hochverehrten  Chef  verbindlichsten 
Dank. 

Auch  diese  Fälle  von  rhinogener  Meningitis  verdienen,  wie 
wir  sehen  werden,  in  vieler  Beziehung  besonderes  Interesse. 

I.  Y.  Oskar,  Tischler,  24jähr.;  Journal.-No.  945.  (0.  II.  bis 

IS.  III.  1897.) 

Auszug  aus  der  Krankheitsgeschichte: 

Anamnese  nur  dürftig  zu  erheben,  da  Pat.  bei  der  Auf¬ 
nahme  schon  etwas  benommen  ist.  Angeblich  schon  seit  8  Tagen 
grosse  Mattigkeit  in  den  Gliedern,  Schmerzen  im  Nacken,  Rücken 
und  Kreuz;  seit  3  Tagen  Atem-  und  Schluckbeschwerden;  viel  Kopt- 
weli,  etwas  Husten.  1890  Rippenfell-,  Unterleibseiitzündung,  Ge¬ 
lenkrheumatismus.  Von  Nasen-  und  Ohrenerkrankung  ist  nichts 
bekannt. 

Verlauf:  6.  II.  Temperatur  bis  40,0°.  Puls  SO.  Eiweiss, 
Zucker  positiv.  Nackenstarre,  Gehirnnerven  intakt.  Hyper¬ 
ästhesie  der  unteren  Extremitäten.  —  Nach  2 Wochen  ausgesproche¬ 
ner  Trismus;  Blasen-,  Mastdarmstörung,  zunehmendes  Koma; 
Klonus  der  Finger;  Pupillen  weit,  Reaktion  träge;  subnormale 
Temperaturen.  Puls  voll,  aber  stets  sehr  frequent.  Bei  dei 
Lumbalpunktion  konnten  einmal  65  ccm,  nach  8  lagen 
70  ccm  klarer  Flüssigkeit  entleert  werden.  —  Unter  zunehmender 

Schwäche  Exitus  letalis.  .  ,  . 

Anatomische  Diagnose:  Subakute,  eitri0- 
fibrinöse  und  fibröse  Leptomeningitis  cere¬ 
bral  i  s  (der  Basis  und  Konvexität)  und  s  p  i  n  a  1 1  s 
nach  Eiterung  der  beiden  Highmorshöhlen,  be¬ 
sonders  linkerseits.  Nebenbefund:  Obsolete 
Spitzentuberkulose.  Extradurale  Blutung. 

Aus  dem  Sektions  Protokoll:  Nervensyste  m. 
Nach  Wegnahme  des  Daches  ist  in  der  1.  Schläfengegend  vor  der 
Meningen  media  die  Dura  in  Fünfmarkstückausdehnung  duicli 
einen  dunklen,  geronnenen  Bluterguss  abgehoben;  bei  \\  egnahnie 
des  Daches  zeigt  sich,  dass  ein  Teil  der  vorderen  Hirnteile  dei 
Dura  innig  adhärent  und  graurot  verfärbt  ist.  An  den  Knochen- 
teilen  der  Basis  und  Schädelkapsel  kein  pathologischer  Anhalts¬ 
punkt.  Die  weichen  Häute,  entsprechend  dem  Stirnlappen  bis 
fast  zur  Scheitelhöhe  sind  milchig  getrübt  und  verdickt.  Im  bub- 
arachnoidealraum  etwas  sulzig-gelbliche  Massen.  Die  weichen 
Häute  der  Basis  in  der  Regio  foss.  Sylv.  auch  milchig  getrübt  und 
fibrös  verdickt,  aber  ohne  flüssige  Einlagerung.  Dem  extraduralen 
Erguss  entsprechend  an  der  Seitenfläche  des  1.  Stirnlappens  eine 
leichte  Impression.  Grosshirn  weich,  alle  Ventrikel  etwas  er¬ 
weitert  mit  einigen  Tropfen  klarer  Flüssigkeit.  Ependym  beson¬ 
ders  in  der  Rautengrube  etwas  granuliert,  sehr  wenig  injiziert. 
Basalganglien,  Pons,  Cerebellum,  Oblongata  makroskopisch  ohne 

pathologischen  Befund.  .  .  .  , 

Bei  Eröffnung  der  Sieb-  und  Keilbeinhohlen  ist 
die  Schleimhaut  sehr  dünn,  wie  eine  fast  rein  weisse  Membran. 
In  beiden  Kieferhöhlen,  besonders  stark  aber  in  der  linken, 
ist  die  Schleimhaut  stark  sulzig  geschwellt  und  bedeckt  mit  einer 
reichlichen  Menge  von  grünlich-eitrigen  Massen. 

Rückenmark:  Die  weichen  Häute  des  R.-M.  sind  ähn¬ 
lich  wie  die  Häute  an  der  Fossa  Sylv.  grün-gelblicli  getrübt  und 
von  einer  schleimig-sulzigen  Masse  diffus  durchsetzt,  am  stärksten 
an  der  dorsalen  Seite  des  Lendenmarks,  etwas  weniger  stark  in  der 
Gegend  des  Halsmarkes.  Auf  Querschnitten  die  Rückenmark¬ 
substanz  überall  sehr  deutlich,  die  weisse  Substanz  nur  wenig 

überquellend.  r  ,  AT 

II  D.  Karl,-  Klavierstimmer,  43  jahr.  Journal-No.  1108. 

(4.-5.  II.  1902.)  _  .  ,  .  w 

Auszug  aus  der  Krankheitsgeschichte.  _ 

Pat.  ist  bei  der  Aufnahme  ganz  benommen.  Von  seinen  Kol¬ 
legen  ist  in  Erfahrung  zu  bringen,  dass  die  Krankheit  mit  Uebel- 
keit,  Schlaflosigkeit,  Appetitlosigkeit,  Mattigkeit,  Fieber  und  Er¬ 
brechen  5  Tage  vor  Krankenhausaufnahme  begonnen  habe.  Er¬ 
brechen  sei  auch  aufgetreten,  wenn  Pat.  sich  niedergelegt  habe. 
Kopfweh  habe  schon  seit  einiger  Zeit  bestanden.  Frühere  durch¬ 
wein  achte  Krankheiten  sollen  nicht  vorhanden  gewesen  sein. 

Verlauf:  4.  II.  Bewusstlosigkeit.  Kein  Herpes.  Zahne 
sehr  defekt.  Pupillen  eng,  Reaktion  erhalten.  Keine  Fazialis¬ 
lähmung.  Nackensteifigkeit.  Klonische  Zuckungen  m  beiden 
oberen  Extremitäten.  Patellarseknenreflexe  beiderseits  gesteigert. 
Ternp.  40,7.  — -  L  u  m  balpunlction  negatii. 

5  II.  Linke  Nasolabialfalte  verstrichen,  Gesicht  nach  rechts 
verzogen  Ueberall,  besonders  an  den  unteren  Extremitäten,  er¬ 
höhter  Muskeltonus.  Pupillen  mittelweit,  reagieren  nur  sehr  trage. 
Spez.  Gewicht  des  Urins  1027.  E -f  (Esbach  1,2  Prom.),  Blut  +, 
Zucker  _ .  Im  Harnsediment  massenhaft  hyaline,  granu¬ 

lierte,  degenerierte  Epithelzylinder,  vereinzelte,  kugelige  Epi- 
thelien,  Erythrocyten.  Exitus  letalis  im  Koma. 

Anatomische  Diagnose:  Leptomeningitis 
rulenta  acuta  nach  chronischem  Empyem 
r.  Highmors  höhle.  Hyperämie  und  O  e  d  e  m 
L  u  n  g  e  n.  Nephritis  parenc  li.  acuta. 

Nebenbefund:  Adhäsivpleuritis.  Narbe 

der  Magenschleimhaut. 

Aus  dem  Sektionsprotokoll:  Nervensystem. 
Nach  Wegnahme  des  Schädeldachs  ist  die  Dura  aussen  glatt,  mit 
stark  gefüllten  Gefässen.  Auf  der  Innenfläche  der  Pia  Spuren 
eines  bräunlich  gefärbten,  leicht  abstreifbaren  Belages.  Ueber 
dom  r.  Frontallappen  findet  sich  in  den  Subarachnoidealraumen 
eine  trüb  gelbliche,  sulzige  Masse.  Die  weichen  Häute  der  Basis 
ohne  Trübung.  Am  Rand  des  Kleinhirns  sind  zu  beiden  Seiten 


sie 

r. 

ca. 


pu- 
d  e  r 
der 

i  n 


-die  weichen  Häute  sulzig  infiltriert  und  besonders  über  dem  Wurm 
von  der  Hirpsubstanz  abgehoben  und  vorgewölbt.  Beim  Ein¬ 
schneiden  über  diesen  Stellen  entleert  sich  klare  Flüssigkeit. 
Seitenventrikel  nicht  erweitert.  Ependym  getrübt,  von  ver¬ 
waschenen  Flecken  durchsetzt,  ohne  Knötchen.  Venen  der  lela 
sehr  gefüllt.  Stammganglien,  Pons,  Oblongata  normal.  An  der 
Wand  des  Wirbelkanals  nichts  Abnormes. 

Beim  Eröffnen  der  Nasen-,  Sieb-  und  Keilbein- 
höhle  nichts  Besonderes.  Am  Boden  der  r.  K  i  e  t  e  r  - 
höhle  eine  graue  Hervorwölbung,  die  beim  Einstechen  einen 
rahmigen,  gelblichen  Eiter  entleert. 

III.  A.  Magdalena,  -Zugeherin,  45  j ahr.  Journal-No.  —39. 
(10.— 13.  III.  1902.)  Dieser  Fall  bot  klinisch  wegen  komplizierender 
Verhältnisse  besondere  Schwierigkeiten. 

Auszug  aus  der  Krankheitsgeschichte: 

Anamnese:  Pat.  klagt  in  den  wenigen  Augenblicken,  wo 
etwas  bei  sich  ist,  über  Kopfdruck  und  Schmerzen  m  der 
Stirn-  und  Gesichtshälfte.  Diese  Beschwerden  haben  vor 
4  Tagen  begonnen,  gleichzeitig  mit  grosser  Schwäche,  Mattig¬ 
keit  und  Fieber!  Auch  sollen  Schmerzen  in  beiden  Ohren  bestanden 
haben.  Am  heutigen  Tage  sei  sie  plötzlich  sehr  blass  und  vorüber¬ 
gehend  bewusstlos  geworden;  ihrer  Umgebung  konnte  sie  sich  nicht 
mehr  verständlich  machen.  Von  früheren  Krankheiten  hat  1  at. 
vor  1  Jahre  Influenza  durchgemacht.  Seit  %  Jahren  leide  sie  viel 
an  Kopfweh.  Ohren-  oder  nasenleidend  sei  Pat.  nie  gew-esen;  seit 
einigen  Jahren  trage  sie  künstliches  Gebiss. 

Nervensystem:  Grosse  motorische  Unruhe.  Nacken¬ 
steifigkeit.  Patellarsehnenreflexe  gesteigert,  wechselnd  in  der  In¬ 
tensität.  Die  sämtlichen  Extremitäten  paretisch.  Pupillen  eng, 
Reflexe  fehlend.  Links  Lagopktlialmus.  Rechts  Strabismus  con- 
vergens.  R.  Fazialis  gelähmt.  Analgesie  auf  beiden  unteren  Ex¬ 
tremitäten.  Urinverhaltung  abwechselnd  mit  Harnträufeln. 

Am  Augenliinterg  r  u  n  d  beiderseits  die  Pupille  scharf 
abgegrenzt  mit  leichter  physiologischer  Exkavation  und  mässiger 
Füllung  der  Retinalvenen. 

Verlauf:  10.  III.  Temp.  39,5 — 38,7.  Puls  120—132.  Re¬ 
spiration  40 _ 44.  Spez.  Gewicht  des  Urins  1019.  Eiweiss  -j- 

(Esbach  1  Prom.),  Blut  -f-,  Azeton  -(-,  Urobilin  -f-,  Indikan  , 
Diazo  —  Im  Urinsediment  reichlich  Zylindroide,  Ivornchen- 
und  metamorphosierte  Zylinder,  platte  und  polygonale  Epithelien; 
etwTas  spärlicher  Leukocyten  in  fettiger  und  körniger  Degeneration 

und  ausgelaugte  Erythrocyten. 

11.  III.  Am  Schädeldach  keine  Krepitation.  Processus  mastoi- 
deus  beiderseits  nicht  druckempfindlich.  Heute  überall  Hyper¬ 
ästhesie.  (Analgesie  geschwunden.)  Vermehrter  Muskeltonus  der 
oberen  Extremitäten.  Zeitweise  Trismus.  C  he  y  n  e  -  St  okes- 
sclies  Atmen.  Andauerndes  Koma.  Lumbalpunktion  ei- 

gebnislos.  ,  ,.  . 

12.  III.  Bei  der  otologischen  Untersuchung  fand 
sich  der  linke  knöcherne  Gehörgang  von  einer  polypösen  Wuche¬ 
rung  eingenommen,  welche  mit  der  Sonde  von  oben,  lome  tind 
unten  gut  zu  umgehen  ist;  Sekret  nicht  vorhanden.  Der  klein- 
bohnengrosse  Polyp  wird  mit  der  Schlinge  abgetragen  und  ist 
etwas  schwer  zu  durchschneiden.  Da  man  auf  Grund  dieses 
Ohrenspiegelbefundes  (Polyp  vor  dem  Trommelfell)  als  Ausgangs¬ 
punkt  der  Meningitis  mangels  genauerer  anamnestischer  Daten 
eine  linksseitige  Mittelohraffektion  vermutete,  wurde  von  Hofrat 
B  e  z  o  1  d  das  Antrum  eröffnet  und  die  mittlere  Schädelgrube  bloss¬ 
gelegt,  doch  erweisen  sich  das  Antrum  und  die  betref¬ 
fende  freigelegte  Stelle  der  Dura  als  u  n  \  ei¬ 
ändert.  Bei  der  Inzision  der  Dura  entleert  sich  ein  kleines 
Blutkoagulum,  aber  kein  Liquor. 

13.  III.  Zeitweise  auftretender  tonischer  Krampf  m  der 
1.  oberen  Extremität.  Schlaffe  Lähmung  der  3  übrigen  Extremi¬ 
täten.  Lungenödem.  Exitus  letalis. 

Anatomische  Diagnose:  Akute,  purulente, 
diffuse  Leptomeningitis  über  Basis,  Konvexi¬ 
tät  Pons,  Medulla  oblongata  und  Cerebellum 
n  a  c  h  E  m  p  yem  in  der  1.  High  morshöhle  u  u  d 
Eite  r  a n  s  am  mlung  in  der  angrenzenden  Sieb- 
beinhölile.  Allgemeine  Septikämie;  septischer 
Milztumor;  akute  parenchymatöse  Hepatitis. 
Nephritis.  Anämie  der  Organe.  D  i  1  a  t  a  t  i  o  cordis. 

Aus  d  e  in  Sektionsprotokolle:  Nervensystem. 
Dura  auf  der  Aussenfläche  glatt,  innen  mit  gelblich-rahmigem 
Exsudat  bedeckt,  ebenso  die  weichen  Häute  über  der  ganzen  Kon¬ 
vexität  und  Basis,  namentlich  im  Bereich  des  Chiasma,  Pons  und 
Cerebellum  und  der  Medulla  oblongata.  Das  ganze  Gehirn  ist 
auf  seiner  Oberfläche  in  eine  grünlich-gelbe  Masse  von  Exsudat, 
wie  in  einen  Mantel  eingehüllt.  Dura  der  Basis  im  Be¬ 
reich  des  1.  Schläfenbeins  aussen  und  innen 
spiegelnd,  glatt  und  reaktionslos.  Dicht  über  dem 
Ursprung  des  1.  Felsenbeins  findet  sich  eine  operative  linsengrosse 
Eröffnung  des  Warzenfortsatzes;  die  entsprechende 
Stelle  des  Schläfenlappens  reaktionslos  und 
ohne  Belag.  Gehirnsubstanz  und  die  zentralen 
Ganglien  etwas  blutarm.  Nach  Aufmeisselung 
des  Siebbeins  findet  sich  in  demselben  und  in 
der  Stirnhöhle  etwas  eiteriges  Exsudat,  na¬ 
mentlich  an  der  Ueber  gangsstell  ezur  1.  Augen¬ 
höhle.  Bei  Eröffnung  der  1.  Highmorshohle 
zeigt  sich  dieselbe  mit  reichlichem  gelblichen 
Eiter  angefüllt. 

Epikrise:  Was  die  Beurteilung*  unserer  Fälle  betrifft,  so 
war  klinisch  bei  Fall  I  und  II  die  Annahme  berechtigt  gewesen, 
dass  es  sich  möglicherweise  um  epidemische,  bei  Fall  Hl; 


11.  November  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1879 


da^s  es  sieb  wahrscheinlich  um  eine  otogene  ^Meningitis  handeln 
werde.  Doch  dürfte  durch  die  Sektion  bei  diesen  3  kasuistischen 
Mitteilungen,  von  denen  besonders  II  und  III  durch  einen  ganz 
foudroyanten  Verlauf  der  Meningealeiterung  ausgezeichnet  sind, 
ebenfalls1  der  Zusammenhang  zwischen  latent  gebliebener 
Highmorshöhleneiterung  und  diffuser  purulenter  MEningitis 
(II  und  III)  und  Zerebrospinalmeningitis  (I)  ziemlich  klargestellt 
sein.  Operative  Eingriffe  an  der  Nase  waren  nicht  voraus¬ 
gegangen,  spielten  also  ätiologisch  auch  keine  Rolle. 

Wenn  nun  Craig  behauptet  hat  und  andere  Autoren  ähnliche 
Meinungen  vertreten,  dass  die  intrakraniellen  Erkrankungen  am 
häufigsten  Thrombosen  der  Sinus  cavernosi  als  Folge  .von  Em¬ 
pyem  der  Ilighmorshöhle  darstellen,  während  der  intrazerebrale 
Abszess  dem  Empyem  der  Stirnhöhle  folge  und  die  spezifische 
Hirnerkrankung  nach  Empyem  der  Siebbeinzellen  dagegen  die 
Meningitis  sei,  so  müssen  wir  doch  im  Gegensatz  dazu  auch  auf 
Grund  unserer  und  der  Wertheim  sehen  Fälle  daran  fest- 
halten,  dass  eine  solche,  sagen  wir  Regelmässigkeit  aus  anatomisch 
leicht  begreiflichen  Gründen  nicht  bestehen  oder  nur  zufällig 
für  eine  kleine  Minderzahl  der  Fälle  zutreffend  sein  kann. 

Literatu  r. 

E.  F  r  ii.  n  k  e  1:  Virch.  Arch.,  Bd.  143,  S.  77/80.  —  Weigert: 
Zit.  nach  Strümpell  1.  c.  —  Strümpell:  Deutsch.  Arch.  f. 
klin.  Med.,  Bd.  XXX,  S.  513.  —  Mail"  Edinburgh  med.  Journ., 
Mai  1800.  —  Weichselbaum:  Centralbl.  f.  d.  med.  Wissensch! 
1881.  S.  453.  Fortschritte  der  Medizin  1887.  Wiener  klin.  Wochen¬ 
schrift  1888.  Wiener  med.  Wochenschr.  1890,  S.  223.  —  Grün- 
wald:  Lehre  von  den  Naseneiterungen.  1890.  II.  Aufl.  S.  135. 
—  Dreyfuss:  Krankheiten  des  Gehirns  und  seiner  Adnexa  im 
Gefolge  von  Naseneiterungen.  1S9G.  —  Killian:  Heymanns 
Handb.  d.  Laryngol.,  Bd.  III,  2.  —  Friedrich  Schnitze:  Die 
Krankheiten  der  Hirnhäute  und  die  Hydrokephalie.  IX.  Bd., 
III.  Teil.  1.  Abteilung  der  Nothnagelschen  spez.  Path.  u.  Ther. 
1901.  —  Zucker  k  a  n  d  1:  Normale  u.  patliolog.  Anatomie  der 
Nasenhöhle.  Wien.  I.  Bd.,  2.  Aufl..  1S93.  —  Dennis:  Zeitschr. 
f  Ohrenheilk.  1890,  S.  289.  —  Wertheim:  Arch.  f.  Laryng.,  XI., 
Bd.  2.  —  Tr  eitel:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1S90,  S.  1139.  — 
Röpke:  Münch,  med.  Wochenschr.  1898,  S.  125.  —  Hopmann: 

Ebenda.  —  Claoue:  Centralbl.  f.  Laryngol.  1897,  S.  103.  _ 

G  i  b  so  n:  Centralbl.  f.  Laryngol.  1900,  S.  10.  _  Schlag  e  n  - 
h  a  u  f  e  r:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1899.  35.  —  Denke  r:  Arch. 
f.  Laryngol.  1900,  S.  411.  —  Hinsberg:  Verhaudl.  d.  Deutsch, 
otol.  Gesellsc-h.  1901.  —  Crai  g:  N.-Y.  med.  Journ.,  24.  III.  1900. 
Ref.  Centralbl.  f.  Laryngol.  1901,  S.  348. 


Aus  dem  Kinderambulatorium  der  medizinischen  Universitäts¬ 
klinik  zu  Bonn  (Direktor :  Geheimrat  Prof.  Dr.  S  c  h  u  1 1  z  e). 

Ueber  Aristochin,  ein  geschmackloses  Chininderivat 

Von  Dr.  H.  Stursberg,  Assistenzarzt  der  Poliklinik. 

Die  Darreichung  von  Chinin  bietet  seit  Einführung  der 
Gelatinekapseln  etc.  bei  Erwachsenen  in  den  meisten  Fällen 
keine  Schwierigkeiten,  dagegen  erschwert  bei  Kindern  der  Ge¬ 
schmack  der  gebräuchlichen  Präparate  seine  Anwendung  in  er¬ 
heblichem  Masse.  Die  bisher  dargestellten  „geschmacklosen“, 
d.  h.  im  Speichel  schwer  löslichen  Verbindungen  der  Chininbase 
haben  sich  keine  allgemeine  Anerkennung  zu  sichern  vermocht, 
da  sie  entweder  zu  wenig  Chinin  enthielten  oder  auch  von  den 
Verdauungssäften  nicht  ausreichend  gelöst  wurden.  In  neuerer 
Zeit  sind  nun  Präparate  hergestellt  worden,  die  bei 
hohem  Gehalt  an  Chininbase  fast  geschmacklos  sind. 
Eine  Arbeit  Dresers1)  beschäftigt  sich  mit  ihrem  phar¬ 
makologischen  Verhalten.  Aus  ihr  geht  hervor,  dass 
von  den  als  Euchinin,  Salochinin  und  Aristochin 
bezeichneten  Verbindungen  die  letztere,  der  Dichininkohlensäure- 
ester,  wohl  als  die  zweckmässigste  anzusehen  ist. 

Aristochin  enthält  nach  Mitteilung  der  Fabrik*) 
96,1  Proz.  Chininbase.  Die  uns  zur  Verfügung  gestellte  Ver¬ 
suchsmenge  bildet  ein  weisses  Pulver  ohne  erkennbaren  Ge¬ 
schmack.  Nach  Dreser  löst  es  sich  gut  in  verdünnter  Salz¬ 
säure  (0,104  Aristochin  in  5,3  ccm  0,25  proz.  Salzsäure)  und  fällt 
bei  allmählicher  Herabminderung  der  Azidität  der  Lösung  nicht 
wieder  aus,  ein  Umstand,  der  für  die  Aufsaugung  im  Dünndarm 
von  Wichtigkeit  ist.  Die  Ausscheidung  von  Chinin  im  Harn 
nach  Einnahme  von  Aristochin  war  eine  reichliche,  z.  B.  bei  Zu¬ 
führung  von  1,5  g  in  den  ersten  24  Stunden  0,0769.  Es  erwies 
sich  darin  dem  Salochinin  gegenüber  erheblich  überlegen  und 
steht  dem  Euchinin  ungefähr  gleich,  ohne  indessen  die  Aus¬ 


scheidungsgrösse  bei  Darreichung  gleicher  Mengen  Chinin, 
muriat.  zu  erreichen. 

In  Uebereinstimmung  hiermit  konnte  ich  nach  Einnahme 
von  0,3  Aristochin  bei  nüchternem  Magen  bereits  nach  Vz  Stunde 
im  Harn  durch  die  Jodjodkaliumprobe  Chinin  nachweisen,  jedoch 
erreichte  die  Reaktion  im  Laufe  des  Tages  nie  dieselbe  Intensität 
wie  nach  Zuführung  von  0,3  Chinin,  muriat. 

Dreser  hebt  ferner  hervor,  dass  Aristochin  in  Lösung  keine 
lokale  Belästigung  der  Magendarmschleimhaut  hervorruft,  dass 
seine  protozoentötende  Wirkung  doppelt  so  stark  ist  wie  beim 
Chinin,  dass  dagegen  „die  allgemeine  Giftigkeit  des  Chinin¬ 
moleküls  bei  Kalt-  und  Warmblütern  am  ausgesprochensten  in 
Form  des  Aristochins  vermindert“  ist. 

Aus  Veranlassung  von  Herrn  Professor  Ungar,  den  die 
Fabrik  um  klinische  Prüfung  des  Präparates  ersucht  hatte,  be¬ 
handelte  ich  damit  im  vergangenen  Sommer  eine  Anzahl  von 
Keuchhustenfällen.  Ich  hielt  mich  dazu  um  so  eher  berechtigt, 
als  einerseits  jede  Bereicherung  unseres  Arzneischatzes  gegen¬ 
über  diesem  Leiden  freudig  zu  begrüssen  wäre  und  andererseits 
der  alte  Streit  über  die  Wirksamkeit  des  Chinins  bei  Pertussis, 
auf  den  einzugehen  hier  wohl  zwecklos  ist2),  noch  keineswegs 
endgültig  zu  seinen  Ungunsten  entschieden  scheint.  Dazu  kommt, 
dass  ein  Haupthindernis  für  seine  Darreichung,  der  schlechte 
Geschmack,  der  tatsächlich  eine  geregelte  Durchführung  der  Be¬ 
handlung,  besonders  in  der  poliklinischen  Praxis,  ausserordent¬ 
lich  erschwerte,  bei  dem  Aristochin  wegfällt. 

Der  Keuchhusten  trat  während  des  Sommers  in  verhältnis¬ 
mässig  gutartiger  Form  auf,  insofern  Komplikationen  kaum  be¬ 
obachtet  wurden.  Die  Dauer  der  Erkrankung,  sowie  die  Zahl 
und  Schwere  der  einzelnen  Anfälle  war  allerdings  bei  vielen 
Kranken  eine  recht  beträchtliche.  Im  ganzen  wurde  18  Kin¬ 
dern  im  Alter  von  5  Monaten  bis  zu  6  Jahren  Aristochin  ver¬ 
ordnet;  6  von  ihnen  wurden  der  weiteren  Beobachtung  entzogen, 
die  übrigen  12  bekamen  das  Mittel  länger  als  eine  Woche.  Be¬ 
züglich  der  Dosierung  folgte  ich  im  allgemeinen  der  von  Binz 
aufgestellten  Forderung;  Kinder  unter  einem  Jahr  erhielten 
0,05  bis  0,1  Aristochin,  grössere  bis  zu  0,3,  3  mal  täglich.  Letztere 
Gabe  wagte  ich  mit  Rücksicht  auf  die  noch  fehlende  Erfahrung 
bezüglich  seiner  Wirkung  bei  Kindern  zunächst  nicht  zu  über¬ 
schreiten. 

Die  Darreichung  mit  etwas  Wasser  bot  nach  Angabe  der 
Mütter  keinerlei  Schwierigkeiten,  und  es  wurde  weder  Erbrechen 
noch  sonstige  schädliche  Folgen  nach  der  Einnahme  beobachtet. 
Ich  will  jedoch  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  bei  einem  6  monat¬ 
lichen  Mädchen  nach  mehrtägigem  Aristochingebrauch  (0,05  X  3) 
eklamptische  Anfälle  eintraten,  die  sich  im  Laufe  eines  Tages 
mehrfach  wiederholten.  Dies  Zusammentreffen  mahnte  jeden¬ 
falls  zur  Vorsicht,  wenn  ich  auch  keineswegs  die  Entstehung 
der  Krämpfe  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Medikation  zurück¬ 
führen  konnte,  zumal  das  Kind  Zeichen  von  beginnender  Rha- 
chitis,  Kraniotabes  geringen  Grades,  aufwies. 

Zur  Kontrolle  des  Krankheitsverlaufs  hatte  ich  mich  ur¬ 
sprünglich  der  z.  B.  von  Heubner3)  verwendeten  Methode  be¬ 
dient,  von  der  Mutter  die  Anfälle  durch  Striche  auf  einem  Blatt 
Papier  auf  zeichnen  zu  lassen.  Ich  musste  mich  aber  bald  davon 
überzeugen,  dass  diese  Buchführung  fast  immer  sehr  ungenau  aus¬ 
fiel,  oft  unzweifelhaft  für  mehrere  Tage  gleichzeitig  erledigt 
wurde.  Ich  beschränkte  mich  deswegen  darauf,  mir  jedesmal 
über  Zahl  und  Stärke  der  Anfälle  Bericht  erstatten  zu  lassen. 

In  etwa  der  Hälfte  der  Fälle  war  ein  deutlicher  Erfolg  der 
Aristochinbehandlung  nicht  zu  bemerken,  es  liess  sich  bei  ihnen 
allerdings  mehrfach  der  Nachweis  unregelmässiger  Darreichung 
erbringen.  Dagegen  gewann  ich  bei  den  übrigen  Kindern  den 
Eindruck,  dass  der  Verlauf  der  Erkrankung  ein  recht  günstiger 
war.  So  war  bei  einem  27  Monate  alten  Knaben,  der  am  20.  V. 
angeblich  seit  8  Tagen  hustete  und  viertelstündlich  Anfälle  be¬ 
kam,  die  Zahl  derselben  bereits  am  26.  V.  erheblich  zurück¬ 
gegangen  (halbstündlich  und  seltener)  und  am  4.  VI.  traten  nur 
noch  etwa  5  Anfälle  in  24  Stunden  auf.  Besonders  auffallend 
waren  mir  die  Angaben  betreffs  zweier  Kinder,  bei  denen  aus 
verschiedenen  Gründen  (Krankheit  der  Mutter  etc.)  eine  Unter¬ 
brechung  der  Behandlung  eingetreten  war:  während  des  Aristo- 
chingebrauclis  seien  die  Anfälle  seltener  geworden,  hätten  aber 

J)  Deutsche  Aerzte-Zeitung  1902,  Heft  5. 

2)  Literatur  bei  Sticker:  Der  Keuchhusten.  Nothnagels 
Handbuch,  Bd.  IV. 

8)  Kongr.  f.  inn.  Med.  1887,  S.  289  der  Verhandl. 

2* 


*)  Farbenfabriken  vorm.  F.  Bayer  &  Co.,  Elberfeld. 


No.  45. 


1880 


MUENCHENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


nach  Aussetzen  des  Mittels  wieder  zugenommen.  Das  eine  von 
ihnen  wurde  nach  erneuter  Verabfolgung  des  Medikaments  nicht 
wieder  vorgestellt,  während  bei  dem  anderen  nach  Mitteilung 
der  Mutter  bereits  nach  wenigen  Tagen  die  Zahl  der  Anfälle 
wieder  wesentlich  zurückging. 

Ich  bin  mir  bewusst,  dass  derartige  poliklinische  Beobach¬ 
tungen  keineswegs  den  Nachweis  für  die  Wirksamkeit  eines  Prä¬ 
parates  zu  erbringen  vermögen,  glaube  aber  auf  Grund  derselben 
zu  weiteren  Versuchen  mit  Aristochin  bei  Keuchhusten  anregen 
zu  dürfen.  Da  sich  das  Mittel  als  unschädlich  erwiesen  hat, 
würde  eine  Steigerung  der  Dosen  besonders  bei  im  Krankenhaus 
beobachteten  Fällen  meines  Erachtens  keine  Bedenken  haben. 

Gelegenheit  zur  Erprobung  des  Aristochins  bei  anderen 
Krankheitszuständen  bot  sich  mir  bisher  nicht.  Seine  starke 
Giftigkeit  für  Protozoen  (D  r  e  s  e  r)  licsse  es  theoretisch  be¬ 
sonders  zur  Bekämpfung  der  Malaria  geeignet  erscheinen. 


Aus  dem  anatom.  Institut  des  Hafenkrankenhauses  in  Hamburg 
(Prosektor  Dr.  Lochte). 

Ueber  den  Wert  der  Kryoskopie  zur  Diagnose  des 
Todes  durch  Ertrinken. 

Von  Dr.  Revenstorf,  Assistent. 

Dass  ein  Teil  der  Ertränkungsfliissigkeit  nicht  nur  bis  in 
die  Lungenalveolen,  sondern  auch  in  die  Lungenkapillaren  und 
damit  in  den  Kreislauf  gelangen  kann,  diese  Beobachtung  finden 
wir  zuerst  von  Falk1)  genauer  beschrieben  und  experimentell 
nachgeprüft. 

Schon  vor  ihm  erwähnt  D  o  e  h  n  e  2),  dass  er  mehrmals  an 
der  innereen  Herzfläche  und  selbst  in  der  Aortenwand  die  Er- 
tränkungsflüssigkeit  nachweisen  konnte.  Sich  au  ähnliche 
physiologische  Experimente  anlehnend,  benutzte  er  dabei  als  Er¬ 
tränkungsflüssigkeit  eine  Eerrocyankaliumlösung  und  Eisen¬ 
chlorid  als  Reagens. 

Gwosdew3)  ertränkte  Kaninchen  gleichfalls  in  einer  kon¬ 
zentrierten  Blutlaugensalzlösung  und  fand  Ferrocyankalium  im 
Blut  des  Herzens. 

Falk  wandte  statt  der  Ferrocyankaliumlösung  eine  Stärke¬ 
lösung  als  Ertränkungsflüssigkeit  an  und  benutzte  zum  Nachweis 
derselben  im  Blut  Jod. 

Auch  Hof  mann4 5)  fand,  wenn  er  Tiere  in  der  gewöhn¬ 
lichen  Weise  in  Ferrocyankalium  ertränkt  hatte,  dass  er  die  Salz¬ 
lösung  nicht  bloss  in  den  peripheren  Teilen  der  Lunge,  sondern 
auch  im  linken  Herzen  nachzuweisen  im  stände  war.  Beiläufig 
erwähnt  er,  dass  er  in  einem  Falle  sogar  noch  in  der  Bauch¬ 
aorta  die  Reaktion  erhielt. 

Wenn  diese  Experimente  auch  ausreichten,  den  Uebertritt 
von  Ertränkungsflüssigkeit  in  den  Kreislauf  ausser  Frage  zu 
stellen,  so  war  es  eine  weitere  Aufgabe,  Methoden  zu  ersinnen, 
die  dem  Gerichtsarzt  ermöglichten,  durch  den  Nachweis  dieser 
Vermischung  des  Blutes  mit  der  Ertränkungsflüssigkeit  den  Tod 
durch  Ertrinken  zu  diagnostizieren. 

Französische  Autoren  haben  auf  die  auffällige  Flüssigkeit 
des  Blutes  Ertrunkener  aufmerksam  gemacht,  die,  wie  Dever- 
g  i  e c)  beobachtete,  mitunter  beinahe  der  des  Wassers  gleicht. 
„Das  Blut  fliesst  wie  Wasser  aus  dem  geöffneten  Pierzen.“  Bei 
direkter  Einspritzung  von  Wasser  in  das  Gefässystem  von 
Hunden  beobachtete  CI.  B  e  r  n  a  r  d  6)  dasselbe. 

Französische  Autoren  versuchten  zuerst,  mit  Rücksicht  auf 
die  forensische  Bedeutung,  den  Uebertritt  von  Wasser  ins  Blut 
Ertrunkener  nachzuweisen. 

Schon  Falk  hatte  die  Vermutung  aufgestellt  und  II  o  f - 
m  a  n  n  dieselbe  bestätigt,  dass  die  Aufnahme  grösserer  Mengen 
Wassers  in  die  Luftwege  erst  gegen  Ende  des  dritten  Stadiums 
durch  jene  nach  längerem  Atemstillstand  erfolgenden  terminalen 
Inspirationen  geschieht. 

')  Falk:  Vircliows  Archiv  47.  1869. 

-)  Do  eh  ne:  Das  Ertrinken  in  physiologischer  und  gericht¬ 
lich-medizinischer  Beziehung.  Iuaug.-Diss.,  Marburg  1857,  S.  8. 

:‘)  Gwosdew:  Archiv  f.  Anatomie  u.  Physiol.  1867,  S.  637. 

')  Hof  mann:  Vierteljahrsschr.  f.  gericlitl.  Med.  19,  pag.  228, 

1873. 

5)  Devergie:  Mßdicine  legale  t.  II.  pag.  690,  1852. 

")  CI.  Bernard:  Legons  sur  les  liquides  de  l’organisme,  t.  I, 


Wenn  aber  das  Eindringen  von  Ertränkungsflüssigkeit  in  die 
Lungenalveolen  somit  wesentlich  ein  agonaler  Vorgang  ist,  so 
kann  auch  der  Uebertritt  derselben  ins  Blut  erst  im  letzten 
Stadium  des  Ertränkungstodes  erfolgen;  und  da  das  mit  dem 
Wasser  vermischte  Blut  zunächst  in  das  linke  Herz  gelangt, 
wird  sich  auch  im  linken  Herzen  eine  erheblichere  Verdünnung 
des  Blutes  finden,  als  im  übrigen  Gefässystem  und  im  rechten 
Herzen. 

Dieses  festzustellen,  wurden  verschiedene  Methoden  an¬ 
gewandt. 

Brouardel  und  Loye1)  bestimmten  den  Abdampf- 
rückstand  gleicher  Blutmengen  des  rechten  und  linken  Herzens. 

Brouardel  und  Viberts)  bestimmten  die  Zahl  der 
roten  Blutkörperchen  vor  und  nach  dem  Ertränken  von  Ver¬ 
suchstieren  im  rechten  und  linken  Herzen,  erhielten  aber  nur 
zum  Teil  brauchbare  Resultate.  Sie  kontrollierten  ihre  Zählung 
durch  kolorimetrisehe  Hämoglobinbestimmungen,  die  Paltauf ”) 
bereits  zur  Diagnose  des  Todes  durch  Ertrinken  angegeben  hatte. 

Der  Wert  dieser  Methoden  ist  angezweifelt  worden.  Stra  s  s- 
mann10)  erklärt  dieselben  zu  forensischen  Zwecken  für  un¬ 
brauchbar. 

In  neuester  Zeit  hat  Carrara11)  alle  diese  Methoden  von 
neuem  experimentell  an  4  Hunden  nachgeprüft,  ausserdem  in 
jedem  Falle  das  spezifische  Gewicht  (Pyknometer),  den  Gliih- 
rückstand  und  schliesslich  die  Menge  des  Eisens  bestimmt,  letz¬ 
teres,  um  daraus  mit  grösserer  Genauigkeit,  als  es  mit  d:m 
Fleischl  sehen  Hämometer  möglich  ist,  den  Hämoglobingehalt 
zu  berechnen. 

Vor  allem  aber  hat  er  in  der  Bestimmung  des  A  des 
Blutes  beider  Herzhälften  eine  Methode  angegeben,  die  es  ge¬ 
stattet,  eine  event.  Verdünnung  des  Blutes  durch  Ertränkungs¬ 
flüssigkeit  mit  grosser  Schärfe  und  Sicherheit  nachzuweisen. 

Auf  Anregung  von  Herrn  Dr.  Lochte,  der  mir  auch  in 
liebenswürdigster  Weise  das  reiche  Material  des  Institutes  zur 
Verfügung  stellte,  übernahm  ich  die  Aufgabe,  einerseits  die  aus 
einer  verhältnissmässig  sehr  geringen  Zahl  von  Tierversuchen 
gezogenen  Schlüsse  Carraras  nachzuprüfen,  andererseits  den 
Wert  dieser  Methode  für  forensische  Zwecke  an  einer  grösseren 
Zahl  von  Wasserleichen  festzustellen. 

Technik: 

1 .  Alle  Gefrierpunktsbestimmungen  sind  mit  dem  Beck- 
in  a  n  n  sehen  Thermometer  ausgeführt. 

2.  Zu  jeder  Bestimmung  wurden  15 — 20  ccm  Blut  verwandt. 
Das  Blut  wurde  aus  den  erüff neten  Vorhöfen  aufgefangen,  der 
A  unmittelbar  nach  dem  Auffangen  bestimmt  (bei  der  Eröffnung 
des  linken  Vorhofes  muss  sorgfältig  darauf  geachtet  werden,  dass 
uicht  zufällig  ein  grösseres  venöses  Gefäss  —  Vena  coron. 
magna!  - —  durchschnitten  wird). 

3.  Die  Methode  gewann,  wie  sich  im  Laufe  der  Unter¬ 
suchungen  herausstellte,  dadurch  bedeutend  an  Wert,  dass  sich 
die  Möglichkeit  ergab,  bereits  unmittelbar  nach  der  Einlieferung 
der  Leichen  bei  der  ersten  Besichtigung  die  Gefrierpuuktsbestim- 
mungen  auszuführen. 

Zu  dem  Zwecke  wurde  in  geeigneten  Fällen  das  Blut  aus 
einer  beliebigen  Arterie  und  Vene  entnommen. 

Aus  der  Vene  erhält  man  leicht  die  genügende  Menge  Blut; 
aus  der  Arterie  nicht  immer.  Am  geeignetsten  hat  sich  die 
A.  brach,  dexti'a  erwiesen,  in  die  eine  20  cm-Pipette  von  passen¬ 
dem  Kaliber  (mit  weiter  Oeffnung)  eventuell  bis  in  die  Aorta 
thoracica  hineingeschoben  werden  kann.  Füllt  sich  die  Pipette 
nicht  von  selber  bis  zur  Marke,  so  kann  man  durch  eine  auf¬ 
gesetzte  Aspirationsvorrichtung  ansaugen.  Im  Notfälle  öffnet  man 
eine  zweite  periphere  Arterie,  lagert  die  Leiche  entsprechend  und 
treibt  durch  Lufteinblasen  die  nötige  Menge  Blut  heraus.  Nach 
der  Blutentnahme  werden  an  die  geöffneten  Gefässe  Klemmen 
gehängt. 

4.  Carr  a  r  a,  der  seine  Resultate  ausschliesslich  aus  Tier¬ 
versuchen  gewann,  zentrifugierte  das  gewonnene  Blut  zuvor, 
pipettierte  das  Serum  ab,  verdünnte  die  gewogene  Menge  des¬ 
selben  mit  der  gleichen  Menge  Aq.  dest.,  bestimmte  den  A  dieser 
Mischung  und  korrigierte  das  Resultat  im  Verhältnis  der  Ver¬ 
dünnung. 

Im  allgemeinen  ist  dieses  Verfahren  nicht  empfehlenswert,  da 
durch  die  umständliche  und  zeitraubende  Serumgewinnung,  die  da¬ 
bei  stattfindende  Wasserverdunstung  und  Ungenauigkeiten  beim 
Abwägen  unnötiger  Weise  Fehlerquellen  geschaffen  werden 

7)  Brouardel  und  L  o  v  e:  Archiv  de  Physiologie  1889, 
I,  II,  III. 

s)  Brouardel:  Pendaison  etc.,  1897. 

°)  Paltauf:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1892,  No.  13,  S.  299. 

Strass  m  a  n  n:  Lehrbuch. 

")  Carrara:  Arch.  ital.  de  Biologie  Bd.  XXXV,  Fase.  III, 
1901. 


l>«g. 


il.  November  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I88i 


Der  A  des  Blutes  beträgt  nach  den  übereinstimmenden  An¬ 
sichten  deutscher  Autoren  im  Mittel  0,56  °,  kann  aber  auch  beim 
gesunden  Menschen  zwischen  0,55  0,57  0  schwanken.  Italie¬ 

nische  Autoien  nehmen  an,  dass  der  A  auch  beim  gesunden 
Menschen  gelegentlich  tiefer  liegt  und  sogar  0,605°  erreichen 
kann  ).  Unter  pathologischen  Verhältnissen  kommen  etwas 
grössere  Variationen  vor.  Koeppe11)  fand  bei  der  Untersuchung 
■von  Kranken,  die  an  Diabetes,  Nephritis,  Pleuritis  etc.  litten, 
Verschiedenheiten,  die  sich  zwischen  0,51°  bis  0,63°  bewegten! 
Immerhin  halten  sich  diese  Schwankungen  in  bestimmten,  ver- 
hältnissmässig  bescheidenen  Grenzen. 

Im  Moment  des  Todes  ist  natürlich  der  A  des  Blutes  in 
allen  Gebieten  des  Kreislaufs  gleich.  Das  gilt  für  alle  Todes¬ 
arten,  mit  Ausnahme  des  Todes  durch  Ertrinken,  wie  Carrara 
gezeigt  hat. 

C.  knüpft  seine  Publikationen  an  folgende  beiden  Er- 
triinkungsversuche : 


b - —  -*-•  vTesamBuiUTes,  z.  eine 

erhebliche  Differenz  des  A  beider  Herzhälften. 

Während  er  auf  den  ersten  Punkt  weniger  Wert  legt,  sieht 
C.  in  der  Feststellung  dieser  Differenz  ein  sicheres  Mittel,  den 
Tod  durch  Ertrinken  zu  diagnostizieren. 

Carraras  Versuchsresultate  konnten  wir  in  folgenden 
Experimenten  bestätigen. 

Tabelle  2. 


A  des  lebenden  Tieres 


Aorta  und 
linkes  Herz 


rechtes  Herz 


Ertränkungs- 

flüssigkeit 


Katze  1  0,59° 

„  2  0,60° 

„  3  0,61  o 

„  4  0,00« 


0,25° 

0,33° 

0,42« 

0,‘4PU 


0,47° 

0,55° 

0,61° 

0,53° 


0,02° 

0,01° 

0,02° 

0,02° 


Ganz  abgesehen  von  den  Schlussfolgerungen  Carraras 
sehen  wir  in  diesen  Resultaten  zunächst  einen  neuen  Beweis  für 
die  bereits  von  älteren  Autoren  aufgestellte  Behauptung,  dass  der 
Uebertritt  von  Wasser  in  die  Zirkulation  ein  wesentlich  agonaler 
\  organg  ist.  Die  Zahlen  beweisen,  dass  die  Zirkulation  sistiert, 
nachdem  gerade  noch  übermässig  durch  Wasser  verdünntes  Blut 
in  das  linke  Herz  gelangt  ist.  Daher  haben  wir  die  Resorption 
der  Ertränkungsflüssigkeit  aufzufassen  als  die  allerletzte  Ver¬ 
änderung,  die  den  Tod  durch  Ertrinken  begleitet.  Diese  Fest¬ 
stellung  ist  nicht  ohne  Bedeutung  für  das  folgende. 

Die  Diagnose  des  Todes  durch  Ertrinken  in  forensischen 
Fällen  würde  nun  auch  beim  Fehlen  aller  übrigen  Zeichen  leicht 
sein,  wenn  sich  in  jedem  lalle  bei  Ertrunkenen  die  beiden  be- 
zeiehneten  Befunde,  eine  allgemeine  Verdünnung  des  Blutes  und 
eine  Differenz  in  der  Konzentration  beider  Herzhälften,  bei  nicht 
durch  Ertrinken  ums  Beben  Gekommenen  keine  Veränderung  der 
mol.  Konzentration  des  Gesamtblutes  und  Gleichheit  des  A 
beider  Herzhälften  findet. 

So  einfach  liegen  die  Verhältnisse  aber  durchaus  nicht. 
1.  Auch  bei  Personen,  die  unzweifelhaft  im  Wasser  ums  Leben  ge¬ 
kommen  sind,  kann  eine  Verdünnnung  des  Blutes  durch  Er¬ 
tränkungsflüssigkeit  fehlen. 

Fälle  von  Synkope  scheiden  für  unsere  Betrachtung  aus. 

Alle  Autoren  betonen,  dass  die  Sektionsbefunde  Ertrunkener 
eine  gewisse  Variabilität  in  der  Regelmässigkeit  des  Auftretens 
der  für  diese  Todesart  charakteristischen  Veränderungen  und 
insbesondere  ihrer  Intensität  zeigen.  Das  betrifft  sogar  einen  der 
wichtigsten  Befunde,  die  Lungenblähung,  die  gelegentlich  sehr 
wenig  ausgeprägt  vorhanden  sein  kann.  Das  gilt  auch  vor  allen 
Dingen  von  der  Menge  der  aspirierten  Ertränkungsflüssigkeit. 

12)  Siehe  Rumpel:  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  G, 
S.  233. 

ls)  hucianl,  zitiert  von  Carrara. 

14)  Koeppe:  Physikalische  Chemie  in  der  Medizin,  1900. 

No.  45. 


Tabelle 

1. 

A  des  lebenden  Tieres 

linkes  Herz 

rechtes  Herz 

Ertränkungs¬ 

flüssigkeit 

Hund  0,60° 

— 

0,300 

0,02° 

Hund  0,60° 

0,29° 

0,42° 

0,02° 

Individuelle  und  äussere  Verhältnisse  beeinflussen  dieselbe.  Nach 
Bi  ouardel  und  L  o  y  e  )  dringt  die  Ertränkungsflüssigkeit 
um  so  tiefer  in  die  Lungen  hinein  und  in  um  so  grösserer 
Menge,  je  länger  die  terminalen  Atembewegungen  gedauert  haben 
und  je  intensiver  dieselben  gewesen  sind.  Nach  S  e  y  d  e  1 lö) 
inspirieren  narkotisierte  Tiere  mehr  Ertränkungsflüssigkeit; 
wärmeres  Wasser  wird  leichter  aspiriert  als  kaltes. 

Dazu  kommt  noch  ein  anderer  Umstand.  Bereits  Brouar- 
d  e  1  machte  die  Beobachtung,  dass  eine  Resorption  von  Wasser 
durch  die  Lungenkapillaren,  die  er  in  der  angegebenen  Weise 
feststellte,  meistens  fehlte,  wenn  er  seine  Versuchstiere  in 
wenigen  Minuten  durch  einmaliges  Untertauchen  tötete;  dass  er 
dagegen  positive  Resultate  erhielt,  wenn  er  den  Tieren  gestattete, 
mehrfach  wieder  an  die  Oberfläche  zu  kommen:  Submersion 
prolongee. 

Der  Grund  für  dieses  verschiedene  Verhalten  wird  darin  zu 
suchen  sein,  dass  im  ersten  Falle  bei  dem  stürmischen  Ablauf 
der  Erstickungserscheinungen  das  mit  den  terminalen  Atem¬ 
zügen  eindringende  Wasser  durch  die  noch  in  der  Lunge  be¬ 
findliche  Residualluft  verhindert  wird,  bis  in  die  Alveolen  zu 
langen.  Bei  der  Submersion  prolongee  ist  dagegen  bereits  längere 
Zeit  vor  dem  Tode  vielfach  Wasser  in  die  Luftwege  gelangt  und 
anfangs  kräftig,  später  mit  der  zunehmenden  Ermüdung  und  der 
herabgesetzten  Reflexerregbarkeit  mangelhaft  exspektoriert.  Mit 
den  terminalen  Atemzügen  gelangt  dieses  bereits  in  den  Luft¬ 
wegen  befindliche  Wasser  sogleich  in  die  Alveolen  und  in  Kon¬ 
takt  mit  den  Kapillaren.  Dadurch  wird  nicht  nur  die  Resorption 
dieses,  sondern  auch  eines  Teils  des  mit  den  terminalen  Atem¬ 
zügen  eindringenden  Wassers  ermöglicht. 

Lm  kurz  zu  resümieren:  Aus  Gründen  verschiedenster  Art, 
die  zum  Teil  noch  ungenügend  aufgeklärt  sind,  können  schon 
die  gewöhnlichen  Symptome  des  Ertränkungstodes  in  ihrer 
Intensität  erheblich  variieren  oder  zum  Teil  ganz  fehlen.  Es 
kann  daher  nicht  Wunder  nehmen,  dass  auch  die  Verdünnung 
des  Blutes  durch  Ertränkungsflüssigkeit  vielfach  fehlt,  zumal  sie 
die  letzte  in  der  Kette  aufeinander  folgender  Symptome  ein¬ 
tretende  Veränderung  ist. 

2.  C  a  r  a  r  a  behauptet :  „Ausser  beim  Ertrinkungstode  gibt 
es  in  dem  Blute  beider  Herzhälften  keine  merklichen  Unterschiede, 
in  einigen  Fällen  besteht  sogar  ein  umgekehrtes  Verhältnis  als 
beim  Ertrinkungstode.“ 

Dass  der  A  des  Blutes  beider  Herzhälften  gleich  ist,  trifft 
aber  nur  zu  für  die  Zeit  unmittelbar  nach  dem  Tode.  Späterhin 
zeigten  sich  dagegen  zum  Teil  recht  erhebliche  Differenzen. 

Die  folgende,  beliebig  aus  einer  grossen  Zahl  von  unter¬ 
suchten  Fällen  (in  denen  es  sich  nicht  um  Ertrinkungstod  han¬ 
delte)  ausgewählte  Tabelle  (Sektion:  24—72  Stunden  post 
mortem)  demonstriert  dieses. 

Tabelle  3. 


A  des  linken  Herzens 

A  des  rechten  Herzens 

1 

0,66° 

0,66° 

2 

0,69° 

0,740 

3 

0,70,0 

0,82° 

4 

0,6  4'° 

0,75° 

5 

0,80° 

0,89° 

6 

0,640 

0,68« 

7 

0,69,o 

0,74° 

8 

0,68° 

0,770 

9 

0,70° 

0,74° 

10 

0,71° 

0,7113 

11 

0,69« 

0,69° 

12 

0,730 

0,790 

Aus  diesen  Untersuchungen  geht  hervor: 

1.  dass  der  A  des  Blutes  entsprechend  der  Länge  der  seit 
dem  Tode  verstrichenen  Zeit  sinkt 17) ; 

2.  dass  der  A  des  Blutes  beider  Herzhälften  vielfach  un¬ 
gleich  ist. 

Diese  Verschiedenheit  besteht  in  der  überwiegenden  Zahl 
der  Fälle  in  der  Weise,  dass  der  A  des  Blutes  des  rechten  Her- 


15)  Brouardel 
1G)  S  e  y  d  e  1,  cit. 


und  Loye,  1.  c. 

von  Hofmann:  Lehrbuch  S.  575. 

7)  Eine  Arbeit,  die  diese  Verhältnisse  ausführlich  behandelt, 
erscheint  demnächst  in  der  Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med. 

3 


1 882 


MITEN CITENER  MEDICINJSCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


Zolls  tiefer  liegt  als  der  des  linken  Herzens;  gelegentlich  ist  er 
gleich;  in  seltenen  Fällen  besteht  eine  Verschiedenheit  im  um¬ 
gekehrten  Sinne,  d.  h.  in  der  Mehrzahl  der  I  alle  findet  man  eine 
Differenz  des  A  beider  Herzhälften  gerade  in  demselben  Sinne, 
wie  sie  durch  den  Uebertritt  von  Wasser  ins  Blut  erzeugt  wird. 
Daraus  geht  hervor,  dass  aus  dem  Vorhandensein  dieser  Differenz 
allein  ohne  Rücksicht  auf  die  absoluten  Werte  —  das  behauptet 
Carrara  —  die  Diagnose  des  Todes  durch  Ertrinken  nicht 
gestellt  werden  darf,  vielmehr  muss  unbedingt  die  Forderung 
aufrecht  erhalten  werden,  dass  diese  Diagnose  aus 
dem  Blutbefund  nur  zu  stellen  erlaubt  ist, 
wenn  sich  aus  d  e  n  a  b  s  o  1  u  ten  Werten  die  statt¬ 
gefundene  Blutverdünn u  n  g  noch  in  i  r  g  e  n  d 
einem  Teil  des  Kreislaufes  nach  weisen  lässt. 

Wie  bereits  erwähnt,  ist  die  obere  Grenze  der  bei  gesunden 
Menschen  vorkommenden  Schwankungen  0,55 ".  Da  der  grössere 
Teil  der  Fälle  von  Tod  durch  Ertrinken  Unglücksfälle  sind,  die 
im  übrigen  ganz  normale  Menschen  betreffen,  so  wird  dieser  Wert 
im  allgemeinen  bei  der  kryoskopischen  Diagnose  als  Grenzwert 
angesehen  werden  müssen. 

Ergibt  die  (eventuell  später  stattfindende)  Sektion  patho¬ 
logische  Veränderungen,  vor  allem  Anzeichen  bestehender  oder 
kürzlich  überstandener  akuter  Krankheiten,  die  vermuten  lassen, 
dass  zu  Lebzeiten  der  Gefrierpunkt  des  Blutes  abnorm  hoch  war, 
so  muss  0,51°  als  Grenzwert  angesehen  werden. 

Die  stattgehabte  Verdünnung  des  Blutes  durch  Ertränkuugs- 
fliissigkeit  ergibt  sieh  in  jedem  Falle  aus  der  Feststellung  der 
Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes  des  linken  Herzens;  wenn 
die  Sektion  frühzeitig  genug  ausgeführt  wurde,  auch  aus  der 
Gefrierpunktserniedrigung  des  rechten  Herzens.  Doch  hat  letz¬ 
tere  Feststellung  gegenüber  ersterer  untergeordnete  Bedeutung, 
einerseits  weil  die  Verdünnung  bei  weitem  nicht  so  hochgradig 
ist  und  der  A  infolge  der  Fäulnis  in  kurzer  Zeit  den  ursprüng¬ 
lichen  Konzentrationsgrad  wieder  erreicht  und  überschreitet, 
analog  dem  Verhalten  des  Blutes  in  jeder  Leiche;  andrerseits 
günstigstenfalls  die  aus  der  Feststellung  der  noch  hochgradigeren 
Verdünnung  des  Blutes  im  linken  Herzen  bereits  sichere  Dia¬ 
gnose  nur  bestätigt.  In  keinem  Falle  aber  verringert  der  ne¬ 
gative  Ausfall  der  Blutuntersuchung  des  rechten  Herzens  den 
Wert  der  konstatierten  Verdünnung  des  Blutes  im  linken 
Herzen. 

Lässt  sich  nach  dem  Vorgetragenen  das  Vorhandensein  einer 
Differenz  des  A  beider  Herzhälften  allein  für  die  Diagnose  des 
Todes  durch  Ertrinken  nicht  verwerten,  so  ist  andrerseits  das 
Fehlen  oder  der  geringe  Grad  derselben  zweifellos  ein  Moment, 
das  von  vornherein  sehr  gegen  die  Wahrscheinlichkeit  des  Ueber- 
tritts  von  Wasser  ins  Blut  ins  Gewicht  fallen  würde. 

Nach  diesen  Erörterungen  wird  es  nicht  schwer  sein,  den 
Wert  der  Kryoskopie  zur  Diagnose  des  Ertrinkungstodes  an  der 
Hand  von  12  einschlägigen  Fällen  zu  beurteilen.  Ich  bemerke 
ausdrücklich,  dass  in  allen  Fällen  die  charakteristischen  Zeichen 


Ertrinkungstodes  einwandfrei  festgestellt  wurden. 

Tabel 

e  4. 

A  des  linken  Herzens 

A  des  rechten  Heizens 

1 

0,62° 

0,67° 

2 

P,58° 

0,69° 

3 

0,67° 

0,67° 

4 

0,77° 

0,81° 

5 

0,G3° 

0,74° 

6 

0,64° 

0,75° 

7 

0,62° 

0,64° 

Tabelle  5. 

A  des  linken  Herzens 

A  des  rechten  Herzens 

1 

0,48° 

0,6S° 

2 

0,52° 

0,62° 

3 

0,49° 

0,63° 

4 

0,28° 

0,55° 

5 

0,51° 

0,66° 

Aus  diesen  Tabellen  geht  hervor,  dass  in  dem  grösseren  Teil 
der  Fälle  die  Resultate  der  kryoskopischen  Methode  negativ  sind 
(Tab.  4).  Das  ist  nach  den  vorausgeschickten  Ausführungen 
über  die  Variabilität  der  Symptome  des  Ertrinkungstodes  und 
über  die  Bedingungen,  die  den  Uebertritt  von  Ertränkungsfliissig- 
keit  ins  Blut  weniger  begünstigen,  erklärlich.  Insbesondere  wird 
verhältnismässig  selten  eine  „Submersion  prolongee“  stattfinden. 
Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  dass  beim  Tode  durch  Ertrinken 
nach  einmaligem  T  ntertauchen  eine  Resorption  von  Ertränkungs- 
fliissigkeit  überhaupt  nicht  zu  stände  kommen  kann.  Das  beweist 
Fall  V  5  (ein  Epileptischer,  der  im  Anfall  ins  Wasser  fiel  und 
ertrank,  ohne  wieder  aufzutauchen). 

In  dem  anderen,  wenn  auch  kleineren  Teil  der  Fälle  waren 
die  Resultate  positiv  (Tab.  5). 

Diese  Fälle  haben  das  Gemeinsame: 

1.  In  keinem  Falle  liess  sich  eine  Verdünnung  des  Blutes 
im  rechten  Herzen  nacliweisen.  Grund:  die  bereits  eintretende 
Fäulnis  der  Leiche. 

2.  Die  Differenz  der  Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes 
beider  Herzhälften  ist  enorm  (0,10 0 — 0,27  °). 

3.  Das  Ausschlaggebende  ist  aber,  dass  die  molekulare  Kon¬ 
zentration  des  Blutes  im  linken  Herzen  eine  derartig  niedrige 
ist,  wie  sie  nur  durch  Resorption  von  Ertränkungsflüssigkeit  er¬ 
zeugt  werden  kann.  Sie  ist  geringer  als  die  physiologische;  mit 
Ausnahme  von  2  Fällen  auch  noch  geringer,  als  sie  unter  patho¬ 
logischen  Umständen  Vorkommen  kann. 

Von  besonderem  Interesse  waren  bei  unseren  Untersuchungen 
2  Fälle: 

Der  erste  Fall  betraf  einen  Schiffsführer,  der  zwischen  An¬ 
legebrücke  und  Schiff  ins  Wasser  fiel.  Die  Sektion  ergab  einen 
Wirbelbruch,  mehrere  Zerreissungen  innerer  Organe,  500  ccm 
flüssiges  Blut  in  der  Bauchhöhle  etc.  Es  warf  sich  die  Frage  auf, 
ist  der  Mann  ertrunken,  oder  verblutet,  ehe  er  ertrinken  konnte. 
Wir  sehen  völlig  ab  von  den  übrigen  Befunden.  Die  Gefrier- 
pimktsbestimmung  ergab:  Blut  des  linken  Herzens  — 0,67°,  des 
rechten  Herzens  —0.70°. 

Nach  den  vorhergehenden  Ausführungen  spricht  dieser  Be¬ 
fund  weder  für  noch  gegen  den  Tod  des  Ertrinkens. 

Im  zweiten  Falle  handelt  es  sich  um  einen  Werftarbeiter,  der 
beim  Fall  ins  Wasser  mit  dem  Kopf  auf  eine  straff  gespannte 
Stahltrosse  aufschlug.  Bei  der  Sektion  ergab  sich  eine  Basis¬ 
fraktur,  die  eine  nicht  unerhebliche  Blutung  veranlasst  hatte,  eine 
Verletzung,  die  unter  Umständen  ausreichend  gewesen  wäre,  den 
Tod  in  ganz  kurzer  Zeit  herbeizuführen.  Diese  Verletzung  hatte 
der  Arbeiter  bereits  davongetragen,  ehe  er  ins  Wasser  fiel.  Die 
Gefrierpunktsbestimmung  ergab:  Blut  des  linken  Herzens  — 0,50", 
des  rechten  Herzens  — 0,Gi“.  Die  Diagnose  des  Todes  durch  Er¬ 
trinken  war  dadurch  sicher  gestellt. 

Was  die  Zeitlänge  anbetrifft,  die  seit  dem  Tode  verflossen 
ist,  so  ist  dieselbe  insofern  von  Bedeutung,  als  die  Fäulnis  um 
so  weiter  vorgeschritten  sein  wird,  je  längere  Zeit  seit  dem  Tode 
verflossen  ist.  Infolge  der  Fäulnis  sinkt  aber,  wie  erwähnt,  der 
A  des  Blutes.  Nach  verschieden  langer  Zeit  wird  daher  in  allen 
Fällen  die  stattgehabte  Verdünnung  des  Blutes  nicht  mehr  er¬ 
kennbar  sein.  Manchmal  ermöglichen  Bedingungen,  die  den 
Fortschritt  der  Fäulnis  wenig  begünstigen  (vor  allem  niedrige 
Temperatur)  den  Nachweis  derselben  noch  nach  relativ  langer 
Zeit,  wie  in  einem  unserer  Fälle  noch  nach  6  Tagen  (Tab.  5 
Fall  1).  Bei  grünfaulen  Wasserleichen  dagegen  ist  die  Methode 
nicht  mehr  zu  verwerten. 

Im  Vorhergehenden  war  als  Ertränkungsflüssigkeit  stets 
Flusswmsser  (Süsswasser)  gedacht  von  dem  ungefähren  A  von 
0,02° — 0,03",  mutatis  mutandis  liefert  die  Methode  natürlich  bei 
Flüssigkeiten,  die  einen  niedrigeren  A  besitzen  als  Blut  (z.  B. 
Meerwasser)  ebenso  gute  Resultate. 

P  a  1 1  a  u  f  1S),  der  durch  Bestimmung  des  Trockengewichtes 
und  der  Asche  die  Aspiration  von  Ertränkungsflüssigkeit  zu  be¬ 
stimmen  versuchte,  irrt  sich,  wenn  er  behauptet:  „Sogar  das  sehr 
salzreiche  Meerwasser  bleibt  trotz  seiner  0,35  Proz.  Na  CI  um 
mindestens  ebensoviel  an  Salzgehalt  hinter  dem  der  Transsudate 
zurück“,  da  Meerwasser  nicht  0,35  Proz.,  sondern  3,5  Proz.  Koch¬ 
salz  enthält. 

Wegen  des  hohen  Salzgehaltes  beträgt  daher  der  A  z.  B.  des 
Wassers  im  Mittelländischen  Meere  —2,18°  (Carrara). 

Wie  Carrara  bei  einem  im  Meerwasser  ertrunkenen  Sol¬ 
daten  und  einem  Tierexperiment  festgestellt  hat  und  wir  durch 
mehrere  Tierversuche  nachgeprüft  haben,  findet  man  in  diesen 


JS)  F  altauf  1.  c.,  auch  zitiert  von  H  o  f  m  a  n  n. 


11.  November  1902. 


1883 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


I  allen  eleu  des  I>  lutes  im  linken  Herzen  niedriger  als  im 
rechten. 

Auch  bei  in  Jauche  etc.  ertrunkenen  Neugeborenen-  dürfte 
die  Methode  positive  Resultate  liefern. 

Leider  macht  in  diesen  Fällen  die  Fäulnis  besonders  schnell 
die  kryoskopischen  V  erte  zur  Stellung  der  .Diagnose  unbrauch¬ 
bar,  da  der  A  des  Blutes  des  rechten  FEerzens  schnellei*  sinkt 
als  der  des  linken. 

Tiotzdem  die  Methode  nur  in  einem  Feil  der  Fälle  positive 
Resultate  liefert,  halten  wir  es  für  empfehlenswert,  jede  Sektion 
von  Fällen,  bei  welchen  der  Tod  durch  Ertrinken  in  Frage  kommt, 
durch  die  Feststellung  des  A  beider  Herzhälften  zu  "ergänzen! 

Als  besondere  Vorzüge  können  wir  der  Methode  vor  allem 
nachrühmen : 

1.  Sie  ist  schnell  und  leicht  auszuführen. 

2.  Sie  gründet  sich  auf  die  Feststellung  einer  Begleiterschei¬ 
nung  des  Todes  durch  Ertrinken,  deren  Feststellung  allein  und 
unabhängig  von  allen  übrigen  Symptomen  ausreicht,  die  Dia¬ 
gnose  zu  sichern. 

3.  Sie  gestattet  die  Diagnose  gegebenenfalls  schon  vor  der 
Sektion  bei  der  ersten  Besichtigung  der  Leiche. 


Zur  Vermeidung  der  Hämatombildung  nach  Küstners 
suprasymphysärem  Kreuzschnitt. 

Von  Dr.  Karl  Heil,  Frauenarzt  in  Darmstadt. 

Die  Mitteilung  von  R.  v.  Feilen!)  erg  aus  der  Berner 
gynäkologischen  Klinik  [1]  „Ueber  den  suprasymphysären  Bogen¬ 
schnitt  nach  Küstner“  veranlasst  mich,  über  meine  12  bezw.  14 
nach  dieser  Methode  operierten  Fälle  schon  jetzt  zu  berichten, 
wenn  auch  die  Beobachtungszeit  hinsichtlich  der  Dauerresultate 
noch  zu  kurz  ist. 

v.  Felle  n  berg  sah  bei  seinen  70  Fällen  15  mal  Häma¬ 
tome  auftreten,  also  in  21,4  Proz.,  während  ich  bei  meinen  Fällen 
dieses  Vorkommnis  nicht  ein  einziges  Mal  zu  beobachten  Gelegen¬ 
heit  hatte;  die  gleiche  prozentuale  Häufigkeit  vorausgesetzt,  hätte 
es  sich  2 — 3  mal  (2,56  mal)  ereignen  können. 

Auch  bei  den  anderen  Autoren  bin  ich  keinen  Angaben  über 
das  Auftreten  von  Hämatomen  begegnet. 

v.  Fellen  berg  empfiehlt  zu  ihrer  Vermeidung  Drainage 
der  Wunde  und  zwar  in  erster  Linie  das  Anlegen  einer  besonderen 
Drainöffnung.  Nach  der  an  meinen  Fällen  gemachten  Erfahrung 
glaube  ich  dieses  störende  Moment  der  Hämatombildung  auf 
einfachere  Weise  ausschalten  zu  können :  durch  Auflegen 
eines  Sandsaokes  während  der  ersten  24 — 36  Stunden 
nach  der  Operation.  Ich  folgte  hierbei  dem  Vorgänge  Zweifels 
hei  der  Alexander-Adams  sehen  Operation,  aber  ohne 
Einlegen  eines  subkutanen  Drains  [2] . 

Ich  habe  Küstners  Schnittführung  in  12  Fällen  von 
Ventrifixur  (teils  nach  C  z  e  r  n  y  -  L  e  o  p  o  1  d,  teils  nach  Ols- 
hausen)  angewandt;  die  Fixationsfäden  wurden  stets',  durch 
Peritoneum  und  Faszie  bezw.  Muskulatur  geführt  und  versenkt. 
Den  Hautquerschnitt  habe  ich  etwas  oberhalb  der  Haargrenze 
angelegt  in  der  ursprünglich  von  K üstner  [3]  angegebenen 
Ausdehnung  von  7 — 8  cm;  Bauchhaken  zum  Auseinanderziehen 
der  Längswundränder  habe  ich  nicht  benutzt  und  bin  auch  ohne 
jene  ganz  gut  zum  Ziel  gekommen.  Den  Uterus  suchte  ich  ent¬ 
weder  durch  feste  Tamponade  der  Vagina  oder  durch  die  Finger 
eines  Assistenten  von  der  Vagina  aus  entgegendrängen  zu  lassen 
und  hakte  den  Fundus  von  oben  her  mit  einer  Kugelzange  an. 
Die  Lösung  von  Adhäsionen  gelang  ohne  besondere  Schwierigkeit. 

Die  Peritoneal  wunde  wurde  isoliert  durch  fortlaufende  Naht, 
die  Muskel-Faszien  wunde  durch  einige  Knopf  nähte  exakt  ver¬ 
einigt  und  die  quere,  Haut  und  Unterhautfettschicht  durch¬ 
setzende  Wunde  wurde  mit  fortlaufender  Naht  geschlossen,  wo¬ 
bei  nach  K  üstner  „die  Nadel  im  Grunde  durch  die  Faszie 
mitgeführt“  wurde.  Als  Nahtmaterial  wurde  ausschliesslich  der 
Braun  sehe  Celloid  in  zwirn  (von  Alexander  Schädel- 
Leipzig)  benutzt.  Dass  auf  exakte  Blutstillung  Wert  gelegt 
wurde,  braucht  kaum  besonders  betont  zu  werden. 

Die  Ventrifixur  wurde  ausgeführt  :  bei  Retroflexion  des  ad- 
härenten  Uterus  3  mal,  bei  Retroflexion  des  mobilen  Uterus  4  mal 
(darunter  ein  Rezidiv  nach  einer  von  anderer  Seite  ausgeführten 
Alexander-Adams  sehen  Operation),  in  Verbindung  mit 
scheidenverengemden  Operationen  wegen  Genitalprolaps  5  mal. 


Der  \  erlauf  war  in  10  Fällen  vollkommen  fieberlos;  in  einem 
Falle  trat  einmalige  Temperatursteigerung  bis  38°  am  1.  Tage 
auf  und  beim  anderen  Fall  war  der  Verlauf  gestört  durch  eine 
fieberhafte  Bronchitis,  die  zweimalige  Temperatursteigerung  bis 
39  0  zur  Folge  hatte. 

In  allen  1  ällen  wurde  prima  reunio  erzielt. 
Bei  3  Fällen  traten  nach  Entfernung  der  Hautnaht  aus  1  bezw. 
2  Stichkanälen  einige  1  ropfen  serösen  Sekrets  aus;  in  einem 
weiteren  Falle  zeigte  ein  Stichkanal  geringe  Eiterung;  diese 
Patientin  verliess  aber  bereits  am  10.  Tage  das  Bett. 

Die  Hautnaht  wurde  gewöhnlich  am  10.  Tag  entfernt ;  Ent¬ 
lassung  erfolgte  am  12.  14.  Tage.  Eine  Leibbinde  ist  über¬ 
flüssig. 

Der  1.  Fall  wurde  am  5.  II.  1901.  der  letzte  am  12.  III.  1902 
operiert.  Soweit  ieli  inzwischen  die  Patientinnen  wieder  gesehen 
habe  (%  Jahre,  5  und  3  Monate  nach  der  Operation),  war  (las  Re¬ 
sultat.  durchaus  befriedigend,  die  Narben  linear.  Bei  einer  Pa¬ 
tientin  war  in  der  Mitte  der  kaum  bemerkbaren  Narbenlinie  eine 
linsengrosse  Fistel  entstanden,  durch  die  ein  versenkter  Fadeu 
ausgestossen  worden  war;  die  kleine  Fistel  heilte  nach  Auskratzung- 
rasch. 

Bei  2  weiteren  Fällen  war  ich  genötigt,  den  anfänglichen 
Kreuzschnitt  durch  eine  nabelwiirts  angelegte  Längsinzision  zu 
vergrössem,  um  ausgiebigeren  Zugang  zur  Bauchhöhle  zu  ermög¬ 
lichen.  Einmal  handelte  es  sich  um  doppelseitige,  iu  Verwachs¬ 
ungen  eingebettete  Sactosalpinx  und  Retroflexio  des  von  mul¬ 
tiplen  Myomen  durchsetzten  Uterus,  ein  anderes  Mal  um  eine 
grosse,  linksseitige,  retroperitoneale  Cyste,  die  als  linksseitiges 
glattes  Ovarialkystom  diagnostiziert  worden  war.  Beide  Male  trat 
trotz  der  komplizierteren  Wundverliältnisse  reaktionslose  Heilung 
per  prima m  ein.  Bei  der  ersten  Patientin  hat  sich  an  der  Kreu¬ 
zungsstelle  der  beiden  Hautwundlinien  eine  fingerkuppengrosse 
Hernie  gebildet. 

Obwohl  ich  in  diesen  beiden  Fällen  mit  dem  suprasymphy¬ 
sären  Kreuzschnitt  nicht  ausreichte,  bezweifle  ich  dennoch  keines¬ 
wegs,  dass  es  mit  dieser  Schnittführung  gelingt,  auch  grosse, 
nicht  öden-  nur  wenig  adliärente  Ovarialkystome  (eventuell  nach 
vorausgeschickter  Entleerung)  und  Adnextumoren  zu  entfernen 
(Schauta,  v.  Feilenberg,  Ivüstner,  Strassman  n). 

Neben  dem  idealen  kosmetischen  Effekt 
bietet  der  Ivüstnersche  Kreuzschnitt  den  nicht 
zu  unterschätzenden  Vorteil,  dass  das  Tragen 
einer  Leibbinde  überflüssig  wird;  weiterhin 
glaube  ich,  dass  diese  Sohnittf ührung  bessere 
Dauerresultate  hinsichtlich  der  II  e  r  n  i  e  n  b  i  1  - 
düng  liefern  wird,  und  stehe  endlich  nicht  an, 
die  Erwartung  zu  hegen,  dass  der  Küstnersche 
Schnitt  in  Verbindung  mit  der  Ventrifixur 
nach  Olshausen  eine  Konkurrenzoperation 
der  Alexander-Adamsschen  Operation  wer¬ 
den  wird.  Ebenso  dürfte  sich  der  Kreuz¬ 
schnitt  besonders  eignen  für  die  sterilisie¬ 
rende  Tubenresektion.  D  i  e  B  i  1  d  u  n  g  v  o  n  Häma¬ 
tomen  glaube  ich  durch  Auflegen  eines  Sand- 
sackes  wirksam  bekämpfen  zu  können. 

Zum  Schlüsse  veranlasst  mich  die  Mitteilung  v.  Fellen- 
b  e  r  g  s  zu  einigen  literarischen  Bemerkungen. 

y.  Feilenberg  fand  ausser  Küstners  erster  Mitteilung  13| 
(die  übrigens  nicht  1897,  sondern  bereits  Sept.  189(1  erschien)  nur 
die  Angabe  von  Kahn  [4]  und  von  Schauta  [5].  Bei  ge¬ 
nauerer  Durchsicht  ist  die  Literatur  über  Küstners  Kreuz- 
sclmitt  doch  schon  etwas  reichhaltiger. 

Bereits  am  12.  I.  1S97  hat  Mi  kucki  [6]  in  der  gynäko¬ 
logischen  Gesellschaft  zu  Krakau  über  2  Fälle  berichtet  und  lobte 
das  Verfahren;  auch  Switalski  anerkannte  in  derselben 
Sitzung  die  Vorzüge  desselben,  wenn  er  es  auch  nur  selten 
für  indiziert  hält:  in  einem  Falle  von  Kastration  bei  Osteomalacie 
konnte  er  mit  dem  K  ii  stner  scheu  Schnitt  allein  nicht  aus- 
kommen.  Frantzeu  [7]  modifizierte  bei  der  Ventrifixur  zur 
Vermeidung  versenkter  Fäden  und  zur  Beseitigung  toter  Räume 
das  Verfahren  in  der  Weise,  dass  er  durch  den  Fundus  uteri,  Peri¬ 
toneum  und  Faszien  zwei  Silkwormnähte  legte,  alsdann  den  Haut¬ 
lappen  in  der  Richtung  nach  der  Symphyse  über  den  Längsschnitt 
zog,  die  beiden  Fixationsuälite  durch  die  Haut  nach  aussen  durch¬ 
führte  iirnl  sie  später  nach  Schluss  der  Wunden  über  zwei  Marly¬ 
bäuschen  knüpfte. 

Strassma  n  n  [8]  hat  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Ge¬ 
burtshilfe  und  Gynäkologie  am  9.  XI.  1900  über  7  nach  K  «  s  t  n  e  r 
operierte  Fälle  berichtet;  alle  Operierten  genasen.  Die  Ventrifixur 
will  Strassmann  immer  nach  dieser  Methode  vorgenommen 
haben. 

K  ii  li  n  e  [9]  teilt  12  Fälle  aus  der  Marburger  Klinik  mit. 

(5  mal  Ventrifixur  bei  mobiler  Retroflexio.  7  mal  in  Verbindung 
mit  scheidenverengernden  Operationen).  Die  Fixationsfäden  wur¬ 
den  versenkt.  K  ii  li  n  e  weist  darauf  hin,  dass  unter  Umständen 
die  Haut  noch  iu  der  Längsrichtung  gespalten  werden  müsse, 

3* 


1884 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


so  dass  ein  T-Sclinitt  resultiere,  wie  ich  es  in  2  Fällen  ausgeführt 
habe.  Kühne  ist  entgegen  dem  ablehnenden  Urteil  Hof- 
meiers  [10],  dass  „der  suprasymphysäre  Schnitt  ganz  kom¬ 
plizierte  Wundverhältnisse  gibt“,  mit  den  Resultaten  so  zufrieden, 
dass  er  ihn  in  geeigneten  Fällen  nach  wie  vor  anwenden  wird. 
Kühne  zitiert  Abel  [11],  nach  dem  Rap  in  zuerst  die  Me¬ 
thode  des  Kreuzschnittes  eingeführt  habe  im  Interesse  der 
Aesthetik. 

In  der  14.  Jahresversammlung  der  amerikanischen  Gesell¬ 
schaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  zu  Cleveland  17. — 19.  IX. 
1901  sprach  Cumston  [12]  über  quere  Inzision  bei  Laparo¬ 
tomie;  seine  Methode  ist  identisch  mit  dem  K  ii  s  t  n  e  r  sehen 
Kreuzschnitt;  es  ist  aus  dem  Referat  nicht  ersichtlich,  ob  C  u  m  - 
ston  unabhängig  von  K  ü  s  t  n  e  r  zu  seiner  Methode  gekommen 
ist;  jedenfalls  gebührt  Küstner  die  Priorität. 

Weiterhin  stellt  Tiegel  [13]  in  seiner  Inauguraldissertation 
(Breslau  1901)  „Ueber  die  Vorteile  des  suprasymphysären  Faszien¬ 
querschnittes  nach  P  f  a  n  n  e  n  s  t  i  e  1“  beide  Methoden  einander 
gegenüber  und  endlich  hat  Küstner  [14]  selbst  auf  dem  vor¬ 
jährigen  Gynäkologenkongress  in  Giessen  mitgeteilt,  dass  er  bis 
1901  über  weit  mehr  als  100  nach  seiner  Methode  operierte  Fälle 
verfügte  und  dass  er  die  Indikationsstellung  seit  seiner  ersten 
Veröffentlichung  wesentlich  erweitern  konnte.  Bauchhernien 
kamen  in  keinem  Falle  zur  Beobachtung. 

Bei  den  mehrfach  angeführten  5  Fällen  Schautas  [5] 
handelt  es  sich  um  den  suprasymphysären  Kreuzschnitt  nach 
Küstner  und  nicht  um  Pfannenstiels  suprasymphy¬ 
sären  Faszienquerschnitt,  was  Daniel  [15]  gegenüber  ausdrück¬ 
lich  festzustellen  ist. 

Die  beiden  Schnittführungen  —  nach  Küstne  r  und  nach 
Pfannen  stiel  —  sind  auseinander  zu  halten ;  sie  sind  im 
Prinzip,  wenn  auch  ähnlich,  so  doch  verschieden  und  sind  des¬ 
halb  auch  hinsichtlich  ihrer  Verwendbarkeit  und  ihrer  Dauer¬ 
resultate  gesondert  zu  beurteilen. 

Nach  Pfannenstiels  Methode  habe  ich  erst  1  mal 

—  mit  gutem  Erfolg  —  operiert. 

Literatur. 

1.  v.  F  e  1 1  e  n  b  e  r  g:  Centralbl.  f.  Gyn.  1902,  No.  15,  S.  385/390. 

—  2.  Ivriinig-Feuchtwanger:  Monatssehr.  f.  Geburtsli. 
u.  Gyn.,  Bd.  XI,  H.  3,  S.  623.  —  3.  Küstner:  Monatsschr.  f.  Ge- 
burtsh.  u.  Gyn.,  Bd.  IV,  H.  3,  S.  197.  1896.  —  4.  K  ahn:  Centralbl. 
f.  Gyn.  1S97,  S.  990.  —  5.  Schauta:  Centralbl.  f.  Gyn.  1901,  No.  49, 
S.  1344.  —  6.  Mikucki:  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gyn.  1897, 
Bd.  VI,  H.  5,  S.  544.  —  7.  Frantzen:  Centralbl.  f.  Gyn.  1897, 
No.  17,  S.  464.  —  8.  Strassmann:  Centralbl.  f.  Gyn.  1901,  No.  1, 
8.  9.  —  9.  Kühne:  Centralbl-.  f.  Gyn.  1901,  No.  4,  S.  102.  — 
10.  Hofmeier:  Grundriss  der  gynäkologischen  Operationen. 
S.  71.  —  11.  Abel:  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  LVI,  S.  672.  —  12.  Cum¬ 
ston:  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gyn.,  Bd.  XIV,  II.  6,  S.  826.  — 
13.  Tiegel:  Inauguraldissertation,  Breslau  1901.  —  14.  Küst¬ 
ner:  Verhandl.  d.  IX.  Versamml.  d.  deutsch.  Gesellsch.  f.  Gyn. 
1901,  S.  584  ff.  —  15.  Daniel:  Centralbl.  f.  Gyn.  1902,  No.  15, 
S.  392. 

Nachtrag  bei  der  Korrektur:  Zur  Prioritätsfrage 
Rapin  - Küstner  vergl.  noch  O.  Beuttner-  Genf :  Supra- 
svmphysärer  Bogenschnitt  nach  Rapin-Küstner.  Centralbl. 
f‘  Gyn"  1902,  No.  29,  S.  777. 


Aus  dem  Allgemeinen  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf 
(Medizin.  Abteilung;  Oberarzt  Dr.  Nonne). 

Ein  Fall  von  kruppöser  Pneumonie  und  Sepsis,  her¬ 
vorgerufen  durch  den  Pneumobazillus  Friedländer. 

Von  Dr.  E.  Philipp  i,  Assistenzarzt. 

In  der  Festschrift  zum  70.  Geburtstag  v.  Leydens 
„Internationale  Beiträge  zur  inneren  Medizin“  Bd.  II  findet  sich 
ein  Aufsatz  von  A.  F  r  a  e  n  k  e  1  -  Berlin  „Ueber  Pneumokokken¬ 
befunde  im  Blute  und  über  das  Verhalten  des  arteriellen  Druckes 
bei  der  menschlichen  Lungenentzündung“. 

Der  Verfasser  geht  aus  von  den  sich  widersprechenden  Re¬ 
sultaten  bei  den  Untersuchungen  über  das  Vorkommen  von 
Mikrokokken  im  Blute  des  Lebenden  bei  Pneumonie,  bespricht 
seine  eigene  Erfahrung  auf  diesem  Gebiete  und  berichtet  ein¬ 
gehend  über  die  Anschauungen  Prochaskas  von  der  an¬ 
zuwendenden  Methode  bei  den  betreffenden  Blutuntersuchungen 
und  über  die  hierbei  von  diesem  Forscher  erzielten  Resultate. 
A.  Fraenkel  resümiert  dann  auf  Grund  seiner  eigenen  und 
Prochaskas  Untersuchungen  wörtlich  folgendermassen :  „Bei 
keinem  seiner  Kranken  traf  Prochaska  den  F  riedländer- 
schen  Pneumobazillus,  so  dass  seine  Untersuchungen  in  Ver¬ 
bindung  mit  meinen  eigenen  Erfahrungen  einen  wichtigen  Beleg 
für  die  Richtigkeit  des  stets  von  mir  verfochtenen  Satzes  bilden, 
dass  der  Erreger  der  typischen  Pneumonie  des  Menschen  aus¬ 
schliesslich  in  dem  lanzettförmigen  Pneumokokkus  und  dessen 
unmittelbaren  Varietäten  zu  suchen  ist.“ 


Gegenüber  dieser  so  bestimmt  ausgesprochenen  Annahme, 
erscheint  die  Mitteilung  eines  Falles  gerechtfertigt,  den  ich  auf 
der  Abteilung  des  Herrn  Oberarztes  Dr.  Nonne  im  vergangenen 
Frühjahr  beobachten  konnte. 

Am  31.  März  Abends  wurde  ein  kräftig  gebauter,  älterer 
Mann,  lebhaft  delirierend  und  unklar,  so  dass  die  Anam¬ 
nese  nicht  erhoben  werden  konnte,  aufgenommen.  Es  fand  sich 
bei  ihm  auf  der  i*echten  Lunge  hinten  im  Bereich  des  ganzen  Ober¬ 
lappens  und  des  Unterlappens  bis  auf  eine  ca.  3  Querfinger  breite 
Partie  und  vom  von  der  Spitze  bis  zur  4.  Rippe  absolute  Däm¬ 
pfung  mit  leicht  tympanitischem  Beiklang.  Im  Bereich  der  Däm¬ 
pfung  war  bei  dem  sehr  oberflächlichen  Atmen  des  benommenen 
Patienten  kein  Atemgeräusch,  wohl  aber  vereinzeltes  feines 
Rasseln  zu  hören. 

Nur  im  Bereiche  der  rechten  mittleren  Axillarlinie,  in  der 
Höhe  der  3.  bis  4.  Rippe  hörte  man  weiches  Bronchialatmen. 

Reichlicher,  rubiginöser,  schaumiger  Auswurf.  Am  Cor  sehr 
leise,  aber  reine  Töne.  Pulsfrequenz  116;  Temperatur  39,1;  Re¬ 
spiration  42. 

Diagnose:  Akute,  kruppöse  Pneumonie. 

Am  i.  IV.  hielt  sich  die  Temperatur  etwa  auf  39,4;  die  Puls¬ 
frequenz  stieg  auf  126  an,  die  Respiration  auf  50. 

Dem  im  Eppendorf  er  Krankenhaus  allgemein  geübten  Ver¬ 
fahren  entsprechend,  wurden  Morgens  aus  der  linken  Vena 
mediana  mit  der  L  u  e  r  sehen  Spritze  15  ccm  Blut  entnommen  und 
auf  6  Glyzerinagarröhrchen  verteilt.  Schon  am  Abend  spät  waren 
die  Platten  alle  dicht  übersät  mit  sehr  kleinen  Kolonien,  die  am 
nächsten  Mittag  (2.  IV)  üppig  gewuchert  waren  und  bereits  makro¬ 
skopisch  von  Herrn  Dr.  Schottmüller  als  vom  Pneumo¬ 
bazillus  Friedländer  erzeugt  angesprochen  wurden  und  sich  auch 
mikroskopisch  im  Ausstrich  als  solche  erwiesen.  Am  2.  IV.  Mittags 
starb  der  Patient  und  wurde  am  3.  IV.  Mittags  seziert. 

Es  fand  sich  in  der  rechten  Lunge  eine  keinesfalls  ungewöhn¬ 
lich  aussehende,  brettharte  pneumonische  Infiltration  des  gesamten 
Oberlappens  und  des  oberen  Abschnittes  des  Unterlappens,  Im 
vorderen  unteren  Teile  des  Oberlappens  fand  sich  ein  ausgedehnter 
Erweichungsherd,  bestehend  aus  matschigen,  dunkelroten,  stinken¬ 
den  Massen. 

In  den  gefärbten  Abstrichpräparaten  aus  den  nicht  erweich¬ 
ten  Partien  fand  sich  nur  der  Pneumobazillus  Friedländer, 
während  sich  in  den  aus  den  erweichten  Partien  angefertigten 
Präparaten  noch  diverse  andere  Bakterien,  aber  nicht  der  Diplo- 
coccus  lanceolatus  fanden. 

In  dankenswerter  Weise  hatte  Herr  Dr.  Schottmüller 
die  Liebenswürdigkeit,  die  weitere  genaue  kulturelle  Untersuchung 
der  aus  dem  in  vivo  entnommenen  Blute  und  der  aus  dem  Lungen- 
abstrich  gewachsenen,  als  Pneumobazillus  Friedländer  ange¬ 
sprochenen  Stäbchen  zu  übernehmen.  Seine  Untersuchungen  und 
die  von  dem  Prosektor  Herrn  Dr.  Eugen  Fraenkel  aus  dem 
Wirbelknochenmark  der  Leiche  erhobenen  bakteriellen  Befunde 
bewiesen  zur  Evidenz,  dass  es  sich  hier  um  eine  allein  durch 
den  Pneumobazillus  Friedländer  hervorgerufene  Pneumonie  und 
Sepsis  handelte. 

Man  kann  somit  den  Pneumokokkus  F raenkel  nicht  aus¬ 
schliesslich  als  Erreger  der  typischen  Pneumonie  des 
Menschen  ansehen,  sondern  muss  auch  heute  noch  den  seiner¬ 
zeit  von  Friedländer  zuerst  als  Erreger  der  Pneumonie  er¬ 
klärten  Bazillus  für  sehr  vereinzelte  Fälle  als  solchen  anerkennen. 
So  fand  ihn  auch  Weichselbaum  (Wien.  med.  J ahrbücher 
86)  unter  83  Fällen  nur  6  mal.  In  jüngster  Zeit  kam  Kief  f  er 
in  seiner  Arbeit:  „Contribution  ä  l’etude  bacteriologique  de  la 
pneumonie  lobaire  suppuree“  zu  dem  Schluss,  dass  das  isolierte 
Vorkommen  des  F  r  a  e  n  k  e  1  sehen  Pneumokokkus  bei  der 
eitrigen  Pneumonie  die  Regel  bilde,  fand  aber  selbst  in  einem 
Falle  den  Pneumobazillus  F  riedländer.  Dass  in  meinem 
Falle  neben  der  Pneumobazillen-Pneumonie  auch  eine  Pneumo- 
bazillen  -Sepsis  vorlag,  erscheint  mir  bei  der  Schwere  der 
Infektion  in  Analogie  mit  dem  Pneumokokkus  Fraenkel 
nicht  auffallend,  doch  dürfte  wohl  ein  solcher  Fall  bisher  noch 
nicht  publiziert  sein. 

Aus  dem  Augusta-Hospitale  in  Köln  (Abteilung :  Professor 

Dr.  linkowsk  i). 

Ein  Fall  von  luetischer  doppelseitiger  Postikuslähmung 
mit  Ausgang  in  Heilung. 

Von  Dr.  F.  Steinhaus,  ehemaligem  Assistenzarzt. 

Die  Kasuistik  über  die  doppelseitige  Lähmung  der  Mm.  crieo- 
arytaenoidei  postici  hat  in  den  beiden  letzten  Jahrzehnten  des 
vorigen  Jahrhunderts  einen  ziemlich  erheblichen  Umfang  an¬ 
genommen  (es  sind  über  100  Fälle  beschrieben  worden)  und 
mehrere  grössere  Arbeiten  haben  sieb  eingehender  mit  dieser 
interessanten  Lähmungsform  beschäftigt.  Trotzdem  liegt  viel¬ 
leicht  eine  Berechtigung  vor,  der  Kasuistik  einen  weiteren  genau 
beobachteten  Fall  anzureihen,  weil  demselben  Lues  mit  grösster 


11.  November  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1885 


Wahrscheinlichkeit  als  ätiologisches  Moment  zu  Grunde  liegt 
und  weil  derselbe  bei  entsprechend  gewählter  Therapie  in  voll¬ 
kommene  Heilung  überging.  Der  Fall  gelangte  auf  der  inneren 
Abteilung  dei  städtischen  Krankenanstalten  (Augusta-Ilospital) 
zur  Beobachtung  und  wurde  mir  von  meinem  Chef,  Herrn  Prof. 
Mmko  ws  k  i,  zur  Veröffentlichung  übergeben,  wofür  ihm  auch 
an  dieser  Stelle  mein  Dank  gebührt. 

Krankengeschichte :  Der  39  Jahre  alte  Patient  A.  W.  gibt  an 
vor  2  Jahren  an  einem  Hautausschlag  gelitten  zu  haben.  Dieser 
wurde  als  ein  luetischer  aufgefasst  und  der  Patient  demgemäss 
einer  mehrmaligen  antiluetischen  Kur  unterworfen.  Vor  seinem 
Kintritt,  in  das  Hospital  befand  er  sich  wegen  Lues  auf  der  Haut- 
uml  Geschlechtsabteilung  der  städt.  Krankenanstalten,  woselbst 
mit  ihm  eine  6  wöchentliche  Inunktionskur  vorgenommen  wurde 
Kurz  darnach  trat  er  in  die  Anstalt  ein  mit  Klagen  über  reissende 
Schmerzen  in  der  linken  Unterextremität,  die  ihn  beim  Gehen  sehr 
behinderten. 

Dt  i  Aufnahmestatus  ergab  folgendes:  Herz  und  Lungen 
zeigen  keine  Abweichungen  von  der  Norm.  Desgleichen  ist  an  den 
Organen  des  Abdomens  nichts  Krankhaftes  zu  finden.  Die  Pa- 
tellarrefiexe  sind  gesteigert,  angedeuteter  Patellarklonus.  Des¬ 
gleichen  ist  1'  ussklonus  beiderseits  vorhanden.  Die  Sensibilität 
ist  völlig  intakt.  Patient  hat  Schmerzen  beim  Gehen,  die  von  der 
linken  Hüfte  den  Oberschenkel  entlang  an  seiner  Beugeseite  in  den 
l  nterschenkel  ausstrahlen.  Patient  wurde  nach  4  wöchentlichem 
Aufenthalte  als  gebessert  entlassen. 

Etwa.  10  Tage  später  trat  er  von  neuem  ein  mit  im  wesent¬ 
lichen  den  gleichen  Klagen.  Die  Schmerzen  bestehen  in  derselben 
Weise  fort;  sie  sollen  nur  anfallsweise  auftreten.  Dabei  hat  Pa¬ 
tient  das  Gefühl  von  Kribbeln  und  Hitze  in  dem  linken  Bein.  Das 
rechte  Bein  ist  schmerzfrei.  Im  Urin  ist  weder  Albuinen  noch 
Saccharum  nachweisbar.  Das  R  o  m  b  e  r  g  sehe  Phänomen  ist 
nicht  vorhanden.  Die  Pupillen  reagieren  auf  Lichteinfall  träge, 
auf  Konvergenz  besser  und  sind  gleich  weit.  Die  Sehnenreflexe 
an  beiden  Unterextremitäten  sind  auffallend  gesteigert.  Sensi¬ 
bilitätsstörungen  fehlen  vollständig.  Der  Gang  des  Patienten  ist 
hinkend;  der  Kranke  schont  das  linke  Bein  beim  Gehen  und 
schleppt  es  in  gestreckter  Haltung  nach.  Es  besteht  eine  skolio- 
tische  Verbiegung  der  Wirbelsäule. 

Die  Therapie  bestand  in  Darreichung  von  Natr.  salicyl.  5,0  g 
pro  die.  Ausserdem  erhielt  Patient  täglich  ein  warmes  Vollbad. 
Nach  14  Tagen  war  eine  Besserung  in  dem  Zustande  des  Kranken 
bei  dieser  Medikation  nicht  eingetreten. 

Bei  dem  skizzierten  Symptomenkomplex  wurde  wegen  der  an 
der  Ilinterseite  des  linken  Oberschenkels  auftretenden  Schmerzen 
und  wegen  Druckschmerzhaftigkeit  an  der  Austrittsstelle  des 
N.  ischiadicus  an  Neuritis  ischiadica  rheumatica  gedacht.  Dann 
wurde  die  Möglichkeit  in  Betracht  gezogen,  ob  es  sich  nicht  um 
lanzinierende  Schmerzen  handle,  die  mit  der  trägen  Reaktion 
der  Pupillen  kombiniert  die  ersten  Erscheinungen  einer  sich  ent¬ 
wickelnden  Tabes  darstellen  konnten.  Die  gesteigerten  Sehnen¬ 
reflexe  sprachen  nicht  gegen  eine  solche  Auffassung  des  Krank¬ 
heitsbildes,  da  sie  häufig  bei  den  Formes  frustes  der  Tabes 
(s.  auch  Erb:  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  No.  29)  zur  Be¬ 
obachtung  gelangen.  Schliesslich  war  auch  der  Gedanke  an  eine 
beginnende  Neuritis  alcoholica  nicht  von  der  Hand  zu  weisen, 
da  der  Patient  eingestandenennassen  ein  starker  Potator  war. 
Die  exakte  Diagnose  blieb  somit  in  suspenso. 

Am  14.  Tage  seines  Aufenthaltes  im  Hospitale  klagte  der 
Patient  über  Halsschmerzen  und  Beschwerden  beim  Schlucken, 
für  die  ein  Anhaltspunkt  sich  aber  nicht  finden  liess.  Zwei  Tage 
später  trat  Nachmittags  plötzlich  inspiratorische  Dyspnoe 
stärksten  Grades  ein.  Der  Kranke  bot  folgendes  Bild  dar:  Er 
lag  mit  nach  hinten  gebeugtem  Kopfe  im  Bette.  Die  Atmung  war 
beschleunigt  und  ging  mit  sehr  lautem  inspiratorischem  Stridor 
einher,  der  weithin  vernehmbar  war.  Die  Haut  des  Gesichtes  war 
stark  eyanotiscli  verfärbt.  Daneben  bestand  profuser  Schweiss¬ 
ausbruch.  Die  Sprache  war  erhalten:  Patient  beantwortete  deut¬ 
lich  jede  an  ihn  gestellte  Frage.  Eine  vorgenommene  laryngo- 
skopisclie  Untersuchung  ergab  folgenden  Befund: 

Die  Aryknorpel  zeigen  keine  Veränderungen.  Die  Glottis 
bildet  bei  der  Inspiration,  in  zwei  Teile  zerfallend,  nach  vorne 
einen  schmalen  ovalen  Spalt,  nach  hinten  einen  kleinen  drei¬ 
eckigen  Ausschnitt.  Die  Stimmbänder  selbst  sind  unverändert 
und  verharren  in  Medianstellung.  Bei  der  Inspiration  schliesst  sich 
der  ovale  Spalt.  Die  Exspiration  war  möglich  und  infolge  dessen 
auch  die  Sprache  erhalten. 

Es  bot  sich  also  das  klassische  Bild  der  doppelseitigen 
Postikuslähmung  dar,  das  v.  Ziemssen  in  folgende  Symptome 
zusammenfasst :  Ganz  allmähliche  Entwicklung  einer  rein  in¬ 
spiratorischen  laryngealen  Dyspnoe,  meist  ohne  Katarrh  und 
Sprachstörungen.  Exspiration  frei.  Laryngoskopisch  bildet  die 
Glottis  einen  schmalen  Spalt,  der  sich  bei  der  Inspiration  noch 
weiter  schliesst.  Klangreichtum,  Klangfarbe  und  Höhe  der 
Stimme  wird  nicht  verändert.  In  Abweichung  von  diesem  Bilde 
hat  sich  in  unserem  Falle  die  Dyspnoe  akut  entwickelt. 

No.  45. 


Verordnung  bestand  in  Auflegen  von  heissen,  feuchten 
Umschlagen  auf  die  Kehlkopfgegend  und  in  innerlicher  Dar¬ 
reichung  von  Jodkali. 

In  den  nächsten  Tagen  blieb  der  Zustand  zunächst  unver¬ 
ändert.  Es  wurden  die  Vorbereitungen  zur  Tracheotomie  getroffen, 
um  im  Falle  bedrohlich  zunehmender  Dyspnoe  die  Operation  sofort 
vornehmen  zu  können.  Der  Stridor  wurde  so  laut,  dass  der  Patient 
im  Interesse  der  übrigen  Kranken  isoliert  werden  musste.  Es 
fiel  auf,  dass  die  Dyspnoe  anfallsweise  sich  steigerte,  so  dass 
Zeiten  mit  relativ  leichter  Atmung  abwechselten  mit  solchen  be¬ 
denklich  hochgradiger  Dyspnoe.  Die  Artikulation  der  Sprache 
blieb  ungestört. 

Unter  Berücksichtigung  einer  Bemerkung  v.  Ziemssens: 
„Ob  übrigens  Kranke  mit  Postikuslähmung  die  Möglichkeit  des 
Singens  in  höheren  Lagen  —  worauf  die  Tätigkeit  der  Postici  von 
wesentlichem  Einflüsse  sein  dürfte  —  bewahrt  oder  verloren 
haben,  wäre  noch  festzustellen“,  wurde  eine  häufigere  Prüfung 
an  dem  Kranken  nach  dieser  Richtung  vorgenommen.  Es  gelang 
ihm  niemals,  höhere  musikalische  Töne  anzulauten. 

Nach  etwa  8  Tagen  ist  eine  geringe  Besserung  eingetreten, 
insofern,  als  Patient,  wenn  er  sich  ruhig  verhält,  ziemlich  gut 
atmen  kann.  Bei  den  geringsten  Bewegungen  dagegen,  namentlich 
auch  beim  Sprechen,  steigert  sich  die  Dyspnoe  erheblich. 

Der  Patient  erhält  von  nun  ab  täglich  eine  Injektion  von 
Hydrargyr.  succinimidatum  nach  der  Formel: 

Hydrarg.  succinmidat.  0,G5 

Cocain,  hydrochloric.  0,5 

Aq.  dest.  ad  50,0. 

Unter  dem  Einflüsse  dieser  Injektionen  besserte  sich  der  Zu¬ 
stand  des  Kranken  so  auffallend,  dass  nach  weiteren  14  Tagen 
die  Dyspnoe  als  beseitigt  betrachtet  werden  und  Patient  das 
Bett  verlassen  konnte. 

Auffallend  war  bei  der  weiteren  Gestaltung  des  Krankheits¬ 
verlaufes,  dass  sich  unter  der  spezifischen  Behandlung  auch  die 
Erscheinungen  an  der  linken  Extremität  verloren.  Der  Gang 
wurde  von  Tag  zu  Tag  freier  und  unbehinderter,  die  Schmerzen 
in  dem  linken  Beine  liessen  nach.  Nach  3  monatlicher  Behand¬ 
lung  konnte  der  Patient  als  vorläufig  geheilt  entlassen  werden. 

Im  Entlassungsbefunde  ist  notiert,  dass  die  Glottis  voll¬ 
kommene  Schlussfähigkeit  bei  der  Phonation  und  normale  Er¬ 
weiterung  bei  der  Inspiration  aufweist.  Die  Stimmbänder  zeigen 
keinerlei  Veränderungen.  Die  Sprache  ist  laut  und  deutlich,  die 
Intonation  sämtlicher  musikalischer  Töne  ist  möglich. 

Wenn  ich  an  dieser  Stelle  einen  Ueberblick  über  die  für  die 
Postikuslähmung  in  Betracht  kommenden  ätiologischen  Momente 
wrerfe,  so  lehrt  die  Literatur,  dass  dieselben  mannigfach  in  ihrer 
Natur  sein  können.  In  den  wenigsten  Fällen  ist  ein  Katarrh 
der  Stimmbänder  als  Ursache  in  der  Literatur  verzeichnet.  Einen 
etwas  grösseren  Raum  nehmen  Intoxikationen  verschiedener  Art 
ein.  Des  weiteren  können  Tumoren  des  Kehlkopfs  und  seiner 
Nachbarorgane  von  ursächlicher  Bedeutung  werden.  Die  Lite¬ 
ratur  weist  fernerhin  eine  grössere  Zahl  von  Fällen  auf,  bei  denen 
Nervenkrankheiten  eine  kausale  Rolle  gespielt  haben.  Im 
Vordergründe  stehen  hier  die  Tabes  dorsalis  und  andere  Er¬ 
krankungen  des  zentralen  Nervensystems,  wie  Syringomyelie 
und  solche  Herderkrankungen  des  Gehirns,  die  den  Vaguskern 
in  ihren  Bereich  gezogen  hatten.  Sodann  ist  die  Hysterie  als 
ätiologisches  Moment  angeführt  worden.  Auch  die  progressive 
Muskelatrophie  ist  in  einigen  Fällen  mit  doppelseitiger  Postikus¬ 
lähmung  kompliziert  gewesen. 

Die  bei  weitem  häufigste  Ursache  stellen  aber  die  Infektions¬ 
krankheiten  dar.  So  ist  die  Postikuslähmung  im  Gefolge  von 
Typhus  abdominalis,  Diphtherie,  Erysipel,  Gonorrhöe  und  Lues 
zur  Beobachtung  gelangt. 

Für  die  bei  unserem  Falle  eingeschlagene  Therapie  war  die 
anamnestische  Angabe  von  massgebender  Bedeutung  gewesen, 
dass  vor  einigen  Jahren  eine  luetische  Infektion  erfolgt  war,  die 
wenige  Monate  vor  der  Aufnahme  des  Patienten  neuerliche  Er¬ 
scheinungen  gemacht  hatte.  Da  nun  die  antiluetische  Behand¬ 
lung  eine  solche  Wirkung  entfaltete,  dass  der  Kranke  nicht  nur 
von  seinem  lästigen  Kehlkopfleiden,  sondern  auch  von  seinen 
übrigen  körperlichen  Beschwerden  völlig  befreit  wurde,  so  steht 
wohl  der  Annahme  nichts  im  Wege,  die  Lues  als  Causa  efficiens 
morbi  aufzufassen.  Zugleich  ist  damit  der  Beweis  erbracht, 
dass  auch  die  Veränderungen  an  den  Unterextremitäten  auf  die 
Wirkung  des  syphilitischen  Virus  zu  beziehen  waren,  dass  mit¬ 
hin  eine  Neuritis  ischiadica  luetica  mit  grösster  Wahrschein¬ 
lichkeit  sich  in  dem  linken  Beine  etabliert  hatte. 

Was  nun  die  Lokalisation  der  Kehlkopf erkrankung  anlangt, 
so  wird  es  für  eine  Erörterung  dieser  Frage  zweckmässig  sein, 
die  Einteilung  der  Postikuslähmungen,  wie  sie  von  Gerhardt 
vorgeuommen  wurde,  zu  Grunde  zu  legen:  es  kann  sich  nach 
ihm  um  eine  zentrale  Erkrankung,  um  eine  periphere  Affektion 

4 


i8b  ’ ) 


MUEN CFIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


des  N.  recurrens  und  schliesslich  um  eine  Veränderung  der  be¬ 
troffenen  Muskeln  handeln. 

Eine  periphere  Erkrankung  der  Muskeln  glaube  ich  bei  Be¬ 
trachtung  sämtlicher  Krankheitserscheinungen  ausschliessen  zu 
können.  Unter  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dass  der 
Kranke  noch  andere  Veränderungen  an  seinem  Nervensystem 
darbot  (träge  Pupillenreaktion,  gesteigerte  Reflexe,  Schmerzen 
nach  Art  der  lanzinier enden),  dürfte  es  wohl  nicht  ganz  auszu- 
schliessen  gewesen  sein,  dass  wir  das  Anfangsstadium  der  Tabes 
dorsalis  vor  uns  hätten,  bei  der  einige  Male  eine  Postikuslähmung 
als  Initialsymptom  zur  Beobachtung  gekommen  ist  (s.  auch 
Weil:  Berl.  klin.  Wochenschr.,  Bd.  23,  No.  13).  Es  ist  ferner 
auch  der  Gedanke  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  eine  Affek¬ 
tion  des  Gehirns,  eine  Herderkrankung,  die  erst  in  ihrer  Ent¬ 
stehung  begriffen  ist,  als  Ursache  der  gesamten  krankhaften  Er¬ 
scheinungen,  die  der  Kranke  darbot,  in  Frage  kommt,  in  Ana¬ 
logie  mit  einem  Falle,  den  Taylor  (ref.  Schmidts  Jahr¬ 
bücher  1884,  pag.  205)  beschrieb.  Auch  bei  diesem  Falle  lag 
Lues  als  Aetiologie  vor;  es  trat  zunächst  LIeilung  ein; 
Vs  Jahr  aber  nach  dem  Ablauf  der  Postikuslähmung  machten 
sich  zer  ebrospinale  Erscheinungen  in  Form  von  Taubsein, 
Schmerzen  in  der  linken  Körperhälfte  und  Hemiplegie  bemerk¬ 
bar.  Schliesslich  könnte  man  noch  eine  periphere  Erkrankung 
des  N.  recurrens  als  Ursache  in  Betracht  ziehen,  eine  Neuritis, 
Die  Annahme,  dass  eine  solche  Vorgelegen  hat,  also  die  neuro- 
paralytische  Form  der  Lähmung,  hat  meines  Erachtens  den  gröss¬ 
ten  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  wenn  man  erwägt,  dass 
im  Bereiche  des  1.  N.  isehiadicus  zu  gleicher  Zeit  eine  Neuritis 
vorlag. 

Wenn  ich  meine  Auffassung  demnach  über  die  Kehlkopf  - 
erkrankung  hinsichtlich  des  ihr  zu  Grunde  liegenden  anatomi¬ 
schen  Substrates  präzisieren  müsste,  so  würde  ich  am  ehesten 
zu  der  Meinung  hinneigen,  dass  es  sich  um  eine  periphere  Er¬ 
krankung  des  N.  recurrens  handelte,  wobei  ich  es  aber  nicht  für 
ausgeschlossen  halten  möchte,  dass  eine  forme  fruste  der  Tabes 
dorsalis  resp.  Initialsymptome  derselben  Vorgelegen  haben  könn¬ 
ten.  Die  weitere  Beobachtung  des  Kranken  muss  lehren,  welche 
Annahme  am  meisten  zu  Recht  besteht. 

Das  Interesse  unseres  Falles  beruht  darauf,  dass  bei  einem 
nachweisbar  luetisch  infizierten  und  an  Nerven¬ 
störungen  leidenden  Patienten  plötzlich  eine  Lähmung 
beider  Mm.  crico-arytaenoidei  postici  auf¬ 
trat,  die  bei  einer  ein  geleiteten  antiluetischen 
Injektionskur  innerhalb  einiger  Wochen  ohne 
Tracheotomie  in  völlige  Heilung  überging. 
Da  die  Zahl  der  syphilitischen  Postikuslähmungen  an  sich  nicht 
bedeutend  und  die  der  Heilungen  ohne  Tracheotomie  nicht  gross 
zu  sein  scheint,  ist  die  Veröffentlichung  des  Falles  als  Beitrag 
zur  Kasuistik  der  Postikuslähmungen  sicherlich  angebracht. 


Ein  Fall  von  Lobärpneumonie  mit  konsekutivem  Pem¬ 
phigus  acutus  bei  einem  2  V2  jähr.  Kinde. 

Von  Dr.  med.  Oskar  Moos,  prakt.  Arzt  in  Heilbronn  a/N. 

Während  der  Pemphigus  bei  Neugeborenen  in  der  allge¬ 
meinen  Praxis  dann  und  wann  beobachtet  wird,  gehört  der  Pem¬ 
phigus  acutus  bei  älteren  Kindern  und  Erwachsenen  zu  den 
Raritäten  der  ärztlichen  Beobachtung. 

Der  von  mir  beobachtete  Fall  erscheint  mir  ganz  besonders 
erwähnenswert,  weil  die  Blasenbildung  erst  sekundär  aufgetreten 
ist,  und  zwar  fällt  der  Beginn  des  Auftretens  der  ersten  Blasen 
auf  den  9  Tag  einer  Affektion,  welche  nach  ihren  Symptomen 
(heftiger  Husten,  kontinuierliches  Fieber,  Bronchialatmen)  als 
Lobärpneumonie  aufgefasst  werden  musste. 

Paula  H.,  2 y2  Jahre  alt,  früher  immer  gesund,  von  guter  Kon¬ 
stitution,  erkrankte  am  20.  Mai  mit  heftigem  Hustenreiz,  Temp. 
40.0,  Lungeubefund  normal.  Am  23.  Mai  war  über  dem  ganzen 
linken  Unterlappen  deutliches  Bronchialatmen  zu  hören,  Schall 
relativ  gedämpft.  Rechte  Lunge  normales  Zellenatmen.  Die  Dia¬ 
gnose  lautete  demnach:  Pneumonia  crouposa  lob.  inf.  sin. 

Das  Allgemeinbefinden  war  bei  reichlicher  Aufnahme  von 
Milch  und  regelmässigen,  dem  Alter  entsprechenden  Gaben  von 
Tokayer  befriedigend.  Ord.  2 — 3  mal  täglich  1  Bad  von  30  0  C., 
mit  allmählicher  Abkühlung  auf  27,5°  C.  und  nachfolgender  Ueber- 
giessung  22°  C.;  Nachts  2  stündlich  kühle  Stammwickel.  Intern: 
Liqu.  Ammon,  anis. 

Vom  2G.  Mai  ab,  mit  Eintritt  der  hyperpyretischen  Tempera¬ 
turen.  verschüchterte  sich  von  Tag  zu  Tag  der  Zustand  des  kleinen 


Patienten.  Puls  165,  oberflächliche,  sehr  beschleunigte  Atmung. 
Langsamer,  aber  fortschreitender  Verfall  der  Kräfte.  Ord.:  Bäder 
wie  oben,  nur  etwas  kühlere  Uebergiessung,  innerlich  Camplicr. 
0,02  2  stttndl. 


Am  2S.  erstes  Auftreten  einiger  Bläschen  wässrigen  Inhalts 
von  Stecknadelkopf-  bis  Linsengrösse  auf  der  Vorderseite  der 
Brust.  Dem  Aufschiessen  der  Bläschen  ging  keine  Röte  der  Haut 
voraus,  sie  selbst  waren  von  einem  schmalen,  blassroten  Saum 
umgeben.  Tags  darauf  waren  diese  Effloreszenzen  beträchtlich 
vergrössert  bis  zur  Grösse  eines  1  »reimarkstückes.  Neue  Bläs 
chen  zeigten  sich  vereinzelt  auf  Rücken  und  Brust.  Der  Zustand 
war  jetzt  so  bedrohlich  (Puls  170,  wachsgelbes  Aussehen),  dass  zu 
Kampherinjektionen  geschritten  werden  musste  (3  stiindl.  0,02 
Campkor.  subkutan).  Am  30.  geringe  Besserung  des  Allgemein¬ 
befindens,  während  der  Ausschlag  immer  weiter  um  sich  griff.  Am 
nächsten  Tage  bot  der  Rumpf  mit  seinen  bis  hühnereigrossen 
Blasen  und  den  nach  Abtragung  der  abgehobenen  Epidermis  ent¬ 
standenen  Hautdefekten  ganz  das  Bild  einer  ausgedehnten, 
schweren  Verbrennung  zweiten  Grades.  Am  1.  Juni  war  die 
untere  Hälfte  des  Rückens  in  toto  ihrer  Epidermis  beraubt,  und 
auch  auf  der  Vorderseite  des  Rumpfes,  an  Brust  und  Bauch,  waren 
über  handtellergrosse  Partien  freiliegenden  Koriums.  In  diesem 
Stadium  musste,  da  jede  Berührung  und  passive  Bewegung  der 
kleinen  Dulderin  unsägliche  Schmerzen  bereitete,  von  jeder  hydria- 
trisclien  Prozedur  Abstand  genommen  werden,  und  konnte  ich 
mich  um  so  leichter  dazu  entschliessen,  als  der  Prozess  aul  der 
Lunge  so  ziemlich  abgelaufen  war.  Die  Hautaffektion  behandelte 
ich  trocken,  anfangs  mit  adstringierendem  Puder,  später  mit 
Bardelebens  Brandbinden,  welche  sich  mir  bei  ähnlich  aus¬ 
sehenden,  ausgebreiteten  Verbrennungen  mehrfach  gut  bewährt 
hatten.  Vom  31.  Mai  ab  zeigte  sich  lytischer  Temperaturabfall. 
Die  wenigen  an  den  späteren  Tagen  noch  entstandenen  Blasen  b 
sassen  nicht  mehr  die  Neigung,  sich  wesentlich  zu  vergrösseiu. 

Die  Brandbinden  wurden  nur  in  den  ersten  2  Tagen  täglich 
erneuert,  konnten  dann  stets  2  bis  3  Tage  liegen  bleiben.  Vom 
12.  Juni  ab  konnte  jeder  Verband  weggelassen  werden,  da  keine 
nässende  Stelle  mehr  vorhanden  war. 

Die  Rekonvaleszenz  erfuhr  keine  Störung,  und  das  Kind  er¬ 
freut  sich  w  ieder  guter  Gesundheit. 

Aetiologiscli  möchte  ich  die  Krankheit  als  eine  Mischinfek¬ 
tion  auffassen;  zu  der  anfänglichen  Pneumonia  crouposa  ge- 


.  1 1  n  ^  H  nlm  Pnrwn  rn  n>n  C 


auftretende  hyperpyretische  Temperatur,  in  der  ich  damals  die 
Perturbatio  critica  zu  erblicken  geneigt  -war,  war  gleichsam  das 
Prodrom  der  nachfolgenden  Febris  bullosa. 

Wie  sonst  beim  Pemphigus  acutus,  so  haben  wir  auch  in 
unserem  Falle  hyperpyretische  Temperaturen,  die  jeglicher  Anti- 
pyrese  hartnäckig  trotzen. 


Stichwunde  in  die  Niere. 

Von  Oberstabsarzt  Dr.  T  ubenthal. 

Nierenverletzungen  durch  Stich  oder  Schnitt  sind  immer 
noch  verhältnismässig  selten  beobachtete  Verletzungen.  Gibt 
doch  Küster*)  die  Zahl  der  in  der  Literatur  niedergelegten 
Beobachtungen  auf  nur  43  an.  Mögen  nun  auch  in  der  Zwischen¬ 
zeit  noch  einzelne  Beobachtungen  gemacht  sein,  so  ist  die  vor¬ 
handene  Zahl  der  berichteten  Fälle  doch  verhältnismässig  gering 
und  die  Mitteilung  jedes  einzelnen  Falles  erwünscht,  wenn  auch 
nur  daraus  hervorgehen  sollte,  dass  unkomplizierte  Verletzungen 
der  Niere  bei  geeigneten  Massnahmen  eine  durchaus  günstige 
Prognose  bieten. 

Zwrei  Unteroffiziere  eines  bayerischen  Infanterieregiments 
trieben  miteinander  Scherz,  der  eine  hatte  das  kurze  Seitengewehr 
M  S4  mit  der  Hand  an  der  Spitze  gefasst,  dasselbe  entglitt  seiner 
Hand  bei  einer  schwingenden  Bewegung,  flog  in  die  Luft  und  traf 
einen  anderen  Unteroffizier,  welcher  dem  Werfenden  in  leicht  ge¬ 
beugter  Stellung  den  Rücken  zukehrte,  beim  Herabfallen  auf  die 


x)  Küste  r:  Die  chirurgischen  Krankheiten  der  Niere. 
Deutsche  Chir.,  Lief.  52b,  S.  221. 


11.  November  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1887 


liuke  Seite  des  Rückens,  ging  durch 
durch  und  in  die  Weichteile  hinein. 

Die  Blutung  soll  anfangs  ziemlich 
Verwundete  langte  am  späten  Abend 

Lazarett  an.  Es.  fand  sich  5  cm  links  von  der  Wirbelsäule  in 
horizontaler  Richtung  entfernt  eine  2  cm  lange,  parallel  und  etwas 
unteihalb  dei  11.  Rippe  verlaufende,  glattrandige  Wunde,  welche 
nicht  mein  blutete  und  deshalb  wieder  mit  einem  Gazeverbande 
versehen  wurde. 


Litewka  und  Ilemd  hin- 

heftig  gewesen  sein.  Der 
mit  einem  Notverband  im 


Am  nächsten  Morgen  sah  ich  den  Verletzten.  Die  Lage  der 
Wunde  und  eine  dünnrötliche  Flüssigkeit,  welche  aus  der  Wunde 
hervortrat,  legten  die  Vermutung  nahe,  dass  es  sich  um  eine 
Nierenverletzung  handle.  Bei  vorsichtigem  Sondieren  mit  einer 
geschlossenen  Kornzange  kam  man  leicht  in  eine  Tiefe  von  5  cm 
I  rin  war  nicht  vorhanden,  angeblich  nicht  gelassen.  Jedenfalls 
war  bei  dem  guten  allgemeinen  Verhalten  keine  Gefahr  im  Ver¬ 
züge.  In  die  Wunde  wurde  ganz  lose  ein  Jodoformgazetampon 
eingeführt. 

Am  nächsten  Tage  war  blutiger  Urin  vorhanden.  Als  man 
nun  den  Verband  löste,  zeigte  sich  derselbe  von  einer  rötlichen 
I'  Bissigkeit  durchtränkt,  die  Weichteile  der  Nierengegend  waren 
deutlich  vorgetrieben  und  leicht  gerötet.  Kein  Zweifel,  es  han¬ 
delte  sich  um  eine  Nierenverletzung.  Die  Schwellung  der  Weich¬ 
teile  musste  man  als  beginnende  Infiltration  und  Infektion  an- 
selien,  zumal  ja  alle  Nierenverletzungen  nach  Kochers  und 
T  a  v  e  1  s  Untersuchungen  die  Eigenschaft  haben,  sehr  schnell  die 
Umgebung  zu  infizieren. 

Es  wurde  deshalb  mit  einem  schrägen  Querschnitt,  welcher 
im  Winkel  zwischen  der  12.  Rippe  und  der  Wölbung  des  M.  sacro- 
lumbalis  begann,  die  linke  Niere  freigelegt.  Der  Schnitt  hatte 
eine  Länge  von  14  cm  und  fiel  in  der  Richtung  mit  der  ursprüng¬ 
lichen  W  unde  zusammen.  Nachdem  die  Fascia  lumbo-costalis  ge¬ 
spalten  und  die  Wunde  gehörig  auseinander  gezogen  war,  erschien 
in  der  Tiefe  die  Niere.  Während  nun  aber  die  Ausseuwunde  in 
der  Haut  quergestellt  war,  verlief  die  Nieren  wunde  im  Liings- 
durclimesser  der  Niere,  ungefähr  der  Nierenmitte  entsprechend. 
Es  musste  also  das  Seitengewehr  eine  drehende  Bewegung  beim 
Durchschneiden  der  Weichteile  gemacht  haben.  Man  konnte  deut¬ 
lich  sehen,  dass  aus  der  Nierenwunde  Flüssigkeit  hervortrat.  In 
die  Nierenwunde  wurde  ein  Jodoformgazestreifen  eingeführt,  die 
grosse  Aussenwunde  für  sich  tamponiert.  Die  Körpertemperatur 
hob  sich  nur  am  Operationstage  und  dem  folgenden  Tage  auf 
38°,  war  sonst  stets  normal. 


Nach  6  Tagen  wurde  der  Nierentampon  fortgelassen,  nachdem 
er  in  der  Zwischenzeit  einmal  erneuert  war.  Die  Nierenwunde 
bedeckte  sich  mit  Granulationen.  11  Tage  nach  der  Verletzung 
war  die  Nierenwunde  geschlossen,  nachdem  schon  einige  Tage 
vorher  jeder  Blutgehalt  auch  bei  mikroskopischer  Probe  aus  dem 
Urin  geschwunden  war.  Die  Aussenwunde  wurde  allmählich  durch 
Sekundärnähte  geschlossen.  Ungefähr  nach  5  Wochen  war  auch 
ilie  äuesere  Wunde  vollkommen  mit  glatter,  14  cm  langer  Narbe 
geheilt. 

Irgendwelche  nachteiligen  Folgen  sind  von  der  Verletzung 
nicht  zurückgeblieben,  der  Mann  versieht  wieder  seinen  Dienst  als 
Unteroffizier. 


Ueber  einen  Fall  von  angeborenem  Diabetes  insipidus 
kombiniert  mit  nach  Insolation  hinzugetretener  Epilepsie. 

Von  Dr.  Lichtwitz  jr.  in  Ohlau  (Schlesien). 

Im  Sommer  vorigen  Jahres  wurde  mir  der  Packer  Fr.  M.  über¬ 
wiesen.  aus  dessen  Vorgeschichte  folgendes  zu  bemerken  ist:  Der 
jetzt  23  Jahre  alte  Fr.  M.  ist  das  jüngste  Kind  einer  ziemlich 
kinderreichen  Familie.  Sein  Vater  ist  hochbetagt  gestorben,  seine 
Mutter  und  seine  Geschwister  befinden  sich  am  Loben  und  bei 
guter  Gesundheit.  Nerven-  und  Geisteskrankheiten,  insbesondere 
Epilepsie,  sind  in  der  Familie  nicht  zu  verzeichnen.  M.  brachte 
einen  ungeheuren  Durst  mit  zur  Welt,  der  durch  die  Angabe  seiner 
Mutter,  dass  er  als  kleines  Kind  versucht  habe,  das  Wasser,  in 
dem  er  gebadet  wurde,  zu  trinken,  wohl  am  besten  charakterisiert 
wird.  1  on  jeher  hat  er  auch  enorme  Menge  Urins  ausgeschieden. 
M  ährend  der  Zeit  der  Entwicklung  war  er  stets  schwächlich  und 
zarb  blieb  jedoch  von  schwereren  Krankheiten  verschont.  Krampf¬ 
anfälle  irgend  welcher  Art  sind  sowohl  während  der  Kindheit 
als  auch  späterhin  nicht  auf  getreten.  Diese  Angabe  darf  nicht  an- 
gez  weif  eit  werden,  da  sich  M.  stets  sehr  sorgsamer  Pflege  er¬ 
freute,  welcher  derartiges  nicht  entgangen  wäre.  Aus  dem 
weiteren  Lebenslauf  des  Patienten  ist  hervorzuheben,  dass  die 
Schule  ihm  unüberwindliche  Schwierigkeiten  bot.  Sehr  im  Gegen¬ 
satz  zu  allen  anderen  Mitgliedern  seiner  Familie  ist  M.  recht  wenig- 
intelligent.  Er  musste  sich  mit  einem  geringen  Grad  von  Kennt¬ 
nissen  begnügen  und  einen  Beruf  erwählen,  wie  er  wohl  seiner 
Herkunft  nach  —  sein  Vater  war  Superintendent  —  als  auffallend 
bezeichnet  werden  muss.  Was  sein  Temperament  anlangt,  so 
wird  er  von  seinen  Angehörigen  als  „guter  Kerl“  gerühmt.  Sein 
Durst,  und  sein  Urindrang  ist  unverändert  geblieben.  Er 
steht  des  Nachts  —  wie  er  angibt,  ohne  ganz  munter  zu  werden  — 
alle  2  Stunden  auf,  um  zu  trinken  und  zu  urinieren.  In  seinem 
Zimmer  wird  des  Abends  eine  Kanne  Wasser  deponiert.  Bei  einer 
gelegentlichen  Gebirgsreise,  wo  diese  Vorsichtsmaassregel  ausser 
Acht  gelassen  wurde,  sahen  sich  die  beiden  mitreisenden  Herren 
am  Morgen  ihres  Waschwassers  beraubt.  Missbrauch  von  Alkohol 
kann  mit  Bestimmtheit  ausgeschlossen  werden. 


Wie  hervorgehoben,  war  M.  mehrere  Jahre  lang  als  Packer 
in  einer  Fabrik  beschäftigt.  Seine  Tätigkeit  spielte  sich  aus¬ 
schliesslich  in  den  Fabrikräumen  ab.  Ausnahmsweise  hatte  er  am 
Tu  Juli  vorigen  Jahres,  einem  sehr  heissen  Tage,  mit  einem  zweiten 
Arbeiter  auf  dem  Güterbahnhofe  Ballen  von  100  kg  Gewicht  zu 
verladen.  Diese  Beschäftigung  dauerte  von  1—6  Uhr.  Auf  dem 
Heimwege  empfand  M.  Kopfschmerzen  und  bekam  in  seiner 
Wohnung  heftiges  Erbrechen,  das  von  einem  Mattigkeitsgefühle 
gefolgt  war.  Am  nächsten  Tage  nahm  er  trotz  Kopfschmerzen  die 
Arbeit  wieder  auf.  Etwa  14  Tage  später  wird  er  in  früher  Morgen¬ 
stunde  von  seiner  Mutter  bewusstlos  am  Fussboden  gefunden, 
mit  Krämpfen,  einer  Hautabschürfung  an  der  Stirn  und  einer 
Bisswunde  der  Zunge.  Er  selbst  wusste  am  nächsten  Tage  von 
diesem  Vorfall  nichts.  Aehnliche  Anfälle  wiederholten  sich  in 
unregelmäsigen  Zwischenräumen,  etwa  1—3  mal  im  Monat,  und 
waren  von  Kopfschmerzen  gefolgt.  Ein  Anfall  wurde  von  dem 
Herrn  Kollegen  l\i.  beobachtet  und  als  epileptischer  Anfall  be¬ 
zeichnet. 

Status  praesens:  M.  ist  ein  mittelgrosser,  breitschultri¬ 
ger  Mann  von  mittlerem  Ernährungszustand  und  ziemlich  guter 
Muskulatur,  aber  blasser  Gesichtsfarbe.  Die  inneren  Organe 
lassen  Abweichungen  nicht  erkennen,  auch  das  Nervensystem 
bietet  keinerlei  Befund.  Am  Schädel  fällt  das  Fehlen  der  Hinter¬ 
hauptswölbung  auf.  Die  Zunge  zeigt  eine  alte  Bisswunde,  sonst 
sind  Narben  oder  frische  Verletzungen  am  Körper  nicht  vorhanden. 
In  der  Zeit  zwischen  den  Anfällen  besteht  Wohlbefinden,  doch 
fällt  seinen  Angehörigen  eine  gewisse  Reizbarkeit  auf,  die  früher 
nicht  bestanden  hat. 

W  as  nun  die  Diskussion  des  Zusammenhanges  der  geschil¬ 
derten  Erscheinungen  und  Vorfälle  anbelangt,  so  können  wir 
als  erstes  Moment  aus  der  Harnruhr,  dem  geringen  Grade  der 
Intelligenz  und  der  Beschaffenheit  des  Schädels  auf  eine  an¬ 
geborene  Gehirnanomalie  schliessen.  Wenn  nun  wohl  auch  das 
Auftreten  der  Epilepsie  im  23.  Lebensjahre,  zumal  bei  Anwesen¬ 
heit  anderer  Störungen  des  Zentralnervensystems,  etwas  auf¬ 
fallendes  nicht  hat,  so  kann  doch  ein  ätiologisches  Moment,  wie 
die  aus  den  Zerebralsymptomen  des  Erbrechens  und  Kopf¬ 
schmerzes  kenntliche  Insolation,  nicht  übergangen  werden.  Die 
Tatsache,  dass  der  erste  Anfall  erst  14  Tage  nach  jener  er¬ 
folgte,  macht  den  Zusammenhang  nicht  unwahrscheinlich.  Denn 
wir  wissen,  dass  an  einen  jeden  in  der  Schädelhöhle  bestehenden 
Reizzustand  sich  noch  nach  Jahren  epileptische  Anfälle  an- 
schliessen  können  (F  reund  und  Sach  s).  Neigt  man  der  An¬ 
nahme  zu,  dass  der  epileptische  Anfall  die  Folge  einer  Hirn¬ 
anämie  ist,  so  wird  man  einen  solchen  als  sogleich  auftretende 
I  olge  einer  Insolation,  bei  der  sich  die  Hyperämie  wohl  nicht 
auf  die  Meningen  beschränkt,  nicht  erwarten  dürfen.  Doch  er¬ 
scheint  die  Auffassung  plausibel,  dass  durch  den  Insult  des 
Sonnenstiches  die  zentrale  epileptische  Veränderung  gesetzt 
worden  ist,  welche  gelegentlich  durch  nicht  näher  zu  kontrol¬ 
lierende  Ursachen  als  Anfall  in  die  Erscheinung  tritt. 

Da  die  Schädigung  bei  einer  für  M.  aussergewölinlichen 
Betriebsarbeit  erworben  wurde,  so  stellt  dieselbe  einen  Betriebs¬ 
unfall  dar,  der  zu  einem  noch  nicht  abgeschlossenen  Entschädi¬ 
gungsverfahren  geführt  hat. 


Aus  der  „Neuen  Heilanstalt  für  Lungenkranke“  zu  Schömberg 

(O.-A.  Neuenbürg). 

Ein  weiterer  Beitrag  zu  der  Frage:  „In  welcher 
Beziehung  stehen  Körperbewegungen,  Körperwärme 
und  Albumosurie  zu  einander  und  zum  Fieber  im 
Verlauf  der  Phthise?“ 

Von 

Dr.  G.  Schröder,  dirig.  Arzt,  und  Dr.  Th.  Brühl,  Assistenzarzt. 

Wenn  wir  auf  die  Entgegnung  Otts1)  gegen  unsere  Ver¬ 
öffentlichung  in  No.  33  und  34  dieser  Wochenschrift  erst  heute  ein- 
gehen.  so  geschieht  es  in  der  Absicht,  seine  Ausführungen  durch 
weiter  unten  berichtete  Versuche  auch  sofort  experimen¬ 
tell  zu  widerlegen. 

In  nebensächlichen  Dingen  sich  verlierend  hat  Ott  den 
schwerwiegendsten  Vorwurf  gegen  seine  Versuchsanord- 
n  ung  ii  b  erhaupt  nicht  beantwortet.  Experimente,  aus  deren 
Ergebnissen  berechtigte  Schlüsse  bezüglich  thera¬ 
peutischer  Massnahmen  gezogen  werden  sollen,  müssen  natur- 
gernäss  den  thatsächlichen  Verhältnissen  genau 
e  n  t  s  p  r  eehend  angeordnet  sein.  Es  wird  aber  doch  wohl 
keinem  vernünftigen  Phthisiotherapeuten  einfallen,  entgegen 
allen  seit  langem  anerkannten  p  h  t  h  i  s  i  o  thera¬ 
peutischen  Grundsätze  n  (cf.  schon  Brehmers 
Arbeiten),  Phthisikern  mit  teilweise  labilen  Temperaturen  einen 
Marsch  von  4y3  km  in  einer  Stunde  mit  einer  Terrain- 

’)  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  38,  1902. 


ibSS 


MUENCHENER  MEDICIRISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


steig«  n  g  zu  E  n  d  e  des  Weges,  wie  ihn  Ott  zur  Grundlage 
seiner  Versuche  macht,  als  kurgemässen  Spaziergang  ärztlich  zu 
verordnen.  1  >ass  infolge  solcher  forcierten  Leistungen 
bei  Tuberkulösen  wirkliches  Fieber  samt  Albumosurie  auf- 
treten  können,  haben  wir  gar  nicht  bezweifelt,  sind  vielmehr  an¬ 
gesichts  der  bekannten  Neigung  der  Tuberkulösen  zu  wirklichen 
Fieberbewegungen  auch  ohne  jede  Untersuchung  fest  davon  über¬ 


zeugt. 

Mit  Stillschweigen  übergeht  Ott  weiterhin  die  von  uns 
gefundene  (übrigens  schon  früher2)  bekannte  und  beschriebene) 
a.  u  f  f  ii  1  1  i  g  e  und  für  die  Beurteilung  der  ganzen  Frage  doch 
li  ö  c  hst  wichtige  Tatsache,  dass  auch  N  i  c  h  1 1  u  b  e  r  k  u  - 
1  ö  s  e  schon  nach  massigen  Körperbewegungen  rektale  Tem¬ 
peratur  Steigerungen,  ja  sogar  relativ  höhere  als 
T  ulie  r  k  u  1  ö  s  e,  auf  weisen! 

Um  nun  auf  Otts  Ausführungen  direkt  einzugehen,  so  sollen 
unsere  von  den  seinigen  abweichenden  Resultate,  wie  so  oft  in 
solchen  Fällen,  unserer  Untersuchungstechnik  zur  Last  fallen. 
Mit  der  Angabe  des  96proz.  Alkohols  als  Fällungsmittel  ist  uns 
ein  Schreibversehen  unterlaufen.  Wir  nahmen  natürlich  stets 


a  b  s  o  1  ut  e  n  Alkohol,  also  99  proz. 

Die  Menge  von  10  ccm  Urin  genügt  nach  Bang  trotz  des 
auch  bei  dessen  Methode  eintretenden  Verlustes  an  Albumosen 
zum  (i  u  a  1  i  t  a  t  i  v  e  n  Nachweis  von  Albumosen  vollkommen. 
Wir  durften  deshalb  annehmen,  dass  auch  das  Schultess  sehe 
Verfahren  mit  dieser  Menge  Urin  für  unsere  Zwecke  brauchbare 
Resultate  ergeben  würde,  um  so  mehr,  als  das  Bangsche  in  den 
meisten  Fällen  die  Ergebnisse  kontrollierte,  und  überdies  die  bei 
verschiedenen  Fällen  suspekten,  sowie  positiven  Ausfalls  der  Re¬ 
aktion  hervortretenden  Differenzen  in  der  S  t  ä  r  k  e  der 
R  e  a  ktion  stets  zu  Ungunsten  der  Bang  sehen  Methode 
sich  ergaben.  Die  letztere  halten  wir  im  Gegensatz  zu  O  1 1  für  die 
g  e  n  au  e  r  e,  weil  sie  durch  ihre  Manipulationen  das  Urobilin 
als  Fehlerquelle  mehr  als  andere  ausschaltet. 


Mit  dem  tropfenweisen  Zusatz  der  Kupfersulfatlösung 
befinden  wir  uns  völlig  im  Einklang  mit  den  Lehr¬ 
büchern  (cf.  Sahli:  Lehrbuch  der  klinischen  Untersuchungs¬ 
methoden). 

Die  10  p  r  o  z.  Kupfersulfatlösung  wird  zur  Anstellung  der 
I?  i  u  r  e  t  r  e  a  ktion  von  L  enhart  z  in  seinem  Buche:  „Mikro¬ 
skopie  und  Chemie  am  Krankenbett“  ausdrücklich  an¬ 
gegeben!  Weshalb  hat  Ott  übrigens  seine  Versuchs technik  in 
seiner  ersten  Veröffentlichung  nicht  schon  angegeben, 
wenn  er  deren  Einzelheiten  für  so  ausserordentlich  wichtig  hält? 

Um  aber  den  Ott  sehen  Einwendungen  gegen  unsere  Er¬ 
gebnisse  selbst  diesen,  wie  gezeigt,  nur  schwachen  Boden  einer 
i  on  der  seinen  abweichenden  Untersuchungstechnik  zu  entziehen, 
haben  wir  unter  minutiösester  Beobachtung  der  von 
ihm  angegebenen  Teclini  k  unsere  Untersuchungen  an  16  neuen 
F  ii  1  1  e  n  wiederholt,  stellten  aber  die  Reaktion  stets  sowohl 
mit  10p  roz.  als  auch  mit  lproz.  Kupfersulfatlösung  an: 

Ein  Fall  des  III.  Stadiums  mit  intermittierendem  Fieber  er¬ 


gab  trotz  Bettruhe  Albumosurie. 

3  Fälle  des  II.  Stadiums  mit  subfebrilen  Temperaturen,  die 
stets  Freiluftliegekur  machten,  ergaben  absolut  negative  Re¬ 
sultate. 

4  Fälle  des  I.  Stadiums,  sowie  2  des  II.  Stadiums,  laut  Mund- 
niessung  fieberfrei  und  unserer  klinischen  Beurteilung  nach 
ziemlich  leistungsfähig,  zeigten  nach  kurgemässe m 
einstündigen  Spaziergang  keine  Albumosen. 

Unter  6  Fällen  des  II.  Stadiums  mit  labiler  Temperatur, 
aber  sonst  trefflichem  Allgemeinbefinden  ergab  sich  ‘ein  m  a  1 
nach  y2  ständigem  lturgemässem  Gange  ein  Verdacht  auf 
Albumosurie.  In  allen  Fällen  war  ausgesprochene  Stei- 
g  e  r  u  n  g  der  Rektaltemperatur  im  Verhältnis  zur  Mundtemperatur 
nach  dem  Spaziergange  zu  konstatieren. 

Vir  haben  also  mit  diesen  Untersuchungen  die  Schlussfolge¬ 
rungen  aus  unserer  ersten  Arbeit  nur  bestätigt.  Auftretende 
Albumosurie  nach  Körperbewegungen  bei  sonst  fieberfreien 
Lungenkranken  zeigt  uns  nur,  dass  dieselben  übermässigen  An¬ 
strengungen  zu  ihrem  Schaden  ausgesetzt  wurden.  Die  Unter¬ 
suchungen  Otts  sind  dementsprechend  aufzufassen.  Nach  dieser 
Richtung  hin  bleibt  die  Untersuchung  auf  Albumosen  für  die 
Therapie  wertvoll.  Für  den  Erfahrenen  wird  ihre  Anstellung  stets 
unnötig  sein. 


Zum  Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und 

Unfallskranken. 

Nachtrag  zu  dem  Artikel  in  No.  41. 

Von  Stabsarzt  Dr.  N  i  e  d  n  e  r. 

Zu  meiner  Mitteilung  in  No.  41  der  Münch,  med.  Woclienschr. 
erhalte  ich  von  Herrn  Kollegen  v.  H  ö  s  s  1  i  n  nachstehende  Zu¬ 
schrift,  welche  ich  unseren  beiderseitigen  Mitteilungen  als  Er¬ 
gänzung  anfügen  möchte: 

„In  dem  Falle,  welchen  Sie  in  der  Münch,  med.  Woclienschr. 
vom  14.  d.  M. veröffentlichen,  würde  auch  ich  aus  dem  vorhandenen 
Phänomen  der  paradoxen  Kontraktion  der  Antagonisten  nicht  auf 


-')  Botkin:  Mediz.  Klinik.  Berlin  1889,  Hirsch  w  a  1  d. 


Simulation  geschlossen  haben,  weil  eine  Gelenkaffektion  vorliegt, 
welche  den  Kranken  veranlassen  kann,  eine  beabsichtigte,  resp. 
verlangte  Bewegung  durch  gleichzeitige  Kontraktion  der  Antago¬ 
nisten  willkürlich  oder  reflektorisch  zu  hemmen;  es  handelt  sich 
also  um  die  Ausnahme,  auf  die  ich  in  meiner  Arbeit  in  No.  37  der 
Münch,  med.  Wochenschr.,  S.  1522,  Spalte  I,  Zeile  4  von  unten  hin¬ 
gewiesen  habe;  ich  habe  vielleicht  versäumt,  weiter  unten,  nach 
dem  von  Ihnen  zitierten  Satz:  „bei  allen  denjenigen  Unf alls¬ 
kranken,  bei  denen  der  objektive  Befund  die  von  den  Kranken  an¬ 
gegebenen  Beschwerden  erklärt,  habe  ich  das  Symptom  der  para¬ 
doxem  Kontraktion  der  Antagonisten  regelmässig  vermisst“,  noch 
einzuschalten:  wenn  die  Gelenke  in  dem  auf  das  Phänomen  unter¬ 
suchten  Gebiete  frei  waren. 

Jedenfalls  halte  ich  es  für  sehr  wichtig,  dass  Herr  Kollege 
noch  darauf  hingewiesen  haben,  dass  das  Phänomen  der  paradoxen 
Kontraktion  der  Antagonisten  auch  bei  solchen  Kranken  Vor¬ 
kommen  kann,  welche  neben  sicherem  objektiven  Befund  noch 
nebenbei  simulieren,  was  wir  ja  nicht  selten  beobachten.  In 
solchen  Fällen  prüfe  ich  darauf,  ob  das  Phänomen  auch  in  einer 
vom  erkrankten  Gebiet  entfernten  Muskelgruppe  nachzuweisen  ist. 
Findet  man  z.  B.  bei  einer  ziemlich  normal  geheilten  Ivlavikular- 
fraktur  noch  Knarren  und  Schwerbeweglichkeit  im  Schultergelenk, 
hat  aber  den  Verdacht,  dass  der  Kranke  übertreibt  oder  simuliert, 
so  würde  ich  auf  das  Phänomen  der  paradoxen  Kontraktion  der 
Antagonisten  durch  Widerstandsbewegungen  im  Handgelenk 
prüfen,  während  das  möglicherweise  erkrankte  Schultergelenk 
fixiert  wird.  Fällt  die  Prüfung  positiv  aus,  so  simuliert  der 
Kranke  jedenfalls  dazu,  auch  wenn  eine  Erkrankung  im  Schulter- 
gelenk  vorhanden  ist.“ 


Zur  Darmwirkung  des  Atropins. 

Erwiderung  auf  Div  Gebel.es:  „Weitere  Bemerkungen  über 
Atropin“  in  No.  42  d.  Wochensclir. 
von  Dr.  Paul  Ostermaier  in  München. 

In  dieser  Sache  sei  es  mir  gestattet,  folgendes  zu  entgegnen: 

1.  Den  Schluss,  dass  das  Atropin  —  auch  in  den  bisher  an¬ 
gewandten  Dosen  —  die  Peristaltik  nicht  lähme,  sondern  errege, 
zog  ich  nicht  nur  aus  meinen  eigenen  Beobachtungen,  sondern 
hauptsächlich  aus  den  zahlreichen  diesbezüglichen  Publikationen 
von  anderer  Seite.  Den  pharmakologischen  Standpunkt  in  dieser 
Frage  kann  ich  erst  dann  für  präzisiert  halten,  wenn  —  wenigstens 
ungefähr  —  die  Dosis  bekannt  ist,  bei  der  der  erregende  Einfluss 
auf  die  Darmmuskulatur  beim  Menschen  in  den  lähmenden 
umschlägt. 

2.  Dass  nicht  bloss  Belladonna,  sondern  auch  das  Atropin 
narkotische  Wirkung  besitzt,  davon  kann  man  sich  leicht  über¬ 
zeugen.  Dass  es  sich  als  Narkotikum  mit  anderen,  besseren  Nar- 
kotizis  nicht  im  entferntesten  messen  kann,  ändert  an  oben¬ 
genannter  Tatsache  nichts.  Penzoldt  z.  B.  äussert  sich  fol- 
gendermassen:  „Als  Beruhigungsmittel  für  sensible  und  motorische 
Erregungszustände  wird  Atropin  in  örtlicher  Anwendung  vom 
Kokain,  in  allgemeiner  vom  Morphin  u.  a.  iibertroffen“  (Klinische 
Arzneibehandl.  1897). 

3.  Gebele  sagt:  „Das  Atropin  soll  ferner  nach  Oster- 
m  a.  i  e  r  als  Narkotikum  den  Blutdruck  steigern.“  Ich  aber  schrieb: 
„...vielleicht  trägt  zu  der  günstigen  Beein¬ 
flussung  des  Kollapses  auch  die  narkotische 
Wirkung  einen  kleinen  Teil  b  e  i.“  Das  ist  doch 
zweierlei. 

4.  „Für  stärker  eingeklemmte  Hernien  muss  aus  der  Atropin¬ 
behandlung  ein  grosser  Schaden  erwachsen“  sagt  Gebele.  „denn 
die  gelähmte  Schlinge  wird  durch  Atropin  noch  mehr  atonisch, 
es  sehliesst  sich  eine  allgemeine  Darmparese  mit  ihren  schweren 
Folgen  an.“  Dies  wäre  richtig,  wenn  durch  die  bisher  angewandten 
Dosen  Lähmung  der  Peristaltik  zur  Beobachtung  gekommen  wäre. 

5.  Bei  den  Vergiftungserscheinungen  sind  bisher  solche  des 
Zentralnervensystems,  die  besonders  Disponierte  nicht  mehr  über¬ 
winden  konnten,  nicht  beobachtet  worden.  Dass  man  aber  trotz¬ 
dem  mit  dieser  Möglichkeit  rechnen  muss,  habe  ich,  in  meiner  Mit¬ 
teilung  ganz  besonders  betont.  Auch  habe  ich  auf  die  Gefahr  einer 
Verzögerung  eines  rechtzeitigen  operativen  Eingriffes  durch  Ver¬ 
schleierung  des  Krankheitsbildes  hingewiesen.  Ich  habe  aber  auch 
hervorgehoben,  dass  mit  der  Atropinbehandlung  frühzeitig  be- 

!  gönnen  werden  muss  und  (lass  dieselbe  über  eine  gewisse  kurze 
Spanne  Zeit  hinaus  nicht  protrahiert  werden  dürfte. 

6.  Durch  ein  paar  Atropininjektionen  in  z.  B.  halbstündigen 
Intervallen  wird,  für  die  Privatpraxis  wenigstens,  eine  nötige 
Herniotomie  auch  nicht  länger  hinaiisgeschoben  als  durch  ein 
warmes  Vollbad. 

7.  Aeltere  Beobachtungen  erlauben  den  Schluss,  dass  durch 
kein  anderes  Mittel  ein  so  hoher  Prozentsatz  von  Spontanrepo- 
sitionen  erzielt  wird  als  durch  Atropin  und  Belladonna. 

Endlich  möchte  ich  mich  noch  dahin  äussern,  dass  ein  richtiger 
anatomisch-mechanischer  Ileus  (aber  nicht  jeder!)  durch 
Atropin  günstig  beeinflusst  werden  kann. 


11.  November  1902. 


MUENCHENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1889 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Handapotheken  und  öffentliche  Kassen. 

Von  Dr.  G  ö  b  e  1,  k.  Rechnungskommissär  in  München. 

Gemäss  Ziffer  8  der  Arzneitaxordnung  für  das  Königreich 
Bayern  vom  27.  März  1901  haben  öffentliche  Anstalten  und  Kassen 
bezüglich  der  für  ihre  Rechnung  erfolgten  Arznei  lief  erung  An¬ 
spruch  auf  einen  Abzug  von  10  Proz.  des  taxmässigen  Preises. 

Ilei  piakt.  Arzt  I)r.  S.  in  A.  will  sich  zur  Zulassung  eines 
solchen  Rabattes  an  seiner  Rechnung  für  die  an  die  k  Gen¬ 
darmerieangehörigen  aus  der  Handapotheke  abgegebenen  Medi¬ 
kamente  nicht  verstehen,  weil  aus  der  neuen  Arzneitaxordnung 
nicht  et  sichtlich  sei,  dass  Besitzer  von  Handapotheken  gegenüber 
öffentlichen  Kassen  zur  Rabattgewährung  verbunden  sind,  und 
beruft  sich  überdies  auf  die  Würdigung  der  Sache  durch  den  zu¬ 
ständigen  Amtsarzt;  dieser,  k.  Bezirksarzt  Dr.  T.  in  B.,  erachtet 
die  Inhabei  von  Handapotheken  in  der  gedachten  Richtung  wenig¬ 
stens  seit  der  Verordnung  vom  29.  Dezember  1900  (Ges.  u.  Ver¬ 
ordn. -Bl.,  S.  1225  ff.)  nicht  verpflichtet,  während  vordem  die  Frage 
jederzeit  sehr  umstritten  gewesen  wäre. 

Hiergegen  kömmt  folgendes  zu  erwidern: 

Rücksichtlich  der  auf  Grund  von  Rezepturen  der  Hand¬ 
verkauf  ist  einer  Taxe  nicht  unterworfen  —  abgegebenen  Medi¬ 
kamente  sind  die  mit  Allerh.  Verordnung  vom  27.  März  1901, 
No.  7361,  „die  Arzneitaxordnung  für  das  Königreich  Bayern  batr.“ 
(Ges.-  u.  Verordn. -Bl..  S.  161  ff.)  genehmigten  neuen  Taxbestim- 
mungen  massgebend. 

In  denselben  werden  unter  den  „besonderen  Bestimmungen“ 
die  Taxen  der  Arzneimittel  nach  Gewichtsgrössen  festgelegt  (siehe 
auch  hierzu  die  Aenderimgsbestimmungen  der  Bekanntmachung 
vom  21.  Mai  1902.  Ges,-  u.  Verordn. -Bl.,  S.  193  ff),  nachdem  die 
Grundsätze  über  Taxieren  bei  Gewichtsabstufungen.  Berechnung 
von  Minimaltaxen,  Taxieren  von  Drogen  und  Präparaten  u.  a.  m.  in 
den  „allgemeinen  Bestimmungen“  erörtert  worden  sind;  hierunter 
lindet  sich  auch  die  Bestimmung,  dass  öffentliche  Anstalten  und 
Kassen  bezüglich  der  für  ihre  Rechnung  erfolgten  Arzneilieferung 
Anspruch  auf  einen  Abzug  von  10  Proz.  des  taxmässigen  Preises 
haben. 

Ohne  Unterscheidung  einer  Abgaben  quelle,  Apotheke  oder 
Handapothekenbesitzer,  wird  sohin  lediglich  die  Arznei  liefe- 
r  u  n  g  als  solche  der  Berechnung  der  Arzneitaxe  mit  dem  Abmasse 
zu  Grunde  gelegt,  dass  zu  Gunsten  gewisser  E  m  p  f  ä  n  g  e  r  Preis- 
ermässigung  zugestanden  wird,  ganz  ebenso  wie  dies  unter  den 
„besonderen  Bestimmungen“  für  den  Fall  der  Abgabe  von  Di¬ 
phtherieserum,  hier  unter  Aufführung  besonderer,  Ziffern- 
m  ä  s  s  i  g  festgestellter  Preisermässigungen,  die  zweifellos  auch 
für  Handapotheken  bindend  sind,  im  Gegenhalte  zu  „Privaten“ 
als  Abnehmern,  vorgesehen  erscheint. 

Hiernach  und  bei  dem  Mangel  besonderer  Ausnahmsvor- 
scliriften  für  die  Besitzer  von  Handapotheken  muss  an  der  Ver¬ 
bundenheit  der  letzteren  zur  Gewährung  eines  10  proz,  Rabattes 
festgehalten  werden.  Nicht  entgegen  steht  der  Umstand,  dass 
diesbezügliche  Bestimmungen  in  der  Allerh.  Verordnung  vom 
29.  _ Dezember  1900  entgegen  derjenigen  vom  8.  Dezember  1890, 

§  27,  vermisst  werden.  Hier  handelt  es  sich  nur  um  Vorschriften, 
betreffend  „die  Zubereitung  und  Feilhaltung  der  Arzneien“  und 
erscheint  der  Mangel  einer  ausdrücklichen  Anziehung  der  Arznei¬ 
taxordnung  als  massgebend  für  die  Preisfestsetzung  um  so  weniger 
bedenklich,  als  dieselbe  im  Eingänge  auf  die  Einführung  der 
4.  Ausgabe  des  Arzneibuches  für  das  Deutsche  Reich,  welches 
zufolge  §  15  der  angeführten  Verordnung  vom  29.  Dezember  1900 
als  Norm  für  die  Wahl  der  Arzneikörper  und  für  die  Zubereitung 
der  Arzneimittel  zu  dienen  hat,  als  Anlass  zur  Revision  der  Tax- 
bestimmungen  himveist  und  damit  deren  Anwendung  auf  die 
letztberegte  Verordnung  statuiert  hat. 

Weshalb  in  der  Verordnung  vom  8.  Dezember  1890  auf  die 
1  orschriften  über  die  Arzneitaxe  ausdrücklich  hingewiesen  worden 
ist,  kann  ununtersucht  bleiben,  nur  darf  nicht  unbetont  gelassen 
werden,  dass  die  ganze  Materie  des  §  27,  nämlich  der  Vor¬ 
behalt  der  Arzneitaxbestinnnungen  hinsichtlich  der  Preisfest¬ 
setzung.  und  nicht  —  wie  die  Anschauung  des  k.  Bezirksarztes  zu 
sein  scheint  - —  nur  der  Absatz  3  desselben  in  der  Verord¬ 
nung  vom  29.  Dezember  1900  keine  Aufnahme  gefunden,  eine  Aus¬ 
merzung  dieses  Absatzes  allein,  der  von  der  Gültigkeit  der  Be¬ 
stimmungen  der  Arzneitaxordnung  auch  für  die  Handapotheken 
handelt,  sohin  nicht  stattgehabt  hat. 

Ini  übrigen  bietet  gerade  diese  spezielle  Vorschrift,  über¬ 
nommen  aus  dem  §  25  Abs.  3  der  Allerh.  Verordnung  vom 
15.  März  1866  (Regierungsblatt  S.  354  ff.):  „Die  Arzneitaxordnung 
muss  auch  von  Handapotheken  eingehalten  werden“  einen  wert¬ 
vollen  Behelf  für  die  Auslegung  der  strittigen  Frage  entgegen  der 
Anschauung  der  beteiligten  Aerzte. 

Hiebei  wird  gerne  zugestanden,  wie  darin  eine  Härte  für  die 
Handapothekenbesitzer  gegenüber  den  Apotheken  liegt,  welche 
bei  dem  Massenbedarf e  ihre  Vorräte  zu  Vorzugspreisen  beziehen 
und  sohin  einen  Rabattabzug  wesentlich  leichter  ertragen  können; 
allein  hieraus  kann  nach  allgemeinen  Rechtsgrundsätzen  kein  An¬ 
lass  zu  einer  eingeschränkten  Anwendung  des  Gesetzes  abgeleitet 
werden;  la  legge  saria  tiranna,  se  non  fosse  per  tutti. 

Aus  vorstehenden  Erwägungen  hat  die  staatliche  Rechnungs¬ 
revision  die  treffende  Medikamentenrechnung  um  den  Betrag  des 
10 proz.  Rabattes  gekürzt;  Sache  des  beteiligten  Ai’ztes  muss  es 


bleiben,  eine  etwaige  Weiterverfolgung  dieser  prinzipiellen  Frage 
zuständigen  Ortes  zu  betreiben. 

Wohl  mag  entgegengehalten  werden,  dass  speziell  hinsicht¬ 
lich  der  Behandlung  der  Gendarmerieangehörigen  zufolge  der  ein¬ 
schlägigen  „Dienstesinstruktion  über  die  Verwaltungsgeschäfte 
einer  Gendarmeriekompagnie“  (vom  10.  Dezember  1878j  „bei  allen 
Apotheker  reclnnmgen  ...  an  der  Summe  ...  10  Proz.  tax- 
mässiger  Rabatt  in  Abzug  gebracht  sein  muss“  (§  93  Ziff.  3) ;  allein 
abgesehen  davon,  dass  eine  blosse  instruktioneile  Bestimmung  der 
gesetzlichen  Vorschrift  selbst  bei  dem  Vorliegen  eines  Wider¬ 
spruches  nicht  zu  derogieren  vermöchte,  steht  ein  solcher  tatsäch¬ 
lich  nicht  in  Frage,  da  die  gleiche  Verwaltungsstelle,  das  k.  Gen¬ 
darmeriekorpskommando,  in  dem  mit  Ordonnanz  vom  1.  Mai  1878 
herausgegebenen  exemplifizierten  Formulare  für  Erstellung  von 
ärztlichen  Deservitenrechnungen  mit  der  an merkungs weisen  An¬ 
leitung:  „Wenn  Medikamente  aus  Handapotheken  der  praktischen 
Aerzte  verabfolgt  werden,  so  sind  dieselben  nach  den  Deserviten 
gesondert  auszuweisen  und  ist  hievon  der  10  proz.  Rabatt  in  Ab¬ 
zug  zu  bringen“  ihrer  Willensmeinung  in  einer  jeden  Zweifel  aus- 
schliessenden  Weise  Ausdruck  verliehen  hat. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Dr.  G-.  Emilio  Curätulo:  Die  Kunst  der  Juno  Lucina 

in  Rom.  Geschichte  der  Geburtshilfe  vou  ihren  ersten  Anfängen 
bis  zum  20.  Jahrhundert.  Mit  nicht  veröffentlichten  Dokumenten. 
Berlin,  Hirschwald,  1902.  Mit  Tafel  und  47  Textbildern, 
gr.  8  °.  247  Seiten.  Preis  9  M. 

Gegenüber  der  stattlichen  Reihe  italischer  Anatomen  und 
Naturforscher  von  Falloppio  bis  Morgagni,  von  Cae- 
s  a  1  p  i  n  o  bis  Spalanzani  erscheint  uns  das  Häuflein  der 
nennenswerten  Geburtshelfer  in  jeder  Beziehung  klein.  Ueber- 
setzungen  der  Bücher  unserer  Schröder,  G.  A.  Br  a  u  n  und 
Kleinwächter  mussten  hier  aushelfen,  so  dass  E.  Winckel 
(1889)  in  seinem  gediegenen  Lehrbuche  nur  zwei  neuere  italische 
Werke  über  Lucinas  Kunst  auf  führt. 

Das  Buch  Curätulo  s,  von  dem  das  Dichterwort  g'ilt : 
„Wer  vieles  bringt,  wird  manchem  etwas  bringen“,  teilt  seinen 
reichen  Inhalt  in  25  Kapitel,  von  denen  besonders  Kap.  III  über 
römische  geburtshilfliche  Mythologie,  Kap.  VIII  über  Lex  regia, 
Kap.  IX  über  die  ältesten  Autoren,  Kap.  XVI — XVIII  über 
S  c  i  p  i  o  Mercurio,  ferner  Kap.  XIX,  XX  über  Franz 
Asdrubali  die  Aufmerksamkeit  fesseln. 

Wie  die  Päpstin  Johanna  in  das  Buch  kommt,  ist  nicht  er¬ 
sichtlich;  sie  könnte  nur  als  Paradigma  für  Sturzgeburt  zu¬ 
gelassen  werden.  Die  Literatur  des  höchst  pikanten  Mythus  ist 
dem  \  erf.  nicht  ganz  bekannt,  sonst  müsste  er  die  musterhafte 
Arbeit  Döllingers  in  dessen  berühmten  „Papstfabeln“  an¬ 
führen.  Da  könnte  er  auch  finden,  dass  die  Dominikaner  es 
waren,  welche  das  grösste  Verdienst  um  die  Verbreitung  der 
interessanten  Sage  erworben  haben. 

Bei  der  Lex  regia,  die  man  mit  Unrecht  dem  halbmythischen 
Numa  zuschreibt,  wäre  die  bedeutende  Arbeit  Voigts  in  den 
Abh.  d.  sächs.  Akad.  VII,  1879  zu  erwähnen.  Dass  jenes  be¬ 
rühmte  Gesetz  durch  Wahrnehmungen  an  Opfertieren  entstanden 
ist,  muss  zurückgewiesen  werden,  da  trächtige  Tiere  den  Un¬ 
sterblichen  nicht  dargebracht  wurden.  Dagegen  konnte  auf 
Jagden  wohl  beobachtet  werden,  dass  bei  Wunden  des  Bauches 
lebende  J unge  austreten,  wie  die  3  Epigramme  Martials  über 
das  verwundete  Wildschwein  beweisen. 

Mit  Recht  wurde  auch  Soranus  herangezogen,  der  in 
Rom  praktiziert  hat.  Aber  gelesen  hat  Verf.  den  Ephesier  nicht, 
sonst  hätte  er  z.  B.  die  Stelle  I  40  angeführt,  welche  die 
römischen  Mütter  so  ungünstig  qualifiziert. 

PI  ini  us  darf  als  Fundgrube  nicht  unterschätzt  werden. 
W er  eine  gute  Ausgabe  mit  Index,  z.  B.  die  von  S  i  1 1  i  g,  gesehen 
hat,  wird  über  die  Masse  von  gynäkologischen  Notizen  erstaunen. 

Es  ist  störend,  dass  die  griechischen  Eigennamen  in  der 
italienischen  Form  gegeben  sind,  z.  B.  Coo  statt  Kos,  Etius  statt 
Aetius,  Coronide  statt  Koronis  etc. 

Das  Lustspiel  des  Terentius  Afer  heisst  Andria  (Mäd¬ 
chen  von  Andros),  nicht  „Adria“,  wie  konsequent  gedruckt  ist. 
—  Die  Ackerbrüder  (Fratres  arvales)  werden  „Brüder  Arvali“ 
genannt.  Das  ist  stark !  Ihr  berühmtes  Lied  findet  man  im 
1.  Bande  von  M  o  m  m  s  e  n  s  römischer  Geschichte. 

Auf  pag.  59  wird  von  einer  Salbe  gesprochen,  die  man 
„obstetrix“  genannt  habe.  P  1  i  n  i  u  s  spricht  aber  von  einer 
Hebamme  namens  S  a  1  p  e,  wahrscheinlich  eine  griechische  Pfu¬ 
scherin,  die  mit  den  verdächtigen  Kolleginnen  Lais,  Elephantis 


lsyo 


MUENCHENER  MEDTCINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


und  Sotira  in  der  abergläubischen  Weltstadt  ihr  Glück  suchte  j 
und  fand. 

Die  von  P  1  i  n  i  u  s  berührte  „M  a  1  a  c  i  a“  ist  nichts  als 
Pica,  Kissa  (Gelüste  der  Schwangeren).  Unser  Autor  macht 
aber  daraus  die  Osteomalacie,  welcher  leider  erst  am  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  genauer  erkannt  wurde. 

Unter  dem  Pflanzennamen  „Eschenwurz“  kann  sich  der  Laie 
nichts  denken.  In  solchen  Fällen  sollten  die  richtigen  botani¬ 
schen  Namen  geg'eben  werden  (Dictamnus). 

Die  pag.  35  zitierte  Stelle  aus  Terentiu  s’  Andria  ist 
irrig  erklärt.  Wer  sich  hier  gut  benommen  hat,  ist  Pamphilus, 
der  Kindsvater,  nicht  das  Kind.  Diese  Worte  sollen  beweisen, 
dass  der  Fötus  tätigen  Anteil  an  der  Geburt  nehme,  (cf.  Act.  III, 
Sc.  II.) 

Auf  pag.  106  ist  die  Rede  von  F ragmenten  des  S  o  r  a  n  u  s, 
die  in  „Etium“  gefunden  wurden ;  es  soll  aber  heissen :  bei  Aetius 
von  Amida. 

Im  übrigen  verdient  die  Arbeit  Curat  u  los  alle  Aner¬ 
kennung.  Glänzend  ist  die  Ausstattung,  die  der  Verleger  dem 
Buche  verliehen  hat,  das  ein  Schmuck  jeder  Bibliothek  sein  wird. 
Der  Preis  ist  geradezu  fabelhaft  billig. 

J.  Ch.  Huber-  Memmingen. 

Aus  der  Praxis  der  Gothaer  Lebensversicherungsbank. 

Versicherungs- Statistisches  und  -Medizinisches.  Bearbeitet  von 
Prof.  Dr.  K  a  r  u  p,  Dr.  med.  Gollmer  und  Dr.  med.  Flor- 
schütz.  Herausgegeben  vom  Vorstand  "der  Gothaer  Lebens¬ 
versicherungsbank  a.  G.  zur  7o.  Wiederkehr  dos  Gründungstages 
der  Bank.  Jena  1902,  Gustav  Fischer.  520  S.  Preis  13  M. 

Der  vorliegende  Band  enthält  eine  Zusammenstellung  von  j 
29  Aufsätzen  der  genannten  Autoren,  welche  seit  1886  teils  in 
den  „Jahrbüchern  für  Nationalökonomie  und  Statistik“,  teils 
in  den  „Monatsblättern  für  die  Herren  Vertrauensärzte  der 
Lebensversicherungsbank  für  Deutschland“  publiziert  wurden. 
Da  letztere  Zeitschrift  im  Buchhandel  nicht  erscheint  und  nur 
mit  Mühe  zu  erlangen  ist,  sichert  sich  die  Gothaer  Lebensver¬ 
sicherungsbank  den  Dank  aller  mit  Lebensversicherungsangelegen¬ 
heiten  beschäftigten  Aerzte,  wenn  sie  nunmehr  aus  dem  reichen 
Schatze  ihres  riesigen  Materiales  und  ihrer  langjährigen  Er¬ 
fahrungen  einiges  einem  weiteren  Leserkreise  zugänglich  macht. 
Der  Band  zerfällt  in  2  Abteilungen :  I.  Versicherungs- 
Statistisches,  enthaltend  die  interessanten  Arbeiten 
K  a  r  u  p  s  und  Gollmers  über  die  Mortalitätsverhältnisse  des 
ärztlichen  Standes,  des  geistlichen  Standes  und  der  Lehrer  nach 
den  Erfahrungen  der  Bank,  sowie  die  Darstellung  der  Sterblich¬ 
keit  der  Versicherten  während  der  50  jährigen  Periode  von 
1829 — 1878,  nach  Todesursachen  untersucht.  II.  Versiehe- 
rungs  -  Medizinisch  es,  umfassend  25  Arbeiten,  von 
welchen  besonders  erwähnt  seien :  Der  Glykosuriker  als  Antrag¬ 
steller  (Florschütz);  Pleredität  und  persönliche  Kon¬ 
stitution  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Lungenschwindsucht;  die 
Abwehrmassregeln  gegenüber  der  Tuberkulose;  die  gegenseitige 
Infektionsgefahr  bei  Ehegatten  hinsichtlich  der  Lungenschwind¬ 
sucht;  das  Schwangerschaftsrisiko;  wie  lange  soll  die  Syphilis 
geheilt  sein,  ehe  Antragsteller,  die  daran  gelitten  haben,  ver¬ 
sichert  werden  können?;  eine  Untersuchung  über  die  Sterblich¬ 
keit  nichtversicherter  Aerzte  (sämtlich  von  Gollmer).  Aus 
der  Praxis  für  die  Praxis  geschrieben,  bieten  die  Aufsätze  dem 
Leser  eine  Fülle  von  Anregungen  und  einen  Einblick  in  die  Be¬ 
urteilung  der  Versicherungsfähigkeit  und  in  die  komplizierte 
Tätigkeit  bei  der  Auswahl  der  geeigneten  Risiken,  wie  er  aus 
irgend  einem  „Handbuch  für  den  Vertrauensarzt“  nicht  zu  ge¬ 
winnen  ist.  Wir  können  daher  nur  wünschen,  dass  die  Hoffnung 
des  Bankvorstandes  auf  eine  freundliche  Aufnahme  des  Buches 
in  den  Kreisen  der  Fachgenossen  sich  erfüllen  und  demselben 
die  verdiente  weite  Verbreitung  zuteil  werden  möge.  R.  S. 

0  h  1  e  m  a  n  n :  Die  neueren  Augenheilmittel.  Wiesbaden 
1892,  J.  F.  Bergmann.  Preis  3.60  M. 

Tin  Anschluss  an  sein  1896  im  gleichen  Verlage  erschienenes 
Buch :  „Augenärztliche  Therapie  für  Aerzte  und  Studierende“ 
führt  Verf.  alle  neueren  Heilmittel  und  auch  ältere  in  wieder 
modern  gewordener  Anwendung  auf.  wobei  nur  die  Sonde  der 
Kritik  mit  etwas  weniger  Rücksicht  anzulegen  gewesen  wäre. 
Da  nicht  nur  arzneiliche  Mittel,  sondern  auch  mechanische  Be¬ 
handlung,  thermisch  wirkende  Mittel,  Elektrizität,  Serum-  und 


Organtherapie,  sowie  Balneotherapie  in  den  Kreis  der  Bespre¬ 
chung  gezogen,  endlich  auch  noch  Prophylaxe  und  Allgemein¬ 
behandlung  kurz  und  treffend  behandelt  werden,  so  kommt  Verf. 
einem  wirklichen  Bedürfnisse  entgegen  und  kann  seine  fleissige 
und  umsichtige  Arbeit,  die  von  der  Verlagsbuchandlung  sehr 
schön  ausgestattet  ist,  bestens  empfohlen  werden.  S  e  g  g  e  1. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  46.  Band,  5.  u.  6.  Heft. 

Nachruf  für  C.  Gerhardt. 

17)  Flitz  Meyer:  Zur  Bakteriologie  des  akuten  Gelenk¬ 
rheumatismus.  (Aus  der  I.  mediz.  Klinik  v.  L  e  y  d  e  n  s  in  Berlin.) 

Dem  Verfasser  gelang  es,  aus  der  Bakterienllora  der  Lakunen 
der  anginösen  Tonsillen  bei  Gelenkrheumatismus  durch  Passage 
durch  den  Tierkörper  eine  besondere  Streptokokkenart  zu  isolieren. 
Diese  liess  sich  nämlich  in  dem  zuerst  auftretenden  Gelenk- 
exsudat  allein  nachweisen.  Auffallend  ist  die  sehr  geringe  Viru¬ 
lenz  der  so  isolierten  Streptokokken,  welche  sich  auch  nicht  durch 
die  gebräuchlichen  Methoden,  wie  oftmalige  Passage  durch  den 
Tierkörper  etc.,  steigern  lässt.  Zuerst  erkranken  meistens  die 
Kniegelenke,  später  die  Schultergelenke;  nach  einigen  Tagen  ver¬ 
schwindet  die  Schwellung  des  Gelenkes  wieder  vollständig,  um 
dann  an  anderen  Gelenken  aufzutreten.  Das  Exsudat  ist  von  grau- 
weisser  bis  graugelblicher  Farbe,  leicht  fadenziehend  und  fibrin- 
reich,  nicht  eitrig,  enthält  ziemlich  viel  einkernige  Leukocyten 
und  Endothelien;  die  Bakterien  finden  sich  nur  in  der  ersten  Zeit 
und  fast  ausnahmslos  intrazellulär  in  den  einkernigen  Leukocyten 
und  den  Endothelien.  Der  ganze  Prozess  ist  ein  rein  synovialer. 
Nach  Ablauf  der  Entzündung  finden  sich  wieder  ganz  normale 
Verhältnisse  au  den  Gelenken.  Bei  21  Proz.  der  geimpften  Tiere 
trat  eine  verruköse  Endokarditis  auf,  welche  der  beim  Menschen 
beobachteten  rheumatischen  sehr  ähnlich  war.  Bakterien  fanden 
sich  nur  ganz  im  Anfang  und  nur  in  den  zentralen  Partien  des 
ursprünglichen  Thrombus  in  Diplokokkenform.  Nirgends  ist  eine 
Nekrose  oder  stärkere  Gewebsschädigung  zu  sehen.  In  späteren 
Stadien  sind  die  Bakterien  sehr  schlecht  färbbar,  offenbar 
abgestorben.  Diese  Befunde,  welchen  sich  noch  das  bei  3  Proz. 
beobachtete  Auftreten  von  choreaähnlichen  Zuckungen,  sowie  das 
häufige  Auftreten  von  pleuritisclien  und  perikarditischen  Ex¬ 
sudaten  anscliliesst,  sprechen  dafür,  dass  einerseits  die  gefundenen 
Bakterien  eine  besondere  Streptokokkenart  darstellen,  dass  an¬ 
dererseits  diese  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  als  die 
Erreger  des  Gelenkrheumatismus  anzusehen  sind. 

18)  E.  Rogovin:  Klinische  und  experimsntelle  Unter¬ 
suchungen  über  den  Wert  der  Sauerstoffinhalation.  (Atis  der 
I.  mediz.  Klinik  v.  L  e  y  d  e  n  s  in  Berlin.) 

Nach  einer  Besprechung  der  theoretischen  Seite  der  Sauerstoff¬ 
inhalationen  berichtet  der  Verf.  über  4  Fälle,  bei  welchen  mit 
günstigem  Erfolg  Sauerstoffinhalationen  angewendet  wurden. 
2  der  Fälle  betrafen  Mitralstenosen,  der  dritte,  letal  endigende 
einen  Kollaps  bei  Leberabszess  mit  eitriger  Pleuritis  infolge  von 
perforiertem  Ulcus  ventriculi,  der  vierte  eine  Bronchopneumonie 
bei  Scharlach.  Ferner  stellte  der  Verf.  zahlreiche  Tierversuche 
an,  indem  er  an  Fröschen,  Mäusen  und  Ratten,  einige  Male  auch 
an  Kaninchen  und  Katzen  den  Verlauf  verschiedener  Vergiftungen 
unter  dem  Einflüsse  von  Sauerstoffinhalationen  studierte.  Bei 
den  meisten  Versuchen  mit  Strychnin,  Morphium,  Chloroform, 
Leuchtgas  und  Anilinöl  liess  sich  eine  günstige  Beeinflussung  der 
Vergiftungserscheinungen  durch  die  Einatmung  der  sauerstoff¬ 
reichen  Luft  beobachten;  es  verstrich  meistens  viel  mehr  Zeit  bis 
zum  Eintritt  des  Todes  als  bei  Einatmung  gewöhnlicher  Luft;  in 
manchen  Fällen  gelang  es,  durch  die  Sauerstoff einatmung  die  Tiere 
am  Leben  zu  erhalten. 

19)  F  o  c  k  e  -  Düsseldorf :  Was  lehrt  die  medizinische  Ka¬ 
suistik  über  die  jahreszeitlichen  Schwankungen  in  der  Stärke 
der  offizinellen  Digitalisblätter? 

Verf.  zieht  aus  einer  Durchsicht  der  diesbezüglichen  Kasuistik 
folgende  Schlüsse:  Auffallend  schwache  Wirkungen  der  Digitalis¬ 
blätter  sind  zu  jeder  Zeit,  besonders  häufig  aber  im  Frühjahr  ent 
sprechend  dem  zeitlichen  Vorkommen  minderwertiger  Blätter  be¬ 
obachtet  worden.  Aussergewöhnlich  starke  Wirkungen.  Ver¬ 
giftungen  nach  Avenig  über  1  g  fol.  Digit,  im  Infus,  sind  nur  im 
Spätsommer,  d.  h.  bald  nach  dem  Termin  für  die  Erneuerung  der 
Blätter  vorgekommen.  Die  Schwankungen  in  der  Stärke  der  ge¬ 
trockneten  Digitalisblätter  sind  überall  und  zu  allen  Zeiten  in 
regelmässigem  Zusammenhang  mit  der  Jahreszeit.  Die  Kasuistik 
spricht  dafür,  dass  die  alten  Blätter  zu  Anfang  August  von 
den  neuen  Blättern  um  das  4  f  a  c  h  e  an  Kraft  über¬ 
troffen  werden. 

20)  J.  Strasburger:  Untersuchungen  über  die  Bakte¬ 
rienmenge  in  menschlichen  Fäzes.  (Aus  der  medizin.  Klinik 
Schnitzes  in  Bonn.) 

Um  zu  einwandfreieren  Resultaten  als  nach  den  bisherigen 
Methoden  zu  gelangen,  verfuhr  Verf.  bei  seinen  Kotuntersuchungen 
folgendermassen:  Von  dem  genau  abgegrenzten  Gesamtkot  wurde 
das  Volumen  festgestellt,  von  2  ccm  desselben  das  Trocken¬ 
gewicht  bestimmt,  dann  wurden  ferner  2  ccm  Kot  mit  30  ccm 
%  proz.  Salzsäure  A:errieben  und  zentrifugiert,  die  über  dem  Se¬ 
diment  stehende,  fast  nur  Bakterien  enthaltende  Flüssigkeit  ab¬ 
gesaugt,  das  Sediment  wieder  mit  verdünnter  Salzsäure  verrieben 
und  dann  wieder  zentrifugiert,  die  Flüssigkeit  tvieder  abgesogen 
und  mit  der  ersten  vereinigt.  Diese  Prozedur  wird  dann  so  oft 
wiederholt,  bis  der  Bodensatz  nur  noch  ganz  geringe  Bakterien- 


11.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1S91 


mengen  abgibt.  d.  li.  bis  die  Flüssigkeit  nach  dem  Zentrifugieren 
mir  noch  massig  getrübt  bleibt.  Meist  ist  4  maliges  Zentrifugieren 
erforderlich.  Die  bakterienlialtige  Flüssigkeit  wird'  da  in.  reichlieh  mit 
96proz.  Alkohol  versetzt,  eingeengt  und  dann  zentrifugiert  der  Boden¬ 
satz,  welcher  aus  den  Bakterien  besteht,  mit  absolutem  Alkohol 
ausgewaschen,  dann  mit  Aether  geschüttelt  und  einen  Ta-  stehen 
gelassen,  dann  der  Aether  abzentrifugiert,  das  Sediment  '"mit  Al¬ 
kohol  iu  ein  Schälchen  gespült,  getrocknet  und  gewogen.  Die  Prü- 
1  ung  des  \  eifalnens  ergab,  dass  auf  diese  Weise  die  Bakterien 
fast  vollständig  von  den  übrigen  Kotbestandteilen  getrennt  werden 
können.  Die  so  ausgeführten  Untersuchungen  ergaben  dass  ein 
Drittel  der  Trockensubstanz  des  Kotes  gesunder  Erwachsener  bei 
mittlerer  Kost  aus  Bakterienleibern  besteht.  Das  Trockengewicht 
der  täglich  ausgeschiedenen  Bakterien  beträgt  bei  Erwachsenen 
normalerweise  im  Durchschnitt  8g  —  ungefähr  128  Billionen 

Kolibakterien,  bei  dyspeptischen  Darmstörungen  14 _ 20  g  bei  habi 

tueller  Obstipation  durchschnittlich  5,5  g,  unter  Umständen  nur 
2,6  g.  Bei  habitueller  Obstipation  ist  die  Trockensubstanz  des 
Kotes  vermindert,  die  Ausnutzung  der  Nahrung  eine  bessere  als 
beim  normalen  Menschen.  Wahrscheinlich  fehlt  ein  geeigneter 
Nährboden  für  die  Bakterien  im  Dickdarm,  da  auch  Zufuhr  von 
Bact.  coli  per  os  keine  Zunahme  der  Kotbakterien  bewirkte.  In¬ 
folge  diesei  ungenügenden  Bakterienentwicklung  werden  nicht 
genug  die  Peristaltik  anregende  Zersetzungsprodukte  gebildet  und 
so  das  Auftreten  von  habitueller  Obstipation  sehr  befördert.  Bei 
einem  I  all  von  Galleabschluss  war  die  Bakterienmenge  sehr  ge¬ 
ling,  3,2  g  pio  lag;  nach  Hebung  des  Hindernisses  wurde  sie 
wieder  normal,  ein  Verhalten,  das  nicht  gerade  für  die  antiseptische 
Wirkung  der  Galle  spricht.  Bei  Säuglingen  sind  die  Verhältnisse 
annähernd  dieselben.  Bei  Dyspepsie  der  Säuglinge  kann  die  Bak¬ 
terienmenge  bis  auf  das  Doppelte,  d.  li.  %  der  gesamten  Kotsub¬ 
stanz  steigen.  Von  dem  N-Gehalt  des  Kotes  trifft  die  Hälfte  auf 
die  Bakterien;  dies  Verhältnis  gilt  auch  für  den  Hungerkot.  Mit 
der  Methode  des  Verf.  ist  man  endlich  auch  im  stände,  die  Wirk¬ 
samkeit  der  Darmantiseptica  zu  prüfen  und  die  Frage  der  Darm¬ 
desinfektion  der  Entscheidung  zu  nähern. 

21)  G.  Jochmann  und  O.  S  c  h  u  m  m:  Zur  Kenntnis  des 
Myeloms  und  der  sogen.  Kahler  sehen  Krankheit.  (Multiple 
Myelome,  einhergehend  mit  Bence-Jones  scher  Aibumos- 
urie.  (Aus  dem  allgem.  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf 
mediz.  Abteilung  R  u  mpel  s.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

Lindem  a  n  n  -  München. 


Centralblatt  für  innere  Medizin.  1902.  No.  41,  42,  43  u.  44. 

No.  41.  D.  Hel  man:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Melanine. 
(Auf  Prof.  Koberts  Institut  in  Rostock.) 

Verfasser  teilt  aus  einer  ausführlichen  Arbeit  über  die 
Melanine  hier  die  wichtigsten  Ergebnisse  mit.  Die  Anwesenheit 
von  Melanin  in  melanotischen  malignen  Tumoren  schliesst  das 
Glykogen  meist,  aber  nicht  immer  aus.  Die  relative  Menge  des 
Melanins  in  Geschwülsten  beträgt  bis  zu  7,3  Proz.  Die  Tumoren 
4  von  8,  enthielten  sowohl  Eisen  als  Schwefel,  3  nur  Schwefel  und 
1  nur  Eisen.  Echtes  Melanogen  ist  nur  da  im  Harn  als  sicher  an¬ 
zunehmen,  wo  1.  sich  auf  vorsichtigen  Eisenchloridzusatz  hin  ein. 
schwarzer,  die  Phosphate  einschliessender  Niederschlag  von  Me¬ 
lanin  bildet,  wo  2.  dieser  Niederschlag  sich  in  kohlensaurem  Na¬ 
trium  mit  schwarzer  Farbe  (ohne  Phosphate)  löst,  und  wo  3.  aus 
dieser  Lösung  durch  Mineralsäuren  ein  schwarzes  oder  braun¬ 
schwarzes  Pulver  gefällt  werden  kann.  Das  Auftreten  von  echtem 
Melanogen  im  Harn  des  Menschen  deutet  meist  —  nicht  ausnahms¬ 
los  —  auf  Anwesenheit  melanotischer  Tumoren.  Die  Reaktion  mit 
Bromwasser,  Chromsäure,  die  T  li  o  r  m  ä  li  1  e  n  sehe  Reaktion 
wird  nicht  von  allen  Melanogenharnen  geliefert. 

No.  42.  I  r  i  e  d  e  b  e  r  g  -  Magdeburg:  Einige  Bemerkungen 
über  zwei  seltene  Vergiftungen.  I.  Intoxikation  durch  Ex- 
tractum  hydrastis  fluidum. 

Ein  22  jähriges  Mädchen  erhielt  wegen  Gebärmutterblutung 
(Abort)  2  Tage  lang  3  mal  tägl.  25  Tropfen  von  15  g  Extr.  hydrast. ; 
da  kein  Erfolg  eintrat,  nahm  sie  am  3.  Abend  den  ganzen  Rest 
der  Medizin,  ca.  9,0  g,  auf  einmal.  Sofort  Brennen  im  Magen, 
Uebelkeit,  Schwindel,  kurze  Ohnmacht;  in  der  Nacht  Unruhe, 
Kopfschmerzen,  Gesichtshalluzinationen,  Druck  in  der  Herzgegend, 
Atembeschwerden,  gegen  Morgens  mehrmals  Erbrechen.  Status 
am  folgenden  Tage:  Palor  faciei,  leichte  Cyanose  der  Lippen,  j 
Schwäche.  Atmung  oberflächlich,  Puls  46,  schwach,  unregelmässig. 
Pupillen  erweitert,  reagieren.  Harn  normal.  Reflexe  vorhanden. 
Therapie:  Analeptika,  Wasserklysmen.  Am  5.  Tage  Heilung. 

II.  Intoxikation  durch  Petroleum. 

Ein  25  jähriger  Mann  trank  aus  Vergehen  zwei  Schluck  Pe¬ 
troleum.  Brennen  im  Schlund  und  Magen;  am  nächsten  Tage 
Kopfschmerz,  Appetitmangel,  Durchfälle,  Mattigkeit;  „alles  roch 
nnd  schmeckte  nach  Petroleum“.  Am  nächstfolgenden  Tage 
Rachen-  und  Magendarmkatarrh.  Weder  Atem,  noch  Harn  riechen 
nach  Petroleum.  Am  3.  Tage  Heilung.  Dagegen  hielten  die  un¬ 
angenehmen  Geruchs-  und  Geschmackstörungen  6  Tage  an,  um 
dann  plötzlich  zu  verschwinden. 

No.  43.  J.  Mitulescu:  Die  Entwicklung  der  chronischen 
Tuberkulose,  vom  Standpunkte  des  Zellstoffwechsels  aus  be¬ 
trachtet.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  und  dem  Institut  für  Infektions¬ 
krankheiten  in  Berlin.) 

Verfasser  bespricht  das  Verhalten  des  Stoffwechsels  bei  der 
chronischen  Tuberkulose.  Er  unterscheidet  3  Perioden:  1.  Evo- 
lutions-  resp.  Entwickelungsperiode,  2.  Stillstandsperiode,  3.  Periode  j 
der  organischen  Degeneration.  Die  erste  Periode  wäre  diejenige, 


geben.  Hier  ist  die  sichere 
der  Fälle  durch  Auffinden 
und  durch  folgerechte  Be- 
Kompensationszustand  zu 
in  welcher  der  Organismus 
den  Bazillus  im  Verein  mit 


in  welcher  die  lokale  Lungeninfektion  durch  wenige  sichere  An¬ 
zeichen  charakterisiert  ist,  wenn  nämlich  mehr  Erscheinungen  auf 
eine  gelinge  Intoxikation,  welche  aus  dem  Herde  der  Lunge 
stammt,  hindeuten,  und  wo  die  anatomische  Heilung  leicht  möglich 
ist.  Dies  wäre  die  Periode,  in  welcher  die  sichere  Diagnose  nur 
durch  das  Tuberkulin  erreichbar  ist.  Die  zweite  Periode  wäre 
diejenige,  in  welcher  sichere  Lungenanzeiehen  auftreten,  welche 
uns  über  eine  lokale  Läsion  Aufschluss 
ätiologische  Diagnose  in  der  Mehrzahl 
des  Bazillus  im  Sputum  festzustellen 
handlung  wenigstens  ein  andauernder 
erzielen.  Die  3.  Periode  ist  diejenige, 
auf  Grund  der  vorgeschrittenen,  durch 

anderen  Bakterien  bewirkten  Läsionen,  nicht  mehr  die  Möglich¬ 
keit  besitzt,  den  Zerfall  zu  begrenzen.  Die  Resorption  ist  stark, 
die  zelluläre  Desassimilation  vergrössert;  es  liegt  die  Unmöglichkeit 
vor,  durch  geeignete  Behandlung  einen  andauernden  Kompen¬ 
sationszustand  zu  erzielen  und  der  Organismus  geht  zu  Grunde. 
Seine  Ausführungen  belegt  der  Verfasser  mit  mehreren  Stoff¬ 
wechselbeobachtungen  an  Menschen  und  Tieren. 

No.  44.  W.  S  a  1  a  n  t  -  New-York:  Ueber  den  Einfluss  des 
Dickdarminhaltes  auf  Strychnin. 

Verfasser  studierte  die  Ausscheidung  des  Strychnin  bei 
Tieren,  besonders  bei  solchen,  die  nephrektoiniert  waren.  Er  nahm 
an,  dass  l  ei  ausgeschalteter  Nierenfunktion  vielleicht  die  Ausschei¬ 
dung  des  Strychnin  in  den  Magendarmkanal  hinein  erfolgen  könnte. 
Die  entsprechenden  Versuche  ergaben  zunächst  ein  negatives  Er¬ 
gebnis.  Bei  der  genaueren  Prüfung  zeigte  sich  dann,  dass  der  Dick- 
darminlialt  das  Strychnin  so  verändert,  dass  es  mit  unseren 
jetzigen  Methoden  nicht  mehr  chemisch  nachweisbar  ist.  Das  dem 
Inhalt  des  Magens  oder  des  Dünndarmes  beigemischte  Strychnin 
ist  dagegen  mit  Leichtigkeit  nachzuweisen.  Dieses  eigentümliche 
Verhalten  des  Dickdarmes,  resp.  seines  Inhaltes,  will  der  Verfasser 
in  der  Folge  genauer  ermitteln.  W.  Zinn-  Berlin. 


Archiv  für  klinische  Chirurgie.  68.  Bd.,  3.  Heft,  Berlin, 
Hirschwald,  1902. 

30)  v.  B  a  r  a  c  z  -  Lemberg:  Ueber  die  Lumbalhernien  und 
seitlichen  Bauchhernien  (Laparocelen). 

Die  Einteilung  der  Lumbalhernien  nach  der  Bruchpforte  stösst 
wegen  der  Inkonstanz  der  anatomischen  Verhältnisse  auf  Schwierig¬ 
keiten;  viel  rationeller  scheint  die  Einteilung  nach  den  ätiologischen 
Momenten,  v.  I>.  unterscheidet  von  diesem  Gesichtspunkt  aus 
4  Gruppen:  1.  Kongenitale  Lumbalhernien  und  zwar  a)  echte 
Hernien,  welche  infolge  von  Defektbildungen  der  Rippen  und  der 
Bauchmuskeln  entstehen  und  b)  Pseudohernien,  Ektasien  der 
Bauchwand,  die  entweder  auf  Schwäche  und  Atrophie  der  Bauch¬ 
muskeln  zurückzuführen  sind  oder  durch  abgegrenzte  Lähmung 
der  Bauchmuskulatur  entstehen,  deren  Aetiologie  noch  nicht  auf¬ 
geklärt  ist.  2.  Nach  Trauma  entstandene  Lendenhernien.  Die¬ 
selben  entstehen  entweder  durch  direkte  Gewalteinwirkung  oder 
durch  Rupturen  der  Rückenmuskeln  infolge  grosser  Anstrengungen. 
3.  Nach  Senkungsabszessen  entstandene  Lumbalhernien.  4.  Spon¬ 
tan  entstandene  Lendenhernien. 

Die  Bruchpforte  der  Lendenhernien  scheint  selten  dem  Petit- 
schen  Dreieck,  sondern  in  der  Regel  dem  von  Lesshart  be¬ 
schriebenen  Raume  unterhalb  der  12.  Rippe  zu  entsprechen  (vergl. 
tolgende  Arbeit).  Die  einzelnen  Formen  der  Lendenhernien  illu¬ 
striert  v.  B.  durch  Beispiele  aus  der  Literatur  und  7  eigene  Fälle. 

31)  v.  Baracz  und  Burzynski  -  Lemberg:  Ueber  die 
Lendengegend,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Durch¬ 
trittsstelle  der  Lendenhernien. 

Lm  die  Frage  über  die  Durchtrittsstelle  der  Lendenhernien  zu 
entscheiden,  haben  v.  B.  und  B.  an  38  Leichen  die  Lendengegenden 
genau  anatomisch  untersucht.  Die  durch  eine  grosse  Anzahl  von 
Abbildungen  illustrierten  Befunde  führten  zu  folgenden  Resul¬ 
taten:  Das  Trigonum  Petiti  existierte  in  63  Proz.  und  fehlte  in 
37  Proz.  der  Fälle.  Dagegen  bestand  in  93,5  Proz.  der  Fälle 
eine  zweite  schwächere  Stelle  der  lateralen  Lendengegend,  das 
Spatium  tendineum  lumbale.  Dies  Feld,  dessen  Grösse  und  Form 
stark  variiert,  wird  begrenzt  durch  den  unteren  Rand  des  M.  ser- 
ratus  post.  inf.  samt  dem  inneren  Rande  der  XII.  Rippe  von  oben, 
dem  AL  erector  trunci  medial,  und  dem  M.  obliq.  abdom.  int.  und 
den  hinteren  Rand  des  Al.  obliq.  abdom.  ext.  lateral;  sein  Grund 
wird  durch  den  medialen,  aponeurotischen  Teil  des  AI.  transversus 
abdominis  gebildet;  es  entspricht  dem  Triangle  lumbo-costo-ab- 
dominale  Grynfeltts  oder  dem  Lesshaft  sehen  Dreieck. 
Das  Spatium  tendineum  lumbale  bildet  die  schwächste  Stelle  der 
Lendengegend;  den  schwächsten  Punkt  derselben  bildet  die  Durch¬ 
trittsstelle  der  A.,  V.  und  N.  subcostalis.  Diese  Stelle  dürfte  am 
meisten  geeignet  sein,  den  von  den  Körpern  der  Lendenwirbel 
stammenden  Senkungsabszessen  sowie  den  oberen  Lendenhernieu 
die  Oeffnung  zu  lassen.  Das  Trigonum  Petiti  dürfte  wegen  seiner 
grösseren  Resistenz  dazu  weniger  geeignet  sein.  Eine  zweite,  weni¬ 
ger  resistente  Stelle  der  Lendengegend  befindet  sich  medial  vom 
Trigonum  Petiti  in  dem  sehnigen  Teil  des  Latissimus  dorsi,  gleich 
oberhalb  der  Crista  ilei,  nämlich  die  dem  Durchtritte  des  Ramus 
lumbalis  der  A.  und  V.  ileolumbalis  dienende  Lücke.  Auch  durch 
diese  können  Senkungsabszesse  sowie  die  unteren  Lumbalhernien 
ihren  AVeg  nehmen. 

32)  B  r  a  a  t  z  -  Königsberg:  Zur  Theorie  und  Praxis  der 
chirurgischen  Dampfdesinfektion. 

33)  Pels-Leusden:  Ueber  papilläre  Tumoren  des  Nieren¬ 
beckens  in  chirurgischer  und  pathologisch-anatomischer  Hin¬ 
sicht.  (Chirurg.  Universitätsklinik  König  in  Berlin.) 


No.  45. 


1892 


MUENCHENER  MEDICHHSCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


Vorträge  auf  deiu  31.  Chirurgenkongress.  Referate  s.  No.  17 
dieser  Wochenschrift. 

34)  v.  H  i  p  p  e  1  -  Kassel:  Heber  die  Laparotomie  im  Kriege,  j 

v.  H.  unterzieht  an  der  Hand  der  neuesten  Literatur,  vor 
allem  der  des  südafrikanischen  Krieges,  die  Behandlung  der 
Bauchverletzungen  durch  Kleinkalibergeschosse  bezüglich  der 
Indikation  zur  Laparotomie  und  deren  Ausführbarkeit  einer  kri¬ 
tischen  Besprechung.  Eine  Zusammenstellung  der  Veröffent¬ 
lichungen  aus  den  Burenkriegen  bestätigt  die  Behauptungen  der 
englischen  Chirurgen  weder  hinsichtlich  der  guten  Prognose  der 
Bauchschüsse  noch  hinsichtlich  der  Aussichtslosigkeit  der  Laparo¬ 
tomie.  Die  Mortalität  der  unoperierten  Fälle  betrug  immerhin 
ca.  55  Proz.;  nur  das  eine  steht  fest,  dass  ein  nicht  sicher  be¬ 
stimmbarer  Prozentsatz  von  Bauchschüssen  durch  Kleinkaliber 
einen  bis  dahin  nicht  beobachteten,  ungewöhnlich  günstigen  Ver¬ 
lauf  nimmt.  Andererseits  beweist  die  schlechte  Operationsstatistik 
des  südafrikanischen  Krieges  nichts  gegen  die  Berechtigung  der 
Laparotomie,  da  überhaupt  nur  ganz  wenige  und  überdies  zum 
Teil  aussichtslose  Fälle  der  Laparotomie  in  den  ersten  12  Stunden 
unterworfen  wurden. 

v.  H.  hält  die  Laparotomie  für  indiziert:  a)  primär,  d.  li. 
innerhalb  der  ersten  12  Stunden  bei  inneren  Blutungen,  bei  Ver¬ 
letzung  der  Gallenblase  und  Gallengänge,  bei  Zerreissung  der 
Blase  infolge  gleichzeitiger  Beckenzertrümmerung,  bei  antero- 
posteriorer  oder  transversaler  Schussrichtung  im  Bereich  des  Dünn¬ 
darms  und  Querkolons,  auch  ohne  sichere  Zeichen  einer  Darm¬ 
verletzung,  bei  jeder  anderen  Schussrichtung,  wenn  sichere  Zeichen 
einer  Dünndarmverletzung  bestehen,  b)  Sekundär,  d.  h.  nach 
Ablauf  der  ersten  12  Stunden  bei  bereits  bestehender  allgemeiner 
Peritonitis,  wenn  der  Kräftezustand  es  gestattet;  bei  spät  einsetzen¬ 
der  oder  fortschreitender  Peritonitis  ursprünglich  symptomloser 
oder  nur  leichte  peritoneale  Reizerscheinungen  zeigender  Fälle. 
c)  Als  Probelaparotomie  bei  schräg  zwischen  Flanke  und  Nabel 
verlaufenden  Schüssen,  sowie  bei  fehlender  Ausschussöffnung,  so¬ 
weit  die  Zeit  dazu  reicht. 

Zur  Ausführung  der  Laparotomie  macht  v.  H.  folgende  Vor¬ 
schläge:  Da  der  Hauptverbandplatz  sieh  nicht  zur  Laparotomie 
eignet,  wegen  der  meist  bestehenden  Unmöglichkeit,  in  ge¬ 
schlossenem  Raum  zu  operieren,  und  wegen  der  Notwendigkeit 
eines  Transportes  nach  der  Operation,  soll  dieselbe  in  einem  eigens 
dazu  bestimmten  Feldlazarett  ausgeführt  werden,  in  das  die  Bauch¬ 
verletzten  direkt  zu  transportieren  sind.  Dasselbe  soll  bis  in 
möglichste  Nähe  des  Schlachtfeldes  vorgeschoben  und  in  ge¬ 
schlossenen  Räumen  etabliert  werden,  soll  mit  1 — 2  Krankentrans¬ 
portwagen,  einem  Petroleumofen  ausgerüstet  und  mit  besonders 
ausgewählten  Aerzten  und  Sanitätsmannschaften  ausgestattet 
sein  und  soll  möglichst  bald  durch  ein  Kriegslazarett  übernommen 
werden. 

35)  Berger:  Die  Verletzung’en  der  Milz  und  ihre  chirur¬ 
gische  Behandlung.  (Chirurg.  Privatklinik  Iv  e  h  r  in  Halberstadt.) 
Fortsetzung  folgt. 

36)  Haasler:  Heber  Darminvagination.  (Chirurg.  Klinik 
in  Halle.) 

H.  hat  10  Fälle  von  Invagination  beobachtet,  deren  inter¬ 
essante  Krankengeschichten  ausführlich  wiedergegeben  sind.  Es 
handelte  sich  in  allen  Fällen  um  chronische  Invaginationen,  akute 
Fälle  kamen  nicht  zur  Behandlung.  Unter  den  8  Invaginationen 
bei  Erwachsenen  fand  sich  3  mal  ein  Tumor,  2  mal  eine  Inversion 
der  Appendix  als  Ursache;  1  mal  wurde  Invagination  bei  Darm¬ 
tuberkulose  beobachtet. 

Während  die  Anwendung  hoher  Einläufe  bei  akuten  Invagi¬ 
nationen  wohl  Erfolg  verspricht,  hat  sie  bei  subakuten  oder  chro¬ 
nischen  Fällen  nur  vorbereitenden  Wert;  das  rationellste  Verfahren 
ist  die  Resektion  der  Invagination  im  gesunden  Darm  mit  pri¬ 
märer  Darmnaht.  Sie  entfernt  den  geschädigten  Darm  und  damit 
den  Anlass  für  Folgeeikrankungen  (Ulzeration,  Stenose,  Perfora¬ 
tion,  Peritonitis),  sie  beseitigt  den  Darinteil,  in  dem  das  Grund¬ 
leiden,  das  die  Invagination  veranlasste,  seinen  Sitz  hat  und  elimi¬ 
niert  damit  den  Ausgangspunkt  der  Rezidive. 

37)  Kleinere  Mitteilungen: 

P  o  s  ne  r- Berlin:  Notiz  über  vogelaugenähnliche  Ein¬ 
schlüsse  in  Geschwulstzellen.  H  e  i  n  e  k  e  -  Leipzig. 

Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  42  u.  43. 

No.  42.  O.  Rumpel:  Ein  Fall  von  Nephrolithiasis  bei  be¬ 
stehender  Hufeisenniere. 

Mitteilung  eines  von  K  ü  m  m  e  1 1  erfolgreich  operierten  Falles 
von  (mit  Steinbildung  kombinierter)  hydronephrotischer  Ent¬ 
artung  einer  Hälfte  einer  Hufeisenniere  bei  43jähr.  Mann,  der 
M-lmn  lange  vorher  an  Schmerzanfällen  gelitten,  bei  dem  ein  ver¬ 
schieblicher  Tumor  nachweisbar,  aber  cystoskopisclie  Unter¬ 
suchung  wegen  impermeabler  Striktur  unmöglich  war.  Das 
Röntgenogramm  ergab  deutlichen  Steinschatten  1.  neben  der  Wirbel¬ 
säule.  Bei  der  lumbalen  Operation  zeigte  sich  nach  Unterbindung 
der  Gelasse  und  des  Ureters  beim  Vordringen  zum  unteren  Pol, 
dass  dieser  in  ca.  8  cm  Breite  nach  der  r.  Seite  hinüberzieht  resp. 
in  die  r.  Niere  übergeht,  so  dass  nach  Abklemmen  der  Brücke  der 
Nierenstumpf  durch  fortlaufende  tiefgreifende  Katgutnaht  ver¬ 
sorgt  wird.  Der  exstirpierte,  ziemlich  dickwandige,  mit  schmutzig¬ 
brauner  Flüssigkeit  gefüllte  Sack  enthielt  10  Steine  von  der 
Grösse,  Farbe  und  Form  der  türkischen  Bohnen  und  zusammen 
13,5  g  Gewicht.  R.  misst  der  Lage  des  röntgenographischen  Stein- 
schattens  (dicht  an  der  Wirbelsäule  in  der  Höhe  des  2.  und 
3.  Lendenwirbels)  für  solche  Fälle  Bedeutung  bei,  während  ge¬ 
wöhnlich  bei  Nierensteinen  der  Schatten  in  einigen  Zentimetern 


Entfernung  von  der  Wirbelsäule  und  unterhalb  der  12.  Rippe  ge¬ 
legen  ist. 

No.  43.  V  u  1 1  i  e  t  -  Lausanne:  Hartes  traumatisches  Oedem 
des  Hand-  und  Eussrückens. 

V.  schildert  diese  von  Secretan  1901  beschriebene,  gewöhn¬ 
lich  nach  lokalisiertem  Schlag  oder  rascher  Dorsalflexion  etc.  auf¬ 
tretende  traumatische  Affektion,  die  wahrscheinlich  in  einem 
librüsen,  diffusen  Exsudat  zwischen  der  sehr  dehnbaren  Haut  und 
dem  harten  Untergrund  besteht  und  bei  der  kein  Zeichen  von  Ent¬ 
zündung,  keine  Dellenbildung  durch  Fingerdruck,  höchstens  zu¬ 
weilen  Krepitation  zu  konstatieren  ist.  Der  Verlauf  dieser  speziell 
für  die  Unfallpraxis  nicht  unwichtigen  Affektion  ist  ein  ungemein 
langsamer,  die  Geschwulst  besteht  meist  hartnäckig  lange  Zeit 
und  verschwindet  erst  allmählich  nach  8 — 12  W  ochen  und  länger. 
V.  schildert  die  Differentialdiagnose  von  entzündlichen  Oedemen, 
Metakarpalfrakturen  etc.  Die  Behandlung  besteht  in  warmen 
Bädern.  Massage  schien  V.  eher  schädlich  zu  sein,  auch  Druck¬ 
verbände  mit  Watte  beschleunigten  die  Rückbildung  nicht.  Sehr. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  22.  Bd.  1.  u. 

2.  Heft.  1902. 

Alfred  Schiften  hei  in:  Ueber  einen  Fall  von  Stichver¬ 
letzung  des  Rückenmarks  (Brown-Sequard  scher  Läh¬ 
mung)"  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Lokaiisationsver- 
mögens.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Breslau.) 

Durch  einen  Stich  zwischen  5.  und  6.  Halswirbel  wurde  die 
rechte  Hälfte  des  Rückenmarks  zwischen  der  7.  und  8.  Zer¬ 
vikalwurzel  durchtrennt.  Die  Ausfallserscheinungen  entsprachen 
dem  B  rown-S  e  q  u  a  r  d  sehen  Typus,  d.  h.  es  bestand  Ueber- 
empti ndlichkeit  für  Schmerz  und  Temperatur,  ferner  Aufhebung 
des  Lagegefühls  und  Ataxie  auf  der  gleichen  Seite,  Thenn¬ 
anästhesie  und  Analgesie  auf  der  gekreuzten  Seite.  Hier  war 
auch  eine  Unteremptindlichkeit  für  Berührungseindrücke.  Der 
Autor  studierte  in  diesem  Fall  besonders  das  Lokalisationsver¬ 
mögen  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  dort  am  stärksten 
beeinträchtigt  ist,  wo  bei  intakter  Tiefensensibilität  sich  Motilitäts¬ 
störung  mit  Störung  der  Oberfiächensensibilität  kombinierte.  Auch 
aus  der  Literatur  ist  zu  ersehen,  dass  da.  wo  Störung  der  Bewegung 
und  der  Sensibilität  sich  vereinen,  auch  immer  das  Lokalisations¬ 
vermögen  ein  sehr  schlechtes  ist. 

W.  F  ü  r  n  r  o  li  r:  Ein  Fall  von  Brown-Sequard  scher 
Halbseitenlähmung  nach  Stichverletzung  des  Rückenmarks. 
(Aus  der  med.  Klinik  in  Erlangen.) 

Der  Verfasser  berichtet  über  eine  typische  Brown- Se- 
q  u  a  r  d  sehe  Halbseitenlähmung,  die  bei  einem  kräftigen  und  bis 
dahin  gesunden  Mann  nach  einem  Messerstich  in  den  Rücken,  in 
der  Höhe  des  2.  Brustwirbels,  auftrat.  Er  bespricht  die  dabei  be¬ 
obachtete  motorische  Lähmung  des  rechten  Beines,  sowie  die  dem 
Bro  w  n  -  S  e  q  u  a  r  d  sehen  Typus  eigentümlichen  Sensibilitäts¬ 
störungen  (Drucksinn  und  Lagegefühl  schlecht  auf  der  Seite  dei 
Lähmung,  Schmerz-  und  Temperaturempfindung  schlecht  auf  der 
entgegengesetzten  Körperhälfte).  Erörtert  wird  ferner  das  Ver¬ 
halten  der  Reflexe  (Patellar- Achillesreflexe  rechts  stark  gesteigert, 
Kremaster-  und  Bauchdeckenreflexe  fehlen.  Der  Babiuski- 
sclie  Reflex  und  das  S  t  r  ü  m  p  e  1 1  sehe  Tibi'alisphänomen  waren 
rechts  deutlich  auszulösen. 

J.  Krön:  Experimentelle  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Hem¬ 
mung  der  Reflexe  nach  halbseitiger  Durchschneiaung  des 
Rückenmarks.  (Aus  der  Mendel  sehen  Klinik  in  Berlin.) 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

M.  Bielscliowsky:  Zur  Histologie  und  Pathologie  der 
Gehirngeschwülste.  (Aus  der  M  e  n  d  e  1  sehen  Klinik  in  Berlin.) 

Kasuistische  Mitteilungen  mit  genauen  Krankengeschichten 
und  eingehenden  mikroskopischen  Untersuchungen. 

W.  Erb  -Heidelberg:  Bemerkungen  zur  pathologischen 
Anatomie  der  Syphilis  des  zentralen  Nervensystems. 

Erb  weist  darauf  hin,  wie  unbillig  es  ist,  gummöse  Neu¬ 
bildungen  und  syphilitische  Gefässerkrankung,  die  in  ihrer  histo¬ 
logischen  Struktur  ja  kein  sicheres  Zeichen  der  ursächlichen  Er¬ 
krankung  haben,  auf  die  Syphilis  zurückzuführen,  wenn  man  sich 
scheut,  die  Degenerationen  im  Gehirn  und  Rückenmark,  die  sich 
so  häufig,  wenn  auch  erst  spät  an  diese  Krankheit  anschliessen. 
mit  ihr  in  ursächlichen  Zusammenhang  bringen  zu  wollen.  Es 
werden  doch  solche  Erkrankungen  des  zentralen  Nervensystems 
gar  nicht  selten  gleichzeitig  mit  den  sogen,  „spezifischen“  Verände¬ 
rungen  bei  einem  und  demselben  Patienten  beobachtet.  E  r  b  ist 
deshalb  auch  dagegen,  dass  man  die  Rückenmarks-  und  Gehirn¬ 
erkrankungen,  die  sich  an  die  Syphilis  anschliessen  (Dementia 
paralytiea,  syphilitische  Spinalparalyse,  Tabes),  als  post-  oder 
metasyphilitische  bezeichnet,  da  sie  sich  eben  häufig  mit  an¬ 
erkannt  syphilitischen  Veränderungen,  allerdings  meist  tertiärer 
Natur,  paaren. 

O.  Vulpius  -  Heidelberg:  Zur  Sehnenüberpflanzung  bei 
spinaler  Kinderlähmung. 

Durch  mehrfache  Operation  konnte  der  Autor  die  infolge 
spinaler  Kinderlähmung  atrophische  Muskulatur  des  Quadriceps 
femoris  völlig  ersetzen,  indem  er  die  Sehne  des  Musculus  biceps. 
semitendinosus  und  semimembranosus  nach  vorn  verlagerte  und 
am  mittleren  und  äusseren  Rand  der  Kniescheibe  anniihte.  Die 
beiden  Kinder,  die  vorher  nur  auf  allen  vier  Extremitäten  sich 
weiterbewegten,  können  jetzt  in  aufrechter  Haltung  recht  gut 
gehen. 

H.  Kühn-  Hoya  a.  W. :  Klinische  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  hereditären  und  familiären  spastischen  Spinalparalyse. 


11.  November  1902. 


MUENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1893 


Talire  immer  mehr 
Untersuchung  steht 
seltene  Form  der 
wie  in  den  von 
u  u  d  familiär  auf- 


kürzlich  verstorbenen  Kranken 
dass  es  sieh,  wie  der  Autor  an- 

Pyramidenseitenstrangdegenera- 


Drei  Söhne  eines  Vaters,  der  auch  schon  an  einer  eigenartigen 
.ehstoiung  litt,  erkrankten  im  Jünglingsalter  mit  spastischen  Er 
sclieiuungen  an  den  Beinen,  die  im  Laufe  der  '  ' 
und  mehr  zunehmen.  Nach  dem  Ergebnis  der 
es  ausser  Zweifel,,  dass  es  sich  um  die  so 
spastischen  Spinalparalyse  handelt,  die  hier 
Strümpell  beschriebenen  Fällen,  hereditär 
tritt  Sensibilitätsstörungen  sind  auch  hier  nicht  nachzuweisen 
Veitasser  teilt  noch  einen  vierten,  in  seiner  Familie  vereinzelt 
dastehenden  Fall  mit.  Referent,  der  Gelegenheit  hatte  Rücken- 

markspraparate  von  diesem  erst . -  ’  uucken 

zu  untersuchen,  kann  bestätigen, 
nimmt,  um  eine  reine  primäre 
tion  handelt. 

,  ,n-  Lund  borg- Upsula:  Ueber  die  Beziehungen  der  Mvo- 

clonia  familiaris  zur  Myotonia  congenita. 

.  .,Ia  eilA®m .  schwedischen  Geschlecht  sind  mehr  Fälle  von 
familiärer  Myoklonie  aufgetreten,  als  bisher  im  Ausland  zusammen 
beschrieben  worden  sind.  Lundborg,  der  Gelegenheit  h^te 
diese  Kranken  zu  untersuchen,  weist  darauf  hin,  wie  viel  Aehn- 
lchkeit  dieser  Symptomenkomplex  mit  der  Myotonia  congenita 
Uhomsen)  hat.  Es  handelt  sich  auch  hier  um  einen  Kilmpf- 
zustand  der  gestreiften  Körpermuskulatur,  der  meist  erst  in  der 
spateren  Kindheit  zu  Tage  tritt,  dessen  wesentlichster  Unterschied 
von  der  T  h  o  m  s  e  n  sehen  Krankheit  im  Auftreten  von  klonischen 
Muskelzuckungen  besteht.  L.  ist  geneigt,  beide  Krankheiten  auf 
Autointoxikation  zuruckzufüliren. 

,  B.  ickel:  Der  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Zellenreflex  unter 

p  ysiologischen  und  pathologischen  Bedingungen.  (Aus  der 
med.  Klinik  in  Göttingen.) 

Bei  der  Untersuchung  des  Fussohlenstrichreflexes  bei  nerven¬ 
gesunden  schlafenden  Personen  findet  sich  auffallend  häufig 
Dorsalflexion  der  grossen  Zehe.  Erweckt  man  die  betreffende^ 
ei sonen,  so  zeigt  der  Babinskische  Reflex  während  des  Er¬ 
wachens  ein  unregelmässiges  Verhalten,  um  dann  bei  völligem 
\\achsem  wieder  deutlich  negativ  zu  werden.  Aelinlich  sind  die 
Verha  müsse  auch  bei  der  beginnenden  und  sich  lösenden  Narkose. 
„Aus  all  dem  geht  hervor,  dass  in  vielen  Fällen  eine  funktio- 
nelie  Untätigkeit  der  Rinde,  bezw.  der  kortikofugalen  Balm  ge¬ 
nügt,  um  den  vorher  negativ  ausfallenden  Reflex  positiv  werden 
zu  lassen.“ 

M.  Rosenfeld:  Zur  Läsion  des  Conus  medullaris  und  der 
Cauda  equina.  (Aus  der  Poliklinik  für  Nervenkrankheiten  in 
Strassburg.) 

t  i  <druncI  einer  klinischen  Beobachtung  bestätigt  Rosen- 
teld  die  von  dem  Referenten  auf  gestellte  Behauptung,  dass  die 
nervösen  Zentren  der  Blase,  des  Mastdarms  und  des  Genital¬ 
apparates  nicht  im  Rückenmark  gelegen  sein  könnten.  Ein 
Kranker  mit  typischer  Konusläsion  bot  folgende  Störung  von 
»eiten  der  oben  erwähnten  Organe:  Die  Blase  entleert  sich  von 
Zeit  zu  Zeit,  spontan,  aber  ohne  dass  der  Patient  eine  Empfindung 
davon  hat,  es  besteht  kein  Urinträufeln.  Der  Stuhl  fällt,  wenn  er 
fest  ist,  beim  Husten  oder  Niessen  heraus,  der  dünne  Stuhl  fliesst 
einfach  ab.  Kein  Analreflex.  Erektionen  kommen  noch  ganz  gut 
auf  psychischem  Wege,  aber  nicht  mehr  auf  mechanischem  Wege 
zu  Stande.  Die  Störungen  sind  ganz  dieselben,  wie  bei  Hunden 
denen  dei  unterste  L  eil  des  Rückenmarks  herausgenommen  worden, 
und  sprechen  mit  Sicherheit  dafür,  dass  die  nervösen  Zentren  für 
die  in  Rede  stehenden  Funktionen  im  sympathischen  Nervensystem 
zu  suchen  sind. 

Besprechungen.  L.  R.  M  ü  1 1  e  r  -  Erlangen. 


Archiv  für  Hygiene.  45.  Bd.  2.  Heft.  1 902. 

1)  K  1  e  i  n  -  Amsterdam :  Die  physiologische  Bakteriologie 
des  Darmkanals. 

Aus  den  Untersuchungen  am  Kaninchen  geht  hervor,  dass  im 
ganzen  Darmkanal  vom  Duodenum  bis  zum  Rektum  nir¬ 
gends  eine  Verme  h  r  u  n  g  der  Bakterien,  dagegen  aber  vom 
Anfang  bis  zum  Ende  eine  fortlaufende  Vernichtung  der 
lebenden  niederen  Organismen  vor  sich  geht:  „Die  Bakterien  des 
Darmkanals  des  Kaninchens  lassen  sich  mit  einem  Heer  ver¬ 
gleichen,  das  durch  ein  feindliches  Land  zieht  und  fortwährend 
dezimiert  wird.“  Im  Coekum,  Processus  vermiformis  und  Colon 
ascendens  tritt  da.s  meiste  Absterben  ein.  In  allen  Teilen  des 
Darmes  finden  sich  anaerobe  und  aerobe  Bakterien.  Neben 
Ivoli  und  koliähidiehen,  die  am  meisten  vertreten  sind,  auch  viele 
v  e  rflüssigende  Arten.  Letztere  sind  gegen  die  Körper- 
sdfte  am  wenigsten  widerstandsfähig,  sterben  am  leichtesten  ab 
und  sind  daher  auch  viel  weniger  zu  finden  als  Ivoli. 

Die  Frage  nach  der  Bedeutung  der  Bakterien  bei  der  Ver- 
d  a  u  u  n  g  muss  nach  Klein  verneint  werden. 

2)  K.  B.  Le  h  m  a  n  n  -  Würz  bürg:  Hygienische  Untersuch¬ 
ungen  über  Mehl  und  Brot.  XI.  Ueber  die  Bedeutung  der  Schä¬ 
lung  und  Zermahlung  des  Getreides  für  die  Ausnützung  (Avedyk- 
und  Steinmetz  verfahren).  Nebst  einigen  Versuchen  über  die 
Bedeutung  des  Weizenmehlzusatzes  zum  Roggenbrot. 

Das  Brot,  welches  nach  dem  A  vedy  k  v  e  r  f  a  h  r  e  n.  d.  h. 
aus  unvermalilenem  Roggen  gebacken  wird,  stellt  nach 
den  zahlreichen  Ausnützungsversuchen »  des  Verfassers  ebenso¬ 
wenig  wie  das  Gelinckbrot  einen  Fortschritt  dar.  Die  Aus¬ 
nützung  der  Gesamttrockensubstanz  ist  eine  sehr  schlechte. 
Der  Kot  beträgt  ca.  19  Proz.  des  eingeführten  Brodes.  Die  Aus¬ 
nützung  des  Stickstoffs  mit  ca.  45  Proz.  ist  befriedigend.  Da  das 
Korn  ungemahlen  aufbewahrt  werden  kann,  so  könnte  möglicher¬ 
weise  das  Verfahren  für  Kriegszwecke  in  Betracht  kommen. 


rimr,  m  *  e  \  n  m  e  t  z  v  e  r  f  a  h  r  e  n,  bei  welchem  das  Korn  nach 
dem  Schalen  im  ganzen  gemahlen  wird,  also  sehr  viel  Kleie  ent- 
halt  und  demnach  bedeutend  eiweissreicher  ist,  könnte  vom 
nationalokonomiscken  Standpunkte  empfohlen  werden  wenn  es 

niclirih  r"  F  iTwl!6  b.riicM,e- .  Pa  das  aber  nach  den  Berechnungen 
nicht  der  Fall  zu  sein  scheint,  so  kann  man  das  Verfahren  nicht 

hoher  bewerten,  als  die  bekannten  Brotherstellungsmethoden  Das 
Steinmetzmehl  resp.  Brot  mit  nicht  unter  15  Proz.  Kleieabsonde 
3  !?£?£?  üblichen  Roggenmehl  gleichwertig.  Es  ist  aber  selbst 
auch  nm  bei  6  Pioz.  Kleieentternung,  aber  ordentlicher  Bemahlung 
dein  gewöhnlichen  Schrotbro  d,  dem  Gelinck-  und  A  v  <- 
c  ykbrot  vorzuziehen.  Gegenüber  der  reinen  Brotkost  besteht 
bei  g  e  m  l  s  c  h  t  e  r  Iv  o  s  t  in  der  Wirkung  kein  besonderer  Unter¬ 
schied,  ob  dem  Mehl  18  oder  25  oder  38  Proz.  Kleie  entzogen  sind 

Ausnutzungsversuche  mit  Roggenbrot,  dem  vor  dem 
Backen  W  e  l  zenmehl  zugemischt  war,  ergeben  eine  günsti¬ 
gere  Ausnützung  als  mit  dem  Roggenbrot  allein. 

,  .  8‘  Peft-  1)  Engels-  Marburg:  Bakteriologische  Prüfung 

desinfizierter  Hände  mit  Hilfe  des  P  a  u  1  -  S  a  r  w  e  y  sehen 
Kastens  nach  Desinfektion  durch  Heisswasseralkohol  Seifen¬ 
spiritus  und  Kombination  von  Alkohol  und  Formaldehyd. 

Die  Versuche,  mittels  Heisswasseralkohol,  Seifen- 
s  p  i  i  i  t  u  s  ,  .  Alkohol  -j-  Formalin  und  Lysoform- 

alkohol  die  Hände  zu  desinfizieren,  ergaben,  dass  1 _ 3  proz. 

F  o  r  m  alinalkohole  am  intensivsten  auf  Bakterien  wirken 
Jedoch  sind  die  Formalinalkohole  wegen  des  Entstehens  von  Haut¬ 
erythemen  nicht  zu  verwenden.  Demnächst  weist  der  I,  yso- 
formalkohol  die  besten  Desinfektionserfolge  auf.  In  2  proz. 
Lösung  ist  er  am  geeignetsten  zu  verwenden  und  übertrifft  darin 
den  Heisswasseralkohol,  wie  auch  den  Seifenspiri- 
t  u  s.  Mit  2  proz.  Lysofor  m  alkohol  erzielte  Verfasser 
70,7  Proz.  Sterilität  der  Platten,  mit  Heisswasseralkohol 
nur  29,1  Proz.  Sterilität  und  mit  Seifenspiritus  gar  nur 
3,5  Proz. 

2)  E  n  g  e  1  s  -  Marburg:  Bakteriologische  Prüfungen  des¬ 
infizierter  Hände  mit  Benutzung  des  Paul-Sarwey  sehen 
Kastens  nach  Desinfektion  mit  Bacillol. 

Es  wurde  sowohl  Bacillol  Avasser  als  auch  Bacillol- 
a  1  k  o  h  o  1  zu  den  Versuchen  verwandt.  Der  Bacillol  alkohol 
ist  dem  Bacillol  wasser  bei  Aveitem  überlegen,  in  1  proz. 
Lösung  Avies  er  73,8  Proz.,  in  2  proz.  Lösung  64,6  Proz.,  in  3  proz 
Losung  69,2  Proz.  sterile  Platten  auf,  während  das  Bacillol- 
wasser  in  1  proz.  Lösung  0  Proz.,  in  2  proz.  Lösung  10,8  Proz., 
in  3  proz.  Lösung  7,7  Proz.  sterile  Platten  zeigte.  Der  Bacillol- 
alkohol  übertrifft  demnach  noch  um  ein  geringes  den  Lyso- 
formalkohol.  r.  o.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 


Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1902. 
41.  Bd.  2.  Heft. 

1)  Sch  u  m  b  u  x*  g  -  Hannover:  Ueber  die  Desinfektionskraft 
der  heissen  Luft. 

Trockene,  heisse  Luft  ist  für  die  Desinfektion  von 
Kleidungsstücken  durchaus  unsicher,  jedoch  gewinnt  die  heisse  Luft 
sofoifi  an  Desinfektionskraft,  wenn  sie  55 — 65  Pi’oz.  relative 
Feuchtigkeit  enthält.  Dieser  Feuchtigkeitsgrad  wird  leicht 
errmcht,  wenn  man  in  den  Raum  mit  lieisser  Luft  von  100°  ein 
Gefäss  mit  Wasser  einsetzt.  Sporen  werden  allerdings  nicht  ab¬ 
getötet,  Avohl  aber  Cholera,  Typhus,  Tuberkulose  u.  s.  w. 
Wichtig  ist,  dass  selbst  bei  6 — 8  ständigem  Verweilen  in  lieisser, 
feuchter  Luft  Leder  und  empfindliche  Stoffe  nicht  leiden. 

2)  Sch  u  m  b  u  r  g  -  Hannover:  Wurstvergiftung. 

Es  erkrankten  im  vorigen  Jahre  34  Personen  an  Dar  m  - 
erscheinungen,  Durchfällen,  Erbrechen,  ohne  dass 
jemand  starb.  Alle  Personen  hatten  „R  i  n  d  e  r  av  u  r  s  t“  gegessen, 
Avelclie  nur  wenige  Minuten  einer  Temperatur  von  50°  ausgesetzt 
AArai\  Bei  der  Untersuchung  fanden  sich  Bazillen  aus  der  Gruppe 
des  Mesentericus  und  des  Proteu  s.  Eine  kleine  Menge 
Wurst  an  Ratten  und  Mäuse  verimpft,  tötete  dieselben  nach 
24  Stunden.  Aus  den  Leichen  liess  sich  Proteus  züchten.  Rein¬ 
kulturen  des  Proteus  tötetexx  ebenfalls  Mäuse  und  Ratten, 
desgleichen  starben  sie  auch,  wenn  ihnen  sterilisiertes  Fleisch, 
Avelches  mit  Proteus  infiziert  war,  injiziert  wurde.  Selbst 
Proteusbouillonfiltrate  töteten  subkutan  in  Dosen  von 
01 — 0,5  ccm  die  Vei’suchstiere.  Es  ist  also  kein  ZAveifel,  dass  die 
Erkrankungen  durch  Proteusgift  hervoi’gebracht  waren. 

3)  A.  Lotz:  Der  Typhus  abdominalis  in  Kleinbasel  von 
1875—1900. 

Den  Betrachtungen  lässt  sich  entnehmen,  dass  nach  der 
Ausschaltung  des  Riehenpumpwerkes  im  Jahre 
1.890  die  Kleinbaseler  Typhusepidemien  in  ihrer  spezifischen  Form 
gänzlich  ausfallen  und  nun  zwischen  der  Typhusmorbidität 
Kleinbasels  und  Grossbasels  kein  Unterschied  mehr 
besteht. 

4)  Sch  ii  d  e  r  und  Proskauer  -  Berlin :  Ueber  die  Ab¬ 
tötung  pathogener  Bakterien  im  Wasser  mittels  Ozon  nach  dem 
System  Siemens  und  H  a  1  s  k  e. 

Zur  Benutzung  diente  die  von  der  Firma  Siemens  und 
Halske  konstruiei*te  Versuchsanlage  in  Martinikenf  elde 
bei  Berlin,  in  der  bei'eits  von  anderer  Seite  Untersuchungen  an¬ 
gestellt  waren,  welche  die  Brauchbarkeit  des  Ozonverfahrens  für 
Wasserreinigung  erwiesen  haben  sollteii.  Die  Verfasser  kamen 
jedoch  zu  ungünstigen  Resultaten.  Erst  als  sie  eine  Aenderung 
einti’eten  Hessen,  indem  sie  die  grobe  Füllung  im  Sterili¬ 
sationsturme  durch  ein  kleinkörniges  Material 
ersetzten,  wui-den  die  Ergebnisse  günstigei’.  Es  ge- 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


1894 


lang,  Cholera,  Typhus,  Ruhr  und  Kolibakterien  sicher  abzutöten 
und  zwar  bei  einer  Ozonkonzentration  von  3,4  bis  4  g 
Ozon  für  1  cbm  Luft,  Durchgang  von  25  cbm  der  Luft  in  der 
Stunde  bei  einer  Durchlaufsgeschwindigkeit  von  8 y2  bis  9  Minuten 
pro  Kubikmeter  Wasser  und  bei  einer  Abnahme  der  Oxydierbarkeit 
des  Wassers  durch  die  Ozonisierung  von  0,05  bis  0.92,  in  einem 
Falle  auch  sogar  von  2,24  mg  Sauerstoff  verbrauch  pro  Liter. 

5)  Engel  h  a  rdt  -  Halle:  Histologische  Veränderungen 
nach  Einspritzung  abgetöteter  Tuberkelbazillen. 

6)  R  e  i  c  h  e  n  b  a  c  h  -  Göttingen:  Ueber  den  Einfluss  der 
Farbe  künstlicher  Lichtquellen  auf  die  Sehschärfe. 

Als  Resultat  der  Untersuchungen  ergibt  sich,  dass  N  entst¬ 
und  Auerla  m  p  e  einer  Glühlampe  von  gleicher  optischer  Hellig¬ 
keit  so  weit  an  Sehschärfenhelligkeit  nachstehen,  wie  einer  Ver¬ 
minderung  der  optischen  Helligkeit  um  12  bis  14  Proz.  entspricht. 
Da  die  wirtschaftliche  Ueberlegenheit  der  ersteren  beiden  Lampen 
aber  ganz  bedeutend  ist,  so  kommt  dagegen  die  etwas  geringere 
Sehschärfenhelligkeit  kaum  in  Betracht,  denn  die  Nernstlampe 
nutzt  die  elektrische  Energie  fast  doppelt  so  gut  aus,  wie  die  Glüh¬ 
lampe  und  der  A  u  e  r  1)  r  enne  r  das  Gas  0  mal  so  gut  wie  der 
A  r  g  a  n  d  b  r  e  n  n  e  r. 

7)  Berger-  Hannover:  Di©  Einleitung  von  Kaliindustrie¬ 
abwässern  in  die  Flüsse,  besonders  mit  Berücksichtigung  der 
Wasserversorgung  grosser  Städte. 

Die  Betrachtungen  und  Untersuchungen  über  die  Möglichkeit 
der  Einleitung  von  Abwässern  der  Kali  f  a  b  r  i  k  e  n  in  die 
Flüsse  führen  Berger,  welcher  im  Speziellen  die  Abwässer  der 
Kaliindustrie  in  der  Nähe  von  Hannover,  die  in  die  Leine  geführt 
werden  sollen,  ins  Auge  gefasst  hat,  zu  dem  Resultat,  dass  man  die 
Einleitung  versagen  müsse,  sobald  eine  erhebliche  V  e  r  - 
m  e  li  r  u  ng  de  r  II  arte  (über  30 °)  u  n  d  der  Salze  der  be¬ 
treffenden  Flüsse  zu  befürchten  sei.  Besonders  bei  wasser¬ 
armen  Flüssen  und  oberhalb  grösserer  Städte  wird  die  Ab¬ 
leitung  nicht  zu  gestatten  sein. 

8)  B  u  r  d  ach-  Deutsch  Eylau:  Der  Nachweis  von  Typhus¬ 
bazillen  am  Menschen. 

Verfasser  bespricht  die  bei  dem  Nachweis  der  Typhusbazillen 
aus  der  Leiche,  aus  dem  Eiter,  aus  dem  Stuhl,  aus  dem  Blut,  den 
Roseolen,  der  AI ilz  und  dem  Urin  angewandten  Methoden  und  teilt 
mit,  dass  er  in  25  klinischen  Typhusfällen  18  mal  den  Typhus¬ 
bazillus  habe  züchten  können. 

9)  Shiga:  Weitere  Studien  über  den  Dysenteriebazillus. 

Das  Resultat  der  Untersuchungen,  die  im  Frankfurter  Serum¬ 
institut  vom  Verfasser  angestellt  wurden,  zeigte,  dass  der 
Dysenterieoriginalstam  m,  den  Shiga  in  Japan  iso¬ 
liert  hatte,  sowohl  bei  bakteriziden  Reagensver¬ 
suche  n.  wie  auch  bei  Agglutinationsversuchen 
völlig  identisch  mit  dem  K  ruse  sehen  befunden  wurde. 

Das  vom  Verfasser  hergestellte  Dysenterieimmunserum  vom 
Tferd  ist  sehr  ho  c  li  wertig  und  das  erste  Serum,  dessen 
Komplettierbarkeit  durch  menschliches  Serum  nachgewiesen 
worden  ist.  R.  O.  Neu  m  a  n  n  -  Kiel. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  1902.  No.  8  u.  9.  Doppelheft. 

1)  v.  E  s  m  a  r  c  li  -  Göttingen:  Ueber  kleinste  Bakterien  und 
das  Durchwachsen  von  Filtern. 

Aehnlich  wie  bei  den  pathogenen  Keimen  es  einige  gibt, 
welche  unsere  bekannten  Filter  passieren  können,  so  muss  man 
von  vornherein  annehmen,  dass  ebensolche  kleine  Bakterien  auch 
unter  den  Saprophyte  n  zu  finden  sind.  Darauf  hinzielende 
Versuche,  die  Verf.  wohl  mit  50  verschiedenen  fauligen  und  son¬ 
stigen  Bakteriengemischen  anstellte,  waren  erfolglos.  Nur  in 
einem  Falle  trübte  sich  das  Filtrat  eines  Fäulnisgemisches  nach 
10  Tagen  und  erwies  sich  diese  Trübung  als  eine  Reinkultur 
kleinster  choleraähnlicher  Vibrionen,  die  in  man¬ 
chen  Nährböden  zu  Spirillen  auswuchsen.  Sie  sind  von  der 
Grösse  der  Influenzabakterien,  verflüssigen  die  Gelatine  nicht  und 
sind  nicht  patlioge  n.  Sie  wachsen  recht  gut  in  Pepton- 
wasser  und  verdünnter  Bouillon.  Der  Mikroorganismus  erhielt, 
den  Namen  Spirillu  m  p  a  r  v  u  in. 

2)  K  o  n  i  n  s  k  i  -  Krakau:  Ein  Beitrag  zur  Biologie  der  An¬ 
aeroben. 

Bei  der  Züchtung  von  m  alignem  O  e  d  e  m  und  It  ausch- 
b  r  a  n  d  machte  Verf.  einige  Beobachtungen,  von  denen  von  Inter¬ 
esse  ist,  dass  sich  die  Organismen  von  der  Einstichstelle  am  Rande 
des  in  ein  Becherglas  in  hoher  Schicht  ausgegossenen  Agar  binnen 
2 — 3  Tagen  durch  die  ganze  Masse  verteilen  können.  Inter¬ 
essant  ist  ferner  die  Symbiose  von  Anaeroben  mit  Aeroben  in 
sauerstoffhaltigen  Kulturen.  Wenn  man  z.  B.  malignes  Oedem 
auf  Agarstrich  impft  und  lässt  die  Kultur  stehen,  so  bleibt  sie 
anscheinend  steril.  Impft  man  darüber  M i c  r  o  c.  caudic  a n  s, 
so  sieht  man  nach  2  Tagen  im  Innern  des  Agar  die  anaeroben 
Kolonien  entstehen. 

3)  Kindborg -Halle:  Ein  die  Gelatine  verflüssigender 
Pneumokokkus. 

Wurde  aus  pneumonischem  Sputum  gezüchtet  und  wies  alle 
Eigenschaften  des  echten  Pneumokokkus  auf. 

4)  Cipolli  na  -Genua:  Ueber  das  Vorhandensein  der  sog. 
säureliebenden  Bakterien  im  Stuhl  des  erwachsenen  Menschen. 

Es  wurden  von  20  Kranken  die  Stühle  untersucht  und 
stets  Keime  gefunden,  welche  in  1  proz.  essigsaurer 
B  o  u  i  1 1  o  n  sehr  gut  gediehen.  4  verschiedene  Hessen  sich  iso¬ 
lieren  und  zwar  Bacillus  lactis  acidi,  Diplococcus 


acido philus,  Bacillus  acidophilus  filiformis,  der 
gewöhnliche  Bacillus  acidophilus. 

5)  Sion  und  N  e  g  e  1  -  Jassy:  Ueber  eine  von  einem  atypi¬ 
schen  Kolibazillus  veranlasst©  typhusähnliche  Hausepidemle 
hydrischen  Ursprungs.  (Fortsetzung.) 

0)  Rüge- Kiel:  Syphilis  und  Malaria. 

Die  Betrachtungen  über  Syphilis  und  Malaria  führen  Rüge 
zu  der  Vermutung,  dass  auch  bei  Syphilis  der  Erreger  ein 
Protozoon  sein  dürfte,  denn  beide  Krankheiten  hätten  eine 
Reihe  von  Vergleichspunkten.  So  sei  bei  beiden  Krankheiten 
eine  ausgesprochene  deutlich  begrenzte  Inkubationszeit 
vorhanden,  beide  Krankheiten  seien  nur  in  einem  gewissen  Sta¬ 
dium  übertragbar  und  zwar  im  F  rühstadi  u  m;  sie  hinterliessen 
eine  lange  I  m  m  unit  ä  t,  bei  beiden  sei  eine  ausgesprochene 
Neigung  zu  Rückfällen  vorhanden  und  endlich  sei  der  Sitz  der 
Erreger  in  beiden  namentlich  das  Gehirn,  wenn  auch  bei  Syphilis 
erst  in  späterer  Zeit.  Trotz  des  grossen  Einwandes,  dass  doch 
die  Uebertragung  bei  Malaria  und  Syphilis  eine  ganz  andere  sei, 
könne  doch  die  Hypothese  aufrecht  erhalten  werden,  da  auch 
andere  Protozoen,  z.  B.  C  o  c  c  i  d  i  u  m  oviform  e,  direkt  über¬ 
tragbar  seien. 

7)  Galli-Valerio  und  Rochaz  -  Lausanne:  Neue  Be¬ 
obachtungen  über  die  Larven  von  Anopheles  und  Culex  im 
Winter. 

Die  überwinternden  Larven  bevorzugen  mehr  noch  als  im 
Sommer  die  Tümpel  und  Pfützen,  in  denen  sich  Carex  und 
Schilf  pflanzen  angesiedelt  haben.  Besonders  wichtig  er¬ 
scheint,  dass  die  Eier  der  Culiciden  auch  überwintern  zu  können 
scheinen,  wenn  der  Boden  inzwischen  trocken  geworden  ist.  Ver¬ 
schiedene  Versuche  Hessen  auf  eine  sehr  grosse  Widerstandsfähig¬ 
keit  der  Eier  schliessen. 

8)  Schüller:  Ueber  eigenartige  Parasitenbefunde  bei 
Syphilis.  Ihre  Bedeutung  für  die  Entstehung,  Diagnose  und 
Ausbreitung  dieser  Infektionskrankheit  bei  Erwachsenen  und 
Kindern,  sowie  für  die  Beziehungen  der  Syphilis  zu  anderen 
Krankheitsprozessen. 

Seiner  ausführlichen  Arbeit,  die  kurz  nicht  wiedergegeben 
werden  kann,  ist  zu  entnehmen,  dass  die  Erreger  der  Syphilis 
wahrscheinlich  eine  besondere  Abteilung  oder  Spezies  der  bisher 
noch  unbekannt  gebliebenen  grossen  Gruppe  niederer  tierischer 
Lebewesen  bilden,  von  welchen  eine  andere  grosse  Abteilung  die 
von  ihm  bei  Karzinom  gefundenen  Organismen  darstellen  sollen. 
Dass  man  Tiere  nicht  mit  Syphilis  infizieren  kann,  könnte  viel¬ 
leicht  darin  seinen  Grund  haben,  dass  die  Parasiten  nicht  in 
lebendem  Zustand  übertragen  worden  sind,  da  sie  sofort  die 
Lebens-,  Infektions-  und  Vermehrungsfähigkeit  verlieren  sollen, 
auch  wenn  sie  nur  momentan  unter  die  Körpertemperatur  ab¬ 
gekühlt  werden. 

Auf  0  Tafeln  sind  die  fraglichen  Parasiten  in  extenso  ab¬ 
gebildet. 

9)  L.  Co  li  n  -  Greifswald :  Zur  Kenntnis  der  Myxosporidien. 

10)  M  a  c  C  a  1 1  u  m  -  Baltimore:  Heronimus  chelydrae,  nov. 
gen.  nov.  sp.  A  new  monostome  parasite  of  the  American 
snapping  turtle. 

Zoologische  Studie. 

11)  M  i  u  r  a  und  N  i  s  li  i  u  c  li  i  -  Tokio:  Ueber  befruchtete  und 
unbefruchtete  Askarideneier  im  menschlichen  Kote. 

In  den  Fällen,  wo  im  Kote  nur  die  unbefruchteten 
Eier  zu  finden  sind,  kann  man  nur  Weibchen  austreiben.  Im 
Uterus  solcher  Weibchen  finden  sich  keine  Samenkörperchen  und 
der  Kern  der  Eier  ist  im  Ruhezustände,  während  man  beim  Weib¬ 
chen,  welches  mit  dem  Männchen  zusammen  war,  befruchtete 
Eier  mit  Samen-  und  Eikern  findet. 

12)  B  o  n  h  o  f  f  -  Marburg:  Ueber  Hautdesinfektion. 

Im  Marburger  hygienischen  Institut  wurden  von  Wynen 
und  Engels  mittels  des  Paul-Sa  rwey  sehen  Kastens  Des¬ 
infektionsversuche  der  Hände  mittels  einer  Reihe  Mittel  geprüft 
und  deren  Wirkung  in  Vergleich  gesetzt  mit  dem  Mikulicz- 
sehen  Seifenspiritus  und  dem  Heisswasseralko¬ 
hol.  Es  wurden  geprüft:  1 — 3  proz.  Formaldehyd  alko- 
h  o  1,  1 — 5  proz.  L  y  s  o  f  o  r  m  a  1  k  o  li  o  1,  1 — 3  proz.  Bacillol- 
w  a  s  s  e  r,  1 — 3  proz.  Bacillolalkoho  1,  1 — 3  prom.  S  ubla- 
m  i  n  w  a  s  s  e  r  und  1 — 3  prom.  Sublaminalk  o  h  o  1.  Aus  der 
Tabelle  geht  hervor,  dass  die  alkoholischen  Lösungen 
dem  Heisswasseralkohol  und  den  wässerigen  Lösungen 
derselben  Mittel  bedeutend  überlegen  sind.  Besonders  dürfte  der 
2  prom.  S  u  b  1  a  m  i  n  a  lkohol  als  ganz  besonders  günstiges 
Desinfektionsmittel  angesehen  werden. 

13)  K  e  r  e  z  -  Zürich:  Ueber  das  bakterizide  Vermögen  des 
Fluor  Silbers  (Tachiol  Paternö)  im  Vergleich  zum  Silbernitrat, 
zur  Karbolsäure  und  zum  Sublimat. 

Das  Fluor  Silber  (Tachiol)  hat  ziemlich  das  gleiche 
bakterizide  und  sporizide  Vermögen  wie  das  Silbernitrat.  Beide 
Silbersalze  werden  jedoch  vom  Sublimat  weit  übertroffen.  Die 
Karbolsäure  weist  nur  in  5  proz.  Lösung  höheres  bakterizides  Ver¬ 
mögen  auf  als  1  proz.  Lösungen  der  beiden  Silbersalze.  Als  Des- 
infiziens  für  tuberkulöses  Sputum  scheint  sich  das  Tachiol 
wenig  zu  eignen. 

14)  B  e  c  k  -  Frankfurt  a/M.:  Einwirkung  von  Mikroorganis¬ 
men  auf  einige  chemische  Normallösungen. 

Durch  Einwirkung  gewisser  Bakterien  kann  eine  Entfärbung 
der  zur  Lunge  Zeckendorff  -  Kohlensäurebestimmungs- 
metliode  gebrauchten  Lösung  gesetzt  werden.  Bei  luftdichtem 
Verschluss  ist  sie  haltbar. 


1895 


11.  November  1902. 


MITENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


Wässerige  Oxalsäure  lösimgen 
mycelien  Veränderungen,  selbst  im 
Lösungen  sind  haltbar. 


erleiden  durch  Pilz- 
Dunkeln.  Sterilisierte 


Das  zuweilen  in  ^  -  Natriumthiosulfatlösungen 

®  J-  _f  1 "  e  s  c  e  i‘  s  1  i  q.  hat  keinen  Einfluss 
bilitat  des  Titres. 


sich 

auf 


findende 
die  Sta- 


Schimmelpilze  vei mögen  unter  Umständen  in  ^Salz- 
säure  zu  wachsen.  10 

io)  Plaut-  Hamburg:  Züchtung*  der  Trichophytiepilze  in 


Erwiderung  des  Verf.  gegen  Hollborn,  welcher  seine 
Zuchtungserfolge  unter  Feuchtigkeitszufuhr  erlangt 
haben  wm,  wahrend  gerade  Plaut  bei  seinen  Kulturen  Wasser 
ängstlich  vermeidet. 

l(i)  Czapiewski:  Ein  Beitrag  zur  Züchtung  des  In¬ 
fluenzabazillus.  5 


^  erf.  benützt  Agar  mit  T  a  u  b  e  n  b  1  u  t. 

v.  Ni  essen- Wiesbaden:  Zu  Thellungs  „Experi- 
menteller  Beitrag  zur  Frage  der  Agglutination  der  Tuberkel¬ 
bazillen1  .  11.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902  No.  44. 

1)  J .  Orth-  Berlin:  Nekrolog  auf  R.  V  i  r  c  h  o  w. 

2)  .T.  M  i  t  u  1  e  s  k  u  -  Bukarest:  Beiträge  zum  Studium  des 
Stoffwechsels  in  der  chronischen  Tuberkulose.  (Fortsetzung  folgt.) 

3)  E.  v.  Kocz-iczko  w  s  k  y  -  Berlin:  lieber  den  klinischen 
Weit  dei  Ehrlich  sehen  Diinetliylamidobenzaldehydreaktion. 

Die  Reaktion  bestellt  darin,  dass  sich  das  JDini.  in  salzsanrer 
Lösung  mit  einem  noch  unbekannten  Körper  des  Harnes  zu  einem 
roten  Farbstoff  vereinigt.  Verf.  hat  an  über  1000  Harnen  die 
Reaktion  zeigten  ein  erhöhtes  spezifisches  Gewicht.  Ein  Zusammeu- 
genommen,  wenn  eine  hell-  bis  dunkelrote  Farbenveränderung 
auftrat.  Letztere  wurde  beobachtet  bei  Phtliisis  pulm.,  tuber¬ 
kulöser  Peritonitis,  Dei  Pneumon.  fibrin.,  Endocarditis  acuta, 
Cholecystitis  und  Cholangitis  infect.,  chronischer  Bronchitis, 
akutem  Gelenkrheumatismus,  Scharlach.  Alle  Urine  mit  positiver 
Reaktion  zeigten  ein  erhöhtes  spezifisches  Gewicht.  Ein  Zusammen¬ 
hang  mit  der  Iudikanausscheidung  bestellt  nicht.  Bei  5  der  Fälle 
liess  sich  beobachten,  dass  die  pathologische  Reaktion  mit  der 
Verschlimmerung  des  betreffenden  Leidens  zu-  und  dann  mit  der 
Besserung  wieder  abnahm.  Doch  ist  ein  pathologischer  Grad  der 
Reaktion  bei  keiner  Krankheit  in  allen  Fällen  vorhanden.  Der 
Parallelismus  der  Reaktion  mit  dem  Verlauf  zeigte  sich  speziell 
bei  Krankheiten  toxischen  bezw.  toxisch-infektiösen  Charakters. 
Oedemflüssigkeit  ergab  die  Reaktion  nicht.  Die  Art  der  Ent¬ 
stehung  der  Reaktion  ist  noch  unklar. 

4)  E.  S  t  o  r  c  h  -  Breslau:  Die  moderne  Lokalisationslehre  in 
psychologischer  Beleuchtung. 

Verf.  führt  aus,  dass  es  für  das  Verständnis  unseres  räum¬ 
lichen  A  orstellungs-  und  Wahrnehmungsvermögens  unerlässlich 
ist,  in  der  Hirnrinde  Erinnerungsbilder  spinaler  Innervationsvor¬ 
gänge  anzunehmen.  Es  ist  festzulialten,  dass  diese  Erinnerungs¬ 
bilder  als  Kombinationen  der  gleichen  zerebralen  Symbole  der 
Muskelinnervation  zu  betrachten  sind,  welche  von  der  den  mo¬ 
torischen  Willen  begleitenden  Vorstellung  ebenfalls  erregt  werden. 

Grassm  a  n  n  -  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  44.  1)  W  agner  v.  Jauregg  -  Wien:  Ueber  erbliche  Be¬ 
lastung. 

Vor  allem  fordert  Verf.  viel  eingehendere  Untersuchungen 
darüber,  in  welchem  Grade  eine  hereditäre  Belastung  der  Geistes- 
gesunden  hinsichtlich  der  Psychosen  besteht,  da  nur  aus  solchen 
Zusammenstellungen  geschlossen  werden  könnte,  dass  die  Geistes 
kranken  tatsächlich  stärker  belastet  sind  als  die  normal  Bleibenden. 
Ferner  sollen  bei  der  Feststellung  von  belastenden  psychischen 
Krankheiten  der  Aszendenz  nur  die  Eltern  der  betreffenden 
Kranken  herangezogen  werden,  nicht  aber  die  Seitenlinien.  Auch 
muss  berücksichtigt  werden,  dass  es  für  die  verschiedenen  For¬ 
men  geistiger  Störungen  auch  verschieden  starke  Dispositionen 
gibt,  welche  vielleicht  übertragen  werden  können.  Der  Begriff 
der  Geisteskrankheit  muss  daher  auch  für  die  ganze  Frage  der  Erb¬ 
lichkeit  mehr  spezialisiert  werden.  Die  Methode,  Stammbäume 
zusammenzustellen,  um  die  Bedeutung  der  erblichen  Belastung 
zu  zeigen,  ist  wissenschaftlich  wertlos.  Verf.  spricht  sich  gegen 
die  so  häufig  beliebte  einseitige  Betonung  der  Erblichkeit  als  eines 
ätiologischen  Faktors  in  der  Genese  der  Geisteskrankheiten  aus, 
womit  besonders  in  foro  criminali  oft  ein  offenkundiger  Missbrauch 
getrieben  werde.  Es  geht  überhaupt  nicht  an,  die  Menschen  in 
Belastete  und  Nic-htbelastete  ganz  allgemein  einzuteilen,  wir  sind, 
da  von  10  000  Menschen  mindestens  450  geistig  erkranken,  alb; 
mehr  oder  weniger  belastet. 

2)  R.  Kaufma  n  n  und  W.  P  a  u  1  i  -  Wien:  Zur  Symptomato¬ 
logie  des  stenokardischen  Anfalles. 

Die  Verf.  schildern  eine  Reihe  von  Beobachtungen,  in  welchen 
es  sich  bei  den  Kranken  um  heftige  Schmerzen  meist  krampt' 
artigen  Charakters  handelte,  welche  ihren  Sitz  im  Epigastrium 
oder  um  den  Nabel  herum  haben,  von  verschiedener  Dauer,  von 
wenigen  Sekunden  bis  zu  5  Stunden,  sind,  von  der  Qualität  der 
Speisen  unbeeinflussbar  erscheinen,  dagegen  ausgesprochen  von 
der  Quantität,  die  ferner  fast  immer  durch  körperliche  Anstreng¬ 


ungen  provoziert  werdeu.  In  manchen  Fällen  sind  diese  Schmerzen 
Vorläufer  eines  ausgesprochenen  stenokardischen  Anfalles,  in  an¬ 
deren  treten  sie  isoliert  auf,  sind  aber  immer  mit  Angst  verbunden. 
Bei  diesen  Kranken  handelt  es  sieh  immer  um  Leute  mit  krank¬ 
haften  Veränderungen  des  Gefässystems;  ferner  besteht  während 
der  Anfälle,  in  geringerem  Grade  auch  ausserhalb  derselben  eine 
Druckschmerzhaftigkeit  der  Aorta  abdominalis.  Die  sehr  wirk¬ 
same  Therapie  besteht  in  der  Darreichung  a*oii  Diuretin  mit  Jod. 
V  ahrscheinlicli  handelt  es  sich  hiebei  um  einen  bei  Läsionen 
eines  arteriosklerotischen  Gefässes  eintretenden  Krampf  der  Ar¬ 
terien.  Die  Digitalistherapie  ist  wegen  ihrer  blutdrucksteigerndeu 
Wirkung  zu  verwerfen. 

3)  N.  Ortn  er- Wien:  Zur  Klinik  der  Angiosklerose  der 
Darmarterien  (Dispragia  intermittens  angiosklerotica  intesti¬ 
nalis). 


In  dem  liier  beschriebenen  Falle  traten  bei  dem  55 j ähr  Pa¬ 
tienten  regelmässig  2—3  Stunden  nach  der  Aufnahme  einer  grös- 
seren  Mahlzeit  unter  Auftreibung  des  Leibes  heftige  Schmerzen 
um  den  Nabel  herum  auf  und  wurde  das  Colon  asc.  und  transvers 
durch  die  Bauchdecken  hindurch  sichtbar.  Nach  einigen  Stunden 
gingen  dann  die  Erscheinungen  wieder  zurück.  Dabei  bestand 
Obstipation.  Probelaparotomie,  Tod  nach  2  Tagen  an  septischer 
Peritonitis.  Die  Obduktion  ergab  chronische  Endokarditis  der 
Brust-  und  Bauchaorta.  In  dem  klinischen  Verlauf  findet  Verf. 
eine  Aelmlichkeit  mit  den  Erscheinungen  der  Claudication  inter- 
mittente  an  den  Extremitäten.  Da  von  Wagenmann  eiu 
analoger  Zustand  an  der  Retina  beobachtet  worden  ist,  an  deren 
Gefässen  ein  Krampf  direkt  mit  dem  Augenspiegel  wahrgenom- 
men  werden  konnte  fein  Phänomen,  für  welches  die  vom  Verf. 
gebrauchte  Bezeichnung:  „intermittierendes  Hinken  der  Retina“ 
sehr  merkwürdig  sich  ausnimmt,  lief.),  so  nimmt  O.  an,  dass  bei 
seinem  Kranken  während  der  Funktion  des  Darmes  eine  Ischämie 
im  Versorgungsgebiete  der  Arter.  mesenterica  sup.  eintrat.  Es 
wäre  dies  der  erstbeobachtete  Fall  dieser  Art. 

G  r  a  s  s  m  ann-  München. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

IV.  internationaler  Gynäkologenkongress 

in  R  o  m,  15. — 20.  September  1902. 

Bericht,  erstattet  von  J.  A.  A  m  a  n  n,  V orstand  der  k.  II.  gynäko¬ 
logischen  Klinik  in  München. 

(Schluss.) 

Sitzung  v  o  m  18.  S  e  p  t  e  m  b  e  r  1902,  Ar  o  r  m.  Sy2  U  h  r. 
IV.  Thema:  Die  chirurgische  Behandlung  des  Uteruskrebses. 

Referent  C  u  1 1  e  n  -  Baltimore  hat  die  verschiedensten 
Methoden  versucht  und  adoptiert  die  AV  erthei  m  sehe  Methode. 
Er  glaubt,  dass  es  möglich  sein  wird,  50  Proz.  der  au  Uterus¬ 
krebs  erkrankten  Frauen  mit  dieser  Operation  zu  heilen.  Zur  Er¬ 
reichung  dieses  Resultates  ist  es  nötig,  dass  jede  kranke  Frau  aufs 
genaueste  untersucht  wird,  damit  möglichst  frühzeitig  operiert  wer¬ 
den  kann.  In  diesem  Sinne  ist  eine  weitere  Schulung  der  prak¬ 
tischen  Aerzte  anzustreben. 

Referent  J  o  n  n  e  s  c  u  -  Bukarest  macht  den  Versuch,  eine  ge¬ 
naue  anatomische  und  klinische  Einteilung  des  Uteruskarzinoms 
zu  geben  und  bespricht  die  Art  der  Ausbreitung  der  Karzinome 
des  Lterus  auf  die  umgebenden  Gewebe,  insbesondere  Blase  und 
Ureter  und  die  Diagnose  dieser  Metastasen.  Er  hebt  inbesondere 
hervor,  dass  es  Metastasen  in  den  Drüsen  gibt,  ohne  dass  das 
dazwischenliegende  Gewebe  erkrankt  ist.  Es  können  sogar  ein¬ 
zelne  Drüsenetappen  (Iliakal-  und  Hypogastrikaldrüsen)  gesund 
bleiben,  während  die  dritte  Etappe  (Lumbaldrüse)  erkrankt  ist. 
Die  Diagnose,  ob  die  Drüsen  karzinomatös  erkrankt  sind,  ist  auch 
nach  Eröffnung  des  Abdomens  fast  unmöglich,  erst  das  Mikro¬ 
skop  bringt  die  exakte  Entscheidung,  sie  sind  ln  61,5  Proz.  der 
Fälle  nach  Jonuescu  erkrankt.  Bestimmte  klinische  Anhalts¬ 
punkte  oder  Regeln  für  ihre  Erkrankung  sind  nicht  möglich  auf¬ 
zustellen.  Er  kommt  daher  zu  dem  Resultate,  dass  die  Operation 
eine  möglichst  radikale  sein  soll. 

Die  Rezidive  teilt  .T.  in  derselben  AA'eise  wie  Winter  in  lokale, 
regionale  und  Rezidive  in  entfernteren  Organen  ein. 

Im  zweiten  Teile  seines  Referates  bespricht  Verfasser  ausführ¬ 
lich  die  verschiedenen  Operationsmethoden  bei  Uteruskrebs  und 
ihre  primären  und  Dauerresultate;  er  beschreibt  die  Amputatio 
colli  uteri,  die  supravaginale  Amputation,  die  vaginale,  sakrale 
und  perineale  Totalexstirpation.  J.  verwirft  die  zurzeit  nicht 
mehr  vollkommener  zu  gestaltende  vaginale  Totalexstirpation, 
da  es  nicht  möglich  ist,  mit  Hilfe  derselben  die  Drüsen  in  hin¬ 
reichender  Weise  zu  entfernen  und  bekennt  sich  als  Anhänger 
der  abdominalen  Exstirpation.  Nach  einer  Schilderung  der  Ent¬ 
wicklung  dieser  Operation  stellt  er  die  Forderung  auf,  dass  in 
allen  Fällen  von  Karzinom,  wenn  dasselbe  operiert  wird,  das 
Becken  in  systematischer  AA'eise  ausgerüumt  wird.  Er  selbst  hat 
dies  seit  1900  28  mal  gemacht. 

Nach  Besprechung  der  verschiedenen  Techniken  anderer 
Operateure  schildert  er  seine  Methode  in  ausführlichster  Weise 
an  der  Hand  zahlreicher  Abbildungen.  Das  AA^esentliche  an  der¬ 
selben  ist,  dass  nach  Entfernung  der  inneren  Genitalien  in  5  Zeiten 
systematisch  folgende  Teile  freigelegt  werden,  um  das  daselbst 
liegende  Binde-  und  Drüsengewebe  zu  entfernen:  1.  Die  lliacae 
externae,  Nervus  obturatorius,  Arteria  umbilicalis  und  Fossa  ob- 
turatoria;  2.  die  A'asa  hypogastrica  und  ihre  Aeste  von  dem  Ur- 


1896 


MTJENCHENER  MEBICttflSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


tto.  4g. 


Sprung  der  Arteria  iliaea  interna  an;  3.  die  Fossa  sacroreetalis,  | 
4.  Aorta  und  Vena  cava;  5.  die  Fossae  lumbosacrales. 

Von  Jonnescus  letzten  18  nach  seiner  Methode  Operierten 
sind  3  gestorben,  von  denen  das  Karzinom  auf  die  Parametrien 
übergegriffen  hatte.  Die  Beurteilung  der  Dauerresultate  ist  vor¬ 
läufig  noch  nicht  möglich.  Ihre  Triumphe  wird  diese  Operation 
jedoch  erst  feiern,  wenn  wir  gelernt  haben  werden,  dieselbe  nicht 
bei  aussichtslosen,  sondern  bei  operablen  Fällen  (ou  est  le  cancer 
1  imite.i  anzuwenden.  Dann  werden  die  primären  und  Dauerresul¬ 
tate  vergleichsweise  bessere  als  die  der  vaginalen  Operation  sein. 

Iteferent  Pozzi  -  Paris:  Das  Uteruskarzinom  ist  nach  Alter, 
Individualität  der  Trägerin,  Lokalisation  und  histologischem  Bau 
verschieden  zu  beurteilen.  Definitive  Heilungen  haben  wir  kaum 
zu  verzeichnen.  Die  sogen.  Dauerheilungen  von  4 — G  Jahren  und 
mehr  bezeichnet  P.  als  „guerisons  prolongees“.  Bei  der  Be¬ 
urteilung  des  Kollumkrebses  darf  die  Drüsenfrage  nicht  zu  sehr 
in  den  Vordergrund  gerückt  werden,  da  dieselbe  nach  allen  Sta¬ 
tistiken  noch  vollkommen  unsicher  ist.  Allein  wegen  der  Furcht 
der  Drüseninfektion  darf  deshalb  die  abdominale  Operation  nicht 
gemacht  werden. 

Verfasser  macht  die  vaginale  Operation  bei  beginnenden 
Fällen.  Bei  technisch  vaginal  schwerer  auszuführenden  Fällen 
zieht  er  die  abdominale  Operation  vor.  Dasselbe  gilt  für  die 
Korpuskarzinome. 

Obgleich  eine  schwerere  Operation  als  die  vaginale,  ist  die 
Prognose  der  abdominalen  Operation  keine  zu  düstere;  sie  wird 
sich  mit  fortschreitender  Technik  in  Zukunft  noch  besser  gestalten. 
Bei  weit  vorgeschrittenen  Fällen  soll  man  palliativ  Vorgehen. 

Referent  W.  A.  Freund  -  Berlin  war  nicht  persönlich  an¬ 
wesend.  Sein  Referat  lag  gedruckt  vor.  Bezüglich  der  Indikation 
zur  chirurgischen  Behandlung  des  Uteruskarzinoms  stellt  er  fol¬ 
gende  Sätze  auf:  „Alle  überhaupt  noch  operierbaren  Fälle  von 
Uteruskarzinom,  d.  li.  bei  denen  die  Harnblase  und  das  Rektum 
noch  frei  von  Erkrankungen  sind  und  der  Uterus  nicht  in  Karzi¬ 
nommasse  eingemauert  erscheint,  sollen  durch  abdominale  Ex¬ 
stirpation  operiert  werden  (also  auch  die  beginnenden  Portio¬ 
vaginalkarzinome,  welche  ich  früher  für  die  vaginale  Methode  be¬ 
stimmt  hatte);  die  übrigen  für  diese  Methode  nicht  mehr  geeigneten 
Fälle  sollen  vaginal  operiert  werden;  wie  denn  die  vaginale 
Methode  nur  als  eine  gute  Palliativoperation  anzusehen  ist.“ 

Referent  Wert  heim  -  Wien  gibt  eine  Zusammenstellung 
seiner  bisherigen  Erfahrungen  mit  der  abdominalen  Exstirpation 
des  karzinomatösen  Uterus.  Seit  Herbst  1898  ist  er  gegen  alle 
Fälle  von  Uteruskarzinom  abdominal  vorgegangen.  Er  beschreibt 
seine  Technik,  die  er  nun  in  130  Fällen  angewandt  hat.  Seine 
primären  Erfolge  waren  folgende:  Von  den  ersten  30  Fällen  er¬ 
lagen  12,  von  den  zweiten  30  Fällen  5,  von  den  dritten  30  Fällen  3, 
von  den  vierten  30  Fällen  4  dem  Eingriffe.  Das  macht  eine  Ge¬ 
samtmortalität  von  20  Proz.  und  mit  Abzug  der  ersten  30  Fälle, 
bei  denen  noch  mangelhafte  Technik  angenommen  werden  kann, 
13  Proz.  Ureterennekrosen  kamen  in  letzterer  Zeit  seltener  vor. 
Eine  gründliche  Vorbereitung  des  Karzinoms  durch  Auslöffelung 
und  Verschorfung  vor  der  Operation  hält  W.  für  wichtig.  Auch 
die  Dauererfolge  sind,  soweit  es  sich  bis  jetzt  beurteilen  lässt, 
bessere. 

Die  exstirpierten  Präparate  und  Drüsen  wurden  eingehendst 
mikroskopisch  in  Seinen  untersucht.  Von  SO  Fällen  wurden  die 
Drüsen  in  27  krebsig  gefunden. 

Wertheim  kommt  zu  folgenden  Schlussätzen: 

1.  Die  blosse  Uterusexstirpation  genügt  nur  in  einem  kleinen 
Teile  der  Fälle  von  Uteruskrebs  zur  radikalen  Heilung.  Es  be¬ 
steht  das  Bedürfnis  nach  leistungsfähigerem  Vorgehen,  welches  in 
erster  Linie  darauf  bedacht  sein  muss,  das  den  krebsigen  Uterus 
umgebende  Zellgewebe  möglichst  ausgiebig  mitzuentfernen,  in 
zweiter  Linie  die  regionären  Lymphdrüsen  zu  exstirpieren. 

2.  Hierfür  eignet  sich  am  besten  die  gewöhnliche  Laparo¬ 
tomie,  deren  Mortalität  durch  Ausbildung  der  hierbei  anzuwenden¬ 
den  Operationstechnik  schon  jetzt  so  gesunken  ist,  dass  dieselbe 
keinen  Grund  mehr  gegen  die  Berechtigung  der  Operation  ab¬ 
geben  kann. 

3.  Die  Operabilitätszahl  ist  seit  Anwendung  des  erweiterten 
abdominalen  Vorgehens  sehr  bedeutend  gestiegen.  Auch  die  Dauer¬ 
erfolge  werden  —  wie  sich  nach  den  bisherigen  Beobachtungen 
scliliessen  lässt  —  bessere  sein,  so  dass  die  absolute  Leistung 
eine  wesentlich  grössere  sein  wird. 

4.  Hand  in  Hand  mit  diesem  erweiterten  Vorgehen  muss  nach 
wie  vor  das  Streben  gehen,  die  Fälle  von  Uteruskrebs  möglichst 
frühzeitig  zu  operieren. 

Diskussion:  Gutierrez  -  Madrid:  Nur  wenn  das  Kar¬ 
zinom  auf  den  Uterus  beschränkt  ist,  kann  von  einer  radikalen 
Operation  gesprochen  werden.  G.  zieht  die  vaginale  Hysterektomie 
als  die  schnellere  und  gefahrlosere  der  abdominalen  vor;  man  kann 
nicht  behaupten,  dass  die  Beckenausräumungen  das  Leben  mehr 
verlängerten  als  die  vaginale  Methode.  Wenn  wir  auch  nicht  sagen 
können,  dass  die  vaginale  Hysterektomie  und  in  gewissen  Fällen 
die  abdominale  ein  sicheres  Heilmittel  des  Uteruskrebses  ist, 
so  müssen  wir  sie  doch  anwenden,  um  den  Kranken  ihren  Zustand 
zu  verbessern  und  ihnen  das  Leben  zu  verlängern  in  den  Fällen, 
in  denen  die  Krankheit  beschränkt  oder  nur  wenig  ausgedehnt  ist. 

P  i  c  h  e  v  i  n  -  Paris  bespricht  die.  Operationsstatistiken.  Er  hat 
nur  3  Proz.  nach  vaginaler  Hysterektomie  nach  3  Jahren  noch 
am  Leben  gefunden.  Auch  die  abdominale  Operation  ist  unvoll¬ 
ständig,  da  es  unmöglich  ist,  alle  Drüsen  zu  entfernen. 

D  e  1  b  e  t  -  Paris:  Die  vaginale  Operation  ist  fast  ohne  Gefahr. 
Die  abdominale  Operation  scheint  nicht  das  zu  halten,  was  sie 


versprochen  hat.  D.  befürwortet  eine  Modifikation  der  vaginalen 
Methode  mit  ausgedehnten  Inzisionen,  ähnlich  denen  von 
M  i  c  li  a  u  x,  W  ö  1  f  1  e  r,  Schuch  a  r  dt,  Sch  a  u  t  a  a  n- 

gegebenen. 

Jakobs-  Brüssel  verfügt  über  eine  Statistik  von  81  Fällen 
abdominaler  Totalexstirpation  mit  7,4  Proz.  Mortalität.  Er  be¬ 
trachtet  die  totale  Exstirpation  des  Uterus  auf  abdominalem  Wege 
als  das  beste  Falliativum,  um  gegen  die  Entwicklung  des  Karzi¬ 
noms  vorzugehen  und  hofft,  dass  diese  Methode  bei  möglichst  früh¬ 
zeitiger  Operation  ein  vollkommenes  Heilmittel  werden  wird. 
Wenn  das  Karzinom  bereits  im  Beckenbindegewebe  weiter  vor¬ 
geschritten  ist,  so  glaubt  er  nicht,  von  dieser  Operation  bessere 
Resultate  als  von  anderen  Operationsmethoden  erwarten  zu  dürfen. 

J.A.Amann  -  München  betont,  dass  die  Dignität  der  Drüsen- 
infdtration  beim  Karzinom  noch  eingehender  Studien  bedarf.  In 
manchen  Drüsen  gehen  wohl  die  Karzinomzellen  zu  Grunde,  doch 
ist  bis  jetzt  an  einem  weiteren  Fortschreiten  von  karzinomatös  in¬ 
filtrierten  Drüsen  aus  festzuhalten  und  deshalb  die  ausgedehn¬ 
teste  Beckenausräumung  und  Entfernung  der  Drüsen  mit  den 
dazugehörigen  Lymplibahnen  anzustreben.  Neben  dem  vaginalen  und 
abdominalen  Wege  besteht,  noch  der  extraperitoneale 
W  e  g,  den  A  m  a  n  n  auf  dem  Gynäkologenkongress  in  Giessen  an¬ 
gegeben  hat  und  für  den  er  besonders  eintritt.  Die  allerdings  sehr 
grossen  Beckenzellgewebswunden  nach  gründlicher  Beckenaus¬ 
räumung  drainiert  A.  in  letzter  Zeit  durch  den  Becken¬ 
boden  nach  der  V  u  1  v  a  zu,  rechts  und  links  liebe  n  der  Vagina 
mit  Glas  oder  Gummidrains.  Zur  Deckung  der  Ureteren  disloziert 
er  dieselben  medianwärts,  lagert  sie  in  Falten  der  Rektumwand 
ein  und  umwickelt  sie  von  vorne  her  gewissermassen  mit  der  Blase. 

Zweifel-  Leipzig  berichtet  über  die  mikroskopischen 
Drüsenbefunde;  von  33  Fällen  waren  die  Drüsen  karzinomatös  in¬ 
filtriert  in  21,9  Proz.  meist  bei  schon  infiltriertem  Parametrium, 
aber  auch  1 — 2  mal  bei  scheinbar  noch  im  Anfang  stehenden  Portio¬ 
karzinomen.  Z.  ist  daher  Anhänger  der  Laparo-Hysterektomie 
bei  Uteruskarzinom,  teilt  jedoch  den  Enthusiasmus  des  Herrn 
Jonnescu  nicht,  denjenigen  des  Herrn  Wertheim  nicht  ganz. 
In  Fällen,  in  denen  die  lumbaren  Lymphdrüsen  geschwollen  sind, 
sitzen  sicher  längs  der  Wirbelsäule  noch  weiter  hinauf  karzinoma- 
töse  Lymphdrüsen.  Die  Chirurgen,  welche  bei  Carcinoma  mammae 
die  Achselhöhle  ausräumen  und  Drüsen  mit  Lymplisträngen,  auch 
den  Pectoralis  major  und  minor  Wegnahmen,  besserten  die  Dauer¬ 
heilungsziffern  um  einige  Prozente;  ihre  besten  Statistiken  bei 
Mammakarzinom  sind  noch  nicht,  so  gut  bei  3  jähriger  Rezidiv¬ 
freiheit,  als  die  der  Gynäkolgen  bei  5  jähriger  und  längerer  Dauer¬ 
heilung  mit  vaginaler  Operation  des  Uteruskarzinoms.  Die  Aus¬ 
breitungsgeschwindigkeit  ist  eben  bei  verschiedenen  Organen  sehr 
verschieden. 

Zur  Besserung  der  absoluten  Heilungsziffer  ist  die  Früh¬ 
diagnose  von  grösster  Bedeutung.  Jede  Frau,  welche  die  geringste 
Unregelmässigkeit  ihrer  Menstruation  bemerkt,  soll  sich  unter¬ 
suchen  lassen.  Zur  Probe  exzidierte  Stücke  müssen  mikroskopisch 
untersucht  werden.  Bei  Carcinoma  uteri  gravidi  soll  nicht  ge¬ 
wartet  werden  mit  der  radikalen  Operation. 

G.  Klein*) -München:  Die  wichtigste  Aufgabe  des  Operateurs 
ist  es,  die  Kranke  dauern  d  zu  heilen.  Aber  die  Statistik  zeigt, 
dass  eine  Dauerheilung  nur  in  der  kleineren  Anzahl  der  Fälle 
möglich  ist.  Dennoch  ist  auch  für  jene  Fälle,  in  welchen  Rezidive 
kommen,  der  abdominale  Weg  der  Operation  von  grosser  Bedeu¬ 
tung  und  zwar  aus  zwei  Gründen,  welche  heute  noch  nicht  be¬ 
sprochen  worden  sind: 

1.  Eine  Verlängerung  des  Lebens  und  ein  Hinausschieben 
der  subjektiven  Beschwerden,  welche  das  Rezidiv  bringt,  ist  um 
so  wahrscheinlicher,  je  mehr  karzinomatöses  Gewebe  (Binde¬ 
gewebe,  Lympligefässe  und  Lymphdrüsen)  entfernt  wird. 

2.  Nur  auf  abdominalem  Wege  ist  es  möglich,  nach  einer  vor 
Monaten  oder  Jahren  gemachten  Exstirpation  des  Uterus  später 
auch  die  inneren  Metastasen  zu  exstirpieren.  Ein  Beispiel:  Bei 
einer  Kranken  hatte  ich  vor  ungefähr  3  Jahren  den  Uterus  wegen 
Zervixkarzinom  vaginal  exstirpiert.  Es  folgte  ein  Rezidiv  im 
Parametrium,  dessen  vaginale  Entfernung  nicht  gelang;  abdominal 
war  es  aber  meinem  Assistenten  Herrn  Dr.  H  e  n  g  g  e  und  mir, 
iy2  Jahre  nach  der  1.  Operation,  leicht,  Rezidive  im  Omentum 
majus,  Parametrium,  Parakolpium  und  in  der  Blasenmuskulatur 
zu  exstirpieren  (siehe  Centralbl.  f.  Gynäkol.  1901).  Trotzdem  trat 
ein  Rezidiv  in  der  Bauchnarbe  auf  (oder  vielleicht  deshalb, 
und  zwar  als  Impf  rezidiv) ;  auch  dieses  wurde  vor  y3  Jahre  ex¬ 
stirpiert.  Ein  neues,  retroperitoneal  um  die  Vasa  iliaea  herum 
entwickeltes  Rezidiv  zeigte  sich  bei  der  vor  3  Monaten  als 
4.  Operation  gemachten  Laparotomie  inoperabel.  Aber  bis  jetzt 
ist  die  Kranke  andauernd  fast  frei  von  subjektiven  Beschwerden 
gewesen  und  sie  hat  sich  zu  den  Metastasenoperationen  nur 
schwer  entschlossen,  weil  sie  „ja  ganz  gesund  sei“. 

Auf  abdominalem  Wege  ist  also  in  solchen  Fällen  sowohl  eine 
Verlängerung  des  Lebens,  als  ein  Hinausschieben  der  später  doch 
kommenden  subjektiven  Qualen  möglich,  ebenso  ein  wiederholtes 
Exstirpieren  der  Metastasen. 

Ob  nach  abdominalen  Operationen  die  Zahl  der  Dauer¬ 
heilungen  grösser  sein  wird,  als  nach  vaginalen,  muss  erst 
die  Zukunft  lehren.  Aber  bei  einer  absolut  tödlichen  Krankheit, 
wie  beim  Uteruskarzinom,  ist  das  Auf  suchen  noch  gründlicherer 
Operationsmethoden  nicht  nur  erlaubt,  sondern  geradezu  geboten. 

P  o  t  e  n  -  Hannover  schlägt  vor  ,  das  Peritoneum  der 
vorderen  Bauchwand  oberhalb  des  Beckeneinganges  an  die 


*)  Autoreferat. 


11.  November  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1897 


bmRre  Bauchwand  anzunähen  und  so  die  Bauchhöhle  gegen 
Beckenhohle  abzuschliessen.  Die  Entfernung  des  Uterus 
führte  er  dann  nach  Werthei  m  aus. 

M  a  c  k  e  nr  odt  -  Berlin  tritt  für  ausgedehnteste  Ausräumung 
des  Beckens,  Drusen  und  Beckenbindegewebe  ein  und  beschreibt 
nach  einem  historischen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  der 
abdominalen  Radikaloperation  sein  auf  einem  extraperitonealen 
1  erfahren  beruhendes  Vorgehen. 

M  o  r  i  s  a  ui- Neapel  berichtet  über  14  abdominale  Totalexstir¬ 
pationen  nach  V  ertliei  m  mit  einem  Todesfall. 

Spinell  i- Neapel:  Die  vaginale  Operation  ist  unvollständig 
und  uiationnell;  sie  ist  heute  als  Anachronismus  zu  bezeichnen. 

1  mard- Pans  operiert  nie  bei  Karzinom  in  der  Gravidität- 
er  wartet  immer  so  lang  als  möglich  und  sucht  die  Schwanger¬ 
schaft  zu  Ende  kommen  zu  lassen. 

.  |v.r,<V1 1  Leipzig:  I)ie  abdominale  Methode  ist  einfacher 
und  leichter  als  die  vaginale,  wenn  das  Peritoneum  ergriffen  ist 
Eine  vollkommene  Exstirpation  der  Drüsen  ist  unmöglich-  wm 
Aman  n  ist  er  überzeugt,  dass  manche  Karzinomzellen  in  den 
Drusen  zu  Grunde  gehen. 

T  r  e  u  b  -  Amsterdam  wendet  ausschliesslich  die  vaginale  Ex¬ 
stirpation  an.  Er  glaubt,  dass  die  Resultate  weniger  von  der  an¬ 
gewandten  Technik  abhängen  als  von  der  frühzeitigen  Dia¬ 
gnostik. 

Schlussworte  der  Referenten  Jonnescu,  P  o  z  z  i  Wert- 
h  e  i  m. 


Sitz  u  ng  v  o  m  20.  Septem  be  r,  V  o  r  m  i  1 1  a  g  s  8%  U  li  r. 

Einzel  vorträg  e. 

Aus  der  grossen  Zahl  derselben  seien  hier  folgende  erwähnt: 
C  h  a  1  e  i  x  -  V  i  v  i  e  -  Bordeaux:  Chemisch  reines  und  pul¬ 
verisiertes  Methylenblau  in  der  Behandlung  der  Metritis 

.  Vortragender  bezeichnet  obiges  Mittel  als  besonders  geeignet 
02  Metrorrhagien,  Menorrhagien,  Leukorrhoe,  Dysmenorrhöe  und 
Erosionen,  als  blutstillend,  schmerzstillend  und  antiseptisch. 

F  au  re- Paris:  Die  subtotale  Hysterektomie  mit  voran¬ 
gehender  Kollumdurchschneidung. 

Me  ndes  de  Leon  -  Amsterdam:  Pathogenie  und  Behand¬ 
lung  der  Dysmenorrhöe. 

M.  d.  L.  zitiert  die  Arbeiten  von  Flies  etc.  und  bespricht 
die  nasale  Therapie  der  Dysmenorrhöe. 

Dudly- Palmer  -  New- York :  Modifikation  des  Kaiser- 
Schnittes. 

Hysterektomie  Behandluil£  der  Rektovaginalfisteln  nach 

,,P)e  Operation  war  wegen  Beckeneiterung  gemacht  worden 
es  blieb  eine  hohe  zirkuläre  Fistel  zurück,  die  durch  Lappenplastik 
geschlossen  wurde. 

des  Ovariums16  TOU1S:  Vorschlag  zur  konservativen  Chirurgie 

L.  trennt  die  Blätter  des  Ligamentum  latum  und  schliesst  das 
Ovanum  m  die  beiden  Blätter  ein. 

Die  Erhaltung  des  Ovarium  ist  notwendig  für  die  Funktion 
des  weiblichen  Organismus. 

-ivr  Helene  So  S  n  o  w  s  k  a  -  Paris  berichtet  über  einige  durch 
Massage  geheilte  Fälle  von  Sterilität. 

„n  . an  r  °ta  y  - Antwerpen:  Bei  essentieller  Amenorrhoe 
spntzt  H.  wöchentlich  1  mal  150  bis  250  g  einer  physiologischen 
Losung  von  Glycerophospliateisen  in  die  Weichen.  Die  Resultate 
seien  ausgezeichnet. 

S  p  i  n  e  1  1  i  .  Neapel  befürwortet  die  supravaginale  Ampu¬ 
tation  des  myomatosen  Uterus  mit  Zurücklassung  der  Ovarien 
und  eines  grossen  eventuell  noch  menstruierenden  Uterusstumpfes 

mo  ^?-nel>  ”nd  bespricht  genauer  die  Technik  und  seine  Statistik 
(100  falle  mit  einem  Todesfall). 


Sitzung  vom  20.  September,  2  Uhr  Nachmittags. 


C  a  1  d  e  r  i  n  i  -  Bologna  demonstriert  einen  Tumor  der  Pia- 
zenta. 

N  i  g  r  i  s  o  i  i  -  Ravenna  berichtet  über  GÜO  Fälle  von  Hyster¬ 
ektomie  auf  abdominalem  und  vaginalem  Wege;  er  zieht  letzteren 

"  eg  vor. 


H  e  i  n  s  l  u  s  - Greifswald:  Ueber  vaginale  Ovariotomie. 

■  berichtet  über  110  in  den  letzten  3y2  Jahren  in  der  Greifs- 
<i  der  Klinik  ausgeführte  vaginale  Ovariotomien.  ln  zwei  Fällen 
Kam  der  hintere  Scheidenschnitt  zur  Anwendung,  in  allen  anderen 
rauen  die  Kolpotomia  anterior.  In  allen  Fällen  war  die  Zu- 
gangigkeit  eine  ausreichende  und  die  Uebersicht  eine  gute  Die 
Blutstillung  war  stets  eine  leichte.  Nebenverletzungen  kamen 
ment  mehr  als  bei  der  Laparotomie  vor.  Einmal  musste  die 
j-otaiexstirpation  des  Uterus  wegen  schwerer  Adhäsionen  gemacht 
•werden,  in  einem  anderen  Falle,  in  dem  es  sich  um  einen  stiel- 
lorquierten  Ovarialtumor  handelte,  wurde  zur  Laparotomie  über- 


gegangen.  Unter  den  5  Todesfällen  waren  3  Eiterfälle.  Die 


Gesamterfahrung  Martins  beläuft  sich  auf  über  1600  Kolpo- 
Tonnen,  von  denen  264  vaginale  Ovariotomien  mit  3,3  Proz.  Mortali- 
,  ?m(l-  Hie  vaginale  Methode  ist  in  geeigneten  Fällen  der  ab¬ 

dominalen  vorzuziehen. 

G  i  g  1  i  -  Florenz  empfiehlt  zur  Behandlung  des  Nabelschnur- 
lestes  eine  Art  Sicherheitsnadel,  die  durch  elastischen  Druck  die 
-Nabelschnur  komprimiert  und  dadurch  die  Blutung  stillt  und 
Nekrose  bewirkt. 

T  Teilhaber  -  München:  Der  Einfluss  der  Nervosität  auf 
nie  Entstellung  von  Blutungen  und  Ausfluss. 


Th.  erwähnt  die  psychischen  Erregungen,  die  häufig  obige 
Symptome  verursachen,  besonders  bei  Ilvsterie  und  Neurasthenie 
Bei  reizbarem  Nervensystem  genügen  kleine  Veränderungen  und 
psychische  Alterationen,  um  bedeutende  Symptome  herbei¬ 
zuführen.  Er  bespricht  die  Therapie,  die  vor  allem  in  allgemeiner 
Behandlung  besteht. 

Ziegenspeck-  München:  Ueber  Fötalkreislauf. 

Seme  Untersuchungen  stützen  sich  auf  Injektionsversuche 
an  Föten  verschiedenen  Alters,  zwischen  11  und  53  cm  Länge  bei 
welchen  auch  Injektionen  des  Kreislaufs  mit  gefärbter  Gelatine¬ 
masse  gemacht,  die  Gefässe  präpariert  und  das  Kaliber  derselben 
gemessen  wurde. 

Brennan  -  Monte-real  berichtet  über  eine  neue  Operation 
zur  Behandlung  der  irreponiblen  Inversion  des  Uterus. 

Rein-  Petersburg  demonstriert  Photographien  von  Prä¬ 
parationen  des  Plexus  fundamentale  des  Uterus  bei  der  Frau  und 
bei  verschiedenen  Tieren;  das  Ganglion  cervicale  im  Sinne  Wal- 
t  li  ers,  Lee  s  und  F  r  a  n  k  e  n  li  äusers  existiert  nicht. 

r®  oprajensky  -  St.  Petersburg:  Die  Beleuchtung  der 
Bauchhöhle  von  einer  Coeliotomia  posterior  aus 

Er  empfiehlt  dieses  Verfahren,  das  von  Ott  besonders  bei 
Haematocele  retrouterina  oder  Tubargravidität  angewandt  wurde 
und  das  bei  steiler  Beckenhochlagerung  einen  klaren  Einblick  in 
die  Bauchhöhle  gewährt. 

Pulvermacher  -  Berlin  berichtet  über  günstige  Erfolge 
bei  Anwendung  der  C  re  de  sehen  Silbersalbe  bei  puerperaler 
Sepsis.  Nach  jedem  Schüttelfrost  wurden  4  g  nach  Vorschrift 


aseptisch  eingerieben.  Im  ganzen  erhält  jede '"kranke  30 


1  -  - O”*“ v  i  null  J  v  uu  1Y1  «llliYty  ÖU  U. 

Ge  1  p  k  e  -  Basel  bespricht  die  Vorteile  des  Murphy  knöpf  es. 
M  o  n  c  u  s  i  -  Neapel  berichtet  über  100  Fälle  von  Sym- 
physeotomie  mit  einer  Mortalität  von  3,8  Proz.  resp.  1,8  Proz. 
der  Mütter  und  17,3  Proz.  der  Kinder.  Er  empfiehlt  die  Perineo¬ 
tomie,  um  Verletzungen  der  vorderen  Vaginalwand  zu  vermeiden. 

Gott  schalk  -  Berlin  demonstriert  einen  von  seinem  Assi¬ 
stenten  frommer  konstruierten  Uterusdilatator  mit  8  Bran¬ 
chen. 

Regnoli  -  Rom  spricht  über  vaginalen  Kaiserschnitt, 
Hysterocervicotomie. 

Aut  den  Antrag  P  i  n  a  r  d  wird  eine  Kommission  zur 
Schaffung  einer  geburtshilflichen  Nomenklatur  gewählt..  Der 
nächste  Kongress  findet  in  St.  Petersburg  1905  statt.  Zum 
Schlüsse  sprechen  noch  die  ausländischen  Delegierten  ihren  Dank 
dem  Organisationskomitee  aus. 


74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

m  Karlsbad  vom  21. — 27.  September  1902. 


VII. 


Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften. 


I.  Sitzung  vom  22.  September,  N  a  c  h  m. 

Vorsitzender :  Herr  S  u  d  h  o  f  f  -  Hochdahl. 

Der  Einführende,  Herr  R  u  f  f  -  Karlsbad,  heisst  die  Er¬ 
schienenen  willkommen  und  bittet  den  I.  Vorsitzenden  der  Deut- 
sc  htn  Gesellschaft  für  Geschichte  derMedizin  und  der  Naturwissen¬ 
schalten,  Herrn  S  u  d  h  o  f  f  -  Hochdahl,  der  ersten  Sitzung  zu  prä¬ 
sidieren.  Derselbe  begriisst  die  Fachgenossen,  wünscht  der  Karls¬ 
bader  Tagung  reichen  Erfolg  und  bringt  an  erster  Stelle  für  den 
erkrankten  Verfasser  zur  Verlesung: 

l:  Herr  E.  J  a  c  k  s  c  h  a  t  h  -  Reinickendorf  bei  Berlin:  Die 
— egiimdung  der  modernen  Anatomie  durch  Leonardo  da  Vinci 
und  die  Wiederauffindung  zweier  Schriften  desselben. 

Als  verloren  gelten  zwei  Abhandlungen  des  genialen  Künstlers 
und  universellen  Forschers  und  Denkers  Leonardo  da  Vinci 
A4. >2  1519)  über  die  Anatomie  des  Pferdes  und  über  menschliche 
Anatomie.  .T.  legt  in  seinem,  als  vorläufige  Mitteilung  auf¬ 
zufassenden  Vortrage  diesen  Sachverhalt  dar  und  teilt  als  zweifel¬ 
loses  Ergebnis  seiner  Untersuchungen  mit,  dass  1.  die  1598  zu 
Bologna  erschienene  „Anatomia  del  cavallo“  des  bolognesischen 
Senators  Carlo  It  u  i  n  i,  welche  eine  ziemlich  klare  und  fast  richtige 
Darlegung  des  grossen  Blutkreislaufes  enthält,  in  Zeichnungen 
und  Text  auf  das  verloren  geglaubte  Werk  Leonardos  zurück¬ 
geht.  das  also  derart  in  ungeahnter  Vortrefflichkeit  seine  Auf¬ 
erstehung  feiere.  Noch  überraschender  kommt  das  zweite  Er¬ 
gebnis  eindringendster  Untersuchung:  Verfasser  glaubt  allen 
Ernstes,  den  Grössten  in  der  Geschichte  der  modernen  Anatomie, 
den  Niederländer  Andreas  Vesalius  (1514 — 1564),  des  Plagiates 
an  L  e  o  n  a  r  d  o  bezichtigen  zu  müssen,  d.  h.  der  stillschweigenden 
Benutzung  nicht  allein  der  Handzeichnungen  des  unsterblichen 
Meisters,  die  sogar  in  den  Holzschnitten  noch  Zeichen  tragen,  wie 
sie  neben  lateinischen  und  griechischen  Lettern  nur  Leonardo 
auf  seinen  Handzeichnungen  anwandte,  ja  die  gelegentlich,  weil 
nicht  verstanden,  wegschattiert  seien  an  Stellen,  wo  die  künst¬ 
lerischen  Anforderungen  eine  Schattierung  verbieten  —  doch,  wie 
gesagt,  nicht  nur  in  diesen  Zeichnungen,  sogar  im  Text  der  be¬ 
rühmten  sieben  Bücher  „De  corporis  humani  l'abrica“  vom  Jahre 
1543  habe  Vesalius  die  verlorene  Abhandlung, des  Leonar d  o 
über  Anatomie  des  Menschen  benutzt.  Leonardo,  der  Ge¬ 
waltige,  so  unendlich  vielseitige  Physiker,  Mathematiker.  In¬ 
genieur,  Kriegsbaumeister  etc.  sei  also  auch  als  Begründer  der 
modernen  Anatomie  anzusehen.  Den  zwingenden  Beweis  für  dies 


1828 


MUENCHENER  MEDIGINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


alles  stellt  .Täckse  li  a  t  li  für  die  nächste  Zeit  in  einem  grösseren 
Werke  in  sichere  Aussicht.  Der  volle  Wortlaut  des  Karlsbader 
Vortrags  soll  in  den  nächsten  Wochen  erscheinen;  ein  sicheres  Ur¬ 
teil  wird  er  noch  nicht  ermöglichen,  doch  gibt  die  reiche,  nachweis¬ 
lich  benutzte  Literatur  die  Gewähr,  dass  redlich  gearbeitet  wurde. 

2.  Herr  Simon  B  a  r  u  c  h  -  New-York:  Einige  amerikanische 
Beiträge  zur  Entwickelung  der  modernen  Therapie. 

Die  „vernichtende“  Therapie,  welche  während  des  letzten  Teils 
dos  18.  Jahrhunderts  die  herrschende  war,  wurde  von  Benjamin 
R  u  s  h  auf  amerikanischen  Boden  verpflanzt,  der  mehr  als  irgend 
ein  anderer  dem  ärztlichen  Geiste  der  neuen  Nation  Anleitung  gab. 
Gegen  Rushs  Therapie  erhob  sich  keine  Stimme,  bis  Jakob 
B  i  g  e  1  o  w,  Professor  an  der  Haward-Universität,  seine  „Self- 
limitation  of  diseases“  veröffentlichte  (1835),  worin  er  aus  kli¬ 
nischer  Beobachtung  zu  dem  Ergebnis  kommt,  dass  „manche 
Krankheiten,  unbeeinflusst  durch  ärztliche  Behandlung,  natur- 
gemäss  verlaufen“.  Ein  kühner  Verteidiger  der  B  i  g  e  1  o  w  sehen 
Ileterodoxie  war  sein  Universitätgenosse  Oliver  Wendell  Hol¬ 
mes,  der  1840  schrieb:  „Mit  Ausnahme  von  Opium,  Aether  und 
einigen  Speziflzis  dürfte  wohl  der  ganze  Arzneischatz  in  die  Tiefe 
des  Meeres  geschüttet  werden.  Das  wäre  das  Beste  für  die  Men¬ 
schen  und  das  Allerschlimmste  für  die  Fische.“  Doch  wie  die 
Lehren  eines  Asklepiades,  eines  Harvey  einst  unbeachtet 
blieben,  so  ging  es  auch  mit  denen  B  i  g  e  1  o  w  s  und  Holmes. 
Die  exspektative  Therapie  gewann  in  Amerika  nur  langsam  Boden, 
namentlich  durch  Flint,  Barthelow,  ,T  a  c  o  b  i.  L  o  o  m  i  s. 

Interessant  ist  die  Entwickelung  der  Hydrotherapie  in 
Amerika.  Obgleich  Abraham  Jacobi  schon  1875  prophezeit 
hatte,  das  Vorurteil  gegen  das  kalte  Wasser  werde  ebenso 
schwinden,  wie  das  gegen  die  kalte  Luft,  schrieb  ein  Rer  ei  ent 
über  des  Redners  Kaltwasserbehandlung  des  Typhus  noch  im 
„Medical  Record“  vom  14.  Februar  1889:  „Es  wird  schwierig  sein, 
die  Aerztewelt  zur  Anwendung  dieser  heroischen  Methode  zu 
überreden“,  und  ein  Leitartikel  derselben  Zeitschrift  vom  7.  Mai 
189S  besagt:  „Die  Vertreter  der  Brand  sehen  Bäder  scheinen 
sich  zu  mehren  und  die  Resultate  scheinen  verhältnismässig  besser 
zu  sein,  je  genauer  diese  Methode  befolgt  wird.  Im  Gegensatz 
zu  seinen  Vorgängern  (Bartels,  Liebermeister,  Jüi  - 
<>•  ense  n)  die  mit  den  kalten  Bädern  temperaturherabsetzend 
wirken  wollten,  wandte  Brand  Bäder  von  30°  0.  4  stündlich 
15  Minuten  lang  mit  Frottierungen  an,  niemals  während  des 
Schlafes;  im  ersten  Stadium  angewendet  beugen  sie  dem  letalen 
Ausgang  vor.  Alle  anderen  benutzten  die  kalten  Bäder  nur  als 
symptomatische,  früher  antithermisch,  heute  zur  Nervenkräf- 
ti' gütig.  Der  gerechte  Historiker  muss  den  Unterschied  betonen; 
der  gerechte  Kliniker  der  Zukunft  wird  ihn  anerkennen.  Dann  erst 
wird  Ernst  Brand  wahrhaft  als  Wohltäter  der  Menschheit  er¬ 
kannt  werden.  Der  Prophet  gilt  nichts  in  seinem  Vaterlande:  In 
Deutschland  hat  man  sein  Verfahren  zur  Unkenntlichkeit  modi¬ 
fiziert,  in  Amerika  wird  es  strikt  befolgt,  zum  Segen  der  Kranken. 

Eine  nicht  bekannte  historische  Tatsache  ist  die  Priorität  des 
Dr.  Oliver  Wendell  Holmes  in  der  Prophylaxe  des  Kindbett¬ 
fiebers.  In  einem  Vortrage,  der  in  „The  New  England  Quarterly 
Journal  of  Medicine  and  Surgery“  im  April  1843  gedruckt  wurde, 
sagte  er:  1.  Die  als  Wochenbettfieber  bekannte  Krankheit  ist  soAveit 
kontagiös,  als  sie  häufig  von  Patientin  zu  Patientin  durch  Wär¬ 
terinnen  und  Aerzte  übertragen  wird.  2.  Ein  Arzt,  der  geburts¬ 
hilfliche  Fälle  übernimmt,  darf  an  Sektionen  nicht  teilnehmen. 

3.  Wenn  ein  Arzt  Autopsien  beigewohnt  hat,  sollte  er  sich  voll¬ 
ständig  waschen,  jedes  Kleidungsstück  wechseln  und  24  Stunden 
verstreichen  lassen,  ehe  er  wieder  einen  geburtshilflichen  Fall 
übernimmt.  Holmes  erwähnt  hier  auch  den  Fall  eines  Arztes, 
der  während  einer  Epidemie  von  Kindbettfieber  nach  jedem  Be¬ 
such  die  Kleider  wechselte  und  seine  Hände  in  Chlorkalklösung 
wusch  und  7  weitere  Entbindungen  zu  derselben  Zeit  mit  fieber¬ 
freiem  Verlauf  machte.  Semmelweis  erklärte  1848,  also 
5  Jahre  nach  Holmes:  1.  In  geburtshilflichen  Instituten  wird 
das  schreckliche  Fieber  wahrscheinlich  auf  schwangere  Frauen 
und  Wöchnerinnen  vom  Geburtshelfer  selbst  übertragen.  2.  Es  ist 
in  den  meisten  Fällen  nur  eine  Kadaverinfektion.  3.  Alle  Studenten 
und  Geburtshelfer  sollten  ihre  Hände  sorgfältig  mit  Chlorkalk¬ 
lösung  unter  Anwendung  der  Nagelbürste  waschen,  ehe  sie  ge¬ 
burtshilfliche  Räume  betreten. 

Die  Ansicht  von  Holmes  wurde  von  den  hervorragendsten 
amerikanischen  Lehrern  der  Geburtshilfe  heftig  angegriffen;  ebenso 
wurden  5  Jahre  später  die  Aufstellungen  des  Semmelweis 
von  Kiwisch,  Karl  B  r  a  u  n  u.  a.  bekämpft.  Nichtsdestoweniger 
tat  Holmes’  Lehre  ihre  Wirkung;  die  Mortalität  an  Puerperal¬ 
fieber  sank  bedeutend  in  Amerika,  schon  ehe  die  Semmel- 
w  e  i  s  sehe  Lehre  dort  bekannt  wurde,  wie  Vortragender  dartut. 

3.  Herr  Eugen  Sachs-  Dresden:  Die  Blattern  vor 
100  Jahren  in  Sachsen. 

Den  grössten  Teil  seines  Stoffes  hat  der  Vortragende  den 
Berichten  entnommen,  welche  die  Geistlichen  in  Sachsen  früher 
über  den  Gesundheitszustand  ihres  Sprengels  an  die  Regierung 
einsenden  mussten.  Aus  diesen  geht  hervor,  dass  sich  die  Geist¬ 
lichen  frühe  von  der  günstigen  Wirkung  der  Schutzpockenimpfung 
überzeugt  hatten,  sich  samt  ihren  Kindern  als  nachahmungswertes 
Beispiel  für  ihre  Gemeinden  impfen  Hessen  und  auch  sonst  mit 
Wort  und  Schrift  für  die  Impfung  kämpften.  Sie  schimpften 
weidlich  über  die  Kurpfuscher,  Sympathiedoktores  und  Medikaster. 
Gegen  den  Gebrauch  von  Universalmitteln  nahmen  sie  ebenfalls 
Stellung,  wie  gegen  die  öffentliche  Schaustellung  der  Leichen. 


Die  ganz  verkehrte  Pflege  und  Behandlung  der  Blatternkranken 
wird  von  ihnen  geschildert  und  mit  Bedauern  bemerkt,  dass  die 
Bevölkerung  vielfach  der  Meinung  sei,  die  Schutzimpfung  sei  ein 
Eingriff  in  den  Willen  Gottes,  und  ärztliche  Behandlung  nütze 
nichts,  denn  was  sterben  solle,  sterbe  doch.  Auch  damals  waren 
die  Ansichten  der  sogen,  gelehrten  Impfgegner  aus  England  schon 
in  Sachsen  verbreitet  und  wirkten  der  allgemeinen  Schutzimpfung 
entgegen:  auch  dort  traten  schon  solche  falsche  Propheten  auf. 
Zum  Schluss  wird  ein  Auszug  aus  einer  Eingabe  des  Kreishaupt¬ 
manns  Schlegel  an  die  Regierung,  betreffend  eine  bessere  me¬ 
dizinalpolizeiliche  Ueberwachung,  und  die  darauf  bezügliche  ab¬ 
lehnende  Antwort  des  Sanitätskollegiums  mitgeteilt. 

4.  Herr  Hermann  Gutzmann  -  Berlin :  Der  Zusammen¬ 
hang  von  Zunge  und  Sprache  in  der  Geschichte  der  Medizin. 

„Zunge“  und  „Sprache“  werden  wohl  in  allen  Sprachen  als 
Synonyma  gebraucht.  Das  so  bewegliche  und  beim  Sprechen  so 
tätige  Organ  gilt  wohl  deshalb  als  Sitz  der  Sprache,  Aveil  seine 
Bewegungen  infolge  seiner  feinen  Beriihrungsempfindlichkeit 
schärfer  beim  Sprechen  zum  Bewusstsein  kommen  als  die  der 
übrigen  Sprachwerkzeuge.  Als  Wunder  können  wir  es  heute  kaum 
mehr  betrachten,  AA’enn  die  christlichen  Bekenner  in  Afrika,  denen 
Ilunnericli  die  Zunge  hatte  ausschneiden  lassen,  doch  später  wieder 
ihren  Glauben  verkünden  konnten.  Die  Geschichte  der  Medizin 
überliefert  zahlreiche  Fälle  ATon  ATölligem  \  erlust  der  Zunge,  wel- 
cher  nur  die  Deutlichkeit  der  Sprache  naturgemäss  beeinträch¬ 
tigte,  aber  nicht  zu  deren  gänzlichem  Verlust  führte,  namentlich 
aus  der  jüngsten  Zeit  (Operationen  von  Zungenkarzinom). 

Das  ärztliche  Bestreben,  Sprachstörungen  auf  Fehler  der 
Form  und  des  Baues  der  Zunge  zurückzuführen,  datiert  von 
Aristoteles,  der  die  Sprechfähigkeit  des  Menschen  darauf 
zurück  führt,  dass  seine  Zunge  weitaus  die  beweglichste  aller 
lebenden  Wesen  sei.  Man  suchte  bei  Sprachfehlern  deshalb  stets 
nach  einer  zu  kurzen  oder  angewachsenen  Zunge,  „löste“  seit 
vielen  Jahrhunderten  die  Zunge;  ja  in  manchen  Teilen  Europas 
glaubt  man  heute  noch,  Kinder  könnten  ohne  diese  Operation 
überhaupt  nicht  sprechen  lernen,  während  sie  in  den  meisten  Fällen 
völlig  überflüssig  ist  und,  von  Hebammen  ausgeführt,  nicht  selten 
zur  breiten  Verwachsung  der  Zunge  mit  dem  Mundboden  führt. 

Der  gleiche  Gedankengang  schaffte  auch  der  entsetzlichen 
Stotteroperation  des  grossen  Chirurgen  Dieffenbach  so 
schnellen  Eingang  bei  der  Aerztewelt.  Ein  Schielender,  der  ihn 
stotternd  um  die  Beseitigung  seines  Schielens  bat,  hatte  D.  auf 
die  Idee  gebracht,  durch  Unterbrechung  der  Nervenleitung  in  dem 
muskulösen  Organ  der  Zunge  eine  Umstimmung  und  dadurch  eine 
Aufhebung  des  abnormen  Zustandes  zu  beAvirken.  Avas  er  durch 
Auschneidung  eines  grossen  Keiles  aus  der  Zunge  mit  der  Basis 
nach  oben  und  der  Spitze  am  Mundboden  und  naehherige  Ver¬ 
einigung  der  Zungenreste  mittels  tiefer  Nähte  zu  erreichen  suchte. 
Die  Operierten  konnten  anfangs  gar  nicht,  später  nur  langsam 
sprechen;  der  Erfolg  schien  ein  vollständiger  und  verführte  zahl¬ 
lose  Operateure  zu  gleichen  und  ähnlichen  Massnahmen  (200  Sot- 
ternde  wurden  z.  B.  in  Paris  in  einem  Jahre  operiert,  mehrere  mit 
tödlichem  Ausgang)  und  erst  die  absoluten  Misserfolge  aller  Ope¬ 
rationen.  die  sich  mit  der  Länge  der  Zeit  ergaben,  taten  der  Ope¬ 
rationslust  Einhalt.  Doch  die  Vorstellung  von  dem  engen  Zu¬ 
sammenhänge  zwischen  Zungenfehlern  und  Sprachfehlern  ist  auch 
heute  bei  den  Aerzteu  noch  nicht  ganz  geschwunden. 

II.  Sitzung  vom  23.  September,  Vormittags. 

Vorsitzender :  Herr  Kahlbaum  -  Basel. 

5.  Herr  Prof.  Georg  W.  A.  Kahlbaum-Basel:  Goethe 
und  Berzelius  in  Karlsbad  1822. 

An  der  Hand  der  Tagebücher  Goethe  s  und  der  am  Schlüsse 
vorigen  Jahres  in  Stockholm  atou  H.  S.  Söderbau  m  heraus¬ 
gegebenen  Selbstbiographie  des  Jakob  Berzelius  macht  der 
Vortragende  die  Mitteilung  über  das  Zusammentreffen  der  beiden 
Grossen,  das  zAA7ar  nicht  in  Karlsbad  selbst,  doch  in  dem  nahen 
Eger,  wohin  Berzelius  von  Karlsbad.  Goethe  von  Marien- 
bad  zu  vorübergehendem  Aufenthalte  eingetroffen  waren,  am 
30.  und  31.  Juli  stattfand. 

Das  wichtigste  Moment  dieser  Zusammenkunft  bildete  die 
gemeinschaftliche  Besteigung  und  geologische  Begutachtung  des 
von  Goethe  eingehend  im  Jahre  1808  untersuchten  und  in  einem 
besonderen  Aufsatz  beschriebenen  Vulkanembryos,  des  Kammer¬ 
bühl  bei  Franzensbad.  1 

Der  Vortragende  konnte  zeigen,  mit  welch  unermüdlichem 
Eifer  der  damals  73  jährige  Goethe  sich  noch  naturwissen¬ 
schaftlichen,  insbesondere  mineralogisch-geologischen  Studien  hin¬ 
gab.  die  ihn  avoIiI  hie  und  da  zu  etwas  .laienhaften  Ansichten 
führten,  doch  stets  ernst  gemeint  AAraren,  so  dass,  was  so  sein 
selten  nur  der  Fall,  der  Greis  sich  jeder  Belehrung,  Avenn  sie  nur 
überzeugend  begründet  werden  konnte,  zugänglich  zeigte  und  auch 
ihm  liebgewordene  Anschauungen  willig  wieder  aufgab. 

ß.  Herr  Max  Neuburger  -  Wien:  Das  Problem  der  Tro- 
phik  des  Nervensystems  und  seine  geschichtliche  Entwickelung. 

Zwei  der  interessantesten  physiologischen  Probleme  Avurden 
schon  in  verflossenen  Jahrhunderten  nicht  ohne  Er’folg  bearbeite  . 
die  Frage,  welchen  Einfluss  die  Nerven  .auf  die  ErnährungSA’or- 
gänge  ausüben  (trophische  Funktion),  und  die  Lehre  von  der 
„inneren  Sekretion“.  ' 

Was  die  Trophik  der  Nerven  anlangt,  so  ist  hervorzuheben, 
dass  im  Zeitraum  von  Harvey  bis  Haller  ein  grosser  Teil  der 


11.  November  1902. _  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Forscher  teils  aus  spekulativen,  teils  aus  empirischen  Gründen 
(Abmagerung  gelähmter  Glieder)  die  Ernährung  gänzlich  vom 
Nervensystem  abhängig  sein  liess.  Nach  Haller  verschwand 
diese  Hypothese  und  man  lehrte,  dass  die  Nerven  die  Ernährung 
nur  indirekt  durch  Beeinflussung  der  Blutzirkulation  regulieren. 
Diese  vasomotorische  Funktion  stellte  man  sich  anfangs  grob- 
mechanisch,  durch  Kontraktion  der  die  Gefässe  umgebenden 
„Nervenschlingen“  vor.  Reit  B  i  c  h  a  t  wurde  man  auf  den  Sym¬ 
pathikus  aufmerksam  und  schrieb  diesem  eine  gefässregulierende 
Tätigkeit  zu,  welche  endlich  Claude  Bernard  ausser  Zweifel 
stellte.  Vielerlei  klinische  Erfahrungen  zeigten  aber  die  Unvoll¬ 
kommenheit  der  vasomotorischen  Erklärung  trophischer  Stö¬ 
rungen.  wie  man  sie  bei  Bückenmarksaffektionen  beobachtete, 
und  führten  zu  der  Theorie  trophischer  Fasern,  womit  die 
neueste  Forschung  anhebt. 

Die  noch  sehr  ungeklärte  Lehre  von  der  inneren  Sekretion, 
derzufolge  jeder  Bestandteil  des  Körpers,  namentlich  die  Drüsen, 
gewisse  zur  Erhaltung  des  Gesamtorganismus  nötige  Stoffe  ans 
Blut  abgibt,  hat  ungefähr  ein  Jahrhundert  vor  ihrem  Begründer 
Brown-Sequard  einen  genialen  Vorläufer  in  dem  Vitalisten 
T  h  6  o  p  h  i  1  e  Borden  gehabt,  der  genau  dasselbe  behauptete 
und  teils  aus  dem  Uebersehuss,  teils  aus  dem  Mangel  dieser  Stoffe 
die  meisten  Krankheiten  (Kachexien)  herleitete.  Interessant  ist 
es,  dass  B  ordeu  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  aus  der 
Aufnahme  „spermatischer“  Substanzen  erklärte  und  sich  auf  die 
Beobachtungen  an  kastrierten  Tieren  berief. 

7.  Herr  Paul  R  i  c  h  t  e  r  -  Berlin:  Heber  die  bisher  nicht 
gedruckten  Causae  et  curae  Stae.  Hildegardis. 

Neben  der  bekannten,  öfters  gedruckten  „Physica“  oder  „über 
simplicis  medicinae“  soll  die  Aebtissin  auf  dem  Rupertsberge  bei 
Bingen  (1099 — 1180)  noch  einen  „über  compositae  medicinae“  ver¬ 
fasst  haben,  der  verschollen  war,  aber  1859  von  dem  Botaniker 
Karl  Jessen  in  der  k.  Bibliothek  zu  Kopenhagen  handschrift¬ 
lich  entdeckt  wurde.  Da  er  bei  einer  flüchtigen  Durchsicht  keine 
deutschen  Worte  darin  fand,  zweifelte  Jessen  an  der  Echtheit 
der  Schrift.  Der  Berliner  Gymnasiallehrer  Dr.  Paul  Kaiser 
hat  aber,  als  er  sich  die  Handschrift  zu  germanistischen  Studien 
kommen  liess,  zahlreiche  deutsche  Ausdrücke  gefunden  und  da¬ 
rüber  in  einem  Gymnasialprogramm  1901  berichtet.  Das  Werk 
erscheint  jetzt  (auf  Anregung  des  Vortragenden  und  Prof.  Pagels) 
bei  B.  G.  Teubne  r  in  einer  von  Kaiser  besorgten  und  mit 
zahlreichen  Indices  ausgestatteten  Ausgabe  als  „Causae  et  curae 
Stae.  Hildegardis“,  deren  erste  3  Druckbogen  vorgelegt  werden. 
Die  Handschrift  stammt  aus  dem  „monasterium  Sancti  Maximi 
prope  Treverim  siti“  und  zeigt  das  „Ex  libris“  des  bekannten 
Historikers  der  Freimaurerei  „Georgius  Ivloss.  M.  D.  Francofurti 
ad  Moenuin“  (1787 — 1854). 

Diskussion:  Sudhoff. 

8.  Herr  Karl  Sudhoff  -  Hochdahl:  Theophrast  v.  Hohen¬ 
heims  Syphilisschriften. 

Schon  vor  seiner  Berufung  nach  Basel  hat  Hohenheim 
Schriften  verfasst,  doch  nichts  über  Syphilis.  Auch  in  Basel  finden 
sich  nur  Erwähnungen  nebenher,  keine  selbständige  Abhandlung 
über  diese  Krankheit,  ln  der  „Bertheonea“,  welche  in  die  letzten 
Baseler  Monate  zurückgeht,  ist  der  in  Aussicht  genommene  Ab¬ 
schnitt  über  den  Morbus  gallicus  nicht  zur  Ausarbeitung  gelangt; 
ein  kurzer  Entwurf  dazu  scheint  in  dem  kursorischen  Traktat 
„Chirurgiae  über  tertius  de  morbo  gallico“  erhalten.  Zum  ersten 
Male  hat  er  in  Kolmar  seine  Gesamtanschauungen  über  die  viel¬ 
gestaltige  „neue  Krankheit“  in  den  10  Büchern  „von  Blatern, 
Lähme,  Beulen,  Löchern  und  Zittrachten  der  Franzosen“  darge¬ 
legt;  aber  da  ihn  die  Hoffnung  trog,  dies  Werk  durch  die  Mit¬ 
wirkung  eines  einflussreichen  Mannes  in  der  Kolmarer  Stadtver¬ 
waltung  gedruckt  zu  sehen,  hat  er  diese  Ausarbeitung  später  gänz¬ 
lich  ignoriert  und  systematisch  das  ganze  Gebiet  in  einer  Reihe 
von  Monographien  zur  Darstellung  gebracht.  Zunächst  beschäf¬ 
tigte  ihn  die  Guajackur,  über  welche  sich  schon  eine  kleine  Nieder¬ 
schrift  aus  der  Zeit  des  Wegganges  aus  Basel  vorfindet,  „De  Xylo- 
hebeno“  betitelt;  eine  populäre  Guajacselirift  gab  er  1529  in  Nürn¬ 
berg  zum  Druck,  welcher  er  sofort  eine  polemische  Darstellung 
der  gesamten  wirren  Syphilistlierapie  jener  Tage  anschloss:  „Von 
der  französischen  Krankheit,  drei  Bücher“,  die  er  auch  „Von 
Imposturen“  benennt  und  noch  zu  Ende  November  1529  in  Druck 
gab.  Zwei  andere  Syphilisschriften,  die  8  Bücher  „Von  Ursprung 
und  Herkommen  der  Franzosen“  und  der  chirurgische  Teil  des 
,. Spitalbuches“  sollten  gleichfalls  noch  1530  in  Nürnberg  er¬ 
scheinen,  aber  der  Einspruch  der  Leipziger  medizinischen  Fakultät 
vereitelte  dies  Vorhaben.  Doch  sind  diese  Schriften  handschrift¬ 
lich  überliefert  und  einige  30  Jahre  später  von  seinem  Schüler 
Adam  v.  Boden  stein  veröffentlicht  worden,  der  auch  die 
Kolmarer  Schrift  auffand  und  publizierte.  Hohenheims 
Syphilisschriftstellerei  war  damit  zum  Abschluss  gekommen,  we¬ 
nigstens  vorläufig.  Vielleicht  hätte  er  die  Lues  im  Amberger 
„Büchlein  vom  Mercurio“  gestreift,  wenn  es  zur  Vollendung  ge¬ 
kommen  wäre.  Jedenfalls  kennen  wir  aus  späteren  Jahren  von 
Schriften  Hohenheims  über  die  Franzosenkrankheit  nur  noch 
das  3.  Buch  der  „grossen  Wundarznei“,  welches  er  7  Jahre  später  im 
Juni  1537  zu  Mährisch-Kromau  auszuarbeiten  begann;  doch  bricht 
das  Ueberüeferte  zu  Beginn  der  Darlegungen  über  die  Therapie 
der  Syphilis  ab.  —  Alles  in  allem  bietet  dieses  reiche  Schriften- 
material  Hohenheims  über  die  Weltkrankheit  Syphilis  eine 
Tiefe  der  Erkenntnis  vom  Wesen  dieser  proteusartigen  „Ge- 


1899 


sclilechtspest“  und  eine  Fülle  des  Selbst  beobachteten,  wie  sie  für 
jene  Zeit  ganz  einzig  dasteht.  (Schluss  folgt.) 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung-  vom  5.  November  1902. 

Herr  A.  Baginsky:  Antistreptokokkenserum  bei  Schar¬ 
lach. 

Herr  II.  Aronson  hatte  im  Juli  d.  J.  in  der  gleichen  Ge¬ 
sellschaft  über  ein  neues  von  ihm  dargestelltes  Antistreptokokken¬ 
serum  berichtet,  und  zwar  über  die  theoretische  Seite  dieser 
Frage.  Vortragender  berichtet  nun  über  die  damit  gemachten 
klinischen  Erfahrungen.  Zunächst  bespricht  er  die  mit 
einem  f  r  ii  h  e  r  e  n  Serum  A.s  gemachten  Beobachtungen,  welche 
durchaus  unbefriedigend  ausgefallen  waren;  namentlich  4  Fälle 
wurden  durch  das  Serum  so  ungünstig  beeinflusst  (Fieber,  Exan¬ 
them,  Gelenkschwellungen),  dass  er  froh  war,  sie  wieder  aus 
diesem  Zustande  der  Serumwirkung  heil  herauszubekommen. 
Wenn  er  durch  diese  Angaben  gezeigt  habe,  dass  er  an  das  Stu¬ 
dium  der  Serumwirkung  objektiv  herangegangen  sei,  so  dürfe  er 
auch  für  die  folgenden  Beobachtungen  das  Vertrauen  in  seine 
kritische  Betrachtung  beanspruchen :  nämlich  ganz  anders  als 
in  der  ersten  Beobachtungsperiode  und  einer  zweiten  Uebergangs- 
zeit  lagen  die  Verhältnisse  in  der  dritten  Periode.  Hier  waren 
in  der  Tat  unleugbare  günstige  Wirkungen 
des  Aronson  sehen  Serums  zu  verzeichnen. 

Zum  Beweise  dieser  günstigen  Wirkung  zieht  er  weniger  die 
Mortalitätsziffer  heran,  denn  diese  zeige  eine  zu  wenig  ausgiebige 
Herabsetzung  (von  14  Proz.  auf  11  Proz.)  und  hänge  von  zu  vielen 
F aktoren  ab,  sondern  den  klinischen  Allgemein  ei  n- 
druck.  Zwar  habe  er  bei  den  „gespritzten“  Kindern  nicht 
den  Eindruck,  wie  ihn  Escherich  und  Moser  kürzlich  von 
der  Wirkung  ihres  Serums  schilderten,  dass  die  Kinder  sofort 
das  Bild  der  grossen  Erleichterung  darboten,  wie  man  es  auch 
von  dem  Diphtherieserum  her  kenne;  auch  lege  er  nicht  Gewicht 
auf  einen  plötzlichen  Temperaturabfall,  wie  genannte 
Autoren,  denn  dieser  komme,  wie  er  an  einigen  Kurven  zeigt, 
auch  ohne  Serum  zu  stände;  aber  es  findet  bei  den  mit 
A.s  Serum  behandelten  Kindern  konstant  ein 
allmählicher  und  gleichmä  ssiger  Tempera¬ 
tu  r  a  b  f  a  1 1  statt,  der  nicht  mehr  unterbrochen 
werde  durch  Fieberanstiege,  ausgehend  von 
den  bekannten  Komplikationen;  diese  letz¬ 
teren  bleiben  bei  den  gespritzten  Kindern  aus. 

Somit  sei  die  Ansicht  berechtigt,  dass  wir  in  dem  neuen 
Aronso  n  sehen  Antistreptokokkenserum  ein  Mittel  für  die 
Behandlung  des  Scharlachs  haben,  welches  zu  weiterer  Prüfung 
entschieden  auffordere.  Der  grosse  Unterschied  zwischen  dem 
alten  und  neuen  A. sehen  Serum  beruhe  darin,  dass  es  A.  unter¬ 
dessen  gelungen  sei,  ein  20  fach  stärkeres  Serum  herzu¬ 
stellen  und  eine  Methode  zur  Bestimmung  seiner 
Wertigkeit  auszuarbeiten. 

Diskussion:  Herr  Mentzer:  Der  Unterschied  iu  dem 
Erfolge  der  Behandlung  sei  wohl  so  zu  erklären,  dass  die  4  ersten 
Fälle  im  Januar,  die  folgenden  im  Juli  zur  Aufnahme  kamen;  den 
gleichen  leichteren  Verlauf  in  den  Sommermonaten  habe  er  auch 
bei  seinen  Rheumatismuskranken  beobachtet.  —  Er  halte  es  für 
falsch,  die  zur  Serumgewinnung  verwendeten  Tiere  mit  tier¬ 
pathogenen  Streptokokken  zu  behandeln;  man  müsse  dazu  men¬ 
schenpathogene  Bakterien  verwenden. 

Das  Aronson  sehe  Serum  habe  er  in  einem  Falle  von 
Gelenkrheumatismus  verwertet,  ohne  jeden  Ex-folg. 

Herr  Aronson:  In  seinem  im  Juli  gehaltenen  Vortrage 
habe  er  die  technischen  Details  gegeben.  Herr  Baginsky  habe 
sich  dann  das  Verdienst  der  klinischen  Untersuchung  seines  Serums 
erworben  und  den  Nachweis  erbracht,  dass  mit  der  höheren 
Wertigkeit  des  Serums  auch  die  Erfolge  am  Krankenbett 
besser  werden.  Es  gehe  damit  nicht  anders,  als  mit  dem  Di¬ 
phtherieserum.  Behring  habe  auch  im  Anfänge  ein  ausser¬ 
ordentlich  schwaches  Serum  empfohlen,  womit  keine  klinischen 
Erfolge  erzielt  werden  konnten.  Erst  mit  dem  G0 — 100  fachen 
Serum  sei  dann  der  Erfolg  eingetreten.  So  gehe  es  auch  mit 
seinem  Streptokokkenserum;  jetzt  wisse  man  durch  Baginskys 
Beobachtungen  ungefähr,  wieviel  Serum  beim  Kinde  nötig  sei, 
und  man  könne  daraus  einen  Schluss  auf  die  beim  Erwachsenen 
nötige  Menge  ziehen.  Er  sei  fortgesetzt  bestrebt,  ein  noch  höher¬ 
wertiges  Serum  zu  gewinnen,  und  die  Tierversuche  geben  zu  be¬ 
rechtigten  Hoffnungen  Anlass. 

Die  Ansicht  Mentzer  s,  dass  man  menschenpathogene 
Streptokokken  vor  den  tierpathogenen  bevorzugen  müsse,  sei  durch 


1900 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


keine  experimentelle  Tatsache  gestützt.  Sein  Serum  wirke  z.  B. 
auch  agglutinierend  auf  Streptokokken,  die  direkt  von  Scharlach- 
kranken  gewonnen  wurden;  auch  die  Immunisierungsversuche  be¬ 
weisen  die  Identität  der  Tier-  und  Menschenstreptokokken.  — 
Was  den  chronischen  Gelenkrheumatismus  anlangt,  so  habe  er 
sein  Serum  nie  zu  dessen  Behandlung  empfohlen.  Das  Moser- 
sclie  Serum  habe  er  untersucht.  Es  sei  ausser  seinem  eigenen  das 
einzige  Streptokokkenserum,  welches  seinen  Streptokokken  gegen¬ 
über  eine  gewisse  Wirksamkeit  entfalte.  Doch  sei  es  nur  etwa 
Vio — V20  po  stark,  wie  sein  eigenes.  Dies  zeige  die  Wichtigkeit 
genauer  experimenteller  Prüfung  der  Wertigkeit.  Dass  das 
T  a  v  e  1  sehe  und  M  a  r  m  o  r  e  c  k  sehe  völlig  wirkungslos  sei, 
habe  er  schon  früher  erwähnt. 

Die  Reaktionen,  welche  Mentzer  bei  seinem  Rheumatismus¬ 
serum  beobachtet,  halte  er  für  toxische  Wirkung.  Herr  M.  solle 
doch  angeben,  wie  lange  Zeit  nach  der  Immunisierung  das  Serum 
den  Tieren  entnommen  sei. 

Herr  Mentzer:  Dies  sei  4  Wochen  nachher  geschehen, 
also  zur  üblichen  Zeit.  Die  Höhe  der  Dosis  sei  klinisch  zu 
bestimmen  und  nicht  am  Tiere. 

Herr  Baginsky:  Seine  ersten  4  Fälle  seien  durchaus  nicht 
schwerer  gewesen,  als  die  späteren,  sondern  es  sei  eben  tatsäch¬ 
lich  das  Serum  jetzt  wirksamer.  Er  betont  die  grosse  Wichtigkeit 
der  Dosierung;  denn  man  müsse  doch  in  jedem  Falle  wissen,  wie¬ 
viel  man  einspritze.  Dies  sei  mit  dem  Diphtherieserum  ebenso 
gewesen,  welches  erst  durch  die  dementsprechenden  Vorarbeiten 
Ehrlich»  verwendbar  geworden  sei. 

Herr  Rob.  Müllerheim:  Diagnostische  und  klinische 
Bedeutung  der  kongenitalen  Nierendystopie,  speziell  der 
Beckenniere. 

An  der  Hand  sehr  instruktiver  Abbildungen  gibt  Vortragen¬ 
der  einen  Ueberblick  über  die  Anatomie  und  Pathologie  obiger 
Affektion.  Hans  K  o  li  n. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  4.  Nove  m  ber  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Kümmell. 

I.  Demonstrationen: 

1)  Herr  Deutschländer:  a)  Genu  valgum  duplex, 

durch  Osteotomie  beseitigt.  Hinweis  auf  die  Wichtigkeit  guter 
Nachbehandlung  zur  Vermeidung  einer  Gelenkversteifung.  Nach¬ 
dem  der  Gipsverband  8  Tage  gelegen,  schneidet  D.  keilförmige 
Stücke  in  der  Kniegelenksgegend  aus  und  befestigt  beiderseits 
Scharnierschienen.  Schon  dann  werden  leichte  Bewegungen  ge¬ 
macht.  Am  10. — 12.  Tage  lässt  er  die  Operierten  aufstehen  und 
anfangs  an  Krücken,  dann  an  Stöcken  gehen.  Nach  6  AVochen 
Abnahme  des  Gipsverbandes.  Massage. 

b)  Kongenitaler  Hochstand  der  Skapula.  Ausser  der  auch 
im  Röntgenbild  deutlichen  Stellung  des  Schulterblatts  lassen  sich 
an  dem  14  jährigen  Mädchen  die  Veränderung  der  Nackenschultei'- 
linie,  eine  Skoliose  der  Halswirbelsäule  und  eine  Schädelobliquität 
nachweisen.  Aetiologisch  werden  die  verschiedenen  Theorien: 
intrauterine  Belastungsdeformität,  primäre  Entwicklungsstörung 
oder  primäre  Muskelerkrankung  besprochen. 

2)  Herr  Ruder  demonstriert  eine  Frau,  bei  der  er  1891  und 
1902  wegen  geplatzter  Tubargravidität  laparotomiert  hat,  und 
demonstriert  die  zugehörigen  Präparate.  Beide  Male  traten  2  Tage 
nach  der  mit  Kollaps  und  allen  Zeichen  einer  inneren  Blutung 
einhergehenden  Ruptur  in  der  0.  bezw.  12.  Schwangerschaft¬ 
woche  hohe  Temperatursteigerungen  auf,  die  die  Indikation  für 
aktives  chirurgisches  Vorgehen  abgaben. 

3)  Herr  H  0  e  n  c  k  gibt  die  Krankengeschichte  einer  ausge¬ 
tragenen  Extrauteringravidität:  Entwicklung  des  56  cm  langen 
Kindes  durch  Laparotomie,  nach  Ausstossung  der  Dezidua.  Ent¬ 
fernung  der  Plazenta  durch  eine  zweite  Laparotomie  6  Wochen 
später,  da  der  der  Bauchwand  fest  adhärente  Fruchtsack  zu 
jauchen  begann. 

4)  Herr  Wiesinger  stellt  einen  geheilten  Fall  von  Osteo¬ 
myelitis  acuta  des  Bogens  des  III.  und  IV.  Brustwirbels  mit 
osteomyelitischem  Abszess  im  Wirbelkanal  vor,  welcher  bei  einem 
2-1  jährigen  Dienstmädchen  operiert  und  geheilt  wurde.  Die  mehr¬ 
fach  vorgenommenen  Blutuntersuchungen  ergaben,  allmählich 
abnehmend,  bis  zu  435  Kolonien  Staphylokokken  in  20  ccm 
Blut.  Erst  etwa  vom  14.  Tage  nach  Beginn  der  Krankheit 
blieben  die  Blutuntersuchungen  steril.  Auch  aus  dem  Urin  Messen 
sich  Staphylokokken  in  Reinkultur  gewinnen,  und  zwar  noch 
ly2  Monate  nach  der  Operation.  3  mal  wurden  Einspritzungen 
eines  Serums  ä  10  ccm.  das  von  einem  Fall  von  Staphylokokken¬ 
phlegmone  ohne  positiven  Blutbefund  gewonnen  wurde,  gemacht. 
Auf  jede  Injektion  reagierte  die  Kranke  mit  starkem  Scliweiss 
und  vorübergehendem  Temperaturabfall.  Die  Rekonvaleszenz  ver¬ 
zögerte  sich  durch  pulmonale  Inültrationserscheinungen,  welche 
8  Monate  fieberhafte  Zustände  unterhielten,  ohne  dass  es  zu 
Abszessbildung  kam. 

5)  Herr  Hasebroek:  a)  Fall  von  Torticollis  spastica: 
Durch  Anlegung  eines  Heftpfiasterzügelverbandes  geheilt. 

b)  Atrophie  des  Musculus  deltoideus  einer  Seite  im  Anschluss 
an  eine  vor  5  Jahren  erlittene  Klavikularfraktur.  Trotzdem  ist 
der  Patient  —  ein  Erdarbeiter  —  vollkommen  arbeitsfähig  und 
im  stände,  beide  Arme  in  gleicher  W  e  i  s  e  zu  heben.  Es 


gelingt  dies  durch  das  vikariierende  Eintreten  der 
übrigen  Schulte. rmuskel  n.  Das  Heben  besorgt  zu¬ 
nächst  der  vikariierend  hypertrophierte  Supraskapularis,  dann  der 
Trizeps.  Dann  dreht  Pat.  den  Arm,  und  Bizeps  und  Coracobracliialis 
besorgen  die  Hebung  oberhalb  der  Horizontalen. 

c)  Defekt  der  schrägen  Bauchmuskeln  bei  einem  Manne. 

0)  Herr  Mond:  a)  Sektionspräparat  eines  karzinomatösen 
Uterus  mit  Blasen-,  Ureter-  und  Ovarialkarzinose  und  einer  Huf¬ 
eisenniere. 

b)  148  cm  lange  Nabelschnur,  die  5  mal  um  den  Hals  ge¬ 
schlungen  war.  Das  aspliyktisch  geborene  Kind  konnte  wieder¬ 
belebt  werden. 

7)  Herr  Moltrecht  demonstriert  einen  Tumor  des  linken 
Vorhofes.  Der  taubeneigrosse  Tumor  hatte  eine  gleiclimässig 
gallertige  Beschaffenheit,  entsprang  subendokardial,  bestand  aus 
Bindegewebe.  Tod  durch  Verschluss  beider  Art.  coronariae. 

II.  Vortra g  des  Herrn  Staude:  Zur  erweiterten  vagi¬ 
nalen  Totalexstirpation  des  karzinomatösen  Uterus. 

Erschien  in  Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie, 
Heft  6.  Dem  Referat  in  dieser  AVochenschr.  No.  44,  pag.  1847 
sind  folgende  Daten  hinzuzufügen. 

Von  90  seit  1894  in  Behandlung  gekommenen  Karzinomen 
sind  4  Korpus-  und  47  Kollumkarzinome  operiert.  Von  ersteren 
sind  2  nach  3  Jahren  rezidivfrei,  eines  ist  verschollen,  eines 
zeigte  nach  14  Jahr  ein  Rezidiv  in  der  Scheide.  Exstirpation 
der  Scheide  durch  Paquelin.  1  Jahr  später  Exitus  an  inneren 
Metastasen.  Von  den  47  Zervixkarzinomen  waren  drei  leicht  zu 
operieren.  Alle  übrigen  waren  für  gewöhnliche  Totalexstirpation 
inoperabel.  19  waren  mittelschwer  (Uterus  bis  zur  Mitte  der 
Vagina  herabzuziehen,  die  infiltrierten  Parametrien  noch  von  der 
Beckenwand  abgrenzbar).  Von  ihnen  starben  2;  7  hatten  Re¬ 
zidive.  Von  25  schwer  operablen  (Uterus  unbeweglich)  starben 
7.  bei  11  Rezidive.  Bei  den  Vaginalschnitten  besteht  die  Gefahr 
der  Impf  rezidive.  Zufällige  Nebenverletzungen  sah  Vortragender 
3  mal  (2  mal  Blase,  1  mal  Ureter). 

Auf  Grund  von  4  Sektionen,  bei  denen  3  mal  die  Becken- 
lymphdrüsen  frei  gefunden  wurden,  äussert  Vortragender  sich 
sehr  skeptisch  über  die  Entfernung  der  Drüsen.  Diese  werden 
nicht  immer  der  Reihe  nach,  sondern  oft  sprungweise,  bisweilen 
gar  nicht  infiziert.  Sie  vollkommen  zu  beseitigen,  ist  technisch 
ungeheuer  schwierig.  Die  Basis  der  Parametrien  und  der  zu¬ 
gehörige  Lymphapparat  werden  durch  die  modifizierte  S  c  hu¬ 
ch  a  r  d  t  sehe  Methode  ausgezeichnet  zugänglich.  Sie  kon¬ 
kurriert.  daher  nicht  nur  mit  den  abdominalen  Methoden,  son¬ 
dern  ist  ihnen  vorzuziehen.  Werner. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  September  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  F.  Giulini  spricht  über  Paraffininjektionen  bei 
Sattelnase. 

Herr  H.  Koch  berichtet  über  einen  Fall  von  Erysipel  an 
den  Beinen,  in  dessen  Verlauf  ein  septisches  Exanthem  an  den 
Streckseiten  der  Arme  auftrat. 

Herr  W.  Beckh  berichtet  über  einen  schweren  Fall  tertiärer 
Syphilis,  der  durch  Injektionen  von  Jodoformäther  günstig  beein¬ 
flusst  wurde. 

Sitzung  v  o  m  2.  Oktober  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Carl  Koch. 

Herr  Reitzenstein  spricht  über  einen  Fall  von  Throm¬ 
bose  der  Pfortader  und  ihrer  Wurzeln.  (Der  Vortrag  erscheint 

in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  v.  R  a  d  berichtet  über  einen  Fall  von  Hemianaesthesia 
alternans.  (Der  Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Epilog-  zur  internationalen  Tuberkulosekonferenz.  —  Die 
neuen  Arbeiterheilstätten  in  Beelitz.  —  Eine  neue  Poliklinik 
für  innere  Krankheiten. 

Die  internationale  Tuberkulosekonferenz  ist  beendet,  ihre 
Teilnehmer  haben  sich  nach  allen  Richtungen  der  Windrose  zer¬ 
streut,  und  die  Feste,  die  ja  nun  einmal  einen  integrierenden 
Bestandteil  aller  Kongresse  bilden,  sind  verrauscht.  Da  fragt 
nun  manch  nüchterner  Sinn:  Welchen  Vorteil  hat  er  der  Wissen- 


11.  November  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Schaft  und  der  Gesamtheit  gebracht?  Gab  es  etwas  Bleibendes 
in  der  Erscheinungen  Flucht?  Lässt  man  die  Verhandlungen 
noch  einmal  vor  seinem  geistigen  Auge  hinziehen,  so  muss  man 
sich,  ein  wenig  unbefriedigt,  eingestehen,  das  jeder  Arzt  und 
jedei  andere  Sachkundige  Mühe  haben  wird,  aus  der  grossen 
Menge  der  dargebotenen  Schätze  an  Wissen  und  Erfahrung 
einige  noch  unbekannte  Perlen  der  Weisheit  herauszufinden. 
Neues  ist  wenig  geboten,  schwebende  Streitfragen  sind  nicht  ge¬ 
klärt  und  auch  der  Lösung  nicht  näher  gebracht  worden.  Das 
Interesse  der  ganzen  Versammlung  war  aufs  höchste  gespannt,  als 
die  Erörterung  über  die  Beziehungen  zwischen  Menschen-  und 
Tiertuberkulose  begann,  zumal  da  man  wusste,  dass  Koch  in 
die  Diskussion  eingreif en  würde;  aber  wer  dieser  Diskussion  mit 
grossen  Erwartungen  entgegengesehen  hat,  der  hat  eine  Ent¬ 
täuschung  erlebt.  Die  Frage  ist  weder  in  ihrer  wissenschaft¬ 
lichen,  noch  in  ihrer  praktischen  Bedeutung  auch  nur  um  einen 
Schritt  gefördert  worden.  Es  ist  auch  gar  nicht  möglich,  selbst 
in  unserer  schnellebigen,  mit  nervöser  Hast  arbeitenden  Zeit,  im 
Laufe  weniger  Monate  durch  neue  Forschungen  bedeutsame 
1  ragen  spruchreif  zu  machen,  deren  Lösung  die  mühsame,  emsige 
Arbeit  vieler  Forscher  durch  viele  Jahre  hindurch  verlangt.  Und 
doch  haben  diejenigen  Unrecht,  welche,  entmutigt  durch  das 
Missverhältnis  zwischen  dem  sichtbaren  Erfolg  und  dem  Auf¬ 
wand  an  Kraft  und  Zeit,  solche  Kongresse  für  überflüssig  halten. 
Man  darf  nur  ihre  Bedeutung  nicht  an  der  Oberfläche  suchen; 
untersucht  man  das  Drum  und  Dran,  so  ergibt  sich  doch  manch 
wertvoller  Gewinn.  Sicherlich  ist  es  von  grossem  Interesse,  was 
die  hervorragenden  Vertreter  des  Faches,  die  von  weit  und  breit 
hier  zusammenkamen,  über  die  einschlägigen  Verhältnisse  ihrer 
Heimat  einander  zu  erzählen  wussten;  aber  nicht  bloss  das,  was 
sie  in  wohlvorbereiteter  Rede  im  grossen  Sitzungssaal  coram 
publico  berichteten  —  das  hätte  auch  in  gedruckter  Form  seinen 
Zweck  erfüllt  — ,  sondern  das,  was  sie  im  engeren  Kreise  in  Frage 
und  Antwort,  Rede  und  Gegenrede  besprachen.  Von  noch 
grösserem  Interesse  als  das,  was  sie  hörten,  ist  für  viele,  besonders 
für  die  Auswärtigen,  das,  was  sie  sahen.  Wenn  es  weltbekannt 
ist,  dass  Deutschland  die  besten  und  mustergiltigsten  Einrich¬ 
tungen  bezüglich  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  besitzt,  so 
können  wir  nur  wünschen,  dass  sie  recht  vielen  bekannt  werden 
und  zur  Nachahmung  dienen  können.  Was  wir  unseren  Gästen 
z.  B.  im  Kochschen  Institut  und  in  den  Heilstätten  zeigen 
konnten,  ist  sicherlich  für  viele  neu  und  wissenswert  gewesen. 
Und  sollte  dabei  als  Nebenwirkung  unversehens  ein  neues  Lor¬ 
beerblatt  in  den  Ruhmeskranz  deutscher  Wissenschaft  geflochten 
werden,  so  soll  man  uns  den  Stolz  auf  das  Ansehen,  das  die 
deutsche  Wissenschaft  im  Auslande  geniesst,  gönnen.  Einen  ganz 
hervorragenden  Eindruck  hat,  wie  man  aus  den  veröffentlichten 
kurzen  Berichten  entnehmen  muss,  im  Anschluss  an  die  dies¬ 
jährige  Konferenz  ein  kleiner  Kreis  der  Teilnehmer  von  der  Be¬ 
sichtigung  des  Behring  sehen  Instituts  in  Marburg  gewonnen. 
Scheint  es  doch,  als  wenn  die  Werkstätte,  in  die  sie  dort  einen 
Blick  werfen  durften,  der  Ausgangspunkt  neuer  bahnbrechender 
Entdeckungen  auf  dem  Gebiet  der  experimentellen  Therapie  zu 
werden  bestimmt  ist;  und  ohne  Zweifel  wird  für  viele  das,  was 
sie  dort  gesehen  und  gehört  haben,  die  Anregung  zu  eigenem 
fruchtbaren  Schaffen  geben.  Aber  noch  ein  Punkt  darf  bei  der 
Beurtheilung  der  Tuberkulosekongresse  und  -Konferenzen  nicht 
übersehen  werden:  Sie  sind  gar  nicht  ausschliesslich  und  nicht 
einmal  in  erster  Reihe  für  die  wissenschaftliche  Welt  bestimmt 
diese  würde,  wenn  auch  mit  etwas  mehr  Mühe,  das  Wissens¬ 
werte  schon  von  selbst  zu  finden  wissen  — ,  sie  sind  für  das  grosse 
Publikum  bestimmt,  d.  h.  nicht  für  Gevatter  Schneider  und 
Handschuhmacher,  sondern  für  die  grosse  Menge  der  gebildeten 
und  intelligenten  Laien,  für  die  Behörden,  die  Verwaltungs¬ 
beamten,  kurz  für  alle,  die  zur  Mitarbeit  an  der  Bekämpfung 
der  Volksseuche  herangezogen  werden  sollen.  Diesen  darf  man 
natürlich  nicht  mit  hoher  Wissenschaft  kommen,  sondern  man 
will  ihnen  zeigen,  was  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  geleistet 
ist,  und  welche  Aufgaben  noch  weiter  zu  erfüllen  sind.  Die 
wissenschaftliche  Forschung  allein  besiegt  noch  nicht  eine 
Seuche,  dazu  bedarf  es  noch  der  Umsetzung  ihrer  Ergebnisse  in 
die  Praxis,  und  hierzu  wiederum  bedarf  es  der  Mitarbeit  grosser 
und  einflussreicher  Körperschaften. 

In  grossartiger  Weise  haben  sich  diesen  Gedanken  die 
Landesversicherungsanstalten  zu  eigen  gemacht,  indem  sie 


1901 


die  ihnen  zur  Verfügung  stehenden  Mittel  dazu  benutzten,  das 
ganze  Land  mit  einem  Netz  von  Heilanstalten  zu  überziehen  und 
so  ein  mächtiges  Mittel  zur  Hebung  der  Volksgesundheit  schufen. 
Eine  der  grössten  Einrichtungen  dieser  Art  sind  die  vor  kurzem 
fertig  gestellten  Arbeiterheilstätten  bei  Beelitz,  die  sich  eines 
Besuches  wohl  lohnen.  Eine  Bahnstunde  von  Berlin  entfernt 
liegt  das  140  Hektar  grosse  Gelände  inmitten  ausgedehnter 
Kieferwaldungen;  es  wird  durch  eine  Chaussee  und  durch  ein 
Bahngeleise  in  4  Teile  zerschnitten,  so  dass  eine  völlige  räum¬ 
liche  Trennung  der  Geschlechter  einerseits  und  der  Tuberku¬ 
lösen  von  den  anderen  Kranken  andererseits  durch  die  natür¬ 
liche  Lage  des  Terrains  gegeben  ist.  Die  Chaussee  trennt  die 
weiblichen  Kranken  von  den  männlichen,  der  Bahnkörper  die 
Tuberkulösen  von  den  anderen.  Lungenheilstätten  und  Sana¬ 
torien  stehen  unter  getrennter  ärztlicher  Leitung ;  in  den  letzteren 
finden  alle  Arten  von  Kranken,  mit  Ausnahme  der  Phthisiker, 
wie  Magen-,  Nervenleidende,  Rheumatiker  etc.  Aufnahme,  jedoch 
immer  von  dem  Gesichtspunkte  aus,  dass  die  Kur  die  Wieder¬ 
herstellung  der  Arbeitsfähigkeit  znm  Zweck  hat.  Alle  Anstalten 
zusammen  sind  jetzt  für  600  Betten  eingerichtet,  doch  sind  die 
Zentralanlagen  für  Heizung,  Beleuchtung,  Küche,  Verwaltung  etc. 
so  angelegt,  dass  die  Belegziffer  später  ohne  Erweiterungsbauten 
auf  das  Doppelte  erhöht  werden  kann.  Riesenhafte  Dimensionen 
hat  das  Fernheizwerk,  von  dem  aus  der  Dampf  für  Heiz-  und 
andere  Zwecke  den  einzelnen  Gebäuden  der  ganzen  Anstalt 
mittels  unterirdischer  Röhren  zugeführt  wird,  und  welches  zur 
Zeit  die  grösste  Fernheizanlage  der  Welt  darstellt.  Sanatorien 
und  Lungenheilstätten  haben  je  ein  Kochküchen-  und  Wasch¬ 
küchengebäude.  Gekocht  wird  mit  Dampf  allein  oder  mit 
Dampf-  und  Wasserbad;  die  Kochkessel  sind  doppelwandig,  die 
Innenwand  aus  Reinnickel,  der  Inhalt  variiert ;  als  Beispiel  sei 
angeführt,  dass  der  Kaffeekessel  auf  250  Liter,  der  Kartoffel-  und 
Suppenkessel  auf  je  500  Liter,  der  Fleisch-  und  Gemüsekessel 
auf  je  400  Liter  berechnet  ist.  Höchst  sauber  und  reinlich  sind 
die  Schlaf-  und  Baderäume  eingerichtet;  die  Schlafräume  ent¬ 
halten  2 — 5  Betten,  die  notwendigen  Spinde,  Nachttische  und 
Stühle,  aber  keine  Waschgelegenheit,  zum  Waschen  sind  be¬ 
sondere  Räume  enthalten,  in  denen  sich  auch  besondere  Einrich¬ 
tungen  zum  Mundspülen  befinden;  die  Insassen  sollen  möglichst 
zur  Sauberkeit  und  zu  sorgfältiger  Mundpflege  erzogen  werden, 
besondere  Räume  mit  glasierter  Wandbekleidung  dienen  zur 
Reinigung  der  Kleidung.  Jede  der  Anstalten  besitzt  einen 
grossen  Speisesaal,  Gesellschaftsräume,  Lese-  und  Spielzimmer. 
Ein  grosses  Gebäude  ist  zur  Aufnahme  eines  medico-mecha- 
nischen  Institutes,  medizinischer  Bäder  etc.  bestimmt;  dass  fin¬ 
den  Operationsaal,  die  Untersuchungszimmer,  Röntgenkabinet, 
die  Desinfektionsräume,  ferner  für  die  Anlage  der  Liegehallen 
und  Wandelgänge  alle  neueren  Errungenschaften  der  Wissen¬ 
schaft  und  Technik  ausgenutzt  sind,  bedarf  kaum  der  Erwäh¬ 
nung.  Bei  der  ganzen  Einrichtung  sollte  jeder  Luxus  ver¬ 
mieden,  dabei  aber  der  Grundsatz  gewahrt  werden,  dass  das 
Teuerste  sich  schliesslich  als  das  Billigste  erweist  ;  so  konnte  der 
Eindruck  der  Eleganz  und  des  Luxus,  wie  er  grösser  kaum  in 
den  teuersten  Privatanstalten  angetroffen  wird,  nicht  überall  ver¬ 
mieden  werden;  und  hin  und  wieder  fragt  man  sich:  wie  soll  der 
aus  der  Anstalt  entlassene  Arbeiter  sich  später  auch  nur  an¬ 
nähernd  ähnliche  Einrichtungen  zugänglich  machen?  Indessen 
es  ist  erzieherisch  und  hygienisch  schon  viel  erreicht,  wenn  er 
später  das  dort  gewonnene  Bedürfnis  nach  Licht,  Luft  und 
Sauberkeit  innerhalb  des  ihm  dann  gegebenen  Rahmens  zu  be¬ 
friedigen  sich  bemüht.  Eine  richtige  Verschwendung  ist  in  der 
Anstalt  nur  mit  Licht  und  Luft  getrieben;  Fluthen  von  Licht 
strömen  durch  die  hohen,  breiten  Fenster  in  die  Zimmer  hinein 
und  erfüllen  die  breiten  Korridore  und  Treppenhäuser.  Das 
ganze  ist  in  höchstem  Masse  geeignet,  die  segensreichen  Wir¬ 
kungen  der  sozialen  Gesetzgebung  zu  illustrieren  und  die  Auf¬ 
gabe  zu  zeigen,  welche  eine  weitsichtige  Verwaltung  der  Ver¬ 
sicherungsanstalt  sich  gesetzt  hat. 

Unbestimmte  Gerüchte  von  der  Errichtung  einer  neuen  Poli¬ 
klinik  in  der  Charite  für  Herrn  Sohweninger  durch¬ 
schwirren  seit  einiger  Zeit  die  Luft  und  fangen,  obwohl  anfangs 
für  unwahrscheinlich  gehalten,  jetzt  doch  an,  festere  Gestalt  zu 
gewinnen.  Jedenfalls  sind  sie  von  keiner  Seite  dementiert 
worden,  und  was  wäre  bei  der  an  manchen  einflussreichen  Stellen 
für  universell  geltenden  Begabung  Schweningers  auch  un- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1902 

wahrscheinlich!  Die  Wahl  des  Faches  ist  diesmal  nicht  wieder 
auf  die  Hautkrankheiten,  sondern  auf  die  innere  Medizin  ge¬ 
fallen.  Ein  besonderes  Bedürfnis  ist  gerade  für  ein  solches  In¬ 
stitut  bisher  nicht  zu  Tage  getreten,  denn  wir  besitzen  bereits 
drei  Universitäts-Polikliniken  für  innere  Krankheiten;  es  ist 
auch  schwer  einzusehen,  wie  diese  vierte  ihren  Aufgaben  gerecht 
werden  soll,  da  doch  ihr  Leiter  mit  der  Direktion  eines  grossen 
Krankenhauses,  zwei  wichtigen  Lehraufträgen  und  einer  aus¬ 
gedehnten  Privatpraxis  vollauf  in  Anspruch  genommen  ist. 
Wenn  trotzdem  die  Nachrichten,  die  durch  alle  Zeitungen  gehen, 
sich  bestätigen  sollten,  so  ist  eben  wieder  einmal  nicht  einem 
didaktischen  Bedürfnis  zufolge,  sondern  einem  vorhandenen  Pro¬ 
fessor  zuliebe  ein  ihm  genehmes  Lehrinstitut  geschaffen  worden. 

II.  K. 


Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Wien,  8.  November  1902. 

Einberufung1  einer  allgemeinen  Aerzteversammlung.  — 
Die  Behörden  für  die  Krankenkassen,  gegen  die  Aerzte.  — 
Eine  Millionenspende.  —  Multiple  Darmstrikturen.  —  Eine 
neue  einfache  Dosierungsmethode  in  der  Röntgenotherapie. 

Ende  November  1.  J.  wird  in  Wien  abermals  eine  von  der 
Aerztekammer  einberufene  allgemeine  Aerzteversammlung  ab¬ 
gehalten  werden.  Die  Tagesordnung  enthält  einen  einzigen 
Punkt:  Stellungsnahme  zum  Hilfskassengesetze. 

Das  Gesetz,  welches  registrierte  Hilfskassen  schafft,  datiert 
vom  April  1891  und  sollte  eigentlich  bloss  für  Arbeiter  kreiert 
werden;  in  seiner  schliesslichen  Fassung  und  Geltung  gestaltete 
es  sich  aber  derart,  dass  auch  wirtschaftlich  starke  Gesellschafts¬ 
klassen  (Beamte,  Geschäftsleute  etc.)  an  dessen  Wohltaten  parti¬ 
zipieren  konnten.  So  kam  es,  dass  auf  Basis  dieses  Gesetzes  fort¬ 
während  neue  Hilfskassen  gegründet  wurden,  dass  sich  die 
Meisterkrankenkassen,  gegen  welche  die  Aerzte  jahrelang  einen 
erbitterten  Kampf  führten,  in  solche  Hilfskassen  umwandelten, 
und  dass  damit  immer  grössere  Schichten  zahlungsfähiger  Klien¬ 
tel  den  praktischen  Aerzten  entzogen  wurden.  Dem  Wortlaute 
des  Gesetzes  zufolge  können  sogar  die  Angehörigen  der  Mit¬ 
glieder  einer  Hilfskasse  die  ärztliche  Behandlung,  Arzneien  und 
andere  Heilmittel  zugesichert  erhalten.  Die  Aerzteschaft,  welche 
vor  11  Jahren  die  ihr  von  diesem  Gesetze  her  drohende  Gefahr 
ihrer  vollen  Grösse  nach  nicht  zu  würdigen  wusste,  wird  jetzt  den 
Ruf  nach  Abhilfe  erheben.  Das  Hilfskassengesetz  muss  abge¬ 
ändert  werden,  es  darf  bei  diesen  Kassen  keine  pauschalierte 
Aerzteposten  geben,  die  ärztliche  Behandlung  muss  als  eine  freie 
erklärt,  die  Versicherung  der  Mitglieder  auf  Zusicherung  eines 
Krankengeldes  restringiert  werden. 

Den  direkten  Anlass  zur  Einberufung  einer  allgemeinen 
Aerzteversammlung  mag  überdies  ein  jüngst  an  die  Wiener 
Aerztekammer  herabgelangter  Erlass  der  niederösterreichischen 
Statthalterei  gegeben  haben.  Zu  Anfang  dieses  Jahres  hatte  die 
Aerztekammer  den  Beschluss  gefasst,  dass  sie  die  Annahme  einer 
ärztlichen  Stelle  bei  der  in  Gründung  begriffenen  Krankenkasse 
der  Wiener  Bankbeamten,  sowie  bei  allen  neu  zu  gründenden 
Hilfskassen,  welche  ihren  Mitgliedern  unentgeltliche  ärztliche 
Hilfe  beistellen,  für  standeswidrig  erkläre.  Die  Statt¬ 
halterei  kann  nun,  wie  sie  jetzt  eröffnet,  die  Anschauung  der 
Kammer,  dass  die  Annahme  einer  solchen  Stelle  gegen  die  Würde 
und  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  verstosse,  nicht  teilen, 
ja,  sie  droht:  ein  Disziplinarerkenntnis  des  Ehrenrates  gegen  ein 
Kammermitglied  wegen  eines  solchen  Verhaltens  müsste  im  Falle 
der  Berufung  des  betreffenden  Mitgliedes  seitens  der  Statthalterei 
—  von  etwaigen  besonderen  Umständen  abgesehen  —  ausser 
Kraft  gesetzt  werden.  Bisher  war  es  noch  nicht  der 
Fall;  wenn  sich  aber  nunmehr  unter  den  Aerzten  Wiens  künf¬ 
tighin  auch  solche  finden  werden,  welche  eine  fixierte  Stelle  bei 
einer  Hilfskasse  annehmen,  müsste  es  die  Aerztekammer  Wiens 
ruhig  ertragen?  Schon  hört  man  hier  und  da  den  Vorschlag, 
dass  solche  Aerzte  „gesellschaftlich  boykottiert“  werden  müssten. 
Ist  das  alles?  Gewiss  nicht!  Eine  Boykottierung  wäre  das  letzte 
Mittel  eines  ärztlichen  V  ereines,  doch  nicht  der  auf  Grund 
eines  Gesetzes  installierten  Aerztekammer.  Das  Verlangen 
der  Aerzte  Wiens  gellt  dahin,  dass  die  Aerztekammer  einen 
solchen  Schädling  des  Standes  vorkommenden  Falles  unnack¬ 


sichtlich  ehrenrätlich  behandle,  dass  sie  die  Ausserkraft  Setzung 
ihres  Erkenntnisses  abwarte  und  sodann  —  sofort  ihre  Mandate 
niederlege.  Mag  die  Regierung  dann  das  Weitere  vorkehren! 
Warten  wir  übrigens  getrost  das  Resultat  der  nächsten  allge¬ 
meinen  Aerzteversammlung  in  Wien  ab. 

Baron  Nathaniel  Rothschild  hajt  der  Wiener  Poliklinik 
eine  Million  Kronen  geschenkt.  Er  schreibt :  „Ich  widme  diesen 
Betrag  Ihrem  so  wohltätigen  Institute  mit  der  Bestimmung,  dass 
die  Zinsen  in  erster  Linie  zum  Zwecke  unentgeltlicher  Verab¬ 
reichung  von  Medikamenten  an  ambulante  Leidende,  in  zweiter 
Linie  zur  unentgeltlichen  Aufnahme  und  Verpflegung  solcher 
Kranken  im  Spitale  verwendet  werden,  für  welche  keine  ander¬ 
weitige  Deckung  der  Verpflegungsgebühren  vorhanden  ist.“  Diese 
hochherzige  Spende  ermöglicht  es  den  Aerzten  der  Poliklinik, 
ihren  Wirkungskreis  zu  erweitern,  was  höchst  erfreulich  ist,  man 
sehe  nur  darauf,  dass  das  den  Armen  gewidmete  Geld  auch 
ausschliesslich  diesen  zu  gute  komme. 

Unsere  ärztlichen  Gesellschaften  haben  ihre  wissenschaft¬ 
liche  Tätigkeit  wieder  auf  genommen.  Da  eine  detaillierte  Be¬ 
richterstattung  über  alle  Vorkommnisse  an  dieser  Stelle  un¬ 
zulässig  ist,  so  wollen  wir  —  wie  in  den  Vorjahren  nur  da 
rüber  berichten,  was  uns  wissenschaftlich  interessant  resp.  in 
praktischer  Hinsicht  wichtig  erscheint.  In  der  Gesellschaft  der 
Aerzte  hielt  Professor  A.  Weichselbaum,  in  der  Gesell¬ 
schaft  für  innere  Medizin  Professor  N  othnagel  die  Gedenk¬ 
rede  auf  weil.  Rudolf  Virchow. 

In  letztgenannter  Gesellschaft  demonstrierte  Primaiius 
Dr.  Lotheisen  einen  mit  Erfolg  operierten  Fall  von  zwölf¬ 
facher  tuberkulöser  Darmstenose.  Durch  Enteroanastomose 
wurden  über  zwei  Meter  Darm  (unteres  Ueum)  ausgeschaltet. 

Dozent  Dr.  Schlesinger  zeigte  sodann  das  anatomische 
Präparat  einer  erheblichen  dreifachen  tuberkulösen  Darmstriktur 
mit  polypöser  Wucherung  der  Schleimhaut  und  enormer  Dila¬ 
tation  des  Darmes  über  jeder  der  strikturierten  Stellen.  Die 
stärkste  Striktur  okkupierte  die  Gegend  der  Bauhin  sehen 
Klappe,  je  eine  sass  in  der  Flexura  hepatica  und  im  Ueum.  Auch 
in  diesem  Falle  wurde  an  der  chirurgischen  Abteilung  Loth- 
eisens  die  Enteroanastomose  ausgeführt,  der  Patient  starb  je¬ 
doch  nach  einigen  Tagen.  Schlesinger  hat  in  diesem,  wie 
im  ersterwähnten  Falle  und  in  zwei  anderen  Fällen  die  Diagnose 
auf  „multiple  Strikturen“  ante  operationem  sicher  ge¬ 
stellt.’  Da  bisher  ausser  bei  multiplen  Tumoren  die  Diagnose 
noch  nicht  auf  Grund  bestimmter  Lokalsymptome  gestellt  resp. 
publiziert  worden  ist,  betont  Vortragender,  dass  bisweilen  die 
(prognostisch  wichtige)  Diagnose  möglich  ist.  Sie  hat  zu  be¬ 
rücksichtigen  :  1.  Die  Anamnese  und  den  übrigen  Körperbefund. 
Jahrelange  Dauer  der  Beschwerden  bei  Vorhandensein  ander 
weitiger  tuberkulöser  Prozesse  des  Körpers  spricht  hei  Konsta¬ 
tierung  von  Stenosensymptomen  seitens  des  Darmes  für  multiple 
Strikturen,  da  diese  Form  der  Darmtuberkulose  sehr  oft  multipel 
ist.  2.  Den  Lokalbefund:  Das  Auftreten  von  tetanischer  Kon¬ 
traktion  von  Darmschlingen  („Darmsteifung“  Nothnagels) 
gleichzeitig  an  verschiedenen  Stellen  des  Abdomens  und  Zu¬ 
sammenfallen  der  Schlingen  unter  hörbarem  Darmgurren.  Das 
Phänomen  muss  zu  wiederlioltenmalen  sich  in  gleicher  Weise  und 
an  denselben  Stellen  des  Abdomens  abspielen.  Auch  spricht  ver¬ 
schiedene  Grösse  der  sich  steifenden  Darmschlingen  für  die 
Multi ciplität  der  Stenosen.  Multiple  Stenosen  können  schliess¬ 
lich  bei  bestehenden  Diarrhöen  symptomlos  bleiben;  eine  kurz 
währende  Obstipation  kann  dann  plötzlich  die  schwersten  Attaken 
hervorrufen. 

Auch  Dozent  Dr.  Julius  Schnitzler  hat,  wie  er  an¬ 
schliessend  mitteilt,  4—5  derartige  Darmstenosen  operiert,  eben¬ 
falls  bloss  Enteroanastomose  gemacht  und  in  allen  Fällen  Hei¬ 
lung  erzielt.  Ein  operierter  Fall  kam  nach  Monaten  moribund 
wieder  und  die  Nekroskopie  zeigte,  dass  ein  tiefgreifendes  Ulcus 
im  ausgeschälten  Darmstücke  perforiert  war.  Dieser 
Befund  würde  also  zu  gunsten  der  Resektion  sprechen,  wenn  eine 
solche  in  Anbetracht  des  Kräftezustandes  des  Kranken  noch 
ausführbar  ist.  In  einem  Falle  Schnitzlers  war  keine  Darm¬ 
steifung  zu  konstatieren,  wiewohl  sich  der  Darm  von  drei  vorhan¬ 
denen  Stenosen  als  in  seiner  Wand  verdickt,  aber  nicht  als  dilaticrt 
erwies.  Endlich  betont  Schnitzler  noch  das  auch  von 
Lotheisen  hervorgehobene  Moment,  dass  die  Koliken  auch 
nach  gelungener  Operation  lange  Zeit  andauern,  weil  der  liyper- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1903 


31.  November  1902. 


trophische  Darm  bei  seiner  Funktion  Schmerzen  hervorruft-  es 
dauert  oft  wochenlang,  bis  die  Hypertrophie  und  die  Dilatation 
zurückgehen. 

In  der  Gesellschaft  der  Aerzte  besprach  Dr.  G.  H  o  l  z  - 
k  n  e  o  h  t  eine  neue  einfache  Dosierungsmethode  der  Röntgeno¬ 
therapie.  Der  Vortragende  beschrieb  diese  Methode  (nach  dem 
offiziellen  Protokolle)  mit  folgenden  Worten:  „Ich  fand  eine 
Reihe  von  Salzen,  welche  sich  im  Röntgenlicht  m  zunehmender 
Sättigung  färben  und  deren  Färbungstiefe  abhängt  von  der  ab¬ 
sorbierten  Röntgenlichtmenge,  für  die  sie  also  auch  ein  Mass¬ 
stab  ist.  Das  Zweckmässigste  dieser  Salze  habe  ich  mit  einem 
durchsichtigen  Mittel  emulgieren  und  in  Form  kleiner  Reagens¬ 
körper  bringen  lassen.  Zur  Ablesung  des  erreichten  Färbungs¬ 
grades  habe  ich  eine  Normalskala  fixer  Färbungen  anfertigen 
lassen.  Als  Einheit  der  Röntgenlichtmenge  (II)  ist  eine  Menge 
gewählt,  deren  Dreifaches  genügt,  auf  der  Haut  des  Gesichtes 
eine  leichte  Reaktion  hervorzubringen.  Man  legt  nun  den 
Reagenskörper  auf  das  die  gesunde  Umgebung  des  zu  bestrahlen¬ 
den  Herdes  bedeckende  Bleiblech  und  bestrahlt  so  lange,  bis  nach 
mehrmaligem  Nachsehen  der  Reagenskörper  die  gewünschte 
Röntgenlichtmenge  anzeigt.  Eine  Tabelle  gibt  meine  bisherigen 
%  jährigen  Resultate  darüber,  welche  Röntgenlichtmengen  nötig 
sind,  um  an  verschiedenen  Körperstellen,  in  verschiedenen  Alters¬ 
stufen  auf  normale  und  entzündete  Haut  Reaktionen  vom  1.  bis 
3.  Grad  zu  erzeugen,  und  enthält  den  Vorschlag  einer  Maximal¬ 
dosis.  Es  ist  nun  für  die  Richtigkeit  der  Dosierung  gleichgiltig, 
ob  mit  gutem  oder  schlechtem  Instrumentar,  mit  viel  oder  wenig 
Geschick  gearbeitet  wird.  Diese  Momente  haben  nur  Einfluss 
auf  die  Schnelligkeit,  mit  der  die  gewünschte  Dosis  erreicht  wird. 
Der  Ungeschickte  wird  auch  fernerhin  ein  Dutzend  Sitzungen 
brauchen,  wenn  der  andere  die  volle  Dosis  in  5  Minuten  erreicht 
hat.  Leichte  Erlernbarkeit  und  Ausführbarkeit,  die  Möglichkeit 
expediativer  Applikation,  die  Unmöglichkeit  der  Ueberdosierung 
empfehlen  die  Methode.“  —  An  den  Vortrag  schloss  sich  eine 
lebhafte  Diskussion. 


Verschiedenes. 

Kalender  pro  1903. 

Aerztlicher  Taschenkalender  1903.  Heraus¬ 
gegeben  vom  Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur 
Wahrung  seiner  wirtschaftlichen  Interessen.  Leipzig,  Kom¬ 
missionsverlag  von  Otto  Rege  1,  Preis  2  M. 

Man  mag  über  den  Leipziger  Verband  denken  wie  man  will, 
das  eine  muss  auch  der  unentwegteste  Pessimist  zugeben,  dass 
die  Vorstandschaft  des  Verbandes  eine  Rührigkeit  entfaltet,  die 
alle  Anerkennung  verdient.  Neben  mehreren  Agitationsschriften 
hat  der  Vorstand  schon  vor  einiger  Zeit  eine  „Oekonomische 
Arznelverordnuug“  herausgegeben,  und  heute  liegt  der  oben¬ 
genannte  Kalender  vor,  der  eine  vollständige  Neuerung  auf  dem 
Gebiete  der  medizinischen  Kalender  darstellt.  Neben  dem 
üblichen,  in  4  Hefte  eingeteilten  und  in  einer  bequemen  Mappe 
untergebrachten  Tageskalender  bietet  er  in  einem  besonderen  Heft 
eine  Reihe  von  Abhandlungen,  die  grösstenteils  in  das  Gebiet  der 
sozialen  Medizin  fallen.  Wir  finden  übersichtlich  zusammen¬ 
gestellt  alle  für  die  Ausübung  der  Heilkunde  wichtigen  Gesetzes¬ 
paragraphen,  ferner  die  Hauptbestimmungen  des  Kranken-,  Un¬ 
fall-  und  Invalidenversicherungsgesetzes,  wir  erhalten  wertvolle 
Anleitungen  für  die  Ausstellung  von  Zeugnissen,  für  das  Ein¬ 
gehen  von  Versicherungen  u.  dergl.  Einen  ganz  ausgezeichneten 
Abschnitt  stellt  die  kurze,  aber  um  so  inhaltreichere  Abhandlung 
„Winke  für  die  Praxis“  dar.  Es  ist  dem  Ref.  bekannt,  dass  in 
verschiedenen  Vereinen  schon  die  Herausgabe  eines  Werkchens 
geplant  ist,  das  den  jungen  Aerzten  bei  dem  Eintritt  in  die  Praxis 
übergeben  werden  sollte.  Hier  haben  wir  ein  solches  Werk  in  aller 
Kürze,  das  mit  Leichtigkeit  weiter  ausgearbeitet  werden  kann. 
Dasselbe  verdiente  jedem  approbierten  Arzte  nach  dem  Staats¬ 
examen  übergeben  zu  werden. 

Der  Kalender  sei  allen  Kollegen  aufs  wärmste  empfohlen. 
Bei  dem  niedrigen  Preise  von  2  M.  scheint  ihm  eine  weite  Ver¬ 
breitung  sicher.  K  r  e  c  k  e. 

Therapeutische  Notizen. 

Als  trockene  Malzextrakte  stellt  Dr.  Brunnen¬ 
gräber-  Rostock  Malzpräparate  dar,  die  vor  den  flüssigen  Ex¬ 
trakten  den  grossen  Vorzug  der  unbegrenzten  Haltbarkeit  und 
grössten  Sauberkeit  haben.  Das  trockene  Malzextrakt  an  sich  ist 
ein  konzentriertes  Nährmittel,  es  enthält  ca.  93  Proz.  Kohlehydrate 
in  löslicher  Form  und  ca.  5  Proz.  leicht  verdauliches  Eiweiss,  ein 
Tlieelöffel  voll  enthält  demnach  ca.  16  Kalorien  leicht  nutzbaren 
Nährmateriales,  ein  Esslöffel  etwa  60  Kalorien.  Ausser  dem  reinen 
trockenen  Malzextrakt  werden  auch  Malzextrakte  mit  Eisen, 
Chinin  und  Eisen,  phosphorsaurem  und  milchphosphorsaurem 
Kalk,  Pepton  und  Pepsin  hergestellt,  ferner  auch  ein  solches  mit 
2  proz.  H  ä  m  o  1,  dessen  Wirkung  durch  das  leicht  verdauliche  und 
•durch  seinen  Diastasegehalt  die  Verdauung  unterstützende  Nähr¬ 


präparat  wesentlich  gefördert  wird.  Audi  ein  Präparat  mit  50 
und  25  proz.  Lebertrangehalt  wird  neuerdings  hergestellt.  (Deutsch. 
Aerzte-Zeitung  1902,  Heft  19.)  R.  S. 

•-  |i 

Gegen  Naclitscliweisse  der  Phthisiker  bewährte 
sich  in  der  II.  med.  Klinik  zu  Ofen-Pest  das  Guacamphol.  Das¬ 
selbe  übertrifft  in  der  Sicherheit  der  Wirkung  wie  in  der  voll¬ 
kommenen  Unschädlichkeit  alle  übrigen  Mittel  dieser  Art,  die  Wir¬ 
kung  kommt  schon  nach  der  ersten  Gabe  zu  stände  und  besteht  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  nach  5— 10  tägigem  Gebrauch  und  nach 
Aussetzen  des  Mittels  noch  2 — 3  Wochen  hindurch.  Sicherer  Effekt 
ist  schon  mit  0,2— 0,3  (Abends  in  Pulverform  gegeben)  zu  erreichen, 
(loch  kann  die  Dosis,  wenn  nötig,  bis  zu  0,5 — 1,5  gesteigert  werden. 
Der  Preis  des  Mittels  ist  nicht  hoch.  (v.  Ketly:  Klinische  Er¬ 
fahrungen  über  Guacamphol.  Die  Heilkunde  1902,  No.  10.)  R.  S. 


Tagesgeschiclitliche  iNotizen. 

München,  11.  November  1902. 

—  Eine  Bekanntmachung  des  Reichskanzlers  vom  22.  Oktober 
1.  J .  erlässt  neue  Bestimmungen  betr.  die  Einrichtung  und 
den  Betrieb  der  Rosshaar  Spinner  eien,  Haar- 
und  Bo  rstenzuric  fiter  eien,  sowie  der  Bürsten- 
u  n  d  Pinselmachereien.  Hiernach  müssen  alle  in  sol¬ 
chen  Anlagen  zur  Verarbeitung  kommenden,  aus  dem  Auslande 
stammenden  Pferde-,  Rinder-  und  Ziegenhaare,  Schweinsborsten 
und  Schweinswolle  vorschriftsmässig  desinfiziert  sein.  Die  Des¬ 
infektion  muss  nach  Wahl  des  Betriebsunternehmers  geschehen, 
entweder:  1.  durch  mindestens  y2  stündige  Einwirkung  strömen¬ 
den  Wasserdampfes  unter  einem"  Ueberdrucke  von  0,15  Atmo¬ 
sphären,  oder  2.  durch  mindestens  y4  ständiges  Kochen  in  2  proz. 
Kaliumpermanganatlösung  mit  nachfolgendem  Bleichen  mittels 
3  bis  4  proz.  scliwefeliger  Säure,  oder  3.  durch  mindestens  2  stän¬ 
diges  Kochen  in  Wasser.  Ausnahmen  können  zugestanden  werden 
für  solche  Materialien,  welche  durch  die  Desinfektion  erheblich 
beschädigt  würden  und  für  solche,  welche  bereits  im  Auslande 
eine  Behandlung  erfahren  haben,  welche  als  der  vorschriftsmäs- 
sigen  inländischen  Desinfektion  gleichwertig  anzusehen  ist. 
Jugendliche  Arbeiter  dürfen  zur  Desinfektion  nicht  verwendet 
werden,  ebenso  Arbeiter  mit  wunden  Hautstellen,  insbesondere 
an  Hals,  Gesicht  und  Händen.  Weitere  Vorschriften  betreffen  die 
Aufbewahrung  nielitdesinfizierten  Materials,  die  Verhütung  der 
Staubbildung,  die  hygienische  Ausstattung  der  Arbeitsräume,  die 
Kleidung  und  Reinigung  der  Arbeiter  etc. 

—  Für  das  Grossherzogtum  Baden  ist  unterm  11.  August  1.  J. 
ein  die  Erziehung  und  den  Unterricht  nicht  voll¬ 
sinniger  Kinder  regelndes  Gesetz  veröffentlicht  worden. 

—  Das  Komitee  für  Krebsforschung  leitet  eine 
weitere  Sammelforschung  in  denjenigen  Gegenden  Deutschlands  in 
die  Wege,  wo  anscheinend  nach  dem  Ergebnisse  der  ersten  Um¬ 
frage  besonders  zahlreiche  Krebserkrankungen  Vorkommen.  Die 
Aussendung  der  Fragebogen  wird  demnächst  erfolgen.  Ausserdem 
sollen  in  einzelne  dieser  Gegenden  Aerzte  gesendet  werden,  um 
dort  eigene  Studien  anzustellen. 

—  Zur  Errichtung  wirtschaftlicher  Frauen- 
schulen  a  u  f  d  e  m  Lande  wird  uns  geschrieben:  „Ein  für  die 
gesundheitliche  Entwicklung  der  heranwachsenden  Frau  wichtiges 
Unternehmen  bereitet  der  Verein  für  wirtschaftliche  Frauen¬ 
schulen  auf  dem  Lande  vor.  Mit  der  Ausbildung  der  Frau  auf 
dem  Gebiete  der  gesamten  Hauswirtschaft  und  Küche  beabsichtigt 
derselbe  die  Tätigkeit  im  Garten,  iu  Geflügelzucht  und  am  Bienen¬ 
stände  zu  verbinden.  Durch  die  Verlegung  der  für  junge  Mädchen 
gebildeter  Stände  bestimmten  Schule  auf  das  Land  vereinigt  die¬ 
selbe  verschiedene  Faktoren,  welche  die  körperliche  Entwicklung 
der  jungen  Mädchen  aufs  günstigste  zu  beeinflussen  in  der  Lage 
sind.  In  einer  Versammlung  in  München  am  19.  November,  Abends 
8  Uhr  im  Schlachtensaal  des  Cafe  Luitpold  sollen  die  Ziele  und 
die  Einrichtung  der  Schule  näher  dargelegt  werden.  Herr  Hof  rat 
Dr.  May  hat  hierzu  das  erste  Referat:  „Die  wirtschaftliche 
Frauenschule  vom  ärztlichen  Standpunkt“,  übernommen.  Im 
Interesse  einer  gesunden,  körperlichen  Entwickelung  der  Frau 
glaubt  der  Verein  auf  die  tatkräftige  Unterstützung  aller  ärztlichen 
Kreise  rechnen  zu  dürfen.“ 

— -  Das  vom  Verein  zur  Unterstützung  invalider,  hilfsbedürf¬ 
tiger  Aerzte  in  Bayern  unter  Mitwirkung  der  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereine  und  der  bayerischen  Aerzte  überhaupt  errichtete  Grab¬ 
denkmal  für  den  verstorbenen  Medizinalrat  Dr.  Aub  wurde 
Ende  vor.  Mts.  enthüllt.  Das  von  Prof.  Wade  r  e  künstlerisch  aus¬ 
geführte  Denkmal  findet  allgemeinen  Beifall. 

—  Dem  bekannten  Homöopathen  Dr.  Volbeding,  der  eine 
mehrjährige  Gefängnisstrafe  soeben  verbüsst  hat,  wrar  auch  die 
ärztliche  Approbation  entzogen  worden,  da  er  wegen  gröblicher 
Verletzung  der  ärztlichen  Standespflichten  nicht  mehr  für  würdig 
gehalten  wurde,  dem  Stande  der  Aerzte  anzugehören.  Gegen  diese 
Entscheidung  legte  V.  Berufung  ein.  Das  Oberverwaltungs¬ 
gericht  bestätigte  jedoch  die  Vorentscheidung.  9 

—  In  dem  Einweisungsverfahren  des  städtischen  Sana¬ 
toriums  Harlaching  bei  München  ist  eine  begrüssenswerte 
Aenderung  getroffen  worden.  Während  bisher  Kranke,  welche 
daselbst  aufgenommen  zu  werden  wünschten,  sich  vorher  in  eines 
der  städtischen  Krankenhäuser  aufnehmen  lassen  mussten,  ist 
jetzt  direkte  Aufnahme  zulässig,  wenn  sich  selbe  einer  Vorunter¬ 
suchung  im  medizin. -klinischen  Institut  oder  in  der  medizinischen 
Poliklinik  des  Reisingerianums  unterziehen  und  von  diesen  Stellen 


1904 


MtTENCIIENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIE?. 


No.  48. 


als  zur  direkten  Aufnahme  geeignet  befunden  wurden.  Das  Ein- 
weisungsverfaliren  ist  nunmehr  identisch  mit  dem  für  die  Volks¬ 
heilstätte  Planegg-Krailling  üblichen. 

—  Prof.  Albert  Länderer,  bisher  chirurgischer  Oberarzt 
des  Olgakrankenhauses  in  Stuttgart,  wurde  zum  Direktor  des 
neuen  Krankenhauses  in  Schöneberg  ernannt. 

—  Cholera.  Itusslind.  Im  Amurbezirke  vom  12.  bis  17.  Ok¬ 
tober  32  Erkrankungen.  —  Türkei.  In  Syrien  war  Mitte  Oktober 
die  Cholera  hauptsächlich  in  den  Ortschaften  Gaza  und  Lydda, 
sowie  in  deren  Umgebung  verbreitet.  Aus  Gaza  wurden  für  die 
Zeit  vom  12.  bis  IG.  Oktober  138  Choleratodesfälle  gemeldet,  vom 
17.  Oktober  30  Erkrankungen,  vom  18.  bis  22.  Oktober  198  Todes¬ 
fälle;  in  Lydda  sind  vom  14.  bis  22.  Oktober  102,  in  zwei  na,he 
bei  Gaza  gelegenen  Ortschaften  8  Choleratodesfälle  zur  Anzeige 
gelangt.  In  Jaffa  sind  bis  zum  19.  Oktober  vereinzelte  Erkrank¬ 
ungen  beobachtet,  am  20.  Oktober  wurde  ein  Todesfall,  am  folgen¬ 
den  Tage  eine  Erkrankung  an  der  Cholera  angezeigt.  In  Ilodeida 
wurden  zufolge  einer  Mitteilung  vom  16.  Oktober  täglich  20  Cho¬ 
lerafälle  festgestellt;  vom  6.  bis  9.  Oktober  waren  daselbst  angeb¬ 
lich  32  Erkrankungen  (und  2S  Todesfälle)  vorgekommen,  vom 
9.  bis  12.- Oktober  23  (21).  In  Medina  kamen  am  27.  und  28.  Sep¬ 
tember  18,  vom  29.  September  bis  2.  Oktober  3  Choleratodesfälle 
zur  Anzeige.  —  Aegypten.  Vom  14.  bis  zum  20.  Oktober  zeigte  sich 
nur  ein  geringer  Nachlass  der  Epidemie;  nach  dem  amtlichen  Be¬ 
richte  kamen  in  dieser  Woche  685  neue  Erkrankungen  und 
622  Todesfälle  an  der  Cholera  zur  Anzeige,  von  letzteren  hatten 
sich  147  in  den  Krankenhäusern  und  475  ausserhalb  derselben 
ereignet.  Auf  Kairo  entfleleu  15  neue  Fälle  (darunter  11  Todes¬ 
fälle  ausserhalb  des  Hospitals),  auf  Alexandrien  67  (48).  Vom 
20.  bis  24.  Oktober  wurden  aus  ganz  Aegypten  nacheinander  87, 
89,  60,  51  neue  Erkrankungen  und  70,  74,  48,  44  Todesfälle  an  der 

Cholera  gemeldet.  .  ^  „ 

_  Pest.  Türkei.  In  Galata  ist  am  25.  Oktober  ein  Pestfall 
festgestellt  worden.  —  Britisch-Ostindien.  In  der  Präsidentschaft 
Bombay  sind  während  der  am  11.  Oktober  abgelaufenen  Woche 
9553  neue  Erkrankungen  (und  7165  Todesfälle)  an  der  Pest  zur 
Anzeige  gelangt,  darunter  119  (103)  in  der  Stadt  Bombay  und  17  (9) 
in  der  Stadt  und  dem  Hafen  von  Karachi.  —  Vereinigte  Staaten 
von  Amerika.  Aus  San  Franzisko  sind  in  der  Zeit  vom  1.  bis 
26.  September  8  tödlich  verlaufene  Pestfälle  gemeldet. 

_ _  in  der  43.  Jahreswoche,  vom  19. — 25.  X.  1902,  hatten  von 

deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Augsburg  mit  26,7,  die  geringste  Bielefeld  mit  6,9  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Masern  in  Augsburg,  an  Scharlach  in  Altona,  Königshütte, 
an  Diphtherie  und  Krupp  in  Königsberg.  V.  d.  K.  G.-A. 

_  Während  der  jüngsten  Konferenz  des  internationalen 

Zentralbureaus  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  Berlin  wurde 
auch  ein  „Tageblatt“  ausgegeben,  das  in  drei  Sprachen,  deutsch, 
französisch  und  englisch  erschien.  D.as  dabei  geleistete  Englisch 
ruft  den  Spott  der  englischen  Fachpresse  hervor.  „English  as 
she  is  spoke“,  höhnt  das  Brit.  med.  Journ.;  „ein  Muster  von 
Englisch,  wie  es  wohl  in  keinem  anderen  Lande  erreicht  werden 
dürfte“.  Die  von  dem  englischen  Fachblatte  den  Veranstaltern 
dieses  dreisprachigen  Tageblatts  erteilte  Lektion  ist  wohlverdient. 
Weder  in  Paris  noch  in  London  würde  es  jemandem  einfallen, 
ein  derartiges  Blatt  in  einer  anderen  als  der  Landessprache  er¬ 
scheinen  zu  lassen;  nur  in  Deutschland  ist  eine  so  geringe  Ein¬ 
schätzung  der  eigenen  Muttersprache  möglich,  dass  man  bei  den 
Besuchern  einer  internationalen  Veranstaltung  nicht  wenigstens  so 
viel  Kenntnis  derselben  voraussetzt,  als  zum  Lesen  der  Notizen 
eines  Tageblattes  hinreicht.  Spott  und  Hohn  ist  immer  der  Dank, 
wenn  Deutsche  aus  übertriebenem  Entgegenkommen  gegen  Fremde 
_ oder  um  mit  ihren  Sprachkenntnissen  zu  kokettieren  —  in  frem¬ 
der  Sprache  schreiben.  Das  möchten  sich  doch  auch  die  deutschen 
Verleger  und  Mitarbeiter  internationaler  Archive  gesagt  sein  lassen. 

_  Mercks  Index,  von  dem  soeben  die  2.  Auflage  er¬ 
schienen  ist,  soll,  wie  das  Vorwort  sagt,  als  Erläuterung  zu  den 
Preislisten  der  Firma  dienen;  in  der  Tat  bietet  das  Buch  viel  mehr, 
nämlich  ein  sehr  vollständiges  Verzeichnis  aller,  auch  der  neuesten 
Arzneimittel,  mit  kurzen  pharmakologischen  Bemerkungen,  An¬ 
gabe  der  Indikationen,  Dosen  etc.  Zur  bequemen  Orientierung  in 
dem  Labyrinth  der  modernsten  Pharmakopoe  dürfte  kein  anderes 
Hilfsmittel  so  geeignet  sein,  als  Mercks  Index. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Prof.  Friedrich  K  r  a  u  s,  bisher  in  Graz,  der  als 
Karl  Gerhardts  Nachfolger  den  zweiten  ordentlichen  Lehr¬ 
stuhl  der  inneren  Medizin  an  der  hiesigen  Universität  übernommen 
hat,  ist  bei  Antritt  seines  neuen  Amtes  zum  Geheimen  Medizinal¬ 
rat  ernannt  worden. 

Bonn.  Habilitiert:  Dr.  Liniger,  Oberarzt  am  Kranken¬ 
hause  der  Barmherzigen  Brüder,  für  Chirurgie  (Unfallheilkunde), 
Dr.  Förster  für  Psychiatrie  und  Dr.  R.  Finkelnburg  für 
innere  Medizin. 

B  r  e  s  1  a  u.  Zum  Nachfolger  des  nach  Heidelberg  berufenen 
Prof.  Dr.  Kümmel  ist  Privatdozent  Dr.  Hinsberg  aus  Königs¬ 
berg  berufen  worden.  Prof.  Dr.  Hinsberg  habilitierte  sich  1901 
für  Otologie,  Rhinologie  und  Laryngologie  mit  einer  Arbeit  über 
„Labyrintlieiterun^en“.  —  Habilitiert:  Dr.  Willy  Anschütz,  1.  Assi¬ 
stent  der  Chirurg.  Klinik  für  Chirurgie.  Die  Habilitationsschrift 
lautet:  Beiträge  zur  Leberresektion.  —  Der  Geheime  Sanitätsrat 
Dr.  Gremple  r,  der  sich  durch  anthropologische  Forschungen 
einen  Namen  gemacht  hat,  ist  anlässlich  seines  50  jährigen  Doktor¬ 
jubiläums  zum  Professor  ernannt  worden.  —  Innerhalb  des  für 
das  Wintersemester  vorgeschriebenen  Termins  sind  in  der  medi¬ 


zinischen  Fakultät  50  Studierende  neu  immatrikuliert  worden. 
Die  Anzahl  der  neu  Immatrikulierten  überhaupt  beträgt  394. 

Heidelberg.  Als  Nachfolger  des  nach  Berlin  übersiedeln¬ 
den  Direktors  der  hiesigen  Ohrenklinik,  Prof.  Passow,  wurde 
Prof.  K  ü  m  m  e  1  von  Breslau  berufen. 

Kiel.  Dem  zum  ausserordentlichen  Professor  in  der  hiesigen 
medizinischen  Fakultät  ernannten  Prof.  Dr.  med.  E.  v.  Düring- 
Pascha  in  Konstantinopel  ist  das  durch  den  diesjährigen  Staats- 
haushaltetat  begründete  Extraordinariat  für  Haut-  und  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  verliehen  worden.  Prof.  v.  Düring  wird 
sein  neues  Amt  bereits  am  1.  Dezember  antreten. 

Athen.  Dr.  G.  Phokas,  Agrege  der  med.  Fakultät  zu 
Lille,  wurde  zum  Professor  der  chirurgischen  Klinik  ernannt. 

Ber  n.  Der  ordentliche  Professor  der  Staatsmedizin  Dr.  Karl 
E  m  m  ert  ist  in  den  Ruhestand  getreten. 

Lausanne.  Privatdoz.  Dr.  ßoudi  wurde  zum  a.  o.  Pro¬ 
fessor  der  Anatomie  ernannt. 

L  u  n  d.  Dr.  J.  D.  O  e  1  r  i  c  h  habilitierte  sich  für  Medizin. 

Montreal.  Dr.  T.  Parizeau  wurde  zum  Professor  der 
externen  Pathologie  an  der  Laval-Universität  ernannt. 

New-York.  Dr.  W.  B.  J  a  m  e  s  wurde  zum  Professor  der 
Medizin  am  College  of  Physicians  and  Surgeons  ernannt. 

St.  Petersb  u  r  g.  Der  Privatdozent  an  der  militär-medi¬ 
zinischen  Akademie,  Dr.  A.  J.Moisseje  w,  wurde  zum  Professor 
der  pathologischen  Anatomie  und  Histologie  ernannt. 

Warschau.  Der  ausserordentliche  Professor  der  gericht¬ 
lichen  Medizin,  Dr.  A.  Grigoriew,  wurde  zum  ordentlichen  Pro¬ 
fessor  ernannt. 

W  i  e  n.  Habilitiert:  Dr.  Oskar  Stoerck  für  pathologische 
Anatomie. 

(Todesfälle.) 

Iu  Giessen  starb  am  3.  ds.  nach  mehrjährigem  schweren 
Leiden  (Kehlkopfkarzinom)  im  Alter  von  noch  nicht  50  Jahren  der 
ausserordentliche  Professor  der  Chirurgie,  Dr.  Ferdinand  Friedr. 
F  u  h  r.  Eine  Schilderung  der  Lebensarbeit  dieses  vortrefflichen 
Arztes  und  Menschen  wird  folgen. 

Dr.  R.  A.  Monteir  o,  früher  Professor  der  medizinischen 
Klinik  zu  Bahia. 

Dr.  A.  M  a  r  a  c  c  i  n  o,  Privatdozent  der  medizinischen  Patho¬ 
logie  zu  Rom. 

Dr.  M.  J.  Asch,  Professor  der  Otologie  und  Laryngologie  au 
der  New  York  Polielinic  and  Hospital. 

Dr.  J.  B  y  r  n  e,  früher  Professor  der  Gynäkologie  am  Long 
Island  College  Hospital  zu  Brooklyn. 

Dr.  J.  W.  M  a  y,  Professor  der  Augen-  und  Ohrenheilkunde 
am  College  of  Physicians  and  Surgeons  zu  Ivansai  City. 

(Berichtigung.)  In  dem  Referat  über  den  Vortrag  des 
Herrn  G.  F  u  c  li  s  -  Biebrich:  Zur  Theorie  der  Wismuth Wirkung 
(d.  W.  No.  43,  S.  ISIS,  Sp.  2)  hat  der  Schlussatz  zu  lauten  wie  folgt: 
„Das  Wismuthsubnitrat  wird  durch  den  Kochsalz  und  freie  Salz¬ 
säure  enthaltenden  Magensaft  gelöst  und  auf  der  Wundfläche 
des  Ulcus  durch  die  organische  Substanz  zu  Wismuthoxydul  re¬ 
duziert.“ 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Edmund  Ott  in  Tegernsee 
zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in  Garmisch  und  der  prakt.  Arzt 
Dr.  Reinhard  Schmitz  in  Prien  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in 
Starnberg. 

Gestorben:  Dr.  Fritz  Löhrl,  Oberarzt  im  12.  Art.-Reg.  in 
Landau,  in  München. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  43.  Jahreswoche  vom  19.  bis  25.  Oktober  1902. 
Beteiligte  Aerzte  119.  —  Brechdurchfall  9  (IG*),  Diphtherie  u. 
Krupp  16  (5),  Erysipelas  9  (5),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
2  (2);  Kindbettfieber  —  (  — ),  Meningitis  cerebrospin.  —  ( — ), 
Morbilli  26  (18),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  1  (3),  Parotitis 
epidem.  1  ( — ),  Pneumonia  crouposa  8  (6),  Pyämie,  Septikämie 
—  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  10  (6),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 
Scarlatina  2  (6),  Tussis  convulsiva  16  (17),  Typhus  abdominalis  1 
(1),  Varicellen  9  (9),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  1  (1). 
Summa  110  (94).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  43.  Jahreswoche  vom  19.  bis  25.  Oktober  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  —  (— *)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Krupp  1  (1),  Rotlauf  —  ( — ),  Kindbettfieber  —  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  2  (1),  Brechdurchfall  3  ( — ),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  —  (4),  Kruppöse  Lungenentzündung  2  ( — ),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  19  (26),  b)  der  übrigen  Organe  7  (5),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
—  (6),  Unglücksfälle  —  (1),  Selbstmord  2  (1),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (I). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  179  (205),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,4  (21,1),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  11,1  (11,9). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwoche. 


Verlag  von  J,  E.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Oie  Münch.  Med.  Wochenschi,  erscheint  wöchentl. 
in  Nummern  ron  durchschnittlich  5  —  6  Bosen 
Preis  iu  Deutschland,  Oesterr. -Ungarn  u.  Luxemburg 
vierteljährl.  Jt  6. — ,  in  allen  übrigen  Ländern  M.  8  — 
Einzelne  No.  80 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren:  Fiii  die  Reduktlo:. 
Arnulf, str.  26  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr.  - 
Für  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Hcustr  20.  - 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse, 
Promenadeplatz  16 


MEDICINISCHE  W0CHENSCHR1  FT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

D. ».  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Boifinger,  H.  Curschmann,  W.  1.  Leute,  G.  Merkel,  J. ».  Michel,  F.  Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  ».  Wi 

München.  Frelhnra-  i  R  Miinehon  I  „•  .  .....  . 

ncnen.  Leipzig,  Wurzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen.  München. 


München. 


No.  46.  18.  November  1902, 


Redaktion :  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  P.  Lehmann,  Heustrasse  2U. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  pathologisch-anatomischen  Universitätsinstitut  in  Wien 
(Vorstand :  Prof.  Weichselbaum). 

Ueber  Serumagglutinine. 

Von  Dr.  Karl  Landsteiner. 

Eine  der  bemerkenswertesten  Eigentümlichkeiten  der  Im¬ 
munitätserscheinungen  isit  die  Spezifität  der  Resistenz  immuni¬ 
sierter  Tiere  gegen  bestimmte  Schädlichkeiten  und  die  Art  der 
Reaktion  der  Körpersäfte  von  Tieren  gewissen  Stoffen  gegenüber, 
dann,  wenn  diese  einige  Zeit  vorher  in  den  tierischen  Organismus 
schon  aufgenommen  und  in  ihm  verarbeitet  worden  waren. 

Das  Auftreten  solcher,  im  normalen  Zustande  nicht  nach¬ 
weisbarer  spezifischer  Reaktionen  könnte  offenbar  in  zweifacher 
Weise  erfolgen,  entweder  so,  dass  die  spezifisch  reagierenden  Sub¬ 
stanzen  schon  vor  der  Immunisierung  oder  Vorbehandlung  im 
Organismus  in  irgend  einer  Form  vorhanden  sind,  aber  etwa  in 
geringerer  Menge  als  nachher,  oder  derart,  dass  sie  durch  den 
Immunisierungsakt  erst  neu  entstehen. 

Beide  möglichen  Annahmen  wurden  für  wirklich  zutreffend 
gehalten ;  die  erste  namentlich  in  der  F orm,  dass  man  meinte, 
es  würden  eingeführte  Substanzen,  z.  B.  toxischer  Natur,  durch 
die  Einwirkung  der  tierischen  Zellen  und  Flüssigkeiten  in  irgend¬ 
welcher  Weise  umgeformt,  so  dass  die  neu  entstandenen  Stoffe 
besondere  Wirkungen  auf  die  primär  eingeführten  Substanzen, 
z.  B.  die  Wirkung  von  Gegengiften,  entfalten  können.  Diese  An¬ 
nahme  würde  leicht  einen  wichtigen  Punkt,  nämlich  die  Spezifi¬ 
tät  der  Immunstoffe  erklären,  da  sie,  in  dieser  Art  entstanden, 
ein  spezifisches  Element,  und  zwar  den  ursprünglich  eingeführten 
Stoff  oder  ein  Derivat  desselben  enthalten  würden  und  somit  in 
jedem  Falle  ein  besondere  Zusammensetzung  notwendig  besitzen 
müssten.  Es  stehen  aber  die  Ergebnisse  einer  Anzahl  von  Ex¬ 
perimenten  damit  in  Widerspruch,  z.  B.  solcher,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  zwischen  der  Menge  des  eingeführten  Giftes 
und  des  entstandenen  Antitoxins  keine  gesetzmässige  Beziehung 
besteht. 

Die  zweite  mögliche  Ansicht,  dass  die  Immunstoffe  von  vorn¬ 
herein  im  Körper  vorgebildet  seien,  dass  aber  ihre  Wirkung  erst 
nach  einer  Vorbehandlung  durch  Anreicherung  der  Stoffe  im 
Organismus  deutlich  zutage  tritt,  wird  namentlich  von  Ehr¬ 
lich  vertreten.  Nach  der  Annahme  von  Ehrlich  sind  im 
normalen  Blutserum  Substanzen  enthalten,  die  in  ihrem  Ver¬ 
halten  den  Immunstoffen  entsprechen,  und  die  nichts  anderes 
sind,  als  aus  den  Körperzellen  abgelöste  Stoff teilclien.  Von 
den  normal  in  den  Zellen  vorhandenen,  mit  dem  Protoplasma 
verbundenen  Komplexen  (Seitenketten)  würden  diejenigen,  die 
zu  den  eingeführten  Substanzen  Verwandtschaft  besitzen,  bei  der 
Immunisierung  chemisch  gebunden,  funktionell  ausgeschaltet 
und  dadurch  die  Zelle  zu  einer  gesteigerten  Produktion  und  Ab- 
stossung  der  Komplexe  in  der  Art  einer  übermässigen  Regene¬ 
ration  angeregt. 

Sind  demnach  die  Immunstoffe  nichts  anderes  als  normale, 
im  Ueberschuss  gebildete  Substanzen,  so  bleibt  zu  erklären,  wie  es 
möglich  ist,  dass  sie  in  hohem  Grade  spezifische  Wirkungen  aus¬ 
zuüben  vermögen. 

Zur  Beantwortung  dieser  Frage  war  es  nötig,  die  Beschaffen¬ 
heit  der  wirksamen  Stoffe  in  den  Normalseris  möglichst  genau 

No.  46. 


zu  ermitteln.  Man  trachtete,  dieses  Ziel  mit  Hilfe  von  Ab¬ 
sorptionsversuchen  zu  erreichen,  aus  deren  Resultaten  meist  der 
Schluss  gezogen  wurde,  dass  schon  das  normale  Serum  eine  an¬ 
scheinend  grosse  Menge  spezifisch  reagierender  Stoffe  enthält. 

Bordet1)  teilte  die  ersten  Ergebnisse  dieser  Art  mit.  Er 
versetzte  normales  Pferdeserum  mit  einer  Aufschwemmung  von 
Choleravibrionen  und  konstatierte  deren  Agglutination,  trennte 
dann  die  Flüssigkeit  durch  Zentrifugieren  von  den  Bakterien 
und  fand,  dass  sie  nicht  mehr  Choleravibrionen,  wohl  aber  kräftig 
Typhusbazillen  agglutinierte.  Die  Versuche  konnten  mit  ana¬ 
logem  Resultat  in  umgekehrter  Richtung  ausgeführt  werden. 
Bordet  schloss  deshalb  auf  das  Vorhandensein  zweier  diffe¬ 
renter  agglutinierender  Substanzen  und  meinte,  dass  die  Spezifi¬ 
tät  der  Agglutinine,  die  sich  ausgesprochen  im  Serum  immuni¬ 
sierter  Tiere  zeige,  im  Keime  schon  normaler  Weise  vorhanden 
zu  sein  scheine.  So  wäre  denn  anzunehmen,  dass  bei  der  Im¬ 
munisierung  gegen  ein  Bakterium  ein  spezifisches  Agglutinin, 
das  schon  vorher  in  geringen  Mengen  im  Serum  existierte,  viel 
reichlicher  gebildet  würde.  Später  hat  freilich  Bordet  selbst 2) 
gegen  diese  Folgerung  aus  den  Ergebnissen  der  Methode  Ein¬ 
wände  erhoben  (s.  unten). 

In  ähnlicher  Weise  brachte  Bail3)  abgetötete  Bakterien 
einer  Art,  nachher  lebende  verschiedenartige  Bakterien  mit 
frischem,  normalem  Serum  zusammen  und  fand,  dass  die  bak¬ 
terizide  Wirkung  des  Serums  in  höherem  Masse  für  die  zuerst 
verwendeten  Bakterien  abnehme  als  für  andere  Arten;  wenn  aber 
Bail  grössere  Mengen  einer  Art  abgetöteter  Bakterien  an¬ 
wendete,  so  erhielt  er  eine  Aufhebung  der  bakteriziden  Serum¬ 
wirkung  für  die  verschiedensten  Arten  von  Mikrobien.  Deshalb 
deutete  er  die  Experimente  in  der  Weise,  dass  die  Mikrobien  in 
Bezug  auf  die  Beeinflussung  des  Serums  sich  nur  quantitativ, 
nicht  qualitativ  verschieden  verhalten. 

Die  Versuche  von  Bail  sind  für  die  Ermittlung  der  Be¬ 
ziehungen  zwischen  den  spezifischen  Immunstoffen  und  dem 
normalen  Serum  nicht  direkt  verwertbar,  weil  bei  ihnen  ausser 
dem  hitzebeständigen  Anteil  der  Serumwirkung  auch  die  mit  den 
spezifischen  Immunkörpern  in  keiner  erkannten  Beziehung 
stehenden  labilen  Anteile  das  Ergebnis  beeinflussen.  In  diesem 
Punkte  differiert  die  V ersuchsanordnung  Bails  von  dem  Plane 
der  besprochenen  Experimente  B  o  r  d  e  t  s  und  den  noch  zu  er¬ 
wähnenden  Versuchen  anderer  Autoren. 

M  a  1  k  o  f  f  4)  f  iih  rte  unter  der  Leitung  von  Wasser¬ 
mann  eine  Reihe  von  Experimenten  über  die  Beschaffenheit 
der  normalen  Serumagglutinine  aus  und  verwendete  dabei 
wieder  die  Absorptionsmethode.  Er  kam  zu  dem  Resultate,  dass 
das  normale  Ziegenserum  eine  Reihe  von  Substanzen  enthält, 
welche  in  Bezug  auf  das  Blut  anderer  Tiere  eine  spezifisch  ag¬ 
glutinierende  Wirkung  ausüben.  „Demnach  handelt  es  sich  bei 
dem  Agglutinationsvorgang  des  normalen  Serums,  das  ver¬ 
schiedene  Blutarten  gleichzeitig  agglutiniert,  nicht  etwa  um  ein 
einziges  Agglutinin,  das  gleichzeitig  auf  verschiedene  Blutarten 
wirkt,  sondern  vielmehr  um  das  gleichzeitige  Vorkommen  ver¬ 
schiedener  spezifischer  Agglutinine  in  dem  Serum,  von  denen  jedes 


*)  Ann.  de  l’Inst.  Pasteur  1899,  p.  248. 

")  Ann.  de  l’Inst.  Pasteur  1901,  p.  318. 

3)  Archiv  f.  Hygiene  1899.  Siehe  auch  die  Versuche  von 

Nissen:  Zeitschr.  f.  Hygiene  1889. 


1 


f 


1906 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


.  .  .  seine  spezifische  Affinität  zu  den  betreffenden  Blutkörper¬ 
chenarten  hat.“ 

„In  einem  normalen  Serum,  das  verschiedene  Zellen  gleich¬ 
zeitig  agglutiniert,  existieren  soviele  spezifische  Agglutinine,  als 
das  Serum  verschiedene  Spezies  von  Zellen  agglutiniert.“ 

Aehnliche  Versuchsanordnungen  wurden  von  Ehrlich  und 
Mo  r  genrot  h  verwendet 5),  um  die  normalen  Lysine  des  Blut¬ 
serums  zu  untersuchen.  Auch  E.  und  M.  nehmen  an,  „dass  einem 
normalen  Serum,  welches  mehrere  Bakterienarten  agglutiniert, 
durch  Behandlung  mit  einer  dieser  Bakterienspezies  das  ent¬ 
sprechende  Agglutinin  isoliert  entzogen  werden  kann  (Bordet) 
und  dass  dasselbe  für  die  Hämagglutinine  gilt  (M  a  1  k  o  f  f)“  6). 

N  eisser7)  hatte  ähnliche  Ergebnisse  bei  dem  V ersuche 
der  Trennung  hämolytischer  und  bakteriolytischer  Stoffe  des 
Serums. 

Pfeiffer8)  kam  zu  dem  Resultat  einer  Vielheit  der  anti¬ 
bakteriellen  Stoffe  des  normalen  Serums.  Nach  seiner  Meinung 
ist  die  spezifische  Differenz  der  normalen  Schutzstoffe  gegen 
Cholera-  und  Typhusbakterien  immerhin  verständlich,  während 
die  einigemal  von  ihm  gefundene  Spezifität  der  Serumstofife 
auch  für  nahe  verwandte  Vibrionen  sehr  auffällig  sei.  Eine  un¬ 
absehbare  Menge  vorgebildeter  spezifisch  verschiedener  Ambo¬ 
zeptoren  sollte  nach  Pfeiffer  erst  angenommen  werden,  wenn 
jede  andere  Erklärungsmöglichkeit  ausgeschlossen  sei.  Auf 
diesen  Punkt  macht  mit  Nachdruck  Grub  er9)  aufmerksam. 
Pfeiffer  meint,  dass  im  Serum  für  viele  verwandte  Arten 
nur  je  ein  differenter  Zwischenkörper  existiere.  Von  der  defini¬ 
tiven  Entscheidung  dieser  Frage  hänge  es  ab,  ob  man  die  Im¬ 
munkörper  als  identisch  mit  den  normalen  Serumstoflfen  be¬ 
trachten  solle. 

Landsteiner  und  S  t  u  r  1  i  10)  haben  Absorptionsver- 
s-uche  mit  normalem  Serum  ausgeführt  und  dabei  die  Absorption 
mit  einer  grossen  Zahl  von  Blutkörperchen  vorgenommen.  Da 
sich  bei  diesen  Versuchen  nach  der  üblichen  Betrachtungsweise 
die  Existenz  spezifischer  Agglutinine  im  normalem  Serum  selbst 
für  nahe  verwandte  Zellarten  herausgestellt  haben  würde,  so 
schien  es  nötig,  noch  einmal  auf  die  Bedenken  hinzuweisen,  die 
Bordet  u.  a.  gegen  die  Sicherheit  der  Verwertung  von  Absorp¬ 
tionsversuchen  zur  Trennung  verschiedener  Substanzen  geäussert 
hatten,  namentlich  auf  die  Möglichkeit  der  Beeinflussung 
des  Serums  durch  die  zugeführten  Blutkörperchen.  Bordet 
hatte  noch  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  auch  die  Ver¬ 
schiedenheit  der  Affinitäten  der  in  das  Serum  eingeführten  Stoffe 
zu  den  Bestandteilen  des  Serums  möglicherweise  eine  Multi- 
plizität  der  Serumsubstanzen  vortäuschen  könnte.  Die  Arbeit 
von  L.  und  St.  kam  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  bisher  ausgeführten 
Versuche  die  Existenz  zahlreicher  spezifisch  wirkender  Stoffe  im 
normalen  Serum  nicht  beweisen.  Trotzdem  sei  es  nicht  unwahr¬ 
scheinlich,  dass  die  wirksamen  Substanzen  des  Serums  Reihen 
nicht  spezifischer  Körper  wären,  da  selbst  bei  so  einfach  gebauten 
Bestandteilen  des  tierischen  Körpers,  wie  den  Fetten,  eine  nicht 
unbeträchtliche  chemische  Mannigfaltigkeit  vorgefunden  wird. 
In  dem  Falle  des  Vorkommens  vielfacher,  aber  nicht  spezifisch 
wirkender  Substanzen  im  Serum  würden  die  einzelnen  wirksamen 
Körper  oder  Gruppen  dieser  mit  zugefügten  Stoffen  diffe¬ 
rent  reagieren  können.  Es  wurde  auch  die  Bemerkung 
gemacht,  dass  durch  passende  Kombination  der  verschiedenen 
normalen  Stoffe  Gemische  mit  spezifischer  Wirkung  entstehen 
könnten. 

Da  nun  die  bisher  ausgeführten  Untersuchungen  kein  ab¬ 
schliessendes  Urteil  über  die  Beschaffenheit  des  normalen  Serums 
gestatten,  habe  ich  die  agglutinierenden  Substanzen  derart  unter¬ 
sucht,  dass  ich  nicht  den  nach  der  Agglutination  im  Serum  ver¬ 
bleibenden  Rest,  sondern  den  an  den  agglutinierten  Zellen  haf¬ 
tenden  Anteil  prüfte  u). 

Wurden  Blutkörperchen  mit  Abrinlösung  agglutiniert,  mit 
viel  physiologischer  Kochsalzlösung  gewaschen,  bis  die  Wascli- 
flüssigkeit  nur  sehr  wenig  oder  gar  nicht  agglutinierend  wirkte, 

4)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  p.  229. 
c)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1900,  p.  682/3. 

°)  Siehe  auch  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901,  p.  915. 

7)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1900,  p.  790. 
s)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901,  p.  834. 

•)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901. 

,n)  Wien.  klin.  Wochenschr.  1902. 

ll)  Wien.  klin.  Rundschau  1902,  No.  40. 


so  konnten  durch  Digestion  der  Körperchen  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  bei  50 9  kräftig  agglutinierende  Lösungen  ge¬ 


wonnen  werden. 

Ein  ganz  ähnliches  Resultat  gab  der  Versuch,  wenn  er  statt 
mit  Abrin  mit  normalem  oder  Immunserum  ausgeführt  wurde. 
Es  ist  zu  erwähnen,  dass  die  zum  Waschen  der  Bodensätze  be¬ 
nützten  Kochsalzlösungen  meist  geringe  nachweisbare  Mengen 
von  Agglutinin  enthalten,  so  dass  vielleicht  schon  bei  gewöhn¬ 
licher  Temperatur  die  Verbindung  von  Zellen  und  agglutinie¬ 
render  Substanz  sich  zerlegt,  nur  in  geringerem  Masse  als  bei 
höherer  Temperatur.  Auch  ist  zu  bemerken,  dass  manches  Mal 
ganz  geringe  agglutinierende  Wirkungen  dann  beobachtet 
werden,  wenn  Blutkörperchen  allein  mit  Kochsalzlösungen  in 
der  Wärme  digeriert  werden u),  und  es  ist  deshalb  notwendig, 
entsprechende  Kontrollversuche  anzustellen.  Freilich  sind  die 
Extrakte  von  agglutinierten  Körperchen  von  ungleich  stärkerer 
Wirkung. 

In  der  beschriebenen  Weise  wurden  in  einem  als  Beispiel  an¬ 
zuführenden  Versuche  einerseits  gewaschene  Tauben-,  andrerseits 
Gansblutkörperchen  mit  einem  grossen  Ueberschuss  von  auf  55° 
erhitztem  Rinderserum  zusammengebracht  (50  Tropfen  einer  dichten 
Blutaufschwemmung  auf  50  ccm  Rinderserum.)  (Das  Serum  selbst 
agglutinierte  eine  für  die  späteren  Proben  verwendete  Auf¬ 
schwemmung  von  Gans-,  Tauben-  und  Kaninchenblut  noch  deut¬ 
lich  im  Verhältnisse  0,1:10,  nicht  mehr  in  einem  Verhältnisse  von 
0,01:1.)  Nachdem  in  der  Kälte  starke  Verklumpung  erfolgt  war, 
wurde  der  Bodensatz  mit  mehr  als  der  20  fachen  Quantität  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  unter  Umschütteln  gewaschen.  Nacli 
dem  Sedimentieren  agglutinierten: 


10  Tropfen  Waschwasser  1.  Gans  |  m^u  tropfen  I 

Blutkörperchen-^ 

10  „  „  1.  Taube  |  aufschwemmg.  ( 

Nach  der  zweiten  in  gleicher  Weise  vor¬ 
genommenen  Waschung  agglutinierten: 

10  Tropfen  Waschwasser  2.  Gans  j  7,111  Trollf(‘"  I 

L  [  Blutkorperchen- 

10  „  »  2.  Taube  j  aufschwcmmg.  | 

Nach  der  dritten  Waschung: 

10  Tropfen  Waschwasser  3.  Gans  j  hi  l  Tropfen 

r  J  Blutkörperchen- 1 

10  „  n  3.  Taube  J  aufschwcmmg.  | 

Nun  wurden  die  Sedimente  bei  Zimmer¬ 
temperatur  */2  Stunde  mit  der  dreifachen 
Menge  Kochsalzlösung  digeriert,  2  Stunden 
lang  in  Eis  sedimentiert. 

10  Tr.  Digestionsflüssigkeit  1.  Gans  |  Zu  d  Tropfen  (  deutlich  deutlich  deutlich 
°  { Blutkörperchen- \ 

10  ,,  „  1. Taube  aufschwemmq.  deutlich;  stark  0 


Gans¬ 

blut 

Tauben¬ 

blut 

Kanin- 

chenbl. 

deutlich 

deutlich 

deutlich 

deutlich 

deutlich 

deutlich 

0 

Spur 

Spur 

0 

Spur 

Spur 

0 

0 

Spur 

0 

0 

1  Spur 

2.  Digestion  mit  der  dreifachen  Menge 
Kochsalzlösung  durch  V2  Stunde  bei  Zimmer¬ 
temperatur,  1  Stunde  in  Eis  sedimentiert. 

10  Tr.  Digestionsflüssigkeit  2.  Gans  I  7,11  1  Tropfen  I  deutlich 

}  Blutkörperchen-  ' 

10  „  n  2.  Taube]  aufschwemmg.  |  Spur 


Spur 

stark 


Spur 

Spur 


3.  Digestion  im  Verhältnisse  1  :  3  Koch¬ 
salzlösung  durch  V2  Stunde  bei  ca  50°. 

10  Tr.  Digestionsflüssigkeit  3.  Gans 


10  „  „  3.  Taube 

1  Tr.  Digestionsttüssigkeit  3.  Gans 


Zu  1  Tropfen 
Blutkörperchen- 
aufschwcmmg. 


3.  Taube 


sehr  starklsehr  stark  sehr  stark 
sehr  stark  |  stark  sl.]rk 

i  s  t  ar  k  deutlich  Spur 
deutlich  stark  0 


4.  Digestion  durch  ^2  Stunde  bei  55°  im 
Verhältnisse  1  :  3. 

1  Tr.  Digestionsflüssigkeit  4.  Gans  |  ^  1  Tropfen  |  deutlich  schwach 

{■Blutkörperchen--! 

1  »  »  4.  Taube J  aufschwcmmg.  [j  Spur  sehr  ücutl. 


Spur 

Spur? 


In  ähnlicher  Weise  wurden  in  einem  anderen  Versuche  Ka¬ 
ninchenblutkörperchen  mit  einem  Ueberschuss  von  erhitztem 
Rinderserum  behandelt.  Nach  dem  Erhitzen  des  gut  gewasche¬ 
nen  verklumpten  Bodensatzes  bei  40 — 50°  durch  Vz  Stunde  aggluti¬ 
nierte  die  gewonnene  Lösung  Kaninchenblut  und  Gansblut  stark, 
Eroschblut  sehr  stark,  Tauben-,  Meerschweinchen-  und  Maus¬ 
blut  in  geringem  Masse. 


I 


12)  Siolie  Klein:  Wien.  klin.  Wochenschr.  1902. 


18.  November  1902. 


MUENGHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Im  ganzen  zeigte  es  sich  in  den  bisher  ausgeführten  Ver¬ 
suchen,  dass  die  aus  den  agglutinierten  Blutkörperchen  gewonne¬ 
nen  Lösungen  auch  andere  Arten  von  Blutkörperchen,  als  die  zur 
Absorption  vei wendeten,  in  nicht  geringem  Masse  zu  aggluti- 
nieren  im  stände  waren.  Trotzdem  konnte  bemerkt  werden,  dass, 
wie  der  erste  mitgeteilte  Versuch  es  erkennen  lässt,  gewöhnlich  von 
zwei  aus  \eischiedenen  Blutkörperchen  arten  gewonnene  Lösungen 
jede  am  kräftigsten  auf  diejenige  Art  wirkte,  mit  der  die  Ab¬ 
sorption  vorgenommen  worden  war,  so  dass  in  einem  gewissen 
Sinne  von  einer  spezifischen  Wirkung  der  Lösungen  gesprochen 
werden  kann,  wenn  man  sie  untereinander  und  mit  dem  ur¬ 
sprünglichen  Serum  vergleicht.  Vielleicht  wird  es  möglich  sein, 
durch  Aenderungen  des  Verfahrens  noch  deutlicher  spezifisch  wir¬ 
kende  Lösungen  zu  erhalten. 

Die  beschriebene  Art  der  Wirkung  lässt  sich  leicht  verstehen, 
wenn  im  Serum  eine  Anzahl  verschiedener  an  und  für  sich  nicht 
spezifischer  Agglutinine  vorhanden  sind.  Solche  verschieden¬ 
artige  Agglutinine  müssen,  natürlich  zu  differenten  Stoffen  im 
allgemeinen  verschieden  grosse  Affinitäten  besitzen,  und  sobald 
nun  ein  Ueberschuss  des  Serums  auf  eine  Blutkörperchenart  ein¬ 
wirkt,  werden  diejenigen  agglutinierenden  Stoffe,  die  grössere 
Affinität  zu  den  betreffenden  Blutkörperchen  besitzen,  vor¬ 
wiegend  aufgenommen  werden.  So  würden  bei  gleicher  Ag¬ 
glutinationsempfindlichkeit  zweier  verschiedener  Blutkörperchen¬ 
arten  gegen  das  ursprünglich  verwendete  Serum,  auch  dann, 
wenn  eine  ganz  geringe  Zahl  von  differenten,  nicht  spezifischen 
agglutinierenden  Stoffen  in  demselben  vorhanden  ist,  verschie¬ 
dene  und  in  gewissem  Masse  spezifisch  wirkende  Gemische  ab¬ 
sorbiert  werden  und  eventuell  abgegeben  werden. 

Es  spricht  bis  jetzt  übrigens  nichts  dagegen,  dass  nicht  die 
Zahl  der  nicht  spezifischen  wirksamen  Serumstoffe  und  der  bin¬ 
denden  Substanzen  in  den  Zellen  eine  grosse  sei 13). 

Es  geht  aus  den  besprochenen  Versuchen  hervor,  dass  die 
bisher  gewöhnlich  angewendete  Methode  kein  vollständiges  Bild 
von  den  tatsächlichen  Absorptionsverhältnissen  lieferte 14). 

Auf  welchen  Umständen  es  wirklich  beruht,  dass  die  bisher 
ausgeführten  Absorptionsversuche  die  Spezifität  der  absorbierten 
Stoffe  zu  beweisen  schien,  bleibt  noch  aufzuklären.  Es  könnten 
hier  möglicherweise  eine  nicht  genügende  Berücksichtigung  der 
quantitativen  Verhältnisse  oder  die  von  Bordet  und  Land¬ 
steiner  und  S  t  u  r  1  i  hervorgehobenen  Umstände  in  Betracht 
kommen  (Aviditätsdifferenzen,  Beeinflussung  der  Sera  durch 
eingebrachte  Stoffe). 

W  enn  man  dem  Gesagten  entsprechend  sich  vorstellt,  dass 
das  normale  Serum  eine  noch  unbestimmte  Zahl  verschiedener, 
nicht  spezifisch  wirkender  Stoffe  enthält,  so  folgt  daraus  keine 
bestimmte  Ansicht  über  die  Beschaffenheit  der  bei  Immuni¬ 
sierungen  auftretenden  spezifischen  Stoffe. 

Es  wurde  neuerdings  öfters  erörtert,  ob  die  normalen  und 
die  Immunstoffe  identisch  sind  [Gruber"),  Morgenroth 
und  S  achs“)]  und  Ford 17),  der  unter  W  assermanns 
Leitung  arbeitete,  spricht  sich  auf  Grund  von  Versuchen  mit 
Antiagglutininen  und  Antischutzkörpern  für  die  Identität  der 
normalen  und  Immunstoffe  aus ;  ähnliche  Ergebnisse  hatte  vorher 
Pfeiffer18)-  Es  ist  dazu  zu  bemerken,  dass  solche  Versuche 

I3)  Vor  kurzem  wurde  die  Multiplizität  auch  der  präzipitablen 
Substanzen  des  Serums  durch  fraktionierte  Salzfällung  sehr  wahr¬ 
scheinlich  gemacht  (Landsteiner  und  Calvo:  Centralbl. 
f.  Bakteriologie  1902,  XXXI,  No.  15,  und  Ascoli:  Münch, 
med.  Wochenschr.  1902,  No.  34).  Ein  Versuch,  in  ähnlicher 
Weise  Unterschiede  in  der  agglutinierenden  Wirkung  meh¬ 
rerer  durch  Salzfällung  hergestellter  Serumfraktionen  auf  ver¬ 
schiedene  Blutkörperchenarten  aufzufinden,  hat  noch  nicht 
zu  definitiven  Resultaten  geführt.  Die  Möglichkeit  einer  teilweisen 
Trennung  der  Agglutinine  durch  fraktionierte  Aussalzung  wäre 
unabhängig  von  der  Entscheidung  der  noch  nicht  endgiltig  gelösten 
Frage,  ob  die  wirksamen  Stoffe  des  Serums  (Agglutinine,  präzipi- 
t,able  Substanzen  u.  s.  w.)  mit  den  Ei  weisskörpern  der  Blutflüssig¬ 
keit  identisch  sind. 

“)  Als  z.  B.  Kinderserum  mit  viel  Kaninchenblütkörperchen 
behandelt  wurde,  so  war  hernach  die  Wirkung  des  Abgusses  für 
Kaninchenblutkörperchen  aufgehoben,  die  für  Froschblutkörper¬ 
chen  fast  unverändert.  Als  nun  die  gewaschenen  agglutinierten 
Kaninchenblutkörperchen  in  der  angegebenen  Wreise  extrahiert 
wurden,  so  ergab  sich,  dass  sie  für  Froschblutkörperchen  sehr 
wirksame  Stoffe  enthielten. 

1G)  1.  c. 

10)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  p.  631. 

n)  Zeitschr.  f.  Hygiene  1902. 


1907 


den  Beweis  für  bestehende  Differenzen,  aber  kaum  einen 
wirklichen  Identitätsbeweis  erbringen  könnten,  da  sie  nur 
Gleichheit  eines,  wenn  auch  wichtigen  Merkmals  feststellen. 
Gr  über  gab  dagegen  an,  dass  die  Normalsera  m  dem  Punkte 
von  den  Immunseris  differieren,  dass  sie  in  erhitztem  Zustande 
Blutkörperchen  nicht  der  lösenden  Einwirkung  artgleichen 
Normalserums  zugänglich  machen.  Morgenroth  und  Sachs 
geben  die  Richtigkeit  der  Beobachtung  in  manchen  Fällen  zu, 
bestreiten  aber  ihre  allgemeine  Gültigkeit. 

Ich  selbst  habe  bei  einigen  mir  zur  Verfügung  stehenden 
Serumproben  im  Anschluss  an  vorliegende  Angaben  über 
ein  besonderes  Verhalten  der  Immunsera  Versuche  angestellt, 
die  mich  zu  keinem  positiven  Resultate  führten. 

Shibayama“)  fand,  dass  Immunhämolysin  durch  Dia¬ 
lyse  gegen  Wasser  nicht  ebenso  unwirksam  gemacht  wird  als 
normales  Hämolysin.  Ich  ging  von  der  Ansicht  aus,  dass  mög¬ 
licherweise  die  lange  Dialyse  der  Sera  gegen  destilliertes  Wasser 
als  eine  partielle  Schädigung  der  labilen  Bestandteile  aufzufassen 
sei  und  dass  derselbe  Effekt  sich  vielleicht  durch  andere,  die 
Serumwirkung  schädigende  Einflüsse  in  gleicher  Weise  herbei¬ 
führen  liesse. 

Als  ich  nun  ein  für  Meerschweinchenblutkörperchen  wirk¬ 
sames  normales  Kaninchenserum  und  ein  durch  Injektion  von 
Meerschweinchenblut  erhaltenes  spezifisch  wirkendes  Kaninchen  - 
serum  auf  52  durch  5  Minuten  erhitzte,  wurde  die  Lösungs¬ 
fähigkeit  des  ersteren  für  Meerschweinchenblut  fast  aufgehoben, 
die  des  zweiten  blieb  beinahe  völlig  erhalten.  Die  Aenderungen 
waren  also  ganz  ähnlich,  wie  sie  Shibayama  nach  der  Dia¬ 
lyse  seiner  Sera  beobachtet  hatte,  da  das  normale  Serum  die 
Wirksamkeit  leichter  verlor  als  das  Immunserum.  Doch  ist 
offenbar  dieser  Unterschied  im  Verhalten  der  beiden  Sera  nicht 
ohne  weiteres  als  ein  qualitativer  anzusehen.  Es  könnte  ganz 
gut  sein,  dass  nur  der  grosse  Gehalt  an  Immunstoffen  im  Immun¬ 
serum  die  Differenz  bedinge  und  dass  diese  grössere  Quantität 
von  Immunstoffen  mit  dem  nach  der  kurzen  Erhitzung  zurück¬ 
gebliebenen  Reste  des  Komplements  noch  Lösung  bewirken 
konnte,  nicht  mehr  aber  die  geringe  Menge  Immunstoffe  des 
normalen  Serums  20). 

Folgender  Versuch  scheint  diese  Auffassung  zu  bekräftigen. 

Es  Wurde  von  beiden  Serumproben  ein  Teil  durch  5  Minuten 
auf  52°,  ein  anderer  durch  eine  halbe  Stunde  auf  60°  erhitzt  und 
nun  das  auf  52°  erhitzte  NS  mit  dem  auf  60°  erhitzten  IS  zu 
gleichen  Teilen  gemischt,  ebenso  das  auf  52°  erhitzte  IS  und 
das  auf  60°  erhitzte  NS.  Die  auf  60°  erhitzten  Sera  hatten  für  sich 
allein  keine  hämolytische  Wirkung  mehr. 

Die  hergestellte  Mischung  I  (0,5  ccm  NS  52°  -f  0,5  ccm  IS  60°) 
und  Mischung  II  (0,5  ccm  IS  52  0  -j-  0,5  ccm  NS  60  °)  wirkten  aber 
nahezu  gleich  stark  hämolytisch. 

Würden  die  wirksamen  Stoffe  des  NS  durch  kurzes  Erhitzen 
auf  52 0  wirklich  zerstört  worden  sein,  so  hätte  auch  die 
Zufügung  des  an  und  für  sich  unwirksamen,  auf  60  0  erhitzten  IS 
daran  nichts  ändern  können. 

Mit  denselben  Seris,  NKanS  und  auf  Meerschweinchenblut 
wirkenden  IKanS  wurde  der  Versuch  angestellt,  bei  dem  Bes- 
redka“1)  in  einigen  Fällen  einen  Unterschied  zwischen  hämo¬ 
lytischem  NS  und  IS  auf  fand.  Die  Wirkung  des  IS  war  leich¬ 
ter  aufzuheben  als  die  des  NS,  wenn  man  Serum  jener  Tierart 
zufügte,  deren  Blutkörperchen  gelöst  werden  sollten.  In  meinem 
Versuche  war  das  nicht  der  Fall. 

Einige  andere  Versuche  bezweckten,  möglicherweise  vor¬ 
handene  Unterschiede  in  der  Flitzebeständigkeit  der  normalen 
und  Immunagglutinine  aufzufinden.  Auch  hier  schien  zunächst 
der  spezifische  Immunkörper  resistenter  zu  sein.  Wurde  aber 
darauf  geachtet,  dass  nicht  gleich  absolute,  sondern  proportional 
gleiche  Abnahmen  bei  Zersetzung  von  Serumproben  verschiedener 
Wirksamkeit,  die  aber  das  gleiche  wirksame  Prinzip  enthalten, 
erwartet  werden  dürfen,  so  liess  sich  ein  völlig  sicherer  Unter¬ 
schied  noch  nicht  finden32). 

Die  verwendeten  NS  wirkten  auf  eine  bestimmte  dünne 
Blutaufschwemmung  noch  in  Verdünnungen  von  1: 10  und  1:  25, 
die  IS  in  Verdünnungen  von  1:100  und  1:250.  Nach  10  stün- 

IS)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  p.  631. 

10)  Centralbl.  f.  Bakteriol.  1902,  No.  30,  p.  760. 

20)  Vergl.  Morgenroth  und  Sachs:  Berl.  klin.  Wochen¬ 
schr.  1902,  p.  817. 

21)  Ann.  de  l’Inst.  Pasteur  1901,  p.  785. 

22)  Versuche  mit  zwei  Proben  NKanS  und  mit  zwei  für  Meer¬ 
schweinchenblut  wirksamen  IKanS-Proben. 


1* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


U>08 


di  gern  Erhitzen  auf  62°  waren  die  NS  unwirksam  geworden,  die 
Verdünnungsgrenzen  der  IS  auf  1:25  und  1:100  gestiegen.  Die 
verhältnissmässige  Absehwächung  war  demnach  bei  IS  geringer 
als  bei  NS,  aber  nicht  um  vieles. 

Die  bisher  gesammelten  Erfahrungen  über  die  Unterschiede 
zwischen  NS  und  IS  scheinen  zu  dem  Resultate  zu  führen,  dass 
zwar  die  Immunstoffe  Abweichungen  von  den  Normalstoffen 
zeigen  können,  dass  trotzdem  aber  eine  allgemeine  prinzipielle 
Methode  zu  ihrer  Unterscheidung  bis  jetzt  nicht  angegeben  wer¬ 
den  kann. 

Würden  die  Immunsera  nur  dieselben  Stoffe  enthalten,  wie 
die  normalen,  so  müsste  man  auf  Grund  der  oben  angeführten 
Experimente  folgern,  dass  sie  regelmässig  aus  Kombinationen 
einer  Anzahl  an  und  für  sich  nicht  spezifischer,  normal  vor¬ 
kommender  Stoffe  bestehen,  und  dass  ihre  Spezifität  nur  aus  der 
Art  und  der  Menge  der  in  die  Kombination  eintretenden  Stoffe 
resultiere.  Zu  der  Annahme  einer  komplexen  Zusammensetzung 
der  Immunstoffe  kommen  auch  Ehrlich  und  Morgen- 
r  o  t  h  23)  in  einer  ihrer  neueren  Arbeiten,  doch  halten  sie  offenbar 
spezifische  Eigenschaften  der  einzelnen  Komponenten  des  Immun¬ 
körpers  nicht  für  unwahrscheinlich,  da  sie  über  die  Beschaffen¬ 
heit  der  normalen  Sera  aussagen :  „Es  treten  hier  möglicherweise 
so  viele  verschiedene  Z wischenkö i per  in  Wirkung,  als  verschiedene 
Blutkörperchenarten  beeinflusst  werden“. 

Wären  nach  der  oben  ausgesprochenen  Supposition  die  spe¬ 
zifischen  Immunstoffe  regelmässig  Kombinationen  nicht  spezi¬ 
fischer  Normalstoffe,  so  würde  sich  daraus  folgende  Konsequenz 
ergeben.  Es  sollten  dann  in  Mischungen  verschiedener  spe¬ 
zifischer  Immunkörper  neue,  den  einzelnen  Immunseris  nicht  zu¬ 
kommende  spezifische  Wirkungen  auf  treten,  oder  solche  Wir¬ 
kungen  verloren  gehen  können. 

Einige  Versuche,  die  ich  nach  diesem  Plane  ausführte, 
hatten  ein  negatives  Ergebnis.  Ich  mischte  4  verschiedene 
hämagglutinierende  IS,  die  spezifische  Wirkung  auf  Menschen-, 
Hunde-,  Rind-  und  Meerschweinchenblut  hatten  und  prüfte  dann 
die  agglutinierende  Wirkung  der  Gemische  auf  Blutkörperchen 
der  genannten  und  anderer  Tierarten.  Es  entsprach  nun  in  den 
untersuchten  Fällen  die  Agglutinationswirkung  der  Summe  der 
Wirkungen  der  einzelnen  Sera  und  es  hatte  keine  nachweisbare 
Interferenz  stattgefunden.  Sollte  auch  in  späteren  Versuchen 
ein  anderes  Resultat  nicht  gewonnen  werden  können,  so  müsste 
man  annehmen,  dass  die  Substanzen  der  Immunsera  doch  nicht 
nur  Kombinationen  der  Stoffe  der  normalen  Sera  seien.  Es  bliebe 
dann,  wollte  man  sich  möglichst  nahe  an  die  Aufstellungen  der 
Ehrlich  sehen  Theorie  halten,  die  Auffassung  übrig,  dass 
die  einzelnen  Komponenten,  aus  denen  der  Immunkörper  besteht, 
beim  Immunisierungsprozess  zu  einer  Einheit  verschmolzen  wür¬ 
den,  die  sich  anders  verhielte,  als  eine  einfache  Mischung  der 
Komponenten. 

Die  eben  erwähnten  Annahmen  über  die  Beschaffenheit  der 
spezifischen  Immunkörper  sind  nicht  die  einzig  möglichen.  Es 
wurde  schon  erwähnt,  dass  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der 
Kenntnisse  öfters  die  Meinung  vertreten  wird,  dass  im  IS  auch 
andere  Stoffe  erscheinen  können,  als  im  NS  (Gr  über“1), 
Morgenroth  und  Sachä25).  Nach  der  Ehr  lieh  sehen 
Lehre  wären  die  nach  der  Immunisierung  neu  im  Serum  er¬ 
scheinenden  Körper  Seitenketten  der  Zellen,  die  im  normalen 
Zustande  zwar  als  solche  vorhanden  sind,  aber  erst  beim  Im¬ 
munisierungsprozess  abgestossen  werden.  Es  liegt  die  Ver¬ 
mutung  nicht  fern,  dass  der  Vorgang  in  Wirklichkeit 
nicht  ganz  so  einfach  verlaufen  müsste.  Lässt  man  die  Hypothese, 
dass  die  ins  Serum  übertretenden  Stoffe  schon  vorher  gebildete, 
dauernde  Bestandteile  der  Zelle  sind,  bei  Seite,  so  gelangt  man  zu 
einer  weniger  speziellen  Vorstellung.  Die  Immunstoffe  könnten 
als  Substanzen  angesehen  werden,  die  in  ganz  ähnlicher,  noch 
nicht  bekannter  Weise,  wie  die  normalen  Serumstoffe  von  der 
Substanz  der  Körperzellen  derivieren,  bei  deren  Entstehung  aber 
vorwiegend  jene  Teile  der  Zellen  beteiligt  wären,  die  durch  be¬ 
stimmte  chemische  Beziehungen  zu  den  eingeführten  körper¬ 
fremden  Stoffen,  die  in  diese  Zellen  gelangen,  sich  auszeichnen. 
Demnach  würden  auch  die  entstandenen  Produkte  zu  den  körper¬ 
fremden  Stoffen  ein  besonderes  chemisches  V erhalten  zeigen. 

2S)  Berl.  klm.  Wochenschr.  1901,  S.  569  (siehe  auch  D  u  r  h  a  m). 

2‘)  1.  c. 

**)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  p.  631. 


Der  zweckmässige  Endeffekt  könnte  auch  liier  durch  Kombina¬ 
tion  und  Summierung  verschiedener  Reaktionen  zu  stände 
kommen.  So  entstehende  Substanzen  würden  begreiflicherweise 
spezifische  Eigenschaften  besitzen. 

Es  wird  noch  in  Betracht  kommen,  dass  die  grosse  Differenz, 
die  die  Serumstoffe  schon  im  normalen  Zustande  bei  derselben 
Tierart  oder  sogar  demselben  Tierindividuum  zu  verschiedenen 
Zeiten  auf  weisen  können,  auf  eine  Variabilität  der  bezüglichen 
Zellleistung  hindeuten,  die  für  ein  feineres  Anpassungsvermögen 
derselben  mit  Wahrscheinlichkeit  als  nützlich  anzusehen  ist. 

Nach  dem  Gesagten  muss  daran  gedacht  werden,  dass  nach 
der  Immunisierung  auch  solche  Stoffe  im  Organismus  sich  finden 
können,  die  vorher  darin  nicht  vorhanden  waren. 

In  ähnlichem  Sinne  könnte  übrigens  der  Satz  von  Morgen¬ 
roth  und  Sachs20)  gedeutet  werden :  „ . dass  die  Immun¬ 

sera  durch  die  Mannigfaltigkeit  der  bei  der  Immunisierung  ent¬ 
stehenden  Reaktionsprodukte  eine  grosse  Schaar  verschieden¬ 
artiger  Partialambozeptoren  enthalten,  deren  cytophile  und  kom- 
plementophile  Gruppe  vielfach  variieren  können.  Dagegen  be¬ 
sitzt  das  Normalserum  nur  wenige  Ambozeptoren  typen,  die  mit 
einzelnen  Ambozeptorentypen  des  Immunserums  übereinstimmen 
können.“  27) 

Ergebnisse. 

1.  Agglutinierende  Substanzen  können  nach  ihrer  Absorption 
aus  den  agglutinierten  Körpern  wiedergewonnen  werden. 
Dieses  Verhalten  ist  zur  Analyse  solcher  Stoffe  des  Serums  zu 
benützen,  die  an  korpuskuläre  Elemente  gebunden  werden  können. 
Die  erhaltenen  Lösungen  unterscheiden  sich  durch  ihre  merklich 
spezifische  Wirkung  von  dem  Serum,  aus  dem  sie  gewonnen 
werden. 

2.  Das  normale  Serum  enthält  eine  Anzahl  von  agglutinieren¬ 
den  Stoffen  nicht  spezifischer  Natur. 

3.  Es  ist  noch  unentschieden,  ob  für  die  Entstehung  spe¬ 
zifischer  Immunkörper  die  Reproduktion  im  Tierkörper  vor¬ 
gebildeter  Stoffanordnungen  oder  die  Bildung  neuer  Verbin¬ 
dungen  wesentlicher  ist.  In  beiden  Fällen  ist  mit  Wahrschein¬ 
lichkeit  anzunehmen,  dass  die  spezifische  Gesamtreaktion  aus 
einer  Kombination  an  und  für  sich  nur  wenig  spezifischer  Teil¬ 
reaktionen  resultiert.  Diese  Annahme  gibt  eine  genügende  Er¬ 
klärung  für  die  Entstehung  spezifischer  Substanzen. 


Die  sogenannte  Abhärtung  der  Kinder. 

Von  Privatdozent  Dr.  Hecker,  leitender  Arzt  am  Kinder¬ 
spital  München-Nord. 

„Kinder  müssen  abgehärtet  werden  und  zwar  je  früher,  desto 
besser.“  Dieser  Satz  ist  heute  in  gebildeten  Kreisen  ein  sehr 
verbreitetes  Dogma.  Leider  wird  dabei  nur  zu  häufig  vergessen, 
was  wirklich  „Abhärtung“  heisst,  und  man  tut  blind  Dinge,  wozu 
ein  offenes,  wachsames  Auge  nötig  wäre.  Wir  Aerzte  mögen  bei 
dem  Uebereifer  vieler  Eltern  manchmal  wohl  denken,  wie  der 
Zauberlehrling :  „Die  ich  i’ief,  die  Geister,  werd'  ich  nun  nicht 
los !« 

Der  Begriff  der  Abhärtung  ist  ein  sehr  umfassender.  Uns 
soll  hier  nur  das  beschäftigen,  was  man  unter  „Abhärtung“ 
schlechthin  versteht,  nämlich  die  Massnahmen  zur  Erhöhung 
der  Widerstandsfähigkeit  gegenüber  Kälteeinflüssen. 

Wie  wird  die  Abhärtung  der  Kinder  ge¬ 
wöhnlich  betrieben?  Säuglinge  werden  zuweilen  schon 
in  den  ersten  3 — 4  Wochen,  in  der  Regel  aber  erst  vom  zweiten, 
dritten  Monat  ab  dadurch  abzuhärten  versucht,  dass  entweder 
die  Temperatur  des  täglichen  Bades  etappenweise 
herabgesetzt  oder  dass  dem  warmen  Bade  eine  kühle, 
später  kalte  Uebergiessung  nachgeschickt  wird  oder  dass 
ein-  und  mehrmals  täglich  kalte  Waschungen  vorgenom¬ 
men  werden.  Weiterhin  dadurch,  dass  die  Kinder  in  kalten 

26)  1.  c. 

27)  Es  mag  schliesslich  von  Nutzen  sein,  auf  die  Verwandt¬ 
schaft  der  besprochenen  Immunisierungsprozesse  mit  dem  allge¬ 
meineren  Falle  der  Anpassung  von  Organismen  an  Schädlichkeiten 
überhaupt  hinzuweisen.  Beide  Male  handelt  es  sich  um  die  Be¬ 
günstigung  der  Ausbildung  resistenter  Systeme.  Es  dürfte 
nicht  leicht  sein,  zu  denken,  dass  z.  B.  eine  Bakterienzelle  im 
Zustande  der  Anpassung  an  höhere  Temperaturen  (s.  Dieu- 
donnö:  Arbeiten  aus  dem  kais.  Gesundheitsamte,  9)  nicht  stoffliche 
Variationen  erfahren  haben  sollte  und  ein  gleiches  ist  für  Zellen, 
die  an  irgendwelche  Giftwirkungen  angepasst  sind,  anzunehmen. 


18.  November  1902. 


MPENCHENEB  MEDIOINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zimmern,  eventuell  bei  offenem  Fenster  schlafen,  dass  die 
Riemen  von  vornherein  bei  jedem  Wetter  ausgrfahihi  werden 
Bei  grosseren  Kindern  wird  das  Ziel  der  Abhärtung  durch  die- 
selben  Mittel  besonders  aber  durch  kalte  UebergiesLgen,  Wa- 
schuiigen,  Bader,  durch  leichtere  Kleidung,  Blosslassen  der  Arme 
und  Beine  u.  s.  w.,  zu  erreichen  gesucht. 

Haben  solche  Prozeduren  nun  wirklich  stets  den  gehofften 
Ei  folg,  sind  sie  ganz  gleichgültig  oder  sind  sie  nicht  vielleicht 
in  vielen  Fallen  direkt  schädlich?  Diese  Fragen  sind  in  den 
zahlreich  erschienenen  Spezialschriften  über  Kinderpflege  schon 
vielfach  berührt  und  recht  verschieden  beantwortet  worden 
ebenso  wie  auch  die  Ansichten  im  Laienpublikum  oft  genug  ge¬ 
wechselt  haben  In  den  neueren  Veröffentlichungen  aus  Aerzfe- 
kre.sen  herrscht  aber  wenigstens  darin  völlige  Einigkeit  dass 
Abhartungsversuche  an  Säuglingen  unnütz  und  unz^eckiassj 


1909 


baupfnicbVlh.S^ 

sS-SfSSS 

Anders  dagegen  ist  es  mit  dem  späteren  Kindesalter.  Hier 
herrscht  die  Anschauung  vor,  dass  nur  durch  methodische  ziel- 
ewusste  (systematische,  energische  etc.)  Abhärtung  die  Kinder 
vor  Erkaltung  und  deren  Folgezuständen  bewahrt  und  zu  ge- 
sunden,  kräftigen  Menschen  herangebildet  werden  können.  Dieser 
m  der  Grundfrage  geschlossenen  Einheit  steht  nun  allerdings 
eine  merkwürdige  Ditferenz  der  Meinungen  über  das  Wie,  den 
Zeitpunkt  des  Beginnes  und  den  jeweiligen  Nutzen  oder  Schaden 
dei  \  orzunehmenden  Abhärtungsprozedur  gegenüber 

skeptlc^v^  bei  ändern' am  meisten 

als  untere  Grenze  der  Badetemperatur  im  zweiten  J  iir  n 
dem  zweiten  Jalir  17  hi«  is»  p  „„  J i  -nun  z-i  ,  nach 

härtimg  beginnt  er  nicht  vor'dem  v fe  r t e  n?a h i?' 
tfifde«6  i>e?eht  In  ganz  ,a  ngsainen  Erniedrigung  der  Tempera 

kÜhIe  oder  BÄ 

roj’deTs  hlSnf  h  UD^  mit  abgestandenem  Wasser 
Ausschlns«  vm)  An  s  Th  Ai  m  entsprechenden  Kleidern  mit 
sino-p,.  f  1  A^°henen  Leibchen,  Höschen  u.  dergl.  Hoch- 
8 j? f  , .  rder^  nach  dem  dritten  Lebensjahr  energische  und 

CÄÄw  \'i r  V’  noch  '«ÄS 

liuigens  naiDhad  von  25°,  Abreiben  und  Ueberaiessen  inf  Pn,ct 
!'!!'  .  ,!cken’  Frottieren,  Dauer  des  Ganzen  3  Minuten-  im  Sommer 

SS  Ä 

wTschn  nvp  n  ^  h  1  VTeAPont  er  d  i  e  a  b  e  n  d  1  i  c  h  e  n  k  a  1 1  e  n 
mit  liMiioo  n  8  des  Körper  s  und  möchte  sie  durch  solche 
mit  halblauem  Wasser  nicht  unter  21 0  ersetzt  sehen  T  r  n  m  n  ,, 

zu  Wählen  °uMrisdtedfl?-nd^  ™Ögl*chSt  fl'ühzeitig  durch  Abhärtung 
versuche  fnhl  «f  dafür  die  im  Sommer  begonnenen  Abhärtungs 
W  ntpv  ’i  f'  Urr  !  zur  Zufriedenheit  ausgefallen  sind,  auch  im 
Winter  ohne  Unterschied  fortzusetzen.  Er  empfiehlt  vom  vierte 

21 S® Sh^-abr??ählic-h  kühlere  Bäder  (bis1 25,  später  22  und 
r-isr'h  m  t  '  -]ie  Ivmder  kräftig  abgerieben  und  schliesslich  Abends 
ni  zimmerwarmem  Wasser  übergossen  werden  sollen. 

Mittp  o  ärfer-nOChAals  heute  wai-en  die  Gegensätze  zu  Anfang  und 
zinischen  Jahrhunderts  wo  zwei  der  angesehendsten  medi- 

2.M  f(  o!  k  lkeiV1lei'  dle  Abhärtung  der  Kinder  völlig  diver¬ 
sem  Tk  oS  vertraten;  Hufeland  („Guter  Rat  für  Mütter-') 
fiihnmi  \tU  imd  AVlchtlgste  Regel  an  die  Spitze  seiner  Aus- 
,.,.  5'  „Man  wasche  alle  Morgen  das  Kind  vom  Kopfe  bis  zu 
ä  kaltem  Wasser.“  Und  er  sieht  in  diesem  Ver- 

mifi de™  scho.1.1  m  dei>  dritten  oder  vierten  Woche  begonnen 
EU  s«p  ,  f  Ä8  gF0Sste  Schutzmittel  gegen  Schnupfen,  Husten, 
und  Fieber  ;  „es  stärkt  das  gesamte  Nervensystem  für 


das  ganze  Leben  und 


K,,;imnfa „  *r -  man  schützt  dadurch  die  Kinder  vor 

S-R?’-FerJenzufallen  und  vor  jener  kränklich  erhöhten  Em- 
phndlichkeiq  die  so  oft  die  Last  des  ganzen  Lebens  werden.“ 
°j:.k  (das  Buch  vom  gesunden  und  kranken  Menschen) 
i  Säuglingen  überhaupt  nur  warme,  höchstens  lauwarme 
(i aide  des  ersten  Jahres)  Bäder  und  hält  die  Abhärtung  der  Kinder 
och  im  zweiten  und  dritten  Lebensjahr  für  eine  „durchaus  un¬ 
natürliche  ;  „sie  habe  in  der  Regel,  als  zu  reizend  auf  die  Em- 
pim< lungsnerven  wirkend,  schlimmen  Einfluss  auf  das  Gehirn  und 
Nervensystem.“  Weiterhin:  „Die  Temperatur,  deren  ein  kleines 
vnm  m  diesem  Alter  noc-h  bedarf,  ist  eine  ziemlich  warme.  Vor¬ 
züglich  sind  die  Erkältungen  des  Bauches  und  der  Fiisse  ängstlich 
zu  vermeiden,  weil  diese  nicht  selten  Ursache  gefährlicher  Krank- 
ßeiten  werden.  Nur  allmählich  gewöhne  man  das  Kind  im  dritten 
oder  vierten  Lebensjahr  an  kältere  Luft  (dünnere  Kleidung)“. 

No.  4G. 


Diese  recht  schroffen  Gegensätze  in  der  Beurteilung  einer 
der  Grundfragen  der  Kinderpflege  können  nur  davon  herrühren, 
dass  die  Erfolge  den  angewandten  Massregeln  vielfach  nicht  ent¬ 
sprochen  haben,  ja  dass  gewiss  auch  schädliche  Wirkungen  zur 
Beobachtung  kamen,  welche  dann  den  betreffenden  Autor  ver- 
anlassten,  diese  oder  jene  Methode  zu  verpönen  und  eine  andere 
zu  empfehlen.  Wenn  aber  solches  möglich  ist  bei  Dingen  die 
heute  zu  unentbehrlichen  Requisiten  guter  Kindererziehung  zu 
gehören  scheinen,  wenn  bei  „systematischer  Abhär¬ 
tung“  der  Kinder  wirklich  schwerere  Nachteile  Vorkommen 
können,  dann  scheint  das  ganze  doch  noch  sehr  der  Prüfung 
bedürftig  zu  sein.  Wo  es  sich  nicht  um  rein  ärztliche  Verord¬ 
nungen  handelt,  die  wir  übersehen  und  für  die  wir  die  Ver¬ 
antwortung  tragen  können,  sondern  um  Vorschriften,  deren  Aus- 
ührung  ganz  den  Eltern  übergeben  ist,  obwohl  sie  fortwährender 
Regulation  bedürfen,  da  sollten  wir  Aerzte  mit  unserem  Rat 
doppelt  vorsichtig  sein. 

Unrichtig  angewandte  Abhärtung  kann  in 
der  Tat  zu  recht  schlimmen  Zuständen  führen; 
zu  Erscheinungen,  deren  Grund  begreiflicherweise  zu  allerletzt 
dort  gesucht  wird,  wo  er  wirklich  liegt.  Wollte  man  doch  ge¬ 
rade  durch  strenge  Abhärtung  das  Kind  vor  allem  Schaden  be¬ 
wahrt  haben. 

Diese  Beobachtung  hat  sich  mir  in  den  letzten  Jahren  durch 
eme  Reihe  von  Fällen  aufgedrängt  und  mich  dazu  veranlasst, 
der  Frage  erhöhtes  Interesse  zuzuwenden;  ich  will  im  folgenden 
die  markantesten  Beispiele  herausgreifen. 

MV  1  'Ir111,7  Monate  alt>  wird  zu  mir  gebracht  mit  der 
Angabe,  dass  der  Knabe  seit  mehreren  Monaten  auffallend 

a  u  g  e  l-  e  g  t  sei,  dass  er  ganz  ohne  Veranlassung  in  exzessiven 

’ö-IsZpvpnfi?lute  Vml,  da5n  im.erträglich  schreie,  so  dass  die  Eltern 
t';  ;,.  cvp  i1,]:  .  \  oi-handens-em  einer  Geisteskrankheit  fürchteten. 

Appetit  sehr  schlecht.  Die  objektive 
unteisuckung,  die  nur  unter  geräuschvollster  heftiger  Gegenwehr 

VOr8ich  gellt’  einen  zwar  gut  gebauten,  IS 

nt  mlicli  mageien  Körper,  grosse  Blässe  der  Haut  und  sichtbaren 
Schleimhäute;  massig  ausgebreiteteB  roüclriti  s  auf  beiden  Lungen, 
m!i  +  n  voHkoininen  gesunde  Organe.  Die  Anamnese  ergibt 
mprnp  ®.eme^kenswertes,  keine  Belastung,  keine  Krämpfe  etc.  Auf 
une  eingehenden  Fragen  nach  der  bisherigen  Lebensweise  des 
Kmdes  wircl  mir  mit  Genugtuung  geantwortet,  dass  dasselbe 
8  e  1 1  seinem  acht  e  n  Monat  täglich  zweimal  kalt 
g  e  w  a  s  c  lie  n  und  häufig  auch  über  gossen  werde, 
wobei  ßs  jedesmal  ängstlich  zusammenzucke  und  fürchterlich 
schreie.  Auf  meine  Anordnung  wird  unter  anfänglichem  Protest 
dei  Litern  die  Kaltwasserkur  abgestellt,  und  schon  nach 
t  unf  Tagen  ist  der  Schlaf  ruhig,  der  Appetit 

1  °..)  e.n  und  die  Bronchitis  verschwu  n  d  e  n. 
Hartnäckiger  sind  die  Exzitationszustände  und  die  An- 
amie,  die  erst  nach  drei  bis  vier  Wochen,  bezw.  nach  zwei 
Monaten  zur  Heilung  gebracht  wurden.  Der  Knabe  behielt  lange 
Zeit  noch  eine  grosse  Empfänglichkeit  für  Katarrhe,  ac-quirierte 
im  darauffolgenden  Winter  nach  einer  Erkältung  eine  katar- 
rhalische  Pneumonie,  ist  aber  jetzt  (mit  4%  Jahren)  ein  gesundes, 
kräftiges  Kind. 

Das  ganze  Krankheitsbild  dieses  Falles  war  zweifelsohne 
untei  dem  Einfluss  der  übertriebenen  Wasseranwendung  entstan¬ 
den.  Einerseits  führte  die  fortgesetzte,  zu  grosse  Wärmeent- 
ziehung  zur  Anämie  und  Bronchitis,  andererseits  bewirkte  der 
wiederholte  und  höchst  unangenehm  empfundene  Hautreiz  eine 
psychische  und  nervöse  Uebererregbarkeit,  die  schon  den  Eltern 
als  ganz  abnorm  erschien.  Statt  der  gewünschten  „Abhärtung“ 
halte  man  das  Gegenteil,  erhöhte  Empfänglichkeit  für  Katarrh 
erreicht. 

Kail  B.,  0  Jahre  alt,  erscheint  hei  mir  mit  folgenden  An¬ 
gaben  der  Mutter:  Seit  einem  halben  Jahre  Keuchhusten,  welcher 
lange  sehr  intensiv  war.  Zur  Zeit  wenig  typische  Anfälle,  wohl 
aber  noch  viel  Husten.  Auffallende  Zunahme  der  psychischen 
Reizbarkeit  bei  dem  schon  früher  ziemlich  nervösen  Knaben,  deut 
Ji(‘li  fortschreitende  Blutarmut;  ruhiger  Schlaf,  guter  Appetit 
Keine  nachweisbare  erbliche  Belastung.  Der  Knabe  wurde  seit 
s  ei  n  e  m  dritten  Monat  Morgens  und  Abends 
in  i  t  brunnenkaltem  Wasser  gewasche  n,  wobei  er 
niemals  geschrieen  habe.  Die  Waschungen  wurden  auch  während 
der  ganzen  Zeit  des  Keuchhustens  durchgeführt.  Die  Unter¬ 
suchung  geschieht  unter  den  grössten  Schwierigkeiten.  Jeder  Ver¬ 
such.  an  den  Knaben  heranzukommen,  löst  förmliche  Wut- 
und  Schreiparoxys  in  e  n  a  u  s;  bestimmte  Aufforderungen, 
wie'  tief  zu  atmen,  die  Arme  zu  erheben  etc.  werden  in  para¬ 
doxer  Reaktion  gerade  mit  dem  Gegenteil  beantwortet.  Schliess¬ 
lich  gelingt  es  doch,  folgendes  festzustellen:  Grosse  Blässe  an 
Haut  und  sichtbaren  Schleimhäuten;  typischer,  heftiger 
K  e  u  c  li  h  u  s  t  e  n  anf  all  während  der  Inspektion,  ausgebreitete 
kapilläre  Bronchitis,  lobuläre  Verdichtung 
a  u  f  der  rechten  Lungenspitz  e,  erhöhte  Sehnenreflexe 
nasale  Sprache,  verlegte  Nasenatmung.  Die  Untersuchung  von 


1910 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Nase  und  Nasenrachenraum  verbietet  sich  bei  der  grossen  Enegt- 
heit  und  dem  Widerstande  des  Patienten. 

Ordination:  Verbot  der  kalten  Waschungen,  warme  Kamillen- 
und  Heublumenbäder.  Nach  acht  Tagen  kommt  der  Knabe 
wieder;  er  lässt  sich  ruhig  untersuchen,  ja  selbst  mit  Instru¬ 
menten  in  Nase  und  Nasenrachenraum.  Die  katarr  h  all  sc  he 
r  n  e  u  ra  o  n  i  e  ist  gänzlich,  die  Bronchitis  bis  auf  eine  kleine  Stelle 
im  linken  Unterlappen  geschwunden.  Adenoide  Vegetationen 
reichlich  vorhanden.  Seit  acht  Tagen  kein  Keuch¬ 
hustenanfall  mehr.  Eine  Woche  später  kein  Anfall  mehr, 
Lungen  ganz  frei.  Entfernung  der  Rachenmandel,  ohne  dass  es  zu 
mehr  als  der  üblichen  Aufregung  kommt.  Nach  drei 
Wochen  berichtet  mir  die  Mutter,  dass  der  Knabe  Ktzi 
völlig  gesund,  insbesondere,  dass  er  auffallend  ruhig 
und  folgsam  sei. 

Hier  hatte  das  kalte  Wasser  ebenfalls  zur  Anämie  und  Ner¬ 
vosität  geführt,  hatte  den  Keuchhusten,  der  in  diesem  Alter  sonst 
viel  milder  zu  verlaufen  pflegt,  künstlich  unterhalten,  bezw.  zu 
einer  heftigen  und  hartnäckigen  Krankheit  gemacht  und  hatte 
die  hiebei  ebenfalls  nicht  selten  zu  beobachtende  psychische  Reiz¬ 
barkeit  enorm  gesteigert.  Auch  die  Lungenentzündung,  ^sowie 
die  heftige  Bronchitis  in  diesem  späten  Stadium  des  Keuch¬ 
hustens  können  nur  auf  die  kalten  Waschungen  zu  beziehen  sein. 
Den  Beweis  entnehme  ich  aus  dem  prompten  Verschwinden  allei 
Symptome  lediglich  durch  das  Weglassen  des  kalten  Wassers. 

Folgende  Fälle  betreffen  Säuglinge,  bei  denen  sich  die 
Wirkungen  unvorsichtiger  Abhärtung  sehr  bald  und  zum  Teil 

auch  verhängnisvoll  bemerkbar  machten. 

Rudolf  P.  wurde  schon  einige  Wochen  nach  der 
Geburt  mit  kühlen  U  ebergiess  ungen  nach  dem  Bade 
behandelt.  Im  Uebereifer  steckte  die  Kindsfrau  eines  Tages  das 
Kind  ganz  in  kühles  Wasser.  Zwei  Tage  später  traten  Daim- 
symptome  auf,  die  sich  zu  ausgesprochener  schwerer  Dick¬ 
darmentzündung  entwickelten  (Enteritis  follicularis). 
Kurze  Zeit  darauf  erkrankte  der  Knabe  an  katarrhalischer 
Lungenentzündung,  die  noch  zweimal  innerhalb  weniger 
Wochen  rückfällig  wurde.  Während  des  ganzen  ersten  Lebens¬ 
jahres  blieb  das  Kind  anämisch  und  empfindlich  gegen 
jede  Erkältung,  auf  die  es  stets  mit  Darm-  und  Bronchial¬ 
symptomen  reagierte.  Erst  durch  sorgfältigste  Bewahrung  voi 
Kälte,  durch  richtige  Verwöhnung,  wird  der  Kleine  im  Laufe  des 
zweiten  Jahres  gesünder  und  widerstandsfähiger,  wenngleich 
auch  dann  noch  eine  erhöhte  Empfindlichkeit  gegenüber  Witte¬ 
rungseinflüssen  und  Neigung  zu  Dyspepsien  zurückblieb. 

Kurt  L.  erhält  von  Geburt  ab  anfänglich  kühle 
Ueb  er  giess  ungen,  dann  ditto  Waschungen  nach  dem  Bade. 
Das  im  ganzen  sehr  kräftig  entwickelte  Kind  erkrankt  im  fünften 
Monat  an  ausgebreiteter  Bronchopneumonie,  von  der  es 
sich  wieder  erholt,  um  zwei  Monate  später  an  akutei  Gastio- 
enteritis  zu  Grunde  zu  gehen. 

Die  beiden  Fälle  zeigen  miteinander  Aehnlichkeit,  insofern 
als  der  vorzeitige  Kälteeinfluss  zur  Schwächung  der  Atmungs¬ 
und  Verdauungsorgane  geführt  hat.  Bei  dem  Fehlen  jeder 
anderen  nachweisbaren  Ursache  und  angesichts  der  geradezu 
mustergiltigen  hygienischen  Verhältnisse,  in  denen  beide  Kinder 
aufgezogen  wurden,  erscheint  die  schädigende  Wirkung  der  Ab¬ 
härtung  zweifellos. 

Auch  der  folgende  Fall  weist  auf  eine  Schädigung  des  Darmes 
durch  fortgesetzte,  allzugrosse  Wärmeentziehung  hin. 

Ludwig  A.  erhält  von  Geburt  ab  Bäder  von  26 0  R.  mit 
darauffolgender  Uebergiessung  von  17  bis  20°,  vom 
zweiten  Jahre  ab  Morgens  Uebergiessungen  von  20°,  späterhin 
dann  Abreibungen  mit  zimmerkaltem  Wasser.  Der  Knabe,  der 
mit  5*4  Jahren  in  meine  Behandlung  kommt,  leidet  nach  Angabe 
der  Mutter  seit  vier  Jahren  an  einer  Darmstörung,  die  sich  zeit¬ 
weilig  durch  Verstopfung,  zeitweilig  durch  Diarrhöen,  durch 
starke  Schleimausscheidung  und  heftige  Schmeren  kundgibt,  und 
die  das  Kind  seit  nun  mehr  als  1%  Jahren  das  Gewicht  von  19  kg 
nicht  überschreiten  lässt.  Es  handelte  sich  um  chronische 
Darmatonie  mit  Anfällen  von  sogen.  Schleimkolik. 
Meine  Behandlung  hatte,  wie  die  der  früheren  Aerzte,  nur  momen¬ 
tanen  Erfolg,  bis  mir  die  Ursache  klar  wurde.  Erst  das  Unter¬ 
lassen  aller  Kaltwasserprozeduren,  systematische  Anwendung  von 
Wärme  in  verschiedener  Form  zusammen  mit  Massage  und  Diät 
'"anfänglich  schonend,  dann  etwas  reizend)  brachte  Heilung.  Ein 
kurzer  Rückfall  mit  heftigen  Schmerzen,  Schleimentleerungen  und 
Gewichtsverlust  trat  ein,  als  der  Knabe  in  der  Sommerfrische  an¬ 
fing,  ohne  mein  Wissen  und  ohne  richtige  Kontrolle  Sonnenbäder 
zu  nehmen  und  barfuss  zu  laufen.  Durch  entsprechende  Mass- 
regeln  war  nach  drei  Tagen  wieder  die  normale  Darmfunktion 
hergestellt.  Vier  Monate  nach  Beginn  der  Behandlung  meldete  mir 
die  Mutter  das  langersehnte  Gewicht  von  40  Pfund. 

Als  Beispiele  für  die  Schädigung  des  Nervensystems 
durch  die  „Abhärtung“  mögen  nachstehende  Fälle  dienen: 

Hertha  M.,  1 %  Jahre  alt,  wird  wegen  sehr  unruhigen 

Schlafes  und  nächtlichen  Aufschreiens  in  meine  Be¬ 
handlung  gebracht.  Seit  der  sechsten  Woche  ihres  Le¬ 
bens  täglich  Morgens  und  Abends  mit  13°  kaltem 


Wasser  gewaschen.  Abstellung  dieser  Prozeduren  be¬ 
wirkt  sofortige  und  dauernde  Heilung. 

Max  P.,  8  Jahre  alt,  leidet  seit  längerer  Zeit  an  u  n  ruh  i  g  e  m 
Schlaf  und  unerklärlichen  Aufregungszustande  n. 
Wird  seit  mehreren  Jahren  mit  Uebergiessungen  und 
Waschungen  „streng  und  systematisch  abgehärtet  .  Aut 
mein  Anraten  wird  gegen  den  Wunsch  des  Vaters  die  Abhärtung 
sistiert.  14  Tage  später  teilt  mir  die  Mutter  mit,  dass  ihr  feohn. 
seitdem  er  nicht  mehr  mit  kaltem  Wasser  behandelt  werde,  ruhigei 
schlafe,  und  seine  Erregbarkeit  ganz  geschwunden  sei. 

Obenstehende  Fälle  mögen  als  Typus  für  die  „K  r  a  n  k  h  e  i  t 
der  Abgehärteten“  dienen.  Ich  glaube,  dass  jeder  Arzt 
bei  aufmerksamer  Beobachtung  die  Reihe  derselben  beliebig  ver¬ 
mehren  könnte.  Immerhin  stellen  sie  aber  doch  nur  Einzeln¬ 
beobachtungen  dar,  und  die  einseitige  —  schlechte  —  Er¬ 
fahrung  konnte  nicht  genügen  zu  einem  brauchbaren  Urteil  über 
Wert  oder  Unwert  der  Abhärtung.  Audiatur  et  altera  pars. 


auch  genützt  oder  doch  nichts  geschadet. 

Ich  suchte  nun  durch  eine  Umfrage  bei  Müttern  meiner 
Klientel  festzustellen,  welche  Kinder  abhärtenden  Prozeduren 
unterzogen  wurden,  eventuell  welcher  Art  diese  waren,  um  darauf¬ 
hin  zu  untersuchen,  ob  sich  ein  Unterschied  zwischen  abgehärte¬ 
ten  und  nicht  abgehärteten  Kindern  bemerkbar  mache  in  Bezug 
auf  allgemeinen  Gesundheitszustand,  Widerstandsfähigkeit  gegen 
Krankheiten,  speziell  gegen  Erkältungen  etc. 

Die  von  mir  gefertigten  Fragebögen  sollten  folgende  Punkte 
fixieren:  1.  Ob  das  betreffende  Kind  systematisch  abgehärtet 
wurde;  2.  Art  der  Abhärtungsprozedur  (Bäder,  Uebergiessungen, 
Waschungen,  Abstufungen  in  der  Kleidung,  Ausgehen  bei  jedem 
Wetter,  Schlafen  bei  offenem  Fenster  und  sonstiges);  3.  Tem¬ 
peraturgrad  des  angewandten  Wassers,  Dauer  der  Prozedur, 
Tageszeit;  4.  Beginn  der  Abhärtung;  5.  Beobachtungen  der 
Mutter  über  Empfinden  der  Kinder  bei  der  Wasserprozedur,  über 
den  Einfluss  derselben  auf  Schlaf,  Appetit,  Aussehen,  Charakter, 
auf  Empfänglichkeit  derselben  gegen  Erkältungen,  Katarrhe, 
Durchfälle,  und  ein  kurzes  Schlussurteil  der  Mutter,  ob  sie  sich 
als  Freund  oder  Gegner  der  Abhärtung  bekenne. 


Diese  Fragen  versandte  ich  an  42  mir  geeignet  erscheinende 
Mütter  meiner  Klientel,  deren  Kinder  das  erste  Lebensjahr  über¬ 
schritten  hatten,  wobei  ich  für  jedes  Kind  einen  eigenen  Bogen 
aussetzte.  Eine  allgemeine  Umfrage  auch  ausserhalb  meiner 
Klientel  hätte  wohl  mein  Material  grösser,  aber  nicht  brauchbarer 

gemacht.  Die  Ergebnisse  der  Umfrage  sind  näm¬ 
lich  nicht  auf  die  gewiss  oft  allzu  subjektiven 
Urteile  der  Mütter,  sondern  einerseits  auf 
deren  Angaben  über  etwa  vorgenommene  oder 
nicht  vorgenommene  Abhärtung  s  m  a  ssnahmen. 
andererseits  aber  auf  meinen  eigenen  Be¬ 
obachtungen  an  den  betreffenden  Kindern 
aufgebaut.  Solches  war  natürlich  ausserhalb  meiner  Klientel 

nicht  möglich.  . 

Es  liefen  im  ganzen  50  Antworten  von  28  Müttern  ein.  Da 
Frage  bezüglich  der  Abhärtung  durch  Abstufung  in  der  Kleidung, 
durch  Gewöhnung  an  jede  Witterung  wurde  fast  durchgehend» 
in  gleichem  positiven  Sinne  beantwortet,  so  dass  besondere 
Schlüsse  hieraus  nicht  zu  ziehen  sind.  Anders  dagegen  die  Frage 
nach  der  Kaltwasseranwendung,  bei  denen  durchgreifende  Unter¬ 
schiede  auftraten.  Da  im  Folgenden  nur  diese  Methode  der  Ab¬ 
härtung  uns  beschäftigen  wird,  soll  sie  hier  kurzweg  unter  „Ab¬ 
härtung“  verstanden  sein. 

Unter  den  28  Müttern  bekannten  sich  im  ganzen  12  als 


Gegner,  8  als  gemässigte,  7  als  begeisterte  Anhänger  der  syste¬ 
matischen  Wasserabhärtung.  Eine  ist  unentschieden.  Unter 
den  Gegnerinnen  ist  die  Mehrzahl  durch  eigene,  schlechte  Er¬ 
fahrung  zu  diesem  Standpunkt  gekommen. 

Von  50  Kindern  wurden  25  bereits  im  ersten  Lebensjahr  mit 
kaltem  Wasser  abgehärtet  und  7  erst  nach  dem  ersten  Lebensr 
jahre.  Bei  18  Kindern  wurde  keinerlei  systematische  Abhärtung 
versucht. 


Die  Erfolge  der  Abhärtung. 

Zunächst  seien  die  Beobachtungen  der  Mütter  angeführt. 

Von  den  Freunden  der  Wasserabhärtung  wii d 
als  direkte,  günstige  Wirkung  bezeichnet:  ruhiger 
Schlaf  als  Folge  abendlicher  oder  morgendlicher  kalter 
Waschungen  (5  Kinder),  geringere  Empfünglic  h  k  e  i 
gegen  Erkältung  (G  mal)  und  Beruhigung  des  Cha¬ 
rakters  (2  mal);  ferner  wird  von  2  Müttern  angegeben,  dass 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1911 


ihi  anfänglich  schwächliches  und  kränkliches  Kind  durch  vor¬ 
sichtige  Wasseranwendung  abgehärtet,  bezw.  gesund  und  kräftig 
gewonlen  sei.  Im  iibiigen  werden  Angaben  über  speziell  günstige 
Wirkungen  nicht  gemacht,  sondern  nur  der  allgemeine  gute  Ge¬ 
sundheitszustand  der  abgehärteten  Kinder  rühmend  hervor¬ 
gehoben.  Dagegen  wird  berichtet,  dass  die  abendlichen  Wasch¬ 
ungen  einmal  unruhigen  Schlaf  mit  Aufschreien,  einmal  Auf¬ 
regungszustände  erzeugt  und  einmal  überhaupt  „ungünstig“  ge¬ 
wirkt  hätten.  Den  Waschungen  wird  gegenüber  den  Ueber- 
giessungen  entschieden  der  Vorzug  gegeben  im  Hinblick  auf  deren 
auf  legende  V  ii  kling  und  aut  das  unangenehme  Zusammen¬ 
schrecken  der  Kinder. 

Die  Ge  g  n  e  i  d  e  l  W  asserabhärtung  bezeichnen 
als  unmittelbar  ungünstige  W  i  r  k  u  n  g  der  Prozeduren 
folgende  Erscheinungen:  sehr  unruhigen  Schlaf  (2  mal) 
nächtliches  Aufschreien  (2  mal),  Blässe  (4  mal)  er¬ 
höhte  Neigung  zu  Katarrh  (5  mal),  unangene  h’m  e  s 
Empfinden  (7  mal),  Heftigkeit  des  Charakters,  ge¬ 
lingen  Appetit,  allgemeine  Erregbarkeit  und  zu  grosse 
AVärmeverluste  (je  1  mal). 


Bei  im  ganzen  34  systematisch  abgehärteten  Kindern  werden 
also  15  mal  günstig’e  und  27  mal  ungünstig’e  Erscheinungen  als 
direkte  Wirkungen  von  den  Müttern  beobachtet.  Diese  Angaben 
der  Mütter  mögen  ja  nicht  immer  ganz  exakt  sein,  doch  bilden 
sie  meines  Erachtens  eine  ganz  wertvolle  Ergänzung  zu  den  nun 
folgenden 


Eigenen  Beobachtungen. 

Um  den  Einfluss  der  Wasserabhärtung  auf  den  Körper  des 
Kindes  besser  kennen  zu  lernen,  schien  es  zweckmässig,  die  ab¬ 
gehärteten  Kinder  in  2  Kategorien  zu  teilen,  nach  dem  Grade 
der  ihnen  zu  teil  gewordenen  Wasserapplikation.  Zur  „m  i  1  - 
den  Abhärtung'  rechne  ich  die  einmal  des  Tag’es  vorge- 
nommenen  kalten,  bezw.  kühlen  Waschungen,  Abreibungen  und 
Bäder,  während  ich  als  „strenge  Abhärtun g“  die  kalten 
Uebergiessungen  mit  oder  ohne  vorangegangenes  Bad,  sowie  alle 
zwei-  oder  mehrmals  täglich  vorgenommenen  Prozeduren  be¬ 
zeichnen  möchte.  Sonach  waren  13  Kinder  (10  als  Säuglinge) 
mild  und  21  Kinder  (15  als  Säuglinge)  streng  abgehärtet. 

Einfluss  der  Ab  härtung  auf  die  Erkältungs¬ 
disposition.  Als  Hauptziel  und  Vorteil  gewissenhafter 
und  frühzeitiger  Abhärtung  wird  allgemein  der  Schutz  der  Kin¬ 
der  vor  Erkältungen  angesehen,  d.  h.  vor  Krankheiten,  die  durch 
äussere  Kältewirkung  entstehen  können.  Unsere  Wahr¬ 
nehmungen  werfen  ein  eigentümliches  Licht  auf  diese  An¬ 
schauung. 

Von  16  nicht  systematisch  Abgehärteten  sind 
°  —  50  Proz.  unempfänglich  und  5  =  31  P  r  o  z.  ausgespro¬ 
chen  empfänglich  für  Erkältungen. 

Von  13  mild  Abgehärteten  sind  5  =  38  Proz.  unem¬ 
pfänglich  und  5  =  38  Proz.  ausgesprochen  empfäng¬ 
lich. 

Von  21  streng  Abgehärteten  sind  3  =  16  Proz.  un¬ 
empfänglich  und  13  =  62  Proz.  ausgesprochen  empfänglich  für 
Erkältungen. 

Die  übrigen,  nicht  erwähnten  Kinder  der  3  Gruppen  ver¬ 
halten  sich  unentschieden. 

Am  auffallendsten  gestaltet  sich  das  Verhältnis  bei  den 
streng  abgehärteten  Säuglingen:  von  15  derselben 
sind  11  =  73  Proz.  ausgesprochen  empfänglich  und 
nur  1  nicht  empfänglich  für  Erkältung. 

Die  zu  frühzeitige  Abhärtung,  besonders 
die  forcierte  gewährt  also  nachweislich  nicht 
nur  keinen  Schutz  vor  Erkältungskrankheiten, 
sondern  erhöht  im  Gegenteil  die  Empfäng¬ 
lichkeit  für  dieselben. 

Einfluss  der  Abhärtung  auf  das  Nerven¬ 
system:  eine  direkte  Einwirkung  auf  das  Nervensystem 
macht  sich  bemerkbar: 

Bei  milder  Abhärtung  (13  Fälle)  7  mal,  davon  4  mal  (57  Proz.) 
eine  ungünstige. 

Bei  strenger  Abhärtung  (21  Fälle)  12  mal,  davon  8  mal 
(66  Proz.)  ungünstig. 

Bei  insgesamt  34  Abgehärteten  17  mal,  davon  10  mal 
—  59  P roz.  ungünstig. 

Die  günstige  Wirkung  gibt  sich  ausschliesslich  in 
Beruhigung  und  Vertiefung  des  Schlafes  zu  erkennen;  nur  in 
einem  Falle,  einem  10  jährigen  musikalischen  Wunderkind,  ist 
die  Wirkung  eine  negative;  das  Kind  wird  ohne  Uebergiessung 
nervös.  Der  an  den  starken  Reiz  gewöhnte  Organismus  reagiert 
auf  die  Entziehung  desselben  mit  nervösen  Symptomen  ganz 


ähnlich  wie  der  Morphinist,  der  starke  Raucher  oder  Trinker 
auf  die  erzwungene  Entbehrung  des  geliebten  Stoffes. 

Von  direkten  ungünstigen  Wirkungen  be¬ 
obachten  wir  am  häufigsten  auffallende  Unruhe  und  Aufregungs¬ 
zustände,  die  so  lange  anlialten,  als  die  Waschungen  und  Ueber¬ 
giessungen  angewendet  werden.  Des  weiteren  unruhigen  Schlaf, 
nächtliches  Aufschreien,  sehr  unangenehmes  Empfinden  mit  Zu¬ 
sammenzucken  und  heftigem  Schreien,  Stille,  Blässe  etc. 

Die  Frage,  zu  welcher  Tageszeit  das  kalte  Wasser  weniger 
aufregend  wirkt,  Morgens  oder  Abends,  kann  allgemein  nicht 
beantwortet  werden.  Hier  scheinen  ganz  besondere  individuelle 
Verhältnisse  geltend  zu  sein;  die  einen  reagieren  gut,  die 
anderen  schlecht  auf  abendliche  oder  morgendliche  Wasch¬ 
ungen  etc.,  ohne  dass  sich  ein  plausibler  Grund  dafür  auffinden 
Hesse. 

Einfluss  der  Abhärtung  auf  die  Psyche: 
Unter  15  streng  abgehärteten  Kindern  über  2  Jahren  sind 
7  nicht  nur  äusserst  lebhafte,  sondern  direkt  abnorm  reizbare, 
aufgeregte  Charaktere.  Dagegen  fällt  unter  den  mild  Ab¬ 
gehärteten  nur  eines,  unter  den  nicht  systematisch  Abgehärteten 
kein  einziges  als  abnorm  reizbar  auf.  Unter  den  Kindern  dieser 
zwei  Kategorien  sind  nicht  einmal  übertrieben  lebhafte  Indi¬ 
viduen. 

Dass  viele  dieser  Kinder  von  vornherein  reizbar  und  nervös 
veranlagt  waren,  mag  wohl  sein,  sicher  scheint  mir  aber,  dass  die 
forcierte  Abhärtung  die  eventuell  vorhandene  Anlage  höchst  un¬ 
günstig  beeinflusst  hat.  Ein  Anhaltspunkt  dafür,  dass  die  be¬ 
treffenden  Kinder,  etwa  zur  Bekämpfung  schon  vorhandener 
Nervosität  abgehärtet  wurden,  ist  nicht  nachweisbar. 

Einfluss  der  Abhärtung  auf  allgemeinen 
Körperzustand  und  allgemeine  Krankheits¬ 
disposition:  Das  beste  Urteil  über  Wert  oder  Unwert  der 
angewandten  Abhärtungsprozeduren  musste  sich  dadurch  ge¬ 
winnen  lassen,  dass  man  zusah,  wie  sich  die  betreffenden  Kinder 
im  Laufe  der  Jahre  entwickelten,  wie  sich  ihr  allgemeiner  Ge¬ 
sundheitszustand,  ihre  Resistenz  gegenüber  Erkrankungen  u.  s.  w. 
verhielt,  und  ob  sich  hiebei  ein  deutlicher  Unterschied  zwischen 
Abgehärteten  oder  nicht  Abgehärteten  bemerkbar  machte.  Be¬ 
rücksichtigt  wurden  unter  den  abgehärteten  Kindern  nur  solche, 
die  schon  im  ersten  Lebensjahr  Kaltwasserprozeduren  unterzogen 
worden  waren,  so  dass  die  Gesamtzahl  der  Beigezogenen  etwas 
kleiner  wird. 

Von  15  nicht  systematisch  Abgehärteten 
blieben  8  =  53  Proz.'  in  den  ersten  (3  und  mehr) 
Le bensjahren  vollständig  gesund.  4  überstanden 
Keuchhusten  ohne  Komplikationen,  blieben  im  übrigen  eben¬ 
falls  gesund.  3  machten  mehr  oder  weniger  schwere  Erkran¬ 
kungen  durch.  2  dieser  letzteren  waren  ausgesprochen  verweich¬ 
lichte  Kinder,  insofern  sie,  obwohl  von  Natur  aus  gesund,  stets 
zu  warme  Kleidung  erhielten  und  Sommer  wie  Winter  ängstlich 
vor  Wind  und  Regen  behütet  wurden. 

Von  13  mild  Abgehärteten  blieben  7=53  Proz. 
gesund,  2  machten  Keuchhusten  ohne  Komplikationen,  eines 
follikuläre  Enteritis  durch,  3  waren  chronisch  kränklich  (Tuber¬ 
kulose  und  Pleuritis).  Diese  zwei  Gruppen  verhalten  sich  dem¬ 
nach  hinsichtlich  ihres  allgemeinen  Zustandes  in  den  ersten 
Kinderjahren  ziemlich  gleich.  Ganz  anders  dagegen  präsentiert 
sich  die  3.  Gruppe. 

Von  21  streng  Abgehärteten  blieben  nur 
4  —  19  Proz.  in  den  ersten  Lebensjahren  g  e  - 
s  u  n  d,  3  machten  Keuchhusten  und  zwar  sehr  hartnäckigen 
und  mehrfach  komplizierten  durch,  blieben  aber  sonst  gesund. 
Die  übrigen  14  =  66  Proz.  überstanden  alle  mehr  oder  weniger 
schwere  Erkrankungen  und  waren  ausnahmslos  durch  Jahre  hin¬ 
durch  richtige  Sorgenkinder.  Ich  beobachtete  bei  ihnen  folgende 
Affektionen :  Schwere,  zumeist  schwerste  Anämie  (10  mal), 
katarrhalische  Pneumonie  (7  mal),  Erkrankung  des  Nerven¬ 
systems  (8  mal),  Darmerkrankungen  (5  mal). 

Ich  glaube,  diese  Zahlen  führen  eine  ganz  beredte  Sprache. 
Blosse  Zufälligkeiten  dabei  anzunehmen,  halte  ich  mich  nicht 
mehr  für  berechtigt.  Im  Gegenteil  finde  ich  meine  Vermutung 
bestätigt,  dass  zwischen  unzweckmässiger,  übertriebener  Ab¬ 
härtung  und  einer  ganzen  Reihe  von  Erkrankungen  ein  direkter 
Zusammenhang  besteht.  In  erster  Linie  sind  es  die  oft  uner¬ 
klärlich  erscheinenden  Anämien,  deren  Entstehen  auf  diese 

2* 


1912 


MUENCHENER  MEDICFNISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Weise  klar  wird,  in  zweiter  Linie  verschiedentlich©  oben  er¬ 
wähnte  nervöse  Störungen,  fernerhin  manche  Bronchopneumo¬ 
nien,  sowie  Darm-,  besonders  Dickdarmerkrankungen.  Von 
letzteren  beiden  werden  viele  häufig  ganz  richtig  auf  Erkältung 
zurückgeführt,  nur  wird  der  Grund  dafür  gewöhnlich  in  mangel¬ 
hafter,  niemals  aber  in  übertriebener  Abhärtung  gesucht. 

Abhärtung  und  adenoide  Vegetationen. 
Der  von  mir  mehrfach  gehegte  Verdacht,  dass  auch  zwischen  dem 
gerade  in  gut  situierten  Familien  so  häufigem  Vorkommen  ge¬ 
wucherter  Rachenmandeln  und  gewissen  Abhärtungsprozeduren 
ein  Konnex  bestehe,  hat  durch  meine  Forschungen  weitere 
Nahrung  erhalten.  Es  ergibt  sich,  dass  unter  den 

nicht  systematisch  Abgehärteten  20  Proz., 
unter  den  mild  Abgehärteten  30,7  Proz., 
unter  den  streng  Abgehärteten  46,6  Proz. 
mit  adenoiden  Vegetationen  behaftet  waren.  Der  Nachweis  war 
stets  durch  das  Vorhandensein  der  bekannten  äusseren  Erschei¬ 
nungen,  sowie  durch  die  Digitaluntersuchung,  zum  grössten  Teil 
Ich  masse  mir  nicht  an,  bei  der  komplizierten  Aetiologie  der 
Adenoiden  vollgültige  Schlüsse  aus  diesen  Zahlen  zu  ziehen.  Ich 
könnte  mir  aber  recht  gut  denken,  dass  eine  durch  das  kalte 
aber  durch  die  vorgenommene  Entfernung  derselben  geführt. 
Wasser  bewirkte  Rückstauung  des  Blutes  nach  inneren  Organen 
(siehe  unten),  ebenso  wie  in  den  Bronchien,  den  Lungen  und  dem 
Darm,  so  auch  im  Nasenrachenraum  chronische  Hyperämie  und 
Schwellungszustände  nach  sich  zieht.  Die  mit  der  Abhärtung 
in  Zusammenhang  stehenden  häufigen  Katarrhe  der  Nase  und 
des  Rachens  würden  dann  einen  weiteren  Reiz  für  dasi  schon 
empfängliche  Gewebe  bilden.  Bekannt  ist  ja  das  recht  plötzliche 
Erscheinen  von  Vegetationen  nach  infektiösen  Katarrhen  der 
Luftwege. 

Physiologische  Wirkung  des  kalten  Wassers. 

Das  kalte  Wasser  stellt  ein  mächtiges  Reizmittel  besonders 
für  das  Gesamt  nerven  System  dar.  Einige  Tropfen  auf 
die  sensiblen  Hautnerven  gespritzt,  genügen,  um  einen  Ohn¬ 
mächtigen  wieder  ins  Leben  zurückzurufen!  Einerseits  ist  es 
das  beste  und  kräftigste  Mittel  zur  Behandlung  vieler  nervöser 
Störungen  beim  Erwachsenen,  andererseits  ist  es  im  stände,  auf 
das  Nervensystem  auch  starker  Organismen  lähmend  oder  er¬ 
regend  einzuwirken.  Beweis :  Die  übermässige  Erschlaffung  oder 
Aufregung  mancher  Personen  nach  allzukalten  oder  ungewohnten 
Bädern,  Duschen  oder  Abreibungen. 

Die  Wirkung  des  kalten  Wassers  auf  das  Blut  ist  schon 
in  zahlreichen  Untersuchungen  gewürdigt  worden.  Winter- 
n  i  t  z  gibt  an,  dass  allgemeine,  die  ganze  Körperoberfläche 
treffende,  hydriatrische  Prozeduren  zu  einer  Vermehrung  der  roten 
und  weissen  Blutkörperchen,  wie  auch  des  Hämoglobingehaltes 
führen;  die  Zunahme  währe  aber  höchstens  zwei  Stunden. 
Murri,  Chvosteck,  Winternitz  weisen  nach,  dass  unter 
Kälteeinwirkung  rote  Blutkörperchen  zerfallen  können.  Die 
Fälle  von  paroxysmaler  Hämoglobinurie,  bei  denen  nach  Appli¬ 
kation  lokaler  Kältereize  gelöster  Blutfarbstoff  im  Harn  auf- 
tritt  (Ehrlich,  Boas,  Trumpp  u.  a.)  liefern  uns  schöne 
klinische  Beispiele  hiefür.  Sehr  beachtenswert  sind  die  Unter¬ 
suchungen  von  Reineboth  und  Kohlhardt.  Dieselben  ver¬ 
brachten  Kaninchen  für  5  Minuten  in  Wasser  von  2  bis  3°  und 
konnten  dann  nachweisen,  dass  die  Zahl  der  roten  Blut¬ 
körperchen  und  der  Hämoglobingehalt  sich  vermindert  hatte. 
Durch  Wiederholung  der  Abkühlung  in  bestimmten  Zeiträumen 
liess  sich  der  Verlust  des  Blutes  an  roten  Blutkörperchen  und 
Hämoglobin  zu  bedeutender  Höhe  steigern.  Sie  folgern  daraus, 
dass  die  Abkühlung  die  roten  Blutkörperchen  schädigt  und  zu 
Ilämoglobinämie  führt.  Aus  vorstehenden  Versuchen  erklärt 
ich  ungezwungen,  wie  das  kalte  Wasser  einmal  zur  Behandlung 
vorhandener  Anämien  zn  dienen  vermag,  wenn  es  richtig  ange¬ 
wendet  wird,  dann  aber  auch,  wie  es  bei  unkritischer  Applikation 
direkt  zur  Ursache  anämischer  Zustände  werden  kann. 

Auf  die  Beziehungen  zwischen  kaltem  Wasser  und  Erkäl¬ 
tungskrankheiten,  speziell  auf  die  Abhärtung  wirft  die  kritische 
Studie  von  Kisskalt  ein  gutes  Licht :  Unter  dem  Einfluss  der 
Kälte  ziehen  sich  die  Blutgefässe  der  Haut  zusammen,  die 
tieferen  Partien  des  Körpers  und  die  inneren  Organe  werden 
mit  Blut  überfüllt.  Durch  mannigfache  Untersuchungen  ist  aber 
wahrscheinlich  gemacht,  dass  ungewöhnliche  Blutüberfüllung  in 
einem  Organ  des  Körpers  die  Vermehrung-  daselbst  etwa  vor¬ 


handener  Bakterien  begünstigt.  Im  Darm  floriert  zu  allen  Zeiten 
eine  ungeheure  Menge  der  verschiedensten  Bakterien;  dass  aber 
auch  in  den  Bronchien  und  den  Lungen  gesunder  Kinder  patho¬ 
gene  Keime  sich  auf  halten,  geht  aus  den  Versuchen  Diircks  mit 
Deutlichkeit  hervor;  ebenso,  dass  diese  für  gewöhnlich  harm¬ 
losen  Bakterien  nur  eines  gewissen  Reizes,  beispielsweise  einer 
Staubinhalation  oder  eines  Blutandranges  infolge  einer  Haut¬ 
abkühlung  bedürfen,  um  virulent  und  wirklich  zu  Erregern  von 
Lungenentzündungen  zu  werden.  Auf  diese  Weise  gewinnen  wir 
Anhaltspunkte,  uns  die  Entstehung  der  Erkältungskrankheiten, 
der  Katarrhe,  Pneumonien,  Darmentzündungen  u.  s.  w.  klar  zu 
machen.  Durch  die  Einwirkung  der  Kälte  (klimatische  Insulte 
oder  Abhärtungsprozeduren)  zieht  sich  das  Blut  aus  den  kon¬ 
trahierten  Hautgefässen  nach  den  inneren  Organen  zurück.  Die 
so  entstandene  Ltyperämie  des  Gewebes  schafft  den  Boden  für  die 
freie  Entwicklung  der  normaler  Weise  zwar  vorhandenen,  aber 
unterdrückten  Krankheitskeime;  diese  können  dann  ungestört 
ihre  schädliche  Tätigkeit  entfalten  und  die  krankhafte  Verände¬ 
rung  des  Gewebes  bewirken.  „Je  stärker  nun  aber  der  Kältereiz 
ist,“  sagt  Kisskalt,  „desto  schneller  und  kräftiger  ziehen  sich 
die  Gefässe  der  Haut  zusammen,  desto  schneller  erfolgt  aber  auch 
der  Rückschlag,  nämlich  nachfolgende  Erweiterung  der  Gefässe 
und  Wärmegefühl.  Wirkt  dagegen  ein  mässiger  Kältereiz  lang¬ 
sam  und  längere  Zeit,  ein,  so  ziehen  sich  die  Gefässe  auch  nur 
allmählich  und  langsam  zusammen,  der  Rückschlag  erfolgt  sein- 
spät  oder  gar  nicht“. 

Beim  Kind  tritt  dieser  Rückschlag  offenbar  sehr  langsam 
und  unregelmässig  ein,  oder  er  bleibt  nicht  selten  ganz  aus. 
Theoretisch  wäre  es  daher  richtiger,  zur  Erzielung  prompter  Re¬ 
aktion  nur  stärkere  Kältereize  anzuwenden,  oder  durch  kräftige, 
mechanische  Manipulationen,  Reiben,  Frottieren,  nachzuhelfen. 
Beides  ist  aber  untunlich,  das  eine  wegen  der  Irritation  des 
Nervensystems,  das  andere  mit  Rücksicht  auf  die  zarte  und  leicht 
verwundbare  Haut  des  Kindes. 

Aus  allem  geht  hervor,  dass  das  kalte  Wasser  für  den  Körper 
etwas  an  sich  durchaus  nichts  Harmloses  darstellt,  sondern  unter 
Umständen  Wirkungen  entfalten,  kann,  ähnlich  denen  der  stärk¬ 
sten  Arzneimittel.  Dess  sollen  wir  bei  Kindern  stets  eingedenk 
sein ! 

Zusammenfassung  und  Regeln  für  die  Ab¬ 
härtung. 

Die  heute  in  vielen,  besonders  gebildeten  Kreisen  übliche 
und  verbreitete  Methode,  kleine  Kinder  mittels  Kaltwasserproze¬ 
duren  „systematisch“  abzuhärten,  ist  nicht  nur  unzweckmässig, 
sondern  häufig  geradezu  gesundheitschädlich. 

Diese  „systematische“  (d.  h.  schematische  und  kritiklose) 
Kaltwasserabhärtung  gewährt  den  Kindern  nachweislich  nicht 
nur  keinen  Schutz  vor  den  sogen.  Erkältungskrankheiten,  sondern 
sie  erhöht  im  Gegenteil  geradezu  die  Empfänglichkeit  für  die¬ 
selben. 

Sie  führt  daher  häufig  zu  Schnupfen,  Halsentzündungen, 
Bronchitis,  Lungenentzündung. 

Sie  kann  ausserdem  zu  folgenden  Schädigungen  führen: 

Zu  ausgesprochener,  ja  schwerster  Anämie. 

Zu  Erkrankungen  des  Gesamtnervensystems,  wie  allgemeine 
Nervosität,  Neurasthenie,  Appetitlosigkeit;  unruhiger  Schlaf, 
nächtliches  Aufschreien;  psychische  Reizbarkeit  mit  auffallender 
Unruhe  und  Aufregungszuständen;  Veränderung  des  Charakters, 
Launenhaftigkeit,  Jähzorn,  stilles  Wesen  etc. 

Zu  akuten  und  chronisch  rezidivierenden  Darm-,  spez.  Dick¬ 
darmkatarrhen. 

Sie  erschwert  den  Ablauf  aller  der  genannten,  sowie  auch 
anderer  zufälliger  Erkrankungen,  besonders  des  Keuchhustens. 


Eine  gewisse  körperliche  Abhärtung  ist  beim  Kinde  not¬ 
wendig,  sie  geschehe  aber  nach  folgenden  Grundsätzen : 

1.  Die  Abhärtung  sei  nicht  Selbstzweck,  sondern  sie  habe 
immer  ihr  eigentliches  Ziel  im  Auge,  die  Wehrhaftmachung  des 
Körpers  gegenüber  den  Angriffen  aus  der  Natur.  Also  nicht  laut¬ 
loses  Ertragen  von  kalten  Güssen  werde  erstrebt,  sondern  das 
Ueberwinden  von  Kälte,  Wärme,  Nässe,  Trockenheit,  Zugluft, 
Wind  u.  s.  w. 

2.  Dieses  Ziel  kann- nur  durch  die  Anwendung  adäquater,  i.  e. 
natürlicher  Mittel  erreicht  werden.  Solche  Mittel  sind: 


IS.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1913 


n)  O  e  w  o  h  n  u  n  g  an  die  Luft  des  Zi  m  m  e  r  s.  Zeit- 
wtilio-  Blosslegen,  Gewährung  des  Blosstrampeins  im  Schlaf  unter 
Vermeidung  von  sogen.  Schlafsäcken,  Barfusslau fen.  Nackt- 
lauten  vor  dem  Schlafengehen.  Schlafen  bei  offenem  Fenster 
nur  im  Hochsommer  und  nur  in  Orten  mit  mildem  Klima' 

,  .,b>  5lWlhn,U??/,n  die  L"f‘-  im  Freien.  Vom 
zweiten  Halbjaln  ab  Ausfahren  oder  Ausgehen  bei  jeder  Witte¬ 
rung,  ausser  bei  Nordostwinden,  grosser  Kälte,  Schnee- 
sturmen  etc.  Bei  grösseren  Kindern  Luft-  und  Sonnenbäder  im 
Sommer.  Barfusslaufen. 

c)  R  i  c  h  t  i  ge  A  n  p  assung  der  Kleid  u  n  g  an  Klima 
und  Jahreszeit.  Kein  bestimmtes  „Regime“.  Vorsicht  in  den 
Lebergangszeiten  des  Jahres.  Keine  Pelzverweichliehung  im 
V  mter.  V  omoglich  freier  Hals.  Nackte  Beine  nur  im  Sommer 
bei  mageren  Kindern  Vorsicht! 

J)8e  w  »  h  n  u  n  ganktthlesWasse  r.  Dasselbe  werde 
ment  kalter,  nicht  häufiger  und  nicht  früher  angewandt,  als  sich 
mit  dem  allgemeinen  Wohlbefinden  des  Kindes  verträgt,  wobei  zu 
beachten  ist,  dass  eventuelle  Schädigungen  zuweilen  erst  nach 
einiger  Zeit  sich  bemerkbar  machen.  Unangenehmes  Empfinden 
mahnt  zu  sorgsamer  Beobachtung,  wogegen  scheinbar  angenehmes 
Empfinden  kein  sicherer  Beweis  für  die  Unschädlichkeit  der  Pro¬ 
zedur  ist.  Waschungen  sind  den  Uebergiessungen  vorzuziehen 
und  sollen,  wenn  sie  den  ganzen  Körper  betreffen,  nicht  mehr  als 
einmal  täglich  vorgenommen  werden. 

3.  Jede  . Abhärtung  geschehe  allmählich  und  unmerklich, 
etwa  so  wie  man  sich  in  einen  starken  elektrischen  Strom’ 
„hineinschleicht“. 

4.  Jede  Abhärtung  sei  absolut  individuell  und  berücksichtige 
stets  den  jeweiligen  Körperzustand,  die  Bedürfnisse  und  die 
Empfindsamkeit  des  Kindes.  Es  gibt  kein  bestimmtes 
A  b  härtungssche  m  a. 

5.  Keinerlei  Abhärtung  (auch  nicht  die  Luftabhärtung)  be¬ 
ginne  zu  früh.  Säuglinge  sind  überhaupt  nicht  abzuhärten, 
sondern  unter  allen  Umständen  warm  zu  halten. 

6.  Ohne  vorangegangene  ärztliche  Untersuchung  sollen  bei 
Kindern,  speziell  bei  anämischen  und  nervösen,  keinerlei  Kalt¬ 
wasserprozeduren  vorgenommen  werden. 


Literatu  r: 

1.  Boas  J.:  Iüaug.-Diss,  Halle  1881.  —  2.  Bock  Dr  C  E  • 
Das  Euch  vom  gesunden  und  kranken  Menschen.  Leipzig  2893  — 

Kinder ?C  Wi^1’  EJ  r'  ^  l,eIl,iitet  mim  Leben  und  Gesundheit  seiner 
S  ß  11  llnTd  ?*spmg  1892.  _  4.  B  u  x  b  a  n  m:  Lehrbuch  der 
Ildi  lieiarue.  Leipzig  1900.  _  5.  Chvosteck  bei  Bux- 

U  D"rck>  Dr.  H.:  Studien  über  die  Aetiologie  und 
Uistologm  der  Pneumonie  im  Kindesalter.  Leipzig  1897. 

I.  Ehr  1  i  c  li:  Deutsche  med.  Wochensehr.  1881.  16. _ 8  F  i  s  c  h  1 

oboo  innoie  Po0Iäyla‘Te  llei‘  : Krankheiten  des  Kindesalters.  Mün- 
n  1900.  —  9.  Hecker.  Dr.  R.:  Die  Ernährung  und  Pflege  des 
Kindes  im  ersten  Lebensjahre.  Bayr.  Jalirb.  1899.  —  10.  H  0  c  p  . 
°  t  •  •  c>  :  Gesundheitspflege  des  Kindes  im  Eltern- 

Wien  1896.  —  11.  H  u  f  e  1  a  n  d:  Guter  Rat  an 

noitfon  1853‘  -r  12-  Kissk*lt  c.:  lieber  lokale  Dis- 

21”’  Erkaltung  und  Abhärtung.  Münch,  med.  Wochensclir. 

nnri  T-'  D  ,13-  L?,1  bei  B  u  x  b  a  u  in.  —  14.  Reineböth 

t  w  äö  H 1  1 a  i'  d  Blutveranderungen  infolge  von  Abkühlung. 
Deutsch.  Arch.  f.  klm.  Med.  LXV,  1  u.  2.  _  15.  T  a  u  s  s  i  g.  Dr.  J  : 
Ernährung  und  Pflege  des  Kindes  bis  zum  Ende  des  2  Lebens- 
lahres.  Wien  und  Leipzig  1897.  —  16.  Trum  pp.  Dr.  J.:  Ge¬ 
sundheitspflege  nn  Kindesalter.  Stuttgart,  E.  H.  Moritz.  — 
D.  D  ersell)  e:  Zwei  Fälle  von  paroxysmaler  Hämoglobinurie  etc. 
Munch,  med.  Wochensclir.  1897,  18.  —  18.  Winternitz  bei 
Buxbaum. 


Ueber  Erfolge  mit  Tuberkulinbehandlung  nach 
Goetschschem  Verfahren. 

V on  Dr.  W.  Roemisch  in  Arosa. 

Die  ausserordentlich  günstigen  Erfolge,  über  die  Goetsch 
in  der  Deutsch,  med.  Wochensclir.  1901,  No.  25  mit  seiner  vor¬ 
sichtigen  Anwendungsweise  des  Tuberkulins,  die  möglichst  jede 
Reaktion  vermeidet,  berichtet  hat,  veranlassten  mich  im  vorigen 
Jahre,  dem  Wunsche  einiger  hierfür  geeigneter  Patienten  nach¬ 
zugeben  und  das  Mittel  in  der  gleichen  Weise  anzuwenden. 

Zu  meiner  früheren  Zurückhaltung  dem  Tuberkulin  gegen¬ 
über  hatte  mich  die  Befürchtung,  schaden  zu  können,  veranlasst. 
Dieses  Bedenken  hatte  die  G  o  e  t  s  c  li  sehe  Arbeit  bei  mir  ge¬ 
hoben,  denn  für  mich  ging  aus  ihr  unzweifelhaft  hervor,  dass 
das  Luberkulin  in  dieser  vorsichtigen  Weise  bei  fieberfreien 

Xo.  4G 


1  Tuberkulösen,  bei  denen  es  noch  zu  keinem  ausgedehnten  Zer¬ 
fall  des  Lungengewebes  gekommen  ist.  o  hne  S  c  h  a  d  e  n  an¬ 
gewendet  werden  kann.  Das  grosse  Verdienst  von  Goetsch 
besteht  für  mich  darin,  dass  er  als  erster  durch  genaue  Mittei¬ 
lung  von  Krankengeschichten  einen  klaren  Einblick  in  sein  Ver¬ 
fahren,  wie  in  den  Verlauf  der  Tuberkulinkur  selbst  gewährt 
bat.  Leider  sind  aber  die  gewählten  Krankengeschichten  durch¬ 
weg  solche  von  so  leicht  Erkrankten,  dass  wohl  jeder  Arzt,  der  viel 
Lungentuberkulose  behandelt,  auch  ohne  Tuberkulin  in  der 
gleichen  Zeit  bei  solchen  Fällen  meist  zu  gleich  günstigem 

Resultate  gelangt  ist.;  es  fehlt  ihnen  daher  die  zwingende  Beweis¬ 
kraft. 

Darum  zweifle  ich  auch  keinen  Augenblick,  dass  von  den 
von  mir  unten  ausführlich  angeführten  Fällen  die  ersten  zwei 
auch  ohne  das  Tuberkulin  gleich  günstig  hätten  verlaufen 
können ;  sie  beweisen  nur  das  gleiche  wie  die  von  Goetsch 
mitgeteilten,  dass  bei  ihnen  das  denkbar  günstigste  Resultat 
bei  Anwendung  der  Tuberkulinkur  erreicht  werden  konnte,  und 
dienen  so  zur  Bestätigung  seiner  Ausführungen. 

Anders  verhalten  sich  die  Fälle  3—8.  Hier  handelt  es  sich  um 
Kranke,  die  ich  schon  lange  in  Behandlung  hatte  und  bei  denen 
ich  nach  dem  bisherigen  Verlaufe  keine  wesentlich  günstige  Ver¬ 
änderung  im  Befunde  erwarten  konnte.  Es  waren  dies  Patienten 
die  schon  einen  ganzen  Winter  in  meiner  Behandlung  gestanden 
hatten  (ausser  Fall  8,  der  an  der  Riviera  während  jenes  Winters 
gewesen,  aber  vor  seiner  Reise  nach  Arosa  von  mir  schon  in 
Dresden-  untersucht  worden  war),  dann  ein  halbes  Jahr  lang  zu 
Hause  ungefähr  auf  dem  gleichen  Standpunkt  stehen  geblieben 
und  darauf  ein  zweites  Mal  in  meine  Behandlung  zurückgekehrt 
waren,  wobei  ich  nach  einigen  Monaten  erkennen  konnte,  dass 
es  auch  bei  diesem  zweiten  Male  trotz  gewissenhafter  Durch¬ 
führung  der  hygienisch-diätetischen  Behandlung  nicht  möglich 
sein  wurde,  eine  weitere  günstige  Veränderung  des  Befundes 
zu  erzielen. 

Jedes  Mittel,  das  ich  bisher  in  derartigen  Fällen  angewandt 
hatte  (und  gerade  solche  Fälle  sind  es  ja,  an  denen  sich  die  Heil¬ 
kraft  eines  Mittels  erweisen  kann),  wie  die  verschiedenen  Kreosot¬ 
präparate,  Arsenik  und  neuerdings  kakodylsaures  Natron  auch 
der  Klimawechsel,  hatte  versagt.  Trat  hier  eine  wesentliche 
Besserung  ein,  so  war  für  mich  der  Beweis  erbracht,  dass  der 
Erfolg  dem  Tuberkulin  zu  verdanken  war  und  dass  die  Tuber- 
kuhnkur  jeder  anderen  Behandlung  in  derartigen  Fällen  über¬ 
legen  sei. 

Ich  teile  zunächst  die  Krankengeschichten  von  diesen 
8  Fällen  mit.  Die  Art  der  Anwendung  des  Tuberkulins  war  in 
allen  meinen  Fällen  die  gleiche.  Ich  begann  mit  1/wx>  mg  der 
wirksamen  Substanz  des  Tuberkulin  R  und  stieg  bis  zu  0,1  mg 
derselben;  dann  fuhr  ich  mit  Einspritzungen  des  alten  Tubei* 
kulins  fort  und  stieg  da  von  0,1  mg  bis  zu  1  g  dieser  Substanz; 
die  letzte  hohe  Dosis  wiederholte  ich  zum  Schluss  noch  mehrmals 
m  I  ausen  von  einer  Woche.  Die  Zwischenräume  zwischen  den 
anderen  Injektionen  betrugen  2  Tage.  Die  Steigerung  der  Dosen 
geschah  genau  in  derselben  langsamen  Weise  wie  bei  Goetsch, 
bei  Temperaturerhöhung  nahm  ich  zunächst  nochmals  die 
schwächere  Dosis,  die  schon  ohne  Einwirkung  auf  die  Tem¬ 
peratur  vertragen  worden  war.  Die  Temperaturen  wurden  regel¬ 
mässig  5  mal  täglich  unter  der  Zunge  gemessen. 

F  all  1.  Rechtsanwalt,  33  Jahre  alt. 

Anamnese:  Vater  soll  als  junger  Mann  einmal  Blut  ge¬ 
spuckt  haben,  ist  jetzt  gesund.  Pat.  hat  1S97  eine  tuberkulöse 
Mastdamifistel  gehabt.  Seit  1898  Husten.  Am  15.  VIII.  1900  in 
Borkum  Hämoptoe  (ein  paar  Theelöffel  Blut),  am  18  XI  wieder 
starker  (ein  Wasserglas  voll).  Am  5.  XII.  00  trat  Pat.  in  meine 
Behandlung. 

8  tatns  bei  der  A  u  f  n  a  li  m  e:  Links  vorn  bis  zur  1.  Rippe, 
am  deutlichsten  unter  der  Klavikel,  hinten  bis  zur  Crista  scapulae 
leichte  Dämpfung,  rauhes  unreines  Inspirium,  nach  Husten  spär¬ 
liches  kleinblasiges  Rasseln,  Exspirium  hauchend.  Normale  Tem¬ 
peratur. 

A  u  s  w  urf:  Dicker  Eiterklumpen.  Tuberkelbazillen  (Gaffky  9) 
und  elastische  Fasern  enthaltend. 

K  rank  h  ei  ts  verlauf:  Am  5.  II.  01  Tuberkelbazillen 
aus  dem  Auswurf,  Ende  März  überhaupt  jeder  Auswurf  ver¬ 
schwunden.  Die  Rasselgeräusche  waren  schön  im  Februar  nicht 
mehr  nachzuweisen,  die  Atmung  war  Ende  April  vesikulär  mit 
verlängertem  Exspirium.  Das  Gewicht  war  von  66,5  auf  79  k«- 
gestiegen  i Körperlänge:  172  cm).  Brustumfang:  87—94  cm.  — 
Pat.  ging  darauf  in  seinen  Beruf  zurück,  beobachtete  allerdings 
meine  Vorschriften  wenig,  jedenfalls  sank  das  Gewicht  bis  Ende 
Oktober  auf  74  kg  und  zu  dieser  Zeit  trat  Answurf  auf,  der 

3 


1914 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Tuberkelbazillen  enthielt.  Am  30.  XI.  01  kehrte  Pat.  nach  Arosa 

zurück.  _ .  ,  ,  .  .  . 

Status  bei  der  Wiederaufnahme:  Links  fand  sieb 

ungefähr  noch  der  gleiche  Befund  wie  Ende  April:  geringe  Dämpf¬ 
ung,  am  deutlichsten  unter  der  Klavikel,  daselbst  Inspir.  etwas 
rauh,  Exspir.  verlängert,  nicht  bronchial,  kein  Rasseln.  jm 
5  Interkostalraum  vorn  neben  dem  Sternum  auffällig  rauhes  ln- 
spir.  mit  spärlichen  kleinblasigen  Rasselgeräuschen,  lieber  der 
rechten  Spitze  leichte  Schallabschwächung  und  unter  der  Klavikel 
innen  unreines  Inspirium. 

Auswurf:  Schleimig  mit  kleinen  Eiterklumpen,  Tubeikel 
bazillen  (G.  6)  und  Bruchstücke  von  elastischen  Fasern  enthaltend. 

Nachdem  dieser  Befund  einen  Monat  lang  ziemlich  gleich  ge¬ 
blieben  war,  bat  Patient  um  Einleitung  der  Tuberkulinkur. 

Verlauf  der  Tuberkulinkur:  Beginn  am  3.  I.  02; 

Ge™  Während  der  Vorkur  mit  Tuberkulin  R  stets  Tem¬ 

peratur.  Etwas  Mattigkeitsgefühl;  über  der  rechten  bprtze J*®]- 
die  Rasselgeräusche  deutlicher  hervor.  Am  8  II.  »t  der  Auswurf 
definitiv  verschwunden.  Die  Rasselgeräusche  sind  nicht  mehl 
zu  hören.  Subjektives  Wohlbefinden  während  der  ganzen  weiteren 

K l1’  Schluss  der  Kur  am  29.  IV.  -  Bat  hat  3  mal  die  hohe  Dosis 
von  1  g  alten  Tuberkulins  erhalten,  die  Temperatur  hat  dabei  nie 
30, 9  0  überstiegen.  Die  höchste  Temperatur  wahrend  dei  Kui  w  ai 
37,2  ».  Rechts  über  der  Spitze  leichte  Schallabschwachung,  reines 
ves.  Inspirium,  verl.  Exspirium.  Links  unten  ist  das  Atmen  ganz 
rein  geworden.  Die  früher  krank  gewesene  Stelle  links  oben  hat 
keine  Reaktion  gezeigt.  Nirgends  Rasselgeräusche.  Kein  1  - 

wurf.  Gewicht  78,1  kg.  Pat  kehrt  in  seinen  Beiufzuiuck. 

Mitte  August  1902  schreibt  mir  Pat.  aus  Dresden  dass  ei  sicn 
bei  ständig  angestrengter  Tätigkeit  des  besten  Woltlbeflntlens  ei- 
freue-  Auswurf  sei  nie  wieder  auf  getreten.  Das  Gewicht  se 
gleich'  °-eblieben.  Sein  Arzt,  Hofrat  Dr.  H  e  y  d  e,  schreibt  mir  am 
|t  vi fl  •  Es  geht  dem  Herrn  sehr  gut  und  ich  kann  Ihnen  nur 
meinen  Glückwunsch  an  den,  Jetzt  erreichten  Erfolge  nussprecben  . 

Fall  2.  Oberleutnant,  29  Jahre  alt.  . 

Anamnese:  Ein  Bruder  mit  17  Jahren  an  Lungentuber¬ 
kulose,  eh>  älterer  Bruder  an  vUnterl^bsttt»rkulo^‘  ^torben. 
Eine  Schwester  lebt,  hat  Pleuritis  gehabt.  Pat.  ist  1895  mit  Hamo 
ptoe  erkrankt,  war  dann  3  Monate  m  Davos  Hat  liieiauf  se 
Dienst  bei  vollem  Wohlbefinden  getan  bis  8  X  1900,  mder 

mit  Hämoptoe  erkrankte.  Am  10.  I.  1901  tiat  Pat.  in  meine 

handUiiG  t  u  s  p  e  ;  der  Aufnahme:  Rechte  Supraklayikular- 
grube  eingesunken,  daselbst  und  vorn  bis  1. .  Rippe,  hinten  is 
Crista  scapulae  Dämpfung,  sehr  rauhes  Inspirium .mit ^spaHichen 
kleinblasigen  Rasselgeräuschen,  hmten  oben  dmht  unter  C  t 
scapulae  eine  Stelle,  wo  Exspir.  bronchial,  und  Rasseln  geilen 
klingend.  Erbsen-  bis  haselnussgrosse  Zervikal-  und  Axina 

diusen.  wurf.  Schleimig-eitrig,  kleine  gelbe  Eiterflocken,  in 

iSfiZ  ÄÄS  »S  zeigt 

Exspii'-.  »  >laSS  ich  Pat  vaten  musj 
Affinen  Dienst  noch  für  ein  Jahr  auszusetzen.  Zuhause  »eht  es 
dem  Pat  während  des  Sommers  sehr  gut,  der  Hausarzt  erklärt 
aen  Pat  fl gesund,  ich  firnle  aber  bei  einer  Untersuchung  am 
25  IX.  in  Dresden  noch  den  gleichen  Befund,  worauf  sich  a  . 
entsc-hliesst,  noch  einen  Winter  in  Arosa  zu  verleben.  Er  trifft 

^  sTafuf  beider  Wiederaufnahme:  Rechts  oben 
Dämpfung  wie  früher,  rauhes  leises  Atmen,  über  Klavikel  und  be¬ 
sonders  hinten  oben  unreines  Inspir.,  Exspir.  unter  Crista  sc.ipu  ae 
nahezu  bronchial.  Gewicht:  70,9  kg.  Kein  Auswurf. 

Da  sich  der  Befund  in  den  ersten  6  Wochen  nicht  wesentlich 
ändert  beginne  ich  am  6.  XII.  auf  Wunsch  des  Pat.  mit  der 

Tuberiiuhnkuif  Tuberkulinkur:  Beginn  am  0.  XII.  01. 

GeWWährefd1der  Vorkur  mit  Tuberkulin  R  tritt  Auswurf  auf  mit 
„elblichen  Flocken,  in  denen  sich  Tuberkelbazillen  finden  (  )• 

Pat  klagt  über  Mattigkeit  und  Nervosität,  die  Axillardrusen 
schwellen  zu  Walnussgrösse  und  werden  empfindlich.  Bei  0,1mg 
rPR  ist  die  Temp.  2  mal  am  Tage  37,3°.  —  Bei  3  mg  alten  ubei- 
k  ul  ins  ist  Auswurf  und  das  gleichzeitige  dei Weml biasige 
Rasseln  rechts  hinten  oben  verschwunden  Wohlbefinden^  1 
Gewichtszunahme.  Bei  80  mg  steigt  die  Temp.  auf  37,9  , ,  Pat. 
fühlt  sich  wie  zerschlagen“.  Rechts  hinten  oben  bionchial  s 
Exsinr  feinS  Rasseln.  1  Bei  1  g  nochmals  37,5»,  bei  Wieder¬ 
holung  dieser  Dosis  nicht  über  36,8°.  —  Subjektiv  wurde  bei  den 
Injektionen,  die  der  Reaktion  vorausgingen,  jedesmal  über  Glieder¬ 
schmerzen  und  Schluckbeschwerden  geklagt;  zu  sehen  war  im  Hals 
nichts  wie  Schwellung  der  Follikel.  . 

Schluss  der  Kur  am  G.  IV.  02.  Rechts  hinten  oben  Exspn. 
verlängert,  nicht  bronchial.  Rasselgeräusche  verschwunden.  Ke  in 
ViKwurf  Gewicht  74,1  kg.  Pat.  kehrt  in  seine  Heimat  zuruck, 
von  wo  er  mir  am  1.  IX.  berichtete,  dass  sein  Befinden  em  sein 
gutes  sei  und  dass  er  noch  4  kg  zugenommen  ha  h  . 

Fall  3.  Privatier,  46  Jahre  alt. 

Anamnese:  Hereditär  nicht  belastet.  1886  Pleuritis  ex¬ 
sudativa  sinistra.  Anfang  August  1900  trat  nach  einer  längeren 


Fahrt  auf  dem  Rad  Husten  und  Auswurf  auf.  in  letzterem  wurden 
Tuberkelbazillen  gefunden.  Am  20.  VIII.  00  trat  Pat.  in  meine 

Behandlung.  ,  ,  . 

Status  bei  der  Aufnahme:  Rechts  vorn  bis  zur 

°  Rippe  hinten  bis  zur  Mitte  der  Skapula  starke  Dämpfung,  ves.- 
broncliiales  Atmen,  dichtes  klein-  und  mittelgrossblasiges  Rasseln. 

Normale  Temperatur.  _ 

Aus  wurf:  Dick,  eitrig,  Tuberkelbazillen  (G.  <)  und  elasti¬ 
sche  Fasern  enthaltend.  „  .  , 

Krankheitsverlauf:  Bis  Mitte  April  1901  hatte  sich 
die  Dämpfung  rechts  vorn  bis  zur  1.  Rippe,  hinten  bis  zur  Crista 
scapulae  gut  abgegrenzt,  darunter  war  das  Atmen  rein  vesikulär 
geworden  ohne  Nebengeräusche,  über  der  Klavikel  und  noch  mehr 
hinten  oben  hatte  das  Exspir.  seinen  bronchialen  Charakter  aber 
behalten  und  beim  Inspirieren  waren  aus  der  Tiefe  spärliche 
knatternde  Rasselgeräusche  zu  hören.  Im  spärlichen  schleimig- 
eitrigen  Auswurf  noch  Tuberkelbazillen  (G.  2),  aber  keine  elasti- 
sehen  Fasern  mehr  zu  finden.  Das  Gewicht  war  von  <1.6  aut 
82  75  kg  gestiegen  (Körperlänge  172  cm).  Den  Sommer  verbrachte 
Pat.  in  seiner  Heimat,  wo  ich  am  21.  IX.  Gelegenheit  hatte,  ihn 
mit  seinem  Hausarzt  zusammen  zu  untersuchen.  Es  war  eine  Ver¬ 
schlechterung  eingetreten,  der  Schall  hatte  hinten  oben  und  über  der 
Klavikel  leicht  tympanitischen  Beiklang,  das  Exspir.  war  schärfer 
bronchial  hauchend  hinten  oben,  auch  über  der  linken  Spitze  waren 
feinblasige  Rasselgeräusche.  Pat.  kehrte  deshalb  am  -4.  X.  Ol 
nach  Arosa  zurück. 

Status  bei  der  Wiederaufnahme:  Befund  w  ie 
eben  angegeben.  A  u  s  w  u  r  f  enthält  Tuberkelbazillen  (G.  3). 

Gewicht:  85,7  kg.  ,  ,  .  „  „  , 

Als  sich  nach  fast  2  monatlichem  Aufenthalte  im  Befunde 
rechts  und  im  Auswurf  nichts  Wesentliches  geändert  hatte,  hatte 
Pat  Lust  sich  einer  Tuberkulinkur  zu  unterziehen. 

Verlauf  de  r  Tube  r  kuli  n  k  u  i*  Beginn  am  5.  XII.  01. 

—  Gewicht  85,15  kg. 

Die  Einspritzungen  gingen  ohne  jede  Temperaturerhöhung 
(stets  unter  37  °)  ohne  Unterbrechung  bis  zu  1  g  alten  Tuberkulins 
vor  sich.  Bei  den  höheren  Dosen  erfolgte  am  Morgen  nach  der  Ein¬ 
spritzung  jedesmal  eine  reichlichere  Absonderung  von  Sputum. 
Letzteres  war  bei  den  Untersuchungen  am  1.  III.  und  lo.  i  •  - 

zum  ersten  Male  seit  August  1900  frei  von  Tuberkelbazillen.  .  Der 
Befund  war  schon  Anfang  Februar  deutlich  gebessert.  Bei  der 
ersten  Wiederholung  von  1  g  Tuberkulin  trat  zum  ersten  und 
einzigen  Male  während  der  Kur  Temperaturerhöhung  (38,1  ein¬ 
mal  am  Abend)  ohne  weitere  Beschwerden  auf.  Dabei  rechts  hin¬ 
ten  oben  bronchiales  Exspirium  und  kleinblasiges  Rasseln.  Der 
Auswurf  enthält  einige  zerfallene  Tuberkelbazillen  (G.  1). 

4  weitere  Injektionen  von  1  g  brachten  die  Temperatur  nicht  über 
36,8  °.  Schluss  der  Kur  am  13.  IV.  02.  Befund:  Feber  der  rechten 
Klavikel,  darunter  innen. und  hinten  oben  bis  dicht  unter  die  Gusta 
scapulae  leichte  Dämpfung  ohne  tympanitischen  Beiklang,  ves.  br. 
Atmen  mit  hinten  oben  leicht  hauchendem  Exspir.  an  der  Crista 
scap.  feines  Giemen.  Links  oben  reines  Vesikularatmen.  In 
Auswurf  keine  Tuberkelbazillen.  Gewicht:  S<,55  kg. 

Pat.  kehrt  in  seine  Heimat  zurück,  nimmt  dort  bis  Mitte 
August  1902  bis  90  kg  an  Gewicht  zu,  volles  Wohlbefinden.  Im 
Sputum  werden  noch  vereinzelte  Tuberkelbazillen  gefunden. 

Fall  4.  Referendar,  26  Jahre  alt. 

Anamnese:  Beide  Grossväter  sollen  an  Lungentuberkulose 
gestorben  sein.  Im  Herbst  1S98  trat  zuerst  Husten  auf,  im  Januar 
1899  Hämoptoe  (mehrere  Theelöffel  voll  auf  einmal),  Pat.  ging  dar¬ 
auf  bis  zum  Juni  nach  Görbersdorf,  von  da  gebessert  nach  Zinno¬ 
witz,  verlor  den  Auswurf  aber  nicht  ganz.  Im  Winter  machte  Da¬ 
sein  juristisches  Examen,  ging  dann  mehrere  Monate  nach  Bor¬ 
kum.  wurde  darauf  Referendar  in  Dresden  und  trat  am  24.  XI.  1900 

in  meine  Behandlung.  .  , 

Status  bei  der  Aufnahme:  Pectus  carmatum.  Rechts 
bis  2.  Rippe  und  Mitte  der  Skapula  Dämpfung,  über  der  Klavikel 
und  ganz  hinten  oben  bronchiales  Atmen,  daselbst  klein-  und 
mitteiblasiges,  zum  Teil  klingendes  Rasseln,  im  unteren  Bezirk  der 
Dämpfung  rauhes  ves.  br.  Atmen  mit  knisterndem  Rasseln.  Ueber 
der  linken  Spitze  Schall  abgeschwächt,  verlängertes  Exspir.,  kein 
Rasseln.  Links  hinten  unten  ebenfalls  Abschwächung  des  Schalls, 

daselbst  auch  des  Atmens.  m  .  , ' 

Aus  wurf:  Wässrig-schleimig  mit  gelben  Flocken,  Tuberkel¬ 
bazillen  (G.  2)  enthaltend.  . 

K  r  ankheitsverlauf:  Pat.  blieb  bis  Ende  Mai  in  Arosa. 
das  Gewicht  stieg  von  64,9  auf  69,8  kg  (Grösse:  167  cm),  iibei  dei 
rechten  Klavikel  ves.  br.  Atmen,  unreines  Inspir.,  Dämpfung  bis 
2.  Rippe  und  Crista  scapulae,  kein  Auswurf  mehr.  Pat.  widmete 
sich  bis  zu  seiner  Wiederkehr  nach  Arosa,  die  ich  ihm  dringem 
angeraten  hatte,  bei  vollem  Wohlbefinden  seiner  Berufstätigkeit. 

Status  bei  der  Wiederaufnahme  am  6.  II.  02: 
Dämpfung  wie  zuletzt,  über  der  Klavikel  kleinblasiges,  zum  Lei. 
klingendes  Rasseln,  sehr  verstärkte  Bronchoplionie,  br.  ves.  Atmen; 
bis  2.  Rippe  und  Crista  scap.  ves.  br.  Atmen,  bei  Husten  klein- 
blasiges  Rasseln.  Kein  Auswurf.  Pat.  kann  nicht  gut  aushusten. 

Gewicht  68,2  kg.  .  , 

Als  bis  20.  III.  noch  keine  deutliche  Besserung  eingetreten  ist, 
beginne  ich  an  diesem  Tage  mit  der  Tuberkulinbehandlung. 

Verlauf  der  Tuberkulinkur:  Beginn  am  21.111.02. 
Gewicht:  69  kg. 

Die  einzigen  Temperaturerhöhungen,  die  während  der  Ein¬ 
spritzungen  eintreten,  sind  am  7.  V.  einmal  37,7°  bei  20  mg  alten 
Tuberkulins  und  einmal  37,4 0  bei  1  g.  Jedesmal  wurde  bei  den 


18.  November  1902. 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


diesen  Reaktionen  vorausgehenden  Injektionen  über  Ma^en- 
selimerz  geklagt.  Pat  hat  nie  vorher  und  auch  nicht  nachher 
Magenbeschwerden  gehabt.  Meine  Erwartung,  dass  Auswurf 
wahrend  der  Behandlung  auftreten  würde,  erfüllte  sich  aber  es 
waren  niemals  Tuberkelbazillen  in  ihm  zu  finden.  Die’  Atmuna 
wurde  anfangs  besonders  über  der  Klavikula  deutlicher  bronchiaf 
es  trat  grobblasiges,  zum  Teil  klingendes  Rasseln  auf,  gegen  Ende 
der  Behandlung  waren  stets  nur  ganz  spärliche  knackende  Ge¬ 
räusche  zu  hören. 

Schluss  der  Behandlung  am  3.  VII.  02.  Befund:  Rechts  über 
dci  Kla\  ikel  und  hinten  bis  zur  Krista  unbestimmtes  Atmen 
Exspir.  nicht  mehr  bronchial,  kein  Rasseln.  Kein  Auswurf  Wohl¬ 
befinden.  Gewicht:  69,5  kg. 

Fall  5.  Landwirt,  23  Jahre  alt. 

Anamnese:  Hereditär  nicht  belastet.  Nachdem  eine  Larvn 
gitis  vorausgegangen  war,  erkrankte  Pat.  Mai  1900  an  einem 
rechtsseitigen  Spitzenkatarrh.  Am  17.  X.  1900  kam  er  in  meine 
Behandlung  nach  Arosa. 

Status  bei  der  Aufnahme:  Rechts  bis  2.  Rippe  und 
Mitte  der  Skapula  Dämpfung,  ves.  br.  Atmen,  kleinblasiges 
Rasseln,  hinten  oben  knatternd.  lieber  der  linken  Spitze  rauhes 
unreines  Inspir.,  verl.  Exspir.  Nach  Spaziergang  Temp.  37,3  °. 

Aus  wurf:  Schleimig-eitrig,  Tuberkelbazillen  (G  S)  ent¬ 
haltend. 

Ki  ankheitsverlauf:  Pat.  blieb  in  Arosa  ohne1  nach¬ 
weisbaren  Erfolg.  Im  gedämpften  Bezirk,  besonders  hinten  oben 
und  über  Klavikel  war  stets  mittelgrossblasiges,  zum  Teil  klingen¬ 
des  Rasseln  zu  hören,  ves.  br.  Atmen;  hinten  oben  hauchendes 
Exspir.  Im  Auswurf  stets  Tuberkelbazillen  zu  finden  (G.  6).  Das 
Gewicht  sank  von  64,4  auf  62,1  kg.  Weder  eine  Injektionskur  mit 
kakodylsaur.  Natr.  (vom  11.  II.  bis  17.  III.  01),  noch  ein  Klima¬ 
wechsel  (Aufenthalt  in  Engelberg  von  Ende  Juli  bis  Mitte  Sep¬ 
tember)  brachten  Besserung.  Als  Ende  Oktober  der  Befund  immer 
noch  der  gleiche  war,  begann  ich  auf  Wunsch  des  Pat.  mit  der 
Tuberkulinkur. 

Verlauf  der  Tuberkulin  kur:  Beginn  am  29.  X.  01 
Gewicht:  62,65  kg. 

Bei  30  mg  alten  Tuberkulins  erhöhte  sich  die  Temperatur  auf 
37,7°  und  bei  Wiederholung  dieser  Dose  auf  38,7°,  dabei  trat  rechts 
hinten  oben  hauchendes  Bronchialatmen  und  zahlreichere^,  mittel¬ 
grossblasiges  Rasseln  und  darunter,  bis  zur  Mitte  der  Skapula, 
feines  Knistern  auf.  Bei  20  mg  war  die  Temp.  nochmals  37,4  °, 
dann  wurde  sie  bei  15  mg  normal  und  blieb  es  beim  Anstieg  bis 
zu  87  mg,  bei  welcher  Dosis  eine  abermalige  Erhöhung  auf  37,6 0 
auftrat.  Eine  letzte  Erhöhung  auf  37,8°  stellte  sich  bei  150  mg 
ein,  dann  konnte  die  hohe  Dosis  von  1  g  ohne  jede  Temperatur¬ 
erhöhung  erreicht  werden. 

Schluss  der  Kur  am  11.  IV.  02.  Befund:  Gut  abgegrenzte 
Dämpfung  rechts  bis  1.  Rippe  und  hinten  bis  Crista  Scapulae,  ves. 
br.  Atmen,  mit  spärlichem,  ganz  feinblasigem  Rasseln  und 
Knacken.  Links  oben  reines  ves.  Atmen  mit  verl.  Exspir.  Aus¬ 
wurf  bedeutend  vermindert,  enthält  noch  Tuberkelbazillen  (G.  5). 
Gewicht:  64  kg. 

Fall  6.  Oberleutnant  a.  D. 

Anamnese:  Im  Herbst  1894  zum  ersten  Male  Tuberkel¬ 
bazillen  im  Auswurf  entdeckt,  ein  halbes  Jahr  in  Montreux  ohne 
Erfolg,  dort  Hämoptoe,  dann  bis  Anfang  Juni  in  Falkenstein.  Von 
Oktober  1895  ab  ein  Jahr  lang  wieder  Dienst  getan,  dann  im 
Sanatorium  Turban,  wo  er  bis  August  1897  eine  Tuberkulinkur 
durchmachte,  nach  der  die  Bazillen  im  Auswurf  verschwunden 
waren.  Da  zu  Hause  wieder  Fieber  auftrat,  ging  Pat.  von  Sep¬ 
tember  bis  November  nach  Görbersdorf,  dann  bis  Ende  April  nach 
San  Remo,  von  da  wieder  ins  Sanatorium  Turban;  erst  in  Davos 
sei  das  Fieber  weggegangen ;  dort  blieb  Pat.  bis  Mai  1899  und 
verlebte  den  folgenden  Sommer  zu  Hause.  Am  26. 1.  1900  trat  Pat. 
in  meine  Behandlung. 

Status  bei  der  Aufnahme:  Ausgebreitete  Dämpfung 
rechts,  am  intensivsten  über  dem  rechten  Oberlappen,  bis  3.  Rippe 
vorn  br.  Atmen,  dichtes  Rasseln,  am  grossblasigsten  im  2.  und 
3.  Interkostalraum,  dort  auch  klingend;  hinten  und  vom  bis  unten 
ves.  br.  Rasseln  mit  Giemen  und  Knacken.  Links  oben  Retraktion, 
verkürzter  Schall,  verlängertes  Exspir.,  unter  Klavikel  feinblasiges 
Rasseln. 

Aus  wurf:  Dick  eitrig,  Tuberkelbazillen  (G.  10),  elastische 
Fasern.  Temperatur  normal. 

Krankheitsverlauf:  Pat.  blieb  bis  Anfang  Mai  in 
Arosa  unter  geringer  Verbesserung  des  Befundes.  Das  Gewicht 
blieb  immer  ca.  59  kg.  Den  Sommer  verbrachte  Pat.  zu  Hause  bei 
ständigem  Wohlbefinden.  Von  Mitte  Oktober  1900  bis  Mitte  April 
1901  war  Pat.  abermals  in  meiner  Behandlung,  mehrfache  fieber¬ 
hafte  Attacken  mit  Ausbreitung  der  mittelgrossblasigen  Rassel¬ 
geräusche  und  des  br.  Atmens  über  dem  rechten  Unterlappen 
störten  den  Kurverlauf.  Zum  Schluss  wTar  der  Befund  ein  wenig 
besser  als  im  Vorjahre.  Auswurf  wie  damals.  Während  des 
Sommeraufenthalts  zu  Hause  trat  ein  tuberkulöses  Ulcus  am  Zahn¬ 
fleisch  über  dem  linken  oberen  Eckzahn  auf,  das  Prof.  Partsch- 
Breslau  als  solches  diagnostizierte. 

Status  bei  der  Wiederaufnahme  am  7.  X.  01. : 
Dämpfung  rechts  vorn  bis  3.  Rippe,  hinten  bis  zur  Mitte  der 
Skapula,  br.  ves.  Atmen,  dichtes  mittelblasiges  Rasseln  im  vor¬ 
deren  Dämpfungsbezirk,  hinten  kleinblasiges  Rasseln  und  spär¬ 
liches,  bis  unten  sehr  rauhes  Inspir.,  abgeschwächt;  verlängertes 
Exspir.  Ueber  dem  linken  Oberlappen  Abschwächung  des  Schalls, 
unter  Klavikel  spärliches  feinblasiges  Rasseln.  Das  Geschwür  am 


1915 


Zahnfleisch  ist  ca.  1  cm  im  Durchmesser  gross,  rund  mit  auf¬ 
geworfenen  unterminierten  Rändern  und  blassem  gesprenkelten 
Grunde. _  Temperatur  normal.  Auf  dringenden  Wunsch  des  Pat. 
oegnun  ich  am  1.  XI.  die  Tuberkulinkur,  obwohl  sie  mir  in  diesem 
halle  etwas  gewagt  erschien. 

Verlauf  der  T  u  b  e  r  k  u  1  i  n  k  u  r:  Beginn  am  1  XI  01 
Gewicht:  61,32  kg. 

Am  Ende  der  Vorkur  mit  Tuberkulin  R  fühlt  sich  Pat  sehr 
nervös  und  matt,  Rasseln  und  Auswurf  haben  sich  vermindert 
die  Vernarbung  des  Zahnfleischgeschwüres  schreitet  vorwärts  Bei 
20  mg  alten  Tuberkulins  einmal  37,8°,  bei  200  mg  37,7°,  und  ein¬ 
mal  38,3  0  bei  240  mg.  Darauf  wird  1  g  ohne  jede  Erhöhung  der 
Temperatur  erreicht. 

Schluss  der  Kur  am  13.  III.  02.  Nur  noch  rechts  vom  Rasseln 
dasselbe  viel  feinblasiger  und  spärlicher.  Sehr  wenig  schleimig- 
eitriger  Auswurf  mit  Tuberbazillen  (G.  7).  Geschwür  am  Zahn¬ 
fleisch  fast  vernarbt.  Gewicht:  60  kg.  Wohlbefinden.  Pat.  schreibt 
mir  am  25.  VIII.,  dass  er  sich  zu  Hause  bei  täglich  5  stiindiger 
Lureautätigkeit  sehr  wohl  fühle. 

Fall  7.  Fräulein,  26  Jahre  alt. 

Anamnese:  2  ältere  Schwestern  an  Lungenschwindsucht 
gestorben.  Oefter  als  Mädchen  angeblich  Blut  ausgehustet.  Herbst 
1895  stärkere  Hämoptoe,  starke  Blutung  Frühjahr  1896,  Kuren  iu 
Gardono  und  Lippspringe.  Winter  1897/98  das  erste  Mal  in  Arosa 
in  1  illa  Herwig.  Als  Pat.  Herbst  189S  in  meine  Behandlung  trat, 
teilte  mir  Dr.  Herwig  mit,  dass  anfangs  die  ganze  linke  Lunge 
sehr  stark  gedämpft  gewesen  sei,  mit  stark  abgeschwächtem 
Atmen,  eist  allmählich  sei  letzteres  mehr  hörbar  geworden  und 
dichtes  Rasseln  aufgetreten,  auch  der  rechte  Oberlappen  habe 
starke  Krankheitserscheinungen  gezeigt. 

Status  bei  der  Aufnahme:  Dämpfung  über  der  ganzen 
linken  Lunge,  am  stärksten  über  dem  Oberlappen,  über  Klav. 
tympani  tisch,  ves.  br.  Atmen,  kleinblasiges  dichtes  Rasseln  über 
dem  Oberlappen,  darunter  mehr  feinblasiges  und  knisterndes,  ähn¬ 
lich  rechts  oben,  wo  leichtere  Dämpfung  und  rauhes  Atmen. 
Erbsengrosse  Zervikal-  und  Axillardrüsen.  Nie  Auswurf  zu  er¬ 
halten. 

Krankheitsverlauf:  Bei  der  Abreise,  Anfang  Juli 
1899,  liat  sich  der  tympani  tische  Beiklang  links  oben  verloren,  das 
Rasseln  ist  feinblasiger  und  spärlicher  geworden,  aber  noch  über 
die  ganze  linke  Lunge  ausgebreitet,  rechts  oben  ist  die  Atmung 


lein  geworden.  Gewicht  immer  ca.  51  kg.  In  den  nächsten 
2  Jahren  war  die  Patientin  immer  im  Sommer  zu  Hause,  im 
Winter  iii  meiner  Behandlung,  bei  wesentlich  gleichbleibendem 
Befunde.  Als  auch  im  vergangenen  Winter  keine  Veränderung 
des  Befundes  eintrat,  willigte  die  Pat.  in  die  Einleitung  einer 
Tuberkulinkur. 

Status  bei  der  Wiederaufnahme  am  11.  I.  02: 
Dämpfung  wie  früher,  am  stärksten  links  vorn  bis  zur  3.  Rippe, 
hinten  bis  Mitte  der  Skapula,  in  diesem  Bezirke  ves.  br.  Atmen 
mit  kleinblasigem  Rasseln,  darunter  bis  unten  rauhes  Inspir.  mit 
knisternden  und  knackenden  Rasselgeräuschen.  Temperatur  nor- 
mal.  Auswurf  nicht  zu  erhalten,  viel  trockener  Husten. 

V  e  r  1  a  u  f  der  Tuberkulin  k  u  r:  Beginn  am  27  I  02 
Gewicht:  51,4  kg. 

Schon  bei  0,046  mg  wirksamer  Substanz  des  Tuberkulin  R 
erhöht  sich  die  Temperatur  auf  37,6  °,  die  Axillardrüsen  schwellen 
schmeizhaft  auf  W  allnussgrösse.  Die  Periode,  die  sonst  ganz 
regelmässig:  war,  tritt  während  der  Kur  jedesmal  um  mehrere 
tage^zu  früh  ein.  Bei  2  mg  alten  Tuberkulins  steigt  die  Temp. 
auf  37,5°,  und  es  dauert  3  Wochen,  bis  diese  Dose  ohne  Tem¬ 
peraturerhöhung  ertragen  wird.  Dann  gelingt  es  bei  gutem  Wohl¬ 
befinden  bis  auf  3,8  mg  zu  gelangen,  worauf  leider  "die  Kur  ab¬ 
gebrochen  werden  muss,  weil  die  Patientin  auf  Wunsch  des 
Katers  nach  Hause  reisen  muss.  Gewicht:  51,8  kg. 

Schluss  der  Kur  am  25.  III.  02.  Viel  besserer  Befund  als  je 
zu\  oi .  Nur  links  vorn  oben  spärliches  Knacken  beim  Inspirium. 
Dai  unter  und  hinten  rauhes  Atmen  ohne  Rasseln.  Kein  Husten. 
Kein  Auswurf.  Mitte  August  02  berichtet  mir  Patientin  von  ihrem 
Wohlbefinden,  das  Gewicht  ist  auf  53  kg  gestiegen. 

Falls.  Leutnant,  26  Jahre  alt. 

Anamnese:  Hereditär  nicht  belastet.  Im  Januar  01  au 
Influenza“  erkrankt,  4  Wochen  Fieber,  grosse  Gewichtsabnahme. 
Seitdem  immer  Husten  und  Auswurf,  der  sich  bei  einem  3  monat¬ 
lichen  Aufenthalte  in  Bordighera  nicht  sehr  veränderte.  Pat. 
suchte  mich  im  September  01  in  Dresden  auf,  der  Befund  war  der 
gleiche,  wie  bei  seiner  Ankunft  in  Arosa  am  10.  X.  01. 

Status  bei  der  Auf  nah  m  e:  Linker  Oberlappen  nach- 
sclileppend  bei  der  Atmung.  Dämpfung  vorn  bis  zur  Herz¬ 
dämpfung,  hinten  bis  etwa  über  die  Mitte  der  Skapula;  vorn  im 
gedämpften  Bezirk  br.  ves.  Atmen  mit  hauchendem  Exspir., 
dichtes  mittel-  und  grossblasiges  klingendes  Rasseln  bis  zur 
3.  Rippe.  Links  hinten  oben  bronchiales  hauchendes  Inspir.  bis 
zum  Angulus  scapulae,  bis  zur  Mitte  der  Skapula  Rasseln  wie 
vorn,  von  Mitte  der  Skapula  bis  abwärts  Giemen  und  Knarren. 
Rechts  über  der  Klavikel  und  hinten  oben  ves.  br.  Atmen,  keine 
Nebengeräusche.  Ans  wurf:  schleimig-eitrig,  enthält  Tuberkel¬ 
bazillen  (G.  5),  keine  elastischen  Fasern.  Temperatur  normal. 
Gewicht:  71,1  kg  (Grösse:  163  cm). 

Krankheitsverlauf:  Da  der  Befund  nach  2  monat¬ 
lichem  Aufenthalte  und  gewissenhaftem  Kurmachen  sich  nicht 
wesentlich  geändert  hatte,  die  Aussicht  auf  eine  Herstellung  der 
Dienstfähigkeit  bei  dem  hochgradigen  Krankheitsbefunde  daher 
minimal  war,  hielt  ich  es  für  meine  Pflicht,  den  Wunsch  des 

3* 


No.  46. 


1916 


Ml'ENCHENER  MEDICIXIS  CHE  WOCHENSCHRIFT. 


Patienten,  nie  Tuberkulinkur  bei  ihm  d u reh z  u  f  ü  lir  en ,  zu  erfüllen,  j 
obwohl  sie  mir  in  diesem  Falle  etwas  gewagt  erschien  und  die 
Aussichten  auf  Erfolg  sehr  gering  waren. 

V  e  r  1  a  u  f  d  e  r  T  u  b  erltuli  n  k  u  r:  Beginn  am  5.  XII.  01. 
Gewicht  71,85  kg. 

Während  der  Vorkur  mit  dem  Tuberkulin  II  treten  rechts 
über  der  Klavikel  und  hinten  oben  kleinblasige  Rasselgeräusche 
auf.  Bei  20  mg  alten  Tuberkulins  einmal  37,6“.  Bald  darauf  sind 
die  Geräusche  rechts  völlig  verschwunden,  links  sind  sie  viel  spär¬ 
licher,  kleinblasig,  nicht  klingend  und  nur  noch  deutlich  vorn  zu 
hören.  Viel  weniger  Auswurf,  der  sich  meist  nur  noch  am  Morgen 
nach  der  Injektion  zeigt.  Bei  1  g  alten  Tuberkulins  tritt  einmal 
37.5"  auf.  bei  den  späteren  4  Wiederholungen  dieser  hohen  Dosis 
übersteigt  die  Temperatur  nicht  36,9  u.  _ 

Schluss  der  Kur  am  2.  V.  02.  Befund:  Links  bis  2.  Itippe 
und  bis  dicht  unter  Crista  scapulae  Dämpfung,  vesikulär-bron¬ 
chiales  Atmen  nur  noch  über  und  dicht  unter  der  Klavikel,  da¬ 
runter  und  hinten  oben  vesikulär  mit  verlängertem  Exspir.  ohne 
deutliches  Rasseln,  nur  noch  über  der  Klavikel  feinblasige  und 
giemende  Geräusche.  Rechts  reines  vesikuläres  Atmen  mit  etwas 
verlängertem  Exspir.  Ganz  wenig  Sputum,  nicht  mein  täglich, 
einzelne  zerfallene  Tuberkelbazillen  (G.  2)  enthaltend.  Gewicht,: 
75  kg.  Am  28.  VIII.  schreibt  mir  Bat.,  sein  Auswurf  sei  schon  auf 
der  Heimreise  völlig  verschwunden,  der  Oberstabsarzt  habe  Bat. 
für  geheilt  erklärt  und  bei  bisherigem  leichten  Dienste  sei  das 
Gewicht  auf  80  kg  gestiegen. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  k.  medizinischen  Poliklinik  der  Universität  München 
(stellvertr.  Vorstand:  Dr.  II.  Neumayer). 

Einige  Bemerkungen  über  die  Behandlung  tuberkulöser 
Erkrankungen  mit  zimtsaurem  Natron  nach  Länderer. 

Von  Hermann  Riegne  r. 

Die  Zimtsäurebehandlung  tuberkulöser  Erkrankungen,  von 
Länderer  im  Jahre  1888  in  der  Münch,  med.  Wochensclir. 
angegeben,  ist  trotz  verschiedener  Auffassung  seitens  der  Aerzte 
heute  kein  unbekanntes  Verfahren  mehr.  Die  einzelnen  Ein¬ 
würfe,  die  sich  teils  gegen  den  therapeutischen  Effekt  der  Zimt¬ 
säure  als  solche  oder  gegen  die  intravenöse  Anwendung  im  all¬ 
gemeinen  richteten,  hier  näher  zu  beleuchten,  dürfte  unnötig 
>ein,  weil  der  Zweck  der  Abhandlung  nur  eine  Bereicherung  der 
Kasuistik  sein  soll.  Es  folgt  also  zunächst  eine  Aufzählung 
von  n  e  u  n  Fällen  von  verschiedenfachen  phthisischen  Erkrank¬ 
ungen  aus  dem  Material  der  k.  Universitätspoliklinik,  sodann 
folgt  ein  gedrängtes  Referat  über  eine  Anzahl  von  Fällen,  die 
mir  Herr  Dr.  v.  St.  aus  seiner  Praxis  zur  Behandlung1  zu  über¬ 
lassen  die  Güte  hatte. 

Fall  I.  T.  M.,  23  Jahre  alte  Masseuse,  Mutter  gesund,  ein 
Onkel  an  Blutsturz  und  Schwindsucht  gestorben,  Vater  unbekannt, 
Geschwister  gesund.  Pat.  mit  13  und  18  Jahren  Lungenentzündung 
überstanden,  mit  19  Jahren  angeblich  tuberkulöse  Drüsenschwel- 
lung  am  Hals;  mehrfach  operiert.  Vor  einem  Jahr  3  Wochen  im 
Sanatorium,  darauf  im  Krankenhaus  wegen  Pneumonie  und  Pleu¬ 
ritis.  Daraufhin  längerer  Landaufenthalt.  Anfangs  Januar  1902 
Untersuchung  in  der  Poliklinik  mit  folgendem  hauptsächlichen 
Befund: 

Reduzierter  Ernährungszustand,  Zervikaldrüsen  etwas  ge¬ 
schwellt,  Thorax  etwas  eingesunken,  systolisches  Geräusch  an  der 
Herzspitze,  an  deii  Lungen  Dämpfung  der  beiden  Spitzen,  Bron- 
cliialatmen  über  der  linken  Lunge,  vereinzeltes  Rasseln,  ver¬ 
längertes  sakkadiertes  Exspirium.  Diagnose:  Plithisis  pulmonum, 
Mitralinsuffizienz.  Am  4. 1. 02  wurde  folgender  Nachtrag  ge¬ 
macht:  Supra-  und  Infraklavikulargruben  beiderseits  stark  einge- 
zogen;  beiderseitige  Spitzendämpfung,  links  zahlreiche  Rassel¬ 
geräusche.  L.  li.  u.  pleuritisches  Reiben.  Am  12.  V.  stellt  sich 
Pat.  wieder  vor.  mit  gleicher  Spitzendämpfung,  zahlreichen  Rassel¬ 
geräuschen,  aber  ohne  Pleuritis.  Beginn  der  Hetolbehandlung. 
Pat.  erhält  im  Ganzen  33  intravenöse  Injektionen.  Auf  dieselben 
verspürt  Pat.  selbst  subjektive  Besserung,  besonders  auch  des 
Stechens  beim  Athmen,  hat  guten  Appetit  und  keinen  Husten.  Ihr 
Gewicht,  das  im  Jahre  1901  von  55,5  durch  den  Sanatoriums- 
aefenthalt  auf  57.0  gestiegen  war,  betrug  anfangs  Januar  d.  .7. 
52.0  kg.  Am  12.  Mai,  zu  Beginn  der  Hetolbehandlung.  wog  sie 
55  5  und  nach  Schluss  der  Hetolbehandlung  am  25.  VIII.  02  60  kg. 
Misslingen  waren  von  der  Pat.  nicht  zu  erreichen. 

F  a  1 1  II.  II.  F.  Hereditär  nicht  belastet,  hatte  die  Pat.  bis 
znn  20.  .Talir  nur  einmal  Lungenentzündung.  Am  17.  V.  ergibt 
die  Untersuchung  in  der  Poliklinik  anamnestisch:  Seit  2  Jahren 
Arswurf  und  starken  Husten,  schlechten  Appetit,  und  Pat.  wird 
magerer.  Gewicht  62.0  kg.  Status:  Gut  genährt,  kein  wesentlicher 
III  rzbefund.  Lungen  leichte  doppelseitige  Spitzendämpfung,  katar¬ 
rhalische  Geräusche,  besonders  links.  Temp.  36,8.  Bis  zur  .>.  In¬ 
jektion  Temperatur  nie  gesteigert,  dann  plötzlich  Aufstieg  auf 
3s. 2,  was  sich  durch  die  Uebersclireitung  von  5  mg  erklären  lassen 
dürfte  (Länderer).  Daraufhin  Injektionen  bis  1.  VIII.  ohne 
invi  ndwelche  Temperatursteigerung.  An  diesem  'Pag  verlässt  Pat. 
München,  objektiv  und  subjektiv  gebessert.  Gewicht  65.0  kg. 
Zn  zeit  kein  Auswurf,  kein  Husten,  kaum  katarrhalische  Ge¬ 
räusche. 


Fall  III.  II.  E.  Keine  Heredität;  seit  „einigen  Jahren“ 
Stechen  auf  den  Lungenspitzen;  auswärts  mit  Kreosot  behandelt. 
Zurzeit  16.  IV.  schlechter  Appetit,  starke  Xaclitschweisse  und  Ab¬ 
nehmen.  55  kg  Gewicht.  Temp.  37,8.  Reduzierter  Ernährungs¬ 
zustand,  geringer  Fettpolster,  kein  pathologischer  Herzbefund, 
lieber  den  Innigen  Spitzenkatarrh,  im  Auswurf  Tuberkelimzillen 
nachgewiesen.  Rasselgeräusche.  Beginn  der  Injektionskur. 
Temperatur  fällt  von  37,7  auf  36,8.  nach  der  3.  Injektion  steigt 
angeblich  der  Appetit.  Die  Temperatur  schnellt  nach  der  6.  In¬ 
jektion  auf  37.7.  daher  von  hier  ab  Injektionsdosis  nie  über  6  mg. 
Temperatur  niemals  mehr  über  37,2.  Pat.  wird  nach  35  Injektionen 
aus  der  Behandlung  auf  Wunsch  entlassen.  Die  Xaclitschweisse 
fehlen  seit  der  6.  Injektion,  von  der  6.  Woche  ab  werden  keine 
Tuberkelbazillen  im  Auswurf  mehr  gesehen. 

Fall  IV.  P».  A.  Keine  Heredität.  Seit  4  Jahren  ist  Pat. 
lungenleidend  („Lungenspitzenkatarrh“).  Nach  dreiwöchentlichem 
Krankenhausaufenthalt  (Abendtemperatur  bis  39°)  im  Sanatorium, 
nach  neunmonatlichem  Aufenthalt  wenig  gebessert.  Gewicht¬ 
abnahme  von  48  auf  44  kg,  nach  einem  halben  Jahr  nochmaliger 
Sanatoriumaul  enthalt  (Bettruhe  und  fettreiche  Kost),  gebessert 
(Gewicht  46  kg:  kein  Abendfieber).  Pat.  versah  y2  Jahr  Dienst,  be¬ 
kam  im  Herbst  Hämoptoe,  wurde  ins  Krankenhaus  gebracht,  wo 
sie  nochmals  2  Hämoptoen  hatte.  3  Monate  im  Krankenhaus 
(anfangs  Fieber  bis  39,6,  Gewicht  45  kg).  Darauf  Aufenthalt  in 
der  Rekonvaleszentenanstalt,  am  26.  IV.  kommt  Pat.  zu  uns.  Sie 
fühlt  sich  sehr  matt,  schlechten  Appetit,  viel  Herzklopfen,  viel 
Seitenstechen  und  Stechen  beim  Atmen,  massigen  Auswurf  und 


Schmerzen  im  Unterleib, 
zustand,  blasse  Hautfarbe 
klappender  Pulmonalton. 
katarrhalisches  Geräusch 


peratur  ist  37 
doch  bewegt 
Morgens  und  37 


ai 


be 


Status:  Ziemlich  schlechter  Ernälirungs- 
.  Am  Herz  leises  systolisches  Geräusch, 
An  den  Lungen  Spitzendämpfung  links, 
und  grossblasiges  Rasseln.  Die  Teni- 
:ommt  Injektionen,  die  sie  gut  verträgt; 


7.  1 

sich  die  Temperatur  immer  noch  zwischen  St, 8 
\  Abends.  Husten  und  Auswurf  lassen  nach  der 
6.  Injektion  nach,  Appetit  nimmt  zu.  Nach  14  Injektionen  hat 
sich  zwar  subjektiv  das  Befinden  gebessert,  doch  steht  die  Tem¬ 
peratur  immer  noch  gleich  hoch  (bis  37,4  am  Abend).  Die  Pat. 
verlässt  München,  stellt  sich  nach  8  Tagen  w  ieder  vor,  mit  erhöhtet 
Temperatur  (37,8)  und  Stauungserscheinungen  seitens  der  Mitral¬ 
insuffizienz  (Knöchelödem,  leichte  Nephritis).  Ebenso  hat  sie  eine 
fieberhafte  Parametritis  und  Oophoritis.  Der  Lungenbefund  ist 
objektiv  wesentlich  besser.  Pat.  wünscht  dringend  weitere  In¬ 
jektionen,  da  sie  von  ihnen  sich  Heilung  verspricht.  Pat.  wird 
ins  Krankenhaus  verwiesen ;  dortselbst  nach  14  Tagen  Besserung 
des  Allgemeinbefindens,  weitere  10  Injektionen  ändern  das  Be¬ 
finden  nur  subjektiv.  Gewicht  46,5  kg. 

F  a  1 1  V.  A.  S.  Erscheint  am  21.  V.  mit  Klagen  über  Husten, 
schlechten  Stuhl  und  starken  Schmerzen  im  Unterleib.  Status: 
Schlecht  genährte  Person.  Muskulatur  und  Fettpolster  schlecht  ent¬ 
wickelt,  blasse  Hautfarbe,  Supra-  und  lufraklavikulargrube  stark 
eingefallen;  linksseitige  Spitzendämpfung,  etwas  Katarrh,  Herz 
ohne  Befund.  Abdomen:  im  linken  Epigastrium  ein  mandarinen¬ 
grosser  Tumor  zu  fühlen.  Diagnose:  Plithisis  peritonei.  Gegen 
die  Stuhlbeschwerden  Kurei  lasches  Pulver.  Temp.  37,6.  Die¬ 
selbe  steigt  unter  der  begonnenen  Behandlung  bis  38,0,  lässt  nach 
10  Injektionen  nach  bis  37,0,  hält  sich  von  da  ab.  mit  Besserung 
des  Appetits  einhergehend,  ungefähr  auf  36,5  und  steigt  bis  zur 
30.  Injektion  niemals  mehr  über  30,7.  Grösste  Injektionsmenge 
20  (  !)  mg.  Zurzeit  hat  sich  das  Befinden  der  Pat.  sehr  gehoben, 
der  Tumor  ist  auf  Nussgrösse  zurückgegangen.  Pat.  befindet  sich 
noch  in  Behandlung. 

Fall  VI.  M.  X.  Pat.  wurde  wegen  Lungenspitzenkatarrh 
von  der  Poliklinik  in  ein  Sanatorium  begutachtet,  woselbst  sich  ihr 
Gewicht  von  45  auf  47  kg  hob.  Sie  kam  ohne  Auswurf  und  mit 
nur  wenigem  Husten  zurück;  es  bestand  noch  geringer  Katarrh 
der  linken  Spitze  mit  Dämpfung  daselbst,  welcher  durch  Hetol 
zum  Schwinden  gebracht  werden  sollte.  Es  gelang  dies  fast  gänz¬ 
lich  (Zunahme  l1/,  kg.  besserer  Appetit,  kein  Husten)  nach  In¬ 
jektion  von  20  Spritzen. 

Fall  VII.  .1.  H.  Der  Pat.  Vater  starb  an  Lungenschwind¬ 
sucht.  ebenso  ein  Bruder.  Pat.  selbst  steht  seit  2  Jahren  in  ex¬ 
terner  ärztlicher  Behandlung  wegen  Lungenspitzenkatarrh  (Kreo¬ 
sot.  Milchdiät.  Bettruhe).  Zurzeit  in  Behandlung  der  laryngo- 
logischen  Poliklinik  wegen  tuberkulöser  Infiltration  der  Ary- 
tiinoidfalten.  Status:  Sehr  schlecht  ernährtes  Mädchen,  am  Herz 
systolisches  und  diastolisches  (?)  Geräusch,  beiderseitiger  Spitzen¬ 
katarrh,  Knisterrasseln  und  Katarrh,  heisere  Stimme.  Temp.  37.8, 
Gewicht  44  kg.  Nach  5  Injektionen 
36.8  zurück,  nach  der  6.  kann  Pat. 

Infiltration  verschwindet.  Die  Pat. 
tiouen  der  weiteren  Behandlung. 

F  a  1 1  IV.  S.  W.  Pat.  steht  seit  langer  Zeit  wegen  Phthise 
der  Lungen  in  Behandlung  der  Poliklinik.  Pa  Kreosot  und  robo- 
rierende  Diät  keinen  Erfolg  bringen,  wird  Hetol  versucht.  Pat. 
ist  subjektiv  sehr  deprimiert  und  sieht  ihr  baldiges  Ende  voraus; 
geht  infolgedessen  nur  sehr  ungern  an  die  Behandlung.  Objektiv 
findet  sich  starker  doppelseitiger  Katarrh  auf  den  Lungen  mit 
Rasselgeräuschen.  Die  Frau  ist  sehr  abgemagert,  hat  Abend¬ 
temperaturen  bis  38,4.  mehrfache  Diarrhöen  und  reichliche  Bazillen 
im  Auswurf.  Nach  30  Injektionen  hat  der  Auswurf  abgenommen, 
der  Stuhlfang  ist  in  Ordnung,  Appetit  nimmt  zu.  das  Fieber  über¬ 
schreitet  Abends  37,2  zurzeit  nicht  mehr,  und  Pat.  ist  auch  sub¬ 
jektiv  sehr  günstig  beeinflusst.  Sie  begibt  sich  zu  ihrer  Schwester 
aufs  Land. 


?ehen  die  Temperaturen  auf 
deutlich  laut  reden  und  die 
entzieht  sich  nach  10  Injek- 


18.  November  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1917 


I  a  1 1  IX.  S.  J.  Der  Pat.  Eltern  starben  an  Lungenschwind¬ 
sucht;  ebenso  Ihr  Mann.  Bei  Pat.  selbst  soll  seit  3  Jahren  Lungen¬ 
spitzenkatarrh  bestehen;  Auswurf  und  Husten  vorhanden  se  n  und 
starke  Abmagerung;  angeblich  in  einem  Jahr  von  54  auf  40  kg 
Objektiv  findet  sich  massiger  Katarrh  auf  beiden  Spitzen  vev- 
gfcharftes  Exspmum  rechts,  und  wenig  Rasselgeräusche  Keine 
Temperaturerhöhung.  Nach  Injektion  von  20  Spritzen  fühlt  sich 

Pat.  ganz  wohl;  das  Gewicht  ist  um  2  kg  gestiegen  Pat  ent 
zieht  sich  weiterer  Behandlung.  gestiegen.  Fat.  ent- 

Ueber  die  I  alle  aus  der  Praxis  des  Dr.  v.  St.  sei  kurz  folgendes 
bemerkt:  Es  handelte  sich  dort  um  12  Fälle  von  leichten,  grössten¬ 
teils  nicht  fieberhaften  Katarrhen  der  Lungenspitzen  Bei  einem 
Teil  (0  Patienten)  wurden  die  Injektionen"  intramuskulär  in  dS 
Glutaen  gemacht.  Bei  dieser  Methode  wurde  jedoch  nur  wenig 
oder  nicht  nachweisbarer  Erfolg  erzielt,  selbst  wenn,  wie  in  einem 
I* ulk,  in  o  Monaten  45  Injektionen  gemacht  worden  sind  Inter¬ 
essant  ist  es,  dass  in  einem  Fall,  wo  durch  die  anfänglich  in  die 
Vena  mediana  gemachten  Injektionen  Besserung  eingetreten  war 
die  Aufhellung  der  Dampfung  und  das  Zurückgehen  des  Katarrhs 
selbst  auf  H)  Injektionen  intramuskulär  nicht  fortscliritten.  Bei 
den  anderen  6  Fällen,  wo  es  möglich  war,  neben  der  Hetoltherapie 
allgemein  kräftigende  Nahrung,  viel  Milch,  viel  Bewegung  in 
liciei  L/iift,  also  bekannte  Unterstützung  des  Gesaintorganismiis 
zu  verordnen,  waren  die  Erfolge  geradezu  gute. 

Einige  Bemerkungen  zu  den  in  der  Poliklinik  mit  ITetol 
behandelten  Fällen  seien  noch  gemacht.  Es  ist  nicht  zu  be¬ 
streiten,  dass  Hetol  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Hilfs¬ 
mittel  bei  der  Behandlung  von  Phthisen  ist.  Das  hat  wohl  auch 
dm,  wenn  schön  geringe  Auswahl  von  Fällen  wieder  bewiesen. 
Ein  Ei  folg  ist  jedoch  nur  bei  intravenöser  Anwendungsweise 
zu  erhoffen.  Diese  ist,  wenn  eingeübt,  keine  „crux  medicorum“ 
mehr.  In  obigen  Fällen  wurde  sie  auf  folgende  Weise  ausgeführt: 
Nachdem  um  den  Oberarm  eine  elastische  Binde  straff  gelegt  war, 
wurde  die  Gegend  der  Vene  mit  Alkoholäther  ordentlich  gereinigt-. 
Darnach  wurde  die  in  steriler  Kochsalzlösung  aufbewahrte 
Spritze  mit  der  ebenfalls  sterilisierten  Hetollösung  gefüllt,  die 
Nadel  eingestossen,  zur  Sicherheit  der  Austritt  eines  Bluts¬ 
tropfens  aus  der  Kanüle  abgewartet,  die  Spritze  angesetzt,  zur 
Vorsorge  noch  einmal  ein  wenig  Blut  aspiriert  und  dann  die 
Injektion  gemacht.  Der  kleine  Stichkanal  wurde  mit  Zinkoxyd¬ 
pflaster  geschlossen.  Die  Spritze  (sterilisierbar  mit  regulierbaren 
Asbestkolben  von  Frohnhäuser  in  München)  wurde  jedes¬ 
mal  ausgekocht. 

Embolien  oder  Schlafsucht  (E  w  a  1  d)  wurden  auch  hier  nicht 
beobachtet.  Der  neuen  Katzenstein  sehen  Methode  (Münch, 
med.  Wochenschr.,  No.  37  1.  J.),  die  jedenfalls  den  Vorzug 
der  angenehmen  Anwendungsweise  in  der  Praxis  hat,  kommt 
kein  weiterer  Vorteil  zu.  Kurz  zusammengefasst  lässt  sich  ein 
Pi  teil  über  Hetol  folgendermassen  fällen:  Wenn  schon  sich  der 
suggestive  Einfluss  (besonders  z.  B.  bei  Appetitlosigkeit)  nicht 
ganz  ausschalten  lässt  und  man  wegen  der  Klippe  der  Temperatur¬ 
steigerung  bei  0,5  (siehe  I  all  I,  II,  III  u.  a.)  vorsichtig  bei  der 
V  eiterbehandlung  sein  muss,  so  sind  doch  die  Erfolge,  besonders 
wo  ja  auch  bei  obigen  Fällen  keinerlei  Vorschriften  über  Lebens¬ 
weise  und  soweit  möglich  auch  keine  Arznei  ausser  Hetol  gegeben 
wurde,  derart,  dass  Moslers  und  Ewalds  Aufforderung, 
das  Verfahren,  „da  es  bei  sachgemässer  Anwendung  keine  di¬ 
rekten  Gefahren  mit  sich  bringt“  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1900, 
No-  21),  weiter  zu  prüfen,  von  jedem  Arzte  in  Erwägung  ge¬ 
zogen  werden  sollte. 

Am  Schlüsse  liegt  mir  noch  ob,  meinen  besten  Dank  Herrn 
Pi  ivatdozent  Dr.  H.  N  eumayer  (als  damaligem  stellvertreten¬ 
den  Vorstand),  für  die  Ueberlassung  der  Fälle  und  die  Unter¬ 
stützung  bei  der  Arbeit,  sowie  den  Herren  Assistenten  der  Poli¬ 
klinik  für  die  Uebertragung  geeigneter  Fälle  auszusprechen. 


Ans  der  Klinik  für  Dermatologie  und  Syphilis  in  Leipzig. 

lieber  Urethritis  gonorrhoica  bei  Kindern  männlichen 

Geschlechts. 

Von  Dr.  Fische  r, 

Stabsarzt  im  8.  Inf. -Reg.  No.  107,  früher  Volontärassistenzarzt 
an  der  Dermatologischen  Klinik  in  Leipzig. 

V  ährend  die  gonorrhoische  Erkrankung  des  Genitale  kleiner 
Mädchen  leider  eine  sehr  häufige  zu  nennen  ist,  sind  Fälle  von 
I  icthritis  gonorrhoica  bei  Knaben  vor  der  Pubertätszeit  relativ 
seltene  \  orkommnisse.  Bei  Mädchen  beginnt  der  gonorrhoische 
1  rozess  in  der  Regel  an  den  äusseren  Genitalien,  der  Vulva,  in 
<orm  der  Vulvitis,  setzt  sich  dann  rasch  auf  die  Vagina  fort 
und  ei  greift,  wie  die  neueren  Untersuchungen  erwiesen  haben, 
No  46- 


nicht  selten  auch  die  U  rethra  und  die  Bartholin  ischeu 
Drüsen,  dringt  dagegen  in  den  Zervikalkanal  nur  selten  vor. 
Oft  tritt  die  Vulvovaginitis  bei  kleinen  Mädchen  geradezu  en¬ 
demisch  auf;  solche  Endemien  sind  in  Krankenhäusern,  Pflege¬ 
anstalten,  ja  selbst  in  einzelnen  Familien  wiederholt  beobachtet 
worden,  wie  die  in  der  Literatur  beschriebenen  Fälle  von 
Fraenkel-  Hamburg ,  Lenander  -  Stockholm  ,  Dusch- 
Heidelberg,  Oahen-Brach  -  Graz,  W.  Fischer-  Altona, 
C  n  o  p  f  -  Nürnberg,  W  e  i  1 1  -  Lyon  u.  a.  beweisen.  Dahingegen 
ist  meines  Wissens  nur  eine  einzige  förmliche  Epidemie  von 
Urethralblennorrhöe  bei  Knaben  beobachtet  worden  und  zwar  in 
einem  Knabeninstitut  (Winslow,  1896). 

In  Anbetracht  des  relativ  seltenen  Vorkommnisses  einer 
gonorrhoischen  Genitalinfektion  bei  kleinen  Knaben  halte  ich 
die  folgenden  Mitteilungen  für  erwähnenswert  und  erlaube  mir, 
gleichzeitig  aus  den  Angaben  der  Literatur  eine  kurze  über¬ 
sichtliche  Darstellung  anzuschliessen. 

Eigene  Beobachtung. 

Einen  Fall  von  gonorrhoischer  Urethritis  bei  einem  9  Jahre 
alten  Knaben  hatte  ich  selbst  Gelegenheit  in  der  Klinik  des  Herrn 
Professor  Dr.  Riehl  beobachten  zu  können. 

O.  B.,  Weberskind  aus  Leipzig,  wurde  am  25.  XI.  1901  wegen 
eitrigen  Ausflusses  aus  der  Harnröhre  und  schmerzhafter  An¬ 
schwellung  des  Hodensackes  von  seiner  Mutter  in  die  Klinik  ge¬ 
bracht.  & 

A  n  a  m  n  e  s  e:  Der  Junge  war  vor  3  Wochen  an  Ausfluss  aus 
der  Harnröhre  und  lebhaften  Schmerzen  beim  Urinieren  erkrankt 
Zur  Behandlung  wurde  ein  Naturheilkundiger  zugezogen,  der  täg¬ 
liche  Urethralinjektionen  mit  „Wundwasser“  vornahm  und  Thee 
innerlich  verordnete.  Während  dieser  Behandlung  war  eine 
schmerzhafte  entzündliche  Schwellung  des  rechten  Nebenhodens 
dazu  gekommen,  so  dass  sich  die  Mutter  endlich  entschloss  ärzt¬ 
liche  Hilfe  in  der  Klinik  aufzusuchen. 

e  t  u  11  ü  bei  der  Au  f  n  a  h  m  e:  Schwächlich  gebauter 
Knabe  mit  blassem  leidenden  Gesichtsausdruck.  Innere  Organe 
soweit  nachweisbar,  gesund. 

Genitale:  Orificiuin  urethrae  lebhaft  gerötet  und  ge¬ 
schwollen,  ebenso  die  etwas  lange,  aber  gut  reponierbare  Prii- 
putialhaut.  Präputialsack  erfüllt  mit  ziemlich  dickflüssigen  gelben 
Eitermengen.  Auch  die  Haut  der  Glans  zeigt  deutliche  entzünd¬ 
liche  Rötung.  Aus  der  Urethra  entleert  sich  spontan  reichlich 

gelbdickflüssiger  Eiter.  Die  rechte  Hälfte  des  Skrotums  ist  stark 
geschwollen,  auf  Druck  ausserordentlich  schmerzhaft.  Hoden 

und  Nebenhoden  nicht  voneinander  differenzierbar.  Der  rechts¬ 
seitige  Funiculus  spermaticus  ist  strangförmig  verdickt  und  sehr 
schmerzhaft.  Die  Inguinaldrüsen  beiderseits  etwas  geschwellt, 
rechts  mehr  als  links,  auf  Druck  nicht  schmerzhaft.  Mikro¬ 

skopische  Untersuchung  des  Urethralsekrets:  Zahlreiche  Kokken- 
liaufen,  die  meist  innerhalb  der  Eiterzellen,  vereinzelt  auch  zwi¬ 
schen  mehreren  Eiterzellen  liegen;  vereinzelte  Plattenepithelien. 
Die  Kokken  entfärben  sich  leicht  nach  dem  Gr  am  sehen  Ver- 
iahren.  Die  Zweigläserprobe  ergab  den  Urin  in  beiden  Gläsern 
diftus  getrübt;  bei  der  Urinentleerung  schien  der  Junge  lebhafte 
Schmerzen  zu  haben.  Die  Temperatur  zeigte  nur  in  den  ersten 
Tage  leichte  Exazerbationen. 

Unter  Behandlung  mit  Bettruhe,  Hochlagerung  des  Hoden¬ 
sackes,  kalten  Umschlägen,  häufigen  Ausspülungen  des  Präputial- 
saekes  mit  essigsaurer  Tonerdelösung  und  entsprechender  Diät 
waren  die  erwähnten  Erscheinungen  nach  5 y2  wöchentlicher  Be¬ 
handlung  in  der  Klinik  soweit  zurückgegangen,  dass  der  Knabe 
in  poliklinische  (ambulante)  Behandlung  übergeführt  werden 
konnte.  Schleimige  Sekretabsouderung  blieb  indes  noch  wochen¬ 
lang  bestehen. 

Auf  innerliche  Darreichung  von  Salol  in  öfteren  täglichen 
kleinen  Dosen  schwanden  die  Kokken  allmählich  im  Präparat. 
Erst  nach  4  monatlicher  Behandlungszeit  ergab  die  Zweigläser¬ 
probe  völlig  klaren  Urin  ohne  Beimengungen. 

In  ätiologischer  Hinsicht  war  absolut  nichts  zu  eruieren. 
Die  Mutter  wollte  sich  durchaus  nicht  denken  können,  wie  ihr 
Junge  zu  der  Krankheit  gekommen  sein  sollte.  Der  Knabe  selbst 
wollte  darüber  gar  nichts  wissen;  er  machte  übrigens  einen  ausser¬ 
ordentlich  scheuen  und  verstockten  Eindruck  und  schien  durch 
seine  Angehörigen  stark  eingeschüchtert  zu  sein.  Auch  die  Mutter 
schien  kein  ganz  gutes  Gewissen  zu  haben,  liess  sich  aber  doch 
nach  einigem  Zureden  zu  einer  Untersuchung  bewegen.  Das  Unter¬ 
suchungsresultat  war  bei  ihr,  wie  auch  bei  ihren  3  Töchtern, 
Mädchen  im  Alter  von  5 — 12  Jahren,  absolut  negativ.  Der  Vater, 
den  ich  gerne  auch  revidiert  hätte,  konnte  angeblich  aus  Geschäfts¬ 
rücksichten  nicht  kommen. 

In  einem  zweiten,  nicht  publizierten  Fall,  den  Herr  Professor 
Dr.  It  i  e  li  1  im  Krankenhaus  Wieden  (Wien)  beobachtet  hatte, 
betraf  die  akute  gonorrhoische  Urethritis  einen  ll_  12  jährigen 
Knaben,  der  sich  längere  Zeit  hindurch  sein  Taschengeld  gespart 
hatte,  um  schliesslich  eine  Prostituierte  besuchen  zu  können,  bei 
welcher  er  sich  mit  Gonorrhöe  infizierte.  In  diesem  Falle,  der 
schon  am  8.  Tage  zur  Krankenhausbehandlung  kam,  verlief  die 
Gonorrhöe  akut  mit  stürmischen  Erscheinungen  (blutigen  Bei¬ 
mengungen  im  Sekret,  Harnzwang  und  Harnverhaltung),  heilte 
aber  ohne  Komplikationen  in  4  Wochen  aus. 


4 


1918 


MUENCHENER  MEDIÖINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Ueber  das  Vorkommen,  die  Erscheinungen  und  den  Verlauf 
der  gonorrhoischen  Urethritis  bei  Knaben  vor  der  Pubertätszeit 
sind  in  der  Literatur  eine  Reihe  von  Angaben  niedergelegt. 
Widmark,  Marfan  und  Cseri  wiesen  meines  Wissens 
zuerst  auf  die  gonorrhoische  Natur  der  meisten  Fälle  von 
Urethritis  der  kleinen  Knaben  hin,  die  bis  dahin  von  den  meisten 
Berichterstattern  für  nicht  infektiös  gehalten  wurde.  Seitdem 
haben  eine  ganze  Reihe  von  Autoren  Fälle  von  Gornorrhöe  bei 
Knaben  berichtet.  In  den  mir  zugänglich  gewesenen  Publi¬ 
kationen  konnte  ich  im  ganzen  69  Beobachtungen  zählen. 
Chronologisch  geordnet  sind  dieselben  aus  nachstehender  Tabelle 
zu  ersehen. 


Autor 

Beobach¬ 

tungsjahr 

Zahl 

der  Fälle 

Alter  der  Knaben 

Widmark 

1884 

2 

8  bezw.  13  Jhr. 

Marfan 

1885 

1 

? 

Csö  ri 

2 

4  bezw.  5  Jhr. 

Prettymann 

1388 

2  (Brüder) 

9  bezw.  11  Jhr. 

Custer 

1890 

1 

5  Jhr. 

F.  M.  C  r  a  n  d  a  1 1 

1 

6  „ 

Abbe 

1 

3  „ 

Karner 

1 

3  „ 

v.  A  r  w  a  1 1 

3 

10  Mon.,  1  Jhr.,  4  Jhr. 

Martin 

1892 

1 

3  Jhr. 

R  ö  n  a 

1888—1893 

16 

D/4— 13'/2  Jhr. 

Koplik 

1893 

3 

3—9  Jhr. 

Z  e  i  s  s  1 

2 

6  bezw.  3  Jhr. 

Harris 

1894 

1 

14  Jhr. 

Mac-Munn 

1 

2  Jhr. 

V  i  g  e  r 

1 

2  Jhr. 

Moncorvo 

8 

2—7  Jhr. 

Imerwol 

1895 

2 

3  bezw.  7  Jhr. 

dto. 

1896 

2 

U/2  bezw.  3V2  Jhr. 

Cox 

1 

12  Jhr. 

Sheffield 

2 

? 

L  o  f  t  o  n 

2 

je  5  Jhr. 

Westerveit 

1 

5  Jhr. 

Imerwol 

1897 

6 

2‘/2,  4,  7,  9, 10, 11  Jhr. 

Lang 

1 

5V2  Jhr. 

M  a  r  e  r 

1899 

1 

5  Mon. 

Roth 

1 

12  Jhr. 

Dobrovics 

1 

4  Jhr. 

DeKeersmäcker 

1901 

1 

2  Jhr. 

B  6  k  a  i 

? 

1 

11  Jhr. 

(Anmerkun  g.  In  dieser  Tabelle  ist  die  von  Winslow 
1886  mitgeteilte  Epidemie  von  Gonorrhöe  in  einem 
Knabeninstitut  in  Baltimore  nicht  mit  eingerechnet,  da 
sich  die  Endemie  auch  auf  junge  Leute  über  dem  Pubertäts¬ 
alter  erstreckte  und  in  dem  mir  zugänglichen  Referate  (Arch.  f. 
Denn.  u.  Syph.)  keine  Zahlen  angegeben  sind.  Das  gonorrhoische 
Virus  war  durch  einen  älteren  Jungen,  der  sich  bei  einem  aus¬ 
wärtigen  Mädchen  angesteckt  hatte,  in  die  Anstalt  eingeschleppt 
■worden.  Die  weitere  Verbreitung  war  teils  auf  aktive,  teils  auf 
passive  Päderastie  zurückzuführen,  der  sich  die  Knaben  zwischen 
dem  13.  und  19.  Jahre  hingaben.  Von  Komplikationen  wurden 
Epididymitis,  Chorda  und  Tripperrheumatismus  konstatiert.  Die 
Untersuchung  des  Rektums  ergab  bei  vielen  Knaben  eine  entzün¬ 
dete,  geschwellte,  x-ote,  schmerzhafte  und  leicht  blutende  Schleim¬ 
haut.  — 

Ausserdem  haben  noch  T  h  i  r  y  -  Brüssel  und  Poynter- 
New-York  Fälle  von  Gonorrhöe  bei  Kindern  männlichen  Ge¬ 
schlechts  beobachtet;  die  Arbeiten  dieser  Autoren  waren  mir  aber 
weder  im  Original  noch  in  Referaten  zugänglich. 

Aus  diesen  Mitteilungen  geht  hervor,  dass  die  Urethritis 
gonorrhoica  der  Knaben  vorwiegend  in  den  ersten  6  Lebens¬ 
jahren  vorkommt  (ca.  70  Proz.  aller  Fälle).  Die  Art  und  das  Vor¬ 
kommen  der  Komplikationen  ist  aus  nachstehender  Zusammen¬ 
stellung  zu  ersehen. 

Balanitis  und  Balanoposthitis . 9  mal 

Lymphangoitis  . 4  „ 

Lymphadenitis . 3  „ 

Cystitis  ^2  Fälle  mit  schwerer  Hämaturie)  .  .  .  5  „ 

Epididymitis,  einseitig . 7  „ 

„  beiderseitig . 5  „ 

Incontinentia  urinae,  Enuresis . 6  „ 

Gonitis . 1  „ 

Arthritis  universalis . 1  „ 

Strikturen . 4  „ 

In  Wirklichkeit  dürften  sich  diese  Zahlen  noch  höher  be¬ 
laufen,  da  ich  verschiedene  Fälle,  über  welche  nur  im  allgemeinen 
berichtet  war,  nicht  mitrechnen  konnte. 


Die  Urethritis  gonorrhoica  vei’läuft  also  bei  Knaben  im  all¬ 
gemeinen  fast  in  gleicher  Weise,  wie  bei  Erwachsenen.  Einige 
Punkte  verdienen  jedoch  eine  besondere  Erwähnung: 

1.  Sehr  häufig  ist  bei  Knaben  die  Gonorrhöe  eingeleitet  von 
einer  Balanitis,  bezw.  Balanoposthitis,  besonders  bei  engem  und 
langem  Präputium. 

2.  In  50  Proz.  der  Fälle  ist  auch  die  Pars  posterior  von  der 
Erkrankung  betroffen  gewesen. 

3.  Schmerzhafte  Erektionen  sind  in  keinem  der  obigen  Fälle 
erwähnt,  auch  Prostatitis  ist  niemals  beobachtet  worden. 

4.  Enuresis  nocturna,  überhaupt  Incontinentia  urinae  wurde 
häufig  beobachtet. 

5.  Sehr  selten  scheint  bei  Knaben  im  Anschluss  an  Gonor¬ 
rhöe  Gelenkrheumatismus  aufzutreten.  In  der  Literatur  er¬ 
wähnen  lediglich  Marfan  und  Winslow  das  Vorkommen 
dieser  Komplikation,  die  bei  Mädchen  mit  Vulvovaginitis  gar 
nicht  so  selten  hinzutritt. 

6.  Strikturen  im  Gefolge  der  gonorrhoischen  Erkrankung 
sind  bei  Knaben  durchaus  nicht  selten.  Im  Berichtsfall  von 
Abbe  hatten  sich  bei  dem  3jährigen  Knaben  bereits  nach 
6  Monaten  impermeable  Strikturen  in  der  Pars:  anterior  und 
posterior  entwickelt,  die  einen  operativen  Eingriff  nötig  machten. 

7.  Meist  pflegt  bei  Knaben  die  Gonorrhöe  mit  viel  stür¬ 
mischeren  Erscheinungen  einzusetzen  als  beim  Erwachsenen  und 
sehr  rasch  auch  auf  die  Pars  posterior  urethrae  überzugehen. 

Uebertragungsmodus. 

Bei  den  71  Berichtsfällen  (meine  2  Fälle  mitgerechnet)  er¬ 
gaben  die  Nachforschungen  über  die  Art  der  Uebertragung  in 
40  Fällen  ein  sicheres  oder  fast  sicheres,  in  5  Fällen  ein  un¬ 
sicheres,  in  den  übrigen  26  Fällen  ein  absolut  negatives  Resultat. 
Die  hohe  Ziffer  der  Fälle,  in  denen  absolut  nichts  zu  eruieren 
oder  wenigstens  keine  sichere  Auskunft  zu  erlangen  gewesen  war, 
ist  begründet  in  der  Scheu  der  Angehörigen,  richtige  Angaben 
zu  machen,  oft  auch  in  der  Verstocktheit  und  Verlogenheit, 
welche  derartig  belastete  Knaben  an  den  Tag  zu  legen  pflegen 
oder  in  der  Zufälligkeit  der  Uebertragung. 

Von  den  40  Fällen  mit  positivem  anamnestischen  Resultat 
entfallen : 

1.  Auf  Ansteckung  durch  Kohabitationsversuche . 12 

2.  Auf  Uebertragung  durch  Zusammenschlafen  oder  näheren 

(nicht  geschlechtlichen)  Verkehr  mit  gonorrhoisch  erkrankten 
Knaben,  Mädchen  oder  männlichen  Erwachsenen  ...  .  11 

3.  Auf  zufällige  Uebertragung  durch  weibliches  Pflege-  oder 

Wartepersonal . 9 

4.  Auf  mittelbare  Uebertragung  durch  Wäscheartikel  u.  dergl.  6 

5.  Auf  Infektion  durch  Sittlichkeitsdelikte  (Winslows  Bericht 

nicht  mitgerechnet) .  .  2 

Hieraus  ist  zu  entnehmen,  dass  auch  bei  Knaben  zufällige 
Ueber  tragungen  auf  direktem  oder  indirektem  Wege  durchaus 
nicht  selten  Vorkommen.  Relativ  oft  erfolgt  die  Infektion  bei 
Knaben  durch  Kohabitationsversuche  und  zwar  betrifft  dies  fast 
ausschliesslich  ältere,  grössere  Knaben. 

Auch  Knabenmissbrauch  kann  zuweilen  gonorrhoische  An- 
steckung  vermitteln,  wie  die  beiden  Berichtsfälle  und  die  Epi¬ 
demie  W  i  n  1  o  w  s  beweisen.  Bei  einem  dieser  Knaben  im  Alter 
von  3  Jahren  wurde  von  einem  16  jährigen  Dienstmädchen  die 
Immissio  penis  versucht;  der  andere  (ein  5  Jahre  alter  Mexi¬ 
kanerknabe)  war  von  seinen  Stammesgenossen  missbraucht 
worden. 

Im  allgemeinen  begegnet  man  der  Neigung,  die  Infektion 
von  Kindern  auf  verbrecherische  und  unsittliche  Akte  zurück¬ 
zuführen,  nicht  bloss  bei  Laien,  sondern  auch  bei  Aerzten.  Dass 
dieser  Infektionsmodus  vorkommt,  ist  zweifellos.  Auch  der  zu¬ 
weilen  noch  im  Volk  herrschende  Aberglaube,  dass  eine  Er¬ 
krankung  an  Tripper  durch  den  Koitus  mit  einem  ganz  un¬ 
schuldigen,  reinen  Mädchen  geheilt  werden  könnte,  mag  vielleicht 
dann  und  wann  noch  ein  Opfer  fordern;  die  forense  Literatur 
weist  dies  einwandsfrei  nach.  Jedenfalls  stellen  aber  die  Sitt¬ 
lichkeitsdelikte  nur  den  geringsten  Prozentsatz  für  die  Aetiologie 
der  Gonorrhöe  bei  Kindern  dar.  Marfan,  C  n  o  p  f  u.  a.  be¬ 
rechnen  auf  Grund  zahlreicher  Beobachtungen  die  auf  solchen 
Wegen  zu  stände  kommende  Infektion  von  Kindern  mit  1  Proz. 
aller  Fälle. 

In  der  grossen  Ueberzahl  der  Fälle  ist  die  Infektion  zweifel¬ 
los  auf  unbeabsichtigte  und  auf  völlige  Unkenntnis  basierende, 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


1919 


sowie  mehr  zufällige  Uebertragungen  zurückzuführen.  Am 
häufigsten  geschieht  .  dies  durch  die  Sitte  von  Müttern  und 
Pflegepersonal,  die  Kinder  zu  sich  ins  Bett  zu  nehmen  Nicht 
mit  Unrecht  stellt  Pott,  gestützt  auf  sein  reichhaltiges  Be¬ 
obachtungsmaterial,  die  Behauptung  auf:  „Leidet  das  Kind  an 
spezifischem  Ausfluss,  so  leidet  unter  100  Fällen  90  mal  auch  die 
Mutter  daran.“  Audi  das  Zusammenschlafen  der  Kinder  selbst 
birgt  bei  der  Häufigkeit  der  Vulvovaginitis  der  kleinen  Mädchen 
nicht  zu  unterschätzende  Gefahren.  Eine  grosse  Reihe  von 
1  allen  verdankt  sicher  auch  einer  mittelbaren  Uebertragung 
durch  Badeschwamme,  Handtücher  und  andere  Wäschestücke, 
durch  Badewannen,  Thermometer,  Nachtgeschirre,  Irrigatoren 
die  nach  dem  Gebrauch  nicht  gereinigt  wurden,  und  ähnliche  ver¬ 
unreinigte  Gegenstände  ihre  Entstehung.  Dies  gilt  namentlich 
tur  che  in  Kinderspitälern,  Pensionaten  etc.  beobachteten  En¬ 
demien.  Offenbar  bietet  bei  der  mittelbaren  Uebertragung  die 
breitere  Flache  des  weiblichen  Genitals,  das  Freiliegen  und  die 
Faltenbildung  der  Schleimhaut  mit  ihrem  zarten  und  lockeren 
Epithel  dem  gonorrhoischen  Virus  eine  viel  bessere  Möglichkeit, 
eindrmgen  und  sich  festsetzen  zu  können,  als  die  winzige 
Urethraloffnung  bei  Knaben,  die  überdies  noch  durch  das  die 
Eichel  überragende  Präputium  geschützt  ist.  Die  Kenntnis  des 
häufigen  Vorkommens  der  auf  nicht  geschlechtlichem  Wege 
erworbenen  Gonorrhöe  bei  Kindern  ist  zuweilen  für  den  Arzt  von 
nicht  zu  unterschätzender  Wichtigkeit,  besonders  in  Fällen,  die 
Gegenstand  gerichtlicher  Erhebungen  oder  gerichtsärztlicher  Be¬ 
gutachtungen  werden.  In  solchen  Fällen  ist  es  anzuraten,  mit 
grösster  Vorsicht  vorzugehen  und  nur  auf  Grund  absolut  sicherer 
Angaben  und  Beweise  Schlüsse  zu  ziehen.  Die  Anwesenheit 
von  Gonokokken  in  der  Urethra  eines  kleinen  Knaben  oder  im 
Genitale  eines  Mädchens  berechtigt  nur  in  ganz  wenig  Fällen 
den  Schluss  auf  Stuprum. 


Literatu  r. 

i  i  r)ie,  zn  vorstehender  Arbeit  habe  ich  zum  Teil  den 

Referaten  der  einschlägigen  Spezialzeitschriften  des  In- 
mid  Auslandes  zu  verdanken.  Von  Originalartikeln  und  von 
Hand-  und  Lehrbüchern  neueren  Datums,  die  mir  zur  Verfüeima 
standen  erwähne  ich  die  folgenden:  Imerwol:  „TJretlir.  gonor- 
fi).ei  Knaben ‘ *  1898,  Cnopf:  „Gonorrhöe  im  Kindesalter“ 
DOS,  Fischer:  „Kindergonorrhöe“  1895,  Rn  deck:  „Syphilis 
und  Gonorrhoe  vor  Gericht“  1902,  Bose:  „Der  Gonokokkus  in 
dei  gerichtlichen  Medizin“;  ferner  die  Hand-  bezw.  Lehrbücher 

von  besser,  Finger,  Joseph,  Lange-Brückner  und 
^  O  1  t  z. 


Entzündlicher  Bauchdeckentumor,  hervorgerufen  durch 
einen  aus  dem  Darm  durchgebrochenen  Fremdkörper.*) 

Von  Dr.  A.  Wagner,  Frauenarzt  in  Stuttgart, 

Der  sowohl  in  diagnostischer  als  therapeutischer  Hinsicht 
hochgradig  interessante  Fall  betraf  eine  52  Jahre  alte  Patientin, 
die  me  geboren  hat.  Im  Dezember  1900  will  sie  mit  Schmerzen 
in  der  rechten  unteren  Bauchseite  erkrankt  sein,  gleichzeitig  soll 
hohes  Fieber  bestanden  haben.  Der  damalige  behandelnde  Arzt 
stellte  die  typischen  Symptome  einer  Typlilitis  bezw.  Paratyplilitis 
rest.  Unter  antiphlogistischer  Behandlung  wurde  die  Schwellung 
und  das  Fieber  innerhalb  14  Tagen  zum  Verschwinden  gebracht 
und  die  Patientin  befand  sich  während  des  grössten  Teils  des 
Jahres  1901  ganz  wohl.  Erst  im  November  vorigen  Jahres  stellte 
sich  eine  erneute  Schwellung  und  Schmerzhaftigkeit  der  rechten 
Unterbauchgegend  ein,  welche  im  Verlauf  von  ca.  8  Wochen  lang¬ 
sam,  aber  stetig  an  Grösse  zunahm.  Die  Patientin  besorgte  aber 
wahrend  dieser  Zeit  immer  noch  ihre  Haushaltungsgeschäfte,  bis 
sie  Mitte  Januar  angeblich  infolge  Hebens  eines  schweren  Wasch¬ 
zubers,  wobei  sie  sich  „verlupft“  und  einen  plötzlichen  starken 
Schmerz  im  Bauch  verspürt  habe,  schwer  erkrankte.  Es  seien 
Schüttelfröste  eingetreten,  die  Temperatur  sei  auf  39—40°  an¬ 
gestiegen  und  sie  sei  dauernd  ans  Bett  gefesselt  gewesen. 

Als  ich  die  Patientin  am  18.  Januar  d.  J.  zum  erstenmal  sah, 
erhob  ich  folgenden  Befund:  Sehr  korpulente  Frau,  Puls  120,  klein 
und  fliegend,  Temperatur  39,5  in  recto,  Haut  trocken.  Die  ganze 
i echte  Bauchhälfte  ist  stark  vorgewölbt.  Ein  wenig  über  dem 
rechten  Poupart  sehen  Band  bis  2  Finger  breit  unter  dem 
rechten  Rippenrand  findet  sich  ein  über  mannskopfgrosser,  fibrös- 
derber  Tumor,  der  massig  druckempfindlich  ist  und  mit  den  Bauch¬ 
decken  in  Zusammenhang  steht.  Der  Tumor  scheint  sich  ins  kleine 
Becken  hinab  foi^zusetzen,  vaginal  findet  sich  ein  kleiner,  leicht 
retrovertierter  Uterus;  ein  Zusammenhang  des  Uterus  mit  dem 
Tumor  lässt  sich  aber  nicht  sicher  feststellen,  da  die  kombinierte 
Untersuchung  wegen  der  Druckempfindlichkeit  des  ganzen  Ab¬ 
domens  nicht  möglich  ist. 


*)  Nach  einem  im  Stuttgarter  ärztlichen  Verein  gehaltenen 
Vortrag. 


Eine  sichere  Diagnose  war  bei  diesem  Befund  nicht  zu 
stellen;  differentialdiagnostisch  kamen  in  Betracht:  Ovarial¬ 
tumor  mit  Stieldrehung,  altes  p  a  r  a  t  y  p  li  1  i  ti¬ 
sch  e  s  Exsudat  und  Bauchdeckensarko m. 

Die  am  20.  Januar  d.  J.  vorgenommeue  Laparotomie  ergab  nun 
folgendes:  Der  mannskopfgrosse,  derbe  Tumor  sitzt  in  der  rechten 
Rauchwand,  hat  nach  der  Bauchhöhle  zu  das  Peritoneum  in  einer 
Ausbreitung  von  2  Handtellergrösse  durchbrochen  und  es  quellen 
liier  aus  den  Durchbruchstellen  weiche  Neubildungsmassen  hervor 
welche  sowohl  mit  dem  Netze  als  auch  mit  dem  Coekum  und 
Colon  ascendens  umfangreiche  Verwachsungen  eingegangen  haben 
In  der  Bauchhöhle  findet  sich  kein  Exsudat,  auch  zeigt  das  Peri¬ 
toneum  sonst  keine  Zeichen  der  Entzündung.  Es  war  also  das 
typische  Bild  eines  umfangreichen  Bauchdeckensar  k  o  m  s, 
welches  durch  das  Peritoneum  parietale  durchgebrochen  war.  Bei 
der  Unmöglichkeit,  den  Tumor,  der  den  grössten  Teil  der  rechteu 
Bauchdeckenhälfte  einnahm,  zu  exstirpieren,  wird  die  Bauch- 
wunde  geschlossen  und  auf  der  Höhe  des  Tumors  eine  Probe¬ 
inzision  gemacht.  Nach  Durchtrennung  der  unveränderten  und 
•luf  dem  Tumor  beweglichen  Bauchhaut  gelangt  man  auf  eiu 
fibrös-derbes  Gewebe,  aus  welchem  ein  ca.  3  cm  hoher  Keil  zum 
Zweck  der  histologischen  Untersuchung  ausgeschnitten  wird.  Die¬ 
selbe  wurde  im  pathologischen  Institut  Tübingen  (Prof.  Dr. 
v.  Baum  garten)  ausgeführt,  mit  folgendem  Ergebnis:  „Das 
Gewebe  sieht  histologisch  wenig  bösartig  aus.  Man  sieht  faszi¬ 
kuläre  Bindegewebszüge  mit  etwas  myxomatös  gequollenen  Fa¬ 
sern  und  nur  wenig  Zellen,  ausserdem  besteht  eine  tief  in  die 
Muskeln  reichende  entzündliche  Infiltration.  Man  könnte  also 
höchstens  an  ein  Fibrosarcoma  fasciculare  denken ; 
vielleicht  könnte  es  sich  auch  um  eine  entzündliche  Neu¬ 
bildung  (Aktinomykose)  handeln.“  Als  ich  am  8.  Tage 
nach  der  Operation  den  Verband  wechselte,  die  Temperaturen 
v  aren  inzwischen  etwas  abgefallen,  fand  ich  die  Probeinzisions¬ 
stelle  stark  entzündlich  gerötet.  Nach  Entfernung  der  Nähte  ver¬ 
suchte  ich  mit  der  Sonde  durch  das  kallöse  Gewebe  in  die  Tiefe 
zu  dringen,  und  plötzlich  versank  die  Sonde  auf  ca.  10  cm  und  aus 
der  Tiefe  quoll  Eiter  hervor.  Ich  legte  nun  an  dieser  Stelle  eine 
breite  Inzision  an  und  drang  vorsichtig  unter  Führung  der  Sonde 
in  die  Tiefe;  dabei  gelangte  ich  in  eine  gewaltige  Abszesshöhle, 
aus  welcher  sich  über  1  Liter  scheusslich  stinkenden,  mit  Schwefel 
gelben  Partikelchen  untermischten  Eiters  ergoss,  Die  Abszess¬ 
höhle  wurde  gehörig  ausgekratzt,  eine  Kontrainzision  angelegt 
und  ausgiebig  drainiert.  Die  schwefelgelben  Körner  schienen  auf 
Aktinomykose  hinzuweisen,  allein  die  bakteriologische  Unter¬ 
suchung  des  steril  aufgefangenen  Eiters  erbrachte  kein  positives 
Ergebnis.  Die  anfänglich  profuse  Eitersekretion  liess  unter  all¬ 
mählichem  Abfall  der  Temperatur  bis  zur  Norm  nach,  im  Verlauf 
von  10  Wochen  waren  die  Fisteln  geschlossen  und  die  Patientin 
andauernd  fieberlos.  Sie  hatte  inzwischen  ihre  häuslichen  Arbeiten 
wieder  aufgenommen,  ging  aus,  kurz  alles  schien  erledigt,  als 
3  Wochen  später  plötzlich  erneute  Temperatursteigerung  und 
schmerzhafte  Schwellung  eintrat.  Durch  eine  kleine  Inzision  ent¬ 
leerte  ich  wieder  etwas  Eiter,  allein  beim  Auslöffeln  der  Granu¬ 
lationen  stiess  ich  auf  einen  eigentümlichen  Fremdkörper.  Der¬ 
selbe  hatte  eine  sichelförmige  Gestalt  und  war  5 yz  cm  lang.  Er 
machte  makro-  und  mikroskopisch  den  Eindruck  von  Knochen  und 
zeigte  an  seinem  einen  Ende  ein  glattes  rundliches  Köpfchen,  das 
aussah,  wie  ein  Gelenkende. 

Die  daraufhin  bei  der  Patientin  angestellten  Erhebungen  er¬ 
gaben,  dass  derselben  ca.  2  Monate  vor  der  seinerzeit  durchge¬ 
machten  Blinddarmentzündung  eine  Fischgräte  im  Halse  stecken 
geblieben  sei,  welche  sie  nur  mit  grosser  Mühe  schliesslich 
hinuntergeschluckt  habe.  Der  Fisch  sollte  ein  Kabeljau  geweseu 
sein.  Es  gelang  mir  nun,  in  der  Sammlung  des  hiesigen  k.  Natu- 
ralienkabinets  das  Corpus  delicti  als  eine  der  knöchernen  Spangen 
in  den  Kiemen  des  Kabeljaus  —  als  eine  sogen.  Branchio- 
Stege  —  zu  diagnostizieren. 

Nach  Extraktion  des  Fremdkörpers  schloss  sich  die  Wunde 
schnell  und  heute  ist  die  Patientin  dauernd  wiederhergestellt. 

Der  Fall  ist  interessant,  da  er  zeigt,  einerseits,  welche  patho¬ 
logischen,  sowohl  klinisch  als  pathologisch-anatomisch  eine  Neu¬ 
bildung  vortäuschenden,  Veränderungen  ein  solcher  Fremdkörper 
noch  nach  Jahr  und  Tag-  hervorzurufen  im  Stande  ist,  anderer¬ 
seits  aber  auch,  welch  schwer  zu  knackende  diagnostische  Nuss 
für  uns  daraus  hervorgehen  kann. 

Die  Erklärung  des  ganzen  Krankheitsverlaufes  bietet  nun 
am  Schluss  durchaus  keine  Schwierigkeiten  mehr:  Der  Fremd¬ 
körper  hatte  zunächst  Magen  und  Dünndarm  anstandslos  passiert 
und  war  dann  im  Coekum  stecken  geblieben;  hier  hat  er  allmäh¬ 
lich  die  Darmwand  mit  seinem  spitzen  Ende  durchbohrt  und  ver- 
anlasste  in  dem  Moment,  wo  die  Perforation  eintrat  —  und  dies 
geschah  bei  dem  Fehlen  von  peritonitischen  Erscheinungen  extra¬ 
peritoneal  —  eine  typische  Paratyphlitis.  Nach  Ablauf  des 
akuten  Stadiums  trat  eine  Scheinheilung  ein,  indem  sich  der 
Fremdkörper  einkapselte.  Aus  dieser  Ruhe  wurde  er  wieder  auf- 
gerüttelt  bei  Gelegenheit  des  von  der  Patientin  ganz  exakt  an¬ 
gegebenen  Verlupfens,  das  Erscheinungen  hervorrief,  wie  wir  sie 
bei  plötzlichen  Stieldrehungen  von  Bauchtumoren  zu  beobachten 
gewohnt  sind.  Der  Fremdkörper  ist  von  neuem  weitergewandert, 
hat  sich  in  die  Bauchdecken  eingebohrt  und  damit  die  Ursache 


4* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


1920 

zu  einem  erneuten  Aufflackern  des  entzündlichen  Prozesses  ge¬ 
geben,  welcher  erst  zör  Heilung  kam  mit  der  endgültigen  Ent¬ 
fernung  des  Missetäters. 


Barend  Joseph  Stokvis.  + 

Der  Mann,  dessen  Bild  heute  in  der  „Galerie  hervorragender 
Aerzte  und  Naturforscher“  erschei  nt,  hat  nicht  nur  in  seinem 
Vaterland,  sondern  in  der  ganzen  medizinischen  Welt,  viele 
Jahre  lang  eine  ehrenvolle  Stelle  eingenommen. 

Plötzlich  ist  er  in  der  Nacht  vom  28.  zum  29.  September 
dahingeschieden. 

Völlig  unerwartet  ist  Stokvis  dem  Wirkungskreis,  in 
welchem  er  sich  mit  seinen  reichen  Talenten  in  vielen  Ricli- 
l  ungen  die  grösste  Anerkennung  erwarb,  entzogen  worden. 
Einige  Stunden  vor  seinem  Tode  verkehrte  er  noch  munter  und 
froh  unter  den  Seinigen.  Er  hatte  verabredet,  am  folgenden 
Morgen  Früh  mit  einigen  seiner  Kollegen  zusammenzutreffen, 
und  Unterrichtsangelegenheiten  zu  besprechen.  Als  der  Morgen 
kam,  verbreitete  sich  bald  in  weiten  Kreisen  die  erschüt¬ 
ternde  Nachricht,  Professor  Stokvis  sei  plötzlich  verstorben. 
Das  Herz,  welches  so  viele  Jahre  so  kräftig  geschlagen  hatte,  war 
zum  weiteren  Dienst  unfähig  geworden. 

Im  allgemeinen  ist  man  darüber  nicht  erstaunt,  wenn  ein 
angehender  Siebziger,  ein  Greis,  das  Zeitliche  segnet.  Aber 
Stokvis  schien  noch  so  jung.  Wer  ihn  sah  am  Tage  vor 
seinem  Tode,  konnte  kaum  glauben,  dass  er  schon  68  Jahre  alt 
war.  Voller  Lebenslust  und  Arbeitsfreudigkeit  schickte  er  sich 
an,  den  neuen  akademischen  Cursus  zu  beginnen.  Mit  strahlen¬ 
dem  Auge  erzählte  er  von  der  herrlichen,  erfrischenden  Ruhe, 
die  er  in  den  Ferien  in  Irland,  an  der  Küste  des  Atlantischen 
Ozeans,  als  der  Gast  seines  Freundes,  Sir  Dyce  Duckworth, 
genossen  hatte.  Seine  hohe,  kräftige  Gestalt,  sein  klarer  Blick, 
sein  lebhaftes  Gespräch,  machten  es  unmöglich,  den  Gedanken 
auf  kommen  zu  lassen,  dass  er  jetzt  schon  auf  hören  sollte,  der 
Wissenschaft  zu  dienen  und  weiter  zu  arbeiten  an  allen  den¬ 
jenigen  Angelegenheiten,  wofür  von  anderen  sein  Interesse  ver¬ 
langt  und  beinahe  immer  gefunden  wurde. 

In  den  Niederlanden  wird  sein  Veilust  in  erster  Linie  in 
wissenschaftlichen  Kreisen,  aber  keineswegs  in  diesen  allein,  tief 
empfunden.  Auf  die  Grenzen  seiner  Heimat  blieb  aber  der  gute 
Klang  seines  N amens  nicht  beschränkt.  Stokvis  hatte  sich 
das  Recht  erworben,  allenthalben  unter  die  „hervorragenden 
Aerzte  und  Naturforscher“  gerechnet  zu  werden. 

Barend  Joseph  Stokvis  wurde  am  16.  August  des 
Jahres  1834  in  Amsterdam  geboren,  wo  sein  Vater,  Dr.  J.  B. 
Stokvis,  ein  allgemein  geehrter  Arzt  war,  der  bis  ins  hohe 
Alter  sich  sowohl  des  Ruhmes  als  der  Anhänglichkeit  seines 
Sohnes  erfreuen  durfte.  Seine  Ausbildung  erhielt  er  erst  auf 
der  „lateinischen  Schule“,  darauf  auf  dem  Athenaeum  Illustre 
seiner  Heimatstadt.  Das  Athenaeum  war  eine  im  Jahre  1692 
errichtete  Lehranstalt  für  höheren  Unterricht,  an  welcher,  wie  an 
den  holländischen  „Hochschulen“,  die  Fakultäten  der  Theologie, 
der  Jurisprudenz,  der  Philologie,  der  Naturphilosophie  und  der 
Medizin  vertreten  waren,  die  aber  das  Jus  promovendi  nicht  be- 
sass.  Stokvis  sah  sich  daher  genötigt,  obgleich  er  in 
Amsterdam  studierte,  sich  zur  Erhaltung  des  Doktorgrades  dem 
Examen  an  einer  der  staatlichen  Hochschulen  zu  unterwerfen. 
Am  12.  Juni  1856  wurde  er  in  Utrecht  nach  der  öffentlichen  Ver¬ 
teidigung  einer  Dissertation,  betitelt :  De  suikervorming 
in  de  lever  in  verband  met  de  suikeraf  schei- 
ding  bij  Diabetes  mellitus,  zum  Medicinae  Doctor  be¬ 
fördert. 

Der  Gegenstand  dieser  Dissertation  bezog  sich  auf  ein  Pro¬ 
blem  aktuellen  Interesses  in  jenen  Tagen.  Vor  einem  Jahre  hatte 
F  i  g  u  i  e  r  energisch  die  Ansicht  CI.  Bernards  bestritten, 
der  die  These  verteidigte,  dass  zu  den  Funktionen  der  Leber 
auch  die  Bildung  von  Zucker  gehöre.  Stokvis  schloss  sich 
unbedingt  an  die  Meinung  Bernards  an.  Er  untersuchte  das 
Blut  der  Vena  portae  und  das  Lebervenenblut  bei  ausschliesslich 
mit  Fleisch  genährten  Hunden  und  fand  in  ersterm  keinen,  in 
letzterem  reichlich  Zucker.  Er  zeigte,  dass  die  Leber  verschie¬ 
dener  fleischfressender  Tiere,  deren  Nahrung  soviel  wie  möglich 
von  Kohlehydraten  freigehalten  worden  war,  Zucker  aufwies. 


Weiter  schloss  er  aus  einer  eingehenden  Untersuchung  einer  an 
Diabetes  leidenden  Kranken,  „dass  eine  Beziehung  existiert 
zwischen  der  Zuckerbildung  in  der  Leber  und  der  Zuckeraus¬ 
scheidung  bei  Diabetes  mellitus“.  Diese  Untersuchung-  be¬ 
schränkte  sich  nicht  auf  die  Beobachtung  der  Kranken,  die  er  in 
der  Klinik  seines  Lehrers,  Prof.  S  e  n  i  n  g  e  r,  zu  untersuchen 
Gelegenheit  hatte,  während  des  Lebens  derselben,  sondern  er¬ 
streckte  sich  auch  auf  den  Zuckergehalt  der  Leber  nach  dem 
Tode  und  auf  die  anatomischen,  makroskopisch  und  mikro¬ 
skopisch  sichtbaren  Veränderungen  in  diesem  Organ.  Die 
pathologisch-histologische  Untersuchung  der  Leber  beanspruchte 
im  Jahre  1856  mehr  Originalität  wie  in  unseren  Tagen. 
Stokvis  erwähnt,  dass,  soviel  ihm  bekannt  war,  B  e  a  1  e  bis 
dahin  der  einzige  gewesen  sei,  der  die  Leber  des  Diabetikers 
mikroskopisch  untersucht  habe. 

Schon  in  der  Dissertation  des  noch  nicht  22  jährigen  Mannes 
traten  die  Eigenschaften  in  den  Vordergrund,  die  Stokvis’ 
ganzes  wissenschaftliches  Leben,  bis  am  Vorabend  seines  Todes, 
gekennzeichnet  haben :  warme,  keine  Mühe  scheuende  Liebe  zu 
vielseitiger  Forschung,  Klarheit  des  Blickes,  grosse  Belesenheit, 
seltene  Fertigkeit  im  Schildern  des  Beobachteten  und  im  Dar¬ 
legen  seiner  Meinung. 

Für  seine  Liebe  zur  Forschung  waren  dem  jungen  Mann 
die  Verhältnisse  günstig,  van  Geuns,  einer  der  damaligen 
Professoren  der  inneren  Medizin  am  Athenaeum  in  Amsterdam, 
ein  Mann  weiten  Blickes,  der  die  Anforderungen  der  modernen 
Medizin  verstand,  hatte  zu  bewirken  gewusst,  dass,  wenn  auch 
auf  bescheidenem  Fuss,  ein  physiologisch-pathologisches  Labora¬ 
torium  errichtet  und  dass  mit  der  Leitung  desselben  Heynsius 
betraut  wurde.  Heynsius  war  ein  kurz  zuvor  von  Utrecht 
nach  Amsterdam  übergesiedelter  Schüler  von  G.  J.  Muld  er 
und  von  Donders,  ein  reich  beanlagter  Mann,  mit  feurigem 
Eifer  für  das  Studium  der  Physiologie.  Leider  wurde  er,  nach¬ 
dem  er  nachher  als  Professor  der  Physiologie  an  der  Universität 
Leiden  grossen  Einfluss  ausgeübt,  noch  in  der  Kraft  seines  Lebens 
vom  Tod  abberufen. 

In  diesem  Laboratorium  fand  Stokvis  Gelegenheit,  die  in 
seiner  Dissertation  beschriebenen  Untersuchungen  anzustellen. 
Und  als  er  nach  einer  wissenschaftlichen  Reise  nach  Wien  und 
Paris  sich  in  seiner  Heimatstadt  als  praktischer  Arzt  niederliess, 
stellte  IJ  e  y  n  s  i  u  s,  der  bald,  1858,  zum  Professor  der  Physio¬ 
logie  am  Athenaeum  ernannt  wurde,  wieder  das  Laboratorium  zu 
seiner  Verfügung,  von  welchem  Anerbieten  Stokvis  nicht 
unteriiess,  fleissig  und  mit  schönem  Erfolg  Gebrauch  zu  machen. 

Sofort  setzte  er  seine  Untersuchungen  über  die  Zucker¬ 
bildung  in  der  Leber  fort.  Inzwischen  war  der  bisher  so  geheim¬ 
nisvolle  Bestandteil  des  Leberextraktes,  die  „matiere  laiteuse“, 
deren  wahrer  Natur  auf  die  Spur  zu  kommen  auch  Stokvis 
nicht  gelungen  war,  von  Bernard  als  ein  Kohlehydrat  er¬ 
kannt  und  mit  dem  Namen  „matiere  glycogene“  belegt  worden. 
Schon  1857  konnte  Stokvis  eine  Arbeit  darüber  veröffent¬ 
lichen  und  war  er  im  stände,  u.  a.  mitzuteilen,  dass  die  Menge 
des  Glykogens  in  der  Leber  ausser  der  Verdauungsperiode  ab¬ 
nimmt,  aber,  wenigstens  bei  Hunden,  bald  wieder  zunimmt,  so¬ 
bald  Nahrung,  wenn  dieselbe  auch  ausschliesslich  aus  Fleisch 
bestehe,  zugeführt  wird. 

2  Jahre  später  veröffentlichte  er  eine  umfangreiche  Arbeit 
über  die  Physiologie  des  Acidum  uricum,  worin  er  u.  a.,  im  Hin¬ 
blick  auf  die  Untersuchungen  von  Heynsius  über  die  Harn¬ 
stoffbildung  in  der  Leber,  die  These  verteidigte,  dass  unter  dem 
Einfluss  des  Stoffwechsels  entstandene  Harnsäure  bei  Säuge¬ 
tieren  in  der  Leber  teilweise  in  Harnstoff  übergeführt  wird. 

Mit  wie  grossem  Fleiss  Stokvis  sich,  trotz  aller  Mühen 
und  Sorgen  seiner  immer  wachsenden  ärztlichen  Praxis,  mit 
Untersuchungen  im  Laboratorium  beschäftigte,  erhellt  aus  den 
Titeln  seine  medizinischen  Schriften,  von  denen  das  dem  Sonder¬ 
druck  dieser  Arbeit  beigefügte  Verzeichnis,  wenn  es  auch  auf 
Vollständigkeit  keinen  Anspruch  erhebt,  dennoch  die  meisten 
aufweist. 

Unter  den  Arbeiten  aus  seiner  ersten  Periode,  die  seinen 
Namen  auch  im  Ausland  bekannt  werden  Hessen,  sollen  an  erster 
Stelle  seine  Untersuchungen  über  Albuminurie  genannt  werden, 
von  denen  die  erste  Mitteilung  schon  1862  im  „Nederlandsch 
Tijdschrift  voor  Geneeskunde“  erschien  und  mit  der  Abhand¬ 
lung,  der  1867  die  belgische  Academie  de  Medecine  die  goldene 
Medaille  verlieh,  abgeschlossen  wurde. 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDIGINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


TT  +  Indeufn,  W]urden  jn  Amsterdam  bezüglich  des  medizinischen 
Unterrichts  bedeutende  Aenderungen  vorbereitet. 


m. 


Im  Jahre  1865  wurde  in  den  Niederlanden  ein  Gesetz  votiert 
wobei  bestimmt  wurde,  dass  der  Doktortitel,  welcher  nur  von  den 
staatlichen  Hochschulen  in  Leiden,  Utrecht  und  Groningen  gegeben 
werden  konnte,  nicht  länger  ein  Recht  zur  Ausübung  der  ärzt¬ 
lichen  Praxis  verleihen  sollte.  Wer  sich  als  Arzt  niederlassen 
wollte,  sollte  erst,  ob  er  Doktor  war  oder  nicht,  durch  das  Be¬ 
stehen  einer  oder  mehrerer  Prüfungen  vor  einer  Staatskommis¬ 
sion  beweisen,  dass  er  die  erforderlichen  Fähigkeiten  besitzt. 
Aun  konnte  also  die  Ausbildung  zum  Arzt  am  Athenaeum  wel¬ 
ches  das  Jus  promovendi  nicht  besass,  ebenso  gut  stattfinden  als 
an  der  Hochschule.  Dazu  mussten  aber  die  Lehranstalten  für 
den  medizinischen  Unterricht  einer  gründlichen  Verbesserung 
unterworfen  werden.  An  erster  Stelle  wünschte  man  den  Unter¬ 
richt  in  der  Physiologie  den  Anforderungen  der  Zeit  gemäss  zu 
gestalten.  Das  Laboratorium,  in  welchem  Heynsius  und 
Stokvis  gearbeitet  hatten,  entsprach  diesen  Anforderungen 
keineswegs.  Nachdem  Heynsius  1866  die  Professur  der 
Physiologie  in  Leiden  übernommen  hatte,  wandte  man  sich  an 
Donders  mit  dem  Antrag,  nach  Amsterdam  zu  kommen  und 
sich  seinen  Wünschen  entsprechend  das  Laboratorium  einzu¬ 
richten.  Als  dieser  aber  abgelehnt  hatte,  richtete  man,  auf 
Virchows  Rat,  denselben  Antrag  an  Kühn  e.  In  den 
o  Jahren,  die  Kühne  in  Amsterdam  verbrachte,  1868 — 1871, 
hat  Stokvis  täglich  mit  ihm  verkehrt.  Mit  Wärme  rühmte 
er  später  noch  öfters  die  Zeit  regen  wissenschaftlichen  Lebens, 
die  er  mit  Kühne  und  in  dessen  Laboratorium  zugebracht.  In 
kurzen,  aber  klaren  und  zierlichen  Zügen  hat  er  jene  Zeit  ge¬ 
schildert,  in  dem  „In  mcmoriam“,  das  er  dem  Andenken 
Kühnes  im  „Kl ederlandsch  Tijdschrift  voor  Geneeskundel< 
widmete. 

Aus .  jenen  Tagen  stammen  die  ersten  Mitteilungen  von 
Stokvis  über  die  im  Tierkörper  gebildeten  Farbstoffe,  die 
ihren  Reiz  für  ihn  nie  verloren  haben.  Zahlreiche  Arbeiten,  über 
Gallenfarbstoffe,  über  Urobilin,  über  Indikan,  über  den  Blutfarb¬ 
stoff  und  dessen  Derivate,  sind  im  Laufe  der  Jahre  von  ihm  ver¬ 
öffentlicht  worden.  Die  letzte  Arbeit  von  seiner  Hand,  in  der 
v.  L  e  y  d  e  n  gewidmeten  Festschrift,  handelt  darüber.  Am  Tage 
vor  seinem  Tod  hat  er  sich  mit  der  Korrektur  der  holländischen 
Uebersetzung  dieser  Arbeit,  die  im  Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneesk. 
erschienen  ist,  beschäftigt. 

Sein  grösstes  und  bedeutendstes  Werk  liegt  auf  anderem 
Gebiet,  auf  dem  der  Arzneimittellehre. 

Erst  allmählich  ist  er  auf  diesem  Gebiet  angelangt.  Die 
Lebensverhältnisse  führten  ihn  dazu,  seine  Vorliebe  für  chemisch¬ 
biologische  Forschung  auf  die  Arzneimittel  und  deren  Wirkung 
auf  den  Organismus  anzuwenden, 

Amsterdam,  das  immer  die  Verbesserung  des  medizinischen 
Unterrichts  vor  Augen  hatte,  wünschte  einen  Mann  wie  Stokvis, 
der  bei  einer  ausgedehnten  ärztlichen  Praxis  doch  noch  immer 
Kiaft.  und  Zeit  für  wissenschaftliche  Arbeit  zu  finden  wusste 
und  zudem  sich  als  trefflicher  Redner  gezeigt  hatte,  an  seine 
Lehranstalten  zu  binden.  Im  Jahre  1874,  3  Jahre  bevor  das 
Athenaeum  durch  eine  Universität,  welche  das  Jus  promovendi 
erhielt,  ersetzt  wurde,  ist  Stokvis  zum  Professor  der  all¬ 
gemeinen  Pathologie  und  klinischen  Medizin  ernannt  worden. 
Dadurch  wurde  ihm  die  Gelegenheit  geboten,  sich  völlig  der 
wissenschaftlichen  Arbeit  zu  widmen,  wurde  ihm  ein  Wirkungs¬ 
kreis  eröffnet,  der  seinen  eigenen  Wünschen  entsprach  und  der 
Amsterdamer  LTniversität  zum  Segen  geworden  ist. 

Den  klinischen  Unterricht  hat  Stokvis  zwar  nie  ganz  auf- 
gegeben,  derselbe  trat  aber  bei  ihm  nicht  in  den  Vordergrund. 
Das  war  auch  nicht  nötig,  da  neben  ihm  zwei  seiner  Kollegen 
innere  Medizin  lasen.  Bald  beschränkte  er  sich  in  dieser  Hin¬ 
sicht  auf  die  propädeutische  Klinik.  Die  allgemeine  Patho¬ 
logie,  speziell  die  pathologische  Physiologie,  war  ihm,  wie  aus 
seiner  Vergangenheit  zu  erwarten  war,  lieb,  was  sich  denn  auch 
gleich  zeigte  aus  seiner  Antrittsrede,  in  welcher  er  die  Einheit 
der  Physiologie  und  Pathologie  darlegte. 

Es  kann  aber  nicht  wundern,  dass  Stokvis,  dessen  klarer 
Geist  in  den  Jahren  seiner  Praxis  täglich  durch  Fragen  über 
die  Wirkung  von  Arzneimitteln  gereizt  worden  war,  dessen 
Lebung  und  Erfahrung  auf  dem  Gebiete  der  chemischen  For¬ 
schung  ihm  nicht  nur  eine  scharfe  Fassung  dieser  Fragen  er- 

No.  46. 


leichterten,  sondern  auch  die  Angabe  des  Weges,  auf  welchem 
die  Lösung  gesucht  werden  musste  —  es  kann  nicht  wundem, 
dass  ein  so  vorbereiteter  Forscher  seine  Liebe  und  seine  Arbeits¬ 
kraft  an  erster  Stelle  der  Arzneimittellehre  widmete. 

Zahlreiche  Arbeiten  von  ihm  und  seinen  Schülern  rühren 
aus  dem  seinen  \\  ünschen  entsprechend  eigens  dazu  eingerich¬ 
teten  Laboratorium  her.  Viel  deutlicher  aber  als  aus  den  einzel¬ 
nen  Arbeiten  selbst  geht  seine  Fähigkeit  auf  diesem  Gebiet  aus 
dem  grossen  Werk  hervor,  dessen  Vollendung  Stokvis  den 
grössten  Teil  seiner  letzten  Lebensjahre  gewidmet  hat  und  das, 
mit  Hilfe  seines  ehemaligen  Assistenten  Dr.  Zeehuisen’ 
unter  dem  Titel  ,,\  oordrachten  over  Geneesmiddelleer“  jetzt  zum 
grössten  Teil  veröffentlicht  worden  ist. 

Der  erste  Band,  die  allgemeine  Arzneimittellehre,  wurde  im 
Jahre  1891  herausgegeben.  Jetzt  ist  vom  ersten  und  zweiten 
Band  schon  eine  zweite  Auflage  erschienen.  Im  Jahre  1899  er¬ 
schien  die  erste  Abteilung  des  dritten  Bandes.  Die  zweite  Ab¬ 
teilung,  die  mit  der  Behandlung  der  Antipyretika  und  Neurotika 
das  ganze  Werk  abschliessen  soll,  hat  Stokvis  noch  ganz 
druckfertig  machen  können.  So  ist  ihm  die  Genugtuung,  sein 
Werk  vollendet  zu  haben,  gewährt,  die  Freude,  es  auch  selbst  vol¬ 
lendet  in  der  Oeffentlichkeit  zu  sehen,  leider  aber  vorenthalten 
worden.  Er  konnte  aber  im  voraus  dessen  gewiss  sein,  dass  auch 
dei  Schluss  seines  Buches  mit  grosser  Eingenommenheit  begrüsst 
werden  sollte.  Mit  Verlangen  sieht  man  der  Veröffentlichung 
entgegen,  weil  man  durch  dasjenige,  was  schon  erschienen  ist, 
weiss,  was  man  davon  erwarten  darf. 

Dieses  Buch  ist  ein  Monument,  das  dem  Namen  Stokvis’ 
zur  Ehre  gereichen  wird,  auch  lange,  nachdem  alle  diejenigen, 
die  seine  in  vielfacher  Beziehung  Achtung  und  Liebe  gewinnende 
Persönlichkeit  gekannt  haben,  dahingegangen  sein  werden. 

Ausführlich  (der  I  ext  des  jetzt  schon  Erschienenen  nimmt 
1161  Seiten  ein)  wird  die  ganze  Pharmakotherapie  behandelt. 
Die  ausserordentliche  Belesenheit  des  Verfassers  hat  es  ihm 
ermöglicht,  jeden  Gegenstand  historisch  zu  behandeln.  Aber  es 
ist  nicht  die  Arbeit  eines  Kompilators,  der  fleissig  das  Bekannte 
zusammenbringt  und  dessen  höchstes  Ziel  ist,  jeder  Tatsache, 
jeder  Ansicht  ihre  gebührende  Stelle  zu  geben  —  es  ist  die  Arbeit 
eines  Mannes,  der  sein  ganzes  Leben  lang  selbst  scharf  beobachtet 
und  sorgfältig  experimentiert  hat,  der  all  die  Jahre  hindurch 
mit  regem  Interesse  dem,  was  andere  auf  dem  Gebiet  der  Natur¬ 
wissenschaft  und  Medizin  hervorbrachten,  gefolgt  und  über  dies 
alles  reiflich  nachgedacht  hat.  Seine  Herrschaft  über  den  be¬ 
handelten  Stoff  zeigt  sich  aus  jeder  Seite  seines  Buches.  Die 
ihn  kennzeichnende  Bescheidenheit  verleugnet  sich  auch  hier 
nicht,  \iele  von  ihm  selbst  oder  von  seinen  Schülern  ange- 
stellte  und  früher  schon  veröffentlichte  Untersuchungen  und 
andeie,  die  jetzt  zum  erstenmal  mitgeteilt  werden,  finden  darin 
Erwähnung,  nie  aber  wird  ihnen  ein  unverhältnismässig  grosser 
Platz  zuerkannt.  Wohl  gibt  Stokvis  jedesmal,  nachdem  er 
die  von  anderen  und  von  ihm  selbst  gesammelten  Daten  be¬ 
sprochen  hat,  seine  eigene  Ansicht  über  die  Sache,  und  zwar  mit 
unüberti efflicher  Klarheit.-  Dazu  war  ihm  die  Form  von  Vor¬ 
trägen  besonders  geeignet,  worin  es  dem  Verfasser  leichter  als  in 
einem  Lehr-  oder  Handbuche  möglich  ist,  persönlichen  Auffas¬ 
sungen  Raum  zu  geben.  Diese  Form  hat  er  in  meisterhafter 
V  eise  angewandt.  Auch  die  trockensten  Gegenstände  hat  er,  mit 
dem  Reichtum  seiner  Gedanken  und  seinem  seltenen  Talent, 
diesen  Gedanken  genauen  und  eleganten  Ausdruck  zu  geben,  zu 
beseelen  gewusst.  Wie  er  bei  der  Skizzierung  seines  Arbeits¬ 
planes  und  bei  der  Behandlung  des  Stoffes  die  harmonischen 
Verhältnisse  immer  im  Auge  behielt,  so  klingt  auch  die  Harmonie 
in  seinen  Worten.  Wer  das  Buch  liest,  sieht  einen  lebendigen 
Menschen  vor  sich,  voller  Kraft  und  Begeisterung,  dessen  Liebe 
für  die  Wissenschaft  ein  Teil  ist  seiner  Liebe  für  die  Menschheit. 

Obgleich  die  Vorträge  über  Heilmittellehre  durch  eine  Ueber¬ 
setzung  ins  Französische  auch  in  den  Bereich  von  vielen,  welche 
die  holländische  Sprache  nicht  verstehen,  gebracht  worden  sind, 
ist  doch  dieses  Werk,  wie  ich  glaube,  im  Ausland  noch  nicht 
genügend  bekannt  geworden.  Dennoch  ist  es  ein  Buch,  das  ohne 
Zweifel  Wert  behalten  wird,  auch  lange  nachdem  es  durch  den 
1  ortschritt  der  Forschung  und  die  damit  verbundene  Aenderung 
der  Auffassungen  seine  Bedeutung  als  Lehrbuch  verloren  haben 
wird.  Als  ein  schön  gezeichnetes,  scharfes  und  vollständiges 


HtTEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  46. 


1922 

Bild  der  Heilmittellehre  am  Ende  des  19.  und  am  Anfang  des 
20.  Jahrhunderts  wird  es  auch  auf  die  Dauer  in  Ansehen  bleiben. 

Das  an  sich  schon  umfangreiche  Verzeichnis  von  S  t  o  k  - 
v  i  s’  Schriften  könnte  noch  wesentlich  vermehrt  werden, 
wenn  in  dasselbe  auch  die  von  ihm  für  das  Nederl.  Tijdschr.  v. 
Geneesk.  geschriebenen  Ueber  sichten  über  wissenschaftliche 
Probleme,  seine  populären  Schriften,  die  von  ihm  in  verschie¬ 
denen  Kongressen  und  Versammlungen  gehaltenen  Reden  auf- 
genommen  wären.  Er  war  ein  Mann,  der  sich  für  alles,  womit 
er  in  Berührung  kam,  interessierte  und  dieses  Interesse  auch 
zeigte.  Mit  Dankbarkeit  wurde  davon  reichlich  Gebrauch  ge¬ 
macht.  Wo  man  Angelegenheiten,  die  mit  dem  Gebiet  seiner 
Bemühungen  nur  in  irgend  einer  Beziehung  standen,  in  grösseren 
Kreisen  bekannt  zu  machen  oder  anzuempfehlen  wünschte,  rief 
man  seine  Hilfe  an,  und  selten  vergeblich.  Man  war  gewiss, 
dass  er,  sprechend  oder  schreibend,  das  Publikum,  an  welches 
er  sich  wandte,  zu  treffen  wissen  würde  durch  die  Klarheit  seiner 
Darstellung,  die  Wärme,  womit  er  alles,  was  er  für  gut  hielt, 
verfocht,  durch  die  elegante  Form,  in  welche  er  seine  Gedanken 
zu  kleiden  wusste. 

Seine  natürlichen  Anlagen  als  Schriftsteller  und  Redner 
hat  er  durch  fleissige  Uebung  weiter  entfaltet.  Er  liebte  die 
Kunst  überhaupt;  keine  Kunst  aber  war  ihm  so  lieb  als  diejenige 
des  Wortes.  Schon  in  seinen  Jünglings jahren  beschäftigte  er 
sich  mit  einigen  Freunden  mit  dem  Studium  poetischer  Werke 
und  mit  Uebungen  im  Vortrag.  Frühzeitig  fasste  er  Liebe  zur 
Bühne  und  in  späteren  Jahren  hat  er  bedeutend  zur  Verbesserung 
der  niederländischen  Bühne  beigetragen.  Er  kannte  nicht  nur 
die  Dichtungen  des  klassischen  Altertums,  auch  seine  Kenntnis 
der  modernen  Poesie  in  mehreren  germanischen  und  romanischen 
Sprachen  war  erstaunlich  gross.  So  ausgerüstet  konnte  er,  mit 
seinem  kräftigen,  biegsamen  Organ,  mit  seiner  hohen  Gestalt, 
seiner  ausdrucksvollen  Miene,  seinen  lebhaften,  dennoch  auf  das 
richtige  Mass  beschränkten  Gebärden,  eine  grosse  Versammlung 
fesseln,  ja  hinreissen.  Viele  werden  sich  erinnern,  wie  es  ihm  auf 
dem  im  Jahre  1890  in  Berlin  gehaltenen  internationalen  medi¬ 
zinischen  Kongress  in  der  allgemeinen  Sitzung  im  Zirkus  Renz 
gelang,  sich  besser  als  einer  der  anderen  Redner  verständlich  zu 
machen  und  allgemeine  Aufmerksamkeit  zu  erregen  für  seinen 
Vortrag  über  vergleichende  Rassenpathologie,  in  welchem  er  die 
These  verteidigte,  dass  Kolonisation  von  Europäern  in  den  Tro¬ 
pen  möglich  sei,  unter  dieser  Bedingung  wenigstens,  „dass  der 
weisse  Mann  auch  ein  weiser  Mann  sei“. 

Obgleich  S  t  o  k  v  i  s  niemals  die  Tropen  besuchte,  hat  er  sich 
doch  eine  ausgedehnte  Kenntnis  von  den  europäischen  Nieder¬ 
lassungen  in  heissen  Ländern  erworben.  Er  war  es  auch,  der 
den  1883  in  Amsterdam  gehaltenen  Congres  international  de 
medecins  des  colonies  leitete.  Die  zu  gleicher  Zeit  stattfindende 
Kolonialaustellung  wusste  er  zur  Gründung  eines  bleibenden 
Museum  für  koloniale  Medizin  in  Amsterdam  zu  benützen.  Auch 
hierin  zeigte  Stokvi's  sich,  wie  immer,  kosmopolitisch  in 
seinem  wissenschaftlichen  Streben,  ohne  je  die  Liebe  für  sein 
Vaterland  aus  dem  Auge  zu  verlieren. 

In  der  „Nederlandsche  Maatschappij  ter  bevordering  der  Ge¬ 
il  eeskunst“,  einem  Verein,  der  weitaus  die  meisten  holländischen 
Aerzte  als  Mitglieder  zählt,  war  S  t  o  k  v  i  s  viele  Jahre  lang  eine 
Hauptperson,  ja  man  kann  ruhig  sagen,  nach  dem  Tode  Don- 
d  e  r  s  der  erste.  Ob  er  als  Vorsitzender  die  Versammlung  leitete 
oder  als  gewöhnliches  Mitglied  sich  in  die  Debatte  mischte,  immer 
fand  er  ein  offenes  Ohr  und  übte  sein  Wort  einen  mächtigen  Ein¬ 
fluss  aus,  auch  in  den  seltenen  Fällen,  wo  die  von  ihm  verteidigte 
Ansicht  durch  die  Mehrheit  nicht  geteilt  wurde.  Als  dann  auch 
im  Jahre  1899  der  50.  Jahrestag  der  Gesellschaft  feierlich  be¬ 
gangen  werden  sollte,  war  es  selbstverständlich,  dass  S  t  o  k  v  i  s 
der  Vorsitzende  und  Festredner  sein  musste.  Mit  seiner  gewöhn¬ 
lichen  Bereitwilligkeit  übernahm  er,  obgleich  in  jener  Zeit  seine 
Gesundheit  zu  wünschen  übrig  liess,  diese  Aufgabe  und  erfüllte 
sie  in  glänzender  Weise.  In  der  Kenntnis  der  Geschichte  der 
Medizin  stand  Stokvis  gegen  nur  wenige  zurück.  Wer  das 
nicht  schon  wusste,  musste  jetzt  davon  überzeugt  werden,  durch 
die  meisterhafte  Weise,  wie  er  in  seiner  Festrede  die  Entwicklung 
der  Medizin  in  dem  „Land  Boerhaaves“  schilderte. 

Stokvis’  aussergewöhnliche  Popularität  unter  seinen  Lan¬ 
desgenossen  beruhte  zum  Teil  auch  darauf,  dass  man  ihn  auch 
ausserhalb  der  Grenzen  seiner  Heimat  als  eine  rühmlich  bekannte 


und  gern  gesehene  Person  schätzte.  Er  war,  was  die  Engländer 
einen  „representative  man“  nennen.  Man  war  dessen  gewiss,  dass 
Holland,  wenn  es  im  Ausland  durch  Stokvis  vertreten  wurde, 
gut  vertreten  wurde.  Nicht  nur  der  gute  Name,  den  er  sich 
durch  seine  Forscherarbeit  erworben  hatte,  sondern  auch  seine 
ganze  Person  und  dabei  seine  ausserordentliche  Gabe,  in  ver¬ 
schiedenen  Sprachen  seine  Gedanken  leicht  und  richtig  auszu¬ 
drücken,  leisteten  dafür,  wie  die  Erfahrung  bestätigt  hat,  die 
beste  Bürgschaft. 

Es  waren  aber  nicht  nur  seine  Talente,  welche  Stokvis 
eine  so  hohe  Stellung  unter  seinen  Mitbürgern  gaben.  Bei  allen, 
auch  bei  denjenigen,  die  seine  wissenschaftlichen  Verdienste 
nicht  zu  würdigen  wussten,  war  er  geehrt  und  geliebt  seiner  edlen 
Gesinnung  wegen.  Er  hat  sein  ganzes  Leben  dem  Dienst  des 
Guten  und  des  Schönen  gewidmet.  Wo  er  glaubte  nützlich  tätig 
sein  zu  können,  da  war  ihm  keine  Mühe  zu  viel.  Er  tat,  was 
er  vermochte.  Er  beherzigte  Angelegenheiten  grossen  Interesses, 
er  zeigte  aber  auch  ein  warmes  Herz,  wo  es  das  Kleine  galt.  Er 
war  ein  feinsinniger  Mann.  Mit  liebenswürdigem  Zartgefühl 
half  er  Armen  und  Bedrückten  und  mit  herzlichem  Frohsinn 
teilte  er  die  Freude  der  Glücklichen.  Obgleich  er  für  Herzlich¬ 
keit,  auch  für  Ehrenbezeugungen,  keineswegs  gleichgültig  war, 
gönnte  er  doch  im  Verkehr  seinen  eigenen  Interessen  nicht  den 
Vorrang  vor  denen  von  anderen.  Sogar  während  der  lang¬ 
wierigen,  mit  schwerem  Leiden  einhergehenden  Krankheit  seiner 
geliebten  Gattin  liess  er  sich  durch  seinen  Schmerz,  wenngleich 
er  es  seinen  Freunden  wohl  anvertraute,  wie  sehr  dieser  auf  ihm 
lastete,  nicht  von  der  Erfüllung  seiner  Pflichten  anderen  gegen¬ 
über  abhalten.  Und  als  das  lang  erwartete  Ende  gekommen  war, 
zeigte  er  sich,  ohne  seinen  Schmerz  zu  verbergen,  aber  auch  ohne 
andere  damit  zu  belästigen,  würdig  und  rüstig  auf  seiner  Lebens¬ 
bahn  weiterschreitend,  als  ein  Vorbild  für  viele. 

Wenn  auch  die  Sorgen  des  Lebens  ihm  nicht  fremd  geblieben 
sind,  so  dürfte  Stokvis  doch  ein  glücklicher  Mensch  genannt 
werden.  So  betrachtete  er  sich  selbst  auch.  Er  war  glücklich 
mit  der  Dankbarkeit  der  Armen,  denen  er  als  Arzt  und  als  Ver¬ 
sorger  geholfen  hatte,  mit  der  Liebe  und  der  Anhänglichkeit  seiner 
Schüler,  mit  der  Anerkennung  und  der  Freundschaft  seiner 
Kollegen,  mit  der  Herzlichkeit,  womit  ihn  seine  Landesgenossen, 
Mediziner  und  Nichtmediziner,  verehrten,  mit  den  Beweisen  der 
Anerkennung,  Huldigung  und  Freundschaft,  die  ihm  aus  dem 
Ausland  dargebracht  wurden. 

Er  war  ein  Mensch  frohen  Mutes,  sich  seiner  Kraft  bewusst, 
aber  doch  einfach,  der  sich  selbst  nicht  überschätzte.  Mit  all 
seiner  Begeisterung  hatte  er  doch  einen  nüchternen  Blick  für  die 
Dinge  des  Lebens.  Mit  all  dem  Feuer,  das  ihn  beseelte,  ist  er 
doch  mit  voller  Selbstbeherrschung  auf  seiner  Bahn  fortge¬ 
schritten.  Ohne  Zweifel  hat  auch  ihn  selbst  der  Tod  überrascht. 
Man  soll  daraus  aber  nicht  schliesesn,  dass  er  unvorbereitet  ge¬ 
storben  ist.  Stokvis  kannte  den  menschlichen  Körper  und 
wusste  wohl,  dass  auch  bei  ihm  Abweichungen  entstanden  waren, 
die  das  Leben  in  kürzerer  oder  in  längerer  Zeit  bedrohten.  Durch 
Angst  liess  aber  dieser  kräftige  Mensch  sich  nicht  beherrschen. 
Er  arbeitete  ruhig  weiter,  so  lange  es  für  ihn  Tag  war. 

Wie  sehr  sein  Verlust  bedauert  wird,  welche  Hoffnungen  man 
auch  noch  von  seiner  Plilfe  in  mancherlei  Sachen  hegte,  so  ist 
es  doch  die  Pflicht  der  Zurückgebliebenen  zu  bedenken,  dass  man 
ihn  glücklich  preisen  soll,  nun  da  ihm  eine  Periode  der  Ab¬ 
schwächung,  ein  Leben,  worin  er  anderen  nicht  mehr  hätte  sein 
können,  was  er  wünschte,  verschont  geblieben  ist.  Dankbarkeit 
für  das  viele,  was  sein  reicher  Geist  gegeben  hat,  soll  bei  S  t  o  k  - 
v  i  s’  Gedächtnis  die  erste  Stelle  einnehmen. 

U  t  r  e  c  h  t,  Oktober  1902.  C.  A.  Pekelharing. 

Paracelsus  und  seine  Reformation.*) 

Von  Prof.  Karl  Baas  in  Freiburg  i.  Br. 

„Mir  nach,  ich  nicht  euch  nach;  ihr  mir  nach,  Avicenna, 
Galene,  Rhases,  Montagnana,  Mesue  und  ihr  Andere.  Mir  nach 
und  ich  nicht  euch  nach!  Ihr  von  Paris,  ihr  von  Montpellier,  ihr 
von  Schwaben,  ihr  von  Meissen,  ihr  von  Köln,  ihr  von  Wien 
und  was  an  Thonaw-  und  Rheinstrom  liegt,  ihr  Inseln  im  Meer,  du 
ltalia,  du  Dalmatia,  du  Sarmatia,  du  Athenis,  du  Griech’,  du  Arabs, 
du  Israelita,  mir  nach  und  ich  nicht  euch  nach.  Euer  wird  keiner 
im  hintersten  Winkel  bleiben,  an  dem  nicht  die  Hunde  seichen 
werden,  ich  wirdt  Monarcha  und  mein  wird  die  Monarchey  sein!“ 


*)  Vorgetragen  am  Oberrheinischen  Aerzte  tag,  17.  VII.  1902. 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  I923 


Wer  war  der  Mann,  welcher  so  kampfgemut,  so  zornesvoll  und 
doch  seines  endlichen  Sieges  gewiss  diesen  Streitruf  in  die  Welt 
schleuderte,  die  mehr  Feinde  ihm  sicherlich  stellte  als  Freunde? 
Wer  waren  die  Gegner  und  was  wollte  .iener  kühne  Kämpfer!? 

In  einem  einsamen  Hause,  nahe  der  Teufelsbrücke,  welche 
bei  Einsiedeln  in  der  Schweiz  über  die  wildrauschende  Silil  führt, 
wurde  am  17.  XII.  1493  ein  Knabe  geboren,  dem,  abweichend  von 
dei  üblichen  Sitte,  der  1  orname  Theoplirastus  beigelegt  wurde. 
Aufwachsend  in  der  Waldeinöde  der  berühmten  Wallfahrtsstätte! 
an  die  später  gedenkend  unser  Theoplirastus  sich  selbst  oft  Eremita 
nannte,  empfing  er  zunächst  die  Erziehung  seines  Vaters,  des  ge¬ 
achteten  und  gelehrten  Arztes  Wilhelm  aus  dem  schwäbischen  Ge- 
schlechte  der  Bombaste  von  Hohenheim.  Wenn  er  von  diesem 
schon  frühe  eine  Vorliebe  und  Kenntnisse  von  medizinisch-natur¬ 
wissenschaftlichen  Dingen  erhielt,  so  waren  geistliche  Herren  und 
Bischöfe  seine  Lehrer  in  Theologie  und  Philosophie;  in  besonderer 
Weise  hat  von  diesen  wohl  der  berühmte  Benediktinerabt  Johannes 
Trithemius  von  Sponheim  auf  ihn  eingewirkt,  der  als  ein  in  den 
Naturwissenschaften  gebildeter,  aber  auch  recht  sehr  nach  der 
Art  der  Zeit  zu  den  sogen.  Geheimwissenschaften  hinneigender 
Mann  wohl  in  beider  Hinsicht  den  empfänglichen  Geist  des  Lern¬ 
begierigen  beeinflusste. 

Geburt  und  Jugendzeit  in  der  Schweiz,  und  von  1502  ab  in 
Kärnthen  resp.  in  Tirol,  sind  nach  Hohenheims  eigenen  Worten 
nicht  ohne  Nachwirkung  geblieben  auf  seine  ganze  Art  im  späteren 
Leben.  Wenn  er  in  Zeiten  des  nie  fehlenden  Streites  dann  derb 
und  kräftig  dreinfuhr,  so  verantwortete  er  sich  selbst  wie  folgt: 
„Von  der  Natur  bin  ich  nicht  subtil  gesponnen,  ist  auch  nicht 
meines  Landes  Art,  dass  man  etwas  mit  Seidenspinnen  erlangt. 
Wir  werden  auch  nicht  mit  Feigen  erzogen,  noch  mit  Meth,  noch 
mit  Weizenbrot,  aber  mit  Käs,  Milch  und  Haberbrod,  das  kann 
nicht  subtile  Gesellen  machen.“ 

Bedeutungsvoller  als  die  naturwissenschaftlichen  Unter- 
weisungen  der  genannten  Lehrer  war  für  Tlieophrast  jedenfalls 
die  praktische  Arbeitszeit,  welche  er  nunmehr  in  den  Berg- 
werkslaboratorien  des  reichen  Sigmund  Füger  zu  Schwatz  in  Tirol 
zubrachte;  hier  legte  er  den  hauptsächlichsten  Grund  zu  seinen 
ausgebreiteten  Kenntnissen  und  Erfahrungen  in  der  Alcliymie. 
Von  den  beiden  Teilen  dieser  Wissenschaft  mag  seinem  ernsten 
und  nüchternen  Sinne  alsbald  nur  der  eine  zugesagt  haben,  welcher 
den  Adepten  nicht  dem  Stein  der  Weisen,  dem  Lebenselixier  und 
ähnlichen  Phantasmen  nachspüren  liess,  sondern  in  tieferem  und 
praktischerem  Streben  auf  das  hinarbeitete,  was  später  zu  der 
Chemie  wurde,  wie  wir  sie  heute  verstehen.  Zwar  nicht  ganz 
streng  genommen,  aber  doch  mit  vollem  Rechte  kann  Theoplirastus 
v.  Hohenheim  der  Begründer  der  pharmazeutischen  und  dadurch 
der  medizinischen  Chemie  im  Besonderen  genannt  werden,  da  er 
seine  Alchymie,  wie  er  selbst  sagt,  „dahin  betrachtet,  dass  dir  die 
Arcanen  eröffnet  werden“,  und  unter  den  Areanis  verstand  er  in 
letzter  Linie  die  heilkräftigen  Eigenschaften  und  Stoffe,  die  in  den 
verschiedensten  Gebilden  der  Natur  schlummerten. 

So  begegnen  wir  bereits  hier  den  ersten  Spui'en  informato¬ 
rischer  Ideen,  wie  er  sie  später  dann,  wo  er  noch  genauer  die  Un¬ 
zulänglichkeit  der  von  den  damaligen  Aerzten  angewandten  Heil¬ 
mittel  kennen  gelernt  hatte,  nicht  nur  als  seine  Lehre  vortrug, 
sondern  auch  in  praktischer  Anwendung  betätigte.  Ohne  hier  auf 
seine  chemischen  Entdeckungen  im  einzelnen  einzugehen,  mag  nur 
des  wichtigen  Umstandes  gedacht  werden,  dass  er  den  Rück¬ 
ständen,  welche  bei  den  verschiedenen  chemischen  Prozessen 
blieben,  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zuwandte.  Als  „caput 
mortuum“  hatten  seither  die  Alcliymisten  die  Aschen  bei  Verbren¬ 
nungen  z.  B.  bei  Seite  geschoben:  Hohenheim  aber  erkannte,  dass 
darin  gerade  die  Grundbestandteile  der  Körper  steckten,  die  nach 
seinerMeinung  auch  die  kräftigst  wirkenden  Essenzen  und  Tinkturen 
geben  mussten.  Dass  er  dabei  dasZink  entdeckte,  dass  er  chemische 
Verbindungen  verschiedener  Art  besser  unterscheiden  oder  über¬ 
haupt  erst  kennen  lernte,  mag  im  Vorübergehen  erwähnt  werden; 
wichtiger  für  uns  Aerzte  ist.  dass  der  Laboratoriumstätigkeit  die 
Vorliebe  für  metallische  Mittel  entstammt,  die  er  für  wirksamer 
hielt  als  pflanzliche:  Blei,  Eisen,  Antimon  und  Quecksilber  waren 
bevorzugt. 

Dass  dieser  Lebensabschnitt  auch  nicht  ohne  medizinische  Er¬ 
gebnisse  in  einem  engeren  Sinne  blieb,  ersehen  wir  aus  dem  Buche 
über  die  Bergkrankheiten,  in  welchem  die  durch  die  chemischen 
Stoffe  hervorgerufenen,  wir  würden  sagen  die  Gewerbekrankheiten 
der  Bergleute,  erstmalig  beschrieben  werden. 

Auf  diese  arbeitsfrohe  und  erfolgreiche  Tätigkeit  folgt  jetzt 
eine  Zeit,  über  welche  Hohenheim  uns  ganz  im  Dunkeln  gelassen 
hat;  er  sagt,  dass  er,  aber  nicht  welche  Hochschulen  er  besuchte: 
„Auch  ich  bin  in  dem  Garten  gewesen,  da  man  die  Bäume  ver¬ 
stümmelt“;  und  so  wenig  ihm  auch  der  scholastische  Betrieb  der 
damals  herrschenden  Lehre,  die  ein  starres  Festhalten  an  den  seit 
Galen  insbesondere  durch  die  Araber  überlieferten  medizinischen 
Dogmen  forderte,  zugesagt  hat,  so  müssen  wir  doch  annehmen, 
dass  auch  er  den  Lehrgang  durchgemacht  hat  „als  eine  nicht 
kleine  Zierde  der  hohen  Schulen“,  wie  er  selbst  ironisch  sich 
nannte.  Ist  es  ihm  doch  oft  zum  Vorwurf  gemacht  worden,  dass 
man  nicht  wisse,  ob  und  wo  er  doktoriert  habe:  ja  man  hat  ihm 
sogar  die  Kenntnis  der  zu  jener  Zeit  unbedingt  erforderlichen 
lateinischen  Sprache  und  damit  natürlich  auch  des  gesamten,  in 
dieser  Sprache  überlieferten  und  vorgetragenen  Schulwissens  ab¬ 
gesprochen! 

Ein  Zugeständnis  an  die  damals  bei  den  Gelehrten  herrschende 
Sitte  war  die  Annahme  des  lateinischen  Namens  Paracelsus;  wahr¬ 


scheinlich  werden  wir  in  demselben  eher  eine  Paraphrasierung  des 
Wortes  Hohenheim  erblicken  können,  als  dass  damit  eine  Gegen¬ 
über-  oder  Höherstellung  im  Vergleich  mit  dem  Römer  Celsus  be¬ 
absichtigt  gewesen  sei,  welchen  Paracelsus  niemals  erwähnt,  wie 
ihn  ja  auch  das  ganze  Mittelalter  nicht  gekannt  hat. 

„Lesen  hat  nie  einen  Arzt  gemacht,  sondern  die  Praktik; 
alles  Lesen  ist  nur  ein  Schemel  der  Praktik  und  ein  Federwisch.“ 
„Aus  Uebung  und  Erfahrenheit  wird  der  Arzt  geboren.“  „Man 
lästert  und  schreit  von  mir,  ich  sei  nicht  zur  rechten  Tür  zu  den 
Geheimnissen  der  Kunst  eingegangen,  allein  welches  ist  die  rechte: 
Galenus,  Avicenna,  Mesue,  Rhases  oder  die  offene  Natur?  Ich 
glaube  die  letzte.  Durch  diese  Tür  ging  ich  ein;  das  Licht  der 
Natur  und  kein  Apothekerlämpchen  leuchtete  mir  auf  meinem 
Wege.“ 

Und  wie  Paracelsus  später  einmal  gesagt  hat:  „Der  Arzt  soll 
sein  ein  Landfahrer“,  so  schloss  er  an  die  für  ihn  kurzen  Jahre 
der  Gelehrsamkeit  eine  Periode  ausgedehntester  Wanderungen, 
oder  wie  wir  heute  cum  grano  salis  sagen  würden,  wissenschaft¬ 
licher  Reisen  an.  Solchergestalt  ist  er  gewandert  „gen  Granada, 
gen  Lissabon,  durch  Hispanien,  durch  England,  durch  die  Mark, 
durch  Pommern,  durch  Litauen,  durch  Polen,  Ungarn,  Wallacheil 
Siebenbürgen,  Krabaten,  Windisch  Mark  und  noch  sonst  durch 
andere  Länder.  In  allen  den  Enden  und  Orten  habe  ich  fleissig 
und  emsig  nachgefragt,  Erfahrung  gehabt  gewisser  und  erfahre¬ 
ner,  wahrhafter  Künste  der  Arznei:  nicht  allein  bei  den  Doctoren, 
sondern  auch  bei  den  Scherern,  Badern,  alten  Weibern.  Scharf¬ 
richtern,  Schäfern,  Juden,  Zigeunern,,  bei  den  Klöstern,  bei  Edlen 
und  Unedlen,  bei  den  Gescheidten  und  Einfältigen.“  Viel  Er¬ 
fahrung  gewann  er  auch  sicherlich  als  Feldarzt  in  den  Kriegen 
in  den  Niederlanden,  Dänemark,  Italien;  so  wird  ihm  bald  der 
Ruhm  vorausgegangen  sein,  dass  er  zu  helfen  wisse,  wo  die  anderen 
Aerzte  versagten. 

Dem  33  jährigen  mag  nun  doch  der  Wunsch  gekommen  sein, 
dem  unsteten  Leben  ein  Ziel  zu  setzen;  wenn  er  jetzt  in  Strass¬ 
burg,  wohin  er  wahrscheinlich  über  die  Bäder  des  Schwarzwaldes 
und  über  unser  Freiburg  seine  Schritte  lenkte,  um  das  Bürger¬ 
recht  nachsuchte,  so  mag  gerade  zur  Wahl  dieser  Stadt  ihn  der 
Ruf  der  dortigen  Chirurgenschule  bestimmt  haben  und  die  An¬ 
nahme,  dass  seine  bei  den  Zunftärzten  verpönten  chirurgischen 
Neigungen  eher  Verständnis  fänden.  Denn  dem  rechten  Arzte, 
dem  Medicus  purus,  jener  Tage,  war  die  Chirurgie  als  eine  seiner 
nicht  würdige  Tätigkeit  verboten. 

Nicht  lange  aber  hielt  es  ihn  in  Strassburg:  seine  neue  Art. 
zu  praktizieren,  die  er  auf  seine  reiche  Erfahrung  und  nicht  auf 
die  Buchs-elehrsamkeit  gründete,  seine  Ausübung  auch  der  sogen, 
niederen  Heilkunst,  sein  auch  äusserlich  so  verschiedenes  Auftreten 
schufen  ihm  schon  hier  eine  Reihe  von  Neidern  und  Feinden:  so 
folgte  Paracelsus  noch  im  gleichen  Jahre  1526  gern  einer  Be¬ 
rufung  nach  Basel,  bei  welcher  wohl  im  besonderen  die  glückliche 
Heilung  des  bekannten  Basler  Buchhändlers  Froben  mitgewirkt 
haben  mag. 

In  der  angesehenen  Universitätsstadt  bot  sich  ihm  in  seiner 
doppelten  Anstellung  als  Stadtarzt  und  Universitätsprofessor  so¬ 
wohl  eine  reichliche  Gelegenheit  zur  Ausübung  ärztlicher  Tätig¬ 
keit.  als  auch  die  begründete  Aussicht,  dass  er  sein  Svstem  der  Me¬ 
dizin  in  Ruhe  ausarbeiten  und  zugleich  durch  die  Lehre  verbreiten 
konnte.  Mit  besonderer  Befriedigung  erwähnt  er.  dass  er  mit 
gutem  Gehalt  angestellt  sei:  äussere  Sorgen,  unsichere  Lebenslagen 
hatten  bis  dahin  wohl  reichlich  auf  ihm  gelastet. 

Bereits  im  Winter  1526/27  begann  Paracelsus  seine  Vor¬ 
lesungen  im  alten,  noch  jetzt  bestehenden  und  bis  vor  kurzem 
auch  noch  benutzten  Universitätsgebäude  am  Ufer  des  Rheins; 
gross  muss  die  Menge  seiner  Zuhörer  gewesen  sein,  aber  auch  sehr 
zusammengewürfelt  aus  vielfach  zweifelhaften  Elementen.  Konnte 
doch  seinen  Vortrag  jedermann  verstehen,  da  er  sich  —  eine  tief 
einschneidende  Neuerung  —  der  deutschen  Vortragssprache  be¬ 
diente!  So  bot  das  äussere  Gewand  dieser  Seite  seiner  Tätigkeit 
sofort  den  Anlass  zu  Vorwürfen,  von  welchen  einer  der  weit¬ 
gehendsten  wiederum  war.  dass  Unkenntnis  des  Lateins  die  Ur¬ 
sache  sei.  Dazu  trug  er  keinen  seidenen  Talar  noch  ein  rotsamm- 
tenes  Barett  wie  die  Aerzte  seiner  Zeit;  wie  heissend  ist  später 
sein  Spott  über  die  Barettleinsleute,  die  in  goldenen  Ketten  und 
Ringen  gingen,  nachdem  diese  ihm  auch  sein  einfaches  Auftreten 
übel  vermerkt  hatten! 

Wichtiger  als  diese  Neuerungen,  die  wie  die  Einführung  des 
Deutschredens  auf  dem  Katheder  gewiss  nicht  ohne  Bedeutung 
blieben,  waren  andere  wesentliche  Aenderungen  in  Theorie  und 
Praxis  der  Medizin.  Zunächst  die  Betonung  der  Erfahrung  und 
des  Experimentes,  welche  im  Laufe  von  möhr  als  einem  Jahr¬ 
tausend  von  den  Galenikern  gänzlich  zurückgedrängt,  ja  zuriiek- 
gewiesen  worden  waren.  Galten  doch  die  Bücher  der  medizini¬ 
schen  Scholastiker  in  Rücksicht  auf  die  Heilkunst  als  ebenso  un¬ 
verrückbare  Endwahrheiten.  wie  Aristoteles  in  der  Philosophie 
als  der  unüberschreitbare  Höhepunkt  angesehen  wurde.  Tns 
Sommersonnenwendfeuer  des  Tages  St.  Johannis  1527  warf  darum 
zum  Simibol  seiner  gänzlichen  Lossagung  von  der  alten  Schule 
Paracelsus  „die  Summa  der  Bücher,  auf  dass  alles  Unglück  mit 
dem  Rauch  in  die  Luft  ginge“.  Es  war  der  Kanon  des  Avicenna, 
mit  dem  er  so  ins  Gericht  ging;  nicht  nur  den  Toten  hatte  er  da¬ 
durch  den  Krieg  erklärt,  sondern  auch  den  Lebenden  ward  der 
Fehd  eha  nd  sch  u  h  h  in  ge  worf  en. 

Es  mag  vorweggenommen  werden,  wie  Paracelsus  den  Apo¬ 
thekern.  die  er  Sudelköche  und  Suppenwüste  nennt,  ihr  einträg¬ 
liches  Handwerk  zu  legen  suchte.  „Die  Apotheker  sind  meine 

5* 


1924 


MIIENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Feinde,  weil  icli  ihre  Büchsen  nicht  leere;  meine  Recepte  sind  ein¬ 
fach,  bestehen  nicht  aus  40  oder  60  Ingredienzien,  Avie  der  Galeni- 
schen  Doctoren  ihre;  aber  meine  Pflicht  ist,  den  Kranken  zu  helfen 
und  nicht  die  Apotheker  zu  bereichern.“  Er  forderte  eine  bessere 
Vorbildung  und  eine  Prüfung  der  Apotheker,  eine  häufigere  Visi¬ 
tation  ihres  Gebahrens,  ihrer  Bestände,  ihrer  Arbeit,  damit  sie 
z.  B.  nicht  Abkommen  schlössen  zu  Nutzen  ihres  Geldbeutels  mit 
Aerzten,  damit  sie  nicht  alte  und  schlechte  Präparate  verabreichten 
zum  vielfachen  Preis,  damit  sie  nicht  die  Rezepte  \ron  ganz  un¬ 
fähigen  Personen  ausführen  Hessen  und  anderes  mehr. 

Paracelsus  nahm  es  eben  erust  mit  seiner  Tätigkeit  als  Stadt¬ 
arzt,  wozu  auch  dies  gehörte;  uns  aber  ist  es  begreiflich,  dass  bei 
den  nur  angedeuteten  grossen  Misständen,  die  tief  eingewurzelt 
waren,  der  Kampf  A7on  Anfang  an  fast  aussichtslos  sein  musste. 
„Wahrheit  bringt  Hass  ein“,  das  konnte  er  später  sagen  im  Rück¬ 
blick  auf  jene  Zeit  in  Basel,  auf  die  er  so  grosse  Hoffnungen  ge¬ 
setzt  hatte! 

Wenn  Hohenheim  gedacht  hatte,  dass  die  Universität  ihm  die 
Möglichkeit  und  Gelegenheit  geben  werde,  sein  eigentliches 
Lebenswerk,  die  Errettung  der  Medizin  aus  den  starren  Fesseln 
des  Galeno-Arabismus,  ihre  Erhebung  auf  den  freien  Standpunkt 
durchzuführen,  wie  ihn  die  vorurteilslose  Naturbeobachtung  und 
die  Erfahrung  darbot,  so  musste  er  mehr  und  mehr  einsehen,  Avie 
seine  gute  Absicht  von  den  um  ihre  Stellung  besorgten  Aerzten 
bekämpft,  wie  vielfach  durch  Angriffe  aus  dem  Hinterhalt  seine 
Kraft  gebrochen  wurde. 

Und  was  war  das.  AA7as  er  hier  unternahm? 

Des  Paracelsus  Wahlspruch,  wie  wir  ihn  z.  B.  auf  einem 
Bilde  angegeben  finden,  war:  Alterius  non  sit,  qui  suus  esse  potest! 
Wie  er  es  dementsprechend  hielt  in  der  Betätigung  seiner  Ueber- 
zeugungen  in  der  Praxis,  so  konnte  er  auch  in  seinem  akademischen 
Vortrag  nur  das  wiedergeben,  was  seine  an  jahrelange  Beobach¬ 
tung  geknüpfte  TTeberlegung,  was  die  Erfahrung,  der  Versuch  ihn 
selbst  gelehrt  hatte. 

Da  Avar  es  zunächst  die  Betonung,  dass  der  Mensch  ein  Teil 
der  Natur  sei,  ein  Mikrokosmus  im  Makrokosmus,  mit  welch  letz¬ 
terem  er  mit  tausend  Fäden  Zusammenhänge.  Und  wenn  nun 
bei  den  Erwägungen  über  solche  Verknüpfung  Paracelsus  noch 
nicht  ganz  frei  dasteht,  wenn  Alchymistiseh-Kabbalistisches  mit 
unterläuft,  so  müssen  wir  sagen,  dass  auch  er  ein  Kind  seiner  Zeit 
war,  wie  Päpste  es  Avaren.  z.  B.  der  mächtige  Bonifazius  VIII., 
oder  Luther  oder  andere  Fürsten  im  Reich  der  Welt  und  des 
Geistes. 

Da  aus  der  lebendigen  Natur  sowohl  die  Krankheit  kommt, 
Avelche  selbst  eine  Art  Aron  Organismus  ist,  als  auch  die  Arznei,  so 
muss  der  Arzt  Naturerkenntnis  besitzen,  er  muss  die  Stoffe  kennen, 
aus  denen  alles  Lebende  aufgebaut  ist,  und  muss  die  Kräfte  er¬ 
kennen,  die  in  und  über  den  Dingen  walten.  Da  Paracelsus  das 
Leben  als  einen  organisch-chemischen  Prozess  ansieht,  so  ist  ins¬ 
besondere  die  Chemie  dem  Arzt  notwendig,  damit  er  die  Aen- 
derungen  in  und  an  den  Grundstoffen  des  Organismus,  die  er 
symbolisch  Sal,  Sulfur  und  Mercurius  nennt,  zu  erfassen  lerne; 
denn  hierdurch,  nicht  durch  die  von  der  Spekulation  der  alten 
Humoralpathologie  seither  angenommene  Entmischung  der  vier 
Kardinalsäfte  des  Körpers  entsteht  die  Krankheit.  Jenen  Abwei¬ 
chungen  und  Einflüssen,  welche  sodann  das  Leben  des  Gesamt¬ 
körpers  wie  seiner  Teile  beeinflussen,  muss  der  Arzt  nachspüren, 
und.  wie  wir  heute  sagen,  ätiologisch  muss  der  Heilplan  angelegt 
werden.  Nicht  durch  Aderlass,  Schröpfen  oder  Purgieren  und 
Klystieren,  nicht  durch  äusserst  zusammengesetzte,  geheimnis¬ 
volle  Tränke,  Zeremonien  etc.  lenkt  der  verständige  Arzt  die  Natur, 
vielmehr  herrscht  die  Natur  auch  in  der  Krankheit.  Die  Heil¬ 
kraft  der  Natur  muss  der  Arzt  zu  erkennen  und  zu  benützen 
suchen,  sow'ohl  bei  den  inneren  Krankheiten,  AATie  besonders  bei  den 
äusseren,  chirurgischen  Störungen.  Für  jenes  immanente  Lebens¬ 
prinzip  hat,  dem  Zug  der  Zeit  gemäss  und  für  neue  Begriffe  neue 
Bezeichnungen  schaffend,  Paracelsus  verschiedene,  sonderbare 
Namen  sich  gebildet,  die  und  deren  Bedeutung  man  kennen  muss, 
um  das  scheinbar  Mystische  im  Denken  des  Mannes  richtig  zu 
verstehen.  So  spricht  er  z.  B.  von  dem  inneren  Alchymisten,  d.  i. 
die  Kraft,  die  den  Stoffwechsel  besorgt:  etAva  das  gleiche  ver¬ 
steht  er  unter  dem  Archäus,  als  dessen  Hauptsitz  der  Magen  be¬ 
zeichnet  wird:  um  einen  in  den  chirurgischen  Schriften  ange- 
Avendeten,  vielfach  missverstandenen  Terminus  anzuführen,  so 
wird  das,  was  die  Wunden  heilt,  als  Mumia  bezeichnet,  die  trotz 
des  Namens  gar  nichts  gemein  hat  mit  den  ekelhaften  Präparaten, 
wie  sie  die  Apotheker  führten  und  die  Aerzte  anwendeten. 

Uebt  der  Archäus  seine  Tätigkeit  nicht  richtig  aus,  scheidet 
er  nicht  in  gehöriger  Weise  aus  der  aufgenommenen  Nahrung  das 
Gute  und  Brauchbare  von  dem  Schlechten  und  Unbrauchbaren, 
so  dass  letzteres,  Avelches  ein  Gift  ist,  in  die  Körpersäfte  gelangt, 
so  muss  es  zu  allerlei  Ausscheidungen  kommen.  Wie  der  Wein¬ 
stein  an  den  Fässern  sich  absetzt,  so  bilden  sich  Ablagerungen 
jener  „tartarischen  Stoffe“,  wie  Paracelsus  sie  uannte,  in  den 
Gelenken,  der  Blase,  den  Nieren,  der  Gallenblase  etc.;  an  der  Be¬ 
selin  ffenheit  des  Niederschlags  im  Harn  vermöge  man  solche 
Krankheiten  zu  erkennen,  insbesondere  wenn  man  den  Harn 
koche,  Avelche  chemiseh-phvsikaJische  Untersuchung  er  der  bis 
dahin  gebräuchlichen  Uroskopie,  dem  „Seichsehen“  Avie  er  sagt, 
A’oransetzte.  Wie  die  Methode,  so  aauit  neu  die  chemische  Auf¬ 
fassung  ganzer  Krankheitsgruppen;,  von  Paracelsus  ging  aus  die 
neue  Schule  der  .Tatroclwmic.  Chemisch  gedacht,  wie  die  Auf¬ 
stellung  des  Krankheitsbegriffs,  war  natürlich  auch  die  arzneiliche 
Behandlung:  hier  legte  Paracelsus  als  Hauptsächlichster  den 


Grund  zur  medizinischen  Chemie,  zur  wissenschaftlichen  Pharma¬ 
zie.  Dass  sein  Streben  dahin  ging,  die  Arcana,  d.  h.  die  nach 
seiner  Auffassung  chemisch  reinen,  Avirksamen  Heilstoffe,  in  der 
einfachsten  Form  darzustellen  und  anzuwenden,  dessen  habe  ich 
bereits  vorhin  gedacht;  neu  Avar  auch  seine  Bevorzugung  der 
mineralischen  Mittel  gegenüber  den  pflanzlich-tierischen,  da  er 
jene  als  die  sozusagen  ursprünglicheren  auch  für  wirksamer,  kräf¬ 
tiger  hielt.  Und  Avenn  wir  finden,  dass  er  in  den  Arcanis  die 
Spezifika  gegen  jeAveils  einen  Krankheitsorganismus  suchte,  wem 
fallen  bei  all  diesen  Dingen  nicht  Vergleiche  ganz  moderner 
Natur  ein? 

Um  noch  eines  auszuführen,  so  finden  wir  in  der  sog.  grossen 
Wundarznei  als  die  Grundlage  seiner  von  der  damaligen  Pflaster- 
und  Salben-Sclimiermethode  abweichenden,  reinlichen  Behand¬ 
lung  Anschauungen,  welche  anklingen  an  die  neuzeitUchen  Grund¬ 
sätze  der  Antisepsis  und  Asepsis. 

Alle  diese,  nur  notdürftig  hier  gekennzeichneten,  reformatori- 
schen  Ideen  brachte  Paracelsus  damals  mit  nach  Basel,  avo  wir 
ihn  zuletzt  auf  seinem  LebensAvege  gelassen  haben  und  von  wel- 
chem  Aufenthalt  her  später  der  grosse  Felix  Würtz  sein  Schüler 
ward,  ein  Stern  der  Chirurgie  des  16.  Jahrhunderts  und  ein 
ewiges  Loblied  auf  seine  Chirurgenlehren;  während  er  dort  einiges 
nur  iu  den  3  Semestern  seiner  akademischen  Wirksamkeit  An¬ 
trägen  konnte,  Avurde  alles  andere  erst  genauer  ausgearbeitet  und 
niedergeschrieben  nach  jener  Zeit. 

Staunen  müssen  wir  über  die  Arbeitskraft  und  Arbeitslust 
dieses  Mannes,  wenn  wir  nun  zum  Schlüsse  hören  «verden,  unter 
Avelch  schAvierigen  äusseren  Umständen  die  meisten  dieser 
Schriften  verfasst  wurden! 

Aus  den  Kreisen  der  Basler  Aerzte,  der  engeren  Fakultäts¬ 
genossen,  der  Studierenden  erwuchs  alsbald  dem  kühnen,  rück¬ 
sichtslosen,  derben  Manne  eine  Schar  von  Neidern  und  Feinden, 
Vergebens  rief  Paracelsus  in  noch  vorhandenen  Briefen  den  Rat 
der  Stadt  Basel,  der  ihn  berufen  hatte,  gegen  das  z.  T.  schändliche 
Treiben  an.  Zur  Katastrophe  führte  zuletzt  ein  Streit  mit  einem 
Basler  Domherrn,  der  nach  glücklicher  Heilung  statt  der  ver¬ 
sprochenen  100  Gulden  nur  6  Gulden  seinem  Arzte  geben  AAollte; 
da  die  Stadtväter  dein  undankbaren  Patienten  Recht  gaben,  geriet 
nun  Paracelsus  noch  in  Kampf  mit  seiner  Vorgesetzten  Behörde, 
die  ihn  schliesslich  wollte  auflieben  und  in  GeAvahrsam  bringen 
lassen.  Eilends  musste  er  durch  die  Flucht  sich  retten. 

Und  nun  begann  für  Hohenheim  ein  äusserst  unglückliches 
Leben,  ein  Wandern  Aron  Ort  zu  Ort  in  manchmal  höchstem  Elend 
und  in  körperlicher  Not;  bitter  sind  seine  Klagen,  Avenn  er  z.  B. 
sagt:  „die  in  den  Künsten,  Avenn  der  Baum  nicht  wäre,  sie  hätten 
nicht  einen  Schatten“;  oder  wenn  es  heisst:  „Die  Armuth  ward 
mir  vorgeworfen  duren  einen  Bürgermeister,  der  etwa  zu  Inspruck 
die  Doctores  hatte  gesehen  in  seidenen  Kleidern  an  den  Fürsten¬ 
höfen,  nicht  in  zerrissenen  Lumpen  an  der  Sonne  braten.  Jetzt 
wurde  die  Sentenz  gefällt,  dass  ich  kein  Doctor  sei.“  Aber  ,  er 
sagt  auch:  „Habe  keine  Acht  meines  Elends,  du  Leser,  lass  mich 
mein  Uebel  selber  tragen“,  und  Stolz,  SelbstbeAvusstsein  trotz 
allem  spricht  aus  den  Worten,  die  ihm  in  ähnlicher  Form  öfter 
die  Erinnerung  an  die  nie  verwundene  Basler  Unbill  eingibt:  „01) 
mir  die  hohen  Schulen  folgen  Avollen  oder  nicht,  was  kümmerts 
mich?  Mehr  will  ich  richten  nach  meinem  Tode  gegen  sie,  als 
bei  meinem  Leben,  wo  sie  mich  verachten,  dass  ich  allein  bin. 
dass  ich  neu  bin,  dass  ich  deutsch  bin.“ 

Nach  der  Flucht  aus  Basel  wandte  Paracelsus  seine  Schritte 
nach  Kolmar,  wo  er  im  Hause  eines  bedeutenden  Arztes,  Lorenz 
Fries,  freundliche  Aufnahme  fand.  Trotz  mancher  Ueberein- 
stimmung  der  Meinungen  mögen  andere  Unterschiede  ihm  den 
Weggang  nahe  gelegt  haben;  und  so  ging  er  im  Jahre  1529  über 
Esslingen  nach  Nürnberg.  In  dieser  Zeit  entstanden  die  wichti¬ 
gen  Syphilisschriften,  die  ich  nur  erwähne,  während  etwa  ins  fol¬ 
gende  Jahr,  wo  wir  Paracelsus  in  Regensburg  finden,  die  Schriften 
Paramirum,  Paragranum  u.  a.  fallen,  Avelche  das  vorhin  flüchtig 
geschilderte  System  der  Medizin  enthalten.  1531  in  St.  Gallen,  in 
der  Zeit  der  wahrscheinlich  grössten  Not,  die  er  im  Appenzeller 
Land  Arerlebte,  werden  die  zahlreichen  theologisch-philosophischen 
Schriften  geschrieben,  wozu  den  Adelseitigen  Mann  die  religiösen 
Zustände  gerade  der  Schweiz  veranlasst  haben  Averden.  Und 
trotzdem  er,  Avie  er  selbst  sagt,  kein  Kirchgänger  und  Betbruder 
Avar,  so  Avar  Hohenheim  doch  eine  religiöse  Natur:  Unter  den 
5  Entibus,  die  er  als  die  Krankheitsursachen  aufstellt,  finden  Avir 
auch  das  Ens  dei.  Als  Schickungen  Gottes  sieht  er  manche 
Ki’ankheiten  an,  in  denen  gleichwohl  der  Mensch  Gott  loben  müsse. 
„Ihr  soUt  wissen,  dass  Gott  in  den  Krankheiten  gleich  so  gross 
gelobt  und  gepriesen  will  Averden  in  meisterlichen,  seltsamen  Wer¬ 
ken,  als  wohl  in  den  Blumen  des  Feldes.  WieAvolil  widerwärtig 
den  Menschen.  Seht  aber  an:  alle  Vögel  hat  er  geschaffen,  das  ist 
ihm  ein  Lob;  hingegen  auch  die  Würmer,  Spinnen,  Basilisken;  es 
ist  ihm  gleichsowolil  ein  Lob,  als  die  Nachtigall,  der  Pfau.  Also 
auch  viel  gute  Gewächse,  als  Gold,  Perlen,  hingegen  auch  viel 
Gift,  als  Arsenicum,  Mercurius,  ist  ihm  alles  sein  Lob.  Also  ist 
ihm  sein  Lob,  dass  er  uns  die  Gesundheit  gegeben  hat,  also  auch 
ein  gleichmässig  Lob  ist  die  Krankheit;  und  zu  beiden  Seiten 
gleiche  Meisterschaft  braucht  er  zu  schmieden  die  Krankheit,  und 
Ein  Ordnung  und  Ein  Wesen.“  Klingt  nicht  diese  Stelle  zugleich 
in  ihrer  Sprache  an  an  jenen  berühmten  Cantico  de  le  creature  des 
heiligen  Franziskus  von  Assisi,  in  welchem  es  heisst: 

„Laudato  sia  mio  signore  per  sor  nostra,  morte  corporale, 

De  la  quäle  nullo  homo  vivente  po  scampare“. 

Weiter  sehen  Avir  Paracelsus  av andern  über  Innsbruck  und  den 
Brennerpass  nach  Meran;  auf  dem  Wege  dahin  beobachtete  und 
beschrieb  er  eine  Pestepidemie  in.Sterzing;  über  Pfäffers,  dessen 


18.  November  1902. 


HKbNCHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1925 


Heilquellen  er  untersuchte  und  schilderte,  kehrte  er  wieder  zurück 
mich  Deutschland  wo  er  in  Augsburg  153(i  seine  „Grosse  Wund 
arzney  herausgab.  Nach  einem  Aufenthalt  in  Mä  reu  und  Kür 
ten  scheint  er  noch  einige  ruhigere  Jahre  in  Salzbui^  verlebt 
zu  .Haben  wohin  ihn  der  Erzbischof  jener  Stadt  berief  und  wo  ei- 

48.°  Lebensjahre!1  k™r  KKmkheit  ““  24‘  SentemlÄl,  iS 

In  seinem  Nachlass,  den  er  meist  den  Armen  vermachte  fand 
man  ausser  einem  gedruckten  medizinischen  Buch  die  Bibel 
biblische  Konkordanz,  das  neue  Testameit  unS  des  Hicconym,  s 
Kommentarien  über  die  Evangelien!  3  b 

Als  ich  im  400.  Jahre  der  Geburt  des  Paracelsus  die  smai 
seines  Todes  besuchte,  habe  ich  auf  dem  von  ihm  selbst  zur  Buhe- 
statte  auserwahlten  Friedhof  St.  Sebastian  die  Gedenkplatte  ge¬ 
lesen,  die  heute  noch  vorhanden  ist  und  über  welcher  in  einer 
1  yramide  die  Knochenüberreste  des  Mannes  geborgen  sind  wel 
ehern,  wahrlich  mit  Recht,  die  NaturforscherveSm^g  dt 
Jahres  1881,  spat  noch  einen  Kranz  auf  das  Grab  legte. 

gebotenen  Kürze  habe  ich  versucht,  Ihnen  m  H 
ein  Bild  zu  skizzieren  von  einem  Arzte,  der  gleich  seinen  Mit¬ 
reformatoren  der  Medizin,  Ambroise  Rare  und  Yesal.  weit  hinaus¬ 
ragte  über  seine  Zeit,  in  seiner  Wirksamkeit  aber,  wie  er  selbst  es 
vorausverkündet  hat,  hineinragte  noch  bis  in  die  folgenden  Jahr¬ 
hunderte,  ja  fast  noch  bis  in  unsere  Tage.  Wir  ernten  mit  was 
er  in  hartem  Lebenskampf  gesät  hat. 

Ich  aber  will  schlossen  mit  seinen  stolzen  Worten-  Wohl 
dem  Arzte,  der  seine  Tage  vollbracht  hat  mit  den  Arcanis  und  hat 
m  Gott  und  in  der  Natur  gelebt  als  ein  gewaltiger  Meister  des 
irdischen  Lichts!“ 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

1  rof.  L.  v.  Schroetter  -  Wien :  Erkrankungen  der  Ge- 
fasse.  2.  Hälfte:  Erkrankungen  der  Venen.  Mit  18  Ahndungen. 
\V  ien  1901,  A.  II  o  e  1  d  e  r.  Ereis  4  M. 

.Die  S  cli  r  o  e  1 1  e  r  sehe  Bearbeitung  der  Venenerkrank- 
ungen  erscheint  innerhalb  des  15.  Bandes  der  von  Nothnagel 
hei  ausgegebenen  speziellen  Pathologie  und  Therapie,  dessen 
übrige  Teile  bereits  an  dieser  Stelle  Besprechung  gefunden  haben. 
V  enn  man  in  der  Geschichte  der  Medizin  um  ungefähr  40  J ahre 
zurückkehrt  und  die  jetzige  Lehre  von  den  Venenerkrankungen 
mit  jener  vergleicht,  welche  sich  in  der  Darstellung  von  Lebert 
im  Yirchow sehen  Handbuche  widerspiegelt,  so  sieht  man 
auf  das  deutlichste  die  Y  erschiebung,  welche  in  der  Häufigkeit 
und  damit  der  klinischen  Wichtigkeit  einzelner  Erscheinungs¬ 
formen  der  Venenerkrankungen  sich  unterdessen  vollzogen  hat. 
Abgesehen  davon,  dass  damals  auch  in  der  medizinischen  Lite¬ 
ratur  die  Lehre  von  den  Hämorrhoiden  sich  geradezu  zu  einer 
speziellen  Sparte  innerhalb  der  Venenerkrankungen  entwickelt 
hatte,  fielen  noch  in  einer  erschreckenden  Häufigkeit  in  das  Ge¬ 
biet  der  letzteren  die  septischen  Phlebitisfälle  und  septischen 
Thrombosen.  Wir  schätzen  uns  und  unsere  Kranken  glücklich, 
dass  vir  heute  nicht  mehr  in  der  Lage  sind,  hinsichtlich  dieses 
Kapitels  über  ein  allzureiches  Material  zu  verfügen.  Die  Anti 
und  Asepsis  haben  gewaltig  damit  aufgeräumt.  Wie  die  kurze 
Uebersicht  über  den  Inhalt  des  Schroetter  sehen  Werkes 
sofort  erkennen  lässt,  hat  sich  die  pathologisch-anatomische  und 
klinische  Beobachtung*  dafür  anderer  Formen  von  V enen erkrank- 
ungen  angenommen,  die  früher  nicht  so  sehr  Beachtung  gefunden 
hatten.  Das  Kapitel  über  die  Venensklerose,  über  Tuberkulose, 
Lepra,  Syphilis  der  Venen  legt  Zeugnis  davou  ab.  Besonders 
eingehende  Berücksichtigung  haben  in  der  Schroetter  sehen 
Beuibeitung  nunmehr  auch  die  Verhältnisse  bei  den  Verenge¬ 
rungen  und  Erweiterungen  der  Venen  gefunden,  die  an  der  Hand 
genau  analysierter  und  zum  Teil  auch  abgebildeter  Fälle  ge¬ 
schildert  werden.  Es  darf  hier  erwähnt  werden,  dass  Schroetter 
den  Vorschlägen  von  Talma  in  Utrecht,  bei  gewissen  Erkrank¬ 
ungen  eine  Entlastung  des  Pfortadersystems  durch  Eröffnung- 
neuer  Ivollateralbahnen  ins  Werk  zu  setzen,  nicht  nur  theoretisch 
mit  Wohlwollen  gegenübersteht,  sondern  selbst  daran  ist,  an 
einer  grösseren  Zahl  von  Fällen  den  vorgeschlagenen  Weg  prak¬ 
tisch  zu  prüfen.  Mit  das  interessanteste  Kapitel  aus  den  Venen¬ 
erkrankungen,  abgesehen  von  den  praktisch  so  wichtigen  Ent¬ 
zündungen  der  meningealen  oder  der  Nabelvenen,  nämlich  die 
bald  akuter,  bald  langsamer  verlaufenden  Thrombosierungen 
grösserer  Venengebiete  des  Körpers,  hat  eine  entsprechend  ein¬ 
gehende  Darstellung  erfahren.  In  kürzeren  Abschnitten  werden 
dann  noch  erledigt  die  Atrophie  und  Hypertrophie  der  Venen, 
die  Verletzungen  und  Neubildungen  dieser  Gefässe.  Es  braucht 
kaum  hervorgehoben  zu  werden,  dass  in  dem  Werke  eines  so  ver¬ 
dienstvollen  Vertreters  der  neuen  Wiener  klinischen  Schule  die 


pathologische  Anatomie  als  Grundlage  der  Forschung  auf  diesem 
Gebiete  den  gebührenden  ersten  Rang  einnimmt  —  haben  doch 
gerade  österreichische  Forscher,  wie  Rokitansky,  B  i  1 1  - 
r  otli,  C  h  i  a  r  i,  viel  aut  demselben  gearbeitet  —  und  überall 
die  ausserordentlich  grosse  persönliche  Erfahrung  des  Verfassers 
hervortritt,  der  ausserdem  die  einschlägige  Literatur  aus  aller 
Herren  Länder  in  seiner  so  schlichten  und  durchsichtigen  Dar¬ 
stellung  des  Gegenstandes  verwertet  hat.  Instruktive  und  gut 
gelungene  Zeichnungen  einzelner  besonders  wichtiger  Beobach¬ 
tungen  illustrieren  die  eingeflochtenen  Krankheitsgeschichten. 

Grassm  a  n  n  -  München. 

Herz:  Lehrbuch  der  Heilgymnastik.  (Mit  209  Abbild.) 
Verlag  Urban  &  Schwarzenberg,  Berlin-Wien  1903. 

Wer  noch  der  Ansicht  wäre,  dass  die  Heilgymnastik  nichts 
weiter  sei  als  ein  System  von  verschiedenartigen  Bewegungen 
und  nichts  voraussetze  als  eine  Vorliebe  für  manuelle  oder  „me¬ 
chanische“  Behandlung,  er  wird  durch  die  Lektüre  dieses  Buches 
eines  Besseren  belehrt.  Es  ist  nicht  nur  geschrieben  auf  Grund 
von  praktischen  Erfahrungen,  sondern  es  basiert  auf  einem 
grossen  Schatz  von  Wissen.  Und  zwar  stellt  dieses  Wissen  nicht 
die  Summe  des  Gelesenen  und  Gelernten  dar,  es  ist  erworben 
durch  eigene  kritische  Arbeit.  „Was  sich  weder  vor  dem  Ver¬ 
stand,  noch  durch  die  Praxis  rechtfertigen  lässt,  muss,  der  hei¬ 
ligsten  Tradition  zum  Trotze,  geopfert  werden.“  Der  Verf.  han¬ 
delt  in  der  lat  nach  diesen  Morten  der  Einleitung  und  kommt 
vielfach  in  Widerspruch  mit  bisher  unwidersprochen  gebliebenen 
Behauptungen  und  Anschauungen. 

Aus  diesem  Grunde  möchte  das  Buch  jungen  Studierenden, 
die  ohne  Autoritätsglauben  zunächst  nicht  vorwärts  kommen 
könnten,  vielleicht  nicht  eben  ein  einwandfreier  Leitfaden  sein. 
Jeder  Arzt  aber,  der  einen  Einblick  in  die  Heilgymnastik,  ein 
während  der  Studienzeit  ihm  ziemlich  verschlossenes  Gebiet, 
tun  will,  findet  in  dem  Buch  nicht  nur  eine  von  wissenschaft¬ 
lichem  Ernst  getragene,  überaus  klare  und  eingehende  Darstel¬ 
lung  und  Begründung  der  Disziplin,  sondern  vielfache  Anregung 
zu  eigenem  Nachdenken  und  Handeln  auch  ausserhalb  der  Gren¬ 
zen  des  Spezialfaches. 

Im  ersten  Teil  wird  die  Heilgymnastik  historisch  entwickelt 
und  das  Programm  der  „rationellen“  Heilgymnastik  entworfen, 
die  auf  Tatsachen  der  Physik,  Physiologie  und  pathologischen 
Anatomie  gegründet  wird. 

Weitere  Abschnitte  handeln  von  der  Arbeit  im  allgemeinen, 
von  der  Dehnungskurve  und  von  den  Zugkräften  des  Muskels, 
seiner  Arbeit  und  Leistungsfähigkeit.  Wichtig  ist  die  Beschrei¬ 
bung  des  „Diagramms“,  welches  die  Schwankungen  der  Zugkraft 
während  der  Gelenkbewegungen  veranschaulicht.  Auf  diesen 
Kurven  basiert  die  Konstruktion  der  Herz  sehen  Exzenter  - 
apparate.  Ein  folgendes  Kapitel  befasst  sich  mit  den  verschie¬ 
denen  Bewegungsformen:  Passive,  Förderungsbewegungen,  Ko¬ 
ordinationsübungen,  Selbsthemmungs-,  Widerstandsbewegungen. 
Die  maschinelle  Widerstandsgymnastik  nach  Thilo  und 
Zander  wird  zunächst  beschrieben,  dann  das  Herz  sehe 
Apparatsystem.  Die  leidenschaftslose  Darstellung  des  letzteren 
berührt  denjenigen  wohltuend,  welcher  der  scharfen  Polemik 
sich  erinnert,  die  seinerzeit  auf  das  Hervortreten  der  Herz- 
schen  Konstruktionsidee  folgte. 

Der  zweite  Teil  des  Buches  erörtert  zunächst  die  lokalen 
und  allgemeinen  Wirkungen  der  Gymnastik,  dann  die  speziellen 
Indikationen  und  Verwendungsweisen  derselben  bei  den  Er¬ 
krankungen  der  Bewegungs-,  Verdauungs-,  Geschlechts-,  Re- 
spirations-,  Zirkulationsorgane,  des  Nervensystems,  bei  Allgemein¬ 
erkrankungen. 

Die  ganze  Darstellung  erweckt  die  Empfindung,  dass  der 
Verf.,  frei  von  Einseitigkeit,  die  Grenzen  seines  Spezialfaches 
sich  und  dem  Leser  klarzustellen  bemüht  ist.  Wenn  auch  die 
Eigenart  des  Buches  manchen  Widerspruch  wachrufen  wird,  so 
muss  dasselbe  doch  auch  vom  Gegner  als  eine  höchst  verdienst¬ 
volle  Leistung  bezeichnet  werden,  die  eine  wesentliche  Förderung 
der  Heilgymnastik  und  ihres  Ansehens  in  weiteren  Kreisen  be¬ 
deuten  dürfte. 

Für  eine  folgende  Auflage  des  vorzüglich  ausgestatteten 
Buches  wäre  ein  Literaturverzeichnis  eine  dankenswerte  Be¬ 
reicherung.  Vulpius  -  Heidelberg. 


1.926 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


C.  v.  V  o  i  t :  Max  v.  Pettenkofer  zum  Gedächtnis. 

München  1902,  Verlag  der  k.  b.  Akademie. 

Hier  liegt  im  Druck  der  Nachruf  vor,  den  v.  \  o  i  t  am 
16.  November  1901  in  einer  unvei’gessliclien  öffentlichen  Sitzung 
der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  seinem  grossen  Lehrer, 
Mitarbeiter  und  Freunde  gehalten  hat,  für  alle  Zeiten  ein  er¬ 
quickendes  und  erhebendes  Bild  von  Betten  kofers  Persön¬ 
lichkeit  und  Lebensarbeit.  Möchte  der  Nachruf  doch  recht  oft 
den  Weg  auch  in  die  Hände  unserer  jungen  Mediziner  und  Aerzte 
finden,  denen  es  nicht  mehr  vergönnt  ist,  sich  für  und  an  dem 
Lebenden  zu  begeistern.  Dr.  B  e  r  g  e  a  t. 

Prof.  Dr.  T  ho  nies  Flora  von  Deutschland,  Oesterreich 
und  der  Schweiz  in  Wort  und  Bild.  Mit  616  Pflanzentafeln 
in  Farbendruck  und  ca.  100  Bogen  Text.  H.  vermehrte  und  ver¬ 
besserte  Auflage,  gänzlich  neu  bearbeitet.  Vollständig  in  56  Lie¬ 
ferungen  ä  2  Bogen  Text  und  11  Tafeln  a  1.25  M.  oder  nach 
Erscheinen  in  4  Bänden.  Gera  1903,  Friedr.  v.  Zezschwitz. 

Das  Erscheinen  einer  neuen  Auflage  dieses  schönen  Werkes 
wird  von  allen  Pflanzenfreunden  mit  Genugtuung  begrüsst 
werden;  denn  an  guten,  reich  illustrierten  und  nicht  zu  kost¬ 
spieligen  Floren  herrscht  in  Deutschland  Mangel.  Das  vorliegende 
Werk  kann  mustergültig  genannt  werden;  der  Text  ist  kurz  und 
prägnant,  die  Abbildungen  von  grösster  Naturtreue  und  aus¬ 
gezeichneter  technischer  Ausführung,  die  Gesamtausstattung 
vornehm.  Der  erste  Band,  von  dem  bisher  2  Lieferungen  er¬ 
schienen  sind,  behandelt  die  Farne;  die  übrigen  Kryptogamen 
werden  in  3  besonderen  Bänden,  über  deren  Erscheinen  unsere 
Leser  wiederholt  unterrichtet  wurden,  zusammengefasst. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  innere  Medizin.  1902.  No.  45. 

K.  W  a  1  k  o:  lieber  die  Behandlung  des  Ulcus  ventriculi  mit 
Olivenöl.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Prag.) 

Die  ausgezeichneten  Resultate,  welche  W.  durch  V  er- 
abreiclmng  von  hohen  Dosen  von  Olivenöl  (100 — 300  g  pro  die)  bei 
den  verschiedenen  hyperaziden  Zuständen  des  Magens  erzielte,  ver- 
anlasste  ihn,  dasselbe  Verfahren  auch  für  die  Behandlung  des 
Ulcus  ventriculi  heranzuziehen.  Da  die  Hauptbedingungen  für  die 
Heilung  des  Ulcus  die  möglichste  Entlastung  und  Fernhaltung 
jedes  Reizes  vom  Magen  sind,  andererseits  diesen  Heilungsbedin¬ 
gungen  die  fast  regelmässig  beim  Magengeschwür  sich  vorfindende 
Hyperchlorhydrie  entgegensteht,  so  ist  zu  erwarten,  dass  eine 
erfolgreiche  Bekämpfung  der  letzteren  auch  eine  günstige  Beein¬ 
flussung  des  Heilungsprozesses  des  Ulcus  ermöglicht.  Das  Oliven¬ 
öl  ist  bei  der  Ulcusbehandlung  als  Nahrungsmittel  um  so  höher  zu 
schätzen,  als  es  bei  einer  absoluten  Reizlosigkeit  und  Unschädlich¬ 
keit  einen  hohen  Nährwert  besitzt,  gut  resorbiert  wird,  auf  die 
Motilität  keinen  schädigenden  Einfluss  ausübt  und  auch  bei 
höheren  Graden  von  Magenektasie  keine  bakterielle  Zersetzung 
erfährt.  Auch  der  Stuhl  zeigt  nach  Einnahme  von  Olivenöl  ein 
regelmässiges  Verhalten.  Das  Oel  bildet  in  grösseren  Mengen 
nüchtern  genommen,  einen  Schutz  für  das  Ulcus.  Nach  den  Er¬ 
fahrungen  des  Verfassers  hat  sich  das  Olivenöl  in  der  Ulcus¬ 
behandlung  sehr  gut  bewährt;  die  Schmerzen  verschwinden  meist 
sehr  rasch.  Bei  frischem  Ulcus  gibt  W.  das  Oel  zuerst  esslöffel¬ 
weise,  lässt  nachher  den  Mund  und  Rachen  mit  einem  angenehmen 
Mundwasser  ausspülen,  und  steigert  die  Dosis  allmählich  auf 
50  ccm,  welche  die  Patienten  bis  3  mal  im  Tag  ohne  Beschwerden 
nehmen.  Bei  unbezwinglichem  Ekel  giesst  W.  100 — 200  ccm  Oel 
in  Form  feinster  Emulsion  durch  eine  Aveiehe  Sonde  ein.  Dieses 
Verfahren  wandte  er  mit  Ausschluss  aller  anderen  Nahrungsmittel 
per  os  so  lange  an,  bis  die  schwersten  Erscheinungen  des  Ulcus 
A'oriiber  Avaren,  was  gewöhnlich  3 — 6  Tage  dauerte.  Rektal¬ 
ernährung  kann  während  dieser  Zeit  angewendet  werden.  Sieben 
Krankengeschichten  illustrieren  die  Mitteilungen  des  Verfassers. 

W.  Zinn-  Berlin. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie.  Red.  von  P.  v.  Bruns. 
Tübingen,  L  a  u  p  p.  Iu02.  35.  Bd.  1.  Heft.  Mit  19  Abb.  im 

Text  u.  3  Tafeln.  (Nachträglich.) 

Prof.  v.  Burgne  r  gibt  aus  dem  Landkrankenhause  in  Hanau 
eine  Arbeit  über  die  Tuberkulose  der  männlichen  Geschlechts¬ 
organe,  teilt  darin  seine  klinischen  und  histologischen  Erfahrungen 
mit  und  plaidiert  warm  für  die  sog.  hohe*  Kastration,  d.  h.  Kastra¬ 
tion  mit  Evulsion  des  Vas  deferens,  an  Stelle  der  geAVöhnlichen, 
zumal  die  gegen  erstere  geäusserten  Bedenken  nach  den  grös¬ 
seren  Erfahrungen  zerstreut  werden  konnten  und  dieselbe  viel 
grössere  Heilungschancen  bietet.  An  der  Hand  der  eigenen  Er¬ 
fahrung  und  der  anderer  Autoren  betont  B.  das  hauptsächlich 
aszendierende  Fortschreiten  der  meist  zuerst  den  Nebenhoden 
oder  diesen  und  Samenleiter  betreffenden  Erkrankung.  B.  zeigt 
die  hauptsächlichsten  Arten  der  Lokalisation  und  Ausbreitung  in 
in  gewissen  Haupttypen  au  schematischen  Figuren.  Analog  den 
günstigen  Erfahrungen  mit  Jodoforminjektion  bei  tuberkulösen 


Abszessen  und  Gelenken  empfiehlt  B.  die  intrakanalikuläre  Jodo¬ 
formglyzerininjektion  in  Verbindung  mit  der  hohen  Kastration 
oder  für  sich  bei  der  über  den  ganzen  Genitaltraktus  (einschliess¬ 
lich  Samenblase  und  Prostata)  verbreiteten  Tuberkulose,  erst  in 
zweiter  Linie  empfiehlt  er  die  ganze  Ausrottung  des  Genitaltraktus 
einer  Seite  auf  der  ganzen  Länge  seines  Verlaufes.  —  Nach  seinen 
Erfahrungen  mit  der  hohen  Kastration  berechnet  v.  B.  86,6  Proz. 
Heilungen  und  stellt  demnach  fest,  dass  nach  der  tiefen  Kastration 
etAva  nur  die  Hälfte,  nach  der  hohen  %  der  Fälle  zur  Heilung 
kommen;  mit  Recht  Avird  auch  die  Bedeutung  früher  Diagnose 
hervorgehoben. 

V.  L  i  e  b  1  e  i  n  gibt  aus  der  Prager  Klinik  Beiträge  zur  Kennt¬ 
nis  der  chemischen  Zusammensetzung  des  aseptischen  Wund¬ 
sekrets,  Avorin  er  nach  einem  Ueberblick  über  die  bisherigen  For¬ 
schungsergebnisse  seine  eigenen,  auf  W  ö  1  f  1  e  r  s  Anregung  unter¬ 
nommenen  Untersuchungen  bespricht,  die  u.  a.  in  5  Fällen  den 
NachAveis  von  Pepton  ergaben  (und  zwar  in  den  ersten  24  Stunden 
nach  der  Operation),  so  dass  es  nicht  zu  bezweifeln  ist,  dass  auch 
im  aseptischen  Wundsekret,  allerdings  in  eng  begrenzten  Stadien 
der  Wundheilung  (1.  Tag),  Eiweisskörper  auftreten,  die  durch  ein 
Metallsalz  in  neutraler  Lösung  nicht  gefällt  werden,  zur  Gruppe 
der  Album osen  (Peptone)  gehörig  anzusehen  sind.  Sind  Albumosen 
resp.  Peptone  auch  späterhin  im  Wundsekret  nachweisbar,  so.  ist 
dies  als  Vorläufer  der  Abszessbildung  anzusehen.  Dann  bespricht 
L.  seine  Studien  bezüglich  des  Gesamtstickstoffgehaltes  des  asep¬ 
tischen  Wundsekrets  und  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  dieser 
stets  kleiner  ist  als  der  des  Blutes  (während  nur  Eindickung  des 
Sekrets  bei  ausgedehntem  Resorptionsvermögen  eine  Ausnahme 
verursachen  kann);  weiterhin  stellt  er  in  Tabellenform  seine 
Untersuchungen  betr.  des  Wundsekretplasmas  dar  und  kommt  zu 
dem  Schluss,  dass  das  aseptische  Wundsekretplasma  eine  Flüssig¬ 
keit  darstellt,  die  mit  zunehmender  Wundheilung  albuminreicher 
und  globulinärmer  Avird  und  bei  der  bereits  am  3.  Tage  dei  Wund¬ 
heil  nng  der  Albumingehalt  mindestens  9/10  des  Gesamteiweiss- 

gelialtes  ausmacht.  .  .  .,  ... 

P.  Linse  r  gibt  aus  der  Tübinger  Klinik  eine  Arbeit  über 
Beckenluxationen  im  Anschluss  an  einen  Fall  röntgenographisch 
untersuchter  reiner  Beckenluxation  bei  28  jährigem  Mann,  der 
durch  einen  Stier  erfasst  und  fortgeschlendert  worden  war.  L.  be¬ 
spricht  Entstehungsmechanismus  und  Diagnose  der  Beckenluxa¬ 
tionen  und  unterscheidet  nur  2  Arten:  1.  Die  Luxation  der  einen 
Beckenhälfte  mit  Lösung  der  Sympliysis  pubis  und  sacroniaca 
und  die  Verrenkungen  des  Kreuzbeins  mit  oder  ohne  Trennung  der 
Schamfuge,  beide  sind  sehr  selten,  d.  h.  bisher  nur  je  ca.  Io  haue 
beobachtet  und  entstehen  meist  durch  Einwirkung  schwerer  Ge- 
Avalten  auf  die  Hinterfläche  des  Beckens.  Betreffs  der  Therapie 
ist  möglichst  baldige  Reposition  angezeigt. 

O.  L  a  n  g  e  m  a  k  bespricht  ans  der  chirurgischen  Klinik 
und  dem  pathologischen  Institut  zu  Rostock  die  Nephrotomie 
und  ihre  Folgen  und  schildert  nach  entsprechenden  historischen 
Bemerkungen  die  Ergebnisse  eigener  experimenteller  Unter¬ 
suchungen  am  Kaninchen,  die  zeigen,  dass  die  bisherige  Auf¬ 
fassung  (Israel)  eine  zu  günstige  ist,  indem  bei  genügender 
Tiefe  jeder  beliebige  Schnitt  in  die  Niere  einen  Infarkt  erzeugt, 
dessen  Grösse  den  durchtrennten  Arterien  entspricht,  und  dass 
auch  die  Möglichkeit  vorübergehender  Insuffizienz  der  Niere  durch 
(den  ganzen  Ureter  ausfüllende)  Koagula  besteht  und  sich  dess- 
halb  bei  der  Nephrotomie,  die  durchaus  als  kein  harmloser  Um¬ 
griff  anzusehen  ist,  nicht  nur  die  Vermeidung  jeder  stärkeren 
Blutung,  sondern  auch  die  sorgfältige  Entfernung  des  ins  Nieren¬ 
becken  geflossenen  Blutes  empfiehlt  (Gefahr  der  Konkrementbil- 
düng  etc.). 

&Aus  der  gleichen  Klinik  bespricht  E.  E  h  r  i  c  h  die  Ligatur- 
behandlung  der  Hämorrhoiden  und  teilt  seine  diesbezüglichen 
Erfahrungen  mit,  nach  denen  er  der  Ligaturmethode  auch  in  den 
Lehrbüchern  Würdigung  und  Anerkennung  wünscht,  da  sie 
Avesentliche  Vorzüge  vor  den  übrigen  Methoden  der  Radikalopera¬ 
tion  hat  und  speziell  der  Exzision  und  Kauterisation  durch  Ein¬ 
fachheit  der  Technik  und  Nachbehandlung  überlegen  ist,  dabei 
gleiche  Erfolge  ergibt  und  grösste  Garantie  gegen  Komplikationen 


Aus  dem  städt.  Krankenhaus  Karlsruhe  berichtet  Lossen 
(Ueber  Harnblasenbrüche)  über  3  erfolgreich  operierte  Fälle,  in 
deren  einem  dfc?  Harnblase  allein  den  Bruchinhalt  bildete;  unter 
Berücksichtigung  der  betreffenden  Literatur  bespricht  L.  die 
Häufigkeit  (2,5—26  Proz.  Cystocelen),  Anatomie,  Symptome,  Dia¬ 
gnose  und  Differentialdiagnose  dieser  Affektion,  \md  betont  bezüg¬ 
lich  der  Prognose  den  Unterschied  der  extraperitonealen  Blasen¬ 
hernie  Aron  den  selteneren  intraperitonealen,  besonders  bezüglich 
der  Möglichkeit  einer  Verletzung.  Die  Therapie  kann  nur  eine 

operative  sein.  ., 

Aus  der  Innsbrucker  Klinik  gibt  K.  F  ranze  einen  Beitrag 
zur  Statistik  und  Kasuistik  des  primären  Extremitatenkrebses 
im  Anschluss  an  die  betreffenden  Arbeiten  von  Volkmann, 
Schneider,  Michael  etc.  und  im  Hinblick  auf  21  kurz  in 
Krankengeschichten  mitgeteilte  Fälle  der  v.  Hack  ersehen 
Klinik,  von  denen  S  Unterschenkel  und  Knie,  6  den  Handrücken, 
4  Fussohle  und  Ferse,  2  Oberschenkel,  1  den  Vorderarm  betraten, 
d.  h.  7  auf  die  obere,  14  auf  die  untere  Extremität  entfallen.  lr- 
schildert  sein  Material  nach  der  Volkmann  sehen  Gruppierung, 
d.  li.  1.  Karzinome,  die  aus  einer  Narbe  (mechanischen,  thermischen 
oder  chemischen  Ursprungs)  hervorgehen  und  solche  die  aus 
Fisteln,  Geschwüren  und  chronisch  entzündlicher  Haut  entstehen, 
2.  solche,  die  sich  aus  Muttermälern  und  angeborenen  oder  akqui¬ 
rierten  Warzen  entwickeln;  und  3.  die  auf  anscheinend  normale! 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1927 


HmU  entstehenden  Extremitätenkarzinome.  Die  erste  Gninne 
(11  \ on  21)  ist  die  zahlreichste,  bezüglich  der  °  .  , 

Fr.  die  hohe  MellgnMi  dev  aufiZgeM^n°\^enC^ 

- *• Ä  ,teh 


ergebende 
tiou.  Von  den  5  der 


möglichst  frühzeitiger  und  radikaler  Opera- 
,  (jrl'uppe  angehörenden  Fällen  betreffen  8 

den  Handrücken.  V  as  schliesslich  die  Erfolge  der  betreffenden 
Operationen  anlangt  so  berechnet  Fr.  für  die  primären  Extrem 
tatenkarzmome  nach  einer  kombinierten  Statistik  G5’>  IW 
Heilungen  und  34,8  Proz.  Todesfälle,  unter  Ausschluss  "der  £ 

rS.bS5SSeFalle  ^  2‘  Gnil,pe  °<J’7  rroz-  Heilungen  und 

Aus  der  Züricher  Klinik  berichtet  J.  Michalski  über 
Hydronephrosis  mternuttens,  die  er  nach  entsprechender  histo¬ 
rischer  Uebersicht,  nach  Aetiologie,  Anatomie,  Symptomen  und 
\eilaut  analysiert  und  <lie  er  als  eine  Erkrankung  mit  ernster 
Prognose  ansieht,  die  entsprechendes  Einschreiten  des  Arztes  ver¬ 
langt.  Die  Therapie  muss  Entfernung  der  Erkrankungsursache 
erstreben,  was  gewöhnlich  operativ  möglich,  und  wenn  dies  nicht 
gelingt,  dui cli  palliative  Massnahmen  Erleichterung  bringen  (Er¬ 
öffnung  von  Pyonephrosen).  Die  Nephrektomie  ist  nur  in  ein¬ 
zelnen  bestimmten  Fällen  indiziert. 

Kuttner  bespricht  aus  der  Tübinger  Klinik  die  Frage:  Ist 
die  physiologische  Kochsalzlösung'  duren  die  Ta  vel  sehe  Salz- 
sodalösung  zu  ersetzen?  und  kommt  nach  Erwähnung  von  0  Fällen 
ausgedehnter  Hautgangrän  nach  subkutaner  Infusion  Tavel- 
scliei  Lösung  (aus  der  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  sehen  Klinik)  und  diesbezüg¬ 
lichen  Thierexperimenten  zu  dem  Schluss,  dass  zweifellos  die 
Tay  el  sehe  Lösung,  wie  jede  Sodalösung,  bei  subkutaner  Ver¬ 
abreichung  Hautgangrän  verursachen  kann,  so  dass  sie  nicht  in 
beliebiger  Menge  an  jeder  Körperstelle  zu  Spülung,  subkutaner 
und  intravenöser  Injektion  verwandt  werden  kann,  und  somit 
hier  der  unschädlichen  Kochsalzlösung  der  Vorzug  gebührt. 

Sehr. 

19U2.  No.  44  u.  45. 


Lindenthal- 


Centralblatt  für  Gynäkologie. 

No.  44.  F.  Hit  sch  mann  und  O.  Th 
Wien:  Ueber  das  Wachstum  der  Plazenta. 

Ohne  Abbildungen  nicht  verständlich  und  zu  kurzem  Referat 
nicht  geeignet. 

No.  45.  G.  S  c  h  m  a  u  c  h  -  Chicago:  Mortifikation  und  Spon¬ 
tanelimination  eines  grossen  Myoms. 

Es  handelte  sich  um  eine  48  jahr.  Frau,  II.  Para,  die  ein  ne¬ 
krotisch  zerfallenes  Myom  im  Uterus  hatte.  Die  locker  sitzenden 
Massen  Hessen  sich  ohne  weitere  Operation  mit  dem  Finger  und 
einer  Zange  leicht  ex  utero  entfernen.  Der  anfangs  sehr  grosse 
Uterus  verkleinerte  sich  unter  Ergotin  und  Lysolausspülungen 
bis  zur  Grösse  eines  im  3.  Monat  graviden  Uterus,  Sonde  9 y2  cm. 
Pat.  wurde  ohne  Blutungen  und  anseneinend  gesund  entlassen. 

S.  schätzt  das  Myom  ursprünglich  auf  20UU  g.  Er  verteidigt 
das  nichtoperative  Verfahren  im  vorliegenden  Falle,  gibt  aber  zu, 
dass  beim  submukösen  Myom  die  Operation  in  der  Regel  in¬ 
diziert  ist,  da  der  Ausgang  wie  in  seinem  Falle  ein  äussert  sel¬ 
tener  ist.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  56.  Bd.  Heft  3  und  Er¬ 
gänzungsheft. 

10)  Johannessen:  Die  Säuglingssterblichkeit  in  Nor¬ 
wegen. 

Sehr  interessante  Mitteilung,  die  jedoch  ein  kurzes  Referat 
nicht  erlaubt. 

11)  S  t  r  a  u  s  s  -  Krefeld:  Ueber  Säuglingsekzem. 

Str.  bekämpft  die  im  folgenden  Vortrag  (12)  Reys  behauptete 
Abhängigkeit  des  Ekzems  von  Verdauungsstörungen  und  die  in  der 
Diskussion  desselben  von  zahlreichen  niederrheinisch-westfäli¬ 
schen  Kinderärzten  angegebene  Häufigkeit  von  Todesfällen  bei  der 
Salbenbehandlung  des  Ekzems.  (Im  allgemeinen  mit  Recht,  Bef.) 

12)  J.  G.  Rey:  Ueber  das  Säuglingsekzem,  seine  ätiologische 
Beziehung  zum  Intestinaltraktus,  daraus  sich  ergebende  The¬ 
rapie.  (Nach  einem  Vortrage,  gehalten  in  der  Versammlung 
niederrheinisch-westfälischer  Kinderärzte  zu  Düsseldorf  am  8.  De¬ 
zember  1901.) 

Im  Gegensatz  zur  Auffassung  der  Ekzeme  im  Säuglingsalter 
als  äusserer  Hautkrankheiten  hält  R.  dieselben  für  abhängig  von 
Verdauungsstörungen  und  mit  besonderem  Erfolg  der  diätetisch¬ 
darmantiseptischen  Behandlung  zugänglich,  während  er  bei  äusser- 
licher  Behandlung  Misserfolge  hat.  Das  „Säuglingsekzem“  gehört 
nicht  zu  dem  Kinderekzem  im  allgemeinen.  Doch  kann  durch 
„Ekzematisation“  und  „Sekundärinfektion“  sich  der  Charakter  des 
„Säuglingsekzems“  ändern,  so  dass  neben  der  inneren  eine  äussere 
Behandlung  nötig  wird.  (In  der  Diskussion  des  Vortrags  stimmten 
eine  ganze  Anzahl  Kinderärzte  R.  zu  und  konstatierten  plötzlichen 
Todesfall  in  ihrer  Praxis  durch  einfache  Salbenbehandlung  eines 
akuten  Gesichtsekzems,  sowie  akute  Todesfälle  resp.  eine  grössere 
Reihe  (!)  von  plötzlichen  Todesfällen  nach  erfolgreicher  oder  nur 
begonnener  Ekzembehandlung.) 

13)  Pacchioni:  Untersuchungen  über  die  normale  Ossi¬ 
fikation  des  Knorpels.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in 
Florenz.) 

Zu  kurzem  Referate  nicht  geeignet. 

14)  v.  Szontagh:  Beiträge  zur  künstlichen  Säuglings¬ 
ernährung. 

2  Stoffwechselversuche  in  der  Dauer  von  je  4  Tagen  bei  einem 
künstlich  genährten  Säugling. 

15)  Lang  st  ein:  a)  Untersuchungen  über  die  Azidität  und 


(Aus  der  Universitäts- 


den  Zuckergehalt  von  Säuglingsstühlen. 

Kinderklinik  in  Graz.) 

Angesichts  der  widersprechenden  Resultate  Hellst  röms 
und  Biauber  gs  untersuchte  L.  aufs  neue  in  systematischer 
>\  (  iso  und  kann  nur  H  e  1 1  s  t  r  ö  m  s  Angaben  bestätigen 

1»  Untersuchungen  über  den  Zuckergehalt  der  Stühle  natür- 
Klinik)  kunstllcl1  genährter  Säuglinge.  (Aus  der  gleichen 

In  keinem  Falle  Hessen  sich  mit  Fehlingscher  Lösung 
quantitativ  ermittelbare  Zuckermengen  in  den  Fäzes  von  Brust¬ 
kindern  nach  weisen.  Blaubergs  gegenteilige  Angaben  erklären 
smh  aus  dem  Umstand,  dass  seine  Extrakte  Proteinsubstanzen 
enthielten,  oder  aber  dass  die  Säuglinge  nicht  allein  auf  Milchdiät 


gesetzt  waren. 

Die  von 
Gährungsprobe 
Kohlehydrate  in 
Zucker. 


S  c  li  m  i  d  und  Strasburger  angegebene 
beweist  nur  das  Vorhandensein  vergährbarer 
den  Fäzes,  keinesfalls  aber  die  Gegenwart  von 


ltfi  Heub  n  er:  Noch  einmal  der  Meningococcus  intra- 
cciiuiar  is. 

Die  von  Al  brecht  und  Ghon  gegen  Heubners  be¬ 
kannte  Versuche  mit  dem  von  ihm  zuerst  für  die  Aetiologie  der 
epidemischen  Genickstarre  herangezogenen  und  seither  allseits  be¬ 
stätigten  Meningococcus  intraceHularis  erhobenen  Einwände 
werden  von  II.  zurückgewiesen.  Das  kulturelle  wie  färberische 
Verhalten  beweisen,  dass  es  sich  allerdings  um  den  zuerst  von 
\\  eich  s  eibau  m  gefundenen  Kokkus  handelt. 

Literaturbericht.  Besprechungen. 

Ergänzungsheft: 

TT  .  1T)  0  r  °:  Ueber  die  Fermente  der  Milch.  (Aus  der  Wiener 

Universitäts-Kinderklinik.) 

I  nter  Zusammenfassung  der  älteren  und  zahlreichen  neuesten 
Untersuchungen  über  die  Milchfermente  berichtet  Verfasser  über 
seine  eingehende  Bearbeitung  dieser  Frage.  Er  konnte  hydro¬ 
lytische,  proteolytische,  lipolytische,  koagulierende  und  oxydative 
Fermente  nachw eisen.  Die  Natur  des  „koagulierenden  Fermentes“ 
wie  des  lipolytischen  bleibt  vorläufig  dunkel,  da  beide  durch  Er¬ 
hitzen  auf  100  0  nicht  zerstört  werden.  M.  hält  die  Milchfermente 
iiu  bedeutungslos  für  die  Ernährung  und  sieht  in  der  Minder- 
v  eitigkeit  gekochter  Milch  —  auch  Frauenmilch  —  gegenüber  der 
ungekochten  keinen  Gegenbeweis  gegen  seine  Anschauung. 

18)  Feer:  Weitere  Beobachtungen  über  die  Nahrungs¬ 
mengen  von  Brustkindern. 

Unter  diesem  bescheidenen  Titel  erhalten  wir  eine  FiiUe 
interessanter  Erwägungen.  Auch  diese  neuen  Beobachtungen  be¬ 
stärken  F.  in  seiner  —  auffallenderweise  auch  nicht  durch  den 

Tierversuch  am  saugenden  Hund  entschiedenen  (Ref.)  _ .  Ansicht, 

dass  ein  Teil  der  Milch  während  des  Saugens  den  Säuglingsmagen 
verlässt.  Die  bisherigen  Anschauungen  über  die  Magenkapazität 
des  Säuglings  stehen  mit  seinen  Erfahrungen  im  Widerspruch, 
speziell  für  die  ersten  3  Lebensmonate.  Sehr  beachtenswert  ist 
F.s  AufsteUung  des  Begriffes  „Zuwachsquotien  t“,  womit 
die  Zahl  bezeichnet  wird,  welche  angibt,  um  wie  viel  ein  Kilo 
Körpersubstanz  pro  Kilo  Milchzufuhr  in  einer  gegebenen  Woche 
zunimmt.  Der  Zuwachsquotient  ergibt  sich  demnach  durch 
Division  des  Produktes  vom  Kilo  Körpergewicht  und  Milchzufuhr 
in  die  Wochenzunahme  und  ist  entscheidend  für  den  Nutzeffekt 
der  Milch.  Auch  die  Richtigkeit  und  hohe  Bedeutung  des  von 
Heubner  und  Schloss  mann  übereinstimmend  festgesetzten 
Energiequotienten  kann  F.  nur  bestätigen.  Zuwachsquotient  und 
Energiequotient  zeigen  ein  typisches,  im  zeitlichen  Verlauf  ver¬ 
schiedenes  Verhalten. 

19)  W.  Beuthner:  Beobachtungen  über  die  Nahrungs¬ 
mengen  von  Brustkindern  unter  Berücksichtigung  des  Energie¬ 
quotienten  (Heubne  r). 

Drei  weitere  genaue  Beobachtungen,  wie  diejenigen  der  vor¬ 
vorangehenden  Arbeit  Feer  s.  Im  Original  nachzulesen. 

Interessant  ist  die  so  häufige  und  doch  immer  wieder  be¬ 
strittene,  auch  hier  erhobene  Tatsache,  dass  psychische  Depression 
zur  vorübergehenden  starken  Verminderung  der  Milchsekretion  der 
Stillenden  führen  kann. 

20)  Spolverini  und  Barbieri:  Ueber  die  angeborenen 
Herzfehler.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Rom.) 

Zu  kurzem  Referat  ungeeignet. 

Bericht  über  die  Sitzungen  der  Gesellschaft  für  Kinderheil¬ 
kunde  auf  der  Naturforscher  Versammlung  in  Karlsbad. 

Literaturbericht. 


9.  Sitzung’  der  Vereinigung  niederrheinisch- westfälischer 
Kinderärzte  zu  Düsseldorf  am  1.  Juni  1902. 

Siege r t -  Strassburg. 


Virchows  Archiv.  Bd.  170.  Heft  1.  Oktober  1902. 

1)  Oskar  Israel:  Rudolf  Virchow  und  sein  Archiv. 
(Mit  dem  Bilde  Virchows.) 

2)  Konrad  Sick:  Beitrag  zur  Lehre  vom  Bau  und  Wachstum 
der  Lymphangiome.  (Patholog.  Institut  Bern.) 

Der  erste  Fall  betrifft  einen  21  jähr.  Mann.  Seit  Kindheit 
Auftreibung  des  Abdomens.  Nennenswerte  Beschwerden  bestanden 
nicht.  In  den  letzten  8  Tagen  vor  Eintritt  in  das  Krankenhaus 
nahm  der  Leibesumfang  rasch  zu.  Die  Differentialdiagnose  wurde 
auf  Hydronephrose  oder  cystischen  Tumor  unbestimmter  Natur 
gestellt.  Die  Nephrotomie  und  dann  vorgenommene  Laparotomie 
führten  auf  Cysten,  von  denen  eine  y2  Liter  Flüssigkeit  enthielt. 
Nach  iy2  Monaten  Tod  infolge  eines  eitrigen  Exsudates  in  der 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  46. 


1928 


1.  Pleurahöhle.  —  Die  Sektion  zeigte  ein  Konvolut  von  bis  kinds¬ 
kopfgrossen  Cysten,  die  retroperitoneal  und  zu  beiden  Seiten  der 
Wirbelsäule  gelegen,  zum  Teil  Pankreas  und  Nieren  überlagernd, 
Dis  ins  kleine  Becken  reichten.  —  Die  zweite  Beobachtung  (Cysten 
im  Lig.  hepato-gastricum),  zufälliger  Sektionsbefund  bei  einer  in¬ 
folge  eines  karzinomatösen  Ovarialkystoms  zu  Grunde  gegangenen 
65  j ähr.  Frau.  —  Die  mikroskopische  Untersuchung  erwies  den 
Tumor  als  aus  Bindegewebe  und  Lymphgefässen,  in  deren  Wand 
Lymphfollikel  gefunden  wurden,  gebildet.  Die  Entstehung  der 
als  kavernöses  Lymphangiom  bezeichneten  Geschwulst  wird  auf 
einen  im  Embryonalleben  selbständig  gewordenen  Lymphgefäss- 
biudegewebskeim  zurückgeführt.  Auch  bei  Tieren  konnte  die 
Aberration  von  Lymphgefässen  in  frühen  Altersstufen  nach¬ 
gewiesen  werden. 

3)  S.  J  e  1 1  i  n  e  k:  Histologische  Veränderungen  im  mensch¬ 
lichen  und  tierischen  Nervensystem,  teils  als  Blitz-,  teils  als 
elektrische  Starkstromwirkung. 

Die  Untersuchungen  an  Menschen  erstrecken  sich  auf  eine 
durch  elektrischen  Kontakt  und  zwei  durch  Blitz  getötete  Per¬ 
sonen.  Die  Sektion  bot  in  allen  Fällen,  ausser  dem  immer  vor¬ 
handenen,  dunklen,  flüssigen  Blute  makroskopisch  durchaus  nichts 
Charakteristisches.  Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte 
neben  nicht  bestimmt  zu  deutenden  Veränderungen  der  Ganglien¬ 
zellen  kapilläre  Blutungen  im  Rückenmark  und  Gehirn,  besonders 
in  der  grauen  Substanz.  —  Bei  durch  Wechselstrom  getöteten 
Meerschweinchen  (300  Volt  Spannung  und  42  Perioden)  und  weissen 
Mäusen  (36  [!]  Volt)  ebenfalls  Blutungen,  besonders  in  der  grauen 
Substanz.  2  F rösche  und  2  Kaninchen  überlebten  das  Trauma, 
trugen  jedoch  im  Verlauf  einiger  Zeit  auftretende  Lähmungen 
davon.  Bei  einem  Kaninchen  ergab  die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  eine  frische  Degeneration  des  Ischiadikus,  bei  dem  anderen 
Degenerationsbilder  in  den  Hinterhörnern  und  hinteren  Partien 
der  Seitenstränge.  Sonst  kein  Befund.  - — -  Wir  haben  es  nach  der 
Ansicht  J.s  bei  Lähmungen  durch  elektrischen  Kontakt  mit  Er¬ 
krankungen  auf  organischer  Grundlage  zu  tun.  Der  Tod  durch 
Elektrizität  ist  nicht  als  Schockwirkung  oder  innere  Erstickung 
und  ähnliches  aufzufassen,  sondern  findet  in  den  angeführten 
pathologisch-anatomischen  Befunden  seine  Erklärung. 

4)  F.  Fischler:  Ueber  den  Fettgehalt  von  Niereninfarkten, 
zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage  der  Fettdegeneration.  (Aus  dem 
patholog.  Institut  zu  Heidelberg,  Geheimrat  A  r  n  o  1  d.) 

Die  Versuche  wurden  an  40  Kaninchen  ausgeführt.  Die  Ope¬ 
rationen  bestanden  in  völliger  oder  temporärer  Blutabsperrung 
der  Niere  bezw.  von  Teilen  derselben,  Einfuhren  von  Weizengries 
in  die  Karotis,  von  indigosulfosaurem  Natron  (Heidenhain)  in  die 
Jugularis  und  Nierenexstirpation.  Die  Ergebnisse  der  im  Original 
nachzulesenden  interessanten  Versuche  führen  Verf.  zu  dem 
Schluss,  dass  das  Auftreten  von  Fett  immer  von  einer,  wenn  auch 
unvollkommenen  Zirkulation  abhängig  ist  (sei  es  Blut-,  Lyrnph- 
oder  Diffusionsstrom).  Das  Fett  tritt  nur  in  lebenden  Zellen  auf. 
Abgestorbene  Zellen  vei'fetten  (unter  aseptischen  Kautelen)  nicht, 
dagegen  solche,  die  bei  mehr  oder  weniger  erhaltener  Struktur 
leben.  Zur  Annahme  einer  Entstehung  von  Fett  aus  Eiweiss  inner¬ 
halb  der  Zellen  ist  durch  die  Versuche  nichts  beigetragen. 

5)  H.  N  a  e  g  e  1  i  -  Akerblom :  Die  Seminität  in  ihren  erb¬ 
lichen  (?)  Beziehungen.  Historische  Kritik  falscher  Angaben. 

Unvollendet. 

6)  Kleinere  Mitteilungen. 

L.  Pick:  Ueber  die  Anordnung  der  elastischen  Fasern  im 
Uterus.  Erwiderung  an  Herrn  N.  Iwanof  f. 

J.  Katzenstein:  Zur  Frage  der  Wirkung  der  Nerven¬ 
durchschneidung  auf  die  Schilddrüse. 

Entgegen  den  Ansichten  Lübkes  (vergl.  dieses  Archiv, 
Bd.  107,  II.  3:  Lübke:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schilddrüse), 
dass  nach  Durchschneidung  der  die  Schilddrüse  versorgenden 
Nerven  eine  Vergrösserung  des  Organs  und  der  Follikel  auf  trete, 
hält  K.  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  daran  fest,  dass  die 
Schilddrüse  nach  Exstirpation  der  sie  versorgenden  Nerven  völlig 
degeneriere.  Schridde  -  Erlangen. 

Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  psychisch¬ 
gerichtliche  Medizin.  59.  Bd.,  5.  Heft.  1902. 

1)  Pfister:  Ueber  Paranoia  chronica  querulatoria. 

Ausführliche  kasuistische  Schilderung  eines  nervös  disponier¬ 
ten  typischen  Querulanten  mit  krankhaften  Beeinträchtigungs-  und 
Ueberschätzungsideen.  sowie  krankhaften  Affekten.  Die  Entmün¬ 
digung  erfolgte  wegen  „Geistesschwäche“  im  Sinne  des  §  6  B.G.B. 

2)  H.  Schulze:  Sektierertum  und  Geistesstörung. 

Bei  einem  Gärtner  trat  originärer  Schwachsinn  leichteren 
Grades  ein;  eine  religiöse  Wahnidee  beherrschte  ihn.  Seine  Frau, 
sein  Sohn,  seine  Tochter,  die  Magd  und  2  Frauen  wurden  be¬ 
einflusst  und  zeigten  einen  ekstatischen  Zustand.  Während  sie 
alle  nach  3  monatlicher  Internierung  genasen,  blieb  der  primär 
Erkrankte  dauernd  anstaltsbedürftig. 

3)  Chotzen:  Zur  Kenntnis  der  polyneuritischen  Psychose. 

27  von  38  Fällen  begannen  mit  Delirium;  oft  gingen  einzelne 

Symptome,  wie  Gedächtnisschwäche,  Schmerzen  oder  Gehstörung, 
schon  länger  vorher.  20  Fälle  zeigten  chronisches  Delirium,  meist 
mit  tödlichem  Ausgang. 

4)  Wurth:  Ueber  das  Dauerbad,  seine  Anwendung  und 

seine  Erfolge. 

Eindringliche  Schilderung  der  Anwendung  und  Wirkung  dieses 
ausgezeichneten  Beruhigungsmittels,  das  vorzugsweise  bei  chro¬ 
nischen  Fällen  benutzt  wurde.  Bester  Erfolg  bei  der  Erregung 
im  manisch-depressiven  Irresein. 


5)  Wickel:  Ueber  Gehirnsektion. 

Empfiehlt,  das  Hirn  in  lüproz.  Formol,  die  Basis  nach  oben, 
schwebend  an  einem  unter  der  Basilararterie  durchgezogenen 
Faden  zu  konservieren.  Nach  1—6  Wochen  erst  wird  es  zerlegt 
in  Frontalschnitte  von  der  Basis  zur  Konvexität,  zunächst  am 
Austritt  der  Himschenkel.  Weygandt  - Würzburg. 

Archiv  für  Hygiene.  44.  Bd.  2.  Heft.  1902.  (Nachträglich.) 

1)  D.  K  o  n  r  ä  d  i  -  Klausenburg:  Ueber  die  bakterizide  Wir¬ 
kung  der  Seifen. 

Während  man  im  allgemeinen  der  Ansicht  ist,  dass  die  reinen 
Seifen  infolge  ihres  Alkaligehaltes  keimtötend  und  bei  spezifischen 
Seifen  die  zugesetzten  Mittel  desinfizierend  wirken,  so  machte 
Verfasser  bei  einer  Resorcinseife  die  Beobachtung,  dass 
die  Wirkung  der  Seife  unabhängig  war  von  der  in  derselben  ent¬ 
haltenen  Resorcinmenge  und  einzig  allein  abhängig  von 
dem  Gehalt  an  odorierenden  Bestandteilen.  Er  entnahm  bei 
der  Herstellung  der  Seife  in  allen  Phasen  der  Bereitung  Proben, 
konnte  aber  nur  nach  Hinzugabe  der  odorierenden 
Mittel  vollkommene  Desinfektion  nachweisen.  Die  odorierenden 
Mittel  waren  Vanilin,  Terpinol,  Cumarin  und  Helio¬ 
trop  i  n.  Es  wurden  dann  noch  die  Szeged  ine  r  -.  Eier- 
dotter-  und  Glyzerinseife,  die  II  i  n  r  i  c  h  sehe  Schwe¬ 
felseife,  10  proz.  K  r  e  o  1  i  n  -,  1  prom.  Sublimat-,  Jod- 
k  a  1  i  -,  Mineral-,  Hygieia-  und  Fliederseife  unter¬ 
sucht.  Diejenigen  Seifen,  welchen  die  obige  odorierende  Mischung 
zugesetzt  war,  desinfizieren  vollkommen,  die  Mineral-  und  Hygieia- 
minder  gut,  während  der  Flieder-,  Szegediner-  und  Glyzerinseife 
gar  keine  desinfizierende  Wirkung  zukommt. 

2)  Levy  uud  Jakobsthal  -  Strassburg:  Fleischvergiftung 
und  Typhus. 

In  einer  K  u  li,  welche  in  Strassburg  auf  dem  Schlachthof 
geschlachtet  wurde,  fanden  sich  in  der  MilzundinderLeber 
Abszesse,  ohne  dass  das  Tier  irgendwelche  Zeichen  der  Erkrankung 
darbot.  Die  mikroskopische  und  bakteriologische  Untersuchung 
liess  ein  Stäbchen  finden,  welches  in  keiner  Weise  von  Typhus 
zu  unterscheiden  war.  Das  Typhus  serum  agglutinierte  makro¬ 
skopisch  die  Typhusbazillen  und  die  Schlachthaus- 
bazillen  bis  hinauf  zum  Verhältnis  1:4000.  Dieser  Fall  hat 
insofern  ein  grosses  Interesse,  als  hier  mit  Sicherheit  im  Tier 
spontan  Typhus  auf  getreten  und  damit  einer  Weiterverbreitung 
der  Krankheit  auf  die  Menschen  Tür  und  Tor  geöffnet  war. 

3)  Müll  er- Graz:  Vergleichende  Studien  über  die  Gerin¬ 
nung  des  Kaseins  durch  Lab  und  Laktoserum. 

Der  Grundgedanke  in  der  ausführlichen  Studie  war  der,  ob 
G  ründe  dafür  vorliegen,  die  Laktoserumfällung  als 
eine  Fermentwirkung  aufzufassen.  Die  Untersuchungen 
des  Verf.  haben  aber  erwiesen,  dass  die  Annahme  einer 
fermentativen  Natur  dieses  Fällungsprozesses 
nicht  mehr  haltbar  ist.  R.  O.  Neumann  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  45. 

1)  H.  S  a  1  o  m  o  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  Meningokokken- 
septikämie. 

In  dem  beschriebenen  Falle  traten  bei  der  32  jährigen  Krankeu 
zunächst  Gelenkschmerzen  auf,  sodann  im  Verlaufe  eines  sich  viele 
Wochen  hinziehenden  Fiebers  von  intermittierendem  Chax*akter 
ein  Ausschlag,  bestehend  in  roten  Flecken  mit  einem  intensiver 
gefärbten,  punktförmigen  Zentrum.  Das  Exanthem  zeigte  während 
des  Ablaufes  eine  Reihe  von  Nachschüben.  Die  eingeleitete  innere 
Therapie  schien  einen  Erfolg  nicht  zu  haben,  doch  erfolgte 
schliesslich  Genesung.  Aus  dem  Blxxte  konnte  der  Weichsel- 
b  a  xx  m  sehe  Meixingokokkus  kxxltiviert  werden,  dessen  Nachweis 
in  der  entleerten  Spinalflüssigkeit  nur  mikroskopisch  gelang.  Erst 
im  letzten  Di’ittel  des  Veiäaufes  traten  deutliche  meningitische 
Erscheinungen  in  dem  Krankheitsbild  hervoi*.  Exantheme  sind  bei 
der  Meningokokkenmeningitis  selten  beobachtet  worden. 

2)  L.  F  e  i  n  b  e  r  g  -  Berlin:  Ueber  die  Anwendung  der  Ro¬ 
manowski  sehen  (Methylenblau-Eosin-)  Färbemethode  in 
den  Gewebsschnitten,  speziell  in  den  Krebsgeschwülsten. 

Durch  die  Anwendung  der  genannten  Färbemethode  bei 
Rhizopoden  hat  Veiff.  nachgewiesen,  dass  der  Kern  der  einzelligen 
tierischen  Organismen  überhaupt  keinen  Nukleolus  und  kein  Kern- 
gei'üst  analog  dem  Kerngerüst  der  Körper-  und  Pflanzenzellen 
kennt,  sondern  einen  Kernpunkt  besitzt,  der  allseitig  von  einem 
Kernsaft  umgeben  ist.  Diese  Zellteile  zeigen  andere  Färbung 
als  ihre  Analoga  bei  den  Körper-  und  Pflanzenzellen.  Die  Ver- 
wenduixg  der  Fäi’bung  auf  Dui*chschnitten  von  Krebsgeweben  er¬ 
gab  nun,  dass  innerhalb  dieses  Gewebes  Gebilde  Vorkommen, 
welche  als  selbständige  einzellige  Organismen  zu  bezeichnen  sind. 
Eine  nälxei'e  Klassifizierung  dieser  Gebilde  ist  heute  noch  nicht 
möglich. 

3)  C.  Hamburger-Berlin:  Ueber  die  Berechtigung  und 
Notwendigkeit,  bei  tuberkulösen  Arbeiterfrauen  die  Schwanger¬ 
schaft  zu  unterbrechen.  (Fortsetzung  folgt.) 

4)  J.  M  i  t  u  1  e  s  k  xx  -  Bukarest:  Beitrag  zum  Studium  des 

Stoffwechsels  in  der  chronischen  Tuberkulose.  (Foi’tsetzung 
folgt.)  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1902.  No.  44  u.  45. 

No.  44.  1)  A.  Wassermann-Berlin:  Ueber  eine  neue 

Art  von  Diphtherieserum. 

Nach  einer  am  24.  Oktober  in  der  physiologischen  Gesellschaft 
in  Berlin  gehaltenen  Demonstration. 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1929 


Aus  dem  angeführten  Versuche  geht  hervor,  dass  es  W  ee- 
];.ng  ein  von  dem  bisherigen  antitoxischen  Diphtherieserum ‘ver¬ 
schiedenes  prazipitierendes  Serum  zu  erzielen,  welches  im  Ge-en 
satze  zu  dem  ersteren  Stoffe  in  sich  birgt,  welche  auf  die  Körper¬ 
substanzen  der  Diphtheriebazillen  selbst  eine  spezifische  Wirkumr 
ausüben.  ö 

Dieses  neue  Serum  bietet  die  Möglichkeit,  die  Differenzierung 
der  echten  und  der  rseudodiphtheriebazillen  mit  Hilfe  der  Aeelu 
tination  und  Präzipitation  zu  bearbeiten.  Auch  für  die  Praxis 
verspricht  sich  W.  einen  gewissen  Wert,  insoferne  es  auf  die  Sub¬ 
stanzen  der  Diphtheriebazillenleiber  spezifisch  einwirkt. 

2)  E.  M  a  rt  i  n  i  -  Berlin:  lieber  die  Entstehung  einer  Ma¬ 
lariaepidemie  im  Harlinger-  und  Jeverlande  während  des 
Jahres  1901. 

Durch  eingehende  Forschungen  gelang  es  M.,  das  zeitliche 
Verhältnis  des  Einsetzens  der  Malariaepidemie  im  Harlinger-  und 
.Te verlande  in  unmittelbarem  Zusammenhang  mit  einem  für  die 
Verbreitung  der  Malaria  wesentlichen  Ereignis  zu  finden,  nämlich 
in  dem  Auftreten  von  zahlreichen  malariakranken  Menschen  in 
einem  für  die  Malariaausbreitung  günstigen  Gebiete,  in  der  von 
zahlreichen  Anopheles  heimgesuchten  und  seit  Anfang  April  1901 
gewaltigen  Schlicknmwühlungen  ausgesetzten  Küstenstrecke  Neu- 
harlinger — Bensersiel. 

3)  Waldvogel- Göttingen:  Nephritis  syphilitica  acuta. 

Kasuistische  Mitteilung  mit  Literaturangabe. 

Der  Fall  betraf  einen  31  Jahre  alten  Patienten,  bei  welchem 
nach  14  tägigem  Bestehen  von  Kondylomen  neben  anderen  Erschei¬ 
nungen  sekundärer  Syphilis  Oedeme  auftraten,  sich  Aszites  und 
Hydrothorax  entwickelte.  Bei  der  Aufnahme  war  die  Urinmenge 
vermindert,  die  des  Eiweisses  gross,  es  fanden  sich  hyaline  und 
granulierte  Zylinder.  Nach  Einleitung  einer  Schmierkur  stieg  die 
Frinmenge,  der  absolute  Eiweissgehalt  nahm  rapide  ab,  die 
Oedeme,  Aszites  und  Hydrothorax  schwanden.  Nachdem  Pat.  75  g 
geschmiert  hatte,  war  Eiweiss  nach  Esbach  nicht  mehr  be¬ 
stimmbar.  Als  Patient  nach  7  wöchentlicher  Dauer  der  Kur  die 
Klinik  verliess,  war  die  Urinmenge  normal,  Eiweiss  und  Zylinder 
fehlten. 


4)  P.  Schmidt-  Hamburg:  Zur  Frage  der  Entstehung  der 
basophilen  Körner  in  den  roten  Blutkörperchen. 

Kasuistische  Mitteilung  eines  Falles  eigener  Beobachtung. 
Betreffs  detaillierter  Begründung  der  im  Anschluss  an  den  Fall 
entwickelten  Ansichten  verweist  Verf.  auf  seine  eben  erschienene 
ausführliche  Arbeit:  „Experimentelle  Beiträge  zur  Pathologie  des 
Blutes“. 

5)  F.  G  1  a  s  e  r  -  Berlin:  Die  Bedeutung  des  Typhusbazillus 
bei  Erkrankungen  des  Respirationsapparates  im  Gefolge  des 
Ileotyphus  und  sein  Auftreten  im  Auswurf.  (Schluss  aus  No.  43.) 

Nach  einem  im  Verein  für  innere  Medizin  am  26.  Mai  1902 
gehaltenen  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese  Wochenschrift 
1902,  No.  22,  pag.  946. 

6)  H.  Neumann  -  Berlin:  Ueber  die  Häufigkeit  des  Stillens. 

Interessante  Zusammenstellung  von  mehr  statistischem  Inter¬ 
esse. 


7)  P.  S  p  e  i  s  e  r  -  Bischofsburg:  Ein  Fall  von  Anus  praeter¬ 
naturalis  mit  seltener  Aetiologie  und  seltener  Lokalisation. 

8)  S  c  h  a  r  e  -  Köslin:  Wanderung  eines  Nagels  vom  Nasen¬ 
rachenraum  in  das  Mittelohr. 

9)  J.  Boas -Berlin:  Ueber  Untersuchungsstationen  für 
Krebsverdächtige. 

No.  45.  1)  K  ö  h  1  e  r  -  Berlin:  Ueber  den  Stand  der  Frage 

von  der  Uebertragbarkeit  der  Rindertuberkulose  auf  den 
Menschen. 

Nach  einem  auf  der  internationalen  Tuberkulosekonferenz  zu 
Berlin  am  25.  Oktober  1902  gehaltenen  Vortrag.  Siehe  hierüber 
das  Spezialreferat  in  dieser  Wochenschrift  No.  44,  pag.  1853. 

2)  A.  S  c  h  ü  t  z  e  -  Berlin:  Ueber  weitere  Anwendungen  der 
Präzipitine. 

Von  dem  Gedanken  ausgehend,  die  Methode  der  biologischen 
Differenzierung  zum  Zwecke  weiterer  praktischer  Verwertbarkeit 
mit  heranzuziehen  und  zur  Prüfung  der  Herkunft  tierischer  oder 
menschlicher  Eiweisstoffe  in  Anwendung  zu  bringen,  suchte  Verf. 
auch  die  in  den  einzelnen  Hefearten  enthaltenen  Eiweisstoffe  auf 
ihre  biologischen  Eigenschaften  hin  zu  prüfen.  Aus  seinen  Ex¬ 
perimenten  ergibt  sich,  dass  die  in  den  von  ihm  untersuchten 
Hefearten,  nämlich  die  in  der  obergärigen,  in  der  untergärigen, 
in  der  Getreide-  und  in  der  Kartoffelhefe  enthaltenen  Eiweisstoffe 
ihrer  Natur  nach  gleichartig  sind  oder  wenigstens  einander  so 
ausserordentlich  nahe  stehen  müssen,  dass  selbst  mit  Hilfe  dieser 
biologischen,  von  allen  Verfahren  am  schonendsten  und  am  sicher¬ 
sten  arbeitenden  Methode,  auch  nach  wiederholten  Prüfungen,  eine 
Differenzierung  nicht  erzielt  werden  konnte.  Auf  bis  jetzt  noch 
nicht  abgeschlossene  Untersuchungen  über  das  Verhältnis  zwi¬ 
schen  Agglutination  und  Präzipitation  an  dem  Beispiel  der  für 
diesen  Zweck  besonders  geeignet  erscheinenden  Hefe  wird  Verf. 
in  weiterer  Mitteilung  zurückkommen. 

3)  R.  Iv  u  c  k  e  i  n  -  Königsberg  i/Pr.:  Ueber  zwei  Fälle  von 
Oesophaguskarzinom,  welche  unter  dem  Bilde  eines  Aorten¬ 
aneurysmas  verliefen.  (Schluss  folgt.) 

4)  R.  Hecker-  München:  Die  Erkennung  der  fötalen 
Syphilis.  (Schluss  folgt.) 

5)  M.  P  e  u  k  e  r  t  -  Greifswald:  Ueber  die  Beziehungen  der 
vergrösserten  Thymusdrüse  zum  plötzlichen  Tode. 

P.  fügt  den  vorher  veröffentlichten  Fällen  von  Thymustod 
noch  zwei  weitere  an,  die  er  in  allerletzter  Zeit  zu  sezieren  Ge¬ 


legenheit  hatte,  und  sucht  hiemit  den  Beweis  zu  liefern  an  der 
Hand  der  einschlägigen  Literatur,  dass  eine  vergrösserte  Thymus 
ganz  allein  direkte  Atembeschwerden  hervorzurufen  im  stände  ist, 
dass  sie  sogar  eine  vollkommene  Kompression  der  Trachea  und 
dadurch  plötzliche  Atemnot  und  plötzlichen  Tod  bedingen  kann. 

6)  V.  1  u  1  a  w  s  k  i  -  Polen:  Mitteilung  über  das  weitere 
Schicksal  einer  Speiseröhrenkrebskranken,  welche  mit  Kankroin 
Adamkiewicz  behandelt  wurde. 

t)  4.  M  e  n  d  e  1  -  Essen  (Ruhr):  Ein  Fall  von  Uterusruptur 
intra  partum  ohne  Operation  geheilt. 

8)  E.  S  c  li  u  1 1  z  e  -  Berlin:  Zur  Prophylaxe  der  Geschlechts¬ 
krankheiten,  speziell  des  Trippers. 

9)  E.  Oppenheimer-  Berlin:  Zur  konservativen  Behand¬ 
lung  des  Entropiums. 

Ergänzung  zu  No.  47,  1901  dieser  Wochenschrift,  in  welcher 
O.  einen  Fall  von  doppelseitigem  Entropium  senile  beschrieb  das 
er  mittels  einer  passenden  Brillenvorrichtung  beseitigen  konnte, 
nebst  Angabe  einer  wesentlich  zweckmässigeren  Abänderung  des 
ursprünglichen  Verfahrens.  jyf  p  a  c  p”,  r 

Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.32.Jahrg.  No.  21 

B.  Tschlenoff-  Bern:  Die  Sitzbäder,  deren  physiologische 
Wirkung  und  die  Indikationen  für  Anwendung  derselben. 

Uebersichtliche  Zusammenstellung.  • 

Alfr.  Labhardt:  Ueber  operative  Entfernung  eines  tief- 
sitzenden  erweichten  Myoms  während  der  Gravidität.  (Aus  dem 
Frauenspital  Basel,  Direktor  Prof.  v.  II  e  r  f  f.) 

Das  Myom  wurde  exstirpiert,  da  erst  bei  der  Operation  Dia¬ 
gnose  möglich  war.  Ungestörte  Heilung  und  Geburt. 

F.  Schubiger  - Hartmann  -  Solothurn:  Adrenalin. 

Das  von  Takamine  aus  Ochsennebenniere  hergestelllo 
Adrenalin  (im  Handel  1  prom.  Lösung  von  A.  hydroclilorieum  in 
physiologischer  Kochsalzlösung,  unveränderlich  und  sterilisierbar) 
wirkt  stark  anämisierend  (nicht  anästhesierend)  und  blutdruck¬ 
steigernd  und  ist  wegen  ersterer  Eigenschaft  für  den  Nasenarzt 
(Operationen,  Kombination  mit  Kokain,  Nebenhöhlenempyeme, 
Nasenbluten?)  und  Ohrenarzt  (Tubenkatheterismus,  Mittelohr¬ 
polypen)  sehr  wertvoll.  Kurze  Zusammenstellung  der  sonstigen 
Verwertungsarten. 

M.  M.  C  r  a  a  n  d  y  k  -  Davos-Platz:  Ein  seltenes  Sputum. 
(Laboratorium  Dr.  Paulus  Nachf.) 

Die  Bedeutung  des  kompakten,  faserigen  (tuberkulösen)  Spu¬ 
tums  bleibt  unklar.  (Kurze  Mitteilung.)  P  i  s  c  h  i  n  g e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  45.  1)  P.  Clairmont  und  H.  Haberer  -  Wien:  Ueber 
das  Verhalten  des  gesunden  und  veränderten  tierischen  Peri¬ 
toneums. 

Vergl.  das  Referat  in  den  Berichten  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  über  die  diesjährige  Naturforscherversammlung  in  Karls¬ 
bad. 

2)  F.  Hamburger-  Wien:  Zur  Frage  der  Immunisierung 
gegen  Eiweiss. 

Es  ist  bekannt,  dass  subkutane  Injektionen  von  Eiereiweiss 
bei  Kaninchen  Albuminurie  hervorrufen,  und  zwar  kann  mittels 
der  sog.  biologischen  Methode  nachgewiesen  werden,  dass  es  sich 
bei  dem  ausgeschiedenen  Eiweiss  sowohl  um  Eier-  als  um  Serum- 
eiweiss  handelt.  Daraus  geht  hervor,  dass  die  Albuminurie  nach 
Eierklarinjektionen  eine  direkte  Nierenschädigung  bedeutet,  und 
es  fragte  sich  nun,  ob  eine  Art  Immunisierung  dagegen  bewirkt 
werden  kann.  Tatsächlich  zeigten  nun  Versuche  an  Kaninchen, 
dass  die  Albuminurie  nach  Vornahme  einer  grösseren  Reihe  von 
Injektionen  wieder  verschwindet,  so  dass  man  von  einer  Immuni¬ 
sierung  gegen  die  Eiweisswirkung  sprechen  darf.  Auch  die  ali¬ 
mentäre  Albuminurie  kann  durch  subkutane  Eierklarinjektioneu 
verhindert  werden.  Auf  die  vom  Verf.  versuchte  Erklärung  der 
Erscheinung  kann  hier  nicht  weiter  eingegangen  werden. 

3)  R.  M  a  t  z  e  n  a  u  e  r  -  Wien:  Periurethrale  Infiltrate  und 
Abszesse  beim  Weibe;  chronisch-gonorrhoische  Induration  der 
weiblichen  Harnröhre. 

Da  wie  beim  Mann  auch  beim  Weibe  bei  der  akuten  Gonorrhöe 
die  Lakunen  und  Drüsen  der  Schleimhaut  miterkranken,  so  kann 
der  Entzündungsprozess  auf  die  Nachbarschaft  übergreifen  und 
zur  Abszedierung  in  der  Umgebung  der  Harnröhre  führen.  Die 
Abszesse  können,  wenn  sie  nicht  inzidiert  werden,  in  die  Scheide 
oder  die  Harnröhre  durchbrechen.  In  einem  Teile  der  von  ihm 
gesehenen  9  Fälle  hat  Verf.  Gonokokken  im  Eiter  nachweisen 
können.  Die  Schwellung,  Verdickung  und  Infiltration  der  Harnröhre 
geht  nun  nicht  in  allen  Fällen  zurück,  so  dass  Bindegewebe  in  der 
Harnröhre  entsteht  und  sich  dieselbe  allmählich  in  ein  mehr  oder 
weniger  starres  Rohr  umwandelt.  Meist  entstehen  dadurch  nicht 
unbedeutende  Miktionsbeschwerden. 

4)  E.  L  i  n  d  n  e  r  -  Wien:  Totale  einseitige  Okulomotorius¬ 
lähmung. 

In  dem  mitgeteilten  Falle,  welcher  eine  42  jähr.  Frau  betraf, 
war  die  isolierte  Lähmung  bewirkt  durch  ein  erbsengrosses 
Aneurysma  der  Carotis  interna,  welches  den  Nerven  komprimierte. 

3 y2  Jahre  nach  Beginn  der  Erscheinungen  erfolgte  infolge  Berstung 
und  Durchbruchs  in  den  Seitenventrikel  ziemlich  plötzlich  der 
tödliche  Ausgang.  Verf.  bespricht  noch  die  anderweitige  Patho¬ 
genese  solcher  isolierter  Lähmungen.  Ein  gewisser  diagnostischer 
Wert  kommt  den  subjektiven  Gehörsempfindungen  zu,  die  meist 


1030 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


in  fortwährendem  Sausen  oder  Klopfen  bestehen.  Auffallend  war. 
dass  der  rechtsseitige  Optikus  sieh  als  etwas  mitbeteiligt  erwies. 

5)  H.  v.  S  C  h  r  o  e  1 1  e  r  -  Wien:  Extraktion  eines  Fremd¬ 
körpers  aus  der  rechten  Lunge  mittels  direkter  Bronchoskopie. 

Der  von  der  35  jähr.  Kranken  verschluckte  Fremdkörper  weilte 
bis  zum  Zeitpunkte  der  Entfernung  bereits  3yg  Jahre  im  rechten 
Unterlappen  und  hatte  Husten  mit  fötidem  Auswurf  verursacht. 
Mittels  des  Bronchoskops  konnte  der  Fremdkörper,  ein  Knochen¬ 
stückchen,  schon  beim  ersten  Versuch  gesehen  und  extrahiert 
werden.  Das  Kohr  wurde  bis  auf  einen  Abstand  von  29,5  cm  von 
der  Zahnreihe  in  den  betreffenden  Bronchus  eingeführt.  Die  Pa¬ 
tientin  ist  vorläufig  noch  nicht  völlig  geheilt,  da  im  rechten  Unter¬ 
lappen  sich  eine  Höhle  gebildet  hatte. 

Grassmann  -  München. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  44.  J.  G  e  i  g  e  r  -  Russisch  Moldawitza:  Nekrotischer 
Zerfall  des  Skrotums  und  Präputiums  infolge  von  Anthrax. 

Bei  dem  24  jährigen  Arbeiter  kam  es  zu  einer  sehr  ausge¬ 
dehnten  und  tiefen  Nekrose  der  Haut  des  Penis  und  des  Skrotums 
bis  auf  die  Tuuica  vaginalis  testis.  Spontanheilung  durch  Granu¬ 
lation.  Eine  mikroskopisch-bakteriologische  Untersuchung  konnte 
nicht  erfolgen. 

No.  43  u.  44.  A.  Brabec:  Vergiftung  mit  Viperngift. 

Der  14  jährige  Kranke  kam  4  Tage  nach  dem  Biss  in  klinische 
Behandlung  und  zeigte  eine  typische  violette  Verfärbung  des  ge¬ 
bissenen  Beines  und  eine  gleich  extreme  Cyanose  des  Gesichtes, 
im  Koma  ging  er  an  Erstickung  zu  Grunde.  In  dem  Sekret  der 
ausgebrannten  Wunde  fand  sich  nur  der  Stapliylococcus  albus. 
Das  Venenblut  erwies  sich  mikrobenfrei.  Subkutane  Injektionen 
mit  diesem  Blut  wurden  von  Ratten  und  Mäusen,  wie  schon  andere 
Autoren  fanden,  ohne  Schaden  ertragen.  Die  Obduktion  stellte 
weit  verbreitete  Hämorrliagien  und  fettige  Degeneration  an  Leber 
und  Nieren  fest.  In  therapeutischer  Hinsicht  ist  die  im  Volk  noch 
viel  zu  wenig  bekannte  primäre  Abschnürung  des  gebissenen 
Gliedes  das  Wirksamste,  der  Alkohol  hat  nur  die  Bedeutung  eines 
Exc-itans. 

No.  41/44.  O.  Kose- Prag:  Experimentelle  Studien  über 
Lungenembolie. 

Ueber  die  Art,  wie  bei  Lungenembolie  der  oft  plötzliche  Tod 
zu  stände  kommt,  gehen  die  Ansichten  noch  sehr  auseinander. 
K.  hat  bei  einer  grösseren  Zahl  von  Hunden  durch  Eintreiben  von 
Luft,  Lykopodiumsamen,  Porzellankügelchen  u.  dergl.  in  die  Vena 
jugularis  eine  akute  oder  suecessive  Embolie  experimentell  er¬ 
zeugt.  Aus  den  zahlreichen  Schlussfolgerungen  wollen  wir  als 
wichtigste  nur  die  hervorheben,  dass  als  die  allernächste  Ursache 
des  Todes,  die  durch  ungenügende  Füllung  bedingte  Störung  in 
der  Tätigkeit  der  linken  Herzkammer  angesehen  werden  muss. 
Das  Stillstehen  der  Atmung,  die  Erstickung,  tritt  erst  sekundär  ein. 

Wiener  medizinische  Presse. 

No.  45.  J.  Bogdanik  -  Biala :  Darmverschluss  bei  Chole- 
lithiasis. 

B.  beschreibt  2  Fälle,  wo  ein  akuter  Darmverschluss  vorlag 
und  bei  der  Operation  als  Ursache  eine  vergrösserte  Gallenblase 
gefunden  wurde,  welche  ein  grosses  Konkrement  enthielt.  Beide 
Kranke  hatten  keinerlei  Symptome,  welche  früher  die  Diagnose 
auf  Cholelithiasis  ermöglicht  hätten. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  44  u.  45.  J.  P  e  1  n  ä  r:  Beitrag  zur  Prüfung  der  Des¬ 
infektionsmittel.  Sublimat. 

Die  verschiedenartigen  Angaben  über  den  Desinfektionswert 
der  einzelnen  Mittel  machen  eine  Nachprüfung  mit  modernen 
Methoden  geradezu  notwendig.  Nach  Verfassers  Versuchen  tötet 
Sublimat  in  Lösung  von  1:1000  im  destillierten  Wasser  wie 
in  Bouillonkultur  den  Bazillus  pyocyaneus  aureus  in  12  Minuten. 
In  destilliertem  Wasser  tötet  es  den  Saccharomyces  albicans  nach 
1  Minute,  in  Bouillonkultur  dagegen  erst  nach  mehr  als  25  Minu¬ 
ten.  Anthraxsporen  waren  durch  genannte  Lösung  in  destilliertem 
Wasser  noch  nach  24  Stunden  nicht  abgetötet.  Der  Glaube  an 
unsere  Desinfektionsmittel  dürfte  noch  sehr  eingeschränkt  werden, 
wenn  man  von  ihrer  Wirkung  den  schädigenden  osmotischen  Ein¬ 
fluss  des  destillierten  Wassers  in  Abzug  bringt. 

Bergeat  -  München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Bonn.  September  und  Oktober  1902. 

51.  Abels  Hugo:  Ueber  Geschwülste  der  Bauchdecken. 

Universität  Breslau.  September  und  Oktober  1902. 

49.  Kar  sch  Wilhelm:  Zur  operativen  Behandlung  dev  ange¬ 
borenen  Gaumenspalten  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die 
funktionellen  Erfolge. 

50.  Mens  eilig  Carl:  Ueber  die  Kontagiosität  des  Krebses. 

51.  Rauenbusch  Ludwig:  Beiträge  zur  Lokalisation  und  Ver¬ 
breitungsweise  der  eitrigen  Peritonitis. 

52.  Hirsch  stein  Ludwig:  Ueber  therapeutisch  verwendete 
Silberverbindungen,  insbesondere  über  Silber-Eiweissverbin¬ 
dungen  mit  spezieller  Berücksichtigung  der  Silberverbindungen 
des  Kaseins. 


53.  S  c  li  a  p  s  Leo:  Beiträge  zur  Lehre  von  der  zyklischen  Albumin¬ 
urie. 

54.  Marcus  Siegfried:  Beiträge  zur  Behandlung  der  Aktino- 
mykose  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Jodkalium¬ 
therapie. 

55.  N  euma  n  n  Leopold:  Untersuchungen  über  die  Viskosität  des 
Sputums,  und  ihre  Beziehung  zum  Husten,  insbesondere  zur 
Pertussis. 

Universität  Ereiburg.  Oktober  1902. 

54.  Lekisch  Adolf:  Ueber  zwei  Fälle  von  Ganglien  der  Knie¬ 
gelenksgegend. 

55.  Brandt  Leo:  Beiträge  zu  den  orbitalen  Komplikationen  der 
Entzündung  der  Nebenhöhlen  und  ihrer  Operation. 

56.  Baum  Richard:  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Statistik  der 
primären  Uveitis  (Iritis,  Irido-Cyclitis,  Irido-Chorioiditis),  nach 
dem  Material  der  Freiburger  Universitäts-Augenklinik  aus  den 
Jahren  1890 — 1901. 

57.  N  e  u  m  a  n  n  Georg:  Lieber  die  plastische  Deckung  der  Augen¬ 
höhle,  besonders  die  Küster  sehe  Methode. 

58.  Maier  Gottfried:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  des  männlichen 
Brustdrüsenkrebses, 

59.  Weisenhorn  Franz:  Akut  zirkumskriptes  Hautödem  und 
Urtikaria. 

60.  Citron  Julius  Bernhard:  Kalkwasser  und  Kalkmilch  als 
Desinfektionsmittel. 

61.  Lipschitz  Rudolf:  Zur  Kenntnis  der  Periostitis  albumosa. 

62.  Lange  Otto:  Ueber  Volvulus  (Volvulus  des  Dünndarms). 

Universität  Giessen.  Oktober  1902. 

38.  Seiler  Franz:  Ueber  das  Verhalten  der  lymphatischen  Ap¬ 
parate  bei  Ulzerationen  im  Darme  des  Schweines.*) 

39.  L  amess  Alois:  Ueber  fünf  operativ  behandelte  Fälle  von 
Darmstenose  in  der  Ileocoekalgegend. 

40.  Zürn  Johannes:  Vergleichende  histologische  Untersuchungen 
über  die  Retina  und  die  Area  centralis  retinae  der  Haussäuge¬ 
tiere.*) 

41.  Brettel  Adolf:  Ueber  Fremdkörper  in  den  Luftwegen. 

42.  Henius  Max:  Beiträge  zur  Arsenbehandlung  der  Chlorose. 

Universität  Heidelberg.  Oktober  1902. 

23.  Fi  schier  Franz:  Ueber  den  Fettgehalt  in  Niereninfarkten, 
zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage  der  Fettdegeneration. 

24.  H  ad  lieh  Richard:  Ein  Fall  von  Tumor  cavernosus  des 
Rückenmarks  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  neueren 
Theorien  über  die  Genese  des  Cavernoms. 

Universität  Jena.  September:  Nichts  erschienen. 

Oktober  1902. 

25.  Kassler  Otto:  Beckengeschwülste  und  Echinokokken  der 
Beckenknochen. 

26.  Kleider  Otto:  Ueber  Zahncysten. 

27.  Lubosch  Wilhelm:  Ueber  die  Nuklearsubstanz  des  reifen¬ 
den  Tritoneneies  nebst  Betrachtungen  des  Wesens  der  Ei¬ 
reifung. 

28.  Messer  Schmidt  Georg  Friedrich:  Ueber  Ostitis  defor- 
mans  beider  Schienbeine  und  des  linken  Wadenbeines. 

29.  Rein  hold  Friedrich:  Zwei  Fälle  von  Diplegia  spastica 
(L  i  1 1 1  e  sehe  Krankheit)  bei  zwei  Geschwistern. 

30.  Vollheim  Hermann:  Zur  Kasuistik  der  „Bechterew¬ 
schen  Wirbelsteifigkeit“. 

31.  W  edemann  Fritz:  Ein  Fall  von  Dermoid  der  Niere. 

Universität  Leipzig.  Oktober  1902. 

130.  Fräulein  Ethel  Blum  e:  Zur  Kenntnis  der  tuberkulösen 
Blutgefässerkrankungen. 

131.  Jacobs  Paul:  Zur  Statistik  der  puerperalen  Mastitis. 

132.  Posemann  Otto:  Ueber  den  rezidivierenden  Herpes  digi- 
talis  und  facialis  und  seine  Beziehungen  zum  Zoster. 

133.  Schneider  Reinhold:  Ueber  Harnkonkremente  im  Blasen¬ 
halse  und  in  der  Harnröhre. 

134.  Deissler  Wilhelm :  Aetiologie  und  Therapie  des  Caput 
obstipum  congenitum  et  spasticum. 

135.  Lei  pol  dt  Johannes:  Zur  Aetiologie  und  Therapie  der 
Hasenscharte,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  im  Leip¬ 
ziger  Kinderkrankenhause  von  Januar  1892  bis  Ende  1902 
vorgekommenen  Fälle. 

136.  It  i  e  t  s  c  h  e  1 J ohannes :  Ueber  verminderte  Leitungsgeschwindig¬ 
keit  des  in  Ringer  scher  Lösung  überlebenden  Nerven. 

137.  Ivutzner  Emil:  Beiträge  zur  Behandlung  von  Pseudar- 
throsen. 

138.  Grotli  Johann:  Ueber  unikondyläre  Frakturen  des  Knie¬ 
gelenks  und  Genu  varum  s.  valgum  im  Anschluss  an  die¬ 
selben. 

139.  W  i  t't  i  g  Walther:  Ein  Fall  von  Gastroenterostomie  bei  einem 
vermeintlichen  inoperablen  Fyloruskarzinom. 

Ausländer  (nicht  approbierter  Arzt). 

140.  Woei  fei  Albert  aus  Morris  im  Staate  Illinois:  Ueber  die 

Symptomatologie  der  Strangulation. 

Universität  München.  Oktober  1902. 

141.  Michaelis  Hans:  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  für  die 
Extraktion  des  nachfolgenden  Kopfes  heute  üblichen  Hand- 


*)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1931 


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griffs.  Nebst  einer  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  Wen¬ 
dung  auf  die  Füsse. 

Philip  Cäsar:  Ueber  Entstehung  und  Häufigkeit  der  Aneu¬ 
rysmen  der  Aorta,  abdominalis. 

Gresbeck  Berthold:  Ein  Fall  von  Morbus  Addisonii  ohne 
Bronzefarbung  der  Haut. 

Laengenf  elder  August:  Ueber  einen  Fall  von  latent  ver¬ 
laufenem  Ileumkarzinom. 

®  a?i(iZrilz:.  Magenblutungen  nach  Unterleibsoperationen. 
Schafft  Reinhard:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Oeso- 
phagusperforation. 

\  '  Beiträge  zur  Kasuistik  der  Lungengangrän, 

a)  Lach  Durchbruch  eines  Oesophaguskarzinoms  und  b)Luno-en- 
gangrän  nach  Phthise.  ° 

Büchner  Carl:  Ueber  zwei  Fälle  von  Exartikulation  in 
der  Hüfte  wegen  Sarkom  des  Oberschenkels. 

Fried  Richard:  Der  Retropharyngealabszess  und  seine  Be¬ 
handlung. 

Linneborn  Kuno:  Ein  Beitrag  zur  Syphilis  des  Herzens 
Adam  Max:  Nahrungsmengen  künstlich  ernährter  Kinder 
nebst  einem  neuen  Vorschlag  zur  Nahrungsmengenberech- 

uung. 

Adam  Josef:  Ueber  einen  Fall  von  sporadischem  Skorbut 
mit  tödlichem  Ausgang. 

Zorn  Franz:  Ein  Fall  von  Meningomyelocele  lumbo-saeralis. 
Mennacher  Theodor:  Ueber  einen  Fall  von  Struma 
maligna  sarcomatosa  substernalis. 

Denzinger  Hans:  Ein  Fall  von  Adenokarzinom  der  Niere, 
ausgehend  von  einem  Grawit  z  sehen  Tumor. 

Bernhard  Paul:  Drei  Fälle  von  Tabes  dorsalis. 


Universität  Strassburg.  Oktober  1902. 

38.  Schnitze  Ernst:  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  Ulcus 
corneae  serpens. 

39.  Lewandowsky  Felix:  Zur  Theorie  des  Phlorhizindiabetes 
diabetes. 

40.  Sachs  Ernst:  Die  puerperalen  Erkrankungen  und  Todesfälle 
der  septischen  Abteilung  der  Strassburger  Frauenklinik  1891 
bis  1901. 

41.  Zimmermann  Alfred:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Hyper¬ 
trophien  angeborenen  Ursprungs. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

74.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Karlsbad  vom  21. — 27.  September  1902. 

VIII. 

Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften. 

(Schluss.) 

III.  Sitzungam  Dienstag,  den  23.  September,  Nach¬ 
mittags  3  Uhr. 

Vorsitzender:  Herr  F  ossel -Graz. 

9.  Herr  Richard  Landau-  Nürnberg:  Zur  geschichtlichen 
Entwickelung  der  Schulhygiene. 

Erst  mit  der  Einführung  des  gesetzlichen  Schulzwanges  und 
der  Einrichtung  eines  ordentlichen  Schulwesens  von  Staats  wegen 
kann  von  einer  Schulgesundheitspflege  die  Rede  sein,  Vorbeding¬ 
ungen,  die  nicht  viel  länger  als  ein  Jahrhundert  erfüllt  sind.  Die 
alten  Schul-  und  Kirchenordnungen  enthalten  nur  selten  Bestim¬ 
mungen  über  das  Alter  beim  Schuleintritt,  über  Verhütung  allzu 
harter  Schulstrafen,  über  Unterrichtspläne  und  Pflege  der  Leibes¬ 
übungen,  die  schon  Martin  L  uthe  r  empfahl.  Die  ältesten  amt¬ 
lichen  Aeusserungen  zur  Schulhygiene  finden  sich  in  einer  Luzerner 
Pestordnung  von  1594;  eine  Würzburger  Pestordnung  von  1563 
hatte  wenigstens  der  Schule  gedacht.  Dürftig  und  jammervoll, 
wie  diese  Staatsfürsorge,  waren  die  Schulstuben  bis  zum  Ausgange 
des  18.  Jahrhunderts.  Gelegentliche  Ratschläge  einsichtiger  Päda¬ 
gogen,  welche  den  Wert  guter  Gesundheit  ihrer  Schüler  zu 
schätzen  wussten,  verhallten  ungehört.  Erst  Johann  Peter 
F  r  a  n  k,  der  die  erste  zusammenfassende  Darstellung  der  öffent¬ 
lichen  Gesundheitspflege  lieferte,  gab  auch  eine  wissenschaftliche 
Bearbeitung  der  Schulhygiene,  deren  Studium  noch  heute  sich 
lohnt  lind  Staunen  erregt  über  den  weiten  Blick  des  Mannes,  wie 
über  die  Trägheit  des  Weiterausbaues  seiner  Ideen.  Mitstrebende 
waren  ihm  die  Aerzte  E.  B.  G.  Heben  streit  und  Job. 

S  c  h  m  i  d  t  m  ii  1 1  e  r  und  der  Pädagoge  Sch  m  erle  r.  Auch 
der  Faust  sehe  Gesundheitskatechismus,  wie  der  damit  vielfach 
übereinstimmende  anonyme  Entwurf  zu  einem  Gesundheits¬ 
katechismus  für  die  Kirchen  und  Schulen  der  Grafschaft  Scliaum- 
burg-Lippe  von  1793  berücksichtigen  die  Schulhygiene1  in  weitem 
Umfang.  Wie  gering  die  praktischen  Erfolge  gewesen  sein 
müssen,  verrät  der  Mahnruf  K.  J.  Lorinsers  „Zum  Schutz  der 
Gesundheit  der  Schüler“  von  1836.  Später  rügte  D.G.M.Sehreber 
nochmals  energisch  die  Vernachlässigung  der  Körperpflege  (1858), 
weiss  aber  neben  dem  Tadel  auch  zweckdienliche  Besserungs- 
Vorschläge  zu  geben.  Gleichzeitig  mit  ihm  verlangt  Pappen- 
li  e  i  m  sanitäre  Ueberwachung  der  Schulen.  Nun  wurde  rüstig- 
weiter  gearbeitet  und  endlich  die  Einrichtung  der  Schulärzte  ge¬ 
schaffen,  ein  Zeichen  von  der  Unentbehrlichkeit  einer  gesundheit¬ 


lichen  Ueberwachung  der  Schuljugend  und  des  Schulbetriebes  in 
Deutschland. 

Im  Ausland  ist  das  Alter  der  Schulhygiene  meist  noch  ge¬ 
ringer.  Rühmend  hervorzuheben  ist,  dass  Dänemark  bereits  1814, 
Schweden  1824  den  Turnunterricht  obligatorisch  machte.  Im 
Schulhausbau  hat  Belgien  durch  seinen  Ministerialerlass  von  1852, 
den  29  grosse  lithographische  Tafeln  erläutern,  Vorbildliches  ge¬ 
leistet. 

Die  heutige  Blüte  der  Schulhygiene  möge  die  Verwirklichung 
des  Satzes  „Mens  sana  in  corpore  sano“  unseren  Kindern  bringen, 
für  sie  ist  das  Beste  gerade  gut  genug! 

Diskussion:  v.  Györy,  Wohl  will. 

10.  Herr  Emil  W  o  h  1  w  i  1  1  -  Hamburg:  Soll  man  Copernicus 
oder  Coppernicus  schreiben? 

Nach  Prüfung  des  gesamten  Materials  kommt  Vortragender 
zu  dem  Schluss,  dass  der  Name  nicht  anders  als  „N  i  c  o  1  a  u  s 
Gopernicu  s“  gelautet.  Wer  „Coppernicus“  schreibt,  befleissigt 
sich  grösserer  Pietät  gegen  die  Vorfahren  des  grossen  Mannes,  als 
dieser  selbst  sie  zu  üben  für  notwendig  befunden  hat. 

11.  Herr  Karl  Sudhoff  -  Hochdahl:  Deutsche  gedruckte 
Arzneibücher  vor  1500. 

In  freiem  Vortrag  führt  Redner  die  Zuhörer  an  der  Hand 
zahlreicher  Lichtpausen  typographisch,  illustrativ  und  inhaltlich 
in  diese  interessanten  Wiegendrucke  aus  dem  Gebiete  der  Heil¬ 
and  Naturkunde  ein.  Abgesehen  von  Heinrich  Steinhöwels 
„Regimen  in  schweren  läuften  diser  Krankheit  der  Pestilentz  der 
Stadt  Ulm“  dessen  erster  undatierter  Druck  1473  in  Ulm  er¬ 
schienen  sein  soll,  ist  Augsburg  die  Wiege  der  ersten  deutschen 
medizinischen  Drucke.  Dort  entfaltete  namentlich  der  Drucker 
Johannes  B  ä  m  1  e  r  seit  1473  eine  eifrige  Tätigkeit  auf  diesem 
Gebiete,  indem  er  zuerst  des  Augsburger  Arztes  Bartholomäus 
Metlinger  Schrift  „Ein  regiment  der  jungen  Kinder“  ohne 
Jahresangabe,  dann  mit  der  Jahrzahl  1474  und  1476  in  immer 
neuen  Ausgaben  auf  24  Blättern  Folio  erscheinen  liess.  Aufs 
Jahr  1474  geht  auch  die  erste  Ausgabe  des  Salernitaner  „Regimen 
sanitatis“  zurück  mit  Uebersetzung  in  deutschen  Reimpaaren. 
Im  Oktober  1475  vollendete  Hans  Bämler  den  Druck  von 
Konrad  v.  Megenbergs  „Buch  der  Natur“  auf  292  Folio¬ 
blättern  mit  12  blattgrossen  naturgeschichtlichen  Holzschnitten, 
das  er  1478  und  1481  in  neuen  Auflagen  erscheinen  lassen  konnte. 
Im  Jahre  1482  bemächtigten  sich  zwei  andere  Augsburger  Ver¬ 
leger,  Hans  Schönsperger  und  Antonius  Sorg  des  gang¬ 
baren  Werkes.  Ein  anderes  sehr  beliebtes  Erzeugnis  des  Hans 
B  ä  m  1  e  r  sehen  Verlages  war  das  Büchlein  von  der  arzneilichen 
Verwendung  der  „aussgeprannten  wasser“  des  Wiener  Professors 
Michael  Schrick,  das  1477,  1478  und  1482  von  ihm 

aufgelegt  wurde ,  1481  und  1482  von  Johannes  B 1  a  u  - 

birer  gleichfalls  in  Augsburg  gedruckt  wurde  und  bald  auch 
anderwärts  eine  grosse  Anzahl  von  Neudrucken  erlebte.  Ein 
weiteres  Verlagsprodukt  des  rührigen  Hans  Bämler  ist  das 
„Regimen  sanitatis,  das  ist  von  der  Ordnung  der  Gesundheit“,  das 
am  21.  Juli  1477  zum  ersten  Male,  zwar  ohne  Nennung  des  Autors, 
die  Presse  verliess,  aber  nach  einer  Stelle  der  Vorrede,  in  welcher 
der  Graf  Rudolf  von  Vochenburch  und  seine  Gemahlin  als  Wid¬ 
mungsempfänger  genannt  werden,  vermuthungsweise  auf 
S  chri  c  k  s  Freund  und  Schüler  Johann  T  o  1 1  a  t  von  Vochen¬ 
burch  (Vochenberg)  als  Bearbeiter  zurückgeht  —  ein  bunt  zu¬ 
sammengestoppelt  Werkchen,  offenbar  älterer  handschriftlicher 
Provenienz,  das  1481,  1482  und  oft  noch  in  anderem  Verlage  die 
Presse  verliess,  vielleicht  mit  Werken  ähnlichen  Titels  von  Sieg¬ 
mund  Albicus  und  Friedrich  Kreusse r,  die  Redner  nicht 
verglichen  hat,  in  Beziehung  steht  und  sich  in  seinen  handschrift¬ 
lichen  Vorlagen  (teils  schon  in  deutscher  Sprache)  mit  dem  viel¬ 
genannten  „Arzneibuch“  des  Würzburger  Arztes  O  r  t  o  1  f  v  o  n 
Bayerland  berührt,  das  der  Nürnberger  Verlagsherr  Antony 
K  o  b  u  r  g  e  r  schon  Ende  Februar  1477  in  splendider  Ausstattung 
hatte  erscheinen  lassen.  Auch  dies  Werk  fand  bald  schon  einen 
pflegsamen  Augsburger  Drucker  in  Anton  S  o  r  g,  der  es  1479  und 
1488  verlegte.  Ein  anderes,  weniger  gekanntes  Werk  Ortolfs 
ist  ein  ohne  Ort  und  Jahr  erschienenes  Büchlein  „wie  sich  die 
schwangeren  Frauen  halten  sollen,  vor  der  Geburt,  in  der  Geburt 
und  nach  der  Geburt“  auf  8  Blättern  in  Kleinquart.  Als  Bartliolo- 
meus  Engels  m  a  n  n  „von  den  Eigenschaften  der  Dinge“  er¬ 
schien  die  bedeutende  Schrift  des  Bartholomäus  Anglicus  1479 
und  1485.  Auch  das  Büchlein  vom  Wein  des  Arnald  von 
\  illanova-  gab  Hans  B  ä  m  1er  1482  schon  heraus.  Im  selben 
Jahr  erschien  ein  Traktat  „von  der  dotlichen  sucht  der  pestelentz“ 
und  1484  zwei  niederdeutsche  Schriften  über  „ghemeyne  simpel 
niedi einen“  und  ein  hochdeutscher  Aderlasskalender.  Bekannt  sind 
die  vielen  deutschen  Drucke  des  „Gart  der  Gesundheit“  Johanns 
von  Kaub  seit  1485  (28.  März  in  Mainz  bei  Fust  und  Scliöffer 
und  10.  August  samt  allen  Holzschnitten  als  Nachdruck  in  Augs¬ 
burg  erschienen!)  Eine  kleine  Bibliothek  bilden  die  „Verseilungen 
Leibs  und  der  Seele“  seit  1489  bis  Aveit  ins  16.  Jahrhundert  hinein. 
Erst  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  (1497)  bekannt  ist  mil¬ 
des  schon  genannten  Johann  T  o  1 1  a  t  s  von  Vochenberg  „Meister¬ 
lich  Biichlin  der  Arznei,  auch  Büchlin  der  Kräuter“  und  „Marga¬ 
rita  medicinä“  später  auf  dem  Titel  benannt  und  bis  1532  oft  neu 
aufgelegt.  Nennen  wir  noch  den  Deutschen  Petrus  de  Cres- 
c  e  n  t  i  i  s  \Ton  1492,  1493  und  öfter,  das  Memminger  Pestbüchlein 
von  1494,  gedruckt  bei  Albert  Iv  u  n  n  e  von  Duderstadt,  als  dessen 
Verfasser  Hieronymus  Baldinus  genannt  wird,  und  eine 
ILippiatrik  Kaspar  Reuchlins  von  Hagenau  von  1493  (Strass- 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


1932 


bürg),  so  sind  die  deutschen  Arzneibücher  vor  1500  im  hauptsäch¬ 
lichen  erledigt. 

Diskussion:  Herr  Landau. 

12.  Herr  Paul  Richter-  Berlin  Zur  Geschichte  des  Jod. 

Das  1811  von  dem  Pariser  Salpetersieder  Courtois  in  den 
Mutterlaugen  der  „Varec  genannten“  Tangaschen  entdeckte  Jod. 
■welches  seinen  Namen  von  Gay-Lussac  „ä  cause  de  la  belle 
couleur  violet:  >  de  sa  vapeur“  erhielt,  wurde  von  letzterem  am 
besten  untersucht.  1819  fand  der  Edinburger  Chemiker  F  y  f  e 
das  Jod  im  Meerschwamm.  Der  Genfer  Arzt  C  o  i  n  d  e  t  ge¬ 
brauchte  es  zuerst  in  der  Medizin  gegen  Kropf  im  Jahre  1820. 
Gegen  Syphilis  wurde  es  1827  von  Martini  in  Lübeck  zuerst 
verwendet,  während  die  zielbewusste  Anwendung  des  Jodkali 
gegen  die  Li  es  dem  Dubliner  Chirurgen  William  W  allace  (1S36) 
zu  verdankt  u  ist.  Gegen  die  Skropliulose  empfahl  das  Jod  1829  der 
Pariser  Arzt  Lugol. 

Redner  gibt  nun  Bemerkungen  zur  Vorgeschichte  des  Jod, 
d.  h.  zur  früheren  Verwendung  tierischer  und  pflanzlicher  Pro¬ 
dukte,  welche  Jod  enthalten.  In  das  Tierreich  gehören  vor  allem 
der  Meerschwamm  (Spongia  officinalis  L.),  dessen  Anwendung 
schon  Hippokrates  erwähnt,  und  der  Meerschaum  (Spuma 
maris,  Alc-yoi  lum),  wofür  Aristoteles,  Theophrast  von 
Eresus,  Dioskurides,  P  1  i  n  i  u  s,  G  a  1  e  n  o  s  als  Quellen  an¬ 
geführt  werden.  Innerlich  soll  Arnald  von  Villanova 
(1235 — 1312)  die  Asche  des  Meerschwammes  zuerst  nach  den  Vor¬ 
schriften  seines  Lehrers  C  a  samida  gegen  Kropf  angewendet 
haben,  aber  nicht,  wie  Procksch  angibt,  den  kalzinierten  Meer¬ 
schwamm  gegen  Skropliulose.  Doch  nicht  er,  nicht  Rolando, 
sondern  Roger  war  der  erste,  der  in  seiner  Chirurgie  (1180)  gegen 
Kropf  ein  Elektuarium  angibt,  in  welchem  Spongia  marina  und 
Pila  marina  enthalten  sind.  Bei  Arnald  finden  sich  Beweise, 
dass  er  die  Wirkung  seines  zusammengesetzten  Medikaments  einer 
flüchtigen  Substanz  zuschrieb.  Die  Zunftmedizin  scheint  die 
Kenntnis  der  guten  Wirkungen  der  Spongia  verloren  zu  haben, 
während  die  Km  pfuscher  sie  gegen  Syphilis  gebrauchten  (cf.  Ale¬ 
xander  Seitz  1509).  Erst  Jean  Astruc  empfiehlt  sie  wieder 
gegen  luetische  Drüsenschwellungen  (1736). 

Von  pflanzlichen  Produkten  gehören  hierher  die  jodhaltigen 
Algen,  besonders  der  Fucus  vesiculosus  und  das  Meergras  Los'tera 
marina,  sowie  dessen  als  Meerballen  (Pila  marina)  bezeiehnete 
Fäden,  deren  Verwendung  in  Altertum  und  Mittelalter  eingehend 
besprochen  wird. 

Aus  dem  16.  Jahrhundert  wird  der  Gebrauch  des  Schwammes 
gegen  Kropf  bei  Cornarus,  Leonh.  Fuchs,  Fallopi  o, 
p  later  und  van  Helmont  erwähnt;  die  Materia  medica  der 
Chinesen  derselben  Zeit  soll  gegen  Kropf  einen  Wein  aus  See¬ 
pflanzen  und  ein  Pulver,  das  Meerschwamm  enthält,  aufweisen 
(Dorvaul  ). 

Im  17.  Jahrhundert  finden  sich  Spongia  marina  und  Pila 
marina  in  den  Pharmakopoen  und  allgemein  als  Kropfmittel  an¬ 
gewendet,  ebenso  im  18.  und  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts, 
weit  über  die  Entdeckungen  von  Courtois  und  Coindet 
hinaus.  So  starb  der  berühmte  Botaniker  de  Can  dolle  1841 
in  Genf  an  den  Folgen  zu  energischer  Anwendung  der  Spongia 
usta  gegen  einen  Kropf,  der  ihm  vor  1836  nicht  hinderlich  gewesen 
war.  Auch  gegen  Skropheln  wurden  die  Spongia  zuweilen  ge¬ 
braucht,  von  anderen  jede  Wirksamkeit  der  Schwammkohle  be¬ 
stritten  (z.  B.  Ernst  Horn,  1807).  Gegen  Drüsenerkrankungen 
empfahl  1750  der  Londoner  Arzt  Richard  Rüssel  Seetangasche 
unter  der  Bezeichnung  Aethiops  vegetabilis. 

Schliesslich  erwähnt  der  Vortragende,  dass  in  einer  1681  in 
Paris  erschienenen  „Pharmacopoea  persica,  ex  idiomate  persico  in 
latiuum  couversa“  eine  Tryphera  ad  strumas  angeführt  wird,  in 
welcher  Strumarum  colli  arietis  drachmae  5  enthalten  sind  — 
moderne  Organotherapie  —  und  erinnert  daran,  dass  die  Rever- 
d  i  n  -  Iv  o  c  ii  e  r  sehe  Cachexia  strumipriva  (1882/83)  schon  von 
C  oop  er  im  St.  Thomas  Hospital  zu  London  gesehen  wurde,  wie 
Benjamin  R  u  s  h  1806  mitgeteilt  hat. 

i 

IV.  Sitzung  am  24.  September,  Nachmittags. 

Vorsitzender:  Herr  S  u  d  h  o  f  f  -  Hochdahl,  später  Herr  Wohl¬ 
will  -  Hamburg. 

Es  findet  zunächst  statt  die 

Geschäftssituung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Geschichte  der 
Medizin  und  der  Naturwissenschaften. 

Der  GcoOllschaftsvorsitzende,  Herr  S  u  d  h  o  f  f,  erstattet  den 
Jahresbericht,  aus  welchem  hervorgehoben  sei,  dass  die  Gesell¬ 
schaft  in  Hamburg  mit  46  angemeldeten  Mitgliedern  sich  gebildet 
hat,  und  dass  seitdem  105  Mitglieder  neu  eingetreten  sind,  vor¬ 
wiegend  am  dem  deutschen  Sprachgebiete,  aber  auch  zahlreiche 
aus  Ungarn,  einige  aus  den  Niederlanden,  Dänemark,  Gross¬ 
britannien,  Rumänien,  Italien,  Belgien,  Russland  und  den  sla¬ 
wischen  Lai  lesteilen  Oesterreichs.  Durch  den  Tod  verlor  die  Ge¬ 
sellschaft  d:  4  ihrer  Mitglieder,  den  Archäologen  Oskar  Raut  er  t 
in  Düsseldorf  und  die  Aerzte  Walther  II  e  i  s  i  g  in  Kassel  und 
Emanuel  Herszky  in  Berlin,  der  für  Karlsbad  noch  einen  Vor¬ 
trag  „Zur  Geschichte  der  medizinischen  Irrtümer“  angemeldet 
hatte.  Noch  in  Hamburg  war  die  Begründung  einer  vorwiegend 
referierende  n  Zeitschrift  beschlossen  worden,  die  im  Verlag  von 
Leopold  V  o  s  s  in  Hamburg  bisher  in  3  Heften  im  Gesamtumfang 
von  18  Bogen  erschienen  ist  und  im  Jahre  1903  in  6  Heften  zu 
1  Bogen  erscheinen  soll,  welche  den  Mitgliedern  kostenlos  zugehen. 


Im  Buchhandel  werden  die  „Mitteilungen  zur  Geschichte  der 
Medizin  und  der  Naturwissenschaften“  nur  in  Jahresbänden  zu 
erhöhtem  Preise  käuflich  sein.  Als  ein  erster  Erfolg  der  Gesell¬ 
schaftsgründung  stellt  sich  die  Genehmigung  einer  besonderen  Ab¬ 
teilung  für  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften 
seitens  des  Vorstandes  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  dar. 

Iu  den  Vorstand  der  Gesellschaft  wurden  gewählt:  Herr  Karl 
Sudhoff  -  Hochdahl  als  Vorsitzender,  Herr  Prof.  Georg  W.  A. 
Kahlbaum  -  Basel  als  stellvertretender  Vorsitzender,  Herr  Emil 
W  o  li  1  w  i  1 1  -  Hamburg  als  Schatzmeister,  Herr  Prof.  Siegmund 
Günther-  München,  Herr  Prof.  Julius  P  a  g  e  I  -  Berlin,  Herr 
Prof.  Viktor  F  o  s  s  e  1  -  Graz  und  Herr  Dozent  Max  Neub  u  r  ger- 
Wien.  Für  das  mediko-liistorische  Kabinet  des  „Germanischen 
Museums“  in  Nürnberg  wurde  ein  dauernder  Jahresbeitrag  be¬ 
willigt.  Zu  der  Erteilung  eines  Lehrauftrages  für  Geschichte  der 
.Medizin  an  Prof.  Sehweninger  musste  die  Gesellschaft 
Stellung  nehmen.  Es  lag  ein  genereller  Antrag  des  Herrn  Her¬ 
mann  Baas- Worms  vor:  „Die  Gesellschaft  möge  Einspruch  er¬ 
heben  gegen  die  Erteilung  eines  Lehrauftrages  für  Geschichte  der 
Medizin  oder  der  Naturwissenschaften  an  Personen  ohne  Vor¬ 
bildung  und  Bewährung  in  der  Geschichte  ihrer  Wissenschaft“.  Zu 
diesem  Anträge  hatte  Herr  Baas  eine  eingehende  schriftliche 
Motivierung  eingesendet,  welche  zu  dem  Schlüsse  kam,  dass  er 
von  einem  förmlichen  Protest  absehen  wolle,  wenn  auch  zahlreiche 
Aerzte  aus  allen  Teilen  des  Reiches  erklärt  hätten,  sich  einem 
solchen  anzuschliessen.  Dagegen  gebe  er  zur  Erwägung,  ob  es 
nicht  geboten  sei,  dem  Bedauern  darüber  und  zugleich  dem 
Wunsche  Ausdruck  zu  verleihen,  dass  fernerhin  jede  Zuteilung 
des  Lehrauftrages  für  Geschichte  der  Medizin  nur  auf  Grund 
vorausgegangener  ernster  Leistungen  auf  diesem  Wissenschafts¬ 
gebiete  geschehen  möge,  wie  das  ja  auch  bei  allen  anderen  und 
nicht  bloss  medizinischen  Hochschulfächern  selbstverständlich  sei 
u.  s.  w.  Im  Anschluss  hieran  rekapitulierte  der  Vorsitzende  kurz 
die  bekannten  Vorgänge  und  erklärte,  dass  er  den  bekannten,  in 
der  Münch,  med.  Wochenschr.  veröffentlichten  Aufruf  des  Herrn 
Baas  als  Vorsitzender  der  Gesellschaft  unter¬ 
schrieben  habe  (nicht  als  „Paracelsusforscher“,  wie  die  Zeitungen 
meldeten)  und  dass  er  allezeit  so  handeln  werde,  so  lange  er  dies 
Amt  bekleide,  d.  h.  ungescheut  sich  in  die  Bresche  stellen  werde, 
wenn  es  die  Betätigung  der  Zwecke  und  Ziele  der  Gesellschaft 
verlange;  zu  diesem  Verhalten  erbitte  er  die  Zustimmung  der  An¬ 
wesenden,  die  ihm  mit  lautem  Beifall  erteilt  wurde.  Die  Persön¬ 
lichkeit  des  mit  dem  Lehrauftrag  für  Geschichte  der  Medizin  Be¬ 
trauten  bleibe  für  ihn,  wie  für  den  Antragsteller  und  die  An¬ 
wesenden  völlig  ausser  Betracht.  Nach  kurzer  Debatte,  welche 
volle  Einmütigkeit  ergab,  wurde  einstimmig  folgende  Re¬ 
solution  gefasst:  ’ 

„Die  zur  Hauptversammlung  des  Jahres  1902  zusammen¬ 
getretene  Deutsche  Gesellschaft  für  Geschichte  der  Medizin 
und  der  Naturwissenschaften  spricht  über  die  jüngste  Ertei¬ 
lung  eines  Lehrauftrages  für  Geschichte  der  Medizin  an  einen 
in  diesem  Fache  durchaus  Unbewährten  ihr  Bedauern  aus  und 
geht  zur  Tagesordnung  über.“ 

Der  Begründung  seines  Antrages  hatte  Herr  Baas  noch  eine 
wichtige  weitere  Anregung  angefügt,  nämlich  das  Verlangen  nach 
Errichtung  medikohisto  rischer  Seminarien,  die  zwar 
leider  noch  überall  fehlen,  nach  seiner  Ueberzergung  aber  not¬ 
wendig  sind,  sollen  die  Studierenden  sich  die  Fähigkeit  zum  selbst¬ 
ständigen  Arbeiten  auf  medizinisch-historischem  Gebiete  auf  der 
Hochschule  erwerben,  und  die  zukünftigen  Medikohistoriker  nicht 
mehr,  wie  seithex’,  im  späteren  Leben  in  Bezug  auf  die  Methodik 
der  Geschichtsforschung  und  Geschichtsschreibung  unter  grossen 
Schwierigkeiten  in  der  Hauptsache  auf  Autodidaktik  angewiesen 
bleiben.  Er  sehe  in  der  Verwirklichung  dieser  vorerst  nur  prin¬ 
zipiellen  Forderung  solcher  Seminarien  eine  würdige  Aufgabe  der 
„Deutschen  Gesellschaft  für  Geschichte  der  Medizin  und  der  Natur¬ 
wissenschaften“.  Die  Versammlung  erkennt  dies  dankend  an  und 
überweist  dem  Vorstand  die  Angelegenheit  zur  weiteren  Erwägung, 
eventuell  zur  Ausarbeitung  einer  Denkschrift  über  die  Gestaltung 
des  Unterrichts  in  der  Geschichte  der  Medizin  und  der  Natur¬ 
wissenschaften  bis  zur  Kasseler  Tagung. 

Zum  Schluss  lenkt  der  Vorsitzende  die  Gedanken  der  An¬ 
wesenden  auf  die  archäologischen  Untersuchungen,  welche  gegen¬ 
wärtig  der  Tübinger  Privatdozent  Dr.  R.  Herzog  auf  der  Insel 
Kos  zum  zweitenmale  vornimmt.  Es  ist  altheiligster  Boden  für 
die  Geschichte  der  Heilkunde,  welchen  er  dort  mit  dem  Spaten 
durchforscht.  Hat  doch  am  dortigen  Asklepieion  einst  II  ippo- 
krates  der  Grosse  gewirkt!  Freilich  ist  die  Aufdeckung 
dieses  alten  medizinischen  Kultheiligtums  für  Herzog  insofern 
nur  Nebenzweck,  als  die  ihm  zur  Verfügung  gestellten  Mittel  vor¬ 
wiegend  anderen  Forschungszwecken  dienen  sollen.  Ist  denn  in 
deutschen  Landen  kein  medizinischer  Mäcen,  der  mit  wenigen 
Tausenden  die  endliche  völlige  Aufdeckung  dieses  verschütteten 
Schauplatzes  Hippokratischen  Wirkens  ermöglichen  helfen  will ! 

In  einer  ad  hoc  angesetzten  Pause  in  der  langen  Tagesordnung 
der  Gesellschaftssitzung  hielt  Herr  Privatdozent  Ritter  v.  T  ö  p  1  y 
aus  "SV  i  e  n,  der  eben  erst  vom  Leichenbegängnis  seines  Vaters 
aus  Prag  eingetroffen  war,  seine  angemeldeten  Vorträge  und 
Demonstrationen  in  summarischer  Kürze. 

13.  Herr  Robert  Ritter  v.  T  ö  p  1  y  -  Wien:  Ueber  antike 
Schröpf  köpfe. 

Als  Nachtrag  zu  Konst.  P.  J.  Lamp  ros  „Ueber  die  Schröpf¬ 
köpfe  und  das  Schröpfen  bei  den  Alten“,  Athen  1S95  (neugriechisch) 
beschreibt  Redner  folgende  18  antike  S  c  li  r  ö  p  f  k  ö  p  f  e: 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


15  erl 5  u’  (les  Herrn  Gell.  Ratlis  Dr.  Max  Bartels, 

1  Stück,  Bronze;  Mainz,  Röm.-germ.  Zentralniuseuni.  3  Stück 
neuesten  Fundes  (so  dass  das  Museum  jetzt  7  Stück  besitzt)- 
Speie  r,  liDtor.  Verein  der  Pfalz,  2  Stück,  Bronze;  W  i  e  n  Besitz 
des  Privatdozenten  Rob.  Ritter  v.  T  ö  p  1  y,  2  Stück.  Bronze-  \V  i  e  n 
K u ust historische  Sammlungen  des  Allerhöchsten  Kaiserhauses’ 
1  Stück,  Bronze;  Worms,  Paulus-Museum,  9  Stück  (3  von  Glas! 
(i  von  Bronze).  Eine  Beschreibung  oder  Abbildung  der  Stücke  im 
Museum  zu  Bukarest  war  trotz  wiederholter  Zuschrift  nicht 
zu  ei  langen.  Rednei  unterscheidet  im  allgemeinen  drei  Tvpen; 
i\i  mul  b)  mit  abgesetzten  Halse,  a)  griechisch,  gestreckt  mit 
cilöimigem  Bauch  (A  orbild  das  Relief  mit  dem  Instrumenta r  aus 
dem  Asklepieion  in  Athen);  b)  frührömisch,  gedrungen  mit 
mein  halbkugeligem  Bauch  (1  orbilder  mehrere  Funde  in  Pompeji), 
ci  s  p  a  t  i  ö  m  i  s  c  h,  beinahe  zylindrisch,  die  Blühe  oft  gering-er 
a's  der  Durchmesser.  Zn  letzterem  Typus  gehören  die  Fundstücke 
vom  römischen  Boden  Deutschlands.  Das  Exemplar  des  Wiener 
kunsthistorischen  Museums  entspricht  dem  Typus  b).  Redner 
wünscht  eine  genaue  Katalogisierung  und  wissenschaftliche  Be¬ 
schreibung  der  vorhandenen  antiken  Instrumente  und 
verweist  auf  die  bisherige  schwankende  Auffassung  einzelner 
Stücke.  Dahin  gehört  die  Einreihung  der  langgestielten  Löffelchen 
mit  gestreckter  Baffe  und  meist  olivenförmigem  Stielende  unter 
die  chirurgischen  Instrumente,  sowie  die  Bezeichnung  dieses 
Endes,  sowie  ähnlich  gestalteter  an  verschiedenen  Spateln  und 
dergleichen  als  „cauterium  olivare“.  Nach  dem  Funde  aus  einem 
Frauengrabe  in  der  Vendee  (O.  .1  a  li  n:  Abhandl.  d.  säclis.  Gesellscli 
d.  Wissenseh.  1886,  S.  298—305;  Abb.,  Taf.  V.,  No.  10  u.  11)  wären 
die  Löffelchen  als  M  a lergerät  aufzufassen.  Das  olivenförmige 
Ende  kann  nicht  dem  angedeuteten  Zwecke  gedient  haben,  weil 
man  sich  bei  der  Handhabung  eines  derartigen,  auch  nur  teilweise 
glühend  gemachten,  Werzeuges  selbst  verbrannt  hätte.  Febrigens 
sind  viele  dieser  Enden  verziert  (geriefelt),  was  die  Verwendbarkeit 
beeinträchtigen  würde,  und  schliesslich  kennt  man  ahlenförmige 
Instrumente  mit  sondenknöpf ähnlichem  Ende,  zum  Einsetzen  in 
einen  Holzgriff  geeignet,  welche  dem  Begriff  eines  „cauterium 
olivare“  völlig  entsprechen.  Gegen  die  ausschliessliche  Bezeich¬ 
nung  der  bekannten  Olirlöffelcken  als  chirurgischer  Instrumente 
spricht  der  Umstand,  dass  solche  auch  zum  Inventar  von  Frauen¬ 
gräbern  gehören  (vergl.  die  Befunde  im  Museo  civico  zu  Triest, 
wo  u.  a.  eines  der  Ohrlüff eichen  vergoldet  ist),  sowie  die  Aus¬ 
schmückung  einzelner  an  dem  sonst  zugespitzten  Ende  in  Form 
eines  manchmal  durchbrochenen,  herzförmigen  Blattes,  wodurch 
sich  das  Stück  eher  als  Toilette  gegensta  n  d  kennzeichnet. 


14.  Herr  Robert  Ritter  v.  T  ö  p  1  y  -  Wien:  Medizin  in  China. 

Redner  charakterisiert  die  chinesische  Medizin  im  allgemeinen 
und  demonstriert  eine  Reihe  von  Diagrammen,  welche  das  System 
veranschaulichen  sollen,  wie  es  sich  im  Anschluss  an  die  alte 
Naturphilosophie  entwickelt  hat,  aufgebaut  auf  Grund  der  Lehre 
von  der  Fünfzahl  und  den  zwei  heterogenen  Ureigenschaf ten. 
Weiter  weist  Redner  einige  chinesische  Druckwerke  (6)  und  Flug¬ 
blätter  (4)  im  Original  vor,  welche  die  Einwirkung  der  europäischen 
Medizin  auf  die  chinesische  dartun.  (Die  Drucklegung  dieses  Vor¬ 
trages  ist  in  Vorbereitung.) 


15.  Herr  Robert  Ritter  v.  Töply-Wien:  Anschauungs¬ 
unterricht  im  Lehrfach  der  Geschichte  der  Medizin. 

Auch  diese  Spezialdisziplin  kann  das  wichtige  Unterrichts 
mittel  der  Anschauung  nicht  entbehren.  In  Anknüpfung  an 
frühere  einschlägige  Vorführungen  weist  Vortragender  einige  von 
ihm  aufgestellte  Diagramme  vor,  welche  namentlich  zur  Ver¬ 
anschaulichung  der  humoralpathologischen  Theorien  des  Mittel¬ 
alters  dienen  und  sich  an  authentische  Vorbilder  aus  alter  Zeit  an- 
lelinen.  Er  wünscht  die  weitere  Schaffung  und  Verbreitung  der¬ 
artiger  Anschauungsmittel  für  den  Ploehschulunterrielit  und  befür¬ 
wortet  dringend  die  Errichtung  von  Instituten  für  die 
medizinische  Geschichtsforsch  un  g  zur  V  ereinigung 
der  wissenschaftlichen  Arbeit  und  Lehre. 

Mit  herzlichem  Dank  gegen  den  allzeit  um  das  Wohl  dev 
Sektionsmitglieder  liebenswürdig  besorgten  Einführenden,  Herrn 
Joseph  It  u  f  f  -  Karlsbad,  dessen  Vortrag  über  den  Karlsbader 
Hippokrates  David  Becher  in  der  Gesamtsitzung  beider  Haupl- 
gruppen  Vorsitzender  als  tüchtige  historische  Leistung  anerkennend 
hervorhebt,  scliliesst  die  Tagung  der  historischen  Sektion. 

Karl  S  u  d  h  o  f  f. 


Deutscher  Kolonialkongress  1902 

zu  Berlin  v  o  m  8. — 11.  Oktobe  r. 

Die  Tagesordnung  des  ersten  Deutschen  Kolonialkongresses, 
der  vom  8.  bis  11.  Oktober  in  Berlin  abgehalten  wurde,  brachte 
auch  eine  Reihe  von  Vorträgen  medizinischen  Inhaltes,  über  welche 
nachstehend  kurz  berichtet  werden  soll. 

In  der  Vollversammlung  sprach  Hafenarzt  Physikus  Dr. 
Kocht,  Leiter  des  Instituts  für  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten 
in  Hamburg,  über  die  hygienischen  Aufgaben  in  unseren  Kolo¬ 
nien. 

Man  muss  streng  unterscheiden  zwischen  klimatischen 
Krankheiten  und  Infektionskrankheiten,  von  welchen  ausser  der 
Malaria  auch  die  aus  der  gemässigten  Zone  nach  den  Tropen  ver¬ 
schleppten  Krankheiten  (Tuberkulose,  Pocken,  Syphilis  und 
Typhus)  eine  grosse  Rolle  spielen,  wie  ferner  die  Abhaltung  der 
<  ’holera  und  Pest  die  ernsteste  Aufmerksamkeit  erfordern.  Alle 
diese  Infektionskrankheiten  beeinflussen  die  Gesundheitsverhält¬ 
nisse  in  den  Tropen  viel  mehr  als  die  klimatischen  Einwirkungen. 


1933 


Ihre  Bekämpfung  hat  auf  den  von  K  o  c  h  gewiesenen  Bahnen 
zu  geschehen.  Unsere  tropischen  Kolonien  können  und  darum 
sollen  und  m  ii  s  s  e  n  sie  gesund  gemacht  werden.  Wünschens¬ 
wert  ist,  dass  auch  Private,  Grosskaufleute  und  Plantagengesell¬ 
schaften  Mittel  hiezu  zur  Verfügung  stellen,  wie  dies  in  England 
geschieht.  Gelegenheit  zur  Ausbildung  von  Tropenhygienikern, 
gibt  reichlich  das  Hamburger  Institut  für  Schiffs-  und  Tropen¬ 
krankheiten,  das  schon  74  Aerzte  für  die  Tropen  ausgebildet  hat. 

Im  Anschluss  hieran  folgte  ein  Vortrag  des  Marinestabsarztes 
Dr.  M  a  r  t  i  n  i  -  Berlin:  Die  Malariaparasiten  und  ihre  Ueber- 
träger. 

Der  Vortragende  demonstriert  mittels  Z  e  i  s  s  sehen  Projek- 
tionsaparat.es  nach  Diapositiven  der  Sammlung  des  Instituts  für 
Infektionskrankheiten  die  Malariaparasiten  und  ihre  Entwick¬ 
lungsstufen  im  Menschen  wie  in  der  Mücke. 

Die  Sektion  II,  Tropenmedizin  und  Tropenhygiene,  be¬ 
schäftigte  sich  am  ersten  Sitzungstage  unter  dem  Vorsitze  K  ochs 
ausschliesslich  mit  der  Bekämpfung  der  Malaria.  Aus  der  Reihe 
der  Vorträge  sind  zu  erwähnen: 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  D  ö  n  i  t  z  -  Berlin:  Die  Malariamücken 
der  deutschen  Kolonien. 

Gerade  jetzt  werden  unter  unseren  Augen  durch  den  auf- 
blühenden  Verkehr  2  Arten  von  Neu-Guinea  nach  den  Südseeinseln 
verschleppt,  welchen  die  Malaria  auf  dem  Fusse  folgen  wird,  so 
dass  auch  die  Verseuchung  Samoas  nur  eine  Frage  der  Zeit  ist. 
wenn  nicht  energisch  nach  den  von  K  o  c  h  angegebenen  Prinzipien 
dagegen  vorgegangen  wird,  welche  darauf  hinausgehen,  sämtliche 
mit  Malariaparasiten  behafteten  .Menschen  durch  mikroskopische 
Untersuchung  ihres  Blutes  ausfindig  zu  machen  und  durch  me¬ 
thodische  Behandlung  zu  heilen.  Dadurch  werden  die  Parasiten 
getötet  und  die  Mücken  können  keine  Parasiten  mehr  aus  diesen 
Menschen  aufnehmen,  also  auch  keine  mehr  übertragen. 

Herr  Martini  -  Berlin  berichtet  über  die  Verhütung  eines 
Malariaausbruches  zu  Wilhelmshaven. 

Da  zurzeit  ausgedehnte  Erdaufwühlungen  zu  Hafen-,  Dock- 
uud  Festungsbauten  in  Wilhelmshaven  im  Gange  sind,  befürchtete 
man  auf  Grund  früherer  Erfahrungen  ein  Aufflackern  der  Malaria 
dort.  Mit  der  Aufgabe  der  Verhütung  einer  Malariaepidemie  be¬ 
traut,  stellte  M.  zunächst  fest,  dass  die  Bedingungen  für  die  Ent¬ 
stehung  einer  solchen,  Malariakranke  und  Anopheles-Miicken,  vor¬ 
handen  waren.  Es  wurde  sodann  der  Zuzug  nach  W.  überwacht, 
das  Blut  aller  Bauarbeiter  und  heimkehrenden  Marinemann¬ 
schaften  untersucht,  Malaria-Kranke  oder  -Verdächtige  im 
Krankenhaus  interniert.  Alle  Malariakranken  wurden  mit  Chinin 
behandelt,  bis  sie  laut  mehrfachen  Blutuntersuchungen  parasiten- 

I  rei  waren.  Die  Vermehrung  der  Anopheles  wurde  durch  Trocken¬ 
halten  der  oberflächlichen  Erdarbeiten  nach  Möglichkeit  gehindert. 
Das  Ergebnis  war,  dass  unter  den  bei  den  neuesten  Hafen-  und 
Dockbauten  beschäftigten  Arbeitern  keiner  an  Malaria  erkrankte. 

Stabsarzt  Dr.  K  u  h  n  -  Hamburg  sprach  über  den  Verlauf 
der  Malaria  ohne  Chinin,  mit  besonderer  Berücksichtigung  seiner 
Impfung. 

K.  empfiehlt  die  Serumbehandlung  der  Malaria  bei  der  Ter¬ 
tiana-  und  der  tropischen  Form  der  Malaria  bei  allen  Eingebore¬ 
nen,  den  Kindern  der  Weissen  und  bei  den  erwachsenen  Weissen 
in  allen  Rückfällen,  dann  ganz  besonders  bei  allen  Fällen  von 
Schwarz  Wasserfieber  oder  Neigung  zu  Schwarzwasser.  Bei  Quar- 
tana  und  den  Erstlingserkrankungen  an  Tertiana  und  Tropika 
empfiehlt  K.  vorsichtige  Chininbehandlung,  lieber  mehrmals  % 
als  einmal  ein  ganzes  Gramm. 

Marinestabsarzt  Dr.  Ru  ge- Kiel:  Ueber  Schwarzwasser¬ 
fieber. 

Die  Verhütung  des  Schwarz  Wasserfiebers  bildet  augenblick¬ 
lich  den  Brennpunkt  der  Erörterungen  über  diese  Krankheit.  Zu 
beantworten  ist  die  Frage:  Muss,  um  Schwarzwasserfieber  zu  ver¬ 
hüten.  jeden  10.  und  11.  Tag  je  1,0  Chinin  gegeben  werden  oder 
kommt  man  mit  0,5.  jeden  5.  Tag  genommen,  aus?  Nach  Ansicht 
K  o  c  h  s  wird  die  Disposition  zu  Schwarzwasserfieber  vielleicht 
durch  letztere  Art  der  Prophylaxe  geschaffen,  da  die  Chinindose 
von  0,5  zu  gering  ist,  um  die  Parasiten  im  Körper  zu  vernichten, 
und  nun  Parasiten  und  Chinin  vereint  schädigend  auf  die  Blut¬ 
körperchen  wirken.  Diese  Ansicht  wird  durch  Beobachtungen 

II  i  s  c  h  s  in  Abasi,  sowie  Sclilayers  und  des  Vortragenden 
unterstützt,  durch  eine  Statistik  A.  Pie  li  n  s  in  Kamerun 
bestritten.  Das  vorliegende  Material  ist  zur  Entscheidung  der 
Frage  noch  zu  gering  und  empfiehlt  Vortragender,  die  Lösung  der¬ 
selben  durch  eine  nach  einheitlichen  Gesichtspunkten  geleitete 
Sammelforschung  zu  versuchen. 

In  der  zweiten  Sitzung  der  Sektion  sprach  Regierungsrat 
Dr.  S  c  h  i  1  1  i  n  g  -  Togo  über  die  Rinder-  und  Pferdekrank¬ 
heiten  in  Tog’o. 

Die  Ursache  der  in  Afrika  weit  verbreiteten  Nagana  (ost- 
indiscli  Surra)  ist  ein  zu  den  Trypanosomen  gehöriger  Parasit,  der 
durch  die  Tsetse-Fliege  übertragen  wird.  Vortragender  hat  Ver¬ 
suche  zur  Immunisierung  von  Rindern  gegen  Nagana  vorgenom¬ 
men,  welche  im  Prinzip  gelungen  sind. 

Weitere  Beiträge  zur  afrikanischen  Tsetsekrankheit  brachte 
Marinestabsarzt  a.  I).  Dr.  Sander-  Hamburg. 

Ueber  Texasfieber  sprach  Prof.  K  o  1  1  e  -  Berlin,  dem  durch 
systematische  Blutuntersuchungen  der  Nachweis  gelang,  dass  in 
tropischen  Zeckengegenden,  in  welche  Texasfieber  einmal  ein- 
gesclileppt  ist.  eine  Infektion  der  Kälber  in  frühester  Jugend  statt¬ 
findet.  Tiiese  Infektion  bleibt  latent  und  führt  bei  den  meisten 
Tieren  zu  einer  langdauernden  Immunität.  Die  auf  Grund  dieser 


1934 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Erfahrungen  angestellten  künstlichen  Immunisierungsversuche  er¬ 
gaben,  dass  sieh  die  Kälber  gegenüber  der  Infektion  mit  infek¬ 
tiösem  Texasüeberblut  so  gut  wie  resistent  verhielten.  Die  Schutz¬ 
impfung  kann  als  prophylaktisches  Mittel  ersten  Ranges  nicht 
mehr  entbehrt  werden.  Sie  kommt  in  Betracht:  1.  wenn  gesunde 
Tiere  aus  zeckenfreien  Gebieten  in  verseuchte  Zeckengegenden 
gebracht  werden;  2.  wenn  in  Zeckengebiete,  die  noch  nicht  mit 
Texasfieber  durchseucht  waren,  der  Infektionsstoff  durch  in¬ 
fizierte  Rinder  oder  Zecken  eingeschleppt  wird. 

Marinestabsarzt  Dr.  Krämer-Kiel  behandelte  den  Ge¬ 
sundheitszustand  auf  den  Südseeinseln. 

Im  allgemeinen  darf  das  Südseegebiet,  namentlich  Polynesien, 
als  gesund  gelten;  es  fehlt  dort  vor  allem  die  Malaria.  Die  früher 
ebenfalls  fehlenden  Infektionskrankheiten,  Avie  Masern,  Schar¬ 
lach.  Typhus,  Cholera,  Pest,  Avurden  neuerdings  teilweise  ein¬ 
geschleppt,  ohne  bis  jetzt  festen  Boden  fassen  zu  können.  Die 
Schwindsucht  wird  durch  den  Kleiderzwang  der  Mission  befördert. 
Die  Geschlechtskrankheiten  sind  an  einzelnen  Plätzen  in  er¬ 
schreckender  Weise  verbreitet.  Framboesia  tropica,  Ringwurm 
und  Elephantiasis,  die  auf  Samoa  sehr  verbreitet  sind,  sind  für 
Weisse  bis  jetzt  nicht  zu  fürchten,  doch  ist  die  Möglichkeit  weiteren 
Umsichgreifens  nicht  ausgeschlossen,  da  die  Ursache  der  Krank¬ 
heit,  die  Filaria,  ähnlich  der  Malaria  durch  Moskitos  übertragen 
wird.  Weit  gefährlicher  ist  die  Lepra,  die  wahrscheinlich  durch 
chinesische  Arbeitertransporte  zu  ihrer  jetzigen  Ausbreitung  ge¬ 
langte.  Sollen  wirklich  chinesische  Arbeiter  nach  unseren 
deutschen  Südseekolonien  gebracht  werden,  so  sind  strenge  Unter¬ 
suchung  und  Ueberwachung  derselben  dringend  zu  fordern. 

Oberstabsarzt  Dr.  Schellmann  -  Berlin  sprach  über 
Herzerkrankungen  durch  tropische  Einflüsse. 

Bei  einer  grossen  Zahl  von  aus  den  Tropen  zurückkehrenden 
Leuten,  namentlich  bei  Angehörigen  der  Schutztruppen,  findet  man 
eine  Herzaffektion,  Avelche  sich  in  der  Hauptsache  durch  Be¬ 
schleunigung,  Schwäche  und  Unregelmässigkeit  des  Pulses,  Herz¬ 
verbreiterung,  Herzklopfen  und  Atembeschwerden  dokumentiert. 
Bisher  wurde  die  Erkrankung  allgemein  als  nervöse  aufgefasst 
und  bezeichnet.  Es  finden  sich  aber  dieselben  Erscheinungen 
ausser  bei  allgemeiner  Nervosität  und  der  seltenen  isolierten  Er¬ 
krankung  der  speziellen  Herznerven  auch  bei  Herzmuskelent¬ 
zündung  und  bei  Ueberanstrengung  des  Herzens.  Da  Herzmuskel¬ 
entzündung  im  Verlaufe  Aron  Infektionskrankheiten  auftritt,  so  ist 
anzunehmen,  dass  auch  die  Giftstoffe  der  Malariaplasmodien  im 
stände  sind,  solche  herbeizuführen,  und  dass  ein  Teil  der  Herz¬ 
erkrankungen  hierauf  zurückzuführen  ist.  Eine  AATeitere  Anzahl 
dürfte  auf  Ueberanstrengung  des  Herzens  infolge  der  mit  dem 
Dienst  der  Schutztruppe  verbundenen  Anstrengungen  zusammen 
mit  der  Wirkung  des  Klimas  beruhen.  Man  unterscheidet  also 
zweckmässig  die  Erkrankung  des  Herzens  nach  der  Entstehungs¬ 
ursache  in  Herzmuskelentzündung  nach  Malaria,  Ueberanstrengung 
des  Herzens,  Herzleiden  infolge  allgemeiner  Neiwosität  und  speziell 
nervöse  Herzschwäche. 

In  der  IV.  Sektion,  die  religiösen  und  kulturellen  Verhältnisse 
der  Kolonien  und  überseeischen  Interessengebiete,  sprach  Prediger 
D.  Dr.  Kind-  Berlin  über  Ausdehnung  und  erziehliche  Bedeu¬ 
tung  der  ärztlichen  Mission. 

Aerztliche  Mission  besteht  darin,  dass  Aerzte  ATon  Beruf  im 
Aufträge  von  Missionsgesellschaften  in  nichtchristlichen  Ländern 
für  die  Zwecke  der  christlichen  Mission  ihre  ärztliche  Kunst  aus- 
üben.  Die  ärztliche  Mission  kann  direkt  oder  indirekt  die  christ¬ 
liche  Beeinflussung  erstreben.  Es  gibt  jetzt  490  evangelische 
Missionsärzte  und  223  Aerztinnen,  meist  Engländer  und  Ameri¬ 
kaner.  Deutsche  sind  nur  10  darunter.  Die  ärztliche  Mission 
vollbringt  ein  Werk  der  Barmherzigkeit,  erzieht  aber  auch,  indem 
sie  Aberglauben  zerstört,  zur  Reinlichkeit  anhält,  Achtung  Aror 
dem  Menschenleben  erweckt,  Barmherzigkeit  lehrt,  Dankbarkeit 
hervorruft,  Vertrauen  zu  den  Fremden  einflösst.  R.  S. 


Medizinische  Streiflichter  aus  Amerika. 

Eine  Ferienrundfahrt  vom  Aerztekongress  in  Saratoga  über 
die  Adirondaeks  nach  Canada,  den  weissen  Bergen  und  Boston. 

Von  Carl  Beck  in  New- York. 

.Tahre  sind  vergangen,  seit  der  letzte  Kongress  der  American 
Medical  Association  im  Staate  New-York  tagte.  Die  ungeheure 
Ausdehnung  des  Landes  liess  es  nicht  opportun  erscheinen,  eine 
Versammlung,  bei  welcher  man  die  Repräsentanten  sämtlicher 
Staaten  der  Union  erwartete,  an  der  Ostgrenze  abzuhalten.  Denn 
die  im  fernen  Westen  ansässigen  Kollegen  würden,  um  ihren 
Wissensdurst  zu  stillen,  sich  erst  einer  5  Tage  und  ebenso  viele 
Nächte  ununterbrochen  dauernden  Reise  haben  unterziehen 
müssen.  Das  ist  nun  selbst  bei  den  vollendeten  amerikanischen 
Eisenbahneinrichtungen  kaum  als  ein  sogenannter  Genuss  zu  be¬ 
zeichnen.  Diese  auf  Raum  und  Zeit  sich  gründenden  Reflexionen 
mögen  denn  auch  dafür  verantwortlich  gehalten  Averden,  dass  trotz 
der  bekannten  Attraktionen  Saratogas  die  Zahl  der  Kongressmit¬ 
glieder  hinter  derjenigen  des  Vorjahres  zurückstand.  Der 
„Empire  State“  und  sein  Kronjuwel.  die  Stadt  New-York,  welche 
allein  nahezu  4  Millionen  Einwohner  zählt,  hätte  nun,  wenn  er 
sich  gerechtermassen  für  die  ihm  erwiesene  Ehre  hätte  dankbar 
zeigen  wollen,  den  Ausfall  decken  können,  aber,  wie  es  so  oft  im 
Leben  geht,  man  schätzt,  was  leicht  erreichbar  ist,  lange  nicht 
so  hoch,  als  Avas  man  in  der  Ferne  und  mit  Kosten  und  Mühe 


erst  ergattern  muss.  Zur  Entschuldigung  der  NeAV-Yorker  Fra¬ 
ternität  soll  es  allerdings  gesagt  sein,  dass  sie  in  der  letzten  Zeit 
mit  medizinischen  Kongressen  geradezu  überfüttert  wurde,  so  dass 
die  schlaffe  Reaktion  nach  sotaner  Ueberernährung  nicht  ausbleiben 
konnte.  Das  enthusiastische  New-Yorker  Häuflein,  welches  trotz 
alledem  das  „amerikanische  Karlsbad“  aufsuchte,  sollte  seine 
Loyalität  nicht  bereuen  und  verlebte  einige  herrliche  Tage  in 
diesem  Dorado,  nach  welchem  die  fashionable  amerikanische  Welt 
Aveniger  aus  Gesundheitsrücksichten  als  um  sich  zu  amüsieren  und 
gesehen  zu  werden  pilgert. 

Es  war  ein  herrlicher  Juniabend,  als  wir  dem  Hudson  entlang 
und  an  der  Staatshauptstadt  Albany  vorbei  Saratoga  nach  4  stün- 
diger  Fahrt  erreichten.  Im  United  States-Hotel,  dem  Haupt¬ 
quartier  der  American  Medical  Association,  begriissten  uns  die 
trauten  Klänge  der  Wacht  am  Rhein,  ein  Brüderlichkeitssymptom, 
Avelches  AATie  manches  andere  dem  jüngsten  Prinzenbesuch  zu 
danken  war.  Sonst  pflegte  die  Marseillaise  die  politische  Domi¬ 
nante  des  amerikanischen  Musikpavillons  zu  sein.  Gleichen  Schritt 
hält  damit  das  immer  mehr  zutage  tretende  Bedürfnis  der  ge¬ 
bildeten  Amerikaner,  deutsch  zu  lernen.  Der  amerikanische  Plebs 
freilich  kann  sich  den  Deutschen  immer  noch  nur  im  Gewand 
des  Bierwirts,  Barbiers,  Musikanten  oder  Dienstboten  vor¬ 
stellen  und  revanchiert  sich  für  die  Reziprozitätsanschauung  des 
deutschen  Ackerbürgers.  So  ist  der  Deutsche,  falls  er  es  zu  nichts 
brachte,  in  Amerika  oft  übel  daran.  Das  alte  Vaterland  rechnet 
ihn  nicht  mehr  zu  sich  und  das  Adoptivvaterland  sieht  ihn  nicht 
als  voll  an,  ein  Umstand,  den  sich  gar  viele  Auswanderer  erst  sorg¬ 
fältig  überlegen  sollten. 

Die  Hotels  in  Saratoga  sind  einzig  in  ihrer  Art  und  über¬ 
treffen  an  Zahl  und  besonders  an  Grösse  alle  derartigen  Kara- 
Avansereien  in  Europa. 

Das  United  States  Hotel  hat  eine  Ausdehnung,  wie  sie  kein 
deutsches  Residenzschloss  kennt,  und  die  Speisung  der  fünftausend 
Mann  würde  in  seinen  Räumen  kein  Mirakel  darstellen. 

An  der  Aussenseite  von  breiten  Piazzas  umgeben,  auf  AAyelclien 
sich  so  bequem  im  Schaukelstuhle  lungern  lässt,  öffnet  es  inner¬ 
halb  seiner  Mauern  die  unvergleichlich  schöne  Perspektive  auf 
einen  parkähnlichen  Garten,  in  welchem  tausende  von  Spazier¬ 
gängern  lustwandeln  können  ohne  einander  zu  streifen.  Diese  Art 
der  Gartenanlage  ist  ganz  einzig  und  ermöglicht  es  dem  Hotelgast 
seine  Promenaden  zu  unternehmen,  ohne  mit  der  Aussenwelt  in 
Verbindung  zu  treten.  Von  den  uralten  Platanen,  Avelche  schon  zur 
Indianerzeit  ihre  gewaltigen  Häupter  wiegten,  sangen  die  Finken 
ihren  guten  Morgen  wie  im  Heidelberger  Schlossgarten.  Am 
Abend  reihten  sich  bunte  Lampions  von  Baum  zu  Baum,  in  ihrer 
Mitte  ein  ungeheures,  von  elektrischen  Lichtern  gebildetes  Plakat 
umrahmend,  dessen  Inschrift  einen  Willkommgruss  für  die 
Fraternität  bedeutet.  Unter  dem  blendenden  Lichterglanz  para¬ 
dierten  die  Aeskulapssöhne,  zumeist  von  einem  Familienmitglied 
begleitet,  im  Freien.  Die  Musik  spielte  u.  a.  der  jüngst  kreierten 
Vereinigung  alter  deutscher  Studenten  in  Amerika  zu  Einen, 
deren  Präsident  und  Vizepräsident  beiläufig  erwähnt  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  angehören,  eine  Serie  fröhlicher  Burschenlieder, 
in  welche  manche  rauhe  Kehle  trotz  Frackstimmung  kräftig  ein¬ 
fiel.  Es  war  nichts  ungewöhnliches,  ein  freundliches  „Guten 
Abend,  Herr  Kollege“  aus  autochthonem  Yankeemunde  zu  ver¬ 
nehmen,  so  dass  man  sich  momentan  zu  Kroll  hätte  versetzt  glau¬ 
ben  können.  Die  Art,  xvie  man  alte  Freundschaften  erneuert  und 
neue  erwirbt,  hat  etAvas  überaus  herzliches,  und  erst  zu  später 
Stunde  trennt  man  sich. 

Am  folgenden  Morgen  wurde  der  Kongress  durch  den  Ncav- 
Yorker  Chirurgen  Wyeth,  welcher  in  diesem  Jahre  das  Präsi¬ 
dentenschiff  steuerte,  mit  einer  geistreichen  Ansprache  eröffnet, 
in  Avelclier  die  Notwendigkeit  einer  sorgfältigen  medizinischen  Vor¬ 
bildung  hervorgehoben  wurde.  Ja,  man  kommt  in  Amerika  all¬ 
mählich  dahinter,  welchen  unvergleichlichen  Schatz  die  deutsche 
Gymnasialbildung  birgt.  Wehe  dem  Volk  der  Denker,  wenn  es  an¬ 
fängt,  sich  die  sogen,  praktische  Vorbildung  zum  Vorbild  zu 
nehmen,  während  die  neue  Welt  der  alten  humanistischen  Vor¬ 
erziehung  zustrebt!  Dann  dürfte  es  um  die  paar  Ideale,  welche  man 
sich  mit  Mühe  in  den  harten  Beruf sschragen  hinübergerettet  hat, 
vollends  geschehen  sein. 

W  yeth  sieht  übrigens  den  Schwerpunkt  der  Erziehungs¬ 
frage  iii  der  Moral  und  besonders  in  dem  Streben  nach  der  Rein¬ 
heit  des  ärztlichen  Charakters. 

Die  Einteilung  der  Sektionen  war  dieselbe,  Avie  sie  sich  aus 
meinem  letztjährigen  Jahresbericht  ergibt.  Am  besuchtesten  Avar 
auch  dieses  Mal  die  chirurgische  Sektion,  welche  der  Vorsitzende, 
De  Forest  W  i  1 1  a  r  d  -  Philadelphia  mit  einem  Bericht  über  die 
Erfolge  der  operativen  Behandlung  von  Lungen- 
kavernen  eröffnete.  (Im  Journal  of  the  American  Medical 
Association  publiziert.) 

Die  Frage  der  Bauchfelltuberkulose  wurde  aoü 
M  u  r  phy-  Chicago,  Richardson  -  Boston  und  Ransohott- 
Cincinnati  eingehend  erörtert.  Richardson  befürwortete  die 
einfache  Inzision  mit  nachfolgender  Drainage  und  Avendet  sich 
gegen  die  Anhänger  der  Aspirationsbehandlung.  Man  soll  dafür 
sorgen,  dass  Sauerstoff  in  der  Bauchhöhle  verbleibt. 

Rodman  -  Philadelphia  weist  auf  die  diagnostischen 
Irrtümer  bei  Schusswunden  hin.  Er  behauptet,  dass 
die  Anzeichen  A*on  Schock  gewöhnlich  missArerstanden  werden; 
mit  anderen  Worten,  dass  das  mit  Schock  bezeichnete  unbestimmte 
EtAvas  von  einer  inneren  Blutung  herrühre.  Demgemäss  soll  man 
sofort  operativ  eingreif en.  Die  Röntgenstrahlen  werden  von  R-i 


18.  November  1902. 


MTTEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1935 


nach  dem  Beispiel  einiger  anderer  amerikanischer  Kollegen,  nur 
ungenügend  gewürdigt. 

La  Garde -Washington  gibt  seine  Statistik  über 
Schussverletzungen  der  Brust  und  des  Unter¬ 
leibs,  wie  er  sie  als  Armeechirurg  im  Kriege  beobachtete,  und 
legt  Gewicht  auf  die  Verschiedenheit  der  Behandlung  in  Krieg 
und  Frieden.  (Im  Journal  of  the  American  Association  ver¬ 
öffentlicht.) 

T  i  n  k  e  r  -  Baltimore  gibt  eine  ansprechende  Darstellung  von 
Gallensteinen  im  Ductus  choledochus  und  bekennt 
sich  als  unbedingten  Anhänger  der  K  e  li  r  sehen  Theorien  (Radi¬ 
kalentfernung  und  Hepatikusdrainage). 

M  a  y  o  -  Iiocliester  macht  auf  den  Konnex  zwischen  ent¬ 
zündlichen  Prozessen  im  Pankreas  und  gewissen 
Komplikationen,  die  von  Cholelithiasis  herrühren,  aufmerksam. 
Seine  Erfahrung  zeigt,  dass  die  akute  Pankreatitis  stets  mit  Fett¬ 
nekrose  Hand  in  Hand  geht.  Er  empfiehlt  die  direkte  sowohl 
als  die  indirekte  Drainage. 

Deaver  -  Philadelphia  rollt  die  unvermeidliche  Appendi¬ 
zitis  f  r  a  g  e  mit  gewohnter  Verve  auf.  Er  gibt  eine  kritische 
Beleuchtung  von  416  Fällen,  welche  im  Jahre  1901  im  deutschen 
Hospital  zu  Philadelphia  operiert  wurden.  Er  geht  auf  die  Mor¬ 
talität  der  letalen  Fälle  näher  ein  und  gibt  das  Resultat  der  Sek¬ 
tionen.  Vor  der  Zögerungspolitik  warnt  er  und  führt  die  Ursachen 
dei’  Mortalität  sowohl  als  der  Komplikationen  und  Folgekrank¬ 
heiten  auf  dieselbe  zurück.  Das  Gefühl  der  „falschen  Sicher¬ 
heit“  wird  durch  die  Eisblase,  Purgantien,  Opium  und  Intervall¬ 
operation  genährt.  Je  häufiger  die  Anfälle  bei  der  chronischen 
Form,  desto  grösser  die  Gefahr.  Der  Wurmfortsatz  selbst  muss 
immer  mitentfernt  werden,  da  die  einfache  Eröffnung  des  Ab¬ 
szesses  die  Heilung  der  Appendizitis  nicht  gewährleistet. 

Unterstützt  wird  Deaver  in  in  seiner  Statistik  von  Ross. 
Die  Chirurgen  L  a  p  1  a  c  e  -  Philadelphia,  Weir  und  Abbe 
(beide  von  New-York)  stimmen  im  grossen  und  ganzen  ebenfalls 
mit  Deaver  überein.  Ueberhaupt  konnte  man  die  Beobachtung 
machen,  dass  die  Anhänger  der  Frühoperation  gegenüber  dem  Vor¬ 
jahre  zugenommen  hatten,  wie  dies  ja  bei  der  immer  mehr  zu¬ 
nehmenden  Erfahrung  bei  dieser  "heimtückischen  Erkrankung 
natürlich  erscheint.  Man  wunderte  sich  auch  über  die  Indifferenz 
in  Deutschland  und  beklagte  sich  nicht  ohne  Grund,  dass  die 
amerikanische  Literatur,  welche  in  dieser  Frage  doch  tonangebend 
ist,  daselbst  so  wenig  Berücksichtigung  findet.  Das  Punctum 
saliens  ist  aber  nach  wie  vor,  dass  die  klinischen  Symptome  sich 
in  einer  frühen  Periode  nicht  mit  den  anatomischen  Vorgängen 
im  Bereich  des  Wurmfortsatzes  decken,  und  so  lange  keine  Detail¬ 
diagnose  gemacht  werden  kann,  wird  namentlich  der  wenig  er¬ 
fahrene  Praktiker  sich  lieber  an  der  süssen  Sirenenmelodie  des 
„Warte  nur,  balde“  berauschen,  als  an  dem  schrillen,  zum  so¬ 
fortigen  chirurgischen  Angriff  blasenden  Trompetensignal. 

Was  werden  die  Epigonen  einmal  zu  diesen  Turnieren  sagen? 

M  a  t  a  s  -  New-Orleans  und  Roberts-  Philadelphia  beleuch¬ 
ten  ihre  Methoden  bei  der  Patellarf  raktur.  M  a  t  a  s  be¬ 
dient  sich  der  versenkten  Naht  nach  periosteo-kapsulärer  Adap¬ 
tierung  und  demonstriert  den  Heilungsvorgang.  Roberts  zieht 
die  subkutane  Tabaksbeutelnaht  vor.  Referent  ist  bei  geringer 
Diastase  gegen  einen  operativen  Eingriff,  da  man  durch  kräftige 
Indentationen  im  Stadium  nascendi  des  Gipsverbandes  die  ange- 
drückten  Fragmente  in  situ  erhalten  kann.  Bei  beträchtlicher 
Diastase  dagegen  ex-weist  sich  das  Roberts  sehe  Verfahren  als 
zu  schwach  und  ist  desshalb  sehr  starker  Silberdraht  zu  wählen, 
welcher  um  die  Kniescheibe  einmal  und  sehr  fest  herumgeführt 
wird. 

R  i  c  k  e  1 1  s  -  Cincinnati  glänzt  mit  einer  vortrefflichen  stereo¬ 
skopischen  Demonstration  über  die  Herzchirurgie.  Er  ver- 
auschaiüicht  Verwundungen,  welche  er  dem  Tierherz  künstlich 
beigebracht  hatte,  in  den  verschiedenen  Stadien  der  Heilung.  Er 
ermahnt  zu  grösserer  Aktivität  in  der  chirurgischen  Therapie  der 
Herztraumen. 

Referent  erläutert  an  der  Hand  stereoskopischer  Bilder 
seine  Ansichten  über  die  verschiedenen  Typen  der  Fraktur  des 
unteren  Radiusendes  und  zieht  daraus  Schlüsse  für  die 
Art  der  Behandlung.  Wie  bei  anderen  Frakturen,  so  wird  auch 
bei  dieser  speziellen  Form  das  Postulat  gestellt,  die  Frage,  ob  die 
Reduktion  der  Fragmente  gelungen  ist,  von  den  Röntgenstrahlen, 
am  besten  von  dem  durch  den  Verband  hindurch  genommenen 
Skiagramm,  abhängig  zu  machen.  Gelingt  es  dann  überhaupt 
nicht,  ein  Fragment  zu  reponieren,  so  soll  man  nach  Resorption 
des  Blutergusses  schon  operativ  eingreif eu,  anstatt  bis  zur  Voll¬ 
entwicklung  der  Verkrüppelung  erst  zu  warten.  Seitdem  die 
Röntgenstrahlen  als  Mentor  dienen,  braucht  man  sich  vor  den 
üblen  Folgen,  welche  man  verläumderischer  Weise  dem  Gipsver¬ 
band  nachredete,  nicht  zu  fürchten.  Gangrän  kann  nur  dann  ein- 
treten,  wenn  man  die  Fragmente  nicht  reduziert,  und  dann  passiert 
dies  unter  einem  Schienenverbande  gerade  so  gut.  Der  zirkuläre 
Verband  wird  je  nach  der  Dislokationstendenz  des  unteren  Frag¬ 
mentes  entweder  in  Ad-  oder  in  Abduktionsstellung  angelegt. 
Zumeist  ist  eine  Dislokation  nach  oben  und  aussen  vorhanden 
und  die  Hand  invertiert.  Man  muss  deshalb  das  untere  Fragment 
nach  unten  und  innen  drücken,  während  man  am  Daumen  einer¬ 
seits  und  am  Ellbogen  andererseits  extendiert.  Die  Reposition  von 
oben  nach  unten  kann  man  effektvoller  gestalten,  indem  man  ein 
Petschaft  auf  die  Fragmentregion  drückt,  während  man  die  Gips¬ 
binde  herumwickelt.  Zeigt  das  Röntgenbild,  dass  die  Reposition 
nicht  erfolgreich  war,  so  entfernt  man  den  Verband  sofort  wieder 
und  legt  einen  anderen  in  besserer  Stellung  an.  Der  erste  Irrtum 


zeigt  dann,  wie  man  es  besser  macht.  Nach  ein  bis  zwei  Wochen 
legt  man  abnehmbare  Gipsschienen  an,  welche  den  Arm  nur  teil¬ 
weise,  den  Daumen  aber  in  seiner  ganzen  Zirkumferenz  erfassen. 
Die  Richtung  des  Daumens  beeinflusst  die  Stellung  des  karpalen 
Radiusfragmentes  und  ist  es  deshalb  von  Wichtigkeit,  denselben 
der  Lage  des  Fragmentes  entsprechend  der  Hand  entweder  zu 
nähern  oder  ihn  wegzuspreizen  und  in  der  resp.  Lage  zu  im¬ 
mobilisieren.  Wo  keine  Dislokation  der  Fragmente  vorhanden  ist, 
soll  man  den  Patienten  nicht  durch  Reduktionsversuche  plagen, 
sondern  legt  einfach  ein  Bracelett  aus  Moospappe  um  das  Hand¬ 
gelenk  herum.  Unter  den  in  den  Lehrbüchern  gänzlich  ignorierten 
Typen  wird  namentlich  die  schiefe  dreieckige  Form  hervorgehoben, 
bei  welcher  das  obere  Fragment  auf  der  unteren  wie  ein  flaches 
Delta  liegt.  Sie  ist  intraartikulärer  Natur  und  wird  nur  durch 
das  Röntgenverfahren  erkannt.  Bei  dieser  Form,  welche  beinahe 
dem  Charakter  einer  Längsfraktur  entspricht,  zeigen  beide  Bruch¬ 
fragmente  Artikulationsflächen,  weshalb  eine  mangelhafte  Ag¬ 
glutination  derselben  grosse  Unregelmässigkeiten  im  Gelenkbogen 
hervorrufen  muss.  Es  muss  deshalb  bei  dieser  Form  besonders 
genau  und  wiederholt  mit  dem  Röntgenapparat  kontrolliert 
werden.  Nach  zwei  oder  drei  Wochen  gelingt  es  noch,  eine 
Difformität  durch  Einbiegung  über  die  Tischkante  zu  korrigieren, 
später  aber  müssen  die  ungefügen  Fragmente  mittels  Meisseis  ge¬ 
trennt  werden.  Die  Knochennaht  kann  meistens  umgangen  werden, 
wenn  man  das  untere  Fragment  mittels  Petschaft  an  seine  Stelle 
drückt,  während  man  die  Gipsbindentouren  herumlegt  (vergl.  Me¬ 
dical  News,  Vol.  81,  No.  12). 

Einige  Kollegen  aus  dem  wilden  Westen  hatten  sich  den 
Scherz  erlaubt,  einen  unglückseligen  Steppenpatriarchen  nach 
„geheilter“  Fraktur  des  Schenkelhalses  nach  Saratoga 
zu  locken,  um  die  Vorzüge  des  Gipsverbandes  als  Novität  zu  de¬ 
monstrieren.  Der  biedere  Wüstenmerkur  schleppte  sich  hin¬ 
kenden  Ganges  durch  das  Spalier,  welches  die  andächtige  chi¬ 
rurgische  Gemeinde  gebildet  hatte,  entledigte  sich  seines  enormen 
Gipsstiefels  und  präsentierte  sich  triumphierenden  Blickes  mit  ihm. 
Die  östlichen  Kollegen,  ausgepichte  Anhänger  des  nil  admirari, 
wollten  sich  jedoch  hierdurch  nicht  imponieren  lassen  und  so  ent¬ 
spann  sich  ein  hitziges  Wortgefecht,  aus  welchem  der  wilde 
Westen  bald  mit  Empörung  im  Herzen  retirierte.  In  der  Erregung 
wurde  das  Corpus  delicti,  der  antediluvianische  Gipsverband,  gänz¬ 
lich  vergessen  und  trauernd  stand  er,  als  wollte  er  ein  Pax  vobis- 
cum  nachrufen,  in  der  Ecke,  als  sich  der  Saal  leerte  und  der  seiner 
Befreiung  froh  gewordene  Lederstrumpf  in  grotesken  Sprüngen 
davonhüpfte. 

In  der  ophthalmologischen  Sektion  hielt  H  a  a  b  (von  der  Uni¬ 
versität  Zürich)  einen  interessanten  Vortrag  über  die  Entfer¬ 
nung  von  Fremdkörpern  aus  dem  Auge.  Haab 
unterscheidet  zwei  grosse  Fremdkörpergrupppen,  von  denen  die  eine 
durch  Eisensplitter  und  die  andere  durch  anderartiges  Material 
repräsentiert  wird.  Dreiviertel  aller  Fremdkörper  bestehen  seiner 
Erfahrung  nach  aus  Eisen  und  dringen  in  die  Tiefe.  Die  anderen, 
zumeist  aus  Stein-,  Holz-  oder  Glasteilchen  bestehend,  locieren 
sich  mehr  im  Vordergrund  des  Auges.  Kupfersplitter  streben 
ebenfalls  nach  der  Tiefe,  sind  aber  glücklicherweise  selten. 

Behufs  Diagnose  von  Eisensplittern  ist  der  Magnet  das  Mittel 
par  excellence.  Für  andere  Fremdkörper  empfiehlt  er  die  Des- 
marres  sehe  Kapselzange,  welche  durch  eine  kleine  Wunde  in 
das  Corpus  vitreum  eingeführt  werden  kann.  Zur  Desinfektion 
bedient  II  a  ab  sich  des  Jodoforms  und  zwar  mit  Vorliebe  in  Stift¬ 
oder  Tablettenform. 

Der  berühmte  New-Yorker  Ophthalmologe  Knapp  hielt 
einen  mit  aussergewöhnlichem  Beifall  aufgenommenen  Vortrag 
über  die  „Symmetrie  unseres  Sehapparates  als 
eines  paarigen  Organ  s“,  mit  der  Empfehlung,  die  in 
Amerika  gebräuchliche  Bezeichnungsweise  der  Meridiane  zu 
ändern. 

Er  hebt  hervor,  dass  unser  Sehapparat  ein  durchwegs  sym¬ 
metrisch  angelegtes,  paariges  Organ  ist,  wie  unsere  Ohren,  Hände, 
Nieren  u.  s.  w.  Symmetrisch  nennt  man  einen  Körper,  dessen 
beide  Hälften  das  gegenseitige  Spiegelbild  durch  eine  mittlere 
Trennungsfläche  (Medianebene)  sind.  Die  Medianebene  des  Kör¬ 
pers  teilt  unseren  Sehapparat  in  2  symmetrische  Hälften,  von 
denen  kein  Theil  sich  genau  wieder  in  2  symmetrische  Hälften 
schneiden  lässt,  obwohl  dies  annähernd  durch  eine  horizontale 
Medianebene  auch  beim  Augapfel  geschehen  kann.  Die  seitlichen 
Hälften  unseres  Sehapparates  berühren  sich  nur  an  2  Stellen,  dem 
Chiasma  und  dem  vorderen  Vierhiigelpaar,  ohne  dadurch  ihre  Sym¬ 
metrie  zu  verlieren. 

Redner  betrachtet  speziell  die  Symmetrie  der  Meri¬ 
diane  des  Auges,  wovon  jeder  einzeln  genommen  in  einem 
kleinen  Kreise  am  Durchschnittspunkt  der  Sehlinie  mit  der  Horn¬ 
haut  in  hohem  Grade  symmetrisch  gekrümmt  ist,  welche  aber 
untereinander  beträchtliche  Krümmungsverschiedenheiten  auf¬ 
weisen,  wodurch  der  in  allen  Augen  mehr  oder  minder  vorhandene 
Astigmatismus  erzeugt  wird.  Dabei  zeigt  sich  die  merkwürdige 
Eigenschaft,  dass  meistens  die  gleichgekrümmten  Meridiane  des 
einen  und  des  anderen  Auges  die  Meridianebene  des  Körpers  oder 
die  ihr  parallele  vertikale  Meridianebene  des  Augapfels,  unter 
gleichen  Winkeln  schneiden. 

In  2473  aufeinander  folgenden  Fällen  seiner  eigenen  Praxis, 
welche  der  Redner  zusammengestellt  und  anderwärts  mitgeteilt 
hat,  zeigten  87  symmetrische,  22  unsymmetrische  Meridianstellung. 
Ueber  dieses  Verhältnis  herrschte  keine  wesentliche  Verschieden¬ 
heit,  aber  über  die  zweckmässigste  Bezeichnung  der  Meridiane  hat 
man  sich  noch  nicht  einigen  können.  Die  in  den  Vereinigten 


1936 


MUENCHENER  MEDICltflSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Staaten  gebräuchliche  Bezeiclnnmgsweise  ist  seines  Wissens  in 
keinem  anderen  Lande  vertreten.  In  Europa  herrscht  allgemeine 
Verwirrung.  Redner,  welcher  sicli  lange  eingehend  mit  dieser 
Frage  beschäftigt  und  verschiedene  Systeme  versucht  hat,  ist  zu 
dem  Schlüsse  gekommen,  dass  die  symmetrische  Bezeichnung  die 
natürlichste,  einfachste  und  brauchbarste  ist.  In  unseren  Brillen¬ 
rezepten  beginnen  wir  für  -j-  oder  — Gläser  mit  0°  am  nasalen 
Ende  des  horizontalen  Meridians  beider  Augen  und  zählen  auf¬ 
wärts.  schläfenwärts  und  abwärts,  rings  um  die  Kreislinie,  bis 
wir  wieder  bei  dem  Ausgangspunkt  angekommen  sind.  Die  sym¬ 
metrischen  Meridiane  erhalten  gleiche  Bezeichnung  und  die  Ab¬ 
weichung  von  der  normalen  Symmetrie  tritt  hervor. 

Dieselbe  Bezeichnungsweise  wendet  man  auf  das  Sehfeld  an, 
dessen  Grenzen  und  Defekte  durch  die  Kreuzungspunkte  der  be¬ 
treffenden  Meridiane  und  Parallelkreise  bestimmt  sind. 

In  der  Praxis  hat  die  symmetrische  Methode  den  grossen  A  er¬ 
teil.  dass  gleiche  Dinge  gleich  bezeichnet  werden,  und  sich  gleich 
bleiben,  einerlei,  ob  man  die  Brille  oder  das  Sehfeld  A’on  vorn  oder 
A'on  hinten  ansieht. 

KI  p  p  -  XeAvark  Avies  schon  A'or  Jahren  darauf  hin,  dass  das 
F  lens  e  o  r  n  e  a  e  serpens,  in  Avelchem  die  zuerst  von 
Saemisch  beschriebenen  grauen,  vom  Geschwürsrand  aus¬ 
gehenden  Streifen  durch  graue  Zwischenglieder  miteinander  ver¬ 
bunden  sind,  unter  friedlicher  Behandlung  heilt,  und  dass  es  un¬ 
nötig  ist.  in  solchen  Fällen  den  S  a  e  in  i  s  c  li  sehen  Hornliaut- 
sehnitt  zu  machen  oder  durch  das  Glüheisen  die  Zerstörung  des 
Hornhautgewebes  noch  zu  vergrössern.  Selbst  avo  rl  ränensa.ckeite- 
rung  vorhanden  Avar,  träufelte  K.  nur  Atropin  ein  und  begnügte 
sich  mit  Umschlägen  a-ou  Avarmer  Borsäurelösung.  Eine  Tränen¬ 
sackeiterung  Avurde  dann  ausserdem  durch  Spaltung  des  Tränen- 
röhrcliens  und  häufige  Druckreinigung  des  Sackes  behandelt.  Das 
Geschwür  kam  in  allen  diesen  Fällen  unter  dieser  einfachen  Be¬ 
handlung  ausnahmslos  zur  Heilung. 

Wo  die  beschriebenen  grauen  Streifen  zur  Zeit  als  der  Kranke 
zur  Beobachtung  kam  nicht  zu  sehen  sind,  und  Avenn  die  Pneumo¬ 
kokken  von  Fraenkel  - Weichselba  um  sich  im  Geschwür 
na  ch  weisen  lassen,  wo  ferner  das  Geschwür  Neigung  zeigt,  sich 
weiter  auszubreiten,  wird  Fluorescin  eingeträufelt;  dann  schreitet 
man  zur  Verbrennung  des  Aveissgelblielien  Bogens  durch  das  Gliih- 
eisen  so  A\*eit,  als  das  Gevvebe  ein  grünliches  Kolorit  zeigt.  In 
Fällen  von  hoher  Hypopie  oder  bei  grosser  Tiefe  des  Geschwürs 
Avird  zugleich  die  vordere  Kammer  mit  dem  Gliiheisen  geöffnet, 
und  zAvar  an  der  tiefsten  Stelle  des  Geschwürsgrundes.  Durch 
die  hierdurch  bedingte  Herabsetzung  des  Druckes  wird  die  Heilung 
der  in  solchen  Fällen  immer  vorhandenen  Iridochoroiditis  be¬ 
günstigt.  Nicht  zu  unterschätzen  ist  der  Einfluss  der  Entfernung 
des  Exsudates  in  der  vorderen  Kammer.  Gegen  die  intensiven 
Schmerzen,  welche  Avahrsclieinlich  durch  die  Iridochoroiditis  be¬ 
dingt  sind,  erweist  sich  der  Gebrauch  A'on  Blutegeln  von  Nutzen. 
Bei  alten  dekrepiden  Leuten  wird  Gewicht  auf  kräftige  Nahrung, 
Chinin  etc.  gelegt.  Wo  trotz  dieser  Behandlung  der  Prozess  weiter 
schreitet,  ist  fast  immer  Diabetes  oder  Nephritis  vorhanden. 

W  e  i  s  s  -  New -York,  Sekretär  des  Komitees.  Avelclies  von  der 
zuständigen  medizinischen  Behörde  des  Staates  New-York  im 
vorigen  Jahre  erwählt  worden  war,  um  die  auf  sexuelle  Er¬ 
krankungen  zurückzuführende  Morbidität  nebst  dem  sozialen 
Uebel  im  allgemeinen  zu  studieren,  gibt  ein  eingehendes  Besinne. 
Er  führt  aus,  dass  direkte  Schritte  zwar  der  Prophylaxis  am  ersten 
zu  entsprechen  schienen.  Bei  näherer  Betrachtung  aber  erweisen 
sich  dieselben  nicht  als  durchführbar.  Die  Regulationen,  wie  sie 
in  Europa  üblich  sind,  lassen  sich  hier  zu  Lande  in  Rücksicht  auf 
konstitutionelle  Hindernisse  und  gewisse  Rasseeigentümlichkeiten 
nicht  durchführen.  Das  Hauptgewicht  ist  desslialb  auf  soziale, 
erziehliche,  ökonomische  und  gesetzliche  Massnahmen  zu  legen. 
Zu  den  letzteren  gehörten  namentlich:  Schaffung  besserer  Fabrik¬ 
gesetze.  höhere  Löhne,  Separierung  der  Geschlechter  in  den 
Arbeitsräumen,  Zwang  zur  Mitgliedschaft  bei  Unfall-  und  gegen¬ 
seitiger  Ivrankenunterstützungs-  und  Versicherungsgesellschaf  teil ; 
ferner  gegenseitige  Anlehensgesellschaften  und  Asyle  für  arbeits¬ 
lose  Mädchen.  Auch  sollen  das  Publikum  und  besonders  die 
Patienten  entsprechend  erzogen  werden.  Ferner  sind  bessere 
Einrichtungen  in  Hospitälern  und  Ambulatorien  notwendig.  Die  Vor¬ 
schläge  des  Vortragenden  fielen  auf  so  fruchtbaren  Boden,  dass 
man  seine  Resolutionen  sowohl  in  der  dermatologischen,  Avie  in  der 
hygienischen  Sektion  ohne  weiteres  annahm.  Demnach  Avird  ein 
nationaler  Kongress  durch  die  American  Medical  Association 
arrangiert,  welcher  ähnlich  wie  der  internationale  Kongress  in 
Brüssel  die  Prophylaxis  erwägen  soll.  Es  Avurde  eine  Delegation 
zu  diesem  Zwecke  erwählt,  an  deren  Spitze  H  o  1 1  o  n  -  Brattleboro 
und  der  verdienstvolle  Vorsitzende  stehen. 

G  o  1 1  h  e  i  1  -  New-York  demonstriert  einen  Fall  von  Sar- 
eoma  cutis  (Sarkoid)  bei  einem  C-tjälir.  russischen  Israeliten. 
Avelcher  sich  eines  guten  Allgemeinzustandes  erfreute.  Es  finden 
sich  einige  sternförmige  Narben,  welche  auf  alte  Lues  hindeuten. 
Makulöser  und  papulo-tuberkulöser  Ausschlag  ist  im  Gesicht,  am 
Scheitel,  am  Rumpf  und  an  den  Gliedmassen  nachzuweisen.  Alan 
kann  alle  Stadien  genau  verfolgen,  erst  kleine  gelbbraune  Flecke 
md  dann  harte,  bohnengrosse,  purpurfarbene  Knoten:  später  Er¬ 
weichung  unter  Einsinken  im  Zentrum  bis  zu  endlicher  Formation 
einer  pigmentierten,  eingedrückten  Narbe.  G.  zeigt  Mikrophoto¬ 
graphien  der  verschiedenen  Stadien  des  Wachstums  und  der  Ent¬ 
artung.  Der  Fall  lehrt  demgemäss,  dass  Hauttumoren  vor- 
kommen,  welche  morphologisch  und  klinisch  das  Bild  des  klein¬ 
zelligen  Sarkoms  darbieten  und  doch  einen  gutartigen  Verlauf 


nehmen,  besonders  aber  innere  Organe  nicht  Offizieren  und  auch 
den  Allgemeinzustand  nicht  beeinträchtigen.  Man  muss  augen¬ 
scheinlich  demnach  das  Sarcoma  cutis  nicht  mit  dem  Sarkom 
innerer  Organe  ohne  weiteres  zusammenwerfen. 

Gottheil  stellt  ferner  ein  10 jähriges  Mädchen  vor,  Avelclies 
jeden  Herbst  an  einem  bullösen  Ausschlag  litt.  Seit, 
mehreren  Jahren  bildeten  sich  ganz  kleine  Bläschen,  deren  Bil¬ 
dung  keinerlei  Jucken  A'orausging.  Auch  fehlte  dasselbe  bei  der 
Weiterentwickelung  der  Bläschen  zu  taubeneigrossen  Blasen 
gänzlich.  Dieselben  Avaren  namentlich  an  den  unteren  Teilen  des 
Rumpfes  und  der  Glieder  ausgeprägt.  Mit  der  Entwickelung  der 
Bläschen  hatten  sich  Sclrwellung  und  Rötung  gezeigt.  Subjektive 
Symptome  Avaren  bei  dieser  rekurrierenden  Erkrankung  abwesend. 
Nur  wenn  sich  Blasen  auf  den  Fussohlen  entwickelten,  wurde  das 
Gehen  behindert.  Einzelne  Blasen  bestanden  ein  bis  zwei  Wochen 
lang;  sie  trockneten  dann  ein  oder  platzten.  Aetiologiscli  konnte 
nichts  eruiert  Averden.  Epidermolysis  bullosa  oder  Trauma  (C-an- 
tliariden)  Avaren  auszuscliliessen,  ebenso  Erythema  bullosum  oder 
Urtikaria.  Da  auch  das  Allgemeinbefinden  nicht  afflziert  worden 
Avar,  so  einigte  man  sich  auf  die  Diagnose  P  e  m  phigus 
beni  g  n  u  s.  (Fortsetzung  folgt.) 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  3.  N  o  v  e  m  b  e  r  1902. 

Vor  der  Tagesordnung: 

Herr  v.  Leyden:  Nachtrag  zu  den  Verletzungen  durch 
Blitzschlag. 

Einige  Bemerkungen  und  literarische  Notizen  über  die  bei 
Blitzverletzungen  beobachteten  Verbrennungsfiguren. 

Herr  A.  Fraenkel:  Demonstration  eines  Präparates  von 
Eventratio  diaplrragmatica.  Dieselbe  Avar  intra  vitam  auf  der 
G  e  r  h  a  r  d  t  sehen  Klinik  als  Hernia  diaphragmatica  diagnosti¬ 
ziert  und  auch  publiziert  Avorden  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1900) 
unter  Beifügung  des  Röntgenbildes.  Bei  Einlieferung  des  Kranken 
in  den  Urban  bestanden  Inkarzerationssymptome;  deshalb  Ope¬ 
ration  (K  ö  r  t  e).  I  lieselbe  ergab,  dass  keine  Hernie  vorlag,  son¬ 
dern  eine  starke  Ausbuchtung  des  Zwerchfells  in  den  linken  Pleura¬ 
raum  hinein,  iide  sie  mehrfach  als  Eventratio  diaphragmatica 
beschrieben  Avurde.  Pat.  Überstand  die  Operation,  ging  nach 
längerer  Zeit  an  Oesophaguskarzinom  zu  Grunde  und  nun  be¬ 
stätigte  die  Sektion  die  damals  von  Fr.  gegebene  Auffassung  als 
Eventratio.  Das  Zwerchfell  ist  an  dieser  Stelle  stark  ausgebuchtet 
und  atrophisch.  Leber  die  nähere  Natur  dieser  Atrophie  (blasse, 
verfettete  Muskelfasern)  Avird  Herr  G.  Benda  später  berichten. 

Herr  Senator:  lieber  die  Herzhypertrophie  bei  Nieren¬ 
krankheiten. 

Trotz  der  grossen  Fortschritte,  welche  die  Kenntnis  der 
Nierenkrankheiten  durch  B  right  und  Traube  gemacht  hat, 
ist  der  ursächliche  Zusammenhang  zwischen  Herzhypertrophie 
und  Nierenkrankheit  noch  immer  nicht  völlig  geklärt. 

Hie  hiefiir  wichtige  Frage,  welcher  Herzabschnitt  am 
häufigsten  und  stärksten  erkrankt  befunden  wird,  hat  Karl 
H  irsc  h  durch  genaue  Wägungen  dahin  entschieden,  dass  am 
stärksten  und  weitaus  am  häufigsten  der  linke  Ventrikel,  viel 
seltener  und  schwächer  der  rechte  hypertrophiert. 

Die  Ursache  dieser  Hypertrophie  sei  nach  Ablehnung  der 
mechanischen  Theorie  T  r  a  u  b  e  s  und  der  Viskosität  Ewalds 
in  den  schon  von  B  r  i  g  h  t  angenommenen  veränderten  chemi¬ 
schen  Verhältnissen  zu  suchen.  S  t  r  a  u  s  s  habe  neuerdings  auf 
Senators  Klinik  gefunden,  dass  die  molekulare  Konzentration 
des  Blutes  bei  einfacher  chronischer  Nephritis  meist  normal,  bei 
der  Schrumpfniere  dagegen  erhöht  sei,  ebenso  der  Reststickstoff; 
der  Eiweissgehalt  verhalte  sich  umgekehrt.  Die  Toxizität  des 
Urins,  bestimmt  nach  der  unzuverlässigen  Methode  Bouchards 
fand  sich  bei  der  Schrumpfniere  häufig  erhöht. 

Vortragender  formuliert  die  alte  B  right  sehe  Theorie  aut 
Grund  der  neuen  Darstellung  nunmehr  so:  Die  Zunahme  der 
molekularen  Elemente  im  Blute  führt  zu  einem  Reiz  auf  die 
Gefässe  und  das  ITerz  und  zur  Schädigung  der  Gefässwände. 
Bei  der  atoh  dieser  Zunahme  weniger  betroffenen  chronischen 
Nephritis  kommt  es  infolgedessen  zur  erhöhten  Durchlässigkeit 
der  Gefiisse  und  zum  Hydrops,  einer  Art  Selbsthilfe  des  Organis¬ 
mus;  bei  dieser  Affektion  findet  sich  daher  auch  seltener  und 
iveniger  stark  die  Herzhypertrophie.  Bei  genügend  langer  Dauer 
des  Lebens  verdieken  infolge  des  anhaltenden  Reizes  die  Gefässe 
und  verengern  sich.  Dieses  Stromhindernis  bildet  einen  Reiz  für 
das  Herz,  welches  nunmehr  hypertrophiert.  Bei  der  Schrumpf¬ 
niere  führen  die  reichlicher  vorhandenen  abnormen  Stoffe  früh¬ 
zeitig  zu  Gefässkontraktionen  und  Gefässverengerungen  und 
damit  zu  einem  Reiz  auf  das  Herz,  darum  auch  früher  und 
stärker  zur  Herzhypertrophie. 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1937 


wo,FflrQi^:  Frankel  fuhrt  seine  eigenen  Beobachtungen  an 
v  eiche  auch  bei  der  kurzdauernden  Scharlachnephritis  eine 
Hypertrophie  des  Herzens  zeigten,  die  mit  dem  Abläufe  der 
Nephritis  wieder  zuruckging.  Hans  Ku*eh  “] 


Aerztlicher  Bezirksverein  zu  Erlangen. 

(Bericht  des  Vereins.) 


Sitzung 


vom  30.  J  u  n  i  1902. 


Herr  Weinbrenner  bespricht  3  von  ihm  operierte  Fälle 
««  makroskopischen  und  inikroskopiSu 

!■  Zirkumskriptes  Korpuskarzinom. 

1  TTt  ?at’’  49  Jahre.  alt>  seit  4  Jahren  in  der  Menopause  im 
L  ÄkT1*"  Bh'tUng  beBle“ete  kramW'«lge  Sehmer- 

Narkosenuntersuchung  am  16.  Februar  ergab  einen  kaum  ver¬ 
besserten,  antefiektierten,  gut  beweglichen  Uterus,  PaiamSrium 
weich.  Pi obeauskratzung:  Solides  Karzinom. 

\  aginale  lotalexstirpation  (S  c  li  ucha  r  d  t  sehe  Methode)  mit 
ausgiebiger  Entfernung  des  dehnbaren  Parametrium.  Auf  d2 
Duichsclimtt  gienzt  sich  ein  im  Gebärmuttergrund  in  der  vor¬ 
deren  und  rechten  \\  and  entwickeltes,  ins  Cavum  uteri  sich  leicht 

^ekelndes  zirkumskriptes  Karzinom  deutlich  gegen  die  Mus- 
kulatur  ab.  Es  handelt  sich  um  einen  soliden  Zylinderepithel- 
kiebs,  dessen  ausgefüllte  Schläuche  die  Mitte  der  Muskel  wand¬ 
dicke  nicht  überschreiten.  1U 

3  Wochen  post  operationem  geheilt  entlassen. 

Schon  Anfangs  April  suchte  Pat.  wegen  Schmerzen  in  Upt* 
i-echteu  Wade  ärztliche  Hilfe.  Herr  ft.  Bing  S  Seilte 

f'S  'dm-enrÄflati10nSI1tib~  Zllm  Kreuzbeil>  liiuzieheude  Resistenz 
fest  deien  beständiges  Grosserwerden  durch  wiederholte  Unter¬ 
suchungen  a  erfolgt  wurde.  Der  Zustand  verschlimmerte  sich 
lasci  und  Pat-  starb  am  8.  Juli.  Die  Sektion  wurde  nicht  erlaubt 
doch  handelt  es  sich  wohl  zweifellos  um  ein  Rezidiv,  das  sich  in 
rapider  M  eise  nach  der  vaginalen  Entfernung  des  scheinbar  so 
günstig  liegenden  Karzinoms  entwickelte.  1  S0 

•■Yt®rus  Sravid*  mens.  IV  mit  Portiokarzinom. 

38  jährige  NI.  Para.  Spontane  normale  Geburten.  Seit 
K  Jahren  häufig  auftretende  epileptische  Anfälle.  Seit  1  Jahr 
Iluor.  Regel  ohne  Störung,  letzte  im  Januar.  Zunehmende  4b- 
magerung  und  Schwäche. 

Aufnahme  am  20.  April  in  höchst  elendem  Zustand 

Starke  Abmagerung  und  Dyspnoe.  Insuffizienz  der  Mitralis 
mit  unregelmassiger  Herztätigkeit. 

Schwangerschaft  im  4.  Monat.  Ausgedehnte  Erosion  an  der 
vorderen  und  hinteren  Lippe.  Die  vordere  Erosion  zeigt  an  einer 
Stelle  speckigen  Glanz  und  scharflinige  Abgrenzung  geeen  das 
Portioepithel.  Keilförmige  Exzisionen.  An  der  hinteren  Lippe 
handeR  es  smh  um  eine  einfache  Erosion;  auf  dem  sagittaleu 
)ui  ehschnitt  durch  die  suspekte  Stelle  des  vorderen  Keils  grenzt 
sich  ein  Abschnitt  der  Schnittfläche  im  Bereich  der  Erosion  etwa 
re  Cm  tl<^  d.urS  ,eiue  blutige  Linie  gegen  das  Zervixgewebe  ab. 
Dieser  Abschnitt  besteht  aus  typischem  Plattenepithelkrebs  mit 
stork  entzündlicher  Reaktionsgrenze  gegen  das  Zervixgewebe  und 
das  plötzlich  absetzende  Plattenepithel  der  Scheide.  Die  Lokali¬ 
sation  spricht  für  einen,  von  einer  im  Bereich  der  Erosion  zurück¬ 
gebliebenen  Plattenepithelinsel  ausgehenden  Krebs. 

Der  Zustand  der  Pat.  gestattete  erst  nach  mehrwöchentlicher 
ei pflegung  eine  Operation.  Exstirpatio  uteri  per  vaginam  ohne 
Schwierigkeiten.  Verschluss  der  Bauchhöhle.  Tod  an  eitriger 
Peritonitis  3  Tage  nach  der  Operation. 

büe  Totalexstirpation  wurde  einer,  bei  der  geringen  Aus¬ 
dehnung  des  Karzinoms  und  dem  Elend  der  Frau  in  Erwägung  "e- 
zogenen  hohen  Zervixamputation  vorgezogen,  um  mit  der  "aus¬ 
giebigeren  Exstirpation  des  Krebses  zugleich  die  drohenden  Ge¬ 
fahren  einer  Geburt  zu  beseitigen. 

Jlb  Rundzellensarkom  des  Ovarium  von  Mannskopfgrösse. 
i  ,.rjS1.star?“t  von  eiuer  23  jährigen  Virgo,  die  seit  %  Jahren  das 
beständige  Wachsen  einer  Geschwulst  im  Leibe  bemerkte.  Regel 
normal.  In  letzter  Zeit  oft  starke  Leibschmerzen.  Nach  der 
Untersuchung,  bei  der  der  Tumor  zu  Unterrichtszwecken,  bei  mit 
einer  Kugelzange  fixiertem  Uterus,  mehrfach  im  Leib  verschoben 
wurde,  trat  eine  _  mehrtägige  Temperatursteigerung  bis  39,2  mit 
c  meizen  im  Leibe  ein.  Den  Grund  dafür  bildeten  Zerreissungen 
vieler  \  erwachsungen  des  Tumors  mit  der  Bauchwand  etc. 

Das  normal  aussehende  linke  Ovarium  wurde  in  Anbetracht 
des  jugendlichen  Alters  der  Pat.  zurückgelassen. 

Diskussion:  Herr  Heim. 

Herr  Graser  macht  hierauf  eingehende  klinische  Mit¬ 
teilungen  aus  dem  Gebiet  der  Gallenblasen-  und  Magenchirurgie. 

Diskussion:  Herren  Penzoldt,  Graser,  Rosen¬ 
thal,  Fuchs,  Schulz. 

Herr  Merkel  demonstriert  als  Sektionsbefund  ein 
kolossales  chronisches  Magengeschwür  mit  Arrosion  der  linken 
Vena  renalis,  wozu  Herr  Trötsch  krankengeschicht- 
liehe  Angaben  macht. 

Das  weit  über  handtellergrosse  Geschwür  zeigt  sich  begrenzt 
nach  hinten  vom  Pankreas  und  dem  retroperitonealen  verdick¬ 
ten  Bindegewebe,  nach  links  von  dem  stark  angefressenen  unteren 
-fol  der  Milz,  nach  unten  von  dem  angelöteten  Kolon  trans- 
ver  sum,  nach  rechts  von  der  ersten  Jejunalschlinge  bezw.  dem 
Endstück  des  Duodenums.  Im  Grunde  des  Geschwürs  findet 
sieh  die  arrodierte  Vena  renalis  sinistra.  Im  Magen 


und  Dünndarm  enorme  Blutmassen;  höchstgradige  Anämie  sämt¬ 
licher  Organe. 


Verein  Freiburger  Aerzte. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  31.  Oktober  1902. 

..  ,  Prof-  Treupel:  2  Demonstrationen  aus  dem  Ge¬ 

biete  der  topographischen.  Perkussion  (Methodik). 

a)  Zur  Grenzbestimmung  der  einzelnen  Organe  ist  es  durch- 

Z  d-f  “üJels  der  Pei'kussiou  festgestellten  Grenzen 

auf  der  Haut  mit  dem  Blaustift  (Anilinstift)  zu  fixieren  Nur 
AVer  es  sich  zur  Regel  macht,  die  gefundenen  Grenzen  auch  jeweils 
anzuzeichnen,  vermag  seine  Perkussionsresultate  zu  kontrollieren. 
Line  solche  Kontrolle  ist  aber  im  Verlaufe  einer  Krankheit  bei 
jeder  Untersuchung  geboten.  So  unbestritten  das  ist,  so  sicher  ist 
auch,  dass  der  Blaustift  häufig  vergessen  oder  verlegt  wird 
Deshalb  schien  es  dem  Vortragenden  ein  glücklicher  Gedanke  zu 
sein  den  Hammer  mit  dem  Blaustift  zu  verbinden.  Einen  solchen 
I  erkussionshammer  hat  der  Vortragende  zum  erstenmal  vor 
Jahresfrist  bei  Herrn  Med.-Iiat  Müller  (Kenzingen)  gesehen, 
der  sich  das  praktische  Instrument  für  seinen  eigenen  Gebrauch 
ionstiuieit  hatte.  Der  Blaustift  ist  in  dem  Hammer- 
s  1 1  e  1  untergebracht  und  somit  auch  mit  dem  Hammer  stets  zur 
stelle.  Am  zweckmässigsten  scheint  dem  Vortragenden  ein  Modell 
zu  sein,  bei  dem  ein  flache  r  Stift  in  den  ausgehöhlten  flachen 
Hammergriff  eingeschoben  ist.  Zum  Gebrauch  wird  der  Stift 
herausgezogen  und  auf  das  proximale  Ende  des  Hammerstiels 
aufgesetzt  oder  für  sich  benutzt. 

t  ,  Im  beigen  kann  der  Hammer  natürlich  jede  der  gebräuch¬ 
lichen  hormen  haben.  Der  Vortragende  glaubt,  das  Instrument 
empfehlen  zu  können  *). 

b)  Der  Vortragende  bespricht  kurz  die  Methode  der  „per¬ 
kutorischen  Transsonan z“.  Die  Methode,  ein  künstlich 
erzeugtes  Geräusch  gleichzeitig  zu  auskultieren  und  die  dabei 
wahrgenommenen  Stärke  und  Charakter  des  Geräusches  zur 
Grenzbestimmung  zu  verwerten,  ist  fast  so  alt,  wie  die 
Perkussion  selbst  (Perkussionsauskultation,  Transsonanz;  Piorry, 
L  aen  n  ec,  Z  ii  1  z  e  r  u.  a.).  Zur  Erzeugung  des  zu  auskultieren- 
den  Geräusches  demonstriert  der  Vortragende  ein  kleines  und 
handliches  zylindrisches  Stäbchen,  in  dessen  Innerem  das 
Geräusch  durch  Auf-  und  Abwärtsbewegung  eines  Kolbens  ent¬ 
steht.  —  Mas  die  Methode  als  solche  angeht,  so  möchte  der  Vor¬ 
tragende  sie  auf  keinen  Fall  höher  stellen,  als  die  Grenzbestim¬ 
mung  mittels  der  gewöhnlichen  einfachen  Perkussion.  Die  Per- 
kussionsauskultatiou  verdient  noch  am  ehesten  versucht  zu  werden 
wenn  es  sich  darum  handelt,  Magen  und  Darm  (speziell  Kolon) 
von  einander  zu  trennen.  Um  dagegen  Herz-,  Leber-,  Milzgrenzen 
zu  bestimmen,  bewährt  sich  am  besten  die  einfache  lege 
«a  r  t  i  s  ausgeführte  Perkussion.  Andrerseits  ist  die 
i  erkussionsauskultation  bei  gleichzeitiger  Stäbchen-Plessi¬ 
meter  p  e  r  k  u  s  s  i  o  n  (Heubner)  bekannt  und  bewährt,  um 
die  metallklangartigen  Erscheinungen  (über  Pneumo¬ 
thorax  und  Kavernen)  zur  besseren  Wahrnehmung  zu  bringen. 
Mit  dieser  Methode  (Stäbcheuplessimeterperkussion  und  gleich¬ 
zeitige  Auksultation)  gelingt  es  häufig,  Magen  und  Darm  von 
einander  abzugrenzen  (Leichtenstern  u.  aj,  indem  man 
die  verschiedene  Höhe  des  Metallklangs  verwertet. 

2.  Herr  Prof.  Treupel:  Zur  Behandlung’  der  Hemi¬ 
plegie. 

Bis  vor  wenigen  Jahren  galt  die  Pyramidenbahn  als  die 
einzige  Himrinden-Rückenmarksbahn  motorischen  Charakters. 
Neuere  Untersuchungen  haben  zur  Erkenntnis  geführt,  dass  es 
ausser  den  Py-Bahnen  noch  andere  motorische  Lei¬ 
tungsbahnen  g'ibt,  die  als  Ersatz  eintreten  können.  Durch 
experimentelle  Forschungen  wurde  ferner  erwiesen,  dass  die 
Gehirnhemisphären  auch  auf  die  gleichseitigen  Körper- 
hälften  einen  motorischen  Einfluss  gewinnen  können.  Mit 
diesen  beiden  Tatsachen  ist  bei  der  Beurteilung  einer  zere¬ 
bralen  Hemiplegie  zunächst  zu  rechnen  und  es  ergeben 
sich  daraus  für  die  Behandlung-  neue  Gesichtspunkte. 

V  ir  wollen  von  den  partiellen  Läsionen  der  inneren 
Kapsel,  die  klinisch  entweder  gar  keine  Erscheinungen  machen 
(N  o  thnage  1)  oder  nur  eine  vorübergehende  Hemiparese  im 
Gefolge  haben,  hier  ganz  absehen.  In  diesen  leichteren  und 
leichtesten  .Fällen  übernehmen  die  intakt  gebliebenen  Fasern  der 
I  j  -Bahn  die  Beitung-  für  die  etwa  zerstörten.  Wir  nehmen  viel¬ 
mehr  für  die  folgende  Betrachtung  an,  es  sei  ein  vollstän¬ 
diger  Ausfall  der  motorischen  Rindenzentren 
einer  Seite  vorhanden  oder  es  sei  die  innere  Kapsel 
vollständig  unterbrochen. 

11  ier  ist  nun  zunächst  möglich,  dass  die  gesunde  Hemi¬ 
sphäre  stellvertretend  eintritt  und  auf  die  gleiche 

*)  Der  Hammer  wird  von  dem  Instrumentenmacher  Rosset 
Freiburg  i.  B„  in  den  Handel  gebracht. 


938  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  46. 


Körperseite  eineu  motorischen  Einfluss  gewinnt  (Morgagni; 
Monakow,  Probst,  Rotlimann  u.  a.).  Diese  Art  der 
Kompensation  scheint  besonders  bei  Rindenlähmung 
(Ausfall  der  motorischen  Zentren  einer  Seite) 
stattzuhaben.  Bemerkenswert  ist  in  dieser  Beziehung  ein 
vielfach  in  der  Literatur  zitierter  Fäll  von  Monakow. 
Bei  einem  12  j  ähr.  Knaben  mit  früh  erworbener  Porenkephalie, 
und  zwar  vollständigem  rechtsseitigem  Defekt  der  Zentral¬ 
windungen,  des  Operculum  und  des  Lobus  paracentralis  und  fast 
vollkommenem  Fehlen  der  zugehörigen  Py-Bahn  bestand  trotz¬ 
dem  nur  leichte  linksseitige  Parese.  Die  Autopsie  ergab  neben 
dem  fast  vollständigen  Schwund  der  rechten  Py.  eine  kompen¬ 
satorisch  mächtige  Entwicklung  der  linken. 

In  solchen  Fällen  werden  die  motorischen  Impulse,  wie 
auch  experimentell  erwiesen  ist,  durch  die  gleichseitige 
Py  - Vorder  strangbahn  bezw.  durch  die  vordere 
Rückenmarkskommissur  übertragen.  —  Andrerseits 
ist  durch  V ersuche  von  v.  Bechterew  u.  a.  an  Alfen,  durch 
H.  Munk,  Gaule  u.  a.  gezeigt  worden,  dass  eine  Neu¬ 
bildung  der  motorischen  Zentra  erfolgen  kann  und  dass 
jedenfalls  die  subkortikalen  grossen  Gehirn- 
ganglien  (Sehhiigel,  Vierhügel)  zur  selbstän¬ 
digen  Innervationsbetätigung  gebracht  wer¬ 
den  können.  Durch  Vermittlung  dieser  subkortikalen  Ge¬ 
hirnganglien  können  ferner,  falls  die  innere  Kapsel 
einer  Seite  vollständig  unterbrochen  ist, 
hauptsächlich  folgende  motorischen  Ersatz  bahnen 
einspringen : 

1.  Hirnrinde — Sehhiigel — Vierhügel — Monakowsche  Seiten- 
strangbündel.  Diese  letzteren  gehen  dann  vom  roten  Kern  der 
vorderen  Vierhügelgegend  aus  und  verlaufen  nach  Kreuzung  im 
ventralen  Haubenteil  durch  die  Seitenteile  der  Brücke  und  die 
Medulla  oblongata  zum  Rückenmark,  wo  sie  im  Rückenmark¬ 
seitenstrang  ventral  von  der  Py-Seitenstrangbahn  sich  bis  ins 
Sakralmark  verfolgen  lassen. 

2.  Hi  rnrinde — Sehliügel  —  V  ierhügel — V  orderstrangbahnen 
(Probst  u.  a.).  Damit  wird  die  getroffene  innere  Kapsel  und 
die  Pyramidenseitenstrangbahn  vollständig  vermieden.  Ausser 
den  beiden  Hauptersatzbahnen  gibt  es  noch  andere  Verbindungs¬ 
wege,  z.  B.  Hirnrinde — Linsenkern-  und  Hirnrinde — Schweif¬ 
kernfasern,  Balken  weg  u.  s.  w.,  die  in  Betracht  kommen  könnten. 
Die  obengenannten  sind  aber  jedenfalls  die  wichtigsten. 

Neuerdings  hat  —  und  das  ist  ein  weiteres  Moment,  das 
mit  zu  beachten  ist  —  Munch-Petersen  wahrscheinlich  zu 
machen  gesucht,  dass  das  Zentrum  der  Ilautreflex- 
bahn  in  der  Grosshirnrinde  liegt. 

Alle  diese  neuen  Tatsachen  und  Anschauungen  lassen  sich 
für  die  Behandlung  schwerer  Hemiplegien  verwerten. 
Setzen  wir  z.  B.  den  Fall  einer  vollständigen  rechts¬ 
seitigen  Hemiplegie  durch  Zerstörung  der  linken  inneren  Kapsel. 
Wir  fordern  jetzt  den  Kranken  auf,  die  rechte  gelähmte  Hand 
der  unsrigen,  die  sich  ihm  entgegenstreckt,  zu  reichen.  Diese 
Aufforderung  gelangt  auf  dem  Wege  des  Gehörs  in  die  Hör¬ 
sphäre  des  Schläfenlappens,  auf  dem  Wege  des  Gesichts  in  die 
Sehsphäre  des  Hinterhauptlappens.  Von  hier  wandert  auf  be¬ 
sonderen  Bahnen  (Assoziationssystem)  die  Erregung  zum  Arm- 
zentrum  in  der  Zentralwindung.  Es  wird  ein  Innervationsimpuls 
ausgelöst,  der  in  der  Py-Bahn  bis  zur  inneren  Kapsel  gelangt, 
hier  aber  an  der  Läsionsstelle  liegen  bleibt.  Man  kann  sich  nun 
vorstellen,  dass  es  durch  immer  wiederholte  Aufforderung  und 
Summation  der  Reize  in  der  Hirnrinde  gleichsam  zu  einer  Ueber- 
ladung  kommt,  die  sich  schliesslich  durch  Entladung  auf  einem 
Wege  ausserhalb  der  inneren  Kapsel  Bahn  bricht.  Dieser 
Weg  ist  nun  vor  allem  die  Rinden-Sehhüg  elbahn. 
Durch  ein  eigenes  Assoziationssystem  steht  der  Sehhügel  über¬ 
dies  in  direkter  Verbindung  mit  der  Sehsphäre  im  Hinterhaupt¬ 
lappen  und  die  neuesten  Untersuchungen  (II.  Schütz)  haben 
ein  motorisches  Stabkranzsystem  gezeigt,  das  von  den  bekannten 
Zentren  des  Optikus,  Akustikus,  Olfaktorius  und  der  Gefühls¬ 
empfindung  ausgeht. 

Es  kommt  also  vor  allem  darauf  an,  durch  Anwendung 
geeigneter  Reize  und  tägliche  Wiederholung 
dieser  Reize  allmählich  eine  der  obengenannten  Ersatzbahn¬ 
linien,  die  alle  die  innere  Kapsel  umgehen,  für  den  Willensimpuls 
gangbar  zu  machen.  Solche  Reize  sind  die  Aufforderung,  vor- 


gemachte Bewegungen  willkürlich  nachzuahmen  (Imitations¬ 
übungen),  Auslösung  der  Hautreflexe,  wenn  sie 
überhaupt  ausgelöst  werden  können,  elektrische  Reize 
u.  s.  w. 

Um  die  Eigenschwere  der  Glieder  möglichst  auszuschalten, 
lässt  man  zweckmässig  die  Bewegungsversuche  im  Bad  vor¬ 
nehmen.  Die  Bewegungen  (passive  wie  aktive)  müssen  metho¬ 
disch  gemacht  werden  und  die  Aufforderung  zu  aktiver  Be¬ 
wegung  muss  bestimmt  gegeben  werden.  Durch  Auslösung  von 
Reflexbewegungen  in  dem  gelähmten  Gliede,  durch  geeignete 
Anwendung  des  elektrischen  Stromes  zeigt  man  dem  Kranken, 
dass  sich  die  Muskeln  des  gelähmten  Gliedes  noch  bewegen  kön¬ 
nen,  damit  er  Hoffnung  und  Vertrauen  bekommt.  Denn  diese 
ganze  Behandlungsart,  die  sich  über  längere  Zeiträume  erstrecken 
muss,  erfordert  vor  allem  Geduld,  Verständnis  für  das,  was  er¬ 
reicht  werden  soll,  und  Ausdauer  von  seiten  des  Patienten.  Die 
passiven  Bewegungen  wiederholt  man  auch  bei  geschlossenen 
Augen  des  Patienten,  um  sein  Gedächtnis  für  die  jeweilige 
Bewegung  aufzufrischen.  Die  aktiven  Bewegungen  lässt  man 
schliesslich  gegen  einen  jeweils  abzustufenden  Widerstand  aus¬ 
führen.  Zweckmässig  ist  es  auch,  synergische  Bewegung  mit 
beiden  Extremitäten  vorzunehmen.  Sobald  die  Bewegungen 
einigermasson  geraten,  geht  man,  um  die  Koordinationsbahnen 
noch  weiter  einzufahren,  zu  den  Verrichtungen  des  täglichen 
Lebens  über  (Waschen,  Kämmen,  Ankleiden). 

Auch  die  motorische  Aphasie,  wobei  nur  die  Worte, 
nicht  die  Begriffe  fehlen,  ist  einer  solchen  Uebungstherapie  zu¬ 
gänglich.  Hierbei,  wie  auch  bei  den  F azialisparesen,  lässt  man 
die  Uebungen  vor  dem  Spiegel  machen.  Alle  die  geschilderten 
Hebungen  sollen  mehrmals  im  Tage,  jeweils  aber  nur  kurze  Zeit 
vorgenommen  werden.  Dazwischen  grosse  Erholungspausen. 

Der  Zeitpunkt,  wann  man  überhaupt  mit  den  Uebungen 
beginnen  soll,  ist  schwankend  je  nach  der  Schwere  der  Be¬ 
gleiterscheinungen.  Im  allgemeinen  soll  man  nicht  zu  lange 
damit  warten:  etwa  am  4.  Tage,  nachdem  das  Sensorium  wieder¬ 
gekehrt  ist,  beginne  man,  zunächst  nur  ganz  kurz  und  zart  mit 
passiven  Bewegungen,  Auslösung  von  Reflexen  und  Anwendung 
der  Elektrizität.  Fängt  dann  der  Kranke  mit  eigenen  Be¬ 
wegungsversuchen  an,  so  lasse  man  sich  nicht  durch  anfäng¬ 
liche  Misserfolge  abschrecken.  Andrerseits  darf  man 
auch  nicht  erwarten,  dass  ein  Hemiplegiker  nach  einigen  Wochen 
wie  ein  Gesunder  davonspringen  kann.  Davon  ist  keine  Rede. 
Aber  wenn  man  bedenkt,  dass  der  erfahrene  Cliarcot  vor 
25  Jahren  noch  den  Satz  auf  stellen  konnte,  „bei  einem  Herd 
in  der  inneren  Kapsel  bleibt,  sofern  der  Kranke  überhaupt  mit 
dem  Leben  davon  kommt,  stets  eine  Lähmung  mit  unheilbarer 
Kontraktur  zurück“,  so  wird  man  die  verhältnismässig  g-uten 
Resultate,  die  sich  heute  bei  Anwendung  der  beschriebenen 
Massnahmen  allermeist  erreichen  lassen,  wohl  zu  würdigen 
wissen  (Rotlimann,  Kohnstamm,  P.  Lazarus  u.  a.). 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  30.  September  1902. 

Vorsitzender :  Herr  F  raenkel. 

Schriftführer :  Herr  Otto. 

Herr  Fraenkel:  M.  H. !  Ehe  wir  unsere  gewohnte  Arbeit 
wieder  aufnehmen,  ist  es  mir  ein  tief  empfündenes  Herzens¬ 
bedürfnis,  dem,  wie  ich  annehme,  auch  Ihnen  allen  innewohnen¬ 
den  Schmerz  Ausdruck  zu  verleihen  über  den  Verlust,  welchen 
nicht  nur  wir  Aerzte  dieser,  rein  wissenschaftliche  Zwecke  ver¬ 
folgenden  Vereinigung  und  nicht  nur  die  gesamte  Aerzteschaft 
Hamburgs,  sondern  mit  uns  die  Mediziner  aller  Kulturstaaten 
durch  das  am  5.  d.  Mts.  erfolgte  Ableben  Rud.  Virchows 
erlitten  haben.  Es  wäre  vermessen  von  mir  und  würde  mir 
schlecht  anstelien,  wenn  ich  von  dieser  Stelle  aus  auf  eine  Wür¬ 
digung  der  unsterblichen  Verdienste  Rud.  Virchows  um  die 
medizinische  Wissenschaft  eingehen  wollte.  Die  weltumspannende 
Trauer,  welche  bei  dem  Tode  dieses  Geistesheroen  so  offenkundig 
zu  Tage  getreten  ist,  legt  beredtes  Zeugnis  ab  von  der  Unermess- 
lichkeit  und  Unersetzlichkeit  des  Verlustes,  den  sein  Heimgang 
für  uns  alle  bedeutet.  Und  in  der  Tat,  unübertroffen,  ja  uner¬ 
reicht  stand  er  da  durch  die  Tiefe  und  Universalität  seines 
Wissens.  Solange  die  Menschheit  von  Krankheiten  befallen  und 


18.  November  1902. 


MTTEN CIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


solange  wissenschaftliche  Medizin  gelehrt  werden  wird,  wird  sein 
Flame  weithin  strahlenden  Glanz  verbreiten  wie  zu  Lebzeiten 
des  Trägers..  Denn  picht  gering  ist  die  Zahl  der  Krankheiten, 
die  Rud.  Virchow  entdeckt,  grösser  noch  die  Zahl  derer,  die 
er  unserem  Verständnis  näher  gerückt  hat.  Unauslöschlichen 
Dank  schuldet  ihm  jeder  einzelne  von  uns,  denn  wir  alle  stehen 
im  Banne  und  unter  dem  Einfluss  seiner  Lehren,  welche  be¬ 
fruchtend  auf  alle  Zweige  der  medizinischen  Wissenschaft  ge¬ 
wirkt  habeii.  So  wird  er  fortleben  in  unser  aller  Herzen  als 
unerreichtes  Vorbild  eines  idealen  Forschers,  welcher  furchtlos 
und  unentwegt  für  die  Freiheit  unserer  Wissenschaft  und  un¬ 
seres  Berufes  gekämpft  und  der  Medizin  des  19.  Jahrhunderts 
den  Stempel  aufgedrückt  hat. 

Ich  bitte  Sie,  sich  zu  Ehren  des  Andenkens  des  grossen 
Toten  von  Ihren  Plätzen  zu  erheben.  (Geschieht.) 

Herr  Petersen:  Mikroskopische  Demonstration  der  Glan¬ 
dula  parathyreoidea  (Epithelkörperchen)  des  Menschen. 

Einleitend  berührt  Vortragender  kurz  die  Literatur  des  Organs 
und  die  Tierversuche,  durch  die  die  funktionelle  Bedeutung  der 
Drüse  festgestellt  sei. 

An  der  Hand  der  mikroskopischen  Präparate  bespricht  er  die 
Anatomie  des  konstant  und  paarig  am  hinteren  Rand  der  seitlichen 
Schilddrüsenlappen  auftretenden  Organs. 

Nach  der  Lage  desselben  unterscheide  man  „innere  Epithel¬ 
körperchen“.  die  im  Parenchym  der  Schilddrüse  liegen,  und  „äus¬ 
sere  Epithelkörperchen“,  die  wiederum  innerhalb  der  Schilddrüsen¬ 
kapsel  und  ausserhalb  derselben  liegen  können.  Weiterhin  weist 
Vortragender  auf  die  epitheliale  Beschaffenheit  und  auf  die  An¬ 
ordnung  und  die  verschiedenen  Arten  der  Epithelzellen  des  Organs 
hin  und  glaubt  daraus  den  drüsigen  Charakter  der  Glandula  para¬ 
thyreoidea  ableiten  zu  können. 

Herr  Simmonds  demonstriert  einen  Magen  mit  gleich¬ 
zeitiger  krebsiger  Striktur  der  Kardia  und  des  Pylorus. 

Bei  dem  43  jährigen  Manne  sollte  wegen  Oesophagusverenge- 
rung  eine  Magenfistel  angelegt  werden.  Hierbei  fand  sich  der 
Magen  sehr  weit  und  ein  zweiter  Tumor  am  Pylorus,  so  dass  eine 
Duodenalfistel  zur  Nahrungsaufnahme  notwendig  wurde.  Bei  der 
Sektion  fand  sich  einmal  eine  krebsige  Striktur  des  untersten 
Teils  des  Oesophagus  und  der  Kardia.  Der  Magen  selbst  war  weit, 
dünnwandig.  Am  Pylorus  fand  sich  ein  zweites,  ringförmiges, 
strikturierendes  Karzinom.  Beide  Krebse  waren  Plattenepithel¬ 
krebse  und  da  der  Kardiakrebs  als  der  primäre  aufzufassen  wai\ 
lagen  zwei  Möglichkeiten  vor.  Es  handelte  sich  entweder  um 
Verschleppung  der  Kerne  durch  Implantation  in  die  Schleimhaut 
des  Pylorus  oder  um  Transport  durch  Lymphbahnen.  Dass  Krebs¬ 
keime  durch  Verschlucken  in  den  Digestionswegen  verbreitet  wer¬ 
den  können,  sieht  man  gelegentlich  bei  dem  Auftreten  sekundärer 
Tumoren  im  unteren  Teil  der  Speiseröhre  und  im  Magen  neben 
zerfallenden  Krebsen  des  Gesichts,  Mundes  und  Rachens.  In 
diesem  Falle  war  der  Transport  indes  durch  die  Lymphbahnen 
erfolgt,  die  «als  ganz  feine  Fäden  auf  der  Serosa  der  kleinen  Kur¬ 
vatur  zu  verfolgen  waren.  Auch  mikroskopisch  Hessen  sich 
Krebselemente  in  den  scheinbar  intakten  Abschnitten  der  Magen- 
wandung  nachweisen. 

Herr  Weich  a.  rdt  hält  seinen  angekündigten  Vortrag: 
lieber  Zellgifte  und  Schutzeinrichtungen  des  Organismus.  (Der 
Vortrag  ist  in  No.  44  d.  Wochensehr,  erschienen. 

Diskussion:  Herr  Pappenheim  fi*agt,  ob  Aussicht 
vorhanden  ist,  dass  gegen  das  Karzinom  ein  Antitoxin  hergestellt 
werden  könne,  ferner  ob  die  Herstellung  eines  die  Konzeption  ver¬ 
hindernden  Spermatotoxins  möglich  sei. 

Herr  W  e  i  c  h  a  r  d  t  hält  die  Herstellung  solcher  Antitoxine 
zwar  nicht  für  ausgeschlossen,  doch  seien  die  Aussichten  dafür 
gering. 

Herr  Fraenkel:  Untergang  von  Karzinomzellen  durch  re¬ 
gressive  Metamorphose  kommt  an  vielen  Karzinomen  vor,  d.  h. 
also  eine  herdweise  spontane  Rückbildung.  Niemals  ist  dieser 
Vorgang  aber  so  ausgedehnt,  dass  man  von  einer  Heilung  der 
betreffenden  Krebse  sprechen  könne. 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  29.  Juli  1902. 

1.  Herr  Sack:  Demonstration  zweier  Fälle  von  Lupus. 

Diskussion:  Herren  Petersen,  Völker,  Sack. 

2.  Herr  G  i  e  r  k  e :  Ueber  Knochentumoren  mit  Schild¬ 
drüsenbau. 

Ausgehend  von  2  demonstrierten  Fällen  typischer  Kom¬ 
pressionsmyelitis,  die  durch  Wirbel  tumoren  mit  dem  aus¬ 
gesprochenen  Baue  einer  Struma  colloides  verursacht  waren,  bei 
denen  die  Schilddrüse  ohne  klinische  oder  anatomische  Maligni¬ 
tät  war  (in  dem  einen  Falle  unverdächtige  strumöse  Vergrösse- 
rung,  in  dem  anderen  normale  Grösse,  mikroskopisch  leichte 


1939 


interfollikuläre  Wucherung  und  ein  kleiner  Adenomknoten),  be¬ 
spricht  Vortragender  ähnliche  Fälle  aus  der  Literatur,  die  mit 
den  verschiedensten  Auffassungen  über  Wesen  und  Genese  ver¬ 
öffentlicht  sind.  Da  derartige  Geschwülste  auch  als  Lymphangio- 
sarkome  oder  dergleichen  beschrieben  sind,  hat  Vortragender 
als  Stütze  für  ihre  Schilddrüsennatur  in  beiden  Fällen  mit  posi¬ 
tivem  Erfolge  den  chemischen  Jodnachweis  geführt.  Der  am 
häufigsten  vertretenen  Auffassung  dieser  Knochentumoren  als 
Metastasen'  eines  nach  Wachstum  und  Bau  latenten  Schilddrüsen¬ 
karzinoms  stellten  sich  derartige  Schwierigkeiten  entgegen,  dass 
Vortragender  sie  für  sehr  unwahrscheinlich  hält,  da  die  Er¬ 
fahrungen  sowohl  bei  echten  Schilddrüsenkarzinomen  wie  bei 
allen  übrigen  malignen  Tumoren  mit  ihrer  Verbreitungsweise 
nicht  übereinstimmen.  Und  als  maligne  sind  diese  Geschwülste 
trotz  ihres  anscheinend  benignen  Baues  zu  betrachten,  da  die 
wesentlichsten  Kriterien  der  Malignität,  das  destruierende 
Wachstum  und  die  Metastasenbildung  ihnen  innewohnen.  Ihre 
Sonderbarkeiten  würden  am  besten  durch  ein  Malignewerden 
von  Schilddrüsenzellen,  die  in  den  Knochen  gelangt  sind,  erklärt. 
Da  dieses  Hineingelangen  durch  Keimversprengung  aus- 
zuschliessen  ist,  unterzieht  Vortragender  die  Möglichkeit  eines 
sekundären  Malignewerdens  von  durch  den  Säftestrom  ver¬ 
schleppten  Schilddrüsen-  oder  Strumazellen  einer  Kritik  und 
kommt  zu  dem  Resultat,  dass  die  Tatsachen  der  Parenchymzellen¬ 
embolie  einerseits,  der  gelungenen  Transplantationen  andererseits 
diese  Möglichkeit  nicht  als  ausgeschlossen  erscheinen  lassen,  ob¬ 
wohl  ein  direkter  Beweis  dafür  nicht  erbracht  ist  und  auch 
schwer  zu  erbringen  sein  wird.  (Erscheint  ausführlich  in 
Virchows  Archiv.) 

3.  Herr  W.  Hoffman  n:  Zur  Tuberkuloseverbreitung  in 
Baden. 

Gestützt  auf  ein  umfangreiches  statistisches  Material  gibt 
Referent  ein  Bild  von  der  Verbreitung  der  Tuberkulose  in  den 
Amtsbezirken  Badens  und  deren  ätiologischen  Momenten  und  ge¬ 
langt  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Mit  zunehmender  Erhebung  über  den  Meeresspiegel  sinkt 
die  Tuberkulosemortalität  der  Bewohner.  Dieses  Absinken  wird 
gesteigert:  a)  durch  den  häufigeren  Betrieb  von  Landwirthschaft 
in  grösserer  Höhe;  b)  vielleicht  durch  geringere  Volksdichte; 
e)  durch  im  einzelnen  nicht  eliminierbare  Faktoren,  die  mit  dem 
geographischen  Höhenbegriff  in  direktem  Zusammenhang  stehen, 
über  deren  Art  aber  noch  zu  wenig  bekannt  ist. 

2.  Für  den  Einfluss  bestimmter  Berufsarten  auf  die  Schwind¬ 
suchtsmortalität  der  Gesamtbevölkerung  kommt  in  Betracht: 
a)  ihi’e  prozentuarische  Beteiligung  an  der  Zusammensetzung  der 
Bevölkerung ;  b)  die  Zusammensetzung  der  betr.  Berufsart  aus 
Erwerbstätigen  —  wobei  eine  ausgedehnte  Erwerbstätigkeit  der 
Frauen  im  allgemeinen  einen  Nachteil  bedeutet  —  und  nicht  im 
Beruf  beschäftigten  Angehörigen;  c)  Schädigung  durch  den  Be¬ 
ruf  oder  vermehrte  Infektionsgefahr  auf  dem  Arbeitsplatz.  — • 
Im  Allgemeinen  zeigt  sich  Zunahme  der  Tuberkulosemortalität 
mit  Zunahme  der  Industrie  und  mit  Abnahme  der  Landwirt¬ 
schaft. 

3.  Kein  Einfluss  konnte  auf  statistischem  Wege  nach¬ 
gewiesen  werden  für  Armut,  Ernährungsweise,  Alkoholkonsum. 
Doch  ist  hier  noch  eine  Kontrolle  der  verwandten  Zahlen  im 
Detail  abzuwarten. 

4.  Ein  Gegensatz  in  der  geographischen  Verbreitung  besteht 
zwischen  Krebs  und  Tuberkulose,  indem  sich  letztere  in  Nord¬ 
baden  zu  hohen  Mortalitätszahlen  aufschwingt,  während  der 
Krebs  in  Süden  bedeutendere  Zahlen  erreicht. 

5.  Ein  Einfluss  einer  verschiedenen  Stammesdisposition  ist 
wahrscheinlich,  doch  exakt  einstweilen  noch  nicht  nachzuweisen. 

(Die  Arbeit  wird  ausführlich  publiziert  werden.) 

Diskussion:  Herren  W  i  1  s  e  r,  Hoffman  n. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(OffizieUes  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Oktober  1902. 

Prof.  Dr.  Bollinger:  Heber  einen  seltenen  Fall  von 
Akt.inomykose  des  Knochens.  (Wird  später  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  veröffentlicht.) 

Als  Ergänzung  des  pathologisch-anatomischen  Befundes  gibt 
Herr  C.  S  e  y  d  e  1  folgende  Daten  aus  dem  Verlaufe  der  Erkran¬ 
kung: 


1940 


No.  46. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Der  nunmehr  06  Jahre  alte  Herr  erlitt  im  Alter  von  11  Jahren 
einen  Hieb  mit  einer  Hake  auf  den  linken  Fuss.  Es  entstand  eine 
Wunde,  welche  3  Wochen  eiterte.  Nun  kommt  eine  Pause  von  fast 
50  Jahren,  während  welcher  Patient  Cholera,  Wechselfieber, 
Typhus,  Brustfellentzündung  und  eine  Gelbsucht  durchmachte. 
Das  Leiden  am  Fuss  nahm  vor  10  Jahren  wieder  seinen  Anfang 
unter  den  Erscheinungen  von  Gicht  im  Lisfranc-  und  Clio- 
p  a  r  t  sehen  Gelenk  mit  bedeutender  Beteiligung  der  Venen  am 
Fussriieken.  Später  konnte  man  eine  Verdickung  der  Mittelf uss- 
knochen  und  eine  Diastase  derselben  konstatieren.  Der  betr. 
Herr  konsultierte  eine  Reihe  hiesiger  Aerzte  und  ich  glaube  fast 
alle  hiesigen  Chirurgen.  Es  wurde  chronische  infektiöse  Osteo¬ 
myelitis,  Tuberkulose  der  Knochen  und  auch  Syphilis  diagnosti¬ 
ziert.  Der  Umfang  des  Fusses  und  damit  die  Schmerzhaftigkeit 
nahm  immer  mehr  zu.  An  mehreren  Stellen  brach  am  Fuss- 
rücken  der  Fuss  auf,  es  entleerten  sich  einige  Tropfen  blutig¬ 
eitriger  Flüssigkeit,  dann  schloss  sich  die  Wunde  wieder  mit 
Hinterlassung  von  livide  verfärbten  Narben. 

Die  Amputation,  welche  dem  Patienten  schon  Jahre  lang  von 
den  verschiedensten  Seiten  vorgeschlagen  war,  wurde  erst  zu¬ 
gegeben,  als  es  dem  Patienten  unmöglich  wurde,  den  Fuss  über¬ 
haupt  noch  irgendwie  zu  gebrauchen. 

Die  Operation  wurde  mit  Lappenschnitt  gemacht  und  verlief 
der  Heilungsprozess  ohne  irgend  welche  Komplikation. 

Sie  alle,  m.  H.,  können  sich  unser  Erstaunen  denken,  als  mir 
Herr  Prof.  Bollinger  die  Güte  hatte  mitzuteilen,  dass  es  sich 
um  Aktinomykose  handle. 

Herr  Fr.  Lange:  Ueber  Plattfussbeschwerden.  (Mit 
Demonstration  von  neuen  Einlagen.) 

Der  Vortrag  erscheint  später  in  extenso  in  dieser  Wochen¬ 
schrift.  Eine  Diskussion  fand  nicht  statt. 

Die  durch  den  Vorsitzenden  neuerdings  angeregte  Frage  der 
Gründung  eines  Pettenkof  er  -  Hauses  wurde  lebhaft  auf¬ 
genommen  und  zunächst  einstimmig  beschlossen,  dass  der  ärzt¬ 
liche  Verein  dem  Projekte  näher  treten  wolle.  Zunächst  wurde 
zur  Einleitung  praktischer  Schritte  eine  Kommission  eingesetzt. 

Schliesslich  sprach  Herr  Hecker  über  die  sogen.  Ab¬ 
härtung  der  Kinder. 

Der  Vortrag  ist  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer  abgedruckt. 

l'm  übrigen  war  die  Sitzung  durch  Interna  des  Vereines 
(Ernennung  neuer  Ehren-  und  korrespondierender  Mitglieder, 
Neuwahl  des  Vorstandes)  beansprucht. 


Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physiologie  in 

München. 

Herr  R.  Schneider:  Ueber  die  bakterizide  Wirkung 
des  Blutserums  bei  der  Phosphorvergiftung.  (Auszug  aus  einem 
Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  vom  4.  Februar  1902.) 

M.  II. !  In  ihrer  vierten  Mitteilung  „über  Hämolysine“  ') 
führen  P.  E.  Ehrlich  und  Mo  r  genrot  h  die  interessante 
Tatsache  an,  dass  das  Blutserum  von  Kaninchen,  welche  mit 
Phosphor  vergiftet  wurden,  seine  bisher  bestehende  Lösungskraft 
für  Meerschweinchenblutkörperchen  verliere,  es  sich  also  wie 
ein  durch  Erwärmen  auf  55  0  inaktiviertes  Serum  verhalte. 
Diese  Beobachtung,  welche  obige  Autoren  auf  eine  Schädigung 
der  das  Komplement,  d.  i.  das  Alexin  liefernden  Zellgebiete 
durch  den  Phosphor  zurückzuführen  geneigt  sind,  unterzog  ich 
einer  nochmaligen  Prüfung  und  versuchte  festzustellen,  ob  bei 
der  durch  Büchner  nachgewiesenen  Identität  der  globuli- 
ziden  und  bakteriziden  Aktion  des  Blutserums  auch  die  bak¬ 
terizide  Wirksamkeit  unter  dem  Einfluss  der  Phosphorvergiftung 
eine  Veränderung  erfahre. 

Zu  den  Versuchen  wurden  möglichst  kräftige  Kaninchen 
verwendet.  Der  Phosphor  wurde  den  Tieren,  in  Oleum  olivarum 
gelöst,  in  Dosen  von  0,002 — 0,01  g  per  os  gegeben.  Die  Em¬ 
pfindlichkeit  der  Kaninchen  dem  Phosphor  gegenüber  ist  sehr 
verschieden;  während  die  einen  erst  nach  relativ  grossen  Gaben 
der  Vergiftung  erlagen,  verursachte  bei  anderen  eine  kleine 
Menge  bald  heftige  Krankheitssymptome  und  den  Tod. 

Bei  dem  ersten  Versuche  erhielt  ein  Kaninchen  an  4  auf¬ 
einanderfolgenden  Tagen  je  0,0055  g  Phosphor,  am  5.  Tage 
wurde  ihm  Blut  entzogen  und  sein  Serum  auf  seine  globulizide 
und  bakterizide  Wirksamkeit  geprüft.  Es  konnte  zunächst  in 
TJebereinstimmung  mit  obigen  Autoren  konstatiert  werden,  dass 
das  Serum  seine  vorher  bestehende  kräftige,  auflösende  Wirk¬ 
samkeit  auf  Meerschweinchenblutkörperchen  verloren  hatte. 
Ebenso  war  auch  die  bakterizide  Aktion  aufgehoben,  die  Bak¬ 
terien  vermehrten  sich  in  dem  aktiven  Serum  des  vergifteten 


Tieres  in  gleicher  Weise,  wie  in  dem  inaktivierten  Serum,  das  vor 
der  Phosphorverabreichung  gewonnen  war.  Nachdem  dasselbe  Tier 
hierauf  7  Tage  keinen  Phosphor  erhalten  hatte,  wurde  mit  seinem 
Blutserum  wieder  ein  globulizider  und  bakterizider  Versuch  an¬ 
gestellt,  und  es  zeigte  sich,  dass  die  Alexinwirkung  so  gut  wie 
ganz  wieder  vorhanden  war.  Alsdann  wurde  bei  dem  Tiere  nach 
weiterer  7  tägiger  Phosphorapplikation  eine  letzte  Blutentziehung 
vorgenommen  uud  der  Wiederverlust  der  aktiven  Eigenschaften 
festgestellt.  Es  wurde  der  Versuch  an  einer  Reihe  Kaninchen 
wiederholt,  doch  gelang  es  nie  wieder,  in  so  eklatanter  Weise  die 
Aufhebung  der  Wirksamkeit  des  Blutserums  zu  erzielen.  Hie 
und  da  war  eine  Verlangsamung  der  Hämolyse  nicht  zu  ver¬ 
kennen,  eine  deutliche  Beeinträchtigung  der  bakteriziden  Wir¬ 
kung  trat  nicht  mehr  zu  Tage.  Es  wurden  Tiere  genau  nach  der 
Angabe  von  Ehrlich  und  Morgenroth  mit  einer  solchen 
Dosis  vergiftet,  dass  sie  nach  3  Tagen  zu  Grunde  gingen,  bei 
anderen  wurde  durch  kleinere  Mengen  ein  langsamerer  Verlauf 
der  Vergiftung  bewerkstelligt,  die  Zeit  der  Blutentnahme  wurde 
variiert,  ohne  dass  ein  zweitesinal  das  Pehlen  des  Alexius  zu 
beobachten  war. 

Bei  allen  vergifteten  Tieren  fiel  eine  Verlangsamung  der 
Gerinnung  des  Blutes  auf  und  die  Sektion  ergab  das  typische 
Bild  der  Phosphorvergiftung.  Als  einziger  Unterschied  zwischen 
dem  Blut,  das  trotz  der  Phosphorgaben  globulizid  und  bakterizid 
blieb,  und  demjenigen  des  ersten  Versuchstieres  fiel  die  Ver¬ 
schiedenheit  der  Farbe  des  Serums  auf.  Das  Serum,  welches 
seine  Wirksamkeit  verloren  hatte,  war  leicht  grünlich  gefärbt 
und  gab  Gallenfarbstoffreaktion.  Dieser  Umstand  liess  den  Ge¬ 
danken  auf  kommen,  dass  das  Vorhandensein  von  Galle  im  Blute 
das  die  Aktion  des  Serums  hemmende  Moment  bilde. 

Es  wurde  daher  zu  dem  Serum  eines  vergifteten  Tieres, 
welches  vor  und  nach  der  Phosphorverabreichung  kräftige  Alexin- 
wirkung  zeigte,  soviel  von  der  steril  entnommenen  Galle  zugesetzt, 
bis  die  grünlich-gelbe  Nuance  jenes  unwirksam  gewordenen 
Serums  ereicht  war.  Hierdurch  hatte  das  Serum  seine  Fähig¬ 
keit,  globulizid  und  bakterizid  zu  wirken,  fast  gänzlich  eingebüsst. 
Weitere  Versuche,  bei  denen  normales  Kaninchenserum  mit 
normaler  Kaninchengalle  versetzt  wurde,  Hessen  den  gleichen 
Einfluss  der  Galle  auf  die  Wirksamkeit  des  Alexius  erkennen. 
Wie  beim  Kaninchenserum  wirkt  auch  beim  Hunde-  und  Rinder¬ 
serum  Gallenzusatz  hemmend  auf  die  Entfaltung  der  globuli- 
ziden  und  bakteriziden  Aktion.  Während  nun  die  Paralysierung 
der  bakteriziden  Kraft  des  Serums  durch  entsprechende  Mengen 
von  zugesetzter  Galle  eine  totale  ist,  gelang  dies  hinsichtlich 
der  globuliziden  nur  teilweise.  Bis  zu  einem  gewissen  Mischungs¬ 
verhältnis  wirkt  die  Galle  hemmend  auf  die  Hämolyse;  wird 
dann  noch  mehr  Galle  hinzugesetzt,  so  begünstigt  diese,  welche 
für  sich  allein  ein  kräftiges,  Blutkörperchen  auf  lösendes  Mittel 
ist,  die  Hämolyse.  Um  eine  etwaige  anti fermentative  Wirkung 
der  Galle  auf  das  Alexin  ausschliessen  zu  können,  wurde  bei 
einer  Anzahl  Versuche  die  Galle  vorher  eine  Stunde  lang  auf 
57  0  erwärmt,  doch  liess  sich  auch  so  ihr  paralysierender  Ein¬ 
fluss  erkennen. 

Fasst  man  das  Resultat  der  mitgeteilten  Versuche  zusammen, 
so  ergibt  sich  folgendes :  Bei  mit  Phosphor  vergifteten  Kaninchen 
kann  ebenso  wie  die  globulizide  auch  die  bakterizide  Wirksam¬ 
keit  des  Serums  herabgesetzt  oder  aufgehoben  sein;  in  der  Regel 
ist  es  jedoch  nicht  der  Fall.  Wenn  auch  nicht  behauptet  werden 
soll,  dass  der  Uebertritt  von  Galle  in  das  Blut  die  alleinige  Ur¬ 
sache  für  die  Herabsetzung  der  Wirksamkeit  des  Serums  —  da, 
wo  diese  bei  Phosphorverg-iftung  auftritt  —  ist,  so  spielt  er 
jedenfalls  eine  wichtige  Rolle  dabei.  Die  .Galle  gesunder  Ka- 
niuchen,  Hunde  und  Rinder,  zu  ihrem  Serum  hinzugefügt,  hemmt 
die  globulizide  und  bakterizide  Wirksamkeit  desselben.  Die  Tat¬ 
sache,  dass  bei  der  Phosphorvergiftung  und  bei  Zusatz  von  Galle 
zu  normalem  Serum  die  Aktivität  des  Blutes  in  gleicher  Weise 
beeinflusst  werden,  ist  ein  neuer  Beweis  für  die  Identität  der¬ 
selben. 

Ist  es  erlaubt,  von  diesen  Experimenten  am  Tiere  auf  die 
Verhältnisse  beim  Menschen  zu  schliessen,  so  würde  eine  Er¬ 
klärung  dafür  gegeben  sein,  warum  der  durch  den  Uebertritt 
von  Galle  ins  Blut  bedingte  Ikterus  dem  Entstehen  infektiöser 
Prozesse  Vorschub  leistet  und  sein  Auftreten  bei  solchen  als  ein 
die  Prognose  trübender  Faktor  anzusehen  ist. 


fl  Berl.  klin.  Wochenschr.  1900,  No.  31. 


18.  November  1902. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  November  1902. 

LL,‘1 1  ,v*  ?F  a,n  s  e  m  a  n  n:  Demonstration  eines  Präparates 
von  Herma  diaphragmatica. 

Tagesordnung : 

Herr  v.  Bergmann,  Exz.:  Zur  Behandlung  des  trau¬ 
matischen  arteriell-venösen  Aneurysmas.  (Mit  Krankenvor- 
vorstellung.) 

Von  dieser  Affektion,  welche  meist  nach  Stich-  oder  Schuss¬ 
verletzung  entsteht,  hat  Vortr.  3  Fälle  operativ  geheilt.  Er  be¬ 
spricht  zunächst  kurz  die  klinischen  Erscheinungen:  Auftreten 
einer  bald  mehr  diffusen,  bald  mehr  zirkumskripten  Ge¬ 
schwulst,  das  meist  sehr  ausgesprochene  Schwirren, 
welches  auch  in  Diastole  nicht  ganz  aufhört,  das  Sausen,  das 
auch  zentralwärts  sich  fortpflanzt,  Erweiterungen  der 
Venen,  Schmerz  und  Unfähigkeit  längeren 
Gehens.  Vortr.  geht  dann  auf  die  theoretischen  und  durch 
Leichenversuche  bestätigten  Anschauungen  des  Kriegsmini- 
steiiums  ein,  wonach  das  moderne  Geschoss  viel  Blutungen  auf 
dem  Schlachtfelde  erwarten  lassen  sollte,  da  es  vielfach  die  Ge- 
fässe  nicht  vollkommen  trennt,  sondern  eine  Brücke  stehen  lässt, 
welche  die  Retraktion  und  damit  die  Blutgerinnung  erschwert. 
Diese  Erwartungen  wurden  durch  die  Erfahrungen  im  letzten 
Kriege  nicht  bestätigt.  Dagegen  wird  die  Ansicht,  die  man 
ebenfalls  aus  obigen  Experimenten  ableiten  kann,  bestätigt,  näm¬ 
lich  dass  sich  im  Anschlüsse  an  die  Verletzung  durch  das  mo¬ 
derne  Geschoss  viele  Aneurysmen  bilden.  Die  englischen 
und  deutschen  Chirurgen  berichten  übereinstimmend  von  enorm 
vielen  Aneurysmen  im  südafrikanischen  Kriege.  Wieviele  in  den 
Statistiken  davon  arteriell,  wieviel  venös,  lässt  sich  aus  den 
Mitteilungen  nicht  entnehmen.  In  einer  Tabelle  finden  sich 
10  Arteriovenöse.  Ein  solches,  ebenfalls  aus  dem  südafrikanischen 
Kriege  stammendes,  hat  Vortr.  operiert.  Einer  der  Helden 
dieses  Krieges,  Herr  Andreas  Dewet,  der  im  Saale  an¬ 
wesend  ist  (und  sich  vorstellen  lässt),  hatte  im  Anschlüsse  an 
einen  Schuss  durch  den  Oberschenkel  ein  Aneurysma  arterio- 
venosum  bekommen,  das  v.  B.  durch  Exstirpation  des 
Sackes,  doppelte  Unterbindung  und  Durch¬ 
schneidung  von  Arteria  und  Vena  femoralis 
zur  Heilung  bringt. 

Diese  Methode  scheint  die  besten  Resultate  zu  geben. 

Der  zweite  Fall  betraf  einen  Offizier,  der  durch  Unglücks¬ 
fall  durchs  Bein  geschossen  wurde  und  ein  Aneur.  arterioven. 
zurückbehielt.  Gleiches  Verfahren  führt  ebenfalls  zur  vollkom¬ 
menen  Heilung. 

Im  dritten  Fall  war  10  Jahre  nach  einem  im  Duell  erhaltenen 
Pistolenschuss  ein  Aneur.  arterioven.  aufgetreten.  Hier,  wie  in 
Fall  2,  war  die  Operation  durch  feste  Verwachsungen  sehr  er¬ 
schwert;  ausserdem  bestanden  hier  Varizen  von  grosser  Aus¬ 
dehnung.  Exstirpation  führte  zu  völliger  Heilung  des  Aneu¬ 
rysmas  und  Verschwinden  der  Varizen. 

Herr  Leo  Hirschlaff:  Ein  Heilserum  zur  Bekämpfung* 
der  Morphiumvergiftung  und  ähnlicher  Intoxikationen.  Vor¬ 
läufige  Mitteilung. 

Vortr.  bestreitet  die  Richtigkeit  der  E  h  r  1  i  c  h  sehen  An¬ 
sicht,  dass  gegen  Alkaloide  keine  Immunisierung  stattfinde.  Er 
habe  durch  steigende  Morphiumgaben  bei  Kaninchen  und  noch 
mehr  bei  Mäusen  ein  Serum  gewonnen,  welches  auf  die  akute 
Morphiumintoxikation  günstig  einwirkt.  IL.  Koh  n. 


Unterelsässischer  Aerzteverein. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  S.  November  1902. 

Herr  Ledderhose  demonstriert  eine  operativ  entfernte 
Geleiikmaus  des  Ellenbogengelenkes,  welche  abgesprengte  Knor¬ 
pelteile  des  Radius  und  der  Ulna  einschliesst. 

Herr  Alb.  Brian  schildert  die  Vorteile  der  Kompressions¬ 
blende  von  Albers-Schönberg  bei  der  Röntgenphoto¬ 
graphie.  Durch  Abblenden  der  peripheren,  tangierenden  Strahlen 
uad  Verwendung  nur  der  focalen  bei  Kompression  der  Weich¬ 
teile  über  dem  Objekt,  z.  B.  des  Abdomens,  der  Muskulatur  und 
des  Fettgewebes  über  dem  Hüftgelenk  etc.  werden  wesentlich 
schärfere  Aufnahmen  möglich.  Von  dem  Sakroiliakalgelenk,  wie 
dem  Hüftgelenk  werden  ausgezeichnete  Röntgenaufnahmen  de¬ 
monstriert.  Auch  pathologische  Steine  —  Blase,  Niere,  Gallen- 


1941 


blase  —  versprechen  mit  dieser  Kompressionsblende  positive  Auf¬ 
nahmen. 

Diskussion:  Herr  Kraft  zeigt  Aufnahmen  des 
Niere  ns  c  batten  s,  welche  so  erzielt  eine  gute  Beurteilung 
der  Grösse  der  Niere  erlauben. 

Herr  Ehret  stellt  einen  Kranken  mit  Claudication  inter- 
mittente  vor.  Derselbe  hat  schon  seit  Januar  1900  keinen  Puls 
mein .  in  dei  linken  A.  cruralis,  sowie  in  den  tiefer  liegenden 
Arteiien.  trotzdem  kann  Patient,  der  Koch  ist,  seinen  Beschäfti¬ 
gungen,  die  ihn  viel  zum  Gehen  und  Stehen  zwingen,  seit  einem 
Jahre  in  vollem  Masse  wieder  nachkommen.  Er  hat  infolge  der 
Gangrän,  die  sich  im  Verlaufe  der  ersten  Monate  nach  Verschwin¬ 
den  des  Pulses  einstellte,  nur  die  4  letzten  Zehen  des  linken  Fusses 
verloren,  ln  grösseren  Zeiträumen  nun  treten  bei  diesem  Patien- 
ten  1 — 24  Stunden  andauernde  Beschwerden  ein,  die  ihm  das  Gehen 
fast  unmöglich  machen,  und  nur  unter  bedeutendem  Hinken  er¬ 
lauben.  Patient  schildert  diese  Beschwerden  als  diffuse  kaum 
schmerzhafte  Empfindungen.  Zur  Zeit  dieser  Anfälle  hat’ E  Be¬ 
sonderheiten  nicht  feststellen  können,  nur  dass  das  linke  Bein  sich 
vielleicht  noch  kühler  anfühlt  als  sonst.  Die  Krankheit  selbst 
hatte  mit  ileusartigen  Erscheinungen,  die  ungefähr  6  Tage  an¬ 
hielten  ganz  plötzlich  begonnen.  Die  Ileuserscheinungen  schwan¬ 
den  ohne  Operation.  E.  ist  geneigt,  dieselben  auf  eine  gleichzeitige 
Embolie  einer  A.  mesenterica  zurückzuführen,  die  jedoch  ohne 
Darmgangrän  verlief. 

Herr  Lentz  -  Metz  (als  Gast)  spricht  über  einen  Fall  von 
Meckel  schein  Divertikel  mit  Okklusionserscheinungen. 

Patient  unter  den  Symptomen  des  Darm  Verschlusses  erkrankt 
wurde  am  3.  Tag  operiert.  Die  Laparotomie  ergab:  Vom  Ligamen¬ 
tum  hepato-duodenale  zog  ein  fester  Strang  zu  einem  derben, 
kleinen  Tumor  rechts  an  dem  Colon  ti*ansversum  und  von  hier  zuni 
Gipfel  des  Uterus.  Von  dem  kleinen  Tumor  aus,  resp.  von  dem 
Colon  transversum  erstreckte  sich  eine  magenförmige,  prall  ge¬ 
füllte  Cyste  zunächst  nach  rechts,  dann  mit  medial  konkavem 
Bogen  nach  unten,  um  mit  dünnem  Fortsatz  am  Gipfel  der  Blase 
rechts  zu  inserieren.  Durch  Zug  am  Querkolon  war  der  Ileus  be¬ 
dingt.  Beim  Anschneiden  entleerte  die  Cyste  klaren  Inhalt.  Vor¬ 
tragender  deutet  sie  als  nach  Abschnürung  an  der  Ausgangsstelle 
vom  Kolon  cystisch  entartetes  Meckel  sches  Divertikel. 

Diskussion:  Herr  v.  Recklinghausen  vermag  den 
Charakter  der  Cyste  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen.  Durch 
die  Entfernung  der  I  lüssigkeit  nach  der  Operation  wurde  ein 
Urteil  noch  schwieriger. 

Der  Strang  vom  Ligamentum  hepato-duodenale  zur  Ausgangs¬ 
stelle  des  Meckel  sehen  Divertikels  hatte  letztere  abgeschnürt 
und  inseriert  hier  an  mehreren  kleinen,  festen  Tumoren,  um 
weiterhin  zum  Uterus  verlaufend,  vielleicht  sich  zusammensetzt 
aus  dem  Ligamentum  teres  und  einer  Adhäsion  zwischen  Diver¬ 
tikel  und  Uterus.  Die  Cystenwand  enthält  nichts,  was  für  Darm¬ 
wand  spricht,  an  der  Innenfläche  ist  sie  stark  pigmentiert  und 
zeigt  einzelne  kleine  Tumoren  in  der  Wand.  Nur  die  kleine  Aus¬ 
stülpung  des  Kolons,  wo  die  Cyste  ansitzt  und  in  der  Umgebung 
mehrere  solide  Tumoren  sich  finden,  ist  darmähnlich.  Der  ganze 
Tiirnor  dürfte  als  Cystosarkom  oder  besser  Enterokystom  zu  be¬ 
zeichnen  sein,  welcher  genau  an  der  gewöhnlichen  Stelle  der 
Meckel  sehen  Divertikel  entstand. 

Herr  Zimmermann  betont,  dass  durch  das  Meckel  sehe 
Divertikel  auf  zwei  ganz  verschiedene  Weisen  Ileus  bedingt  wer¬ 
den  kann.  Einmal  kann  sich  dasselbe  wie  der  Appendix  entzün¬ 
den  und  so  Ueussymptome  hervorrufen,  andererseits  kann  es  durch 
Zug  und  Abschnürung  mechanischen  Darmverschluss  bewirken. 

Herr  v.  Recklinghausen:  Noch  ein  dritter  Modus 
kommt  vor.  Ohne  Entzündung  oder  Abschnürung  bewirkt  das 
Divertikel  Drehung  des  Kolons  und  damit  dessen  Verschluss. 

Herr  Gunsett  bespricht  die  Aetiologie  des  Lupus 
erythematosus. 

Ein  Fall  von  sehr  ausgebreitetem  L.  e.  zeigte  bei  der  genaue¬ 
sten  Sektion  keine  Spur  von  tuberkulösen  Prozessen.  Die  Lehre 
von  der  ätiologischen  Bedeutung  der  Tuberkelbazillentoxine  fin¬ 
den  L.  e.  ist  in  keinem  Falle  bewiesen.  (Erscheint  in  d.  W.) 

Herr  W  o  1  f  f  empfiehlt  das  Hermophenyl  als  ausgezeichnet 
lösliches  Quecksilberpräparat  sowohl  zur  Syphilisbehandlung,  wie 
zur  äusseren  Desinfektion.  Seine  starke  Wirksamkeit  und  geringe 
Schmerzhaftigkeit  empfehlen  es  dem  Syphilidologen,  seine  ener¬ 
gisch  desinfizierende  Wirkung  bei  vollkommener  Reizlosigkeit  zur 
energischen  Desinfektion. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  31.  Oktober  1902. 

Herr  Richard  Adler:  Die  therapeutische  und  diagnostische 
Verwendung  des  Tuberculinum  vetus  Kochii. 

Veranlasst  durch  den  bekannten  Artikel  von  Go  et  sch  und 
durch  dessen  glänzende  Erfolge  bei  Anwendung  des  Tuberkulins 
hat  sich  Herr  Adler  seit  %  Jahren  mit  der  Literatur  und  Praxis 
dieses  Mittels  beschäftigt.  An  20  Fällen  konnte  er  die  vollkom¬ 
mene  Ungefährlichkeit  des  Medikamentes  einerseits  und  den  ge¬ 
waltigen,  auffallenden  symptomatischen  Nutzen  andererseits  kon¬ 
statieren  und  hofft  auch  Dauererfolge  erzielen  zu  können.  Es 
wurden  nur  fieberlose  Kranke  gespritzt  —  Fiebernde  vorher  erst 
entfiebert  —  es  wurde  mit  kleinen  Dosen,  0,00001 — 0,00005,  be¬ 
gonnen  und  allmählich,  möglichst  ohne  eine  Reaktion  zu  erzielen. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1942 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


bis  auf  grosse  Dosen  (1,0)  reines  Tuberkulin  gestiegen;  anfangs 
wurde  1  mal,  später  2  mal  wöchentlich  injiziert.  Die  Besserungen 
waren  in  die  Augen  springend,  insbesondere  die  chronischen  Pro¬ 
zesse  wurden  —  ohne  dass  die  übrigen  Bedingungen  geändert 
würden  —  rapide  gebessert.  Adler  hält  das  Mittel  für  absolut 
gefahrlos  und  wünscht  auch  dessen  häufigere  Anwendung  behufs 
Sicherung  der  Diagnose.  Dr.  O.  Y.  W. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  de  Therapeutique. 

Augustsitzung. 

Die  Quecksilberinjektionen  bei  der  Behandlung  der  Syphilis. 

Bered  de  hebt  als  erster  Berichterstatter  über  diese  Frage 
die  Vorzüge  des  Ol.  cinereum  hervor,  welches  er  für  das 
energischste  Mittel  hält.  Er  wendet  dasselbe  auch  ohne  vorhan¬ 
dene  Erscheinungen  als  eine  Art  intermittierender  Kur  immer 
<>  Wochen  hindurch  an  und  lässt  dann  6  Wochen  lang  wieder  aus¬ 
setzen.  Wenn  Anzeichen  für  irgendwie  abnormen  Verlauf  der 
Syphilis  vorhanden  sind,  so  ersetzt  er  das  graue  Oel  durch  Kalomel 
in  hohen  Dosen  (0,1  pro  Woche).  Die  Zahl  der  Behandlungs¬ 
perioden  wechselt  hier  und  bald  fährt  er  mit  der  fortgesetzten 
Anwendung  von  grauem  Oel  regelmässig  weiter,  bald  geht  er  zu 
einem  anderen  Quecksilberpräparat  über.  B.  hält  es  jedoch  im  .all¬ 
gemeinen  für  sehr  schwierig,  dem  einen  oder  anderen  Quecksilber¬ 
präparate  besondere  Vorzüge  nackzurühmen,  da  man  hier  in  hohem 
Grade  individualisieren  müsse.  So  erzielte  er  in  einem  schweren 
Falle  von  Nerwensyphilis  mit  Augen-  (Ptosis,  Diplopie)  und  Rticken- 
markserseheinungen  Heilung  mit  Kalomelinjektionen,  welche 
1  y8  Jahre  lang  mit  Ruhepausen  von  4 — 6  Wochen  fortgesetzt 
worden  sind. 

Pouche  t,  der  zweite  Referent,  bespricht  insbesondere  die 
Resorption  und  Verbreitung  der  Quecksilberpräparate  im  Organis¬ 
mus  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  ein  Quecksilberpräparat 
um  so  vorteühafter  bei  der  Behandlung  der  Syphilis  ist,  je  leichter 
das  in  ihm  enthaltene  reine  Quecksilber  in  Freiheit  versetzt  (re¬ 
duziert)  wird  und  je  weniger  dabei  die  anatomischen  Elemente, 
mit  welchen  es  in  Berührung  kommen  wird,  geschädigt  werden. 
Aber  auch  P.  führt  als  grosse  Schwierigkeit  zur  Aufstellung-  all¬ 
gemeiner  Regeln  die  verschiedene  Reaktionsfähigkeit  der  einzelnen 
Individuen  gegenüber  dem  Quecksilber  an,  welche  sogar  bei  ein 
und  derselben  Person  eine  wechselnde  sein  kann. 

Für  D  a  n  1  o  s  ist  Kalomel  das  wirksamste  Mittel  gegen 
Syphilis;  er  wendet  es  daher  vor  allem  gegen  Syphilis  des  Nerven¬ 
systems  an;  die  häufig  vorkommenden  und  lange  anhaltenden 
Schmerzen,  ebenso  die  intensive  Stomatitis,  glaubt  D.,  könnten 
meist  vermieden  werden.  Wegen  der  weiteren  Gefahr  der  Embolie 
beschränkt  jedoch  D.  die  Kalomelanwendung  auf  die  obengenann¬ 
ten  Fälle  und  auf  die  Tertiärerscheinungen,  wo  es  „der  König  aller 
Quecksilberpräparate  sei“.  Für  die  übrigen  Fälle  genügten  die 
Pillen  oder  Schmierkur. 

Julien  tritt  warm  für  die  Injektionen  im  allgemeinen  ein 
und  gibt  hiebei  wiederum  den  löslichen  Salzen  (Sublimat, 
Hg  pepton.,  Hg  succ-inimat.  u.  s.  w.)  den  Vorzug;  was  die  unlös¬ 
lichen  betrifft,  so  bildet  für  Kalomel  die  dringendste  Indikation 
der  Beginn  der  Syphilis.  J.  hat  schon  vor  langer  Zeit  pro¬ 
klamiert,  dass  Kalomel  im  stände  sei,  die  Syphilis  im  Keime  zu 
ersticken.  Von  den  anderen  empfehlenswerten  Präparaten  wendet 
er  das  Salizylsäure  Quecksilber  und  das  graue  Oel  an,  welch  beide 
in  Gemeinschaft  mit  Kalomel  das  tägliche  Rüstzeug  J.s  gegen 
Svphils  bilden. 

Bafay  liess  sich  für  das  Spital  St.  Bazaire  ein  Oleum 
bijodatum  (ä  0,01  und  0,015)  darstellen,  welches  nie  einen  Nieder¬ 
schlag  der  kristallinischen  Doppeltjodverbindung  zeigte,  welches 
in  zahlreichen  Fällen  ohne  irgendwelche  Nebenerscheinungen  an¬ 
gewandt  wurde  und  besonders  den  Vorteil  hat,  nur  sehr  wenig 
schmerzhaft  zu  sein.  Bafay  konnte  täglich  0,02  bis  0,05  des 
Jodöls  injizieren,  ohne  dass  es,  wie  z.  B.  bei  der  Cyanverbindung, 
nötig  war,  Kokain  beizufügen. 

Sitzung  vom  8.  Oktober  1902. 

Das  Sauerstoffwasser  als  epilatorisch.es  Mittel. 

Nach  G  a  1 1  o  i  s  ist  das  Sauerstoff wasser  ein  einfaches, 
schmerzloses  und  unschädliches  Mittel,  um  allzu  sehr  sichtbare 
Haare  zum  Verschwinden  zu  bringen  (bei  Frauen  auf  der  Ober¬ 
lippe  u.  ä.).  Man  durchtränkt  ein  Wattebäuschchen  mit  der 
Flüssigkeit,  lässt  es  einige  Minuten  liegen  und  wiederholt  diese 
Applikation  täglich,  bis  das  erwünschte  Resultat  erzielt  ist.  Eine 
Unannehmlichkeit  ist  bei  dieser  Methode  vorhanden,  dass  näm¬ 
lich  die  Haare  nicht  vollständig  zerstört,  sondern  nur  abgebrannt 
werden,  und  dass  man  die  Behandlung  immer  wieder  von  Neuem  be¬ 
ginnen  muss,  was  aber  für  die  betroffenen  Damen  kein  Hiuderungs- 
grund  für  die  Behandlung  ist.  Auch  muss  man  Acht  geben,  dass 
man  nicht  mit  irgend  einem  Stoff  in  Berührung  kommt,  da  das 
Sauerstoffwasser  denselben  ebenso  wie  die  Haare  verbrennt. 

Le  Gendre  berichtet  über  die  Anwendung  der  subkutanen 
Coffeininjektionen  als  Unterstützungsmittel  des  Aderlasses  bei 
manchen  Individuen,  deren  Blutdruck  sehr  schwach  ist  (akutes 
Bungenödem,  Asystolie).  Gei-ade  in  diesen  Fällen,  wo  der  Ader¬ 
lass  am  meisten  indiziert  ist,  versagt  er  sehr  häufig:  ist  die  Vene 
einmal  angeschnitten,  so  sieht  man  kaum  einige  Tropfen  Blut 
herauskommen,  dann  hört  jede  Blutung  auf.  In  solchen  Fällen  ge¬ 
nügt  es,  eine  subkutane  Injektion  von  0,2  bis  0,25  Koffein  zu 


machen,  um  sofort  einen  grossen  Blutstrom  herauskommen  zu 
sehen  und  einen  hinreichenden  Aderlass  zu  vollziehen.  Man  kann 
die  Koffeininjektion  auch  vor  dem  Aderlass  ausführen. 

In  Fortsetzung  der  Diskussion  über  den  praktischen 
Wert  der  Quecksiiberinjektionen  bei  der  Behandlung  der  Sy¬ 
philis  kommt  Renault  nach  kurzer  Besprechung  seiner  Er¬ 
fahrungen  zu  dem  Schlüsse  (gleich  wie  Fournier),  dass  diese 
Injektionen  in  die  tägliche  Praxis  der  Syphilis  keinen  Eingang 
finden  sollten;  sie  seien  besonders  geeignet  für  Kranke,  deren 
Magen  Intoleranz  zeigt,  und  auch  liier  sei  es  nicht  bewiesen, 
dass  ihre  Wirksamkeit  grösser  sei  als  die  der  Schmierkur. 
Uebrigens  müsse  die  ganze  Frage  noch  offen  gelassen  und  könne 
nur  unter  Zusammenwirken  aller  Autoritäten  und  durch  Vergleich 
der  jeweilig  erzielten  Resultate  gelöst  werden. 

I)  a  n  io  s  möchte  bezweifeln,  ob  es  mit  Kalomel  (nach  J  u  1  - 
1  i  e  n)  immer  gelingt,  die  Syphilis  im  Keime  zu  ersticken;  das¬ 
selbe  hat  oft  wunderbaren  Einfluss  bei  manchen  Tertiärerschei¬ 
nungen,  während  es  in  der  Sekundärperiode  bei  hartnäckigem 
Hautsyphilid  (kleinpapulösen  oder  papulös-akneartigen)  vor  der 
Schmierkur  oder  den  Injektionen  nichts  voraus  hat.  Die  lös¬ 
lichen  Injektionen  sieht  I).  immer  als  eine  Ausnahmemethode 
an;  die  wenigen  Tage,  welche  damit  in  der  Dauer  der  Behandlung 
gewonnen  werden,  stünden  nicht  im  Verhältnis  zu  den  vorhandenen 
Gefahren.  Ihre  Anwendung  sollte  zudem  auf  das  Krankenhaus, 
auf  Heilstätten  und  Badeorte  beschränkt  bleiben  (?  Ref.). 

Societe  de  Chirurgie. 

Sitzung  vom  1.  Oktober  1902. 

Die  Anästhesie  mit  Chloräthyl. 

Be  Dentu  bespricht  die  mit  Chloräthyl  angestellten  Tier¬ 
versuche  (G  i  r  a  r  d),  wonach  die  Möglichkeit  schwerer  Neben¬ 
erscheinungen  vorhanden  ist.  Das  Chloräthyl  bietet  andrerseits 
die  Vorteile  rascher  Wirkung,  Abwesenheit  einer  Exzitationsperiode 
und  Erwachen  ohne  Uebelkeit.  Es  kann  nur  für  kurzdauernde 
Operationen  von  höchstens  15 — 20  Minuten  mit  Dosen  von  4 — 5  g, 
welche  alle  5  Minuten  wiederholt  werden,  angewandt  werden. 

Dinar  d  bestätigt  die  Angaben  Be  Dentus;  er  wendet 
seit  ly2  Jahren  mit  Vorteil  das  Chloräthyl  für  kurzdauernde  Ope¬ 
rationen  oder  als  Vorbereitung  zur  Chloroformnarkose  an.  Wich¬ 
tig  ist,  das  Chloräthyl  nicht  mit  Buft  sich  mischen  zu  lassen,  da 
es  dann  zu  Exzitat.ion,  oft  hochgradiger  Art,  kommen  kann. 

B  a  z  y  war  bei  Anwendung  des  Chloräthyls  überrascht,  wie 
leicht  dabei  die  Atmung  vor  sich  geht. 

Auch  B  e  r  g  e  r  hat  grosses  Vertrauen  auf  Chloräthyl,  bei 
welchem  die  Anästhesie  überraschend  schnell  eintrete. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  7.  Oktober  1902. 

Der  Präsident  Eichet  hält  eine  Gedächtnisrede  auf  V  i  r  - 
c  h  o  w. 

J  o  s  i  a  s  berichtet  über  die  Diphtheriefälle  am  Spital  Bre- 
tonneau.  Von  709  klinisch  diagnostizierten  Fällen  waren  nur  580 
mit  dem  Klebs-Böffler  sehen  Bazillus  behaftet.  Die  Zahl 
der  Todesfälle  betrug  58,  worunter  29  infolge  von  Broncho¬ 
pneumonie;  letztere  Affektion  erwies  sich  als  besonders  kontagiös, 
weshalb  man  diese  Fälle  isolieren  müsste.  J.  glaubt,  dass  man  die 
Sterblichkeit  noch  mehr  herabsetzen  kann,  wenn  man  möglichst  bei 
Beginn  der  Krankheit  schon  das  Heilserum  (10 — 20  ccm)  in¬ 
jiziere;  im  Spital  geschehe  dies  gewöhnlich,  aber  die  Aerzte  in  der 
Privatpraxis  warteten  oft  viel  zu  lange:  die  Injektionen  nur  um 
24  Stunden  zu  verschieben,  das  setze  das  Beben  der  Kinder  aufs 
Spiel. 

L  a  v  e  r  a  n  bespricht  die  Assanierung  von  Korsika,  welche 
Dank  der  von  der  Akademie  vorgeschriebenen  Massregeln  schon 
Fortschritte  gezeigt  habe.  Dieselben  bestehen  in  kurzem  darin, 
alle  stagnierenden  Gewässer,  Sümpfe  u.  s.  w.  zum  Verschwinden 
zu  bringen  oder  auch  in  denselben  die  Barven  der  Anopheles 
mittels  Petroleums  zu  vernichten,  die  Wohnräume  mittels  Metall¬ 
netzen  an  Thüren  und  Fenstern  zu  schützen,  und  in  ausgedehnt 
prophylaktischer  und  kurativer  Weise  das  Chinin  anzuwenden, 
damit  die  Fliegen  sich  nicht  infizieren  und  die  Krankheit  weiter 
verbreiten  können.  Es  wurden  in  reichlichem  Masse  Gratisver- 
teiluugen  von  Chinin  vorgenommen  und  der  Preis  desselben  ist 
von  1  Fr.  auf  15  cts.  per  1  g  gesunken. 

Sitzung  vom  21.  Oktober  1902. 

Prof.  Fournier  bespricht  einen  Fall  von  gummöser  Zell¬ 
entzündung  im  Becken,  welche  einen  malignen  Tumor  vor¬ 
täuschte;  dieselbe  kam  bei  einem  34  jährigen  heredo-syphilitischen 
Manne  vor  und  kam  durch  die  gemischte  Behandlung  (tägliche 
Injektionen  von  0,02  g  I-Iydrarg.  benzoat.  und  innerlich  Jodkah 
in  der  Dosis  von  4  g  pro  die)  zur  Heilung,  so  dass  nach  2  Monaten 
keine  Spur  der  Geschwulst,  welche  an  Karzinom  und  sogar  inope¬ 
rables  Karzinom  denken  liess,  mehr  zurückgeblieben  war.  Die 
Hauptschlüsse,  welche  F.  aus  diesem  Falle  zieht,  sind  folgende. 
Man  muss  zu  den  bei  Syphilis  möglichen  Folgeerscheinungen 
Beckeninfiltrate  rechnen,  welche  Blase  und  Mastdarm  betreffen, 
bösartige  Neubildungen  Vortäuschen  können  und  bei  richtiger  Dia¬ 
gnose  rasch  zur  Heilung  kommen.  Diese  Zellgewebsentzündung 
war  nicht  die  Folge  einer  erworbenen,  sondern  einer  hereditären 
Syphilis,  und  zwar  hat  sie  sich  bei  dem  Patienten  erst  im  Älter 
von  34  Jahren  entwickelt  und  ohne  dass  irgend  eine  andere  Er- 


18.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCITE  WOCHENSCHRIFT. 


1943 


echemung  von  Syphilis  vorausgegangen  wäre.  Die  Symptome  der 
Heredosyphilis  können  sich  also  in  jedem,  selbst  vorgeschrittenem 
Lebensalter  entwickeln.  Die  hereditäre  Infektion  bekundet  sich 
also  zuweilen  durch  gar  kein  äusseres  Zeichen,  keine  erkennbare 
Dystrophm  und  selbst  das  Kieferzahnsystem  kann  bei  solchen 
Individuen  in  tauschender  Weise  vollständig  intakt  sein  wofür  P 
ein  weiteres  Beispiel  anführt. 

Beobachtungen  aus  der  zweiten  Eruption  von  Martinique. 

Die  Zahl  der  Opfer,  welche  diese  zweite  Eruption  (in  der 
^acht  vom  30.  auf  31.  August  d.  J.)  forderte,  betrug  625;  ausserdem 
hatten  die  Aerzte  <0  Personen  an  Brandwunden  1.,  2.  und  3.  Grades 
zu  behandeln.  Aus  den  dabei  gemachten  Beobachtungen  kann  man 
daher  schlossen,  dass  ausser  den  Todesfällen,  welche  auf  irrespi- 
rable  Gase  oder  auf  brennende  Asche  oder  auf  eine  sehr  hohe 
lempeiatur  zurückzuführen  sind,  Erscheinungen  auf  traten  welche 
jenen  beim  Tod  durch  Elektrizität  analog  sind. 

Stern. 


Verschiedenes. 

Zur  Buchführung  des  praktischen  Arztes. 

Vor  einigen  Monaten  las  ich  eine  Abhandlung  über  ,, Buch¬ 
führung  des  Arztes“,  in  der  ein  Kollege,  welcher  sich  mit  den  all¬ 
gemein  gebräuchlichen  „Geschäftsbüchern“  nicht  befreunden 
konnte,  mitteilte,  er  sei  auf  die  Idee  gekommen,  sich  zu  seiner 
Buchführung  ausschliesslich  eines  Briefordners  zu  bedienen,  indem 

er  für  jeden  neu  in  seine  Behandlung  tretenden  Patienten  _  in 

alphabetischer  Ordnung  —  ein  Blatt  in  den  Briefordner  einheftet 
und  darauf  die  nötigen  Einträge  macht.  Mag  sein,  dass  diese 
Art  Buchführung  gewisse  Vorteile  hat  gegenüber  den  meist  ge¬ 
bräuchlichen  „Geschäftsbüchern“.  Ein  gebundenes  Buch  dürfte 
aber  doch  vorzuziehen  sein,  vorausgesetzt,  dass  es  praktisch  an¬ 
gelegt  und  weitgehenden  Ansprüchen  dienlich  ist.  Ich  habe  neben 
sehr  vielen  höchst  unpraktisch  angelegten  derartigen  Büchern 
zwei  gefunden,  von  denen  man  sagen  kann,  dass  sie  allen  Anforde¬ 
rungen,  die  an  ein  ärztliches  Tagebuch  zu  stellen  sind,  gerecht 
werden. 

Das  eine  davon  ist  das  „Geschäftsbuch  für  Aerzte“  von 
Ohr.  Hausknecht  in  Nürnberg,  das  andere  das  „Kranken-  und 
Geschäftsjournal  für  Spezialärzte“  von  II.  Meyer  in  Halber¬ 
stadt.  Sie  sind  beide  in  Bezug  auf  praktische  und  übersichtliche 
Einteilung  einander  ziemlich  ebenbürtig.  Ich  gebe  seit  3  Jahren 
dem  von  H.  M  e  y  e  r  -  Halberstadt  den  Vorzug,  das  bei  sehr  guter 
äusserer  Ausstattung  etwas  billiger  ist. 

Den  Hauptvorteil  dieser  Bücher  erblicke  ich  darin,  dass  man 
für  jeden  Patienten  sehr  viel  Kaum  übrig  hat.  Es  ist  eine  eigene 
Rubrik  für  „Krankengeschichte  und  Therapie“  vorhanden,  die 
einen  Raum  von  8  X  15  cm  einnimmt  in  dem  Meyer  sehen  Buche. 
Man  kann  sich  da,  was  besonders  in  Unfallsachen  und  in  foren¬ 
sischen  Angelegenheiten  nötig  ist,  in  das  Geschäftsbuch  selbst  ein¬ 
gehende  Aufzeichnungen  machen  und  braucht  nicht  extra  neben 
dem  Geschäftsbuch  noch  ein  Tagebuch  oder  dergl.  zu  führen.  Man 
kommt  auch,  wenn  man  alles  schön  in  einem  Buch  beisammen  hat, 
viel  eher  dazu,  sich  Notizen  zu  machen,  als  wenn  man  mit 
mehreren  Büchern  zu  tun  hat.  Was  man  den  Tag  über  geschafft 
hat,  muss  man  ohnehin  eintragen,  nebenbei  noch  ein  Paar  Worte 
über  Art  der  Erkrankung,  eventuell  Verlauf  derselben,  geht  dann 
in  Einern  hin!  Für  Besitzer  von  Handapotheken  bietet  das  Buch 
von  Meyer  noch  einen  schätzenswerten  Vorteil.  Besitzer  von 
Handapotheken  müssen  ex  officio  ein  Rezepttagebuch  führen,  in 
das  alle  abgegebenen  Medikamente  nebst  Preisangabe  einzutragen 
sind.  Es  genügt  dazu  ein  sogenanntes  Strazzenbucli,  in  welches 
man  mit  fortlaufenden  Nummern  versehen  von  Tag  zu  Tag  die 
Rezepte  einträgt.  Es  ist  nun  für  die  spätere  Rechmmgsstelluug 
sehr  angenehm  uud  zeitsparend,  wenn  man  sich  die  Rezept- 
nummern  gleich  im  ärztlichen  Journal  bei  jedem  Patienten  notiert. 
Und  hierfür  hat  man  unter  der  Rubrik  „Krankengeschichte  und 
Therapie“  Platz  genug.  Ich  möchte  hier  einschalten,  dass  die 
Führung  eines  Rezepttagebuches  auch  für  den  Arzt,  der  nicht  Be¬ 
sitzer  einer  Handapotheke  ist,  sehr  empfehlenswert  ist.  Wie  viele 
Kollegen  wird  es  wohl  geben,  die  sich  von  jedem  Rezept,  das  sie 
dem  Patienten  in  die  Hand  geben,  eine  Abschrift  machen?  Und 
doch.  Avie  oft  möchte  man  gerne  wissen,  Avas  man  früher  einmal 
verordnet,  resp.  in  welcher  Weise  die  Verordnung  gegeben  wurde, 
z.  B.  ob  Morphium  als  Pulver  oder  in  Lösung,  mit  welchem  Korri- 
gens  u.  s.  w.  Wer  ein  Rezepttagebuch  führt,  Aveiss  jederzeit  sich 
Aufschluss  zu  holen  über  frühere  Rezepte.  Wer  einmal  daran  ge- 
Avölmt  ist,  scheut  das  bischen  Mehrarbeit  nicht. 

Das  „Journal“  wird  natürlich  auch  für  Kassenkranke  benützt. 
Unterhalb  „laufende  Nummer“  ist  Raum  genug  zur  Bezeichnung 
der  Krankenkasse. 

Die  Uebersiclitlichkeit  des  Buches  gewinnt  dadurch,  dass  auf 
jeder  Seite  nur  für  4  Patienten  Raum  ist.  Für  jeden  Patienten 
hat  man  unter  der  Rubrik  „Datum“  für  jeden  Tag  des  Jahres 
Raum  zur  Eintragung  der  geleisteten  Hilfe.  Zu  diesen  Ein¬ 
tragungen  bedient  man  sich  Abkürzungen,  z.  B.  K  =  Konsultation, 
B  a=  Besuch,  BF  —  Besuch  mit  Fuhrwerk. 

Am  Schlüsse  des  Buches  ist  ein  alphabetisches  Register,  mit 
Fliessblättern  durchschossen. 

Die  Preise  des  Buches  von  M  e  y  e  r  -  Halberstadt  sind:  Für 
400  Patienten  reichend  —  mit  Register  —  M.  6.75,  für  600  Patien¬ 
ten  M.  0.50,  für  800  Patienten  M.  11.75. 

Dr.  H  ein  rieh  -  W  eyarn. 


Gerichtliche  Entscheidungen. 

Nach  einer  Entscheidung  des  Strafsenates  des  Kammer¬ 
gerichtes  zu  Berlin  brauchen  Fälle  von  Kindbettfieber 
dem  Kreisarzt  nicht  angezeigt  zu  Averden.  Der  prak- 
tische  Arzt  Dr.  Sch.  zu  G.  wurde  zu  einer  hebernden  Wöchnerin 
gerufen,  welche  am  nächsten  Tage  und  ZAvar  nach  Annahme  des 
Dr.  Sch.  infolge  einer  Uterusruptur  starb.  Dr.  Sch.  erstattete  von 
diesem  Erkrankungs-  und  Todesfall  keine  Anzeige  an  den  zustän¬ 
digen  Kieisarzt,  obwold  nach  einer  Verfügung-  des  Regierungsprä¬ 
sidenten  von  Liegnitz  Erkrankungen  an  kindbettfieber  innerhalb 
24  Stunden  anzuzeigen  sind,  indem  er  als  Grund  der  Unterlassung 
angab,  dass  es  sich  nach  seiner  Ansicht  nicht  um  Kindbettfieber 
gehandelt  habe.  Vom  Landgericht  Glogau  zu  10  M.  Geldstrafe 
verurteilt,  Aveil  auch  bei  Verdacht  auf  Kindbettfieber  Anzeige  zu 
erstatten  sei,  legte  Dr.  Sch.  Revision  beim  Kammergericht  ein, 
welches  im  Gegensatz  zum  Antrag  des  Oberstaatsanwaltes  unter 
Aufhebung  des  angefochtenen  Urteils  auf  Freisprechung  des  An¬ 
geklagten  erkannte  und  die  Kosten  des  Verfahrens  einschliess¬ 
lich  der  der  Verteidigung  der  Staatskasse  auferlegte.  In  der  Be¬ 
gründung  heisst  es:  Die  Anzeigepflicht  der  Aerzte  bei  anstecken¬ 
den  Krankheiten  ist  in  dem  auf  Grund  der  Kabinettsordre  vom 
8.  August  1835  erlassenen  Regulativ,  Avelches  Gesetzeskraft  habe, 
erschöpfend  geregelt.  Weitergehende  polizeiliche  Ver¬ 
ordnungen  entbehren  der  gesetzlichen  Grundlage.  In  dem  ge¬ 
dachten  Regulativ  ist  unter  den  ansteckenden  Krankheiten  Kind¬ 
bettfieber  nicht  aufgeführt,  weshalb  die  F  reisprechung  des 
Angeklagten  erfolgen  musste.  —  (In  Bayern  haben  die  Aerzte  nach 
der  k.  Verordnung  vom  22.  Juli  1891  Fälle  von  Puerperalfieber 
innerhalb  24  Stunden  nach  erlangter  Kenntnis  der  Distriktspolizei¬ 
behörde,  in  deren  Bezirk  die  Krankheit  auftritt,  sowie  zugleich 
der  einschlägigen  Ortspolizeibehörde  anzuzeigen.)  R.  S. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  136.  Blatt  der  Galerie  bei: 
Barend  Joseph  S  t  o  k  v  i  s.  Nekrolog  siehe  S.  1920. 

Therapeutische  Notizen. 

Zur  Therapie  des  Erysipel.  Aus  den  vielen  im 
Laufe  der  Jahre  erfolgten  Publikationen  über  Erysipelbehand¬ 
lung  habe  ich  mir  folgende  Behandlungsart  zusammengestellt  und 
erprobt. 

Rp. :  Acid.  carbolic.  cryst. 

tinct.  jodi  ää  1,0 

mucilag.  gummi  arabic.  5,0 
alcohol.  absolut.  ad  20,0 

S.  äusserlieli  (umschütteln!). 

Mit  dieser  Mischung  bepinselt  man  2  stündlich  die  geröteten 
Stellen,  bis  die  Schwellung  abnimmt  und  die  Röte  erblasst.  Ueber- 
dies,  da  die  Erysipelkokken  nur  bei  Tageslicht  volle  Wachstums¬ 
fähigkeit  haben,  verdunkle  man  im  Krankenzimmer  nicht  nur  die 
Fenster  (am  besten  mit  roten  Vorhängen),  sondern  klebe  auch,  um 
das  Weiterkriechen  der  Kokken  zu  verhindern,  ringsum  in 
einer  Entfernung  von  1  cm  um  das  Erysipel  einen  4  cm  breiten 
Streifen  von  Zink-Guttaperchapflastermull  oder  von  Heftpflaster 
fest  auf. 

Bei  Gesichtserysipel  lässt  man  ausserdem  noch 
2  stündlich  4  proz.  lauwarmes  Bonvasser  in  die  Nase  tüchtig 
hinaufschnupfen,  da  dieses  Erysipel  in  der  Regel  von  Erosionen 
in  der  Nase  seinen  Ausgang  nimmt. 

Bei  Wunderysipel  ist  natürlich  die  Wunde  zu  desinfi¬ 
zieren  und  dem  zurückgehaltenen  Sekret,  Avas  häufig  die 
Ursache  des  Erysipel  ist,  Abfluss  zu  verschaffen. 

Dr.  S  t  r  ö  1 1  -  München. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

Münche  n,  18.  November  1902. 

—  Die  Sektion  Leipzig  des  Verbandes  der  Ae  r  z  t  e 
Deutschlands  zu  r  W  ahrung  ihrer  wirtsch a f  l  - 
liehen  Interessen  übersendet  uns  nachstehende  Mitteilung: 
Die  am  10.  November  im  Künstlerhause  zu  Leipzig  auf  Einladung 
des  Verbandes  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer  wirt- 
scliaftlichen  Interessen  versammelten  Aerzte  erklären  die  vom 
Ministerium  vorgeschlagenen  Aenderungen  des  Gesetzes  über 
die  ärztlichen  Bezirksvereine  vom  23.  März  1S96  für 
unannehmbar, 

AAreil  1-.  die  im  Entwürfe  in  ausgedehntem  Masse  in  Aussicht  ge¬ 
nommene  Staatsaufsicht  geeignet  ist.  das  Koalitionsrecht  der 
Aerzte  und  das  Selbstverwaltungrecht  der  ärztlichen  Vereine  zu 
vernichten,  das  kollegiale  Leben  in  ihnen  zu  ersticken,  ihre  er¬ 
zieherische  Tätigkeit  zu  vereiteln  und  sie  an  der  Erfüllung  der 
ihnen  im  Gesetz  selbst  gestellten  Aufgaben  zu  verhindern; 

Aveil  sie  2.  die  Androhung  atoii  Geldstrafen  in  unbeschränkter  Höhe 
an  die  Vereinsorgane  als  eine  Beleidigung  des  gesamten  ärzt¬ 
lichen  Standes  empfinden; 

Aveil  3.  die  geplante  Ehrengerichtsordnung  in  der  ersten  Instanz 
die  direkte  Mitwirkung  der  Gesamtheit  der  Aerzte  ausschliesst, 
in  der  zweiten  Instanz  Nichtärzten  Einfluss  auf  die  Besetzung 
der  Ehrenrichterstellen  einräumt  und  durch  das  dem  Ministerium 
gewährte  unbeschränkte  Begnadigungsrecht  jede  Standesdiszi¬ 
plin  in  Frage  stellt. 


1944 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Sie  fordern  deshalb  die  gesamte  Aerzteschaft  Sachsens  auf. 
den  Entwurf  mit  allen  gesetzlichen  Mitteln  zu  bekämpfen  und  er¬ 
warten,  dass  der  Landtag  zu  einer  Vergewaltigung  des  ärztlichen 
Standes  seine  Hand  nicht  bieten  wird  und  sämtliche  vorgeschla¬ 
genen  Aenderungen  des  Gesetzes  ablehnen  wird. 

—  S.  K.  Ilohheit  der  Prinzregent  haben  aus  den  Renten  der 
Prinzregent  Luitpoldstiftung  für  das  Jahr  1901/02 
dem  Pensionsverein  für  Witwen  und  Waisen  bayerischer  Aerzte 
als  einmaligen  Zuschuss  zum  Stammvermögen  den  Betrag  von 
3000  M.,  den  Vereinen  zur  Errichtung  von  Heilstätten  für  Lungen¬ 
kranke  in  Bayern  als  Zuschuss  zu  der  Errichtung  bezw.  dem  Be¬ 
trieb  der  Heilstätten  den  Betrag  von  9000  M.  zuzuwenden  geruht. 

—  Das  Geschäftskomitee  und  der  Ausschuss  des  „K  o  n  - 
gresses  für  innere  Medizin“  haben  einstimmig  be¬ 
schlossen,  wegen  des  im  April  1903  stattfindenden  internationalen 
medizinischen  Kongresses  in  Madrid  den  nächsten  Kongress  um 
ein  Jahr  zu  verschieben  und  erst  im  Frühjahr  1904  zu  Leipzig  ab¬ 
zuhalten. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Hamburg,  den  9.  November:  In 
der  Sitzung  des  hiesigen  Aerztlichen“  Vereins  am 
25.  Oktober  stand  auch  der  Antrag  des  Geschäftsausschusses 
des  deutschen  A  e  r  z  t  e  v  e  r  e  i  n  s  b  u  n  d  e  s,  betreffend  A  en¬ 
de  r  u  n  g  der  Satzung  des  letzteren,  zur  Beratung.  Nach 
einem  Referat  der  Hamburger  Delegierten  auf  dem  diesjährigen 
Aerztetage,  Sc  hroeter  und  J  a  f  f  e,  nahm  der  Verein  eine  Re¬ 
solution  an,  dahingehend,  dass  an  der  Zusammensetzung  des 
Ae.-V.-B.  nicht  gerüttelt  werden  möge,  und  nicht  die  Delegierten, 
sondern  die  einzelnen  Vereine  die  Mitglieder  des  Ae.-V.-B.  sein 
und  bleiben  sollen.  Zugleich  wurde  der  Geschäftsausschuss  er¬ 
sucht,  mit  Rücksicht  auf  die  vielfachen  Bedenken,  welche  der 
vorgelegte  Satzungsentwurf  errege,  von  dem  Gesuch  um  Ein¬ 
tragung  des  Bundes  in  das  Vereinsregister  bis  zum  nächsten 
Aerztetage  abzusehen.  Auch  die  5  Hamburger  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereine  haben  einen  Beschluss  gleichen  Inhalts  gefasst.  Wenn  der 
Geschäftsausschuss  aus  allen  Teilen  Deutschlands,  wie  es  den 
Anschein  hat,  derartige  Beschlüsse  der  zum  Bund  gehörigen 
Vereine  erhält,  so  wird  er  trotz  des  Beschlusses  des  Aerztetages 
nicht  umhin  können,  die  Ausführung  des  letzteren  aufzuschieben. 
In  diesem  für  den  ganzen  Bund  so  wichtigen  Falle  haben  nicht  die 
Delegierten,  sondern  die  Vereine  das  letzte  Wort  zu  sprechen. 

—  Nach  neuesten  Statistiken  weist  die  Bevölkerungs¬ 
bewegung  in  Frankreich  für  das  Jahr  1901  einen  Ueber- 
schuss  von  72  398  Geburten  auf,  während  im  vorhergehenden  Jahre 
die  Sterbefälle  die  Geburten  um  25  988  iibertrafen.  Dieses  günstige 
Resultat  ist  das  Ergebnis  einer  Zunahme  der  Geburten  und  einer 
Abnahme  der  Sterbefälle.  Es  wurden  im  Jahre  1901  29  977  Ge¬ 
burten  mehr  verzeichnet  als  1900  (857  274  gegen  827  297)  und 
08  409  Todesfälle  weniger  (784  876  gegen  853  285). 

—  Cholera.  Türkei.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  27. Oktober 
hatte  sich  die  Cholera  seit  einigen  Tagen  auch  am  Tiberias-See 
gezeigt.  Aus  Gaza  sind  für  die  Zeit  vom  23.  bis  25.  Oktober 
80  Erkrankungen  (und  125  Todesfälle)  gemeldet,  für  den  28.,  30. 
und  31.  Oktober  120  (157),  aus  Lydda  für  den  23.  und  24.  Oktober 
42  Todesfälle,  für  den  28.,  30.  und  31.  Oktober  74  Erkrankungen 
und  28  Todesfälle.  In  Jaffa  und  Umgegend  sind  weitere  Cholera¬ 
fälle  vorgekommen,  u.  a.  1  Fall  in  der  1  Stunde  davon  entfernt 
gelegenen  Ortschaft  Sumil,  15  Erkrankungen  und  22  Todesfälle 
innerhalb  3  Tage  in  Kaferana.  In  Hodeida  wurden  am  21.  Ok¬ 
tober  26  Choleratodesfälle  für  die  letzten  9  Tage  angezeigt.  — 
Aegypten.  Vom  21.  bis  27.  Oktober  kamen  nach  dem  amtlichen 
Wochenberichte  415  neue  Erkrankungen  und  356  Todesfälle  an 
der  Cholera  zur  Anzeige,  von  letzteren  hatten  sich  240  ausserhalb 
eines  Krankenhauses  ereignet.  Auf  Kairo  entfielen  in  dieser 
Woche  9,  auf  Alexandrien  45  Fälle.  Im  Bezirk  von  Rosette  scheint 
die  Seuche  erheblich  nachgelassen  zu  haben,  da  während  der  Be¬ 
richtswoche  nur  25  Choleratodesfälle  dort  verzeichnet  sind.  Vom 
27.  Oktober  bis  1.  November  kamen  in  Alexandrien  24  Erkran¬ 
kungen  und  20  Choleratodesfälle  ausserhalb  des  Hospitals  zur  An¬ 
zeigt',  im  Krankenhause  starben  5  Personen.  In  ganz  Aegypten 
waren  vom  15.  Juli  bis  Ende  Oktober  angeblich  39  375  Personen 
au  der  Cholera  erkrankt  und  33  537  der  Seuche  erlegen. 

—  Pest.  Russland.  Nach  amtlichen  Mitteilungen  im  Re¬ 
gierungsanzeiger  vom  30.  Oktober  sind  in  Odessa  seit  dem  10.  Juni 
bis  zum  28.  Oktober  48  Personen  erkrankt,  davon  16  gestorben  und 
18  genesen;  am  28.  Oktober  befanden  sich  noch  14  in  ärztlicher 
Behandlung.  Vom  24.  bis  28.  Oktober  waren  neue  pestverdächtige 
Erkrankungen  nicht  vorgekommen.  —  Britisch-Ostindien.  In  der 
Präsidentschaft  Bombay  sind  während  der  am  11.  Oktober  enden¬ 
den  Woche  nachträglich  noch  250  neue  Erkrankungen  (und 
196  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  Anzeige  gelangt,  ferner  während 
der  am  18.  Oktober  abgelaufenen  Woche  10  423  (7771),  davon  127 
(111)  in  der  Stadt  Bombay  und  11  (7)  in  Stadt  und  Hafen  Karachi. 
In  der  Präsidentschaft  Madras  kamen  im  Monat  Februar  des 
laufenden  Jahres  1711  Pesttodesfälle  unter  einer  Bevölkerung  von 
etwa  38  Millionen  vor;  die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  im  Monat 
Februar  hatte  61 406  betragen  und  war  um  2346  grösser  gewesen 
als  die  Gesamtzahl  der  in  diesem  Monat  neugeborenen  Kinder.  — 

—  In  der  44.  Jahreswroche,  vom  26.  Okt.  bis  1.  Nov.  1902, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Oberhausen  mit  30,6,  die  geringste  Barmen  mit  8,9 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Masern  in  Aachen,  an  Scharlach  in 
Altona,  Beuthen,  Hamburg,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Elber¬ 
feld.  Görlitz,  Kassel.  V.  d.  K.  G.-A. 


—  Vom  1.  Januar  1903  an  erscheint  im  Verlage  von  Gebrüder 
Bornträger  in  Berlin  eine  neue  referierende  Halbmonats¬ 
schrift,  das  „Biochemische  Centralblatt“.  An  der  Spitze  des 
Blattes  stehen  als  Leiter  die  Herren:  P.  E  h  r  1  i  c  h  -  Frank¬ 
furt  a.  M.,  E.  Fischer-  Berlin,  A.  Kossel  -  Heidelberg, 
O.  Liebreich-  Berlin ,  F.  Müller-  München  ,  P.  Pros- 
kauer  -  Berlin,  E.  Salkowski  -  Berlin,  N.  Z  u  n  t  z  -  Berlin. 
Als  Herausgeber  zeichnet:  Dr.  phil.  et  med.  Carl  Oppen- 
lieiiue  r. 

(Hochschulnachrichten.) 

Baltimore.  Dr.  H.  Frieden  wald  wurde  zum  Pro¬ 
fessor  der  Ophthalmologie  und  Otologie  am  College  of  Physicians 
and  Surgeons  ernannt. 

Lemberg.  Habilitiert:  Dr.  Adam  Bednarski  für 
Augenheilkunde. 

Moska  u.  Der  ausserordentliche  Professor  der  thera¬ 
peutischen  Klinik,  Dr.  Iv.  P  a  w  1  i  n  o  w,  wurde  zum  ordentlichen 
Professor  ernannt. 


Personalnachrichten. 

(Bayer  n.) 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  Bezirksarzt 
I.  Klasse  Dr.  Engelbert  Hohn  in  Königshofen  im  Grabfeld,  seiner 
Bitte  entsprechend,  wegen  zurückgelegten  70.  Lebensjahres,  unter 
Anerkennung  seiner  langjährigen,  treuen  und  erspriesslichen 
Dienstleistung. 

Erledigt:  Die  Bezirksarztsstelle  I.  Klasse  in  Königshofen  im 
Grabfeld.  Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  be¬ 
legten  Gesuche  bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K.  Regierung,  Kammer 
des  Innern,  bis  zum  30.  November  1.  J.  einzureichen. 


Korrespondenz. 

Aufruf  zur  Errichtung  eines  Denkmals  für  Rudolf  V  i  r  c  h  o  w. 

Unser  V  i  r  c  h  o  w  wurde  uns  am  5.  September  d.  J.  durch  den 
Tod  entrissen. 

Von  allen  Seiten  ist  der  Wunsch  laut  geworden,  als  Zeichen 
unserer  Dankbarkeit  und  zur  Aufmunterung  für  zukünftige  Ge¬ 
schlechter  ihm  in  Berlin,  der  Stätte  seiner  Entwicklung  und  Haupt¬ 
wirksamkeit,  an  öffentlicher  Stelle  ein  Denkmal  zu  errichten. 

Das  Komitee,  welches  ihm  an  seinem  80.  Geburtstage  die 
Virchow-Stiftung  überreichte,  hat  es  übernommen,  diese 
Aufgabe  auszuführen  und  richtet  deshalb  an  die  Schüler,  Kollegen, 
Verehrer  und  Freunde  unseres  grossen  Meisters  Rudolf  V  i  r  c  h  o  w 
die  Bitte,  sowohl  selbst  einen  Beitrag  zu  spenden,  als  auch  in  ihren 
Kreisen  zu  Beiträgen  aufzufordern. 

Unser  Schatzmeister,  Herr  Geh.  Kommerzienrat  E.  v.  Men¬ 
delssohn -Bartholdy  ist  bereit,  solche  unter  der  Adresse: 
Bankhaus  Mendelssohn  &  Cie.,  Berlin  W.,  Jägerstr.  49/50 
in  Empfang  zu  nehmen.  Auch  liegen  Listen  in  den  Buchhand¬ 
lungen  A.  Asher  &  Co.,  Berlin  W.  Unter  den  Linden  13, 
A.  Hirsch  wald,  Berlin  NW.  Unter  den  Linden  68  und  Georg 
Reimer,  Berlin  W.  Lützowstr.  107/108,  sowie  beim  Custos  des 
Langenbeckhauses,  Herrn  Melzer,  Berlin  NW.  Ziegelstr.  10/11 
aus. 

Alle  Mitteilungen,  soweit  sie  nicht  die  Einzahlung  von  Bei¬ 
trägen  betreffen,  bitten  wir  an  unseren  Schriftführer,  Herrn  Prof. 
Dr.  Posner,  Berlin  SW.,  Anhaltstr.  7  zu  richten. 

Der  geschäftsführende  Ausschuss. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  fürMünchen 

in  der  44.  Jahreswoche  vom  26.  Oktober  bis  1.  November  1902. 
Beteiligte  Aerzte  119.  —  Brechdurchfall  9  (9*),  Diphtherie  u. 

:  Krupp  12  (16),  Erysipelas  9  (9),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  (2),  Kindbettfieber  1  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 
Morbilli  35  (26),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  3  (1),  Parotitis 
epidem.  —  (1),  Pneumonia  crouposa  1  (8),  Pyämie,  Septikämie 

i  —  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  16  (10),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 
Scarlatina  7  (2),  Tussis  convulsiva  15  (16),  Typhus  abdominalis  1 
(1),  Varicellen  11  (9),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  • —  (1)- 
Summa  110  (94).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  44.  Jahreswoche  vom  26.  Oktbr.  bis  1.  Novemb.  1902. 
Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  2  (  —  *)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  1  (1),  Rotlauf  —  (—),  Kindbettfieber  1  (— ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  (2),  Brechdurchfall  4  (3),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  1  (—),  Kruppöse  Lungenentzündung  3  (2),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  30  (19),  b)  der  übrigen  Organe  5  (7),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 

—  ( — ),  Unglücksfälle  4  (— ),  Selbstmord  2  (2),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  182  (179),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,7  (18,4),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  11,7  (11,1). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Die  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wßchenti 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5-6  Botren" 
P.relf  Deutschland,  Oesterr  -Ungarn  u.  Luxemburg 
vierteljährl.  M  b. —  in  allen  übrigen  Ländern  M  8  — . 
Einzelne  No.  80 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  /n  adressiren:  Für  die  Redaktion 
Arnulfstr.  26.  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr.  — 
Für  Abonnement  an  J.  K.  Lehmann,  Heustr  20.  - 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse, 
Promenadeplatz  16 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLlGENZ^EÄr^  UV1  1  1  1  1  *  1 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

i“fer’  SÄI'  \Xf'  H-  Cjirschmann,  W*.  Leute,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  i.  Winckel, 

■  cneu.  Leipzig.  Wurzburg.  Nürnberg.  Berlin  Erlangen.  München. 

No.  47.  25.  November  1902. 


München. 


Redaktion :  Dr.  B.  Spatz,  Amulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Henstrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  pathologischen  Institut  zu  Heidelberg. 

Ueber  Phagocytose,  Synthese  und  andere  intrazel¬ 
luläre  Vorgänge. 

Von  Professor  Dr.  J.  Arnold  in  Heidelberg. 

m.Gr  ^Jei"  £>enDgend  Müsse  und  Geduld  verfügt,  um  den  V  organg 
der  I  hagocytose,  z.B.  bei  den  Leukocyten,  unmittelbar  unter  dem 
Mikroskop  zu  beobachten,  kann  sich  davon  überzeugen,  dass  die 
Aufnahme  korpuskularer  Stoffe  durch  Protoplasmabewegungen 
vermittelt  wird.  Es  hat  somit  die  Phagocytose  eine  selbständige 
Akuon  der  Zelle  und  eine  korpuskulare  Beschaffenheit  der  Ge¬ 
bilde,  welche  in  diese  aufgenommen  werden  wollen,  zur  Voraus¬ 
setzung.  Am  einfachsten  liegen  die  Verhältnisse  bei  der  Phago- 
eytose  gefärbter  unlöslicher  Substanzen,  namentlich  gewisser 
Staubarten;  ihr  Ergebnis  ist  die  Bildung  jener  Formen,  welche 
als  leukocytäre  Staubzellen  bezeichnet  werden.  Weniger  ein¬ 
deutig  sind  die  Befunde  bei  den  intrazellulären  Einschlüssen 
™  Mikroorganismen,  weil  bei  manchen  möglicher  Weise  an  ein 
indringen  durch  Eigenbewegungen  gedacht  werden  muss, 
wahrend  andere,  namentlich  wenn  sie  abgestorben  sind,  nach  dem 
jpus  dei  Phagocytose  in  den  Zellleib  aufgenommen  werden. 
Es  smd  dies  allgemein  bekannte  Tatsachen,  welche  einer  weiteren 
Erörterung  nicht  bedürfen.  Es  sei  deshalb  nur  noch  hervor¬ 
gehoben,  dass  auch  bei  Zellen,  deren  phagocytäre  Eigenschaften 
nicht  sichergestellt  sind  (manche  Endothelien  und  Epithelien) 
o  er  denen  solche  voraussichtlich  nicht  zukommen,  korpus¬ 
kulare  Einschlüsse  beschrieben  werden.  Ob  für  diese  Fälle  noch 
ein  anderer  Modus  des  Eindringens  korpuskulärer  Gebilde  in 
Anspruch  genommen  werden  muss  und  ob  es  sich  nicht  bei 
manchen  nur  um  ein  Haften  dieser  an  der  Oberfläche  handelt, 
müssen  weitere  Untersuchungen  lehren.  —  Jedenfalls  darf  bei 
solchen  Zellen  nicht  ohne  weiteres  auf  einen  Vorgang  der  Phago¬ 
cytose  geschlossen  werden. 

Noch  weniger  ist  eine  solche  Vorstellung  berechtigt  bei  Sub¬ 
stanzen,  welche  gelöst  von  den  Zellen  umgesetzt  und  in  körniger 
form  m  diesen  abgeschieden  oder  an  die  Zellplasmosomen  ge¬ 
bunden  wurden.  Wenn  Fett,  Pigment,  Eisen  etc.  in  granulärer 
Anordnung  ausserhalb  der  Zellen  gelegen  ist,  so  wird  vielfach, 
namentlich  bei  Leukocyten  und  Endothelien  vorausgesetzt,  dass 
diese  Substanzen  ausschliesslich  nach  dem  Modus  der  Phago¬ 
cytose  in  den  Zelleib  gelangt  sein  können.  Es  sei  mir  gestattet, 
gerade  an  diesen  Beispielen  zu  zeigen,  wie  wenig  eine  solche  An¬ 
nahme  begründet  ist. 

..  }^aS  zunächst  das  Vorkommen  von  Fettkörnchen  und  Fett- 
2rop  c  en  anbelangt,  so  kommt  ja  zweifellos  eine  phagocytäre 
Aufnahme  dieser  vor.  Es  ist  dieser  Vorgang  vielfach  unmittel¬ 
bar  unter  dem  Mikroskop  beobachtet  worden.  Die  Fettröpfchen 
werden  von  den  Protoplasmafortsätzen  umfangen;  nachdem 
sm  längere  oder  kürzere  Zeit  in  dieser  Beziehung  ver- 
arrt,  kommen  sie  später  in  den  Leib  der  Zellen  zu  liegen.  Aller- 
(  mgs  muss  man  sich  vor  Täuschung  wahren.  Manchmal  wandern 
die  Zellen,  nachdem  ihre  Fortsätze  lange  einem  Tropfen  an¬ 
gelegen  oder  denselben  so  umfangen  hatten,  dass  er  intrazellulär 
zu  legen  schien,  wieder  weiter,  ohne  Fett  auf  genommen  zu  haben, 
n  ärgeren  Fällen  aber  enthielten  die  Zellen  bei  ihrer  Ablösung 
und  Weiterwanderung  Fettröpfchen,  welche  gewöhnlich  eine  sehr 
Mo.  47 


wechselnde  Grösse  besitzen.  Nach  meiner  Ueberzeugung  kann 
somit  an  dem  Vorkommen  einer  phagocytären  Aufnahme  von 
lett  durch  gewisse  Zellformen  nicht  gezweifelt  werden.  Dass 
aber  die  Bedeutung  dieser  Vorgänge  nicht  überschätzt  werden 
darf,  lehren  ausser  dem  Vorkommen  von  Fett  in  Zellen,  welche 
phagocytäre  Eigenschaften  nicht  besitzen,  folgende  Erfahrungen. 

Bei  der  Einfuhr  von  Fetten  und  verwandten  Substanzen 
m  den  Kückenlymphsack  von  Fröschen  finden  sich  zahlreiche 
sogen.  Eettkörnchenzellen  verschiedener  Provenienz;  teils  leuko- 
eytäre,  teils  fixe  Zellen  enthalten  Eettgranula  in  wechselnder 
Menge,  aber  von  annähernd  gleicher  Grösse.  Unter  den  ersteren 
bieten  ein  besonderes  Interesse  die  eosinophilen  Zellen  dar,  weil 
sich  an  ihnen  der  Nachweis  führen  lässt,  dass  das  Fett  an  die 
Granula  gebunden  ist.  Es  kann  dies  nicht  nur  aus  der  Lage  und 
gegenseitigen  Beziehung  der  Granula  zu  einander,  sondern  auch 
aus  ihrem  Verhalten  gegen  Eosin  einerseits,  Sudan  bezw.  Ueber- 
osiniumsäure  andererseits  erschlossen  werden.  An  Osmium- 
präparaten  enthalten  die  Zellen  nicht  nur  verschiedengradig  ge¬ 
schwärzte  Granula,  sondern  auch  neben  solchen  mehr  oder 
weniger  deutlich  durch  Eosin  gefärbte,  sowie  durch  die  ver¬ 
schiedensten  F arbentöne  gekennzeichnete  Uebergangsformen  Bei 
der  Mazeration  in  Jodjodkali-Eosin  und  Ueberosmiumsäure  er¬ 
hält  man  Granulaketten,  welche  Eettkörnchen  führen. 

.  Nieren  vom  I  rosch  (Rana  f usca)  enthalten  normaler 
Weise  eine  grosse  Menge  von  eosinophilen  Zellen.  Nach  Seifen¬ 
injektion  reagieren  die  Granula  dieser  deutlich,  aber  verschieden¬ 
artig  auf  Sudan  III  und  Ueberosmiumsäure.  Während  bei 
phagocytärer  Aufnahme  von  Fett  die  Fettröpfchen,  wie  oben  be¬ 
merkt,  eine  sehr  verschiedene  Grösse  darbieten,  führen  diese  Fett¬ 
körnchenzellen  Eettgranula  von  annähernd  gleicher  Grösse.  Ich 
wi  1  nicht  unterlassen  zu  betonen,  dass  aus  dem  Befunde  grösserer 
I  ettropfen  nicht  ohne  weiteres  auf  Phagocytose  geschlossen  wer¬ 
den  darf,  weil  auch  durch  Quellung  und  Konfluenz  der  Granula 
solche  Bilder  zu  stände  kommen  können.  Diese  Entstehungs¬ 
weise  ’)  von  Eettkörnchenzellen  aus  eosinophilen  Zellen  ist  meines 
^i  achtens  desshalb  so  bedeutungsvoll,  weil  aus  derselben  ge¬ 
folgert  werden  darf,  dass  auch  bei  Leukocyten  eine  intrazelluläre 
Eettbildung  nach  dem  Typus  der  Synthese  vorkommt,  und  dass 
bei  dieser  die  Plasmosomen  bezw.  die  Granula  der  Zelle  eine 
wichtige  Rolle  spielen.  Man  wird  somit  fernerhin  bei  dem  Be¬ 
funde  von  Fett  in  Leukocyten  nicht  ohne  weiteres  auf  eine  Phago¬ 
cytose  schliessen  dürfen.  Selbstverständlich  ist  auch  bei  phago- 
cytär  eingetretenem  Fett  dessen  nachträgliche  synthetische  Um¬ 
setzung  durch  die  Granula  nicht  ausgeschlossen.  Vielmehr  können 
sich  beide  Vorgänge  kombinieren. 

Für  diejenigen  Zellformen,  welchen  phagocytäre  Eigen¬ 
schaften  nicht  zukommen,  bleibt  nur  die  Annahme  eines  Ein¬ 
trittes  in  emulsiver  Form  oder  einer  Synthese  übrig.  Sehr  lehr¬ 
reich  waren  in  dieser  Hinsicht  Injektionsversuche  von  Seife¬ 
lösungen,  Oelen,  Emulsionen  etc.  in  das  Unterhautzellgewebe  von 
Warmblütern  (Mäusen),  sowie  die  Befunde  bei  gemästeten  Tieren 
(Gänse,  .  Hühnern  etc.).  Unter  den  genannten  Verhältnissen 
finden  sich  im  Blut  nur  bei  den  höheren  Graden  der  Fettablage¬ 
rung  in  den  Geweben  Eettkörnchenzellen  und  Fettkörner,  sowie 
kleinere  und  grössere  Fettropfen  in  grösserer  Zahl;  bei  sehr  hohen 

b  Kischenkys  (Zieglers  Beiträge  1902)  negative  Befunde 
erklären  sick  aus  dem  geringen  Grad  der  Fettmast,  welchen  et 
bei  seinen  Versuchen  erreichte. 


1 


1946 


MUENCHENER  MEDICIN1SCHE  WOCHEN  SCHEIE  1. 


No.  47. 


Graden  der  Fettmast  können  kleinere  Gefässe  mit  solchem 
Material  vollständig  erfüllt  sein.  In  der  Leber  enthalten  endo- 
und  perivaskulär  gelegene  Zellen,  die  K  u  p  f  f  e  r’schen  Stein¬ 
zellen  insbesondere,  zahlreiche  Fettgranula,  ebenso  die  Leber¬ 
zellen  selbst.  Das  Fett  erscheint  auch  hier  in  Form  kleinster 
und  grösserer  Granula  und  Tropfen.  Bei  Mazerationsversuchen 
solcher  Leberzellen  (Jodjodkali-Eosin  und  U eberosmiumsäure) 
kann  man  sich  davon  überzeugen,  dass  auch  hier  das  1  ett  zum 
Teil  an  Granula  gebunden  ist,  welche  in  die  Plasmosomexiketten 
und  -netze  eingefügt  erscheinen.  Bei  der  1  ärbung  von  Osmium 
Präparaten  mit  Dreifarbengemischen  nehmen  die  verschieden  ge¬ 
schwärzten  Granula  noch  andere  Farbentöne  an;  ein  Verhalten, 
das  wohl  auf  die  Beimengung  anderer  Substanzen  bezogen  wei¬ 
den  muss.  Degenerationserscheinungen  an  Protoplasma  und  Kern 
habe  ich  nur  bei  sehr  hochgradiger  Anfüllung  der  Zellen  mit 
Fett,  insbesondere  hei  ausgiebiger  Seifenzufuhr  wahrgenommen. 

Die  Nieren  enthalten  gleichfalls  mehr  oder  weniger  Fett,  so¬ 
wohl  in  den  Epithelien  der  Harnkanälchen,  namentlich  dei 
Schleifen,  aber  auch  der  gewundenen  und  geraden.  In  den 
gewundenen  Kanälchen  nimmt  das  Fett  hauptsächlich  die  basalen 
Abschnitte  der  Zellen  ein,  während  dieses  in  den  geraden  mehr  a.n 
der  Innenseite  der  Kerne  geleg  en  oder  über  der  Zelle  gleich  massig 
verteilt  ist.  Auch  im  Lumen  der  Harnkanälchen  trifft  man  I  ett, 
zuweilen  gebunden  an  hyaline  Zylinder.  Bei  hochgradiger  1  ett- 
mast  zeigen  sich  zuweilen  nicht  nur  die  Schlingen  der  Glomeiuli, 
sondern  auch  die  zugehörigen  Kapseln  und  Harnkanälchen  derai  t 
mit  Fett  angefüllt,  dass  die  Epithelien  verdeckt  werden. 

In  den  Trabekeln  der  Milz  und  in  der  Umgebung  der  Follikel 
finden  sich  zahlreiche  Fettköi'nchenzellen,  spärlicher  sind  diese  nn 
Innern  der  letzteren. 

Besonders  bemerkenswert  ist  noch  der  Befund  von  lett  im 
Herzmuskel  sowie  in  den  Gefässwänden,  und  zwar  in  einer  ähn¬ 
lichen  Anordnung-  und  Verteilung,  wie  bei  der  sogen.  Fett¬ 
degeneration,  ohne  dass  immer  degenerative  Prozesse  nachweis¬ 
bar  sind. 

Ich  verzichte  auf  eine  Verwertung  dieser  Befunde  für  die 
Lehre  von  der  Infiltration  und  Degeneration:  Begriffe,  welche 
einer  Beform  zweifellos  schon  deshalb  bedürfen,  weil  in  manchen 
Fällen  von  sogen.  „Fettdegeneration“  das  Fett  nicht  innerhalb 
der  Zelle  durch  Zerfall  von  Eiweiss  entsteht,  sondern  von  aussen 
bezogen  wird,  während  andererseits  bei  der  „Fettinfiltration“  De¬ 
generationszustände  Vorkommen  können.  Es  sollen  diese  Ver¬ 
hältnisse  bei  einer  anderen  Gelegenheit  ausführlich  erörtert  wer¬ 
den.  An  dieser  Stelle  muss  ich  mich  darauf  beschränken,  ihre 
Bedeutung  für  das  Verständnis  der  Pliagocytose  und  Synthese 
zu  berühren. 

Es  hegt  auf  der  Hand,  dass  bei  einem  Teil  der  genannten 
Organzellen  nur  ein  synthetischer  Vorgang  in  Betracht  gezogen 
werden  kann;  das  in  den  Körper  eingeführte  Fett  wird  gespalten, 
in  löslicher  Form  von  den  Zellen  aufgenommen  und  intrazellu¬ 
lär  wieder  auf  gebaut.  Dass  die  Aufnahme  des  Fettes  nicht  einen 
emulsiven  Zustand  dieses  zur  Bedingung  hat,  ergibt  sich  aus  dem 
Fehlen  solcher  feinster  Fettröpfchen,  so  z.  B.  bei  den  niederen 
Graden  der  Fettmast  der  Organe.  Besonders  beachtenswert  dünkt 
mir  aber  in  dieser  Hinsicht  das  Vorkommen  von  zahlreichen  Fett¬ 
granula  in  den  Knorpelzellen,  während  die  Knorpelkapseln  und 
die  Interzellularsubstanz  keine  Spur  von  Fettkörnchen  auf  weisen. 
Diese  Befunde  lassen  sich  meines  Erachtens  doch  nur  im  Sinne 
einer  Synthese  verstehen,  namentlich  wenn  man  berücksichtigt, 
dass  von  degenerativen  Zuständen  mangels  solcher  Erscheinungen 
keine  Rede  sein  kann J). 

Man  hat  eine  Aufnahme  des  Fettes  seitens  der  Zellen 
in  emulsiver  Form  namentlich  mit  Rücksicht  auf  den 
Befund  feinster  Körner  und  Tröpfchen  in  diesen  vorausgesetzt. 
Diese  Anordnung  ist  einer  meines  Erachtens  viel  sachgemässeren 
Erklärung  zugängig,  wenn  man  die  oben  geschilderte  Beziehung 
der  Zellplasmosomen  zu  diesem  Vorgang  berücksichtigt.  Die  oben 
angeführten  Tatsachen  berechtigen  nach  meiner  Ueberzeugung 
zu  einer  solchen  Anschauung  über  den  LTmsatz  der  Fette  durch 
die  Plasmosomen  bezw.  die  Granula  der  Zelle,  wie  sie  von  Alt- 
niann,  Krehl,  Metzner,  Beneke,  Hansemann,  Lubarseh 
und  unter  anderen  auch  von  mir  vertreten  wird.  Noch  in 

2)  Der  Befund  von  Fettkörnchen  in  den  Darmepithelien  bei 
der  Fettresorption  lässt  eine  verschiedene  Deutung  zu  und  kann 
meines  Erachtens  als  beweisend  für  den  Eintritt  des  Fettes  in 
emulsiver  Form  in  das  Innere  der  Zellen  nicht  angesehen  werden. 


einer  anderen  Hinsicht  sind  die  obigen  Versuche,  ich  meine  die 
Einführung  von  Fetten  in  das  Unterhautzellgewebe, ^von  Inter¬ 
esse;  es  ergibt  sich  aus  ihnen,  dass  Fette  auch  ohne  A  ermittlung 
von  Galle  synthetisch  umgesetzt  werden  können.  Man  vergleiche 
die  Ausführungen  Pflügers  in  seinem  Archiv. 

Ich  möchte  noch  anderer  Vorgänge  gedenken,  bei  welchen 
man  gleichfalls  der  Phagocytose  eine  zu  weitgehende  Bedeutung 
beigelegt  und  die  Möglichkeit,  eines  Umsatzes  durch  die  Zell- 
plasmosomen  nicht  genügend  berücksichtigt  hat.  Durch  zahl¬ 
reiche  Versuche  und  Beobachtungen  war  ich  bestrebt,  den  Nach¬ 
weis  zu  führen,  dass  sowohl  bei  der  exogenen,  als  auch  bei  der 
hämatogenen  Sidei'osis  das  Eisen  von  den  Plasmosomen  um- 
gesetzt  wird.  Führt  man  Eisenstaub  oder  grössere  Eisenteilchen 
(Nadeln  etc.)  in  die  Gewebe,  subkutan  oder  in  das  Knochenmark, 
so  finden  sich  nach  kurzer  oder  längerer  Zeit  auf  Eisen 
reagierende  Körner  in  den  verschiedensten  Zellarten.  In  eosino¬ 
philen  Zellen  trifft  man  neben  eosinophilen  Granula  solche,  die 
Eisen  führen;  auch  fixe  Bindegewebszellen,  Knorpelzellen  und 
Organzellen  enthielten  solche  Granula.  In  Anbetracht  des  Ver¬ 
haltens  der  letztgenannten  Zellformen,  namentlich  aber  der 
Knorpelzellen,  war  nur  die  Deutung  möglich,  dass  das  Eisen 
gelöst  aufgenommen  und  an  die  Granula  der  Zellen  gebunden 
wird.  Ein  phagocytärer  Vorgang'  liess  sich  für  die  letzteren  nicht 
annehmen.  Dass  aber  die  Eisen  enthaltenden  Gebilde  als  um¬ 
gewandelte  Granula  der  Zellen  angesehen  werden  mussten,  er¬ 
gab  sich  aus  ihrer  ganzeix  Anordnung,  namentlich  aber  aus  den 
Befunden  an  eosinophilen  Zellen;  ich  meine  das  Vox’kommen  von 
eosinophilen  und  sideroferen  Granula,  welche  reihenf öi mig  an¬ 
geordnet  und  ketten-  oder  netzartig  untereinander  verbunden 
waren,  in  ein  und  derselben  Zelle. 

Boi  der  hämatogenen  Siderosis  ergaben  sich  die  gleichen  Be¬ 
funde.  Besonders  bemerkenswert  war  die  Anordnung  der  Eisen- 
granula  in  den  Lebei'zellen,  da  auch  liiei’  ihre  gegenseitige  Be 
ziehung,  insbesondere  ihre  Verbindung  durch  Fäden  auf  prä¬ 
existente  Zellbestandteile  hinwies.  Auch  manche  \  orgänge  dei 
hämatogenen  Pigmentbildung  werden  bei  der  Annahme  ver¬ 
ständlicher,  dass  eine  Umsetzung  der  Blutbestandteile  zu  I  ig- 
ment  durch  die  Granula  vermittelt  werde.  Bei  diesen  Prozessen 
handelt  es  sich  allerdings  nicht  um  synthetische  im  strengsten 
Sinne  des  Wortes,  sondern  um  intrazelluläre  Umsetzungen, 
Metathesen,  welche  zum  Teil  die  Bildung  neuer  Stoffe  im  Ge¬ 
folge  haben. 

Weitere  Unter suchxmgen  müssen  lehren,  in  wie  weit  die 
Plasmosomen  und  Granula  dei’  Zellen  bei  den  intrazellulären 
Stoffwechselvoi'gängen,  mögen  sie  als  Assimilation,  Aufspeiche¬ 
rung  oder  wirkliche  Umsetzungen  im  Sinne  der  Syn¬ 
these  oder  der  Metathese,  d.  h.  als  Bildung  neuer 
Stoffe  und  deren  Ausscheidung  sich  darstellen,  be¬ 
teiligt  sind.  Die  Erfahrungen  über  vitale  Färbung  der  Plas¬ 
mosomen  und  Granula,  deren  Verhalten  bei  der  Synthese  von 
Fett,  der  Metathese  von  Eisen  und  Pigment,  sowie  diejenigen 
über  granuläre  Sekretion  der  Drüsen  können  nur  geeignet  sein, 
zu  weiteren  Foi'schungen  in  dieser  Richtung  zu  ermutigen. 


Operation  der  Fibromyome  des  Uterus.*) 

Von  Alfred  Hegar. 

Die  ersten  operativen  Eingriffe  bei  den  Neubildungen  des 
Uterus  erstreckten  sich  auf  die  fibrösen  Polypen.  Merkwürdiger¬ 
weise  hielt  man  deren  Exstirpation  für  ein  gefährliches  Unter¬ 
nehmen,  fürchtete  insbesondei’e  die  Blutungen,  so  dass  man  durch 
die  dagegen  gerichteten  Massregeln,  wie  Umschnürung  des  Stiels 
der  Geschwulst,  welcher  dann  der  Nekrose  übei’lassen  wui'de, 
wirkliche  Gefahren  herauf  beschwor.  Von  Interesse  ist,  bei  Ab¬ 
tragung  dieser  Txxmoren  mittels  schneidender  Instrximente,  ein 
auch  jetzt  noch  in  Anwendung  kommendes  Verfahren,  welches 
das  Dui’chziehen  eines  sehr  umfangreichen  Körpers  durch  eine 
relativ  enge  Oeffnung  gestattet.  Bei  dem  sogen.  Allongement 
operatoire  legt  man  entweder  einfache  Inzisionen  senkrecht  auf 
die  Längsachse  des  Fibroms  oder  umkreist  diese  mit  einem  spiral¬ 
förmigen  Schnitt,  worauf  es  sich  in  die  Länge  strecken  lässt. 

Weiterhin  folgten  der  Zeit  nach  die  Enukleationen  und 
zwar  gi’iff  man  die  in  einer  Muttermundslippe  entwickelten  oder 

*)  Arortrag,  gehalten  auf  der  Versammlung  oberi'heinischer 
Aei'zte  im  Juli  1902. 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1947 


in  diese  sich  hinein  erstreckenden  Fibromyome  an  oder  auch  die 
im  TTteruskörper  inserierenden  submukösen  Geschwülste,  welche, 
von  Kontraktionen  herabgetrieben,  durch  den  mehr  oder  weniger 
geöffneten  Muttermund  sichtbar  oder  auch  teilweise  hervor¬ 
getreten  waren. 

Der  Aufschwung  der  Ovariotomie  führte  dazu,  grosse  Ge¬ 
schwülste  durch  den  Bauchschnitt  zu  entfernen.  Die  ersten 
Operationen  waren  nicht  beabsichtigt.  Man  eröffnete  den  Unter¬ 
leib,  in  der  Meinung,  ein  Cysto varium  vor  sich  zu  haben,  und  als 
man  den  Irrtum  erkannte,  wollte  man  den  Eingriff  nicht  un¬ 
vollendet  lassen.  Erst  spcäter  machte  man  nach  richtig  gestellter 
Diagnose  intendierte  Operationen  dieser  Art.  Pean  gab  eine 
bestimmte  Methode  an  zur  Entfernung  grosser  Geschwülste  auf 
abdominellem  Weg.  Er  machte  eine  verhältnismässig  kurze  In¬ 
zision,  legte  Drahtschlingen  um  und  durch  grössere  oder  kleinere 
Abteilungen  des  Tumors,  schnürte  zusammen  und  trug  dann  ab. 
Zuletzt  umgab  er  den  Gebärmutterhals  mit  der  Schlinge  und 
schnitt  ab,  worauf  das  Schnürstück  der  Nekrotisierung  über¬ 
lassen  wurde.  Dies  Morcellement  erforderte  viel  Zeit  und  war 
nicht  ungefährlich.  Die  Modifikation  des  Stumpfes  war  eben¬ 
falls  häufig  von  unangenehmen  Folgen  begleitet. 

Ich  habe  1876  nach  dieser  Methode  operiert  und  in  Deutsch¬ 
land  zuerst  die  Exstirpation  grosser  Fibromyome  durch  Laparo¬ 
tomie  ausgeführt,  wenigstens  die  erste  vorher  beabsichtigte  Opera¬ 
tion  dieser  Art  gemacht.  Das  Morcellement  liess  ich  sogleich 
weg  und  machte  eine  grosse  Inzision,  welche  den  Tumor  sofort 
vorzuwälzen  gestattete.  Dagegen  benützte  ich  die  Drahtschlinge, 
welche  nicht  nur  einschnürt,  sondern  auch  einzuschneiden  ver¬ 
mag,  selbst  die  an  den  Seitenrändern  des  Uterus  verlaufenden 
grösseren  Gefässplexus.  Ich  wundere  mich  heute  noch,  dass 
die  beiden  Frauen,  welche  ich  zuerst  operierte,  mit  dem  Leben 
davon  kamen  und  glatt  genasen.  Sehr  bald  verbesserte  ich  die 
Methode,  indem  ich  den  Draht  durch  die  von  Kleefeld  em¬ 
pfohlene  Gummiligatur  ersetzte,  den  Stumpf  mit  Parietalserosa 
umsäumte  und  ihn  durch  Paquelin  und  Ohlorzinklösung  zu  einem 
trockenen  Schorf  umzuwandeln  suchte. 

Dies  Verfahren  hat  quoad  vitam  sehr  günstige  Resultate 
gehabt.  Die  Gefahr  der  Blutung  und  der  Sepsis  ist  sehr  gering. 
Kein  Fremdkörper,  kein  der  Nekrose  verfallendes  Gewebsstück 
bleibt  in  der  Bauchhöhle  zurück  und  die  Operation  lässt  sich 
schnell  ausführen.  Ich  habe  öfters  30 — 35  Genesungen  hinter¬ 
einander  verzeichnet.  Die  Nachteile  bestehen  in  der  längere 
Zeit  erfordernden  Nachbehandlung  und  in  der  Häufigkeit  eines 
später  eintretenden  Bauchbruches. 

Schröder  gab  darauf  eine  intraperitoneale  Methode  an. 
Nachdem  er  durch  Unterbindung  der  Spermatika  und  Einschnü¬ 
rung  des  Gebärmutterhalses  sich  vorläufig  vor  Blutung  gesichert 
hatte,  entfernte  er  die  Geschwulst  mit  dem  ganzen  oder  dem 
grössten  Teil  des  Uteruskörpers  durch  einen  keilförmigen 
Schnitt.  Die  Wundfläche  wurde  durch  Etagennähte  vereinigt. 
Hierdurch  sollte  eine  Hämorrhagie  nach  Lösung  der  Gummi¬ 
ligatur  verhütet  werden.  Dieses  Verfahren  schützte  weder  vor 
Blutung,  noch  vor  Sepsis  und  die  Resultate  waren  sehr  un¬ 
günstig. 

■  Ohrobak,  Hof  meier,  Zweifel  bildeten  daher  an¬ 
dere  Methoden  aus,  bei  welchen  der  Stumpf  aus  der  Bauchhöhle 
ausgeschaltet  wird,  die  also  eigentlich  zu  den  extraperitonealen 
Operationen  gehören  und  welche  man,  zur  Vermeidung  dieser 
Benennung,  wohl  auch  als  retroperitoneale  Verfahren  bezeichnet. 
Das  Wesentliche  daran  ist,  dass  Lappen  aus  der  Bauchfellbeklei¬ 
dung  des  unteren  Gebärmutterabschnitts  gebildet  werden,  welche 
man  alsdann  über  die  durch  einen  Querschnitt  abgetrennte 
Zervix  deckt.  Die  Blutung  soll  durch  Unterbindung  der  Sper¬ 
matika,  Umstechung  der  Uterinalgefässe  und  wohl  auch  der 
Zervix  in  einzelnen  Partien  verhütet  werden.  Dieses  Verfahren 
batte  gute  Resultate.  Doch  sah  man  auch  Nekrotisierungen  des 
Stumpfes.  Infektion  von  Seiten  der  Schleimhaut  der  Scheide 
oder  der  Zervix  ausgehend,  obgleich  man  deren  Kanal  mit 
dem  Paquelin  verschorfte.  Auch  beobachtete  man  nicht  selten 
langwierige  Eiterungen  infolge  der  zahlreichen  zurückgelassenen 
Ligaturen. 

Tn  die  Zeit,  in  welcher  diese  Operationen  angegeben  und 
fiusgebildet  wurden,  fallen  nun  noch  2  andere  Methoden.  Ich 
empfahl  und  führte  bei  Fibromyom  die  Kastration  aus. 
Submuköse  und  den  Nabel  beträchtlich  überschreitende  Tumoren 


sollten  ausgeschlossen  sein.  Die  Resultate  waren  nicht  nur 
quoad  vitam  ausgezeichnet,  auch  die  Blutungen  sistierten  fast 
stets  und  in  den  überwiegend  meisten  Fällen  verkleinerte  sich 
die  Geschwulst  sehr  bedeutend  und  häufig  sehr  schnell.  Dazu 
kommt  die  rasche  Ausführung  des  Eingriffs  und  seine  geringe 
Gefahr.  Selten  hörten  die  Hämorrhagien  und  das  Wachs¬ 
tum  nicht  auf  und  man  musste  zu  anderen  Verfahren 
übergehen,  wobei  übrigens  nichts  verloren  war.  Auch  wurde 
wohl  einmal  bei  einem  submukösen  Fibrom  die  Kastration  ge¬ 
macht  und  dies  verfiel  der  spontanen  Enukleation,  welche 
künstlich  zu  Ende  geführt  werden  musste.  Dies  sind  aber  Aus¬ 
nahmen,  welche  die  grossen  Vorzüge  der  Kastration  nicht  auf¬ 
wiegen  und  gegenüber  den  Nachteilen  und  Gefahren  anderer 
hier  in  Betracht  kommender  schwerer  Eingriffe  kaum  in  An¬ 
schlag  zu  bringen  sind.  Fibrome,  welche  den  Nabel  nicht  be¬ 
trächtlich  überschreiten,  deren  Exstirpation  durch  die  Vagina 
nicht  möglich  oder  wegen  der  längeren  Dauer  des  Verfahrens 
nicht  ratsam  erscheint,  eignen  sich  besonders  für  die  Kastration. 
Totalexstirpation  und  Amputatio  uteri  supravag.  sind  gefähr¬ 
licher.  Sie  können  auch  durch  den  Schwächezustand  der  Pa¬ 
tientin  ausgeschlossen  sein.  Der  Einwand,  es  sei  unrichtig,  ein 
gesundes  Organ  wegzunehmen,  anstatt  das  kranke  selbst  in  An¬ 
griff  zu  nehmen,  deckt  die  Sachlage  nicht  und  ist  entsetzlich 
doktrinär.  Die  Eierstöcke  sind  nicht  in  normalem  Zustand  und 
es  ist  gewiss  besser,  anstatt  den  Uterus  zu  exstirpieren,  seinen 
pathologischen  Zustand  zu  beseitigen  und  ihn  wenigstens  soweit 
zu  erhalten,  dass  er  seine  Funktion,  Vervollständigung  des  Ab¬ 
schlusses  der  Bauchhöhle  nach  unten,  auszufüllen  vermag. 

Eine  weitere  Methode,  Enukleation  des  Fibroms  von  der 
Bauchhöhle  aus,  rührt  von  Martin  her.  Es  kann  sich  dabei 
nicht  um  gestielte  oder  auch  breiter  aufsitzende  subperitoneale 
Geschwülste  handeln.  Diese  hat  man  auch  früher  mit  Schonung 
des  übrigen  Organs  weggenommen.  Ebensowenig  kommen  ein¬ 
zelne  oder  auch  mehrere  Knoten  von  der  Grösse  eines  Eies  oder 
eines  Apfels  in  Betracht,  welche,  in  den  tieferen  Schichten  der 
Muskularis  entspringend,  mässig  über  die  Aussenfläche  vor- 
springen.  Diese  rufen  keine  schlimmen  Erscheinungen  hervor. 
Sind  solche  da,  so  sind  weitere  Fibromyome  in  der  Tiefe  oder 
an  anderen  Stellen  vorhanden  und  andere  Verfahrungsweisen 
sind  nötig.  Hier  besteht  ein  ähnliches  Verhältnis  wie  bei  den 
kleincystischen  Degenerationen  der  Ovarien.  Ist  nur  eine  par¬ 
tielle  Erkrankung  vorhanden,  nur  einzelne  Follikel  wenn  auch 
stark  ausgedehnt,  so  treten  keine  Übeln  Folgen  ein.  Das  Aus¬ 
brennen  mit  dem  Paquelin,  das  Sticheln  oder  die  Resektion  des 
Eierstocks  sind  überflüssig.  Das  Interesse  der  Kranken  ist  es 
nicht,  welches  sie  erfordert.  Ein  allgemeiner,  fortschreitender, 
pathologischer  Prozess,  welcher  sich  mit  beträchtlichen  Be¬ 
schwerden  verknüpft,  wird  durch  jene  unnötigen  Eingriffe  nicht 
beseitigt.  Die  Enukleation  grösserer  intramuraler  oder,  wie 
Martin  will,  auch  submuköser  Myome  von  der  Bauchhöhle  her 
ist  noch  nicht  oft  genug  ausgeführt,  um  ein  bestimmtes  Urteil 
über  die  damit  verbundene  Lebensgefahr  zu  haben.  Doch  scheint 
diese  grösser  zu  sein  als  bei  den  anderen  mit  dem  Bauchschnitt 
verbundenen  Operationen.  Sicher  ist  dies  wohl  da,  wo  die 
Uterushöhle  geöffnet  werden  muss,  um  den  Tumor  auszuschälen. 
Man  hat  ferner  nie  Gewissheit  darüber,  ob  nicht  neben  einem 
oder  zwei  solitär  scheinenden  Tumoren  noch  weitere  kleine  Ge¬ 
schwülste  oder  Geschwulstkerne  vorhanden  sind,  welche  später 
weiter  wachsen.  Im  allgemeinen  kann  man  eher  das  Gegenteil 
annehmen.  Endlich  kann  man  nie  sicher  sein,  dass  eine  die  In¬ 
dikation  abgebende  Blutung  durch  die  Enukleation  mit  Sicher¬ 
heit  beseitigt  wird.  Man  hat  diese  Methode  als  eine  konservative 
gepriesen,  bei  welcher  nicht  nur  das  Organ,  sondern  auch  seine 
Funktion  erhalten  bleibe,  insbesondere  auch  Schwangerschaft  mit 
normalem  Verlauf  eintreten  könne.  Dies  ist  sicherlich  eine  sel¬ 
tene  Ausnahme,  auf  welche  keine  Indikation  gegründet  werden 
darf.  "Wenn  wirklich  einmal  eine  Empfängnis  eintritt,  so  ist 
dies  nicht  als  ein  erfreuliches  Ereignis  anzusehen.  Ein  von 
Narben  durchsetzter,  oft  auch  adhärenter  Uterus  ist  keine  ge¬ 
eignete  Herberge  für  ein  Ei,  welches  sich  gut  entwickeln  soll. 
Kein  Züchter  wird  ein  weibliches  Tier  mit  einem  derartigen 
Fruchthalter  auswählen,  um  gesunde  und  kräftige  Junge  zu  er¬ 
halten.  Der  Vergleich  mag  etwas  shocking  erscheinen,  entspricht 
aber  ganz  den  realen  Verhältnissen. 

Die  M  a  r  t  i  n  sehe  Methode  hat  wenig  Nachfolger  gefunden. 
Unter  diesen  befindet  sich  neuerdings  Olshausen. 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  47. 


Die  neueste  Phase  der  Fibromoperationen  ist  bezeichnet 
durch  die  abdominelle  Totalexstirpation,  welche  besonders 
von  Bu  mm  und  Döderlein  mit  Erfolg  ausgeführt 
wurde  und  durch  die  Enukleation  mit  und  ohne  gleich¬ 
zeitige  Totalexstirpation  nach  Eröffnung  des  vorderen  und 
hinteren  Scheidengewölbes.  Die  Unannehmlichkeiten,  welche 
man  mit  der  Versorgung  und  dem  späteren  Schicksal 
des  Stumpfes  und  der  versenkten  Ligaturen  bei  der  retro- 
peritonealen  Methode  hatte,  führten  zu  dem  Gedanken,  den 
ganzen  Uterus  wegzunehmen.  Die  Operation  hat  ihre  Schatten¬ 
seiten,  vor  allem  die  oft  unvermeidlich  lange  Dauer.  Unter  gün¬ 
stigen  Verhältnissen,  wie  bei  einfachen,  nur  nach  der  Bauchhöhle 
zu  gewachsenen,  auch  selbst  sehr  grossen  Tumoren,  nimmt  die 
Ausführung  nur  kurze  Zeit  in  Anspruch.  Allein  das  sind  ver¬ 
hältnismässig  wenige  Fälle.  Die  abdominelle  Totalexstirpation 
ist  gerade  bei  komplizierten  Verhältnissen  indiziert,  da,  wo  die 
Geschwulst  teilweise  im  kleinen  Becken  sitzt,  die  Bauchfell- 
platten  im  unteren  Teil  der.  Lig.  latum  entfaltet,  bis  zur  seit¬ 
lichen  oder  selbst  hinteren  Beckenwand  herangeht,  in  die  Nähe 
der  Vasa  hypogastrica  und  des  Ureters  gelangt,  die  hintere  Platte 
des  breiten  Mutterbandes  emporhebt,  die  Mesenterien  entfaltet, 
so  dass  nach  links  das  S  romanum,  nach  rechts  eine  Dünndarm¬ 
schlinge  auf  dem  Fibrom  liegt.  Oft  sind  die  Verzweigungen  der 
Uterina  auseinandergedrängt,  die  einen  nach  vorn,  die  anderen 
nach  hinten  verschoben.  Zuweilen  muss  man,  um  ein  freieres 
Gesichtsfeld  zu  gewinnen,  einzelne  Knoten  oder  Abteilungen  des 
Tumors  abtragen.  Es  bestehen  Veränderungen  in  diesen,  Blut¬ 
ergüsse,  Nekrosen,  Bildung  von  Hohlräumen,  wo  es  denn  oft 
zu  sehr  ausgedehnten,  blutreichen  Verwachsungen,  besonders  mit 
dem  Netz,  kommt.  Nicht  selten  sind  endlich  pathologische  Pro¬ 
zesse  in  den  Adnexen.  Unter  diesen  Verhältnissen  lässt  sich 
die  Operation  nicht  schnell  ausführen  und  doch  ist  diese  Me¬ 
thode  gerade  dann  angezeigt  und  hat  entschiedenen  Vorzug  vor 
allen  anderen  Verfahren. 

Tn  manchen  Fällen  lässt  sich  die  langdauernde  Eröffnung 
des  Abdomens  dadurch  vermeiden,  dass  man  in  dem  ersten  Teil 
der  Operation  vaginal  arbeitet,  die  Scheide  vom  Uterus  lostrennt, 
das  Peritoneum  vorn  und  hinten  öffnet  und  die  Uterinalgefässe 
unterbindet.  Erst  dann  wird  der  Bauchschnitt  gemacht  und  die 
Exstirpation  von  oben  vollendet,  was  dann  rascher  geschehen 
kann.  Leider  machen  ungewöhnlicher  Stand  der  Vaginalportion, 
die  Unmöglichkeit,  sie  herabzuziehen,  die  Behinderung  durch 
neben  dem  Hals  tief  herabreichende  Knoten,  die  Auseinander- 
drängung  der  Uterinalgefässe  dieses  Vorgehen  oft  unzulässig. 

Ein  weiterer  TTebelstand  ist  das  Zurückbleiben  eines  grossen 
Zellgewebraumes  zwischen  Scheide  und  Bauchfell.  Macht  man 
den  Verschluss  der  Peritonealhöhle  höher  oben,  etwa  am  Becken¬ 
eingang,  so  hat  man  noch  einen  Teil  der  Beckenbauchhöhle  nach 
der  Vagina  hin  offen.  Am  besten  hat  sich  noch  eine  zweck¬ 
mässige  Drainage  des  Hohlraums  mittels  Jodoformgaze  bewährt. 

Man  kann  nach  dem  Gesagten  bei  der  abdominellen  Total¬ 
exstirpation  keine  so  guten  Erfolge  erwarten  wie  bei  den  an¬ 
deren  Methoden.  Dies  liegt  daran,  dass  gerade  die  schwierigsten 
und  kompliziertesten  Fälle  diesem  Verfahren  reserviert  werden 
müssen. 

Die  vaginalen  Enukleationen  und  Totalexstirpationen  haben 
einen  grossen  Aufschwung  genommen,  seit  Dührssen  die 
Vaginotomia  ant.  ausbildete.  Ob  man  zunächst  von  vorn  oder 
hinten  vorgeht,  hängt  davon  ab,  von  wo  der  Tumor  am  besten 
zugänglich  ist.  Die  Enukleation  allein  ist  nur  bei  kleineren, 
voraussichtlich  solitären,  über  die  Oberfläche  des  unteren  Uterus¬ 
abschnittes  nach  aussen  hin  vorspringenden,  intramuralen  oder 
subperitonealen  Fibromen  angezeigt,  welche  sich  gut  wegnehmen 
lassen,  ohne  dass  das  Organ  stark  malträtiert  wird.  Aber  auch 
submuköse  Geschwülste  sind  für  dieses  Verfahren  geeignet.  Zu¬ 
weilen  ist  die  Eröffnung  der  Bauchhöhle  bei  Vaginotomia  ant. 
nicht  einmal  nötig.  Man  spaltet  die  vordere  Uteruswand  bis 
zum  festen  Ansatz  des  Peritoneum  oder  präpariert  dies  etwas 
von  der  Muskularis  nach  oben  hin  ab  und  indiziert  dann.  Uebri- 
gens  kann  man  auch  die  Bauchfellwunde  wieder  durch  die  Naht 
schliessen.  Ob  man  die  Uteruswunde  nach  vollendeter  Operation 
wieder  vereinigt  oder  offen  lässt,  hängt  davon  ab,  ob  man  eine  aus¬ 
giebige  Drainage  der  Wunde  und  gleichzeitig  der  Uterushöhle 
für  nötig  hält  oder  nicht. 


Man  gibt  gewöhnlich  an,  dass  der  Tumor  den  Nabel  nicht 
erreichen  dürfe,  wenn  seine  Herausnahme  durch  Scheidenschnitt 
noch  gerechtfertigt  sein  solle:  Wir  haben  schon  umfänglichere 
Fibrome,  welche  den  Nabel  überstiegen,  so  entfernt.  Die  Grösse 
ist  nicht  allein  massgebend.  Zuweilen  lassen  sich  grosse  Ge¬ 
schwülste  besser  mit  einem  Teil  ihrer  Peripherie  in  den  Becken¬ 
eingang  einpressen,  als  kleinere.  Auch  sind  die  Fibrome  in  ver¬ 
schiedener  Weise  mit  der  übrigen  Muskulatur  verbunden,  einige 
sehr  innig,  besonders  bei  jüngeren  Personen,  so  dass  Messer  oder 
Scheere  nötig  sind,  um  die  Verbindungen  zu  lösen;  bei  anderen 
sind  diese  so  locker,  dass  man  bequem  mit  den  Fingern  zum  Ziel 
gelangt.  Auch  der  Zusammenhang  der  Geschwülste  unter  sich 
ist  verschieden.  Manche  lassen  sich  leicht  in  die  Länge  aus- 
ziehen,  was  durch  Schnitte  in  die  Peripherie  befördert  wird; 
andere  geben  dem  Zug  wenig  nach.  Man  muss  sich  einbohren, 
keilförmige  oder  zylindrische  Stücke  ausschneiden.  Dann  wird 
der  Zusammenhang  der  Testierenden  Stücke  weniger  fest  und 
man  reüssiert  zuletzt  bei  den  Traktionsversuchen. 

Die  Erhaltung  des  Uterus  ist  bei  einigermassen  grossen  Ge¬ 
schwülsten  nicht  ratsam.  Das  Organ  wird  während  der  Opera¬ 
tion  zu  stark  mitgenommen.  Rücksicht  auf  seine  Erhaltung  ver¬ 
bietet  also  nicht  die  vorherige  Unterbindung  der  Uterinalgefässe, 
ehe  man  das  Fibrom  selbst  angreift.  Wird  diese  vorausgeschickt, 
so  ist  die  Gefahr  der  Blutung  erheblich  herabgesetzt.  Ausser¬ 
dem  hat  man  noch  den  Vorteil,  dass,  wenn  allenfalls  die  Vol¬ 
lendung  der  Operation  den  Bauchschnitt  erfordert,  wie  dies 
unter  unglücklichen  Umständen  zuweilen  vorkommt,  dieser 
zweite  Akt  rasch  abgemacht  werden  kann  und  also  die  Abdominal¬ 
höhle  nur  kurze  Zeit  offen  zu  sein  braucht. 

Die  vaginale  Totalexstirpation  bei  Fibrom  liefert  von  allen 
hier  in  Betracht  kommenden  Operationen  die  günstigsten  Re¬ 
sultate.  Vor  den  mit  Bauchschnitt  verbundenen  Methoden  hat 
sie  noch  das  voraus,  dass  man  vor  Hernien  sicher  ist. 


Die  operative  Behandlung  der  Lungentuberkulose.  ) 

Von  Prof.  A.  L  am  derer  in  Stuttgart. 

Die  Frage,  ob  bei  Lungentuberkulose  operatives  Eingreifen 
sich  empfiehlt  oder  nicht,  muss  zurzeit  noch  als  eine  offene  an¬ 
gesehen  werden. 

Die  theoretischen  Erwägungen  F  reunds,  die  pathologi¬ 
schen  Bef unde  Schmorls,  die  ich  als  bekannt  voraussetze, 
lassen  chirurgische  Eingriffe  in  Frühfällen  als  berechtigt  er¬ 
scheinen.  Die  zusammenfassenden  Referate,  die  Quincke 
und  Gar  re  auf  der  vorjährigen  Naturforscherversammlung 
gegeben  haben,  sind  in  diesem  Punkte  sehr  zurückhaltend. 
Neueste  Publikationen,  wie  z.  B.  die  Riegners1)  aus  dem 
Krankenhause  am  Urban,  lehnen  die  Berechtigung  chirurgischen 
Eingreifens  bei  tuberkulösen  Kavernen  direkt  ab  auf  Grund 
praktischer  Erfahrung  und  unter  Berücksichtigung  der  patho¬ 
logischen  Befunde  bei  Sektionen.  S  a  r  f  e  r  t,  glaubt  ein  ope¬ 
ratives  Eingreifen  bei  gut  abgekapselten  isolierten  Kavernen  em¬ 
pfehlen  zu  dürfen.  J  ordan 2)  kommt  auf  Grund  der  Er¬ 
fahrungen  der  Heidelberger  Klinik  sogar  zu  unerfreulichen 
Schlüssen  über  die  Endresultate  der  operativen  Behandlung 
tuberkulöser  Empyeme  und  Thoraxfisteln.  Unter  diesen  Um¬ 
ständen  glaube  ich  meine  Erfahrungen,  die  sich  auf  9  der¬ 
artige  Fälle  beziehen,  hier  mitteilen  zu  dürfen,  um  so  mehr,  als 
sie  zu  etwas  anderen  Ergebnissen  führen,  der  leitende  Gedanke 
und  auch  die  betretene  Methode  etwas  anders  waren  als  bisher. 
Ich  bemerke  gleich  hier,  dass  ich  Frühfälle  nicht  operativ  in 
Angriff  genommen  habe,  sondern  nur  vorgeschrittene,  nacli 
meiner  Ansicht  verlorene  Fälle.  Ob  sich  aus  meinen  Ergeb¬ 
nissen  auch  Schlüsse  für  die  chirurgische  Behandlung  von  Früh¬ 
fällen  ziehen  lassen,  darauf  werde  ich  am  Schlüsse  noch  kurz 
zurückkommen. 

Ich  möchte  zunächst  die  3  ersten,  aus  früheren  Jahren  stam¬ 
menden  Fälle  kurz  besprechen,  weil  sie,  mehr  zufälligen  Beob¬ 
achtungen  entstammend,  gewisse  in  den  anatomischen  Verhält¬ 
nissen  bedingte  Schwierigkeiten  und  gewisse  Mängel  der  chi¬ 
rurgischen  Methode  in  bezeichnender  Weise  illustrieren.  Erst  die 
6  letzten  sind  nach  einem  bestimmten  Plane  operiert  worden. 

*)  Vortrag,  gehalten  am  22.  September  1902  auf  der  Natur¬ 
forscherversammlung  zu  Karlsbad. 

’)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1902.  No.  29. 

2)  Beitr.  zur  klin.  Ohir.  34.  Bd. 


25.  November  1902. 


M  LEN  CHE  NEE  MEDJCINISC11E  WOCHENSCHRIFT. 


1940 


1.  der  erste  Fall  ist  schon  eine  Reihe  von  Jahren  her.  Bei 
einem  Kranken  mit  fast  stationärer  Lungenphthise  hatte  sich  am 
unteren  Rande  des  rechten  M.  pectoralis  major  ein  Abszess  ge¬ 
bildet,  dei  fraglos  mit  einer  leicht  nachzuweisenden  Kaverne  zu- 
sammenhmg  Der  Abszess  war  gashaltig  und  wurde  durch 
Pressen  und  Husten  deutlich  praller.  Das  erst  in  letzter  Zeit  auf- 
getretene  lieber  konnte  auf  diesen  Abszess  bezogen  werden. 
Idi  eiotluete  ihn;  zalier,  schaumiger  Eiter  entleerte  sich.  Nach¬ 
dem  der  M.  pector.  maj.  am  Rande  eingekerbt  und  mit  Haken 
lochgezogen  war,  kam  man  im  Verfolgen  eines  Ganges  auf  eine 
0f-ffl!Ullg  am  .oberen.  Rand  der  2.  Rippe.  Ich  brach  mit  der 


Ilolilmeiselzange  ein  rundes  Loch 


aus  der  Rippe  aus  und  kam 


mit  dem  Finger  m  eine  unregelmässige  hühnereigrosse  Höhle  in 

iw1’  LlIUSC'  Icl?  legte.  ein  Drainrohr  ein.  Die  Reaktion  auf  den 
Eingriff  war  sehr  gering;  das  Fieber  fiel  ab.  Bei  jedem  Husteu- 
stoss  kam  Luft  aus  der  Wunde.  Der  Gang  wurde  bald  enger, 
schloss  sich  aber  nicht.  Spritzte  man  mit  Methylenblau  gefärbte 
Kochsalzlösung  durch  die  Fistel  ein,  so  spuckte  der  Patient  so- 
lort  blau  aus.  Die  Menge  des  Sputums  hatte  abgenommen.  Ein 
Verschluss  der  Fistel  gelang  nicht.  Pat.  musste  beständig  einen 
M  attebausch  in  der  Achselhöhle  tragen.  Als  er  nach  etwa  2  Jahren 
um  aus  den  Augen  kam,  war  sein  Allgemeinbefinden  ein  befrie- 


ein  Teil  des  Sputums 
trotz  Verbandes  am 


digendes;  lästig  war  es  ihm,  dass  beständi 
sich  nach  der  Achselhöhle  entleerte  und 
Körper  herablief. 

2.  Dieser  Fall  betraf  eine  Tuberkulose  im  letzten  Stadium 
iait  vol'wiegender  Beteiligung  des  rechten  Huterlappens,  hohes 
lieLei.  Die  Pinnt  über  der  <.  und  8.  Rippe  war  gerötet,  teigig 
empfindlich.  Man  musste  annehmen,  dass  hier  ein  Durchbruch 
einer  Kaverne  in  Entwicklung  begriffen  sei  und  das  Fieber  zum 
Teil  damit  Zusammenhänge.  Bei  der  Inzision  fanden  sich  Haut  und 
Unterbau t  im  Stadium  ödematös-entzündlicher  Schwellung.  Nach 
Resektion  von  je  6  cm  aus  7.  und  8.  Rippe  kam  man  mit  der  Holil- 
sonde  sofort  in  eine  stark  wallnussgrosse  Kaverne.  Pleura  und 
i'ine  dünne  Schicht  Lungengewebe  wurde  mit  dem  Thermokauter 
gespalten.  Es  wurden  noch  4  Kavernen  von  ungefähr  der  gleichen 
Grösse  eröffnet  und  ein  Drainrohr  eingelegt.  Ein  günstiger  Ein¬ 
fluss  auf  Fieber,  Allgemeinbefund,  Lungenverhältnisse  liess  sich 
nicht  erkennen.  Pat.  starb  nach  10  Tagen.  Bei  der  Sektion 
fanden  sich  noch  über  ein  Dutzend  Kavernen  im  rechten  Unter¬ 
lappen,  die  nicht  eröffnet  oder  irgendwie  durch  die  Operation  be¬ 
einflusst  waren. 

3.  In  diesem  Fall  handelte  es  sich  um  eine  Kaverne  des 
rechten  Unterlappens,  die  einen  abgesackten  Pyopneumothorax 
bedingt  hatte.  Es  wurden  2  Rippen  reseziert,  '  die  Höhle  ent¬ 
leert,  eine  Drainröhre  in  die  Kaverne  eingelegt.  Während  des  Ver¬ 
bandanlegens  wurde  der  Kranke  auf  di«'  linke  Seite  gelegt;  plötz¬ 
licher  Tod  trotz  sofortigen  Luftröhrenschnitts  und  Aussaugens  der 
Trachea.  In  den  Bronchien  der  gesunden  Seite  fanden  sich  bei 
der  Sektion  etwa  2  Esslöffel  Eiter.  Der  Kranke  war  Morphinist 
gewesen  und  in  sehr  heruntergekommenem  Zustand. 

Sonstige  Operationen  —  bei  Pyopneumothorax  und  Empyema 
tuberculosum  —  übergehe  ich,  kann  mich  jedoch  den  pessi¬ 
mistischen  Anschauungen  Jordans  nicht  ganz  anschliessen. 
Ich  verfüge  über  verschiedene  Fälle,  sicher  tuberkulöser 
Natur,  die  seit  Jahren,  anscheinend  dauernd  geheilt  sind.  Dass 
der  Verlauf  dieser  3  Fälle  ebensowenig  wie  das  Studium  der 
Literatur  zu  weiteren  \  ersuchen,  Lungentuberkulose  operativ 
zu  behandeln,  ermutigt,  ist  selbstverständlich.  Die  Bedenken, 
die  gegen  operative  Behandlung  vorgeschrittener  Lungentuber¬ 
kulosen  sich  äussern  lassen,  sind  zahlreich,  auch  wenn  man  seine 
Ziele  sich  nicht  sehr  hoch  steckt.  Zunächst  lässt  sich  die  ope¬ 
rative  Eröffnung  mit  Aussicht  auf  einigen  Erfolg  nur  auf  die 
immerhin  seltenen  Fälle  anwenden,  wo  eine  einzige  gut  ab- 
‘grenzte  Tvaverne  besteht  oder  höchstens  einige  benachbarte,  die 
sich  ineinander  und  nach  aussen  öffnen  lassen.  Meist  ist  die 
Sache  so,  wie  dies  Fall  II  illustriert;  einen  Teil  der  Kavernen 
öffnet  und  drainiert  man,  die  anderen  bleiben  unbeeinflusst. 
K  ieguer  hat  eine  Anzahl  von  Fällen  auf  dem  Sektionstisch 
auf  die  Mögliclikeit  operativer  Eröffnung  hin  studiert  und  kommt 
zu  dem  Ergebnis,  dass  es  in  den  meisten  Fällen  technisch  nicht 
möglich  ist,  die  zerstreuten  Kavernen  sicher  genug  zu  dia¬ 
gnostizieren,  noch  viel  weniger  sie  alle  zu  eröffnen.  Aber  auch 
wenn  die  Kavernen  in  genügender  Weise  eröffnet  sind,  so 
bleiben  leicht  Lungenfisteln  zurück,  wenigstens  in  den  oberen 

den  Kranken  ein  unerfreulicher 


Es 


ist  für 


Lungenpartien. 

Zustand,  wenn  er  einen  Teil  seines  Sputums  in  die  Achselhöhle 
oder  auf  die  Brust  entleert. 

Meine  Versuche,  die  Vernarbung  von  Lungenkavernen  auf 
operativem  Wege  zu  fördern,  gingen  von  anderen  Gesichts¬ 
punkten  aus,  die  in  ähnlicher  Weise  schon  von  anderen 
(I  urban,  Spengler  u.  a.)  ausgesprochen  worden  sind. 

Wenn  man  Patienten  mit  typischen  Kavernensymptomen  in 
den  Spitzen  beobachtet  und  die  Sache  sich  der  Besserung  zu¬ 
wendet,  so  sieht  man  den  3.,  häufig  auch  den  2.  Interkostal¬ 
raum  sich  energisch  einziehen,  ebenso  mitunter  die  Ueber- 

No.  47. 


schlüsselbeingrube.  Sind  die  Kavernen  nicht  zu  gross,  so  ver¬ 
schwinden  die  Kavernensymptome  und  es  tritt  eine  —  oft 
dauernde  Heilung  ein.  Sind  die  Kavernen  gross,  so  kann 
ein  stationärer  Zustand  eintreten,  die  Rasselgeräusche  ver¬ 
schwinden  ganz  oder  fast  ganz,  auch  die  Bazillen  können  ganz 
oder  zeitweise  schwinden.  Als  Heilung  ist  dieser  Ausgang  aber 
natürlich  nicht  anzusehen.  Die  Kranken  bleiben  Katarrhen 
und  Rückfällen  ihrer  Lungentuberkulose  stets  ausgesetzt,  denn 
eine  Auskleidung  mit  richtigem  Epithel  scheint  bei  diesen 
grossen  Kavernen  nicht  vorzukommen.  Die  Kranken  gehen 
—  nach  Jahren  —  in  irgendwelcher  Weise  seitens  ihrer  defekten 
Lunge  zu  Grunde  oder  durch  Amyloid.  In  anderen  Fällen 
giossei  Kavernen  kommt  es  überhaupt  nicht  zu  Einziehungen, 
weil  der  Prozess  der  Einschmelzung  unaufhaltsam  fortschreitet 
und  Vernarbungsvorgänge  sich  nicht  erkennen  lassen. 

Wer  die  Entstehungsweise  dieser  Einziehungen  verfolgt, 
dem  muss  sich  stets  aufs  neue  der  Gedanke  auf  drängen :  diesen 
Heilbestrebungen  der  Natur  sollte  nachgeholfen  werden.  Für 
den  Chirurgen,  der  gewohnt  ist,  Empyemhöhlen  mit  Rippen¬ 
resektion  und  1  horakoplastik  zu  behandeln,  liegt  ein  solcher  Ge¬ 
danke  doppelt  nahe.  Wir  operieren  bei  Empyemhöhlen  aus  ein¬ 
fachen  mechanischen  Rücksichten,  weil  die  starren  Wandungen 
der  Höhlen  nicht  zusammenfallen  können,  aus  demselben  Grunde, 
weshalb  wir  früher  auf  knöchernem  Grunde  aufsitzende  Bein¬ 
geschwüre  zirkumzidierten,  um  die  Möglichkeit  einer  Narben¬ 
schrumpfung  zu  erzielen;  aus  demselben  Grunde,  weshalb  wir 
z.  B.  bei  osteomyelitischen  Knochenhöhlen  mindestens  eine  Wand 
der  Höhle  wegnehmen,  damit  sich  die  Weichteile  hineinlegen 
können.  Ob  die  Höhlen,  deren  Verkleinerung  wir  anstreben, 
zwischen  Pleura  und  Thoraxwand  sitzen,  wie  die  Empyemhöhlen, 
oder  in  den  Lungen  selbst,  wie  die  Kavernen,  das  dürfte  schliess¬ 
lich  keinen  grossen  Unterschied  bedingen.  Dass  die  Möglich¬ 
keit  freier  Entfaltung  der  Narbenschrumpfung  bei  der  Heilung 
tuberkulöser  Prozesse  mitunter  eine  ausschlaggebende  Rolle 
spielt,  sehen  wir  bei  chirurgischen  Tuberkulosen  oft  genug. 
Scheinbar  aussichtslose  tuberkulöse  Coxiten  nehmen  plötzlich 
eine  unerwartete  Wendung  zur  Spontanheilung,  wenn  eine  Spon¬ 
tanluxation,  eine  Epiphysenlösung  die  Möglichkeit  einer  ener¬ 
gischen  Verkürzung  und  Narbenschrumpfung  bietet.  Gonitiden, 
die  in  keiner  Behandlung  gestanden  haben,  sehen  wir  ausheilen, 
wenn  der  Narbenschrumpfung,  die  das  Knie  in  spitze  Beugung 
zieht,  freier  Spielraum  gelassen  wird.  Ein  Teil  der  heilenden 
\\  irkung  unserer  Resektionen,  wo  von  einer  gründlichen  Ex¬ 
stirpation  des  tuberkulösen  Gewebes  oft  nicht  die  Rede  sein  kann, 
ist  wohl  darauf  zu  beziehen,  dass  mit  Entfernung  von  mehreren 
Zentimetern  Knochen  die  Narbenschrumpfung  freien  Spielraum 
bekommt.  Auch  für  die  Heilung  der  tuberkulösen  Peritonitis 
nach  Laparotomie  mögen  solche  mechanischen  Momente  eine 
Rolle  mit  spielen.  Ich  möchte  hiebei  nicht  missverstanden 
werden.  Ich  bin  nicht  der  Ansicht,  dass  für  die  Heilung  tuber¬ 
kulöser  Herde  die  mechanischen  Verhältnisse  allein  massgebend 
sind.  Ich  glaube,  meine  ganzen  Bestrebungen  auf  dem  Gebiet 
der  Tuberkulosenbehandlung  schützen  mich  vor  diesem  Ver¬ 
dacht.  Betonen  möchte  ich  aber  doch,  dass  für  die  Frage  vom 
Heilen  und  Nichtheilen  vorgeschrittener  tuberkulöser  Prozesse 
das  einfache  mechanische  Moment  meiner  Ansicht  nach  zurzeit 
nicht  die  nötige  Beachtung  findet. 

Ebenso  auch  für  die  Frage  der  Lungentuberkulose.  Wenn 
die  Höhle  nicht  zusammenfallen  kann,  wenn  sie  immer  weiter 
sezernieren  muss,  infektiöses,  bazillenhaltiges  Material,  das 
immer  wieder  neue  Lungenpartien  angreift,  so  muss  der  Versuch 
berechtigt  sein,  diesen  Circulus  vitiosus  an  einer  Stelle  zu  durch¬ 
brechen.  Dies  war  der  Gedankengang,  der  mich  veranlasste,  vor¬ 
geschrittene  Lungentuberkulosen  mit  Thorakoplastik  oder  mul¬ 
tiplen  Rippenresektionen  zu  behandeln. 

Vorgeschrittene  Lungentuberkulosen  sind  an  sich  kein 
besonders  günstiges  Objekt  für  grössere  Operationen.  Die 
Chloroformnarkose  ertragen  Tuberkulöse  meist  gut;  da¬ 
gegen  vertragen  sie  Blutverlust  schlecht;  die  üblen  Wirkungen 
kommen  oft  erst  nach  einigen  Wochen  zu  Tage,  als  rasche,  nur 
schwer  mehr  zu  beseitigende  Verschlimmerung  der  tuberkulösen 
Prozesse.  Ganz  in  derselben  Weise  wirkt  länger  dauerndes 
T  iebei .  Man  sieht  nach  derartigen  ungünstigen  Einflüssen  bis¬ 
her  dem  II.  Stadium  angehörige  Fälle  rasch  ins  III.  übergehen. 
Noch  ein  weiterer  Punkt  ist  zu  beachten.  Nach  Operationen  in 

2 


iy50 


No.  47. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


tuberkulösen  Geweben  wird  bekanntlich  nicht  selten  Miliartuber¬ 
kulose  beobachtet. 

Mit  diesen  Gefahren  hat  man  zu  rechnen,  wenn  man  grössere 
Operationen  bei  Tuberkulösen  unternimmt;  diese  .  Gefahren 
müssen  vermieden  werden,  wenn  man  auf  Erfolg  rechnen  will. 

Ich  habe  die  Operationen  in  den  folgenden  Fällen  daher  nur 
unternommen,  weil  die  Fälle,  die  ich  zunächst  zur  Operation 
auswählte,  als  sonst  unheilbar  angesehen  werden  mussten. 

4.  25  jähriges  Fräulein,  seit  10  Jahren  kränklich,  mehrmals 
Lungenentzündungen,  seit  5  Jahren  festgestellte  Lungentuberku¬ 
lose.  Februar  1901:  Kaverne  in  der  rechten  Spitze  (Dämpfung  bis 
2.  Rippe,  reichliche  feuchte,  mittelgrossblasige,  zum  Teil  klingende 
Rasselgeräusche);  links  fast  überall  Dämpfung,  von  der  2.  bis 
4.  Rippe  eine  etwas  hellere  Zone,  daselbst  zahlreiche  feuchte,  mittel¬ 
grossblasige  Geräusche;  in  den  oberen  Partien  vorn  und  hinten 
deutlich  klingende  Geräusche;  in  den  unteren  Partien  vorn  und  hin¬ 
ten,  besonders  in  der  Axilla,  laute,  metallisch  klingende  Geräusche. 
Anatomische  Diagnose:  Kaverne  in  der  rechten  Spitze,  im  linken 
Ober-  und  im  linken  Unterlappen;  linke  Lunge  grösstenteils  de- 
struiert.  Temperatur  subfebril,  38,0 c'— 38,2  °,  gelegentlich  auch 
38,8° — 39°;  schlechter  Appetit;  Gewicht  95  Pfund;  Auswurf  80  bis 
100  ccm,  unzählige  Bazillen.  Unter  Hetolbeliandlung  sind  die 
Ivavernensymptome  rechts  oben  bis  zum  August  verschwunden, 
Gewichtszunahme  5  Pfund;  Temperatur  etwa  0,5°  niedriger. 
Links  die  Geräusche  weniger,  namentlich  in  der  linken  Spitze. 
Pat.  weiss,  dass  die  linke  Lunge  nicht  zur  Ausheilung  kommen 
kann;  da  das  Körpergewicht  still  steht,  eine  weitere  Besserung  bis 
Ende  Oktober  nicht  eintritt,  schlägt  sie  selbst,  des  jahrelangen,  aus¬ 
sichtslosen  Krankseins  müde,  eine  Operation  vor.  Am  20.  Novem¬ 
ber  werden  aus  der  hinteren  seitlichen  Thoraxwand  von  einem 
senkrechten  Schnitt  mit  unterem  Winkelschnitt  von  7  Rippen 
(2. — 8.  Rippe)  Stücke  reseziert  von  4 — 15  cm  Länge,  unter  Yor- 
ziehen  des  Schulterblatts.  Die  getrennten  Muskeln  werden  genäht. 
Naht.  Drainage.  Die  in  Morphium-Chloroform-Sauerstoffnarkose 
ausgeführte  Operation  wird  sehr  gut  ertragen.  Am  4.  Tag  fängt 
die  Temperatur  an  zu  steigen,  ist  am  7.  Tag  auf  39,2  °,  fällt  lang¬ 
sam  auf  38,5 — 38,2°.  Das  Aushusten  erfolgt  unter  mässigen  Morphium¬ 
gaben  in  genügender  Weise.  An  der  wegen  der  Temperatur¬ 
steigerung  teilweise  geöffneten  Wunde  findet  sich  nichts  Be¬ 
sonderes.  Beschwerlich  sind  Erscheinungen  seitens  des  Herzens. 
Herzklopfen  und  Pulsfrequenz  140,  die  mit  einer  rasch  sich  ent¬ 
wickelnden  Lageveränderung  des  Herzens  in  Verbindung  gebracht 
werden  müssen.  Spitzenstoss  am  10.  Tag  p.  o.  in  der  hinteren 
Axillarlinie;  Digitalis  und  Strophanthus  in  mässigen  Dosen, 
Sy2  Wochen  p.  o.  wird  mit  Iletol  wieder  begonnen;  die  Temperatur 
fällt  allmählich  zur  Norm  ab;  Pat.  bekommt  wieder  Appetit  und 
erholt  sich.  Die  Wunde  ist  im  Februar  geheilt.  Pat.  geht  spa¬ 
zieren,  nimmt  zu;  Auswurf  nimmt  ab,  auf  ca.  10  ccm,  in  einzelnen 
Partien  viel,  in  anderen  keine  Bazillen.  Lungenbefund  bei  der 
Entlassung  am  15.  Mai  1902  RO  unreines  Atmen,  L  totale 
Dämpfung,  eine  Zone  von  2. — 4.  Rippe  heller;  überall  stark  ab¬ 
geschwächtes  Atmen:  LOY  und  H  trockene,  spärliche  Rhonchi; 
LY  und  HU  Atmung  fast  aufgehoben,  ganz  trockenes,  dem  Ohr 
nahes  Knarren  und  Giemen;  linker  Thorax,  namentlich  in  den 
unteren  Partien  stark  geschrumpft,  Herz  annähernd  an  normaler 
Stelle.  Pat.  hat  sich  die  ganze  Zeit  seit  der  Entlassung  so  wohl 
gefühlt,  wie  nie;  Gewichtszunahme  23  Pfund  seit  der  Operation; 
Temperatur  normal,  Appetit  gut;  leistungsfähig.  Nov.  1902  vor¬ 
zügliches  Befinden  durch  Untersuchung  festgestellt. 

5.  15  jähriges  Fräulein,  erblich  schwer  belastet;  Mutter  starb 
im  Anschluss  an  die  Entbindung  an  Tuberkulose.  Seit  einigen 
Monaten  erkrankt;  vom  Hausarzt  rascher,  ungünstiger  Verlauf  in 
Aussicht  gestellt.  Juni  1901.  Status:  abgemagert,  beginnende 
Pubertätsentwicklung.  Rechte  Lunge  vorn  bis  untern  Rand  der 
2.  Rippe  Dämpfung,  mit  zahlreichen  feuchten,  zum  Teil  klingenden 
Geräuschen;  RV  trockene  und  einzelne  feuchte  Geräusche  bis 
herunter;  RHO  Dämpfung  bis  unterhalb  Spina  sc-apulae  mit 
feuchten  Geräuschen;  feuchte  und  trockene  Geräusche  nach  unten 
abnehmend.  LYO  und  LHO  leichte  Schallabschwächung  und 
trockene  Geräusche.  Sehr  zahlreiche  Tuberkelbazillen,  Auswurf 
etwa  40 — 50  ccm.  Temperatur  unregelmässig.  Appetit  schlecht. 
Unter  Hetolbehandlung  verläuft  die  Sache  zunächst  günstig;  Ge¬ 
wichtszunahme  bis  20  Pfund,  Temperatur  gleichmässig;  normale 
Pubertätsentwicklung,  starkes  Längenwachstum.  Die  Lungen- 
ersclicinungen  gehen  ganz  zurück;  rechts  vorne  nur  noch  bis  zur 
2.  Rippe,  hinten  bis  unterhalb  der  Spina  scapulae  Geräusche,  meist 
trocken;  in  der  rechten  Spitze  bleiben  vorn  und  hinten  klingende 
Geräusche,  Auswurf  25  ccm.  Im  Dezember  nach  einer  starken 
Erkältung  wird  die  Temperatur  unregelmässig;  Abendtempera- 
turen  bis  38,2°.  Appetit  lässt  nach.  Langsame  Gewichtsabnahme 
um  7  Pfund. 

Auf  Wunsch  der  Patientin  und  des  Vaters  wird  am 
13.  Februar  1902  die  Operation  in  Morphium-Chloroforin-Sauerstoff- 
narkose  gemacht.  Hakenförmiger  Schnitt  RV  unter  dem  Schlüssel¬ 
bein  und  dann  2  Querfinger  entlang  dem  Brustbein  bis  über  den 
Knorpel  der  3.  Rippe.  Entfernung  eines  dreieckigen  Stücks  aus 
der  vordem  Brustwand,  aus  der  ersten  Rippe  3,5  cm,  2.  Rippe 
5.5  cm,  3.  Rippe  7,5  cm.  Situationsnähte.  Glatter  Verlauf;  vom 
4.  bis  9.  Tag  Temperatursteigerung  bis  gegen  39°.  Die  Wunde 
wird  geöffnet,  langsamer  Temperaturabfall.  Pat.  verlässt  bald  das 
Bett.  Die  Wunde  heilt  sehr  langsam.  Am  7.  März  Wiederauf¬ 
nahme  der  Hetolbehandlung,  Temperatur  wird  wieder  völlig 
normal,  der  Appetit  kehrt  zurück.  Pat.  nimmt  wieder  zu  und  hat 
bei  der  Entlassung  im  Juni  im  ganzen  23  Pfund  zugenommen. 


Auswurf  hat  ganz  aufgehört.  Ueber  dem  rechten  oberen  Lungen¬ 
lappen  mitunter  trockenes  Lederknarren,  mitunter  nichts  zu  hören, 
bei  sehr  abgeschwächter  Atmung. 

Das  gute  Befinden  hält  bis  heute  an.  Im  Oktober  RO 
hauchendes  Atmen  ohne  jedes  Geräusch,  kein  Auswurf. 

G.  23jähr.  Herr,  angeblich  schon  seit  3  Jahren  öfter  an 
Katarrhen  leidend,  2  schwere  Lungenentzündungen,  sehr 
häufig  Lungenblutungen.  Juni  1901  erste  Untersuchung.  Däm¬ 
pfung  über  der  rechten  Spitze  vorn  und  hinten,  mit  trockenen  Ge¬ 
räuschen;  RH,  von  der  Mitte  der  Skapula  ab,  relative  Dämpfung 
mit  zahlreichen  trockenen  und  einzelnen  feuchten  Geräuschen; 
LHO  etwas  trockenes  Giemen.  Pat.  lehnt  zunächst  jede  Behand¬ 
lung  ab. 

November  1901  kehrt  Pat.  wieder  zurück  in  sehr  ver¬ 
schlechtertem  Zustand.  RHU  Bronchialatmen  mit  klingenden 
Rasselgeräuschen,  akuter  Zerfall  des  rechten  Unterlappens;  auch 
auf  den  übrigen  Lungenpartien  Zunahme  der  Rasselgeräusche. 
Wegen  der  häufig  sich  wiederholenden  Lungenblutungen,  die  auch 
durch  Gelatineinjektionen  nur  für  2 — 4  Wochen  zum  Stehen  ge¬ 
bracht  werden  können,  Hetolbehandlung  nur  unregelmässig  und 
in  kleinsten  Dosen;  doch  kommt  der  Zerfallsprozess  einigermassen 
zum  Stehen,  Pat.  nimmt  etwas  an  Gewicht  zu.  Die  Geräusche 
RHU  werden  etwas  weniger,  doch  ist  das  Bronchialatmen  laut 
und  amphorisch,  auch  11V  deutlich  zu  hören.  Pat.,  der  sich  über  die 
Aussichtslosigkeit  seines  Zustandes  klar  ist  und  die  günstigen 
Ergebnisse  von  Fall  4  und  5  gesehen  hat,  verlangt,  als  einzige  Mög¬ 
lichkeit  einer  Besserung,  die  Operation.  Sie  wird  ausgeführt, 
nachdem  Pat.  und  sein  Vater  einen  Revers  unterzeichnet  haben, 
in  dem  sie  die  Verantwortlichkeit  für  alle  etwaigen  Folgen  der 
Operation  übernehmen. 

ln  Morphium-Chloroform-Sauerstoffnarkose  werden  am  1.  Mai 
3902  etwa  70  cm  aus  9. — 4.  Rippe  herausgenommen.  Die  Operation 
verläuft  ohne  Störungen.  Auch  die  ersten  14  Tage  nach  der 
Operation  zeigen  ungestörten  Verlauf;  in  den  kalten  Tagen  von 
Mitte  Mai  zieht  sich  Patient  zunächst  eine  schwere  Diarrhöe  zu; 
daran  anschliessend  unter  raschem  Temperaturanstieg  bis  gegen 
40  0  eine  Pneumonie  des  linken  Unterlappens,  die  ihn  mit  schwerer 
Atemnot,  gefärbten  Sputis  und  bedenklicher  Pulsbeschleunigung 
in  die  äusserste  Gefahr  bringt.  Unter  Digitalis  sinkt  die  Tein 
peratur  am  10.  Tage  ab  und  Patient  beginnt  sich  sehr  langsam 
zu  erholen. 

Am  1.  Juli  geht  Pat.  aufs  Land.  Die  Pneumonie  des  linken 
Unterlappens  hat  sich  nicht  ganz  gelöst,  doch  sind  an  dieser  Stelle 
nur  wenige  feuchte  Geräusche  mehr.  Ueber  dem  rechten  Oberlappen 
abgeschwächtes  Atmen  und  spärliche  trockene  Geräusche.  Der 
Thorax  ist  in  seinem  rechten  untern  hintern  Teil  erheblich  ge¬ 
schrumpft.  RHU  Bronchialatmen  weniger  laut  als  früher,  trockene 
Geräusche.  Pat.  vermag  umherzugehen,  hat  guten  Appetit,  Ge¬ 
wichtszunahme  G  Pfund.  Abnahme  des  Auswurfs.  Zustand  auch 
Oktober  1902  im  gleichen. 

Ob  der  Verfall  des  Kranken  ohne  die  Operation  ein  lang¬ 
samerer  gewesen  wäre,  lässt  sich  nicht  sagen;  ebensowenig,  ob  der 
Erfolg  ohne  die  interkurrente  Pneumonie  ein  besserer  gewesen 
wäre.  Die  Resektion  hat  anscheinend  nicht  genügt,  um  der  den 
ganzen  rechten  Unterlappen  einnehmenden  Kaverne  die  Möglich¬ 
keit  völliger  Schrumpfung  zu  geben. 

7.  22  jähriges,  schwächliches  Mädchen,  erblich  belastet.  In 
ziemlich  rascher  Weise  entwickelt  sich  ein  überaus  starker  Husten 
mit  profusem,  eitrigem  Auswurf,  der  vergeblich  mit  verschiedenen 
inneren  Medikationen  bekämpft  wird.  In  letzter  Zeit  war  Pat. 
fast  stets  orthopnoiscli;  Schlaf  kaum  länger  als  10 — 15  Minuten. 
Sehr  schlechtes  Allgemeinbefinden.  Puls  gegen  100,  Temperatur 
normal.  Ueber  beiden  Spitzen  Dämpfung  und  trockene  Rassel¬ 
geräusche;  über  der  ganzen  rechten  Lunge,  besonders  hinten  ver¬ 
einzelte,  trockene  und  feuchte  Geräusche.  LHU  anderthalb  hand- 
liolie  Dämpfung  mit  zahlreichen  feuchten  und  klingenden  Ge¬ 
räuschen.  Die  Menge  des  rein  eitrigen,  ziemlich  übelriechenden 
Auswurfs  beträgt  meist  über  einen  halben  Liter:  die  Entleerung 
erfolgt  absatzweise  unter  schweren  dyspnoisclien  Anfällen. 
Tuberkelbazillen  wurden  trotz  häufigen  Suchens  nach  ver¬ 
schiedenen  Methoden  nie  gefunden;  es  bleibt  also  fraglich,  ob  der 
Prozess  als  tuberkulös  anzusehen  ist. 

Die  Operation  bildete  hier  eine  Indicatio  vitalis.  Am  10.  Juli 
wurden  von  der  9.  bis  5.  Rippe  links  hinten  bis  zur  Axillarlinie 
grosse  Stücke  entfernt  in  Morphium-Chloroform-Sauerstoffnarkose, 
in  besonderer  Lage,  die  das  Einfliessen  von  Eiter  in  die  gesunde 
Lunge  verhinderte.  Die  schnell  und  glatt  verlaufene  Operation 
wurde  gut  ertragen,  aber  schon  in  den  nächsten  Tagen  zeigte  es 
sich,  dass  Pat.  in  keiner  Weise  zum  Husten  und  Auswerfen  zu 
bringen  war.  Am  4.  und  6.  Tag  förderten  Brechmittel  grosse 
Mengen  Bronchialsekret  zu  Tage,  aber  die  Temperatur  fing  an 
zu  steigen  und  die  operative  Eröffnung  der  Kaverne  liess  sich 
nicht  umgehen.  Am  7  Tag  p.  o.  wurde  die  dünne  Wand  mit  dem 
Paquelin  an  verschiedenen  Stellen  durchgebrannt  und  2  Drains 
eingelegt.  Es  entwickelte  sich  eine  massenhafte  Absonderung 
unter  schneller  Verminderung  des  Auswurfs.  Bei  der  Verhält¬ 
nisse  halber  verfrühten  Entlassung  am  24.  August  war  die 
Wunde  geschlossen;  Absonderung  bald  nichts,  an  anderen 
Tagen  20 — 25  ccm.  Allgemeinbefinden  erheblich  gebessert;  Pat. 
ist  den  ganzen  Tag  ausser  Bett.  LHU  bei  fast  aufgehobenem 
Atemgeräusch  oft  keine  Geräusche,  dann  wieder  einzelne  feuchte 
und  trockene  Geräusche;  auch  auf  der  rechten  Lunge  noch  ver¬ 
einzelte  Geräusche.  Nov.  erhebliche  weitere  Besserung  fest¬ 
gestellt. 

8.  23  jähriger  Herr.  Bisher  gesund.  Vor  4  Monaten  fiel  ihm 
i  die  Kante  eines  schweren  Bretts  auf  die  linke  untere  Brustseite. 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MED  101  NFS  OHE  WOCHENSCHRIFT. 


1951 


Seither  Sohmerz.  allmählich  Entwicklung  einer  Anschwellung,  die 
mzidicrt  wurde  und  eine  nicht  genau  feststellbare  Menge  Eiters 
entleerte.  Bildung  einer  Fistel.  15.  Mai  1902:  Grosser,  kräftiger 
Mensch.  Rechte  Lunge  ohne  nachweisbare  Veränderungen  Links 
zwischen  <.  und -8.  Rippe  Narbe  eine  10  cm  langen  Inzision,  in  der 
Mitte  eine  stark  absondernde  Fistel.  Ueber  der  ganzen  linken 
Lunge  \eieinzelte  trockene  Geräusche;  LVU  Atmung  fast  auf¬ 
gehoben  und  starke  Dämpfung  ohne  deutliche  Geräusche.  Unter 
i  egelmassigem  Verband  und  einigen  Aetzungen  heilt  die  Fistel 
rasch  zu.  Kurze  Zeit  nach  dem  Verschluss  derselben  stellt  sich 
starker  Husten  mit  eitrigem  Auswurf  ein,  bis  zu  250  ccm  den  Ta¬ 
in  dem  Auswurf  spärliche  Tuberkelbazillen.  Es  wurde  die  Walir- 
sclieinliekkeitsdiagnose  gestellt:  Nach  aussen  durchbrochene  und 
wieder  verschlossene  Lungenkaverne. 


Da  keine  Aenderung  im  Betinden  eintritt,  wird  am  30.  Juni 
zur  Operation  in  Morphium-Chloroform-Sauerstoffnarkose  ge¬ 
schritten.  Hakenschnitt.  Entfernung  von  Stücken  aus  der  9  bis 
o.  Rippe  unter  Trennung  und  späterer  Wiedervereinigung  des 
M.  latissimus  dorsi  und  der  Ansätze  des  M.  obliq.  abd.  ext.  Nur  an 
der  7.  Rippe  wurde  eine  kleine  narbige  Einziehung  gefunden 
Eine  narbige  Veränderung  an  der  Pleura,  wie  erwartet,  wurde 
nicht  gefunden,  ebensowenig  die  Stelle,  wo  die  Fistel  in  die  Lunge 
gegangen  sein  mochte,  obAvolil  eine  Stelle  von  12:20  cm  der  Pleura 
blossgelegt  war.  Auch  mehrfache  Punktionen  ergaben  keinen  An¬ 
haltspunkt,  avo  die  Höhle  zu  finden  Avar.  So  Avurde  auf  Eröffnung 
vorläufig  verzichtet.  Pat.  Avar  sehr  Avenig  von  der  Operation  an¬ 
gegriffen  und  stand  schon  am  (5.  Tag  Avieder  auf.  Rasche  Er¬ 
holung.  Auffallend  Avar  bei  diesem  Patienten  die  rasche  und 
starke  Schrumpfung  der  ganzen  linken  Thoraxseite,  auch  der  oberen 
Partien,  die  nicht  von  der  Operation  berührt  waren.  Pat.  ist  jetzt 
auf  eine  tägliche  Sputummenge  von  20  ccm  heruntergekommen, 
Die  linke  Thoraxpartie  zeigt  vorn  und  hinten  fast  völlig  auf¬ 
gehobene  Atemgeräusche,  spärliche  trockene  und  giemende  Ge¬ 
räusche.  Oktober  1902.  Keine  Geräusche,  auch  LVU  nicht;  immer 
noch  etwa  20  ccm  AusAvurf.  Trotz  häufiger  sorgfältiger  Unter¬ 
suchung  keine  Tuberkelbazillen  mehr  im  Sputum. 

Ob  dieser  Fall  vollends  zur  Ausheilung  gelangen  wird,  oder 
noch  eine  Eröffnung  der  Höhle  sich  nötig  machen  wird,  lässt  sieh 


zur  Zeit,  nicht  sagen,  die  Möglichkeit  noch  eines  extrapulmonalen 
Herdes  muss  envogen  werden. 

9.  26  jähriges  Fräulein.  ScliAA’er  belastet,  Vater  an  Lungeu- 
blutung,  eine  Schwester  an  Meningitis  tuberculosa  gestorben,  eine 
zAveite  Schwester  tuberkulös.  Seit  5  Jahren  krank.  Vor  4  Jahren 
mit  einer  grossen  Khverne  des  linken  Oberlappens,  feuchten  und 
trockenen  Geräuschen  über  der  ganzen  linken  Lunge,  trockenen 
Geräuschen  über  dem  rechten  Oberlappen  zur  Heilbehandlung 
zugegangen.  Die  Geräusche  über  der  rechten  Lunge  Arerschwinden 
ganz;  links  oben  bleiben  Kavernensymptome.  Pat.  erholt  sich, 
ist  arbeitsfähig  und  wird  intermittierend  mit  Hetol  behandelt. 
Hat  oft  y2  Jahr  lang  keine  Bazillen  im  AusAvurf.  dann  linden  sich 
Avieder  welche  in  geringer  Menge  im  Auswurf.  Pat.  Aviinscht  selbst 
eine  Operation,  da  sie  des  aussichtslosen  Krankseins  müde  ist 
und  ein  spontaner  Verschluss  der  Kaverne  nicht  mehr  zu  erwarten 
steht. 


Am  26.  Juni  1902  Operation  in  Morphium-Chloroform-Sauer- 
stoffnarkose.  Von  der  Spina  scapulae  wird  parallel  den  Fasern  des 
M.  cucullaris  eine  Inzision  bis  über  den  Dornfortsatz  des  2.  Brust- 
wirbels  gemacht;  die  Fasern  des  M.  cucullaris,  Urvater  anguli 
scapulae  etc.  werden  auseinander  geschoben,  nur  die  tiefsten 
dünnen  Kückenmuskeln  werden  durchtrennt.  Von  der  1.  Rippe 
Averden  4,5  cm,  von  der  2.  Rippe  5  cm,  von  der  3.  und  4.  je  6  cm 
entfernt.  Blutung  ganz  unbedeutend.  Ijockere  Tamponade.  Die 
unmittelbaren  Folgen  der  Operation  sind  sehr  gering;  Pat.  kann 
schon  am  6.  Tag  das  Bett  verlassen.  Nur  geringe  Temperatur- 
Steigerungen  vom  4. — 10.  Tage.  Anfang  August  Beginn  der  Hetol- 
behandlung.  Einmal  infolge  Ueberanstrengung  2  tägige  Tem¬ 
peraturerhöhung  auf  39°.  Die  Wunde  war  am  15.  August  geheilt. 
Jetzt  ist  Pat.  den  ganzen  Tag  ausser  Bett;  die  Sputummenge,  vor 
der  Operation  30 — 40  ccm  pro  die,  beträgt  jetzt  12 — 20  ccm.  Auf 
der  linken  Lunge  fast  nur  noch  trockene  Geräusche,  gelegentlich 
einige  feuchte.  Pat.  hat  zur  Zeit  noch  5  Pfund  Aveniger  an  Körper- 
gewicht,  als  vor  der  Operation.  Oktober  1902.  Pat.  erholt  sich 
sich  gut,  hat  wenig  Auswurf  mit  wenig  Bazillen.  Sieht  gut  aus 
und  kann  sich  beschäftigen. 


An  die  Mitteilung-  der  Krankengeschichten  seien  noch  einige 
Bemerkungen  angeschlossen.  Zunächst  Einiges  zur  Technik. 
Die  Resektion  der  Rippen  muss  so  rasch  als  möglich  gemacht 
werden ;  Blutungen  aus  den  Interkostalgefässen,  auch  den  Inter- 
kostalveneli  können  ganz  vermieden  Averden.  Die  Resektion  der 
Rippen  muss  über  die  physikalisch  festgestellten  Grenzen  der 
Kavernen  um  mindestens  eine  Rippe  hinausgreifen.  Es  empfiehlt 
sich,  eher  zu  viel  als  zu  wenig  wegzunehmen,  auch  in  der  Breite. 
Es  erscheint  nicht  zweckmässig,  die  Wunden  exakt  zu  nähen, 
ln  den  ersten  beiden  Fällen  habe  ich  genäht;  beide  Male  kam 
nach  einigen  Tagen  aus  der  Tiefe  Eiterung,  trotzdem  die  Asepsis 
gut  gewahrt  war  und  in  derselben  Zeit  Störungen  der  prima 
reunio  auf  der  Abteilung  sonst  nicht  vorkamen.  Bei 
Hebung  der  Operation  an  der  Leiche  zeigte  sich,  dass 
die  Schichte  zwischen  Grund  der  Wunde  und  Kaverne  keineswegs 
so  mächtig  ist,  wie  man  annehmen  möchte.  Die  schwielige  Ver¬ 
dickung  der  Pleura  ist  mitunter  sein-  gering,  ja  fehlt  völlig, 


und  die  GeAvebssehicht,  die  man  unter  der  Rippe  bis  zur  Kaverne 
zu  durchtrennen  hat,  ist  kaum  1VS  mm  stark  —  Periost,  Pleura 
und  ein  dünner  Rest  Lungengewebe.  Dass  die  massenhaft  vor¬ 
handenen  Mikroorganismen  von  der  so  nahen  Kaverne  aus  die 
V  unde  infizieren  können,  ist  naheliegend. 

Je  nach  Lage  der  Kavernen  wird  man  vorziehen,  die 
1  horakoplastik  vorn  odei’  hinten  am  Brustkorb  auszuführen. 
Jedenfalls  darf  eine  Stelle  am  Thorax  nicht  berührt  werden;  dies 
ist  die  Partie,  die  das  Herz  und  die  grossen  Gefässe  deckt,  da 
man  sonst  empfindliche  und  pulsierende  Narben  erhält.  Auch  am 
rechten  Sternalrand  müssen  d esshalb  die  Rippenknorpel  g-anz 
oder  teilweise  erhalten  bleiben. 

Als  Schnitte  empfehlen  sich  senkrechte  Schnitte,  die  dann 
in  L-Iorm,  T-Form,  selbst  I  hürfiügelschnitt  übergehen  können; 
doch  lassen  sich  z.  B.  von  einem  L-förmigen  oder  leicht  bogen¬ 
förmigen  Schnitt  von  6 — 8  Rippen  genügend  grosse  Stücke,  von 
den  unteren  Rippen  z.  B.  10 — 15  cm  entfernen.  Zum  Instru¬ 
mentarium  eignen  sich  soAvohl  Drahtsäge,  Avie  schneidende  Kno¬ 
chen-  und  Rippenscheeren.  Nur  für  die  erste  Rippe  dürfte  sich, 
wenigstens  wenn  man  sie  vorn  unter  dem  Schlüsselbein  angreifen 
Avill,  die  Drahtsäge  etc.  nicht  eignen.  Nachdem  man  das  Periost 
vorsichtig  abgehoben  hat,  zwickt  man  mit  spitz  zulaufender  Ilohl- 
meiselzange  Stückchen  um  Stückchen  heraus  und  kann  so  bis 
3  cm  in  sehonendster  Weise  entfernen. 

\\  ill  man  die  3 — 4  obersten  Rippen  von  hinten  entfernen,  so 
empfiehlt  sich  ein  der  Faserung  des  M.  cucullaris  ungefähr  ent¬ 
sprechender  Schnitt,  vom  Domfortsatz  des  ersten  oder  zweiten 
Brustwirbels  nach  aussen  bis  aufs  Schulterblatt  laufend.  Von 
hier  aus  kann  man  die  Muskeln  des  Schultergürtels  auseinander 
schieben,  fast  ohne  eine  Faser  zu  verletzen.  Dies  ist  wichtig, 
weil  die  Beweglichkeit  des  Arms  so  nicht  geschädigt  wird. 

Ein  wichtiger  Punkt  in  der  Nachbehandlung  ist,  dafür  zu 
sorgen,  dass  die  Operierten  das  Sekret  ihrer  Kavernen  in  ge¬ 
nügender  Weise  nach  aussen  entleeren  und  eine  Aspirationspneu¬ 
monie  verhütet  wird.  Die  Kranken  scheuen  in  den  ersten  Tagen 
das  Husten  wegen  Schmerzen;  sie  sind  daher  —  bei  kleinen 
Morphiumgaben  —  streng  zum  Husten  anzuhalten.  In  einem 
Fall  habe  ich  das  Husten  durch  Brechmittel  erzwingen  müssen. 

Die  1  echnik  kann  natürlich  nicht  als  ausgebaut  angesehen 
Averden.  So  wird  mitunter,  besonders  bei  Unterlappen  tuberkulösen 
die  frage  sich  aufwerfen,  ob  die  Kavernen  nicht  zu  eröffnen  und 
zu  drainieren  sind.  Bei  ausgedehnten  Resektionen  ist  die  Gefahr 
einer  dauernden  Fistelbildung  bei  Eröffnung  des  Unterlappens 
jedenfalls  gering. 

Noch  ist  einiges  zu  sagen  über  die  Wahl  der  Fälle.  Fälle 
akuter  Tuberkulose  eignen  sich  natürlich  nicht,  sie  würden  durch 
den  Blutverlust  etc.  nur  nutzlos  geschwächt  und  der  üble  Aus¬ 
gang  beschleunigt.  Am  geeignetsten  sind  Fälle  mit  nachweis¬ 
baren  Zerstörungen,  die  stationär  oder  langsam  progredient  sind. 
Massige  I  emperaturstedgerung  scheint  nicht  zu  schaden.  Drin¬ 
gend  zu  empfehlen  dürfte  ein  operatives  Eingreifen  bei  Unter¬ 
lappentuberkulose  sein.  Ich  habe  zwar  auch  solche  Fälle  mit 
Hetol  zur  Dauerheilung  gebracht.  Im  allgemeinen  jedoch  wird 
die  Prognose  der  Unterlappen  tuberkulöse  als  so  infaust  ange¬ 
sehen,  dass  fast  sämtliche  Sanatorien  und  alle  Volksheilstätten 
jede  Unterlappentuberkulose  als  zur  Behandlung  ungeeignet  prin¬ 
zipiell  abweisen.  Die  Ursache  des  ungünstigen  Verlaufs  bei 
Unterlappentuberkulose  ist  zurzeit  unbekannt.  Vielleicht  spielen 
auch  hier  mechanische  Momente  mit,  Unterlappentuberkulosen 
sehliessen  sich  fast  stets  an  Pleuritiden  an.  Es  mag  sein,  dass 
durch  die  Anheftung  der  Lung-e  an  die  Thoraxwand  eine  Ver¬ 
schiebung  und  Schrumpfung  ausgeschlossen  ist.  Bei  den  un¬ 
günstigen  Ansichten  der  Unterlappentuberkulose  dürfte  es  da¬ 
her  berechtigt  sein,  auch  Frühfälle  sofort  der  Thorakoplastik  zu 
unterwerfen.  Die  Aussichten  sind  natürlich  hier  wie  sonst  um  so 
besser,  je  früher  man  eingreift. 

Im  ganzen  ist  die  Operation  von  den  Kranken  überraschend 
gut  ertragen  worden.  Nach  2 — 3  Wochen,  wo  die  Kranken  durch 
Schmerzen  etc.  leiden,  tritt  die  Besserung  ein.  Das  Ergebnis  des 
operativen  Eingreifens  wäre  in  folgender  Weise  zusammen¬ 
zufassen  :  Von  diesen  6  aussichtslosen  Fällen  ist  in  1  Fall  eine 
temporäre  Heilung  erzielt  worden,  in  2  eine  ganz  erhebliche 
Besserung,  1  Fall  ist  gebessert  und  verspricht  Avahrscheinlich 
Heilung,  1  Fall  ist  noch  unentschieden.  Im  6.,  ganz  aussiehts- 


1952 


No.  47. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


losen  Fall,  einer  grossen  Unterlappenkaverne  mit  raschem  Ver¬ 
fall,  hat  die  Operation  jedenfalls  nichts  geschadet. 

Der  Mechanismus  der  Heilung  nach  der  Operation  dürfte 
ungefähr  der  gleiche  sein,  wie  bei  der  Heilung  des  Empyems. 
Durch  die  Wegnahme  zahlreicher  grosser  Rippenstücke  ver¬ 
kleinert  sich  sowohl  der  sagittale,  wie  der  transversale  Durch¬ 
messer  der  betreffenden  Brusthälfte  um  ein  Erhebliches;  so  kann 
die  Lunge  schrumpfen  und  trotz  der  Defekte  den  neuen,  ver¬ 
kleinerten  Thorax  ausfüllen.  Bei  Operationen  auf  der  linken 
Seite  bietet  die  oft  rasche  Verschiebung  des  Herzens  einen  deut¬ 
lichen  Anhaltspunkt  für  (Jas  Mass  dieser  umformenden  Prozesse. 

Dadurch,  dass  tuberkulöse,  bazillenhaltige  Gewebe  nicht  be¬ 
rührt  werden,  sondern  die  ganze  Operation  sich  in  gesunden  Ge¬ 
weben  abspielt,  ist  die  Hauptfrage,  die  einer  Propagation  der 
Tuberkulose  durch  den  blutigen  Eingriff  ziemlich  in  die 
Ferne  gerückt,  noch  mehr,  wenn  man  durch  vorherige  Hetol- 
behandlung  die  Herde  gegen  die  Zirkulation  abschliesst.  Ich 
habe  mich  bei  diesen  Fällen  vorher  und  nachher  desi  Hetols  be¬ 
dient,  eines  Mittels,  dessen  schrumpfende  und  vernarbende  Ein¬ 
wirkung  auf  tuberkulöse  Prozesse  von  verschiedenen  Seiten  an¬ 
erkannt  wird.  Ich  glaube,  dass  die  guten  Resultate,  die  ich  durch 
Thorakoplastik  bei  vorgeschrittener  Lungentuberkulose  erzielt 
habe,  nicht  zum  geringsten  Teil  der  gleichzeitigen  Anwendung 
des  Hetols  zuzuschreiben  sind.  Doch  will  ich  diese  zurzeit  kon¬ 
troverse  Frage,  deren  Entscheidung  auch  nicht  vor  dieses  Forum 
gehört,  hier  nicht  anschneiden. 

Diese  Beobachtungen  werfen  auch  ein  gewisses  Licht  auf  die 
von  F  r  e  u  n  d  und  Schmorl  wieder  in  den  Vordergrund  ge¬ 
rückte  Fi*age  der  operativen  Behandlung  von  Frühfällen  von 
Lungentuberkulose.  Ich  habe  von  der  operativen  Behandlung 
der  Anfangsfälle  von  Lungentuberkulose  bisher  abgesehen,  weil 
für  mich  kein  Anlass  dazu  vorlag.  Diese  Fälle  gelangen  —  von 
Komplikationen,  wie  chronische  Nephritis,  Meningealtuberkulose 
u.  dergl.  abgesehen  —  durch  Iletolbehandlung  ohne  weitere  Bei¬ 
hilfe  zur  Heilung-.  Immerhin  lassen  diese  an  sehr  vorgeschrit¬ 
tenen  Fällen  gewonnenen  Erfahrungen  den  Rückschluss  zu,  dass 
um  so  leichter  auch  an  beginnenden  Fällen  Erfolge  zu  erzielen 
wären.  Jedenfalls  begegnen  sich  meine  Anschauungen  und  die  von 
F  r  e  u  nd  und  Schmorl  in  der  genügenden  Bewertung  des 
mechanischen  Moments  für  die  Heilung  der  Tuberkulose. 

Ich  möchte  meine  Ausführungen  etwa  in  folgende  Sätze  zu¬ 
sammenfassen  : 

Die  Scheu,  Lungentuberkulosen  operativ  in  Angriff  zu 
nehmen,  ist  unberechtigt.  Tuberkulöse  ertragen  die  Thorako¬ 
plastik  gut. 

Die  Tatsache,  dass  grössere  Kavernen  nur  in  seltenen  Fällen 
dauernd  stationär  bleiben,  berechtigt  zu  operativem  Vorgehen. 

Die  Thorakoplastik  vermag  erhebliche,  länger  dauernde 
Besserungen,  selbst  temporäre  Heilungen  zu  bringen. 

Bei  Unterlappentuberkulose  erscheint  der  Gedanke  opera¬ 
tiven  Eingreifens  besonders  naheliegend. 


Ueber  Spirometrie  I. 

Von  Ilofrat  Dr.  Rudolf  v.  Hoesslin,  dirig.  Arzt  der  Kur¬ 
anstalt  Neuwittelsbach  bei  München. 

Im  Winter  1900/01  war  ein  Kranker  in  meiner  Anstalt, 
welcher  an  einer  Erkrankung  der  Respirationsorgane  litt  und  aus 
diesem  Grund  spirometrische  Messungen  seiner  Vitalkapazität 
machen  sollte.  Wir  benützten  hiezu  einen  einfachen,  aus  zwei 
ineinander  passenden  Blechzylindern  hergestellten  Spirometer,  wie 
er  allgemein  in  den  Kliniken  und  Sanatorien  in  Gebrauch  steht. 
Es  war  auffallend,  dass  die  erhaltenen  Werte  bei  verschiedenen 
innerhalb  weniger  Tage  ausgeführten  Messungen  sehr  verschieden 
ausfielen  bei  unverändertem  Lungenbefund. 

Der  Kranke,  der  selbst  Physiker  war,  suchte  den  Grund 
darin,  dass  der  Spirometer  verschieden  temperiert  war,  sowohl  in 
Bezug  auf  das  Wasser,  als  in  Bezug  auf  die  Aussentemperatur. 

Stand  der  Spirometer  nahe  am  geheizten  Ofen,  so  erhielten 
wir  wesentlich  höhere  Werte,  als  wenn  der  Spirometer  in  der 
Nähe  des  offenen  Fensters  gestanden  hatte. 

Ich  stellte  nun  bei  einer  Reihe  von  gesunden  Personen  spiro¬ 
metrische  Messungen  an  und  kam  zu  dem  Resultat,  dass  die 
Vitalkapazität  um  so  grösser  wurde,  je  höher  temperiert  das 
Wasser  des  Spirometers  war.  Ich  machte  Messungen  bei  5 — 6°, 
bei  18"  und  bei  34 — 37°  C.  und,  wie  sich  aus  beistehender  Ta¬ 


belle  ergibt,  schwankten  die  Differenzen  bei  verschiedenen  Wasser¬ 
temperaturen  ganz  bedeutend,  zwischen  350  und  1075  ccm,  mit 
anderen  Worten  ohne  Berücksichtigung  der  Tem¬ 
peratur  des  Raumes,  in  welchen  exspiriert 
wird,  entstehen  bei  der  Spirometrie  so  enorme 
Fehler,  dass  derselben  überhaupt  nicht  mehr 
der  Wert  einer  wissenschaftlichen  Unter¬ 
suchungsmethode  b  e  i  g  e  1  e  g  t  werden  könnte. 


No. 

Temperatur 

des 

Spirometers 

abgelesene 

Vital¬ 

kapazität 

Temperatur 

des 

Spirometers 

abgelesene 

Vital¬ 

kapazität 

Temperatur 

des 

Spirometers 

abgelesene 

Vital- 

kapazität 

Differenz  zwischen 
kleinster  mul 
grösster  ahgelesener 
Vitalkapazität 

1 

6«  C. 

2100 

36 

2450 

350 

2 

6  » 

2275 

18 

2475 

36 

2650 

375 

3 

6  ,, 

2375 

18 

2650 

37 

2*50 

475 

4 

6  „ 

3350 

18 

3600 

36 

4050 

700 

5 

6  „ 

3400 

18 

3550 

34 

4150 

750 

6 

5  „ 

3450 

18 

3900 

36 

4525 

1075 

7 

5  „ 

3450 

18 

3800 

36 

4400 

950 

8 

5  „ 

3650 

18 

3725 

36 

4200 

550 

9 

5  „ 

3750 

18 

3900 

36 

4475 

725 

10 

6  >» 

3950 

18 

4350 

37 

4600 

650 

11 

5  „ 

4100 

18 

4200 

36 

4900 

800 

12 

6  » 

4150 

18 

4275 

36 

4750 

600 

13 

6  „ 

4300 

18 

4500 

35 

5075 

775 

Um  wirklich  richtige  Vorstellungen  über  die  Vitalkapazität 
zu  erhalten,  ist  es  notwendig,  dass  wir  in  einen 
Raum  exspiriere  n,  welcher  auf  die  Körpertem¬ 
peratur  e  r  w  ä  r  m  t  i  s  t.  Es  muss  also  erstens  das  W asser 
des  Spirometers  auf  Körpertemperatur  erwärmt  und  zweitens 
der  innere  Zylinder  des  Spirometers  vor  zu  grosser  Abkühlung 
geschützt  sein.  Im  allgemeinen  wird  auch  der  letztere  Zweck  er¬ 
reicht,  wenn  das  Spirometerwasser  erwärmt  wird;  steht  aber  der 
Spirometer  in  einem  kühlen  Raum,  so  ist  es  notwendig,  den  in 
die  Höhe  geblasenen  Zylinder  mit  einem  schlechten  Wärme¬ 
leiter  zu  umgeben,  z.  B.  mit  einem  leichten  Tuch  zu  bedecken. 

Werden  diese  Vorsichtsmassregeln  nicht  beachtet,  so  nimmt 
das  Volumen  der  exspi  vierten  Luft  rasch  ab,  und  zwar  um  so 
mehr,  je  kälter  der  Raum  ist,  in  welchen  exsinriert  wird,  weil 
aus  physikalischen  Gründen  sowohl  der  Wasserdampf  als  die  ex- 
spi  vierte  Luft  durch  die  Abkühlung  eine  Volumsveränderung  er¬ 
leiden.  Diese  Volumsveränderung  ist  aber  nicht  nur  abhängig 
von  der  Temperatur,  sondern  auch  vom  Barometerstand. 

Zahlen,  welche  sich  miteinander  vergleichen  lassen,  erhalten 
wir  aber  nur,  wenn  wir  obige  Vorsichtsmassregeln  beobachten 
oder  wenn  wir  die  bei  einer  beliebigen  Temperatur  des  Spiro¬ 
meters  abgelesenen  Werte  unter  Berücksichtigung  dieser  Tem¬ 
peratur  und  unter  Berücksichtigung  des  Barometerstandes  um¬ 
rechnen. 

Herr  Gebhardt  war  auf  meine  Veranlassung  so  liebens¬ 
würdig,  im  folgenden  Aufsatz  den  verehrten  Lesern  dieser  Wochen¬ 
schrift  die  physikalischen  Gesetze  zu  erläutern,  nach  welchen  die 
Volumsveränderung  der  in  den  Spirometer  exspirierten  Luft  vor 
sich  geht,  und  gleichzeitig  die  Formel  zu  entwickeln,  nach 
welcher  die  Umrechnung  des  Exspirationsluftvolumens  zu  er¬ 
folgen  hat,  wenn  der  Spirometer  nicht  auf  Körpertemperatur  er¬ 
wärmt  wurde.  Aus  den  Erörterungen  von  Gebhardt  geht 
auch  unzweifelhaft  hervor,  dass  auch  dann  keine  richtigen  Werte 
gefunden  werden,  wenn,  wie  hier  bei  der  praktischen  Ausführung 
der  Spirometrie  wohl  die  Regel  zu  sein  pflegt,  die  Messungen 
bei  der  durchschnittlichen  Zimmertemperatur  von  18 — 20 0  C. 
vorgenommen  werden. 

Es  ist  jedenfalls  das  sicherste  und  einfachste,  einen  Spiro¬ 
meter  zu  benützen,  an  welchem  gleich  die  richtigen  Werte  ab¬ 
gelesen  werden  können;  wir  haben  daher  einen  Spirometer  her¬ 
steilen  lassen,  welcher  in  seinem  inneren  Zylinder  einen  Thermo¬ 
meter  enthält,  welcher  uns  jederzeit  gestattet,  die  Temperatur 
des  Innenraums  abzulesen. 

Die  beistehende  Abbildung  gibt  ein  genaues  Bild  von  dem 
Spirometer,  den  Herr  Gebhardt  und  ich  zu  unseren  Unter¬ 
suchungen  fertigen  Hessen  (bei  Böhm  &  W  i  e  d  e  m  a  n  n, 
München). 

Der  Spirometer  wird  mit  ungefähr  37  0  O.  warmem  Wasser 
gefüllt,  indem  man  nach  Oeffnung  des  Hahns  (h)  den  inneren 
Zylinder  (c)  in  seine  tiefste  Lage  bringt  und  dort  festhält,  bis  das 
oben  in  den  Spirometer  gegossene  Wasser  die  Höhe  des  inneren 


25.  November  1902, 


1953 


MUTEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zylinders  erreicht  hat.  Durch  das  Rechaud  (r  )wird  die  Tem¬ 
peratur  des  Spirometers,  die  an  dem  Thermometer  (t)  abselesen 
werden  kann,  auf  ca.  37°  C.  erhalten.  Vor  dem  Gebrauch  des 
Spirometers  ist  es  zweckmässig,  über  den  Teil  des  Spirometers 
der  oberhalb  des  äusseren  Zylinders  liegt,  ein  leichtes  Tuch  zu 
breiten,  um  eine  stärkere  Abkühlung  des  inneren  Zylinders  beim 
Aufsteigen  desselben  zu  vermeiden. 


Vor  Benützung  des  Spirometers  wird  der  Zeiger  (z)  mit  seiner 
Basis  auf  den  Meniskus  im  Wasserstandsgefäss  (wstj  und  gleich¬ 
zeitig  auf  die  0  der  Skala  (s)  gestellt  (zu  diesem  Zweck  hat  der 
Zeiger  ein  Gelenk),  während  der  innere  Zylinder  auf  seinem  tief¬ 
sten  Stand  steht. 

Das  Manometer  (in)  wird  nach  Abschrauben  des  Deckels  mit 
Wasser  gefüllt.  Nach  vollendeter  Exspiration  wird  der  Hahn  (ln 
geschlossen  und  an  dem  Gewicht  des  Spirometers  so  lange  gezogen, 
bis  das  Manometer  gleiche  Wasserhöhe  in  beiden  Schenkeln ''an- 
zeigt;  ferner  wird  der  Zeiger  (z)  an  dem  Wasserstandsgefäss  so 
lange  hinabgeschoben,  bis  er  wieder  den  Meniskus  berührt.  Er¬ 
stelle  Manipulation  ist  notwendig,  weil  nach  der  Exspiration  der 
Druck  im  inneren  Zylinder  grösser  ist,  als  der  Aussendruck,  letz¬ 
tere,  weil  durch  das  Hinaufsteigen  des  inneren  Zylinders  der 
Wasserstand  sinkt.  Durch  Nichtbeachtung  dieser  beiden  Mani¬ 
pulationen  können  noch  Fehler  bis  zu  150  ccm  entstehen. 

Die  Skala  ist  an  dem  inneren  Zylinder  angebracht  und  steigt 
mit  diesem  in  die  Höhe,  wenn  die  Luft  eingeblasen  wird.  An  ihr 
wird  die  wirkliche  Vitalkapazität  abgelesen,  wenn  obige  Vorsichts- 
massregeln  bei  der  Untersuchung  beobachtet  werden. 

Wird  der  Spirometer  nicht  mit  Wasser  von  Körpertempera¬ 
turen  gefüllt,  so  muss  die  Temperatur  am  Thermometer  des  Spiro¬ 
meters  und  der  jeweilige  Barometerstand  abgelesen  werden  und 
durch  Umrechnung  der  abgelesenen  Vitalkapazität  nach  der  von 
G  e  b  h  a  r  d  t  aufgestellten  Formel  die  wirkliche  Vitalkapazität 
berechnet  werden. 

Um  zu  zeigen,  wie  gut,  die  nach  der  Formel  von  Gebhardt 
berechneten  Zahlen  mit  den  empirisch  an  unserem  Normalspiro¬ 
meter  abgelesenen  übereinstimmen,  möchte  ich  noch  folgende  Bei¬ 
spiele  anführen : 

No.  3  atmete  bei  auf  37  0  erwärmtem  Spirometer  2850  ccm, 
bei  auf  6°  erwärmtem  nur  2375.  Wird  dieser  letztere  Wert  nach 
der  Gebhardt  sehen  Formel  auf  Körpertemperatur  reduziert, 
so  erhalten  wir  2777. 

No.  13  atmet  bei  37 0  5075,  bei  6 0  4300.  Aus  dieser  letzten 
Zahl  berechnet  sich  nach  der  obigen  Formel  eine  Vitalkapazität 
von  5030. 

Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  ja  auch  die  einzelnen 
Atemzüge  der  gleichen  Personen  ceteris  paribus  immer  etwas 
differieren  und  Differenzen  von  50 — 150  ccm  innerhalb  der  un¬ 
vermeidlichen  Fehlergrenzen  liegen.  Würden  die  einzelnen  Per¬ 
sonen  ganz  gleichmässig  geatmet  haben,  so  würde  sich  ganz  ge¬ 
wiss  ergeben  haben,  dass  die  Differenz  der  wirklichen  Vital¬ 
en  47. 


kapazität  (bei  Körpertemperatur)  von  der  bei  niederen  Tem¬ 
peraturen  gemessenen  um  so  grösser  wird,  je  grösser  das  Volumen 
der  einzelnen  Atemzüge  ist.  In  dieser  Ungleichmässigkeit  der 
Atemzüge  gleicher  Personen  liegt  schon  ein  grosser  Fehler  aller 
spirometrischen  Untersuchungen.  Fügen  wir  aber  zu  diesem 
nicht  vermeidlichen  Fehler  noch  den,  dass  wir  in  andere  Tem¬ 
peratur  als  in  Körpertemperatur  ausatmen  lassen,  so  wird  die 
Methode  hiedurch  völlig  unbrauchbar. 

loh  würde  mir  nicht  erlaubt  haben,  auf  diesen  Fehler  bei 
der  Spirometrie  aufmerksam  zu  machen,  wenn  ich  nicht  in  Er¬ 
fahrung  gebracht  hätte,  dass  der  gleiche  Fehler,  den  ich  selbst 
früher  übersehen  hatte,  auf  grossen  Kliniken,  in  Kranken¬ 
häusern  und  auch  in  grossen  Lungensanatorien,  in  welchen  ich 
Erkundigungen  eingezogen  habe,  ebenfalls  dauernd  gemacht 
wurde. 


Ueber  Spirometrie  II. 

Von  A.  Gebhardt  in  Leipzig. 

Hutchinson  definiert  Vitalkapazität  als  diejenige  in 
Volumeneinheiten  gemessene  Luftmenge,  welche  ein  Mensch 
nach  tiefster  In-  und  vollkommenster  Exspiration  bei  Zimmer¬ 
temperatur  auszuatmen  vermag.  Er  misst  die  Vitalkapazität 
mit  einem  von  ihm  erfundenen  Instrument,  dem  Spirometer,  und 
gibt  an,  dass  bei  Abweichungen  von  der  angegebenen  Normal¬ 
temperatur  von  60  F.  =  15,5  0  C.  die  am  Spirometer  abgelesenen 
Zahlen  nach  dem  Gay  L  u  s  s  a  c  sehen  Gesetze  auf  Zimmertem¬ 
peratur  umzurechnen  seien. 

Vorliegende  Zeilen  haben  nun  den  Zweck,  zu  zeigen,  dass 
diese  Definition  der  \  italkapazität  unhaltbar  und  dass  die  von 
H  utchinson  angegebene  Reduktion  nach  dem  Gay  Lussac- 
schen  Gesetze  unrichtig  ist. 

Wir  behaupten  nämlich: 

1.  Wenn  die  Vitalkapazität  ein  fester  Begriff  sein  soll,  so 
muss  sie  definiert  werden  als  diejenige  in  Volumeneinheiten  ge¬ 
messene  Luftmenge,  welche  nach  tiefster  In-  und  vollkommen¬ 
ster  Exspiration  bei  Atemtemperatur  =  36 0  C.  aus¬ 
gehaucht  werden  kann.  Bei  Abweichungen  von  dieser  Tem¬ 
peratur  muss  auf  36  und  nicht  auf  Zimmertemperatur  reduziert 
werden. 

2.  Diese  Reduktion  kann  nicht  nach  dem  Gay  Lussac- 
schen  Gesetze  vorgenommen  werden,  denn  die  ausgeatmete  Luft 
ist  kein  trockenes  Gas,  sondern  ein  Gemisch  aus  Gas  und 
W  asserdampf. 

Wir  wollen  vorläufig  annehmen,  dass  Behauptung  1  richtig 
sei,  und  2  zuerst  beweisen,  d.  h.  wir  wollen  den  Reduktionsfaktor 
ableiten  und  ihn  vergleichen  mit  demjenigen,  mit  dem  II  ut¬ 
chinson  auf  36 0  reduzieren  würde.  Unter  dem  Reduktions¬ 
faktor  ist  diejenige  Zahl  zu  verstehen,  mit  welcher  man  bei  Ab¬ 
weichungen  von  36  0  die  direkt  am  Spirometer  abgelesenen  Zahlen 
multiplizieren  muss,  um  die  Werte  zu  erhalten,  die  sich  bei  36° 
direkt  ergeben  haben  würden! 

Es  sei  V  dasjenige  Volumen,  welches  die  im  Maximum  aus¬ 
geatmete  Luft  bei  36  0  C.  einnimmt  (Vitalkapazität) ;  t  die  Tem¬ 
peratur  des  Spirometerwassers  in  Celsiusgraden;  st  der  Sätti¬ 
gungsdruck  des  Wasserdampfes  bei  t  °,  s^  derjenige  bei  36°; 
b  der  reduzierte  Barometerstand  und  v  das  Volumen,  das  wir 
bei  t 0  nach  vollkommenster  In-  und  Exspiration  am  Spirometer 
ablesen.  Da  die  feuchte  Atemluft  in  der  Lunge  mit  der  Aussen- 
luft  kommuniziert,  so  ist  ihr  Druck  gleich  dem  Barometer¬ 
stand  b.  Dieser  Druck  besteht  aus  den  Komponenten  s3c  (Sätti¬ 
gungsdruck  des  W  asserdampfes  von  dieser  Temperatur)  und  pr 
demjenigen  des  absolut  trockenen  Teils  der  Atemluft;  also  ist 
S3G  H-  Pi  =  b.  Das  heisst  die  Spannkraft  des  trockenen  Teils  der 
Luft  ist 

1  p.i  =  b  —  s„. 

Wenn  wir  nun  unsere  feuchte,  36°  warme  Atemluft  vom 
Volumen  V  in  einem  Spirometer  auf  t°  abkühlen  könnten,  ohne 
dass  sich  der  Druck  des  gesättigten  Wasser¬ 
dampfes  änderte,  so  müsste,  weil  im  Innern  des  äquili¬ 
brierten  Spirometers  die  Spannung  gleich  dem  Barometerstand  b 
ist,  auch  die  trockene  Luft  ihren  Druck  b— s30  beibehalten,  und 
da  gesättigte  Dämpfe  dem  M  a  r  i  o  1 1  sehen  Gesetz  nicht  fol¬ 
gen,  d.  h.  einer  Volumenverkleinerung  keine  Druckzunahme  ent¬ 
gegensetzen,  so  würde  das  neue  Volumen  unseres  feuchten  Gases 

3 


MUENCHENER  MEDIOINtSCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  47. 


im  Spirometer  sich  nach  dem  Gay  Lussac  sehen  Gesetz  be¬ 
rechnen  als 


II. 

«  =  0,0036-7. 


v  =V- 


1  -f-  «  t 
1  -j-  a  36 


Nun  ist  aber  die  Abkühlung-  eines  feuchten  Gases  in  dieser 
Weise  nicht  zu  verwirklichen,  vielmehr  ändert  sich  der  Sätti¬ 
gungsdruck  von  s36  in  s  t  um ;  s  t  ist  kleiner  als  sS6 ,  wenn  t  kleiner 
als  36°,  folglich  würde  im  Innern  des  Spirometers  jetzt  ein  ge¬ 
ringerer  Druck  herrschen  als  aussen.  Das  ist  aber  im  äquili¬ 
brierten  Instrument  nicht  möglich,  also  wird  das  Gemisch  aus 
Luft  und  Wasserdampf  komprimiert  bis  ps  +  st  =  b  ist,  das 
heisst,  bis  die  trockene  Luft  die  Spannung 


III  p2  =  b  —  St. 

besitzt.  Der  Rauminhalt  der  Atemluft  im  Spirometer  wird  daher 
schliesslich  gleich  sein  demjenigen  eines  trockenen  Gases  vom 
Volumen  v't  das  bei  konstanter  Vemperatur  t°  eine  Kompression 
von  p,  auf  p2  erfährt;  nach  Mariotteist  dieses  neue  Volumen 


P2 

oder  unter  Berücksichtigung  von  Gleichung  I,  II  und  III 


Va. 

1-f  «t 

V  =  v-  5—} - 

b  —  Sgg 

1  +"36 

b  —  8» 

V. 

1  “4“  cc  o6 
V  =  V-  — r - “ 

b  —  st 

1  -j-  a  t 

b  —  Sss 

Die  folgende  Tabelle  gibt  die  Werte  unseres  Korrektions¬ 
faktors  für  verschiedene  Temperaturen  und  Barometerstände. 


Temperatur 

Barometer  am 
Meere 
b  =  760  mm 

Barometer  in 
München 
b  =  716  mm 

Barometer  in  St. 
Moritz 

b  =  605  mm 

6° 

1,1653 

1,1691 

1,1812 

16° 

1,1152 

1,1182 

1,1278 

26° 

1,0613 

1,0630 

1,0689 

36  u 

1,0000 

1,0000 

1,0000 

Hutchinson,  der  nach  Gay  Lussac,  also  nach  der 


Formel  (v 


v 


1  ~f~  a  36  \ 

1  -|-  «  t  ' 


auf  36°  reduzieren  würde,  erhielte  als 


Reduktionsfaktoren 


für  6°:  1,1077 
,  16°:  1,0693 
„  26°:  1,0033 
„  36°:  1,0000 


Damit  ist  aber  unsere  Behauptung  2  bewiesen. 


Die  Berechtigung  zur  Behauptung  1  folgt  mm  ohne  weiteres, 
wenn  man  die  Tabelle  oder  die  Formel  V  betrachtet.  Das,  was 
Hutchinson  als  Vitalkapazität  definiert,  ist  gar  nicht 
vom  Individuum  allein  abhängig,  sondern  auch  noch  von  dem 
Orte,  wo  die  Messung  vorgenommen  wird,  weil  ja  die  spiro- 
metrisch  gefundenen  Resultate  vom  Barometerstand  abhängen, 
so  lange  wir  von  der  Atemtemperatur  abweichen. 

Ein  Mensch,  der  am  Meere  eine  bestimmte  Vitalkapazität 
hat,  im  Hutchinson  sehen  Sinne,  hat  in  Davos  eine  andere. 
Definieren  wir  dagegen  so,  dass  wir  immer  auf  Atemtemperatur 
uns  beziehen,  so  hat  ein  Mensch,  wo  er  auch  sei,  immer  dieselbe 
Vitalkapazität,  so  lange  nicht  auch  wirklich  seine  Lunge  oder 
sein  Gesundheitszustand  ein  anderer  geworden  ist.  Man  hat  sich 
gewundert,  dass  im  pneumatischen  Kabinet  bei  höheren  Drucken 
immer  mehr  geblasen  wird,  als  in  normaler  Luft,  und  man  hat 
für  die  Vergrösserung  der  Fassungskraft  keine  rechte  Erklärung 
gewusst.  Aus  unserer  Formel  ist  aber  ersichtlich,  dass  jemand 
unter  solchen  Verhältnissen  mehr  blasen  muss,  ohne  dass  sich 
die  Fassungskraft  seiner  Lunge  geändert  haben  müsste.  Wenn 
nicht  alles,  so  ist  sicher  ein  Teil  dieses  Mehr  nur  schein¬ 
bar,  und  würde  sich  nur  scheinbar  herausstellen,  wenn  wir  auf 
36°  umrechnen  würden;  auch  gibt  ja  nur  die  auf  36°  um¬ 
gerechnete,  spirometrisch  gefundene  Zahl  den  Rauminhalt,  den 
die  Luft  in  der  Lunge  einnahm  wieder.  Daher  muss  man  auf 
Atemtemperatur  umrechnen. 


Zur  Erklärung  der  Darmwirkung  des  Atropin  mit 
Rücksicht  auf  dessen  Anwendung  beim  Ileus.*) 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Von  Prof.  Dr.  J.  Pal. 

Die  klinischen  und  experimentellen  Angaben  über  die  Wir¬ 
kung  des  Atropin  und  der  Belladonnapräparate  auf  den  Darm 
lauten  sehr  widersprechend.  Die  letzte  grosse  experimentelle 
Prüfung  —  an  Hunden  und  Pferden  ausgeführt  —  von  Tra¬ 
vers  a,  ist  zu  dem  anscheinend  abschliessenden  Ergebnis  ge¬ 
langt,  dass  das  Atropin  die  Darmwandganglien  lähme.  Dem 
stehen  gegenüber  nebst  älteren  Angaben,  welche  sogar  von  einer 
abführenden  Wirkung  sprechen,  aus  neuester  Zeit  Beobachtungen 
in  Fällen  von  Ileus  und  inkarzerierten  Hernien,  in  welchen  dem 
Atropin  eine  geradezu  erlösende,  die  Darmtätigkeit  erregende 
Wirkung  zugeschrieben  wird. 

Die  Literatur  über  die  Anwendung  des  Atropin  bei  Heus  zeigt 
aber,  wie  sehr  es  noch  einer  Erklärung  dieser  Wirkung  bedarf, 
und  dass  diese  Lücke  einerseits,  andererseits  wohl  die  Schwierig¬ 
keit  der  Diagnose  zu  einer  kritiklosen  Anwendung-  des  nicht  un¬ 
gefährlichen  Mittels  geführt  hat,  wodurch  schwerer  Nachteil  für 
den  Kranken  herbeigeführt  werden  kann,  auch  bereits  herbei¬ 
geführt  wurde. 

Mit  Rücksicht  auf  den  Stand  der  Diskussion  in  dieser  An¬ 
gelegenheit,  sehe  ich  mich  veranlasst,  die  folgenden  Ergebnisse 
aus  einer  seit  dem  Jahre  1899  über  diesen  Gegenstand  an  Hunden 
ausgeführten  Untersuchungsreihe  vorläufig  mitzuteilen: 

Dasr  Atropin  schädigt  in  der  Regel  die  Nervenendapparate 
des  Vagus  sowie  des  Splanchnikus  —  in  diesem  auch  die  Vaso¬ 
motoren  —  und  lähmt  dieselben  unter  Umständen  völlig.  Frei 
bleiben  dagegen  die  Muskeln  der  Darmwand  sowie  erregbar  die¬ 
jenigen  Ganglienapparate,  welche  der  Pendelbewegung,  bezw.  der 
Peristaltik  dienen.  Der  Tonus  der  Darmwand  wird  sichtlich, 
wenn  auch  häufig  nur  vorübergehend  herabgesetzt,  allein  gleich¬ 
zeitig  wird  der  Darm  der  Einwirkung  hemmender,  reflektorischer 
Reize  weniger  zugänglich  und  damit  in  Fällen,  in  welchen  solche 
vorhanden  sind,  günstigere  Bedingungen  für  die  Bewegungen 
des  Darmes  geschaffen.  Um  diese  zu  fördern,  bedarf  es  aber 
erst  entsprechender  Reize,  die  gerade  unter  pathologischen  Be¬ 
dingungen  vorhanden  sind  oder  hinzugefügt  werden  müssen, 
wenn  die  vorhandenen  nicht  genügen.  Die  auch  nach  grossen 
Atropindosen  fortbestehende  Erregbarkeit  der  genannten  Darm¬ 
wandganglien  lässt  sich  auch  experimentell  auf  verschiedene 
Weise  und  namentlich  durch  meinen  Morphinversuch1)  nach- 
weisen.  Ich  möchte  hier  jetzt  schon  auf  die  lebhaft  erregende 
Wirkung  minimaler  Morphingaben,  selbst  nach  grossen  Atropin¬ 
dosen,  besonders  aufmerksam  machen,  und  bei  dieser  Gelegenheit 
bemerken,  dass  in  den  meisten  Beobachtungen,  in  welchen  über 
die  glänzende  Wirkung  des  Atropin  berichtet  wurde,  die  be¬ 
treffenden  Kranken  auch  unter  der  Wirkung  kleinerer  oder 
grösserer  Gaben  von  Opium,  Morphin  oder  Codein  standen. 

Aus  meinen  Untersuchungen  ergibt  sich  Aufklärung  für  die 
meisten  in  dieser  Frage  bestehenden  Widersprüche,  ebenso  wie 
eine  Grundlage  für  die  Anwendung  des  Atropin,  sowie  dessen 
Kombination  mit  Morphin  oder  dessen  Derivate  bei  Ileuserschei- 
nungen. 

Rücksichtlich  der  Indikation  möchte  ich  mich,  ohne  hier  auf 
die  diesbezügliche  Literatur  näher  einzugehen,  auf  folgende  Be¬ 
merkungen  beschränken : 

Da  das  Atropin  auf  bestimmte  Ganglienapparate  des  Darmes 
wirkt,  so  kommt  dessen  Anwendung  nur  für  Fälle  in  Betracht,  in 
welchen  die  Ausschaltung  derselben  von  Nutzen  sein  kann.  Es 
sind  dies  diejenigen,  in  welchen  der  Darm  unter  dem  Einfluss 
reflektorischer  Reize  steht,  wie  beim  dynamischen,  eventuell  auch 
dem  von  einzelnen  vertretenen  sogen,  paralytischen  Ileus  —  dort 
somit,  wo  die  Ileuserscheinungen  häufig  nur  von  symptomatischer 
Bedeutung  sind  und  nicht  das  Wesentliche  der  Krankheit  aus¬ 
machen.  Unter  den  Formen  des  mechanischen  Ileus  ist  speziell 
die  echte  Darmstenose  aus  der  Reihe  der  in  Betracht  kommenden 
Fälle  auszuschli essen.  In  einzelnen  wenigen  Fällen  dieser  Gruppe 
dagegen  ist  unter  günstigen  Bedingungen  eine  Wirkung  des 

*)  Vorgelegt  in  der  Sitzung  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte 
in  Wien  am  7.  November  1902. 

9  Siehe  meinen  Vortrag  vom  26.  Oktober  1900  (Wiener  med. 
Presse,  No.  45,  1900):  „Neue  Untersuchungen  über  die  Wirkung 
des  Opium  und  Morphin  auf  den  Darm“. 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Atropin  möglich,  wenn  es  sich  um  analoge  Vorgänge  wie  bei  der 
inkarzerierten  äusseren  Hernie  handelt  und  die  Zirkulation  in 
der  eingeklemmten  Schlinge  erhalten  ist. 

Eine  zielbewusste  Anwendung  des  Atropin  ist  somit  nur  dann 
denkbar,  wenn  der  Mechanismus  der  Heuserscheinungen  im  Ein¬ 
zelfalle  klarliegt.  Die  Erfüllung  dieser  Forderung  begegnet  aber 
bekanntlich  oft  unüberwindlichen  Schwierigkeiten. 

Stets  ist  zu  bedenken,  dass  die  Anwendung  des  Atropin  nebst 
der  Giftwirkung,  die  gewiss  herabgemindert  werden  kann  noch 
mne  grosse  Gefahr  mit  sich  bringt:  die  Trübung  des  ganzen 
Krankheitsbildes,  wodurch  der  richtige  Zeitpunkt  für  einen  etwa 
notwendigen  operativen  Eingriff  leicht  übersehen  wird. 

Es  ist  damit  das,  was  ich  in  dieser  Frage  vorzubringen  habe, 
nicht  erschöpft.  Die  Experimente  haben  überdies  einige  inter¬ 
essante  Aufschlüsse  über  den  Morphin- Atropin- Antagonismus, 
sowie  über  die  nervösen  Apparate  des  Darmes  gebracht,  welche 
noch  einer  weiteren  Ausarbeitung  bedürfen. 

Die  Untersuchungen  sind  mit  den  Hilfsmitteln  des  Institutes 
für  experimentelle  Pathologie  ausgeführt. 


Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  und  Poliklinik  in  Leipzig 
(Direktor :  Med.-Kat  Prof.  Dr.  Soltmann). 

Zur  tuberkulösen  Lungenphthise  im  Säuglingsalter. 

Von  Dr.  Martin  Hohlfeld,  Assistenzarzt. 

In  No.  6  des  49.  Jahrgangs  d.  Wochenschr.  teilt  Qurin 
unter  einem  kurzen  Hinweis  auf  die  kleine  Kasuistik  solcher 
Fälle  den  von  ihm  in  der  Tübinger  Universitätspoliklinik  be¬ 
obachteten  Fall  eines  5  Monate  alten  Säuglings  mit,  wo  sich  bei 
der  Sektion  im  Einklang  mit  dem  klinischen  Befunde  neben 
einer  grossknotigen,  hauptsächlich  in  den  Oberlappen  lokali¬ 
sierten  Tuberkulose  der  Lungen  eine  Kaverne  fand,  die  einen 
grossen  Teil  des  rechten  Oberlappens  einnahm. 

Kavernen  solcher  Grösse  sind  im  Säuglingsalter,  wie  ich 
aus  den  Protokollen  über  die  in  den  letzten  5  Jahren  im  hiesigen 
Kinderkrankenhaus  ausgeführten  Sektionen  bestätigen  kann,  in 
der  Tat  selten. 

In  diesem  Zeitraum  kamen  921  Kinder  aus  dem  ersten 
Lebensjahre  zur  Sektion.  Daunter  waren  55  =  5,9  Proz.  tuber¬ 
kulöse  und  44  von  diesen  hatten  eine  Tuberkulose  der  Lungen, 
wobei  die  Bronchialdrüsentuberkulose  niemals  vermisst  wurde. 
Bei  4  Fällen  war  es  zur  Bildung  von  Kavernen  gekommen, 
welche  im  Maximum  die  Grösse  eines  Taubeneies  erreichten. 

Ich  halte,  es  daher  für  erlaubt,  die  folgenden  beiden  Fälle 
mitzuteilen,  die  ich  zur  Zeit  der  Qurin  sehen  Veröffentlichung 
neben  einander  beobachten  konnte. 

am  29  IS  19<y>nS’  7  Monate  alt.  kam  in  Behandlung  der  Poliklinik 

Anamnese:  Vater  gesunder,  kräftiger  Mann.  Mutter 
gross,  schlank,  mit  leidendem  Gesichtsausdruck,  bekam  10  Tage 
nach  der .  Geburt  des  Kindes  eine  rechtsseitige  Rippenfellent¬ 
zündung,  in  deren  Verlaufe  Flüssigkeit  aus  dem  Brustraum  ab¬ 
gelassen  wurde.  Patient  ist  das  erste  Kind,  wog  bei  der  Geburt 

Pfund,  wurde  bis  zur  Erkrankung  der  Mutter  von  dieser  ge¬ 
stillt,  dann  künstlich  ernährt.  Seit  3  Wochen  hat  er  Fieber,  Husten, 
durchfälligen  Stuhl  und  geht  rapide  im  Körpergewicht  zurück. 

Status:  Dürftig  entwickeltes,  äusserst  schlecht  ernährtes 
Kind,  das  ohne  Unterstützung  nicht  sitzen  kann.  Körperlänge 
04  cm,  Körpergewicht  4450  g. 

Gesicht  spitz,  Haut  welk  und  faltig,  am  Rücken  vereinzelte 
Furunkel.  Die  Venen  am  Halse  treten  beim  Schreien  als  dicke 
blaue  Wülste  hervor.  Die  Muskeln  imponieren  als  dünne  Stränge 
und  setzen  passiven  Bewegungen  in  den  Gelenken  Widerstand 
entgegen.  Fontanelle  markstückgross.  Ringumfang  des  Kopfes 
40  cm.  Epiphysen  der  Rippen  und  TJnterarmknochen  verdickt. 
Die  palpablen  Lymphdrüsen  überall  geschwollen,  namentlich  am 
Halse  vor  und  hinter  dem  Sternokleido  feine  Drüsenketten. 

Augen.  Ohren,  Nase,  Mund  ohne  Besonderheiten.  Zähne  noch 
nicht  durchgebrochen. 

Thorax:  Ringumfang  36  cm. 

Lunge:  vorn  rechts  auf  der  7.  Rippe.  Rechts  zwischen 
Schlüsselbein  und  4.  Rippe  ausgesprochene  Dämpfung,  hinten  in 
entsprechender  Höhe  nur  eine  leichte  Abschwächung  des  Per¬ 
kussionsschalles.  Im  Bereiche  der  Dämpfung  vorn  Bronchial¬ 
atmen,  hinten  weniger  deutlich.  Auf  der  übrigen  L\mge  voller 
Schall  und  nur  vereinzelte  trockene  Rhonchi. 

Herz:  4.  Rippe,  linker  Sternalrand,  linke  Mammillarlinie, 
Töne  rein. 

Leib  aufgetrieben,  grösster  Ringumfang  37  cm.  Unter  der 
Bauchhaut  kleine  Knötchen. 

Leber  und  Milz  nicht  zu  fühlen. 

Reflexe  vorhanden. 


1955 


Genitalien:  Phimose.  Stuhl  dünnbreiig,  stellenweise  ariin 
mit  Schleim  gemischt. 

Therapie:  3  mal  täglich  5  Tropfen  Kreosotal.  Milch  mit 
Zusatz  von  Leube-Rosenthal  scher  Fleischsolution. 

)rm20'  ll-  Wi,rd  erst  heute  wieder  vorgestellt.  Körpergewicht 
oOO  g.  Lungenbefund  unverändert.  Das  im  Rachen  aufgefangene 
schleimig-eitrige  Sputum  enthält  zahlreiche  Tuberkelbazillen  fast 
in  jedem  Gesichtsfelde  in  Häufchen  von  5 — 7  zusammenliegend. 
r...  Körpergewicht  4600  g.  Lunge  rechts  vom  immer  noch 

Dampfung  und  Bronchialatmen,  rechts  hinten  in  derselben  Höhe 
scharfes  feinblasiges  Rasseln.  Das  Sputum  ist  reichlich  schleimig¬ 
eitrig,  enthält  zahlreiche  Leukocyten  und  stark  verfettete  Alveolar- 
t  pithelien,  freies  I  ett,  Plattenepithelien  und  rote  Blutkörperchen 
Tuberkelbazillen  in  derselben  Menge  wie  am  20.  II.  Links  neben 
dem  After  ein  kleinapfelgrosser  Abszess,  Inzision.  Die  Tem¬ 
peraturkurve  zeigt  ein  unregelmässiges  Fieber  mit  gelegentlichen 
Intermissionen.  Abends  erreicht  die  Temperatur  im  Maximum 

8.  III.  Körpergewicht  4600  g.  Abszess  verheilt.  Lunge- 
Status  idem.  Vorgestern  erhob  sich  die  Temperatur  von  37°  am 
Morgen  bis  auf  40,4 0  am  Abend.  Die  Mutter  ist  jetzt  wegen  eines 
Spitzenkatarrhs  in  ärztlicher  Behandlung  und  nimmt  Kreosotpillen 

17.  III.  Körpergewicht  4300  g.  Zustand  in  den  letzten  Tagen 
wesentlich  schlechter.  Ueber  dem  ganzen  rechten  Oberlappen  der 
Lunge  ausgesprochene  Dämpfung  und  Bronchialatmen  das  hinten 
von  feinblasigem  Rasseln  begleitet  wird. 

Die  Mutter  ist  bettlägerig  geworden  und  soll  jetzt  auch  starke 
Durchfälle  haben.  Mangels  häuslicher  Pflege  erfolgt  daher  die 
Aufnahme  des  Kindes  in  das  Kinderkrankenhaus. 

25.  III.  Körpergewicht  4070  g.  Schnell  zunehmender  Ver¬ 
fall,  intermittierendes  Fieber  mit  hohen  Spitzen,  Respiration  44  bis 
60,  Puls  152—188.  Lungenbefund  wie  am  17.  III.  Tuberkelbazillen 
sehr  zahlreich.  Stuhl  dünn  und  wässerig.  Abends  Exitus  letalis 

27.  III.  Sektion: 

Zwerchfellstand  rechts  6.,  links  5.  Rippe. 

Sternum  mit  den  hinterliegenden  Drüsen  fest  verwachsen. 

Die  mediastinalen  Lymphdrüsen  stark  vergrössert  und  meist 
total  verkäst. 

Pleurahöhlen  leer.  Pleura  pulmonalis  et  costalis  rechts  vorn 
oben  in  ziemlich  grosser  Ausdehnung  verwachsen. 

Der  Herzbeutel  enthält  einige  Kubikzentimeter  bernsteingelber 
wässeriger  Flüssigkeit.  Myokard  blassgraurot,  stellenweise  etwas 
trübe. 

Linke  Pleura  blank,  von  miliaren  grauen  Knötchen  durch¬ 
setzt,  lässt  am  Oberlappen  eine  Anzahl  gelber,  deutlich  erhabener, 
unregelmässig  geformter,  selten  mehr  als  Erbsengrösse  erreichen¬ 
der  Flecke  durchschimmern,  die  auf  dem  Durchschnitt  als  ebenso 
gefärbte  Knoten  imponieren  und  sich  auch  in  den  tieferen  Par¬ 
tien  des  Lappens  finden.  Im  Unterlappen  sind  solche  Knoten  nur 
gc-inz  vereinzelt,  auch  kleinere  stecknadelkopfgrosse  nur  spärlich. 
Zwischen  den  kleinen  Herden  überall  lufthaltiges  Gewebe.  Inter¬ 
stitielles  Emphysem  mässigen  Grades.  Lunge  rechts  vorn  oben  nur 
mit  Substanzverlusten  von  den  Rippen  abzulösen.  Ober-  und 
Mittellappen  verklebt.  Der  ganze  Oberlappen  in  eine  solide, 
grossenteils  gelb  gefärbte  Masse  verwandelt,  in  seinem  unteren 
Teile  eine  pflaumengrosse  Kaverne,  deren  Wandung  mit  bröck¬ 
ligen,  käsigen  Massen  besetzt  ist  und  nur  wenige  kleine  Bronchial¬ 
lumina  erkennen  lässt.  In  der  Spitze  des  Unterlappens  ein  grösserer 
käsiger  Herd,  sonst  in  diesem  wie  im  Mittellappen  nur  kleinere 
verstreute  Knötchen  in  dem  lufthaltigen,  besonders  an  den  Rän¬ 
dern  emphysematosen  Gewebe. 

Bronchialschleimhaut  gerötet,  mit  zähem  schleimig-eitrigen 
Sekret  bedeckt. 

Bronchialdrüsen  vergrössert  und  total  verkäst,  ebenso  die 
Halslymphdrüsen. 

Milz:  Kapsel  zur  Hälfte  mit  einem  dünnen  fibrinösen  Belage 
versehen.  Auf  der  Oberfläche  stellenweise  hellere  Höcker,  die 
auf  dem  Durchschnitt  als  graue  Knoten  imponieren.  Dazwischen 
miliare  graue  Knötchen  auf  Ober-  und  Schnittfläche. 

Nieren  gross,  ziemlich  weich,  Rinde  etwas  trübe. 

Leber  ziemlich  gross,  braunrot,  weich,  Oberfläche  glatt  bis 
auf  einzelne  Vorsprünge  von  dunklerer  Farbe  mit  gelblichem  Zen¬ 
trum.  Auf  der  Schnittfläche  die  azinöse  Zeichnung  ziemlich  deut¬ 
lich,  einige  gelbliche  Herde  von  Stecknadelkopf-  bis  Erbsengrösse, 
welche  ein  zentrales,  von  gelblichem  Brei  erfülltes  Lumen  er¬ 
kennen  lassen. 

Darm:  Im  Ileum  mehrere  quer  verlaufende  frische  Ge¬ 
schwüre,  ein  zentral  zerfallener  Follikel  im  Dickdarm. 

Mesenterialdrüsen  geschwollen  und  verkäst. 

Wir  haben  es  also  mit  einer  Lungentuberkulose  zu  tun,  die 
ihren  Hauptsitz  im  rechten  Oberlappen  hat,  wo  es  auch  zur  Bil¬ 
dung  einer  grösseren  Kaverne  gekommen  ist.  Auch  in  der  linken 
Lunge  nimmt  die  Grösse  der  tuberkulösen  Herde  nach  den 
Unterlappen  zu  ab. 

Der  tuberkulöse  Charakter  der  Lungenerkrankung,  für  den 
die  Krankheit  der  —  vor  kurzem  übrigens  verstorbenen  —  Mutter, 
die  lange  Dauer  des  Prozesses  und  der  ganze  Zustand  des  Kindes 


J)  Das  Sputum  gewinne  ich  in  der  Weise,  dass  ich  mit  einem 
breiten  Hornspatel  bis  zum  Zungengrunde  eingehe,  dadurch  einen 
Hustenstoss  auslöse  und  das  dabei  hochgeworfene  Sputum  mit  dem 
Spatel  im  Rachen  auf  fange. 


3* 


1906 


No.  47. 


M  U E  N  ( '  1 1  E  N ER  J\I  E  Dl  CI  N  ISCHE  WOCHENSCHRIFT . 


sprachen,  konnte  intra  vitam  durch  den  Nachweis  der  Tuberkel¬ 
bazillen  im  Sputum  sichergestellt  werden,  während  Aus¬ 
kultation  und  Perkussion  mit  Sicherheit  nur  die  Zeichen  einer 
Verdichtung  des  Lungengewebes  ergaben. 

Anders  bei  dem  zweiten,  gleichzeitig  beobachteten  Falle. 

II.  R.  Kurt,  10  Monate  alt,  kam  in  Behandlung  der  Poliklinik 
am  20.  II.  1002. 

Anamnese:  [’neheliclies  zweites  Kind  eines  Dienstmäd¬ 
chens,  das  während  der  Gravidität  einen  Ausschlag  gehabt  haben, 
jetzt  aber,  wie  das  erste  Kind,  gesund  sein  soll.  Patient  war  im 
3.  Lebensmonat  wegen  chronischer  Dyspepsie  und  Furunkulose 
schon  einmal  in  poliklinischer  Behandlung.  Bei  einer  gelegeiit- 
lielien  Vorstellung  im  September  1001  wurden  bronchitische  Er¬ 
scheinungen  über  beiden  Lungen  festgestellt.  Heute  wird  das 
Kind  von  der  Ziehmutter  wieder  in  die  Poliklinik  gebracht.  Es 
soll  in  den  letzten  Monaten  viel  gehustet  haben  und  sehr  elend 
geworden  sein.  Am  3.  Februar  habe  es  bei  einem  Hustenanfall 
so  viel  Blut  ausgeworfen,  dass  zwei  Taschentücher  davon  durch- 
t rankt  worden  seien. 

Status:  Aeusserst  elendes  Kind,  das  nur  mit  Unterstützung 
sich  mühsam  aufrecht  erhalten  kann. 

Körpergewicht  4900  g,  Körperlänge  63  cm. 

Haut  blass  und  welk,  schilfernd.  Muskeln  dünne,  •  welke 
Stränge.  Knochen  zierlich.  Fontanelle  zehnpfennigstückgross. 
Kingumfang  des  Kopfes  41V.,  cm.  Epiphysen  der  Rippen  und 
Tinte rarmknochen  leicht  verdickt.  Die  palpablen  Lymphdrüsen 
überall,  am  Halse,  in  den  Achselhöhlen  und  Leistenbeugen  bis  zu 
Erbsengrösse  geschwollen.  Im  Sulcus  bicipitalis  dicht  über  dem 
linken  Ellbogen  eine  bohnengrosse  Drüse. 

Augen,  Ohren,  Nase  ohne  Besonderheiten. 

Zähne  noch  nicht  durchgebrochen. 

Thorax  seitlich  zusammengedrückt,  Ringumfang  37  cm. 

Lunge  vorn  rechts  auf  der  7.  Rippe.  Ueberall  voller  Schall, 
der  links  vorn  zwischen  Klavikula  und  4.  Rippe  tympanitisch  wird. 

I  n  diesem  Bezirke  laute,  grossblasige,  klingende  Rasselgeräusche, 
die  von  der  4.  Rippe  abwärts  ihren  klingenden  Charakter  verlieren 
und  auch  mehr  mittelblasig  werden,  wie  sie  über  der  ganzen  übri¬ 
gen  Lunge  zu  hören  sind. 

Das  im  Rachen  aufgefangene  spärliche  Sputum  enthält  zahl¬ 
reiche  Tuberkelbazillen. 

Herz  ohne  Besonderheiten. 

Leib  aufgetrieben,  grösster  Ringumfang  40y2  cm.  Bauch¬ 
decken  dünn,  unter  der  Bauchhaut  liier  und  da  kleine  Knötchen. 

Leberrand  dreiquerfingerbreit  unter  dem  Rippenbogen,  Milz 
zwischen  vorderer  Axillar-  und  linker  Mammillarlinie  palpabel. 

Reflexe  lebhaft. 

Genitalien:  Phimose. 

Stuhl  breiig,  übelriechend. 

Therapie:  Kreosotlebertran  (1,0:100,0),  3  mal  täglich  einen 
Tlieelöffel. 

6.  III.  Lungenbefund  unverändert.  In  dem  schleimig-eitrigen 
Sputum  lassen  sich  mit  der  Weigert  sehen  Elastinfärbung 
elastische  Fasern  in  typischer  alveolärer  Anordnung  nachweisen. 
Tuberkelbazillen  sehr  zahlreich. 

20.  III.  Lungenbefund  derselbe.  Immer  mehr  zunehmende 
Macies.  Exitus  letalis. 

22.111.  Sektion:  Zwerchfellstand  beiderseits  5.  Rippe. 

Pleuritis  adhaesiva  auf  beiden  Seiten. 

Totale  Synechie  des  Perikards.  Anämie  des  Herzmuskels. 

Käsige  Peribronchitis  und  Lymphangitis  in  sämtlichen 
Lungenpartien.  Dazwischen  lobuläre  katarrhalische  Pneumonien. 
Vielfach  Bronchiektasien,  besonders  im  linken  Oberlappen,  wo  sich 
auch  nahe  der  vorderen  Wand  eine  kirschengrosse  bronchi- 
ektatische  Kaverne  findet. 

Tuberkulöse  Verkäsung  der  Bronchialdrüsen  am  Hilus  und  im 
Lungengewebe,  ebenso  der  Halslymphdrüsen. 

Geringer  Aszites. 

Hyperplasie  der  Milz  mit  spärlichen  Tuberkelbazillen. 

Trübe  Schwellung  der  Nieren. 

Nebennieren,  Genitalien  und  Blase  ohne  Befund. 

Venöse  Hyperämie  der  Leber,  grössere  verkäste  Herde  im 
interazinösen  Bindegewebe  mit  ikterischer  Verfärbung. 

Anämie  und  chronischer  Katarrh  der  Magenschleimhaut. 

Zahlreiche  gürtelförmige  tuberkulöse  Darmgeschwüre. 

Hochgradige  tuberkulöse  Verkäsung  der  Mesenterialdrüsen. 

Hier  bestanden  also  intra  vitam  Kavemensymptome,  die 
durch  den  Nachweis  elastischer  Fasern  im  Sputum  einen  beson¬ 
deren  Rückhalt  gewannen.  Während  man  jedoch  nach  dem  kli¬ 
nischen  Befunde  einen  grösseren  Hohlraum  erwarten  durfte,  fand 
sich  bei  der  Sektion,  dass  dieser  nur  vorgetäuscht  wurde  durch 
Bronchiektasien  in  der  Umgebung  einer  kleinen  Kaverne. 

Der  Sitz  derselben  war  zwar  auch  hier  der  überlappen,  in¬ 
dessen  war  die  Tuberkulose  in  diesem  Falle  ziemlich  gleich- 
miissig  über  alle  Lappen  der  Lunge  verbreitet. 

Aus  dem  Verlaufe  der  Erkrankung,  deren  Beginn  wohl  schon 
mit  der  eingangs  erwähnten  Dyspepsie  zusammenfallen  dürfte, 
verdient  neben  dem  auch  hier  erhobenen  Befunde  von  Tuberkel¬ 
bazillen  im  Sputum  noch  die  in  der  Anamnese  geschilderte  Blu¬ 
tung  erwähnt  zu  werden.  Nach  Lage  der  Dinge  darf  man  wohl 


annehmen,  dass  es  sich  hier  um  eine  Hämoptoe  gehandelt  hat, 
ein  seltenes  Ereignis  in  diesem  Alter. 

Beide  Fälle  zeigen,  welche  Ausdehnung  die  Tuberkulose 
schon  bei  Säuglingen  annehmen  kann.  Dass  es  die  überlappen 
sind,  welche  im  ersten  Falle  den  Hauptsitz  der  Lungentuber¬ 
kulose  darstellen,  muss,  wie  auch  Qurin  bei  seinem  Falle  be¬ 
tont,  als  eine  für  das  Säuglingsalter  ungewöhnliche  Form  der 
Ausbreitung  des  tuberkulösen  Prozesses  in  den  Lungen  an¬ 
gesehen  werden2). 


Aus  der  Heidelberger  medizinischen  Klinik 
(Direktor :  Geh.  Rat  E  r  b). 

Ueber  den  therapeutischen  Wert  der  Bismutose. 

Von  Privatdozent  Dr.  Hugo  Starck,  Assistent  für  die  medi¬ 
zinische  Ambulanz. 

Die  Menge  der  in  den  letzten  Jahren  auf  den  Markt  ge¬ 
worfenen  und  alltäglich  neu  erscheinenden  Medikamente  ist  all¬ 
mählich  so  angewachsen,  dass  der  ordinierende  Arzt,  zumal  hei 
der  dieselben  begleitenden  umfassenden  Reklame  kaum  im  stände 
ist,  wirklich  brauchbare  von  zweifelhaften,  nur  durch  eine  markt¬ 
schreierische  Anpreisung  bekannt  gewordenen  Heilmitteln  zu 
trennen. 

Wo  ein  grosses  Beobachtungsmaterial  mangelt,  wird  es  sich 
daher  bei  Anwendung  der  neuen  Präparate  stets  mehr  um  ein 
Herumtasten,  als  um  zielbewusstes,  auf  wissenschaftlicher  Grund¬ 
lage  oder  praktischem  Erfolge  begründetes  Vorgehen  handeln. 

Wenn  ich  an  dieser  Stelle  einem  neueren  Präparate  das  Wort 
rede,  so  geschieht  es,  weil  mir  dasselbe  nach  praktischer  Erpro¬ 
bung  besonders  in  der  Kinderpraxi  s  von  hervorragendem 
Werte  zu  sein  scheint. 

Im  Grunde  genommen  ist  die  Bismutose  gar  kein  neues 
Mittel,  die  wirksame  Substanz  derselben,  das  Wismuth,  ist  alt¬ 
bewährt  und  hat  für  gewisse  Krankheiten  in  der  Aerztewelt  all¬ 
gemeine  Anerkennung  gefunden.  Neu  ist  nur  die  Form, 
in  welcher  das  Metall  verabreicht  wird;  aber  darin  liegt  gerade 
dessen  Vorzug. 

Der  leitende  Gedanke  bei  der  Herstellung  der  Bismutose  war 
der,  die  toxischen  Wirkungen  der  Wismuthsalze,  über  welche 
neuerdings  von  verschiedenen  Seiten  (Dreesman  n,  M  ii  h  1  i  g, 
C  o  h  n  u.  a.)  berichtet  worden  ist,  herabzumindern.  B.  L  a  - 
q  u  e  r  -  Wiesbaden  erreichte  durch  eine  Ei  Weissverbindung  des 
Wismuths  eine  Form,  in  welcher  das  Wismuth  seine  beiden 
schätzenswertesten  Eigenschaften,  nämlich  als  Protektivum 
und  als  A  d  s  t  r  i  n  g  e  n  s,  vollkommen  bewahrt. 

Die  Darstellung  erfolgt  (nach  patentiertem  Verfahren  von 
Kalle  &  Co.,  Biebrich  a.  Rh.)  durch  Koagulation  einer  reinen 
Hühnereiweisslösung  mit  einer  Auflösung  von  chemisch  reinem, 
kristallisiertem  Wismuthnitrat  in  Chlornatriumlösung.  Das  ent¬ 
standene  Koagulum  wird  sorgfältig  ausgewaschen,  getrocknet 
und  sehr  fein  gemahlen. 

Die  Bismutose  bildet  so  ein  feines,  gelblich  weisses,  nicht 
zusammenballendes  Pulver  mit  einem  Gehalt  von  21 — 22  Proz. 
metallischem  Wismuth  (etwa  30 — 31  Proz.  Bism.  subnitr.  ent¬ 
sprechend).  Das  Wismuth  soll  einerseits  an  Chlor,  andererseits 
an  das  Eiweissmolekiil  gebunden  sein. 

Die  Bismutose  ist  absolut  gerucli-  und  geschmack¬ 
los;  bei  längerem  Stehen  am  Licht  färbt  sie  sich  schiefergrau 
(Wismuthoxvdul).  Gegen  Hitze  ist  das  Präparat  sehr  beständig, 
es  kann  auf  130 — 140  0  erhitzt  werden,  ohne  sich  zu  zersetzen. 

Tn  reinem  Wasser,  sowie  in  verdünnten  Säuren  und  Alkalien 
quellt  die  Bismutose  bei  gewöhnlicher  Temperatur  ausserordent¬ 
lich  unter  Aufnahme  des  2 — 3  fachen  Gewichtes  an  Wasser,  ohne 
sich  zu  lösen. 

Erst  beim  längeren  Erhitzen  lösen  verdünnte  Alkalien  und 
Säuren  die  Bismutose  zum  Teil. 

Der  wirksame  Magensaft  greift  die  Bismutose  k  a  u  m 
an,  so  dass  sie  unverändert  den  Magen  passiert;  etwas  stärker 
ist  der  lösende  Einfluss  des  Pankreassaftes,  doch  soll  das  Pulver 
in  kaum  verändertem  und  reduziertem  Zustande  selbst  die 
untersten  Darmabschnitte  erreichen. 

Der  wesentliche  Vorteil  der  Bismutose  wird  nun  darin  ge¬ 
sucht,  dass  durch  die  schwere  Löslichkeit  des  Wismuths  in  der 

2)  vergl.  S  oltmann:  Skrophulose  und  Tuberkulose  der 
Kinder.  Deutsche  Klinik  1901. 


ÖS.  November  1902. 


MtJ  ENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1957 


Proteinverbindung'  einerseits  die  tox  ische  Gef  a  hr  lierab- 
g  ('.  setzt,  die  adstringierende  W  i  r k u  n  g  aber  er- 
li ö  h  t  wird,  während  andererseits  durch  die  feinere  Verteilung 
iu.f  grössere  Flächen  der  reizmildernde  Effekt  gesteigert 
wird. 

Endlich  wird  aber  auch  auf  die  dem  Wismuth  bereits  zu 
geschriebene,  der  Proteinverbindung  in  erhöhtem  Masse  zu¬ 
kommende  säur  ebindende  Wirkung1  hingewiesen,  kraft 
deren  sich  die  Bismutose  ganz  besonders  zur  Behandlung  von 
Hyperazidität  und  ITlcus  ventriculi  eignen  soll. 

So  finden  wir  denn  die  Bismutose  fiir  alle  diejenigen  Krank¬ 
heiten  empfohlen,  bei  welchen  das  Wismuth  Anwendung  ge- 
1  nnden  hat,  so  besonders  bei  geschwungen  und  entzündlichen 
Prozessen  der  Magen-  und  Darmschleimhaut,  bei  Hyperazidität 
und  Dyspepsie,  bei  Verbrennungen  und  Hautulzerationen. 

Was  mich  zur  Prüfung  der  Bismutose  veranlasst  hat,  war 
weniger  die  dem  Mittel  zugeschriebene  Heilwirkung  auf  das 
(Heus  ventriculi  —  ich  bin  zu  sehr  Anhänger  der  üblichen  Wis- 
muththerapie  — ,  denn  die  angebliche  günstige  Beein¬ 
flussung  des  Darmkatarrh  es  der  Kinder. 

Meine  Beobachtungen  beziehen  sich  auf  im  ganzen  37  Fälle1) 
und  zwar  10  Fälle  von  Brechdurchfall,  6  Fälle  von  chronischem 
(2  tuberkulösem)  Darmkatarrh,  17  Fälle  von  akutem  Darmkatarrh, 
4  Fälle  von  Ulcus  ventriculi.  9  Patienten  hatten  das  13.  Lebens- 
jalir  überschritten,  im  übrigen  handelte  es  sich  um  Kinder 
zwischen  8  Wochen  und  12  Jahren. 

Dosis  und  Art  der  Verabreichung  des  Medika- 
m  e  n.  t  e  s  variierte  etwas.  Den  ersten  Patienten  gab  ich  Bis- 
mutose  4  5  mal  täglich  1  Messerspitze,  dann  stündlich  1  Messer¬ 
spitze  voll,  in  letzter  Zeit  täglich  etwa  6  g  in  Mixtur.  Das 
1  ulvcr  wurde  zuerst  in  Wasser  oder  Milch  genommen, 
Säuglingen  wurde  es  in  der  Saugflasche  gegeben,  indem  das 
1  ulver  erst  mit  etwas  heisser  Milch  in  der  Flasche  gut  um- 
geschiittelt  und  dann  mit  Milch  oder  Schleim  aufgefüllt  wurde. 
In  letzter  Zeit  schien  die  Ordination  als  Mixtur  passender. 
o0  g  Bismutose  werden  mit  derselben  Menge  Mucilago  gumnii 
arab.  im  Tiegel  innig  vermengt,  das  Gemisch  auf  200  g  mit 
Aqu.  dest.  aufgefüllt.  Die  Mixtur  hat  rahmiges  Aussehen, 
schmeckt  indifferent  und  hält  sich  lange.  Die  Ordination  lautet 
demnach : 


Rp. :  Bismutose 

Mucilag.  gummi  arab.  äa  30,0 
Aqu.  dest.  ad  2ü0,0 

MD. :  stündlich  1 — 2  Kaffeelöffel  voll  zu  nehmen. 

Die  Wirkung  war  in  den  Fällen  von  Brechdurchfall  und 
akutem  Darmkatarrh  der  Kinder  durchweg  ganz  vorzüglich, 
ebenso  in  4  Fällen  chronischer  Enteritis,  1  Fall  von  tuberkulöser 
Enteritis  und  Peritonitis  chron.  tub.  blieb  unbeeinflusst,  3  Fälle 
von  Ulcus  ventriculi  wurden  gebessert,  in  1  Falle  wurde  die  Be¬ 
handlung  frühzeitig  aus  äusseren  Gründen  ausgesetzt. 

Es  ist  zu  berücksichtigen,  dass  das  ganze  Kranken- 
m  a  t  e  r  i  a  1  ambulant  behandelt  wurde,  dass  es  sich  nur  um 
Patienten  handelte,  die  ausserhalb  Heidelbergs  wohnten  und  die 
in  der  Regel  erst  in  die  Klinik  kamen,  nachdem  Kuren  in  ihrem 
1  lei  matsorte  ei-folglos  waren,  mit  anderen  Worten,  es  waren 
meistenteils  schwerere  Fälle. 

Was  nun  zunächst  dio  Fälle  mit  Brechdurchfall  an¬ 
langt,  so  war  der  Erfolg  meist  ganz  überraschend.  Mehrmals 
hörte  sowohl  Erbrechen  wie  Durchfall  bereits  nach  dem  ersten 
Uige  mit  einem  Schlage  auf,  der  Appetit  kehrte  wieder,  die 
Kinder  wurden  lebhaft  und  nahmen  rasch  an  Gewicht  zu. 

Einige  kurze  Notizen  sollen  zur  Illustration  dienen.  Ich 
erhielt  dieselben  in  der  Weise,  dass  mit  der  Bismutose  gleich¬ 
zeitig  ein  Zettel  abgegeben  wurde,  auf  welchem  die  Anzahl,  das 
A  ussehen  der  Stühle  etc.  täglich,  von  den  Eltern  vermerkt  und 
mir  eingebracht  oder  eingesandt  wurden.  Vor  Fertigstellung 
dieses  Aufsatzes  liess  ich  mir  von  allen  Patienten  nochmals 
mündlich  oder  brieflich  Bericht  erstatten  über  den  Dauererfolg 
der  Bismutose.  Esi  war  erfreulich  zu  sehen,  mit  welch  un¬ 
geteilter  Einstimmigkeit  das  Mittel  gepriesen  wurde. 

K.  K.,  8  jähr.  Pflegekind  aus  L.  Seit  14  Tagen  Fieber,  Leib¬ 
schmerzen,  Kopfweh,  Appetitverlust,  täglich  reichliche,  dünne, 
schleimige  Stühle.  Ord.:  täglich  6  g  Bismutose  in  Mixtur.  Am 


)  Seitdem  kamen  noch  4  weitere  Fälle  mit  gleich  gutem  Er¬ 
folg  hinzu.  Ein  einziges  Mal  wurde  das  Pulver  von  einem 
11  Mouate  alten  Kinde  nicht  genommen. 

No.  47. 


L  lag  nach  Einnahme  1  geformter  Stuhl,  Appetit  sofort  gut, 
reichlich  Durstgefühl.  Pat.  ist  wieder  munter  und  lebhaft  Von 

W  Sl  *ä giich  1.  geformter  Stuhl.  Am  6.  Tag  bei  vollständigem 
Wohlbefinden  Bismutose  ausgesetzt. 

M.  O.,  1  jähr.  Kind  aus  K.  Seit  8  Tagen  Durchfall,  Stühle 
wässrig,  unverdaut,  grünlich,  mit  viel  Schleim  vermischt  9  bis 
10  am  Tage,  in  der  Nacht  etwa  5  Stühle.  Seit  4  Tagen  bei  -jedem 
Trinken  Erbrechen,  schlechter  Appetit,  rascher  Verfall  Ord- 
täglich  6  g  Bismutose  in  Mixtur.  Am  1.  Tag  1  mal  erbrochen 
2  Stühle,  1.  Nacht  1  Stuhl;  2.  Tag  2  Stühle,  2.  Nacht  1  Stuhl- 
f-  Tag  3  Stühle,  3.  Nacht  kein  Stuhl;  4.  Tag  1  mal  Erbrechen,  kein 
Stuhl,  4.  Nacht  kein  Stuhl;  5.  Tag  2  Stühle,  5.  Nacht  1  Stuhl.  Von 
da  an  hat  das  Kind  täglich  1—2  Stühle,  die  bald  mehr  oder 
weniger  geformt  sind.  Das  Kind  trinkt  viel  besser,  verlangt 
nach  Nahrung,  hat  nur  noch  am  4.  Tag  1  mal  Erbrechen  gehabt 
gegen  5  und  G  mal  täglich  vor  der  Ordination.  Die  Diät  blieb 
dieselbe  wie  vorher  (Schleimdiät). 

Auch  in  etwas  hartnäckigeren  I  allen  konnte  das  Medikament 
stets  nach  etwa  8 — 10  Tagen  ausgesetzt  werden,  in  letzter  Zeit 
gab  ich  dasselbe  in  kleineren  Dosen  in  der  Rekonvaleszenz  weiter. 

Bei  den  akuten  D  a  r  m  k  a  t  a  r  r  h  e  n  war  der  Erfolg  ein 
gleich  guter.  Schmerzen,  Durchfall  schwanden  nach  einem 
oder  wenigen  Tagen,  der  Ernährungszustand  hob  sich  rasch. 

L.  T.,  3  jähr.  Arbeiterkind  aus  L.  Vor  5  Wochen  akut  erkrankt 
au  Fieber,  Durchfall,  Appetitlosikeit,  Leibschmerzen;  Stühle  täg¬ 
lich  etwa  4,  dünn,  schleimig.  Nach  verschiedenartiger  Behandlung 
Bismutose,  3  stündlich  1  Messerspitze  voll.  1.  Tag  nach  Eim 
nähme  2  dicke  Stühle,  2.  Tag  1  mal  dünn,  3.  Tag  1  mal  dünn, 
4  Tag  1  mal  dick.  5.  Tag  Ord.:  3  mal  täglich  1  Messerspitze 
ft.  C-  Tag  2  mal  dünn,  vom  7.— 12.  Tag  täglich  je  1  fester 
ntunl.  Das  Allgemeinbefinden  hob  sich  in  den  ersten  Tagen;  der 
Appetit  wurde  rasch  gut;  am  12.  Tage  wurde  das  Befinden  als 
„sehr  gut“  bezeichnet. 

L.  M.,  9  Monate,  Tagnerskind  aus  E.  Rachitis,  Enteritis, 
machte  Keuchhusten  durch,  sieht  atrophisch  aus.  Seit  etwa 
14  Tagen  Durchfall,  dünne  Stühle,  3 — 4  täglich,  grün,  mit  Schleim 
vermengt.  Ord.:  Bismutose,  2  stündl.  eine  Messerspitze  voll  in 
Milch.  Vom  nächsten  Tag  an  täglich  nur  2  Stühle,  mit  Spuren 
von  Schleim;  erholt  sich  sichtlich  in  den  ersten  5  Tagen  Be¬ 
kommt  nun: 

Bismutose  30,0 

Sir.  spl.  10,0 

Aqu.  ad  200,0 
2  stündlich  1  Kaffeelöffel  voll. 

Auch  weiterhin  täglich  2  Stühle  von  normalem  Aussehen. 
Das  Allgemeinbefinden  hebt  sich  rasch.  Vom  14.  Tag  3  stündlich 
eine  Messerspitze  voll  (noch  in  Beobachtung). 

B.  N.,  8  Wochen,  Schreinerskind  aus  W.  Seit  2  Tagen  heftiger 
Durchfall,  zahllose  Stühle  im  Tag,  unverdaut,  grün,  dünn.  Schreit 
den  ganzen  Tag,  nimmt  keine  Nahrung.  Ord.:  Bismutose  G  g  in 
Saugflasche  pro  die.  Vom  3.  Tage  rasche  Besserung,  trinkt  sehr 
gern,  hat  Appetit,  Stühle  seltener,  noch  nicht,  gelb.  Die  Nahrung 
blieb  dieselbe  wie  vor  der  Behandlung. 

\  on  ehr  onischen  D  a  r  in  k  a  t  a  r  r  h  e  n  seien  folgende 
Beispiele  erwähnt: 

,4-  K-,  D/jj  jähr.  Rangiererskind  aus  N.  Vor  1  Jahr  Diphtherie, 
seitdem  leidend.  Seit  y2  Jahr  Durchfall,  Abmagerung,  schlechter 
Appetit.  Seit  etwa  14  Tagen  nimmt  der  Leib  an  Umfang  zu. 
Zur  Zeit  täglich  10—12  Stühle,  dünn,  grün,  schleimig.  Bismutose 
2  stündlich  1  Messerspitze  voll.  Am  nächsten  Tag  4  dünne  Stühle, 
m  den  nächsten  8  Tagen  je  ein  breiiger  Stuhl.  Das  Allgemein¬ 
befinden  hob  sich  rasch,  der  Appetit  wurde  gut,  das  Kind  nahm 
an  Gewicht,  zu.  Im  ganzen  wurden  100  g  Bismutose  verabreicht. 

E.  M.,  13  Monate  altes  Schuhmacherskind  aus  M.  Krank 
seit  Aussetzen  der  Muttermilch  am  3.  Tage.  Ernährung  mit 
Kuffeke,  Milch.  Erbrechen  und  Abweichen,  schwere  Anämie  und 
Atrophie.  Die  Stühle,  Tags  6—7,  Nachts  etwa  2,  grün,  unverdaut, 
schleimig,  wasserdünn.  Fast  nach  jedem  Trinken  Erbrechen. 
Lange  häusliche  Behandlung.  Ord.:  Bismutose,  G  g  pro  die,  da¬ 
neben  frühere  Nahrung.  Den  2.  Tag  2  Stühle,  am  3.  Tag  2  Stühle, 
am  4.  Tag  1  Stuhl,  am  5.  Tag  3  Stühle.  Die  Stühle  waren  bereits 
breiig,  sahen  gut  aus,  der  Appetit  wurde  besser.  Vom  2.  Tag  ab 
kein  Erbrechen  mehr.  Die  Bismutose  wurde  in  der  Rekonvaleszenz 
noch  einige  Zeit  weiter  gegeben.  Im  ganzen  etwa  100  g. 

^  In  einem  besonders  schweren  Fall  von  chronischer 
Enteritis  mit  Pädatrophie  bei  einem  5  monatlichen 
Kinde  wurden  im  ganzen  100  g  Bismutose  gegeben.  Ich  verlor 
das  Kind  aus  den  Augen;  die  Mutter  teilte  mir  mit,  dass  die 
Bismutose  ihr  Kind  „vollständig  hergestellt“  hat,  dass  es  „sehr 
dick“  geworden  ist. 

Ein  Ulcus  ventriculi  (bei  einem  10 jährigen  Mädchen), 
das  vor  1  Jahr  zu  einer  Blutung  führte,  und  seitdem  schwere  Er¬ 
scheinungen  (täglich  Erbrechen,  Schmerzen,  saures  Aufstossen, 
Abmagerung,  Anämie)  verursachte,  wurde  durch  Bismutose  ge¬ 
bessert,  indem  Erbrechen,  Uebelsein,  Schmerzen  sofort  aufhörten; 
das  Allgemeinbefinden,  Aussehen,  der  Ernährungszustand  wurde 
in  den  nächsten  Monaten  so  gehoben,  dass  das  Kind  jetzt  ge¬ 
heilt  ist. 

Die  oben  angeführten  Fälle  sind  nicht  die  einzig-  günstig 
verlaufenen,  es  sind  Stichproben.  In  keinem  der  nicht  spe¬ 
zifischen  Magendarmkatarrhe  ist  der  Erfolg  ein  schlechter  ge¬ 
wesen,  die  Wirkung  des  Pulvers  war  stets  prompt  und  zwar  so 

4 


MUENCHENER  MEDIClNISCltE  WOCHENSCHRIFT 


No.  4 1. 


<58 


eklatant,  dass  von  Zufall  keine  Rede  sein  kann.  Wenn  1  ag  für 
Tag  8 — 10  Stühle  entleert  werden  und  bereits  nach  den  ersten 
6  g  Bismutose  die  Zahl  derselben  auf  2  und  3  reduziert  wird, 
wenn  Konsistenz  sich  bessert,  wenn  Rückfälle  ausbleiben  —  alles 
ohne  Aenderung  der  bisherigen  Diät  —  dann  darf  die  günstige 
Aenderung  wohl  unbedenklich  auf  das  Medikament  zurück¬ 
geführt  werden. 

Das  Pulver  wurde  in  allen  Fällen,  auch  von  kleinen  Kindern, 
die  ihre  Nahrung  vorher  zurückwiesen,  gern  genommen, 
besonders  aber,  seitdem  es  in  Form  obiger  Mixtur  gegeben  wurde. 
Irgend  welche  Nebenwirkungen  waren  niemals  zu  vermerken, 
auch  nicht  bei  grösseren  Dosen  (von  stündlich  1  Messerspitze 
voll).  Es  erfolgte  niemals  Erbrechen;  wo  vorher  Erbrechen  be¬ 
stand,  sistierte  dasselbe  fast  sofort. 

Der  Stuhlgang  färbte  sich  wie  nach  Bism.  sühn,  dunkel  bis 
schwarz;  man  muss,  um  unangenehme  Ueberrasehungen  bei  den 
Eltern  zu  vermeiden,  auf  diese  Eigentümlichkeit  aufmerksam 
machen. 

Fassen  wir  die  Indikationen,  bei  denen  das  Mittel  Er¬ 
folg  verspricht,  zusammen,  so  ist  es  in  erster  Linie  der  Brech¬ 
durchfall,  dann  der  akute  Magenkatarrh,  der  akute  und  chro¬ 
nische  Magendarmkatarrh  der  Kinder. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  die  Bismutose  dem  Bismutsalze 
vorzuziehen  wegen  der  vollständigen  Ungiftigkeit,  weil  das  Pulver 
von  Kindern  leichter  genommen  wird,  weil  die  \  erordnung  bil¬ 
liger  ist  und  dem  Präparat  gleichzeitig  ein  wenn  auch  nur  ge¬ 
ringer  Nährwert  innewohnt. 

Was  das  Ulcus  der  Kinder  anlangt,  so  verfüge  ich  nicht  über 
genügende  Erfahrungen,  verweise  vielmehr  auf  die  Berichte  an¬ 
derer  Autoren. 

In  der  medikamentösen  Ulcusbehandlung  Erwachsener  dürfte 
nach  wie  vor  das  Bism.  sühn,  in  grossen  Dosen  die  erste  Rolle 
spielen. 

Die  Bismutose  wird  am  besten  in  Form  der  Mixtur  gegeben 
und  zwTar  in  häufigen  Dosen  von  Vz — 1  g,  im  ganzen  6 — 10  g 
pro  die. 

Vergleiche  ich  meine  Beobachtungen  mit  denjenigen  anderer 
Autoren,  so  ist  hinsichtlich  des  Wertes  der  Bismutose  grosse 
TTebereinstimmung  zu  konstatieren. 

Die  absolute  Ungiftigkeit  wird  allgemein  anerkannt,  über¬ 
einstimmend  wird  die  günstige  Wirkung  auf  Appetit,  Erbrechen, 
Allgemeinbefinden  hervorgehoben.  Abgesehen  von  Magendarm¬ 
katarrhen  wurde  die  Bismutose  bei  Hyperazidität  (Witthauer), 
bei  Darmblutungen  nach  Typhus  (Lenhartz),  bei  Ulcus  ven- 
t.riculi  (W  i  1 1  h  a  u  er,  Maybau  m)  erprobt. 

W  i  1 1  h  a  u  e  r,  der  9  Ulcusfälle  mit  Bismutose  behandelte, 
„hatte  das  Gefühl,  als  ob  der  Ernährungszustand  ein  besserer 
bliebe,  als  noch  blosser  Wismuthkur“. 

Vielfach  wurden  grössere  Dosen  gegeben  und  zwar  selbst  bei 
Kindern  15  und  20  g  pro  die.  Wo  die  Bismutose  wegen  unstill¬ 
baren  Erbrechens  per  os  nicht  genommen  werden  konnte,  gelang 
die  Zufuhr  per  Klysma  (M  a  n  a  s  s  e).  Kuck  empfiehlt  als 
Klystier  lOproz.  und  20  proz.  Stärkeaufschwemmungen,  in  der¬ 
selben  Weise  kann  die  Bismutose  zu  Magenausspülungen  ver¬ 
wendet  werden  (Kuck).  Endlich  wird  die  Bismutose  noch  in 
Form  von  Cakes  verarbeitet,  deren  jedes  1  g  Bismutose  enthält 
(W  i  1 1  h  a  u  e  r,  K  u  c  k). 

Mein  Urteil  über  die  Bismutose  möchte  ich  dahin  zusammen¬ 
fassen,  dass  es  ein  unschädliches,  geschmackloses,  auch  von 
kleinen  Kindern  leicht  einzunehmendes,  vorzügliches  Adstringens 
ist,  das  Reizzustände  des  Magendarmkanals  der  Kinder  in 
günstigster  Weise  beeinflusst. 

Bisher  erschienene  Literatur:  L  a  q  u  e  r  -  Wiesbaden:  Thera 
pie  der  Gegenwart.  Juli  1901.  —  .T.  Kuck:  Ebenda,  Nov.  1901. 
—  R.  Ma  nasse:  Therap.  Monatsh.,  Jan.  1902.  —  G.Wit- 
thauer:  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  19,  1902.  —  W.  Flei- 
n  e  r  -  München:  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  23,  1902.  — 
W.  Lissauer:  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  34,  1902.  — 
Bobulesku:  These  Jassv  1902.  —  May  bäum:  Fortsclir.  d. 
Med.  No.  20,  1902. 


Ans  der  psychiatrischen  Klinik  in  Freiburg  i.  B. 

( Direktor :  Herr  ITofrat  E  m  m  i  n  g  h  a  u  s). 

Paraldehyd  und  Skopolamin  (Hyoscin)  als  Schlaf- 
und  Beruhigungsmittel  für  körperlich  und  geistig 

Kranke. 

Von  Dr.  med.  Bumke,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Dass  sich  trotz  der  grossen  Zahl  der  bekannten  Ilypnotika 
und  Sedativa  noch  keines  allgemein  eingebürgert  hat,  findet 
seine  Erklärung  nicht  etwa  in  einem  Ueberfluss  an  guten  Prä¬ 
paraten,  zwischen  denen  der  Praktiker  zu  wählen  hat,  sondern 
viel  eher  in  der  Unsicherheit,  die  durch  die  oft  übereilte  Em¬ 
pfehlung  neuer  Mittel,  namentlich  in  den  letzten  Jahren,  hervor¬ 
gerufen  ist.  Folgt  doch  einer  solchen  Empfehlung  meist  bald 
eine  Warnung,  der  anfänglichen  Begeisterung  die  Enttäuschung. 
Allzu  oft  aber  gerät  während  der  Diskussion  über  das  Neue  das 
Alte  in  unverdiente  Vergessenheit,  weil,  wer  ein  älteres  Mittel 
bei  behält,  sich  weniger  veranlasst  sieht,  mit  seiner  Meinung  an 
die  Oeffentlichkeit  zu  treten,  als  wer  ein  neues  entdeckt  zu  haben 
glaubt.  So  ist  z.  B.  über  das  Paraldehyd,  das  doch  immer¬ 
hin  von  vielen  Psychiatern  wenigstens  angewandt  wird,  eine 
Originalmitteilung  in  dieser  Wochenschrift  noch  nicht  er¬ 
schienen  und  doch  zeigt  die  bedauerliche  1  atsache,  dass  immer 
noch  allen  möglichen  Formen  von  Agrypnie  gegenüber  ohne  Not 
Morphin  verschrieben  wird,  wie  dringend  notwendig  die  all¬ 
gemeine  Kenntnis  eines  sicher  wirkenden  und  ungefährlichen 
Ilypnotikums  gerade  für  die  Bedürfnisse  der  allgemeinen 
Praxis  ist.  Und  das  Paraldehyd  ist  ein  solches  oder  viel¬ 
mehr  ist  das  Mittel,  das  diesen  Anforderungen  genügt,  das,  richtig 
ordiniert,  nie  versagt  und  auch  bei  lange  fortgesetztem  Gebrauch 
niemals  Gefahren  oder  auch  nur  unangenehme  Neben-  oder  Nach¬ 
wirkungen  für  den  Patienten  mit  sich  bringt. 

Die  Gründe,  aus  denen  ich  mich  für  berechtigt  halte,  dieses 
Ilypnotikum  an  dieser  Stelle  zu  empfehlen,  sind  doppelter  Art: 
einmal  erlauben  die  langjährigen,  ausserordentlich  zahlreichen 
Erfahrungen  unserer  Klinik  an  sich  ein  abschliessendes  Urteil; 
zudem  habe  ich  (in  einer  demnächst  erscheinenden  grösseren  Ar¬ 
beit1)  mit  diesen  unseren  Resultaten  die  Ergebnisse  anderer  Kliniker 
verglichen  und  hierdurch,  sowie  durch  das  Studium  der  bisher 
veröffentlichten,  experimentellen  Untersuchungen  meine  Kenntnis 
des  Mittels  vervollständigt  und  erweitert.  Die  experimentell  ge¬ 
wonnenen  und  klinischen  Beobachtungen  zusammen  geben  ein 
so  vollständiges  Bild  von  den  Eigenschaften  des  Paraldehyds, 
dass  heute  wohl  ein  endgiltiges  Urteil  über  seine  Brauchbarkeit 
abgegeben  werden  darf. 

Auf  die  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften  des 
Paraldehyds,  sowie  auf  die  durch  Tierversuche  festgestellten 
Tatsachen  einzugehen,  würde  mich  zu  weit  führen;  als  prak¬ 
tisch  wichtig  hebe  ich  nur  hervor,  dass  es  sich  um  eine  klare, 
farblose,  leicht  entzündliche  (feuergefährliche!)  Flüssigkeit  han¬ 
delt,  die  durch  Aufbewahren  bei  Tageslicht  oder  in  schlecht 
schliessenden  Flaschen  leicht  sauer  wird.  Eine  Verunreinigung 
mit  Fuselölen,  wie  sie  früher  vorgekommen  ist,  ist  jetzt  wohl 
nicht  mehr  zu  befürchten2). 

Ueber  Geschmack  und  Geruch  des  Mittels  sind  recht  wider¬ 
sprechende  Urteile  veröffentlicht  worden,  und  man  kann  wohl 
sagen,  dass  die  Einwände,  die  in  dieser  Beziehung  gegen  dieses 
Hypnotikum  erhoben  sind,  seiner  allgemeinen  Einführung  bisher 
am  meisten  im  Wege  gestanden  haben.  Nun  riecht  und  schmeckt 
reines  Paraldehyd  in  der  Tat  etwas  scharf;  durch  eine  geeignete 
Ordination  aber  lässt  sich  diesem  kleinen  Uebelstande  leicht  ab¬ 
helfen.  Gibt  man  —  wie  wir  —  das  Mittel  in  (mit  Zucker  oder 
Kandiszucker)  reichlich  versüsstem  Thee  (wir  geben  1  g  Pa  in 
1  Esslöffel  Thee)  oder  in  irgend  einer  anderen  stärkeren  Ver¬ 
dünnung,  so  stösst  man  mit  dieser  Medikation  weder  innerhalb 
noch  ausserhalb  der  Klinik  auf  Widerstand.  Zu  verwerfen  ist 
natürlich  die  Darreichung  in  Hier,  Wein  oder  gar  in  Kognak,  die 
zuweilen  gewählt  wurde. 

(Die  vereinzelten  Versuche,  Paraldehyd  subkutan  zu  geben, 
scheiterten  an  der  Schmerzhaftigkeit  der  Injektionen,  die  lokale 
Gewebsveränderungen  bewirken;  die  Anwendung  per  clystna  hat 
den  Nachteil  einer  ungenauen  Dosierung;  die  Darreichung  mittels 


9  vergl.  B  u  m  k  e:  Paraldehyd  als  Schlafmittel.  Monatsschr. 
f.  Psych.  u.  Neurol.,  Bd.  XII. 

2)  Das  von  uns  benutzte,  von  Merck  gelieferte  Präparat  war 
stets  rein. 


25.  November  .1  902. 


MLENGHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1959 


Suppositorien  endlich  ist  bei  der  Höhe  der  in  Frage  kommenden 
Dosen  nicht,  gut  ausführbar.) 

Eii^  sicherer  Erfolg:  das  Eintreten  eines  ruhigen, 
festen  Schlafes  wird  durch  Dosen  von  nicht  weniger 
als  o  g  erzielt,  die  je  nach  dem  Grade  der  zu  bekämpfenden 
Agrypnie  auf  4,  5  oder  selbst  6  g  zu  steigern  sind.  Hie  für 
Deutschland  festgesetzte  tagesdosis  von  10  g’  zu  überschreiten, 
v  iid  in  der  I  rivatpraxis  wohl  selten  Veranlassung'  vorliegen; 
doch  sei  bemerkt,  dass  wir  gelegentlich  20 — 24  g  pro  die  gegeben 
haben,  ohne  je  selbst  bei  elenden,  heruntergekommenen  In¬ 
dividuen  eine  schädliche  Neben-  oder  Nachwirkung  gesehen  zu 
haben. 

Der  Eintritt  des  Paraldehydschlafes  erfolgt 
d— 15  Minuten  nach  dem  Einnehmen  des  Mittels;  die  subjek¬ 
tiven  Empfindungen  vor  dem  Einschlafen  entsprechen  durchaus 
dem  Zustande  normaler  Müdigkeit,  die  den  Gesunden  zur  ge¬ 
wohnten  Zeit  des  Abends  zu  befallen  pflegt;  eine  unwidersteh¬ 
liche  Schlafsucht  veranlasst  den  Patienten,  sich  in  eine  be¬ 
queme  Lage  zu  bringen  und  sich  jedem  störenden  Sinneseindrucke 
zu  entziehen.  Ein  Aufregungsstadium  geht  dem  Eintritt  der 
Hj  ’pnose  nie  voraus. 

Die  Dauer  des  Schlafes  schwankt  naturgemäss  je  nach  der 
Art.  und  Ursache  der  bekämpften  Agrypnie,  nach  den  äusseren 
Verhältnissen  und  nach  der  gewählten  Dosis;  gemeinhin  beträgt 
sie  5 — 8  Stunden.  Wenn  von  unseren  Patienten  nicht  100,  son¬ 
dern  nur  85  Proz.  von  9  Uhr  Abeuds  bis  5  oder  6  Uhr  Morgens 
durchschlafen  und  die  übrigen  (15  Proz.)  noch  eine  zweite  Dosis 
in  der  Nacht  erhalten  müssen,  so  liegt  das  hauptsächlich  in  der 
in  jeder  Irrenklinik  bestehenden  Unmöglichkeit,  die  Patienten 
vor  gelegentlichen  Störungen  zu  schützen.  In  der  Privatpraxis 
wird  man  wohl  nie  eine  zweite  Dosis  zu  geben  nötig  haben. 

Ebenso  wie  das  Einschlafen  unterscheidet  sich  das  E  r  - 


av  a  c  h  e  n  aus  der  Paraldehyd  hypnose  in  nichts  von  der  Rückkehr 
des  Bewusstseins  nach  dem  physiologischen  Schlafe;  die  Kranken 
fühlen  sich  erquickt,  frisch  und  gekräftigt. 

ln  Einklänge  mit  der  klinischen  Erfahrung,  dass  der  Par- 
aldehydschlaf  dem  physiologischen  völlig  gleicht,  stellt  die  inter¬ 
essante,  von  mehreren  Autoren  experimentell  festgestellte  Tat¬ 
sache,  dass  die  durch  dieses  Hypnotikum  hervorgerufene  Aende- 
rung  der  Blutverteilung  und  des  Blutdruckes  im  Gehirn,  die  in 
einer  ganz  geringen  Ilirnanämie  als  Folge  einer  Lähmung  der 
peripheren  Gefässe  besteht,  durchaus  dem  im  physiologischen 
Schlafe  beobachteten  Verhalten  entspricht. 

Die  therapeutisch  notwendigen  Gaben  haben  ausser  dieser 
beabsichtigten  Wirkung  auf  das  Grosshirn  keinerlei 
Neben-  und  Nachwirkungen;  die  Beeinflussung  aller 
übrigen  Organe  ist  eine  so  minimale,  dass  selbst  schwere  Erkran¬ 
kungen  des  Herzens,  der  Gefässe,  der  Respirationsorgane,  des 
Ma  gendarmkanals,  der  Nieren  und  der  Blase  eine  Kontraindika¬ 
tion  für  seine  Anwendung  nicht  bilden  —  ein  Vorzug,  der  wohl 
keinem  anderen  Hypnotikum  zukommt.  Selbst  das  Verhalten  der 
Reflexe  und  der  Sensibilität  weicht  von  dem  im  physiologischen 
Schlafe  beobachteten  fast  gar  nicht  ab;  nur  wird  der  Schmerz¬ 
sinn  etwas  herabgesetzt. 


Eine  Gewölinuu  g  an  das  Mittel  tritt  —  Von  den  seltenen 
Fällen  von  Paraldehydismus  abgesehen  —  nicht  ein. 

Unter  Paraldeli  ydismus  versteht  man  eine  bisher  in 
ganz  vereinzelten  Fällen  beobachtete  Erkrankung,  die  bei  schon 
vorher  neuropathischen  Individuen  durch  monatelang  fortgesetz¬ 
ten  Gebrauch  \ron  30 — 60  g  des  Mittels  pro  die  hervorgerufen, 
in  ihrem  Symptomenbilde  dem  Alkoholdelirium  nahe  steht  und 
mit  der  Entziehung  des  Mittels  meist  in  wenigen  Tagen  ausheilt. 
Durch  die  eigentlich  selbstverständliche  Vorsicli tsmassregel,  dass 
der  Arzt  dem  Kranken  nicht  Paraldehydmengen  aufschreibt,  die 
einen  derartigen  Missbrauch  ermöglichen,  lässt  sich  dieser  chro¬ 
nischen  Intoxikation  ja  leicht  Vorbeugen. 

Akute  Vergiftungen  kommen  infolge  von  thera¬ 
peutisch  notwendigen  Gaben  überhaupt  nicht  vor3 4)  und  waren 
auch  da,  wo  zufällig  Dosen  von  60 — 105  g  genommen  waren, 
niemals  beunruhigender  Natur. 

Das  grosse  klinische  Material,  das  zur  Beurteilung-  des  Par- 
aldehyds  vorliegt,  ist  nicht  nur  an  Geisteskranken  gewonnen. 
Bei  Herz-  und  Lungenerkrankungen,  bei  Pleuritis,  Aszites,  bei 


3)  Abgesehen  von  einem  einzigen  Falle,  in  dem  bei  einem 
Neuropathen  Paraldehyd  im  Verein  mit  Alkohol  vorübergehend 
Angioparese  hervorrief. 


Nephritis  und  bei  Blasenreizung,  bei  neuralgischen  Schmerzen 
und  bei  Gicht,  endlich  gegen  Tetanus  und  Chorea  wurde  das 
Mittel  verschiedentlich  mit  Erfolg  angewandt.  Die  relativ 
schlechtesten  Erfolge  werden  gegenüber  der  durch  lebhafte  kör¬ 
perliche  Schmerzen  bedingten  Agrypnie  erzielt,  doch  sollte  man 
immerhin  auch  in  solchen  Fällen  niemals,  ohne  einen  Versuch 
mit  dem  Paraldehyd  gemacht  zu  haben,  zu  weniger  harmlosen 
Mitteln  greifen.  Jede  andere  Form  von  Schlaflosigkeit,  mit 
alleiniger  Ausnahme  ganz  schwerer  Aufregungszustände  im  Ver¬ 
laufe  einiger  Psychosen  lässt  sich  mit  dem  Paraldehyd  beseitigen. 
So  wäre  es  namentlich  zu  wünschen,  dass  die  nervöse  Schlaflosig¬ 
keit,  an  der  so  viele  geistig  Arbeitende  und  andere  mehr  oder 
minder  schwer  neurasthenische  Individuen  leiden,  und  dass  ferner 
die  Agrypnie  des  Seniums  vom  Arzte  häufiger  als  bisher  mit 
diesem  völlig  indifferenten  Hypnotikum  bekämpft  würden. 
Viele  chronische,  medizinale  Vergiftungen  könnten  dadurch  ver¬ 
hütet  werden. 

Fälle,  in  denen  das  Paraldehyd  versagt,  sind,  wie  gesagt, 
ausserordentlich  selten  und  beschränken  sich  fast  ganz  auf  ge- 
Avisse,  sehr  heftige  Erregungszustände  bei  Geisteskranken.  Im 
Verlauf  der  Manie,  der  Melancholie,  der  Dementia  praecox,  der 
Paralyse  und  des  Altersblödsinns  kommen  gelegentlich  derartige 
Aufregungszustände  vor,  in  denen  enorme  motorische  Unruhe, 
Rededrang,  Gewalttätigkeit,  Zerstörungswut  ein  Eingreifen  des 
Arztes  erforderlich  machen,  Paraldehyd  zu  geben  aber  unmög¬ 
lich  und  auch  nicht  zweckmässig  ist.  Gewöhnlich  befinden  sich 
ja  solche  Patienten  bereits  in  einer  Anstalt,  aber  doch  nicht 
immer;  und  da  ist  es  im  höchsten  Masse  bedauerlich,  dass  in  einer 
Zeit,  in  der  innerhalb  der  psychiatrischen  Anstalten  schon  längst 
jeder  mechanische  ZAvang  durch  Bett-  und  Bäderbehandlung  und 
durch  zweckmässige  medikamentöse  Therapie  ersetzt  ist,  in  klei¬ 
neren  Krankenhäusern  und  in  der  allgemeinen  Praxis  Zwangs¬ 
jacke  und  Tobzelle  immer  noch  eine  für  den  Patienten,  die  An¬ 
gehörigen  und  für  den  Arzt  gleich  unangenehme  Rolle  spielen. 
Und  das  nur  deshalb,  weil  die  Kenntnis  eines  vorzüglichen,  sicher 
wirk enden  und  ungefährlichen  Beruhigungsmittels  so  auffallend 
wenig  verbreitet  ist.  Dass  wir  ein  solches  Sedativum  im  Sco¬ 
pol  a  m  i  n  (Hyoscin)  besitzen,  konnte  ich  an  anderer  Stelle  auf 
Grund  der  Literatur  und  der  jahrelangen,  zahlreichen  Erfah¬ 
rungen  unserer  Klinik  zeigen  '). 

Wir  benutzen  eine  2  proin.  Lösung  des  bromwasser- 
s  t  o  ff  sauren  Salzes  (die  frisch,  nicht  getrübt  sein  muss) 
zu  subkutanen  Injektionen;  die  bei  uns  üblichen  Dosen  sind  Va, 
1  und  l'/a  mg.  Per  os  geben  wir  das  Hyoscin  nicht,  um  Irr- 
1  inner  und  Ungenauigkeiten  in  der  Dosierung  zu  vermeiden. 

Das  Scopolamin  (das  mit  II  y  o  s  c  i  n-  identisch  ist)  ist 
in  letzter  Zeit  durch  die  Veröffentlichungen  von  Schneider¬ 
lin5)  und  K  o  r  f  f  6 7)  weiteren  Kreisen,  vor  allem  als  Narkotikum, 
nämlich  in  Verbindung  mit  Morphin  bekannt  geworden.  In¬ 
dem  ich  hinsichtlich  dieser  Narkose,  die  avoIiI  sicher  noch  eine 
Zukunft  hat,  auf  die  zitierten  Arbeiten  verweise,  bemerke  ich, 
dass  die  von  K  o  r  f  f  empfohlenen  Dosen  (3  Injektionen  von 
0,0012  g)  nach  den  in  der  Literatur  über  das  Hyoscin  nieder¬ 
gelegten  Erfahrungen  und  nach  unseren  eigenen  als  un¬ 
gefährlich  bezeichnet  werden  können  ').  Die  Dosen,  die  zum 
ZAvecke  der  Beruhigung  erforderlich  sind,  sind  noch  erheblich 
niedrigere,  mit  %  oder  1  mg  wird  man  in  der  allgemeinen  Praxis 
Avohl  stets  zum  Ziele  kommen. 

Die  Wirkung  dieser  Dosen,  die  in  einer  Ilerabsetzu  n  g 
der  Erregbarkeit  der  Hirnrinde  besteht,  tritt  meist 
schon  wenige  (3 — 5)  Minuten  nach  der  —  übrigens  schmerz¬ 
losen  —  Injektion  ein.  Die  vorher  laut  tobenden,  schreienden 
Kranken  werden  ruhiger,  suchen  sich  in  eine  bequeme  Lage  zu 
bringen  und  schlafen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  —  wenigstens 
bei  Gaben  von  1  oder  114  mg  —  so  schnell  ein,  dass  sie  sich  der 
mit  ihnen  vorgehenden  Veränderung  gar  nicht  bewusst  werden. 
Bleibt  dieser  hypnotische  Effekt  (am  Tage!)  ganz  oder 
längere  Zeit  aus,  so  haben  die  Kranken  das  subjektive  Gefühl 

4)  Bumke:  Scopolaminum  (Hyoscinum)  hydrobromiciun. 
Monatssehr.  f.  Psych.  u.  Neurol.,  Bd.  12. 

°)  Sehneiderlin:  Aerztl.  Mitteil,  aus  u.  f.  Baden  1900, 
No.  10. 

°)  Kor  ff:  Münch,  med.  Wochensehr.  1901,  No.  29.  _  Der¬ 

selbe:  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  27. 

7)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Auch  v.  Beck  (Aerztl.  Mit¬ 
teil.  aus  u.  f.  Baden  1902,  No.  17)  machte  günstige  Erfahrungen 
mit  der  Schneid  erlin  scheu  Narkose. 


4* 


J  960 


MUENCHENER  MEDICINIS'CHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  47. 


des  ,,Abgeschlagenseinsu,  der  Mattigkeit.  Hie  so  erzielte  Be¬ 
ruhigung,  bezw.  die  Hypnose  hält  gewöhnlich  6 — 10  Stunden  an, 
nur  bei  sehr  seltenen  Formen  ganz  schwerer  Erregung  beginnen 
die  Kranken  schon  nach  kürzerer  Zeit  (2  Stunden)  wieder  un¬ 
ruhig  zu  werden.  Jn  diesen  Fällen  gebe  man  ruhig  eine  zweite 
Dosis  (Vs — 1  lüg),  die  ausnahmslos  gut  vertragen  wird. 

Hie  Nebenwirkungen  des  Hyoscins,  deren 
Kenntnis  wichtig  ist,  bestehen  in  einer  oft  tagelang  anhaltenden 
Mydriasis,  sowie  in  einer  Herabsetzung  der  Speichel-  und 
Scli weisssekretion,  Erscheinungen,  die  fast  niemals  störend  sind 
und  jedenfalls  gegenüber  den  grossen  Vorzügen,  die  der  eben 
beschriebene  sedative  Erfolg  mit  sich  bringt,  nicht  in  Betracht 
kommen. 

Es  wird  ja  niemand  etwa  raten  wollen,  aufgeregte  Geistes¬ 
kranke  noch  länger,  als  es  so  schon  oft  genug  geschieht,  zu  Flause 
zu  behalten  und  mit  IT  y  o  s  c  i  n  zu  behandehi,  statt  sie  in  die 
Anstalt  zu  bringen,  aber  die  zwangsweise  Ueberfiihrung  durch 
die  Anwendung  des  Mittels  ihres  meist  für  alle  Beteiligten  gleich 
peinlichen  Charakters  zu  entkleiden,  das  ist  eine  durchaus  ge¬ 
rechtfertigte  therapeutische  Massnahme.  Aber  auch  in  anderen 
Fällen,  z.  B.  bei  sehr  aufgeregten,  fiebernden  Kranken,  die  durch 
ihre  motorische  Unruhe  schwer  gefährdet  sind  (Typhuskranken!) 
sollte  man,  wie  wir  das  wiederholt  getan  haben,  Seopolamin  an- 
Avenden. 

Hinsichtlich  der  Anwendung  des  Mittels  bei  gewissen 
Krampfkrankheiten,  denen  gegenüber  oft  schon  Dezimilli- 
gramme  vorzügliches  leisten  sollen,  muss  ich  auf  die  Arbeiten 
von  E  r  b  7)  und  Windscheid  s)  verweisen. 

Vergiftungen  mit  Seopolamin  sind  bisher  enorm  selten  be¬ 
obachtet,  Todesfälle  als  Folge  des  Mittels  einwandsfrei  noch  nie 
beschrieben  worden,  während  mehrere  Veröffentlichungen  über 
zufällige  Intoxikationen  beAveisen,  dass  selbst  Gaben  von  5  mg 
bis  zu  2  cg  wirklich  bedrohliche  Erscheinungen  meist  nicht  her¬ 
beiführen. 

Wie  die  vorstehende  Darstellung  der  Eigenschaften  des 
Paraldehyd  und  Scopolamins  zeigt,  ergänzen  sich 
diese  Mittel  in  ihrer  Wirkungsweise  so  gut,  dass  der  Arzt,  der 
beide  richtig  zu  handhaben  versteht,  jeder  Form  von  Schlaflosig¬ 
keit  und  Erregung,  von  den  leichtesten  Graden  nervöser  Agrypnie 
bis  zu  den  schwersten  Aufregungszuständen,  gegenüber  ge¬ 
wappnet  ist. 


Aus  dem  Frauenspital  Basel-Stadt  (Direktion:  Prof.  v.  TIcrf  f). 

Zur  Gelatinebehandlung  bei  Melaena  neonatorum. 

Von  E.  O  s  w  a  1  d,  Assistenzarzt. 

Nachdem  in  letzter  Zeit  von  verschiedenen  Seiten  von  den 
günstigen  Resultaten  der  Gelatinebehandlung  bei  Melaena  neo¬ 
natorum  berichtet  worden  ist1),  erscheint  es  am  Platze,  möglichst 
viele  Fälle  dieser  doch  immerhin  seltenen  Krankheit  bekannt  zu 
machen,  damit  man  aus  der  Vergleichung  der  Resultate  bei  ver¬ 
schiedener  Behandlung  zur  richtigen  Würdigung  der  Erfolge 
der  Gelatinetherapie  gelange.  Holtschmidt  gibt  bei  ander- 
weitiger  Behandlung  auf  Grund  von  14  Fällen  eine  Sterblich¬ 
keit  von  50  Proz.  an,  denen  er  5  mit  Gelatine  behandelte  Fälle 
gegenüber  stellt,  die  sämtlich  in  Heilung  ausgingen. 

Im  Basler  Frauenspital  sind  von  März  1896  bis  gegenwärtig 
unter  ca.  6500  Geburten  bloss  5  Fälle  echter  Melaena  neonatorum 
vorgekommen,  Avas  übrigens  der  Morbidität,  die  Holtschmidt 
angibt  (auf  14  203  Geburten  14  Fälle),  sehr  nahe  steht.  Die  ersten 
3  Fälle  Avurden  unter  Herrn  Prof.  B  u  in  m,  die  beiden  letzten 
unter  Herrn  Prof.  v.  H  e  r  f  f  beobachtet.  Ich  lasse  die  Kranken¬ 
geschichten  folgen : 

1.  Knabe,  49  cm,  3020  g.  Am  2.  Tag  einige  Male  Blutbreciieii. 
Am  3.  Tag  wieder  2  mal  starkes  Blutbrecfien.  Stuhlgang  schwarz. 
1  Oese  Blutungen  dauern  die  beiden  folgenden  Tage  fort.  Am  0.  Tag¬ 
st  uhlgang  wieder  normal.  Das  Kind  trinkt  an  der  Brust.  Trotz¬ 
dem  fortAvährende  GeAvichtsabnahme  bis  zum  10.  Tag  (2485  g). 
Am  11.  Tag,  beim  Austritt,  GeAvicht  2520  g.  Kind  wohl.  Die 
Therapie  hatte  sich  beschränkt  auf  Tieflegen  des  Kopfes  und  Eis¬ 
blase  auf  den  Leib. 

2.  Knabe,  43  cm,  1750  g.  Das  frühreife  Kind  magert  be¬ 
ständig  ab.  Am  10.  Tag  blutiger  Stuhlgang,  das  Kind  Avird  in 


7)  W.  Erb:  Ther.  Monatsh.,  I,  7,  1887,  S.  252. 
s)  Windscheid:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  64.  Bd.  lief. 
Ther.  Monatsh.  1899. 

*)  Z.  B.  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  1,  21,  35. 


den  Wärmekasten  gebracht.  Gewicht  1530  g.  Therapie:  y;:  Spritze 
Ergotin,  y2  Spritze  Ol.  camphorat.  Am  fl.  Tag,  beim  Austritt, 
1510  g.  Zustand  sehr  schlecht. 

3.  Knabe,  49  cm,  3150  g.  Am  2.  Tag:  Erbrechen  stark  blutiger 
Massen  und  blutige  Stühle.  Wird  mit  tiefgelegtem  Kopf  in  den 
Wärmekasten  gebracht.  Am  3.  Tag  immer  noch  blutiger  Stuhl. 
Erhält  Eisblase  auf  den  Leib  und  Morgens  und  Abends  subkutan 
Ergotin,  je  0,2.  Trinkt  an  der  Brust.  GeAvicht  2850  g.  Am  4.  Tag 
Stuhlgang  Avieder  normal.  Beim  Austritt,  am  11.  Tag,  3000  g. 
Völliges  Wohlbefinden. 

4.  Knabe,  52  cm,  3900  g.  Am  2.  Tag  mehrmals  blutiger  Stuhl¬ 
gang,  ebenso  in  der  folgenden  Nacht  (4  mal).  Trinkt  nicht  gut 
an  der  Brust.  Am  3.  Tag:  Kind  sehr  blass.  Morgens  Injektion 
von  20  ccm  2  proz.  Gelatine.  Tagsüber  noch  4  mal  blutiger  Stuhl¬ 
gang.  Trinkt  wieder  besser.  Abends  wieder  Gelatineinjektion 
(5  ccm).  Temperatur  39,3.  Gewicht  3300  g.  Am  4.  Tag:  Kein 
Blut  mehr  im  Stuhlgang.  Temperatur  Morgens  38,3.  Nabel  ohne 
Besonderheiten.  Aussehen  besser.  Keine  Injektion  mehr.  Von 
jetzt  an  fortwährend  GeAviehtszunahme  bis  zum  Austritt  am 
11.  Tag  (3530  g).  Temperaturen  vom  4.  Tag  an  Avieder  normal. 

5.  Mädchen,  50  cm,  3700  g.  Am  2.  Tag:  blutiger  Stuhlgang 
und  Blutbrechen.  Kind  sehr  blass,  wird  in  den  Wärmekasten 
gebracht.  Am  3.  Tag:  Die  Blutungen  dauern  fort.  Temperatur 
normal.  Nabel  in  Ordnung.  Injektion  von  5  ccm  einer  2  proz. 
Gelatinelösung.  Nach  kurzer  Pause  treten  wieder  blutige  Ent¬ 
leerungen  auf,  so  dass  das  Kind  Abends  äusserst  anämisch  ist. 
Abermalige  Injektion  von  5  ccm  2  proz.  Gelatine.  In  der  Nacht 
keine  Blutung  mehr.  Keine  Temperatursteigerung.  Gewicht  beim 
Austritt,  am  11.  Tag,  3370  g.  Kind  wohl  und  gesund. 

Ausser  Fall  2,  der  ein  frühreifes  Kind  von  bloss  1750  g 
betrifft,  das  auch  ohne  Melaena  hätte  zu  gründe  gehen  können, 
gingen  also  alle  Fälle,  soAvohl  die  ohne,  wie  die  mit  Gelatine 
behandelten,  in  Heilung  aus. 

Derartige  Beobachtungen  sind  sehr  lehrreich,  denn  sie  be¬ 
weisen  aufs  Neue,  wie  ausserordentlich  vorsichtig  man  in  der 
Kritik  der  Wirkung  therapeutischer  Massnahmen  sein  muss.  Die 
2  mit  Gelatine  behandelten  Fälle  sind  glatt  geheilt.  Wer  kann 
aber  angesichts  der  2  anderen,  im  wesentlichen  abwartend  be¬ 
handelten  Fälle  bestreiten,  dass  sic  ohne  Gelatine  ebenso  gut  ge¬ 
heilt  wären?  Herr  Prof.  v.  II  e  r  f  f  hat  allerdings,  besonders  aus 
Fall  5,  bei  dem  das  Kind  durch  die  schweren  Blutungen  äusserst 
anämisch  geworden  war,  im  Hinblick  auch  auf  andere  Er¬ 
fahrungen  bei  schweren  und  anhaltenden  Uterinblutuiigen,  den 
Eindruck  erhalten,  dass  die  Gelatineinjektionen  lebensrettend 
geAvirkt  haben.  Das  ist  aber,  Avie  er  in  der  Klinik  stets  betont 
hat,  subjektive  Anschauung,  kein  vollgiltiger  Beweis.  Immer¬ 
hin  sind  wir  jedenfalls  in  schweren  Fällen  berechtigt,  die  Gela¬ 
tineinjektionen  mangels  anderer  Behandlungsmethoden  zu  ver¬ 
suchen.  Ob  sie  aber  wirklich  von  Nutzen  sind,  kann  nur  eino 
sehr  ausgedehnte  Erfahrung  lehren,  die  der  einzelne,  bei  der 
Seltenheit  der  Melaena  neonatorum,  kaum  je  sammeln  kann. 
Daher  mögen  diese  Beobachtungen,  für  deren  Ueberlassung  ich 
Herrn  Prof.  v.  H  e  r  f  f  meinen  besten  Dank  ausspreche,  trotz 
ihrer  geringen  Zahl  der  Oeffentlichkeit  übergeben  Averden. 


Aus  dem  S  e  nc  k  e  n  b  e  r  g  sehen  patholog.-anatom.  Institut 
zu  Frankfurt  a.  M.  (Direktor:  Geh. -Rat  Prof.  Dr.  Weigert). 

Beitrag  zur  Kasuistik  tödlicher  Magenblutungen. 

Von  Dr.  med.  Max  Tiegel. 

m>  T' 

Mit  den  Fortschritten  der  Asepsis  und  der  zunehmenden 
Sicherheit  der  Bauchoperationen  ist  auch  die  Behandlung  des 
Magengeschwürs  immer  mehr  zu  einem  Grenzgebiet  der  Medizin 
und  Chirurgie  geAvorden.  Bis  vor  nicht  allzulanger  Zeit  nur 
ein  Gegenstand  interner  Therapie,  erscheint  nunmehr  die  Frage 
seiner  chirurgischen  Behandlung  in  den  Vordergrund  des  Inter¬ 
esses  gerückt. 

Die  Literatur  der  letzten  Jahre  hat  sich  sehr  häufig  mit 
dieser  Frage  beschäftigt;  am  eingehendsten  und  präzisesten  ist 
sie  wohl  auf  dem  XXVI.  Kongresse  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Chirurgie  von  v.  Leube  und  v.  Mikulicz  behandelt 
Avorden.  Auf  ihre  Ausführungen  hier  näher  einzugehen,  würde 
den  Rahmen  dieser  Mitteilung  überschreiten.  Ich  will  mich 
hier  nur  auf  jene  Komplikation  beschränken,  welche  ziemlich 
häufig  einen  chirurgischen  Eingriff  notwendig  machen  kann  und 
welche  vielleicht  die  grössten  Schwierigkeiten  für  die  Indikations¬ 
stellung  bietet :  das  ist  die  schwere,  das  Leben  gefährdende 
Blutung. 


25.  November  1902. 


v.  Mikulicz')  unterscheidet  zwei  Arten  von  solchen 
Blutungen:  einmal  jene  halle,  in  denen  durch  Arrosion  eines 

l4ti?nTaif  akTnaAteS-  ^  S°  £r°fuSe  BlutunS  Antritt,  dass  der 
1  atient  an  akuter  Anämie  zu  Grunde  geht;  sodann  jene,  wo  es 

sich  nicht  um  eine  einmalige  profuse  Blutung,  sondern  um 
S“:!4I°Chen'  ^  -d“  kleinere 

Letztere  bieten  nach  v.  Mikulicz2)  für  die  chirurgische 
Behandlung  ein  weit  dankbareres  Feld:  sie  geben  für  dieselbe 
eine  absoiute  Indikation  ab.  Von  einer  direkten  Behandlung 
des  Geschwürs  (Exzision,  Kauterisation)  nimmt  v.  Mikulicz 

linfffdie  P  f  ^  w?  Ahfand>  er  empfiehlt  viehnehr  in  erster 
"  ,  Pyloroplastik,  sodann  die  Gastroenterostomie.  Dadurch 

werden  günstigere  Bedingungen  für  die  Heilung  des  Geschwürs 

traften’  80  daSS  diese  selbst  der  Natur  überlassen  werden 

Veit  schwieriger  dagegen  gestaltet  sich  nach  dem  Urteil 

^lu?lrA|gen  f61  operativ®  Eingriff  bei  den  zuerst  genannten 
h  allen  Abgesehen  von  der  Unsicherheit  der  Indikationsstellung 
abgesehen  auch  von  den  ungünstigen  Umständen,  unter  welchen 
hier  meist  operiert  werden  muss,  sind  es  oft  auch  technische 
‘  '  IU  lerigkeiten,  welche  den  Erfolg  der  Operation  in  Frage 
stelien.  Es  gilt  hier  vor  allem,  das  blutende  Gefäss  aufzusuchen 
und  duich  Lnterbindung  oder  Umstechung  desselben  oder  durch 
xzision  oder  Kauterisation  der  Geschwürsfiäche  die  Blutung 
zum  Stehen  zu  bringen. 

Q+  ,PiG  Hauptschwierigkeit  liegt  hierbei  oft  darin,  die  blutende 
Stelle  Überhaupt  aufzufinden.  Durch  klinische  Diagnose  schon 
vor  der  Operation  den  Sitz  des  Ulcus  mit  Sicherheit  zu  bestim¬ 
men,  ist  nach  v.  Leube  j  unmöglich,  selbst  wenn  der  Schmerz 
genau  und  beständig  an  einer  Stelle  lokalisiert  ist.  Es  ist  dem¬ 
nach  der  Operateur  auf  den  Befund  angewiesen,  wie  er  sich  ihm 

Ifietet  ^  Lapar°tomie  resp-  erst  nacb  der  Eröffnung  des  Magens 

Ist  das  Geschwür  nun  in  der  vorderen  Magen  wand  gelegen 
oder  fiat  es  bereits  grössere  pathologische  Veränderungen  hervor- 
gerulen,  sodass  es  durch  die  kraterförmige  Vertiefung  und  die 

T  ri11(ften  Bander  dem  tastenden  Finger  auffällt,  so  wird  die 
Auffindung  desselben  eine  leichtere  sein.  Ist  dagegen  der  Sitz 
des  Geschwürs  ein  ungünstiger  (etwa  in  der  Kardiagegend)  oder 
ist  das  Geschwür  sehr  klein  und  nur  durch  geringfügige  patho¬ 
logische  Veränderungen  gekennzeichnet,  dann  wird  es  oft  ganz 
unmöglich  sein,  dasselbe  aufzufinden. 

Mit  einer  derartigen  Möglichkeit  aber  muss  der  Operateur 
stets  rechnen.  Selbst  die  minimalsten  Geschwüre 
können  zu  starken  und  und  hartnäckigen  B  1  u  - 
t  u  n  g  en  f  u  h  r  e  n.  Das  beweisen  mehrere  bereits  in  der  Lite¬ 
ratur  erwähnte  Fälle,  sowie  3  weitere  Fälle,  welche  in  hiesigem 
Institute  zur  Obduktion  gelangt  sind.  Von  jenen  Magen¬ 
blutungen  für  welche  auch  bei  der  Sektion  eine  pathologisch- 
anätomische  Grundlage  nicht  gefunden  wurde  (Hysterie,  kapil¬ 
lare  Llutung),  will  ich  hier  zunächst  ganz  abselien4). 

L  i  s  el  s  b  er  g  •*)  berichtet  über  eine  Operation  wegen  hef- 
tiger  Magenblutung,  bei  welcher  das  Geschwür  nicht  gefunden 
weiden  konnte  und  deshalb  von  der  weiteren  Operation  Abstand 

T  ?•  D-ei'  FaU  kam  zur  Obduktion,  bei  welcher  man 
cbt  neben  der  Inzisionsstelle  em  kleines  Geschwür  fand,  welches 
einen  Hauptast  der  Art.  coronaria  arrodiert  hatte 

Einen  ähnlichen  Fall  teilt  Hirsch“)  mit.  Hier  konnte  bei 
V:1  Operation  ebenfalls  das  Geschwür  nicht  entdeckt  werden.  Die 
Dünung  kam  bald  nachher  spontan  zum  Stehen  und  die  Patientin 
konnte  geheilt  entlassen  werden. 

In  einem  zweiten  Falle,  den  Hirsch7)  erwähnt,  handelt  es 
sieh  um  einen  Patienten,  welcher  infolge  starker,  öfters  sich 
"  mderliolender  Magenblutungen  starb,  ohne  dass  vorher  ein 

’)  v.  Mikulicz:  Die  chirurgische  Behandlung  des  chro¬ 
nischen  Magengeschwürs.  Centralbl.  f.  Chirurgie  1897  (Beilage), 

P<Ig.  J1. 

2)  Ibid.  pag.  92. 

)  v.  Leube:  T  eber  die  chirurgische  Behandlung  des  Magen¬ 
geschwürs.  Centralbl.  f.  Chirurgie  1897  (Beilage)  p.  07. 

)  Einen  derartigen  Fall  hat  v.  Mikulicz  beschrieben  in  „Die 
chirurgische  Behandlung  des  chronischen  Magengeschwürs“.  Mit¬ 
ten.  aus  den  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chirurg.  Bd.  II,  pag.  254,  255. 

•  vVE  i.selsbei'g:  Magenresektionen  und  Gastroenterosto¬ 
mien  in  Prof.  Billroths  Klinik.  Arch.  f.  klin.  Chir  Bd  XXXIX 
pag.  833. 

)  Hirsch:  Zur  Kasuistik  und  Therapie  der  lebensgefähr¬ 
lichen  Magenblutungen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1890,  No  38. 

')  Ibid. 

No.  47. 


jiUENcRENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1961 


chirurgischer  Eingriff  versucht  worden  war.  Die  Obduktion  ergab 
,  f  uni"11  emge^?nd®r  Betrachtung  in  der  vorderen  Wand  ISe 
ca.  linsmgiosse  Narbe,  in  deren  Mitte  sich  ein  arrodiertes  Gefäss 

V  ,;,  n  K  ?namTS“SCh  £est^tem  war,  rülnte  diese  von 

einem  Geschwür  her,  welches  vor  2  Jahren  mir  Aushe  u  l-  t 
kommen  war.  C 

Ferner  beschreibt  Kausch8)  4  Fälle  aus  der  chirurgischen 
hmversitatskilnlk  zu  Breslau,  welche  von  den  obigen  "llmdLs 
insofern  ab  weichen,  als  nicht  die  Blutung,  sondern  andere  Ulcus- 
symptome  im  Vordergründe  des  Krankheitsbildes  standen  und  die 
Operation  veranlassten.  Ich  glaube  sie  aber  doch  hier  erwähnen 
zu  müssen  da  auch  bei  ihnen  trotz  voraufgegangene?,  zun  Te 
heftiger  Blutung  bei  der  Operation  kein  Geschwür  gefimden 
wurde.  Ein  Obduktionsbefund  liegt  von  keinem  dieser  Fälle  vor 

Ausser  noch  einem  Bericht  von  Weir  und  Foote”),  der 
mii  nicht  Vorgelegen  hat,  habe  ich  in  der  Literatur  keine  weiteren 
derartigen  Falle  erwähnt  gefunden. 

Ganz  ähnlich,  wie  der  zweite  von  II  irscli  mitgeteilte  Fall, 
hegen  nun  che  im  hiesigen  Institute  sezierten  Fälle.  Die  geringe 
Anzahl  der  bisherigen  Literaturangaben  —  einzelne  mögen  mir 
immerhin  entgangen  sein  — ,  sowie  die,  bereits  von  Hirsch 
anges teilte,  Erwägung,  dass  noch  weitere  Mitteilungen  derartiger 
lalle  für  den  Chirurgen  vielleicht  nicht  ohne  Interesse  sein 
wurden,  lassen  es  wohl  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn  ich  ihre 
Krankengeschichten  und  Sektionsprotokolle  ausführlicher  folgen 
lasse.  Für  die  freundliche  Ueberlassung  der  Krankengeschichten 
bin  ich  den  Herren  Dr.  Cnyrim  und  Dr.  Stre  n  g  zu  Dank 
verpflichtet. 

Fall  I  (aus  der  inneren  Abteilung  des  Heiligen-Geist-Hospital 
lu  Inja)ukturt  a/M-)-  Sophie  II.,  42  Jahre,  Köchin,  aufgenommen: 

Ana  m  n  e  s  e:  Am  Morgen  des  16.  I.  saures  Aufstossen.  Nach 
dem  Mittagessen  spürte  Pat.  Druck  vorn  im  Magen  an  einer  um- 
schnebenen  Stehe  bis  gegen  4  Uhr.  Um  4 yz  Uhr  verspürte  sie 
Y^  keit>  üm  wieder  nachliess,  als  Pat.  sich  legte.  Nach  dem 
Autstehen  Schmerzen,  die  nach  dem  Rücken  zogen.  Schwindel, 
Stuhlgang.  Darnach  weiter  Schwindel.  Gegen  5  Uhr  Erbrechen 

ü alben  Tasse  dunklen  Blutes.  Appetit  war  immer  gut.  Stuhl 
täglich.  Unmassen  normal,  Menses  desgleichen.  Fluor. 

Stat.  praes.:  Mittelgrosse,  schlanke  Person,  in  mittlerem 
Ernährungszustände.  Zunge  leicht  belegt.  Rachen  ohne  Besonder¬ 
heiten.  Innere  Organe  ohne  Befund.  Puls  kräftig.  Scrob  cordis 
druckempfindlich.  Urin  ohne  Eiweiss  und  Zucker  Eis  Fasten 

20.  I.  2  stündlich  1  Esslöffel  Milch. 

,22-  ..  2  stündlich  %  Tasse  Milch.  Abends  plötzlich  Uebelkeit 

Starke  Anämie,  Dunkelheit  vor  den  Augen,  Schwindel.  Puls  kaum 
zm  fühlen  Kochsalzinfusion  (200  ccm).  Danach  reichliche  Iläma- 
ternese.  In  y2  Stunde  erneuerte  Hämatemese.  Gelatineinjektion; 
Supp,  opn  0,05.  Erneuertes  Fasten. 

24.  I.  Keine  Blutung  wieder. 

Morgens:  Ohnmacht,  extreme  Schwäche;  Puls  kaum 
Gelatineinjektion.  Kochsalzinfusion, 
täglich  3  Nährklystiere.  Allgemeinzustand  besser 
Stündlich  ein  Löffel  Tliee  und  Milch. 

Stündlich  2  Löffel  Tliee  und  Milch. 

Stündlich  3  Löffel  Thee  und  Milch,  keine  Magen- 


Stündlich  y2  Tasse  Kaffee  mit  Milch,  wird  gut 


ver- 


27.  I. 
zu  fühlen. 

28.  I. 

30.  I. 

31.  I. 

1.  II. 
schmerzen 

2.  II. 
tragen. 

3.  II.  Nachts  plötzlich  heftige  Kurzatmigkeit.  Puls  165,  sehr 
Klein,  iiiegulär.  starke  Hyperästhesie  des  linken  Beines.  Dieses 
ist  stärken'  als  das  rechte,  leicht  ödematös.  Linke  Pupille  weit 
reagierend.  Ivampher  stündlich  0,2,  Einlauf. 

Gegen  4  Uhr  Morgens  Exitus. 

Die  Obduktion,  ausgeführt  von  Herrn  Geh.-Rat  Weigert, 
ergab  folgendes: 

Abgemagerter  Körper.  Herz  klein,  Klappen  zart,  Muskulatur 
graubraun.  Im  Conus  arteriosus  gelbliche  Strichelung  zu  be¬ 
merken. 

Linke  Lunge  im  allgemeinen  lufthaltig,  nur  im  Oberlappen, 
1  cm  unter  der  Spitze,  eine  schwärzliche,  schwielige  Masse  von 
Haselnussgrösse  mit  grauen  Knötchen.  In  der  rechten  Lungen¬ 
spitze^  schwielige  Massen,  mit  grösseren  käsigen  Knoten. 

Gehirn  sehr  blass;  ohne  Besonderheiten. 

Milz  klein,  derb,  zäh,  blass,  ohne  deutliche  M  a  1  p  i  g  h  i  sehe 
Körperchen. 

Im  Magen  helle  Flüssigkeit. 

Beide  Nieren  blass,  ohne  Besonderheiten.  Zeichnung  deutlich. 

In  der  Gallenblase  reichliche,  dunkle  Galle. 

Leber  blass,  Läppchenzeichnung  nicht  sehr  deutlich. 

An  d  e  r  k  1  e  inen  K  u  rvat  u  r  des  Magens,  zie  m  - 
lieh  in  der  Mitte,  et  w  a  s  11  a  c  h  d  e  r  II  interwand  z  u, 
findet  sich  ein  kleines,  kaum  linsengrosses  Ge- 


9  Kausch:  Ueber  funktionelle  Ergebnisse  nach  Operationen 
am  Magen.  Mitteil,  aus  den  Grenzgeb.  der  Medizin  u.  Chirurg 
Bd.  IV,  1899,  pag.  360,  301,  372—375. 

")  Zitiert  nach  v.  Mikulicz:  Die  chirurgische  Behandlung 
des  chronischen  Magengeschwürs.  Centralbl.  f.  Chirurg.  1897  (Bei¬ 
lage),  pag.  91. 

5 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4t. 


I9ö2 


schwür;  i  in  Grunde  desselben  ein  weisslicher, 
Kleiner  Strang,  auf  dessen  Höhe  man  eine  feint, 

Ö  f  f  nungsartige  Partie  sieh  t.  In  der  Umgebung  des 
Geschwürs  ist  die  Schleimhaut  stralilig  zusammengezogen.  Im 
oberen  Teile  des  Dünndarms  Trübung  von  überaus  feinen  Pünkt¬ 
chen  (Zotten)  bedingt.  Im  Colon  ascendens  findet  sich  eine  ring- 
lormig  gestellte  Gruppe  von  Geschwüren,  mit  zerfressenem  Grunde 
und  erhabenem  Rande.  Kleinere  derartige  Geschwüre,  mit  ver¬ 
kästen  Follikeln  daneben,  finden  sich  dann  noch  im  weiteren  Ver¬ 
laufe  des  Kolon.  Im  Rektum,  an  der  Vorderseite,  ca.  6  cm  ober¬ 
halb  des  Anus,  ein  rundes,  mit  gerötetem  Grunde  versehenes, 
glattes  Geschwür  mit  nicht  erhabenem  Rande.  Im  Dickdarm  ge¬ 
hallte,  teerfarbene  Kotmassen. 

Aus  dem  äusseren  Muttermunde  ragt  ein  gestielter,  abge¬ 
platteter,  etwa  walnussgrosser,  rötlich  durchscheinender  Polyp 
Heraus. 

Linke  Vena  femoralis  ist  durch  dunkelrotes,  massig  derbes 
Blutgerinnsel  verlegt.  Ebenso  die  Vena  iliaca. 

Diagnose:  Kleines  Magengeschwür  mit  einer  Narbe  in 
der  Umgebung  und  einem  arrodierten  Gefäss  im  Grunde.  Anämie. 
Leichte  Herzverfettung.  Thrombose  der  linken  Vena  femoralis 
und  iliaca.  Tuberkulöse  Darmgeschwüre.  Cervixpolyp. 

Mikroskopischer  Befund:  Die  Partie  des  Magens 
mit  dem  Defekt  wurde  in  Paraffin  eingebettet  und  in  Senen- 
schnitte  zerlegt,  welche  auf  Kerne  und  elastische  Fasern  gefärbt 
wurden.  Es  findet  sich  ein  kleines  Magengeschwür,  mit  sehr  fiach 
abfallenden  Rändern  und  etwas  vorgewolbtem  Grunde,  so  dass 
eine  Niveaudifferenz  zwischen  der  intakten  Schleimhautoberfläche 
und  dem  Gesell wiirsgrunde  nicht  besteht.  Wie  sich  in  den  Serien¬ 
schnitten  verfolgen  lässt,  tritt  eine  Arterie  bogenförmig  aus  der 
Submukosa  gegen  den  Geschwürsgrund  empor,  dessen  t  orwölbung 
bedingend.  An  der  höchsten  Stelle  ist  dieser  Arterienbogen  von 
dem  Geschwür  arrodiert  und  bietet  folgendes  Bild:  die  dem  Ge- 
scliwiirsgrunde  zugekehrte  Gefässwand  ist  zerstört,  die  entgegen¬ 
gesetzte  Wand  tritt  wie  ein  Sporn  zwischen  zu-  und  abführenden 
Schenkel,  welche  beide  mit  dem  Geschwür  in  offener  Kommuni¬ 
kation  stehen. 

Fall  II  (aus  der  inneren  Abteilung  des  Bürgerhospitals  zu 
Frankfurt  a/M.).  Bernhard  H.,  22  Jahre,  Kaufmann,  aufge¬ 
nommen  12.  iV.  02. 

Anamnese:  Pat.  wurde  am  12.  IV.,  Nachmittags  1  Uhr,  von 
der  Rettungswache  gebracht.  Er  gibt,  nachdem  er  sich  etwas  er¬ 
holt  hat,  an:  Er  sei  früher  stets  gesund  gewesen,  habe  vor 
2  Jahren  beim  Militär  gedient;  habe  nie  Magenschmerzen  oder 
Erbrechen,  sondern  stets  guten  Appetit  gehabt.  Am  12.  IV.  vor 
Tisch  habe  er  sich  etwas  unwohl  gefühlt,  weshalb  er  spazieren 
gegangen  sei.  Mittags  im  Geschärt  habe  sich  dieser  Zustand 
wiederholt.  Er  habe  ganz  plötzlich  Blutbrechen  bekommen  und 
sei  dann  bewusstlos  geworden. 

iS  tat.  praes.:  iSehr  blasser,  anämischer  Kranker,  der 
wegen  drohender  Magenblutung  sofort  aas  blasen  und  Eispilieu 
erhalt,  und  aus  demselben  Grunde  eine  eingehende  Untersuchung 
nicht  zulässt. 

13.  IV.  Früh  9  Uhr  überaus  mächtige  Blutung.  Der  Kranke 
erbricht  das  Blut  in  mächtigem  {Strome:  innerhalb  einer  halben 
{stunde  in  mehreren  Etappen  mindesten  2üuu  ccm  aus  nüchternem 
magen.  iSotort  Morphium;  2uo  ccm  zproz.  Gelauneiosung  sub¬ 
kutan  ins  rechte  Bein.  Schwerer  Kollaps;  ausserste  Blässe, 
auends  Kochsalzinfusionen  (oUU  ccm)  in  iiiiKen  Oberschenkel  und 
linken  Oberarm.  Leichte  Delirien.  Puls  minimal. 

14.1V.  Morgens  sehr  elender  Zustand.  Um  9 %  Uhr  wieder 
Erbrechen  einer  grossen  Menge  von  Blut.  Danach  nochmals  sub¬ 
kutane  Gelatineinjektion  (2UU  ccm)  in  die  rechte  Brust.  {Schwerste 
Anämie.  Herztöne  nicht  zu  hören.  Um  11  Uhr  Vormittags  plötz¬ 
lich  noch  tiefere  Blasse  und  schneller  Exitus. 

Aus  äusseren  Gründen  konnte  nur  die  Sektion  der  Bauch¬ 
höhle  vorgenommen  werden.  Dieselbe  wurde  von  Herrn  Dr. 
uerxheimer,  Assistenten  am  Dr.  Senckenberg  sehen 
Institut,  ausgeführt  und  ergab  folgenden  Befund: 

Im  Magen  und  Darm  fanden  sich  grosse  Mengen  teils  ge¬ 
ronnenen,  zum  grossen  Teil  aber  flüssigen  Blutes.  T  rotzde  m 
erschien  zunächst  die  »Schleimhaut  des  Magens 
intakt  und  es  konnte  keinerlei  {Substanz  Verlust 
n  acligewiese  n  w  erden.  Infolgedessen  wurde  nunmehr 
auch  der  Darm  herausgenommen  und  auf  geschnitten,  ohne  dass 
aber  an  seiner  Schleimhaut  irgendwelche  Besonderheiten  gefunden 
wurden.  Bei  ganz  genauer  Betrachtung  des  aus¬ 
einander  gespannten  Magens  fand  sich  nun¬ 
mehr  an  der  kleinen  Kurvatur,  etwa  5  cm  vom 
I’yiorus  entfernt,  ein  sehr  kleines,  rundes  Ge¬ 
schwür  von  etwa  3  mm  Durchmesser.  Dasselbe 
war  sehr  flach;  zeigte  einen  glatten,  nicht  er¬ 
habenen  Rand,  ln  der  Mitte  des  ebenfalls  glatten  Grundes 
fand  sich  eine  für  gewöhnliche  Sonden  nicht  durchgängige,  jedoch 
deutlich  erkennbare  OefL'nung,  welche  von  einem  etwas  über  den 
sonstigen  Grund  des  Geschwürs  hervorragenden  Rande  umgeben 
war.  Es  handelt  sich  also  offenbar  um  ein  mittelgrosses,  arro- 
diertes  Gefäss. 

An  den  übrigen  Organen  der  Bauchhöhle  wurden  keine  Be¬ 
sonderheiten  gefunden. 

Diagnose:  Kleines  (etwa  3  mm  messendes)  Magen¬ 
geschwür,  mit  arrodiertem  Gefäss  und  sehr  starker  Magenblutung. 


Mikroskopischer  Befund:  Die  Behandlung  ist  die¬ 
selbe  wie  bei  Fall  I.  Auch  hier  gelang  es  in  Serienschnitten  ein 
arrodiertes  Gefäss  nachzuweisen,  welches  direkt  in  das  Geschwür 
hineinführt. 

Fall  III  (aus  der  inneren  Abteilung  des  Heiligen-Geist-Hospi- 
tals  zu  Frankfurt  a/M.).  Sophie  S.,  23  Jahre,  Hausmädchen,  auf¬ 
genommen  den  26.  V.  02. 

Anamnese:  Vater  an  Rippenfellentzündung  gestorben.  Als 
Kind  Masern,  Diphtherie.  Vor  2  Jahren  hier  wegen  Chlorose, 
Mitralinsuffizienz,  Milzhyperplasie  behandelt.  Seit  S  Tagen  im 
Magen  an  einer  kleinen  Stelle  vorn,  und  zwar  in  nüchternem  Zu¬ 
stande,  Schmerzen,  die  nach  dem  Essen  aufhörten.  Vor  3  bis 
4  Jahren  hatte  Pat.  Schmerzen,  wenn  sie  etwas  gegessen  hatte. 
Oefters  bitteres  Aufstossen.  Pat.  hat  in  letzter  Zeit  alle  Speisen 
vertragen,  mit  Ausnahme  von  frischem  Brot  und  Kaffee.  Gestern 
Abend  nach  einem  Spaziergang  wurde  Pat.  plötzlich  übel:  Dunkel¬ 
heit  vor  den  Augen,  Schwindel,  und  plötzlich,  nachdem  sie  einen 
Cognac  zu  sich  genommen,  Erbrechen  reichlicher  Mengen  dunklen 
Blutes,  das  sich  heute  Morgen  wiederholte. 

Stuhl  normal,  Urinlassen,  Menses  desgleichen. 

S  t  a  t.  praes.:  Mittelgrosse,  kräftige,  gut  genährte  Person 
von  sehr  blassem  Aussehen.  Zunge  rein.  Rachen,  Drüsen,  Haut, 
Pupillen,  Patellarreflexe  normal.  Lungen  vorn  normal.  Herz: 
Systolisches  Geräusch;  Verbreiterung  nach  links,  nicht  nach  rechts. 
II.  Pulmonalton  accentuiert.  Abdomen:  Scrob.  cordis  etwas  druck¬ 
empfindlich.  Urin  ohne  Eiweiss  und  Zucker. 

Fasten.  Eis. 

29.  V.  Stündl.  1  Esslöffel  Milch.  Abends  Hämatemese. 
Fasten.  Nährklystiere  (3  mal). 

2.  VI.  Klagen  über  Durst.  Zitronensaft. 

3.  VI.  Gestern  Abend  2  mal  Hämatemese.  Puls  klein  und 
frequent.  Fasten. 

4.  VT.  Stündl.  1  Esslöffel  Milch. 

5.  VI.  Gestern  Abend  erneute  Hämatemese.  Sehr  blasses  Aus¬ 
sehen.  Kleiner  Puls,  Fasten.  Kochsalzeinläufe  (3  mal  200  ccm 
mit  Tinct.  opii  V). 

6.  VI.  Puls  und  Allgemeinbefinden  gut. 

7.  VI.  Um  11  und  12%  Uhr  2  Hämatemesen.  Puls  und  All¬ 
gemeinbefinden  darnach  leidlich.  Um  5 %  Uhr  plötzlich  rasch 
zunehmende  Schwäche  und  Exitus. 

Die  Sektion,  von  Herrn  Geheimrat  W  e  i  g  e  r  t  vorgenom¬ 
men,  ergab  folgenden  Befund: 

Blasser  Leichnam.  Herz  von  entsprechender  Grösse.  Klappen 
zart.  Muskularis  blass,  etwas  gelblich,  ohne  Strichelung.  Linke 
Lunge  ödematös,  blass,  ohne  Herderkrankung.  Gefässe  und  Bron¬ 
chien  frei.  Rechts  ebenso.  An  der  Vorderseite  des  Oesophagus, 
in  der  Gegend  der  Bifurkation  der  Trachea,  eine  ganz  flache  Ein¬ 
ziehung  der  Schleimhaut.  Aortenintima  zart. 

Hirn  sehr  blass;  ohne  Herderkrankung. 

Milz  gross  (17,  7,  4),  mässig  weich,  blass,  M  a  1  p  i  g  li  i  sehe 
Körperchen  deutlich. 

Im  Magen  blutige  Flüssigkeit. 

In  der  kleinen  Kurvatur  des  Magens  findet  sich  eine  ganz 
kleine,  stralilige,  flache  Narbe,  daneben  eine  rundliche, 
2,5 — 3  mm  im  Durchmesser  messende  Stelle,  die 
von  einem  zarten,  gelblichen,  etwas  erhabenem 
Rande  umgeben  ist  und  in  der  Mitte  eine  kleine 
rote  Oeffnung  auf  weist,  w  e  1  c  h  e  mit  einem  Ge¬ 
rinnsel  verlegt  ist.  Die  Oeffnung  hat  noch  nicht 
1  mm  im  Durchschnitt.  Nachdem  das  Gerinnsel 
abgespült  ist,  ist  es  ausserordentlich  schwer, 
die  Oeffnung  zu  erkennen.  Nach  Wegs  p  ii  1  e  n  des 
Gerinnsels  strömt  aus  der  Oeffnung  flüssiges 
Blut  heraus;  es  ist  aber  nicht  möglich,  das  zu¬ 
führende  Gefäss  präparatorisch  freizulegen. 

Im  Duodenum  keine  Geschwüre. 

ln  der  Gallenblase  reichliche  Menge  dunkler  Galle. 

Im  rechten  Ovarium  eine  kleine,  mit  geronnenem  Blute  ge¬ 
füllte  Cyste.  Sonstige  Beckenorgane  ohne  Besonderheiten. 

Im  unteren  Dünndarm  dunkelrote  Massen  mit  blutroter  V  er 
färbuug  der  Schleimhaut.  Solitärfollikel  treten  deutlich  hervor. 
Keine  Geschwüre. 

j  Nieren  blass;  ohne  Besonderheiten. 

Diagnose:  Ulzeration  eines  Magengefässes  mit  tödlicher 
Blutung.  Narbe  im  Magen.  Beginnendes  Traktionsdivertikel  des 
Oesophagus.  Hochgradige  Anämie. 

Der  mikroskopische  Befund  ist  ganz  genau  derselbe,  wie  bei 
;  Fall  I,  so  dass  ich  mich  hier  darauf  beschränken  kann,  auf  das 
i  dort  Gesagte  zu  verweisen. 

Wir  haben  hier  also  3  Fälle  vor  uns,  in  denen  durch  Ver¬ 
blutung  aus  einem  Magengeschwür  der  Tod  herbeigeführt  wurde: 
in  Fall  I  und  III  durch  kleinere,  sich  öfters  wiederholende 
Blutverluste,  welche  sich  auf  eine  längere  Zeit  erstreckten,  in 
Fall  II  durch  eine  3  malige,  kurz  aufeinander  folgende,  äusserst 
profuse  Blutung.  Der  letale  Ausgang  ist  in  II  und  III  aus¬ 
schliesslich  der  Blutung  auf  Rechnung  zu  setzen,  während  bei  I 
vielleicht  noch  die  bestehende  Tuberkulose  mit  in  Frage  zu 
ziehen  ist. 

Was  diese  Fälle  besonders  interessant 
macht,  das  sind  die  minimalen  Veränderungen 


25.  November  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINTSOHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Magenschleimhaut,  die  wider  alles  Er¬ 
warten  bei  der  Sektion  als  Ursache  der  hef¬ 
tigen  und  hartnäckigen  Blutung  gefunden 
wurden.  Die  Geschwüre  waren  so  gering- 
fügig,  dass  es  (besonders  bei  Fall  II)  erst  der 
eingehendsten  Durchmusterung  der  Ma^en- 
sehleimhaut  bedurfte,  um  sie  zu  entdecken. 

Welche  lolgerungen  sieh  hieraus  nun  für  eine  etwaige  chi¬ 
rurgische  Behandlung  ergeben  hätten,  das  zu  beurteilen,  bin  ich 
noch  nicht  in  der  Lage;  ich  muss  das  berufener  Seite  über¬ 
lassen.  Ich  mochte  hier  nur  darauf  liinweisen,  dass  derartige, 
für  den  Chirurgen  schwierige  Fälle  vielleicht  gar  nicht 
so  selten  sind,  wie  man  nach  den  bisherigen  Literatur¬ 
angaben  annehmen  müsste.  Dass  in  hiesigem  Institute  inner¬ 
halb  eines  halben  Jahres  3  zur  Obduktion  gelangt  sind,  ist  ja 
em  Zufall.  Dass  aber  in  allen  3  Fällen  es  gelungen  ist,  als 
Ursache  der  Blutung  die  kleinen  Geschwürehen  zu  finden,  das 
ist  nur  der  Sorgfalt  zu  verdanken,  mit  welcher  in  hiesigem  In¬ 
stitute  stets  die  Magenschleimhaut  abgesucht  wird.  Andere 
hatten  sich  hier  vielleicht  teilweise  mit  der  Diagnose  „kapilläre 
Blutung,  begnügt.  Gerade  bei  der  Stellung  dieser  Diagnose 
möchte  ich  im  Anschluss  an  diese  Fälle  äusserste  Vorsicht  an¬ 
empfehlen.  Sie  wird  sich  jedenfalls,  wie  über¬ 
haupt  die  Diagnose  „Magenblutung  ohne  patho¬ 
logisch-anatomische  Grundlag  e“,  einschrän¬ 
ken  lassen,  wenn  m  an  bei  eingehendster  Be¬ 
trachtung  der  Magenschleimhaut  auch  den 
geringsten  Defekt  als  mögliche  Ursache  einer 
heftigen  Blutung  ins  Auge  fasst  und  mikro¬ 
skopisch  untersucht. 

Ich  möchte  ferner  noch  darauf  himveisen,  dass  vielleicht 
gerade  so  kleine  Geschwüre  verhältnismässig  mehr  zu  starken 
und  hartnäckigen  Blutungen  neigen  als  grössere.  Derartige  kleine 
Geschwüre  rufen  in  der  Magenwand  und  an  den  Gefässen  der¬ 
selben  gar  keine  oder  nur  geringe  entzündliche  Veränderungen 
hervor.  Wenn  sie  nun  zufällig  auf  ein  Gefäss  treffen  und  es 
arrodieren,  so  isf  dieses  bis  auf  die  arrodierte  Stelle  noch  intakt. 
Anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  einem  schon  fortgeschritte¬ 
neren  Geschwüre,  welches  bereits  in  grösserem  Umfange  zu  ent¬ 
zündlicher  Infiltration  der  Magenwand  geführt  hat.  Man  kann 
annehmen,  dass  auch  die  Gefässe,  welche  in  dem  Bereiche  eines 
solchen  Geschwüres  verlaufen,  nicht  intakt  geblieben  sind,  son¬ 
dern  mehr  oder  weniger  Obliteration  oder  wenigstens 
entzündliche  Verdickung  ihrer  Wand  zeigen.  Wird  nun  ein  so 
erkranktes  Gefäss  arrodiert,  so  wird  die  Blutung  im  Vergleich 
mit  einem  gesunden  Gefäss  von  gleichem  Kaliber  weniger  profus 
sein,  da  ja  sein  Lumen  durch  die  entzündlichen  Auflagerungen 
mehr  oder,  weniger  verengert  ist;  sie  wird  weniger  hartnäckig 
sein,  da  die  Thrombosierung  infolge  der  Erkrankung  der  Ge- 
fässwand  schneller  erfolgt.  Zu  dieser  Annahme  berechtigen  ana¬ 
loge  Verhältnisse,  wie  sie  sich  an  den  Gefässen  im  Bereich  von 
Lungenkavernen  vorfinden.  Leider  bin  ich  nicht  in  der  Lage, 
durch  histologische  Untersuchungen  diese  Vermutung  zu  stützen! 

Am  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  Herrn  Geheimrat  Prof. 
Dr.  'Weigert  für  die  gütige  Ueberlassung  des  Materials 
meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen. 

Zwei  Fälle  schwerer  Otitis  media  acuta  purulenta 
durch  „Schneeberger“. 

Von  Ohrenarzt  Dr.  W.  Sehroeder  in  Hamburg-Barmbeek. 

Ivessel  und  Uaug  teilten  vor  einer  Reihe  von  Jahren  je 
einen  Fall  mit,  wo  Schnupftabak  stürmische  akute  Ohraffektionen 
ic  ivoi gerufen  hatte.  Ich  will  diesen  beiden  Fällen  zwei  weitere 
hinzufügen,  deren  Entstehen  sich  ebenfalls  durch  explosions¬ 
artige  Schnelligkeit  und  Heftigkeit  auszeichnet. 

! .,  ein  kräftiger  Arbeiter  in  den  30  er  Jahren,  nahm  wegen 
„Stockschnupfens“  in  das  linke  Nasenloch  eine  Prise  „Schnee¬ 
berger“.  Nach  kaum  10  Minuten  verspürte  er  schon,  ohne  dass 
i.T  einmal  geniest  hätte,  einen  nach  dem  linken  Ohr  hin  aus¬ 
strahlenden  Schmerz.  Im  Laufe  der  Nacht  steigerten  sich  die 
Schmerzen  derart,  dass  er  glaubte,  „sein  letztes  Stündlein  sei  ge¬ 
kommen“.  Oeleinträufelungen,  das  Arkanum  vieler  Ohrkranker, 
halfen  nichts.  Am  nächsten  Morgen  stellte  sich  Patient  mir  vor. 

..  rnachte  einen  schwerkranken  Eindruck.  Die  in  verhältnis¬ 
mässig  kurzer  Zeit  aufgetretenen  Veränderungen  waren  über¬ 
raschend.  Das  Trommelfell,  an  dem  nähere  Details  nicht  fest¬ 
zustellen  waren,  war  bläulich-rot  und  in  toto  vorgewölbt,  das 


1963 


klassische  Bild  eines  Hämatotympanon.  Flüsterzahlen  wurden 
eben  vorm  Ohr  gehört;  hohe  Töne  stark  herabgesetzt.  Die 
I  Schmerzhaftigkeit  erstreckte  sich  jetzt  auch  auf  den  Warzenfort¬ 
satz  und  den  Unterkieferwinkel.  Die  Rhinoscopia  posterior  ergab 
eine  linksseitige  Intumeszenz  des  Cavuni  naso-pharyng.  und  des 
Tubenwulstes.  Lufteinblasungen  machte  ich  nicht,  wären  auch 
wohl  wegen  der  Schwellung  nicht  möglich  gewesen.  Auch  von 
der  I  arazentese  nahm  ich  Abstand,  da  ich  annahm,  es  könnte  das 
Hämatotympanon  unter  geeigneter  Behandlung  zur  Resorption  ge¬ 
bracht  werden.  Schon  am  nächsten  Tage  war  eine  profuse  serös- 
eitrige  Sekretion  eingetreten.  Da  die  hohe  Perforationsöffnung 
dein  Sekret  nicht  genügend  Abfluss  bot,  machte  ich  einen  Er¬ 
weiterungsschnitt  nach  unten.  Unter  allmählicher  Abnahme  der 
Schmerzen  wurde  der  Ausfluss  in  den  nächsten  Tagen  rein  eitrig 
Nach  4  Wochen  vollständige  Heilung. 

In  dem  Hang  sehen  lall  wurden  die  Tabakkörner  dadurch, 
dass  Pat.  das  Niesen  unterdrückte  und  bei  geschlossenem  Mund 
einen  unwillkürlichen  V  a  1  s  a  1  v  a  sehen  Versuch  ausübte,  in 
die  Tube  getrieben.  In  diesem  Fall  ist  das  Pulver  sofort  nach 
der  Tube  gesogen  worden.  Der  sogen.  Stockschnupfen  war  die 
Folge  einer  obturierenden  linksseitigen  Spina  septi.  Die  Spina 
bohrte  sich  geradezu  in  die  gegenüber  liegende  untere  Muschel 
ein.  Deshalb  konnte  das  Pulver  nicht  in  die  Regio  olfactoria  ge¬ 
langen  und  der  Nieseffekt  musste  ausbleiben,  nahm  vielmehr 
seinen  Weg  durch  den  zwar  stenosierten,  aber  ganz  geraden 
unteren  Nasengang. 

Der  zweite  Pall  betrifft  einen  14  jährigen  Knaben  mit  Ozaena 
Die  Behandlung  hatte  der  Vater  selbst  in  die  Hand  genommen 
und  wegen  des  mephitischen  Geruchs  „Schneeberger“  ordiniert 
mit  dei  ausdrücklichen  Weisung,  die  Dosis  nicht  gross  zu  nehmen- 
„denn  solche  Prise  reinige  nicht  nur  die  Nase,  sondern  auch  das 
Gehirn“.  Der  Erfolg  war  in  der  Tat  ein  kolossaler,  wenn  auch 
nicht  der  gewünschte.  Schon  nach  einigen  Stunden  stellten  sich 
doppelseitige  Ohrschmerzen  ein,  die  im  Laufe  der  Nacht  einen 
immer  heftigeren  Charakter  annahmen.  Als  der  Knabe  am  näch¬ 
sten  Morgen  in  meine  Sprechstunde  kam,  war  das  linke  Trommel¬ 
fell  schon  perforiert  und  es  entleerte  sich  eine  serös-blutige  Flüssig¬ 
keit,  während  das  rechte  Ohr  ein  gerötetes,  nicht  vorgewölbtes 
Trommelfell  zeigte.  Der  Katarrh  ging  im  Laufe  der  nächsten 
S  Tage  zurück.  Auf  dem  linken  Ohr  Heilung  nach  3  Wochen  mit 
normalem  Hörvermögen. 

Der  thüringische  Schneeberger,  der  meist  hier  zu  Verkauf 
gestellt  wird,  besteht  der  Hauptsache  nach  aus  Rhizoma  iridis. 
Er  enthält  aber  noch  neben  anderen  Substanzen  einen  nicht  un¬ 
wesentlichen  und  für  diese  beiden  Fälle  sicher  zu  beschuldigenden 
Teil  von  Rhizoma  veratri. 

Wenn  man  nun  bedenkt,  dass  bei  mancher  chronischen  Naso- 
pharyngitis  mit  atrophischer  Tendenz  der  Nasenrachenraum 
überaus  weit  ist,  so  dass  hin  und  wieder  sogar  die  klaffende  Tube 
zu  sehen  ist,  wenn  man  ferner  berücksichtigt,  mit  welcher  ele¬ 
mentaren  Gewalt  manchmal  die  Prise  in  die  Nase  geschleudert 
wird,  so  muss  man  sich  wundern,  dass  auf  diesem  Wege  akute 
Otitis  nicht  viel  häufiger  entsteht. 

Jedenfalls  sehen  wir,  dass  Prisen  nicht  ganz  ungefährlich 
ist,  weil  das  überaus  feine  Pulver  leicht  in  die  Nebenhöhlen  und 
in  den  Nasenrachenraum  gelangen  kann.  Das  Aufschnupfen 
des  Schneebergers  aus  vergnüglicher  Spielerei,  wie  es  die  Schul¬ 
jugend  häufig  betreibt,  ist  durchaus  zu  perhorreszieren. 


Hypertronhie  der  Prostata  und  galvanokaustische  Be¬ 
handlung  nach  Bottin i- Freudenberg.*) 

(Eigene  Krankheitsgeschichte.) 

Von  San. -Rat  Dr.  Bierbaum  in  Münster  i.  Westf. 

Die  Vergrösserung  der  Vorsteherdrüse  ist  eine  im  höheren 
Mannesalter  häufig  vorkommende  und  mit  vielen  Beschwerden 
verknüpfte  Krankheit. 

Dieselbe  ergreift  bald  mehr  das  eigentliche  Drüsen-,  bald 
mehr  das  Zwischengewebe,  oder  mehr  gleichmässig  alle  Teile.  Die 
Häufigkeit  der  Erkrankung  betreffend,  fand  Thompson  bei 
164  Männern  zwischen  dem  60.— 94.  Jahre  56  mal  eine  Ver- 
grösserung ;  unter  123  Fällen  bestand  76  mal  eine  g’leichmässig’e 
Zunahme  aller  Teile,  19  mal  schien  die  mittlere  Partie  stärker 
befallen,  S  mal  der  rechte,  11  mal  der  linke  Lappen  auffallend 
vergrössert. 

Die  Beschwerden  sind  mehr  allgemeiner  Natur,  wie  Appetit¬ 
losigkeit,  gastrische  Krisen,  Verstopfung,  Gemüts  Verstimmung, 
oder  aber  dieselben  werden  direkt  bedingt  durch  die  erschwerte 
Entleerung  des  Urins,  welcher  entweder  zu  häufig,  noch  dazu  mit 

*)  Nach  einem  am  11.  September  1902  im  Aerzteverein  zu 
Münster  i/Westf.  gehaltenen  Vortrage. 


5* 


No.  47. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


heftigem  Harnzwang,  oder  gar  nicht  spontan  entleert  werden  ^ 
kann. 

Alles  Sinnen  und  Trachten  der  Aerzte,  diesem  qualvollen 
Leiden  entgegen  zu  treten,  blieb  bis  vor  kurzem  erfolglos,  ob¬ 
schon  das  ganze  Rüstzeug  der  medizinischen  Kraft  dazu  auf- 
geboten  wurde.  Weder  der  innere  Gebrauch  von  Jod,  Ichthyol  etc., 
noch  die  äussere  Anwendung  verschiedener  Medikamente  m 
Form  von  Einreibungen,  Suppositorien,  weder  das  gefürchtete 
Messer  der  Chirurgen,  noch  der  starke  elektrische  Strom,  noch 
endlich  der  Gebrauch  der  lokalen  wie  Vollbäder  und  zwar  in  der 
allerverschiedensten  Zusammensetzung,  von  den  milden,  klaren 
Wildbädern  bis  zu  den  stark  reizenden,  bräunlich  gefärbten 
Thermal- Soolbädern,  brachten  wesentliche  Linderung,  selten  oder 
niemals  Heilung. 

Erst  Bottini  gelang  es  im  Jahre  1874  mit  Hilfe  der 
Galvanokaustik  ein  Verfahren  anzugeben,  wodurch  die  ver- 
grösserte  Drüse  per  vias  naturales  auf  gefahrlosere  Weise  wie 
bisher  verkleinert  und  damit  das  Hindernis  für  eine  spontane 
Urinentleerung  entfernt  werden  konnte.  Leider  fand  diese  neue 
Methode  bei  den  Chirurgen  nicht  die  verdiente  Beachtung.  East  | 
ein  Vierteljahrhundert  hat  es  gewährt,  bis  dieselbe  eine  gewisse 
Verbreitung  fand,  und  selbst  heute  noch  gibt  es  im  lieben  deut¬ 
schen  Vaterlande  nur  eine  verhältnismässig  beschränkte  Anzahl 
von  Aerzten,  welche  mit  der  Ausführung  vollständig  vertraut 
sind. 

Den  Bemühungen  von  Dr.  Albert  Freudenberg  in 
Berlin  aber,  insbesondere  seinen  Verbesserungen  der  Technik 
und  Instrumente,  wodurch  erst  eine  aseptische  Ausführung  der 
Operation  ermöglicht  wurde,  ist  es  zu  danken,  dass  die  Methode 
jetzt  immer  mehr  die  verdiente  Anerkennung  findet. 

Die  Statistik  nach  F  reudenberg,  bei  der  sich  753  Fälle 
als  für  die  Frage  der  Mortalität,  718  Fälle  als  für  die  Erfolge 
statistisch  verwertbar  zusammen  bringen  Hessen,  ergab  4,25  bis 
5,84  Proz.  Mortalität,  7,66  Misserfolge  und  86,63  Proz.  guter 
Resultate.  Unter  248  guten  Resultaten,  bei  denen  eine  weitere 
Einteilung  möglich  war,  waren  152  =  61,29  Proz.  als  volle  Hei¬ 
lungen,  96  =  38,71  Proz.  als  wesentliche  Besserungen  zu  ver- 
Z  'ichnen.  Nach  einer  persönlichen  Mitteilung  hat  A.  F  reuden- 
b  e  r  g  unter  seinen  letzten  43  Fällen  29  Heilungen,  11  wesent¬ 
liche  Besserungen  (=40  gute  Resultate),  2  Misserfolge,  1  Todes¬ 
fall  zu  verzeichnen. 

II  erwitz  berechnet  die  Mortalität  der  Bottini  .sehen 
Operation  aus  888  Fällen  auf  5,7  Proz.,  ohne  Erfolg  bei  10  Proz., 
gebessert  und  geheilt  wurden  84,3  Proz.  der  Fälle. 

Dagegen  wird  die  Mortalität  bei  der  partiellen  perinealen 
oder  suprapubi sehen  Prostatektomie  auf  14,3  Proz.,  die  der 
totalen  auf  18 — 25  Proz.  angegeben. 

Die  Operation,  auf  deren  Technik  ich  weiter  zurückkomme, 
eignet  sich  für  alle  Formen  der  Prostatahypertrophie;  die 
dringendste  Anzeige  liegt  aber  vor,  sobald  der  Patient  den  Urin 
gar  nicht  mehr  spontan  entleeren  kann,  sondern  dauernd  des 
Katheters  bedarf. 

Dass  weder  hohes  Alter  des  Patienten,  noch  eine  lange 
Dauer  der  Krankheit  eine  bestimmende  Gegenanzeige  bilden,  er¬ 
hellt  aus  der  Mitteilung  von  E  reudenberg,  wonach  derselbe 
einen  82  jährigen  Mann,  der  seit  28  Jahren  an  vollständiger  Urin¬ 
verhaltung  gelitten,  mit  Glück  durch  die  B  o  1 1  i  n  i  sehe  Opera¬ 
tion  geheilt  hat.1) 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  sei  es  mir  gestattet, 
meine  eigene  Krankengeschichte  kurz  darzulegen. 

Schon  aus  ganz  jungen  Jahren  (ich  stehe  jetzt,  im  02.  Lebens¬ 
jahre)  weiss  ich  mich  zu  erinnern,  zeitweise  an  Harnbeschwerden 
laboriert  zu  haben;  ganz  sicher  ist.  dieses  aber  der  Fall  seit 
etwa  30  Jahren  mit  zunehmender  Heftigkeit.  Zwar  war  der  Urin 
immer  klar,  musste  aber  häufiger  wie  normal  mit  öfter  auf- 
tretendem  Tenesmus  gelassen  werden  und  floss  langsamer,  bis¬ 
weilen  erst  nach  längerem  Warten.  Recht  lebhaft  erinnere  ich 
mich,  wie  ich  im  Jahre  1879  einer  Neuralgie  wegen  zur  Kur  im 
Bade  Oeynhausen  weilte,  meiner  freudigen  Ueberrasclnmg,  dass 
ich  allemal  nach  dem  Bade  im  kräftigen  Strahle  minieren  konnte, 
während  in  späteren  Jahren  diese  Erscheinung  beim  Gebrauche 
von  Tliermal-Soolbiidem  nicht  mehr  so  offen  zu  Tage  trat. 

Im  Januar  1899  erkrankte  ich  unter  den  Erscheinungen  all¬ 
gemeiner  Abgeschlagenheit,  vollständiger  Appetitlosigkeit,  aus¬ 
geprägter  Herzschwäche  und  —  vollkommener  Urinverhaltung. 
Die  Blase  war  aufs  äusserste  ausgedehnt  und  enthielt  mindestens 


J)  A.  Freu  de  n  borg:  „Die  Behandlung  der  Prostatahyper¬ 
trophie  mittels  der  galvanokaustischen  Methode  nach  Bottini.“ 
Bamml.  klin.  Vortr.,  u.  F.,  No.  328. 


1  Liter  klaren  Urins,  der  durch  den  Katheter  entleert  werden 
musste  (15.  Januar).  Jedenfalls  hatte  schon  längere  Zeit  eine 
inkomplette  Urinverhaltung,  die  jetzt  zur  kompletten  geworden, 
bestanden.  Von  Stunde  an  bin  ich  keinen  Tag  ohne  Katheter, 
der  anfangs  nur  2  mal,  später  aber  mindestens  6  mal  binnen 
24  Stunden  angelegt  werden  musste,  fertig  geworden. 

Selbstredend  waren  von  nun  an  meine  Gedanken  darauf  ge¬ 
richtet,  diesem  bedauernswerten  Zustande  ein  Ende  zu  machen. 
Innere  Mittel  halfen  nichts,  Einreibungen,  subkutane  Einspritz¬ 
ungen,  Elektrisieren,  Bäder  fruchteten  ebensowenig:  der  Katheter 
blieb  mein  steter  Begleiter.  Mit  Argusaugen  verfolgte  ich  weiter 
und  weiter  die  diesbezügliche  Literatur,  um  vielleicht  ein  Mittel 
der  Rettung  zu  erspähen.  Die  Bottini  sehe  Operation,  welche 
bis  dahin  weniger  Beachtung  gefunden,  kam  mehr  und  mehr  in 
Aufnahme.  Zwei  Konsultationen  dieserlialb  mit  Spezialkollegen 
(1900  und  1901)  brachten  leider  kein  bestimmtes  Resultat,  bis  ich 
mich  entschloss,  am  20.  April  c.  nach  Berlin  zu  Dr.  F  r  e  u  d  e  n  - 
berg  zu  reisen,  mit  dem  ich  mich  brieflich  dieserlialb  vorher  be¬ 
nommen  hatte. 

In  dessen  Sanatorium  aufgenommen,  wurde  am  21.  April 
folgender  Status  verzeichnet: 

Urin  mässig  katarrhalisch,  Prostata  per  rectum  wie  kleiner 
Borsdorfer  Apfel,  ziemlich  weich. 

Cystoskopie  ergibt  hochgradige  Trabekelblase;  an  einzelnen 
Stellen  auch  Uebergang  in  Divertikelbildung;  zapfenförmiger, 
breit  aufsitzender  mittlerer  Prostatalappen  nach  hinten,  nach 
vorn  zackige  Verdickung  der  Prostata,  nach  den  beiden  Seiten 
nichts  Besonderes. 

Am  23.  April  1902  wurde  die  Bottini  sehe  Operation  unter 
streng  aseptischen  Kautelen  an  mir  vorgenommen,  nachdem  zur 
lokalen  Anästhesierung  Cocain,  muriaticum,  Eueain  B,  äa  1,  Aqu. 
destill.  30  in  die  vorher  mit  Asterollösung  ausgespülte  und  wieder 
entleerte  Urethra  posterior  und  Blase  gespritzt  war.  Diese 
Lösung  wurde  nach  5  Minuten  durch  den  Katheter  wieder  ab¬ 
gelassen.  Sodann  wurde  die  Blase  mittels  Blasenspritze  durch 
ein  zwischen  diese  und  den  Katheter  eingefügtes  Wattefilter  mässig 
mit  Luft  gefüllt  und  die  eigentliche  Inzision  ausgeführt.  Es 
wurden  3  Schnitte  gemacht,  nach  hinten  von  2,8  cm,  nach  links 
hinten  von  2,3  cm,  nach  rechts  hinten  von  2  cm  Länge.  Die  Blu¬ 
tung  war  sehr  gering. 

Nach  Entfernung  des  Inzisors  wurde  nochmals  eine  Asterol¬ 
lösung  und  zwar  220  ccm  durch  einen  wieder  eingelegten  Katheter 
eingespritzt,  von  der  ich  alsdann  noch  auf  dein  Operationstische 
liegend  zu  meiner  grössten  Freude  sofort  210  ccm  spontan  in  ziem¬ 
lich  gutem  Strahle  ausurinieren  konnte.  Hier  möchte  ich  die 
Mahnung  einschalten,  die  Operation  nicht  im  Stehen  (wie  es  wohl 
geschieht)  der  Patienten  auszuführen,  weil  doch  im  Liegen  die 
uaturgemässen  Reaktionen  gegen  einen  derartigen  Eingriff  leichter 
hintangehalten  werden  können.  Denn  dass  die  lokale  Anästhesie 
die  Schmerzen  nur  mildert,  nicht  aber  völlig  aufhebt,  das  habe 
ich  am  eigenen  Körper  recht  fühlbar  erfahren. 

Der  Katheterismus  war  nun  nach  der  Operation  zur  Ent¬ 
leerung  des  Urins  sofort  unnötig,  da  ich,  wenn  auch  anfangs  sehr 
häufig  (*/o  stündlich),  spontan  urinieren  konnte. 

Erst  am  29.  April  (=  6  Tage  nach  der  Operation)  wurde  zum 
ersten  Male  wieder  ein  Katheter  eingeführt  zur  Prüfung  des 
Residualurins.  Es  entleerte  sich,  nachdem  ich  vorher  spontan 
uriniert  hatte,  durch  den  Katheter  auch  nicht  ein  Tropfen  Urin, 
die  Blase  war  somit  bis  zum  letzten  Tropfen  spontan  entleert 
worden,  der  Residualurin  =  0. 

Die  Körpertemperatur  stieg  nur  in  den  ersten  beiden  Tagen 
nach  der  Operation  bis  auf  37,9  5,  um  dann  immer  unter  37  0  zu 
bleiben. 

In  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation  fühlte  ich  mich  ziem¬ 
lich  angegriffen,  doch  war  ich  bereits  am  1.  Mai  (9  Tage  nach 
der  Opex-ation)  soweit,  dass  ich  an  diesem  Tage  auf  meinen 
dringenden  Wunsch  entlassen  werden  konnte,  und  nach  Hause 
l-eiste.  Hier  am  häuslichen  Herd  unter  der  guten  Pflege  meiner 
Frau  hob  sich  gar  bald  der  Appetit  und  damit  das  Allgemein¬ 
befinden.  Der  Urin  war  in  der  nächsten  Zeit  entsprechend  der 
jetzt  beginnenden  Schorfabstossung  meist  dunkelblutig  gefärbt, 
das  Bedürfnis  zum  Urinieren  12  mal  binnen  24  Stunden. 

Am  8.  Mai  wurde  sodann  nach  einer  unruhigen  Nacht  des 
Moi'gens  8  Uhr  beim  Urinieren  ein  BrandschoiT  abgestosseu  (2  cm 
lang,  y3  cm  breit  und  *%  cm  dick),  Abends  fanden  sich  nochmals 
in  dem  ganz  blutig  aussehenden  Urin  2  kleinei*e  Partikel,  während 
sich  in  den  nächsten  Tagen  Blutgerinnsel  verschiedener  Grösse 
bemerkbar  machten.  Am  15.  Mai  Abends  stiess  sich  nochmals 
ein  Brandschorf  ab  von  der  Grösse  wie  8  Tage  vorher.  Der  Urin 
blieb  in  Farbe  und  Niederschlag  immer  noch  wechselnd,  der  Urin¬ 
drang  verursachte  noch  öftere  Ungelegenheiten.  War  doch  der¬ 
selbe  aixi  20.  Juni  so  heftig,  dass  ich  bei  der  Unsicherheit  der 
Blasenperkussion,  das  Bestehen  von  Ui’inretention  befürchtend, 
den  Katheter  anlegte,  aber  höchstens  50  ccm  entleerte.  Bis  lieu- 
tigen  Tages  habe  ich  den  Katheter  nicht  wieder  benützt.  Die  Bes¬ 
serung  schritt  mittlerweile  langsam  vorwärts.  Jetzt  ist  der  Urin 
klar,  ohne  Bodensatz  und  wird  5—6  mal  binnen  24  Stunden  in 
vollem  Strahle  und  ohne  jegliche  Beschwerde  entleert.  Ich  bin 
somit  durch  diese  Operation  ein  von  schwei*er  Erkrankung  geheilter 
Mann. 

An  Medikamenten  habe  ich  in  den  Monaten  April  und  Mai 
Acidum  camphor.,  Urotropin,  Folia  pvae  ursi  genommen,  in  der 
letzten  Zeit  trank  ich  Wildunger  Helenen-Quelle. 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDIO] NISCHE  WOCHEN SCHRIFT. 


1965 


Ueber  die  Verwendung  kleiner  Gummiringe  zur  Druck* 
entlastung  schmerzhafter  Punkte  am  Fuss. 

Von  Dr.  Bettmann,  Spezialarzt  für  Chirurgie  und  Ortho¬ 
pädie  in  Leipzig. 

Es  gibt  in  dei*  Oi'thopädie  Massnahmen,  vermittels  welcher 
man  im  stände  ist,  so  leicht  und  anscheinend  technisch  un¬ 
bedeutend  sie  auch  erscheinen  mögen,  einen  im  Vergleich  zur  Klein¬ 
heit  des  Eingriffs  unverhältnismässig  grossen  Nutzen  zu  schaffen 
und,  worauf  es  hier  besonders  ankommt,  einen  sofortigen 
Nutzen.  Daher  kommt  es  auch,  dass  wir  gerade  in  diesen  Fällen 
durch  die  rasche  Hilfe,  die  wir  bringen,  am  ehesten  der  dankbaren 
Anerkennung  unserer  Patienten  sicher  sein  können.  Zu  dieser 
Kategorie  orthopädischer  Eingriffe  gehört  auch  ein  kleines  tech¬ 
nisches  Hilfsmittel,  über  das  ich  in  folgendem  berichten  will. 

Zu  den  mannigfachen  unangenehmen  Beschwerden  des 
Plattfusses  gesellt  sich  nicht  selten  eine  schmerzhafte  Affektion 
der  grossen  Zehe  an  der  Innenseite  derselben,  entsprechend  dem 
inneren  kleinen  Höcker  an  der  Basis  der  Nagelphalanx,  der¬ 
jenigen  Stelle  also,  welche  eine  leichte  Vorbuckelung  bildet  und 
für  gewöhnlich  auch  der  Sitz  der  Hühneraugen  an  der  grossen 
Zehe  zu  sein  pflegt.  Es  handelt  sich  hierbei  um  einen  zirkum¬ 
skripten  entzündlichen  Keizzustand  des  Knochens  und  der 
Knochenhaut  als  Folge  abnormen  Drucks  dieser  Stelle  beim  Gehen 
und  Stehen.  Hervorgerufen  ist  diese  abnorme  Belastung  dadurch, 
dass  der  Fuss  in  solchen  Fällen  in  starker  Pronationsstellung  sich 
befindet  und  der  Schlussakt  der  Abwickelung  desselben  beim 
Gehen  daher  nicht  über  die  Unterfläche,  sondern  mehr  über  die 
innere  Seitenfläche  der  grossen  Zehe  vor  sich  geht.  In  einer 
bestimmten  Phase  des  Gehens  beim  Erheben  der  Ferse  muss  da¬ 
her  gerade  dieser  vorspringende  Höcker  den  grössten  Teil  der 
Körperschwere  und  den  Druck  des  harten  Bodens  und  des  Schuh¬ 
werks  aushalten  und  daher  schliesslich  durch  die  fortgesetzten 
mechanischen  Heize  in  den  geschilderten  entzündlichen  Zustand 
versetzt  werden.  Ich  bemerke  ausdrücklich,  dass  der  Zustand 
einzig  und  allein  auch  durch  nicht  sachgemäss  gefertigtes  Schuh¬ 
werk  hervorgerufen  werden  kann  und  dann  mit  dem  Plattfuss 
als  solchem  nur  in  einem  indirekten  Zusammenhang  steht.  Ein 
solches  Gehen  ist  nun  ausserordentlich  schmerzhaft,  oft  so  sehr, 
dass  bei  dem  naturgemässen  Bestreben,  diese  Stelle  von  dem 
übermässigen  Druck  zu  entlasten,  also  den  Fuss  mehr  in  Su¬ 
pinationsstellung  hinüber  zu  hebeln,  die  Supinatoren  des  Fusses 
und  die  Wadenmuskeln  in  krampfhafte  reflektorische  Kontraktur 
geraten,  unter  Umständen  bis  zu  einem  Grade,  dass  das  Gehen 
äusserst  mühsam,  ja  fast  ganz  unmöglich  werden  kann.  Es  ist 
dies  ein  Zustand  ganz  ähnlich  demjenigen  bei  der  sogen.  Meta- 
tarsalgie,  jener  schmerzhaften  Affektion  eines  oder  mehrerer 
Metatarsusköpfchen,  die  H  o  f  f  a  ebenfalls  als  nichts  anderes 
als  ein  P lattf ussymptom  deutet  durch  Aenderung  der  Belastung 
im  Fusskelett. 

Mir  hat  nun  in  solchen  und  ähnlichen  Fällen  folgendes  ein¬ 
fache  V  erfahren,  welches  ich  auch  an  mir  selbst  auszuprobieren 
Gelegenheit  hatte,  sehr  gute  Dienste  geleistet  und  meist  sofortige 
Hilfe  gebracht : 

Ich  nehme  einen  kleinen  Gummiring,  wie  er  zum  Bier¬ 
flaschenverschlusses  gebräuchlich  ist,  polstere  ihn  ein  wenig  mit 
Watte  und  befestige  ihn  durch  ein  paar  Heftpflasterstreifen  an 
die  Unterseite  des  Metatarsus  der  grossen  Zehe,  ein  klein  wenig 
nach  vorne  vom  Köpfchen  und  etwas  mehr  nach  der  Innenseite 
zu.  Man  schafft  sich  hiermit  eine  kleine  Prothese,  die  einerseits 
einen  neuen  Stützpunkt  für  den  Fuss  bildet,  andrerseits  aber 
auch  den  inneren  Fussrand  hebt  und  gleichzeitig  die  grosse  Zehe 
um  ihre  sagittale  Achse  etwas  nach  aussen  dreht,  wodurch  nun 
wieder  die  Abwickelung  des  Fusses  über  die  ganze  Unterfläche  der 
grossen  Zehe  unter  Vermeidung  der  schmerzhaften  Stelle  möglich 
wird.  Die  Schmerzen  und  die  krampfhaften  Kontrakturen  der 
Muskulatur  lassen  meist  sofort  nach.  An  den  leichten  Druck 
des  Gummirings  gewöhnt  man  sich  bald.  Die  kleine  Bandage 
braucht  nur  von  Zeit  zu  Zeit  erneuert  zu  werden  und  kann  oft 
nach  Beseitigung  des  entzündlichen  Reizzustandes  dann  ganz 
fortgelassen  werden. 

Mit  dem  gleichen  Erfolg  habe  ich  letztere  auch  bei  sonstigen 
schmerzhaften  Affektionen  des  Fusskeletts,  namentlich  im  Be¬ 
reich  der  Köpfchen  der  Metatarsi  bei  der  sogen.  Metatarsalgie  in 
Anwendung  gezogen.  Meist  wird  es  sich  hierbei  um  den 
II.  oder  III.  Metatarsus  handeln,  als  den  vorderen  Stütz- 

No.  47. 


punkt  des  Fusses  (v.  Mayer).  In  einem  solchen  Fall 
habe  ich  den  Ring  an  dieselbe  Stelle  wie  oben  an¬ 
geklebt  und  sofortige  Druckentlastung  und  Schmerzlosigkeit 
beim  Gehen  erzielt.  Im  einzelnen  Falle  muss  man  natürlich 
etwas  individualisieren  und  erst  die  richtige  Stelle  für  den  Ring 
herausprobieren.  Bei  der  Morton  sehen  Krankheit,  bei  wel¬ 
cher  es  sich  um  eine  anfallsweise  auftretende  Schmerzhaftigkeit, 
meist  am  Köpfchen  des  IV.  Metatarsus  handelt,  wird  sich  das 
Verfahren,  glaube  ich,  ebenfalls  mit  Nutzen  anwenden  lassen. 
Persönliche  Erfahrungen  hierüber  fehlen  mir. 


Aus  dem  deutschen  Krankenhause  in  Neapel. 

Ueber  Seemannsordnung  und  Geschlechtskrankheiten. 

Von  Dr.  C.  Graeser,  dirig.  Arzt. 

„Vorbeugung“  heisst  die  Parole  für  den  ganzen  immer  ener¬ 
gischer  und  mit  stetig  sich  bessernden  Hilfsmitteln  geführten 
Krieg  gegen  Infektionskrankheiten  und  deren  Verbreitung.  Vor¬ 
beugung,  und  wo  es  mit  dieser  zu  spät  ist,  jedenfalls  möglichst 
frühe  und  gründliche  Bekämpfung  des  Feindes. 

Es  hat  lange  gedauert,  bis  man  gewagt  hat,  auch  die  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  öffentlich  als  heimtückische,  mit  allen 
Mitteln  zu  bekämpfende  Gefahr  für  die  Volksgesundheit  zu  er¬ 
klären.  Nun  scheint  es  zu  tagen,  und  die  Offenheit  und  Klarheit, 
mit  der  Geheimrat  Neisser  im  Frauenverein  von  Breslau  über 
diese  Fragen  gesprochen  hat,  wird  hoffentlich  befreiend  und  vor¬ 
bildlich  wirken. 

Vieles  aber  bleibt  noch  zu  tun  und  tief  eilige  wurzelte  Vor¬ 
urteile  müssen  erst  überwunden  werden. 

Die  deutsche  Regierung  kämpft  mit  Nachdruck  für  Beseiti¬ 
gung  derselben,  wie  man  neuerdings  wieder  aus  einem  Schreiben 
des  Reichskanzlers  über  die  unheilvollen  Folgen  der  Geschlechts¬ 
krankheiten  und  die  Notwendigkeit  gemeinsamer  Bekämpfung  er 
sieht.  Sie  hat  aber  hartnäckige  Gegner  an  den  Krankenkassen 
und  gründlicher  Wandel  wird  erst  geschaffen  werden  durch  Aen¬ 
derung  des  Krankenversicherungsgestzes. 

Die  beiden  Brüsseler  internationalen  Kongresse  zur  Bekämpf 
ung  der  Geschlechtskrankheiten  (1899  und  jetzt  vom  1. — 6.  Sept. 
1902)  sind  ebenfalls  Fortschritte,  wenn  sie  auch  vorerst  wenig 
praktische  Resultate  ergeben  haben  und  noch  viel  zu  sehr  von 
theoretischen  Kämpfen  zwischen  „Reglementaristen“  und  „Abo 
litionisten“  widerhallten.  Sicher  aber  haben  sie  gezeigt,  dass  die 
jetzigen  Systeme  der  Reglementierung  und  Kontrolle  der  Pro¬ 
stitution  praktisch  wenig  Nutzen  stiften;  der  Verbreitung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  nur  geringen  Einhalt  tun.  Die  Vertreter 
Englands  und  Italiens  konstatierten  sogar,  dass  seit  der  Be¬ 
schränkung  der  Reglementierung,  in  Italien  durch  die  sogen,  lex 
Crispi,  und  die  vollständige  Aufhebung  derselben  in  England  die 
venerischen  Krankheiten  abgenommen  haben,  weil  die  Kranken 
sich  nun  nicht  mehr  scheuen  Hospitäler  aufzusuchen  und  dort  wie 
andere  Patienten  behandelt  werden. 

Ebensowenig  Erfolg  hat  die  strafrechtliche  Verfolgung  der 
venerischen  Ansteckung,  wie  sie  z.  B.  in  Norwegen  besteht  und 
wie  sie  in  Frankreich  und  Deutschland  auf  Antrag  der  Geschädig¬ 
ten  eingeleitet  wird.  Auf  dem  Kongress  wurde  sie  für  die  anderen 
Länder  ebenfalls  gefordert.  Eine  Einigung  konnte  aber  nicht  er¬ 
zielt  werden,  da  die  Erfahrung  aus  den  Ländern,  in  denen  sie  be¬ 
steht  dagegen  spricht,  was  aus  so  vielen  Gründen,  insbesondere  aus 
der  Schwierigkeit  des  Nachweises  - —  man  denke  nur  an  die  Unter¬ 
suchungen  von  Wertheim  über  Reinfektion  von  Gonorrhöe  — , 
und  aus  Gründen,  die  der  Scham  entspringen,  erklärlich  ist.  Als 
Hauptforderungen  des  Kongresses  wurden  darum  „individuelle 
Prophylaxe“  und  „soziale  Reformen“  aufgestellt,  um  der  Seuche 
wirksam  und  nachhaltig  entgegenzutreten,  und  die  darauf  zielen¬ 
den  einstimmig  angenommenen  Resolutionen  werden  hoffentlich 
nicht  ungehört  verhallen. 

Aber  praktisch  greifbare  Resultate  und  Reformen  kristalli¬ 
sieren  sich  langsam  nur  aus  dem  Meere  solcher  idealer  Forde¬ 
rungen  aus.  Was  sich  auskristallisiert  hat,  sollte  jedoch  mit 
aller  Kraft  und  allem  Nachdruck  dem  täglichen  Leben  dienstbar 
gemacht  werden.  Zu  diesen  Auskristallisierungen  möchte  ich 
Bl  aschkos  Vorschläge  vom  Brüsseler  Kongress  rechnen.  Er 
verlangt  die  absolut  unentgeltliche  Behandlung  aller  Geschlechts¬ 
krankheiten,  Abschaffung  der  Spezialhospitäler  für  Venerische  und 
Eingliederung  derselben  als  Sonderabteilungen  in  alle  Kranken¬ 
häuser,  Gründung  von  Ambulatorien  und  Polikliniken  in  Verbin¬ 
dung  mit  den  Krankenhäusern.  Diese  Vorschläge  sollten  doch 
praktisch  durchzuführen  sein,  sollte  man  denken. 

Ueber  deren  Nutzen  kann  wohl  kein  Zweifel  bestehen.  Der 
Staat  muss  vorausgehen,  indem  er  klare,  nicht  zu  umgehende  Ge¬ 
setze  fordert  und  deren  Ausführung  scharf  überwacht.  Diese 
müssen  den  venerisch  Erkrankten  ihr  Recht  zurückerobern,  auf 
die  Möglichkeit  wieder  zu  gesunden,  mit  dem  geringsten  Schaden 
für  die  eigene  Existenz  und  für  diejenige  der  Mitmenschen.  Alle 
anderen  Gesichtspunkte  und  idealen  Forderungen  müssen  zurück¬ 
stehen  vor  diesen,  die  sich  aus  dem  tatsächlichen  Leben  ergeben, 
welches  weder  mit  Resolutionen  noch  Gesetzparagraphen  aus  der 
Welt  zu  schaffen  ist.  Sieht  man  darüber  hinweg,  dass  die  Bekäm¬ 
pfung  der  Krankheit  in  erster  Linie  not  tut,  hinaus  auf  ex¬ 
treme  Zukunftswünsche,  so  ist  das  ähnlich,  als  ob  ein  Feldherr 

6 


No.  47. 


M  UENCIIENEK  MEDICIN 1  S/C 1 1 E  WOCHENSCHRIFT. 


iübö 


seiue  Armee  nur  auf  die  ferne  Hauptstadt  des  Feindes  dirigiert, 
während  hinter  seinem  Rücken  die  feindlichen  Heere  ungestraft 
sein  eigenes  Land  verwüsten.  Diese  Möglichkeit  ist  im  Kampfe 
gegen  die  Geschlechtskrankheiten  so  lange  gegeben,  als  nicht  die 
Krankenkassen  gezwungen  werden,  ihre  Sonderbestimmungen  zum 
Nachteil  der  von  venerischen  Krankheiten  Befallenen  aufzuheben 
und  dieselben  den  anderen  Krankheiten  vollkommen  gleicli- 
zustelleu. 

Nach  der  Zusammenstellung  Guttstadts1 * * *)  aus  den  Re¬ 
sultaten  der  auf  Veranlassung  des  preussischen  Kultus¬ 
ministeriums  an  die  approbierten  Aerzte  in  Preussen  ergangenen 
Umfrage  über  die  Zahl  der  am  30.  April  1900  im  ganzen  Staate 
wegen  venerischer  Krankheiten  in  Behandlung  gestandenen  Per¬ 
sonen  ersehen  wir,  dass  am  genannten  Tage  von  je  10  000  er¬ 
wachsenen  Personen  im  ganzen  Staate  überhaupt  18,46,  davon 
männliche  28,20,  weibliche  9,24  wegen  Geschlechtskrankheiten  be¬ 
handelt  wurden.  Natürlich  sind  diese  Zahlen  im  V  erhältnis  zu 
den  wirklich  an  venerischen  Krankheiten  Leidenden  viel  zu  gering, 
schon  im  Hinblick  darauf,  dass  ein  Drittel  der  Aerzte  die  Umfrage 
überhaupt  unbeantwortet  liess.  Neisser  schlägt  die  Zahl  aul 
2 — 3  Millionen  an  für  das  Reich.  Man  begreift  dies,  wenn  man 
Aveiss  *),  dass  unter  1000  im  Jahre  1899  in  sämtlichen  Kranken¬ 
häusern  behandelten  Personen 


litten  an 

Tuberkulose 

Typhus 

Diphtherie 

vener. 

j  Krankheiten 

Männliche  .  . 

52,5 

12,0 

14,4 

35,4 

Weibliche  .  . 

39,2 

13,2 

26,4 

56  0 

Hierbei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  nur  ein  geringer  Teil, 
Guttstadt  nimmt  an  5  von  100,  der  venerisch  Erkrankten  in 
Krankenhäusern  behandelt  werden  und  diese  sich  meist  aus  den 
niederen  Ständen  und  den  Prostituierten  rekrutieren,  während  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  unter  den  besseren  Ständen,  wenigstens  bei 
den  Männern,  fast  noch  mehr  verbreitet  sind.  Gerade  von  den 
Venerischen  sollten  möglichst  viele  der  geschlossenen  Anstalts¬ 
behandlung  unterzogen  werden  können,  um  einen  möglichst 
grossen  Prozentsatz  als  Ansteckungsvermittler  auszuschalten. 

Am  schlimmsten  sind  bisher  die  Verhältnisse  bei  den  See¬ 
leuten  gewesen,  denen  durch  ihren  Beruf  die  Ansteckung  leicht, 
die  Heilung  aber  manchmal  sehr  schwierig  gemacht  wird,  und  die 
als  Geschlechtskranke  von  jeder  Unterstützung  durch  Kranken¬ 
kasse  oder  Rheder  ausgeschlossen  waren  und  noch  sind. 

In  meiner  langjährigen  Thätigkeit  am  hiesigen  deutschen 
Krankenhause  konnte  ich  die  verderbliche  Wirkung  eines  eng¬ 
herzigen,  die  Geschlechtskranken  von  der  Wohltat  der  kostenlosen 
Behandlung,  Avie  sie  den  an  anderen  Krankheiten  Leidenden  zu 
Teil  wird,  zur  Genüge  beobachten.  Wenn  auch  die  neue,  am 
1.  April  1903  in  Kraft  tretende  deutsche  Seemannsordnung  hierin 
teilweise  Wandel  schafft,  so  ist  die  Verbesserung  doch  noch  nicht 
so  konsequent  und  klar  durchgeführt,  um  nicht  auf  Basis  der  Er¬ 
fahrung  mit  der  alten  Seemannsordnung  und  im  Hinblick  auf  so 
viele  Krankenkassen,  die  noch  ähnliche  Bestimmungen  haben,  eine 
Kritik  notwendig  zu  machen. 

Die  bis  zur  Ablösung  durch  das  vom  Reichstag  im  April  dieses 
Jahres  genehmigte  neue  Gesetz  gültige  Seemannsordnung  vom 
27.  Dezember  1872  sagt  in  §  50: 

Auf  den  Schiffsmann,  welcher  die  Krankheit  oder  Verwun¬ 
dung  durch  eine  unerlaubte  Handlung  sich  zugezogen  hat,  oder  mit 
einer  syphilitischen  Krankheit  behaftet  ist,  finden  die  §§  48  und  49 
(dass  der  Rheder  für  die  Heilungskosten  aufkommen  muss)  keine 
Anwendung. 

In  dem  diesem  entsprechenden  §  02  der  neuen  Ordnung  ist  nun 
allerdings  die  Einschränkung  wegen  syphilitischer  Erkrankungen 
weggelassen  und  heisst  es  nur,  dass  derjenige  Schiffsmann,  „wel¬ 
cher  die  Krankheit  oder  Verletzung  durch  eine  strafbare  Hand¬ 
lung  sich  zugezogen  hat“,  von  dem  Anrecht  auf  Verpflegung  und 
Heilbehandlung  auf  Kosten  des  Rheders  ausgeschlossen  ist.  Und 
in  einem  Nachsatz:  „ob  diese  Voraussetzungen  vorliegen,  ent¬ 
scheidet  vorläufig  das  Seemannsamt“. 

Das  ist  alles  noch  sehr  dehnbar  und  kann  gegebenen  Falls 
gegen  den  geschleclitskranken  Seemann  ausgenutzt  Avei'den,  be¬ 
sonders  in  Verbindung  mit  Absatz  5  des  §  70,  in  dem  es  heisst: 
„Der  Kapitän  kann  den  Schiffsmann  vor  Ablauf  der  Dienstzeit 
entlassen:  Wenn  der  Schiffsmann  mit  einer  geschlechtlichen 
Krankheit  behaftet  ist,  die  den  übrigen  an  Bord  befindlichen  Per¬ 
sonen  Gefahr  bringen  kann.  Ob  dies  der  Fall  ist,  bestimmt  sich, 
sofern  ein  Arzt  zu  erlangen  ist,  nach  dessen  Gutachten.“ 

Um  dieser  drohenden  Entlassung  mit  ihrer  Schande  und  ihren, 
besonders  in  der  Fremde  traurigen  Folgen  der  Ei'AArerbslosigkeit 
zu  entgehen,  Avird  der  Seemann  geradeso  wieder  zur  Verheim¬ 
lichung  und  Vernachlässigung  einer  venerischen  Infektion  ver¬ 
leitet,  wie  unter  der  früheren  Seemannsordnung.  Er  wird  geradeso 
wieder  selber  an  sich  herumquacksalbern,  zu  Apothekern  und  Ge- 
heimmittelschwindlern  laufen,  oder  sein  sauer  Arerdientes  Geld 
zu  jenen  Wunderdoktoren  tragen,  die  ihre  Zauberkuren  hier  in 


l)  Die  Verbreitung  der  Arenerischen  Krankheiten  in  Preussen; 

A-on  Prof.  Dr.  A.  Guttstadt.  Zeitschr.  des  Königl.  Preuss. 

Statist.  Bureaus.  Ergänzungsheft  XX.  Berlin  1901. 

"•)  Guttstadt.  , 


Neapel  z.  B.  in  allen  Strassenpissoirs  in  verlockenden  Ver¬ 
sprechungen  angeschlagen  haben  und  mit  übergrossen  Lettern  auf 
mächtigen  Tafeln  an  den  TramAvagen  anpreisen.  Er  Avird  gerade¬ 
so  Avieder,  Avie  bisher,  aus  Aerger,  Verzweiflung  oder  Leichtsinn 
sich  betrinken,  Avenn  er  ans  Land  kommt;  vom  Alkohol  zur  Dirne 
taumeln  und  die  Infektion  weiter  verbreiten.  Vor  kurzem  Avurde 
mir  vom  Konsulat  ein  Maschinist  eingeliefert,  der  Avegen  ver¬ 
eiterten  Bubonen  ins  Krankenhaus  wollte,  sich  aber  vorher  noch 
einen  Henkersrausch  angetrunken  hatte  und  von  einer  Dirne  mit¬ 
geschleppt  worden  war.  Während  des  Aktus  Avar  ein  Bubo  ge¬ 
platzt.  Er  hatte  mit  der  Dirne  sich  herumgezankt,  Aveil  sie  ihm 
das  ganze  Geld,  das  er  zur  Heilung  verwenden  wollte,  abgenommen 
hatte  und  war  so  zum  Konsulat  gekommen. 

Und  das  Avar  gar  kein  verkommenes  Subjekt,  wie  sich  in 
seiner  Hospitalzeit  zur  Genüge  herausstellte,  sondern  ein  stiller, 
ernster  Mann,  den  Verbitterung  über  sein  Pech  so  Aveit  gebracht 
hatte  und  der  vor  Scham  fast  verging  nachher. 

Dagegen  mit  „sittlichen  Forderungen"  kämpfen  und  ideale 
Wünsche  über  geschlechtliche  Enthaltsamkeit  predigen  ist  ja  sehr 
schön.  Zum  Erfolg  aber  muss  man  die  Menschen  umstimmen  und 
die  sozialen  Verhältnisse.  Das  aber  erfordert  schwere  Arbeit,  die 
nur  langsam  zu  bewältigen  sein  Avird,  ATon  deren  Forderungen  nur 
zu  leicht  Heuchelei  und  Verheimlichung  grossgezogen  und  als 
Heilung  angesehen  werden,  gleich  dünnen  Ueberhäutuugen  bei  bös¬ 
artigen  Geschwüren,  unter  deren  trügerischer  Decke  die  Krank¬ 
heit  um  so  schlimmer  Aveiterwuehert. 

Hafenstädte  sind  überall  reich  an  Verführung.  Das  Angebot 
übertrifft  hier  die  Nachfrage  bei  Aveitem.  Beim  Matrosen,  der 
Wochen  und  Monate  lang,  oft  unter  Gefahr  und  Entbehrung  ein 
hartes,  nüchternes  Leben  geführt  hat,  platzt  das  angesammelte 
Lustbedürfnis  roh  und  gewalttätig  sobald  er  an  Land  kommt. 
Wenn  ihm  darum  die  Befriedigung  so  leicht  wird,  wie  es  in  Hafen¬ 
städten  der  Fall  ist,  wenn  der  Widerstrebende  noch  mit  allen 
niederen  Künsten  der  Sinneserregung  A7on  Schleppern,  Wirten  und 
schamlosen  Dirnen  verführt  wird,  so  ist  es  kein  Wunder,  dass  das 
Fleisch  GeAA'alt  kriegt  auch  über  einen  besseren  Willen.  Man  muss 
Kapitäne  und  Schiffsoffiziere  erzählen  hören,  Avie  es  kaum  möglich 
ist,  Dirnen  von  Bord  zu  halten.  Unter  Avelchen  Verkleidungen  sie 
zu  ihren  Opfern  zu  gelangen  suchen:  als  Wäscherinnen,  Ver¬ 
käuferinnen,  unter  Gesang  und  Tanz.  Sogar  als  fromme  Bettel¬ 
nonnen,  Avie  es  in  Neapel  vorkam.  Wie  sie  Nachts  lautlos  gleich 
Ratten  an  Davids  und  Tauen  auf  Deck  klettern,  ohne  dass  die 
Wachen  sie  bemerken  können.  Man  muss  diese  Tatsachen  kennen, 
um  die  Ungerechtigkeit  eines  Gesetzes  einzusehen,  das  dem  armen 
Teufel,  Aveleher  der  Verführung  erlegen  ist,  die  Befreiung  von  den 
harten  Folgen  des  kurzen  Genusses  erschwert  und  ihn  zu  einer  Ge¬ 
fahr  ausAvaclisen  lässt  für  seine  Umgebung,  ln  den  Tropen  ist 
die  Verführung  noch  gefährlicher.  Da  rankt  sich  ein  Hauch  atou 
Poesie  darum  und  das  Fremde  reizt,  ln  Java  kommen  blumen¬ 
geschmückte  Boote  Aroll  junger,  knospender  Mädchen,  halbnackt 
oder  nur  in  lose  bunte  Gewänder  gehüllt,  langseit  und  umkreisen 
die  Schiffe  Avie  gierige  Haifische.  Diese  Blumenmädchen  mit  ihren 
Kindergesichtern  und  ihren  grossen,  dunkeln  Augen  Averden  an 
die  Matrosen  vermietet.  Für  Wochen  oft.  Und  sie  dienen  ihm 
nicht  allein  zur  Befriedigung  der  Sinne.  Sie  sorgen  für  ihn, 
Avaschen,  bügeln  und  flicken  für  ihn  und  geben  ihm  einen  Hauch 
von  jenem  Behagen,  das  dem  Menschen  so  Avohl  tut,  Avenn  er 
wochenlang  in  Sturm  und  Wetter  harte  Arbeit  leisten  musste; 
geben  als  Ausgleich  ihm  aber  auch  jene  schweren  Formen 
venerischer  Erkrankungen,  die  sich  entAvickeln,  avo  die  Krankheits¬ 
erreger  auf  neuen,  frischeren  Nährboden  geraten.  Der  arme 
Teufel,  der  nach  Gefahr  und  harter  Arbeit  dem  Avohligen  Behagen 
erliegt,  soll  geächtet  Averden  und  brodlos  gemacht  —  nur  Aveil 
er  zufällig  eine  kleine  Abschürfung  hatte  oder  eine  feinere,  leichter 
reissende  Haut,  Avelche  den  Krankheitskeimen  freie  Bahn  zur  Ein- 
Avanderung  gab?  Er  soll  geächtet  Averden,  während  sein  Nachbar, 
der  der  gleichen  Sünde  gefröhnt,  den  aber  sein  dickeres  Fell  vor 
Ansteckung  bewahrt  hat,  unbehelligt  ihn  auslacht?  Ist  er  nichl 
bestraft  genug  durch  Schmerz  und  Krankheit  und  die  bösen 
Folgen?  Muss  das  Gesetz  ihn  noch  zur  Verzweiflung  und  zu 
neuem  Leichtsinn  treiben  und  zu  einer  Gefahr  auSAvachsen  lassen 
für  Unschuldige? 

Ich  habe  Erfahrung  gesammelt  am  hiesigen  Krankenhause 
über  die  traurigen  Konsequenzen  der  Aechtung  der  Geschlechts¬ 
kranken.  Aus  Angst,  ihr  Brot  zu  verlieren,  lügen  sie  den  Arzt 
oder,  wo  keiner  ist,  den  I.  Offizier,  der  meist  als  Medizinmann 
an  Bord  fungiert,  an,  um  unter  irgend  einer  Form,  die  nicht  als 
„selbstverschuldete  Krankheit“  angesehen  werden  kann,  ins 
Hospital  an  Land  zu  gelangen.  Natürlich  wählen  sie  Uebel,  die 
objektiv  schAver  festzustellen  sind:  unbestimmte  Leibschmerzen, 
Kopfweh  und  mit  Vorliebe  Rheumatismus.  Anfänglich  —  ehe  ich 
den  Rummel  kannte  —  glaubte  ich  natürlich  diesen  Angaben  und 
auch  der  A7erneinenden  Antwort  wegen  sexueller  Infektion,  und 
sah  mir  die  in  Betracht  kommende  Gegend  oft  nicht  genauer  an. 
Durch  Krankenwärter  oder  von  den  schmerz-  und  angstgepeinigten 
Kranken  selber  erfuhr  man  dann  die  Wahrheit,  nachdem  ein 
Scliänkergeschwür  schon  ausgebreitete  Verheerungen  angerichtet 
hatte. 

Manche  versuchen  durch  künstlich  hervorgerufene  Entzün¬ 
dungen  an  den  Augen  oder  durch  Reiben  mit  Sand  und  Kohle  an 
einem  Knie  sich  den  Weg  zum  Krankenhaus  zu  bahnen,  um  un¬ 
verdächtig  ihre  Geschlechtskrankheit  heilen  zu  können. 

Ein  Schiffsoffizier  wurde  mir  unter  der  Diagnose  „Sonnen¬ 
stich“  eingeliefert.  Er  war  während  der  Wache  beim  Verlassen 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1967 


der  Brücke  bewusstlos  zusammengestürzt.  Die  Ursache  aber  war 
c.ne  Ilodenentzundung.  Durch  eine  Bewegung  des  Schilfes  war  er 
heltig  mit  den  Hoden  an  die  Kante  des  Treppengeländers  ge 
stossen.  Der  Schmerz  hatte  ihn  ohnmächtig  gemacht  Aus  AnKt 
mr  d™  Folgen  aber  hatte  er  die  Ursache  und  den  Ort  des  Schmel¬ 
zes  verschwiegen  wie  er  schon  vorher  sich  selber  behandelt  “nd 

gehe?  wollte.  ^  muhSam  s5ch  quäIend’  weil  er  nicht  zum  Arzt 

Ein  anderer  Schiffsoffizier  wurde  aufgenommen,  weil  er.  wie 
ail^ab:  bei.“  Zahneputzen  Karbolsäure  statt  Zahntinktur  in  die 
Spülflüssigkeit  gegossen  und  sich  so  den  Mund  verbrannt  hatte 
Die  Untersuchung  ergab  syphilitische  Papeln  an  den  Mundwinkeln' 
ausgebreitete  Angina,  teilweise  mit  geschwürigem  Zerfall  an  den 
"nd  a"f  den  Tonsillen;  Papeln  am  Kehldeckel  und 
-eheilt  Stimmbandei'n-  Den  Primäraffekt  hatte  er  sich  selber 


Harnröhrenverätzungen  durch  kritiklose  Einspritzungen  mit 
\  erdunnter  Karbolsaure  und  anderen  ätzenden  Flüssigkeiten  mit 
allen  für  die  Patienten  so  qualvollen  Erscheinungen  kommen 
öfter  vor  und  werden  erst  gebracht,  -wenn  Schmerz  und  Schwellung 
und  unerträgliche  TTrinbeschwerden,  Hodenentzündungen  oder  Bu¬ 
bonen  die  Deute  arbeitsunfähig  machen.  Es  ist  kaum  zu  glauben 
was  diese  Kranken  Schmerzen  anshalten  können,  nur  um  ihre 
Krankheit  zu  verheimlichen.  Ich  erinnere  mich  an  den  Fall  eines 
Stewarts,  der  trotz  doppelseitiger  Bubonen  seinen  Dienst  versah 
und  als  die  vereiterten  Drüsen  platzten,  einfach  eine  wollene 
Jacke  dar  über  stopfte  und  weiter  arbeitete  bis  ein  ausgebreitetes 
Erysipel  ihn  zu  uns  brachte.  Wenn  man  bedenkt,  wie  wenig  rein¬ 
lich  solche  Menschen  sind,  dass  sie  erst  mit  den  Händen  an  ihren 
Eiterherden  herumarbeiten  und  dann  bei  Tisch  bedienen,  so  wird 
man  sicher  nach  Massregeln  suchen  müssen,  die  solche  Vor¬ 
kommnisse  verhüten.  Aehnlich  war  es  mit  einem  Koch  der 
wochenlang  seine  Schankergeschwüre  mit  Borwasser  und  Watte 
behandelte  und  dabei  für  die  Offiziersmesse  kochte. 

Auffallend  viele  Bubonen  bekommen  wir  immer  ins  Kranken¬ 
haus.  W  enn  ich  auch  nicht  behaupten  will,  dass  bei  sacligemässer 
Frühbehandlung  der  Grundkrankheit  alle  Drüsenvereiterungen  ver¬ 
mieden  werden  könnten,  so  werden  sie  aber  doch  sicher  "um  ein 
Gutteil  vermindert  werden. 


Tn  pestverdächtigen  oder  Pestplätzen  kann  es  Vorkommen  — - 
und  ist  vorgekommen  — ,  dass  Seeleute  mit  Leistendrüsenentzün¬ 
dungen  peinliche  Untersuchungen  und  Quarantänen  durchmachen 
mussten,  nur  weil  sie  eine  venerische  Infektion,  die  sich  nachher 
doch  als  vorhanden  erwies,  hartnäckig  leugneten. 

Diese  wenigen  Fälle  mögen  als  Beispiele  für  die  traurigen 
Konsequenzen,  welche  sich  aus  der  durch  ein  ungerechtes  Gesetz 
grossgezogenen  Verheimlichung  von  venerischen  Krankheiten  er¬ 
geben.  genügen. 


Nun  kommt  aber  nur  ein  Teil  der  Erkrankten  wirklich  in 
Behandlung.  (Trotzdem  gingen  von  den  deutschen  Dampfern,  die 
im  Winter  den  Verkehr  im  Golf  besorgen,  durchschnittlich  10  bis 
Ö5  Proz.  der  Mannschaft  als  geschlechtskrank  durch  meine  Hände.) 
Die  übrigen,  soweit  sie  nicht  zu  anderen  Aerzten,  aber  noch  lieber 
zu  Apothekern  oder  Reklamespezialisten  gehen,  schleppen  sich 
durch  bis  nach  Hause  oder  haben  sich  erst  im  letzten  Hafen  in¬ 
fiziert.  Mustern  nun  diese  im  Heimatshafen  ab,  ohne  nochmals 
einer  Kontrolle  unterzogen  zu  werden,  und  kommen  nach  Hause 
-  manche  hinaus  aufs  Land,  wo  der  Mensch  den  Arzt  überhaupt 
inst  ruft,  wenns  ans  Sterben  geht  — ,  so  kann  man  ermessen  was 
sie  für  eine  Gefahr  bilden. 


Eine  Statistik  der  venerischen  Erkrankungen  bei  der  Handels- 
mar.ine  muss  sehr  schlechte  Resultate  ergeben,  was  Quantität  und 
Qualität  der  Infektion  betrifft.  Man  kann  dies  ans  einem  Ver- 
gleich  mit  dem  Vorkommen  der  Geschlechtskrankheiten  bei  der 
kaiserlichen  Marine  ersehen,  bei  der  trotz  Belehrung  und  scharfer 

Kontrolle  —  die  in  der  Handelsmarine  fehlt  —  im  Jahre  1807 _ 08 

auf  1000  Mann  119,7  Erkrankungen  kamen,  während  in  der  gleich¬ 
zeitigen  Periode  im  Heer  auf  10  000  Mann  nur  210  Fälle  festgestellt 
wurden.  Die  Ansteckungsmöglichkeit  ist  für  den  Angehörigen  der 
Kriegsmarine,  der  in  aller  Welt  Häfen  herumkommt,  eine  viel 
grössere,  als  für  den  Soldaten  des  Landheeres,  trotz  eiserner  Dis¬ 
ziplin  und  TJeberwachung.  Sie  steigt  natürlich  beim  Matrosen  der 
Handelsmarine  um  den  Prozentsatz,  der  sich  aus  dem  viel  lockereren 
Verhältnis,  in  dem  er  zu  seinen  Vorgesetzten  steht,  dem  Mangel 
an  Kontrolle,  dem  kürzeren  Aufenthalt  in  der  Heimat  und  dem 
der  Verführung  viel  leichter  gemachten  Verkehr  mit  ihrem  Opfer 
ergibt. 

Mit  um  so  grösserer  Konsequenz  muss  also  darauf  hin- 
gearbeitet  werden,  diese  Übeln  und  gefährlichen  Zustände  einiger- 
massen  zu  paralysieren. 

Im  Vergleich  zu  den  diesbezüglichen  Gesetzen  der  meisten 
anderen  seefahrenden  Nationen  bedeutet  die  neue  deutsche  See¬ 
mannsordnung.  wie  schon  gesagt,  eine  Verbesserung.  Aber  sie 
genügt  nicht  ad  rem.  Sie  lässt  dem  Rheder  und  den  Kassen  immer 
noch  Möglichkeiten,  sich  der  Verantwortung  gegen  die  Volks¬ 
gesundheit  zu  entschlagen.  Und  dass  sie  ungünstig  für  den  ge- 
schleehtskranken  Seemann  wird  ausgelegt  werden  können,  zeigt 
°m  Vergleich  mit  dem  französischen3)  „Code  de  Com¬ 
merce“. 


8)  Die  Mitteilungen  über  die  Seemannsordnungen  der  einzelnen 
Staaten  verdanke  ich  der  grossen  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 

I  rof.  B  a  u  e  r,  Direktor  des  internationalen  Arbeitsamtes  in  Basel, 

dem  ich  hiermit  meinen  besonderen  Dank  aussprechen  möchte. 


Diesel  kennt  ebenfalls  in  der  Theorie  keinen  Unterschied 
zwischen  syphilitischen  und  anderen  Erkrankungen  In  der  Aus- 
legung  die  er  aber  für  die  Praxis  erfährt,  heisst  es  in  der  be¬ 
treffenden  Mitteilung  des  „Directeur  du  Travail“  A  Fontaine 
nehmen  schon  die  juristischen  Schriftsteller,  von  den  älteren,  wie 
\  a  1  i  n  und  Emerigon  an,  bis  zu  dem  modernen  Desiardins 
einen  solchen  Unterschied  an  und  die  Gerichte  urteilen  mit  wenigen 
Ausnahmen  zu  Gunsten  des  Rheders.  ,,En  resume“,  schliesst  der 
Bericht,  „si,  en  droit  et  ä  la  lettre  de  l’art.  262  du  Code  de  Com¬ 
merce,  l’armateur  est  tenu  de  traiter  et  de  repatrier  le  marin 
debarque  pour  cause  de  maladie-  syphilitique,  en  fait  il  echappe  ä 
cette  Obligation,  gräce  ä  la  distinction  faite,  pour  l’application  de 

se  texte,  par  les  auteurs,  les  tribuneaux  et  mon  Administration 
elle-meme. 

Der  italienische  „Codice  marittimo“  befreit  im  8  538  den 
Rheder  von  jeder  Verpflichtung  gegenüber  Krankheiten’  die  der 
Seemann  aus  eigenem  Verschulden  —  und  darunter  werden  die 
venerischen  Krankheiten  immer  gerechnet  —  sich  zugezogen  hat 
bestimmt  allerdings,  dass  der  Kapitän  dem  Kranken  die  Kur¬ 
kosten  vorschiessen  muss. 


In  der  neuen  österreich-ungarischen  Seemannsord¬ 
nung,  die  sich  auf  die  neue  deutsche  Vorlage  stützt,  sollen  nur 
Krankheiten,  die  durch  eine  „gesetzlich  untersagte  Handlung“  zu¬ 
gezogen  sind,  ausgeschlossen  sein.  Tatsächlich  aber  muss  der 
Syphilitische  die  Heilungskosten  selber  tragen. 

Das  holländische  Handelsgesetzbuch  erwähnt 
die  venerischen  Krankheiten  nicht  besonders,  legt  aber  alle  Aus¬ 
gaben  für  Krankheiten  zu  Lasten  des  Kranken,  die  sich  dieser 
..nicht  im  Dienste  des  Schiffes“  oder  durch  eigene  Schuld  zu¬ 
gezogen  hat.  Damit  sind  natürlich  die  Geschlechtskranken 
jeden  Schutzes  beraubt. 

-p.  ™eu£rbssde  seefahrende  Nation.  England,  ist  noch  härter. 
...as  . *  1 *  £  ba^  nur  für  Unglücksfälle  im  Dienste  aufzukommen; 

für  jede  Krankheit  hat  der  Mann,  so  lange  er  Geld  hat  selber 
zu  zahlen.  Ist  er  mittellos,  so  zahlt  die  Regierung. 

In  A  merika  scheinen  überhaupt  keine  gesetzlichen  Be¬ 
stimmungen  über  diese  Frage  zu  existieren.  Wenigstens  wusste 
man  auf  dem  amerikanischen  Konsulat  in  Neapel  nichts  davon 
und  meinte  der  betreffende  Beamte,  das  sei  der  kontraktlichen 
(Jebereinkunft  zwischen  Seeleuten  und  Kapitän,  den  sogen,  ships- 
articles  uberlassen. 

Das  schwedische  Seegesetz  gibt  dem  Kapitän  das  Recht, 
einen  venerischen^  Kranken  sofort  zu  entlassen:  geschieht  dies 
nicht,  so  hat  der  Kranke  bloss  Anrecht  auf  Bezahlung  für  die  Zeit 
der  Dienstleistung,  und  die  Kosten  für  seine  Verpflegung  und 
seinen  Unterhalt  werden  ihm  abgezogen.  Verschleppung.  Verheim¬ 
lichung  und  Weitertragen  der  Infektion  werden  auf  diese  Weise 
last  zwangsweise  gezüchtet. 

Klai  und  präzis  und  die  grosse  Gefahr,  welche  aus  der  Aus- 
schliessung  der  venerischen  Krankheiten  von  den  Wohltaten  der 
freien  Behandlung  für  die  Gesamtheit  entspringt,  wohl  erwägend, 
sind  nur  die  diesbezüglichen  Bestimmungen  in  Dänemark 
Schon  vom  10.  April  1874  existiert  dort  ein  Gesetz,  betreffend  „Ver¬ 
anstaltungen  zur  Verhütung  der  Ansteckung  vernerischer  Krank¬ 
heiten  .  Es.  enthält  u.  a.  folgende  Bestimmungen:  „Personen, 
die  an  venerischen  Krankheiten  leiden,  sind,  ohne  Rücksicht  da- 
lauf,  ob  sie  im  stände  sind,  die  Kosten  ihrer  Genesung  selbst  zu 
tragen  oder  nicht,  berechtigt.  Kur  und  Pflege  auf  Rechnung  des 
Staates  zu  erhalten,  wie  sie  auch  verpflichtet  sind,  sich  einer 
solchen  Pflege  zu  unterziehen,  es  sei  denn,  dass  sie  dartun.  sich 
einer  gebührenden  ärztlichen  Behandlung  unterworfen  zu  haben: 
sind  die  Verhältnisse  der  Personen  von  solcher  Beschaffenheit, 
dass  Ueberführung  auf  andere  Personen  nicht  ohne  ihre  Entfer¬ 
nung  auf  genügende  Weise  vorzubeugen  ist.  oder  befolgen  sie 
nicht  die  ihnen  zur  Verhütung  der  Ansteckung  cregebenen  Vor- 
schliffen,  müssen  sie  in  ein  Krankenhaus  eingelegt  werden.“ 

Was  hier  im  Jahre  1874  schon  auf  gestellt  wurde,  als  das 
deutsche  Krankenversicherungsgesetz  noch  nicht  geboren  war, 
sollte  jetzt,  nachdem  man  die  Erfahrungen  des  Krankengesetzes 
hat,  wenigstens  auf  keinen  Widerspruch  mehr  stossen.  Im  Gegen¬ 
teil  noch  verbessert  und  verschärft  werden. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  nicht  die  Regierung  der  Hemmschuh. 
Das  preussische  Ministerium  für  Medizinalangelegenheiten  tritt 
seit  Jahren  in  seinen  Rundschreiben  für  Gleichstellung  der  Ge¬ 
schlechtskranken  mit  den  anderen  Kranken  von  Seiten  der 
Krankenkassen  ein.  Sie  verlangt  dies  schon  aus  dem  Grande, 
weil  die  Ausschliessung  nicht  im  Einklang  steht  mit  den  Bestim¬ 
mungen  des  Krankenversiohemngsgesetzes.  In  einem  Ministerial¬ 
erlass  vom  6.  April  1893  heisst  es  hierüber:  „Zahlreiche  Gemeinde- 
Krankenversicherungen  und  Krankenkassen  verweigern  ihren  an 
venerischen  Krankheiten  leidenden  Mitgliedern  jede  Kranken¬ 
unterstützung.  Dies  steht  nicht  im  Einklänge  mit  den  Bestim¬ 
mungen  der  §§  6a  Abs.  1  Ziff.  2  und  26  a  Abs.  2  Ziff.  2  des 
Krankenversicherungsgesetzes  in  der  Fassung  vom  10.  April  1892 
fiR.-G.-Bl.  S.  417),  wonach  die  Gemeinden  und  die  Ortskranken- 
kassen  bei  solchen  Krankheiten  nur  zur  Kürzung  oder  Entziehung 
des  Krankengeldes  und  auch  hierzu  nur  dann  berechtigt  sind, 
wenn  die  Krankheit  die  Folge  geschlechtlicher  Aus¬ 
schweifungen  ist:  der  Verpflichtung  zur  unentgeltlichen 
Gewährung  von  ärztlicher  Behandlung,  Arzneien  u.  s.  w.  (§  6 
Abs.  1  Ziff.  1,  §  20  Abs  1  Ziff.  1  des  Gesetzes  in  der  Fassung 
vom  10.  April  1892)  sich  aber  überhaupt  nicht  entziehen  können.“ 
(Guttstad  t.) 


6* 


1968 


MUENCHENER  MEDICINISpiIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Der  Erlass  ist  vom  Jahre  1893.  Im  Jahre  I900  existierten 
allein  in  Berlin  noch  47  Krankenkassen  mit  66  961  H’tgliedei  , 
welche  den  venerisch  Erkrankten  kein  Krankengeld  bev\  nligü  n. 
Die  Folgen  für  die  Volksgesundheit  kann  man  berechnen,  wenn 
man  erfährt,  dass  im  Jahre  1898  von  10  000  Mitgliedern  des  ' Ge¬ 
werkkrankenvereins  in  Berlin  687,5  Männer  und  lo4,9  a'  - 
Geschlechtskrankheiten  litten.  Auch  diese  Zahlen  geben  natmlicli 
nur  einen  Bruchteil  der  tatsächlich  vorgekommenen  Falle,  wie  De 
allen  solchen  Aufstellungen.  Sie  genügen  aber,  um  ein  vorurteils¬ 
freies  und  energisches  Einschreiten  gegen  diese  4  olksseucl^ 
ebenso  zur  Pflicht  zu  machen,  wie  es  bei  Typhus,  Diphtheiie  u 
anderen  Infektionskrankheiten  schon  lange  als  selbstvei  stündlich 

angenommen  ist.  ,  , _ ,. 

Was  für  die  Landkrankenkassen  billig  und  notwendig  ist, 
sollte  für  den  Seemann  noch  dreimal  mehr  recht  sein,  weil  da  die 
Verhältnisse  viel  schlimmer  liegen.  Zum  Glück  wäre  aber  gei  < 
hier  _ _  wenn  es  mit  der  nötigen  Konsequenz  in  die  Hand  ge¬ 

nommen  würde  —  ein  Einschreiten  weit  leichter  möglich,  als  bei 
den  meisten  anderen  Berufsarten:  die  Seeleute  können  kontiollier 
und  so  lange  sie  Avenigstens  in  Dienst  stehen,  unter  steter  Au 1  - 
sicht  gehalten  werden.  Zur  inneren  Berechtigung  dieser  Aufsicht 
muss '  die  Gleichstellung  der  venerischen  Krankheiten  mit  den 
anderen  Erkrankungen  im  Genüsse  der  Wohltaten  der  Kianken 
Versicherungen  streng  durchgeführt  und  die  Mannschaften  darub  1 
und  über  die  Gefahren  der  betreffenden  Krankheiten  belehrt 
Averden,  wie  es  bei  der  Kaiserlichen  Marine  geschieht.^  Der  Be¬ 
lehrung  wäre  ein  „Merkblatt  für  Geschlechtskrankheiten  ),  wie  s 
in  höchst  verdienstlicher  W'eise  eben  von  der  belgischen  Regierung 
an  die  Bevölkerung  verteilt  Avorden  ist,  sicher  von  grossem  Vorteil. 
Alle  Gründe  zur  Verheimlichung,  besonders  solche,  die  der  Scham 
und  Angst  vor  Brandmarkung  entspringen,  müssen  nach  Möglich¬ 
keit  beseitigt  Averden,  damit  die  Verheimlichung  selbst  strafbar  ge¬ 
macht  werden  könnte. 

Bei  der  Ausmusterung  muss  die'  Mannschaft  genau  uutei- 
suclit  werden,  so  dass  Erkrankte  sofort  dem  Krankenhaus  uber¬ 
geben  Averden  können.  Erfahrungsgemäss  opfern  die  Seeleute, 
bevor  sie  den  Gefahren  der  Reise  mit  ihren  oft  langen  Ent¬ 
behrungen  entgegengehen,  ausgiebig  Bacchus  und  der  Frau  Venus. 
Das  ist  psychologisch  erklärlich.  I11  den  ersten  Tagen  nach  der 
Ausfahrt  wäre  also  eine  jedesmalige  Generalmusterung  von  Nöten, 
die  je  nach  dem  dazwischen  erteilten  Landurlaub  alle  8—14  läge 
wiederholt  würde.  Dadurch  wäre  man  im  stände,  die  besonders 
bei  Gonorrhöe  so  Avertvolle  Frühbehandlung  cinzuleiten. 

Auf  Schiffen  ohne  Arzt  müssen  die  Untersuchungen  durch  den 
Kapitän  oder  1.  Offizier  vorgenommen  werden,  die  daraufhin  noch 
mehr  als  bisher  auszubilden  Avären.  Auch  das  an  Bord  jedes 
Schiffes  sonst  sehr  praktische  ärztliche  Hilfsbüchlein  müsste  über 
Geschlechtskrankheiten  noch  genauere  Aufklärungen  enthalten. 


Man  muss  nicht  glauben,  die  Verantwortung  damit  in  widex- 
Avillige  oder  gleichgültige  Hände  zu  legen.  Ich  habe  immer  ge¬ 
funden.  dass  die  Schiffsoffiziere  sich  in  bewundernswerter  Weise 
ihrer  Untergebenen  annahmen,  sie  pflegten  und  avo  sie  es  irgend 
konnten,  die  harten  Bestimmungen  der  Seemannsordnung  mil¬ 
derten.  Sie  kennen  das  Leben  besser  als  die  Leute  der  Schreib¬ 
stube.  Sie  haben  mit  ihrer  Mannschaft  Not  und  Tod  in  die  Augen 
gesehen  und  wissen  aus  eigener  Erfahrung,  Avelche  Reaktionen 
Entbehrung  und  überstandene  Gefahren  hervorrufen  und  xvie  die 
Verführung  in  den  Hafenstädten  auf  Schritt  und  Tritt  diesen  ent¬ 
gegenkommt. 

Geschlechtskranke  oder  der  Krankheit  Verdächtige  sollten 
daher  keinen  Landurlaub  erhalten  und  tunlichst  in  ein  geeignetes 
Krankenhaus  untergebracht  werden.  In  den  Hafenplätzen  sollte 
die  Strassen  und  Schiffe  unsicher  machende  vagierende  Pro¬ 
stitution  streng  unterdrückt  und  die  Prostituierten  in  jeder  Kon¬ 
trolle  zugängliche  Häuser  interniert  werden.  Internationale  Be- 
stimmungon  hierüber  wären  anzustreben. 

Die  Untersuchungen  Neissers  u.  a.  haben  bekanntlich  er¬ 
geben,  wie  mühselig  und  kaum  durchführbar  eine  wirklich  der  In¬ 
fektion  einigermassen  vorbeugende  ärztliche  Kontrolle  der  Pro¬ 
stituierten  ist.  Die  betreffenden  öffentlichen  Häuser  sollten  bei 
Androhung  sofortiger  Schliessung  und  Bestrafung  der  Schuldigen, 
im  Falle  wiederholter  Klagen,  angewiesen  Averden,  geeignete  Mass- 
regeln  zur  Untersuchung  der  das  Haus  frequentierenden  Männer  zu 
treffen.  Solche  Bestimmungen  würden  sicher  die  Verhältnisse 
bessern. 

Jedenfalls  ist  aber  der  Kampf  gegen  die  Krankheit  und 
die  ausgiebigste  Eröffnung  von  —  im  Notfall  zAvangsweise  durch¬ 
zuführender—  Heilungsmöglichkeiten  die  nächstliegende 
Forderung  zur  Verminderung  der  Gefährdung  und  zur  Verbesse¬ 
rung  der  Volksgesundheit. 

Höherstrebende  „sittliche  Forderungen“  und  Veredelungs¬ 
versuche  der  Menschheit  dürften  zum  mindesten  diesen  Bestre¬ 
bungen  nicht  entgegenarbeiten.  Wenn  es  brennt,  muss  man 
löschen  und  nicht  über  Verbesserung  des  Hauses  sich  beraten. 

Die  Seeleute  selber  aber  werden  unter  der  Rückwirkung  dieser 
Kontrollen  und  Zwangsbehandlungen  ihre  Hemmungen  etwas  dis¬ 
ziplinieren  und  vernünftige  Belehrung  wird  der  Gleichgültigkeit 
und  dem  Leichtsinn  einigermassen  steuern. 


Erfahrungen  in  der  ärztlichen  Praxis  bei  Chinesen. 

Von  Dr.  Pertlies  in  Leipzig. 

Im  folgenden  sollen  einige  Erfahrungen  mitgeteilt  werden, 
welche  im  Jahre  1901  bei  ärztlicher  Tätigkeit  an  Chinesen  in 
Peking  geAvonnen  wurden.  Als  Ergänzung  einer  an  anderei 
Stelle1)  erfolgten  Veröffentlichung  einzelner  Punkte  von  speziell 
chirurgischem  Interesse,  sollen  sie  mehr  solche  allgemein  medi¬ 
zinische  Beobachtungen  bieten,  welche  wegen  der  Eigenart  des 
verwerteten  Materials  vielleicht  auch  jetzt  noch  von  Interesse 

Die  Erfahrungen  Avurden  gemacht  an  einer  mit  Hilfe  der 
Londoner  Mission  eingerichteten  Poliklinik  mit  kleiner  Kranken 
Station,  welche  in  gewisser  Weise  die  Erneuerung  eines  früher 
von  der  Londoner  Mission  mit  gutem  Erfolge  unterhaltenen, 
dann  von  den  Boxern  zerstörten  Chinesenhospitals  darstellte. 
Das  trotz  der  politischen  Verhältnisse  rasch  Avaclisende  Zutrauen 
desi  chinesischen  Publikums  —  nicht  nur  der  unteren  Stände 
zu  der  fremden  Wissenschaft  äusserte  sich  in  der  raschen  Zu¬ 
nahme  der  Frequenz  der  Poliklinik.  Nach  Ausweis  des  geführten 
Journals  gingen  derselben  während  meiner  sechsmonatlichen 
Tätigkeit  1115  Patienten  zu,  eine  Zahl,  die  immerhin  einen  ge¬ 
wissen  Einblick  in  die  bei  der  Pekinger  Bevölkerung  herrschen¬ 
den  Krankheiten  gestattete,  um  so  mehr,  als  es  doch  allermeistens 
ernstlichere  Beschwerden  waren,  die  den  Chinesen  zum  fremden 
Arzte  trieben.  Erfreulicherweise  äusserte  sich  das  Zutrauen 
auch  durch  die  Einwilligung  zu  Operationsvorschlägen,  die  nicht 
öfters  abgelehnt  Avurden,  als  es  auch  in  Deutschland  der  Fall  zu 
sein  pflegt.  Ja,  ich  kam  sogar  in  die  Lage,  von  Chinesen  un¬ 
nötigerweise  gewünschte  Operationen  meinerseits  abzulehnen. 

Die  bei  den  Operationen  angewendeten  Chloroform  n  a  r  - 
k  o  s  e  n  verliefen  im  allgemeinen  auffallend  ruhig,  ohne  En 
zitationsstadium,  wohl  deshalb,  Aveil  statt  Alkoholizis  der  Ifiee 
das  Nationalgetränk  bildet  und  der  Genuss  von  Reiswein  oder 
Hirse-  (Kauliang-)  Schnaps  doch  keine  grosse  Verbreitung  hat, 
Besonders  rasch  schienen  die  Opiumraucher  narkotisiert  zu 
werden.  Das  Opiu  111  spielte  in  der  ärztlichen  Tätigkeit  keine 
ganz  unbedeutende  Rolle.  Das  zum  Rauchen  verwandte  Opium 
(von  sirupähnlicher  Konsistenz)  bildet  eingenommen  das  belieb¬ 
teste  Mittel  zum  Selbstmord  und  Selbstmordversuchen.  Wieder¬ 
holt  Avar  durch  Magenausspülung  rechtzeitig  Hilfe  zu  bringen. 
Das  Opiumrauchen  wird  zuweilen  zunächst  nicht  nur  des  Genusses 
Avegen  betrieben,  es  dient  A7ielmelir  auch  als  Medikament  gegen 
alle  möglichen  Krankheiten,  und  die  Fälle  sind  nicht  selten,  in 
denen  der  Patient,  der  zuerst  die  Wirksamkeit  des  Opiumrauchens 
gegen  Husten  und  Durchfall  erprobt  hat,  zum  leidenschaftlichen 
Opiumraucher  geworden  ist.  Das  Bild,  das  ein  alter  Opiumraucher 
darbietet,  die  blasse  Gesichtsfarbe,  das  fortwährende  Gähnen,  die 
schlaffen  Gesichtszüge,  der  Ausdruck  der  Energielosigkeit  ist  be¬ 
kannt.  Unmittelbar  nach  dem  Opiumrauchen  aber  macht  sich 
eine  anregende  Wirkung  des  Narkotikums  geltend,  der  Gesichts¬ 
ausdruck  wird  lebhaft,  die  Leute  sind  gesprächig  und  ihre  Lei¬ 
stungsfähigkeit  scheint  zu  steigen  —  so  wie  bei  unseren  Mor¬ 
phinisten  nach  der  Injektion.  Bei  alten  Opiumrauchern  sieht  man 
zuweilen  grosse  Dekubitusiiarben  auf  den  Trochantern  \on  dei 
beim  Rauchen  lange  eingenommenen  Seitenlage  auf  der  steinernen 
Lagerstelle  —  dem  Kang.  Wiederholt  wurde  um  ein  Mittel  gegen 
dier  Gewohnheit  des  Opiumrauchens  gebeten.  Es  geschah  aber 
nicht  deshalb,  weil  das  Opium  Gesundheit  und  Leistungsfähigkeit 
der  Betreffenden,  sondern  nur,  Aveil  es  das  Vermögen  ruinierte. 
Es  ist  nichts  Ungewöhnliches,  dass  für  einen  Dollar  (2  Mark) 
Opium  am  Tage  verbraucht  wird,  eine  ganz  enorme  Ausgabe. 
Avenn  mau  bedenkt,  dass  ein  Chinese  für  den  zehnten  Teil  dieser 
Summe  bequem  seinen  Lebensunterhalt  bestreiten  kann.  Ich 
überwachte  Opiumeutzieliungen  bei  der  Londoner  Mission,  ohne 
dass  Abstinenzerscheinungen,  die  aber  zuweilen  auch  recht  be¬ 
deutend  sein  sollen,  aufgetreten  Avären. 

Unter  den  Verletzungen  bot  das  Resultat  der  chine¬ 
sischen  Prügelstrafe  ein  häufiges  und  charakterisch.es  Bild.  In¬ 
folge  der  25,  50  .oder  100  Hiebe  —  100  ist  Maximaldosis  — ,  die 
mit  dem  Bambus  auf  die  Mitte  der  Hinterseite  der  Oberschenkel, 
nur  bei  Strafverschärfung  auf  das  Gesäss,  des  liegenden  Delin¬ 
quenten  verabfolgt  A\rerden,  erscheint  die  geAvöhnlich  etwa  hand¬ 
flächengrosse  getroffene  Partie  zunächst  blaurot  verfärbt,  nach  Ab¬ 
lauf  von  2  Tagen  schwarz,  von  einem  roten  Hof  umgeben.  Die 
Partie  wird  nekrotisch  und  die  granulierende  Fläche,  welche  nach 
Abstossung  des  Nekrotischen  hinterbleibt,  erfordert  etwa  3  Mo¬ 
nate  zur  Heilung,  so  dass  die  Prügelstrafe  wesentlich  wegen  der 
lange  dauernden  Folgen  empfindlich  ist. 

Extrahierte  Fremdkörper  waren  öfters  spezifisch^  chi¬ 
nesisch.  So  wurde  aus  dem  Rektum  eines  Chinesen  ein  8,5  cm 
langer,  4,5  cm  dicker  Flaschenkürbis  entfernt.  Der  Patient  hatte 
sich  dieses  hantelförmige  Gebilde,  das  ein  beliebtes  Spielzeug  der 
Chinesen  ist,  wohl  wegen  Hämorrhpidalbeschwerden  eingeschoben. 
—  Ein  20  jähriger  Kuli  wurde  gebracht,  weil  er  seit  24  Stunden 


fl  Vergl.  Münch,  med.  Wocheusclir.  1902.  No.  3*1,  S.  1509. 


fl  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie  Bd.  LX11I,  S.  75. 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1969 


nicht  mehr  im  stände  war,  auch  nur  einen  Schluck  Wasser  hinab¬ 
zubringen.  Die  Schlundsonde  stiess  auf  einen  unüberwindlichen, 
jedoch  nicht  harten  Widerstand  und  neben  dem  linken  Sternokleido 
fühlte  man  in  der  Tiefe  hinter  dem  Manubriuin  sterni  undeutlich 
eine  Resistenz.  Bei  der  Oesopliagotomie  fand  sich,  noch  gerade 
von  der  Wunde  aus  zu  erreichen,  in  Sehnenfetzen  eingebettet  ein 
Knochen,  der  sich  als  ganze  Patella  eines  Schweines 
erwies.  Nur  durch  die  landesübliche  Art  des  Essens,  bei  der  die 
Nahrung  aus  kleinen  Näpfen  unter  Nachhilfe  der  Esstäbclien  ge¬ 
schlürft  wird,  ist  das  Hineingeraten  so  grosser  Bissen  in  den 
Oesophagus  zu  verstehen.  Die  Oesophagus  wunde  wurde  über 
einer  durch  die  Nase  eingeführten  Schlundsonde  genäht,  dann 
tamponiert.  Doch  verblieb  zunächst  eine  Fistel,  die  in  B  Wochen 
vollkommen  geschlossen  war.  Ein  chinesischer  Ax*zt,  welcher  den 
Patienten  sah  und  um  seine  Therapie  im  analogen  Falle  gefragt 
wurde,  äusserte,  er  würde  einen  Hund  an  den  Beinen  aufhängen, 
den  aus  dem  Munde  fliessenden  Saft  sammeln  und  diesen  dem 
Patienten  zu  trinken  geben.  Ob  er  mit  dem  Magensaft  des  Hundes 
den  Knochen  verdauen  sollte? 

Als  chinesische  Gewerbekrankheit  kann  das  Hygroma 
acromiale  auf  dem  Akromion  mancher  wassertragenden  Kulis 
uud  die  Tendovaginitis  crepitans  am  Tibialis  anticus  bei  einzelnen 
Jiurikscha-Leuten,  die  mehrere  Stunden  am  Tag  die  Rikscha 
(Wagen  für  eine  Person)  im  Trabe  zu  ziehen  haben,  bezeichnet 
werden. 

Ein  34 jähriger  Eunuche  kam  zur  Operation  wegen  kom¬ 
pletter  Urinretention.  Skrotum  und  Penis  fehlten.  Unter  spär¬ 
lichen  Schamhaaren  fand  sich  eine  feste  Narbenfläche,  in  deren 
Mitte  eine  auch  für  die  feinste  Sonde  gänzlich  impermeable  Oeff- 
nung  nur  mit  mit  Mühe  gefunden  werden  konnte.  Die  Blase  war 
ad  maximum  gedehnt.  Nach  Exstirpation  der  Narbenmassen 
wurden  zwei  seitliche  brückenförmige  Lappen  gebildet  und  diese 
an  die  aus  der  Tiefe  herauspräparierte  Urethra  angenäht.  Der 
Erfolg  Avar  gut,  besonders  da  das  so  neu  gebildete  Örificium  ex- 
ternum  urethrae  mit  einem  vom  chinesischen  Silberarbeiter  ver¬ 
fertigten  Silberbougie  weiterhin  dilatiert  wurde.  —  Der  Mann 
hatte  selbst  die  Kastration  etwa  1  Jahr  zuvor  an  sich  vor¬ 
genommen.  um  für  sich  und  seine  Familie  den  verhältnismässig 
reichen  Lohn  der  kaiserlichen  Eunuchen  (15  Dollars  pro  Monat) 
zu  gewinnen.  Nach  der  mir  von  meinen  chinesischen  Gehilfen  ge¬ 
gebenen  glaubhaften  Schilderung  ist  das  Verfahren  bei  dieser 
Kastration  so,  dass  die  gesamten  Genitalien  mit  einem  Strick  um¬ 
wickelt  werden,  der  an  einen  Pfosten  angebunden  wird.  Der 
Kandidat  des  Eunuchentums  spannt  durch  Zurücklehnen  den 
Strick  an  und  ein  rascher  Schnitt  trennt  die  Genitalien  von  dem 
Körper.  An  der  Blutung,  die  durch  Kompression  von  einem  Ge¬ 
hilfen  gestillt  wird,  sollen  nur  wenige  sterben,  wohl  aber  infolge 
von  Urinretention  einige  Tage  nach  dem  Akte.  Narbenstrikturen 
wie  in  unserem  Fall  sind  ein  ganz  gewöhnlicher  Folgezustand  bei 
den  Ueberlebeuden.  Die  abgetrennten  Genitalien  werden  sorg¬ 
fältig  aufbewalrrt  uud  bei  jeder  Bewerbung  um  Anstellung  muss 
der  Betreffende  seine  Geschlechtsteile  in  konserviertem  Zustande 
vorweisen.  Nach  dem  Tode  werden  sie  von  den  Anverwandten 
mit  in  den  Sarg  gelegt,  damit  der  Geist  des  Verstorbenen  sich 
wieder  des  Besitzes  dieser  Organe  erfreuen  möge.  *) 

Unter  den  Tumoren  flel  —  auch  schon  auf  der  Strasse  — 
die  Häufigkeit  grosser  Geschwülste  in  der  Nähe  der  Parotis  auf. 
Es  erklärt  sich  das  offenbar  aus  dem  langsamen  Wachstum  und 
der  relativen  Gutartigkeit  dieser  Geschwülste,  die  eine  beträcht¬ 
liche  Grösse  erreichen  können  und  in  China,  wo  im  allgemeinen 
nicht  operiert  wird,  immer  erreichen,  ehe  sie  ihren  Träger  zu 
Grunde  richten.  Eine  derartige  Geschwulst  aus  der  Wange,  die 
exstirpiert  und  mikroskopisch  untersucht  wurde,  hatte  den  Bau, 
wie  man  ihn  an  den  Mischgeschwülsten  in  der  Nähe  der  Speichel¬ 
drüse  auch  hierzulande  zu  finden  gewohnt  ist,  und  auch  sonst 
fand  sich  an  den  Geschwülsten  nichts  von  den  bekannten  kli¬ 
nischen  und  pathologischen  Befunden  Abweichendes.  Dass  unter 
5  Fällen  von  Karzinom,  die  überhaupt  zur  Beobachtung  kamen, 
vier  Peniskarzinome  waren,  ist  vielleicht  doch  mehr  wie  ein  Zu¬ 
fall.  3  von  diesen  wurden  nach  der  von  Thiersch  angegebenen 
Methode  mit  Verlagerung  des  Urethralstumpfes  hinter  das  Skrotum 
operiert,  eine  Methode,  die  für  chinesische  Patienten  deshalb  be¬ 
sonders  geeignet  erscheint,  weil  der  Chinese  schon  sowieso  im 
Hocken  Urin  lässt.  2  mal  sah  ich  grosse  Aneurysmen  bei  jungen 
Leuten  und  führte  ihre  Entstehung  auf  eine  früher  überstandene 
Lues  mit  Wahrscheinlichkeit  zurück.  (Aneurysma  der  Art.  tem- 
poralis  bei  einem  30  jährigen,  Aneurysma  der  Art.  poplitea  bei 
einem  43  jährigen,  Spontanruptur,  Exstirpation,  plötzlicher  Tod 
am  6.  Tage,  wahrscheinlich  an  Embolie  der  Lungenarterie.) 

Den  bei  Chinesen  sehr  häutigen  Hautkrankheiten 
wurde  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet;  Herr  Stabsarzt  Dr. 
Waldeyer  (damals  im  2.  ostasiatischen  Feldlazarett  Peking), 
welcher  über  eine  spezialistische  dermatologische  Ausbildung  ver¬ 
fügt,  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  eine  Reihe  von  Hautkranken 
auf  meine  Bitte  zu  untersuchen.  Es  fanden  sich  neben  den  sehr 
häufigen  Fällen  von  Skabies,  von  Schmutzekzemen,  von  Ulcera 
cruris  und  syphilitischen  Hautaffektionen  auch  andere  bei  uns 
bekannte  Formen:  Prurigo,  Impetigo,  Contagiosa,  Erythema  ex¬ 
sudativum  multiforme,  Lichen  ruber,  Pityriasis  rosea,  Lupus 
erythematodes;  es  fand  sich  aber  nichts,  was  als  spezifisch  chi- 


2)  Aehnliches  berichtet  Korsakow:  Deutsche  med.  Wochen¬ 
schrift  1898,  No.  21,  ferner  G.  Meyer:  Münch,  med.  Wochenschr. 
1902,  No.  44.  S.  1870. 


nesische  Hautaffektion  anzusprechen  gewesen  wäre.  Lepra  scheint 
in  Peking  nicht  vorzukommen.  Hervorgehoben  zu  werden  ver¬ 
dient  die  grosse  Häufigkeit  des  Favus  und  des  Herpes  tonsurans, 
Krankheiten,  die  infolge  der  in  China  bei  dem  männlichen  Ge¬ 
schlecht  herrschenden  Sitte,  die  vordere  Hälfte  des  behaarten 
Kopfes  zu  rasieren,  von  den  auf  allen  Strassen  ihr  Gewerbe  be¬ 
treibenden  Raseuren  weiterverbreitet  werden. 

Die  Infektionskrankheiten  boten  nicht  soviel  von 
unserem  klinischen  Materiale  Abweichendes,  als  sich  hätte  er¬ 
warten  lassen.  Diphtherie  und  Scharlach  verliefen  so  wie  bei  uns. 
Nach  der  Häufigkeit  der  Pockennarben  zu  schliessen,  muss  die 
Variola  in  China  noch  schweren  Schaden  tun,  trotzdem  die  Chi¬ 
nesen  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  die  Vaccination  an¬ 
genommen  haben.  In  Tungchon  fand  sich  ein  Tempel,  in  welchen 
von  den  Müttern  Geschenke  gestiftet  waren,  um  einen  günstigen 
und  heilbringenden  Verlauf  der  Impf pocken  bei  ihren  Kindern  zu 
erzielen.  —  Von  der  Tuberkulose  kamen  mannigfaltige  Formen 
zur  Beobachtung  an  Lunge  und  Pleura,  der  Haut,  den  Lymph- 
drüsen  und  dem  Knochensystem.  Aber  die  klinische  Beobachtung 
und  zum  Teil  auch  die  mikroskopische  Untersuchung  der  durch 
Operation  gewonnenen  Präparate  (Tub.  testis,  verkäste  Drüsen) 
ergab,  dass  der  Tuberkelbazillus  auf  dem  chinesischen  Nährboden 
pathologisch  und  klinisch  genau  dieselben  Produkte  hervorbringt 
wie  bei  der  kaukasischen  Rasse.  Dysenterie  scheint  nach  der 
Zahl  der  Fälle  chronischen  Durchfalls  mit  Blutabgang,  die  der 
Poliklinik  zugingen,  nicht  ungewöhnlich.  Dass  sie  nicht,  noch 
häufiger  ist,  beruht  offenbar  darauf,  dass  das  Wasser  fast  nur 
in  gekochtem  Zustande  als  Thee  genossen  wird.  In  Tientsin  wird 
von  Chinesen  auch  gekochtes  Wasser  verkauft.  Bessere  chinesische 
Haushaltungen  sollen  nur  dieses  verwenden.  Von  der  Malaria 
sah  ich  bei  Chinesen  fast  nur  chronische  Formen  bei  Kindern, 
deren  hervorstechendstes  Symptom  in  kolossalen  Milztumoren  be¬ 
stand.  Bemerkenswert  ist  nun,  dass  eine  gewisse  Beziehung  von 
Noma  zu  Malaria  zu  bestehen  scheint.  Zu  Beginn  der  heissen 
Zeit,  Ende  April  und  Mai  1901,  kamen  rasch  hintereinander 
4  Fälle  typischer  Noma  an  Wange  oder  Lippe  zur  Behandlung 
(Kinder  von  1,  1  y2  und  3  Jahren,  ein  Knabe  von  16  Jahren).  Bei 
allen  wurde  berichtet,  dass  seit  längerer  Zeit  (1,  4,  5  Monate  und 
2  Jahre)  eine  Krankheit  mit  Fieber  bestehe,  bei  allen  fand  sich 
ein  sehr  beträchtlicher  Milztumor.  Einer  englischen  Kollegin, 
Dr.  L.  S  a  v  i  1 1  e,  welche  seit  längerer  Zeit  in  Peking  bei  der 
Londoner  Mission  Frauen  und  Kinder  behandelt,  war  das  Zusammen¬ 
vorkommen  von  Noma  und  Milztumor  als  ganz  gewöhnlich  be¬ 
kannt.  Es  scheint  sich  diese  in  China  offenbar  nicht  seltene  Affek¬ 
tion  in  ähnlicher  Weise  auf  dem  Boden  der  Malaria  zu  entwickeln, 
wie  sie  in  den  bei  uns  beobachteten,  ganz  vereinzelten  Fällen  an 
Masern,  Typhus  oder  andere  akute  Infektionskrankheiten  sich  an- 
zuschliessen  pflegt.  Trotz  energischer  Kauterisation  ging  in  drei, 
allerdings  schon  weit  fortgeschrittenen  Fällen  die  Gangrän  un¬ 
aufhaltsam  weiter,  in  dem  vierten  Falle,  in  welchem  am  dritten 
Tage  der  Krankheit  der  gesammte,  erst  markstückgrosse  Herd 
zur  Untersuchung  inzidiert  und  die  Wunde  dann  kauterisiert 
wurde,  schien  der  Eingriff  zuerst  von  Erfolg  zu  sein,  doch  blieb 
das  Kind  dann  aus  der  Behandlung  fort.  Bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  der  Schnittpräparate  fand  sich  an  der  Grenzzone 
der  Gangrän  und  in  dem  anstossenden  Gebiet  der  noch  lebenden 
Gewebe  ein  dichtes  Filzwerk  von  fadenförmigen  Mikroorganismen. 
Die  Fäden  sind  meistens  von  ganz  enormer  Feinheit,  oft  spirillen¬ 
ähnlich  gewunden  und  so  dicht  gedrängt,  dass  sie  bei  ungeeigneter 
Färbung  als  Gewebsbestandteile  erscheinen.  Es  finden  sich  aber 
auch  stärkere  Fäden  und  daneben  vielfach  an  den  Enden  zu¬ 
gespitzte,  leicht  gekrümmte,  bazillenähnliche  Gebilde.  Da.  der¬ 
selbe  Faden  oft  an  verschiedenen  Stellen  verschiedene  Stärke  auf¬ 
weist,  so  halte  ich  für  bewiesen,  dass  die  Fäden  verschiedenen  Ka¬ 
libers  Wuchsformen  eines  und  desselben  Mikroorganismus  sind. 
Es  sprechen  viele  Befunde  dafür,  dass  auch  die  bazillenähnlichen 
Gebilde,  die  ganz  den  von  Bernheim3)  bei  Stomatitis  ulcerosa 
in  Symbiose  mit  Spirillen  gefundenen  Formen  gleichen,  auch  nichts 
anderes  sind  als  spindelförmige  Anschwellungen  oder  Endkolben 
an  den  feinen  Fäden4),  so  dass  wir  in  dem  Gebiete  des  Fort¬ 
schrittes  der  Krankheit  nur  verschiedene  Erscheinungsformen  des¬ 
selben  Keimes  vor  uns  hätten.  Jedenfalls  war  der  bakterio¬ 
logische  Befund  der  Fälle  von  Noma  in  Peking  genau  der  gleiche, 
nie  ich  ihn  in  Deutschland  bei  mikroskopischer  Untersuchung  an 
nunmehr  10  Fällen  erheben  konnte. 

Sehr  häufig  sind  unter  Chinesen  die  venerischen  Infektions¬ 
krankheiten.  Ganz  besonders  bildeten  schwere  Formen  tertiärer 
Syphilis  einen  wesentlichen  Bestandteil  des  poliklinischen  Ma¬ 
terials.  Wesentliche  Unterschiede  gegenüber  der  europäischen 
Lues  schienen  nicht  zu  bestehen,  wenn  auch  so  ausg-edelinte  und 
tiefgreifende  Ulzerationen  durch  zerfallene  Gummigeschwülste, 
wie  sie  einzelne  Patienten  an  Rumpf  und  Beinen  aufwiesen, 
in  Europa  selten  zur  Beobachtung  kommen  dürften.  Der  Grund 
für  die  schwere  Form  der  Krankheit  liegt  offenbar  nicht  an  einer 
besonderen  Bösartigkeit  der  chinesischen  Syphilis,  sondern  an  der 
mangelhaften  Behandlung.  Allerdings  kennen  auch  chinesische 
Aerzte  den  Wert  des  Quecksilbers.  Sie  verordnen  pulverförmiges 
Quecksilberamalgam  zum  Einreiben  in  beide  Leisten-  und  Achsel- 


3)  Bernheim:  Ueber  einen  bakteriologischen  Befund  bei 
Stomatitis  ulcerosa.  Centralbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  XXIII,  S.  177. 

4)  Vergl.  die  Abbildung  Arcli.  f.  klin.  Chirurg.  1899,  Bd.  59. 
Tafel  II,  Fig,  5  u.  6. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


1970 


gegenden.  Systematisch  durchgeführt  wird  aber  diese  Quecksilber¬ 
ig  nr  wohl  nie. 

Der  Gebrauch  des  Quecksilbers  ist  einer  der  wenigen  Punkte, 
in  welchen  an  der  ärztlichen  Kunst  der  Chinesen,  zu  der  ich  zum 
Teil  durch  meine  chinesischen  Gehilfen,  zum  Teil  durch  Bekannt¬ 
schaft  mit  zwei  chinesischen  Aerzten  Beziehung  fand,  etwas 
Rationelles  entdeckt  werden  konnte.  Sonst  fehlt  zu  einer  ver¬ 
nünftigen  Diagnostik  und  Therapie  fast  alles.  Alle  inneren  Krank¬ 
heiten  werden  ausschliesslich  durch  das  Fühlen  des  Pulses  be¬ 
urteilt.  Die  Medikamente  sind  meistens  pflanzlicher  oder  tierischer 
Herkunft.  Der  chinesische  Arzt  verordnet  aus  den  chinesischen 
Apotheken  in  langen,  roten  Rezepten  meist  eine  Mischung  sehr 
vieler,  verschiedener  Ingredienzien.  Bei  dem  Besuche  einer  chine¬ 
sischen  Droguengrosshandlung,  welche  die  zahlreichen  Apotheken 
Pekings  mit  Rohmaterialien  versorgt,  fand  ich  von  mir  bekannten 
Stoffen  nur  Rhabarber,  Süssholz,  Cortex  Granati  (als  Wurm¬ 
mittel),  Apfelsinenschalen,  Salmiak,  Schwefeleisen  in  Kristallen, 
Talg  und  Quecksilber,  daneben  eine  Unzahl  unbekannter,  unter 
denen  besonders  die  aus  dem  Tierreiche  stammenden:  giftige 
Käfer  (welche  äusserlich  Blasen  ziehen,  innerlich  Erbrechen  er¬ 
regen  sollen),  getrocknete  Kröten  und  Seepfei'dclien,  sowie  Skor¬ 
pione  auffielen.  Von  den  in  grossen  Mengen  vorrätigen  Skorpionen 
wird  das  die  Giftdrüse  enthaltende  Schwanzende  abgebrochen  und 
nur  der  Rest  des  Körpers  (!)  in  pulverisiertem  Zustande  verwandt. 

Das  Instrumentarium  des  chinesischen  Arztes  besteht  fast 
ausschliesslich  aus  langen  Punktionsnadeln,  welche  an  genau  be¬ 
stimmten  Stellen  des  Körpers  eingestossen  werden,  z.  B.  bei  Ge¬ 
burtshindernissen  genau  drei  Zoll  oberhalb  der  Malleolen.  Die 
Punkte,  an  denen  ich  bei  meinen  Patienten  derartige  ganz  zweck¬ 
lose  Punktionen  ausgeführt  fand,  waren  dieselben,  wie  sie  in  den 
rohen  Abbildungen  eines  im  kaiserlichen  Palaste  Vorgefundenen 
30  bändigen  Medizinbuches  aus  dem  17.  Jahrhundert  verzeichnet 
waren.  Während  man  also  auf  der  einen  Seite  zu  der  Ueber- 
zeugung  gelangt,  dass  die  ärztliche  Kunst  der  Chinesen  auf  einer 
unglaublich  niedrigen  Stufe  steht,  so  hatte  ich  doch  auf  der 
anderen  Seite  Gelegenheit,  mich  über  das  Geschick  und  das  Ver¬ 
ständnis  für  ärztliche  Dinge  bei  3  schon  früher  bei  der  Londoner 
Mission  als  „dispensars“  tätigen  Chinesen  zu  wundern.  Das  Aus¬ 
führen  einfacher  Rezepte,  Verbände  und  selbst  kleiner  Operationen 
konnte  ihnen  wohl  überlassen  werden.  Nach  derartigen  Er¬ 
fahrungen,  die  auch  an  den  deutschen  und  englischen  Missions¬ 
spitälern,  z.  B.  in  Hongkong,  gemacht  sind,  würde  es  —  wenn  man 
allein  die  Anlagen  in  Betracht  zieht  —  nicht  wesentlich  schwerer 
sein,  Chinesen  zu  wirklichen  Aerzten  heranzubilden,  als  es  bei  den 
Japanern  der  Fall  gewesen  ist. 


lieber  Erfolge  mit  Tuberkulinbehandlung  nach 
Goetschschem  Verfahren. 

Von  Dr.  W.  Roemisch  in  Arosa. 

(Schluss.) 

Das  Resultat,  das  sich  mir  aus  diesen  Krankengeschichten 
ergehen  hat,  ist  folgendes: 

Fall  1  verlor  während  der  Tuberkulinkur  den  tuberkelbazillen¬ 
haltigen  Auswurf,  in  gleicher  Weise  verschwanden  die  Rassel¬ 
geräusche  und  näherte  sich  das  Atmen  mehr  find  mehr  dem  Nor¬ 
malen  bei  guter  Gewichtszunahme.  Fall  2,  der  vom  Hausarzt, 
entgegen  meiner  Ansicht,  schon  als  geheilt  betrachtet  worden 
war,  reagierte  während  der  Behandlung  mehrmals  sehr  heftig; 
es  trat  wieder  Auswurf  auf,  in  dem  sich  Tuberkelbazillen  fanden, 
trotzdem  führte  der  Patient  die  ihn  sehr  beängstigende  Kur  zu 
Ende,  mit  ebenso  günstigem  Erfolge  wie  Fall  1. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  haben  diese  beiden  Fälle  trotz  ihres 
günstigen  Verlaufes  für  mich  keine  Beweiskraft.  Sie  zeigen 
aber  jedenfalls,  dass  man  in  derartigen  hartnäckigen  Erkran¬ 
kungsfällen  mit  noch  guter  Prognose  mit  gutem  Gewissen  die 
Tuberkulinkur  einleiten  kann. 

Fall  3  beobachtete  jedesmal  am  Morgen  nach  der  Injektion 
eine  wesentliche  Verstärkung  des  Auswurfs.  Die  Untersuchung 
des  letzteren  bestätigte  dies :  er  war  eitriger  und  massiger,  um 
am  nächsten  Tage  wieder  abzunehmen.  Nach  der  einzigen  Re¬ 
aktion  am  Ende  der  Kur  verschwanden  die  Tuberkelbazillen 
aus  dem  Auswurfe,  die  bei  den  hohen  Dosen  vorher  schon  für 
kurze  Zeit  verschwunden  waren,  nachdem  sie  vorher  lVi  Jahr 
lang  bei  jeder  Untersuchung  nachzuweisen  gewesen  waren.  Wenn 
dies  auch  noch  kein  definitives  Verlieren  des  Auswurfs  war,  so 
war  die  Verbesserung  des  letzteren  und  des  Befundes  doch  eine 
so  unverkennbare,  dass  der  Patient  unbedingt  versuchen  wird, 
die  definitive  Ausheilung  durch  Wiederholung  der  Tuberkulinkur 
anzustreben.  Die  charakteristische  Einwirkung  der  Injektionen 
auf  den  Auswurf  zeigte  in  gleicher  Weise  Fall  8;  nach 
anfänglicher  deutlicher  Verschlechterung  des  Befundes  trat 
hier  allmählich  eine  Besserung  mit  gleichzeitiger  Verminderung 
des  Sputums  ein,  wie  ich  sie  hier  durchaus  nicht  erwartet  hatte. 


Die  Fälle  4,  5,  6  und  7  zeigten  ebenfalls  jeder  einen  Fort¬ 
schritt,  der  jeden  früher  erreichten  wesentlich  übertraf  und  der 
für  mich  durchaus  überraschend  war. 

Meine  Ueberzeugung,  dass  die  erzielte  Besserung  in  diesen 
6  Fällen  dem  Tuberkulin  zugeschrieben  werden  muss,  gründet 
sich  darauf,  dass  in  allen  Fällen,  den  einzigen  dieser  Art, 
die  ich  injiziert  habe,  die  Behandlung  von  einem  Erfolge  be¬ 
gleitet  war,  den  ich  nach  meinen  Erfahrungen  hier  nicht  mehr 
erwarten  konnte,  und  ferner  darauf,  dass  die  Reaktionen, 
die  ich  trotz  vorsichtiger  Behandlung  nicht  ganz  vermeiden 
konnte,  und  die  stets  nach  1 — 2  Tagen  einem  völligen  Wohl¬ 
befinden  und  einer  normalen  Temperatur  ge  wichen  waren,  jedes¬ 
mal  von  einer  Besserung  des  Befundes  gefolgt  waren.  Es  war 
mir  dies  etwas  ganz  Unerwartetes,  ich  suchte  die  Reaktionen 
ja  ängstlich  zu  vermeiden.  Die  Patienten  (und  gerade  die  etwas 
stärker  Reagierenden,  wie  Fall  3,  5,  6,  8)  gaben  mir  dies  zum 
Teil  selbst  an,  und  einige  von  ihnen  baten  mich  —  allerdings 
umsonst  —  starke  Reaktionen  bei  ihnen  herbeizuführen.  Dies 
stimmt,  wie  ich  späte:  gesehen  habe,  ganz  mit  den  Erfahrungen 
Petruschky  p  überein,  der  in  seinen  Vorträgen  zur  Tuber¬ 
kulosebekämpfung  (Leipzig,  Leineweber,  1900)  p.  16  die 
Lokalreaktionen  für  notwendig  zur  Erzielung  eines  Erfolges  hält 
und  darum  rät,  sich  immer  an  der  Grenze  zu  halten,  deren  Ueber- 
schreitung  Allgemeinreaktion  bedingen  würde.  Die  Erklärung 
Petruschkys  für  die  günstige  Wirkung  der  Lokalreaktionen, 
dass  „die  erzielte  lokale  Hyperämie  der  erkrankten  Organe  eine 
wichtige  Rolle  spielt“  und  dass  es  „kein  Mittel  gibt,  das  in  sub¬ 
tilerer  Weise  wie  das  Tuberkulin  eine  lokale  Hyperämie  überall 
da  setzt,  wo  Erkrankungsherde  sich  befinden“  (1.  c.  p.  72),  scheint 
mir  sehr  beachtenswert. 

Ich  habe  oben  über  alle  Tuberkulosefälle  berichtet, 
bei  denen  ich  die  Kur  zu  Ende  geführt  habe,  mit 
Ausnahme  zweier  Fälle  von  geschlossener  Tuberkulose,  die  ohne 
zu  reagieren  unter  Verbesserung  der  Atemgeräusche  über  den 
kranken  Stellen  in  kurzer  Zeit,  der  eine  in  7  Wochen,  bis  zu 
der  hohen  Dose  von  1,0  g  alten  Tuberkulins  gelangten. 

Dieser,  Fall  9,  ein  Leutnant  von  25  Jahren,  der  nach  einer 
Rippenfellentzündung  seit  einem  halben  Jahre  die  Erscheinungen 
einer  frischen  Infiltration  der  rechten  Lungenspitze  zeigte  (Nach- 
schleppen,  Dämpfung,  verschärftes  Exspir.  bei  rauhem  Inspir.) 
wurde  in  der  Zeit  vom  6.  XII.  01  bis  24. 1.  02  von  mir  mit  Tuberku- 
lin  behandelt,  das  Atmen  wurde  kräftiger  und  reiner  vesikulär.  Er 
hat  jetzt  seinen  Dienst  bei  vollem  Wohlbefinden  wieder  aufge¬ 
nommen. 

Der  andere  Fall  (10),  ein  Leutnant  von  29  Jahren,  dessen 
Mutter  und  Bruder  an  Lungentuberkulose  gestorben  sind,  ist  seit 
1895  lungenkrank  und  hat  Sanatoriumkuren  im  Winter  1895/90, 
1890/97  und  dann  zweimal  ein  ganzes  Jahr  durchgemacht.  Es 
handelte  sich  bei  ihm  um  eine  Kaverne  im  rechten  und  eine  In¬ 
filtration  im  linken  Oberlappen.  Trotz  Neigung  zu  Temperatur¬ 
erhöhung  wurden  dabei  zweimal  Tuberkulinkuren  bei  ihm  mit 
Erfolg  durchgeführt.  Als  er  in  meine  Behandlung  trat  (16.  VIII. 
1900),  hatte  er  keinen  Auswurf  mehr,  über  dem  rechten  Oberlappen 
Dämpfung,  rauhes  Inspir.,  verl.  Exspir.,  über  Klavikel  und 
hinten  oben  spärliche  knackende  Rhonchi,  daselbst  Exspir. 
hauchend.  Links  hinten  oben  leichte  Dämpfung  bis  Mitte  der 
Skapula,  ves.  Atmen  mit  verl.  Inspir.  Gewicht:  75,5  kg.  Da  Pat. 
fest  daran  glaubte,  dem  Tuberkulin  seine  Heilung  zu  verdanken, 
unterzog  er  sich  bei  mir  einer  Tuberkulinkur  in  der  Zeit  vom 
16.  VII.  01  bis  10. 1.  02  und  dann  nochmals  vom  24.  III.  02  bis 
12.  VII.  02  ohne  jede  Temperaturerhöhung.  Nur  über  der  rechten 
Klavikel  wurde  das  Atmen  einmal  mehr  bronchial  und  fein¬ 
blasiges  Rasseln  trat  auf.  um  nun  einem  ganz  reinen  Atmen  Platz 
zu  machen,  auch  rechts  hinten  oben  ist  die  Atmung  nun  vesikulär, 
mit  verlängertem  Exspirium.  Gewicht:  85,7  kg. 

Trotz  dieser  nicht,  zu  verkennenden  Besserung  ist  dieser 
Fall  für  mich  ebensowenig  beweisend,  wie  der  9.,  weil  beide 
schon  in  der  Heilung  begriffen  in  meine  Behandlung  traten. 

Drei  Patienten,  bei  denen  ich  die  Kur  auf  ihren  Wunsch 
abbrach,  konnte  ich  mit  bestem  Erfolge  entlassen. 

Fall  11.  Ein  22 jähriger  Kaufmann,  der  im  Dezember  1900 
mit  Hämoptoe  erkrankt  war,  war  unmittelbar,  ehe  er  in  meine  Be¬ 
handlung  trat,  16  Wochen  im  Sanatorium  Ruppertshain  und  darauf 
noch  7  Wochen  in  Badenweiler  behandelt  worden,  ohne  dass  sich 
der  tuberkelbazillenhaltige  Auswurf  (G.  2)  verlor.  Es  handelte 
sich  um  eine  Infiltration  mit  Katarrh  in  beiden  Oberlappen.  Als 
ich  nach  6  wöchentlicher  Kur  keine  Veränderung  wahrnehmen 
konnte,  leitete  ich  die  Tuberkulinkur  ein  und  stieg  vom  7.  VIII. 
bis  zum  6.  IX.  01  von  ’/mo  mg  bis  zu  1/20  mg  wirksamer  Substanz 
des  Tuberkulin  R.  bei  den  letzten  Dosen  war  die  Temperatur,  die 
anfangs  nie  37°  erreicht  hatte,  stets  auf  37,3°  gestiegen,  und  bei 
der  letzten  Dose  wrurde  etwas  reines  Blut  .ausgehustet,  worauf 
ich  die  Kur  abbrach.  Der  Auswurf  war  mehrere  Tage  lang  blutig 
gefärbt,  es  waren  in  ihm  Tuberkelbazillen  (G.  2)  zu  finden.  Am 
27.  X.  waren  keine  Tuberkelbazillen  mehr  zu  finden  und  dann 


25.  November  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1971 


überhaupt  nicht  wieder,  trotz  wiederholter  Untersuchung:  des 
hputums  bis  zur  Entlassung  Ende  März  1902.  Die  Rasselgeräusche 
waren  dann  vollständig  verschwunden,  das  Atmen  vesikuläi  mit 
verlängertem  Exspir.  Tat.  schrieb  mir  am  31.  VIII  dass  er  bei 
vollem  Wohlbefinden  tätig  sei  und  dass  sich  sein  Sputum  bei  einer 
Lnteisueliung  lrei  von  luberkelbazillen  erwiesen  habe 

Ganz  ähnlich  verhielt  sich  Fall  12,  ein  21  jähriger  Kauf¬ 
mann,  bei  dein  es  schon  wiederholt  zu  Lungenblutungen  gekommen 
rcar,  und  der  trotz  gut  durchgeführter  Kuren  in  meiner  Behand- 
lung  in  den  2  voraufgegangenen  Wintern  immer  wieder  zu  Rück¬ 
fällen  mit  Temperaturerhöhung  und  blutigem  Auswurf  nach  Auf¬ 
nahme  seiner  Tätigkeit  neigte.  Der  Befund  beschränkte  sich  auf 
eine  in  der^  Heilung  begriffene  Verdichtung  des  rechten  Ober- 
lappens,  früher  war  gelegentlich  unreines  Atmen  an  verschiedenen 
Stellen  rechts  unten  vorn  und  hinten  zu  hören  gewesen.  Im  Aus- 
wuif  waren  nie  Tuberkelbazillen  zu  linden  gewesen  In  der  Zeit 
vom  0.L  bis  zum  28. 111. 02  stieg  ich,  nach  glatt  durchgeführter 
\  oi kui  mit  -l  u bei kulin  It,  mit  dem  alten  Tuberkulin  bis  zu  2  in°\ 
Es  stellten  sich  bei  dieser  Dose  immer  wieder  Temperatur¬ 
eihöhungen  ein,  und  so  brach  ich  ab,  da  der  Patient  nervös  wurde 
und  als  sehr  korpulenter  Mensch  unter  dem  vielen  Liegen  litt 
Am  Ende  der  Vorkur  war  zum  ersten  Mal  Auswurf  auf  getreten,’ 
der  luberkelbazillen  enthielt  (G.  2).  Meine  Auffassung  des  Falles 
dass  es  sich  um  verschiedene  Krankheitsherde  handle,  die  zu  ver¬ 
schiedenen  Zeiten  zur  Abstossung  gelangten,  fand  darin  eine  Be¬ 
stätigung,  als  ich  als  Ursache  des  Fiebers  rechts  hinten  unten 
zwischen  Angulus  scapulae  und  Wirbelsäule  eine  Stelle  mit  ves. 
br.  Atmen  und  kleinblasigem  Rasseln  entdeckte.  Am  7.  IV.  trat 
eine  leichte  Hämoptoe  auf,  im  blutigen  Auswurf  waren  Tuberkel¬ 
bazillen,  die  Erscheinungen  an  der  genannten  Stelle  traten  deut- 
lichei  hei  \  or.  leichte  Dämpfung,  leises  rauhes  Atmen,  vermehrtes 
Rasseln.  Am  1.  V.  tvaren  die  Tuberkelbazillen  zum  letzten  Male 
naclizu weisen,  dann  nicht  wieder.  Nach  weiteren  2  Monaten  war 
das  Atmen  an  der  erwähnten  Stelle  nahezu  normal.  Der  Patient 
ist  jetzt  noch  in  meiner  Behandlung  bei  gutem  Befunde  und  vor¬ 
züglichem  Allgemeinbefinden. 


Beide  Fälle  sind  also  zum  wenigsten  nicht  durch  das  Tuber¬ 
kulin  geschädigt  worden,  sie  reihen  sich  sogar  infolge  des  guten 
Befundes,  der  sich  bald  nach  dem  Eintreten  der  Reaktion  zeigte 
(dauerndes  Verschwinden  der  Tuberkelbazillen)  den  obigen 
6  Fällen  an. 


Fall  13  gehört  wieder  zu  der  hier  uninteressanten  Klasse  der 
leichteren  Fälle.  Fs  handelte  sich  um  einen,  bei  einem  29  jährigen 
Leutnant  seit^  %  Jahr  entdeckten,  rechtsseitigen,  nun  im  Ablaufe 
begriffenen  Katarrh  mit  Verdichtung  der  rechten  Spitze.  Schon 
auf  yGOnig  Tuberkulin  R  trat  eine  Reaktion  von  38°  auf  (mit  ver¬ 
anlasst  durch  das  lebhafte,  nie  völlig  kurgemässe  Verhalten  des 
Patienten),  die  ihn  so  beängstigte,  dass  er  mich  bat,  die  Kur 
abzubrechen.  Er  machte  darauf  schnellere  Fortschritte  als  zuvor 
und  konnte  mit  sehr  gutem  Befunde  entlassen  werden. 

Drei  andere  Fälle  (14 — 16),  hysterische  Damen,  wurden  sehr 
nervös  im  Verlaufe  der  Rur,  und  da  auch  das  Gewicht  abnahm, 
brach  ich  die  Kur  ab.  Auffällig  war  nur,  dass  alle  drei  (ebenso 
wie  Fall  7)  unter  zu  frühem  Eintreten  der  Periode  während  der 
Behandlung  zu  leiden  hatten.  Ein  weiterer  Fall  (17)  erwies  sich 
als  zu  schwerkrank,  so  dass  ich  die  Kur  wegen  Unregelmässig¬ 
werden  der  Temperatur  abbrach. 

Es  handelte  sich  hier  bei  einem  25  jährigen  Studenten  um 
Kavernenbildungen  sowohl  im  Ober-  als  Unterlappen  der  linken 
Lunge,  auch  der  rechte  Oberlappen  zeigte  Infiltration  und  Katarrh. 
Der  I  atient  war  nach  häufig  wiederkehrenden  Attacken  fieberfrei 
geworden,  und  bat  mich,  bei  ihm  die  Kur  zu  versuchen.  Schon 
bei .7 wo  mg  wirksamer  Substanz  des  Tuberkulin  R  trat  Temperatur¬ 
erhöhung  ein,  die  sich  trotz  Herabgehens  mit  der  Dosis  immer 
wiederholte,  und  da  auch  der  zunehmende  Katarrh  den  Patienten 
belästigte,  brach  ich  die  Kur  ab. 

Obwohl  ich  nicht  glaube,  dass  man  bei  so  vorsichtigem  Vor¬ 
gehen,  wie  Goetsch  es  angibt,  ernstlichen  Schaden  stiften 
kann,  da  die  Temperatur  schnell  das  Warnungssignal  gibt  — 
ich  habe  ebensowenig  wie  Goetsch  und  Petruschky  je 
ein  Chronischwerden  des  Fiebers  nach  der  Reaktion  erlebt,  wie 
es  früher  viel  beschrieben  wurde  (es  wird  dies  wohl  auf  nicht 
genügende  Beachtung  der  Zwischenfälle  durch  akute  Sekundär¬ 
infektion  beruht  haben,  auf  die  man  während  der  Behandlung 
peinlich  achten  muss;  auf  jeden  Schnupfen  und  ganz  besonders 
auf  eine  beginnende  Bronchitis  ist  mit  der  Dose  Rücksicht  zu 
nehmen)  — ,  so  will  ich  doch  gern  das  Meinige  dazu  beitragen, 
um  andere  vor  Ueberschreitung  der  gefährlichen  Grenze,  über 
die  ich  mit  den  letzten  1  ällen  schon  hinüber  gegangen  war, 
durch  Angabe  der  Kontraindikationen,  die  sich  mir  ergeben 
haben,  zu  bewahren.  Es  ist  unbedingt  richtig,  ausser  den 
fiebernden  und  den  hochgradig  Nervösen  von  der  Tuberkulin¬ 
behandlung  alle  die  Fälle  auszuschliessen,  bei  denen  —  wie 
Petruschky  sagt  (1.  c.  p.  81)  —  „die  Tuberkulinbehandlung 
einen  weitgehenden  Gewebszerfall  bedingen  könnte.  Man  be¬ 
denke,  das  tuberkulöse  Gewebe  gleicht  einem  morschen  Mauer¬ 
werk,  welches  seine  Gestalt  noch  lange  äusserlich  behält,  ehe  es 


abbröckelt.  Den  Versuch,  es  einzureissen  und  durch  neues 
Mauerwerk  zu  ersetzen,  soll  man  nur  dann  machen,  wenn  das 
Einreissen  der  morschen  Teile  nicht  den  ganzen  Bau  gefährdet. 
In  solchem  1  alle  soll  man  die  morschen  Teile  lieber  zu  stützen 
suchen,  bis  das  ganze  Haus  baufällig  ist.“ 

Wie  diesen  Worten,  kann  ich  mich  auch  den  trefflichen  Aus¬ 
führungen  P  etruschkys  über  die  Dauer  der  Heilung  voll¬ 
kommen  anschliessen :  „dass  alle  Bestrebungen,  die  Tuberkulose 
schnell  zu  heilen,  von  einer  irrtümlichen  Auffassung  des  Hei¬ 
lungsvorganges  der  Tuberkulose  ausgehen“  und  dass  daher  „in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  eine  Dauerheilung  durch  eine  einzige  Kur 
leider  nicht  möglich“  ist  (1.  c.  p.  74).  Sein  Vorschlag,  die  durch 
die  erste  Tuberkulinkur  günstig  beeinflussten  Fälle  nach  einer 
3— -4  monatlichen  Pause  abermals  einer  Tuberkulinkur  zu  unter¬ 
ziehen,  erscheint  daher  durchaus  berechtigt,  und  die  Erfolge, 
die  er  mit  einer  solchen  mehrere  Jahre  hindurch  geleiteten 
„Etappenbehandlung“  erzielt  hat  und  über  die  er  in  der  zitierten 
Schrift  berichtet  hat,  bestätigen  diese  Erwägung.  Neuerdings 
sind  W  e  i  c  k  e  r  ),  S.  v.  Ruck)  und  M  o  e  1 1  e  r  3)  wie  vor 
ihnen  besonders  T  urba  n  ’)  auf  Grund  ausgedehnter,  inter¬ 
essanter  Erfahrungen  ebenfalls  zu  warmer  Empfehlung  des 
Tuberkulins  gelangt. 

Um  zum  Schluss  das  Resultat  meiner  bisherigen  Erfolge  mit 
dem  Tuberkulin  zusammenzufassen,  so  haben  sich  mir  die 
günstigen  Erfahrungen  von  Goetsch  bei  beginnenden  Fällen 
von  Lungentuberkulose  vollständig  bestätigt,  aber  auch  bei  vor¬ 
geschritteneren  Fällen,  die  trotz  gewissenhafter  langer  Durch¬ 
führung  der  hygienisch-diätetischen  Heilmethode  unter  günstigen 
\  eihältnissen  seit  langer  Zeit  keine  Fortschritte  mehr  zeigen, 
finde  ich  mich  nach  meinen  Erfahrungen  berechtigt,  das  Tuber¬ 
kulin  anzuempfehlen,  unter  der  Voraussetzung,  dass  diese 
Kianken  fieberfrei,  nicht  hochgradig  nervös  und  dass  bei  ihnen 
die  \  eränderungen  auf  den  Lungen  noch  nicht  so  ausgedehnte 
und  tiefgreifende  sind,  dass  infolge  einer  Reaktion  ein  Weit¬ 
gehendei  Gewebszerfall  Gefahr  bringen  kann.  Zur  Vermeidung' 
der  letzteren  Schädlichkeit  ist  es  jedenfalls  günstig,  wie  ich  es 
getan  habe  und  wie  es  auch  mehrere  der  obengenannten  Autoren 
empfehlen,  solche  Kranke  auszuwählen,  bei  denen  durch  eine 
längere  sachgemässe  Behandlung  eine  teilweise  Vernarbung  schon 
eingetreten  ist.  In  solcher  Verbindung  mit  unserer  heutigen 
hygienisch-diätetischen  Behandlung  der  Lungentuberkulose  hat 
die  Tuberkulinbehandlung  nach  meiner  Meinung  noch  eine  grosse 
Zukunft. 


Keferate  und  Bücheranzeigen. 

Dr.  Hermann  Triepel,  Privatdozent  und  Prosektor  am 
anatomischen  Institut  in  Greifswald:  Einführung  in  die  phy¬ 
sikalische  Anatomie.  I.  Teil:  Allgemeine  Elastizitäts-  und 
Festigkeitslehre  in  elementarer  Darstellung.  II.  Teil:  Die 
Elastizität  und  Festigkeit  der  menschlichen  Organe.  Mit 
23  liguren  im  lext  und  lithographischen  Tafeln.  Wiesbaden, 
Verlag  von  J .  F.  Bergma  n  n,  1902.  232  Seiten.  Preis :  6  M. 

Line  ausführliche  Besprechung  des  Triepel  sehen  Buches 
muss  den  Fachzeitschriften  Vorbehalten  bleiben  und  wir  be¬ 
schränken  uns  darauf,  den  Inhalt  des  Werkes  kurz  anzuzeigen. 
Tci  -Titel .  „Physikalische  Anatomie“  ist  entschieden  zu  weit  ge¬ 
glitten,  der  Autor  behandelt  nur  einen  Teil  der  sogen,  „medi¬ 
zinischen  Physik“,  diesen  aber  in  sehr  spezialistischer  Weise. 
Gegenstand  der  Untersuchung  ist  eine  genauere  zahlenmässige, 
möglichst  exakte  Bestimmung  der  Elastizität  und  Festigkeit 
tieiischex  Gewebe  und  Organe  (besonders  Gewebe  der  Bindesub¬ 
stanzen,  Muskeln,  Knochen,  Gefässe,  Nerven).  Hierbei  geht  der 
Autor  mit  grosser  Gründlichkeit  und  vieler  Gelehrsamkeit  zu 
V  ege;  der  Referent  vermutet,  dass  die  möglichste  Vereinfachung 
des  wissenschaftlichen  Apparates  dem  Werke  dienlicher  gewesen 
wäre,  wenigstens  was  die  mutmassliche  Verbreitung  desselben 
unter  dem  Publikum  anlangt.  Dem  Charakter  des  Werkes  nach 
sollten  die  Pathologen,  Physiologen,  Chirurgen  und  Orthopäden 

)  Uebei  Heilstätten-  und  Tuberkulinbehandlung.  Leinzi<r 
Leineweber  1901.  1  b’ 

2)  The  Use  of  Tuberculin  in  Medicine.  Tfie  Tlieraneutic 
Gazette,  Mai  1902. 

8)  Zeitschr.  f.  Tuberkulose  u.  Heilstättenwesen  III,  4. 

■')  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Lungentuberkulose.  Wiesbaden 
Bergmann.  1899.  p.  153. 


1972 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47 


von  diesem  Ruch  einen  ausgiebigen  Gebrauch  machen.  Denn  ui 
diesen  Kreisen  wird  man  sich  für  die  zahlenmässigen,  quali¬ 
tativen  Bestimmungen  der  Elastizität  oder  Festigkeit  der  Mus- 
kein,  Knochen  etc.  in  Ansehung  gewisser  Zwecke  interessieren. 
Im  Gegensatz  hiezu  würde  der  Anatom  eine  ausgiebige  Erörte¬ 
rung  der  qualitativen  Wirksamkeit  von  Druck  und  Zug  auf  die 
Gewebe  und  eine  Besprechung  der  Folgeerscheinungen,  welche 
Druck  und  Zug  r  ü  c  k  s  i  ch  1 1  i  c  h  der  Struktur  der 
Gewebe  nach  sich  ziehen,  sicherlich  vorziehen.  Hier¬ 
von  ist  in  T  r  i  e  p  e  1  s  Buch  wenig  die  Rede.  Also  findet  mau 
z.  B.  beim  Knochengewebe  wohl  Erörterungen  über  den  mecha¬ 
nischen  Effekt  der  Wirkung  von  Zug-,  Druck-,  Scher-  unc 
Torsionskräften,  von  biegenden  und  knickenden  Gewalten,  da¬ 
gegen  —  in  einer  „physikalischen  Anatomie“  kein  W  ort  von 
Spongiosastruktur !  Danach  scheint  dem  Referenten,  dass  der 
Autor  in  der  Beschränkung  des  Stoffes  zu  weit  ging.  Indessen 
möchten  wir  in  dieser  Beziehung  mit  dem  Herrn  Verfasser  nicht 
rechten.  Das,  was  geboten  wurde,  ist  gewiss  sehr  vorzüglich 
und  gut,  und  wünschen  wir  dem  Werke,  dass  der  literarische  Er¬ 
folg  der  aufgewandten  Mühe  und  Arbeit  entsprechen  möchte. 

Martin  Heiden hain. 


M.  Borst:  Die  lehre  von  den  Geschwülsten.  Mit  einem 
mikroskopischen  Atlas  (63  Tafeln  mit  296  farbigen  Abbildungen). 
In  2  Bänden.  Wiesbaden,  Verlag  von  J.  F.  Bergmann,  1902. 
Preis  50  M. 

Seit  dem  Erscheinen  des  Vir  chow  sehen  Werkes  über  die 
Geschwülste  ist  keine  derartige  umfassende  Behandlung  der 
Gesehwulstlehre  mehr  erfolgt.  Wenn  nun  auch  dieses  Werk  fiu 
die  Lehre  von  den  Geschwülsten  grundlegend  war  und  seine  Be¬ 
deutung  unvergänglich  ist,  so  ist  dasselbe  bekanntlich  doch  stets 
ein  Fragment  geblieben,  indem  nach  Veröffentlichung  dei 
Thierschsclien  Untersuchungen  über  den  Epithelialkrebs  aus  be¬ 
kannten  Gründen  eine  Bearbeitung  der  epithelialen  Geschwülste 
von  seiten  V  irchows  unterblieben  ist.  Auch  hat  die  histo¬ 
logische  und  biologische  Erforschung  der  Geschwülste  seit  dem 
Erscheinen  des  "V  i  r  c  h  o  w  sehen  W  erkes  solche  F ortschritte  ge¬ 
macht,  dass  dieses  Werk,  wenn  es  auch  immer  noch  das  Fun¬ 
dament  der  Geschwulstlehre  bildet,  doch  in  der  Behandlung  sein 
vieler  wichtiger  Fragen  überholt  ist  und  in  keiner  AVeise  mehl 
dem  gegenwärtigen  Stand  unseres  W  issens  auf  diesem  Gebiete 
entspricht. 

Wenn  gleichwohl  bis  jetzt  kein  Pathologe  eine  umfassende 
Neubearbeitung  der  Geschwülste  unternommen  hat,  so  mag  dies 
nicht  nur  in  der  zu  bewältigenden  ungeheuren  Arbeit  begründet 
gewesen  sein,  als  wohl  hauptsächlich  darin,  dass  es  zwar  gelungen 
ist,  unsere  Kenntnisse  von  dem  Bau  der  Geschwülste  bedeutend 
zu  vertiefen,  dass  aber  das  eigentliche  Wesen  der  Geschwülste 
und  vielfach  auch  deren  Entwicklung  trotz  aller  Mühe  und  Ar¬ 
beit  auch  heute  noch  grösstenteils  in  Dunkel  gehüllt  sind  und 
wir  daher  gerade  bei  Darstellung  der  interessantesten  und  wich¬ 
tigsten,  von  der  Entstehung  und  Aetiologie  der  Geschwülste  han¬ 
delnden  Kapitel  uns  mit  Hypothesen  begnügen  müssen. 

Für  die  Fortentwicklung  einer  Wissenschaft  ist  es  aber  not¬ 
wendig,  dass  von  Zeit  zu  Zeit  eine  zusammenfassende  Darstel¬ 
lung  der  einzelnen  Gebiete  erfolgt,  welche  in  einheitlicher  und 
erschöpfender  Weise  uns  einen  Ueberblick  über  den  derzeitigen 
Stand  unseres  Wissens  ermöglicht. 

Es  gebührt  daher  Borst  der  grösste  Dank,  dass  er  sich 
dieser  gewaltigen  Arbeit  auf  dem  Gebiete  der  Geschwulstlehre 
unterzogen  hat,  und  zwar  um  so  mehr,  als  das  von  ihm  ge¬ 
schaffene  Werk  in  der  Tat  die  so  schwer  empfundene  Lücke  in 
der  medizinischen  Literatur  auszufüllen  im  stände  ist. 

Das  Werk  ist  eine  umfassende  Darstellung  der  modernen 
Geschwulstlehre,  in  welchem  unser  ganzes  derzeitiges  Wissen  auf 
diesem  Gebiete  in  erschöpfender  und  dabei  doch  verhältnismässig 
gedrängter  Form  zusammengefasst  ist. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  die  Darstellung  eines  in  vieler 
Hinsicht  so  strittigen  Gebietes  sich  nicht  nur  auf  die  Wieder¬ 
gabe  der  Meinungen  anderer  beschränken  konnte,  sondern  in 
vielen  wichtigen  Fragen  eine  Stellungnahme  des  Verfassers  zur 
Geltung  kommen  musste.  Es  kann  hier  nicht  der  Ort  sein,  über 
die  vom  Verf.  in  manchen  Fragen  persönlich  vertretenen  An¬ 
sichten  zu  diskutieren;  nur  so  viel  sei  bemerkt,  dass  der  Verf. 
stets  bestrebt  erscheint,  auch  den  Beobachtungen  anderer  in  ob¬ 


jektiver  Weise  gerecht  zu  werden,  und  dass  er  seine  eigenen, 
eventuell  abweichenden  Anschauungen  stets  durch  sorgfältige 
eigene  Untersuchungen  zu  begründen  sucht.  Durch  diese  Art 
der  Behandlung  ist  das  Werk  nicht  nur  geeignet,  einen  voll¬ 
ständigen  Einblick  in  alle  noch  in  Diskussion  befindlichen 
Streitfragen  zu  geben,  sondern  auch  in  hohem  Masse  anregend 

für  weitere  Forschung  zu  wirken. 

Was  die  Einteilung  des  Werkes  anbelangt,  so  zerfällt  das¬ 
selbe  zunächst  in  einen  allgemeinen  und  in  einen  speziellen  Teil. 
Ersterer  behandelt  die  Definition,  allgemeine  Morphologie,  Bio¬ 
logie  und  Aetiologie  der  Geschwülste,  während  im  letzteren,  weit 
umfangreicheren  Teil  die  einzelnen  Geschwulstformen  in  er¬ 
schöpfender,  sorgfältigster  und  sehr  anschaulicher  Weise  ge¬ 
schildert  sind,  stets  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Dia¬ 
gnostik,  wie  auch  der  klinischen  Verhältnisse. 

Der  dem  Werke  beigegebene  mikroskopische  Atlas  verleiht 
demselben  noch  einen  ganz  besonderen  Wert.  Denn  die  sehr 
zahlreichen,  fast  ausnahmslos  nach  Originalpräparaten  des  Verf. 
von  dem  Universitätszeichner  W.  Frey  tag  hergestellten  far¬ 
bigen  Zeichnungen  sind  geradezu  musterhaft  ausgeführt,  überaus 
klar  und  instruktiv,  nicht  minder  wertvoll  für  das  leichtere  Ver¬ 
ständnis  des  Textes,  als  für  Belehrung  und  Orientierung  bei  selb- 
stä ndigen  mikroskopischen  Untersuchungen. 

Schade  ist  es,  dass  Verf.  seinem  Werke  nicht  auch  m  a  kro- 
skopische  Abbildungen  der  verschiedenen  Geschwulstformen 
beigefügt  hat;  denn  für  eine  anschauliche  Darstellung  der  doch 
nicht  minder  wichtigen  anatomischen  Verhältnisse  sind  solche 
Abbildungen  gewiss  von  hohem  A\  erte  und  hätten  sich  solche 
wohl  als  einfache  Zeichnungen  in  den  Text  einfügen  lassen. 

Eine  sehr  verdienstvolle  Arbeit  bildet  noch  die  am  Schluss 
des  AVerkes  befindliche  Literaturübersicht,  welche  zweifellos  die 
vollständigste  derartige  Uebersicht  über  die  gesamte  Geschwulst¬ 
literatur  zurzeit  darstellt. 

Das  AVerk  ist  Borsts  Lehrer,  Herrn  Geheimrat  v.  Rind¬ 
fleisch,  gewidmet.  Es  ist  ein  schönes  Denkmal  deutscher 
Forschung  und  deutschen  Gelehrtenfleisses,  gleich  wertvoll  für 
den  Pathologen  wie  für  den  Kliniker  und  Arzt,  unentbehrlich 
für  jeden,  welcher  selbst  auf  dem  dunkeln  Gebiete  der  Ge¬ 
schwülste  sich  mit  literarischer  I  ätigkeit  befasst. 

G.  Hauser. 

Sahli:  Lehrbuch  der  klinischen  Untersuchung’smetho- 
den.  Für  Studierende  und  praktische  Aerzte.  Dritte,  umge¬ 
arbeitete  und  ergänzte  Auflage.  Mit  276,  teilweise  farbigen  Holz¬ 
schnitten  im  Text  und  4  lithographierten  Tafeln.  Leipzig  und 
AVien.  Franz  Deut  icke,  1902.  954  Seiten.  Preis  20  M. 

Die  1.  Auflage  wurde  in  dieser  Wochenschrift  (1894,  No.  35) 
sehr  eingehend  besprochen.  Das  Buch  hat  den  wohlverdienten 
Erfolg  gehabt.  Die  nach  8  Jahren  erschienene  3.  Auflage  zeigt 
in  vielen  Richtungen  ein  recht  verändertes  Aussehen.  Der  Um¬ 
fang  des  AVerkes  ist  um  die  Hälfte  grösser  geworden,  ebenso  die 
Zahl  der  Abbildungen.  Diese  Zunahme  ist  im  wesentlichen  durch 
die  Besprechung  einer  beträchtlichen  Menge  neuer  Unter¬ 
suchungsmethoden  bedingt,  welche  der  Hauptsache  nach  in  der 
sehr  ausführlichen  Vorrede  aufgezählt  werden.  Verwunderlich 
erscheint,  dass  die  Untersuchung  der  inneren  Organe  mit  den 
Röntgenstrahlen  keine  eingehendere  Besprechung  gefunden  hat. 
Rezensent  ist  zwar  der  Meinung,  dass  die  umständliche  und  kost¬ 
spielige  Untersuchungsmethode  bei  inneren  Krankheiten  durch¬ 
schnittlich  nicht  sehr  viel  mehr  leistet,  als  sich  auch  mit  anderen 
i  Methoden  erreichen  lässt.  Aber  das  gilt  doch  auch  von  sehr  vielen 
in  dem  Buch  ausführlich  besprochenen  Untersuchungsweisen. 
Und  dass  man  z.  B.  ein  Nierenkonkrement  unter  Umständen  mit 
einer  Sicherheit  in  dem  Skiagramm  erkennen  kann,  die  auf 
andere  Weise  nicht  gegeben  wird,  kann  man  doch  nicht  in  Ab¬ 
rede  stellen.  Sonst  steht  das  Buch  durch  seine  zahlreichen  Er¬ 
gänzungen  ganz  auf  der  Höhe  der  Zeit.  Ob  es  freilich  erforder¬ 
lich  war,  den  Umfang  des  Ganzen  so  anwachsen  zu  lassen,  ob 
es  nicht  möglich  war,  Aelteres  und  Unbrauchbares  zu  streichen, 
um  Platz  für  Neues  zu  gewinnen,  möchte  Rezensent  unentschieden 
lassen.  Sicher  ist,  dass  das  bedeutende  Wachstum  des  Buches 
seiner  Verbreitung  bei  den  Studierenden  nicht  günstig  ist.  Um 
so  mehr  verdient  aber  das  Lehrbuch  einen  hervorragenden  Platz 
unter  den  Nachschlagebüchem  des1  Arztes.  Jeder  Praktiker,  der 
nicht  veralten  will,  braucht  heutzutage  einen  zuverlässigen 
Führer  in  dem  recht  weitläufig  gewordenen  Gebäude  der  Dia- 


25.  November  1902. _  MUEJST CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


gnostik.  Von  den  zahlreichen  Lehrbüchern,  welche  uns  die  letz¬ 
ten  J ahrzehnte  gebracht  haben,  ist  das  Sahli  sehe  eines  der  viel¬ 
seitigsten  und  gründlichsten.  P  e  n  z  o  1  d  t. 

• '  ! 

Th.  Kocher:  Chirurgische  Operationslehre.  IV.  Aufl! 
Jena,  Verlag  von  G.  Fische  r,  1902.  Preis  13  M. 

Kochers  Buch  ist  schon  in  seinen  ersten  3  Auflagen 
Gemeingut  der  Chirurgen  und  chirurgisch  tätigen  Aerzte  nicht 
nur  im  deutschen  Sprachgebiete,  sondern  weit  über  dasselbe 
hinaus  geworden.  Die  vorliegende  4.  Auflage  enthält  weitere 
Verbesserungen,  namentlich  vortreffliche  neue  Abbildungen  und 
Einfügung  neuer  Methoden  oder  Modifikationen.  Neben  dieser 
Vollendung  im  einzelnen  ist  es  nach  wie  vor  der  das  ganze  Buch 
durchziehende  Geist,  welcher  dasselbe  unübertrefflich  macht:  die 
strenge  Wissenschaftlichkeit,  die  Einfachheit  der  Methoden,  die 
Humanität.  Das  ergibt  sich  auch  aus  den  folgenden  Sätzen  der 
1  orrede  zur  4.  Auflage:  „Die  operative  Chirurgie,  früher  in  den 
Händen  einzelner  Bevorzugter,  wird  mehr  und  mehr  zum  Gemein¬ 
gut  der  Aerzte,  aber  um  so  mehr  tut  es  not,  dass  bestimmte 
Normen  aufgestellt  werden  für  die  Ausführung  der  Operationen, 
damit  nicht  ungestraft  unter  dem  Schutze  der  selbst  grobe  Fehler 
deckenden  Asepsis  den  Patienten  von  unerfahrenen  Händen 
grosser  Schaden  zugefügt  werde.  Je  seltener  ein  Arzt  operiert, 
desto  mehr  bedarf  er  jedesmal  vor  einer  Operation  einer  klaren 
kurzen  Orientierung  über  die  Art  des  Vorgehens.  Diese  zu 
gehen,  war  mein  Bestreben/"’ 

„Möge  das  Buch  der  Gewissenhaftigkeit  in  Ausübung  von 
Operationen  Vorschub  leisten!“  IL  e  1  f  e  r  i  c  h  -  Kiel. 

W.  Seiffer:  Atlas  und  Grundriss  der  allgemeinen 
Diagnostik  und  Therapie  der  Nervenkrankheiten.  Leli- 
m  anns  medizinische  Handatlanten  Bd.  XXIX.  München 
1902.  Preis  12  M. 

Auf  Anregung  der  Verlagsbuchhandlung  von  J.  F.  Leh- 
m  a  n  n  hat  sich  W.  Seiffer  dazu  entschlossen,  dem  „Atlas 
des  gesunden  und  kranken  Nervensystems“  von  Cli.  J  akob,  in 
dem  vorzüglich  die  normale  und  pathologische  Anatomie  des 
Nervensystems  dargestellt  wird,  noch  einen  solchen  der  Dia- 
gnosti k  und  Therapie  der  Nervenkrankheiten 
anzureihen.  Oh  damit  einem  Bedürfnis  entsprochen  wird,  darüber 
lässt  sich  streiten ;  im  allgemeinen  lehrt  uns  die  bildliche  Dar¬ 
stellung  der  einzelnen  Symptome  der  Nervenkrankheiten  ebenso 
wie  die  der  inneren  Erkrankungen  nicht  viel,  immerhin  muss 
anerkannt  werden,  dass  sich  der  Verfasser  seiner  Aufgabe  mit 
grossem  Geschick  unterzog.  Es  stand  ihm,  als  dem  Oberarzt  an 
der  Nervenklinik  der  Charite,  ein  reiches  Beobachtungsmaterial 
zur  Verfügung,  zum  Teil  stammen  die  Bilder  aus  der  Hallenser 
psychiatrischen  Klinik. 

Zuerst  bespricht  Seiffer  die  Störungen  der  Motilität  und 
illustriert  die  verschiedenen  Lähmungen,  Atrophien,  Kontrak¬ 
tionen  und  Krampferscheinungen.  Die  schematische  Darstellung 
der  Schultermuskellähmungen  und  der  Augenmuskellähmungen 
ist  didaktisch  vorzüglich  gelungen.  Dass  die  Bilder,  welche  den 
Gesichtsausdruck  der  Nervenkranken  und  die  krankhaften  Gang¬ 
arten  (choreatischer,  ataktischer,  spastischer  Gang  u.  s.  w.) 
charakterisieren  sollen,  wenig  entsprechend  sind,  liegt  in  der 
Natur  der  Sache;  ebensowenig  lassen  sich  die  Störungen  in  der 
elektrischen  Erregbarkeit  der  Muskeln  graphisch  bringen. 

Die  trophischen  und  vasomotorischen  Erkrankungen  sind 
zum  Teil  in  farbigen,  ja  manchmal  zu  farbigen  Tafeln  dargestellt. 
Der  Text  in  dem  Kapitel  „Sensibilität  und  sensorische  Tätigkeit“ 
ist  recht  instruktiv,  der  wichtige  Unterschied  zwischen  spinalen 
Affektionen  und  solchen  der  Wurzeln  und  der  peripheren  Nerven 
hätte  entschieden  klarer  gefasst  sein  können.  Die  Schilderung 
der  Blasen-  und  Mastdarmstörung  ist  ungenügend,  zum  Teil  so¬ 
gar  unrichtig. 

Sehr  hübsch  ist  der  letzte  Abschnitt :  „Allgemeine  Therapie 
der  Nervenkrankheiten“,  er  kann  auch  den  Skeptiker  davon  über¬ 
zeugen,  dass  der  Heilkunst  bei  der  Behandlung  von  Nervenkrank¬ 
heiten  noch  andere  Mittel  als  Jodkali  und  Bromnatrium  zur  Ver¬ 
fügung  stehen.  In  klarer  Weise  werden  die  verschiedenen  Heil¬ 
methoden,  wie  die  Hydrotherapie,  die  Ernährungstherapie,  die 
Balneo-  und  Klimatotherapie  besprochen;  besonders  gelungen  ist 
der  Abschnitt  über  die  ITebungstherapie  und  die  Orthopädie  bei 
Nervenkranken.  Auch  dieser  Teil  wird  durch  Bilder  illustriert. 


1973 


Kurz,  durch  das  vorliegende  Buch  wird  dem  Studierenden 
vieles,  und  zwar  in  guter  und  leicht  fasslicher  Foian  geboten, 
auch  der  Arzt  und  der  Neurologe  wird  in  demselben  manche  An¬ 
regung  finden.  L.  R.  Müller-  Erlangen. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  innere  Medizin.  1902.  No.  46. 

It.  K  o  1)  e  r  t  -  Rostock :  Ein  Fall  von  Oxalsäurevergiftung. 

In  der  Regel  ist  die  Oxalsäurevergiftung  sicher  daran  zu  er¬ 
kennen,  dass  in  den  Nieren  teils  in,  teils  zwischen  den  Harn¬ 
kanälchen  sich  Kristalle  aus  oxalsaurem  Kalk  in  reichlicher  Anzahl 
bilden.  Der  mitgeteilte  Fall  macht  eine  Ausnahme  von  dieser 
Regel.  Bei  der  Sektion  des  an  einer  zunächst  nicht  näher  be¬ 
kannten  Vergiftung  zu  Grunde  gegangenen  Mannes  fand  sich 
starke  \  erschorfung  der  Schleimhaut  im  rechten  Sinus  piriformis 
und  in  der  unteren  Hälfte  des  Oesophagus,  geringe  Verschorfung 
in  der  Mundhöhle,  im  Kardiateil  des  Magens  und  im  obersten 
Meter  des  Dünndarmes;  Hyperämie  der  Nieren.  Das  Herzblut  war 
ungeronnen  und  blieb  bei  8  tägiger  Beobachtung  ungeronnen, 
während  kleine  Proben  desselben,  am  ersten  Tage  entnommen, 
auf  Chlorkalziumzusatz  gerannen.  Proben  des  Blutes,  auch  ohne 
Chlorkalziumzusatz,  auf  dem  Objektträger  eingetrocknet,  zeigten 
unter  dem  Mikroskop  bei  300  facher  Vergrösserung  deutliche  Kri¬ 
stalle  von  Kalziumoxalat.  Die  chemische  Untersuchung  des  Magen¬ 
inhaltes  ergab  neben  Hämatin  0,84  g  Oxalsäure.  Im  Dünndarm 
und  in  den  Nieren  keine  Kalziumoxalatkristalle.  Das  Fehlen  der¬ 
selben  in  den  Nieren  ist  wohl  dadurch  zu  erklimm,  dass  die  Säure 
enorm  rasch,  fast  blitzartig,  den  Mann  getötet  hat,  denn  zwischen 
dem  Trinken  des  Giftes  und  dem  letalen  Ausgang  dürften  kaum 

10  Minuten  gelegen  haben.  Der  Magen  hat  in  diesem  Falle  die 
Säure  offenbar  rasch  und  reichlich  resorbiert. 

W.  Zinn-  Berlin. 

Klinisches  Jahrbuch.  II.  Ergänzungsbd.  Veröffentlichungen 
des  Komitees  für  Krebsforschung, 

Leyden:  Ueber  die  Parasiten  des  Krebses. 

Ij.  demonstriert  Präparate  von  ganz  frisch  operierten  Krebs¬ 
tumoren,  die  aseptisch  zur  Untersuchung  gelangten.  Er  fand  in 
denselben,  sowohl  frisch  wie  gehärtet,  kleine  bohnenartige  Kör¬ 
perchen,  wie  Vogelaugen  anzusehen,  die  sich  von  den  Zellkernen 
durch  ihre  geringere  Grösse,  durch  die  exakte  scharfe  Zeichnung, 
den  hellen,  farblosen,  runden  Hof  und  den  lebhaft  gefärbten  zen¬ 
tralen  Punkt  unterscheiden.  Dieselben  sind  einfach  und  mehrfach, 
aber  auch  manchmal  in  grosser  Zahl  von  einer  Kapsel  umschlossen, 
in  den  Karzinomzellen  zu  sehen.  Letztere  Erscheinung  hält  L. 
für  Sporenbildung.  L.  wreist  auf  die  Analogien  hin  mit  den  mikro¬ 
skopischen  Befunden  bei  der  Plasmodiophora  brassieae  (Kohl¬ 
hernie)  und  entscheidet  sich  nach  Kritik  der  R  i  b  b  e  r  t  scheu  und 

11  a  n  s  e  m  a  n  n  scheu  Anschauungen  für  einen  parasitären  Ur¬ 
sprung  des  Karzinoms,  wofür  er  auch  insbesondere  die  Ergebnisse 
der  Transplantationsversuche  heranzieht.  Dieselben  sind  nach 
seiner  Ansicht  nur  zu  verstehen,  wenn  man  annimmt,  dass  die 
übertragene  Zelle  gleichzeitig  der  Träger  eines  Parasiten  ist. 

W.  Wolff:  Hämatangiome  und  Karzinom. 

Nachprüfung  der  Befunde  von  Leser.  W.  kommt  zu  dem¬ 
selben  negativen  Resultat  wie  Gebele  an  der  Münchener  chirur¬ 
gischen  Klinik.  wonach  das  Auftreten  von  multiplen  Hautangiomen 
nicht  für  die  Frühdiagnose  des  Karzinoms  zu  verwerten  ist. 

P.  Grone  n:  Beitrag  zur  Pathogenese  des  Karzinoms.  (Nach 
den  Akten  der  Versicherungsgesellschaft  Viktoria,  Berlin.) 

Dieselbe  hat  9,3  Proz.  Todesfälle  an  Karzinom;  die  meisten 
finden  sich  zwischen  dem  41.  und  00.  .Talire,  der  Verdauungstraktus 
überwiegt  mit  83,3  Proz.  Am  häufigsten  werden  befallen  Schneider, 
Schmiede  und  Schlosser,  Beamte. 

F.  Blumenthal:  Die  Beurteilung  der  Diagnose,  des 
Sitzes  und  der  Prognose  des  Krebses  durch  die  Untersuchung, 
des  Ui’ins. 

Enorme  Indikanurie  spricht  für  Magenkarzinom,  Albumosurie 
und  Diazoreaktion  für  Ulzeration  der  Karzinome,  Milchsäure¬ 
ausscheidung  für  Leberkarzinom,  Zucker  für  Pankreasaffektion 
oder  Karzinom  in  den  nervösen  Zentren,  starke  Vermehrung  der 
Harnsäure  im  Verhältnis  zur  Gesamt-N- Ausscheidung  für  ein 
Karzinom  in  den  nukleinreichen  Organen,  Leber.  Pankreas  u.  s.  w. 

Fr.  Heinsius:  Die  Therapie  des  Carcinoma  uteri  an  der 
Greif swalder  Frauenklinik. 

Schilderung  der  Prinzipien,  die  bei  der  Therapie  der  operablen 
und  inoperablen  Karzinome  massgebend  sind,  und  statistische  Zu¬ 
sammenstellung  der  Operationsresultate. 

Dr.  S  e  g  g  e  1  jun.-München. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  16.  Bd., 

1.  Heft. 

1)  O.  B  u  s  s  e  -  Greifswald :  Ueber  die  Bildung  der  Hämato- 
celen. 

Bei  der  Tubargravidität  ist  ein  Teil  des  Blutes  schon  vor  dem 
Austritt  aus  der  Tube  in  die  Peritonealhöhle  geronnen  und  mit 
fremdartigen  Beimengungen  durchsetzt.  Den  Hauptgrund  für  das 
Stagnieren  des  frisch  ergossenen  flüssigen  Blutes  sucht  Verf.  in 
dem  Ausbleiben  der  Resorption.  Die  Resorptionsfähigkeit  ist  meist 
herabgesetzt  durch  Veränderungen  des  Peritoneums  bei  der  die 
Extrauteringravidität  vielfach  begleitenden  Perimetritis. 


1974 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


2)  P.  C.  F.  van  derHoeven  -  Amsterdam :  Junge  mensch¬ 
liche  Eier. 

Zu  kurzem  Referat  ungeeignet. 

3)  J.  L  o  e  n  n  b  e  r  g  -  Upsala:  Ein  Fall  von  ungewöhnlich 
kleinem  Foetus  compressus. 

Dieser  als  jüngster  bis  jetzt  in  der  Literatur  beschriebene 
Fötus  fand  sich  in  einer  halbkreisförmigen.  9  cm  langen  und  5  cm 
hohen  schwieligen  Verdickung  auf  der  Aussenseite  des  Chorion 
am  Rande  der  Plazenta.  Der  Gestalt  und  Entwicklung  nach  ent¬ 
spricht  der  Embryo  der  4. — 5.  Woche.  Eine  Ursache  für  das  Ab¬ 
sterben  des  Embryo  war  nicht  festzustellen.  Die  Zwillinge  waren 
nachweisbar  in  diesem  Falle  zweieiig. 

4)  M.  T  hiemich-  Breslau:  Ueber  die  Storch  sehe  Re¬ 
aktion  der  Frauenmilch. 

Th.  fand  bei  seinen  Versuchen  eine  Inkonstanz  der  Storch¬ 
sehen  Reaktion  der  Muttermilch.  Er  wendet  sich  deshalb  gegen 
die  Folgerungen  N  o  r  d  m  a  n  n  s,  der  in  einem  Falle  in  dem  Fehlen 
der  Storch  sehen  Reaktion  der  Muttermilch  den  Grund  für  die 
Ernährungsstörungen  des  Kindes  gefunden  zu  haben  glaubte. 

51  V.  Z  i  m  m  e  r  m  a  n  n  -  Greifswald:  Die  intrauterine  Ballon¬ 
behandlung  in  der  Geburtshilfe. 

Zusammenstellung  aller  Fälle  von  Metreuryse,  darunter  29 
neue  Fälle  aus  der  Greifswalder  Klinik. 

Auf  Grund  der  insgesamt  645  Fälle  gibt  Verfasser  ein  über¬ 
sichtliches  Bild  von  der  Wirkungsweise  des  Metreurynters,  den 
Indikationen,  der  Technik  und  den  Enderfolgen  der  intrauterinen 
Ballonbehandlung. 

Die  Wirkung  des  Ballons  ist  eine  wehenerregende,  dilatierende 
und  tamponierende:  daraus  ergibt  sich  die  Anwendung  bei  künst¬ 
licher  Unterbrechung  der  Schwangerschaft,  Erweiterung  des 
Muttermundes  unter  der  Geburt  bei  pathologischen  Verhältnissen, 
bei  Placenta  praevia. 

1.  Vorzüglich  eignet  sich  der  Ballon  zur  Einleitung  der  künst¬ 
lichen  Frühgeburt.  Ueber  die  weitere  Behandlung  der  Geburt 
nach  Ausstossung  des  M.  lässt  sich,  mag  die  Ursache  der  Ein¬ 
leitung  der  künstlichen  Frühgeburt  in  Beckenenge  oder  Erkran¬ 
kungen  der  Mutter  liegen.,  keine  prinzipielle  Regel  aufstellen. 

2.  Die  Erweiterung  des  Muttermundes  durch  M.  ist  in  allen 
den  Fällen  zu  empfehlen,  in  denen  bei  nicht  erweiterten  weichen 
Geburtswegen  die  Entbindung  angezeigt  ist.  Besonders  ist  bei  einer 
indizierten  Wendung  bei  Erstgebärenden  von  der  Anwendung  der 
Metreuryse  viel  zu  erwarten.  Bei  jeder  Querlage  sollte  stets  so 
früh  wie  möglich  der  Metreurynter  eingeführt  werden. 

„Te  nach  der  Dringlichkeit  des  Falles  ist  der  elastische  Ballon 
mit  massigem  oder  der  unelastische  Ballon  mit  starkem,  eventuell 
manuellen  Zug  zu  wählen.  In  ähnlicher  Weise  ist  bei  Eklampsie 
zu  verfahren,  wenn  man  die  Entbindung  für  indiziert  hält. 

3.  In  der  Behandlung  der  Plazenta  praevia  liegt  der  Haupt¬ 
wert  des  Ballons  in  der  tamponierenden  Wirkung. 

Tn  79  Fällen  wurde  der  M.  in  die  Eihöhle  eingelegt.  56  99  Proz. 
der  Kinder  wurden  lebend  geboren,  die  Wochenbettsmorbidität  be- 
trug  16.4  Proz  .  die  Muttermortalität  7,59  Proz.  Die  tamponierende 
Wirkung  versagte  in  einem  Fall. 

Tn  30  Fällen  wurde  der  Ballon  mit  Schonung  der  Blase  ein¬ 
gelegt,  mit  dem  Resultat:  Kinder  lebend  geboren  766  Proz., 
Wochenbettsmorbidität  10.4  Proz..  Muttermortalität  3,33  Proz.  Die 
tamponierende  Wirkung  versagte  in  keinem  Fall. 

Verfasser  empfiehlt  daher  bei  Plazenta,  praevia  den  elastischen 
Ballon  mit  Schonung  der  Eiblase  —  auch  bei  Placenta  praevia 
centralis  —  einzuführen  und  nach  langsamer  Anfüllung  nur  leicht 
zu  belasten.  Der  Ausstossung  des  Ballons  ist  die  sofortige  Ent¬ 
wicklung  des  Kindes  anzusehliessen. 

Auch  in  allen  anderen  Fällen,  mit  eventueller  Ausnahme  bei 
Hydramnion  ist  die  Fruchtblase  zu  erhalten. 

Bei  der  Sicherheit  des  Erfolges  und  der  einfachen  Anwen¬ 
dungsweise  der  Metreuryse  dürfte  diese  in  Zukunft  grössere  An¬ 
erkennung  und  Einführung  in  die  Praxis  verdienen. 

6)  Dtitzmann  -  Greifswald:  Diagnose  und  Behandlung  der 
Exsudate. 

Verfasser  bespricht  zunächst  die  Vorteile  der  Heissluftbehand¬ 
lung  in  der  Gynäkologie.  Das  Heizen  bis  zu  150°  hat  den  Zweck, 
durch  einen  lebhafteren  Stoffwechsel  alte  narbige  Exsudatreste 
zur  Resorption,  frische  eitrige  zur  Einschmelzung  zu  bringen. 
Kontraindiziert  ist  die  Behandlung  bei  elenden  körperlichen  Zu¬ 
ständen,  bei  Herzfehler  und  Fieber.  Die  Resultate  sind  bis  jetzt 
vorzüglich. 

Für  die  Diagnose  eines  Exsudates  und  die  Feststellung  von 
Eiter  sind  durch  die  Untersuchungen  des  Verfassers  über  das  je¬ 
weilige  Verhalten  der  Leukocytenzahl,  wenn  Eiter  oder  kein  Eiter 
vorhanden  ist,  beachtenswerte  Resultate  erzielt  worden.  In  163 
Fällen  versagte  das  diagnostische  Hilfsmittel  einmal;  war  eine 
Vermehrung  der  Leukocyten  da,  so  fand  sich  Eiter:  war  die  Zahl 
der  Leukocyten  normal,  so  fand  sich  kein  Eiter  bei  der  Operation. 
Waren  Streptokokken  im  Eiter,  so  war  die  Zahl  der  Leukocyten 
eim>  sehr  hohe  120 — 30  000),  bei  Gonokokken  und  Bact.  coli  niedrig 
(11-  13  000).  Prognostisch  von  Wert  ist  der  Befund  bei  Sepsis 
und  Peritonitis.  Tn  günstig  verlaufenden  Fällen  war  stets  eine 
Zunahme  der  Leukocvten  zu  konstatieren:  in  allen  den  Fällen,  die 
ad  exitum  kamen,  blieb  die  Leukocytenzahl  bei  bestehendem  Fieber 
normal  oder  sank  unter  die  Norm. 

7)  A.  v.  Khantz  -  Wien :  Eine  seltene  Form  von  O  varial- 
dermoid. 

Auf  der  Wandinnenfläche  einer  mannskopfgrossen  Ovarial- 
cyste  fanden  sich  leistenartige,  flach  prominente,  zum  Teil  2  cm 


breite  Gebilde,  die  Dermoidbrei  enthielten.  Die  Ursache  der  eigen¬ 
artigen  Bildung  sucht  Verfasser  in  einer  Entwicklungsstörung  des 
Dermoids  infolge  des  raschen  Wachstums  des  neben  ihm  sich  ent¬ 
wickelnden  Cystadenoms.  Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  Bd.  22.  Heft  3 

und  4. 

Munch-Petersen  -  Kopenhagen:  Die  Hautreflexe  und 
ihre  Nervenbahnen. 

Die  ausführlichen  Untersuchungen  über  das  Verhalten  der 
Hautreflexe  bei  Nervengesunden  führten  den  Autor  zu  der  Ueber- 
zeugung,  dass  diese  Reflexe  in  der  Hirnrinde  entstehen.  Die  Em¬ 
pfindung  der  Reizung  im  Grosshirn  löst  einen  unbewussten  Be- 
wegnngsimpuls  in  den  motorischen  Zentren  aus.  Verfasser  definiert 
die  Hautreflexe  als  ,, Bewegungen“,  die  ohne  bewusstes  Wollen  durch 
Reizung  der  Haut  entstehen“.  Die  genauen  Begründungen  dieser 
Theorie  sind  im  Original  nachzulesen. 

E.  M  eye  r:  Zur  Kenntnis  der  Rückenmarkstumoren.  (Aus 
der  psychiatrischen  Klinik  in  Tübingen.) 

Bei  einem  14  jährigen  Mädchen  hatte  ein  zum  Teil  intradural, 
zum  Teil  extradural  gelegenes  Fibrosarkom  das  Rückenmark  in 
der  Höhe  des  unteren  Halsmarkes  zusammengedrückt.  Die  kli¬ 
nischen  Erscheinungen  waren  ganz  charakteristisch  für  eine  extra¬ 
spinale  Wucherung.  Da  differentialdiagnostisch  nur  Pachymenin- 
gitis  cervicalis  hypertrophica  in  Betracht  kam,  kann  nicht  recht 
verstanden  werden,  warum  nicht  der  Versuch  zur  Operation  ge¬ 
macht  wurde.  Die  Autopsie  zeigte,  dass  die  Herausnahme  der 
Geschwulst  keinerlei  Schwierigkeiten  veranlasst  hätte. 

E.  F  lata  u  und  J.  Koelichen  -  Warschau:  Ueber  die 
unter  dem  Bilde  der  Myelitis  transversa  verlaufende  multiple 
Sklerose. 

Eine  60  jährige  Arbeiterin  erkrankte  plötzlich  unter 
F  ieber  mit  paraplegisclien  Erscheinungen.  Bald  stellte  sich 
Dekubitus  und  schwere  Cystitis  ein.  Bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  konnten  im  Rückenmark  verschiedene  Herde  ge¬ 
funden  worden,  die  teils  die  Zeichen  frischerer  Degeneration,  teils 
die  schon  fortgeschrittenen  Nervenzerf alles  boten.  Die  Schilde¬ 
rung  der  histologischen  Veränderungen  ist  sehr  eingehend  um! 
g  nau.  Es  scheint  dem  Referenten  nur  fraglich,  ob  es  sich  hier  wirk¬ 
lich  um  multiple  Sklerose  oder  nicht  vielmehr  um  eine  akute 
disseminierte  Myelitis  handelt. 

IT.  Lüthje:  Die  akute  zerebrale  und  zerebro-spinale 
Ataxie.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Greifswald.) 

Bei  3  Kranken  einer  Familie  stellte  sich  im  Anschluss  an 
einen  schweren  Typhus,  der  mit  Delirien  einhergegangen  ist.  starke 
Ataxie  in  allen  Muskeln,  aber  ohne  Lähmungserscheinungen  und 
ohne  Sensibilitätsstörungen  ein.  Gleichzeitig  blieb  noch  eine  we¬ 
sentliche  Intelligenzstörung  (Gedächtnisschwäche)  zurück.  Da 
auch  motorische  Reizerscheinungen  in  den  Armen  choreiformen 
Charakters  und  Zuckungen  in  der  Gesichtsmuskulatur,  welche 
ähnlich  den  Zuckungen  bei  .T  a  ckson  scher  Rindenepilepsie 
waren,  bestanden,  glaubt  Lüthje  die  Ataxie  als  zerebrale  auf¬ 
fassen  zu  müssen.  Gegen  zerebellare  Ataxie  sprach  das  Fehlen 
von  Schwindelerscheinungen,  ferner  die  allgemeine  Ausbreitung 
der  Ataxie  und  der  Umstand,  dass  beim  Liegen  im  Bett  die  Ko¬ 
ordinationsstörungen  gerade  so  intensiv  waren  wie  beim  Versuch, 
zu  gehen.  Insbesondere  führt  L.  auch  die  Störungen  im  stereo- 
gnostisclien  Sinn  für  die  kortikale  Natur  der  Ataxie  an.  Im  An¬ 
schluss  an  diese  Beobachtungen  sammelt  L  ii  t  li  j  e  noch  die 
Fälle  aus  der  Literatur,  wo  sich  an  eine  Infektionskrankheit  neben 
anderen  zerebralen  Erscheinungen  (psychische  Störungen  u.  s.  w.) 
Ataxie  entwickelte.  Die  durch  Gehimerkrankungen  bedingte  Un¬ 
sicherheit  in  den  Bewegungen  trennt  Lüthje  als  akute  zerebrale 
Ataxie  von  anderen  Formen  dieser  Bewegungsstörungen  ab. 

•T.  Auer  b  ach-  Frankfurt  a.  M.:  Beitrag  zur  Diagnostik 
der  Geschwülste  des  Stirnhirns. 

Bemerkenswerter  Fall  von  Stirnhirngeschwulst  bei  einem 
48  jährigen  Fräulein.  Beginn  mit  psychischen  Störungen  und 
Charakterveränderungen.  Die  vorher  fleissige  und  gewissenhafte 
Dame  wurde  sehr  reizbar  und  lässig.  Erst  %  Jahre  später  stellten 
sich  Kopfschmerzen  und  Erbrechen  ein.  Bald  folgten  Zeichen 
von  Myxödem  (Schwellung  des  Gesichts,  des  Halses,  der  Iland- 
und  Fussriicken).  Gleichgewichts-  oder  Sprachstörungen  be¬ 
standen  uiclit.  Dagegen  machte  sich  eine  Rumpfmuskelschwäche 
sehr  lästig  geltend.  Alle  psychischen  Funktionen  waren  wesent¬ 
lich  verlangsamt.  Es  bestand  allgemeine  Apathie.  Herdsymptome 
konnten  nicht  nachgewiesen  werden.  Verfasser  glaubt  seinen  Fall 
auch  dafür  ins  Feld  führen  zu  können,  dass  in  das  Stirnhirn  vor¬ 
züglich  diejenigen  Eigenschaften  zu  verlegen  wären,  durch  welche 
der  Mensch  sich  vor  den  höchsten  Tieren  auszeichnet,  nämlich 
die  höheren  psychischen  Leistungen. 

Z.  Bychowsky  - Warschau:  Ein  Fall  von  rezidivierender 
doppelseitiger  Ptose  mit  myasthenischen  Erscheinungen  in  den 
oberen  Extremitäten. 

Im  Anschluss  an  eine  Beobachtung  von  wiederholt  sich 
einstellender,  vorübergehender  Lähmung  der  Mm.  levat.  palpe¬ 
brarum,  die  dann  auch  mit  grosser  Ermüdbarkeit  anderer  Muskel¬ 
gruppen  verbunden  war,  bespricht  Bychowsky  die  Hypo¬ 
thesen  über  die  Myasthenie  und  schlägt  vor,  diese  Krankheit 
ebenso  wie  andere  Affektionen,  die,  ihren  Sitz  im  Muskelsystem 
haben,  ohne  dasselbe  sichtbar  zu  verändern,  in  Analogie  mit  der 
Neurose  als  „M  yos  e“  zu  bezeichnen.  Dorthin  würde  dann 
1  auch  die  Tliomsen  sehe  Myotonie  und  die  Parkinson  sehe 


1975 


25.  November  1902, 


MUENCI1ENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIFT. 


Paralysis  agitans  und  vielleicht  auch  die  W  e  s  t  p  h  a  1  sehe  nerio 
üisclie  Extremitätenlälimung  zu  zahlen  sein.  1  1 

v,  •  n  blath’ISaSS™:  Ueber  Cysticerkenmeningitis 

bei  Cysticeicus  racemosus  des  Zentralnervensystems. 

Aus  dieser  Arbeit  geht  hervor,  dass  bei  unklaren  Fällen  bei 
v eichen  syphilitische  Basilarmeningitis  in  Betracht  kommt  auch 
an  die  Cysticerkenmeningitis  gedacht  werden  muss.  Fine  solche 
vird  häufig  erst  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  diagnosti¬ 
ziert  werden  da  die  kleinen  Blasen,  die  längs  der  grossen  Gelasse 
v  iKliem  und  last  überall  m  Granulationsgewebe  eingebettet  sind 
liauhg  mit  blossem  Auge  gar  nicht  erkannt  werden  können 
Besprechungen. 

L.  R.  M  ü  1 1  e  r  -  Erlangen. 


Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  Bd.  32.  JS'o.  10. 

1)  Klein-  London:  Ueber  ein  dem  Pestbazillus  ähnliches 
Bakterium:  Bacterium  Bristolense. 

Auf  einem  aus  Kleinasien  stammenden  Dampfer,  welcher 
in  Bristol  ankam,  fanden  sich  eine  Anzahl  toter  liatten 
aus  welchen  sich  durch  Plattenkulturen  und  Präparate  eine  Bak¬ 
terienart  isolieren  liess,  die  zwischen  B  a  c  t.  coli  und  B  a  c  t 
lactis  aero genes  steht.  Pest  lag  also  nicht  vor.  Der 
Organismus  war  virulent  für  Meerschweinchen,  weisse  Ratten  und 
.Mäuse,  nicht  für  Kaninchen,  Intraperitoneal  wirkten  selbst  kleine 
Dosen  tödlich  innerhalb  2t  Stunden.  Bei  der  Sektion  war  das  Peri¬ 
tonealexsudat  voll  von  polgefärbten  Stäbchen.  Das  Blut 
war  ebenfalls  überfüllt.  Bei  subkutaner  Injektion  schwollen  die 
Lymphdrüsen  ausserordentlich  an,  die  Milz  war  sehr  vergrossert, 
die  Bungen  stark  hyperämisch.  Die  Bazillen  selbst  sind  dem  Pest¬ 
bazillus  sehr  ähnlich,  doch  ist  nach  Herstellung  einer  Kultur  eine 
i  erweclislung  mit  Pest  nicht  möglich. 

2)  F.  H  a  r  r  i  s  -  Atlanta:  A  case  of  extensive  necrosis  of  the 
hones  of  the  skull  and  face  with  pus  formation  produced  by 
lutherto  undescribed  microorgamsmus. 

3j  Sion  und  JN'  eg  ei -Jassy:  Ueber  eine  von  einem  atypi¬ 
schen  Kolibazilius  veranlasste  typhusähnliche  ELausepidemie 
nydrischen  Ursprungs.  (Schluss.) 

4)  G  a  n  t  a  n  i  -  Neapel:  Zur  Biologie  der  Influenzabazillen. 
Erwiderung  auf  die  Arbeit  über  dasselbe  Thema  von  G  h  o  n 
und  von  P  r  e  y  s  s. 

Verfasser  hält  daran  fest,  dass  Influenzabazillen  auf  hämo- 
globinf reien  Nährböden  sich  züchten  lassen,  ausserdem  ist  für  das 
Wachstum  der  Influenzabazillen  ein  Zusatz  von  Bakterienleibern 
von  Vorteil.  Er  glaubt,  dass  möglicherweise  auch  für  Bakterien, 
die  sich  jetzt  noch  nicht  züchten  lassen,  ein  Nährboden  mit  Zusatz 
von  Bakterienleibern  von  Nutzen  sein  könnte. 

5)  Maurer:  Die  Malaria  perniciosa.  Beitrag  zur  Biologie 
und  Morphologie  ihres  Erregers. 

Aus  der  grossen  Reihe  von  Einzelangaben,  die  nicht  alle  hier 
Platz  finden  können,  mag  erwähnt  werden,  dass  nach  den  Unter¬ 
suchungen  M  a  u  rers  nicht  schwer  fällt,  auch  in  den  jüngsten 
Madien  der  Krankheit  die  Perniciosa  von  der  Quartana 
und  4  ertiana  zu  unterscheiden,  da  die  kleinen  zierlichen  Ringe, 
die  mit  1  oriiebe  am  Rande  der  Blutscheibe  sitzen,  die  Diagnose  er¬ 
leichtern  helfen.  Wichtig  ist,  dass  die  liingf  o  r  m  e  n  nicht  i  m, 
sondern  auf  dem  Blutkörpercli  e  n  sitzen  und  erst  nach¬ 
dem  das  weitere  Stadium  der  Halb  m  o  n  d  e  an  die  Reihe  kommt, 
und  die  Parasiten  aus  dem  peripheren  Blut  verschwinden,  in  das 
Blutkörperchen  eindringen.  Mit  dieser  Einwanderung  ist  auch  die 
V  erme  h  r  ung  des  Pigments  gegeben.  Weiterhin  ist  dia¬ 
gnostisch  wichtig,  dass  man  während  der  Zeit  der  grösseren  Ringe 
rote  Flecke  in  Form  von  Ringelchen,  Schleifen,  Streifen  be¬ 
obachten  kann,  „die  eine  Folge  von  den  Angriffen  des  Parasiten 
sind,  welche  dieser  unternimmt,  um  sich  an  seinem  Träger  fest¬ 
zuhalten  und  sich  Nahrung  zu  verschaffen".  Diese  Erscheinung 
soll  für  Perniciosa  durchaus  regelmässig  und  unzweideutig  sein. 
Die  Gameten  (Halbmonde)  haben  einen  eigenen  Entwicklungs¬ 
gang»  der  wahrscheinlich  dort  beginnt,  wo  die  kleinen  Ringe  in  die 
grösseren  übergehen.  Diejenigen  kleinen  Ringe,  weiche  zu 
Gameten  sich  umbilden,  dringen  auch  sehr  bald  in  die  Blutkörper¬ 
chen  ein. 

Therapeutisch  ist  neben  vielen  anderen  Angaben  von 
Bedeutung,  dass  das  Chinin  am  schnellsten  und  intensivsten  auf 
Merozoiten  und  auf  die  „externen"  Schizonten  wirkt. 
Schwächer  ist  die  Wirkung  auf  „interne“  Schizonte  n, 
deren  Lebensdauer  dadurch  verlängert  wird.  Noch  schwächer  ist 
die  Wirkung  auf  die  Gameten  der  Tertiana  und  Quar¬ 
tana  und  am  schwächsten  auf  die  Halbmonde.  Jedenfalls 
ist  es  durchaus  nötig,  dass  bei  der  Behandlung  der  Perniciosa  das 
Medikament  bereits  im  Blut  vorhanden  sein  muss,  während  die 
externen  Schizonten  noch  leben. 

Den  Schluss  der  Arbeit  bildet  die  Vorschrift  für  die  Färbung 
der  Perniciosaflecken. 

6)  S  t  a  f  f  o  r  d  -  Montreal:  Cephalogonimus  americanus  (new 
species). 

Rein  zoologische  Abhandlung. 

7)  T  a  n  a  k  a  -  Akita-ken,  Japan:  Ueber  die  Untersuchung  des 
Pockeqerregers. 

Von  dem  Pleuraexsudat,  welches  einem  Patienten  abge¬ 
nommen  worden  war,  wurden  mehrere  Fläschchen  gefüllt  und 
aufbewahrt.  Nach  5  Tagen  bildete  sich  in  der  Mitte  des  Exsudates  j 
ein  gallertartiges  Gerinnsel,  in  welches  Verfasser  0,06  g  f  r  i  s  c  li  e  r 


L  y  in  p  h  e,  hineinträufelte.  Nach  mehrtägigem  Verweilen  im 
»lutsclirank  war  die  aufgeträufelte  Lymphe  in  eine  weisse  ge¬ 
ronnene,  wie  gekochte  Masse  verwandelt,  während  das  Exsudat 
unverändert  blieb. 


Bei  den  Nachforschungen  stellte  es  sich  heraus,  dass  der  Pat. 
\oi  _o  Jahren  schwere  Pockeninfektion  durchgemacht 
Hatte,  so  dass  das  beschriebene  Phänomen  als  eine  Art  Pfeif- 
*  e  1  -  G  i  u  b  e  r  -  \\  i  d  a  1  sehe  Reaktion  angesehen  werden  konnte. 
\  erlasser  schliesst  aus  dieser  Beobachtung,  dass  der  Pockenerreger 
homogen  und  strukturlos,  gleich  wie  die  Lymphe  selbst  sein  müs&se. 


o;  xanaxa:  z,ur  Brtorschung  der  Immunität  durch  die 
V  accmation. 

,  r  Es  wurden  Kinder  zuerst  an  einem  Oberarm  und  alsdann 
.  ’  ü>.  ^  >  ‘  >  '  V  II  Tage  später  an  dem  anderen  Oberarm  ge¬ 

impft.  Aus  den  Tabellen  ist  zu  entnehmen,  dass  bereits  am  4.  Tage 
der  Erfolg  der  Nachimpfung  ein  sehr  geringer  ist,  während  etwa 
vom  9.  tage  an  vollkommene  Immunität  eingetreten  ist 


J)  G  o  h  n  -  Königsberg:  Ueber  den  antiseptischen  Wert  des 
Argentum  colloidale  Crede  und  seine  Wirkung  bei  Infektion 
(Schluss  folgt.) 

10)  Zielleczky  -  Prag :  Biochemische  und  differential¬ 
diagnostische  Untersuchungen  einiger  Bakterien  mittels  Phenol¬ 
phthaleinnährböden. 

Dur<?h  den  Zusatz  von  schwacher  Phenolphthaleinlösung 
(0,8— 0,7  ccm  von  auf  720  verdünnter  y2  proz.  Lösung)  zu  den 
brauchlichen  Nährböden  wird  das  Wachstum  der  Bakterien  nicht 
beeinträchtigt.  Bei  Zusatz  von  grösseren  Mengen  von  der  an¬ 
gegebenen  Phenolphthaleinlösung  als  0,8  ccm  zur  Bouillon  und 
1  ccm  zum  Agar  entwickelt  sich  Coli  noch  ganz  gut,  entwickelt 
aber  oft  weniger  Säure,  während  beim  T  yphus  das  Wachstum 
authort.  Die  mit  Phenolphthalein  gefärbten  Nährböden  werden 
durch  G  o  1  i  bedeutend  früher  und  intensiver  als  durch  B.  typhi 
entfärbt.  In  Symbiose  mit  T  y  p  li  u  s  produziert  Coli  in  gleicher 
Zeit  verhältnismässig  viel  weniger  Säure  als  eine  Reinkultur  des¬ 
selben  Alters. 

Die  1  henolpli  t  haleinnährböden  wären  zu  empfehlen,  weil 
deren  Herstellung  sehr  bequem  und  einfach  ist. 

R.  O.  Neumann  -  Kiel. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  40. 

1)  A.  Gross-Kiel:  Ueber  lokale  Wärmeapplikation. 

\  erf.  beschreibt  zunächst  die  an  der  Quincke  sehen  Klinik 
in  Anwendung  befindlichen  Wärmekörper,  welche  aus  Zinnröhren 
bestehen,  die  schleifenförmig  gelegt  und  auf  Asbestplatten  be¬ 
festigt  werden.  Durch  die  Röhren  wird  heisses  Wasser  geleitet. 
Das  Prinzip  dieser  Thermophore  wurde  nun  auch  auf  lokale  Sand¬ 
bäder  und  Sandumschläge  angewendet,  indem  der  Sand  in  Leinen- 
säckchen  auf  oder  unter  den  Thermophor  gelegt  wird.  Wie  Mes¬ 
sungen  ergaben,  ist  die  Tiefenwirkung  aller  heissen  Umschläge 
doch  eine  recht  beschränkte.  Behandelt  wurden  subakute 
Ischiasfälle,  Lumbago,  Spondylitis,  vor  allem  Magengeschwüre. 
Aon  günstigem  Einfluss  scheint  hiebei  die  lokale  Schweisshervor- 
rufung  zu  sein. 

2)  M.  W  o  1  f  f  -  Berlin :  Perlsucht  und  menschliche  Tuber¬ 
kulose. 

\  erfasser  hat  mit  Material  von  einer  primären  menschlichen 
Darmtuberkulose  ein  gesundes  Kalb  infiziert  und  konnte,  wie  aus 
dem  makro-  und  mikroskopischen  Befunde  auf  das  deutlichste 
hervorging,  bei  dem  Tiere  eine  schwere  Perlsucht  hervorrufen. 
Koch  hatte  aus  dem  nämlichen  Material  ein  entgegengesetztes 
Resultat  erhalten.  W.  betont,  dass  die  Angaben  von  K  o  c  li  be¬ 
treffs  der  Nichtübertragbarkeit  der  menschlichen  Tuberkulose  auf 
Rinder  mit  den  Ergebnissen  einer  Reihe  anderer  Forscher  nicht 
zu  vereinbaren  sind,  wie  auch  nicht  mit  dem  vorliegenden  Impf¬ 
ergebnisse. 

3)  M.  L  e  w  i  n  s  o  n  -  Berlin:  Zur  Lehre  von  der  atonischen 
Erweiterung  der  Speiseröhre.  (Schluss  folgt.) 

4)  J.  M  i  t  u  l.e  s  c  u  -  Bukarest:  Beiträge  zum  Studium  des 
Stoffwechsels  in  der  chronischen  Tuberkulose.  (Schluss  folgt.) 

o)  G.  Hamburger-  Berlin:  Ueber  die  Berechtigung  und 
Notwendigkeit,  bei  tuberkulösen  Arbeiterfrauen  die  Schwanger¬ 
schaft  zu  unterbrechen. 

Vergl.  hiezu  das  Referat  Seite  1)86  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1002.  Grassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  19o2.  No.  46. 

1)  A.  L  i  p  s  t  e  i  n  -  Frankfurt  ä/M. :  Ueber  Immunisierung 
mit  Diphtheriebazillen. 

Veranlasst  durch  die  Mitteilung  A.  Wassermanns 
(Deutsche  med.  Wochenschr.  1902,  No.  44)  berichtet  Verfasser  über 
seine  Versuche,  auf  immunisatorischem  Wege  Reaktionsprodukte 
gegenüber  den  Substanzen  des  Bazillenleibes  der  Diphtheriebazillen 
zu  gewinnen. 

2)  E.  Heller-  Leipzig:  Oberarm-  und  Schultergelenkbruch- 
verband. 

Nach  einem  am  3.  Juni  1902  in  der  medizinischen  Gesellschaft 
zu  Leipzig  gehaltenen  Vortrage  mit  Demonstrationen.  Referat 
hierüber  siehe  diese  Wochenschrift  No.  34,  pag.  1443. 

3)  R.  K  u  c  k  e  i  n  -  Königsberg  i/Pr.:  Ueber  zwei  Fälle  von 
Oesophaguskarzinom,  welche  unter  dem  Bilde  eines  Aorten¬ 
aneurysmas  verliefen.  (Fortsetzung  aus  No.  45,  Schluss  folgt.) 

4)  R.  Hecker-  München:  Die  Erkennung  der  fötalen 
Syphilis.  (Schluss  aus  No.  45.) 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


K)76 


Uebersiclitliebe  Zusammenfassung  der  zur  Diagnose  der 
fötalen  Syphilis  gegebenen  Anhaltspunkte.  Abgesehen  von  der 
makroskopischen  Diagnose  empfiehlt  Verfasser  vor  allem  die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung,  und  zwar  in  jedem  Falle,  in  welchem  die 
Sektion  einer  reifen  oder  unreifen  Frucht  keine  Klarheit  darüber 
gibt,  ob  Syphilis  vorliegt  oder  nicht.  Man  harte  dazu,  falls  nicht 
Gefrierschnitte  gefärbt  werden  können,  kleine  Stückchen  aus 
Niere,  Milz,  Thymus,  Pankreas,  Lunge  und  Leber,  untersuche  zu¬ 
nächst  nur  die  Niere  und  erst  bei  negativem  Ergebnis  in  zweiter 
Linie  die  übrigen  Organe.  Der  Befund  der  zeitigen  Gefässinfil- 
tratiou  in  der  Niere  wird  letzteres  zumeist  überüiissig  machen. 
Erst  das  Fehlen  aller  pathologischen  Erscheinungen  in  den  unter¬ 
suchten  - —  nicht  mazerierten  —  Präparaten  gestattet  nach  An¬ 
sicht  des  Verfassers,  das  Vorhandensein  von  kongenitaler  Sj’pbilis 
mit  fast  völliger  Sicherheit  auszuschliesseu. 

5)  p.  Fuchs-Berlin:  Choleiithiasis  und  Pankreaserkran¬ 
kungen. 

Das  Resultat  seiner  Untersuchungen  sucht  Verfasser  in  zwei 
Sätzen  zusammenzufassen:  . 

1.  Die  Entzündungen  des  Pankreas  bieten,  sofern  sie  zur  Bil¬ 

dung  eines  palpablen  Tumors  führen,  die  Möglichkeit  einei  kli¬ 
nischen'  Diagnose.  . 

2.  In  der  Aetiologie  der  Pankreaserkrankungen,  insbesondere 
sämtlicher  Entzündungen  des  Pankreas,  spielt  die  Choleiithiasis 

die  wichtigste  Rolle.  ........  ., 

Gj  Fr.  Hofmann  -  Leipzig:  Die  angebliche  Unschädlichkeit 

von  Borsäure  im  Fleische.  M.  Lac  hei. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  4G.  1)  S.  Jellinek- Wien:  Zur  Klinik  der  durch 

atmosphärische  und  technische  Elektrizität  verursachten  Ge¬ 
sundheitsstörungen.  .  .  .  . 

Verl,  erörterte  in  seinem  Vortrag  zuerst  die  Umstande,  welche 
die  Gefährlichkeit  eines  elektrischen  Stromes  erhöhen  oder  ver¬ 
mindern  und  hebt  besonders  auch  die  Tatsache  hervoi,  dass  bei 
Starkströmen  schon  unipolare  Berührung  für  eine  Gesundheits- 
Schädigung  ausreicht.  Zu  den  lokalen  Symptomen  des  sog.  ani¬ 
malischen  Effektes  gehören  Brandwunden,  Flaarversengungen, 
Blutaustritte,  Durchlöcherungen  und  Durchtrennungen  des  ooer- 
nächiiclien  Gewebes,  endlich  die  sog.  Blitzüguren,  auf  deieh  ge¬ 
nauere  Schilderung  J.  eingeht.  Bei  den  sog.  Brandwunden  in¬ 
folge  elektrischer  Wirkungen  handelt  es  sich  wahrscheinlich  um 
lokale  "Wirkungen  der  Elektrizität,  nicht  um  reine  I lamrnen- 
wirkung.  Die  technische  Elektrizität  erzeugt  ähnliche  lokale  Er¬ 
scheinungen  wie  Blitzschlag,  abgesehen  von  den  Blitzüguren.  Hie 
und  da  fehlen  Lokalerscheinungen  gänzlich.  Die  Allgemein¬ 
erscheinungen  beruhen  teils  auf  dem  psychischen  Moment,  teiis 
auf  organischen  Veränderungen.  Manchmal  sieht  man  nach  Blitz¬ 
schlägen  und  technischen  Verletzungen  eine  auffallende  Rigidität 
der  peripheren  Arterien  in  der  Nähe  der  Einwirkungsstelle. 

Auf  Grund  der  Befunde  des  Verf.  ist  der  Tod  au  Elektrizität 
zu  erklären  aus  anatomischen  Veränderungen,  welche  Gehirn  und 
Rückenmark  erfahren.  Dieselben  bestehen  in  Zertrümmerungen 
und  Blutungen  innerhalb  der  Ganglienzellen,  ferner  gewissen  an¬ 
deren  Zellveränderungen.  Die  beste  Prophylaxe  gegen  technische 
Verletzungen  erblickt  Verf.  in  einer  richtigen  Belehrung  ^  der 
Jugend  und  Popularisierung  der  wichtigsten  Grundsätze  der  Elek¬ 
trizitätslehre.  Hinsichtlich  der  Therapie  ist  zu  beachten,  dass 
Lähmungen  auch  noch  einige  Zeit  nach  der  stattgehabten  A  ei- 
letzung  sich  ausbilden  können. 

2)  ü.  Marburg- Wien:  Zur  Pathologie  der  grossen  Hirn- 
gefässe. 

°  Vortrag,  gehalten  auf  der  diesjährigen  Naturforscherversamm¬ 
lung  in  Karlsbad. 

3j  L.  II  a  r  m  e  r  -  Wien:  Angeborene  Membran  an  der  hin¬ 
teren  AV  and  des  Kehlkopfes. 

Siekergesteilt  ist  erst  1  Fall  dieser  Art,  ein  weiter  beschrie¬ 
bener  ist  nicht  anatomisch  untersucht  worden.  In  dem  hier  ge¬ 
schilderten  Fall  handelte  es  sich  um  eine  Schleimhautfalte,  welche 
die  hintersten  Enden  der  beiden  Stimmbänder  durch  einen  flachen, 
nach  oben  konvexen  Bogen  miteinander  verband.  Es  liegt  offen¬ 
bar  eine  angeborene  Veränderung  vor,  die  Entstehung  aus  einer 
Narbe  ist  ausgeschlossen. 

■i)  H.  Alb  recht  und  A.  Gohn-AArien:  Noch  einmal  der 
Meningococcus  intracellularis. 

Im  wesentlichen  polemische  Ausführungen  bezw.  Richtig¬ 
stellungen  gegenüber  einem  Artikel  von  O.  H  e  u  b  n  e  r  -  Berlin. 
Schliesslich  teilen  die  A’erf.  noch  4  Fälle  von  primärer,  sporadischer 
Zerebrospinalmeningitis  mit,  wo  der  bakteriologische  Befund  mit 
dem  bei  früheren  Fällen  von  ihnen  erhobenen  ganz  übereinstimmte 
(AA’  eichseibau  m  scher  Meningokokkus,  der  sich  bei  Anwen¬ 
dung  der  G  ramschen  Färbung  entfärbt). 

Im  Feuilleton  ein  von  v.  Schroetter  erstatteter  Bericht 
über  den  Stand  der  Bestrebungen  zur  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  in  Oesterreich.  Grassmann  -  München. 

Französische  Literatur. 

B  e  r  nh  ei  m  -  Nancy:  Das  psychische  Element  bei  der 
hysterischen  Hemianästhesie.  (Revue  de  medecine,  August  1902.) 

Die  2  Beobachtungen,  welche  B.  hier  bringt,  und  welche  eine 
weibliche  Patientin  und  einen  männlichen  Patienten  im  Alter  von 
ÖG  resp.  48  Jahren  betreffen,  beweisen  neuerdings  die  von  B.  schon 
früher  auf  gestellte  Behauptung,  dass  psychische  Einflüsse  bei  der 


Hemianästhesie  eine  grosse  Rolle  spielen  und  dieselbe,  wenn  auch 
auf  organische  Ursachen  zurückzuführen,  durch  Autosuggestion 
noch  lange  erhalten  werden  kann.  Die  sensitiv-sensorielle  Hemi¬ 
anästhesie  kann  sich  direkt  an  die  rein  dynamische  Hemiplegie 
anscliliessen,  kann  durch  jede  Art  ärztlicher  Untersuchung,  welche 
unwillkürlich  suggestiv  wirkt,  hervorgerufen  werden;  sie  kann 
sich  durch  Autosuggestion  bei  auf  organischer  Grundlage  be¬ 
ruhender  Verminderung  der  Sensibilität  in  komplette  Anästhesie 
umwandeln  und  kann  einen  wirklichen  organischen  Ursprung 
haben,  indem  die  funktionelle  Störung  nach  der  organischen 
Läsion  (Schock)  als  eine  Art  psychisches  Bild  bestehen  bleibt. 
Diese  Erscheinung  kann  auch  bei  Individuen,  welche  keineswegs 
hysterisch  sind,  unter  all  den  erwähnten  Formen  Vorkommen,  wie 
der  hier  beschriebene  zweite  Fall  beweist;  die  psychische  An¬ 
ästhesie  ist  also  nicht  immer  hysterischer  Natur. 

Victor  Lore  t- Lyon:  Der  Ricinus  und  seine  medizinische 
Verwendung  im  alten  Aegypten.  (Ibid.) 

Historisch-medizinischer  Streifzug,  welcher^  lehrt,  dass  ^  die 
Rizinuspflanze  in  Aegypten  zu  Herodots  Zeiten  (5.  Jahrli.  v.  Chr.) 
eifrig  kultiviert  wurde.  Das  bald  warm  (durch  Kochen  in  AVasser), 
bald  kalt  exprimierte  Del  diente  für  gewöhnlich  zu  Beleuchtungs¬ 
zwecken!  8 trab o  jedoch  versichert,  dass  die  Aegypter  der  är¬ 
meren  Klassen  die  Gewohnheit  hatten,  sich  damit  zu  salben,  und 
Dioscorides  behauptet,  dass  es  auch  in  der  Medizin  angewandt 
wurde,  ln  den  ägyptischen  Gräbern  sind  Rizinuskörner  gefunden 
worden,  die  als  solche  auch  als  Abführmittel  benützt  worden  seien. 
Im  übrigen  ist  der  Artikel  mehr  von  philologisch-historischer  Be¬ 
deutung. 

Censier-  Bagnoles-de-l’Orne:  Einige  Betrachtungen  zur 
Pathogenese  der  Phlebitis.  (Ibid.) 

Nach  Verfassers  Ansicht  erheischen  in  der  Aetiologie  der 
Venenentzündung  noch  viele  Punkte  der  Aufklärung.  Unter  an¬ 
deren  führt  er  die  prätuberkulöse,  die  vor  dem  (Gebärmutter-) 
Krebs  auftretende  Phlebitis  an,  wobei  der  Anteil  dieser  Gefäßent¬ 
zündungen,  welche  sogar  vor  Ausbruch  des  eigentlichen  Leidens 
wieder  zur  Heilung  kommen  können,  an  einer  Infektion  des  Blutes 
noch  eine  offene,  sehr  schwer  zu  lösende  Frage  bleibt.  Ebenso 
dunkel  erscheint  Censier  der  Einfluss,  welchen  nicht  nur  ein 
direktes  Trauma,  sondern  ein  in  die  Ferne  wirkender  Schock  bei 
der  Entstehung  der  Phlebitis  hat;  als  Beispiel  dieser  Art  führt  er 
eine  22  jährige  Patientin  an,  bei  welcher  durch  Sturz  vom  Pferde 
eine  Prell  Verletzung  am  Hüftgelenk  entstand,  die  sehr  leichter  Natur 
schien,  aber  später  ausgedehnte  Venenentzündung  am  Unter-  und 
Oberschenkel  zur  Folge  hatte.  In  ähnlicher  Weise  versucht  A  er¬ 
fasset-  die  Häufigkeit  der  Phlebitis  im  Puerperium  zu  erklären, 
wo  ein  allgemeiner  Schock  stattgefunden  habe  und  das  Trauma 
(Geburt)  auf  das  schon  erweiterte  und  überanstrengte  Venensystem 
an  und  um  tlie  Gebärmutter  einwirkt;  dazu  kommt  meist  eine  ge¬ 
wisse  Prädisposition,  zuweilen  ein  Zustand  von  Arthritismus,  von 
subakutem  Rheumatismus,  wo  die  Infektion  dann  nur  noch  mit 
oft  sehr  geringfügiger  Intensität  hinzuzukommen  braucht,  um 
manche  puerperale  Phlebitis  zu  verursachen. 

Ch.  Fere:  Die  magnetische  Anziehungskraft.  (Ibid.,  Sep¬ 
tember  19U2.) 

Eingehende  physikalisch-physiologische  Studie,  welche_nacli 
kurzen  historischen  Bemerkungen  und  Erklärung  durch  2i  Lx- 
perimente  (mit  52  Figuren)  zu  dem  Ergebnisse  kommt,  dass  die 
Suggestion  beim  Magnetismus  keine  Rolle  spielt  und  derselbe  keine 
psychologische,  sondern  eine  rein  physikalische  Frage  darstellt. 

G.  Darember  g  und  F.  Moriez  -  Cannes:  Veränderungen 
der  Eiweissmenge,  der  Harnsäure,  der  Totalazidität  des  Urins 
bei  den  permanenten  und  den  unkonstanten  Formen  der 
Albuminurie.  (Ibid.) 

Die  Verfasser  kamen  bei  ihren  Untersuchungen  zu  folgenden 
Resultaten.  In  allen  Fällen  von  Albuminurie  ist  in  den  Morgen¬ 
stunden  die  geringste  Menge  von  Eiweiss  vorhanden,  bei  den  in¬ 
konstanten  (zyklischen)  Formen  verschwindet  es  vollständig.  Die 
Stunde,  wo  das  Maximum  der  Elimination  stattfindet,  ist  bei  all 
diesen  verschiedenen  Formen  eine  sehr  variable.  In  den  Fällen  vou 
dauernder  Albuminurie  (B  r  iglit  sehe  Krankheit)  ist  es  immer 
zwischen  Mittag  und  5  Uhr  Nachm.,  in  den  Fällen,  wo  das  Ei¬ 
weiss  Morgens  verschwindet,  zwischen  10  Uhr  Morgens  und 
10  Uhr  Abends,  meist  aber  von  Mittag  bis  G  Uhr  Nachm,  vor¬ 
handen.  Den  Einfluss  der  aufrechten  Körperhaltung  auf  Ver¬ 
mehrung  des  Eiweissgehaltes  fanden  \rerfasser  nicht  bestätigt. 
Der  Einfluss  der  Ernährung  bei  der  zyklischen  Albuminurie  ist 
bald  vorhanden,  bald  nicht;  die  ersteren  Fälle  sind  für  Alkalien, 
die  letzteren  für  die  Arseniktherapie  zugänglich.  Bei  der  inkon¬ 
stanten  (zyklischen)  Albuminurie  sind  die  Mengen  Harnsäure, 
Totalazidität  und  Eiweiss  bald  proportional,  bald  umgekehrt  pro¬ 
portional  vorhanden.  Die  Abstände  zwischen  Maximum  und  Mi¬ 
nimum  von  Harnsäure  und  Totalazidität  sind  viel  grösser  bei  der 
Albuminurie,  wo  dieselbe  Morgens  verschwindet,  als  bei  gesunden 
Personen.  Bei  letzteren  stimmen  die  Kurven  der  stündlichen 
Elimination  von  Harnsäure  und  Totalazidität  überein,  bei  der 
ebengenannten  Art  von  Albuminurie  aber  nicht.  Die  Stunden, 
wo  Maximum  und  Minimum  von  Azidität  und  Harnsäure  eliminiert 
wird,  sind  bei  gesunden  Personen  stets  konstant,  bei  Albuminurie 
sehr  wechselnd.  Die  mit  zyklischer  (inkonstanter)  Albuminurie 
Behafteten  können  an  Körpergewicht  zunehmen,  selbst  wenn  sich 
der  Eiweissgelialt  ihres  Urins  verpiehrt.  Graphische  Darstellung 
(Kurven)  alf  dieser  Verhältnisse. 

Gay  et- Lyon:  Die  blutige  Reposition  des  Caput  femons 
bei  den  irreduktiblen  Luxationen  des  Hüftgelenks.  (Revue  de 
Chirurgie,  Juli  und  August  3902.) 


25. 


November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


Unter  Anführung  einer  eigenen  Beobachtung  und  6  der  Lite 

äääää! 
klassische  Methode  der  veralteten  irreduktiblen  Luxationen  z  vver- 
m  •  w“®  ,we?.lg  scIlwierige  Operation  an  sich,  gibt  sie  besieh 
nrfSi1  b6«,8!?  fdl^-  a?d.eren  Methoden:  manchmal  ideales  funktio¬ 
nelles  Resultat,  last  immer  eine  Beweglichkeit,  welche  beinahe 

SÄ“VfG^g  ges'attet:  dieselbe  bekämpft  am  besten  und  untei" 
diuckt  oft  die  Verkürzung  des  Beines.  Die  Reposition  wird  in 
den  meisten  Fällen  möglich  sein,  unter  der  Bedingung  einer  gute 
Technik;  im  Gegensatz  zu  der  bis  jetzt  herrschenden  Ansicht  wird 
ä  i.  aussei e  Inzision  auf  den  Trochanter  fast  immer  genügen 
Dieselben  Regeln  haben  bei  der  Behandlung  der  pathologischen 
Luxationen,  welche  auf  akute  Affektionen  folgen,  Geltung'  da  die 
V  eränderungen  dabei  merkwürdige  Ähnlichkeit  mit  jenen  de? 
ti aumatischen  Luxationen  haben.  Hingegen  ist  bei  der  rnTitmn 
iufolge  von  Coxalgie  die  blutige  «Äl  sjSiSS 
im  Hinblick  auf  den  Allgemeinzustand,  auf  die  Knochenverände- 
l  imgen  und  auf  die  Gefahr,  den  kaum  erloschenen  Prozess  wieder 
zum  Auf  flammen  zu  bringen;  immerhin  gibt  es  auch  beim  Tumor 
a  bue  des  Hüftgelenkes  gewisse  wohl  umsei, Hel £ So  p  u  ”  ft 
blutige  Reposition  von  Vorteil  sein  kann. 

Etienne  Des  tot- Lyon:  Die  Frakturen  des  hinteren  Teiles 
der  Fusswurzel.  (Ibid.,  August  1902.) 

Unter  den  ausserordentlich  zahlreichen  Varietäten  von  Frak- 
turen,  weiche  den  hinteren  Teil  der  Fusswurzel  —  die  beiden 
Malleolen,  den  Astragalus  und  den  Caleaneus  —  betreffen  kann 
K  verschiedene  Typen,  sei  es  mittels  der  gewöhnlichen  kli¬ 
nischen  Untersuchungsmethoden,  sei  es  vermittels  der  Radio- 
graphie  erkennen;  die  vorliegende  Arbeit  ist  ein  Versuch,  diese 
natürlichen  Gruppen,  deren  frühzeitige  Diagnose  von  Wichtigkeit 
ist,  zu  klassifizieren.  Prognose  und  therapeutische  Indikationen 
hangen  von  der  genauen  Kenntnis  dieser  verschiedenartigen  Ver- 
c  Zllll»en  ab.  Was  die  Frakturen  der  Malleolen  betrifft,  so  gibt 
es  neben  den  beiden  klassischen  durch  Adduktion  und  Abduktion 
entschieden  eine  dritte  Art,  wo  vordere  oder  hintere  Zunge  der 
libia  abgesprengt  wird;  letztere  ist  die  häufigere  (18  Fälle)  bei 
ersterem  Typus  (7  Fälle)  ist  meist  gleichzeitig  eine  Fraktur  des 
Astragalus  vorhanden.  Letztere  kommt  auch  isoliert  vor,  kann 
ferner  Kopf,  Hals  oder  hinteres  Segment  des  Knochens  betreffen- 
liier  ist  wiederum  die  letztgenannte  Form  die  häufigere,  dann 
folgt  die  Fraktur  des  Kopfes.  Bei  der  Fraktur  des  Caleaneus  unter¬ 
scheidet  inan  2  grosse  Typen:  die  eine  durch  Zerreissung 
(Boy er),  die  andere  durch  Zermalmung  (nach  Malgaigne 
”nd.  L  e5  °  u  e  s  t).  Die  Pathogenese,  genauere  Beschreibung  und 
Ditterentialdiagnose  dieser  verschiedenen  Arten  von  Frakturen 
am  hinteren  Fussgewölbe,  wie  sie  D.  weiter  hier  gibt,  sind  nur 
ndttels  der  beigegebenen  (26)  Zeichnungen  verständlich. 

IJ,‘on  b  he  v  e  not-  Lyon:  Die  Aktinomykose  des  Mastdarms 
und  Anus.  (Ibid.) 

Die  Arbeit  stammt  aus  der  Klinik  des  bekannten  Aktino- 
myzesforschers  Poncet  und  lehrt,  dass  die  Lokalisation  des 
Strahlenpilzes  an  Anus  und  Mastdarm  eine  ausserordentlich  lebens- 
gcfälirliche  ist;  von  15  Fällen  endeten  7  tödlich,  4  mit  unbekanntem 
Ei  folg,  bei  3  trat  vorübergehende  Heilung  ein  und  1  ist  seit 
o  Jahren  in  Behandlung.  Der  Tod  ist  die  Folge  lange  währender 
Eitei  ungsprozesse  und  sehr  wahrscheinlich  auch  einer  speziellen 
\  ergiftung  durch  den  Strahlenpilz.  Die  Gegend  um  Anus  und 
Mastdarm  herum  ist  durch  ihren  Reichtum  an  Zellgewebe  ein 
vortrefflicher  Nährboden  für  die  Entwicklung  des  Strahlenpilzes. 
Id  selbe  wird  entweder  direkt  (durch  eine  Schleimhautverletzung 
oder  durch  einen  die  Haut  verletzenden  Fremdkörper)  oder  durch 
den  Darmkanal,  ohne  dass  Mundhöhle,  Coekum  u.  s.  w.  ergriffen 
Aveiden,  oder  durch  Kontinuität  von  den  Nachbarorganen  aus  ein- 
getührt.  Im  ersteren  Falle  betreffen  die  Veränderungen  besonders 
die  Haut,  in  den  anderen  Fällen  besonders  das  Zell-Fett-Gewebe, 
wo  sie  oft  sehr  tiefgreifend  sind  und  bei  operativen  Eingriffen 
mancherlei  Ueberraschungen  bieten.  Am  Anfang  sind  nur  Diar¬ 
rhoen  oder  Abszesse  mit  Fisteln  oder  Stenoseerscheinungen  vor¬ 
handen,  bald  aber  nimmt  die  Aktinomykose  ihr  typisches  Aussehen 
an:  die  Haut  ist  mit  zahlreichen  Fisteln  bedeckt,  harte  Infiltration 
des  Perineums,  der  Beckenhöhle  u.  s.  w.;  später  können  Peri¬ 
toneum,  Blase,  Darm  befallen  werden  und  dann  können  deren 
pathologische  Oeffnungen  in  das  Rektum  das  klinische  Bild  modi- 
hzieren.  Die  Anwesenheit  der  gelben  (Aktinomyzes-)  Körner  ist 
«las  Zeichen  der  Krankheit,  welche  am  Beginne  oft  verkannt  wird, 
tnr  denjenigen  aber,  der  dieselbe  kennt,  keine  diagnostischen 
Schwierigkeiten  bereiten  soll.  Beschreibung  zweier  Fälle. 

Louis  Ombredanne:  Beitrag  zum  Studium  der  Frak¬ 
turen  des  Astragalus.  (Ibid.,  August  und  September  3902.) 

O.  tritt  hier  auf  Grund  eigener  zahlreicher  Leichenexperimente 
(42)  der  von  Ballenghien  aufgestellten  und  seitdem  (1890) 
allgemein  acceptierten  Theorie  entgegen,  dass  die  Frakturen  des 
Astragalus  beinahe  ausschliesslich  durch  Zermalmung  entstehen, 
vielmehr  lehrten  dessen  Experimente,  dass  der  Astragalus  primär 
unter  dem  Zug  der  sich  an  ihm  inserierenden  Bänder  frakturiert 
'der  Astragalus  ist  der  Hebelarm,  welcher  zwischen  der  einwirken¬ 
den  Gewalt  und  dem  fixen  Punkte  bricht,  weil  die  beiden  letzteren 
unüberwindlich  sind).  Nach  dieser  Theorie  von  O  m  b  r  e  d  a  n  n  e 
:md  die  eigentlichen  Zermalmungsfrakturen  (durch  direkte  oder 
indirekte  Gewalt)  des  Sprungbeins  ausserordentlich  selten;  die¬ 
jenigen  durch  Zug  und  Zerrung  die  meist  vorkommenden.  Man 
unterscheidet  hier  wieder  1.  die  Fraktur  quer  durch  Hals  und 
Körper,  2.  die  sagittale  durch  das  Corpus  astragali  und  8.  Ab- 


1977 


Sprengung  der  hinteren  Tuberkula.  Diese  verschiedenen  Arten 
kommen  je  nach  der  Stellung,  welche  der  Fuss  während  der  Ein¬ 
wirkung  der  Gewalt  einnimmt,  vor.  Die  Frakturen  von  Hals  und 
Ivorper  des  Sprungbeins  sind  charakterisiert  durch  die  Verschie¬ 
bung  des  ganzen  Fusses  nach  innen  mit  oder  ohne  Umstellung  der 
I  lanta  nach  innen  (diese  Deformation  ist  bei  intakten  Malleolen 
beinahe  charakteristisch),  die  Fraktur  der  hinteren  Höckerchen 
durch  anhaltende  Leistungsunfähigkeit  des  betreffenden  Gliedes 
und  durch  den  Schmerz  an  der  Achillessehne.  Im  übrigen  wird 
wohl  nur  die  Radiographie  vollständige  Sicherheit  der  Diagnose 
bieten.  In  therapeutischer  Hinsicht  empfiehlt  O.  bei  den  Frak¬ 
turen  von  Hals  und  Körper  die  totale  Exstirpation  des  Sprung¬ 
beines,  bei  den  Absprengungen  der  Höckerchen  die  Abtragung 
des  abgerissenen  Knochenfragments.  Die  Einzelheiten  der  sehr 
instruktiven  Arbeit  sind  nur  vermittels  der  (28)  beigegebenen 
Zeichnungen  verständlich. 

.  K-  B.  Mar  f  an:  Die  im  Jahre  1901  und  1902  beobachteten 
Falle  von  maligner  Diphtherie.  (Annales  de  medecine  et  Chirurgie 
infantiles,  15.  August  1902.) 

Unter  1303  Diphtheriefällen,  welche  vom  1.  März  1901  bis 

1.  Maiz  1902  im  Spital  des  Enfants-Malades  zur  Behandlung  ge- 
kommen  sind,  gab  es  271  Todesfälle  =  20,79  Proz.;  rechnet  man 
diejenigen  (13/)  ab,  welche  in  den  ersten  24  Stunden  verstorben 
sind,  so  ergibt  sich  nur  eine  Mortalität  von  11,49  Proz.  In  dieser 
Zeit  kamen  hauptsächlich  2  Formen  von  Diphtherie  zur  Behand¬ 
lung:  die  gewöhnliche  und  die  maligne.  Bei  ersterer  hat  das  Heil 
seium  eine  gewöhnlich  präzise  eintretende  Wirkung,  bei  letzterer 
eine  nur  langsame  und  unsichere.  Von  der  malignen  Diphtherie 
unterscheidet  M.  wieder  3  Unterarten:  1.  üebergang  des  diphtlieri- 
tisclien  Prozesses  auf  die  Atmungsorgane  (Kehlkopf  u  s.  w ) 

2.  Die  maligne  Form  ist  charakterisiert  durch  Hämorrhagien  und 
besonders  Ecchymosen,  sie  ist  ebenso  häufig  und  ebenso  schwer 
verlaufend  wie  die  erste,  aber  ihre  Entwicklung  ist  etwas  lang¬ 
samer;  es  kommen  nicht  nur  Nasenbluten  und  Blutungen  aus  dem 
uaclien,  sondern  auch  Häinatcniese,  Mclaena,  Hämaturie  und  bo- 
sonders  zahlreiche  Ilautecchymosen  vor.  Die  3.  Form  der  malignen 
Diphtherie  ist  diejenige  mit  viel  langsamerem  Verlauf;  die  Mem- 
bianen  fallen  zwar  unter  dem  Einflüsse  des  Serums  ab,  jedoch 
sehr  spät  (G. — 8.  Tag)  und  die  Schleimhaut  zeigt  sich  an  ihren 
Stellen  wieder  ulzeriert  und  blutend;  Erbrechen,  welches  am  8.  bis 
10.  lag  eintritt,  ist  gewöhnlich  das  schlimme  Vorzeichen  des 
nahenden  Todes.  Der  autoptische  Befund  zeigt  beinahe  in  allen 
l1  allen  dieser  malignen  Diphtherie  die  gleichen  Veränderungen, 
welche  besonders  Herz  (Endokarditis)  und  Leber  betreffen. 
M.  hält  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  zum  grossen  Teil  bei 
diesen  Fällen  eine  Mikrobenassociation  die  Hauptrolle  spielt  und  die 
beschriebenen  Zustände  einer  Diplokokkenseptikämie,  welche  durch 

1  ieberlosigkeit,  Bildung  von  Herzthromben,  Degeneration  innerer 
Organe  sich  auszeiclinet,  zum  Teile  wenigstens  zuzuschreiben  sind. 
Daher  auch  die  Unwirksamkeit  des  Heilserums.  Trotzdem  hält 
M.  daran  fest,  dass  diese  malignen  Formen  desto  seltener  Vor¬ 
kommen,  je  früher  das  Serum  injiziert  wird,  d.  h.  je  früher  die 
Toxine  neutralisiert  werden,  so  dass  die  sekundäre  Infektion 
keinen  günstigen  Boden  mehr  findet.  Mau  muss  also  das  Heil¬ 
serum  so  bald  wie  nur  möglich  anwenden  und  darf  keineswegs 
das  Resultat  der  bakteriologischen  Untersuchung  ab  warten. 

Barbie  r:  Einige  Todesursachen  bei  der  Diphtherie.  (Ibid 
1.  September  1902.) 

B.  bespricht  hier  auf  Grund  zahlreicher  Sektionsbefunde 
zwei  Todesursachen  bei  Diphtherie,  welche  nur  als  sekundäre  an- 
zu sehen  sind.  Es  sind  das:  1.  die  Thrombose  des  Herzens  und 

2  die  Tuberkulose.  Allgemeine  Blässe,  Kälte  der  Extremitäten, 
kleiner,  fadenförmiger  Puls,  zuweilen  allgemeiner  Kollaps  oder 
auch  ganz  erschrecklich  aussehende  Angina  sind  in  kurzem  das 
Bild  der  Herzthrombose;  der  Kranke  bleibt  vollständig  bei  Be¬ 
wusstsein,  plötzlich  tritt  der  Tod  ein,  meist  ohne  einen  Schrei, 
ohne  Konvulsionen.  Die  Prognose  solcher  Fälle  ist  natürlich  sein- 
schlecht  und  die  Erfolge  jeder  Behandlung  gleich  Null.  Was  den 
Einfluss  de  r  Tuberkulös  e  betrifft,  so  hat  Verfasser  die 
Erfahrung  gemacht,  dass  die  Diphtherie  durch  eine  gleichzeitig 
vorhandene  Tuberkulose  sicher  verschlimmert  wird,  was  er  durch 
eine  Reihe  statistischer  Belege  auch  beweist. 

B  i  c  h  a  t  und  Goepfert  -  Nancy:  Eitrige  Arthritis  im 
Verlaufe  der  Bronchopneumonie.  (Revue  mensuelle  des  maladies 
de  l’enfance,  August  1902.) 

Die  Gelenkskomplikationen  im  Verlaufe  der  Lungenentziin- 
dung,  des  Typhus  und  aller  Infektionskrankheiten  sind  schon  seit 
langem  beschrieben  worden.  Im  Kindesalter  scheinen  sie  jedoch 
ausserordentlich  selten  zu  sein,  denn  in  der  Klinik  H  a  u  s  li  a  lter 
v  ar  unter  275  Fällen  von  Pneumonie  keine  solche  Komplikation 
konstatiert  worden.  Die  Verfasser  beobachteten  selbst  2  derartige 
Fälle  und  bringen  noch  2  weitere  zur  Beschreibung.  In  2  dieser 
Fälle  von  Arthritis  suppurativa,  welche  bei  Kindern  im  Verlaufe 
der  Bronchopneumonie  vorkamen,  hat  die  bakteriologische  Unter¬ 
suchung  des  Eiters  den  Pneumokokkus  und  in  den  2  anderen  die 
gewöhnlichen  Eitererreger  (Streptokokken,  Staphylokokken)  er¬ 
geben.  Letztere  zeigten  sich  infolge  der  ausgeprägten  Allgemein- 
inf<  ktion  mit  multiplen  Gelenkseiterungen  als  die  schwereren  und 
hartnäckigeren,  beide  führten  zum  Tode.  Therapeutisch  ist  brei¬ 
teste  Eröffnung  der  Gelenkhöhle  zum  Abfluss  des  Eiters  vor  allem 
indiziert  und  erwies  sich  auch  in  dem  einen  der  beiden  ersten  Fälle, 
avo  das  Knie  allein  betroffen  war,  als  erfolgreich,  obwohl  es  sieli 
hier  um  ein  erst  8  Monate  altes  Kind  gehandelt  hat. 

Luigi  G  iordani-  Rom :  Beitrag  zum  Studium  der  medika¬ 
mentösen  Milchproduktion;  die  Eisenmilch.  (Ibid.,  September 
1902.) 


19TS 


MUENOHENEK  MEElClNl'SCHE  WOClIENöSCllKII  !• 


Nu.  47. 


Nachdem  (las  Eisen  in  iliu  Milcli  übergellt,  glaubt  Verfasser, 
dieselbe  sei  als  geeignetes  Vehikel  zur  medikamentösen  1  .1  - 
reichung  des  Eisens  zu  verwenden.  An  Tierversuchen  konstat  t 
er.  dass  die  Menge  des  in  die  Milch  übergehenden  Eisens  nach  ln- 
ickt innen  mit  zunehmender  Dosis  um  das  Doppelte,  ja  um  (las 
5  fache  und  noch  mehr  vermehrt  werden  kann.  Das  ^sen  findet 
sich  nach  diesen  Injektionen  in  der  Milch  als  organische  Verlm 
düng  und  kann  dadurch  resorbiert  und  assimiliert  werden.  Die 
Veränderungen,  welche  die  verschiedenen  Komponenten  tet  ,. 
durch  die  Injektionen  von  Ferr.  citr.  erfahren,  sind  vollständig 
ohne  Belang.  Die  Menge  der  Milch  wird  durch  diese  Injektionen 
in  geringem  Grade  vermindert.  Die  Tiere  (Kaninchen.  Zielen) 
ertragen  sehr  gut  die  hohen  Dosen  dieses  Eisenprapaiatf ,  *  • 

gesetzt,  dass  man  allmählich  und  mit  Ruhepausen  dieselben  e  - 
reicht.  Lokal  verursacht  das  Mittel  keinerlei  unangenehme  Ei- 
scheinungen.  Verfasser  hat  nach  diesen  Ergebnissen  alie  Hoff¬ 
nung.  dass  es  gelingen  wird,  eine  Eisenmdch  herzusteilen,  we 
besonders  in  der  Kinderpraxis  von  Nutzen  sein  wird.  Anfuhiung 

der  gesamten  einschlägigen  Literatur.  .  ... 

1\  N  o  beco  u  r  t  und  R.  Voisi  n:  Tuberkulose  Meningitis 
in  apoplektischer  Form,  durch  die  Lumbalpunktion  diagnosti- 

Monate  altes  Mädchen,  wegen  leichter  Bronchitis  in  das 
Spital  aufgenommen,  fällt  plötzlich  in  einen  komatosen  Zustand, 
es  treten  Konvulsionen.  Strabismus,  Herz- und  Atemstorungen  auf, 
Tod  ungefähr  00  Stunden  nach  dem  Beginn  des  Koma.  Die  1  in 
gnose  (ausgesprochene  Lymplioeytose  des  Liquor  cerebrospin 
konnte  nur  vermittels  der  sofort  ausgefuhrten  Lumbalpunktion 
gestellt  werden  und  wurde  durch  die  Sektion  bestätigt.. 

II  alle  und  L.  B  a  bonneix:  3  Fälle  von  Epilepsie,  erfolg¬ 
reich  mit  Brom  ohne  Salz  behandelt.  (Und.) 

Bis  jetzt  wurde  diese  Art  Therapie,  von  Rieh  et  und 
Toulouse  empfohlen,  nur  bei  Erwachsenen  angewandt,  die 
Verfasser  versuchten  sie  zum  ersten  Male  bei  der  Epilepsie  der 
Kinder  ln  den  3  Fällen  handelte  es  sich  um  einen  14  jährigen 
Knaben  und  2  Mädchen  im  Alter  von  14  und  9  Jahren,  bei  letzterem 
waren  auch  psychische  Störungen  vorhanden  und  m  allen  3  lallen 
verschwanden  die  Anfälle  vollständig.  Immerhin  sind  aber  bis 
3  g  Kochsalz  für  den  Organismus  pro  Tag  notig,  welche  jedenfalls 
vermittels  geeigneter  Nahrungsmittel  einzuverleiben  sind.  Die 
zweite  wichtige  Tatsache  ist,  dass  der  Organismus  bei  dieser  ge¬ 
ringen  Kochsalzzufuhr  viel  empfindlicher  für  die  Bromwirkung  ist 
als  im  normalen  Zustand  und  man  deshalb  die  Dosis  von  2  g 
l.ei  Kindern,  von  4  g  bei  Erwachsenen  pro  Tag  nicht  überschreiten 
darf  Unter  Einhaltung  dieser  Vorsichtsmassregeln  verursacht  die 
mangelhafte  Kochsalzzufuhr  keinerlei  unangenehme  Folgen 
(Albuminurie),  führt  im  Gegenteil  eine  rasche  und  andauernde 
Besserung  herbei,  so  dass  nach  der  Verfasser  Ansicht  diese  Me¬ 
thode  systematisch  bei  allen  Fällen  von  Epilepsie  im  Kindesalter 
Anwendung  finden  sollte. 

A  11  g  1  a  d  e  und  Chocreaux:  Die  Stühle  der  Tuberkulösen 
sind  nicht  weniger  gefährlich  als  deren  Auswurf.  (Presse  medi- 

cale  1902,  No.  GO.)  .  .  „  _  . 

Gestützt  auf  bakteriologische  und  experimentelle  Untei- 
sucliuugen  kommen  Verfasser,  welche  an  einer  grossen  Irren¬ 
anstalt  tätig  sind,  zu  diesem,  für  die  Prophylaxe  der  Tuberkulose 
so  wichtigen  Ausspruch.  Derselbe  wird  noch  durch  statistische 
Daten  vervollständigt,  wonach  die  Geisteskranken  in  Frankreich 
ein  3  mal  so  grosses  Kontingent  zur  Tuberkulosesterblichkeit 
liefern  als  die  übrige  Bevölkerung.  In  praktischer  Beziehung  er¬ 
gibt  sich  die  Notwendigkeit,  speziell  in  den  Irrenhäusern  die  Tuber-  • 
kuiösen  zu  isolieren,  in  allen  Fällen  die  Exkremente  der  Tuberku¬ 
lösen.  einschliesslich  der  Stühle,  zu  desinfizieren  und  ebenso  wie 
die  Furcht  vor  dem  Aus  würfe,  die  vor  den  Stuhlentleerungen  der 
Tuberkulösen  allüberall  zu  verbreiten. 

Babe -Paris:  Beitrag  zum  Studium  der  Arterienverände¬ 
rungen  beim  akuten  Gelenkrheumatismus.  (Ibid.,  No.  78.)  ^ 

Auf  Grund  eines  eingehend  untersuchten  Falles  kommt  R.  zu 
folgenden  Schlüssen.  Der  akute  Gelenkrheumatismus  kann,  wie 
schon  GueneaudeMussy  und  H  anot  festgestellt  haben,  die 
Arterien  jeden  Kalibers  befallen  und  Erkrankungen,  Avie  prolife- 
rierende  Endarteriitis  und  Mesarteriitis  verursachen.  Diese  letz¬ 
tere  bedeutet  den  Ausdruck  einer  hochgradig  virulenten  Infektion; 
sic  muss  die  Bildung  wandständiger  Thromben  begünstigen  und  bei 
der  Pathogenese  des  zum  Tode  führenden  Herz-Gefässkollapses 
eine  Bolle  spielen.  Die  Vernarbung  dieser  Gefässerkrankung  kann 
nur  durch  sklerotische  Umbildung  der  Wand  zu  stände  kommen 
und  so  muss  der  akute  Gelenkrheumatismus  den  ätiologischen  Fak¬ 
toren  der  allgemeinen,  postinfektiösen  Arteriosklerose  angereiht 
Averden. 

Gabriel  Bertrand:  Ueber  die  Untersuchung  des  im 
Organismus  voi'handenen  Arseniks.  (Annales  de  1  institut  Pasteui, 
August  1902.) 

Die  Leser  dieser  Wochenschrift  sind  aus  den  Berichten  über 
die  Pariser  medizinischen  Gesellschaften  A’on  den  Veröffent¬ 
lichungen  G  autier  s  über  diese  Frage,  Avelche  besonders  in  ge- 
riehtsärzt  lieber  Beziehung  von  Wichtigkeit  ist,  unterrichtet  (1899 
und  1900);  Bertrand  prüfte  sorgfältigst  Gautiers  Unter¬ 
suchungen  nach  und  hält  es  ebenfalls  für  zweifellos,  dass  das 
I lorngewebe  des  Körpers  Arsenik  in  Spuren  enthalte,  dessen 
Quantität  allerdings  schwer  festzustellen  sei  und  dessen  physio¬ 
logische  Rolle  noch  der  Aufklärung  harre. 

Charles  Nicolle  und  T  r  e  n  e  1  -  Rouen:  Untersuchungen 
über  die  Agglutination.  Die  Veränderlichkeit  der  agglutinieren¬ 
den  Wirkung  und  der  Agglutinationsfähigkeit,  die  Beziehungen 


dieser  beiden  zu  einander  und  zur  Beweglichkeit  der  Bakterien. 

U  ^Verfasser  glauben,  dass  sowohl  die  agglutinierende  Wirkung 
wie  die  Agglutinationsfähigkeit  allen  freien  Zellen  besonders  abev 
den  Mikroorganismen,  welche  die  grösste  Veränderlichkeit  dat- 
bieten.  eigen  ist.  Beide  Eigenschaften  sind  untrenubai  bei  em 
und  demselben  Kleinwesen  vorhanden.  Die  Beweglichkeit  spielt 
dabei  eine  grosse  Bolle,  indem  nur  die  beAveglichen  Mikroorganis¬ 
men  eine  wirkliche  Empfänglichkeit  für  die  Wirkung  der  Agglu- 
t inine  zeigen  und  sie  allein  rein  agglutinierend  Avirken;  die  ihrei 
.Beweglichkeit  beraubten  Mikroorganismen  zeigen  diese  beiden 
Eigenschaften  nicht.  Dieselben  sind,  da  die  Beweglichkeit  der 
Mikroorganismen  mit  den  an  ihrer  Oberfläche  vorhandenen  Lilien 
zusammenhängt,  Eigenschaften  der  Umhüllungsmembran  der  Mi- 
K rohen  und  sind  um  so  ausgeprägter,  je  wichtiger  diese  Membran 
isl  d.  li.  in  je  grösserer  Menge  sie  die  spezifische  Substanz,  AveKlic 
agglutinierend' wirkt  und  agglutinierbar  ist,  enthalt.  In  prak¬ 
tischer  Beziehung  dürften  diese  Untersuchungen  von  einigem 
Nutzen,  z.  B.  bei  der  Prüfung  des  Wassers  auf  Typhusbazillen 
sein  Dieselbe  gestaltet  sich  sehr  schwierig,  Avenn  nicht  aggluti- 
nierbare  und  nicht  agglutinierende  Bazillen  vorhanden  sind,  je¬ 
doch  viel  leichter,  wenn  es  gelingt,  ihnen  diese  Eigenschaften 
durch  Wiederherstellung  ihrer  BeAveglichkeit  (wiederholte  Rein¬ 
kulturen  bei  relativ  niedriger  Temperatur)  zu  verleihen.  Es  wird 
dann  leicht  sein,  zu  erkennen,  ob  der  durchforschte  Bazillus  der 
Avirkliclie  Typhusbazillus  ist  oder  nicht.  Es  könnte  also  eine  voll¬ 
ständige  Lösung  der  Frage  möglich  sein,  ausser  wenn  der  be¬ 
treffende  Bazillus  seine  BeAveglichkeit  definitiv  verloren  hat. 

Stern-  München. 

Italienische  Literatur. 

T  a  11  s  i  11  i  berichtet  aus  der  chirurgischen  Klinik  Palermos 
über  Splenektomie  und  Talma  sehe  Operation  bei  Morbus 

Banti.  (Rif.  med.  1902,  No.  TG.)  ...... 

Es  handelte  sich  um  eine  vorgeschrittene  l'orm  der  Kiankliul. 
die  entfernte  blutleere  Milz  wog  1300  g,  die  Leber  war  sehr  stark 
cirrhotisch,  die  Aszitesflüssigkeit  betrug  10  Liter.  Die  Milzexstir¬ 
pation  allein  Aväre  in  diesem  Falle  kaum  ratsam  gewesen.  1  ■  eu  ' 
rollte  das  bläuliche,  zusammengerollte  und  verdickte  Netz,  dehnte 
es  ohne  ScliAvierigkeit  bis  an  die  Wundränder  hinan,  frottierte  das 
Peritoneum  parietale  in  einer  bestimmten  Ausdehnung  mit  Gaze- 
bäuschclien  und  fixierte  dann  das  Netz  zum  Teil  an  der  inneren 
Oberfläche  des  Peritoneums  und  mit  seinem  freien  Rande  zwischen 
den  Bändern  der  Abdominalwunde. 

Dir  Patientin  genas  und  erholte  sich  innerhalb  10  lagen 
langsam.  Der  Blutbefund  wies  erhebliche  Besserung  auf.  Der 
Appetit  kehrte  zurück.  Die  Patientin  machte  weite  Spaziergange. 

Der  Aszites  kehrte  nicht  wieder.  . 

T.  glaubt,  dass  durch  Kombination  der  Splenektomie  mit  du. 
T  a  1  m  a  sehen  Operation  sich  die  Indikation  zur  Operat  ion  bei 
Morbus  Banti  erheblich  erweitert  und  die  Resultate  bessere  werden. 

Scliiassi:  Ueber  Spinalkokainisierung.  (Rif.  med.  1902, 

No.  99—101.)  ,  ,  * 

Die  Bi  ersehe  Anästhesie  hat  in  Italien  besondere  An¬ 
erkennung  und  Verbreitung  gefunden.  S.  teilt  seine  Erfahrungen 
über  dieselbe  mit.  Ein  Zentigramm,  zugleich  mit  Kochsalzlösung 
10°  warm  injiziert,  genügt  für  eine  vollkommene  Anästhesie.  In¬ 
dessen  kann  bei  besonders  prädisponierten  Individuen  schon  1  cg 
Intoxikationserscheinungen  machen,  die  aber  leicht  und  nie  ge¬ 
fährlich  sind.  Es  ist  deshalb  nützlich,  bei  solchen  Individuen 
zugleich  eine  kleine  Dosis  Morphium  oder  Trinitrin  zu  injizieren. 

Den  nach  der  Operation  eintretenden  Kopfschmerz  kann  man 
vermeiden,  wenn  man  vor  der  Injektion  eine  kleine  Quantität, 
15_30  mg.  Spinalflüssigkeit  entzieht.  Isotonische  Lösungen,  vom 
theoretischen  Standpunkt  empfohlen,  sind  praktisch  wertlos. 
Diese  Anästhesierungsmethode  leistet  auch  in  der  inneren  Medizin, 
in  der  Gynäkologie  und  Geburtshilfe  grosse  Dienste. 

M  a  n  ega:  Schenkelhernie,  mit  Harnblase  als  Inhalt. 
Operation  unter  Bier  scher  Anästhesie,  Resektion,  Heilung. 

(Rif.  med.  1902,  No.  SS.)  .  . 

Die  Kruralhernie  der  Blase  ist  selten,  zumal  die  extrapei  - 
toneale  Varietät.  Was  die  Behandlung  anbetrifft,  so  herrscht 
unter  den  Chirurgen  kein  allgemeines  Prinzip,  und  man  hat  in 
jedem  einzelnen  Falle  zu  erwägen,  ob  die  Reduktion  besser  ist  odet 
die  Exzision  der  ausgestülpten  Partie. 

M  o  r  i  redet  der  einzeitigen  Operation  von  Leberechino¬ 
kokkusblasen  das:  Wort.  (Bif.  med.  1902,  No.  146 — 148.) 

ZAvei  französische  Autoren,  Peyrot  und  Potherat  haben 
schon  früher  den  Vorzug  dieses  Operationsverfahrens  betont. 

Eine  Abstossung  der  pericystischen  Membran,  Avie  sie  meist 
nachträglich  bei  Drainage  zu  erfolgen  pflegt,  ist  nicht  notAvendig, 
wie  Broca  nachgewiesen  hat. 

M.  empfiehlt  die  Fixierung  des  Parietalperitoneums  an  die 
Wundränder,  vereinigt  dann  nach  sorgfältiger  Toilette  die  Wunde 
durch  doppelte  Naht:  Durch  die  erste,  eine  Matratzennaht,  suent 
er  soviel  als  möglich  die  Wunde  der  pericystischen  Höhle  zu  nähern, 
mit  der  zAveiten.  kontinuierlichen,  überwandlichen  Naht  naht  er  die 
Wundränder.  Oft  erweist  es  sich  notAvendig,  Teile  des  sklero- 

sierten  Lebergewebes  zu  entfernen.  • 

Die  Heilung  ist  bei  diesem  Verfahren  eine  weniger  gestörte 
und  schnellere:  in  2  Fällen  konnten  die  Kranken  nach  20  und 
24  Tagen  das  Hospital  verlassen. 

Dies  Verfahren  ist  natürlich  nicht  dort  anzuAvenden,  wo  es 
sich  um  partielle  Vereiterung  des  Echinokokkensacks  handelt. 


2Ö.  ]Sfovemt>cr  1902. 


Idf.) 


MtJENCITENKTl  MEtllCTNISCIiß  WOCltENSCTTKI  FT. 


(  ;i  sc  i  ii  n  i:  Ueber  den  Einiiuss  von  Mineralwässern  aut’ 
die  Ausscheidung  der  Galle.  (Rif.  med.  1902,  ISO.  li;o.) 

C.  benutzte  eine  in  gutem  Gesundheitszustand  betiiullielie 
Patientin  mit  Galleusteinfistel  dazu,  um  die  gallentreibend»*  Wir¬ 
kung  verschiedener  Mineralquellen  festzustellen,  namentlich  der 

von  Montecatini  in  der  Provinz  Lucca  auf  der  Linie  Florenz _ 

Pistoja— Pisa,  welche  in  Bezug  auf  ihren  Gehalt  an  Chlornatrium 
und  schwefelsaurem  Kalk  Aehnlichkeit  mit  den  Karlsbader 
Wässern  haben. 

Die  Versuche,  unter  allen  Kautelen  angestellt,  ergaben,  dass 
das  Wasser  der  genannten  Quellen  dem  Karlsbader  Wasser  über¬ 
legen  war.  Die  Ausscheidung  der  Galle  war  eine  erheblich  reichere, 
ebenso  wie  der  Prozentgehalt  der  festen  Substanzen  in  der  aus- 
geschiedenen  Galle.  Dies  Untersuchungsresultat  ergab  sich  als  ein 
konstantes  und  C.  zieht  daraus  die  für  eine  ergiebige  Heilwirkung 
der  genannten  V  üsser  bei  Leber-  und  Gallenleiden  naheliegenden 
Schlüsse. 

Serafini:  Ueber  intravenöse  Sublimatinjektionen.  Be- 
traehtungen  und  Experimente,  ausgeführt  im  hygienischen  Institut 
von  Padua.  (Ilif.  med.  1902,  No.  79.) 

Die  intravenösen  Sublimatinjektionen  bewähren  sich  nicht 
als  ein  mikrobentötendes  Mittel,  nicht  einmal  bei  denjenigen  In¬ 
fektionskrankheiten,  bei  welchen  die  Infektionsträger  leicht  und 
zahlreich  im  Blute  nachzuweisen  sind,  wie  bei  der  Hühnercholera 
und  dem  Milzbrände.  Sie  äussern  sogar  dann  nicht  einmal  eine 
parasitizide  Wirkung,  wenn  sie  dem  Tierkörper  im  Verhältnis  von 
1:300  000  oder  dem  Blute  im  Verhältnis  von  1:30  000  einverleibt 
werden. 

Es  ist  nach  den  Experimenten  des  Autors  keinerlei  Aussicht, 
im  intravenös  einverleibten  Sublimat  ein  Mittel  gegen  die  ver¬ 
schiedensten  Infektionskrankheiten  zu  erhalten,  wie  man  nach  der 
B  a  c  c  e  1 1  i  sehen  Lehre  erwarten  musste. 

Ausgenommen  ist  die  Syphilis;  bei  dieser  ist  das  genannte 
Heilverfahren  auch  nur  dann  als  rationell  zu  bezeichnen,  wenn 
periculum  in  mora. 

M  a  n  e  i  n  i  berichtet  aus  den  vereinigten  Hospitälern  Li¬ 
vornos  über  den  Erfolg'  des  S  c  1  a  v  o  sehen  Milzbrandserums 
in  einem  schweren  Fall  von  Milzbrand.  (Rif.  med.  1902,  No.  85.) 

Mit  Recht  erfreue  sich  dasselbe  in  Italien  einer  ungeteilten 
Anerkennung,  welche  seit  dem  Jahre  1S97,  wo  es  in  der  Praxis  ein¬ 
geführt  sei,  durch  jede  neue  Statistik  bestätigt  werde. 

Pasquill  i:  Wo  findet  sich  das  Tetanusgift  bei  den  an 
Tetanus  eingegangenen  Tieren?  (Rif.  med.  1902,  No.  98.) 

Bekanntlich  hat  das  Zentralnervensystem  eine  besondere  An¬ 
ziehungskraft  für  dasselbe. 

P  a  s  q  u  i  n  i  weist  durch  Untersuchungen,  welche  er  im 
hygienischen  Institut  der  Universität  zu  Rom  anstellte,  nach,  dass 
das  Tetanusgift  sich  nur  im  Zentralnervensystem  und  nicht  in 
anderen  Organen  findet.  Es  ist  darstellbar  durch  Extraktion  mit 
kohlensaurem  Natron  und  Fällung  durch  Alkohol;  indessen  bedarf 
es  der  Einimpfung  grösserer  Mengen  des  Präzipitats. 

Wenn  man  durch  Impfung  mit  Blutserum  oder  mit  Organsaft 
frisch  an  Tetanus  eingegangener  Tiere  Tetanussymptome  erzielt, 
so  ist  anzunehmen,  dass  man  Tetanusbazillen  eingeimpft  hat.  In 
den  meisten  Fällen  sind  solche  an  der  Impfstelle  durch  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  und  Kulturen  nachzuweisen. 

F  o  r  n  a  c  a  und  M  i  c  li  e  1  i  berichten  über  die  subkutane 
Injektion  physiologischen  Serums  in  Zuständen  von  schwerer 
Blutdissolution.  (La  riforma  med.  1902,  No.  107.) 

Diese  Behandlung  ist  in  der  Turiner  Klinik  methodisch  bei 
schweren  Anämien  angewandt  und  mit  sehr  gutem  Erfolg.  Auf¬ 
fallend  war  von  vornherein  die  Verbesserung  des  Allgemein¬ 
befindens.  Die  Untersuchung  des  Blutes  ergab  nach  jeder  In¬ 
jektion  Besserung  des  Befundes,  so  dass  die  Autoren  den  Injek¬ 
tionen  mit  Sicherheit  eine  stimulierende  und  antitoxische  Wirkung 
zusprechen.  Die  Zahl  und  Resistenz  der  roten  Blutkörperchen 
sahen  sie  durch  dieselbe  sich  vermehren,  die  globulizide  Eigenschaft 
<h*s  Serums  vermindern,  die  Funktionen  der  verschiedenen  Organe, 
der  Leber,  der  Niere  namentlich,  sich  bessern. 

Auch  andere  Forscher  haben  ähnliche  Erfahrungen  gemacht; 
milunter  lässt  aber  auch  das  Verfahren  bei  Urämie,  Infektionen 
und  Intoxikationen  ohne  erweisliche  Gründe  im  Stich. 

Die  angewandte  Dosis  der  physiologischen  Kochsalzlösung 
beträgt  das  erstemal  500,  dann  100  und  nach  einigen  Tagen  50  ccm, 
je  nach  der  Wirkung.  Nach  den  Injektionen  tritt  Frösteln,  bald 
Temperatursteigerung  auch  bis  39 0  ein,  welche  unter  Schweiss- 
absonderung  abfällt  und  einem  besseren  Allgemeinbefinden  weicht. 

Memmi,  aus  der  medizinischen  Klinik  Sienas:  Ueber  die 
Blutkörperchenzählung  mit  der  neuen  Friedländer  sehen 
Methode.  (La  riforma  med.  1902,  No.  110.) 

Dieselbe  bewährte  sich  namentlich  im  Vergleich  mit  Zählungen 
vermittels  des  Thoma-Zeiss  sehen  Apparates,  wie  M.  über¬ 
zeugend  durch  seine  in  20  Fällen  erhaltenen  vergleichenden  Re¬ 
sultate  beweist.  Der  genannte  Apparat  ist  von  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r 
beschrieben:  „Deutsche  med.  Woclienschr.  1897,  pag.  497.  Eine 
neue  Zählkammer  für  Leukocyten." 

Mariotti-Biänchi  berichtet  aus  Grosseto  über  einige 
seltene  Malariablutbefunde.  (Rif.  med.  1902,  No.  161.) 

Er  fand  im  peripheren  Blut  in  4  Fällen  von  000  gereifte 
Malariaparasiten  und  Teilungsformen,  entgegen  den  Angaben 
Kochs  und  der  italienischen  Autoren,  dass  solche  Formen  nur 
aus  inneren  Organen  entnommen  werden  können. 

Was  den  Zeitpunkt  des  Auftretens  der  Semilunarformen  im 
tliessenden  Blnte  bei  frisch  Ei'krankten  anbelangt,  so  geht  nach  den 
Forschungen  Biguamis  und  Bastianellis  mit  Recht  die 


Ansicht  dahin,  dass  dieselben  ersl  hüelislens  7  X  i  Tag»*  nach 
dem  ersten  Fieberanfall  auf  treten.  M.-B.  will  dieselben,  aller¬ 
dings  nur  in  einem  einzigen  Fall»*,  schon  nach  dem  ersten  An¬ 
fall  beobachtet  haben.  Sicher  hatte  der  Kranke  vorher  nicht  au 
einem  Malariaanfalle  gelitten,  sich  überhaupt  auch  nicht  krank 
gefühlt. 

Benenn  ti:  Ueber  den  neuritischen  Ursprung  der  Angina 
pectoris  bei  Aortitis  syphilitica. 

Die  Angina  pectoris-Anfälle  bei  syphilitischer  Aortenerkran¬ 
kung  werden  meist  so  interpretiert,  dass  Veränderungen  der  Ge- 
fässwand  der  Aorta  in  der  Gegend  der  Koronararterien  oder  Ver¬ 
änderungen  der  Koronararterien  selbst  durch  Störung  der  Zir¬ 
kulationsverhältnisse  im  Herzmuskel  diese  Anfälle  hervorrufen. 

B.  führt  aus  der  Klinik  Gardarellis  in  Neapel  (La  riform. 
med.  1902,  No.  104 — 106)  eine  Reihe  von  Fällen  an,  welche  be¬ 
weisen,  dass  es  sich  häufig  um  nervöse  Läsionen  im  Plexus  aorticus 
oder  Plexus  eoronarius  handelt.  Es  fanden  sich  in  diesem  Plexus 
feine  Veränderungen  an  den  kleinsten,  die  Nervenstämmchen  be¬ 
gleitenden  Blutgefässen:  obliterierende  Arteriitis  terminalis,  da¬ 
neben  auch  kleinzellige  Infiltrationen,  auch  minimale  Gummi¬ 
knötchen.  Diese  Affektion  des  Plexus  erklärt  auch  die  schnelle 
Besserung  der  Anfälle,  welche  nach  einer  spezifischen  Behandlung 
häufig  beobachtet  werden.  Die  durch  Entzündung  der  Aorta  und 
der  Kranzarterien  entstandenen  Veränderungen  sind  meist  vi»*l  zu 
schwer,  als  dass  ein  so  schneller  therapeutischer  Erfolg  sich  er¬ 
klären  liesse. 

Gravagna  berichtet  über  einen  Fall  von  syphilitischer 
Muskelkontraktur,  betreffend  den  Adduktor  longus  des  Ober¬ 
schenkels.  (Aus  dem  Institut  für  Hautkrankheiten  und  Syphilis 
von  Prof.  De  Luca  -  Catania.)  (Rif.  med.  1902,  No.  87.) 

Derartige  Kontrakturen  seien  bisher  nur  am  Biceps  und  an 
den  Flexoren  der  oberen  und  unteren  Extremität  beobachtet. 
Diese  Kontraktur  stellte  sich  16  Monate  nach  dem  Frimäraffekt 
ein;  sie  wich  einer  antiluetischen  Behandlung  nur  teilweise. 

Magri:  Das  Kernig  sehe  Symptom  bei  Ischias.  (Rif. 
med.  1902,  No.  83.) 

Das  Kernig  sehe  Symptom,  nach  seinem  Autor  differential- 
diagnostisch  für  Meningitis,  wird  von  den  Beobachtern  mehr  und 
mehr  dieser  spezifischen  Bedeutung  entkleidet.  M.  erwähnt  einen 
Fall  A’on  Ischias  ohne  jede  Beteiligung  des  Zentralnerven¬ 
systems,  in  welchem  er  es  konstatierte. 

Nizzoli:  Ueber  den  diagnostischen  Wert  der  Diazoreaktien. 
(La  rif.  med.  1902,  No.  118  u.  119.) 

Der  Wert  dieser  Reaktion  wird  bekanntlich  dadurch  beein¬ 
trächtigt,  dass  sie  sich  in  verschiedenen  Krankheitsprozessen 
finden  kann;  so  fand  N.  sie  in  einer  grösseren  Versuchsreihe  nicht 
nur  bei  Tuberkulose  und  Typhus,  sondern  auch  bei  allen  von  ihm 
untersuchten  Masernkranken,  bei  Pleuritis,  Polyserositis. 

Immerhin  aber  ist  für  die  Praxis  tlie  Diazoreaktion  von  Be¬ 
deutung.  Sie  ist  leicht  auszuführen,  erfonlert  keinerlei  besondere 
Apparate  und  findet  sich  bei  Typhus  ausnahmslos. 

Bei  Tuberkulose  fehlt  die  Reaktion  meist  in  den  Anfangs¬ 
stadien;  ihr  Vorhandensein  zeigt  meist  einen  rapiden  und  un¬ 
günstigen  Verlauf  an;  ist  demnach  als  ein  schweres  Zeichen  auf¬ 
zufassen. 

D’Amato  berichtet  über  allmähliche  Umwandlung  von 
zwei  Fällen  von  Diabetes  insipidus  in  Diabetes  mellitus.  (La 
riforma  med.  1902,  No.  110.) 

Dieselbe  erfolgte  in  dem  einen  Falle  nach  etwas  über  ein¬ 
jährigem  Bestehen,  in  dem  andern  hatte  der  Diabetes  insipidus 
lange  Jahre  vorher  bestanden.  In  beiden  Fällen  machte  es  nicht 
den  Eindruck,  als  ob  die  zweite  Krankheit  zur  ersten  hinzutrat, 
sondern  mehr,  als  ob  die  zweite  auf  die  erste  folgte.  Bemerkens¬ 
wert  erscheint,  dass  die  g»?eignete  Kur  sowohl  auf  die  Polyurie, 
als  auf  die  Glykosurie  wirkte.  D’A  m  a  t  o  gibt  an,  dass  mit  diesen 
beiden  bisher  erst  6  Fälle  einer  derartigen  Umwandlung  in  der 
medizinischen  Literatur  berichtet  seien,  dieselbe  demnach  sehr 
selten  sei. 

Boncoroni:  Ueber  marklose  perizelluläre  und  peri- 
dendritische  Fasern  in  der  Gehirnrinde.  (Rif.  med.  1902,  No.  121 
u.  122.) 

II.,  Leiter  der  Klinik  für  Nerven-  und  Geisteskrankheiten  in 
Oagliari,  liefert  neue  Beiträge  zur  Struktur  der  nervösen  Apparate 
der  grauen  Substanz  der  Gehirnrinde,  wie  sie  durch  verbesserte 
mikroskopische  Technik  gewonnen  wurden.  Es  gelang  ihm,  ein 
ausserordentlich  fein  verzweigtes,  markloses  Netzwerk  feinster 
Fasern  um  die  Zellkörper  und  die  protoplasmatischen  Zellfortsätze 
herum  festzustellen,  Fasern,  im  Vergleich  zu  welchen  die  proto¬ 
plasmatischen  Zellfortsätze  als  dicke  Stränge  erscheinen.  Es  liegt 
auf  der  Hand,  dass  diesem  feinsten  Netzwerk,  welches  sich  nir¬ 
gends  an  anderen  Stellen  des  Zentralnervensystems  in  glei¬ 
cher  Reichlichkeit  findet  wie  hier,  eine  bestimmte  Funktion 
zuzusprechen  ist,  und  dass  angesichts  dieses  übrigens  auch  von 
anderen  Autoren  erhobenen  Befundes  die  schematische  Theorie 
der  Neurone  einer  erheblichen  Erweiterung  bedarf  und  der  Autor 
bemüht  sich,  entsprechende  Thesen  aufzustellen. 

F  i  o  r  i:  Zur  Histologie  der  F  a  1 1  o  p  i  sehen.  Thromben  bei 
der  uterinen  Schwangerschaft.  (Rif.  med.  1902,  No.  78.) 

Die  stärkere  Blutzufuhr  zum  graviden  Uterus  übt  ohne  Zweifel 
auch  einen  Einfluss  auf  die  unmittelbar  benachbarten  Organe. 
Es  entsteht  eine  Verdickung  und  Vermehrung  aller  Gewebs- 
elemente.  Dieselbe  bezieht  sich  aber  nur  auf  den  uterinen  Teil 
der  Tube  und  reicht  nur  bis  zum  Tuben-Isthmus.  In  der  weiter 
peripheren  Region  handelt  es  sich  nur  um  eine  Vennehrung  der 
Blutzufuhr. 


so 


MUENCHENFU  M  EDIC’I  N  I S(  I  IE  WOCIIENSCl I  El  B ;T. 


No.  47. 


Kino  Hypertrophie  der  epithelialen  Tubenaiiskleiduiig,  wie  sie 
<;  r  u  »  d  e  w  angibt,  ebenso  ein  Verschwinden  des  Flimmerepithels, 
wie  J  a  not  bei  der  menschlichen  Tube  beobachtet  haben  will,  hat 
F  bei  seinen  Tierexperimenten  nicht  bestätigen  können. 

H  a  g  e  r  -  Magdeburg  N. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Greifswald.  September  nichts  erschienen. 

Oktober  1902. 

32.  Scola  Anton:  Ueber  krebsige  und  sarkomatöse  Entartung 
von  Paukreascysten. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 
Vom  französischen  Chirurgenkongress 

in  Paris  v  o  m  20. — 25.  Oktober  1902. 
(Eigener  Bericht.) 


Der  XV.  Kongress  der  französischen  Chirurgen  war  über¬ 
haupt  weniger  belebt  und  interessant  als  dieselbe  Versammlung 
im  vorigen  Jahre.  Nach  der  Antrittsrede  des  Vorsitzenden,  Herrn 
Prof.  J.  Re  v  erdin- Genf,  „Ueber  die  Aethernarkose“,  in  wel¬ 
cher  Vortr.  als  unbedingter  Anhänger  des  Aethers  dem  Chloroform 
gegenüber  auf  getreten  ist,  wurden  die  Berichte  über  die  zwei  aut 
die  Tagesordnung  gesetzten  Fragen  vorgelesen:  „Die  Chirurgie 
dos  Herzens  und  des  Perikardiums“  von  T  e  r  r  i  e  r  - 1  uns  und 
Reymond- Paris  und  „Die  Behandlung  des  Tetanus  von 
V  alias-  Lyon.  Beide  brachten  wenig  Neues. 

Von  den  anderen  Mitteilungen  seien  folgende  erwähnt: 

Guinard- Paris:  Ueber  Appendizitis  mit  pleuri tischen 
jyietastasen. 

Vortr.  sprach  über  eine  besondere  Form  von  Appendizitis  mit 
links-  oder  rechtsseitiger  Pleuritis  kompliziert,  wo  letztere  nicht, 
wie  es  gewöhnlich  bei  solchen  Komplikationen  dei  Fall  ist,  pei 
contiguitatem,  sondern  als  septikämische  Metastase  entsteht. 
G.  hat  2  Fälle  dieser  Form  beobachtet. 

Im  ersten  von  ihnen  handelte  es  sich  um  einen  11  jährigen 
Knaben,  der  im  akuten  Anfall  von  Appendizitis  operiert  worden 
w:tr.  Die  infektiös-entzündlichen  Läsionen  erstreckten  sich  hier 
von  der  Fossa  iliaca  bis  zur  unteren  Fläche  der  Leber.  Eine 
Woche  nach  der  Ablation  des  erkrankten  Wurmfortsatzes  ent¬ 
wickelten  sich  plötzlich  die  Symptome  einer  akuten  linksseitigen 
Pleuritis  exsudativa.  Bei  der  Probepunktion  wurden  350  ccm 
seröser  Flüssigkeit  entleert.  Aber  schon  2  Tage  nachher  ver¬ 
schlechterte  sich  noch  der  allgemeine  Zustand  des  kleinen  Pa¬ 
tienten.  Mehrere  in  verschiedenen  Richtungen  vorgenommene 
Probepunktionen  (eine  davon  verletzte  den  Magen,  ohne  üble 
Folgen  nach  sich  zu  ziehen)  ergaben  keine  Spur  von  Eiter.  Darauf 
schritt  Vortr.  zur  explorativen  Pleurotomie  und  fand  einen  zwi¬ 
schen  Zwerchfell  und  linker  Lunge  gelegenen,  mit  stinkendem 
Eiter  gefüllten  Abszess,  welchen  er  evakuierte.  Der  Knabe  genas. 

Die  zweite  Beobachtung  betraf  einen  50  jährigen  Mann,  der 
seit  mehreren  Jahren  an  öfteren,  aber  ziemlich  leichten  Krisen 
von  Appendizitis  laborierte.  Im  Anschluss  an  einen  solchen  An¬ 
fall  entstand  links  ein  seröser  pleuritischer  Erguss,  von  dem  der 
Kranke  nach  Entleerung  zirka  eines  Liters  des  Exsudats  genas. 

1  Jahr  später  ereignete  sich  ein  neuer,  viel  stärkerer  Anfall  von 
Appendizitis,  dem  bald  eine  Pleuritis  suppurativa  dextra  folgte. 
G.  machte  die  Empyemoperation  mit  Rippenresektion  und  ent¬ 
fernte  mehr  als  einen  Liter  Eiter  aus  dem  rechten  Pleurasack. 
<»  Wochen  später  entstand  ein  neuer  Anfall  von  Appendizitis,  wäh¬ 
rend  dessen  sich  ein  sehr  reichlicher  Eiterausfluss  aus  der  noch 
vorhandenen  Pleurafistel  einstellte.  Nach  Zurückgehen  der  ent¬ 
zündlichen  Erscheinungen  wurde  der  Wurmfortsatz  reseziert. 

Vortr.  ist  der  Meinung,  dass  in  diesen  beiden  Fällen  die  Kom¬ 
plikationen  seitens  der  Pleura  nicht  vom  Zwerchfell  aus  durch  In¬ 
fektion  der  Lymphbalinen,  sondern  als  entfernte  Metastasen 
einer  durch  die  Appendizitis  bedingten  allgemeinen  Septikämie 
entstanden  sind.  Er  hebt  die  Korrelation  zwischen  der  Natur  des 
pleuralen  Ergusses  und  der  Intensität  des  Appendizitisfalles  her¬ 
vor-  bei  leichten  Anfällen  bleibt  der  Pleuraerguss  serös,  bei  starken 
Krisen  wird  er  purulent  bei  demselben  Patienten.  Es  folgt  aus 
diesen  Beobachtungen,  dass  man  bei  gewissen  Pleuritiden  nach 
der  Möglichkeit  ihrer  Entstehung  als  Metastasen  von  einem  in¬ 
fizierten  Wurmfortsatz  aus  immer  forschen  soll. 

Begouin  -  Bordeaux:  Die  Punktion  des  rechten  Herz- 
ventrikels  mit  nachfolgender  Aspiration  als  Mittel  zur  Be¬ 
kämpfung  drohender  Erscheinungen  nach  Eintritt  der  Luft  in 
die  Venen. 

Vortr.  hat  sich  auf  experimentellem  Wege  überzeugen  können, 
dass  der  Tod  nach  plötzlichem  Eintritt  von  Luft  in  eine  ange¬ 
schnittene  Vene  als  Folge  einer  akuten  Hyperdilatation  des  rechten 
1  lorzventrikels  durch  die  eingedrungene  Luft  zu  betrachten  ist. 
In  der  Tat  gelang  es  ihm,  Hunde,  die  nach  Injektion  von  Luft 
in  die  Jugularis  schon  moribund  waren,  durch  eine  aspiratorisclie 
Punktion  des  rechten  Ventrikels  zu  retten:  das  Herz  fing  wieder 
zu  schlagen  an  und  die  Tiere  erholten  sich;  das  Testierende  Quan¬ 
tum  von  Luft  im  Blutkreislauf  schien  keine  üble  Wirkung  auszu- 
iiben.  B.  schlägt  nun  vor,  dasselbe  Mittel  beim  Lufteintritt  in 
die  Venen  während  einer  Operation  auch  beim  Menschen  zu  ver¬ 
suchen.  Jedesmal,  wenn  man  in  einer  (für  solche  Zufälle)  ge¬ 
fährlichen  Region  operiert,  soll  man  einen  Aspirator  von  D  i  e  u  - 


1;i  foy  bereit  halten.  Entstehen  drohende  Erscheinungen  infolge 
von  Lufteintritt  in  die  Venen,  so  punktiere  man  den  rechten  Ven¬ 
trikel  am  linken  Stemalrande  im  4.  Interkostalraume  und  sauge 
aus  ihm  die  Luft  heraus.  Die  Aspiration  solle  man  fortsetzen, 
bis  sie  nicht  mehr  reine  Luft,  sondern  nur  schäumendes  Blut 
herausbefördert. 

T  h  i  e  r  r  y  -  Parts:  Direkte  Luftinsuff lationen  durch  eine 
Tracheotomiewunde  bei  Chloroformscheintod. 

Solange  die  Pupillen  unter  dem  Einfluss  des  Chloroforms 
kontrahiert  bleiben,  können  nach  Vortr.  die  während  der  Narkose 
auf  tretenden  üblen  Zufälle  durch  die  künstliche  Respiration,  die 
rhythmischen  Traktionen  an  der  Zunge  nach  dem  Verfahren  von 
Labor  de  oder  anderen  bei  solcher  Angelegenheit  gewöhnlich 
gebrauchten  Belebungsmittel  mit  Erfolg  bekämpft  werden.  Wenn 
aber  die  Pupillen  sich  erweitern,  so  ist  es  ein  Zeichen  des  baldigen 
Todes.  In  diesem  Fall  gibt  es  für  den  Kranken,  nach  Thierry, 
nur  ein  Rettungsmittel,  mit  dem  man  nicht  zu  warten  darf,  näm¬ 
lich  die  Tracheotomie  mit  nachfolgender  Lufteinblasung  in  die 
Trachea  durch  eine  Kanüle.  Bevor  man  einbläst,  wird  die  Trachea 
durch  Aspiration  von  dem  sich  in  ihr  angesammelten  Schleim  be¬ 
freit.  Die  Insufflationen  sollen  nicht  zu  rasch  nacheinander  folgen; 
sie  müssen  sauft,  aber  nachhaltig  sein.  Man  insuffliere  mit  dem 
Mund. 

B  e  r  t  h  o  mi  e  r  -  Moulins:  Genesung  mit  Erhaltung  der. 
Sprechfähigkeit  nach  vollständiger  Zerstörung  der  zweiten 
linken  frontalen  Hirnwindung  bei  einem  Linkshändigen. 

Dieser  Fall  hat  eine  mehr  als  rein  kasuistische  Bedeutung. 
Es  handelte  sich  um  einen  70  jährigen  linkshändigen  Mann,  dem 
beim  Stürzen  auf  die  schneidende  Kante  eines  eisernen  Balkens 
der  Schädel  weit  geöffnet  wurde.  Bei  seinem  Eintritt  ins  Kranken¬ 
haus  wurde  bei  ihm  ein  von  der  Augenbraune  bis  2  cm  hinter 
die  Ohrmuschel  sich  erstreckender  Defekt  der  linken  Schädelhälfte 
festgestellt.  Er  betraf  das  Tuber  frontale,  die  Hälfte  des  Scheitel¬ 
beins  und  den  grössten  Teil  der  Pars  squamosa  des  Schläfenbeins. 
Die  harte  Hirnhaut  war  in  der  ganzen  Ausdehnung  der  knöcher¬ 
nen  Wunde  geöffnet.  Die  beiden  vorderen  unteren  Drittel  des 
Sulcus  Rolando  mit  einer  Schicht  Sand  bedeckt.  Die  zweite  fron¬ 
tale  Hirnwindung  vollkommen  zertrümmert.  Zwei  benachbarte 
Windungen  durch  einen  scharfkantigen  Knochensplitter  zer¬ 
schnitten.  Nach  sorgfältiger  Reinigung  und  Waschung  der  Wunde 
mit  einer  wässerigen  Lösung  von  Wasserstoff  hy  peroxyd  wurde 
vernäht  und  drainiert.  Die  Heilung  erfolgte  ohne  jeden  bösen 
Zufall.  Der  Kranke  genas  mit  Erhaltung  seiner  Sprechfähigkeit. 
3  wichtige  Punkte  sind  aus  dieser  Beobachtung  hervorzuheben: 
die  Integrität  der  Sprache  trotz  einer  vollkommenen  Zerstörung 
der  zweiten  Frontalwindung  mit  dem  Zentrum  von  Broca  bei 
einem  Linkshändigen,  die  Toleranz  der  entblössten  Hirnsubstanz 
für  die  wässerige  Lösung  von  Wasserstoff hyperoxyd  (Eau  oxy- 
genee)  und  die  ungewöhnliche  Ausdehnung  der  Schädel-  und  Hirn¬ 
läsionen  ndt  Ausgang  in  Heilung. 

G  a  1  e  z  o  w  s  k  i- Paris:  Eine  neue  Behandlung  der  Netz- 
liautablösung. 

Nach  Vortr.  ist  die  Netzhautablösung  meistens  traumatischen 
Ursprungs.  In  einem  myopischen,  in  die  Länge  gezogenen  und 
gespannten  Augapfel  entsteht  leicht  unter  dem  Einfluss  eines 
Traumas  (unmittelbar  nach  ihm  oder  einige  Monate  später)  eine 
Zerreissung  der  Bündel  der  Zonula  Zinni  im  äusseren  unteren  Qua¬ 
dranten.  Es  bildet  sich  so  eine  Fistel,  durch  welche  der  Humor 
aqueus  unter  die  Retina  dringt  und  sie  in  einer  gewissen  Aus¬ 
dehnung  ablöst.  G.  hat  diese  Veränderungen  aufs  deutlichste 
bei  Untersuchung  von  Schnitten  enukleierter  Augen  feststellen 
können.  Andrerseits  fand  er  bei  Aspiration  des  hinter  der  Retina 
angesammelten  Ergusses  in  vielen  Fällen  von  Netzhautablösung, 
dass  diese  Flüssigkeit  dem  Humor  aqueus  identisch  ist. 

So  ist  Vortr.  zu  einer  rationellen  Behandlung  der  Netzhaut¬ 
ablösung  gekommen,  die  in  der  Aspiration  des  subretinalen  Er¬ 
gusses  mit  nachfolgender  Galvanokauterisation  der  retino-choroi- 
dealen  Wunde  besteht.  Dazu  bedient  er  sich  eines  besonderen 
schmalen  Messers  und  einer  speziellen  Kanüle.  Man  punktiert 
den  Bulbus  im  unteren  äusseren  Quadranten  und,  nach  Entfernen 
des  Ergusses,  führt  durch  die  sklerotikale  Wunde  eine  lange 
galvanokaustische  Nadel  tief  in  die  inneren  Häute  des  Augapfels 
ein.  Auf  diese  Weise  kauterisiert  man  die  abgelöste,  zerrissene 
Netzhaut  und  zugleich  auch  die  Choroidea.  Nach  der  Aetzung 
legt  man  einen  Okklusiv-  und  Druckverband  für  7  Tage  an.  Durch 
diese  Behandlungsweise  hat  G.  bisher  immer  die  besten  Resultate 

erzielt.  , 

C  a  1  o  t  -  Berck-sur-Mer:  Konservative  Behandlung  der 

Hodentuberkulose. 

Schon  längst  greift  Vortr.  nicht  mehr  zur  blutigen  Operation 
bei  der  Tuberkulose  des  Hodens  und  Nebenhodens.  Wenn  es  sich 
um  eine  einfache  tuberkulöse  Infiltration  dieser  Teile  handelt,  be¬ 
nützt  O.  die  sehr  oft  vorhandene  Hydrocele  für  Einspritzung  von 
Naplitholum  camphoratum  in  den  Sack  der  Tunica  vaginalis.  Be¬ 
steht  keine  Hydrocele,  so  sucht  er  sie  durch  reizende  Einspritz¬ 
ungen  zu  bewirken,  um  nachträglich  zu  Injektionen  von  Naplitholum 
camphoratum  zu  schreiten.  Bei  geschlossenen  Erweichungen  ver¬ 
fährt  er  wie  bei  gewöhnlichen  kalten  Abszessen.  Hat  er  mit  einer 
Fistel  zu  tun,  so  spritzt  er  das  Naplitholum  camphoratum  in  die¬ 
selbe  und  in  ihre  Umgebung  ein.  Eine  solche  Behandlung  hat  dem 
Vortr.  immer  recht  befriedigende  Resultate,  selbst  in  schweren, 
durch  multiple  Fisteln  komplizierten  Fällen  von  Hodentu  er 
luilose,  ergeben. 


25.  November  1002. 


M  ÜENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


1981 


G  a  u  t.h  i  e  r  -  Luxeuil:  Ueber  die  Anwendung  des  Thermo¬ 
kauters  bei  der  Trepanation  des  Warzenfortsatzes. 

Bei  der  Trepanation  des  Warzenfortsatzes  rät  Vortr.,  sieh  zur 
Inzision  der  \V eickteile  und  Entblössung  des  Knochens  des  Thermo¬ 
kauters  zu  bedienen.  Dadurch  gewinnt  man  die  Möglichkeit  jede 
störende  Blutung  und  die  Anwendung  der  Ecarteure  bei  der  Ope¬ 
ration  zu  vermeiden.  Zugleich  schafft  die'  breite  Kauterisation 
dem  entzündlichen  Prozess  eine  Ableitung,  welche  sich  durch  die 
vollkommene  Schmerzlosigkeit  beim  Verbandwechsel  äussert.  Die 
Dicke  der  Weichteile,  durch  welche  man  mit  dem  Brenner  dringen 
muss,  um  auf  den  Knochen  zu  gelangen,  scheint  viel  beträchtlicher, 
als  wenn  man  mit  dem  Messer  operiert:  sie  kann  15 _ 20  mm  er¬ 

reichen.  Den  Warzenfortsatz  selbst  eröffnet  man  mit  Meissei  und 
Hammer.  Die  Wunde  wird  wie  gewöhnlich  verbunden. 


Moty  (Militärarzt):  Ueber  den  hinteren  Schnitt  bei  der 
Empyemoperation. 

Anstatt  des  üblichen  lateralen  Schnittes  schlägt  Vortr.  vor, 
beim  Pleuraempyem  am  Rücken  zu  inzidieren.  Der  etwas  schräg 
verlaufende  Schnitt  muss  in  der  Richtung  der  Fasern  des  M  latis’- 
simus  dorsi  und  durch  dieselben  so  geführt  werden,  dass  dessen 
Mittelpunkt  um  eine  Fingerbreite  unter  dem  Schulterblattwinkel 
zu  liegen  kommt,  um  in  den  Pleurasack  durch  den  S.  oder  9  Inter¬ 
kostalraum  gelangen  zu  können.  Dieses  Verfahren  hätte  vor  der 
klassischen  lateralen  Inzision  den  Vorzug,  keine  Dauerfistel  und 
keine  störende  Narbe  zu  hinterlassen.  Dabei  sei  es  leicht  und 
rasch  ausführbar. 


Schmerzen  immer  grösser  werden,  ohne  dass  an  der  rechten  Seite 
ein  Unterschied  im  Widerstand  der  Bauchmuskeln  wahrnehmbar 
sei,  wenn  das  Erbrechen  nicht  aufhört  und  der  Puls  sehr  häufig 
und  klein  bleibt.  Wenn  starke  Schmerzen  in  der  rechten  Fossa 
iliaca  bestehen,  ohne  starke  Allgemeinerscheinungen,  dann  wird 
die  Diagnose  von  Appendicitis  Simplex  gewöhnlich  richtig  sein; 
eine  Operation  ist  bloss  dann  nötig,  wenn  die  Schmerzen  mehrere 
Tage  anhalten  und  eine  leichte  Induration  entsteht. 

In  der  Untersuchung  des  Blutes  findet  man  ein  sehr  wert¬ 
volles  Hilfsmittel;  die  Beobachtungen  des  Ref.  haben  ihn  zu  fol¬ 
genden  Schlussfolgerungen  geleitet:  1.  Am  Anfang  der  Krankheit 
hat  die  Vergrösserung  der  Leukocytenzalil  keine  Bedeutung,  weil 
sie  in  allen  Formen  entsteht.  2.  Die  Leukocytose  hat  für  die  Dia¬ 
gnose  späterer  Eiterungen  und  Abszesse  eine  grosse  Bedeutung. 
3.  Gänzlich  eingeschlossene  Abszesse  geben  keine  nennenswerten 
Aenderungen  im  Blut.  4.  Nach  Ablauf  der  akuten  Appendizitis 
kann  die  Blutuntersuchung  zur  Diagnose  helfen  zwischen  Ileus  und 
Bauchfellentzündung. 

Referent  warnt  vor  der  Resektion  des  Fortsatzes  während 
des  akuten  Anfalles;  sie  darf  bloss  vorgenommen  werden,  wenn 
die  Art  der  Adhäsionen  es  ermöglicht,  nicht  wenn  der  Abszess 
gross  ist,  und  der  Fortsatz  in  den  Wänden  desselben  eingeschlossen 
bleibt.  Besser  ist  es,  wo  möglich  zu  warten,  bis  die  Palpation 
gar  nicht  mehr  schmerzhaft  ist. 

Prof.  G  a  1 1  e  t  -  Brüssel  ist  auch  kein  Freund  der  systema¬ 
tisch  durchgeführten  Frühoperation.  Er  gibt  in  folgender  Tabelle 
seine  Ansichten  wieder: 


Belgische  Gesellschaft  für  Chirurgie. 

Aus  der  Jahresversammlung  vom  8.— 10.  September  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  chirurgische  Behandlung  der  Appendizitis. 

Referent,  Prof.  Pr.  B  r  o  c  a  -  Paris,  war  früher  ebenso  wie 
D  i  e  u  1  a  f  o  y  ein  Anhänger  der  frühzeitigen  Operation  für  alle 
Fälle.  Seine  Ansicht  hat  er  indes  sehr  geändert,  und  seitdem 
haben  sich  seine  eigenen  Sterblichkeitsprozente  erheblich  gebessert; 
dieselben  sind  von  33  Proz.  auf  13,33  Proz.  gefallen.  Ref.  ist 
Direktor  der  chirurgischen  Abteilung  des  Höpital  Tenon,  und 
seine  Erfahrung  bezieht  sich  auf  die  Kinderpraxis.  Die  früh¬ 
zeitige  Operation  kann  sehr  nachteilig  sein,  weil  der  Chirurg 
frische  Adhäsionen  zerreissen  kann  und  eine  Verbreitung  der  Eiter¬ 
herde  möglich  macht.  Die  Operation  „ä  chaud“,  d.  li.  während  des 
akuten  Anfalls,  hat  auch  den  grossen  Nachteil,  dass  die  Wunde 
tamponiert  werden  muss  und  sich  langsam  schliesst.  Die  Schwere 
der  Krankheit  hängt  nicht  vom  anatomischen  Zustand  des  Wurm¬ 
fortsatzes  ab,  sondern  von  der  Reaktion  im  Bauchfell.  Ref.  teilt 
die  Fälle  in  4  Sorten  ein:  a)  die  diffuse,  septische  oder  eitrige 
Peritonitis;  b)  die  zirkumskripte,  adhäsive  oder  eitrige  Peritonitis; 
c)  die  akute,  einfache  Appendizitis  ohne  Peritonitis;  d)  die  chro¬ 
nische  Appendizitis  mit  oder  ohne  akute  Anfälle.  Im  ersten  Fall 
pflegt  Referent  zu  operieren;  Auswaschen  des  Bauchfells  lässt  er 
jetzt  fort.  Bei  eingetretener  Sepsis  ist  die  Operation  nutzlos, 
jedenfalls  kann  der  Kranke  ebensowohl  ohne  dieselbe  zur  Heilung 
kommen;  obwohl  selten,  kommen  derartige  Fälle  vor.  Oefter 
haben  sich  die  ersten  stürmischen  Erscheinungen  gelindert,  und 
der  charakteristische  lokale  Widerstand,  der  ,, Plastron“  der  Fran¬ 
zosen,  hat  sich  gebildet,  der  von  einem  lokalen  Verteidigungsreflex 
abhängt.  Hier  soll  man  ohne  Eile  abwarten,  und  bloss  eingreifen, 
wenn  der  Eiter  gar  nicht  zur  Resorption  gelangt,  oder  eine  all¬ 
gemeine  Bauchfellentzündung  droht. 

Ref.  hält  es  in  den  meisten  Fällen  für  gefährlich,  den  Wurm¬ 
fortsatz  während  des  Anfalles  zu  resezieren,  weil  sehr  oft  auf  diese 
Weise  schwache  Adhäsionen  zerrissen  werden.  Es  ist  nicht  richtig, 
dass  nach  einer  frühzeitigen  Resektion  sekundäre  Abszesse  aus¬ 
geschlossen  sind.  Der  einzige  Vorteil  könnte  sein,  dass  die  Ver¬ 
narbung  besser  geschieht. 

Die  Operation  ,,ä  froid“,  d.  li.  wenn  keine  Entzündung  besteht, 
soll  vorgenommen  werden,  wenn  ein  akuter  Anfall  vorhergegangen 
ist,  oder  wenn  die  Krankheit  vom  Anfang  an  einen  chronischen 
Verlauf  genommen  hat.  Eine  ähnliche  chronische  Appendizitis 
gibt  leicht  Anlass  zu  Verwechslungen,  da  sie  oft  das  Aussehen  eines 
Magenkatarrhs  behält. 

Referent,  Prof.  Dr.  Sonnenburg’  -  Berlin,  nimmt  dieselbe 
Stellung  wie  Prof.  Broca  ein.  Die  Appendizitis  ist  eine  chro¬ 
nische  Krankheit,  die  mit  oder  ohne  akute  Anfälle  verlaufen 
kann.  Jeder  nicht  normale  Wurmfortsatz  ist  für  das  Leben  ge¬ 
fährlich.  Referent  war  früher  auch  ein  Anhänger  der  sofortigen 
Operation;  er  hat  indes  seine  Meinung  vollständig  geändert,  und 
versucht  jetzt  immer,  die  Operation  in  die  Ruheperiode  zu  verlegen. 
Diese  Handlungsweise  hat  auch  in  der  Statistik  die  besten  Re¬ 
sultate  gegeben  (Moabit).  Der  anatomische  Zustand  des  Fort¬ 
satzes  hat  für  den  Verlauf  der  Krankheit  die  grösste  Bedeutung. 
Daher  empfiehlt  es  sich,  dass  der  Arzt  soweit  wie  möglich  diesen 
Zustand  kenne.  Referent  unterscheidet  drei  Fälle:  1.  Appendicitis 
simplex,  die  Entzündung  ist  nicht  sehr  verbreitet  und  das  Bauch¬ 
fell  ist  noch  gesund;  2.  Appendicitis  perforativa,  der  Wurmfortsatz 
ist  durchgebrochen,  aber  im  Bauchfell  haben  sich  schützende  Ad¬ 
häsionen  gebildet;  3.  Appendicitis  gangraenosa.  Im  letzten  Fall 
nützen  Adhäsionen  nicht  mehr. 

Es  ist  gewiss  eine  schwierige  Aufgabe,  diese  Fälle  von 
einander  zu  unterscheiden.  Wenn  der  charakteristische  Wider¬ 
stand,  der  „plastron“,  entsteht,  so  hat  man  wahrscheinlich  mit 
einer  lokalisierten  Appendizitis  zu  tun;  es  ist  dann  besser,  zu 
warten.  Im  Gegenteil  ist  das  Eingreifen  notwendig,  wenn  die 


Wann  soll  operiert 
werden  ? 

Wie  soll  operiert 
werden  ? 

1.  Appendizitis  in  den 
ersten  24  Stunden 

Sofort 

A.  Laparotomie  ;  Re¬ 
sektion  des  Fortsatzes 

ohne  Drainieren. 

B.  Laparotomie ;  keine 
Resektion ,  wenn  Ad¬ 
häsionen  im  Wege 

stehen. 

2.  Appendizitis  mit 
lokalisierter  Bauchfell¬ 
entzündung 

A.  Abwarten 

B.  Operieren ,  wenn 
der  offenbar  eitrige 
Herd  eine  grössere 
Ausdehnung  fürchten 
lässt 

A  Medizinische  Be¬ 
handlung. 

B  Laparotomie ;  den 
Fortsatz  soll  man  ni:  ht 
suchen.  Drainieren. 

3  Allgemeine  Bauch¬ 
fellentzündung 

Sofort 

Oeffnen  u.  Drainieren. 

4.  Septische  allgem. 
Bauchfellentzündung 

Sofort 

Mehrere  Oeffnungen. 
Auswaschen  mit  H2  O2. 

5.  Appendizitis 
„ä  froid“ 

— 

Laparotomie. 

Medizinische  Streiflichter  aus  Amerika. 

Eine  Eerienrundfahrt  vom  Aerztekongress  in  Saratoga  über 
die  Adirondacks  nach  Canada,  den  weissen  Bergen  und  Boston. 

Von  Carl  Beck  in  New-York. 

(Fortsetzung.) 

In  der  pädiatrischen  Sektion  gelingt  es  F  r  e  u  d  e  n  t  li  a  1  - 
New-York,  in  das  vielbesprochene  Thema  von  den  adenoide  n 
Vegetationen  eine  Anzahl  von  neuen  Auffassungen  hinein¬ 
zutragen.  So  bespricht  er  zunächst  die  „akuten  Entzündungen  der 
Pharynxtonsille“,  deren  Vorkommen  bei  Kindern  ein  keineswegs 
seltenes  sei,  ihre  Diagnose  und  Therapie. 

Bei  den  chronischen  Formen  dieser  Krankheit,  den  wohl- 
bekannten  „Vegetationen“,  ist  es  die  Aetiologie,  die  ausführlich  er¬ 
örtert  wird.  Bei  den  modernen  Eeziehungsmethoden  in  Schule 
und  Haus  entwickeln  sich  im  Retropharynx  die  verschiedenen 
„katarrhalischen“  Zustände,  die  wiederum  einen  vorzüglichen 
Nährboden  für  alle  möglichen  Infektionsstoffe  darbieten.  So 
glaubt  F.  den  Nachweis  geliefert  zu  haben,  dass  die  Tuberkulose 
hier  häufig  ihre  Eingangspforte  findet;  es  werden  auch  Fälle  be¬ 
richtet,  bei  denen  Eiterungen  aus  Haisdrüsen  prompt  nach  Ent¬ 
fernung  der  Vegetationen  aufhörten.  Dieselben  stellen  häufig 
nichts  anderes  dar,  als  die  Reaktion,  die  eintritt  nach  der  Invasion 
des  Tuberkelbazillus,  mag  man  nun  dieselben  noch  in  loco  finden, 
oder  mögen  sie  schon  in  tiefere  Lymphbalmen  gedrungen  sein. 

Die  Entfernung  dieser  Wucherungen  wird  heutzutage  leider 
zu  oft  und  zu  gründlich  vorgenommen.  Ein  Pharynx,  bei  dem 
die  ganze  Schleimhaut  sozusagen  wegrasiert  wurde,  ist  ebenso  un¬ 
tauglich  für  die  Atmung  und  Verdauung,  wie  ein  mit  Wucherungen 
überfüllter. 

Eine  häufige  Ursache  der  Misserfolge  nach  Operationen  ist 
die,  dass  man  auf  die  bestehenden  Nasenkatarrhe  keine  Rücksicht 
nimmt.  Behandelt  man  die  letzteren  nicht,  so  werden  sie  häufig 
die  Ursache  von  Rezidiven. 

Fischer-  New-York  spricht  über  M  i  1  e  li  Idiosyn¬ 
krasie  im  Kindesalter.  Er  beobachtete  dieselbe  gerade 
so,  wie  man  Idiosynkrasien  gegen  gewisse  Medikamente  begegnet. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


:  ’S2 


Nur  selten  zeigt  sich  dieselbe  bei  Brustkindern,  das  Gros  wird 
durch  die  mit  Kuhmilch  ernährten  Kinder  repräsentiert.  Im  All¬ 
gemeinen  war  der  Symptomenkomplex  aus  Störungen  zusammen¬ 
gesetzt,  wie  man  sie  eben  findet,  wenn  gewisse  Nahrungsformen 
nicht  vertragen  werden,  so  namentlich  kolikartige  Anfälle,  Bläh¬ 
ungen.  Erbrechen  und  selbst  Fieber.  Demgemäss  fehlt  auch  jede 
Gewichtszunahme.  Die  dyspeptischen  Stühle  solcher  Kinder  ent¬ 
hielten  unverdaute  Kaseinflocken.  Sobald  die  Milchnahrung  unter¬ 
brochen  wurde,  hörten  die  Störungen  auf,  um  bei  der  Wiederauf¬ 
nahme  derselben  sofort  wieder  zu  erscheinen.  Fischer  nimmt 
an,  dass  das  Kasein  nicht  verdaut  wird.  Er  substituiert  dem¬ 
gemäss  die  Keil  er  sehe  Malzsuppe;  in  leichteren  Fällen  liess 
er  mit  gutem  Erfolg  verdünnte  Milch  mit  Schleim  vermischt  dar¬ 
reichen.  Molke,  aus  frischer  Milch  zubereitet,  bewährte  sich 
ebenfalls. 

Aehnliche  Beobachtungen  wurden,  wie  die  eingehende  Dis¬ 
kussion  ergab,  von  Morse-  Boston  und  K  e  r  1  e  y  -  New-York  ge¬ 
macht. 

In  der  neurologischen  Sektion  verbreitete  sich 
Eshner-  Philadelphia  über  peripherische  Neuritis 
als  Komplikation  des  Kenchhust  e  n  s.  Er  schlagt 
vor,  alle  ätiologischen  Faktoren  der  Neuritis  unter  einer 
grossen  allgemeinen  Gruppe  zu  subsumieren  und  zwar  einer 
gewissermassen  physischen,  welche  wiederum  in  eine  che¬ 
mische  und  eine  nicht  chemische  zerfällt.  Die  erster©  entsteht 
durch  Gifte,  welche  dem  Körper  von  aussen  zugeführt,  während 
die  zweite  durch  solche  im  Bereich  des  Körpers  erzeugt  werden. 
Die  erstere  hinwiederum  ist  von  unbegrenzter  Vielfältigkeit,  die 
zweite  lässt  sich  in  zwei  Untergruppen  einteilen,  nämlich  eine 
metabolischen  und  eine  infektiösen  Ursprungs.  Die  hervor¬ 
stechenden  Symptome  der  Neuritis  schliessen  Schmerzen,  Druck¬ 
empfindlichkeit  und  Schwellung  im  Verlauf  der  affizierten  Nerven 
ein,  ferner  Muskelschwäche,  degenerative  elektrische  Reaktion 
und  Alteration  der  Reflexe,  sowie  Störung  der  Sensibilität  und 
wohl  auch  Ataxie  oder  anderweitige  Koordinationsstörungen. 
Sekretorische,  zirkulatorische  und  tropliische  Veränderungen  sind 
nicht  selten.  Arthropathien  Averden  ebenfalls  beobachtet.  Als 
Komplikation  des  Keuchhustens  ist  Neuritis  selten.  Es  mögen 
einer  sowohl  wie  mehrere  Nerven  betroffen  sein.  Es  gelang 
E  s  h  n  e  r,  7  derartige  Fälle  in  der  Literatur  aufzufinden. 

In  der  Sektion  für  Hygiene  verbreitete  sich  Knopf- 
New-York  (Ihnen  als  preisgekrönter  Autor  der  von  der  Kaiserin 
Friedrich  inaugurierten  Tuberkulosearbeit  bekannt)  über  de n 
heutigen  Stand  des  Tuberkuloseproblems  in 
den  Vereinigten  Staaten.  Seinen  Anregungen  sind  eine 
Reihe  sanitärer  Vorschriften  zu  danken.  Schon  vor  5  Jahren 
hatte  er  anlässlich  des  50  jährigen  Jubiläums  der  American  Me¬ 
dical  Association  zum  ersten  Male  über  den  damaligen  Stand  der 
Tuberkulosebewegung  in  den  Vereinigten  Staaten  berichtet.  Das 
Material  zu  seinem  Bericht  sammelte  Knopf  mittels  Anfragen 
an  die  A'erschiedenen  staatlichen  und  städtischen  Gesundheits¬ 
ämter.  Die  ausgesandten  Fragebogen  AA'aren  wie  folgt  verfasst: 

1.  Welcherlei  Gesetze  in  Ihrem  Staate  (Stadt)  treten  der  Ver¬ 
breitung  der  Tuberkulose  entgegen? 

2.  Welche  Empfehlungen,  Vorschläge  oder  Zirkulare  hat  Ihr 
Gesundheitsamt  zu  diesem  Zweck  Areröffentlicht  ? 

3.  Namen  der  Sanatorien.  Spezialhospitäler  oder  Polikliniken, 
Avelche  bei  Ihnen  der  Behandlung  tuberkulöser  Erwachsener  oder 
Kinder  dienen. 

4.  Gibt  es  in  Ihrem  Staate  (Stadt)  eine  Gesellschaft  zur  Ver¬ 
hütung  der  Tuberkulose? 

5.  Gesetze  oder  Massregelu  in  Ihrem  Staate  (Stadt)  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Rindertuberkulose? 

Als  Resultat  seiner  Bemühungen  berichtet  Knopf  wie 
folgt:  In  3  Staaten  und  4  Städten  ist  die  Anzeigepflicht  von 
Tuberkulosefällen  obligatorisch,  in  4  Staaten  und  5  Städten 
fakultativ,  in  einer  Stadt  (Detroit  im  Staate  Michigan)  schwebt 
die  Frage  vor  dem  Obertribunal.  2  Staaten  haben  allgemeine  Ge¬ 
setze  gegen  das  Ausspeien  in  öffentlichen  Gebäuden  und  Plätzen; 
IS  haben  ihre  eigenen  Verordnungen.  22  Staaten  und  7  Städte 
veröffentlichen  Zirkulare  zur  Tuberkulosebekämpfung.  Die  Ver¬ 
einigte  Staaten-Regierung  hat  2  Sanatorien,  eines  für  schwind¬ 
süchtige  Soldaten  und  eines  für  schwindsüchtige  Matrosen. 
5  Staaten  haben  Spezialinstitute  für  Tuberkulöse,  nämlich  Mary¬ 
land  ein  Staatshospital,  Massachussetts  ein  Staatssanatorium. 
Minnesota  ein  Hospital  für  tuberkulöse  Gefangene,  Mississippi 
ein  Hospital  für  tuberkulöse  Irrsinnige ,  Texas  eine 
Ackerbaukolonie  für  tuberkulöse  Gefangene.  In  10  Staaten 
(Connecticut,  Louisiana,  Maryland,  Minnesota.  New-Hampshire. 
New-Jersey,  New-York,  Obio,  Rhode  Island  und  Wisconsin)  sind 
Staatssanatorien  projektiert.  Zeltkolonien  für  Schwindsüchtige 
gibt  es  in  Massachusetts  und  Pennsylvanien.  3  Städte  (New-York, 
Chicago  und  Buffalo)  haben  städtische  Hospitäler  für  Schwind¬ 
süchtige.  Boston  unterhält  seine  schwindsüchtigen  Armen  in 
Privathospitälern.  Cincinnati  hat  ein  grosses  Hospital  für 
Schwindsüchtige,  welches  von  Privatmitteln  unterhalten  wird. 
New-York  ist  die  einzige  Stadt,  welche  eine  Poliklinik  für  Schwind¬ 
süchtige  besitzt.  In  11  Staaten  zählt  man  42  Privatsanatorien, 
teilAA'eiso  für  arme.  teilAveise  für  halbzahlende  und  einige  für  voll¬ 
zahlende  Patienten.  In  5  Staaten  existieren  Staatsgesellschaften 
und  in  5  Städten  lokale  Vereinigungen  zur  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose.  20  Staaten  haben  Staatsgesetze  zur  Bekämpfung  der 
Rindertuberkulose  und  12  Städte  ihre  eigenen  lokalen  Gesetze  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose  der  Rinder.  In  20  Staaten  geschieht 
nichts  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  weder  unter  Menschen 
noch  Tieren:  in  6  Staaten  bekämpft  man  nur  die  Tuberkulose 


unter  den  Menschen  und  in  8  Staaten  bekämpft  man  die  Rinder- 
tuberkulose,  bekümmert  sich  aber  gesetzlicherseits  nicht  um  die 
Tuberkulose  unter  den  Menschen.  3  Staaten  haben  noch  keine 
Gesundheitsämter. 

Von  der  eingehenden  Kritik,  die  Knopf  auf  Grund  dieser 
Erhebungen  der  Assoziation  vorlegt,  können  Avir  hier  Avegen  Mangel 
an  Raum  nur  folgendes  erwähnen: 

Statt  der  obligatorischen  Anzeigepflicht,  welche  vielen 
Aerzten  umvillkommen  ist  und  ja  auch  nur  in  3  Städten  gesetz¬ 
lich  besteht,  aber  selten  streng  gehandhabt  wird,  empfiehlt  Knopf 
die  in  NeAV-York  übliche  fakultative  Anzeigepflicht.  Die  den 
New-Yorker  Aerzten  zu  diesem  Zwecke  zur  Verfügung  gestellten 
Postkarten  lauten  wie  folgt: 

Bericht  über  einen  Tuberkulosefall: 

Name  des  Patienten: . Alter:  . 

Geschlecht: . Beschäftigung: . 

Wohnung: . 

Frühere  Fälle  in  der  Familie  und  deren  Verhältnis  zum  Patienten: 


Wünschen  Sie,  dass  ein  Gesundheitsinspektor  die  Wohnung 
besucht  und  die  Familie  des  Kranken  über  Vorsichtsmassregeln 
zur  Verhütung  der  Tuberkulose  aufklärt?  Antwort:  Ja  oder  Nein. 

Dr.  med . 

Wohnung . 

K  n  o  p  f  empfiehlt  jedoch,  dass  anstatt  der  Karten  geschlos¬ 
sene  Briefe  zu  diesem  Zwecke  gebraucht  werden  sollten. 

Knopf  kritisiert  ferner  den  Mangel  an  Heilanstalten, 
Spezialhospitälern  und  Ambulatorien  für  Tuberkulose.  Er  be¬ 
dauert,  dass  sich  in  einigen  Städten  Privatsanatorien  für  Schwind¬ 
süchtige  auftaten,  von  denen  der  Staatsgesundheitsbeamte  keine 
Kenntnis  hatte.  Solche  Institute  sollten  nicht  nur  dem  ^Gesund- 
lieitsamte  bekannt  sein,  sondern  sogar  unter  dessen  Kontrolle 
stehen. 

Für  Kurorte,  wohin  viele  Sclnvindsüchtige  gehen,  ohne  sich 
ärztlicher  Leitung  zu  unterwerfen,  empfiehlt  Knopf  ausser 
Massregelu  gegen  Ausspeien  in  öffentlichen  Gebäuden,  auf  Trottoir 
und  Strasse  die  Errichtung  einer  hinreichenden  Anzahl  von 
Strassenspucknäpfen.  K  nopf  zeigte  der  Gesellschaft  einen  von 
ihm  konstruierten,  sich  automatisch  reinigenden,  erhöhten  Strassen- 
spucknapf,  welcher  sich  gut  zu  diesem  Zwecke  eignet. 

Schliesslich  plädiert  Knopf  für  die  Errichtung  eines  ein¬ 
heitlichen  Gesundheitsamtes  in  Washington  nach  dem  Muster  des 
Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  in  Berlin  oder  dem  Conseil  Supö- 
rieur  de  Sante  Publique  in  Paris. 

Im  allgemeinen  zeigt  der  Bericht  im  Vergleich  zu  dem  ersten, 
vor  5  Jahren  erstatteten,  einen  erfreulichen  Fortschritt  in  der 
Tuberkulosebekämpfung  in  Amerika. 

B  i  g  g  s,  der  treffliche  Vorstand  des  New-Yorker  Gesund¬ 
heitsamtes,  kämpft  für  obligatorische  Registrierung 
aller  Tuberkulösen.  Jede  leere  Mietswohnung  sollte  amt¬ 
lich  inspiziert  und  desinfiziert  werden.  Auch  sollte  man  Repara¬ 
turen,  welche  hygienisch  wichtig  sind,  erzwingen  können.  Un¬ 
bemittelte  haben  Anspruch  auf  kostenlose  Untersuchung  ihrer 
Sputa  und  eventuelle  Freiaufnahme  in  ein  Hospital.  Man  darf 
dreist  behaupten,  dass  das  New-Yorker  Gesundheitsamt  in  der 
Tuberkulosenfrage  vorbildlich  gewirkt  hat.  Der  Erfolg  seiner 
energischen  ärztlichen  Beamten  ist  geradezu  phänomenal,  denn 
die  Mortalität  in  der  Rubrik  Tuberkulose  ist  während  der  letzten 
15  Jahre  um  35  Proz.  gesunken. 

K  1  e  b  s  -  Chicago  entrollt  ein  illustratives  Bild  der  prädis¬ 
ponierenden  und  infektiösen  Ursachen  der  Tuberkulose.  Er  legt 
ebenfalls  das  Hauptgewicht  auf  die  Prophylaxis,  welche  sich  vor 
allem  gegen  die  Ursachen  der  Krankheit  richten  muss.  Er  unter¬ 
scheidet  individuelle  und  munizipale  Vorschriften.  Unter  den 
ersteren  hebt  er  die  Hygiene  der  Wohnung  und  die  Fürsorge  der 
Kinder  tuberkulöser  Eltern  hervor,  ferner  die  Erziehung  des  Publi¬ 
kums  im  allgemeinen.  Bezüglich  städtischer  Vorschriften  stimmt 
er  mit  den  Prinzipien  der  Vorredner  überein. 

Kelly-  Baltimore  verbreitet  sich  über  die  Anwendung  von 
Kathetern  mit  Wachsenden  zur  Diagnose  von  Nieren-  und 
Uretersteinen.  Dieselben  können  sowohl  in  Verbindung  mit  der 
Röntgenuntersuchung,  als  auch  unabhängig  von  derselben  als 
Mittel  zur  Erlangung  einer  Diagnose  verwandt  werden.  Die  letz¬ 
tere  kann  man  z.  B.  nicht  verwenden,  wenn  man  während  einer 
Operation  von  oben  nach  unten  katheterisieren  will  (retrograde 
Katheterisation). 

Nach  Beschreibung  seiner  Methode  und  Vorführung  einschlä¬ 
giger  Fälle  stellt  K.  folgende  Direktive  auf: 

1.  Der  mit  Wachsende  versehene  Katheter  hat  Vorzüge  eigener 
Art.  Die  Kratzmarken  im  Wachs  bestätigen  einen  eventuellen 
Röntgenbefund. 

2.  Sie  dienen  zur  Differentialdiagnose  von  Phlebolithen  über 
der  Vaginalhöhle  und  in  den  Beckenvenen. 

3.  Bei  sehr  starken  Frauen  sind  die  Ergebnisse  der  Röntgen¬ 
strahlen  nicht  zufriedenstellend  und  eine  wiederholte  Anwendung 
derselben  gefährlich.  (Referent  stimmt  mit  letzterer  Behauptung 
nicht  überein.) 

4.  Bei  Urinsäure-  und  Uratsteinen  geben  die  X-Strahlen  ein 
unzuverlässiges  Resultat,  da  die  erhaltenen  Schatten  zu  schwach 
sind. 

5.  Wenn  ein  Röntgenapparat  nicht  zur  Hand  ist  oder  nicht 
angewendet  werden  kann,  wie  z.  B.  bei  Katheterisation  während 
der  Operation  A*on  dem  Nierenbecken  aus  nach  traten  zu.  um  zu 


25.  November  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1983 


sehen,  ob  die  Steine  im  Ureter  vorhanden  sind,  kommt  der  Wachs¬ 
katheter  sehr  zu  statten,  ebenso  wie 

G.  bei  fibrösen  Geweben,  die  einen  steinähnlichen  Schatten 
aut  der  photographischen  Platte  erzeugen. 

k--.  hebt  die  grossen  \  orteile  der  Knie-Brustlage  bei  gewissen 
Operationen  am  vesikalen  Ende  des  Ureters  hervor.  _  Wenn  der 

owofnw  die®er  Position  ist,  wird  mit  Hilfe  eines  in  die  Urethra 
eingefuhrten  Spekulums  Luft  in  die  Blase  gelassen,  dann  die  hin¬ 
tere  YY  and  der  Scheide  aufgehoben,  wodurch  die  Vorderwand  von 
Zervix  bis  Urethra  frei  wird.  Mit  einem  zweckentsprechend  ge¬ 
bogenen  Messer  wird  eine  Inzision  durch  diese  Zwischenwand  in 
die  durch  Lutt  ausgedehnte  Blase  gemacht. 

K.  schildert  das  Entfernen  eines  in  dem  intravesikalen  Teile 
des  linken  Ureters  eingebetteten  Steines  und  fasst  die  Vorzüge 
dieser  Methode  m  folgendem  zusammen: 

1.  Die  grosse  Schnelligkeit  derselben  und  die  Möglichkeit 
eines  verhältnismässig  grossen  Untersuchungsfeldes. 

2.  Laterale  Inzisionen  können  hinzugefügt  werden,  um  ein 
grosseres  Operationsfeld  zu  gewinnen. 

3.  Die  Oeffnung  in  der  Blase  ist  leicht  zugänglich. 

.  Ule  Vorderwand  der  Blase  kann  durch  Herunterziehen  der 
Inzision  mittels  Spekulum  nach  dem  Eingänge  der  Scheide  leicht 
zugänglich  gemacht  werden. 


5.  Die  Inspektion  der  Blase  ist  durch  Einführen  eines  Spe¬ 
kulums  in  die  Vaginalwunde  leicht  und  vollständig  gemacht. 

ti.  Tumoren  der  Blase  können  durch  die  Hand  des  Assistenten 
in  die  V  aginalwunde  gebracht  werden. 

.  K.  erörtert  ferner  den  Unterschied  zwischen  Obstruktion  und 
Striktur  des  Ureters.  Nach  Darlegung  der  Symptome  und  ver¬ 
schiedener  Methoden  der  Diagnose  mittels  Einführung  des  Ka¬ 
theters  zählt  er  folgende  Behandlungsweisen  auf,  die  natürlich 
von  der  Lage,  Ausdehnung  und  dem  Charakter  der  Striktur  und 
von  dem  Zustande  der  Niere  und  des  Ureterteiles  oberhalb  der 
Striktur  abhängig  sind: 


i  Behandlung  durch  Dilatatoren  mit  biegsamen  oder  Metall¬ 
kathetern.  —  2.  Lösung  des  Ureters  von  entzündlichem  Gewebe. 

3.  Resektion  des  Ureters,  die  aber  selten  praktisch  möglich  ist  — 

4.  Exstirpation  des  gesamten  prävesikalen  Ganges  der  erkrankten 
Seite  (mittels  Nepliro-Ureterektomie  oder  Uretero-Nephrektomie 
oder  auch  Nephro-Uretero-Cystektomie),  verlässlich  nur  bei  Tuber¬ 
kulose  oder  bei  Pyureter  von  langer  Dauer.  —  5.  Amputation  und 
Implantation  der  Blase,  wenn  die  Striktur  ziemlich  weit  unten  ist 
--  G.  Vollständige  Teilung  des  Ureters  in  Fällen  von  aussergewöhn- 
lich  engen  Strikturen. 


G  o  1  d  s  p  o  h  n  -  Chicago  plädiert  für  das  Verlassen  der 
v  entrofixation,  Vaginof  ixation  und  Ventro- 
Suspension  des  Uterus  mittels  künstlicher  Ligamentver¬ 
bindung  bei  solchen  Patientinnen,  die  noch  empfangen  können. 
Dio  idealsten  Ivesultate  werden  mit  Zuliilfenalnne  der  Ligamenta 
rotunda  erzielt.  Dieselben  können  via  Median-Ventral-  und  Va¬ 
ginalschnitt  verkürzt  werden.  Man  soll  hierbei  bedenken,  dass 
ihre  mittleren  Portionen  sehr  resistent  sind,  nicht  aber  ihre  di¬ 
stalen  Enden.  Eine  korrekte  Verkürzung  im  anatomischen  Sinne 
kann  also  nur  durch  den  Inguinalkanal  stattfinden.  Der  innere 
Ring  gestattet  dem  eingeführten  Finger  ausgedehnten  Zugang, 
so  dass  man  keines  weiteren  Schnittes  bedarf.  Dann  kann  man 
die  Adhäsionen  stumpf  lösen  und  die  Adnexa  hervorziehen. 
Hernienbildung  ist  hierbei  ausgeschlossen.  Demgemäss  ist  die 
Alexander  sehe  die  Operation  par  excellence.  Wo  man  den 
Imguinalkanal  nicht  benützen  will,  ist  die  von  Ferguson  und 
G  i  1 1  i  a  m  neuerdings  angegebene  Operation  auszuführen,  welche 
darin  besteht,  dass  man  die  runden  Mutterbänder  über  der  Bauch¬ 
wand  auf  hängt,  so  dass  sie  sozusagen  auf  dem  Peritoneum  reiten. 
(Alle  Achtung  vor  dem  Chicagoer  Lokalpatriotismus,  aber  diese 
Methode  wurde  längst  vom  Referenten  als  eine  neue  Methode  der 
Hysteropexie  angegeben,  s.  Centralbl.  f.  Cliir.,  21.  August  1897. 
Dieselbe  hat  sich  auch  nach  eingetretener  Schwangerschaft  durch¬ 
aus  bewährt.) 

Thienhaus-  Milwaukee  redet  der  vaginalen  Kölio- 
t  o  m  i  e  das  Wort.  Wenn  man  von  der  allgemein  anerkannten 
Tatsache  ausgeht,  dass  der  vaginalen  Köliotomie  eine  Reihe  von 
Vorzügen  gegenüber  der  abdominalen  Laparotomie  zukommt,  und 
zwar  sowohl  hinsichtlich  der  sofortigen  postoperativen,  als  des 
späteren  Wohlbefindens  der  Operierten,  so  ergibt  sich  logisclier- 
W'eise  die  von  Fritsch  hervorgehobene  Schlussfolgerung,  dass 
ein  Chirurg  alles,  wras  er  vaginaliter  ausführen  kann,  auch  aus¬ 
führen  soll.  Unter  den  vaginalen  Operationsmethoden,  welche 
zur  Heilung  des  Prolapsus  Uteri  totalis  in  climacterio  in  Vorschlag 
gebracht  worden  sind,  hält  Thienhaus  die  Dührssen  sehe 
für  die  beste  und  zwar  deshalb,  weil  die  Retroversio  uteri,  welche 
in  den  meisten  Fällen  als  prima  causa  prolapsus  angesehen  werden 
muss,  durch  die  Vaginofixation  beseitigt  wird.  Es  ist  ferner  zu 
berücksichtigen,  dass  bei  dieser  Methode  die  Facultas  coeundi  er¬ 
halten  bleibt.  Bei  der  Methode  von  W  e  s  t  h  e  i  m  ist  dieses  nur 
in  beschränktem  Masse  der  Fall  und  bei  denen  von  Freund 
und  Fritsch  ist  sie  völlig  aufgehoben.  Schliesslich  kann  man 
der  Dührssen  sehen  Methode  nachrühmen,  dass  der  Uterus 
bei  derselben  in  eine  solche  Lage  gebracht  wird,  dass  er  quasi  als 
muskulöser  Wall  sich  benützen  lässt,  in  welcher  Eigenschaft  er 
ein  ferneres  Herabtreten  der  Blase  und  der  abdominalen  Organe 
hindert.  T.  wandte  das  Verfahren  in  einer  Reihe  von  Fällen,  alle 
über  50  Jahre  alt,  mit  gutem  Erfolg  an. 

Die  Ausstellung  der  pathologischen  Sektion  verdient 
hervorragendes  Lob.  Besonderes  Aufsehen  erregten  die  Prä¬ 
parate  der  Johns  Hopkins  Universität  (Baltimore). 
Von  physiologischem  Interesse  war  ein  durch  einen  höchst  sinn¬ 


reichen  Apparat  in  Bewegung  gesetztes  Ochsenherz,  welches  die 
1’  unktion  der  Klappen  in  deutlichster  Weise  dem  Auge  vorführte. 

Eine  Philadelphiaer  Universität  hatte  a ortreff  - 
hch  gelungene  Röntgenbilder  ausgestellt,  deren  Mene  Tekel  aber 
an  der  immer  noch  herrschenden  Gleichgültigkeit  des  Gros  der 
Kollegen  ebenfalls  abprallen  dürfte. 

Die  pharmazeutische  Abteilung  erhob  den  Anspruch  ausge¬ 
suchter  Eleganz  und  stachen  besonders  die  deutschen  Firmen 
Schering  und  G  1  a  t  z  und  die  Elberfelder  F  arben- 
f abriken  glänzend  heiwor. 

Ueberall  wurde  man  durch  Ruf  und  Geste  daran  erinnert, 
dass  man  in  eine  Wasaerstadt  geraten  war.  To  utv  ugloxov  iid'uJo < 
Freie  Kohlensäure  für  alle  Aerzte!  hiess  die  Losung  an  jeder 
Strasseneeke,  und  so  vertilgte  mancher  Aeskulap  eine  so  enorme 
Menge  der  freien  Labe,  dass  er  nach  viertägigem  Genuss  zuletzt 
wie  ein  vollgesogener  Sclnvamm  ächzend  auf  sein  Lager  sank. 
Die  Korona,  welche  sich  des  Abends  in  einem  Hinterstübchen  des 
Grand  Union  Hotels  zusammenfand,  hatte  diesem  unfröhlichen 
Tun  mit  nichten  Gefallen  abgewinnen  können.  Sie  tat  sich  bei 
einem  anderen,  schäumenderen  Nass,  dessen  Wiege  unweit  der  Isar 
gestanden,  gütlich,  und  klebte  fest,  bis  die  rosenfingerige  Eos  ihr 
die  Schamröte  in  die  Wangen  trieb.  Aus  den  zumeist  mit  Narben 
bedeckten  Physiognomien  und  dem  häufigen  Prositrufen  konnte 
ein  nicht  gänzlich  unbefangener  erraten,  dass  sich  mit  dem  be¬ 
kannten  eigentümlichen  Instinkt  ein  Konsortium  alter  deutscher 
Studenten  zu  einer  solennen  Kneipkur  zusammengefunden  hatte. 
Es  war  wirklich  eine  helle  Freude  gewesen,  zu  sehen,  wie  stramm 
die  deutschen  Kollegen  des  Morgens  auf  der  wissenschaftlichen 
Mensur  gestanden  hatten.  Wenn  auch  die  Aussprache  des  eng¬ 
lischen  da  und  dort  zu  Avünschen  übrig  liess,  in  der  Grammatik  und 
der  logischen  Schärfe  konnte  mancher  autochthone  Amerikaner 
von  seinen  deutschen  Kollegen  etAvas  lernen.  Und  dieselben 
Herren,  darunter  sogar  mancher  Grosspapa,  stiessen  Avacker  des 
Abends  mit  den  Fröhlichen  an  und  beeilten  sich  durchaus  nicht, 
die  nötige  BettschAvere  zu  erschlürfen.  Ja,  die  deutsche  Studenten¬ 
schaft,  die  macht  überall  Schule,  und  im  Ausland  bilden  die  Medi¬ 
ziner  geAvöhnlic-h  die  vorderste  Phalanx.  Dem  waschechten  Sara- 
togaer  aber  sind  solcherlei  Libationen  ein  Greuel.  Denn  avo  käme 
er  hin,  Avenn  das  Vertrauen  in  seine  Wässer  Einbusse  erlitte? 
Hat  er  doch  die  Natur  überredet,  von  allen  Mineralquellen  Mittel¬ 
europas  ihm  ein  Extrakt  zu  gönnen  und  so  sehen  Avir  die  un¬ 
schuldsvolle  Kochsalzquelle  neben  dem  Stahl-,  SchAvefel-  und 
Lithiumsprudel,  von  den  anderen  alkalischen  Wässern  gar  nicht 
zu  reden.  In  einem  Stadtteil  hat  man  Karlsbad,  im  anderen 
Kissingeu.  Da  ist  Wildungen,  dort  Aachen,  mitten  darunter  Ems, 
Soden,  Kreuznach  und  SchAvalbach.  Warum  also  seine  Gallen¬ 
steine  erst  die  weite  Reise  zur  Perle  Böhmens  unternehmen  lassen, 
Avenn  man  sie  nach  4  stündiger  Eisenbahnfahrt  schon  auf  den 
Marsch  ins  Duodenum  schicken  kann?  Oder  Avarum  erst  die  ein¬ 
gerosteten  Gelenke  zu  des  Altreichskanzlers  Lieblingsplätzchen  per- 
suadieren,  wenn  man  in  nächster  Nähe  der  Grosstadt  die  Urate 
im  Laufschritt  löst?  Ja,  die  Saratogaer  setzen  ein  unerschütter¬ 
liches  Y  ertrauen  in  ihre  Wässer  und  bei  ihnen  ist  das  bedeutsame 
Wort  des  wackeren  Doktor  Martinus:  „Wasser  tuts  freilich  nicht", 
gar  übel  angebracht.  Jeder  Civis  Saratoganus  weiss  ärztlichen 
Rat.  Tritt  man  in  einen  der  üppigen  Kaufläden  und  gibt  dem 
Ladenfräulein  durch  einige  urbane  Bemerkungen  Gelegenheit  zu 
einem  Zwiegespräch,  so  wird  einem  sicher  ein  Rat  nachgeworfen. 
So  man  sich  eines  Enbonpoints  erfreut,  soll  man  ja  Aror  der  Apo¬ 
plexie  auf  der  Hut  sein  und  so  rasch  als  möglich  einen  Liter 
Lincolmvasser  hinunterstürzen.  Ist  mau  schlank  wie  eine  Tanne, 
so  wird  einem  eingeredet,  dass  man  ein  günstiger  Nährboden  für 
den  bösen  Tuberkelbazillus  sei,  Aveshalb  man  schleunigst  den  Koch¬ 
salzthermen  zueilen  solle.  Ist  das  Hotelgericht  nicht  gut  zubereitet, 
so  setzt  der  schwarze  Ganymed  eine  pfiffige  Miene  auf  und  meint, 
dass  man  heute  noch  nicht  genug  Arondacksprudel  (früher  Kissin- 
ger  genannt)  genossen  habe,  was  den  Appetit  beeinträchtige.  Und 
dabei  wird  ja  in  der  Tat  so  mancher  gesund.  Das  müssen  sogar 
die  Chirurgen  zugeben.  Ist  doch  auch  ein  berühmter  europäischer 
Chirurg,  der  seine  Gallensteinfälle  nur  mit  dem  Skalpell  behandelte, 
in  Karlsbad  gesund  geAvorden,  als  er  höchstselbst  an  Gallensteineu 
erkrankte!  Aber,  quod  licet  Jovi,  non  licet  bovi.  Und,  wenn 
einer  mit  dem  LindAVurm  im  Leib,  Avie  ihn  der  prächtige  Johann 
Peter  Hebel  so  realistisch-poetisch  schildert,  nach  Saratoga  kommt 
und  statt  sich  in  den  Strudel  der  High  life  zu  stürzen,  fleissig 
Turnübungen  macht,  so  kann  ihm  das  Wasser  nebenbei  auch  wohl 
nützen.  Denn  in  der  Grossstadt  nimmt  er  sich  keine  Zeit  zum 
Essen,  gesclnveige  denn  zum  Turnen,  und  so  macht  die  stockende 
Zirkulation  bald  einen  nervösen  Dyspeptiker  aus  ihm.  Solche 
Lindwürmer  werden  auch  heute  noch  nach  dem  Hebelschen  Rezept 
am  ehesten  umgebracht. 

Die  herrliche  Umgebung  Saratogas  lockt  zu  ausgedehnter  Be 
Avegung  im  Freien.  Seine  Lage  am  äussersten  Südende  des  grossen 
Adirondackplateaus  ist  höchst  malerisch  zu  nennen.  Die  Sohle 
xvird  in  Dreieckform  durch  das  Zusammenstossen  zweier  grosser 
Täler  gebildet,  welche  nach  den  sie  durchströmenden  Flüssen 
MohaAvk  und  Hudson  (resp.  Champlain)  genannt  werden.  Diese 
grossen  YYTasserläufe  bildeten  Jahrhunderte  laug  die  einzigen  Ver¬ 
kehrsstrassen  zAvischen  den  Völkern,  Avelche  um  den  Besitz  des 
amerikanischen  Kontinentes  stritten.  Die  Irokesen  hatten  hier¬ 
nach  dem  Beispiel  Mexikos  eine  Art  Kaiserreich  errichtet,  welches 
später  in  echt  christlicher  Nächstenliebe  von  den  Engländern  okku¬ 
piert  wurde.  Dies  verdross  hinwiederum  den  gallischen  Ehrgeiz 
dermassen,  dass  Albions  Flagge  bald  der  Trikolore  Aveichen  musste. 
Dann  bekam  aber  England  Avieder  die  Oberhand,  jedoch  nur 


>4 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


auf  kurze  Zeit,  und  so  wechselte  Saratoga  seine  Landesangeborig- 
keit  jeden  Augenblick,  bis  Washington  es  ein  für  alle  Mal  gut 
amerikanisch  machte.  In  den  zahlreichen  Kriegen,  welche  dieses 
historische  Terrain  umstritten,  spielten  die  Indianer,  als  professio¬ 
nelle  Wächter  des  Kriegspfads,  eine  bedeutsame  Holle.  Welcn 
ein  herzerwärmender  Hauch  zuweilen  mitten  in  diese  rauhen  Zeiten 
und  in  diese  wilden  Wälder  hineinwehte,  ist  uns  allen  durch  die 
unvergleichlichen  Erzählungen  von  Feunimore  Cooper  bekannt. 

Die  erste  grössere  Schlacht  bei  Saratoga  faiül  am  1J.  Sep- 
tember  1777  statt,  bei  welcher  es  dem  englischen  General  Bur¬ 
goy  ne  gelang,  die  Amerikaner  nach  hartem  Kampfe  zuiuck- 
zudrängen,  und  zwar  durch  die  im  letzten  Augenblick  eingetrottene 
Verstärkung  seines  Kameraden  mit  dem  melodischen  Rainen 
General  v.  Riedesei.  3  Wochen  später  fand  die  zweite  Schlacht 
bei  Saratoga  statt,  bei  welcher  die  Amerikaner  unter  General  Gates 
Sieger  blieben.  Den  energischsten  Widerstand  hatten  aut  der  eng¬ 
lischen  Seite  die  hessischen  Artilleristen  geleistet,  ein  Umstand, 
der  lange  Zeit  zur  Unpopularität  der  Deutschen  m  Amerika  be  ¬ 
trug,  was  nicht  völlig  unbegreiflich  ist.  Sagt  doch  selbst  Schillei, 
empört  über  den  Verkauf  der  7000  Landeskinder,  in  semei  un¬ 
sterblichen  Kabale  und  Liebe:  „Wir  hörten  die  Luchsen  knallen 
sahen  ihr  Gehirn  auf  das  Pflaster  spritzen,  und  die  ganze  Armee 
schrie:  Juchhe,  nach  Amerika!“  Mit  dem  „ihr"  waren  dm  „vor¬ 
lauten  Bursche“  gemeint,  welche  „den  Obersten  getiast  hatten, 
wie  teuer  der  Fürst  das  Joch  Menschen  verkaufe  .  Km  sind 
grosse  friedliche  Alleen  an  die  Stelle  des  Kriegspfades  gerieten, 
und  die  Invasion  besorgen  Touristen,  Ilandlungsreisende  und  sOo- 
Badegäste.  Auf  dem  See  Champlam,  m  welchen  man  \om  Hudson 
stromaufwärts  gelangt,  tummeln  sich  moderne  lachten  z wische 
grossen  und  kleinen  Vergnügungsdamptern  und  dei  buiune  .  ohu 
des  Wigwams,  welcher  getiocliteue  Strohkorbchen  am  Ufer  it 
hält,  blickt  den  vorbeisegelnden  Blassgesichtern  blödsinnig  hassen¬ 
den  Blickes  nach.  Seine  Kleidung  ähnelt  der  eines  deutschen 
Bauernburschen  und  sein  Feldgeschrei  heisst  Fusel.  ..  . 

Auch  wir  machten  uns  auf,  die  Augen  an  den  heirliclien 
Szenerien,  welche  der  Norden  des  Staates  New-lork  m  so  über¬ 
reichem  Masse  bietet,  zu  weiden.  Eine  einstundige  Liscnluhn 
fahrt  bringt  uns  zunächst  an  den  See  Horicon,  gewöhnlich  Lake 
George  genannt.  Als  die  Engländer  die  Franzosen  temporar  ver¬ 
drängt  hatten,  erschien  ihnen  der  alte  indianische  Name  nicht 
gut  genug,  weshalb  sie  den  prächtigen  See  nach  ihrem  Kon  0 
Georg  tauften.  Auf  der  Südseite  steht,  wo  früher  das  h  ort  William 
Henry  den  Franzosen  trotzte,  das  gleichnamige  Hotel.  In  Uoopeis 
„Der  ”  letzte  Mohikaner“  ist  die  Geschichte  des  Forts  austuhil  c 
beschrieben. 

(Schluss  folgt.) 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  November  1902. 


Demonstrationen:  .. 

Herr  Stadel  mann:  Fall  von  hochgradiger  Lipanne. 
Junger  Mann,  schwerer  Diabetes,  ca.  000  g  Zuckerverlust  pro  Tag; 
Eisenchloridreaktion,  Koma,  Tod.  Bei  den  ersten  Anzeichen  des 
Koma  machte  St.,  wie  er  jetzt  immer  zu  tun  pflegt,  einen  Aderlass 
mit  nacliheriger  Infusion  von  alkalischer  Lösung.  Bei  diesem  Em- 
<>riff  zeigte  sich  das  Blut  eigentümlich  verändert;  nach  der  Ge¬ 
rinnung  sah  das  Serum  ähnlich  wie  Eiter  aus,  zeigte  mikroskopisch 
feinste  staubförmige  Trübung,  welche  St.  als  Fett  ansprach,  was 
die  Aetherextraktion  bewies. 

Es  fand  sich  15  IToz.  Fett  im  Blute,  was  auch  m  mikro¬ 
skopischen  Organschnitten  sehr  ausgeprägt  war. 

Diskussion:  Herr  Senator  fragt,  ob  eventuell  im  Ge¬ 
hirn  Fettembolien  gefunden  wurden,  was  von  mehreren  Autoren 
als  eine  Ursache  des  Coma  diabet.  betrachtet  wird. 

Herr  Stadel  mann:  Darauf  wurde  von  ihm  nicht  gerade 
geachtet.  Doch  ist  dies  nicht  wahrscheinlich,  da  das  Fett  in  so 
feiner  Verteilung  war,  dass  es  wohl  kaum  zu  Embolien  Anlass  gab. 

Herr  C.  B  e  n  d  a:  Im  Gehirn  fanden  sich  nur  die  gleichen 
feinst  emulgierten  Fettmassen,  wie  in  den  Kapillaren  der  übrigen 
Gebiete,  also  Embolien  nicht  zu  erwarten. 

Herr  C.  Benda:  Präparat  von  Eventratio  diaphragmatica, 
welches  Herr  A.  Fraenkcl  kürzlich  demonstriert  hatte.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  ergab,  dass  die  Muskulatur  m 
der  linken  ausgebauchten  Zwerchfellshälfte  vorhanden,  aber  ganz 
blass  und  verfettet  ist.  Die  zugehörigen  Nerven  und  Ganglien 
im  Rückenmark  sind  normal,  es  handelt  sich  also  um  eine  myo- 
pathisclie  Degeneration  des  Zwerchfells. 


Tagesordnung : 

Herr  Stadelmann:  Ueber  Späterkrankungen  des  Ge¬ 
hirns  nach  Schädeltraumen. 

Zu  jenen  Gebieten,  welche  durch  die  Unfallgesetz- 
g  e  b  u  n  g  befruchtet  wurden,  gehört  auch  die  G  e  h  i  r  n  p  a  t  h  o  - 
1  o  g  i  e.  Bekannt  und  leicht  verständlich  sind  die  im  unmittel¬ 
baren  Anschluss  an  ein  Trauma  auftretenden  Gehirnver- 
letzungen,  schon  auffallender  sind  die  von  Bergmann  er¬ 
hobenen  Befunde,  dass  eine  Blutung  erst  einige  Zeit  nach  dem 
Trauma  eint  ritt;  zur  Erklärung  einer  solchen,  erst  Stunden  oder 
Tage  nach  dem  Trauma  einsetzenden  Apoplexie  nimmt  man  an, 


dass  durch  das  Trauma  eine  Schädigung  der  Gefässwand  be¬ 
wirkt  wurde,  welche  dann  durch  eine  unerhebliche  Blutdruck - 
Steigerung  (Husten  u.  dergl.)  zur  Zerreissung  gebracht  wird.  Bei 
der  eigentlichen  traumatischen  Spätapo¬ 
plex  i  e,  auf  welche  B  o  1 1  i  n  g  e  r  die  Aufmerksamkeit  gelenkt, 
kommt  es  nach  der  Einwirkung  stumpfer  Gewalt  zur  G  e  - 
hi  rnerschütterung  und  punktförmigen  Blu¬ 
tung,  welche  dann  zu  Erweichung  mit  Arrosion 
eines  Gefässes  und  sekundärer  Blutung  führt. 
Hier  handelt  es  sich  um  Blutungen,  welche  erst  woclienla  n 


apoplexie  auf  das  beschränkt  bleibt,  was  Bollinger  darunter 
verstanden  wissen  wollte. 

Aus  den  Zusammenstellungen,  welche  dann  spätere  Autoren 
(M  a  tthes,  B  r  u  n  s)  gaben,  ist  ersichtlich,  dass  es  vielfach  an 
der  nöthigen  Kritik  in  der  Auffassung  von  derartigen  vermeint¬ 
lichen  Unfallfolgen  fehlt.  II  m  ein  T  r  a  u  m  a  in  V  e  r  b  i  n  - 
d  u  ng-  mit  einer  G  e  h  i  r  n  1  ä  s  i  o  n  zu  bringe  n,  muss 
nach  Vortragendem  der  K  r  a  n  k  e  v  o  r  her  ges  u  n  d  gewesen 


sein,  darf  nicht  an  G  ef  ässerkrank  ungeil,  Lues,  Nephritis  oder 
Lotus  leiden  und  nicht  in  hohem  Alter  stehen;  das  Trauma  muss 


ein  erheblicheres  gewesen  sein;  die  Erscheinungen  der  Gehirn- 
erkrankung  müssen  sich  unter  unseren  Augen  entwickeln. 

Fälle,  die  allen  diesen  Anforderungen  genügen,  kommen 
tatsächlich  vor.  Vortragender  führt  3  Beispiele  seiner  Beobach¬ 


tung  an. 

1.  Fall.  Ein  jüngerer  Mann  wurde  durch  einen  Stein  aut  den 
Kopf  getroffen;  5  Minuten  währende  Bewusstlosigkeit.  Er  ging  dann 
nach  Hause,  beachtete  den  Unfall  kaum  und  wurde  mehrere 
Wochen  zu  Hause  behandelt;  dann  änderte  sieb  plötzlich  das 
Bild.  Der  vorher  intelligente  Mann  wurde  auffallend  nieder¬ 
geschlagen  und  stumpf;  er  macht  2  Selbstmordversuche,  Angriffe 
gegen  seine  Frau,  dazwischen  Tobsuchtsanfälle,  (»mal  war  er 
erfolglos  in  den  verschiedensten  Anstalten;  nach  2(4  Jahren  Tod 
durch  Selbstmord. 

2.  F  all.  4  Wochen  vorher  Schlag  auf  den  Kopf  mit  einem 
Prügel;  momentane  Bewusstlosigkeit;  bald  erholt  und  ganz  ver¬ 
gnügt.  Es  treten  bald  Kopfschmerzen  auf,  die  aber  die  Arbeit 
gestatten.  Plötzlich,  nach  4  Wochen,  in  der  Nacht  Kopfschmerzen 
und  Bewusstlosigkeit.  Aufnahme  ins  Krankenhaus,  wo  er  noch 
schwerbesinnlich  ist  und  auf  die  meisten  Fragen  antwortet: 
„Darauf  kann  ich  mich  nicht  besinnen“.  Fötus  und  Lues  ge¬ 
leugnet.  Keine  wesentlichen  Anomalien,  nur  rechts  über  der 
motorischen  Zone  eine  bewegliche  Narbe.  Nunmehr  Auftreten 
schwerer  Jacksonseber  Epilepsie;  erst  Krampf  im 
linken  Arm,  dann  im  rechten,  dann  allgemein.  Operation  ergab 
nichts;  nach  3  Tagen  Tod  an  Pneumonie. 

Sektion:  Er  w  eichung  und  Bl  u  t  u  n  g  i  n  d  e  r 
G  egend  des  T r  a  u  m  a  s  und  Blutung  an  der  Stelle 
des  Contre-coups.  Diese  Blutung  sicherlich  älter  als 
3  Tage,  also  nicht  etwa  Folge  der  Operation. 

3.  F  a  1 1.  Früher  gesunder  Mann,  7  Wochen  vor  Aufnahme 
bewusstlos  vom  Bau  gestürzt,  auf  den  rechten  Hinterkopf.  Kopf¬ 
schmerzen;  nach  mehreren  Wochen  plötzlich  Schüttelfrost, 
hohes  Fieber,  Erbrechen,  Bewusstlosigkeit,  Nackenstarre.  Offen 
bare  Zerebrospinalmeningitis.  Lumbaltlüssigkeit  .  eitrig  mit 
Staphylo-  und  Pneumokokken.  Tod  nach  wenigen  Tagen. 
Sektion:  Eitrige  Meningitis.  Fissur  im  Hinterhauptbein,  welche 
teilweise  schon  knöchern,  teilweise  noch  bindegewebig  ver¬ 
wachsen  ist. 

Demonstration  der  verschiedenen  Gehirn-  und  Schädelprä¬ 
parate. 

Solche  Fälle  also  seien  als  traumatische  Spät- 
e  r  k  r  a  n  k  u  ngen  des  G  e  h  i  r  n.  s  anzuerkennen. 

Diskussion:  Herr  F  ii  r  bringer:  Es  sei  sehr  verdienst¬ 
voll  von  Stadelmann,  diese  Affektionen  zur  Sprache  gebracht 
zu  haben.  Er  selbst  habe  mehrere  solcher  Fälle  beobachtet,  sie 
aber  früher  nicht  richtig  beurteilt:  erst  durch  die  neueren  Arbeiten 
(T  li  iem)  sei  er  zur  richtigen  Würdigung  des  Zusammenhangs 
geführt  worden. 

Herr  Blocli:  Er  habe  unter  ca.  80  Begutachtungen  aus  den 
letzten  Jahren  doch  7  Fälle,  in  welchen  sich  an  ein  Trauma  eine 
progressive  Demenz  anschloss.  Immer  waren  die  Pa¬ 
tienten  in  vorgeschrittenerem  Alter,  zeigten  fast  immer  Zeichen 
von  Arteriosklerose  und  boten  4  mal  Pupillendifferenz,  2  mal  träge 
Pupillen,  dann  Sprachstörungen  oder  Fehlen  der  Patellarreflexe, 
Sensibilitätsstörungen  u.  dergl.  Der  Zusammenhang  mit  deii 
Traumen  war  aber  immer  klar,  denn  die  Betreffenden  haben  bis 
zu  denselben  ihre  Arbeit  vollständig  verrichten  können. 

Solche  Kranke  neigen  zu  Hypochondrie  und  bringen  dadurch 
vielfach  unbegründete  Klagen  vor,  welche  sie  leicht  der  Simulation 
überführen  lassen;  dies  erschwert  dann  die  Beurteilung  des  tat¬ 
sächlich  vorliegenden  Leidens. 

Herr  C.  Benda:  Die  Frage  des  Zusammenhangs  zwischen 
den  Traumen  und  der  Gehirnläsion  sei  in  solchen  Fällen,  wie  die¬ 
jenigen  Stadelmanns  es  sind,  für  den  Arzt  wohl  klar,  aber 
doch  oft  schwer  zu  beantworten,  wenn  es  sich  um  kriminelle  I  alle 


25.  November  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1985 


handle,  wie  in  Stadelmanns  Fall  2.  Er  habe 
Falle  als  Sachverständiger  den  Zusammenhang  aber 
angenommen,  da  alle  Organe  sonst  gesund  waren 
Arteriosklerose  vorlag,  was  für  den  Täter  eine  lange 
strafe  zur  Folge  hatte.  TT^n 


in  diesem 
als  sicher 
und  keine 
Gefängnis- 
K  o  h  n. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Bericht  des  Vereins.) 

S  i  t  z  n  n  g  v  o  in  15.  Oktobe  r  1902. 

1  Herr  Veihagen  referiert  an  der  Hand  von  stereo¬ 
skopischen  Photographien  über  2  Fälle  von  Papillombildung  auf 
der  Konjunktiva.  Das  einemal  handelte  es  sich  um  mehrere 
grossere  lumoren  im  inneren  Augenwinkel.  Das  anderemal  fanden 
sich  ebcnlalls  .,—4  himbeertovmige  polypöse  Geschwülste  auf  und 
neben  der  Karuukel,  ausserdem  aber  noch  eine  grössere  Anzahl 
kleiner  kondyloinahnlicher  Bildungen  auf  der  Conjunctiva  sclerae 
und  eine  unzählige  Masse  auf  der  Conj.  palpeb.  sup.  Bei  dem 
ersten  Fall  trat  nach  der  Abtragung  kein  Rezidiv  auf,  bei  dem 
zweiten  nach  8  Monaten.  Mikroskopisch  fand  sich  typische  Pa¬ 
pillomstruktur.  Bei  dem  ersten  Fall  wurde  ausserdem  ausgedehnte 
Bccliei zehenbildung  und  um  die  Blutg'efässe  herum  massenhafte 
Mast-  und  Plasmazellenbildung  konstatiert. 

Weiter  zeigt  der  Vortragende  das  stereoskopische  Bild  eines 
Knaben  mit  Dermoidgeschwulst  am  Xorneoskleralrand.  Mikro¬ 
skopisch  fanden  sich  in  dem  Tumor  alle  Bestandteile  der  Kutis 
ausser  Sch weissdrüsen. 

Schliesslich  zeigt  Vortragender  noch  die  Photographie  einer 
alten  Frau  mit  einer  hühnereigrossen  Thränensackektasie,  die 
durch  Exzision  des  ganzen  Sackes  geheilt  war. 

2.  Herr  Hofrat  Reichel  stellt  zwei  Fälle  von  Spontan¬ 
heilung  von  Geschwülsten  vor. 

Fall  1  betraf  eine  36  jährige  Frau,  welche  seit  y2  Jahre  an¬ 
geblich  nach  Influenza  an  Schmerzen  im  rechten  Auge,  Exoph¬ 
thalmus  und  Doppelbildern  litt  und  bereits  anderweit  wegen  Ver¬ 
dacht  auf  Stirnhöhleneiterung  aufgemeisselt  worden  war.  Bei 
der  Aufnahme  ins  Krankenhaus  intensive  Kopfschmerzen,  Ex¬ 
ophthalmus,  Doppelbilder,  Stauungspapille  rechts  und  Uedem  des 
oberen  Lides.  In  der  Annahme  eines  retrobulbären  Tumors  tem¬ 
poräre  Resektion  der  äusseren  Orbitalwand  nach  Krönlei  n. 
ohne  dass  jedoch  ein  Tumor  gefunden  wurde.  Es  wurde  nun  ein 
intrakranieller  Sitz  des  Tumors  angenommen,  aber  wegen  Mangels 
bestimmter  Lokalisation  die  Wunde  geschlossen.  Wider  Er¬ 
warten  gingen  nunmehr  alle  Erscheinungen  zurück,  Patientin 
genas  und  blieb  bis  heute  gesund.  Konnten  in  diesem  Falle  immer¬ 
hin  Zweifel  an  der  Existenz  eines  Tumors  auftauchen,  so  erscheint 
der  zweite  Fall  einwandsfrei: 


Ein  39  jähriger  Mann  mit  ca.  5  cm  langer,  ebenso  breiter  und 
1  cm  hoher,  gleichmässig  derber  Geschwulst  in  der  linken 
Schbifengegend,  seit  %  Jahren  allmählich  unter  heftigen  Schmer¬ 
zen  entstanden,  wurde  nach  erfolgloser  Jodkalikur  operiert.  Der 
Tumor  hatte  das  Aussehen  eines  gefässreichen  Sarkoms,  durch¬ 
brach  den  Knochen  und  setzte  sich  auf  die  Dura  und  das  Gehirn 
fort.  Da  er  sich  namentlich  entlang  der  Schädelbasis  ausdelmte 
und  die  hintere  und  untere  Grenze  nicht  erreichbar  war,  wurde 
die  Operation  abgebrochen  und  wegen  starker  parenchymatöser 
Blutung  tamponiert.  Die  mikroskopische  Untersuchung  durch 
Professor  Dr.  Nauwerck  ergab  Spindelzellensarkom  mit  ein¬ 
zelnen  Riesenzellen  und  herdweisem  Hämosiderin.  Nach  anfäng¬ 
lichem  V  orquellen  des  Tumors  und  Anwachsen  auf  die  doppelte 

Grösse  unter  reichlicher  Absonderung  von  Flüssigkeit  _  ob 

Cerebrospinalflüssigkeit  oder  seröses  Exsudat,  blieb  unentschieden 
—  verkleinerte  er  sich  nach  ca.  4  Wochen  und  verschwand  schliess¬ 
lich  vollständig  unter  Vernarbung  der  Wunde.  Auch  die  Be¬ 
schwerden  des  Patienten  verschwanden  allmählich  ganz,  so  dass 
er  jetzt,  fast  y2  Jahr  nach  der  Operation,  bei  bestem  Wohlbefinden 
vorgestellt  werden  kann. 

eiter  demonstriert  der  Vortragende  eine  ringförmige,  von 
einem  Schirm  oder  Stock  herrührende  Messingzwinge,  die  ein 
38  jähriger  Mann  mittels  eines  Hollunderstäbchens  sich  in  die 
Harnröhre  eingeführt  hatte,  wo  sie  an  der  vorderen  Grenze  des 
Skrotums  sass.  Urethrotomia  externa. 

Hierauf  stellt  der  Vortragende  eine  Frau  vor,  bei  der  er 
8  mal  wegen  Darmverschluss  bezw.  Dannstenose  laparotomiert 
hatte,  das  erstemal  im  April  1900  Avegen  akuten  Darmverschlusses. 
Bei  der  Operation  Lösung  von  Netzadhäsionen  an  der  vorderen 
Bauchwand,  Durchtrennung  von  Netzsträngen,  die  eine  Dünndarm¬ 
schlinge  abschnürten.  Heilung.  Nach  ly4  Jahren  neue  Stenosen¬ 
erscheinungen.  2.  Laparotomie  im  März  1902.  Es  fand  sich  eine 
eigentümliche  Lageanomalie,  insofern  sich  Flexur  und  Dünndarm 
umschlungen  hatten  und  hierdurch  Darmschlingen  komprimierten. 
Das  in  die  Länge  gezogene  Mesenterium  des  Dünndarms  war  um 
die  nach  rechts  oben  ausgezogene  Flexur  nach  links  herum¬ 
geschlagen.  Der  Dünndarm,  der  immer  wieder  dazu  neigte,  in  die 
linke  Bauchseite  zurück  zu  sinken,  konnte  nur  durch  starkes  Vor¬ 
ziehen  des  Colon  transversum  und  des  descendens  und  Annähen 
des  letzteren  und  des  oberen  Schenkels  der  Flexur  an  die  linke 
Rauchrvand  in  der  richtigen  Lage  erhalten  werden.  Ausserdem 
taiul  sich  eine  20  cm  lange,  verengte  Dünndarmschlinge,  wahr¬ 
scheinlich  entsprechend  der  vor  2  Jahren  eingeschnürt  gewesenen. 
Genesung,  aber  schon  8  Tage  nach  der  Entlassung  wiederum  Be- 
sehwerden.  Die  dritte  Laparotomie  im  September  1902  ergab  als 
Ursache  derselben  einmal  die  vorerwähnte  verengte  Dünndarm¬ 
schlinge.  dann  aber  einen  festen  Strang,  der  Aron  dieser  zur  Wirbel¬ 


säule  zog,  die  Schlinge  abknickte  und  eine  zweite  komprimierte. 
Durchtrennung  des  Stranges  und  Ausschaltung  der  verengten 
Sc  hlinge  duich  Enteroanastomose  zwischen  zu-  und  abführendem 
Ende  brachte  nunmehr  definitive  Heilung. 

Schliesslich  demonstrierte  Vortr.  ein  durch  Totalexstirpation 
Avegen  Totalprolapses  gewonnenes  Präparat  von  Uterus  bicornis 
duplex.  Der  Uterus  lag  fast  ganz  extraperitoneal;  nur  die  oberen 
Enden  der  beiden  Hörner  waren  von  Serosa  bekleidet.  ZAvisclien 
den  oberen  zwei  Dritteln  der  letzteren  spannte  sich  eine  dünne 
Membran.  Eine  rechtseitige  apfelgrosse  Eierstockcyste  Avurde  mit¬ 
entfernt.  Glatte  Genesung. 

•j.  Ilei  l  Staffel  spricht  über  die  Cephalocele  congenita, 
oiti.  demonstriert  das  Präparat  einer  über  kindskopfgrossen 
Cephalocele  occipital.  sup.,  welche  er  bei  einem  4  wöchentlichen, 
sonst  gesunden  Kinde  entfernte.  Es  bestand  bereits  bei  der  Ope¬ 
ration  Hydrocephalus  int.  und  das  Kind  ging  unter  den  Erschei¬ 
nungen  zunehmenden  Hirndrueks  zu  Grunde. 

Die  entfernte  Geschwulst  stellte  eine  Eücepkalocystomeningo- 
cele  dar.  Sie  zeigt  die  bekannten  Erscheinungen:  Verdickung  der 
Subkutis  mit  erweiterten  Lymphräumen  und  Fehlen  des  'Fett¬ 
gewebes,  Fehlen  der  Dura,  Cysten  in  der  Araelinoidea.  Im  Innern 
des  mit  einer  1  cm  dicken  Grosshirnschicht  ausgekleideten  Hohl¬ 
raumes  liess  sich  mehrfach  Ependymepithel  nachweisen. 

Weiter  erörtert  Vortr.  die  vermutlichen  Ursachen  des  die 
Ceplialocelen  so  oft  begleitenden  Hydrokephalus  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Arbeiten  von  Muscatello  (Langenb. 
Arcli.,  Bd.  68)  und  Aveist  darauf  hin,  dass  auch  im  vorliegenden 
lalle  die  mikroskopische  Untersuchung  eine  Leptomeningitis 
serosa  (mit  Exsudat  in  den  Subarachnoidealraum,  perivaskulärer 
Infiltration  der  Piagefässe,  Exsudat  in  die  Araelinoidea  und  ober¬ 
halb  derselben  etc.)  als  wahrscheinliche  Ursache  des  Hydro¬ 
kephalus  nachAveist.  Ob  diese  Leptomeningitis  von  den  über  der 
Cephalocele  bestandenen  Hautulzerationen  ausgegangen  ist  oder 
bereits  bei  der  Geburt  (Lues?)  bestanden  hat,  liess  sich  nicht  ent¬ 
scheiden. 

Von  besonderem  Interesse  Aval-  ausserdem  der  Nachweis 
totaler  Inklusionen  von  hyalinem  Knorpel,  an  anderen  Stellen  von 
Schweissdrüsen,  Muskelbündeln  und  Fettgewebe  in  den  untersten 
Schichten  der  verdickten  Subkutis  der  GeschAvulst. 


Äerztiicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  18.  November  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Iv  ü  m  mell. 

I.  Demonstrationen: 

1.  Herr  J  e  s  s  e  n  erörtert  die  Frage  der  traumatischen  Ent- 
Stellung’  eines  Iierzklappenfehlers  an  der  Hand  eines  Falles.  Die 
Zahl  der  Beobachtungen,  wo  nach  einem  Trauma,  das  die  Brust 
betrat,  durch  Zerreissung  der  Herzklappen  ein  Vitium  entstand, 
ist  schon  recht  gross.  Noch  zahlreicher  sind  die  Fälle,  in  denen 
eine  einmalige  Ueberanstrengung  von  einem  dauernden  Vitium 
gefolgt  ist.  per  vorgestellte  Schiffer  hatte  im  April  des  Jahres 
gelegentlich  einer  ärztlichen  Untersuchung  einen  absolut  normalen 
Ileizbeiund.  Im  Mai  hatte  er  durch  eine  Havarie  sehr  angestrengt 
zu  arbeiten  und  fühlte  dabei  einen  intensiven  Schmerz  in  der  Herz 
gegend  neben  allgemeinem  Unbehagen.  Es  entwickelte  sich  dann 
eine  schwere  Herzinsuffizienz  mit  Dilatation  und  Klappen¬ 
geräuschen,  nach  deren  Beseitigung  das  Bild  einer  Aorteninsuf- 
fizieuz  zurückblieb. 

n  T  Herr  K  o  b  e  r  t  demonstriert  das  Leichenpräparat  einer 
Hufeisenniere,  die  zugleich  Schrumpfniere  darstellt. 

8.  Herr  Conitzer  demonstriert  2  durch  Laparotomie  ge¬ 
wonnene  Tubargraviditäten  aus  der  zweiten  Schwangerschafts- 
hälfte  und  ein  zweikammeriges  Kystoma  serosum  simpiex,  dessen 
eine  Kammer  gplatzt  war. 

4.  Herr  Sieveking  berichtet  von  einem  Fall  atoii  Ver¬ 
giftung  durch  ein  Hausmittel.  Ein  kräftiger  Arbeiter  hatte 
gegen  Urinbeschwerden  eine  Tasse  Brennesseltheeabkochung  ge¬ 
trunken  und  erkrankte  y2  Stunde  nach  dem  Genuss  mit  BeAvusst- 
seinstrübung,  Schwere  in  den  Beinen  und  \Areiten  starren  Pupillen. 
In  dem  konfiszierten  Tliee  fanden  sich  Blätter  von  Datura  stram- 
monii,  so  dass  es  sich  um  eine  Daturinintoxikation  handelt.  Bei  der 
polizeiärztlichen  Kontrolle  der  Drogerien  ist  auf  derartige  Bei¬ 
mengungen  zu  den  als  Hausmittel  geltenden  Speziesarten  zu 
achten. 

5.  Herr  Leiser  demonstriert  einen  18  jährigen  Patienten, 
bei  dem  er  einen  Zahn  aus  der  Hase  entfernt  hat.  Es  handelt  sich 
um  einen  versprengten  Zahnkeim.  Der  Kranke  hatte  eine  Hasen¬ 
scharte  und  V  olfsrachen  —  die  in  seiner  Kindheit  operiert  sind. 
Ausserdem  besteht  eine  Ossifikation  oder  Defekt  einer  Highmors¬ 
höhle,  Die  Warzenfortsätze  sind  beiderseits  stark  eingezogen, 
so  dass  eine  erhebliche  Verkürzung  der  knöchernen  Gehörgänge 
resultiert.  Schliesslich  findet  sich  noch  eine  Fistula  congenita  colli. 

6.  Herr  Rüder  berichtet  über  den  Geburtsverlauf  bei  2  Miss¬ 
geburten:  a)  28  jiilir.  III.  Para.  Steisslage.  Beim  Versuch,  den  Fötus 
am  Fuss  zu  extrahieren,  Avird  das  Fehlen  der  unteren  Extremitäten 
konstatiert.  Nach  der  Geburt  des  Steisses  wird  der  gleichfalls 
völlige  Mangel  der  oberen  Extremitäten  festgestellt.  Es  handelte 
sich  also  um  einen  Phocomelus.  b)  31  jähr.  II.  Para:  Fötus 
mit  Spina  bifida  und  grosser  Bauchspalte  mit  Ektopie  der  In¬ 
testina.  Bei  der  Untersuchung  wird  die  Spina  bifida  verletzt,  da¬ 
durch  geht  die  Geburt  weiter  und  die  ektopischen  Darmschlingen 


1086 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


gelungen  vor  fl ie  Scheide,  so  dass  anfangs  an  l  terusru ptur  ge¬ 
dacht  wurde.  .  r 

7.  Herr  T  ro  emne  r:  a)  Fall  von  wahrscheinlich  aut  Lues 
beruhender  Meningomyelitis.  Schubweises  Erkranken:  zuerst 
Symptome  einer  B  r  o  w  n  -  S  e  q  u  a  r  d  sehen  Halbseitenläsion, 
die  sich  bis  auf  Beste  zurückbilden;  dann  im  Anschluss  an  einen 
heftigen  Schreck  14  Tage  langes  Zittern  und  Krämpfe  in  den 
Armen;  darnach  schwere  Ataxie  an  den  oberen  Extremitäten  mit 
Reflexsteigerung,  Sensibilitätsstörungen  und  ausstrahlenden  Len¬ 
denschmerzen.  Auf  spezifische  Therapie  Besserung. 

b)  Fall  von  Hypochondrie.  Arbeiter,  seit  August  19U0  krank, 
spastisch-ataktischer  Gang  und  Bömberg.  Trotzdem  kein  or¬ 
ganisches  Leiden,  sondern  nur  psychisch  bedingte  lunktions, 

Störung.  u 

11.  Die  Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn 

Staude:  Zur  erweiterten  vaginalen  Totalexstirpation  des 
karzinomatösen  Uterus,  gestaltete  sich,  besonders  durch  die  Tei  - 
nähme  des  Herrn  Mackenrodt-Berlin  zu  einer  ungemein 
lebhaften.  Sie  bot  im  allgemeinen  ein  ähnliches  Bild  wie  die 
Diskussion  der  letzten  Gynäkologenkongresse,  auf  denen  die 
Frage,  ob  vaginal  oder  abdominal  zu  operieren  sei,  ventiliert 
wurde.  Referent  hält  es  deshalb  für  richtig,  nur  einzelne  Funkte 
herauszugreifen. 

Herr  M  a  c  k  e  n  ro  d  t- Berlin:  Gegen  die  b  tau  de  sehe 
Methode  macht  er  vor  allem  3  Funkte  geltend:  1.  Die  grossere 
Gefahr  einer  septischen  Infektion,  2.  die  Gefahr  des  Imptkarzmoms 
in  den  zur  Freilegung  des  Operationsfeldes  nötigen  Scheiden¬ 
inzisionen,  3.  die  Schwierigkeit  des  radikalen  Operierens,  d.  h  der 
radikalen  Entfernung  der  Verstreuungen  des  Karzinoms.  Koch 
nach  Jahren  sieht  man  die  Bezidive  gerade  in  den  Narben  der 
Scheiden-  oder  Damminzisionen  auftreten.  Die  vaginale  Methode 
erlaubt  nicht  ein  Freilegen  des  Ureterlagers  und  eine  Entfernung 
der  wichtigsten  Drüsen,  die  den  Eintritt  des  Ureters  ringförmig 
umgeben.  Im  Gegensatz  zu  Staude  hält  er  die  Drusentrage 
für  die  wichtigste,  wenn  auch  zweifellos  Fälle  Vorkommen,  bei 
denen  bei  der  Sektion  die  Beckendrüsen  völlig  karzinomfrei  ge¬ 
funden  werden.  Die  angeblich  höhere  Mortalität  der  abdominalen 
Methoden,  sinkt  bei  der  Vervollkommnung  der  Technik  auch  er¬ 
heblich  Von  34  in  seiner  Klinik  operierten  Fällen  sind  0  ge¬ 
storben  17,0  Proz.  Nach  Anwendung  der  ausgiebigen  Becken¬ 
drainage  nach  Mikulicz  sind  von  1U  Fällen  nur  2  gestorben. 

Demonstration  von  3  Präparaten. 

Herr  Prochownick  betont  nach  einem  Ueberblick  ubei 
die  Karzinoinoperationen  und  ihre  Resultate,  wieviel  Subjektives 
bei  der  Behandlung  der  Gebärmutterkrebse  in  die  gleiche  Sta¬ 
tistik  einzureihen  ist.  Wo  der  eine  die  Operabilität  bezweile  , 
operiert  der  andere  noch  und  hat  demgemäss  ganz  andere  Zahlen 
nachher  zu  bringen.  Bei  den  alten  Methoden  kamen  früher  mehr 
regionäre  Bezidive  vor,  daher  ist  die  Drüsenfrage  doch  die  Haupt¬ 
frage,  obwohl  nur  in  20—30  Proz.  der  Fälle  sich  die  Drusen  als 
infiziert  erweisen.  Die  Uebersicht  über  das  Operationsgebiet, 
speziell  über  die  Parametrien  und  die  Blasengegend,  ist  bei  ab¬ 
dominalem  Vorgehen  besser.  Die  Mortalitätsziffer  wird  sicher  bei 
beiden  Methoden  gleich  werden.  Die  Staude  sehen  Resultate 
sind  jedenfalls  nicht  viel  besser  als  die  der  Gegner.  Die  ganze 
Frage  ist  entschieden  noch  nicht  spruchreif.  Es  bleibt  abzu¬ 
warten  nach  welcher  Methode  nach  5—0  Jahren  die  meisten  Re¬ 
zidive  beobachtet  sind.  Bis  dahin  rät  er,  bei  leichten  Fallen,  weil 
die  Drüsen  frei,  vaginal,  am  besten  a  priori  mit  Hilfsschmtten, 
zu  operieren,  bei  Karzinom  der  Zervix  und  der  Scheidenubergange 

zu  köliotomieren.  „  .  ,,r  Q  f 

Herr  W  iesinger  zeigt  verschiedene  von  ihm  nacli  vv  eit 
beim  operierte  Uteruskarzinome,  bei  welchen  der  Prozess  bereits 
auf  die  Parametrien  weit  fortgeschritten  war.  An  diesen  Pia- 
paraten  ist  zu  sehen,  dass  bei  dieser  Methode  die  Parametrien  be¬ 
sonders  ausgedehnt  entfernt  werden  können.  W .  rühmt  die  Me¬ 
thode  als  diejenige,  bei  der  die  Uebersichtlichkeit  und  die  Möglich¬ 
keit,  weit  fortgeschrittene  Prozesse  im  Gesunden  zu  operieren, 
die  grösste  sei.  W.  erinnert  dabei  an  den  von  ihm  im  Jahre  1894 
hier  gehaltenen  Vortrag,  in  dem  er  die  Forderung  aufstellte,  die 
gewöhnliche  vaginale  Methode  als  nicht  genügend  zu  verlassen  und 
durch  radikalere  Methoden  zu  ersetzen  und  zweitens  die  enge  In¬ 
dikationsstellung,  die  damals  noch  von  den  meisten  Gynäkologen 
festgehalten  wurde,  nur  bei  auf  den  Uterus  beschrankten  Kai  - 
zinomen  zu  operieren,  auch  auf  schon  auf  die  Parametrien  uber¬ 
gegangene  Prozesse  auszudehnen.  YY .  erinnert  daran,  dass  damals 
noch  Staude  beiden  Forderungen  gegenüber  sich  ablehnend 

'  ^  Herr  Lauenstein:  Die  Art  der  Operation  ist  vom  Material 

abhängig.  Je  früher  die  praktischen  Aerzte  dem  Chirurgen  die 
Fälle  liefern,  desto  besser  werden  die  Resultate  sein. 

Herr  Deseniss  referiert  die  Erfahrungen  seiner  Lehret 
D  ö  derlein  und  W  erthei  m,  betont  den  Wert  der  Probelaparo¬ 
tomie  zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  überhaupt  noch  eine  Becken¬ 
ausräumung  möglich  ist.  ln  29  Fällen  erwiesen  sich  dm  eh  bei  ten- 
schuittuntersuehung  8  mal  die  Drüsen  als  karzmomatos,  und  zvv  ai 
waren  das  immer  nur  die  Drüsen,  die  vom  Operateui  makio- 
slcopisch  als  karzinomatös  angesprochen  wurden. 

Herr  Kömmell:  Im  Spital  sieht  man  nur  die  weit  voi- 
-csclirittenen  Fälle.  Die  Verhältnisse  um  das  Ureterlager  herum 
sind  so  wichtig,  dass  er  nur  laparotomiert.  Bei  18  Laparotomien 
fand  sich  7  mal  der  Ureter  so  umwachsen,  dass  Stucke  desselben 

reseziert  werden  mussten.  ., 

Herr  Grube  hält,  theoretisch  gedacht,  die  erweiterte  ab- 
domiiuile  Totaloxstirpation  für  die  richtige  Operation  des  Gebart 


mutterkrebses  und  erkennt  voll  die  guten  Resultate  M  a  c  k  e  n  - 
rodts,  der  von  allerdings  nur  21  Fällen  die*  verhältnismässig  ge¬ 
ringe  Mortalität  von  14,3  Proz.  hatte,  an.  Die  erweiterte  ab¬ 
dominelle  Totalexstirpation  hat  zunächst  noch  —  und  das  wird 
erst  nach  mehreren  Jahren  möglich  sein  —  den  Nachweis  der 
längeren  Rezidivfreiheit  zu  liefern.  Sie  steht  und  fallt  mit  der 
Entscheidung  der  Drüsenfrage,  d.  li.  sie  ist  zu  verwerten,  wenn 
genaue  anatomische  Untersuchungen  an  der  Leiche  ergeben,  dass 
es  in  einer  grösseren  Anzahl  von  Fällen  nicht  gelingt,  sämtliche 
erkrankten  Drüsen,  besonders  die  retroperitonealen,  zu  entfernen. 

Bis  zur  Lieferung  dieses  Nachweises  ist  er  entschlossen,  alle 
operablen  Fälle  mit  weitester  Indikationsstellung  nach  Schu¬ 
rhardt  zu  operieren;  die  radikal  nicht  zu  erledigenden  sollen 
mittels  energischer  Auslöffelung,  Gliilieisen  und  Liquor  fern  be¬ 
handelt  werden.  Er  ist  der  Ansicht,  dass  die  Ausräumung  des 
parametranen  Gewebes  allein,  ohne  Berücksichtigung  der  retroperi¬ 
tonealen  Drüsen,  ebenso  gut  mittels  Scliuchardtschen 
Schnittes  erfolgen  kann  wie  per  abdomen. 

Herr  Weiss  betont,  dass  auch  der  praktische  Arzt  die  Kar¬ 
zinome  nicht  so  früh  in  Behandlung  bekommt,  wie  er  und  die 
Chirurgen  es  möchten.  Für  den  Praktiker  wird  jedenfalls  die 
Methode  am  angenehmsten  sein, 
bilität  gestattet. 

Ferner  sprachen  die  Herren 
M  a  e  k  e  n  r  o  d  t  und  Stau  d  e. 


die  die  weitgehendste  Opera  - 


S  e  e  1  i  g  m  a  n  n, 


P  i  e  1  s  k  e  y 
W  e  r  n  e  r. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  v  o  m  12.  November  1902. 

Herr  0.  Schnitze:  Was  lehren  uns  Beobachtung  und 
Experiment  über  die  Ursachen  männlicher  und  weiblicher  Ge¬ 
schlechtsbildung  bei  Tieren  und  Pflanzen? 

In  dem  ersten  Teil  des  Vortrages  wird  über  die  an  1  tian- 
zen  erzielten  experimentellen  Resultate  berichtet. 
F  r  a  n  1 1,  ferner  B  a  u  k  e  und  G.  K  1  e  b  s  wiesen  an  den  1  ro- 
thallien  der  Farne  nach,  dass  unter  ungünstigeren  Ernahrungs- 
bedingungen  nur  männliche  Geschlechtszellen,  Spermatozoiden, 
gebildet  werden,  während  das  Auftreten  der  Eizellen  erst  bei 
besserem  Ernährungszustand  eintritt.  Dasselbe  lehrten  die  Ex¬ 
perimente  von  B  u  c  h  t  i  e  n  an  den  Prothallien  von  Equisetaceen, 
sowie  diejenigen  von  G.  Klebs,  des  verdienten  Forschers  aut 
dem  Gebiete  der  Fortpflanzungsphysiologie  der  niederen  1  flanzen., 
an  der  Alge  Vaucheria  repens,  die  bei  geringerem  Luftdruck,  ab¬ 
normer  Temperatur  und  mangelhafter  Belichtung  nur  Sperma- 
tozoiden  (Antheridien),  bei  normaler  Ernährung  auch  Eizellen 
(öogonien)  bildet.  Unter  den  Phanerogamen  kann  man  an  dem 
monoeeisc.hen  Mais  durch  den  Versuch  und  die  Beobachtung  in 
der  Natur  entsprechendes  nachweisen.  DeVriea  konnte  durch 
gute  Ernährung  bei  Papaver  somniferum  polycephalum  eine  Um¬ 
wandlung  der  der  Fruchtanlage  zunächst  liegenden  Staubblatter 
in  Fruchtblätter  (Nebencarpelle)  erzielen.  Bei  vielen,  besonders 
niederen  Pflanzen  stellt  sonach  die  Produktion  der  weiblichen 
Geschlechtszelle  höhere  Anforderungen  an  den  Organismus,  als 
die  der  männlichen  Fortpflanzungszellen.  Bei  den  dioecischen 
Phanerogamen  (z.  B.  Bingelkraut,  Hanf,  Spinat)  ist  nac 
früheren  Versuchen  von  Iley  er  und  neueren  von  E.  Stras¬ 
burg  e  r  die  geschlechtliche  Differenzierung  zweifellos  sehr  früh 
angelegt.  Hier  gelingt  es  nicht,  durch  schlechte  Ernahrungs- 
verhältnisse  der  aus  dem  Samenkorn  sich  entwickelnden  Pflanze 
einen  Einfluss  zu  erzielen.  Das  Geschlecht  dieser  getrennt  ge¬ 
schlechtlichen  Pflanzen  ist  zweifellos  im  Samenkorn  vorgebildet, 
wahrscheinlich  auch  schon  in  der  Eizelle. 

Bei  wirbellosen  Tieren  sind  den  Resultaten  bei  niederen 
Pflanzen  entsprechende  von  Nussbaum  bei  dem  Süsswasser- 
polvpen  Hydra  erreicht  worden.  Dieser  zwitterige  Polyp  kann, 
je  nachdem  man  ihn  schlecht  oder  gut  ernährt,  zur  Produktion 
von  Hoden  oder  Eierstöcken  veranlasst  werden.  Das  inter¬ 
essanteste  Experiment  aber  ist  das  von  N  ussbaum  au  em 
Rädertier  Hvdatina  senta  angestellte.  Jedes  Weibchen  dieses  m 
unseren  Tümpeln  lebenden,  fast  mikroskopischen  Tieres  legt  immer 
nur  eine  Sorte  Eier,  aus  denen  entweder  nur  männliche  oder  nur 
weibliche  Nachkommen  stammen.  Das  abgelegte  befruchtete  i 
ist  in  keiner  Weise  mehr  in  der  ihm  bereite  innewohnenden  ge¬ 
schlechtlichen  Tendenz  umzustimmen.  Wirkt  man  aber  duici 
schlechte  oder  gute  Ernährung  ailf  die  Weibchen  ein  zu  dei 
wo  sie  die  Eier  bilden,  so  liefern  schlecht  genährte  W  ei  >- 
chen  immer  nur  männliche,  reichlich  genährte  immer  nur  wei 
liehe  Eier.  Hier  ist  der  Weg  gefunden,  auf  welchem  vielleicht 
auch  hei  Wirbeltieren  <1  u  r  c  h  E  inwi  r  k  u  n  g  a  uf  da  s  Ei 
bevor  es  reif  ist,  noch  etwas  zu  erreichen  ist.  Zwei  Jahre 


25.  November  1902. 


1937 


MüENCIiENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCIIR1ET. 


lang  mit  vieler  Mlihe  an  Säugetieren  (Mäusen)  von  dem  Vor¬ 
tragenden  durchgeführte  Versuche  haben  ergeben,  dass  die  ver¬ 
schiedenen  Hypothesen  der  Tierzüchter  über  die  Bedeutung  des 
Alters  der  Erzeuger  oder  der  Geschlechtsprodukte,  der  stärkeren 
geschlechtlichen  Inanspruchnahme  eines  der  beiden  Erzeuger,  der 
Inzucht  und  Incestzucht  u.  a.,  für  die  Mäuse  keinen  —  und  also 
keinen  allgemeinen  —  V  ert  haben.  Der  verschiedene  Er¬ 
nährungszustand  der  Mutter  im  allgemeinen,  sowie  deren  Auf¬ 
zucht  mit  eiweissarmer  und  eiweissreicher  Kost  (Aleuronat) 
waren  ohne  Einfluss  auf  das  Geschlechtsverhältnis.  Da  das  ein¬ 
zige  gelungene  Experiment  bei  getrennt  geschlechtlichen  Tieren 
(Nussbaum  bei  ITydatina)  durch  Einwirkung  auf  die  Eizelle 
während  i  h  r  er  Entwicklung  zu  stände  kam,  bei  den 
Säugern  und  den  Menschen  aber  die  Eier  meist  zur  Zeit  der  Ge¬ 
burt  oder  jedenfalls  zur  Zeit  der  Geschlechtsreife  gebildet  s  i  n  d, 
so  dürfte  keine  Hoffnung  bestehen,  durch  Wirkung  auf  das 
geschlechtsreife  Säugetier  oder  die  Frau  etwas  zu  erreichen.  Die 
Eier,  aus  denen  wir  stammen,  sind  bereits  in  unserer  Grossmutter, 
als  unsere  Mutter  noch  eins  mit  ihrer  Mutter  war,  gebildet. 
Versuche  durch  verschiedene  Ernährung  von  Mäuseweibchen  auf 
das  Geschlecht  der  zweiten  Generation  zu  wirken,  schlugen  je¬ 
doch  bisher  völlig  fehl. 

In  dem  zweiten  Teil  des  Vortrags  werden  aus  den  beiden 
organischen  Lebewelten  zahlreiche  Beobachtungen  mit¬ 
geteilt,  welche  zeigen,  dass  in  vielen  Fällen  die  Erzeugung  weib¬ 
licher  Nachkommen  einer  höheren  Leistung  des  Organismus  ent¬ 
spricht,  so  bei  den  staatenbildenden  Insekten  (Bienen,  Wespen, 
Ameisen),  wo  die  gering  entwickelten  Weibchen  (Arbeiter)  nur 
männliche,  die  gut  ernährten  Weibchen  (Königinnen)  aber  auch 
weibliche  Nachkommen  liefern;  ähnliches  gilt  für  die  Blattläuse, 
die  Daphniden  u.  a.  Die  Auffassung,  dass  die  Befruchtung  über 
das  Geschlecht  entscheidet,  ist  gänzlich  unbewiesen  und  verfehlt. 
Ohne  Befruchtung  entstehen  bei  Tieren  und  Pflanzen  beide  Ge¬ 
schlechter,  denn  die  Parthenogenesis  liefert  bei  ein  und  derselben 
Art  männliche  und  weibliche  Nachkommen.  In  der  Eizelle 
ist  das  Geschlecht  präformiert,  entsprechend  der  schon  vor 
50  J ahren  von  B.  S.  Schultze  ausgesprochenen  Ansicht  und 
den  Experimenten  von  E.  Pflüger  an  Fröschen.  Der  Eizelle 
sieht  man  es  in  Fällen  sehr  auffallenden  Geschlechtsdimorphismus 
bei  Tieren  und  Pflanzen  von  vorneherein  an,  ob  sie  ein  männ¬ 
liches  oder  ein  weibliches  Individuum  liefern  wird. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Sitzung  vom  19.  Novembe  r  1902. 

Nach  Erledigung  des  umfangreichen  Einlaufes  erhält  Herr 
Prof.  G.  Klein  vor  der  Tagesordnung  das  Wort,  um  zu  der  von 
ihm  am  20.  und  27.  November  im  grossen  Festsaale  des  Künstler¬ 
hauses  veranstalteten  „Ausstellung  von  Originalwerken  zur  Ge¬ 
schichte  der  anatomischen,  geburtshilflichen  und  chirurgischen 
Abbildung  vom  Jahre  1491 — 1800“  und  zu  einem  von  ihm  am 
Mittwoch,  20.  November  ebendort  zu  haltenden  einführenden  Vor¬ 
trag  die  Mitglieder  des  Vereins  einzuladen.  Diese  auch  ausserhalb 
unserer  Mauern  bereits  rühmlichst  bekannte,  in  ihrer  Art  einzig 
dastehende  Sammlung  wird  hoffentlich  ihre  Anziehungskraft 
nicht  verfehlen,  so  dass  dem  liebenswürdigen  Aussteller  und 
glücklichen  Besitzer  für  seine  grosse  Mühe  die  Freude  eines  recht 
regen  Besuches  zu  Teil  werden  möge. 

Zur  Tagesordnung  sprach  Herr  B.  Spatz  über  die  Aende- 
rung  der  Satzungen  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes.  Seine 
Anträge  gingen  in  der  Hauptsache  dahin,  dass  auch  in  Zukunft 
der  Aerztevereinsbund  sich  aus  den  V  e  r  e  inen  zusammensetzen 
solle.  Es  sei  daher  zu  versuchen,  auf  Grund  der  bisherigen 
Organisation  die  Anerkennung  als  E.  V.  zu  erlangen,  event.  die 
Rechtsfähigkeit  durch  staatliche  Verleihung  anzustreben.  Im 
schlimmsten  Falle  sei  es  besser,  auf  die  Rechtsfähigkeit  zu  ver¬ 
zichten,  als  dieselbe  zu  erkaufen  durch  eine  Aenderung  der 
Organisation,  welche  den  Bund  in  seinem  festen  Bestände  zu 
erschüttern  drohe. 

Die  Anträge  des  Referenten  wurden  einstimmig  angenommen 
und  dem  Geschäftsausschuss  übermittelt. 

Dann  trug  man  ein  schon  lange  kränkelndes,  nur  mühsam  am 
lieben  erhaltenes  Sorgenkind  des  Vereins,  die  Morbiditätsstatistik, 
still  zu  Grabe.  Herr  H.  Sternfeld  hielt  die  Leichenrede.  Im 
Jahre  1S88  durch  den  langjährigen  Vorstand  I)r.  Aub  aus  der 
Taufe  gehoben,  brachte  sie  es  nie  zu  dem  kräftigen  Dasein,  das 
ihr  wohl  von  allen  Seiten  gewünscht  war.  Doch  verlassen  wir 
das  Bild!  Herr  G  ruber  legte  ziffernmässig  klar,  welche  Summe 
der  Verein  bereits  in  den  14  Jahren  geopfert  habe,  und  dass  eine 
allein  brauchbare  Weiterführung  —  nämlich  bei  Beteiligung  von 
rund  500  Kollegen  —  so  bedeutende  Ausgaben  verursachen  würde, 
dass  die  an  das  Ministerium  gestellte  Bitte  um  Portofreiheit  wohl 


begründet  gewesen  war.  Wie  der  Referent  unter  allgemeiner 
Heiterkeit  bemerkt  hatte,  berief  sich  das  Ministerium  bei  seinem 
abweichenden  Bescheid  auf  eine  k.  Verordnung  vom  Jahre  1829. 
Da  die  Aerzte  in  der  heutigen  Zeit  aber  ihre  Vereinsmittel  zu  viel 
notwendigeren  Sachen  brauchen  können  und  müssen,  wurde  be¬ 
schlossen,  die  in  ihrer  jetzigen  Form  vollkommen  wertlose  Sta¬ 
tistik  vom  1.  Januar  1903  an  nicht  weiter  zu  führen.  Habe  das 
Ministerium  wirklich  ein  Interesse  an  derselben  (wie  aus  einer 
Entschliessung  vom  15.  Juli  1892,  die  Verhandlungen  der  Aerzte- 
kammern  im  Jahre  1891  betreffend,  entnommen  werden  müsste), 
so  müsse  es  auch  Mittel  und  Wege  finden,  um  den  Aerzten,  die 
zum  Opfer  an  Arbeit  und  Zeit  gerne  bereit  seien,  weitere 
finanzielle  Lasten  abzunehmen:  Das  war  die  allgemeine, 
wohlberechtigte  Meinung. 

Eine  sehr  lebhafte  Diskussion  rief  die  Besprechung  über  die 
geplante  Einführung  einer  Postbetriebskrankenkasse  für  das 
Königreich  Bayern  hervor.  Aus  geschäftlichen  Gründen  konnte 
dieser  Gegenstand  nicht  auf  der  Tagesordnung  figurieren.  Die 
meist  sehr  temperamentvollen  Diskussionsredner  verfochten  unter 
Zustimmung  des  überwiegenden  Teiles  der  Anwesenden  den 
Standpunkt,  dass  auch  bei  dieser  geplanten  Neugründung  die  be¬ 
rechtigten,  in  den  letzten  Jahren  so  heiss  umstrittenen  Rechte 
und  Interessen  der  Aerzte  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden 
dürften  und  dass  deshalb  anzustreben  sei,  den  programmatischen 
Forderungen  der  deutschen  Aerzteschaft  wenigstens  prinzipiell 
zur  Anerkennung  zu  verhelfen. 

Die  in  derselben  Sitzung  vorgenommene  Neuwahl  der  Vor¬ 
standschaft  und  des  Pressausschusses  für  das  Jahr  1903  ergab 
keine  Aenderung  der  bisherigen  Namen.  Für  clen  nach  Greifs¬ 
wald  berufenen  Prof.  Moritz,  den  der  Verein  schweren  Herzens 
ziehen . lassen  musste,  wurde  Prof.  G.  Klein  gewählt. 

Dr.  Hoeflmayr, 

Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  17.  November  1902. 

Zur  Aerztekammerwahl.  —  Die  Erörterungen  über  die 
Entscheidungen  des  Ehrengerichtshofes.  —  Zur  Schularzt¬ 
frage. 

Wieder  einmal  ist  das  dreijährige  Mandat  der  Aerztekannner- 
mitglieder  abgelaufen,  und  die  preussischen  Aerzte  haben  in  den 
nächsten  Tagen  die  Neuwahlen  zu  vollziehen.  Bei  solcher  Ge¬ 
legenheit  pflegen  sich  die  Wähler  die  Frage  vorzulegen:  Was 
hat  die  Institution  für  Aufgaben  zu  erfüllen  und  was  hat  sie  in 
der  abgelaufenen  Wahlperiode  geleistet?  Die  Antwort  lautet 
nicht  gerade  sehr  befriedigend ;  trotz  ehrlicher  Arbeit  und  heissen 
Bemühens  sind  die  positiven  Leistungen  recht  dünn  gesät.  Der 
Grund  dafür  liegt  in  dem  Umstand,  dass  die  Aerztekammer  nur 
eine  beratende  Körperschaft  darstellt,  der  jede  exekutive  Macht¬ 
vollkommenheit  fehlt,  und  dass  ihre  Beschlüsse  für  gewöhnlich 
nur  dann  Bedeutung  gewinnen,  wenn  sie  mit  den  an  massgeben¬ 
der  Stelle  geltenden  Anschauungen  in  Einklang  stehen.  So  ist 
z.  B.  aus  den  Verhandlungen  der  Berlin-Brandenburger  Aerzte¬ 
kammer  noch  in  frischer  Erinnerung,  dass,  als  eine  Beschwerde 
über  unhaltbare  Krankenhauszustände  und  der  Modus  der  Um¬ 
lage  auf  der  Tagesordnung  standen,  der  anwesende  Oberpräsident 
in  der  liebenswürdigsten  Weise  und  in  rhetorisch  vollendeter 
Form,  aber  doch  mit  unverkennbarer  Deutlichkeit  der  Kammer 
ungefähr  erklärte:  Meine  Herren,  beschliessen  Sie  das,  was  Sie 
im  Sinn  haben,  lieber  nicht,  denn  es  würde  Ihnen  nichts  nützen; 
die  Beschwerde  würde  ich  an  den  Minister  nicht  weiter  geben, 
und  die  beabsichtigte  Ausführung  des  Umlagerechts  würde  von 
der  Regierung  nicht  bestätigt  werden.  Unter  diesen  Umständen 
ist  es  erklärlich,  wenn  die  Vorbereitungen  zur  Wahl  sich  sehr 
ruhig  vollziehen  und  Wahlkämpfe  nicht  in  Aussicht  stehen.  Das 
ist  nicht  immer  so  gewesen;  gewöhnlich  hatte  der  Zwist,  der  schon 
seit  geraumer  Zeit  die  Berliner  Aerzteschaft  spaltet  und,  wenn 
auch  ohne  Feindseligkeiten  und  ohne  Erbitterung,  gewissermassen 
in  latenter,  chronischer  Form  fortbesteht,  um  die  Zeit  der  Aerzte- 
kammerwahlen  eine  Exazerbation  erfahren.  DieGruppe  der  im  Ge¬ 
schäftsausschuss  vereinigten  Standesvereine  und  des  Vereins  zur 
Einführung  freier  Arztwahl  standen  dem  mit  dem  Verein  Ber¬ 
liner  Kassenärzte  verbündeten  Aerztevereinsbund©  gegenüber. 
Die  letztere  Gruppe  hatte  sich  als  die  schwächere  erwiesen,  und 
deshalb  hat  sie  jetzt  auf  die  Aufstellung  einer  eigenen  Kandi¬ 
datenliste  verzichtet.  Es  ist  wohl  nur  als  eine  Form  zu  betrach¬ 
ten,  wenn  sie  mit  Rücksicht  auf  die  bei  dem  ^eigenartigen  Wahl¬ 
modus“  bestehende  Aussichtslosigkeit  einer  eigenen  Agitation 
ihren  Mitgliedern  Wahlenthaltung  empfiehlt.  Jedenfalls  besteht 


No.  47. 


H  »88 


MUENC11ENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


kein  Zweifel,  dass  die  vom  Geschäftsausschuss  nominierten 
Kandidaten,  unter  denen  sich  übrigens  auch  solche  befinden,  die 
dem  Berliner  Aerztevereinsbunde  nahe  stehen,  ohne  Kampf  ge¬ 
wählt  werden. 

Sehr  aufregend  ist  diese  Tatsache  auch  für  den  quasi  unter¬ 
liegenden  Teil  nicht,  denn  es  handelt  sich  da  im  Grunde  ge¬ 
nommen  nur  um  Personenfragen;  sachlich  besteht  in  den  meisten 
Fragen  für  die  ganze  Aerzteschaft  eine  Gemeinsamkeit  der  Inter¬ 
essen,  in  die  nur  die  Rücksicht  auf  kleinere,  um  nicht  zu  sagen 
kleinliche  Sonderinteressen  hier  und  da  Bresche  schlägt.  Der  an 
die  Kollegen  verschickte  Wahlaufruf,  der  zugleich  eine  Art  Pro¬ 
gramm  enthält,  könnte  daher  ohne  wesentliche  Veränderung  von 
allen  Aerzten  unterschrieben  werden.  Er  betont  die  zweck¬ 
entsprechende  Ausnutzung  des  Umlagerechts,  die  Aufgaben  der 
ärztlichen  Standesvertretung  gegenüber  der  bevorstehenden 
Novelle  zum  Krankenversicherungsgesetz  und  dem  weiteren  xAus- 
bau  der  sozialpolitischen  Gesetzgebung,  die  Kurpfuschereibekäm¬ 
pfung,  die  Förderung  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  die 
Wahrnehmung  der  ärztlichen  Interessen  bei  der  Revision  des 
Strafgesetzbuches  und  die  Ehrengerichtsbarkeit.  \  on  allen 
diesen  Punkten  ist  der  letztere  praktisch  wohl  der  wichtigste, 
denn  während  betreffs  all  der  andern  Dinge  immer  wieder  zu  er¬ 
warten  ist,  dass  die  Verhandlungen  und  Resolutionen  der  Aerzte- 
kammer  auf  dem  Papiere  stehen  bleiben  oder  allenfalls  als 
„schätzbares  Material“  dienen,  hat  sie  auf  die  Zusammensetzung 
des  Ehrengerichts  und  zum  Teil  auch  auf  die  des  Ehrengerichts¬ 
hofes  unmittelbaren  Einfluss;  und  hier  kommt  es  freilich  auch 
wesentlich  auf  die  Persönlichkeit  der  Ehrenrichter  an,  da  sie 
durch  keinerlei  Rücksicht  auf  Standesordnungen,  Resolutionen, 
Feststellungen  der  ordentlichen  Gerichte  gebunden  sind,  sondern 
ausschliesslich  nach  freiem  persönlichen  Ermessen  zu  urteilen 
haben.  Wie  sehr  aber  dabei  die  Ansichten  auseinander  gehen 
können,  das  zeigen  die  Erörterungen,  welche  durch  die  kürzlich 
veröffentlichten  Entscheidungen  des  Ehrengerichtshofes  ent¬ 
facht  worden  sind.  Die  grösste  Aufregung  hat  die  Entscheidung 
hervorgerufen,  welche  Bestrebungen  zur  Einführung  der  freien 
Arztwahl  unter  Strafe  zu  stellen  scheint.  Es  ist  an  anderer 
Stelle  dieser  Wochenschrift  schon  hervorgehoben  worden,  dass 
aus  dem  allerdings  sehr  unglücklich  gewählten  Wortlaut  des  Er¬ 
kenntnisses  unmöglich  ein  vom  Ehrengerichtshof  aufgestellter 
Grundsatz  herausgelesen  werden  dürfe,  der  unter  allen  Umstän¬ 
den  Geltung  zu  beanspruchen  hätte.  Gerade  die  begleitenden 
Umstände  sind  es  ja  häufig,  welche  ein  Ehrengericht  in  jedem 
einzelnen  Fall,  seiner  Eigenart  nach,  das  Urteil  finden  helfen. 
Darum  wird  auch  zu  dem  Fall,  der  den  Ehrengerichtshof  be¬ 
schäftigte,  durch  die  Selbstanklage  des  Berliner  Kollegen,  gegen 
den  die  Voruntersuchung  nunmehr  eingeleitet  ist,  keine  Parallele 
geschaffen;  denn  hier  handelt  es  sich  um  einen  hochangesehenen, 
in  ärztlichen  Kreisen  und  auch  darüber  hinaus  als  durchaus 
ehrenwert  bekannten  Arzt,  dessen  Vergangenheit,  dessen  Tätig¬ 
keit  und  dessen  sonstiges  Auftreten  eine  Gewähr  dafür  bietet, 
dass  er  sich  „durch  sein  Verhalten  innerhalb  und  ausserhalb  des 
Berufes  der  Achtung  würdig  zeige,  die  sein  Beruf  erfordere“. 
Ohne  dem  vom  Ehrengerichtshof  mit  Strafe  belegten  Kollegen 
zu  nahe  treten  zu  wollen,  darf  man  doch  wohl  begründete  Zweifel 
hegen,  ob  von  ihm,  dem  ehrengerichtlich  Vorbestraften,  dasselbe 
behauptet  werden  kann.  Somit  sind  also  die  Grundlagen  der 
Beurteilung  ganz  andere,  und  dass  in  dem  Berliner  Fall  eine 
Freisprechung  erfolgen  wird,  kann  von  vornherein  keinem 
Zweifel  unterliegen.  Auch  gegen  andere  Entscheidungen  sind 
mancherlei  Bedenken  laut  geworden;  in  einem  Fall  war  der  schon 
bei  der  Beratung  des  Gesetzes  seiner  Zeit  als  heikel  und  dehn¬ 
bar  empfundene  Passus  von  den  „politischen  etc.  Ansichten  und 
Handlungen“  Gegenstand  der  Kontroverse;  und  es  zeigte  sich, 
wie  auch  damals  vorausgesagt  wurde,  dass  wenn  auch  politische 
Handlungen  „als  solche“  nicht  Gegenstand  eines  ehrengericht¬ 
lichen  Verfahrens  sein  dürfen,  doch  die  Form,  in  der  sie  zum 
Ausdruck  kommen,  eine  Strafe  begründen  kann.  Ein  Arzt  hatte 
sich  in  schroffen  Gegensatz  zu  den  Berufsgenossen  seines  Wohn¬ 
ortes  gesetzt,  indem  er  „eine  Bahn-  und  Kassenarztstelle“  über¬ 
nahm,  die  die  übrigen  Aerzte  einmütig  abzulehnen  beschlossen 
hatten.  Von  der  ersten  Instanz  wurde  ihm  ein  Verweis  erteilt, 
der  Ehrengerichtshof  aber  sprach  ihn  frei,  da  das  abweichende 
Verhalten  von  den  Grundsätzen  und  Anschauungen  der  Standes¬ 
genossen  nur  dann  ehrengerichtlich  von  Bedeutung  sei,  wenn  es 


an  sich  eine  Verletzung  der  Standesehre  darstelle,  was  aber  von 
der  Uebernahme  einer  Kassenarztstelle  nicht  gesagt  werden 
könne.  Das  könnte,  wörtlich  aufgefasst,  zu  einer  Sanktionierung 
des  unter  der  Verurteilung  aller  Aerzte  hier  und  da  zu  Tage 
getretenen  „Streikbrechertums“  führen.  Aber  es  ist  wohl  nicht 
angängig,  in  dem  Wortlaut  der  Entscheidungen  ihren  gesamten 
Inhalt  erschöpft  zu  sehen.  AVir  werden,  wie  bei  der  erst  be¬ 
sprochenen,  vorerst  annehmen  müssen,  dass  das  Drum  und  Dran, 
die  mannigfachen  Imponderabilien,  die  in  dem  Erkenntnis  nicht 
alle  zum  Ausdruck  gebracht  werden  können,  bei  der  Urteils¬ 
fällung  von  Einfluss  gewesen  sind. 

Endlich  scheint  auch  in  Berlin  die  Schularztfrage  wieder  in 
Fluss  zu  kommen.  Nur  mit  grossem  Widerstreben  war  der 
Magistrat  dem  Gedanken,  Schulärzte  anzustellen,  überhaupt 
näher  getreten.  Nach  langen  Verhandlungen  und  Erörterungen 
hatte  er  sich  vor  etwa  3  -Jahren  entschlossen,  einen  Versuch  mit 
10  Schulärzten  an  einigen  Gemeindeschulen  zu  machen.  Das  Er¬ 
gebnis  dieses  Versuches  sollte  die  Richtschnur  für  die  weitere  Be¬ 
handlung  der  Angelegenheit  geben.  Soweit  Berichte  über  die 
Thätigkeit  der  Schulärzte  veröffentlicht  wurden,  muss  das  Er¬ 
gebnis  als  durchaus  befriedigend  betrachtet  werden;  denn  irgend¬ 
welche  Unzuträglichkeiten  sind  nicht  bekannt  geworden,  wohl 
aber  eine  ganz  beträchtliche  Zahl  von  Fällen,  in  denen  durch  das 
Eingreifen  des  Schularztes  Infektionskrankheiten  erkannt  und 
ihre  Verbreitung  verhütet  wurde,  minderbegabte  Kinder  den  für 
solche  eingerichteten  Sonderklassen  überwiesen  wurden  u.  s.  w. 
Da  inzwischen  auch  in  vielen  anderen  grossen  und  kleinen 
Städten  die  ärztliche  Mitwirkung  an  den  Aufgaben  der  Schule 
sich  durchaus  bewährt  hat,  so  sollte  man  annehmen,  dass  nun¬ 
mehr  auch  die  letzten  Bedenken  gegen  die  allgemeine  Einführung 
dieser  Einrichtung  in  Berlin  gefallen  wären,  zumal  da  die  finan¬ 
zielle  Seite  der  Frage  hei  dem  Millionenetat  der  Stadt  nicht  ins 
Gewicht  fallen  kann.  Aber  die  städtische  Verwaltung  scheint 
jede  Ueberstiirzung  ängstlich  vermeiden  zu  wollen;  die  Schul¬ 
deputation  hat  dem  Magistrat  vorgeschlagen,  die  Zahl  der  Schul¬ 
ärzte  auf  30  zu  erhöhen  und  diese,  mit  der  Beaufsichtigung  einer 
bestimmten  Zahl  von  Kindern  zu  beauftragen.  Aus  der  Stadt¬ 
verordnetenversammlung  heraus  ist  jedoch  eine  Anregung  zu 
einem  etwas  beschleunigteren  Tempo  ergangen;  es  wurde  ein 
Antrag  gestellt,  den  Magistrat  zu  ersuchen,  vom  1.  April  1903 
ab  an  jeder  Gemeindeschule  einen  Schularzt  anzustellen.  Wird 
dieser  Vorschlag  ausgeführt,  so  würden  in  Berlin  etwa  260  Schul¬ 
ärzte  tätig  sein.  Abgesehen  von  dem  günstigen  Einfluss  dieser 
Tätigkeit  auf  die  Gesundheitsverhältnisse  unserer  Schulkinder 
würden  sich  sicherlich  aus  dem  reichhaltigen  Beobach  tungs- 
material  manche  neue  Gesichtspunkte  gewinnen  lassen,  die  der 
Entwicklung  der  Schulgesundheitslehre  und  so  auch  den  all¬ 
gemeinen  hygienischen  Verhältnissen  zu  Gute  kämen.  M.  K. 


Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

W  ien,  20.  November  1902. 

Gegen  die  Anpreisungen  von  Heilmethoden  und  Heil¬ 
mitteln  ausländischer  Personen  in  Tagesblättern.  —  Seelsorger 
und  Aerzte.  —  „Nikotinfreie  Zigarren“  enthalten  Nikotin. 
—  Hypalgesie  resp.  lokale  Analgesie  bei  einem  Degenerierten. 

Ein  Erlass  des  Ministeriums  des  Innern  vom  6.  November 
1902  an  die  Statthalterei  in  Brünn  (in  Abschrift  allen  anderen 
politischen  Landesstellen  zu  analogem  Vorgehen  übermittelt)  be¬ 
trifft  das  Einschreiten  gegen  Anpreisungen  von  Heilmethoden 
und  Heilmitteln  unbefugter  ausländischer  Unternehmungen  und 
Personen  in  den  Tagesblättern  und  sonstigen  Druckschriften. 
Zur  Erläuterung  diene  folgendes:  Schon  im  Juni  1.  J.  hat  die 
k.  k.  Oberstaatsanwaltschaft  über  Auftrag  unseres  Justizmini¬ 
steriums  die  in  Betracht  kommenden  Zeitschriften  darauf  auf¬ 
merksam  gemacht,  dass  durch  die  Veröffentlichung  der  betref¬ 
fenden  Inserate  ein  kurpfuscherisches,  also  unstatthaftes  Unter¬ 
nehmen  gefördert  werde  und  dass  die  Fortsetzung  dieser  In- 
serierung  die  pressrechtliche  Repression  bezw.  straf  gerichtliche 
Ahndung  nach  sich  ziehen  müsse.  Ferner  wird  hervorgehoben, 
dass  die  mit  derartigen  reklamehaften  Ankündigungen  verbun¬ 
dene  Inaussichtstellung  einer  „brieflichen  Kur“  unzweifelhaft 
einer  unbefugten  Ausübung  der  Arzneikunde 
i  m  Tula  n  d  e  gleichkäme  und  daher  als  Distanzdelikt  der 


25.  November  1902. 


1989 


MUENCJHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Strafnorm  des  §  343  St.G.  unterliege,  wobei  hinsichtlich  der 


Publikation  dieser  Anpreisungen  weitere  Para¬ 
graphen  des  St.G.,  die  von  strafbarer  Mitschuld  und 
Teilnahme  an  strafbaren  Handlungen,  sowie 
Versuchen  von  solchen  handeln,  in  Betracht  kämen.  Im  ein¬ 
gangs  erwähnten  jüngsten  Erlasse  werden  also  die  k.  k.  Statt¬ 
haltere  ien  aufgefordert,  die  eigenen,  sowie  die  Sanitätspersonen 
unterstehenden  politischen  Behörden  anzuweisen,  derlei  An¬ 
preisungen  fortgesetzte  Aufmerksamkeit  zu  widmen,  angezeigten 
Falles  sofort  der  Statthalterei  hievon  Anzeige  zu  erstatten,  da¬ 
mit  sieh  die  Statthalterei  mit  der  Staatsanwaltschaft  ins  Ein¬ 
vernehmen  setzen  könne. 

Der  Staatsanwalt  hätte  bei  uns  tagtäglich  Gelegenheit,  das 
eine  oder  andere  politische  Tag-  oder  Wochenblatt,  einen  Ka¬ 
lender  etc.,  welche  derlei  ausbeuterische  Inserate  enthalten,  zu 
konfiszieren  resp.  deren  Redakteure  oder  Herausgeber  straf¬ 
gerichtlich  zu  verfolgen.  An  Material  würde  es  wahrlich  nicht 
fehlen,  wenn  die  beamteten  Aerzte  nur  fleissig  Anzeigen  machen 
würden.  Noch  besser  wäre  es,  die  jüngst  eingebrachte  Re¬ 
gierungsvorlage,  betreffend  das  neue  Pressgesetz,  würde  im  §  35 
im  Sinne  des  Vorschlages  der  Wiener  Aerzte- 
kammer  abgeändert  werden.  Dann  hätten  wir  ein  G  e  s  e  t  z, 
eine  „eherne  Tafel“,  deren  Kenntnis  nicht  bloss  den  Staats¬ 
anwälten,  sondern  auch  den  Redakteuren  und  Herausgebern  von 
politischen  Zeitschriften  etc.  stets  gegenwärtig  sein  müsste. 

Die  Impfärzte  Mährens  wurden  mittels  Statthaltereierlasses 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  fortan  die  Impfung  resp.  Re- 
vaccination  der  Schulkinder  regelmässig  ausserhalb  der  Unter¬ 
richtszeit  und  nur  in  jenen  Fällen,  in  welchen  nach  der  kon¬ 
kreten  Sachlage  besonders  triftige  Umstände  es  unbedingt  er¬ 
heischen,  auch  während  des  Unterrichtes  vorzunehmen  sei.  Da¬ 
gegen  wäre  absolut  nichts  einzuwenden  gewesen,  wenn  der  Er¬ 
lass  nicht  den  weiteren  Passus  enthielte:  „Wo  dieser  Ausnahms¬ 
fall  emtritt  (Impfung  während  der  Unterrichtszeit),  muss  bei 
dem  bezüglichen  Vorgehen  eine  besonders  taktvolle  Rücksicht 
auf  die  dem  Stande  der  Seelsorger  angehörigen  Religionslehrer 
genommen  werden,  die  rechtzeitig  im  Wege  der  Schulleitung 
von  dem  beabsichtigten  Eintreffen  des  Impfarztes  und  dem  hie- 
naeli  zu  gewärtigenden  Ausfälle  der  Unterrichtsstunden  in 
Kenntnis  zu  setzen  sind.  Keinesfalls  darf  ein  nicht  gehörig 
verständigter  Religionslehrer  zum  Verlassen  der  Schule  aus  An¬ 
lass  der  beabsichtigten  Amtshandlung  des  Impfarztes  genötigt 
werden,  sondern  es  wäre  die  betreffende  Amtshandlung  zu  ver¬ 
schieben,  wenn  nicht  durch  Klassentausch  ein  entsprechendes 
Abkommen  ermöglicht  wird.“ 

Gegen  diesen  Passus  des  Erlasses  nahm  die  mährische  Aerzte- 
kammer  nach  dem  offiziellen  Protokolle  (Oesterr.  Aerztekammer- 
blatt  vom  15.  November  1902)  Stellung.  Der  Referent  bean¬ 
tragte,  in  einer  Petition  an  die  k.  k.  Statthalterei  dem  Bedauern 
Ausdruck  zu  geben,  dass  ein  vereinzelter  und  sicherlich  nicht 
schwerwiegender  Fall  von  Unverträglichkeit  oder  Meinungsver¬ 
schiedenheit  genügt  hätte,  einen  ganzen  Stand  zu 
disziplinieren.  Es  muss  diese  Zurücksetzung  von  den 
Aerzten  umso  schwerer  empfunden  werden,  als  vielleicht  durch  eine 
Belehrung  des  betreffenden  Arztes  und  auch  des  Religionslehrers, 
dem  die  amtliche  Stellung  des  Impf  arztes,  der  in 
der  Schule  gesetzlichen  Anordnungen  Folge  leistet,  nicht  be¬ 
kannt  gewesen  zu  sein  scheint  —  dem  Statthaltereierlasse  auf 
kurzem  Wege  der  Boden  hätte  entzogen  werden  können.  Ueber- 
dies  sind  die  Aerzte  berechtigt,  zu  erwarten,  dass  ihnen  in  Aus¬ 
übung  ihrer  amtlichen,  dem  Gemeinwohle  dienenden  Funk¬ 
tionen  von  der  k.  k.  Statthalterei  keine  Erschwerung,  sondern 
jederzeit  und  überall  wohltätige  Förderung  zuteil  werde.  Der 
k.  k.  Statthalterei  gegenüber  wäre  die  Erwartung  auszusprechen, 
dass  sie  einem  Berufe,  mit  dessen  gemeinnütziger  Tätigkeit  sich 
kein  Stand  und  kein  anderer  Beruf  auch  nur  im  entferntesten 
messen  kann,  in  Zukunft  das  gleiche  Wohlwollen  entgegen 
1  »ringen  werde,  wie  sich  eines  solchen  andere  Berufsarten  ganz 
ungebeten  erfreuen.  —  Der  Antrag  wurde  angenommen. 

Für  „nikotinfreie  Zigarren“  wird  in  den  politischen  Blättern 
des  In-  und  Auslandes  vielfach  Reklame  gemacht.  Es  wird  da¬ 
her  die  nachfolgende  offizielle  Darstellung  von  Interesse  sein. 
Vom  Vertreter  der  Zigarrenfabrik  H.  O.  Wendt  in  Bremen  wurde 
im  Jahre  1899  an  das  österr.  Finanzministerium  und  im  fol¬ 
genden  Jahre  auch  an  das  k.  k.  Ministerium  des  Innern  eine 


Eingabe  gerichtet,  in  welcher  auf  die  in  der  genannten  Fabrik 
nach  einem  von  Professor  Dr.  Gerold  angegebenen  und  pa¬ 
tentierten  Verfahren  erzeugten  „nikotinfreien  Zigarren“  auf¬ 
merksam  gemacht  und  das  Ersuchen  gestellt  wird,  die  Ein¬ 
führung  dieser  Zigarren  in  Oesterreich  in  Erwägung  zu  ziehen. 
Die  Direktion  der  österreichischen  Tabakregie  hat  nun  Proben 
dieser  „nikotinfreien  Zigarren“  durch  ihre  Chemiker  unter¬ 
suchen  lassen,  welche  hiebei  konst  atierten,  dass  die  Wendt  sehen 
Zigarren  keineswegs  nikotinfrei  seien,  sondern  einen 
mittleren  Gehalt  von  0,945  Proz.  an  gerbsaurem  Nikotin,  wel¬ 
ches  im  Wasser  schwer  löslich  sei,  enthalten.  Einzelne  Sorten 
dieser  Zigarren  enthalten  1,01  bis  1,42  Proz.  Nikotin,  also 
Mengen,  welche  von  dem  Nikotingehalte  einiger  gangbarer  Regie- 
zigarrensorten  des  allgemeinen  Tarife»  nicht  erreicht  oder  doch 
nur  unwesentlich  überschritten  werden.  Das  Gerold  sehe  Ver¬ 
fahren  (Behandlung  der  Tabakblätter  mit  einer  Lösung  von 
Gerbsäure  und  einem  wässerigen  Origanumextrakte)  sei  auf  den 
Nikotingehalt  von  keinem  wesentlichen  Einflüsse. 

Aber  auch  der  k.  k.  Oberste  Sanitätsrat  erstattete  über 
Wunsch  des  Ministeriums  des  Innern  hierüber  ein  eingehendes 
Gutachten.  Der  Referent,  Professor  Dr.  E.  Ludwig,  gelangte 
hiebei  zu  folgenden  Schlussätzen:  „Die  Gerold  sehen 
Paten tzigarren  sind  nikotinhaltig,  ihre  Präparation  mit  Gerb¬ 
säure  und  Origanumextrakt  bedeutet  vom  hygienischen  Stand¬ 
punkte  keine  Verbesserung,  sondern  eher  eine  Verschlechterung 
für  den  Raucher;  denn  die  Anwesenheit  von  Gerbsäure  und 
Origanumextrakt  hindern  keineswegs  den  Uebergang  des  Niko¬ 
tins  und  seiner  Zersetzungsprodukte  in  den  Rauch,  alterieren 
aber  die  Feinheit  des  Aromas.  Die  Herstellung  solcher  Zigarren 
im  Inlande  ist  daher  durchaus  nicht  anzustreben.  Wenn  es  ge¬ 
lingt,  Zigarren  zu  erzeugen,  die,  obwohl  nikotinfrei,  beim 
Rauchen  dieselbe  angenehme  Wirkung  hervorbringen,  wie  die 
nikotinhaltigen  Zigarren,  so  wird  das  namentlich  für  solche 
Raucher,  die  gegen  das  Nikotin  und  dessen  Zersetzungsprodukte 
im  Rauche  empfindlich  sind,  von  grossem  Vorteil  sein.  Die 
Hoffnung,  dieses  Ziel  zu  erreichen,  muss  aber  als  eine  sehr  ge¬ 
ringe  bezeichnet  werden.“ 

Im  Verein  für  Psychiatrie  und  Neurologie  in  Wien  stellte 
Dr.  Erwin  Stransky  einen  20jährigen  Mann  vor,  der  sich 
derzeit  als  „Glas-  und  Feueresser“  produziert  und  der  ein  wissen¬ 
schaftliches  Interesse  darbietet.  Seine  Mutter  soll  wohl  eine 
nervöse,  reizbare,  etwas  exzentrische  Person  gewesen  sein,  er 
selbst  war  aber  angeblich  stets  gesund,  hat  sich  normal  ent¬ 
wickelt,  erlernte  das  Kellnergewerbe  und  übt  es  noch  derzeit 
aus,  hat  niemals  nervöse  Anfälle  gehabt,  weist  kein  auf  Hysterie 
hindeutendes  Symptom  auf  ;  kein  Potus,  keine  venerische  Affek¬ 
tion.  Schon  in  der  Kindheit  wusste  er  kaum,  was  Schmerz  sei, 
Schläge,  Ohrfeigen  etc.  hat  er  eigentlich  nie  schmerzhaft  em¬ 
pfunden.  Als  er  jüngst  eine  Phlegmone  bekam,  verursachte  ihm 
weder  diese,  noch  die  ohne  jedwede  Anästhesie  durchgeführte  In¬ 
zision  irgendwelche  Schmerzen.  Jetzt  erst  wurde  er  auf  seinen 
Zustand  aufmerksam  und  begann  daraus  Kapital  zu  schlagen : 
er  produzierte  sich  gegen  Entgelt  als  Glas-  und  Feueresser,  stach 
sich  Nadeln  tief  durch  die  Haut,  setzte  sich  Brandwunden  etc. 
Die  genaue  körperliche  und  geistige  Untersuchung  ergab,  dass 
das  Individuum  vollkommen  gesund  sei.  Die  Hautreflexe  sind 
allenthalben  vorhanden,  ebenso  der  Rachen-  und  Kornealreflex, 
der  letztere,  entsprechend  der  Hypalgesie  der  Hornhaut,  nicht  so 
prompt  wie  de  norma.  Weder  für  die  taktile  noch  für  die  ther¬ 
mische  Sensibilität  ist  ein  Ausfall  nachzuweisen,  auch  die  Kitzel¬ 
empfindung  ist  vorhanden.  Hingegen  zeigt  sich  die  Schmerz¬ 
empfindung  an  der  ganzen  Oberfläche  des  Körpers  hochgradig 
herabgesetzt,  einzelne  symmetrische  Gebiete  an  beiden 
Körperhälften  (z.  B.  über  dem  Muskelwulste  des  Deltoides,  das 
obere  Drittel  der  Streckseite  des  Unterarms,  die  Aussenfläche  des 
Oberschenkels  in  ihrem  oberen  Anteile,  das  Gebiet  unterhalb  der 
Crista  tibiae)  sind  absolut  analgetisch. 

Es  besteht  sicher  kein  organisches  Nervenleiden,  der  Mann 
zeigt  keinerlei  hysterisches  Stigma,  alle  Sinnesorgane  funktio¬ 
nieren  normal  und  dennoch  diese  seit  Kindheit  bestehende  Hyp¬ 
algesie  bezw.  stellenweise  Analgesie.  Unter  Hinweis  auf  die 
Untersuchungen  von  v.  Frey,  von  Thunberg  und  auch  vom 
Vortragenden  bestätigt,  auf  die  bezüglichen  Anschauungen  von 
L  o  m  h  r  o  s  o,  v.  Wagner,  E  1  z  h  o  1  z,  P  i  1  c  z,  Sommer 
u  a.  deduziert  Redner,  dass  wir  es  auch  liier  mit  einem  geringen 


1 990 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  47. 


Grad  dessen  zu  tun  haben,  was  wir  als  Degeneration  be¬ 
zeichnen.  Es  handelt  sich  da  um  allgemeine  Defektbildungen 
und  habituelle  Ausfallserscheinungen,  die  speziell  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Psyche,  aber  auch  auf  dem  des  übrigen  Nervensystems 
zu  Tage  treten.  Bei  Degenerierten  fehlen  z.  B.  einzelne  Sehnen- 
reflexe  oder  es  werden  Defekte  einzelner  Sinnesorgane,  Farben¬ 
blindheit  etc.  beobachtet.  Das  Hauptinteresse  des  Falles  liegt 
aber  darin,  dass  sich  an  der  Hand  desselben  die  physio¬ 
logische  und  wohl  auch  anatomische  Selb- 
ständigkeit  der  Schmerzempfindung  manifestiert. 
Die  allgemein  defekte  kongenitale  Anlage  ihrer  Bahnen  geht  aus 
der  Anamnese  und  der  allgemeinen  Hypalgesie  hervor.  Stellen¬ 
weise  ist  totaler  Ausfall  der  Schmerzempfindlichkeit  zu  ver¬ 
zeichnen.  Die  vorwiegend  symmetrische  Verteilung  dieser 
Stellen  spricht  wohl  dafür,  dass  nicht  nur  die  periphere,  sondern 
auch  die  zentrale  Anlage  der  Schmerzleitung  Defekte  aufweist. 
Die  Schmerzemfindlichkeit  der  tieferen  Teile  ist  erhalten  und 
die  Blutung  bei  Verletzungen  eine  auffallend  geringe. 

Bilder  aus  China. 

Von  Oberarzt  Dr.  Georg  Mayer.  . 

V. 

Prostitution. 

Wer  als  Arzt  ein  Land  keimen  lernen  will,  ist  gezwungen, 
so  manchen  verdächtigen  Winkel  aufzusuchen.  Dem  Unrat  der 
Kanäle  Pekings,  dem  Schmutze  der  Findlinghäuser  und  dem  Elend 
der  Lepradörfer,  dem  Feilschen  beim  Mädchenhandel  reihen  sich 
an  die  Prostitution  und  ihre  Höhlen. 

Die  weiblichen  Prostituierten  mussten  zu  Marco 
Polos  und  der  alten  Jesuiten  Zeit  ausserhalb  der  Mauern  Pekings 
wohnen,  kein  Staatsbeamter  oder  dessen  Söhne,  keiner  von  erb¬ 
lichem  Adel  durfte  ihre  oder  der  Schauspieler  Gesellschaft  suchen, 
bei  Strafe  von  60  Schlägen;  gleiches  traf  den  Veranstalter  der 
Zusammenkunft.  Mandarine  dürfen  bei  Verlust  ihres  Ranges 
keine  Frau  aus  den  öffentlichen  Häusern  nehmen,  jetzt  kümmern 
sich  die  Reichen  nicht  mehr  darum.  (Schauspieler,  Taschen¬ 
künstler,  Wäscher,  Bader,  die  ganze  Kuliklasse  sind  eine  vom 
Examen  ausgeschlossene  Kaste;  ihre  Angehörigen  bekommt  der 
Europäer  hauptsächlich  zu  sehen,  sie  zählen  nicht  voll  zu  den 
Menschen,  zu  ihnen  gehört  der  grosse  Teil  _  der  Christen,  sie 
sind  die  ,.fleissigen“  Chinesen;  Tötung  eines  Kuli  kostet 
nur  Geldstrafe.  Tn  Han-yang  wurde  voriges  Jahr  der  Sohn 
eines  Taschenkünstlers,  der  das  Militärexamen  machte,  ent¬ 
deckt  und  nackt  durch  die  Strassen  gepeitscht.)  Der  Verkauf 
von  Mädchen  als  Prostituierte  ist  gesetzlich  verboten,  man  umgeht 
durch  Scheinheirat  und  Scheinadoption.  Der  Generalgouverneur 
von  Kiang-nan  erliess,  um  Einhalt  zu  tun,  neuerdings  ein  Edikt: 
Die  öffentlichen  Häuser  müssten  aus  den  versteckten  Quartieren 
in  die  Hauptstrassen,  die  Eingangstüre  müsste  nur  3  Fuss  hoch 
und  1  Fuss  breit  sein,  so  dass  man  nur  seitlich  und  sieh  bückend 
hineinkomme.  Die  Unterorgane  wurden  bestochen,  das  Gebot 
nicht  befolgt.  Als  unter  dem  Druck  der  fremden  Konsuln  Ende 
der  70  er  Jahre  der  Shanghai  Taotai  die  Häuser  schliessen  liess, 
erlaubte  er  den  Frauen  1  Monat,  sich  einen  Mann  zu  suchen,  sie 
haben  ihn  nie  gefunden.  Verkauf  von  Mädchen  in  die  Häuser 
gegen  ihren  oder  der  Familie  Willen  wird  mit  SO  Hieben  bestraft, 
eine  exemplarische  Strafe,  wenn  sie  ausgeübt  würde.  —  Die  Pro¬ 
stitution  rekrutiert  sich  durch  Kauf  auf  Dauer  oder  Zeit  und  durch 
Diebstahl.  Die  erleichterten  Verkehrsbedingungen,  die  fremden 
Ansiedelungen  bewirkten  einen  Rückgang  des  Mädchenmordes  zu 
Gunsten  des  Mädchenhandels.  Bis  zum  10.  Lebensjahr  ist  der 
Kaufpreis  1 — 2  Dollar  pro  Lebensjahr,  20 — 50  vom  10.— 12.  Jahr, 
vom  16.— 20.  bis  zu  200.  namentlich  bei  musikalischer  Ausbildung. 
Die  Lage  der  Prostituierten  ist  jetzt  bedeutend  besser  wie  in 
Europa:  Ihre  Gesellschaft  ist  nichts  Verächtliches,  Verheiratete 
sitzen  mit  ihnen  im  Theater,  man  lädt,  sie  zu  Gastmählern  mit 
Freunden,  Reiche  suchen  sich  oft  ihre  Nebenfrauen  darunter,  die 
mit  enormen  Preisen.  2—3000  Dollar,  gezahlt  werden  müssen. 
Reim  Tod  der  Ehefrau  können  sie  deren  Stelle  einnehmen.  In  den 
fremden  Niederlassungen  findet  man  3  Arten  der  Häuser:  für 
Chinesen,  für  Europäer,  für  beide;  letztere  2  stehen  grossenteils 
unter  einer  allerdings  sehr  lässigen  ärztlichen  und  polizeilichen 
Ueberwachung.  Tn  den  chinesischen  Städten  sind  zweierlei:  die 
einen  allgemein  zugänglich.  Tag  und  Nacht  offen;  die  anderen 
sind  Logierhäuser  für  Fremde,  die  zugleich  Mädchen  liefern,  die 
Haustüren  werden  nur  Gästen  geöffnet.  Strassenprostituierte 
niederen  Ranges  treiben  sich  in  den  Vorplätzen  der  Theater  und 
Gasthäuser  und  der  Tempel  herum.  Die  Zahl  soll  z.  B.  in 
Ilangtsehau.  einer  Stadt  mit  %  Million  Einwohner,  über  15  000, 
in  der  fremden  Niederlassung  in  Shanghai  5000  in  900  Häusern  be¬ 
tragen.  Geschlechtskrankheiten  jeder  Art  sind  weitest  verbreitet. 
Die  Lokale  sind  von  aussen  kenntlich  durch  eine  besondere,  eckige, 
rote  Laterne  und  Anziehungsschild,  in  Hankau  sind  mehrere  enge 
Seitenstrassen  nur  durch  solche  Häuser  eingenommen.  Sie  sind 
im  Innern  oft  sehr  elegant,  zu  ebener  Erde  1 — 2  grosse,  düstere 
Vorhallen,  voll  von  Männern,  Weibern  und  Kindern,  im  Ober¬ 
geschoss  mit  Spiegeln,  Lampen,  sinnlichen  Bildern  überladene 


Räume,  die  Puellae  reich  geschmückt  und  nach  chinesischer  Art 
dick  geschminkt.  (Die  sogen.  Theehäuser,  ebenfalls  hochelegant 
eingerichtet,  haben  nichts  mit  Prostitution  zu  tun,  sie  entsprechen 
unseren  Cafös.)  Bekannt  sind  die  Blumenboote  in  Canton,  sie 
liegen  am  Quai  entlang,  unterhalb  der  Dampferlandungsbrücke: 
Glänzende  Ausstattung,  ein  Orchester,  die  Puellae  mit  breit  ge¬ 
stickten  Oberröcken  und  Hosen,  dem  für  diese  Frauensorte  noch 
unvermeidlichen  verstümmelten  Fuss,  künstliche  Blumen  und 
Silberschmuck  im  Haar,  singend  und  die  Pipa  spielend,  eine  Art 
Guitarre;  so  ist  für  Unterhaltung  gesorgt,  hier  trifft  sich  die  noble 
Welt  Cantons,  trinkt  ihren  Thee,  raucht  und  plaudert.  In  den 
Ecken  liegen  auf  Polstern  die  Opiumraucher.  Es  ist  die  Eleganz 
des  Schmutzes,  die  man,  angeekelt,  möglichst  bald  verlässt.  Dass 
in  diesen  heillosen  Zuständen  jemals  etwas  sich  ändern  könne, 
ist  bei  der  extremen  Genussucht  der  Chinesen  und  der  völligen 
Indolenz  der  Behörden  ausgeschlossen. 

Die  männliche  Prostitution  drückt  die  ganze 
moralische  Verkommenheit  der  Chinesen  so  richtig  aus.  Päderastie 
ist  allgemein  verbreitet,  gilt  nicht  als  schändlich  oder  widernatür¬ 
lich,  bei  dem  niedrigen  intellektuellen  Standpunkt  der  Frau  er¬ 
hält  sie  unter  Fi’eunden,  Avie  bei  den  Griechen,  eine  ideale  Seite. 
Bei  den  Kulis  in  Niederländisch-Indien,  bei  den  Auswanderern 
nach  der  Mongolei  wird  sie  durch  den  Frauenmangel  bedingt.  Ver¬ 
suche  zur  Unterdrückung  haben  in  Hollands  Kolonien  zu  blutigem 
Aufruhr  geführt.  Sie  wird  zuerst  erwähnt  unter  den  Han  zwischen 
einem  Kaiser  und  seinem  Diener.  Der  Dichter  Li-tae-pu  hat  sie 
besungen,  ebenso  die  Bücher  Tsin-pi-mel  und  Ping-hua-pan-tien 
(Herrlicher  Spiegel  gleichartiger  Blumen).  Diese  Bücher  mit  ihren 
obszönen  Abbildungen  in  chinesischer  Sprache  zu  besitzen  ist  ver¬ 
boten.  man  hat  sie  in  mandschurischer!  Eine  riesige  Schund¬ 
literatur  existiert  darüber.  Sie  heisst  Lu-tse  (Ofen),  der  Vorgang 
t.’rang  lou-tse  (ein  Eisen  in  den  Ofen  schieben).  Sie  wird  als 
teurer  Luxus  betrachtet.  Ihre  Angehörigen  zerfallen  in  2  Kate¬ 
gorien:  Eine  niedere:  Schauspieler,  früher  Vergewaltigte,  die  durch 
Alter  oder  Krankheit  herabgekommenen  der  höheren  Klasse;  sie 
treiben  sich  in  Theatern  und  Gasthäusern  herum.  Die  höhere 
Klasse  besteht  aus  jungen  Menschen,  die  mit  4—5  Jahren  gekauft 
oder  gestohlen  und  körperlich  und  geistig  für  ihr  Geschäft  erzogen 
werden.  Die  Kinder  werden  massiert,  die  Analöffnung  durch  Zinn¬ 
stücke  ausgedehnt,  diese  schmerzliche  Prozedur  durch  schmerz¬ 
lindernde  Mittel  angeblich  gemildert;  sie  werden  in  Gesang  und 
Musik,  namentlich  klassischen  Gesängen  unterrichtet,  mit  13  bis 
14  Jahren  in  ihr  Geschäft  eingeführt.  Bei  besonderen  Gast- 
mählern,  ins  Theater  lässt  man  die  „jungen  Knaben“  kommen,  die 
ITsiau-köu  haben  äusserst  gewählten  Anzug;  Geschlechtskrank¬ 
heiten  sind  ebenfalls  verbreitet.  Die  Hsiau-köu  wohnen  in  öffent¬ 
lichen  Häusern  (tang-ming-öl),  gehen  gewöhnlich  nicht  auf  die 
Strasse.  Ihre  Häuser  unterscheiden  sich  von  denen  der  weiblichen 
Prostitution  durch  rote  Glaslaternen  und  die  Aufschrift.  Sie  zahlen 
keine  Abgaben.  In  vielen  Häusern  findet  man  beides.  Der  Preis 
der  Hsiau-köu  ist  der  doppelte  und  mehr  eines  Mädchens.  Für 
den  kaiserlichen  Hof  sollen  spezielle  männliche  Prostituierte 
existieren,  grossenteils  Eunuchen,  sie  wohnen  im  Nan-fu,  der  ver¬ 
botenen  Stadt  (Haus  des  Südens),  der  Minister  der  Hofangelegen¬ 
heiten  hat  sie  zu  besorgen. 

Kindliche  Liebe  und  Ahnenverehrung  gebietet  das  Gesetz, 
beide  werden  aber  ihrerseits  grossenteils  ausgeübt  aus  Furcht,  bei 
Vernachlässigung  der  Pflichten  möchten  die  Geister  der  Eltern, 
der  Vorfahren  Unglück  senden  über  die  Familie;  abgesehen  von 
dieser  kindlichen  Liebe  ist  der  sittliche  Standpunkt  ein  äusserst 
verkommener.  Der  Chinese  ist  einer  der  krassesten  Egoisten 
aller  Völker.  So  lange  er  angenehm  und  ungestört  lebt  und  Geld 
verdient,  ist  er  zufrieden;  fürchtet  er  seine  Ruhe,  seinen  Erwerb 
gestört,  so  kann  der  blindeste  Fanatismus  erwachen,  geschürt  und 
begünstigt  dadurch,  dass  das  sonst  so  intelligente  Volk  sein  ganzes 
Dasein  in  eine  wilde  Geisterwelt  eingehüllt  hat,  die  das  Geschick 
bestimmt.  Der  Chinese,  auch  der  höchststehende,  der  mit  west¬ 
licher  Wissenschaft  vertraute,  steckt  im  äussersten,  unausrott¬ 
baren,  weil  altüberlieferten  und  daher  heiligen  Aberglauben;  so 
lange  es  ihm  gut  geht,  er  die  Geister  sich  günstig  weiss;  gibt  er 
sich  der  ausschweifendsten  und  niedrigsten  Genussucht  hin.  Aus¬ 
nahmen  sind  selten. 


Verschiedenes. 

Einen  neuen  Messapparat  zur  genauen  Bestimmung  der  Ex¬ 
kursionsfähigkeit  der  Gelenke 

hat  Dr.  M.  Miller-  Bayreuth  angegeben  (Mon.  f.  Unfallheilk). 
Der  Verfasser  schreibt: 

Mir  war  bei  den  Untersuchungen  des  Schiedsgerichts,  zumal 
für  Behandlung  komplizierter  Hand-  und  Fingerverletzungen,  der 
Mangel  eines  handlichen  Winkelmessers  sehr  fühlbar  und  ich  ging, 
da  ein  passendes  Instrument  nicht  aufzutreiben  war,  selbst  ans 
konstruieren  und  erfinden.  Ausgehend  von  dem  Prinzipe  der 
Winkelberechnung  nach  der  Kreiseinteilung  kam  ich  auf  die  Zen¬ 
trierung  zweier  Halbkreise  und  brachte  zwei  halbkreisförmige 
Platten  im  Mittelpunkte  der  linearen  Kante,  als  dem  Mittelpunkte 
des  Kreises,  durch  Vernietung  zur  Vereinigung,  dazu  noch  auf  die 
eine  Platte  ein  Gradbogen  —  der  denkbar  einfachste  Winkelmesser 
war  fertig. 

Bei  der  aus  der  vorstehenden  Abbildung  leicht  ersichtlichen 
Art  der  Anwendung  des  neukonstmierten  Winkelmessapparates 


25.  November  1902 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1991 


wird  die  Verbindungsstelle  der  beiden  Teile  genau  im  Scheitel  des 
zu  messenden  Winkels  angelegt  —  was  an  den  Gelenken  der 
Glieder  seitlich  oder  an  der  Streckfläche,  hier  unter  Beachtung 
eines  Abhaltens  der  Kanten  um  die  Breite  des  für  Vernietung- 
nötigen  kleinen  Nasenvorsprunges,  geschehen  kann  —  und  hernach 
die  eine  Halbkante  der  Deckplatte  in  die  Richtung  des  einen  Schen¬ 
kels,  sowie  dann  die  jener  Plattenhalbkante  entgegengesetzt  ge¬ 
richtete  Halbkante  des  Gradbogens  in  die  Richtung  des  zweiten 
Schenkels  gebracht.  Der  von  den  betreffenden,  einander  entgegen¬ 
gesetzt  gerichteten  Halbkanten  eingeschlossene  Winkel  entspricht 
dem  zu  messenden  Winkel  und  es  kann  die  festgestellte  Winkel¬ 
grösse  an  dem  mit  doppelter  Zahlenreihe  versehenen  Gradbogen 
direkt  abgelesen  werden,  wobei  die  Ergänzungskante  der  Deck¬ 
platte  als  Zeiger  dient. 


Die  Anwendung  des  Instruments,  die  nirgends,  auch  nicht  an 
den  grösseren  Gelenken,  die  Konstruktion  von  Hilfslinien  nötig 
macht,  erscheint  besonders  brauchbar  bei  Messungen  von 
Gelenken  an  der  Hand  und  an  den  Fingern,  wo 
durch  komplizierte  und  mehrfache  Versteifungen  einer  Ein¬ 
schätzung  von  Gebrauchs-  und  Bewegungsfähigkeit  nicht  unerheb¬ 
liche  Schwierigkeiten  erwachsen  können. 

Bei  all  den  angeführten  Vorzügen  vermag  der  Winkelmess¬ 
apparat  (der  vom  medizinischen  Waarenhaus  in  Berlin  geliefert 
wird),  allen  Anforderungen  in  einem  Masse  zu  genügen,  wie  keiner 
der  bis  jetzt  im  Gebrauche  stehenden,  diesem  Zwecke  dienenden, 
wodurch  er  jedem  Kollegen,  dem  die  Untersuchung  und  Begutach¬ 
tung  von  Unfallverletzten  wie  von  forensen  Fällen  obliegt,  für 
Winkelbestimmung  ein  nicht  weniger  schätzenswertes  Hilfsmittel 
werden  mag,  als  das  Meterbandmass  für  Ermittelung  von 
Längen-  und  Umfangmassen  es  ist. 

Therapeutische  Notizen. 

Therapie  des  Herpes  zoster.  So  leicht  diese  Er¬ 
krankung  anfangs  ist,  so  unangenehm  wird  sie,  wenn  die  Bläschen 
vereitern.  Um  dies  zu  verhüten,  bepinselt  man  1  stündlich  die 
Bläschen  mit: 

Rp.:  Menthol.  ~  1,0 

Alcohol.  absolut.  Aqu.  carbolisat.  äa  25,0 
S.  äusserlich. 

Durch  diese  Bepinselung,  welche  zugleich  angenehm  kühlend 
wirkt,  wird  erreicht,  dass  die  Bläschen  in  ca.  48  Stunden  voll¬ 
ständig  eintrocknen.  Dr.  S  t  r  ö  1 1  -  München. 

■ 

Auf  der  laryngol.  Poliklinik  zu  München  (Prof.  Schech)  stellte 
A.  Goldschmidt  Versuche  über  die  Anwendung  des 
Nebennierenextraktes  in  der  Therapie  der 
Nasen-  und  Halskrankheiten  an.  Der  Erfolg  bei 
der  wichtigsten  Anwendung,  zur  Verstärkung  der  Kokain¬ 
anästhesie  und  Vermeidung  grösseren  Blutverlustes  bei  der  Opera¬ 
tion,  war  ausnahmslos  sehr  zufriedenstellend,  die  Schleimhaut 
wurde  völlig  anämisch  und  bis  auf  den  Knochen  unempfindlich, 
die  Blutung  blieb  äusserst  gering,  doch  stellten  sich  einigemale 
recht  hartnäckige  Nachblutungen  ein.  Bei  18  Fällen,  die  bei  der 
Operation  stark  bluteten  und  daher  zur  Vermeidung  von  Nach¬ 
blutungen  mit  Watte,  die  mit  reinem  Nebennierenextrakt  bestreut 
war,  tamponiert  wurden,  bewährte  sich  das  Mittel  besonders  2  mal 
eklatant,  2  mal  traten  aber  (bei  Muschelresektion)  Nachblutungen 
ein,  2  mal  Blutungen  beim  Tamponwechsel.  Sehr  gut  bewährte 
sich  das  Extrakt  bei  akuter  Epistaxis.  Die  Beobachtungen 
bei  Anwendung  des  Mittels  mahnen  doch,  besonders  bei  Tam¬ 
ponade  etc.,  zu  grosser  Vorsicht,  wenn  auch  seine  schätzens¬ 
werten  Eigenschaften  der  Anämisierung  und  Verstärkung  der 
Kokainanästhesie  völlig  anerkannt  werden  müssen.  (Monatsschr. 
f.  Ohrenheilk.  1902,  No.  9.)  R.  S. 

Nach  Beobachtungen  von  S  u  e  s  s  über  die  thera¬ 
peutische  Verwendung  des  Aspirins  an  der  Wiener 
allgemeinen  Poliklinik  bewährte  sich  das  Aspirin  als  ein  vorzüg¬ 
liches  Analgetikum,  das  nicht  nur  spezifisch  gegen  rheumatische 
Zustände,  sondern  zumeist  auch  gegen  jedweden,  selbst  den  durch 
neoplastische  Wucherungen  erzeugten  Schmerz  sich  wirksam 


zeigte.  So  waren  die  Versuche  bei  Hemikranie  und  Cephalalgie 
recht  befriedigend,  und  zwar  erschien  hier  als  zweckmässig,  Ein¬ 
zeldosen  von  1,0  womöglich  im  Prodromalstadium  zu  geben.  Bei 
Flimmerskotom,  bei  Neuralgien,  auch  bei  lanzinierenden  Schmer¬ 
zen  bei  Tabes,  sowie  bei  Schmerzen  in  einigen  Fällen  inoperabler 
Karzinome  (Uterus,  Magen)  war  es  erfolgreich.  Magenstörungen 
nnd  Ohrensausen  werden  selten,  ernstere  Störungen  niemals  be¬ 
obachtet.  Die  Dosis  von  0,5 — 1,0  in  Pulverform.  (Wiener  med. 
Blätter  1902,  No.  42.)  R.  s. 

Jodylin  (jodsalicylsaures  Wismut)  ist  ein  neues  Ersatz¬ 
mittel  für  Jodoform,  ein  vollkommen  geruchloses,  in  der  Farbe 
dem  Jodoform  ganz  ähnliches  Pulver,  welches  nach  Erfahrungen 
von  Israel  geeignet  ist,  dasselbe  in  der  chirurgischen  Praxis  zu 
ersetzen.  Ueber  seine  Wirksamkeit  in  der  chirurgischen  Behand¬ 
lung  der  Tuberkulose  fehlen  bis  jetzt  die  Erfahrungen.  (Die  med. 
Woche  1902,  No.  27.)  R.  S. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  25.  November  1902. 

—  Der  Aerztliche  Bezirksverein  München  hat  in  seiner  letzten 
Sitzung  (s.  S.  1987)  auf  den  kürzlich  mitgeteilten  Ministerialerlass, 
durch  welchen  das  Gesuch  der  oberbayerischen  Aerztekammer  um 
Gewährung  von  Portofreiheit  für  die  Morbidi¬ 
tätsstatistik  abschlägig  beschieden  wurde,  eine  prompte 
Antwort  erteilt.  Es  wurde  der  einstimmige  Beschluss  gefasst,  die 
Statistik  vom  nächsten  Jahre  an  aufzugeben.  Sollte  die  Regierung 
in  späterer  Zeit  zu  einer  höheren  Meinung  über  den  Wert  einer  gut 
geführten  Morbiditätsstatistik  gelangen,  als  sie  jetzt  besitzt,  und 
dementsprechend  die  Kosten  einer  solchen  zu  tragen  gewillt  sein, 
so  wird  sie  auch  die  Münchener  Aerzte  bereit  finden,  ihre  Zeit 
und  Arbeit  von  neuem  in  den  Dienst  dieser  Sache  zu  stellen. 

—  Die  erste  Tagung  der  vor  kurzem  begründeten  fränki¬ 
schen  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  hat  am  25.  Oktober  in  Nürnberg  stattgefunden.  Den 
Vorsitz  führte  Prof.  H  o  f  m  e  i  e  r  -  Würzburg.  Bericht  über  die 
Verhandlungen  erscheint  demnächst  in  dieser  Wochenschrift. 

—  Am  15.  d.  Mts.  wurde  eine  mitteldeutsche  Ge¬ 
sellschaft  für  Gynäkologie  mit  Sitz  in  Frankfurt  a.  M. 
gegründet.  Bei  der  Konstituierung  beteiligten  sich  Fachkollegen 
aus  Frankfurt,  Darmstadt,  Mainz,  Wiesbaden,  Giessen  und  Mar¬ 
burg. 

—  Von  bayerischen  Mitgliedern  des  wirtschaftlichen 
Verbandes  wird  auf  Sonntag,  den  7.  Dezember  zu  einer  all¬ 
gemeinen  bayerischen  Aerzteversammlung  in  Nürnberg  zur  Be¬ 
ratung  über  den  Verband  eingeladen.  Die  Bezirksvereine  werden 
ersucht,  Delegierte  zu  dieser  Versammlung  zu  entsenden. 

—  Der  hochverdiente  langjährige  Oberarzt  der  inneren  Ab¬ 
teilung  des  städtischen  Krankenhauses  in  Augsburg,  Med.-Rat 
Dr.  Müller,  legte  seine  Stelle  nieder.  Zum  Zeichen  ihrer  dank¬ 
baren  Anerkennung  überreichten  die  Augsburger  städtischen  Kol¬ 
legien  dem  Scheidenden  eine  goldene  Medaille. 

—  Am  2ö.  und  27.  d.  M.  veranstaltet  Prof.  G.  Klein  in 
München  im  Saale  des  Künstlerhauses  eine  Ausstellung  seiner 
reichen  Sammlung  von  Originalwerken  zur  Geschichte  der  medi¬ 
zinischen  Abbildung  vom  Jahre  1491  bis  1800.  Ein  erläuternder 
Vortrag  dazu  findet  ebenda  am  26.  d.  M.  Abends  8  Uhr  statt.  Zu 
diesem  Vortrag,  sowie  zum  Besuch  der  Ausstellung  sind  auch 
auswärtige  Kollegen  eingeladen. 

—  Cholera.  Türkei.  Nach  den  aus  Syrien  eingegangenen 
amtlichen  Meldungen  vom  2.  bis  6.  November  sind  in  Gaza  35  (87), 
in  Lydda  76  (39),  in  Tiberias  102  (67)  Personen  an  der  Cholera 
neu  erkrankt  (gestorben).  Bis  zum  3.  November  waren  angeblich 
•—  nach  amtlichen  Drahtmeldungen  —  in  Gaza  916,  in  Lydda  241 
und  bis  zum  2.  November  in  Tiberias  21  Personen  der  Krankheit 
erlegen.  Aus  Jaffa  war  je  1  Choleratodesfall  am  1.  und  4.  November 
angezeigt,  bis  zum  3.  9,  desgleichen  in  Kaferana  22.  —  Aegypten. 
Vom  28.  Oktober  bis  3.  November  kamen  nach  dem  amtlichen 
Wochenberichte  in  ganz  Aegypten  190  neue  Erkrankungen  und 
179  Todesfälle  an  der  Cholera  zur  Anzeige;  von  letzteren  hatten 
sich  110  ausserhalb  eines  Krankenhauses  ereignet.  Auf  Kairo  ent¬ 
fielen  in  dieser  Woche  3,  auf  Alexandrien  36  neue  Fälle  einschl. 
der  gefundenen  Choleraleichen.  Vom  3.  bis  7.  November  kamen 
aus  ganz  Aegypten  noch  83  Erkrankungen  (und  75  Todesfälle)  zur 
Anzeige,  davon  allein  aus  Alexandrien  28  (25).  —  Philippinen. 
Vom  16.  bis  30.  September  erkrankten  (starben)  an  der  Cholera  in 
Manila  89  (65),  in  den  Provinzen  16  530  (9975)  Personen;  namentlich 
in  den  südlichen  Provinzen  soll  die  Seuche  heftig  geherrscht  haben. 

—  Pest.  Aegypten.  Am  1.  November  wurde  in  Alexandrien 
ein  neuer  Pestfall  festgestellt,  welcher  am  2.  dess.  Mts.  tödlich 
endete.  —  Britiscli-Ostindien.  In  der  Stadt  Bombay  waren  wäh¬ 
rend  der  am  28.  Oktober  endenden  Berichtswoche  von  insgesamt 
708  Todesfällen  142  durch  die  Pest  herbeigeführt.  Die  auf  ein 
Jahr  errechnete  Sterbeziffer  der  städtischen  Bevölkerung  war  in 
dieser  Woche  47,44  Prom.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  Aus 
San  Franzisko  wurden  vom  4.  bis  16.  Oktober  6  tödlich  verlaufene 
Pestfälle  gemeldet.  —  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  sind  während 
der  zweiten  Hälfte  des  Monats  September  25  Pesttodesfälle  fest 
gestellt  worden,  während  der  ersten  Hälfte  des  Oktobers  betrug 
deren  Zahl  16. 

_ In  der  45.  Jahreswoche,  vom  2.  bis  8.  November  1902,  hatten 

von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb- 


<02 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  47. 


lichkeit  Regensburg  mit  31,2,  die  geringste  Kemsclieid  mit  9,3  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1ÜUU  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beutlien,  Hildesheim,  Königs¬ 
hütte,  Worms;  an  Masern  in  Aachen,  Augsburg,  Barmen,  Mann¬ 
heim,  Remscheid;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Borbeck,  Görlitz, 
Königsberg,  Potsdam.  V.  d.  K.  G.-A. 

—  In  einem  lesenswerten  Aufsatze:  „Die  Pflege- 
Verbände  im  Vergleich  zur  freien  Kranken- 
p  f  1  e g e“  (Krankenpflege,  Bd.  2,  H.  2)  bespricht  CI.  v.  Wal¬ 
men  i  c  h,  die  Oberin  des  Krankenhauses  vom  Roten  Kreuz  in 
München,  in  ihrer  interessanten  Weise  die  Vorzüge,  die  der  in 
festen  Verbänden  organisierten  Krankenpflege,  deren  Typus  die 
Rote  Kreuz-Häuser  darstellen,  gegenüber  der  freien  Pflege,  aber 
auch  gegenüber  den  religiösen  Mutterhäusern  zukommen.  Das 
Bild,  das  sie  dabei  von  der  Organisation  und  der  Haltung  der 
Schwestern  in  der  Münchener  Anstalt  vom  Roten  Kreuz  entwirft, 
zeigt,  dass  hier  Verhältnisse  geschaffen  sind,  die  den  Schwestern 
den  schweren  Beruf  nach  Möglichkeit  zu  erleichtern  und  auch 
gebildeten,  höhere  Anforderungen  an  das  Leben  stellenden  Mäd¬ 
chen  erstrebenswert  zu  machen  geeignet  sind.  Bekanntlich  ist  es 
das  eigenste  Verdienst  der  Verfasserin,  diese  Verhältnisse  herbei¬ 
geführt  zu  haben.  Der  Aufsatz,  der  für  jeden,  der  sich  für  die 
schwebenden  Fragen  der  Schwesternpflege  interessiert,  viel  An¬ 
regendes  enthält,  ist  als  Broschüre  erschienen  und  zum  besten 
eines  Erholungsheims  für  die  Schwestern  gegen  Einsendung  von 
35  Pf.  vom  Roten  Kreuz  München,  Nymphenburgerstr.  163,  zu 
beziehen. 

(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  •  An  die  Errichtung  einer  staatlichen 
Irrenklinik  wird  jetzt  ernstlich  herangegangen.  Im  An¬ 
schluss  an  die  übrigen  Universitätsinstitute  beabsichtigt  die 
Staatsregierung  einen  Platz  von  2 yä  Hektar  Grösse  für  den  Preis 
von  15UUUU  M.  von  der  Stadt  zu  erwerben.  —  Mit  der  Vertretung 
des  erkrankten  Prof.  Dr.  Käst  in  der  Leitung  der  medizinischen 
Klinik  ist  Prof.  Dr.  Richard  Stern  hierselbst,  seitens  des 
Unterrichtsministers  beauftragt  worden,  nachdem  Prof.  Dr. 
Rump  f  in  Bonn  gebeten,  von  seiner  eigenen  Berufung  Abstand 
zu  nehmen.  —  Habilitiert  als  Privatdozent  für  gerichtliche  Medi¬ 
zin  und  Unfallheilkunde:  Dr.  med.  Paul  Stolper.  Habilitations¬ 
schrift:  „Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Syphilis  und  Trauma“. 
—  In  die  am  1.  November  d.  J.  begonnene  ärztliche  Staatsprüfung 
traten  39  Kandidaten  der  Medizin  neu  ein,  gegen  58  im  Vorjahre. 

Heidelberg.  Der  Privatdozent  der  Chirurgie  Dr.  Oskar  Vul- 
p  i  u  s,  der  das  Fach  der  orthopädischen  Chirurgie  vertritt,  wurde 
zum  a.  o.  Professor  ernannt.  —  Der  Privatdozent  für  Chirurgie 
Dr.  Benno  Schmidt  wurde  zum  Professor  ernannt. 

Jena.  Der  1.  Assistenzarzt  der  Augenklinik,  Privatdozent 
Dr.  Ernst  Hertel,  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  er¬ 
nannt. 

Königsberg.  Privatdozent  Dr.  Ludloff,  bisher  ortho¬ 
pädischer  Assistent  bei  Geheimrat  Garr  e,  ist  zum  Leiter  des 
neuen  orthopädischen  Instituts  der  chirurgischen  Klinik  nach 
Breslau  berufen. 

Tübingen.  Die  von  verschiedenen  Blättern  gebrachte 
Nachricht,  dass  Prof.  v.  Jürgensen  von  seiner  Lehrtätigkeit 
zurücktreten  und  nach  Stuttgart  übersiedeln  werde,  ist  unrichtig. 
Prof.  v.  J  ürgensen  übt  seine  Tätigkeit  im  vollen  Umfange  aus. 

Amiens.  Dr.  Labarriere  wurde  zum  Professor  der 
Anatomie  an  der  medizinischen  Schule  ernannt. 

Caen.  Dr.  G  o  s  s  e  1  i  n  wurde  zum  Professor  der  Physio¬ 
logie  an  der  medizinischen  Schule  ernannt. 

Clermont.  Cavalie,  Agrege  der  medizinischen  Fakul¬ 
tät  zu  Bordeaux,  wurde  zum  Professor  der  Anatomie  ernannt. 

Dijon.  Dr.  M.  Vincent  wurde  zum  Professor  der  Phar¬ 
mazie  und  Materia  medica  ernannt. 

Graz.  Für  die  ordentliche  Professur  der  inneren  Medizin, 
welche  durch  Prof.  Krau  s’  Berufung  nach  Berlin  frei  geworden 
ist,  sind  nach  der  Deutsch,  med.  Wochenschr.  an  erster  Stelle  Prof. 
Minkowski,  Oberarzt  der  inneren  Abteilung  des  städtischen 
Krankenhauses  in  Köln,  und  Prof.  Moritz,  Direktor  der  medizini¬ 
schen  Klinik  in  Greifswald,  vorgeschlagen.  Nächst  diesen  soll 
Prof.  Stadelmann,  dirigierender  Arzt  am  Berliner  städtischen 
Krankenhause  am  Urban,  für  den  Grazer  Lehrstuhl  in  Betracht 
kommen.  Das  Unterrichtsministerium  hat  den  Privatdozenten 
Dr.  med.  Alfred  Kossler  mit  der  Supplierung  der  durch  die  Be¬ 
rufung  des  Prof.  Dr.  Friedrich  Kraus  nach  Berlin  erledigten 
Lehrkanzel  für  innere  Medizin  und  den  Privatdozenten  Dr.  med. 
Max  Stolz  mit  jener  der  Lehrkanzel  für  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  an  Stelle  des  nach  Heidelberg  berufenen  Professors  Dr. 
Alfons  v.  Rosthorn  betraut. 

Grenoble.  Dr.  C  i  b  e  r  t  wurde  zum  Professor  der  geburts¬ 
hilflichen  Klinik  ernannt. 

P  r  a  g.  Für  die  Professur  der  Frauenheilkunde  an  der 
deutschen  Universität  wurde  an  erster  Stelle  Prof.  Veit-  Leiden 
und  Prof.  Breus-  Wien,  an  zweiter  Prof.  Pranpe-  Würzburg 
und  an  dritter  Stelle  K  1  e  i  n  h  a  n  s  -  Prag  vorgeschlagen.  (V.  Z.) 

(Todesfälle.) 

In  München  starb  im  Alter  von  nur  32  Jahren  infolge  eines 
Herzleidens  Dr.  Max  WT  i  1  d  e,  Assistent  am  hygienischen  Institut 
in  München,  ein  tüchtiger  jüngerer  Hygieniker  und  geschätzter 
Mitarbeiter  unseres  Blattes. 

In  Greifswald  starb  der  Professor  der  Physiologie  Dr.  Leonard 
L  a  n  d  o  i  s,  65  Jahre  alt. 

In  Bonn  starb  der  Privatdozent  für  innere  Medizin  und 
Lnryngologie  Dr.  Karl  Burger,  58  Jahre  alt. 

Verlag  von  .1.  F.  I.ehmann  in  München. 


In  Frankfurt  a.  M.  starb,  77  Jahre  alt,  Medizinalrat  Dr.  Fried¬ 
rich  Dornblüth,  früher  in  Rostock,  verdient  durch  zahlreiche 
Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene  und  der  Kinderheilkunde. 

Der  Professor  der  Anatomie  in  Halle  a/S.  Dr.  Ernst  Mehnert. 

Dr.  M  a  r  v  a  n  d,  Inspekteur  des  Sanitätsdienstes  der  fran¬ 
zösischen  Armee. 

Dr.  Strapart,  früher  Professor  der  internen  Pathologie  zu 
Reims. 

Dr.  A.  P  a  c  i,  Professor  der  chirurgischen  Pathologie  zu  Pisa. 

Dr.  G.  Crosti,  Privatdozent  für  Geburtshilfe  zu  Parma. 

Dr.  Lennox  Browne,  konsultierender  Chirurg  des  Zentral¬ 
hospitals  für  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten  zu  London. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Friedrich  Würth,  approb.  1901,  in  Schein¬ 
feld.  Dr.  med.  Mathilde  Wagner,  appr.  Arzt,  in  Weimar  (für 
Frauen  und  Kinder). 

Verzogen:  Dr.  Bei  sw  eng  er  von  Scheinfeld  nach  Her¬ 
brech  fingen  in  Württemberg.  Dr.  Schmauser  von  Nürnberg 
nach  Johannesburg  (Südafrika).  Dr.  Eduard  Miller  von  Neun¬ 
kirchen  a.  Br.  angeblich  nach  München. 


Generalrapport  über  die  Kranken  der  k.  bayer.  Armee 

für  den  Monat  September  1902. 


Iststärke  des  Heeres: 

61639  Mann,  —  Invaliden,  208  Kadetten,  149  Unteroff.-Vorschüler. 


1.  Bestand  waren  am 

31.  August  1902 : 

Mann 

Invali¬ 

den 

Kadetten 

Unter- 

offlz.- 

Vor- 

schüler 

1  42 

— 

— 

1 

im  Lazarett: 

1174 

— 

— 

7 

2.  Zugang:  \ 

im  Revier: 

2209 

— 

3 

— 

1 

in  Summa: 

3383 

— 

3 

7 

Im  Ganzen 

sind  behandelt: 

4625 

— 

3 

8 

°/oo  der  Iststärke : 

75,0 

— 

li,4 

53,7 

dienstfähig : 

3615 

— 

3 

5 

°/oo  der  Erkrankten : 

781,6 

— 

1000,0 

625,0 

gestorben : 

4 

— 

— 

— 

°/oo  der  Erkrankten : 

0,86 

— 

— 

— 

3.  Abgang :  • 

invalide : 

19 

— 

— 

— 

dienstunbrauchbar : 

15 

— 

— 

— 

anderweitig : 

190 

- 

— 

— 

.  in  Summa: 

3843 

— 

3 

5 

4.  Bestand 
bleiben  am 
30.  Sept.1902 : 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke : 
davon  im  Lazarett : 
davon  im  Revier: 

782 

12,7 

602 

180 

— 

— 

3 

20,1 

3 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten: 
1  an  Hitzschlag,  1  an  bösartiger  Geschwulstbildung  (Sarkom)  des 
rechten  Darmbeines,  1  an  Gehirnblutung,  1  an  Schussverletzung 
des  Unterleibes  (Unglücksfall). 

Ausserdem  endeten  noch  2  Mann  durch  Selbstmord  (durch 
Erscliiessen). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  September  6  Mann. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  45.  Jahreswoche  vom  2.  bis  8.  November  1902. 
Beteiligte  Aerzte  116.  —  Brechdurchfall  4  (9*),  Diphtherie  u. 
Krupp  8  (12),  Erysipelas  5  (9),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  ( — ).  Kindbettfieber  1  (1),  Meningitis  cerebrospin.  —  (— ), 

Morbilli  27  (35),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  3  (3),  Parotitis 
epidem.  3  ( — ),  Pneumonia  crouposa  7  (1),  Pyämie,  Septikämie 
—  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  5  (16),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 
Scarlatina  4  (7),  Tussis  convulsiva  17  (15),  Typhus  abdominalis  — 
(1),  Varicellen  9  (11),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  2  (-— ). 
Summa  94  (110).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dali’  Ar mi. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  45.  Jahreswoche  vom  2.  bis  8.  November  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  —  (2*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Krupp  1  (1),  Rotlauf  —  ( — ),  Kindbettfieber  1  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  —  (1),  Brechdurchfall  3  (4),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  2  (1),  Kruppöse  Lungenentzündung  1  (3),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  12  (30),  b)  der  übrigen  Organe  8  (5),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
2( — ),  Unglücksfälle  2  (4),  Selbstmord  5  (2),  Tod  durch  fremde 
Hand  1  ( — ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  192  (182),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  19,7  (18,7),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  11,9  (11,7). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwocbe. 


—  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


i)le  Münch  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöchentl. 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5—6  Bosren. 
l’reis  in  Deutschland,  Oesterr  -Ungarn  u.  Luxemburg 
v'crteljährl.  M  6  —  in  allen  übrigen  Ländern  M  8.— 
Einzelne  No.  8« 


M 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren :  Für  die  Redaktion 
Arnulfstr.  26.  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr.  — 
Für  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Heustr  20.  — 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse, 
Promenadeplatz  16. 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger,  H.  Curschmann,  W,  v,  Leube,  G,  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt,  H.  v,  Ranke, 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Würzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen.  München. 


F.  v.  Winckel, 

Münch  eu 


No.  48.  2.  Dezember  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Wie  sollen  wir  narkotisieren?*) 

Von  Professor  Oscar  Witzei  in  Bonn. 

Geehrte  Herren  Kollegen!  Mehr  als  50  Jahre  sind  ver¬ 
gangen,  seitdem  man  begann,  gegen  den  beim  Operieren  ent¬ 
stehenden  Schmerz  A  e  t  h  e  r  und  dann  Chloroform  ein- 
atmen  zu  lassen.  Zu  gleichem  Zwecke  ist  in  dieser  Zeit  eine 
ganze  Reihe  anderer  Mittel  empfohlen  und  —  wieder  verlassen 
worden.  Für  den  Chirurgen  besteht  auch  heutigen  Tages  nur 
noch  die  Frage,  ob  er  mit  Chloroform  betäuben,  ob  er 
den  künstlichen  Schlaf  mit  Aether  herbeiführen 
soll.  Hie  Frage  lautet  genauer  jetzt:  Welches  der  bei¬ 
den  Mittel  lässt  sich  derart  an  wen  den,  dass, 
nicht  nur  ohne  die  Gefahr  übler  Zufälle 
während  und  nach  der  Operation,  sondern 
auch  ohne  Schädigung  des  Allgemeinbefin¬ 
dens  durch  die  Narkose  an  sich,  die  moderne 
operative  Technik  mit  ihren  erweiterten  In¬ 
dikationen  unter  dem  Schutze  einer  sicheren 
Aseptik  und  mit  der  hiezu  erforderlichen 
Ruhe  durchzuführen  ist. 

Gestatten  Sie  mir,  gleich  zu  Beginn  meine  Ansicht  zu  sagen, 
die  ich  durch  regen  Anteil  an  der  Entwickelung-  der  Narkosen¬ 
frage,  durch  aufmerksame  Verfolgung  aller  Bestrebungen  ge¬ 
wonnen  habe,  die  hierher  gehören.  Es  wird  nie  gelingen, 
eine  vor  Zufällen  und  Todesfällen  sichere 
Narkose  zu  finden,  bei  welcher  nur  Chloro¬ 
form  als  Betäubungsmittel  angewendet  wird. 
Es  ist  verlorene  Liebesmüh,  dem  unberechen¬ 
baren  Herzgift  andere  Dinge,  selbst  mit  in¬ 
geniös  erdachten  Vorrichtungen  beizug-eben, 
um  seine  Gefährlichkeit  aufzuheben  oder 
doch  abzuschwächen.  Chloroform  bleibt  Chlo¬ 
roform.  —  Sollte  es  nicht  logisch  richtiger, 
unseren  Wünschen  mehr  entsprechend  sein, 
dem  an  sich  unschuldigen,  die  Herztätigkeit 
sogar  anregenden  Schlafmittel,  dem  Aether, 
geeignete  Ge  hülfen  beizugeben,  um,  seine  Wir¬ 
kung  in  dosierender  Weise  steigernd,  obige 
Forderungen  zu  erfüllen? 

Sie  werden  eine  grosse  Reihe  von  Aethernarkosen  nach 
unserer  Tropfenmethode  ausführen  sehen;  gleich  die  erste 
bei  einem  Trinker,  an  dem  eine  Schädeloperation  ausgeführt 
werden  soll.  Es  werden  Fälle  noch  schwieriger  und  schwierigster 
Art  folgen.  Wir  haben  das  feste  Vertrauen,  dass  Sie,  gleich  den 
anderen  Aerzten,  welche  unsere  Anstalten  durch  ihren  Besuch 
beehrten,  entweder  schon  als  Anhänger  der  Methode  scheiden 
werden,  oder  doch  die  Verpflichtung  fühlend,  in  schwierigen,  be¬ 
sonders  verantwortungsvollen  Fällen  den  Aether  in  Tropfen  zu 
versuchen;  seine  Anwendung  in  leichten  Fällen  folgt  dann  von 
selbst  ’). 

Sie  werden  die  Methode  üben  müssen.  Auch  wir 

*)  Vortrag,  gehalten  in  dem  Fortbildungskurs  für  praktische 
Aerzte,  Bonn,  Oktober  1902. 

J)  Es  war  uns  recht  erfreulich  und  genugtuend,  diese  Vor¬ 
hersage  erfüllt  zu  sehen.  Mit  regstem  Verständnis  und  Interesse 
verfolgten  die  zum  grossen  Teile  in  der  Praxis  ergrauten  Fach- 

No.  48. 


haben,  das  Verfahi*en  entwickelnd,  zu  lernen  gehabt:  Die 
Herbeiführung  eines  guten  Aet  herschlaf  es 
ist  eine  schwierige  Kunstleistung;  sie  er¬ 
fordert  einen  ganzen  Arzt;  sie  verlangt  mehr 
Einsicht  und  Umsicht  als  das  Betäuben  eines 
Menschen  durch  Chloroform. 

M.  H. !  Wenn  ich  in  dieser  Weise  von  der  Chloroform¬ 
narkose  abrate,  rede  ich  nicht  wie  der  Blinde  von  Farben.  Mehr 
als  ein  Jahrzehnt  bin  ich  Anhänger  derselben  gewesen,  unablässig 
und  redlich  bemüht,  ihre  Gefahren  herabzumindern.  Ich  habe 
dabei  Gelegenheit  gehabt,  das  Mittel  in  seiner  ganzen  Tücke 
kennen  zu  lernen.  Vor  20  Jahren,  als  unter  dem  Schutze  der 
Antiseptik,  dann  unter  dem  der  Aseptik  die  operative  Chirurgie 
einen  glänzenden  Aufschwung  nahm  ,da  rechnete  man  wohl,  wie 
mit  etwas  leider  Unvermeidlichem,  noch  mit  einzelnen  Todes¬ 
fällen  in  der  Narkose.  Und  sie  kamen  vor.  Das  höchste  Inter¬ 
esse  vereinigte  sich  damals  auf  den  Vorgang-  der  Operation  — 
bei  ihr  waren  die  Geübteren  tätig  — ;  Anfängern,  Assistentoiden 
fiel  die  niedere  Aufgabe  der  Betäubung  zu.  Ein  jäher,  durch  die 
noch  unvollkommenen  Abwehrmittel  nicht  zu  hemmender  Tod, 
unterbrach  das  operative  Werk  zu  Anfang  der  Narkose  durch 
einen  Reflex  von  den  oberen  Luftwegen,  durch  einen  Atems  tili - 
stand,  wie  er  besonders  bei  Eingriffen  am  Analring  ausgelöst 
wird  —  oder  aber  bei  beinahe  vollendetem,  mühsamem  Werke 
setzte  urplötzlich  die  Herztätigkeit  aus,  so  gegen  Ende  von 
Lymphomexstirpationen  am  Halse,  bei  dem  auch  jetzt  noch  für 
die  Betäubung  zur  besonderen  Vorsicht  mahnenden  Status  thymi- 
cus  (lymphaticus).  Ein  gütiges  Geschick  hat  meine  Anstalten 
davor  bewahrt,  eigene  Chloroformtodesfälle  verzeichnen  und  be¬ 
klagen  zu  müssen.  Zwei  Umstände  sind  es,  die  wesentlich  dazu 
beigetragen  haben.  Die  T  ropfmethode,  von  der  Hand  eines 
guten,  der  Grösse  seiner  Aufgabe  bewussten  Assistenten  aus¬ 
geführt,  schützte  unsere  Kranken  vor  Ueberschwemmung-  des 
Blutes  mit  dem  Betäubungsgifte.  Wir  haben  das  Chloroform 
nie  in  Güssen  auf  die  Maske  gegeben,  den  Ueberzug  der¬ 
selben  für  die  Luft  undurchgängig  machend,  wir  haben  getropft. 
Die  V  erwendung  des  chemisch  absolut  reinen 
Chloroform  An  schütz  schützte  uns  des  weiteren  vor  den 
Zufällen,  die  durch  Zersetzung  und  Verunreinigung  des  Chloro¬ 
forms  bedingt,  zweifellos  Vorkommen. 

Die  Maske  mit  der  Rinne  für  das  über  fliessende 
Chloroform,  mit  dem  vielleicht  jeden  Tag  gewechselten,  bei  jeder 
Operation  unappetitlicher  werdenden  Flanelliiberzuge  schwanden. 
Unsere  auch  heute  noch  für  das  Auftropfen  von  Aether  ge¬ 
brauchte  Maske  hat  das  alte  ovale  Gestell  '*).  Ein  kräftiger,  ab¬ 
nehmbarer  Drahtbügel  presst  auf  dasselbe  als  Ueberzu  g  vor 
jeder  Operation  neu  eine  sterilisierte,  weitmaschige  Gazekom¬ 
presse  in  vierfacher  Lage  auf.  Diese  dient  entweder,  ganz  breit 
gelassen,  gleich  als  Schleier  für  Kopf  und  Hals  oder  sie  wird 

genossen  den  Verlauf  von  über  30  Narkosen.  Die  Schluss- 
erörterungen,  besonders  mit  tlen  chirurgischen  Kollegen,  bezogen 
sieb  fast  ausschliesslich  auf  die  Narkose.  Keiner  von  letzteren 
glaubte  mehr  das  Recht  zu  haben,  anders  als  nach  der  Aetlier- 
tropfmethode  zu  narkotisieren. 

**)  Um  der  Maske  bei  stark  rekliniertem  Kopfe  mehr  Halt 
zu  geben,  hat  die  Firma  Eschbaum  -  Bonn  für  die  Submental¬ 
gegend  auf  meine  Anregung  einen  Bügel  zugefügt.  Die  gleiche 
Firma  liefert  auch  meinen  sehr  einfachen  Operationstisch 
mit  Einrichtung  für  die  Reklination  des  Kopfes  und  Beckeulioch- 
lagerung. 


1 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


i  994 


doch  so  abgeschnitten,  dass  seitlich  zwei  breite  lange  Zipfel 
verbleiben;  an  ihnen  wird  die  Maske  festgehalten  durch  die 
Hände  des  Assistenten,  der  in  später  zu  beschreibender  M  eise 
die  Reklination  des  Kopfes  während  der  Narkose  zu  besorgen  hat. 
—  Auf  diese  Maske  fällt  aus  einiger  Entfer¬ 
nung  (meine  besten  Assistenten  Hessen  Vs  Meter  hoch  herab¬ 
tropfen)  aus  einem  einfachen  Fläschchen  ein 
Tropfen  nach  dem  anderen.  Er  zersplittert, 
verdampft,  mischt  sich  reichlich  mit  der  von 
allen  SeitenzutretendenLuft.  Nur  ein  Bruch  teil 
von  dem  Betäubungsmittel  wird  wirklich  eingeatmet,  der 
Lunge  und  dem  Blute  zugeführt :  von  dem  schwerer  verdunsten¬ 
den  Chloroform  wohl  nur  ein  Fünftel,  vom  flüchtigen  Aether 
gewiss  höchstens  ein  Zehntel.  Das  übrige,  jedenfalls  bei  weitem 
der  grösste  Teil,  geht  in  die  umgebende  Luft.  Um  nun  letztere 
nicht  durch  zu  reichliche  Beimengung  der  verdunsteten  Be¬ 
täubungsmittel  zu  minderwertig  zu  machen,  muss  für  anhaltende 
Lufterneuerung  Sorge  getragen  werden.  Eine  Narkose  in 
gut  gelüftetem  Raume  ist  selbstredend  den  Kranken 
weniger  schädlich.  Dem  Arzte  ist  es  eine  gesundheitliche  Wohltat, 
nicht,  wie  es  sonst  als  richtig  erachtet  wurde,  in  überhitzten, 
von  Aether-  oder  Chloroformdampf  dunstigen  Räumen  arbeiten 
zu  müssen. 

Dem  narkotisierenden  Arzt,  welcher  mit 
der  einen  Hand  den  Puls  des  Kranken  verfolgt, 
mit  der  andern  das  Betäubungsmittel  dosiert, 
während  eine  andere  geschulte  Person  Kopf 
und  Maske  hält  (dies  ist  die  einzig  richtige  Aufgabenver¬ 
teilung  für  die  beiden),  habe  ich  es  stets  zur  Ehren¬ 
sache  gemacht,  möglichst  wenig  zu  gebrauchen. 
Er  soll  seine  volle  Aufmerksamkeit  nur  der  Narkose  zuwenden. 
Ich  habe  stets,  ohne  Ansehen  der  Person,  einen  strengen  Ver¬ 
weis  erteilt,  wenn  es  vorkam,  dass  nicht  er  als  erster  die  Anfänge 
einer  Störung  des  Kreislaufs  oder  der  Atmung  bemerkte  oder 
dass  er,  die  einleitenden  Würgbewegungen  nicht  beachtend,  vom 
Erbrechen  des  Patienten  überrascht  wurde.  Andrerseits  habe 
ich  es  aber  auch  für  richtig  gehalten,  nach  guter  Durchführung 
einer  Narkose  unter  schwierigen  Umständen  —  einige  meiner 
Assistenten  standen  in  dem  Rufe,  mit  „gar  nichts“  narkotisieren 
zu  können  —  eine  besondere  Anerkennung  nicht  zu  unterlassen. 

Es  folgte  die  schöne  Entdeckung  unseres  Bonner  Chemikers 
A  n  s  c  h  ü  t  z.  Er  fand,  dass  im  Salizylidchloroform,  einem 
kristallisierten  Körper,  das  Chloroform  eine  ähnliche  Rolle  spielt, 
wie  das  Kristallwasser  in  vielen  Salzen  und  dass  es  sich  infolge¬ 
dessen  beim  Erhitzen  in  chemisch  reinem  Zustande  abspalten 
lässt.  Die  Narkosen,  welche  wir  mit  dem  Chloroform- 
An  schütz  —  dem  ich  gern  meine  Empfehlung  an  die  Fach- 
genossen  auf  den  Weg  gab  —  erreichen  konnten,  waren  selbst 
gegen  unsere  vorherigen,  mit  der  Tropf methode  erzielten,  so  be¬ 
stechend  gut,  dass  wir  glaubten,  am  Ziel  unserer  Wünsche  zu  sein. 

Gerade  damals  ging  wieder  einmal  ein  Aetherrausch  durch 
die  Chirurgenwelt.  Man  narkotisierte  „nach  der  Erstickungs¬ 
methode  mit  Aether“.  Ich  habe  mich  nie  zu  ihrer  Verwendung 
entschliessen  können.  Ein  Universitätskollege  —  sein  Genius 
wurde  leider  allzu  früh  der  Wissenschaft  entrissen  — ,  welcher 
mit  Chloroform- Anschütz  nach  unserem  Verfahren  betäubt  wurde, 
nannte  jene  Aethernarkose,  die  er  in  einer  anderen  Stadt  kennen 
gelernt  hatte,  drastisch  einfach  „eine  Gemeinheit“.  Etwas  ähn¬ 
liches  ist  es  wohl  auch,  wenn  man  einem  sich  mit  allen  Kräften 
wehrenden  Menschen  durch  eine  Ueberschwemmung  der  Luft¬ 
wege  mit  Aether  und  durch  Kohlensäurevergiftung  unter  Ab¬ 
schluss  von  Mund  und  Nase  seine  Besinnung  gewaltsam  nimmt. 

Wir  haben  unsere  Tropfenmethode  als  überlegen  bezeich¬ 
nen  müssen  auch  gegenüber  der  Anwendung  von  Apparaten, 
die,  eine  exakte  Mischung  von  Aether  oder 
Chloroform  mit  Luft  bezweckend,  von  D  r  e  s  e  r 
und  G  eppert  erdacht  und  empfohlen  wurden.  —  Ganz  ab¬ 
gesehen  davon,  dass  der  praktische  Arzt  nicht  mit  einem  Möbel¬ 
wagen  zur  Narkose  ausziehen  kann  und  dass  der  Studierende 
an  der  Hochschule  Methoden  kennen  lernen  soll,  die  mit  ein¬ 
fachen  Mitteln  durchzuführen  sind,  bieten  die  komplizierten 
Apparate  gar  keinen  Vorteil  gegenüber  der  Erzeugung  eines 
Luft-Chloroform-(Aether-)Gemisches,  wie  wir  es  erreichen  durch 
das  Zersplittern  der  Tropfen,  welche  aus  einiger  Entfernung 
auf  unsere  gut  für  Luft  durchgängige  und  allseitig  Luft  zu¬ 
lassende  Maske  fallen.  In  dem  kleinen  Mischraume  unter  der 


Maske  kann  eine  zu  konzentrierte  Beimengung  des  Betäubungs¬ 
mittels  bei  Ausführung  des  Tropf  Verfahrens  überhaupt  nicht 
zu  stände  kommen,  zumal  wenn  wir  durch  Erwärmung  des  Ope¬ 
rationstisches,  durch  warme  Umhüllung  des  Kranken  das  Ope¬ 
rieren  unter  steter  Luftemeuerung  ermöglichen.  Bei  Gepperts 
Verfahren  wissen  wir  nur,  dass  aus  der  Oeffnung  des  zum  Mund¬ 
stück  führenden  Schlauches  eine  Mischung  mit  beabsichtigter 
Höhe  von  Volumprozenten  austritt.  Wie  viel  aber  hiervon  in 
die  Lungen  gelangt,  wieviel  Luft  ringsum  unter  der  Maske,  so¬ 
wie  durch  die  Nase  hinzutritt,  welcher  Prozentsatz  hierdurch 
schliesslich  entsteht,  das  wissen  wir  nicht.  —  Die  Apparate  haben 
auch  ihren  VTeg  in  Nebenräume  gefunden.  Die  alte  Maske  ist 
wieder  zu  Ehren  gekommen. 

Mit  Einführung  des  absolut  chemisch  reinen  und  durch  die 
Art  seiner  Verpackung  in  kleinen  braunen  Fläschchen  vor  Zer¬ 
setzung  sicher  geschützten  Chloroform-Anschütz  hofften 
wir  auf  der  Höhe  zu  sein  und  auch  die  letzten  Gefahren  der 
Anwendung  des  Mittels  Simpsons  geschwunden  zu  sehen. 
Wir  meinen  damit  weniger  die  Kollapse,  die  trotz  grösster  Vor¬ 
sicht  nicht  zu  vermeiden  sind  —  wie  sie  reflektorisch  bei  Mani¬ 
pulationen  an  den  Unterleibsorganen,  besonders  bei  Lösungen 
von  Verwachsungen  auf  treten  — ,  wie  sie  plötzlich  sich  ereignen 
bei  Operationen  an  nervenreichen  Organen,  zumal  solchen  Ein¬ 
griffen,  die,  wie  eine  Mammaexstirpation,  mit  schnellem,  starkem 
Blutverlust  verbunden  waren.  Diese  Kollapse  sind  ja  nicht  durch 
die  Narkose  an  sich  bedingt,  sondern  durch  parallel  lauf  ende  Schä¬ 
digungen;  sie  wurden  übrigens  von  jeher  durch  subkutane  Zu¬ 
führung  von  Aether  bekämpft.  Wir  meinen  vielmehr  die  Spät¬ 
folgen  der  Chloroformnarkose,  wie  sie  zuerst  von  Ungar  als 
Ursache  des  „protrahierten  Chloroformtodes“  be¬ 
schrieben  wurden. 

Durch  die  exakten  Untersuchungen  Ungars  (seine  Er¬ 
gebnisse  wurden  von  allen  nachfolgenden  Autoren  bestätigt)  ist 
nachgewiesen,  dass  die  längerdauernde  Einatmung 
von  Chloroform  * —  nicht  die  des  Aethers 
(Bonner  Dissertation  Selbach-Ungar)  —  eine  ‘fettige 
Entartung  aller  parenchymatösen  Organe  zur 
Folge  hat,  insonderheit  des  Herzmuskels,  der  Nieren, 
der  Leber  und  der  Milz.  Wir  glaubten  anfänglich,  diese 
Organveränderungen  seien  durch  die  Verunreinigung  des  Chloro¬ 
forms  bedingt,  sahen  aber  leider  ihre  Folgen  auch  bei  Kranken 
die  LIeilung  störend,  welche  längere  Zeit  Chloroform-Anschütz 
eingeatmet  hatten  (Herzschwäche,  Albuminurie  unter  leichter 
ikterischer  Verfärbung  einige  Tage  nach  der  Operation).  Bei 
vorheriger  Minderwertigkeit  der  Säftemasse  (durch  andauernde 
Unterernährung,  infolge  von  Erkrankungen  des  Magendarm¬ 
kanales,  durch  lange  Eiterung,  durch  Diabetes)  führte  auch  das 
chemisch  reine  Chloroform,  lange  eingeatmet,  auf  diese  Weise 
einige  Tage  nach  sonst  gut  überstandener  Operation  zu  direkter 
Gefährdung  des  Lebens. —  Wir  sahen  den  Tod  eintreten  durch 
das  Zusammenwirken  der  Spätfolgen  der  Chloroformnarkose 
mit  septischen  Zuständen,  welche  die  Operation  indiziert  hatten. 

Es  war  also  nicht  die  Verunreinigung  des  Chloroforms  Ur¬ 
sache  dieser  Spätwirkung,  des  drohenden  oder  eintretenden 
„protrahierten  Chloroformtodes“  Ungars,  son¬ 
dern  das  Chloroform  an  sich.  Chloroform  war  immer 
noch  Chloroform  geblieben. 

Nach  dieser  Erkenntnis  taten  wir  den  Schritt  des  Ueber- 
ganges  zur  Anwendung  des  Aethers.  —  Wir  hatten 
bereits  schwächliche,  dann  auch  kräftige  Kinder  des  öfteren  mit 
einfach  aufgetropftem  Aether  gut  betäubt.  Dasselbe  war  bei 
schwächlichen  Frauen,  besonders  auch  bei  seelenruhigen,  re¬ 
ligiösen  Schwestern  gelungen.  Dann  nahmen  wir,  zuerst  auch 
bei  kräftigeren  Frauen  und  schliesslich  bei  Männern  zur  Aether¬ 
narkose  übergehend,  ein  Mittel  hinzu,  das  schon  von  J  ulliard 
empfohlen  war :  wir  schickten  der  Auf  tropf  ung 
des  Aethers  Morphium  voraus.  Wohl  gesellten  wir 
so  ein  Gift  hinzu,  welches,  jedoch  nur  ausnahmsweise,  die  Herz¬ 
tätigkeit  herabsetzen  kann.  Es  kam  aber  nicht  das  Zusammen¬ 
treten  zweier  Herzgifte  zu  stände,  wie  in  der  bekannter- 
massen  von  Nussbaum  besonders  empfohlenen  Morphium- 
Chloroformnarkose.  Chloroform  und  Morphium  kumulieren  sich 
in  einer  ganz  imberechenbaren  Weise.  Die  Morphium-Chloro¬ 
formnarkose  ist  die  gefährlichste  Betäubung,  die  es  gibt. 

Wir  geben  das  Morphium,  auf  dessen  exakte  Dosierung 
sich  jeder  Arzt  versteht,  %  bis  1  Stunde  vor  Einleitung  der 


2.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1995 


Narkose.  Wir  warten,  um  eine  etwa  eintretende  Uebelkeit 
vorubergehen  zu  lassen,  unter  Umständen  noch  ruhig  etwas  mehr 
nnt  dem  Beginn  der  eigentlichen  Narkose.  Man  sieht  unter 
der  Wirkung  des  Morphiums  die  Patienten  ohne  Aufregung  in 
den  Operationsraum  kommen,  den  Operationstisch  besteigen 
“  "e  werdeJ.  hier,  und  nicht  in  einem  anderen  Raume  nar¬ 
kotisiert  -,  die  seelische  Ruhe  der  Kranken,  ihr  Freisein  von 
*  V°r  (  CTn  erleichtert  dann  wesentlich  die  Ein- 

Aethei-rUng  mit  U11Serem’  das  Herz  anregenden.  Mittel,  dem 

-ing  Vein  ande.™  Ä  ^  *uc?  **  Zllr  Aethernarkose  ttber- 
nämiich  da  s  P  h  l  „ • *  f  (1  e  111  Aether  v  o  rau  s  ge  »c  hick  t, 

gegeben  bfs zum  Eintritt  i  “VT  zwar  wurde  dies  m  Tropfen 
/milchst  J  Toleraüz-  I)as  Verfahren  erscheint, 

zunächst  befiemdend.  A\  eiss  man  doch  allgemein  dass  -leich 

11  n.  1  nlanS  der  Betäubung  Todesfälle  durch  Chloroform  vor 
gekommen  sind  Dennoch  war  die  Empfehlung  nicht  so  scdilecht 
Menu  ein  in  der  Chloroformdarreichung  geschulter  Assistent 
dieser  für  den  Beginn  bestehenden  Gefahr  bewusst,  das  Mittel  so 
loit  aussetzt,  sobald  die  ersten  Erscheinungen  der  Atemverweige- 
rung  emtreten,  dann  lässt  sich  ein  solcher  gefährlicher  Zufall  ver¬ 
meiden,  da  er,  wie  oben  gesagt,  durch  Reflex  von  den  oberen  Luft- 
v  egen  ausgelost  wird.  Wenn  K  oclie  r  aber  neuerdings  Bro  m  - 
athyl  bis  zum  Eintritt  der  Betäubung  gibt,  so  muss  das  als  be- 
denklich  bezeichnet  werden.  Die  unheimlich  schnelle  Wirkung  dieses 
Mittels  kann  nicht  gleichgültig  für  das  Herz  sein.  Nach  den 
ersten  A  ersuchen,  die  ich  vor  mehr  als  10  Jahren  bei  kurz  dauern¬ 
den  Eingriffen  m  der  Poliklinik  gemacht  habe,  habe  ich  nicht  mehr 
i  en  Mut  gehabt,  das  Bromüthyl  anzuwenden.  Ich  hörte  von  einem 
rheinischen,  um  die  Narkosenfrage  hochverdienten  Kollegen  dass 
f  +be.1+.de5.  zweiten  derartigen  Narkose,  die  er  auf  Ivoc  h  e  r  s 
Autorität  hin  unternahm,  während  der  Bromäthyldarreichung  einen 
Uxitus  erlebte.  Er  konnte  ihn  bei  aller  Vertrautheit  mit  den 
Mitteln  gegen  Kollaps  nicht  abwenden,  die  Herzaktion  hatte  plötz¬ 
lich  ausgesetzt  und  war  nicht  mehr  anzuregen. 

W  i  i  geben  also,  um  sicher  vor  Herzko  llaps 
zu  sein,  Aether.  Wie  aber  steht  es  mit  der  W  irkung 
dieses  M  ittels  auf  die  Duft  w  ege? 

Unsere  Aethernarkose  gleicht  auch  in  dieser  Hinsicht  in 
nichts  der  früheren  asphyxierenden  Methode.  —  Allerdings  haben 
wir  auch  lernen  müssen.  —  Wir  haben  früher  „Aether- 
pneumonien“  gesehen.  Sie  waren  zweifellos  durch  Aspira¬ 
tion  infizierter  Flüssigkeiten  bedingt,  die  vom  Munde  aus  in  die 
Luftwege  flössen  oder  in  dieselben  gezogen  wurden.  Einen  Todes¬ 
fall  erlebten  wir  nicht  durch  Lungenentzündung.  Sie  wurde  bei 
weiterer  Ausbildung  der  Technik  immer  seltener  beobachtet. 
Aber  noch  oft  störte  ein  akuter,  durch  den  Aether  in  den  groben 
Luftwegen  hervorgerufener  Katarrh  nach  sogen.  „Röchel- 
narkosen“  es  hinderte  die  Steigerung  eines  vorhandenen 
Bronchokatarrhs  die  schnelle  Erholung  nach  der  Operation.  Der 
mit  diesen  Katarrhen  verbundene,  stetige  Hustenreiz  wirkte  be¬ 
sonders  ungünstig  auf  die  Heilung  von  Unterleibsoperationen. 

Wir  werden  Ihnen  zeigen  können,  dass  eine  Reizung  der 
Luftwege  durch  den  Aether  an  sich  überhaupt  nicht  einzutreten 
biaucht,  wenn  wir  mit  zweckbewusster  Technik  und  nach  guter 
prophylaktischer  Vorbereitung  der  Luftwege  verfahren  und 
wenn  der  Zustand  der  letzteren  auch  nach  der  Narkose  sorg¬ 
fältige  Beachtung  erfährt.  —  3  Punkte  sind  ausschlaggebend: 

1.  Desinfektion  des  Mundes  und  der  Luftwege  vor  der 
Narkose ; 

2.  Lagerung  des  Kranken  während  der  Betäubung  mit 
tiefliegendem  Kopfe,  stark  hintenüber  gebeugtem  Nacken. 

Die  forcierte  Reklination  des  Kopfes  lässt  ein  Einfliessen  von 
oben  her  nicht  zu  und  weist  dem  in  den  Luftwegen  sich  etwa 
bildenden  Sekret  den  Weg  zum  Munde  hinaus; 

3.  die  Ventilation  der  Luftwege  durch  systematische  Atem¬ 
bewegung  nach  der  Operation.  —  Diese  werden  unter  Um¬ 
ständen  bereits  in  den  Tagen  vor  dem  operativen  Eingriff  geübt. 

Schon  seit  Jahren  wird  in  meinen  Anstalten  ein  jeder  neu 
hinzukommende  Patient  aufgefordert  und  eventuell  gezwungen, 
seinen  Mund  sauber  zu  halten.  Vor  jeder  Operation  wird,  unter 
Verantwortung  des  Abteilungsarztes,  mit  ganz  besonderer  Sorg¬ 
falt  eine  Revision  und  Säuberung  des  Mundes,  des  Rachenraumes 
und,  wo  nötig,  der  Nase  vorgenommen.  Empfindlichkeit,  zumal 
Halbgebildeter,  wird  nicht  berücksichtigt.  —  Einatmung  von 
Kochsalzwasserdämpfen,  Terpentininhalationen  ergänzen  even¬ 
tuell  in  nicht  eiligen  Fällen  dieprophylaktische  Des¬ 
infektion  der  oberen  Luftwege,  der  wichtig- 

sten  Massnahme  zur  Verhütung  der  sog.  Aether- 

Pneumonie,  der  Aetherbroncliitis.  Wenn  dann 


auch  in  jedenfalls  seltenen  Fällen  durch  Embolien  von  Thromben 
aus  Aesten  der  Pfortader,  deren  Unterbindung  nicht  zu  ver¬ 
meiden  war,  Infarkte  in  den  Lungen  entstehen,  werden  diese 
ohne  den  Hinzutritt  einer  Infektion  bland  bleiben,  ungefährlich 
verlaufen,  bei  einfacher  Atmungstherapie  heilen. 

Wir  lagern  den  Kranken  so,  dass  die  Mundhöhle  tiefer  liegt 
als  der  Larynxeingang.  In  diesen  darf  nichts  hineinfliessen 
können,  dagegen  soll  das  Sekret  aus  der  Trachea  mundwärts  ab- 
fliessen.  Die  Brust  liegt  höher  als  Hals  und  Kopf;  besonders 
aber  wird  der  Kopf  stark  im  Nacken  nach  hinten¬ 
über  gebogen,  so  dass  (vgl.  die  Abbildung)  die  Gesichts¬ 
ebene  des  Kranken  senkrecht  zum  Boden  abfällt. 


Forcierte  Reklination  des  Kopfes  zur  Aethernarkose. 

*?it;  clem  brfTzipft:1rten  Ueberzuge  freiliegend.  Kopf  und  Hals  des 
Kianken  noch  unverschleiert,  um  die  starke  Spanuung  der  Halsweichteile  vorn 
^senkrechte  Abfallen  der  Gesichtsebene,  die  Lage  der flSenden  H^nd  ^ 

alles  gegeneKodllapf  rk°S6ntiSChChen:  °b6n  ^  fÜr  die  Einscbläfe™ng ,  unten 


Man  sollte  nun  meinen,  bei  der  von  mir  dringend  em¬ 
pfohlenen  forcierten  Reklination  des  Kopfes 
müsste  der  Zungengrund  besonders  leicht  nach  hinten  auf 
den  Larynxeingang  fallen  und  der  warnende  L-Laut  recht  häufig 
zum  Gebrauch  des  Esmarch  sehen  Handgriffes  zwecks  Lüf¬ 
tung  des  Kehlkopfeinganges,  zur  Anwendung  der  Zungenzange 
nötigen.  Das  Gegenteil  ist  der  Fall! 

V  ir  alle  kennen  den  Ratschlag,  im  äussersten  Notfall,  wenn 
der  Larynxeingan g  sich  gar  nicht  lüften  lassen  will, 
ein  Häkchen  in  das  Zungenbein  einzusetzen,  um  es 
nach  vorne  zu  ziehen.  Das  Gleiche  geschieht  bei 
meinem  Handgriff  zur  Reklination  durch  die 
feste  Anspannung  der  zwischen  Brustbein  und  Kinn  ziehenden 
Weichteile.  Sie  übt  im  gleichen  Sinne  einen  Zug  auf  das  ein¬ 
gelagerte  Zungenbein  von  der  Wirbelsäule  nach  vornehin  aus. 
Wild  die  starke  Nackenbeugung  dauernd  gut  durchgeführt,  so 
fhesst  die  sich  etwa  sammelnde  Flüssigkeit  von  selbst  zum  Munde 
und  wohl  auch  zurNase  heraus,  hier  wird  sie  mit  einem  Handtuche 
fortgenommen.  Wir  brauchen  nur  äusserst  selten  einen 
Schwamm,  und  zwar  nicht  zur  Säuberung  des  Mundes,  sondern 
um  Schleim  zu  entfernen,  der  sich  im  Larynx  bildete  und  an 
dessen  Eingang  zäh  anhaftet.  Wir  fassen  den  Schwamm  dann  mit 
einer  langen  Kornzange  so,  dass  durch  die  Spitzen  des  Instruments 
keine  Schleimhautverletzung  entstehen  kann,  und  führen  ihn 
gleich  ordentlich  so  tief  hinein,  dass  man  beim  Wischen  die 
quei  eil  Bewegungen  des  Kehlkopfs  sehen  kann.  —  Einen  weiteren 
Nutzen  hat  die  Lagerung  gebracht  durch  den  Wegfall  der 
Hypersekretion  von  Schleim  im  Kehlkopf  und 
i  u  d  e  r  L  u  f  t  r  ö  h  r  e.  Sie  scheint  bei  schlechter  Kopflagerung 
dadurch  veranlasst  zu  werden,  dass  mit  Aether  überladener 
Speichel  durch  den  Kehlkopf  hin  und  her  gezogen  wird  und  da¬ 
bei  die.  Schleimhaut  intensiv  reizt.  Der  Aetherdunst  an  sich,  in 
so .  geringer.  Menge,  wie  wir  ihn  brauchen,  hat  offenbar  diese 
Wirkung  nicht;  sie  tritt  erst  nach  Darreichung  sehr  grosser 
Mengen  ein,  und  diese  muss  selbstredend  vermieden  werden. 

.  Der  Hauptverbrauch  des  Aethers  in  schwierigen  Fällen  ge¬ 
schieht  nach  unserer  Erfahrung  in  der  Zeit  vor  Eintritt  der  Tole¬ 
ranz.  Unter  Bedingungen,  welche  sie  später  kennen  lernen  wer¬ 
den,  geben  wir  deshalb  nach  reichlicher,  an  der  Qualität 

1* 


»96 


mttfnotTENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


de  Pulses,  an  der  Färbung  des  Gesichts  erkennbaren  A  n- 
regung  der  Herztätigkeit  durch  Aether  u  - 
u  nter  Voraussetzung  einer  solche  n,  f  u  n  z 
l,is  -lreissig  Tropfen  Chloroform;  bei  jedem 
Tropfen  zögernd,  die  Notwendigkeit  seines  Gebrauches  erwägend 
und  bedauernd.  Welch  ein  Minimum  hierbei  dem  Blute  zu 
geführt  wird,  ergibt  sich  aus  den  früheren  Betrachtungen,  unc 
doch  wirkt  es  stets  rasch  zur  Herbeiführung  des  gewünschten 
reaktionslosen  Schlafes8).  Dann  wird  Aether,  —  ^ 
weiter  getropft,  und  nur  wenn  vorübergehend  eine  absolute  Ru 

werden  muss,  könnten  unter  Umständen  | 

einige  Tropfen  Chloroform  gegeben  werden.  Ein  guter  Har 

seur  hat  das  aber  nicht  nötig.  .  ,  -• 

Dass  es  sich  nicht  um  eine  kombinierte  Aether-Chioioior 

narkose  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes  handelt,  sonder 
dass  wir  faute  de  mieux  bei  der  im  übrigen  nach  der  Tropfen 
methode  durchgeführten  Aethernarkose  einige  Tropfen  Chloio 
fnrm  zulassen,  mag  immerhin  betont  sein.  Wir  kurzen,  und  zwai 
nur  in  Ausnalnnef allen,  die  Dauer  der  ersten  Penode  wesentB^ 
ab,  vermeiden,  dass  für  diese  100  g  Aether  aufgeta**  werdm 
müssen  statt  20  g  Aether  und  1  g  Chloroform.  Das  Mittel  des 
Gesamtverbrauches  an  Aether  bei  kurz™  Operationen  betragt 
dann  50-70  g;  bei  Operationen  von  der  Dauer  einer ™ 
darüber  genügen  100  g  auch  bei  kräftigen  Männern.  Der  naikot 
sicn.nl  Assistent  hat  mir  die  Menge  des  verbrauchten  Aethers 
und  eventuell  des  Chloroforms  zum  Schlüsse  zu  melden,  dies  i  g 
ungemein  zur  Sparsamkeit  im  Gebrauche  an. 

Sie  werden  nun  gleich  unsere  Aethernarkose  nach  der  lropt- 
methode  ausgeführt  sehen.  Wir  wählen  als  ersten  Fall  einen  sol¬ 
chen  schwieriger  Art,  und  an  denselben  anknüpfend  wollen  wn 
noch  die  Erwägungen  erörtern,  die  ausser  den  obigen  aut  d  e 
Sauberhaltung  der  Luftwege  hingehenden  noch  in  jedem  Fal e 
erledigt  sein  müssen,  bevor  wir  eine  Narkose  emleiten  dürfen. 
Vielleicht  ist  die  Durchführung  der  Technik  im  vorliegenden 
Falle  noch  mit  besonderen  Schwierigkeiten,  verbunden;  Sie  lernen 
dann  die  Art  ihrer  Ueberwindung  kennen.  Zum  Schluss  dann 
noch  einige  Worte  über  die  Nachbehandlung  eines  mit  Aether 

Narkotisierten.  , 

Unser  Patient,  ein  48  jähriger  Forstbeamter  aus  der  Eitel, 

bekommt  ein  dickes  P  auf  seine  blaue  Zählkarte.  Er  liebt  mög¬ 
lichst.  starkes  alkoholisches  „Visierwasser  .  .  Der  reichlic  e 
Gebrauch  desselben  hat  indes  seine  Gesundheit  im  allgemeinen 
noch  nicht  wesentlich  geschädigt,  sonst  würde  ich  ihn  erst  eine 
Zeitlang  auf  einfaches  Wasser  gesetzt  haben.  Immerhin  müssen 
wir  mit  der  Möglichkeit  einer  Exzitation  rechnen.  Sie  wird  aber 
jedenfalls  eine  ganz  geringe  sein.  Es  vergehen  Wochen  in  denen 
wir  bei  unseren  Narkosen  kein  Aufregungstadium  sehen;  das 
Schreien,  Umsichschlagen,  Strampeln  kommt  überhaupt  nicht 

mehr  vor.  .  .  . 

Im  II  r  i  n  findet  sich  kein  Zucker.  Wir  wurden  sonst  bei 

der  unberechenbaren  Eventualität  eines  Coma  diabeticum  post 
narkosem  den  Zucker  herabzusetzen  gesucht  und  ohne  Allgemem- 
narcosin  den  Zucker  herabzusetzen  gesucht  oder  ohne  Allgemein- 
iu  diesem  Sommer  bei  einer  Heusoperation  genötigt  war,  die  An¬ 
gehörigen  oder  den  Kranken  selbst  auf  die  Möglichkeit  des  A  ldit- 

wiedererwachens  aufmerksam  machen.  _  . 

Der  II  a  r  n  enthält  kein  E  i  w  e  i  s  s.  Die  durch  Ei  Weiss- 
Gehalt  wahrscheinlich  gemachte  Nephritis  würde  möglichste  Ein¬ 
schränkung  besonders  des  Chloroformgebrauches,  aber  auch  der 
Aetherdarreichung  nothwendig  machen.  Wir  würden  viel  Mor¬ 
phium,  wenig  Aether  geben  und,  wo  angängig,  nur  örtlich  be¬ 
täuben.  .  , 

Der  Puls  ist  jetzt  normal.  Bei  jedem  zu  operierenden 

Kranken,  besonders  aber  vor  Laparotomien,  stellen  wir  möglichst 
einige  Tage  vor  der  Operation,  zu  einer  Zeit,  wo  die  Angst  die 
Herzaktion  noch  nicht  beeinflusst,  die  Art  und  Zahl  des  Pulses 
fest.  Es  bestand  hier  leichte  Unregelmässigkeit  der  Schlagfolge 
und  Höhe  des  Pulses  bei  der  Aufnahme;  letztere  war  wohl  nicht 
durch  degenerative  Prozesse  des  Herzmuskels  bedingt,  son¬ 
dern  durch  die  vorzeitige  Arteriosklerose.  Die  Herztöne 

2)  Der  frühere  Bonner  Chirurg  W.  Busch  erzielte  Narkosen, 
die  noch  heute  von  seinen  Schülern  gerühmt  werden,  mdem  er  die 
Kranken  erst  in  einen  Aetherrausch  versetzte,  und  dann  nnt  Chi 
form  in  Güssen  fortfuhr.  Jedenfalls  ein  Beweis  dafui,  dass  ein 
Vorausschieken  von  Aether  die  Gefahr  des  Chloroforms  wesentlich 
herabsetzt. 


sind  rein  Der'  Nachweis  eines  gut  kompensierten  K  lapp  e  n  - 
f  elile  r‘s  würde  nicht  bedenkenerregend  für  eine  Aethernarkose 
sein.  Dass  auch  schwere  Kompensationsstornng  ei 
relativ  grosser  Morphium-  und  kleiner  Aetherdosen  eine  ruhige 
Durchführung  unseres  Verfahrens  wohl  zulässt,  er  ren  vir 
jüngst  als  ich  einer  alten  Dame  den  Oberschenkel  wegen  dia- 
beüsclier  Gangrän  amputieren  musste.  -  Wir  haben  unserem 
Kranken  einige  Tage  hindurch  T  mct.  S  t  r  op  h  a  n  t  h  i  mit 
inet  Digitalis  äa4  mal  täglich  15  Tropfen  gege  en. 
kann  Ihnen  diese  vorbereitende  Regelung  der  Herztätigkeit  nie 
genug  empsehlen.  Wir  geben  die  Tropfen  fast  einem  jeden  Er¬ 
wachsenen,  der  operiert  werden  soll,  besonders  auch  aus  d  n 
Grunde  weil  eine  allgemein  beruhigende  Wirkung  durch  das 
Mittel  ganz  unverkennbar  fal.  Schott  der  Gedanke,  dass  ausser 
der,  häufig  genug  Unwillen  erregenden  Vorbereitung  im  Sinne 
der' Aseptik,  etwas  geschieht,  macht  die  Leute  geduldiger. 

Vor  einer  Stunde  etwa  wurde  Morph.  0,02  subkutan  em- 
gespritzt.  Dann  haben  wir  aber  auch  der  Darreichung 
vonAlkohol  gedacht.  Der  Kranke  bekam  ihn  vor  &  Stun¬ 
den  allerdings  nicht  durch  den  Mund,  sondern  durch  die  ent¬ 
gegengesetzte  Körperöffnung  in  Form  eines  warmen 
klvsma,  das  50  g  Kognak,  50  g  Rotwein  und 
eilige  Tropfen  Tin  c  t.  O  p.  enthielt.  Wir  wurden  uns 
nicht  gescheut  haben,  eine  kleine  Tasse  Thee  mit  ein 
Drittel  Kognak  oder  Rum  per  o  s  nehmen  zu  lassen, 
wenn  nicht  die  erhöhte  Reizbarkeit  der  Rachenschleimhaut,  die 
Neigung  zu  würgen  in  früher  Morgenstunde  -  eine  Folge  des 
fortwährenden  Rauchens  und  des  Alkoholmissbrauches  -  eine 
völlige  Leerheit  des  Magens  wünschenswert  gemacht  hatte.  In¬ 
folge  der  Einwirkung  der  rauhen  Eifelluft  besteht  ein  leichter 
Katarrh  des  Larynx  und  der  grossen  Bronchien 
er  ist  nicht  infektiös,  für  die  Narkose  von  wenig  Bedeutung,  ei 
macht  keine  Vorbereitung  durch  desinfizierende  Inhalationen  er- 

tordeilicU^  s.nd  gesund  und  blank.  Eine  besondere  vorbe¬ 
reitende  Reinigung  derselben  ist  nicht  erforderlich  gewesen. 
Wiederholtes  energisches  Putzen  derselben  und  nachfolgend 
Mundspülen  mit  einer  Thymollösung  haben  den  erwünsch¬ 
ten  sauberen  Zustand  auch  des  Mundes  sicher 

Die  Nase  zeigt  nichts  Abnormes.  Spülungen  sind  also 

nicht  notwendig  gewesen.  .  .  , 

Da  Patient  schon  heute  wieder  ausser  Bett  sein  wird,  w 
eine  Vorübung  der  systematischen  Atembewegungen  nicht  er¬ 
forderlich.  ..  i  • 

Patient  ist  etwas  blass  durch  das  m  ehrstundige 

Fasten.  Dieses  war  aber  nicht  zu  vermeiden.  Die  alte  gute 
Regel,  dass  der  Magen  bei  Einleitung  der  Narkose  leer  sein 
solle,  besteht  weiter  zu  Recht,  (Würden  wir  einen  eingeklemmten 
Bruch,  einen  sonstigen  Ileus  zu  operieren  haben,  so  wäre  noch 
der  Magen  auszuspülen.)  Im  übrigen  ist  der  Kranke  aber  guten 
Mutes  durch  das  Morphium,  eine  Nausea  ist  durch  das  Morphium 
nicht  veranlasst  worden;  Patient  braucht  deshalb  eine  nochmalige 

Mundspülung  nicht  vorzunehmen.  _  , 

Um  jede  unnötige  Manipulation  wahrend 
der  Narkose  zu  vermeiden,  die  Dauer  d  ei¬ 
se  1  b  e  n  abzukürzen,  sind  alle  Vorbereitungen 
im  Sinne  der  Aseptik  im  Nebenraum  bereits 
erledigt.  Mit  frisch  gewaschenen  Unterkleidern  und  Pan¬ 
toffeln  mit  einer  sterilisierten  Wolldecke  umhüllt,  geht  er  durch 
unsere  Mitte.  Die  Haut  seines  Kopfes,  an  dem  eine  Nekrosen¬ 
operation  vorgenommen  werden  soll,  ist  rasiert,,  gewasc  en, 
wiederholt  mit  Alkohol  und  Schmierseife  massiert,  mit  gekochtem 
Wasser  abgespült  und  jetzt  mit  einer  sterilisierten  Gazehülle  be¬ 
deckt,  .  i  i  •  •  . 

Werfen  wir  einen  Blick  in  den  Operationssaal  hinein. 

Blanke,  nackte  Wände;  glatter  befeuchteter  Fussboden.  Von  der 
spiegelnden  Decke  hängt,  nur  an  einem  einfachen  Ring  befestigt, 
die  für  Nachtoperationen  erforderliche  Anzahl  elektrischer  Lämp¬ 
chen  herab.  Darunter  befindet  sich  die  von  mir  empfohlene,  läng¬ 
lich,  viereckige  Schutzplatte  aus  Spiegelglas. 

In  dem  Raum  steht  nur  ein  einfacher  Operationstisch  mi 
schräg  abfallendem  Kopfende.  Man  deckt  gerade  mit  sterilisier¬ 
tem  Leinentuch  das  grosse,  mit  recht  warmem  Wasser  gefüllte 
Gummikissen,  auf  dem  der  zu  Operierende  ruhen  soll.-  Warme  ste 
rilisierte  Tücher  sind  zu  seiner  Bedeckung  bereit  ;  sie  werden  über 


2.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1997 


ihn  gelegt,  nachdem  seine  Arme  und  Beine  mit  langen  sterili¬ 
sierten  Säcken  überzogen  sind.  Der  K  r  a  n  k  e  w  i  r  d  lc  eine  r 
Abkühlung  unterliege  n,  auch  wenn  wir  ihm  und  uns 
den  Genuss  frischer  Luft  während  der  Operation  durch  Oeffnen 
eines  Fensters  gewähren. 

Im  Instrumentarium  nebenan  steht  noch  der  Tisch  mit  den 
vorbereiteten  Kompressen  und  Tupfern,  der  Tisch  mit  den  aus¬ 
gekochten  Instrumenten.  Es  wäre  grausam,  ja,  wie  ich  er¬ 
fahren  musste,  dur  c  h  den  Schreck  direkt  das  Lebe  n 
gefährdend,  wenn  der  Kranke  die  Instru¬ 
mente  sehen  k  ö  n  n  t  e. 

Nur  einen  mit  sterilisiertem  Leinensack  bedeckten  Gegen¬ 
stand  sehen  Sie  in  der  einen  Ecke;  die  vorher  auf  ihr  sicheres 
Funktionieren  geprüfte  Sauerstof  f  bombe,  durch  deren 
Einführen  in  den  Operationssaal  Schede  sich  ein  unvergäng¬ 
liches  Verdienst  erwarb. 

Sehen  wir  uns  noch  rasch  das  Tischchen  an,  auf 
dem  alles  für  die  Einleitung  und  Durch- 
f  ü  r  u  n  g  der  Narkose,  aber  auch  das  zur  Bekäm- 
pf  ung  etwa  eintretender  übler  Ereignisse  Er¬ 
forderliche  bereit  gestellt  sein  muss: 

Oben  auf  der  Platte  steht  Aether  in  einer  braunen  mit  ein¬ 
facher  Tropf  Vorrichtung  versehenen  100  g- Flasche,  daneben 
( 'hloroforin  Anschütz  in  den  bekannten  kleinen  25  g-Fläschchen 
aUiS  dunklem  Glas.  Ein  Heister  scher  Kieferdilatator,  ein 
Ros  er  scher  Klauenschieber  als  sehr  handliche  Zungenzange 
liegen  daneben.  Wir  werden  sie  kaum  je  gebrauchen,  ebenfalls 
nur  selten  die  kleinen ,  gut  ausgedrückten  sterilisierten 
Schwämme  und  die  zu  ihrer  Führung  bestimmte  Polypenzange, 
die  in  dem  kleinen  emaillierten  Brechbecken  sich  finden.  Das 
Wenige,  was  aus  Mund  und  Nase  abfliesisen  könnte,  wird  mit 
dem  daneben  liegenden  Handtuche  aufzunehmen  sein.  —  Auf  der 
unteren  Platte  sehen  Sie  in  einer  viereckigen  Glasschale  an¬ 
geordnet  „Alles  gegen  Kollaps“.  Eine  auf  guten  Gang 
geprüfte  grössere  Pravazspritze  mit  sterilisierter  Spitze.  Da¬ 
neben  eine  kleine  weithalsige  Flasche  mit  Ol.  camphora t. 
und  eine  grössere,  der  wir  die  von  Poncet  empfohlene 


M  i  s  c  h  u  n  g 


v  o  n 


2  Teilen  Kognak  mit  1  Teil 


W  a  s  s  e  r  entne  h  m  e  n  können,  um  sie  schon  bei  nur  rnässi- 
gem  Sinken  der  Pulswelle  in  Dosen  von  2 — 4  g,  mit  Wider- 
holung  im  Notfall  bis  zu  50  g  steigend,  unter  die  Haut  zu 
spritzen.  Daneben  steht  eine  gut  verschlossene  Flasche  mit 
200  g  einer  8proz.  sterilisierten  Kochsalz¬ 
lösung.^  Durch  Zusatz  von  je  einer  Hälfte  auf  1  Liter  ge¬ 
kochten  Wassers  können  wir  sofort  die  physiologische  Lösung  er¬ 
halten,  die  wir  40 "  warm  zur  Suffusion  unter  die  Haut  und  zur 
intravenösen  Infusion  benützen.  Ein  ausgekochtes  mit  Watte¬ 
pfropfen  verschlossenes  Reagensglas  enthält  die  dicke,  schon  mit 
einem  Schlauchende  fest  verbundene  Infusionsnadel,  welche  wir 
zur  Kochsalz  suffusion  unter  die  Haut  der  Brust  oder 
des  Oberschenkels  einstossen,  bei  leidlich  erhaltener  Herzaktion, 
zur  intravenösen  Einspritzu  n  g  von  1—2  Liter  in 
die  Ven.  mediana  einbringen  bei  Herzsynkope.  Das  Herz  würde 
durch  die  intravenöse  Irrigation  einen  mächtigen  Impuls  er¬ 
halten.  Einen  weiteren  Antrieb  würde  man  ihm  rhythmisch 
geben  durch  künstliche  Atmung  (am  wenigsten  die 
Aseptik  störend,  besonders  bei  Laparotomien,  und  dennoch  vor¬ 
züglich  wirkend,  ist  die  Schul  ler  sehe  Methode,  die  Hebung 
und  Senkung  des  Thorax  mit  unter  die  Rippenbögen  gehakten 
Fingern).  Machen  wir  dann  das  wässerige,  minderwertige  Blut 
hochwertiger  durch  gleichzeitige  Zuführung  von  Sauerstoff  nach 
Schede,  dann  wäre  getan,  was  möglich  ist. 

dem  Na  Ol- Wasser  enthaltenden  Irrigator  verbundene 
Hohlnadel  diente  uns  in  einigen  besonderen  Fällen  zur  B  e  - 
Kampf  ung  eines  durch  die  Störung  der  Atmung- 
lind  der  Herztätigkeit  zusammen  ausgelösten 
u  n  gern  ein  bedrohlichen  Kollapses,  nämlich  bei 
z  u  f  a  i  1  i  g  entstandener  oder  operativer  E  r  ö  f  f  - 
i s ,  d  V?  . 1  r  e  1  e  n  Pleuraraume  s.  Die  Lunge  der  be¬ 
ll  ettenden  Seite  sinkt  zusammen,  das  Herz  wird,  nicht  wie  bei  ge¬ 
schlossenem  Pneumothorax,  nach  der  gesunden,  sondern  hier  nach 
der  verletzten  Seite  gedrängt  unter  Abknickung  seiner  grossen  Ge- 
tasse.  Er  schlägt  erst  wieder  regelmässig,  wenn  es  —  wie  ich  dies 
zmal  bei  ausgedehnter  Resektion  der  Brustwand  wegen  Chondro¬ 
sarkoms  ausführen  liess  —  durch  eine  angedrückte  Kompresse  nach 
der  gesunden  Seite  hin  gehalten  wird.  —  Ich  habe  in  der  betreffen¬ 
den  Mitteilung  (Centralbl.  f.  Chir.  1S90.  No.  28)  empfohlen,  nicht 
wie  allgemein  üblich,  den  Brustraum  auszutamponieren;  die  Lunge 
No.  48. 


kann  sich  dann  erst  in  1  agen  allmählich  wieder  ausdehnen,  wenn 
sie  es  übeiliaupt  tut.  Ich  schloss  die  U-förmig  angelegte  äussere 
Wunde  bis  auf  einen  kleinen  Schlitz,  in  dem  schon  die  äehluss- 
liaht  angelegt  war,  -verwandelte  den  Pneumothorax  durch  Injek¬ 
tion  von  Flüssigkeit  in  einen  Hydrothorax  und  dehnte  schliesslich 
* (K  Lunge  wieder  passiv  durch  Aspiration  der  eingebrach ten 
Flüssigkeit  aus.  —  Wir  haben  in  weiteren  Fällen  unsere  Hohlnadel 
duith  einen  Zw  ischeiirippenraum  eingestossen,  die  Pleurawunde  bis 
auf  einen  kleinen  Rest  vernäht  und  auch  diesen  schnell  geschlossen, 
als  bei  der  Ausatmung  die  in  den  Pleuraraum  gebrachte  Flüssig¬ 
keit  heraussprudelte.  Durch  einfache  Senkung  des  Irrigators  wurde 
der  künstliche  Hydrothorax  abgelassen.  Die  Lunge  dehnte  sich 
«ins,  atmete  "vesikulär,  das  Herz  kehrte  in  seine  Lage  zurück 
schlug  wieder  regelmässig.  Der  Kollaps,  der  schnell  tödlich  zu 
weiden  drohte,  war  vorbei,  und  es  konnte  weiter  operiert  werden. 

Während  dieser  Betrachtungen  ist  alles  für  den  Be¬ 
ginn  der  Ihnen  zu  zeigenden  Narkose  fertig  gestellt.  Die 
beiden  mit  ihr  betrauten  Aerzte  haben  die  von  mir  em¬ 
pfohlenen  Gazeschleier  angelegt.  Einer  derselben  hält  den  mit 
dünner  trockener  Gazelage  bedeckten  Kopf  des  Kranken  zu¬ 
nächst  frei  schwebend  fest.  Es  liegen  die  2. — 5.  Finger 
beider  Hände  als  Stütze  und  auch  als  Hypo  - 
mochlion  für  die  Reklination  von  beiden 
Seiten  her  am  Nacken  desi  Kranken,  sie  be¬ 
rühren  sich  mit  den  Spitzen,  während  der 
Daumen,  über  dem  Ohre  beiderseits  ange¬ 
drückt,  zugleich  die  Zipfel  des  Maskenüber- 
zuges  fixierend,  den  Kopf  —  dessen  sofortige  Tief¬ 
lagerung  unangenehm,  wäre  und  event.  direkt  verweigert  werden 
könnte  —  unvermerkt  ganz  allmählich  bis  zu 
stärkster  Anspannung  der  vorderen  Hals- 
weich  teile  hintenüberdrückt.  Es  ist  besonders 
darauf  zu  achten,  dass  diese  Reklination  ad 
m  a  x  i  m  u  m  auch  bei  der  Beckenhochlagerung 
ausgeführt  wird,  dass  man  sich  hier  nicht  mit 
dem  einfachen  Herabhängen  des  Kopfes  b  e  - 
gniigt.  Dies  schützt  wohl  vor  dem  Einfliessen 
von  Flüssigkeit  in  die  Luftwege,  verhindert 
aber  nicht  das  Hinübersinken  des  Zungen- 
g  r  u  n  des,  sondern  begünstigt  es  im  Gegenteil 
d  i  r  e  k  t.  Es  strengt  körperlich  an,  den  Kopf  dauernd  so  zu 
halten ;  der  betreffende  Assistent  setzt  sich  deshalb  am  besten  auf 
einen  Schemel  (vergl.  Abbild.).  Der  zweite  Arzt  kon¬ 
trolliert  mit  der  einen  Hand  dauernd  den  Puls, 
während  er  mit  der  anderen  das  Schlafmittel 
d  o  s  i  e  r  t,  es  wird  so  jedes  unnütze  Reden  vermieden.  Nur  im 
Notfall  spricht  der  narkotisierende  Arzt  mit  dem  anderen,  und 
dann  laut,  auch  für  den  Operateur  verständlich.  So  lange  der 
Narkotiseur  letzterem  nichts  meldet  wird  die  Narkose  als  un¬ 
gestört  verlaufend  angesehen.  Ungeteilt  wendet  der  mit  der  Ein¬ 
schläferung  betraute  Arzt  seine  Aufmerksamkeit  nur  der  Narkose 
zu.  Er  soll  nach  der  trefflichen  Vorschrift  L  i  s  t  e  r  s  nicht 
wissen,  ob  die  Operation  begonnen  hat,  ob  sie  vollendet  ist.  Zur 
rechten  Zeit  wird  ihm  bedeutet,  dass  der  Eingriff  bald  beendigt 
sei  oder,  dass  aus  anderen  Gründen  die  weitere  Zuführung  von 
Aether  unterbleiben  soll.  Dann  Maske  weg! 

Der  Patient,  welcher  weder  durch  laute  Ge¬ 
räusche  und  Sprechen,  noch  durch  vor¬ 
zeitige  Berührung  am  ruhigen  Einschlafen 
v  erhindert  werden  darf,  wird  (wie  das  zuerst  mein  früherer 
Assistent  G.  II  o  f  m  a  n  n  als  zweckmässig  erdachte)  aufgefordert, 
laut,  deutlich  und  langsam  von  200  abwärts  zu 
zähle  n.  Es  reguliert  sich  hierdurch  vorzüglich  seine  Atmung. 
Dem  Aussprechen  jeder  der  langen  Zahlen  geht  eine  tiefe  Ein¬ 
atmung  voraus.  Die  Atmung  erfolgt  in  immer  längeren  Pausen 
und  tiefer.  Noch  ist  kaum  170  erreicht,  da  beginnt  die  Schwierig¬ 
keit,  die  Zahlen  zu  finden.  Das  Suchen  nach  denselben  nimmt, 
nie  ganze  Tätigkeit  des  Geistes  in  Anspruch;  Angst  und 
Schrecken  sind  geschwunden.  Dies  vollzieht  sich  besonders  auch, 
trotzdem  bis  190  überhaupt  kein  Tropfen  gefallen  war,  und  dann 
erst  ganz  langsam  einer  dem  anderen,  folgte.  Bei  150  bis  140 
verwirrt  sich  die  Reihe  der  Zahlen,  eine  derselben  wird  mehr¬ 
mals  heftig  wiederholt,  bald  zeigt  ein  Murmeln,  dass  der  Schlaf 
nahe  ist,  durch  ruhiges  Weitertropfen  wird  er  zu  erforderlicher 
Tiefe  gebracht.  Der  narkotisierende  Assistent 
meldet  dann,  dass  die  Toleranz  erreicht  sei. 
Erst  jetzt  dürfen  wir  den  Patienten  vor  uns  zu  den  letzten  Vor¬ 
bereitungen  für  die  Operation  berühren. 


1908 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Bei  unserem  Kranken  ging  das  Zählen  trotz  seines  Pota- 
toriums  fast  vollkommen  ruhig  einher,  nur  einmal  wurde  seine 
Sprache  lauter,  während  gleichzeitig  leichte  Abwehrbewegungen 
mit  den  Beinen  gemacht  wurden.  J etzt  nähert  er  sich  der  4  a  1 
100.  Sein  Gesicht  ist  nicht  mehr  blass,  der  Puls  ist  langsamei 
und  kräftiger  geworden.  Wir  lassen  langsam  20  Tropfen  Chloro¬ 
form  auf  die  Maske  fallen,  um  ihn  vollends  in  den  tiefen  Schlaf 
hinüber  zu  „schleichen“;  dann  gibt  es  nur  noch  Aether  in  lang¬ 
sam  fallenden  Tropfen,  während  wir  die  Operation  austühren 
Es  stört  die  Technik  der  Narkose  nicht,  dass  wir  über  den  Ivopi 
tles  Kranken  noch  Gaze  in  mehrfacher  Lage  als  Seheier  decken, 
um  in  einem  Schlitze  des  letzeren  zu  operieren,  dessen  Ränder 
durch  kleine  Roser  sehe  Klauenschieber  an  die  Haut .  fest¬ 
geklemmt  werden.  Die  Maske  bleibt  unter  dem  Schleier  liegen. 
Wir  würden  sie  aber  auch  ersetzen  können  durch  einen  mit  ge¬ 
brüllter  Gaze  gefüllten  und  mit  Gaze  überzogenen  Glastrichter, 
von  dem  abgehend  ein  Gummischlauch  in  den  Mund  oder  die 
Nase  des  Kranken  führt.  —  Schon  während  der  Nahtanlegung 
wurde  kein  Aether  mehr  gegeben,  die  Maske  wegenommen. 
Während  des  Verbandes  erwacht  der  Kranke  auf  dem  Operations¬ 
tisch.  —  Er  schlummert  auf  der  Bahre  wieder  ein,  auf  welcher 
er  mit  tiefgelegtem  Kopf,  sorglich  warm  eingehüllt,  unter  Auf¬ 
sicht  seines  Arztes  zu  seinem  Bette  getragen  wird. 


Damit  darf  jedoch  unsere  Sorge  um  die  Narkose  und  ihre 
Folgen  durchaus  noch  nicht  beendet  sein. 

Was  muss  zur  Nachbehandlung-  geschehen  '. 

Wir  lassen  den  Kranken  unter  aufmerksamer  Bewachung 
ausschlafen,  wo  es  geht.  Er  ist  gut  zugedeckt.  Das  1  enstei 
steht  offen.  Bald  würde  sonst  die  umgebende  Luft  nach  Aether 
riechen;  denn  stundenlang,  ja  bis  zum  nächsten  Tage  dauert  die 
Exhalation  von  Aether  an.  Die  Zufuhr  frischer  L  u  f  t 
zusammen  mit  häufigen  Mundspülungen  mildert  sicliei 
die  Neigung  zum  Erbrechen.  Sollte  letzteres  quälend  werden, 
wiederkehren,  so  spülen  wir  unter  der  Annahme,  dass  doch 
Aether  geschluckt  sei,  den  M  agen  aus. 

Als  ein  ganz  besonderer  Vorzug  unserer  Einschläfe¬ 
rungsmethode  isi  es  nun  zu  bezeichnen,  dass  Uebel- 
keit  nach  derselben  in  der  Regel  überhaupt 
nicht  vorhanden  ist.  Ganz  besonders  auffällig  war  dies 
bei  Patienten,  welche  die  Nausea  von  früheren  Operationen  hei 
geradezu  fürchteten  und  nun  sofort  sich  wohl  befanden.  Es  hat 
dies  offenbar  darin  seinen  Grund,  dass,  abgesehen  von  unserer 
kleinen  Aetherdosis,  keine  mit  Aether  versetzte  Flüssigkeit  in 
den  Magen  gelangen  kann,  deshalb  ist  auch  Erbrechen  schon 
während  der  Narkose  höchst  selten.  Vorerst  wird  dein  Patienten 


in  allen  Fällen  gar  nichts  geboten  oder  nur  ein  Schluck  kalten 
Thees,  es  folgt  dann  vorsichtig  andere  Flüssigkeit  in  kleinen 
Dosen,  allmählich  in  steigernder  Menge. 

Es  wird  Sie,  wie  andere  Besucher  meiner  Anstalten,  ein 
Umstand  ganz  besonders  überraschen,  wie  frühzeitig  ich 
die  Operierten,  wo  es  irgend  angeht,  aufstehen  lasse. 
Nach  einer  Oberarmamputation  ist  der  Operierte  am  Abend  des¬ 


selben  Tages  wieder  auf,  desgleichen  ein  Gastrostomosierter.  Die 
Frau,  welcher  die  ganze  Mamma  in  einem  Stück  mit  beiden 
Brustmuskeln  von  derKlavikula  herab  wegen  eines  Karzinoms  ent¬ 
fernt  wurde,  sitzt  am  anderen  Morgen  in  einem  bequemen  Sessel. 
Auch  diese  Kranken,  bei  denen  frühes  Ausserbettsein  möglich  ist, 
sollen  fleissig  tief  frische  Luft  einatmen.  Unbedingt  erforderlich 
ist  die  Atemgymnastik  bei  Operierten,  die  man  nur  im  Bette  auf¬ 
richten  kann,  und  erst  recht  bei  denjenigen,  die  vorläufig  hori¬ 


zontal  liegen  bleiben  müssen.  Hier  wird  es  d  e  r  Schwester, 
dem  Pfleger  zur  strengen  Gewissenspflicht 
gemacht,  den  Kranken  zu  systematischer  tiefer 
Atmung  anzuhalten.  Der  Patient  soll  nach  der  Uhr  jede 
halbe  Stunde  10,  15,  20  mal  ganz  tief  atmen !  Der  Arzt  lässt 
sich  die  tiefe  Atmung  vormachen  und  deutet  dem  Kranken  an, 
dass  bei  Nichtbefolgung  dieser  Vorschrift  eine  Entzündung  der 
Lunge  drohe.  Wo  die  Atembewegungen  zu  schmerzhaft  sein 
würden,  geben  wir  in  den  ersten  Tagen  Morphium,  häufig,  in 
kleinen  Dosen.  Wenn  aber  die  Vorschrift  genau  ausgeführt  wird, 
dann  sehen  wir  keine  Hypostasen  bei  Operierten,  ebensowenig 
bei  Verletzten,  selbst  bei  den  in  dieser  Hinsicht  bekannter- 
massen  so  schwer  gefährdeten  Patienten  mit  Schenkelhalsfrak¬ 
turen.  Möglichst  bald  lassen  wir  die  Rückenlage  wenigstens  mit 
Lagerung  auf  der  Seite  abwechseln,  wir  richten  dann  die  Kranken 


mit  Stellkissen  passiv  auf.  —  Strophanthus  mit  Digitalis  wird 
weiter  genommen,  wo  es  vor  der  Narkose  in  Anwendung  kam. 
Kampher  und  Alkohol  werden  frühzeitig  und  häufig  eingegeben, 
wo  die  Kräfte  nachzulassen  drohen. 

Die  Besprechung  der  allgemeinen  Narkose  darf  ich  nicht  be- 
schliessen,  ohne  einer  Enttäuschung  Erwähnung  zu  tun,  die  wir 
in  diesem  Sommer  erlebten.  —  Gern  würden  wir  unsere  durch 
jahrelange  Arbeit  am  Operationstische  ausgebildete  Methode  der 
Narkose  vertauscht  haben  mit  einer  solchen,  die  ohne  Inan¬ 
spruchnahme  der  Luftwege  zu  erreichen  schien:  durch  die  ein¬ 
fache  subkutane  Einspritzung  des  schmerzstillen¬ 
den  Morphins  und  des  schlaf  erzeugenden  Sco¬ 
pol  a  m  i  n  s. 

Korff  in  Freiburg  empfahl3)  die  Methode  auf  Grund  eigener 
guter  Erfahrung  in  150  Fällen,  auf  Grund  der  vorzüglichen  Re¬ 
sultate,  welche  v.  Beck  in  Karlsruhe  erzielt  hatte.  Wir  hatten 
die  Freude,  K.  längere  Zeit  bei  uns  zu  sehen,  seine  ernste  Auf¬ 
fassung  ärztlicher  Aufgaben  kennen  zu  lernen.  Ich  glaubte 
guten  Gewissens,  K.  für  einen  Operationsmorgen  die  Narkosen 
nach  seiner  Art  ausführen  lassen  zu  dürfen. 

Um  3  Uhr  Morgens  wurde  einem  alten  Herrn,  dem  wegen 
chronischer  Kniegelenkseiterung  das  Bein  im  Oberschenkel  am¬ 
putiert  werden  sollte,  die  erste  Spritze  mit  0,01  Morphin, 
0,0012  Scopolamin  gegeben;  er  schlummerte  bereits,  als  ihm  um 
5  Uhr  die  gleiche  Dosis  gegeben  wurde;  er  schlief  fest  bei  In¬ 
jektion  der  dritten  gleichen  Menge  um  614  Uhr,  14  Stunde  vor 
der  Operation.  Fest  schlafend  wurde  er  in  den  Operationssaal 
getragen;  er  erwachte  nicht  während  der  Amputation,  nicht  beim 
Verbände;  er  schlief  nachher  einige  Stunden  weiter.  —  Genau 
so  verlief  die  zweite  Narkose  bei  einem  alten  dekrepidea  Manne 
mit  schwerer  Sepsis  der  Harnwege,  die  infolge  falscher  Weg¬ 
bohrung  bei  Prostatahypertrophie  auf  getreten  war.  Ich  legte 
eine  schräge  Blasenfistel  nach  meiner  Methode  an.  —  Der  dritte 
Kranke,  ein  junger  Mann,  erwachte  allerdings  während  der 
Nekrosenoperation,  die  am  Oberschenkel  ausgeführt  wurde;  er 
störte  uns  dabei  in  keiner  Weise,  sondern  sah  schläfrig  zu.  Dann 
schlief  er  im  Bette  weiter;  beim  Erwachen  verlangte  er  dringend, 
endlich  operiert  zu  werden! 

Unser  Staunen  und  Entzücken  über  die  Methode  der  Be¬ 
täubung  war  gross.  Ich  erzählte  unserem  Pharmakologen, 
Professor  Binz,  davon  und  bat  ihn  zur  Demonstration 
an  einem  Operationsmorgen.  Wir  haben  die  Einladung  zurück¬ 
ziehen  müssen.  Die  von  mir  immer  schon  gefürchtete  Herz¬ 
schädigung  blieb  nicht  aus.  Tagelang  litt  der  Amputierte  an 
Herzschwäche;  der  Prostatiker  erlag  der  Sepsis,  die  er  vielleicht 
sonst  überwunden  hätte.  Demgegenüber  kam  das  Wohlbefinden 
des  Dritten  nicht  in  Betracht;  der  hätte  sich  wahrscheinlich, 
selbst  nach  einer  Chloroformnarkose,  wohl  gefühlt.  — 

Wenn  Korff  infolgedessen  in  kurzer  Notiz4)  zur  Vorsicht 
riet,  darauf  hinweisend,  dass  das  Scopolamin  in  seinen  Eigen¬ 
schaften  doch  vorläufig  noch  nicht  genügend  bekannt  sei,  gab 
er  einen  weiteren  Beweis  seiner  wissenschaftlichen  Zuverlässig¬ 
keit.  Vielleicht  kommt  sein  Verfahren  doch  noch  zu  berechtigten 
Ehren;  es  würde  durch  seine  Einfachheit  alle  anderen  Methoden 
der  allgemeinen  Narkose  schlagen  müssen. 


500  Chloroformnarkosen  in  der  gynäkologischen 

Praxis. 

Von  Dr.  med.  Wilhelm  Evelt,  Assistenzarzt  an  der  gynäko¬ 
logischen  Universitäts-Poliklinik  in  München. 

In  der  operativen  Praxis  meines  Chefs,  Professor  Gustav 
K  1  e  i  n  in  München,  werden  seit  einiger  Zeit  über  alle  Narkosen 
genaue  Aufzeichnungen  gemacht.  Es  wird  dazu  ein  Buch  be¬ 
nützt,  in  welchem  folgende  Rubriken  mit  Vordruck*)  enthalten 
sind : 

Laufende  Nummer,  Name  der  Patientin,  Alter  der  Patientin, 
Krankheit,  Operation,  Name  des  Narkotiseurs,  Narkotisierungs- 


3)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  29  und  1902,  No.  27. 

4)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  33,  S.  1408. 

*)  Die  Bücher  werden  von  der  F  ranz  sehen  Hofbuch- 
druckerei,  München,  Louisenstr.  17,  hergestellt. 


2.  Dezember  1902. 


1999 


MITEN  CH  EHER  M  E  DICINI SCI1E  WOCHENSCHRIFT. 


mittel,  Menge  desselben,  Vorbereitung,  Dauer  der  Narkose, 
Dauer  der  Operation,  Bemerkungen. 

Im  folgenden  wird  über  500  nach  diesem  Schema  genau  ge¬ 
buchte  Narkosen  berichtet,  welche  vorwiegend  der  Privatpraxis 
meines  Chefs  entstammen. 

Zwei  Motive  bilden  besonders  die  Veranlassung,  diesen 
Aufsatz,  der  einerseits  eine  Statistik  über  500  reine  Chloro¬ 
formnarkosen  bieten,  andrerseits  einige  praktische  Winke 
auf  Grund  der  Erfahrungen  und  Beobachtungen  bei  diesen 
500  Narkosen  bringen  soll,  in  einer  speziell  vom  praktischen 
Arzte  so  viel  gelesenen  Fachzeitschrift  zu  veröffentlichen.  Das 
erste  Motiv  ist  das,  die  Herren  Kollegen,  die  über  das  nötige 
Material  verfügen,  anzuregen,  auch  ihrerseits  ihre  Narkosen¬ 
statistiken  häutiger  zu  publizieren,  als  dies  bisher  der  Fall  war. 
1  )en  Studierenden  und  den  Kollegen,  die  seltener  Gelegenheit 
haben,  zu  narkotisieren,  einige  praktische  Winke  zu  geben,  auf 
welche  Weise  man  mit  möglichst  wenig  Chloroform  eine  gute 
und  dabei  möglichst  ungefährliche  Narkose  machen  kann,  das 
ist  das  zweite  Motiv. 

Es  kam  bei  den  Narkosen  fast  ausschliesslich  Chloroform 
zur  Anwendung,  da  unsere  Resultate  mit  diesem  Mittel  immer 
sehr  gute  waren.  Damit  will  ich  keineswegs  behaupten,  dass  die 
Aethemarkose  völlig  entbehrlich  sei.  Auch  bei  uns  wurde  in 
wenigen  Fällen  Aether  zur  Narkose  verwendet.  Tn  einem 
unserer  Fälle  wäre  sogar  ohne  Aether  eine  Narkose  unmöglich 
gewesen.  Die  betreffende  Patientin  sollte  zum  Zweck  einer 
Laparotomie  narkotisiert  werden;  Veränderungen  oder  Er¬ 
krankungen  der  Brustorgane  waren  weder  perkutorisch  noch  aus¬ 
kultatorisch  nachzuweisen.  Gleich  nach  den  ersten  paar  Tropfen 
Chloroform  setzte  der  Puls  völlig  aus;  es  wurde  nun  mit  Aether 
narkotisiert;  sofort  war  der  Puls  wieder  in  vollster  Stärke  fühl¬ 
bar.  Dasselbe  wiederholte  sich,  als  die  Patientin  später  noch 
einmal  narkotisiert  werden  musste.  Andrerseits  kann  als  Gegen¬ 
stück  auch  wieder  folgender  Fall  angeführt  werden:  Bei  einer 
Patientin,  die  ich  zu  narkotisieren  hatte,  fand  sich  bei  der 
Untersuchung  des  Herzens  eine  Verbreiterung  der  Herzdämpfung 
nach  links  und  ein  lautes,  blasendes,  systolisches  Geräusch  über 
der  Herzspitze  (beides  wurde  noch  von  2  weiteren  Kollegen  kon¬ 
statiert).  Ich  liess  mich  dadurch  nicht  im  entferntesten  ab¬ 
halten.  Chloroform  zur  Narkose  zu  verwenden.  Die  Narkose 
verlief  ausgezeichnet,  ja  noch  mehr,  nach  der  Narkose  war  von 
dem  systolischen  Geräusch  auch  nicht  mehr  die  Spur  zu  hören, 
wie  die  beiden  Kollegen  ebenfalls  wieder  mitkonstatieren  konnten. 

Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  in  viel  ausführlicherer  Weise, 
als  dies  in  einer  medizinischen  Wochenschrift  geschehen  kann,  und 
von  berufenerer  Seite  über  Statistiken  und  Technik  der  Chloro¬ 
formnarkose  geschrieben  worden  ist.  Und  so  sollten  auch  die  im 
folgenden  mitgeteilten  Erfahrungen  keineswegs  den  Anspruch 
machen,  dem  geübten  Narkotiseur  Neuigkeiten  zu  bringen,  son¬ 
dern  nur  den  weniger  Geübten  zur  Nachahmung  anregen  und 
ihm  einige  geringe  Modifikationen  in  der  Technik  vorführen,  die 
sich  uns  mit  der  Zeit  gegenüber  den  gebräuchlichen  als  prak¬ 
tischer  erwiesen  haben.  Im  grossen  und  ganzen  sind  ja  schon 
seit  langer  Zeit  die  Anforderungen,  die  an  eine  gut  ausgeführte 
Narkose  gestellt  werden,  die  gleichen  geblieben.  Noch  heute 
haben  die  Worte  Kapp  eie  rs  in  vollem  Umfange  Geltung, 
die  er  schon  im  J ahre  1880  in  seinem  vorzüglichen  Buche : 
„Anästhetika“  aussprach:  „Die  Kunst  des  Chloroformierens  be¬ 
steht  ja  gerade  darin,  den  Kranken  in  dem  Stadium  der  ver¬ 
engerten  Pupillen,  der  Muskelerschlaffung  und  der  kompletten 
Anästhesie  zu  erhalten  und  ihn  weder  aus  demselben  in  ein 
früheres,  noch  in  das  Stadium  der  erweiterten  Pupillen,  welches 
der  Lähmung  der  Zirkulations-  und  Atmungszentren  unmittel¬ 
bar  vorausgeht  und  somit  die  grösste  Gefahr  involviert,  über¬ 
zuführen.“ 

Es  sollen  nun  zunächst  die  statistischen  Auf¬ 
zeichnungen  folgen. 

Es  wurden  genaue  Aufzeichnungen  gemacht  bei  500  Chloro- 
formnarkosen.  Verwendet  wurde  das  aus  Aethylalkohol  herge¬ 
stellte  Chloroform  von  Dune  a  n,  Flock  hart  &  Ci  e.,  Edin¬ 
burgh  und  London  (Treis:  M.  4.50  pro  175  ccm).  Chloroformiert 
wurde  mit  Schimmelbuschs  Chloroformmaske  und  mit  ge¬ 
wöhnlicher  nach  Grammen  graduierter,  dunkler  Tropfflasche.  Die 
weitere  Ausrüstung  des  Narkotiseurs  bestand  in  einer  Hakenzange 
nach  Musseux  zum  Fassen  und  Vorziehen  der  Zunge,  die  später 
noch  beschrieben  werden  wird,  in  einem  Kiefersperrer  nach 
König  und  2  Stieltupfern. 

Berechnet  auf  500  Narkosen  war: 


Gesamtchloroformmenge:  17  494  g. 

Gesamtzeit:  440  Stunden  30  Minuten. 

Es  kommt  also  auf  eine  Stunde:  39,7  g  Chloroform  (=  0,66  g 
pro  Minute),  auf  eine  Narkose:  34,9  g  Chloroform. 

Die  Durchschnittsdauer  einer  Narkose  betrug 
52,9  Minuten. 

Die  höchste  Chloroform  m  enge  betrug  155  g  für  eine 
Narkose  von  140  Minuten  (Myomotomie).  (Dies  ist  natürlich  nicht 
die  Operationsdauer,  die  durchschnittlich  um  eine  Viertelstunde 
kürzer  ist,  als  die  Dauer  der  Narkose.) 

Die  längste  Dauer  einer  Narkose  war  216  Minuten  bei 
143  g  Chloroformverbrauch  (abdominale  Radikaloperation  nach 
W  erthei  in). 

Die  geringste  Chloroform  menge  war  4  g  für  eine 
Narkose  von  18  Minuten  (Curettage). 

Die  kürzeste  Dauer  einer  Narkose  betrug  10  Minuten  bei 
G  g  Chloroformverbrauch  (Untersuchung). 

(Interessant  ist,  dass  bei  der  Statistik  der  Königsberger  Uni¬ 
versitätsklinik  und  Poliklinik  sich  grösster  bezw.  kleinster  Chloro¬ 
formverbrauch  (120  g  bezw.  3  g)  mit  längster  bezw.  kürzester  Nar¬ 
kosendauer  (110  Minuten  bezw.  10  Minuten)  deckt.  Dies  ist  bei 
uns  nicht  der  Fall:  während  die  grösste  Chloroformmenge  von 
155  g  nur  für  eine  Narkose  von  140  Minuten  ausreichte,  war  die 
längste  Narkose  von  216  Minuten  schon  mit  143  g  Chloroform  zu 
erzielen;  und  während  die  geringste  Chloroformmenge  von  4  g  für 
eine  Narkose  von  18  Minuten  ausreichte,  beanspruchte  die 
kürzeste  Narkose  von  10  Minuten  schon  6  g  Chloroform.) 

Oleum  Camphorae  wurden  223  ccm,  auf  36  Narkosen 
verteilt,  injiziert.  (Wir  injizieren  bei  Anzeichen  von  Herzschwäche 
prinzipiell  gleich  hohe  Dosen  von  Kampher:  5 — 10 — 20  bis  zu 
60  Spritzen  ä  1  ccm  in  y4 — y2  Stunde.) 

Asphyxien  und  Kollapse  leichteren  Grades  wurden 
im  ganzen  10  mal  beobachtet.  In  all  diesen  Fällen  genügte  Vor¬ 
ziehen  der  Zunge,  Lüften  des  Unterkiefers  und  künstliche  Atmung 
während  weniger  Minuten  (bezw.  Kampherinjektionen  und  einige- 
male  Kochsalzinfusion)  um  Atmung  und  Herztätigkeit  wieder  zu 
regeln. 

Im  ganzen  wurden  über  854  Narkosen  Aufzeichnungen  ge¬ 
macht,  wenn  auch  anfangs  nicht  in  der  gleichen  Vollständigkeit, 
wie  bei  den  zu  besprechenden  500  Narkosen.  Unter  diesen 
854  Narkosen  war  kein  Fall  von  Chloroformtod. 
(Nach  Gurlts  Statistik  kommt  auf  2075  Chloroformnarkosen 
1  Todesfall.) 

Eine  halbe  Stunde  vor  jeder  Narkose  wurde  der  Patientin 
0,01  g  Morph,  hydrochlor.  subkutan  injiziert. 

Obwohl  selbstverständlich,  will  ich  doch  noch  hinzufügen, 
dass  sich  jede  Patientin  während  der  ganzen  Operation  in  voll¬ 
kommenster  Toleranz  befand.  Speziell  die  Laparotomien  stellen 
in  dieser  Hinsicht  ziemlich  hohe  Anforderungen  an  die  Aufmerk¬ 
samkeit  des  Narkotiseurs  aus  folgenden  3  Gründen: 

1.  weil  der  Zug  besonders  am  Peritoneum  parietale  enorm 
schmerzhaft  ist; 

2.  weil  die  Patientin  während  der  ganzen  Narkose  nicht 
pressen  soll,  damit  die  Operation  nicht  durch  das  Vorquellen 
der  Därme  gestört  wird; 

3.  weil  bei  der  bei  Laparotomien  notwendigen  Beckenhoch¬ 
lagerung  infolge  der  ständigen  Hyperämie  des  Gehirns  die 
Patientinnen  sehr  leicht  aus  dem  Toleranzstadium  heraus¬ 
kommen. 

Des  Vergleiches  halber  möge  es  mir  nun  erlaubt  sein,  im 
folgenden  noch  einige  Statistiken  von  anderen  Kliniken,  wie 
ich  sie  von  Gurlt  in  den  Verhandlungen  der  deutschen  Ge¬ 
sellschaft,  für  Chirurgie  *(6.  Bericht  1895 — 1897)  niedergelegt 
fand,  foL  »•en  zu  lassen ;  ich  nehme  dabei  nur  die  für  unsere 
Zwecke  in  Betracht  kommenden  Berichte  und  aus  diesen  nur 
die  Hauptziffern  heraus. 

1.  v  Bardeleben  sen.,  R.  Koehler,  König  sen.  (Chi¬ 
rurgische  Klinik  und  Nebenabteilung  für  äusserlich  Kranke  im 
König!  Charite-Krankenhause  zu  Berlin).  Von  924  Narkosen  waren 
666  reine  Chloroformnarkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro  Nar¬ 
kose:  22  ccm.  pro  Minute:  0,57  ccm.  1  Chloroformtodesfal! 

2.  B  a  r  d  e  n  h  e  u  e  r  (Chirurgische  Abteilung  des  Bürger- 
hospitals  in  Köln  a.  Rh.).  ATon  1593  Narkosen  waren  797  reine 
Chloroformnarkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro  Minute:  0,58  g. 
Kein  Chloroformtodesfall. 

3.  Braun,  v.  Biseisberg,  S  t  e  1 1  e  r  (Chirurgische  Uni¬ 
versitätsklinik  und  Poliklinik  zu  Königsberg  i.  Pr.).  Von  1565  Nar¬ 
kosen  waren  1365  reine  Chloroformnarkosen.  Durchschnittliche 
Dauer  einer  Narkose:  44,0  Minuten.  Durchschnittsverbrauch  pro 
Narkose:  37,6  g,  pro  Minute:  0,S7  g.  Längste  Narkose:  110  Minuten 
(bei  120  g  Chloroform).  Kürzeste:  10  Minuten  (bei  3  g  Chloroform). 
Grösster  Chloroform  verbrauch :  120  g  (in  110  Minuten).  Geringster: 

3  g  (in  10  Minuten).  1  Chloroformtodesfal! 

4.  B  r  u  n  s  (Chirurgische  Universitätsklinik  in  Tübingen). 
Von  792  Narkosen  waren  152  reine  Chloroformnarkosen.  Durch¬ 
schnittsdauer  pro  Narkose:  42  Minuten.  Längste  Narkose:  100  Mi¬ 
nuten.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  20  ccm,  pro  Minute: 
0,5  ccm.  Grösster  Chloroform  verbrauch:  80  ccm  (in  80  Minuten). 
Kein  Chloroformtodesfal! 


2* 


2000 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


No.  48. 


.j.  C  z  e  r  n  y  (Chirurgische  Klinik  in  Heidelberg).  \  on  1307 
Narkosen  waren  589  reine  Chloroformnarkosen.  An  Czernys 
Klinik  scheint  die  Anzahl  der  Aethernarkosen  im  Abnehmen,  die 
der  Morphium-Chloroformnarkosen  im  Zunehmen  begriffen  zu  sein. 
Der  Berichterstatter.  Dr.  Marwedel,  schreibt:  Im  allgemeinen 
ergibt  eine  vergleichende  Beobachtung  der  oben  niedergelegten 
Ziffern  mit  unseren  früheren  Berichten  eine  weitere  Abnahme  in 
der  Zahl  unserer  Aethernarkosen  (51  gegen  161  im  Vorjahr),  die 
nur  bei  Herzfehlern  ohne  Lungenerscheinungen,  bei  starker  An¬ 
ämie  oder  bei  eintretender  Herzschwäche  vorgenommen  wurden. 
Dagegen  wurde  ein  ausgedehnter  Gebrauch  gemacht  von  der 
Chloroformnarkose  mit  vorausgehender  subkutaner  Morphium¬ 
injektion.  In  der  Tat  lässt  sieh  dadurch,  zumal  in  Verbindung  mit 
der  Tropf methode,  eine  angenehme  und  ruhige  Narkose  mit  ent¬ 
schieden  abgeschwächtem  Exzitationsstadium  und  verringertem 
Chlorofomikonsum  erzielen.  Kein  Chloroformtodesfall. 

0.  G  ö  s  c  h  e  1  (Chirurgische  Abteilung  des  städt.  Kranken¬ 
hauses  in  Nürnberg).  Von  384  Narkosen  waren  358  Chloroform¬ 
narkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  20,8  ccm,  pro 
Minute  0,49  ccm.  Kein  Chloroformtodesfall. 

7.  Schede  (Chirurgische  Abteilung  des  Neuen  allgemeinen 
Krankenhauses  zu  Hamburg-Eppendorf).  Von  2119  Narkosen 
waren  1869  Chloroformnarkosen.  Durchschnittsdauer  einer  Nar¬ 
kose:  42  Minuten.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  39  ccm, 
pro  Minute:  0,9  ccm.  1  Chloroformtodesfall. 

8.  Dr.  Zeller,  dirigierender  Hospitalarzt  in  Stuttgart.  Aus¬ 
schliesslich  Chloroform  bei  435  Narkosen.  Durchschnittsverbrauch 
pro  Narkose:  22,9  g.  1  Chloroformtodesfall. 

9.  Angere  r  (Chirurgische  Klinik  München).  Von  767  Nar¬ 
kosen  waren  108  Chloroformnarkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro 
Narkose:  30  ccm.  1  Chloroformtodesfall. 

10.  Bart  h  (Chirurgisches  Stadtlazarett  Danzig).  Von  470  Nar¬ 
kosen  waren  409  Chloroformnarkosen.  Durchschnittsdauer  einer 
Narkose:  31  Minuten.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  40  g 
(mit  Junkerapparat),  bezw.  18  g  (Tropfmethode).  Durchschnitts¬ 
verbrauch  pro  Minute:  1,2  g  (mit  Junkerapparat),  bezw.  0,61  g 
(Tropfmethode).  2  Chloroformspättodesfälle  (?). 

11.  Boeters  (Städt.  Krankenhaus  zu  Görlitz).  185  Chloro¬ 
formnarkosen.  Durchschnittsdauer  einer  Narkose:  46,12  Minuten. 
Durchschnittverbrauch  proNarkose:  21,3  ccm,  pro  Minute:  0,46  ccm. 
Maximal  verbrauch:  62  ccm.  Maximaldauer:  230  Minuten.  Kein 
d  irekter  Chloroformtodesfall. 

12.  Boeters  (Privatanstalt  zu  Görlitz).  568  Chloroform¬ 
narkosen.  Durchschnittsdauer  einer  Narkose:  49,5  Minuten.  Durch¬ 
schnittsverbrauch  pro  Narkose:  26,1  ccm,  pro  Minute:  0,53  ccm. 
Maximalverbrauch:  140  ccm.  Maximaldauer:  270  Minuten.  1  Chloro¬ 
formtodesfall. 

13.  Braun  (Chirurgische  Universitätsklinik  und  Poliklinik 
zu  Göttingen).  Von  963  Narkosen  waren  962  Chloroformnarkosen 
(bezw.  Morphium-Chloroformnarkosen).  Durchschnittsdauer  einer 
Narkose:  40,9  Minuten.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose: 
22  ccm,  pro  Minute:  0,542  ccm.  Maximaldauer:  170  Minuten. 
Maximalverbrauch:  105  ccm.  1  Chloroformtodesfall. 

14.  Czerny  (Chirurgische  Universitätsklinik  Heidelberg). 
Von  1433  Narkosen  waren  1361  Chloroformnarkosen  (bezw.  Mor- 
phium-Cliloroforinnarkosen).  1  Chloroformtodesfall. 

15.  E  r  b  k  a  m  (Städt.  Krankenhaus  zu  Grünberg  in  Schlesien.) 
43  Chloroformnarkosen.  1  Cliloi'oformtodesfall. 

16.  Gar  re  (Chirurgische  Klinik  zu  Rostock).  Von  652  Nar¬ 
kosen  waren  236  Chloroformnarkosen.  Durchschnittsverbrauch 
pro  Minute:  0,5  ccm.  1  Chloroformtodesfall. 

17.  Göschei  (Chirurgische  Abteilung  des  städt.  Kranken¬ 

hauses  zu  Nürnberg).  Von  335  Narkosen  waren  326  Chloroform¬ 
narkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  19,32  ccm,  pro 
Minute:  0.46  ccm.  Maximalverbrauch:  90  ccm.  1  Chloroform¬ 
todesfall.  * 

18.  Jungengel  (Chirurgische  Abteilung  im  allgemeinen 
Krankenhause  zu  Bamberg).  Von  943  Narkosen  waren  939  Chloro¬ 
formnarkosen.  Durchschnittsdauer  einer  Narkose:  25,3  Minuten. 
Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  29.5  g,  pro  Minute:  etwas 
über  1  g.  Maximaldauer:  120  Minuten.  Kein  direkter  Chloroform¬ 
todesfall. 

19.  Iv  ü  m  m  e  1 1  und  Sick  (Chirurgische  Abteilung  des  All¬ 
gemeinen  Krankenhauses  zu  Hamburg-Eppendorf).  Von  1612  Nar¬ 
kosen  waren  1371  Chloroformnarkosen.  Durchschnittsdauer  einer 
Narkose:  43  Minuten.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose: 
31  ccm.  pro  Minute:  0.72  ccm.  3  Chloroformtodesfälle. 

20.  C.  Lauen  stei  n  (im  Diakonissenhause  Bethesda  zu 
llamburg-Borgfelde).  Von  301  Narkosen  waren  288  reine  Chloro¬ 
formnarkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro  Narkose:  11,75  g,  pro 
Minute:  0,5  g.  1  Chloroformtodesfall. 

21.  Schopf  Franz  (chirurgische  Abteilung  des  k.  k.  Kaiserin 
Elisabeth-Spitales  in  Wien).  Von  390  Narkosen  waren  367  Chloro¬ 
formnarkosen.  Durchschnittsverbrauch  pro  Minute:  0,8  ccm.  Kein 
direkter  Chloroformtodesfall. 

22.  Subbotic  (Allgemeines  Landeskrankenhaus  in  Belgrad). 
Von  1327  Narkosen  waren  1257  Chloroformnarkosen.  Durch¬ 
schnittsverbrauch  pro  Narkose:  37,0  g.  pro  Minute:  0,77  g.  Maxi¬ 
mal  verhauch:  275,0  g.  1  Chloroformtodesfall. 

Dieser  Auszug  aus  Gurlts  Statistik  zeigt  unter  anderem, 
«lass  eine  nicht  geringe  Anzahl  von  Operateuren  sich  ausschliess¬ 
lich  oder  zum  grössten  Teil  des  Chloroforms  zur  Narkose  bedient. 


_  Im  Moment,  wo  ich  diese  Zeilen  schreibe,  kommt  mir  der 

Bericht  von  der  Sitzung  der  Aeademie  de  medecine  in  Paris  vom 
20.  V.  1902  in  die  Hände;  ich  finde  daselbst  in  Huchard 
wieder  einen  sehr  warmen  Vertreter  der  Chloroformnarkose 
(speziell  der  Morphium-Chloroform-Narkose).  Er  sagt  unter 
anderem :  „Die  \  orziige  des  Aethers  sind  durchaus  nicht  er¬ 
wiesen;  jedenfalls  ist  derselbe  bei  Lungenaffektionen  durchaus 
kontraindiziert.  Han  kann  also  sagen:  Wenn  der  Kranke,  wohl 
vorbereitet,  einer  sorgsam  geführten  und  streng  überwachten 
Chloroform nark ose  unterworfen  wird,  so  läuft  er  gar  keine  Ge¬ 
fahr.“  II  ucha  r  d  sieht  ebenfalls  in  Herzaffektionen  keine 
Kontraindikation  für  Chloroform.  — 

Nun  noch  einige  Worte  über  die  Narkosentechnik,  wie  sie 
bei  uns  gehandhabt  wird.  —  Alle  Narkosen  werden,  soweit  es 
sich  einrichten  lässt,  Morgens  gemacht.  Vom  Abendessen  des 
vorhergehenden  Tages  ab  geniesst  die  Patientin  für  gewöhnlich 
nichts  mehr.  Das  Wegfallen  des  Frühstückes  ist  für  die  meisten 
Patientinnen  keine  grosse  Entbehrung,  zumal  fast  immer  die 
Angst  vor  der  Operation  derartige  Bedürfnisse  in  den  Hinter¬ 
grund  treten  lässt.  Es  kann  aber  den  Patientinnen,  die  den 
dringenden  Wunsch  danach  äussern,  ruhig  2 — 3  Stunden  vor  der 
Narkose  ohne  irgendwelchen  Nachteil  eine  leere  Tasse  Thee 
gestattet  werden.  Wir  operieren  durchschnittlich  im  W*inter  um 
8  Uhr,  im  Sommer  um  7  Uhr  Morgens.  Wenn  also  die  Patientin 
zwischen  6  und  7  Uhr  eine  leere  Tasse  Thee  bekommt,  so  ist 
dies  ohne  irgendwelchen  Nachteil  für  die  Narkose.  Die  meisten 
Patientinnen  äussern  aber,  wie  gesagt,  diesen  Wunsch  gar  nicht 
und  machen  sich  aus  dem  einmaligen  Wegfallen  des  Frühstückes 
nichts.  Patientinnen,  die  koeliotomiert  werden  sollen,  nehmen 
wir  grundsätzlich  schon  2  Tage  vor  der  Operation  in  der  Anstalt 
auf,  solche,  bei  denen  einer  der  übrigen  gynäkologischen  Ein¬ 
griffe  gemacht  werden  soll,  1  Tag  vor  der  Operation,  und  zwar 
zum  Zwecke  einer  gründlichen  Darmentleerung  mittels  Rizinus¬ 
öls  und  einer  Ueberwachung  der  Diät  des  letzten  Tages  vor  der 
Operation.  Opium,  Wismut  etc,  wie  früher  gegeben,  erhielten 
die  Patientinnen  in  den  letzten  Jahren  nicht  mehr.  Patientinnen, 
die  nur  zur  Untersuchung  narkotisiert  werden  sollen,  bestellen 
wir  ca.  1  Stunde  vor  der  Narkose  in  die  Anstalt  und  geben  ihnen 
die  Weisung,  sich  an  diesem  Morgen  des  Frühstückes  zu  ent¬ 
halten  oder,  wie  oben  angegeben,  höchstens  eine  leere  Tasse  Thee 
2 — 3  Stunden  vor  der  Narkose  zu  gemessen.  Die  zu  operierenden 
Patientinnen  bekommen  durchwegs  (mit  Ausnahme  der  Damm¬ 
plastiken)  volle  Kost  bis  zum  Vorabend  des  Operationstages;  an 
diesem  Abend  verabreichen  wir  jedes  gewünschte  Getränk,  da¬ 
gegen  nur  mehr  ganz  leicht  verdauliche  Speisen,  die  bald  den 
Magen  verlassen  und  schnell  resorbiert  werden,  also  hauptsäch¬ 
lich  Fleisch,  Eier,  Milch  etc.  (kein  oder  nur  wenig  Brot,  keine 
Kartoffel,  keine  Mehlspeisen  u.  s.  w.).  Wird  einmal  eine  Pa¬ 
tientin  Nachmittags  oder  Abends,  was  sich  ja  auch  nicht  immer 
umgehen  lässt,  narkotisiert,  so  haben  wir  ihr  womöglich  vorher 
die  Weisung  gegeben,  den  Tag  vor  der  Narkose  leicht  verdauliche 
Speisen  zu  gemessen  und  4 — 5  Stunden  vor  der  Narkose  nüch¬ 
tern  zu  bleiben.  Ganz  zuverlässig  ist  natürlich  nur  die  Ueber¬ 
wachung  in  der  Anstalt;  in  den  meisten  Fällen  sind  aber  auch 
die  Patientinnen,  die  wir  erst  kurz  vor  der  Narkose  in  die  An¬ 
stalt  bestellen  können,  so  vernünftig,  unsere  Weisungen  aufs 
genaueste  zu  befolgen.  Dass  dies  allerdings  nicht  immer  der 
Fall  ist,  bewies  mir  die  Narkose  einer  Patientin  aus  den  besseren 
Ständen,  die  Morgens  mit  der  Bahn  zugereist  kam.  Kaum  war 
bei  ihr  die  Narkose  begonnen  worden,  als  sie  grosse  Massen  der 
bekannten  „Wiener  Würstl“  fast  unzerkaut,  samt  den  Hau  Um 
verspeist,  erbrach.  Aber,  wie  gesagt,  das  sind  Ausnahmefälle. 
— -  Vs  Stunde  vor  jeder  Narkose  injizieren  wir  dann  0,01  g 
Morphin,  hydrochloric.  subkutan.  Abgesehen  davon,  dass  die 
Narkosen  infolge  der  Morphiumgabe  ruhiger  verlaufen,  insoferne, 
als  das  Exzitationsstadium  wegfällt  oder  doch  auf  ein  Minimum 
beschränkt  bleibt,  beobachtet  man  auch  nach  Morphiuminjektion 
sehr  selten  die  sonst  häufiger  auftretenden  störenden  Husten¬ 
anfälle,  die  manche  Patienten  im  Beginn  der  Narkose  bekommen. 
—  Vorausschicken  will  ich  noch,  dass  wir  bei  Erkrankungen  der 
Luftwege  die  Operation  möglichst  verschieben,  nicht  weil  wir 
uns  vor  der  Narkose  scheuten,  sondern  weil  die  Ilustenstösse  der 
Patientin  fast  nach  allen  gynäkologischen  Eingriffen  starke 
Schmerzen  machen,  und  dann  auch,  weil  speziell  bei  Laparotomie¬ 
wunden  die  Gefahr  des  Sprengens  der  Nähte  durch  den  Husten 
eine  nicht  zu  unterschätzende  ist.  — 


2.  Dezember  1902, 


M UENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ATiui  zur  Narkose  selbst-  Nachdem  die  Patientin  auf  dem 
Operationstisch  bequem  gelagert  und  durch  Zureden  möglichst 
beruhigt  ist,  werden  etwa  vorhandene  künstliche  Zähne  aus  dem 
Munde  entfernt.  Sodann  werden  Herz  und  Rungen  nochmals 
genau  untersucht.  •  Solange  die  Patientin  noch  nicht  narkotisiert 
ist,  hält  sich  womöglich  nur  der  Narkotiseur  im  Operationssaale 
auf  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  die  Anwesenheit  der  Ope- 
rationsassistenten  die  meisten  Patientinnen  in  grosse  Aufregung 
versetzt.  Aus  eben  diesem  Grunde  bekommt  die  Patientin  auch 
keine  Instrumente  zu  Gesicht  5  diese  werden  in  einem  Neben¬ 
raum  sterilisiert  und  kommen  erst  kurz  vor  der  Operation  in 
den  Operationssaal.  Wo  ein  Nebenraum  zum  Narkotisieren 
voihanden  ist,  wird  die  Narkose  besser  in  diesem  begonnen.  — 
Der  Narkotiseui  hält  nun  der  Patientin  die  Mhske  (nach 
Schimmelbusch)  zirka  eine  Handbreit  vors  Gesicht  und 
giesst  tropfenweise  von  aussen  Chloroform  auf  und  zwar  so,  dass 
er  in  einer  Minute  ca.  20  Tropfen  auf  die  Maske  fallen  ’lässt. 
Nachdem  die  Patientin  sich  etwas  an  den  Geruch  des  Chloro¬ 
forms  gewöhnt  hat,  was  meist  schon  nach  2 — 3  Minuten  der  Fall 
ist,  w  ird  ihr  die  Maske  ganz  aufs  Gesicht  aufgelegt.  Wir  machen 
also  nicht  „Erstickungsnarkose“,  sondern  lassen  anfangs  reich¬ 
lich  Luft  zutreten.  Es  wird  nun  solange  tropfenweise  Chloro¬ 
form  aufgegossen  in  derselben  Menge  wie  anfangs  (ca.  20  Tropfen 
in  der  Minute),  bis  das  Stadium  der  engsten  Pupille 
erreicht  ist;  in  diesem  Moment  befindet  sich  die  Patientin  in 
vollkommener  Toleranz  und  es  wird  nun  infolgedessen  die 
Maske  liegen  gelassen,  ohne  dass  weiter  Chloroform  auf¬ 
gegossen  wird;  auf  diese  Weise  exhaliert  die  Patientin  noch  eine 
Zeitlang  Chloroformdämpfe  in  die  Maske  und  inhaliert  sie  so¬ 
dann  wieder,  und  man  kann  sie  so  lange  Zeit  ohne  wieder  frisch 
aufzugiessen  in  vollkommenster  Toleranz  halten.  Wir  richten 
uns  grundsätzlich  nur  nach  dem  Pupillarreflex  und 
nicht  nach  dem  Kornealref  lex,  da  letzterer  sehr  un¬ 
zuverlässig  ist.  Bei  manchen  Personen  schwindet  der  Korneal- 
reflex  lang  ehe  das  Toleranzstadium  erreicht  ist;  der  Narkotiseur, 
der  dann  gewohnt  ist,  sich  nur  nach  dem  Kornealreflex  zu  richten, 
nimmt  an,  die  Patientin  befinde  sich  in  Toleranz,  der  Operateur 
beginnt  und  sofort  reagiert  die  Patientin  aufs  lebhafteste.  (Oft 
hört  man  dann  den  Ausspruch:  „Die  Patientin  hat  eine  schlechte 
Narkose“,  anstatt  dass  man  die  Schuld  dem  schlechten  Narkoti¬ 
sieren  zuschiebt.)  Meist  giesst  dann  der  Narkotiseur  wieder 
etwas  Chloroform  auf,  konstatiert  dann  wieder  erloschenen  Kor¬ 
nealreflex,  der  Operateur  beginnt  und  sofort  reagiert  die  Patien¬ 
tin  wieder.  Dieses  Spiel  wiederholt  sich  dann  manchmal  noch 
ein  halbdutzendmal.  Hätte  der  Narkotiseur  nur  einmal  auf  die 
Pupillen  geachtet,  so  hätte  er  sicher  eine  noch  deutlich  re¬ 
agierende,  nicht  auf  dem  Stadium  der  grössten  Enge  sich  be¬ 
findende  Pupille  konstatieren  können.  Andererseits  gibt  es,  wenn 
auch  selten,  wieder  Personen,  bei  denen  das  Stadium  der  engsten, 
nicht  mehr  reagierenden  Pupille,  also  das  Toleranzstadium  er¬ 
reicht  ist  bei  noch  erhaltenem  Kornealreflex.  Der  ungeübte  Nar¬ 
kotiseur  chloroformiert  dabei  immer  weiter,  um  den  letzteren 
zum  Schwinden  zu  bringen  und  übersieht  dann  dabei  sehr  leicht 
eine  maximal  erweiterte,  nicht  mehr  reagierende  Pupille,  den 
Vorboten  der  eintretenden  Synkope,  den  Schrecken  eines  jeden 
geübten  Narkotiseurs. 

So  glatt,  wie  es  oben  geschildert  wurde,  kommt,  nun  natür¬ 
lich  nicht  j'ede  Patientin  in  das  Toleranzstadium.  Es  können 
bis  zur  Erreichung  des  letzteren  verschiedene  störende  Momente 
eintreten  und  gewiss  wird  ab  und  zu  auch  der  geübteste  Narkoti¬ 
seur  mit  ihnen  zu  thun  haben.  Es  sind  dies  hauptsächlich  Er¬ 
brechen  und  Atmungsstörungen.  Pulsstörungen  kommen  in 
diesem  Stadium  seltener  vor.  Was  nun  das  Erbrechen  anlangt, 
so  verfahren  wir  dabei  folgendennassen :  wir  drehen  schon  bei  den 
ersten  Würgbewegungen  den  Kopf  der  Patientin  zur  Seite  und, 
was  die  Hauptsache  ist,  chloroformieren  ruhig 
weiter.  In  den  wenigen  Fällen,  in  denen  wir  Erbrechen  oder 
V  ürgbewegungen  beobachten,  konnten  wir  beides  durch  ruhiges 
Weitemarkotisieren  sofort  beseitigen.  Für  die  Atmungs¬ 
störungen  lassen  sich  fast  immer  2  Ursachen  feststellen:  1.  die 
hintenübergefallene  Zunge  und  2.  aspirierte,  erbrochene  Massen 
und  angesammelter  Schleim.  Um  die  erstere  Ursache  zu  ver¬ 
meiden,  fassen  wir  die  Zunge  sofort  nach  Eintritt  der  Toleranz 
mit  einer  kleinen  M  u  s  e  u  x  sehen  Hakenzange  und  ziehen  sie 
weit  vor  die  Zahnreihe.  Ist  die  zweite  Ursache  vorhanden,  so 
No.  48. 


2001 


reinigen  wir  Mund  und  Pharynx  von  den  erbrochenen  Massen 
und  von  Schleim  mittels  Stieltupfern.  In  beiden  Fällen  wird  der 
Mund  mittels  Zungensperrers  nach  König  geöffnet.  Die  zweite 
Ursache  kam  bei  uns  infolge  des  selten  auftretenden  Erbrechens 
fast  gar  nicht  in  Betracht.  Sodann  bemerkt  man  manchmal  im 
Beginn  der  Narkose,  während  die  Pupillen  noch  weit  sind  und 
noch  reagieren,  infolge  Pressens  der  Patienten  Atmungsstillstand 
in  Exspirationsstellung;  es  hat  dies  meistens  nichts  zu  bedeuten; 
man  kann,  vorausgesetzt  dass  keine  stärkere  Cyanose  des  Gesichts 
besteht,  ruhig  weiternarkotisieren;  in  wenigen  Sekunden  wird 
die  Atmung  wieder  in  Gang  kommen  und  das  Pressen  aufhören. 
Besteht  dagegen  eine  stärkere  Cyanose  des  Gesichts,  so  weist  dies 
fast  in  allen  Fällen  auf  ein  Hindernis  in  den  Luftwegen  hin,  das 
auf  die  schon  mehrfach  beschriebene  Weise  beseitigt  werden 
muss.  Es  scheint  dann  aber  auch  noch  eine  Form  der  Atmungs¬ 
behinderung  im  Beginn  der  Narkose  zu  geben,  die  auf  reflek¬ 
torischer  Basis  beruht.  Man  beobachtet  wenigstens  manchmal, 
trotzdem  die  Zunge  vorgezogen,  Mund  und  Pharynx  gereinigt 
sind,  ein  Weiterbestehen  der  stridorösen  Atmung  und  der 
Cyanose;  manchmal  gesellt  sich  sogar  längeres  Aussetzen  der 
Atmung  dazu.  In  allen  diesen  Fällen  verbanden  wir  mit  den 
oben  angeführten  Massnahmen  noch  das  Lüften  des  Unterkiefers 
und  künstliche  Atmung  und  es  gelang  uns  denn  auch  in  allen 
Fällen  meistens  schon  nach  wenigen  Minuten  wieder  eine  ruhige, 
freie  Atmung  herzustellen,  die  dann  auch  während  der  ganzen 
weiteren  Narkose  bestehen  blieb.  In  ganz  verzweifelten  Fällen 
käme  natürlich  die  Tracheotomie  in  Betracht,  Wir  kamen  glück¬ 
licher  Weise  nie  in  die  Lage,  dieselbe  ausführen  zu  müssen. 
Bezüglich  des  Kieferlüftens  möchte  ich  auch  noch  einige  Worte 
einflechten:  Man  sieht  sehr  häufig,  wie  Narkotiseure  bei  diesem 
Handgriff  gewaltsam  mit  den  auf  das  Kinn  des  Patienten  auf¬ 
gelegten  Daumen  den  Unterkiefer  herabdrücken.  Dass  sie  sich 
der  eigen tli dien  Wirkung  des  Kieferlüftens  nicht  bewusst  sind, 
liegt  auf  der  Hand.  Dieselbe  liegt  ja  doch  darin,  dass  durch 
Vorschieben  des  Kiefers  die  Zunge  durch  Anspannen  des 
M.  geniogloss.,  das-  Zungenbein  durch  Anspannen  des  M.  mylo¬ 
hyoideus,  der  M.  geniohyoid.  und  der  vorderen  Bäuche  der 
Mm.  bivent.,  die  Epiglottis  aber  durch  Zug  an  den  Lig.  hyo- 
epiglottic.  nach  vom  gezogen  wird,  wie  Kappeier  an  seinen 
Leichenversuchen,  bei  denen  er  den  Pharynx  und  Larynx  durch 
Abmeisseln  der  Schädelbasis  sichtbar  machte,  deutlich  nach¬ 
gewiesen  hat.  Ein  Herabdrücken  des  Unterkiefers  ist  also  völlig 
wertlos.  Man  hört  dabei  manchmal  den  Einwand,  es  werde  aber 
auf  diese  Art  der  Mund  geöffnet.  Erstens  ist  dies  zu  einer 
ruhigen  Atmung  nicht  immer  absolut  notwendig,  da  der  Patient 
auch  durch  die  Nase  atmen  kann  und  zweitens,  wenn  die  Oeff- 
nung  des  Mundes  aus  irgend  einem  Grunde  notwendig  sein  sollte, 
dann  wird  sie  viel  sicherer  und  prompter  durch  irgend  eine  Mund¬ 
sperre  besorgt.  Zum  Vorziehen  der  Zunge  benützen  wir,  wie 
oben  erwähnt,  eine  kleine,  ca.  20  cm  lange  M  u  s  e  u  x  sehe  Haken¬ 
zange  mit  sehr  dünnen,  feinen  Zähnen,  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen:  Mit  der  ja  wohl  am  meisten  gebräuchlichen  Zungen¬ 
quetschzange  erlebten  wir  sehr  häufig,  besonders  wenn  die  Zange 
längere  Zeit  angelegt  blieb,  sehr  schmerzhafte  Oedeme.  Wie  ich 
bei  anderen  Autoren  beschrieben  fand,  sollen  diese  Oedeme 
manchmal  einen  derartigen  Umfang  annehmen  können,  dass  sie 
die  Rima  oris  völlig  ausfüllend  ein  direktes  Atmungshindernis 
darstellen.  Dieser  Misstand  ist  durch  die  Anwendung  der 
M  u  s  e  u  x  sehen  Hakenzange  völlig  beseitigt.  Die  kleinen  Zähne 
machen  so  gut  wie  gar  keine  Verletzung.  Das  Instrument  selbst 
wird  vor  jeder  Narkose  sterilisiert.  Höchst  selten  klagt  einmal 
eine  Patientin  nach  der  Narkose  über  ein  unangenehmes  Gefühl 
in  der  Zungenspitze;  alle  beruhigen  sich  sofort  wieder,  wenn  man 
ihnen  sagt,  sie  hätten  sich  wahrscheinlich  während  der  Narkose 
etwas  auf  die  Zungenspitze  gebissen.  Hauptbedingung  ist,  dass 
man  nur  die  Zungenspitze  fasst,  um  eine  Verletzung  der  Art. 
profunda  linguae  zu  vermeiden.  Sehr  praktisch  erweist  sich  fol¬ 
gendes  Verfahren:  Man  fasst  die  nach  hinten  gefallene  Zunge 
mit  der  gewöhnlichen  Zungenquetschzange,  zieht  sie  vor  die 
Zahnreihe,  hakt  sie  mit  der  M  u  s  e  u  x  sehen  Zange  an  und  lässt 
die  letztere,  die  mit  Cremaillere  versehen  ist,  angehakt 
liegen.  Ich  halte  dieses  Verfahren  auch  für  praktischer  als  das 
von  manchen  Operateuren  angewandte  Durchziehen  einer  Seiden¬ 
naht  durch  die  Zunge,  denn  erstens  ist  die  Verletzung  der  mit, 
einer  Nadel  völlig  durchstochenen  Zunge  eine  grössere,  infolge 
dessen  wird  auch  der  Patient  über  stärkere  Schmerzen  an  der 

3 


No.-  48. 


MTIENCIIENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCTI Tt I  FT. 


Xunfrc  nach  der  Narkose  klagen,  und  zweitens  ist  die  M  u  s  t  u  x 
sehe  Zange  besser  zu  sterilisieren  als  ein  Seidenfaden.  Ausserdem 
ist  das  Verfahren  mit  Museux  scher  Zange  viel  einfacher  und 
handlicher  als  das  Durchlegen  einer  Seidennaht  durch  die  Zunge. 
Wir  sind  nun  vorhin  bei  der  Beschreibung  unseres  Narkosen - 
Verfahrens  in  dem  Moment  stehen  geblieben,  als  bei  der  Patientin 
das  Toleranzstadium  erreicht  war.  Die  weitere  Narkose  gestaltet 
sich  sehr  einfach.  Der  Narkotiseur  prüft  ca.  alle  3  Minuten  den 
Pupillarreflex ;  sowie  er  auch  nur  das  geringste  Reagieren  von 
seiten  der  Pupillen,  sei  es  auf  Lichteinfall,  sei  es  auf  Berührung 
der  Kornea  bemerkt,  gibt  er  wieder  tropfenweise  in  der  anfangs 
beschriebenen  Frequenz  Chloroform  auf,  solange,  bis  wieder  das 
Stadium  der  engsten,  reaktionslosen  Pupille  erreicht  ist.  Dieses 
Spiel  wiederholt  sich  solange,  als  die  Patientin  in  Narkose  bleiben 
soll.  Wie  schon  oben  erwähnt,  bleibt  die  Maske  auch  in  der 
Zeit,  in  der  kein  Chloroform  aufgetropft  wird,  auf  dem  Gesicht 
der  Patientin  liegen,  weil  auf  diese  Art  eine  grosse  Chloroform¬ 
ersparnis  erzielt  werden  kann.  Wir  erreichen  z.  B.  durch  diese 
Methode,  dass  wir  ca.  10 — 15  Minuten  vor  Schluss  der  Operation 
schon  mit  Narkotisieren  aufhören  können  und  die  Patientin  sich 
trotzdem  in  vollkommener  Toleranz  befindet.  Nimmt  man  nun 
die  Maske  vom  Gesicht  der  Patientin  ab,  so  ist  diese  fast  regel¬ 
mässig  in  wenigen  Minuten  wach.  Nach  dem  Weglassen  dei 
Maske  ruft  der  Narkotiseur  von  Zeit  zu  Zeit  die  Patientin  an, 
um  zu  konstatieren,  ob  sie  erwacht.  Auf  alle  Fälle  bleibt  der 
Narkotiseur  so  lange  bei  der  Patientin,  bis  sie  ihm  auf  seine 
Fragen  geordnete  Antworten  gibt.  Nach  der  Narkose  wird  jede 
Patientin  in  ein  gut  gelüftetes  Zimmer  gebracht. 

Nun  noch  einige  Worte  über  die  Nachbehandlung  nach  einer 
Narkose.  Tritt  am  Tage  der  Narkose  kein  Erbrechen  auf,  so 
geben  wir  gegen  den  meist  sehr  quälenden  Durst  kalten  Thee, 
Zitronenlimonade,  Wein  mit  Wasser,  Eisstückchen  u.  s.  w.  Feste 
Speisen  bekommen  die  Patientinnen  am  Tag  der  Narkose  nicht, 
dagegen  wird  ihnen  am  ersten  Tag  nach  der  Narkose  schon 
wieder  leicht  verdauliche,  am  zweiten  Tag  meistens  schon  wieder 
die  volle  Kost  gegeben.  Ist  dagegen  nach  der  Narkose  das  Er¬ 
brechen  sehr  stark,  so  geben  wir  gar  nichts,  ausser  gegen  den 
starken  Durst  kleine  Eisstückchen,  die  die  Patientin  im  Munde 
zergehen  lässt ;  sie  muss  dann  aber  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dass  sie  das  Eiswasser  ausspucken  muss,  da  dieses,  wenn 
es  in  den  Magen  gelangt,  leicht  zu  erneutem  Erbrechen  \  er- 
anlassung  gibt.  In  den  meisten  Fällen  haben  wir  auf  diese 
Weise  das  Erbrechen  auf  den  ersten  Tag  beschränken  können. 
In  sehr  hartnäckigen  Fällen  habe  ich  manchmal  mit  gutem  Er¬ 
folg  Salzsäure  oder  Potio  Riveri  (letztere  gut  in  Eis  gekühlt, 
stündlich  1  Esslöffel)  gegeben. 

Eine  der  wichtigsten  Wirkungen  unserer  Narkosenaufzeich¬ 
nungen  ist  die  Selbstkontrolle,  auf  Grund  welcher  es  möglich 
ist,  den  Chloroformkonsum  mit  der  Zeit  auf  ein  Minimum 
herabzudrücken. 

Zum  Schlüsse  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht,  meinem 
hochverehrten  Chef,  Herrn  Professor  Dr.  Klei  n,  für  die  Ueber- 
lassung  des  Materials  und  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  meinen 
verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

Literatur: 

H.  Tillmanns:  Lehrbuch  der  allgem.  Chirurgie.  1897. 

A.  C  zempin:  Die  Technik  der  Chloroformnarkose  für  Aerzte. 
und  Studierende.  1897.  —  Kappel  er:  Anästhetika.  Deutsche 
Chirurgie,  Lfg.  20,  18S0.  —  Gurlt:  Zur  Narkotisierungsstatistik. 
Verband!.  d.  Deutsch.  Gesellsch.  f.  Chir.  G.  Bericht  1S95— 1897. 


Selbsttätiger  Aetherflaschenverschluss  für  die 

Narkose. 

Von  Dr.  med.  Arnold  Kurrer  in  Lorch  (Württbg.). 

Die  Erkenntnis  der  grossen  Vorteile,  w eiche  der  Aetlier  dem 
Chloroform  gegenüber  bei  vielen  Patienten  bietet,  hat  zu  der  all¬ 
gemeinen  Einführung  der  Aethernarkose  sowohl 
in  den  Krankenhäusern  als  bei  den  praktischen  Aerzten  geführt. 

Trotz  der  weiten  Verbreitung  der  Aethernarkose  findet  sich 
jedoch  in  keinem  der  mir  zugänglichen  Kataloge  von  Instrumenten¬ 
fabriken  oder  Lieferanten  von  medizinischen  Gebrauchsartikeln 
irgend  ein  Aetherflaschenverschluss,  mit  anderen  Wollen:  bei  der 
Einleitung  der  Aethernarkose  wurde  der  Aetlier  bisher  offenbar 
direkt  aus  der  Flasche  nach  Abnahme  des  Korkstöpsels  auf  die  be¬ 
kannte  grosse  Maske  gegossen.  Die  Aetherflasche  musste  zu  dem 
Zweck  mit  der  rechten  Hand  erfasst  und  mit  der  linken  der  Kork 
abgenommen  werden;  dann  konnte  der  Aetlier  in  die  Maske  ge¬ 


gossen  und  letztere  wieder  vor  die  Atemöffnungen  des  Patienten 
gebracht  werden.  Zum  Schluss  müsste  der  Kork  wieder  auf  die 
Flasche  gesetzt  und  letztere  zurückgestellt  werden. 

Dass  das  Abnahmen  und  Aufsetzen  des  Korkes  von  der 
Aetherflasche  in  manchen  Stadien  der  Narkose  sehr  unbequem  und 
zeitraubend  ist,  kann  jeder  ermessen,  der  schon  Aethernarkosen 
einzuleiten  Gelegenheit  hatte.  Gerade  wenn  der  Patient  die  eine 
Hand  des  Narkotiseurs,  wie  bei  Brechbewegungen,  vollständig  in 
Anspruch  nimmt,  ist  das  Aufgiessen  von  Aetlier  am  dringendsten, 
und  so  muss  das  ganze  geschilderte  Geschäft  des  Abnehmens  des 
Korkes,  Abnelmiens  der  Maske,  Auf  giessen  des  Aetliers  und 
Wiederauf  setzen  des  Korkes,  mit  einer  Hand  ausgeführt  werden. 

Hierdurch  geht  viel  Zeit  verloren  und  der  Patient  kommt  oft 
mehr  als  angenehm  aus  der  bereits  im  Gange  befindlichen  Narkose; 
das  Abnehmen  des  naturgemäss  fest  sitzenden  Korkes  und  das 
Wiederaufsetzen  mit  einer  Hand  ist  schwierig  und  nur  zu  oft  gebt 
ein  Teil  des  nicht  gerade  billigen  Inhalts  der  Flasche  durch  I  m- 
schütten  oder  Umkippen  verloren. 

In  manchen  Kliniken  ist  daher  zur  Aethernarkose  eine 
sogen.  Spritzfla  sch  e  aus  weis  sein  Glas  in  Gebrauch.  Ab¬ 
gesehen  von  dem  weissen  Glas,  das,  nicht  den  Vorschriften  der 
Pharmakopoe  entsprechend,  leicht  eine  Zersetzung  des  Aetliers 
durch  das  Tageslicht  ermöglicht  und  jedenfalls  durch  braunes  Glas 
ersetzt  werden  müsste,  ist  die  Spritzflasche  unhandlich  und  zu 
zerbrechlich.  An  eine  Verwendung  durch  den  praktischen  Arzt 
ausserhalb  seiner  Wohnung  ist  natürlich  nicht  zu  denken. 

Ich  habe  nun,  wie  die  beistehende  Abbildung  zeigt,  einen 
selbsttätigen  Aetherflaschenverschluss  konstruiert  (s.  Abbild,),  der 
sich  sowohl  auf  die  Flaschen  mit  150  g  Inhalt  —  denn  nur  solche 
dürfen  in  der  Apotheke  zur  Narkose  abgegeben  werden  — .  als 
auf  solche  von  grösserem  Inhalt,  wie  sie  in  Kliniken  und  Kranken¬ 
häusern  im  Gebrauch  sind,  aufsetzen  lässt.  Der  Verschluss  be¬ 
steht  aus  einem  Hahn,  an  dessen  Konus  aussen  ('in  bimförmiges 
Gewicht  angebracht  ist,  und  aus  einer  kleinen  Ausflusschnauze, 
aus  welcher  der  Aetlier  ausgegossen  wird:  sie  steht,  rechtwinklig  zu 
dem  durchbohrten  Konus. 

'  Steht  die  Flasche  mit  dem  aufgesetzten  Halm  auf  dem  Tisch, 
so  ist  der  Hahn  geschlossen  und  das  Gewicht  hängt  senkrecht 
nach  abwärts.  Neigt  man  die  Flasche,  wie  zum  Ausgiessen  des 
Inhalts  nötig,  nach  der  Seite  der  Ausflusschnauze,  so  bleibt  die 
Birne,  ihrer  Schwere  folgend,  stets  nach  abwärts  gerichtet:  die 
Flasche  hat  sich  um  die  Achse  des  Konus  gedreht  und  die  Durch¬ 
bohrung  des  letzteren  steht  in  der  Achse  des  Ausflusses:  der 
II  a  hn  hat.  sich  selbsttätig  ge  ö  f  fnet  (s.  Abbild.).  Bei 
dem  Abstellen  der  Flasche  auf  den  Tisch  erfolgt  die  rückläufige 
Bewegung:  der  Hahn  ist  wieder  geschlossen  (s.  Abbild.). 


Wird  die  Flasche  über  die  Horizontale  geneigt,  so  würde  der 
Konus  sich  wieder  scliliessen;  um  dies  zu  verhindern,  ist  eine 
Arretierung  angebracht.  Von  Zeit  zu  Zeit,  ist  der  Konus  mit'einem 
Tröpfchen  Glyzerin  zu  ölen. 

Bekanntlich  zersetzt  sich  dqr  Aetlier  bei  Luftzutritt  rasch 
unter  Bildung  von  Wasserstoffsuperoxyd  und  weiter  von  Acet- 
Aldeliyd:  beides  sind  für  die  Narkose  gefährliche  Produkte.  Es 
war  daher  zu  untersuchen,  ob  der  selbsttätige  Verschluss  absolut 
luftdicht  abschliesst.  Herr  Oberapotheker  Speth,  Vorstand  der 
Apotheke  des  Krankenhauses  1/1.  in  München,  hatte  die  grosse 
Güte,  diese  Prüfung  vorzunehmen  und  es  ergab  sich,  dass  der 
Aetlier  in  einer  braunen  Flasche  mit  meinem  selbsttätigen  Ver¬ 
schluss  ebenso  tadellos  bleibt,  wie  mit  einem  guten  Korkverschluss. 
Und  da  der  Konus  sehr  fein  eingeschliffen  ist,  so  kann  die  mit 
Aetlier  gefüllte  Flasche  bei  festgehaltenem  Verschluss  auf  den 
Kopf  gestellt  werden,  ohne  dass  ein  Tropfen  Aetlier  ausfliesst. 

In  den  Kliniken  kann  deshalb  eine  mit  meinem  Verschluss 
versehene  grosse  braune  Aetherflasche  stets  gefüllt  gehalten  wer¬ 
den,  ohne  dass  eine  Zersetzung  oder  Verflüchtigung  des  Aetliers 
zu  befürchten  ist.  Beim  Narkotisieren  darf  die  Flasche  nur  ge¬ 
neigt  werden,  der  Hahn  öffnet  sich  von  selbst  und  lässt  Aetlier 
ausfliessen.  Beim  Abstellen  der  Flasche  scliliesst  er  von  selbst. 
Die  ganze  Manipulation  besorgt  eine  Hand  mit  Leichtigkeit. 

Dass  der  selbsttätige  Hahn  einfach  und  praktisch  ist  und 
einem  anerkannten  Bedürfnis  entspricht,  dürfte  die  Tatsache  be- 


2.  Dezember  1002. 


2003 


M 1 1 ENC I T  ENER  M  EDI  CI  N 


weisen,  dass  er  bereits  in  München  an  der  k.  Universitäts-Frauen¬ 
klinik:  Direktor  Herr  Geh.  Rat  v.  Winckel,  an  der  k.  Chirur¬ 
gischen  Klinik:  Direktor  Herr  Obermed.-Rat  Dr.  v.  Angerer  und 
im  Roten  Kreuz  bei  Herrn  Privatdozent  Dr.  J.  A.  A  m  a  n  n  in 
stetem  Gebrauch  für  die  Aethernarkose  ist  und  die  genannten 
Herren  dem  Verschluss  von  Anfang  an  ein  lebhaftes  Interesse  ent¬ 
gegenbrachten,  für  das  ich  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet  bin. 

Ich  hoffe,  durch  den  neuen  Verschluss  die  Narkose  mit  Aether 
wesentlich  vereinfacht  und  angenehmer  gestaltet  zu  haben,  und 
zweifle  nicht,  dass  derselbe  sich  zahlreiche  Freunde  erwerben  wird. 

Anmerk  u  n  g:  Hergestellt  wird  der  Verschluss  durch 
C.  Stief  enhof  er,  Fabrik  von  chirurgischen  Instrumenten  und 
Krankenpflegeartikeln  in  München,  Karlsplatz  6. 


Aus  dem  Laboratorium  des  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Johannes 

Müller  in  Würzburg. 

Untersuchungen  über  den  Umfang  der  Eiweissver¬ 
dauung  im  Magen  des  Menschen,  auch  bei  gleich¬ 
zeitiger  Darreichung  von  Kohlehydraten. 

Von  Dr.  Ernst  Heinrich  in  Kassel- Wilhelmshöhe. 

Während  der  früher  gehegte  Gedanke  eines  absoluten  Paral¬ 
lelismus  der  Proteolyse  bei  magengesunden  Individuen  verschie¬ 
dener  Konstitution,  Altersstufe  u.  s.  w.  fallen  gelassen  werden 
musste  und  während  es  als  feststehend  gelten  durfte,  dass  die 
Proteolyse  auch  bei  demselben  Individuum  bei  einer  Nah¬ 
rung,  deren  Qualität  verschieden  ist,  innerhalb  weiter  Grenzen 
schwankt,  so  hat  es  sich  andrerseits  doch  herausgestellt,  dass  bei 
demselben  Individuum  zwischen  der  gleichen  Speise  und  der 
Verdauungsarbeit  eine  vollkommene  Proportionalität  besteht 
(C  ahn1),  P  a  w  1  o  w  ').  Namentlich  die  Versuche  P  a  w  1  o  w  s 
haben  wenigstens  bei  Hunden  (aber  gerade  diese  Teile  seiner  Ar¬ 
beit  dürfen  wohl  am  ehesten  auch  auf  den  menschlichen  Magen 
übertragen  werden)  gezeigt,  wie  konstant  die  vollendete  Anpas¬ 
sung  der  Arbeit  der  Magendrüsen  für  die  jeweilige  Nahrung  ist. 

Es  durfte  gehofft  werden,  dass  hei  einer  so  ausserordentlich 
gesetzmässigen  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen  auch  der  Erfolg 
dieser  Arbeit  ein  gesetzmässiger  sein  werde,  dass  also  von  dem¬ 
selben  Individuum  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  innerhalb 
gewisser  Grenzen  tatsächlich  gleichmässige  Mengen  an  Eiweiss¬ 
verdauungsprodukten  im  Magen  gebildet  werden  würden. 

Die  Menge  von  Verdauungsprodukten  aber  für  eine  ge¬ 
gebene  Zeit  zu  messen,  dafür  hat  es  bisher  an  einer  Methode  ge¬ 
fehlt.  Denn  die  Eeststellung  der  relativen  Pepsinmenge,  wie  sie 
in  einer  g'rossen  Anzahl  von  Arbeiten 3)  unternommen  ist,  hat 
nur  zu  einer  Bestimmung  der  verdauenden  Kraft  führen, 
über  die  tatsächlich  gebildete  Menge  von  Verdauungsprodukten 
aber  ebensowenig  wie  die  zahlreichen  qualitativen  Analysen  etwas 
aussagen  können.  Indessen  war  auch  bei  diesen  Versuchen  eine 
ziemlich  weitgehende- Ilebereinstimmung  vorhanden. 

Ausgehend  von  Versuchen,  die  er  mit  seinen  Schülern 
II  ensay1)  und  Da  uh  er5)  anstellte,  um  den  Umfang  der 
Stärkeverdaüung  im  Magen  festzustellen,  hat  nun  Johannes 
Müller0)  eine  Methode  ausgearbeitet,  die  es  gestattet,  nach 
einer  beliebigen  Zeit  die  Menge  der  im  Magen  gebildeten  Ver¬ 
dauungsprodukte  zu  messen.  Diese  Methode  beruht  in  ihren 
Grundzügen  auf  der  ITeberlegung,  dass,  wenn  man  bei  Kohle¬ 
hydratnahrung  im  ausgepressten  Mageninhalt  das  Verhältnis  der 
gelösten  zu  den  ungelösten  Bestandteilen  feststellt,  dieses  Ver¬ 
hältnis  übertragen  werden  kann  auf  die  Gesamtmenge  der  genos¬ 
senen  Kohlehydrate.  Zum  mindesten  wird  durch  diese  Prozent¬ 
zahl  das  M  inimu  m  der  Kohlehydratlösung  festgestellt  werden, 
da  wir  wissen,  dass  der  Magen  die  Fähigkeit  besitzt,  sich  zu- 

1) .  Gähn:  Die  Verdauung  des  Fleisches  im  normalen  Magen. 
Zeitsehr.  f.  klin.  Med.  Bd.  12,  1887. 

2)  Pawlow:  Die  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen.  Wiesbaden 
1898  und-:  Das  Experiment  als  zeitgemässe  und  einheitliche  Me¬ 
thode  medizinischer  Forschung.  Wiesbaden  .1900, 

3)  Genauere  Literaturangaben  u.  a.  bei  Schiff:  Beitr.  z. 
Physiol.  u.  Pathol.  d.  Pepsinsekretion.  Arch.  f.  Verdauungskrankh. 
Bd.  6,  1900. 

*)  Ueber  die  Speichelverdauung  der  Kohlehydrate  im  Magen. 
Münch,  med.  Woc-henschr.  1901,  No.  30. 

B)  Experimentelle  Untersuchungen  über  den  Umfang  der 
Stärke  Verdauung  im  Mund  und  Magen  des  Menschen  bei  Brot¬ 
genuss.  Inaug.-Diss.,  Würzburg  1901. 

°)  Ueber  den  Umfang  der  Stärkeverdauung  im  Mund  und 
Magen  des  Menschen.  Verhandl.  d.  XIX.  Kongresses  f.  innere 
Med.  Wiesbaden  1901. 


I  S<  HIE  WOCHENSCII  IM  ET. 


nächst  der  gelösten  Bestandteile  in  den  Darm  zu  entledigen, 
diese  Fähigkeit  also  das  Verhältnis  zu  ungunsten  des  Gelösten 
verschieben  muss. 

Auf  eine  ausführlichere  theoretische  Begründung  der 
Müller  sehen  Methode  und  die  Einwände,  die  gegen  ihre  Ge¬ 
nauigkeit  geltend  gemacht  werden  könnten,  hier  einzugehen,  kann 
ich  um  so  eher  unterlassen,  als  in  den  Arbeiten  von  Müller7) 
und  Schroeder8 *)  darüber  breiter  gesprochen  ist.  —  Die  Me¬ 
thode  auch  zur  Feststellung  des  Grades  der  Proteolyse  im  Magen 
anzuwenden,  stand  nichts  im  Wege.  Bestimmt  man  bei  magen¬ 
gesunden  Individuen  nach  einer  gleichen  Eiweissnahrung  und 
nach  gleichen  Zeiten  den  Prozentsatz  des  gelösten  Eiweisses  im 
ausgepressten  Mageninhalt,  so  wird  man  wiederum  wenigstens 
das  Minimum  der  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  normalen 
Eiweisslösung  erhalten.  So  wird  man  auch  nach  einer  genügend 
grossen  Reihe  von  Untersuchungen  zu  einer  Durchschnittszahl 
kommen,  die  innerhalb  gewisser  Grenzen  schwankt,  die  aber 
für  dieselbe  Eiweissnahrung  und  dieselbe 
Zeit  als  Norm  einer  physiologischen  Proteo¬ 
lyse  im  Magen  gelten  darf  und  die  uns  durch  ihre 
Veränderung  bei  pathologischen  Verhältnissen  einen  Anhalt  zur 
Beurteilung  der  chemischen  Arbeitsleistung  des  Magens  bieten 
kann.  Wenn  anders  die  Ueberführung  von  wasserunlöslichen 
Ei  weisstoffen  in  eine  lösliche  Form  überhaupt  als  Ausdruck  der 
chemischen  Verdauungsarbeit  des  Magens  gelten  darf. 

Diese  Frage  hat  neuerdings  A.  Schmidt8)  zur  Diskussion 
gestellt,  indem  er  sagt :  „Legt  man  sich  die  Frage  vor,  worin  denn 
die  chemische  Verdauungsarbeit  des  Magens  hauptsächlich  be¬ 
stellt,  so  muss,  wie  ich  glaube,  die  Antwort  darauf  lauten :  we¬ 
niger  in  der  Lösung  resp.  der  Ueberführung  der  Nahrungsmittel 
in  einen  direkt  resorptionsfähigen  Zustand,  als  vielmehr  in  ihrer 
(chemischen)  Zerkleinerung“.  Um  diese  Auffassung  sicher  zu 
stellen,  fehle  es  allerdings  bisher  an  exakten  qualitativen  Bestim¬ 
mungen  dessen,  was  gelöst  und  ungelöst  den  Magen  verlässt; 
sie  werden  wohl  beim  Menschen  auch  unmöglich  sein,  da  wir 
kein  Urteil  darüber  haben  können,  wie  das,  was  zur  Zeit  der  Aus¬ 
heberung  den  Magen  verlassen  hatte,  beschaffen  war10). 

Tierversuche11 12)  haben  nun  in  weitgehender  Uebereinstim- 
mung  gezeigt,  dass  beim  intakten  Tiere  der  grösste  Teil  des  Ei¬ 
weisses  erst  in  den  Darm  eintritt,  nachdem  er  im  Magen  gelöst 
resp.  peptonisiert  worden  ist,  und  dass  stets  nur  minimale  Mengen 
von  ungelöstem  Eiweiss  im  Dünndarm  angetroffen  werden. 
Dieser  Satz  muss  besonders  betont  werden  gegenüber  den 
Schlüssen,  die  z.  B.  Hammarsten  und  Gamgee“)  aus 
den  genannten  Versuchen  auf  die  peptische  Arbeit  des  Magens 
ziehen,  wenn  ich  auch  auf  eine  eingehendere  kritische  Betrach¬ 
tung  hier  verzichten  muss.  Wenn  man  nun  aus  den  Tierver¬ 
suchen  einen  Analogieschluss  auf  den  Menschen  machen  dürfte 
(und  die  Resultate  qualitativer  Versuche  scheinen  das  nahe  zu 
legen),  so  würden  wir  annehmen  können,  dass  auch  bei  ihm  nur 
minimale  Mengen  ungelösten  Eiweisses  im  •  Dünndarm  ange¬ 
troffen  werden,  die  zusammen  mit  der  grösseren  Menge  des  Ge¬ 
lösten  aus  dem  Magen  herausgepresst  sind,  und  dass  im  wesent¬ 
lichen  die  Eiweisstoffe  den  Magen  in  gelöster  Form  verlassen. 
Das  wäre  aber  kein  Widerspruch  gegen  die  Schmidt  sehe 
Ansicht,  da  die  „chemische  Zerkleinerung“  sehr  wohl  nur  als 
der  Anfangsgrad  der  weiteren  „Lösung“  und  Umwandlung,  die 

7)  Müller:  1.  c.  S.  324  u.  ff. 

s)  Schroeder:  Experimentelle  Untersuchungen  über  den 
Umfang  der  Eiweissverdauung  im  Magen  des  Menschen.  Inaug.- 
Diss.,  Würzburg  1902.  S.  12—15. 

°)  Beiträge  zur  Diätotherapie  bei  Magen-  und  Darmkrank¬ 
heiten.  Münch,  med.  Woehenschr.  1902,  No.  6. 

10)  Bei  dem  von  Schmidt  zitierten  Pawlowsclien  Ver¬ 
suche,  wonach  im  Magen  des  Hundes  während  2  Stunden  nur 
31,0  Proz.  Fleisch  verdaut  waren,  ist-  darauf  aufmerksam  zu 
machen,  dass  die  25  Fleischstückehen,  die  je  4  g  schwer  waren, 
in  den  Magen  des  Hundes  gelegt  wurden,  ohne  dass  ein  Kauen  vor¬ 
herging  und  die  Anregung  der  Saftsekretion  nur  durch  Schein¬ 
fütterung  erzielt  wurde.  Jedenfalls  Verhältnisse,  die  mit  der  Norm 
nicht  zu  vergleichen  sind. 

n)  Schmiclt-Miihlheim:  Untersuchungen  über  die  Ver¬ 
dauung  der  Eiweisskörper.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  1879.  Calin: 
Die  Verdauung  des  Fleisches  im  normalen  Magen.  Zeitschr.  f. 
klin.  Med.  Bd.  12,  1887.  Ellenberger  und  Hofmeister: 
Die  Verdauung  von  Fleisch  bei  Sclrweinen.  Arch.  f.  Anat.  u. 
Phys.  1890  u.  a.. 

12)  Hammarsten:  Lehrb.  d.  physiolog.  Chemie,  4.  Aufl. 
Wiesbaden  1899.  S.  277  u.  ff.  Garn  ge  e:  Die  physiolog.  Chemie 
der  Verdauung.  Leipzig  u.  Wien  1897.  S.  170  ff. 


3* 


2004 


MUENCIIFNER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


wahrscheinlich  sehr  schnell  vor  sich  geht,  angesehen  werden 
muss.  Hie  chemische  Hauptarbeit  des  Magens  wäre  geleistet, 
wenn  er  die  Albumine  in  eine  Form  gebracht  hat,  in  der  sie 
fiir  den  Eintritt  in  den  Darm  am  geeignetsten  sind,  und  so 
können  wir  uns,  ganz  abgesehen  davon,  ob  die  gelösten  Mengen 
als  echte  Peptone  oder  ihre  Vorstufen  in  den  Darm  eintreten, 
aus  der  quantitativen  Bestimmung  der  tatsächlich  im  Magen 
gelösten  Eiweisstoffe  ein  anschauliches  Bild  der  geleisteten  Ver¬ 
dauungsarbeit  des  menschlichen  Magens  machen. 

Auf  Grund  der  oben  geschilderten  Müller  sehen  Methode 
haben  wir  in  einer  Reihe  von  Versuchen  an  gesunden  Männern, 
deren  Magenchemismus  und  Motilität  normal  war,  diese  quan¬ 
titativen  Bestimmungen  ausgeführt.  Sie  bekamen  Morgens 
nüchtern  eine  Nahrung,  die  aus  fettfreiem  guten  Rindfleisch,  mit 
Wasser  und  Salz  gekocht,  fein  gehackt  in  der  dazu  gehörenden 
Fleischbrühe  (200  ccm)  genossen  wurde,  die  also  ebensowohl  dem 
gewöhnlichen,  physiologischen  Geschmack  entsprach,  als  auch 
durch  die  Extraktivstoffe  eine  kräftige  Erregung  der  Magen¬ 
sekretion  veranlasste.  Es  wurde  regelmässig  1  Kilo  Fleisch  mit 
3  Kilo  Wasser  gekocht  und  von  dem  gekochten  Fleisch  wurden 
200  g  verabreicht.  Nach  einer  Stunde  wurde  exprimiert,  von 
30  ccm  des  gut  gemischten  Mageninhalts  der  flüssige  Teil  vom 
festen  Rückstände  durch  Zentrifugieren  getrennt,  was  immer 
leicht  und  gründlich  nach  3  maligem  Auf  schwemmen  des  Boden¬ 
satzes  mit  destilliertem  Wasser  gelang,  und  der  N-Gehalt  der 
gelösten  und  ungelösten  Portion  nach  Kjeldahl  bestimmt. 
Um  ein  sichereres  Resultat  zu  erhalten,  wurden  stets  von  einer 
jeden  Mahlzeit  Doppelbestimmungen  gemacht.  Der  N-Gehalt 
des  Leims  und  der  Extraktivstoffe  wurde  nicht  besonders  be¬ 
achtet  und  die  ganze  eingeführte  Eiweissmenge  als  wasser¬ 
unlöslich  angenommen,  da  der  damit  begangene  Fehler  klein  und 
konstant  ist,  für  unsere  Verhältniszahlen  also  nicht  wesentlich 
in  Betracht  kam.  Diese  Verhältniszahlen  werden  auch  nicht 
verändert  durch  getrunkene  Flüssigkeit.  Wir  haben  nämlich 
bei  der  Mehrzahl  unserer  Versuche  kurz  vor  der  Expression  ein 
Glas  Wasser  trinken  und  durch  hüpfende  Bewegungen  den 
Mageninhalt  gründlich  mischen  lassen,  da  einige  Versuche  miss¬ 
langen,  weil  der  Mageninhalt  zu  trocken  war.  Es  war  das  der 
Fall  bei  Leuten,  die  lange  Zeit  vor  der  Probemahlzeit  gefastet 
hatten,  bei  denen  die  Hauptmenge  des  Flüssigen  und  Gelösten 
rasch  in  den  leeren  hungernden  Darm  abgeführt  war.  Unter 
diesen  Gesichtspunkt  fällt  zum  Teil  auch  unser  Versuch 
No.  1  (Z.).  Leider  musste  infolge  des  Wassertrinkens  eine  Be¬ 
stimmung  der  Azidität  wertlos  sein,  wenn  auch  auf  der  anderen 
Seite  dadurch  eine  innigere  Mischung  des  Mageninhaltes  er¬ 
reicht  wurde. 

Um  festzustellen,  ob  und  wie  die  Proteolyse  durch  gleich¬ 
zeitige  Darreichung  von  Kohlehydraten  beeinflusst  wird,  gaben 
wir  den  Versuchspersonen  an  einem  Tage  die  geschilderte  Nah¬ 
rung  —  200  g  Fleisch  in  Bouillon  — ,  am  darauffolgenden  Tage 
175  g  Fleisch  und  25  g  gekochten  Reis  in  Bouillon.  Die  Behand¬ 
lung  des  Exprimierten  war  die  gleiche. 

Versuch  1. 

Z.,  2S  Jahre  alt,  Kaufmann,  erhält  Früh  nüchtern  200  g  ge¬ 
kochtes,  fein  gehacktes  Rindfleisch  in  200  g  Fleischbrühe.  Ex¬ 
pression  nach  %  Stunden 13).  Zwei  Porttonen  zu  je  30  ccm  werden, 
wie  oben  beschrieben,  zentrifugiert,  das  Gelöste  vom  Ungelösten 
vollkommen  getrennt.  Oxydation  jedes  einzelnen  Anteils  mit 
1  kleinen  Messerspitze  gelben  Quecksilberoxyds  und  20  ccm  konz. 
H2S04.  Nach  Zusatz  der  entsprechenden  Mengen  K2S  und  starker 
Natronlauge  Destillation  des  gebildeten  NH3,  das  in  y4  N.  H2S04 
aufgefangen  wird.  Titration  mit  y4  N.  Na  OH  und  Cochenille  als 
Indikator. 

Das  Exprimierte  gibt  stark  saure  Reaktion.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NHä-Gebalt  d  gelöst.  Ei weissan teils  sättigt  11,5  ccm  */4  N-H2SO4 
„  „  „  „  festen  ,  „  63,05  „  „ 

Portion  B. 

Der  NHs-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  —  ccm  */ 4  N-H2SO4 
>,  n  »  »  festen  ,,  „  66,05  „  „ 

Es  kommt  also  ein  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  5,48  Teile  un¬ 
gelöstes  =  15,4  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  2. 

Derselbe.  175  g  Fleisch  in  Bouillon  mit  25  g  Reis.  Expression 

nach  %  Stunden. 

13)  Aus  besonderen  äusseren  Gründen  wurde  hier  schon  nach 
%  Stunden  exprimiert. 


Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NFU-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  15,5  ccm  */4  N-H2SO4 
„  ,,  »  n  festen  „  „  »  » 

Portion  B. 

Der  NIL-Gehalt  d.  gelüst.  Eiweissanteils  sättigt  13,2  ccm  */4  N-H2SO4 
„  „  „  -  festen  „  „  46,15  „ 

Es  kommt  also  1  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  3,48  ungelöstes 
—  22,3  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  3. 

E.,  28  Jahre  alt,  Koi’bmacher.  200  g  Fleisch  in  Bouillon.  Ex¬ 
pression  Dach  1  Stunde. 

Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NH3-Gehalt  dl  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  19,6  ccm  l/i  N-H2SO4 
„  ,,  ,,  ,,  festen  ,,  ,,  36,43  ,,  „ 

Portion  B. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  22,0  ccm  i/i  N-H2SO4 
„  „  „  ,,  festen  „  ,,  41,2  „  „ 

Es  kommt  also  im  Mittel  1  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  1,86  un 
gelöstes  —  35,0  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  4. 

Derselbe.  175  g  Fleisch  in  Bouillon  mit  25  g  Reis.  Ex¬ 
pression  nach  1  Stunde. 

Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  26,3  ccm  1/4  N-H2SO4 


festen 


41,7  „ 


Portion  B. 

Der  NPU-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  28,1  ccm  i/i  N-H2SO4 
,,  „  „  ,,  festen  „  ,,  42,4  „  „ 

Es  kommt  also  im  Mittel  1  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  1,55  un¬ 
gelöstes  — :  39,2  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  5. 

B.,  20  Jahre  alt,  Former.  200  g  Fleisch  in  Bouillon.  Ex¬ 
pression  nach  1  Stunde. 

Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  12,7  ccm  ‘/4  N-H2SO4 
„  „  „  „  festen  „  „  45,3  „  „ 

Portion  B. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  12,8  ccm  */ 4  N-II2SO4 
„  ,,  „  ,,  festen  ,,  „  37,35  ,,  ,, 

Es  kommt  also  im  Mittel  1  Teil  gelöstes  Eiwreiss  auf  3,22  un¬ 
gelöstes  =  23,7  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  6. 

Derselbe.  175  g  Fleisch  in  Bouillon  mit  25  g  Reis.  Ex¬ 
pression  nach  1  Stunde. 

Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  17,0  ccm  1ji  N-H2SO4 


festen 


28,3  „ 


Portion  B. 

Der  NPU-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  18,4  ccm  */4  N-H2SO4 
»  »  »  »  f osten  „  ,,  27,1  „  „ 

Es  kommt  also  im  Mittel  1  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  1,57  un¬ 
gelöstes  =  39,1  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  7. 

B.,  20  Jahre  alt,  Fuhrknecht.  200  g  Fleisch  in  Bouillon.  Ex¬ 
pression  nach  1  Stunde. 

Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  13,3  ccm  1/i  N-H2SO4 
»  »  »  »  festen  „  „  45,3  „  „ 

Portion  B. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissan teils  sättigt  14,8  ccm  N-H2SO4 
»  j>  »  »  festen  „  „  46,1  „  „ 

Es  kommt  also  im  Mittel  1  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  3,25  Teile 
ungelöstes  =  23,5  Proz.  gelöstes  Eiweiss. 

Versuch  8. 

Derselbe.  175  g  Fleisch  in  Bouillon  mit  25  g  Reis.  Ex¬ 
pression  nach  1  Stunde. 

Lakmus  stark  gerötet.  Kongo  negativ. 

Portion  A. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  20,8  ccm  1/ 4  N-H2SO4 
n  n  »  »  festen  „  „  43,8  „  „ 


2.  Dezember  1902 


2005 


M  l T  ENGE I  EN E Li  ME  DI C INISCHE  WO( '  1 1  ENS(  1 1  UI  ET 


Portion  B. 

Der  NH3-Gehalt  d.  gelöst.  Eiweissanteils  sättigt  19,1  ccm  l/t  N-H2SO4 
»  »  »  »  festen  „  „  52,0  „ 

Es  kommt  also  im  Mittel  1  Teil  gelöstes  Eiweiss  auf  2,39  un¬ 
gelöstes  =  29,5  Pröz.  gelöstes  Eiweiss. 


Verhältnis  d. 
gelösten  zum 
ungelösten 
Eiweiss 


Gelöstes  Ei¬ 
weiss  in  Proz 


Bemerkungen 


1.  Zerba 

2.  dto. 

3.  Eck 

4.  dto 

5.  Brust 

6.  dto 

7.  Bock 

8.  |  dto 

im  Mittel 
im  Mittel  bei 
Fleisch  ohne  Reis 
bei,,  mit  „ 


1  :  5,48 
1  :  3,48 
1  : 1,86 
l  :  1,55 
1  :  3,22 
1  :  1,57 
1. :  3,25 
1  :  2,39 
1  :  2,51 

1  :  3,09 
1  :  2,08 


15.4 

22.3 
35,0 
39,2 
23,7 
39,1 

23.5 

29.5 

28.5 

24.4 

32.5 


Fleisch  ohne  Reis 
„  mit 

„  ohne  „ 

„  mit 

„  ohne  „ 

„  mit 

„  ohne  „ 

„  mit 


Aus  den  Versuchen  ergibt  sich,  dass  beim  gesunden,  er¬ 
wachsenen  Mann  bei  unserer  Nahrung  die  Proteolyse  im  Magen 
gewissen  individuellen  Schwankungen  unterworfen  ist.  Wenn 
wir  —  auch  unter  Einrechnung  des  ersten  Versuchs  (Z.,  Ex¬ 
pression  nach  vi  Stunden),  der  nicht  ganz  beweiskräftig  ist  — 
aus  den  .Resultaten  Schroeders11),  die  auf  denselben  Grund¬ 
lagen  wie  die  unsrigen  aufgebaut  sind,  und  unseren  Versuchen 
Mittelzahlen  ziehen,  so  ergibt  sich  folgender  Durchschnitt 
für  das  Minimum  der  Eiweisslösung  im  Magen: 

Vers.  Heinrich,  Fleisch  ohne  Reis,  gelöstes  Eiweiss  24,4  Proz. 

„  Schroeder'5)  „  „  „  „  „  33,2  „ 

*  im  Mittel,  Fleisch  ohne  Reis:  28,8  Proz. 
Vers.  Heinrich,  Fleisch  mit  Reis,  gelöstes  Eiweiss  32,5  Proz. 

„  Schroeder15)  „  „  „  „  ,  43,4  „ 

im  Mittel,  Fleisch  mit  Reis  ■"):  38,0  Proz 

und  der  Durchschnitt  aller  \  ersuche  zeigt  eine  Eiweisslösung 
von  31,6  Proz. 


Es  zeigt  sich,  dass,  je  grösser  die  Versuchsreihe  wird,  und 
trotz  ziemlicher  1  ntersehiede  im  einzelnen  (was  auch  nicht  an¬ 
ders  zu  erwarten  war)  sich  die  Durchschnittswerte  um  30  zu¬ 
sammenschieben,  dass  also  bei  gesunden  erwachsenen  Personen 
nach  , einer  Stunde  bei  unserer  Nahrung  ein  Drittel  der 
Gesamteiweissmenge  im  Magen  gelöst  gefunden 
wird.  In  der  Norm  konnten  wir  also  in  Hebereinstimmung  mit 
Schroeder  eine  recht  lebhafte  chemische  Arbeit  des  mensch¬ 
lichen  Magens  schon  in  der  ersten  Stunde  feststellen,  gleich¬ 
zeitig  auch  die  schon  früher  bekannte  Beobachtung  erhärten,  dass 
eine  energische  Eiweisslösung  statthat,  olme  dass  freie  HCl  nach¬ 
weisbar  ist.  In  allen  unseren  Versuchen  fiel  die  Kongoprobe 
negativ  aus. 

Die  zweite  Frage,  ob  die  Lösung  von  Eiweiss  im  Magen 
durch  gleichzeitige  Darreichung  von  Kohlehydraten  beeinflusst 
wird,  scheint  nach  unseren  Versuchen  bejaht  werden  zu  düi’fen. 
lind  zwar  in  dem  Sinne,  dass  ein  Zusatz  von  Reis  zum  Fleisch  in 
Bouillon  die  Proteolyse  begünstigt.  Es  ergab  sich  dabei  eine 
bessere  Eiweisslösung  von  6 — 16  Proz.,  im  Mittel  aller  vergleich¬ 
baren  Versuche  von  10  Proz.  der  Gesamtei  weissmenge 
oder  eine  Steigerung  der  Menge  des  gelösten  Eiweis  ses 
um  33  Proz.  Wie  diese  begünstigende  Wirkung  zu  stände  kommt, 
ist  allerdings  eine  noch  offene  Frage.  Verschiedene  Möglich¬ 
keiten  —  Vermehrung  der  Salzsäure-  oder  Pepsinabscheidung, 
Veränderungen  der  Magenresorption  und  Magenentleerung  — 
wären  hier  zu  berücksichtigen.  Von  diesen  ist  bereits  vor  langen 
Jahren  durch  Schiff  die  Vermehrung  des  Pepsins  der  Magen¬ 
schleimhaut  nach  Darreichung  von  Dextrinen,  selbst  bei  rektaler 
Applikation,  nachgewiesen  und  neuerdings  durch  H  erzen 1B) 
bestätigt  worden.  Ferner  hat  Pawlow1')  an  seinen  Hunden 


“)  Die  Zahlen  bei  Schroeder  (1.  c.  S.  25)  sind,  nach 
Richtigstellung  eines  kleinen  Rechenfehlers,  bei  der  Prozent- 
bereehnung  auf  eine  Dezimalstelle  gebracht,  wodurch  sich  der 
Durchschnitt  etwas  erhöht. 

13)  Es  dürfen  hier  nur  die  an  denselben  Personen  ge¬ 
machten  Versuche  angeführt  werden  (Schroeder:  Vers.  4,  5. 
6,  7.) 

10)  Herzen:  Pflügers  Arch.  Bd.  84. 

1T)  1.  c.  S.  133  ff. 

No.  48. 


mit  kleinem  Magen  gezeigt,  dass  Stärke,  die  an  und  für  sich  keine 
Sekretion  von  Magensaft  zu  erregen  vermag,  in  Verbindung  mit 
den  Eiweisskörpern  des  Fleisches  einen  stärker  verdauenden  Saft 
als  Fleisch  hervorruft.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  dieselben  Ver¬ 
hältnisse  auch  im  Magen  des  Menschen  obwalten,  was  sich  auch 
durch  unsere  Versuche  zu  bestätigen  scheint,  zumal  wir  wissen, 
dass  umgekehrt  auch  Stärke,  die  zugleich  mit  Eiweiss  genossen 
wird,  besser  gelöst  wird,  als  wenn  z.  B.  Brot  allein  gegessen 
wird18).  Diese  Ergebnisse  können  auch  für  die  praktische  Diä¬ 
tetik  —  gemischte  Kost  —  von  einiger  Bedeutung  sein. 

Sehlussätze. 

1.  Nach  Verabreichung  von  gekochtem  und  feingehacktem 
Rindfleisch  wird  im  Magen  des  erwachsenen  Gesunden  während 
der  ersten  Stunde  ein  Drittel  der  Eiweisskörper  gelöst. 

2.  Diese  Lösung  findet  ohne  Auftreten  freier  HCl  statt. 

3.  Zusatz  von  Amylaceen  (Reis)  zu  der  Fleischnahrung  be¬ 
günstigt  die  Proteolyse  im  Magen  —  im  Durchschnitt  um 
10  Proz. 


Bericht  über  einen  neuen  Fall  von  syphilitischer 
Magengeschwulst. 

Von  Dr.  Max  E  i  n  h  0  r  n,  Professor  der  Medizin  an  der 

New  York  Postgraduate  Medical  School,  New  York. 

Die  Literatur  über  Magensyphilis  findet  sich  in  einem  Ar¬ 
tikel  über  diesen  Gegenstand,  den  ich  vor  einigen  Jahren 
schrieb  J).  Ich  teilte  die  Fälle  von  Magensyphilis  in  3  Gruppen 
ein : 

1.  Magengeschwür  syphilitischen  Ursprungs; 

2.  Syphilitische  Geschwülste  des  Magens; 

3.  Syphilitische  Pylomsstenose. 

Die  zweite  Gruppe  der  „syphilitischen  Magengeschwülste“ 
scheint  die  interessanteste  zu  sein.  Denn  einerseits  gleicht  sie 
sehr  dem  Magenkrebs,  andrerseits  kann  die  Diagnose,  die  an¬ 
fänglich  nur  wahrscheinlich  ist,  bald  durch  das  Resultat  der  Be¬ 
handlung,  sowie  durch  das  allmähliche  Verschwinden  der  Ge¬ 
schwulst  bestätigt  werden. 

Da  Fälle  von  syphilitischer  Magengeschwulst  ziemlich  selten 
sind,  so  möchte  ich  folgende  neue  Beobachtung  veröffentlichen. 

Max  F.,  42  Jahre  alt,  klagt  seit  den  letzten  7  Jahren  über  Ver¬ 
dauungsstörungen.  Er  leidet  häufig  an  Magenschmerzen.  Sein 
Appetit  ist  schlecht  und  der  Stuhlgang  etwas  verstopft.  Pat.  hat 
nicht  viel  abgenommen,  im  ganzen  ungefähr  8  Pfund.  Vor 
12  Jahren  hatte  er  Syphilis. 

Status  praesens:  Patient  sieht  ziemlich  mager  und  blass  aus. 
Seine  Zunge  ist  etwas  belegt.  Die  Brustorgane  weisen  nichts  Ab¬ 
normes  auf.  Im  Epigastrium,  etwa  2  Finger  unterhalb  des 
Schwertfortsatzes,  findet  sich  eine  deutliche  Resistenz  (ungefähr 
5  cm  lang  und  2  cm  breit),  die  eine  höckerige  Oberfläche  aufweist. 
Der  Magen  liegt  direkt  darunter  und  erstreckt  sich  nach  unten 
bis  ungefähr  einen  Finger  breit  unterhalb  des  Nabels. 

Kniereflexe  vorhanden.  Urin  enthält  weder  Zucker  noch 
Eiweiss. 

Die  Untersuchung  des  Mageninhaltes  eine  Stunde  nach 
E  w  a  1  d  s  Probefrühstück  ergibt:  HCl  ff-  Acid.  =  40;  keine  Speise¬ 
reste  vom  Tage  zuvor. 

In  diesem  Falle  war  zweifellos  eine  Magengeschwulst  vor¬ 
handen.  Gewöhnlich  würde  man  an  eine  maligne  Geschwulst 
denken.  Mehrere  bekannte  Kliniker  und  Chirurgen  hatten  in 
der  Tat  bei  diesem  Patienten  schon  eine  positive  Diagnose  von 
Magenkrebs  gemacht  und  zur  Operation  geraten.  Für  den  ersten 
Augenblick  wollte  ich  mich  derselben  Ansicht  anschliessen,  bei 
einer  genaueren  Betrachtung  jedoch  fanden  sich  in  diesem 
Falle  verschiedene  Umstände,  die  gegen  Magenkrebs  sprachen. 
Erstens  die  lange  Dauer  der  Krankheit  (7  Jahre),  zweitens  der 
minimale  Gewichtsverlust,  drittens  das  Vorhandensein  von  freier 
HCl  und  Fehlen  jeglicher  Speisereste  vom  Tage  zuvor  im  Magen. 
Diese  Tatsachen  in  Verbindung  mit  der  Geschichte  einer  durch¬ 
gemachten  Syphilis  berechtigten  zu  der  Annahme,  dass  wir  es 
hier  mit  einem  Gumma  des  Magens  zu  tun  hatten. 

Ich  stellte  den  Patienten  bei  einer  meiner  Vorlesungen  in 
der  Postgraduate  Medical  School  vor  und  gab  diese  Gründe  für 
die  Annahme  des  Vorhandenseins  von  Magensyphilis  an.  Sämt¬ 
liche  bei  der  Vorlesung  anwesenden  Kollegen  bestätigten  die  An- 

is)  vergl.  u.  a.  V  o  1  h  a  r  d  in  der  Diskussion  zu  Joh.  Müllers 
zit.  Vortrag  auf  dem  19.  Kongr.  f.  innere  Med.  1901. 

9  Max  Einhorn:  Ueber  Syphilis  des  Magens.  Arch.  f. 
Verdauungskrankh.  1900,  pag.  150. 


4 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Wesenheit  einer  deutlichen  Geschwulst,  wie  sie  oben  beschrieben 
wurde. 

Der  Patient  wurde  nun  einer  strengen  antiluetischen  Be¬ 
handlung  unterworfen  (Jodnatrium  innerlich  und  Quecksilber¬ 
einreibungen)  und  sein  Zustand  besserte  sich  hierauf  schnell. 
Das  allmähliche  Verschwinden  der  Geschwulst  konnte  bei  jeder 
Untersuchung  konstatiert  werden,  so  dass  nach  6  Wochen  nichts 
von  der  Resistenz  mehr  entdeckt  werden  konnte.  Zu  gleicher 
Zeit  nahm  der  Patient  an  Kraft  und  Gewicht  zu  und  war  nach 
3  Monaten  frei  von  irgendwelchen  Verdauungsbeschwerden.  Pat. 
ist  seitdem  gesund  geblieben  und  hat  seine  alten  Magenbeschwer¬ 
den  vollkommen  verloren. 

Es  ist  hier  vielleicht  am  Platze,  die  Differentialdiagnose 
zwischen  Gumma  ventriculi  und  malignem  Magenneoplasma 
etwas  näher  zu  präzisieren. 

In  dem  soeben  beschriebenen  Falle  bestanden  seit  7  Jahren 
Magenbeschwerden,  die  sich  nicht  mit  Magenkrebs  in  Einklang 
bringen  liessen.  Dies  braucht  jedoch  nicht  stets  der  Fall  zu 
sein.  In  meinem  früheren  Artikel  habe  ich  2  Fälle  von  Magen¬ 
geschwülsten  beschrieben  mit  kurzer  Krankengeschichte,  die 
trotzdem  syphilitischen  Ursprungs  waren. 

Das  Vorhandensein  von  freier  IIC1  ist  auch  kein  positiver 
Beweis  gegen  Krebs  und  mag  bei  Gumma  andrerseits  gleichfalls 
fehlen. 

Ischochymie  scheint  bei  syphilitischen  Tumoren  des  Magens 
viel  seltener  zu  sein  als  bei  Krebs  des  Organes.  Eine  Vor¬ 
geschichte  von  Syphilis,  obgleich  sie  die  Existenz  einer  syphi¬ 
litischen  Affektion  wahrscheinlich  macht,  ist  auch  nicht  sehr 
viel  wert.  Denn  einerseits  finden  sich  syphilitische  Patienten 
häufig  genug  mit  Krebsaffektionen  behaftet,  andrerseits  beob¬ 
achtet  man  Gmnmata  des  Magens  manchmal  bei  Patienten,  die 
keine  definitive  Vorgeschichte  von  Syphilis  darbieten. 

Während  beim  Vorhandensein  sämmtlicher  obiger  Symptome 
(langwährende  Magenbeschwerden,  Vorhandensein  freier  HCl, 
Abwesenheit  von  Ischochymie,  deutliche  Vorgeschichte  von 
Syphilis)  die  Vermutung  der  luetischen  Natur  der  Geschwulst 
gerechtfertigt  sein  mag,  so  kann  jedoch  nur  unter  folgenden  Be¬ 
dingungen  eine  positive  Diagnose  gestellt  werden: 

1.  Antisyphilitische  Behandlung  bessert  die  subjektiven 
Symptome. 

2.  Sie  bewirkt  ferner  ein  allmähliches  Verschwinden  der  Ge¬ 
schwulst,  so  dass  dieselbe  schliesslich  nicht  mehr  gefühlt  werden 
kann. 

Betreffs  der  Behandlung  scheint  die  Anwendung  der  Jod¬ 
präparate  (Jodnatrium,  Jodkalium.  Jodipin)  von  grösster  Wich¬ 
tigkeit  zu  sein  und  ist  häufig  allein  im  stände,  die  Patienten 
wieder  herzustellen.  Die  Kur  wird  jedoch  durch  Anwendung 
des  Quecksilbers  beschleunigt.  Ich  gebrauche  gewöhnlich  die  alte, 
aber  rationelle  Methode  der  Quecksilbereinreibungen.  Diese 
kombinierte  Behandlung  sollte  ununterbrochen  3  Monate  lang 
fortgesetzt  werden  und  das  Jodnatrium  noch  2 — 3  Monate  lang 
weiter  gereicht  werden. 

Die  Diät  sollte  eine  reichhaltige  sein,  mit  Ausschluss  jedoch 
von  stark  gewürzten  oder  besonders  groben  Nahrungsmitteln. 
Viel  Brot,  Butter,  Milch  und  Eier  können  warm  empfohlen 
werden 


Ueber  die  Ausgleichung  von  Knochendeformitäten.*) 

Von  Dr.  Konrad  Port,  Spezialarzt  für  Chirurgie. 

M.  H. !  Ich  möchte  Ihnen  heute  über  ein  ziemlich  alltäg¬ 
liches  Vorkommnis  berichten,  nämlich  über  eine  hochgradige 
rhachitische  Verkrümmung,  die  sich  im  Laufe  der  Zeit  all¬ 
mählich  gerade  gestreckt  hat,  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen 
Grad. 

Das  betreffende  Kind  kam,  damals  3  Jahre  alt,  vor  4 y2  Jahren 
in  meine  Behandlung  wegen  einer  hochgradigen  Verkrümmung 
des  linken  Unterschenkels,  dessen  Form  Ihnen  das  erste  nebenan 
gezeichnete  Gipsmodell  zeigt,  welches  im  Anfang  der  Behandlung 
genommen  worden  ist  (Fig.  1).  Es  wurden  teils  Schienen  mit 
federndem  Zug,  teils  Etappenverbände  zur  Korrektion  verwendet. 
Die  Deformität  änderte  sich  anfangs  nicht.  Nach  etwa  %  Jahren 
trat  ziemlich  plötzlich  eine  wesentliche  Besserung  ein  zugleich 
mit  Hebung  des  Allgemeinbefindens  und  rascherem  Wachstum. 
Ich  verlor  dann  bald  die  Patientin  aus  den  Augen.  Als  ich  sie 
nach  1  Jahr  wieder  sah,  war  die  Besserung  noch  bedeutend  fort¬ 


geschritten,  trotzdem  während  der  ganzen  Zeit  keinerei  Behandlung 
stattgefunden  hatte.  Den  Fortschritt  zeigt  Ihnen  das  zweite,  da¬ 
mals  angefertigte  Gipsmodell  (Fig.  1).  In 
der  Folgezeit  hat  sich  nun  nicht  mehr 
viel  verändert;  die  Krümmung  des  Beines 
ist  sich  ziemlich  gleich  geblieben.  Im 
übrigen  hat  sich  das  Kind  gut  entwickelt  ; 
es  ist  nur  wesentlich  kleiner  als  seine 
Altersgenossen. 

Es  ist  bekannt,  dass  auch  hoch¬ 
gradige  rhachitische  Verkrümmungen 
bei  Kindern  innerhalb  der  ersten  6  Jahre 
ausheilen;  eine  interessante  Statistik 
aus  der  Bergmann  sehen  Klinik  er¬ 
gibt,  dass  diese  Spontanheilung  regel¬ 
mässig  eintritt,  wenn  die  Kinder  über¬ 
haupt  rasch  wachsen,  dass  sie  aber  aus¬ 
bleibt,  oder  unvollständig  ist,  wenn  die 
Kinder  hinter  ihren  Altersgenossen 
in  der  Körpergrösse  Zurückbleiben.  Dies 
Falle  zu. 


Fig.  1. 

trifft  auch  in  unserem 


Die  Art  der  Behandlung  ist  dabei  erfahrungsgemäss  ziemlich 
gleichgültig.  Auch  ohne  jede  Behandlung  tritt  der  gleiche 
günstige  Erfolg  ein.  Ich  bekenne  offen,  dass  ich  meinen  eigenen 
therapeutischen  Bestrebungen  nur  insofern  einen  Einfluss  auf 
die  Heilung  zuschreibe,  als  durch  die  Verbände  dem  Kinde  das 
Gehen  ermöglicht  wurde.  Wegen  der  hochgradigen  Verkrüm¬ 
mung  konnte  es  nämlich  mit  blossem  Fusse  den  Boden  nicht 
genügend  erreichen. 

In  unserem  Falle  von  schwer  rliacliitischer  Knochenverkrüm¬ 
mung  bietet  das  Itöntgenbild  interessante  Aufschlüsse  über  die 
Art  und  Weise,  wie  die  Gerade¬ 
streckung  vor  sich  geht.  In  neben¬ 
stehender  Fig.  2  ’)  sieht  man,  dass 
der  Knochen  im  oberen  Drittel  ein 
deutliches  Eck  aufweist.  Oberhalb 
desselben  ist  der  Knochen  gerade, 
unterhalb  desselben  zeigt  er  eine 
Krümmung,  und  zwar  ist  die  Krüm¬ 
mung  der  Markhöhle  stärker  als  die 
der  äusseren  Kontur.  An  der  Kon¬ 
kavität  ist  die  Kindenschickt  wesent¬ 
lich  dicker  als  auf  der  konvexen  Seite 
und  füllt  die  Krümmung  einiger- 
massen  aus.  Die  Krümmung  der 
Markhöhle  dürfte  im  grossen  und 
ganzen  der  ursprünglichen  Knoehen- 
verkrümung  entsprechen.  Der  ober¬ 
halb  der  Knickung  befindliche  gerade 
Knochen  ist  der  im  Laufe  der  letzten 
3 — 4  Jahre  von  der  Knieepiphyse  neu 
angebildete  Knochen  (von  der  Knie- 
epipliyse  wird  das  Wachstum  des 
Unterschenkels  im  wesentlichen  be¬ 
dingt).  Die  die  Konkavität  teilweise 
ausfüllende  Knochenmasse  ist  vom 
Periost  geliefert  worden.  Die  Ge¬ 
raderichtung  des  Knochens  ist  also 
erfolgt  einerseits  durch  kompen¬ 
sierende  Abweichung  der  Knochen¬ 
längsachse  an  der  Epiphysengrenze 
infolge  ungleichmässiger  Ivnochen- 
bildung  an  dieser  Stelle,  andrerseits  durch  die  ausgleichende  un- 
gleiclimässige  Tätigkeit  des  Periostes. 

Ich  halte  diese  Beobachtung  für  einen  wertvollen  Beweis 
gegen  die  übertriebenen  Schlussfolgerungen,  die  man  aus  den 
in  gewissen  Grenzen  richtigen  und  äusserst.  interessanten  Be¬ 
obachtungen  J.  Wolffs  von  der  Transformationskraft  der 
Knochen  abgeleitet  hat. 

W  o  1  f  f  hat,  wie  Sie  wissen,  an  einer  grossen  Reihe  sehr 
schöner  Präparate  nachgewiesen,  dass  der  Knochen  in  seiner 
äusseren  Gestalt  sowohl,  als  in  seinem  inneren  Bau,  der  Anord¬ 
nung  der  Spongiosabälkchen,  mathematisch  genau  seiner  Funk¬ 
tion  angepasst  ist,  und  dass  Gestalt  und  Bau  bedingt  sind  durch 
seine  statischen  Verhältnisse,  d.  h.  durch  die  Belastung,  die  er 
auslialten  muss,  und  durch  den  Zug  der  an  ihm  sich  inserieren¬ 
den  Muskeln.  W  o  1  f  f  hat  ferner  nachgewiesen,  dass  die  An¬ 
ordnung  der  Knochenbälkchen  und  die  Ausbildung  der  Korti- 
kalis  sich  ändere,  wenn  die  äussere  Gestalt  des  Knochens  eine 
abnorme  ist,  der  Knochen  dadurch  unter  geänderte  statische  Ver¬ 
hältnisse  (Druck-  und  Zugwirkungen)  kommt.  Dann  passt  sich 
der  innere  Bau  genau  diesen  neuen  Verhältnissen  an.  Diese 


*)  Vortrag,  gehalten  im  ärztlichen  Verein  zu  Nürnberg  am 


J)  Schematisch  nach  dem  Röntgenbild  gezeichnet. 


2.  Dezember  1902. 


M  UENCHfyNER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2007 


Fähigkeit  der  Umgestaltung  wird  als  Transformationskraft  be¬ 
zeichnet  und  gellt  streng  gesetzmässdg  vor  sich  —  Transforma¬ 
tionsgesetz. 

\\  o  1  f  f  geht  nun  bei  der  Erörterung  dieses  Gesetzes  so  weit, 
dass  er  sagt:  Durch  jede  \  eränderung  der  statischen  Verhältnisse 
ändert  sich  entsprechend  die  Form  und  das  Gefüge  der  Knochen 
auch  der  Erwachsenen. 

Mit  diesem  Ausspruch  schiesst  W  o  1  f  f  entschieden  über  das 
Ziel  hinaus.  Die  Behauptung,  dass  sich  Deformitäten  auch  bei 
Erwachsenen  von  selbst  korrigieren,  widerspricht  ebensosehr  der 
chirurgischen  Erfahrung  als  den  physiologischen  Möglichkeiten. 

In  och  niemand  hat  gesehen,  dass  beim  Erwachsenen  ein 
ki  unnn  geheilter  Knochenbruch  jemals  von  selbst  wieder  zur  nor¬ 
malen  Form  des  Knochens  geführt  hat.  Niemand  hat  gesehen, 
dass  ein  Mensch,  der  mit  krummen  Beinen  in  das  erwachsene 
Altei  eingetieten  ist,  später  noch  gerade  Beine  bekommen  hat. 
Wenn  so  etwas  bei  Erwachsenen  wirklich  vorkäme,  so  müsste  man 
es  doch  natürlich  wahrnehmen,  wie  sich  ja  auch  bei  Kindern  die 
Geradestreckung  von  krummen  Knochen  der  Beobachtung  nicht 
entzieht.  Dass  in  dieser  Beziehung  bei  Erwachsenen  die  Be¬ 
obachtung  so  vollkommen  negativ  ausfällt,  ist  bei  näherer  Ueber- 
legung  sehr  begreiflich.  1  ür  den  fertig  gebildeten  Knochen  des 
Erwachsenen  besteht  eben  nicht  die  physiologische  Möglichkeit, 
iigendwelche  Gestaltsveränderungen  einzugehen.  Selbst  eine 
bloss  auf  die  innere  Struktur  beschränkte  Transformation, 
welche  zu  einer  makroskopisch  erkennbaren  Stellungsverände¬ 
rung  der  abnorm  gerichteten  Bälkclien  und  Streben  führen 
könnte,  muss  für  den  Erwachsenen  als  ausgeschlossen  betrachtet 
werden.  Wenn  auch  an  den  Zellen  des  fertig  gebildeten  Knochens 
der  Erwachsenen  eine  fortwährende  Stoffabgabe  und  Stoffauf¬ 
nahme  stattfindet,  und  wenn  auch  bei  dieser  fortwährenden  Er¬ 
neuerung  des  Zellenleibes  kleine  Formveränderungen  desselben 
vielleicht  zu  Stande  kommen  können,  indem  Zellen,  die  einem 
besonders  starken  Druck  ausgesetzt  sind,  verkümmern,  andere, 
weniger  belastete,  sich  etwas  ausdehnen  und  vergrössern  mögen, 
so  werden  diese  inneren  Vorgänge  doch  nie  zu  einer  gröberen,  mit 
freiem  Auge  sichtbaren  Strukturveränderung  führen.  W  o  1  f  f 
hat  auch  tatsächlich  bei  seinen  vielen  mitgeteilten  Fällen  nicht 
eines  einzigen,  bei  Erwachsenen  vorgekommenen  Falles  von  Kor¬ 
rektion  ausdrücklich  erwähnt.  Er  ist  sich,  wie  es  scheint,  über 
den  gewaltigen  Unterschied,  der  in  Bezug  auf  die  Knochen- 
transformation  zwischen  Kindern  und  Erwachsenen  besteht,  über¬ 
haupt  nicht  klar  geworden. 

In  seinem  an  prachtvollen  Abbildungen  reichen  Atlas  findet 
sich  auch  eine  Tibia  abgebildet,  welche  ziemlich  genau  unserer 
Beobachtung  entspricht,  auf  Tafel  X,  Fig.  71.  Ich  erlaube  mir, 
sie  schematisch  wiederzugeben  (Fig.  3).  An  derselben  sieht  man 
ebenfalls  das  obere  Ende  scharf  mit  einem  Eck  ab¬ 
gesetzt  und  vollständig  gerade  gerichtet,  ferner  auf 
der  konkaven  Seite  der  Diaphyse  eine  mächtige  Ver¬ 
dickung  der  Kortikalis.  Von  ersterer  Erscheinung 
nimmt  W  o  1  f  f  überhaupt  keine  Notiz,  letztere  er¬ 
klärt  er  als  durch  vermehrte  Beanspruchung  der 
inneren  Seite  bedingt.  Mir  scheint  diese  Verdickung 
viel  zu  mächtig,  um  nur  durch  statische  Momente 
bedingt  zu  sein.  Ich  möchte  dieselbe  vielmehr 
ebenso  wie  in  unserem  Fall  als  durch  die  aus¬ 
gleichende  Tätigkeit  des  Periosts  bedingt,  als  Fiill- 
V  II  masse,  ansehen.  Die  innere  Kontur  dieser  Ver- 
>/i  Jl  dickung  würde  etwa  der  Kontur  der  früheren  Mark¬ 
höhle  zur  Zeit  des  Floreszenzstadiums  der  Khachitis 
entsprechen. 

Fig.  3.  Die  Knochentransformation  kann  aus  physio¬ 

logischen  Gründen  nur  bei  Kindern  Vorkommen, 
und  es  beschränkt  sich  auch  bei  diesen  die  Beseiti¬ 
gung  der  fasch  gestellten  Bälkchen  auf  jene  Knochen¬ 
partien,  welche  im  natürlichen  W  aclistumsprozesse  zur  Ein¬ 
schmelzung  gelangen,  und  die  Bildung  von  richtig  ge¬ 
stellten  Bälkchen  auf  die  neu  angesetzten  Partien.  Nur  die 
junge,  gewissermassen  noch  im  Flusse  befindliche  Knochensub¬ 
stanz  kann  sich  den  jeweiligen  statischen  Verhältnissen  an¬ 
passen;  der  fertig  gebildete,  starre  Knochen  ist  nicht  mehr  im 
stände,  in  ausgiebiger  Weise  auf  den  statischen  Reiz  zu  re¬ 
agieren. 

Nur  in  einem  Falle  wird  auch  bei  Erwachsenen  der  Knochen 
wieder  reaktionsfähig.  Bei  Entzündungen  und  Frakturen  näm¬ 


lich  wird  das  Periost,  das  mit  dem  Auf  hören  des  Wüchstums 
seine  knochenbildende  Tätigkeit  eingestellt  hatte,  gewissermassen 
wieder  in  den  jugendlichen  Zustand  versetzt  und  erhält  wieder 
die  Fähigkeit  Knochen  zu  bilden.  Bei  Frakturen  wird  von  ihm 
dei  Kallus  produziert,  welcher  Knochen  bildet  genau  in  der¬ 
selben  Weise  wie  früher  der  Epiphysenknorpel;  oder  das  ent¬ 
zündlich  gereizte  Periost  sondert  Knochenlamellen  ab.  Das 
Knochenmark  hat  nebenbei,  beim  Wachstum  sowohl  wie  beim 
pathologischen  Reiz  (und  zwar  nur  beim  entzündlichen  oder  trau¬ 
matischen),  eine  ausgleichende  Tätigkeit,  die  derjenigen  des 
Periostes  gewissermassen  parallel  geht.  Wie  beim  wachsenden 
Individuum  aller  schon  vorhandene  Knochen  im  grossen  und 
ganzen  (nämlich  abgesehen  von  der  ausgleichenden  Tätigkeit  des 
Markes)  unverändert  bleibt,  so  erleidet  auch  aller  Knochen,  der 
nicht  direkt  im  Bereich  der  Entzündung  oder  des  Traumas  ge¬ 
legen  ist,  keine  Umformung. 

Es  können  also  neue  statische  Verhält¬ 
nisse  nur  ein  wirken  beim  wachsenden  Indi¬ 
viduum  auf  den  noch  neu  hinzuwaohsenden 
Knochen,  beim  Erwachsenen  nach  e  i  n  e  r  Ver¬ 
letzung  oder  Entzünd u  ng  auf  den  durch  diese  n 
Reiz  neu  sich  bildenden  Knoche  n. 

Bei  der  Ausgleichung  der  kindlichen  Deformitäten  spielen 
die  Epiphysenknorpel  weitaus  die  wichtigste  Rolle.  Wie  Sie 
wissen,  besitzen  wir  schon  lange  eingehende  und  sorgfältige 
L ntersuehungen  über  das  Wachstum  des  Knochens,  besonders  von 
S  ch  uchardt,  welche  dartun,  dass  das  Wachstum  des  Knochens 
lediglich  von  den  Epiphysenknorpeln  und  dem  Periost  besorgt 
wird,  indem  durch  erstere  das  Längen-,  durch  letzteres  das 
Dicken  Wachstum  erfolgt.  Störungen  in  den  Epiphysen  haben 
Störungen  im  Längenwachstum  zur  Folge,  Störungen  im  Periost 
bedingen  Unregelmässigkeiten  im  Dickenwachstum.  So  sind  die 
Wachstumsstörungen  nach  operativer  Verletzung  der  Epiphysen 
bekannt  und  gefürchtet,  ebenso  bekannt  sind  die  Wachstums¬ 
störungen  bei  osteomyelitischen  Herden  in  den  Epiphysen. 
Es  ist  ferner  schon  mehrfach  der  Versuch  gemacht  worden, 
die  Entstehung  von  Deformitäten  durch  Störungen  in  der  Epi¬ 
physentätigkeit  zu  erklären.  So  hat  Mikulicz  dies  für  das 
Genu  valgum  dargetan.  Dasselbe  entsteht  nach  ihm  dadurch, 
dass  die  Epiphysenscheibe  auf  der  inneren  Seite  höher  ist  und 
mehr  Knochen  produziert  als  auf  der  äusseren.  In  derselben 
Weise  entsteht  die  Verkrümmung  des  Oberschenkels  bei  spitz¬ 
winkliger  Kniegelenkskontraktur  jugendlicher  Kranker,  auf 
welche  zuerst  Brau  n  aufmerksam  gemacht  hat,  durch  ungleiche 
Tätigkeit  der  vorderen  und  hinteren  Hälfte  des  Femurepiphysen¬ 
knorpels.  Ich  selbst  habe  vor  lVs  Jahren  versucht,  die  Ver¬ 
unstaltung  skoliotischer  Wirbel  aus  asymmetrischer  Tätigkeit  der 
Epiphysenknorpel  der  Wirbel  zu  erklären.  Auch  auf  experimen¬ 
tellem  V  ege  sind  Deformitäten  durch  Einwirkung  auf  die  Epi¬ 
physenknorpel  erzeugt  worden,  so  u.  a.  von  Helfe  rieh. 

Am  Unterschenkel  wird  das  Längenwachstum,  wie  schon  er¬ 
wähnt,  ganz  überwiegend  durch  die  Knieepiphyse  besorgt;  des¬ 
halb  finden  sich  am  Unterschenkel  Erwachsener  die  Spuren  kind¬ 
licher  rhachitischer  Verkrümmung  nur  in  der  Nähe  der  Malleolen. 

Da  die  Epiphysen  das  Längenwachstum  bedingen,  und  da  sie 
im  stände  sind,  durch  ungleichmässigen  Ansatz  von  Knochen 
eine  Abweichung  der  Knochenlängsachse  herbeizuführen,  so  ist 
ihre  grosse  Bedeutung  für  die  Korrektur  von  Deformitäten  ein¬ 
leuchtend.  Ferner  ist  aus  dem  vorhin  Gesagten  einleuchtend, 
dass  bei  Verkrümmung  des  Unterschenkels  die  korrigierende 
Knickung  der  Knochenlängsachse  nur  an  der  Knieepiphyse  zu 
Tage  tritt. 

Die  Rolle,  welche  die  Epiphysen  bei  der  Ausgleichung  von 
Deformitäten  spielen,  wird  von  W  o  1  f  f  durchaus  nicht  ge¬ 
bührend  gewürdigt.  Er  scheint  sich  vorgestellt  zu  haben,  dass  die 
Transformation  im  ganzen  Knochen  gleichmässig  vor  sich  gehe, 
während  sie  tatsächlich  auf  ganz  bestimmte  Bezirke  be¬ 
schränkt  ist. 

Die  W  o  1  f  f  sehe  Lehre  von  der  Transformationskraft  der 
Knochen  in  ihre  berechtigten  Grenzen  zurückzuführen  und  sie 
mit  der  praktischen  Erfahrung  und  den  physiologischen  Gesetzen 
in  Einklang  zu  bringen,  erschien  mir  nicht  nur  vom  wissenschaft¬ 
lichen  Standpunkte,  sondern  auch  mit  Rücksicht  auf  die  Gefahr 
therapeutischer  Verirrungen  notwendig.  Die  Vorstellung  von 
der  zeitlich  unbegrenzten  Transformationsfähigkeit  der  Knochen 
könnte  zu  einem  übertriebenen  Vertrauen  auf  die  Heilkraft  der 


4.  * 


2008 


No.  48. 


MUENCIIENER  ME DICINISCII E  M  OCIIENSC IIRI4  I . 


Natur  führen  und  zur  Hoffnung  auf  Spontanheilung  auch  nach 
Abschluss  des  Wachstums  verleiten;  andererseits  könnte  sie  zu 
dem  Versuch  führen,  die  ausbleibende  Spontanheilung  auch  bei 
Erwachsenen  noch  durch  Druck-  und  Zugapparate  einzuleiten.  Diese 
Apparate  sind  schon  bei  Kindern  meines  Erachtens  von  sein  ge 
ringem  Nutzen,  sie  können  sogar  schädlich  wirken,  wenn  sie  die 
Kinder  in  der  freien  Benützung  ihrer  Extremitäten  hindern,  lc  1 
glaube,  dass  es  vollständig  genügt,  für  kräftige  Ernährung  und 
möglichst  ausgiebige  Bewegung  im  Freien  zu  sorgen,  weil  dadurc  1 
das  Wachstum  befördert  wird,  was  für  die  Ausgleichung  der  De¬ 
formitäten  so  bedeutsam  ist,  und  weil  bei  dem  tüchtigen  ge¬ 
brauche  der  verkrümmten  Extremitäten  der  korrigierende  sta¬ 
tische  Reiz  am  besten  zur  Geltung  kommt.  Notwendig  sind 
Apparate  nur,  wenn  die  Verkrümmung  eines  Beines  so  hoch- 
gradig  ist,  dass  das  Kind  mit  dem  Eusse  nur  ungenügend  den 
Boden  erreichen  kann;  in  diesem  Falle  muss  das  Bein  künstlich 
verlängert  werden  durch  einen  Apparat,  der  die  volle  Belastung 
der  Sohle  ermöglicht.  Vielleicht  wäre  auch  noch  bei  sehr  aus¬ 
gesprochenem  Genu  valgum  ein  Gehapparat  am  Platze,  der  dem 
allzu  starken  Einknicken  des  Beines  unter  der  Körperlast  _  ent¬ 
gegen  wirkt  ;  aber  damit  dürften  die  Anzeigen  für  mechanische 
Einwirkungen  so  ziemlich  erschöpft  sein. 

Operative  Eingriffe  werden  im  allgemeinen  bis  nach  dem 
6.  Lebensjahre  zu  verschieben  sein.  V  on  da  an  bis  zum  Abschlüsse 
des  Wachstums  sind  die  Veränderungen  verhältnismässig  geling. 
Wenn  also  nach  Ablauf  des  6.  Lebensjahres  Verkrümmungen 
zurückgeblieben  sind,  die  einen  Eingriff  wünschenswert  machen, 
so  kann  man  unbedenklich  zur  Operation  schreiten. 


Schwangerschaft  kompliziert  mit  Portiokarzinom. 

Von  Dr.  Goebel,  Frauenarzt  in  Worms  a.  Rh. 

Kommt  während  der  Schwangerschaft  I  teruskarzinom  zui 
Kenntnis  des  Arztes,  so  ist  —  darin  stimmen  alle  neueren 
Autoren  überein  —  auf  die  Frucht  keine  Rücksicht  zu  nehmen, 
sondern  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  das  malign  erkrankte  Organ 
möglichst  bald  in  toto  entfernt  wird;  vorausgesetzt  natürlich, 
dass  wir  uns  in  einer  Zeit  der  Schwangerschaft  befinden,  in  der 
die  künstlich  entwickelte  Frucht  noch  nicht  lebensfähig  ist. 
Auch  darin  herrscht  bei  den  meisten  Autoren  1  ebereinstimmung 
der  Ansichten,  dass  es  vorzuziehen  ist,  den  Uterus  mit  der 
Frucht  gemeinsam  zu  entfernen  und  nicht  erst  denselben  zu  ent¬ 
leeren.  Der  für  die  Entfernung  einzu schlagende  Weg  ■  ob 
vaginal,  ob  abdominal  —  richtet  sich  nach  der  Grösse  des  Uterus 
bezw.  nach  der  Zeit  der  Schwangerschaft,  eventuell  nach  per¬ 
sönlichen  Liebhabereien.  Als  Grenzpunkt  für  die  vaginale  Ent¬ 
fernung'  gilt  im  allgemeinen  der  5.  Monat.  Olshausen  und 
—  wie  ich  erst  nach  der  Operation  des  unten  zu  erwähnenden 
Falls  in  der  Martin-Sängerschen  Monatsschrift  und  im  Central¬ 
blatt  für  Gynäkologie  lese  —  Benckiser  und  Schrö  d  e  r 
gelang  es,  einen  Uterus  im  6.  Schwangerschaftsmonat  vaginal  zu 
entfernen. 

Ein  Fall  von  Portiokarzinom  im  6.  Graviditätsmonat  wurde 
von  mir  am  12.  Juli  (hauptsächlich  abdominal)  operiert.  Ich 
führe  denselben  kurz  an: 

Von  Kollegen  W.  liier  wurde  ich  am  5.  Juli  zu  einer  im 
c>.  Monat  graviden  Dame  hinzugezogen,  welche  seit  kurzer  Zeit 
wieder  Blutungen  hatte.  Die  glücklicherweise  ängstliche  Familie 
(eine  Schwester  starb  kurz  vorher  an  Carcinoma  uteri)  zog  sofort 
den  Hausarzt  zu,  der  sofort  Verdacht  auf  Karzinom  schöpfte. 
Bei  der  Untersuchung  fand  ich  die  Portio  in  einen  knolligen  zer¬ 
fallenden  Tumor  verwandelt,  der  bei  der  Berührung  blutete.  Para¬ 
metrien  frei.  Die  Spekularuntersuchung  bestätigte  den  digitalen 
Befund:  der  zerfallende  Tumor  ist  bereits  ziemlich  ausgedehnt. 
Diagnose:  Carcinoma  portionis.  Die  vorgeschlagene  Operation 
fand  sofortige  Einwilligung  und  fand  —  wie  erwähnt  —  am 
12.  Juli  statt.  Ich  beschloss,  um  die  Portio  möglichst  im  Ge¬ 
sunden  von  der  Scheide  loszutreumien,  vaginal  anzufangen  und 
abdominal  die  Operation  zu  beendigen.  Stuhloperation:  Gehörige 
Peinigung  der  äusseren  Genitalien  und  der  Scheide  (Seife,  Wasser, 
Sublimat).  Auslöffelung  und  Verschorfung  der  Portio  mittels  Fa- 
quelin.  Circumcisio  der  Portio,  Abschiebung  der  Blase,  Unter¬ 
bindung  der  Uterinae.  Nochmals  gehörige  Reinigung  des  vaginalen 
Operationsfeldes  und  der  Hände.  Nunmehr  umband  ich  die  ganze 
Portio  nebst  der  Zervix,  soweit  sie  in  die  Vagina  hineinragte,  mit 
einer  sterilen  Serviette,  die  ich  sicher  befestigte,  um  ein  Abrutschen 
zu  vermeiden.  Ich  bezweckte  damit,  bei  der  nun  folgenden  ab¬ 
dominellen  Entfernung  des  Uterus  eine  Infektion  der  Bauchhöhle 
durch  die  durchziehende  Portio  zu  vermeiden.  Nochmalige  Des¬ 
infektion  der  Patientin  etc.,  Beckenhochlagerung,  Laparotomie. 
Typische  Totalexstirpation.  Die  Versorgung  der  Gefässe  gelang 


überraschend  leicht.  Die  Stümpfe  der  Parametnen  mit  den  Faden 
werden  in  die  Scheide  eingeführt,  Peritoneum  darüber  vernäht. 
Schluss  der  Bauchwimde.  Rekonvaleszenz  verlief  durchaus  re- 
aktionslos.  Seidenfäden  in  der  Scheide  werden  am  31.  Juli  ent¬ 
fernt.  Bei  der  Entlassung  am  7.  August  ist  die  V  linde  m  der 
■<,.i...iii,>  platt,  verheilt,  ohne  jede  entzündliche  Erscheinung. 


Kombinierte  Behandlung  der  Lungentuberkulose  mit 
Kalk  und  Tuberkulin. 

Von  Dr.  R  u  d  olph  in  Magdeburg. 

Die  Heilung  der  Lungentuberkulose  vollendet  sich,  indem 
an  Stelle  des  kranken  Gewebes  entweder  eine  Bindegewebs- 
wucheiung  tritt  oder  indem  die  affizierten  Partien  verkalken. 
Sehr  häufig  wirken  beide  Heilfaktoren  zusammen.  Das  sehen 
wir  an  den  zumeist  mit  Kalk  imprägnierten  eingezogenen  Narben 
in  den  Lungenspitzen,  die  wir  bei  vielen  Sektionen  finden.  Un¬ 
zweifelhaft  sind  diese  Narben  Folge  abgeläufener  tuberkulöser 
Prozesse.  Wenn  diese  Prämisse  richtig  ist,  so  können  wir  aus 
diesen  Lungenspitzennarben  am  besten  lernen,  wie  ein  solcher 
krankhafter  Zustand  ausheilen  kann. 

Die  Tendenz  der  Selbstheilung  durch  Bindegewebswucherung 
suchen  wir  durch  Tuberkulininjektionen  zu  unterstützen.  Wir 
wissen,  dass  durch  dieselben  eine  Hyperämie  in  der  Lmgebung 
der  erkrankten  Partie  hervorgerufen  wird,  und  nehmen  an,  dass 
durch  die  sich  wiederholenden  perituberkulösen  Kongestions¬ 
zustände  die  Bindegewebswucherung  angeregt  wird. 

Ueber  Versuche,  den  Naturheilprozess  der  Verkalkung  künst¬ 
lich  zu  fördern,  findet  sich  nichts  in  der  Literatur  der  letzten 
20  Jahre.  Tn  früheren  Jahrzehnten  dachte  man  anders  über 
die  Verwendung  des  Kalkes  bei  der  Therapie  der  Phthise  und 
noch  kurz  vor  der  Entdeckung  des  Tuberkelbazillus  priesen 
Autoren  die  Kalkpräparate  als  wirksame  Mittel,  die  Phthise  in 
ihrem  Laufe  aufzuhalten  resp.  zu  heilen. 

Den  Kalkgehalt  des  Blutes  zu  erhöhen  und  dadurch  die 
Verkalkung  der  Tuberkel  günstig  zu  beeinflussen,  erscheint 
a  priori  ganz  plausibel.  Unser  Organismus  hat  offenbar  schon 
an  und  für  sich  das  Bestreben,  Fremdartiges,  das  sich  in  ihm 
befindet,  durch  Verkalkung  unschädlich  zu  machen.  Ich  ei- 
innere  an  die  pleuritischen  und  perikarditischen  Kalkplatten, 
an  die  Verkalkung  von  Myomen,  an  die  Uterussteine,  an  das 
Lithopädion,  an  die  Verkalkung  der  Kapseln  der  Muskeltrichinen. 
Und  speziell  bei  der  Spontanheilung  tuberkulöser  Lungenaffek¬ 
tionen  sehen  wir  die  Verkalkung  eine  grosse  Rolle  spielen.  Der 
bazillenhaltige,  weiche  Brei  in  den  abgekapselten  tuberkulösen 
Neubildungen  verhärtet  durch  Aufnahme  von  Kalksalzen.  Die 
schliessliche  Caloifikation  der  Knoten  bedeutet  den  völligen 
Untergang  der  Mikroben.  Nach  Cornet  )  soll  schon  Laennec 
die  Kalkablagerungen  in  den  Lungen  als  Heilungsvorgänge  an¬ 
gesehen  haben. 

Ist  es  möglich,  den  Kalkgehalt  des  Blutes  zu  erhöhen?  Nach 
Untersuchungen  der  Pharmakologen  2)  ist  dies  schwierig.  Unser 
Darmkanal  vermag  nicht,  wie  der  der  Vögel,  grössere  Kalkmengen 
zu  resorbieren  und  die  Wirkung  des  vielleicht  Resorbierten  kann 
nur  gering  sein,  weil  nahezu  gleiche  Quantitäten,  wie  durch 
den  Darmkanal  auf  genommen  sind,  in  den  Harn  übergehen. 

Die  Untersuchungen  der  Pharmakologen  über  die  Resorp- 
tionsfähigkeit  des  Kalkes  beziehen  sich  fraglos  auf  den  per  os 
inkorporierten.  Ich  versuchte  daher  ausser  per  os  auch  per  elysma 
Kalk  dem  Körper  zuzuführen. 

Tuberkulöse  liess  ich  Abends  vor  dem  Schlafengehen  Kalk- 
wasscrldystiere  machen  und  zwar  so,  dass  jedesmal  150 — 250  g 
Kalkwasser  mit  gleichen  Quantitäten  warmen  Wassers  verdünnt 
verbraucht  werden.  Die  Kranken  gewöhnen  sich  bald  daran,  die 
Flüssigkeit  zu  halten.  Dieselbe  wird  prompt  resorbiert  und  ich 
habe  keinen  Grund  zu  der  Annahme,  dass  die  in  der  Flüssig¬ 
keit  enthaltene  Kalkmenge  3)  —  ca.  14  g  —  nicht  in  den  Körper 
aufgenommen  wird. 

Zugleich  lasse  ich  folgendes  Pulver  einnehmen : 

Calc.  carb. 

Calc.  phosphor.  äa  20 
S.  3  mal  tägl.  Vz  Theelöffel. 

')  Cornet:  Die  Tuberkulose.  1899.  S.  40(1. 

-)  Harnack:  Lehrbuch  der  Arzneimittellehre.  1883.  8.  171 
u.  172.  , 

*)  1  Teil  Kalziumhydroxyd  löst  sich  in  750  Teilen  Wasser  bei 
15 0  C.  Hägers  Handbuch  der  pharmazeutischen  Praxis  1900, 
Bd.  I,  S.  542. 


2.  Dezember  1902. 


MlTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2009 


Eine  unangenehme  Nebenwirkung  habe  ich  bei  dieser  Me¬ 
thode  der  Kalkeinverleibung  nicht  beobachtet. 

Diese  Behandlung  kombiniere  •  ich  mit  Etappentuberkulin- 
kuren. 

Durch  die  Tuberkulininjektion  wird  in  der  kranken  Partie 
und  ihrer  Umgebung  ein  neuer  Reiz  gesetzt.  Zahlreiche  weisse 
Blutkörperchen  ziehen  dorthin,  beladen  mit  Teilchen  des  dem 
Blute  zugeführten  Kalkes.  Was  innerhalb  der  Zone  der  Reaktion 
hegt,  imprägniert  sich  mit  dem  letzteren.  So  in  Kürze  die 
theoretischen  Y oraussetzungen. 

5.  fortgeschrittene  Fälle  von  Lungentuberkulose,  bei  denen 
sämtlich  Bazillen  nachgewiesen  waren,  habe  ich  im.  Verlaufe 
eines  Jahres  mit  der  Tuberkulinkalkkur  behandelt. 

Ich  lasse  übrigens  die  Klystiere  und  das  Einnehmen  des 
Pulvers,  auch  wenn  die  Etappe  vorüber  ist,  fortsetzen. 

Bei  einem  Falle  schwanden  alle  Symptome4).  Die  4  anderen 
wurden  so  gebessert,  wie  ich  es  bisher  nicht  gesehen  habe.  Bei 
2  der  gebesserten  war  ein  ganzer  Lappen  befallen. 

Ich  stehe  auf  dem  Standpunkte,  dass  die  leichtesten  Fälle 
von  Lungentuberkulose  heilen  resp.  heilen  können  bei  jeder  Be¬ 
handlung,  selbst  ohne  jede  Behandlung,  dass  aber,  sobald  der 
tuberkulöse  Prozess  gewisse  Grenzen  überschritten  hat,  schätzungs¬ 
weise  haselnuss-  bis  walnussgross  geworden  ist,  durch  die  bisher 
empfohlenen  und  angewandten  Kuren  selten  ein  Dauererfolg  er¬ 
zielt  worden  ist.  Nach  meinen  Beobachtungen  an  wohlsituierten 
Patienten  ist  der  Gewinn  selbst  der  kostspieligsten  Freiluftkuren 
in  den  bei  ühmtesten  Kurorten  illusorisch,  wenn  der  Prozess  nicht 
im  ersten  Beginn  ist.  Das  Allgemeinbefinden  bessert  sich,  die 
Krankheit  selbst  geht  ihren  Gang  weiter.  Ich  halte  den  Auf¬ 
enthalt  in  frischer  Luft  für  ein  Schutzmittel,  nicht  für  ein  Heil¬ 
mittel.  Die  Kinder  der  schwindsüchtigen  Armen  infizieren  sich 
nui  deshalb  nicht  allzu  häufig,  weil  sie  den  ganzen  Tag  auf  der 
Strasse  liegen. 

Für  die  fortgeschrittenen  Fälle  von  Lungentuberkulose 
suchen  wir  Aerzte  noch  nach  einem  Heilmittel.  Ich  bin  mir  wohl 
bewusst,  dass,  zumal  noch  kein  autoptischer  Befund  vorliegt, 
meine  Beobachtungen  bezüglich  der  Tuberkulinkalkkur  an  An¬ 
zahl  und  Dauer  zu  gering  sind,  um  sichere  positive  Schlüsse 
ziehen  zu  können;  immerhin  glaube  ich  mich  danach  für  be¬ 
rechtigt  zu  halten,  meine  Anschauungen  über  eine  anzustrebende 
Verkalkung  der  Knoten  resp.  Bildung  eines  Abschlusses  des 
lokalen  Prozesses  durch  eine  feste  Umwallung  mittels  einer  mit 
Kalk  imprägnierten  Bindegewebsschale  hier  kurz  zum  Ausdruck 
zu  bringen. 


Bericht  über  die  Ergebnisse  der  Schutzpockenimpfung 
im  Königreiche  Bayern  im  Jahre  1901, 

erstattet  von  dem  k.  Zentralimpfarzte,  Medizinalrat 
Dr.  L.  Stumpf. 

A.  Statistischer  Teil. 

I.  Erste  Impfung. 

A.  Allgemeines. 

Zahl  der  Einwohner  nach  der  Zählung  von  1900  ....  6T76057 
Gesamtzahl  der  zur  Erstimpfung  vorzustellenden  Kinder  .  210  549 

Im  Laufe  des  Geschäftsjahres  vor  dem  Nachweise  er¬ 
folgreicher  Impfung  zugezogene,  im  Vorjahre  geborene 

Kinder .  7  522 

Impfpflichtig  waren  hienach .  218  071 

Hievon  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  ungeimpft  ge- 

storben .  16  597 

Ungeimpft  verzogen  sind .  12  796 

Von  der  Impfpflicht  befreit,  weil  sie  die  natürlichen  Blat¬ 
tern  überstanden  haben .  7 

Bereits  im  Vorjahre  eingetragen  als  mit  Erfolg  geimpft  .  12  737 

Bereits  im  Vorjahre  geimpft,  aber  erst  jetzt  zur  Nach¬ 
schau  erschienen .  88 

Demnach  sind  impfpflichtig  geblieben: 

zum  1.  Male  .  169  061 

»  2.  „  5  529 

»  3 .  1  256 

Im  Ganzen  175  846 


4)  Ich  spreche  absichtlich  nicht  von  Heilung,  weil  ich  bei  der 
Tuberkulose  wie  bei  der  Syphilis  eine  Beobachtungszeit  von 
3  Jahren  fordere. 

No.  48. 


Von  den  Pflichtigen  wurden  geimpft 
Ungeimpft  blieben: 

1.  auf  Grund  ärztlichen  Zeugnisses  vorläufig  zurück¬ 
gestellt  . 

2.  weil  nicht  aufzufinden  oder  zufällig  ortsabwesend 

3.  weil  vorschriftswidrig  der  Impfung  entzogen 

Im  Ganzen 


151746 


13  143 
6175 
1782 
21 100 


B.  Zahl  der  Geimpften,  Erfolg  der  Impfung, 


1.  Impfpflichtig  Gebliebene  wurden  geimpft . 154  746 

{mit  Erfolg .  443  074 

ohne  Erfolg .  [  4  43g 

mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  .  196 

Im  Ganzen  144406 

mit  Erfolg .  10  078 

privat  <  ohne  Erfolg .  249 

|  mit  unbekanntem  Erfolge .  *"43 

Im  Ganzen  10  340 

2.  Im  Geburtsjahre  wurden  geimpft .  43  39g 

(  mit  Erfolg . 11  897 

und  zwar  öffentlich  1  ohne  Erfolg .  255 

|  mit  unbekanntem  Erfolge  .  ,  16 

lm  Ganzen  12  168 

mit  Erfolg  .  4  103 

privat  1  ohne  Erfolg .  35 

(  mit  unbekanntem  Erfolge .  . 

Im  Ganzen  1  138 

3.  Sonstige  Nichtoflichtige  wurden  geimpft .  .  154 

und  zwar  öffentlich .  444 

privat .  23 

4.  Somit  wurden  überhaupt  zum  ersten  Male  geimpft  .  168  206 

[  mit  Erfolg .  155  088 

und  zwar  öffentlich  <  ohne  Erfolg  .  4  3^7 

|  mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  .  230 

[  mit  Erfolg .  44)94 

privat  1  ohne  Erfolg .  284 

[  mit  unbekanntem  Erfolge .  43 


C.  Erfolg  der  Impfungen  nach  der  Art  der  Lymphe. 


L  Mit  Tierlymphe  wurden  geimpft  überhaupt  .....  168206 

a)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt .  164  830 

f  mit  Erfolg .  155  087 

und  zwar  öffentlich  l  ohne  Erfolg .  4  394 

(  mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  230 

(mit  Erfolg .  7  959 

ohne  Erfolg  ...  . .  '  ’  ’  459 

mit  unbekanntem  Erfolge .  13 

b)  mit  Glycerinlymphe  aus  anderen  Bezugsquellen 

oder  mit  anders  aufbewahrter  Lymphe .  3  376 

(mit  Erfolg .  4 

ohne  Erfolg . [  3 

mit  unbekanntem  Erfolge  ...  — 

I  mit  Erfolg . 3235 

privat  ohne  Erfolg  . .  .  ."  134 

(  mit  unbekanntem  Erfolge .  . 

2.  Mit  Me  ischenlymphe  wurden  geimpft  (von  Körper  zu 

Körper)  .  .  . 

3.  Zahl  der  erzielten  Pusteln  bei  den  Impfungen  mit 

Tierlymphe .  664  898 

a)  bei  den  öffentlichen  Impfungen .  624  593 

„  „  privaten  Impfungen .  40  305 

b)  „  „  impfpflichtig  Gebliebenen .  617  822 

»  „  im  Geburtsjahre  Geimpften  und  son¬ 
stigen  Nichtpflichtigen .  47  076 

c)  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  .  653  598 

„  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Gly¬ 
cerin-  oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  11300 

4.  Fälle  mit  je  1  Pustel  sind  verzeichnet .  6  003 

a)  bei  den  öffentlichen  Impfungen .  5  542 

„  „  privaten  Impfungen .  461 

b)  „  „  impfpflichtig  Gebliebenen .  4  982 

„  „  im  Geburtsjahre  Geimpften  und  son¬ 
stigen  Nichtpflichtigen .  1  021 

c)  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  .  5  810 

,,  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Gly¬ 
cerin-  oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  193 

5.  Fehlimpf ungen .  1  681 

a)  bei  den  öffentlichen  Impfungen .  1  897 

„  „  privaten  Impfungen .  284 

b)  „  „  impfpflichtig  Gebliebenen .  1 385 

„  „  im  Geburtsjahre  Geimpften  und  son¬ 
stigen  Nichtpflichtigen .  296 

c)  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  .  1 541 

„  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Gly¬ 
cerin-  oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  140 

5 


2010 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4S. 


D.  Berechnungen. 

1.  In  Prozenten  der  Erstimpfungen  wurden  geimpft: 

a)  \  ohne  Erfolg . 

|  mit  unbekanntem  Erfolge . 

b)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt  .  .  . 

„  anderweitig  bezogener  Glycerin-  oder  anders 
aufbewahrter  Lymphe . 

2.  Durchschnittliche  Pustelzahl  überhaupt . 

und  zwar  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  . 

bei  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Glycerin-  oder 
anders  aufbewahrter  Lymphe . 

3.  Fälle  mit  nur  je  1  Pustel  überhaupt . 

und  zwar  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  . 

bei  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Glycerin¬ 
oder  anders  aufbewahrter  Lymphe . 

4.  Fehlimpfungen  in  Prozenten  der  Impfungen  überhaupt 

und  zwar  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  . 

bei  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Glycerin¬ 
oder  anders  aufbewahrter  Lymphe . 

II.  Wiederimpfung. 

A  Allgemeines. 


98,80 

1,0 

0,14 

97,99 

2,01 

4,0 

4,01 

3,49 

3,61 


3,56 


5,96 

1,0 

0,94 

4,15 


(  mit  Erfolg  .  .  .  . . 

privat  ohne  Erfolg  .  . . 

(  mit  unbekanntem  Erfolge . 

b)  mit  Glycerinlymphe  aus  anderen  Bezugsquellen  oder 

anders  aufbewahrter  Lymphe . 

und  zwar  öffentlich . 

I  mit  Erfolg . 

privat  J  ohne  Erfolg . 

I  mit  unbekanntem  Erfolge . 

2.  Mit  Menschenlymphe  (von  Körper  zu  Körper)  wurden 

wiedergeimpft . 

3  Fälle  mit  vollkommenen  Pusteln  überhaupt  .... 

a)  bei  den  öffentlichen  1  £ 

„  „  privaten  [Wiederimpfungen  .... 

b)  „  „  wiederimpfpflichtig  Gebliebenen . 

„  „  Nichtpflichtigen  (ausserordentl.  Impfungen) 

c)  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  a.  d.  Zentralimpfanstalt 

„  ,,  anderweitig  bezogener  Glycerin¬ 
oder  anders  aufbewahrter  Lymphe . 

4.  Fälle  mit  Bläschen  oder  Knötchen  überhaupt  .  .  .  . 

5.  Fehlimpfungen  überhaupt . 

a)  bei  den  öffentlichen  I  ,  .  ~ 

„  „  privaten  j  Wiederimpfungen . 

b)  „  „  wiederimpfpflichtig  Gebliebenen . 

„  „  Nichtpflichtigen . 

c)  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  a.  d.  Zentralimpfanstalt 

„  „  anderweitig  bezogener  Glycerin¬ 
oder  anders  aufbewahrter  Lymphe . 


1  743 
294 
47 

176 

159 

17 


97  520 

96  281 
1239 

95  214 
2  306 

97  379 

141 

29  299 
1604 
1293 
311 
1077 
527 
1587 

17 


Gesamtzahl  der  zur  Wiederimpfung  vorzustellenden 

Kinder .  126  706 

Hievon  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  ungeimpft  ge¬ 
storben  .  123 

Hievon  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  ungeimpft  ver¬ 
zogen  .  1 893 

von  der  Impfpflicht  befreit,  weil  sie  in  den  vorhergehen¬ 
den  5  Jahren  die  natürlichen  Blattern  überstanden  .  6 

während  der  5  vorhergehenden  Jahre  mit  Erfolg  geimpft  345 

Zugezogen  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres .  966 

Es  sind  wiederimpfpflichtig  geblieben: 

zum  1.  Male  .  123  975 

„  2.  „  .  1 056 

„  3.  . .  274 

Im  Ganzen  125  305 

Hievon  wurden  wiedergeimpft .  123  799 

Ungeimpft  blieben: 

auf  Grund  ärztlichen  Zeugnisses  vorläufig  zurückgestellt  1  075 
wegen  Aufhörens  des  Besuches  einer  die  Impfpflicht  be¬ 
dingenden  Lehranstalt .  49 

weil  nicht  aufzufinden  oder  zufällig  ortsabwesend  ....  123 

weil  vorschriftswidrig  der  Impfung  entzogen .  259 

Im  Ganzen  1  506 

B.  Zahl  der  Wiedergeimpften,  Erfolg  der  Wieder¬ 
im  p  f  u  n  g. 

1.  Wiederimpfpflichtige  wurden  geimpft .  123  799 

f  mit  Erfolg .  121  949 

und  zwar  öffentlich  <  ohne  Erfolg .  1  015 

(  mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  93 

Im  Ganzen  123  057 

(  mit  Erfolg .  675 

privat  ohne  Erfolg . .  62 

|  mit  unbekanntem  Erfolge .  5 

Im  Ganzen  742 

2.  Nichtwiederimpfpflichtige  wurden  geimpft .  4  945 

[  mit  Erfolg .  2  968 

und  zwar  öffentlich  1  ohne  Erfolg .  278 

l  mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  181 

Im  Ganzen  3  427 

f  mit  Erfolg .  1  227 

privat  j  ohne  Erfolg .  249 

|  mit  unbekanntem  Erfolge .  42 

Im  Ganzen  1  518 

3.  Somit  wurden  überhaupt  wiedergeimpft .  128  744 

I  mit  Erfolg .  124  917 

und  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg .  1 293 

|  mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  .  274 

[  mit  Erfolg .  1  902 

privat  j  ohne  Erfolg  . .  311 

[  mit  unbekanntem  Erfolge .  47 


C.  Erfolg  der  Wiederimpfung  nach  der  Art  der 

Lymphe. 


1.  Mit  Tierlymphe  wurden  wiedergeimpft  überhaupt  .  . 

a)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt . 

f  mit  Erfolg . 

und  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg  .  .  . 

[  mit  unbekanntem  Erfolge 


128  744 
128  568 
124  917 
1293 
274 


D.  Berechnungen. 

1.  In  Prozenten  der  Wiedergeimpften  wurden  geimpft: 

a)  mit  Erfolg .  98,50 

ohne  Erfolg .  1,25 

mit  unbekanntem  Erfolge .  0,25 

b)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstal t .  99,86 

„  anderweitig  bezogener  Glycerin-  oder  anders  auf¬ 
bewahrter  Lymphe .  0,14 

2.  Fälle  mit  vollkommenen  Blattern  in  Prozenten  der  er¬ 

folgreichen  Wiederimpfungen  überhaupt .  76,90 

und  zwar  bei  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  aus 

der  Zentralimpfanstalt .  ....  76,88 

mit  anderweitig  bezogener  Glycerin-  oder  anders 
aufbewahrter  Lymphe .  88,68 

3.  Fälle  mit  Bläschen  oder  Knötchen  in  Prozenten  der 

erfolgreichen  Wiederimpfuugen .  23,10 

4.  Fehlimpfungen  in  Prozenten  der  Wiederimpfungen 

überhaupt .  1,25 

und  zwar  bei  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  aus  der 

Zentralimpfanstalt .  1,24 

bei  Wiederimpfungen  mit  anderweitig  bezogener  Gly¬ 
cerin-  oder  anders  aufbewahrter  Lymphe .  10,69 

B.  Sachlicher  Teil. 

Hie  gesamte  Produktion  von  Tierlymphe  belief 
sich  im  Jahre  1901  auf  471900  Portionen,  gegen  das  Vorjahr 
weniger -um  25  100  Portionen.  Diese  gesamte  Menge  von  Lymphe 
wurde  geliefert  von  68  Kälbern,  22  Stier-  und  46  Kuh-Kälbern. 
50  Tiere  wurden  mit  Menschenlymphe,  17  mit  Tierlymphe  und 

1  Kalb  —  No.  45  —  mit  Variolavirus  geimpft.  Die  mit  Menschen¬ 
lymphe  geimpften  Tiere  ergaben  470,60  g,  die  mit  animaler 
Lymphe  129,86  g  Rohstoff.  Die  ersteren  waren  fast  aus¬ 
nahmslos  mittels  Flächenimpfung,  die  letzteren  mittels  einzelner 
Stich-  und  Strichinsertionen  geimpft,  welche  in  der  Zahl  von 
§00 — 1000  einzelner  Insertionen  auf  je  einem  Tiere  angelegt 
wurden.  Bei  den  mit  Menschenlymphe  geimpften  Tieren  trifft 
auf  jedes  die  Durchschnittsmenge  von  9,41  g,  bei  den  mit 
animaler  Lymphe  geimpften  7,63  g  Rohstoff.  Die  ver¬ 
schiedenen  Impfmethoden  erklären  die  angegebenen  quantitativen 
Durchschnittsunterschiede  in  der  Lympheproduktion.  Es  ist  all¬ 
gemein  bekamit,  dass  die  holländische  Methode  der  Anlegung 
von  Einzelinsertionen  auf  einem  Tiere  weniger  Lymphe  hervor¬ 
bringt  als  die  in  Deutschland  vielfach  geübte  Flächenimpfung. 
Das  Maximum  der  Produktion  eines  Tieres  —  Kalb  No.  43  — 
betrug  28,94  g  Rohstoff,  welcher  24  950  Portionen  Emulsion 
ergab.  Die  geringste  Menge  produzierte  das  Kalb  No.  58  mit 
0,74  g  Rohstoff,  von  welchem  500  Portionen  Emulsion  gewonnen 
wurden. 

Auf  dem  mit  Variolavirus  geimpften  Tiere  entwickelten  sich 

2  Pusteln,  von  denen  keine  ein  viel  versprechendes  Aussehen  hatte. 
Der  Grund  von  diesem  halben  Misserfolge  wird  darin  zu  suchen 
sein,  dass  einmal  das  zur  Verimpfung  gelangte  Variolavirus  schon 
ziemlich  eiti'ig  war,  sowie  dass  das  Impftier  besonders  in  den 
letzten  Tagen  der  Pustelentwicklung  stark  an  Durchfall  litt.  In¬ 
folge  davon  hatten  die  Pusteln  ein  trockenes,  fast  abortives  Aus¬ 
sehen  und  der  Impfstoff  eröffnete  für  die  Möglichkeit  der  Weiter- 


2.  Dezember  1902. 


2011 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zuclit  schlechte  Aussichten.  In  der  Tat  gelang  es  nicht,  von  den 
beiden  T  usteln  einen  brauchbaren  Stamm  weiterzuzüchten.  Da¬ 
gegen  beA\  ährte  sich  der  in  der  k.  Zentralimpfanstalt  fortgezüchtete 
italienische  Stamm  des  Jahres  1900  auch  im  Berichtjahre  wieder' 
aufs  beste,  und  wiederholt  wurden  an  andere  I in p f a n s t al te n  von 
diesem  Stamm  kleinere  und  grössere  Mengen  zur  Weiterzucht  ab¬ 
gegeben. 

Die  durchschnittliche  Produktion  von  8,S3  g  Rohstoff  pro  Tier, 
v  eiche  Menge  einer  Quantität  von  (1938  Lympheportionen  ent¬ 
sprach,  stellt  den  höchsten  Durchschnittsertrag  eines  Tieres  dar, 
welcher  seit  dem  Beginne  der  Produktion  von  Tierlymphe  in  der 
k.  b.  Zentralimpfanstalt  bisher  erreicht  wurde.  Das  Berichtjahr 
ist  auch  insoferne  für  unsere  Anstalt  ein  sehr  gutes  Jahr  gewesen, 
als  kein  einziges  Tier  wegen  Krankheit  zurückgegeben  werden 
musste.  Auch  ergab  sich  bei  der  Schlachtung  der  68  Impftiere 
in  keinem  Falle  ein  pathologisches  Moment,  welches  die  Verwen¬ 
dung  der  gewonnenen  Lymphe  nicht  als  rötlich  erscheinen  liess. 
Das  Hauptverdienst  an  dieser  erfreulichen  Tatsache  ist  der  Er¬ 
fahrung  des  städtischen  Obertierarztes,  Herrn  F.  M  ö  1 1  e  r,  zuzu¬ 
schreiben,  und  der  Berichterstatter  möchte  es  nicht  unterlassen, 
demselben  für  seine  Mühewaltung  und  Geschicklichkeit  bei  der 
Auswahl  der  Impftiere  den  besten  Dank  auszusprechen. 

Von  68  Tieren  wurden  35  im  Laufe  und  am  Ende  des 
'>.  lages  abgeerntet.  Sie  waren  alle  mit  humaner  Glyzerinlymphe 
geimpft  worden.  Die  mit  animaler  Lymphe  geimpften  Tiere 
standen  durchwegs  längere  Zeit  im  Stalle.  So  reiften  die  Pusteln 
von  den  letzteren  5  mal  im  Laufe  des  6.  Tages,  8  mal  am  Ende 
des  6.  Tages,  4  mal  im  Verlaufe  des  7.  Tages  und  1  mal  am  Ende 
des  9.  Tages.  Das  letztgenannte  Tier  war  das  mit  Variolavirus 
geimpfte. 

Die  Pusteln  hatten  im  Berichtjahre  durchwegs  ein  ganz  vor¬ 
zügliches  Aussehen.  Bei  der  Stoffentuahme  wurden  die  brauch¬ 
baren  Pusteln  aufs  sorgfältigste  ausgewählt  und  alle  jene  un¬ 
berührt  gelassen,  welche  teils  ausgesprochen  abortiven  Charakter 
zeigten,  teils  durch  ihr  trockenes  unansehnliches  Aussehen  nichts 
Gutes  erwarten  Hessen.  Die  Beimischung  dieser  Pustelerträgnisse 
wäre  bloss  geeignet  gewesen,  die  Qualität  der  übrigen  Lymphe  zu 
verschlechtern.  Dieses  Verfahren  hatte  zur  Folge,  dass  die  Qualität 
dei  on  der  k.  b.  Zentralimpfanstalt  im  Berichtjahre  produzierten 
Lymphe  vorzüglich  war,  und  wenn  auch  da  und  dort  die  Halt¬ 
barkeit  einiger  Sorten  manchmal  zu  wünschen  übrig  liess,  so  geht 
doch  aus  den  Berichten  der  Amtsärzte  des  Landes  hervor,  dass  die 
Lymphe  in  ihren  Erfolgen  durchaus  befriedigte. 

Es  mag  hier  noch  erwähnt  werden,  dass  die  Pusteln  auf  dem 
Tiere  nach  der  Erfahrung  des  Berichterstatters,  die  sich  derselbe 
in  15  jähriger  amtlicher  Tätigkeit  gesammelt  hat,  mit  einer  Quali- 
fikatäonsnote  versehen  werden.  Diese  auf  das  Aussehen  der 
Pusteln  hin  den  einzelnen  Lymphesorten  zuerteilte  Qualifikations¬ 
note  wird  dann  durch  eine  zweite  Note  korrigiert,  welche  sich  aus 
den  mit  den  verschiedenen  Lymphesorten  erzielten  Erfolgen  der 
Probeimpfungen  ergibt.  Es  pflegt  grundsätzlich  bei  der  Aufstel¬ 
lung  der  ersteren  Noten  sehr  strenge  verfahren  zu  werden,  und 
die  beste  Qualifikation  wird  nur  jenen  Pusteln  erteilt,  welche  von 
tadelloser  Entwicklung  und  von  einwandfreiem  Aussehen  sind. 
Infolge  dieses  Verfahrens  fallen  die  ersten  Qualifikationen  fast 
immer  strenger  aus  als  die  nach  der  Probeimpfung  zuerteilte 
Beurteilung.  In  dieser  Hinsicht  ergab  sich  im  Berichtjahre  fol¬ 
gendes:  Bei  67  Tieren  wurden  47  Lymphesorten  schlechter  quali¬ 
fiziert  als  sie  in  Wirklichkeit  bei  der  Vorprobe,  die  sich  durchwegs 
auf  mindestens  100  Einzelimpf ungen  erstreckte,  sich  erwiesen, 
ln  17  Fällen  stimmte  die  erste  Qualifikation  mit  der  zweiten  über¬ 
ein.  In  3  Fällen  war  die  erste  Qualifikation  nach  dem  Aussehen 
der  Pusteln  am  Tiere  besser  als  die  auf  Grund  der  Impfungen 
iestgestellte.  Für  die  Lösung  der  Frage,  ob  es  möglich  ist,  nach 
dem  Aussehen  der  Pusteln  auf  dem  geimpften  Tiere  mit  Sicherheit 
auf  die^  zu  erwartenden  Impferfolge  scliliessen  zu  können,  ist  die 
erste  Kategorie  dieser  Reihe  bei  dem  Umstande,  dass  grundsätz¬ 
lich  sehr  strenge  geurteilt  wird,  nicht  von  Belang.  Auch  die 
17  Lymphesorten,  bei  denen  die  beiden  Qualifikationen  miteinander 
übereinstimmten,  sind  von  keiner  erheblichen  Beweiskraft.  Viel 
schwerer  wiegen  jene  3  Fälle,  bei  denen  die  auf  das  Aussehen  der 
Pusteln  auf  dem  Tiere  gestellten  Erwartungen  bei  der  nach¬ 
folgenden  Impfprobe  nicht  erfüllt  wurden.  Diese  3  Fehlprognosen 
(und  solche  einzelne  Fehlschlüsse  gab  es  bisher  alljährlich)  lassen 
den  Satz  begründet  erscheinen,  dass  selbst  eine  Erfahrung,  die 
sich  nunmehr  über  ein  Material  von  etwa  1350  Impftieren  er¬ 
streckt,  ein  absolut  sicheres,  auf  das  Aussehen  der  Pusteln  am 
Tiere  begründetes  Urteil  noch  nicht  gewährleistet.  Bei  der  Ver¬ 
impfung  von  Tierlymphe  auf  den  Menschen  müssen,  abgesehen 
vom  Aussehen  (Turgeszenz,  Grösse  und  Farbe)  der  Pusteln,  noch 
andere  Momente  wirksam  sein,  welche  sich  vorläufig  unserer 
Kenntnis  entziehen.  Auffallend  ist  der  Umstand,  dass  alle 
3  Fehlprognosen  Tiere  betrafen,  welche  quantitativ  bedeutende 
Erträgnisse  lieferten.  So  wurden  von  dem  ersten  dieser  Tiere 
20  050  Portionen  Lymphe,  von  dem  zweiten  9450  Portionen  und 
von  dem  dritten  Tiere,  welches  bei  der  ersten  Beurteilung  sogar 
die  Note  ,,I*“  erhalten  hatte,  9100  Portionen  gewonnen.  Der  Be¬ 
richterstatter  pflegt  seit  Jahren  jene  Lymphesorten,  welche  unter 
dem  Durchschnittsquantum  stehen,  als  die  virulentesten  anzu¬ 
sehen.  Es  ist  vielleicht  kein  Zufall,  dass  gerade  die  3  Fehl¬ 
prognosen  Impftiere  betrafen,  welche  weit  über  dem  Durchschnitt 
stehende  Lympheerträgnisse  gewinnen  Hessen.  2  Tiere  waren 
mittels  der  Methode  der  Einzelinsertionen  geimpft  worden.  Diesen 
Eiuzelinsertionen  entsprachen  prachtvoll  ausgebildete  Pusteln, 
die  sich  aus  gesundem  Hautgewebe,  unbeengt  von  den  Nachbar¬ 


pusteln,  gross  und  voll  entwickeln  konnten  und  trotzdem  eine 
Lymphe  lieferten,  welche  den  Erwartungen  nicht  entsprach.  Hier 
ist  also  noch  nicht  volle  Klarheit  und  Sicherheit  gewonnen.  Es 
ist  jedoch  kaum  daran  zu  zweifeln,  dass  eine  zunehmende  Er¬ 
fahrung  diese  Frage  endlich  auch  zur  Lösung  bringen  wird. 

Von  der  gesamten  Lymphemenge  von  471900  Portionen  Emul¬ 
sion  kam  der  weitaus  grösste  Teil  zur  Versendung,  und  zwar  er¬ 
hielten  die  Amtsärzte  des  Landes  in  599  Sendungen  334  957  Por¬ 
tionen,  die  Pih  atärzte  9ol2  Portionen  und  die  Militärärzte  in 
236  Sendungen  37  551  Portionen.  Ausserdem  wurden  in  München 
selbst  zur  Durchführung  der  Schutzpockenimpfung  13  200  Por¬ 
tionen  verbraucht.  19  999  Portionen  wurden  als  minderwertig 
und  zur  Verimpfung  deshalb  nicht  geeignet  im  Laufe  des  Bericht¬ 
jahres  vernichtet,  und  der  Rest  von  56  6S1  Portionen  ging  als 
I oi rat  auf  das  nächste  Jahr  über.  Wie  in  früheren  Jahren  wurden 
auch  im  Berichtjahre  wieder  die  wirksamsten  Lymphesorten  aus 
den  schon  öfters  dargelegten  Gründen  für  die  Privatimpfung  re¬ 
serviert. 

Die  Heeresimpfun  g,  Avelche  sich  grösstenteils  in  der 
Zeit  vom  1.  Oktober  bis  31.  Dezember  abwickelte,  ergab  im  Be¬ 
richt  jalire  ganz  vorzügliche  Resultate,  welche  zur  Folge  hatten, 
dass  der  Lymphebedarf  für  die  k.  b.  Armee  trotz  der  hohen  Ein¬ 
stellungsziffern  der  jungen  Mannschaft  hinter  dem  Bedarf  e 
früherer  Jahre  zurückgeblieben  ist.  Aus  den  von  den  3  Korps¬ 
kommandos  zusammengestellten  Gesamtberichten  ist  zu  ent¬ 
nehmen,  dass  die  Zahl  der  erstmals  geimpften  Rekruten,  Frei¬ 
willigen  etc.  betrug:  im  I.  Armeekorps  11  047  Mann,  im  II.  Armee¬ 
korps  10  289  Mann,  im  III.  Armeekorps  9023  Mann,  mithin  im 
ganzen  30  359  Mann.  Von  diesen  wurden  mit  Erfolg  geimpft  zum 
ersten  Male  im  I.  Armeekorps:  9745  Mann,  ohne  Erfolg:  1301  Mann; 
im  II.  Armeekorps:  9312  Mann,  ohne  Erfolg:  977  Mann;  im 
III.  Armeekorps:  7831  Mann,  ohne  Erfolg:  1192  Mann,  mithin 
im  ganzen  zum  ersten  Male  mit  Erfolg:  26  888  Mann,  ohne  Erfolg 
3470  Mann.  Von  den  ohne  Erfolg  wiedergeimpften  Mannschaften 
kommen  durch  die  mit  Erfolg  wiederholte  Impfung  noch  in  Abzug 
beim  I.  Armeekorps:  595  Mann,  beim  II.  Armeekorps:  551  Mann, 
beim  III.  Armeekorps:  609  Mann,  mithin  im  ganzen  1755  Mann. 
Damit  blieben  ohne  Erfolg  geimpft  beim  I.  Armeekorps:  702,  beim 
II.  Armeekorps:  426,  beim  III.  Armeekorps:  580  Mann.  Da  ferner 
zu  diesen  im  Berichtjahre  geimpften  Mannschaften  noch  die  im 
Jahre  1900  ohne  Erfolg  zum  zweiten  Male  wiedergeimpften  Mann¬ 
schaften  hinzukommen,  und  zwar  mit  691  Mann  beim  I.,  mit  876 
beim  II.  und  mit  859  Mann  beim  III.  Armeekorps,  von  welch  letz¬ 
teren  beim  I.  Armeekorps  387  Mann,  beim  II.  Armeekorps 
437  Mann,  beim  III.  Armeekorps  429  Mann  mit  Erfolg  wieder¬ 
geimpft  wurden,  mithin  im  ganzen  1253  Mann,  so  ergibt  sich  unter 
Hinzurechnung  eines  zur  kaiserl.  Schutztruppe  übergetretenen 
Mannes  vom  I.  Armeekorps  für  dieses  insgesamt:  11739  Mann, 
davon  10  728  mit  Erfolg  =  91,4  Proz.,  ohne  Erfolg  1006  =  8,6  Proz., 
für  das  II.  Armeekorps  11165  Geimpfte,  davoi/ 10  300  mit  Erfolg 
—  92,3  Proz.,  ohne  Erfolg  865  r-  7,7  Proz.,  für  das  III.  Armee¬ 
korps  9882  Geimpfte,  davon  mit  Erfolg  SS69  —  S9,7  Proz.,  ohne 
Erfolg  1010  Mann  =  10,  2  Proz.,  mithin  für  das  ganze  bayerische 
Heer  32  786  Geimpfte,  davon  29  897  mit  Erfolg  =  91,2  Proz.,  2881 
ohne  Erfolg  =  8,8  Proz.  Dieses  Resultat  der  Heeresimpfung  ist 
das  beste,  Avelches  bisher  seit  Einführung  der  Tierlymphe  in  der 
Armee  erzielt  worden  ist.  und  wenn  man  in  Erwägung  zieht,  dass 
diese  Mannschaften  10  Jahre  vorher  fast  durchwegs  mit  Erfolg 
wiedergeimpft  worden  sind,  so  genügen  die  im  Berichtjahre  von 
den  Truppenärzten  erzielten  Resultate  den  höchsten  Anforderungen. 

Von  besonderen  Vorkommnissen  bei  der  Heeresimpfung  ist 
folgendes  erwähnenswert:  Ein  Mann  des  10.  Inf.-Regts.  erkrankte 
im  Anschluss  an  die  Impfung  an  Rotlauf  des  linken  Arms  mit 
nachfolgender  ausgedehnter  Zellgewebsentzündung;  ferner  ein 
Mann  des  20.  Inf.-Regts.  an  Vereiterung  der  Lymphdrüsen  der 
Achselhöhle.  Bei  1  Mann  des  14.  Inf.-Regts.  entstanden  infolge  der 
Impfung  2  Abszesse  auf  der  linken  Schulter.  Bei  21  Mann  des 
6.  Inf.-Regts.  trat  eine  heftige  Entzündungsröte  in  der  Umgebung 
der  Pusteln  auf  mit  Schwellung  der  Achseldrüsen.  4  Mann  wurden 
3 — 8  Tage  hindurch  in  Revier-  bezw.  Lazarettbehandlung  gehalten. 
Endlich  trat  bei  1  Mann  des  18.  Inf.-Regts.  im  Gefolge  der  Impfung 
ein  nässendes  Ekzem  am  linken  Oberarm  auf,  das  zu  seiner  Hei¬ 
lung  einer  mehrwöchigen  Lazarettbehandlung  bedurfte.  Es  er¬ 
gibt  sich  somit  eine  Gesamtsumme  von  25  infolge  der  Impfung 
erkrankten  Mannschaften  —  0,07  Proz.,  also  von  10  000  geimpften 
Mannschaften  7  Mann,  welche  eine  vorübergehende  Gesundheits¬ 
störung  durch  die  Impfung  erlitten.  Diese  Gesundheitsstörungen 
gingen  ausnahmslos  in  völlige  Genesung  aus.  Die  im  6.  Inf. -Regt, 
in  gehäufter  Anzahl  vorgekommenen  Fälle  von  lokaler  Dermatitis 
dürften  wohl  damit  zu  erklären  sein,  dass  eine  gemeinsame  Schäd¬ 
lichkeit  gerade  in  der  Zeit  nach  vollzogener  Impfung  auf  die 
junge,  im  Exerzierunterrichte  befindliche  Mannschaft  eingewirkt 
haben  wird,  vielleicht  rauhe  Witterung,  vielleicht,  auch  starke  An¬ 
strengung  der  Arme.  Ein  Impfrotlauf  scheint  in  keinem  dieser 
Fälle  Vorgelegen  zu  haben.  Von  vorübergehenden  Schwellungen 
der  Haut  der  Impfstelle  ist  noch  in  den  Spezialberichten  mehrerer 
Regimenter  die  Rede,  jedoch  ist  keiner  der  hievon  ergriffenen  Sol¬ 
daten  revierkrank  geworden. 

Wie  schon  erwähnt,  liess  die  Virulenz  der  im  Berichtjahre 
von  der  k.  b.  Zentralimpfanstalt  produzierten  Lymphe  nichts  zu 
Avünschen  übrig.  Auf  Grund  der  mit  den  Lymphesorten  vor¬ 
genommenen  Probeimpfungen,  welche  mindestens  auf  100  Impf¬ 
linge  und  zwar  ausnahmslos  auf  Wiederimpflinge  sich  erstreckten, 
ergab  sich,  dass  sich  unter  den  67  zur  Probe  verwendeten  Lymphe¬ 
sorten  55  erstklassige  befanden,  und  unter  diesen  erwiesen  sich 
5  Sorten  als  ganz  besonders  virulent.  Die  übrigen  12  Sorten 

5* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


■waren  zwar  etwas  weniger  kräftig,  zeigten  sich  aber  doch  als  voll¬ 
kommen  brauchbar,  so  dass  keine  einzige  Lymphesorte  im  Be- 
riclitjalire  von  vornherein  von  der  Versendung  ausgeschlossen 
werden  musste. 

Demgemäss  wurden  in  einer  grossen  Anzahl  von  Amtsbezirken 
des  Landes  im  Berichtjahre  ganz  vorzügliche  Erfolge  erzielt. 
Es  möge  gestattet  sein,  nur  einige  dieser  Erfolge  ziffermässig 
aufzuführen.  Im  Amtsbezirke  Mühldorf  wurden  sämtliche  Impf¬ 
linge  mit  Erfolg  geimpft.  Von  522  Erstimpflingen  wurden  bei 
20S8  Schnittchen  283(!  Pusteln  gezählt,  also  5,4  Pusteln  pro  Kind. 
Bei  52  im  Geburtsjahre  geimpften  Kindern  entwickelten  sich  aus 
208  Schnittchen  213  Pusteln.  Von  473  Wieder  impf  lingen  zeigten 
388  vollkommene  Pusteln.  Im  Amtsbezirke  Tölz  bildeten  sich 
bei  310  Erstimpflingen  aus  4  Schnittchen  1227,  bei  45  im  Geburts¬ 
jahre  Geimpften  1G9  Pusteln.  Von  281  Wiederimpflingen  zeigten 
274  —  97,5  Proz.  vollkommene  Blattern,  2,5  Proz.  Knötchen.  Im 
Impfbezirke  Mainburg  bekamen  von  358  Wiederimpflingen  355 
volle  und  grosse  Blattern,  nur  3  zeigten  Knötchen.  In  St.  Ingbert 
wurden  818  Erstimpflinge  bei  4  Schnitten  mit  dem  Erfolge  von 
3201  Pusteln  geimpft.  Einblätterige  Fälle  oder  Fehlerfolge  kamen 
nicht  vor.  Von  489  Wiederimpflingen  wurden  459  mit  vollem 
Pustelerfolge,  18  mit  Bläschenerfolg  und  12  mit  Knötchen  geimpft. 
Im  Amtsbezirke  Landau  a/I.  wurden  bei  589  Erstimpflingen  mit 
je  4  Schnitten  2345  Pusteln  erzielt  :=  3,9S  pro  Kind.  Fehlerfolge 
kamen  nicht  vor.  Bei  504  Wiedergeimpften  wurden  in  474  Fällen 
vollkommene  Pusteln  —  im  ganzen  deren  1740  erzielt  —  3,7  pro 
Kind,  ferner  bei  22  Wiederimpflingen  Bläschen,  bei  den  übrigen 
Knötchen.  Ueber  die  gleichen  vorzüglichen  Erfolge  berichten 
ferner  die  Amtsärzte  von  Beiingries,  Kemnath,  Neumarkt  (O.P.), 
Pegnitz,  Rothenburg,  Schöllkrippen  und  Neustadt  a/S.  Eine  der 
besten  Impfungen  des  Landes  scheint  jene  im  Amtsbezirke  Teusch- 
nitz  gewesen  zu  sein.  Fehlerfolge  oder  einblätterige  Fälle  kamen 
auch  hier  nicht  vor.  Bei  354  Erstimpfungen  wurden  mit  4  Impf- 
sclmitten  1420,  bei  37  im  Geburtsjahre  geimpften  Kindern 
147  Blattern  erzielt.  Bei  308  Wiederimpflingen  wurden  im  ganzen 
1043  Blattern  gezählt,  woraus  sich  84,0  Proz.  eines  vollen  Schnitt¬ 
erfolges  berechnen. 

Beweisend  für  die  gute  Wirkung  der  Lymphe  sind  auch  die 
vielfachen  Beobachtungen,  dass  sich  aus  einem  Impfschnitte  eine 
Mehrzahl,  ja  nicht  selten  ganze  Gruppen  von  Pusteln  entwickelt 
hatten.  Solche  Beobachtungen  wurden  gemacht  in  den  Amts¬ 
bezirken  Altötting,  Ebersberg,  Neumarkt  a/R.,  Griesbach,  Neu¬ 
kirchen  (b.  hl.  Bl.),  Vilsbiburg,  Freyung,  Beilngries,  Neumarkt 
(OP),  Teuschnitz,  Schwabach,  Alzenau,  Münnerstadt,  Donauwörth, 
Rain  und  Sonthofen.  So  beobachtete  der  Amtsarzt  von  Ebersberg 
an  der  Impfstelle  12 — 10  Blattern,  die  sich  aus  4  Schnitten  ent¬ 
wickelt  hatten.  Im  Amtsbezirke  Vilsbiburg  waren  10 — 14  Blattern 
bei  4  Impf  schnitten  keine  Seltenheit.  Im  Amtsbezirke  Rain  a/D. 
wurden  in  einem  Falle  bei  0  Kreuzschnitten  24  wohl  entwickelte 
Pusteln  gezählt. 

Die  Haltbarkeit  der  Lymphe  hat  nur  zu  wenigen  Aeusserungen 
seitens  der  Amtsärzte  Anlass  gegeben.  So  sprechen  sich  die  Amts¬ 
ärzte  von  I-Iengersberg,  Vilsbiburg,  Cham,  Vohenstrauss  und 
Thurnau  dahin  aus,  dass  der  Impfstoff  bei  den  späteren  Sen¬ 
dungen,  welche  natürlich  von  einer  in  wärmerer  Jahreszeit  pro¬ 
duzierten  Lymphe  herrührten,  weniger  haltbar  gewesen  sei  als 
bei  den  früheren  Sendungen.  In  wenigen  Fällen  waren  es  auch  die 
späteren  Impftermine,  welche  eine  deutliche  Abschwächung  der 
auf  einmal  erhaltenen  Lymphe  erkennen  liessen.  Ein  Arzt  des 
Amtsbezirks  Frankenthal  impfte  privat  2  Erstimpflinge  mit 
Lymphe  aus  der  k.  Zentralimpfanstalt,  und  zwar  ohne  Erfolg.  Er 
berichtet:  Die  Lymphe  wurde  ca.  „S  Wochen  vorschriftsmässig“ 
auf  bewahrt.  Von  einer  Lymphe,  welche  schon  an  der  Zentral¬ 
stelle  der  Vorschrift  entsprechend  bis  zur  Versendung  gelagert 
hatte,  kann  man  freilich  nicht  verlangen,  dass  sie  ihre  Wirksam¬ 
keit  auch  noch  nach  Ablauf  einer  weiteren  Reihe  von  Wochen  be¬ 
wahre.  Dass  die  Lymphe  auch  bei  den  Aerzten  noch  „vorschrifts¬ 
mässig“  abzulagern  habe,  ist  eine  irrige  Ansicht.  Diesen  Aeusse¬ 
rungen  über  die  Abschwächung  der  Lymphe  nach  längerer  Lage¬ 
rung  steht  eine  Anzahl  von  ärztlichen  Berichten  gegenüber,  in 
welchen  dem  Impfstoff  eine  auffallende  Haltbarkeit  nachgerühmt 
wird. 

Ueber  zu  knappe  Zuteilung  von  Lymphe  wurde  in  den  sämt¬ 
lichen  Berichten  des  Königreichs  nur  eine  Aeusserung  gefunden. 
Die  Neigung,  allenthalben  die  Zahl  der  Impfstationen  zu  ver¬ 
mehren,  worüber  noch  eingehend  zu  sprechen  sein  wird,  stellt 
natürlich  grössere  Anforderungen  an  die  Zentralstelle.  In  Be¬ 
rücksichtigung  dieses  Umstands  wurde  den  Amtsärzten  des  Lan¬ 
des  der  angemeldete  Lymphebedarf  reichlich  zugemessen,  und 
eine  grosse  Anzahl  derselben  spricht  sich  dahin  aus,  dass  die  zuge¬ 
teilte  Lymphe  mehr  als  ausgereicht  habe.  Beweis  dafür  ist  auch 
der  Umstand,  dass  aus  vielen  Amtsbezirken  von  der  zugestellten 
Lymphe  nach  Durchführung  des  Impfgeschäftes  mehr  minder  be¬ 
deutende  Lymphereste,  ja  manchmal  Hunderte  von  Impfportionen 
unbenützt  an  die  Zentralstelle  zurückgelangten.  Eine  genaue  An¬ 
gabe  des  Bedarfs  ist  ja  auch  zu  der  Zeit,  in  welcher  die  Lymphe¬ 
bestellung  erfolgen  muss,  nicht  immer  möglich.  Viele  Impfärzte 
pflegen  ausserdem  für  alle  Fälle  ihren  Bedarf  bei  der  Bestellung 
nicht  unerheblich  aufzurunden.  Kommt  dann  noch  der  Umstand 
hinzu,  dass  an  der  Zentralstelle  nach  dem  Grundsätze  verfahren 
wird,  liberal  auszuteilen,  so  kann  man  sich  über  die  häufig  vor¬ 
kommenden  Rücksendungen  überschüssiger  Lymphe  nicht  wun¬ 
dern.  Der  Berichterstatter  würde  allerdings  wüinschen,  dass  diese 
Rücksendungen  manchmal  früher  erfolgen  möchten,  weil  in  diesem 
Falle  die  zurückgelangte  Lymphe  wieder  zur  Verwendung  kommen 


könnte.  Wenn  ein  solcher  Lympherest  aber  erst  nach  einer  Reihe 
von  Wochen  zurückkömmt,  dann  ist  er  das  Porto  der  Rücksendung 
nicht  mehr  wert. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Professor  Edoardo  Porro.  + 

Geb.  zu  Padua  im  Jahre  1842,  gest.  in  Mailand  im  Jahre  1902. 

Als  Bürger,  wie  als  Arzt  muss  E.  Porro  unter  die  ver¬ 
dienstvollsten  Söhne  Italiens  gezählt  werden.  Er  hatte  eben  im 
Jahre  1866  sein  ärztliches  Diplom  an  der  Universität  zu  Pavia 
erworben,  als  der  Befreiungskampf  für  Venetien  ausbrach,  den 
er  samt  seinem  jüngeren  Bruder  Paolo  als  einfacher  Soldat  in  der 
Garibaldisehen  Schar  mitmachte.  Im  folgenden  Jahr  kämpfte 
er  unter  dem  General  bei  Mentana,  dem  berühmten  Dorf  in  der 
Nähe  Roms,  wo  die  wenigen  Garibaldiner  zwar  nach  ruhm¬ 
reichem  Kampf  unterlagen,  aber  nur,  um  3  Jahre  später  doch 
die  ewige  Stadt  zu  nehmen  und  dadurch  die  weltliche  Macht 
des  Papsttums  zu  zerstören.  Nachdem  er  dem  Vaterland  seine 
Dienste  geleistet  hatte,  kehrte  er  zur  Wissenschaft  zurück  und 
begann  seine  Laufbahn  als  Geburtshelfer  in  Mailand,  wo  er 
7  Jahre  als  'Assistent  an  dem  dortigen  gynäkologischen  Institut 
wirkte.  Im  Jahre  1875  wurde  er  auf  den  Lehrstuhl  der  Uni¬ 
versität  Pavia  berufen,  den  er  bis  1882  inne  hatte,  in  welchem 
Jahre  er  wieder  nach  Mailand  zurückkehrte,  um  dort  bis  zu 
seinem  Tode  als  Leiter  des  gyn ä kologischen  Instituts  eine  rast¬ 
lose  und  in  jeder  Beziehung  segensreiche  Tätigkeit  zu  entfalten. 
Zahlreich  sind  seine  Veröffentlichungen,  von  denen  einige  be¬ 
sondere  Erwähnung  verdienen.  So  die  Schrift,  in  der  er  über 
die  künstlich  hervorgerufene  frühzeitige  Geburt  spricht  und 
diese  Operation  rechtfertigt  und  ihre  Indikationen  bestimmt. 
„Ueber  das  Secale  cornutum“  ist  eine  Monographie,  in  welcher 
er  von  der  Anwendung,  den  Indikationen  und  Gefahren  dieser 
Medizin  spricht.  Ueber  die  Kephalotripsie  schrieb  er  auch  einen 
wichtigen  Aufsatz,  der  in  der  med.  ital.  Enzyklopädie  zu  lesen 
ist;  auch  beschrieh  er  einen  vielleicht  einzig  dastehenden  Fall 
von  Cystocele,  bei  dem  die  Punktion  354  mal  wiederholt  wurde. 

Was  aber  Po  r  ros  Namen  in  der  ganzen  medizinischen 
Welt  bekannt  machte  und  ihm  als  sein  grösstes  wissenschaft¬ 
liches  Verdienst  angerechnet  werden  muss,  ist  die  nach  ihm  be¬ 
nannte  Operation.  Er  führte  dieselbe  zum  ersten  Male  im 
Jahre  1876  an  der  Klinik  zu  Pavia  aus  und  zwar  mit  bestem 
Erfolg  für  die  Mutter,  wie  für  das  Kind.  In  einer  Monographie  ’) 
beschrieb  er  dann  den  ganzen  Verlauf  und  alle  Einzelheiten  der 
kühnen  Operation.  Dieselbe  besteht,  wie  bekannt,  in  einer  La¬ 
parotomie  mit  Amputation  des  inneren  Muttermundes  nebst 
Uterusanhängen  nach  der  erfolgten  Extraktion  des  Kindes.  Die 
Po  r  rose  he  Operation  gilt  deshalb  als  Ersatz  des  Kaiser¬ 
schnittes  und  wurde  besonders,  als  letzterer  so  schlechte  Resul¬ 
tate  erzielte,  von  den  Gynäkologen  mit  Begeisterung  aufge¬ 
nommen. 

Die  Indikationen  der  Porro  sehen  Operation  sind  ver¬ 
schieden.  Von  einigen  Operateuren  wird  sie  prinzipiell  statt 
des  viel  gefährlicheren  Kaiserschnittes  durchgeführt.  Ausser¬ 
dem  kommt  sie  besonders  in  Anwendung,  wenn  nach  der  Aus¬ 
führung  des  klassischen  Kaiserschnittes  die  Blutung  aus  dem 
Uterus  in  keiner  Weise  zu  stillen  ist;  ferner  bei  ausgedehnten, 
narbigen  Stenosen  der  Vagina,  bei  welchen  die  Lochialsekrete 
nicht  leicht  passieren  können.  In  Fällen  von  umfangreichem 
Uterusmyom,  das  die  Geburt  „per  vagin  am“  unmöglich  macht, 
sowie  bei  Osteomalacia  als  Ursache  der  Beckenverengerung  ist 
die  Porro  sehe  Operation  das  beste  Verfahren.  Die  Mortalität 
bei  der  Porro  sehen  Operation  ist  sehr  verschieden  angegeben. 
Bertazzoli:),  ein  Schüler  P  o  r  r  o  s,  bringt  eine  Statistik 
von  41  Fällen,  bei  denen  die  Mortalität  17  Proz.  beträgt,  Novi 
aus  Neapel  eine  solche  von  24  Fällen,  in  denen  die  Sterblichkeit 
nur  8,33  Proz.  betrug. 

Es  gibt  noch  mehrere  italienische  Statistiken  (auch  auslän¬ 
dische  Autoren  haben  einige  zusammengestellt)  die  ungefähr  den¬ 
selben  Prozentsatz  der  Mortalität  bringen. 

Der  Ruf  und  die  Tüchtigkeit  Porros,  sowie  sein  ehren¬ 
hafter  Charakter  imd  seine  Seelengüte  erwarben  ihm  die  allge- 

9  Deila  amputazione  utero-ovarica,  come  complemento  di 
taglio  cesareo.  Mailand  1870. 

-)  Cenni  biografici.  Mailand  1901. 


2.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2013 


meine  Achtung  und  eine  sehr  umfangreiche  Privatpraxis.  Aber 
er  vernachlässigte  auch  die  Armen  nicht,  und  man  erzählt  viele 
Anektoden  von  Bedürftigen,  denen  er  nicht  nur  die  aufmerk¬ 
samste  Behandlung,  sondern  auch  noch  Geschenke  und  Unter¬ 
stützungen  zu  teil  werden  liess.  Ein  nicht  geringes  Verdienst 
Porros  ist  es  auch,  das  italienische  Publikum  auf  den  Wert 
der  Wasser  Salsomaggiores  (von  denen  schon  in  No.  22  dieser 
Wochenschrift  die  Rede  war)  verwiesen  zu  haben,  und  ilnn  ist 
es  nicht  zuletzt  zuzuschreiben,  dass  dieses  Bad  heute  eines  der 
ersten  Italiens,  besonders  für  die  Krankheiten  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane  ist,  bei  denen  es  die  besten  Erfolge  erzielt. 

P  o  r  r  o  war  auch  Inhaber  der  verschiedensten  bürgerlichen 
und  wissenschaftlichen  Ehrenämter,  er  war  Mitglied  des  Mailän¬ 
der  Rates,  wie  des  Senates,  wo  er  einer  der  jüngsten  war,  und 
Ehrenmitglied  zahlreicher  wissenschaftlicher  Gesellschaften  des 
Auslandes.  Er  war  aber  auch  kein  trockener  Gelehrter,  sondern 
ein  aufrichtiger  Freund  und  Bewunderer  der  Natur.  Am  Comer- 
see,  in  der  Höhe  unter  den  Kastanienwäldern  hatte  er  sich  eine 
bescheidene  Villa  errichtet,  ein  wahres  Nestchen  des  Friedens 
und  der  Poesie,  das  er  „Mein  Häuschen“  nannte.  Ich  sah  es 
kürzlich,  von  einem  Ausflüge  zurückkehrend,  es  bewegte  mich 
tief,  und  voll  Trauer  des  zu  früh  Geschiedenen  gedenkend,  sandte 
ich  dem  Unvergesslichen  ein  feierliches:  Vale! 

Dr.  Giovanni  G  a  1 1  i. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Dr.  Ernst  Gaupp,  a.  o.  Professor  in  Freiburg  i.  Br.: 
Grundriss  der  Anatomie  für  Künstler  von  Mathias  D  u  v  a  1, 

Professor  an  der  Kunstakademie  zu  Paris,  Professor  der  mediz. 
Fakultät,  Mitglied  der  mediz.  Akademie.  Autorisierte  deutsche 
Uebersetzung.  (In  erster  Auflage  herausgegeben  von  weiland 
Prof.  Dr.  F.  N  eelsen.)  Zweite  Auflage.  Mit  78  in 
den  Text  gedruckten  Abbildungen.  Stuttgart,  Verlag  von  Fer¬ 
dinand  E  n  k  e,  1901.  274  Seiten. 

Das  vorliegende  Buch  ist  ein  kleines  Kompendium  der  Ana¬ 
tomie  für  Künstler.  Es  enthält  als  solches  wesentlich  die  Lehre 
vom  Skelett  und  der  Muskulatur,  einschliesslich  der  Lehre  von 
den  Gelenken  und  den  in  ihnen  möglichen  Bewegungen.  Das 
Buch  gibt  somit  die  anatomischen  Grundlagen  für  die  E  r  - 
k  ennung  der  Körperformen,  Proportionen,  Stellungen,  Be¬ 
wegungen,  zugleich  die  Lehre  vom  Ausdruck  der  Gemüts¬ 
bewegungen.  Der  Autor  —  Duval  —  wendet  sich  an  diejenigen 
jungen  Künstler,  „welche  ihre  Fachstudien  begonnen  haben 
durch  Nachbildung  der  Körperformen,  söi  es  nach  der  Antike, 
sei  es  nach  dem  lebenden  Modell,  und  also  schon  ....  Er¬ 
fahrungskenntnisse  der  Formen,  Stellungen  und  Bewegungen 
gesammelt  haben“.  Der  Inhalt  des  Buches  und  die  Kenntnisse, 
die  es  gibt,  sollen  also  ein  Hilfsmittel  der  Anschauung  sein;  da¬ 
gegen  verzichtet  der  Autor  im  wesentlichen  darauf,  eine  ge¬ 
nauere  Beschreibung  der  äusseren  Körperformen,  eine  Dar¬ 
stellung  der  plastischen  Anatomie,  zu  geben.  Er 
überlässt  es  den  Künstlern,  an  der  Hand  anatomischer  Kenntnisse 
die  Formengebungen  des  Körpers  selber  zu  beobachten. 

Wir  glauben,  dass  das  Buch  innerhalb  des  gesteckten 
Rahmens  seinen  Zweck  erfüllt.  Für  die  Güte  des  Gebotenen 
bürgt  aufs  neue  der  Name  des  deutschen  Herausgebers,  Gaupp, 
der  als  sorgfältiger  und  tüchtiger  Gelehrter  allgemein  bekannt 
ist.  Gaupp  hat  nicht  nur  den  Text  vollständig  neu  durch¬ 
gesehen  und  ergänzt,  sondern  auch  dafür  Sorge  getragen,  dass 
dem  Werkchen  eine  grosse  Reihe  hübscher  Abbildungen  bei¬ 
gegeben  werden  konnte.  Martin  Heidenhain. 

Erdraann:  Lehrbuch  der  anorganischen  Chemie. 

III.  Auflage.  Fr.  Vieweg  &  Sohn.  Braunschweig  1902. 

Das  in  dritter  Auflage  erscheinende,  bestbekannte  Lehrbuch 
der  anorganischen  Chemie  von  Erdmann  ist  wohl  mehr  als 
„Handbuch“  denn  als  „Lehrbuch“  zu  bezeichnen,  einmal  wegen 
seines  Umfanges  (788  S.)  und  dann,  weil  es  nicht  nur  alle  rein 
chemischen  Daten,  sondern  auch  die  Nachweise  über  Vorkommen 
in  der  Natur,  über  Verwendung  in  der  Technik,  über  Produktions¬ 
und  Preisverhältnisse  in  grösster  Vollständigkeit  bringt.  Der 
erste  Teil:  „Einleitung  in  die  Chemie“  (S.  1 — 78),  behandelt  die 
allgemeinen  Lehren  der  physikalischen  Chemie,  die  Grundgesetze 
des  chemischen  Umsatzes,  die  atomistisch-molekulare  Theorie. 


Dann  folgen  „Metalloide“  (S.  79—484),  und  zwar  werden  in 
etwas  anderer  Reihenfolge  als  in  anderen  Lehrbüchern  zuerst 
die  „Hauptgase“  (Sauerstoff,  Wasserstoff,  Stickstoff)  und  „Edel¬ 
gase“  (Helium,  Neon,  Argon  etc.),  sowie  die  „Zusammensetzung 
der  atmosphärischen  Luft“  besprochen,  dann  folgt  Schwefel¬ 
gruppe,  dann  Halogene,  dann  Phosphorgruppe  und  Kohlenstoff¬ 
gruppe.  Der  dritte  Teil  (S.  485 — 724)  bringt  die  „Metalle“  in 
üblicher  Anordnung.  Den  Schluss  macht  ein  „Schlusskapitel: 
Allgemeines  über  die  Eigenschaften  der  Elemente  und  ihrer 
Verbindungen“,  das  —  in  allerdings  sehr  kursorischer  Form  — 
den  Zusammenhang  zwischen  Atomgewichten  und  Eigenschaften 
(periodisches  System),  die  Lehre  vom  chemischen  Gleichgewicht 
und  die  Elektrochemie  bespricht.  Heinz-  Erlangen. 

Ortner:  Vorlesungen  über  spezielle  Therapie  innerer 
Krankheiten  für  Aerzte  und  Studierende.  Mit  einem  Anhang 
von  Prof.  Ferdinand  F  r  ii  h  w  a  1  d.  Dritte,  vermehrte  und  ver¬ 
besserte  Auflage.  Wien  und  Leipzig,  Braumüller,  1902. 
946  Seiten.  Preis  22  M. 

Der  Leser  möge  es  freundlich  entschuldigen,  wenn  diese,  die 
dritte,  Anzeige  des  Ortnerschen  Buches  einen  vorwiegend  per¬ 
sönlichen  Anstrich  erhält.  Gerechtfertigt  erscheint  dies  durch  die 
ungewöhnliche  Tatsache,  dass  sich  die  Vorrede  zur  3.  Auflage  fast 
ausschliesslich  mit  dem  Rezensenten  und  den  nicht  durchweg 
lobenden  Anzeigen  der  beiden  ersten  Auflagen  in  d.  Wochenschr. 
(1899,  S.  733;  1900,  S.  1746)  beschäftigt.  Wenn  aber  dies  schon 
ungewöhnlich  ist  —  denn  in  der  Regel  pflegt  der  Autor  un¬ 
bequeme  Bemerkungen  des  Rezensenten  einfach  zu  ignorieren  — , 
so  ist  eine  weitere  Tatsache  fast  noch  ungewöhnlicher.  Die  Ant¬ 
wort  auf  die  früheren  Rezensionen  erfolgt  durchaus  nicht  in  der 
Form  einer  vom  Aerger  diktierten  heftigen  Antikritik,  sondern  in 
Form  einer  ruhigen,  sachlichen  Auseinandersetzung.  Wenn  auch 
der  Verf.  die  gemachten  Verbesserungsvorschläge  zum  grossen 
Teil  nicht  als  berechtigt  anerkennt  und  denselben  dementspre¬ 
chend  auch  in  der  neuen  Auflage  nicht  gefolgt  ist,  so  kann  ich 
doch  nicht  umhin,  ihm  für  die  Art  und  Weise,  in  der  er  seinen 
Standpunkt  verteidigt,  und  für  die  Achtung,  welche  er  dem 
anders  denkenden  Fachgenossen  dabei  zollt,  den  verbindlichsten 
Dank  auszusprechen.  Ja,  ich  stehe  nicht  an,  zu  bekennen,  dass 
mich  die  Erwiderung  des  Autors  auf  meine  zum  Teil  tadelnde 
Kritik  mehr  gefreut  hat  als  die  Dankschreiben,  welche  ich  für 
lobende  Kritiken  bekommen  habe.  Dennoch  will  ich  mich  nicht 
aus  einem  teilweisen  Gegner  des  Buches  in  einen  falschen  Freund 
verwandeln  und  meinen  früher  begründeten  Standpunkt  ohne 
weiteres  verlassen.  Dass  die  Erkennung  der  Krankheit  und  ihrer 
Ursachen  die  wichtigsten  Grundlagen  jeder  Therapie  sind,  ist 
doch  nicht  zu  bestreiten.  Verf.  hält  die  ätiologisch-diagnostischen 
Einleitungen,  die  ich  vorgeschlagen  habe,  für  überflüssig,  da  der 
Leser  viel  mehr  wüsste,  als  er  selbst  „habe  bringen  können“.  Das 
ist  wohl  bescheiden,  aber  nicht  richtig.  Ja,  es  gibt  genug  Kapitel 
in  der  Pathologie,  in  denen  wir  ätiologisch  und  diagnostisch  alle 
nicht  genügend  beschlagen  sind.  Da  muss  der  Autor  unter  den 
verschiedenen  möglichen  einen  bestimmten  Standpunkt  ein¬ 
nehmen,  diesen  dem  Leser  annehmbar  zu  machen  suchen  und  auf 
demselben  das  therapeutische  Gebäude  aufführen.  Verf.  fürchtet, 
dass  der  Umfang  des  Buches  zu  gross  werde.  In  dieser  Beziehung 
muss  ich  auf  einen  weiteren  Punkt  zurückkommen,  auf  die  grosse 
Zahl  der  Rezepte.  Der  Leser  sehe  sich  z.  B.  die  Seiten  27,  33, 
45,  79,  111,  202  u.  a.  an,  welche  fast  nur  von  Rezepten  ein¬ 
genommen  sind.  Liquor  ammonii  anisatus  ist  auf  S.  33  mit 
3  verschiedenen  Formeln  vertreten.  Könnte  da  nicht  gespart 
werden  ?  Aber,  wenn  Verf.  nicht  für  ätiologisch-diagnostische  Ein¬ 
leitungen  ist,  so  könnten  doch  diesbezüglicheErörterungenimText 
noch  mehr  als  bisher  Platz  finden.  Damit  komme  ich,  um  nicht 
zu  ausführlich  zu  werden,  wieder  auf  das  bemängelte  Kapitel 
„Wanderniere“  zurück.  Bei  dieser  Kranklreit  ist  z.  B.  die  Ver¬ 
ordnung  einer  Mastkur  nicht  zu  verstehen,  ohne  dass  das  häu¬ 
fige  ursächliche  Moment  rascher  Abmagerung  erörtert  wird.  Aber 
auch  in  rein  therapeutischer  Hinsicht  ist  doch  der  Mangel  ge¬ 
eigneter  Vorschriften  über  die  Kleidung,  sowie  einer  eingehenden 
Beschreibung  zweckmässiger  Binden  so  fühlbar,  dass  er  nicht 
zu  verschweigen  war.  —  Wenn  ich  also  einen  Teil  meiner  frühe¬ 
ren  Bemängelungen  aufrecht  erhalten  muss,  so  erkenne  ich 
andrerseits  mit  Freuden  an,  dass  mein  Vorschlag,  unter  den  zahl¬ 
reichen  Behandlungsarten  den  empfehlenswertesten  Weg  schärfer 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  48. 


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zu  charakterisieren,  vielfach  Beachtung  gefunden  hat.  Auch  ist 
besonders  hervorzuheben,  dass  das  Buch  sich  auch  in  dieser  neuen 
Auflage  auf  dem  neuesten  Standpunkt  gehalten  hat.  Unum¬ 
wunden  muss  ich  aber  trotz  der  gemachten  Einwände  betonen, 
dass  das  Buch  auf  verhältnismässig  kleinem  Raum  eine  solche 
Fülle  gründlicher  Belehrungen  bietet,  dass  es  den  erreichten 
buchhändlerischen  Erfolg  wirklich  verdient.  P  e  n  z  o  1  d  t. 

E.  Mendel:  Leitfaden  der  Psychiatrie.  Stuttgart, 
E  n  k  e,  1902.  XIV  und  250  Seiten.  5  Mark  ungebunden. 

Nachdem  Mendel  bereits  seine  ungemein  reiche  psychia¬ 
trische  Erfahrung  in  einer  klinischen  Psychiatrie  niedergelegt 
hat,  die  sich  im  5.  Band  des  Ebstein-Schwalbe  sehen 
Handbuchs  findet,  liefert  er  nun  als  kurzes  Buch  einen  Leitfaden 
der  gesamten  Psychiatrie.  Während  in  der  psychologischen  Ein¬ 
leitung  auf  die  moderne  Psychologie  wenig  Rücksicht  genommen 
ist,  folgt  das  Buch  in  einem  Punkt  der  einseitigen  Stellung 
Ziehens  und  anderer  Assoziationspsychologen,  insofern 
es  die  Annahme  von  Willens  Vorgängen  perhorresziert,  im 
Gegensatz  zu  namhaften  Psychologen,  wie  W  u  n  d  t,  der  den 
Willensvorgängen  eine  typische,  für  die  Auffassung  aller  psy¬ 
chischen  Vorgänge  massgebende  Bedeutung  beimisst.  Es  liegt 
wohl  an  der  Knappheit  der  Darstellung,  wenn  in  diesem,  wie 
auch  dem  allgemein-psychiatrischen  Teil  über  manche  Fragen  in 
einem  dogmatischeren  Ton  gesprochen  wird,  als  sie  bei  ihrer 
Kompliziertheit  vertragen  können. 

Der  allgemeine  Teil  liefert  eine  ziemlich  ausführliche  Dar¬ 
stellung  der  Symptomatologie,  insonderheit  der  Störungen  der 
Wahrnehmung,  des  Denkens,  der  Reproduktion,  der  Gefühle,  des 
Gemüts,  des  Bewusstseins,  Selbstbewusstseins  und  Handelns,  der 
Sprache,  Schrift  und  Physiognomie,  sowie  des  körperlichen 
Verhaltens.  Knapper  sind  die  Kapitel  der  Aetiologie  und  des 
Verlaufs  ausgeführt  und  unter  Beschränkung  auf  das  Allerwich¬ 
tigste  die  Fragen  der  pathologischen  Anatomie,  der  Diagnose, 
Prognose  und  Therapie.  * 

Der  klinische  Teil  lehnt  sich  in  seiner  Gliederung  an  die 
offiziellen  Zählkarten  an  und  bringt  neben  dem  Idiotismus,  den 
durch  zentrale  Neurosen  bedingten  Psychosen,  den  besonders 
detalliert  behandelten  Vergiftungspsychosen  und  den  organischen 
Psychosen  in  der  5.  Gruppe  als  sogen,  funktionelle  Psychosen  alle 
anderen  Formen,  vor  allem  das  Delirium  hallueinatorium,  die 
Manie ,  Melancholie ,  zirkuläres  Irresein ,  Paranoia  und 
Dementia  acuta.  Die  Schilderung  entwirft  mit  ausser¬ 
ordentlicher  Prägnanz  alle  jene  Krankheitsbilder,  die  von  der 
Mehrzahl  der  Psychiater  als  typisch  angesehen  waren,  ehe  For¬ 
scher  wie  Wernicke  und  Kräpelin  jene  Umwertung 
aller  Werte  auf  klinischem  Gebiete  Vornahmen,  die  —  wenigstens 
nach  der  Gruppierung  K  r  ä  p  e  1  i  n  s  —  in  prognostischer  Hin¬ 
sicht  einen  entschiedenen  Fortschritt  bedeutet.  Eine  Berück¬ 
sichtigung,  jedoch  im  Rahmen  der  alten  Gruppierung,  haben  die 
neueren  Lehren  doch  gefunden.  Wer  psychiatrische  Klinik  oder 
Vorlesungen  nach  der  vordem  alleinherrschenden,  auf  Zustands¬ 
bilder  zurückgreifenden  Anschauung  gehört  hat,  für  den  be¬ 
deutet  das  Buch  eine  treffliche  Rekapitulation  und  Ergänzung 
des  dort  Gelernten.  Der  Praktiker  wird  in  vielen  Fällen  den 
Leitfaden  zur  Orientierung  und  auch,  trotz  der  knappen  Fas¬ 
sung  und  dem  weitgehenden  Verzicht  auf  Literaturnachweise, 
zum  Nachschlagen  mit  Erfolg  in  die  Hand  nehmen.  Für  die 
Aufgabe,  einen  verwickelten  Stoff  auf  wenigen  Seiten  möglichst 
ausführlich  und  klar  wiederzugeben,  bildet  das  Buch  eine  muster¬ 
gültige  Lösung.  W  eygandt  -  Wiirzburg. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  innere  Medizin.  1902.  No.  47. 

Schütz  Julius:  Besteht  in  Punktionsflüssigkeiten  Auto¬ 
lyse?  (Aus  dem  pathol.-cliem.  Laboratorium  der  k.  k.  Kranken¬ 
anstalt  ltudolfstiftung  in  Wien.) 

In  Trans-  und  Exsudaten  konnte  der  Verf.  keine  fermentative 
Eiweisspaltung  nachweisen.  Eine  Ausnahme  von  dieser  Hegel 
bildet  der  Befund  von  ümbe  r,  der  autolytische  Prozesse  in 
zwei  Versuchen  mit  Exsudaten  feststellte.  Jedenfalls  lässt  sich 
auch  dieser  Befund  nicht  entfernt  der  umfangreichen  Autolyse 
an  die  Seite  stellen,  die  man  an  Zellen  beobachten  kann. 

W.  Zinn-  Berlin. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  65.  Band,  5.  und 

6.  Heft.  Leipzig,  Vogel,  1902,  Oktober. 

20)  C.  Hofmann  -  Köln-Kalk:  Zur  Anwendung  des  Aethers 
als  allgemeines  Betäubungsmittel;  Aethertropfnarkose. 

II.  ist  ein  Aetherfreund.  Er  zieht  prinzipiell  den  Aether  dem 
Chloroform  vor,  weil  derselbe  keine  Schädigungen  an  inneren 
Organen  hervorruft.  Bei  Tierexperimenten  fand  H.,  dass  bei 
kleineren  Tieren  der  Aether  in  geringen  Dosen  schneller  narkoti¬ 
sierend  wirkt  als  in  grossen  Dosen.  Die  Aethererstickungsmetliode 
ist  als  irrationell  aufzugeben.  Beim  Menschen  muss  der  tropfen¬ 
weisen  Aetherdarreichung  eine  Stunde  vorher  eine  Morphium¬ 
injektion  vorausgeschickt  werden.  Nur  in  wenigen  Fällen  muss 
man  noch  eine  kleine  Chloroformgabe  zu  Hilfe  nehmen.  Die  Mor- 
pliiumäthernarkose  kann  mit  den  gewöhnlichen  Hilfsmitteln  aus¬ 
geführt  werden. 

21)  Marcinowski  ■  Woltersdorfer  Schleuse:  Das  Eukain  B. 

Die  sehr  fleissige  Studie  befasst  sich  mit  der  Geschichte  des 

Eukain  B  und  seiner  praktischen  Verwendyng  und  bringt  wert¬ 
volle  eigene  Beobachtungen  und  Versuche.  Verfasser  führt  den 
Nachweis,  dass  das  Eukain  B  dem  Kokain  auf  allen  Gebieten  un¬ 
bedingt  überlegen  und  vorzuziehen  ist  (mit  Ausnahme  bei  iritischen 
Prozessen).  Das  « -Eukain  ist  zu  verwerfen. 

Reizende  Wirkungen  kommen  beim  Eukain  B  nicht  vor.  Wo 
solche  auftauchen,  sind  die  Lösungen  zu  stark.  Der  Reiz  wird 
vermieden  durch  Zusatz  von  Chlornatrium,  0,6  Proz.  für  stärkere, 
0,8  Proz.  für  schwächere  Lösungen,  und  durch  blutwarme  Verab¬ 
reichung. 

Das  Eukain  B  ist  mindestens  3,75  mal  weniger  giftig  als  das 
Kokain  oder  das  «-Eukain. 

Für  die  Augenheilkunde  hat  es  besondere  Vorzüge,  da  es  nur 
eine  unbedeutende  Gefässerweiterung  hervorruft,  die  Weite  der 
Pupille  und  die  Akkommodation  nicht  beeinflusst,  den  Tonus  des 
Augapfels  nicht  herabsetzt  und  die  Hornhaut  intakt  lässt. 

Die  Konzentration  der  Eukainlösungen  ist  am  besten  folgende: 
In  der  Augenheilkunde:  2  Proz.,  tropfenweise;  in  der  Harnröhre 
und  Blase:  2  Proz.,  bis  60  ccm;  in  Nase,  Hals,  Rachen:  5 — 10  Proz., 
Pinsel,  Spray;  auf  Schleimhautflächen  und  Wunden:  5 — 10  Proz.; 
in  der  Zahnheilkunde  2 — 5  Proz.,  1  ccm;  für  die  Infiltrationstechnik: 
a)  nach  Schleich:  1  Prom.  bis  1  Proz.  q.  s.;  b)  nach  Reclus: 
2  Proz.  q.  s.;  c)  nach  Braun:  1  Prom.  bis  0,3  Eukain;  für  die 
regionäre  Analgesie  nach  Braun:  1  Proz. 

Die  Eukainlösungen  sind  unbegrenzt  haltbar  und  vertragen 
wiederholtes  Kochen  und  Sterilisieren  ohne  jede  chemische  Ver¬ 
änderung. 

22)  Wilde:  lieber  tabische  Gelenkerkrankungen.  (Chirur¬ 
gische  Klinik  Greifswald.) 

Verfasser  berichtet  über  2  Fälle  mit  tabischen  Gelenkerkran¬ 
kungen  und  gibt  dazu  eine  Reihe  von  Röntgenphotographien  von 
Knie-  und  Fussgelenk,  die  sehr  gut  die  Gelenkveränderungen  er¬ 
läutern.  Man  sieht  die  Wucherungen  und  Abschleifungen  der  Ge¬ 
lenkenden,  mehrfach  Absprengungen  von  Tibia.  Femur,  Fibula 
und  Fusswurzelknochen.  die  Verschiebungen  der  Gelenkenden 
gegeneinander,  die  Verknöcherung  der  Sehnen,  Muskeln  und  Bän¬ 
der.  In  dem  einen  Fall  bestand  eine  Rissfraktur  des  Calcaneus. 

Verfasser  glaubt,  dass  die  tabische  Arthropathie  von  der 
Arthritis  deformans  ganz  zu  trennen  ist.  Die  Ursache  der  Erkran¬ 
kung  sucht  er  in  der  bei  Tabes  nachgewiesenen  Degeneration  der 
peripheren  Nerven. 

Des  weiteren  bildet  Verfasser  noch  eine  Verdickung  des 
oberen  Gelenkendes  der  Tibia  von  einem  an  Tabes  leidenden 
Patienten  ab,  bei  dem  keine  Arthropathie  bestand.  Die  Ver¬ 
dickung  muss  entweder  als  eine  geheilte  Kompressionsfraktur 
oder  die  Folge  einer  Osteopathie  gedeutet  werden. 

23)  II  i  r  t  -  Breslau:  Ein  Fall  von  muskulöser  Blasenhals¬ 
klappe. 

An  dem  abgebildeten  Präparat  fand  sich  bei  ungefähr  nor¬ 
maler  Prostata  eine  Klappe,  .ausgehend  von  dem  hinteren  Rand 
des  Orificium  internum,  sich  von  da  y2  cm  nach  vorn  heraus  er¬ 
streckend  und  das  Lumen  der  Harnröhre  überdachend.  Mikro¬ 
skopisch  fand  sich  die  Klappe  fast  ausschliesslich  aus  glatter 
Muskulatur  bestehend. 

24)  S  t  i  e  d  a:  Zur  Kasuistik  der  isolierten  subkutanen  Rup¬ 
turen  des  Musculus  biceps  brachii  und  über  einen  Fall  von 
Sartoriusriss.  (Chirurgische  Klinik  Königsberg.) 

3  Fälle.  In  den  beiden  ersten  handelte  es  sich  um  einen  Riss 
des  langen  Bizepskopfes,  in  dem  dritten  um  eine  Verletzung  der 
unteren  Bizepssehne.  Von  den  beiden  ersteren  Fällen  lag  in  dem 
einen  eine  vollständige  Ruptur  vor,  die  zu  einer  sehr  charakte¬ 
ristischen  Gestaltveränderung,  zu  einer  Verkürzung  und  Vor¬ 
wölbung  des  Bizepsbauches  geführt  hatte;  in  dem  zweiten  Falle 
bestand  die  Verletzung  schon  längere  Zeit. 

Zur  Behandlung  empfiehlt  Verfasser  auch  in  veralteten  Fällen 
die  Naht. 

Zum  Schluss  beschreibt  Verfasser  eine  subkutane  Zerreissung 
des  M.  sartorius. 

25)  B  r  a  a  t  z  -  Königsberg:  Zur  Dampfdesinfektion  in  der 
Chirurgie. 

Br.  hat  schon  vor  einiger  Zeit  den  Nachweis  erbracht,  dass, 
den  Schimmelbusch  sehen  Verbandstoffeinsätzen  Konstruk¬ 
tionsfehler  anhaften,  dass  die  allgemein  geltende  Lehre  von  der 
Notwendigkeit  der  Vorwärmung  der  Verbandstoffe  irrig  ist. 
und  dass  darum  die  Konstruktion  des  allgemein  gebräuchlichen 
Lautenschläger  sehen  Sterilisators  eine  fehlerhafte  ist.  In 
der  vorliegenden  Arbeit  unterzieht  Br.  die  Frage  auf  Grund  der 


2.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2015 


experimentellen  Prüfung 


ihm  gemachten  Einwände  einer  neuen 
und  kommt  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Es  ist  nicht  richtig,  dass  der  von  oben  einströmende  Dampf 
in  Bezug  auf  Luftreinheit  dem  von  unten  eingeleiteten  über¬ 
legen  sei. 

Xppaiate  mit  Ueberdruck  sind  infolge  ihrer  komplizierten 
Handhabung  unbequem.  Das  schnellere  Eindringen  des  Dampfes 
m  die  Verbandstoffe  wird  schneller  als  durch  Ueberdruck  durch 
lationelle  Konstruktion  der  \  erbandstoft’einsätze  erreicht. 

3.  Jede  Vorwärmungseinrichtung  ist  bei  einem  Desinfektions¬ 
apparat  absolut  zu  vermeiden. 


_  .f:  Besondere  Trockenvorrichtungen  sind  für  die  chirurgische 

Sterilisation  ganz  überflüssig.  Der  einfache  Dampf  ruft  keine 
Duichnässung  der  \  erbandstoffe  hervor,  er  durchfeuchtet  sie  nur 
und  verfliegt  sehr  bald. 

Ueber  den  Wert  der  Lautenschläger  sehen  Sterili¬ 
satoren  macht  Br.  folgende  Bemerkung:  „Wenn  ein  Arzt  Verband¬ 
gaze  in  ein  Stück  Nesselzeug  ein  wickelt,  dieses  mit  Klemmnadeln 
zusteckt  und  dieses  Päckchen  in  einen  Kartoffeldämpfer  tut  so 
wird  dasselbe  eher  und  sicherer  sterilisiert,  als  wenn  derselbe  Ver¬ 
band  sich  innerhalb  eines  Schi  m  melbusch  sehen  Verband¬ 
stoffbehälters  im  Lautenschi  ä  g  e  r  sehen  Sterilisator  be¬ 
funden  hätte“  (!). 

20)  Döllinger-  Ofen-Pest:  Die  Behandlung  der  Ober¬ 
schenkel-  und  Oberarmfrakturen  Neugeborener  und  kleiner 
Kinder. 

D.  benutzt  für  die  genannten  Frakturen  abnehmbare  Gips¬ 
schienen.  Für  den  Oberschenkel  werden  dieselben  in  folgender 
Weise  hergestellt.  Die  Schienen  sollen  vom  Fuss  bis  zum  Nabel 
reichen,  eine  an  der  vorderen,  eine  an  der  hinteren  Seite.  Man 
nimmt  eine  entsprechend  breite  (0  cm  und  mehr)  feuchte  Gips¬ 
binde  und  legt  10  Lagen  derselben  zusammen.  Am  Rumpfteil 
soll  die  Gipsbinde  fächerförmig  auseinander  weichen,  so  dass  sie 
bis  zur  Mitte  des  Körpers  reicht.  Auf  die  dem  Körper  zugekehrte 
Seite  der  Schiene  legt  man  eine  Watteschicht  und  über  das  Ganze 
eine  Schicht  Mull  ohne  Gips. 

Die  Extremität  wird  dann  in  Hüfte  und  Knie  um  etwa  100 ' 
gebeugt,  die  Winkelstellung  ausgeglichen.  Die  vordere  Schiene 
wird  nun  angelegt,  mit  einer  feuchten  Gazebinde  befestigt  und 
mit  dem  Daumen  recht  fest  in  die  Ausbuchtung  unter  der  Spina 
hinein  gedrückt.  Nach  Erhärtung  der  vordei’en  Binde  wird  in 
gleicher  Weise  die  hintere  gefertigt.  Dieselbe  muss  beim  Erhärten 
recht  fest  an  den  unteren  Ast  des  Sitzbeines  und  an  den  unteren 
Ast  des  Schambeines  angedrückt  werden.  Die  provisorisch  an¬ 
gelegten  Mullbinden  werden  entfernt,  und  die  Schienen  von  neuem 
mit  einigen  Mullbinden  befestigt.  Grosse  Sorgfalt  ist  der  Rein¬ 
haltung  des  Verbandes  zuzuwenden.  Bei  Neugeborenen  wird  der 
Verband  mit  einer  Windel  umwickelt,  eine  weitere  Windel  kommt 
zwischen  die  Beine  und  wird  bei  jeder  Durchnässung  gewechselt. 
Ist  die  Schiene  nass,  so  wird  sie  in  der  Herdröhre  getrocknet. 
Nach  10  Tagen  ist  die  Schiene  erweicht  und  muss  durch  eine  neue 
ersetzt  werden.  Nach  3  Wochen  ist  die  Konsolidation  in  der  Regel 
beendet.  Die  Kinder  können  mit  dem  Verband  herumgetragen 
werden. 


In  ähnlicher  Weise  lassen  sich  auch  Gipsschienen  für  Oberarm¬ 
brüche  anfertigen.  Der  Oberarm  Avird  dabei  bis  zu  einem  Winkel 
von  130 u  abduziert,  der  Vorderarm  rechtwinklig  gebeugt  und 
supiniert.  Die  Schiene  reicht  vom  unteren  Drittel  des  Vorderarms 
bis  hinauf  in  die  Achselhöhle,  schlägt  auf  den  Thorax  um  und 
reicht  bis  zur  12.  Rippe  herunter,  nach  vorne  bis  zur  Brustwarze, 
nach  hinten  bis  zum  RippenAVinkel.  Eine  zweite  Schiene  kommt 
auf  die  Aussenfläche  des  Oberarms.  Der  Verband  wird  täglich 
entfernt  und  der  Arm  massiert.  K  r  e  c  k  e. 


Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  44  u.  45. 

No.  44.  K.  Sonnenschein:  Ein  Beitrag  zur  Therapie  des 
Mastdarmvorfalles  beim  Infantilismus. 

Barden  h  euer  operierte  bei  einem  17  jährigen  schwäch¬ 
lichen  und  schlecht  entwickelten  Mädchen,  dem  der  Mastdarm¬ 
prolaps,  ziimal  beim  Stuhlgang,  grosse  Beschwerden  verursachte, 
in  der  W  eise,  dass  er  in  Beckenhochlagerung  median  12  cm  lang 
den  Leib  öffnete,  typische  Vesicoventrofixation  ausführte  und  nach 
Reposition  des  Darmprolapses  durch  Vernähung  des  vorderen  und 
hinteren  Blattes  den  Douglas  ausschaltete,  die  Flexura  sigmoidea 
dann  in  Form  einer  Schleife  nach  der  rechten  Seite  quer  vor  das 
Kreuzbein  lagerte,  so  dass  der  abführende  Schenkel  parallel  der 
Linea  innom.  dextr.,  hinter  Uterus  und  Adnexen  vorbei,  zur  linken 
Bauchwand  hinübergeleitet  wird  und  dann  der  zuführende  Schen¬ 
kel  mit  Periost  und  Peritoneum  des  Kreuzbeins  der  rechten  Syn- 
chondrose  und  rechten  Beckenwand,  der  abführende  mit  dem  hin¬ 
teren  Blatt  der  Lig.  lata  und  hinterem  Peritoneum,  des  Uterus  und 
linken  Beckenwand  vernäht  wurde  (wodurch  der  Douglas  völlig 
ausgeschaltet  ist),  worauf  zur  Verhütung  von  Einklemmungen 
noch  Nähte  zwischen  die  beiden  Schenkel,  die  Appendices  epipl. 
fassend,  angelegt  wurden  und  Etagennaht  der  Bauchdecken  die 
Operation  beschloss.  Die  Idee  der  Iiektopexie  und  Kolpopexie  fin¬ 
den  sich  hierbei  vereinigt. 

No.  45.  Ivozlowski:  Ueber  ein  neues  Verfahren  bei 
der  Lumbalanästhesie. 

In  der  Ueberzeugung,  dass  es  nicht  die  giftigen  Eigenschaften 
des  Tropakokains  sein  könnten,  die  auch  bei  diesem  unangenehme 
Folgeerscheinungen  zur  Beobachtung  kommen  Hessen,  sondern  die 
injizierte  Flüssigkeit  selbst,  die  mechanisch  oder  chemisch  auf  die 
Rückenmarks-  oder  Gehirnhäute  reizend  wirkt,  injiziert  K.  in 
Zerebrospinalflüssigkeit  gelöstes  Tropakokain,  d.  li.  er  geht  in  der 


V  eise  \ror,  dass  er  in  eine  sterilisierte,  trockene,  erwärmte,  mit 
Grammenskala  versehene  Glasschale  trockenes  Tropakokain  in 
Pulver  (gewöhnlich  0,05)  schüttet,  hierauf  die  Nadel  in  den  Inter- 
arcualraum  zwischen  2.  und  3.  oder  3.  und  4.  Lendenwirbelbogen 
einsticht  und  die  austretende  Zerebrospinalflüssigkeit  in  die  Schale 
auf  das  Tropakokain  abtropfen  lässt.  Durch  leichtes  Schütteln 
löst  sich  das  Tropakokain  in  derselben,  und  bei  der  gewöhnlich  ab¬ 
gelassenen  Menge  von  5  g  bildet  sich  so  eine  1  proz.  Lösung  ohne 
Zusatz  von  Wasser,  die  sofort  auf  gesaugt  und  in  den  Sub- 
arachnoidealraum  injiziert  Avird.  In  den  derart  behandelten  Fällen 
traten  keine  Nebenerscheinungen  auf.  K.  empfiehlt  diese  Lumbal¬ 
anästhesie  besonders  auch  in  der  Privatpraxis,  bei  nicht  genügender 
Assistenz  etc.  Sehr. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Heft  2. 
Bd.  XVI. 

1)  W  i  e  n  e  r  -  Kohlgrub-Münclien:  Ein  Adenomyom  mit 
papillären  Auflagerungen. 

Ueber  mannskopfgrose,  von  einer  53  jährigen  Frau  stam¬ 
mende  Geschwulst,  die  sich  aus  mehreren  zum  Teil  mit  bis  zu 
haselnussgrossen  Auflagerungen  bedeckten  Knollen  zusammen¬ 
setzt.  Die  mit  den  Hervorragungen  bedeckten  Stellen  erinnern 
an  papilläres  Ovarialkarzinom.  Der  Tumor  steht  mit  einem 
daumendicken  Stiel  mit  der  rechten  Uteruskante  in  Verbindung. 
Das  Gewebe  des  Tumors  und  der  papillären  Auflagerungen  ist 
iibromyomatös.  Unter  der  Oberfläche  der  GeschAvulst  liegen 
Knäuel  und  einzelne  Drüsen,  die  den  Uterindrüsen  gleichen.  Cyto- 
genes  Gewebe  fehlt.  Der  Tumor  bildet  ein  Analogon  des  von 
Pick  aufgestellten  Typus  des  voluminösen  paroophoralen  Adeno- 
myoms  und  gehört  in  die  Reihe  der  Recklinghausen  sehen 
Adenomyome. 

2)  II.  Brüning- Leipzig:  Tuberkulose  der  weiblichen  Ge¬ 
schlechtsorgane  im  Kindesalter. 

Unter  eingehender  Berücksichtigung  der  Literatur  über  Ge- 
nitaltuberkulose  im  Kindesalter  bespricht  Verf.  einen  Fall  von 
Genitaltuberkulose  eines  4  jährigen,  an  tuberkulöser  Bauchfell¬ 
entzündung  verstorbenen  Mädchens.  Die  Peritonitis  entstand  im 
Anschluss  an  Perforation  eines  tuberkulösen  Darmgeschwüres. 
Durch  deszendierendes  Fortschreiten  kam  es  zur  Erkrankung  der 
Tube  und  des  Uterus.  Die  Tuben  waren  verdickt,  auf  dem  Durch¬ 
schnitt  verkäst,  ebenso  wTar  der  ganze  Fundusteil  des  kleinen 
Uterus  verkäst.  In  dem  erhaltenen  GeAvebe  der  Tube  fanden  sich 
Tuberkel,  im  Uterus  neben  Tuberkel  vereinzelte  Bazillen,  im 
Ovarialgewebe  einzelne  Tuberkel.  Zervix  und  Scheide  waren  frei. 
Es  bestand  eitriger  Ausfluss  aus  den  Genitalien,  der  nicht  unter¬ 
sucht  Avurde. 

3)  F.  Curschmann  -  Giessen:  Bietet  der  quere  Fundal- 
schnitt  bei  der  Sectio  caesarea  (G.  F  r  i  t  s  c  h)  gegenüber  dem 
Längsschnitt  durch  die  Korpuswand  Vorteile?  (Fortsetzung 
folgt.) 

4)  E.  Kraus- Wien:  Nachweis  von  Gonokokken  in  den 
tiefen  Schichten  der  Tubenwand. 

Die  Untersuchung  von  S  operativ  geAvonnenen  gonorrhoischen 
Tuben  ergab  in  einem  Fall  Gonokokken  in  allen  Schichten  der 
1  ubenAvand.  Die  Tuben  waren  kleinfingerdick  geschwollen,  das 
Fimbrienende  offen,  Eiter  entleerend,  in  dem  Gonokokken  nach¬ 
gewiesen  av erden.  In  den  mit  Methylenblau  gefärbten  Schnitten 
Avaren  im  ampullären  und  präampullären  Teil  der  rechten  Tube 
Gonokokken  am  und  im  Schleimhautepithel,  im  Schleimhaut¬ 
stroma,  in  der  Muskelschicht,  in  den  peripheren  Partien  der  Tuben- 
Avand  und  im  subserösen  Gewebe  unzweifelhaft  nachweisbar.  Der 
Befund  unterstützt  die  Ansicht  W  e  r  t  h  e  i  m  s,  dass  die  entzünd¬ 
lichen  Veränderungen  der  Tube  und  des  Peritoneums  auf  einer 
Lebensäusserung  der  Gonokokken  an  Ort  und  Stelle  beruhe.  Der 
Nachweis  von  Gonokokken  im  GeAvebe  ist  so  selten,  weil  meist 
ungeeignetes  Material  zur  Untersuchung  kommt. 

5)  J.  Koch -Berlin:  Typhusbazillen  in  der  Tube. 

2S  jährige  Frau,  die  mit  16  Jahren  Typhus  überstanden  hatte, 
erkrankte  mit  Durchfall,  Leibschmerzen  und  Erbrechen.  Leib 
druckempfindlich.  In  dem  Douglas  fand  sich  bei  Probepunktion 
geruchloser  Eiter.  Nach  Resorption  des  Exsudates  war  ein  walzen¬ 
förmiger  und  daneben  ein  apfelgrosser  Tumor  links  nacliAveisbar. 
Der  letztere  erwies  sich  bei  der  Operation  als  Ovarialcyste,  der 
andere  stellte  die  verdickte  Tube  dar,  aus  der  sich  auf  Druck 
schleimig-eitriges  Sekret  entleerte,  in  dem  die  bakteriologische 
Untersuchung  neben  einem  wahrscheinlich  den  Saprophyten  zu¬ 
gehörigen  Bazillus  den  Typhusbazillus  feststellte. 

6)  J.  K  r  e  b  s  -  Breslau:  Ueber  Gebärmutterzerreissung  wäh¬ 
rend  der  Geburt. 

8  Fälle  von  Uterusruptur  aus  der  Provinzial-Hebammenlehr- 
anstalt  Posen,  darunter  3  sicher  spontane  Rupturen. 

Die  Häufung  der  Rupturfälle  in  letzter  Zeit  hat  zum  Teil 
ihren  Grund  in  Veränderungen  des  Uterus  durch  vorausgegangene 
gynäkologische  Eingriffe,  ferner  in  der  Boykottierung  der  Per¬ 
foration  des  lebenden  Kindes.  Tod  an  Verblutung  ist  selten.  In 
7  Fällen  Avar  keine  besondere  Blutung  vorhanden.  Schock  und  In¬ 
fektion  können  Anämie  Vortäuschen.  In  3  Fällen  konnten  nach 
längerer  Wagenfahrt  die  Frauen  ohne  Unterstützung  Treppen 
steigen.  Die  infizierten  Fälle  machen  einen  schwerkranken  Ein¬ 
druck.  Ob  der  Riss  der  Zervix  oder  zum  Teil  dem  Scheiden¬ 
gewölbe  angehört,  ist  schwer  zu  beurteilen.  Die  Ursache  der  spon¬ 
tanen  Zerreissung  ist  meist  in  der  jeweiligen  Geburtsmechanik  zu 
suchen.  In  2  Fällen  handelte  es  sich  um  typisch  platte  Becken. 


2016 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


darunter  Avar  eine  Zervixruptur  ohne  jede  Mitbeteiligung  des 
Scheidengewölbes.  Beim  platten  Becken  kann  es  zu  einer  Ein¬ 
klemmung  des  Muttermundes  am  Promontorium  und  der  Sym¬ 
physe  kommen.  Die  Fixation  dieser  beiden  Stellen  genügt  zum 
Zustandekommen  einer  Zervixruptur.  Die  spontane  Ruptur  bei 
Querlage  beginnt  im  Scheidengewölbe. 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 


Centralblatt  für  Gynäkologie.  19o2.  No.  46  u.  4t. 

No.  46.  R  o  s  s  a  -  Graz:  Komplikation  der  Schwangerschaft 

und  Geburt  mit  Mastdarmkrebs. 

Beschreibung  eines  einschlägigen  Falles  bei  einer  31  jährigen 
IV.  Para,  die  am  Ende  der  Schwangerschaft  Wehen  bekam,  ohne 
dass  die  Geburt  vorwärts  ging.  R  fand  eine  harte  Infiltration 
im  Rektum  und  darüber  harte  Kotmassen.  Nach  Entleerung  der 
letzteren  ging  die  Geburt  voran  und  war  nach  5  Stunden  spontan 
beendet.  Das  Karzinom  wurde  2  Monate  später  nach  Kras  '  e 
exstirpiert.  Heilung. 

In  der  Literatur  fand  R.  16  Fälle  dieser  Komplikation,  von 
denen  aber  obiger  Fall  der  erste  ist,  wo  es  zu  spontaner  Geburt 
eines  ausgetragenen  lebenden  Kindes  kam.  Meist  wurde  die  künst¬ 
liche  Frühgeburt  eingeleitet  oder  das  Karzinom  in  der  Schwanger¬ 
schaft  entfernt;  7  mal  war  der  Kaiserschnitt  erforderlich.  Ii.  be¬ 
tont  die  Notwendigkeit  der  Rektaluntersuchung  Schwangerer,  bei 
denen  im  Kreuz  und  Steiss  lokalisierte  Schmerzen  und  Stuh  - 
beschwerden  auftreten. 


No.  47.  Ludwig  Knapp -Prag:  Zum  Accouchement  force 

mittels  Metall dilatatoren.  . 

K.  beschreibt  zunächst  das  von  E.  Noivakowski  m  'Vien 
hergestellte  Dilatatorium  nach  B  o  s  s  i.  Als  Indikationen  des  V  ei- 
fahrens  nennt  er  Eklampsie,  Placenta  praevia,  Einleitung  der 
künstlichen  Frühgeburt  und  protrahierte  Geburt.  Vor  den 
Dührssen  sehen  Inzisionen  hat  es  den  V  orteil,  dass  es  meist 


weniger  blutig 


verläuft.  Doch  sah  K.  erst  kürzlich  einen  Fall, 


U  cuigCL  muwö  i  - - -  -  ,  , 

avo  es  zu  einem  tieferen  Zervixriss  danach  kam,  der  genaht  werden 

musste.  .  ,  . 

2)  Wag  n er- Karlsruhe:  Erfahrungen  mit  dem  Dilatatorium 

von  Bossi. 

3  Fälle,  die  nach  Bossi  behandelt  Avurden.  Im  2.  Falle  kam 
es  zu  einem  grossen  Zervixriss,  der  durch  Naht  und  Klemmen  ge¬ 
schlossen  werden  musste.  W.  glaubt  zAvnr,  nicht  dem  Instrument, 
sondern  dem  abnorm  grossen  Kopf  den  Riss  zuschieben  zu  sollen, 
gibt  aber  zu,  dass  die  gedehnte  Zervix  nicht  so  elastisch  ist,  Avie 
unter  normalen  Verhältnissen,  avo  sie  sich  nach  oben  über  den 
Kopf  zurückzieht.  Als  Indikationen  nennt  W.  die  Eklampsie  und 
die  Ausräumung  von  Aborten. 


3)  C.  W.  Bischof  f -  Bonn:  Beitrag  zur  Anwendung  des 
Bossi  sehen  Dilatatorium. 

Bericht  über  5  Fälle,  von  denen  3  Eklampsie  und  2  enge 
Becken  betrafen.  Der  Erfolg  Avar  in  allen  Fällen  vorhanden, 
doch  kam  es  jedesmal  zu  Einrissen  in  die  Zervix.  Für  die  künst¬ 
liche  Frühgeburt  soll  man  lieber  Bougie  und  Kolpeurynter  bei¬ 


behalten. 

4)  H.  L  a  n  g  h  o  f  f  -  Emden:  Ueber  einen  Fall  von  Erweite¬ 
rung  des  Muttermundes  mit  B  o  s  s  i  s  Dilatator  bei  Eklampsie. 
Der  Fall  verlief  für  die  Mutter  günstig;  das  Kind  kam  tot 


lauf  in  Beziehung  gebracht,  wobei  jedoch  die  Ansichten  sehr  aus¬ 
einander  gehen.  Um  nun  zu  einer  exakten  Beurteilung  des  Spu¬ 
tums  in  Bezug  auf  seine  Viskosität  zu  gelangen,  konstruierte  N. 
einen  Apparat,  der  darauf  basiert,  dass  eine  gervisse  Sputum¬ 
menge  unter  bestimmtem  Druck  (20  mm  Hg)  eine  gewisse  Strecke 
in  einer  Kapillare  zu  durchlaufen  hat.  Die  mittlere  Geschwindig¬ 
keit  mit  der  ein  Kubikzentimeter  Sputum  den  Weg  in  der  Kapillare 
passiert,  gibt,  in  Sekunden  ausgedrückt,  den  sog.  Viskositatsgrad. 
N.  untersuchte  nun  fortlaufend  das  Sputum  von  Kindern  mit  1  er- 
tiissis  welches  bei  den  einzelnen  Anfällen  expektoriert  wurde; 
ferner  2  Fälle  von  heftigem  Husten,  aber  ohne  Pertussis.  Aus 
diesen  Untersuchungen  ergibt  sich  vor  allem,  dass  keine  Gesetz¬ 
mässigkeit  zwischen  Sputumbeschaffenheit  und  Verlauf  dei  I  ei- 
tussis  besteht,  also  nicht  etAva  Abnahme  der  Anfälle  und  Flüssiger- 
w erden  des  Sputums  zusammenfällt.  Zähes  Sputum  fand  sich  bei 
leichten  und  schweren  Anfällen,  ebenso  flüssigeies,  auch  stand 
die  Menge  des  Sputums  in  keiner  Beziehung  zum  Viskositätsgrad; 
Anfälle  von  gleicher  Intensität  lieferten  oft  ganz  verschieden  vis- 
küse  Sputa.  Einige  Beobachtungen  aber  zeigten  doch,  dass  öfter 
bei  leichteren  Anfällen  sich  zäheres  Sputum  fand  als  bei  schweren, 
Aveslialb  zu  ei‘AArägen  wäre,  ob  die  übliche  therapeutische  Tendenz, 
das  Bronchialsekret  zu  verflüssigen  und  den  Verlauf  der  Per¬ 
tussis  dadurch  günstig  zu  beeinflussen,  zu  Recht  besteht. 

L.  Seliaps:  Beiträge  zur  Lehre  von  der  zyklischen  Albu- 


Der  Arbeit  des  Verf.  liegen,  ausser  der  bisherigen  Literatur, 
36  eigene  Beobachtungen  zu  Grunde;  Aron  den  vielen  Interesse,  bie¬ 
tenden  Ausführungen  sei  nur  einiges  hervorgehoben.  Die  zyklische 
Albuminurie  findet  sich  selten  unter  5  Jahren,  meist  zwischen 
5  und  15  Jahren,  und  zwar  scheint  dem  Leiden  eine  Konstitutions¬ 
anomalie  zu  Grunde  zu  liegen,  die  sich  wohl  eben  eist  im  spa¬ 
teren  Kindesalter  entwickelt;  das  Aveibliche  Geschlecht  ist  viel 
stärker  beteiligt  als  das  männliche,  Avas  vielleicht  durch  die  beim 
Aveibliclien  Geschlecht  häufigeren  Entwickelungsstörungen  des  Zir¬ 
kulationssystems  erklärbar  ist.  Betroffen  Averden  meist  magere, 
aufgeschossene,  anämische  Individuen,  von  denen  auch  eine  grosse 
Anzahl  Störungen  am  Herzen,  subjektive  und  objektive,  aufweisen; 
diese  Befunde  am  Herzen  scheinen  auch  ätiologisch  besonders 
Avichtig.  Häufig  ist  familiäres  Auftreten;  so  fand  Sch.  zyklische 
Albuminurie  in  einer  Familie  bei  2  Mitgliedern,  in  2  Familien  bei  3 
und  in  2  Familien  bei  je  5  Mitgliedern.  In  Bezug  auf  die  Aetio- 
logie  macht  es  Verf.  wahrscheinlich,  dass  vorausgegangene  In¬ 
fektionskrankheiten  für  das  spätere  Auftreten  der  zyklischen 
Albuminurie  ohne  Bedeutung  sind;  dagegen  weist  er  den  häufig 
zu  erhebenden  pathologischen  Befunden  am  Herzen,  die  sehr  an 
die  von  Germain  See  aufgestellte  Hypertrophie  et  Dilatation  de 
la  croissance  erinnern,  eine  grosse  Rolle  zu.  —  Die  ausführlichen 
Krankheitsbefunde  der  36  Fälle  sind  im  Original  enthalten. 

A.  H.  Meyer- Kopenhagen:  Zur  Kenntnis  der  Magensaft¬ 
sekretion  der  Säuglinge.  (Schluss  folgt.) 

P.  G  e  i  p  e  1  -  Dresden  Johannstadt:  Weitere  Beiträge  zum 
Situs  transversus  und  zur  Lehre  von  den  Transpositionen  dei 
grossen  Gefässe  des  Herzens.  (Schluss  folgt.) 

Referate.  Lichtenstein  -  München. 


Zeitschrift  für  Tuberkulose  und  Heilstätteirwesen.  Bd.3, 


zur  Welt. 

5)  A.  Mueller-  München:  Zur  schnellen  Erweiterung  des 
Muttermundes  mit  Metalldilatatoren. 

M.  empfiehlt  statt  B  o  s  s  i  s  Dilatator  den  von  ihm  ver¬ 
besserten  unelastischen  Ballon  Champetier  des  Ribes 
den  er  in  ca.  7  Fällen  zur  beschleunigten  Erweiterung  benützt  hat. 
Die  zur  Wendung  nötige  Dilatation  erreichte  der  Muttermund  in 

8 _ 12  Minuten.  Nach  Erweiterung  auf  Handtellergrösse  kann  man 

eventuell  mit  der  Faust  die  völlige  Dilatation  erreichen.  Zervix- 
lisse  beobachtete  M.  zAvar  auch,  glaubt  aber,  die  Zange  als  Ur¬ 
sache  dafür  ansprechen  zu  dürfen. 

6)  V.  Frommer  -  Berlin:  Ein  neuer  geburtshilflicher  Dila¬ 
tator. 

F.s  Instrument  (zu  haben  bei  Louis  und  H.  Loewenstein 
in  Berlin)  soll  das  KoUum  in  15—20  Minuten  völlig  erweitern, 
ohne  dass  es  bisher  je  zu  einem  Riss  gekommen  Aväre.  Indiziert 
hält  F.  das  Verfahren  bei  Eklampsie,  vorzeitiger  Plazentarlösung 
und  allgemein  drohender  Lebensgefahr  für  Mutter  und  Kind. 
Vor  dem  Bossi  sehen  Dilatator  soll  es  mehrfache  Vorzüge  be- 
sitzen. 

7)  O.  v.  Franque  -  Würzburg:  Zur  chirurgischen  Behand¬ 
lung  des  Uteruskrebses. 

v.  F.  tritt  nochmals  für  die  supravaginale  Amputa¬ 
tion  nach  Schröder  ein,  die  heute  ziemlich  vergessen  zu  sein 
scheint.  Die  Operation  ist  indiziert  bei  beginnendem  Portio- 
kankroid  und  kann  hier  die  vaginale  Totalexstirpation  ersetzen, 
v.  F.  verfügt  über  Fälle,  die  über  6  Jahre  rezidivfrei  geblieben 
sind.  Jaf  f  e-  Hamburg. 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  35.  Bd.,  1.  u.  2.  Heft. 

Mitteilungen  aus  der  Universitäts-Kinderklinik  zu  Breslau. 

L.  Neu  mann:  Untersuchungen  über  die  Viskosität  des 
Sputums  und  ihre  Beziehung  zum  Husten,  insbesondere  zur 
Pertussis. 

Von  einer  grossen  Anzahl  Autoren  wurde  von  jeher  das  Spu¬ 
tum  und  seine  Beschaffenheit  zum  Keuchhusten  und  seinem  Ver¬ 


lieft  6. 

Bataillon,  Mo  eil  er  und  Ter  re:  Ueber  die  Identität 
des  Bazillus  des  Karpfens  (Bataillon,  Dubard  und 
Terr  e)  und  des  Bazillus  der  Blindschleiche  (M  o  e  1  1  e  r). 

Bericht  über  Versuche,  die  zeigen,  dass  sowohl  der  Bazillus 
des  Karpfens,  als  auch  der  der  Blindschleiche  dem  Kaltblüter  an¬ 
gepasste  Varietäten  des  Koch  sehen  Bazillus  sind. 

Frei  sich  und  Schütz:  Die  Infektion  mit  Tuberkulose 
im  Kindesalter  und  deren  Bekämpfung. 

Das  Kind  Avird  besonders  in  niedrigen  Bevölkerungsklassen 
von  frühester  Jugend  an  mit  Bazillen  überhäuft.  Namentlich 
bringt  es  mit  Fingern,  Händen,  Spielzeugen  u.  s.  av.  Dielenstaub 
und  Bazillen  in  Mund  und  Nase.  „Von  66  6  Monate  bis  2  Jahre 
alten  Kindern  des  Ambulatoriums  des  Stefanie  -  Kinderspitals 
fanden  wir  bei  14  =  21,2  Proz.  der  Fälle  Tuberkulosebazillen  im 
Nagelschmutze  vor.“  Auch  den  eiternden  Knochen  und  Drüsen  ist 
viel  grössere  Beachtung  zu  schenken.  Für  grössere  Kinder  kommt 
wieder  mehr  die  Nahrung  in  Frage.  In  der  Schrüe  werden  die 
Mädchen  doppelt  so  sehr  von  Tuberkulose  befallen  Avie  die  Knaben. 
(Wahrscheinlich  weil  sie  nicht  turnen  und  schon  sehr  zeitig  Kor¬ 
setts  tragen.  Ref.)  Zur  Verhütung  der  Tuberkulose  soll  die 
Mutter  nicht  selbst  nähren.  Kinder  ihr  Avegzunehmen  und  bei 
Verwandten  oder  in  Findelhäusern  unterzubringen,  wird  sie  sich 
kaum  gefallen  lassen,  eher  in  den  ebenfalls  empfohlenen  Kinder¬ 
sanatorien.  Die  Wohnungen  müssen  desinfiziert  werden.  Eine 
ganz  gründliche  Wohnungshygiene  ist  notwendig.  Woher  das 
Geld  kommt,  wird  nicht  gesagt.  Das  Publikum  muss  aufgeklärt 
werden.  Die  Kinder  sollen  sich  möglichst  Adel  im  Freien  auf¬ 
halten,  kleine  auf  Spielplätzen  oder  in  Kinderbewahranstalten, 
grosse  in  Ferienkolonien  (auch  nur  ein  Surrogat.  Ref.).  Kranke 
Erwachsene  sollen  in  Sanatorien  oder  Spitäler  für  Schwerkranke 
gebracht  werden,  für  Kinder  müssen  zahlreiche  Hospize  und  kleine 
Sanatorien  in  der  Nähe  der  Städte  errichtet  werden. 

Link:  Vorschlag  zur  Behandlung  einseitiger  tuberkulöser 
Lungenspitzenaffektionen  vermittels  Lagerung  der  Kranken. 


2.  Dezember  1902. 


2017 


MUEN  CIIENER 


ME DTCI NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Der  Kranke  soll  mehrmals  täglich  auf  der  kranken  Seite 
liegen,  um  auf  dieser  Stauungshyperämie  zu  erzeugen  und  sie 
ruhig  zu  stellen. 

Herbert:  Individuelle  und  allgemeine  Hygiene  Schwind¬ 
süchtiger,  mit  spezieller  Berücksichtigung  von  Sanatorien. 

In  dem  Montefiore  Home  Country  Sanatorium  in  Bedford, 
Nordamerika,  dessen  Arzt  H.  ist,  fasst  man  die  eintretenden 
Kranken  gleich  ordentlich  au,  badet  sie,  desinfiziert  ihre  Kleider, 
schneidet  Kopf-  und  Barthaar  kurz  und  rasiert  die  Schnurrbärte 
ganz.  Auch  sonst  werden  die  gebrauchten  Kleider  täglich  sterili¬ 
siert,  sogar  die  Spielkarten,  Dominosteine  und  Schachfiguren.  Na. 
da  müssen  doch  die  Bazillen  tot  werden.  Die  sonstigen  Rat¬ 
schläge  enthalten  für  den  Sachverständigen  nicht  eben  Neues.  Das 
Vorkommen  des  Phthisicus  salax  bestreitet  H.,  dagegen  räumt  er 
der  Autoinfektion  eine  grosse  Bedeutung  ein. 

R  u  i  t  i  n  g  a  -  Amsterdam:  Zur  Serumdiagnose  der  Tuberku¬ 
lose. 

Die  Versuche  werden  ausführlich  angeführt.  Sie  führen  zu 
dem  Ergebnisse,  dass  die  A  r  1  o  i  n  g  sehe  Serumreaktion  keine  Be¬ 
deutung  für  die  Erkennung  der  Tuberkulose  hat. 

Holmboe-  Christiania  und  Haussen-  Klaus  -  Bergen : 

Heber  die  Tuberkulose  und  die  Mittel,  dieselbe  zu  bekämpfen. 
(Schluss  aus  H.  5.) 

Ein  längerer  Aufsatz,  in  dem  das  früher  in  derselben  Zeit¬ 
schrift  mitgeteilte  norwegische  Gesetz  zur  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  ausführlich  begründet  wird.  Der  6.  norwegische  Aerzte- 
kongress  trat  den  vorgeschlagenen  Massregeln  bei. 

M  i  n  o  r  -  Asheville:  On  the  feasibility  and  management  of  a 
liygienic  eure  of  Pulmonary  Tuberculosis  outside  of  closed  Sana- 
toria.  Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Virchows  Archiv.  Bd.  170.  Heft  2.  November  1902. 

7)  R.  Bing:  lieber  angeborene  Muskeldefekte.  (Patliolog. 
Institut  in  Basel.) 

Bei  einem  60  jährigen  Mann  war  der  Pectoralis  nur  in  seiner 
Klavikularportion  vorhanden;  die  Sternokostalportion  fehlte  voll¬ 
kommen,  so  dass  man  hier  die  Rippen  unmittelbar  unter  der  Haut 
abtasten  konnte.  Die  Abnormität,  welche  seit  der  Geburt  be¬ 
stehen  soll,  bedingte  keine  Funktionsstörung.  In  anderen  Mus¬ 
keln  - —  Deltoideus,  Serratus  auticus  major,  Biceps  und  Triceps 
bracliii  und  Pectoralis  major  —  fielen  blitzartige  Zuckungen  auf. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  neben  dem  Nachweis 
des  vollständigen  Fehlens  des  Pectoralis  minor.  dass  eine  Reihe  von 
Muskeln  des  Schultergürtels  als  erkrankt  anzusehen  seien  (Dünn¬ 
heit  der  Fasern.  Hypertrophie  von  solchen,  Vermehrung  der 
Muskelkerne,  Vermehrung  und  abnormer  Kernreichtum  des  inter¬ 
stitiellen  Bindegewebes,  Unregelmässigkeit  im  Kontur  von  Muskel¬ 
fibrillen,  Vermehrung  des  Fettgewebes).  Die  Durchsicht  der 
Literatur  zeigt,  dass  die  kongenitalen  Muskeldefekte 
a  in  häufigste  n  einige  derjenig  e  n  M  uskeln  be¬ 
treffen,  die  häufig  und  frühzeitig  bei  Dys- 
t  rophia  m  usculo r u m  progressiva  zu  Grunde  z  u 
gehen  pflegen.  Am  Schlüsse  seiner  Arbeit,  die  ausführlich 
auch  auf  die  Fälle  von  E  r  b,  D  a  m  sch  und  Schlesinger 
eingeht,  spricht  B.  die  Ansicht  aus.  dass  man  die  kongenitalen 
Muskeldefekte  als  eine  ätiologisch  einheitliche  Gruppe  nicht  auf¬ 
fassen  könne,  wenn  auch  bei  den  am  meisten  betroffenen  Mus¬ 
keln  (von  den  Pectorales  sind  102.  vom  Cucullaris  18.  vom  Serratus 
ant.  maj.  14,  vom  Quadratus  fern.  10  Fälle  in  der  Literatur  be¬ 
schrieben)  die  ausserordentliche  Regelmässigkeit  der  äusseren  Er¬ 
scheinung  zu  einer  einheitlichen  Auffassung  der  ganzen  Gruppe 
dränge.  Missbild  un  g  u  n  d  abgelaufe  n  e  r  dystro 
phischer  Prozess  d  ii  r  f  e  n  nicht  schroff  gegen¬ 
über  gestellt  werden,  es  bestehen  vielmehr 
Uebergänge  zwischen  beide  n.  Als  gemeinsame  Grund¬ 
lage  nimmt  Verfasser  eine  mangelhafte  Vitalität  des  Muskel¬ 
gewebes,  eine  angeborene  Keimanlage  zu  perversem  Wachstum  an. 

8)  W.  Bensen:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Organ  Verände¬ 
rungen  nach  Schilddrüsenexstirpation  bei  Kaninchen.  (Aus  dem 
patholog.  Institut  zu  Wiirzburg.) 

B.  stellte  Versuche  an  Kaninchen  an.  von  denen  einige  nicht 
thyreoidektomierte  Tiere  mit  Schilddrüsenextrakt  gefüttert  wurden, 
andere,  denen  die  Schilddrüse  exstirpiert  war,  gewöhnliche 
Nahrung  bekamen,  und  eine  dritte  Gruppe  thyreoidektomierter 
Kaninchen  Thyreoidin  erhielt.  Bei  der  ersten  Gruppe  trat  starke 
Enteritis  auf.  in  der  Leber  fand  Verfasser  Fettinfiltration,  in  den 
Nieren  „kolloide“  Körperchen  in  den  Harnkanälchen.  Bei  der 
zweiten  Gruppe  traten  besonders  die  Befunde  in  den  Nieren  in  den 
Vordergrund:  „kolloide“  Körperchen  und  homogene  Massen  in  den 
Harnkanälchen,  und  längere  Zeit  nach  erfolgter  Exstirpation  der 
Schilddrüse  Degeneration  des  Protoplasmas  der  Epithelien  der 
Harnkanälchen;  schliesslich  Schwund  der  Kerne  und  kleinzellige 
Infiltration  im  Interstitium.  In  der  Leber  Degenerationsvorgänge, 
von  der  Fettinfiltration  bis  zum  Kernzerfall  fortschreitend,  und 
im  Herzmuskel  Verschwinden  der  Querstreifung  und  schliesslich 
körniger  Zerfall  der  Muskelfibrillen.  Bei  den  thyreoidektomierten 
Tieren,  welche  Thyreoidin  erhielten,  waren  die  Veränderungen 
nicht  sehr  ausgeprägt.  Aus  seinen  Beobachtungen  glaubt 
Bensen  den  Schluss  ziehen  zu  können,  dass  bei  Mangel  der 
Schilddrüse  ein  Gift  im  Körper  produziert  oder  zurückgehalten 
werde,  welches  eine  eigenartige  Degeneration  des  Protoplasmas, 
besonders  der  Niere,  der  Leber  und  der  Herzmuskelfasern  hervor- 
rufe,  dass  Gaben  von  Schilddrüsenextrakt  die  Zerstörungen  hint¬ 
anhalten  oder  doch  wenigstens  abschwächen  können.  Bei  gesunden 


Tieren  sind  jedoch  Thyreoidingaben  schädlich,  da  sie  Enteritis  und 
Leber-  und  Nierenerkrankungen  verursachen. 

9)  M.  S  i  m  m  o  n  d  s:  Ueber  Nebennierenblutungen.  (Allgem. 
Krankenhaus  Hamburg-St.  Georg.) 

Im  Gegensatz  zu  den  ausserordentlich  häufig  unzutreffenden, 
punktförmigen,  toxischen  Blutungen  der  Nebennieren  bei  akuten 
Infektionskrankheiten  sind  gröbere  Blutungen  selten.  Letztere 
können  gelegentlich,  wenn  sie  beide  Nebennieren  betreffen,  zu 
tödlich  verlaufender  Krankheit  Anlass  geben.  S.  berichtet  einen 
Fall:  ein  57  jähriger  Mann  erkrankte  plötzlich  mit  heftigen,  nach 
dem  Rücken  ausstrahlenden  Schmerzen  im  Epigastrium  und  Er¬ 
brechen,  so  dass  an  Peritonitis  gedacht  wurde.  Tod  nach  zwei 
Tagen.  Bei  der  Sektion  fand  man  hämorrhagische  Infiltration 
beider  Nebennieren.  Die  Aetiologie  der  Blutungen  ist  eine 
wechselnde:  Trauma  (vergl.  auch  die  beim  Neugeborenen  be¬ 
obachteten  Ilämorrhagien  und  Hämatome  der  Nebennieren),  Leu¬ 
kämie,  Diabetes;  vor  allem  aber  werden  sie  bedingt  durch 
Thrombose  der  Nebennierenvenen,  welche  Verf.  in  den 
meisten  Fällen  als  m  a  r  antisclie  Thro  m  b  e  n  anzusprechen 
geneigt  ist,  da  entzündliche  Veränderungen  fehlten.  Allein  bei 
vier  Fällen  hatte  S.  Gelegenheit,  Nebennierenblutungen  infolge 
von  kapillaren  Embolien  durch  Streptokokken  und  Koli  zu  be¬ 
obachten.  Betreffs  der  Prognose  der  Nebennierenblutungen  sei 
bemerkt,  dass  einseitige  ohne  Schaden  für  das  Individuum  zur  Aus¬ 
heilung  gelangen,  während  hämorrhagische  Infarzierung  beider 
Nebennieren  oft  unter  peritonitischen  und  Kollapserscheinungen 
zum  Tode  führt. 

10)  L.  Hein  e:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Mesaortitis 
gummosa.  (Patholog.-anatom.  Anstalt  des  städt.  Krankenhauses 
am  Urban.  Prof.  Dr.  Bend  a.) 

Mikroskopische  Untersuchung  von  drei  Fällen.  Verfasser 
fand  in  seinen  Fällen  in  der  Media  umschriebene,  zellige  Herde 
mit  epitlieloiden  und  Riesenzellen.  Da  Tuberkulose  auszusckliessen 
war.  aber  immer  Zeichen  konstitutioneller  Lues  (Gummiknoten) 
gefunden  wurden,  hält  H.  den  Prozess  syphilitischer  Natur.  Je¬ 
doch  darf  nicht  jede  Mesaortitis  als  ein  Beweis  konstitutioneller 
Lues  gelten,  da  auch  bei  nicht  syphilitischen  Fällen  ähnliche  Ver¬ 
änderungen  Vorkommen,  bei  denen  aber  die  Riesenzellen  fehlen. 
Bei  abgelaufenen  Entzündungsprozessen  ist  eine  sichere  Diagnose 
sehr  schwierig,  wenn  nicht  unmöglich. 

11)  E.  Aron:  Zur  Ursache  der  Einwirkung  verdichteter 
und  verdünnter  Luft  auf  den  Tierkörper.  (Krankenhaus  der  jüd. 
Gemeinde  in  Berlin.  Prof.  Lazarus.) 

Zum  Referat  nicht  geeignet. 

12)  B.  Fischer:  Ueber  Chemismus  und  Technik  der 
Weigert  sehen  Elastinfärbung.  (Patholog.  Institut  zu  Bonn. ) 

Eine  Reihe  von  Methoden  zur  Färbung  von  elastischen  Fasern, 
die  aber  der  Weigert  sehen  Färbung  in  vielem  nachstehen. 

13)  II.  N  ä  g  e  1  i  -  Akerblom:  Die  Geminität  in  ihren  erb¬ 
lichen  (?)  Beziehungen.  Historische  Kritik  falscher  Angaben. 
(Schluss.) 

Rein  statistische  Arbeit. 

Kleinere  Mitteilungen. 

I.  E.  N  e  u  m  a  n  n- Königsberg:  Zur  Kenntnis  der  Lipochrome. 

Verfasser  fand  an  Fröschen  nach  völligem  Schwunde  des 

Fettes  in  den  Fettzellen  eigentümliche,  gelbrote  Pigmentgebilde, 
die  bei  Behandlung  mit  Jodjodkaliumlösung  eine  blaue  Farbe  an¬ 
nehmen.  Dieser  Farbenton  hält  sich  jedoch  nur  einige  Zeit,  dann 
tritt  die  ursprüngliche,  gelbe  Färbung  wieder  hervor.  N.  vertritt 
die  Ansicht,  dass  der  normale,  dem  Fett  anhaftende  Farbstoff  bei 
der  Atrophie  eine  chemische  Umwandlung  erfährt.  Inwieweit 
dies  auch  für  die  lebhafte,  mehr  rötliche  Färbung  des  atrophischen, 
menschlichen  Panniculus  adiposus  gilt,  bleibt  noch  zu  unter¬ 
suchen. 

II.  W  a  1  s  e  m  -  Leiden:  Das  Auf  sägen  des  Schädels  ohne 
Verletzung  der  Dura  mater. 

Schridde  -  Erlangen. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie.  Jahrg- 
1902.  5.  Supplementheft. 

M  a  x  i  m  o  w  -  St.  Petersburg:  Experimentelle  Untersuch¬ 
ungen  über  die  entzündliche  Neubildung  von  Bindegewebe. 
202  S.  mit  13  Tafeln.  15  IM.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Frei¬ 
burg  i.  B.) 

Der  vorliegenden  umfangreichen  Arbeit  liegen  experimentelle 
Studien  zu  Grunde,  die  von  den  klassischen  Glaskamme  rver- 
s  neben  E.  Zieglers  ausgehen;  M.  hat  diese  Untersuchungs¬ 
methode  in  sinnreicher  Weise  modifiziert,  indem  er  verschiedene 
Arten  von  Glaskammern  konstruierte,  ferner  auch  Celloidin- 
kammern,  sowie  Celloidinröhrchen  (teilweise  mit  Agar  gefüllt)  zu 
seinen  Versuchen  benützte.  Diese  Fremdkörper  wurden  sterilisiert 
seinen  Tieren  (Hund,  Kaninchen  und  Taube)  in  das  lockere  inter¬ 
muskuläre  Bindegewebe  eingebracht,  nach  bestimmten  Zeiten 
wieder  entnommen  und  die  in  den  Hohlräumen  auftretenden  Zell- 
und  Gewebselemente  genau  studiert. 

Die  dabei  beobachteten  Zellformationen  teilt  M.  ein  in 
3  Gruppen:  Leulcocyten,  Fibroblasten  und  Poly¬ 
blaste  n. 

Die  Leukocyten  sind  die  zuerst  auf  dem  Plan  erscheinenden 
polynukleären  Zellelemente;  sie  sind  aus  den  Gelassen  der  Um¬ 
gegend  ausgewandert  und  haben  offenbar  den  Zweck,  das  Terrain 
für  andere  Zellen  vorzubereiten.  Die  Fähigkeit,  sich  zu  vermehren 
oder  stabile  Gewebselemente  zu  liefern,  fehlt  ihnen  jedoch;  ent¬ 
weder  wandern  sie  wieder  zurück  in  die  Gefässe  oder  sie  zerfallen 
an  Ort  und  Stelle. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


2018 


Die  Fibroblasten,  die  sehr  frühzeitig  anfangen  zn 
wuchern  und  in  den  Fremdkörper  einzuwandern,  bilden  die  Haupt¬ 
masse  des  jungen  Gewebes  dortselbst,  sowie  auch  der  später  ge¬ 
bildeten  Kapsel.  Sie  sind  nach  M.  immer  von  anderen  Zell¬ 
elementen  wesentlich  zu  unterscheiden,  sind  lokomobil  und  sollen, 
wie  M.  glaubt,  bei  besonders  starken  entzündlichen  Reizen  die 
Eigentümlichkeit  zeigen,  sich  abzurunden,  besonders  intensiv  sich 
zu  vermehren  und  als  „Wanderzellen“  aufzutreten;  eine  bemerkens¬ 
wertere  Rolle  als  Pliagocyten  haben  sie  nicht.  Bei  der  Umwand¬ 
lung  der  Fibroblastenwucherung  in  bindegewebiges  Narbengewebe 
differenziert  sich  die  faserige  Grundsubstanz  aus  dem  Protoplasma 
der  Fibroblasten  heraus,  indem  zuerst  an  deren  Oberfläche  (und 
zwar  entlang  der  Längsseiten  der  Zellen)  feine  Fäserchen  auf- 
1  reten,  die  M.  vielleicht  als  Ausscheidungsprodukte  aufgefasst 
wissen  will.  Diese  kollagenen  Fäserchen  isolieren  sich  im  fol¬ 
genden  von  ihren  Zellen,  schlagen  ihre  eigene  Verlaufsrichtung 
ein  und  wachsen  als  lebendige  Gebilde  selbständig  weiter.  Die 
im  Granulationsgewebe  auftretenden  jungen  Gefässe  entstehen 
ohne  Beteiligung  der  Fibroblasten  ausschliesslich  durch  Sprossen¬ 
bildung  der  Endothelien  präformierter  Gefässe;  die  Endothelien 
selbst  werden  als  spezifische  hoch  differenzierte  Zellen  aufgefasst, 
die  von  den  Bindegewebszellen  streng  zu  trennen  sind. 

Unter  der  dritten  Gruppen  der  Polyblasten  fasst  M.  eine 
Reihe  von  Zellelementen  zusammen:  sowohl  die  einkernigen 
grossen  und  kleinen  Rundzellen  als  auch  die  ganze  Reihe  der  ver¬ 
schiedenen  sog.  Plasmazellen.  Diese  Polyblasten  treten  nach  M.s 
Beobachtung  schon  wenige  Stunden  nach  der  Fremdkörperein¬ 
führung  massenhaft  auf  und  zwar  zunächst  als  Lymphocyten. 
Ihre  Entstehungsart  ist  eine  mehrfache;  als  Hauptquelle  der  Poly¬ 
blasten  sind  die  im  Gewebe  präexistierenden  Leukocyten  zu  be¬ 
trachten,  ferner  die  sog.  Clasmatocyten,  sowie  clasmatoeyten- 
ülmliehe  Adventitiazellen  in  der  Umgebung  kleiner  Gefässe.  In¬ 
dessen  stellen  die  Hauptmasse  die  aus  den  Blutgefässen  ausgewau- 
deiten  Lymphocyten  dar.  Trotz  dieser  mehrfachen  Entstehungs¬ 
art  hält  M.  an  der  Einheitlichkeit  des  Polyblastenbegriffes  fest. 
Diese  Zellelemente  können  sich  nun  während  der  Entzündungs¬ 
vorgänge  in  mannigfachster  Weise  morphologisch  verändern,  ohne 
ihre  Unterscheidbarkeit  gegenüber  anderen  Zellen,  besonders  den 
Fibroblasten,  zu  verlieren.  —  Nach  Ablauf  der  stürmischen  Ent¬ 
zündungsprozesse  geht  ein  Teil  dieser  Polyblasten  zu  Grunde,  ein 
anderer  kehrt  in  die  Lymph-  und  Blutgefässbahn  zurück,  aber  die 
Hauptmasse  verteilt  sich  in  dem  von  den  Fibroblasten  gebildeten 
Bindegewebe,  stellt  dabei  seine  amöboiden  Bewegungen  ein,  wird 
sessil  und  fügt  sich  in  das  Narbengewebe  als  echte  Bestandteile 
desselben  ein,  wo  diese  Zellen  dann  vollständig  dem  Habitus  der 
Clasmatocyten  des  normalen  Bindegewebes  entsprechen;  ganz 
besonders  wandeln  sich  die  in  der  Umgebung  von  neugebildeten 
Gefiissen  liegenden  Polyblasten  in  adventitielle  Elemente  um.  Ob 
sie  sich  direkt  auch  in  Fibroblasten  umwandeln  können,  kann  M. 
nicht  entscheiden,  neigt  aber  zu  dieser  Annahme. 

Die  Riesen  zellen,  die  sich  am  Anfang  in  reichlicher  Menge 
in  der  Umgebung  der  Fremdkörper  bilden,  entstehen  nach  M.  eben¬ 
falls  aus  diesen  Polyblasten  und  nicht  aus  Endothelien  oder  aus 
Fibroblasten;  sie  liefern  indessen  keine  dauernden  Gewebs- 
elemente,  sondern  fallen  bald  dem  Untergang  anheim,  nachdem 
sie  ihre  Funktion  nach  Möglichkeit  erfüllt  haben. 

II.  Merkel-  Erlangen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  47. 

1)  K.  H  e  r  x  h  e  i  m  e  r- Frankfurt  a.  M.:  Ueber  Glyzerolate. 

Darunter  werden  mittels  Glyzerinsalben  hergestellte,  mit  ver¬ 
schiedenen  Medikamenten  kombinierte  Salben  verstanden,  und 
zwar  ist  der  gewöhnlichen  Glyzerinsalbe  ein  gewisses  Quantum 
Traganth  und  Spiritus  zugesetzt.  Besonders  bewährt  sich  diese 
Zusammenstellung  bei  Pruritus.  Ein  weiter  besprochenes  „Gly- 
cerolatum  aromaticum“  enthält  besonders  auch  Azeton  und  ist 
von  leimartiger,  fast  elastischer  Konsistenz.  Speziell  dieses  eignet 
sich  gut  zur  Verbindung  mit  allen  möglichen  Teerpräparaten, 
Zinkoxyd  etc.  Mit  Perubalsam  kombiniert  wurde  das  Glyzerolat 
gegen  Skabies  verwendet,  mit  Pyrogallol  gegen  Psoriasis. 

2)  A.  Al  bu-  Berlin:  Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  der 
Darmfäulnis. 

Sichergestellt  ist,  dass  die  Darmfäulnis  hauptsächlich  von 
3  Faktoren  abhängig  ist,  nämlich  von  der  Art  und  Menge  der 
Nahrung,  dann  von  der  Darmresorption  und  der  Darmperistaltik, 
ohne  dass  der  Einfluss  jedes  einzelnen  Faktors  im  einzelnen  Falle 
immer  genau  abgeschätzt  werden  könnte.  Die  Darmeiweissfäulnis 
wird  besonders  durch  Milchdiät  herabgesetzt.  Verf.  hat  nun  die 
einschlägigen  Verhältnisse  an  einer  Vegetarierin  studieren  können, 
welche  im  Tag  nur  5,46g  N  aufnimmt,  und  zwar  schon  seit  9  Jahren. 
Die  an  dieser  Person  gefundenen  Werte  der  Aetlierschwefelsäuren 
waren  so  niedrig,  wie  es  meist  nur  im  Hungerzustande  vorkommt. 
Eine  spätere  Untersuchung  ergab  dasselbe  Verhältnis.  Bei  reiner 
Pflanzenkost  sind  also  die  Eiweisszersetzungsprozesse  im  Darm¬ 
kanal  ausserordentlich  heruntergesetzt,  ohne  dass  man  heute  schon 
angeben  könnte,  welcher  Faktor  hier  ausschlaggebend  ist.  Doch 
ist  festzuhalten,  dass  ein  geringes  Mehr  oder  Weniger  von  Darm¬ 
fäulnis  für  den  Gesamtorganismus  ganz  ohne  Belang  ist.  Daher 
kann  Verf.  der  genaueren  Bestimmung  des  Indikans  keinen  be¬ 
sonderen  diagnostischen  Wert  beilegen. 

3)  A.  Pappenheini  -  Hamburg:  Färberisches  zur  Kennt¬ 
nis  des  sog.  Chromatinkorns  (Kernpunktes)  von  Protisten. 


Verf.  erklärt  seine  U  eberein  Stimmung  mit  der  kürzlich  von 
Feinberg  an  dieser  Stelle  vertretenen  Anschauung  von  der 
prinzipiellen  Verschiedenheit  der  Kemsubstanz  bei  höheren  Or¬ 
ganismen  und  einzelligen  Lebewesen,  ohne  sich  mit  allen  Schlüssen 
F.s  einverstanden  erklären  zu  können.  Es  kommt  eben  nicht  allein 
darauf  an,  dass  ein  Kemkörperchen  sich  mit  einem  bestimmten 
Farbstoff  färben  lässt,  sondern  auf  das  ganze  sonstige  spezifische 
Verhalten.  Die  vom  Verf.  im  einzelnen  angeführten  Beispiele 
eignen  sich  nicht  zum  kurzen  Auszug. 

4)  J.  M  i  t  ul  e  s  c  u  -  Bukarest:  Beiträge  zum  Studium  des 
Stoffwechsels  in  der  chronischen  Tuberkulose. 

Die  wichtigsten  Forderungen  des  Verf.  sind  bereits  in  dem 
Referate  pag.  1891  der  Münch,  med.  Wochensclir.  ausgesprochen. 
Aus  der  Bestimmung  des  Harnstickstoffes  und  der  Phosphorsäure, 
die  M.  an  seinen  Kranken  durchführte,  kommt  er  zu  dem  Schlüsse, 
dass  das  Ergebnis  des  Kampfes,  welchen  die  Körperzellen  gegen 
die  Infektion  zu  führen  haben,  vom  Ernährungszustände  und 
damit  von  ihrer  Widerstandsfähigkeit  abhängt.  Wichtig  ist  für 
die  Leistung  der  Zellen  das  Vorhandensein  genügenden  assimilier¬ 
baren  Materials  und  hinreichender  eigener  Assimilationskraft.  In 
Fällen  mit  Hämoptoe  wird  die  N-  und  P- Ausscheidung  durch  den 
Harn  verringert. 

5)  C.  Hamburger- Berlin:  Ueber  die  Berechtigung  und 
Notwendigkeit,  bei  tuberkulösen  Arbeiterfrauen  die  Schwanger¬ 
schaft  zu  unterbrechen. 

Vergl.  das  Referat.  Seite  986  der  Münch,  med.  Wochensclir. 

1902. 

6)  M.  L  e  w  i  n  s  o  n  -  Berlin:  Zur  Lehre  von  der  atonischen 
Erweiterung  der  Speiseröhre. 

Atonische,  nicht  durch  organische  Verengerung  der  Kardia 
erzeugte  Erweiterungen  der  Speiseröhre  kommen  nicht  so  selten 
vor,  wie  eine  Reihe  von  Publikationen  beweisen,  auf  welche  Verf. 
näher  eingeht.  Er  selbst  schildert  einen  Fall,  der  einen  33  jähr.. 
im  übrigen  gesunden  Schuhmacher  betrifft,  der  zunächst  an  einem 
heftigen,  14  Tage  dauernden  Schlucken  erkrankte,  worauf  sich 
Schluckbeschwerden  für  feste  Bissen  einstellten.  Dann  kam  Er¬ 
brechen  und  war  Pat.  nur  im  stände,  flüssige  Speisen  zu  schlucken. 
Die  Untersuchung  mittels  weicher  und  festiveiclier  Sonde  lieferte 
den  sicheren  Nachweis,  dass  es  sich  um  eine  Erweiterung  der 
Speiseröhre  ohne  Verengerung  der  Kardia  handeln  müsse.  Die 
Kapazität  der  Erweiterung  betrug  ca.  y4  Liter,  die  Form  liess  sich 
als  etAva  birnenförmig  nachAveisen.  Das  Bestehen  eines  Divertikels 
konnte  ausgeschlossen  werden.  Hervorzuheben  ist  das  bei  dem 
Kranken  vorhandene  Symptom,  dass  bei  horizontaler  Körperlage 
heftiger  Husten  und  damit  Störung  des  Schlafes  eintrat.  Verf. 
glaubt,  dass  es  sich  nicht,  Avie  bei  anderen  Fällen,  ursprünglich 
um  einen  Kardiospasmus  gehandelt  habe.  Hinsichtlich  der  Ent¬ 
stehung  der  Affektion  glaubt  L.  an  einen  Zusammenhang  zwischen 
dem  A'orausgegangenon  Schlucken  und  der  nachgefolgten  Erwei¬ 
terung.  indem  ersterer  zu  einer  Störung  der  Innervation  der  ge¬ 
samten  Oesophagusmuskulatur  geführt  haben  konnte.  Die  Fälle, 
aa’o  der  Erweiterung  ein  krampfhafter  Verschluss  des  Magenein¬ 
ganges  zu  Grunde  liegt,  sind  prognostisch  ungünstiger  als  Fälle 
Avie  der  vorliegende.  Für  die  Therapie  kommen  regelmässige 
Spülungen  und  Berieselungen  in  Betracht,  dann  vor  allem  richtige 
Auswahl  der  Speisen.  Grass  mann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1902.  No.  47. 

1)  A.  B  u  s  c  li  k  e  -  Berlin:  Ueber  Prurigo  lymphatica. 

Kasuistische  Mitteilung  dreier  Fälle.  Verfasser  sucht  dabei 

aus  dem  grossen  Chaos  pruriginöser  Affektionen  durch  Beobach¬ 
tungen  eine  Krankheitsgruppe  herauszuheben,  welche  in  gewissem 
Sinne  vielleicht  den  Namen  Prurigo  verdient  und  ein  grösseres  all¬ 
gemeines  Interesse  beanspruchen  darf,  Avegen  der  mutmasslichen 
Beziehungen  dieser  Dermatose  zu  den  Erkrankungen  lympha¬ 
tischer  Organe. 

2)  L.  B  r  i  e  g  e  r  -  Berlin:  Impfmetastasen  der  Karzinome. 
Bemerkung  zu  der  Arbeit  von  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  0 1  s  - 
hausen  in  No.  42  dieser  Wochenschrift. 

3)  J.  S  p  i  j  a  r  n  y  -  Moskau:  Zur  Frage  der  bösartigen  Lym¬ 
phome  (Lymphoma  malignum). 

Kasuistische  Mitteilung  eines  Falles,  bei  welchem  es  sich  um 
eine  Kombination  von  Lymphoma  malignum  mit  Tuberkulose 
handelte. 

4)  Ed.  Aronsohn  -  Ems-Nizza:  Beziehungen  zwischen 
Tuberkulose  und  Krebs. 

Kasuistische  Beiträge,  auf  Grund  deren  Verfasser  den  Satz 
aufstellt,  dass  die  phthisische  Diathese  nicht  allein  von  Phthisi¬ 
kern,  sondern  auch  von  Karzinomkranken  den  Nachkommen  über¬ 
liefert  werden  kann,  und  dass  wahrscheinlich  Karzinom,  Lupus 
und  Tuberkulose  ätiologisch  zu  einer  Familie  gehören. 

5)  H.  M  o  h  r  -  Bielefeld:  Zur  Bedeutung  der  Schueller- 
sehen  Krebsparasiten. 

Mitteilung  einer  Beobachtung,  welche  zxi  Gunsten  der 
Scliueller  sehen  Krebsparasiten  spricht. 

6)  R.  K  u  c  k  e  i  n  -  Königsberg  i/Pr.:  Ueber  zwei  Fälle  von 
Oesophaguskarzinom,  welche  unter  dem  Bilde  eines  Aorten¬ 
aneurysmas  verliefen.  (Schluss  aus  No.  46.) 

Kasuistische  Mitteilung  zweier  Fälle,  welche  durch  ungewöhn¬ 
lichen  Sitz  der  Tumoren  interessant  sind.  Das  Krankheitsbild  ge- 
Avann  einen  ATon  der  Norm  ganz  abweichenden  Charakter,  da  sich 
das  Neoplasma  in  beiden  Fällen,  von  den  mittleren  bezw.  oberen 
Teilen  des  Oesophagus  ausgehend,  wesentlich  im  mediastinalen 


2.  Dezember  1902. 


2019 


M 1 '  ENCI I  EN  EU  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRI  ET. 


Gcaa  ehe  ausdehnte  und  dadurch  zu  den  dort  in  so  grosser  Zahl 
verlaufenden  wichtigen  Organen  in  engere  Beziehung  trat  während 
das  Lumen  des  Oesophagus  selbst  mehr  oder  minder  verschont 
blieb,  die  Hauptsymptome  also  in  den  Hintergrund  traten. 

7)  C.  Israel- Herzfeld:  Beitrag  zur  Behandlung  des 
Empyems. 

Verfasser  empfiehlt  seine  Operationsmethode,  welche  sich  von 
der  bisher  üblichen  dadurch  unterscheidet,  dass  er  nach  Resektion 
dei  neunten  Rippe  auf  den  Horizontalen  noch  einen  Vertikalen  bis 
zur  11.  Rippe  setzt,  und  dann  noch  die  10.  in  der  Breite  bis  zu 
4  cm  vom  Rippen  Winkel  reseziert;  es  folgt  die  Durchschneidung 
des  9.  Interkostalraumes,  der  Pleura  und  des  Periosts  der  10  Rippe 
und  die  Durchtrennung  des  10.  Interkostalraumes  soweit,  dass 
das  Messer  bis  %  cm  vom  Ansatz  des  Zwerchfelles  entfernt  bleibt 
Nachteile  von  dieser  Schnittführung  will  V.  bisher  noch  nicht  be¬ 
merkt  haben. 


Ein  Beitrag  zur  Kasuistik 


8)  E.  G  e  b  ä  u  e  r  -  Wittenberge : 

der  Atropinbehandlung  des  Ileus. 

•  0  .V.  H  i  p  p  i  u  S  -  Moskau:  Ueber  Milchpasteurisierung  in 
Kinderpraxis. 

10)  H.  I  r  e  s  e  n  i  u  s  -  Wiesbaden:  Ueber  den  Eisengehalt 
abgefüllten  Lamscheider  Mineralwassers. 

11)  M.  Lew  i  1 1  -  Berlin:  Yohimbin  (Spiegel)  ein  neues 
Alkaloid,  Spezifikum  gegen  Impotenz.  (Schluss  folgt.) 

M.  Lache  r. 


der 

des 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  47.  1)  N.  S  w  o  b  o  d  a  -  Wien:  Zur  Lösung  der  Variola- 

Varizellenfrage. 

yergl.  die  Belichte  der  Münch,  med.  Wochenschr.  über  die 
diesjährige  Naturforscherversammlung  in  Karlsbad,  No.  44,  S.  1864. 

2)  M.  Blassberg- Krakau:  Ueber  das  Verhalten  der 
weissen  Blutkörperchen  bei  Eiterungen  im  Organismus. 

\erf.  stellt  die  auf  dieses  Thema  bezüglichen  Literatur¬ 
angaben  unter  besonderer  Betonung  der  Forschungen  von  Curscli- 
m an n  zusammen,  die  bekanntlich  dahin  gehen,  dass  bei  entzünd¬ 
lichen  Prozessen  des  Blinddarmes,  welche  mit  Eiterung  verlaufen, 
eine  beträchtliche  Vermehrung  der  Leukocyten  stattfindet.  An 
00  Patienten,  welche  an  verschiedenen  Eiterungen  litten,  hat  B. 
ähnliche  Untersuchungen  angestellt  und  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  Leukocytose  gewöhnlich  eine  Begleiterscheinung  von  Eite¬ 
rungen  ist.  Bei  peripheren  Eiterungen  ist  dieselbe  nicht  beträcht¬ 
lich,  stärker  bei  Eiterungen  in  der  Bauchhöhle.  Nach  Eröffnung 
der  Abszesse  nimmt  die  Leukocytose  ab,  aber  nicht  parallel  mit 
der  sinkenden  Temperatur.  Das  Symptom  ist  übrigens  nicht 
absolut  konstant,  so  dass  es  nicht  als  strikte  Indikation  zu  chi¬ 
rurgischen  Eingriffen  gelten  kann.  Die  Erscheinung  selbst  be¬ 
trachtet  B.  als  spezifische  Reaktion  mancher  Organismen  gegen 
manche  Infektion. 

ö)  Iv.  R  e  i  1 1  e  r  -  Wien:  Ein  Beitrag  zum  Vorkommen  der 
,, punktierten  Erythrocyten“. 

Die  punktierten  Erythrocyten  kommen  mit  einer  gewissen 
Regelmässigkeit  bei  der  perniziösen  Anämie  und  bei  chronischer 
Bleivergiftung  vor.  Verf.  hat  nun  auch  20  Fälle  von  schwerer 
Tuberkulose  daraufhin  untersucht  und  konnte  in  allen  diesen 
Fällen,  allerdings  in  verschieden  hohem  Grade,  die  Erscheinung 
feststellen.  Verf.  ist  übrigens  der  Anschauung,  dass  das  punk¬ 
tierte  rote  Blutkörperchen  als  solches  noch  nicht  als  pathologische 
Bildung  angesprochen  werden  kann. 

4)  K.  K  r  i  s  t  i  n  u  s  -  Wien:  Gleichzeitige  Gravidität  beider 

Tuben. 

Dieses  äusserst  seltene  Vorkommnis  ereignete  sich  bei  einer 
30  jährigen  Frau,  welche  bereits  4  mal  normal  geboren  hatte. 
Klinisch  bestand  eine  schwere  innere  Blutung,  die  durch  Laparo¬ 
tomie  beseitigt  werden  musste.  Dabei  ergab  sich  auch  der  Be- 
lund  der  doppelten  Tubargravidität,  welche  rechts  im  Stadium  des 
abgelaufenen  Abortus,  links  im  Stadium  der  frischen  Ruptur  war, 
nachdem  einige  Wochen  früher  ein  kompletter  Tubarabort  mit 
Bildung  einer  Hämatocele  vorausgegangen  war.  In  beiden  Ovarien 
fehlte  ein  frisches  Corpus  luteum.  Trotz  der  Entfernung  beider 
Ovarien  traten  bei  der  Patientin  keine  Ausfallserscheinungen,  son¬ 
dern  wieder  regelmässige  Menses  ein. 

Grassmann  -  München. 

Rumänische  Literatur. 

•1.  N.  Dona:  Ueber  die  Pathogenese  des  Herpes  zoster. 
(Spitalul  1902.  No.  16—17.) 

Nach  mehrfachen,  von  verschiedenen  Forschern  in  letzter  Zeit 
vorgenommenen  Untersuchungen,  wurde  angenommen,  dass  diese 
Krankheit  bazillärer  Natur  sei  und  dass  die  Meningen  oder  das 
Rückenmark  der  idiopathischen  Zone  mit  ergriffen  seien.  Es 
wurden  nämlich  in  der  Kephalo-Rhachidianflüssigkeit  Bazillen, 
Endotlielien  und  eine  deutliche  Leukocytose  gefunden. 

D.  hat  nun  einen  selbst  beobachteten  Fall  genau  studiert 
und  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  fast  gar  keine  Leukocyten  oder 
Endotlielien  gefunden,  auch  blieben  die  geimpften  Agarplatten 
und  sonstige  Kulturmedien  vollständig  steril.  Er  ist  daher  der 
Ansicht,  dass  die  bakterielle  und  spinale  Natur  der  Krankheit 
noch  gar  nicht  erwiesen  sei,  vielmehr  glaubt  er,  dass  es  sich  um 
eine  trophische  Hautneurose  handle. 


Arghir  Babes:  Einige  Fälle  von  follikulärer  Skabies  beim 
Menschen,  hervorgerufen  durch  den  Parasiten  Demodex  folli- 
culorum.  (Ibidem.) 

Landbeivohner  und  andere  Personen,  die  mit  Tieren  Zu¬ 
sammenleben,  leiden  oft  an  einer  Hautkrankheit,  die  mit  Skabies 
auf  fallende  Aehnliehkeit  hat,  aber  nicht  durch  Sarkoptes  scabiei, 
sondern  durch  den  oben  erwähnten  Parasiten  hervorgerufen  wird. 
Sie  besteht  in  zahlreichen  Papeln,  Bläschen  und  Pusteln,  die 
meistens  an  den  Haanvurzeln  sitzen  und  namentlich  auf  Brust, 
Bauch  und  den  Armen  lokalisiert  sind,  doch  findet  man  sie  auch 
im  Gesichte,  an  den  Augenbrauen  etc.  Reisst  man  ein  ergriffenes 
Haar  aus,  so  findet  man  unter  dem  Mikroskop  die  Parasiten  dem¬ 
selben  fest  anliegend  und  mit  dem  Kopfe  gegen  die  Haarwurzel 
gewendet.  Als  Behandlung  werden  antiseptische  Waschungen 
und  Bäder  empfohlen.  Salben  scheinen  ungenügend  zu  sein. 

Balacescu:  Die  Pathogenese  und  die  Behandlung  der 
Vaginalcysten.  (Revista  de  Chirurgie  1902,  No.  9.) 

Vaginalcysten  sind  selten  und  werden  oft  nur  zufällig  Dei  der 
Untersuchung  gefunden.  Einfach  oder  vielkammerig,  sitzen  die¬ 
selben  meist  an  der  vorderen  Vaginalwand  im  submukösen  Zell¬ 
gewebe.  oder  im  Septum  vesico-vaginale,  und  zwar  gewöhnlich  im 
obern  Drittel.  Seltener  Averden  sie  an  der  hintern  Wand  ange¬ 
troffen. 

Histologisch  besteht  die  Cystenwand  aus  zwei  Schichten,  einer 
äusseren  bindegewebigen  mit  spärlichen,  glatten  Muskelfasern  und 
einer  inneren,  von  einschichtigem,  oft  kubischem  Zylinderepithel 
gebildeten.  B.  hat  Gelegenheit  gehabt,  eine  Vaginalcyste  zu  ex- 
stirpieren,  deren  Inneres  mit  geschichte  t  e  m  P  latten- 
e  p  i  t  h  e  1  ausgekleidet  war. 

Die  Lage  und  Richtung  der  vorderen  Vaginalcysten  macht  es 
A\rahrsclieiulich,  dass  dieselben  ihren  Ursprung  in  embryonalen 
Resten  der  W  o  1  f  f  sehen  Gänge,  welche  später  cystiscli  degene¬ 
rieren.  haben.  Die  hinteren  scheinen  durch  cystisclie  Degeneration 
eines  nicht  verschmolzenen  M  ii  Iler  sehen  Ganges  entstanden  zu 
sein. 

Bezüglich  der  Behandlung  bildet  die  Totalexstirpation  den 
sichersten  Vorgang,  doch  muss  dieselbe  mit  besonderer  Vorsicht 
vorgenommen  werden.  Oft  erstreckt  sich  die  Cyste  bis  tief  in 
das  Ligamentum  latum  hinein,  oder  ist  durch  innige  Adhärenzen 
mit  den  Ureteren  oder  der  Blase  verwachsen. 

Dimitrie  J  onescu:  Die  Cirrhosis  cardio-tuberculosa. 
(Spitalul  .1902,  No.  18 — 19.) 

Die  als  Cirrhosis  cardio-tuberculosa  bezeiclinete  Krankheit 
ist  auf  eine  doppelte  Ursache  zurückzuführen.  Einerseits  kann 
durch  Tuberkulose  eine  perikarditische  Symphyse  gebildet  werden, 
welche  rasch  zur  Asystolie  und,  infolge  Behinderung  der  Herz¬ 
bewegung,  zur  venösen  Stauung  führt.  Letztere  erstreckt  sich,  auf 
dem  Wege  der  supra-hepatischen  Venen,  auch  auf  den  Leberkreis¬ 
lauf  und  führt  zu  chronischen  Hypertrophien  und  im  weiteren  Ver¬ 
laufe  zur  wahren  Lebercirrhose.  Andererseits  kann  die  Tuber¬ 
kulose  auch  in  direkter  Weise  auf  das  Lebergewebe  durch  Bildung 
von  tuberkulösen  Granulationen,  fettiger  Degeneration,  oder 
fettiger  hypertrophischer  Cirrliose  einwirken.  Es  geschieht  dies 
Avahrscheinlich  auf  dem  Wege  der  Pfortader.  Aus  diesen  zwei 
Einflüssen  entwickelt  sich  ein  abgeschlossenes  klinisches  Bild, 
bestehend  in  allgemeiner  Sclnväche,  geringer  körperlicher  Ent¬ 
wickelung,  Cyanose  des  Gesichtes  und  der  Extremitäten,  Dyspnoe, 
vergrösserte,  nicht  schmerzhafte  Leber,  schwache  Herztätigkeit 
mit  fötalem  Rhythmus  und  bedeutendem  Aszites. 

Die  Krankheit  ist  selten  und  kommt  hauptsächlich  im  Kindes¬ 
alter  vor.  ln  der  Literatur  sind  32  Beobachtungen  \Terzeichnet, 
Aron  denen  26  Kinder  betreffen.  Im  Durchschnitt  dauert  die 
Krankheit  2 — 3  Jahre,  doch  wird  der  Verlauf  öfters  durch  das  Auf¬ 
treten  von  akuter  Tuberkulose  oder  tuberkulöser  Meningitis  ab 
gekürzt. 

J.  beschreibt  einen  selbstbeobachteten  Fall  (3  jähr.  Knabe), 
bei  welchem  ausgebreitete  Verwachsungen  zwischen  Pleura  und 
Herzbeutel,  soAvie  auch  zwischen  letzterem  und  Herz  bestanden. 
In  allen  diesen  Pseudomembranen  wurden  zahlreiche  Tuberkeln  ge¬ 
funden.  Ausserdem  bestand  Lungentuberkulose  und  Muskatnuss¬ 
leber.  Mikroskopisch  wurden  im  Lebergewebe  auch  kleine  tuber¬ 
kulöse  Knoten  gefunden. 

Leo  nte:  Die  Chirurgie  der  Niere.  (Ibidem.) 

Die  chirurgischen  Eingriffe  auf  die  Nieren  sind  hauptsächlich: 
Nephrotomien  und  N  ephrekto  m  i  e  n.  L.  hat  die 
erstere  Operation  21  mal,  die  letztere  37  mal  ausgeführt  und  hierbei 
eine  Gesamtmortalität  von  20,4  Proz.  (12  Fälle)  zu  verzeichnen  ge¬ 
habt.  Die  Nephrotomie  kann  soavoIiI  zu  diagnostischen,  als  auch 
zu  therapeutischen  Zwecken  ausgeführt  werden.  Handelt  es  sich 
um  Läsionen  septischer  oder  aseptischer  Natur,  bei  welchen  eine 
Heilung  möglich  ist,  so  soll  die  Nephrotomie  vorgenommen  werden, 
namentlich  wenn  der  Zustand  der  anderen  Niere  nicht  bekannt  ist, 
oder  wenn  auch  diese  krankhaft  verändert  ist.  Bei  Nierensteinen, 
Avenn  noch  keine  Infektion  der  Niere  stattgefunden  hat,  zieht  L. 
die  temporäre  Nephrotomie  vor;  der  Fremdkörper  wird  extrahiert 
und  die  Wunde  Avieder  durch  Nähte  geschlossen. 

Nur  bei  sehr  ausgebreiteteu  krankhaften  Veränderungen  des 
Nierenparenchyms,  wenn  eine  Restitutio  ad  integrum  nicht  zu 
hoffen  ist,  ist  die  Nephrektomie  angezeigt,  namentlich  wenn 
man  sich  durch  die  Menge  des  Harns  und  des  ausgeschiedenen 
Harnstoffes,  sowie  auch  durch  die  kryoskopische  Untersuchung 
von  der  Funktionstüchtigkeit  der  anderen  Niere  überzeugt  hat 

L.  zieht  im  allgemeinen  den  lumbaren  Weg  für  Nierenopera¬ 
tionen  vor,  doch  ist  man  oft  gezwungen,  namentlich  für  grosse 


2020 


UUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCH ENSCH1UET. 


No.  48. 


Niereutumoren,  oder  wenn  ausgebreitete  Adhärenzen  bestehen, 
den  abdominalen  Weg  einzuschlagen.  .  _  , 

G.  Proca:  Untersuchungen  über  die  Vitalität  des  lypnus- 
bazillus  bei  gleichzeitiger  Existenz  des  Kolibazillus  im  Wasser. 

Es  wird  im  allgemeinen  angenommen,  dass  der  Bacillus  coli, 
respektive  seine  Toxine,  einen  deletären  Einfluss  auf  den  E  b  e  r  t  n- 
Gaffky  sehen  Bazillus  ausüben,  so  dass  derselbe  nach  kurzer 
Zeit  aus  dem  betreffenden  Wasser  verschwindet.  Dies  ist  Jedoc  i 
unrichtig,  wie  P.  nachweisen  konnte,  insoferno 
in  einer  durch  Erwärmung  auf  00"  C.  sterilisierten  J|volll’‘,/ .  . 

kultur  noch  nach  50  Tagen  leben.  Auch  durch  1  orzellan  filtnei  < 
Kolikulturen  hindern  den  Typhusbazillus  nicht  m  seiner  Entwick¬ 
lung.  P.  ist  sogar  nach  zahlreichen  Untersuchungen  zum  Eigeb- 
nisse  gelangt,  dass  die  Vitalität  des  mit  Ktilibazilhis  assoziieite 
Typhusbazillus  im  Wasser  eine  viel  grossere  sei,  als  die  des  re 
Typhusbazillus.  Um  letzteren  aus  dem  Wasser  kultiy eien  z 
können,  ist  für  die  geimpften  Bouillons  eine  V  orkultui  111  ^  ‘  V 
biose  bei  37—38°  C.  während  24—00  stunden  notwendig.  Am 
vorteilhaftesten  ist  dann  die  Isolierung  auf  Agar  von  D  r  i  g  a  i  s  k  l 

<  01N.aBardescu:  Der  therapeutische  Wert  der  Nerven- 
operationen  bei  chronischen  Unterschenkelgeschwuren.  (Ibidem.) 

B.  bespricht  in  kritischer  Weise  alle  gegen  chronische  Unter - 
sclienkelgeschwüre  empfohlenen  Behandlungsmethoden  wie  Sa  - 
ben,  Verbände,  Transplantationen  und  andere  cbll™aV?che  ? 
griffe  und  gelangt  zum  Schlüsse,  dass  keine  derselben  die  Sn  hei 
heit  einer  raschen  und  definitiven  Heilung  bietet.  Derartige  Re¬ 
sultate  konnte  er  aber  mit  seiner  Operationsmethode  erzielen,  be 
stehend  in  direkter  E  1  o  n  g  a  t  i  o  n  des  die  erkiankte  Gebend  vei 
sorgenden  Nerven  und  U  n  t  erbi  n  d  u  n  g  der  \ena psaPb^ i  de 
selben  Seite.  Um  gute  Erfolge  zu  erzielen,  muss  die  I >e lmi mg  so 
nahe  als  möglich  an  dem  Ulcus  gemacht  werden  und  kann  dies 
nach  erfolgter  Blosslegung,  sowohl  digital  als  auch  ^ 

-eschelien.  Die  Venenunterbindung  wird  etwas  oberhalb  des 
Knies  vorgenommen.  Bei  14  derart  operierten  Kranken  ist  Hei¬ 
lung  eingetreten  und  kein  Rezidiv  zu  verzeichnen  gewesen  B.  ist 
der^  Ansicht,  dass  die  Elongation  einerseits  direkt  aut  die  tro¬ 
pischen  Nervenfasern  einwirkt,  andererseits  die  gesunkene  Re- 
liextätigkeit,  gemäss  der  Ansicht  M  am  i  n  e  s  c  u  s 

Noica-  Ein  Eall  von  algider  Pneumonie.  (Ibidem.) 

Der  betreffende  04  jährige  Patient,  der  ausserdem  noch  seit 
lange  au  linksseitiger  Hemiplegie  litt,  war  mit  grosser  Schwache, 
Oyanose,  oberflächlicher  Respiration  und  sehr  schwachem  I  uls 
erkrankt  Es  bestand  kein  Husten  und  wurde  nur  über  leichte 
Schmerzen  hinten  unten  geklagt.  Axillartemperatur  wahrend  der 
ganzen  8  tägigen  Krankheitsdauer  35,3— 30,  i  ’,  Rektaltemperatui 

"'^Tle!  der  Nekropsie  wurde  die  ganze  linke  Lunge  im  Stadium  der 
grauen  Hepatisation  gefunden,  während  die  rechte  Lunge  norm 
war.  Ausserdem  wurde  allgemeine,  stark  entwickelte  Atl 
matose  und  ein  alter  hämorrhagischer  Herd  in  der  rechten  Hirn- 

liemisphäre  gefunden.  .  _ . 

\  hält  (len  Fall  für  einen  weiteren  Beweis  der  alteren  An¬ 
schauung  der  zufolge  das  Fieber  nicht  dem  direkten  Einflüsse 
der  Mikroorganismen  oder  ihrer  Toxine  zuzuschreiben  wäre  son¬ 
dern  eine  Reaktion  des  Organismus  darstelle  l>ei  m  Rede 
stehende  Patient  war  bereits  derart  schwach  und  herabgekommen, 
dass  sein  Organismus  diese  Reaktion  uh-ht  ^mehr  ^’oduzieren 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

7.  Wissenschaftliche  Wanderversammlung  der  Aerzte- 
vereine  der  Kreise:  Duisburg  a.  Rh.,  Mülheim  a.  d. 

Ruhr  und  Ruhrort 

in  Mülheim  a.  d.  Ruhr  am  27.  Juli  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Stuelp- Mülheim  a.  d  .Ruhr. 

Schriftführer:  Herr  Fabian-  Miillieim  a.  d.  Ruhr. 

I.  Herr  C  a  h  n  -  Mülheim  a.  d.  Ruhr:  Immunität  und  E  h  r  - 

lichs  Theorie.  ...  , 

Vortragender  gibt  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Wand¬ 
lungen  welche  die  Anschauung  über  die  Wirkung  der  Bakterien 
in  den  letzten  zwei  Jahrzehnten  gemacht  hat.  Der  rem  bakterio¬ 
logische  Standpunkt  musste  fallen  gelassen  werden.  Weder  die 
Bakterien,  noch  ihre  Toxine  genügten  zur  Erklärung  aller  Erschei¬ 
nungen.  Dann  mussten  die  Eigenschaften  und  1  tmktionen  des  in¬ 
fizierten  Körpers  heran  gezogen  werden.  Damit  war  eine  neue 
Grundlage  für  die  Lehre  von  der  Immunität  gegeben.  Einen  ge¬ 
naueren  Einblick  verschaffte  uns  die  Entdeckung  der  Antitoxine 
und  die  sich  daran  knüpfende  Lehre  E  li  r  1  i  c  li  s,  die  im  wesent¬ 
lichen  besagt,  dass  ein  Bakterium  oder  ein  Toxin  krankmachend 
nur  auf  solche  Individuen  wirken  kann,  deren  Zellen  eine  das  Gift 
bindende  Substanz  besitzen,  eine  Substanz,  die  losgelöst  von  der 
Zelle  und  im  Blut  zirkulierend  autibakteriell  (antitoxisch)  wirkt. 
Diese  Theorie  hat  in  den  letzten  Jahren  wesentlich  neue  Stützen 
erhalten,  hat  neue  Tatsachen  aufgedeckt  (die  Lehre  von  den 
Pakteriolysinen,  Hämolysinen,  Präzipitinen)  und  ist  als  Ausbau  der 
Zellularpäthologie  nach  der  physiologischen  Seite  hin  zu  betrachten. 

Diskussion:  Herr  L  e  n  z  m  a  n  n  -  Duisburg:  Es  war  eine 
schwierige  Aufgabe,  der  sich  der  Herr  4  ortragende  unterzog,  uns 
ir.  dem  Rahmen  eines  hier  üblichen  Vortrages  die  wesentlichen 


Gesichtspunkte  des  jetzigen  Standes  der  Immunitätslehre  zu  ent¬ 
wickeln.  Wer  sich  nicht  schon  eingehender  mit  der  Materie  be¬ 
fasst  hatte,  kann  unmöglich  in  dieser  kurzen  Zeit  über  alle  I  unkte 
Klarheit  gewannen  haben,  zumal  die  Lehre  von  dem  V.  esen  dei 
Bakterienfestigkeit  —  der  Bakteriolyse  — ,  der  Cytolyse  etc.  noc  i 
hypothetisch  ist.  Brauchbar  für  uns,  die  wir  in  der  Praxis  stellen, 
ist.  die  Errungenschaft,  den  Organismus  giftfest  zu  machen  gegen 
Bakteriengifte,  wie  cs  meines  Erachtens  der  Forschung  bei  Tetanus 
und  Diphtherie  in  vollkommener  Weise  gelungen  ist.  Meinen 
Standpunkt  bezüglich  des  Wertes  des  Heilserums  bei  der  letzteren 
Krankheit  möchte  ich  liier  kurz  hervorbeben.  Ich  halte  aut  Grund 
meiner  ausgedehnten  Erfahrungen  sowohl  im  Krankenhause,  wie 
in  der  Privatpraxis  das  Heilserum  für  ein  souveränes  Heil¬ 
mittel  der  Diphtherie  und  halte  es  geradezu  für  sträflich,  von 
diesem  Mittel  keinen  Gebrauch  zu  machen.  Ich  lasse  mich  nicht 
irre  machen  durch  statistische  Erhebungen,  welche  die  Wertlosig¬ 
keit  des  Serums  beweisen  sollen.  Die  Statistik  kann  nicht  alles 
beweisen,  denn  sie  lehrt  uns  nicht,  ob  das  Mittel  in  genügender 
Dosis,  ol)  cs  zur  geeigneten  Zeit  etc.  angewandt  wurde.  Der  Arzt 
aber,  der  die  Augen  offen  hält,  wird  in  seiner  Praxis  I  alle  beob¬ 
achtet  haben,  die  er  bei  der  früheren  Behandlungsmethode  mit  allen 
möglichen  Antiseptizis  in  Form  von  Gurgelungen,  Pinselungen  etc. 

—  die  nebenbei  bemerkt  alle  nutzlos,  zum  Teil  schädlich  waren  — 
ohne  Erfolg  behandelt  hat,  die  aber  jetzt  unter  Heilserum  prompt 
abheilen.  Wer  sich  überzeugt  bat,  dass  bei  einer  sicheren  Di- 
plitlierie,  die  mit  grauem  vorquellenden  Belag  beide  Mandeln  dicht 
bedeckt,  die  das  Zäpfchen  einhüllt  und  auf  den  weichen  Gaumen 
überzugehen  droht,  nach  Heilserum  der  Puls  nach  36  Stunden 
ruhig  wird,  der  Belag  Halt  macht  und  sich  prompt,  in  den  fol¬ 
genden  Tagen  abstösst,  wer  diesen  Verlauf  vergleicht  mit  dem 
trostlosen  Ringen  und  Unterliegen  des  Organismus  unter  der 
früheren  Behandlung,  der  kann  die  Wirkung  des  Heilserums 
n  iclit  verkennen.  Solche  Fälle  beweisen  mir  mehr,  wie  alle  Sta¬ 
tistiken  Wer  hat  auch  früher  die  günstigen  Erfolge  nach  Tracheo¬ 
tomien  beobachtet?  Wer  ein  Kind  unter  2  Jahren  nach  Tracheo¬ 
tomie  durchbrachte,  war  nicht  wenig  stolz.  Jetzt  gehört  es  zm 
Regel  Aber  man  muss  genug  einspritzen.  Es  muss  ein  Uebei- 
scbuss  von  Antitoxin  im  Blute  kreisen.  Unter  1000  1.  E.  verwende 
ich  fast  nie.  bei  Erwachsenen  meistens  3000.  Wie  wir  uns  das 
Zustandekommen  der  Immunität  unter  dem  Ueberüuss  des  Anti¬ 
toxins  zu  denken  haben,  das  zu  erörtern,  würde  uns  zu  weit  fuhren. 
Ich  hatte  nur  im  Auge,  auf  deu  praktischen  Nutzen  des 
I  leilsernms  hinzu  weisen. 

Herr  C  o  s  s  m  a  n  n  -  Duisburg:  Die  Frage,  ob  der  Charakter 
einer  Erkrankung  sich  geändert  bat,  ob  die  Krankheit  bösartiger 
oder  milder  auftritt  als  früher,  ist  jedenfalls  sehr  schwer  zu  ent¬ 
scheiden  Was  die  Diphtheritis  anbelangt,  so  muss  ich  doch  sagen, 
dass  ich  auch  in  der  letzten  Zeit  noch  sehr  schwere  Fälle  gesellen 
habe,  Fälle,  von  denen  man  in  der  Zeit  vor  dem  Diphtherieserum 
oli ne  weiteres  gesagt  hätte,  dass  sie  rettungslos  verloren  seien. 
Das  Diphtherieserum  wirkt  auch  hier,  wenn  es  sich  mellt  um 
schwere  Miscliinfektionen  handelt,  prompt.  Wichtig  ist  allerdings, 
dass  ein  Ueberschuss  von  Antitoxin  da  ist,  dass  also  immer 
Behring  No.  III  genommen  wird. 

Eine  andere  praktische  Frage  möchte  ich  noch  an  den  Herrn 
Vortragenden  richten.  Leyden  hat  bekanntlich  Serum  von 
Pnemnonierekonvaleszenten  oder  in  letzter  Zeit  auch  Serum  \on 
Scharlachrekonvaleszenten  eingespritzt.  Wenn  man  von  dem 
Bell  rin  gschen  Diphtherieserum  ausgeht  und  berücksichtigt, 
dass  immer  hochpotenziertes  Serum  eingespritzt  werden  soll  so 
kann  man  sich  theoretisch  kein  Bild  davon  machen,  wie  das  Lm- 
spritzen  von  solchem  Serum  wirken  soll. 

Herr  M  a  r  x  -  Mülheim  a.  d.  Ruhr  hebt  bezüglich  der  Zweifel, 
die  noch  immer  an  der  Wirksamkeit  der  Antitoxine  gehegt  werden, 
hervor,  dass  gerade  die  so  schnell  erfolgende  Reaktion  der 
Seruminjektion  auf  die  Gewebe,  besonders  ihre  prompte  Ein¬ 
wirkung  auf  die  Abschmelzung  und  Abstossung  der  Belage  als 
beweiskräftig  für  die  Heilwirkung  der  Antitoxine  anzunehmen  sei. 

Herr  Berns-  Mülheim  a.  d.  Ruhr  weist  darauf  hin,  dass, 
wenn  auch  die  Anschauungen  über  die  Wirkung  des  Serums  noch 
schwankend  wären,  wir  doch  jedenfalls  in  demselben  ein  Mittel 
hätten,  das  er  nicht  mehr  entbehren  möchte.  Die  Meinung,  dass 
die  Diphtheriefälle  jetzt  leichter  wären  wie  früher,  dass  wir  uns 
jetzt  in  dem  Wellentale  befänden,  könne  er  nicht  teilen.  Stunt 
Erfahrungen  widersprächen  dem  entschieden.  Gegen  Ende  der 
siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  und  auch  in  den  achtziger 
Jahren  hätten  die  Fälle  gerade  so  angefangen  wie  jetzt.  Bei  der 
weniger  zweckmässigen  Behandlung  —  Einatmungen,  Pinselungen 
u.  s  ,w.  —  wuchsen  die  Anfangs  geringen  Beläge  immer  weiter 
und  erreichten  eine  Ausdehnung,  die  man  jetzt  doch  nicht  mehr  zu 
sehen  bekomme,  wenigstens  habe  er  solche  Zerstörungen  nicht 
mehr  gesehen.  Es  könne  gar  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  in  den 
früheren  Epidemien  durch  die  damalige  Behandlung  vielfach  die 
Fälle  nur  verschlimmert  worden  seien.  Jetzt  werde  sofort  zur 
Spritze  gegriffen,  die  Krankheit  gebrochen,  die  Entwicklung  dei 
Beläge  verhindert  —  desshalb  komme  es  uns  allerdings  so  voi. 
als  ob  der  Charakter  der  Epidemie  leichter  geworden  wäre.  Das 
läge  aber  doch  nur  an  der  Behandlung.  Er  glaube  gerade  m  den 
letzten  Epidemien  von  Anfang  an  recht  schwere  Fälle  gesehen  zu 
haben,  die  aber  durch  eine  Einspritzung  sofort  geheilt  worden, 
in  früheren  Zeiten  aber  rettungslos  verloren  gewesen  wären.  An 
der  Wirksamkeit  des  Serums  zu  zweifeln,  gehe  doch  wohl  mciit 
mehr,  wenn  wir  sie  auch  noch  nicht  verstehen  könnten. 


2.  Dezember  1902. 


2021 


MüENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Herr  Heinz  -  Broich  erinnert  daran,  dass  die  Dosierung  des 
Diptheneserums  bei  der  Behandlung  einen  heiklen  Punkt  bilde  und 
tragt  an,  oh  man  nach  dieser  Richtung  neue  Wege  gefunden  habe. 

Heu  W  a  g  ne  r- Speldorf  weist  auf  die,  u.  a.  von  Kasso- 
v  !tz  und  Gott  stein  betonten  Schwierigkeiten  hin,  die  sich 
einer  exakten  Statistik  der  Wirksamkeit  des  Diphtherieserums 
entgegenstellen  Die  Diphtheriesterblichkeit  zeigt  eben  ein  perio¬ 
disches  Auf-  und  Niedergehen,  und  wir  befänden  uns  jetzt  in  einem 
Stadium  geringerer  Diphtheriemortalität.  Diese  periodischen 
Schwankungen  hatte  Redner  auch  als  Assistent  der  Berliner 
chirurgischen  Universitätsklinik  an  den  Erfolgen  der  Tracheo¬ 
tomien  beobachten  können.  Auf  eine  Serie  günstig  verlaufender 
iracheotomiefalle  folgte  eine  Periode  septischer  Fälle,  in  denen 
die  Operation  gänzlich  versagte.  Allerdings  scheint  gerade  in 
diesen  septischen  Fällen  anfänglich  das  Heilserum,  falls  rechtzeitig 
und  reichlich  angewandt,  erfolgreich  zu  sein;  schliesslich  lässt 
sich  der  Tod  an  Herzlähmung  doch  nicht  aufhalten. 

„  HeiT  St  u  e  lp  -  Mülheim  a.  d.  Ruhr:  Ich  möchte  etwas  näher 
ant  die  W  irkung  des  neuerdings  in  der  Augenheilkunde  gebräuch¬ 
lichen  Antiabrinserums  eingehen.  Bisher  behandelte  man  den 
Hornhautpannus  durch  Erzeugung  der  sogen.  Jequirity-Ophthal- 
nne,  mdern  man  das  Infus  des  Abrus  peccatorius  in  die  Bindehaut 
brachte.  Da  man  hierbei  die  Dosierung  nicht  in  der  Hand  hatte, 
kam  es  vor,  dass  statt  der  beabsichtigten  Aufhellung  der  Horn¬ 
haut  ein  Verlust  des  Auges  infolge  der  Jequirity-Oplithalmie  ein¬ 
trat.  Durch  die  chemische  Darstellung  des  im  Jequirity  wirk¬ 
samen  Toxins,  des  sogen.  Abrins,  wurde  die  Dosierung  schon  leich¬ 
ter,  da  man  Tiere  und  Menschen  durch  Instillation  steigender 
Dosen  unempfindlicher  bezw.  immun  gegen  das  Toxin  machen 
kann.  Noch  besser  ist  die  Wirkung  des  Mittels  jetzt  zu  modi- 
fizieren  durch  das  von  Römer  gefundene  Antiabrinserum.  Man 
eihalt  dieses  aus  dem  Blut  von  Tieren  (Kaninchen),  denen  man 
steigende  Dosen  Abrin  ins  Auge  instilliert  oder  subkutan  injiziert. 
1  lerversuche  haben  z.  B.  ergeben,  dass  nach  Einträufelung  von 
*  Tropfen  einer  1  proz.  Abrinlösung  eine  schwere  Jequiritv- 
Ophthalmie  entsteht.  Träufelt  man  6  Stunden  nach  der  Abrin- 
mstillation  Antiabrinserum  in  das  Auge,  so  bleibt  die  Ophthalmie 
ganz  aus;  nach  einem  Zwischenraum  von  24  Stunden  tritt  sie 
schwach  auf  und  währt  nur  2  Tage,  bei  einem  Intervall  von 
4S  Stunden  ist  sie  stärker  und  hält  3  Tage  an.  Bei  noch  späterer 
Anwendung  versagt  das  Antiabrinserum.  Beim  Menschen  hat  man 
ähnliche  Resultate  erzielt. 


Herr  L  enzmann  -  Duisburg:  Aus  unserer  Diskussion  geht 
ohne  Zweifel  hervor,  dass  kein  einziger  Kollege  unter  uns  ist, 
der  das  Heilserum  nicht  anwendet,  dass  auch  alle  sehr  gün¬ 
stige  Erfolge  von  demselben  gesehen  haben.  Einige  Herren 
scheinen  aber  diese  günstigen  Erfolge  zu  einem  Teile  der  augen¬ 
blicklich  herrschenden  Gutartigkeit  der  Diphtherie  zuzuschieben. 
Ich  muss  sagen,  dass  ich  neben  vielen  gutartigen  auch  sehr 
schwere  Fälle  gesehen  habe.  Aber  auch  die  Gutartigkeit  des 
Genius  epideimeus  zugegeben,  wer  hat  denn  früher  auch  die  sogen, 
leichten  Fälle  so  prompt  und  rasch  abheilen  gesehen?  Ich 
warte  nicht  mit  meinem  Urteil  über  den  Wert  des  Heilserums,  bis 
einmal  der  Genius  epidemicus  auf  die  aufsteigende  Kurve  sich 
wieder  begibt,  ich  spritze  jetzt  schon,  denn  meine  Erfahrung  hat 
mich  durchaus  überzeugt,  dass  wir  Herr  der  Krankheit  sind.  Von 
den  immunisierenden  Dosen  habe  ich  ebenfalls  ausgedehnten  Ge¬ 
brauch  gemacht  und  habe  die  besten  Resultate  erzielt. 


II.  Herr  Schulze-  Berge-Oberhausen  (Rhld.):  Demonstra¬ 
tionen. 

HI.  Herr  Cossmann  -  Duisburg  demonstriert  ein  Präparat 
(Magenkarzinom).  Im  Verlaufe  der  Erkrankung  hat  er  bei  der 
Patientin  die  Gastroenterostomie  gemacht.  Pat.  hat  5  Monate 
nach  dem  Eingriff  gelebt,  hat  weit  weniger  Beschwerden  als  vor- 
hei  gehabt,  ist  alsdann  aber  unter  Erscheinungen  von  Kachexie  zu 
Grunde  gegangen. 


,,  , Iv-  Herr  L  e  n  z  m  a  n  n  -  Duisburg:  lieber  einen  Fall  von 
Malaria. 

M.  H.!  Ich  möchte  Ihnen  kurz  über  einen  Fall  berichten, 
dessen  \  orkommen  hier  in  unserer  Gegend  jetzt  zu  den  grossen 
Seltenheiten  gehört.  Der  Patient,  ein  25  jähriger  Ziegeleiarbeiter, 
wurde  uns  am  7.  .Tuli  ins  Krankenhaus  eingeliefert.  Er  hatte  an 
demselben  Tage,  Morgens  8  Uhr,  plötzlich  einen  heftigen  Sclnittel- 
bekommen;  an  denselben  hatte  sich  ein  hochgradiges  Hitze- 
gefuhl  mit  Klopfen  im  Kopf  und  Rückenschmerzen  angeschlossen. 
aw  Hitzegefühl  folgte  ein  wohltuender  Schweissausbruch  und  ein 
6n  ^er  ^emPeratur.  In  diesem  Stadium  des  Temperatur¬ 
abfalls  kam  der  Patient  ins  Krankenhaus;  er  zeigte  noch  38,2°  in 
recto,  im  übrigen  fühlte  er  sich  zwar  etwas  schwach,  aber  doch 
wohl.  Am  folgenden  Tage,  also  den  8.  Juli,  bestand  vollständige 
Euphorie,  Temperatur  36,4—36,6°  in  recto,  Puls  74—82.  Irgend 
eine  klinisch  festzustellende  Veränderung  eines  lebenswichtigen 
Organes  war  nicht  zu  finden,  ebensowenig  bot  sich  ein  Anhalts¬ 
punkt  für  die  Annahme  eines  etwa  versteckten  Abszesses.  Am 
y.  Juli,  dem  3.  Krankheitstage,  wiederholte  sich  dasselbe  Spiel,  wie 
es  sich  am  7.  Juli  gezeigt  hatte.  Patient  bekam  gegen  7 y2  Uhr 
Morgens  einen  Schüttelfrost,  dem  ein  heftiges  Hitzestadium,  in  dem 
die  Temperatur  gegen  12  Uhr  Mittags  auf  40,3°  stieg,  folgte. 
Abends  gegen  7  Uhr  war  unter  Schweissausbruch  das  Fieber  ge¬ 
sunken.  Am  10.  Juli  vollkommene  Euphorie.  Am  folgenden  Tage 
dieselbe  Erscheinung,  nur  dass  der  Schüttelfrost  schon  um  6  Uhr 
Morgens  begann.  Da  wir  jetzt  auch  eine  deutliche  Milzschwellung 
nachweisen  konnten,  so  war  es  uns  nicht  mehr  zweifelhaft,  dass 
wir  es  mit  einer  F  e  b  r  i  s  intermittens  zu  tun  hatten,  trotz¬ 


dem  v  ii  uns  sagten,  dass  das  Auftreten  der  Erkrankung  in  unserer 
Gegend  zu  den  grössten  Seltenheiten  gehört.  Die  Untersuchung 
des  Blutes  ergab  denn  auch  den  charakteristischen  Erreger  dev 
Malaria,  das  sogen.  Haematozoon  malariae,  das  ich 
Ihnen  hier  unter  den  aufgestellten  Mikroskopen  zeigen  kann. 

Die  Tatsache,  dass  bei  uns  ein  vereinzelter  Fall  von 
Malaria  Vorkommen  kann,  entbehrt  jedenfalls  nicht  des  Inter¬ 
esses.  Wir  kennen  diese  Erkrankung  kaum  noch,  während  sie 
früher,  vor  25—50  Jahren,  als  die  Assanierung  des  Bodens  noch 
viel  zu  wünschen  übrig  liess,  als  es  hier  in  den  Ruhrniedrigungen 
noch  sumpfige  Tümpel  in  der  Nähe  der  Städte,  ja  sogar  innerhalb 
derselben  gab,  bei  uns  ein  heimischer  Gast  war..  Wie  Sie  wissen, 
kommt  der  Malariaparasit  nur  unter  bestimmten  telluri- 
schen  und  klimatischen  Verhältnissen  vor.  Dort,  wo 
in  sumpfigen  Niederungen  organische  Pflanzenreste  der  Verwesung 
anheimfallen,  wo  an  diese  verwesenden  Massen  warme  Luft 
herantritt,  dort  ist  sein  Element,  dort  bildet  er  den  „giftigen 
Hauch“  der  Sümpfe.  Unser  Patient  gibt  an,  dass  er  seit  etwa 
3  Wochen  als  Ziegeleiarbeiter  in  einer  Niederung  an  der  Ruhr,  in 
feuchtem,  sumpfigem  Erdreich  gearbeitet  hat.  Insoweit  sind  also 
wohl  die  Bedingungen  für  das  Auftreten  der  Malaria  erfüllt. 
Immerhin  ist  die  Erklärung  für  das  Vorkommen  eines  ein¬ 
zelnen  Krankheitsfalles  eine  ausserordentlich  schwierige. 

Es  bleibt  keine  andere  Annahme,  als  dass  der  Keim  des  Para¬ 
siten  seit  jener  Zeit,  als  hier  noch  die  Malaria  endemisch  war,  in 
dem  Erdreich  schlummerte,  infektionsfähig  blieb  und  bei  der  von 
unserem  Patienten  ausgeführten  Erdarbeit  ans  Tageslicht  ge¬ 
fördert  wurde. 

Es  kann  selbstverständlich  nicht  meine  Aufgabe  sein,  Ihnen 
hier  die  Lehre  der  Malariaerkrankungen  in  extenso  zu  entwickeln. 
Ich  will  nur  einige  Worte  zum  Lebensgang  des  Erregers  der¬ 
selben  sagen. 

Das  Haematozoon  malariae,  das  —  wie  Sie  wissen 
—  im  J ahre  1880  von  dem  französischen  Arzte  Laveran  ent¬ 
deckt  wurde,  ist  ein  einzelliges  Lebewesen,  das  im  zoologischen 
System  den  Coccidien  am  nächsten  steht.  Es  stellt  einen 
Gattungsbegriff  dar,  innerhalb  dessen  sich  verschiedene  Spezies 
unterscheiden  lassen,  die  durch  wohl  charakterisierte  Eigentüm¬ 
lichkeiten  ihres  Entwicklungsganges  gekennzeichnet  sind  und  sich 
in  zwei  Gruppen  zusammenordneu. 

Zur  ersten  Gruppe  gehört  die  Spezies  des  Parasiten,  der  die 
Intermittens  tertiana  (wie  in  unserem  Falle)  bewirkt, 
sowie  diejenige,  welcher  die  Quart  ana  ihre  Entstehung  ver¬ 
dankt,  zur  zweiten  zählt  die  Spezies  des  Krankheitserregers,  der 
nur  in  den  südlichen  Ländern  Europas  und  vor  allem  in  den 
T  ropen  vorkommt  und  da  die  schweren  intermittierenden,  die 
unregelmässigen  remittierenden  und  kontinuierlichen  Fieber¬ 
formen,  sowie  die  perniziöse  Malaria  bewirkt.  Die  erste  Gruppe 
hat  keine  Dauerformen,  während  die  zweite,  die  sogen.  Lave- 
r  a  n  sehen  Halbmonde,  die  als  Dauerformen  aufgefasst 
werden  müssen,  bildet. 

Der  Entwicklungsgang  unseres  Parasiten,  den  wir  als  Er¬ 
reger  des  vorliegenden  Falles  ansprechen  müssen,  ist  folgender. 
Unmittelbar  nach  dem  Fieberanfall  findet  man  im  Blute  des  Kran¬ 
ken  sehr  kleine  einzellige  Gebilde  mit  Kern  und  Kernkörperchen. 
Dieses  Gebilde  tritt  an  ein  rotes  Blutkörperchen  heran  und  dringt 
in  dasselbe  ein. 

Jetzt  beginnt  der  Parasit  — -  ein  echter  Zellschmarotzer  —  sein 
Wachstum.  Er  wächst  auf  Kosten  der  Substanz  des  roten  Blut¬ 
körperchens,  es  geradezu  verzehrend,  so  dass  schliesslich  von  dem¬ 
selben  nur  ein  blasser  schmaler  Streifen  übrig  bleibt,  der,  wie  ein 
dünner  Ring,  den  Parasiten  einschliesst,  bis  auch  dieser  Ring 
schliesslich  schwindet.  Bei  diesem  Wachstum  zeigen  sich  fol¬ 
gende  Eigentümlichkeiten:  I.  Der  Parasit  zeigt  deutliche  amöboide 
Bewegungen;  2.  er  häuft  in  seinem  Innern  kleine  dunkle  bis 
schwarze  Pigmentkörnchen  (Melanin)  auf,  gleichsam  für  ihn  un¬ 
verdauliche  Ueberbleibsel  des  Blutkörpercheneiweisses;  3.  der 
Kern  zerfällt  und  verschwindet  schliesslich  ganz;  4.  er  bildet  gegen 
den  Abschluss  seines  Wachstums  an  seiner  Peripherie  ca.  14  bis 
20  Zellsegmente,  die  ihm  die  äussere  Gestalt  einer  Maulbeere  ver¬ 
leihen.  In  jedem  dieser  Zellsegmente  sammelt  sich  Chromatin¬ 
substanz  an.  welche  den  Kern  für  eine  neue  Zelle  abgibt. 

So  stellt  am  Schlüsse  seiner  Entwicklung  der  Parasit  ein 
maulbeerförmiges  Gebilde  dar,  in  dessen  Zentrum  man  das  Pig¬ 
ment  sieht,  an  dessen  Peripherie  die  Zellsegmente  als  in  Bildung 
begriffene  Sporen  liegen.  Mit  diesem  Bildungsstadium  fällt  die 
völlige  Aufzehrung  des  Blutkörperchens  zusammen.  Das  Gebilde 
zerfällt  in  die  14 — 20  Segmente  —  die  Sporenkörper,  welche  in  den 
Blutstrom  eintreten,  das  in  dem  Innern  liegende  Pigment  wird  von 
den  weissen  Blutkörperchen  aufgenommen.  Jetzt  beginnt  der  Ent¬ 
wicklungsgang  wieder  von  Neuem. 

Diese  ganze  Entwicklung  dauert  bei  dem  Tertianparasdten 
48  Stunden.  Bei  dem  Quartanparasiten  dauert  sie  72  Stunden,  sie 
ist  im  wesentlichen  dieselbe,  nur  mit  dem  Unterschied,  dass  der 
Parasit  geringere  amöboide  Bewegungen  zeigt  und  nicht  14 — 20, 
sondern  etwa  6—10  Sporen  bildet. 

Sobald  der  Parasit  sich  in  seine  Sporen  auflöst,  beginnt  der 
Intermittensanfall.  Wir  haben  uns  die  Pathogenese  desselben 
wohl  so  vorzustellen,  dass  bei  dem  Zerfall  des  Parasiten  Toxin  frei 
wird,  das  den  Anfall  in  die  Erscheinung  ruft. 

Sie  sehen  hier  unter  dem  ersten  Mikroskop  die  Erscheinungs¬ 
form  eines  i  m  W  a  c  li  s  t  u  m  begriffenen  Parasiten.  Das 
Präparat  ist  durch  Doppelfärbung  mit  Eosin  und  Methylenblau  ge¬ 
wonnen.  Der  blaugefärbte  Parasit  hat  einen  grossen  Teil  des 


,'i22 


No.  48. 


MI’KNCll  ENEIi 


MEDK’INISUIIE 


WOniENSClIRlKT. 


roten  Blutkörperchens  bereits  eingenommen;  der  Kern  ist  ge¬ 
schwunden,  im  Innern  des  Schmarotzers  sehen  Sie  deutlich  dunkle 
Pigmentkörnchen.  Unter  dem  zweiten  Mikroskop  habe  ich  Ihnen  , 
einen  Parasiten  eingestellt,  der  schon  ein  weiteres  Entwicklungs- 
Stadium  erreicht  hat.  Von  dem  Blutkörperchen  ist  nur  noch  ein 
blasser  schmaler  Saum  zu  sehen,  der  Parasit  nimmt  deutlich  eine 
segmentierte  Form  an,  in  seiner  Mitte  liegt  Pigment.  Mit  wenigen 
Stunden  würde  dieser  Schmarotzer  zu  Sporen  zerfallen  sein. 

Die  zweite  Gruppe  der  Malariaparasiten  umfasst  die 
Spezies,  welche  die  schweren  intermittierenden,  die  remittierenden, 
kontinuierlichen  und  perniziösen  Fieber  auslösen.  Auch  diese 
Spezies  macht  ihre  Entwicklung  innerhalb  des  roten  Blutkörper¬ 
chens  durch  und  bildet  schliesslich  einen  Sporulationskörpei,  dex 
in  6— S  Sporen  zerfällt.  -  ' 

Der  Entwickelungsgang  dieses  Ilämatozoon  weicht  aber  nicht 
unwesentlich  von  demjenigen  des  Tertian-  und  Quartanparasiten 
ab.  1.  Der  Parasit  entwickelt  sich  rascher  bis  zu  seiner  Sporen¬ 
bildung,  nämlich  schon  in  24  —36  Stunden;  2.  er  ist  kleiner  und 
nimmt  —  auch  in  seinem  höchsten  Entwickelungsstadium  nicht 
die  ganze  Masse  des  Blutkörperchens  ein:  3.  er  bildet  gai^ kein 
oder  nur  wenig  Pigment;  4.  er  zerfällt  nur  in  6 — 8  Sporen;  5.  die 
Sporulation  erfolgt  hauptsächlich  in  inneren  Organen  (Milz, 
Knochenmark,  Gehini). 

Neben  diesem  Entwickelungsgang,  der  mit  Sporenbildung 
endet,  kennen  wir  noch  einen  zweiten,  der  zur  Bildung  der  sogen. 

I;  ay  er  a  n  sehen  H  a  1  b m o  n  d  e1  führt,  d.  h.  der  Parasit  wächst 
zu  (4110111  halbmondförmigen  Körper  aus.  der  das  Blutköipeichen 
verlässt  und  frei  in  den  Blutstrom  eintritt.  Dieser  Halbmond  ist 
höchstwahrscheinlich  eine  Dauerform,  die  sich  zu  einem  spoi  li¬ 
la  tionsfü Ingen  Schmarotzer  umbilden  kann. 

Entsprechend  dem  raschen  Entwickelungsgang  dieser  Para¬ 
siten  kommt  es  selbstverständlich  zu  rasch  aufeinanderfolgenden 
intermittierenden  Anfällen,  ja  zu  dauernden,  nur  einzelne  Re¬ 
missionen  zeigenden  Fieberzuständen.  Durch  Mischinfektion  mit 
dem  Tertian-  oder  Quartanparasiten  können  die  mannigfaltigsten 
Krankheitsbilder  zu  stände  kommen. 

Dass  diese  schweren  Malarialieber  mit  tiefgreifenden  5  er- 
änderungen  lebenswichtiger  Organe  verbunden  sein  können  Und 
dadurch  einen  perniziösen  Charakter  annelnnen,  wissen  Sie.  Ich 
erinnere  nur  an  die  schweren  komatösen  Zustände  (Febris  coma- 
tosa),  an  choleraartige  und  dysenterische  Durchfälle  (Febris  cho- 
lerica,  dysenterica),  an  heftige  begleitende  Katarrhe  des  Respira- 
tionstraktus,  an  die  Febris  biliosa  et  haemoglobinurioa  — •  das 
Gallenti eber  und  Schwarzwasserfieber.  In  diesem  letzten  Falle 
kommt  es  zu  ausgedehntem  Zerfall  der  roten  Blutkörperchen.  Aus 
dem  frei  werdenden  Hämoglobin  wird  zum  Teil  übermässig  viel 
Galle  gebildet,  so  dass  es  zu  Ikterus  kommt,  zum  Teil  wird  das 
Hämoglobin  durch  die  Nieren  ausgeschieden.  In  neuerer  Zeit  hat 
sich  die  Ansicht  geltend  gemacht  (Koch,  Plehn),  dass  das 
Schwarz  Wasserfieber  eine  Folge  der  Idiosynkrasie  gegen  das  zum 
Heilzweck  gewonnene  Chinin  sei.  also  gewissennassen  eine  Zer¬ 
störung  der  labilen  Blutköi’perchen  durch  das  Medikament  und 
nicht  etwa  durch  das  Toxin  des  Parasiten  seine  Entstehung  ver¬ 
danke.  Weitere  Beobachtungen  müssen  hier  noch  die  Entschei¬ 
dung  bringen. 

Wenn  ich  Sie  nun  noch  an  die  Intennittens  larvata  und  an  die 
sogen.  Malariakachexie  mit  ihren  verderblichen  Einwirkungen  auf 
den  Gesamtorganismus  erinnere,  so  habe  ich  kurz  die  Malaria¬ 
erkrankungen  an  ihrem  geistigen  Auge  vorbeigeführt  und  Sie 
hoffentlich  zu  weiteren  Studien  über  dieses  intei*essante  Kapitel 
der  Pathologie  angei’egt. 

Gestatten  Sie  mir  noch  ein  Wort  zu  dem  Infektionsmodus  des 
Erregers  und  zur  Therapie  der  Malaria. 

Es  ist  wohl  zweifellos,  dass  —  wenigstens  in  unseren  ge¬ 
mässigten  Klimaten  —  die  Uebertragung  des  Erregers  in  den  zu 
infizierenden  Organismus  durch  die  Luft  stattfinden  kann.  Für 
die  Malaria  der  tropischen  und  subtropischen  Länder  ist  aber  in 
neuei*er  Zeit  von  verschiedenen  Forschern  (Ross  i,  G  r  a  s  s  i, 
Bignami  und  B  a  s  t  i  a  n  e  1 1  i,  R.  K  o  c  hl  auf  einen  InfektionS- 
modus  aufmerksam  gemacht  worden,  der  die  weittragendste  Be¬ 
deutung  für  die  Prophylaxis  der  Malaria  hat.  Die  genannten 
Forscher  haben  gefunden,  dass  eine  Moskitoart,  der  Anopheles 
claviger,  dem  Erreger  als  Zwisehenwirt  dienen  kann.  Saugt 
dieser  Moskito  das  Blut  eines  an  Malaria  erkrankten  Menschen, 
so  geht  ein  eigentümlicher  Entwicklungsgang  in  dem  Körper  dieses 
Blutsaugers  vor  sich.  Im  Magen  der  Moskito  bilden  die'  L  a  - 
v  e  r  an  sehen  Halbmonde  und  auch  die  Tertian-  und  Quartan¬ 
parasiten  fadenförmige  Fortsätze,  die  als  Spermatozoon  aufgefasst 
werden  müssen.  Diese  letztci’en  trennen  sich  von  den  männlichen 
Parasiten  und  befruchten  andere  Hiimatozoen,  welche  der  Fort¬ 
sätze  entbehren,  also  als  weibliche  Individuen  aufgefasst  werden 
müssen.  Aus  diesem  befruchteten  Parasiten  bildet,  sich  ein 
sphärischer,  sichelförmige  Keime  einschliessemler  Körper,  der 
den  Magen  des  Moskito  verlässt  und  in  die  Organe  desselben  ge¬ 
langt,  auch  in  die  Speichel-  und  Giftdrüsen.  Sticht  ein  solcher 
Moskito  einen  gesunden  Menschen,  so  überträgt  er  die  Keime  des 
Parasiten  ins  Blut  dieses  Menschen,  wo  sie  sich  weiter  entwickeln, 
wie  wir  es  schon  geschildert  haben.  Es  ist  sehr  interessant,,  dass 
der  Parasit  im  menschlichen  Körper  einen  ungeschlechtlichen  Ent¬ 
wicklungsgang  durchmacht,  dagegen  im  Leib  des  Moskito  sich  ge¬ 
schlechtlich  fortpflanzt. 

Im  Boden,  wo  wir  ihn  doch  auf  Grund  unserer  Erfahrung  ver¬ 
muten  müssen,  ist  der  Malariaparasit  noch  nicht  gefünden.  In 


welcher  Gestalt:  er  dort  vorkommt,  und  wie  sein  Entwickelungs¬ 
gang  ist,  davon  wissen  wir  noch  nichts. 

Dös  souveräne  Heilmittel  gegen  die  Malaria  ist  das 
C  h  i  n  i  n.  Bei  der  Malaria  erfüllt  sich  einmal  das  ideale  Streben 
der  Therapie,  direkt  auf  den  Krankheitskörper  einzuwirken.  Das 
Chinin  vermag  den  Parasiten  zu  töten.  Es  wirkt  aber  nur  dann 
auf  den  Erregei-,  so  lange  er  sich  ausserhalb  der  Blutkörper¬ 
chen  aufhält,  also  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  aus  dem  Parasiten 
gebildeten  einzelligen  Sporen  noch  frei  im  Blute  schwimmen. 
Diese  Zeit  fällt  aber  —  wie  wir  wissen  • —  zusammen  mit  dem 
Fieberanfall.  Wir  müssen  bei  unserem  therapeutischen  Handeln 
also  bestrebt  sein,  den  möglichst  grössten  Chiningehalt  des  Blutes 
gleich  am  Anfänge  des  Anfalles  zu  bewirken. 

Wir  können  das  Chinin  geben  1.  per  os,  2.  subkutan,  3.  per 
klvsma.  4.  intravenös. 

Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dass  das  Chinin,  per  os  gegeben, 
ca.  5— G  Stunden  vor  dem  zu  erwartenden  Anfall  gereicht  werden 

muss.  Man  gibt  1 _ 2  g  ä  0,5  g  pro  dost  im  Verlaufe  einer  Stunde. 

Immerhin  ist  diese  Medikation  unsicher,  denn  zunächst  sind  die 
Resorptionsverhältnisse  des  Darmtraktus  nicht  immer  die  gleichen, 
dann  wissen  wir  aber  auch  nicht  genau,  ob  der  nächste  Anfall 
gerade  uni  dieselbe  Stunde  eintritt,  wie  der  vorige,  er  kann  „ante- 
ponieren"  und  „postponieren“.,  ,  •  J 

Bei  der  subkutanen  Verabreichung  ist  der  höchste  Chinin- 
gelialt  des  Blutes  nach  1—2  Stunden  erreicht.  Man  kann  hier 
geben:  Chinin,  bimuriat.  5,0,  Aq.  dest.  steril.  10,0,  Ds.  1 — 2  Spritzen 
zu  injizieren.  Die  Injektionen  sind  schmerzhaft  und  bewirken 
oft  Rötung  der  Einstichstelle. 

Bei  der  Verabreichung  per  Klysma  soll  die  volle  Wirkung  nach 
2—3  Stunden  eiittfeten.  Die  Formel  lautet:  Chinin,  hydroclilor.  1 
bis  2,  Aq.  dest.  40,0,  Tinct.  thebaic.  gutt.  X,  Ms.  zum  Klystier. 

Auch  bei  diesen  letzteren  beiden  Darreichungsarten  hat  man 
mit  der  Unsicherheit  des  zeitlichen  Eintretens  des  Anfalles  zu 
rechnen. 

Die  grösste  Sicherheit  gewährt  die  intravenöse  Appli¬ 
kation  des  Mittels.  Man  wartet,  bis  der  Patient  anfangt,  zu 
schütteln  und  installiert  dann  sofort  die  volle  Chinindosis  direkt 
ins  Blut.  Man  verordnet  Chinin,  muriat.  1,0,  Natr.  chlorat.  0,07, 
Aq.  dest.  10,  Ms.  ca.  7  ccm  zu  injizieren.  Die  Lösung  wird  unmittel¬ 
bar  vor  dem  Gebrauche  gekocht  und  filtriert,  dann  lauwarm  ein¬ 
gespritzt. 

Selbstverständlich  muss  bei  dieser  kleinen  Operation  die 
grösste  Vorsicht  walten.  So  leicht,  wie  man  es  sich  denken  sollte, 
ist  sie  nicht. 

Wir  haben  sie  bei  unserem  Patienten  im  4.  Anfall  mit  vor¬ 
züglichem  Erfolge  ausgeführt.  Wir  bedienen  uns  zu  derselben, 
wie  überhaupt  zu  jeder  intravenösen  Injektion,  die  wir  in  letzter 
Zeit  sehr  oft  machen,  einer  Lieberg  sehen  Glasspritze,  die  vor 
dem  Gebrauch  durch  Kochen  sterilisiert  wird.  Nachdem  ein 
Schlauch  um  den  Oberarm  gelegt  ist,  sticht  man,  nach  gründlicher 
Desinfektion  der  Haut,  in  eine  vortretende  Vene  der  Ellenbogen¬ 
beuge  (z.  B.  Vena  mediana  oder  cephalica)  ein.  Hat  man  die  Vene 
gut  getroffen,  so  tritt  eine  Blutsäule  in  die  Spritze  ein.  Jetzt 
drückt  man  den  Kolben,  nachdem  man  sich  überzeugt  hat,  dass 
keine  Luftblasen  in  der  Spritze  sind,  langsam  vor  und  entleert  den 
Inhalt  in  die  Vene.  Spritzt  man,  wie  hier  in  unserem  Falle, 
mehrere,  bis  zu  7  ccm  ein,  so  lässt  man  die  Nadel  stecken,  füllt 
die  Spritze  von  neuem  und  injiziert  wieder.  Die  Injektionen  sind 
absolut  schmerzlos,  abgesehen  von  dem  kleinen  Einstich.  Unser 
Patient  hat  die  intravenöse  Chinininjektion  gut  vertragen.  Schon 
der  Anfall,  zu  dessen  Anfang  wir  injizierten,  war  weniger  heftig. 
Das  Fieber  stieg  nur  bis  39°.  Seitdem  sind  weitere  Anfälle  aus¬ 
geblieben.  Sollte  sich  wieder  ein  neuer  Anfall  zeigen,  sollte  also 
durch  die  Einverleibung  von  0,7  g  Chinin  direkt  ins  Blut  die  ganze 
Protozoenbrut  nicht  getötet  worden  sein,  so  werden  wir,  sobald 
der  Patient  wieder  schüttelt,  wieder  0,7  g  Chinin  injizieren.  Ich 
kann  diese  saubere  und  einfache,  bei  der  nötigen  Vorsicht  auch 
ungefährliche  Applikationsweise  des  Chinins  nur  empfehlen. 
Einige  Uebung  muss  allei-dings  vorausgesetzt  werden. 

Auf  die  Behandlung  der  iibi-igen  Formen  der  Malaria.,  der 
Malariakachexie  etc.,  will  ich  nicht  weiter  eingehen. 


33.  Versammlung  südwestdeutscher  Irrenärzte 

in  Stuttgart,  am  1.  und  2.  November  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

Nach  den  üblichen  Begrüssungen  u.  s.  w.  erstatten  Wilder- 
m  u  t  h  -  Stuttgart  und  N  e  u  m  a  n  n  -  Karlsruhe  das  übernommene 
Referat  über  die  Volksheilstätten  für  Nervenkranke,  an  das  sich 
eine  grössere  Diskussion  ansehliesst.  Es  wird  das  Indikations¬ 
gebiet,  die  Einrichtung  und  Anlage  der  neuen  Anstalten  besprochen. 
Die  Aussichten,  dass  der  Staat  oder  die  Krankenkassen  in  dieser 
Frage,  die  Initiative  ergreifen,  scheint  gering.  Dieselbe  muss  von 
den  Aerzten  ausgehen.  N  e  u  m  a  n  n  hat  sich  durch  Erhebungen 
bei  den  Invaliditätsanstalten  statistisches  Material  verschafft,  aus 
dem  die  Notwendigkeit  der  Errichtung  von  Volksheilstätten  für 
Nervenkranke  hervorgeht. 

S  in  i  t  h  ist  entgegen  der  Mehrheit  der  Ansicht,  dass  auch 
Trinker  in  den  Anstalten  Aufnahme  finden  sollten. 

Stadel  mann  -  Würzburg  spricht  über  die  Einrichtung  und 
den  Lehrplan  der  Schulen  für  nervöse  Kinder. 


2.  Dezember  1902. 


MIJENCHENER  M E DI CINI S CITE  WOCHEN SCHRIFT. 


202?, 


(iu 

V/2 


„  „  W  0  nb.  evS-  Tübingen  beschreibt  einen  interessanten 
laH  von  Stirnhirntumor  und  bespricht  die  in  Frage  kommenden 
n  i  bereut  in  hliagnostisehen  Momente  und  die  bisherige  Literatur. 
Weil  -  Stuttgart  stellt  eine  Kranke  vor,  bei  der  ein  Tumor 
der  Gegend  des  Fazialiszentrums)  durch  Operation  vor 
Jahren  entfernt  worden  ist. 

D  i  e  t  z  - Stuttgart  schildert  an  der  Hand  von  Plänen  Bau, 
und  Einrichtung  der  Irrenanstalt  AATeiiisfoerg., 

E  s  c  h  1  e  -  Sinsheim  demonstriert  ein  Krankenbett  für  un¬ 
reinliche  Geisteskranke. 

Nach  einer  längeren  Diskussion  über  den  E  rlass  des  preussi- 
selien  Justizministers,  den  Sachverständigen  beim  Entmündi¬ 
gung  svei  fahren  betreffend,  gelangt  eine .  Resolution  hierüber  zur 
Annahme,  die  gegen  diese  Neuerung  protestiert. 

E  a  u  s  e  r  -  Stuttgart  berichtet  über  Entwicklung,  Bau  und 
Einrichtung  der  neuen  Irrenabteilung  des  städtischen  Bürger- 
liospitals  in  Stuttgart,  in  dessen  Räumen  die  zweite  Sitzung  der 
Versammlung  stattfindet. 

E  r  a  n  k  -  Münsterlingen  spricht  über  den  Wert  der  Psycho¬ 
therapie  in  der  ärztlichen  Praxis  und  verlangt  die  Aufnahme  der 
Psychotherapie  in  den  Lehrplan  der  Universitäten. 

B  e  z  z  o  1  a  -  Ermatingen  bespricht  einen  mit  Hypnose  be¬ 
handelten  Fall. 

E  e  v  i  -  Stuttgart  stellt  einen  interessanten  Fall  von  Stich- 
veiletzung  des  Gehirns  vor,  der*  bald  nach  der  Verletzung  operiert 
wurde  und  dessen  Lähmungserscheinungen  nunmehr  nahezu  ge¬ 
heilt  sind.  .  ;  ', 

F  e  1  d  m  a  n  n  -  Stuttgart  gibt  eine  statistische,  Uebersiclit 
über  die  in  das  Bürgerhospital  auf  genommenen  Trinker  und  er¬ 
örtert  die  bei  denselben,  speziell  bei  den  Deliranten,  beobachteten 
Symptome. 

Laudenheimer  -  Alsbach  beschreibt  einen  Fall  von 
Zwangsvorstellung  (sexuellen  Ursprungs)  bei  einem  Knaben. 

K  r  a  u  s  s  -  Kennenburg  findet  bei  der  Prüfung;  eines  grosseil 
Krankenmaterials,  dass  die  Vererbung  von  Psychosen  meist  im 
Sinne  einer  Degenereszenz  anftritt. 


Mit  grossem  Interesse  wurde  der  Vortrag  von  Gaupp- 
Heidelberg;  Ueber  die  Grenzen  psychiatrischer  Erkenntnis  auf¬ 
genommen.  Die  Frage,  ob  und  wieweit  die  psychologische  Be¬ 
trachtungsweise  für  die  Psychosen  von  Wert  sei,  und  welche 
Gesetzmässigkeiten  sich  bei  den  letzteren  finden,  wird  nach  Form 
und  Inhalt  gut  dargestellt.  Die  Einzelheiten  können  im  Referat 
nicht  wiedergegeben  werden.  Der  Vortrag  wird  im  Centralblatt 
für  Neurologie  und  Psychiatrie  veröffentlicht  worden. 

Kaum  minder  grosses  Interesse  erregte  der  Vortrag  von 
N  i  s  s  1  -  Heidelberg  über  die  neueren  anatomischen  Forschungen 
betr.  der  progressiven  Paralyse.  Speziell  die  Unterscheidung  der 
meso-  und  ektodermalen  Gewebsbestandteile  in  der  Hirnrinde  bei 
entzündlichen  Prozessen  und  das  Verhalten  der  Adventitialscheide 
(M  a  r  s  c  li  a  1  k  o  sehe  Plasmazellen),  der  nicht  nervösen,  ekto¬ 
dermalen  Bestandteile  wird  erörtert.  Die  Durchforschung  ,a  1 1  e  r 
Gewebsbestandteile  der  Hirnrinde  —  und  nicht  nur  der  nervösen 
Elemente  —  hat  ganz  neue  Ergebnisse  und  Anschauungen  ge¬ 
zeitigt.  .  . 

H  e  s  s  -  Stephansfeld :  Ueber  liystei’isches  Irresein. 

Rühle-  Winnenthal  behandelt  den  Zusammenhang  zwischen 
Tabes  und  Paralyse  und  beschreibt  2  Fälle  von  nichtparalytisclier 
Geistesstörung  bei  Tabes. 

R  o  s  e  n  f  e  1  d  -  Strassburg:  Ueber  traumatische  Hypochon¬ 
drie.  Besprechung  der  bisherigen  Literatur  und  Zusammenstellung 
von  48  —  meist  länger  (bis  zu  25  Jahren)  beobachteten  —  Fällen 
von  traumatisch  entstandenen  funktionellen  Depressionszuständen, 
lt.  scliliesst  sich  Alwin  Hof  mann  in  der  Annahme  an,  dass  nicht 
das  Trauma,  sondern  die  Konstitution  des  Kranken  für  die  Ent¬ 
stehung  der  traumatischen  Neurasthenie  und  Hypochondrie  in 
erster  Linie  von  Einfluss  sei. 

Willmanns  -  Heidelberg  brachte  eine  Studie  über  die 
Py chosen  der  Landstreicher  und  macht  auf  die  Häufigkeit  des 
Vorkommens  und  die  Verschiedenartigkeit  derselben  aufmerksam. 

L  i  1  i  e  n  s  t  e  in  -  Bad  Nauheim, 


Medizinische  Streiflichter  aus  Amerika. 

Eine  Ferienrundfahrt  vom  Aerztekongress  in  Saratoga  über 
die  Adirondacks  nach  Canada,  den  weissen  Bergen  und  Boston. 

Von  Carl  Beck  in  New-York. 

(Schluss? 

Der  Lake  George  erinnert  durch  seine  schroffen  und  unregel¬ 
mässigen  Ufer  etwas  an  den  Vierwaldstätter  See.  Er  ist  36  eng¬ 
lische  Meilen  lang,  %  bis  4  englische  Meilen  breit  und  an  manchen 
Stellen  400  Fuss  tief.  Er  ist  durchsetzt  von  ebensovielen  kleinen 
Inselchen  als  es  Tage  im  Jahr  gibt.  Die  Flut  ist  durchaus  trans¬ 
parent,  so  dass  man  in  der  Tiefe  noch  Gegenstände  erkennen  kann. 
Die  Ufer  sind  von  beispielloser  Schönheit  und  haben  die  Dichter 
verschiedenster  Länder  zu  mehr  oder  minder  bezaubernden  Sängen 
begeistert.  Die  Kultur,  die  alle  Welt  beleckt,  schoss  auch  hier 
ihre  Breschen  in  den  herrlichen  Garten  einer  urweltlichen  Natur, 
und  so  sieht  man  überall  zwischen  den  Baumkronen  die  Firste 
moderner  Villen  bervorragen.  Die  Stadt  New-York  entsendet  all¬ 
jährlich  viele  Tausende  von  Sommerfrischlern  hierher.  Unser  be¬ 
rühmter  Landsmann,  der  Freiheitskämpfer  Karl  Schurz,  hat  seit 
Jahren  seine  Sommervillegiatur  in  Bolton  Landing,  dicht  am  See, 
aufgeschlagen.  Sein  Nachbar  ist  unser  wohlbekannter  Kollege 
Abraham  Jacobi,  der  mit  seinem  Freund  Schurz  sich  erfolgreich 


bemiilil.  die  Folgen  ihrer  72  Jährlein  im  Jungbrunnen  dieser  herr¬ 
lichen  Natur  zu  kompensieren.  Fashionable  Hausärzte  ziehen  wohl 
auch  mit  Kind  und  Keg-el  ihren  wohlhabenden  Klienten  im  Sommer 
hierher  nach  und  verbinden  das  utile  cum  dulei,  indem  sic  ihren 
Beruf  ausübep.  Die  New-Yorker  Kollegen  ziehen  schon  deshalb 
den  Lake  George  als  Schauplatz  ihrer  Tätigkeit  vor,  weil  sie  hier 
ohne,  weitere  Zeremonien  praktizieren  können.  An  der  Seeküste, 
welche  sich  in  unmittelbarer  Nähe  New-York s  hinzieht,  ist  dies 
stellenweise  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden.  Der  grösste 
Teil  der  von  den  New-Yorkern  frequentierten  Seebadeorte  liegt  im 
Staate  New- Jersey,  welcher  ein  besonderes  Staatsexamen  ver¬ 
langt.  Dasselbe  ist  durchaus  nicht  leicht  zu  bestehen  und  wirkt 
wie  eine  chinesische  Mauer. 


Der  an  der  Ostseite  gelegene  schwarze  Berg,  welcher  sich 
2200  Fuss  hoch  über  dem  Niveau  des  Sees  erhebt,  wird  wegen 
seiner  klaren,  trockenen  Luft  mit  Vorliebe  von  Asthmatikern  auf¬ 
gesucht.  Wie  mir  von  glaubwürdiger  Seite  versichert  wurde,  war 
der  Heilungserfolg  in  manchen  Fällen  ganz  eklatant.  Patienten, 
welche  wochenlang  vorher  die  Nächte  im  Bette  sitzend  zubringen 
mussten,  konnten  sich  hier  oben  schon  die  erste  Nacht  des  lang 
entbehrten  Schlafes  erfreuen. 

Aut  der  Nordseite  deutet  ein  schmaler  Wasserstreifen  den 
Uebergang  des  Lake  George  in  den  Lake  Champlain  an.  An  dieser 
Lebergangsstelle,  welche  strategisch  von  grösster  Wichtigkeit  war, 
stand  die  starke  Festung  Ticonderoga,  deren  Ruinen  da,  wo  sich 
die  Perspektive  in  das  Champlaintal  eröffnet,  einen  hochroman¬ 
tischen  Anblick  gewähren.  Wie  an  der  Saale  ‘hellem  Strande,  so 
standen  auch  hier  Burgen  stolz  und  kühn.  Wenn  die  Steine  reden 
könnten,  so  würden  sie  eine  furchtbare  Geschichte  von  Hass,  Ver¬ 
rat  und  Grausamkeit,  aber  auch  ein  hohes  Lied  von  Treue,  Helden¬ 
mut  und  Liebe  erzählen  können.  Dass  sich  auf  dieses  Gibraltar 
Nordamerikas  die  mächtigsten  Vorstösse  zweier  feindlicher 
Stämme  konzentrieren  mussten,  lehrt  ein  Blick  auf  die  Landkarte. 
Die  Franzosen,  auf  den  frühen  Besitz  Oanadas  sich  stützend, 
dessen  Dominium  am  Nordende  des  Lake  Champlain  begann, 
behaupteten,  ein  Anrecht  auf  sämtliches  Territorium  zu  haben, 
dessen  Gewässer  in  den  canädischen  St.  Lorenzstrom  mündeten. 
Der  Champlainsee,  die  grossen  Seen  und  der  Mississippi  sollten 
also  demgemäss  auch  von  Seinebabel  aus  beherrscht  werden. 
Wie  man  im  Jahre  70  vom  Spaziergang  nach  Berlin  als  einem 
fait  accompli  gefaselt  hatte,  so  krähte  der  gallische  Hahn  damals 
ein  ,, Neu-Frankreich“  in  die  Welt  hinaus;  England  dagegen  be¬ 
rief  sich  auf  seine  frühzeitige  Entdeckung  und  Besitznahme  und, 
last,  but  not.  least,  auf  die  ihm  seitens  Frankreichs  zuerkaimten 
Rechte  im  Ltrecliter  Vertrag.  Da  aber  politische  Verträge  zumeist 
nur  geschlossen  werden,  um  sich  wieder  brechen  zu  lassen,  so 
dauerte  es  nicht  lange,  bis  der  Kanonendonner  durch  das  Cham- 
pjaintal  zum  blutigen  Reigen  aufspielte.  Jahre  lang  wogte  der 
Kampf  um  die  Suprematie  hin  und  her,  welcher  zudem  ein  grau¬ 
sames  Gepräge  dadurch  erhielt,  dass  die  Indianer  sich  zu  Sklaven 
der  kriegsführenden  Mächte  hergaben.  Die  Rothäute,  welche  dem 
Lorenzstrom  entlang  ansässig  waren,  schlugen  sich  auf  die  fran¬ 
zösische  Seite.  Sie  bestanden  ausschliesslich  aus  den  Stämmen 
der  Huronen  und  Algonquins.  Die  Irokesen  und  Mohikaner  da¬ 
gegen,  welche  damals  in  den  heutigen  Staaten  New-York  und  Ver¬ 
mont  ihren  Wigwam  errichtet  hatten,  verbündeten  sich  mit  Albion. 
Im  Jahre  1757  eroberte  der  französische  General  Montcalm  die 
Feste  •  Ticonderoga  und  drang  mit  Hilfe  seiner  kupferfarbigen 
Kundschafter  nach  Fort  William  Henry  vor.  Die  Besatzung  von 
1500  Mann  wurde,  nachdem  sie  sich  als  Kriegsgefangene  ergeben 
hatten,  massakriert  Dieses  „Fort  William  Henry  Massacre“  rief 
in  der  alten  Welt  eine  ungeheure  Entrüstung  hervor.  Nun  erst 
gelang  es  dem  grossen  Staatsmann  P  i  1 1,  die  Engländer  aus  ihrer 
Lethargie  aufzurütteln.  Neue  Truppen  wurden  gesanut.  Sie 
durchbrachen  den  Festungskordon,  welchen  die  flinken  Rothosen 
um  den  Charaplain  gezogen  hatten,  und  trieben  den  letzten  Sobn 
der  Grande  Nation  im  Jahre  1763  auf  Nimmerwiedersehen  nach 
Canada  hinüber. 

Am  Fusse  der  Ruinen  entstand  später  das  blühende  Städtchen 
Ticonderoga,  welches  alljährlich  eine  grosse  Schaar  von  Sommer¬ 
gästen  beherbergt.  Durch  das  reizende  Tal,  welches  an  den 
Odenwald  erinnert,  dringt  das  Geräusch  der  Sägemühlen,  welche 
mit  dem  Fichtenholz,  das  noch  in  Fülle  vorhanden  ist,  auf  räumen. 
In  einem  der  Sägemüller  griisse  ich  einen  alten  Bekannten.  El1 
hafte  sich  vor  Jahren  im  St.  Marks  Hospitale  in  New-York  einer 
Operation  unterzogen.  Als  ich  damals  erfuhr,  dass  er  aus  dieser 
mir  so  überaus  sympathischen  Gegend  stammte,  konnte  ich  es 
mir  nicht  versagen,  vom  wissenschaftlichen  Gebiet  abzuschweifen 
und  mit  ihm  mit  unverhülltem  Enthusiasmus  von  seiner  schönen 
romantischen  Heimat  zu  Sprechen,  Ja,  ich  liess  mich  sogar  hin- 
reissen,  von  der  Poesie  des  alten  Lederstrumpf  zu  schwärmen, 
worauf  der  Böotier  mir  kaltlächelnd  erwiderte,  dass  er  in  der 
Gegend  jedermann  kenne,  aber  von  einem  derartigen  Individuum 
habe  er  nie  gehört.  Dies  und  ein  Appendix  von  anderen  furcht¬ 
bar  nüchternen  Bemerkungen  wirkte  wie  eine  Eis  wasserdusche 
auf  mein  begeistertes  Herz,  und  icli  habe  es  damals  verschwören, 
niemals  wieder  am  Krankenbett  mit  der  Romantik  zu  liebäugeln 
Tout,  comme  chez  nous.  Dem  braven  Agricola,  welcher  im  Dunst¬ 
kreis  der  Wartburg  oder  des  Heidelberger  Schlosses  seinen  Pflug 
steuert,  will  es  auch  nicht  in  seinen  massiven  Schädel,  warum  die 
verrückten  Stadtleute  so  viel  Wesens  aus  ein  paar  alten  Steinen 
machen.  Und  im  Vateriande  des  guten  alten  Michels  ist  doch 
noch  mehr  Poesie  übrig  gebliehen,  als  in  allen  anderen  Ländern 
zusammen  genommen.  Wers  nicht  glaubt,  gehe  ein  paar  Jährlein 
ins  Ausland,  uüd  wenn  er  die  deutsche  Poesie  längst  aus  dem 
Gesichtskreis  verloren  hat,  dann  findet  er  sie  eines  Tages  plötz- 


2024 


MtTENCH  KN  E  R  ME  DIClNlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


lieh  und  feuchten  Auges  in  seinem  Herzen  wieder.  Hie  alten 
Lieder  von  Lenz  und  Liehe  klingen  ihm  an  das  Ohr,  welches 
schon  an  fremde  Laute  gewohnt  schien,  das  deutsche  Waldweben 
taucht  aus  der  Vergessenheit  empor,  der  Eichenwald  rauscht  und 
singt  sein  sonores  Bardenlied  von  der  deutschen  Kraft  und  Treue, 
dass  es  tief  in  die  Seele  dringt.  Und  goldene  Gelbveigelein  nicken 
sanft  ihren  lyrischen  Rhythmus  dazu.  Wer  kein  deutsches  Ge¬ 
müt  hat,  wird  freilich  diese  Gefühle  auch  nie  begreifen  lernen. 
..Wenn  ihrs  nicht  fühlt,  ihr  werdets  nicht  erjagen,  denn  was  nicht 
aus  der  Seele  dringt  .  .  .“  Darum  lächeln  die  Herren  des  grossen 
tönernen  Inselreiches  und  zucken  die  Achseln  süffisant  über  die 
deutschen  Schwärmer.  Rührend  komisch  ist  es  aber  auch,  dass 
wenn  sich  die  deutschen  Schwärmer  so  recht  sattgeschwärmt 
haben,  sie  fröhlich  anheben  zu  singen:  „Ich  weiss  nicht,  was  soll 
es  bedeuten,  dass  ich  so  traurig  bin.“ 

Der  unvergleichliche  deutsch-amerikanische  Dichter  Konrad 
Kretz  hat  den  Gefühlen,  mit  welchen  die  in  Amerika  lebenden 
Deutschen  ihres  Mutterlandes  gedenken,  in  folgenden  Worten  er¬ 
greifenden  Ausdruck  verliehen: 

„Land  meiner  Väter,  länger  nicht  das  meine, 

So  heilig  ist  kein  Name  wie  der  deine; 

Nie  wird  dein  Bild  aus  meiner  Seele  schwinden. 

Und  knüpfte  mich  an  dich  kein  lebend  Band, 

So  würden  mich  die  Toten  an  dich  binden, 

Die  deine  Erde  deckt,  o  Vaterland!“ 

Das  östliche  Ufer  des  Champlainsees  ist  von  dem  wiesen¬ 
reichen  Staat  Vermont  idyllisch  umrahmt.  Von  den  westlichen 
Ufern  grüssen  die  Häupter  des  Adirondacksgebirges,  "welches 
sich  nach  Westen  auf  150  englische  Meilen  ausdehnt.  Nach 
Norden  zieht  dieser  ungeheure  Gebirgszug  nahezu  parallel  zum 
See  100  Meilen  weit  in  die  Länge.  Die  zahllosen  Seen,  welche 
die  Adirondacks  von  Süden  nach  Norden  durchziehen,  ermöglichen 
es,  sie  in  dieser  Richtung  auf  dem  Wasserweg  zu  durchqueren. 
Nur  wenige  Landengen  sind  zu  passieren.  An  diesen  nimmt  der 
Bootführer  den  leichtgebauten  Kahn  auf  seine  breiten  Schultern 
und  schleppt  ihn  bis  zum  nächsten  Wasserstreifen.  So  kann  man 
hier  noch  idyllischer  reisen,  als  weiland  mit  dem  Schwager 
Postillon.  Der  Hochbootsmann  schleppt  zugleich  eine  ganze  Aus¬ 
rüstung  in  seiner  Riesenwestentasche.  Mancher  plethorische  Pro¬ 
fessor  verbringt  hier  seine  Ferien,  vagabundiert  mit  leicht¬ 
beschwingtem  Kahn  zwei  Sommermonate  lang  in  der  Wildnis 
der  Adirondacks  herum  und  sein  Kumpan  bleibt  der  düstere  Ge¬ 
selle  von  Führer,  welcher  zugleich  Mädchen  für  alles  ist.  Hat 
der  Vergnügungsreisende  Hunger,  so  fischt  er  ihm  eine  Forelle 
oder  reicht  die  Flinte  schussgerecht,  wenn  er  einen  ltehbock  auf¬ 
gestöbert.  Des  Abends  rollt  er  sich  ein  veritables  Zelt  von  seinem 
Leibe  herunter  und  improvisiert  eine  Matraze  darunter.  „Der 
Wald  ist  unser  Nachtquartier.“  So  hat  sich  bei  diesem  „So  leben 
wir“  schon  mancher  verbockte  Uebermensch  am  allbarmherzigen 
Busen  der  Mutter  Natur  wieder  gesund  gestrolcht. 

Die  meisten  Seen  befinden  sich  auf  gleichem  Niveau,  durch¬ 
schnittlich  etwa  1500  Fuss  über  den  Meeresspiegel.  Würde  dieses 
wie  Juwelen  glitzernde  Seekonglomerat  den  Adirondacks  nicht 
ihren  eigentümlichen  Charakter  verleihen,  so  würde  man  sie  sehr 
wohl  mit  dem  Schwarzwald  vergleichen  können.  Der  Name 
Adirondacks  (Baumesser)  deutet  auf  den  grossen  Waldreichtum 
hin.  Tonangebend  ist  die  Balsamfichte,  welche  überall  in  dem 
2500  Quadratmeilen  deckenden  Terrain  dieses  herrlichen  Gebirges 
zu  finden  ist.  Ihr  aromatischer  Odem  ist  überall  deutlich  zu 
spüren.  Dem  Fichtenwald,  in  Verbindung  mit  der  reinen  und 
trockenen  Atmosphäre  dieser  paradiesischen  Gegend,  ist  es  wohl 
zu  danken,  dass  neben  der  grossen  sommerlichen  Vergnügungs¬ 
kolonie  sich  eine  Anzahl  von  Lungenkranken  aller  Art  ansässig 
machte.  Ja,  die  Adirondacks  sind  die  grosse  amerikanische  Re¬ 
spirationsbürste  geworden.  Jedes  Kind  weiss  es,  dass,  wenn  ein 
Husten  nicht  nach  der  dritten  Schüttelmixtur  nachgegeben  hat, 
die  Adirondacks  verschrieben  werden  müssen.  Der  Erfolg  ist 
selbst  bei  mässig  vorgerückter  Phthise  eklatant. 

Den  Bemühungen  zweier  eminent  praktisch  veranlagter  New- 
Yorker,  des  verstorbenen  Loomis  und  des  noch  im  rüstigsten 
Mannesalter  stehenden  Trudeau,  war  es  gelungen,  in  der  Wildnis 
Sanatorien  zu  schaffen,  von  denen  alljährlich  hunderte  von  Tuber¬ 
kulösen  geheilt  wiederkehren.  Heute  erhebt  am  See  Saranac  sich 
da,  wo  ein  einfaches  Blockhaus  noch  vor  wenigen  Jahren  das 
Antituberkularium  bildete,  ein  reizendes  Villenviertel  nach 
Brehmer  schem  Vorbild.  Was  Amerika  deutschen  Gelehrten 
zu  danken  hat,  kann  kaum  gewaltiger  illustriert  werden  als  durch 
die  einfache  Geschichte  Trudeaus,  des  jetzigen  Leiters  der 
Anstalten.  Infolge  seiner  angegriffenen  Atmungsorgane  hatte  ersieh 
vor  Jahren  mitten  in  den  primitiven  Forst,  15  Wegstunden  von  der 
nächsten  Eisenbahnstation  entfernt,  zurückgezogen.  „Ich  besass“, 
so  sagt  er  in  seiner  lapidaren  Weise,  „weder  Gesundheit,  noch 
wissenschaftliche  Bildung.  Bücher  waren  mir  kaum  zugänglich, 
und  von  Apparaten  war  überhaupt  nicht  die  Rede.“  Im  Jahre 
1883  las  er  ein  Exzerpt  von  Robert  Koch  über  die  Aetiologie  der 
Tuberkulose,  welches  einen  so  tiefen  und  nachhaltigen  Eindruck 
auf  ihn  machte,  dass  er  trotz  aller  Hindernisse  nach  New-York 
reiste,  wo  Prudden  ihn  in  den  Anfangsgründen  der  Bakterio¬ 
logie  unterwies  und  ihn  die  ersten  Tuberkelbazillen  färben  liess. 
In  seiner  bescheidenen  Klause,  wo  in  frostiger  Winternacht  trotz 
der  Heizung  das  Wasser  in  den  Röhren  gefror,  setzte  er  seine 
Studien  emsig  fort.  Zu  jener  Zeit  gab  es  am  Saranac  Lake  keine 
Kohlen  und  mit  Holzheizung  war  es  unmöglich,  das  Zimmer  die 
ganze  Nacht  hindurch  zu  erwärmen,  so  dass  Trudeau,  um 
seinen  Brtitofen  nicht  einfrieren  zu  lassen,  jede  Nacht  aufstehen 


musste,  um  den  Temperaturunterschied  auszugleichen.  Seine 
sämtlichen  raraphemalien  bestanden  in  einem  Mikroskop.  .  Ein 
kunstgerecht  angelegter  Brütofen  fehlte,  aber  der  amerikanische 
Pfiffikus  weiss  sich  mit  einem  hausgemachten  Thermostaten  zu 
helfen,  den  er  mit  einer  Steinöllampe  erwärmt.  Um  die  inten¬ 
siven  nächtlichen  Temperaturabfälle  zu  regulieren,  fertigte  er 
eine  Anzahl  Holzkasten  an,  welche  ineinander  geschachtelt  und 
mit  dicken  Türen  verschlossen  werden  konnten.  Mit  solcherlei 
mehr  als  primitiven  Hilfsmitteln  gelang  es  dem  unermüdlichen 
Forscher,  Reinkulturen  der  Tuberkelbazillen  zu  züchten  und  die 
bekannten  Koch  sehen  Inokulationsexperimente  praktisch  nach¬ 
zuprüfen.  Versuchsmeerschweinchen  wurden  in  einer  unter¬ 
irdischen  Höhle  gehalten,  welche  ebenfalls  im  Winter  mit  einer 
grossen  Steinöllampe  geheizt  wurde.  Die  Frucht  dieser  etwas 
vorsündflutlichen,  aber  mit  dem  Stempel  der  Genialität  ver¬ 
sehenen  Experimente  war  zunächst  eine  Arbeit  über  die  Beob¬ 
achtungen  an  geimpften  Versuchstieren,  namentlich  Kaninchen, 
welche  auf  einem  der  kleinen  Inselchen  des  Saranac  ausgesetzt 
wurden  und  beim  Wiedex-einfangen  nur  lokale  Symptome  zeigten, 
während  die  Konfrontiere,  welche  in  schlechten  hygienischen  Ver¬ 
hältnissen  untergebracht  wurden,  sämtlich  innerhalb  dreier  Monate 
an  Tuberkulose  zu  Grunde  gingen.  Bald  wuchs  die  Trudeau- 
sche  Pflanzstätte  immer  mehr,  bis  sie  eines  Tages  der  Raub  der 
Flammen  wurde.  Denn  niemand  kann  auf  die  Dauer  eine  Stein¬ 
öllampe  ungestraft  zur  Heizung  verwenden  und  so  war  es  nicht 
zu  verwundern,  dass  der  improvisierte  Thermostat  eines  Tages 
durch  eine  Explosion  der  Lampe  zerstört  wurde  und  das  ganze 
Haus  mit  Laboratorium  etc.  in  Flammen  setzte.  Doch  wie  ein 
Phönix  stieg  eine  neue  Anstalt  aus  der  Asche  empor,  denn  der 
brave  Mann  zeigte  sich  schon  tags  nach  dem  Brande,  Cooper 
ist  sein  Name.  Kein  Unglück  ist  so  gross,  dass  seine  Wolken 
nicht  durch  den  Sonnenstrahl  des  Mitleids  hilfsbereiter  Menschen 
wieder  verklärt  würden.  Cooper,  welcher  der  energischen  Be¬ 
handlung  Trudeaus  seine  Gesundheit  dankte,  liess  ein  grosses 
feuerfestes  Gebäude  nach  den  Plänen  Trudeaus  kostenlos 
hersteilen  und  gab  demselben  die  weitgehendste  Autorisierung. 
So  wurden  hier  alljährlich  Hunderte  von  Unbemittelten  um  einen 
Gotteslohn  behandelt.  Möchten  doch  alle  reichen  Geheilten  zum 
Wohl  ihrer  armen  Mitbrüder  ebenso  tatkräftig  ihre  Dankbarkeit 
beweisen  und  die  soziale  Frage  wäre  mit  einem  Male  gründlich 
aus  der  Welt  geschafft. 

Das  Laboratorium  der  neuen  Anstalt  ist  an  und  für  sich  eine 
Sehenswürdigkeit.  An  die  Stelle  der  Steinöllampe  ist  ein  grosses 
Elektrizitätswerk  getreten  und  die  Karnickel  freuen  sich  in 
aristokratischen  Ställen  ihres  ebenso  kurzen  als  nützlichen  Da¬ 
seins.  Eine  Reihe  bedeutender  Arbeiten  sind  aus  dieser  Stätte  der 
Wissenschaft  in  den  letzten  Jahren  hervorgegangen.  Sie  sind  zu¬ 
meist  von  den  Assistenten  DDr.  H  a  n  c  e,  Levene  und  Baldwin 
im  Med.  Record  und  im  New  York  Med.  Journal  veröffentlicht. 

Die  zahlreichen  Villen,  zumeist  im  Besitz  von  Privatpatienten, 
sind  im  Schweizer  Stil  erbaut.  Jede  verfügt  über  eine  breite 
Veranda,  auf  w eiche  auch  mitten  im  Winter  das  Bett  des  Pa¬ 
tienten  gerollt  werden  kann,  ohne  dass  er  belästigt  wird.  Die 
Gebäude  sind  in  Form  eines  Kreissegmentes  mit  der  Richtung 
nach  Süden  errichtet  und  die  Verandas  mit  einem  durchsichtigen 
Glasdache  bedeckt,  welches  gegen  Regen  und  Schnee  Schutz  ver¬ 
leiht.  Mein  Lehrer  v.  Langenbeck  hat  schon  Anfang  _ der 
70  er  Jahre  die  Freiluftkur  dringend  empfohlen,  zuerst  bei  seineu 
Resezierten,  er  fand  aber  damals  wenig  Anklang. 

10  englische  Meilen  von  hier  entfernt  hat  sich  um  den  Lake 
Placid  herum  eine  grosse  Villenkolonie  angesiedelt.  Man  trifft 
daselbst  weniger  tuberkulöse,  dafür  aber  viele  anämische  Pa¬ 
tienten,  unter  welchen  das  weibliche  Geschlecht  hervorragend  ver¬ 
treten  ist.  Die  Szenerie  ist  überaus  schön.  Die  Berge,  welche 
den  spiegelklaren  See  umgeben,  sind  die  höchsten  der  Gebirgs¬ 
kette. 

Den  Wolken  am  nächsten  ist  der  Mount  Marcy  (5337  Fuss 
hoch).  Die  Landwege  sind  zum  Teil  noch  sehr  dürftig;  wer  sich 
im  Walde  verirrt,  kann  sich  auf  einige  Tage  Hunger  gefasst 
machen.  Voriges  Jahr  verirrte  sich  ein  unternehmender  New- 
Yorker  Kollege  und  wurde  nach  3  Tagen  völliger  erschöpft  von 
Holzhauern  im  Wald  gefunden.  Er  hatte  sich  heiser  gerufen, 
aber  niemand  hörte  seine  Stimme. 

Nach  Norden  zu  gelangen  wir  an  dem  idyllisch  gelegenen Loon 
Lake  vorbei  an  die  kanadische  Grenze.  Die  Zöllner  Ihrer  Britischen 
Majestät  stellen  allerlei  kitzliche  Fragen,  welche  wir  mit  soviel 
hoheitsvoller  Würde  beantworten,  als  es  bei  den  stolzen  Söhnen 
Albions  angebracht  ist.  Bald  tut  sich  vor  uns  die  Ebene  des  um 
geheuren  Lorenzstromes  auf.  Auf  einer  beinahe  3  Kilometer  langen 
Röhrenbrücke  überschreiten  wir  diesen  berühmten  Fluss  und 
werfen  nicht  ohne  Befangenheit  einen  Blick  auf  seine  rasenden 
Stromschnellen.  Auf  den  Stationsgebäuden  bemerken  wir  zum 
erstenmal,  dass  die  Verbote  sowohl  in  englischer  als  französischer 
Sprache  verfasst  sind,  so  dass  man  sich  beinahe  in  den  Wartesaal 
eines  kleinen  deutschen  Badeortes  versetzt  glauben  könnte.  Es 
ist  dies  ein  sprechendes  Symptom  für  das  Vorherrschen  des  fran¬ 
zösischen  Wesens  in  diesen  Landen. 

Nach  3  stündiger  Fahrt  erreichten  wir  Montreal,  die  grösste 
Stadt  in  Britiscli-Amerika  und  das  Handelszentrum  von  Kanada. 
Montreal  hat  einen  unbedingt  europäischen  Anstrich  und  die  Be¬ 
völkerung  bedient  sich  zur  grösseren  Hälfte  noch  des  französischen 
Idioms.  Man  sagt,  dass  sich  das  anglikanische  Element  hier  be¬ 
sonders  schlecht  mit  dem  gallischen  verträgt.  Wer  französisch 
spricht,  will  kein  Englisch  verstehen  und  umgekehrt.  Als  wir 
einen  herumlungernden  Handwerker  in  englischer  Sprache  nach 
dem  Wege  fragten,  hüllte  er  sich  in  verächtliches  Schweigen;  wie 


2.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2025 


der  Blitz  jedoch  durch  eine  Gewitterwolke  schiesst,  so  erhellte  sich 
sein  Gesicht,  als  wir  unsere  Frage  in  französische  Worte  kleideten. 
Der  ganze  Kerl  war  plötzlich  wie  umgewandelt  und  versuchte 
seine  Flegelhaftigkeit  von  vorhin  durch  beredte  Gesten  und 
Phi  äsen,  die  wii  zum  Glück  grossenteils  auch  nicht  verstanden 
wieder  gut  zu  machen.  Im  Geschäftsleben  dominiert  übrigens 
der  englische  Charakter.  Der  Hafen  von  Montreal  erweist  sich 
während  des  Winters  als  völlig  unzugänglich  und  es  ist  also  vor¬ 
läufig  mit  der  Konkurrenz,  welche  der  New-Yorker  Einfuhr 
drohen  sollte,  nichts.  Ja,  an  dem  wunderschönen  Hafen  von  New- 
lork  vollbrachte  die  Natur  ein  Meisterwerk,  denn  sie  legte  ihn 
so  überaus  praktisch  an,  dass  Menschenhände  es  unmöglich  besser 
machen  könnten.  Montreal  hat  eine  Viertelmillion  Einwohner  und 
ist  Sitz  eines  katholischen  Bischofs  und  einer  protestantischen 
Universität  (Mc  Gill  University). 

Die  Gründung  der  ersten  Niederlassung  lässt  sich  bis  auf  das 
Jahr  1535  zurückführen,  wo  der  Franzose  Jaques  Cartier  sich 
bei  dem  Irokesendorfe  Hochelaga  ansiedelte.  Jahrelang  ergoss 
sich  hierher  der  Strom  französischer  Einwanderung.  Montreal 
blieb  die  amerikanische  Hochburg  der  Grande  Nation,  bis  sie,  ihr 
letztei  Halt,  im  Jahre  1<60  von  den  Engländern  erobert  wurde. 
Io  Jahre  später  jagte  Uncle  Sam  sie  jedoch  schon  wieder  hinaus, 
verzichtete  jedoch  nach  1  jährigem  Besitz  freiwillig. 

Die  Stadt  Montreal  verfügt  über  18  Hospitäler,  von  welchen 
die  meisten  nicht  bloss  architektonisch  hervorragen,  sondern  auch 
vorzüglich  equipiert  sind.  Die  Perle  bildet  das  im  Festungsstil 
eibaute  Royal  \  ictoria  Hospital,  welches  vor  8  Jahren  erst  er¬ 
öffnet  wurde.  Es  bildet  das  Rückgrat  der  medizinischen  Fakultät 
der  Mc  Gill-Universität.  Die  Krankensäle  sind  gewaltig  in  ihrer 
Ausdehnung  und  hervorragend  durch  Einfachheit  und  Sauber¬ 
keit.  Die  Asepsis  wird  in  idealer  Weise  gehandhabt.  Hervor¬ 
ragende  Vertreter  der  Ars  Hippocratica  sind  Lachapelle, 
C  r  a  i  k  und  Girdwo  o  d.  Der  letztere  ist  Präsident  der  ameri¬ 
kanischen  Röntgengesellschaft.  Osler,  der  hochangesehene  Kli¬ 
niker.  lehrte  hier,  bis  er  dem  ehrenvollen  Rufe  nach  der  Johns 
Hopkins-Universität  in  Baltimore  folgte. 

Eine  mehrstündige  Fahrt,  in  östlicher  Richtung  bringt  uns, 
den  St.  Lawrence-Strom  entlang,  nach  der  alten  Veste  Quebec, 
welche  am  linken  Ufer  an  der  Einmündung  des  St.  Charles- 
I'  lusses  malerisch  auf  einem  hohen  Bergvorsprung  gelegen  ist. 
Quebec  zählt  70  000  Einwohner  und  war  früher  die  Hauptstadt 
von  Kanada.  Obgleich  der  Hafen  von  Quebec  viel  günstiger  ge¬ 
legen  ist  als  der  von  Montreal  und  insbesondere  den  grössten 
Ozeandampfern  Zugang  gewährt,  hat  sein  Handel  doch  eine  re¬ 
gressive  Metamorphose  eingeschlagen. 

Quebec  verdankt  ebenso  wie  Montreal  den  Franzosen  seine 
Existenz.  Es  wurde  im  Jahre  1(508  schon  befestigt,  21  Jahre 
darauf  von  den  Engländern  erstürmt,  aber  im  Jahre  1632  seinen 
ursprünglichen  Herren  wieder  ausgeliefert.  In  der  denkwürdigen 
Schlacht,  in  welcher  der  englische  General  Wolfe  seinen  Sieg  über 
die  Franzosen  unter  Malcolm  mit  dem  Leben  bezahlte,  fiel  Quebec 
wieder  an  die  Engländer.  Im  Jahre  1775  wurde  es  von  der  Union 
erfolglos  belagert.  Der  französisch^  Typus  ist  in  Quebec  auch 
heute  noch  ausgeprägter  als  in  Montreal.  Die  katholische  Basilika, 
die  Universität  mit  dem  prunkenden  Sitz  des  Erzbischofs,  die 
anglikanische  Kathedrale  und  das  berühmte  Hotel  Dieu  sind  alle 
in  romantischer  Weise  von  Festungswerken  umgeben. 

Das  Hotel  Dieu  nimmt  unter  den  10  Hospitälern  von  Quebec 
unstreitig  den  höchsten  Rang  ein.  Es  steht  mit  der  Laval- 
universität  in  Verbindung,  deren  medizinischer  Dekan,  L  e  - 
m  i  e  u  x,  sich  in  Amerika  eines  hohen  Ansehens  erfreut.  Zu  dem 
Hospital  selbst  gehört  übrigens,  mirabile  dictu,  ein  Nonnen¬ 
kloster  mit  Kirchen  und  Gärten.  Das  dazu  gehörige  Jesuiten- 
kollegium  ist  nun  eine  Kaserne  geworden.  —  Les  extremes  se  tou- 


client.  Auf  der  Zitadelle  griisst  uns  das  Hotel  Frontenac,  wel¬ 
ches  im  französischen  Renaissancestil  prächtig  erbaut  ist.  Wo 
Gefangene  früher  in  Kasematten  schmachteten,  herrscht  jetzt  das 
genussfreudige  Szepter  des  Pariser  chef  de  cuisine. 

Man  fühlt  sich  beim  Anblick  dieser  pittoresken  Türme  und 
Bastionen  ins  Mittelalter  versetzt  und  Nürnberg  oder  Rothenburg 
treten  einem  vor  das  Auge. 

Nach  kurzem  Aufenthalte  kehren  wir  uns  nach  Süden 
und  befinden  uns  nach  kurzer  Fahrt  wieder  auf  republikanischem 
Boden.  Die  Abendsonne  vergoldet  die  Gipfel  der  White  Moun¬ 
tains  im  agrikulturfrohen  Staate  New-Hampshire.  Das  gezierte 
Englisch  hört  auf  und  unverfälschte  amerikanische  Idiome  treten 
an  seine  Stelle.  Wir  geben  uns  ganz  dem  Zauber  der  Landschaft 
hin,  über  die  ein  unendlicher  Frieden  ausgegossen  ist.  Alles  ruht 
liier,  selbst  der  geschäftige  Städter  macht  keine  Ausnahme.  Es 
ist,  als  ob  er  hier  den  Drang  verspürte,  zum  Teil  wenigstens  wieder 
in  den  gesundeu  Urzustand  zurückzukehren  und  sich  aller  Kultur¬ 
fortschritte  zu  entäussern.  Beatus  ille,  qui  procul  negotiis!  — 
Die  Weissen  Berge  sind  eine  Gegend  sui  generis  und  einem 
Deutschen  schwer  zu  schildern.  Sie  fanden  ihren  medizinischen 
Kolumbus  erst  in  den  allerletzen  Jahren.  Während  die  Adiron- 
dacks  am  ehesten  an  den  Schwarzwald  erinnern,  ähneln  die  White 
Mountains  mehr  dem  Harz.  Sie  ziehen  sich  zwischen  der  Grenze 
von  Maine,  dem  nördlichsten  der  Neuenglandstaaten  der  Union 
und  dem  Connecticutfluss  durch  den  Staat  New-Hampshire  und 
bedecken  ein  Areal  von  1300  englichen  Quadratmeilen.  Der  eigent¬ 
liche  Gebirgsstock  besteht  aus  einer  Kette  hoher  Berge,  von  denen 
jeder  einzelne  den  Namen  eines  der  Präsidenten  der  Vereinigten 
Staaten  trägt.  Diese  Gebirgskette  führt  deshalb  die  merkwürdige 
Bezeichnung  Presidential  Range.  Der  höchste  dieser  Berge  ist 
11:1  <^|1  (h'm  Vater  der  Republik  Washington  genannt  und  misst 
6293  Fuss.  Sein  Gipfel,  Aron  welchem  man  eine  mit  dem  Rigi  ver¬ 


gleichbare  Aussicht  geniesst,  ist  durch  eine  Zahnradbahn  leicht 
erreichbar.  Die  ganze  zentrale  Gruppe,  vom  Mount  Madison  bis 
zum  Mount  Webster,  ist  zur  grösseren  Hälfte1  des  Jahres  mit 
Schnee  bedeckt,  woher  der  Name  ((Weisse  Berge)  stammt. 

Die  Felsformationen  der  Berge  sind  eigentümlicher  Natur 
und  erzeugen  durch  einen  merkwürdigen  Kontrast  zwischen 
braun,  grau,  schwarz,  weiss  und  rot  ein  pittoreskes  Farbenspiel, 
über  welchem  das  üppige  Grün  des  jungfräulichen  Waldes  wie  ein 
endloser  Blätterozean  wellt.  Das  „Profil“,  eine  wunderbare  Fels¬ 
formation  auf  dem  Kamme  des  Mount  Cannon,  ist  wohl  das  ein¬ 
zige  Phänomen  seiner  Art.  Alte  Geographiebücher  beschreiben 
es  neben  dem  Koloss  von  Rhodus,  dem  schiefen  Turm  zu  Pisa 
und  den  sogen.  Riesen  von  Patagonien.  3  Granitblöcke,  im  ganzen 
von  etwa  40  Fuss  Höhe,  formieren  eine  deutliche  menschliche 
Physiognomie  an  der  Seite  der  Bergesspitze.  Der  oberste  Block 
bildet  die  Stirn,  der  mittlere  die  Nase  und  Oberlippe  und  der  un¬ 
terste  das  vorstehende  Kinn.  Den  Fuss  des  Berges  bespült  der 
Profilsee,  dessen  blätterreiche  Ufer  dem  Titisee  gleichen,  ihn  aber 
an  Schönheit  weit  hinter  sich  lassen.  Am  Abfluss  des  Sees  be¬ 
gegnet  man  merkwürdigen  Formationen  in  den  Felsen  des  Fluss¬ 
bettes.  An  einer  Stelle  befindet  sich  ein  anatomisch  richtig  ge¬ 
formter  Riesenfuss  und  gleich  daneben  ein  so  ziemlich  dazu  pas¬ 
sender  Stiefel,  vom  Wasser  in  das  Gestein  hineinlithographiert. 
Weiter  unten  betritt  man  die  „Flume“,  eine  lange  Schlucht,  welche 
der  Aareschlucht  bei  Meiringen  gleicht,  aber  an  Grossartigkeit 
hinter  derselben  zurücksteht.  Dafür  ist  sie  auch  nicht  so  düster. 
Das  Farbenspiel  der  hohen  Gesteinwände,  vermischt  mit  dem 
Kolorit  von  Baum  und  Busch,  ist  stellenweise  von  grosser  Schön¬ 
heit.  Weit  und  breit  sieht  man  hier  nichts  als  Wald,  die  Pfade 
sind  gut  angelegt,  aber  die  Steigungen  sind  gewaltig,  so  dass  man 
fast  immer  vierspännig  fährt,  auch  wenn  man  nicht  hochwohl¬ 
geboren  ist. 

Dicht  am  Profil,  dieser  Perle  der  White  Mountains,  befindet 
sich  das  grosse  Profilhotel,  umgeben  von  einem  Dutzend  reizender 
Sommervillen.  Es  ist  im  Hochsommer  mit  Gästen  überfüllt.  Man 
kann  von  hier  sich  meilenweit  wenden,  ohne  auf  eine  menschliche 
Wohnung  zu  stossen.  Ja  selbst  an  der  Eisenbahnlinie  werden  die 
Stationen  fast  durchweg  nur  von  Hotels  gebildet.  Jedes  einzelne  der¬ 
selben  ist  in  der  Hochsaison  (August  und  September)  derart  über¬ 
füllt,  dass  es  ohne  wochenlange  Vorlierbestelluug  überhaupt 
schwer  ist,  Unterkunft  zu  finden.  Wendet  man  sich  18  Meilen 
weit  vom  Profil  aus  nach  Westen,  so  gelangt  man  nach  Bethlehem, 
einem  der  wenigen  Dörfer,  die  sich  in  dieser  patriarchalischen 
Gegend  finden.  Bethlehem  ist  eine  der  merkwürdigsten  Ansiede¬ 
lungen,  welche  man  sich  nur  denken  kann.  Sie  ist  von  einer 
Kolonie  von  Heufieberkranken  gegründet  und  alle  Institutionen 
dieses  Riesensanatoriums  im  Pavillonsystem  laufen  darauf  hinaus, 
dem  vermaledeiten  Heufieberoktopus  zu  Leibe  zu  rücken.  Grös¬ 
sere  und  kleinere,  gelehrte  und  ungelehrte  Gesellschaften  halten 
alljährlich  ihre  Niesskonvente  hier  ab  und  wer  sich  am  besten 
aufs  Niessen  versteht,  hat  die  grösste  Aussicht,  Präsident  des  kitz- 
lichen  Vereins  zu  werden.  Bethlehem  liegt  1500  Fuss  hoch  über 
dem  Meeresspiegel  und  ist  seines  kühlen  Klimas  wegen  ausge¬ 
zeichnet.  Es  wird  allgemein  angenommen,  dass  es  Immunität 
gegen  das  Heufieber  verleihe  und  pilgern  die  Opfer  desselben  zu 
Tausenden  in  dieses  Nasen-Mekka.  Es  heisst,  dass  die  trockene 
und  kühle  Luft  besonders  günstig  wirke.  Ich  muss  gestehen,  dass 
ich  bei  meiner  aufmerksamen  Wanderung  durch  das  Schnupfen¬ 
heim  auch  nicht  ein  einziges  Mal  Zeuge  eines  Niessanfalles  wurde. 
Geistlichen  Zuspruch  gibt  es  hier  nicht.  Das  Wasser  fleusst  so 
reichlich  als  in  Saratoga  und  mein  Freund  Müller  sagte  einfach 
Pfui!  —  Mit  bedauernswerter  Miene  strich  er  seinen  Schnurrbart, 
als  ob  er  sich  den  Schaum  wegwischen  wollte,  und  seufzend  ent¬ 
fuhr  ihm  in  seiner  schwäbischen  Mundart  die  Frage:  „Gibt  es 
denn  um  Gotteswillen  hier  nichts,  was  auch  ein  anständiger  Mensch 
trinken  kann?“ 

Der  berühmte  Gelehrte  A  g  a  s  s  i  z  war  jahrelang  hier  an¬ 
sässig.  Der  Berg,  welcher  im  Norden  von  Bethlehem  emporsteigt, 
trägt  heute  seinen  Namen.  In  dem  hocheleganten  Maplewood, 
welches  sich  an  Bethlehem  anlehnt,  sind  eine  Anzahl  bekannter 
Philadelphiaer  und  New-Yorker  Kollegen,  darunter  der  berühmte, 
Ihnen  durch  sein  ins  Deutsche  übersetzte  Lehrbuch  bekannte 
Ophthalmologe  R  o  o  s  a,  der.  Vater  des  „Postgraduate-Unterrichts“. 

Die  fashionablen  Hotels  der  Weissen  Berge  liegen  in  einer  langen 
Kette  im  Angesicht  der  Presidential  Range.  Am  Fuss  des  Mount 
Washington  wurde  in  diesem  Jahre  das  Mount  Washington-Hotel 
eröffnet,  mit  dessen  Grösse  und  Eleganz  sich  kein  einziges  euro¬ 
päisches  Hotel  messen  kann,  und  seine  Saison  währt  nur  2  Monate! 
Es  hat  mehrere  Millionen  Dollars  gekostet  und  an  wem  von  uns 
das  „Dat  Galenus  opes“  sich  nicht  sehr  wörtlich  erfüllt  hat,  der 
getraut  sich  nicht,  seine  Ferien  hier  zu  verbringen.  Trotz  der 
geringen  Wasserzufuhr  hat  man  ein  grosses  Schwimmbassin  in 
das  Erdgeschoss  gezaubert;  zwei  Maschinenhäuser  erzeugen  Elek¬ 
trizitätsmengen  für  Tausende  von  Lampen.  An  der  Spitze  des 
Rennstalles  steht  ein  verflossener  deutscher  Rittmeister,  dessen 
elegante  Allüren  das  Tagesgespräch  bilden.  Vormittags  und 
Abends  spielt  eine  Kapelle  von  24  Mann,  welche  die  auserlesenen 
Mitglieder  des  besten  Orchester  der  Vereinigten  Staaten,  des 
Bostoner  Symphonieorchesters,  repräsentiert.  Es  wird  mir  unver¬ 
gesslich  bleiben,  dass  ich  mitten  in  dieser  wilden  Szenerie  den 
unsterblichen  Tönen  der  Tannhäuserouvertüre,  von  Meisterhänden 
ergreifend  gespielt,  lauschen  durfte.  Die  beiden  grössten  Künst¬ 
ler,  die  erste  Violine  und  das  Violoncello,  waren  natürlich  gute 
Deutsche. 

Die  ärztliche  Praxis  wird  von  New-Yorker  Kollegen  ausgeübt. 
Der  Chef,  Herr  Kollege  White,  ersuchte  mich  um  meine  Assi- 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  W OOHENSC1IR1ET. 


No.  48. 


stenz  bei  einem  italienischen  Arbeiter,  welcher  an  einer  Ent¬ 
zündung  des  Wurmfortsatzes  litt.  Als  ich  zur  Operation  riet,  be¬ 
kreuzigte  sich  das  ganze  Konsortium  und  beeilte  sich,  aus  meinem 
Rayon  zu  kommen.  Ich  erfuhr  später,  dass  der  Sohn  des  sonnigen 
Apennins  doch  noch  seine  Rechnung  mit  dem  gefürchteten  Skalpell 

machen  musste.  ,  .  . 

Im  Dunstkreis  des  Schwimmbassins  sehe  ich  eine  theätraliscne 
Figur  kneten  und  walken  und  erfahre,  dass  das  Land  der  Kjolen 
einen  Masseur  hierher  entsandte. 

Die  meisten  Sommerfrischler  des  Hotels  stammen  aus  den 
Neuenglandstaaten  und  zwar  vorzugsweise  aus  Boston.  Erst  seit 
den  letzten  Jahren  verirren  sich  auch  hie  und  da  ein  paar  Deutsche 
dahin.  Früher  gab  man  denselben  nur  zu  oft  zu  erkennen,  dass 
man  nicht  in  allzu  grosser  Liebe  zu  ihnen  entbrannte.  Das  hat 
sich  jedoch  gebessert.  Die  alten  Puritaner  hassten  den  Deutschen 
schon  um  seines  vergnügten  Sonntags  willen.  ,,Sie  tranken  heim¬ 
lich  Wein  und  predigten  öffentlich  Wasser!“ 

Erstaunlich  war  mir  die  Präponderanz  des  hohen  Alters,  ja, 
ich  gestehe  offen,  einmal  erschrak  ich,  als  ich  mich  in  eine  Ecke 
versenkt  hatte  und  beim  Aufstehen  bemerkte,  dass  ich  in  eine 
Guirlande  von  einigen  Dutzend  Damen  geraten  war,  deren  jüngste 
die  70  längst  überschritten  haben  musste.  Einige  waren  samt 
ihrem  Heufieber  schon  über  die  SO  hinausgekommen.  Manchen 
arme  Tropf  seufzt  und  denkt:  ..Eine  solche  Krankheit  möchte  ich 

auch  haben“.  ,  „ 

Im  benachbarten  Fabyanhotel  hatten  sich  nahezu  100  Kollegen 
mit  ihren  Damen  unter  dem  Vorsitz  des  bekannten  New- Yorker 
Orthopäden  T  o  w  n  s  e  n  d  zusammengefunden.  Geistvolle  Reden 
würzten  dns  Malil,  an  dessen  Schluss  dem  Reisem&rschall, 
Dr.  Campbell,  ein  Oelgemälde  dediziert  wurde,  welches  auf 
eine  Hirschhaut  gemalt  war  und  einen  Indianerkopf  darstellte. 
Die  jüngere  Generation  erfreute  sich  noch  lange  an  Musik  und 
Tanz. 

Das  Fabyanhotel  war  mehrere  Dekaden  lang  der  Sommei- 
aufenthalt  des  seiner  Zeit  berühmtesten  amerikanischen  Kanzel¬ 
redners  Henry  Ward  Beecher  gewesen.  Beechers  Name  ist  m 
Europa  besonders  durch  seine  Frau,  Mrs.  Beeeher-Stowe,  die  V  er¬ 
fasserin  von  Onkel  Toms  Hütte,  bekannt  geworden.  Dieser  Schauer¬ 
roman,  dessen  Gefühlseinschlachtnngen  seiner  Zeit  in  Deutschland 
ganz  besonders  verschlungen  wurden,  enthält  zwar  einige  wahie 
Ereignisse,  der  Geist  desselben  ist  aber  ebenso  erlogen,  wie  der 
seines  Antipoden  Zola,  der  ja  pathologische  Dinge  schildert,  welche 
wirklich  Vorkommen,  seine  Dogmen  aber  doch  nur  auf  der  grellen 
Ausnahme  aufstellt.  Vor  allen  Dingen  sind  die  Gräuel  von  dei 
Negerbehandlung  durchaus  übertrieben.  Der  beste  Beweis  dafür 
ist.  dass  die  meisten  Neger  überhaupt  froh  wären,  wenn  sie  noch 
wie  früher  Sklaven  sein  dürften.  Hier  im  Urwald  hat  Beecher 
die  Eindrücke  für  seine  urwüchsigen  Ausdrücke  em- 


jedenfalls 
pfunden. 

Beim  Verlassen  der 
„Crawford  Notch“,  über 


Presidential  Range  erreichen  wir  die 
welche  wir  vom  Berg  Willard  aus  eine 
entzückende  Aussicht  gemessen.  Die  Notch  ist  eine  merk¬ 
würdige,  27  Meilen  lange  und  sehr  tiefe  Schlucht,  durch  welche 
eine  Bahn  zu  legen  eine  der  kühnsten  Unternehmungen  darstellt. 
Noch  vor  wenigen  Jahren  tummelte  sich  die  Familie  Petz  und 
anderes  Raubgesindel  in  der  Notch  —  man  fühlt  sich  versucht,  sie 
die  Wolfsschlucht  zu  nennen  -  umher.  Jetzt  sieht  man  nur  noch 
Eichhörnchen  und  Karnikel.  Das  Hotel  der  Crawford  Notch  ist 
der  Lieblingsaufenthalt  einer  grösseren  Anzahl  von  Rostoner  und 
New-Yorker  Kollegen,  besonders  derer,  welche  den  bekannten 
Hebel’schen  Lindwurm  am  Busen  genährt  haben  und  ihn  nun 
namentlich  durch  Bergsteigen  zu  ertöten  suchen.  Beim  Erklimmen 
des  2570  Fuss  hohen  Mount  Willard  begegnete  ich  manchem 
schnaufenden  Dicksack,  welchem  die  Schweissperlen  über  das  mit¬ 
leidheischende  Antlitz  rannen.  Kaum  im  Hotel  angekommen,  wird 
die  Wage  bestiegen  und  —  man  hat  wirklich  ein  ganzes  Pfund 
abgenommen.  Dafür  hat  man  dann  einen  so  vehementen  Appetit 
bekommen,  dass  man  zur  Belohnung  ein  kolossales  Freudenmahl 
einnimmt,  und  mit  der  Entfettung  war  es  wieder  einmal  nichts. 

Eine  vierstündige  Eisenbahnfahrt  durch  die  bewaldeten  Aus¬ 
läufer  der  weissen  Berge  bringt  uns  nach  der  Hafenstadt  Ply¬ 
mouth,  bekannt  als  Landungsplatz  der  Pilgrimväter,  welche  die 
Neuenglandstaaten  gründeten.  Zwei*  weitere  Stunden  an  der 
Küste  von  Maine  und  Massachusetts  entlang,  bringen  uns  nach 
Boston,  dem  einzigen  noch  existierenden  Typus  altamerikanischer 
Fagon.  Wenn  man  sich  aus  gelehrten  Büchern  oder  gar  aus 
Witzblättern  eine  Meinung  über  die  Bostoner  bildet,  so  stellt  man 
sich  die  Männer  als  spindeldürre,  langsam  und  feierlich  im  hoch¬ 
geknöpften  Gehrock  wandelnde  Pietisten  vor.  während  die  Damen 
als  hochmütige  Blaustrümpfe,  welche  lateinisch  und  griechisch 
radebrechen,  verschrieen  sind.  Ja.  es  heisst,  in  der  Nähe  einer 
Bostonerin  wird  einem  zu  Mut,  als  ob  ein  kalter  Luftzug  einen 
anwehte.  Von  alledem  habe  ich  nicht  das  mindeste  Indizium  ge¬ 
funden.  Im  Gegenteil,  ich  habe  mich  noch  an  keinem  ameri¬ 
kanischem  LIerde  wohler  gefühlt,  als  in  diesem  herrlichen  alt¬ 
modischen  Milieu,  dem  ein  bischen  deutsche  Universitätsatmo- 
sphäre  anklebt.  Ich  fand  Männer  sowohl  wie  Frauen  einfach  über 
das  gewöhnliche  Mass  hinaus  gebildet,  und  verständlicher  Weise 
mir  für  Ungebildete  unzugänglich.  Mir  fielen  selbst  auf  den 
Strassen  die  besseren  Manieren  der  gewöhnlichen  Klassen  auf. 
Boston  hat  überhaupt  einen  unbedingt  europäischen  Anstrich.  Es 
ist  viel  langsamer  gewachsen  als  die  anderen  amerikanischen 
Grosstädte,  und  obgleich  schon  im  Jahre  1630  gegründet,  hat  es 
seine  Einwohnerzahl  auf  wenig  über  eine  halbe  Million  gebracht. 
Es  ist  seiuer  alten  Gebäude  und  Sammlungen  wegen  ganz  be¬ 
sonders  zum  Studium  der  amerikanischen  Geschichte  geeignet. 


Was  uns  begreiflicher  Weise  besonders  interessierte,  war  die. 
altberühmte  Harvarduniversität,  welche  schon  im  Jahre  1636  auf 
die  Anordnung  der  Legislatur  der  alten  Massachusetts  Bay  er¬ 
richtet  wurde.  Es  ist  bezeichnend,  dass,  während  das  ganze  Land 
noch  ein  Urwald  zu  nennen  war,  das  Bildungsbedürfniss  hier  oben 
schon  so  tiefe  Wurzeln  geschlagen  hatte.  Ursprünglich  unter  der 
Leitung  puritanischer  Geistlicher,  hat  sich  Harvard  im  Lauf  der 
Jahre  immer  freier  entwickelt,  und  ist  es  als  ein  erfreuliches  Sym¬ 
ptom  zu  begrüssen,  dass  besonders  mit  den  deutschen  Universi¬ 
täten  ein  lebhafter  geistiger  Verkehr  angebahnt  wurde.  Kein 
Geringerer  als  Benjamin  Franklin  (eripuit  coelo  fulmen)  gab  dem¬ 
selben  lebhaften  Ausdruck,  indem  er  auf  Grund  seiner  Studien  in 
Göttingen.  wo  man  ihn  zum  Mitglied  der  Akademie  wählte,  allerlei 
deutsche  Reformen  in  Harvard  und  der  Pennsylvania-Umversitat 
ansführte.  Zwei  berühmte  deutsche  Namen  finden  wir  unter  den 
Lehrern  der  alten  Hochschule,  Kuno  F  r  a  ncke  und  Hugo 
Münsterber g.  Der  letztere  war  l>is  vor  kurzem  Professor  der 
Psychologie  an  der  Universität  Freiburg  gewesen.  Vor  wenigen 
Wochen  war  dem  Prinzen  Heinrich  von  Preussen  bei  seinem  be¬ 
deutungsvollen  Besuch  der  Ehrendoktor  verliehen  worden.  Die 
eigentliche  Universität  befindet  sich  in  dem  durch  den  Charles 
River  von  Boston  getrennten  Cambridge,  während  die  medi¬ 
zinischen  Institute  zumeist  in  der  Stadt  Boston  selbst  liegen. 

Cambridge  ist,  eine  l’ichtige  Professorenstadt.  Selbst  die 
alten  I  hnen,  welche  das  Universitätsgebäude  einrahmen, .  sehen  so 
feierlich  aus,  wie  ein  Examinator,  welcher  einen  in  sein  Fatum 
rennen  lässt. 

Von  besonderem  Interesse  ist  für  uns  das  germanische  Museum, 
welchem  der  deutsche  Kaiser  vor  kurzem  wertvolle  Schenkungen 
zuwies.  Das  Hauptgebäude  der  medizinischen  Fakultät  befindet 
sich  in  der  Boylstonstrasse  in  Boston.  Im  vergangenen  Jahre 
waren  560  Studenten  daselbst  immatrikuliert.  Der  Studienplan 
umfasst  8  Semester,  wie  in  New-York,  Pennsylvanien  und  New- 
Jersey.  Von  den  Lehrern  ist  namentlich  der  Chirurg  Warren  be¬ 
kannt,  dessen  Vater  die  Aethernarkose  einführte  und  damit  der 
modernen  Chirurgie  einen  Teil  ihres  ruhmvollen  Gepräges  auf¬ 
drückte.  Das  anatomische  Museum,  welches  seinen  Namen  trägt, 
ist  das  berühmteste  des  Landes  und  kein  Gelehrter  wird  es  ver¬ 
lassen,  ohne  ein  Wort  der  Bewunderung  für  dasselbe  zu  haben. 
Es  weist  10  000  der  merkwürdigsten  Präparate  auf. 

Die  Schädelsammlung  würde  selbst  einen  Virchow  entzückt 
haben.  Der  sogen.  „Crow-bar  skull“,  welchen  jeder  amerikanische 
Kollege  wenigstens  vom  Hörensagen  kennt,  hat  ebenfalls  sein 
Domizil  liier  auf  geschlagen.  Er  stellt  den  Schädel  eines  Mannes 
dar,  welcher  beim  Sprengen  von  einem  grossen  Bohreisen  durch¬ 
schlagen  wurde.  Obgleich  ein  Teil  des  linken  Stirnlappens  total 
zerstört  worden  war,  genas  der  Patient  und  erfreute  sich  noch 
13  Jahre  lang  völliger  Gesundheit.  Seine  geistigen  Fähigkeiten 
sollen  durch  den  Hirnverlust  keinerlei  Einbusse  erlitten  haben.  Nach 
seinem  Tode  ging  der  Schädel  in  den  Besitz  des  Museums  über. 
Derselbe  zeigt  die  enormen  Löcher  des  Schädels  nebst  den  aus¬ 
gedehnten  Knochenwucherungen,  wie  sie  sich  bei  der  Heilung 
bildeten. 

Der  Multimillionär  Roekefeller,  welcher  .sich  sehr  für  die 
ärztliche  Wissenschaft  interessiert,  griff  erst  kürzlich  abermals  in 
seine  tiefe  Tasche  und  schenkte  der  medizinischen  Universität 
von  Harvard  eine  Million  Dollars,  um  grössere  Laboratorien  zu 
errichten.  Wer  hat  je  von  einer  solchen  Schenkung  in  Europa  ge¬ 
hört  ? 

Eine  Sehenswürdigkeit  stellt  auch  die  medizinische  Bibliothek 
dar,  in  welcher  kaum  ein  seltenes  Werk  fehlen  dürfte. 

Deutsche  Wissenschaft  steht  in  hohem  Ansehen  bei  den 
Kommilitonen  von  Harvard  und  die  kulturellen  Beziehungen 
zwischen  den  zwei  grössten  Nationen  der  Erde  erhalten  nament¬ 
lich  von  hier  aus  ihre  würdige  Signatur. 

Mit  Harvard  in  Verbindung  steht  das  grosse  und  vorzüglich 
equipierte  General  Massachusetts  Hospital.  Dort  wird  täglich  eine 
grosse  Anzahl  chirurgischer  Operationen  vorgenommen.  Marc  y, 
Richardson  und  Burreil  sind  die  Chefchirurgen.  Der 
greise  M  a  r  c  y,  einer  der  früheren  Präsidenten  der  American 
Medical  Association,  lud  den  Rest  der  Ausflügler  in  sein  gastliches 
Heim,  wo  ein  vergnügter  Abend  die  Reise  beschloss. 

Wir  fuhren  durch  die  herrliche  Landschaft  der  Berkshire 
Hills  dem  Connecticut  River  entlang  den  Penaten  zu.  Nach  fünf¬ 
stündiger  Fahrt  mit  dem  Eilzug  erreichen  wir  den  Hudson  wieder. 
New-Haven.  den  Sitz  der  berühmten  Yale-Universität,  konnten 
wir  nur  flüchtig  streifen.  Sie  ist.  eines  längeren  Aufenthaltes  wohl 
wert.  Im  Oktober  vorigen  Jahres  feierte  Yale  sein  200  jähriges 
Jubiläum,  bei  welcher  Gelegenheit  dem  berühmten  Anatomen 
W  a  1  d  e  y  e  r  zusammen  mit  Roosevelt.,  dem  neuen  Präsi¬ 
denten  der  Vereinigten  Staaten,  der  Ehrendoktor  verliehen  wurde. 

Doch  davon  ein  ander  Mal! 


Gesellschaft  der  Charite-Aerzte  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  November  1902. 

1.  Herr  J  o  1 1  y:  Ueber  tuberkulöse  Rückenmarkserkrank¬ 
ungen. 

Demonstration:  a)  eines  20  jährigen  Kranken,  der  bereits  vor 
8  Jahren  wegen  Heraustreten  des  5. — 7.  Brustwirbels  und 
Schwäche  in  den  Beinen  mit  Korsett  behandelt  war.  Seit  2  Jahren 
allmähliche  Verschlimmerung,  jetzt  vollständige  spastische  Läh¬ 
mung  beider  Beine,  gleichmässige  Abnahme  aller  sensiblen  Quaii- 


2.  Dezember  1902. 


2027 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


täten,  allgemeine  Reflexsteigerung,  leichte  Blasenstörung.  Be¬ 
handlung  mit  täglicher,  möglichst  lange  ausgedehnter  Extension. 

b)  Einer  20  jährigen  Kranken,  deren  früher  ähnlich  hoch¬ 
gradige  Lähmung  durch  Extensionsbehandlung  völlig  geheilt  ist. 

c.)  Einer  24  jährigen  Kranken,  die  seit  Kindheit  wegen 
rhacliitischer  Wirbelverkrümmung  mit  Korsett  behandelt,  vor 
2  Jahren  unter  plötzlichem  Auftreten  von  Nackenstarre,  Kopf¬ 
schmerzen  und  Erbrechen  eine  Paraplegie  der  oberen  und  unteren 
Extremitäten  erlitt.  Nach  Extension  Heilung. 

d)  Der  mikroskopischen  Präparate  eines  Falles  von  Solitär¬ 
tuberkel  in  der  Rückenmarkssubstanz  in  der  Gegend  des  2.  Lumbal¬ 
segmentes.  Hier  bestand  schlaffe  Lähmung,  Muskelatrophie  mit 
Entartungsreaktion  bei  erhaltenen  Selinenreüexen. 

Der  Vortragende  erwähnt,  dass  die  Besserung  plötzlich  auf¬ 
zutreten  und  schnell  fortzuschreiten  pflegt  und  dass  es  sich  nicht 
um  eine  Kompression  des  Rückenmarks  durch  die  Knickung  der 
Knochen,  sondern  durch  eine  Exsudation  in  den  Häuten  und  eine 
ödematöse  Durchtränkung  des  Rückenmarksquerschnittes  handelt. 
Auch  bei  hochgradigen  Störungen  ist  noch  Regeneration  möglich. 

Diskussion:  Herr  Köni  g  ist  der  Ansicht,  dass  in  man¬ 
chen  ‘Fällen  der  Druck  des  dislozierten  Knochens  die  Ursache  der 
Lähmung  ist,  und  hält  den  Fall  c)  für  eine  rhachitisch  verbogene 
Wirbelsäule. 

Herr  Jacob  berichtet  über  Fälle  von  Rückenmarks¬ 
erkrankung  bei  Wirbelkaries  ohne  deutlichen  Gibbus. 

Herr  Oppenheim  hält  den  Fall  c)  für  eine  rhachitische 
Wirbelerkrankung  mit  hysterischen  Zuständen. 

2.  Herr  Henneberg:  Ueber  Gehirntumoren. 

Demonstration  mikroskopischer  Schnitte:  a)  eines  Falles  von 
Gliosarkom  in  der  Brücke  mit  gliomatöser  Entartung 
des  Ependyms  des  4.  Ventrikels,  klinisch  war  linksseitige  Abduzens¬ 
lähmung,  doppelseitige  Blicklähmung,  Sprachstörung  und  rechts¬ 
seitige  Hemiplegie  beobachtet  worden;  b)  von  Gliom  in  der 
Haube;  c)  von  papillärer  Plexusgeschwulst  im 
3.  Ventrikel  mit  den  klinischen  Symptomen  von  Dementia 
paralytica. 

3.  Herr  Seif  f  er:  Demonstration  eines  Kranken  mit  den 
Erscheinungen  eines  Tumors  der  hinteren  Schädelgrube:  Beider¬ 
seits  Akustikuslähmung,  Stauungspapille,  fast  völlige  Amaurose, 
einseitige  Fazialisschwäche  und  Zungenatrophie,  atrophische  de- 
geuerative  Lähmungen  in  verschiedenen  Rumpf-  und  Extremitäten¬ 
muskeln.  Da  zugleich  zahlreiche  Neurofibrome  der 
H  aut  vorhanden  sind,  so  wird  die  Diagnose  auf  Fibrombildung 
an  den  basalen  Gehirnnerven  und  Rückenmarkswurzeln  gestellt. 
Die  Doppelseitigkeit  der  Gehirnaffektionen  schliesst  die  Opera¬ 
bilität  aus. 

4.  Herr  Skoczynski:  Demonstration  einer  Ohrverkrüp¬ 
pelung  infolge  traumatischen  Othämatoms  bei  einem  Paralytiker. 
Die  Läsion  hatte  7  Jahre  vor  dem  Eintritt  der  Paralyse  statt¬ 
gefunden. 

5.  Herr  Krause:  Vorstellung  eines  Falles  von  multipler 
Sklerose  nach  Verbrennung  der  Beine  und  seine  Differential¬ 
diagnose  gegen  traumatische  Hysterie  und  Paralysis  agitans. 

K.  Brandenburg-  Berlin. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  27.  September  1902. 

V  orsitzender :  Herr  Schmält  z. 

Herr  Schubert:  Ein  Fall  von  Marasmus  nach  spon¬ 
tanem  Strumaschwund.  (Der  Vortrag  erscheint  an  anderer 
Stelle.) 

Sitzung  vom  4.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Schmält  z. 

Herr  H.  Haenel:  Ueber  den  heutigen  Stand  der  Neu¬ 
ronenlehre. 

Die  Disposition  eines  Vortrages  über  die  Neuronenlehre 
ergibt  sich  leicht  :  Wir  werden  uns  erst  klar  zu  werden  haben 
über  die  Gründe,  die  zu  ihrer  Aufstellung  geführt  haben,  und  zwar 
aus  dem  Gebiete  der  Anatomie,  Entwicklungsgeschichte,  patho¬ 
logischen  Anatomie  und  Physiologie,  weiter  die  Tatsachen  aus  den¬ 
selben  Gebieten  aufsuchen,  die  gegen  ihre  Richtigkeit  beigebracht 
worden  sind,  und  zum  Schluss  sehen,  was  von  der  Lehre  heute 
zu  halten  und  was  aufzugeben  ist. 

Dip  Neuronenlehre,  wie  sie  von  W  a  1  d  e  y  e  r  1891  formuliert 
worden  ist,  lautet  etwa  folgendennassen : 

Das  Nervensystem  ist  zusammengesetzt  aus  Nerveneinheiten 
oder  Neuronen,  die  jedes  einer  Zelle  gleichwertig  sind,  und  Gan¬ 
glienzelle  samt  Protoplasma  und  Achsenzylinder  enthalten.  Dm 
Neuronen  treten  zu  einander  auf  dem  Wege  der  Apposition  in 
Beziehung,  nirgends  besteht  zwischen  zweien  ein  Uebergang  per 
continuitatem,  die  anatomische  Einheitlichkeit  bleibt  bewahrt, 


die  zugleich  auch  eine  entwicklungsgeschichtliche,  trophisclie  und 
funktionelle  Einheit  darstellt. 

Anatomisch  hat  die  Neuronenlehre  ihre  Begründung 
erhalten  durch  die  Silber-Imprägnationsmethode  G  o  1  g  i  s,  die 
Zellen  und  Fasern  als  zusammenhängendes  Gebilde  vorführte  und 
zugleich  das  Fehlen  von  Anastomosen  demonstrierte. 

Entwicklungsgeschichtlich  gab  die  Lehre  von 
W.  II  i  s  sen.  eine  Bestätigung,  indem  dieser  Forscher  lehrte, 
die  Nervenzellen  entstünden  durch  Auswachsen  aus  den  im 
Medullarrohr  gelegenen  „Neuroblasten“  und  folgten  dem  Muskel¬ 
system  und  den  anderen  Organen  bei  deren  Ausbildung  und 
Wanderung  nur  nach,  blieben  also  auch  im  ausgewachsenen 
Organismus  das,  was  sie  in  frühester  Embryonalepoche  waren: 
Produkte  der  Ganglienzellen. 

Die  stärkste  Stütze  fand  die  Neuronenlehre  in  der  Patho¬ 
logie  (sekundäre  Degeneration  nach  Durchsclineidungen, 
Vorderhornerkrankungen,  Heilung  peripherer  Nerven,  Ampu¬ 
tationsneurome,  Systemerkrankungen  etc.). 

Die  Physiologie  arbeitete  mit  Nutzen  mit  der  Vor¬ 
stellung  der  funktionellen  Einheit  des  Neurons;  die  Frage,  ob 
Reizübertragung  durch  Kontakt  oder  durch  Kontinuität  statt¬ 
findet,  erwies  sich  als  verhältnismässig  gleichgültig;  für  die  Er¬ 
klärung  der  tiefgreifenden  funktionellen  Unterschiede  zwischen 
Zelle  und  Faser  (ein-  resp.  doppelsinnige  Leitung,  rasche  resp. 
langsame  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Reizes,  rasche  resp. 
langsame  Ermüdbarkeit,  Fähigkeit  nur  der  Zelle  zur  Summation, 
Modifikation  des  Reizes,  zur  automatischen  Erregung,  verschie¬ 
denes  Verhalten  gegen  Gifte  etc.)  gab  die  Neuronenlehre  keine 
befriedigenden  Anhaltspunkte;  es  fanden  sich  Beispiele,  die  für 
eine  funktionelle  Unabhängigkeit  von  Zelle  und  Faser  sprachen; 
das  Ergebnis  war,  dass  die  Physiologie  an  der  Aufrechterhaltung 
des  Neuronbegriffes  kein  wesentliches  Interesse  besass. 

Der  Kampf  gegen  die  Neuronenlehre  knüpft  an  Forschungen 
an,  die  sich,  im  Gegensatz  zu  der  mikroskopischen  Topographie 
der  Golgipräparate,  vorwiegend  mit  dem  Studium  der  Innen¬ 
strukturen  beschäftigten.  Es  handelt  sich  dabei  im  wesentlichen 
um  die  Frage  nach  der  Existenz  und  Bedeutung  der  Neuro¬ 
fibrillen.  Schon  lange  vor  der  Entdeckung  der  Golgimethode 
sind  solche  als  Elemente  der  Ganglienzellen  und  Nervenfasern 
gesehen  und  beschrieben  worden  (R  e  m  a  k  sen.,  M.  Schultz  e, 
Gerlac  h),  auch  die  Kontinuität  der  Fibrillen  wurde  behauptet, 
letztere  selbst  als  das  eigentlich  charakteristische,  funktionierende 
Element  des  Nervensystems  dargestellt.  Diese  Lehre,  „über¬ 
wunden“  durch  die  Neuronenlehre,  wurde  zu  neuem  Leben  er- 
Aveckt  durch  A  p  ä  t  h  y  und  B  e  t  h  e.  Durch  neue  Färbemethoden 
konnten  diese  bei  Wirbellosen  wie  bei  Wirbeltieren  Neurofibrillen 
im  Achsenzylinder,  Protoplasmafortsatz,  zentralen  Grau-  und 
Ganglienzellen  zur  Anschauung  bringen,  deren  morphologische 
Unabhängigkeit  von  den  Ganglienzellen  beweisen,  ihre  Kontinui¬ 
tät  im  Zentralorgan  (zentralen  Grau)  und  der  Peripherie  sehr 
wahrscheinlich  machen.  Die  Anastomosenbildung  zwischen  den 
Ganglienzellen  auf  dem  Wege  der  Fibrillen  wurde  als  die  Regel 
erkannt,  damit  die  Anschauung,  dass  die  Fortsätze  einander  nur 
angelagert  sind,  als  fehlerhaft  und  durch  die  Unvollkommenheit 
der  Golgimethode  nur  vorgetäuscht  erklärt.  Die  Ganglienzellen 
sind  in  die  Bahnen  der  Fibrillen  nur  eingelagert,  bilden  weder 
deren  Ursprungs-  noch  Endstelle,  sind  nur  „Umlagerungs¬ 
stationen“.  An  Stelle  des  „Nervenfilzes“  tritt  wieder  das 
„Nervennetz“  oder  „Nervengitter“.  Dies  bedeutet  offenkundig 
das  gerade  Gegenteil  der  Neuronentheorie.  Einen  vermittelnden 
Standpunkt  nimmt  Pleld  ein,  der  im  Jugendstadium  Kontakt 
der  feinsten  Protoplasmafortsätze,  im  späteren  Alter  Konkres- 
zenz  und  Kontinuität  annimmt.  Die  entwicklungsgeschichtliche 
Einheit  des  Neurons,  die  er  also  noch  aufrecht  erhält,  bestreiten, 
in  Uebereinstimmung  mit  einigen  älteren  Autoren,  energisch 
Apäthy  und  Bethe.  Ersterer  lässt  bei  Wirbellosen  die 
Neurofibrillen  von  länglichen  Zellkernen,  sogen.  „Nerven- 
spindeln“  entstehen,  die  zwischen  jene  eingelagert  sind;  Bethe 
sah  auch  am  Hühnerembryo  eine  multizelluläre  Entstehung  der 
Nervenfasern,  die  auf  deren  ganzen  Verlauf  ungefähr  gleich¬ 
zeitig,  also  nicht  durch  allmähliches  Auswachsen  vom  Zentrum 
her,  stattfindet. 

Im  Gebiete  der  pathologischen  Anatomie  sind 
schon  seit  langem  eine  ganze  Anzahl  Tatsachen  bekannt,  die  mit 
der  Neuronenlehre  mit  ihrer-  Strenge  unvereinbar  sind:  z.  B. 
die  degenerative  Muskelatrophie,  trophische  Störungen  in  allen 


2028 


No.  48. 


MUEN( !  1 1  EN  ER  M  EDIC I  NISCHE  WOCH  ENSC1IRIET. 


möglichen  Geweben  bei  Erkrankung  sensibler  Nerven,  trans¬ 
neurale,  sogen,  tertiäre  Degeneration  auch  im  Zentralnerven¬ 
system,  ja  degenerative  Muskelatrophie  nach  Gehirnläsionen. 
Dazu  kommen  aus  jüngster  Zeit  Stranskis  Untersuchungen 
über  diskontinuierliche  Zerfalls-  und  Regenerationsprozesse  an 
peripheren  Nerven,  sowie  Beobachtungen  über  Fehlen  und  \  or- 
1  landensein  von  Bahnen  und  Easern,  unabhängig  von  ihren 
Kernen,  bei  Missgeburten  (Anenkephalen  etc.).  Von  der  anderen 
Seite  her  suchte  Betlie  darzutun,  dass  auch  postembryonal 
eine  autoclithone  Regeneration  von  Nerven,  die  vom  Zentral¬ 
organ  getrennt  blieben,  möglich  sei;  seine  Versuche  sind  neuer¬ 
dings  von  Münzer  und  R  a  i  m  e  r  angefochten,  aber  noch  nicht 
widerleg!  worden.  In  der  Physiologie  zeigt  sich  der  Kampf 
der  Ansichten  besonders  darin,  dass  der  Ganglienzelle  die  spe¬ 
zifisch-nervöse  Punktion  abgesprochen  und  ihr  nur  eine  nutri- 
torische  Bedeutung  belassen  wird ;  eine  funktionelle  Selbst¬ 
ständigkeit  wird  an  ihrer  Stelle  den  Neurofibrillen  zugeschrieben. 
Bedeutsam  für  diese  Anschauung  ist  der  Versuch  Betlies  an 
der  II.  Antenne  von  Carcinus  mammae  geworden.  Der  Einwand 
von  Verworn,  dass  jener  Versuch  nur  eine  Bestätigung  für 
die  altbekannte  Tatsache  sei,  dass  auch  des  Kernes  beraubte 
Protoplasmateile  noch  funktionsfähig  seien,  ist  anzuerkennen, 
er  beweist  aber  seinerseits  nichts  für  die  Richtigkeit 
der  Neuronenlehre.  Eür  die  schon  erwähnten  funktionellen 
Unterschiede  zwischen  Nervenzelle  und  Faser  bietet  die  Fibrillen¬ 
lohre.  allerdings  ebenfalls  keine  befriedigende  Erklärung. 

Da  es  demnach  als  erwiesen  gelten  kann,  dass  das  als  Neuron 
bezeichnete  Gebilde  aus  einer  Mehrzahl  von  Zellen  entsteht  und 
morphologisch  eine  Abgrenzung  gegen  die  Nachbargebilde  nicht 
möglich  ist,  wird  man  sich  entschliessen  müssen,  den  rein  ana¬ 
tomischen  Begriff  des  Neuron  aufzugeben.  Die  Tatsachen  der 
Pathologie  wären  ohne  eine  präformierte  zellulare  Einheit  denk¬ 
bar,  wenn  man  die  Annahme  machte  —  die  nicht  ohne  Analogien 
dasteht  — ,  dass  die  anatomische  Integrität  an  das 
Vorhandensein  der  normalen  physiologischen 
Reize  gebunden  wäre;  durch  eine  solche  Annahme  würden 
auch  die  transneuralen  Degenerationen  und  sonstigen  trophisehen 
Störungen  erklärbar  sein.  Die  trophische  resp.  pathologische 
Einheit  wäre  dadurch  auf  eine  Art  der  funktionellen  Einheit 
zurückgeführt.  Die  Schwierigkeiten,  die  sich  einer  solchen  ein¬ 
fachen  physiologischen  Einheit  entgegenstellen  (besonders  die 
funktionellen  Verschiedenheiten  zwischen  Zelle  und  Faser)  werden 
vielleicht  leichter  überwunden,  wenn  man  sich  die  Einheit  nicht 
mehr  als  Zelle,  sondern  als  Organ  oder  Organismus  vor¬ 
stellt.  Dann  ist  die  gegenseitige  Abhängigkeit  von  Zell'e  und 
Faser  verständlich,  ebenso  die  spezifischen  Eigenschaften  jedes 
der  beiden,  die  sich  zu  der  Gesamtfunktion  ergänzen.  Die  Ab¬ 
hängigkeit  ist  keine  ursprüngliche,  sondern  eine  gewordene,  der 
Streit  darum,  ob  Ganglienzelle,  Fibrille,  Tigroid,  Interfibrillär¬ 
substanz  etc.  das  spezifisch  Nervöse  ist,  wird  hinfällig:  Keinem 
von  all  diesen  kommt  das  Recht  der  Alleinherrschaft,  kaum 
einem  das  der  Vorherrschaft  zu;  aus  der  verschiedenen  Kom¬ 
bination  der  einzelnen  Elemente  entstehen  erst  die  physiologi¬ 
schen  Unterschiede  und  Besonderheiten:  Fibrille  +  Tigroid  wird 
andere  Eigenschaften  haben  als  Fibrille  +  Interfibrillärsubstanz 
oder  Fibrille  +  Fibrille.  Die  Eigenschaft  unseres  neuen  Neurons 
als  Organ  bringt  es  mit  sich,  dass  kein  Teil  desselben  entfernt 
oder  beleidigt  werden  kann,  ohne  das  Ganze  auf  die  Dauer  in 
Mitleidenschaft  zu  ziehen.  Das  Verbindende  ist  eben  in  der 
Funktion  gegeben.  Die  Anschauung  von  dem  Aufbau  des 
Nervensystems  aus  einzelnen  Bausteinen  oder  Elementen  wird 
durch  diese  modifizierte  Lehre  nicht  berührt,  nur  würde  man 
sich  dieses  Element  nicht  mehr  als  Zelleinheit,  sondern  als  Ein¬ 
heit  höherer  Art  vorzustellen  haben,  die  allerdings  in  manchen 
ihrer  Eigenschaften  mit  der  alten  Zelleinheit  übereinstimmt. 
Es  sei  erlaubt,  für  dieselbe  den  Namen  eines  Ergon  vorzu¬ 
schlagen.  (Ausführliche  Veröffentlichung  in  der  Berl.  klin. 
Wochensclir.) 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  Oktober  1902. 

Vorsitzender:  Herr  N  o  c  h  t.  Schriftführer:  Herr  Otto. 

Herr  Fraenkel  demonstriert  2  Präparate  von  Blasenmole 
und  knüpft  daran  Bemerkungen  über  den  Bau  und  die  Bedeutung 
dieser  Geschwülste. 


Herr  Moltrecht  hält  seinen  angekündigten  Vortrag : 
lieber  Chorion-epithelioma  malignum  bei  intaktem  Uterus. 

Den  bisher  beschriebenen  16  Fällen,  in  denen  es  bei  intaktem 
Uterus  und  intakten  Tuben  zur  Entwickelung  von  Chorion-epi¬ 
thelioma  malignum  in  anderen  Organen  —  meist  der  Scheide  — 
gekommen  war,  fügt  M.  einen  neuen  hinzu: 

Eine  52  jährige,  früher  stets  gesunde  Frau  wurde  am  17.  XII. 
1901  wegen  Abort  auf  der  2.  chirurgischen  Abteilung  des  allgem. 
Krankenhauses  Hamburg-Eppendorf  (Dr.  Sick)  aufgenommen. 
Die  Untersuchung  der  curettieiten  Massen  ergab  deziduazellen- 
haltiges  Gewebe  ohne  Besonderheiten.  Am  28.  XII.  01  wurde  die 
Frau  geheilt  entlassen.  Am  15.  IV.  02  begann  Patientin  dann 
wieder  zu  bluten,  zum  Teil  sehr  heftig,  weswegen  sie  das  Kranken¬ 
haus  wieder  aufsuchte. 

Es  fand  sich  nun  an  der  hinteren  Scheiden  wand  ein  klein¬ 
apfelgrosser,  harter  Tumoi\  mit  zerklüfteter,  leicht  blutender  Ober¬ 
fläche.  Corpus  uteri  frei  beweglich,  etwas  vergrössert.  Es  wurde 
die  Diagnose  auf  ein  Chorion-epithelioma  gestellt.  Der  Tumor 
wurde  Umschnitten,  wobei  der  grösste  Teil  der  Scheide  mit.  ent¬ 
feint  werden  musste.  Der  Exstirpation  der  Geschwulst  wurde  die 
des  Uterus  mit  seinen  Adnexen  angeschlossen.  Die  Heilung  ging 
dann  ziemlich  ungestört  vor  sich  und  Pat.  konnte  am  1.  X.  ohne 
irgend  welchen  pathologischen  Befund  entlassen  werden. 

Das  von  Herrn  Dr.  Sick  zur  Verfügung  gestellte  Präparat 
zeigte  einen  in  der  Scheidenwand  sitzenden  und  von  Scheidenepithel 
fast  ganz  überzogenen,  halbkugelig  vorgewölbten  Tumor.  Auf 
der  Höhe  der  Geschwulst  ist  das  Epithel  stellenweise  zerstört,  die 
Ränder  dieses  Defektes  zackig  unregelmässig.  Auf  dem  Durch¬ 
schnitt  macht  der  Tumor  fast  den  Eindruck  einer  Blutung  in  das 
Gewebe:  er  hat  ein  dunkelrotes,  von  helleren  Flecken  und  Streifen 
durchsetztes  Aussehen  und  lässt  keine  scharfen  Grenzen  erkennen. 
In  der  Nähe  dieser  Hauptgeschwulst,  sitzt  ein  bohnengrosser 
zweiter  Tumor  von  ähnlichem  Bau. 

Uterus  und  Adnexe  zeigen  makroskopisch  nichts  Patho¬ 
logisches. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  beiden  Tumoren  in  der 
Vagina  bestätigte  nun  die  klinische  Diagnose.  Es  handelte  sich 
um  ein  (nach  March  and)  typisches  Chorion-epithelioma  malig¬ 
num.  Die  syncytialen  Elemente  überwogen  an  Masse  die  Ab¬ 
kömmlinge  der  L  a  n  g  h  a.  n  s  sehen  Zellschicht.  Das  typische  Ver¬ 
halten  zu  den  Blutgefässen  war  nicht  zu  erkennen. 

Eine  mikroskopische  Untersuchung  des  Uterus  an  ver¬ 
schiedenen  Stellen  ergab,  wie  zu  erwarten  war,  keinen  patho¬ 
logischen  Befund. 

Die  Entstehung  von  Scheidenmetastasen  ist  wohl  durch 
rückläufigen  Transport,  durch  Anastomosen  zwischen  utero- 
plazentaren  und  Scheidenvenen  zu  erklären,  doch  wie  erklärt 
sich  das  Intaktsein  des  Uterus  bei  Vorhandensein  von  Meta¬ 
stasen  ? 

Bei  den  Fällen,  welche  sich  an  eine  Blasenmole  anschlossen 
(deren  sind  4  beschrieben,  von  denen  einer  starb,  drei  geheilt 
wurden)  muss  man  eine  Verschleppung  von  Zotten  annehmen, 
deren  Epithel,  wie  es  ja  der  Blasenmole  eigentümlich  ist,  die 
Tendenz  hat,  zu  wuchern.  Diese  Wucherungsenergie  nimmt  dann 
unter  den  abnormen  Verhältnissen  am  Deportationsort  zu.  Eine 
erst  spät,  nach  Ausstossung  der  Mole  auftretende  Metastase 
dieses  doch  so  rasch  wachsenden  Tumors  lässt  sich  nach  Peters 
durch  die  um  die  deportierten  Zotten  auftretende  Gerinnsel- 
bildung  erklären,  welche  die  Wucherung  auf  hält. 

Da,  wo  dem  Auftreten  eines  Chorion-epithelioma  ohne  Tumor 
im  Uterus  eine  normale  Gravidität  oder  ©in  Abort  voraufging' 
(7  resp.  5  Fälle  in  der  Literatur,  dazu  eigener  Fäll),  ist  eine 
Deportation  von  Zotten  mit  ruhendem  Epithel  vorauszusetzen. 
Durch  die  Verschleppung  und  Versetzung,  unter  anderen  Lebens¬ 
bedingungen  veranlasst,  beginnt  dann  das  bis  dahin  normale 
Epithel  zu  wuchern  und  führt  zur  Tumorbildung. 

Die  Prognose  ist  in  jenen  Fällen,  wo  es  nur  zur  Infektion 
der  Vagina  gekommen  und  eine  ausgedehnte  Operation  vor¬ 
genommen  war,  eine  günstigere,  als  sie  sonst  bei  Chorion-epi¬ 
thelioma  ist  (unter  10  Fällen  6  geheilt).  Die  Diagnose  ist  natür¬ 
lich  erst  nach  Entstehung  eines  fühl-  oder  sichtbaren  sekundären 
Tumors  zu  stellen,  da  eine  Curettage  ausgeschlossen  ist. 

Die  Behandlung  hat  in  frühzeitiger  und  ausgedehntester  Um¬ 
schneidung  und  Entfernung  des  Tumors  zu  bestehen.  In 
mehreren  Fällen  hatten  in  die  Umgebung  des  Tumors  fort- 
gekrocliene,  makroskopisch  nicht  sichtbare  Geschwulstteile  zu 
Rezidiven  Veranlassung  gegeben. 

Lite  r  a  t  u  r,  ausser  in  dem  zusammenfassenden  Referat  von 
Münzer,  Centralbl.  f.  allg.  Pathol.  1902,  p.  197:  Buss  r, 
Deutsche  med.  Wochensehr.  1902.  No.  38;  Peters.  Centralbl.  f. 
Gynäkol.  1902,  No.  29,  30. 

An  der  Diskussion  beteiligten  sich  die  Herren :  F  rie¬ 
ben,  Procho  w  nik,  Voigt,  I)  e  s  e  n  i  s  s  und  F  r  a  e  n  k  e  1. 


2.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  ME  Dl  CIN  ISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2029 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  7.  November  1902. 

Herr  Springer  zeigt  Kinder  mit  Schnürfurchen,  die 
durch  Simonart  sehe  Bänder  bedingt  sind.  Bemerkenswert  ist 
eine  Schniirfurche  in  der  Mitte  des  Unterschenkels,  mit  anscheinend 
dadurch  bedingter  Peromelie;  der  Fuss  stellt  einen  flossenartigen 
Anhang  mit  kleinen  Wärzchen  an  Stelle  der  Zehen  dar,  und  ent¬ 
hält  keinerlei  Knochen.  Ausserdem  sind  mehrere  Phalangen 
amputiert,  andere  zeigen  tiefe  Schnürfurchen.  Weiters  eine 
Ulnarislähmung,  ebenfalls  durch  eine  Einschnürung  am  Oberarm 
hervorgerufen. 

Am  Schlüsse  zeigt  Herr  Springer  ein  G jähriges  Mädchen, 
an  der  er  vor  G \'.z  Monaten  die  Lorenz  sehe  Reposition  einer 
kongenitalen  Hüftgelenksluxation  mit  vorzüglichem  Erfolg  vor- 
genommen;  die  Verkürzung  und  die  Lordose  sind  behoben,  der  Kopf 
dauernd  in  der  Pfanne  (Röntgenbild). 

Herr  Schenk  bespricht  die  Operationsmethoden  bei  Osteo- 
malacie  und  spricht  sich  gegen  den  neuerdings  aufgetauchten 
Vorschlag,  bei  Porro  -  Operationen  die  Ovarien  zu  belassen,  aus. 
Er  zeigt  daran  anknüpfend  eine  Patientin,  die  wegen  schwerer 
Osteomalacie  durch  ly2  Jahre  bettlägerig  gewesen,  bei  der 
er  die  Sectio  caesarea  nach  Porro  (querer  Fundalschnitt  nach 
Fritsch,  intraperitoneale  Stielversorgung)  gemacht  und  welche 
jetzt  ohne  Krücken  gehen  kann.  O.  W. 

Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Wien,  29.  November  1902. 

Professorenschub.  —  Streik  der  Veterinärmedizinen  — 
Ein  schwerer  Schlag'  für  die  Apotheker.  —  Die  spastische 
Obstipation. 

Der  Kaiser  hat  den  a.  o.  Professor  der  Laryngologie  an  der 
Universität  in  Krakau  Dr.  Przemyslaw  Pieniazek  den  Titel 
und  Charakter  eines  ordentlichen  Universitätsprofessors  ver¬ 
liehen.  Ferner  hat  der  Kaiser  zu  ausserordentlichen  Professoren 
an  der  Universität  in  Wien  die  nachbenannten  Dozenten  ernannt: 
Dr.  Alexander  Fraenkel  für  Chirurgie,  mit  besonderer  Rück¬ 
sichtnahme  auf  die  Kriegschirurgie,  Dr.  Hubert  Peters  für 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  Dr.  Richard  Ritter  v.  Zeyne k 
für  angewandte  medizinische  Chemie  und  Dr.  Anton  G  h  o  n 
für  pathologische  Anatomie.  Weiters  hat  der  Kaiser  den  Privat¬ 
dozenten  an  der  medizinischen  Fakultät  in  Wien  Dr.  Albert 
Bing  (Ohrenarzt),  Dr.  Salomon  Klein  (Augenarzt),  Dr. 
Richard  Ritter  Braun  v.  Fernwald  (Geburtshelfer  und 
Gynäkolog)  und  Dr.  Hermann  Schlesinger  (Internist)  den 
Titel  eines  a.  o.  Universitätsprofessors  verliehen.  Der  neu  er¬ 
nannte  Professor  Alexander  F  raenkel,  ein  Schüler  Bill- 
r  o  t  h  s,  hat  mehrere  hervorragende  Arbeiten  auf  chirurgischem 
Gebiete  geliefert,  ist  Abteilungsvorstand  an  der  Allgemeinen 
Poliklinik  und  Redakteur  der  „Wiener  klinischen  Wochenschrift“. 
Professor  Dr.  Ghon  hat  als  tüchtiger  Bakteriologe  die  öster¬ 
reichische  Pestexpedition  mitgemacht  und  später,  im  Verein  mit 
Professor  Albrecht,  die  wertvollen  Resultate  derselben  in 
einem  grösseren  Werke  publiziert.  Der  dritte  Teilnehmer  der 
Expedition,  Dr.  H.  F.  Müller,  erlag  bekanntlich  in  Wien  der 
Pest,  ein  heldenmütiges  Opfer  seines  Berufes.  Endlich  ist  Pro¬ 
fessor  Dr.  II.  Schlesinger,  k.  k.  Primararzt  des  Franz 
Josefs-Spitals,  dessen  Monographie  über  Syringomyelie  erst 
jüngst  in  2.  Auflage  erschien,  als  überaus  tüchtiger  interner 
Kliniker  bekannt. 

Vom  17.  bis  27.  d.  M.  haben  sich  die  Zivilhörer  des  Militär- 
Tierarznei-Institutes  —  wie  man  jetzt  sagt:  der  tierärztlichen 
Hochschule  —  von  den  Vorlesungen  ferngehalten;  sie  hatten 
einen  Streik  inszeniert  und  denselben  erst  als  beendigt  erklärt, 
als  ihnen  der  Unterrichtsminister  bestimmte  Zusagen  machte, 
die  auf  eine  Reorganisation  der  Anstalt  abzielen.  Die  Zustände 
an  unseren  tierärztlichen  Hochschulen  sind  aber  auch  ganz 
eigenartige.  Das  dem  k.  k.  Kriegsministerium  unterstehende 
Tierarznei -Institut  wurde  durch  Erlass  des  Unterrichtsministers 
vom  27.  März  1897  in  die  tierärztliche  Hochschule  um¬ 
gewandelt.  Von  den  Zivilhörern  wird  zum  Eintritt  die  mit 
gutem  Erfolge  bestandene  Maturitätsprüfung  verlangt.  Daneben 
gibt  es  aber  auch  Militärfrequentanten,  die  eine  Prüfung  als  Kur¬ 
schmiede  überstanden  haben  sollen,  zu  deren  Ablegung  die  Volks¬ 
schulbildung  hinreicht.  Diese  gleichberechtigten  Hörer  werden 
zu  Militärtierärzten  mit  4  jähriger  Dienstpflicht  herangebildet, 


sie  erhalten  ebenfalls  ein  lateinisches  Diplom  (welches  sie  nicht 
verstehen)  und  können  sodann  (nach  4  Jahren)  mit  ihren  Zivil¬ 
kollegen  nach  jeder  Richtung  hin  konkurrieren.  Nicht  genug 
daran,  dass  bei  der  ungleichen  Beschaffenheit  des  Schiiler- 
materiales  der  Charakter  der  Hochschule  leidet,  indem  die  Pro¬ 
fessoren  stets  dem  geringeren  Bildungsgrade  der  Militärfrequen¬ 
tanten  Rechnung  tragen  müssen,  soll  es,  wie  die  Zivilhörer  be¬ 
haupten,  vorgekommen  sein,  dass  im  Schuljahre  1901/02  gegen 
den  Beschluss  des  Professorenkollegiums  sechs  Mann,  welche  die 
Kurschmiedeprüfung  mit  ungenügendem  Erfolge  bestanden 
hatten,  in  den  tierarzneilichen  Kurs  einfach  „kommandiert“ 
wurden.  Die  Zivilhörerschaft  hat  dem  Abgeordnetenhaus©  eine 
bezügliche  Petition  unterbreitet,  in  welcher  folgende  Wünsche 
präzisiert  wurden:  1.  Lostrennung  der  tierarzneilichen  Hoch¬ 
schule  vom  k.  k.  Militär-Tierarznei-Institute,  mithin  auch  vom 
Kriegsministerium,  und  vollständige  Unterstellung  unter  das 
Unterrichtsministerium.  2.  Angliederung  der  tierärztlichen 
Hochschule  an  die  k.  k.  Universität  als  fünfte  Fakultät,  wie 
es  in  anderen  Staaten  (Deutschland,  Frankreich,  Italien  und  der 
Schweiz)  bereits  geschehen  ist,  und  Verleihung  des  Doktor¬ 
titels.  In  einer  Versammlung  der  Zivilhörer,  welche  am  21.  d. 
ausserhalb  der  tierärztlichen  Hochschule  stattfand  (eine  Ver¬ 
sammlung  im  Gebäude  und  die  Anwesenheit  der  Professoren  und 
Assistenten  bei  derselben  hatte  das  Kriegsministerium  verboten), 
wurde  auch  ausgeführt,  dass  in  Oesterreich  1500  Tierärztestellen 
systemisiert  seien,  dass  jährlich  nur  15  Absolventen  die  zwei 
Hochschulen  (Wien  und  Lemberg)  verlassen,  dass  darunter  auch 
Ausländer  seien,  die  wieder  fortziehen,  dass  mithin  nicht  einmal 
für  ordentlichen  Nachwuchs  an  Veterinärärzten  vorgesorgt  sei. 

Als  die  Studierenden  der  tierärztlichen  Hochschule  am 
26.  d.  M.  deputativ  dem  Unterrichtsminister  ihre  Wünsche  be¬ 
kannt  gaben,  bedauerte  dieser  die  ganze  Inszenierung  der  Afifaire, 
anerkannte  aber  gleichzeitig,  dass  dieser  Streik  insofern  ent¬ 
schuldbar  und  erklärlich  sei,  als  diesen  Hochschülern  tatsächlich 
ein  Unrecht  geschehe.  Sie  sollten  erst  zur  alten  Ordnung  zu¬ 
rückkehren,  dann  wolle  er  sich  dafür  einsetzen,  dass  hier  Abhilfe 
geschaffen  werde.  Die  Veterinärmediziner  beschlossen  nunmehr, 
den  Besuch  der  Vorlesungen  wieder  aufzunehmen.  Wenn  hier  — 
Avie  zu  hoffen  ist  —  Wandel  geschaffen  wird,  so  haben  es  die  Zivil¬ 
hörer  der  tierärztlichen  Hochschule  lediglich  ihrer  Energie  zu 
verdanken,  mit  der  sie  vorgingen;  es  zeigt  sich  abermals,  dass 
langjähriges  Petitionieren  lange  nicht  so  wirksam  ist,  als  ein 
einmaliger  kräftiger  Vorstoss,  der  die  gesamte  Oeffentliclikeit 
auf  rüttelt. 

Die  Apotheker  Oesterreichs  —  es  soll  deren  ca.  1000  geben  — 
haben  infolge  einer  jüngsten  Entscheidung'  des  Verwaltungs¬ 
gerichtshofes  einen  schweren  Schlag  erlitten,  ihre  Apotheken  sind 
mit  einem  Male  arg  entwertet  worden.  Und  diese  Entscheidung 
ist  durch  ihre  eigenen  Assistenten  provoziert  worden,  welche  ihre 
soziale  Stellung  verbessern  wollten.  Sie  verlangten  nämlich,  dass 
die  Personal-  Apothekerkonzessionen  (es  gibt  auch  einige 
wenige  Real konzessionen,  wo  die  Konzession  zur  Errichtung 
einer  Apotheke  an  einem  Gebäude  haftet  und  mit  diesem  verkauft 
werden  kann)  nach  dem  Ableben  des  Besitzers  der  Konzession 
im  Konkurswege  wieder  zur  Besetzung  gelange,  dass  mit¬ 
hin  die  Konzession  zur  Führung  einer  Apotheke  unverkäuflich 
sei.  In  allen  Instanzen  abgewiesen,  da  sich  auch  das  Ministerium 
des  Innern  auf  einen  Staatsministerialerlass  vom  J ahre  1861 
berief,  rekurrierten  die  Assistenten  an  den  Verwaltungsgerichts¬ 
hof,  welcher  entschied,  dass  jener  Erlass  vom  Jahre  1861  keine 
Gesetzeskraft  habe,  dass  die  bisher  seit  41  Jahren  geübte  Praxis, 
die  Personalapotheken  samt  Konzession  an  entsprechend  quali¬ 
fizierte  Personen,  gegen  welche  keine  sonstigen  Bedenken  ob- 
Avalten,  verkaufen  zu  dürfen,  unrichtig  sei.  Mit  dem  Ableben  des 
Besitzers,  so  entschied  der  Verwaltungsgerichtshof,  erlösche  auch 
die  Konzession,  deren  neuerliche  Verleihung  müsse  auf  dem 
Wege  der  freien  Konkursausschreibung  erfolgen.  Nur  die  Witwe 
des  Apothekers  hat  bis  zu  ihrem  Tode,  die  minderjährigen  Kinder 
desselben  haben  bis  zur  erreichten  Grossjährigkeit,  wie  aus  der 
Anwendung  des  §  59  der  Gewerbeordnung  hervorgeht,  das  Recht, 
ohne  Ansuchen  um  eine  neue  Konzession  die  Apotheke  fort¬ 
zuführen.  Im  letzteren  Falle  muss  natürlich  der  Behörde  gegen¬ 
über  ein  Apothekerprovisor  als  verantwortlicher  Leiter  der  Apo¬ 
theke  nominiert  werden. 

Da  während  der  letzten  Jahre  einzelne  Apotheken  Wiens 
um  200  000  Kronen  und  mehr  zum  Verkäufe  gelangt  sind,  so 


2030 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


schreien  die  Apotheker  über  „Vermögenskonfiskation“  und  for¬ 
dern  rasche  Abhilfe,  in  erster  Linie  natürlich  von  der  Regierung, 
welche  ihnen  den  durch  ein  geändertes  Verfahren  erlittenen 
Schaden  ersetzen,  eventuell  auf  dem  Wege  der  Gesetzgebung 
eine  entsprechende  Remedur  treffen  solle.  Die  Assistenten 
jubeln  natürlich,  weil  sie  hoffen,  jetzt  eher  und  ohne  dass  sie  über 
ein  grosses  \  ermögen  verfügen,  eine  Konzession  zur  Errichtung 
einer  Apotheke  zu  erhalten.  Die  kapitalistischen  Organe  der 
Öffentlichen  Meinung  stehen  auf  Seiten  der  Apotheker,  während 
die  sozialistischen  Blätter  neuerlich  die  alte  Forderung  erheben, 
dass  die  Apotheken  in  die  Hände  der  Gemeinwesen  kommen, 
in  die  Hände  des  Staates,  der  Bezirksverbände,  der  Gemeinden  etc. 

In  der  Gesellschaft  für  innere  Medizin  in  Wien  sprach  jüngst 
Dozent  Dr.  G.  Singer  über  die  spastische  Obstipation.  Stö¬ 
rungen  der  Defäkation,  sodann  schmerzhafte  Empfindungen  an 
bestimmten  Stellen  des  Unterleibes,  Steigerung  letzterer  durch 
Abführmittel  und  Erfolglosigkeit  der  Wassereinläufe,  endlich 
Beseitigung  der  Erscheinungen  durch  Verabfolgung  von  Nar- 
koticis,  in  erster  Linie  von  Belladonna :  Das  bildet  in  den  Haupt- 
zügen  das  Symptomenbild  der  spastischen  Obstipation,  wie  es 
uns  bereits  von  zahlreichen  Klinikern  geschildert  wurde.  Singer 
verfügt  über  ein  grösseres  Beobachtungsmaterial,  aus  welchem  er 
mehrere  charakteristische  Fälle  mitteilt.  Er  unterscheidet  eine 
symptomatische  und  eine  idiopathische  Form  der  spastischen 
Stuhlverhaltung.  Erstere  wird  beobachtet  bei  Frauen  mit  chro¬ 
nischen  Erkrankungen  am  Genitale,  chronisch-entzündlichen 
Adnexerkrankungen,  Verlagerungen  des  Uterus  nach  hinten,  bei 
Männern  mit  chronischen  Erkrankungen  der  Prostata,  Rhagaden, 
Fissuren,  Hämorrhoidalknoten  etc.,  bei  Nierensteinkolik,  bei 
Störungen  in  der  Genitalsphäre  (Coitus  interruptus,  Mastur¬ 
bation).  Hierher  gehört  als  nervöse  Form  die  Konstipation  bei 
Meningitis  u.  a.  m.  Die  zweite  Form,  die  idiopathische,  wird 
als  eine  nervöse  Form  bei  mit  Neurasthenie  und  Hysterie  be¬ 
hafteten  Personen  des  öfteren  beobachtet,  dann  bei  sonst  ge¬ 
sunden,  geistig  überanstrengten  Männern,  bei  Greisen  sowohl, 
als  bei  robusten  jungen  Leuten. 

Die  Kranken  klagen  über  Störungen  der  Magenverdauung, 
sodann  über  Schmerzen,  die  in  der  Naheigegend,  Coekalgegend, 
im  linken  Ilypochondrium  lokalisiert  sind,  gegen  Rücken  und 
Kreuz  ausstrahlen.  Die  Defäkation  wird  als  erschwert  bezeichnet, 
die  Menge  des  Stuhles  als  verringert,  oder  es  erfolgen  in  kurzen 
Intervallen  häufige  Darmentleerungen  mit  nicht  diarrhoischen 
Stühlen,  ein  der  Pollakisurie  ähnliches  Symptom.  Der  Dick¬ 
darm,  meist  die  Flexur,  seltener  das  Coekum  oder  Colon  ascen- 
dens,  ist  in  einzelnen  Abschnitten  oder  in  toto  strangförmig  kon¬ 
trahiert  abzutasten,  doch  können  die  harten  Stellen  am  Kolon 
auch  wechseln,  bald  den  aufsteigenden,  bald  den  Querdarm  ein- 
r.chmen.  Sind  die  Erscheinungen  schwer,  so  kann  das  Bild  der 
Darmokklusion  vorgetäuscht  werden  (Ileus  spasticus  L  e  u  b  e  s). 
Dip  Mehrzahl  der  Fälle  verläuft  chronisch  und  in  torpider  Form. 
Sitzt  das  durch  Spasmus  bedingte  Passagehindernis,  wie  dies  sehr 
häufig  der  Fall  ist,  im  Rektum,  so  wird  hei  der  digitalen  Unter¬ 
suchung  der  Finger  durch  den  straff  kontrahierten  Sphincter 
externus  umschnürt,  während  die  eingeführte  Sonde  durch  den 
Sphincter  internus  engagiert  erscheint.  Die  Fäzes  sind  bald  dick¬ 
breiig  oder  kleinknollig,  schafkotähnlich,  oder  —  in  ausgeprägten 
Fällen  bleistiftdünn,  kanneliiert,  bandartig,  mit  Schleim  ver¬ 
sehen  oder  auch  mit  membranösen  Schleimgebilden  gemischt. 
Nicht  selten  geht  auch  Blut  ab,  teils  mit  Schleim  den  fäkalen 
Massen  beigemischt,  teils  als  dickflüssiges  oder  halhgeronnenes 
Blut  in  grösserer  Menge,  so  dass  auch  das  Bild  eines  malignen 
Neoplasma  vorgetäuscht  wird. 

Der  Vortragende  bespricht  die  Pathogenese  und  Differential¬ 
diagnostik  dieser  Erkrankungen  und  wendet  schliesslich  der 
I  herapie  sein  Augenmerk  zu.  Bei  rein  nervösen  Formen 
wird  man  vor  allem  kalmierend  vergehen,  also  Narkotika,  Kodein, 
Dionin,  namentlich  aber  Belladonna  (intern  oder  in  Form  von 
Suppo&itorien)  verabfolgen,  sodann  lokal  und  protrahiert  Wärme 
applizieren  (Thermophor,  warme  Sitzbäder,  heisse  Einläufe  von 
aromatischen  Aufgüssen,  warme  Oeleingiessungen).  Zu  ver¬ 
werfen  ist  der  Gebrauch  von  salinischen  und  anderen  Abführ¬ 
mitteln.  hbenso  erweist  sich  die  mechanische  Behandlung 
(Massage,  Elektrizität)  eher  als  schädlich.  Allgemein  auf  Be¬ 
kämpfung  der  nervösen  Einflüsse  gerichtete  Massnahmen,  geistige 
und  körperliche  Entlastung  bringen  oft  guten  Erfolg.  Auffallend 
günstige  Heilergebnisse  sah  der  Vortragender  mit  seiner  bereits 


seit  Jahren  bei  diesen  Formen  angewandten  Methode  der  Bou¬ 
gierung  des  Mastdarmes,  welche  er  allein  oder  in 
Kombination  mit  der  Dareichung  von  Belladonna  besonders  em¬ 
pfiehlt.  —  An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  längere  Diskussion. 


Verschiedenes. 

Eine  Injektionsspritz  e,  die  die  Vorteile,  leicht  ste¬ 
rilisierbar,  von  einfachster  Konstruktion  und  daher  billig  zu  sein, 
in  sich  vereinigt,  ist  das  unter  dem  Namen  „Orospritze“  von 
G  r  e  t  s  c  li  &  Co.  in  Feuerbach-Stuttgart  in  den  Handel  gebrachte, 
uns  zur  Besprechung  vorliegende  Instrument.  Dasselbe  besteht 
aus  einem  Glaszylinder  ohne  Metallfassung,  einem  Metallstempel 
mit  regulierbarer  Gummidichtung  und  den  auf  das  verjüngte  Ende 
des  Zylinders  aufgeschliffenen  Kanülen.  Eine  leichte  Einschnürung 
am  unteren  Ende  des  Zylinders  verhindert,  dass  der  Stempel  beim 
Füllen  der  Spritze  zu  weit  herausgezogen  wird.  Der  Preis  der 
1  g-Spritze  in  einfacher  Ausstattung  ist  M.  1.80.  Ersatzzylinder 
kosten  50  Pf. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Antimorphin. 

Der  praktische  Arzt  Dr.  Front  m  e  in  Stellingen,  Erfinder  des 
,,A  n  t  i  m  o  r  p  li  i  n“,  eines  Mittels  gegen  Morphiumsucht,  hatte 
seine  Reklameschriften  der  Redaktion  der  „Deutschen  med. 
Wochenschrift“  mit  der  Bitte  um  Besprechung  zugesandt.  Diese 
erfolgte  in  No.  22  des  Blattes  durch  Prof.  Dr.  Lewin,  der  das 
Mittel  einer  scharfen  Kritik  unterzog  und  seine  vollständige  Wert¬ 
losigkeit  feststellte.  Wegen  dieser  Kritik  stellte  Dr.  F.  gegen  die 
Redakteure  der  D.  m.  W„  den  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Eulen- 
burg  und  Prof.  Dr.  Schwal  b  e,  sowie  gegen  Prof.  Dr.  Lewin 
Privatbeleidigungsklage,  welche  vor  dem  Berliner  Schöffengericht 
zur  Verhandlung  kam.  Prof.  Le  w  in  erklärte,  eine  Beleidigung 
des  ihm  unbekannten  Klägers  habe  ihm  ferne  gelegen,  es  sei  ihm 
nur  um  die  Sache  zu  tun  gewesen.  Er  habe  bei  Abfassung  seiner 
Kritik  in  Wahrung  berechtigter  Interessen  gehandelt  und  würde 
dieselbe  noch  schärfer  gestaltet  haben,  wenn  er  gewusst  hätte, 
was  inzwischen  festgestellt  worden  sei,  dass  das  „Antimorphin“ 
auch  Morphium  enthalte.  Die  Broschüre  des  Dr.  F.  sowohl  als 
das  Mittel  hätten  nicht  den  geringsten  wissenschaftlichen  Wert. 
Um  das  Antimorphin  nicht  als  Geheimmittel  erscheinen  zu  lassen, 
gebe  der  Kläger  dessen  Zusammensetzung  an,  doch  seien  darunter 
Geheimmittel  und  Spezialitäten  enthalten,  wie  das  Dogwoodin, 
das  kein  deutscher  Arzt  oder  Apotheker  kenne,  und  das  Paraguay 
Roux,  ein  wertloses  französisches  Geheimmittel  gegen  Zahn¬ 
schmerzen.  Der  tatsächliche  Wert  des  für  18  M.  verkauften 
Mittels  sei  1  M.  70  Pf.  Der  Sachverständige,  Med. -Rat  Dr.  Fröh¬ 
lich,  bestätigte  diese  Ausführungen  vollständig.  Unter  Verzieht 
auf  weitere  Beweisführung  erkannte  der  Gerichtshof  nach  kurzer 
Beratung  auf  Freisprechung,  da  die  Kläger  in  pflichttreuer  Wahr¬ 
nehmung  höchst  berechtigter  Interessen  gehandelt  hätten  und 
weder  aus  der  Form  ihrer  Aeusserung,  noch  aus  den  Umständen, 
unter  denen  dies  geschah,  das  Vorhandensein  einer  Beleidigung 
irgendwie  hergeleitet  werden  könne.  R.  S.  , 

j 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  137.  Blatt  der  Galerie  bei: 
E  d  o  a  r  d  o  Po  r  r  o.  Nekrolog  siehe  S.  2012. 

Therapeutische  Notizen. 

lieber  „Tliigenol“  in  der  Gynäkologie.  In  dem  Arznei¬ 
schatze  des  Gynäkologen  hat  sich  das  Ichthyol  (Ammonium  sulfo- 
iohtliyolicum)  wogen  seiner  vorzüglichen  resorptionsbefördernden 
und  schmerzstillenden  Wirkung  einen  festen  Platz  erobert.  Allein 
zwei  Momente  waren  es,  die  besonders  in  der  besseren  Praxis 
steten  Anlass  zu  Klagen  gaben.  Einmal  Avar  es  der  dem  Mittel 
anhaftende  üble  Geruch,  dann  weiters  waren  die  Flecken,  welche 
es  in  der  weissen  Wäsche  hervorrief,  kaum  mehr  zu  entfernen. 

Trotz  der  Skeptik,  die  ich  jedem  neuen  Mittel  entgegenbringe, 
bestimmten  mich  diese  zwei  Punkte,  das  von  der  Firma  F.  Hoff¬ 
man  n  -  L  a  Roche  fabrizierte  und  empfohlene  synthetische 
Schwefelpräparat  Thigenol  einer  Prüfung  zu  unterziehen. 

Während  das  Ichthyol  ein  schwefelhaltiges  Produkt  ist,  wel¬ 
ches  durch  Destillation  bituminöser  Tiroler  Gesteine  gewonnen 
wird,  ist  das  Thigenol  eine  konzentrierte  Lösung  der  Natriumver¬ 
bindung  der  Sulfosäure,  eines  synthetisch  dargestellten  Sulfoöles, 
in  welchem  10  Proz.  Schwefel  organisch  gebunden  sind.  Das  Thi¬ 
genol  ist  eine  braune,  dick  sirupöse,  geruch-  und  fast  geschmack¬ 
lose,  in  Wasser,  verdünntem  Alkohol  und  Glyzerin  völlig  lösliche 
Flüssigkeit.  Von  der  Fabrik  wurde  es  empfohlen  für  gynäko¬ 
logische  Affektionen,  wie  Zervikalkatarrh,  Endometritis,  Para-  und 
Perimetritis,  entzündliche  Adnexerkrankung  (Beckenexsudate). 
Seit  mehr  als  y4  Jahre  habe  ich  nun  das  Thigenol  für  alle  in 
meine  Behandlung  gekommenen,  hier  angegebenen  Krankheiten 
in  Form  von  Tampons,  die  mit  10 — 15  proz.  Thigenolglyzerin  ge¬ 
tränkt  waren,  ausschliesslich  in  Anwendung  gebracht.  Da  diese 
Flüssigkeit  nicht  in  dem  starken  Masse  wie  Ichthyolglyzerin  aus¬ 
trocknend  auf  die  Scheidenschleimhaut  wirkt,  konnte  ich.  stets 
jeden  zweiten  Tag  einen  neuen  Tampon  einlegen.  Des  weiteren 
verwandte  ich  Thigenolglyzerin  zu  Tampons  bei  frischen  Vaginal- 
blennorrhöen  neben  täglichen  desinfizierenden  Ausspülungen.  Das 


2.  Dezember  1902. 


reine  Thigenol  endlich  habe  ich  in  Gebrauch  genommen  bei  Fissur, 
am  und  entzündlichen  Hämorrhoiden.  Bei  ersterrr  llwl  f  ? 

stas-ars-  *  j5ää 

1  riedenstellenden  Erfolg  gieicniaus  zu- 

cSff^aoasws 

1.  Es  ist  geruchlos.  2.  Es  lässt  sich  leicht  mit  Wasser  ,h 

Xr  *•  wi**,  «  äs 

S  Thi°enol  ist  hfmi.J  f  Ji'cfviz-  und  schmerzlindemd. 
o.  i maenoi  ist  billiger  als  die  Ichthyolpräparate. 

Dr.  Friedrich  Merkel. 

Tagesgeschichtliche  Notizen. 


Münch  e  n.  2  Dpjpmhüi.  Inno 


AllTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2031 


Dlr  ?;rL»eninll0ff  Über  die  Praxis  der  Ehrenge^cSe  unTwfrt 
schatthche  Interessen“  folgende  Resolution  an:  „Die  Orts-runnen 
vermissen  m  einer  Reihe  der  veröffentlichten  Erkenntnisse  Vz.  B 
beti.  die  freie  Arztwahl,  die  kontrolärztliche  Tätigkeit  etc.)  die- 
jcnige  Klarheit,  welche  notwendig  ist,  um  der  Allgemeinheit  der 
Aerzte  eine  Richtschnur  für  ihr  Verhalten  zu  geDen;  sie  sprechen 
deshalb  die  Erwartung  aus,  dass  in  Zukunft  auf  diesen  Mangel 
Bedacht  genommen  wird“.  mangei 

BrsTs^h1'  iinfMiÜnCh^n  vor  kuraem  verstorbene  Generalarzt  Dr. 
Bi  a  t  s  c  h  hat  dein  Pensionsverein  für  Witwen  und 

\  a  i  s  e  n  bayerischer  Aerzte  ein  Legat  von  1000  IM  ver- 
burg*  und r  Dr' 

Betrag 'von^ je  lO^Mr^mTchf  ^  Endungen  im 

G  b  0  1  e  r  a-  Türkei,  ln  Tiberias  sind  vom  7  bis  9  No 

vom  ?  bfs  To" T6n  ?  de-'  ?h°lera  erkrankt  ^d  36  gestorben 
\om  <  bis  10.  November  sind  in  Gaza  25,  in  Lydda  8  in  Taff, 

wohne^zählf S wllGi  ®emeldek  Aus  Kaferana,  das  etwa  1100  Eni- 
vohnei  zahlt,  wurden  vom  2o.  Oktober  bis  10.  November  67  aus 

“eI  daf  ®tw®'.1?10°  E^wohner  zählt,  vom  1.  bis  10.  November 
130  Choleratodesfalle  angezeigt,  aus  Hebron  und  Beit  Djibrin  an- 

3pT..^ch  3  amtllCbe«  türkischen  Ausweisen 
(',7,  driC1  1  r  j Palästina  waren  bis  zum  11.  November  aus 
Gaza  J<1,  aus  Lydda  2  <7,  aus  Tiberias  106,  aus  Jaffa  13  aus 

cS?,^mteAeU  0rtscbaften  164>  im  ganzen  1531  Todesfälle  an  der 
Lholeia  zui  Anzeige  gelangt. 

„inH  ~.. B  e  sb  Eßtisch-Ostindien.  In  der  Präsidentschaft  Bombay 
tr‘1,1-  °ud  dei'  aia  L  November  abgelaufenen  Woche  9310  neueEr- 
krankungen  (und  67  79  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  Anzeige  gelangt 

Halfen  ^arachi.^8  “*  dW  Stadt  Bombay  und  10  (?)  in  Stadt  und 

,  +  ~  In  der  4(:-  Jahreswoche,  vom  9.  bis  15.  November  1902 
^n.d®atschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
‘  >iicHkeit  Regensburg  mit  32,3,  die  geringste  Ulm  mit  7  1  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 

SSem  TnieA,St,arb  5*  S?havlach  ßeuthen,  Charlottenburgf  an 
f]i  ....  1  Aachen  Augsburg;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Elber¬ 
feld,  Königsberg,  Konigshütte,  Ludwigshafen.  V  d  K  G -A 
—  Unser  verehrter  Mitarbeiter  Herr  Hof  rat  Dr.  A  ’w'ert- 

wfr  mm61  felert  .<un  ,?■  Dezember  seinen  70.  Geburtstag,  wozu 
Wu  iinn  unseren  herzlichen  Glückwunsch  darbringen. 

"esellsel,1'!  -I4  wG1'i  »Arbeiten“  der  deutschen  Landwirtschafts- 
in"?rL  n  !  1  erläge  der  Verlagsbuchhandlung  Paul  Pare  y 

fühmngHdc^ToTf1??  u'h1!0’  einfB(!richt  über  -Mustergültige  Ein- 
m  i  u  D.  ®  luh,  verialirens  inkleineren  u  n  d 

ui  j  1 1 1  <;  i  °  n  Städten'  erschienen.  Auf  diese  Druckschrift 

Smht]^IThdlm]l S*erialents< cWiessung  vom  26.  Oktober  1902  aufmerk- 
4  ’t  A1?™  d0Ft1>  wo  Schwemmkanalisation  nicht  möglich  ist, 

R  fU  llVf  {ahren,  insbesondere  auch  für  öffentliche  Ge¬ 

bäude  und  Anstalten,  wie  Schulen,  Krankenhäuser  u.  dergl  aus 

schaf tliHienU\^UCkSrChten1Und  im  Interesse  der  besseren  landwirt- 
verdient  Verwel'tun-  der  Fäkalien  zweifellos  grosse  Beachtung 

(Hoch,  schulnachrichten.) 

HosnhaW»™  ng-i-/B'  Brof‘  .T  r  e  11  P  e  1  wurde  zum  Chefarzt  am 

diese  StllD  n  hedl^en  Geif  la  Frankfurt  a/M.  gewählt  und  tritt 
uiese  stelle  am  1.  Januar  k.  J.  an. 

SturWai/ni^  ^abl  der  au  hiesiger  Universität  immatrikulierten 
Um,  av  betlagt  n}  diesem  Semester  S79.  Davon  sind  315  Medi- 
U  ena  aucb  dle  Frequenz  im  Wintersemester  eine  geringere 
studRrpnm  Spmmersiemester,  so  hat  doch  die  Zahl  der  Medizin- 
genommen  gegeuuber  dem  letzten  Wintersemester  Avieder  zu- 

t:;+  Bo®tock-  Bisher  beträgt  die  Gesamtfrequenz  der  Universi- 
l«o  Ä1,  dl.es!em  Semester  570  Studierende.  Darunter  befinden  sich 
1-K  Mediziner  gegen  134  im  vorigen  Semester. 

.......  r)k',  h  e  .  Br-  Th-  Zalmis  wurde  zum  Professor  der  II.  chi- 

lurgischen  Klinik  ernannt. 

nil„i0P  ®  «  ba  %  e  n-  Dr.  med.  V.  Hecksche  r,  Spezialist  für 
O  nenkiankheiten,  wurde  zum  Professor  (tit.)  ernannt. 


Moskau.  Dr.  Th.  Rein  wurde  zum  ausserordentlichen 
ernannt?1  ^  0peratlven  Medizin  Ulld  topographischen  Anatomie 

‘  °  ”  r  °  "Alitierte  sich  für  üe- 

einaimt."  '  Dl''  P'  P  ° 1  r  1  e  r  w,K'de  Professor  der  Anatomie 
(Todesfälle.) 

Dr.  med.  Wilhelm  Rag  er,  Spezialist  für  Orthopädie  in  Konen - 
liagen,  erst  31  Jahre  alt,  durch  mehrere  orthopädische  Abhand 
hingen,  auch  in  deutschen  Zeitschriften,  bekannt 

Klinik1'™  Mexfko“  °  u  a  y  V  a  1 1  Professor  der  medizinischen 

A/r  ,  D.r-  W-  V  e  r  t  r  e  e  s,  früher  Professor  der  Therapeutik  und 
Matena  medica  am  Nashville  Medical  College.  P 


Personalnachrichten. 

Oberkot^i^^A^^j^.^^  ^  ^  omba^n  s  e  n  aus  Nenhans  iw.  in 

Auszeichnung:  Dem  prakt.  Arzte  Dr.  Ernst  Walther  in 
München  wurde  der  Titel  und  Rang  eines  k.  Hofrates  verliehen. 
Befoidert.  Zu  Assistenzärzten  die  Unterärzte  Dr  Ludwi»- 

Wrnbe?1’ ff1“!2'  Ulau?n-Begt.,  dieser  mit  einem  Patent  vom  27.  Sep¬ 
tember  d.  Js.;  Heinrich  Schmitt  im  17.  Inf.-Regf  zum 
Geneialoberarzt  (überzählig)  der  Oberstabsarzt  Dr.  Fischer 
S1  5er  Garaisoala^retts  München;  zu  Stabsärzten 

berf  llnfK  m  rdle  Oberarzte  Dr.  Albert  Grünen- 
.  ’  Bl-  ,  Eugen  Bertlioldt- Nürnberg,  Dr.  James 

n?  Gx!  Aschaftenburg,  Dr.  Gustav  Schulze-I.  München 
?;.?ttü  B  u  nt 1  n  g  -  Aschaffenburg  und  Dr.  Oskar  Clessin- 

Hnno  t5  h5:  f  T  Landw®br  4-  Aufgebots  die  Oberärzte  Dr. 
Hugo  John -Landau  und  Dr.  Emil  F  r  i  e  s  -  Kempten;  in  der 
Landwehr  2.  Aufgebots  der  Oberarzt  Dr.  Martin  L  eis  4  r  Lud? 
u  iSÜa^“’  Assistenzärzten  in  der  Reserve  die  Unterärzte  Dr 
Erlangen  retscbmar'  Würzburg  und  Georg  G  old  mann - 

Kommandiert:  Der  Assistenzarzt  Dr.  Huber  des  Inf-Leib- 

KarierlTr°rM1  r  ÜUu‘  ^  ^  auf  die  Dauer  eines  Jabl'^  zum 
Kaiserlichen  Gesundheitsamt  in  Berlin. 

Dt-  ^n5ni}\?Um  Divisionsarzt  der  3.  Division  der  Oberstabsarzt 
JA.  B  u  i  g  1  Regimentsarzt  im  16.  Inf. -Regt.,  unter  Beförderung 
Generaloberai'z t ;  zum  Regimentsarzt  im  16.  Inf. -Regt,  der 
Stabsarzt  Dr.  1  i  scher,  Bataillonsarzt  in  diesem  Regiment,  unter 
Betonierung  zum  Oberstabsarzt;  zu  Bataillonsärzten  die  Ober- 
«uzte  Dr.  Müller  des  6.  Inf. -Regt,  im  4.  Inf. -Regt,  und  Dr. 
v  Reitz  des  1.  Inf. -Regt,  im  2.  Fuss-Art.-Regt.,  beide  unter  Be¬ 
förderung  zu  Stabsärzten. 

im  Stabsarzt  Dr.  Hillenbrand,  Bataillonsarzt 

im  -  luss- Alt. -Regt.,  zum  16.  Inf.-Regt;  die  Oberärzte  Dr.  Zapf 
vom  3.  Inf.-Regt  zum  1.  Inf.-Regt.,  Dr.Gänsbauer  vom  9.  Feld 
Ait.-Regt.  zum  3.  Inf.-Regt.;  die  Assistenzärzte  Dr.  Pulstinge  r 

iTTriri.Fufs'Altdks,t;1z1um  9-  Feld-Art.-Regt.,  Kaindl  vom 
‘d‘  .zaül  4“-  4  eld- Art. -Regt.,  Peters  vom  17.  Inf.-Regt. 

zum  2.  Fuss-Art.-Regt.  8 

Charakterisiert :  Als  Generaloberarzt  der  Oberstabsarzt  Dr. 
Herzog  a  la  suite  des  Sanitätskorps. 


Briefkasten. 

Scherznummer  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 

Auf  viele  Anfragen  teilen  wir  mit,  dass  eine  humoristische 
Nummer  in  diesem  Jahre  nicht  veranstaltet  wurde.  Wir  hoffen 
jedoch,  dass  im  nächsten  Jahre  wieder  eine  solche  zu  stände 
kommen  wird.  Witzige  Beiträge  für  dieselbe  sind  uns  jederzeit 
willkommen.  J  Red 


Korrespondenz. 

Kollegen! 

A}ff  dem  diesjährigen  Aerztetag  zu  Königsberg  wurde  von 
jast  sämtlichen  bayerischen  Delegierten  angeregt,  noch  im  Laufe 
des  Jahres  eine  allgemeine  bayerische  Aerztever- 
Sammlung  zur  Beratung  über  den  Verband  der 
Aeizte  Deuts  ch  lands  zur  Wahrung  ihrer  w  i  r  t  h  - 
schaf  tlichen  Interessen  einzuberufen. 

W  ii  haben  deshalb  nunmehr  beschlossen,  diese  Versammlung 
am  Sonntag,  den  7.  Dezember  1.  J.  in  Nürnberg,  Nachmittags  von 
1 — 4  Uhr,^  im  Hotel  Wittelsbach  abzuhalten. 

Der  Zweck  der  Versammlung  ist,  eine  ausgiebige,  gründliche 
Aussprache  herbeizuführen  über  den  wirtschaftlichen  Verband,  die 
Berechtigung  seines  Bestehens,  seine  bisherige  Wirksamkeit,  seine 
jetzige  Organisation  etc.,  und  das  Interesse  für  denselben  in  immer 
v  eiteie  Kreise  zu  tragen.  —  Wenn  noch  immer  von  einzelnen  eine 
Schädigung  der  älteren  ärztlichen  Vereinigungen  durch  die  Förde- 
l  ung  des  wirtschaftlichen  Verbandes  befürchtet  werden  sollte,  so 
muss  auts  neue  versichert  werden,  dass  auch  die  dem  Verbände 
beigetretenen  Mitglieder  in  unwandelbarer  Treue  zu  unseren  staat¬ 
lichen  oder  schon  bestehenden  freien  ärztlichen  Organisationen, 
insbesondere  zum  Aerztevereinsbund,  verharren  und  die  Verfol¬ 
gung  der  Ziele  des  wirtschaftlichen  Verbandes  nicht  im  Gegensatz, 
sondern  stets  Hand  in  Hand  mit  den  bisherigen  Vertretungen  des 
ärztlichen  Standes  betätigen  wollen.  —  Bedurfte  es  nach  den  Kam- 


2032 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSUIIRIFI . 


No.  48. 


nfon  (1er  Aerzte  mit  Krankenkassen  in  Barmen,  Remscheid,  Leip- 
^  München  etc.,  nach  dem  Schicksal  unserer  Standesordnung  im 
bayerischen  Landtag,  nach  der  Behandlung  der  Aerzte  im  hessi¬ 
schen  Landtag  noch  neuer  Beweise  der  Notwendigkeit  eii  e 
Vbwehr  geschaffenen  Aerzteorgauisation.  so  haben  solche  eist  d  e 
letzten  Ereignisse  wieder  beigebracht.  Man  erinnere  sich  nui  dei 
Beleidigungen  die  der  Kongress  der  Ortskrankenkassen  zu  Ham 
“gäfs  Antwort  auf  dir  triassvollon  Beschlüsse 

Aeratetages  den  deutschen  Aerzten  zuzutu^n  g^vva^  hat  man 
denke  an  den  Abänderungsentwurf  des  sächsischen  txeset .  b 

die  ärztlichen  Bezirksvereine.  .  .  T>n^orTia  -i« 

Die  Unterfertigten  laden  hiermit  sämtliche  Aeizte  ><  .  •  » 

diese  Versammln!  zu  besuchen,  und  bitten  insbesondere  die  vet- 
ehrt  BeSrksvereiue,  Vertreter  zu  dieser  Versammlung  nach  Nurn 


hpr<r  711  entsenden.  Sie  sprechen  die  Hoffnung  aus,  dass  durch 
diese  Versammlung  die  Frage  des  wirtschaftlichen  \  erbandes  tur 
z  Bavern  ihre  endgültige  Lösung  dadurch  findet,  dass  die  bei 

der*  Versammlung  gepiiogeiren  Erörterungen  den  Beitritt  al^r  ba>ab 

rischen  Aerzte  nach  sich  ziehen.  Es  ist  Zeit,  dass  der  ai/unci 
stand  seine  so  oft  gerühmte  Opferwilligkeit,  die  er  bisher  nur  zu 
Dunsten  anderer  und  für  das  Wohl  der  Gesamtheit  betätigt  h  . 
•Hirli  einmal  im  eigenen  wirtschaftlichen  Interesse  ube  —  Mir 
durch  das  Eintreten  Aller  für  Einen  und  Eines  für  Alle  kann  dei 
ärztliche  Stand  sein  so  vielfach  geschädigtes  Ansehen  wieder¬ 
gewinnen  und  seinem  wirtschaftlichen  Tiefstand  gründliche  Ab- 

'M^Folgen  >  ^  Unterschriften  von  Aerzten  aus  allen  Teilen 
Bayerns. 


Morbiditätsstatistik  d.InfektionskrankheitenfürMünchen 

in  der  46  Jahreswoche  vom  9.  bis  15.  November  19(U. 

Beteiligte  Aerzte  110.  —  Brechdurchfall  3  (4*),  Diphtherie  u. 
Krapp  7  (SB  ErTsipela«  10  (5),  Intermitten,  Neuralgm  mterm. 
_  U).  Kindbettfleber  3  (1),  Meningitis  cerebrospin  -  (  -> 

%t.  3-  ä:“ 

(-),  Varicellen  13  (9),  Variola  Vanolois  - 

Summa  135  (94).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dali  Arm i. 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  46.  Jahreswoche  vom  9.  bis  15  November  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932.  . 

Todesursachen:  Masern  1  (  —  *)  Scharlach  (— )  Diphtherie 

u  Krupp  2  (1),  Rotlauf  —  (— ),  Kindbettfieber  1  (1)  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  -  (— ).  Brechdurchfall  3  (3)  .U"|er^\b'TÄUuber 
_),  Keuchhusten  2  (2),  Kruppöse  Lungenentzündung  1  (1),  Tuber 
kulose  a)  der  Lunge  22(12),  b)  der  übrigen  Organe  13(8),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  1  (-),  Andere  übertragbare  Kmnkheiten 
2(2),  Unglücksfälle  4(2),  Selbstmord  3  (5),  Tod  durch  fremde 

HanWe  Gesamtzahl  der  Sterbefalle  202  (J02),  VerhältmBzahl  auf 
|  das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  20,8  (19,7),  tur  die 
,  über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  12,4  (11, J). 


Morbiditätsstatistik  der  Infektionskrankheiten  in  Bayern :  September ')  und  Oktober  1902. 


Regierungs 
bezirke 
bezw. 
Städte  mit 
über  30,000 
Ein¬ 
wohnern 


Oberbayern 

Niederbay. 

Pfalz 

Oberpfalz 

Oberfrank. 

Mittelfrank. 

Unterfrank. 

Schwaben 


I  I 

440  213 
173  81 
342  107 
203  50 


S.  I  O. 


S.  I  O  S  |  O.  S.  |  O 


Ophthalmo- 

Blennorrh. 

neonator. 

Parotitis 

epidemica 

Pneumonia 

croup  o s  a 

Pyaemie, 

Septi- 

kaemie 

Rheumatis¬ 

mus  art.ae. 

Ruhr 

(dysenteria) 

S.  1  O. 

s. ;  o. 

S.  |  0. 

S.  |  O. 

S  |  O. 

S  1  0. 

5  p. 


s.  o. 


281 

13 

21 

26 

43 

77 

4 

2 

1 

14 

12 

48 

23 

3 

2 

39 

5 

64 

92 

4 

2 

— 

1 

54 

128 

— 

i 

5 

6 

108 

27 

5 

4 

11 

7 

112 

59 

787 

1 

9 

6 

l1 

1* 

21 

7 

83 

86 

118  120 
43  43 


42,  201 


41!  101 


14 


949  22G 
188 1  73 
299,1  98 
1581  84 
206|  125 
367  203 
328  84 

295l|  177 


Summe 


Augsburg5) 

Bamberg 

Hof 

Kaiserslaut. 

Ludwigshaf. 

München3) 

Nürnberg 

Pirmasens 

Regensburg  | 

Würzburg 


901 

413 

619 

273^336 

547 

22 

16 

11 

4 

e 

3 

20 

16 

33 

1 

7 

5 

— 

— 

3 

6 

— 

1 

4 

1 

— 

— 

— 

5 

5 

16 

2 

2 

— 

61 

29 

58 

28 

39 

3 

69 

35 

49 

26 

48 

14 

3 

5 

1 

1 

— 

8 

4 

8 

5 

3 

15 

7,  1 

9 

9 

13 

— 

37  119  102  632  871  28  26 


1  —  —  —  152 


1  — 


3  —  — 


1  -  1  ' - 


—  2 


6 - 3  13 


27 


—  59  141 


2  3  — 


6  4  10 - 


-  Oberbavern  1'323,888,  Niederbayern  678,192, 
Pfalz  8?v 678,  0 be rpf alz  ^553^841^0berf ranken^6OT ,116,^ Mittelfrank en  815, 895,^  Unter- 

itÄ’Ä  xt«5Än  499,932,  Nürnberg  261,081’ 

Pirmasens  Friedberg,  Garmiscb,  Bogen. 

Einsendungen  flhlren7Xrn  ^pever,  Neumarkt,  Neunb.irg  v./W„  Ansbach, 
SS' '  G,mzenhkuseng  HofheimP  Karlstadt,  Königshofen,  Lohr,  Gunzburg, 
Kaufbeuren  Kempten  und  Lindau. 

Höhere  Erkrankungszahlen  (ausser  von  obigen  Städten)  werden  gemeldet 
aus  folgenden  Aemtern  bezw.  Orten: 

ninhtherie  Krupp:  Häufige  Erkrankungen  (15  behandelt)  in  Roth 
Siädte  Amberg  30,  Schweinfurt  14,  Stadt-  und  Landbezirke  Lud- 
Bayreuth  >0,  M»«  «.  ««»«I  11  *  *  totL 

Bezirk  Grossheubach  (Miltenberg)  12  beb.  Falle. 

.  ctfldt  und  Landbezirke  Neuburg  a./D.  45  und  25,  Forchheim 

21,  AJmterUAicbach  24  AUötting  25,  ärztl.  Bezirk  Geisenhausen  (Vilsbiburg)  24 

heb.  Falle,  ü„rt, Setzung  der  Epidemien  in  den  Bezirken  Traunstein  (Schul' 

Morbilli:  Fortsetzung  ae^  P  Monatg  Oktober,  Bergen  30,  im  ganzen 

Äh"  Fälle?  WunsiedeKnoch  49  beh.  Fälle),  Donauwörth  (Höhe  mit  158  Fällen 
?7  H  r'sifsör  beide  protestantische  Schulen  geschlossen;  nunmehr  Uebergreifen 
in  der  Stadt,  beide  p^.  Nachkrankhelten :  Otitis  und  katarrhale  che  Ineu- 
auf  die  Umgegend •  g  (noch  häufig  in  der  Stadt).  Epidemisches  Auftreten 

momen)  Ddcha?i  (in  der  Schule  Röbrmoos  24  angezeigte  Falle), 

ferner  in  den  Beratern  Dach  JmlSchulsprellgel  Taufkirchen  108  augezeigte  Er- 

Erding  (in  der  Gerne  -  >, handelt),  Dingolfing  (Schulschluss  in  Steinberg), 

krankungen,  von  nur  2o^e nana ew,  (Jm  ärzll  Bezirke  Waid- 

hnnse9DlhbehenFälle)'  Pegnitz  (ah  Ende  Oktober  in  Pegnitz),  Rehau  (in  Reh  au  36 
ritfÄt  elS (gutartige  Epidemie  in  Ober  und  Unterebersbach,  62 

von'  63  Schulkindern  krank  auch  Sonntagsschüler  und  jugendliche  Erwachsene 
von  63  ScbuUa=  kr  '  .  bnch ,  Enetzheim,  Neustadt,  Thalmannsfeld,  hier 

^  Augsburg  (in  Göggingen,  Oberhausen,  Kiiegshaber  und 

weiteren  ^(Men).  Stadt^uSd  Landbezirke  Dillingen  50,  ärztl.  Bezirk  Steinach 
(Kissingen)  18  beh.  Fälle 


Parotitisepidemica:  Epidemisches  Auftreten  in  Landsberg,  nur  wenige 
(13)  beh.  Fälle,  ferner  in  Renuertshofen  (Neuburg  a./D.).  Stadt  Freising  22  beh. 

I  allt"  S c «  r ]  a  t  i n  n  :  Häufig  in  Ludwigshafen,  besonders  im  nfrdl.  Stadtteile 
(24  beh  Fälle,  5  Sterbfälle)  und  in  Schwabach  ^  Umgebung  Äe  ’ 

Stadt  lu^Ti1  sfUc  o  n  ^ uhi  vl'11  Fortsetzung  de”  Epidemien  in  den  Aemtern 

Schül“  u“  u“d  "jiteM  "eben  Erwachsenen  im 

regelmässige  und  rechtzeitige  (bis  längstens  10  dea  “on  Fehl - 

monat  folgenden  Monats)  Einsendung  der  Anzeige “  ™  vo,i\pi- 

a n zeigen  ersucht,  womöglich  unter  ““^"1^Ai"?'t^ti®cSenswerSi, 
demien  Zur  Vermeidung  von  Doppelzahlungen  erscheint  e  oiosphläeieen 
da”  Fälle  aus  sog.  Grenzpraxis  entweder 

Amtes  oder  dem  K.  Statistischen  Bureau  unter  Ausscheidung  nacn  a 

nebst  u m seb  1  ägen.  zur  portofreien  Einsendtrng  J^dss 

K.  Statistische  Bureau  sind  durch  die  k.  Bezirksirate  zu  erh  u.rmeid'mg  von 
dienen  ebenso  zu  sog.  S  am mel  karte  n  ,  welch  „1^71  fl  nze”gen  gleich- 
Verzöeerungen  ohne  Rücksich  t  auf  etwa  ausständige  Anzeigen  s 
Sto TKL»  2»-  i«len  folgenden  Monat,  einzus.nden  «neu.  *1“»““ 
später  eingekommene  Meldungen  wollen  auf  der  nachstfolgen  “  be. 

Nachträge  gekennzeichnet,  aufgenommen  werden.  Noch  in  Händen  ^ 

findliehe  sog8  Postkarten  wären  aufzubrauchen,  jedoch  durch  Ang  e^ 

behandelten  Influenzafälle  zu  ergänzen  und  gleichfalls  u  n  t  e ' r  ^  ®  ®  h  1  Bfireau 

zusenden.  -  Sog.  Zählblättchen  dagegen  werden  vom  K.  Statistiscnen  du 

weder  beschafft  noch  versendet. 


V Einschliesslich  einige,  sei.  der  .letzte,,  V— ichung  <N.  «,  eingeiauieue,  Nachtrag..  -  ,  .»  Moua,  September  IM  eiusebiiesalleh  der 
träge  1082  —  ä)  36  mit  39.  bezw.  40.  mit  44.  Jahreswoehe 


Verlag  von  J.  F.  Lehman»  tu  Müuchen.  -  Druck  vo»  E.  Slilthh.ler.  Buch-  und  Kuustdruekerei  A.G.,  München. 


hie  Munch  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöohenlt 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5  _  6  Boren’ 
Preis  in  Deutschland,  Oesterr -Unsrani  u.  Luxemburg 

\  icrteljahrl.  Jt  ti. —  in  allen  übrigen  Ländern  Ji  8 _ 

Einzelne  No.  80  ~J. 


MÜNCHENER 


ätisenriiineen  sind  zu  adressiren:  Für  die  Redaktioii 
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MEDICINISCHE  WOCH ENSCHHIET 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT)  -A. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


0.  v.  Ängerer,  Ch.  Bäumler,  0,  Bollinger, 

München.  Freiburg  i.  B.  München. 

No.  49.  9.  Dezember  1902. 


Herausgegeben  von 

H.  Cursc.hmann,  W.  v,  Leube,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Penzoldt, 

Leipzig.  Wiirzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen. 

Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


H,  v,  Ranke,  F,  v,  Winckel, 

München.  München 

49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Rostock 
(Direktor :  Prof.  F.  Martius). 

Zur  diagnostischen  Bedeutung  der  Leukocytenwerte 
bei  Typhus  abdominalis  und  bei  Chirurg.  Eiterungen. 

\  on  Piivatdozent  Dr.  A.  Kühn,  Sekundärarzt  der  med.  Klinik. 


W  enn  auch  das  W  esen  der  Leukocytose  trotz  zahlreicher 
und  eingehender  Studien  (Rieder1),  Türk2),  Grawitz3) 
u.  a.)  immer  noch  nicht  in  genügender  Weise  geklärt  ist,  so 
haben  sich  doch  in  letzter  Zeit  die  Arbeiten  gemehrt,  welche  den 
absoluten  Leukoeyten werten  eine  grössere  praktische  Be¬ 
deutung  in  diagnostischer  Hinsicht  zusprechen.  Das  gilt  so¬ 
wohl  von  der  Vermehrung  der  Leukocyten,  der  Hyperleukocytose, 
als  auch  von  der  Verminderung  derselben,  der  Leukopenie. 
A  ährend  letztere  speziell  für  Typhus  durch  die  verdienstvollen 
Untersuchungen  von  Tumas1),  Hayem5),  Limbeck8), 
Pick  '),  P  e  1 s),  K  o  b  1  a  n  c  k 9),  R  i  e  d  e  r,  T  ü  r  k,  K  ö  1  n  e  r lü)’ 
Blum  ),  Naegeli1'),  Klein1)  u.  a.  als  wertvolles  dia¬ 
gnostisches  Hilfsmittels  volles  Bürgerrecht  erworben  hat,  ist 
die  Hyperleukocytose  bis  vor  kurzem  eigentlich  nur  für  die  Pneu¬ 
monie  differentialdiagnostisch  brauchbar  gewesen  (V  ircho  w  H), 
Tumas,  v.  Jaksch  ”),  u.  a. le). 

Es  ist  das  Verdienst  von  Cur  sch  mann lv),  auf  die  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  der  vermehrten  Leukocytenwerte  bei  Eite- 
ruiigen,  namentlich  bei  den  vom  Blinddarm  und  dem  Wurmfort¬ 
satz  ausgehenden  entzündlichen  Prozessen  aufmerksam  gemacht 
zu  haben.  Seine  höchst  interessanten  Befunde  wurden  im 
grossen  und  ganzen  von  Wassermann 1S),  Küttne  r ,ü), 
Sauerbruch20),  Schnitzler21),  Da  Costa22),  Blass¬ 
berg  -3),  Dützmami24)  u.  a.  bestätigt. 


)  Ei.0  der:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Leukocytose  und  ver- 
m  ainlU  r  Zustande  des  ^Blutes.  Leipzig  1892. 

u,  Tü. vk'-  Kliuiselie  Untersuchungen  über  das  Verhalten  des 
Blutes  hei  akuten  Infektionskrankheiten.  Wien  u.  Leipzig  189S. 


'/  ;T  r  a  w  1 1  z:  Klinische  Pathologie  des  Blutes.  2.  Aufl. 
Ü  Tumas:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  41. 


1902. 


9 

7) 

S) 

Berliu 


'P  Hayem:  Du  sang  et  des  alterations  anat.  1889. 


Limbeck:  Zeitschr.  f.  Heilk.  X. 

Pick:  Prager  med.  Wochenschr.  XV. 
Pel:  Untersuchungen  über  Leukopenie. 
1890. 


Inaug.-Dissert, 


°)  Koblanck:  Inaug.-Dissert.  1899. 

10)  Kölner:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd. 
u)  Blum:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1899. 


60. 


Naegeli:  Arch.  f.  ldin.  Med.,  Bd.  67. 

Klein:  Volkmanns  klin.  Vortr.,  No.  S7,  1893. 
Virchow:  Ges.  Abhandl.  z.  wissenschaf tl.  Med.  1856. 
v.  Jaksch:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1893,  Bd.  23; 
Ueutralbl.  f.  klin.  Med.  1892,  5. 

Ausführliche  Literatur  s.  Grawitz  1902. 

TCurschmanu:  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No. 
u.  49. 


D 

I3) 

14) 

35) 


id.: 


48 


“)  Wassermann:  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  17 

VI.  Jo. 

VJ)  Küttner:  Beibl.  z.  Centralbl.  f.  Chir.  1902,  26  (Verhandl. 
d.  Deutschen  Gesellsch.  f.  Chir.,  XXXI.  Kongress  1902). 

......  y  kauerb  ruch:  Corr.-Bl.  d.  allg.  ärztl.  Vereins  z. 

Thüringen.  XXXI,  7,  1902. 

D  Schnitzler:  Centralbl.  f.  Chir.  1902,  24. 

22)  Da  Costa:  Amer.  journal  of  the  med.  Sciences  1901,  Nov.: 
ref.  Centralbl.  f.  innere  Med.  1902,  19. 

No.  49. 


Diese  Befunde  erschienen  mit  Rücksicht  auf  ihre  praktische 
Wichtigkeit  einer  weiteren  Nachprüfung  dringend  bedürftig. 
Bevor  ich  über  letztere,  vorgenommen  an  einem  kleinen  Material 
der  hiesigen  medizinischen  und  chirurgischen  Klinik,  berichte, 
mögen  mir  noch  einige  Worte  über  den  diagnostischen  Wert  der 
typhösen  Leukopenie  an  der  Hand  unserer  in  dem 
letzten  Typhusjahr  (1901)  gewonnenen  Erfahrungen  gestattet 
sein. 

Die  Leukopenie  bei  Typhus  gestaltet  sich  nach  den  verdienst¬ 
vollen  Untersuchungen  von  Naegeli  (1.  c.)  folgendermassen : 
Während  des  Eieberanstiegs,  im  ersten  Stadium  besteht  wahr¬ 
scheinlich  eine  neutrophile  Leukocytose  mässigen  Grades,  welche 
nach  wenigen  Tagen  einer  Verminderung  der  Neutrophilen  und 
der  Lymphocyten  Platz  macht.  Im  zweiten  Stadium  (Kontinua) 
erfolgt  zunächst  eine  weitere  Verminderung  der  Neutrophilen  und 
Lj  mphoev  ten ,  letztere  fangen  darauf  an;,  sich  wieder  zu  vermehren, 
während  die  Zahl  der  Neutrophilen  noch  tiefer  sinkt.  Im  dritten 
Stadium  (Lysis)  weiteres  Sinken  der  Neutrophilen  und  Zunahme 
dei  L>  mphccyten.  In  der  Rekonvaleszenz  findet  sich  noch  eine 
Zeitlang  eine  Lymphocytose,  erhebliche  Eosinophilie,  welche  in 
den  ersten  3  Stadien  ganz  verschwunden  war,  und  normale  oder 
leicht  vermehrte  Werte  für  die  Neutrophilen. 

Dies  gilt  indes  nur  für  den  unkomplizierten  Typhus.  Bei 
etwaigen  Komplikationen  wird  das  Bild  durch  letztere  getrübt 
und  die  praktische  Brauchbarkeit  erleidet  dadurch  grossen  Ab¬ 
bruch. 

Air  hatten  nun  schon  in  der  Typhusepidemie  des  Jahres 
1900  den  diagnostischen  Wert  der  Leukopenie  schätzen  gelernt 
und  berechneten  damals  ihre  Zuverlässigkeit  auf  etwa  90  Proz. 25). 
Unter  den  70  Typhen  des  Jahres  1901  haben  wir  in  38  Fällen 
genauere  Blutuntersucliungen  angestellt;  es  fanden  sich  nor¬ 
male  Werte  oder  leichte  Hyperleukocytose,  ohne  dass  eine  be¬ 
sondere,  mit  einer  Vermehrung  der  Leukocyten  einhergehende 
Komplikation  vorlag,  in  3  Fällen,  also  war  die  Leuko¬ 
penie  in  92  Proz.  der  Fälle  vorhanden. 

r  somit  wohl  dies  Phänomen  als  eines  der  sichersten 

Typhussymptome  zu  bezeichnen,  das  die  übrigen,  die  W  i  d  a  1  - 
sehe  Reaktion  mit  einbegriffen,  weit  in  den  Schatten  stellt. 

Die  Werte,  welche  wir  fanden,  schwankten  im  allgemeinen 
zwischen  2000  und  5000.  In  einem  Fall  von  schwerem,  vernach¬ 
lässigtem  Typhus  fanden  wir  sogar  den  seltenen  Wert  von  1000. 
Sehr  oft  liess  sich  allein  aus  dem  Blutbefund  die  Diagnose 
Typhus  stellen  und  es  wurde  dieselbe  dann  im  weiteren  Verlauf 
durch  das  Auftreten  der  übrigen  Symptome  (ATidal,  Diazo, 
Roseola,  Milztumor  etc.)  bestätigt. 

|ls  ist  daher  die  Leukopenie  nicht  allein 
eines  der  sichersten,  sondern  auch  eines  der 
frühesten  Typhussymptome. 

A  as  den  g’enauen  Zeitpunkt  des  Auftretens  der  Leukopenie 
anbelangt,  so  sind  exakte  Angaben  darüber  nur  spärlich,  da  nur 
in  den  seltensten  Fällen  die  Krankheit  vom  ersten  Tage  der  Er¬ 
krankung  resp.  des  Krankseins  an  beobachtet  werden  kann. 

2S)  Blassberg:  Przeglad  lekarski  (polnisch)  1902,  34:  ref. 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1902,  36. 

2l)  Dützmann:  Centralbl.  f.  Gynäkol.  1902,  14. 

23)  Kühn  und  Suckstorff:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med, 
71.  Bd. 

1 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET. 


No.  49. 


2034 

U  s  k  o  w  und  C  h  e  t  a  gero  w  'r')  sagen,  dass  die  Leukopenie  am 
Ende  der  ersten  Woche  beginnt,  was  mit  den  Wahrnehmungen 
von  N  a  e  g  e  1  i  nahezu  übereinstimmen  wird.  Türk  ist  der 
Ansicht,  dass  auch  in  der  ersten  Woche  keine  Leukocytose  be¬ 
steht,  dass  vielmehr  normale  Zahlen,  vielleicht  sogar  häutig  genug 
bereits  tiefnormale  oder  subnormale  Werte  zur  Regel  gehören. 
Nach  ihm  sind  während  der  Akme  des  Prozesses,  also  in  der 
2.  und  3.  Woche,  die  niedrigsten  Zahlen  zu  beobachten. 

Wir  hatten  Gelegenheit,  in  10  Typhen,  welche  in  der  ersten 
Krankheitswoche  in  unsere  Behandlung  kamen,  das  Blut  zu 
untersuchen,  und  fanden  hier  in  sämtlichen  10  Fällen  bereits 
ausgeprägte  Leukopenie.  2  von  diesen  Patienten  gehörten  zum 
Wärterpersonal  der  Klinik,  sie  konnten  also  so  früh  wie  möglich 
untersucht  werden.  So  hatte  ein  junger  Wärter  am  4.  Krank¬ 
heitstag  bereits  eine  Leukopenie  von  3660,  während  zu  dieser 
Zeit  noch  keines  der  übrigen  Symptome  vorhanden  war. 

Es  erhellt  schon  aus  diesem  Fall  die  ausserordentliche  dia¬ 
gnostische  Brauchbarkeit  dieses  Phänomens. 

Es  kommt  noch  hinzu,  dass,  wie  N  a  e  g  e  1  i  gezeigt  hat, 
selbst  latente  Typhen,  welche  keine  Widalreaktion  geben,  oder 
abgelaufene  Typhen  durch  diese  charakteristischen  Blutbefunde 
erkannt  werden  können,  so  dass  mit  Recht  Sahli  )  denselben 
eine  grosse  Bedeutung  auch  für  die  Feststellung  des  Anfangs 
einer  Typhusepidemie  zuspricht. 

Es  ist  nur  zu  wünschen,  dass  diese  einfache  Methode  der 
Blutzählung  auch  bei  den  praktischen  Aerzten  noch  mehr  An¬ 
wendung  findet,  da  sie  mit  Leichtigkeit  am  Krankenbett  in  An¬ 
wendung  kommen  kann.  Eine  mit  der  verdünnten  Blutlösung 
(0,3  Proz.  Essigsäure)  beschickte  Zählkammer  lässt  sich  sehr 
gut  transportieren,  unter  Umständen  auch  einige  Lage  aufheben. 
Ungenauigkeiten  entstehen  nur  durch  Aufheben  des  Blutes  in 
dem  Mischer,  da  sich  hier  die  Blutkörperchen  zu  Boden  senken 
und  zusammenballen.  WTir  benützten  zu  unseren  Zählungen 
meist  die  Zappert  sehe  Zählkammer,  welche  sich  sehr  bewährt 
hat,  indessen  scheinen  auch  die  neuerdings  angegebenen  Modi¬ 
fikationen  [T  ii  r  k  28),  Breuer 2n)]  sehr  praktisch  zu  sein,  da  sie 
das  Verfahren  noch  mehr  erleichtern. 

Bass  etwaige  Blutanomalien  oder  mit  Hyperleukocytose  ein¬ 
hergehende  Komplikationen  (Pneumonie,  sekundäre  Eiterungen 
etc.)  berücksichtigt  werden  müssen,  braucht  nicht  noch  einmal 
hervorgehoben  zu  werden;  sie  sind  die  einzigen  Faktoren,  welche 
die  Brauchbarkeit  etwas  herabsetzen. 

Allerdings  gibt  es  2  Erkrankungen,  welche  auf  Grund  des 
Blutbefundes  unter  Umständen  mit  dem  Typhus  verwechselt 
werden  können,  das  ist  die  foudroyante  Sepsis  und  die  Miliar¬ 
tuberkulose.  Bei  ersterer  bleibt  oft  die  Leukocytose  aus,  weil 
der  Organismus  nicht  mehr  die  Fähigkeit  zu  dieser  Reaktion 
besitzt,  und  bei  letzterer  werden  in  seltenen  Fällen  auch  einmal 
niedrige  Leukocytenwerte  gefunden  statt  der  hier  gewöhnlich 
normalen  Leukocytenzahl.  Allerdings  sagt  Rieder,  dass  die 
Leukopenie  auch  zur  Unterscheidung  des  Typhus  von  Miliar¬ 
tuberkulose  zuweilen  mit  Vorteil  benützt  werden  kann,  indessen 
sah  auch  er  einmal  eine  Miliartuberkulose  mit  5000  Leukocyten. 
Wir  bekamen  vor  kurzem  einen  akut  fiebernden,  mit  allen  Er¬ 
scheinungen  einer  typhösen  Affektion  erkrankten  19jälirigen 
Mann  in  die  Klinik,  bei  welchem  auf  Grund  des  Blutbefundes 
von  2800  Leukocyten,  welche  sich  in  12  Tagen  auf  3900  ver¬ 
mehrten,  die  Diagnose  „Typhus“  gestellt  wurde;  bei  der  Sektion 
fand  sich  indes  eine  ausgedehnte  allgemeine  Miliartuberkulose 
(s.  Tabelle). 

Türk 30)  macht  übrigens  auf  diese  Schwierigkeit  ganz  be¬ 
sonders  aufmerksam. 

Derartige,  wenn  auch  seltene  Fälle  warnen  vor  einer  allzu 
optimistischen  Auffassung  des  diagnostischen  "Wertes  der  *Blut- 
befunde  und  mahnen  uns,  niemals  eine  Berücksichtigung  des 
Gesamtbildes  der  Krankheit,  der  Summe  aller  Symptome,  zu 
vergessen. 

Zum  Schluss  dieser  Besprechung  möge  noch  eine  Beob¬ 
achtung  erwähnt  werden,  welche  mehr  ein  theoretisches  Inter¬ 
esse  bietet.  Das  Phänomen  der  Leukopenie  ist  bereits  in  der 
verschiedensten  Weise  erklärt  worden.  Die  Mehrzahl  der  Autoren 

28)  Cit.  nach  nieder  (1.  c.) 

J7)  Sahli:  Klinische  Untersuchungsmethoden,  3.  Auf!.,  1902. 

!8)  Türk:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1902,  28  u.  29. 

”)  B  reue  r:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  41. 


(Türk,  Rieder  u.  a.)  neigt  zu  der  Ansicht  hin,  dass  diesem 
Verhalten  der  Leukocytenzahlen  eine  spezifische  Wirkung  der 
Typhustoxine  zu  Grunde  liegt.  Auffallend  sind  allerdings  dann 
die  Wahrnehmungen  von  G  a  b  r  i  t  s  c  h  e  w  s  k  i Ä1)  und  Buch- 
n  e  r  3'),  dass  die  Kulturen  des  Typhusbazillus  und  dessen  Proteine 
eine  starke  positiv  chemotaktische  Wirkung  besitzen.  Dieser 
scheinbare  Widerspruch  wird  durch  T  ürk  in  glücklicher  Weise 
mit  der  Annahme  eines  nach  dem  Nährboden  verschiedenen 
(menschlicher  Organismus  und  künstlicher  Nährboden)  Stoff¬ 
wechsels  erklärt.  Derselbe  Autor  nimmt  eine  negativ  chemo¬ 
taktische  Wirkung  im  Sinne  einer  Depression  auf  die  Bildung 
und  Entwicklung  der  Leukocyten  an,  eine  das  Verständnis  ausser¬ 
ordentlich  erleichternde  Hypothese. 

Die  hemmende  Wirkung  der  Typhustoxine  auf  die  leuko- 
cytenbildenden  Organe  kann  indes  nicht  bedeutend  sein,  da  sie 
durch  eine  Reihe  anderer  Reize,  wie  die  bei  vielen  Kompli¬ 
kationen  auftretende  Hyperleukocytose  lehrt,  aufgehoben  werden 
kann. 

Auch  experimentell  gelingt  es,  sie  in  nicht  unerheblicher 
Weise  zu  beeinflussen. 

Ich  wählte  dazu  ein  chemotaktisch  wirkendes  Mittel,  das 
sich  im  übrigen  als  unschädlich  herausgestellt  hat,  das  Hetol. 

Dasselbe  wurde  einer  kleinen  Anzahl  von  leichter  und 
schwerer  Erkrankten  in  der  Dosierung  von  0,001  bis  0,008  (all¬ 
mählich  steigend)  injiziert,  während  das  Blut,  unter  Umständen 
2  mal  täglich,  genau  untersucht  wurde. 

Hiermit  gelang  es  nun,  bei  einem  leichten  Typhus  bereits  am 
3.  Erkrankungstage  die  Leukocytenzahl  um  das  Doppelte  zu  stei¬ 
gern  beim  vollkommenen  Ausschluss  jeglicher  Komplikation.  Es 
handelte  sich  dabei  namentlich  um  eine  Vermehrung  der  Lympho- 
cyten.  Die  genaueren  Daten  sind: 

12.  IX  01  5  500 

13  IX.  01  5  000 

14.  IX.  01  10  600  (nach  Hetol) 

18.  IX.  01  8  240  dto. 

22.  IX.  01  6  600  fieberfrei. 

Die  Rekonvaleszenz  war  dann  eine  ungestörte. 

Ein  schwerer  Typhus  (4  wöchentliche  Fieberperiode  mit  lang¬ 
samer  Rekonvaleszenz)  reagierte  dagegen  am  15.  Erkrankungstage 
nicht  so  prompt.  Wir  zählten: 

18  IX.  01  3  400 

19.  IX.  ul  3  800 

abds.  6  000  (nach  Hetol) 

20.  IX.  01  3  000  dto. 

22.  IX.  01  3  000  dto. 

Hier  war  die  Wirkung  weiterer  Hetolinjektionen  nicht  so 
anhaltend  wie  in  dem  ersten  Fall,  das  Typlmstoxin  bekam  wieder 
die  Oberhand.  Auch  der  Verlauf  (erst  am  6.  X.  fieberfrei)  stimmt 
hiermit  überein. 

In  einem  von  vornherein  sehr  schweren  Typhus  (Delirien, 
Pleurit.  exsudat.),  welcher  letal  verlief,  zeigte  sich  ebenfalls  eine 
Steigerung  von  5000  auf  10  600;  hier  war  aber  der  störende  Ein¬ 
fluss  von  Komplikationen  nicht  auszuschliessen. 

Die  Reaktion  blieb  aus  in  den  beiden  letzten  hierauf  unter¬ 
suchten  Fällen.  Der  eine  war  der  schon  am  4.  Tage  zur  Beob¬ 
achtung  kommende  Krankenwärter,  welcher  an  demselben  Tage 
nach  Hetol  von  3660  auf  4540  reagierte  und  am  nächsten  Tage 
wieder  3400  aufwies.  Hier  war  ebenfalls  die  Reaktion  eine  äusserst 
schwere,  die  Rekonvaleszenz  wurde  durch  Herzschwäche  und 
Thrombose  ausserordentlich  gestört.  Pat.  wurde  schliesslich 
nach  3  Monaten  geheilt  entlassen. 

In  dem  anderen  Falle  handelte  es  sich  um  eine  schwere  sep¬ 
tische  Form,  welche  in  11  Tagen  letal  verlief.  Der  Kranke  kam 
schon  am  4.  Krankheitstag  in  unsere  Behandlung  und  wir  zählten 
an  demselben  Tag  3000  Leukocyten.  Nach  Hetol  gestaltete  sich 
das  Leukocytenbild  dann,  wie  folgt: 

4400,  4S00,  3600. 

Also  auch  hier  ist  von  einer  Reaktion,  wie  sie  der  erste  Fall 
darbot,  nichts  zu  bemerken. 

Es  scheint  dieses  somit  ein  weiterer  Ausdruck  des  bereits 
oben  erwähnten  Darniederliegens  der  Reaktions-  und  Wider¬ 
standsfähigkeit  des  Organismus  bei  schweren  septischen  In¬ 
fektionen  zu  sein  und  stimmt  mit  dem  bereits  oben  erwähnten 
spontanen  Ausbleiben  der  Leukocytose  überein.  Es  liegt  mir 
fern,  aus  diesen  wenigen  Versuchen  der  experimentellen  Leuko¬ 
cytose  bei  Typhus  irgendwelche  Schlüsse  zu  ziehen,  immerhin 
kann  man  vielleicht  das  Auftreten  der  Reaktion  in  Gestalt  einer 
Leukocytose  in  prognostisch  günstigem  Sinne  verwerten. 

30)  Türk:  1.  c.  p.  176. 

31)  Gabritschewski:  Arch.  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharma- 
kol.,  Bd.  XXVIII,  1891. 

32)  Büchner:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1890,  47. 


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2036 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


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No.  49. 


2038 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


R  .  Entleerung  des  Eiters  nach  aussen,  uns  wertvolle  Aufschlüsse 

in  dieser  Hinsicht  geben  könnte“. 

Die  praktische  Anwendung  dieser  Verhältnisse  auf  die 
Appendizitis  ist,  wie  bereits  erwähnt,  das  V erdienst  Cursch- 
m  a  n  n  s. 

Das  Hauptergebnis  der  Curschmann  sehen  u  nter- 
suchungen  ist  folgendes:  „Durch  die  Leukocytenzählung  sind  in 
der  überwiegenden  Zahl  aller  Eälle  die  Appendizitisfälle  mit  ein 
facher,  sogen,  fibrinöser  Exsudation  von  den  zur  Abszessbildung 
kommenden  sicher  zu  unterscheiden,  auch  da,  wo  andere  Zeichen, 
Form  und  Konsistenz  der  Ausschwitzung  (Fluktuation),  das  Tem- 
peraturverlialten  und  die  Probepunktion  im  Stich  lassen.  Ei  hebt 
sich  schon  in  den  ersten.  Tagen  oder,  was  minder  häufig,  im  Laufe 
der  weiteren  Beobachtung  die  Leukocytenzahl  dauernd  zu  hohen 
Werten,  so  ist,  falls  andersartige,  Leukocytose  erregende  Prozesse 
(Pneumonie  etc.)  auszuscliliessen  sind,  mit  Sicherheit  Abszess¬ 
bildung  anzunehmen  und  chirurgische  Behandlung  unbedingt 
angezeigt.“ 

Die  Wichtigkeit  dieser  Befunde  liegt  auf  der  Hand.  Handelt 
es  sich  doch  um  ein  neues  diagnostisches  Hilfsmittel,  welches 
bei  der  Unzuverlässigkeit  der  bisherigen  (lieber,  Resistenz,  Fluk¬ 
tuation,  Punktion  etc.)  sowohl  den  Chirurgen  als  auch  den  Innern 
hochwillkommen  ist.  Gibt  es  doch,  falls  es  sich  bewährt,  letzteren 
mit  Rücksicht  auf  den  Zeitpunkt  der  Ueberweisung  zu  den  Chi¬ 
rurgen  jetzt  eine  sichere  Handhabe  in  die  Hand. 

Nun  haben  aber  die  bisherigen  Nachuntersuchungen  ergeben, 


dass  auch  dies  Symptom  —  die  Hyper  leukocytose  über  20  000 . 
nicht  als  absolut  sicher  und  einwandsfrei  zu  betrachten  ist. 
Küttner  hat  diese  Verhältnisse  in  prägnanter  Weise  auf  dem 
XXXI.  Chirurgenkongress  dargelegt.  Derselbe  hatte  in  gleicher 
Weise,  wie  es  auch  W  assermann  getan  hat,  die  Leukocyten- 
zählungen  auch  auf  andere  chirurgische  Erkrankungen  ausge¬ 
dehnt.  Sein  Urteil  lautet  im  Auszug  f olgendermassen : 


Die  Leukocytenzählungen  sind  nur  für  akut  infektiöse  Pro¬ 
zesse,  namentlich  für  akute  Eiterungen  zu  verwerten.  Akut 
eitrige  Prozesse  geben  indes  nur  brauchbare  Resultate,  so  lange 
sie  in  schnell  fortschreitender  Entwicklung 
begriffen  sind.  Bei  einer  Lokalisierung  oder  Abszessbil¬ 
dung  ohne  weitere  Tendenz  zu  rascher  Ausbreitung  geht  die 
Leukocytose  meist  zurück.  Nur  hohe  Zahlen  (20  30  000)  haben 

eine  Beweiskraft,  niedere  Zahlen  beweisen  gar  nichts.  Bei  chro¬ 
nischen  Eiterungen  oder  einem  bereits  fertigen  Abszess  kann  die 
Hyperleukocytose  ganz  fehlen,  resp.  schon  wieder  verschwun¬ 
den  sein. 

Im  allgemeinen  ist  hiernach  die  Leukocytenzählung  bei  eitri¬ 
gen  Prozessen  nur  als  eine  Unterstützung  oder  Ergänzung  unserer 
sonstigen  Untersuchungsmethoden  anzusehen. 

Unsere  Nachprüfungen  dieser  Befunde  erstrecken  sich  auf 
Epi-  und  Perityphlitis,  und  zwar  sowohl  auf  die  akute  exsudative 
(seröse  und  eitrige)  Form,  als  auch  auf  chronische  Prozesse, 
ferner  auf  andere  entzündliche  Prozesse,  sowie  auf  eine  kleine 
Anzahl  nicht  entzündlicher  Erkrankungen.  Sie  sind  zum  weitaus 
grössten  Teil  an  dem  Material  der  chirurgischen  Klinik  vorge¬ 
nommen  worden,  welches  mir  Herr  Prof.  Müller  in  der  liebens¬ 
würdigsten  Weise  zur  Verfügung  stellte.  In  nachfolgender 

Tabelle  sind  sie  zusammengestellt. 

(Siehe  Tabelle  Seite  2035  bis  2037.) 

(Schluss  folgt.) 


Ueber  das  Verhalten  der  Leukocyten  bei  Appendizitis. 

Von  Stabsarzt  C  o  st  e  in  Strassburg  i/E. 

Während  in  früheren  Zeiten  die  Blutuntersuchungen  zu  dia¬ 
gnostischen  Zwecken  fast  ausschliesslich  von  den  internen  Medi¬ 
zinern  ausgeführt  wurden,  haben  in  neuester  Zeit  auch  die 
Chirurgen,  angeregt  durch  die  Curschmann  sehen  Veröffent¬ 
lichungen *  *),  denselben  erhöhte  Aufmerksamkeit  geschenkt. 
Curschmann  hat  zuerst  das  Verhalten  der  Leukocyten  bei 
Appendizitis  in  einer  Reihe  von  60  Fällen  systematisch  geprüft 
und  ist  hierbei  zu  ganz  bestimmten,  sich  stets  wiederholenden 
Resultaten  gekommen,  die  sich  kurz  in  folgenden  Sätzen  zu¬ 
sammenfassen  lassen. 

3T)  Limbeck:  Grundriss  einer  klin.  Pathologie  des  Blutes. 

1896. 

*)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  48  u.  49. 


1.  Bleibt  in  den  ersten  Beobachtungstagen  die  Zahl  der 
Leukocyten  regelrecht  oder  steigt  dieselbe  nur  vorübergehend  und 
unbedeutend,  so  kann  man  darauf  rechnen,  dass  es  höchstens  zu 
kleinen,  nicht  abszedierenden  Exsudaten  kommt  und  der  Verlauf 
dementsprechend  ein  leichter  ist. 

2.  Höhere  Leukocytenzahlen  kommen  ohne  spätere  Abszess¬ 
bildung  nur  anfangs  und  vorübergehend  vor,  steigen  dieselben 
über  22  000,  kann  man  mit  ziemlicher  Sicherheit  auf  einen 
Abszess  rechnen,  der  bei  einer  Vermehrung  auf  25  000  und  vor 
allem  bei  längerem  Bestehen  dieser  Zahl  unausbleiblich  ist. 

3.  Die  Zahl  der  Leukocyten  sinkt  nach  der  Operation  oder 
nach  einem  Durchbruch  meist  sehr  schnell  zur  physiologischen 
Norm.  Bleibt  dieselbe  hoch,  so  ist  dies  ein  Beweis,  dass  die 
Entleerung  eine  unvollkommene  ist. 

Bestätigt  sich  dieser  Befund  durch  weitere  umfangreiche 
Untersuchungen,  so  haben  wir  in  der  Blutkörperchenzählung  für 
die  Appendizitis  ein  wertvolles  diagnostisches  Hilfsmittel. 

Denn  auf  der  einen  Seite  gibt  es  Fälle,  bei  denen  die  kli¬ 
nischen  Symptome  und  der  Verlauf  für  einen  Abszess  sprechen 
und  bei  der  Operation  trotzdem  _ kein  Eiter  gefunden  wird;  hier 
liegt  die  Gefahr  vor,  dass  beim  Suchen  nach  dem  Abszess  oder 
der  Appendix  frische  Verklebungen  gelöst  und  eine  bisher  lokali¬ 
sierte  Entzündung  durch  den  Chirurgen  zu  einer  allgemeinen 
Infektion  des  Peritoneums  erweitert  wird. 

Andrerseits  kann  trotz  eines  Abszesses  die  Temperatur  fallen 
oder  die  Lage  des  Abszesses,  wie  z.  B.  bei  den  subphrenischen, 
eine  derartige  sein,  dass  derselbe  schwer  zu  lokalisieren  und  dem¬ 
gemäss  zu  diagnostizieren  ist. 

In  beiden  Fällen  kann  das  Verhalten  der  Leukocyten  für  die 
chirurgischen  Massnahmen  entscheidend  werden. 

Endlich  zeigt,  die  Richtigkeit  der  C  u  r  s  c  h  m  a  n  n  sehen 
Untersuchungen  immer  vorausgesetzt,  eine  anhaltende  Leuko¬ 
cytose  nach  der  Operation  an,  dass  noch  Eiterverhaltung  be¬ 
steht. 

Bisher  sind  grössere  Arbeiten  über  das  Verhalten  der  Leuko¬ 
cyten  bei  Appendizitis  aus  2  chirurgischen  Kliniken  erschienen 
und  zwar  aus  Tübingen  und  München. 

Küttner  prüfte  mit  v.  Brunn  zusammen  bisher  im 
ganzen  161  Fälle  und  erweiterte  die  Untersuchungen  dahin,  dass 
er  neben  der  Zählung  der  Leukocyten  zugleich  ihren  Glykogen¬ 
gehalt  vermittels  der  Ehrl  ich  sehen  Jodreaktion  bestimmte. 
Er  bestätigte  im  grossen  und  ganzen  die  Erfahrungen  Cursch¬ 
mann  s,  wenigstens  bei  den  akuten  Fällen.  Er  fand  indes  bei 
den  allgemeinen  Infektionen  des  Peritoneums  einen  wesentlichen 
Unterschied,  je  nachdem  das  Peritoneum  in  weitester  Aus¬ 
dehnung  beteiligt  war  und  dementsprechend  der  Verlauf  ein 
foudroyanter  oder  aber  dem  klinischen  Bilde  nach  der  Wider¬ 
stand  des  Organismus  noch  erhalten  und  die  Allgemeininfektion 
noch  nicht  weit  fortgeschritten  war. 

Hier  waren  die  Leukocyten  in  einem  Falle,  der  durch  Ope¬ 
ration  geheilt  wurde,  bis  auf  50  000  gestiegen,  während  in  den 
Fällen  foudroyanten  Verlaufes  überhaupt  keine  Vermehrung 
nachweisbar  war. 

Abweichend  ist  sein  Urteil  ferner  über  die  Bedeutung  von 
nicht  erhöhten  Zahlen  bei  chronischem  Verlaufe.  Es  wurden 
in  einem  Falle  11  Liter  Eiter  entleert  und  doch  hatte  nie  Leuko¬ 
cytose  stattgefunden.  Er  kommt  daher  zu  dem  Schlüsse,  dass 
Blutuntersuchungen  sehr  wohl  ein  unterstützendes  Moment  sein 
können,  nicht  aber  ausschlaggebend,  und  dass  daher  unsere  son¬ 
stigen  Kriterien  keineswegs  vernachlässigt  werden  dürfen. 

W  assermann1),  welcher  die  Fälle  der  chirurgischen 
Klinik  der  Universität  München  zusammengestellt  hat,  bestätigt 
desgleichen  die  Erfahrungen  Curschmann  s,  indes  ebenfalls 
mit  Einschränkungen. 

Es  fand  sich,  dass  in  allen  Fällen,  in  denen  eine  starke  Ver¬ 
mehrung  der  Leukocyten  vorhanden  war,  auch  Abszesse  Vorlagen. 
Er  hebt  besonders  hervor,  dass  gerade  in  Fällen,  in  denen  die 
klinischen  Symptome  nicht  der  Schwere  des  Operationsbefundes 
entsprachen,  die  Vermehrung  der  Leukocyten  für  die  Operation 
allein  ausschlaggebend  war. 

])  Wassermann:  Ueber  das  Verhalten  der  weissen  Blut¬ 
körperchen  bei  einigen  chirurgischen  Erkrankungen,  insbesondere 
bei  Appendizitis.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  der  Universität 
München.)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  17  u.  IS. 


9.  Dezember  1902. 


MIXEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2039 


Auch  er  fand  indes  Fälle,  bei  denen  die  Leukocyten  nur  ganz 
unbedeutend  vermehrt  waren  und  die  Operation  dennoch  einen 
Abszess  ergab.  Er  kommt  daher  ebenfalls  zu  dem  Schluss,  dass 
ein  negativer  Befund  nicht  gegen  eine  Eiterung  spricht. 

Als  ordinierender  Arzt  der  äusseren  Station  des  Garnisons¬ 
lazaretts  Strassburg  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,  im  ganzen 
29  Fälle  von  Appendizitis  zu  beobachten.  Dieselben  lagen  theil- 
weise  auf  den  inneren  Abteilungen,  woselbst  mit  der  Zählung  so¬ 
fort  nach  der  Einlieferung  begonnen  wurde,  sie  wurden  dann  später 
zu  meiner  Abteilung  verlegt,  wo  die  Zahlung  besonders  durch  Herrn 
Oberarzt  Goetz  und  Karnstein  fortgesetzt  wurde.  Da  von  diesen 
Fällen  15  zur  Operation  kamen,  so  konnte  in  50  Proz.  der  Fälle 
die  Richtigkeit  der  Beobachtungen  an  der  Hand  des  Operations¬ 
befundes  geprüft  werden.  Die  Fälle  haben  auch,  soweit  sie 
chronische  sind,  Interesse,  als  der  ganze  Verlauf  der  Krankheit 
mit  allen  Rückfällen  bis  zur  schliesslichen  Operation  beobachtet 
werden  konnte. 

Die  Technik  der  Untersuchung  ist  eine  einfache.  Zählungen 
wurden  mit  dem  Thoma-Zeiss  sehen  Blutkörperchenzähl¬ 
apparat  vorgenommen. 

Zu  beobachten  ist  nur,  dass  man  nicht  unmittelbar  nach 
grösseren  Mahlzeiten  zählt,  sondern  4 — 5  Stunden  nach  den¬ 
selben,  um  so  die  durch  Verdauung  bedingte  Leukocytose  auszu- 
schliessen. 

Versuche  über  den  Glykogengehalt  der  Leukocyten  wurden 
bisher  nicht  angestellt. 

Die  Fälle  lassen  sich  ihrem  Charakter  nach  in  3  verschie¬ 
dene  Gruppen  einteilen: 

1.  Solche,  bei  denen  den  klinischen  Symptomen  nach  eine 
reine  Appendizitis  ohne  ein  physikalisch  nachweisbares  Exsudat 
angenommen  wurde; 

2.  solche,  bei  denen  eine  Dämpfung  bestand,  deren  Be¬ 
deutung  klinisch  nicht  ohne  weiteres  festzustellen  war; 

3.  endlich  die  eitrigen  Peritonitiden. 

I.  Gruppe. 

Hierhin  gehören  im  ganzen  11  Fälle,  von  denen  schliesslich 
3  zur  Operation  kamen,  und  zwar  deshalb,  weil  die  Patienten  nie 
ganz  beschwerdefrei  waren,  vielmehr  bei  der  geringsten  körper¬ 
lichen  Anstrengung  einen  erneuten  Nachschub  der  Entzündung 
bekamen.  Die  Patienten  sind  nach  der  Operation  mit  festgeheilter 
Narbe  entlassen  worden,  wurden  indes  aus  Vorsicht  als  dienst¬ 
unbrauchbar  eingegeben,  da  ja  erfahrungsgemäss  die  Dehnung 
einer  solchen  Narbe  auch  noch  nach  längerer  Zeit  eintreten  kann. 

1.  Der  Kan.  W.  erkrankte  angeblich  infolge  von  Erkältung 
beim  Pferdeputzen  am  26.  V.  mit  heftigen  Schmerzen  in  der  Blind¬ 
darmgegend.  1.  Anfall.  Bei  der  Aufnahme  am  27.  V.  fand  sich 
bei  leicht  aufgetriebenem  Leibe  eine  Resistenz  und  Schmerzhaftig¬ 
keit  in  der  Appendixgegend.  Stuhl  war  ganz  angehalten,  Winde 
gingen  ab.  Temperatur  38,4,  Puls  90.  Die  Temperatur  fiel  sofort 
ab,  die  Resistenz  und  Schmerzhaftigkeit  liessen  allmählich  nach, 
so  dass  Pat.  nach  63  Tagen  geheilt  entlassen  werden  konnte. 

Die  Zahl  der  Blutkörper  war  am  3.  Tage  auf  10  800  gestiegen, 
fiel  dann  zur  Norm  ab. 

2.  Musk.  B.  zog  sich  beim  Turnen  am  3.  VI.  eine  leichte  Fuss- 
verstauchung  zu  und  fühlte  zugleich  einen  stechenden  Schmerz 
in  der  Blinddarmgegend.  (1.  Anfall.)  Bei  der  Aufnahme  bestand 
leichte  Resistenz  in  der  Blinddarmgegend  bei  Stuhlverstopfung. 
Temperatur  37,8,  Puls  76.  Die  Erscheinungen  gingen  sehr  schnell 
zurück,  so  dass  Patient  bereits  nach  3  Wochen  geheilt  entlassen 
wurde  und  bisher  gesund  blieb.  Keine  Vermehrung  der  Leuko- 
eyten. 

3.  Musk.  U.  hatte  in  seinem  17.  Lebensjahr  angeblich  1  An¬ 
fall.  Zum  2.  Mal  wurde  er  vom  19.  II. — 25.  III.  behandelt  und 
erkrankte  ohne  ihm  bekannte  Ursache  am  1.  IV.  02.  Bei  der 
Aufnahme  fand  sich  ein  wurstförmiger  Strang  in  der  Blinddarm¬ 
gegend  bei  leichter  Stuhlverstopfung.  Temperatur  anfangs  bis 
38°.  Bei  der  Entlassung  am  14.  IV.  war  in  der  Tiefe  ein  Strang 
zu  fühlen,  ohne  dass  indes  Beschwerden  bestanden.  Keine  Leuko¬ 
cytose. 

4.  Musk.  W.  erkrankte  angeblich  nach  einer  Erkältung  bei 
einer  Gebirgsübung  am  26.  VI.  mit  Schüttelfrost,  Erbrechen,  Stuhl¬ 
verstopfung  und  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  (1.  Anfall.) 
Bei  der  Aufnahme  am  29.  VI.  war  der  Leib  ziemlich  stark  auf¬ 
getrieben,  die  Gegend  des  Blinddarms  stark  schmerzhaft,  ohne 
dass  indes  eine  Dämpfung  nachzuweisen  war.  Der  Urin  war 
angehalten,  so  dass  katheterisiert  werden  musste.  Kein  Stuhlgang, 
kein  Erbrechen.  Temperatur  38  °,  Puls  100.  Schneller  Abfall  der 
Temperatur  und  Nachlass  der  peritonitischen  Erscheinungen. 
Eine  Dämpfung  war  auch  während  des  weiteren  Verlaufes  nicht 
nachzuweisen.  Nach  42  tägiger  Behandlung  beschwerdefrei  ent¬ 
lassen. 

Am  1.  Tag  betrug  die  Zahl  der  Leukocyten  18  000,  fiel  dann 

schnell  zur  Norm. 


5.  Kan.  S.  erkrankte  auf  dem  Schiessplatz  Hagenau  ohne 
bekannte  Ursache  am  29.  VII.  mit  Schmerzen  in  der  Blinddarm¬ 
gegend  bei  Resistenz  und  Stuhlverhaltung.  Keine  Dämpfung. 
Leichte  Temperatursteigerung.  Die  Beschwerden  liessen  bald 
nach. 

Während  des  leichten  Anfalles  bestand  keine  Leukocytose. 

6.  Husar  B.  erkrankte  am  26.  VII.  mit  Uebelkeit,  Schwindel 
und  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  Bei  der  Lazarettauf¬ 
nahme  am  28.  VII.  Resistenz  und  Schmerzhaftigkeit  in  der  Ileo- 
coekalgegend  ohne  Dämpfung.  Temperatur  38,3  °,  Puls  80.  Kein 
Stuhlgang.  Temperatur  fällt  schnell  ab.  Stuhl  erfolgt  auf  Oel- 
einlauf.  Geheilt  entlasesn.  Keine  Leukotcytose. 

7.  Militärgefangener  M.  wurde  am  6.  TX.  wegen  linksseitiger 
Hydrocele  funiculi  spermatici  operiert.  Als  er  nach  dieser  Opera¬ 
tion  entlassen  werden  sollte,  stellten  sich  Schmerzen  in  der  Blind¬ 
darmgegend  ein.  Der  Leib  war  nicht  aufgetrieben,  es  bestand 
keine  Dämpfung,  indes  Resistenz.  Leichte  Stuhlverstopfung. 
4  Tage  darauf  betrug  die  Temperatur  38,4  0  und  fiel  dann  wieder, 
nachdem  Stuhlgang  eingetreten  war.  Zur  Zeit  hat  Pat.  noch 
immer  Schmerzen  in  der  Tiefe  in  der  Blinddarmgegend.  Hier 
fühlt  man  auch  noch  geringe  Resistenz.  Der  Stuhlgang  ist  träge 
und  erfolgt  fast  nur  auf  Oeleinläufe.  Die  Temperatur  ist  Abends 
gelegentlich  37,9  °.  Die  Leukocyten  sind  nicht  vermehrt  ge¬ 
wesen. 

8.  Musk.  F.  erkrankte  Herbst  1901  an  Blinddarmentzündung 
und  jetzt  wiederum  am  17.  X.  mit  heftigen  Schmerzen  in  dieser 
Gegend.  Bei  der  Aufnahme  w’ar  der  Leib  ziemlich  aufgetrieben 
und  die  Ileocoekalgegend  ziemlich  druckempfindlich.  Keine 
Dämpfung.  Temperatur  38  °,  Puls  78.  Die  Beschwerden  liessen 
nach,  als  am  5.  Tage,  spontan  Stuhlentleerung  eintrat.  Höchste 
Zahl  der  Leukocyten  12  500. 

9.  Husar  Br.  erkrankte  am  27.  IV.  ohne  bekannte  Ursache  mit 
Stechen  in  der  Blinddarmgegend.  (1.  Anfall.)  Bei  der  Aufnahme 
war  der  Leib  leicht  aufgetrieben,  es  bestanden  Schmerzen  in  der 
Blinddarmgegend,  sowie  Stuhlverstopfung.  Temperatur  anfangs  nor¬ 
mal,  stieg  dann  gelegentlich  bis  37,9 0  und  zwar  stets  dann,  wenn 
die  Schmerzen  stärker  wurden  und  der  Stuhlgang  angehalten  war. 
Bei  Bettruhe  und  Oeleinläufen  schwanden  die  Beschwerden  sehr 
langsam.  Er  konnte  am  21.  VI.  geheilt  entlassen  werden.  Trotz¬ 
dem  er  bei  der  Truppe  nur  zu  leichtem  Dienst  herangezogen  wurde, 
verspürte  er  unausgesetzt  Schmerzen  und  klagte  über  Stuhlver¬ 
stopfung,  so  dass  er  sich  am  21.  VIII.  zur  Operation  auf  nehmen 
liess.  Es  bestand  Schmerzhaftigkeit  in  der  Blinddarmgegend  und 
Trägheit  des  Stuhles.  Pat.  sah  elend  und  mager  aus.  Die  Zahl 
der  weissen  Blutkörper  war  nicht  vermehrt.  Bei  der  Operation 
fand  sich  kein  Exsudat  oder  flächenartige  Verwachsungen.  Hin¬ 
gegen  war  die  Appendix  stark  verdickt  und  in  ihrem  periphersten 
Teil  strangförmig  verwachsen,  so  dass  sie  hier  gelöst  werden 
musste.  Ihre  Schleimhaut  war  verdickt  und  im  Innern  waren 
3  kleine  Kotsteine. 

10.  Musk.  B.  erkrankte  angeblich  nach  einer  Erkältung  am 
1.  II.  mit  Schmerzen  in  der  Blinddarm gegend  bei  Temperatur  von 
37.9  °.  sowie  Stuhlverstopfung.  Die  an  und  für  sich  geringen  Be¬ 
schwerden  verschwanden,  um  aber  bei  gewöhnlicher  Kost,  sowie 
bei  längerem  Aufstehen  sofort  wiederzukehren,  um  dann  den  Pat. 
an  jeder  freien  Bewegung  zu  verhindern.  Man  fühlte  eine  Resistenz, 
die  wechselnd  deutlich  war.  Keine  Leukocytose.  Pat.  verlangte 
schliesslich  selbst  die  Operation,  die  am  26.  IV.  stattfand. 

Die  12  cm  lange  Appendix  ist  stark  verdickt,  walzenförmig, 
nach  dem  Nabel  hin  ausgezogen  und  verwachsen.  Die  Schleim¬ 
haut  ist  aufgelockert,  man  sieht  zahlreiche  Blutungen.  Im 
Innern  2  kleine  Kotsteine.  Auch  nach  der  Operation,  dem  fieber¬ 
freien  Verlaufe  entsprechend,  keine  Leukocytose. 

11.  Musk.  H.  bot  dasselbe  Bild,  nur  dass  hier  die  Stuhlver¬ 
stopfung  so  hartnäckig  war,  dass  er  ohne  Abführmittel  tagelang 
keinen  Stuhl  hatte.  Jede  Untersuchung  löste  Temperatursteige¬ 
rungen,  in  einem  Falle  sogar  bis  38.6°  aus.  Keine  Leukocytose. 

Operationsbefund:  Die  8  cm  lange,  stark  verdickte  Appendix 
war  zusammengerollt  und  mit  der  Serosa  des  Kolon  flächenförmig 
verwachsen.  Serosa  war  stark  entzündet,  desgleichen  die  Schleim¬ 
haut  der  Appendix  und  letztere  mit  zahlreichen  Blutungen.  Im 
Innern  waren  2  Kotsteine,  sowie  eine  Narbe,  von  der  peripher  ein 
etwa  linsengrosses  Geschwür  lag. 

In  allen  diesen  Fällen  war  die  Zählung  der  weissen  Blut¬ 
körper  entweder  sofort  nach  der  Aufnahme  begonnen  worden 
oder  doch  bald  nachher  und  dann  weiter  in  Fällen  von  Ver¬ 
mehrung  täglich,  sonst  in  grösseren  Zwischenräumen.  Nur  in 
einem  Falle  (4)  war  ihre  Zahl  an  einem  Tage,  und  zwar  dem  3., 
auf  18  000  gestiegen.  Hier  hatte  auch  die  Erkrankung  ziemlich 
stürmisch  mit  starker  peritonitischer  Reizung  eingesetzt,  vor 
allem  auch  einer  nicht  unwesentlichen  Auftreibung  des  Leibes. 
Es  wäre  daher  wohl  möglich,  dass  hier  ein  kleines  Exsudat  vor¬ 
handen  war,  aber  schnell  resorbiert  wurde. 

Nötig  ist  dies  indes  nicht,  denn  auch  Curschmann  hat 
gerade  anfangs  ein  Ansteigen  beobachtet,  das  bedeutungslos  ist, 
wenn  die  Zahlen  bald  normal  werden.  Sonst  handelt  es  sich 
um  Fälle  reiner  Appendizitis,  die,  wie  dies  3  mal  durch  die 
Operation  bestätigt  wurde,  ganz  auf  die  Appendix  beschränkt 
geblieben  waren.  Die  Appendix  war  walzenförmig  stark  ver¬ 
dickt,  ihre  Schleimhaut  stark  aufgelockert,  mit  Hämorrhagien 
durchsetzt.  In  einem  Falle  eine  Narbe  mit  dahinterliegendem 

2* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 

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2040 


,.j  Linen  Geschwür.  Gegen  ein  früheres  Exsudat  sprach  stets, 
dass  die  Verwachsungen,  wenn  überhaupt  vorhanden,  keinesfalls 
derartig  waren,  dass  sie  zu  flächenförmigen  Adhäsionen  zwischen 
Kolon  und  Peritoneum  geführt  hatten. 

Auch  bei  den  nicht  operierten  Patienten  erscheint  es  mir 
unwahrscheinlich,  dass  der  Entzündungsprozess  wesentlich  über 
die  Appendix  hinausgegangen  ist,  denn,  abgesehen  davon,  dass 
nie  eine  Dämpfung  nachzuweisen  war,  konnten  die  Soldaten 
ohne,  jede  Beschwerden  und  nachweisbare  Resistenz  geheilt  ent¬ 
lassen  werden  und  sind  noch  heute  im  Dienst. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Fällen  war  bei  der  II.  Gruppe  von 
Erkrankungen  stets  eine  Dämpfung  nachzuweisen.  Es  war  dem¬ 
nach  hier  der  Prozess  nicht  auf  die  Appendix  beschränkt  ge¬ 
blieben,  sondern  hatte  weitere  Teile  mitergriffen.  Auszunehmen 
hiervon  sind  die  Dämpfungen,  welche  durch  reine  Koprostase 
im  Coekum  verursacht  werden. 

Als  solche  betrachte  ich  Fall  1,  2,  3. 

1.  Musk.  W.  erkrankte  ohne  bekannte  Ursache  am  4.  V.  mit 
Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  Im  Lazarett  fand  sich  eine 
3  cm  grosse  Dämpfung  bei  Temperatur  von  38,2 0  und  einem  Pulse 
von  78.  Stuhlverhaltung.  Die  Dämpfung  verschwand.  Pat.  wurde 
am  13.  VII.  geheilt  entlassen. 

Höchste  Leukocytenzahl  9000. 

2.  Musk.  G.  erkrankte  am  24.  V.,  angeblich  nach  einer  Er¬ 
kältung,  mit  krampfartigen  Leibschmerzen,  Ertwechen  und  starker 
Stuhlverstopfung.  Bei  der  Aufnahme  war  der  Leib  ziemlich  weich, 
in  der  Ileocoekalgegend  handtellergrosse  Dämpfung.  Die  Tem¬ 
peratur  ging  bis  38  °.  Das  Erbrechen  hörte  bald  nach  der  Auf¬ 
nahme  auf.  Am  2.  Tage  erfolgte  auf  Oeleinlauf  Stuhlgang.  Die 
Dämpfung  verschwand.  Am  19.  VII.  geheilt  entlassen.  Kein 
Rückfall.  Keine  Leukocytose. 

3.  Musk.  II.  erkrankte  ohne  bekannte  Ursache  mit  Aufstossen, 
einmaligem  Erbrechen,  sowie  Schmerzen  in  der  Appendixgegend. 
Temperatur  38,4°,  Puls  80.  Handbreite  Dämpfung  oberhalb  des 
P  o  u  p  a  r  t  sehen  Bandes.  Stark  angehaltener  Stuhl.  Durch  Oel¬ 
einlauf  erfolgt  Stuhl  am  3.  Tage.  Beschwerden  hören  auf,  Däm¬ 
pfung  geht  zurück.  Am  12.  IV.  geheilt  entlassen.  Keine  Leuko¬ 
cytose. 

Hier  hatte  die  Erkrankung  eingesetzt  mit  Stuhlverstopfung 
und  einer  nachweisbaren  Dämpfung,  ohne  bedeutende  Tem¬ 
peratursteigerungen.  Mit  reichlichen  Stuhlentleerungen  ver¬ 
schwand  sogleich  die  Dämpfung;  es  sank  die  Temperatur  und  die 
Entzündungsschmerzen,  welche  am  längsten  anhielten,  hörten 
schliesslich  ganz  auf,  so  dass  die  Pat.  entlassen  sind  und  bisher 
gesund  blieben.  Die  klinische  Annahme,  dass  es  sich  hier  um 
Koprostasen  handelte,  und  keinesfalls  um  Abszesse,  wurde  durch 
die  Blutuntersuchungen  bestätigt,  denn  die  Zahl  der  Leukocyten 
überschritt  in  keinem  Fall  12  000.  Fraglich,  ob  es  sich  um  reine 
Koprostase  handelte,  konnte  es  im  folgenden  Fall  4  besonders  im 
Anfang  der  Behandlundg  erscheinen. 

4.  Fuss-Art.  Kr.  erkrankte  am  19.  III.  ohne  bekannte  Ursache 
mit  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend  und  Stuhl  Verstopfung. 
Bei  der  Aufnahme  apfelgrosser  Tumor  in  der  Ileocoekalgegend 
fühlbar,  über  welchem  deutliche  Dämpfung.  Kein  Stuhlgang. 
Leib  überall  stark  empfindlich,  indes  nicht  aufgetrieben.  Tem¬ 
peratur  38,4°,  Puls  100.  Pat.  hatte  draussen  gebrochen,  brach 
auch  im  Laufe  des  Tages  und  der  Nacht.  Am  2.  Tage  fieberfrei, 
es  tritt  Stuhlgang  ein,  Schmerzen  und  Erbrechen  lassen  nach.  Am 
18.  Tage  erneuter,  dem  ersten  ganz  gleicher  Anfall,  der  ebenfalls 
nach  Stuhlentleerung  bald  wieder  abklingt.  Am  10.  V.  geheilt 
entlassen. 

Die  Leukocyten  stiegen  am  4.  Tage  auf  12  000,  blieben  dann 
normal  auch  beim  2.  Anfall. 

Die  über  den  ganzen  Leib  verbreiteten  Schmerzen  mit  Er¬ 
brechen  und  Stuhlverstopf ungen  bei  einer  Temperatur  von  34,8  0 
und  Puls  von  100,  Hessen  es  nicht  unwahrscheinlich  erscheinen, 
dass  es  sich  um  einen  Abszess  handelte.  Das  Verhalten  der 
Leukocyten  sprach  dagegen. 

Die  Schnelligkeit,  mit  welcher  alle  Erscheinungen  verschwin¬ 
den  und  die  Dämpfung  aufhört,  beweist,  dass  es  sich  zum 
mindesten  nicht  um  einen  Abszess  handelte. 

Verschwindet  die  Dämpfung  nicht  in  den  ersten  Tagen, 
nimmt  vielmehr  an  Intensität  oder  Umfang  zu,  so  kann  dieselbe 
durch  3  verschiedene  Momente  bedingt  werden :  ein  ausgedehntes 
seröses  Exsudat,  einen  Abszess  und  endlich  durch  Schwarten¬ 
bildung.  Wer  kein  Anhänger  der  Frühoperation  ist,  wird  in 
diesen  Fällen  die  Operation  wenn  möglich  hinauszögern,  um  im 
freien  Intervall  nach  Abklingen  der  akuten  Entzündungserschei¬ 
nungen  zu  operieren,  und  nur  bei  einem  nachgewiesenen  Abszess 
eingreifen.  Die  Diagnose  „Abszess“  ist  indes  in  vielen  Fällen 
nicht  einfach  und  doch  um  so  wichtiger,  weil  ein  zu  langes 
llinauszögem  der  Operation  verhängnisvoll  werden  kann.  In 
jl  derartigen  Fällen  wurden  von  mir  die  Leukocyten  gezählt. 


1.  Musk.  S.  erkrankte  am  11.  IX.  02  mit  Schmerzen  in  der 
Blinddarmgegend,  die  besonders  beim  Gehen  sehr  heftig  waren. 
Bei  der  Lazarettaufnahme  war  der  Leib  überall  stark  aufgetrieben. 
Dämpfung  von  3  Querfingerbreite  in  der  Ileocoekalgegend.  Kein 
Erbrechen,  kein  Aufstossen.  Temperatur  38,2  °.  Dieselbe  fiel  zu¬ 
nächst  zwar  Morgens,  war  aber  Abends  38,5 — 38,4  °.  Am  5.  Tage 
nahmen  die  Beschwerden  Abends  -wesentlich  zu,  der  Leib  war 
stärker  aufgetrieben,  kein  Stuhlgang,  indes  Winde.  Temperatur 
39°.  Dann  fiel  die  Temperatur  plötzlich  ab,  ohne  dass  indes  eine 
Perforation  eines  Abszesses  nachzuweisen  gewesen  wäre.  Pat. 
ist  jetzt  beschwerdefrei.  Die  Leukocyten  waren  nur  einmal  auf 
11  500  gestiegen. 

2.  Kan.  M.  erkrankte  im  Manöver  mit  Durchfall,  häufigem  Er¬ 
brechen  und  Benommenheit,  meldete  sich  jedoch  erst  am  3.  X. 
krank.  Der  Leib  war  besonders  in  der  unteren  Bauchgegend 
stärker  auf  getrieben.  In  der  Blinddarmgegend  Resistenz,  Schmerz¬ 
haftigkeit,  zunächst  ohne  Dämpfung. 

in  den  nächsten  5  Tagen  nahmen  die  Beschwerden  zu,  des¬ 
gleichen  wurde  die  Resistenz  stärker  und  die  Temperatur  stieg 
langsam  an.  Am  6.  Tage  Temperatur  38,7  °;  es  ist  jetzt  eine  deut¬ 
liche  Dämpfung  in  der  Ileocoekalgegend.  Durchfälle  halten  au. 
Keine  Peritonealreizung.  Im  weiteren  Verlauf  war  die  Temperatur 
Abends  38°  und  gelegentlich  darüber,  Morgens  normal.  Eine  Zu¬ 
nahme  der  Beschwerden  oder  Wachsen  der  Dämpfung  war  nicht 
festzustellen.  Zur  Zeit  ist  dieselbe  verschwunden,  es  besteht  nur 
noch  bei  Druck  in  der  Tiefe  Schmerzhaftigkeit,  man  fühlt  hier, 
deutlich  Resistenz. 

Die  Leukocyten  waren  während  der  Zeit  der  Temperatursteige¬ 
rungen  einmal  auf  18  000  gestiegen,  fielen  dann  auf  12  000,  sind 
jetzt  normal. 

3.  Fuss-Art.  H.  wurde  im  Zivil  einmal  8  Wochen  wegen  Blind¬ 
darmentzündung  behandelt.  Er  erkrankte  am  6.  VI.  mit  Schmerzen 
ohne  Erbrechen.  Bei  der  Aufnahme  fand  sich  oberhalb  des 
Poupart  sehen  Bandes  eine  3  querfingerbreite  Dämpfung  bei 
Temperatur  von  38,3°,  Puls  90.  Reizerscheinungen  vom  Peri¬ 
toneum  fehlten.  Erscheinungen  gingen  zunächst  zurück.  Am, 
13.  VI.  trat  erneute  Fiebersteigerung  ein,  desgleichen  wurde  die 
Dämpfung  intensiver.  Am  14.  VI.  war  die  Temperatur  38,4 ft, 
fiel  dann  ab. 

Die  Leukocyten  waren  zunächst  am  9.  VI.  auf  17  600  gestiegen, 
fielen  ab,  um  mit  der  erneuten  Temperatursteigerung  am  14.  VI. 
auf  18  000  zu  steigen;  dieselben  waren  am  20.  VI.  normal. 

Am  26.  VII.  wurde  Pat.  geheilt  entlassen,  meldete  sich  indes 
bereit  am  6.  VIII.  wieder  krank.  Die  Dämpfung  war  wieder  deut¬ 
licher.  Temperatur  37,9  °,  desgleichen  bestanden  stärkere  Schmer¬ 
zen.  Keine  Leukocytose.  Bis  zum  13.  VIII.  waren  die  Schmerzen 
verschwunden,  hingegen  blieb  oberhalb  des  Poupart  sehen 
Bandes  deutliche  Resistenz  bestehen.  Es  wurde  zur  Operation 
im  freien  Intervall  geschritten. 

Appendix  war  in  dicke  Sclrwarten  gebettet,  die  zugleich  mit 
dem  Kolon  und  Peritoneum  fest  verwachsen,  so  dass  dieses  mit 
dem  Peritoneum  fest  verlötet  war.  Beim  Lösen  reisst  die  Serosa 
des  Kolon  ein  und  wird  übernäht.  Die  Appendix  ist  stark  verdickt. 
Im  peripheren  Teil  Kotstein.  Wund  verlauf  normal.  Geheilt  ent¬ 
lassen. 

4.  Musketier  N.  erkrankte  angeblich  nach  reichlichem  Genuss 
von  Kommissbrot  am  1.  VI.  mit  Brechreiz  und  Schmerzen  in  der 
Blinddarmgegend,  sowie  Stuhlverstopfung.  Bei  der  Aufnahme 
3  cm  grosse  Dämpfung.  Temp.  38,7°.  Puls  76. 

Die  Dämpfung  geht  zurück,  bei  schnellem  Abfall  der  Tem¬ 
peratur.  Am  25.  VI.  geheilt  entlassen.  Bereits  am  nächsten  Tage 
heftiger  Schmerzanfall,  als  er  auf  der  Kammer  arbeitete.  Es  be¬ 
stand  fünfmarkstückgrosse  Dämpfung,  sowie  Resistenz  2  Quer¬ 
finger  breit  nach  innen  und  zugleich  nach  unten  vom  Nabel.  Stuhl¬ 
verstopfung.  Temperatur  normal.  Erscheinungen  gehen  zurück. 
Am  7.  VII.  völlig  beschwerdefrei,  am  8.  VIII.  geheilt  entlassen. 
Am  25.  VIII.  3.  Anfall,  bei  dem  lediglich  Schmerzhaftigkeit  und 
Resistenz  vorhanden. 

Da  bei  Druck  in  der  Tiefe  Schmerzen  bestehen  bleiben,  am 
15.  IX.  1902  Operation  im  freien  Intervall. 

Die  walzenförmige  Appendix  ist  6  cm  lang,  stark  gerötet  und 
entzündet.  Dicht  hinter  ihrem  zentralen  Abgang  sieht  man  eine 
Einschnürung,  hinter  welcher  eine  cystenartige  Erweiterung 
kommt,  die  nach  dem  Ende  zu  sich  spitz  verjüngt.  Aufgeschnitten 
ist  die  Einschnürung  eine  undurchlässige  Narbe,  hinter  der  sich 
aus  der  sackförmigen  Erweiterung  Schleim  entleert.  Die  Schleim¬ 
haut  ist  stark  verdickt,  im  letzten  Teile  verödet,  so  dass  hier  nur 
Bindegewebe  vorhanden. 

Während  der  Erkrankung  und  nach  der  Operation  keine 
Leukocytose. 

5.  Jäger  zu  Pferde  M.  erkrankte  angeblich  nach  reichlichem 
Genuss  weisser  Bohnen  am  12.  II.  mit  Schmerzen  in  der  Blind¬ 
darmgegend.  Wurde  bis  21.  III.  im  Garnisonslazarett  Bitseh  be¬ 
handelt,  kam  dann  in  das  Genesungsheim  Rothau  und  von  dort, 
da  er  andauernd  über  Schmerzen  klagte,  nach  Strassburg.  Bei 
der  Aufnahme  fand  sich  bei  leicht,  aufgetriebenem  Leib  eine 
handtellergrosse  Dämpfung.  Kein  Erbrechen,  geringe  Stuhlver¬ 
stopfung.  Die  Dämpfung  nahm  zunächst  noch  zu,  ohne  dass  indes 
Temperatursteigerung  eintrat.  Dieselbe  war  am  5.  V.  ver¬ 
schwunden.  Am  7.  V.  Operation  im  freien  Intervall.  Die  Faszie, 
sowie  das  Peritoneum  schwartig  verdickt  und  mit  dem  Kolon  in 
der  Gegend  der  B  a  u  li  i  n  i  sehen  Klappe  flächenförmig  ver¬ 
wachsen.  ln  diesen  Schwarten  liegt  die  stark  verdickte  Appendix, 
deren  Entwicklung  sehr  schwer  ist,  indes  gelingt. 

Die  Leukocyten  waren  in  diesem  Falle  2  mal  vermehrt.  Im 
Anfang  erreichten  dieselben  am  10.  V.  11  600  und  am  4.  Tage  nach 


9.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2041 


der  Operation  14  000.  An  diesem  Tage  war  die  Temperatur  auf 
38,4°  gestiegen,  ohne  dass  an  der  Wunde  eine  Infektion  nach¬ 
weisbar.  Pat.  ist  geheilt  entlassen. 

6.  Musketier  P.  verspürte  angeblich  nach  längerem  Liegen 
auf  dem  Bauche  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend  mit  Stuhlver¬ 
stopfung.  Er  wurde  zunächst  am  14.  III.  in  das  Krankenhaus 
Mutzig  aufgenommen  und  hier  wurde  bei  Temperatur  von  39 0 
eine  Dämpfung  festgestellt,  die  bis  zur  Operation  anhielt.  Es  be¬ 
stand  zugleich  bei  der  Aufnahme  starke  Unruhe  und  Schmerz¬ 
haftigkeit.  Die  Beschwerden  liessen  nach,  Pat.  wurde  am  9.  IV, 
nach  Strassburg  verlegt  zur  eventuellen  Operation.  Während  Pat. 
hier  anfangs  fieberfrei  war,  auch  fast  ohne  jede  Beschwerden,  stieg 
die  Temperatur  am  12.  IV.  plötzlich  steil  an  und  war  am  Abend 
des  13.  IV.  40°  bei  112  Pulsen.  Zugleich  trat  Erbrechen  auf,  das 
Gesicht  war  cyanotisch. 

An  Stelle  der  gedämpften  Partie  war  das  Peritoneum 
schwartig  verdickt  und  die  Appendix  in  ihrem  zentralen  Teil  mit 
diesen  Schwarten  fest  verwachsen,  während  ihr  peripherer  Teil 
frei  und  beweglich  war.  Die  Appendix  selbst  stark  verdickt,  fühlte 
sich  hart  und  derb  an.  An  ihrer  Spitze  waren  2  stecknadelkopf¬ 
grosse  Löcher,  in  denen  man  das  rauhe  Ende  eines  Kotsteins  fühlte. 
Nach  der  Operation  fiel  das  Fieber  schnell  ab.  Pat.  ist  geheilt. 

Höchste  Leukocytenzahl  am  10.  14  600,  am  11.  11 700,  am 
12.  15  600.  Nach  der  Operation  keine  Leukoeytose. 

7.  Kanonier  W.  erkrankte  am  11.  II.  1902  mit  Schmerzen  in 
der  Blinddarmgegend  und  leichter  Uebelkeit.  Bei  der  Aufnahme 
an  demselben  Tage  war  der  Leib  leicht  aufgetrieben  und  ober¬ 
halb  des  Poupart  sehen  Bandes  eine  handtellergrosse  Dämpf¬ 
ung.  Kein  Erbrechen,  keine  Stuhlverhaltung,  Temperatur  39,6". 
Die  Temperatur  fiel  langsam,  blieb  indes  ohne  wesentliche  Schwan¬ 
kungen  zwischen  Morgen  und  Abend  auf  38°.  Da  ausserdem  die 
Dämpfung  zunahm,  so  wurde  Pat.  am  16.  II.  auf  die  äussere 
Station  verlegt.  Da  jede  peritonitische  Reizung  fehlte,  so  lag  für 
mich  kein  Grund  vor,  sofort  einzugreifen,  sondern  ich  wmllte  zu¬ 
nächst  einige  Tage  beobachten.  Mitbestimmend  war  hierzu  für 
mich  auch  das  Verhalten  der  Leukocyten. 

Die  Zahl  hatte  bisher  erst  einmal,  und  zwar  am  16.  II. 
20  000  erreicht,  fiel  dann  in  den  nächsten  Tagen  gleichzeitig  mit 
der  Temperatur  ständig:  17.  19  000  (38,1  °),  18.  17  000  (37,8'’), 
19.  16  000  (37,5  °),  20.  12  000  (37  °).  Sie  war  von  da  ab  ebenso  wie 
die  Temperatur  normal.  Pat.  wurde  am  15.  III.  geheilt  entlassen. 

Bei  der  Entlassung  weder  Resistenz  noch  Dämpfung.  Pat. 
war  von  da  ab  nie  ganz  beschwerdefrei,  meldete  sich  indes  erst 
am  2.  IX.  wieder  krank,  da  seine  Beschwerden  an  Intensität  zu¬ 
genommen  hatten. 

Bei  der  Aufnahme  war  in  der  Blinddarmgegend  eine  kleine, 
apfelgrosse  Geschwulst  zu  fühlen,  über  welcher  der  Schall  stark 
verkürzt  war.  In  der  Nacht  trat  2  mal  Erbrechen  auf.  Temperatur 
nicht  gesteigert.  Keine  Leukoeytose.  Die  Dämpfung  war  am 
19.  IX.  verschwunden.  Beschwerden  liessen  nach.  In  der  Tiefe 
fühlte  man  andauernd  einen  harten  Strang.  Operation  im  freien 
Intervall  am  29.  IX.  Das  Coekum  ist  hinten  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung  fest  verwachsen. 

Die  Appendix  ist  in  dicke  Schwarten  eingebettet.  Bei  dem 
Versuch,  dieselbe  zu  lösen,  reisst  sie  ein  und  ein  1  y2  cm  langer 
Kotstein  tritt  aus.  Die  Wunde  wird  daher  breit  tamponiert  und 
die  Bauchhöhle  nur  im  oberen  Teile  geschlossen.  Verlauf  fieber¬ 
frei.  Die  Wunde  ist  jetzt  ohne  Fistel  geheilt. 

8.  Kanonier  L.  erkrankte  am  17.  II.  mit  Schüttelfrost  und 
Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend,  ohne  sich  indes  krank  zu 
melden.  Erst  als  am  18.  II.  noch  Erbrechen  eintrat,  erfolgte 
Lazarettaufnahme.  Leib  war  nicht  aufgetrieben,  indes  bei  Be¬ 
rührung  schmerzhaft,  besonders  in  der  Blinddarmgegend.  Hier 
handtellergrosse  Dämpfung.  Kein  Stuhlgang.  Kein  Erbrechen, 
Winde  gehen  ab.  Temperatur  39,1  °,  Puls  kräftig,  102.  Temperatur 
fällt  in  den  nächsten  Tagen  ab,  ist  am  3.  Morgens  37,5  °. 
Dämpfung  unverändert.  Stuhlgang  erfolgt  auf  Oeleinlauf.  Am 
4.  Tag  Temperaturanstieg,  stärkere  Schmerzen.  5.  Tag  Ver¬ 
schlechterung  des  Allgemeinzustandes,  leichte  Gyanose,  Atmung 
oberflächlich,  Puls  stark  beschleunigt.  Druckempflndlichkeit  stark 
zugenommen.  Temperatur  39,2  °. 

Die  Operation  ergibt  Abszess  an  der  Hinterfläche  des  Kolon. 
Temperatur  fällt  nach  der  Operation,  ist  Abends  aber  noch  38°, 
am  9.  Tage  39  °.  Beim  Verbandwechsel  sichtbare  Retention.  Nach 
Entleerung  des  Eiters  fällt  die  Temperatur  aber  erst  allmählich. 
Patient  ist  mit  fester  Narbe  dienstunfähig  entlassen.  Das  Ver¬ 
halten  der  Leukocyten  war  folgendes: 

Vor  der  Operation  2  Tage  26  000,  schwankt  dann  zwischen 
16  000  und  14  000,  am  Abend,  nach  der  Operation  12  000.  Es  tritt 
noch  eine  Steigerung  auf  20  000  ein,  2  Tage  bevor  die  Temperatur 
abermals  ansteigt  und  beim  Verbandwechsel  eine  Retention  ge¬ 
funden  wird. 

9.  Abts.  3/138  verspürte  plötzlich  beim  Tragen  schwerer 
Wassereimer  am  20.  IV.  einen  stechenden  Schmerz  in  der  Blind¬ 
darmgegend,  der  am  Nachmittag  so  heftig  wurde,  dass  er  sich 
krank  meldete.  Die  Erscheinungen  waren  anfangs  nicht  sehr 
stürmisch.  Es  bestand  bei  einer  Temperatur  von  37,9  0  eine  klein¬ 
apfelgrosse  Resistenz  in  der  Blinddarmgegend  und  zugleich 
Dämpfung  in  diesem  Bezirk.  Am  28.  IV.  stieg  die  Temperatur 
bis  auf  3S,8°  und  zugleich  trat  eine  starke  Vermehrung  der  weissen 
Blutkörper  auf;  beides,  Temperatur  und  Blutkörperzahl,  fielen, 
um  am  30.  bis  39 0  zu  steigen  bei  25  000  Blutkörpern.  Am  Morgen 
des  1.  V.  war  die  Temperatur  3S,8  °.  Pat.  hatte  in  der  Nacht 
2  Schüttelfröste  gehabt,  das  Gesicht  war  leicht  cyanotisch;  Puls 
stark  beschleunigt.  Die  Dämpfung  hatte  an  Intensität,  besonders 
auch  nach  hinten  zugenommen.  Die  Operation  ergab  einen  Abszess, 

No.  49. 


der  hauptsächlich  auf  der  Darmbeinschaufel  lag.  Die  Appendix 
wurde  nicht  gesucht.  Geheilt  entlassen. 

Nach  der  Operation  fiel  die  Zahl  der  weissen  Blutkörper  zur 
Norm. 

10.  P.  b.  Feldartl.  15  verspürte  bereits  anfangs  April  Schmer¬ 
zen  unter  dem  rechten  Rippenbogen  und  von  da  ausstrahlend  zur 
Blinddarmgegend,  angeblich,  nachdem  er  ein  bockendes  Pferd 
geritten.  Er  meldete  sich  nicht  krank,  hatte  in  der  Folgezeit  noch 
häufig  derartige  Schmerzanfälle,  die  sich  immer  mehr  zur  Blind¬ 
darmgegend  hinzogen.  Am  5.  V.  bekam  er  hohes  Fieber  (40,1°) 
und  wurde  in  das  Lazarett  Saarburg  aufgenommen.  Hier  war 
zunächst  ausser  ständig  hohen  Temperaturen,  die  schliesslich  mit 
grossen,  morgendlichen  Remissionen  einhergingen,  objektiv  wenig 
nachzuweisen.  Insonderheit  fand  sich  keine  Dämpfung  in  der 
Blinddarmgegend.  Eine  Blutkörperzählung  konnte  nicht  vor¬ 
genommen  werden.  Patient  verfiel  sichtlich.  Die  andauernden 
Schmerzen  unter  dem  rechten  Rippenbogen  und  von  dort  nach 
hinten  zur  Nierengegend  bei  septischer  Fieberkurve,  Schüttel¬ 
frost  und  sichtbarem  Verfall  der  Körperkräfte  legten  die  Diagnose 
„subphrenischer  Abszess“  nahe. 

Ich  legte  mit  dem  zur  Nierenexstirpation  angegebenen  Schnitt 
die  hintere  Fläche  des  Peritoneums  frei  und  fand  einen  grossen 
Abszess  zwischen  der  hinteren  Leberwand  und  dem  Rippenbogen. 
Die  Temperatur  fiel  noch  nicht  gleich  ab,  stieg  vielmehr  in  der 
ersten  Zeit  noch  bis  39,4  °.  Am  29.  VI.  war  Pat.  völlig  entfiebert 
und  wurde  am  5.  VIII.  geheilt  entlassen.  Wenn  nun  auch  vor 
der  Operation  keine  Blutkörperzählung  vorgenommen  werden 
konnte,  so  führe  ich  den  Fall  deshalb  an,  weil  charakteristischer¬ 
weise  die  Leukocytenzahl,  solange  das  Fieber  nach  der  Operation 
anhielt,  auch  hoch  bis  18  000  vermehrt  war  und  erst  fiel,  als  die 
Temperatur  fiel. 

In  allen  diesen  Fällen,  in  denen  klinisch  die  Möglichkeit 
eines  Abszesses  vorlag,  war  die  Blutuntersuchung  für  mich  von 
grossem  Werte  und  wiederholt  für  die  Indikationsstellung  der 
Operation  ausschlaggebend.  Betrachtet  man  nun  zunächst  die 
6  Fälle,  in  denen  ich  mich  abwartend  verhielt,  so  hatten  4  und  5 
von  ihnen  mit  nicht  unerheblichen  Reizerscheinungen  von  seiten 
des  Peritoneums  eingesetzt.  Die  Temperatur  war  erhöht.  Die 
Dämpfung  konnte  daher  sehr  wohl  einem  Abszess  entsprechen. 
Die  Blutkörperzahl  sprach  indes  dagegen.  Der  Fall  7  hatte 
mit  Temperaturen  von  39,5  eingesetzt,  eine  Temperatur,  die 
einen  Abszess  durchaus  wahrscheinlich  erscheinen  liess.  Da¬ 
gegen  sprach  auch  hier  die  Zahl  der  Leukocyten,  die  nur  1  mal 
20  000  erreichte.  Ich  operierte  daher  zunächst  nicht.  Freilich 
liessen  in  allen  Fällen  die  bedrohlichen  Erscheinungen  sehr  bald 
nach. 

Wenn  ich  mich  später  trotzdem  zu  einem  Eingriff  entschloss, 
so  lag  der  Grund  hierfür  lediglich  in  der  Tatsache,  dass  die 
Patienten  fortgesetzt  Schmerzen  hatten  und  in  ihrer  Darm¬ 
funktion  beeinträchtigt  waren.  Der  Operationsbefund  zeigte, 
dass  es  sich  im  wesentlichen  um  Schwartenbildung  handelte, 
ohne  dass  indes  ein  Anhaltspunkt  für  eine  vorhergegangene 
Eiterung  zu  finden  war. 

Nicht  immer  ist  indes  der  Verlauf  ein  so  günstiger,  dass  die 
Erscheinungen  in  ihrer  Intensität  schnell  nachlassen  und  dass 
so  die  Diagnose  sofort  geklärt  wird,  sondern  häufig  tritt  ein 
längeres  Schwanken  der  Symptome  ein  und  dann  nach  schein¬ 
baren  Remissionen  eine  plötzliche  Verschlimmening,  oft  so 
schnell  und  bedeutend,  dass  die  Operation  zu  spät  kommt.  Hier 
hat  mir  die  Zählung  der  Blutkörper,  wie  dies  Fall  2  und  be¬ 
sonders  Fall  1  zeigt,  gute  Dienste  geleistet.  In  Fall  2  hatte  die 
Krankheit  mit  starkem  Erbrechen  und  Benommenheit  eingesetzt. 
Der  Leib  war  aufgetrieben  und  es  entstand  während  der  Be¬ 
obachtung  eine  Dämpfung,  die  an  Intensität  stärker  wurde. 
Hierzu  kam,  dass  die  Temperatur  anfangs  nicht  Idar  abfiel,  viel¬ 
mehr  starken  Schwankungen  ausgesetzt  war.  Das  Fehlen  der 
Leukoeytose  war  hier  fast  das  einzige  Symptom,  das  gegen  einen 
Abszess  sprach. 

In  Fall  1  bestand  bei  auf  getriebenem  Leib  eine  Dämpfung. 
Die  erhöhte  Temperatur  fiel  anfangs  zwar  Morgens,  stieg  indes 
Abends  langsam  und  war  am  5.  Tage  39  °.  Da  hier  zugleich 
Aufstossen  eintrat,  Druckempfindlichkeit  und  Auftreibung  des 
Leibes  Zunahmen,  hätte  ich  fraglos  eingegriffen,  wenn  das  Ver¬ 
halten  der  Leukocyten  mich  nicht  davon  abgehälten  hätte.  Der 
weitere  Verlauf  hat  bewiesen,  dass  dies  Verhalten  das  richtige 
war. 

Nur  in  einem  Falle  (7)  wäre  dies  Verhalten  der  Leukocyten, 
das  mich  zum  Warten  bestimmte,  beinahe  verhängnisvoll  ge¬ 
worden. 

Der  Fall,  der  zunächst  ausserhalb  beobachtet  war,  setzte  von 
vornherein  mit  schweren  Erscheinungen  ein.  Es  bestand  neben 
der  Schmerzhaftigkeit  starke  Unruhe  bei  Temperatur  von  39  °. 

3 


2042 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


.Line  Dämpfung  wurde  gleich  gefunden,  die  Erscheinungen 
liessen  indes  schnell  nach,  so  dass  Pat.  nach  Strassburg  verlegt 
wurde.  Hier  war  der  Verlauf  anfangs  milde,  bis  sich  die 
Erscheinungen  am  27.  Tage  unerwartet  steigerten.  Die  Tem¬ 
peratur  war  am  28.  Tage  40°,  Puls  112.  Aufstossen  mit  Er¬ 
brechen.  Gesicht  cyanotisch.  Die  Leukoeyten  waren  nicht  ver¬ 
mehrt.  Trotzdem  musste  ich  bei  der  plötzlichen  Verschlech¬ 
terung  operieren.  Ich  erwartete,  bei  der  Dämpfung  einen 
Abszess  zu  finden.  Tatsächlich  war  dieselbe  durch  Schwarten 
veranlasst.  Das  periphere  Ende  der  Appendix  lag  frei  in  der 
Bauchhöhle,  es  war  verdickt  und  in  seinem  Ende  2  stecknadel¬ 
knopfgrosse  Oeffnungen,  hinter  denen  man  den  in  Perforation 
begriffenen  Kotstein  fand.  Da  die  Appendix  am  peripheren 
Ende,  ohne  in  Schwarten  eingebettet  zu  sein,  frei  in  der  Bauch¬ 
höhle  lag,  hätte  die  Perforation,  die  jeden  Augenblick  erfolgen 
konnte  und  deren  Beginn  sich  bereits  deutlich  dokumentierte, 
unbedingt  zur  allgemeinen  Peritonitis  geführt.  Der  Fall  be¬ 
weist,  dass  die  Leukocytose  ein  absolut  sicheres  Kriterium  zur 
Operation  auch  nicht  ist,  sondern  dass  dieselbe  in  ihrer  Be¬ 
deutung  gegen  die  sonst  vorhandenen  Symptome  abgeschätzt 
werden  muss. 

Bei  den  3  Fällen,  bei  denen  klinisch  die  Diagnose  „zirkum¬ 
skripter  Abszess“  gestellt  wurde,  fand  ich  die  Curschmann- 
sehen  Angaben  bestätigt.  Die  Leukoeyten  hatten  25  000  er¬ 
reicht  oder  überschritten.  Freilich  sprachen  hier  alle  Erschei¬ 
nungen  so  deutlich  für  Abszess,  dass  die  Diagnose  auch  so  ge¬ 
sichert  war.  Hervorheben  möchte  ich  nur  Fall  2.  Hier  ist  aus 
äusseren  Gründen  mit  der  Blutkörperzählung  erst  nach  der  Ope¬ 
ration  begonnen  worden.  Trotzdem  war  die  Diagnose  „Abszess“ 
aus  den  klinischen  Symptomen  —  es  war  hier  vor  allem  die 
septische  Temperatur  und  der  Kräfteverfall  charakteristisch  — • 
richtig  gestellt,  sein  Sitz  indes  vor  der  Operation  nicht  bestimm¬ 
bar,  da  er  zwischen  hinterer  Leberwand  und  Zwerchfell  sass  und 
den  Leberrand  noch  nicht  überschritten  hatte.  Ich  war  daher 
gezwungen,  das  ganze  Peritoneum  in  Seitenlage  von  der  Wirbel¬ 
säule  an  bis  nach  vorn  freizulegen. 

Nach  der  Operation  zeigte  die  noch  länger  anhaltende  Leuko¬ 
cytose  den  ungenügenden  Abfluss  des  Eiters  an,  eine  Tatsache, 
die  sich  auch  ebenso  durch  die  Temperatur  bemerkbar  machte 
und  ihre  Erklärung  darin  fand,  dass  die  Abszesswand  zahlreiche 
Buchten  hatte.  In  ähnlicher  Weise  zeigte  in  Fall  8  Leukocytose 
Eiterretention  an.  Hier  waren  nach  der  Operation  Temperatur 
und  Leukoeyten  normal.  Am  7.  Tage  nach  derselben  stieg  zu¬ 
nächst  die  Zahl  der  Leukoeyten  auf  20  000,  war  am  8.  15  000. 
Zu  gleicher  Zeit  stieg  die  Temperatur  leicht  an  und  war  am 
9.  Tage  39  °.  Der  Verbandwechsel  ergab  eine  Eiterretention. 
Hier  hatte  also  die  Leukocytose  die  Retention  vorher  signalisiert. 

Zur  Gruppe  III  gehören  die  Fälle  von  eitriger  Per¬ 
forationsperitonitis. 

1.  A.  3/143  erkrankte  ohne  bekannte  Ursache  am  24.  VI.  mit 
sehr  heftigen  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  Bei  der  Auf¬ 
nahme  wrnrde  neben  starker  Druckempfindlichkeit  der  rechten 
unteren  Bauchhälfte  dort  eine  handtellergrosse  Dämpfung  ohne 
wesentliche  Temperatursteigerung  festgestellt.  Am  Nachmittag 
des  26.  VI.  verfiel  Pat.  plötzlich  stark,  Puls  wurde  stark  beschleu¬ 
nigt,  die  Atmung  oberflächlich  und  jagend;  es  erfolgte  heftiges  Er¬ 
brechen  galliger  Massen. 

Die  Dämpfung  war  auf  %  ihrer  ursprünglichen  Grösse  zurück¬ 
gegangen,  daher  wurde  der  Pat.  sofort  zur  äusseren  Station  verlegt 
und  hier  operiert. 

Nach  der  Narkose  war  keine  Dämpfung  nachzuweisen  und 
als  das  Peritoneum  freigelegt  war,  kein  Abszess  zu  fühlen.  Hin¬ 
gegen  strömte  nach  Eröffnung  desselben  reichlicher  Eiter  heraus. 
Das  Peritoneum  wurde  durch  Tampons  offen  gehalten.  Die  Zahl 
der  weissen  Blutkörper  betrug  am  25.  VI.  6900,  am  26.  VI.  vor 
der  Operation  12  500,  fiel  nach  derselben  sofort. 

2.  L.,  4.  Pion.-Bat.  19,  hatte  Mitte  Mai  mehrere  Tage  Schmerzen 
in  der  Blinddarmgegend,  meldete  sich  indes  nicht  krank.  In  der 
Nacht  vom  17.  zum  18.  bekam  er  plötzlich  heftige  Schmerzen  und 
galliges  Erbrechen.  Bei  der  Aufnahme  in  der  Nacht  war  er  leicht 
benommen:  die  Bauchmuskel  bretthart  gespannt,  Leib  nicht  auf- 
getrieben,  eine  Dämpfung  nicht  nachweisbar.  Temperatur  38,6°, 
Puls  90,  kräftig.  Gegen  Morgen  war  kein  Erbrechen  da,  Schmerzen 
Hessen  nach,  desgleichen  die  Benommenheit.  Temperatur  38,8°. 
Als  darauf  erneutes  Erbrechen  eintrat,  wurde  sofort  zur  Operation 
geschritten.  Es  fand  sich  allgemeine  Pei'itonitis,  die  Appendix 
wurde  nicht  gesucht.  Tamponade  der  Bauchhöhle.  Der  Exitus 
trat  am  19.  Früh  ein.  Die  Zählung  der  weissen  Blutkörper  ergab 
am  18.  Früh  14  000,  Mittags  12  000,  am  Tage  nach  der  Operation 
8400.  Die  Sektion  ergab,  dass  die  Perforation  eines  Kotsteines 
von  der  gangränösen  Appendix  aus  in  die  freie  Bauchhöhle  erfolgt 
war. 


3.  T.,  Sanitätsunteroffizier,  verspürte  am  30.  VIII.  1902  beim 
Sprung  über  einen  Graben  einen  stechenden  Schmerz  in  der  Blind¬ 
darmgegend;  er  legte  sich  zu  Bett,  bekam  Abends  Erbrechen  und 
meldete  sich  am  nächsten  Morgen  wegen  heftig  zunehmender 
Schmerzen  krank. 

Bei  der  Aufnahme  Temperatur  38,6°,  Puls  100.  Der  Leib  war 
mässig  aufgetrieben,  sehr  stark  empfindlich  in  der  Blinddarm¬ 
gegend.  Die  Temperatur  war  am  nächsten  Morgen  37,4°,  Abends 
37,0  °;  es  trat  indes  leichtes  Aufstossen  ein,  während  die  Schmerzen 
im  Abdomen  nachliessen.  Am  1.  IX.  war  die  Temperatur  37 0 
Morgens,  Abends  37,2  °.  Das  Aufstossen  nahm  im  Laufe  des  Tages 
zu  und  es  trat  leichtes  Erbrechen  ein.  Die  Schmerzhaftigkeit  war 
auf  die  linke  Bauchseite  beschränkt;  da  indes  weder  Stuhl  erfolgte, 
noch  Winde  abgingen,  wurde  zur  Eröffnung  der  Bauchhöhle  ge¬ 
schritten.  Es  entleerte  sich  ziemlich  reichlich  Eiter.  Das  Kolon 
war  stark  auf  getrieben,  hochrot  injiziert  und  an  einer  Stelle  mit 
schmierig-grünen  Massen  belegt.  Die  Appendix  stark  entzündet, 
vergrössert  in  ihrem  Umfange,  fühlt  sich  indes  weich  an.  An 
ihrem  Endpunkt  Perforation.  Im  Innern  kirschkerngrosser  Stein. 
Seine  Wand  ist  überall  mit  graugrünen  schmierigen  Massen 
bedeckt. 

Nach  der  Operation  trat  zunächst  eine  Besserung  ein,  Pat. 
wurde  ruhiger,  das  Aufstossen  liess  nach.  Am  3.  Tage  trat  indes 
wesentliche  Verschlechterung  ein,  am  4.  Exitus.  Die  Leukoeyten 
waren  vor  der  Operation  bis  zu  12  000  gestiegen  und  stiegen  dann 
weiter,  so  dass  sie  am  Tage  vor  dem  Exitus  16  000  erreichten. 

4.  Musketier  K.  wurde  vor  4  Jahren  im  Spital  zu  Nordhausen 
3  Monate  wegen  Blinddarmentzündung  behandelt.  Er  war  dann 
bis  zu  seiner  jetzigen  Erkrankung  gesund.  In  der  Nacht  vom 

18.  zum  19.  X.  erkrankte  er  plötzlich  mit  Erbrechen,  Stuhldrang, 
ohne  indes  defäkieren  zu  können.  Bei  der  Lazarettaufnahme  am 

19.  X.  war  der  Leib  gleichmässig  aufgetrieben  und  derart  schmerz¬ 
haft,  dass  auch  die  geringste  Bewegung  Schmerzen  verursachte. 
Eine  Dämpfung  war  nicht  nachzuweisen. 

Kein  Stuhlgang,  keine  Winde,  kein  Erbrechen  oder  Auf¬ 
stossen;  Urin  wird  spontan  gelassen.  Gesicht  ist  nicht  verfallen. 
Temperatur  37,3  °,  Puls  90,  regelmässig,  kräftig.  Leükocyten- 
zahl  13  200. 

Am  20.  X.  kein  Stuhlgang,  keine  Winde.  Schmerzen  haben 
nachgelassen,  werden  nach  dem  Bücken  hin  lokalisiert.  Tem¬ 
peratur  regelrecht,  Puls  100.  Leukoeyten  26  000.  Am  21.  X. 
tritt  eine  Verschlechterung  insofern  auf,  als  Aufstossen  eintritt 
und  1  mal  Erbrechen.  Urin  wird  unter  Schmerz  und  nur  mit 
Pressen  gelassen.  Puls  110  bei  normaler  Temperatur.  Leuko- 
cyten  13  000.  Die  Operation  ergibt  kleine  Eiterhöhle  an  der  hin¬ 
teren  Kolonwand,  die  nach  oben  nicht  völlig  abgekapselt  ist. 

Die  Appendix  wird  nicht  gesucht,  Drainage  und  Tamponade 
der  Höhle. 

Nach  der  Operation  bleibt  die  Temperatur  normal,  Leukoeyten 
gehen  auf  24  000,  fallen  dann  ab.  Es  gehen  sofort  Winde  ab. 
Kein  Aufstossen.  Am  2.  Tage  Erbrechen.  Am  längsten  bleibt  der 
Puls  stark  frequent,  der  jetzt  normal. 

Betrachtet  man  diese  Gruppe,  so  fällt  sofort  die  Schwere 
der  Infektion  auf,  wie  sie  besonders  der  gangräneszierenden 
Form  eigentümlich  ist.  Charakteristisch  für  diese  sind: 

1.  Die  niedrigen  Temperaturen,  welche  als  Kollapstempera¬ 
turen  aufzufassen  sind,  und  das  Missverhältnis  zwischen  ihnen 
und  dem  stets  stark  frequenten  Puls; 

2.  die  sofortige  völlige  Darmlähmung,  die  schon  gleich  zu 
ileus ähnlichen  Erscheinungen  führt; 

3.  die  motorische  Unruhe  und  der  rapide  Körperverfall. 

Scheinbar  im  Gegensatz  hierzu  steht  das  Verhalten  der 

Leukoeyten.  In  3  Fällen  fand  ich  die  Beobachtungen  Küttners 
bestätigt.  Trotzdem  grosse  eitrige  Exsudate  durch  die  Operation 
eröffnet  wurden,  war  die  Zahl  der  Blutkörper  nicht  wesentlich 
vermehrt.  Küttner  sieht  in  dieser  Erscheinung  ein  Erlahmen 
der  Widerstandskraft  des  Organismus.  Ein  treffendes  Beispiel 
hierfür  scheint  mir  der  4.  Fall  zu  geben.  Auf  die  schwere  In¬ 
fektion  erfolgt  eine  Vermehrung  der  Leukoeyten  auf  26  000,  die 
Intoxikationserscheinungen  nehmen  zu,  die  Kräfte  erlahmen,  die 
Zahl  sinkt  am  nächsten  Tage  kurz  vor  der  Operation  auf  13  000. 
Nachdem  durch  Eröffnen  des  Abszesses  das  Gleichgewicht  im 
Körper  wieder  hergestellt  ist,  schnellt  auch  die  Zahl  der  Leuko- 
cyten  auf  24  000  empor,  ein  Beweis,  dass  der  Organismus  den 
Kampf  mit  der  Infektion  von  neuem  erfolgreich  auf  genommen  hat. 

Zum  Schluss  fasse  ich  das  Resultat  meiner  Beobachtungen 
kurz  in  folgenden  Sätzen  zusammen: 

1.  Bleibt  bei  einer  akuten  Appendizitis  die  Zahl  der  Leuko- 
cyten  normal  oder  steigt  nur  vorübergehend  zu  unbeträchtlicher 
Höhe,  so  handelt  es  sich  um  einen  auf  die  Appendix  beschränkten 
Krankheitsprozess  oder  ein  seröses  Exsudat  und  der  Verlauf  des 
Falles  ist  meist  ein  leichter. 

2.  Zu  beachten  bleibt  indes,  dass  bei  einer  auf  die  Appendix 
beschränkten  Erkrankung  jederzeit  durch  Perforation  eines  Kot¬ 
steines  eine  eitrige  Peritonitis  eintreten  kann.  Dieses  Ereignis 
kündet  sich  naturgemäss  nicht  durch  Leukocytose,  sondern 
durch  Zunahme  der  Schwere  der  Symptome  an. 


9.  Dezember  1902. 


MUENCHF.NEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2043 


3.  Steigt  die  Zahl  der  Leükocyten  über  22  000,  so  kann  man 
mit  Sicherheit  auf  einen  Abszess  rechnen. 

4.  Bei  eitriger  Peritonitis  steigt  die  Leukocytenzahl  nur 
dann,  wenn  der  Organismus  noch  genügende  Widerstandskraft 
gegen  die  Infektion  besitzt.  Ein  plötzliches  Sinken  der  anfangs 
stark  vermehrten  Leukocytenzahl  ist  prognostisch  ein  schlechtes 
Zeichen. 


Aus  dem  Universitätsambulatorium  für  orthopädische  Chirurgie 
(Prof.  A.  Lor  e  n  z)  in  Wien. 

lieber  ein  Operationsverfahren  zur  Beseitigung  hoch¬ 
gradiger  Unterschenkelverkriimmungen. 

V on  Dr.  Max  Reiner,  Assistent  des  Ambulatoriums. 

Ueber  die  Wahl  des  mechanischen  Behandlungsverfahrens, 
welches  bei  rhachitischen  Unterschenkelverkrümmungen  ein¬ 
zuleiten  ist,  herrscht,  soweit  aus  dem  literarischen  Tatbestände 
hervorgeht,  im  grossen  und  ganzen  eine  befriedigende  Ueber- 
einstimmung. 

Wir  dürfen  das  Indikationsschema  für  die  verschiedenen 
unblutigen  Massnahmen  als  bekannt  voraussetzen,  und  wollen  in 
folgendem  nur  von  jenen  schwereren  Fällen  sprechen,  welche  zu 
ihrer  Korrektur  der  Osteotomie  bedürfen. 

Wie  die  Fälle  beschaffen  sein  müssen,  damit  sie  als  „schwer“ 
zu  gelten  haben,  lässt  sich,  glaube  ich,  mit  hinreichender  Schärfe 
präzisieren. 

Die  Osteotomie  ist  am  Platze 

1.  unabhängig  von  dem  Grade  der  Deformität  in  allen 
Fällen,  wo  bereits  ein  hoher  Härtegrad  —  Eburneation  —  der 
Diaphysen  besteht; 

2.  ohne  Rücksicht  auf  die  Konsistenz  der  Diaphysen  in 
jenen  Fällen,  wo  a)  eine  winkelige  Knickung  der  Diaphysen  be¬ 
steht,  oder  b)  die  Korrektur  nur  durch  eine  mehrfache  Knochen¬ 
trennung  erreichbar  ist. 

Was  nun  im  speziellen  den  2.  Punkt  anlangt  (der  1.  bedarf 
keiner  näheren  Erläuterung),  so  ist  die  mehrfache  Knochen¬ 
trennung  notwendig,  einmal,  wenn  multiple  Verbiegungen  nach 
verschiedenen  Richtungen  bestehen,  dann  aber  auch,  wenn  nur 
eine  einzige  Kurvatur  besteht,  die  jedoch  den  ganzen  Knochen 
zu  einem  einzigen  Kreisabschnitt  umgestaltet.  Würde  man  in 
solchen  Fällen  die  mehrfache  Knochentrennung  mit  dem  Osteo¬ 
klasten  ausführen  wollen,  so  liefe  man  Gefahr,  an  der  zuerst 
geschaffenen  Bruchstelle  beim  zweiten  Akte  die  Weichteile  zu 
verletzen  und  eventuell  zu  perforieren.  Bei  winkeliger 
Knickung  hinwiederum  verbietet  sich  die  Anwendung  des  Osteo¬ 
klasten,  weil  die  angreifende  Kraft  nicht  unmittelbar  am  Scheitel¬ 
punkte  des  Deformitätswinkels  etabliert  werden  kann.  Man 
würde  demnach  die  Deformität  nicht  korrigieren,  sondern  durch 
einen  zweiten  Knickungswinkel  („Korrektionsknickung“)  kom¬ 
pensieren. 

Jedenfalls  bestehen  also  mehrfache  Indikationen  zur  Osteo¬ 
tomie  bei  schwerer  rhachitischer  Unterschenkelverkrümmung, 
und  man  wird  daher  wrohl  nicht  so  selten  zur  Ausführung  dieser 
Operation  genötigt  sein. 

In  welcher  Art  ist  nun  die  Osteotomie  auszuführen? 

Bezüglich  dieser  Frage  steht  man  ziemlich  allgemein  auf 
dem  Standpunkte,  dass  die  Keilresektion  am  Platze  ist,  wenn  die 
lineare  Osteotomie  zur  Korrektur  der  Deformität  nicht  ausreicht. 
Ich  habe  die  Mehrzahl  der  bestehenden  Lehr-  und  Handbücher 
bezüglich  ihrer  Stellungnahme  zu  dieser  Frage  durchgesehen, 
und  diesen  Standpunkt  allgemein  vertreten  gefunden;  allerdings 
wird  von  vielen  Seiten  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die 
Keilresektion  eine  Verkürzung  des  Gliedes  involviert  und  daher 
auf  ein  möglichst  geringes  Mass  einzuschränken  sei  (s.  H  o  f  f  a ; 
Bergmann,  Bruns  und  Mikulicz;  Nasse;  Ti  11- 
mans  etc.).  In  der  Praxis  wird  auch  in  der  Tat  fleissig  keil¬ 
förmig  reseziert,  wie  aus  den  Publikationen  und  Krankenvor¬ 
stellungen  auch  der  letzten  J ahre  zu  ersehen  ist.  So  berichten 
Lamprecht1),  Bosch2),  Dreesmann8),  Krause4) 

3)  W.  Lamprecht:  Ueber  die  nachträgliche  Beseitigung 
starker  Verkürzungen  der  Knochen  als  Folge  schlechtgeheilter 
Frakturen.  Inaug.-Diss.,  Marburg  1896. 

2)  E.  Bosch:  Ueber  Osteotomie.  Inaug.-Diss.,  Bonn  1898. 

3)  Dreesmann:  Krankenvorstellung.  Münch,  med.  Wochen- 
schr.  1900,  pag.  881. 

4)  Krause:  Krankenvorstellung.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1900,  pag.  1019. 


u.  a.  über  zahlreiche,  bei  Unterschenkel  Verkrümmungen  aus¬ 
geführte  Keilresektionen. 

Dass  diese  Operation  so  häufig  gemacht  wird,  hängt  wohl 
mit  den  Schwierigkeiten  zusammen,  welchen  die  Ausgleichung 
einer  grösseren  Deformität  fast  regelmässig  auch  nach  vor¬ 
genommener  linearer  Osteotomie  noch  begegnet.  In  den  Lehr¬ 
büchern  werden  dieselben  in  der  Regel  nur  kurz  gestreift. 
O  1 1  i  e  r5  6 7)  scheint  der  einzige  zu  sein,  der  ihnen  eine  ausführ¬ 
lichere  Darstellung  widmet:  „Ist  der  Schnitt  (lineare  Osteo¬ 
tomie)  gemacht,  so  darf  man  noch  keinesfalls  eine  leichte  Kor¬ 
rektur  der  Deformität  erwarten.  Abgesehen  von  den  Täusch¬ 
ungen,  welchen  man  bei  gekrümmten,  abgeplatteten  Tibien  unter¬ 
worfen  ist,  wo  man  die  Neigung  zu  den  Gelenkflächen  nicht  be¬ 
stimmen  kann,  begegnet  man  oft  der  grössten  Schwierigkeit,  die 
beiden  Segmente  in  dieselbe  Richtung  zu  bringen.  Auf  der 
Seite  der  Konkavität  leistet  alles  Widerstand,  die  Insertionen 
der  Muskel  und  Aponeurosen,  die  Muskelscheiden,  und  man  muss 
dann,  um  die  Knochen  zu  koaptieren,  ein  keilförmiges  oder 
trapezoidisches  Stück  entfernen,  was  den  ohnehin  schon  ver¬ 
kürzten  Knochen  noch  weiter  verkürzt.“  (O  1 1  i  e  r :  1.  c. 

pag.  447.) 

In  dieser  Darstellung  sind  nicht  bloss  die  Schwierigkeiten 
der  Geraderichtung  beleuchtet,  sondern  es  ist  zugleich  auch  der 
Schaden  bloss  gelegt,  welchen  die  Keilresektion  stiftet;  und  da 
mit  dem  Grade  der  Difformität  die  Schwierigkeit  der  Rektifi¬ 
kation  zunimmt,  so  wächst  eben  auch  das  Knochenstück  mit,  das 
man  entfernen  muss,  um  die  Geraderichtung  zu  erzwingen. 
Dieses  Zustutzen  des  Knochens  auf  die  Länge  der  Weichteile 
verstösst  gegen  ein  Prinzip,  welches  als  oberster  Grundsatz  für 
alles  orthopädisch-chirurgische  Handeln  gelten  sollte  —  es  ist 
das  von  Lorenz  aufgestellte  Prinzip,  welches  sich  die 
absolute  Schonung  des  Skelettes  auf  Kosten 
der  Weichteile  zur  lohnenden  Aufgabe  macht. 

Es  fehlt  allerdings  auch  nicht  an  Stimmen,  welche  die  Keil¬ 
resektion  verwerfen.  So  meint  J  oachimsthal8),  dass  der 
Wert  der  Osteotomie  lediglich  in  der  durch  sie  bewirkten  Kon¬ 
tinuitätstrennung  bestehe,  also  in  dem,  was  schon  durch  die 
lineare  Osteotomie  jedesmal  erreicht  werde.  Es  komme  daher 
nicht  darauf  an,  direkt  die  richtige  Form  zu  erzeugen;  dieselbe 
müssten  wir  vielmehr  durch  die  Transformationskraft  als  An¬ 
passung  an  die  von  uns  gesetzte,  richtige  statische  Inanspruch¬ 
nahme  entstehen  lassen.  Wenn  nun  der  von  J  oachimsthal 
betreffs  der  linearen  Osteotomie  eingenommene  Standpunkt  auch 
der  Tendenz  der  vorliegenden  Zeilen  entspricht,  so  dürfte  es  denn 
doch  nicht  rätlich  erscheinen,  an  die  „Transformationskraft“ 
allzu  hohe  Ansprüche  zu  stellen.  Ich  bin  der  Meinung,  dass  der 
geforderten  Bedingung,  „die  beiden  Teile  des  getrennten  Kno¬ 
chens  unter  einander  und  zu  den  übrigen  Körperteilen  in  richtige 
statische  Bedingungen  zu  bringen“,  damit  am  besten  entsprochen 
wird,  dass  man  den  Knochen  primär  einer  möglichst  normalen 
Form  und  Länge  zuführt,  und  von  der  Transformationskraft  nur 
soviel  erwartet,  dass  sie  die  zur  Funktion  unnötigen  Kanten  und 
Ecken  am  Orte  der  Kontinuitätstrennung  mit  der  Zeit  ab¬ 
schleift  und  innerhalb  der  Knochensubstanz  jene  Veränderungen 
in  den  Strukturverhältnissen  hervorbringt,  wie  sie  die  neu¬ 
gewonnene,  normale  Funktion  erfordert. 

Auch  O  1 1  i  e  r  T)  verwirft  die  Keilresektion  und  schlägt  zum 
Ersätze  derselben  eine  neue  Methode  vor,  auf  welche  wir  unten 
zurückkommen. 

Endlich  betont  W  i  1 1  e  t 8),  dass  er  die  Notwendigkeit  der 
Keilresektion  niemals  gefunden  habe.  „Denn,  wenn  man  in 
schiefer  Linie  über  die  Konvexität  sägt  und  die  Knochentrennung 
mit  dem  M  e  i  s  s  e  1  vervollständigt,  ist  man  im  stände,  das 
untere  Fragment  herunter  zu  schieben  und  durch  diese  Manöver 
den  Knochen  gerade  zu  bringen.“  Wie  er  dieses  Kunststück, 
notabene  in  schweren  Fällen,  fertig  bringt,  gibt  er  nun  aller¬ 
dings  nicht  an.  Ich  glaube  jedoch  annehmen  zu  können,  dass 
er  sich  hiezu  der  Gewichtsextension  bedient.  Denn  er  macht 
weiter  unten,  gelegentlich  der  Besprechung  der  Osteotomie  nach 

5)  L.  O  1 1  i  e  r:  Traite  des  Rösections.  Tome  troisiöme,  Paris 
bei  G.  Masson,  1891;  pag.  445  ff. 

6)  G.  Joachimsthal:  Lineare  oder  keilförmige  Osteo¬ 
tomie?  Berl.  klin.  Wochenschr.  1892,  pag.  849. 

7)  L.  Ollier:  1.  c. 

®)  A.  Willet:  Correction  of  certain  Deformities  by  operative 
measures  upon  Bones.  Lancet  1897,  pag.  1573. 


3 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


2044 


c  hl  echt  geheilter  Fraktur,  wo  es  sich  also  um  die  Ueberwindung 
wesentlich  gleicher  Widerstände  handelt,  die  Bemerkung,  dass 
„in  solchen  Fällen  eine  viel  stärkere  Gewichtsextension  not¬ 
wendig  sei,  als  bei  einer  frischen  Fraktur“. 

Wir  kommen  damit  zu  jenen  Versuchen,  welche  unter  Ver¬ 
zichtleistung  auf  die  primäre  Rektifikation,  durch  die  permanente 
Gewichtsextension  in  der  Nachbehandlungsperiode  eine  Ver¬ 
längerung  des  osteotomierten  Gliedabschnittes  erstrebten.  Das 
Urbild  aller  dieser  Versuche  ist  die  sogen,  longitudinale  oder 
vertikale  Osteotomie  von  O  1 1  i  e  r.  Ihr  eigentlicher  Zweck  ist 
nicht  so  sehr  die  Beseitigung  der  Verkrümmung  an  sich,  als 
vielmehr  die  Behebung  der  Deformitätsverkürzung  solcher 
Tibien,  welche  eine  einzige,  sich  auf  die  ganze  Länge  erstreckende 
Kurvatur  aufweisen. 

O  1 1  i  e  r  durchsägte  die  Diaphyse  nicht  parallel  zu  ihrer 
eigenen  (krummen),  sondern  zur  Längsachse  des  Körpers  und 
suchte  nun  das  distale  Fragment  am  proximalen  vorbei,  durch 
permanente  Heftpflasterextension  herunterzuziehen,  und  in  ver¬ 
besserter  Stellung  anheilen  zu  lassen. 

In  Deutschland  wurde  dieses  Verfahren  bei  deform  ge¬ 
heilten  Knochenbrüchen  in  Anwendung  gezogen  und  unter  dem 
Namen  „Osteotomia  obliqua“  von  Helferich0)  und 
Schede10)  in  die  Literatur  eingeführt11).  In  ähnlicher  Weise 
sind  Länderer12)  und  H  o  f  f  a  13)  bei  den  nach  abgelaufener 
Koxitis  zurückgebliebenen  Verkürzungen  vorgegangen,  indem  sie 
nach  schräger  Durchmeisselung  des  Trochanters  (Osteotomia 
subtrochanterica  obliqua)  eine  nachträgliche  starke  Gewichts¬ 
extension  in  Anwendung  zogen. 

Endlich  hat  Krukenberg14)  vorgeschlagen,  den  Knochen 
an  zwei  Stellen  derart  schräg  zu  durchmeisseln,  dass  die  beiden 
Meisseiflächen  an  der  Kuppe  der  Deformität  zusammenstossen. 
Es  resultiert  daraus  ein  Keil,  der  mit  seiner  breiten  Basis  nach 
der  Konkavität,  mit  seiner  Kante  nach  der  Konvexität  gerichtet 
ist.  In  Gegensatz  zu  den  oben  erwähnten  Keil  resektionen, 
bei  welchen  das  keilförmige  Knochenstück  entfernt  wird,  ist 
hier  das  Beispiel  einer  reinen  Keil osteotomie  gegeben. 
Krukenberg  bezweckt  durch  das  auf  zwei  schiefen  Ebenen 
ermöglichte  Nebeneinandergleiten  der  Knochenenden  die  Ver¬ 
längerung  des  difformen  Knochens  durch  die  nachträgliche  Ge¬ 
wichtsextension  zu  begünstigen. 

Bei  allen  diesen  Methoden  bildet  die  künstliche  Knochen¬ 
trennung  nur  den  Vorakt  des  Verfahrens;  der  Schwerpunkt 
liegt  in  der  nachträglichen,  lange  dauernden  und  energisch 
durchzuführenden  permanenten  Extensionsbehandlung.  Es  ist 
aber  unverkennbar,  dass  in  dieser  permanenten  Gewichtsexten¬ 
sionsbehandlung  ein  nicht  zu  unterschätzender  Nachteil  des 
Systems  enthalten  ist.  Ein  Blick  auf  die  Krankengeschichten 
der  so  behandelten  Patienten  erweist  dies  zur  Genüge. 

So  musste  der  erste  Patient  Schedes,  dessen  Verkürzung 
durch  das  Verfahren  allerdings  von  IOV2 — 11  cm  auf  IV2 — 2  cm 
verringert  wurde,  diese  Verbesserung  seines  Zustandes  um  den 
Preis  eines  1jährigen  Krankenlagers  erkaufen;  die  Konsolidation 
war  verspätet  eingetreten,  der  Wundverlauf  nicht  glatt  gewesen. 

Von  den  Patienten  Küsters,  über  welche  Lamprecht 
berichtet,  lag  der  eine  zwar  bloss  7  Wochen  im  Streckverbande, 
ein  zweiter  konnte  schon,  wie  vermerkt  wird,  nach  2Y»  Monaten 
herumgehen;  im  3.  Falle  vergingen  jedoch  7  Monate,  ehe  die 
ersten  Gehversuche  ausgeführt  werden  konnten.  In  einem  Falle 
Krukenbergs  wurde  das  Resultat  der  Operation  durch 
einen  Dekubitus  beeinträchtigt,  welchen  die  Extensionsvorrich- 

°)  Helf erich:  Die  Behandlung  deform  geheilter  Knochen¬ 
brüche.  Münch,  med.  Wochenschr.  pag.  195,  1892. 

10)  Schede:  Ueber  die  nachträgliche  Beseitigung  starker 
Verkürzung  der  Knochen  als  Folge  schlecht  geheilter  Frakturen. 
Dangenb.  Arch.  Bd.  43,  1892. 

u)  Lamprecht  berichtet,  dass  Küster  dasselbe  Ver¬ 
fahren  schon  1887  in  Anwendung  gebracht  habe,  ohne  aber  davon 
Mitteilung  zu  machen. 

12)  Länderer:  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  67.  Na¬ 
turforscherversammlung  im  Centralbl.  f.  Chirurg.  1895,  pag.  945, 
und  Länderer:  Lehrb.  d.  Mechanotherapie. 

1S)  Hof  f  a:  Selbstbericht  im  Centralbl.  f.  Chirurg.,  pag.  945. 
H  0  f  f  a  hat  zwar  einen  Extensionsapparat  sofort  nach  der 
Knochentrenmmg  benützt,  hernach  aber  das  Bein  in  permanente 
Gewichtsextension  gelegt. 

“)  H.  Krukenberg:  Ueber  künstliche  Verlängerung 
difformer  Unterschenkel.  Zeitschr.  f.  orthop.  Chir.  Bd.  IV,  1896, 

pag.  809. 


tung  am  Fussrücken  erzeugt  hatte.  Krukenberg  gibt  daher 
den  Rat,  „den  Verband  sehr  häufig  zu  wechseln  und  bei  drohen¬ 
dem  Dekubitus  die  Gewichte  zu  vermindern“.  Dass  aber  dann 
der  mit  der  Extension  verfolgte  Zweck  nicht  oder  nur  unvoll¬ 
ständig  erreicht  werden  kann,  liegt  auf  der  Hand. 

Die  Extensionsbehandlung  ist  demnach  nicht  nur  eine 
lästige  und  mühevolle,  sondern  auch,  wie  aus  dem  eben  Gesagten 
hervorgeht,  in  ihrem  Enderfolge  unsichere  Methode,  welcher 
noch  überdies  der  schwere  Nachteil  anhaftet,  dass  sie  den  Pa¬ 
tienten  auf  Wochen  und  Monate  ans  Krankenlager  fesselt. 

Während  nun  diese  Erkenntnis  in  betreff  der  Behandlung 
frischer  Knochenbrüche  längst  durchgedrungen  ist  und  das 
mobilisierende  Verfahren  mittels  erstarrender  Verbände  oder 
Portativapparate  die  schönsten  Erfolge  erzielt,  ist  es  in  den 
Fällen  von  Osteotomie  wegen  Verkrümmung  oder  difform  ge¬ 
heilter  Fraktur  beim  alten  geblieben.  Aber  die  Ursache  hiefür 
ist  darin  zu  suchen,  dass  der  Operateur  in  diesen  Fällen  un¬ 
gleich  grösseren  Schwierigkeiten  gegenübersteht  und  dass  ihm 
angesichts  des  Missverhältnisses  in  den  Dimensionen  von  Skelett 
und  Weichteilen  nur  die  Alternative  bleibt,  entweder  den  Kno¬ 
chen  zu  verkürzen  oder  sein  Heil  in  der  nachträglichen  per¬ 
manenten  Gewichtsextension  zu  suchen. 

Selbstverständlich  würde  es  für  den  Patienten  von  ausser¬ 
ordentlichem  Vorteile  sein,  wenn  das  Längenmissverhältnis  sofort 
in  operatione,  im  unmittelbaren  Anschlüsse  an  die  eben  voi*- 
genommene  blutige  Knochentrennung  und  zwar  durch  Bewäl¬ 
tigung  der  Weichteilwiderstände  beseitigt  werden  könnte.  Dann 
käme  die  Keilresektion  und  die  Gewichtsextension  in  Wegfall 
und  ein  sofort  am  Operationstisch  angelegter  Kontentivverband 
würde  dem  Patienten  die  Vorteile  der  mobilisierenden  Behand¬ 
lung  sichern. 

Ich  habe  nun  in  einigen  Fällen  ein  Operationsverfahren  in 
Anwendung  gebracht,  welches  diesen  Anforderungen,  wie  ich 
glaube,  vollständig  gerecht  wird. 

In  Ausführung  desselben  wird  zunächst  das  Periost  am 
Knickungswinkel,  und  zwar  in  der  Konkavität  desselben,  in 
grossem  Umfange  quer  durchschnitten.  Die  Zugänglichkeit  zur 
konkaven  Seite  des  Knickungswinkels  von  einem  lateralen  oder 
medialen,  der  Konkavität  entsprechend  angelegten  Hautschnitte 
ist  immer  eine  genügend  grosse,  so  dass  dieser  Akt  der  Operation 
wohl  kaum  auf  Schwierigkeiten  stösst.  Die  Durchschneidung 
der  Periostes  ist  wichtig,  weil  dasselbe  sehr  oft  stark  verdickt  ist 
und  der  späteren  Geraderichtung  der  Knochenteilstücke  einen 
beträchtlichen  Widerstand  entgegensetzen  würde.  Die  Ver¬ 
bindung  des  Periostes  mit  den  umgebenden  Weich¬ 
teilen  wird  möglichst  geschont.  Insbesondere,  wenn 

mehr  als  ein  Knickungswinkel  vorhanden  ist  und  dem¬ 
nach  auch  mehrere  Osteotomien  an  derselben  Diaphyse 
ausgeführt  werden  müssen,  ist  auf  die  Schonung  dieser  Verbin¬ 
dung  Bedacht  zu  nehmen,  damit  die  Ernährung  der  resultieren¬ 
den  Teilstücke  des  Knochens  nicht  Schaden  leidet.  Aus  dem¬ 
selben  Grunde  ist  auch  ein  vorgängiges  Ablösen  des  Periostes 
vom  Knochen  unstatthaft. 

Entsprechend  den  vorgezeichneten  Periostschnitten  wird 
nun  das  Osteotom  an  den  Knochen  angelegt;  dasselbe  dringt  also 
von  der  Konkavität  gegen  die  Konvexität  vor,  im  Gegensätze 
zur  Keilresektion,  wo  die  Operation  von  der  Konvexität  aus  be¬ 
gonnen  wird.  Es  ist  unnötig,  den  Knochen  mit  dem  Meissei 
vollständig  zu  durchtrennen;  besser  ist  es,  an  der  Konvexität 
Lamellen  stehen  zu  lassen  und  dieselben  nachträglich  zu  in- 
f rangieren,  damit  die  sich  bildenden  Verzahnungen  der  Bruch¬ 
enden  die  Dislokation  der  Teilstücke  erschweren.  Man  führt 
also  ausschliesslich  lineare  Osteotomien  aus,  welche,  wie  bekannt 
(soferne  die  Geradrichtung  überhaupt  möglich  gemacht  werden 
kann),  eine  Verlängerung  der  Knochenachse  zur  Folge  haben. 

Die  nun  auszuführende  Infraktion  der  an  der  Konvexität 
stehengebliebenen  Lamellen  nimmt  man  sofort  in  deformitäts¬ 
konträrer  Richtung  vor.  Schon  bei  diesem  AJtte  ist  in  schweren 
Fällen  der  Widerstand,  welchen  die  verkürzten  Weichteile  leisten, 
hinderlich  und  man  wird  daher  mit  Vorteil  den  grössten  von 
diesen  Widerständen,  jenen  der  Achillessehne,  durch  die  voraus¬ 
geschickte  Achillotenotomie  schon  vor  dem  Infraktionsversuche 
zu  eliminieren  trachten.  Ob  man  die  Fibula  ebenfalls  blutig 
durchtrennt  oder  bloss  frakturiert,  ist  wohl  ziemlich  belanglos. 

Nachdem  nun  der  erste  Akt  der  Operation,  die  Kontinuitäts¬ 
trennung  des  Knochens,  an  den  Scheitelpunkten  der  Krümmungs- 


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MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2045 


Winkel  vollzogen  worden  ist,  schreitet  man  zum  zweiten  Akte, 
der  Geradrichtung  des  Knochens.  Hiebei  stellen  sich  nun  in 
schweren  1  allen  die  oben  hervorgehobenen  Schwierigkeiten  ein. 
Eine  manuelle  Extension  könnte  überhaupt  nicht  zum  Ziele 
führen.  Trotzdem  soll  man  jetzt,  so  lange  die  Hautwunden  noch 
unverschlossen  sind,  die  manuelle  Extension  ausführen,  um  auf 
diese  Weise  die  am  meisten  verkürzten  Easzien  und  Aponeurosen- 
stränge,  wie  es  Olli  er  (1.  c.)  vorschlägt,  in  Spannung  zu  ver¬ 
setzen  und  durch  Einkerbungen  mit  dem  Skalpelle  oder  selbst 
längere  Entspannungsschnitte  Luft  zu  schaffen. 

Ist  auch  dies  geschehen,  so  scliliesst  man  die  Wunden,  ver¬ 
sorgt  sie  aseptisch  und  hat  mit  ihnen  weiter  nichts  zu  tun.  Denn 
die  nun  folgenden  Manipulationen  geschehen  mit  einem  Hilfs¬ 
mittel,  welches  in  der  Regel  nur  von  der  sogen,  unblutigen 
Chirurgie  verwendet  wird,  der  Extensionsschraube. 

Während,  wie  erwähnt,  die  manuelle  Extension  am  Wider¬ 
stande  der  Weichteile  scheitert,  bringt  die  instrumenteile  über¬ 
haupt  erst  die  erforderliche  Kraft  auf.  Ueberdies  bietet  die 
instrumenteile  Extension  den  Vorteil,  dass  sie  mehrere  üble  Zu¬ 
fälle,  welche  bei  dem  manuellen  Redressement  entstehen  können 
und  fast  immer  auch  wirklich  eintreten,  verhindert;  extendiert 
man  nämlich  manuell,  so  ist  man  angesichts  der  Wirkungslosig¬ 
keit  des  direkten  Zuges  immer  versucht,  die  Knochenenden  an  der 
Osteotomiestelle  gegeneinander  als  ITypomochlien  zu  benützen, 
um  auf  diese  Weise  einen  festeren  Angriffspunkt  für  die  Dis¬ 
traktion  der  V  eichteile  zu  gewinnen.  Die  Folge  dieses  Vor¬ 
ganges  ist  nur  zu  leicht  die,  dass  an  den  Knochenschnittflächen 
Stücke  abgesprengt  oder  die  beiden  Schnittenden  aneinander 
verschoben  werden.  Man  hat  dann  im  letzteren  Falle  eine  Dis¬ 
lokation  ad  longitudinem  mit  der  zugehörigen  Verkürzung  ver¬ 
ursacht,  im  ersteren  Falle  einer  Nekrose  am  Operationsorte  Vor¬ 
schub  geleistet  oder,  wenn  das  abgesprengte  Knochenstück  gross 
ist,  eine  verschlechterte  Keilresektion  ausgeführt.  Alle  diese 
Zufälle,  welche  noch  überdies  eine  Verzögerung  der  Konsolidation 
involvieren  können,  kommen  bei  der  instrumenteilen  Extension 
von  selbst  in  Wegfall.  Denn  diese  wirkt  in  der  Längsachse  der 
Extremität,  direkt  im  Sinne  der  Verlängerung  der  verkürzten 
W  eich  teile. 

Zur  Extension  bedient  man  sich  einer  der  gebräuchlichen 
Extensionsschrauben.  Sehr  gut  eignet  sich  der  Lorenz  sehe 
Hüftredresseur  für  unsere  Zwecke.  Bei  diesem  leistet  der  an 
der  Beckenstütze  angebrachte  Perinealdorn  die  Kontraextension, 
während  die  Zugwirkung  der  Schraube  vermittels  einer  Knöchel- 
lasche  auf  das  Bein  übertragen  wird.  Da  die  Knöchellasche  zu¬ 
nächst  in  den  Gipsverband  eingeschlossen  wird,  dann  aber,  wenn 
der  Gips  erstarrt  ist,  zur  Verhütung  von  Dekubitus  wieder  ent¬ 
fernt  werden  muss,  so  darf  sie  selbstverständlich  nur  wenig  Raum 
einnehmen  15). 

Durch  die  mit  allmählich  wachsender,  aber  regulierfähiger 
und  dosierbarer  Kraft  einsetzende,  energische  Schraubenwirkung 
kann  man  nun  in  der  Tat  die  völlige  Korrektur  der  Winkel¬ 
stellungen  erzwingen.  Die  Adaptierung  der  Bruchenden  erfolgt 
sozusagen  spontan,  die  Fragmente  gelangen  in  eine  annähernd 
gerade  Richtung,  und  was  da  und  dort  an  der  vollständigen 
Korrektur  fehlt,  kann  man  jetzt  leicht  mittels  einer  oder  meh¬ 
rerer  Bindenzügel  erreichen.  Nun  muss  man  aber  schon  in  ope- 
ratione  darauf  Rücksicht  nehmen,  dass  im  späteren  Gipsverbande 
die  Gelegenheit  zum  Dekubitus  vermieden  werde.  Dieser  Auf¬ 
gabe  kann  man  nur  dadurch  gerecht  werden,  dass  man  das 
elastisch-federnde  Anpressen  vorspringender  Knochenteile  gegen 
den  Verband  erschwert,  indem  man  vor  der  Anlegung  desselben 

lj)  Ich  verwende  daher  keine  der  gebräuchlichen  Lederlaschen, 
sondern  stelle  fallweise  eine  Lasche  aus  Kalikobinden  her.  Der 
Hergang  ist  der  folgende:  Ein  Assistent  legt  dem  Unterschenkel 
zu  dessen  beiden  Seiten  ungefähr  1  m  lange  Kalikostreifen  derart  , 
an,  dass  die  Mitte  derselben  in  der  Höhe  der  Malleolen  liegt.  In  | 
dieser  Lage  erhält  er  sie  so  lange,  bis  sie  der  Operateur  durch 
zirkuläre,  in  der  Höhe  der  Malleolen  angelegte  Bindentouren  an 
den  Unterschenkel  fixiert  hat.  Schlägt  man  hernach  die  oberen 
Enden  der  Streifen  herunter,  und  legt  sie  mit  den  unteren  Enden 
zusammen,  so  hat  man  beiderseits  je  einen  (gedoppelten)  Binden¬ 
zügel,  welcher  eine  kräftige  Extension  gestattet.  Vor  der  An¬ 
legung  einer  solchen  Lasche  hat  man  die  dem  Drucke  am  meisten 
ausgesetzten  Stellen  durch  eine  Flanellbinde,  welche  man  in  der 
Höhe  der  Malleolen,  möglichst  am  Fussrücken,  zirkulär  lieruni- 
wickelt,  zu  polstern.  Diese  Flanellpolsterung  wird  im  Verbände 
belassen,  während  die  Zügel,  samt  den  zirkulären  Kalikotouren 
nach  dem  Erhärten  des  Verbandes  durch  kleine  Fenster,  welche 
man  den  Maleoien  entsprechend  anlegt,  wieder  entfernt  werden. 

No.  49. 


die  Elastizitäten  möglichst  vernichtet.  Dies  zu  erreichen,  bietet 
keine  besonderen  Schwierigkeiten.  Man  braucht  nur  die  Ex¬ 
tension  weiter  zu  treiben,  als  zur  Korrektur  eben  notwendig  ist 
—  man  schafft  also  eine  temporäre  Ueberkorrektur,  um  die  Weich¬ 
teile  energisch  zu  dehnen,  und  führt  dann  vor  der  Anlegung  des 
Verbandes  die  Korrektur  auf  das  gewünschte  Mass  zurück. 
Selbstverständlich  ist  nur  eine  tadellose  Gipstechnik  im  stände, 
den  hier  gestellten  Anforderungen  zu  genügen.  Insbesondere  das 
distale  Ende  des  Verbandes  erfordert  grosse  Sorgfalt  in  der  Her¬ 
stellung.  Da  man  den  Fussteil  in  der  Regel  erst  anfügen  kann, 
wenn  das  Kind  aus  dem  Hüftredresseur  entfernt  ist,  muss  man 
das  distale  Ende  der  Röhre  zu  einer  das  Dorsum  pedis  und  den 
Fersenhöcker  gut  umfassenden  Manschette  gestalten,  welche  den 
Fuss  in  der  Zwischenzeit  genügend  stützt.  Dann  muss  man  die 
Spannvorrichtungen  entfernen  (s.  oben)  und  den  Fussteil  an¬ 
fügen.  Mit  grösserem  Vorteile  würde  man  sich  der  von 
Ne  hei11)  angegebenen  Vorrichtung  bedienen,  welche  es  ermög¬ 
licht,  den  Fussteil  gleichzeitig  mit  der  Extremitätenröhre,  un¬ 
beschadet  der  Wirkung  des  Extensionsmechanismus,  herzustellen. 
Man  müsste  zu  diesem  Zwecke  nur  die  Vorkehrung  getroffen 
haben,  das  Fusstück  des  N  e  b  e  1  sehen  Apparates,  das  „T“-Stlick, 
mit  dem  Lorenz  sehen  Hüftredresseur  in  geeignete  Verbindung 
zu  bringen. 

Will  man  die  Extension  anbringen,  ohne  ITüft-  und  Knie¬ 
gelenk  in  Mitleidenschaft  zu  ziehen,  so  kann  man  sich  eine  ähn¬ 
liche  Spannvorrichtung  aus  Kalikobinden  für  die  oberen  Tibia- 
kondylen  zurecht  machen,  wie  sie  in  der  Anmerkung  als 
„Knöchellasche“  beschrieben  wurde. 

Der  erstarrende  Verband  soll  bis  hinauf  zum  Tuber  ossis 
ischii  reichen,  damit  die  Korrektur  sicher  erhalten  bleibe.  Es  ist 
also  ein  sogen.  Sitzring  herzustellen  und,  damit  dieser  an  den 
Sitzhöcker  unverrückbar  befestigt  bleibe,  auch  das  Becken  einzu- 
schliessen.  Soll  doch  der  Patient  8 — 10  Tage  nach  der  Operation 
die  Gehfähigkeit  erreichen ! 

Der  hier  geschilderten  Behandlung  sind  bisher  3  Patienten 
des  Ambulatoriums  für  orthopädische  Chirurgie  teilhaftig  ge¬ 
worden  —  mit  welchem  Erfolge,  lehrt  ein  Blick  auf  die  beige¬ 
druckten  photographischen  Abbildungen. 

Anna  F.,  0  Jahre  alt.  Leichter  Hydrocephalus,  geringes  Vor¬ 
springen  der  Tubera  frontalia  und  Hinterhaupthöcker,  leichter 
Rosenkranz,  geringe  Auftreibung  der  Knochenenden,  keine  Rück¬ 
gratsverkrümmung.  In  schroffem  Gegensätze  zu  diesen  milden 
Erscheinungen  am  übrigen  Körper  stehen  die  schweren  rhachi- 
tischen  Verkrümmungen  der  Unterschenkel.  Dieselben  sind  nach 
vorne  konvex  gekrümmt  und  überdies  der  rechte  zweimal,  der 
linke  einmal  scharfwinkelig  abgeknickt  (die  Scheitelpunkte  der 
Winkel  gleichfalls  nach  vorne  gerichtet),  so  dass  die  funktionelle 
Länge  des  Unterschenkels  auf  nahezu  die  Hälfte  reduziert  ist. 
Das  distale  Ende  der  Tibia  sieht  direkt  nach  rückwärts,  anstatt 
nach  unten,  der  Fuss  ist  in  schärfste  kompensierende  Calcaneus- 
lage  eingestellt  (vide  Fig.  1  a).  Die  Deformität  ist  also  eine  der- 


Fig.  la.  Fig.  1b. 


1S)  H.  Nebel:  Ein  Schlittenextensionsapparat  zur  Erleich¬ 
terung  guter  Verbandanlegung  am  Beine  etc.  Zeitschr.  f.  orthop. 
Chir.  Bd.  V. 


4 


MUENCHENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


massen  extreme,  wie  mau  sie  nur  in  Ausnahmefällen  sieht.  Sie 
hat  dazu  geführt,  dass  das  Kind  seit  ca.  2  Jahren  seine  Gehver¬ 
suche  einstellen  musste  und  nur  auf  den  Knien  zu  rutschen  ver¬ 
mochte.  Platycnaemie  der  Schienbeine  ist  gering.  Beide  Beine  sind 
nicht  gleichmässig  betroffen,  das  rechte  ist  das  schwerer  ergriffene. 

Am  12.  Juni  1902  wurde  die  Operation  ausgeführt.  Am  rechten 
Unterschenkel,  an  welchem  zwei  Knickungswinkel  bestanden, 
wurde  die  lineare  Osteotomie  an  beiden  Knickungswinkeln  vor¬ 
genommen,  und  hernach  im  Hiiftredresseur  die  Extension  be¬ 
werkstelligt.  Die  Operation  verlief  glatt,  die  Knochenstücke 
Hessen  sich  adaptieren,  und  das  gewonnene  Operationsresultat 
entspricht  wohl  den  strengsten  Anforderungen  (viele  Fig.  1  b). 

Das  linke  Bein  jedoch,  das  nur  an  einer  Stelle  in  seinem  \  er¬ 
laufe  winkelig  geknickt  war,  wurde  leider  nicht  osteotomiert, 
sondern  unblutig,  mittels  der  manuellen  Osteoklase  behandelt.  Es 
geschah  dies  trotz  des  Bestandes  einer  winkeligen  Knickung, 
und  entgegen  dem  oben  aufgestellten  strengen  Indikationsschema 
bloss  aus  dem  Grunde,  weil  der  Scheitelpunkt  des  Knickungs¬ 
winkels  im  Röntgenbilde  eine  scheinbar  erst  vor  Kurzem  ver¬ 
heilte  Fraktur  aufwies,  und  der  Gallus  noch  wenig  dicht  gefügt 
und  kalkarm  zu  sein  schien.  Man  konnte  daher  mit  grosser  Wahr¬ 
scheinlichkeit  auf  die  Reinfraktion  des  Gallus  i'echnen.  Indessen 
trat  nicht  diese,  sondern  eine  Fraktur  distal  vom  Scheitelpunkte 
und  eine  zweite  proximal  von  demselben  ein.  Selbstverständlich 
konnte  auch  die  Schraube  den  Knickungswinkel  nicht  beheben, 
und  so  blieb  auch  der  Längenausgleich  unvollständig  der  blutig 
vorbehandelte  Unterschenkel  ist  um  gut  2  cm  länger  geworden 
als  der  osteoklasierte.  Es  wird  daher  an  letzterem  wohl  ein  noch¬ 
maliger,  aber  blutiger  Eingriff  angezeigt  sein.  (Das  sehr  instruk¬ 
tive,  noch  im  ersten  Gipsverband  aufgenommene  Röntgenbild 
konnte  leider  nicht  reproduziert  werden,  da  es  beim  Posttransporte 
verunglückt  ist.) 

In  dem  hier  geschilderten  Falle  hat  sich,  entsprechend  der 
oben  gegebenen  Indikationsstellung,  die  Ueberlegenheit  der  blu¬ 
tigen  Therapie  gegenüber  der  unblutigen  erwiesen.  Dies  wird 
selbstverständlich  nicht  hindern,  dass  die  Osteoklase  nach  wie 
vor  für  eine  gewaltige  Zahl  von  Fällen  die  Operation  der  Wahl 
bleiben  wird.  Es  muss  daher  der  Schlusspassus  in  Lam- 
p  r  e  c  h  t  s  Dissertation  eigenartig  anmuten,  nach  dessen  ITeber- 
zeugung  „es  nur  noch  eine  Frage  der  Zeit  sein  kann,  dass  der 
schon  so  oft  geschmähte  Osteoklast  völlig  verbannt  sein  und  die 
Osteotomie  ihre  ausschliesslichen  Triumphe  feiern  wird“.  Aller¬ 
dings  vermissen  wir  in  dem  Verzeichnisse  der  Osteoklasten,  wel¬ 
ches  Lamprecht  gibt,  gerade  jenes  Instrument,  welches  all¬ 
seitig  als  das  beste  anerkannt  wird,  nämlich  das  von  Lorenz. 
Dass  Herr  Kollege  Lamprecht  dieses  Instrument  nicht 
kennt,  mag  sein  wohl  etwas  gewagtes  absprechendes  Urteil  ver¬ 
schuldet  haben. 

In  einem  zweiten  Falle  ist  die  instrumenteile  Extension  unter 

etwas  anderen  Umständen  zur  Anwendung  gekommen. 

Moritz  A.,  10  Jahre  alt. 
Wie  aus  Fig.  2  a  ersichtlich 
ist,  bandelt  es  sich  hier  um  eine 
hochgradige,  auf  den  rechten 
Unterschenkel  beschränkte  De¬ 
formität.  Diese  Lokalisation 
auf  einen  einzigen  Extremitäten¬ 
abschnitt  konnte  unsere  Dia¬ 
gnose  „Rhachitis“  suspekt  er¬ 
scheinen  lassen,  wenn  nicht  der 
beträchtliche  Hydrocephalus 
und  sonstige  typische  Merkmale 
den  Zweifel  ausschlössen.  In 
diesem  Falle  war  die  vorgängige 
Knochentrennung  unnötig,  weil 
dieselbe  bereits  vorhanden  war 
—  der  Knabe  war  mit  einer 
frischen  „Spontan“fraktur  an 
der  Kuppe  der  Deformität  ins 
Krankenhaus  eingeliefert  wor¬ 
den  (vide  Fig.  2  b).  Davon  ab¬ 
gesehen,  war  die  Behandlung 
dieselbe  wie  in  Fall  1. 

Der  3.  Fall  endlich  betrifft 
den  iyz  jährigen  Gottlieb  F. 

Bei  diesem  ist  die  Rhachitis 
bereits  vollständig  ausgeheilt, 
die  Knochen  sind  sklerosiert. 
Die  bedeutende,  aber  im  Ver¬ 
gleiche  zu  Fall  1  minder  hoch¬ 
gradige  Verkrümmung  der 
Unterschenkel  nach  vorne  erscheint  hier  mit  einer  starken  Varität 
der  Unterschenkel  kombiniert  (vide  Fig.  3  a). 

1  >ie  lineare  Osteotomie  wurde  beiderseits  etwas  distalwärts 
von  der  Mitte  der  Tibia  vollzogen,  und  hernach  die  instrumenteile 
Extension  ausgeführt.  Das  Resultat  ist  auch  hier  ein  vollkommen 
befriedigendes  (vide  Fig.  3  b).1T) 


7'  Die  photographische  Aufnahme  wurde  unmittelbar,  nach- 
der  Verband  abgenommen  worden  war,  gemacht.  Man  musste 
Gen  Knaben  daher  sitzend  aufnehmen. 


Angesichts  der  beträchtlichen  Distraktion  der  Weichteile  des 
Unterschenkels,  welche  in  den  angeführten  Fällen  vorgenommen 


Fig.  2  b. 

wurde,  muss  nun  die  Frage  auf  tauchen,  ob  aus  derselben  nicht 
eine  Gefahr  für  die  Nerven  und  Blutgefässe  erwachsen  könnte. 
Diese  Möglichkeit  ist  von  vornherein  allerdings  nicht  ganz  von 
der  Hand  zu  weisen.  Indessen  ist  in  den  3  Fällen,  welche  bisher 
in  der  geschilderten  Weise  operiert  worden  sind,  keinerlei  Nach¬ 
teil  für  die  genannten  Gebilde  zu  konstatieren  gewesen  und  ich 
möchte  glauben,  dass,  wenn  in  einem  so  extrem  schweren  Falle, 
wie  es  unser  Fall  1  ist,  keine  schädlichen  Folgen  auf  getreten 
sind,  die  Gefahr  überhaupt  nur  sehr  gering  sein  könne. 


Fig.  3a 

Es  ist  hier  an  die  bekannte  Tatsache  zu  erinnern,  dass  sieh 
ein  an  einem  Nerven-  oder  Gef  ässtamme  angebrachter  Zug  weit 
über  die  unmittelbare  Nachbarschaft  hinaus  fortpflanzt. 

So  lässt  sich  beispielsweise  ein  am  N.  ischiadicus  in  seinem 
Verlaufe  am  Oberschenkel  ausgeführter  Zug  in  den  Rückgrats¬ 
kanal  hinein  und  innerhalb  desselben  bis  in  das  obere  Brustmark 
verfolgen.  In  derselben  Weise  wird  bei  der  Distraktion  der 
Weichteile  des  Unterschenkels,  wie  sie  bei  der  geschilderten  Ope¬ 
ration  geübt  wird,  nicht  bloss  jener  Anteil  der  Gefässe  und 
Nerven,  welcher  innerhalb  des  Unterschenkels  verläuft,  gedehnt, 
sondern  es  nimmt  auch  zum  mindesten  die  Oberschenkelstrecke 
dieser  Gebilde  teil  an  der  Dehnung,  so  dass  sich  die  durch  die 
Distraktion  dieser  Gebilde  zu  erzielende  Verlängerung  auf  eine 


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MUENcHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCtlRlEt. 


grössere  Strecke  verteilt  und  hiedurch  für  das  unmittelbar  be¬ 
troffene  Gebiet  weniger  bedeutungsvoll  wird.  In  der  mindest 
günstigen  Lage  mag  sich  hiebei  der  Nerv,  peroneus  befinden,  wel¬ 
cher  in  seinem  Verlaufe  in  der  Höhe  des  Fibulaköpfchens  stärker 
mit  seiner  Umgebung  verknüpft  ist  und  daher  einen  geringeren 
Anteil  der  Zugwirkung  an  die  oberen  Strecken  abzugeben  vermag. 

In  welchem  Zeitpunkte  soll  man  nun  zur  Operation  schreiten? 

Seit  der  bekannten  Publikation  Veits 1S),  der  nachwies, 
dass  bis  zum  6.  Jahre  noch  schwere  Verkrümmungen  der  Spontan¬ 
rektifikation  fähig  sind,  ist  man  geneigt,  die  Operation  bis  zu 
diesem  Zeitpunkte  zu  verschieben.  Indessen  gibt  es,  was  auch 
Veit  hervorhebt,  eine  Anzahl  von  Fällen,  bei  welchen  auf  eine 
Spontanheilung  nicht  gerechnet  werden  kann.  In  solchen  Fällen 
wird  man  die  Operation  natürlich  schon  in  einem  früheren  Zeit¬ 
punkte  unternehmen.  Man  muss  Koenig1’)  beistimmen,  wenn 
er  sich  diesbezüglich  wie  folgt  äussert:  „Kann  man  die  Eingriffe 
ohne  Lebensgefahr  vornehmen,  so  ist  es  allerdings  öfter  ein  Ge¬ 
winn,  Kindern,  welche  vielleicht  sonst  noch  jahrelang  unbehilf¬ 
lich  oder  auch  teilweise  gar  nicht  gehen  konnten,  rasch  zum 
freien  Gebrauch  der  Extremitäten  zu  verhelfen,  und  zwar  um 
so  mehr,  als  man  dadurch  manche  in  der  Tat  bei  längerer  Dauer 
der  Deformität  unvermeidliche  üble  Folgen  für  die  Stellung  und 
Form  der  Füsse  und  des  Kniegelenkes  abschneidet.“  Es  ist  hier 
auch  der  Beobachtung  Güssen  bauers  zu  gedenken,  derzu- 
folge  solche  Kinder  auch  nach  der  Operation  im  Anfänge  sehr 
schlecht,  zuweilen  nur  mit  Gehmaschinen,  gehen  können.  Es 
bedarf  eben  geraumer  Zeit,  bis  sich  die  Kniegelenke  und  Füsse 
wieder  den  geänderten  statischen  Verhältnissen  angepasst  haben, 
wenn  die  Verkrümmung  längere  Zeit  bestanden  hat. 

Es  ist  dann  noch  darauf  hinzuweisen,  dass  von  einigen  Seiten 
gelehrt  wird,  dass  nur  die  seitlichen  Einknickungen  des  Unter¬ 
schenkels  das  Opfer  einer  Operation  wert  seien,  während  die  Ver¬ 
krümmungen  nach  vorne  und  rückwärts  später  unter  dem  Bein¬ 
kleide  oder  Rocke  verschwinden,  und  somit  keine  kosmetische 
Störung  verursachen.  Ich  möchte  aber  doch  glauben,  dass  diese 
Begründung  nur  für  mindere  Grade  Geltung  hat.  Bei  höheren 
Graden  kommt  die  Deformitätsverkürzung,  die  bei  den  ohnehin 
meist  klein  gewachsenen  rhachitischen  Individuen  eine  Bolle 
spielt,  besonders  aber  der  Nachteil,  welcher  den  benachbarten  Ge¬ 
lenken  aus  dem  Bestände  der  Verkrümmung  erwächst,  in  Be¬ 
tracht.  Ueberdies  gibt  es  Fälle,  bei  welchen  die  antero-posterioren 
Verkrümmungen  so  hochgradig  sind,  dass  sie  die  Möglichkeit  des 
Gehens  ausschliessen  —  die  beiden  ersten  oben  mitgeteilten  Fälle 
zählen  ja  zu  dieser  Gruppe. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  das  liier  geschilderte,  kom¬ 
binierte,  einzeitige  Verfahren  zur  Korrektur  hochgradiger  Unter¬ 
schenkelverkrümmungen  kurz  zu  resümieren: 

Das  Verfahren  bringt  die  event.  mehrfache,  lineare  Osteo¬ 
tomie,  die  sich  unmittelbar  anschliessende  instrumentelle  Ex¬ 
tension  und  endlich  den  Kontentivverband  in  Anwendung  und 
bietet  daher  die  folgenden  Vorteile: 

1.  Die  den  Knochen  verkürzende  Keilresektion  ist  ent¬ 
behrlich. 

2.  Die  nachträgliche  Gewichtsextension  entfällt,  da  durch 
die  Ueberwindung  der  Widerstände  die  sofortige  Stellungs¬ 
korrektur  möglich  ist.  Endlich  wird 

3.  der  Patient  durch  den  sofort  am  Operationstische  an¬ 
gelegten  Kontentivverband  aller  Vorteile  der  mobilisierenden 
Behandlung  teilhaftig. 


Aus  dem  Arcispedale  S.  Anna  in  Ferrara. 

Experimenteller  Beitrag  zur  Behandlung  der  Perfo¬ 
rationen  und  Zerreissungen  der  Gallenblase. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 

Von 

Dr.  L.  Baldassari  und  Dr.  A.  Gardini, 
Direktor  Assistenzarzt. 

Zur  Behandlung  der  Kontinuitätstrennungen  der  Gallenblase 
jeder  Art  stehen  uns,  ausser  dem  Tamponement,  zwei  Mittel  zur 
Verfügung,  die  Cholecystorrhaphie  und  die  Cholecystektomie. 
Jedoch  ist  zu  beachten,  dass  dieselben  nicht  immer  gut  ent- 

1S)  W.  Veit:  Ueber  die  Spontanheilung  rhachitischer  Ver¬ 
krümmungen  Langenbecks  Arch.  1895,  Bd.  50. 

”)  Koenig:  Lehrbuch  Bd.  3,  pag.  704. 


2047 


sprechen,  da  es  Fälle  gibt,  in  welchen  die  eine  Operation  un¬ 
genügend  und  unsicher,  die  andere  zu  weitgehend  ist. 

Deshalb  dachte  man  daran,  die  Verletzungen  und  Substanz¬ 
verluste  durch  Netztransplantation  auf  die  Gallenblase  zur 
Heilung  zu  bringen,  wie  dies  an  anderen  Organen  (Magen,  Darm, 
Blase)  schon  geglückt  ist.  Enderlen  und  J  u  s  t  i  haben 
diese  Versuche  mit  günstigem  Erfolg  ausgeführt.  Nun  ist  es 
zweifelhaft,  ob  ein  so  dünnes  und  aus  einem  doppelten  Blatt 
Serosa  und  Fett  bestehendes  Gewebe,  auch  wenn  es  auf  sich  selbst 
zusammengefaltet  ist,  eine  genügende  Widerstandsfähigkeit 
habe,  um  die  in  der  Gallenblase  klaffende  Lücke  sicher  zu  ver- 
sc-hliessen.  Auch  macht  die  Notwendigkeit  des  Faltens  eine 
exakte  Naht  und  eine  regelmässige  Spannung  des  ganzen  trans¬ 
plantierten  Lappens  schwieriger.  Ausserdem  wird  das  Netz,  wenn 
es  nicht  abgeschnitten  wird,  mehr  oder  weniger  gezerrt  werden 
und  in  die  Bauchhöhle  hineinragen;  wird  es  dagegen  abge¬ 
schnitten,  so  bleibt  eine  blutige  Schnittfläche  oder  eine  Nahtlinie 
mehr,  die  manchmal  zu  Verwachsungen  mit  den  Nachbarorganen 
Anlass  geben  wird. 

Aus  solchen  Erwägungen  kam  uns  der  Gedanke,  das  Netz 
durch  einen  Serosa-Muskel-Lappen  zu  ersetzen,  der  von  der 
Bauchwand  in  der  Nähe  des  Laparotomieschnittes  genommen 
wird.  Dieser  hat  den  Vorteil,  nach  ausen  eine  Schicht  Peri¬ 
toneum  zu  haben,  welches  Verwachsungen  mit  dem  die  Gallenblase 
bekleidenden  Bauchfell  eingehen  soll.  Ausserdem  enthält  er 
eine  Schicht  gestreiften  Muskels,  die  nach  innen  gewendet 
bleibt  und  sicherlich  eine  grössere  Widerstandsfähigkeit  besitzt, 
wie  sie  für  einige  Zeit  nötig  ist,  bis  die  Wiederherstellung  des 
Epithels  vollendet  ist. 

Lnsere  Versuche  wurden  an  Hunden  von  verschiedener 
Giösse  ohne  Narkose  und  immer  unter  strengsten  antiseptischen 
Kautelen  ausgeführt. 

Wir  gaben  dem  Schrägschnitt  parallel  dem  rechten  Rippen¬ 
bogen  den  Vorzug,  weil  der  mediane  oder  laterale  senkrechte 
Schnitt  nicht  gestattet,  die  Leber  mit  Leichtigkeit  hervorzu¬ 
ziehen  und  die  Gallenblase  in  genügender  Ausdehnung  zu  be¬ 
herrschen.  Nachdem  die  Bauchhöhle  eröffnet  und  das  Peritoneum 
mit  Pinzetten  versichert  war,  schnitten  wir  davon  zusammen  mit 
der  benachbarten  Muskelschicht  einen  ungefähr  3  cm  langen  und 
2  cm  breiten  Lappen  ab,  indem  wir  die  Serosa  von  neuem  jen¬ 
seits  des  Schnittes  fassen,  damit  sie  nicht  entweicht.  Dieser 
Lappen  wurde  für  den  Augenblick  in  sterilisierter  Gaze  in  er¬ 
wärmter  physiologischer  Kochsalzlösung  konserviert. 

Nunmehr  wurde  die  Gallenblase  zugleich  mit  den  umgeben¬ 
den  Leberlappen  herausgezogen  und  vom  Assistenten  in  dieser 
Lage  festgehalten,  während  die  Bauchhöhle  mit  Gaze  bedeckt 
wurde,  dann  mit  Schere  und  Thermokauter  in  der  Mitte  des 
Fundus  oder  seitlich  eröffnet,  um  so  die  Galle  vollständig  aus- 
fliessen  zu  lassen.  Im  ersten  Falle  wurde  ein  Stück  der  Wand 
abgetragen,  was  eine  förmliche  Blutung  verursachte  und  eine 
Oeffnung  von  ungefähr  2  cm  Durchmesser  hinterliess,  im  zweiten 
Falle  wurde  die  Wand  perforiert,  indem  längs  der  Ränder  kau- 
terisiert  wurde,  so  dass  das  Loch  von  etwas  geringeren  Dimen¬ 
sionen  wie  im  vorhergehenden  Fall  und  an  den  Rändern  voll¬ 
ständig  mit  Schorf  bedeckt  war.  Nun  wurde  der  Serosa- 
Muskellappen  der  Ausdehnung  und  der  Gestalt  des  Substanz¬ 
verlustes  angepasst  und  durch  Sero-Serosa-Nähte  von  dünner 
Seide  und  mit  kleinen  runden  Nadeln  fixiert.  Die  ersten  Nähte 
wurden  in  Kreuzform  an  den  gegenüberliegenden  Enden  gelegt, 
um  eine  Verschiebung  des  transplantierten  Lappens  zu  ver¬ 
meiden,  der  Neigung  zeigte,  sich  zusammenzurollen;  dann  wurde 
die  Vereinigung  durch  eine  genaue  Knopfnaht  vervollständigt. 
Nachdem  so  die  Berührung  der  beiden  Serösen  gut  hergestellt 
war,  um  die  Llöhlung  vollständig  zu  verschliessen,  wurde  das 
Organ  versenkt  und  zur  schichtenweisen  Vereinigung  der  Bauch¬ 
wand  geschritten,  was  keine  Schwierigkeit  bot,  trotz  der  Weg¬ 
nahme  des  Serosa-Muskellappens. 

Der  Verlauf  nach  der  Operation  war  immer  regelmässig': 
am  zweiten  Tage  hatten  sich  die'LIunde  schon  vollständig  erholt 
und  boten  keinerlei  Anzeichen  vo»  Beschwerden  seitens  des  Peri¬ 
toneums.  Als  man  sie  nach  verschiedenen  Zeiträumen  tötete, 
fand  sich  immer  die  Gallenblase  wieder  eingeschlossen  zwischen 
den  benachbarten  Leberlappen,  welche  miteinander  in  Berührung 
gekommen  waren  und  sich  untereinander  und  mit  den  Wänden 
der  Gallenblase  verlötet  hatten.  War  seit  der  Operation  erst 
kurze  Zeit  verstrichen,  so  Hessen  sich  diese  Verwachsungen 

4* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2048 


leicht  lösen,  und  man  konnte  sehen,  dass  der  Lappen  sich  schon 
vereinigt  hatte;  datierte  dagegen  der  Versuch  einige  Zeit  zurück, 
so  war  die  Verwachsung  mit  der  Leber  so  innig,  dass  man  die 
Blase  nur  mit  einem  Streifen  des  Leberparenchyms  auslösen 
konnte,  und  es  war  nicht  möglich,  zu  erkennen,  wo  der  Trans¬ 
plantationslappen  fixiert  worden  war. 

Die  Gallenblase  zeigte  normale  Gestalt  und  Ausdehnung, 
beim  Einschnitt  entleerte  sich  Galle  in  mässiger  Menge,  die 
Schleimhaut  erschien  normal,  nur  bestand  manchmal  Hyperämie 
entsprechend  der  gesetzten  Verletzung.  In  sehr  frischen  Fällen 
sah  man  den  den  Substanzverlust  deckenden  Muskelstreifen  gallig 
gefärbt,  in  alten  Fällen  dagegen  war  hier  nur  eine  leichte  Ver¬ 
tiefung. 

Die  Indikationen  für  die  Anwendung  der  Serosa- 
Muskel-Transplantation  in  der  Chirurgie  der  Gallenblase  ergeben 
sich  im  Gefolge  von  Traumen  oder  von  pathologischen  Per¬ 
forationen.  Die  wichtigsten  der  ersteren  sind  \  erletzungen 
durch  die  Lösung  von  Verwachsungen  bei  abdominalen  Ope¬ 
rationen.  In  solchen  Fällen,  besonders  bei  Substanzverlust,  wo¬ 
durch  ein  Stück  der  Gallenblasenwand  in  Fortfall  kommt,  ist 
es  klar,  dass  die  Naht  eine  Verkleinerung  und  Deformation  des 
Organs  mit  sich  bringen  würde.  Die  Auflagerung  eines  Lappens 
von  der  nötigen  Ausdehnung  dagegen  erlaubt  die  ursprüngliche 
Gestalt,  Kapazität  und  Resistenz  wieder  herzustellen. 

Aus  solchen  Gründen  kann  der  Chirurg  mit  grösserer  Sicher¬ 
heit  zur  Trennung  inniger  Verwachsungen  mit  benachbartem  Ge¬ 
webe  schreiten  und  gegebenenfalls  ein  Stück  der  Gallenblasen¬ 
wand  resezieren,  wenn  sie  mit  Teilen  fest  verwachsen  ist,  die  in 
ihrer  Gesamtheit  entfernt  werden  müssen. 

Eine  andere  Gelegenheit  zum  Eingriff  mit  der  von  uns  vor- 
gesclilagenen  Methode  ist  gegeben  durch  die  Persistenz  von 
Gallenblasenfisteln  im  Gefolge  von  Ulzerationen  oder  Operationen 
an  der  Gallenblase.  In  solchen  Fällen  sind  schwammige  Granula¬ 
tionen  im  Umkreis  der  Fistel  zu  exzidieren  oder  es  bleiben  auch 
nach  der  Entfernung  blutende  Flächen  und  meistens  eine  weite 
und  unregelmässige  Oeffnung  mit  Zerreissungen,  wofür  eine  ein¬ 
fache  Naht  keine  sichere  und  geeignete  Methode  der  Wieder¬ 
herstellung  darstellen  würde,  während  die  Transplantation  auch 
noch  den  Vorteil  bietet,  das  fehlende  Stück  der  Wand  zu  er¬ 
setzen. 

Ferner  kann  man  auf  dieselbe  Weise  Schussverletzungen 
des  Organes  schliessen  und  Nähte,  die  in  demselben  gelegt 
wurden,  oder  auch  die  Wände,  die  an  irgend  einer  Stelle  verdünnt 
sind,  verstärken,  um  ihre  Widerstandsfähigkeit  zu  vergrössern 
und  Perforationen  zu  verhindern. 

Wie  die  bis  jetzt  ausgeführten  Versuche  zeigen,  können  wir 
die  Schlussfolgerung  ziehen,  dass  die  von  uns  studierte  Trans¬ 
plantation  bei  verschiedenen  Läsionen  der  Gallenblase  im  stände 
ist,  in  der  Wiederherstellung  der  Integrität  des  Organes  inner¬ 
halb  der  Grenzen  des  Möglichen  günstige  Erfolge  zu  erzielen. 
Neue  Untersuchungen  werden  die  genauen  Indikationen  der  An¬ 
wendung,  den  Mechanismus  der  Heilung  und  das  Schicksal  des 
Schleimhaut-Muskellappens  klarstellen. 

Ferrara,  im  September  1902. 


Ueber  Adrenalin.  (Tierversuche.) 

Von  Dr.  Lehmann  in  Strassburg. 

Mit  dem  Aufschwung  der  Organotherapie  ist  auch  die 
Nebenniere,  deren  physiologische  Bedeutung  im  Tierkörper  noch 
vollständig  unbekannt  ist,  bei  der  Behandlung  verschiedener 
Krankheiten  empfohlen  worden.  Bei  innerer  Darreichung  ist 
eine  starke  blutdrucksteigernde  Wirkung  zu  beobachten,  die  nach 
den  Untersuchungen  von  Oliver  und  Schaef  er  [3], 
C  y  b  u  1  s  k  i  [4] ,  Scymonowicz  [14] ,  E.  v.  C  y  o  n  [15] , 
B  i  e  d  1  [26] ,  E.  M.  II  aughton  [27] ,  Boruttau  [25]  durch 
Dauerkontraktion  der  Kapillaren  hervorgerufen  wird.  Eine  Ein¬ 
wirkung  auf  den  Modus  der  Kontraktion  des  Herzmuskels,  eine 
digitalisähnliche  Wirkung  haben  Beobachter  wie  Gott- 
lieb  [12],  Radziejewski,  Cleghorn  [18],  Cushny  [42], 
Bardier  [31] ,  Gerhardt  [29]  nachweisen  können.  Bei 
der  lokalen  Applikation  des  Nebennierenextraktes,  bei  der  Ver¬ 
wendung  des  Mittels  auf  Schleimhäute,  tritt  nach  wenigen  Mi¬ 
nuten  eint;  starke  Anämie  der  Konjunktiva,  die  20 — 30  Minuten 
anhält,  durch  Dauerkontraktion  der  Kapillaren  ein.  Die  ge¬ 
nannte  Wirkung  des  Nebennierenextraktes  ist  einer  Substanz 


zuzuschreiben,  die  v.  I  uerth  [16]  zu  isolieren  und  rein  dai- 
zustellen  gelang  und  die  von  ihm  „Suprarenin“  benannt  worden 
ist.  Jokishi  T  aka  m  ine  [41]  -  New-York  hat,  was  v.  1  u  e  r  t  h 
nicht  gelungen  war,  die  wirksame  Substanz  kristallinisch  dar¬ 
gestellt  und  damit  ein  Präparat  von  chemischer  Reinheit  und 
Konstanz  geschaffen.  Das  „Adrenalin“  (unter  diesem  Namen 
wird  die  Substanz  Takamines  von  der  Fabrik  Parke, 
Davis  &  Co.,  London,  in  den  Handel  gebracht)  ist  sterilisier¬ 
bar  und  in  starker  Verdünnung  noch  sehr  wirksam.  Die  im 
Handel  erhältliche  Lösung  ist  V10proz.  und  hat  folgende  Zu¬ 
sammensetzung:  Adrenalini  hydrochlorici  0,1,  Natr.  chlorat.  0,7, 
Chloreton.  0,5,  Aquae  dest.  100,0.  In  der  Ophthalmologie,  der 
Rhino-  und  Laryngologie  hat  das  Präparat,  wie  aus  den  zahl¬ 
reichen  Veröffentlichungen  in  Zeitschriften  obengenannter  Spe¬ 
zialfächer  hervorgeht,  als  vasokonstriktorisches  Mittel  Verwen¬ 
dung  gefunden.  An  dieser  Stelle  mag  nur  erwähnt  werden,  dass 
die  Abtragung  der  unteren  Muschel  ohne  Blutverlust  durch 
Adrenalin  ermöglicht  wird.  Dass  die  Operation  unter  Blutleere 
von  statten  gehen  kann,  darüber  sind  alle  Autoren  einig.  Nur 
über  die  Nachwirkungen  dieses  Mittels  liegen  noch  wider¬ 
sprechende  Berichte  vor.  Die  Anämie  der  Gewebe,  wie  sie  durch 
Adrenalin  hervorgerufen  wird,  dauert  ca.  30  Minuten  an,  um 
dann  einer  starken  Hyperämie,  die  mehrere  Tage  währen  kann, 
Platz  zu  machen.  In  diesem  Stadium  der  Blutfülle  treten  nach 
einzelnen  Beobachtungen  leicht  Nachblutungen  auf.  Eine 
toxische  Wirkung  ist  bis  jetzt  beim  Menschen  nicht  verzeichnet 
worden.  Coleman  [39]  hat  Adrenalin  bei  Darmblutungen  in 
Dosen  von  15  Gran  mehrmals  täglich  gegeben,  ohne  einen 
toxischen  Effekt  zu  notieren.  Zur  Orientierung  mag  noch  hin¬ 
zugefügt  werden,  dass  die  Adrenalinlösung  durch  Oxydation 
ihre  physiologische  Wirksamkeit  einbüsst.  Deshalb  ist  es  von 
Vorteil,  mit  frisch  bereiteten  Lösungen  zu  arbeiten,  die  in 
dunkeln  Flaschen  sorgsam  vor  Luftzutritt  zu  bewahren  sind. 

Wegen  der  weiter  oben  erwähnten  Vorzüge  des  Adrenalin 
vor  den  anderen  Nebennierenpräparaten  habe  ich  alle  meine  Tier¬ 
versuche  mit  der  0,1  proz.  Adrenalinlösung  angestellt.  Meine 
ersten  Experimente  sollten  versuchen,  festzustellen,  ob  sich  die 
Gelatineinjektionen  bei  Hämorrhagien  durch  eine  sterile 
Adrenalinlösung  wohl  ersetzen  Hessen.  Die  in  letzter  Zeit  sich 
häufenden  Fälle  von  Tetanus  nach  Gelatineinjektionen  Hessen 
einen  Ersatz  um  so  wünschenswerter  erscheinen.  Aus  der  Lite¬ 
ratur  war  mir  bekannt,  dass  die  Nebennierenpräparate  bei 
parenchymatöser  Blutung  wirksam  seien,  dass  durch  eine  zirka 
Vs  Stunde  dauernde  Kontraktion  der  Kapillaren  eine  starke 
Anämie  der  Applikationsstelle  regelmässig  zu  beobachten  war. 
Ein  wesentlicher  Einfluss  auf  die  kleineren  Arterien  und  Venen 
ist  mit  Sicherheit  nicht  konstatiert  worden.  Ilm  im  Tier¬ 
experiment  den  Einfluss  des  Adrenalins  auf  eine  parenchymatöse 
Blutung  verfolgen  zu  können,  exzidierte  ich  bei  einem  Kanin¬ 
chen  aus  einem  Leberlappen  ein  Vs  auf  1  cm  grosses  Stück  Ge¬ 
webe.  Mit  Adrenalinlösung  getränkte  Wattebäusche  wurden 
gegen  die  blutende  Stelle  angedrückt  lVs  Stunden  lang,  doch 
ohne  Erfolg.  Die  Blutung  stand  nicht,  das  Tier  war  stark  aus¬ 
geblutet  und  ich  entschloss  mich,  die  Bauchhöhle  wieder  zu 
schliessen,  ohne  die  Hämorrhagie  gestillt  zu  haben.  Das  Tier 
erholte  sich  nach  diesem  Eingriff  merkwürdig  rasch,  nach 
48  Stunden  war  es  wieder  ganz  munter.  Das  Adrenalin  hat  sich 
bei  der  oben  geschilderten  Versuchsanordnung  nicht  bewährt, 
weil  durch  das  ausfliessende  Blut  die  wirksame  Lösung  mit  den 
Geweben  zu  wenig  in  Berührung  kam. 

Bei  einem  zweiten  Versuche  suchte  ich  diesem  Uebelstande 
dadurch  abzuhelfen,  dass  ich  oberhalb  des  abzutragenden  Leber¬ 
stückes  mit  einer  P  r  a  v  a  z  sehen  Spritze,  sozusagen  prophy¬ 
laktisch,  vorsichtig  zunächst  unter  die  Kapsel,  dann  in  das  Leber¬ 
gewebe  selbst  1 — 2  ccm  meiner  0,1  proz.  Adrenalinlösung  in¬ 
jizierte.  Nach  7 — 8  Minuten  war  der  betroffene  Leberabschnitt 
ganz  blutleer,  von  graurötlicher  Farbe.  Innerhalb  der  Grenzen 
des  anämischen  Bezirkes  trug  ich  ein  Vs  auf  1  cm  grosses  Leber¬ 
stück  ab,  ohne  einen  einzigen  Blutstropfen  auf  der  Schnitt¬ 
fläche  hervorquellen  zu  sehen.  Schluss  der  Bauchhöhle,  keine 
nachweisbare  Nachblutung  zu  verzeichnen.  Dieses  überraschende 
Resultat  veranlasste  mich,  dieses  Experiment  mit  Abtragen  gros¬ 
serer  Leberteile  am  Kaninchen,  später  an  anderen  Tierspezies, 
wie  dem  Hunde,  zu  wiederholen.  Die  Wirkung  war  in  den 
verschiedenen  Experimenten  regelmässig  und  prompt ;  im  Anfang 
wurden  meist  nur  Leberstücke  von  2  cm  Länge  auf  lVs  cm  Breite 


9.  Dezember  1902. 


MÜENCHFNEK  MEDiCLNlSCHE  WOCHENSCtlKIFD. 


2049 


abgetragen,  wobei  die  Dicke  des  exzidierten  Stückes  au  der  Ab¬ 
tragungsstelle  %  cm  betrug.  Zuletzt  trug  ich  ganze  Leberlappen 
ab,  ohne  nennenswerte  Blutung  zu  bemerken.  Wie  lange  der 
Zustand  der  Blutleere  andauert  und  ob  die  starke  Anämie  der 
Gewebe  von  einer  entsprechenden  konsekutiven  Hyperämie  ge¬ 
folgt  ist,  sollten  folgende  Versuche  ergeben:  Wiederholt  man  das 
oben  angegebene  ganz  einfache  Experiment  und  wartet  man,  statt 
die  Bauchhöhle  zu  schliessen,  ruhig  ab,  so  kann  man  verfolgen, 
wie  nach  Verlauf  von  30—40  Minuten  die  Blässe  allmählich 
schwindet,  um  einer  zunehmenden  Hyperämie  Platz  zu  machen. 
Gegen  Erwarten  tritt  auch  in  diesem  Stadium  der  Blutfülle  des 
Organes  keine  frische  Blutung  auf.  In  einem  Falle  habe 
ich  6  Stunden  lang  beobachtet,  die  Hyperämie  ist  andauernd 
sehr  stark  geblieben,  es  ist  jedoch  keine  neue  Blutung  auf¬ 
getreten.  Ich  glaube,  dass  sich  an  der  Schnittfläche  des  Leber¬ 
gewebes  unter  der  Einwirkung  des  Adrenalin  wohl  leicht  Thromben 
in  den  Kapillaren  bilden,  die  in  der  nachfolgenden  hyperämischen 
Periode  eine  Nachblutung  verhindern.  M  o  u  r  e  und  B  r  i  n  d  e  1 
haben  schon  früher,  gestützt  auf  ihre  klinischen  Erfahrungen, 
diese  Ansicht  ausgesprochen.  Ferdinands  lässt  die  Frage,’ 
ob  Adrenalin  die  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  steigert,  offen’ 
gibt  zugleich  der  Meinung  Ausdruck,  dass  das  langsame  Aus- 
fliessen  des  Blutes  bei  Adrenalingebrauch  allein  schon  vielleicht 
die  schnellere  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  erkläre.  In  den 
Publikationen  von  v.  Fuerth  habe  ich  bei  den  Versuchen  mit 


toxischen  Dosen  die  Bemerkung  gefunden,  dass  an  der  Appli¬ 
kationsstelle  (meist  subkutane  Injektionen)  öfter  eine  Nekrose  der 
Haut  und  des  Unterhautfettgewebes  zu  beobachten  war.  Es  ist 
ja  richtig,  dass,  je  stärker  die  Dosis,  je  länger  auch  die  Wir¬ 
kung  sich  geltend  macht.  Einen  zur  Nekrose  führenden  Spas¬ 
mus  anzunehmen,  scheint  mir  jedoch  zu  gekünstelt,  ich  glaube 
auch  hierwohl  eine  durch  Adrenalin  hervorgerufeneThrombose  mit 
Nekrose  im  Gefolge  annehmen  zu  dürfen.  Die  von  verschiedenen 
Autoren  gemeldeten,  stärker  als  nach  gewöhnlichen  Operationen 
auftretenden  Nachblutungen  rühren  wahrscheinlich  nur  von 
ganz  leichten  Traumen  beim  Verbandwechsel  her.  Denn  24  oder 
48  Stunden  nach  der  Operation  sind  die  Thromben  noch  nicht 
organisiert,  sie  können  sich  leicht  bei  Berührung  lösen  und  so 
zu  stärkeren  Nachblutungen,  da  meist  noch  ein  gewisser  Grad 
von  Hyperämie  besteht,  Veranlassung  geben.  Wie  ist  es  jedoch 
zu  verstehen,  dass  die  Blutung  im  ersten  Versuche  auf  Adrenalin¬ 
tampons  nicht  stand  und  dass  das  Tier,  obschon  stark  ausgeblutet, 
nach  Schluss  der  Bauchhöhle  sich  schnell  erholen  konnte  ? 
Zur  Klärung  dieser  Irage  habe  ich  bei  einem  Kaninchen  ein 
Stück  Leber  exzidiert  und,  ohne  mich  um  die  Blutung  zu  küm¬ 
mern,  die  Leber  wieder  in  di,e  Bauchhöhle  versenkt  und  das  Ab¬ 


domen  durch  die  Naht  geschlossen.  Nach  24  Stunden  habe  ich 
das  Tier  geopfert  und  habe  konstatieren  können,  dass  keine  Blu¬ 
tung  in  die  Bauchhöhle  erfolgt  war.  Die  Wundfläche  der  Leber 
war  mit  dem  Colon  transversum  ziemlich  fest  verklebt.  Es 


bilden  sich  nämlich  sehr  schnell  Verklebungen  der  Wundfläche 
der  Leber  mit  den  Nachbarorganen,  wodurch  dann  die  Blutung 
zum  Stillstand  gebracht  wird.  Soviel  zur  Klarstellung  meines 
ersten  Versuches. 

Es  erübrigt  nur  noch,  einige  Worte  über  die  Toxizität  des 
Adrenalin  hinzuzufügen.  Dass  das  Extrakt  aus  den  Neben¬ 
nieren  toxische  Wirkungen  entfalten  kann,  haben  die  Unter¬ 
suchungen  von  Oliver  und  Scliaef  er  [3],  Marino- 
Zucco[2],  Cybulski  [4],  Gourf  ein  [5],  Swale 
Vincent  [6],  v.  Euertli  [16],  Gottlieb  [12]  und  Ger¬ 
hardt  [26]  ergeben.  F  o  a  und  P  ellacani  [1],  in  neuester 
Zeit  Kohde[32]  sind  dafür  eingetreten,  dass  die  Giftigkeit  der 
Präparate  auf  Neurinwirkung  zurückzuführen  sei.  Wie  dem 
auch  sei,  jedenfalls  habe  ich  bei  meinen  Versuchstieren  niemals 
Intoxikationserscheinungen  konstatieren  können.  L  a  n  g  1  o  i  s’ 
Untersuchungen  über  die  Fähigkeit  der  Leberzellen,  das  Gift  un¬ 


wirksam  zu  machen,  scheinen  mir  nicht  einwandfrei  zu  sein. 
Eine  Maximaldose  gibt  es  bis  jetzt  für  Adrenalin  nicht;  es  wäre 
jedoch  recht '  wünschenswert,  eine  solche  zu  besitzen,  ehe  man 
das  Mittel  in  den  Arzneischatz  aufnimmt. 

Wenn  ich  mir  zum  Schlüsse  erlauben  darf,  einige  Schluss¬ 
folgerungen  aus  meinen  Untersuchungen  zu  ziehen,  so  möchte 
ich  darauf  verwaisen,  dass  die  Methode  der  „präventiven  Ad¬ 
renalininjektionen“  bei  verschiedenen  Operationen  an  blut¬ 
reichen  Organen  von  Vorteil  sein  kann.  Diese  neue  Methode 
würde,  wie  übrigens  schon  aus  den  obigen  Auseinander- 


No.  49. 


Setzungen  klar  hervorgeht,  die  Unterbindung  grösserer  Arterien 
und  Venen  nicht  überflüssig  machen,  sie  würde  nui*  eine  schnel¬ 
lere  Beendigung  der  Operation  durch  ein  blutfreies  Operations¬ 
feld  ermöglichen  und  zuletzt,  was  auch  nicht  unwesentlich  ist, 
einen  Assistenten  zum  Tupfen  entbehrlich  machen.  Ob  sich  und 
wie  sich  die  „präventive  Adrenalininjektion“  mit  der  Schleich¬ 
sehen  Infiltration  kombinieren  lässt,  müssen  weitere  Unter¬ 
suchungen  ergeben. 

Lite  r  a  t  u  r: 

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in  Krakau  1895.  —  5.  Gourf  ein:  Comptes  rendus  1895.  _ 

G.  Swale  Vincent:  Journal  of  pliysiology  1897.  _ 7.  Moore- 

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Assoc.,  11.  März  1901.  —  28.  Radziejewski:  Bert.  klin. 
Wochenschr.,  Juni  1898.  —  29.  D.  Gerhardt:  Arch.  f.  exp. 
Pathol.  u.  Pharm.  1900,  Bd.  44.  —  30.  Muhlmann:  Deutsche 
med.  W  ochenschr.  — -  31.  B  a  r  d  i  e  r:  Arch.  de  phys.  et  path. 
1898.  Rosenberg:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1902.  — 

32.  It  olide:  Wien.  klin.  Rundschau  1902,  No.  33,  34.  — 

33.  A.  v.  Frisch:  Wien.  klin.  Woch.  1902,  No.  31.  —  34.  Bu¬ 
lt  o  f  z  e  r.  —  Allg.  med.  Centralztg.  1902,  No.  44.  —  35.  H.  Kirch¬ 
ner:  Opli  thalmologische  Klinik  1902,  No.  12.  —  36.  Lermoyez: 
Presse  med.  1902.  —  37.  V  i  g  n  e  s:  Presse  med.  1902.  —  38.  Fer¬ 
dinands:  Brit.  med.  Journal,  24.  Mai  1902.  —  39.  Co  le¬ 
in  an:  Brit.  med.  Journal,  10.  Mai  1902.  —  40.  Stanlay 
Green:  Brit.  med.  Journal,  10.  Mai  1902.  —  41.  Takamine: 
The  therap.  Gazette  1901,  15.  April.  -  42.  Cush  n  y:  Textbook  on 
Pharmakology. 

Zur  Beurteilung  der  Borsäure  und  des  Borax  als 
Fleischkonservierungsmittel. 

Y  on  Dr.  med.  K.  Boehm,  o.  ö.  Professor  der  Pharmakologie, 
Geh.  Medizinalrat,  Leipzig. 

Meinen  Standpunkt  in  der  Borsäure-Boraxfrage  kann  ich 
kurz  in  folgende  Sätze  zusammenfassen: 

1.  V  enn  es  sich  um  die  Frage  handelt,  ob  der  Zusatz  irgend 
eines  fremden  Stoffes  zu  einem  unentbehrlichen  Nahrungsmittel 
als  Konservierungsmittel  geduldet  werden  kann,  so  darf  kein 
Zweifel  daran  bestehen,  dass  dieser  Stoff  für  die  menschliche 
Gesundheit  unschädlich  ist. 

2.  Borsäure  und  Borax  gehören  nicht  zu  den  stark  wirkenden 
Giften;  doch  liegen  hinlängliche  Erfahrungen  aus  der  ärztlichen 
Praxis  vor,  welche  zeigen,  dass  der  länger  fortgesetzte  medikamen¬ 
töse  Gebrauch  dieser  Stoffe  Verdauungsstörungen,  Hautaus¬ 
schläge  und  andere  Krankheitssymptome  zur  Folge  haben  kann. 

Vergiftungen  mit  tödlichem  Ausgang  sind  in  mehreren 
Fällen  nach  Einspritzung  grösserer  Mengen  von  Borsäurelösung 
in  Körperhöhlen,  einmal  auch  nach  innerlicher  Einnahme  einer 
grösseren  Borsäuredosis  vorgekommen. 

Schon  hieraus  folgt,  dass  man  die  Borverbindungen  nicht 
zu  den  pharmakologisch  indifferenten  Stoffen  zählen  darf. 

3.  Wenn  gegenüber  den  Erfahrungen  bei  der  arzneilichen 
Anwendung  Gesundheitsstörungen  nach  dem  Genüsse  borazierter 
Nahrungsmittel  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt  geworden  sind,  so 
kann  dieser  Umstand  noch  nicht  als  Beweis  für  die  Unschädlich¬ 
keit  des  Genusses  solcher  Nahrung  gelten.  Während  des  Ge¬ 
brauches  eines  Arzneimittels  steht  der  Patient  in  der  Kegel 
auch  in  ärztlicher  Beobachtung;  unerwünschte  Arzneiwirkungen 
werden  dieser  nicht  so  leicht  entgehen. 

Beim  Genüsse  von  Nahrungsmitteln  fällt  die  ärztliche  Be¬ 
obachtung  gänzlich  weg.  Der  Konsument  hat  ausserdem  ge¬ 
wöhnlich  keine  Kenntnis  davon,  dass  er  mit  seiner  Nahrung 

5 


2059 


MÜKNCHENER  MEDtOlKlSCltE  WOCHEN  SCI  I  RIET. 


Ko.  49. 


fremde  Stoffe  aufm  mint.  Ein*  etwa  auftretende  Gesundlieits- 
störungen  können  daher  sehr  leicht  andere  Ursachen  angenommen 
werden. 

4.  Experimente  mit  Borsäure  und  Borax  an  Menschen  und 
Tieren  sind  seit  Beginn  des  verflossenen  Jahrhunderts  wiederholt 
von  verschiedenen  Aerzten  ausgeführt  worden. 

Was  zunächst  die  grosse  Mehrzahl  derjenigen  betrifft,  welche 
nur  die  unmittelbar  zutage  tretenden  Wirkungen  berücksich¬ 
tigen,  so  bestätigen  sie  im  grossen  und  ganzen  die  am  Kranken¬ 
bette  bei  der  Anwendung  der  Borate  als  Medikamente  gemachten 
Erfahrungen.  Kleinere  Mengen  der  Stoffe  Hessen  eine  deut¬ 
liche  Wirkung  nicht  erkennen,  bei  Versuchen  mit  grösseren  Dosen 
kamen  hauptsächlich  mehr  oder  weniger  tiefe  Schädigungen  der 
Verdauungsorgane  zur  Beobachtung. 

5.  Von  einer  neuen  Seite  hat  man  die  Borpräparate  bei  <  ei 
genaueren  Untersuchung  ihres  Einflusses  auf  die  Ernährung  und 
den  Stoffwechsel  kennen  gelernt.  Die  hierauf  bezüglichen  Be¬ 
obachtungen  sind  an  Menschen  und  Tieren  grösstenteils  im 
Kaiserlichen  Gesundheitsamte  angestellt  worden.  Durch  die¬ 
selben  ist  erwiesen,  dass  Borsäure  und  Borax  die  Ausnutzung 
der  Nahrungsmittel  im  Darmkanal  verringern.  Bei  Versuchen 
verschiedener  Beobachter  und  bei  verschiedener  \  ersuchsanord- 
nung  ist  im  wesentlichen  der  gleiche  Effekt  hervorgetreten.  Es 
hat  sich  ferner  herausgestellt,  dass  längerdauernde.  Zufuhr  von 
Borsäure  oder  Borax  mit  der  Nahrung,  ohne  den  Stickstoff  Umsatz 
zu  beeinflussen,  das  Körpergewicht  trotz  ausreichender  Nahrungs¬ 
zufuhr  veringert  und  eine  Vermehrung  der  Kohlensäureaus¬ 
scheidung’  bedingt.  Dieses  Resultat  ist,  wenn  auch  in  veischie 
denem  Grade,  so  doch  bei  allen  bisherigen  Versuchen  erhalten 
worden. 

.in  den  angewandten  Methoden  und  den  gewählten  \  ersuchs- 
bedingungon  finde  ich  nichts,  was  die  aus  den  Versuchsresultaten 
abgeleiteten  Schlussfolgerungen  ungerechtfertigt  erscheinen 
lassen  könnte.  Die  jetzt  vorliegenden  Befunde  sind  vollkommen 
ausreichend,  um  einen  nachteiligen  Einfluss  der  Borzufuhr  auf 
die  menschliche  Ernährung  darzutun. 

6.  Es  ist  der  Eimvand  gemacht  worden,  dass  die  bei  den 

Stoff  Wechsel  versuchen  an  Menschen  mit  Borsäure  und  Doiax 
verabreichten  Mengen  dieser  Stoffe  grösser  gewesen  seien,  als  sie 
bei  dem  Genüsse  borazierter  Nahrungsmittel  in  Betracht  zu 
kommen  brauchten.  Die  in  den  Nahrungsmitteln  faktisch  vor¬ 
handenen  Mengen  dieser  Konservierungsmittel  entziehen  sich 
aber  im  gewöhnlichen  Leben  jeder  Kontrolle  und  können  nach 
den  Ergebnissen  der  chemischen  Untersuchung  verschiedener 
borazierter  Eleischwaaren  sehr  leicht  den  Betrag  von  2  3  g  pro 

Tag  erreichen. 

7.  Es  ist  zu  Gunsten  der  Borverbindungen  auch  auf  das  Vor¬ 
kommen  von  Borsäure  als  normalen  Eflanzenbestandteil  hin¬ 
gedeutet  worden.  Dieser  Umstand  hat  aber  nicht  die  geringste 
Bedeutung  bei  der  Beurteilung  der  V  irkung  dieses  Stoffes  auf  den 
menschlichen  Organismus.  Es  braucht  nur  an  die  Entstehung 
sehr  starker  Gifte  für  den  Tierkörper,  wie  z.  B.  des  Strychnins 
in  der  lebenden  Pflanze,  an  das  Vorkommen  von  Blausäure, 
Jod-  und  Brom  Verbindungen  in  vielen  Pflanzen  erinnert  zu 
werden. 


Bericht  über  die  Ergebnisse  der  Schuizpockenimpfung 
im  Königreiche  Bayern  im  Jahre  1901, 

erstattet  von  dem  k.  Zentralimpfar'zte,  Medizinalrat 
Dr.  L.  S  t  u  m  pf. 

(Fortsetzung.) 

Die  öffentliche  Impfung  vollzog  sich  im  Lande  wieder,  wie 
seit  Jahren,  in  der  Zeit  vom  15.  April  bis  1  *>.  Juni.  In  der  Haupt¬ 
stadt  reichen  allerdings  die  vom  15.  April  bis  Ende  Juni  allwöchent¬ 
lich  2  mal  abgehaltenen,  öffentlichen  Impftermine  nicht  mehr  aus 
für  die  Durchführung  der  Impfung  der  Erst  impf  linge.  Es  fin¬ 
den  daher  im  September  noch  allwöchentlich  je  2  Impftermine 
im  Stadtbezirke  statt,  welche  in  der  Weise  angeordnet  sind,  dass 
im  Osten,  Westen,  Süden  und  Norden,  sowie  auch  im  Zentrum 
der  Stadt  Impftermine  für  die  Erstimpflinge  abgehalten  werden, 
um  einerseits  die  Sommertermine  zu  entlasten,  andererseits  der 
Bevölkerung  Gelegenheit  zu  geben,  die  im  Frühjahre  unterlassene 
Impfung  im  Herbste  nachzuholen.  Diese  Septembertermine  pflegen 
daher  in  den  dicht  bevölkerten  Bezirken  der  Stadtperipherie  staik 
besucht  zu  werden.  Auch  in  einigen  Amtsbezirken  des  Landes 
war  es  infolge  von  im  Sommer  aufgetretenen  Epidemien  manchmal 
nötig,  die  Impfung  einiger  Gemeinden  auf  den  Herbst  zu  ver¬ 
legen.  In  den  heissen  Sommermonaten  Juli  und  August  fand  im 
ganzen  Königreiche  zufolge  der  Bestimmung  der  Vollzugsvor- 
schrift  vom  21.  Dezember  1899  keine  öffentliche  Impfung  statt. 


Zu  den  öffentlichen  Impfterminen  wurde  im  ganzen  Lande 
ausschliesslich  die  Lymphe  der  k.  Zentralimptanstalt  verwendet. 
Wie  für  die  Privatimpfungen  eine  Anzahl  anderer  Lymphesorten 
importiert  wurde,  so  hat  die  Lymphe  der  k.  b.  Zentralimpfanstalt 
vielfach  auch  ausserhalb  der  Grenzen  des  engeren  Vaterlandes 
Verwendung  gefunden.  Unter  anderem  wurde  eine  grossere 
Meu°'o  unserer  Lymphe  zu  einem  Impf  versuche  im  Grossen,  wel¬ 
cher  bei  der  letzten  Zusammenkunft  der  Vorstände  der  deutschen 
Lvmphegewinnungsanstalten  in  Aachen  verabredet  worden  w ai, 
nach  Wiesbaden  gesandt,  um  dort  von  einer  Kommission  von  Impt- 
» raten  auf  ihre  Wirkung  geprüft  zu  werden,  und  die  vorläufig  be¬ 
kannt  gegebenen  Resultate  lassen  ersehen,  dass  die  Munclienei 
Lymphe  auch  in  Wiesbaden  das  auf  sie  gesetzte  Vertrauen  nicht 

1  *  In  hder  Hauptstadt  München  wurden  von  Privatärzten  333 
Erst-  und  Wiederimpflinge  mit  Elberfelder  Lymphe,  ferner  i  mit 
Lvmphe  aus  Lausanne  und  3  mit  solcher  aus  Hamburg  geimp  t. 
Die  Lymphe  aus  der  Privatanstalt  von  Dr.  Protze  m  Elber¬ 
feld  kam  ausserdem  zur  Verimpfung  in  den  Amtsbezirken  Muhl¬ 
dorf  Traunstein,  Landshut,  Frankenthal,  Grünstadt,  Kirchheim¬ 
bolanden.  Landau  (Pf.),  Ludwigshafen,  Obermoschel,  Cham, 
Kulmbach,  Erlangen,  Eichstätt,  Roth  a/S.,  Pappenheim  und  Zus- 
marshausen.  Mehrere  Privatärzte  hatten  als  Bezugsort  lediglich 
die  Adlerapotheke  in  München  angegeben.  Da  in  dieser  Apotheke 
die  Elberfelder  Lymphe  zum  Verkaufe  kommt,  so  wurden  die¬ 
jenigen  Amtsbezirke,  in  welchen  Lymphe  aus  der  Adlerapotheke 
in  München  verimpft  wurde,  dem  eben  aufgefuhrten  Verzeich¬ 
nisse  der  Amtsbezirke  eingereiht.  Abgesehen  von  der  Lymphe  aus 
der  k.  b.  Zentralimpfanstalt  scheint  die  Elberfelder  Lymphe  gegen¬ 
wärtig  bei  Privatimpfungen  am  meisten  verbreitet  zu  sein.  \  on 
den  übrigen  Lymphesorten  Deutschlands  fanden  last  alle  im  Lame 
Eingang,  wurden  jedoch  nur  in  einzelnen  ballen  verimpfb 
Weimarer  Lymphe  wurde  zu  einigen  Privatimpfungen  veru ente 
in  den  Amtsbezirken  Anmveiler,  Landau  (Pf.),  Neustadt  a/H., 
Rothenburg  und  Ludwigshafen.  Die  Erfolge  dieser  Lj  mp  ie 
scheinen  jedoch,  besonders  an  den  beiden  ietztgenannten  Orten 
nicht  günstig  gewesen  zu  sein.  So  wurden  in  Ludwigshafen  1 
?5  impf  schnitten  nur  2  Pusteln  erzielt.  In  Rothenburg  tmfen 
durchschnittlich  nur  1—3  Pusteln  auf  jeden  Impfling.  Auch  fehlte 
es  an  erfolglosen  Impfungen  nicht.  Die  Hamburger  Lymphe  wurde 
ausser  in  München  noch  von  einem  Privatärzte  des  Amtsbezirkes 
Kaiserslautern  verimpft.  Schweizer  Lymphe  und  zwai  aus  der 
Anstalt  in  Lausanne,  fand  ausser  in  der  Landeshauiitstadt  in  den 
Amtsbezirken  Ludwigshafen.  Stadtamhof  und  Eichstätt  fui  P  i  lvat- 
impf ungen  Verwendung.  Die  Engelapotheke  m  b  rankfuit  war 
Bezu-squelle  von  Lvmphe  für  einige  Privatärzte  m  den  Bezirken 
Kaiserslautern.  Ludwigshafen  und  Kulmbach.  Da  diese  Apotheke 
soviel  dem  Berichterstatter  bekannt  ist,  Lymphe  von  Dr.  I  iss  in 
in  Berlin  verkauft,  so  muss  hier  auch  noch  ein  Privatarzt  des 
Amtsbezirks  Hersbruck  erwähnt  werden,  welcher  den  Impfstoff 
von  Pissin  direkt  bezogen  zu  haben  scheint.  Für  die  grösste 
\nzahl  der  Privatimpfungen  diente  diese  Lymphe  un  Amtsbeznke 
Ludwigshafen.  Die  Wirkung  derselben  war  nicht  hervorragend. 
Von  237  Kindern  wurden  i.3  ohne  Erfolg  geimpft.  Aus  1-8 
Schnitten  entwickelten  sich  nicht  mehr  als  749  lustein.  Ausser 
den  13  Fehlimpf  ungen  gab  es  7  Falle  mit  je  1  Pustel.  Noch 
schwächeren  Erfolg  zeigte  die  Lymphe,  welche  von  einigen  I  mat- 
ärzten  der  Amtsbezirke  Kirchheimbolanden  und  Ludwigshafen 
aus  der  Apotheke  von  A  e  h  1  e  in  Lübeck  bezogen  wurde.  In  dem 
letztgenannten  Amtsbezirke  wurden  von  94  Kindern  nur  m  nn 
Erfol"'  17  ohne  Erfolg  geimpft.  Bei  497  Schnitten  entwickelten 
sich  nicht  mehr  als  243  Pusteln.  Einige  Aerzte  hatten  mit  dieser 
Lvmphe  einen  unglaublichen  Misserfolg.  So  gab  es  in  einem  Falle 
bei  12  Impfungen  12  Fehlerfolge,  in  einem  anderen  bei 
12  Impfungen  7  Fehlerfolge!  In  einzelnen  Fällen  wurde  noch  die 
Lvmphe  der  hessischen  Impfanstalt  in  Darmstadt  im  Amtsbezirke 
Grünstadt,  ferner  der  Dresdener  Impfanstalt  im  Bezirke  Kaisers¬ 
lautern  der  Kasseler  Impfanstalt  im  Bezirke  Neustadt  a/H.,  der 
Strassburger  Anstalt  im  Bezirke  Pirmasens  der  Bernburger  An¬ 
stalt  im  Amtsbezirke  Hof  benützt.  Im  Amtsbezirke  Erlangen 
-elaimte  Lymphe  aus  der  Löwenapotheke  in  Fürth  für  die  Hallte 
der  privat  Geimpften  zur  Verwendung.  Ueber  die  Produktions¬ 
stätte  dieser  Lymphe  äusserten  sich  die  Aerzte  nicht,  ebensowemg 
die  Privatärzte  von  Iiegensburg,  welche  für  95  Erst-  und  3  Mieder¬ 
impfungen  Lymphe  „von  auswärts“  bezogen  hatten. 

Aus  diesen  Darlegungen  geht  hervor,  dass  im  Regierungs¬ 
bezirke  Pfalz  im  Berichtjahre  für  die  Mehrzahl  der  Privat¬ 
impfungen  wieder  die  verschiedensten  Lymphesorten  Eingang  ge¬ 
funden' haben.  Es  dürfte  nicht  uninteressant  sein,  die  Impfergeb- 
nisse  der  Pfalz  in  tabellarischer  Anordnung  ersichtlich  zu  machen. 
In  der  Pfalz  wurden  mit  Lymphe  der  k.  Zentralimpfanstalt  ge¬ 
impft  . 95,83  Proz. 

Mit  Lymphe  aus  anderen  Bezugsquellen . LH 

Privatimpfungen  fanden  statt  bei  .  . . 1  n>y" 


mit  Erfolg  .... 
ohne  Erfolg  . 
mit  unbek.  Erfolge 
Pustelzahl  pro  Kind 
nur  1  Pustel  .  .  . 


Ueberbaupt 

geimpft 

wurden 

Im  Geburts¬ 

jahre 

Privat 

Mit  Lymph« 
aus  d.  k.  b 
Zentral- 
Impf- 
anstatt 

MitLympb 
aus  andere 
Bezugs¬ 
quellen 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

Proz. 

.Proz. 

93,47 

97,32 

95,41 

98,68 

93,55 

1,42 

2,68 

4,59 

1,20 

6,45 

0,11 

_ 

— 

0,12 

— 

4,20 

3,48 

3,39 

4,24 

3,11 

4,26 

10,40 

5,98 

i 

4,09 

► 

8,08 

9.  Dezember  1902. 


2051 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  M  etliode  n  der  Impfung  haben  im  Berichtjahre  eine 
"w  eitel  e  Ausgestaltung  erfahren.  Unter  dein  Einflüsse  des  Bestre¬ 
bens  der  Impfärzte,  die  Impfung  mit  allen  denjenigen  Vorsichts- 
massiegeln  zu  umgeben,  welche  nach  den  Regeln  der  Antiseptik 
im  die  A  oi nähme  einer  jeden  Operation  gefordert  werden  müssen, 
sieht  mau  mehr  und  mehr  einige  grundsätzliche  Gebahrungsarten 
<lei,  zto  bei  der  Ausführung  der  Impfung  sich  herausbilden, 
welche  am  Besten  an  der  Spitze  dieser  Besprechung  Platz  linden 
dürften. 

t  oi  allem  ist  aus  den  128  Berichten,  welche  überhaupt  Aeusse- 
l uugen  der  Amtsärzte  über  die  Methode  der  Impfung  enthalten, 
zu  ei  sehen.  1.  dass  überall  eine  kleinere  oder  grössere  Anzahl  von 
Lanzetten  1  ei  dei  Impfung  im  Gebrauche  ist;  2.  dass  die  in  früheren 
Jahren  je  nach  Gewohnheit  und  Ansicht  der  Aerzte  so  ausser- 
oi deutlich  \  eischiedenen  desinfizierenden  Lösungen  in  dem  gleichen 
Mass  verschwinden,  wie  an  ihrer  Stelle  der  absolute  Alkohol  bei 
der  Behandlung  der  Impfinstrumente  an  Boden  gewinnt. 

Dort,  wo  nur  wenige  Lanzetten,  z.  B.  2—6  Stück,  im  Gebrauche 
standen,  wär  es  ausnahmslos  die  ausglülibare  Platin  -Iridium-Lan¬ 
zette,  mit  welcher  bei  kleineren  Impfterminen  ohne,  bei  grösseren 
aber  mit  Ililfe  eines  Assistenten,  der  das  Ausglühen  der  gebrauch¬ 
ten  Lanzetten  nach  jeder  Impfung  besorgte,  geimpft  wurde.  Die¬ 
jenigen  Aerzte,  welche  die  Platin-Iridium-Lanzette  nicht  benutzten, 
hatten  durchwegs  eine  viel  grössere  Anzahl  von  einfachen  oder 
Doppellanzetten,  also  je  nach  dem  Bedarfe  bis  zu  mehreren  Hunder¬ 
ten  von  Instrumenten,  zur  Hand,  welche  es  ermöglichten,  selbst  bei 
grossen  Impfterminen  für  jede  Impfung  eine  neue  Lanzette  zu  ge¬ 
brauchen.  ohne  sich  während  der  Impfung  mit  zeitraubender  Reini¬ 
gung  und  Desinfektion  der  Instrumente  abgeben  zu  müssen.  Bei 
kleineren  Terminen  konnte  jedoch  auch  eine  kleinere  Anzahl  von 
Lanzetten  genügen,  wenn  nach  jeder  Impfung  eine  sorgfältige 
Reinigung  derselben  vorgenommen  wurde.  Der  Verbreitung  der 
Platin-Iridium-Lanzette  ist  ausserdem  noch  ein  anderes,  fort¬ 
wirkendes  Moment  günstig.  Die  Vollzügsvorsclirift  vom  21.  De¬ 
zember  1899  hat  mit  dem  Wortlaute  des  §  4  zunächst  die  Wirkung 
gehabt,  die  Zahl  der  Impfstationen  in  allen  Amtsbezirken  bald  in 
kh  iuerern,  bald  in  grösserem  Mass  zu  vermehren.  Mit  der  Ver¬ 
mehrung  der  Impfstationen  wird  naturgeuiäss  die  Anzahl  der  zur 
Impfung  kommenden  Pflichtigen  geringer.  In  gleichem  Mass  kann 
auf  den  einzelnen  Impfling  mehr  Zeit  verwendet  werden,  und  da¬ 
mit  wird  auch  der  Impfarzt,  welcher  keine  Assistenz  zur  Ver¬ 
fügung  hat,  in  die  Lage  versetzt,  die  Zeit,  welche  das  Ausglühen 
der  Lanzette  nach  jeder  Impfung  erfordert,  daranzuwenden,  ohne 
die  Geduld  der  Mütter  auf  eine  zu  harte  Probe  stellen  zu  müssen. 
Dieses  Moment  ist  eine  Seite  der  Wirkung  der  in  §  4  der  Voll¬ 
zugsvorschrift  enthaltenen  Bestimmung.  Es  wird  sich  noch  die 
Gelegenheit  finden,  an  einer  anderen  Stelle  die  andere  Seite 
dieser  Bestimmung  und  ihre  Wirkung  auf  die  Gebalirung  der 
Impfärzte  zu  besprechen. 

Tatsache  ist,  dass  40  Amtsärzte  sich  dahin  geäussert.  haben, 
dass  sie  bei  der  Ausführung  der  Impfung  2 — 6  Platin-Iridium- 
Lanzetten  zur  Hand  hatten.  Meist  wurden  diese  nach  dem  Ge¬ 
brauche  mit  Brun  s’scher  Wolle  abgewischt  und  dann  ausgeglüht. 
Manchmal  wurden  die  Instrumente  vor  dem  Ausglühen  auch  in  ab¬ 
soluten  Alkohol  getaucht.  In  einigen  Amtsbezirken  diente  die 
Platin-Iridium-Lanzettfe  auch  nur  als  Reserve  neben  einer  kleineren 
oder  grösseren  Anzahl  von  Stahllanzetten,  oder  sie  blieb  für  die 
Kinder  reserviert,  'welche  eine  unreine  Haut  oder  ein  kränkliches 
Aussehen  zeigten.  Die  Ausglühbärkeit  der  Lanzetten  veranlasste 
mehrere  Amtsärzte,  die  ausgeglühte  und  genügend  erkaltete  Lan¬ 
zette  direkt  ins  Lymphesammelglas  wieder  einzutauchen.  Der 
Umstand,  dass  dieses  Eintauchen  einigen  Aerzten  möglich  war, 
während  das  Kaliber  der  Lymphegläser,  -wie  sie  von  der  k.  Zentral- 
impf anstatt  an  die  Amtsärzte  versendet  werden,  an  anderen  Orten 
das  Eintauchen  der  Instrumente  nicht  erlaubte,  lässt  darauf 
schliessen,  dass  sich  in  den  Händen  der  Amtsärzte  verschiedene 
Fabrikate  dieser  ausgliihbaren  Lanzetten  befunden  haben.  Es 
ist  ja  richtig,  dass  dieses  direkte  Eintauchen  der  Lanzetten  in  das 
Lympheglas  viel  Impfstoff  zu  ersparen  geeignet  ist,  so  dass  es 
z.  B.  den  Impfarzt  von  Weilheim  sogar  in  den  Stand  setzte,  die 
Hälfte  der  erhaltenen  Lymphe  als  übrig  gebliebenen  Rest  wieder 
zurückzusenden,  allein  vielen  Aerzten  scheint  das  direkte  Ein¬ 
tauchen  der  Lanzette  in  das  Lympheglas  nicht  sympathisch  ge¬ 
wesen  zu  sein.  Deshalb  bedienten  sich  die  meisten  Impfärzte 
eines  kleinen  Troges  oder  Näpfchens,  in  welches  die  Lymphe  ge¬ 
gossen  wurde.  Das  Näpfchen  war  meist  mit  einem  Deckel  oder 
einer  Glasglocke  bedeckt,  um  die  Lymphe  vor  Verunreinigung  aus 
der  Luft  zu  bewahren.  Im  Gebrauche  des  Amtsarztes  von  Erding 
befand  sich  ein  Glastrog,  dessen  vertikal  gestellte  Oeffnung  sich 
nach  dem  Eintauchen  jedesmal  selbsttätig  schloss.  Ueber  die 
Platin-Iridium-Lanzetten  sprach  sich  die  Mehrzahl  der  Impfärzte 
lobend  aus,  und  viele  meinten,  dass  diesen  Lanzetten  die  Eigen¬ 
schaft  eines  sehr  guten,  ja  sogar  idealen  Impfinstrumentes  zu¬ 
erkannt  werden  müsste.  Andere  Aerzte  hingegen  stimmen  mit 
diesem  Lobe  nicht  überein.  So  fand  der  Amtsarzt  von  Ober¬ 
moschel,  dass  durch  das  häufige  Ausglühen  die  Schärfe  des  In¬ 
strumentes  sehr  gelitten  habe.  Dem  Amtsärzte  von  Tirschenreuth 
machte  sich  der  Nachteil  fühlbar,  dass  die  Lanzetten  ausserordent 
lieh  weich  sind  und  sich  sehr  leicht  umbiegen,  ausserdem  durch 
«las  häufige  Ausglühen  stumpf  würden.  Endlich  wäre  trotz  ihrer 
leichten  Ausglühbärkeit  ein  günstiger  Einfluss  auf  das  Vorkommen 
entzündlicher  Reizerscheinungen  der  Impfstelle  nicht  bemerkbar 
gewesen.  Auch  der  Impfarzt  von  Naila  empfand  es  störend,  dass 
sich  die  Platin-Iridium-Lanzetten  sehr  leicht  umbiegen.  Der  Be¬ 
richterstatter  kann  nicht  umhin,  diese  Klagen  über  die  Lan¬ 
zette  für  völlig  gerechtfertigt  zu  halten.  Wenn  man  die  älteren 


Fabrikate  mit  den  neueren  vergleicht,  so  kann  man  sich  des  Ein¬ 
drucks  nicht  erwehren,  dass  diese  Instrumente  mit  der  Herab¬ 
setzung  ihres  Anschaffungspreises  auch  eine  dementsprechende 
Verschlechterung  ihres  Materials  über  sich  ergehen  lassen  muss¬ 
ten.  Der  Berichterstatter  kann  sich  nicht  vorstellen,  dass  eine 
dieser  neuen  kümmerlichen  Platin-Iridium-Lanzetten  einem  grossen 
hauptstädtischen  Impftermine  gewachsen  sein  würde. 

Stahllanzetten  in  mehr  minder  grosser  Anzahl  wurden  von 
einer  Reihe  von  Impfärzten  benützt.  In  den  hauptstädtischen 
Impfterminen  wurden  nicht  selten  300  Stück  vernickelte  Stahl¬ 
lanzetten  verbraucht.  Die  Behandlung  der  Stahllanzetten  seitens 
der  Impfärzte  bestand  mit  unwesentlichen  Abweichungen  darin, 
dass  sie  vor  den  Impfterminen  in  Wasser  oder  in  Sodalösung  aus¬ 
gekocht  und  dann  sorgfältig  in  sterile  Gaze  oder  Salicyl-  oder 
Bru  n  s’scher  Watte  verpackt  zu  den  Impfterminen  gebracht  wur¬ 
den.  Hier  wurden  sodann  die  Instrumente  nach  dem  Gebrauche 
entweder  in  Lysol-,  Creolin-  und  Sublimatlösungen,  in  der  weit 
überwiegenden  Anzahl  der  Fälle  jedoch  in  absoluten  Alkohol  ge¬ 
legt  und  während  der  Impfung  oder  nach  derselben  mit  Salicyl-, 
Karbol-  oder  B  r  u  n  s’scher  Watte  abgewischt.  Die  Desinfektion 
«ler  Lanzetten  mit  Lysoform  hat  sich  nach  der  Aeusserung  des 
Amtsarztes  von  Kaiserslautern  deshalb  nicht  bewährt,  weil  sich 
die  Instrumente  fettig  anfühlten  und  sehr  langsam  trockneten, 
weshalb  wieder  zum  absoluten  Alkohol  gegriffen  wurde.  Der¬ 
gleichen  Behandlung  unterlagen  die  ebenfalls  in  grösserer  Zahl 
bei  der  Impfung  gebrauchten  Doppelspatel  aus  Nikelin.  Ihnen 
war  eine  Metallbüchse  aus  Nickel  mit  doppeltem  und  drehbarem 
Deckel  beigelegt,  und  diese  konnte  dann  mitsamt  den  Spateln  in 
einem  kleinen  Sterilisator  mit  Spiritusheizung  mit  Zuhilfenahme 
vou  Avarmem  Wasser  in  kurzer  Zeit  sterilisiert  Averden.  Eines 
solchen  Apparates  bediente  sich  der  Amtsarzt  von  Laufen,  der 
au  den  Spateln  nur  die  grosse  Weichheit  der  schneidenden  Fläche 
zu  rügen  hatte,  ferner  die  Amtsärzte  Aron  Auerbach,  Weismain 
und  Obergiinzburg.  Die  gleiche  Prozedur  erlaubt  das  Impf  besteck, 
Avelclies  der  Amtsarzt  Aron  Rain  im  Gebrauche  hatte.  In  einem 
Blechkästchen  von  15 %  cm  Länge,  7  cm  Breite  und  3  cm  Höhe,  das 
sich  auf  umlegbare  Füsse  stellen  lässt,  befinden  sich  zAvei  über- 
einanderliegende  Sätze  mit  je  10  Impflanzetten  mit  festem,  ver¬ 
nickeltem  Griffe.  Während  mit  den  steril  zum  Termine  mit¬ 
gebrachten  Lanzetten  geimpft  Avurde,  Avar  in  dem  Kästchen  durch 
eine  Tasclienspirituslampe  eine  1  cm  hohe  Sodalösung  oder  Wasser- 
sclficlite  zum  Sieden  gebracht  Avorden.  Es  wurde  nun  mit  den 
beiden  Sätzen  von  10  Lanzetten  Aveitergeimpft,  Avährend  die 
anderen  10  Instrumente  sich  im  siedenden  Wasser  befanden  und 
nach  der  Herausnahme  aus  demselben  in  kurzer  Zeit  lufttrocken 
und  erkaltet  waren.  Das  AbAvischen  der  Lanzetten  fiel  dadurch 
Aveg.  100  Impflinge  Avurden  auf  diese  Weise  —  und  zwar  jeder 
mit  sterilisierter  Lanzette  - — -  in  der  Zeit  A’on  55  Minuten  geimpft. 
Für  grössere  Impftermine  ist  die  av  eite  re  Ergänzung  des  Apparates 
um  einen  oder  ZAvei  Sätze  Aron  je  10  Lanzetten  wünschenswert. 

ln  gleicher  Weise  Avie  mit  den  Stahllanzetten  und  Impfspateln 
AAiirde  bei  der  Desinfektion  mit  den  Weichardt  sehen  Doppel¬ 
messern  verfahren,  deren  sich  die  Impfärzte  von  Pfaffenhofen, 
Rotthalmünster,  Kusel,  Lauterecken,  Neustadt  (WN.),  Vohenstrauss, 
Mindelheim  und  Türkheim  bedienten.  Auch  an  diesen  Impf¬ 
instrumenten  tadelt  der  Impfarzt  von  Neustadt  (WN.)  ihr  leichtes 
Umbiegen  und  Abstumpfen.  Andere  Impfärzte  scheinen  dagegen 
mit  den  W  eich  a  r  d  t  sehen  Impfmessern  zufrieden  gewesen  zu 
sein,  da  sie  sich  derselben  schon  seit  mehreren  Jahren  bedienen. 
Die  Impfärzte  von  Alzenau  und  Marktheidenfeld  gebrauchten  das 
Impfbesteck  von  Evens  und  P  i  s  t  o  r.  Die  Impfmesser  dieses 
Bestecks  haben  sich  jedoch  dem  Amtsärzte  Aron  Marktheidenfeld 
ganz  und  gar  nicht  bewährt  wegen  ihrer  zu  geringen  Schneide-  und 
Stichfähigkeit.  Der  Impfarzt  von  Ebersberg  benützte  ein  vou 
Wiskeman  n  &  Co.  in  Kassel  gefertigtes,  sterilisierbares  Metall¬ 
impfetui  mit  6  grossen  aus  Metall  gearbeiteten  Impfnadeln,  in 
Avelche  die  Nummern  1 — 6  eingeschlagen  waren.  Nach  jeder  Im¬ 
pfung  Avurde  eine  neue  Nadel  genommen,  während  ein  Gehilfe  die 
gebrauchte  Nadel  in  absoluten  Alkohol  brachte  und  mit  Bruns¬ 
scher  Wolle  abwischte.  Im  Amtsbezirke  Wolfstein  waren  die 
W  olfber  g  scheu  Impfnadeln  —  S  an  der  Zahl  —  im  Gebrauche 
des  Impfarztes.  Dieselben  wurden  vor  jedem  Impftermine  samt 
der  Glashülse  sterilisiert,  dann  die  Hülsen  mit  96proz.  Alkohol 
gefüllt.  In  diesen  gefüllten  Hülsen  wurden  die  Nadeln  zum  Impf¬ 
termine  gebracht,  A’or  dem  Gebrauche  dortselbst  getrocknet  und 
nach  der  Impfung  sofort  wieder  in  Alkohol  gelegt,  so  dass 
jedes  Instrument  etwa  5  Minuten  in  Alkohol  sich  befand,  bevor 
es  wieder  benützt  wurde.  Aehnlicli  dem  Wiskeman  n  sehen 
Etui  scheint  jenes  gewesen  zu  sein,  dessen  sich  der  Impfarzt  von 
Neu-Ulm  bediente.  Auch  dieses  Instrument  gehörte  zur  Gruppe  der 
Impfnadeln. 

An  letzter  Stelle  sind  hier  noch  die  Impffedern  zu  nennen, 
und  zwar  zunächst  die  S  ö  n  n  ecken  sehen  Impffedern.  Solcher 
Federn  bedienten  sich  die  Amtsärzte  von  Landau  a.  I.,  Mainburg 
und  Waldmünchen.  Verschieden  Aron  diesen  Impffedern  sind  ganz 
weiche  Stenographiefedern,  mit  welchen  der  Amtsarzt  von  Ober¬ 
dorf  die  Impfung  durchführte.  Der  eine  Stachel  dieser  Feder 
Avar  ein  wenig  länger  als  der  andere  und  diente  als  Ritzstachel, 
der  kürzere  als  Zuleitungsstachel  für  die  Lymphe.  Die  Vornahme 
der  Impfung  war  nach  der  Beschreibung  des  Arztes  völlig  schmerz¬ 
los,  so  dass  sogar  schlafende  Erstimpflinge  nicht  aus  dem  Schlafe 
erwachten.  Ausserdem  erzeugte  diese  Impffeder  kaum  je  eine 
Blutung,  da  sie  nur  die  Epidermis  aufritzte.  Ein  halbes  Dutzend 
solcher  Federn,  in  der  Mitte  eines  Metallfederhalters  gesteckt 
und  abwechselnd  benützt,  indem  sie  nach  jedesmaligem  Gebrauche 
kurz  durch  die  Flamme  gezogen  Avaren,  hat  dem  Impfarzte  immer 

5* 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


»Ö2 

die  besten  Dienste  geleistet.  Sonst  wurden  diese  Federn  nirgends 
zur  Impfung  benützt.  Dem  Berichterstatter  will  scheinen,  dass 
diejenigen  Impffedern,  welche  nach  jeder  Impfung  nicht  weg¬ 
geworfen  werden,  ihre  Bestimmung  verfehlt  haben.  Die  Art  des 
Fabrikats,  sowie  der  billige  Preis  desselben  weist  die  Impffedern 
geradezu  auf  diese  Bestimmung  hin. 

Der  Berichterstatter  selbst  bediente  sich,  wie  seit  Jahren, 
für  die  Durchführung  der  öffentlichen  Impfung  in  der  Landeshaupt¬ 
stadt  einer  Anzahl  von  einigen  Hunderten  vernickelter  Stahl¬ 
lanzetten.  Diese  Lanzetten  sind  zwar  nicht  billig,  liegen  aber  gut 
in  der  Hand  und  sind,  weil  aus  einem  Stück  bestehend,  leicht 
zu  reinigen.  Einen  Fehler  haben  aber  auch  diese  Lanzetten, 
und  mit  diesem  Fehler  werden  wohl  alle  in  grosser  Anzahl  ver¬ 
wendeten  Impflanzetten,  Impfspatel,  Impfnadeln  etc.  behaftet 
sein:  Jede  Lanzette  hat  eine  andere  Schneide.  Es  ist  daher  not¬ 
wendig,  den  ersten  Impfschuitt,  welcher  der  Probeschnitt  für  die 
Schärfe  des  Instrumentes  ist,  mit  Vorsicht  auszuführen.  Die  Rei¬ 
nigung  der  gebrauchten  Lanzetten  während  des  Impftermines  ist 
bei  dem  Andrange  von  Menschen,  wie  er  bei  einigen  in  der  Peri¬ 
pherie  der  Stadt  abgehaltenen  Terminen  zu  bestehen  pflegt,  ganz 
unmöglich,  erfolgt  daher  erst  nach  dem  Schlüsse  des  Impftermins. 
Die  Instrumente  werden  während  der  Impfung  nach  dem  Ge¬ 
brauche  in  absoluten  Alkohol  gelegt,  wo  sich  bis  zum  Ende  der 
Impfung  die  ganze  Menge  der  Lanzetten  ansammelt. 

Eine  vor  der  Impfung  mehr  minder  gründlich  durchgeführte 
Reinigung  der  Arme  der  Impflinge  ist  nur  an  jenen  Impf  Stationen 
ausführbar,  au  welchen  eine  beschränkte  Zahl  von  Impflingen  er¬ 
scheint.  Im  grossen  und  ganzen  mussten  sich  die  Impfärzte  im 
Berichtjahre  wieder  damit  begnügen,  unreinliche  und  schlecht  ge¬ 
haltene  Kinder  von  der  Impfung  zurückzuweisen.  Eine  Reinigung 
des  Impffeldes  fand  statt  in  den  Amtsbezirken  Erding,  Weilheim. 
Rottenburg  (NB.).  Edenkoben,  Beiingries  und  Kempten.  Die  Me¬ 
thoden  dieser  Reinigung  waren  verschieden;  jedoch  herrschte  auch 
hier  der  absolute  Alkohol  als  meistgebrauchtes  Mittel  vor.  Ausser¬ 
dem  wurde  3  proz.  Borsäurelösung,  Seifenspiritus  und  sogar  Benzin 
verwendet.  Der  Impfarzt  von  Weilheim  fordert  zur  Desinfektion 
der  Impfstelle  eine  Person,  welche  mit  dem  Wesen  der  Antiseptik 
vertraut  sein  muss.  Hiezu  seien  die  Arztensfrauen  die  geeignetsten 
Persönlichkeiten.  Der  Arm  des  Impflings  muss  vollkommen  ent¬ 
kleidet  sein,  auch  darf  die  Mutter  das  Kind  nach  der  Desinfektion 
der  Impfstelle  nicht  an  ihre  Kleider  drücken  oder  sonstwie  be¬ 
rühren.  Die  Versuche  des  Impfarztes  haben  ergeben,  dass  Ab¬ 
wischen  mit  reiner  Watte  und  mit  50  proz.  Alkohol,  den  man  zum 
Teil  verdunsten  lässt,  während  der  Rest  des  noch  auf  der  Haut 
zurückgebliebenen  Alkohols  mit  reiner  Watte  kräftig  abgerieben 
wird,  fast  in  allen  Fällen  eine  keimfreie  Impfstelle  macht.  Diese 
Methode  schaffte  eine  Hautstelle,  welche  sich  von  weitem  als  ge¬ 
reinigt  und  blendendweiss  von  der  umgebenden,  nicht  gereinigten 
Haut  vorteilhaft  unterschied.  Im  Amtsbezirke  Alzenau  fiel  der 
Versuch,  15  Erstimpflinge,  deren  Arme  vor  der  Impfung  mit  einem 
in  Alkohol  getauchten  Wattebausch  abgerieben  wurden,  mit 
32  Erstimpflingen  desselben  Impfbezirks,  deren  Arme  unbehandelt 
blieben,  in  Bezug  auf  die  Reaktion  nach  der  Impfung  miteinander 
zu  vergleichen,  dahin  aus,  dass  nicht  der  geringste  Unterschied 
in  der  örtlichen  Reaktion  der  beiden  Gruppen  wahrgenommen 
werden  konnte. 

Ueber  den  Verschlussverband  der  Impfstelle  haben  sich  im 
Berichtjahre  nur  2  Impfärzte  ausgesprochen.  Der  Amtsarzt  von 
Pirmasens  erklärt,  vom  Verschluss  verbände  der  Impfstelle  ab¬ 
gekommen  zu  sein.  Dagegen  schien  nach  der  Meinung  des  Impf- 
arztes  von  Alzenau  ein  am  Nachschautage  bei  einigen  Kindern 
angelegter  Schutz  verband  nach  den  Aeusserungen  der  Mütter 
einigen  Vorteil  zu  bieten.  Jener  Verband  der  Impfstelle,  welcher 
in  vielen  Apotheken  unter  dem  Namen  „Impfschutz“  um  1.80  M. 
verkauft  wird,  verdient  nach  der  Ueberzeugung  der  erfahrensten 
Impfärzte  nicht,  empfohlen  zu  werden. 

Was  die  Schnittform  bei  der  Impfung  betrifft,  so  herrschte  im 
Berichtjahre  der  Längsschnitt  wieder  bei  weitem  vor.  Die  kom¬ 
plizierteren  Schnittformen  zeigten  jedoch  eine  kleine  Zunahme, 
vielleicht  aus  dem  Grunde,  weil  manche  Impfärzte  der  Immuni¬ 
sierung  der  Bevölkerung  durch  4  einfache  Schnitte  kein  volles  Ver¬ 
trauen  entgegen  zu  bringen  vermögen.  Die  Erst-  und  Wiederimpf¬ 
linge  wurden  mittels  4  Kreuzschnitten  geimpft  in  den  Amtsbezirken 
Pfaffenhofen,  Ivötzting,  Kemnatli,  Würzburg,  Zusmarshausen  und 
Rain.  Vom  Kreuzschnitte  wurde  nur  bei  der  Wiederimpfung  Ge¬ 
brauch  gemacht  in  den  Amtsbezirken  Aichach,  Schrobenhausen, 
Eggenfelden,  Nabburg,  Neustadt  (WN.),  Tirschenreuth,  Wald¬ 
münchen,  Roth  a.  S.,  Bischofsheim  und  Aub.  Im  Amtsbezirke 
Mellrichstadt  wurden  die  Wiederimpflinge  manchmal  mittels  des 
Kreuzschnittes  geimpft.  Ausserdem  wurde  diese  Schnittform 
noch  für  solche  Kinder  gewählt,  welche  wegen  erfolgloser  erster 
Impfung  zum  zweiten  Male  geimpft  werden  mussten.  Der 
Impfarzt  von  Eggenfelden  erzielte  mit  dem  Kreuzschnitte  ent¬ 
schieden  viel  bessere  Erfolge  als  bei  Anwendung  des  einfachen 
Längsschnittes.  Auch  der  Amtsarzt  von  Tirschenreuth  glaubte 
das  bessere  und  sicherere  Resultat,  sowie  die  reichlichere  Pustel¬ 
entwicklung  auf  diese  Schnittform  zurückführen  zu  müssen.  In 
diesem  Bezirke  wurden  einzelne  Wiederimpflinge  versuchsweise 
mit  Kreuzschnitten  geimpft,  und  gerade  diese  hatten  ganz  beson¬ 
ders  schöne  Pusteln  aufzuweisen.  Im  Amtsbezirke  Vilsbiburg 
wurden  die  einfachen  Schnitte  manchmal  mit  Kreuzschnitten  kom¬ 
biniert.  Im  Amtsbezirke  Neustadt  (WN.)  wurden  die  Erstimpf¬ 
linge  mittels  4  Doppelschnitten  geimpft.  Auch  der  Impfarzt  von 
Naila  wandte  den  Parallelschnitt  an,  und  zwar  in  der  Zahl  von 
5  Schnitten,  sprach  aber  die  Absicht  aus,  künftig  mit  4  Schnitten 
impfen  zu  wollen.  Im  Amtsbezirke  Erbendorf  wurde  der  Doppel¬ 


schnitt  nur  bei  den  Nachimpfungen  zur  Anwendung  gebracht.  Der 
Impfarzt  von  Neustadt  a/H.  machte  im  Beginne  des  Impfgeschäftes 
bei  den  Erstimpflingen  je  4  seichte  Schnitte;  als  er  dann  des  Er¬ 
folges  der  Impfung  sicher  war,  reduzierte  er  die  Schnittzahl 
auf  3.  Der  Amtsarzt  von  Eichstätt  äussert  sich  folgendermassen: 
„Während  bei  kräftigen  Kindern  durchschnittlich  4  Impf  schnitte 
gesetzt  werden,  muss  ich  mich  bei  schwächlichen  oder  vorher  ei- 
krankten  Kindern  zur  Konzession  von  nur  2 — 3  Schnittchen  her¬ 
beilassen“.  Im  Amtsbezirke  Weissenburg  betrug  die  Zahl  der 
Impfschnitte  bei  der  öffentlichen  Impfung  „in  maximo  4,  in  minimo 
(ausnahmsweise)  2“.  So  wären  wir  nunmehr  wirklich  schon  bei 
2  Impf  schnitten  angekommen!  Es  wird  wohl  die  Frage  gestattet 
sein,  welchen  Grad  von  Immunisierung  sich  die  genannten  Impf¬ 
ärzte  von  2  Impfschnitten  erwarten?  Gegen  die  willkürliche  Re¬ 
duktion  der  4  Impf  schnitte  auf  3  und  sogar  auf  2  Schnitte  muss 
im  Interesse  der  Bevölkerung  mit  aller  Entschiedenheit  Einspruch 
erhoben  werden.  Hier  kann  nur  das  im  Berichte  des  Jahres  1900 
in  dieser  Hinsicht  Gesagte  wiederholt  werden.  Kinder,  welche 
so  schwächlich  sind,  dass  der  Impfarzt  für  nötig  hält,  den  Eltern 
mit  3  und  2  Schnitten  eine  Konzession  zu  machen,  werden  besser 
zurückgesteift,  um  im  nächsten  Jahre  vorsehrif tsmässig  geimpft 
werden  zu  können.  Amtsärzte  können  am  allerwenigsten  in  die 
Notlage  kommen,  auf  Kosten  des  Impfschutzes  derartige  vor¬ 
schriftswidrige  Konzessionen  zu  machen. 

In  Bezug  auf  die  Altersgrenze  für  die  Vornahme  der  Impfung 
sprach  sich  der  Amtsarzt  von  Erbendorf  dahin  aus,  dass  kein 
Kind  vor  Ablauf  des  4.  Lebensmonats  zur  Impfung  zugelassen 
werden  sollte,  während  der  Amtsarzt  von  Obergünzburg  ohne 
Scheu  Kinder  unter  3  Monaten  impfte,  wenn  sie  nur  kräftig  ent¬ 
wickelt  waren.  Allerdings  musste  man  dann  auf  eine  spärlichere 
Pustelentwicklung  und  auf  eine  grössere  Anzahl  von  einblätterigen 
Fällen  gefasst  sein.  Die  Kinder  hielten  aber  die  frühzeitige 
Impfung  sehr  gut  aus.  Dem  Berichterstatter  möge  es  hier  er¬ 
laubt  sein,  darzulegen,  wie  in  solchen  Fällen  bei  der  Impfung  der 
Kinder  der  Landeshauptstadt  verfahren  zu  werden  pflegt.  Wenn 
an  einem  der  öffentlichen  Termine  der  Sommerimpfung  —  Mitte 
April  bis  Ende  Juni  —  ein  im  laufenden  Jahre  geborenes  Kind  er¬ 
scheint,  so  wird  vor  der  Impfung  erst  die  Frage  nach  der  Er¬ 
nährungsweise  des  Kindes  gestellt.  Ein  an  der  Mutterbrust  be¬ 
findliches  Kind  pflegt  fast  immer -anstandslos  in  jedem  Alter  ge¬ 
impft  zu  werden;  jedoch  wird  in  diesen  Fällen  ausdrücklich  be¬ 
tont,  dass  der  Säugling  erst  dann  von  der  Brust  genommen  werden 
darf,  wenn  die  Impfpusteln  völlig  und  definitiv  vernarbt  sind. 
Leider  bekömmt  der  Impfarzt  in  der  Landeshauptstadt  Brust¬ 
kinder,  welche  meist  schon  von  weitem  an  ihrem  blühenden  Kör¬ 
perzustande  als  solche  erkannt  werden,  in  einer  erschreckend  ge¬ 
ringen  Anzahl  zu  Gesicht.  Ein  künstlich  ernährtes  Kind  wird  im 
Alter  von  nicht  unter  4  Monaten  und  unter  der  Voraussetzung 
eines  guten  Ernährungszustandes  nur  dann  geimpft,  wenn  die 
Angehörigen  auf  die  Frage  nach  der  Ernährungsart  des  Kindes 
eine  befriedigende  Antwort  zu  geben  vermögen.  Alle  mit  dem  be¬ 
rüchtigten  altbayerischen  Milchbrei  aufgefütterten  Kinder  wer¬ 
den  ausnahmslos  von  der  Impfung  zurückgewiesen;  ebenso  werden 
Kostkinder  und  solche,  welche  sich  in  grossmütterlicher  Pflege  be¬ 
finden,  von  vorneherein  als  ungeeignet  zur  Impfung  betrachtet. 
Ein  nach  der  Impfung  infolge  unvernünftiger  Ernährung  in  den 
Sommermonaten  auftretender,  vielleicht  tödlich  verlaufender 
Darmkatarrh  eines  solchen  Impflings  würde  —  das  dürfen  wir 
mit  aller  Sicherheit  behaupten  —  unfehlbar  auf  die  Rechnung  der 
Impfung  geschrieben  werden.  Dieser  Gefahr  wird  durch  das  in 
München  seit  Jahren  mit  bestem  Erfolge  geübte  Verfahren  die 
Spitze  abgebrochen,  und  der  Berichterstatter  gedenkt  auch  ferner¬ 
hin  nicht  davon  abzugehen. 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  über  die  Methode  der  Impfung 
möge  hier  noch  Erwähnung  finden,  dass  die  Amtsärzte  von  Rothen¬ 
burg,  Ebern  und  Münnerstadt  dem  Beginne  der  öffentlichen 
Impfung  mit  den  verschiedenen,  ihnen  übersandten  Lymphesorten 
eine  an  wenigen  Kindern  vorgenommene  Probeimpfung  voraus- 
schickten,  um  sichere  Anhaltspunkte  über  die  Wirksamkeit  der  er¬ 
haltenen  Lymphe  zu  gewinnen. 

Das  Beobachtungsmaterial,  welches  die  Impflinge 
in  der  Zeit  der  Entwicklung  und  Abheilung  der  Impfpusteln  dar¬ 
boten,  war  im  Berichtjahre  wieder  sehr  reichhaltig.  Die  Amts¬ 
ärzte  waren  durchwegs  bestrebt,  überall  dort,  wo  wirkliche  oder 
vermeintliche  Folgekrankheiten  nach  der  Impfung  zu  ihrer  Kennt¬ 
nis  kamen,  hilfreichen  Beistand  zu  leisten,  eine  Tatsache,  welche 
auch  von  der  Bevölkerung  vielfach  dankbar  anerkannt  wurde. 

Wie  in  früheren  Jahren,  so  konnte  auch  im  Berichtjahre 
wiederholt  die  Beobachtung  gemacht  werden,  dass  schwächliche 
und  erst  jüngst  von  einer  vorhergegangenen  Kinderkrankheit  ge¬ 
nesene  Impflinge  kleinere  und  unansehnlichere  Pusteln  bekamen 
als  die  kräftig  entwickelten  und  gesunden  Kinder.  Erkrankungen 
von  Impflingen  an  Diarrhöen  hatten  einen  besonders  schlechten 
Einfluss  auf  die  Impfpusteln.  Solche  Kinder  zeigten  z.  B.  im 
Amtsbezirke  Hof  keine  Spur  eines  Impferfolges,  während  mit  der 
gleichen  Lymphe  an  demselben  Tage  geimpfte  Kinder  sehr  er¬ 
giebige  Erfolge  aufzuweisen  hatten.  Wiederimpflinge,  welche 
deutlich  ausgesprochene  Narben  von  der  Erstimpfung  aufzuweisen 
hatten,  zeigten  bei  der  Wiederimpfung  in  der  Regel  einen 
schwächeren  Erfolg  als  jene  mit  schwachen  Impfnarben.  Eine 
ausserordentliche  Impfung  im  Amtsbezirke  Lauingen  gab  Gelegen¬ 
heit  zur  Beobachtung,  dass  bei  solchen  Wiederimpflingen,  welche 
im  Vorjahre  mit  Erfolg  geimpft  worden  waren  und  sich  anlässlich 
der  ausserordentlichen  Impfung  im  Berichtjahre  abermals  impfen 
liessen,  wieder  ein  Erfolg  zu  verzeichnen  war.  Darunter  waren 
sogar  Schulkinder,  welche  beide  Male  Pusteln  hatten;  allerdings 


9.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


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waren  es  Ausnahmsfälle,  da  im  allgemeinen  die  Beobachtung  ge¬ 
macht  wurde,  dass  hei  der  ausserordentlichen  Impfung  die  Ent¬ 
wicklung  der  Pusteln  um  so  günstiger  war,  in  je  höherem  Alter 
die  Geimpften  standen,  und  dass  Solche,  welche  im  Heere  gedient 
hatten,  meistens  immun  waren.  Auch  dem  Amtsärzte  von  Höch¬ 
ste  dt  fiel  die  starke  Reaktion  der  bei  der  dortigen  ausserordent¬ 
lichen  Impfung  geimpften,  mehr  als  50  Jahre  alten  Personen  auf. 
Die  Autorevaccination  wurde  nur  mehr  selten  vorgenommen  und 
hatte,  wo  sie  ausgeführt  wurde,  meist  schwache  Erfolge.  An  die 
Stelle  der  Autorevaccination  ist  bei  ungenügender  Pustelentwick¬ 
lung  überall  die  meist  mit  einer  anderen  Lymphesorte  vorge¬ 
nommene  Wiederimpfung  getreten. 

Spätentwicklung  der  Pusteln  wurde  wiederholt  beobachtet. 
Meist  waren  es  nur  einzelne  wenige  Fälle.  Solche  Beobachtungen 
liegen  vor  aus  den  Amtsbezirken  Ebersberg,  Landau  a/I.,  Auer¬ 
bach,  Neunburg,  Vohenstrauss,  Waldmünchen,  Pottenstein,  Wun- 
siedel,  Lauf  und  Münnerstadt.  In  mehreren  Fällen  war  am  Nach¬ 
schautage  noch  keine  Spur  von  Reaktion  auf  der  Impfstelle  zu 
sehen,  so  dass  die  Impfung  als  erfolglos  bezeichnet  wurde.  Nach 
dem  Kontroltage  entstanden  dann  noch  wohl  ausgebildete  Pusteln. 
Andererseits  kam  auch  besonders  bei  der  Anwendung  einer  sehr 
virulenten  Lymphe  eine  vorzeitige  Entwicklung  der  Pusteln  zur 
Beobachtung. 

Auf  dem  Wege  der  Selbstinfektion  kamen  im  Berichtjahre 
wiederholt  Fälle  von  versprengten  Pusteln  zur  Kenntnis  der  Impf¬ 
ärzte.  So  wurde  bei  einem  Erstimpfling  des  Amtsbezirkes  Geisen- 
feld  am  Nachschautage  in  der  Ellenbogenbeuge  des  rechten  Armes 
auf  einer  kleinen  ekzematösen  Hautstelle  eine  schön  entwickelte 
Pustel  gefunden.  Im  Bezirke  Prien  entwickelte  sich  auf  dem 
oberen  Augenlide  eines  Erstimpflings  eine  grosse  Pustel,  welche 
das  Oeffnen  des  Auges  mehrere  Tage  hindurch  unmöglich  machte. 
Der  Impfarzt  von  Auerbach  sah  in  einem  Falle  Blatternbildung 
auf  der  dem  geimpften  Arme  entsprechenden  Wange  eines  Erst¬ 
impflings.  Auch  im  Amtsbezirke  Tirschenreuth  kamen  einige  Fälle 
von  schön  entwickelten  Pusteln  an  Stellen  vor,  wo  nicht  geimpft 
worden  war.  Im  Amtsbezirke  Laufen  entwickelte  sich  bei  einem 
Wiederimpfling  eine  Pustel  an  der  Oberlippe.  Ein  im  Geburtsjahre 
geimpftes  Kind  des  Amtsbezirkes  Ebermannstadt  hatte  sicli  mit 
der  linken  Hand  an  der  Impfstelle  berührt  und  dann  hinter  dem 
linken  Ohre  gekratzt.  Es  entwickelte  sich  infolge  davon  zu  gleicher 
Zeit  mit  den  Pusteln  des  Oberarms  eine  grosse  Blatter  hinter  dem 
linken  Ohre,  welche  normal  abheilte.  Hier  scheint  auch  ein  Kind 
des  Amtsbezirkes  Erbendorf  eingereiht  werden  zu  müssen.  Es 
wies  am  Kontrolltage  noch  keinerlei  Abnormität  auf.  Infolge  von 
A ufreissen  der  Pusteln  und  Selbstinfektion  entstanden  nach  der 
Kontrolle  an  mehreren  Stellen  des  rechten  Armes  und  am  linken 
Mundwinkel  rundliche  Geschwüre  bezw.  Bläschen,  welche  erst 
nach  längerer  Behandlung  heilten.  Bei  einem  Wiederimpfling  des 
Amtsbezirks  Neumarkt  (OP.)  entwickelte  sich  im  Umkreise  von 
6  schönen  Impfpusteln  eine  ganze  Reihe  frischer  Pusteln  auf  der 
stark  geröteten  Haut.  Im  Amtsbezirke  Kusel  waren  bei  einem 
Erstimpfling  die  Impfpusteln  von  15  Nebenpusteln  umgeben, 
welche  den  ausgesprochenen  Charakter  von  Impfpusteln  hatten. 
Die  in  der  nächsten  Umgebung  der  Impfblattern  in  grösserer  oder 
kleinerer  Anzahl  entstehenden  Blattern  sind  nach  der  Meinung 
des  Berichterstatters  gewöhnlich  kein  Produkt  der  Selbstinfektion, 
sondern  vielmehr  damit  zu  erklären,  dass  das  Vaccinevirus  lymplio- 
gen  in  die  nächste  Umgebung  der  Impfstelle  verschleppt  wird,  wo 
es  dann  zur  Entwicklung  von  ganzen  Gruppen  von  Pusteln  Anlass 
gibt,  welche  zwar  den  Charakter  der  Impfpusteln  haben,  aber  doch 
oberflächlicher  und  kleiner  als  jene  zu  sein  pflegen.  Solche  Fälle 
werden  von  dem  Berichterstatter  fast  alljährlich  beobachtet.  Die 
Heilung  dieser  sekundären  Pusteln  geht  meist  sehr  schnell  vor  sich, 
und  Narben  pflegen  davon  nicht  zurückzubleiben. 

Zu  einer  anderen  Gruppe  gehören  jene  Fälle,  bei  denen  eine 
abnorme  Pustelentwicklung  nicht  auf  Selbstinjektion  zurückzu¬ 
führen  wrar.  Hier  ist  zu  erwähnen  der  in  der  Stadt  Fürth  vor¬ 
gekommene  Fall,  dass  auf  ein  3  jähriges,  wegen  skrofulöser  Ge¬ 
schwüre  bisher  zurückgestelltes  Kind  von  seinem  mit  Erfolg  ge¬ 
impften  Brüderchen  Vaccinevirus  übertragen  wurde,  und  zwar  ge¬ 
rade  auf  die  geschwürigen  Stellen.  Dadurch  entwickelten  sich  auf 
denselben  unter  starken  Fiebererscheinungen  sehr  zahlreiche 
Impfpusteln.  Die  Uebertragung  war  durch  Zusammenschlafen  der 
beiden  Geschwister  erfolgt.  Der  2.  Fall  betraf  einen  Erstimpfling 
des  Amtsbezirks  Marktheidenfeld.  Da  derselbe  nicht  zur  Nach¬ 
schau  erschien,  wurde  er  vom  Impfarzte  besucht,  und  es  fand  sich, 
dass  das  Kind  seit  der  Impfling  an  einer  akuten  Bronchitis  litt. 
Ausserdem  zeigte  sich  noch  ein  über  den  ganzen  Körper  ver¬ 
breitetes,  jedoch  bereits  in  Rückbildung  begriffenes,  auch  von 
mässigem  Fieber  begleitetes  papulöses  Exanthem.  Auf  dem 
rechten  Oberarme  wurde  im  entzündeten  Impffelde  eine  einzelne, 
im  Verhältnis  zu  den  übrigen  Schnitten  besonders  grosse  Blatter 
konstatiert.  Ferner  fanden  sich  noch  3  rings  um  die  Afteröffnung 
gelagerte,  unzweifelhafte  Impfblattern.  Die  Aeusserungen  der 
Mutter  gaben  über  die  Entstehungsursache  dieser  Blattern  keinen 
sicheren  Aufschluss,  jedoch  dürfte  die  Annahme  gerechtfertigt  er¬ 
scheinen,  dass  die  Entstehung  dieser  versprengten  Pusteln  auf  die 
Waschung  mit  einem  an  beiden  Körperstellen  verwendeten 
Schwamme  zurückzuführen  war.  Endlich  zeigte  im  Amtsbezirke 
Vohenstrauss  die  30  jährige  Mutter  eines  ly4  Jahr  alten,  ge¬ 
impften  Säuglings,  dessen  Krankheitserscheinungen  in  diesem  Be¬ 
richte  noch  Besprechung  finden  werden,  am  Tage  des  ärztlichen 
Besuches  ein  über  verschiedene  Körperregionen  ausgebreitetes 
vaccinales  Exanthem,  nämlich  im  Gesichte  in  frischer  Blüte 
stehende  Pusteln  in  Linsen-  bis  Kleinbohnengrösse,  8  an  der  Zahl, 
am  rechten  Warzenhofe  7,  am  linken  0,  in  teilweiser  Verschorfung  I 


begriffen  und  in  dichter  Gruppierung  stehend,  ferner  am  Busen 
2  und  am  rechten  Vorderarme  2  unverkennbare  Impfpusteln. 
Ausserdem  befand  sich  auf  dem  Zungenrücken  eine  Kolonie  von 
10 — 12  papulösen  Effloi*eszenzen,  luetischen  Papillomen  vergleich¬ 
bar.  Es  lag  somit  hier  eine  direkte  multiple  Uebertragung  des 
Vaecinekontagiums  vom  Säugling  auf  die  Mutter  vor.  Auch  der 
7  jährige  Bruder  des  erkrankten  Kindes  trug  eine  etwra  1  Pfennig¬ 
stück  grosse  Vaccinepustel  auf  der  linken  Wange.  An  allgemeinen 
Erscheinungen  bot  die  Mutter  einen  leichten  Fieberzustand.  Die 
übrigen  Familienmitglieder  blieben  frei.  Die  Wohnräume,  sowie 
die  Einrichtungsgegenstände,  und  nicht  minder  die  Bewohner 
selbst  liessen  in  Bezug  auf  Reinlichkeit  nicht  weniger  als  alles  zu 
wünschen  übrig. 

Im  Berichtjahre  hatten  die  Impfärzte  wieder  vielfach  Ge¬ 
legenheit,  eine  Anzahl  von  Fällen  zu  beobachten,  welche  man  unter 
dem  Namen  der  generalisierten  Vaccine  zusammenzufassen  pflegt. 
Die  Erscheinungsformen  dieser  Krankheitsbilder  waren  ver¬ 
schieden.  Bald  traten  sie  als  ein  über  den  ganzen  Körper  ver¬ 
breitetes  Erythem,  bald  als  Nessel-,  Knötchen-,  Flecken-  und 
Bläschenausschlag  auf.  Wahrscheinlich  übt  hier  die  individuelle 
Beschaffenheit  der  Haut  des  Impflings  keinen  unwesentlichen 
Einfluss  auf  die  Erscheinungsformen  der  generalisierten  Vaccine. 
Ein  Symptom  war  allen  diesen  Gesundheitsstörungen  eigen  — -  ihr 
kurzer  Bestand  und  ihr  glatter,  zur  raschen  Heilung  neigender 
Verlauf.  Das  Allgemeinbefinden  der  Impflinge  wurde  fast  nie  er¬ 
heblich  gestört.  Solche  Vorkommnisse  fanden  sich  im  Bericht¬ 
jahre  beschrieben  von  den  Amtsärzten  von  München  (Stadt),  Bad 
Aibling,  Reichenhall,  Laufen,  Passau,  Vilshofen,  Homburg,  Neu¬ 
stadt  a.  II..  Neunburg,  Erbendorf,  Tirschenreuth,  Vohenstrauss, 
Bamberg,  Wunsiedel,  Erlangen,  Hammelburg,  Aub,  Obergünzburg 
und  Zusmarshausen.  Fälle  von  speziell  varizellenartiger  Erschei¬ 
nungsform  wurden  beobachtet  bei  einem  Erstimpfling  in  Bamberg, 
bei  2  sonst  gesunden  Kindern  im  Amtsbezirke  Vohenstrauss,  bei 
einem  Kinde  des  Landbezirkes  Obergünzburg.  Einen  viel  lang¬ 
sameren  Verlauf  nahm  ein  angeblich  als  Impfschädigung  ge¬ 
meldeter  Krankheitsfall  im  Amtsbezirke  Mindelheim.  Ein  Gast¬ 
wirtssohn  in  Pfaffenhausen,  geboren  am  16.  VIII.  1900,  wurde  am 
15.  V.  1901  mit  Lymphe  von  Kalb  No.  37  zum  erstenmale  geimpft. 
Das  Kind  war  vor  der  Impfung  vollkommen  gesund  und  gut 
genährt.  Die  Nachschau  ergab  am  23.  V.  vier  völlig  einwandsfreie 
Pusteln.  Seit  der  Nachschau  sollte  das  Kind  nach  der  Angabe 
seiner  Angehörigen  erkrankt  sein.  Am  9.  VI.  wurden  Pemphigus¬ 
blasen  von  Erbsen-  bis  Haselnussgrösse,  über  Skrotum,  Schenkel 
und  Nates  sich  ausbreitend,  gefunden.  Die  ersten  Effloreszenzen 
sollen  am  29.  V.  varizellenähnlich  als  hanfkorngrosse  Blasen  im 
Gesichte  aufgetreten  sein.  In  den  nächsten  Wochen  schritt  die 
Blaseneruption  auf  Rumpf,  Arme  und  Füsse  fort.  Der  Blasen¬ 
inhalt  war  anfangs  wasserhell  und  trübte  sich  später.  Die  ge¬ 
platzten  Effloreszenzen  liessen  einen  braunrot  pigmentierten 
Untergrund  zurück  ohne  Geschwürsbildung.  Der  Erkrankungsfall 
kam  zur  Anzeige  bei  der  k.  Kreisregierung,  und  der  Medizinal¬ 
referent  derselben  nahm  selbst  Veranlassung,  das  erkrankte  Kind 
zu  besichtigen.  Zur  Zeit  dieses  Besuches  war  die  Blasenbildung 
noch  im  Zunehmen  begriffen.  Abgesehen  vom  Anfangsfieber  war 
der  Verlauf  weiterhin  fieberlos.  Noch  am  24.  XI.  sollen  manchmal 
einzelne  der  beschriebenen  Blasen,  welche  sich  rasch  vergrösserten 
und  ebenso  rasch  wieder  abheilten,  neu  entstanden  sein.  Sonst 
hatte  sich  das  Kind  ganz  vorzüglich  entwickelt.  Für  die  Annahme 
von  Lues  bestand  kein  positiver  Anhaltspunkt. 

Manchmal  wurden  im  Berichtjahre  wieder  Verschwärungen 
von  Impfpusteln  beobachtet.  Der  ulzeröse  Gewebszerfall  betraf 
aber  keineswegs  regelmässig  die  sämtlichen  Pusteln,  sondern 
manchmal  nur  eine  einzige  derselben.  In  nicht  wenigen  Fällen 
wird  wohl  Insultierung  durch  Aufkratzen  der  Pusteln  mit 
schmutzigen  Fingernägeln,  ferner  Unreinlichkeit  der  Wäsche  für 
diese  Umwandlung  der  Impfpusteln  in  mehr  minder  tiefe,  mit 
eitrigem  Belag  versehene  Geschwüre  verantwortlich  zu  machen 
sein.  Die  Wiederimpflinge  waren  an  diesen  Kranklieitsfonnen 
mehr  beteiligt  als  die  Erstimpflinge.  Im  Bezirke  München  (Stadt) 
zeigten  5  Wiederimpflinge  und  einige  Erstimpflinge  diese  Störung 
des  normalen  Heilungsverlaufes  der  Impfpusteln.  Von  Fällen 
gleicher  Art  berichteten  die  Impfärzte  von  Burghausen,  Reichen¬ 
hall,  München  (I),  Kusel,  Bamberg,  Kipfenberg,  Ebern,  Aub, 
Kempten  und  Zusmarshausen.  Manchmal  konttuierten  die  4  ver- 
schwärten  Impfpusteln,  und  es  kam  dann  zu  einem  entsprechend 
bedeutenderen  Gewebszerfälle,  welcher  einer  längeren  Zeit  zur 
Ausheilung  bedurfte.  Auch  bei  grösseren  und  tiefgreifenden  Ge- 
websverlusten  traten  nach  der  Heilung  häufig  die  charakteristi¬ 
schen  Impfnarben,  isoliert,  wie  die  Schnitte  gesetzt  worden  waren, 
zu  Tage.  Völlige  Heilung  trat  in  allen  diesen  Fällen  ein,  wenn  sie 
auch  manchmal  bei  schlechtem  Ernährungszustände  der  Kinder 
eine  etwas  verlangsamte  war.  Von  Einzelheiten  ist  hier  folgendes 
hervorzuheben:  Bei  einem  Erstimpfling  des  Amtsbezirkes  Reichen¬ 
hall  vereiterten  die  4  Impfpusteln,  und  die  Impfstelle  war  in  ein 
grosses,  tiefgreifendes  Geschwür  verwandelt.  Das  Kind  war  in 
der  Pflege  einer  alten  Frau,  welche  an  einem  alten,  übelriechenden 
Fussgescliwüre  litt.  Das  Kind  wurde  von  dieser  Pflegerin  entfernt, 
worauf  die  Impfgeschwüre  rasch  heilten.  Das  im  Amtsbezirke 
München  I  an  ulzerösen  Impfpusteln  erkrankte  Kind  war  von  der 
Pflegefrau  an  der  Impfstelle  zur  Beschleunigung  der  Abborkung 
mit  den  Resten  von  verschiedenen  Milchsorten  bestrichen  worden. 
Es  entstand  nun  um  die  Krusten  ein  entzündlicher  Eiterherd, 
welcher  die  Kostfrau  zur  Anzeige  der  Erkrankung  veranlasste. 
Nach  14  Tagen  trat  auf  einen  Verschlussverband  hin  völlige  Hei¬ 
lung  ein.  (Schluss  folgt.) 


2054 


MITENOHRNEE  MEDIOINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Unsere  Hebammen. 

Yon  Dr.  Ernst  An  ge  rer,  k.  Bezirksarzt  in  Weilheim. 

Seitdem  die  Forschungsergebnisse  von  S  e  m  m  e  1  w  e  i  s  über 
die  Entstehung  des  Kindbettfiebers  zum  Allgemeingut  der  Aerzte 
geworden  sind  und  durch  die  bakteriologischen  Untersuchungs- 
methoden  der  letzten  Jahre  auch  ihre  wissenschaftliche  Begrün¬ 
dung  erfahren  haben,  ist  die  Aufgabe  der  mit  Geburtshilfe  be 
schiiftigten  Aerzte  und  der  Hebammen  eine  viel  schwierigere  und 
nach  jeder  Richtung  hin  verantwortungsvollere  geworden.  Ganz 
besonders  trifft  das  die  Hebammen,  Aveii  diese  in  fast  neun  Zehntel 
aller  Geburten  die  einzigen  Personen  sind,  welche  den  Gang  und 
Verlauf  der  Geburt  zu  überwachen  und  zu  leiten  haben. 

Es  besteht  heute  kein  Zweifel  mehr  darüber,  dass  idle  fieber¬ 
haften  Erkrankungen  des  Wochenbetts,  welche  mit  den  Geburts¬ 
wegen  in  Zusammenhang  stehen,  als  Wundinfektionskrankheiten 
anzusehen  sind  und  durch  Mikroorganismen  verursacht  werden, 
welche  von  aussen  her  in  den  Organismus  der  Wöchnerin  gebracht 
werden. 

Hie  vielumstrittene  Frage  der  Selbstinfektion  —  eine  Frage, 
die  auch  heute  noch  als  1  Hypothese  gelten  muss  —  soll  bei  der  Be¬ 
urteilung  der  Entstehung  der  fieberhaften  Wochenbettserkran¬ 
kungen  ganz  ausser  Betracht  gelassen  werden,  schon  aus  dem 
Grunde,  weil  der  hinsichtlich  der  Antisepsis  nicht  peinlich  ge¬ 
wissenhafte  Geburtshelfer  dieselbe  bei  einer  puerperalen  Er¬ 
krankung  nur  allzugern  als  Entschuldigung  für  seine  Lässigkeit 
anzunehmen  geneigt  ist;  derartige  Hypothesen  können,  so  lange 
sie  nicht  vollständig  wissenschaftlich  und  experimentell  geklärt 
sind,  dem  Prinzipe  der  Antisepsis  in  der  Geburtshilfe  nicht  nützen, 
sondern  nur  schaden.  Die  neueren  Forschungen  scheinen  sich 
überdies  der  Ansicht  zuzuneigen,  dass  die  Gebärmutterhöhle  der 
Kreissenden  an  und  für  sich  aseptisch  oder  steril  ist. 

Weiterhin  muss  als  feststehend  angenommen  werden,  dass 
die  Hauptquelle  und  zugleich  gefährlichste  Quelle  der  Infektion 
immer  der  untersuchende  Finger  ist,  die  weiteren  Infektions- 
gelegenheiten,  die  auf  dem  Körper  der  Gebärenden  und  dessen 
unmittelbarster  Umgebung,  in  den  Kleidern,  der  Bettwäsche  etc. 
zu  suchen  sind,  kommen  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht. 

Nachdem  nun  die  Quellen  der  Infektion  bekannt  sind,  sind 
auch  die  Wege  vorgezeichnet,  wie  die  Puerperalerkrankungen  ver¬ 
hütet  werden  können,  und  ebenso  gut,  als  aus  den  chirurgischen 
Kliniken  die  Pyämie  und  der  Hospitalbrand  fast  vollständig,  die 
übrigen  Wundinfektionskrankheiten  bei  chirurgischen  Eingriffen 
nahezu  verschwunden  sind  seit  Einführung  der  Antisepsis,  ebenso 
muss  es  auch  gelingen,  das  Puerperalfieber  zum  Verschwinden  zu 
bringen  und  nur  auf  jene  Fälle  zu  beschränken,  wo  eben  nicht  im 
Sinne  und  nach  den  Regeln  der  Antisepsis  vorgegangen  wird. 

Die  Berichte  aus  den  klinisch  geleiteten  Gebäranstalten  lassen 
ersehen,  dass  das  Kindbettfieber,  trotz  intensiver  Ausnützung  des 
Materials  zu  klinischen  Zwecken,  tatsächlich  aus  diesen  fast  voll¬ 
ständig  verschwunden  ist,  ebenso  wie  der  Hospitalbrand  und  die 
Pyämie  aus  den  chirurgischen  Spitälern.  Vor  der  antiseptischen 
Zeit  war  das  Kindbettfieber  in  den  Gebäranstalten  in  einer  Aus¬ 
dehnung  vorhanden,  dass  die  Fortführung  dieser  Anstalten  über¬ 
haupt  in  Frage  gestellt  wurde;  mit  der  Einführung  der  Antisepsis 
wurden  jedoch  die  hohen  Erkrankungsziffern  sofort  reduziert,  und 
je  mehr  Uebung  man  sich  im  antiseptischen  Verfahren  aneignete, 
je  gewissenhafter  man  die  Vorschriften  befolgte,  desto  seltener 
wurden  die  Erkrankungen  und  heute  sind  sie  aus  gut  geleiteten 
Instituten  fast  gänzlich  verschwunden. 

Ausserhalb  der  Gebäranstalten  ist  aber  die  Sache  wesent¬ 
lich  anders. 

Während  in  der  vorantiseptischen  Zeit  alljährlich  durch¬ 
schnittlich  41  Todesfälle  von  Kindbettfieber  in  Bayern  auf  10  000 
Gebärende  trafen,  sank  diese  Ziffer  anfangs  der  70  er  Jahre  bei 
Einführung  der  Antisepsis  sofort  auf  31  und  hat  sich  in  den  letzten 
Jahren  bis  auf  24  uoch  gebessert;  bei  dieser  Ziffer  bleibt  es  aber 
so  ziemlich  seit  eiuer  Reihe  von  Jahren.  Die  Statistik  lässt  weiter 
ersehen,  dass  die  Erkrankungen  an  Kindbettfieber  ebenso  häufig 
auf  dem  Lande,  als  in  den  Städten  Vorkommen.  So  hat  z.  B. 
München  seit  10  Jahren  alljährlich  durchschnittlich  21.6  Todes¬ 
fälle  an  Kindbettfieber,  mit  14  Todesfällen  als  niedrigste  und 
38  Fällen  im  Jahre  1897  als  höchste  Zahl.  Weiterhin  zeigen  die 
Berichte,  dass  puerperale  Erkrankungen  sich  viel  seltener  an  Ge¬ 
burten  mit  schwierigen  geburtshilflichen  Operationen  anschliessen, 
sondern  sich  häufiger  ereignen  bei  ganz  einfachen,  ohne  jegliche 
Kunsthilfe  zu  Ende  geführten  spontanen  Geburten,  wo  nur  die 
Hebamme  zugegen  war.  Zieht  man  hier  den  Heilungsverlauf 
jener  Wunden  mit  in  den  Vergleich,  die  ausserhalb  der  chirur¬ 
gischen  Kliniken  in  Behandlung  sind,  so  muss  man  zugeben,  und 
die  tägliche  Erfahrung  und  Statistik  bestätigen  es,  dass  die 
accidentellen  Wundinfektionskrankheiten  viel  seltener  geworden 
sind,  weil  dank  den  heutigen  Einrichtungen  die  Wunden  doch  zu¬ 
meist  von  Aerzten  behandelt  werden  und  diese  doch  fast  ohne  Aus¬ 
nahme  nach  den  antiseptischen  Grundsätzen  verfahren.  Ja  selbst 
bei  den  kleinen  alltäglichen  Verletzungen,  die  überhaupt  nicht 
zur  ärztlichen  Behandlung  kommen,  werden  die  Wundinfektions¬ 
krankheiten  zusehends  seltener,  weil  auch  die  breiten  Schichten  des 
Volkes  die  Grundsätze  der  Antisepsis  sich  immer  mehr  zu  eigen 
machen  und  auch  darnach  handeln;  nur  das  Puerperalfieber  fordert 
alle  Jahre  so  ziemlich  gleichbleibend  seine  Opfer  und  warum? 
weil  fürs  erste  niemand  im  Volke  glauben  will,  dass  diese  Er¬ 
krankung  eine  reine  Wundinfektionskrankheit  ist  und  dann,  weil 
bei  neun  Zehntel  aller  Geburten  die  Hebamme  die  einzige  Helferin 
in  der  Kot  ist,  die  mit  nur  ganz  geringen  Ausnahmen  von  der 


Antisepsis  am  allerwenigsten  weiss.  Es  besteht  kein  Zweifel,  dass 
für  die  vielfachen  puerperalen  Erkrankungen  zumeist  und  in  erster 
Linie  die  Hebammen  verantwortlich  gemacht  werden  müssen. 
Diesen  schweren  Vorwurf  wird  jeder  Arzt  bestätigen  müssen, 
insbesondere  jeder  Amtsarzt,  der  mit  den  Kenntnissen  und  der 
Berufstätigkeit  der  Hebammen  sich  eingehend  beschäftigen  muss. 
Gemildert  wird  jedoch  dieser  Vorwurf  dadurch,  dass  die  Heb¬ 
amme  an  dieser  Unkenntnis  nicht  allein  die  Schuld  trägt  und 
somit  nicht  allein  die  oben  ausgesprochene  Verantwortung  zu 
tragen  hat. 

Im  nachfolgenden  gebe  ich  eine  Schilderung  der  Verhältnisse 
der  Hebammen  meines  Bezirkes  und  werde  wohl  nicht  fehlgehen, 
wenn  ich  behaupte,  dass  so  ziemlich  die  gleichen  Verhältnisse 
in  allen  Bezirken  des  Königreiches  bestehen  werden.  Es  sollen 
nicht  nur  die  materiellen  Verhältnisse  der  Hebammen  geschildert 
werden,  auch  ihre  heutige  Heranbildung,  ihre  Kenntnisse,  die 
Fortbildung  und  Ueberwaelnmg  derselben  sollen  ohne  jegliche 
Färbung  der  Wahrheit  entsprechend  besprochen  werden  und  man 
wird  zugestehen  müssen,  dass  angesichts  des  höchst  verant¬ 
wortungsvollen  Berufes  manches  anders  sein  oder  doch  wenigstens 
anders  werden  sollte. 

Im  Verwaltungsbezirke  Weilheim  sind  gegenwärtig  26  Heb 
ammen  tätig,  von  diesen  werden  19  von  den  Gemeinden  oder  dem 
Distrikte  sustentiert,  7  üben  ihren  Beruf  ohne  jegliche  Sustentation 
als  frei  praktizierende  Hebammen  aus.  Von  diesen  Hebammen 
stehen  im  Alter  von 


20—30  Jahren  —  3  Hebammen 

30-40  „  5 

40—50  „  4 

50  —  60  „  8 

60—70  „  4 

über  70  „  2 

also  14  Hebammen,  das  ist  mehr  als  die  Hälfte,  über  50  Jahre! 

12  Hebammen  wurden  vor  dem  Jahre  1875  unterrichtet  und 
approbiert  —  noch  in  der  vorantiseptischen  Zeit,  haben  also  einen 
planmässigen  und  richtigen  Unterricht  in  der  Antisepsis  überhaupt 
nicht  genossen.  Die  durchschnittliche  jährliche  Beschäftigung 
der  Hebammen  des  Bezirkes  ist  aus  folgenden  Zahlen  ersichtlich: 


11 

11 

n 

ii 

n 


bis  zu  10  Geburten 


11 

11 

11 

11 


30 

40 

50 

60 


91 

11 


haben  zu  leiten  je  3  Hebammen 


11 

11 


11 


n 


ii 

ii 


9 

3 

7 

3 


11 


11 

11 


Eine  Hebamme  in  Penzberg  leitet  durchschnittlich  240  Ge¬ 
burten  jährlich. 

Das  durchschnittliche  jährliche  Einkommen  dieser  Hebammen 
gestaltet  sich  folgendermassen: 


Unter  100  JC  verdienen  jährlich  je  2  Hebammen 
von  100—200  „  „  „  „2 

„  200-300  „  „  „  „  7 


„  300-400 
„  400  -500 
„  500-600 


8 

4 

2 


900  Mark  verdient  1  Hebamme  (Penzberg).  Die  Seelenzahl 


der  einzelnen  Hebammenbezirke  beträgt: 


Weilheim 


mit  4468  Seelen  für  4  Hebammen 


Penzberg 

„  4780  „ 

2 

» 

Peissenberg 

„  2287  „ 

2 

11 

Murnau 

„  3110  „  „ 

2 

11 

Dann  folgen  die  ländlichen  Bezirke  und  sind 

aufg 

2  Hebammen 

für  Bezirke  mit  je 

250  Seelen 

2 

für  Bezirke  mit  je 

700 

91 

2 

für  Bezirke  mit  je 

800 

11 

1 

für  1  Bezirk  mit 

900 

91 

3 

für  Bezirke  mit  je 

rOOO 

91 

9 

^  11 

für  Bezirke  mit  je 

1100 

11 

1 

für  1  Bezirk  mit 

1200 

11 

2 

^  11 

für  Bezirke  mit  je 

1300 

11 

1 

für  1  Bezirk  mit 

1500 

T 

Aus  diesen  Zahlen  ist  ersichtlich,  dass  die  Hebammenbezirke 
durchschnittlich  sehr  klein  sind,  da  fast  jede  auch  noch  so  kleine 
Gemeinde  ihre  eigene  Hebamme  hat;  7  Hebammen  haben  Bezirke 
von  unter  1000  Seelen,  nur  6  Hebammen  haben  Bezirke  von  über 
1000  Seelen,  keine  aber  einen  Bezirk  von  mehr  als  1500  Seelen. 
Teil  möchte  gleich  hier  anfügen,  dass  diese  kleinen  Bezirke  für 
die  Hebammen  von  keinem  Nutzen  sind,  fürs  erste  bedingen  sie 
ein  kärgliches  Einkommen,  von  dem  die  Hebamme,  auch  wenn  sie 
alleinstehend,  ohne  Familie  wäre,  niemals  leben  könnte,  und  dann 
ist  die  ungenügende  Beschäftigung  gerade  für  die  Fortbildung 
der  Hebamme  von  grossem  Nachteile.  Ohne  besondere  Belästigung 
des  Publikums  und  ohne  besondere  Beschwerden  für  die  Heb¬ 
ammen  könnten  leicht  mehrere  Ortschaften  zu  einem  Hebammen¬ 
bezirk  vereinigt  werden  in  der  Weise,  dass  alle  Ortschaften,  die 
von  dem  Sitze  einer  Hebamme  bis  zu  3  Kilometer  entfernt  sind, 
auf  diese  Hebamme  angewiesen  würden.  Bei  den  jetzt  so  ver- 
vollkommneten  Verkehrsverhältnissen,  bei  der  telegraphischen 
und  telephonischen  Verbindung  so  vieler  Ortschaften  untereinander, 
dann  bei  dem  auch  auf  dem  platten  Lande  so  vielfach  eingeführten 
Fahrrade,  dessen  sich  zum  Teil  auch  die  Hebammen  selbst  schon 
bedienen,  ist  eine  Entfernung  von  3  Kilometer  doch  gar  nicht 
mehr  in  Anschlag  zu  bringen  und  es  Hessen  sich  auf  diese  Weise 


9.  Dezember  1902, 


MITEKCDENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2055 


Bezirke  schaffen,  die  die  oben  angeführten  Nachteile  der  kleinen 
Bezirke  beseitigen  würden.  Der  Bezirk  Weilheim  z.  B.  könnte 
auf  diese  Weise  leiclit  gerade  durch  die  Hälfte  der  jetzigen  Heb¬ 
ammen  versorgt  werden. 

Nach  der  Dienstanweisung  vom  9.  Juni  1899  für  die  Heb¬ 
ammen  des  Königreiches  Bayern  besteht  die  Tätigkeit  der  Heb¬ 
ammen  darin,  bei  der  Geburt  durch  sachgemässe  Aufsicht  Mutter 
und  Kind  vor  Regelwidrigkeiten  und  deren  Folgen  zu  schützen. 
Der  Hebamme  fällt  nach  der  Dienstanweisung  die  Aufgabe  zu. 
Schwangeren  und  Wöchnerinnen  beizustehen  und  für  das  neu¬ 
geborene  Kind  zu  sorgen,  ihre  Haupttätigkeit  hat  sich  auf  die 
Vorbereitungen  zu  der  Geburt  (Desinfektion)  und  Unterstützung 
bei  der  Geburt  (exakte  Beobachtung  des  Geburtsverlaufes,  Damm¬ 
schutz,  rationelle  Leitung  der  Nachgeburtsperiode)  und  im  Wochen¬ 
bette  (peinliehst  genaue  Durchführung  der  antiseptischen  Mass- 
regeln  bei  den  puerperalen  Wuudheilungsvorgängen)  zu  erstrecken. 

Mit  diesen  Vorschriften  ist  den  Hebammen  in  klarer  und 
präziser  Art  ihre  Tätigkeit  genau  vorgezeichnet. 

Um  diese  Vorschriften  erfüllen,  um  ihrem  verantwortungs¬ 
vollen  Beruf  mit  seinen  durch  die  Forschungen  der  Neuzeit  höher 
gestellten  Anforderungen  in  zweckentsprechender  Weise  nach- 
kommeu  zu  können,  muss  die  Hebamme  so  unterrichtet  sein,  dass 
sie  die  normalen  Verhältnisse  in  der  Schwangerschaft,  bei  der 
Geburt  und  im  Wochenbett  als  solche  zuverlässig  erkennt,  sie  muss 
im  stände  sein,  eine  normale  Geburt  mit  normalem  Wochenbett 
allein  vollständig  zu  Ende  zu  führen.  Dabei  übernimmt  sie  bei 
jeder  Geburt  allein  die  volle  Verantwortung,  dass  durch  ihre 
Hilfeleistung  Mutter  und  Kind  vor  Schaden  ihrer  Gesundheit  be¬ 
wahrt  bleiben. 

Ebenso  zuverlässig  muss  sie  im  stände  sein,  alle  Regelwidrig¬ 
keiten  in  der  Schwangerschaft,  bei  der  Geburt  und  im  Wochen¬ 
bett  als  solche  und  zwar  möglichst  frühzeitig  zu  erkennen,  um 
sogleich  ärztliche  Hilfe  in  Anspruch  nehmen  zu  können. 

Wenn  man  diese  Aufgaben  im  Auge  behält  und  die  Tätigkeit 
der  Hebammen  bei  Ausübung  ihres  Berufes  beobachtet,  so  muss 
jeder,  der  mit  den  Verhältnissen  vertraut  ist,  zugestehen,  dass 
die  Hebammen,  wenigstens  nach  der  einen  Richtung  hin,  nämlich 
in  rein  hebammentechnischer  Beziehung,  den  Anforderungen,  die 
man  an  sie  stellen  muss,  vollauf  genügen.  Die  Hebammen 
kommen  durchgehends  sehr  gut  unterrichtet  aus  der  Schule,  sic 
untersuchen  sehr  zuverlässig,  sind  nach  jeder  Richtung  über  den 
normalen  Verlauf  von  Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett 
informiert  und  sind  im  stände,  die  Regelwidrigkeiten  als  solche 
alsbald  zu  erkennen.  Durch  längere  Praxis  und  Erfahrung  be¬ 
kommt  die  Hebamme  eine  grosse  Sicherheit  und  eine  gewisse 
Routine  und  besonders  ältere  Hebammen  leisten  praktisch  in  dieser 
Bezieliung  ganz  Vorzügliches.  Es  dürfte  nach  meinen  Erfahrungen 
nur  sehr  wenig  Hebammen  in  Bayern  geben,  die  wegen  mangel¬ 
hafter  oder  ungenügender  Kenntnisse  zu  einem  der  seit  kurzem 
erst  eingeführten  Repetitionskurse  in  der  Hebammenschule  zu 
veranlassen  wären,  soweit  es  sich  nur  um  hebammentechnischen 
Unterricht  handeln  würde.  Anders  verhält  es  sich  jedoch  hin¬ 
sichtlich  der  antiseptischen  Vorschriften.  In  Bezug  auf  Antisepsis 
und  Desinfektion  herrschen  dermalen  trotz  der  diesbezüglichen 
umfangreichen  Vorschriften  in  der  Dienstanweisung  bei  sämt¬ 
lichen  Hebammen  Zustände,  die  einer  durchgreifenden  Aenderung 
dringendst  bedürfen.  Die  Notwendigkeit  einer  eingehenden  anti¬ 
septischen  Schulung  der  Hebammen  ist  gewiss  direkt  einleuchtend, 
wenn  man  in  Betracht  zieht,  dass  bei  9/10  aller  Geburten  die  Heb¬ 
amme  die  einzige  Person  ist,  die  als  Sachverständige  beigezogen 
wird,  wenn  man  erwägt,  dass  sie  allein  die  nötigen  Vorbereitungen 
zur  Geburt  treffen  und  die  erste  Untersuchung  der  Gebärenden 
vornehmen  muss.  Es  liegt  klar  auf  der  Hand,  dass  die  Hebamme 
auch  in  erster  Linie  die  Verantwortung  für  den  Einzelfall  zu 
tragen  hat,  und  aus  diesem  Grunde  ist  es  eine  zwingende  Not- 
wendigkeit,  die  Hebamme  vor  allem  anderen  zuerst  und  in  um¬ 
fassender  Weise  theoretisch  und  praktisch  in  der  Antisepsis 
gründlich  zu  unterrichten.  Und  wrie  steht  es  nun  in  dieser  Hin¬ 
sicht  bei  den  Hebammen  meines  Bezirkes,  wie  steht  es  damit  bei 
allen  Hebammen  des  Königreiches?  Wohl  überall  gleich.  \  on 
einem  richtigen  Verständnis  der  Antisepsis,  von  einer  zweckent¬ 
sprechenden  Anwendung  derselben  ist  keine  Spur  vorhanden. 
Doch  trifft  hierin  die  Schuld  nicht  die  Hebammen  allein  —  nehmen 
wir  die  Verhältnisse  des  Bezirkes  Weilheim  an,  so  sind  hier,  wie 
ich  schon  oben  erwähnte,  12  Hebammen  tätig,  die  noch  vor  der 
antiseptischen  Zeit  ihren  Unterricht  in  der  Schule  genossen  haben. 
Diese  w'issen  von  antiseptischen  Grundsätzen  soviel  wüe  gar  nichts, 
die  übrigen  wissen,  wie  die  amtsärztliche  Prüfung  und  auch  die 
tägliche  Beobachtung  zeigt,  nicht  viel.  Es  mühen  sich  ja  die  Amts¬ 
ärzte  und  auch  die  praktischen  Aerzte  redlich  ab,  die  Hebammen 
in  dieser  Hinsicht  bei  jeder  sich  bietenden  Gelegenheit,  bei  der 
amtsärztlichen  Prüfung,  am  Kreissbett  zu  belehren  —  doch  wer 
möchte  die  Möglichkeit  auf  stellen,  dass  man  Antisepsis  Jemanden 
durch  Belehrung  beibringen  kann  —  wer  möchte  behaupten,  dass 
die  Belehrung  durch  den  Amtsarzt  einem  planmäßigen  Unterricht 
mit  praktischen  Uebungen  und  Experimenten  gleichkommen  oder 
ihn  ersetzen  könnte! 

Die  Hebamme  desinfiziert  ja,  sie  desinfiziert  ihre  Hände  und 
die  Gebärende,  aber  nur,  weil  es  vorgeschrieben  ist,  ohne  jeg¬ 
liches  Verständnis,  sie  desinfiziert  —  aber  wie,  wenn  sie  sich  be¬ 
obachtet  weiss,  und  dann  nur  schablonenhaft;  in  den  meisten 
Fällen  unterlässt  sie  aber  die  Desinfektion,  weil  sie  dieselbe,  w  ic 
man  oft  hören  kann,  für  zwecklos  und  wertlos  und  nur  für  eine 
neumodische  Erfindung  hält,  und  wird  in  dieser  Unterlassung  von 
der  ebenso  unverständigen  Gebärenden  um  so  mehr  unterstützt, 
als  die  Durchführung  der  Antisepsis  für  die  Gebärende  manche 


kleine  Unbequemlichkeiten  im  Gefolge  hat.  Es  besteht  die 
zwingende  Notwendigkeit,  den  llebanimenunterricht  für  die  Zu¬ 
kunft  auch  auf  eingehenderen  antiseptischen  Unterricht  auszu¬ 
dehnen.  Bei  dem  grossen  Stoffe,  den  die  Hebammenschule  bei 
dem  bekannterweise  oft  recht  minderwertigen  Schülermaterial  zu 
überwältigen  hat,  lässt  sich  dies  nur  erreichen,  wenn  der  Ileb- 
ammenlelirkurs  um  mindestens  1  Monat  verlängert  wird,  welche 
Zeit  ausschliesslich  zum  Unterricht  in  der  Antisepsis  zu  verwenden 
wäre.  Dieser  Monat,  zu  Anfang  des  Hebammenlehrkurses,  kann 
bei  jenen  Hebainmenschulen,  die  mit  der  Universität  verbunden 
sind,  eine  Schädigung  des  Unterrichtes  dort  nicht  veranlassen, 
weil  zum  antiseptischen  Unterricht  klinisches  Material  nicht  er¬ 
forderlich  ist. 

Das  dringendste  Erfordernis  jedoch,  das  in  kürzester  Zeit  und 
zwar  von  Staats  wegen  geregelt  werden  sollte,  ist:  den  älteren, 
schon  in  der  Praxis  befindlichen  Hebammen  antiseptischen  Unter¬ 
richt  zukommen  zu  lassen.  Diese  Hebammen  befinden  sich  wirk¬ 
lich  in  einer  fatalen  Situation,  auf  der  einen  Seite  die  entsprechen¬ 
den  Vorschriften  in  der  Dienstanweisung,  die  sie  aber  aus  Mangel 
an  entsprechendem  Unterricht  und  daher  aus  Unkenntnis  nicht 
befolgen  können,  auf  der  anderen  Seite  das  Strafgesetzbuch;  für 
diese  gilt  wirklich,  was  Prof.  Dr.  Gust.  Klein  in  München  bei 
einem  Vortrage  über  das  Hebammenwesen  in  Deutschland  aus¬ 
sprach:  „Ihr  lasst  die  Armen  schuldig  werden,  dann  übergebt 
ihr  sie  der  Pein“. 

Es  ist  nun  durchaus  nicht  notwendig,  dass  dieser  Unterricht 
in  der  Antisepsis  an  die  älteren  Hebammen  durch  die  Hebammen¬ 
schulen  und  deren  Lehrer  erfolgen  muss;  derselbe  kann  in  jedem 
nur  einigermassen  hiezu  eingerichteten  Krankenhause  ebensogut 
gegeben  werden  und  hat  hier  den  grossen  Vorzug,  dass  er  an  keine 
Zeit  gebunden  ist;  er  wird  deshalb  in  kürzerer  Zeit  erledigt  werden 
können,  man  braucht  den  Hebammen  nicht  zuzumuten,  Haus  und 
Familie  auf  längere  Zeit  zu  verlassen,  und  dann  last  not  least  — 
ist  er  für  dieselben  auch  billiger. 

An  dieser  Stelle  soll  hervorgehoben  werden,  dass  zur  Er¬ 
fassung  des  antiseptischen  Unterrichtes  ein  besseres  Schülerinnen¬ 
material  gehört,  als  es  bis  jetzt  für  die  Hebammenschulen  begut¬ 
achtet  wurde;  hiezu  gehört  noch  etwas  mehr  als  die  bis  jetzt  ver¬ 
langte  Fertigkeit  im  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen,  wie  sie  durch 
den  erfolgreichen  Besuch  der  Volksschule  erworben  werden  kann. 
Es  ist  ja  richtig,  dass  eine  geeignete  Auswahl  der  zukünftigen 
Schülerinnen  zur  Erzielung  eines  besseren  Hebammenmateriales 
in  erster  Linie  den  Amtsärzten  zustellt,  aber  die  Auswahl  ist 
schwierig,  wenn  sich  überhaupt  nichts  Gutes  anmeldet,  und  so¬ 
lange  die  materiellen  Verhältnisse  der  Landhebammen  nicht 
bessere  werden,  ist  auch  keine  Aussicht  vorhanden,  dass  sich 
besseres  und  bildungsfähigeres  Material  zur  Hebammenschule  an¬ 
melden  wird.  Die  Einkünfte  einer  Hebamme  sind  derartige,  dass 
aus  Liebe  zum  Berufe  wohl  selten  der  Hebammenberuf  erwählt 
wird.  Dieser  Beruf  wird  immer  nur  als  Nebenbeschäftigung  be¬ 
trachtet  und  doch  läge  so  sehr  viel  daran,  wenn  diese  verant¬ 
wortungsvolle  Tätigkeit  von  gebildeten  Frauen  ausgeübt  würde, 
die  nur  diesem  Berufe  leben  und  von  jedem  anderen  Erwerbs¬ 
zwange  losgelöst  wären.  Es  muss  angestrebt  werden,  besseres, 
bildungsfähigeres  Material  in  die  Hebammenschulen  zu  bringen; 
solches  wird  sich  zur  Verfügung  stellen,  wenn  die  Hebamme  besser 
situiert  wird.  Diese  Besserstellung  kann  erreicht  werden  durch 
die  Bildung  grösserer  Hebammenbezirke,  durch  bessere  Bezahlung 
der  Einzelleistung,  durch  erhöhte  Zuschüsse  aus  öffentlichen 
Kassen  und  schliesslich  durch  entsprechende  Fürsorge  für  arbeits¬ 
unfähige  und  invalide  Hebammen.  Es  muss  angestrebt  werden, 
dass  die  heutige  Landhebamme,  die  in  ei'ster  Linie  Landwirtschaft 
treibt  und  die  meiste  Zeit  mit  Dünger  und  Jauche  sich  beschäftigt 
und  dann  nur  so  nebenbei  eine  Entbindung  leitet,  von  der  Bild- 
fläclie  verschwindet,  und  das  lässt  sich  nur  erreichen,  wenn  die 
Hebamme  besser  situiert  wird. 

Ich  habe  es  im  Laufe  dieses  Jahres  unternommen,  die  noch 
bildungsfähigen  Hebammen  meines  Bezirkes  zu  einem  solchen 
anti septischen  Unterrichtskurs  zu  veranlassen.  Denselben  habe 
ich  im  hiesigen  städtischen  Krankenhause  abgehalten  und  wurden 
hiezu  17  Hebammen  auf  G  Tage  einberufen;  jede  derselben  er¬ 
hielt.  für  die  Dauer  ihres  Aufenthaltes  dahier  von  der  Distrikts¬ 
kasse  eine  tägliche  Entschädigung  von  3  Mark  zur  Bestreitung 
ihrer  Aufenthaltskosten.  Die  Erfolge,  die  ich  mit  diesem  Unter¬ 
richtskurse  erzielte,  waren  überraschend;  zurückgekehrt  in  ihre 
Gemeinden  erhielt  ich  alsbald  anerkennende  Worte  seitens  der  im 
Bezirke  wohnenden  praktischen  Aerzte  in  der  Weise,  dass  die  Des¬ 
infektion  der  Hebammen  nun  eine  andere  sei  als  vorher. 

Es  dürfte  vielleicht  von  Interesse  sein,  den  Lehrplan  dieses 
Kurses  in  kurzen  Zügen  zu  schildern. 

Vorausgeschickt  wurden  allgemeine  und  gemeinverständliche 
Belehrungen  über  anatomische  und  physiologische  Verhältnisse 
der  Schwangerschaft,  der  Geburt  und  des  Wochenbettes. 

Hierauf  Einführung  in  die  Lehre  von  den  Infektionskrank¬ 
heiten,  hauptsächlich  der  Wundinfektionskrankheiten  und  über 
deren  Entstehung  durch  Mikroorganismen.  Erklärung  des  Mikro- 
skopes;  hauptsächlich  wurde  Gewicht  darauf  gelegt,  dass,  die 
Schülerinnen  eine  entsprechende  Vorstellung  von  der  Vergrösse- 
rung  erhalten  durch  Demonstration  makroskopischer  Körper. 

Einführung  in  die  Lehre  von  den  Mikroorganismen.  Von  der 
Ueborzeugung  ausgehend,  dass  ein  richtiges  Verständnis  der  Bak¬ 
terienlehre,  ein  zweckentsprechendes  Auffassen  der  Desinfektion 
und  der  Antisepsis  nur  möglich  ist  durch  praktischen,  d.  h.  ex¬ 
perimentellen  bakteriologischen  Unterricht,  habe  ich  meine  Sehii- 
lei  innen  auch  mit  den  Grundprinzipien  der  bakteriologischen  For¬ 
schungsmethoden  vertraut  gemacht. 


2056 


MÜENCHENEK  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Vor  allem  lag  mir  daran,  meinen  Schülerinnen  einen  Mikro¬ 
organismus  lebend  und  in  seiner  Bewegung  zu  zeigen,  und  es  ist 
mir  gelungen,  eine  Art  als  gefärbt  und  lebend  zu  demonstrieren, 
nämlich  den  Bacillus  subtilis.  Dieser  wurde  vorher  gezüchtet, 
indem  Heu  mit  Wasser  übergossen  und  dieses  einige  Male  auf- 
gekoclit  wurde;  die  darin  befindlichen  weniger  widerstandsfähigen 
Keime  starben  dabei  ab,  der  Bacillus  subtilis  jedoch  blieb  er¬ 
halten  und  setzte  sich  bald  an  der  Oberfläche  in  einer  rahmartigen 
Decke  als  Reinkultur  fest.  Hiervon  wurde  mit  einer  Flatinöse 
entnommen  und  auf  das  Deckglas  gebracht,  rasch  durch  Erwärmen 
über  der  Gasflamme  angetrocknet,  jedoch  nur  soweit,  dass  der 
zentrale  Teil  des  Präparates  noch  feucht  blieb,  schnell  mit  alko¬ 
holischer  Fuchsinlösung  gefärbt,  abgespült  und  unter  das  Mikro¬ 
skop  gebracht.  In  dem  zentralen,  noch  feuchtgebliebenen  Teile 
des  Präparates  konnte  man  noch  lange  die  überaus  lebhafte  Be¬ 
wegung  der  Stäbchen  beobachten,  eine  Demonstration,  die  auf  die 
Schülerinnen  einen  tiefen  Eindruck  gemacht  hat. 

Hieran  schloss  sich  eine  Erklärung  der  Begriffe  keimfrei  — 
steril,  keimfrei  machen  —  sterilisieren  und  Demonstration  der 
hiezu  gebräuchlichen  Methoden:  der  feuchten  Hitze,  strömenden 
Dampfes,  des  Auskochens,  der  trockenen  Hitze  und  des  Aus¬ 
glühens;  weiterhin  die  Keimfreimachung  jener  Gegenstände,  die 
man  diesen  Prozeduren  nicht  unterziehen  kann,  durch  die  Des¬ 
infektion.  Besprechung  der  Desinfektionsmittel  und  ihrer  Lei¬ 
stungen.  Belehrung  über  die  Desinfektion  der  Hände  und  der 
Geschlechtsteile,  alles  mit  praktischen  Hebungen  und  experimen¬ 
tellen  Demonstrationen. 

Hierauf  Besprechung  und  Erklärung  der  Herstellung  der 
Nährlösungen,  speziell  der  Nährgelatine,  Giessen  von  Platten,  De¬ 
monstration  bereits  bestehender  Plattenkulturen,  Abimpfen  von 
diesen.  Nachdem  die  Hebammen  diese  Grundelemente  der  bak¬ 
teriologischen  Untersuchungsmethode  gesehen  und  verstanden 
haben,  wurden  ihnen  folgende  Experimente  vorgeführt: 

Es  wurden  3  Platten  gegossen  und  vorher  mit  den  entsprechen¬ 
den  Signaturen  versehen: 

1.  Auf  die  erste  Platte  legte  eine  Hebamme  ihre  Finger,  ohne 
dieselben  vorher  irgendwie  gereinigt  zu  haben; 

2.  eine  andere  Platte  berührte  eine  Hebamme  mit  ihren 
Fingern,  die  vorher  mit  Wasser  und  Seife  gereinigt  und  ab¬ 
getrocknet  waren ; 

3.  auf  die  dritte  Platte  legte  eine  Hebamme  ihre  Finger,  die 
vorher  nach  der  Dienstanweisung  peinlich  genau  gereinigt,  d.  h. 
desinfiziert  worden  waren. 

Nachdem  die  so  behandelten  Platten  3  Tage  im  Brutschränke 
bei  einer  Temperatur  von  37  0  C.  zugebracht  hatten,  wurden  sie 
wieder  vorgezeigt  und  zeigten  ein  zu  DemonstrationszAvecken 
Avii'klich  vorzüglich  gelungenes  Resultat,  indem  die  erste  Platte 
von  einer  grossen  Anzahl,  die  zweite  Platte  von  nur  wenigen  Kul¬ 
turen  bedeckt,  während  die  dritte  Platte  durchaus  keimfrei 
geblieben  war. 

Ein  Aveiteres  Experiment  wurde  in  der  Weise  ausgeführt,  dass 
von  einer  im  Krankenhause  internierten  Aveiblichen  Kranken 
Schamhaare  abgeschnitten  Avurden;  die  eine  Hälfte  dieser  Haare 
Avurde  ohne  weiteres  auf  eine  Nährgelatineplatte  gelegt,  die  an¬ 
dere  Hälfte  nach  vorhergegangener  gründlicher  Reinigung  mit 
warmer  Lysollösung  und  Seife  und  absolutem  Alkohol.  Die  Be¬ 
sichtigung  dieser  Platten  nach  3  tägigem  Aufenthalte  im  Brut¬ 
schränke  ergab  auf  der  ersten  Platte  unzählbare  Kolonien,  die 
zweite  Platte  absolute  Keimfreiheit.  Zuin  Schlüsse  und  unter 
Zugrundelegung  des  bisher  Demonstrierten  musste  jede  einzelne 
Hebamme  sich  selbst,  d.  h.  ihre  Hände,  sodann  die  Geschlechts¬ 
teile  und  deren  Umgebung  einer  auf  dem  Operationstische  liegen¬ 
den  weiblichen  Kranken  nach  der  Dienstanweisung  desinfizieren. 
Liegen  solche  Vorstellungen  zu  Grunde,  dann  wird  die  Antisepsis, 
die  Desinfektion,  die  Sterilisation  der  Kindermilch  etc.  etc.  mit 
ganz  anderen  Augen  betrachtet  und  auch  ganz  geAviss  ganz  anders 
ausgeführt. 

Eine  so  unterrichtete  Hebamme  wird  die  Desinfektion  nie 
mehr  unterlassen,  weil  sie  von  dem  Wert  derselben  überzeugt  ist, 
sie  wird  sie  richtig  und  zAveckentsprechend  machen,  weil  sie  die¬ 
selbe  nicht  mehr  nur  schablonenhaft  macht. 

(Schluss  folgt.) 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Michaelis:  Einführung  in  die  Farbstoffchemie  für 
Kistologen.  S.  Karge  r,  Berlin  1902.  156  S.  Preis  4  M. 

Michaelis  gibt  in  seinem  Buch  in  einer  sehr  klaren  und 
anregenden  Form  eine  Anleitung  zum  Verständnis  des  histo¬ 
logischen  Färbeprozesses.  Die  Färbung  histologischer  Objekte 
ist  ja  nach  der  technischen  Seite  ungemein  ausgebildet;  dem 
entspricht  aber  durchaus  nicht  das  Eindringen  in  das  Wesen 
der  \Terschiedenen  Färbungsmethoden.  Von  den  vielen  Färbe¬ 
künstlern  dürften  nur  die  wenigsten  über  die  chemischen  Pro¬ 
zesse,  die  sich  bei  den  von  ihnen  vorgenommenen  Manipulationen 
abspielen,  sich  klar  sein.  Es  liegt  dies  daran,  dass  in  den  üb¬ 
lichen  Lehrbüchern  der  Chemie  die  Chemie  des  Färbeprozesses 
nur  kurz  behandelt  Avird  und  andrerseits  die  Handbücher  der 
l1  arbstoflchemie  für  den  Mediziner  viel  zu  spezialistisch  sind. 


Das  kleine  Buch  von  Michaelis  füllt  daher  eine  fühlbare 
Lücke  aus.  Der  erste  Abschnitt  gibt  die  „Allgemeine  Chemie 
der  Farbstoffe“:  die  chemische  Konstitution  der  verschiedenen 
Farbstoffgruppen,  die  allgemeinen  Eigenschaften  der  Farbstoffe, 
ihre  Einteilung  in  saure,  basische,  neutrale  etc.  Farbstoffe.  Der 
zAveito  Abschnitt  gibt  eine  kursorische  „Spezielle  Chemie  der 
Farbstoffe“.  Dann  folgen  ausserordentlich  klare  Auseinander¬ 
setzungen  über  die  zurzeit  bestehenden  Theorien  des  Färbe¬ 
prozesses.  —  Der  ZAveite  Teil  des  Buches  (4.  und  5.  Abschnitt) 
behandelt  die  histologischen  Färbungsverfahren;  er  stellt  aber 
durchaus  nicht  ein  Kompendium  der  Färbetechnik  dar,  soll  viel¬ 
mehr  „ein  Versuch  sein,  der  meist  noch  recht  unwissenschaft¬ 
lich  betriebenen  Methodik  der  Färbung  eine  Avissenschaftlich- 
chemische  Grundlage  zu  geben“.  Der  vierte  Abschnitt  behandelt 
„die  vitale  Färbung“,  und  zAvar  1.  „zu  physiologischen  Zwecken“ 
(zum  Nachweis  Aron  Oxydationen  und  Reduktionen  in  der  ver¬ 
schiedenen  Geweben  des  Organismus)  und  2.  „zu  histologischen 
Zwecken“:  die  vitale  Färbung  der  nervösen  Substanz,  der  Zell¬ 
granula,  des  Zellkernes.  Der  fünfte  Abschnitt  bespricht  „die 
Färbung  des  fixierten  Objektes“;  und  zwar  1.  das  Verhalten  des 
GeAvebes  zu  den  Arerschiedenen  Farbstoff klassen  (sauren,  basischen, 
neutralen,  indifferenten,  Beizen-Farbstoffen  —  Metachromasie 
—  Farbstoffkombinationen  —  Entfärbung);  2.  das  Verhalten  der 
Farbstoffe  zu  den  Arerschiedenen  Geweben:  die  Färbung  der  Zell¬ 
kerne,  der  protoplasmatischen  Substanzen,  des  Fettes,  der  Binde- 
gewebssubstanzen,  der  Kittsubstanzen,  der  elastischen  Fasern, 
der  Bakterien,  der  Achsenzylinder,  der  Markscheiden,  der  Neuro- 
glia.  Heinz-  Erlangen. 

Brouardel  et  Gilbert:  Traite  de  medecine  et  de 
therapeutique.  T.  VIII :  Maladies  des  plevres  et  du  mediastin, 
maladies  de  l’arc  cerebro-spinal.  T.  IX:  Maladies  du  cerveau, 
de  l’isthme  de  rencephale,  des  meninges  enceplialiques,  de  la  modle 
epiniere  et  des  meninges  spinales.  Paris,  Bailiiere  et  fils, 
1901  u.  1902.  Preis  pro  Band  12  fr. 

Das  grossartig  angelegte,  wiederholt  in  dieser  Wochenschrift 
angezeigte  (vgl.  1897,  No.  37;  1899,  No.  15)  französische  Sammel¬ 
werk  schreitet,  ZAvar  etwas  langsam  (der  1.  Band  erschien  1895), 
nunmehr  seiner  Vollendung  entgegen.  An  den  vorliegenden 
beiden  Bänden  sind  folgende  Mitarbeiter  beteiligt:  L.  Lan- 
douzy  und  M.  Labbe:  Pleuritis  und  Hydrothorax ;  L.  Gail¬ 
lard:  Pneumothorax ;  P.  Menetrier:  Lungen-  und  Pleura¬ 
krebs  ;  Ed.  Boinet:  Mediastinaltumoren ;  Ch.  Achard:  Apo¬ 
plexie  und  Koma,  Delirium,  Tremor,  Schwindel,  Kephalalgie; 
Ch.  Achard  und  L.  Levi:  Konvulsionen,  Kontrakturen,  vaso¬ 
motorische,  sekretorische  und  trophische  Störungen ;  P.  Marie: 
Ilemi-  und  Paraplegie,  Hirnhyperämie  und  Hirnanämie,  Hirn- 
hämorrhagie  und  Hirnerweichung;  M.  Klippel:  Syphilis, 
Tumoren  und  Abszesse  des  Gehirns,  chronische  Meningitiden; 
Bourneville:  Chronische  Encephalitis,  Idiotismus  und 
Hydrokephalus ;  F.  Raymond  und  P.  Serieux:  All¬ 
gemeine  Paralyse;  II.  Claude:  ITebrige  Hirnerkrankungen, 
Meningitis  spinalis;  V.  Hutinel:  Akute  Hirnhautentzün¬ 
dungen  ;  L.  Vaillard:  Ilitzschlag ;  J.  Dejerine  und 
A.  Thomas:  Krankheiten  des  Rückenmarks ;  A.  Gilbert 
und  G.  Lion:  Rückenmarkssyphilis.  Es  ist  ganz  unmöglich, 
die  verschiedenen  Arbeiten  einzeln  genügend  zu  würdigen. 
Wollte  man  es  auf  dem  zugemessenen  Raum  versuchen,  würde 
man  die  Gefahr  der  Ungerechtigkeit  nicht  vermeiden  können. 
Es  bürgen  übrigens  die  Namen  der  Autoren  dieser  2  Bände,  ins¬ 
besondere  der  Neuropathologen,  welche  zum  grössten  Teil  auch 
in  Deutschland  allgemein  bekannt  und  hochgeachtet  sind,  für 
die  Güte  der  Bearbeitungen.  Hervorgehoben  sei  aufs  neue  der 
für  unsere  deutschen  Begriffe  niedrige  Preis  des  Werkes. 
Jedem,  der  sich  über  die  Art,  wie  gegenwärtig  in  Frankreich 
die  innere  Medizin  aufgefasst  und  dargestellt  Avird,  informieren 
Avill,  sei  das  Sammelwerk  angelegentlich  empfohlen. 

Penzoldt. 

E.  Grawitz:  Klinische  Pathologie  des  Blutes  nebst 
einer  Methodik  der  Blutuntersuchungen  und  spezieller  Patho¬ 
logie  und  Therapie  der  Blutkrankheiten.  Mit  17  Figuren  im. 
Text,  5  Tafeln  in  Farbendruck  und  3  Kurven.  Zweite,  voll¬ 
ständig  neu  bearbeitete  und  vermehrte  Auflaga  Berlin  1902. 
Verlag  von  Otto  Enslin.  640  Seiten.  Preis  18  M. 


205? 


9.  Dezember  1902. _  _  M  UEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Dadurch,  dass  das  Blut  an  allen  physiologischen  und  patho¬ 
logischen  Vorgängen,  die  sich  im  Körper  abspielen,  beteiligt  ist, 
spiegeln  sich  in  ihm  alle  den  Gesamtorganismus  betreffenden  Ver¬ 
änderungen;  andererseits  zieht  wieder  eine  anormale  Zusammen¬ 
setzung  des  Blutas  vielseitige  Störungen  im  Organismus  nach 
sich.  Diese  bedeutungsvolle  Wechselbeziehung  des  Blutes  zu  den 
übrigen  Organen,  sowie  der  Umstand,  dass  dieses  lebenswichtige 
Gewebe  vermöge  seiner  flüssigen  Interzellularsubstanz  der  Unter¬ 
suchung  im  allgemeinen  leicht  zugänglich  ist,  machen  es  er¬ 
klärlich,  dass  auf  diesem  Gebiete  so  viel  gearbeitet  wird.  So 
sind  in  der  Neuzeit  wieder  mehrere  klinische  Spezialwerke 
über  das  Blut  erschienen,  unter  denen  das  vorliegende  allerdings 
einen  hervorragenden  Platz  einnimmt. 

Dem  nun  leider  verstorbenen,  hochgeschätzten  Kliniker 
G.  Gerhardt  hat  Verf.  auch  die  zweite,  bedeutend  er¬ 
weiterte  und  in  vielen  Teilen  neubearbeitete  Auflage  seines 
Buches  gewidmet. 

Die  Einteilung  des  Stoffes  ist  mit  derselben  an¬ 
genehmen  IJebersichtlichkeit  durchgeführt,  die  man 
schon  der  ersten  Auflage  nachrühmen  konnte.  Ferner  ist  es 
freudig  zu  begrüssen,  dass  der  Methodik  der  Blutunter¬ 
suchungen  in  dieser  Auflage  ein  grösseres  Feld  eingeräumt 
wurde.  Dabei  wurden  nur  d  i  e  Methoden  berücksichtigt,  die 
zuverlässig  sind  und  sich  ausserdem  praktisch  bewährt  haben. 
Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  wird  die  Blutentnahme,  die 
Herstellung  von  frischen  und  trockenen  Blutpräparaten,  die 
Fixation  und  Färbung  derselben  besprochen.  In  letzterwähntem 
Kapitel  ist  mit  Recht  die  Romanowsky-Ziemann  sehe 
Färbung  als  eine  der  besten  warm  empfohlen,  doch  hat  bei  Be¬ 
sprechung  der  Herstellung-  von  Blut-Trockenpräparaten  die  in 
neuerer  Zeit  so  beliebt  gewordene  Verwendung  von  Objektträgern 
zum  Aufstreichen  des  Blutes  statt  der  gebrechlichen  und  un¬ 
bequem  zu  handhabenden  Deckgläser  leider  keine  Erwähnung 
gefunden. 

Den  genannten  Ausführungen,  welche  nebst  den  zahlreichen 
physikalisch  -  chemischen  Untersuchungs- 
Methoden  den  I.  Teil  des  Buches  einnehmen,  schliesst  sich 
als  II.  Teil  die  Physiologie  des  Blutes  an,  während  im 
III.  Teil  die  „anämischen  Zustände“  abgehandelt  wer¬ 
den,  wobei  der  progressiven  perniziösen  Anämie,  der  Chlorose, 
der  Leukämie,  der  Pseudoleukämie  besondere  Abschnitte  ge¬ 
widmet  werden.  Was  die  letztgenannte  Erkrankung  anlangt,  so 
hat  sich  Verfasser  mit  derselben  so  gut  als  möglich  abge¬ 
funden,  da  unsere  Kenntnisse  leider  noch  nicht  so  weit  vor¬ 
geschritten  sind,  dass  wir  den  klinischen  Begriff  der  Pseudo¬ 
leukämie  entbehren  können.  Ebenso  gründlich  als  der  III.  Teil 
ist  der  IV.  Teil  des  Buches,  welcher  das  Verhalten  des 
Blutes  bei  Allgemeinerkrankungen  (Hämocyto- 
lyse,  Konstitutionsanomalien,  Infektionskrankheiten)  sowie  bei 
den  Krankheiten  der  einzelnen  Organe  behandelt. 
In  diesem  Abschnitte  ist  auch  den  neuesten  erfolgreichen  For¬ 
schungen  auf  dem  Gebiete  der  Malaria  in  Betreff  der  ein¬ 
zelnen  Arten  der  Malariaparasiten  und  ihrer  Entwicklung  (im 
Tierkörper  und  im  menschlichen  Blute),  sowie  ihrer  Uebertragung- 
durch  Stechmücken  genügend  Rechnung  getragen. 

Die  nach  frischen  und  gefärbten  Präparaten  angefertigten 
und  an  den  entsprechenden  Stellen  des  Textes  eingebundenen 
Tafelabbildungen  von  Blut-  und  Knochenmarkszellen  so¬ 
wie  von  Malariaplasmodien  sind  vorzüglich  gelungen  und  be¬ 
deuten  einen  grossen  Fortschritt  gegenüber  den  in  der  1.  Auflage 
des  Buches  enthaltenen  Bildern. 

Man  gewinnt  in  allen  Teilen  des  Buches  den  Eindruck,  dass 
dasselbe  mit  grosser  Sachkenntnis  geschrieben  ist,  wie  denn  auch 
viele  Mitteilungen  (sowohl  klinischen  als  histologischen  Inhalts) 
auf  eigenen  Untersuchungen  beruhen.  Dort,  wo  noch  strittige 
hämatologisclie  Fragen  (Blutbildung,  Herkunft  und  Einteilung 
der  Leukocyten  u.  s.  w.)  abgehandelt  werden,  vertritt  Verfasser, 
der  um  die  Entwicklung  der  modernen  Hämatologie  sich  un¬ 
streitig  grosse  Verdienste  erworben  hat,  stets  eine  durchaus  selb¬ 
ständige  Meinung.  Die  grossen  Vorzüge  des  Buches  werden  ge¬ 
wiss  allgemeine  Anerkennung  finden  und  nur  ein  paar 
kleine  Ausstellungen  möchte  sich  Refex-ent  bei  aller  Wert¬ 
schätzung-  des  trefflichen  Wex-kes  zum  Schlüsse  noch  ge¬ 
statten.  Erstlich  kann  derselbe  mit  der  etwas  will¬ 
kürlichen  und  nicht  immer  chronologisch  durchgeführ¬ 
ten  Einteilung  der  Literatur  in  eine  „ältere“  und  eine  „neuere“ 


sich  nicht  ganz  einverstanden  erklären  —  so  wertvoll  auch  die 
Ausstattung  jeden  Kapitels  mit  einem  gesonderten  Literatur¬ 
verzeichnisse  ist.  Und  dann  möchte  Referent  den  Wunsch  aus- 
spi-echen,  dass  in  künftigen  Auflagen  des  Buches  ein  etwas  deut¬ 
licherer  und  eingehenderer  Hinweis  auf  die  Tafelabbildungen  in 
den  Text  eingefügt  und  eine  genauere  Analysierung  einzelner 
Abbildungen  (Tafel  III,  IV,  V)  ausgefüh  rt  werden  möchte. 

II.  Riede  r. 

Jahresbericht  über  die  Fortschritte  in  der  Lehre  von  den 
pathog-enen  Mikroorganismen,  herausgegeben  von  P.  v.  Bau  m- 
garten  und  F.  T  a  n  g  e  1.  16.  Jahrgang  1900.  Leipzig  1902. 
M.  22.—. 

Kaum  9  Monate  nach  dem  Erscheinen  des  XV.  Bandes 
liegt  bereits  der  16.  Jahrgang  der  Ergebnisse  vor,  und  sind  die 
Herausgeber  hiemit  ihrem  fast  unmöglich  erscheinenden  Wunsche, 
bereits  in  dem  dem  Berichtsjahr  folgenden  Jahre  den  Bericht 
über  das  vergangene  vorlegen  zu  können,  ei-heblich  näher  ge¬ 
rückt.  Einteilung  und  Anordnung  des  Stoffes  ist  die  gleiche 
übersichtliche  wie  früher,  das  verarbeitete  Literaturmaterial 
des  Jahres  1900  umfasst  1853  Nummern,  die  sämtlich  eine  ein¬ 
gehende  Würdigung  und  zum  Teil  auch  kritische  Besprechung 
gefunden  haben.  In  der  fast  unabsehbaren  Flut  bakteriologischer 
Publikationen  dienen  die  Jahresberichte  als  unentbehrliche 
Führer  jedem,  der  sich  über  die  Fortschritte  dieser  Wisserschaft 
im  allgemeinen  und  bemerkenswertere  Arbeiten  im  besondei-en 
orientieren  will.  Oberndorfer-  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Centralblatt  für  innere  Medizin.  1902.  No.  48. 

L.  Ferra,  nnini:  Ueber  die  sekundäre  Metamerie  der 
Gliedmassen.  (Aus  der  medizin.  Poliklinik  der  Universität  Padua.) 

Auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen  verwirft  der  Ver¬ 
fasser  die  Brissaud  sehe  Theorie  der  sekundären  Metamerie 
der  Gliedmassen.  Die  klinischen  Beobachtungen,  welche  Brissaud 
Recht  zu  geben  schienen,  bedürfen  einer  anderen  Erklärung,  die 
jedoch  zurzeit  nicht  gegeben  werden  könne.  W.  Zinn-  Berlin. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  48. 

1)  E.  W  o  r  m  ser-  Basel:  Beitrag-  zur  Kasuistik  der  Zerviko- 
V  aginalfisteln. 

Den  kürzlich  von  N  e  u  g  e  b  a  u  e  r  veröffentlichten  9  Fällen 
reiht  W.  eine  10.,  eigene  Beobachtung  an.  Es  handelte  sich  um 
eine  2G  jährige  I.  Para,  die  im  5.  Monate  abortierte.  Am  3.  Tage 
nach  Beginn  der  Wehen  war  der  Muttermund  noch  geschlossen; 
dann  erfolgte  plötzlich  der  Abort,  wahrscheinlich  durch  einen  Riss 
der  stark  gedehnten  hinteren  Zervikalwand,  „Zervikalabort“.  Hier 
fand  sich  später  eine  Fistel,  die  unregelmässige  Menses,  Fluor 
und  Sterilität  veranlasste.  Durch  eine  Operation  wurde  die  Fistel 
zum  Verschluss  gebracht.  Als  Ursache  derselben  nimmt  W.  per 
exclusionem  einen  spontanen  Einriss  der  hinteren  Zervikalwand  an. 

2)  E.  D  i  r  m  o  s  e  r  -  Wien:  Fistulae  cervico- vaginales 

laqueaticae. 

Auch  D.  berichtet  über  einen  dem  vorstehenden  analogen 
Fall.  Hier  handelte  es  sich  um  eine  33  jährige  Frau,  die  2  mal 
abortiert  hatte.  Eine  Operation  der  Fistel  wurde  verweigert, 
letztere  daher  nur  abgeschabt  und  geätzt.  Pat.  wurde  dann  wieder 
gravid  und  gebar  am  Ende  des  7.  Monats  einen  Knaben,  der  am 
Leben  blieb.  Der  Austritt  des  Fötus  geschah  durch  die  Fistel; 
der  Muttermund  blieb  verschlossen.  2  Monate  post  partum 
Status  idem,  wie  vor  der  Geburt. 

3)  K  a  1 1  m  o  r  g  e  n  -  Frankfurt  a/M.:  Vaginaler  Kaiser¬ 
schnitt  im  8.  Schwangerschaftsmonat  (Zwillinge)  bei  Portio¬ 
karzinom. 

32jälirige  Frau,  im  8.  Monat  der  Gravidität,  die  seit  <*>  Monaten 
atypisch  blutete.  An  der  vorderen  Muttermundslippe  ein  apfel¬ 
grosses,  ulzeriertes  Portiokarzinom.  Nach  Abschabung  und 
Kauterisation  wui-de  durch  vaginale  Laparotomie  der  Uterus  vorn 
gespalten,  2  lebende  Zwillinge  entwickelt  und  hierauf  der  Utei-us 
exstirpiert.  Die  Kinder  starben  bald  nach  der  Geburt,  die  Mutter 
wurde  geheilt. 

Iv.  empfiehlt,  die  Ligatur  der  Aa.  uterinae  erst  n  a  c  lx  der  Ent¬ 
leerung  des  Uterus  vorzunehmen,  um  das  kindliche  Leben  nicht 
zu  gefährden. 

4)  F.  W  e  b  e  r  -  St.  Petersburg:  Ueber  den  vaginalen  Kaiser¬ 
schnitt  bei  mit  Portiokarzinom  komplizierter  Schwangerschaft. 

W.  operierte  eine  39  jährige  Multipara  im  10.  Monat  der 
Schwangerschaft.  Es  blutete  zuerst  stark;  doch  stand  die  Blu¬ 
tung  nach  Ligatur  der  Ligg.  lata.  Es  gelang  die  Extraktion  eines 
lebenden  Kindes,  das  aber  4  Wochen  später  an  „akuter  Gastritis“ 
zu  Grunde  ging.  Die  Mutter  wurde  geheilt. 

In  der  Literatur  fand  W.  noch  13  analoge  Fälle,  von  denen 
nur  2  tödlich  endeten.  Er  empfiehlt  bei  Karzinom  und  Schwanger¬ 
schaft  den  Diihrssen  sehen  vaginalen  Kaiserschnitt  als  nor¬ 
males  Operationsverfahren. 


2058 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


5)  L.  G  i  g  1  i  -  Florenz:  Lateralschnitt  durch  das  Os  pubis. 

G.  geht  den  Gründen  nach,  warum  die  Symphyseotoinie  den 

in  sie  gesetzten  Erwartungen  nicht  entsprochen  hat.  Er  findet 
sie  hauptsächlich  darin,  dass  die  Operation  nicht  typisch'  korrekt 
im  chirurgischen  Sinne  ist,  weil  dabei  ein  Gelenk  zwar  eröffnet, 
aber  nachher  nicht  immobilisiert  wird,  und  ferner  das  Puerperium 
die  Heilung  der  auch  ganz  aseptisch  ausgeführten  Operation 
stören  kann.  G.  empfiehlt  deshalb  den  schon  vor  mehr  als 
100  Jahren  von  Bar  le  Duc  angegebenen  Sakralschnitt 
durch  das  Os  pubis,  wozu  aber  die  von  G.  angegebene 
Drahtsäge  benutzt  werden  soll.  Nach  diesem  Vorschlag  sind 
bisher  9  Fälle  (nur  von  italienischen  Chirurgen)  operiert,  die  alle 
glatt  und  vollständig  geheilt  sind. 

6)  v.  Steinbüchel  -  Graz:  Vorläufige  Mitteilung  über  die 
Anwendung  von  Skopolamin-Morphium-Injektionen  in  der  Ge¬ 
burtshilfe. 

x,  St.  hat  „in  einer  Reihe  von  geburtshilflichen  Fällen“  die 
von  Korff  (cf.  dieses  Bl.  1901,  No.  29)  empfohlene  Methode  'ohne 
Schaden  für  Mutter  und  Kind  angewendet.  Er  gab  als  1  malige 
Dosis  0,0003  Scopolamin.  hydrobrom.  und  0,01  Morph,  mur.,  event. 
nach  2  Stunden  dieselbe  Dosis.  Die  Wirkung  trat  nach1  y3  Stunde 
ein  und  erreichte  nach  1 — 1  V,  Stunden  ihren  Höhepunkt. 

J  a  f  f  6  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Bd.  56.  Heft  4  und  5. 

21)  Camerer  sen. :  Zur  Physiologie  des  Säuglingsalters. 

Im  ersten  Kapitel  dieser  für  jeden  Arzt  höchst  wertvollen 

Arbeit  bespricht  der  auf  dem  Gebiet  der  Säuglingsheilkunde  kom¬ 
petente  Autor  „die  Wachstumsvorgänge  beim  Säug¬ 
ling  und  die  verwandten  Vorgänge  beim  Er¬ 
wachsene  n“,  im  zweiten  „die  Bedeutung  der  ein¬ 
zelnen  Nahrungsstoffe  für  den  St  off 'Wechsel'-. 
Der  dritte  Abschnitt  handelt  vom  „Ei  weissgelialt  der 
Frauenmilc  h“,  der  letzte  über  „Bildung,  Prüfungund 
Verwendung  physiologischer  Mittel  w  e  r  t  e“. 

Leider  ist  ein  Referat  in  kurzen,  den  Inhalt  auch  nur  einiger- 
massen  wiedergebenden  Sätzen  nicht  möglich. 

22)  S  t  o  o  s:  Die  Pneumokokkenperitonitis  im  Kindesalter. 
(Aus  dem  J  enner  sehen  Kinderspital  in  Bern.) 

Diese  typische  Erkrankung  ist  bisher  von  deutschen  Aerzten 
nicht  bearbeitet,  resp.  beobachtet  worden.  Michaut  konnte  1901 
in  seiner  Dissertation  (These  de  Paris  1901)  34  Fälle  vereinigen, 
von  denen  allein  29  in  Frankreich  diagnostiziert  wurden,  3  in  Russ¬ 
land,  2  in  der  Schweiz.  S  t  o  o  s  fügt  4  weitere  Beobachtungen 
hinzu. 

Zu  unterscheiden  ist  die  abgekapselte  eitrige  Form  von  der 
diffusen  eitrigen  Form  der  Streptokokkenenteritis.  Erstere  ist  die 
ganz  überwiegende  und  betrifft  25  der  bisher  bekannten  38  Be¬ 
obachtungen.  Akuter  Beginn  mit  Schmerz  im  Unterleib,  Erbrechen, 
hohes  Fieber,  profuse  Diarrhöen  im  weiteren  Verlauf  sind  die 
typischen  Symptome.  Nach  kurzem  akutem  Stadium  tritt  ein 
ruhigerer  Verlauf  auf,  die  Durchfälle  und  geringe,  beim  Stuhlgang- 
zunehmende  Schmerzen,  sowie  remittierendes  Fieber  dauern  an. 
In  der  3.  Woche  ist  der  Erguss  im  Abdomen  nachweisbar,  dem 
Meteorismus  einige  Tage  hindurch  voraufgeht.  Das  prall  elastische 
Abdomen  zeigt  ein  Caput  medusae.  Wird  jetzt  der  Eiter  nicht  ent¬ 
leert,  so  wird  der  Kranke  kachektisch  bei  wachsendem  Bauch¬ 
umfang,  event.  spontanem  Eiterdurchbruch  durch  den  Nabel.  In 
seltenen  Fällen  Heilung,  meist  Exitus  infolge  von  Eiterretention 
und  Sepsis  sind  die  Folge. 

Die  diffuse,  eitrige  Form  beginnt  ebenso  akut,  aber  die  hef¬ 
tigen  S3rmptome  nehmen  zu  und  führen  zum  Tod  unter  den  Zeichen 
der  Sepsis  oder  durch  allgemeine  eitrige  Peritonitis,  meist  am 
2. — 12.  Krankheitstag.  Nur  3  mal  Heilung  durch  Laparotomie. 

Pneumonie,  eitrige  oder  trockene  Pleuritis  und  Angina  lacu¬ 
naris  gehen  der  Pneumokokkenenteritis  voraus  oder  begleiten  sie. 

Differentialdiagnostisch  kommen  Appendizitis,  Typhus  abdomi¬ 
nalis,  tuberkulöse  und  akute,  eitrige  Peritonitis  aus  anderer  Ur¬ 
sache  (Streptokokken,  Gonokokken)  in  Betracht. 

Der  pathologischen  Anatomie,  der  Aetiologie  und  Pathogenese 
widmet  Verfasser  eingehende  Betrachtungen.  Sowohl  Einwande¬ 
rung  des  Pneumokokkus  aus  dem  erkrankten  Darm,  der  Pleura, 
den  weiblichen  Genitalien  kommt  vor,  wie  Infektion  auf  hämato¬ 
genem  Weg.  Die  Prognose  der  abgekapselten  Form  ist  eine 
günstige  bei  rechtzeitiger  Laparotomie,  die  der  diffusen  Erkrankung 
eine  recht  ernste. 

23)  Esc  her:  Zur  Frage  der  angeborenen  Rhachitis.  (Aus 
dem  Jenner  sehen  Kinderspital  in  Bern.) 

Gegenüber  den  —  übrigens  von  keinem  einzigen  pathologischen 
Anatomen  anerkannten  (Ref.)  —  Anschauungen  von  K  a  s  s  o  - 
witz,  U  n  r  u  h  und  Schwarz,  welche  in  der  physiologischen 
Verdickung  der  sternalen  Rippenansätze,  sowie  in  jeder  Vermin¬ 
derung  der  Resistenz  der  Schädelknochen  und  der  Hyperämie 
der  Knochenmarkräume  Beweise  für  angeborene  Rhacliitis  sehen, 
ebenso  in  abnorm  grossen  Fontanellen,  konstatiert  E„  dass  er  bei 
von  ihm  aufs  genaueste  mikroskopierten  25  Leichen  aus  den 
letzten  Fötalmonaten  bis  zum  4.  Lebensmonat  sehr  wTohl  die  an¬ 
geblichen  Rhachitissymptome  gefunden  hat,  aber  in  keinem  ein¬ 
zigen  Falle  etwas  von  Rhachitis.  Auch  die  klinische  Unter¬ 
suchung  zahlreicher  Fälle  zeigt,  dass  die  von  jenen  Autoren  als 
Rhachitis  bezeichneten  Schädel-  und  Thoraxerscheinungen  genau 
in  der  von  ihnen  angegebenen  Häufigkeit  Vorkommen,  aber  sie 
haben  mit  dem  histologischen  Bild  der  Rhachitis  nichts  zu  tun. 


24)  v.  Hecker:  TJeber  die  Funktionen  des  kindlichen 
Magens  bei  Verdauungskrankheiten.  (Aus  dem  Elisabeth-Kinder¬ 
spital  in  St.  Petersburg.) 

Anschliessend  an  Untersuchungen  über  die  Azidität  und  das 
Säurebindungsvermögen  der  Milch,  sowie  über  zahlreiche  andere 
chemische  Fragen  der  Magerverdauung  prüfte  v.  H.  das  R  e  - 
sorptionsvermöglen  des  kindlichen  Magens  ver¬ 
mittels  der  von  Penzoldt  und  Fab  er  inaugurierten  Jodkali¬ 
methode,  die  recht  brauchbar  ist.  Im  3.  Kapitel  versuchte  er 
mittels  der  Salolmethode  von  Ewald  und  S  i  e  v  e  r  s  die  m  o  - 
torische  Funktion  des  kindlichen  Magens  zu  beurteilen, 
aber  die  Methode  erwies  sich  auch  dem  Verf.  als  unbrauchbar. 
Bei  der  Säuglings  -  Dyspepsie  finden  sich  trotz  sonst  normaler 
Funktionen  organische  Säuren  im  Magen;  bei  Gastro¬ 
enteritis  fand  sich  starke  Herabsetzung  der  Magenresorption, 
Fehlen  freier  Salzsäure,  oft  hoher  Gehalt  an  Gälirungssäuren, 
welche  die  Azidität  bestimmten,  viel  Schleim.  Die  akute  En¬ 
teritis  der  Kinder  zeigt  keine  ausgesprochene  Veränderung  des 
Chemismus  der  Magenverdauung,  im  Gegensatz  zur  Colitis, 
vrelche  auch  oft  von  starker  Anorexie  begleitet  ist  trotz  fast  nor¬ 
maler  Resorption.  Bei  chronischer  Gastroenteritis1 
ist  die  Magentätigkeit  am  meisten  gestört,  Fehlen  oder  starke  Ver¬ 
minderung  der  HCl,  Anwesenheit  organischer  Giihrungssäuren  und 
deshalb  relativ  grosse,  aber  nicht  durch  HCl  bedingte  Säure- 
werte. 

25)  Dressier:  Beitrag  zur  Diagnose  der  Persistenz  des 
Ductus  arteriosus  Botalli.  (Aus  der  medizinischen  Poliklinik  zu 
Kiel.) 

Geringe,  oft  kaum  nachweisbare  Hypertrophie  des  Herzens, 
Erweiterung  der  Pulmonalis  mit  systolischem  Geräusch  über 
dieser,  eventuell  fühlbarem  Schwirren,  Fortleitung  des  Geräusches 
in  die  Karotiden,  besonders  links,  auch  nach  dem  Interskapular- 
raum  bei  relativer  Harmlosigkeit  des  Herzfehlers,  also  die  klas¬ 
sischen  Symptome  C.  Gerhardts  waren  auch  in  den  beiden 
Fällen  der  Kieler  Poliklinik  vorhanden. 

26)  Neumann:  Körpergewicht  der  Säuglinge  nach  sozialer 
Gruppierung. 

In  sehr  anschaulichem  Diagramm  zeigt  N„  wie  die  Gewichts¬ 
verhältnisse  der  meist  künstlich  genährten  Ziehkinder  Berlins  in 
den  ersten  Monaten  recht  oft  den  Normalzahlen  Camerer  s  sich 
nähern,  während  etwa  mit  4  Monaten  die  Zahl  der  Kinder  mit 
normalem  Gewicht  rasch  und  progressiv  zu  sinken  beginnt,  wobei 
die  überstarken  sehr  ab-,  die  minderwertigen  sehr  an  Zahl  zu¬ 
nehmen. 

27)  Max  Brückner:  Zur  Pathologie  der  Masern. 

Ankniipfend  an  2  Beobachtungen  von  Paraplegie  —  unteren 

Extremitäten,  Sphinkter  —  bespricht  Br.  die  durch  die  Arbeiten 
von  Lop  und  von  Ortholan  bekannt  gewordenen  Myelitiden 
im  Verlauf  von  Masern  und  ergänzen  ihre  Kasuistik  aus  der 
neueren  Literatur.  Meist  handelt  es  sich  um  diffuse  Myelitis, 
seltener  um  Poliomyelitis,  Meningitis  und  Neuritis  im  Verlauf 
normaler  Masern.  Diese  Komplikation  der  Masern  ist  bisher  nur 
wenig  in  der  deutschen  pädiatrischen  Literatur  berücksichtigt 
worden.  Die  Aetiologie  bleibt  dunkel,  Verf.  denkt  an  toxische 
Entzündungsprozesse.  S  i  e  g  e  r  t  -  Strassburg. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1902. 

41.  Bd.  3.  Heft. 

1)  Kolle  und  Otto -Berlin:  Die  Differenzierung  der 
Staphylokokken  mittels  der  Agglutination. 

Analog  der  bei  Typhus,  Pest  und  Cholera  gemachten 
Erfahrung  über  die  spezifische  Agglutinationsfähigkeit  des  Serums 
eines  mit  den  betreffenden  Organismen  immunisierten  Tieres  ver¬ 
suchten  die  Verf.  auch  die  pathogenen  Kokken,  speziell 
den  Micr.  pyogenes  aureus,  albus  und  c  i  t  r  e  u  s  von 
den  saprophytischen  Arten  durch  Serumreaktion  zu  trennen. 

Es  wurden  Kaninchen  mit  abgetöteten  Agarkulturen  der 
Staphylokokken  vorbehandelt,  wobei  intraperitoneal  bis  zu  60  Kul¬ 
turen  einverleibt  wurden.  Während  das  normale  Kaninchenserum 
selbst  in  Konzentrationen  von  1:10  keine  Agglutinationswirkung 
hervorbrachte,  agglutinierten  die  mit  Staphylokokken  hergestellten 
Sera  meist  noch  1:300 — 400,  und  zwar  sämtliche  Staphylokokken, 
die  aus  Eiterherden  isoliert  waren.  Das  mit  einem  aus  Luft  iso¬ 
lierten  Kokkus  hergestellte  Serum  agglutinierte  dagegen  die  patho¬ 
genen  Stämme  nicht.  Es  verhalten  sich  demnach  die  Staphylo- 
kokkenagglutinine  annähernd  wie  die  Agglutinine  der  Cholera, 
des  Typhus  und  der  Test. 

2)  Otto -Berlin:  Ueber  den  Einfluss  der  Tierpassagen  auf 
die  Virulenz  der  Pestbazillen  für  die  verschiedenen  Tierarten. 

Die  bei  der  Einverleibung  anderer  pathogener  Organismen  auf 
Versuchstiere  gemachte  Beobachtung,  dass  die  Virulenz  für  die 
betreffende  Tierart  abnehme,  hat  sich  bei  Pest,  welche  auf  Meer- 
scliAveinclien,  Ratten  und  Mäuse  übertragen  wurde,  nicht  nacli- 
weisen  lassen.  Aber  auch  zu  einer  Steigerung  der  Virulenz 
ist  es  nicht  gekommen.  Nur  hat  sich  besonders  bei  den  Ratten¬ 
passagen  eine  Neigung  zur  Lokalisation  in  den  Drüsen,  mit  Steige¬ 
rung  der  Toxicität  der  Pesterreger  gezeigt.  Ein  Antagonismus  in 
Bezug  auf  die  Virulenz  für  die  verschiedenen  Tierarten  nach 
längerer  Passage  durch  eine  Tierart  liess  sich  nicht  nachweisen. 

3)  Kiste  r  und  W  o  1  f  f  -  Hamburg:  Zur  Anwendbarkeit  des 
serodiagnostischen  Blutprüfungsverfahrens. 

Auf  Grund  ihrer  Versuche,  die  die  Verfasser  nach  einer  zu¬ 
fälligen  Beobachtung  über  das  serodiagnostische  Blut¬ 
prüfungsverfahren  anstellten,  kommen  sie  zu  dem 


9.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2059 


Schluss,  dass  bei  der  Beurteilung  derartiger  Reaktionen  gewisse 
Einschränkungen  am  Platze  seien,  denn  die  spezifischen  Sera  prä- 
zipitierten  in  einigen  Fällen  nicht  absolut  spezifisch. 
Es  dürfte  sich  nach  der  Ansicht  des  Verfassers  mit  den  prä- 
zipitierenden  Eigenschaften  genau  so  verhalten  wie  mit  den 
agglutinierenden. 

4)  S  i  1  b  e  r  s  c  h  m  i  d  t  -  Zürich:  Bakteriologisches  über 

einige  Fälle  von  „Gangrene  foudroyante“,  von  Phlegmone  und 
von  Tetanus  beim  Menschen.  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der 
pathogenen  Anaeroben. 

Nach  des  5  erfassers  Untersuchungen  ist  anzunehmen,  dass 
auch  der  Gruppe  der  Bazillen  des  malignen  Oedems  die 
Fähigkeit  zukommt,  das  typische  Bild  der  „Gangrene  foudroyante“ 
mit  Gasbildung  beim  Menschen  zu  erzeugen,  ähnlich  wie  dies  von 
W  eich,  E.  Fraenkel  u.  a.  für  den  Bacillus  aerogenes 
capsulatus  nachgewiesen  ist.  Bei  der  Gangrene  foudroyante 
handelt  es  sich  in  den  meisten  Fällen  um  eine  Mischinfektion  von 
verschiedenen  aeroben  und  anaeroben  Bakterien. 

Die  Prädisposition  für  das  Auftreten  der  Gangrene  fou¬ 
droyante  ist  eine  geringe,  weil  erst  besonders  ungünstige  Verhält¬ 
nisse  eintreten  müssen,  ehe  die  Infektion  zu  Stande  kommt.  Anders 
verhält  sich  der  Tetanusbazillus,  weil  auch  die  allerkleinste 
Wunde  zur  Infektion  genügen  kann.  Die  Gangrene  foudroyante 
stellt  im  Gegensatz  zum  Tetanus  mehr  eine  infektiöse  Er¬ 
krankung  dar,  während  beim  Tetanus  sie  eine  rein 
toxische  ist. 

5)  R  o  d  e  1 1  a  -  Zürich:  Ueber  die  Bedeutung  der  im  Säug¬ 
lingsstuhle  vorkommenden  Mikroorganismen,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  anaeroben  Bakterien. 

Im  Stuhl  gesunder  Säuglinge  finden  sich  Ivaseinpeptoni- 
si  er  ende  Arten,  die  sowohl  aerob  wie  anaerob  gedeihen. 
Die  Peptonisierung  der  Milch  ist  grösser  in  Kulturen,  welche  mit 
Stuhl  von  Flaschenkindern  geimpft  werden,  als  mit  solchen  von 
Brustkindern.  Neben  B  a  c  t.  coli  und  Bact.  lactis  aero- 
g  enes  gibt  es  noch  eine  Reihe  anderer  Organismen,  welche  eben¬ 
falls  Gas  bilden.  Zur  Isolierung  der  Anaeroben  ist  es  vorteilhaft, 
Gelatine  und  Zuckeragar  zu  benützen.  Ueber  die  tatsächliche 
Rolle,  welche  die  Anaeroben  in  physiologischen  und  pathologischen 
Fällen  spielen,  wissen  wir  bisher  noch  nichts  bestimmtes. 

6)  Kraus,  Keller,  C  1  a  i  r  m  o  n  t  -  Wien:  Ueber  das  Ver¬ 
halten  des  Lyssavirus  im  Zentralnervensystem  empfänglicher, 
natürlich  immuner  und  immunisierter  Tiere. 

Die  Untersuchungen  bestätigen  die  Tatsache,  dass  das  Serum 
immuner  Tiere  die  Eigenschaft  besitzt,  das  Wutgift  in  vitro  ab¬ 
zutöten,  und  dass  im  immunisierten  Tier  das  Virus  bei  intra¬ 
venöser  Applikation,  ebenso  wie  bei  subduraler,  nicht  nachweisbar 
ist,  dass  es  zerstört  wird,  im  Gegensatz  zum  empfänglichen  Tier, 
bei  welchen  es  konstant  nach  bestimmten  Zeiträumen  in  der 
Medulla  oblongata  bezw.  im  Lendenmark  nachzuweisen  ist. 

7)  Kraus  und  Mare  sch:  Ueber  die  Bildung  von  Im¬ 
munsubstanzen  gegen  das  Lyssavirus  bei  natürlich  empfäng¬ 
lichen  und  unempfänglichen  Tieren. 

Die  empfänglichen  Kaninchen  und  Hunde  besitzen  physio¬ 
logischer  Weise  in  ihrem  Serum  keine  rabiziden  Substanzen,  da¬ 
gegen  nach  der  Immunisierung  mit  Virus  fixe. 

Die  empfänglichen  Tauben  besitzen  weder  vor,  noch  nach  der 
Immunisierung  rabizide  Substanzen.  Die  wenig  empfänglichen 
Hühner  dagegen  haben  normaler  Weise  rabizide  Substanzen  im 
Blutserum,  aber  produzieren  nach  der  Immunisierung  keine 
weiteren. 

8)  Martini  und  Lentz  -  Berlin:  Ueber  die  Differenzierung 
der  Ruhrbazillen  mittels  der  Agglutination. 

Mittels  hochwertiger  Immunsera  wurden  die  bisher  bekannten 
Ruhrbazillen  auf  ihre  Einheitlichkeit  geprüft,  da  über  die  Identität 
vieler  Stämme  noch  keine  Einheitlichkeit  herrscht.  Die  Unter¬ 
suchung  ergab,  dass  die  Ruhrbazillen  von  S  li  i  g  a,  K  r  u  s  e, 
Th.  Müller,  Plexner,  Pfuhl  und  von  der  Döberitzer 
Epidemie  identisch  sind.  Dagegen  die  von  Flexner  in  Manila, 
von  S  t  r  o  n  g,  von  Deyke  und  von  K  ruse  bei  Dysenterie  der 
Irren  gezüchteten  Stäbchen  sind  von  den  oben  genannten  ver¬ 
schieden. 

9)  L  e  n  t  z  -  Berlin:  Vergleichende  kulturelle  Untersuchungen 
über  die  Ruhrbazillen  und  ruhrähnliche  Bakterien,  nebst  einigen 
Bemerkungen  über  den  Lackmusfarbstoff. 

R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  Bd.  32.  No.  11. 

1)  C  an  y -Graz:  Les  races  coli  bacillaires.  Etüde  de  la 
sero-reaction  individuelle. 

2)  Rüge:  Fragen  und  Probleme  der  modernen  Malaria¬ 
forschung. 

Vorliegende  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  der  Frage  der  Ein¬ 
heitlichkeit  der  Malariaparasiten,  der  Entwicklung  der  Tertiana- 
gameten  und  mit  epidemiologischen  Fragen.  Den  Schluss  bilden 
Angaben  über  die  Färbungstechnik  der  Gameten.  Ohne  auf  die 
Einzelheiten  eingehen  zu  können,  soll  nur  hervorgehoben  werden, 
dass  nach  den  bisherigen  Forschungen  der  Standpunkt  Laverans, 
wonach  der  Malariaparasit  zwar  vielgestaltig  aber  einheitlich 
sei,  zu  Gunsten  der  Auffassung,  dass  es  verschiedene 
Malariaparasiten  gibt,  auf  gegeben  werden  muss.  Weiter¬ 
hin  ist  zu  betonen,  dass  an  eine  Uebertragungsfähigkeit  durch  die 
sogen.  Ross  sehen  Keime  (black  spores)  nicht  zu  denken  ist, 
denn  dieselben  sind  nur  Involutionsformen.  Rüge  glaubt, 
dass  sie  sich  ähnlich  wie  die  Ross  sehen  Keime  bei  Proteosoma 


verhalten,  d.  h.  dass  sie  beim  Hineingelangen  in  den  menschlichen 
Organismus  zu  Grunde  gehen. 

3)  M.  B  r  a  u  n  -  Königsberg:  Ueber  Distoma  goliath.  P.  J. 
v.  Ben.  1858. 

4)  0  o  h  n  -  Königsberg:  Ueber  den  antiseptischen  Wert  des 
Argentum  collo'idale  Ci-ede  und  seine  Wirkung  bei  Infektion. 

(Schluss.) 

Die  mit  den  verschiedensten  pathogenen  Keimen  angestellteu 
Versuche  zeigen,  dass  das  Argentum  colloi'dale  schon  nach  45  Mi¬ 
nuten  nach  seiner  Einführung  in  die  Blutbahn  nicht  mehr  nach¬ 
zuweisen  ist.  Selbst  in  ausserordentlich  grossen  Dosen  war  weder 
eine  lokale  noch  allgemeine  Wirkung  zu  konstatieren.  In  keinem 
einzigen  Falle  konnten  infizierte  Tiere  vom  Tode  gerettet  werden, 
da  das  Silber  unmittelbar  nach  seiner  Einverleibung  in  sämtlichen 
Organen  niedergeschlagen  wird.  Es  kommt  also  nach  diesen  Unter¬ 
suchungen  eine  antibakterielle  Wirksamkeit  dem  Argent.  colloidale 
bei  Infektionen  nicht  zu. 

4)  K  raus  und  Kreissl  -  Wien:  Ueber  den  Nachweis  von 
Schutzstoffen  gegen  Hundswut  beim  Menschen. 

Im  Blutserum  gesunder  Menschen  sind  in  der  Regel 
keine  S  c  h  u  t  z  s  t  o  f  f  e  gegen  das  Virus  der  Hundswut  nach¬ 
zuweisen.  Hat  die  Schutzimpfung  beim  Menschen  eben  statt¬ 
gefunden,  so  finden  sich  nach  Pasteur  keine  Schutzstoffe.  Erst 
am  22.  Tage  nach  vollendeter  Schutzimpfung  lassen  sich  im  Serum 
sicher  Schutzstoffe  nach  weisen,  welche  jedoch  in  ihren  Werten 
bei  den  verschiedenen  Menschen  variieren.  Die  Schutzstoffe  lassen 
sich  auch  nach  längerer  Zeit  noch  nachweisen. 

Die  bisher  beobachteten  Misserfolge  bei  der  Pasteur  sehen 
Schutzimpfung  haben  wahrscheinlich  ihre  Ursache  in  der  un¬ 
genügenden  Produktion  der  Immunsubstanzen. 

5)  Piorkowski:  Ueber  Streptokokkenserum. 

Verfasser  berichtet  über  eiu  gegen  die  Pferdedruse,  eine 

eitrige,  katarrhalische  Affektion  der  Nasenschleimhaut  des 
Pferdes,  hergestelltes  Serum.  Die  Erfolge,  die  bei  mehreren  Pfer¬ 
den  gezeitigt  wurden,  sollen  günstige  gewesen  sein.  Es  genügt 
meist  eine  Injektion  von  10  ccm,  manchmal  muss  die  Dosis  ver¬ 
doppelt  oder  verdreifacht  werden.  Die  Agglutination  gelang  bei 
Drusestreptokokken  in  einer  Verdünnung  bis  zu  100.  Strepto¬ 
kokken  von  Anginen  sollen  nur  wenig  oder  gar  nicht  agglutiniert 
werden. 

6)  R.  Emmerich:  Schutzimpfung  durch  Anthrakase- 
Immunproteidin  gegen  Milzbrand. 

Es  wird  das  von  Emmerich  hergestellte  Anthrakase- 
Immunp' toteidin  zur  Immunisierung  gegen  Milzbrand  be¬ 
sonders  aus  dem  Grunde  empfohlen,  weil  die  gewöhnliche  aktive 
Schutzimpfung  mit  lebendem  Milzbrandmaterial  für  den  Ex¬ 
perimentator  sehr  gefährlich  ist  und  die  Methode  des  Verfassers 
ebenso  günstige  Resultate  zu  liefern  verspricht. 

7)  J.  T  h  ö  n  n  e  s  s  e  n :  Darstellung  des  Anthrakase-Immun- 
proteidin  und  dessen  immunisierende  Wirkung  gegen  Milz¬ 
brand. 

Die  Milzbrandbazillen  werden  auf  besonderem  Nährboden  ge¬ 
züchtet,  nach  4  wöchentlichem  Wachstum  in  den  flüssigen  Nähr¬ 
böden  abfiltriert,  das  Filtrat  dialysiert,  eingedampft  und  dann  zur 
Gerinnung  des  Immunprote'idins  mit  kohlensaurem  Kali  und 
Schweinemilz  digeriert. 

Zur  Immunisierung  wurden  Kaninchen  und  Schafe  benützt. 
Die  immunisierende  Wirkung  trat  in  allen  Fällen  ein,  auch  bei 
dem  ungünstigen  Ausgange  konnte  doch  eine  Lebensverlängerung 
von  15  Stunden  gegenüber  den  Kontrolltieren  konstatieiü  werden. 
Ausschlaggebend  ist  für  den  Erfolg  die  Quantität  des  ein¬ 
geführten  Anthrakaseimmunproteldin,  auch  ist  wichtig  die  Zeit¬ 
differenz  zwischen  Immunisierung  und  Infektion.  Leider  fehlt 
noch  die  Sicherheit  in  der  Dosierung  der  zu  injizierenden  Flüssig¬ 
keit. 

8)  Rivas:  Ein  Beitrag  zur  Anaerobenzüchtung. 

Der  Nährboden  besteht  aus  Bouillon  oder  Gelatine,  welcher 
A  m  moni  u  msulfithydratwasse  r  und  indigo¬ 
schwefelsaure  Natriumlösung  zugegeben  sind.  Um 
den  HijS-Geruch  zu  vermeiden,  kann  man  auch  einer  Trauben¬ 
zuckerbouillon  Indigoschwefelsäurenatrium  und 
Schwefelnatrium  zugeben.  Der  zugehörige  Apparat  be¬ 
steht  in  einem  rechteckigen  Glasrohr  von  geringer  Dicke,  in 
welches  der  geimpfte  Nährboden  aufgenommen  wird  und  die  ge¬ 
wachsenen  Kolonien  direkt  unter  dem  Mikroskop  kontrolliert 
werden  können.  Die  Einzelheiten  müssen  im  Original  nachgelesen 
werden. 

9)  R  e  u  t  e  r  -  Hamburg-Eppendorf :  Weitere  Beiträge  zur 
Malariaplasmodienfärbung  mittels  A-Methylenblau-Eosin. 

Die  vom  Verfasser  vor  einiger  Zeit  angegebene  Methode  zur 
Färbung  von  Malariatrockenpräparaten  wurde  von  L  e  i  s  li  m  a  n  n 
und  W  riglit  in  ähnlicher  Weise  mit  demselben  guten  Erfolg  an¬ 
gewendet,  so  dass  die  gegentlieiligen  Behauptungen  von  Panse 
und  Giemsa.  hinfällig  werden.  Reuter  hat  sein  V  erfahren 
etwas  modifiziert  und  färbt  jetzt  folgendermassen:  Die  luft¬ 
trockenen  Präparate  werden  sofort  mit  Formolalkohol  fixiert.  Als¬ 
dann  werden  sie  mit  einer  Farbenmischung  (Aq.  dest.  20,0  -{-  A- 
Methylenblau-Eosinlösung-Grübler,  30  Tropfen)  übergossen.  Die 
Ausfüllung  des  Farbstoffes  ist  in  15 — 30  Minuten  beendet,  worauf 
mit  Wasser  abgespült  und  das  Präparat  in  Canadabalsam  ein¬ 
gelegt  wird. 

10)  E.  M  e  y  e  r  -  Strassburg:  Einige  neue  Apparate  zum 
Schöpfen  von  Wasser  zu  bakteriologischen  Zwecken. 

R.  O.  Neumann  -  Kiel. 


MUE^NCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  48. 

1)  A.  B  a  g  i  n  s  k  y  -  Berlin:  Ueber  Antistreptokokkenserum 
bei  Scharlach.  ('Schluss  folgt 0 

2)  A.  S  c  li  a  n  z  -  Dresden:  Ueber  das  Skoliosenredressement. 

Die  in  der  Skoliosentkerapie  in  der  .längsten  Zeit  erzielten 

Fortschritte  sind  der  Einführung  des  Redressements  zu  ver¬ 
danken.  Demselben  muss  eine  Vorbereitung  vorausgehen,  deren 
Ziel  die  Mobilisation  der  Wirbelsäule  und  die  Gewöhnung  des 
Patienten  an  die  Anwendung  des  Redressemeutsapparates  ist.  Sch. 
beschreibt  nur  sein  Verfahren  bei  Anwendung  des  Redressements 
mittels  des  von  ihm  angegebenen  Apparates,  auf  welches  dann  die 
Anlegung  des  Gipsverbandes  folgt,  der  nach  einigen  Tagen  wieder 
erneuert  wird.  Die  Verwendung  des  Gipsbettes  erweist  sich  als 
sehr  vorteilhaft.  Im  2.  Teile  der  Kur  muss  auch  Massage  und 
Gymnastik  angewendet  werden.  Die  erzielten  Erfolge  sind  sehr 
gute  und  können  noch  bei  Skoliosen  2.  Grades  erreicht  werden. 
Ein  beschriebener  Fall  nebst  den  beigegebenen  Bildern  erläutert 
dies. 

3)  M.  H  alp  er  n- Warschau:  Zur  Frage  über  die  Hämo¬ 
lysine  im  menschlichen  Serum.  (Schluss  folgt.) 

4t  Piorkowski:  Ueber  Streptokokkensera. 

Vortrag,  gehalten  auf  der  diesjährigen  Naturforscherversamm¬ 
lung  in  Karlsbad. 

5)  F.  M  en  d  el  -  Essen-Iluhr:  Das  akute  zirkumskripte 
Oedem. 

Verfasser  ist  in  der  Lage,  die  Krankengeschichte  einer  Anzahl 
von  Mitgliedern  einer  Familie  mitzuteilen,  welche  schon  seit 
4  Generationen  von  diesem  Leiden  befallen  ist.  A  on  12  Personen 
dieser  Familien  wurden  9  befallen  und  gingen  0  mit  Sicherheit 
an  akutem  Oedem  der  obersten  Luftwege  zu  Grunde.  In  dem 
vom  Aerfasser  selbst  beobachteten  Falle,  der  ein  18  jähriges 
Mädchen  betrifft,  war  das  Oedem  am  linken  I  nterarm  von  den 
Fingerspitzen  bis  zum  Ellbogen  vorhanden,  ausgehend  unverkenn¬ 
bar  vom  Unterhautzellgewebe.  Die  Darreichung  von  Aspirin, 
sowie  die  Einleitung  einer  reichlichen  Diaphorese  schien  das  Arer- 
schwinden  der  Affektion  bei  der  sonst  ganz  gesunden  Person 
günstig  zu  beeinflussen,  ln  einem  anderen  Falle  hat  Verfasser 
bei  intermittierendem  Hydrops  der  Kniegelenke  mit  Aspirin  auch 
günstigen  Erfolg  gesehen.  Zwischen  dem  akuten  Oedem  und  dei 
Urtikaria  bestehen  gewichtige  Unterschiede.  Hinsichtlich  der 
Aetiologie  vertritt  M.  die  Anschauung,  dass  bei  den  Personen, 
welche  an  Q  u  i  n  e  k  e  schein  Oedem  leiden,  die  normalen  Fäulnis¬ 
produkte  des  Darmes  eine  Autointoxikation  bewirken,  was  auch 
für  den  von  ihm  beschriebenen  Fall  zutreffen  würde.  Er  hofft 
von  dieser  Auffassung,  dass  dadurch  eine  wirksame  Therapie  au¬ 
gebahnt  werden  könne.  Die  beschriebenen  Fälle  sind  geeignet, 
die  sonst  für  gut  gehaltene  Prognose  des  Leidens  erheblich  zu 
trüben.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1902.  No.  48. 

1)  R.  Koch -Berlin:  Uebertragbarkeit  der  Rindertuberku¬ 
lose  auf  den  Menschen,  (t  ortrag,  gehalten  auf  der  Internationalen 
Tuberkulosekonferenz  zu  Berlin  gelegentlich  der  Diskussion  über 
das  obengenannte  Thema.) 

Spezialreferat  hierüber  siehe  diese  AAroehensclirift  No.  44, 
pag.  1855. 

2)  E.  Falk- Berlin:  Beiträge  zur  Chemie  der  Chloroform- 
Sauerstoffnarkose. 

A'erf.  hält  nach  seinen  Versuchen  den  R  otli  -  D  r  ii  g  e  r  - 
sehen  Apparat  für  die  Narkose  für  ungeeignet,  da  auf  die  chemisch- 
pharmazeutischen  Eigenschaften  des  Chloroforms  keine  Rücksicht 
genommen  ist  und  das  Chloroform  in  ihm  bereits  nach  einer 
20  Minuten  langen  Narkose  wesentliche  Zersetzungen  zeigt:  diese 
Zersetzungen  treten  um  so  stärker  auf,  je  wärmer  die  Temperatur 
und  je  heller  das  Zimmer  ist  und  sie  steigen  ebenfalls  bei  AVieder- 
verwendung  eines  Chloroforms,  welches  bereits  einmal  zur  Nar¬ 
kose  gedient  hat. 

3)  M.  Litten:  Kurze  Bemerkung  zu  dem  Aufsatz  von  Dr. 
Kuckein:  Ueber  zwei  Fälle  von  Oesophaguskarzinom,  welche 
unter  dem  Bilde  eines  Aortenaneurysmas  verliefen. 

Verf.  verweist,  durch  die  obige  Mitteilung  K  u  c  k  eins  ver¬ 
anlasst.  auf  einen  von  ihm  im  .Talire  1893  erschienenen  Artikel 
über  Arterienektasie  (vergl.  Bibi,  der  gesamten  medizin.  AA’issen- 
schaften.  herausgegeben  von  D  r  a  s  c  li  e,  AA'ien,  bei  Max  M  e  r  1  i  n, 
I.  Abteilg.,  Heft  3). 

4)  L.  P  o  p  i  e  1  s  k  i-  Moskau:  Ueber  die  Zweckmässigkeit  in 
der  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen. 

Kurzgefasste  Kritik  der  Verdauungslehre  des  Herrn  Prof. 
.1.  Pawlow  in  Form  einer  vorläufigen  Aufteilung. 

5)  A  1 1)  u  -  Berlin:  Benignes  Magenadenom  ex  ulcere  peptico. 

Dass  es  sich  in  dem  mitgeteilten  Fall  um  eine  rein  benigne 

AVuclierung  handelt,  beweist  der  mikroskopische  Befund.  Die 
Drüsenvermehrung  beschränkte  sich  streng  auf  das  eigentliche 
Gebiet  der  Schleimhaut,  drang  nirgends  in  die  Aluskularis  ein.  auch 
fehlten  in  den  hyperplastischen  Drüsen  jegliche  atypische  Epithel¬ 
wucherungen.  Die  Auskleidung  der  Drüsen  bestand  im  ganzen 
A  erlauf  derselben  aus  einem  einschichtigen  normalen  Zylinder¬ 
epithel. 

dt  Jak.  B  o  u  m  a  -  Utrecht:  Zur  Frühdiagnose  des  Ikterus. 

B.  empfiehlt,  wenn  die  Harnuntersuchung  auf  Gallenfarbstoff 
negativ  ausfällt,  sowohl  im  Interesse  der  Frühdiagnose  des  Ikterus 
als  in  dem  des  rekonvaleszenten  Leberpatienten,  ausser  der  Be¬ 
trachtung  der  abnormen  Gelbfärbung  des  Blutserums  auch  die 
noch  näher  von  ihm  mitgeteilte  chemische  Untersuchung  desselben. 


7)  H.  AVeissenberg  -  Tichau:  Ueber  Malaria  in  Ober¬ 
schlesien. 

8)  AL  L  e  w  i  1 1  -  Berlin:  Yohimbin  (Spiegel),  ein  neues  Al¬ 

kaloid,  Spezifikum  gegen  Impotenz.  Sammelreferat.  (Schluss 
aus  No.  47.)  M.  L  a  c  li  e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  48.  1)  P.  C  1  a  i  l*  m  o  n  t  -  AVien:  Zur  Tuberkulose  der 

Schilddrüse  (Struma  tuberculosa). 

Bei  einem  2  jährigen,  sonst  gesunden  Kind  entwickelte  sich 
im  Laufe  von  2 — 3  AA'oclien  eine  rasch  wachsende  Geschwulst  in 
der  Gegend  der  Schilddrüse.  Dyspnoe  machte  eine  Operation  nötig 
und  wurde  hiebei  ein  Tumor  gefunden,  der  seiner  Lage  nach  der 
Schilddrüse  entsprach  und  im  Innern  verkäste  Herde  darbot. 
Histologisch  ergab  sich  tuberkulöses  Granulationsgewebe.  Nach 
einem  halben  Jahre  zeigte  sich  ein  Rezidiv  in  Gestalt  eines  klein¬ 
apfelgrossen  Tumors,  der  exstirpiert  wurde.  Alit  Vorbehalt  kann 
angenommen  werden,  dass  der  tuberkulöse  Prozess  von  der  Schild¬ 
drüse  ausging,  doch  ist  aus  den  5  in  der  Literatur  beschriebenen 
Fällen  das  A'orkommen  einer  primären  Schilddrüsentuberkulose, 
nicht  sicher  erwiesen.  Klinisch  trat  in  diesen  Fällen  zumeist  die 
rasche  Dickenzunahme  hervor,  die  in  allen  Fällen  zur  Dyspnoe 
führte.  Die  Erfolge  der  operativen  Behandlung  der  Erkrankung 
waren  in  den  beschriebenen  Fällen  mit  einer  Ausnahme  immer 
gute. 

2)  .T.  H  a  1  b  a  n  -  AVien :  Beiträge  zur  cystoskopischen  Dia¬ 
gnostik. 

Im  ersten  der  geschilderten  Fälle  konnte  bei  der  56  jährigen 
Kranken,  die  eine  Nierensteinkolik  durchgemacht  hatte,  die  Seit«' 
des  Steindurchganges  dadurch  noch  objektiv  festgestellt  werden, 
dass  an  der  betreffenden  Ureteremnündung  kleine,  mit  Belag  ver¬ 
sehene  Lacerationen,  sowie  später  deren  Heilung  nachgewiesen 
werden  konnte.  Im  2.  Falle,  wo  eine  Leistenhernie  bestand,  konnte 
cvstoskopiscli  nachgewiesen  werden,  dass  der  Inhalt  der  Hernie 
durch  einen  Teil  der  Blase  gebildet  war.  Beim  Pressen  oder  Husten 
wurde  der  zu  konstatierende  Blasendivertikel  gegen  die  Hernie 
hingezogen.  Im  3.  Falle  hatte  sich  infolge  einer  chronischen 
fibrösen  Urethritis  ein  Tumor  unterhalb  des  Blasenfundus  ge¬ 
bildet,  der  den  Austritt  des  Harns  verhinderte.  Die  Blasen¬ 
besch  werden  konnten  durch  teilweise  Abtragung  des  Gewebes 
behoben  werden.  Im  letzten  der  beschriebenen  Fälle  konnte  an 
der  Hinterwand  der  Blase  die  Konturen  einiger  Dünndarmschlingen 
erkannt  werden  und  diagnostiziert  Verfasser  hieraus  eine  Adhäsion 
des  Darmes  an  das  Blasenperitoneum. 

3)  J.  Schwouer-  AVien :  Ueber  Differenzierung  der  Diph¬ 
theriebazillen  von  den  Pseudodiphtheriebazillen  durch  Aggluti¬ 
nation. 

Vortrag,  gehalten  auf  der  Naturforscherversammlung  zu 
Karlsbad. 

4)  N.  S  w  oboda-  AArien:  Zur  Lösung  der  Variola- Vanzellen- 
frage. 

Vergl.  Referat  S.  1864  der  Münch,  med.  AVochenschr.  1902. 

G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Bonn.  November  1902. 

52.  Scliwartz  Gustav:  Ueber  Fieber  bei  malignen  Neoplasmen. 

53.  AV  eingar  te  n  Joseph:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Lehre  von 
der  Pseudologia,  phantastica. 

54.  Hei  mann  Alfred:  Ueber  das  lobuläre  Emphysem. 

Universität  Erlangen.  Oktober  und  November  1902. 

31.  Otto  Ariktor:  Ueber  die  Resorption  von  Jodalkalien,  Natrium - 
salizylat,  Ckloralliydrat  und  Strychnin  im  Alagen. 

32.  Sprengel  Kurt:  Zur  Kasuistik  und  operativen  Behandlung 
der  Aneurysmen  der  Extremitäten.  (Aus  der  k.  chirurgischen 
Universitätsklinik  zu  Königsberg  i.  Pr.) 

33.  Roth  Gottfried:  Ueber  akutes  Hautödem. 

34.  Scliridde  Herrn.:  Ueber  Aletastasen  in  inneren  Organen  bei 
Plattenepithelkrebs  der  Haut. 

Universität  Freiburg  i.  B.  November  1902. 

63.  AVilkening  AVill.v:  Ein  Fall  von  Pulslosigkeit  im  Gebiet 
der  linken  oberen  Extremität. 

64.  Schwarzstein  Leo:  Ueber  einen  Fall  von  Lymphangioma 
cysticum  des  Bruchsackes. 

65.  AVendt  Friedrich:  2  Fälle  von  Parotistumoren. 

66.  Eiche  n  brouuer  David:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des 
Keloids. 

67.  Cohn  Leopold:  Ueber  den  strikturierenden  tuberkulösen 
Coekaltumor. 

Universität  Halle.  November  1902. 

32.  Hagemann  Richard:  Ueber  Tumoren  der  Bauchdecken. 

33.  II  e  i  m  e  r  d  i  u  g  e  r  Kurt:  Ueber  das  uterine  Keimepithel,  spe¬ 
ziell  bei  Erkrankungen  der  Gebärmutter. 

34.  Köhler  Alax:  Beobachtungen  über  A’orliegen  und  Vorfall 
der  Nabelschnur  in  der  k.  Universitäts-Frauenklinik  und  Poli¬ 
klinik  zu  Halle  a.  S.  in  den  Jahren  1890 — 1901. 

35.  Ziegel  roth  Helene:  Ueber  den  Einfluss  von  Schlaf,  lokaler 
AVärme  und  Kälteapplikation  auf  die  motorische  Funktion  des 
Magens. 


206i 


9.  Dezember  1902. _  MUENGHENER  MEDICIRISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Universität  Heidelberg-.  November  1902. 

25.  Koeser  Hermann:  Ein  Beitrag-  zur  Chirurgie  der  Milz-  unrl 
Leberverletzungen. 

26.  L  ü  1 1  g  e  W  erner:  Panophthalmitis  tuberculosa  in  puerperio. 

Universität  Jena.  November  1902. 

32.  Hoffmann  Ernst:  Ueber  einen  bemerkenswerten  Fall  von 
Eisensplitterverletzung  des  hinteren  Bulbusabschnittes. 

33.  Ko  cli  mann  Martin:  Ueber  Mischnarkosen. 

Universität  München.  November  1902. 

157.  Deutler  Max:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Lehre  von  der 
intestinalen  Aktinomykose. 

158.  Welsmann  Ludwig:  Ein  Fall  von  primärer  Tuberkulose 
des  Uterus  mit  Ausgang  in  akute  Miliartuberkulose  und  per¬ 
niziöse  Anämie. 

159.  Ziegler  Hans:  Zur  operativen  Behandlung  veralteter  Ell¬ 
bogengelenksluxationen  durch  Skelettierung  der  Gelenkenden. 
(Arthrolyse  nach  W  o  1  f  f.) 

160.  Leuchs  Georg:  Ueber  Kombination  von  Krebs  und  Tuber¬ 
kulose  im  Anschluss  an  einen  Fall  von  Lungentuberkulose 
und  latentem  Karzinom  des  Coekums. 

161.  Eckert  Friedrich:  Ueber  die  Schussverletzungen  der  Ar¬ 
terien. 

162.  Hoffmann  Max :  Missbildung  des  äusseren  Ohres. 

163.  Bartsch  Emil:  Ueber  einen  Fall  von  multipler  Sklerose 

im  Anschluss  an  Trauma.  0 

164.  Aub  Hermann:  Ueber  einen  Fall  von  Sarkom  des  Processus 
falciformis  der  Dura  mater. 

165.  Kress  Eugen:  Ueber  Organgewicht  bei  Kindern. 

166.  Ohmer  Georg:  Beiträge  zur  Exartikulation  des  Hüftgelenks. 

167.  Do  stert  Alfred:  Ueber  2  Fälle  von  vereitertem  Ovarial- 
karzinom  mit  Perforation  in  den  Darm. 

168.  Langel  Willy:  Ein  Fall  von  Lymphosarkom  des  Media¬ 
stinums. 

169.  Deseniss  Percy:  Ueber  Funktionsstörungen  des  Kiefer¬ 
gelenks  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Kieferklemme. 

170.  Jus  uff  Bey  Murad  Ibrahim:  Die  physikalische  Unter¬ 
suchung  der  Milz  nebst  Beobachtungen  über  die  Verschieb¬ 
lichkeit  normaler  und  vergrösserter  Milzen. 

171.  Thönessen  Josef:  Darstellung  des  Anthrakaseimmun- 
proteidin  und  dessen  immunisierende  Wirkung  gegen  Milz¬ 
brand. 

172.  Waldmann  Anton:  Ueber  primäres  Karzinom  des  Lungen¬ 
parenchyms. 

173.  Moebius  Fr.  W.:  Statistischer  Bericht  über  112  in  den 
Jahren  1S96 — 1900  in  der  k.  chirurgischen  Klinik  zu  München 
operierte  Hernien. 

174.  Heldmann  Karl:  3  Fälle  von  Exartikulation  des  Schulter¬ 
gürtels. 

175.  Wiesmüller  Josef:  Ein  Fall  von  einem  luetischen  Aorten¬ 
aneurysma. 

176.  Schm  id  Friedrich:  Ueber  Gonokokkenfärbung  mit  spezieller 
Berücksichtigung  der  klinischen  Praxis. 

Universität  Tübingen.  Oktober  1902. 

45.  Durst  Theodor:  Ueber  einen  Fall  von  Karzinom  des  Kolon 
auf  dem  Boden  einer  wahrscheinlich  syphilitischen  Narbe. 

46.  Kocher  Otto:  Ueber  Strabismus  convergens  hyperopicus. 

November. 

47.  Basler  Adolf:  Ueber  die  Art  des  Absterbens  verschiedener 
quergestreifter  Muskeln  bei  erhöhter  Temperatur. 

48.  Korn  Adolf:  Ueber  Methoden,  Pepsin  quantitativ  zu  be¬ 
stimmen. 

49.  Schneider  Karl:  Ueber  2  Fälle  von  Herderkrankungen 
des  Gehirns. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 
Mittelfränkischer  Aerztetag 

in  Nürnberg  am  2.  November  1902. 

(Eigener  Bericht.) 

Am  2.  November  tagte  in  Nürnberg  der  mittelfränkisclie 
Aerztetag,  der  sich  eines  sehr  guten  Besuches  aus  dem  ganzen 
Kreise  zu  erfreuen  hatte;  von  135  Teilnehmern  waren  87  aus 
Nürnberg,  48  von  ausserhalb  erschienen.  Von  10 — 1  Uhr  be¬ 
sichtigte  man  unter  der  trefflichen  Führung  des  Krankenhaus¬ 
direktors,  des  Herrn  Mecl.-Rat  Dr.  G.  Merke  1,  und  des  Herrn 
Krankenhausverwalters  Schwab  in  eingehender  Weise  unser 
allgemeines  Krankenhaus  mit  allen  seinen  neuen  Einrichtungen. 
Von  1- — 4Va  Uhr  fand  die  eigentliche  Sitzung  im  Konferenzsaal 
des  Krankenhauses,  welchen  die  Verwaltung  desselben  in  ent¬ 
gegenkommendster  Weise  zur  Verfügung  gestellt  hatte,  statt.  — 

Tagesordnung : 

I.  Die  diagnostische  Bedeutung  und  die  Verwertung  der 
Röntgenstrahlen  im  Gesamtgebiete  der  Medizin: 


a)  Chirurgie  —  Dr.  F.  E  r  ä  n  k  e  1  -  Nürnberg.  (Der 
Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

b)  Innere  Medizin:  1.  Brustorgane  —  Dr. 
Bändel-  Nürnberg.. 

Summarischer  Ueberbliclc  über  den  gegenwärtigen  Stand  der 
Röntgenuntersuchung  der  Brustorgane  mit  Ausschluss  des 
Oesophagus.  Eingehender  wird  die  Orthodiagraphie  besprochen, 
die  im  Allgemeinen  Krankenhause  seit  etwa  2  Jahren  mittels 
des  Mo  ritz  sehen  Zeichentisches  in  Verwendung  ist.  Die  Re¬ 
sultate  decken  sich  hinsichtlich  der  Vergleichung  mit  der  Hex*z- 
perkussion  mit  den  von  Moritz  selbst  gemachten  Mitteilungen 
(Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  S.  1).  Als  Beispiel  wird  ein 
Patient  mit  normalem  Herzbefund  vorgeführt,  auf  dessen  Brust¬ 
wand  die  Herzperkussionsfigur  und  die  orthodiagraphische  Figur 
aufgezeichnet  sind,  ausserdem  mehrere  Orthodiagramme  bei  ver¬ 
schiedenen  Herz-  und  Mediastinalerkrankungen.  Zum  Schluss 
werden  Photographien  der  verschiedensten  Erkrankungen  des 
Thoraxinnern  demonstriert :  Lungeninfiltrationen,  Pneumothorax, 
pleuritische  Ergüsse,  Schwarten  und  Retraktionen,  Eiterherd  im 
Brustraum,  Aneurysmen  der  Brustaorta,  Mediastinaltumoren, 
Zwerchfellserkrankungen.  Auch  die  buckelförmige  Verbreiterung 
des  Aortenbogenschattens  bei  normaler  Aortenweite  lediglich 
als  Folge  einer  nicht  bedeutenden  Alterskyphose  (Sektionsbefund) 
konnte  demonstriert  werden. 

Die  Röntgenuntersuchung  der  Brustorgane  wird  auf  der 
ersten  inneren  Abteilung  des  Allgemeinen  Krankenhauses  als 
wertvolles  diagnostisches  Hilfsmittel  geübt  und  geschätzt. 

2.  Bauchorgane  —  Dr.  Reizenstein  -  Nürnberg. 

Vortragender  schliesst  die  Speiseröhre  als  zum  Intestinal- 
traktus  gehörend  mit  in  sein  Referat  ein.  Wie  überall,  so  ist 
auch  in  der  Speiseröhre  und  im  Magendarmkanal  das  Haupt¬ 
gebiet  für  Röntgenuntersuchungen  der  Nachweis  von  Fremd¬ 
körpern.  Besteht  ein  Zweifel,  ob  ein  Fremdkörper  noch  in  der 
Speiseröhre  ist  oder  nicht,  so  gibt  uns  die  Radioskopie,  falls  der¬ 
selbe  sich  aus  anorganischen  Massen  —  Metall,  Knochen,  Stein, 
bleihaltigem  Glas  etc.  —  zusammensetzt,  meist  sicheren  Auf¬ 
schluss.  Ja  es  gelang  in  einigen  Fällen,  während  der  Durch¬ 
strahlung  den  Fremdkörper  mit  einer  Zange  zu  fassen  und  zu 
extrahieren.  Die  Behauptung,  dass  das  Röntgenverfahren  ein 
umfassendes  Verfahren  zum  Nachweis  und  Entfernen  von 
Fremdkörpern  sei  und  dass  andere  Methoden,  wie  die  Oesophago- 
skopie,  dadurch  überflüssig  geworden  seien,  ist  zurückzuweisen. 
Fremdkörper,  die  aus  organischer  Substanz  bestehen,  wie  in  eine 
Stenose  sich  einkeilende  Fleischstücke  etc.,  können  nicht  ge¬ 
sehen  werden.  Aber  selbst  Dinge,  die  man  sonst  mit  Röntgen¬ 
strahlen  nachweisen  kann,  können  bei  ungünstigen  Verhältnissen 
entgehen.  Kilian  entfernte  bronchoskopisch  ein  Knochen¬ 
stück,  das  mit  Röntgenstrahlen  nicht  hatte  eruiert  werden 
können.  Vortragender  selbst  hat  ein  ansehnliches  Gebiss  (Platte 
mit  Zahn),  das  bereits  12  Tage  in  der  Speiseröhre  lag  und  von 
kompetenter  Seite  mit  Röntgenstrahlen  trotz  wiederholter  Durch¬ 
strahlung  nicht  gefunden  worden  war,  im  Oesophagoskop  sofort 
gesehen  und  in  toto  unter  grosser  Mühe  extrahiert. 

Divertikel  der  Speiseröhre,  sowohl  hochsitzende  als  auch  tief¬ 
sitzende  —  Fälle,  die  diagnostisch  ausserordentlich  schwierig 
zu  erkennen  sein  können  — ,  lassen  sich  nach  Füllung  mit 
Wismutaufschwemmung  nach  Lage,  Form  und  Grösse  nach¬ 
weisen. 

Für  die  Differentialdiagnose  Aneurysma  der  Aorta  oder 
Divertikel  bezw.  Tumor  der  Speiseröhre  ist  die  Durchleuchtung 
ebenfalls  wichtig.  Doch  muss  man  sich  bewusst  sein,  dass  auch 
ein  pulsierender  Tumor,  wie  dies  einige  Male  beobachtet  wurde, 
kein  Aneurysma  sein  muss,  sondern  durch  Verwachsungen  eines 
Divertikels  oder  Karzinoms  mit  der  Aorta  seine  Pulsation  mit¬ 
geteilt  bekommen  kann.  Es  sind  eben  hier  auch  die  anderen 
klinischen  Erscheinungen  mit  zu  berücksichtigen. 

Lässt  man  bei  Stenosen  der  Speiseröhre  eine  Wismutmixtur 
oder  Oblate  bezw.  Bolus  mit  Wismut  schlucken,  so  sieht  man 
auf  dem  Schirm  eine  Verdunkelung  des  hellen  Mittelfeldes  des 
Oesophagus,  besonders  oberhalb  der  Stenose. 

Hier  leistet  die  Radioskopie  nicht  mehr  wie  unsere  übrigen, 
einfachen  klinischen  Methoden.  Interessant,  aber  praktisch  un¬ 
nötig  ist  ferner  ein  Verfahren  zur  Lokalisierung  einer  Oeso- 
phagusstenose,  indem  man  auf  dem  Schirme  verfolgen  solle,  wo 
eine  mit  Drahtspirale  oder  Bleimandrin  armierte  Gummisonde 
festgehalten  werde. 


2062 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49 


Im  Nachweis  von  Tumoren  der  Speiseröhre  und  des  Magen- 
darmkanales  sind  wir  durch  das  neue  Verfahren,  wenn  es  auch 
öfters  gelungen  ist,  grössere  Tumoren  als  Schatten  zu  sehen, 
nicht  weiter  gekommen. 

Bei  der  Röntgendurchstrahlung  der  Bauchorgane  ist  bisher 
leider  noch  nicht  viel  Positives  bezw.  praktisch  Brauchbares  er¬ 
reicht  worden.  Die  Leber  lässt  sich  besonders  bei  Kindern,  Milz 
und  Nieren  nur  bei  mageren  Personen  photographisch  fixieren. 
Veränderungen  an  diesen  Organen  sind  nur  ganz  ausnahmsweise 
durch  die  Röntgenstrahlen  festgestellt  worden.  Die  Darrn- 
schlingen  treten  nur  dann  deutlicher  hervor,  wenn  sie  mit  Kot 
gefüllt  sind. 

Das  von  Boas  und  Levy-Dorn  angegebene  Verfahren 
zum  Nachweis  von  Stenosen  im  Magendarmkanal  durch  mit 
Bismut  gefüllte  unlösliche  Kapseln  gibt  leider  auch  keine  brauch¬ 
baren,  einwandfreien  Resultate. 

Der  Magen  kann  nach  Lage  und  Grösse  mittels  Röntgen¬ 
strahlen  bestimmt  werden.  Wenn  man  einen  leeren  Magen¬ 
schlauch  in  den  Magen  einführt  und  in  die  Sonde  eine  Wismut¬ 
aufschwemmung  oder  Bleikugeln  einführt,  sieht  man  die  Sonde, 
die  sich  entlang  der  grossen  Kurvatur  legt,  auf  dem  Schirme. 
Vortragender  hat  zu  diesem  Zwecke  das  Einhorn  sehe  Gastro- 
diaphan,  das  mit  einer  Metallspirale  armiert  ist,  benutzt.  Besser 
ist  die  Methode,  den  Magen  mit  Luft  oder  Gas  aufzublähen. 
Man  kann  dann  oft  die  grosse  und  kleine  Kurvatur  sehen. 

Eine  praktische  Bedeutung  für  die  Topographie  des  Magens 
kann  dem  Röntgenverfahren  jedoch  nicht  zugesprochen  werden, 
weil  wir  hierfür  andere,  einfachere  Methoden  besitzen. 

In  vereinzelten  Fällen  ist  es  auch  geglückt,  seltene  Erkran¬ 
kungen  mittels  der  Röntgenstrahlen  festzustellen,  Situs  viscerum 
transversum,  Hydronephrose,  subphrenischen  Abszess  etc. 

Neuerdings  allseitig  anerkannt  ist  die  Wichtigkeit  der 
Durchstrahlung  zum  Nachweis  von  Nierensteinen,  noch  um¬ 
stritten  der  Wert  bei  Gallensteinen.  Die  Nierensteine  sind  des¬ 
wegen  leichter  sichtbar  zu  machen,  weil  sie  im  wesentlichen  aus 
anorganischen  Elementen  bestehen.  Von  den  Nierensteinen  sind 
deswegen  am  besten  auffindbar  die  Oxalatsteine,  dann  die  Phos¬ 
phatsteine,  am  ungünstigsten  die  Harnsäurekonkremente.  Be¬ 
züglich  Einzelheiten  des  Verfahrens  zur  Röntgendiagnose  der 
Nierensteine  mittels  Bleiblenden  sei  auf  die  Arbeiten  von 
Albers-Schönberg  verwiesen. 

In  neuerer  Zeit  sind  auch  bei  Gallensteinen  bessere  Resultate 
erzielt  worden,  insbesondere  ist  es  B  e  c  k  -  New-York  gelungen, 
sehr  kleine  Konkremente  nachzuweisen.  Er  selbst  gibt  aber  zu, 
„dass  es  nicht  immer  glückt,  trotz  der  Einhaltung  aller  Vor¬ 
schriften  und  Beherrschens  der  Methode,  vorhandene  Gallen¬ 
steine  photographisch  festzustellen“.  Soviel  ist  aber  sicher,  dass 
während  bei  Nierensteinuntersuchung  ein  negativer  Befund  be¬ 
weisend  für  das  Nichtvorhandensein  von  Konkrementen  ist,  man 
bei  Durchstrahlung  bei  Gallensteinen  aus  einem  negativen  Be¬ 
fund  keinen  Schluss  ziehen  darf.  Hier  sind  noch  grosse  Schwie¬ 
rigkeiten  zu  überwinden;  doch  ist  Aussicht  vorhanden,  dass  mit 
der  Verbesserung  der  Methodik  auch  bei  Gallensteinen  in  Zu¬ 
kunft  ähnliche  Erfolge  wie  bei  Nierensteinen  erzielt  werden. 

c)  Gynäkologie  —  Dr.  Flatau-  Nürnberg. 

Für  den  Geburtshelfer  liegen  bei  Verwendung  der  Radio¬ 
graphie  besondere  Schwierigkeiten  vor:  Die  Massigkeit  der  das 
Becken  deckenden  Weichteile,  und  im  Gegensatz  zu  ihnen  die 
Dünne  und  allzu  leichte  Durchlässigkeit  der  fötalen  Knochen 
im  Mutterleib,  die  relativ  grosse  Belichtungszeit  und  die  damit 
verbundene  Schwierigkeit  des  Stillliegens,  die  den  Schattenriss 
unklar  machenden  Bewegungen  der  Därme,  der  kindlichen  Ex¬ 
tremitäten  etc.  Bei  der  Lebenden  ist  es  nur  unter  besonders 
günstigen  Umständen  möglich,  die  Kindslage  zu  bestimmen. 
Die  Diagnose  der  Zwillingsschwangerschaft  in 
frühen  Monaten  ist  möglich  und  auch  schon  in  vereinzelten 
Fällen  ausgeführt  worden.  Alle  Versuche,  das  Geschlecht 
des  intrauterin  gelagerten  Kindes  zu  bestimmen  oder  den  Ge¬ 
burtsmechanismus  zu  verfolgen,  sind  ohne  brauchbares 
Resultat  geblieben. 

Für  die  Aufnahme  des  Beckens  zu  Messungszwecken 
bestand  das  grösste  Hinderniss  in  der  Herstellung  der  Paralleli¬ 
tät  der  Beckeneingangsebene  und  des  Negativs  (die  Versuche 
Bouchacourts,  Fahre  s,  Levy  und  Thumims  und 
Wormsers).  Ferner,  um  Verzerrungen  des  Schattenrisses 
möglichst  zu  meiden,  müsste  die  genaueste  Fixierung  der  Licht¬ 


quelle  angestrebt  werden.  Aber  selbst  dann  müssen  noch  kompli¬ 
zierte  Rechenformeln  eintreten  (W  ormser,  Levy  und  Thu- 
ra  i  m),  um  die  Fehlerquellen  des  Radiogramms  auszumerzen. 
Auch  die  Radiographie  gibt  nur  Schätzungswerte  der 
Beckenmasse.  Die  brauchbarsten  sind  noch  die  schrägen  und 
queren  Durchmesser,  eventuell  die  Distancia  tub.  ischii,  die  Breite 
des  Os  sacrum  und  die  Form  des  Arcus  pubis. 

In  rein  morphologischer  Beziehung  aber  leistet  die 
Radiographie  ihr  bestes.  Alle  Symmetrien  und  Asymmetrien  des 
Beckens  lassen  sich  gut  darstellen,  ebenso  Ankylosen,  das  spon- 
dylolistetische,  das  Robertsehe  Becken  geben  sehr  anschau¬ 
liche  Bilder.  Zur  Erkennung  der  Verhältnisse  nach  Symphyseo- 
tomie  kann  die  Radiographie  gute  Dienste  leisten. 

Was  nun  den  Fötus  anbetriift,  so  ist  es  möglich  geworden, 
vermittels  der  Röntgenstrahlen  die  Ossifikationsverhältnisse  des¬ 
selben  gut  zu  studieren  (Schücking,  Bade);  ferner  alle 
knöchernen  Missbildungen  desselben  (Skoliosen,  Spina  bifida, 
Klumpfuss).  Kompliziertere  Missbildungen  können  in  Hinsicht 
auf  ihre  Skelettstruktur  bearbeitet  werden,  ohne  das  Präparat 
selbst  zu  zerstören  (Sirenenbildung  etc.).  Nach  dem  Vorschläge 
Wilms  kann  man  in  Teratomen  und  anderen  Embryomen 
eventuelle  Knocheneinschlüsse  zur  Anschauung  bringen  und  dabei 
das  Präparat  unverletzt  lassen.  Erwähnt  werden  die  Versuche 
Delores,  Musgraves  und  Patellanis,  den  Gef ässbau 
der  Plazenta  nach  Injektion  mit  undurchlässigen  Massen,  radio¬ 
graphisch  darzustellen  und  zu  verfolgen. 

Auf  dem  engeren  Gebiet  der  Gynäkologie  hat  die  Radio¬ 
graphie  bis  jetzt  wenig  geleistet.  Das  Auf  suchen  von  Nadeln  in 
der  Blase  gehört  noch  in  das  Gebiet  des  Experimentierens  und 
der  naturwissenschaftlichen  Spielerei.  Theoretisch  wäre  ja  die 
Erkennung  einer  vorgeschritteneren  Extrauterinschwangerschaft 
oder  eines  Dermoids  wohl  möglich;  doch  ist  die  Gefahr,  durch 
ein  unklares  Radiogramm  irregeführt  zu  werden,  grösser,  als  der 
eventuelle  Nutzen.  Aussichtsvoller  sind  schon  die  Versuche 
Schmidts  und  Kolischers,  nach  Einführen  von  Bleison¬ 
den  in  die  U  r  e  t  e  r  e  n  den  Verlauf  dieser  und  den  genauen  Sitz 
gewisser  Störungen  (Strikturen,  Stenose)  zu  ermitteln. 

In  therapeutischer  Beziehung  hat  bisher  die  Verwendung  der 
X-Strahlen  in  dem  Gebiet  des  Gynäkologen  nichts  geleistet.  (Der 
Vortragende  demonstriert  eine  Reihe  einschlägiger  Bilder.) 

d)  Dermatologie  —  Dr.  G  ö  r  1  -  Nürnberg. 

G  ö  r  1  bespricht  die  Theorie  der  Röntgenstrahlen  und  ihre 
Einwirkung  auf  die  Haut,  sowie  die  bei  Bestrahlung  auftretenden 
makroskopischen  und  mikroskopischen  Gewebsveränderungen. 

Eine  Zusammenstellung  der  radiotherapeutischen  Erfolge 
bei  Hautkrankheiten  aus  der  gesamten  vorhandenen  Literatur  er¬ 
gibt,  dass  nur  bei  Lupus  vulgaris  die  aufgewendete  Zeit  und 
Kosten  im  Verhältnis  zur  Schwere  der  Erkrankung  stehen  und 
günstige  Resultate  erzielt  werden,  während  bei  den  übrigen  Er¬ 
krankungen  uns  billigere,  teils  auch  sicherer  wirkende  und  un¬ 
gefährlichere  Behandlungsmethoden  zur  Verfügung  stehen. 

II.  Ueber  Frühoperationen  bei  Perityphlitis:  Professor  Dr. 
Graser-  Erlangen. 

Prof.  Graser  hat  sich  erst  nach  längerem  Zögern  ent¬ 
schlossen,  die  so  oft  und  ausgiebig  besprochene  Frage  der 
operativen  Behandlung  der  Blinddarmerkran- 
1  kungen  zu  einer  neuen  Erörterung  zu  bringen.  Den  Anlass 
1  dazu  gibt  ihm  die  Tatsache,  dass  die  vor  Jahren  erhoffte  und 
1  von  ihm  selbst  in  Aussicht  gestellte  Klärung  der  Indikationen 
1  sich  mit  der  Zunahme  der  Erfahrungen  nicht  ergeben  hat,  dass 
1  vielmehr  von  sehr  kompetenten  Urteilern  zugegeben  wird,  dass 
1  wir  von  der  Möglichkeit  einer  exakten  anatomischen  Dia- 
1  g  n  o  s  e  am  Krankenbett  noch  recht  weit  entfernt  sind,  dass 
^  schwer  einsetzende  Fälle  bisweilen  einen  leichten  Verlauf  haben, 

1  während  solche  mit  scheinbar  harmlosem  Beginn  unerwartet  eine 
schlimme  Wendung  nehmen.  Mag  man  nun  eine  Mortalität  von 
1  8  Proz.  oder  von  20  Proz.  annehmen,  all'e  Erfahrungen  sprechen 

I  w  . 

dafür,  dass  von  den  schweren  Fällen  immer  noch  eine  grosse 
'  Anzahl  von  Patienten  auch  in  der  Behandlung  guter  Aerzte  und 
ausgezeichneter  Chirurgen  sterben,  wofür  gerade  eine  in  dem  an¬ 
wesenden  Kreise  gut  bekannte  Arbeit  von  Karl  Koch  in  Nürn¬ 
berg  lehrreiche  Belege  bietet.  Graser  hat  selbst  den  Versuch 
gemacht,  die  operative  Behandlung  in  eine  Reihe  von  Eingriffen 
je  nach  der  Sachlage  und  der  Dringlichkeit  der  Behandlung  zu 
sondern  (siehe  Handbuch  der  Therapie  von  Penzoldt  und 
Stintzing,  Bd.  IV). 


9.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2063 


Dieses  Schema  ist  für  viele  Fälle  zutreffend;  aber  die  In¬ 
dikation  zum  Eingreifen  bei  den  gefährlichsten  kritischen  Fällen 
weisa  er  auch  nicht  in  bestimmte  Worte  zu  fassen.  Will  man 
von  diesen  schwer  gefährdeten  Fällen  noch  eine  grössere  Anzahl 
vor  dem  sicheren  Tode  retten,  so  gibt  es  kein  anderes  Mittel,  als 
die.  grundsätzliche  Frühoperation  in  allen  den¬ 
jenigen  Fällen,  die  sofort  beim  Beginn  den  Fall  als  einen  ernsten 
erscheinen  lassen.  Man  versteht  unter  dieser  Frühoperation 
die  Vornahme  einer  Laparotomie  in  die  freie 
Bauchhöhle  mit  Aufsuchung  und  Entfernung  des  erkrankten 
Wurmfortsatzes,  welche  in  den  Fällen  leicht  und  ungefährlich 
ist,  in  welchen  der  Wurmfortsatz  das  entzündliche  Exsudat  noch 
in  seinem  Hohlraum  verschlossen  hält,  welche  aber  nach  aus¬ 
giebigen  Erfahrungen  auch  dann  noch  mit  bestem  Erfolg  aus¬ 
geführt  werden  kann,  wenn  bereits  ein  Eiterherd  sich  um  den 
Wurmfortsatz  herum  angesammelt  hat.  Man  hat  früher  diese 
Operation  nicht  gewagt,  weil  man  befürchten  musste,  dabei  eine 
Verschleppung  der  Entzündung  durch  die  freie  Bauchhöhle  zu 
veranlassen.  Diese  Gefahr  kann  bei  zweckmässigem  Verhalten 
zweifellos  vermieden  werden;  denn  es  gibt  Operateure,  welche 
bei .  der  grundsätzlichen  Ausführung  dieser  Operation  grosse 
Serien  von  ungestörter  Heilung  erzielt  haben.  Wissenschaftlich 
ist  damit  diese  Frage  entschieden. 

In  wie  weit  die  grundsätzliche  Frühoperation 
das  Mittel  ist,  um  die  schlimmen  Erfahrungen  bei  den  schlimm¬ 
sten  Fällen  zu  vermeiden,  muss  durch  ausgiebige  Beobachtungen 
festgestellt  werden. 

Graser  ermahnt  die  Aerzte  Mittelfrankens,  zur  Sammlung 
solcher  Erfahrungen  beizutragen  und  erbietet  sich,  die  von  den 
Aerzten  Mittelfrankens  im  Laufe  des  nächsten  Jahres  auf  dem 
Gebiete  der  Perityphlitis  gemachten  Beobachtungen  zu  sichten 
und  zu  sammeln  und  beim  nächstjährigen  Aerztetag  darüber 
zu  berichten,  von  der  Ueberzeugung  ausgehend,  dass  für 
die  Stellungnahme  zur  Frage  der  Indikation  ein  derartiges 
Material  für  die  mittelfränkischen  Aerzte  eine  wertvolle,  mit 
starker  Gefühlsbetonung  betrachtete  Grundlage  sein  könne. 

III.  Die  Bekämpfung1  der  Verbreitung  der  Geschlechts¬ 
krankheiten  :  Dr.  Epstein-  Nürnberg. 

Erst  in  den  letzten  J ahren,  seit  dem  St.  Petersburger 
Kongresse  von  1897,  den  die  russische  Regierung  zur  Beratung 
der  gegen  die  Syphilis  in  Russland  zu  treffenden  Massnahmen 
berufen  hatte,  und  mit  der  Brüsseler  internationalen  Konferenz 
(1899)  ist  der  Kampf  gegen  die  Ausbreitung  der  Geschlechts¬ 
krankheiten  im  vollen  Umfange  aufgenommen  worden.  Die 
Societe  internationale  de  Prophylaxie  sanitaire  et  morale  bildet 
für  diese  bedeutsamen  hygienischen  Bestrebungen  einen  Mittel¬ 
punkt,  um  den  sich  schon  verschiedene  nationale  Gesellschaften 
geschart  haben.  So  ist  in  jüngster  Zeit  auch  eine  Deutsche  Ge¬ 
sellschaft  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten  ent¬ 
standen.  E.  bespricht  eingehender  die  Verbreitung  der  vene¬ 
rischen  Krankheiten  in  Deutschland,  mit  besonderer  Bezug¬ 
nahme  auf  die  wichtigen  statistischen  Arbeiten  Blase  h  kos 
und  die  von  der  preussischen  Regierung  im  Jahre  1900  ver¬ 
anstaltete  Enquete.  Er  berichtet  über  die  Konstituierung  der 
D.  G.  z.  B.  d.  G.,  legt  an  der  Hand  des  Programms  der  Gesell¬ 
schaft  ihre  Ziele  und  die  Mittel  dar,  mit  denen  sie  diesen  näher 
kommen  will,  und  fordert  die  Kollegen  auf,  die  Zwecke  der 
Gesellschaft  nach  Möglichkeit  zu  fördern. 

IV.  Demonstration  von  Limgenschnitten :  Dr.  L.  R.  Müller- 
Erlangen. 

Die  Versammlung  folgte  den  Vorträgen  und  Demonstrationen 
der  reichen  Tagesordnung  mit  grossem  Interesse. 

Abends  vereinigte  ein  Festessen  die  Teilnehmer  des  Aerzte- 
tages  im  Goldenen  Adler,  welches  sehr  gelungen  verlief  und  bei 
welchem  die  beste  Stimmung  herrschte. 


22.  Oberrheinischer  Aerztetag 

in  Freiburg  i/B.  am  17.  Juli  1902. 

A.  Besuch  der  Universitätskliniken. 

I.  Augenklinik. 

Herr  Axenfeld:  1.  Vortr.  empfiehlt,  die  Einträufelungen 
(Atropin  etc.)  mit  körperwarmen  Lösungen  vorzunehmen.  Für 
seine  Poliklinik  hat  er  zu  diesem  Zweck  einen  grossen  T  h  e  r  m  o  - 
Phor  für  20  Tropfgläschen  von  Instrumentenmacher  Fische  r, 
Freiburg,  hersteilen  lassen.  In  der  Praxis  genügt  Einstellen  in 
warmes  Wasser.  Der  grosse  Vorzug  der  warmen  Tropfen  ist,  dass 


sie  viel  besser,  z.  B.  auch  von  Kindern  angenommen  werden,  dass 
kein  reflektorischer  Tränenfluss  das  Medikament  gleich  wieder 
fortspült.  Die  Wirkung  ist  deshalb  schneller. 

2.  Bei  der  Behandlung  der  Gonorrhöe  der  Konjunktiva  bei 
Erwachsenen  und  älteren  Kindern,  bei  denen  die  Prognose  be¬ 
kanntlich  noch  ernster  ist,  als  bei  Neugeborenen,  hat  Vortragender 
gute  Erfolge  erzielt  durch  3 — 4  stündliche  Ausspülungen 
auch  während  der  Nacht  (jedesmal  ca.  y2  Liter, 
entenschnabelförmiger,  unter  das  Oberlid  geführter  Irrigator¬ 
ansatz)  mit  Hydrargyrum  oxycyanatum  1: 1000—3000, 
wie  es  Schloesser  empfohlen  hat.  Die  Wirkung  war  für 
solche  Fälle  noch  besser,  als  die  des  Argentum  nitricum  und  des 
Protargol. 

3.  Vorstellung  zweier  Fälle,'  bei  denen  mittels  Kroenleins 
temporärer  Resektion  der  äusseren  Orbitalwand  Orbitalerkran¬ 
kungen  unter  Schonung  des  Bulbus  geheilt  sind. 

a)  Tränendrüsenkarzinom  bei  einer  60  jährigen  Frau,  das 
nach  hinten  gewuchert  war.  Die  radikale  Entfernung  mit  teil¬ 
weiser  Exstirpation  auch  des  Knochens  ist  gelungen  mit  voller 
Sehschärfe  und  Beweglichkeit  des  Auges  (cf.  Dissertation  von 
Tobias,  Freiburg  1902). 

b)  Empyem  der  hintersten  Siebbeinzellen.  Die  Hautwunde 
wurde  in  diesem  Fall  durch  die  Augenbraue  bis  zur  Nasenwurzel 
verlängert;  es  fand  sich  innen  hinten  eine  kranke  Zelle,  die  nach 
der  Nase  hin  eröffnet  wurde.  In  diesem  Falle  ist  das  Sehver¬ 
mögen  nicht  zu  retten  gewesen,  da  die  äusserst  tiefe  Lage  der 
noch  nicht  sehr  hochgradigen  Veränderung  die  Auffindung  er¬ 
schwerte  und  der  N.  opt.  dabei  kompiimieid  wurde.  Die  Beweg¬ 
lichkeit  ist  dagegen  wieder  normal  geworden,  Stellung  und  Form 
der  Bulbus  intakt,  der  Exophthalmus  geheilt.  Die  rhinoskopische, 
Untersuchung  war  hier  resultatlos  geblieben. 

4.  Voitragender  richtet  an  die  anwesenden  Herren  Kollegen 
die  Bitte,  in  ihi-em  Arbeitsgebiet  auf  chronisch-katarrhalische 
Bindehautleiden  und  besonders  auf  Dakryocystitis  bei  der 
arbeitenden  Bevölkerung  zu  achten  und  solche  Leute  zur  Exstir¬ 
pation  des  Ti-änensacks  zu  veranlassen,  um  auf  diese  Weise  den 
zahlreichen  Ei’blindungen  infolge  Infektion  von  Berufsverletzungen 
vorzubeugen  (Ulc.  serpens  corneae).  Vorstellung  zweier  Patienten, 
bei  denen  die  Exstirpation  ausgeführt  ist  (cf.  hierüber  diese 
Wochenschi’ift  1902,  No.  31). 

II.  Gynäkologische  Klinik. 

Herr  Hegar:  Ueber  Geschichte  und  Methoden  der  Myom¬ 
operationen.  (Ei*schien  in  extenso  in  No.  47  dieser  Wochenschr.) 

III.  Medizinische  Klinik. 

Herr  B  ä  u  m  1  e  r  stellt  zuerst  einen  Kranken  mit  chro¬ 
nischer  (Huntington  scher)  Chorea  vor,  einen  45  jährigen 
Mann,  der  seit  einigen  Jahren  die  Kliniken  bereist.  Die  Muttei*, 
eine  Schwester  und  ein  Bnxder  sollen  gleich  ihm  in  der  Mitte  der 
30  er  Jahre  von  der  Kx-ankheit  befallen  worden  sein. 

Sodann  kam  ein  Fall  zur  Vorstellung,  dessen  Entwicklung  durch 
wiederholten  Aufenthalt  der  Kranken  in  der  Klinik  etwas  genauer 
lmtte  vei-folgt  werden  können.  Es  handelte  sich  um  eine  39jähr.Frau 
mit  spastischer  Lähmung  der  unteren  und  später  hinzugetretener 
schlaffer  Lähmung  der  oberen  Extremitäten  mit  stärkerer  Atro¬ 
phie  der  Muskeln  an  den  letzteren. 

Als  kleines  Kind  hatte  die  Ki'anke,  Frau  A.  W.,  Maseni 
durchgemacht.  In  ihi’em  8.  Lebensjahr  will  sie  einmal  4  Wochen 
lang  das  Bett  gehütet  haben,  „weil  sie  nicht  mehr  stehen  und 
gehen  konnte“.  Ein  Nervenfieber,  das  sie  im  12.  Lebensjahr  be¬ 
fiel,  soll  sie  zwei  Monate  ans  Bett  gefesselt  haben.  Einige  Zeit 
nachher  habe  sie  Gehör  und  Sprache  verlornen,  und  erst  nach  Ver¬ 
lauf  eines  halben  Jahres  wieder  gewonnen. 

Die  Menses  traten  im  17.  Lebensjahi’e  ein,  wai’en  immer  regel- 
mässig,  aber  mit  Kopf-  und  Kreuzschmerzen  vei’bunden.  Im 
22.  Lebensjahr  Verheiratung,  3  normale  Geburten  gesunder  Kinder. 

Während  der  3.  Gravidität  im  27.  Lebensjahr  litt  sie  viel  an 
Schwindel,  Kreuzschmerz,  Reissen  in  den  Bei- 
n  e  n,  so  dass  sie  oft  zu  Bett  liegen  musste.  Kurz  vor  der  Niedex*- 
kunft  erki-ankte  sie,  während  der  grossen  Pandemie,  an  In¬ 
fluenza.  Als  sie  nach  der  Geburt  zum  erstenmal  aufstehen 
wollte,  versagte  das  rechte  Bein,  unter  gleichzeitigem 
Schmerz  der  Wade,  seinen  Dienst.  11  Tage  nach  der  Geburt 
starke  Uterinblutung,  infolge  davon  grosse  Schwäche,  vor¬ 
übergehende  Sehstörung.  Langsame  Erholung,  aber  häufig 
Müdigkeit  und  Schmerzen  in  den  Unterschen¬ 
keln. 

Im  Mäi*z  1891,  in  ihrem  29.  Lebensjahr,  heftige  Schmerzen 
im  r.  Arm,  im  Ki*euz  und  im  r.  Unterschenkel  mit  Schwäche  und 
Steifigkeit,  pelzigem  Gefühl  in  Fingern  und  Zehen.  Erschwe¬ 
rung  d  e  s  Gehens.  Besserung  dieser  Erscheinungen  im  Laufe 
des  Sommers,  namentlich  im  Arm,  in  welchem  nur  ein  Schwäche¬ 
gefühl  zurückblieb.  Die  Beschwerden  im  Bein  und  im  Kreuz 
dauerten  fort.  Im  August  1891  Hambeschwerden  mit  Inkonti¬ 
nenz,  im  Oktober  grössere  Unsicherheit  in  den 
Beinen.  Auch  als  im  Januar  1891  Besserung  eingetreten  war, 
konnte  sie  ohne  Unterstützung  nicht  mehr 
gehen. 

Im  Oktober  1891  nach  einem  Fall  Uterusblutung,  darauf  Ver- 
schlimmerung  ihres  Zustandes,  die  sie  veranlasste,  am  9.  November 
1892  zum  erstenmale  in  die  Klinik  einzuti’eten:  Leichte  Pa¬ 
rese  beider*,  namentlich  aber  dös  r.  Beines,  die 
Sensibilität  nur  rechts  an  den  Fusszehen  etwas 


2064 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


herabgesetzt.  Bei  aktiven  und  passiven  Bewegungen 
des  r.  Beines  Spasmen:  durch  Kontraktion  des  Quadriceps  wird 
beim  Versuch,  das  Bein  emporzuziehen,  die  Beugung  im  Knie¬ 
gelenk  verhindert.  Eebenso  zieht  sich  bei  passiver  Beiigung  der 
Quadriceps  rasch  und  kräftig  zusammen.  Ist  sein  Widerstand 
einmal  überwunden,  so  geht  weiterhin  die  Beugung  leicht  von 
statten. 

Patellarreflex  beiderseits  gesteigert,  rechts  auch 
von  der  ganzen  Länge  der  Tibia  aus  hervorzurufen.  Ebenso 
beiderseits  Fussphänomen.  rechts  stärker  als  links. 
An  beiden  Handwurzeln  die  Sehneureflexe  ebenfalls  deutlich. 

Fusssohlenreflex  beiderseits  vorhanden,  nicht  ver¬ 
stärkt. 

Die  Gebrauchsfähigkeit  der  Arme  und  Hände 
nicht  beeinträchtigt. 

Pupillen  ungleich,  reagieren  gut. 

Leichte  Blasenschwäche,  Obstipation.  Innere  Organe  ohne 
Besonderheiten.  Gewicht  51  kg. 

Ohne  wesentliche  Veränderung  verliess  die  Kranke  das 
Hospital  am  4.  Dezember.  In  den  folgenden  Jahren  langsame  Zu¬ 
nahme  der  Erscheinungen.  Eine  erhebliche  Verschlimmerung  trat 
ein,  als  die  Kranke  auf  Bat  eines  „Naturarztes“  längere  Zeit  eine 
Hunger-,  vorübergehend  auch  eine  Durstkur  neben  rein  vege¬ 
tarischer  Diät  gebrauchte.  Es  stellten  sich  stärkere  Schmerzen 
in  den  Unterschenkeln  und  vermehrte  Steifigkeit  der  Beine  ein. 
Auch  in  den  Armen  traten  Schmerzen  und  Hitzegefühl  auf.  Dies 
veranlasste  sie,  am  30.  Oktober  1899  zum  zweitenmal  in  die  medi¬ 
zinische  Klinik  einzutreten,  woselbst  sie  bis  zum  21.  November 
blieb. 

Sie  "war  mehr  abgemagert  als  bei  dem  ersten  Aufenthalt,  sah 
jedoch  nicht  anämisch  aus.  An  Kopf  und  Rumpf  keinerlei  Läh¬ 
mungserscheinungen,  kein  Nystagmus.  Dagegen  war  nun  zur 
Parese  der  Beine  auch  eine  solche  der  Arme  hinzugetreten.  Die¬ 
selben  wurden  nur  wenig  bewegt,  lagen  meist  gestreckt,  die 
Hände  ein  wenig  dorsalflektiert,  die  Finger,  welche  auch  nur 
ganz  wenig  bewegt  werden  konnten,  in  leichter  Beugestellung. 
Blasenschwäche,  d.  h.  reflektorische  Entleerung  gleichzeitig  mit 
Spasmus  der  Beine. 

Nach  ihrem  Austritt  aus  der  Klinik  begab  sich  die  Kranke 
in  Behandlung  eines  Masseurs,  der  ausser  Massage  auch  passive 
Bewegungen  mit  den  Gliedern  vornahm,  wodurch  eine  Besse¬ 
rung  der  Motilität  der  Arme  u  n  d  H  ä  n  d  e  herbei¬ 
geführt  worden  zu  sein  scheint. 

Im  Jahre  1901  trat  sie  behufs  elektrischer  Behandlung  in  die 
hiesige  psychiatrische  Klinik  ein,  woselbst,  wie  der  nachträglich 
gütägst  zur  Verfügung  gestellten  Krankengeschichte  zu  entnehmen 
ist,  der  gleiche  Zustand  wie  jetzt  festgestellt  wurde.  Seit  Ende  des 
letzten  Jahres  befindet  sich  die  Kranke  in  der  Kreispflegeanstalt, 
von  wo  aus  sie  zur  Untersuchung  für  einige  Tage  der  Klinik  zu¬ 
geführt  wurde. 

Es  besteht  jetzt  eine  erhebliche  Steigerung  aller 
schon  bei  dem  letzten  Aufenthalt  im  Jahre  1899  vorhanden  ge¬ 
wesenen  Erscheinungen:  Vollständige  spastische  Para¬ 
plegie  der  unteren  Körperhälfte  mit  sehr  star¬ 
ken  Kontrakturen.  Beide  Beine  in  gebeugter  Stellung, 
nahezu  unbeweglich  fixiert,  das  rechte  im  Kniegelenk  ad  maximum, 
das  linke  weniger  bei  stärkerer  Beugung  im  Hüftgelenk,  beide 
krampfhaft  und  so  stark  adduziert,  dass  ständig  ein  Kissen 
zwischen  die  Kniee  gelegt  werden  muss,  um  Dekubitus  zu  ver¬ 
hüten.  Im  r.  Knie  kann  durch  passive  Bewegung  die  Beugung 
bis  zum  rechten  Winkel  verringert  werden,  wobei  die  Flexoren 
an  der  Hinterseite  der  Oberschenkel  sich  reflektorisch  sehr  stark 
kontrahieren.  Alle  Gelenke  übrigens  frei.  Haut-  und  tiefe  Re¬ 
flexe  sehr  gesteigert,  Babinsky.  Bauchreflexe  nicht  auslösbar. 
Die  Bauchmuskulatur  stark  kontrahiert. 

Die  oberen  Extremitäten  unbeweglich  neben 
dem  Rumpf  liegend  in  schlaffer  Lähmung.  Die  Musku¬ 
latur  derselben  mehr  atrophiert  als  die  der  unteren 
Extremitäten,  doch  keine  Muskelgruppe,  mit  Ausnahme  vielleicht 
der  3  lateralen  Interossei  beiderseits,  stärker  als  die  übrigen 
atrophisch.  Die  3  letzten  Finger  in  ganz  leichter  Klauenstellung. 
Daumenballen  etwas  abgeflacht. 

Passive  Beweglichkeit  in  allen  Gelenken  völlig 
frei,  nur  fühlt  man  bei  rascher  Abduktion  der  Oberarme  durch 
Anspannung  der  Pectorales  und  bei  schneller  Beugung  der  Vorder¬ 
arme  durch  eine  solche  des  Trizeps  einen  leichten  Widerstand 
auftreten.  Sämtliche  gebeugten  Finger  mit  Ausnahme  des  4. 
leicht  streckbar. 

Auch  am  Schultergürtel  wird  keinerlei  willkürliche  Bewegung 
ausgeführt.  Dagegen  wird  der  Kopf  etwas  vorwärts  und  in  ge¬ 
ringem  Grade  nach  rückwärts  bewegt  und  werden  Drehbewegungen 
mit  demselben  ausgeführt.  Bei  derartigen  willkürlichen  Be¬ 
wegungen  sieht  man  auch  Zusammenziehungen  des  Platysma. 

Diesem  Verhalten  der  Muskeln  gegenüber  ist  es  nun  sehr 
auffällig,  dass  sowohl  die  mechanische  als  die  elek¬ 
trische  Erregbarkeit  überall,  auch  an  den  kleinen 
Handmxiskeln,  völlig  normal  ist. 

Bei  der  elektrischen  Prüfung,  gegen  welche  die  Kranke 
ziemlich  empfindlich  ist,  ti’eten,  auch  wenn  die  Elektrode  nicht 
in  der  Nähe  des  Oberarms  aufgesetzt  ist,  von  Zeit  zu  Zeit 
Streckungen  des  betreffenden  Armes  durch  ziem¬ 
lich  kräftige  Trizepskontraktionen  auf.  Auch  gibt  die  Kranke 
und  ihre  Pflegerin  an,  dass  auch  sonst,  beim  Umbetten  z.  B.  und 
bei  sonstigen  passiven  Bewegungen,  die  der  Kranken  schmerzhaft 


sind,  derartige  unwillkürliche  stärkere  Streck¬ 
ungen  der  Arme  auftreten.  Namentlich  sollen,  wenn 
die  Kranke  auf  der  Seite  liegt,  wobei  der  eine  Arm  einem  schmerz¬ 
haften  Druck  ausgesetzt  wird,  nicht  nur  derartige  Streckungen 
im  Ellbogengelenk,  sondern  auch  Bewegungen  an  den  sonst  ganz 
unbeweglichen  Fingern  sichtbar  werden. 

Offenbar  handelt  es  sich  dabei  um  reflektorische 
Muskelkontraktionen,  um  ein  schwaches  Analogon  der  in  früherer 
Zeit  an  den  Beinen  in  viel  stärkerer  Weise  vorhanden 
gewesenen  reflektorischen  Spasmen.  Dafür  spricht  es  auch,  dass 
man  auf  selbst  leichte  Nadelstiche,  auf  die  Hand 
oder  die  Finger  appliziert,  die  der  Kranken  sehr  schmerz¬ 
haft  sind,  den  M.  pectoralis  und  den  Trizeps  sich  etwas  zu¬ 
sammenziehen  sieht.  Tiefe  Reflexe  sind  am  Trizeps  des 
1.  Armes  auszulösen,  nicht  von  der  Handwurzel  aus,  rechts  gar 
nicht. 

Die  Sensibilität  lässt  mit  Ausnahme  des  r.  Fusses,  wo¬ 
selbst  namentlich  Schmerz-  und  Temperaturempfindlichkeit  herab¬ 
gesetzt  sind,  keine  nennenswerten  Störungen  nachweisen. 

Augenmuskelbewegungen,  Pupillen,  Augenhintergrund  er¬ 
geben  nichts  Abnormes.  Ebenso  ist  das  Gesichtsfeld  beiderseits 
normal. 

Würde  man  die  Kranke  in  diesem  Zustande  zuerst  sehen,  so 
könnte  die  leise,  langsame  Sprache,  die  schlaffe  Lähmung 
der  oberen  Extremitäten  mit  auffälliger  Atro¬ 
phie  der  Muskeln  an  ihnen  wie  am  Schultergürtel,  die 
spastische  Paraplegie  der  unteren  Körper¬ 
hälfte  an  ein  vorgerücktes  Stadium  der  „amyotrophischen 
Lateralsklerose“  denken  lassen.  Allein  bei  eingehender 
Untersuchung  ergibt  sich  sofort,  dass  keine  Artikulationsstörung, 
dass  überhaupt  keinerlei  „bulbäre“  Erscheinungen 
Arorhanden  sind  und  dass  die  Muskelatrophie  auch  an  den 
oberen  schlaffen  Muskelgebieten  nicht  den  Charakter  der  de- 
generativen  Atrophie  hat.  Die  elektrische  und  me¬ 
chanische  Erregbarkeit  dieser  Muskeln  verhält  sich  so,  dass 
von  einer  Beteiligung  der  Ganglienzellen  in 
den  grauen  Vorder  sä  ulen  des  Rückenmarks 
keine  Rede  sein  kann. 

Wenn  man,  wie  es  in  der  Klinik  der  Fall  gewesen  ist,  die 
Entwicklung  des  Krankheitsbildes  einigermassen  verfolgen  konnte, 
musste  das  allmähliche  Hinzutreten  einer  schlaffen  Lähmung  der 
oberen  zu  einer  mehr  und  mehr  sich  ausbildenden  spastischen 
Lähmung  der  unteren  Körperhälfte  zunächst  —  aber  eben  auch 
nur  bis  zur  Vornahme  der  elektrischen  Prüfung  —  den  Gedanken 
nahelegen,  dass  im  Verlauf  einer  von  unten  nach  oben 
langsam  fortschreitenden  Veränderung  im  obersten  Teil  des 
Rückenmarks  ein  Uebergang  derselben  von  dem  Seitenstrang  auf 
die  vordere  graue  Substanz  stattgefunden  haben  möchte.  Bei  dem 
Aufenthalt  der  Kranken  in  der  Klinik  im  Jahre  1S99  war,  trotz 
des  Fehlens  der  gewöhnlichsten  Erscheinungen  dieser  Affektion 
(Nystagmus,  Intentionstremor,  skandierende  Spi’ache),  auf  Grund 
der  Erfahrung,  dass  oft  schon  eine  durch  Jahre  als  reine  „Seiten¬ 
strangsklerose“  sich  äussernde  Rückenmarkserkrankung  schliess¬ 
lich  doch  als  „multiple  Herdsklerose“  sich  entpuppte, 
auch  an  diese  gedacht  worden.  Aber  die  weitere  Entwicklung 
bis  jetzt,  selbst  das  Hinzutreten  von  Erscheinungen,  die  zunächst 
auf  das  Halsmark  hindeuten,  hat  es  nicht  wahrscheinlich  gemacht, 
dass  es  sich  um  multiple  Sklerose  handelt.  Vielmehr  hat  die  ge¬ 
nauere  Untersuchung  der  gelähmten  oberen  Extremitäten  zu  einem 
Ergebnis  geführt,  das  eine  andere  Auffassung  dieses  Teiles  des 
Krankheitsbildes  nahelegt. 

Die  Lähmung  der  oberen  Extremitäten  verhält  sich  so  wie 
eine  „hysterische“  Lähmung,  also  nicht  wie  eine  Leitungs¬ 
unterbrechung,  sondern  wie  eine  Ausschaltung  von  Willens¬ 
impulsen.  Man  könnte  sich  vorstellen,  dass  die  hilflose  Kranke, 
die  seit  Jahren  von  anderen  bedient  werden  muss  und  die, 
namentlich  seitdem  sie  in  der  Kreispflegeanstalt  ist,  von  einem 
anderen  körperlich  rüstigen  Pflegling  dieser  Anstalt  mit  grosser 
Sorgfalt  und  Aufopferung  gepflegt  wird,  wofür  die  Heilung  eines 
bereits  vorhanden  gewesenen  Dekubitus  der  beste  Beweis  ist, 
sich  mehr  und  mehr  auch  der  Bewegungen  ent¬ 
wöhnt  hat,  welche  sie  unter  Aufwand  einer  ge¬ 
wissen  Energie  noch  auszuführen  im  stände  ge¬ 
wesen  wäre.  Möglich,  dass,  zu  allererst  im  Jahre  1899,  Par- 
ästhesien  in  den  Armen  die  Veranlassung  dazu  wurden,  dass  sie 
den  Gebrauch  der  Arme  einstellte,  gerade  wie  in  Fällen  „trau¬ 
matischer  Hysterie“  der  mit  dem  Trauma  verbundene  Schmerz 
und  weiterhin  die  Furcht  vor  diesem  es  ist,  was  die  Willens- 
impulse  hemmt  und  so  eine  motorische  Lähmung  hervorbringt. 
Wenn  derartiges  schon  bei  vorher  allem  Anschein  nach  völlig  Ge¬ 
sunden  eintreten  und  dadurch  befestigt  wei’den  kann,  dass  die 
Umgebung  dem  Betreffenden  jede  eigene  Tätigkeit  abnimmt,  um 
wieviel  leichter  und  rascher  kann  ein  solcher  Seelenzustand 
sich  bei  einer  vorher  schon  schwer  kranken  und  körperlich  und 
geistig  geschwächten  Person  ausbilden?  Dazu  enthält  die  An¬ 
amnese  noch  einige  Momente,  die  in  dieser  Richtung  vielleicht 
von  Bedeutung  sind.  In  ihrem  8.  Lebensjahr  konnte  die  Kranke 
einmal  4  Wochen  lang  nicht  gehen  und  stehen  und  im  12.  Lebens¬ 
jahr  verlor  sie  nach  einer  akuten  Krankheit  für  %  Jahr  Sprache 
und  Gehör.  Wir  wissen  ja  freilich  nicht,  welcher  Wert  diesen 
Jugenderinnerungen  der  Kranken  beizumessen  ist,  aber  eine  ge¬ 
wisse  Möglichkeit,  dass  es  sich  damals  um  sogen,  „hysterische“ 
Affektionen  handelte,  ist  doch  wohl  zuzugeben.  Ferner  scheint  im 
Jahre  1899  durch  energische  Behandlung  mittels  passiver  Be- 


9.  Dezember  1902. 


MTTEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2065 


wegungen  durch  einen  Masseur  eine  vorübergehende  Besserung 
der  Motilität  der  Arme  herbeigeführt  worden  zu  sein.  Die  ge¬ 
wöhnlichen  Anzeichen  des  hysterischen  Temperamentes  bietet  die 
Kranke  freilich  nicht  dar.  Sie  ist  weder  klagesüchtig.  noch  zu 
Uebertreibungen  geneigt,  noch  sucht  sie  sonstwie  die  Aufmerksam¬ 
keit  auf  ihre  Leiden  zu  lenken.  Ebenso  fehlen  hysterische  Stig¬ 
mata,  wie  Hemianästhesie,  Gesichtsfeldeinschränkung  u.  dergl. 
Sie  macht  jetzt  den  Eindruck  einer  ruhig  in  ihr  Schicksal  Er¬ 
gebenen.  die  zufrieden  ist,  wenn  sie  freundlich  bedient  wird  und 
wenn  ihr  erheblichere  Beschwerden,  namentlich  Nackenschmerzen, 
an  denen  sie  in  letzter  Zeit  häufig  leidet,  durch  ein  Schlafmittel! 
meist  Chloral,  gelindert  werden  und  ihr  ruhiger  Schlaf  verschafft 
wird.  Schon  im  Jahre  1892  machte  die  Kranke  den  Eindruck 
einer  geistig  wenig  regsamen,  schwächlichen  Frau.  Eine  solche 
wird  um  so  leichter  dazu  kommen,  sich  von  ihrer  Umgebung  so 
verwöhnen  zu  lassen,  dass  sie  sich  allmählich  auch  noch  ausführ¬ 
bare  Bewegungen  von  anderen  abnehmen  lässt. 

Der  gegenwärtige  Zustand  der  Kranken  lässt  also  wohl  kaum 
eine  andere  Deutung  zu,  als  dass  zu  einer  organisch 
bedingten,  auf  einer  Rückenmarkssklerose  beruhenden  P  a  r  a  - 
plegie  der  unteren  Körperhälfte  eine  funktio¬ 
nelle  sog.  „hysterische“  Lähmung  der  oberen  Ex¬ 
tremitäten  sich  hinzu  gesellt  hat. 

IV.  Chirurgische  Klinik  (Herr  Kraske). 

I.  Ein  Fall  von  Tetanus. 

IS  Jahre  alter  Mann  verletzte  sich  vor  3  Wochen,  bevor  er 
in  die  Klinik  kam,  am  Finger.  Wunde  bereits  vernarbt.  Am 
27.  VI.  Aufnahme  in  die  Klinik.  Sehr  beträchtliche  tetanische 
Kontraktionen  der  Kaumuskeln,  der  Muskeln  der  Extremitäten 
und  besonders  der  Bauchmuskeln.  Sehr  charakteristischer  lächeln¬ 
der  Gesichtsausdruck  (Risus  sardonicus).  Am  Tage  der  Aufnahme 
wurden  1000  I.-E.  des  Tetanusserums  injiziert,  am  2.  Tage  noch 
einmal  dieselbe  Dosis.  Der  Verlauf  war  ein  leichter!  Kein 
Fieber,  keine  stärkeren  Krämpfe. 

II.  Fall  von  Syringomyelie  im  Lendenmark. 

Sch.,  25  Jahre  alt,  bekam  vor  10  Jahren  eigentümliche  krank¬ 
hafte  Veränderungen  im  linken  Fuss.  Am  Mittelf uss  und  an  den 
Zehen  brachen  mehrfache  Fisteln  auf,  die  sehr  starke  Schrumpf¬ 
ungen  und  Gestaltsveränderungen  des  Fusses  hervorriefen.  Das 
Fussgelenk  war  völlig  schlotternd;  im  Jahre  1894  wurde  bei  dem 
Tat.  die  Tenotomie  der  Achillessehne  ausgeführt.  Pat.  hatte  am 
linken  Unterschenkel  eine  fast  völlige  Analgesie;  der  Muskelsinn 
und  der  Temperatursinn  waren  völlig  aufgehoben.  Da  Pat.  gar 
nicht  auftreten  konnte,  wurde  die  Pirogoff  sehe  Amputation 
ausgeführt.  Ungewöhnlich  an  diesem  Fall  ist  der  Umstand,  dass 
an  den  oberen  Extremitäten  keinerlei  Störungen  vorhanden  waren, 
der  Sitz  der  Erkrankung  also  ausschliesslich  das  Lendenmark 
betraf. 

III.  Ein  Fall  einer  Luxatio  sub  talo  nach  innen. 

,  Ein  54  Jahre  alter  Mann  glitt  auf  der  Treppe  aus.  Hoch¬ 
gradige  Supinationsstellung  (Klumpfusstellung).  Am  inneren 
Fussrande  sprang  die  Tuberositas  ossis  navicularis  stark  vor. 
Malleolus  internus  kaum  zu  fühlen,  dagegen  war  der  Malleolus 
externus  sehr  deutlich  fühlbar,  ebenso  das  Sustentaculum  tali. 
Nach  vorn  und  innen  vom  Malleolus  externus  war  der  Kopf  des 
Talus  durch  die  Haut  fühlbar.  Keine  Knoclienabsprengung.  Un¬ 
blutige  Einrenkung  unmöglich.  Daher  wird  die  blutige  Einrenkung 
von  2  seitlichen  Schnitten  aus  vorgenommen,  wobei  die  Reposition 
leicht  gelang. 

IV.  Fall  von  Riesenzellensarkom  am  Knie. 

Ueber  der  linken  Kniescheibe  eine  sehr  grosse  ulzerierte  Ge¬ 
schwulst.  Es  gelang,  den  Tumor  ohne  Eröffnung  des  Gelenkes 
zu  entfernen.  Heilungsverlauf  war  gut.  Es  trat  kein  Rezidiv  ein; 
die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  auch  das  Vorhandensein 
eines  verhältnismässig  gutartigen  Tumors,  eines  Riesenzellen¬ 
sarkoms,  das  höchst  wahrscheinlich  nicht  vom  Knochen,  sondern 
vom  Schleimbeutel  ausgegangen  war.  Es  blieb  ein  über  handteller¬ 
grosser  Defekt  über  dem  linken  Kniegelenk  zurück.  Von  einer 
Bedeckung  desselben  mittels  der  Thiers ch sehen  Transplantation 
war  nicht  ATiel  zu  erhoffen,  da  diese  Hautpartie  bei  jeder  Be- 
wegung  des  Kniees  stark  gezerrt  und  insultiert  wurde.  Es  wurde 
deshalb  ein  Hautlappen  gebildet,  der  aber  nicht  aus  der  nächsten 
Umgebung  gewonnen  werden  konnte,  sondern  aus  der  rechten 
V  ade  gebildet  wurde.  Der  Lappen  wurde  mit  seinem  Stamm 
an  der  Wade  belassen,  mit  der  anderen  Seite  auf  den  Rand  des 
Defektes  genäht  und  die  Beine  in  gekreuzter  Stellung  eingegipst. 
Nach  11  Tagen  Loslösung  des  Lappens  und  Trennung  des  Gips¬ 
verbandes.  Der  Lappen  ist  gut  angeheilt. 

V.  Fall  eines  Karzinoms  der  Flexura  sigmoidea. 

50  Jahre  alter  Mann.  Allmählich  zunehmende  Verstopfung. 
Vom  Rektum  her  nichts  zu  fühlen,  von  oben  dagegen  in  der  Linea 
innominata  ein  Tumor.  Am  14.  II.  1902  Operation.  Schnitt  parallel 
zum  Ligam.  Pouparti;  man  findet  nicht,  wie  vermutet,  einen 
kleinen,  strikturierenden,  sondern  einen  grossen  Tumor  am  un¬ 
teren  Ende  der  Flexura  sigmoidea,  der  mit  der  Blase  und  dem 
Peritoneum  parietale  ziemlich  fest  verwachsen  ist.  Unterbindung 
der  Gefässtämme  und  Exstirpation  der  Drüsen.  Dann  Resektion 
<h‘s  ringsum  gelösten  Darmes.  Es  bildet  sich  eine  Fistel  aus.  Bei 
Entlassung  des  Pat.  tritt  ein  Teil  des  Stuhlganges  in  den  unteren 
Darmabschnitt  ein.  Es  verengert  sich  die  Darmöffnung  des  peri¬ 
pheren  Darmabschnittes  in  der  Fistel.  Am  12.  V.  abermalige  Ope¬ 
ration:  Freilegung  beider  Darmenden,  welche  vielfach  mit  Dünn¬ 
darmschlingen  verwachsen  sind.  Das  obere  Darmende  wird  mit 


niehtgeknüpften,  ringsum  gelegten  Zügeln  in  das  untere  Darm¬ 
stück  hineingezogen  und  durch  äussere  Seidennähte  fixiert.  Schon 
am  5.  Tag  geht  Stuhl  ab.  Seitdem  stets  Stuhl  auf  normalem  Wege. 

VI.  Im  Anschluss  an  diesen  Fall  spricht  Herr  Kraske 
über  die  Erfolge  der  Mastdarmkarzinomoperation. 

Vorstellung  eines  vor  4  Wochen  operierten  und  eines  vor 
5*4  Jahren  operierten  Patienten.  Letzterer  ist  ohne  Rezidiv  und 
hat  vollkommen  normal  funktionierenden  Sphinkter.  Kr.  bespricht 
die  Frage  der  Dauerheilung.  Der  Termin,  von  dem  ab  man  einen 
Kranken  als  radikal  geheilt,  betrachten  kann,  darf  nicht  zu  kurz 
nach  der  Operation  gesetzt  werden.  Wenn  auch  die  meisten  Re¬ 
zidive  schon  im  Verlaufe  des  ersten  Jahres  auftreten,  so  können 
sie  doch  auch  noch  im  zweiten  und  im  dritten  Jahre,  ja  noch  später 
kommen.  Von  den  von  Kr.  operierten  Kranken  (etwa  180)  sind 
ausser  dem  vorgestellten  Falle  wohl  als  radikal  geheilt  zu  be¬ 
trachten  noch  8  Kranke,  die  6,  C>y4,  6y>,  6%,  7%,  8,  8y>  und 
11  Vs  Jahre  nach  der  Operation  rezidivfrei  leben.  Wenn  man  be¬ 
rücksichtigt,  dass  ausserdem  eine  grössere  Zahl  von  Kranken 
2—3  Jahre  nach  der  Operation  noch  rezidivfrei  leben  und  dass 
weiter  eine  Anzahl  Kranker  ohne  Rezidiv  an  anderweitigen  Er¬ 
krankungen  gestorben  sind,  so  muss  man  anerkennen,  dass  die 
Erfolge  der  Operation  des  Mastdarmkrebses  nicht  schlecht  sind. 
Aber  sie  müssen  und  können  noch  viel  besser  werden,  wenn  die 
Diagnose  noch  früher  gestellt  würde.  Hauptsächlich  sind  die 
Patienten  selbst  an  diesem  Mangel  schuld;  die  meisten  Patienten 
kommen  erst  Adel  zu  spät  zum  Arzt;  sie  beruhigen  sich  im  An¬ 
fangsstadium  ihres  Leidens  so  sehr  oft  mit  der  Diagnose  „Hämor¬ 
rhoiden“.  Es  kann  nicht  dringend  genug  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  bei  jedem  solchen  „Hämorrhoidalleiden“  eine  Di¬ 
gitaluntersuchung  vorgenommen  wird.  Durch  die  Frühoperation 
können  die  Dauerresultate  erheblich  verbessert  werden. 

B.  Vorträge  im  Hörsaal  der  Anatomie. 

I.  Herr  Fritschi:  Referat  über  den  diesjährigen 
Deutschen  Aerztetag. 

II.  Herr  Thomas  berichtet  über  einen  Fall  von  Trio- 
nalismus,  Avelehen  er  allerdings  nicht  selbst  beobachtet  hat, 
der  ihm  jedoch  durch  die  behandelnden  Aerzte,  die  Herren  Sanitäts¬ 
rat  Dr.  Senftleben,  Geheimrat  Prof.  Dr.  Käst  und  Geheim¬ 
rat  Prof.  Dr.  P  o  n  f  i  c  k,  genau  bekannt  geworden  ist.  Derselbe 
betraf  eine  ihm  verwandte  30  jähr.  Dame,  welche  schwer  er¬ 
krankte,  nachdem  sie  an  3  aufeinander  folgenden  Abenden  je 
1.0  Trional  genommen  gehabt  hatte,  und  ihrem  Leiden  am  26.  Tage 
nach  dem  Einnehmen  der  ersten  Dose  erlag.  Nach  Ansicht  der 
behandelnden  Aerzte.  welche  vom  Vortragenden  geteilt  und  Aror 
der  Versammlung  begründet  Avird,  stimmt  das  Krankheitsbild  mit 
demjenigen  überein,  Avelehes  bei  schwerer  und  tödlicher  Sulfonal- 
oder  Trionalvergiftung  beobachtet  zu  werden  pflegt. 

Die  Krankengesichte  ist  in  Kürze  folgende:  L.  H.  ist  nie  ernst¬ 
lich  krank  gewesen ;  sie  war  kräftig,  gut  genährt,  ein  wenig  blut¬ 
arm.  Schlafmittel  hat  sie  nur  ganz  selten  in  geringen  Dosen,  nie¬ 
mals  Sulfonal  oder  Trional  genommen.  Nach  ihrer  Ankunft  in 
Breslau,  wohin  sie  ganz  gesund  von  Bremen  gereist  war,  klagte 
sie  anderen  Tages  über  schlechten  Schlaf;  es  wurde  ihr  vom  Arzt 
verordnet,  dass  sie  an  4  aufeinander  folgenden  Abenden  je 
1,0  Trional  nehmen  solle.  Da  sie  nach  dem  dritten  Pulver  gut 
geschlafen  hatte,  ist  das  vierte  zurückgeblieben  und  dadurch  kon¬ 
statiert  Avorden,  dass  sie  wirklich  Trional  genommen  hat.  Nach 
gutem  Befinden  erkrankte  sie  am  6.  Tage  nach  Einnehmen  der 
ersten  Dosis  — -  also  am  4.  nach  Einnehmen  der  dritten  —  mit 
heftigem  Kopfweh  und  unbehaglichen  Empfindungen  im  Leib, 
Avelclie  zunächst  auf  die  bestehende  Verstopfung  bezogen,  trotz 
Behandlung  derselben  aber  ATon  immer  heftigeren  Leibschmerzen 
gefolgt  Avurden.  Am  9.  Tage  hatten  sie  den  Charakter  stärkster 
Kolik,  waren  von  Erbrechen  begleitet  und  erforderten  Morphium¬ 
injektionen,  Avelche  einige  Besserung  brachten;  indessen  kehlten 
sie  immer  und  immer  wieder  zurück.  Vom  14.  Tage  an  traten 
dazu  noch  Parese  der  Extremitäten  und  lähmungsartige  Schwäche 
des  ganzen  Körpers  ein,  bald  auch  Krämpfe,  zumal  der  Gesichts¬ 
muskeln,  Gesichts-  und  Gehörshalluzinationen,  verkehrte  Vor¬ 
stellungen;  das  Bewusstsein  blieb  aber  im  wesentlichen  erhalten. 
Am  23.  Tage  wurde  der  Puls  beschleunigt,  am  24.  die  Atmung  er- 
schAvert,  Cyanose  und  Trachealrasseln  erschienen,  die  Schwäche 
Avurde  immer  stärker,  es  kamen  Fieberbewegungen  und  so  erfolgte 
der  Tod  am  26.  Tage  nach  dem  Einnehmen  des  ersten  Trional- 
pulvers.  Vom  Beginn  der  ärztlichen  Beobachtung  an  zeigte  der 
Harn  eine  eigentümliche  burgunderrote  ziemlich  dunkle  Färbung 
mit  rötlichem  Schaum,  dabei  war  er  frei  A’on  Blut,  EiAveiss  und 
Zucker,  enthielt  aber  beträchtliche  Mengen  von  Azeton  und  Azet- 
essigsäure.  Diese  Rotfärbung  stellte  sich  als  durch  Hämato- 
porphyrin  bedingt  heraus  und  verschwand  bis  zum  Tode  nicht 
AAdeder.  ■  i  1  :  ' 

Die  von  Herrn  Professor  Ponf ick  ausgeführte  Sektion  er¬ 
gab  nur  Hypostase  und  beginnende  seröse  Pneumonie.  In  den 
Nieren  bestand  teilweise  Hämoglobin-Nephritis,  im  Blut  posthumer 
Zerfall  der  Erythroeyten.  Alle  übrigen  Organe,  insbesondere  Herz 
und  Gehirn,  in  tadellosem  Zustande. 

Eine  in  den  letzten  Tagen  des  Lebens  in  der  medizinischen 
Klinik  zu  Breslau  ausgeführte  Blutuntersuchung  hatte  normale 
Verhältnisse  gezeigt. 

Das  Krankheitsbild  ist  Avesentlieh  dasjenige  der  Sulfonal- 
oder  Trionalvergiftung,  insbesondere  durch  die  konstante  An¬ 
wesenheit  reichlicher  Mengen  von  Hämatoporphyrin  im  Harn, 
einer  Substanz,  welche  im  höchsten  Masse  für  die  betreffende 


2066 


MTTENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Intoxikation  charakteristisch  ist.  Salkowski  fand  im  Inter 
Sulfonalharn  870  mg,  während  im  Fieberharn  nur  0,7  mg  nach¬ 
gewiesen  werden  konnten.  Aber  auch  die  übrigen  Symptome  des 
Trionalismus  waren  hier  vorhanden:  Kopfweh,  Benommenheit, 
enorme  Mattigkeit,  Erbrechen,  heftigste  Koliken,  Dyspnoe,  Angst¬ 
gefühl.  partielle  Krämpfe,  Unruhe,  Halluzinationen,  Delirien,  Auf¬ 
regungszustände,  schliesslich  Herzschwäche  und  erschwerte 
Atmung.  Und  zwar  war  auch  die  Aufeinanderfolge  dieser  Erschei¬ 
nungen  die  gleiche  wie  in  dem  oft  beschriebenen  Krankheitsbilde. 

Einzig  und  allein  anders  war  hier  nur  der  Verlauf,  welcher 
ausserordentlich  gedehnt  war,  sowie  die  geringe  Menge  des  Trio- 
nal,  durch  welche  übrigens  die  Verzögerung  des  Erscheinens  und 
des  Ablaufes  der  Krankheitssymptome  am  besten  erklärt  werden 
könnte.  Hierzu  kam  noch  die  von  vornherein  bestehende  Ver¬ 
stopfung;  bei  der  Trägheit  der  Verdauung  gelangte  das  durch 
Speisen  vermutlich  beträchtlich  eingehüllte,  schwer  lösliche  Gift 
nur  sehr  langsam  in  den  Kreislauf,  rief  so  erst  spät  die  charakte¬ 
ristischen  Symptome  hervor,  tötete  aber  trotzdem  bei  der  vor¬ 
handenen  Idiosynkrasie.  Wäre  das  Mittel  rasch  resorbiert  worden, 
so  hätte  sich  die  individuelle  Nichtbekömmlichkeit  vielleicht  schon 
gleich  nach  dem  Einnehmen  des  ersten  Pulvers  gezeigt  und  es  wäre 
dann  weitere  Zufuhr  unterblieben;  hier  täuschte  aber  die  Nicht¬ 
resorption  gute  Bekömmlichkeit,  aber  ungenügende  Wirkung  der 
bis  dahin  genommenen  Dose  vor,  und  so  kam  es  zu  der  verderb¬ 
lichen  Anhäufung  einer  absolut  freilich  sehr  massigen,  relativ  aber 
—  der  Idiosynkrasie  wegen  —  sehr  beträchtlichen  Menge  des 
Mittels  im  Körper  des  Kranken. 

Dass  unter  solchen  Umständen  die  erst  spät  eingeleitete 
Therapie  nichts  auszurichten  vermochte,  ist  leicht  erklärlich.  Wir 
werden  daher  in  Zukunft  damit  rechnen  müssen,  dass  selbst  ge¬ 
ringe  Trionaldosen  Vergiftungserseheinungen  herbeizuführen  ver¬ 
mögen,  und  deshalb  genau  die  Wirkung  der  zuerst  gereichten 
kleinen  Dose  zu  beobachten  haben,  ehe  wir,  erst  nach  mehreren 
Tagen,  die  zweite  geben.  Sobald  aber  der  Harn  die  charakte¬ 
ristische  Hämatoporphyrinfärbung  zu  zeigen  beginnt,  werden  wir 
mit  Darreichung  des  Trional  überhaupt  aufhören,  und  seine  schleu¬ 
nigste  Elimination  auf  allen  Wegen  herbeiführen  müssen. 

III.  Herr  Baas:  Ueber  Paracelsus  und  seine  Reformation. 
(Der  Vortrag  ist  in  No.  46  dieser  Wochenschrift  erschienen.) 

IV.  Herr  Schüle:  a)  Demonstration  des  Hämoglobino¬ 
meters  von  Sahli  und  des  Hämatophotographen  von  Gärtner. 
Der  Apparat  von  Sahli  hat  sich  nach  den  Untersuchungen, 
welche  Herr  Wedekind1)  auf  Veranlassung  des  Vortragenden 
ausführte,  vollständig  bewährt.  Die  Genauigkeit  der  Ablesungen 
erwies  sich  bei  verschiedenen  Kontrollösungen  von  Blut  als  sehr 
befriedigend.  Auch  mit  dem  Instrument  von  Gärtner  lassen 
sich  gute  Resultate  erzielen,  indes  ist  die  Handhabung  des  Hämato¬ 
photographen  doch  etwas  diffizil  und  umständlich,  so  dass  Vor¬ 
tragender  für  die  Praxis  nur  den  Apparat  von  Sahli  empfiehlt, 
welcher  den  anderen  Hämoglobinometern,  speziell  dem  von 
G  o  w  e  r  s  vorzuziehen  ist. 

b)  Zur  Bestimmung  der  motorischen  Funktion  des  Magens. 

Vortragender  bespricht  eine  von  ihm  früher  publizierte 

Methode  für  die  Bestimmung  der  Magenmotilität.  Das  Verfahren 
(Ausspülung  des  Magens  nach  bestimmter  Probemahlzeit  und 
Wägen  des  getrockneten  Rückstandes)  hat  für  den  Praktiker  den 
Vorteil,  dass  man  die  Untersuchung  auf  Sekretion  und  Motilität 
mittels  einer  einmaligen  Sondeneinführung  erledigen  kann. 

c)  Alsdann  demonstriert  Vortragender  noch  das  Präparat 
eines  hochgradig  geschrumpften,  karzinomatös  degenerierten 
Magens,  und  weist  auf  die  interessante  Tatsache  hin,  dass  trotz 
der  hochgradigen  Erkrankung  des  Organs  i.  vitam  keine  nennens¬ 
werte  Motilitätsstörung  bestanden  hatte. 

Es  stimmt  diese  Beobachtung  sehr  gut  mit  der  von  Schüle 
schon  früher  ausgesprochenen  Behauptung  überein,  dass  Magen¬ 
karzinome  auch  in  den  vorgeschrittensten  Stadien  keine  besondere 
motorische  Insuffizienz  verursachen,  sofern  nur  der  Pylorus  frei 
geblieben  ist. 

V.  Herr  Rumpf:  Ueber  die  Anstaltsbehandlung  Lungen- 
kranker  aus  der  versicherten  Bevölkerung.  (Erscheint  in  extenso 
in  den  Aerztl.  Mitteilungen  aus  u.  für  Baden.) 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  26.  November  1902. 

Tagesordnung : 

Herr  v.  Hansemann:  Demonstration  des  Vogelkopf¬ 
menschen. 

Vorstellung  eines  21  jährigen  Zwerges  mit  kleinem,  vogelkopf- 
ähnlichem  Kopfe.  Im  Anschluss  daran  bespricht  Vortragender 
die  möglichen  Ursachen  des  Zwergwuchses. 

Herr  Kraus:  Ueber  Aneurysma  des  rechten  Sinus  Val- 
salvae  aortae. 

Vortragender  hat  in  Graz  einen  Fall  dieser  überaus  seltenen 
Affektion  beobachtet. 

Ein  junger  Mann,  der  bis  dahin  gesund  war,  verspürte  beim 
Militär  beim  Heben  eines  schweren  Geschützteiles  einen  ohnmacht¬ 
ähnlichen  Schwächeanfall.  Von  da  ab  ist  er  ernstlich  erkrankt 


*)  Genauere  Mitteilungen  werden  a.  a.  O.  durch  Herrn 
W  e  d  •  k  i  n  d,  prakt.  Arzt,  erfolgen. 


und  es  bleibt  eine  Schwäche  des  Herzens  (Hyposystolie)  mit  ihren 
Folgen,  venöser  Stauung,  Oedem,  zurück.  Pulsus  celer  von  massi¬ 
ger  Höhe;  in  der  Mitte  des  Herzens  ein  lautes  Geräusch,  welches 
den  grössten  Teil  beider  Herzmomente  einnahm,  Fremissement 
und  ein  diastolisches  Geräusch  an  der  für  die  Aorteninsuffizienz 
typischen  Stelle.  Im  27.  Lebensjahre  Tod. 

Es  war  bezüglich  der  Diagnose  an  ein  traumatisches 
Aneurysma  gedacht  worden,  doch  nicht  gerade  an  ein  solches  des 
Sinus  Valsalvae. 

Die  Sektion  ergab  ein  vom  rechten  Sinus  Valsalvae 
aortae  in  die  rechte  Herzkammer  hineinragendes  (etwa  haselnuss¬ 
grosses)  Aneurysma,  mit  frischer  Ruptur,  ausserdem  eine  Fistel, 
welche  unterhalb  des  Klappenfestons  vom  linken  in  den  rechten 
Ventrikel  führt. 

Epikritisch  betrachtet  Vortragender  die  Fistel  mit 
ihrem  narbigen  Rande  als  Ursache  des  ersten  Ohnmachtsanf  alles ; 
sie  sei  zu  stände  gekommen  auf  einem  durch  Endokarditis  und 
Myokarditis  veränderten  Grunde.  Letztere  Affektion  führte  auch 
zur  Bildung  des  Aneurysmas,  das  wie  alle  derartigen  Aneurysmen 
zur  Ruptur  kam. 

Diskussion  zumVortrage  des  Herrn  Müller¬ 
heim  (Schluss).  Hans  K  o  h  n. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  November  1902. 

Herr  v.  Leyden  begrüsst  das  zum  ersten  Male  anwesende 
Mitglied  Herrn  Kraus  und  schlägt  vor,  denselben  an  Stelle  des 
verstorbenen  Herrn  Gerhardt  zum  stellvertretenden  Vor¬ 
sitzenden  per  Akklamation  zu  wählen.  Es  erhebt  sich  kein  Wider¬ 
spruch,  Herr  Kr.  ist  somit  gewählt. 

Herr  v.  P  o  e  h  1  aus  St.  Petersburg  a.  G. :  Ueber  die  Rolle 
der  Katalysatoren  des  Organismus  im  allgemeinen  und  über 
Spermin,  Cerebrin  und  Adrenalin  im  besonderen. 

Die  Rolle  der  Katalysatoren  besteht  nach  O  s  t  w  a  1  d  darin, 
eine  chemische  Reaktion  in  ihrem  zeitlichen  Verlaufe  zu  beein¬ 
flussen,  entweder  positiv,  d.  h.  sie  zu  beschleunigen  oder  negativ, 
d.  h.  sie  zu  verlangsamen.  Der  Katalysator  bleibt  dabei  unver¬ 
ändert  und  wird  nicht  verbraucht.  Von  solchen  katalytischen 
Wirkungen  macht  die  chemische  Technik  Gebrauch  und  solche 
spielen  auch  im  Organismus  eine  Rolle  (Diastasewirkung,  Pepsin¬ 
wirkung).  Auch  die  Wirkung  des  Sauerstoffs  im  Organismus 
sei  ohne  Hinzutreten  eines  Katalysators  nicht  zu  verstehen,  da 
die  Temperatur  zu  seiner  Bindung  sonst  zu  niedrig  wäre.  Es 
war  auch  schon  das  Bestreben  der  Physiologen,  eine  Oxydase  dar¬ 
zustellen;  das  Hystosin  und  Muskulamin  stellen  die  proble¬ 
matischen  Resultate  solcher  Bemühungen  dar. 

Auch  das  Spermin  des  Vortragenden  sei  ein  solcher  Kata¬ 
lysator,  der  eine  Beschleunigung  chemischer  Prozesse  be¬ 
wirkt.  Beispiel:  das  Leuchten  der  meerleuchtenden  Bazillen. 
Das  Leuchten  ist  ein  Lebensvorgang,  der  durch  Cyankalizusatz 
aufgehoben  werden  kann ;  setzt  man  dann  Spermin  zu,  so  wird  die 
negative  katalytische  Wirkung  des  Cyankalis  aufgehoben  und  die 
Bazillen  leuchten  wieder  (Fürst,  Tarchanoff).  Die  zu¬ 
zusetzenden  Mengen  sind  ausserordentlich  gering,  aber  immer 
noch  messbare  Grössen,  so  dass  die  Homöopathen  diese  Dinge 
nicht  für  sich  in  Beschlag  nehmen  können. 

Ein  solcher  Katalysator  sei  ferner  das  Hämoglobin;  es 
wirke  auf  die  Blutatmung,  das  Spermin  auf  die  Gewebs¬ 
atmung. 

Fernerhin  finden  sich  Katalysatoren  in  den  Leuko- 
mainen  der  Nerven  Substanz,  z.  B.  das  Cerebrin; 
in  Mengen  von  0,00002  g  sei  es  im  stände,  den  Z  uelz  er  sehen 
Koeffizienten  zu  erhöhen  und  auf  Neurastheniker  etc.  günstig 
einzuwirken.  f 

Ein  weiterer  Katalysator  sei  das  Thyreoidin;  ferner 
das  Epinephrin,  Suprarenin  und  das  Adrenalin. 

Das  letztere  habe  er  studiert  und  gefunden,  dass  es  noch  in 
Verdünnung  von  1:1000  000  ein  sehr  energischer  Katalysator 
sei,  und  zwar  für  die  Reduktionsprozesse  (im  Gegensatz 
zum  Spermin). 

Injiziert  man  davon  6  mg  einem  Kaninchen,  so  tritt  Gly- 
kosurie  auf,  was  Vortragender  als  Steigerung  der  Reduktion  be¬ 
trachtet. 

Diskussion:  Herren  Senator,  Mamlick,  B  i  a  1. 

Hans  K  o  U  n. 


9.  Dezember  1902. 


MUEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2067 


Gesellschaft  der  Charite-Aerzte  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  27.  November  1902. 

1.  Herr  Krebs:  Vorstellung  eines  Falles  von  Torticollis 
spastica. 

2.  Herr  B.  Fraenkel:  Krankenvorstellungen. 

a)  Einer  38  jährigen  Frau  mit  rechtsseitiger  Schulter-,  Gau¬ 
men-  und  Kehlkopflähmung  ohne  nachweisbare  Ursache:  Atrophie 
des  Sternokleidomastoideus  und  Kukullaris  mit  partieller  Ent¬ 
artungsreaktion,  Schiefstellung  der  Rima  glottidis  infolge  Läh¬ 
mung  der  rechten  Stimmlippe  und  des  Zungenbeins.  Heiserkeit 
besteht  nicht.  Sensibilität  des  Kehlkopfes  bei  Berührung  nicht 
gestört.  Beschleunigung  des  Pulses.  Es  wird  eine  Schädigung 
des  Vagus  und  Accessorius  in  der  Gegend  des  Foramen  jugulare 
angenommen. 

Diskussion:  Herr  Remak  berichtet  über  2  ähnliche 
Fälle  und  macht  auf  die  Bedeutung  der  Untersuchung  des  Schluck¬ 
phänomens  nach  galvanischer  Reizung  einer  Seite  für  die  Prüfung 
der  Sensibilität  des  Kehlkopfs  aufmerksam. 

b)  Einer  Frau  mit  doppelseitiger  Postikuslähmung,  für 
welche  eine  doppelte  Entstehungsmüglichkeit  gegeben  ist,  denn 
einmal  batte  die  Untersuchung  mit  Röntgenstrahlen  mit  Wahr¬ 
scheinlichkeit  das  Vorhandensein  eines  intrathorakalen  Tumors  er¬ 
geben  und  andrerseits  weisen  fibrilläre  Zuckungen  in  der  Zungen- 
und  Gaumenmuskulatur  und  das  zeitweise  Auftreten  von  Glottis¬ 
krämpfen  auf  einen  zentralen  Prozess  hin.  Die  Kranke  hat  eine 
Infektion  mit  Lues  durchgemacht. 

3.  Herr  Burchardt:  Bemerkungen  zur  operativen  Be¬ 
handlung  der  Stimhöhleneiterungen.  Vortr.  bespricht  die  ver¬ 
schiedenen  zur  Behandlung  des  chronischen  Empyems  vorgeschla¬ 
genen  Operationsmethoden  und  empfiehlt  bei  kleinen  Stirnhöhlen¬ 
eiterungen  die  einfache  Verödung,  während  er  die  eingreifenderen 
und  die  osteoplastischen  Methoden  nur  bei  schweren  Fällen  an¬ 
gezeigt  hält.  Vorstellung  operierter  Fälle. 

Diskussion:  Herr  Pas  so  w  tritt  für  die  Kilian  sehe 
Methode  ein. 

4.  Herr  M  e  y  e  r:  a)  zeigt  einen  von  ihm  angegebenen  Apparat 
zur  photographischen  Aufnahme  und  zur  Demonstration  des 
Kehlkopf  bildes;  b)  stellt  eine  Frau  mit  rhythmischen,  sehr 
schnellen  fibrillären  Zuckungen  in  der  Zunge,  der  rechten  Hälfte 
des  Velurn  palatinum,  der  Pharynxmuskulatur  und  der  rechten 
Stimmlippe  vor,  die  bei  Bewegungen  aufhören.  Diese  Reizerschei- 
nungen  infolge  Druckes  auf  den  Accessorius  und  Vagus  stützen  die 
Diagnose  auf  Tumor  cerebelli. 

Diskussion  Herr  Henneberg  hat  ähnliche  Zuckungen 
bei  2  Fällen  von  Grosshirnerkrankungen  gesehen. 

5.  Herr  Alexander:  Säurefeste  Bazillen  im  Ozaena- 
sekret. 

Vortragender  hat  im  Sekret  unter  den  derben,  trockenen 
Krusten  in  der  Nasenhöhle  massenhaft  Bazillen  von  dem  färbe¬ 
rischen  Verhalten  der  Tuberkelbazillen  gefunden,  die  er  in  den 
emulgierten  Borken  anreichern  konnte,  während  bei  den  Kranken 
keine  Zeichen  tuberkulöser  Erkrankung  nachweisbar  waren.  Er 
macht  auf  die  Bedeutung  der  Bazillen  in  den  Borken  bei  Ozaena 
für  die  Sputumdiagnose  der  Lungentuberkulose  aufmerksam. 

_  6-  Herr  Finder:  Demonstration  von  Präparaten  von  ver¬ 
schiedenen  Larynxerkrankungen. 

K.  Brandenburg  -  Berlin. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Schmaltz. 

Herr  Richard  Hoffmann  demonstriert  vor  der  Tages¬ 
ordnung  ein  Mädchen  mit  Cholesteatom  des  rechten  Ohres,  dem 
wegen  heftigen  Schwindels,  Nystagmus  bei  schwarz  durchschei¬ 
nendem  Lumen  am  horizontalen  Bogengang  vom  vorderen 
Schenkel  dieses  aus  der  Vorhof  freigelegt  wurde.  Heilung. 

Herr  Wert  her:  Ueber  eine  Schulepidemie  von  Herpes 
tonsurans  und  die  Kultur  des  Trichophyton. 

Herr  Fritz  Schanz:  Die  Augenentzündung  der  Neu¬ 
geborenen  und  der  Gonokokkus. 

1.  Es  gibt  Augenentzündungen  der  Neuge¬ 
borenen,  welche  unter  dem  Bilde  der  vollkom¬ 
menen  typischen  Blennorrhoe  verlaufen  und 
bei  denen  trotz  sorgfältigster  Untersuchung 
der  Gonokokkus  nicht  gefunden  wird. 

2.  Ausser  dem  Gonokokkus  soll  noch  eine 
ganze  Reihe  anderer  Mikroorganismen  im 
Stande  sein,  das  typische  Bild  der  Ophthalmo¬ 
blennorrhoe  der  Neugeborenen  zu  erzeugen. 

Das  sind  die  Ergebnisse  der  neuesten  Untersuchungen  über 
die  Augenentzündung  der  Neugeborenen.  Als  der  Gonokokkus 
noch  um  seine  Anerkennung  rang,  war  eine  der  Hauptstützen  für 
seine  Pathogenität,  dass  er  auch  „absolut  konstant“  bei  der  Oph¬ 


thalmoblennorrhoe  gefunden  wurde.  Diese  Behauptung  hat  sich 
jetzt  als  irrig  herausgestellt.  Wenn  man  jetzt  behauptet,  dass 
ausser  dem  Gonokokkus  noch  eine  Anzahl  anderer  Mikroorganis¬ 
men  Ophthalmoblennorrhoe  erzeugen  könne,  so  steht  dies  im 
Widerspruch  mit  den  Befunden  beim  Harnröhrentripper,  bei  dem 
nach  F  i  n  g  e  r  der  strikte  Beweis  erbracht  ist,  dass  die  akute 
Blennorrhoe  ausschliesslich  durch  den  Gonokokkus  er¬ 
zeugt  wird. 

Schanz  ist  der  Ansicht,  dass  jetzt,  wo  sich  diese  Behauptung 
von  der  „absoluten  Konstanz“'  als  irrig  erwiesen,  wo  sich  Wider¬ 
sprüche  zwischen  Harnröhren-  und  Augentripper  herausgestellt 
haben,  auch  die  übrigen  Fragen  bei  der  Ophthalmoblennorrhoe 
der  Nachprüfung  bedürfen.  Er  wirft  die  Frage  auf,  ob  der  Gono¬ 
kokkus  durch  die  ihm  beigelegten  morphologischen  und  kul¬ 
turellen  Eigenschaften  nicht  künstlich  begrenzt  worden  ist.  So 
hat  man  im  Bindehautsack  Mikroorganismen  gefunden,  die  in 
allem  dem  Gonokokkus  gleichen,  aber  auf  Löffler  schem 
Serum  angehen,  grössere  Lebensdauer  und  grössere  Resistenz 
Temperaturunterschieden  gegenüber  besitzen,  als  dies  von  den 
Gonokokken  angegeben  war.  Man  hat  diese  Mikroorganismen 
eben  wegen  dieser  Wachtumsunterschiede  als  andersartige  Mikro¬ 
organismen  den  Gonokokken  gegenübergestellt  und  als  Pseudo¬ 
gonokokken  bezeichnet.  Auch  nach  dem  damaligen  Stand 
unseres  Wissens  war  eine  solche  Trennung  nicht  berechtigt, 
wussten  wir  doch  schon  damals  von  einer  ganzen  Reihe  von  Bak¬ 
terien,  dass  sie  in  gewissen  Grenzen  variieren,  wussten  wir  doch 
schon  lange,  dass  Gonokokken,  wenn  sie  längere  Zeit  auf  sogen. 
Gonokokkusnährböden  gezüchtet,  schliesslich  auch  auf  gewöhn¬ 
lichen  Nährböden  aufgehen.  Warum  sollte  es  da  nicht  möglich 
sein,  dass  auch  ab  und  zu  besonders  widerstandsfähige  Individuen 
direkt  angehen  ?  Es  wurde  auch  sofort  von  M  o  r  a  x  aufmerksam 
gemacht,  dass  eine  solche  Trennung  nicht  berechtigt.  Freilich 
behandelte  er  im  Verlauf  der  Diskussion  die  Frage  noch  als 
eine  offene.  Aber  voriges  Jahr  hat  Urb  ahn  im  wesentlichen 
dieselben  Befunde  erhoben,  hat  diese  aber  im  Sinne  der  Variabili¬ 
tät  gedeutet.  In  diesem  Jahre  spielte  eine  Diskussion  zwischen 
Prof.  Axenfeld  und  Schanz  über  diesen  Gegenstand.  Im 
Verlaufe  derselben  hat  Axenfeld,  aus  dessen  Klinik  die  Unter¬ 
suchungen  über  den  Pseudogonokokkus  stammen,  seinen  Stand¬ 
punkt  aufgegeben  und  die  Variabilität,  wie  sie  Urb  ahn  an¬ 
gegeben,  anerkannt.  Die  Untersuchungen  von  Urbahn  sind 
ergänzt  und  bestätigt  worden  von  Wildholz.  Somit 
steht  jetzt  fest,  dass  die  Angaben  über  das 
Vorkommen  der  Gonokokken  einer  wesent¬ 
lichen  Korrektur  bedürfen. 

Schanz  hat  .nie  dem  Gonokokkus  die  Pathogenität  ab¬ 
gesprochen,  wie  dies  Axenfeld  im  Schlusswort  jener  Dis¬ 
kussion  behauptet '),  er  hat  im  Gegenteil  gerade  darin  anerkannt, 
dass  ein  Teil  der  positiven  Impfungen  einwandfrei.  Seine  An¬ 
sicht  ist  vielmehr,  dass  wir  durch  diese  Befunde  dazu  gedrängt 
werden  können,  eine  neue  Theorie  über  die  Wirkungsweise  des 
Gonokokkus  aufzustellen,  wie  Behring  durch  ganz  ähnliche 
Befunde  zur  Aufstellung  einer  neuen  Diphtherietheorie  ge¬ 
drängt  worden  ist. 

Finger  schliesst  sein  Kapitel  über  die  Aetiologie:  Somit 
ist  das  Gebäude  der  Aetiologie  ein  festgefügtes.“  Schanz 
hat  in  jener  Diskussion  gesagt :  „Das  Gebäude  der  Aetiologie 
des  Trippers  ist  wacklig!“  Und  diejenigen  haben,  freilich  un¬ 
bewusst,  am  meisten  daran  gewackelt,  die  behaupten,  dass  eine 
ganze  Anzahl  Mikroorganismen  Ophthalmoblennorrhoe  erzeugt. 

Diskussion:  Herr  Schlossmann  ist  mit  dem  Herrn 
Vortragenden  hier  wie  früher  in  der  Frage  der  Bedeutung  des 
Diphtheriebazillus  nicht  einer  Ansicht.  Wie  für  diesen,  sei  auch 
für  den  Gonokokkus  eine  grosse  Variabilität  in  Färbbarkeit  und 
Toxizität  zuzugeben  und  es  sei  zweifellos,  dass  noch  andere  Er¬ 
reger  beim  Neugeborenen  eitrige  Entzündung  der  Konjunktiva 
hervorrufen  können.  Die  Schlüsse  aber,  die  Herr  Schanz  daraus 
zieht,  seien  falsch.  Er  möchte  von  Details  nur  herausgreifen,  dass 
man  einen  grossen  Fehler  begehe,  wenn  man  die  Urethralschleim¬ 
haut  des  Erwachsenen  mit  der  Konjunktiva  des  Neugeborenen 
ohne  weiteres  in  Parallele  stelle,  da  sich  dieselbe  vor  ersterer 
durch  eine  viel  grössere  Vulnerabilität  auszeichne.  Es  wurde 


*)  Im  Schlusswort  jener  Diskussion  hat  Axenfeld  gegen 
Schanz  den  Vorwurf  erhoben,  dass  dieser  ihn  unrichtig  zitiert. 
Schanz  muss  diesen  Vorwurf  zurück  weisen  und  erhebt  ihn 
gegen  Axenfeld  und  bittet  diejenigen,  welche  sich  dafür  inter¬ 
essieren,  die  Ax*beiten  selbst  einzusehen.  (Der  Schanz  sehe  Vor¬ 
trag  erscheint  in  der  Deutsch,  med.  Wochenschr.) 


2068 


ferner  übersehen,  dass  die  Vulvovaginitis  beim  Kind  mitunter 
epidemisch  vorkomme  und  dann  stets  durch  den  Gonokokkus 
hervorgerufen  Averde;  trete  bei  einer  solchen  eine  komplizierende 
Ophthalmoblennorrhoe  auf,  so  fehle  in  deren  Sekret  nie  der  Gono¬ 
kokkus.  Weiter  dürfte  in  Frauenkliniken  gonorrhoische  Ophthalmo¬ 
blennorrhoe  nur  bei  solchen  Neugeborenen  zur  Beobachtung  kom¬ 
men,  die  von  Müttern  mit  positivem  Gonokokkenbefund  stammten, 
wenn  nicht  ausnahmsweise  eine  Uebertragung  von  Kind  zu  Kind 
statthat.  Gerade  Aveil  Herr  Schlossmann  Herrn  S  c  ha  n  z 
als  Opthalmologen  so  sehr  anerkenne  und  so  hoch  schätze,  möchte 
er  denselben  vor  den  Irrtümern  beAvahren,  zu  denen  ihn  sein  bak¬ 
teriologisches  alter  ego  führe. 

Herr  Schanz  erwidert  dem,  dass  seine  Ausführungen  über 
Diphtherie  zwar  anfangs  bekämpft  Avurden,  aber  dann  auch  von 
anderer  Seite,  sogar  von  Löffler  und  Behring  anerkannt 
wurden. 

Mit  seinen  heutigen  Ausführungen  aber  wolle  er  nur  be- 
Aveisen :  1.  dass  N  e  i  s  s  e  r  s  Ansicht  irrig,  der  Gonokokkus  komme 
„absolut  konstant“  bei  Ophthalmoblennorrhoe  vor;  2.  dass  zwischen 
den  bakteriologischen  Befunden  am  Auge  und  auf  der  Harnröhre 
Widersprüche  bestehen;  3.  dass  Axenfelds  Aufstellung  von 
Pseudogonokokken  nicht  berechtigt  ist. 

Herr  v.  Pflugk  verwirft  die  Art,  Avie  der  Herr  Vortragende 
beispielsweise  die  Zahlen  der  Arbeit  A'on  G  r  o  e  n  o  u  w  benutze, 
und  zeigt,  in  Avie  anderem  Lichte  bei  genauer  Prüfung  seines  Ma¬ 
terials  manches  erscheine.  Gr.s  Fälle  kamen  zum  Teil  erst  nach 
recht  langem  Bestehen  — -  bis  zum  53.  Tage  —  zur  Behandlung 
und  bakteriologischen  Untersuchung;  es  liege  auf  der  Hand,  dass 
für  derartige  Fälle  ein  negativer  Ausfall  gar  nichts  beweise.  Bei 
Benutzung  nur  der  einwandfreien,  d.  h.  innerhalb  der  ersten 
5  Tage  untersuchten  Fälle  stelle  sich  der  Prozentsatz  mit  positivem 
Gonokokkeubef und  ganz  anders.  Groenouw  trenne  übrigens 
auch  selbst  in  4  Gruppen,  in  schwache  und  schwere  Katarrhe  und 
leichte  und  schwere  Blennorrhöen.  Bei  20  Fällen  der  letzten 
Kategorie  vermisste  er  nur  in  einem  einzigen  die  Gonokokken; 
Aveiter  hebt  Groenouw  hervor,  dass  die  Fälle  mit  positivem 
Gonokokkenbefund  sich  auch  klinisch  durch  ihren  schweren  Ver¬ 
lauf  auszeichneten. 

Herr  Schanz  betont,  dass  er  ganz  absichtlich  nur  Groe- 
n  o  u  av  s  und  Fingers  Thesen  zitiert  und  auf  sie  seine  Aus¬ 
führungen  aufgebaut  habe;  Aveil  er  diese  nicht  zu  vertreten  habe, 
genüge  ihm,  zu  zeigen,  dass  sie  sich  widersprechen. 

Herr  D  o  m  m  e  r  erAvälint,  dass  mitunter  bei  männlicher  Go¬ 
norrhöe  mit  sehr  schweren  Symptomen  recht  Avenig  oder  keine 
Gonokokken  zu  Anden  seien  und  umgekehrt  leichte  Symptome  und 
Adel  Gonokokken. 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  14.  November  1902. 

Herr  Lieblein  operierte  einen  9 jährigen  Knaben,  dem  in¬ 
folge  Sturzes  ein  dürrer  Ast  durch  den  Hodensack  in  den  Unter¬ 
leib  bis  an  die  Unterüäche  der  Leber  gedrungen  war.  Eröffnung 
des  Peritonealraums  an  der  Verletzungsstelle;  Entfernung  eines 
20  cm  langen  Astes,  sowie  eines  Hautstückes,  das  dem  Defekte 
im  Hodensacke  entsprach,  und  eines  Stückes  Hosenstoff.  Heilung. 
(Keine  Organverletzung.) 

Herr  Hilgenreiner:  a)  Rezidivierende  Diverticulitis. 

18  jähriger  Mann  litt  an  häuügen  Koliken,  zuletzt  blutige 
Stühle.  Operation  ergab  ein  vom  unteren  Ileum  zum  Nabel  gehen¬ 
des,  daselbst  fixiertes  Meckelsches  Divertikel  mit  GeschAVÜrs- 
bildung  im  Inneren.  Exstirpation,  glatte  Heilung. 

b)  Hernia  bursae  omentalis  non  epiploica  incarcerata. 

Bei  einem  31jährigen  Patienten,  der  Avegen  der  Erscheinungen 
eines  subakuten  Darmverschlusses  zur  Operation  kam,  fand  H. 
einen  am  Colon  transversum  aufgehängten  Serosasack,  in  welchen 
durch  ein  an  der  Hinterseite  gelegenes  Loch  fast  der  ganze  Dünn¬ 
darm  eingetreten  war.  Der  Sack  repräsentierte  sich  als  eine  in 
ihrem  oberen  Anteile  obliterierte  Bursa  omentalis,  deren  unterer 
Teil  infolge  des  durch  den  Wanddefekt  erfolgten#  Eintrittes  des 
Darmes  bestehen  blieb.  Diese  Art  des  Eintrittes  in  den  Netzsack 
ist  bisher  nicht  beobachtet. 

c)  2  Fälle  von  Thoraxempyem  mittels  des  Aspirationsappa¬ 
rates  von  Perthes  zur  raschen  Heilung-  gebracht.  Heilung  seit 
2%  resp.  1  Jahr. 

Herr  Schloffer  bespricht  eine  Tom  ihm  geübte  Methode 
der  plastischen  Deckung  von  Defekten  der  der  Nase  naheliegen¬ 
den  Teile  der  Wange  samt  der  Oberlippe.  Das  Wesen  der  Methode 
besteht  in  einer  temporären  Aufklappung  der  knorpeligen  Nase, 
Avonach  die  Defektränder  sich  überraschend  gut  annäliem  lassen; 
eArentuell  hilft  man  sich  noch  durch  Ablösung  beider  Wangen  von 
ihrer  Unterlage.  Nach  Naht  des  Defektes  muss  die  Nase  auf  ihrer 
neuen  Unterlage  wieder  angenäht  Averden.  Die  Methode  eignet 
sich  auch  für  grosse  Defekte  der  Oberlippe  allein,  A\renn  diese  seit¬ 
lich  gelegen  sind. 

Herr  Schloffer  zeigt  einen  16  jährigen  Patienten,  der 
4(4  m  tief  gestürzt  aa  ar,  und  bei  seiner  Aufnahme  in  die  Klinik 
schwere  Anämie,  Blutharn  und  peritonitische  Reizerscheinungen 
zeigte.  Bei  der  Operation  fand  sich  ein  mannskopfgrosses  Häma¬ 
tom  in  der  Umgebung  der  rechten  Niere,  die  in  eine  Hydro- 


No.  49. 


nephrose  umgeAAraudelt  war  und  an  ihrem  obei’en  Pol  einen  giossen 
Einriss  zeigte.  Nephrektomie.  Heilung. 

Anschliessend  daran  berichtet  derselbe  über  einen  Fall  von 
Nierenzertrümmerung  durch  Stui'z,  den  er  ebenfalls  durch 
Nephrektomie  zur  Heilung  brachte. 

Hierauf  bespricht  Herr  Schloffer  die  Indikationen  der 
Nephrektomie  bei  Verletzung  im  allgemeinen  und  fügt  den  bisher 
aufgestellten  3  Indikationen  für  dieselbe  als  4.  Punkt  bei,  dass 
die  Nephrektomie  auch  bei  bestimmten  Fällen  von  traumatisch  ge¬ 
platzter  Hydronephrose  indiziert  sei. 

Herr  Czermak  spricht  über  Katarakta  bei  Tetanie  und 
zeigt  einen  diesbezüglichen  Fall,  bei  dem  es  gleichzeitig  zu  Haar¬ 
ausfall  und  einer  eigentümlichen  Ernährungsstörung  der  Nägel 
gekommen,  und  erläutert  die  Theorien  des  Zustandekommens  der¬ 
artiger  Cataractae.  *->.  W. 


Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Wien,  6.  Dezember  1902. 

Hereditäre  oder  familiäre  Optikusatrophie.  —  Adeno¬ 
karzinom  der  Schilddrüse  mit  rascher  Rezidive  nach  dei  Ex¬ 
stirpation.  —  Ein  operiertes  Lebergumma.  —  Injektionen  von 
Thiosinamin  bei  einem  harten  Tumor  und  bei  Verätzungs- 
strikturen  des  Oesophagus. 

In  der  Gesellschaft  der  Aerzte  stellte  Dr.  Hans  L  a  ub  e  r 
einen  interessanten  Fall  von  hereditärer  oder  familiärer  Optikus¬ 
atrophie  vor.  Die  Kranke,  30  Jahre  alt,  hatte  13  Geschwister, 
von  welchen  6  frühzeitig  starben;  die  überlebenden  3  Schwestern 
(auch  2  Kinder  derselben)  sind  gesund,  die  sämtlichen  vier 
Brüder  jedoch  sind  von  derselben  Krankheit  befallen,  an 
welcher  die  vorgestellte  Kranke  leidet.  Die  Bi'üder  xvaren 
22  Jahre  alt,  einer  stand  im  27.  Lebensjahre,  die  Kranke  im 
30.  Lebensjahre,  als  das  Leiden  begann.  Das  Sehvennögen  sank 
plötzlich  und  blieb  stark  reduziert,  trotzdem  Schmierkuren,  Jod¬ 
kali,  Sublimatinjektionen  etc.  in  Anwendung  gebracht  wurden. 
So  auch  die  Patientin,  Avelche  seit  einigen  Jahren  wegen  Ner¬ 
vosität  und  Anämie,  zuletzt  wegen  intermittierender  Kopf¬ 
schmerzen  in  ärztlicher  Behandlung  stand.  An  der  Klinik  von 
Prof.  Fuchs  Avurde  am  2.  Oktober  das  Sehvermögen  am  linken 
Auge  mit  % ,  schon  am  30.  Oktober  mit  %  _  bestimmt.  Der 
Vortragende  beschreibt  den  Spiegelbefund  beider  Augen  und 
fährt  sodann  fort :  Die  Krankheit  tritt  meist  im  Pubertätsalter 
auf,  doch  ist  sie  einerseits  schon  im  5.  und  andererseits  erst  jen¬ 
seits  des  50.  Lebensjahres  beobachtet  worden.  Sie  verläuft  meist 
unter  dem  Bilde  einer  retrobulbären  Nexiritis,  selten  ist  eine 
Schwellung  der  Papille,  nur  einmal  das  Bild  einer  genuinen 
Optikusatrophie  beobachtet  worden.  Selten  verläuft  der  Prozess 
akut,  uieist  kommt  er  nach  einem  halben  oder  einem  Jahre  zum 
Abschluss.  Oefters  werden  die  beiden  Augen  nacheinander  er¬ 
griffen.  Es  bleibt  gewöhnlich  ein  Rest  des  Sehvermögens  er¬ 
halten,  doch  ist  einerseits  Ausgang  in  vollständige  Amaurose, 
andererseits  ein  Erhaltensein  von  %  der,  normalen  Sehschärfe 
oder  Rückbildung  bis  zur  Norm  beobachtet  worden.  Das  Gesichts¬ 
feld  weist  gewöhnlich  nur  ein  zentrales  Skotom,  nur  für  Farben 
oder  auch  für  Weiss  auf.  Die  Peripherie'  des  Gesichtsfeldes  kann 
normal  bleiben,  kann  auch  eingeschränkt '  sein.  Die  Therapie 
ist  ziemlich  Avii’kxmgslos.  Schmierkur,  Jodkali,  Strychnifa  und 
Schwitzkuren  sind  versucht  worden.  Die  vorgestellte  Patientin 
wird  mit  Strychnininjektionen,  Ai*sen  (Guberquelle)  und  Schwitz¬ 
kur  behandelt. 

Die  Krankheit,  tritt  gewöhnlich  bei  mehreren  Geschwistern 
auf  und  befällt  dabei  die  Männer;  nur  erkranken  die  Kinder 
dieser  kranken  Männer  meist  nicht,  sondern  die  Krankheit  wird 
durch  die  Frauen  (Schwestern),  die  meist  selbst  gesund  sind,  aut 
ihre  männlichen  Nachkommen  vererbt.  In  der  Mehrzahl  der 
Fälle  werden  die  Männer  vom  Leiden  befallen,  in  viel  geringerer 
Zahl,  wie  auch  im  vorliegenden  Fall,  auch  die  Frauen.  Ein  Fal , 
avo  ausschliesslich  Frauen  erkrankt  wären,  ist  bis  jetzt  nicht  be¬ 
kannt  geworden.  Die  Aetiologie  der  hereditären  Optikusatrophie 
ist  dunkel.  Hereditäre  Lues  kann  nicht  gut  angeschuldigt 
werden,  Aveil  andere  Anzeichen  derselben  fehlen,  ausserdem  Fa¬ 
milien  bekannt  sind,  in  denen  die  Krankheit  in  5  verschiedenen 
Generationen  aufgetreten  ist.  Die  Untersuchung  der  Stamm¬ 
bäume  solcher  Familien  hat  in  einer  geringen  Zahl  von,  Fällen 
(6  Proz.)  eine  Blutsverwandtschaft  der  Eltern  oder  eine  solche  in 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


9.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2069 


der  höheren  Aszendenz  ergaben.  Anatomische  Untersuchungen 
felden  bis  jetzt  vollständig. 

Einen  in  mancher  Hinsicht  interessanten  Fall  besprach 
Dr.  M.  Hirse  h.  Auf  die  chirurgische  Abteilung  Professor 
v.  Mosetigs  kam  ein  19  jähriger  Mann,  welcher  angab,  seit 
ca.  2  J ahren  einen  kleinen,  etwa  walnussgrossen  Kropf  gehabt 
zu  haben,  welcher  vor  6  Wochen  rapid  zu  wachsen  anfing,  so  dass 
der  Kranke  nun  heiser  wurde,  an  Atem-  und  Schling¬ 
beschwerden,  sowie  an  Schmerzen  im  Hinterhaupte  litt.  Befund : 
Ein  mannsfaustgrosser,  teils  derbhöckeriger,  teils  weich¬ 
elastischer,  pseudofluktu ierender  Tumor,  der  Schilddrüse  an¬ 
gehörig  ;  Lähmung  des  rechten  Rekurrens,  Dislokation  und  starke 
Kompression  der  Trachea  vom  4.  Ringe  abwärts.  Diagnose:  ma¬ 
ligne  Struma,  ein  zum  Teil  in  Erweichung  begriffenes  Sarkom. 
Am  nächsten  Tage  erfolgte  die  Exstirpation  des  Tumors  in 
radikalster  Weise.  Zumeist  gelang  die  stumpfe  Auslösung,  nur 
an  einer  kleinen  Stelle  bestand  eine  innigere  Verwachsung  mit 
dem  Schildknorpel.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des 
Tumors  stellte  Adenokarzinom  fest.  Den  fluktuierenden  Partien 
entsprach  auf  dem  Durchschnitt  ein  grauer,  weicher,  nekro¬ 
tischer  Herd.  10  Tage  nach  der  Operation  wurden  nach  re¬ 
aktionslosem  Verlaufe  die  Nähte  entfernt.  Doch  bereits  4  Tage 
später,  also  2  Wochen  post  Operation  e  m,  konnte  man 
rechtersei ts  am  Halse  in  der  Nähe  des  Schildknorpels  einen 
apfelgrossen  derben  Tumor,  einige  Tage  später  links  einen  ähn¬ 
lichen,  etwas  kleineren  Tumor  tasten.  Rapides  Anwachsen  dieser 
Tumoren,  heftige  Atemnot,  vergeblicher  Versuch  einer  Tracheo¬ 
tomie  (mit  Paquelin  durch  den  Tumor) :  trotz  eifrigsten  Suchens 
nach  allen  Seiten  hin  konnte  die  Trachea  nicht  gefunden  werden. 
Nach  2  Tagen  starb  der  Pat.  unter  den  Erscheinungen  der  Er¬ 
stickung.  Sektionsbefund :  Ueber  mannskopfgrosser  Tumor,  der 
aufwärts  bis  an  den  Zungenboden,  abwärts  etwa  3  Querfinger 
breit  retrosternal,  seitlich  in  die  Fossae  supraclavicularis,  nach 
hinten  bis  an  die  Wirbelsäule  reicht.  Die  Trachea  ist  papier¬ 
weich  und  liegt  als  flaches,  nicht  palpables  Band  an  der  Hinter¬ 
fläche  des  Tumors,  dabei  nach  links  disloziert,  stellenweise  ein¬ 
gestülpt,  stark  stenosiert.  An  mehreren  Stellen  ist  die  Tumor¬ 
masse  in  die  Jugularvenen  und  deren  Aeste  eingebrochen,  ausser¬ 
dem  subpleurale  Lungenmetastasen  von  Linsen-  bis  Kronen- 
stückgrösse,  von  ähnlichem  Charakter  wie  der  Tumor  am  Llalse. 
Bemerkenswert  ist  an  diesem  Falle,  dass  bei  einem  so  jungen 
Manne  ein  Karzinom  entsteht,  welches  trotz  radikaler  Entfer¬ 
nung  so  rasch  rezidiviert,  so  rapid  anwächst  und  sogar  die 
Tracheotomie  unmöglich  macht. 

Den  Fall  eines  mit  Erfolg  operierten  Lebergummas  stellte 
Dozent  Dr.  Emerich  Ul  1  m  a n n  vor.  Lebergummen  sind  nach 
U.  bis  jetzt  7  mal  operiert  worden,  in  keinem  Falle  war  die  Dia¬ 
gnose  vor  der  Operation  sichergestellt.  In  2  Fällen  erfolgte 
letaler  Ausgang.  Häufiger  wurden  Karzinome  der  Leber  ope¬ 
riert.  Die  Kranke  U.s  war  bis  1883  vollkommen  gesund,  hei¬ 
ratete  damals,  abortierte  2  mal  und  brachte  wiederholt  tote  Kinder 
(die  letzten  3  Kinder  lebend)  zur  Welt.  Jetzt  49  Jahre  alt,  litt 
sie  wiederholt,  seit  4  Monaten  konstant,  an  Leberschmerzen; 
kein  Ikterus.  Die  Leber  stark  vergrössert,  mit  derselben  zu¬ 
sammenhängend,  eigentlich  in  derselben  liegend  eine  mannsfaust¬ 
grosse  Geschwulst  von  derber  Beschaffenheit,  mit  unebener,  etwas 
höckeriger  Oberfläche,  welche  auf  Druck  sehr  empfindlich  ist. 
Wiewohl  die  Diagnose  zwischen  Karzinom  und  Gumma 
schwankte,  wurde  mit  Rücksicht  darauf,  dass  man  die  zur  Ope¬ 
ration  eines  Karzinoms  günstige  Zeit  verpassen  könnte  und  dass 
manche  Formen  von  Lebersyphilis  auf  die  antiluetische  Kur 
nicht  schwinden,  zum  Eingriffe  geschritten.  Der  in  der  Leber 
sitzende  Tumor  wurde  etappenweise  abgelöst,  stets  sofort  die 
stark  blutenden  Gefiisse  ligiert.  Trotzdem  heftige  Blutung,  da¬ 
her  Vemähung  der  Leberwundfläche  mit  der  Bauchdecke,  wie 
sie  v.  Hacker  für  die  extraperitoneal-intraabdominelle  Stiel¬ 
versorgung  bei  der  Myomotomie  vorschlug.  Anstandslose  Hei¬ 
lung,  Entlassung  nach  einigen  Wochen.  Pat.  ist  von  ihren 
Schmerzen  geheilt.  Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte, 
dass  man  es  mit  einem  Gumma  der  Leber  zu  tun  hatte,  welches 
überall  von  normalem  Lebergewebe  überdeckt  ist. 

In  unserer  Gesellschaft  für  innere  Medizin  stellte  Dr. 
Kaufmann,  Assistent  Professor  Mannaberg  s,  eine  Frau 
vor,  welche  einen  kindsfaustgrossen  perigastrischen  Tumor  hatte, 
der  unter  dem  Einflüsse  von  Thiosinamininjektionen  zurück¬ 
gegangen  ist.  Wir  wollen  vom  Falle  selbst  abselien  (die  Frau 


hatte  Hämatemesis  infolge  eines  Ulcus  ventriculi)  und  uns 
lediglich  mit  den  Thiosinamininjektionen  beschäftigen.  Der  be¬ 
sagte  perigastrische  Tumor  war  also  hart,  mit  unebener  Ober¬ 
fläche,  respiratorisch  kaum  verschieblich.  In  der  Zeit  vom  5.  bis 
24.  Oktober  wurden  im  ganzen  5  Injektionen  gemacht,  und  zwar 
in  der  ersten  Woche  3  Injektionen  mit  0,5  ccm  einer  15  proz. 
alkoholischen  Lösung,  dann  im  Intervall  von  einer  Woche  noch 
2  Injektionen  mit  0,75  ccm  derselben  Lösung.  Die  Injektionen 
wurden  unter  die  Haut  des  Vorderarmes  gemacht.  Nach  den 
letzten  2  Injektionen  trat  Fieber  bis  zu  39  0  auf,  das  am  nächsten 
Tage  schwand.  Der  Tumor  wurde  von  Woche  zu  Woche  kleiner. 
Gegenwärtig  ist  kaum  mehr  eine  flache,  diffuse  Resistenz  unter¬ 
halb  des  linken  Muse,  rectus  fühlbar,  welche  nicht  mehr  druck¬ 
schmerzhaft  ist. 

Bei  diesm  Anlasse  weist  Dr.  L.  T  e  1  e  k  y,  Assistent  des 
Professor  A.  F  r  ä  n  k  e  1,  auf  seine  bereits  publizierten  Beob¬ 
achtungen  hin  von  Thiosinamininjektionen  bei  narbiger  Oeso- 
phagusstriktur  nach  Laugenverätzung.  In  2  Fällen  war  ein 
günstiges,  in  einem  Falle  ein  ungünstiges  Resultat  erzielt  worden. 
In  diesem  dritten  Falle  sei  vorerst  erhebliche  Besserung,  bald 
aber  Verschlimmerung  auf  getreten;  die  noch  nicht  genügend 
konsolidierte  Narbe  (lVs  Monate  nach  der  Verätzung)  sei  offen¬ 
bar  unter  der  Thiosinaminwirkung  angeschwollen,  vielleicht  so¬ 
gar  wieder  auf  gebrochen.  Vorsichtige  Dosierung  des  Mittels  und 
lange  Intervalle  zwischen  den  einzelnen  Injektionen  seien  also 
für  den  Erfolg  massgebend.  Auch  in  einem  neueren  Falle  von 
Thiosinannninjektion  bei  einer  Verätzungsstriktur  des  Oeso¬ 
phagus  eines  Kindes  (nicht  ganz  3  Monate  nach  der  Verätzung) 
sei  er  wohl  nicht  vorsichtig  genug  in  der  Dosierung  gewesen, 
da  auch  hier  nach  einer  Besserung  eine  Verschlimmerung  folgte, 
so  dass  man  zur  Gastrotomie  schreiten  musste.  In  einem  wei¬ 
teren  Falle  (er  betraf  einen  Knaben,  der  8  Monate  nach  der  Ver¬ 
ätzung  kam)  erzielte  er  einen  vollen  Erfolg.  2  Fälle  von  Oeso- 
phagusstrikturen  befinden  sich  gegenwärtig  noch  in  Behandlung, 
doch  kann  man  schon  jetzt  eine  bedeutende  Besserung  im  sub¬ 
jektiven  Befinden  (in  der  Fähigkeit  zu  schlucken)  konstatieren. 
Redner  weist  noch  darauf  hin,  dass  in  allen  Fällen  schon  nach 
wenigen  Injektionen  eine  erhebliche  Besserung  der  Schluck¬ 
beschwerden  eintrat,  zu  einer  Zeit,  da  es  nicht  gelang,  ein  dickeres 
Bougie  (manchmal  auch  nicht  das  vor  der  Thiosinaminbehand- 
lung  benützte)  einzuführen,  und  dass  die  Einführung  dickerer 
Bougies  erst  bei  oder  nach  Abschluss  der  Behandlung  möglich 
war.  Er  erklärt  sich  diese  Erscheinung  daraus,  dass,  sowie  die 
Narbe  weicher  wird,  die  Schluckbeschwerden  abnehmen;  die  er¬ 
weichte  Narbe  wird  dann  durch  die  Bissen,  welche  die  strik- 
turierte  Stelle  passieren,  allmählich  gedehnt,  und  erst  wenn  diese 
Dehnung  stattgefunden  hat,  gelingt  es,  ein  stärkeres  Bougie 
einzuführen. 


Verschiedenes. 

Hypnotische  Schaustellungen. 

Vor  einiger  Zeit  veranstaltete  in  München  der  „Suggestor 
W  e  1 1  m  a  n  n“  mehrere  öffentliche  Soireen  mit  Experimenten  und 
Demonstrationen  über  Suggestion.  In  einer  Zeitungsnotiz  ver¬ 
lautete,  dass  er  noch  eine  besondere  Sitzung  ausschliesslich  für 
Aerzte  abhalten  und  den  Reinertrag  dem  Pettenkofer hause  zu¬ 
wenden  werde.  Aus  leicht  begreiflichen  Gründen,  man  kann 
sagen  selbstverständlich,  haben  der  ärztliche  Verein  und  der  ärzt¬ 
liche  Bezirksverein  München  jede  offizielle  Beteiligung  abgelehnt 
und  die  Separat  Vorstellung  ist  unterblieben. 

Nach  Zeitungsnotizen  führte  Welt  m  a  n  n  vor  einem  di¬ 
stinguierten  Publikum  seine  Schaustellung  in  der  Art  vor,  dass 
er  besonders  jugendliche,  mit  starker  Einbildungskraft  begabte 
Individuen  in  einen  Zustand  versetzte,  in  dem  sie,  obwohl  völlig 
wach,  alles  taten,  was  er  ihnen  vorschrieb,  weil  sie  sich  ein¬ 
bildeten,  sich  in  seinem  Banne  zu  befinden.  So  wurde  eine  Löwen- 
jagd  und  ein  Tanzen  auf  dem  Seile  inszeniert,  ein  Durstiger,  dem 
leere  Biergläser  zum  Trinken  gegeben  wurden,  wurde  in  einen 
Rausch  versetzt,  ein  Diebstahlsexperiment  wurde  unter  leb¬ 
haftestem  Interesse  des  Publikums  vorgeführt  u.  s.  w. 

Es  ist  zweifellos  gefühlverletzend  und  menschenunwürdig, 
einen  Mitmenschen,  dessen  Willen  dem  eines  anderen  untertan 
gemacht  ist,  als  Spielzeug  und  Vorstellungsobjekt  benutzt  zu 
sehen. 

Vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  glauben  wir,  dass  derartige 
öffentliche  Schaustellungen  nicht  nur  unbedingt  verboten,  sondern 
auch  verhindert  werden  müssen,  da  die  Gefahren  in  gesundheit¬ 
licher  Hinsicht  ausserordentlich  grosse  sind.  Berichterstatter 
dieses  bekam  einen  jungen  Zuschauer  bei  diesen  Vorführungen  in 
Behandlung,  bei  dem  die  nervöse  Erregung  so  stark  nachhielt, 
dass  er  einige  Tage  später  plötzlich  einen  Ohnmachtsanfall  bekam. 


2070 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Dass  bei  solchen  öffentlichen  Vorführungen  sogar  ernste  Gesund¬ 
heitsstörungen  hervorgerufen  werden  können,  ist  aus  wiederholten 
Beobachtungen  klar  erwiesen.  Um  auch  die  Bedeutung  für  die 
Rechtspflege  zu  berühren,  sei  auf  eine  Verhandlung  vor  dem  Land¬ 
gerichte  Traunstein  im  Jahre  1900  verwiesen:  Ein  Lehrer,  der 
wegen  Sittlichkeitsverbrechen  an  Kindern  an  geklagt  war,  machte 
zu  seiner  Verteidigung  geltend,  dass  er  infolge  der  hypnotischen 
Versuche,  die  der  Magnetiseur  Renan  anlässlich  der  Vorstellung 
in  Rosenheim  mit  ihm  als  Medium  vorgenommen,  sich  in  krank¬ 
haft  gestörtem  Geisteszustände  befunden  und  in  diesem  Zu¬ 
stande  die  Tat  begangen  habe;  der  Verteidiger  plädierte  auf  Un¬ 
zurechnungsfähigkeit  und  erklärte  es  nicht  für  ausgeschlossen, 
dass  unter  dem  Zwange  einer  solchen  Suggestion  die  Tat  vollführt 
worden  sei.  Es  Hessen  sich  zahlreiche  Beobachtungen  anführen, 
die  die  Schädigungen  auf  moralischem  und  gesundheitlichem  Ge¬ 
biete,  von  leichten  Störungen  bis  zu  schweren  und  dauernden 
Psychosen,  klar  hervorgehen  lassen. 

Die  Stellung,  die  wir  Aerzte  daher  den  hypnotischen  und 
suggestiven  Experimenten  gegenüber  einnehmen  müssen,  ist  die, 
dass  dieselben,  mögen  sie  wissenschaftlichen  Untersuchungen  oder 
Heilungszwecken  dienen,  überhaupt  nur  von  sachkundig  ge¬ 
bildeten  Aerzten  mit  allen  Kautelen  vorgenommen  werden  dürfen, 
und  dass  solche  öffentliche  Sitzungen  und  Veranstaltungen, 
namentlich  durch  Nichtärzte,  im  Interesse  der  psychisch  weniger 
widerstandsfähigen  Bevölkerung  ganz  entschieden  zu  verbieten 
sind.  In  Bayern  war  eine  solche  Vorschrift  bisher  schon  erlassen; 
sie  stand  aber  jedenfalls  nur  auf  dem  Papier,  denn  sonst  hätte 
es  sich  wohl  die  Münchener  Polizeidirektion  angelegen  sein  lassen, 
die  Seancen  des  Suggestors  Welt  m  a  n  n  zu  verhindern.  Die 
Zweckmässigkeit  einer  derartigen  Prophylaxe  beleuchten  die  Nach¬ 
richten  der  Allgemeinen  Tilsiter  und  der  Königsberger  Hartung- 
sclien  Zeitung.  Letztere  spricht  von  dem  „Weltmannschwindel“, 
der  in  Tilsit  inszeniert  und  aufgedeckt  wurde,  und  die  erstere 
schreibt,  dass  der  Suggestor  W  eltmann  bekanntlich  (!)  den  Pri¬ 
maner  L.  in  Insterburg  derartig  mit  seinem  Hocus  pocus  bearbeitet 
habe,  dass  der  beklagenswerte  junge  Mann  heute  noch  nicht 
wieder  völlig  gesund  sei. 

Damit  daher  künftighin  in  Bayern  alle  derartige  öffentliche 
Schaustellungen  von  vornherein  durch  die  Behörden  unmöglich 
gemacht  werden  können,  bringen  wir  nachstehend  die  vorzitierte 
Ministerialentschliessung  zum  Abdruck  und  verweisen  auch  noch 
auf  den  Erlass  des  grossherzoglich  hessischen  Ministeriums  vom 
29.  Februar  1896,  der  das  Einschreiten  mittels  polizeilicher  Mass 
regeln  veranlasst,  nachdem  die  bisherigen  Erfahrungen  dargetan 
hätten,  dass  Gesundheitsstörungen  andauernder  und  sehr  ernster 
Natur  Folgen  hypnotischer  Suggestion  sein  könnten.  Auch  im 
Königreich  Sachsen  und  im  Grossherzogtum  Mecklenburg-Schwerin 
sind  derartige  öffentliche  Vorstellungen  wegen  der  äusserst  nach¬ 
teiligen  Folgen  in  gesundheitlicher  und  sittlicher  Beziehung  untei’- 
sagt. 

Entschliessung  des  k.  b.  Staatsministeriums 
des  Innern  vom  15.  November  1893,  betreffend 
die  Abhaltung  hypnotischer  oder  suggestio- 
närer  Vorstellungen. 

Die  Abhaltung  öffentlicher  hypnotischer  Experimentalvorstel¬ 
lungen  birgt  für  die  allgemeine  Gesundheit  grosse  Gefahren  in 
sich  und  es  erscheint  daher  die  Verhinderung  der  öffentlichen 
Darstellung  hypnotischer  Experimente  vom  sanitätspolizeilichen 
Standpunkte  aus  geboten. 

Die  Vorstellungen  der  gewerbsmässigen  Hypnotiseure,  welche 
nicht  sowohl  den  Zwecken  der  Wissenschaft  als  vielmehr  den 
Zwecken  einer  aufregenden  Unterhaltung  dienen,  sind  als  die  Aus¬ 
übung  eines  Gewerbes  zu  erachten,  für  welches  die  Bestimmungen 
der  Reichsgewerbeorduung,  gegebenen  Falles  in  Sonderheit  über 
den  Gewerbebetrieb  im  Umherziehen  zur  Anwendung  gelangen. 
Bei  gewerbsmässigem  Betriebe  im  Umherziehen  wird  daher  schon 
die  Verweigerung  der  Ausstellung  oder  Ausdehnung  des  Wander- 
gewerbescheines  nach  §§  57  Ziff.  5  und  00  Abs.  II  der  Reichs¬ 
gewerbeordnung  oder  die  Verweigerung  der  ortspolizeilichen  Er¬ 
laubnis  nach  §  60  a.  1.  c.  genügen,  um  die  Abhaltung  öffentlicher 
hypnotischer  Experimentalvorstellungen  durch  gewerbsmässige 
Hypnotiseure  unmöglich  zu  machen. 

Aber  auch  in  denjenigen  Fällen,  in  denen  die  Bestimmungen 
der  Reichsgewerbeordnung  über  den  Gewerbetrieb  im  Umherziehen 
keine  Anwendung  finden,  wird  vom  polizeilichen  Standpunkte  aus 
durch  Anwendung  des  Art.  32  Ziff.  1  P.  Str.-G.-B.  mit  §  15  der 
Allerh.  Verordnung  vom  4.  Januar  1872  ..die  Zuständigkeit  der 
Verwaltungsbehörden  in  Sachen  des  Strafgesetzbuches  für  das 
Deutsche  Reich  und  des  Polizeistrafgesetzbuches  betr.“,  der  öffent¬ 
lichen  Darstellung  hypnotischer  Experimente  wirksam  entgegen¬ 
getreten  werden  können. 

Die  Distrikts- Verwaltungsbehörden  sind  in  diesem  Sinne  zur 
L  arnachachtung  anzuweisen. 

Zur  Besprechung  geht,  uns  zu:  Sandows  Apparat  für 
Z  i  m  m  e  r  g  y  m  n  a  s  t  i  k  (Sandows  own  combined  developer). 
Derselbe  besteht  aus  einem  System  von  elastischen  Schnüren, 
die  mit  einem  Ende  an  der  Wand  befestigt  werden,  während  die 
beiden  anderen  Enden  mit  Hanteln  versehen  sind.  Die  Uebung 
besteht  in  der  Ueberwindung  der  Elastizität  des  Gummis.  Bei¬ 
gegebene  Tafeln  illustrieren  die  Vielseitigkeit  der  Uebungen,  zu 
denen  der  Apparat  benützt  werden  kann.  Der  Apparat  ist  solid 
gearbeitet  und  dürfte  wegen  seiner  Handlichkeit  und  vielseitigen 
Verwendbarkeit  für  Zwecke  des  Zimmerturnens  bestens  zu  em¬ 
pfehlen  sein. 


Therapeutische  Notizen. 

Ein  neues  Verfahren  zur  Bereitung  von  Kohlensäure- 
b  ä  d  e  r  n  haben  die  Apotheker  Iv  o  p  p  und  Joseph-  Berlin  er¬ 
funden  und  sich  patentieren  lassen.  Statt  der  bisher  üblichen 
Salz-,  Schwefelsäure  und  anderen  Säuren  benutzen  sie  zur  Ent¬ 
wicklung  der  Kohlensäure  aus  dem  Natriumbikarbonat  eine  Mi¬ 
schung  von  Essigsäure  und  Chlorkalzium;  dadurch  wird  nicht  nur 
eine  Schädigung  der  (meist  gebräuchlichen)  Zinkwannen  verhütet, 
sondern  auch  besser  als  bisher  der  Zusatz  von  gewissen  In¬ 
gredienzen  —  die  bei  den  meisten  anderen  Verfahren  zersetzt 
werden  —  ermöglicht.  Es  werden  sowohl  einfache  Kohlensäure¬ 
bäder,  wie  solche  mit  ätherischen  Oelen,  Fichtennadelextrakt  und 
Eisengehalt  verabfolgt.  Nach  persönlichen  Erfahrungen  und  nach 
Mitteilungen  aus  dem  Kreise  seiner  Patienten  empfiehlt  Dr. 
.T.  S  c  h  w  a  1  b  e  -  Berlin  diese  neuen  Bäder  zur  weiteren  Ver¬ 
wendung.  (Deutsch,  med.  Wochenschr.) 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  nclie  n,  9.  Dezember  1902. 

—  In  Dresden  fand  am  9.  vor.  Mts.  eine  Sitzung  der  vereinigten 
fünf  ärztlichen  Kreisvereinsausschüsse  des  Königreichs  Sachsen 
statt,  in  welcher  über  den  Entwurf  der  abgeänderten 
E  li  rengerichtso  r  d  nung  Beratung  gepflogen  wurde.  Als 
Referenten  fungierten  die  Herren  F.  H  a  e  n  e  1  -  Dresden  und  Max 
G  o  e  t  z  -  Leipzig,  von  denen  der  erstere  eine  im  ganzen  freund¬ 
liche  Haltung  dem  Entwurf  gegenüber  einnahm,  während  der  letzt¬ 
genannte  sich  durchaus  ablehnend  verhielt.  Die  Diskussion  be¬ 
schränkte  sich  auf  folgende  5  prinzipiell  wichtige  Fragen:  I.  Die 
Angliederung  der  Ehrenräte  an  die  Kreisvereine  und  die  Schaffung 
eines  einzigen  Ehrengerichtshofes;  die  Versammlung  stimmt  dieser 
Aenderung  zu.  II.  Die  Zuziehung  eines  juristischen  Beisitzei’s  in 
den  Ehrenrat;  wird  ebenfalls  gebilligt.  III.  Die  Beschränkung 
der  Zuständigkeit  der  Ehrengerichte  (auf  Grund  der  Standesord¬ 
nung  kann  von  keinem  Arzte  ein  Verhalten  gefordert  werden,  das 
ihn  mit  seinen  staatsbürgerlichen  Pflichten  in  Widerspruch  bringen 
oder  Organe  oder  Körperschaften  des  öffentlichen  Rechts  an  der 
Erfüllung  der  öffentlichen  Obliegenheiten  hindern  würde).  Der 
Antrag  auf  Streichung  dieser  Bestimmung  wird  ohne  Debatte  ein¬ 
stimmig  angenommen.  IV.  Anfechtungsklage  beim  Oberverwal¬ 
tungsgericht;  wird  ebenfalls  ohne  Debatte  einstimmig  abgelehnt. 
V.  Das  Eingreifen  des  Ministeriums  (das  Ministerium  kann  aus  be¬ 
sonderen  Billigkeitsgründen  auf  Ansuchen  des  Beschuldigten 
Wiederaufnahme  eines  rechtskräftig  abgeschlossenen  ehrengericht¬ 
lichen  Verfahrens  anordnen,  und  erkannte  Geldstrafen,  soweit  sie 
noch  nicht  erlegt  oder  vollstreckt  worden  sind,  ganz  oder  teil¬ 
weise  erlassen).  Dem  Paragraphen  wird  folgende  Fassung  ge¬ 
geben:  „Aus  den  in  der  Strafprozessordnung  geltenden  Gründen 
kann  der  Ehrengerichtshof  die  Wiederaufnahme  eines  rechtskräftig 
abgeschlossenen  Verfahrens  bescliliessen“.  Der  zweite  Teil  der  Be¬ 
stimmung  wird  gestrichen.  Ein  Antrag  H  artman  n,  den  ganzen 
Entwurf  abzulehnen,  wird  mit  grosser  Mehrheit  verworfen.  In¬ 
dem  die  Kreisvereinsausschüsse,  die  als  die  berufenen  Vertreter 
der  sächsischen  Aerztescliaft  anzusehen  sind,  dem  Entwurf  objek¬ 
tiv  gegenübergetreten  sind,  und  das  Gute  und  Annehmbare  des¬ 
selben  angenommen,  offenbare  Eingriffe  in  die  Freiheit  der  Vereine 
und  in  die  Rechte  der  Ehrengerichte  dagegen  ebenso  entschieden 
zurückgewiesen  haben,  haben  sie  jedenfalls  ein  staatsmännischeres 
Verhalten  gezeigt  und  den  Interessen  der  sächsischen  Aerzte 
besser  gedient,  als  die  Sektion  Leipzig  des  wirtschaftlichen  Ver¬ 
bands  (s.  diese  Wochenschr.  No.  46)  mit  ihrer  schroffen  Ablehnung 
des  ganzen  Entwurfs.  Die  vom  wirtschaftlichen  Verband  jetzt 
schon  proklamierte  schärfere  Tonart  wird  erst  dann  am  Platze  sein, 
wenn  über  die  Wünsche  der  Aerzte  hinweg  der  Entwurf  zum  Ge¬ 
setz  erhoben  würde.  Dann  allerdings  würde  es  Sache  der  sächsi¬ 
schen  Aerzte  sein,  einem  unwürdige  Bestimmungen  enthaltenden 
Gesetze  mit  allen  Mitteln  Opposition  zu  machen. 

—  Cholera.  Türkei.  Nach  einem  vierten  amtlichen  türki¬ 
schen  Ausweise  über  die  Cholera  in  Palästina  waren  daselbst 
bis  zum  16.  November  weitere  333  Todesfälle  an  der  Cholera  zur 
Anzeige  gelangt,  und  zwar  in  Jaffa  vom  10.  bis  16.  November  37, 
in  Gaza  vom  10.  bis  15.  November  13,  in  Lydda  vom  10.  bis 
14.  November  S.  in  Tiberias  vom  9.  bis  16.  November  73,  in  einigen 
weiteren  Ortschaften  202.  Die  Gesamtzahl  der  Choleratodesfälle 
in  Palästina  wird  jetzt  auf  1864  beziffert.  —  Aegypten.  Tn  der 
Woche  vom  4.  bis  10.  (11.  bis  17.)  November  kamen  nach  dem 
amtlichen  Berichte  in  ganz  Aegypten  144  (54)  neue  Erkrankungen 
und  125  (55)  Todesfälle  an  der  Cholera  zur  Anzeige;  von  letzteren 
hatten  sich  66  (34)  ausserhalb  eines  Krankenhauses  ereignet.  Auf 
Kairo  entfielen  in  der  Berichtswoche  2  (0)  Fälle,  auf  Alexandrien 
37  (IS),  einschl.  der  ausserhalb  des  Krankenhauses  festgestellten 
Choleratodesfälle  von  Eingeborenen.  Vom  17.  bis  21.  November 
wurden  aus  ganz  Aegypten  22  Erkrankungen  (und  20  Todesfälle) 
an  der  Cholera  gemeldet,  darunter  15  (13)  aus  Alexandrien;  von 
letzteren  entfielen  10  auf  die  Vororte  und  5  auf  die  eigentliche 
Stadt. 

—  Pest.  Türkei.  Aus  dem  Vilajet  Yemen  kam  am  12.  Novem¬ 
ber  die  amtliche  Nachricht,  dass  in  9  Ortschaften  des  Bezirks  Beui 
Cheir  die  Pest  aufgetreten  sei  und  15  Todesfälle  bei  28  Erkran¬ 
kungen  verursacht  habe.  —  Aegypten.  In  Alexandrien  ist  am 
19.  November  der  letzte  Pestkranke  geheilt  aus  der  ärztlichen  Be¬ 
handlung  entlassen.  —  Britisch-Ostindien.  In  der  Präsidentschaft 
Bombay  sind  während  der  am  8.  November  abgelaufenen  Woche 
8828  neue  Erkrankungen  (und  6684  Todesfälle)  an  der  Pest  zur  An¬ 
zeige  gelangt,  darunter  .17  (16)  in  Stadt  und  Hafen  Karachi. 


9.  t)ezember  1902. 


MÜEtfCHEtiETl  MEDl CENTS CITE  WO  CHENS  GIERTET. 


ln  der  47.  .Jahres vvoelie,  vom  10.  bis  22.  November  1002, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  00U  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Beuthen  mit  29,5,  die  geringste  Schöneberg  mit  6,4 
.Todesfällen  pio  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Masern  in  Aachen,  Barmen,  Borbeck, 
Duisburg,  Königsberg;  an  Scharlach  in  Beuthen;  an  Diphtherie 
und  Krupp  in  Borbeck,  Elberfeld,  Gera,  Görlitz,  Königsberg, 
Mülheim  a.  d.  R.  V.  d  K  G  -A 

—  Die  im  Jahre  1896  begründete  Zweiganstalt  für  m  inder¬ 
bemittelte  Nerven-  und  Stoffwechsel-Kranke 
des  Sanatoriums  von  Dr.  Bartels  in  Kreischa  bei  Dresden 
wurde  um  weitere  30  Betten  vergrössert,  so  dass  nunmehr 
60  Betten  zur  Verfügung  stehen,  ln  diesem  Jahre  sind  in  der 
Zweiganstalt  rund  300  Kranke  (mit  ca.  10  000  Verpflegungstagen) 
behandelt  worden. 

—  Herr  Prof.  Treupel  bittet  uns,  ausdrücklich  hervor¬ 
zuheben,  dass  das  über  seinen  Vortrag  „Zur  Behandlung  der  Hemi- 
plegie'-  gegebene  Referat  (s.  diese  Wochensehr,  vom  18.  XI.  1902, 
p.  1937)  in  Gedankengang  und  Wortlaut  vielfach  der  über  den¬ 
selben  Gegenstand  in  der  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  45,  Heft  3  u.  4, 
Mai  1902,  von  P.  Lazarus  erschienenen  Abhandlung  folgt. 

—  In  Wien  erschien  die  1.  Nummer  eines  neuen  zahnärztlichen 
Organs:  Oesterreicliische  Zeitschrift  für  Sto¬ 
matologie.  Organ  für  die  wissenschaftlichen  und  Standes- 
interessen  der  Zahnärzte  Oesterreichs.  Der  Jahrgang  besteht  aus 
12  Heften  und  kostet  12  Kronen. 

(Hochschulnachrichten.) 

Breslau.  Habilitiert:  Dr.  Georg  Gottstein,  Assistenz¬ 
arzt  der  chirurgischen  Universitätsklinik,  für  Chirurgie. 

Göttin  gen.  Universitätsfrequenz.  Immatrikulierte  Stu¬ 
dierende:  Theologen  91,  Juristen  417,  Mediziner  149,  Philosophen 
678;  zusammen  1335.  Dazu  kommen  133  zum  Hören  von  Vor¬ 
lesungen  vom  Rektor  ermächtigte  Personen.  Unter  diesen  befinden 
sich  4S  Frauen.  Mithin  Gesamtfrequenz  1465. 

München.  Der  ordentliche  Professor  Dr.  Joseph  v.  Bauer 
wurde,  seiner  Bitte  gemäss,  von  der  Funktion  des  ersten  Vor¬ 
standes  des  Reisingerianums  unter  Anerkennung  seiner  erspriess- 
lichen  Dienstleistung  in  dieser  Stellung  enthoben;  die  Funktion 
eines  ersten  Vorstandes  des  Reisingerianums  wurde  dem  ordent¬ 
lichen  Professor  in  der  medizinischen  Fakultät  Dr.  Friedrich 
Müller,  jene  eines  zweiten  Vorstandes  dem  ausserordentlichen 
Professor  für  medizinische  Poliklinik  Dr.  Fritz  V  o  i  t  übertragen. 

Tübingen.  Die  Frequenz  an  der  hiesigen  Universität  be¬ 
trägt  1301  Studierende,  181  sind  Mediziner.  —  Dem  Privatdozenten 
Dr.  Grün  er  t,  I.  Assistenzarzt  an  der  Augenklinik,  wurde  der 
Titel  und  Rang  eines  ausserordentlichen  Professors  der  Universität 
Tübingen  verliehen. 

Würzburg.  Frequenz  im  Wintersemester  1902/03:  Theo¬ 
logen  105,  Juristen  408,  Mediziner  (einschliesslich  33  Zahnärzten) 
461,  Philosophen  330.  Gesamtzahl  1304,  dazu  kommen  26  Hörer 
und  58  Hörerinnen.  (Im  Wintersemester  1901/02  betrug  die  Ge¬ 
samtfrequenz  1194,  darunter  Mediziner  [einschliesslich  21  Zahn¬ 
ärzten]  438.) 

(Todesfälle.) 

Dr.  Nathaniel  F  eue  r,  Professor  der  Augenheilkunde,  in 
Ofen-Pest. 

In  Graz  starb  der  Professor  der  chirurgischen  Klinik  Dr.  Karl 
Nicoladoni,  55  Jahre  alt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Ernannt:  Zu  bezirksärztlichen  Stellvertretern  Dr.  Karl 

W  u  n  der  von  Enkenbach  zu  Wolf  stein  und  Dr.  Wilhelm 
flöchten  zu  Blieskastel. 

Verzogen:  Dr.  W.  Otto  von  Ludwigshafen. 

Abschied  bewilligt:  Dem  Stabsarzt  Dr.  Weinbuch,  Ba¬ 
taillonsarzt  im  4.  Inf.-Regt.,  mit  der  gesetzlichen  Pension  und  mit 
der  Erlaubnis  zum  Forttragen  der  Uniform  mit  den  für  Ver¬ 
abschiedete  vorgeschriebenen  Abzeichen. 

Ernannt:  Seitens  des  Generalstabsarztes  der  Armee  wurde  der 
einjährig-freiwillige  Arzt  Wilhelm  Dieterich  des  9.  Inf.-Reg. 
zum  Unterarzt  im  6.  Inf.-Reg.  ernannt  und  mit  Wahrnehmung 
einer  offenen  Assistenzarztstelle  beauftragt. 


Korrespondenz. 

Zur  Morbiditätsstatistik  in  Bayern. 

Wir  erhalten  von  amtsärztlicher  Seite  folgende  Zuschrift: 

Es  ist  ohne  Zweifel  sehr  zu  beklagen,  dass  das  Gesuch  der 
oberbayerischen  Aerztekanuner  um  Gewährung  von  Portofreiheit 
für  die  Morbiditätsstatistik  abschlägig  bescliieden  werden  musste. 
Weit  mehr  aber  wäre  es  zu  beklagen,  wenn  dadurch,  wie  es  leider 
den  Anschein  hat,  die  Teilnahme  der  Aerzte  zurückginge.  Letz¬ 
teres  sollte  wenn  möglich  verhütet  werden.  Für  die  Aerzte  ist 
der  Weg,  sich  bei  dieser  Korrespondenz  der  Gemeindebehörde  zu 
bedienen,  nicht  immer  gangbar,  ganz  abgesehen  davon,  dass  es 
keineswegs  angenehm  ist,  alle  4  Wochen  den  Bürgermeister  zu 
ersuchen.  Schreiber  dieses  ist  es  vorgekommen,  dass  der  Bürger¬ 
meister  die  Abstempelung  mit  dem  Gemeindesiegel  verweigerte 
und  vorher  Kenntnis  von  dem  Inhalte  verlangte. 

Vielleicht  wäre  der  folgende  Weg  gangbar,  wenn  er  auch  den 
Bezirksärzten  einige  Mühe  verursachte,  der  sie  sich  im  Interesse 
der  Sache  aber  gerne  unterzögen.  Die  Bezirksärzte  verteilen  mit 
den  Zählblättchen  alljährlich  je  12  Kuverts  mit  dem  folgenden 


2071. 


V  o.rdruck,  nachdem  sie  dieselben  mit  dem  Amtssiegel  versehen, 
an  die  beteiligten  Aerzte: 

Der  praktische  Arzt  Dr . in 


An  (L.  8.) 

den  kgl.  Bezirksarzt 

in 

R.  S.  Morbid.  Statistik 
Monat  .... 

Die  praktischen  Aerzte  setzen  Namen,  Wohnort,  Wohnort  des 
Bezirksarztes  und  Monat  auf  das  Kuvert.  Damit  wäre  meines 
Erachtens  der  Form  in  derselben  Weise  genügt,  wie  wenn  ein 
Gemeindesiegel  auf  dem  Kuvert  steht,  der  Sache  aber  ein  grosser 
Dienst  erwiesen.  p>r  p  jj 


Amtlicher  Erlass. 

(Bayer  n.) 

No.  26208. 

Königlich  Allerhöchste  Verordnung^  Gebühren  für  ärztliche 
Dienstleistungen  bei  Behörden  betreffend. 

Im  Namen  Seiner  Majestät  des  Königs. 

Luitpol  d( 

von  Gottes  Gnaden  Königlicher  Prinz  von  Bayern,  Regent. 

Wir  haben  Uns  bewogen  gefunden,  die  Bestimmungen  der 
Königlichen  Verordnung  vom  20.  Dezember  1875,  die  Vergütung 
für  ärztliche  Amtsgeschäfte  betreffend  (Ges.-  u.  V.-Bl.  S.  859)  einer 
Revision  unterstellen  zu  lassen,  und  verordnen  demgemäss,  was 
folgt: 

§  1.  Für  ärztliche  Dienstleistungen  werden  unter  den  in  gegen¬ 
wärtiger  Verordnung  bestimmten  Voraussetzungen  Vergütungen 
gewährt.  Hiebei  können  in  Betracht  kommen  eine  Gebühr  für  die 
Verrichtung,  Entschädigung  für  Zeitaufwand,  Gewährung  von 
Tagegeldern,  Ersatz  der  Reisekosten  und  der  besonderen  Auslagen. 

§  2.  Die  Amtsärzte  erhalten  für  amtsärztliche  Dienst¬ 
leistungen,  soferne  die  Kosten  vom  Staate,  einer  Gemeinde  oder 
einer  Wohltätigkeitsstiftung  zu  tragen  sind,  Tagegelder  und  Er¬ 
satz  der  Reisekosten  nach  den  Bestimmungen  über  die  Aufrech¬ 
nung  von  Tagegeldern  und  Reisekosten  bei  auswärtigen  Dienst¬ 
geschäften  der  Beamten  des  Zivilstaatsdienstes.  Eine  Gebühr 
für  die  Verrichtung  selbst  wird  nicht  gewährt. 

Die  beteiligten  Ministerien  sind  ermächtigt,  im  Benehmen  mit 
dem  Staatsministerium  der  Finanzen  in  Ausnahmefällen  eine 
Vergütung  für  die  Verrichtung  selbst  zu  bewilligen,  ferner  für 
besondere  Fälle  bezüglich  der  Voraussetzung  zur  Gewährung  von 
Tagegeldern  und  Reisekosten,  sowie  bezüglich  der  Höhe  der  Tage¬ 
gelder  abweichende  Bestimmungen  zu  treffen. 

§  3.  Bei  amtsärztlichen  Dienstleistungen,  für  welche  die 
Kosten  nicht  vom  Staate,  einer  Gemeinde  oder  einer  Wohltätig¬ 
keitsstiftung  zu  tragen  sind,  kommt  den  Amtsärzten  für  die  Ver¬ 
richtung  eine  Gebühr  zu,  Avie  sie  in  der  beifolgenden  Gebühren¬ 
ordnung  und,  soferne  diese  eine  Bestimmung  nicht  enthält,  in  der 
mit  der  k.  Verordnung  vom  17.  Oktober  1901,  ärztliche  Gebühren 
betreffend  (Ges.-  u.  V.-Bl.  S.  629)  erlassenen  Gebührenordnung  be¬ 
stimmt  ist. 

Falls  die  Verrichtung  die  Entfernung  des  Arztes  von  seiner 
Wohnung  erfordert  und  der  Ort  des  Geschäfts  nicht  unter  2  Kilo¬ 
meter  von  der  Wohnung  entfernt  ist,  erhält  er  Entschädigung  fin¬ 
den  durch  den  Hin-  und  Rückweg  veranlassten  Zeitaufwand  und 
zAvar  1.50  M.  bis  3  M.  für  jede  angefangene  halbe  Stunde,  Avobei 
die  notwendige  Wartezeit  bis  zum  Abgänge  des  Beförderungs¬ 
mittels  eingerechnet  wird,  ferner  Ersatz  der  Auslagen  für  Be¬ 
nützung  des  Beförderungsmittels.  Für  Benützung  des  eigenen 
Fuhrwerks  oder  Beförderungsmittels!  ist  die  Entschädigung  nach 
den  ortsüblichen  Pi'eisen  zu  berechnen. 

§  4.  Das  Staatsministerium  des  Innern  ist  ermächtigt,  im 
Benehmen  mit  dem  Staatsministerium  der  Finanzen  und  den  an¬ 
deren  beteiligten  Ministerien  über  die  Höhe  der  Entschädigung 
bei  Benützung  des  eigenen  Fahrrads  oder  Motors  besondere  Be¬ 
stimmungen  zu  treffen. 

§  5.  Besondere  Auslagen  für  Chemikalien,  Instrumente,  Ge¬ 
hilfen,  Einbalsamierungsmittel  und  ähnliches  sind  in  jedem  Falle 
nach  dem  wirklichen  Aufwande  zu  ersetzen.  Für  die  gewöhnliche 
Abnützung  Aron  Instrumenten  wird  eine  Entschädigung  nicht  ge- 
Avährt. 

§  6.  Sind  die  Kosten  der  amtsärztlichen  Dienstleistung  aus 
der  Staatskasse  einstweilen  ausznlegen,  so  erhält  der  Amtsarzt 
zunächst  nur  die  Vergütung  nach  den  §§  2,  4  und  5.  Den  nach 
§  3  sich  berechnenden  Mehrbetrag  erhält  er  erst  dann,  Avenn 
dieser  Betrag  A’on  dem  Zahlungspflichtigen  erlegt  ist. 

§  7.  Amtsärzte  im  Sinne  dieser  Verordnung  sind  die  Land¬ 
gerichtsärzte  und  Bezirksärzte.  ImvieAveit  Assistenten  derselben 
als  Amtsärzte  zu  gelten  haben,  wird  vom  Staatsministerium  des 
Innern  im  Benehmen  mit  dem  Staatsministerium  der  Finanzen 
und  den  übrigen  beteiligten  Ministerien  bestimmt. 

Amtsärztliche  Dienstleistungen  im  Sinne  gegenwärtiger  Ver¬ 
ordnung  sind  lediglich  diejenigen,  Avelche  zur  Geschäftsaufgabe 
der  im  vorstehenden  Absatz  bezeiclineten  Amtsärzte  gehören.  Die 
Erstattung  A'on  Berichten  oder  Gutachten  für  Organe  der  Ar- 
beiteiwersicherung  ist  als  eine  amtsärztliche  Dienstleistung  nicht 
anzusehen. 

§  8.  Andere  Aerzte,  beamtete  oder  nicht  beamtete,  welche  zu 
einer  amtsärztlichen  Dienstleistung  berufen  werden,  erhalten  hie- 
für,  gleichAüel  von  wem  die  Kosten  zu  tragen  sind,  die  in  den 
§§  3,  4  und  5  bezeichnten  Vergütungen. 


2072  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET.  Ho.  49. 


I  »asselbe  gilt,  wenn  solche  Aerzte  neben  einem  Amtsärzte  zu 
einer  amtsärztlichen  Dienstleistung  berufen  werden,  sofern  nicht 
besondere  Bestimmungen  getroffen  sind. 

Die  Vorschriften  in  Abs.  1  und  2  linden  auch  Anwendung  auf 
die  nach  den  §§  7,  8  der  k.  Verordnung  vom  3.  September  1879, 
den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwaltungsbehörden 
betreffend  (Ges.-  u.  V.-Bl.  S.  1081),  auf  gestellten  bezirksärztlichen 
Stellvertreter.  Für  die  den  remunerierten  bezirksärztlichen  Stell¬ 
vertretern  nach  §  S  Abs.  2  jener  Verordnung  besonders  auferlegten 
amtsärztlichen  Dienstleistungen  gelten  die  Vorschriften  in  den 
§§  2  bis  5  und  im  §  6. 

§  9.  Die  Vorschriften  im  §  S  Abs.  1  linden  auch  dann  An¬ 
wendung,  wenn  Amtsärzte  oder  andere  Aerzte  auf  Veranlassung 
einer  Behörde  über  Vorkommnisse  in  ihrer  Privatpraxis  Bei'ichte 
oder  Gutachten  erstatten.  Dieselben  Vorschriften  gelten,  wenn 
Amtsärzte  oder  andere  Aerzte  Berichte  oder  Gutachten  für  Or¬ 
gane  der  Arbeiterversicherung  erstatten. 

§  10.  Wird  ein  anderer  Arzt  als  ein  Amtsarzt  zum  Verweser 
der  erledigten  Stelle  eines  Landgerichtsarztes  oder  Bezirksarztes 
bestellt,  so  erhält  er  aus  der  Staatskasse  Ersatz  der  Reisekosten 
für  die  Reise  von  seinem  Wohnorte  an  den  Amtssitz  zur  Ueber- 
nahme  der  Funktion  und  für  die  Rückreise  nach  beendigter  Funk¬ 
tion  gemäss  den  Bestimmungen  im  §  3  Abs.  2  und  im  §  4,  ferner  auf 
die  Dauer  der  Verwesung  ein  Tagegeld  von  G  M.  Die  Bewilligung 
eines  höheren  Tagegeldes  unterliegt  der  Genehmigung  der  Staats- 
ministerien  des  Innern  und  der  Finanzen.  Im  übrigen  finden  auf 
den  Verweser  die  Bestimmungen  in  den  §§  2  bis  G  Anwendung. 
Letztere  Bestimmungen  gelten  auch  dann,  wenn  der  Verweser  die 
Stelle  von  seinem  Wohnort  aus  versieht,  sei  es,  dass  die  verweste 
Stelle  sich  am  gleichen  Orte  befindet  oder  nicht. 

Vorstehende  Bestimmungen  finden  auch  dann  Anwendung, 
wenn  für  einen  beurlaubten  oder  erkrankten  Amtsarzt  ein  Ver¬ 
weser  von  der  Aufsichtsbehörde  bestellt  wird. 

§  11.  Wird  ein  anderer  Arzt  als  ein  Amtsarzt  im  öffentlichen 
Interesse,  wie  im  Falle  einer  Epidemie,  vorübergehend  von  seinem 
Wohnort  an  einen  anderen  Ort  abgeordnet,  so  erhält  er  Ersatz  der 
Reisekosten. 

Ausserdem  hat  er,  wenn  die  Abordnung  2  Tage  nicht  über¬ 
steigt  und  bei  der  Abordnung  besondere  Bestimmungen  nicht  ge¬ 
troffen  werden,  eine  Entschädigung  für  Zeitaufwand  bis  zum 
Meistbetrage  von  30  M.  für  den  Tag  zu  beanspruchen. 

Dauert  die  Abordnung  länger  als  2  Tage,  so  ist  die  Ent¬ 
schädigung  besonders  zu  bestimmen. 

Dem  abgeordneten  Arzte  bleibt  es  unbenommen,  von  Zah¬ 
lungsfähigen,  welche  seine  Hilfe  in  Anspruch  nehmen,  Vergütung 
zu  verlangen. 

§  12.  Soweit  ein  Spielraum  zwischen  einem  niedrigsten  und 
einem  höchsten  Satze  gelassen  ist,  wird  die  Höhe  der  Vergütung 
nach  den  besonderen  Umständen  des  Falles,  namentlich  nach  den 
örtlichen  Verhältnissen,  der  Vermögenslage  des  Zahlungspflich¬ 
tigen,  sowie  der  Mühewaltung  und  dem  Zeitaufwande  bemessen. 

Haben  in  den  Fällen  der  §§  8  und  9  Kassen  des  Staates,  der 
Gemeinden  oder  Wohltätigkeitsstiftungen  die  Kosten  zu  tragen, 
so  ist  der  niedrigste  Betrag  anzusetzen.  Die  beteiligten  Ministerien 
sind  ermächtigt,  im  Benehmen  mit  dem  Staatsministerium  der 
Finanzen  in  besonderen  Fällen  einen  höheren  Betrag  zu  bewilligen. 

Sind  in  den  Fällen  der  §§  8  und  9  die  Kosten  aus  der  Staats¬ 
kasse  einstweilen  auszulegen,  so  erhält  der  Arzt  zunächst  nur  den 
niedrigsten  Betrag.  Den  sich  nach  Abs.  1  berechnenden  Mehr¬ 
betrag  erhält  er  erst  dann,  wenn  dieser  Betrag  von  dem  Zahlungs¬ 
pflichtigen  erlegt  ist.  Die  Bestimmung  im  Abs.  2  Satz  2  findet 
auch  hier  Anwendung. 

§  13.  Insoweit  für  die  Entschädigung  von  Amtsgeschäften 
besondere  Vorschriften  bestehen,  wie  bezüglich  der  öffentlichen 
Impfung,  der  Leichenschau,  oder  für  ärztliche  Dienstleistungen 
eine  besondere  amtliche  Regelung  vorgesehen  ist,  wie  bezüglich 
der  Bahnärzte,  der  Postvertrauensärzte,  der  Gefängnisärzte,  finden 
die  Bestimmungen  dieser  Verordnung  keine  Anwendung. 

§  14.  Die  Festsetzung  der  für  eine  Dienstleistung  zu  ge¬ 
währenden  Beträge  erfolgt  durch  die  mit  der  Angelegenheit  be¬ 
fasste  Behörde. 

Gegen  die  von  einem  Ministerium,  dem  Obersten  Landes¬ 
gerichte  oder  dem  Verwaltungsgerichtshofe  vorgenommene  Fest¬ 
setzung  findet  nur  Gegenvorstellung  statt.  Im  übrigen  ist  gegen 
die  Festsetzung  Beschwerde  zu  der  im  Instanzenzuge  Vorgesetzten 
Behörde  zulässig. 

§  15.  Die  Bestimmungen  in  den  §§  3,  4,  5,  12  gelten  für 
beamtete  und  nicht  beamtete  Aerzte  als  Taxvorschriften  im  Sinne 
des  §  13  der  Reichs-Gebührenordnung  für  Zeugen  und  Sachver¬ 
ständige  in  der  Fassung  der  Bekanntmachung  vom  20.  Mai  1898, 
gleichviel  ob  die  Aerzte  aus  Anlass  einer  amtsärztlichen  Dienst¬ 
leistung  oder  aus  einem  anderen  Anlasse  zu  Sachverständigen  er¬ 
nannt  worden  sind. 

Werden  Amtsärzte  zu  Sachverständigen  ernannt,  so  kommen 
auch  die  Bestimmungen  in  den  §§  2,  G  zur  Anwendung.  Das 
gleiche  gilt  für  remunerierte  bezirksärztliche  Stellvertreter,  wenn 
sie  aus  Anlass  einer  im  §  8  Abs.  3  Satz  2  bezeiclmeten  amtsärzt¬ 
lichen  Dienstleistung  als  Sachverständige  ernannt  worden  sind. 

§  IG.  Die  beteiligten  Ministerien  sind  ermächtigt,  die  erforder¬ 
lichen  Ausführungsbestimmungen  zu  erlassen  und  insbesondere 
die  Form  und  das  Verfahren  bei  Aufstellung  und  Einreichung  der 
Berechnung  der  Vergütung  zu  regeln. 

§  17.  Gegenwärtige  Verordnung,  durch  welche  alle  entgegen¬ 
stehenden  Bestimmungen  und  namentlich  die  k.  Verordnung  vom 
20.  Dezember  1875,  die  Vergütung  für  ärztliche  Amtsgeschäfte 
betreffend,  und  der  §  12  Abs.  2  der  k.  Verordnung  vom  17.  Oktober 


1901,  ärztliche  Gebühren  betreffend,  aufgehoben  werden,  tritt  am 

I.  Januar  1903  in  Kraft. 

M  ü  n  c  h  e  n,  den  17.  November  1902. 

Luitpold, 

Prinz  von  Bayern,  des  Königreichs  Bayern  Verweser. 

Dr.  Frhr.  v.  Riedel.  Dr.  Frlir.  v.  Feilitzsch.  Dr.  Frhr.  v.  Leourod. 

Auf  Allerhöchsten  Befehl: 
Der  Generalsekretär: 
Ministerialrath  v.  Kopplstätter. 

Gebührenordnung  für  amtsärztliche  Dienst¬ 
leistungen. 

1.  Besichtigung  einer  Leiche  oder  von  Leichenteilen  mit  Befund¬ 
bericht  und  vorläufigem  Gutachten . 5  bis  10  M., 

2.  Vornahme  einer  Sektion  von  Leichenteilen  mit  Befundbericht 

und  vorläufigem  Gutachten . 10  bis  30  M., 

3.  Vornahme  einer  Leichenöffnung  mit  Befundbericht  und  vor¬ 
läufigem  Gutachten . 20  bis  50  M., 

4.  Assistenz  bei  Vornahme  einer  Leichenöffnung  .  5  bis  20  M., 

5.  Mikroskopische,  physikalische  Untersuchung  mit  Befundbericht 
und  vorläufigem  Gutachten  bei  einfachen  Untersuchungen 

5  bis  10  M., 

bei  zeitraubenden  Untersuchungen . 10  bis  30  M., 

G.  Bakteriologische,  chemische  Untersuchung  mit  Befundbericht 

und  vorläufigem  Gutachten  . 10  bis  30  M., 

bei  zeitraubenden  Untersuchungen . 30  bis  75  M., 

7.  Wundbeschau  oder  sonstige  ärztliche  Untersuchungen  und  Be¬ 
obachtungen  mit  Befundbericht  und  vorläufigem  Gutachten 
- —  soferne  nicht  ein  Fall  der  Ziffer  9  vorliegt  —  bei  einfachen 

Untersuchungen  und  Beobachtungen . 5  bis  20  M., 

bei  zeitraubenden  Untersuchungen  und  Beobachtungen 

10  bis  30  M., 

8.  Wissenschaftlich  begründetes  Gutachten  über  Personen  oder 

Sachen  . 10  bis  50  M., 

9.  Ausstellung  von  Zeugnissen  über  Gesundheit  oder  Krankheit, 

Diensttauglichkeit,  Aufsicht»-,  Arbeits-  oder  Erwerbsfähigkeit 
mit  Untersuchung . 3  bis  20  M., 

10.  Beglaubigung  von  Zeugnissen,  Ausstellung  eines  Befund¬ 
scheines,  Erteilung  einer  schriftlichen  Auskunft  ohne  nähere 
gutachtliche  Ausführung . 1  bis  3  M., 

II.  Gutachten  in  Bezug  auf  Beerdigung,  Ausgrabung,  Beförderung, 

Verbrennung  von  Leichen . 5  bis  20  M., 

12.  Untersuchung  einer  Apotheke,  einer  Drogerie,  einer  Gifthand¬ 
lung  . 10  bis  30  M., 

13.  Gutachten  in  polizeilichen  Angelegenheiten  über  Einrichtungen 

oder  gewerbliche  Anlagen . 5  bis  20  M., 

14.  Abwartung  eines  gerichtlichen  Termins  als  Sachverständiger 
einschliesslich  der  während  des  Termins  ausgeführten  Unter¬ 
suchung  und  des  erstatteten  mündlichen  Gutachtens  bis  zu 

2  Stunden . 6  M., 

für  jede  angefangene  Stunde  mehr . 2  M. 

Als  Anfang  des  Termins  gilt  die  Zeit,  zu  welcher  geladen  ist, 
als  Endpunkt  die  Zeit  der  Entlassung. 

Unterbrechungen  der  Verhandlungen  und  Beurlaubungen  des 
Arztes  werden  in  die  Terminsdauer  eingerechnet;  dies  gilt  jedoch 
bei  einer  Unterbrechung  oder  Beurlaubung,  welche  auf  mehr  als 
2  Stunden  bestimmt  wird,  dann  nicht,  wenn  der  Arzt  an  seinem 
Wohnort  vernommen  wird. 

Die  Gebühr  ist  für  jeden  Verhandlungstag  besonders  zu  be¬ 
rechnen. 

Ist  der  Arzt  in  mehreren  Terminen  an  demselben  Tage  be¬ 
schäftigt,  so  darf  dieselbe  Zeit  nicht  mehrfach  berechnet  werden. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  fürMünchen 

in  der  47.  Jahreswoche  vom  16.  bis  22.  November  1902. 
Beteiligte  Aerzte  102.  —  Brechdurchfall  8  (3*),  Diphtherie  u. 
Krupp  6  (7),  Erysipelas  5  (10),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  ( — ).  Kindbettfieber  —  (3),  Meningitis  cerebrospin.  —  ( — ), 
Morbilli  27  (31),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  5  (2),  Parotitis 
epidem.  2  ( — ),  Pneumonia  crouposa  8  (15),  Pyämie,  Septikämie 

—  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  13  (13),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 

Scarlatina  4  (3),  Tussis  convulsiva  18  (32),  Typhus  abdominalis  1 
( — ),  Varicellen  12  (13),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  4  (4). 
Summa  113  (135).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  47.  Jahreswoche  vom  16.  bis  22.  November  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  2  (1*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u.  Krupp  —  (2),  Rotlauf  2  ( — ),  Kindbettfieber  2  (1),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  4  ( — ),  Brechdurchfall  1  (3),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  3  (2),  Kruppöse  Lungenentzündung  2  (1),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  24(22),  b)  der  übrigen  Organe  9(13),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  (1),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
2  (2),  Unglücksfälle  4  (4),  Selbstmord  —  (3),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  199  (202),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  20,4  (20,8),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  14,5  (12,4). 


)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  derVorwoche. 

Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


IM«.  Munch.  MeA  Wochcnschr.  erschein:  'w&ehchi!. 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5-6  I{>-cn 
Preis  in  Deutschland,  Oesierr  -Umram  u.  Luxemburg 
Vierteljahr].  Jt  6. —  in  allen  übr'Rcn  Ländern  Jl  8  — 
Einzelne  No.  80  -J,. 


MÜNCHENER 


Züsehäungen  sind  zü  adressiien:  Fiir  die  Redaktlo.. 
Arnulfstr.  2G.  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr.  — 
Für  Abonnement  an  J.  K.  Lehmann,  Ileustr  20.  — 
Für  Inserate  und  Beilapeu  an  Rudolf  Mosse, 
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MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 

(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATT) 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


No.  50. 


16.  Dezember  1902. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig. 

Lieber  parenchymatöse  Nephritis  bei  Lues. 

Von  Dr.  med.  MaxW  a  g  n  e  r,  früherem  Assistenten  der  Klinik, 
jetzigem  Assistenten  der  I.  med.  Abteilung  des  Allgem.  Kranken¬ 
hauses  Hamb  u  rg-Eppen  d  o  rf . 

Schon  R  a  y  e  r,  V  i  r  c  h  o  w,  B  e  er  und  W  agil  e  r  haben 
zuerst  auf  die  Beziehungen  von  Nierenerkrankungen  zur  Syphilis 
hingewiesen.  Aber  erst  in  den  letzten  2  Jahrzehnten  ist  eine 
schärfere  Abgrenzung  derjenigen  Nierenerkrankungen,  die  tat¬ 
sächlich  durch  die  syphilitische  Infektion  entstanden  sind,  durch¬ 
geführt  worden. 

Während  man  anfangs,  besonders  in  England,  gänzlich  einen 
Zusammenhang  beider  Krankheiten  leugnete  und  die  während  des 
Verlaufes  einer  Syphilis  auf  tretenden  Nephritiden  lediglich  für 
die  Folge  allzu  energischer  merkurialer  Behandlung  hielt,  brach 
sich  allmählich  die  Anschauung  Bahn,  dass  es  in  der  Tat  Nieren¬ 
erkrankungen  gäbe,  deren  Ursache  in  dem  syphilitischen  Prozess 
zu  suchen  sei. 

Es  wurde  zunächst  von  Seite  der  Syphilidologen  dieser  kau¬ 
sale  Zusammenhang  betont,  während  die  Internisten  sich  lange 
Zeit  ablehnend  verhielten.  Freilich  wichen  die  Meinungen  in  den 
Einzelheiten  sehr  von  einander  ab. 

So  beschreibt  E.  W  agner  12  I  alle  von  parenchymatöser 
Nephritis  bei  Lues  und  hält  in  einer  Anzahl  derselben  die  Syphilis 
für  die  wahrscheinliche  Ursache,.,  hebt  aber  andererseits  die  Mög¬ 
lichkeit-  änderen  Ursprungs  bei  einigen  Fällen  hervor. 

Den  ätiologischen  Zusammenhang  hält  S  p  i  e  s  s  bei  den 
interstitiellen  Nephritiden  und  bei  den  gummösen  Formen  noch 
am  ehesten  für  nachweisbar,  bei  den  parenchymatösen  dagegen 
für  recht  unsicher.  Trotzdem  beschreibt  er  aber  selbst  3  Fälle 
von  kongenitaler  Lues,  bei  denen  bei  der  Sektion  zweifellose 
Nephritis  gefunden  worden  ist,  die  er  als  luetisch  ansieht. 

Noch  skeptischer  ist  Pannetier;  nach  seiner  Ansicht  sind 
die  meisten  der  als  luetisch  beschriebenen  Nephritiden  nicht 
durch  das  syphilitische  Gift,  sondern  durch  das  verabreichte 
Quecksilber  hervorgerufen.  Er  weist  dabei  darauf  hin,  dass  die 
Nierenentzündungen  bei  Lues  in  Deutschland  häufiger,  seien, 
eben  weil  hier  mehr  Quecksilber  als  in  Frankreich  gegeben  werde. 

Auch  Senato  r  führt  die  meisten  während  einer  Lues  be¬ 
obachteten  Nierenentzündungen  auf  andere  Ursachen  zurück;  er 
hält  die  „lediglich  unter  dem  Einfluss  der  Syphilis  entstandene 
akute  Nephritis“  für  sehr  selten  und  noch  mehr  die  „nicht 
amyloide  chronische  (, parenchymatöse*)  Nephritis“. 

W  eiander  bezweifelt  überhaupt  das  Vorkommen  syphi¬ 
litischer  parenchymatöser  Nephritiden;  er  hat  nur  2  Fälle  be¬ 
obachtet,  die  möglicherweise  syphilitischen  Ursprungs  waren,  ob¬ 
wohl  sich  auch  hierfür  keine  sicheren  Beweise  haben  erbringen 
lassen.  Die  meisten  der  bisher  veröffentlichten  Fälle  von  akuter 
parenchymatöser  sypliilitscher  Nephritis  sind  seiner  Meinung 
nach  nichts  weniger  als  einwandsfrei. 

In  gleichem-  Sinne  wie  er  und  Senator  äussern  sich  auch 
N  eumann,  Karvonen  und  Delamare,  denen  ein  grosses 
syphilitisches  Material  zu  Geböte  steht;  sie  betonen  gerade  die 
grosse  Seltenheit  der  Fälle,  sobald  man  wenigstens  mit  der 
nötigen  Kritik  an  die  Kasuistik  herantritt.  So  lässt  Karvonen 

No.  50. 


in  einer  ausführlichen  Arbeit  von  allen  veröffentlichten  Fällen 
nur  20  als  wirklich  syphilitische  Nephritiden  gelten. 

Bezüglich  des  zeitlichen  Auftretens  der  Nieren¬ 
erkrankungen  unterscheiden  die  meisten  Autoren  ein  solches  in 
der  Früh-  oder  Spätperiode  der  Lues.  In  der  ersten  beginnt  die 
Erkrankung  nicht  lange  nach  dem  Ausbruch  des  Primäraffektes, 
etwa  mit  oder  kurz  nach  dem  Auftreten  der  syphilitischen  Roseola, 
während  sie  in  der  Spätperiode  beliebig  entsteht  und  meist  mit 
den  Symptomen  der  übrigen  Eingeweidesyphilis  Hand  in  Hand 
geht.  Alle  Formen  von  Nephritis  treten  nach  Tommasoli 
sowohl  hei  rezenter  als  auch  bei  inveterierter  Syphilis  auf;  nach 
W  e  1  a  n  d  e  r  kann  sogar  noch  eine  Nephritis,  die  mit  luetischen 
Späterkrankungen,  wie  z.  B.  mit  Tabes  zusammen  auftritt,  auf 
Lues  zurückgeführt  werden. 

Engel-Reimers  gibt  über  das  zeitliche  Auftreten  der 
Nierenerkrankung  bei  Lues  eine  Statistik  über  23  von  M  ä  u  r  i  a  c 
gesammelte  Fälle.  Darnach  trat  dieselbe  in  8  Fällen  mit  den 
ersten  Allgemeinerscheinungen  der  Lues  auf,  während  sie  in  den 
übrigen  bald  gleichzeitig  mit  den  Erscheinungen  eines  Rezidivs 
begannen,  bald  in  der  Frühperiode  entstandene  und  chronisch 
gewordene  Nephritiden  analog  dem  Fehlen  syphilitischer  Sym¬ 
ptome  und  dem  Wiederauftreten  derselben  regelmässige  Besse¬ 
rungen  und  Verschlimmerungen  zeigten. 

Die  Fälle  von  E.  W  agn.er  in  seiner  oben  zit erteil  Arbeit 
fallen  fast  alle  in  das  tertiäre  Stadium  (weil  er  zur  Zeit,  als  er 
sie  sammelte  —  wie  er  selbst  sagt  —  nur  noch  selten  sekundäre 
und  fast  nie  mehr  primäre  Luesi  zu  sehen  bekam);  meist  sind  es 
akute  Nephritiden,  während  er  chronische  nur  sehr  selten  be¬ 
obachtete. 

Die  S  y  m  p  t  o  m  e  und  der  V erlau  f  bieten  keine  wesent¬ 
lichen  Abweichungen  von  den  gewöhnlichen  Nierenentzündungen; 
nur  Grandmai  son  betont  den  meist  sehr  chronischen  Ver¬ 
lauf  besonders  der  Spätformen.  Urämie  ist  bei  diesen  selten  be¬ 
obachtet,  bei  dt  n  Frühformen  ist  sie  dagegen  immer  zu  be¬ 
fürchten. 

Bei  der  I)  iagnosenstellung  hält  W  e  1  a  n  d  e  r  mit 
Recht  die  grösste  Vorsicht  für  geboten;  nur  der  Ausschluss  aller 
anderen  Ursachen  für  die  Nephritis  gestattet  die  Annahme  des 
syphilitischen  Ursprungs.  Aber  gerade  das  wird  nach  seiner  An¬ 
sicht  zu  sehr  vernachlässigt  und  er  hält  oft  eine  nicht  beachtete 
Erkältung,  früher  chronisch  gewordene  Nierenentzündungen, 
Alkoholismus,  schlechte  Herztätigkeit,  bestehenden  Ikterus, 
Quecksilberbehandlung  u.  a.  m.  für  die  wirkliche  Ursache. 

Boukkeieff  und  T  o  m  masoli  stellen  ihnen  eine 
günstigere  Prognose  als  den  übrigen  Nephritiden,  obwohl  sie 
meist  sehr  langwierig  sind  und  oft  zu  Rezidiven  führen.  Eine 
definitive  Heilung  hält  Engel-Reimers  für  sehr  selten, 
weil  meist  noch  jahrelang  trotz  subjektiven  Wohlbefindens  Ei- 
weiss  im  Urin  gefunden  wird. 

Der  pathologisch  -anatomische  Befund  deckt  sich 
fast  völlig  mit  dem  der  gewöhnlichen  Nierenentzündungen.  Et¬ 
was  Charakteristisches  für  Syphilis  bieten  sie  nicht  (abgesehen 
natürlich  von  den  Nierengummi).  Die  Frühformen  sind  analog 
den  Nephritiden  nach  akuten  Infektionskrankheiten,  besonders 
der  Scharlachnephritis.  Sie  sind  rein  parenchymatöser  Natur 
und  zeigen  das  Bild  der  grossen  weissen  Niere  mit  vorwiegender 
Degeneration  der  epithelialen  Gebilde,  besonders  der  Glomerulus- 
epithelien.  Die  Nephritiden  im  späteren  Stadium  der  Lues  sind 

1 


74 


MUENCIIENER  MEDIOIUISCSE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


er  Natur  und  führen  sehr  häufig  zu 


im  wesentlichen  interstitk -  - 

ausgedehnten  Degenerationen  und  schrumpfenden  Prozessen. 

Es  erschien  mir  nun  interessant,  die  grosse  Zahl  der  in  der 
Literatur  niedergelegten  Fälle  von  parenchymatöser 
Nephritis  bei  Syphilis  nochmals  kritisch  zu  sichten ; 
die  Veranlassung  hierzu  gab  mir  die  Beobachtung  einwandsfreier 
Fälle  in  der  Leipziger  medizinischen  Klinik.  Bei  genauerer  Be¬ 
trachtung  erscheint  allerdings  eine  grosse  Anzahl  der  hierbei  ge¬ 
zählten  Fälle  hinsichtlich  des  Kausalnexus  nicht  einwandsfrei, 
wie  das  ja  auch  schon  Karvonen  hervorgehoben  hat. 

So  sind  8  Fälle  von  E.  Wagner  (Fall  IV — VII  und 
IX— XII  seiner  Arbeit)  und  je  1  Fall  von  Pitt  Newton  und 
Marchiafava  nicht  für  die  Statistik  zu  verwerten.  Die 
letzteren  liegen  nur  in  kürzeren  Referaten  vor,  die  anderen  sind 
in  so  knapper  Form  beschrieben  und  besonders  fehlen  alle  in 
Bezug-  auf  die  Aetiologie  wichtigen  anamnestischen  Angaben, 
dass  ein  Urteil  bezüglich  des  ursächlichen  Zusammenhangs  nicht 
mehr  gefällt  werden  kann.  Ein  Gleiches  gilt  von  einem  F  alle 
von  L  e  v  i  von  einer  chronischen  parenchymatösen  Nephritis  bei 
einem  25  jährigen  Mädchen.  Einerseits  ist  er  bezüglich  des 
parenchymatösen  Charakters  nicht  sicher,  andererseits  kann  das 
Zusammentreffen  beider  Krankheiten  besonders  bei  dem  Fehlen 
einer  genaueren  Anamnese  nur  ein  Zufälliges  sein. 


2  weitere  Fälle  von  E.  W  agner  (II  und  VIII)  sind  mit 
Wahrscheinlichkeit  nicht  auf  Syphilis  zurückzuführen.  In  dem 
einen  derselben  wurde  vom  Patienten  schon  4  Tage  nach  der 
Infektion  mit  hartem  Schanker  eine  Veränderung  der  Ilarn- 
beschaffenheit  bemerkt  und  9  Tage  nach  der  Infektion  am 
Aufnahmetag  —  wurde  eine  parenchymatöse  Nephritis  mit  allen 
ihren  Symptomen  festgestellt.  Bei  der  Kürze  des  Zeitraums 
zwischen  der  Infektion  und  dem  Auftreten  der  Nephritis  scheint 
der  ätiologische  Zusammenhang  sehr  unwahrscheinlich.  Im 
2.  Falle  ergab  die  Sektion  neben  tertiären  syphilitischen  Sym¬ 
ptomen  eine  frische  Pneumonie  und  eine  frische  parenchymatöse 
Nephritis.  Eine  Beziehung  der  Nierenerkrankung  zur  Syphilis  ist, 
besonders  bei  dem  Fehlen  genauerer  Angaben,  nicht  aufzufinden , 
eher  wird  man  wohl  Nephritis  und  Pneumonie  in  einen  kausalen  Zu¬ 
sammenhang  bringen  dürfen.  Auf  die  Bedeutung  der  Pneumonie 
für  die  Entstehung  akuter  Nephritiden  hat  in  neuerer  Zeit  be¬ 
sonders  Lotze  auf  Grund  von  Beobachtungen  in  der  Leipziger 
medizinischen  Klinik  hingewiesen. 


In  folgenden  Fällen  ist  die  syphilitische  Natur  der  Nieren¬ 
erkrankung  wahrscheinlich. 

Cohadon  konnte  in  einem  Fall  kurz  nach  dem  Auftreten 
eines  harten  Schankers  eine  frische  akute  Nephritis,  die  auf 
Behandlung  mit  Sirop  de  Gibert  rasch  zurückging,  feststellen. 
Es  ist  die  Zeit  von  der  Infektion  bis  zum  Ausbruch  der  Nephritis 
zu  kurz,  um  einen  ätiologischen  Zusammenhang  mit  Sicherheit 
anzunehmen,  aber  die  ausdrückliche  Betonung  der  frischen  Ent¬ 
stehung  ohne  bekannte  andere  Ursache  lässt  ihn  als  möglich  er¬ 


scheinen. 

In  einem  anderen,  von  Lecorche  und  1  a  1  a m  o  n  be¬ 
schriebenen  Fall,  der  durch  Roseola  und  spezifische  Rachen¬ 
affektion  gekennzeichnet  war,  trat  zusammen  mit  diesen  Se- 
kundärsymptomen  eine  akute  parenchymatöse  Nierenentzündung 
auf,  die  auf  gründliche  Schmierkur  hin  auffallend  rasch  ver¬ 
schwand.  Die  Autoren  leiten  die  syphilitische  Natur  von  dem 


Erfolge  der  Schmierkur  ab  und  sie  scheint  auch  wegen  des  zeit¬ 
lichen  Zusammentreffens  mit  den  Sekundärsymptomen  nicht  un¬ 


wahrscheinlich. 

In  E.  Wagners  Fall  III  trat  eine  akute  parenchymatöse 
Nephritis  gleichzeitig  mit  Sekundärerscheinungen  einer  frischen 
Syphilis  auf.  Da  aber  ausdrücklich  auf  vielfache  Erkältungen 
und  wahrscheinlich  bestehende  Trunksucht  —  Patientin  war  Kell¬ 
nerin  —  hingewiesen  wird,  ist  der  syphilitische  Ursprung  nicht 
sicher. 

Blüh  m  beschrieb  ebenfalls  eine  frische  akute  Nephritis  bei 
Sekundärsymptomen;  da  sie  aber  eine  glaubwürdige  Anamnese 
nicht  erhalten  konnte,  muss  man  sich  eines  bestimmten  Urteils 
enthalten. 

Ebenfalls  sehr  wahrscheinlich  syphilitischen  Ursprungs  ist 
der  Fall  von  Sch  m  a  1 1  z,  in  dem  2  Monate  nach  der  Infektion 
unmittelbar  nach  Auftreten  der  Sekundärsymptome  eine  schwere 
akute  parenchymatöse  Nephritis  auftrat,  die  nach  merkurieller 
Behandlung  sehr  rasch  in  Besserung  überging. 


Auch  Ponte  beschreibt  eine  schwere  hämorrhagische  Ne¬ 
phritis,  die  3  Monate  nach  der  Infektion  ausbiach,  er  hält  sie 
für  luetisch,  weil  er  kein  anderes  ätiologisches  Moment  auffinden 
konnte.  Auch  hier  ist  nach  merkurieller  Behandlung  rasch  Bes¬ 
serung  eingetreten. 

Es  bleiben  von  den  mir  zu  Gebote  stehenden  veröffentlichten 
Fällen  von  parenchymatöser  syphilitischer  Ne¬ 
phritis  noch  11  *)  übrig,  bei  denen  die  Annahme 
ihres  syphilitischen  Ursprungs  nicht  in  Ab¬ 
rede  gestellt  werden  kann;  ihnen  gesellen  sich  noch  3 
in  der  Leipziger  medizinischen  Klinik  beob¬ 
achtete  hinzu.  Ich  lasse  die  betreffenden  Kranken¬ 
geschichten  hier  folgen : 

Fall  I.  Lues  secundaria.  Urethritis  gonor¬ 
rhoica.  Nephritis  parenchymatosa  subacuta. 

U  riimie.  Peritonitis.  E  x  i  t  u  s. 

F.  S.,  27  jähriger  Wagenrücker;  früher  immer  gesund;  kein 
Scharlach,  kein  Alkoholismus.  Herbst  1S95  Gonorrhöe,  nach 
10  Wochen  geheilt.  Anfang  März  1S97  Verhärtung  der  Vorhaut 
und  einige  Zeit  darnach  fleckiger  Ausschlag  am  Kumpf.  Damals 
nur  2  Touren  einer  Sclimierkur  gebraucht  wegen  raschen  Ver¬ 
schwindens  des  Ausschlages.  Mehrere  Wochen  später  Auftreten 
von  Schluckbeschwerden.  Mitte  Mai  Anschwellung  der  Füsse, 
gleichzeitig  Schwindelanfälle,  Kopfschmerzen,  Herzklopfen, 
Schmerzen  in  der  Nierengegend.  Ende  Juli  unter  Fieber  und 
Kopfschmerzen  Anfall  von  Bewusstlosigkeit.  20.  V.  1897  Auf¬ 
nahme  in  die  medizinische  Klinik  zu  Leipzig. 

Status:  Kräftig,  gut  genährt,  Sensorium  frei.  Oedeme  der 
Beine.  Condylomata  lata  an  Gaumen  und  Tonsillen.  Lunge, 
Herz,  Leber  und  Milz  normal.  Rechte  Niere  druckempfindlich. 
Vernarbter  Schanker  am  Präputium.  Frische  Gonorrhöe.  Urin 
hell.  spez.  Gewicht  1010,  massig  viel  flockiges  Sediment;  mikro¬ 
skopisch  zahlreiche  hyaline,  meist  mit  Fettropfen  und  Detritus 
belegte  Zylinder,  wenig  verfettete  Epithelien,  keine  roten  Blut¬ 
körperchen,  viel  Gonokokken;  3  Prom.  Eiweiss  (nach  Filtrat);  kein 
Blut,  kein  Indikan,  kein  Zucker. 

Krankengeschichte:  Anfangs  Harn  annähernd  nor¬ 
mal  an  Menge,  etwas  trübe,  wenig  Blut  enthaltend,  spez.  Gew. 
1010—1015,  3 — 5  Prom.  Eiweiss.  Unter  Jodkali  Abheilung  der 
Lues  bis  Anfang  Juli.  Behandlung  der  Nephritis  diätetisch.  All¬ 
mähliche  Zunahme  des  eitrigen,  gonokokkenhaltigen  Sediments, 
aber  unter  lokaler  Therapie  und  Wildunger  Wasser  bis  Ende  Juli 
völlige  Heilung  der  Gonorrhöe.  Unter  stetiger  Zunahme  der 
Oedeme,  Abnahme  der  Harnmenge,  Steigen  des  Eiweissgehaltes 
auf  8  Prom.  mit  reichlichen  mikroskopischen  nephritischen  Be¬ 
standteilen  (besonders  Epithelien  und  Zylinder)  am  2.  VII.  kurz¬ 
dauernder  urämischer  Anfall  mit  Konvulsionen.  Auch  nach 
Digitalis  keine  bessere  Diurese.  Am  25.  VIII.  plötzliches  Un¬ 
wohlsein,  starke  Durchfälle  und  Schmerzen  in  der  Nabelgegend 
und  Erbrechen.  Am  27.  VIII.  sehr  geringe  Harnmenge,  Eiweiss- 
gelialt  bis  15  Prom.,  Erbrechen,  starke  Leibschmerzen,  urämischer 
Krampfanfall  mit  Bewusstlosigkeit  und  Erbrechen,  starke 
Scliweisse.  Am  30.  VIII.  unaufhörliches,  kopiöses  Erbrechen 
bräunlicher,  säuerlicher  Massen,  starker  Meteorismus,  Aussehen 
verfallen,  Oedeme  fast  verschwunden,  Puls  sehr  klein;  Abends 
Kollaps  und  Exitus.  Die  Temperatur  war  dauernd  normal,  der 
Puls  in  den  ersten  Tagen  sehr  frequent  und  klein.  Die  Therapie 
bestand  zuletzt  neben  diätetischen  Verordnungen  in  Wildunger 
Wasser,  Tinct.  Opii  und  Kamphor. 

Sektionsbefund:  Verruköse  Endokarditis  der  Mitral¬ 
klappen.  Frische  und  ältere  Infarkte  der  Herzmuskulatur.  Links¬ 
seitiger  Hydrothorax  und  Lungenödem.  Frische  blasse  Infarkte 
der  Milz.  Subakute  parenchymatöse  Nephritis.  (Beide  Nieren  ver- 
grüssert,  Oberfläche  glatt,  braunrot,  von  zahlreichen  gelben,  scharf 
begrenzten  Flecken  durchsetzt:  Konsistenz  derb.  Auf  der  Schnitt¬ 
fläche  ist  die  Kinde  verbreitert  und  an  einzelnen  Stellen  vor¬ 
quellend,  ihre  Struktur  fast  gänzlich  verwischt.  Marksubstanz 
blassrot,  ihre  Struktur  leidlich  erhalten.  In  der  Nierenoberfläche 
vereinzelte  eingesunkene  Partien;  an  einzelnen  Stellen  erkennt 
man  unter  ihnen  dreieckige,  gelbe,  strukturlose  Herde,  die  die 
Nierenrinde  in  ganzer  Ausdehnung  durchsetzen.)  Embolie  eines 
grossen  Astes  der  Art.  mesent.  sup.  und  Thrombose  der  zu¬ 
gehörigen  Venen.  Gangrän  des  gesamten  Ileums  im  Bereich  der 
verstopften  Gefässe.  Fibrinös-eitrige  Peritonitis. 

Mikroskopischer  Befund:  An  frischen  Präparaten 
ganz  enorme,  meist  grobkörnige  Verfettung  sämtlicher  Epithelien 
der  gewundenen  Harnkanälchen;  an  den  geraden  feinkörnige  Trü¬ 
bung.  Glomeruli  ohne  erkennbare  Veränderungen.  Das  inter¬ 
stitielle  Gewebe  ist  vielleicht  etwas  verbreitert  und  kernreicher 
als  normal.  An  den  Blutgefässen  keine  augenfälligen  Verände¬ 
rungen.  Mit  Ilämatoxylin-Eosin  gefärbte  Schnitte  zeigen  starke 
Aufquellung  und  Abstossung  der  Epithelien  fast  sämtlicher  Harn¬ 
kanälchen.  In  denselben  zahlreiche  hyaline  und  rote  Blutkörper¬ 
chenzylinder.  In  der  Kinde  ganz  beginnende  Schrumpfung.  Die 
Herzmuskulatur  zeigt  starke  Wucherung  des  interstitiellen  Ge¬ 
webes  und  mässige  Verfettung  der  Muskelzellen.  Weder  inakro- 
noch  mikroskopisch  Amyloid. 

*)  Anmerkung:  In  No.  44  der  Deutsch,  med.  Wochenschr.  hat 
Waldvogel  in  einer  mir  erst  während  der  Korrektur  bekannt 
gewordenen  Arbeit  einen  Fall  von  Nephritis  syphilitica  acuta  be¬ 
schrieben,  der  diesen  11  noch  hinzuzufügen  ist. 


IG.  Dezember  1902. 


MUENCIIENER  MEDIGINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2075 


Hier  war  also  Anfang  März  der  Primär  aff  ekt  und  einige 
Zeit  darnach  die  syphilitische  Roseola  aufgetreten.  Es  wurde 
zwar  eine  Schmierkur  eingeleitet,  aber  da  der  Ausschlag  sehr 
rasch,  verschwand,  bereits  nach  der  2.  Tour  wieder  abgebrochen. 
I  on  irgend  einer  Veränderung  der  Harnbeschaffenheit  während 
dieser  Zeit  wusste  Patient  nichts.  Es  trat  infolgedessen  wieder 
ein  Rezidiv  auf,  das  sich  durch  Schluckbeschwerden  infolge  der 

Rachenaffektion  äusserte.  Um  dieselbe  Zeit  —  Mitte  Mai _ trat 

die  Nephritis  in  die  Erscheinung,  also  zusammen  mit’  den  Se¬ 
kundärerscheinungen.  Dass  die  Nephritis  in  diesem  Falle  nicht 
als  eine  toxische,  durch  die  kurzdauernde  merkuriale  Behandlung 
entstandene  aufzufassen  ist,  ist  offenbar;  denn  ihr  Ausbruch  er¬ 
folgte  erst  mehrere  Wochen  nach  Beendigung  der  (im  März  vor¬ 
genommenen)  Schmierkur,  so  dass  der  Zeitraum  zwischen  der 
toxischen  Wirkung  des  ausgeschiedenen  Quecksilbers  auf  die 
Nieren  und  der  Nephritis  selbst  zu  gross  ist,  um  sie  darauf 
zurtickzuführen.  Die  Nephritis  steht  auch  in  keinem  Zusammen¬ 
hang  mit  den  gonorrhoischen  Infektionen,  denn  die  erste  ist  ab¬ 
geheilt  gewesen,  ohne  Erscheinungen,  von  seiten  der  Nieren  ge¬ 
macht  zu  haben,  und  die  zweite  ist  sowohl  nach  den  anamnesti¬ 
schen  Angaben  als  auch  nach  dem  klinischen  Befund  eine  frische 
gewesen.  Der  Patient  hat  auch  seit  dem  Ausbruch  der  letzteren 
keines  von  jenen  internen  antigonorrhoischen  Mitteln  genommen, 
die  so  oft  von  den  Patienten  in  unvernünftig  grossen  Dosen 
lange  Zeit  hindurch  genommen  werden  und  bisweilen  schwere 
Nierensehädigungen  hervorrufen.  Irgend  eine  andere  Ursache 
i  iir  die  Entstehung  der  Nephritis  ist  nicht  zu  ermitteln  gewesen, 
obwohl  damals  auf  alle  einschlägigen  Punkte  geachtet  wurde, 
so  dass  ihre  syphilitische  Natur,  besonders  wegen  des  zeitlichen 
Zusammentreffens  mit  den  Sekundärerscheinungen,  festzuhalten 
ist.  Quecksilber  ist  in  diesem  Falle  nicht  zur  Anwendung  ge¬ 
langt,  sondern  nur  anfänglich  Jodkali,  solange  die  luetischen 
Symptome  bestanden. 

hall  II.  Lues  secundaria.  Nephritis  paren- 
cliymatosa  chronica.  Exitu  s. 

P.  St.,  30  jähriger  Kaufmann.  Als  Kind  Masern  und  Schar- 
lich  mit  Wassersucht  gehabt,  sonst  gesund  gewesen.  1891  syphi¬ 
litische  Infektion  und  Ausbruch  einer  spezifischen  Hautaffektion; 

6  wöchentliche  Behandlung  in  der  Leipziger  medizinischen  Klinik 
mit  Hg-Emspritzungen.  Heilung  des  Ausschlags.  Bald  darnach 
Wiederauftreten  desselben  und  Abheilung  nach  4  wöchentlicher 
Schmierkur.  Im  Herbst  1895  erneuter  Ausbruch  eines  Exanthems 
und  Verschwinden  desselben  nach  gründlicher  Inunktion  (48  Ein¬ 
reibungen)  und  Jodkaligebrauch.  Im  März  1896  Hodensack-  und 
Fusschwellung  mit  gleichzeitiger  Abnahme  der  Urinmenge.  Nach 

7  wöchentlicher  Behandlung  mit  Milchdiät  und  Schwitzkuren 
wieder  starker  Ausbruch  der  Hautaffektion;  nach  3  tägiger 
Sclnnierkur  rapide  Steigerung  der  Oedeme,  nach  Aussetzen  der¬ 
selben  und  Behandlung  mit  Decoct.  Zittmannii  Rückgang  des 
Ausschlages  und  der  nephritischen  Symptome.  Am  18.  VII.  1890 
Aufnahme  in  die  medizinische  Klinik  zu  Leipzig. 

Status:  Fieberfrei,  nicht  benommen.  Hochgradiges  Oedem 
in  Gesicht,  Rumpf  und  Extremitäten.  Residuen  der  luetischen 
llautaffektion,  besonders  im  Gesicht.  Lungen,  Herz,  Milz,  Leber 
normal.  Beträchtlicher  Aszites.  Puls  klein,  schlecht  gespannt, 
Arterienrohr  etwas  rigid.  Stuhlgang  dünnbreiig.  Urin  enthält 
sehr  viel  Eiweiss,  granulierte,  gekörnte  und  Fettzylinder. 

Krankengeschichte:  In  den  ersten  Tagen  bei  ver¬ 
minderter  Llarnmenge  (400 — 800  ccm)  Eiweissgehalt  von  etwa 

8  Prom.  und  spez.  Gew.  von  1020 — 1030  mit  äusserst  reichlichen 
granulierten  und  hyalinen  Zylindern  mit  Fettdetritus  und  spär¬ 
lichen  roten  Blutkörperchen.  AVegen  zunehmender  Flüssigkeits- 
ansarumlung  am  21.  ATI.  Aszitespunktion  und  darnach  beträcht¬ 
liche  Abnahme  der  Oedeme.  Trotz  strengster  Diät  keine  Ver¬ 
änderung  der  Harnbeschaffenheit  und  dauernd  leichte  Durchfälle. 
Am  25.  VII.  Beginn  einer  vorsichtigen  Schmierkur,  kombiniert  mit 
Jodnatrium,  in  den  nächsten  Tagen  aber  wieder  Zunahme  der 
Oedeme  und  des  Aszites  und  Steigen  des  Eiweissgehaltes  auf 
20 — 30  Prom.  bei  1025 — 1030  spez.  Gew.  Im  reichlichen  Sediment 
massenhafte  Zylinder.  Die  Verschlimmerung  hält  bei  klarem  Be¬ 
wusstsein  bis  15.  VIII.  an,  an  dem  plötzliche  Synkope  und  Exitus 
eintritt. 

Sektion  war  untersagt. 

Es  liegt  hier  eine  ausserordentlich  schwere  syphilitische 
Erkrankung  vor,  die  trotz  wiederholter,  energischer,  sacligemässer 
Behandlung  häufig  in  kurzen  Intervallen  rezidivierte.  Da  die 
erste  6  wöchentliche  merkurielle  Behandlung  in  der  hiesigen 
medizinischen  Klinik  vorgenommen  wurde,  konnte  mit  Sicher¬ 
heit  sowohl  eine  vielleicht  nach  der  als  Kind  durchgemachten 
Scharlachnephritis  bestehende  latente  Nierenerkrankung  als  auch 
eine  toxische  Wirkung  des  Hg  auf  die  Nieren  wegen  der  be¬ 
ständigen  Kontrolle  derselben  ausgeschlossen  werden.  Auch  die 
Wiederholung  der  Hg-Kur  kann  nicht  als  die  Ursache  der  Ne¬ 
phritis  angesehen  werden,  da  letztere  im  Frühjahr  1896  begann, 


während  die  letzte  Einreibung  wenigstens  !4  Jahr  lang  zurück¬ 
lag.  AU  elmehr  liegt  der  Beginn  der  Nierenerkrankung  einige 
Wochen  vor  einem  erneuten  schweren  Rezidiv,  ohne  dass  eine 
andere  Ursache  für  dieselbe  bekannt  ist,  so  dass  ein  ätiologischer 
Zusammenhang  beider  Krankheiten  nicht  von  der  Hand  gewiesen 
werden  kann. 

Bemerkenswert  ist  das  Ver halten  der  Nieren  gegenüber  der 
Hg-Therapie.  Während  von  einigen  Autoren  die  Unschädlich¬ 
keit  des  Hg  bei  luetischen  Nephritiden  und  seine  gute  Wirkung 
hervorgehoben  wird,  sind  hier  2  mal  vor  dem  Ausbruch  der 
Nierenerkrankung  länger  dauernde  Hg-Kuren  gut  vertragen 
worden;  dagegen  trat  während  derselben  bei  beiden  Versuchen 
deutliche  Verschlimmerung  ein,  die  das  eine  Mal  sogar  zur  Unter¬ 
brechung  der  Schmierkur  nötigte.  Andere  toxische  Erschei¬ 
nungen  durch  das  Hg,  wie  Stomatitis  oder  Enteritis,  sind  nicht 
aufgetreten,  denn  die  schon  vor  der  Schmierkur  bestehenden 
Durchfälle,  die  im  AVrlaufe  derselben  keine  Zunahme  erfuhren, 
sind  nicht  als  Quecksilberwirkung  aufzufassen. 

Fall  III.  Lues  secundaria.  Nephritis  paren- 
chymatosa  acuta.  Heilung. 

J.  G.,  21  jährige  Arbeiterin,  hereditär  nicht  belastet.  Als  Kind 
Masern,  später  Gürtelrose  gehabt.  Seit  3 — 4  AVochen  Kopf¬ 
schmerzen.  In  letzter  Zeit  Anschwellung  des  Gesichts,  nament¬ 
lich  der  Augenlider.  Seit  3.  Ab  1902  Oedeme  der  Füsse  und  Ab¬ 
nahme  der  Harnmenge.  Für  die  Nephritis  keine  Ursache  zu  er¬ 
fahren.  Syphilitische  Infektion  angeblich  unbekannt.  Am  7.  V.  02 
Aufnahme  in  die  medizinische  Klinik  zu  Leipzig. 

Status:  Sensorium  frei.  Grosse  Blässe,  mässiges  all¬ 
gemeines  Anasarka ,  keine  Höhlen  Wassersucht.  Ueber  dem 
Herzen  leises  systolisches  Geräusch.  Lungen,  Leber,  Milz  gesund. 
Urin  150  ccm,  spez.  Gew.  1032.  40  Prom.  Eiweiss,  chemisch  wenig 
Blut.  Im  Sediment  sehr  reichliche  Epithelzylinder  und  spärliche 
rote  Blutkörperchen. 

Krankengeschichte:  Die  sofort  gegebene  Digitalis 
musste  wegen  starken  Erbrechens  und  Pulsverlangsamung  aus¬ 
gesetzt  werden.  Unter  strenger  Diät  nahm  der  Eiweissgehalt 
etwas  ab  (27  Prom.),  die  Oedeme  aber  zu;  Klagen  über  heftige 
Nierenschmerzen.  Neigung  zu  Schlaf,  Sensorium  aber  klar.  All 
mählich  weitere  Steigerung  der  Oedeme.  Seit  14.  Ab  Schwitzbäder, 
die  gut  vertragen  werden,  die  Oedeme  nehmen  ab,  ebenso  der  Ei- 
weissgelialt  (8  Prom.).  Am  18.  V.  ist  das  seit  einiger  Zeit  nach 
und  nach  aufgetretene  Roseolaexanthem  sehr  deutlich  geworden, 
ein  Primäraffekt  ist  nicht  aufzufinden.  Nachdem  durch  die 
Schwitzkur  die  Oedeme  fast  verschwunden  sind  (Gewichtsabnahme 
von  21  kg)  und  der  Eiweissgehalt  auf  1  Prom.  gesunken  ist,  wird 
mit  Schmierkur  2,0  pro  die  vorsichtig  begonnen.  Am  3.  VI.  sind 
die  Oedeme  ganz  verschwunden,  Eiweiss  nur  in  Spuren  nachweis¬ 
bar.  Sclunierkur  und  seit  3.  VI.  Jodkali  werden  gut  vertragen; 
die  Roseola  ist  verschwunden.  Am  24.  ArI.  ist  der  Urin  völlig  frei, 
die  Lues  ist  abgeheilt.  Am  23.  VII.  wird  Pat.  völlig  geheilt  ent¬ 
lassen. 

Die  Nephritis  setzte  hier  sehr  akut  und  schwer  ein ;  sie  zeich¬ 
nete  sich  durch  ausserordentlich  hohen  Eiweissgelialt.  und  starke 
Oedeme  aus.  Ihre  Aetiologie  war  zunächst  völlig*  unklar,  da 
nichts  von  der  Patientin  zu  erfahren  war,  was  auf  ihre  Ursache 
hätte  hinweisen  können.  Erst  das  wenige  Tage  nach  der  Auf¬ 
nahme  auftretende  syphilitische  Exanthem  leitete  auf  die  lue¬ 
tische  Natur  der  Nephritis  hin.  Die  strenge  diätetische  Behand¬ 
lung  führte  anfangs  keine  Besserung  herbei.  Erst  auf  Schwitz¬ 
bäder  trat  Rückgang  der  Oedeme  und  des  Eiweissgehaltes  ein, 
so  dass  eine  Schmierkur,  die  anfänglich  wegen  der  Schwere  der 
Nierenveränderung  nicht  angezeigt  zu  sein  schien,  in  kleinen 
Dosen  vorsichtig  versucht  wurde.  Patientin  vertrug  dieselbe 
sehr  gut ;  es  traten  keinerlei  Intoxikationserscheinungen  auf,  son¬ 
dern  die  Nephritis  heilte  rasch  und  völlig  ab. 

(Schluss  folgt.) 

Aus  dem  pathologisch  -  anatomischen  Universitäts- Institut  zu 

Königsberg*  i.  Pr. 

(Direktor:  Geheimrat  Prof.  Dr.  E.  Neumann.) 

Ueber  ein  bequemes  Objekt  zum  Studium  der  Mast¬ 
zellen  (Clasmatocyten). 

Aron  Dr.  Ludwig  Schreiber, 
früherem  Assistenten  des  patholog.-anatom.  Instituts  zu  Königs¬ 
berg  i.  Pr.,  jetzigem  Assistenten  der  Universitäts-Augenklinik 

zu  Heidelberg. 

Im  Verfolg  der  Frage  nach  dem  Ursprung*  der  Mastzellen, 
die  eine  Fortsetzung  meiner  auf  Anregung  und  in  Gemeinschaft 
mit  Herrn  Geheimrat  Neumann  ausgeführten  und  publi¬ 
zierten  ’)  Untersuchungen  bildete,  erschien  es  von  grosser  Be- 

5)  L.  Schreiber  und  E.  Neu  mann:  „Clasmatocyten, 
Mastzellen  und  primäre  AVanderzellen.“  Festschr.  z.  Feier  des 

1* 


No.  50. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2076 


deutung,  über  die  Gestalt  und  den  feineren  Bau  des  Kernes 
Aufschluss  zu  erhalten.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  die  lebens- 
warmen  Objekte  (Mesenterium  und  Nerv.ischiadicus  des  Frosches, 
Omentum  verschiedener  Säugetiere)  mit  den  üblichen  Kern- 
Eixierfliissigkeiten  behandelt,  von  denen  man  hoffen  durfte,  dass 
sie  einerseits  ein  klares  Bild  der  Ivern-Eorm  und  -Struktur  geben 
würden,  ohne  andrerseits  die  spezifischen  Mastzellengranula  zu 
schädigen.  Es  lag  nahe,  auf  den  vorzüglichsten  Repräsentanten 
dieser  Fixierflüssigkeiten  zurückzugreifen,  auf  !  lemmings 
Ohromosmium-Essigsäure-Gemisch,  um  so  mehr,  als  Ranvier  ) 
zur  Darstellung  seiner  Clasmatocyten,  deren  Identifizierung 
mit  den  Ehrlich  sehen  Mastzellen  Gegenstand  der  erwähnten 
Untersuchungen* *  3 4 * * * *)  war,  sich  gleichfalls  der  Osmiumsäurelösung 
bedient  hatte;  zudem  in  der  Literatur  die  Angaben  durchaus 
nicht  vereinzelt  dastehen,  dass  Mastzellen  an  nach  Flemming 
behandelten  Objekten  in  Schnittpräparaten  gesehen  worden  sind. 
Unsere  Verwunderung  war  daher  gross,  als  wir  in  derart  fixierten 
und  mit  basischen  Anilinfarben  (polychrom.  Methylenblau, 
Methylviolett  5  B,  Dahlia,  Vesuvin,  Safranin)  tingierten  Gewebs- 
stücken  die  Mastzellen  gar  nicht  oder  nur  mit  Mühe  heraus¬ 
erkannten,  nachdem  wir  uns  zuvor  über  ihre  Lage  im  Gewebe 
sowie  hinsichtlich  ihrer  Menge  durch  Kontrollpräparate  )  orien¬ 
tiert  hatten.  Es  waren  nämlich  die  für  die  Mastzellen  allein 
charakteristischen  basophilen  Granulationen  aus  ihnen  entweder 
ganz  verschwunden  oder  nur  vereinzelt  und  sehr  unvollkommen 
gefärbt  vorhanden. 

Welche  der  3  Komponenten  des  Flennninggemischs  ruft 
nun  jene  Schädigung  der  Granula  hervor  und  worin 
besteht  dieselbe?  Findet  eine  Lösung  der  Körnchen  statt 
oder  gehen  sie  nur  ihrer  spezifischen  Färbbarkeit  verlustig?  Zur 
Entscheidung  dieser  Fragen  bieten  die  Nerven  des  Frosches,  spe¬ 
ziell  die  olme  mühsame  Präparation  erhältlichen  Nerv,  ischiadici 
und  die  Nerven  des  dorsalen  Lymphsacks  ein  vollkommen  ein¬ 
wandfreies,  vortreffliches  Objekt:  Schritt  für  Schritt 
lässt  sich  unter  dem  Mikroskop  an  ihnen  das 
Schicksal  der  Mastzellengranula  unter  dem 
Einflüsse  der  verschiedenen  chemischen 
Agentien  verfolgen. 

Ein  in  physiologischer  Kochsalzlösung  angefertigtes  frisches 
Zupfpräparat  zeigt  ohne  Zusatz  von  Farbstoffen'’)  schon  bei 
mittelstarken  Vergrösserungen  aufs  deutlichste  die  (hier  meist 
spindelförmigen)  durch  ihre  diskreten,  stark  lichtbrechenden 
Körnchen  wohlcharakterisierten  Mastzellen  (typische  Clasmato¬ 
cyten  nach  R  a  n  v  i  e  r),  welche,  in  den  Nerven  die  stattliche 
Länge  von  Vs  bis  Vs  mm  erreichend  ü),  sich  bei  genügendem  Zer¬ 
zupfen  unschwer  isolieren  lassen.  Setzt  man  nunmehr  vom  Rande 
des  Deckglases  her  die  verschiedenen  Bestandteile  des  Flem- 
minggemisehs  hinzu  und  beobachtet  bei  starker,  etwa  400facher 
Vergrösserung,  so  zeigt  sich,  dass  eine  e  i  n  prozentige  wässerige 
Chromsäurelösung  die  Granula  gänzlich  unbeeinflusst  lässt.  Ein 
nachgeschickter  Tropfen  verdünnten  polychrom.  Methylenblaus 
färbt  die  Körnchen  in  derselben  Weise  wie  im  frischen  Präparat. 

Der  Zusatz  von  Essigsäure  in  den  verschiedenen  Konzen¬ 
trationen  (2  proz.  Essigsäure  bis  Eisessig)  ruft  eine  geringe 
Quellung  der  Granula  hervor.  In  einem  derart  vorbehandelten 
Präparat  imprägnieren  sich  die  Körnchen  fast  momentan  mit 
polychrom.  Methylenblau.  Zu  einer  Zeit,  wo  das  Gewebe,  selbst 
die  Kerne  noch  ungefärbt  sind,  erscheinen  die  Granula  schon 
intensiv  blau,  um  bald  darauf  einen  metachromatisch  rotvioletten 
Farbenton  anzunehmen,  der  nach  einer  Weile  —  durch  Zusatz 
von  Glyzerin  beschleunigt  —  in  hochrot  übergeht.  Da  zudem 

00.  Geburtstages  von  Max  .7  affe.  (Verlag  v.  Fr.  View  eg  &  Solm, 
Braunschweig  1001.) 

:)  L.  Ran  vier:  Comptes  rendus  de  l’Academie  des  Sciences. 
1800.  „Des  Clasmatocytes.“  —  Archives  d’ Anatomie  microscopique, 
T.  III,  fase.  II  et  III.  1000.  „Des  Clasmatocytes.“ 

3)  L.  Schreiber  und  E.  Neumann  1.  c. 

4)  L.  Schreiber  und  E.  N  e  u  m  a  n  n  1.  c„  pag  131:  Frische 

Gewebsstücke  werden  nach  kurzem  Abspülen  in  physiologischer 
Kochsalzlösung  für  24  Stunden  in  eine  verdünnte  Farblösung  (zu 
einem  Uhrschälchen  Kochsalzlösung  0 — S  Tropfen  der  Grübler- 
Sehen  konzentrierten  Lösung  von  polychromem  Methylenblau-Unna) 

gebracht  und  nach  abermaligem,  etwa  10  Minuten  langem  Aus¬ 
waschen  mit  Kochsalzlösung  in  Glyzerin  besichtigt. 

')  Zur  ersten  Orientierung  empfiehlt  sich  der  Zusatz 
eines  Tropfens  verdünnten  polychromen  Methylenblaus  vom  Rande 

des  Deckglases  her;  dasselbe  färbt  nach  kurzer  Zeit  den  Zellkern 

blau  und  die  Granula  metachromatisch  rotviolett  bis  hochrot. 

c)  T;.  Schreiber  und  E.  Neu  ma  nn  1.  c.  pag.  13G. 


die  Essigsäure  den  übrigen  Gewebsbestandteilen  die  Aufnahme 
des  Methylenblaus  dauernd  erschwert,  so  dass  dieselben  ungefärbt 
oder  höchstens  blassblau  erscheinen,  entsteht  gewissermassen 
eine  elektive  Färbung  der  y-Granula,  und  das  Präparat  gewinnt 
so  ausserordentlich  an  Uebersichtlichkeit.  Bemerkt  sei,  dass  am 
vorteilhaftesten  eine  2 — 4  proz.  Essigsäure  benutzt  wird. 

Also  musste  der  dritten  Komponente  des  Flemminggemischs, 
der  Osmiumsä  u  r  e,  jene  Schädigung  der  Mastzellenkörn¬ 
chen  zugeschrieben  werden!  Um  so  überraschender,  als  wir  die¬ 
selbe  zur  Fixierung  selbst  labilster  Zellenelemente,  wie  der  Blut¬ 
plättchen,  anzuwenden  gewohnt  sind.  Und  in  der  Tat,  schon 
ein  Tropfen  einer  14  proz.  Osmiumsäure  bringt  in  wenigen 
Minuten  fast  ')  ausnahmslos  die  Granula  zur  Quellung  und  Auf¬ 
lösung.  Je  stärker  die  Osmiumsäure,  um  so  schneller  geht  die 
Lösung  von  statten.  Die  spezifische  Färbbarkeit, 
die  M  e  t  a.  c  li  r  o  m  a  s  i  e  der  y- Granula  (sc.  gelösten)  erleidet 
bei  diesem  Prozesse  nur  wenig  Einbusse.  Denn  die  in  den  Proto¬ 
plasmaleib  und  oft  darüber  hinaus  in  die  nächste  Umgebung  der 
Mastzelle  diffundierende  Substanz  der  Granula  erhält  durch 
polychrom.  Methylenblau  nach  wie  vor  einen  violetten  bis  röt¬ 
lichen  Farbenton,  geht  allerdings  nimmermehr  in  ein  Leuchtend¬ 
rot  über.  Wird  der  Einfluss  der  Osmiumsäure  vorzeitig  unter¬ 
brochen,  so  dass  noch  einige  Körnchen  ungelöst  in  der  Zelle  Zu¬ 
rückbleiben,  während  die  übrigen  Granula  in  gelöstem  Zustande 
dieselbe  bereits  verlassen  und  umflossen  haben,  dann  resultieren 
mitunter  Bilder,  wie  sie  Unna  s)  in  Neurofibromen  beschrieben 
hat :  Mastzellen  von  einem  homogenen  (mit  polychrom.  Methylen¬ 
blau  metachromatisch  gefärbten)  Hof  umgeben,  den  dieser  Autor 
als  präformiertes  Gebilde  zu  deuten  scheint,  worauf  die  von  ihm 
hierfür  gewählte  Bezeichnung  „Hüllplatte  der  Zelle“  hinweist. 
Dieser  Zellhof,  den  wir  nahezu  konstant  im  Omentum  der 
Katzen 9)  beobachten  konnten,  wurde  schon  früher  von  uns  aus 
bestimmten,  in  der  betreffenden  Publikation  näher  erläuterten 
Gründen  als  das  Produkt  einer  —  allerdings  vielleicht  vitalen  — 
Diffusionserscheinung  angesprochen.  Und  auch  jetzt  noch 
möchte  ich  im  allgemeinen  an  dieser  Anschauung  festhalten, 
wiewohl  ich  das  Entstehen  eines  solchen  Hofs  als  blosses  Kunst¬ 
produkt  unter  dem  Mikroskop  verfolgen  konnte;  denn  auch  nach 
Alkoholfixierung,  welche  die  Mastzellengranula,  von  geringer 
Schrumpfung  abgesehen,  gut  konserviert,  kommt  die  gleiche  Er¬ 
scheinung  zu  Tage.  Wenn  Michaelis10),  dem  unsere  Arbeit 
unbekannt  geblieben  ist,  ihr  Auftreten  der  Anwendung  des  poly¬ 
chrom.  Methylenblaus  (sc.  seinem  Wassergehalte)  allein  zu¬ 
schreiben  zu  müssen  glaubt,  so  möchte  ich  hinzufügen,  dass  es 
mir  niemals  gelungen  ist,  unter  dem  Mikroskop  die  Wasserlöslich¬ 
keit  der  Granulationen  in  den  Bindegewebsmastzellen  zu  veri¬ 
fizieren,  selbst  wenn  der  Versuch  über  48  Stunden  ausgedehnt 
wurde. 

Dio  ausschliessliche  Benutzung  der  Osmiumsäurefixierung 
ist  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  dafür  verantwortlich  zu 
machen,  dass  es  Ranvie  r ")  nicht  gelang,  seine  Clasmato¬ 
cyten  in  den  E  h  r  1  i  c  h  sehen  Mastzellen  wiederzuerkennen,  ob¬ 
wohl  er  dieselben  mehrfach  vergleichend  erörtert  hat.  Bei  der 
Darstellung  der  fraglichen  Zellen  nach  R  a  n  v  i  e  r  scher  Methode 
(1 — 2  Min.  Fixierung  in  1  proz.  Osmiumsäure,  Färbung  mit 
Methylviolett  5  B)  erhält  man  nämlich  die  diskreten 
Granula  fast  niemals  zu  Gesicht,  wie  die  der  letzten  Arbeit 
Ranviers  über  „Clasmatocyten“  beigefügten  Bildertafeln  zur 
Genüge  beweisen.  Die  an  sich  kurze  Osmiumsäurewirkung 
reicht  eben  hin,  um  das  Gros  der  Körnchen  zur  Verquellung 
bezw.  Auflösung  zu  bringen.  Ranvie  r  selbst  war  eine  gewisse 
Schädigung  durch  Osmiumsäure  nicht  entgangen  und  er  warnt 
an  mehr  als  einer  Stelle  seiner  Abhandlungen  vor  einer  zu  pro¬ 
trahierten  Anwendung  derselben.  Allerdings  blieb  es  ihm  un¬ 
bekannt,  dass  dieses  chemische  Agens  in  der  von  ihm  gewählten 
Konzentration  schon  nach  wenigen  Sekunden  jene  unerwünschte 

7)  Unter  der  grossen  Zahl  von  Fröschen,  deren  Nerven  in 
beschriebener  Weise  untersucht  wurden,  war  es  nur  bei  einem  ein¬ 
zigen,  trotz  langer  Einwirkung  2proz.  Osmiumsäure,  nicht  geglückt, 
die  Granula  zur  Lösung  zu  bringen,  wiewohl  eine  Verquellung 
derselben  eintrat. 

K)  Orth:  Lehrb.  d.  spez.  pathol.  Anat.  Hautkrankheiten  von 
G.  T.  U  n  n  a,  p.  851  (cf.  Tafel  Fig.  16). 

°)  Tj.  Schreiber  und  E.  Neu  m  a  n  n  1.  c.  p.  137  u.  138. 

10 )  L.  M  i  c  h  a  e  1  i  s:  Ueber  Mastzellen.  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1902,  No.  G. 

”)  L.  Ranvie  r  1.  c. 


16.  Dezember  1902. 


Wirkung  hervorzurufen  im  stände  ist.  Und  wenn 
M  a  reha  n  d  ,2)  neuerdings  die  Identität  von  Clasmatocyten  und 
Mastzellen  in  frage  stellt,  indem  er  die  Anwesenheit  der  spe¬ 
zifischen  Körnchen  in  den  betreffenden  Zellen  des  Netzes  jüngerer 
Tiere  (Kaninchen,.  Meerschweinchen)  und  von  Kindern  nicht  be¬ 
stätigen  konnte,  vielmehr  bei  Behandlung  der  Gewebsstücke  nach 
Ran  viers  "V  orschrift  eine  diffus  metachromatisch  rötliche 
Färbung  des  Protoplasmaleibes  wahrnahm,  so  sei  nur  wiederum 
an  die  Osmiumsäurelöslichkeit  der  y- Granula  erinnert. 

Was  nun  die  in  der  Literatur  befindlichen  Angaben  (übrigens 
stets  beiläufige  Notizen)  betrifft,  dass  Mastzellen  (sc.  Granula)  an 
durch  Flemm  i nggemisch  fixierten  Objekten  in  Schnittpräparaten 
gesehen  worden  sind,  so  möchte  ich  für  das  Gros  der  Fälle  an¬ 
nehmen,  dass  dies  vielleicht  in  zentralen  Partien  des  Gewebs- 
stücks  geschah,  die  von  der  Osmiumsäure  verschont  waren,  und 
zur  Stütze  hierfür  einen  diesbezüglichen  Passus  aus  der  unter 
F  1  e  m  m  ings  Augen  entstandenen  Arbeit  von  Möbius  ,3) 
zitieren:  „Dahlia  ist  bekanntlich,  wie  Ehrlich  gefunden  und 
näher  beschrieben  hat,  an  Alkoholpräparaten  ein  spezifisches 
Färbmittel  für  gewisse  Arten  von  Körnerbildungen  in  Leuko- 
eyten  und  Zellen  der  Bindesubstanz,  und  nach  Flemmings 
Befund  gelingt  diese  scharfe  Körnerfärbung  mit  Dahlia  auch  an 
Pikrinsäure-  und  Chromsäurepräparaten  vorzüglich;  bei  der 
Vorbehandlung  mit  den  Osmiumgemischen 
dagegen,  wie  sie  hier  gebraucht  wurden,  ist 
dies  nicht  der  Fall14)“.  Ausnahmsweise  mögen  Mast¬ 
zellengranula  der  Osmiumsäure  stand  halten  (cf.  Fussnote  No.  7 
dieser  Arbeit). 

Lnter  Berufung  auf  die  F  1  em  ming  sehe  Beobachtung 
und  auf  Grund  eigener  Erfahrung  erscheint  mir  die  Ueber- 
tragung  meiner  am  Frosche  gewonnenen  Befunde  auf  mensch¬ 
liche  Gewebe  wohl  berechtigt. 

Die  vorstehende  Mitteilung  möge  als  ein  weiteres  Argument 
dienen  —  wenn  es  überhaupt  noch  eines  solchen  bedurfte  —  für 
die  Identität  von  Clasmatocyten  und  Mast¬ 
zellen. 

Dieses  für  die  Lehre  von  den  Zellen  im  normalen  Binde¬ 
gewebe  und  bei  Entzündungsprozessen  so  bedeutsame  Element 
möchte  ich  um  so  dringender  der  allgemeinen  Aufmerksamkeit 
anempfehlen,  als  das  neueste  und  umfangreiche  Werk  von 
Maxi  m  o  w  1  ’)  über  die  Mastzellen  nahezu  ganz  schweigt, 
dagegen  den  Clasmatocyte  n  eine  grosse,  wenn  auch  sehr 
unscharf  begrenzte  Rolle  zuweist.  M  aximow  unterlässt  es, 
(üne  Definition  der  E  h  r  1  i  c  h  sehen  Mastzellen  zu  geben,  deren 
Eigenschaften  er  als  allbekannt  voraussetzt.  Als  aprioristisclies 
Axiom  gilt  ihm  das  Fehlen  der  Mastzellen  beim  Kaninchen  (dem 
bevorzugten  Objekt  seiner  Untersuchungen)  trotz  der  entgegen¬ 
gesetzten  Angaben  Kanthacks  und  IL  a  r  d  y  s,  trotz  der 
von  E.  Neumann'")  und  mir  mitgeteilten  Befunde,  die 
ihm  unbekannt  geblieben  sind,  wiewohl  dieselben  bereits  im  Juli 
1901  zur  Veröffentlichung  gelangten  und  auf  der  IV.  Tagung 
der  Deutschen  pathologischen  Gesellschaft  (1901)  durch  Mar- 
chand’j  Gegenstand  eingehender  Erörterung  geworden  waren. 
Nichtsdestoweniger  teilt  uns  M  aximow  an  mehreren  Stellen 
mit,  dass  er  in  seinen  Polyblasten  und  in  den  Clasmatocyten  viel¬ 
fach  in  Aussehen  und  Farbreaktion  der  Mastzellenkörnelung 

'■')  Marcha  n  d:  Heber  Clasmatocyten,  Mastzollen  und  Phago- 
eyten  des  Netzes.  Verhandl.  d.  Deutsch,  pathol.  Gesellseh.,  IV', 
1901,  No.  XII.  —  In  der  Diskussion  betonte  Marchand,  man 
müsse  zwischen  eigentlichen  Granula  und  diffus- 
körniger  Beschaffenheit  des  Protoplasmas 
unterscheiden.  Erstere  hätte  er  n  u  r  in  den  C  1  a  s  m  ato- 
c  y  t  e  n  des  Frosches,  jedoch  nicht  bei  Kaninchen 
beobachten  können.  — -  Es  sei  hier  auf  die  jüngste  Arbeit 
M  a,  ximo  w  s  (cf.  weiter  unten)  verwiesen,  welcher  in  Be¬ 
stätigung  unserer  Befunde  echte  Granula  in  den 
Clasmatocyten  von  Kaninchen  als  normales  und  konstantes 
Vorkommnis  beschreibt  und  abgebildet  hat. 

13)  Aus  Flemmings  anatom.  Instit.  Kiel.  Otto  Möbius: 
Zell  Vermehrung  in  der  Milz  beim  Erwachsenen.  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  XXIV,  1885,  No.  IV,  p.  344. 

M)  Im  Original  nicht  gesperrt  gedruckt. 

15)  A.  M  aximow:  Experim.  Untersuch,  über  die  entzünd! 
Neubildung  von  Bindegewebe.  V.  Suppl.-IIeft  der  Beitr.  z.  pathol. 
Anat.  u.  z.  allg.  Pathol.  1902. 

1")  Schrei  b  e  r  und  E.  N  e  u  m  a  n  n:  a)  1.  c.,  cf.  p.  132,  133  u. 
130,  137.  b)  Die  Bedeutung  der  sogen.  „Clasmatocyten“  Ran¬ 
vier  s.  Centralbl.  f.  allg.  Pathol.  u.  pathol.  Anat.,  Bd.  XII,  No.  14, 
1901. 

”)  Marchand:  1.  c. 

No.  50. 


2077 


gleichende  Granula  angetroffen  habe.  So  heisst  es  p.  90:  „Was 
für  diese  Zellen  (sc.  degenerierende  Zellformen  der  Polyblasten 
und  polymorphen  Leukocyten)  charakteristisch  ist,  das  ist  der 
Umstand,  dass  sich  in  ihrem  Zelleib  im  Laufe  des  degenera- 
tiven  1S)  Prozesses  eine  grosse  Menge  von  sich  nach  Art  von 
Mastzellengranulationen  metachromatisch 
färbender  Substanz  a  n  h  ä  u  f  t  in  Form  von  d  i  - 
stinkten  oder  verschwommenen  Iv  ö  r  liehe  n  "’)“. 
Lässt  diese  Beschreibung  noch  einen  Zweifel,  so  überzeugen  uns 
vollends  die  zugehörigen  Abbildungen  (Taf.  X,  Fig.  5  a,  b,  d,  e, 
spez.  Fig.  5b)  davon,  dass  hier  typische  Mastzellen  vorliegen! 
Ich  darf  vielleicht  bei  dieser  Gelegenheit  doch  nochmals  an  die 
E  h  r  1  i  c  lv  -  W  e  s  t  p  h  a  1  sehe  "")  Definition  der  Mastzellen  er¬ 
innern:  „Gestalt  und  Aussehen  ist  für  die  Erkenntnis  der  Mast¬ 
zellen  von  geringer  Bedeutung;  das  einzig  charakteristische  Merk¬ 
mal  ist  die  Anwesenheit  von  Körnungen,  welchen  eine  be¬ 
stimmte  chemische  Reaktion  eigen  ist,  die  sich  durch  die  Fär¬ 
bung  kundgibt.“ 

Bei  Rekognoszierung  der  Clasmatocyten  scheint  M  a  x  i  m  o  w 
sich  an  die  Ranvie  r  sehe  Beschreibung  dieser  Zellen  gehalten 
zu  haben.  Allerdings  bleibt  es  mir  unverständlich,  wenn  er  eine 
Unterscheidung  zwischen  seinen  Polyblasten  und  den  Clasmato¬ 
cyten  auf  p.  86  wie  folgt  formuliert:  „Eine  grosse  Aehnlichkeit 
der  im  Zelleibe  der  Polyblasten  eingeschlossenen  Körnchen  mit 
der  Körnung  der  normalen  Clasmatocyten  des  lockern  Binde¬ 
gewebes  ist  in  vielen  Fällen  nicht  zu  verkennen.  Nur  sind  hier 
die  Körnchen  von  noch  unregelmässigerer  Form  und  Grösse  und 
ausserdem  färben  sie  sich  hier  in  einigen  Zellen 
mit  Methylenblau  nietachromatisch“  '1).  Die 
M  etachromasie  ist  aber  nach  Ranvier ")  gerade  ein 
Charakteristikum  seiner  Clasmatocyten! 

Tn  obigen  Exzerpten  des  Maximowschen  Werkes  dürfen 
wir  eine  allerdings  nicht  im  Sinne  des  Autors  liegende  Bestäti¬ 
gung  für  die  Identität  von  Mastzelle  und  Clasmatocyt  erblicken 
nach  dem  bekannten  mathematischen  Satze  „zwei  Grössen,  die 
einer  dritten  gleichen,  sind  einander  gleich“:  Polyblast  =  Mast¬ 
zelle,  Polyblast  =  Clasmatocyt,  also  Clasmatocyt  =  Mastzelle  23). 

Wenn  nun  Clasmatocyt  und  Mastzelle  identische  Gebilde  sind, 
so  haben  diese  Gebilde  nach  dem  Prioritätsgesetz  „Mastzellen“ 
zu  heissen.  Sollte  es  wirklich  Zellen  geben,  die  den  Clasmatocyten 
einen  weitern  Begriff  als  den  Mastzellen  vindizieren,  so  hätte 
man  solche  Gebilde  für  sich  von  dem  bisherigen  Clasmocyten- 
begriff,  soweit  er  sich  mit  den  Mastzellen  deckt,  abzutrennen.  Nur 
durch  bestimmte  morphologische  Definierung  der  Zellformen 
kommen  wir  in  die  Lage,  ihre  Genese  und  ihr  Schicksal  bei  patho¬ 
logischen  Zuständen  zu  folgern. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  es  nicht  versäumen,  meinem  hoch¬ 
verehrten  Chef,  Herrn  Geheimrat  E.  N  e  u  m  a  n  n,  für  das  leb¬ 
hafte  Interesse,  das  er  dieser  kleinen  Abhandlung  entgegen¬ 
brachte,  meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 


Mesotan,  ein  äusserlich  anzuwendendes  Salicyl- 

präparat. 

Von  Dr.  Heinrich  Röder,  Arzt  in  Elberfeld. 

Die  Salicylsäure  ist  1887  von  R  u  e  h  1  auf  der  Genfer 
Klinik  bei  Rheumatismus  zuerst  innerlich  angewandt  worden '). 
Ihr  Eindringen  durch  die  unverletzte  Haut  hatte  schon  U  n  n  a 
1883  konstatiert.  1893  empfahl  Bourge  t  ’)  die  Anwendung. 
Bei  fieberhaftem  Gelenkrheumatismus  soll  nach  Anwendung 
einer  Salbe: 


1S)  Woraus  M  a  x  i  m  o  w  eine  Degeneration  dieser  Zellen  her¬ 
leitet,  erscheint  mir  nach  seinen  Abbildungen  (Taf.  X,  Fig.  5  a — e) 
nicht  verständlich,  da  Kerne  und  Zelleiber  ein  normales  Aussehen 
und  gute  Färbbarkeit  zeigen. 

19)  Im  Original  nicht  gesperrt  gedruckt. 

20)  Westphal:  Ueber  Mastzellen.  Diss.  inaug.  Berlin  1880. 

-1)  Im  Original  nicht  gesperrt  gedruckt. 

22)  L.  Ranvie  r:  Des  clasmatocytes,  1S90,  p.  166. 

23)  Nach  M  a  x  i  m  o  w  (pag.  45)  werden  Polyblasten  —  wenig¬ 
stens  teilweise  —  zu  Plasmazellen;  also  verschwindet  auch  die 
Grenze  zwischen  Plasmazelle  und  Clasmatocyt  oder  richtiger  Mast¬ 
zelle,  woraus  ich  nach  obigem  Exempel  jedoch  nicht  die  Identi¬ 
tät  von  Mastzelle  und  Plasmazelle  folgern  möchte. 

9  Nach  Pr  ihr  am:  Nothnagels  Spez.  Pathol.  u.  Therap. 
V.  Bd.,  I.  Th.,  pag.  477,  daselbst  auch  weitere  Literatur. 

2 


MUENCHENER  MED101NISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2078 


MUENCHENER  MEDIOINISCHE  WOCHEN SCHRIFT. 


No.  50. 


Rp. :  Acid.  salicyl. 

Lanolin 

Ol.  tereb.  äa  10 

Adip.  suill.  100 

der  Schmerz  nach  1 — 2  Stunden  wesentlich  gemildert  werden,  das 
Fieber  nach  einigen  Tagen  abfallen,  um  am  4.,  6.,  8.  1  age  wieder 
zu  steigen.  Bourget  schiebt  das  Nachlassen  der  Wirkung  auf 
Hautveränderung,  die  die  Resorption  störe,  denn  nach  einigen 
Tagen  werde  die  Salbe  wieder  wirksam. 

Hasenfeld 3),  1884,  beobachtete  einige  Stunden  nach  der 
Einreibung  Schw’eiss,  auch  wohl  Ohrensausen. 

v.  Ziemssen*)  empfiehlt  die  Anwendung  in  Salbenform: 

Rp. :  Acid  salicyl. 

Ol  tereb.  aa  10 

Lanolin  3'> 

Unguent.  paraf.  50 

1898  erneuert  Sterling5)  die  Empfehlung  unter  An¬ 
führung  von  4  Fällen,  von  denen  3  Ohrensausen,  Schweisse  und 
Dyspepsie  bekamen,  der  4.  nur  Verdauungsstörungen,  einer 
ausserdem  ein  nässendes  Ekzem  der  Kniehaut. 

Pr  ihr  am  hat  zahlreiche  Versuche  angestellt,  sah  aber  nur 
prompte  Reaktion,  wenn  eine  leichte  Dermatitis  eintrat;  er  sagt, 
die  Wirkung  sei  jedenfalls  sehr  viel  geringer  und  langsamer,  als 
die  des  innerlich  gereichten  salieylsauren  Natron,  doch  könne 
in  zwingenden  Fällen  das  Letztere  durch  die  perkutane  Ein¬ 
reibung  ersetzt  werden. 

Bessere  Erfolge  hatte  nach  P  r  i  b  r  a  in  das  Gaultheriaöl, 
Wintergrünöl,  das  in  Amerika  seit  langem  als  Heilmittel  in  An¬ 
wendung  ist.  Lannois  und  Linnosier  empfehlen  das 

OH 

zu  90  Proz.  aus  Methylsalicylat  CAL  bestehende  Mittel 

J  J  co,  CH, 

zur  äusseren  Anwendung. 

Nach  P  r  i  b  r  a  m  erwies  es  sich  bei  akutem  Gelenkrheumatis¬ 
mus  als  ein  örtlich  wesentlich  schmerzlinderndes  Mittel.  Seine 
eigentliche  Domäne  sei  aber  der  chronische  Gelenkrheumatismus 
und  die  Arthritis  deformans,  sowie  die  subakuten  Formen  des 
Gelenkrheumatismus.  Das  Mittel  habe  aber  einen  wesentlichen 
Nachteil,  den  penetranten  Geruch,  der  den  Kranken  und  die  Um¬ 
gebung  belästige  und  sicherlich  sorgfältigen  Abschluss  unter 
undurchlässigem  Stoff  erfordere. 

Dieser  penetrante  Geruch  dürfte  auch  wohl  der  Grund  sein, 
weshalb  insbesondere  in  Frankreich,  wo  das  Gaultheriaöl  in  ziem¬ 
lich  ausgedehntem  Masse  angewandt  wird,  schon  seit  langer  Zeit 
nach  einem  Ersatz  gesucht  wird.  Dieser  dürfte  jedoch  weder  in 
dem  vor  etwa  2  Jahren  eingeführten  Amylsalicylat,  noch  in  dem 
neuerdings  von  Bordet  und  Chevalier  empfohlenen 
l’Ulmarene,  das  nach  mir  zugegangener  Mitteilung  aus  dem  Amyl¬ 
salicylat  hauptsächlich  bestehen  soll,  gefunden  sein,  da  dieser 
höhere  Ester  der  Salicylsäure  sich  schwerer  spaltet  wie  das 
Gaultheriaöl. 

Die  Farbenfabriken  vorm.  Friedr.  Bayer  &  Cie.,  Elberfeld, 
haben  nun  ein  Salicylpräparat  „M  esotan“  hergestellt,  den 
Methoxymethylester  der  Salicylsäure,  von  der  Formel 

OH 

/ 

c6h4 

^eoo  —  ch„  •  och3, 

das  den  von  Pribram  angegebenen  Nachteil  des  Gaultheriaöls 
völlig  vermeidet  und  ausserdem  in  der  Wirkung  Vorteile  zu  haben 
scheint.  Es  ist  eine  gelbe,  helle  Flüssigkeit,  von  leicht  aroma¬ 
tischem  Geruch  und  nach  Angabe  der  Fabrik  mit  den  bekannten 
organischen  Lösungsmitteln,  sowie  mit  Oel  mischbar.  Nachdem 
ich  mich  an  einem  Selbstversuch  von  der  Unschädlichkeit  des 
Mittels  für  meine  Haut  und  der  Ausscheidung  von  Salicylsäure 
im  Harn  (Gerhardt  sehe  Probe)  überzeugt  hatte,  habe  ich  seit 
Februar  d.  J.  das  Mittel  bei  einer  Reihe  von  Patienten  mit  rheu¬ 
matischen  Affektionen  verschiedenster  Art  angewandt. 

Eine  erste  Gruppe  meiner  Fälle  No.  1—8  waren  leichte  chro¬ 
nische  bis  subakute  Gelenkerkrankungen,  bei  denen  objektiv  nur 
Druckempfindlichkeit,  subjektiv  leichter  Schmerz,  Behinderung 
oder  nur  Ermüden  im  Gebrauch  vorhanden  war.  Diese  Fälle 

'-)  Therap.  Monatsh.  1893,  p.  531. 

s)  P  r  i  b  r  a  m  1.  c. 

b  Münch,  med.  Wochenschr.  1894,  p.  1004. 

5)  Die  Salicylsäure  bei  Gelenkrheumatismus.  Münch,  med. 
Wochenschr.  189S,  p.  303.  Das.  auch  Literatur. 


waren  alle  nach  einer  einzigen  Anwendung,  meist  für  mehrere 
Tage  beschwerdefrei,  dabei  hatten  die  Affektionen  zum  Teil 
monatelang  bestanden,  waren  durch  Massage,  heisse  Bäder,  Ein¬ 
reibungen,  auch  innerlich  mit  Salicyl  behandelt  und  hatten  nur 
stundenweise  Besserung  erfahren.  Ein  Fall,  bei  dem  sich  ausser¬ 
dem  chronische  Herzinsuffizienz  mit  stenokardischen  Anfällen 
vorfand,  war  so  stark  gewesen,  dass  er  von  anderer  Seite  als 
Ischias  angesprochen  war.  Nach  der  ersten  Einreibung  war  diese 
51jährige  Patientin  einen  ganzen  Tag  bei  Gehen  und  Treppen¬ 
steigen  völlig  frei  und  blieb  cs,  nach  brieflich  eingeholter  Aus¬ 
kunft,  nachdem  sie  8  Tage  lang  je  einmal  die  Einreibung  wieder¬ 
holt  hatte. 

Bei  einer  zweiten  Gruppe  (No.  9 — -11)  konnte  ich  nicht  genau 
feststellen,  ob  die  über  den  Gelenken  befindliche  (Hals-)  Muskula¬ 
tur  auch  ergriffen  war:  2  Fälle  waren  in  den  20er  Jahren 
stehende,  blutarme  Mädchen  (bei  einer  Unfallneurose,  bei  der 
anderen  Magengeschwür).  Beide  Hessen  sich  das  Mittel  wieder¬ 
holt  nachsenden.  Salicylate  waren  innerlich  ohne  ausge¬ 
sprochenen  Erfolg  angewandt.  Ein  weiterer  Fall  war  3  Wochen 
vorher  mit  Fieber,  Herpes  labialis  und  Magenerscheinungen  akut 
erkrankt  gewesen,  hatte  seitdem  unverändert  die  Schmerzen  im 
oberen  Teile  des  Nackens. 

Eine  dritte  Gruppe  (No.  12 — 17)  hatte  ausser  der  Druck¬ 
empfindlichkeit  Gelenkbewegungsbeschränkungen  und  zum  Teil 
Krachen  in  den  Gelenken.  Alle  gaben  sogleich  eintretende 
Besserung  an.  Bei  einem  Falle,  in  dem  das  Schulterblatt  beim 
Abheben  des  Armes  sich  sofort  mitbewegte,  trat  diese  Mit¬ 
bewegung  nach  Anwendung  des  Mittels  erst  bei  einem  Winkel 
von  25 — 30°  ein.  Selbstverständlich  war  Massieren  vermieden 
worden,  um  die  etwaige  Wirkung  einer  physikalischen  Methode 
auszuschliessen.  Der  Mann  hatte  mich  aufgesucht,  weil  er  wregon 
der  starken  Behinderung  glaubte,  es  läge  eine  Lähmung  vor. 
Ein  Fall,  der  nicht  so  ausgesprochen,  aber  doch  deutlich  besser 
wurde  (70  Jahre  alter  Arteriosklerotiker),  hat  später  weder  durch 
Aspirin,  noch  durch  AVildbad  eine  weitere  Besserung  erzielt  wie 
durch  Mesotan. 

Eine  folgende  Gruppe  (No.  18 — 22)  umfasst  Fälle  von  chro¬ 
nischem  und  subakutem  Gelenkrheumatismus  mit  Anschwellung 
der  Gelenke. 

Den  Erfolg  hei  diesen  zeigt  charakteristisch  der  folgende  Fall 
(No.  18):  52  jährige  Frau,  seit  4  .Jahren  fortschreitende  Gelenk- 
schmerzen  trotz  Salicylaten,  Meinberg,  Neuenahr,  Moorbädern.  Im 
letzten  Sommer  bleibt  auch  die  gewohnte  Besserung  der  warmen 
Jahreszeit  aus,  seit  Monaten  hat  Patientin  das  Haus  gehütet,  kann 
Treppen  nicht  mehr  steigen,  sich  kaum  im  Zimmer  bewegen,  und 
ist  seit  8  Tagen  wegen  Schmerzen  in  den  Händen  völlig  hilflos. 
Objektiv  7.  III.  02:  beide  Handgelenke  dick  aufgetrieben  mit 
Oedem  bis  zu  %  der  Mittelhand  und  entsprechend  weit  hinauf 
am  Unterarm.  Bei  Berührung  lebhafte  Schmerzen,  Dorsalbeugung 
unter  ISO"  nicht  möglich.  Beide  Kniee  lassen  die  Konturen- wegen 
der  Anschwellung  nicht  erkennen,  Beugung  ist  nur  bis  zu  einem 
Rechten,  Streckung  bis  höchstens  105"  möglich,  entsprechender  Be¬ 
fund  ist  an  den  Fussgelenken  vorhanden.  Am  7.,  8.  und  9.  März 
Anwendung  an  zusammen  13  der  grossen  Gelenke,  unter  Verbrauch 
von  22  g  Mesotan.  Am  10.  ist  Patientin  spontan  schmerzfrei,  Be¬ 
wegung  schmerzt  nur  ganz  gering,  die  Bewegungsbeschränkungen 
sind  sehr  vermindert  und  die  Kniekonturen  deutlich  erkennbar, 
sowie  die  Fussgelenke  gleichfalls  abgeschwollen.  An  den  Händen 
ist  nur  die  Handwurzelgelenkgegend  selbst  noch  etwas  dicker,  die 
Dorsalbeugung  fast  frei.  Dabei  zeigt  sich,  dass  die  linke  Hand, 
an  der  absichtlich  die  Anwendung  nicht  stattgefunden  hatte,  eben¬ 
falls  abgeschwollen  und  schmerzfrei  war.  8  Tage  nach  Beginn  der 
Behandlung  war  Treppensteigen  wieder  möglich.  Patientin  unter¬ 
lässt  es  leider,  da  sie  mit  dem  Erreichten  ganz  zufrieden  ist,  die 
Behandlung  fortzusetzen. 

Ein  zweiter  Fall  (No.  20),  der  früher  mehrere  Male  an  akutem 
Gelenkrheumatismus  erkrankt  gewesen  war,  hat  seit  3  Monaten 
Anschwellung  und  Steifigkeit  der  Fussgelenke,  sowie  Schmerzen, 
die  bis  zur  Rückseite  des  Kniees  und  der  Oberschenkel  empor¬ 
ziehen.  Auch  sind  Schulter,  Arme  und  „der  ganze  Körper“  schmerz¬ 
haft.  Durch  Aspirin  erreichte  Patient,  dass  er  unbeholfen  am 
Stock  gehen  konnte.  Am  9.  März  ist  es  ihm  möglich,  mit  Hülfe  der 
Strassenbahn  und  eines  Stockes  und  Unterstützung  seiner  Frau, 
mich  aufzusuchen.  Objektiv  sind  an  beiden  Mittelfingern  die 
beiden  Proximalgelenke  aufgetrieben,  spindelförmig  verdickt,  die 
dorsalen  Querfalten  verstrichen.  Fingerbeugung  ist  bloss  bis  zu 
einem  halben  Rechten  möglich.  Beide  Fussgelenke  sind  stark  ge¬ 
schwollen,  die  Knöchelgegenden  nicht  markiert.  Die  Haut  ist  da¬ 
selbst  glänzend,  der  erste  Ton  an  der  Herzspitze  unrein.  Sonst  sind 
keine  Veränderungen  am  Herzen  nachweisbar.  Nach  4  Minuten 
langer  Anwendung  des  Mesotans  ist  die  Beugung  der  Mittelfinger 
rechts  wie  links  sofort  schmerzfrei,  nur  starker  Druck  der  Gelenke 
noch  empfindlich.  Die  Einreibung  des  rechten,  schlimmeren  Fuss- 
gelenkes  macht  dasselbe  sofort  beweglich,  so  dass  jetzt  das  andere 


16.  Dezember  1902. 


MUENCI1ENER  MED1C1NISCUE  WOCHEN  SCHRIET. 


2079 


Gelenk  als  das  schlimmere  bezeichnet  wird.  Dieses  wird  dann 
auch  behandelt  und  1  atient  geht  ohne  Benutzung  der  Strassen- 
l)alm  den  etwa  3  km  weiten  Weg  leicht  nach  Hause  Nach  8  T  men 
berichtet  er  dass  er  die  ganze  Woche  fast  frei  unter  Fortsetzung 
dei  Behandlung  habe  arbeiten  können.  Am  ersten  Tage  nach  der 
Mesotananwendung,- 10.  V.,  sei  der  linke  Finger  wieder  steif  und 
dick  geworden,  jedoch  Schmerz  nicht  aufgetreten.  Die  Anschwel¬ 
lung  bestand  auch  noch  schmerzlos  am  11.  V.  Objektiv  sind  am 
1(>.  V.  die  Gelenke  der  Mittelfinger  kaum  noch  dicker  und  druck¬ 
empfindlich,  desgleichen  die  Fussgelenke.  Bis  zu  dieser  Mesotan- 
a n Wendung  war  von  anderer  Seite  Aspirin,  Vorlauf  und  Jodtinktur 
angewendet  ward e n . 

Hm  weiterer  Fall  (No.  24).  seit  8  Wochen  als  Gicht  angesehen 
und  mit  4  und  3  g  Aspirin  täglich  behandelt,  hatte  Anfang  Ynril 
den  Befund,  dass  Patient  mit  Wollsehulien,  auf  Stock  gestützt  zu 
nur  kam.  Objektiv  war  diffuse  Anschwellung  und  Druckempiind- 
hchkeit  sämtlicher  Fussgelenke.  einschliesslich  des  Grosszelien- 
gelenkes  festzustellen.  Nach  der  Einreibung  des  schlimmeren 
r  usses  der  Patient  erst  auf  der  Strasse  einen  kurzen  Weic, 
bei  der  Rückkehr  war  dieselbe  Umkehrung  der  Intensität  des 
Schmerzes  wie  beim  vorigen  Fall  vorhanden.  Patient  ging 
schmerzfrei  nach  Hause.  Nach  8  Tagen,  bei  täglich  einmaligem 
Hmreiben.  war  Patient  völlig  frei  und  blieb  es  bis  heute  nach 
0  Monaten,  dauernd. 

Ein  anderer  Fall  (No.  22),  bei  dem  nur  das  rechte  Grosszehen¬ 
gelenk  geschwollen  und  die  Haut  über  demselben  gerötet  war  Im¬ 
stand  seit  4  Monaten;  nächtliche  Schmerzattacken  waren  nicht  vor¬ 
handen  gewesen.  Nach  einer  Einreibung  sagte  er  beim  Gehversuch 
..ich  kann  es  fast  nicht  glauben“. 

Bei  einem  weiteren  Fall  (No.  23),  der  ähnlich  verblüffenden 
Erfolg  hatte  (Sitz  namentlich  in  beiden  Händen,  doch  auch  in  den 
Fussgelenken,  in  deren  Umgebung  blaue  und  rote  Flecke  in  der 
Haut  lagen),  war  nach  Mesotananwendung  sofort  der  bis  dahin 
behinderte  Handschluss  frei ;  es  traten  aber  2  Tage  nach  der  An¬ 
wendung  wieder  Anschwellung  und  Steifigkeit  der  einen  ergriffenen 
Hand  auf.  Wie  in  dem  erwähnten  Falle  No.  20  wurde  auch  hier 
wieder  bestimmt  versichert,  dass  diese  Anschwellung  nicht 
schmerzte.  Nach  Wiederholung  der  Einreibung  sei  sofort  wieder 
Abschwellung  eingetreten. 

Geringen  bis  fehlenden  Erfolg  hatten  3  Fälle  mit  exquisit 
chronischem  Verlauf,  bei  denen  starke  Verdickung  der  Kapseln 
und  der  Gelenkbänder  vorhanden  waren.  Zwei  von  diesen  be¬ 
standen  seit  vielen  Jahren.  Schmerzen  waren  namentlich  an  die 
unter  Krachen  erfolgenden  Bewegungen  geknüpft.  Die  physi¬ 
kalischen  Heilmethoden  waren  bei  beiden  fast  dauernd  neben  in¬ 
terner  Salizyltlierapie  in  Anwendung. 

Ein  Fall  war  dagegen  erst  2—3  Monate  alt  (No.  25).  Die  Er¬ 
krankung  eines  Kniegelenkes  hatte  zugleich  mit  Rheumatismus 
der  rechtsseitigen  Bauchmuskulatur,  der  auf  Mesotan  prompt  ver¬ 
schwand.  begonnen.  Nach  der  angegebenen  Zeit,  während  der 
dann  auch  innerlich  Salizylate  angewandt  wurden,  war  neben 
leichter  \  erdickung  des  Kniegelenkes  beim  Eindruck  starkes 
Knirschen  wahrzunehmen. 

Von  akuter  Polyarthritis  konnte  ich  leider  nur  2  Fälle  b  >- 
handeln.  Einer  (No.  28)  stellte  sich  mir  erst  am  0.  Juni  vor.  nach¬ 
dem  er  unter  Mesotan  geheilt  war.  Die  Mutter  dieser  34  jährigen 
Patientin  hatte  das  Mittel  wegen  ihres  Muskelrheumatismus  von 
mir  erhalten.  Die  Patientin  selbst  hatte  8  Tage  eine  Halsent¬ 
zündung  gehabt  und  erkrankte  am  30.  Mai  plötzlich  unter  starken 
Schmerzen,  Anschwellung  des  rechten  Kniees  und  Gliederreissen. 
Dann  war  auch  das  linke  Knie  schmerzhaft  geworden.  Von  an¬ 
derer  Seite  war  sie  mit  Bettruhe,  Schwitzen,  heissen  Salz¬ 
umschlägen  und  „Pulver“  ohne  Erfolg  behandelt.  Als  die  Mutter 
am  31.  Mai  Mesotan  anwandte,  fühlte  sich  die  Patientin  sofort, 
erleichtert,  so  dass  sie  in  der  Nacht  schmerzfrei  aufstehen  konnte, 
während  die  Kniee  noch  geschwollen  w  a  r  e  n.  Die 
nächsten  Tage  fühlte  sie  jedesmal  nach  Mesotangebrauch,  dass  es 
besser  gehe.  Sie  wandte  deshalb  nur  dieses  Mittel  an.  Bei  einem 
anderen  Falle  konnte  seit  2  Tagen  wegen  Schmerzen  die  linke 
Hand  nicht  mehr  geschlossen  werden.  Objektiv  waren  die 
4  Fingergrossgelenke  schmerzhaft,  geschwollen  und  leicht  gerötet, 
ausserdem  einige  Fingergelenke  druckempfindlich.  Bis  zum 
nächsten  Tage  3  malige  Behandlung  der  ganzen  Hand.  Es  war  nur 
noch  geringe  Empfindlichkeit  bei  starkem  Handschluss  und  leich¬ 
ter  Druckschmerz  nachweisbar,  dagegen  eine  Hautveränderung 
nicht  mehr  zu  bemerken;  Patientin,  die  umsonst  behandelt  wird, 
kommt  nicht  wieder.  Innerliche  Behandlung  fand  überhaupt  nicht 
statt. 

Besonders  vorzüglich  wirkte  das  Mittel  gleichfalls  bei  akutem 
Muskelrheumatismus  in  8  Fällen.  Erstaunlich  war  dabei  ein  Fall 
von  Rheumatismus  der  linksseitigen  Interkostalmuskulatur 
(No.  34).  Die  72  jährige  Frau  war  hochgradig  kurzatmig  und 
jedes  tiefe  Atmen  schmerzte.  Objektiv  war  am  13.  Mai  das  Be¬ 
fühlen  der  linken  Brustseite  in  der  Axillargegend  lebhaft  empfind¬ 
lich,  desgleichen  waren  alle  Armbewegungen  schmerzhaft.  Bei 
einem  Versuch  zur  Inspiration  traten  heftige  Schmerzen  in  der 
Gegend  der  Herzspitze  auf.  Auskultatorisch  war  nichts  nachweis¬ 
bar.  Nach  Mesotananwendung  wird  bei  ruhigem  Verhalten  sub¬ 
jektiv  momentan  alles  frei,  nur  in  der  Gegend  der  Herzspitze 
war  objektiv  noch  Druckempfindlichkeit  vorhanden,  und  Schmerz 
bei  ganz  tiefer  Inspiration.  Am  16.  Mai  ist  überhaupt  nichts 
krankhaftes  mehr  vorhanden,  wie  die  ganze  Zeit  nichts  auf  den 
Pleuren  nachweisbar  ist. 


Auch  ein  I  all  von  chronischem  Muskelrheumatismus  zeigt  zeit¬ 
weise  Besserung;  21  Jahre,  seit  4  Jahren  rasches  Ermüden  und 
Schmerz  bei  Tätigkeit  in  der  rechten  oberen  Extremität.  Vielfach 
auch  in  Baden-Baden  von  bekanntem  Masseur  erfolglos  behandelt. 
Objektiv:  Chlorose  massigen  Grades,  Verdickung  in  der  Schulter¬ 
halsmuskulatur,  Knarren  bei  passiver  Bewegung  des  Schulter¬ 
blattes,  etwas  Druckempfindlichkeit  der  Nervenstämme,  Kodie¬ 
rung  des  rechten  Handgelenkes.  Mesotan  (täglich  1  mal)  meist 
ganz  angenehm.  Nach  einer  relativ  grossen  Anstrengung  sehr 
starker  Schmerz.  Mesotan  bringt  sofortige  Befreiung.  Am  anderen 
Tag,  bei  ähnlicher  Gelegenheit,  weniger  ausgesprochene  Wirkung. 

Auch  2  Fälle  von  rheumatischen  Affektionen  der  Faszien 
gaben  deutliche  Besserung  an  und  gingen  in  Heilung  aus. 

Nicht  so  ins  Auge  tretend  wie  bei  Rheumatismus  war  der 
Erfolg  bei  Arthritis  deformans  (No.  41—44).  Hier  konnten  bei 
einem  Falle  (No.  42)  4  Wochen  lang  die  schlafraubenden  Schulter- 
und  Rückenschmerzen  beseitigt  werden,  dann  aber  trat  ein  urti¬ 
cariaartiges  Erythem  auf.  Nach  späteren  Versuchen,  nach  4  und 
dann  nach  weiteren  8  YY  oelien  Pause,  wurden  die  Schmerzen  nicht 
beseitigt,  auch  trat  das  Erythem  bald  wieder  auf.  ln  2  weiteren 
Fällen,  frischere  Affektionen,  konnte  der  Schmerz  am  Finger  und 
am  Handgelenk,  nicht  jedoch  am  Hüftgelenk,  beseitigt  werden. 

1  >ann  wandte  ich  das  Ylittel  an  bei  Erkrankungen  peripherer 
Nerven,  bei  deren  Aetiologie  Erkältung  eine  Rolle  spielt.  Bei 
(»  Fällen  von  Trigeminusneuralgie,  No.  45 — 50,  war  schon  nach  einer 
einzigen  Einreibung  vorzüglicher  Erfolg  zu  beobachten.  Ein 
frischer  Fall  (Schmerzen,  als  wenn  das  Fleisch  abgerissen  würde) 
hatte  sofortige  Erleichterung  und  war  nach  2  Tagen  völlig  ohne 
jegliche  interne  Therapie  geheilt.  Ein  anderer  Fall  war  wochen¬ 
lang  von  anderer  Seite  mit  2—3  g  Antipyrin  täglich  behandelt, 
aber  ohne  Erfolg  und  war  nach  einer  Einreibung  spontan  schmerz¬ 
frei.  Nach  weiteren  8  Tagen  war  auch  die  Druckempfindlichkeit 
verschwunden. 

Dagegen  versagte  das  Mittel  bei  den  sensiblen  Neuritiden 
der  grossen  Stämme  der  Extremnäten.  die  hier  im  YVuppertlial 
bei  der  häufigen  uratischen  Diathese  so  zahlreich  und  hartnäckig 
sind.  Bei  einem  dieser  Fälle,  No.  53-  (von  auswärts),  stellte  sich 
(üne  sehr  unangenehme  Hautentzündung  ein.  Eine  unter  der  An¬ 
wendung  auftretende  Röte  wurde  als  beabsichtigt  angesehen  und 
Mesotan  nicht  ausgesetzt.  Die  Entzündung  steigerte  sich  so,  dass 
der  rechte  Arm  anschwoll  und  Blasenbildung  auftrat.  Dazu  kam 
eine  universelle  Dermatitis  urticaria  (Mitteilung  eines  Kollegen). 
Ein  weiterer  dieser  Fälle  bekam  gleichfalls  eine  nicht  auf  die  Stelle 
der  Anwendung  beschränkte  Urtikaria,  die  aber  nach  Aussetzen 
nach  zwei  Tagen  verschwand. 

Bei  zwei  Fällen  von  Ischias  zeigte  sich  kein  Erfolg. 

Dies  sind  die  Beobachtungen  an  53  Fällen,  bei  49  Patienten. 
Anzuschliessen  wäre  noch  ein  günstiger  Fall,  den  ich.  allerdings 
nicht  sah  (Selbstbehandlung  nach  dem  Erfolg  bei  der  Schwester, 
No.  9).  Nach  Influenza  Mai  1902  Schme  rzen  in  beiden  Schultern, 
Knoten  im  Rücken,  in  den  Beinen  und  Armen ;  Salipyrin  und 
Reiboldsgrün  hatten  wenig  geholfen,  Mesotan  wirkte  befreiend. 
(Wiederholte  schriftliche  Mitteilung.) 

Wenn  man  die  Fälle  von  Nervenerkrankung,  sowie  die  von 
Arthritis  deformans  abzieht,  bleiben  42  Fälle  von  Muskel-,  Ge¬ 
lenk-  und  Faszienaffektionen.  Bei  ihnen  versagte  das  Mittel 
2  mal  völlig.  Es  waren  alte  Fälle  mit  hochgradiger  Verdickung 
der  Gelenkkapseln  und  der  Kapselbänder,  die  überhaupt  für  die 
Behandlung  ungünstig  sind  und  auch  hier  jeder  internen  und 
physikalischen  Therapie  trotzen.  Der  Prozentsatz  ist  also  ein 
etwas  höherer,  wie  ich  ihn  bei  Lewin  (Nebenwirkungen  der 
Arzneimittel,  II.  Auflage,  p.  493)  angegeben  finde  (3,8  Proz.). 
Dafür  waren  aber  kaum  refraktäre  Fälle  vorhanden. 

Geradezu  glänzend  waren  die  Erfolge  bei  den  Fällen  von 
subakutem  Gelenkrheumatismus,  die  der  inneren  Therapie  viel¬ 
fach  so  wenig  zugängig  sind.  Bemerkenswert  ist,  dass  gerade 
monartikuläre  Formen  (3  Fälle)  sich  dieser  Salizylbehandlung 
als  sehr  günstig  erwiesen.  Ob  auch  andere  wie  rheumatische 
Schmerzen  der  Gelenke  und  Muskeln  dem  Mesotan  zugängig  sind, 
konnte  ich  nicht  beobachten,  ausser  bei  einem  Falle  von  aus¬ 
gesprochener  Influenza  (39,4 "  C.  im  After),  in  dem  fast  völlige 
Befreiung  von  den  quälenden  Gelenk-  und  Muskelschmerzen  be¬ 
stimmt.  angegeben  wurde.  In  diesem  Falle  beobachtete  ich  die 
längste  Ausscheidungsdauer  durch  den  Urin,  nämlich  14  Stunden, 
während  ich  dieselbe  sonst  nur  bis  zu  12  Stunden  feststellen 
konnte. 

Die  unliebsamen  Nebenerscheinungen  bei  2  Fällen  von 
Neuritis  habe  ich  erwähnt;  man  kann  wohl  annehmen,  dass  die 
Haut,  deren  Nerven  erkrankt  waren,  weniger  widerstandsfähig 
war.  Ehe  ich  Erfahrungen  über  die  zweekmässigste  Anwendung 
hatte,  beobachtete  ich  noch  einige  Male  unbedeutendes  Erythem 
und  1  mal  bei  meinem  2.  Fall  als  Folge  starken  Reibens  leichte 
Dermatitis.  Dass  man  Hauterscheinungen  überhaupt  sieht,  ist 
nicht  zu  verwundern  bei  einem  Salizylsäuremittel,  da  die  Sali- 

2* 


No.  50. 


^0 


MUENC1IENER  MEDIC1N1SC1IE 


WOCHENSCHlllFT. 


zylate  sogar  bei  internem  Gebrauch  die  verschiedensten  Haut¬ 
veränderungen  liervorrufen  können,  und  bei  einer  Krankheits¬ 
gruppe,  bei  der  eine  Hautbeteiligung  nicht  selten  ist. 

Der  Fall  No.  42  zeigt,  dass  die  hier  nach  V\  ochen  er¬ 
folgende  Veränderung  der  Haut  (s.  o.  Bourget)  eine  kmg- 
dauemde  sein  kann.  Dass  die  Wirkung  an  Dermatitis  gebunden 
war,  wie  Pribram  von  der  Salizylsäuresalbe  sagt,  wurde  nie  be¬ 
obachtet.  Die  Nebenerscheinungen,  die  Sterling  und  Has  e  n- 
feld  (s.  o.)  sahen  (Dyspepsie,  Ohrensausen  und  Schweiss)  habe 
ich,  trotz  Aufmerksamkeit,  nicht  beobachtet. 

Die  Vorzüge  der  externen  Behandlung  überhaupt  (Schonung 
des  Magens,  Suggestion)  brauchen  wohl  nicht  hervorgehoben 
zu  werden,  ebensowenig  wie  angenehm  es  für  den  Arzt  ist,  durch 
eine  einfache  Massnahme  sofort  in  der  Sprechstunde  dem  Pa¬ 
tienten  Erleichterung  von  quälenden  Beschwerden  verschaffen  zu 
können  und  zwar  in  einem  solchen  Masse,  wie  ich  es  durch  Elek¬ 
trizität,  manuelle  und  Vibrationsmassage  kaum  sah. 

Die  Anwendung  mache  ich  jetzt  so,  dass  ich  3  5  Minuten 

lang  mit  einem  kleinen  Wattebäuschchen  oder  Pinselchen  das 
Mesotan  oder  —  noch  vorsichtiger  —  eine  Mesotan-Olivenol- 
mischung  zu  gleichen  Teilen  anstreiche,  nicht  einreibe,  und  mit 
Woll-  oder  Seidenstoff  (Strumpf,  Handschuh)  bedecke.  Diese  zur 
Wirkung  an  sich  unnötigeBedeckungdenkeichmirals  Schutzgegen 
mechanische  Läsion  und  eventuell  z.  B.  bei  Supraorbitalneuralgie 
zur  Abhaltung  von  weiterer  Schädlichkeit  vorteilhaft.  Man 
könnte  ja  auch  mit  Mesotan  befeuchteten  Mull  auflegen  und  mit 
Flanell  bedecken,  ähnlich  wie  dies  Lemoine  für  Gaulthenaöl 
vorschreibt. 

Die  vielfach  tatsächlich  momentan  auftretende  Wnkung, 
die  mir  die  verschiedensten  Anfragen  nach  dem  Mittel  ein¬ 
gebracht  hat,  gestattet  vielleicht  einen  Schluss  auf  den  Angriffs¬ 
punkt.  der  Salizylsäure.  Ich  kann  mir  nichts  anderes  denken, 
als  dass  der  Zutritt  zu  den  peripheren  Nervenelementen  das 
Wirksame  ist.  Dass  die  W  irkung  an  Hyperämie  gebunden  ist. 
wie  man  von  den  meisten  äusserlichen,  nicht  spezifischen  Mitteln 
annimmt,  halte  ich  für  ausgeschlossen;  jedenfalls  ist  eine  solche 
bei  der  angegebenen  Anstreichmethode  für  das  Auge  nicht  ei- 
kennbar.  Dass  nicht  chemotaktische  Wirkung  eintritt,  beweisen 
Untersuchungen,  die  in  Lille  Denis0)  (unter  Lemoine)  in 
seiner  Dissertation  veröffentlicht.  Dieser  konstatiert,  dass  salizyl- 
saures  Natron  innerlich,  Methylsalizylat  äusserlich  die  Zahl  dei 
roten  und  weissen  Blutkörperchen  herabsetzt,  dass  prozentisch 
die  Leukocyten  und  eosinophilen  Blutkörperchen  sich  vermehren, 
die  mehrkernigen  neutrophilen  sich  vermindern,  während  die 
Leukocyten  mit  grossem  runden  Kern  sich  wechselnd  verhalten. 

Der  Umstand,  dass  in  dem  Falle  No.  28  eine  noch  bestehende 
Knieanschwellung  bei  akuter  Polyarthritis  schmerzlos  wurde 
und  2  mal  schmerzlose  Anschwellungen  der  Gelenke  wieder  auf¬ 
traten  (Fall  20  und  23)  scheint  mir  auch  dafür  zu  sprechen, 
dass  eine  spezifische  Einwirkung  auf  die  Nerv eneTemen te  statt¬ 
gefunden  hat.  Daneben  kann  ja  auch  „l’action  antiseptique  ou 
microbicide  du  salicylate“  statthaben  (Denis  1.  c.). 


Beiträge  zur  Mechanik  des  Hörens.  ) 

Von  Dr.  Gustav  Zimmermann  in  Dresden. 

M.  TT.!  Es  ist  Ihnen  vielleicht  von  Interesse,  über  die 
weiteren  Folgen  berichtet  zu  hören,  die  einige  von  mir  vor  nun¬ 
mehr  fast  4  Jahren  zuerst  in  dieser  Gesellschaft  vertretene1)  neue 
Ansichten  gehabt  haben.  Ich  erlaubte  mir  damals  Ihre  Auf¬ 
merksamkeit  auf  gewisse  Punkte  der  Physiologie  des  Ohres  zu 
richten  und  wandte  mich  besonders  gegen  die  übliche  auf  Helm- 
holtz  zurückgehende  Ansicht  von  der  Schalleitung  im  Ohr; 
ich  suchte  nachzuweisen,  dass  entgegen  allen  bisher  aufgestellten 
Theorien  die  Gehörknöchelkette  gar  kein  Apparat  zur  Schall¬ 
fortpflanzung  sei,  sondern  dass  aller  Schall,  ohne  die  Vermitte¬ 
lung  durch  die  Kette  zu  benötigen,  sich  vom  Trommelfell  direkt 
durch  die  Luft  des  Mittelohrs  auf  den  Knochen  der  Schnecken- 
kapsel  fortpflanze,  von  wo  die  direkt  anliegenden  Basilarfasern 
in  stehende  Schwingung  versetzt  würden.  Die  beistehende  Skizze 
wird  den  Vorgang  zur  Genüge  illustrieren.  Während  zu  besserer 

°)  Des  Yariations  de  la  formule  Hemoleucocytaire.  Lille  1902. 

M  a  s  s  o  n. 

9  Vortrag,  gehalten  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil¬ 
kunde  zu  Dresden  am  18.  X.  1902. 

')  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  19  u.  22. 


Schematischer  Durchschnitt  durch  Mittelohr 
und  Schneeke- 


Sehwingbarkeit  der  Basilarfasern  die  Membran  des  Schnecken¬ 
fensters  diene,  diene  die  Gehörknöchelkette  zur  Regulierung 
des  i  nt r alaby r i n t h ä ren 
Drucks  und  damit  zur 
Akkommodation  der 
schwingenden  Fasern 
auf  den  besten  Grad 
der  Perzeption. 

Di  esc  Anschauung, 
die  ich  damals  natur- 
gemäss  nur  in  aller 

Kürze  begründen 
konnte,  habe  ich  seit¬ 
dem  weiter  verfolgt 
und  auch  in  meinem 

Buche  (Die  Mechanik  des  Hörens,  Bergmann,  Wiesbaden) 
auf  breiterer  anatomischer,  physiologischer  und  pathologischer 
Grundlage  auszubauen  versucht.  Die  seitdem  verstrichene  Zeit¬ 
frist  erscheint  gross  genug,  um  aus  den  erfolgten  Besprechungen 
sich  ein  einigermassen  zutreffendes  Urteil  über  die  Richtigkeit 
oder  Unrichtigkeit  jener  Anschauungen  zu  verschaffen. 

1  )ie  Beurteiler  meines  Buches  liahen  auf  die  darin  enthaltenen 
Neuerungen  nicht  alle  gleicluniissig  reagiert.  Ein  Teil  und,  wie 
ich  vorausschicken  darf,  der  grössere  Teil  der  massgebenden  Be¬ 
urteiler  hat  die  alten  Theorien  für  nicht  mehr  haltbar  erklärt  und 
sie  zu  Gunsten  der  neueren  aufgegeben.  Ein  anderer  Teil  und 
darunter  solche,  die  man  sonst  als  Rufer  im  Streite  anzusehen 
gewohnt  war  —  Bezold,  Biirkner,  Hensen  u.  a.  -—  hat 
sich  in  ein  sonst  nicht  gewohntes  Schweigen  gehüllt  und  ein  lin¬ 
derer  Teil  ist  mit  einigem  Eifer  für  die  altgewohnten  Lehren  ein¬ 
getreten.  Was  mir  aus  der  Literatur  an  Besprechungen  be¬ 
kannt  geworden  ist,  habe  ich  mir  gesammelt  und  mir  auf  dem 
Tisch  des  Hauses  niederzulegen  gestattet.  Und  ich  will  über 
das.  was  darin  an  Einwänden  und  Bedenken  vorgebracht  ist,  kurz 

berichten.  .  , 

Aus  physiologischen  Erwägungen  glaubt  zunächst  lscü- 
w  e  i  1  e  r  -)  an  der  Helmholt  z  sehen  Lehre  noch  festhalten 
zu  müssen.  Helmholtz  lehrte  bekanntlich,  dass  durch  den 
Schall  stets  augenblicklich  die  ganze  Masse  der  Ivette  in  Be¬ 
wegung  gesetzt  werde,  und  verwendete  für  seine  Meinung  mit 
nur  geringfügigen  Modifikationen  die  Politzer  sehen  Experi¬ 
mente.  Ich  hatte  diese  Experimente  als  allgemeinbeweisend  des¬ 
halb  abgelehnt,  iveil  sie  unter  Anwendung  stärkster  Schwing¬ 
ungen  angestellt  und  darum  zunächst  auch  nur  für  diese  verwert¬ 
bar  seien.  Dagegen  hat  Esch  weil  er  Einspruch  erhoben  und 
gemeint  „dass,  was  bei  stärkeren  Schalleinwirkungen  nachzuweisen 
sei,  nicht  bei  schwächeren  zu  fehlen  brauche“.  Es  liegt  diesem 
Einspruch  ein  gewisser  Mangel  an  physikalischer  Beobachtung  zu 
Grunde.  Es  sind  jedem  sicher  genügend  Beispiele  zur  Hand,  wo 
Unterschiede  in  der  benutzten  Energie  recht  erhebliche  Unter¬ 
schiede  auch  in  der  resultierenden  mechanischen  Leistungsfähig¬ 
keit  nach  sich  ziehen.  So  vermag,  um  ein  grobphysikalisches  Bei¬ 
spiel  zu  gebrauchen,  nicht  jede  beliebige  Wassermenge  das  Bad 
einer  Miilile  umzutreiben;  dazu  gehört  schon  das  Vorhandensein 
einer  relativ  grossen  Triebkraft,  denn  kleine  oder  schwache 
Wasserihengen  passieren  die  Schaufeln  des  Rades,  ohne  es  in  jene 
Bewegung  zu  setzen.  Also  alle  die  von  Politzei,  Helm 
lioltz-Buck  und  späteren  Forschern  angestellten  Versuche 
lassen  sehr  wohl,  was  auch  nachher  zu  erwähnende  Versuche  aus 
dem  Exne  r  sehen  Institut  bestätigen,  die  Erwartung  gerecht¬ 
fertigt  erscheinen,  dass  unter  den  gewöhnlichen  Verhältnissen 
die  Gehörknöchelkette  ganz  anders  reagiert.  Wenn  E  Sch¬ 
weiler  die  in  dieser  Beziehung  von  mir  angestellten  „theo¬ 
retischen  Erwägungen“  den  Experimenten  gegenüber  gering  ver¬ 
anschlagen  möchte,  so  darf  vielleicht  betont  werden,  dass  es  nötig 
war,  eben  auf  die  Argumente  zurückzugehen,  deren  sich  Helm¬ 
holtz  bediente.  Und  Helmholtz  ging  nicht  sowohl  von  ex¬ 
perimentell  gefundenen  Tatsachen  aus,  als  von  solchen  theo¬ 
retischen  Erwägungen.  Nur  zog  er  hier,  wie  ich  ausgeführt  habe, 
mit  Unrecht  die  grossen  virtuellen  Längen  der  Schallwellen  herbei 
und  vernachlässigte  die  schnelle  Folge  der  Wellen  und  die  kleinen 
reellen  Amplituden  der  in  einer  Welle  bewegten  Massenteilchen. 
Dass  eine  Reihe  hintereinander  eng  verkoppelter  Moleküle  in  toto 
und  praktisch  wie  ein  starrer  Körper  schwingen  sollte,  gilt  nur 
für  den  Fall  relativ  langsamer  Bewegungen,  wo  die  Bewegung 
Zeit  hat,  sich  allen  benachbarten  Molekülen  mitzuteilen,  nicht 
aber  für  so  schnelle  Bewegungen  wie  bei  der  Wärme  oder  beim 
Schall,  wo  die  einzelnen  Moleküle  sich  für  sich  zu  bewegen  be¬ 
ginnen.  Denkt  man  sich  z.  B.  eine  horizontal  an  Fäden  aul¬ 
gehängte  Spiralfeder,  so  wird  sie  sich  als  ein  starrer  Körper  ver¬ 
halten,  solange  man  sie  langsam,  etwa  1  mal  in  der  Sekunde,  mit 
dem  Finger  stösst;  bei  sehr  schnellen,  kurzen  Stössen  aber  werden 
sich  die  einzelnen  Spiralen  gegen  einander  bewegen.  Und  dass 
gerade  die  einzelnen  Schallstösse  jedesmal  nur  sehr  kurze  Strecken 
erschüttern,  ist  durch  die  schon  zu  Lebzeiten  Helmholtz  wi- 
öffentlichten  klassischen  Untersuchungen  von  Töpler-Boltz- 


2)  Correspondenzbl.  f.  Schweiz.  Aerzte  1901. 

3)  Arch.  f.  Ohrenheilk.  1902,  LV,  1  u.  2. 


V 


X6.  IXezcmber  l!)02. 


VlUKNCilEKEk  MEDICINLSCII'E  WOCHENSCELIUEt. 


2081 


niann  und  von  Rayleigh  erwiesen.  Auf  dem  diesjährigen 
Naturforseherkongress  hat  Wien  weiter  in  dieser  Beziehung 
höchst  beachtenswerte  Mitteilungen  gemacht.  Wien  fand  dass 
die  Schwingungsamplitude  an  der  Grenze  der  Hörbarkeit  bei  tiefen 
und  hohen  Tönen  (von  je  200  und  1050  Schwingungen)  zwischen 

V  10  1  +Um^  •  10f-  10  cm  lang;  dasjsind  Schwingungsamplituden 
die  noch  teilweise  unter  dem  Werte  liegen,  den  Maxwell  als 

die  Grösse  des  einzelnen  Molekels  berechnet  hatte  1Ö“3 - 

Es  darf  demnach  wohl  .nicht  bezweifelt  werden  dass  im 
Trommelfell  nur  von  einer  molekularen  Schallfortpfl’anzun»-  in 
verschiedenen,  wenn  auch  zeitlich  rasch  sich  folgenden  Phasen 
die  Rede  sein  kann.  Man  müsste  also,  wollte  man  an  der  Kette 
als  dem  physiologisch  wirksamen  Leitungsapparat  festhalten  zu 
der  Joli.  Müller  sehen  Aufassung  zurückkehren,  der  wie  durch 
einen  geraden  Stab  so  nur  durch  die  Reihe  der  Knöchelchen  den 
Schall  zum  inneren  Ohr  sich  fortpflanzen  liess.  Und  in  der  Tat 
hat  Dennert')  in  seinen  auch  neuerdings  unentwegt  vdr- 
getrageneu  Experimenten  stillschweigend  eine  solche  Ueber- 
tiagung  zu  Gi  linde  gelegt,  indem  er  statt  der  locker  untereinander 
verbundenen  Kette  mit  einem  soliden  Stab  als  Zwischenleiter 
operierte.  Es  ist  schon  früher  hervorgehoben,  wie  unzweckmässig 
die  Knöchelchenkette  in  dieser  Beziehung  funktionieren  würde 
gegenüber  einer  soliden  Columella,  wie  sie  bei  manchen  niedriger 
organisierten  Tierspezies  vorhanden  ist.  Natürlich  treten  auch 
Schallwellen  in  die  Kette  über  und  pflanzen  sich  in  ihr  fort,  aber 
durch  die  vielen  Bandverbindungen  und  die  zwischengeschobenen 
Gelenke  wird  eine  exakte  und  isolierte  Uebertragung  auf  das  Vor- 
liofsfenster  so  sehr  behindert,  dass  sie  der  Uebertragung  durch 
eine  solide  Columella  weit  nachstelien  müsste.  Es  würde  also 
hier  ein  verwunderliches  und  fast  unbegreifbares  Spiel  der  Natur 
vorliegen,  dass  gerade  auf  der  höchsten  Stufe  der  Entwicklung 
eine  Einrichtung  getroffen  wäre,  die  dem  angenommenen  Zweck 
am  meisten  zuwiderliefe. 

Gegen  die  Lösung  dieser  Widersprüche,  dass  die  Kette  gar 
nicht  um  der  Schalleitung  willen  vorhanden  zu  sein  brauchte, 
sondern  dass  aller  Schall  sich  vom  Trommelfell  durch  die  Mittel¬ 
ohrluft  direkt  auf  den  Knochen  überträgt,  scheint  ein  physio¬ 
logischer  Einwand  an  sich  nicht  zu  erbringen  gewesen  zu  sein 
Ich  habe  hier  mich  nur  gegen  die  von  Zwaardem  a  k  e  r  und 
Sec  c  li  i  erhobenen  Vorwürfe  zu  verteidigen,  dass  ich  keine  neuen 
Expei  imente  angestellt  hätte.  Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  manche 
sich  lieber  durch  Experimente,  die  sie  sehen  können,  als  durch 
.  einen  Gedankengang,  den  sie  nachdenken  müssen,  überzeugen 
lassen  und  bedaure  deshalb  selber  die  Lücke.  Andrerseits,  meine 
ich,  liegt  schon  einigermassen  ausreichendes  experimentelles  Ma¬ 
terial  zur  Entscheidung  vor,  wenn  man  sich  bemüht,  von  den  ge¬ 
fundenen  Tatsachen  das  manchmal  unmerklich  beigemengte  Ur¬ 
teil  zu  trennen.  Jedenfalls  hat  Secchi  kaum  Anlass,  wegen 
seines  einen  ziemlich  trügerischen  und  zuliebe  einer  vorgefassten 
Meinung  angestellten  Experimentes  deren  allgemeine  Bedeutung 
besonders  zu  betonen. 

Secclii'')  hat  die  alte,  schon  von  S  c  h  e  1  li  a  m  m  e  r, 
t  i  e  ussens  und  Treviranus  vertretene  Meinung  wieder 
aufgenommen  und  unter  eigenem  Namen  neu  herausgegeben,  dass 
nur  das  Schneckenfenster  eine  Fortpflanzung  des  Schalls  zum 
inneren  Ohr  ermögliche.  Zum  Beweise  dessen  bediente  er  sich 
einer  spitz  ausgezogenen  und  rechtwinklig  umgebogenen  Glasröhre, 
deren  spitzes  Ende  bei  einem  Kranken  einmal  gegen  das  Vorhofs¬ 
fenster  und  das  Promontorium,  sodann  auch  gegen  das  Schnecken¬ 
fenster  gehalten  wurde.  Der  Kranke  hörte,  wenn  S  e  c  c  h  i  den 
Ton  seiner  C-Stimmgabel  in  das  andere  Ende  einleitete,  den  Ton 
vom  Schneckenfenster  aus  am  längsten.  Angenommen  nun,  dass 
unter  allen  Umständen  und  in  erweiterter  Form  diese  Ergebnisse 
sich  bestätigten,  so  würde  das  für  die  normale  Leitung  in  der  Pauke 
nicht  gerade  viel  beweisen.  Es  ist  eigentlich  zu  erwarten,  dass, 
wenn  man  einer  Stelle,  die  sonst  nur  abgeschwächt  den  Schall 
empfängt,  ebensoviel  Schall  zuleitet,  vue  einer  anderen,  zwar 
dickeren,  aber  besser  leitenden  Stelle,  wo  sonst  die  Hauptschall¬ 
masse  auf  trifft,  dort  der  Schall  deutlicher  sich  manifestiert.  In 
der  menschlichen  Pauke  liegen  die  Verhältnisse  doch  so,  dass  aller 
Schall,  der  durch  das  Trommelfell  hindurch  gekommen  ist.  in 
direkter  Linie  auf  die  breite  Fläche  des  Promontoriums  auftrifft 
und  dass  nur  ein  geringer  Teil  abirrender  Schallstrahlen  nach 
hinten  in  die  Gegend  des  Schneckenfensters  gelangt.  Und  auch 
diese  müssen  entweder  die  dicke  überhängende  Schale  des  Pro¬ 
montoriums  erst  durchsetzen,  um  dann  mehr  von  der  Kante  die 
Membran  zu  treffen,  oder  durch  mehrfache  Reflexion  von  unten 
gegen  ihre  Fläche  gebracht  werden.  Dass  diese  Vorgänge  mit 
grösster  Geschwindigkeit  sich  abspielen,  gilt  für  den  einen  wie 
den  anderen  Fall  und  kann  deshalb  für  eine  Entscheidung  ausser 
Betracht  bleiben.  Bei  manchen  gut  hörenden  Tierspezies,  z.  B. 
den  Katzenarten,  liegen  die  topographischen  Verhältnisse  noch 
viel  ungünstiger,  als  dass  man  von  einem  Schallzutritt  nur  durch 
das  Schneckenfenster  sprechen  dürfte.  Aber  auch  für  den  Men¬ 
schen  ist  die  Meinung  trotz  des  Secchi  sehen  Experimentes  un¬ 
haltbar,  dass  aller  Schall,  der  gehört  werden  soll,  nur  durch  das 
abseits  liegende  kleine  Löchelchen  des  Schneckenfensters  hinein 
müsste  und  dass  die  Hauptmasse,  die  direkt  auf  den  Knochen 
trifft,  ausser  Wirkung  gesetzt  wäre. 

Dass  der  Knochen  von  allen  Körpergeweben  der  beste  Schall¬ 
leiter  ist,  ist  eine  physikalische  Tatsache,  und  gegen  die  Anwen- 

4)  Verband],  d.  Deutsch,  otolog.  Gesellseh.  Jena  1901. 

r’)  La  flnestra  rot.  etc.  Turin  1902. 

No.  50 


düng  dieser  Tatsache  auf  die  Physiologie  scheint  heute  auch 
II  e  n  s  e  n  keinen  Protest  mehr  zu  erheben,  der  zuerst 
eine  reine  Leitung  durch  den  Knochen  ja  für  unmöglich  erklärte. 
Wie  sehr  gerade  der  Knochen  Schallimpulse  aufzunehmen  und 
abzugeben  geeignet  ist,  wird  durch  die  schönen  Versuche  von 
Mader0)  aus  dem  E  x  n  e  r  sehen  Institut  in  helles  Licht  gerückt 
Die-se  Versuche  geben  mir  zugleich  aber  auch  darin  Recht,  dass 
durch  die  Gehörknöchelchen  ganz  im  Gegensatz  zu  der  H  ’e  1  m  - 
holt  z  sehen  Lehre  der  Schalleindruck  gradatim  von  Glied  zu 
Glied  abgeschwächt  wird  und  schliesslich  schwächer  wirkt  als  der 
z.  B.  ohne  Vermittelung  der  Kette  direkt  auf  der  Innenseite  des 
Promontoriums  wirksam  werdende  Schall.  Wenn  man  den 
Einwand  gemacht  hat,  durch  das  Aufsetzen  des  von  Mader 
verwendete  Mikrophonstiftes  werde  die  Leitung  durch  die  Steig¬ 
bügelplatte  mehr  als  die  durch  den  Knochen  beeinträchtigt  und 
dadurch  ein  unzutreffendes  Resultat  nur  vorgetäuscht,  so  erscheint 
das  nicht  ganz  gerechtfertigt.  Im  Gegenteil  könnte  gefolgert 
werden,  dass,  da  ja  jede  Anspannung  eine  Besserleitung  zur  Folge 
hat,  in  Wirklichkeit  die  normalerweise  nicht  angespannte  Steig- 
biigelplatte  den  Schall  nur  noch  schlechter  übertragen  würde  aTs 
es  in  dem  Experimente  der  Fall  ist.  Die  Mader  scheu  Versuche 
unterstützen  weiterhin  aber  auch  meine  Erklärung  für  die  aul¬ 
fallende  anatomische  Struktur  des  Promontoriums.  Mader  und 
nach  ihm  H.  F  rey6  7)  konnten  nachweisen  —  was  physikalisch 
schon  von  vornherein  zu  erwarten  war  — ,  dass  das  wesentlichste 
Moment  für  die  Schalleitungsfähigkeit  eines  Knochens  die  mehr 
oder  minder  grosse  Dichte  in  der  Aneinanderlagerung  seiner  Teil¬ 
chen  ist.  Es  liegt  darin  eine  deutliche  Bestätigung  für  die 
Zweckmässigkeit  des  anatomischen  Baues,  dass  die  Schnecken¬ 
kapsel  gerade  aus  diesem  elfenbeinharten  dichten  Knochen  be¬ 
steht. 

Damit  nun  alle  vom  Knochen  aus  in  das  Innere  der  Schnecke 
zutretenden  Schallwellen  hier  besonders  leicht  die  Basilarfasern 
in  geordnete  Schwingungen  versetzen  könnten,  hatte  ich  aus¬ 
geführt,  sei  die  Membran  des  Schneckenfensters  eingeschaltet: 
Nicht  hmeiutreten,  wie  Sec  ch  i  mit  den  älteren  Autoren  annahm, 
müsse  hier  der  Schall,  sondern  hier  ausweichen  müsse  das 
Schneckenwasser  können,  wenn  feinste  Schwingungen  begünstigt 
sein  sollten.  Esch  weiter  (1.  c.)  hat  mir  eingewendet,  dass  die 
Basilarfasern,  um  stehende  Schwingungen  auszuführen,  gar  keiner 
solchen  Ausweichestelle  bedürften.  Er  hebt  hervor,  dass,  „wenn 
ein  in  Wasser  sich  bewegender  Gegenstand  in  eine  gewisse  Ent¬ 
fernung  von  der  Oberfläche  komme,  sich  die  entstehenden  Be¬ 
wegungen  der  umgebenden  Wasserfläche  ausglichen,  ohne  Ober¬ 
flächenveränderungen  zu  machen;  das  zeige  die  Flossenbewegung 
der  in  verschiedenen  Tiefenzonen  des  Meeres  lebenden  Fische". 
Es  scheint  diese  Einwendung  in  keinem  der  beiden  darin  liegenden 
Gesichtspunkte  als  zutreffend.  Denn  erstens  liegen  die  Basilar¬ 
fasern  nicht  in  gewisser  Entfernung  von  der  Oberfläche,  sondern 
unmittelbar  fast  und  stellenweise  nur  0,1  mm  unter  derselben 
und  zweitens  können  die  plumpen  und  relativ  langsamen  Be¬ 
wegungen  der  Fische  doch  kaum  in  Parallele  gestellt  werden  mit 
den  unendlich  zarten  und  hundert-  und  tausendfach  präzis  in  einer 
Sekunde  ablaufenden  Schwingungen  der  Basilarfasern.  Dass  so 
grobe  Bewegungen,  wie  die,  auf  welche  Eschweiler  exem¬ 
plifiziert,  von  statten  gehen  können,  ohne  eine  Ausweichstelle  zu 
benötigen,  habe  ich  selber  in  meinem  Buche  ausdrücklich  bemerkt, 
dass  aber  für  die  allerminutiösesten  Schwingungen  eine  Stelle  ge¬ 
ringeren  Widerstandes  in  der  Knochenwand  nur  förderlich  sein 
kann,  entspricht  einem  allgemeingültigen  mechanischen  Prinzip 
und  darf  deswegen  auch  für  das  Gehörorgan  vorausgesetzt  werden, 
so  schwer  es  auch  sein  wird,  experimentell  den  strikten  Beweis 
zu  erbringen,  weil  die  hier  in  Frage  kommenden  mikroskopischen 
Verhältnisse  zurzeit  experimentell  kaum  nacligeahmt  werden 
können. 

Um  weiterhin  die  inneren  Bedingungen  zu  verstehen,  unter 
denen  die  Basilarfasern  auf  den  äusseren  Schall  mit  Schwingungen 
reagieren,  hatte  ich  der  alten  und  später  von  Helmholtz  still¬ 
schweigend  übernommenen  Resonanztheorie  von  D  a  u  v  erne  y 
und  le  Cat  mich  angeschlossen.  Le  Cat  besonders  hatte  174-1 
auf  Grund  der  schon  frühzeitig  erkannten  Aehnlichkeit  des  Spiral¬ 
blattes  mit  einem  Saiteninstrument  ausgesprochen,  „dass  es 
wohl  keinen  Ton  gäbe,  der  nicht  mit  einem  Teil  des  Spiralblattes 
in  Einklang  stünde“.  Durch  eine  Reihe  physiologischer  und  patho¬ 
logischer  Tatsachen  wird  heute  sehr  wohl  diese  Annahme  gerecht¬ 
fertigt,  dass  der  äussere  Schall  von  den  Basilarfasern  immer  die¬ 
jenigen  und  nur  diejenigen  in  Mitschwingung  versetzt,  welche  je¬ 
weils  mit  den  den  äusseren  Schall  zusammensetzenden  Einzel- 
schwingungen  gleichstimmig  sind.  Jedenfalls  darf  behauptet  wer¬ 
den,  dass  keine  Tatsache  bekannt  geworden,  welche  diese  An¬ 
nahme  zu  wiederlegen  vermöchte.  Das  physikalische  Phänomen 
der  Resonanz  ist  bis  jetzt  das  beste  Analogon,  um  das  grosse  Wun¬ 
der  des  Hörens  einigermassen  dem  Verständnis  nahe  zu  bringen. 
Nur  wird  man  sich  zu  hüten  haben,  so  grobe  Begriffe,  wie  Nuvoli 
es  tut,  hier  unterzulegen.  Nuvoli8)  hat  in  seiner  Besprechung 
meines  Buches  mir  den  absonderlichen  Einwand  gemacht,  dass, 
wenn  wirklich  die  Schwingungen  im  Endorgan  auf  Resonanz  be¬ 
ruhen  sollten,  man  sie  dann  doch  auch  objektiv  von  aussen  müsse 
hören  können  und  hat  sich  mittels  Phonendoskops  überzeugt,  dass 

6)  Sitzungsber.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wissenscli.  in  Wien  CIX, 
III,  1900. 

T)  Zeitschr.  f.  Psycli.  u.  Phys.  d.  Sinnesorg.  Bd.  28.  1902,  p.  9. 

s)  Arcliivio  ital.  di  ot.  190.1,  XI,  p.  335. 


3 


2082 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


das  nicht  der  Fall  sei.  Es  darf  schon  physikalisch  als  eine  selt¬ 
same  Forderung  erscheinen,  dass  Fasern  von  so  mikroskopischer 
Breite  und  Länge  einen  objektiv  wahrnehmbaren  Ton  erzeugen 
sollten:  vollends  zurückzu  weisen  ist  sie  aber,  aus  einem  mehr 
physiologischen  Gesichtspunkte:  Ebensowenig,  wie  man  je  er¬ 
warten  wird,  die  Schmerzempfindung  eines  anderen  sich  durch 
Berühren  der  empfindenden  Stelle  zur  Mitempfindung  zu  bringen, 
ebensowenig  wird  man  billigerweise  hoffen  wollen,  die  zaiten 
TTmlagerungen  im  Gehörorgan  jemals  von  aussen  belauschen  zu 

können.  .  ,  , 

Es  ist  hier  noch  die  auch  neuerdings  von  manchen  bejahend 
beantwortete  Frage  zu  streifen,  ob  der  der  Schnecke  angegliedeite 
Vorhof  bogenapparat  für  das  Hören  an  sich  von  Bedeutung  sei. 
Hensen  hält  mit  eigentümlicher  Zähigkeit  und  Nichtachtung  cier 
vielen  Gegengründe,  besonders  auch  der  schönen  experimentellen 
Erhebungen  von  Kreidel  an  dieser  Anschauung  fest.  Aus  (  ein 
physiologischen  Institut  zu  Kiel  hat  Deetjen9)  Mitteilungen  ver¬ 
öffentlicht,  aus  denen  er  scliliesst,  „dass  in  erster  Linie  die  Logen¬ 
gänge  als  ein  Organ  für  den  Hörvorgang  anzusehen  seien  .  lJ  e  e  t  - 
i  e  li  bediente  sich  der  schrillen  Klein  sehen  Membranpfeite, 
welche,  um  den  Ton  möglichst  kräftig  auf  das  Trommelfell  wirken 
zu  lassen,  meist  in  einen  in  die  äussere  Ohröffnung  gesteckten  Glas¬ 
trichter  gehalten  wurde.  „Beim  Kalb  und  bei  Tauben  konnten  an 
den  eröffneten  Bogengängen  in  der  Perilymphe  dann  mikroskopisch 
sowohl  Strömungen  in  bestimmten  Richtungen,  als  auch  leb  halte 
schwingende  und  tanzende  Bewegungen  beobachtet  werden.  ‘  Hass 
solche  Bewegungen  durch  Einwirkung  äusseren  Schalles  m  offenen 
oder  geschlossenen  Röhren  entstehen  können,  hat  nichts  Berrem- 
dendes;  sieht  man  doch  z.  B.  wie  in  den  K  u  n  d  t  sehen  Rohren 
ein  feines  Lykopodiumpulver  sich  durch  solche  und  gerade  hohe 
Töne  bei  vorhandener  Kongruenz  der  ganzen  oder  teilbaien 
Röhrenlänge  mit  den  Schallwellenlängen  zu  regelmässigen  Häut¬ 
chen  aufwirbeln  lässt.  Aehnliche,  nur  unregelmässigere  Be¬ 
wegungen  wird  ein  starker  anhaltender  Ton  auch  in  unregel¬ 
mässigen  Kapillarröhren  erzielen  können.  Das  gilt  aber  nicht  bloss 
für  die  Bogengänge,  sondern  es  ist  zu  erwarten,  dass,  wenn  man 
die  Deetjen  sehe  Versuchsanordnung  beibehält,  auch  in  den 
kapillaren  Lymphspalten,  z.  P».  der  Arachnoidealräume,  sich  ähn¬ 
liche  Erscheinungen  werden  beobachten  lassen,  ohne  dass  man 
darum  den  Arachnoidealräumen  die  Eigenschaften  eines  Gehör¬ 
organs  vindizieren  dürfte.  Die  Bedeutung  des  Vorliof bogenappa- 
rates  ist  zweifellos  wohl  in  der  Richtung  zu  suchen,  dass  er  ein 
Gleichgewichtsorgan  ist  zur  Orientierung  über  die  Lage  des  Kopfes 

und  damit  des  Körpers  im  Raum.  .  ,  .  . 

Diese  Auffassung  wird  —  ganz  abgesehen  von  physiologischen 
und  klinischen  Beweisen  —  schon  durch  die  engen  Beziehungen 
nahe  gelegt,  welche  der  Vorhof  bogenapparat,  z.  B.  bei  manchen 
Fischen,  mit  einem  anderen  merkwürdigen  Organ,  mit  der 
Schwimmblase  eingeht.  Die  Schwimmblase  ist  als  ein  hydro¬ 
statischer  Apparat  aufzufassen,  welcher  im  wesentlichen  die  Auf¬ 
gabe  zu  haben  scheint,  das  spezifische  Gewicht  der  Fische  variabel 
zu  machen  und  die  rasche  Verschiebung  des  Schwerpunktes  zu 
ermöglichen.  Bei  manchen  Fischen  besteht  weiterhin  die  auf¬ 
fallende  Verbindung  des  schneckeniosen  Labyrinthes  und  der 
Schwimmblase  durch  eine  Kette  von  3  Knöchelchen,  so  bei  den 
Siluriden,  Acaraciden,  Cypriniden  u.a.  (Klunzinger).  Dass  hier 
wo  von  einem  Hören  noch  nicht  die  Rede  ist,  die  Kette  nui  regula¬ 
torisch  wirken  wird,  ist  kaum  von  der  Hand  zu  weisen.  Es  schein! 
darum  schon  aus  diesem  Grunde  gerechtfertigt,  wenn  man  ebenso 
auf  einer  höheren  Stufe  der  Entwicklung,  wo  aus  dem  primitiven 
Apparat  die  für  besondere  und  feinere  mechanische  Bewegungen 
empfindliche  Schnecke  sich  herausdifferenziert  hat,  auch  hier  in 
der  Kette  einen  wertvollen  regulatorischen  Apparat  zu  erkennen 
sucht;  zumal  wenn  man  einräumen  muss,  dass  bisher  alle  Wege, 
eine  physiologisch  wirksame  oder  nötige  Schalleitung  in  der  Kette 
zu  erblicken,  sich  als  nicht  gangbar  gezeigt  haben. 

Ich  habe  in  meinem  Buche  von  diesen  Gesichtspunkten  aus 
des  näheren  nachzuweisen  versucht,  wie  die  Knöchelchenkette 
durch  Aenderung  des  intralabyrintliären  Drucks  die  Schwingungen 
der  perzipierenden  Fasern  mannigfach  abzudämpfen  und  in  ihrem 
Yn-  und  Abklingen  auf  das  wunderbarste  abzutönen  vermag. 
Es  hat  sich  gegen  diese  spezielleren  Ausführungen  weder  in  der 
Literatur,  noch  im  Anschluss  an  meinen  in  der  physiologischen 
Sektion  der  diesjährigen  Naturforscherversammlung  gehaltenen 
Vortrag  ein  physiologischer  Einwand  geltend  gemacht.  Und  ich 
habe  hier  nur  einen  mehr  nebensächlichen  Einwund  zu  besprechen, 
der  mir  von  Esch  weile  r  und  Denker  lü)  gemacht  worden  ist. 

Beide  Autoren  meinen,  dass  mit  der  oben  geschilderten  Eigen¬ 
schaft  der  Schneckenfenstermembran  auf  die  allerfeinsten  Wellen¬ 
bewegungen  im  Schneckenwasser  mit  Ausweichbewegungen  zu 
antworten,  es  unvereinbar  sei,  dass  sie  auch  zur  Abstufung  des 
intralabyrintliären  Drucks  beitragen  könne,  indem  sie  dem  vom 
Stapes  nach  innen  gedrückten  Labyrinthwasser  einen  elastischen 
Widerstand  biete.  Beide  Funktionen  könnten  nicht  von  derselben 
Membran  ausgeübt  werden.  Es  ist  nicht  recht  verständlich, 
Avarum  das  nicht  sehr  gut  der  Fall  sein  sollte;  vielleicht  übt  eine 
solche  Membran  5  oder  G  Funktionen  aus,  je  nach  ihren  ver¬ 
schiedenen  physikalischen  Eigenschaften;  von  den  beiden  hier  in 
Frage  kommenden  Funktionen  hängt  die  eine  Aron  ihrer  Elastizi¬ 
tät,  die  andere  von  ihrer  natürlichen  Festigkeit  ab,  zwei  physi¬ 
kalische  Eigenschaften,  die  an  sich  nichts  miteinander  zu  tun 


9)  Zeitschr.  f.  Biologie  1900,  XXI,  p.  159. 

10)  Zeitschr.  f.  Ohrenheilk.  XLI,  1902,  pag.  272. 


haben.  Es  darf  darum  sehr  wohl  aus  dem  Bau  der  Schnecken¬ 
fenstermembran  gefolgert  werden,  dass  sie,  so  lange  nur  ihre 
Elastizität  beansprucht  Avird,  prompt  den  minutiösesten  SchAvin- 
gungeii  nachgibt,  die  im  Schneckenwasser  entstehen;  dass  sie 
aber,  sobald  durch  Volumen  Verschiebungen  mittels  der  einrücken¬ 
den  Steigbügelplatte  ihre  Elastizität  beeinträchtigt  oder  aufge¬ 
hoben  wird,  allein  A'ermöge  ihrer  sich  geltend  machenden  natür¬ 
lichen  Festigkeit  zum  Ansteigen  des  Labyrinthdrucks  beiträgt. 
Und  Avie  sehr  in  der  Tat  auf  solche  Weise  der  Labyrinthdruck  ge¬ 
steigert  werden  kann,  ist  durch  die  schönen  Versuche  von 
Politzer  besonders  unwidersprochen  erwiesen.  Nur  Avird  man 
diese  Druckänderungen  nicht  Avie  bisher  als  eine  Vorbedingung  an- 
sehen  dürfen,  die  erst  die  Schallempfindungen  auslöst,  sondern 
die  sie  im  Gegenteil  im  Sinne  einer  Dämpfung  oder  einer  Akkom¬ 
modation  zu  beeinflussen  vermag. 

Es  erübrigt  zum  Schluss,  noch  kurz  auf  ein  paar  in  patho¬ 
logischer  Beziehung  erhobene  Bedenken  aufmerksam  zu  machen, 
loh  hatte  die  bei  Erkrankungen  des  Mittelohrapparates  auf¬ 
tretenden  Schwerhörigkeiten  und  subjektiven  Geräusche  ^  beide 
durch  eine  Insuffizienz  der  Akkommodation  erklärt:  der  Kranke 
höre  schwerer  deswegen,  weil  er  nicht  mehr  aus  dem  auf  ihn 
eindringenden  Schall  dessen  einzelne  Komponenten  differenzieren 
könne;  ähnlich  Avie  der  Augenkranke  ohne  Akkommodation 
schlechter  sehe,  weil  ihm  in  der  Nähe  alles  nur  in  Zerstreuungs¬ 
kreisen  erscheine;  und  der  Kranke  habe  meist  subjektive  Ge¬ 
räusche,  weil  durch  den  Fortfall  der  Dämpfung  die  Perzeptiops- 
fasern,  und  gerade  die  in  Aveiten  Amplituden  scIiaa  iugenden,  füi 
die  tiefen  Töne  vorhandenen,  in  grösseren  Breiten  hätten  schwän¬ 
gen  und  nachschwingen  können,  und  ihr  empfindender  Abschnitt 
schliesslich  überempfindlich  geAvorden  sei. 

Dass  eine  solche  Erklärung  der  Schwerhörigkeit  nicht  ganz 
unAvidersprochen  gegen  die  altgewohnten  Schulbegriffe  sich  durch¬ 
setzen  würde,  war  zu  erwarten;  hat  es  doch  auch  in  der  Augen¬ 
heilkunde  einige  Zeit  gedauert,  bis  man  die  z.  B.  nach  Diphtherie 
auftretenden  Sehstörungen  aus  der  Kategorie  unklarer  Ambly¬ 
opien  ausschied,  und  als  Lähmungen  der  Akkommodation  aufzu¬ 
fassen  lernte;  aber  dass  so  gänzlich  haltlose  Gegenargumente,  wie 
Scheibe  es  getan,  ins  Feld  geführt  würden,  hatte  ich  nicht  er- 
Avartet.  Scheibe11)  wendet  in  einem  kleinen  Referat  als  ein¬ 
zigen  eigenen  Einwand  die  bekannte  Tatsache  ein:  „dass  das 
Sausen  bei  manchen  Patienten  mit  Stapesankylose  nach  jahre¬ 
langem  Bestände  vollständig  aufhöre“,  und  unterstellt  mir,  dass 
nach  meiner  Auffassung  dann  eigentlich  „das  Gehör  wieder  ganz 
gut  werden  müsste“,  Avas  tatsächlich  aber  nicht  der  Fall  sei.  Auf 
S.  106  meines  Buches  habe  ich  in  einem  eigenen  Absatz  geschrie¬ 
ben:  Schreitet  die  Akkommodationsstörung  fort  und  führt  sie,  wie 
bei  der  Sklerose,  zu 'einem  dauernden  Ausfall,  so  scliliesst  sich 
an  das  Stadium  der  erhöhten  Reizbarkeit  mit  ihren  quälenden  sub¬ 
jektiven  Geräuschen  das  Stadium  der  vollendeten  Lähmung  mit 
hochgradiger  oder  vollständiger  Taubheit  für  tiefe  Töne;  also  das 
ausdrücklich  ausgesprochene  Gegenteil  von  dem,  was  Scheibe 
aus  demselben  Buche  als  meine  Meinung  herausgelesen  hat. 

Was  die  Erklärung  der  subjektiven  Geräusche  anlangt,  so 
hatte  ich  sie  als  Nachwirkungen  und  Reizerscheinungen  Aroraus- 
gegangenen  objektiven  Schalls  aufgefasst.  Und  ich  hatte  die  in 
der  Regel  zu  beobachtende  Tatsache,  dass  die  subjektiven  Ge¬ 
räusche  von  tiefer  Klangfarbe  seien,  damit  motiviert,  dass  erstens 
in  dem  gewöhnlichen  Lärme  der  Umgebung  der  Schall  von  tieferem 
Toncharakter  vorherrsche  und  zweitens  die  Akkommodation  be¬ 
sonders  für  die  tieftönigen  Fasern  notAvendig  und  demnach  eine 
Störung  in  derselben  für  diese  Fasern  besonders  verhängnisvoll 
sei.  Die  Einwendung,  die  mir  T  r  e  i  t  e  1 12)  hier  gemacht  hat,  dass 
bei  Mittelohrerkrankungen  gelegentlich  auch  hohe  Geräusch¬ 
empfindungen  vorkämen,  widersprächt  jener  Erklärung  ja  nicht; 
ist  doch  auch  für  die  auf  hohe  Töne  reagierenden  Fasern  eine 
Störung  in  der  Akkommodation  nicht  so  gänzlich  belanglos  und 
kommen  unter  den  Geräuschen  der  Umgebung  auch  solche  mit 
hohen  und  höchsten  Schwingungen  vor,  die  Reizerscheinungen  aus- 
lösen  können. 

T  r  e  i  t  e  1  wendet  mir  weiterhin  ein,  die  von  mir  statuierte 
Wirkung  künstlicher  Trommelfelle  scheine  ihm  nicht  genügend 
erklärt;  leider  unterlässt  er  es,  die  Punkte  namhaft  zu  machen, 
die  ihm  nicht  genügen,  und  ich  muss  mir  darum  versagen,  näher 
darauf  einzugehen,  zumal  ich  kaum  glaube,  meine  Meinung  prä¬ 
ziser  ausdrücken  zu  können,  als  es  in  meinem  Buche  geschehen  ist. 
Vielleicht  haben  Tr  eitel  ähnliche  Gedanken  wie  in  den  neu- 
liclien  Ausführungen  Lucaes  A7orgeschwrebt. 

p  ucae 1S)  hat  die  bisherigen  Erklärungsversuche  für  die 
Wirksamkeit  künstlicher  Trommelfelle  um  eine  neue  Nuance  be¬ 
reichert.  Er  hat  gemeint,  was  Toynbee  schon  als  das  Wesen.  - 
liehe  ansah,  die  Konzentration  der  Schallschwingungen  auf  das 
runde  Fenster.  wyerde  dadurch  erreicht,  dass  ein  auf  das  Promon¬ 
torium  vorn  aufgelegtes  Wattekiigelclien  die  Interferenzen  be¬ 
seitige,  welche  durch  gleichzeitge  KnochenscliAvingungen  hervor¬ 
gerufen  werden  könnten.  Meine  Meinung  über  das  runde  Fenster 
als  Eintrittspforte  für  den  Schall  habe  ich  oben  schon  gekenn¬ 
zeichnet  und  sie  Avird  auch  nicht  erschüttert  durch  den  von 
Lucae 14)  angedeuteten  Fall  einseitiger  Missbildung,  a\'o  bei  ge¬ 
sundem  anderen  Ohr  auf  der  rechten  Seite  neben  anderen  Defekten 


u)  Münch,  med.  YVochenschr.  1902,  38,  pag.  1585. 

12)  Deutsche  Medizinal-Zeitung  1901,  No.  16,  pag.  187. 
1S)  Arch.  f.  Ohrenheilk.  LIV,  1902,  p.  268. 
w)  Virchows  Arch.  Bd.  29,  p.  62. 


16.  Dezember  1902. 


MUEN CHENEll  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2083 


auch  die  Fenster  fehlten.  Dass  hier  der  Kranke  eine  direkt  auf 
die  rechte  Schädelseite  gesetzte  Glocke  schwach  gehört  hatte, 
ist  schon  durch  die  Reaktion  des  völlig  gesunden  anderen  Ohres 
erklärbar.  Iin  übrigen  war  der  Kranke  so  taub  gewesen,  als  man 
das  bei  Obliteration  der  Fenster,  speziell  des  runden  Fensters, 
nur  irgend  zu  finden,  gewohnt  ist;  und  der  Fall  bestätigt  somit 
nur  ganz  die  Richtigkeit  der  Unterlagen,  die  mich  bei  meinen  Er- 
\\  iigungen  leiteten.  W  arurn  das  runde  Fenster  nur  als  Eingangs¬ 
pforte  dienen  sollte,  ist  jedenfalls  aus  diesem  Falle  nicht  ersicht¬ 
lich.  ebensowenig  wie  aus  dem  von  Lucae  1.  c.  beliebten 
dunklen  Hinweis  auf  den  überall  gleichen  Druck  im  Labyrinth 
der  meines  Erachtens  mit  dem  Orte  des  Schalleintritts  ja  gar  nichts 
zu  tun  hat.  Die  alte  Meinung  über  den  Wert  des  runden  Fensters 
als  Zutrittsstelle  hatte  Sinn  höchstens  so  lange,  als  man  an  eine 
Leitung  durch  den  Knochen  überhaupt  nicht  glaubte.  Lässt  man 
diese  aber,  wie  L  ucae  sich  nun  entschlossen  zu  haben  scheint, 
gelten,  so  erscheint  es  nicht  mehr  recht  plausibel,  die  alte 
Toynbee  sehe  Ansicht  daneben  noch  festzuhalten  und  darauf 
Vermutungen  über  mögliche  und  vermeidbare  Interferenzen 
zu  gründen.  Die  von  Lucae  ins  Feld  geführten  Fälle  sind  leider 
weder  der  Zahl  nach,  noch  nach  der  Art  der  Schwerhörigkeit 
oder  sonstwie  besonders  charakterisiert;  er  spricht  nur  von  einer 
Reihe  von  Fällen,  wo  nach  abgelaufener  Mittelohreiterung  die 
Knöchelchen  bis  auf  den  Steigbügel  zerstört  waren,  und  wo  er 
wiederholt  konstatieren  konnte,  dass  ohne  Bertihruug  des  Steig¬ 
bügels  oder  runden  Fensters  eine  Bedeckung  des  vorderen  Ab¬ 
schnitts  des  Promontoriums  mit  dem  Wattekügelchen  eine  Hör¬ 
verbesserung  zur  Folge  hatte.  Ich  habe  in  solchen  Fällen  oft  ge¬ 
rade  die  Anbringung  des  Wattekügelchens  in  der  Gegend  des 
Steigbügelköpfchens  noch  wirksamer  gefunden,  und  meine  auch, 
die  Lucae  sehen  Erfolge,  die  ich  selber  noch  nicht  habe  be¬ 
stätigen  können,  lassen  sich  zwanglos  so  erklären,  dass  die  Wir¬ 
kung  des  Wattekügelchens  sich  nicht  auf  die  vordere  Partie  des 
Promontoriums  beschränkt.  Dass  ein  feuchtes  Wattekügelchen, 
wenn  es  gegen  das  Promontorium  gebracht  wird,  von  der  Feuchtig¬ 
keit  auch  in  die  Nachbarschaft  diffundieren  lässt,  ist  ja  wohl  kaum 
zu  vermeiden.  Aber  auch  „trockene  und  ziemlich  fest  zusammen¬ 
geballte  Watte“,  wie  sie  Luca  e'  braucht,  kann  rein  mechanisch 
durch  den  Druck  Stauungen  und  Hyperämien  und  später  event. 
Exsudationen  in  der  Umgebung  hervorrufen,  die  hier  Schleimhaut¬ 
schwellungen  nach  sich  ziehen.  Und  gerade  diese  Schwellungen, 
wie  sie  L  u  c  a  e  in  seinen  Fällen  von  Dauererfolgen  selbst  be¬ 
schreibt,  und  wie  sie  bei  manchen  Kranken  oft  auch  nicht  arte- 
liziell  entstehen,  sind  dann  das,  was  die  Hörverbesserung  macht. 
Es  wird  durch  solche  Schwellungen  auch  der  Steigbügel  belastet 
und  nach  innen  gedrängt  und  damit  dem  Steigbügelmuskel  zu 
einer  Art  vikariierender  Akkommodation  die  Angriffspunkte  ge¬ 
boten,  wie  ich  das  in  meinem  Buche  des  näheren  beschrieben  habe. 

M.  H. !  Es  scheint  den  bisherigen  Lehrmeinungen,  speziell 
der  Helmholtz  sehen  Theorie  fast  ähnlich  zu  gehen  oder  ge¬ 
gangen  zu  sein,  wie  es  Helmholtz  “)  selber  als  das  Schicksal 
mancher  anderer  Theorien  gekennzeichnet  hat,  die  auch  zuerst 
von  grossen  Meistern  auf  gestellt  waren.  „Nach  den  Meistern“, 
sagt  Helmholtz,  „kamen  die  weniger  begabten  Schüler, 
welche  den  Meister  kopierten,  seine  Theorie  übertrieben,  ein¬ 
seitiger  und  logischer  machten,  unbekümmert  um  den  Wider¬ 
spruch  der  Natur.  Je  mehr  die  Schulen  den  an  wachsenden  wirk¬ 
lichen  Kenntnissen  gegenüber  ins  Gedränge  gerieten,  desto 
mehr  steiften  sie  sich  auf  die  alten  Autoritäten,  desto  intoleranter 
wurden  sie  gegen  Neuerungen.“  Indessen  darf  für  die  vor¬ 
liegenden  Probleme  anerkannt  werden,  dass  ein  nicht  unwesent¬ 
licher  Teil  der  massgebenden  Beurteiler  heute  den  Neuerungen 
schon  zuneigt.  Und  auch  bei  den  Gegnern  ist  in  oder  zwischen 
den  Zeilen  die  Empfindung  zu  lesen,  dass  die  Helmholtz  sehe 
Theorie  auf  ein  totes  Geleise  geführt  habe.  Vielleicht  versuchen 
nun  auch  die  noch  zögernd  und  schwankend  am  Wege  stehen, 
mit  etwas  mehr  Vertrauen  in  die  neuen  Bahnen  einzulenken ; 
•sie  führen  am  Ende  doch  etwas  näher  ans  Ziel,  die  wunderbaren 
Leistungen  des  Gehörorgans  ganz  verstehen  zu  lernen. 

Zur  Arbeit  Grunerts:  „Ueber  die  neuen  Angriffe 
gegen  die  Parazentese  des  Trommelfells  bei  der 
Therapie  der  akuten  Otitiden“ 

in  No.  43,  Jahrg.  49  dieser  Wochenschrift. 

Von  Dozent  Dr.  Otto  P  i  f  f  1  in  Prag. 

Da  die  vorstehende  Arbeit  Grunerts  eine  unbillige  und  viel¬ 
fach  unrichtige  Kritik  einer  meiner  Arbeiten  4)  enthält  und  in  einer 
für  wissenschaftliche  Diskussionen  ungewöhnlichen  Form  gebracht 
ist,  sehe  ich  mich  veranlasst,  auf  dieselbe  im  folgenden  näher  ein¬ 
zugehen. 

Zur  Orientierung  muss  ich  kurz  bemerken,  dass  ich  bei  Ge¬ 
legenheit  der  Versammlung  der  Deutschen  otologisclien  Gesell¬ 
schaft  in  Trier  (Pfingsten  1902)  im  Anschluss  an  die  Referate 
B  e  z  o  1  d  s  und  Iv  ö  r  n  e  r  s  über  die  Behandlung  der  akuten  Mittel- 

15)  Das  Denken  in  der  Medizin.  Berl.  1878. 


ohrentzündung  auch  den  Standpunkt  der  Zaufal  sehen  Schule 
auseinandersetzte.  In  einer  durchaus  sachlichen  und  ruhigen 
Diskussion  wurde  hierauf  die  ganze  Frage  durchgesprochen. 
Dass  dabei  auch  vieles  gegen  unsere  Behandlungsmethode  vor¬ 
gebracht  wurde,  war  in  Anbetracht  dessen,  dass  dieselbe  der 
herrschenden  Lehrmeinung  direkt  widerspricht,  nicht  anders  zu 
erwarten.  Tatsache  aber  ist  auch,  dass  es  nicht  an  Aeusserungen 
fehlte,  die  sich  unserem  Standpunkte  bedeutend  näherten,  so  dass 
also  G  r  u  nert  sich  einer  Uebertreibung  schuldig  macht,  wenn 
er  sagt:  „Die  versammelten  Ohrenärzte  lehnten  die  von  Piffl 
befürwortete  Therapie  kurzer  Hand  ab“. 

Der  schwerwiegendste  Vorwurf,  der  Zaufal  von  Grunert 
gemacht  wurde,  und  der  auch  bereits  in  Trier  von  Iv  örne  r  er¬ 
höbe]!  wurde,  ist  der,  Z.  hätte  seine  Behandlungsmethode  lediglich 
auf  theoretische  Erwägungen  aufgebaut.  Wie  vollständig  grundlos 
gerade  dieser  Einwand  ist,  hat  Z.  selbst  gelegentlich  der  Dis¬ 
kussion  zu  Grunerts  Vortrag  in  Karlsbad  dargetan;  ich  kann 
mich  daher  diesbezüglich  auf  diese  Ausführungen,  die  inzwischen 
in  der  Prager  med.  Wochensehr.  No.  47,  1902  erschienen  sind,  be¬ 
rufen. 

Aus  den  von  G  runert  auf  Grund  meiner  ersten  Arbeit  über 
den  vorliegenden  Gegenstand  an  meine  Adresse  gerichteten  Ein¬ 
wänden  möchte  ich  zunächst  zwei  näher  besprechen,  die  von 
mehr  allgemeiner  Bedeutung  sind.  Der  eine  betrifft  die  Einteilung 
der  akuten  Otitiden,  und  Grunert  bezeichnet  es  sozusagen  als 
die  Ursache  alles  Uebels,  dass  ich  nicht  an  der  alten  Einteilung 
in  akute  Katarrhe  und  akute  Eiterungen  festgehalten  habe.  Ja, 
die  Bakteriologie  ist  eben  nicht  spurlos  an  der  Otologie  vorüber¬ 
gegangen,  sie  hat  im  Verein  mit  der  pathologischen  Anatomie 
manches  scheinbar  wohlfundierte  Gebäude  gestürzt.  Die  Zaufal- 
sche  Lehre,  dass  beide  Formen,  der  akute  Katarrh  und  die  akute 
Eiterung  durch  dieselben  Mikroorganismen  hervorgerufen  werden, 
dass  es  sich  also  um  einen  und  denselben  Prozess  handelt,  der 
nur  verschiedene  Grade  der  Ausbildung  zeigt,  gewinnt  immer 
mehr  Anhänger.  Ich  will  nur  beispielsweise  erwähnen,  dass  von 
den  zahlreichen  Teilnehmern  an  der  Diskussion  in  Trier,  die  beiden 
Referenten  B  e  z  o  1  d  und  Körner  2)  mit  inbegriffen,  nur  einer 
die  alte  Einteilung  gebrauchte,  und  dass  K  r  e  t  s  c  h  m  a  n  n  3) 
seiner  Befriedigung  darüber  Ausdruck  gab,  „dass  der  frühere 
Dualismus  von  akutem  einfachen  Katarrh  und  akutem  eitrigen 
Katarrh,  der  unnatürlich  war,  beseitigt  ist“. 

Die  Vorzüge  der  von  Grunert  verteidigten  Einteilung  in 
klinischer  Hinsicht  sind  nur  scheinbare.  In  den  Anfangsstadien 
der  Entzündung,  also  zu  der  Zeit,  die  für  unsere  Massnahmen  die 
entscheidende  wäre,  ist  es  u  n  m  ö  g  1  i  c  h,  zu  bestimmen,  ob  das 
Sekret  katarrhalisch  bleiben  oder  eitrig  werden  wird  —  es  wurden 
übrigens  auch  bei  den  sog.  katarrhalischen  Formen  die  schwersten 
Komplikationen  beoba.chtet  -— ,  und  des  einzigen  objektiven  Hilfs¬ 
mittels,  das  mitunter  die  Erkennung  einer  eitrigen  Entzündung 
in  späteren  Stadien  ermöglicht,  des  Nachweises  clurchscliimmern- 
den  Eiters  durch  die  Spiegeluntersuchung  entschlägt  sich  Gru¬ 
nert  selbst,  indem  er  an  anderer  Stelle  einen  solchen  Nachweis, 
weil  Täuschungen  möglich  seien,  nicht  gelten  lässt.  Der  früheren 
Einteilung  fehlt  somit  die  Hauptsache,  die  man  von  einer  Ein¬ 
teilung  verlangen  muss:  die  Möglichkeit  der  Durchführung. 

G  runert  wendet  sich  hierauf  gegen  unsere  Einteilung  der 
akuten  Otitiden  in  primäre  oder  genuine  und  sekundäre.  Er 
schreibt  dieselbe  mir  zu,  obwohl  ihm  doch  bekannt  sein  könnte, 
dass  dieselbe  vor  14  Jahren  von  Zaufal4)  angegeben  worden  ist, 
und  bestreitet  die  Berechtigung,  dieselbe  eine  ätiologische  zu 
nennen.  Mir  erscheint  es  hingegen  unerfindlich,  warum  eine  Ein¬ 
teilung  nach  den  Ursachen  der  Otitiden,  welche  doch  die  ver¬ 
schiedenen  Grundkrankheiten  (z.  B.  akuter  Schnupfen,  Influenza, 
Skarlatina,  Typhus,  Tuberkulose  etc.)  darstellen,  nicht  eine 
ätiologische  genannt  werden  dürfte.  Die  Mängel,  die  der 
Einteilung  anhaften,  wurden  auch  seinerzeit  von  Zaufal  °)  so¬ 
fort  erkannt,  er  entschied  sich  jedoch,  an  derselben  festzuhalten, 
solange  wir  eine  bessere  nicht  besitzen.  Als  solche  schwebte  ihm 
schon  damals  eine  Einteilung  nach  dem  Entzündungserreger  vor5)- 
G  r  u  n  e  r  t.  kommt  heut  e,  anscheinend  ganz  unabhängig  von  den 
Arbeiten  Zau  f  a  1  s,  die  seinei'zeit  Epoche  machten,  auf  dieselbe 
Idee. 

Der  zweite  Vorwurf  von  allgemeiner  Bedeutung,  den  Gru- 
n  e  r  t  sogar  einigemale  wiederholt,  gipfelt  darin,  dass  ich  durch 
meinen  Vortrag  vor  allgemein  praktizierenden  Kollegen,  „unter 
denen  endlich  nach  vielen  Mühen  die  Anschauung  sich  durch 
gerungen,  dass  die  Parazentese  bei  der  Behandlung  der  akuten 


’)  „Ueber  akute  Mittelohrentzündung  und  ihre  Behandlung“. 
Nach  einem  Vortrage,  gehalten  in  der  Versammlung  der  Sektion  B. 
Leipa  des  Zentralvereins  deutscher  Aerzte  in  Böhmen  am  17.  De¬ 
zember  1899.  Prager  med.  Wochenschr.,  XXV.,  21—24. 

2)  Hart  m  a  n  n:  Bericht  über  die  Versammlung  der  deutschen 
otologisclien  Gesellschaft  in  Trier  1902. 

3)  Reinhard:  Bericht  über  die  Versammlung  der  deutschen 
otologischen  Gesellschaft  in  Trier  1902.  Diskussion  über  die  Re¬ 
ferate  B  e  z  o  1  d  und  K  ö  r  n  e  r.  Arch.  f.  Otologie,  56,  1  u.  2. 

4)  Zaufal:  Ueber  den  Bazillus  Friedländer  als  Erreger  der 
Otitis  media.  acuta.  Prager  med.  Wochenschr.  1888,  No.  45.  — 
Derselbe:  Zur  Behandlung  der  akuten  Mittelohrentzündung 
mit  Berücksichtigung  der  bakteriologischen  Forschungsergebnisse. 
Prager  med.  Wochenschr.  1890,  No.  4,  5,  G.  —  Derselbe:  Be¬ 
ziehungen  der  Mikroorganismen  zu  den  Mittelohrerkrankungen 
und  deren  Komplikationen.  X.  internat.  med.  Kongr.  Berlin  1890 
und  Arch.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  XXXI,  1891. 

5)  Zaufal  etc.  (s.  Note  4). 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  50. 


Otitiden  unentbehrlich  ist“,  Verwirrung  gestiftet  und  den  Glauben 
der  Praktiker  „an  die  segensreiche  (an  anderer  Stelle0)  sogar 
..lebensrettende“)  Wirkung  der  Parazentese  erschüttert  hätte“. 
Dem  halte  ich  entgegen:  Uns  ward  durch  viele  Jahre  lange  Be¬ 
obachtungen  an  einer  Klinik  mit  grossem  Krankenmateriale  an 
Tausenden  von  akuten  Mittelohrentzündungen  die  Erkenntnis,  dass 
die  Parazentese  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  nicht  „unent¬ 
behrlich“  ist,  und  dass  völlig  von  einer  „lebensrettenden“  Wir¬ 
kung  dieses  Eingriffes  gar  keine  Hede  sein  kann.  Alle  Einwürfe, 
die  uns  von  Grunert  und  von  anderer  Seite  gemacht  wurden, 
haben  wir  uns  seinerzeit  auch  selbst  gemacht,  und  als  wir  sie 
immer  und  immer  wieder  widerlegt  sahen,  da  hatten  wir  nicht  nur 
das  volle  Hecht,  unsere  Erfahrungen  allgemeiner  bekannt  zu 
machen,  wir  erfüllten  vielmehr  eine  heilige  Pflicht.  Ebenso  wie 
vor  ungefähr  30  Jahren  die  Parazentese  von  der  Klinik  aus  den 
praktischen  Aerzten  auf  das  Wärmste  empfohlen  wurde,  so  musste 
nun  auf  Grund  unserer  geänderten  Anschauungen  zur  Einschrän¬ 
kung  dieses  Eingriffes  geraten  werden.  Ein  Forum  für  Zu-  oder 
Aberkennung  einer  Berechtigung,  seine  wissenschaftlichen  Er¬ 
rungenschaften  in  weitere  Kreise  zu  tragen,  gibt  es  nicht,  es  wäre 
denn  das  Gefühl  der  Verantwortlichkeit  seinen  Mitmenschen 
gegenüber,  wie  es  in  jedem  ernsten,  gewissenhaften  Forscher  lebt. 

G  r  u  nert  stellt  ferner  das  Vorkommen  des  typischen 
zyklischen  Verlaufes  der  akuten  Otitis  vollständig  in  Abrede. 
Allerdings  wird  dieser  Verlauf  durch  die  verschiedensten  Um¬ 
stände,  besonders  durch  therapeutische  Massnahmen,  worunter 
in  erster  Reihe  die  Parazentese  gehört,  häutig  gestört,  trotzdem 
aber  beobachten  wir  ihn  noch  oft  genug.  Man  darf  nur  nicht  bloss 
das  Fieber  allein  berücksichtigen,  das  freilich  nach  dem  Durch¬ 
bruch  meist  zurückgeht,  oft  aber  als  geringe  Temperatursteige¬ 
rung  noch  anhält,  und  allmählich  verschwindet  (lytischer  Abfall)  — 
man  muss  den  ganzen  Krankheitsprozess  als  solchen  ins  Auge 
fassen.  Jedem  Ohrenarzte  müssen  gleich  uns  akute  Mittelohr¬ 
entzündungen  Vorkommen,  bei  denen  ganz  plötzlich  am  7.  oder 
S.  Tage  eine  überraschende  Wendung  eintritt,  indem  mit  einem 
Schlage  die  Eiterung  sistiert,  die  Entzündungserscheinungen  zu¬ 
rückgehen  und  das  Hörvermögen  sich  bessert.  Diese  Analogie  mit 
der  kruppösen  Pneumonie,  die  in  dem  häufigen  Vorkommen  des 
Diplococcus  pneumoniae  als  Reinkultur  im  Mittelohrsekrete  ihre 
ausreichende  Erklärung  findet,  scheint  sich  ausser  Z  a  u  f  a  1  auch 
anderen  Forschern  aufgedrängt  zu  haben.  So  lesen  wir  bei  Brie- 
ger7):  Die  Therapie  der  akuten  Mittelohrentzündung  „hat  alles 
zu  vermeiden,  was  den  normalen  Ablauf  der  Erkrankung  auf¬ 
halten  könnte.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  man  hier,  ebenso 
etwa  wie  bei  der  genuinen  Pneumonie,  in  erster  Linie  darauf  be¬ 
dacht  sein  muss,  ,den  ungestörten  zyklischen  Ablauf1  der  Erkran¬ 
kung  (G  radenigo)  zu  sichern.“ 

Auf  der  Suche  nach  Widersprüchen  in  meiner  Arbeit  findet 
G  rune  r  t.  dass  ich  bei  akuten  Otitiden  der  kleinen  Kinder  mit 
schwerem  Allgemeinzustand  ohne  langes  Zögern  die  Vornahme 
der  Parazentese  empfehle.  Diese  Ausnahme  von  der  Regel  — 
denn  eine  solche  ist  es,  und  kein  Widerspruch  —  hat  ihre  Be¬ 
rechtigung  in  den  aussergewöhnlichen  anatomischen  Verhältnissen 
im  Mittelohr  kleiner  Kinder  und  in  dem  Umstande,  dass  es  sich  in 
solchen  Fällen  meist  um  schwer  herabgekommene  Individuen 
handelt,  bei  welchen,  wie  alle  anderen  Funktionen  ihres  Organis¬ 
mus,  auch  die  Resorptionsfähigkeit  der  Paukenhöhlenschleimhaut 
stark  herabgesetzt  ist.  Auch  ist  wegen  der  meist  noch  fehlenden 
pneumatischen  Zellen  eine  Entleerung  des  Eiters  aus  Pauke  und 
Antrum  durch  eine  Parazentesenöffnung  eher  möglich  als  bei  Er¬ 
wachsenen.  Uebrigens  berufe  ich  mich  an  dieser  Stelle  meiner 
Arbeit,  was  G  r  u  nert  mitzuteilen  unterliess,  ausdrücklich  auf 
die  Erfahrungen  von  Hart  m  a  n  n,  H  e  e  r  m  a  n  n  u.  a„  da  ich 
selbst  diesen  schweren  Symptornenkomplex  bei  der  Otitis  der  Säug¬ 
linge  trotz  zahlreicher  Untersuchungen  an  der  Klinik  und  im 
hiesigen  Kinderspital,  so  gut  wie  niemals  beobachten  konnte,  mit¬ 
hin  in  einem  Vortrage  vor  praktischen  Aerzten  in  diesem  Punkte 
mir  einige  Reserve  auf  erlegen  musste. 

Bevor  ich  mich  dem  zweiten  Teile  der  Grunert  sehen 
Arbeit  zuwende,  muss  ich  noch  ein  ungenaues  Zitat  richtig  stellen. 
Nach  Grunert  soll  ich  in  meiner  Arbeit  behaupten:  „dass  man 
regelmässig  den  eitrigen  Inhalt  durch  die  blasenartigen  Ausbuch¬ 
tungen  im  Trommelfell  hindurchschimmern  sehen  solle“,  während 
es  richtig  heisst:  „dass  es  m  itunter  zur  Bildung  von  blasen¬ 
artigen  Ausbuchtungen  am  Trommelfell  kommt,  durch  welche 
man  den  eitrigen  Inhalt  hindurchsieht“. 

Nachdem  nun  Grunert  sich  so  ausgiebig  mit  einem  Teile 
meiner  Arbeit  beschäftigt  hat.  der  mit  der  Parazentese  gar  nichts 
zu  tun  hat,  der  also  auch  keine  „Angriffe  gegen  die  Parazentese“ 
enthält,  geht  er  zum  Speziellen  über  und  fragt:  „Bringt  seine 
(Pi  f  lls)  Schrift  uns  denn  etwas  Neues?“  Ich  muss  zu  meiner 
Schande  gestehen,  dass  ich  bei  diesem  Vortrage  eigentlich  nicht  die 
Absicht  hatte,  etwas  Neues  zu  bringen,  ich  wollte  vielmehr  den 
bei  einer  Sektionsversammlung  unseres  Zentralvereins  anwesenden 
allgemein  praktizierenden  Kollegen  ein  übersichtliches  Bild  der 
Otitis  media  acuta  und  der  mir  geläufigen  Therapie  geben.  Wenn 
meinem  einfachen  Vortrage  später  so  viel  Beachtung  zu  teil  wurde, 
da<s  er  den  Anstoss  dazu  gab,  sein  Thema  zum  Referate  für  die 
diesjährige  Tagung  der  deutschen  otologisehen  Gesellschaft  zu  be¬ 
stimmen.  wenn  dieser  Vortrag  Grunert  selbst  Stoff  für  seine 
<5  Spalten  langen  Ausführungen  bot,  so  muss  derselbe  doch  wenig- 

°)  Grunert:  Referat  über  meine  eingangs  zitierte  Arbeit. 
Arch.  f.  Olirenheilk.,  öl,  S.  237,  1901. 

I  Brieger:  Klinische  Beiträge  zur  Ohrenheilkunde.  1890. 

S.  100  ff.  J  if  > 


stens  einige  neue  Gesichtspunkte  bieten,  also  auch  „etwas  Neues“ 
bringen. 

G  r  u  nert  machte  ausserdem  im  Schlussworte  zu  der  Dis¬ 
kussion  über  seinen  Vortrag  in  Karlsbad  eine  Bemerkung,  die  auf 
die,  welche  kurz  zuvor  seinen  Vortrag  angehört  hatten,  geradezu 
verblüffend  wirkte.  Er  sagte:  „Der  Standpunkt,  den  Zaufal 
und  seine  Schule  in  der  Parazentesenfrage  einnehme,  komme  dem 
Scliwartzes  und  seiner  Schüler  am  allernächsten“.  Wozu  also 
dann  die  leidenschaftliche  Stellungnahme  Gruncrts,  wozu  so 
viel  Aufwand  an  geistiger  Arbeit,  Elan  und  Rhetorik,  wenn  der 
Unterschied  so  gering  ist?  Warum  so  viel  Lärm  um  nichts? 

Im  weiteren  Verlaufe  seiner  Ausführungen  sagt  G  r  u  n  e  r  t, 
ich  hätte  den  Beweis  noch  nicht  erbracht,  dass  eitriges  Sekret  in 
der  Paukenhöhle  resorbiert  werden  könne.  Den  Beweis  für  diese, 
übrigens  ziemlich  allgemein  verbreitete  Ansicht,  liefert  uns  häufig 
die  otoskopische  Untersuchung  während  des  Verlaufes  akuter 
Mittelohrentzündungen,  deren  Wert  in  dieser  Hinsicht  Grunert 
ganz  mit  Unrecht  anzweifelt.  Einen  unwiderleglichen  Beweis  für 
die. Möglichkeit  der  Resorption  eitrigen  Sekretes  in  der  Pauken¬ 
höhle  hat  B  e  z  o  1  d  *)  erbracht  und  auch  in  der  Diskussion  in 
Karlsbad  gegenüber  G  r  u  n  e  r  t  geltend  gemacht.  B  e  z  o  1  d  fand 
bei  der  Sektion  der  Schläfenbeine  an  Masern  verstorbener  Kinder 
ausnahmslos  schleimig-eitriges  Sekret  in  der  Paukenhöhle 
und  den  pneumatischen  Zellen.  Da  nun,  wie  bekannt,  die  grosse 
Mehrzahl  der  Masernotitiden  ohne  Trommelfelldurchbruch  heilen, 
so  muss  eine  Wiederaufsaugung  des  Sekretes  stattfinden.  Es 
wäre  jetzt  an  Grunert,  zu  beweisen,  was  nach  seiner  Ansicht  in 
solchen  Fällen  mit  dem  eitrigen  Paukenhöhlenexsudat  geschieht, 
da,  wie  er  sagt,  auch  auf  die  zweite  von  mir  angenommene  Mög¬ 
lichkeit.  „auf  die  Tube  als  Abflussrohr  des  eitrigen  Sekretes  so 
gut  wie  nicht  zu  rechnen  ist“. 

Grunert  meint  ferner,  „es  entziehe  sich  seinem  Verständ¬ 
nis.  warum  die  Gefahr  der  Sekundärinfektion  durch  die  Tube  bei 
perforiertem  Trommelfell  grösser  sein  solle,  als  bei  unperforier¬ 
tem“.  Diesem  Verständnis  könnte  Grunert  sehr  leicht  nach 
helfen,  wenn  er  sich  vergegenwärtigen  wollte,  wie  viel  leichter  es 
ist,  eine  am  anderen  Ende  offene  Röhre  durchzublasen,  als  eine 
geschlossene,  und  wie  viel  leichter,  z.  B.  beim  Schneuzakt,  bak¬ 
terienhaltiges  Nasensekret  durch  die  Tube  ins  Mittelohr  geschleu¬ 
dert  werden  kann  bei  durchbrochenem  Trommelfell,  als  bei  in¬ 
taktem.  Grunert  war  so  gerecht,  auf  meine  diesbezügliche  Dis¬ 
kussionsbemerkung  in  Karlsbad  dies  zuzugeben,  entgegnete  aber  un¬ 
gefähr  folgendes:  „Wenn  schon  Nasensekret  beim  Schneuzakt  oder 
anderen  Vorgängen  durch  die  Tube  ins  Mittelohr  gelangen  könne, 
so  könne  es  doch  ebenso  leicht  wieder  durch  die  vorhandene  Per¬ 
foration  aus  der  Trommelhöhle  heraus“.  Ich  will  der  Versuchung 
widerstehen,  auf  diese  Bemerkung  näher  einzugehen.  Sie  war 
vielleicht  übereilt;  anders  könnte  ich  mir  den  seltsamen  Kontrast 
derselben  zu  unseren  modernen  Vorstellungen  über  Wundinfektion 
nicht  erklären. 

Am  Schlüsse  seiner  Ausführungen  verlässt  Grüner  t  endlich 
meine  Arbeit  und  wendet  sich  Prof.  Sieben  m  a  n  n  -  Basel  zu, 
der  völlig  unabhängig  von  Zaufal  im  Laufe  vieler  Jahre  be¬ 
züglich  der  Parazentese  zu  ähnlichen  Resultaten  gekommen  ist, 
wie  sie  in  meinem  Vortrage  Ausdruck  fanden.  Dieser  unbequeme 
Gegner  kommt  nicht  glimpflicher  weg,  ja  G  r  u  nert  meint  sogar, 
„dass  die  Ursache  der  ungünstigen  Erfolge  Siebenmanns  in 
seiner  Technik  der  Parazentese  und  deren  Nachbehandlung  zu 
suchen  ist“.  Ein  Forscher  und  Otochirurg  von  der  Bedeutung 
Sieben  m  anns  hat  es  wohl  nicht  nötig,  sich  gegen  einen 
so  ungeheuerlichen  Vorwurf  zu  verteidigen.  Dieser  Vorwurf 
richtet  sich  selbst. 

Wenn  ich  nun  nochmals  die  ganze  Kontroverse  überblicke, 
so  möchte  ich  vor  allem  dagegen  Einsprache  erheben,  dass  unsere 
Stellungnahme  in  der  Behandlung  der  akuten  Mittelohrentzündung 
als  ein  blosser  Kampf  gegen  die  Parazentese  überhaupt  auf¬ 
gefasst  wird.  Wir  bekämpfen  nicht  die  Parazentese  als  solche. 
Beweis  dafür  ist.  dass  wir  selbst  diesen  Eingriff  ausführen,  wenn 
auch  ungleich  seltener  als  andere.  Wir  sind  nur  Gegner  der  zu 
häufigen  und  unnützen  Ausführung  dieses  Schnittes  in  den  Fällen, 
in  welchen  wir  in  der  Lage  sind,  durch  unsere  Behandlungs¬ 
methode  die  Heilung  zu  erzielen. 

Die  Sekretretention  besitzt  nicht  die  Bedeutung,  die  ihr  viel 
fach  beigelegt  wird,  es  sind  andere  Momente,  die  zur  Ausbildung 
von  Komplikationen  Veranlassung  geben,  und  zwar  die  Virulenz 
des  Erregers  und  ungünstige,  allgemein  körperliche  und  lokal  ana¬ 
tomische  Verhältnisse. 

Schliesslich  muss  ich  noch  bemerken,  dass  sämtlichen  uns  ge¬ 
machten  Einwänden  ein  grosser  Mangel  anhaftet.  Keiner  von 
denen,  die  sich  bewogen  gefühlt  haben,  gegen  unsere  Beliandlungs 
methode  Stellung  zu  nehmen,  Grunert  mit  inbegriffen,  hat,  wie  es 
wohl  sonst  in  unserer  Wissenschaft  üblich  ist,  unser  Verfahren  auch 
wirklich  nachgeprüft.  Es  liegen  also  allen  uns  gemachten  Ein¬ 
wendungen  keine  durch  Anwendung  unserer  Methode  gefundenen 
Tatsachen  zu  Grunde.  Daher  wird  es  auch  niemanden  Wunder 
>  nehmen,  wenn  wir  auch  fernerhin  auf  unserem,  durch  Jahre  lange 
Erfahrung  gefestigten  Standpunkte  verharren. 


s)  Bezold:  Ueberschau  über  den  gegenwärtigen  Stand  der 
Ohrenheilkunde.  Wiesbaden  1895.  S.  70. 


16.  Dezember  1902. 


MüENCHENER  MEDICINISCIIE  WOCHENSCHRIFT. 


2085 


Die  neue  Erwärmungsart  der  kohlensauren  Sol¬ 
bäder  im  kgl.  Mineralbade  Kissingen. 

Von  Dr.  Karl  Vanselo  w,  kgl.  Bezirksarzt  in  Bad  Kissingen. 

Die  Technik  der.  Erwärmung  der  kohlensauren  Sole  auf  die 
von  fem  Badenden  gewünschte  Temperatur  ist  eine  scliwierh  e  und 
umstrittene,  da  das  Entweichen  des  Gases  wähi-end  der  Irwär 
inung  m  o  g  1 1  c  h  st  vermieden  werden  muss  Die  einen 
lassen  m  die  mit  kaltem  Mineralwasser  gefüllte  Wanne  Oa Inf 

fiJ!em)f  aiKlere  ''ersenke?  Sencle^nSl 
m  das  V  assei,  bis.es  die  gewünschte  Temperatur  hat,  die  dritten 

Doppelboden,  in  die  der  Dampf  einströmt 
, r*  •  i  •  -rr  i  —  mit  Apparaten  ausser  der  Wanne 

(i  yermckis  Ivalorisator  vide  Glax,  Balneotherapie  1897) 

In  der  2o  jährigen  Pachtperiode  1875—1900 
Kitter  v.  Streit  wurde  die  kohlensaure  Sole 
Weise  erwärmt,  dass  Dampf  in  innerhalb 
Wandungen  und  dem  Boden  der  Wanne 
Kupferschlangen  einströmte. 

Als  der  Orthopäde  Friedrich  Hessing  von  GögMmren 
i Augsburg)  von  der  k.  Staatsregierung  ab  1900  den  Pacht  der 
k.  Mineralbader  Kissingen  und  Bocklet  übertragen  erhielt 
er  der  Anschauung,  dass  das  Envärmungssystein  hygienische 
Bedenken  habe,  insofern  die  Dampfschlangen 
das  Mineralwasser  inkrustieren,  rauh  werden 
immer  grössere  Schwierigkeiten  bieten;  „die 
Ivalorisatoren  ausserhalb  der  Wanne 


nehmen  Wannen  mit 
(S  c  li  w  a  r  z);  vierte  erwärmen 


des  k.  Hofrates 
in  Kissingen  in  der 
und  dicht  an  den 
liegende,  unentfernbare 


müsse 


war 

und 

all- 

und 

Er¬ 

sieh 


liefern, 
w  e  n  i 


dessen 
r  v  o  n 


ästhetische 
mählich  durch 
der  Reinigung 
Setzung  durch 

doch  wohl  ermöglichen  lassen. 

..  ^ies?.  AureS'ung  war  mir  ungemein  sympathisch,  da  auch  ich 
die  Erwarmung  durch  Dampfschlangen  innerhalb  der  Wanne 
nicht  als  hygienisches  Ideal  betrachte,  vielmehr  glaube  dass  in 
einem  internationalen  Badeorte  von  der  Bedeutung  Kissingens 
gerade  das  Beste  noch  gut  genug  ist.  Im  ehemaligen,  1900  vom 
Staate  erworbenen  Aktienbade  wurden  die  Versuche' aufgenommen 
und  Monate  hindurch  täglich  fortgesetzt.  Die  Experimentatoren 
hatten  sich  die  Aufgabe  gestellt,  durch  Wärmeapparate  ausser  der 
Wanne  „in  möglichst  kürzer  Zeit“,  „bei  einfacher  Bedienun»- • 
„em  hygienisch  tadelloses  Bad  zu 
Ko  hie  n  Säuregehalt  s  i  e  h  m  (»glichst 
d  e  m  der  kalten  Sole  u  n  t  e  r  s  c  li  e  i  d  e“. 

Grundsätzlich  wurde  der  Einfluss  jeder,  auch  der  geringsten 
technischen  Aenderung  auf  das  kohlensaure  Gas  trotz  der  clurch 
die  ununterbrochene  Uebung  geschärften  Sinne,  nur  am  Kür- 
per  des  Badenden  beobachtet,  nicht  blos  durch  Eintauchen 
der  Hände,  der  Arme  oder  rauher  Gegenstände;  wenn  auch  diese 
Methode  ganz  erhebliche  Anforderungen  an  den  Versuchskörper 
stellte,  so  verbürgte  doch  nur  sie  allein  untrügliche  Schlüsse. 

Hessing  berief  eine  Enquete  von  Ingenieuren  hervor¬ 
ragender  Firmen,  ihnen  die  Grundsätze  entwickelnd,  die  er  bei  der 
Konstruktion  seiner  Ivalorisatoren  verwertet  sehen  möchte.  Es 
würde  mich  zu  weit  führen,  wollte  ich  jede  experimentelle  tech¬ 
nische  Modifikation  und  deren  Einfluss  auf  die  Kohlensäure  liier 
schildern,  es  möge  genügen,  zu  wissen,  dass  gusseiserne,  vertikale 
und  liegende  Zylinder  von  verschiedener  Länge  und  geraden  und 
gewundenen  Dampfröhren,  kurze,  vertikale,  trommelförmige 
Zylinder  mit  Dampfschlangen,  quadratförmige  Apparate  mit 
Trichterausfluss  der  Sole  in  den  Apparat  und  Dampfschlangen  mit 
Entlüftung,  die  Art  des  Einlaufes  und  des  Auslaufes  der  Sole, 
Grösse  und  Entfernung  der  Dampfschlangen  von  einander  aus¬ 
geprobt  wurden. 

Ich  bemerke  hier,  dass  der  von  uns  ausgeprobte,  troanmel- 
fürmige  Zylinder  mit  Dampfschlangen  von  dem  in  Ungarn  ein¬ 
geführten  Cyernickiapparate  sich  nur  äusserlich  durch  die  Form 
zu  unterscheiden  scheint,  letzterer  Ballonform,  ersterer  Trommel¬ 
form. 

Nach  genügender  experimenteller  Ausprobiuig  liess  Hessing 
durch  den  Professor  der  Hygiene 'kn  der  k.  Universität  Würzburg, 
Dr.  K.  B.  Lehmann,  den  Kohlensäuregehalt  chemisch  analy¬ 
sieren  und  zwar: 

1.  der  kalten  Sole; 

2.  der  durch  Dampfschlangen  in  der  Wanne  erwärmten  Sole 
(bisherige  Erwärmungart) ; 

3.  der  quadratförmigen  Trichterapparate 

4.  der  trommelförmigen  Apparate; 

5.  der  liegenden  Zylinder  mit  der  Anordnung,  dass  der  Dampf 
durch  den  weiten  Mantelraum,  die  Sole  durch  die  engen  geraden 
Röhren  strömt,  o  h  n  e  Entlüftung; 

6.  der  liegenden  Zylinder  mit  und  ohne  Entlüftung  mit  der 
Anordnung,  dass  der  Dampf  durch  die  engen  Köhren,  die  Sole  durch 
den  Mantelraum  geht; 

7.  liegender  Zylinder  mit  Dampfschlangen  mit  und  ohne  Ent¬ 
lüftung. 

Das  Resultat  war  (Temperatur  der  erwärmten  Sole 
32°  C.) 

ad  2.  Dauer  der  Badbereitung  7 — 9  Minuten;  durchschnitt¬ 
licher  Verlust  an  Kohlensäure  10 — 12  Proz.  Wenn  der  Badediener 
mit.  dem  Thennometer  die  Wasserseliiehten  unvorsichtig  rasch 
mischt,  so  steigert  sich  der  Kohlensäureverlust  bis  zu  10,  ja 

17  Proz. 

ad  3.  Die  Erwärmung  auf  den  bestimmten  Grad  ist  etwas 
schwierig,  Konstruktion  etwas  kompliziert.  Dauer  der  Bad¬ 
bereitung  3  Minuten.  Kohlensäure  Verlust  11,0  Proz.  (einmalige 
Untersuchung,  da  für  uns  nur  akademisches  Interesse  besteht). 

ad  4.  Dauer  der  Badherstellung  9 — 12  Minuten.  Ivohlen- 
säurevei’lust  etwa  19,4  Proz. 

No.  50. 


mit  Entlüftung; 


12- 


der  Herstellung  3  Minuten,  Kohlensäureverlust 
3  Minuten,  Kohlensäureverlust  8,4  bis 


Kohlensäureverlust  in 


E  t  w 
g  e  r 


Beden* 

Bades. 


ad  5.  Dauer 
13  Proz. 

ad  0.  Dauer  des  Bades 
11,2  Proz. 

ad  7.  Dauer  des  Bades  3  Minuten, 

8  Versuchen  zwischen  8,5—10,2  Proz. 

Professor  Lehmann  bemerkt  zu  Versuch  7 •  Die  Re¬ 
sultate  dieser  letzten  E  r  w  ä  r  m  u  n  g  s  a  r  tl.e  frie¬ 
digten  ausser  ordentlic  h,  n  amentlic  h  w  a  r  d  a  s 
ungemein  rasche  und  leichte  Herstellen  der 
Bad  er  sehr  zu  loben;  in  3  Minuten  war  stets  die 
B  e  reitung  fertig.  Die  E  n  1 1  ü  f  t  u  n  gsvo  r  r  iclit  u  n  g, 
w  eiche  d  er  i  m  W  ä  r  in  e  a  p  p  a  rat  ent  b  u  n  d  e  n  en 
Kohlensäure  den  direktesten  Austritt  gestattet 
u  n  d  dieselbe  nie  li  t  zwingt,  unter  erhebliche  r 
Reib  u  n  g  den  Ausfluss  zu  passieren,  scheint  bei 
vorsichtigem  Betriebe  ohne  erhebliche 
t  u  n  g  f  ü  r  den  Kohle  n  s  ä  u  r 
a  s  grössere  Bede  u  t.  u  n 
Erhitzung  li  a  b  e  n  u  n  d 

...  ..  .  e  Sole  ruhig  und 

g  1  e  i  c  hmassig  m  die  Wanne  ein  strömen  lässt  “ 

Das  Schlussgutachten  Professor  Lehmanns  lautet:  Die 
Leistungen  der  liegenden  Zylinder  mit  innerer  Dampfschlange 
befriedigten  am  vollkommensten.  Die  Verluste  von  8  bis 
10  Proz.  an  freier  Ivo  hlensäure  erscheinen 
u  n  yermeidlic  li.  Die  leichte  und  sichere  Herstellung 
Bäder 
welc 

Grenzen  zur  Verfügung  stellt,  gestattet  bei  System  7  die  An¬ 
sprüche  an  menschliche  Aufmerksamkeit  auf  ein  Minimum  zu 
reduzieren.  Das  Badewasser  kommt  mit  dem  Körper  des  Bade¬ 
dieners  nicht  in  Berührung.  Die  hygienisch  zu  tadelnden  Dampf¬ 
schlangen  i  n  der  Wanne  sind  beseitigt.  Dem  alten 
Schlangenbad  (Schlangen  in  der  Wanne)  sind  diese 
neuen  B  ä  d  er  überlegen: 

die  rasche  Herstellungsmöglich- 
gegen  7 — 9  Minuten), 

as  geringeren  Kohlensäureverlust 
8 — 10  Proz.,  bei  der  alten  Erwärmung  10  bis 


ereiclitu  m  d  e  s 
g  könnte  sie  bei  hast!- 
a  u  e  li  f  ii  r  s  Auge  w  i  r  k  t 
sie  angeneh  m,  indem  sie  die  Sol 


a  1  s 
der 


ler  ist  äusserst  angenehm.  Eine  einfache  Einstellvorrichtung, 
che  dem  Badediener  Dampf  und  Sole  nur  innerhalb  gewisser 


o 


1.  D  u  r  c  li 
i  t  (3  Minuten 

2.  durch  etw 
(im  Durchschnitt 
12  Proz.), 

3.  durch  viel 
telligenz  des 


grössere  ünab  h  ä  n  g  i  g k  e  i  t  von  der  I  n  - 
Badedieners  (Verlust  durch  hastiges  Um¬ 
rühren  bis  17  Proz.), 

4.  durch  den  Wegfall  der  Heizschlangen  in  der  Wanne  und 
ihrer  unhygienischen  Nachteile, 

5.  d  urch  Ausschluss  j  eder  B  e  r  ii  li  rung  de  s 
Iv  ö  r  p  e  r  s  des  B  a  denden  mit  (ien  heissen  S  c  h  1  a  n  g  e  n. 

Es  ist  deshalb  die  Einführung  liegender  A  p  p  a  - 
r  a  t  e  mit  innerer  Dampfschlange  —  A  p  p  arat  7  — 
als  das  Zweck  mässigste  zu  empfehlen. 

Hessing  führte  denn  auch  den  experimentell  und  chemisch 
hinlänglich  ausgeprobten  und  wiederholt  eine  Staatskommission 
aus  Beamten,  Aerzten,  Hygienikern,  Chemikern,  Technikern  u.  s.  f. 
sehr  zufriedenstellenden  Apparat  7  im  ehemaligen  Aktienbade 
(Frühjahr  1902)  ein. 

Die  Saison  1902  ist  zu  Ende.  Mit  grösster  Genugtuung  und 
Freude  konstatiere  ich,  dass  der  neue  E  r  w  ii  r  m  u  ngs* 
apparat  die  ungeteilte  Zufriedenheit  und  An¬ 
erkennung  des  gesamten  Publik  u  m  s,  ebenso 
auch  der  technischen  Sachverständigen  f  an  d. 

Hessing  meldete  den  Apparat  zum  Patent  an.  Somit 
hat  Hessing,  eine  hygienische  Aufgabe  g  e  1  ö  s  t, 
deren  Schwierigkeit  nur  diejenigen  voll  zu  würdigen  wissen,  die 
an  der  Lösung  derselben  aktiv  mitgewirkt  haben.  Ich  glaube 
kaum  der  Uebertreibung  geziehen  zu  werden,  wenn  ich  ausspreche, 
dass  wohl  an  keinem  interessierten  Badeorte,  vielleicht  überhaupt 
nirgends,  diese  Frage  mit  solch  peinlicher  Gründlichkeit,  Ob 
jektivitiit,  solchen  Zeit-  und  beispiellosen  Geldopfern  ihrer  Lösung 
zugeführt  wurde.  Die  Vorteile  dieser  Erwärmung  ausserhalb  der 
Wanne  für  das  Bad  Kissingen  in  hygienischer,  wie  rein  baineo¬ 
logisch-therapeutischer  Hinsicht  sind  jedem  Leser  klar. 

Nebenbei  haben  die  Versuche  ergeben,  dass  die  typische  Re¬ 
aktion  der  Kohlensäure  auf  die  Haut  eine  ungleich  promptere 
(blitzschneller  Gasperlenansatz)  und  energischere  war,  wenn  die 
Haut  mit  dem  Badetuch  vor  dem  Bade  trocken  gerieben  wurde. 
Die  therapeutische  Verwertung  dieser  Erfahrung  liegt  sehr  nahe. 


Zur  diagnostischen  Bedeutung  der  Leukocytenwerte 
bei  Typhus  abdominalis  und  bei  Chirurg.  Eiterungen. 

Von  Privatdozent  Dr.  A.  Kühn,  Sekundärarzt  der  med.  Klinik. 

(Schluss.) 

Von  diesen  33  Untersuchungen  bieten  einige  ganz  besonderes 
Interesse. 

Zunächst  Fall  2.  FTier  sprach  akuter  Beginn,  Resistenz  und 
Schmerzhaftigkeit  für  einen  akuten  entzündlichen  Prozess.  Die 
im  Uebrigen  wohl  begründete  Annahme  der  Anwesenheit  von 
Eiter  wurde  allein  durch  die  Leukocytenzählung  in  Frage  ge¬ 
stellt:  Es  fanden  sich  subnormale  Werte  (5400).  Dieselben  waren 
erklärt  durch  ein  bei  der  Operation  gefundenes  seröses  ab¬ 
gekapseltes  Exsudat. 


1 


:J08ö 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WO  CHEN  SCHRIET. 


No.  50. 


Aelmlich  ist  Fall  5.  Audi  liier  musste  man  liacli  dem  kli¬ 
nischen  Verlauf  (Fieber)  entweder  eine  perityphlitische  Eiterung 
oder  eine  umschriebene  eitrige  Perforationsperitonitis  (Typhus¬ 
rezidiv!)  annehmen.  Die  Blutuntersuchung  sprach  indes  für  das 
Fehlen  von  Eiter  (8000) ;  es  fand  sich  bei  der  Operation  auch  nur 
eine  geringe  Menge  blutig-seröser  F  1  ü  s  s  i  g  k  c  i  t, 
welche  voraussichtlich  auch  den  operationslosen  Verlauf  günstig 
gestaltet  hätte. 

Der  Umstand,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Typhuspatientin 
zu  tun  haben,  erinnert  an  die  seltenen  Fälle  von  Peritonitis  seio- 
fibrinosa,  wie  sie  Moser38)  aus  der  hiesigen  chirurgischen 
Klinik  beschrieben  hat.  In  Mosers  Fall  war  bei  einer  Tempera¬ 
tur  von  30 — 40  0  und  allen  Zeichen  einer  Perforationsperitonitis 
eine  Leukocytenzahl  von  8600  und  9400  gefunden,  die  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  dieser  Zahlen  war  indes  zu  der  Zeit  noch 
nicht  bekannt.  Es  mag  auf  das  Vorkommen  dieser  serös-hämor¬ 
rhagischen  Form  der  Peritonitis  bei  Typhus  noch  einmal  aut 
merksam  gemacht  werden,  da  die  bekannten  Monographien  über 
Typhus  (L  ieberm  eiste  r,  Cursch  m  a  n  n)  nur  die  eitri¬ 
gen  Peritonitiden  mit  und  ohne  Perforation  des  Darmes  be¬ 
schreiben. 

Konnte  ein  ähnlicher  Befund  in  lall  i  auch  nicht  erhobt  n 
werden,  da  nicht  operiert  wurde,  so  sind  wir  doch  berechtigt,  ihn 
anzunehmen,  da  bei  akutem  Beginn  und  den  übrigen  für  ein  Ex¬ 
sudat  sprechenden  Erscheinungen  (\  orwölbung,  Resistenz  etc.) 
eine  Leukocytenzahl  von  10  500  gefunden  wurde.  Der  Fall  ver¬ 
lief  ohne  Operation  günstig,  ein  Umstand,  der  uns  in  der  An¬ 
nahme  eines  serösen  Exsudats  mit  Rücksicht  auf  die  eben  erwähn¬ 
ten  operierten  Fälle  nur  bestärkt. 

Hierhin  gehören  schliesslich  noch  die  Fälle,  in  welchen  sich 
statt  der  erwarteten  chronischen  Perityphlitis  eine  Tuberkulose 
des  Peritoneums  resp.  des  Darms  (No.  1  u.  6).  ln  beiden 
stimmte  das  Fehlen  einer  Leukocytose  über  20  000  mit  dem 
Fehlen  einer  grösseren  Eiterung  überein. 

Im  Gegensatz  hierzu  konnte  das  Vorhandensein  von  Eiter  bei 
Appendizitis  durch  den  Blutbefund  diagnostiziert  werden  in 
Fall  8,  9  und  10.  In  Fall  8  ist  hierbei  das  charakteristische  An¬ 
steigen  der  Leukocyten  von  Tag  zu  Tag  (von  8400  bis  22  000)  be¬ 
merkenswert.  Dieses  langsame  Ansteigen  ist  ebenso  charakte¬ 
ristisch  wie  das  Verharren  auf  einer  gewissen  Höhe  während 
längerer  Zeit.  Es  ist  hier  indes  schwer,  allein  aus  dem  Leuko- 
evtenbefund  eine  exakte  zeitliche  Indikation  zur  Operation  zu 
stellen,  da  es  unmöglich  ist,  eine  für  alle  Fälle  gültige  Grenze 
der  Leukocytenzahl  festzusetzen.  In  Fall  8  war  beispielsweise 
nach  dem  Operationsbefund  diese  Grenze  bei  22  000  schon  lange 
überschritten. 

Das  individuelle  Verhalten,  namentlich  die  übrigen  bislang 
allein  massgebenden  Faktoren  sind  hier  vor  allen  Dingen  mit  zu 
berücksichtigen. 

In  Fall  9  stimmt  das  nach  der  Operation  beobachtete  An¬ 
steigen  der  Leukocyten  von  18  400  auf  29  800  ebenfalls  mit  der 
Angabe  mancher  Autoren  (Iv  ü  1 1  n  e  r  u.  a.)  überein.  Hier 
dürfte  wohl  die  Annahme  von  der  Eröffnung  der  Blutbahn  für 
die  bis  dahin  (durch  Abkapselung)  latenten  chemotaktischen 
Eiter-  oder  Bakterienstoffe  das  Richtige  treffen. 

Aehnliche  Verhältnisse  liegen  ja  auch  bei  dem  Empyem  vor, 
welches  vor  der  Operation  9000  Leukocyten,  dagegen  nach  der¬ 
selben  eine  vorübergehende  Leukocytose  von  16  600  aufwies 
(Fall  17). 

In  Fall  10  war  allein  die  Hyperleulcocytose  das  auf  Eiter 
hinweisende  Symptom ;  letzterer  war  nämlich  so  tief  gelegen,  dass 
er  auf  andere  Weise  nicht  mit  Sicherheit  diagnostiziert  werden 
konnte. 

In  Fall  11  finden  wir  schliesslich  noch  einmal  allmähliches 
Ansteigen  bis  22  800  und  dann  ziemlich  plötzliches  Sinken.  Der 
l  all  verlief  auch  ohne  Operation  vorläufig  günstig  (Entleerung 
in  den  Darm?),  immerhin  warnen  die  Erfahrungen  von  Sauer- 
b  r  u  c  h  doch  vor  einer  exspektativen  Behandlung  derartiger 
suspekter  Fälle.  Bei  Sauerbruch  wurde  nämlich  einmal 
trotz  einer  Hyperleukocytose  von  20  000  nicht  operiert;  als  man 
sich  dann  bei  weiterer  Steigerung  auf  40  000  zur  Operation  ent¬ 
schloss,  kam  letztere  zu  spät.  Derselbe  Autor  sagt,  dass  die 
Leukocytenzahl  oft  spätere  Abszedierung  und  Fiebersteigerungen 

3S)  Mose  r:  Mitt.  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir.,  Bd.  VIII, 
1.  u.  2.  Heft,  1901. 


vorauskündigt,  dass  sie  also  als  ein  frühes  \\  amuupssignal  an¬ 
zusehen  ist..  In  unserer  Beobachtungsreihe  finden  sich  ähnliche 
Verhältnisse  in  demselben  Fall  11.  Hier  ging  eine  akute  Steige¬ 
rung  von  15  400  auf  21  800  einer  Temperatursteigerung  von  nor¬ 
mal  bis  39,2  um  einen  ganzen  Tag  voraus !  Es  scheint  somit  bei 
Eiterungen  unter  Umständen  das  Verhalten  der  Leukocyten  ein 
feineres  Reagens  zu  sein,  als  es  bislang  die  Körperwärme  war. 

Dass  in  foudroyanten  Fällen  von  Sepsis  der  Organismus 
von  vornherein  nicht  mehr  die  Fähigkeit  hat,  in  Gestalt  einer 
Hyperleukocytose  zu  reagieren,  diese  bereits  von  Rieder  ge¬ 
bührend  gewürdigten  Tatsachen  haben  wir  oben  bereits  erwähnt. 
Auch  die  späteren  Beobachtungen  haben  dies  bestätigt  (Ku  1 1  - 
ner  u.  a.).  Wir  finden  derartige  Verhältnisse  in  lall  30,  in 
welchem  der  Temperatur  von  40,0  eine  Leukocytose  von  5600 
entspricht,  und  in  Fall  22,  in  welchem  ebenfalls  das  Missverhält¬ 
nis  von  Temperatur  und  Leukocytenzahl  (40,7 : 12  000)  auffällt. 
Eine  Verwechslung  derartiger  Fälle  beim  Fehlen  anderer  prä¬ 
gnanter  Symptome  mit  Typhus  ist  durch  diesen  Blutbefund,  wie 
bereits  oben  erwähnt,  ausserordentlich  leicht  möglich.  Auf  den 
auch  schon  oben  berührten  Fall  von  Miliartuberkulose  sei  des¬ 
wegen  noch  einmal  hingewiesen. 

Am  beweisendsten  sind  also  für  eine  akute  Abszessbildung 
nur  hohe  Leukocytenwerte,  falls  ein  anderer  Grund  für  die  Leuko- 
cytenvermehrung  auszuscliliessen  ist.  In  letzterer  Beziehung 
können  auch  andere  chirurgische  Erkrankungen  das  Bild  kom¬ 
plizieren.  So  fand  sich  eine  Hyperleukocytose  bei  Sauer- 
b  X'  u  c  h  in  einem  Fall  von  leichtei’  Pei'ityphlit.is  und  abszedieren- 
der  llandphlegmone,  nach  deren  Inzision  die  Leukocytenzahl 
sank. 

Von  der  grössten  Wichtigkeit  Ist  dagegen  der  Blutbefund, 
wenn  es  sich  bei  einem  akut  entstandenen  klinisch  sicliei  zu  dia 
gnostizierenden  perityphlitischen  Exsudat  um  die  Frage  handelt, 
ob  dasselbe  serös  oder  eitrig  ist,  was  also  ungefähr  gleich¬ 
bedeutend  ist  mit  der  Frage,  ob  operiert  werden  soll  oder  nicht. 
In  solchen  Fällen  kann  die  Blutuntersuchung  direkt  ausschlag¬ 
gebend  sein,  da  normale  oder  subnormale  Werte,  wie  wir  gesehen 
haben,  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit  für  ein  seröses  Ex¬ 
sudat  sprechen.  Finden  sich,  immer  unter  der  A  oraussetzung, 
dass  der  Prozess  ein  akuter  ist,  solche  Werte,  so  ist  man  be¬ 
rechtigt,  wenn  nicht  verpflichtet,  von  einer  Operation  vorläufig 
Abstand  zu  nehmen.  In  solchen  Fällen  ist  dann  allerdings  eine 
fortgesetzte  Blutuntersuchung  unbedingt  erforderlich. 

Niedere  Leukocytenwerte  schliessen  an  und  für  sich  aller¬ 
dings  keineswegs  die  Anwesenheit  eines  Abszesses  aus.  Sie  können 
vorhanden  sein,  wie.  auch  Küttner  hervorhebt,  entweder  bei 
langsamer  Entwicklung  oder  bei  bereits  fertigem,  abgekapseltem 
Abszess. 

Sehr  deutlich  wird  dies  durch  unsere  beiden  Leber¬ 
abszesse  illustriert. 

In  dem  ersten  Fall  (32)  handelte  es  sich  um  eine  fortgesetzte 
Abszedierung  in  der  Leber  (metastatisch),  so  dass  letztere  bei  der 
Sektion  unzählige  kleinere  und  grössere  Abszesse 

aufwies.  t  , 

Es  hatte  dementsprechend  die  Patientin  auch  die  höchste 
von  uns  überhaupt  gefundene  Blutkörperchenzahl,  nämlich  45400. 

Im  Gegensatz  hierzu  hatte  der  folgende  Patient  (33)  lange 
Zeiten,  in  denen  er  fieberfrei  war,  und  normalen  Blutbefund  bot, 
ja,  in  denen  er  sich  ganz  wohl  und  ausser  Bett  befand.  In  seinen 
Fieberattacken  bot  auch  er  eine  Vermehrung  der  Leukocyten; 
der  höchste  Wert,  welcher  nur  einmal  gefunden  wurde,  betrug 
23  800.  Später  wurde  aber  die  Höhe  von  15  000  niemals  über¬ 
schritten;  einmal  fand  sich  sogar  bei  einer  Temperatur  von  40 
eine  Leukocytose  von  9800.  Die  Sektion  deckte  dann  auch  einen 
ab  gekapselten  u nilokulären  vereiterten  Le¬ 
berechinokokkus  auf. 

Bei  diesem  Patienten  war  das  periodische  Auftreten  von 
Fieber  und  Leukocytose  bei  der  wahrscheinlich  von  Anfang  der 
Eiterung  an  bestehenden,  der  Natur  der  Affektion  (unilokulärer 
Echinokokkus)  entsprechenden  Abkapselung  besonders  auffallend. 

Man  ist  hier  versucht,  an  eine  auch  von  anderer  Seite  be¬ 
tonte  Periodizität  in  der  Virulenz  und  Pathogenität  der  Eiter- 
und  Infektionserreger  zu  denken. 

G  r  a  w  i  t  z  betont,  dass  mit  Eiterbildung  einhergehende 
akute  Entzündungen  auch  ohne  Leukocytose  verlaufen  können, 
und  er  erwähnt  eine  keine  Leukocytenvermehrung  aufweisende 


16.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2087 


eitrige  Cholangitis,  bei  welcher  sich  post  mortem  ebenfalls  mul¬ 
tiple  Leberabszesse  fanden. 

„Worauf  dieses  schwankende  Verhalten  der  Le  ukoey  tosen 
beruht,  wissen  wir  noch  nicht,  man  muss  sich  jedoch  dieser  Un¬ 
sicherheit  für  dio  praktische  Diagnostik  bewusst  sein.“ 

Dass  hier,  abgesehen  von  den  grossen  individuellen  Schwan¬ 
kungen  und  der  Natur  der  Eitererreger  (Typhus!)  auch  der  an¬ 
fängliche  normale  oder  abnorme  Zustand  des  Blutes  und  seiner 
Bildungsstätten  in  Frage  kommt,  unterliegt  keinem  Zweifel. 
Eine  Leukämie  wird  sich  vielleicht  auf  eine  und  dieselbe  Infek¬ 
tion  anders  verhalten  in  Bezug  auf  ihre  Leukocytenbewegungen 
wie  eine  Pseudoleukämie  oder  eine  perniziöse  Anämie. 

Beispielsweise  befand  sich  vor  kurzem  in  der  medizinischen 
Klinik  eine  Patientin  mit  Pseudoleukämie,  deren  Blutbefund 
durch  Verminderung  der  roten  Blutkörperchen  (2  800  000)  und 
namentlich  durch  eine  hochgradige  konstante  Leukopenie  aus¬ 
gezeichnet  war  (1600 — 2100  !). 

Artefiziell  war  es  hier  ebenso  wie  bei  den  oben  erwähnten 
schweren  Typhen  unmöglich,  irgend  eine  Aenderung  in  dem  Blut¬ 
befund  zu  erzielen.  Auch  hier  versagte  das  Hetol  vollkommen. 
Es  musste  eine  vollkommene  Unfähigkeit  der  erkrankten  blut¬ 
bildenden  Organe,  Leukocyten  zu  produzieren,  resp.  in  die  Blut- 
balm  gelangen  zu  lassen,  vorliegen. 

Die  höchste  Zahl,  die  erreicht  werden  konnte,  war  2732.  Es 
hätte  diese  Kranke  wohl  auch  auf  eine  eitrige  Entzündung 
anders  reagiert  wie  ein  Gesunder. 

Dass  auch  die  Art  der  Infektionserreger  in  Bezug  auf  die 
positive  chemotaktische  Wirkung  nicht  gleichgültig  ist,  geht 
schon  aus  den  eingangs  angestellten  Erwägungen  über  den 
Typhus  hervor. 

Kasse  rmann  hat  nun  die  verschiedensten  Bakterien 
bei  seinen  mit  Leukocytenvermehrung  einhergehenden  Eite¬ 
rungen  gefunden  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  „der  Be¬ 
fund  dieser  verschiedensten  Infektionserreger,  verglichen  mit  dem 
Grade  der  Leukocytenvermehrung,  eine  Abhängigkeit  der  letz¬ 
teren  von  der  Art  der  ersteren  nicht  erkennen  lasse.“ 

Immerhin  steht  die  klinische  Beobachtung  fest,  dass  mit  lo¬ 
kalen  Eiterungen  einhergehende  Infektionen  mit  Vorliebe  eine 
Ilyperleukocytose  erzeugen,  während  eine  Reihe  Allgemeininfek¬ 
tionen  (Typhus,  Masern,  Sepsis  etc.)  eine  solche  vermissen  lassen. 

Neben  spezifisch  chemotaktischer  Wirkung  gewisser  Bak¬ 
terien  und  ihrer  Proteine  spielt  hier  also  auch  die  Eiterung  als 
solche  eine  grosse  Rolle. 

Die  verschiedensten  Theorien  haben  versucht,  dies  Phänomen 
zu  erklären,  und  es  seien  hier  noch  kurz  die  hauptsächlich  in 
Betracht  kommenden  erwähnt. 

L  ö  w  i  1 1 30)  fand  experimentell,  dass  der  Leukocytose  immer 
erst  eine  Leukolyse  durch  Zerfall  von  neutrophilen  Zellen  vor¬ 
aufgeht.  Er  schliesst  hieraus,  dass  die  ausschliessliche  Ursache 
der  experimentellen  Leukocytose  ein  Mangel  an  Leukocyten  ist, 
mag  derselbe  nun  primär  oder  sekundär  sein.  So  erklärt  er  sich 
die  Leukocytose  nach  Blutverlusten  und  Aderlässen  und  bei  der 
entzündlichen  Leukocytose  nimmt  er  eine  durch  bakterielle 
Stoffwechselprodukte  bedingte  Leukolyse  als  chemotaktisches 
Agens  an. 

Wenn  auch  bei  grösseren  Eiterungen  (Empyem)  ein  anfäng¬ 
licher  primärer  Mangel  an  Leukocyten  durch  die  Ansammlung 
enormer  Mengen  an  dem  Krankheitsherd  wirksam  sein  könnte, 
so  ist  diese  Erklärung  doch  bei  kleineren  Eiterungen  etwas  ge¬ 
sucht.  Hier  wäre  nach  L  ö  w  i  t  s  Theorie  eine  anfängliche 
Leukolyse  nur  durch  Zerfall  von  weissen  Blutkörperchen 
denkbar. 

Ho  rb  aczewski“)  nimmt  nun  an,  dass  bei  Einführung 
mancher  Substanzen  ins  Blut  ein  Zerfall  der  Leukocyten  eintritt 
und  dass  deren  Zerfallsprodukte,  namentlich  das  Nuklein, 
auf  die  weissen  Blutkörperchen  chemotaktisch  wirken,  indem  sie 
ihre  Zahl  vergrössern.  Auch  Rieder  hält  Umwandlungspro¬ 
dukte  aus  den  Organgeweben  u  n  d  Bakterienproteine,  welche  bei 
entzündlichen  Prozessen  frei  werden,  für  wirksam  in  Bezug  auf 
eine  Aenderung  der  Zahl  der  Leukocyten.  Schliesslich  betont 
G  rawitz,  „dass  die  Annahme  nicht  von  der  Hand  zu  weisen 

38)  LöAvit:  Studien  zur  Physiol.  und  Patkol.  des  Blutes 
und  der  Lymphe.  Jena  1892. 

40)  Horbaczewski:  Kais.  Akad.  d.  Wissenseh.  in  Wien, 
Bd.  C,  Abt.  III,  April  1890  (cit.  nach  Klei  n). 


ist,  dass  Leukocyten  aus  den  Entzündungs-  und  Eiterherden  in 
die  Blutbahn  gelangen  und  Leukocytose  bewirken  können.“ 

Es  würde  letzteres  Verhalten  mit  den  klinischen  Beobach¬ 
tungen  am  meisten  übereinstimmen,  wir  hätten  dann  aber  noch 
die  Beschaffenheit  des  Gewebes  in  Bezug  auf  eine  leichtere  oder 
schwerere  Entstehung  einer  Eiterung,  einer  Abkapselung  des 
Eiters  etc.,  zu  berücksichtigen. 

Dass  das  äusserst  vielseitige  Phänomen  der  Leukocytose 
noch  eine  unendliche  Reihe  anderer  noch  unbekannter  ätio¬ 
logischer  Faktoren  aufweise,  der  Umstand  wird  der  praktischen 
Brauchbarkeit  keinen  Abbruch  tun. 

Denn  in  letzterer  Beziehung  ist  die  Leukocytose  bei  allen 
entzündlichen  Prozessen,  im  besonderen  aber  bei  der  Perityphlitis, 
von  der  weittragendsten  praktischen  Bedeutung. 

Unsere  Erfahrungen  in  einer  kleinen  Anzahl  anderer  chi¬ 
rurgischer  Erkrankungen  sind  aus  der  Tabelle  ersichtlich.  In 
der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  stimmte  der  Operationsbefund 
mit  dem  Blutbefund  überein. 

Konnte  letzterer  nicht  durch  die  Operation  kontrolliert 
werden,  so  war  bei  der  entsprechenden  Leukocytose  doch  in 
einigen  Fällen  der  klinische  Verlauf  derart,  dass  an  dem  Vor¬ 
handensein  von  Eiter  nicht  gczweifelt  werden  konnte  (Fall  15 
und  18).  In  Fall  19  konnte  indes  eine  Ursache  der  recht  be¬ 
trächtlichen  Ilyperleukocytose  nicht  gefunden  werden.  Bei  dem 
folgenden  Patienten  (20)  deckte  die  Operation  eine  der  Leuko- 
cytenzahl  von  23  600  entsprechende  kleine  Eiterung  unter  dem 
Periost  (Staphyloooccus  pyogenes  aureus  in  Reinkultur)  auf, 
welche  der  klinischen  Wahrnehmung  entgangen  war,  und  in  dem 
Fall  21  finden  wir  wieder  ein  Beispiel  für  das  Fehlen  der  Leuko¬ 
cytose  bei  längere  Zeit  bestehenden  abgekapselten  Eiterungen. 

Das  Gesamtergebnis  dieser  Beobachtungen  und  der  in  der 
Literatur  niedergelegten  Wahrnehmungen  anderer  ist,  dass  die 
Leukocytenzählung  auch  für  nicht  perityphlitische  Eiterungen, 
für  chirurgische  Erkrankungen  und  Entzündungen  der  ver¬ 
schiedensten  Art,  einen  nicht  zu  unterschätzenden  diagnostischen 
Wert  besitzt.  Nur  muss  im  Auge  behalten  werden,  dass  schwere 
septische  Prozesse  oder  Allgemeininfektionen  normale  oder  sub- 
normale  Leukocytenzahlen  aufweisen  können,  ferner  dass  die 
Ilyperleukocytose  bei  chronischen  entzündlichen  Prozessen 
weniger  ausgeprägt  ist  und  schliesslich,  dass  sie  bei  vollent¬ 
wickeltem.  und  namentlich  abgekapseltem  Abszess  schon  wieder 
verschwunden  sein  kann. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  Einschränkungen  steht  die 
Leukocytenzählung  rücksichtlich  ihrer  diagnostischen  Brauchbar¬ 
keit  mit  an  erster  Stelle  und  ihre  Anwendung  erscheint  uns  in 
allen  in  Frage  kommenden  Fällen,  namentlich  aber  bei  jeder 
Appendizitis,  ebenso  notwendig  wie  die  Berücksichtigung  von 
Puls  und  Temperatur. 

Herrn  Prof.  M  a  r  t  i  u  s,  sowie  Herrn  Prof.  Müller  spreche 
ich  für  die  gütige  Ucberlassung  des  Materials  meinen  verbind¬ 
lichsten  Dank  aus. 


Bericht  über  die  Ergebnisse  der  Schutzpockenimpfung 
im  Königreiche  Bayern  im  Jahre  1901, 

erstattet  von  dem  k.  Zentralimpfarzte,  Medizinalrat 
Dr.  L.  S  t  u  m  pf. 

(Schluss.) 

Von  sonstigen  besonderen  Vorkommnissen,  welche  von  den 
Impfärzten  im  Berichtjahre  beobachtet  wurden,  ist  noch  folgendes 
erwähnenswert:  Im  Amtsbezirke  München  (Stadt)  zeigte  bei  der 
Nachschau  ein  Erstimpfling  in  der  rechten  vorderen  Axillarfalte 
einen  bei  der  Impfung  noch  nicht  Avalirgenommenen  Intertrigo, 
auf  dessen  Mitte  sich  eine  anscheinend  Aron  einer  kleinen  Neben¬ 
pustel  ausgehende  Erosion  mit  geringem,  eiterigem  Belage  befand. 
Die  6  Impfpusteln  waren  teihveise  durch  Aufkratzen  geöffnet  und 
mit  hervorquellender  Lymphe  bedeckt.  Innerhalb  der  nächsten 
2  Tage  A'erwandelte  sich  auf  Kosten  des  Intertrigo  die  erAvälmte 
Erosion  in  ein  tiefgreifendes,  die  ganze  Haut  durchsetzendes, 
stark  mit  Eiter  belegtes  Geschwür  mit  harten,  Avallartigen  Bän¬ 
dern.  Solche  harte  Ränder  hatten  unterdessen  auch  die  Impf¬ 
pusteln  bekommen.  Unter  AiiAvendung  von  feuchter  Wärme,  ab¬ 
wechselnd  mit  Dermatolpuderverbänden.  scliAvollen  allmählich  die 
Bänder  ab,  das  anfangs  reichliche  Sekret  verringerte  sich,  und 
nach  Ablauf  von  3  Wochen  war  völlige  Heilung  eingetreten.  Im 
Amtsbezirke  Bamberg  entstand  bei  einem  Wiederimpfling,  Avelcher 
früher  an  chronischem  Ekzem  gelitten  hatte,  8  Tage  nach  der 
Impfung  ein  akutes  Ekzem  in  der  Ellenbogenbeuge,  welches  sich 
allmählich  über  Brust,  Bauch  und  die  unteren  Extremitäten  Arer- 
breitete  und  dann  langsam  zu  heilen  begann.  Später  traten  noch 

4* 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


Furunkeln  auf  dem  Oberschenkel  und  den  Nates  mit  Anschwellung 
der  Leistendrüsen  auf.  Am  linken  Ohrläppchen  befand  sich  eine 
kleine  schuppige  Stellt'  der  Haut  ohne  jede  Rötung  als  Rest  eines 
längere  Zeit  vor  der  Impfung  vorhanden  gewesenen  Ekzems.  Der 
Impfarzt  führte  diesen  Fall  als  Beweis  dafür  an,  wie  empfindlich 
die  Haut  auch  nach  abgelaufenem  Ekzem  manchmal  auf  die 
Impfung  reagiert.  Im  Amtsbezirke  Lauf  hatte  der  Impfling  durch 
Unachtsamkeit  der  Mutter  eine  Fraktur  des  rechten  Oberarms  er¬ 
litten.  und  zwar  gerade  zwischen  den  4  stark  entwickelten  Impf¬ 
pusteln.  Anfangs  glaubte  die  Mutter,  das  Schreien  und  die  ausser¬ 
ordentlichen  Schmerzensäusserungen  des  Kindes  auf  die  Impf¬ 
pusteln  zurückführen  zu  müssen,  bis  sie  dann  vom  zugezogenen 
Arzte  erfuhr,  dass  hier  ein  Knochenbruch  vorlag. 

Im  Berichtjahre  kam  es  wieder  an  mehreren  Orten  vor,  dass 
einige  Mütter  sich  Mühe  gaben,  die  Lymphe  aus  den  Impfschnitten 
unmittelbar  nach  der  Impfung  herauszuwischen  oder  mit  dem 
Munde  auszusaugen,  um  die  Entwicklung  der  Blattern  zurück¬ 
zuhalten.  Von  solchen  Vorkommnissen  berichteten  die  Impfärzte 
von  Ebersberg,  Neustadt  (WN.),  Neumarkt  (OPf.),  Brückenau 
und  Oettingen.  Der  Impfarzt  von  Ebersberg  sah  durch  dieses  Ver¬ 
fahren  die  gute  Entwicklung  der  Blattern  zwar  nicht  wesentlich 
gehindert,  wohl  aber  war  an  anderen  Orten  die  Gebalirung  der 
Mütter  entschieden  von  positivem  Erfolge.  Besonders  litten  da¬ 
runter  die  Impferfolge  bei  den  im  Geburtsjahre  geimpften  Kin¬ 
dern  des  Amtsbezirks  Oettingen. 

Zum  Schlüsse  dieses  Abschnittes  möge  hier  noch  ein 
Kuriosum  Platz  finden.  Im  Amtsbezirke  Viechtach  beanspruchte 
ein  Vater  für  seinen  bei  der  Impfung  ohnmächtig  gewordenen 
Knaben  eine  Unfallrente.  Dieser  Wunsch  musste  leider  wie  so 
viele  Wünsche  im  menschlichen  Leben  unerfüllt  bleiben. 

Die  Verteilung  von  Ratschlägen  über  das  Verhalten  der  Kinder 
an  die  Angehörigen  der  Impflinge  hat  im  Berichtjahre  noch  weitere 
Verbreitung  gewonnen,  und  es  ist  kaum  daran  zu  zweifeln,  dass 
diese  Zirkulare  in  kurzer  Zeit  in  sämtlichen  Impfbezirken  des 
Landes  Eingang  gefunden  haben  werden.  Die  Tatsache,  dass  die 
Verbreitung  dieser  Ratschläge  von  Jahr  zu  Jahr  an  Boden  gewinnt, 
ist  an  sich  schon  ein  vollgültiger  Beweis  für  die  Zweckmässigkeit 
und  Nützlichkeit  dieser  Massregel.  Es  kann  aber  ausserdem  in 
einer  grossen  Anzahl  von  konkreten  Fällen  nachgewiesen  werden, 
dass  der  Hinweis  der  mütterlichen  Aufmerksamkeit  auf  die  Impf¬ 
pusteln,  auf  ihr  Aussehen  und  ihre  Entwicklung  schon  die  besten 
Erfolge  gehabt  hat.  Allmählich  wird  der  Zweck  und  Sinn  dieser 
Massregel  auch  noch  zum  Verständnis  jener  Menschen  dringen, 
welche  das  Blatt  heute  noch  unbeachtet  und  ungelesen  wegwerfen. 

In  einer  Anzahl  von  Fällen  hatte  die  Impfung  auch  im  Be- 
riclitjalire  wieder  entzündliche  Reizungen  der  Impf¬ 
stelle  in  mehr  minder  erheblichem  Grade  zur  Folge.  Die  über¬ 
wiegende  Mehrzahl  dieser  reaktiven  Entzündungen  der  Impfstelle 
war  ganz  leichter  Natur.  Die  Schwellung  und  Rötung  der  Haut 
ging  in  kurzer  Zeit  zurück,  und  eine  Störung  des  Allgemein¬ 
befindens  ist,  abgesehen  von  dem  gewöhnlichen  und  normalen 
Verlaufe  des  Vaccinefiebers,  niemals  eingetreten.  Leichte  Formen 
von  solchen  reaktiven  Entzündungen,  welche  von  vielen  Amts¬ 
ärzten  bereits  mit  dem  Namen  „Rotlauf“  belegt  werden,  finden 
wir  in  den  Berichten  von  öl  Amtsärzten  verzeichnet.  20  von  diesen 
beobachteten  Fälle  von  starker  Reizung  der  Haut  der  Impfstelle 
nur  bei  Wiederimpfungen.  Nicht  selten  waren  auf  der  entzündeten 
Haut  deutliche  Kratzspuren  zu  sehen.  Bei  den  Wiederimpflingen 
muss  auch  für  das  häufigere  Auftreten  von  Reizerscheinungen 
die  frühzeitige  körperliche  Arbeit  verantwortlich  gemacht  wer¬ 
den,  zu  welcher  besonders  die  Schulkinder  der  Landbezirke  an¬ 
gehalten  zu  werden  pflegen.  Aus  den  Berichten  von  7  Amtsärzten 
ist  nicht  zu  entnehmen,  ob  die  betroffenen  Kinder  Erst-  oder 
Wiederimpflinge  waren.  Aus  4  Amtsbezirken  lagen  Beobachtungen 
von  Entzündungserscheinungen  bei  Erstimpflingen  vor. 

Von  erheblicheren  Störungen  kamen  die  nachstehend  auf¬ 
geführten  zur  Kenntnis  der  Amtsärzte:  Im  Amtsbezirke  Weilheim 
erkrankte  ein  Wiederimpfling  am  14.  Tage  nach  der  Impfung  an 
Phlegmone  der  Impfstelle,  die  mehrere  Wochen  zur  Heilung  be¬ 
anspruchte.  Das  Kind  hatte  die  bereits  im  Verschorfen  begriffenen 
Pusteln  mit  den  Fingernägeln  aufgekratzt.  Bei  einem  Wieder¬ 
impfling  des  Amtsbezirkes  Ivötzting  trat  eine  Entzündung  des 
Oberarmes  und  Ellenbogengelenks,  sowie  Schwellung  des  ganzen 
Armes  auf.  Der  Knabe  gestand,  auf  einem  sogen.  Bittgänge  von 
einem  anderen  Knaben  am  11.  Tage  zu  Boden  geworfen  worden 
und  dabei  auf  den  geimpften  Arm  gefallen  zu  sein.  In  Freyung 
entstand  bei  einem  Kinde,  das  bei  der  Nachschau  nichts  Auf¬ 
fallendes  geboten  hatte,  eine  intensive,  auf  Vorderarm  und 
Schulter  übergreifende  Rötung  und  Schwellung  mit  Temperatur¬ 
erhöhung.  Die  obersten  Impfpusteln  waren  ineinander  geflossen 
und  hatten  eine  etwa  markstückgrosse  Geschwürsfläche  mit  weiss- 
lic-hem  Belage  gebildet.  Nls  Ursache  wurde  die  mechanische  Ent¬ 
fernung  der  Krusten  angegeben.  Aerztliche  Hilfe  wurde  nur 
1  mal  verlangt.  Im  Amtsbezirke  Neumarkt  (OPf.)  kam  es  in 
einem  Falle  zu  einer  starken  phlegmonösen  Entzündung  des  rechten 
Oberarms,  der  Schulter  und  des  Rückens  des  Kindes.  Der  Erst¬ 
impfung  hatte  sehr  enge  Aermel,  so  dass  beim  Auskleiden  die 
Pusteln  immer  wieder  von  neuem  aufgerissen  wurden.  Ausserdem 
bestand  grosse  Unreinlichkeit.  Auch  in  den  Amtsbezirken  Wald¬ 
sassen  und  Bamberg  wurden  einige  stärkere  Entzündungen  der 
geimpften  Arme  mit  Achseldrüsenschwellung  bei  Schulkindern  be¬ 
obachtet.  Im  Impfbezirke  Hassfurt  versuchte  eine  Mutter  dem 
Impfling  die  Lymphe  mit  der  schmutzigen  Schürze  aus  den 
Schnitten  zu  wischen.  Der  Versuch  misslang  jedoch,  und  die 
Blattern  entwickelten  sich  sehr  stark.  Dazu  kam  noch  ein  Ery¬ 
sipel  des  ganzen  Armes,  was  höchst  wahrscheinlich  durch  die 


Verunreinigung  der  Impfwunden  mit  der  Schürze  bedingt  war. 
Im  Amtsbezirke  Kempten  wurde  in  20  Fällen  eine  stärkere  Ent¬ 
zündung  mit  teilweiser  Verschwärung  der  Impfblattern  und 
Lyinphdrüsenansehwellung  in  der  Achselhöhle  beobachtet.  Auch 
im  Amtsbezirke  Schweinfurt  scheinen  gesteigerte  Reizerschei¬ 
nungen  in  gehäufter  Anzahl  vorgekommen  zu  sein.  Diese  Krank¬ 
heitserscheinungen  bestanden  in  erhöhtem  Fieber,  stark  aus- 
gebildeten  und  prall  gefüllten  Pusteln  auf  grossem,  stark  erythema- 
tösem,  konfluierendem  Hofe,  in  starker  Spannung  der  Haut  des 
Oberarmes,  Schwellung  und  Schmerzhaftigkeit  der  Achseldrüsen, 
verzögerter  Abborkung,  Neigung  zu  protrahierter  Eiterung  und 
phlegmonöser  Abszessbildung.  Solche  Fälle  kamen  besonders  bei 
den  Schulkindern  vor.  In  allen  Fällen  wurde  glatte  Heilung 
erzielt. 

Mit  den  vorstehend  auf  geführten,  vorübergehenden  Gesund¬ 
heitsstörungen,  welche  in  überwiegender  Mehrzahl  in  wenigen 
Tagen  und  nur  in  vereinzelten  Fällen  nach  Verlauf  von  längerer 
Zeit  zu  vollkommener  Heilung  kamen,  ist  alles  erschöpft,  was  die 
Amtsärzte  des  Landes  über  rotlaufähnliche  Entzündungen  nach 
der  Impfung  in  ihren  Berichten  niedergelegt  haben,  und  man  kann 
sich  dem  Eindruck  nicht  verschliessen,  dass  auch  in  Bezug  auf 
die  Erregung  von  reaktiven  Entzündungserscheinungen  die  Impf¬ 
ung  im  Berichtjahre  ausserordentlich  günstig  verlaufen  ist.  Zwei 
Umstände  mögen  in  gleichem  Grade  zu  diesem  günstigen  Ergeb¬ 
nisse  beigetragen  haben.  Erstlich  pflegte  jede  Lymphesorte  vor 
ihrer  Versendung  mindestens  3  Wochen  abzulagern  und  ferner 
stammte  ein  erheblicher  Teil  des  im  Berichtjahre  zur  Versendung 
gekommenen  Impfstoffes  von  der  in  ausgiebigem  Mass  betriebenen 
Züchtung  reiner  Tierlymphe,  deren  Pusteln  nach  den  Erfahrungen 
des  Berichterstatters  auf  den  Kinderarmen  einen  reizloseren  Ver¬ 
lauf  zu  zeigen  pflegen. 

In  der  unmittelbar  auf  die  Impfung  folgenden  Zeit,  insbeson¬ 
dere  in  den  Tagen  zwischen  Impfung  und  Nachschau,  kamen 
v  ieder  einige  T  o  d  e  s  f  ii  1 1  e  vor,  denen  seitens  der  Amtsärzte  als¬ 
bald  aufs  sorgfältigste  nachgegangen  wurde.  Einige  dieser  Impf¬ 
linge  waren  ärztlich  nicht  behandelt  worden.  An  Brechdurchfall 
starben  je  2  Erstimpflinge  in  den  Amtsbezirken  Bad  Aibling  und 
Waldsassen,  ferner  ein  Kind  im  Impfbezirke  Dachau.  Im  Amts¬ 
bezirke  Neumarkt  a/It.  erlag  ein  privat  geimpftes  Kind  am  3.  Tage 
nach  der  Impfung  einer  akuten  Gastroenteritis  mit  Konvulsionen, 
in  Volienstrauss  ein  Erstimpfling  8  Tage  nach  der  Impfung  nach 
der  Aussage  des  Leichenschauers  der  Eklampsie.  An  Diphtherie 
verstarb  ein  Erstimpfling  am  G.  Tage  nach  der  Impfung  im  Amts¬ 
bezirke  Rotthalmünster.  Die  meisten  Opfer  forderte  wieder,  wie 
immer,  die  Gruppe  der  Respirationskrankheiten.  An  Pneumonie, 
Bronchopneumonie  und  Bronchitis  teils  mit  teils  ohne  Komplikation 
von  eklamptischen  Anfällen  starben  je  2  Erstimpflinge  in  den 
Amtsbezirken  Dachau,  Freyung  und  Ililpoltstein,  ferner  je  1  Kind 
in  den  Impfbezirken  Tittmoning,  Geisenfeid,  Kaiserslautern,  Lauf, 
Brückenau,  Kempten  und  Neuburg.  Ein  Kind  des  Amtsbezirkes 
Berneck  starb  im  Alter  von  G  Monaten  am  Tage  vor  der  Nach¬ 
schau  an  epileptiformen  Anfällen,  welche  schon  seit,  der  Geburt 
bestanden  hatten.  Auch  im  Amtsbezirke  Cadolzburg  starb  ein 
Impfling  2  Tage  nach  der  Impfung  plötzlich  an  Konvulsionen, 
an  denen  das  Kind  schon  vorher  gelitten  hatte.  Die  Eltern  hatten 
über  die  Krankheit  des  Kindes,  welches  bei  der  Impfung  keine 
abnormen  Erscheinungen  geboten  hatte,  dem  Impfarzte  keine  Mit¬ 
teilung  gemacht.  Dem  Amtsärzte  von  Neumarkt  (OPf.)  kamen 
2  Todesfälle  zur  Anzeige,  beide  in  demselben  Leichenschaubezirke. 
Die  Leichen  waren  mit  einer  Anzahl  kleiner  und  grösserer  Bläs¬ 
chen,  nach  Art  der  Varizellen,  bedeckt.  Die  Nachforschung  ergab, 
dass  das  Kind  schon  vor  der  Impfung  gekränkelt  hatte;  doch 
wurde  dieser  Umstand  verschwiegen.  Der  Tod  erfolgte  4 — 18  Tage 
nach  der  Impfung.  Die  Impfpusteln  waren  völlig  abgeheilt.  Un¬ 
aufgeklärt  blieb  die  Todesursache  bei  2  Impflingen  in  den  Amts 
bezirken  Weismain  und  Weissenburg.  In  dem  einen  Falle  war 
das  Kind  einige  Tage  nach  der  Impfung  gestorben.  Der  Amts¬ 
arzt  erhielt  hievon  erst  nach  stattgehabter  Beerdigung  Kenntnis. 
Auch  in  dem  anderen  Falle  trat  der  Tod  in  der  Impfperiode  ein. 
Sicher  war  nur,  dass  bei  keinem  von  beiden  Fällen  ein  ursächlicher 
Zusammenhang  zwischen  Impfung  und  Tod  bestand.  Ein  im 
Amtsbezirke  Scliesslitz  6  Wochen  nach  der  Impfung  verstorbenes 
Kind,  welches  einem  Erysipel  erlag,  gab  Anlass  zu  dem  Gerede, 
dass  es  der  Impfung  zum  Opfer  gefallen  sei.  Da  die  Impfblattern 
längst  ohne  jede  Störung  abgeheilt  waren,  dürfte  eine  eitrige 
Angina  des  Vaters  wahrscheinlich  die  Ursache  des  Erysipels  mit 
tödlichem  Ausgange  gewesen  sein. 

Von  besonderen  Vorfällen  ist  hier  noch  folgendes  zu  er¬ 
wähnen:  Im  Amtsbezirke  Gerolzhofen  erkrankte  am  10.  Mai  ein 
am  30.  April  geimpftes  Kind,  das  am  Nachschautage  noch  völlig 
gesund  gewesen  war  und  4  schöne  Pusteln  aufzuweisen  hatte. 
Die  Pusteln,  welche  aufgekratzt  waren,  wurden  mit  Jodoform¬ 
pulver  behandelt.  Am  27.  Mai  wurde  der  Amtsarzt  gerufen,  weil 
die  Pusteln  nicht  heilen  wollten  und  das  Kind  abzumagern  begann. 
Derselbe  fand  im  Umkreise  yon  den  unter  einem  Schorfe  ver¬ 
heilten  Impfpusteln  zahlreiche  kleine,  frische  Blattern,  welche 
vom  Kinde  mit  den  Fingernägeln  aufgekratzt  wurden.  Ausserdem 
befand  sich  eine  kleine  Blatter  am  rechten  Vorderarme  und  ein 
kleines  Bläschen  am  Rücken.  Durch  das  wiederholte  Aufkratzen 
der  Pusteln  verwandelten  sich  diese  in  asthenische  Geschwüre 
mit  reichlichem,  wässerigem  Sekret.  Die  Untersuchung  des  herab- 
gekommenen  Kindes  ergab  eine  Dämpfung  auf  der  Brust.  Am 
5.  Juni  erlag  es  einem  akuten  Brechdurchfall.  Die  Mutter,  welche 
bereits  mehrere  Kinder  im  frühesten  Alter  verloren  hatte,  litt  an 
chronischer  Lungentuberkulose  und  befand  sich  gerade  beim  Be¬ 
ginne  der  Erkrankung  ihres  Kindes  in  sehr  schlechtem  Zustande. 


16.  Dezember  1902. 


MUKNCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


—  Im  Amtsbezirke  Vohenstranss  wurde  am  17.  Mai  bei  der  öffent¬ 
lichen  Impfung  in  Leuchtenberg  der  am  21.  März  1900  geborene 
Knabe  des  Schuhmac hers  J.  U.  dortselbs!  geimpft,  und  zwar  in 
Anbetrachi  des  vorgerückten  Alters  trotz  eines  geringen  schuppigen 
j  \zems  des  Koplcs.  Am  24.  Mai  wies  der  Impfling  einen  voll¬ 
kommenen  Impferfolg  auf,  indem  nicht  nur  an  den  4  Impfstellen 
des  rechten  Armes  sich  stark  entwickelte  Pusteln  zeigten,  sondern 

wmYV  (!?r  Ua<',1St<‘n  Tj nigebung  einzelne  Yacciuebläsclien  sich  ge¬ 
bildet  hatten.  In  den  nächsten  8  Tagen  scheint  sich  nun  vermut¬ 
lich  lon  den  Impfpusteln  und  Schorfen  aus  ein  Pustelaussehla" 
un  (je sichte  und  am  Schädel  des  Kindes  verbreitet  zu  haben-  denn 
als  das  Kind  am  3.  Juni  ärztlich  besucht  wurde,  war  das  Gesicht 
mit  einer  braungelben  Kruste  visierartig  überzogen  so  dass  nur 
der  Mund  und  die  Augen  davon  frei  blieben.  Am  Schädel  war 
das  Exanthem  besonders  auf  der  linken  Seite  noch  frischer  und 
nassend,  jedoch  waren  keine  Pusteln  oder  Bläschen  differenzier- 
bai,  sondern  es  stellte  mehr  eine  seborrhöeartige  Ulzeration  mit 
tellerartigen  Vertiefungen  besonders  an  den  Rändern  dar.  Gleich¬ 
zeitig  bestand  jetzt  beiderseits  ein  ziemlich  reichlicher  Ausfluss 
aus  den  Ohren.  Das  Kind  bot  das  Bild  einer  meningitischen  Er¬ 
krankung,  der  es  auch,  wie  erwartet,  am  5.  Juni  erlag  Die 
meningitischen  Erscheinungen  hatten  5 — 0  Tage  gedauert  Die 
Reste  des  zugegebenermassen  früher  vorhanden  gewesenen '  Kopf¬ 
ekzems  bestanden  einzig  und  allein  in  einigen  kleinen  Schuppen- 
anhauf ungen  am  behaarten  Teile  des  Kopfes. 

Im  Juni  1901  gelangte  an  den  Staatsanwalt  in  Frankenthal 
die  Anzeige,  dass  ein  Kind  am  14.  Juni  Nachm.  4V,  Uhr  verstorben 
sei.  Todesursache  sei  rohe  Behandlung  bei  der  Impfum-  nach 
ärztlichem  Gutachten,  weshalb  gebeten  werde  die 
Untersuchung  gegen  den  Impfarzt  einleiten  zu  wollen.  Der  Amts¬ 
arzt  beantragte  nun  selbst  die  Untersuchung  des  Falles  und  die 
Sektion  des  Impflings.  Die  Zeugenvernehmung  ergab,  dass  der 
behandelnde  A.rzt  zum  Kinde  gerufen  wurde  und  den  Eltern 
gegenüber  erklärte,  dass  das  Kind  durch  das  Impfen  angegriffen 
sei.  Nach  weiteren  8  Tagen  stellten  sich  Konvulsionen  ein  denen 
das  Kind  2  Tage  später  erlag.  Die  „rohe  Behandlung“  bestand 
nach  der  Aeusserung  des  Kindsvaters  in  zu  tiefen  Einschnitten' 
wodurch  das  Gift  zu  rasch  ins  Blut  gekommen  sei.  Die  Sektion 
des  Kindes  ergab  vollkommen  einwandfreie  Impfpusteln  ohne 
Induration  der  Haut  und  ohne  Schwellung  der  Achseldrüsen. 
Die  Todesursache  war  eine  ausgesprochene  Meningitis.  Milz  und 
Leber  zeigten  oberflächliche  und  im  Gewebe  zerstreute,  zahlreiche, 
halbstecknadelkopfgrosse  Knötchen  von  harter  Konsistenz,  davon 
einige  im  Zentrum  zerfallen.  Der  Vater  war  tuberkulös; ’ausser- 
dem  war  bereits  eine  Schwester  des  Impflings  an  Tuberkulose 
verstorben. 

1  rivatimpfungen  wurden  im  Berichtjahre  im  ganzen 
Königreiche  13  753  vorgenommen  gegen  11894  im  Vorjahre.  Davon 
"waren  Erstimpfungen  11478  (i.  V.  11190),  Wiederimpfungen  742 
(i.  V.  704).  Ausserdem  wurden  sonst  nicht  Pflichtige  zum  ersten 
Male  privat  geimpft  13  und  privat  wiedergeimpft  1518.  Von  den 
11478  Erstimpfungen  waren  erfolgreich  11181,  erfolglos  284;  mit 
unbekanntem  Erfolge  wurden  geimpft  13.  Von  den  742  Wieder¬ 
impfungen  waren  erfolgreich  G75,  erfolglos  02;  mit  unbekanntem 
Erfolge  wurden  wiedergeimpft  5.  Bei  beiden  Kategorien  ergibt 
sich  für  das  Berichtjahr  eine  Besserung  der  mit  Erfolg  aus¬ 
geführten  Privatimpfungen;  es  berechnet  sich  nämlich  für  die  pri¬ 
vaten  Erstimpfungen  ein  Fehlerfolg  von  2.47  I’roz.  gegen  2,01  Proz. 
im  Vorjahre,  für  die  privaten  Wiederimpfungen  ein  Fehlerfolg 
von  8,3  Proz.  gegen  12  Proz.  im  Vorjahre.  (Die  mit  unbekanntem 
Erfolge  Geimpften  blieben  bei  dieser  Berechnung  unberückschtigt.) 
Von  den  privat  wiedergeimpften,  nicht  pflichtigen  Personen 
wurden  mit  Erfolg  geimpft  1227,  ohne  Erfolg  249,  mit  unbekanntem 
Erfolge  42.  Die  beträchtliche  Zahl  dieser  au  nicht  pflichtigen 
Personen  vollzogenen  Privatimpfungen  ergibt  sich  aus  der  grös¬ 
seren  Anzahl  der  im  Berichtjahre  vorgenommenen  ausserordent¬ 
lichen  Impfungen,  von  welchen  sogleich  die  Rede  sein  wird. 

Die  ausserordentlichen  Impfungen  haben  im 
Berichtjahre  einen  bedeutenden  Umfang  erreicht.  Sie  erstreckten 
sich  im  ganzen  Lande  auf  41  Amtsbezirke,  nämlich  auf  einen 
im  Kreise  Niederbayern,  auf  0  Amtsbezirke  in  der  Uberpfalz,  auf 
4  in  Mittelfranken,  auf  je  15  in  den  Regierungsbezirken  Unter- 
franken  und  Schwaben.  In  30  Amtsbezirken  wurden  ausserordent¬ 
liche  Impfungen  lediglich  prophylaktisch  und  in  5  derselben  wegen 
Blatternfällen  vorgenommen.  Die  ersteren  betrafen  in  15  Amts¬ 
bezirken  des  Kreises  Schwaben  das  Dienst-  und  Pflegepersonal 
der  Distriktsspitäler,  in  welchen  eventuell  Blatternkranke  Auf¬ 
nahme  zu  finden  hatten,  ferner  alle  herumreisenden  Hausierer 
und  anderes  fahrendes  Volk,  in  den  übrigen  Amtsbezirken,  wo 
prophylaktische  Impfungen  angeordnet  wurden,  waren  es  ein¬ 
gewanderte  russisch-polnische,  böhmische,  kroatische  und  italie¬ 
nische  Arbeiter,  soweit  dieselben  keine  Bescheinigung  über  eine 
vorhergegangene  Wiederimpfung  aufzuweisen  hatten.  Die  Italiener 
unterzogen  sich  gewöhnlich  der  Wiederimpfung  willig  und  ohne 
TV  eigerung.  Die  russisch-polnischen  Arbeiter  jedoch,  und  be¬ 
sonders  die  Weiber,  gebärdeten  sich  an  einigen  Orten  sehr  wider¬ 
spenstig  und  waren  nur  schwer  zum  Gehorsam  zu  bringen.  Er¬ 
wähnenswert  ist  das  Ergebnis  der  ausserordentlichen  Impfung 
im  Stadt-  und  Landbezirke  Regensburg.  In  beiden  Amtsbezirken 
wurden  im  ganzen  166  Arbeiter  wiedergeimpft,  von  welchen  160 
zur  Nachschau  erschienen.  72  zeigten  vollkommene  Pusteln,  88 
nur  Knötchen.  144  von  den  Wiedergeimpften  hatten  deutliche 
ältere  Impfnarben,  14  zeigten  zweifellose  Pockennarben.  Gleich¬ 
wohl  erhielten  von  den  letzteren  7  Personen  ausgesprochene  Impf¬ 
pusteln.  Auch  im  Amtsbezirke  Rain  wurde  ein  mit  Pockennarben 
No.  50. 


2089 


Mann  mit  dem  Erfolg  von  2  Impfpusteln 


vollkommen  bedeckter 
wiedergeimpft. 

\  on  den  Blatternfällen,  welche  eine  ausserordentliche  Impfung 
zur  folge  hatten,  scheint  der  Erkrankungsfall  in  Eslarn  nicht 
wdlig-  beglaubigt  zu  sein.  Dort  erkrankte  ein  5  jähriges  Mädchen 
an  einem  Blatternexanthem,  über  dessen  Abstammung  ieder  Auf¬ 
schluss  fehlte. 

Von  ernsterer  Bedeutung  waren  die  Blattern  fälle  der  Amts¬ 
bezirke  Gunzenhausen  und  Heidenheim.  Durch  die  Erkrankung 
emei  Io  Kopfe  zählenden  durchreisenden  Regensehirmmaelier- 
familie  in  Dittenlieim  an  Variola  wurde  eine  ausserordentliche 
Impfung  nötig.  Es  erkrankten  sämtliche  Kinder  der  Familie 
nur  der  T  ater  blieb  verschont.  Zuerst  erkrankte  der  15  jährige 
8ohr:  an  Variola,  ohne  dass  es  gelang,  die  Ansteckungsquelle  zu 
ermitteln.  Ein  Kind  der  Familie  starb.  Beim  Anmessen  des 
Sarges  infizierte  sich  ein  Schreiner  von  Dittenlieim  und  starb  an 
hämorrhagischen  Blattern.  Er  war  nur  1  mal  als  Kind  geimpft 
vordem  Die  Familie  wurde  aufs  strengste  von  der  übrigen  Be¬ 
völkerung  isoliert.  Ein  weiterer  Erkrankungsfall  kam  nicht  mehr 
zur  Anezige.  Von  den  010  öffentlich  Wiedergeimpften  zeigten  nur 
14  keinen  Erfolg.  Ausserdem  wurde  im  Amtsbezirke  noch  eine 
aus  19  Köpfen  bestehende  Bärentreiberfamilie  aus  Bosnien  der 
Zwangsimpfung  unterstellt.  Die  von  den  Blattern  ergriffene 
I  amilie,  daiunter  11  Kinder,  waren  jahre-  und  jahrzehntelang 
unbehelligt  und  ungeimpft  im  Lande  umhergezogen.  Grosses 
Interesse  bot  die  Beobachtung,  dass  bei  sämtlichen  10  Ge¬ 
schwistern  des  ersten  Blatternkranken  echte  Pocken  und  Impf¬ 
blattern  gleichzeitig  auftraten  und  auch  die  letzteren  sich  voll¬ 
kommen  entwickelten.  Einen  Einfluss  der  Impfung  auf  den  Ver¬ 
lauf  der  Blattern  konnten  die  Aerzte  dabei  nicht  erkennen. 

Im  Amtsbezirke  Heidenheim  begann  die  Impfung  am  2.  April. 
Im  ganzen  betrug  die  Zahl  der  öffentlich  und  privat  geimpften 
1  ei sonen  i  und  1000.  Es  fand  sich,  dass  nur  die  im  Vorjahre  zum 
1.  Male  mit  Erfolg  Geimpften  gar  nicht  auf  die  wiederholte 
Impfung  reagierten.  Dagegen  bekam  schon  nach  2  jähriger  Frist 
die  Hälfte  der  Kinder  wieder  deutliche  Zeichen  von  Impfreaktion 
—  schwach  entwickelte  Bläschen  oder  Knötchen,  ln  den  nächst¬ 
folgenden  Jahrgängen  stieg  die  Empfindlichkeit  sowohl  nach  Qua¬ 
lität,  als  auch  quantitativ.  0  Jahre  nach  der  ersten  Impfung 
reagierten  bereits  88  Proz.,  und  zwar  meist  sehr  kräftig.  10  Jahre 
nach  der  ersten  Impfung  war  die  Zahl  von  100  Proz.  fast  erreicht, 
ähnlich  wie  bei  der  ordentlichen  Wiederimpfung.  Von  den  Wieder- 
geimplten  reagierten  1  Jahr  nach  der  letzten  Impfung  bereits 
25  Proz.  wieder,  nach  5  Jahren  ansteigend  bis  auf  50  Proz.  In  den 
nächsten  Jahren  wurde  rasch  die  Zahl  von  85  Proz.  erreicht,  und 
dieses  T  erliältnis  blieb  dann  konstant,  auch  bei  denen,  die  nur 
1  mal  wiedergeimpft  worden  waren.  Der  Impfarzt  hatte  ganz  ent¬ 
schieden  den  Eindruck,  dass  die  im  letzten  Jahrzehnt  Geimpften 
stärkere  Blattern  bekamen  als  die  früher  Geimpften.  Es  ist  ja 
nicht  zu  bestreiten,  dass  die  natürliche  Immunität  dabei  eine  Rolle 
spielte;  aber  angesichts  der  grossen  Empfindlichkeit  der  Impflinge 
des  letzten  Jahrzehnts  glaubt  der  Impfarzt  nicht  fehlzugehen  mit 
der  Ansicht,  dass  die  frühere  Impfung  auf  beiden  Armen  mit 
5-  -0  Schnitten  bezw.  0  Kreuzschnitten  auf  dem  linken  Arme 
schutzkräftiger  gewesen  ist  als  die  heutige  Impfung.  Ob  unsere 
heutige,  so  sehr  mitigierte  Impfmethode  bei  einer  Blatternepidemie 
den  erhofften  vollen  Erfolg  gewähren  würde,  möchte  der  berich- 
tench  Impfarzt  auf  Grund  dieser  Beobachtungen  nicht  mehr  un¬ 
bedingt  bejahen.  Der  Berichterstatter  möchte  die  Gelegenheit 
nicht  vorübergehen  lassen,  diejenigen  Aerzte,  welche  sich  bereits 
mit  2  Impfschnitten  genug  getan  zu  halten  glauben,  ausdrücklich 
auf  die  vorstehenden  Tatsachen  hinzuweisen. 

Im  Amtsbezirke  Donauwörth  und  zwar  in  diesem  Orte  selbst, 
wo  am  25.  März  eine  Sattlersfrau  an  Blattern  erkrankte,  wurde 
die  sofortige  Impfung  der  pflichtigen,  sowie  die  ausserordentliche 
Impfung  der  nicht  pflichtigen  Personen  vorgenommen.  Der  Impf¬ 
arzt  impfte  sich  selbst  mit  6  Schnitten,  welche  sich,  nach  10  Tagen 
unter  starker  Spannung  der  Haut  und  erheblicher  Rötung  der 
1  mgebung  zu  grossen  und  vollen  Pusteln  entwickelten.  Die 
Blatternerkrankung  stammte  wahrscheinlich  von  Vaganten  her, 
welche  im  Geschäftsladen  verkehrt  hatten.  Die  Kranke  genas. 
Das  Krankenzimmer  und  alles,  was  mit  ihr  in  Berührung  ge¬ 
kommen  war,  wurde  gründlich  desinfiziert  oder  durch  Feuer  ver¬ 
nichtet.  Am  9.  April  erkrankte  dann  noch  eine  Taglöhnersfrau, 
welche  im  Beginne  der  Erkrankung  der  Sattlersfrau  diese  be¬ 
sucht  hatte,  an  Variolois.  Die  Kranke  wurde  völlig  isoliert. 
Sämtliche  Familienmitglieder  und  Hausgenossen  der  beiden  Blat¬ 
ternkranken  waren  sofort  geimpft  worden.  Weitere  Erkrankungen 
kamen  nicht  mehr  vor. 

Am  io.  April  des  Berichtjahres  kam  der  9  jährige  Sohn  des 
Fassbinders  F.  aus  Böhmen  in  die  Gemeinde  Erkheim  des  Amts¬ 
bezirkes  Memmingen  und  erkrankte  hier  an  Blattern.  Es  wurden  • 
alsbald  die  nötigen  Massregeln  angeordnet.  Die  4  Kinder  des 
Böhmen  wurden  auf  der  Isolierabteilung  des  Distriktsspitals 
untergebracht,  und  sämtliche  Pflegerinnen  und  Insassen  desselben 
geimpft,  dessgleiclien  alle  Personen,  welche  mit  dem  Transporte 
des  Kranken,  sowie  mit  der  Desinfektion  der  mit  ihm  in  Be¬ 
rührung  gekommenen  Gegenstände  zu  tun  hatten.  Auch  die  Im¬ 
pfung  der  Pflichtigen  wurde  tunlichst  beschleunigt,  und  ausser¬ 
dem  auch  erwachsenen  Personen  Gelegenheit  geboten,  sieh  frei¬ 
willig  impfen  zu  lassen,  wovon  jedoch  nur  wenige  Gebrauch  mach¬ 
ten.  Auch  in  den  Amtsbezirken  Kempten,  Weiler  und  Ottobeuren, 
in  welchen  die  böhmische  Familie  auf  ihren  Bettelzügen  durch 
das  Land  genächtigt  und  mit  den  Bewohnern  vieler  Ortschaften 
verkehrt  hatten,  wurden  vorsichtshalber  ausserordentliche  Im¬ 
pfungen  vorgenommen.  Ferner  wurde  auch  in  diesen  Amts- 


090 


MTJENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  50. 


bezirken  die  Abwickelung  der  öffentlichen  Impfung  möglichst  be¬ 
schleunigt.  Weitere  Blatternerkrankungen  kamen  nirgends  menr 

Fälle  von  Widersetzlichkeit  gegen  den  Vollzug  der  Impfung 
kamen  in  5  Regierungsbezirken  vor,  und  zwar  berichten  über  solche 
io  Amtsärzte.  Im  Amtsbezirke  Weillieim  wurde  das  Kind  eine  . 
Gastwirts  trotz  wiederholter  Aufforderung  nicht  zur  Impfung 
gebracht,  und  ist  im  Berichtjahre  auch  nicht  mehr  geimpft  worden. 

Im  Amtsbezirke  Kaiserslautern  war  nach  dem  Berichte  des  hup  - 
arztes  die  in  früheren  Jahren  bedeutende  Zahl  der  Renitenten  in 
allmählicher  Abnahme  begriffen.  Die  noch  vorhandenen  Imp 
gegner  erhielten  besonders  von  zuziehenden  Sachsen  und  VN  urttem- 
bergern  zeitweise  Unterstützung  und  Verstärkung.  In  .Neu¬ 
stadt  a/H.  wurde  in  22  Fällen  von  absichtlichem  W  egbleiben  dei 
Kinder  von  der  Impfung  Strafeinschreitung  verfugt.  Kmer  dei 
Beklagten  appellierte  bis  zum  obersten  Landesgerichte  m  aiun- 
chen.  Im  Amtsbezirke  Speyer  brachte  ein  Schüler,  der  Solm  eines 
Schweizers,  einen  von  seinem  Vater  geschriebenen  Brief,  von 
dieser  erklärte,  dass  der  Knabe  infolge  der  ersten  Impfung  ein 
Auge  eingebüsst  habe,  er,  der  Vater,  sei  nicht  gewillt,  auch  d; . 
andere  Auge  durch  die  Impfung  gefährden  zu  lassen.  Wurde  die 
Impfung  dennoch  vorgenommen  werden,  so  hätte  der  Imptarzt  ai 
Veia nt wortung  zu  tragen.  In  den  Amtsbezirk  ISeustMt  (W  . 
war  ein  Handwerksmeister  zugezogen  mit  nnpfpfinhtigen  Zw  ff 
lingen.  Auf  die  Aufforderung,  ein  ärztliches  Zeugnis  für  die  von 
der  Impfung  weggebliebenen  Kinder  zu  erbringen,  antwortete  ei 
in  roher  Weise,  weshalb  Anzeige  gegen  ihn  erstattet  wurde.  Im 
Amtsbezirke  Kronach  legte  ein  Fabrikbesitzer  auf  die  amtliche 
Aufforderung,  seine  Kinder  zur  Impfung  zu  bringen,  zm  Recht¬ 
fertigung  seiner  Weigerung  die  Schrift  eines  .Natur  heil  Vereins  vor, 
in  welcher  neben  krasser  Schilderung  der  schädlichen  böigen  der 
Impfung  auch  das  bekannte  und  oft  gebrachte  Märchen  zu  lesen 
war  dass  die  Kinder  des  deutschen  Kaisers  auch  nicht  geimpft 
seien.  Er  wurde  zur  Strafe  gezogen,  worauf  er  das  Zeugnis  eines 
Koburger  Arztes  über  die  vollzogene  erfolgreiche  Impfung  in  Yoi- 
lage  brachte.  Ausserdem  wurde  in  den  Amtsbezirken  Erlangen 
und  Nürnberg  gegen  111  Personen  wegen  vorschriftswidrigen 
Wegbleibens  von  der  Impfung  Strafantrag  gestellt.  Darunter  be¬ 
fanden  sich  34  bekannte  Impf  gegner.  Die  übrigen  b  alle  von  V  eg¬ 
bleiben  von  der  Impfung,  welche  zur  Kenntnis  der  Amtsärzte  des 
Landes  kamen,  waren  von  geringerem  Belange. 

Durch  epidemisch  herrschende  Kinderkrankheiten  erfuhr  uei 
Vollzug  der  Impfung  im  Berichtjahre  nur  unerhebliche  Sto- 
r  unge  n  da  grosse  Epidemien  nicht  auftraten.  Auch  in  den¬ 
jenigen  17  Amtsbezirken,  in  welchen  die  Masern  und  der  Keuch¬ 
husten  in  grösser  v  Verbreitung  herrschten,  mussten  bloss  ein¬ 
zelne  Termine  auf  eine  spätere  Zeit  verschoben  werden.  Doch 
wurde  die  Impfung  mit  2  Ausnahmen  überall  noch  im  Bericht.) alire, 
und  zwar  meist  im  September  nachgeholt.  Nur  in  2  Schulen  der 
Stadt  Landau  (Pf.)  wurde  die  Wiederimpfung,  und  in  1  Gemeinde 
des  Amtsbezirks  Beiingries  die  ganze  Impfung  auf  das  nächste 
Jahr  verschoben.  Scharlach-  und  Diphtherieerkrankungen  in  epi¬ 
demischer  Verbreitung  veranlassten  den  Aufschub  der  Impfung 
im  Amtsbezirke  Riedenburg,  ferner  in  einzelnen  Gemeinden  der 
Amtsbezirke  Thurnau,  Alzenau,  Brückenau  und  Amorbach.  Eine 
Störung  der  Impfung  trat  endlich  noch  ein  im  Amtsbezirke  W  eiler 
durch  die  Erkrankung  des  Impfarztes,  welcher  die  rückständige 
Impfung  in  3  Ortschaften  erst  nach  Ablauf  eines  Monats  vor¬ 
nehmen  konnte.  Durch  diese  Verzögerung  hatte  die  Lymphe, 
welche  bei  diesen  letzten  Impfungen  verbraucht  wurde,  eine  Ab¬ 
schwächung  ihrer  Wirksamkeit  erfahren. 

Was  die  Vorschläge  der  Amtsärzte  anlangt,  so  hegen 
solche  aus  15  Amtsbezirken  vor.  Der  Impfarzt  von  Moosburg 
äursert  sich  dahin,  dass  es  zweckmässiger  wäre,  statt  der  Vor¬ 
schrift:  „Der  Impfarzt  ist  von  jeder  Erkrankung,  welche  vor  der 
Nachschau  oder  innerhalb  14  Tagen  nach  derselben  eintritt,  in 
Kenntnis  zu  setzen“,  dem  behandelnden  Arzte  die  V  erpflichtung 
aufzuerlegen,  die  Anzeige  einer  solchen  Erkrankung  durch  oder 
ohne  Vermittlung  der  Distriktspolizeibehörde  an  den  Impfarzt  ge¬ 
langen  zu  lassen,  da  die  Angehörigen  die  oben  genannte  Bestim¬ 
mung  der  Vollzugsvorschrift  doch  nicht  einhalten.  Der  Impfarzt 
von  Germersheim  schlägt  vor,  dass  beabsichtigte  Privatimpfungen 
spätestens  am  Tage  der  öffentlichen  Impfung  schriftlich  dem  Impf¬ 
arzte  mitgeteilt  werden  sollten.  Der  Amtsarzt  von  Hof  wünscht 
eine  Verordnung,  dass  pflichtige  Impflinge,  welche  aus  irgend 
einem  Grunde  der  öffentlichen  Impfung  am  eigentlich  zuständigen 
Orte  fern  bleiben,  unter  Angabe  des  Grundes  vor  oder  spätestens 
an  dem  Termine  der  öffentlichen  Impfung  entschuldigt  werden 
müssten.  Dadurch  würde  eine  ganze  Reihe  von  unnützen  und 
zeitraubenden  Erhebungen  und  Irrtiimern  vermieden.'  Zu  den 
beiden  angeführten  Vorschlägen  ist  nur  zu  bemerken,  dass  es  sehr 
schwierig  sein  dürfte,  eine  für  die  grossen  Städte  und  das  Land 
gültige,  überall  durchführbare  generelle  Bestimmung  zu  treffen. 

Der  Impfarzt  von  Heidenheim  wundert  sich  angesichts  der 
Blatternfälle  in  Dittenheim  mit  Recht  darüber,  dass  es  eine  hau¬ 
sierende  Familie  im  Königreiche  Bayern  fertig  bringen  kann,  mit 
11  ungeimpften  Kindern  im  Lande  herumzuziehen,  ohne  dass  auch 
nur  einmal  nach  den  Impfnachweise  gefragt  wurde.  Es  wäre 
sicherlich  zweckmässig  und  dringend  wünschenswert,  wenn  die 
Bezirksämter  vor  Erteilung  des  Wandergewerbescheins  den  Nach¬ 
weis  der  erfolgreichen  Impfung  verlangen  müssten.  Bezüglich 
der  ausserordentlichen  prophylaktischen  Impfung  der  zugezogenen 
ausländischen  Arbeiter  würde  es  der  Impfarzt  von  Alzenau  füi 
besser  halten,  wenn  dem  Arbeitgeber  bei  Strafandrohung  zur  Auf¬ 
lage  gemacht  würde,  nur  solche  nichtdeutsche  Arbeiter  einzu¬ 
stellen,  die  den  Nachweis  erbringen  können,  dass  sie  innerhalb  der 


letzten  10  Jahre  mit  Erfolg  geimpft  worden  sind,  oder  im  gegen- 
leilieen  Falle  sich  bereit  erklären,  sich  der  Impfung  zu  unterziehen. 

~Die  Verlegung  der  Impftermine  aus  den  Gasthäusern  in  die 
Schulhäuser  scheint  langsam  und  allmählich  vor  sich  zu  gehen, 
wenn  auch  an  einigen  Orten  die  Lehrer  von  dieser  Aeiulerung 
nichts  wissen  wollen.  Auch  die  Wirte  sind  natürlich  mächtig  - 
Gegner  dieser  Einrichtung  und  haben  auch  sonst  noch  allerlei 
Wünsche  wovon  wir  nur  den  einen  anführen  wollen,  dass  ihnen 
die  Vornahme  der  Impfungen  'an  Freitagen  aus  naheliegenden 
Gründen  durchaus  unsympathisch  zu  sein  scheint. 

Die  meisten  Vorschläge  der  Amtsärzte  beziehen  sich  auf  den 
Wortlaut  des  §  4  der  k.  A.  V.  den  Vollzug  des  Impfgesetzes  be¬ 
treffend  vom  21.  Dezember  1899.  Die  angezogene  Bestimmung 
lautet:  .Die  Distriktspolizeibehörde  hat  auf  Antrag  des  Impf  arztes 
die  Impforte  festzusetzen  und  dabei  Sorge  zu  tragen,  das* 
jeder  Ort  seiner  L  a  g  e  nac  li  th  unliebst  he  r  u  c  k  - 
s  i  c  h  t i g  t  und  jede  grösser  e  E  ntfe r n  u  n  g  v  e  r - 
m  ieden  w  i  r  d“.  Der  Berichterstatter  hat  bei  der  seinerzeitigen 
Beratung  der  neuen  Vollzugsvorschrift  seine  Bedenken  gegen  die 
Dehnbarkeit  dieses  Wortlautes  nicht  unterdrücken  können.  Aut 
Grund  der  Durchsicht  der  Berichte  der  Amtsärzte  muss  man  zu  der 
Uebcrzeuguug  kommen,  dass  das,  was  damals  befürchtet  wmde. 
wirklich  da  und  dort  eingetreten  ist.  Wenn  es  sich  nur  darum 
handelte,  fühlbare  Mängel  bei  der  Wahl  der  Impforte  im  Amts¬ 
bezirke  abzuschaffen  und  unangenehm  empfundene  Lucken  auszu¬ 
füllen.  so  könnte  niemand  einer  solchen  sachdienlichen  Vermehrung 
der  Impforte  entgegen  sein,  aber  es  scheinen  doch  auch  hier  lav¬ 
ieren  mitzuspielen,  denen  man  die  Berechtigung  absprechen  muss 
Andererseits  bildet  die  ungemessene  \  ermehrung  der  Imptorte  lhic 
Grenze  in  der  Möglichkeit  des  richtigen  Impfvollzuges,  und  zwar 
sowohl  seitens  der  Zentralleitung  als  auch  seitens  der  impfenden 
Amtsärzte  Ist  bei  dehnbaren  Bestimmungen  eine  Enterbeholde 
an  sich  schon  geneigt,  beim  Vollzüge  den  strengeren  Masstab  an- 
zulegeu,  so  werden  die  Wirkungen  solcher  Bestimmungen  noch 
augenfälliger  sein,  wenn  die  Gemeinden  mit  allerlei  Motu  en  und 
unsachlichen  Gründen  eine  masslose  Vermehrung  der  Impforte  zu 
erstreben  suchen.  So  liegen  aus  mehreren  Amtsbezirken  Aeusse- 
rungen  der  Amtsärzte  vor,  welche  übereinstimmend  dahin  lauten, 
dass  die  Gastw  irte  die  Seele  der  Bestrebungen  für  die  V  ermehrung 
der  Impforte  waren.  Das  bei  der  Impfung  in  Aussicht  stehende 
-ute  Wirtsgeschäft  ist  die  Hauptsache,  und  die  angeblichen  Inter¬ 
essen  des  Publikums  sind  in  Wahrheit  nicht  selten  nur  die  Inter¬ 
essen  des  Gastwirts.  So  wurde  im  Amtsbezirke  Ebersberg  l  ui  eine 
Gemeinde  die  Einsetzung  eines  eigenen  Impftermins  vorgeschlagen, 
in  welcher  2  hierzu  geeignete  Gasthäuser  vorhanden  gewesen 
wären.  Als  dann  der  Impfarzt  erklärte,  hei  der  Bildung  eines 
neuen  Impfdistriktes  nie  in  einem  Gasthause  impfen  zu  wollen  und 
die  Impfung  in  das  Schulhaus  verlegte,  horte  man  vielfach  sagen, 
wenn  man  das  vorher  gewusst  hätte,  so  hatte  alles  beim  Alten 
gelassen  werden  können,  und  ein  neuer  Impfdistnkt  wäre igai  n  <  ht 
notwendig  gewesen.  Andere  Gemeinden  hielten  die  Einteilung 
der  Hundevisitationen  für  ein  ausserordentlich  wirkungsvolles  und 
schwerwiegendes  Motiv,  die  Impfstationen  zu  vermehren  Diese 
Begründung  war  so  schlagend,  dass  daraufhin  in  der  Tat  eine 
eigene  Impfstation  errichtet  wurde.  Schon  regen  sich  vielfach 
die  Klagen  der  Amtsärzte  darüber,  dass  sie  nun  mit  erhöhten  Au. 
gaben  für  Fuhrkosten  belastet  wären,  und  der  Amtsarzt  von 
Mellrichstadt  schlägt  daher  bereits  vor,  Gewährung  von  laggeldem 
und  Rückersatz  von  Fahrausgaben  den  Impfärzten  zu  bew  illigen. 
Der  Amtsarzt  von  Passau  iiussert  den  Wunsch,  es  möge  mit  du 
Errichtung  neuer  Impforte  nicht  zu  weit  gegangen  werden  da 
mit  der  Vermehrung  derselben  die  Beschallung  entspi echend 
Lokale  immer  schwieriger  würde,  und  weil  es  auch  beim  weitesteu 
Entgegenkommen  nicht  möglich  sein  wurde,  alle  Wunsche  zu  be¬ 
friedigen  Der  Amtsarzt  von  Griesbach  macht  den  V  orschlag,  bei 
der  Ausschreibung  der  Impftermine  bekannt  geben  zu  wollen  dass 
es  den  Impfpflichtigen  freigestellt  sei,  den  ihnen  bequemsten  Inipl- 
ort  auszuwählen.  Der  Impfarzt  hätte  dann  nur  noch  einige  Impt- 
listen  von  den  dem  betreffenden  Impforte  angrenzenden  Gemeinden 
mit  sich  zu  führen.  Dem  Amtsärzte  von  Euerdort  und  audeien 
Amtsärzten  gibt  die  Vermehrung  der  Impfstationen  Veranlassung 
zu  dem  Vorschläge,  für  jede  Gemeinde  kleine  Lympheportionen 
abgeben  zu  wollen.  Bei  diesem  Punkte  hat  nun  auch  die  Zentra  - 
imnfanstalt  mitzusprechen,  und  die  Aeusserung  muss  dahin  lauten, 
dass  es  der  k.  Zentralimpfanstalt  absolut  unmöglich  sein  würfle, 
auf  das  erwähnte  Verlangen  der  Amtsärzte  einzugehen.  Wurde 
solchen  bis  ins  Einzelne  gehenden  Wünschen  entsprochen,  so  konn¬ 
ten  auch  die  sofort  laut  werdenden  Wünsche  anderer  Impfarzte 
nicht  unbeachtet  gelassen  werden.  Die  Austeilung  bümieiei 
Lymphemengen  von  z.  B.  20,  27,  30  etc.  Portionen  für  jeden  solchen 
kleinen  Impfort  würde  an  vielen  Tagen  der  Impfzeit,  an  weichen 
z.  B.  10  000  und  noch  mehr  Portionen  Lymphe  zur  \  ersenüung 
.  kommen  müssen,  mit  absoluter  Sicherheit  den  Geschäftsbankerott 
der  k.  Zentralimpfanstalt  zur  Folge  haben.  Die  laufenden  G< 
schäfte  sind  in  dieser  Zeit  an  sich  schon  nur  mit  Anspannung  alle 
verfügbaren  Kräfte  zu  bewältigen.  Mit  dem  zur  Verfügung 
stehenden  Personale  noch  mehr  zu  leisten,  ist  eine  physische  i  u 
möglichkeit,  und  mehr  Personal  einzustellen,  lassen  die  Raum¬ 
verhältnisse  der  Impfanstalt  derzeit  nicht  zu.  Wenn  es  nun  einer¬ 
seits  der  k.  Zentralimpfanstalt  aus  den  dargelegten  Gründen  nicni 
möglich  ist,  ihre  Leistungen  bei  der  Austeilung  der  Lymphebedar  Is¬ 
mengen  auf  einen  noch  höheren  Grad  zu  spannen,  andererseits  auch 
im  Interesse  der  Konservierung  eines  so  empfindlichen  Stoffes,  w  i 
es  die  Tierlymphe  ist,  nicht  rätlich  ist,  ein  Lympheglas  oftmal. 
zu  öffnen,  so  gilt  es  für  die  Beteiligten,  einen  Mittelweg  zu  bilden, 
der  einerseits  berechtigten  Wünschen  der  Bevölkerung  ent- 


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16.  Dezember  1902. 


MUENCIIENER 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


gegenkommt,  aber  auch  andererseits  die  Impfärzte  nicht  zu  schwer 
belastet.  Für  die  Auffindung  eines  solchen  Mittelweges  können  je¬ 
doch  nur  sachliche  Gründe  massgebend  sein. 


Unsere  Hebammen. 

Von  Dr.  Ernst  An  ge  rer,  k.  Bezirksarzt  in  Weilheim. 

(Schluss.) 

Ich  kann  mir  nun  vorstellen,  wie  manche  meiner  Herren 
[vollegen  im  Geiste  die  Hebammen  Ihrer  Gegend  gegenüberstellen 
den  Bildern,  welche  ich  im  Vorhergehenden  vorgezeichnet  habe 
nud  ich  sehe  sie  den  Kopf  schütteln  und  auf  ihrem  Gesichte  den 
Zweifel  ausgeprägt  darüber,  ob  es  möglich  ist  bei  dem  gegen¬ 
wärtigen  Ilebammenmaterial  durch  einen,  solchen  Unterriclitskurs 
einen  Erfolg  zu  erzielen:  ich  kann  sie  aber  alle  versichern,  dass 
i's  durchaus  nicht  so  schwierig  ist.  die  fortgesetzt  gespannteste 
Aufmerksamkeit  der  Schülerinnen  zeigt  gar  bald,  wie  rege  das 
Interesse  an  diesen  Demonstrationen  ist.  Gerade  bei  Frauen  gibt 
es  ja  der  Anknüpfungspunkte  genug  aus  Küche  und  Keller,  von 
denen  ausgehend  man  zuerst  die  Einwirkung  der  Luft  besprechen 
kann,  um  dann  auf  die  Bestandteile  der  Luft,  auf  Gärung,  Zer¬ 
setzung  und  Fäulnis  überzugehen,  Schimmelpilze,  Hefe  etc.  geben 
Gelegenheit  die  Form,  die  Fortpflanzung  und  Vermehrung  der 
Mikroorganismen  klar  zu  machen  und  geht  man  dann  auf  die 
spezifischen  Krankheitserreger  über,  so  befindet  man  sich  auf  ein¬ 
mal  mitten  im  bakteriologischen  Unterricht. 

Sind  die  Hebammen  auf  solche  Weise  mit  dem  antiseptischen 
Verfahren  vertraut  gemacht,  dann  gehören  zwei  Momente  dazu, 
wenn  die  Durchführung  des  antiseptischen  Regimes  für  die  Zu¬ 
kunft  gesichert  sein  soll. 

Fürs  erste  muss  die  Hebamme  immer,  auch  wenn  es  sich 
um  Geburten  bei  vollständig  mittellosen  Personen  handelt,  die  Des¬ 
infektionsmitt;  1  zur  Verfügung  haben,  und  fürs  zweite  muss  sie 
beständig  entsprechend  kontrolliert  und  überwacht  werden. 

Die  Dienstanweisung  vom  9.  Juni  1899  schreibt  in  §  7  den 
Hebammen  vor,  dass  sie  folgendes  vorrätig  halten  und  mit  sich 
führen  muss:  20U  g  Lysol,  100  g  entfettete  Verbandwatte,  1  Paket 
mit  12  Kugeln  reiner  Watte  in  Pergamentpapier  und  1  Paket 
Jodoformgazebinden,  ebenfalls  in  Pergamentpapier  und  mit  den 
obengenannten  12  Kugeln  reiner  Watte  in  einer  Blechbüchse  ver¬ 
packt;  dann  benötigt  sie  zur  Desinfektion  ihrer  Hände  (§  13)  noch 
für  10 — 20  Pfennige  Brennspiritus;  für  diese  Desinfektionsmittel 
und  sterile  (!)  Watte  hat  sie,  wenn  sie  nicht  von  der  Kundschaft 
zur  Verfügung  gestellt  —  oder  von  der  Gemeinde  bezahlt,  oder  aus 
anderen  öffentlichen  Mitteln  geliefert  werden  —  1  Mark  zu  ver¬ 
langen  (§  3  der  Gebührenordnung);  ein  Betrag,  um  den  kein  Apo¬ 
theker  auf  der  Welt,  das  zu  einer  Entbindung  notwendige  Material 
abgeben  kann  — -  und  die  Hebammen  müssen  nach  §  7  der 
Dienstanweisung  diese  Stoffe  aus  der  Apotheke  beziehen. 

Diese  Vorschriften  können  unbeanstandet  Hebammen  gegeben 
werden,  welche  antiseptisch  gebildet  sind,  für  unsere  heutigen 
Hebammen  und  unsere  moderne  antiseptische  Zeit  ist  aber  eine 
Vorschrift  mit  dem  Paket  von  12  Kugeln  und  dem  Paket  Jodo¬ 
formgaze  eine  Vorschrift,  die  viel  Unheil  anrichten  kann  und  schon 
angerichtet  haben  wird.  Man  stelle  sich  nur  die  Tätigkeit  der 
Hebamme  auf  dem  Lande  vor,  oft  2  —3  Monate  lang  keine  Ent¬ 
bindung,  die  vorgeschriebene  Watte  und  die  Wattekugeln,  das 
Paket  Jodoformgaze,  von  welchen  Materialien  bei  der  letzten  Ent¬ 
bindung  ein  Teil  entnommen  wurde  und  die  zu  dieser  Zeit  Stunden 
lang  offen  in  dem  betreffenden  Zimmer  der  Gebärenden  gelegen 
waren,  werden  wieder  in  das  alte  Pergamentpapier  gewickelt  und 
in  die  Blechbüchse  verschlossen.  Dort  ruhen  sie  in  der  Hebammen¬ 
lasche,  wenn  sie  nicht  - —  wie  ich  selbst  einmal  sah  —  unterdessen 
von  neugierigen  Kindern  als  willkommenes  Spielzeug  gebraucht 
worden  waren.  Bei  der  nächsten  Entbindung  werden  sie  von  der 
Hebamme  mit  ihren  heutigen  antiseptischen  Begriffen  ohne  jedes 
Bedenken  zu  einer  Tamponade  bei  einer  blutenden  Wöchnerin  be¬ 
nützt!  Und  da  wundert  man  sich,  dass  trotz  der  umfassenden 
Vorschriften  der  Dienstanweisung  immer  wieder  Kindbettfieber 
zur  Anzeige  kommt! 

Watte  und  Verbandstoff  müssen  zu  jeder  Geburt  frisch 
besorgt  werden,  loses  Aufbewahren  der  Watte  in  Papier  wäre  un¬ 
bedingt.  zu  verbieten,  ein  angebrochenes  Wattepaket- sollte  später 
nicht  mehr  verwendet  werden  dürfen,  ein  Aufheben  zu  späterer 
Verwendung  wäre  unbedingt  zu  untersagen. 

Ich  habe  in  meinem  Bezirke  eine  Einrichtung  getroffen,  die 
gewiss  überall  zur  Nachahmung  empfohlen  werden  dürfte.  Die 
Hebammen  des  Bezirkes  beziehen  um  den  Preis  von  1  M.  50  Pf. 
vom  hiesigen  Apotheker  Pfeife  r  e  r  gesetzlich  geschützte  Pappe¬ 
kästchen  in  der  Grösse  von  12,5  X  12.5  X  15,2  cm,  also  sehr  hand¬ 
liche  Form,  mit  50  g  Lysol,  50  g  Salicyl,  100  g  steriler  Bruns- 
scher  Watte  und  75  ccm  absoluten  Alkohol.  Der  Brennspiritus, 
wie  er  in  §13  der  Dienstanweisung  empfohlen  wird,  belästigt  durch 
den  penetrant  ekelhaften  Geruch  der  zur  Denaturirung  verwende¬ 
ten  Pyridinbasen  gar  viele  Gebärende  in  hohem  Grade  und  sollte 
aus  diesem  Grunde  nicht  gebraucht  werden.  Dann  noch  15  g  Ung. 
boricum  zur  Behandlung  des  Nabels,  jedoch  in  einer  Blechtube 
mit  Schrauben  Verschluss,  um  jede  Verunreinigung  bei  der  Ent¬ 
nahme  zu  verhüten.  Die  Kästchen  sind  plombiert,  Kästchen  mit 
verletzten  Plomben  dürfen  nicht  verwendet  werden,  der  Inhalt 
eines  Kästchens  soll  bei  einer  Geburt  aufgebraucht  werden,  Rück¬ 
stände  bleiben  im  Besitze  der  Wöchnerin  und  dürfen  von  der  Heb-  1 


amme  nicht  mitgenommen  werden.  J>ie  Hebamme  hat  die  Wöch¬ 
nerin  oder  deren  Angehörige  zu  belehren,  wie  sie  den  Rest  des 
Lysols  zu  Desinfektionszwecken  bei  eventuellen  kleineren  Ver¬ 
letzungen  zu  verwenden  haben.  Den  Hebammen  wurde  aufs 
eindringlichste  und  unter  Hinweis  auf  Art.  230  des  R.Str.G.B.  und 
Art.  823  des  B.G.B.  eingeschürft,  zu  jeder  Geburt  ein  solches  Käst¬ 
chen  mit  den  darin  enthaltenen  Materialien  zu  .verbrauchen. 
Weiterhin  hat  der  Distriktsrat  in  der  verständigen  Würdigung, 
dass  jede  an  Kindbettfieber  erkrankte  Wöchnerin  eine  Gemein¬ 
gefahr  bedeutet,  sich  bereit  erklärt,  die  Kosten  für  diese  Kästchen 
zu  übernehmen,  falls  deren  Bezahlung  von  der  Wöchnerin  ab¬ 
gelehnt  würde;  für  diesen  Fall  hat  die  Hebamme  In  der  Monats¬ 
tabelle  bei  der  betreffenden  Geburt  einen  entsprechenden  Vermerk 
zu  machen  und  erhält  dann  aus  der  Distriktskasse  den  Betrag 
ausbezahlt.  In  den  ersten  Monaten  wurde  diese  Kasse  ja  in  An¬ 
spruch  genommen,  seit  einer  Reihe  von  Monaten  wurden  jedoch 
sämtliche  benötigten  Kästchen  anstandslos  von  den  betreffenden 
Wöchnerinnen  bezahlt.  Die  Hebamme  hat  nun  durchaus  keine 
Ausrede  mehr,  dass  die  Desinfektionsmittel  nicht  bezahlt  werden 
und  sind  dieselben  nun  für  jede  Entbindung  in  brauchbarer  Quali¬ 
tät  und  genügender  Quantität  unbedingt  vorhanden. 

Schon  weiter  oben  wurde  festgelegt,  worin  die  Thätigkeit  der 
heutigen  Hebamme  zu  bestehen  hat.  Ihre  Dienstleistung  bei  der 
Geburt  ist  ja  schliesslich  eine  einfache,  nachdem  überall  Aerzte 
genug  vorhanden  und  auch,  dank  den  modernen  Verkehrserleichte¬ 
rungen,  überall  leicht  und  rasch  zu  haben  sind,  kommt  die  Heb¬ 
amme  wohl  äusserst  selten  in  die  Lage,  in  den  Gang  der  Geburt 
manuell  und  operativ  einzugreifen.  Was  wir  in  der  Praxis  von 
der  Hebamme  verlangen,  ist  eine  genaue  erste  Untersuchung,  dann 
eine  exakte  Beobachtung  des  Geburtsverlaufes  mit  richtigem  Er¬ 
kennen  der  Regelwidrigkeiten,  und  dann  möglichst  frühzeitige  Be¬ 
schaffung  ärztlicher  Hilfe.  Diesen  Teil  ihrer  Tätigkeit  besorgen 
die  Hebammen  wohl  überall  gleich  zur  allgemeinen  Zufriedenheit. 
In  dieser  Beziehung  kommen  sie  schon  sehr  gut  unterrichtet  und 
mit  grosser  Fertigkeit  aus  der  Schule  und  die  längere  Tätigkeit 
und  Praxis  besorgt  von  selbst  eine  immer  grösser  werdende  Ge¬ 
wandtheit  und  Routine. 

Was  aber  die  Hebamme  bei  jeder  Geburt  in  erster  Linie  und 
am  meisten  zu  beachten  hat,  und  worauf  meines  Erachtens  und 
nach  meiner  Beobachtung  auch  in  der  Schule  noch  zu  wenig  Ge¬ 
wicht  gelegt,  wird,  das  ist  die  Desinfektion  und  das  antiseptische 
Verfahren.  Es  muss  angestrebt  und  auch  erreicht  werden,  dass 
die  Hebamme  dieses  Verfahren  nicht  bloss  schablonenhaft  aus¬ 
übt,  die  Hebamme  muss  die  Prinzipien  der  Antisepsis  verstehen 
und  begreifen  lernen,  nur  dadurch  kann  die  zweckentsprechende 
Anwendung  garantiert  werden.  Die  verständige  und  exakte 
Durchführung  des  antiseptischen  Verfahrens  durch  die  Hebamme 
ist  heutzutage  das  wichtigste  Erforderniss  und  dieser  Teil  muss  iu 
erster  Linie  bei  der  amtsärztlichen  Prüfung  und  Kontrolle  der 
Hebammen  berücksichtigt  werden. 

Nach  §  41  der  Dienstanweisung  obliegt  nicht  nur  die  Beauf¬ 
sichtigung  und  Kontrolle  der  Hebammen  den  Bezirksärzten,  es 
obliegt  ihnen  auch  die  Belehrung  und  Fortbildung  der  Hebammen. 
Zu  diesem  Zwecke  haben  sich  sämtliche  Hebammen  des  Ver¬ 
waltungsbezirkes  alljährlich  einer  Prüfung  durch  den  Bezirksarzt 
zu  unterziehen,  welche  sich  auf  den  gesamten  Umfang  des  zum 
Unterricht  in  den  bayerischen  Hebammenschulen  eingeführten 
Lehrbuchs  zu  erstrecken  hat;  die  Prüfung  muss  eine  schriftliche 
und  mündliche  sein,  und  sollen  bei  dieser  auch  sämtliche  Requi¬ 
siten  und  Gerätschaften  des  Hebammenapparates  einer  Besichti¬ 
gung  unterstellt  werden. 

Von  diesen  amtsärztlichen  Prüfungen  schreibt  schon  im  Jahre 
188(i  Prof.  A  h  1  f  e  1  d  -  Marburg:  „Man  wird  doch  nicht  glauben 
wollen,  dass  die  durch  die  Kreisphysici  vorzunehmenden  Nach¬ 
prüfungen  der  Hebammen  irgend  welchen  Wert  für  die  Fort¬ 
bildung  der  Hebamme  haben  sollen“,  und  betont  mit  Recht,  dass 
es  viele  Amtsärzte  geben  wird,  die,  im  übrigen  hervorragende  Medi¬ 
zinalbeamte,  sich  doch  nie  mit  Geburtshilfe  praktisch  beschäftigt 
haben,  mit  Uebernahme  ihrer  amtsärztlichen  Stellung  sollen  sie 
auch  sogleich  die  Befähigung  besitzen,  Hebammen  zu  unterrichten. 

Ich  bin  gewiss  zu  der  Frage  berechtigt,  haben  diese  amts¬ 
ärztlichen  Hebammenprüfungen  überhaupt  jenen  Wert,  den  man 
ihnen  bisher  beilegte?  Wie  ich  schon  oben  auseinandersetzte,  ist 
eine  Prüfung  und  Fortbildung  nach  der  rein  hebammentechnischen 
Seite  überhaupt,  wenigstens  bei  den  meisten  Hebammen,  unnötig, 
das  was  den  Hebammen  fehlt  und  was  sie  heutzutage  in  erster 
Linie  besitzen  sollen  —  Kenntnis  und  Verständnis  der  Antisepsis 
■-  das  lässt  sich  überhaupt  nicht  mit  Worten  lehren,  am  wenigsten 
mit  ein  paar  Worten  gelegentlich  der  amtsärztlichen  Prüfung. 

Was  den  schriftlichen  Teil  der  amtsärztlichen  Prüfung  der 
Hebammen  betrifft,  so  werden  gewiss  sämtliche  Amtsärzte  mit 
mir  übereinstimmen,  dass  diese  Prüfung  sowohl  für  die  Beurtei¬ 
lung  der  Kenntnisse  einer  Hebamme  als  für  ihre  Fortbildung 
gänzlich  wertlos  ist.  Unsere  Landhebammen  ohne  Ausnahme  sind 
durchaus  nicht  im  stände,  selbst  das,  was  sie  wirklich  wissen,  in 
einer  einigermassen  verständlichen  Weise  auf  dem  Papier  zum 
Ausdruck  zu  bringen.  Dazu  fehlt  ihnen  vor  allem  heutzutage 
noch  die  entsprechende  Vorbildung  und  dann  jede  Uebung.  Die 
Amtsärzte  kennen  ja  zur  Genüge  die  schriftlichen  Elaborate,  ich 
kann  mir  aber  doch  nicht  versagen,  einige  Proben  solcher  schrift¬ 
licher  Antworten  den  nichtamtlichen  Kollegen  zur  Kenntnis  zu 
bringen.  Bei  der  diesjährigen  amtsärztlichen  Prüfung  hiess  die 
Frage  der  schriftlichen  Prüfung:  Was  hat  die  Hebamme  zu  tun, 

5* 


Nu.  50. 


)D2 


MUENC1IENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wenn  sie  zu  einer  Schwangeren  gerufen  ist  und  erkannt  hat,  dass 
die  Geburt  im  Beginne  ist? 

Von  den  schriftlichen  Beantwortungen  lasse  ich  2  Proben  von 
älteren  und  2  von  jüngeren  Hebammen  folgen. 

I.  Man  mus  sich  zerst  die  Iländ  reingen  und  untersuchen, 
was  für  eine  Lag  und  Stelle  hat,  ob  die  Blase  springfertig,  dann 
kan  man  die  Geburt  anfange. 

R.  P.,  approb.  1864,  Note  II. 

II.  Sie  hat  dasGebährbed  herzuricken  und  Reine  Unterlage  ein- 
legen  und  sich  indesfeckziehe,  dann  die  Gebährende  gründlich 
waschen,  die  Gelechteile  und  Schenkl.  Das  der  Darm  entlehrt 
wird  und  auch  die  Urinblas. 

A.  M.,  approb.  1872,  Note  II. 

III.  Wenn  ich  bei  der  Schwangeren  ankomme,  so  ist  das  erste, 
dass  ich  frage,  in  welchem  Monate  die  Schwangerschaft  ist  und 
ob  sie  Wehen  hat.  Dann  untersuche  ich  üusserlich,  dass  ich  weiss, 
welche  Lage  das  Kind  hat  und  ob  ich  Kindsbewegung  und  die 
Herztöne  höre.  Dann  wasch  ich  mich  wie  auch  die  I  rau,  damit 
ich  sehe  ob  der  Muttermund  geöffnet  ist  und  wie  weit  und  ob 
nichts  vorliegt  und  ob  das  becken  nicht  verenkt  ist. 

Th.  Th.,  approb.  1899,  Note  III. 

IV.  Die  Hebamme  muss  die  Händedesinfektion  mit  lau¬ 
warmen  Wasser  und  Seife  5  Minuten  und  dann  mit  Lysollösung 

Minuten  und  dann  mit  Spiritus.  Dann  Reinige  ich  die  Kreissende 
und  dann  nehme  ich  die  Innere  Untersuchung  vor  wenn  die  Geburt 
im  Gang  ist.  Dann  darf  ich  die  Kreissende  auf  keinen  Fall  mehr 
verlassen,  zuerst  muss  ich  die  äussere  Untersuchung  vornehmen. 

R.  K.,  approb.  1901,  Note  II. 

Wer  nun  diese  4  Hebammen  und  ihre  Berufstätigkeit  kennt, 
der  würde  mir  zugestehen  müssen,  dass  die  Beantwortung  obiger 
Frage  keinen  Masstab  abgibt  zur  Beurteilung  ihrer  Kenntnisse; 
denn  alle  4  Hebammen  sind  sehr  tüchtig. 

Die  mündliche  Prüfung  ist  vielleicht  eher  geeignet,  sich  über 
die  Kenntnisse  einer  Hebamme  ein  Bild  zu  machen,  aber  auch  diese 
ist  nicht  ohne  weiteres  massgebend,  denn  gar  oft  spielt,  w  ie  eiten 
bei  allen  Prüfungen,  Zufall,  Befangenheit,  Fragestellung  etc.  eine 
grosse  Rolle.  Die  einzige  Möglichkeit,  sich  von  der  Tüchtigkeit 
einer  Hebamme  zu  überzeugen,  bietet  zuverlässig  nur  die  Be¬ 
obachtung  der  Hebamme  am  Kreissbette.  Leider  ist  diese  einzig 
mul  allein  zweckentsprechende  und  erspriessliche  Kontrolle  und 
Prüfung  der  Hebammen  nur  bei  jenen  ausführbar,  die  am  M  ohn¬ 
sitze  des  Amtsarztes  ihre  Tätigkeit  ausüben,  die  weiter  entfernt 
wohnenden  Hebammen  am  Kreissbette  zu  kontrollieren  und 
nötigenfalls  zu  belehren,  ist  einerseits  schon  wiegen  der  örtlichen 
Entfernung  schwer  möglich,  andererseits  wäre  diese  Art  der  Kon¬ 
trolle  für  den  Amtsarzt  sehr  kostspielig. 

Ebenso  wertlos  wie  die  schriftliche  Prüfung  ist  auch  die  Be¬ 
sichtigung  des  Hebammenapparates.  Die  Hebamme  muss  den 
Termin  der  amtsärztlichen  Prüfung  einige  Zeit  vorher  erfahren  und 
diese  Zeit  wird  zur  Instandsetzung  der  Instrumente  gewöhnlich 
sehr  gut  verwendet,  dieselben  sind  blank  geputzt,  wenn  sie  auch 
in  der  Regel  in  einer  alten,  unbeschreiblich  schmutzigen  Tasche 
zur  Visitation  gebracht  werden,  ob  sie  aber  dann  nochmals 
während  des  Jahres  so  schön  geputzt  werden,  ist  eine  andere  Frage. 
Ein  sehr  beliebter  Termin  zur  amtsärztlichen  Besichtigung  des 
Hebammenapparates  ist  der  Termin  der  öffentlichen  Impfung, 
doch  auch  dieser  Tag  ist  durch  betr.  Ausschreiben  schon  lange 
vorher  den  Hebammen  bekannt.  Eine  vielfach  geübte  Gepflogen¬ 
heit  der  Hebammen  besteht  auch  darin,  die  dem  Amtsärzte  vor¬ 
gezeigten  Instrumente  schön  geputzt  in  der  Tasche  zu  Hause  zu 
lassen  und  für  den  Beruf  Instrumente  zu  gebrauchen,  die  der 
Amtsarzt  nie  zu  Gesichte  bekommt.  Das  sind  Beobachtungen  und 
Ergebnisse  aus  der  Praxis  und  alle  Amtsärzte  werden  wohl  die 
gleiche  Erfahrung  gemacht  haben. 

Kontrolle,  Prüfung  und  Visitation  haben  nur  einen  Wert,  wenn 
sie  unverhofft  und  unangemeldet  ausgeführt  werden  können.  Die 
Hebamme  sollte  nie  sicher  sein,  dass  der  Vorgesetzte  Arzt  nicht 
plötzlich  in  ihre  Wohnung  oder  an  das  Kreissbett  tritt,  an  dem  sie 
gerade  tätig  ist,  alle  ihre  Manipulationen,  insbesondere  die  Des¬ 
infektion  beobachtet,  die  Gerätschaften  auf  ihre  Sauberkeit  und 
Vollständigkeit  prüft,  sich  davon  überzeugt,  ob  sie  auch  in  allen 
ihren  Handlungen  die  antiseptischen  Grundsätze  befolgt  und  sie 
im  Anschluss  an  den  vorliegenden  Fall  über  das  und  jenes  prüft. 
Man  muss  bei  den  Landhebammen  immer  im  Auge  behalten,  dass 
sie  eben  doch  ungebildete  Personen  sind  und  dass,  wenn  auch 
noch  viel  mehr  von  ihrer  Vorbildung  verlangt  werden  sollte,  ihr 
jeweiliger  Bildungsgrad  doch  niemals  in  einem  ihrem  verant¬ 
wortungsvollen  Berufe  angepassten  Verhältnisse  stehen  wird;  und 
aus  diesem  Grunde  ist  immer  zu  befürchten,  dass  die  Hebamme, 
auch  wenn  sie  noch  so  gut  unterrichtet  und  verständig  ist,  nur 
zu  leicht  wieder  lässig  und  unachtsam  wird  — ■  besonders  hinsicht¬ 
lich  der  Antisepsis  —  wenn  sie  nicht  stets  zweckentsprechend 
kontrolliert  und  überwacht  wird. 

Eine  erfolgreiche  Kontrolle  und  Beaufsichtigung  ist  nur  bei 
jenen  Hebammen  durchzuführen,  die  am  Wohnsitze  des  Amts¬ 
arztes  tätig  sind,  für  die  entfernteren  Hebammen  müssten  zur 
Beaufsichtigung  und  I Überwachung  auch  prakt.  Aerzte  beigezogen 
werden  und  zwar  in  der  Weise,  dass  der  betr.  Arzt  für  die  in 
seinem  Praxisrayon  tätigen  Hebammen  als  Aufsichtsarzt  auf¬ 
gestellt  und  als  solcher  auch  honoriert  wird.  In  Mecklenburg,  wo 
dieser  Modus  seit  Jahren  schon  besteht,  erhält  der  Aufsichtsarzt 


pro  Jahr  und  Hebamme  15  M.  und  die  Aerzte  dort  übernehmen 
das  Amt  eines  Aufsichtsarztes  sehr  gerne  und  zwar  mehr  um  der 
Sache  und  ihrer  Stellung  gegenüber  den  Hebammen  willen,  als 
wegen  der  Bezahlung.  Dieser  Aufsichtsarzt  hat  die  Pflicht,  die 
Hebammen  alljährlich  mindestens  2  mal  am  Kreissbett  zu  kon¬ 
trollieren  und  zwar,  um  Kollisionen  mit  anderen  Aerzten  zu  ver¬ 
hüten.  bei  Frauen  aus  seiner  Klientel.  Die  Hebamme  hat  ihm  am 
Schlüsse  des  Monats  die  Monatstabellen  vorzulegen  und  werden 
von  ihm  jene  Geburten,  wo  er  zur  Kontrolle  gegenwärtig  war, 
mit  einem  entsprechenden  Vermerk  versehen.  Ausserdem  hat  dei 
Aufsichtsarzt  die  Pflicht,  die  Hebamme  zu  prüfen  und  zwar  am 
Kreissbett  bei  Ausübung  ihres  Berufes,  dort  ihre  Requisiten  zu  be¬ 
sichtigen.  sich  ausserdem  auch  über  die  persönlichen  und  sonstigen 
Verhältnisse  der  Hebammen  zu  informieren,  kurz  im  ganzen  so 
zu  verfahren,  als  ob  die  Hebamme  „in  seinem  Interesse  und  in 
seinem  Dienste  tätig  wäre“.  Alljährlich  bei  der  Dezembertabelle 
hat  der  Aufsichtsarzt  eine  Gesamtqualifikation  der  Hebamme  ab¬ 
zugeben.  Lautet  die  Qualifikation  gut,  dann  bleibt  die  Hebamme 
von  der  amtsärztlichen  Prüfung  befreit,  enthält  sie  aber  irgend 
einen  Vermerk  über  ungenügende  oder  nicht  vorschriftsmässige 
Desinfektion,  über  Berufsüberschreitung  oder  Nachlässigkeit  im 
Berufe,  dann  wird  die  Hebamme  vom  Amtsarzt  vorgeladen  und 
■wird  ihr  im  Hinblick  auf  den  Vermerk  eine  Belehrung  oder  auch 
eine  Rüge  gegeben. 

Dass  eine  solche  Beaufsichtigung  von  eminentem  Werte  sein 
müsste,  würde  der  Erfolg  bald  lehren  und  dass  sie  leicht  durch¬ 
zuführen  wäre,  dafür  bürgt  die  Bereitwilligkeit  der  praktischen 
Aerzte,  die  sich  stets  gerne  an  allen  sanitären  Bestrebungen,  die 
dem  öffentlichen  Wohle  dienen,  beteiligt  haben  und  auch  jetzt 
schon  vielfach  an  der  Fortbildung  der  Hebammen  theilnelimen. 
Auch  in  meinem  Bezirke  haben  einige  prakt.  Aerzte  in  anerkennens¬ 
werter  Bereitwilligkeit  eine  solche  Ueberwachung  der  entferntest 
wohnenden  Hebammen  übernommen  und  die  grosse  Verantwort¬ 
lichkeit  des  Amtsarztes  in  dieser  Richtung  hiedurch  wesentlich  er¬ 
leichtert.  . 

Durch  diese  Art  der  Beaufsichtigung  fielen  die  bisher  üblichen 
alljährlichen  Prüfungen  durch  den  Amtsarzt  weg,  die  Hebamme 
wird  zu  einer  ausserordentlichen  amtsärztlichen  Nachprüfung  nui 
dann  veranlasst,  wenn  sie  nach  Mitteilung  des  betr.  Aufsichtsarztes 
sieh  Nachlässigkeit  oder  Unregelmässigkeit  in  Ausübung  ihres  Be¬ 
rufes  hat  zu  Schulden  kommen  lassen.  Diese  Prüfung  durch  den 
Amtsarzt  würde  von  selbst  alsbald  bei  den  Hebammen  den  Cha¬ 
rakter  einer  Strafe  annehmen;  durch  Sorgfalt  und  Gewissenhaftig¬ 
keit  würde  die  Hebamme  trachten,  sich  derselben  zu  entziehen. 
Bei  dem  dermaligen  Modus  der  Beaufsichtigung  ist  es  ja  das 
ganze  Jahr  unmöglich,  die  Hebamme  bei  Ausübung  ihres  Berufes 
zu  kontrollieren  aus  den  eben  angeführten  Gründen,  bei  dem  vor- 
gcsclilagenen  Modus  der  Ueberwachung  durch  benachbarte  Aerzte 
müsste  die  Kontrolle  der  Berufstätigkeit  der  Hebammen  eine  sehr 
erfolgreiche  werden.  Dem  Bezirksarzte  sollte  nur  die  Aufsicht 
über  die  Hebammen  seines  Wohnsitzes  obliegen,  sodann  die  Auf¬ 
sicht  über  die  aufgestellten  Aufsichtsärzte  und  die  allgemeine 
Oberaufsicht  über  das  gesamte  Hebammenpersonal  des  Bezirkes. 

Aus  vorstehendem  dürfte  zu  entnehmen  sein,  dass  das  Heb¬ 
ammenwesen  in  Bayern  in  vielen  Punkten  einer  Reorganisation 
bedürftig  ist  und  wären  für  eine  solche  folgende  Hauptgesichts¬ 
punkte  vorzuschlagen: 

1.  Strengere  Anforderungen  bei  Auswahl  der  Schülerinnen, 
hauptsächlich  mit  Rücksicht  auf  ein  besseres  Verständnis  der 
Antisepsis. 

2.  Materieller  Besserstellung  der  Hebammen  durch  Bildung 
grösserer  Bezirke,  event.  Zuschüsse  aus  öffentlichen  Kassen  und 
eine  entsprechende  Altersfürsorge. 

3.  Verlängerung  des  Hebammenkurses. 

4.  Unterricht  für  die  älteren  Hebammen  in  der  Antisepsis. 

5.  Kostenlose  Lieferung  der  Desinfektionsmittel  in  der  Armen¬ 
praxis. 

6.  Einführung  einer  zweckmässigeren  Kontrolle  und  Beaut 
siehtigung  der  Hebammen. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Deutsche  Chirurgie.  Lieferung  16 :  F.  Marchand:  Der 
Prozess  der  Wundheilung  mit  Einschluss  der  Transplantation. 

Mit  108  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen.  Stuttgart, 
Enke,  1901. 

Die  den  Pi’ozess  der  Wundheilung  behandelnde  Lieferung  16 
des  gross  angelegten  Werkes  wurde  von  dem  bekannten  patho¬ 
logischen  Anatomen  M.  bearbeitet,  dem  zumal  in  Rücksicht  aut 
eigene  eingehende  histologische  Studien  auch  die  ITebersicht  der 
zahlreichen  diesbezüglichen  Literatur  und  der  histologischen 
Studien  anderer  Forscher  leichter  ermöglicht  war  als  einem 
Chirurgen.  Unter  Voranstellung  der  umfangreichen  Literatur 
behandelt  M.  zunächst  in  einem  allgemeinen  Teil  den  Begrift 
der  Wunde,  Geschichte  und  Vorgang  der  Wundheilung  in  ihren 
verschiedenen  Formen,  die  Rolle  der  Bakterien  und  Toxine  hie¬ 
bei  und  die  Neubildung  und  Regeneration  der  Gewebe,  bei  der 
!  im  allgemeinen  die  Regel  feststeht ,  dass  die  Regeneration  nur 
von  dem  Gewebe  der  gleichen  Art  ausgeht  und  dass  die  eigent- 


16.  Dezember  1902. 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


liehen  Irager  der  reproduktiven  Fähigkeit  die  Zellkerne  sind. 
,1  Besprechung  der  verschiedenen  Theorien  der  Wundheilung 
betont  M.  u.  a.  die  Bedeutung  der  chemotaktischen  Vorgänge 
und  werden  die  histologischen  Details  an  den  Zellen  selbst  und 
den  einzelnen  Gewebselementen,  die  Bedeutung  der  Leukocyten 
und  1  lasmazellen  etc.  eingehend  besprochen,  die  folgenreiche  Ent¬ 
deckung  der  indirekten  Kernteilung  etc  entsprechend  gewürdigt 
und  trotz  gegenteiliger  Angaben  daran  festgehalten,  dass  die 
Lindegewebszellen  des  Granulations-  und  Narbengewebes  nicht 
aus  ausgewanderten  Leukocyten,  sondern  aus  den  vorhandenen 
Bindegewebszellen  hervorgehen.  Die  Neubildung  der  Gefässe 
des  Fettgewebes  wird  erörtert  und  besonders  betreffs  der 
Epithelneubildung  der  Satz  als  unbestritten  hervorgehoben,  dass 
das  neugebildete  Epithel  stets  von  dem  alten  ausgeht  und  dass 
die  früher  eine  Entstehung  aus  dem  Granulationsgewebe  vor¬ 
tauschenden  Epithelinseln  inmitten  grosser  Granulationsflächen 
auf  die  oft  in  der  Tiefe  noch  unverletzten  Epithelreste  in  Ilaar- 
bälgen  und  Knäueldrüsen  zurückzuführen  sind.  —  Bei  der  Be¬ 
sprechung  der  direkten  Wundheilung  betont  M.,  dass  die  grosse 
Mehrzahl  der  primär  heilenden  Wunden  keineswegs  frei  von 
pathogenen  Bakterien  sei,  und  erwähnt  die  bakteriziden  Eigen¬ 
schaften  des  normalen  W  undsekrets.  Der  eigentliche  Vorgang 
dti  Primärheilung  wird  an  Präparaten  von  Zungenschnittwunden 
histologisch  studiert  und  gezeigt,  dass  die  erste  Vereinigung  der 
Wunden  gefässhaltiger  Teile  durch  eine  Verklebung  der  Wund¬ 
ränder  durch  Fibrin  zu  stände  kommt,  der  die  Rundzellen¬ 
infiltration  und  Wucherung  des  Bindegewebes  folgt,  wie  es  zu¬ 
mal  an  Schnittwunden  der  menschlichen  Plaut  (O.  Fischer 
und  0.  Busse)  verfolgt  wurde.  Des  weiteren  wird  dann  auch 
die  Heilung  unter  dem  Schorf  besprochen  und  ebenso  eingehend 
dann  die  Heilung  durch  Granulationsbildung  histologisch  dar¬ 
gestellt  (an  Präparaten  von  Zungenamputationswunden)  und 
der  Prozess  der  fibrillären  Umwandlung  der  Granulationszellen 
studiert,  ebenso  der  Bau  der  Abszessmembran  etc.  etc. 

Im  zweiten,  speziellen  Teil  wird  sodann  die  Wundheilung  der 
Oigane  und  einzelnen  Gewebe  besprochen,  d.  li.  die  der  Horn¬ 
hautwunden,  Sehnen-,  Knorpel-,  Knochen-,  Muskel-,  Serosa-, 
Lungen-,  Leber-  etc.  Wunden  und  dabei  die  speziellen  Eigen¬ 
heiten  der  einzelnen  Formen,  unter  Berücksichtigung  der  zahl¬ 
reichen  neueren  Arbeiten  gewürdigt,  u.  a.  z.  B.  betreffs  der 
Rückenmarkswunden  hervorgehoben,  dass  auf  Grund  der  Tier-' 
a  ersuche  eine  für  die  Wiederherstellung  der  Funktion  in  Be¬ 
tracht.  kommende  Regeneration  (auch  der  Leitungsbahnen)  aus- 
zuschliessen  sei.  Sodann  wird  die  Einheilung  von  Fremdkörpern 
(staubförmiger,  poröser  und  fester)  eingehend  besprochen  und 
hierbei  in  W  ort  und  Abbildung  eine  reiche  Kasuistik  vorgeführt, 
sowie  auch  die  für  die  praktische  Chirurgie  bedeutungsvolle 
Einheilung  von  Elfenbein,  Celluloid  und  anderweitige  Hetero- 
plastik  entsprechend  gewürdigt.  Bei  der  Besprechung  der  Trans¬ 
plantation,  der  Anheilung  abgetrennter  Teile  bespricht  M.  das 
von  verschiedenen  Bedingungen  abhängige  „Eigenleben  der  Ge- 
websteile“  etc.,  die  Geschichte  der  Transplantation  und  speziell 
die  R  e  v  e  r  d  i  n  -  und  P'hiersch  sehen  Hautüberpflanzungen, 
sowie  die  Ueberpflanzungen  von  Schleimhaut,  Kornea,  von 
Knorpel,  Periost  und  Knochen,  wie  die  letzteren,  speziell 
durch  die  Untersuchungen  von  O  1 1  i  e  r,  Barth,  Sch  m  i  d  t, 

M  o  s  s  e,  in  ausgedehnter  Weise  studiert  sind  und  besonders  zur 
Deckung  von  Schädeldefekten  grosse  Bedeutung  haben.  M. 
kommt  nach  seinen  Darlegungen  zu  dem  Schluss,  dass  (histo¬ 
logisch  betrachtet)  einmal  ausgelöste  Knochenfragmente  in  der 
Hauptsache  dem  Absterben  verfallen  und  bei  ihrer  Einheilung 
allmählich  durch  neugebildetes  Knochengewebe  ersetzt  werden. 
Auch  die  Einheilung  abgetöteten  (mazerierten,  spongiösen  und 
geglühten)  Knochens  wird  des  näheren  angeführt  und  auch  die 
Le-  und  Transplantation  von  Zähnen,  Drüsen  (Schilddrüse  etc.), 
Muskel-  und  Nervengewebe  an  der  Hand  der  zahlreichen  ex¬ 
perimentellen  Arbeiten  besprochen.  Zahlreiche  Abbildungen, 
meist  histologischer  Präparate,  erleichtern  das  Verständnis  und 
A\iid  das  alle  wichtigeren  neueren  Arbeiten  in  dem  betreffenden 
Gebiet  berücksichtigende  Marcha  n  d  sehe  Werk  für  alle,  die 
sieh  für  die  feineren  Vorgänge  des  Wundheilungsprozesses  inter¬ 
essieren,  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  sein.  Sehr. 

Medizinische  Klinik  Breslau  (Prof.  Käst).  XVIII. 
Wintersemester  1901/02. 

In  derselben  Weise  wie  die  von  dem  jeweiligen  klinischen 


2093 


Assistenten  der  Ziem  s  s  e  n  sehen  Klinik  besorgten  Diarien, 
sind  die  Semesterberichte  der  medizinischen  Klinik  Breslau  (Prof. 
K  a  s  t)  als  Manuskript  gedruckt.  Im  Wintersemester  1901/02 
(No.  XVIII)  gelangten  119  Fälle  zur  klinischen  Vorstellung. 
Aussei  dem  wurden  poliklinisch  noch  98  Fälle  von  Praktikanten 
untersucht.  Am  reichhaltigsten  war  das  Material  an  akuten  In- 
fektionskr ankheiten  und  an  Krankheiten  des  Nervensystems. 
In  der  Menge  der  Schulfälle  sind  besonders  instruktiv :  Fall  9, 
der  die  Tenazität  des  Scharlachvirus  zu  beweisen  scheint;  Fall  14, 
Venenthrombose  nach  Typhus  am  82.  Krankheitstage;  ferner: 
Fall  41,  wo  eine  „eigenartige  Form  der  Leukocytose“  die  Dia¬ 
gnose  „myeloide  Leukämie“  veranlasst  hatte  (Myelocyten 
31,0  Proz.,  polynukleäre  32,0,  eosinophile  7,5,  grosse  mono- 
nukleäre  2,0,  Mastzellen  10,5,  Lymphocyten  17,0).  Das  Verhält¬ 
nis  W : R  betrug  allerdings  nur  1:50  im  Durchschnitt;  die  Ab¬ 
nahme  der  Erythrocyten  im  Vergleich  zur  Vermehrung  der 
weissen  Elemente  war  aber  eine  exzessive.  Die  Sektion  des  nur 
15  Monate  alten  Kindes,  bei  dem  die  Untersuchung  der  inneren 
Organe  mehr  als  doppelt  schwierig  sein  musste,  ergab  indessen 
eine  alte  Tuberkulose  in  den  Bronchialdrüsen  und  im  linken 
Lungenoberlappen  und  miliare  Tuberkulose  der  Leber, 
Milz,  Nieren.  Das  Knochenmark  ohne  Abweichung 
von  der  Norm.  Dr.  Struppler.  " 

A.  Pollatschek  -  Karlsbad :  Die  therapeutischen 
Leistungen  des  Jahres  1901.  Wiesbaden,  Bergmann. 

Zum  13.  Male  liegt  das  P  o  1 1  a  t  s  c  h  ek  sehe  Jahrbuch  in 
gleich  sorgfältiger  Bearbeitung  vor.  Mit  grossem  Fleiss  sind  alle 
für  den  Praktiker  wichtigen  Neuerungen  der  Therapie  aus  der 
gesamten  Literatur  zusammengetragen  und  übersichtlich  alpha¬ 
betisch  geordnet.  Es  ist  ausserordentlich  bequem,  sich  so  in  kur¬ 
zer  Zeit  über  den  Stand  nahezu  jeder  Frage  der  Therapie  unter¬ 
richten  zu  können.  Für  den  vielgeplagten  Praktiker  ist  das 
Werk  ein  vortreffliches  Nachsehlagebuch,  für  denjenigen,  der 
mehr  zu  Literaturstudien  kommt,  bietet  es  eine  gute  Wieder- 
llolun£-  K  recke. 

Max  Nassauer:  Doktorfahrten.  Aerztliches  und 
Menschliches.  Verlag  von  Ferdinand  Enke,  Stuttgart  1902. 

1  oi  kuizem  ist  ein  Buch  erschienen:  „Beichten  eines  prak¬ 
tischen  Arztes,  von  Weressaje wr“.  Ein  interessantes  Buch 
von  einem  schlechten  Arzte;  oder  noch  richtiger  gesagt,  von 
einem,  der  Arzt  heisst,  aber  keiner  ist.  Ein  Glück,  dass  der 
Verfasser  zum  Ergebnis  kam,  seine  Praxis  aufzugeben.  Wer  so 
rat-  und  hilflos  gegen  sich  selbst  und  das  Leben  ist,  kann  anderen 
nicht  raten  und  helfen. 

Welcher  Gegensatz  zu  den  „Doktorfahrten“  Nassauers! 
Ein  warmfühlender,  liebenswürdiger  Mensch,  der  selbst  in 
schweren  Lebenslagen  als  höchstes  Ziel  vor  Augen  hat,  das 
Schwere  leicht  zu  machen,  den  Unbeholfenen  zu  helfen,  Bitteres 
zu  lindern.  Und  welcher  Humor,  der  die  kleinen  Erzählungen 
durchweht!  Der  Doktorgaul  hatte  mit  der  Peitsche  eins  be¬ 
kommen  und  in  gekränktem  Selbstgefühl  ausgeschlagen,  die 
Stränge  zerrissen  und  die  Deichsel  abgebrochen.  „Nun  stand  ich 
mitten  auf  der  Landstrasse,  weit  und  breit  kein  Mensch.  Ich,  der 
zehn  Semester  Medizin  studiert  hatte,  viele  Leichen  seziert, 
manche  Sehnenstränge  zusammengeflickt  hatte  - —  da  stand  ich 
und  hatte  keine  Ahnung,  wie  man  Wagenstränge  näht,  wie  man 
eine  zerbrochene  Deichsel  heilt!“  Das  kluge  Rapperl  brachte 
seinen  jungen  Doktor  doch  wohlbehalten  heim,  aber  es  endete 
später  durch  Selbstmord  —  weil  es  einen  betrunkenen  Postillon 
fahren  musste.  Wer  kennt  das  brave  Rapperl  nicht,  wenn  er  je 
als  vielgeplagter  Landdoktor  herumkutschiert  ist  ?  Und  dann  die 
Geschichte  vom  Italiener  —  wohl  auf  dem  Kesselberg!  Den 
einer  in  kalter  Winternacht,  wie  er  des  süssen  Alkohols  voll  zu 
erfrieren  drohte,  bei  den  Beinen  gepackt  und  die  steile  Berg¬ 
strasse,  den  Kopf  auf  dem  Boden,  hinabgezerrt  hatte.  Der  Doktor 
hat  dann  den  zerschundenen  Kopf  zusammengeflickt  und  dem 
Kranken  eine  warme  Lagerstätte  gewährt.  Andern  Tags  —  was 
tut  der  Italiener?  Vergnügt  mit  einem  Auge  aus  dem  dick¬ 
geschwollenen  Schädel  unter  seinem  noch  dickeren  Verband  her- 
vorblinzelnd  steht  er  unten,  und  weil  er  kein  Geld  hat,  sägt  er 
dem  braven  Doktor  Holz!  Oder  eine  andere  Geschichte:  „Das 
ist  die  Welt  der  Knechte“.  Wie  der  Feuerwehrhäuptling  und 
Uhrmacher .  vom  Doktor  dazu  gebracht  werden  soll,  eine  °Bade- 
stube,  die  einzige  des  Ortes,  einzurichten  und  wie  er  sich  das  hin 


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MUENCHENER  M EDICINISOIIE  W OCHEN SCHRIFT. 


No.  50. 


und  her  überlegt  —  lange  —  immer  länger  —  ja,  er  überlegt  es 
heute  noch!  Dann  „Die  projektierte  Eisenbahn“  und  „Die  ge¬ 
leimte  Zehe  des  Herrn  Amtsrichters“  und  alle  die  herzigen, 
liebenswürdigen  Geschichten,  wie’s  halt  einem  rechtschaffenen 
Doktor  auf  dem  Lande  draussen  Tag  für  Tag  ergeht  —  das  soll 
man  selber  lesen.  Wer  einem  Kollegen  eine  frohe  Stunde  und 
eine  liebe  Weihnaohtsgabe  schenken  will,  der  kaufe  ihm  das  Küch¬ 
lein  —  und  noch  besser,  er  kaufe  es  sich  selbst  und  dem  andeien 


auch  eines! 


Gustav  Klei  n. 


Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  47.  Band,  1.  u.  2.  Heft. 

Nekrolog  für  R.  V  i  r  c  h  o  w. 

DK.  V.  .1  a.  k  s  c  li  -  Prag:  lieber  die  Verteilung  der  st'ckstott- 
haltigen  Substanzen  im  Harne  des  kranken  Menschen. 

Der  Verfasser  bestimmte  im  Harne  bei  seinen  Untersuchungen 
den  Gesamtstickstoff  nach  Kjeldalil,  den  Stickstoffgehalt  des 
durch  Fällen  mit  dem  Fhosphorwolframsäure-Salzsauregemisch  ei- 
zielteu  Niederschlages,  welcher  den  Stickstoff  etwaigen  Eiweisses, 
des  Ammoniaks,  der  Purinkörper,  des  Kreatinins,  etwaiger  1  la¬ 
mme,  der  Oarbaminsäure,  des  Cystins,  des  Rhodanwasserstoffes  und 
teilweise  der  Harnfarbstoffe  enthält;  ferner  wurde  nach  Sc  lion  - 
rtorff  der  Harnstoff,  endlich  der  gesamte  durch  Pliosphor- 
wolframsiiure  nicht  fällbare  Stickstoff  bestimmt.  Durch  Subtrak¬ 
tion  des  Harnstoffstickstoffes  von  letzterem  erhalt  man  den  sog. 
Mnidosiiurestiekstoff.  zu  welchem  Hippursäure,  Heuern,  lyrosm, 
Kreatin  Indoxvl.  Skatoxyl.  Allantoin  und  Oxyprotemsauren  etc. 
beitragen.  Die  an  7  verschiedenartigen  Nierenerkrankungen  vor¬ 
genommenen  Untersuchungen  ergaben  nur  eine  mehr  o dm- minder 
grosse  Harnstoffretention,  ohne  dass  dafür  andere  stickstoffhaltige 
Körper  in  vermehrter  Menge  ausgeschieden  wurden.  2  Falle  von 
Lebercirrhose  und  1  Phosphorvergiftung  Hessen  eine  bedeutende 
Vermehrung  des  Amidosäurestickstoffs  auf  Kosten  des  Harnstoffs 
erkennen.  Dasselbe  zeigten  2  Fälle  von  myelogener  Leukämie. 
Bei  einem  Fall  von  Ankylostomaanämie  und  einem  fall  von 
Akromegalie  war  die  Hauptmenge  des  Stickstoffs  in  Form  von 
Harnstoff  vorhanden,  bei  einem  Basedow  mul  bei  _  ballen  von 
konstitutioneller  Syphilis  war  dasselbe  (vielleicht  in  etwas  ge¬ 
ringerem  Masse)  zu  konstatieren.  Ein  Fall  von  Diabetes  msipidus 
dagegen  zeigte  sehr  starke  Vermehrung  der  Amldosäuren  aut 
Kirsten  des  Harnstoffs.  2  Fälle  von  Pneumonie  Hessen  keine  sehr 
wesentliche  Aenderung  der  Verteilung  auf  die  einzelnen  Kom¬ 
ponenten  des  Stickstoffs  erkennen.  Bei  einem  Fall  von  Lungen¬ 
tuberkulose  war  die  prozentische  Menge  des  Niederschlagsstiek- 
stoffs  auffallend  hoch.  Bei  einem  Tetanus  puerperalis  war  keine 
wesentliche  Verschiebung  in  den  einzelnen  Komponenten  zu  be¬ 
obachten;  dagegen  war  endlich  bei  3  Fällen  von  Ahdominaltyplius 
der  Anteil  des  Amidosäurestickstoffs  auf  Kosten  des  Harnstoffs 
bedeutend  vermehrt.  Diese  Resultate  sind  noch  msoferne  mit 
Vorbehalt  zu  verwerten,  als  bei  der  Harnstoffbestimmung  nach 
Schöndorff  infolge  eines  Druckfehlers  nicht  die  vorgeschne- 
bene  Phosphorsänremenge  verwendet  wurde,  wodurch  möglicher¬ 
weise  der  Amidosäurenstickstoff  zu  ungunsten  des  Harnstoff  Stick¬ 
stoffs  zu  hohe  Werte  bekam. 

2)  Paul  May  er -Berlin-Karlsbad:  Experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  '  Kohlehydratsäuren.  (Aus  dem  chemischen 
Laboratorium  des  pathol.  Instituts  in  Berlin  von  Salkowski.) 

Zn  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

3)  M  e  n  z  er:  Serumbehandlung  hei  akutem  und  chronischem 
Gelenkrheumatismus.  (Aus  der  III.  med.  Klinik  Senat  oi  s  in 

Berlin.)  ,  .  _  ,  ,, 

Der  Verfasser  Hess  durch  die  Firma  M  e  r  c  k  m  Dannstadt 
grosse  Tiere  mit  Reinkulturen  von  Streptokokken,  welche  er  selbst 
aus  den  Tonsillen  von  Gelenkrheumatismuskranken  im  akuten 
Stadium  gezüchtet  hatte,  immunisieren  und  verwendete  das 
Immunsernm  dann  zur  Behandlung  von  verschiedenen  Fällen. 
Nach  der  Ansicht  des  Verfassers  ist  die  Infektion  beim  akuten 
Gelenkrheumatismus  keine  sprungweise;  sondern  der  sprungweise 
Charakter  ist  der  Reaktion  auf  die  erfolgte  Infektion  eigentüm¬ 
lich.  Das  Serum  des  Verfassers  ruft  nun  bei  chronischem  Gelenk¬ 
rheumatismus  nur  in  den  erkrankten  Gelenken  eine  Reaktion 
h  »rvor,  welche  häufig  Besserung  und  Heilung  zur  Folge  hat.  Bei  den 
mit  Serum  behandelten  akuten  Gelenkrheumatismen  dauerte  das 

Fieber  0'/, _ 9 ys  Tage  durchschnittlich,  die  Gelenkaffektion  G  bis 

7  Tage.  Rezidive  wurden  nicht  beobachtet.  Trotz  anfangs  aus¬ 
gesprochener  klinischer  Symptome  von  seiten  des  Herzens  waren 
häufig  bei  der  Entlassung  normaler  Herzbefund  oder  nur  un¬ 
bedeutende  Störungen  zu  konstatieren.  Bei  chronischem  Gelenk¬ 
rheumatismus  und  bei  Rheumatismus  liodosus  war  entschieden 
ein,,  deutliche  günstige  Beeinflussung  der  chronisch  erkrankten 
Gelenke,  welche  unter  der  Einwirkung  des  Serums  in  akute  Ent¬ 
zündung  gerieten,  zu  konstatieren.  Auch  andere  Streptokokken¬ 
infektionen,  wie  Pneumonie,  Mischinfektion  bei  Phthise,  clno- 
nische  Nephritis  mit  Streptokokkenausscheidung  im  Harn,  zurück¬ 
geblieben  von  Scharlach,  wurden  durch  das  Serum  günstig  beein¬ 
flusst  bezw.  nicht  verschlimmert.  Von  Nebenwirkungen  der  In¬ 
jektionen  sind  hie  und  da  starke  Scliweissausbrtiche  beim  I  ieber- 
abfall,  während  des  Fiebers  Kopfweh,  Hälzschmerzen,  Erytheme, 
urtikariaälinliche.  sowie  masern-  und  scharlachartige  Exan¬ 
theme  beobachtet  worden.  Die  Serumbehandlung  wirkt  nicht 
durch  rasches  Unterdrücken  des  Prozesses,  sondern  durch  \  er- 


stiirkung  des  natürlichen  Heilbcstrebens,  die  Erreger  m  ihren 
Depots  zu  vernichten.  Als  Dosis  empfiehlt  Verfasser  anfangs  täg¬ 
lich  r, _ io  ccm  zu  injizieren;  meist  reichen  im  ganzen  ob  io  ccm 

Serum  aus  bei  akuten  Fällen. 

4)  (4.  Lang:  lieber  die  Resistenz  der  roten  Blutkörperchen 
gt^en  hypoisotonische  NaCl-Lösungen  bei  Magenkiebs.  ) Aus 
der  diagnostischen  Klinik  für  innere  Krankheiten  an  der  kaiserl. 
militä r-med.  Akademie  in  Petersburg  [Leiter:  Jaiiowski]). 

Der  Verfasser  fand  bei  seinen  Untersuchungen,  bei  welchen 
Blut  zuerst  mit  0.5  ccm  0,4  proz.,  dann  mit  soviel  0,2  proz. 

Na  t’l-Lösung  vermischt  wird,  bis  dahintergehaltene  Schrift  zu 
lesen  ist,  dass  bei  Magenkarzinom  der  Resistenzgrad  der  roten 
Blutkörperchen  höher  ist  als  bei  anderen  Magenkrankheiten. 
Während  bei  dem  Magenkarzinom  die  roten  Blutkörperchen  ^durch¬ 
schnittlich  erst  bei  einer  Konzentration  der  Lösung  von  0,3125  Proz. 
gelöst  worden,  tritt  die  völlige  Auflösung  bei  anderen  Magen¬ 
krankheiten  schon  bei  <>.3470  proz.  Lösungen  ein.  Wahrscheinlich 
Avird  diese  Resisteiizvermehrung  durch  die  toxischen  Produkte  des 
Karzinoms  hervorgerufen,  wenn  man  auch  über  die  Art  und 
yyejse,  Avie  diese  Kesistenzerhöhung  zu  stände  kommt,  kaum  Hypo¬ 
thesen  entstellen  kann. 

5)  H.  R  o  s  i  n  und  L.  L  a  b  a  n  d:  Ueber  spontane  Lävulosurie 
und  Lävulosämie.  (Aus  der  k.  I  niversitätspoliklinik  Senat  o  l  s 
zu  Berlin  und  dem  chemischen  Laboratorium  des  pathol.  Instituts 
Salk  o  av  s  k  i  s.) 

Nach  einer  kurzen  Uebersiclit  über  die  Literatur.  be_i^ welcher 
jedoch  der  Fall  von  M  a  y  (Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  57,  p.  279) 
fehlt,  berichten  die  Verfasser  über  ihre  Untersuchungen  von  dia¬ 
betischen  Hamen,  bei  av  eichen  sie  in  einer  grossen  Zahl  der 
Uäile  die  S  e  1  i  av  a  n  o  f  f  sclie  Reaktion  positiv  fanden.  Die  Ver¬ 
gleichung  der  Ergebnisse  der  Polarisation  mit  jenen  dei  1  itiation 
mit  F  eli  li  n  g  scher  Lösung  bei  gleichzeitigem  negativen  Aus¬ 
fall  der  Reduktion,  Drehung  und  S  e  1  i  w  a  n  o  f  f  sehen  Reaktion 
nach  der  Vergärung  ergab,  dass  es  sich  um  Lävulose  handelte. 
Diese  Annahme  Avurile  dann  Aveiter  noch  dadurch  bestätigt,  dass 
cs  gelang,  nach  dem  N  e  u  b  e  r  g  sehen  \  erfahren  mit  Metliyl- 
Phenylliydrazin  die  Lävulose  A'on  der  Dextrose  zu  trennen.  Damit 
Avar  der  Beweis  geliefert,  dass  auch  Lävulose  bei  vielen  Diabetes¬ 
fallen  in  beträchtlicher  Menge  zur  Ausscheidung  gelangt.  Die 
Untersuchung  des  Blutserums  bei  einem  Falle  ergab  auch  nach 
Aorlieriger  Enteiweissung  starke  Seliwanoff  sehe  Reaktion, 
Avelclie  nach  der  Vergärung  verschwand.  Bei  einem  Fall  war  die 
gleichzeitig  ausgescliiedene  Glukosemenge  so  minimal,  dass  ei  als 
reine  Lävulosurie  angesprochen  Averden  konnte.  Der  Harn  zeigte 
eine  Linksdrehung  von  1  Proz.  (auf  Traubenzucker  bezogen).  Ein¬ 
gabe  von  Fruchtzucker  vermochte  eine  Steigerung  der  Lävulose- 
aussclieidung  nicht  zu  erzielen,  durch  Glukosezufuhr  Avurde  die 
Linksdrehung  nicht  erheblich  vermindert.  Das  Blutserum  der 
Patientin  ergab  auch  starke  S  e  1  i  w  a  n  o  f  f  sehe  Reaktion  und 
•Linksdrehung  von  0,9  Proz.  (auf  Traubenzucker  bezogen).  Nach 
Vergärung  war  die  S  e  1  i  w  a  n  o  f  f  sehe  Reaktion  und  die  Links¬ 
drehung  verseil Avunden.  so  dass  auch  liier  eine  Lävulosämie  ange¬ 
nommen  Averden  muss.  Bei  einer  späteren  Untersuchung  der 
Patientin  konnte  abermals  keine  alimentäre  Steigerung  der  Lävu¬ 
losurie  erzielt  werden.  Die  Linksdrehung  des  Harnes,  die  Seli- 
av  a  n  o  f  f  sehe  Reaktion  und  die  W  erte  der  rl  itration  mit  I  e  li  - 

1  i  n  g  scher  Lösung  batten  im  Harn  bedeutend  abgenommen,  das 
Blutserum  aber  zeigte  noch  starke  Linksdrehung  und  starke  S  e  1  i  - 
av  a  n  o  f  f  sclie  Reaktion.  Die  Verfasser  nehmen  demnach 

2  Gruppen  a'ou  Lävulosurie  und  Lävulosämie  an,  die  eine  betrifft 

die  Fälle  ohne  bedeutende  Glukoseausscheidung,  die  andere  jene 
Fälle  von  Diabetes,  bei  welchen  neben  der  Glukose  Lävulose  im 
Harn  und  Blut  nachzuAveisen  ist.  Zum  Schlüsse  empfehlen  die 
Verfasser  noch  die  Anstellung  der  S  e  1  i  w  anof  f  sclien  Reaktion 
zur  vorläufigen  Orientierung  bei  allen  Anomalien  des  Koblehydrat- 
stoff  AA’eelisels.  Ij  i  n  d  e'  in  a.  n  n  -  ^Münclii  n. 

Klinisches  Jahrbuch.  10.  Bd.  1.  Heft. 

Ludloff:  Zur  Pathogenese  und  Therapie  der  angeborenen 
Hüftgelenksluxation. 

L.  berichtet  an  der  Hand  von  23  Krankengeschichten  und  von 
zahlreichen  Röntgenbildern  über  die  Erfahrungen,  welche  die 
Kölligsberger  chirurgische  Klinik  mit  der  Lorenz  sehen  Methode 
gemacht.  Besonders  ausführlich  ist  die  Analyse  der  patliologiseli- 
anatomisehen  Befunde,  basierend  auf  den  Konturenkopien  der 
Pliotograimne,  behandelt.  Eingeselilossen  sind  Untersuchungen 
am  fötalen  Becken,  die  über  verschiedene  Punkte  der  Pathogenese 
Aufklärung  bringen.  Seggel  jun.-München. 

Centralblatt  für  Chirurgie.  1902.  No.  47  u.  48. 

No.  47.  V  os- Riga:  Die  Eröffnung  des  Sinus  cavernosus 

bei  Thrombose.  . 

Da  der  Krausesche  Weg  zum  Ganglion  Gassen  bei  Mims- 
eiterung  nicht  genügenden  Sekretabfluss  gewährleisten,  würde,  .so 
empfiehlt  V.  ein  Verfahren  der  Resektion  der  Schädelbasis  mit  mög¬ 
lichst.  grosser  Ausdehnung  in  die  Tiefe;  er  benutzte  in  einem  lalle 
das  Lex  er  sehe  Vorgehen  mit  temporärer  Resektion  des  Joch¬ 
beines  und  nahm  (in  sitzender  Stellung,  zur  Vermeidung  venöser 
Blutung  und  Zurückhalten  des  Gehirns  mit  breitem  Spatel)  die 
Basis  bis  zum  For.  ovale  und  rotundum  fort,  so  dass  es  ihm  ge 
lang  den  Sinus  cav.  in  6—8  mm  Ausdehnung  zu  eröffnen,  »ui 
Ca vernosustli rombose  vom  Auge  aus  empfiehlt  Verfasser  eine  v  er 
bindung  der  K  r  ö  n  1  e  i  n  sehen  Operation  in  vergrössertem  Mass 


16.  Dezember  1902. 


2095 


MUENCItENEli  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


stab  mit  seinem  Vorgehen,  da  bei  der  gleichzeitigen  Eröffnung  der 
Orbita  auch  möglichst  ausgiebige  Drainierung  möglich  ist.  Ver¬ 
fasser  lässt  es  fraglich,  ob  die  Eröffnung  des  Sinus  cav.  noch  etwas 
/ui  Rettung  beitragen  kann  und  ob  etwa  bei  raschem  Uebergreifen 
des  Prozesses  von  einem  Sinus  cav.  auf  den  anderen  man  event. 
genötigt  ist,  die  Operation  beiderseits  auszuführen.  Ist  die  Art. 
meiiing.  inedia  von  ‘Stärkerem  Kaliber,  so  muss  sie,  sofort  wie  sie 
zu  Gesicht  kommt,  unterbunden  werden,  um  unliebsame  Blutungen 
zu  vermeiden  (K  r  a  u  s  e). 

Xo.  48.  Kurt  Bartholdy:  Vereinfachtes  Verfahren  zur 
Stereoskopie  von  Röntgenbildern. 


R.  empfiehlt,  um  das  umständliche  und  photographische  Kennt¬ 
nisse  erfordernde  Verkleinern  der  Originalplatte  zu  vermeiden 
(da  auch  das  Beurteilen  der  Tiefendimensoii  bei  solchen  ver- 
kleineiten  1  latteu  erschwert  wird),  aut  solche  Verkleinerung  und 
das  gewöhnliche  Stereoskop  ganz  zu  verzichten  und  an  dessen 
Stelle  einen  einfachen  30:  40  grossen  Pappekasten  mit  entsprechen¬ 
der  Scheidewand  und  eingesetztem  Prisma  (statt  prismat.  Linsen) 
zu  benützen,,  so  dass  man  mit  dem  einfachen  und  billigen  Apparat 
die  Originalplatten  betrachten  kann,  sobald  sie  getrocknet. 


k  ritz  R  e  h  m  -  München:  Vorschlag  zur  Vereinfachung  der 
Naht  bei  Anwendung  des  Murphyknopfes. 

Um  das  relativ  komplizierte  und  zeitraubende  Anlegen  einer 
Tabaksbeutelnaht  bei  Einnähung  des  Murphyknopfes  zu  umgehen, 
benützte  R.  bei  einem  Tierversuch  zur  Enteroanastomose  nur  einen 
Schnitt,  der  etwa  dem  Durchmesser  des  anzu wendenden  Knopfes 
entsprach,  führte  eine  Hälfte  ein,  drängte  sie  gegen  einen  der 
Wundwinkel  und  fixierte  sie  durch  eine  Knopfnaht,  so  dass  der 
Knopf  unter  einem  gewissen  Druck  zwischen  einem  Wundwinkel 
und  der  Knopfnaht  eingeklemmt  (event.  wenn  durch  die  eine  Naht 
kein  vollkommener  Schluss  erzielt,  kann  noch  eine  zweite  an 
gelegt  werden).  Während  die  ein«»  Knopfhälfte  gehalten  wird, 
damit  sie  nicht  in  den  Darm  schlüpft,  wird  ebenso  auch  die  andere 
Knopfhälfte  befestigt  und  beide  vereinigt,  event.  noch  eine  Serosa- 
naht  darüber  angelegt.  Bei  dem  Tierversuch  ging  der  Knopf 
glatt  am  4.  Tage  ab. 

Zur  Vereinigung  des  vollkommen  durchtrennten  Darms  wird 
nach  II. s  Vorschlag  (Tierversuch)  ein  dem  Durchmesser  des 
Darmlumens  entsprechender  Murphyknopf  mit  zwei  oder  mehr 
einander  gegenüber  liegenden  Knopfnähten  an  den  beiden  zu  ver¬ 
einigenden  Enden  fixiert.  S  c  li  r. 


Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  16.  Bd. 
8.  Heft. 


1)  J.  Bond  i- Wien:  Ueber  den  Bau  der  Nabelgefässe. 

Die  Meinungsverschiedenheit  über  den  Aufbau  und  in  der 

Frage  des  Verschlusses  der  Nabelgefässe  bestimmte  Verfasser  zur 
Untersuchung  der  Nabelschnur.  Dabei  legte  er  besonderen  Wert 
auf  die  Darstellung  der  elastischen  Substanz  (U  n  nasche  Orcein- 
färbung  und  Weigert  sches  Verfahren)  und  fand  in  allen  Fällen 
in  der  Wand  der  Arterie  zwei  Muskellagen,  eine  äussere  Ring¬ 
muskulatur,  arm  an  Bindegewebe  und  elastischer  Substanz,  und 
eine  innere,  sehr  zarte  Längsmuskulatur,  reich  an  Bindegewebe 
und  elastischer  Substanz  (elastisch-muskulöse  Lage). 

Die,  innere  Muskulatur  ist  der  Intima  zuzurechnen,  da  sich 
häufig  zwischen  den  beiden  Muskellagen  eine  elastische  Membran 
nachweisen  lässt,  nach  Analogie  bei  anderen  Gelassen  die  Grenze 
zwischen  Intima  und  Media.  Alle  Buckel  im  Verlauf  der  Gefässe 
stellen  Kontraktionserscheinungen  dar;  Klappen  fehlen. 

Bei  den  Venen  findet  sich  unter  dem  Endothel  regelmässig  eine 
gut  ausgebildete  elastische  Grenzmembran.  Klappen  sind  nicht 
nachzuweisen. 

Der  Verschluss  der  Arterien  geht  so  vor  sich,  dass  die  ring¬ 
förmige  Muskulatur  durch  Kontraktion  der  Gefässe  verengt, 
während  hauptsächlich  die  Kontraktion  der  mit  Elastika  unter¬ 
mischten  Innenmuskulatur  das  Lumen  durch  buckelartiges  Vor¬ 
treiben  des  Endothels  verschliesst. 

2)  M.  S  e  m  o  n  -  Danzig:  Ueber  Komplikation  der  Geburt  mit 
Ovarialtumoren,  Ovariotomia  abdominalis  inter  partum  mit 
nachfolgender  Entbindung  per  vias  naturales. 

Vortrag,  gehalten  auf  der  73.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  zu  Hamburg. 

3)  J.  A.  Amann  jr.-Miinchen:  Zur  Technik  der  transperi¬ 
tonealen  Exstirpation  des  karzinomatösen  Uterus  mit  Becken¬ 
ausräumung,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Ureteren- 
deckung  und  der  Drainage  der  Beckenhöhle. 

In  der  Technik  der  extraperitonealen  Uterusexstirpation  bei 
Karzinom  hat  Verfasser  seit  seiner  ersten  Operation  dieser  Art 
einige  Abänderungen  getroffen,  die  sich  besonders  auf  den  Schutz 
lebenswichtiger  Organe  und  auf  die  Versorgung  der  grossen 
M  undhölile  beziehen.  A.  legt  grosses  Gewicht  auf  die  Exstir¬ 
pation  der  Lymphdriiseu  im  Zusammenhang  mit  den  Lympli- 
bahnen.  Beim  Ausschälen  des  Lig.  rotundum  finden  sich  sehr  oft 
in  der  Gegend  des  inneren  Leistenringes  karzinomatöse  Drüsen. 
Diese  sind  zunächst  mit  den  Lyinphbalinen  der  hinteren  Becken¬ 
wand  zu  entfernen.  Dabei  erreicht  man  bald  den  Ureter,  die 
A.  uterina  und  vesicalis.  Um  bei  der  notwendigen  ausgiebigen 
Entfernung  des  Beckenbindegewebes  die  Ernährung  der  Biase  und 
des  Ureters  nicht  zu  stören,  schont  Verfasser  einmal  unter  der 
ganzen  Operation  die  freipräparierte  A.  vesicalis;  der  vollkommen 
freigelegte  Ureter  wird  der  seitlichen  Rektumwand  angelagert  und 
mit  der  von  der  vorderen  Beckenwand  abgelösten  und  nach  hinten 
geschlagenen  Blase  überdeckt;  die  seitlichen  Teile  der  Blase  wer¬ 
den  mit  der  Rektumwand  vernäht. 


Die  Drainage  darf  mit  dem  Ureter  nicht  in  Berührung 
kommen.  Deshalb  drainiert  der  Verfasser  nicht  mehr  nach  der 
Vagina,  sondern  führt  einen  Glas-  oder  Gummidrain  seitlich  neben 
der  \  agina  zur  \  ulva  im  Bereich  der  grossen  Schamlippen  heraus. 
Die  oberen  seitlichen  Beckengruben  werden  nur  mit  wenig  Jodo- 
fonngaze  durch  die  seitlichen  Wundwinkel  drainiert.  Die  Ver¬ 
kleinerung  der  Wundhöhle  ist  eine  auffallend  rasche. 

4)  C.  Ahlefelder  -  Greifswald:  Klinische  und  anatomische 
Beiträge  zur  Genitaltuberkulose  des  Weibes. 

Den  von  Polano  aus  der  Greifswalder  Klinik  mitgeteilten 
Fällen  von  Genitaltuberkulose  reiht  Verfasser  15  weitere  Fälle  an. 

Nach  dem  beobachteten  Material  stellt  die  Genitaltuberkulose 
vorwiegend  eine  Erkrankung  des  zeugungsfähigen  Alters  dar. 
Die  Frauen  mit  dieser  Erkrankung  sind  entweder  überhaupt  steril 
oder  sie  haben  nach  der  Erkrankung  die  Fortpfianzungsfäliigkeit 
eingebüsst.  Schuld  daran  ist  die  in  den  meisten  Fällen  erkrankte 
Tube  mit  ihren  Veränderungen.  Vorwiegend  werden  gesunde, 
kräftige  Frauen  ohne  Disposition  und  ohne  erbliche  Anlage  be¬ 
fallen  (unter  den  15  Fällen  war  nur  in  einem  Fall  tuberkulöse 
Erkrankung  einer  Schwester  der  Patientin  nachzuweisen). 

Wichtig  ist  der  Nachweis  anderweitiger  tuberkulöser  Erkran¬ 
kungen. 


Alle  Fälle  wurden  operativ  behandelt  :  5  mal  Laparotomie, 
6  mal  Kolpotomie  mit  eventueller  Resektion  der  erkrankten  Teile, 
4  mal  lotalexstirpation,  •*>  Todesfälle,  einige  Wochen  post  opera- 
tionern,  darunter  2  an  durch  die  Operation  ungünstig  beeinflussten 
Lungenaffektionen,  einer  an  Meningitis. 

Bei  vorgeschrittener  Tuberkulose  anderer  Organe,  besonders 
der  Lungen,  ist  bei  tuberkulöser  Genitalerkrankung  von  einem 
operativen  Eingriff  abzusehen. 

o)  Iv  r  ö  n  i  g  -  Leipzig:  Zur  Frage  der  Verwertbarkeit  der 
Lungenschwimmprobe  bei  Keimgehalt  der  Uterushöhle. 

Entgegen  der  Annahme  von  Ungar  hält  Iv.  auf  Grund  des 
mikroskopischen  und  bakteriologischen  Verhaltens  der  von 
Hits  e  h  m  a  n  n,  L  i  n  d  e  n  thal  und  ihm  untersuchten  Fälle 
daran  fest,  dass  ein  positiver  Ausfall  der  Lungenschwimmprobe  an 
und  für  sich  weder  bei  frischen,  noch  bei  faulen  Früchten  ein  Be¬ 
weis  ist,  dass  das  Kind  geathmet  hat.  Eine  der  Arbeit  beigefügte 
Abbildung  zeigt  die  ganze  Innenwand  einer  Blase  dichtbesetzende, 
gasbildende,  anaerobe  Stäbehenbakterien,  die  vom  Verfasser  unter 
normalen  \  erhältnissen  im  Scheidensekret  Schwangerer  nicht  ge¬ 
funden  wurden,  wie  irrtümlich  von  Hitsch  m  an  n.  S  u  d  e  n  - 
t  h  a.  1  und  U  n  g  a  r  angenommen  wurde. 

6)  J-  Hertz  k  a  -  Wien :  Ueber  das  Eindringen  von  Bade¬ 
wasser  in  die  Scheide  von  Schwangeren  und  Gebärenden  und 
über  die  Zweckmässigkeit  des  Bades  bei  denselben. 

ln  der  C  h  r  o  b  a  k  sehen  Klinik  sind  die  Bäder  Gebärender 
durch  Waschungen  auf  einer  Blechwanne  unter  einer  Brause  er¬ 
setzt  worden.  Die  Möglichkeit  der  sorgfältigeren  Reinigung,  der 
besseren  Ueberwaehung,  der  Verhütung  von  Manipulationen  an 
den  Genitalien,  der  besseren  Inspektion  der  Körperoberfläche  und 
andere  äusserliche  Gründe  geben  die  Veranlassung  zu  dieser 
Aenderung.  Das  Ergebnis  der  bakteriologischen  Untersuchungen, 
die  Verfasser  über  das  Eindringen  von  Badewasser  in  die  Scheide 
machte,  steht  in  direktem  Widerspruch  zu  den  Befunden 
Stiche  rs.  Der  dein  Badewasser  zugesetzte  sapropliyte  Bazillus 
prodigiosus  Hess  sich  in  keinem  Falle  aus  der  Vagina  züchten. 


"  ^  v  v  AACUCCVllllIltJTirtJlürlll. 

R.  schliesst  sich  dem  Urteil  an,  dass  die  preussische  Hebamme 
den  Anforderungen,  die  an  sie  gestellt  werden  müssen,  nicht  ge¬ 
nügt.  Mangelhafte  Vorbildung,  ungenügender  Unterricht  und 
schlechte  Bezahlung  sind  die  Gründe  dafür.  Neben  anderen  Re¬ 
formvorschlägen  verlangt  Verfasser  eine  Unterrichtszeit  von 
mindestens  einem  Jahr  und  hält  es  für  einen  Fehler,  den  Unter¬ 
richt  von  den  Kliniken  trennen  zu  wollen.  Aufbesserung  der 
materiellen  Verhältnisse  ist  Vorbedingung  für  die  Reform.  Es 
wäre  zweckmässig  das  Wort  „Hebeamme“  durch  ein  anderes,  viel¬ 
leicht  „Helferin“  zu  ersetzen. 


W  einbre  n  n  e  r  -  Magdeburg. 


Centralblatt  fiir  Gynäkologie.  19U2.  No.  49. 

1)  A.  A  s  c  o  1  i  -  Pavia:  Zur  experimentellen  Pathogenese  der 
Eklampsie. 

A  eit  hat  bekanntlich  die  E  h  r  1  i  c  h  sehe  Seitenkettentheorie 
benutzt,  um  die  Entstehung  von  Albuminurie  in  der  Schwanger¬ 
schaft  zu  erklären.  Er  fand  bereits,  dass  der  tierische  Organismus 
bei  Einführung  von  Plazentargewebe  mit  der  Bildung  eines  Cyto- 
toxins,  eines  Syncytiolysins,  reagierte.  Diese  Syncytiolysine  hat  A. 
näher  geprüft,  und  zwar  experimentierte  er  mit  zwei  Serumarten : 
die  eine  wurde  durch  Behandlung  von  Kaninchen  mit  Meer¬ 
schweinchenplazenten,  die  andere  durch  Behandlung  von  Kanin¬ 
chen  mit  Kaninchenplazenten  gewonnen.  Spritzte  er  die  erstere  Art 
schwangeren  Meerschweinchen  subkutan  oder  in  die  Blutbahn  ein, 
so  erfolgte  kein  Einfluss  auf  die  Schwangerschaft;  bei  subduraler 
Applikation  erfolgten  jedoch  heftige  tetanische  Krämpfe  mit  töd¬ 
lichem  Ausgang.  Durch  Erhitzen  auf  60°  wurde  das  cytotoxische 
Serum  wesentlich  abgeschwächt.  Kaninchen  hingegen  vertragen 
subdural  das  Zehnfache  der  für  Meerschweinchen  letalen  Dosis. 
Die  2.  Serumart  ergab  nicht  so  ganz  eindeutige  Resultate. 

A.  schliesst  aus  seinen  Versuchen,  dass  bei  der  heute  wohl  fest¬ 
stehenden  Verschleppung  von  Plazentarzelle, n  in  die  mütterlichen 
Blutbahnen  Cytotoxine,  wie  die  oben  beschriebenen,  bei  der  Ent¬ 
stehung  der  Eklampsie  eine  Rolle  spielen  werden. 


No.  50. 


2006 


MTJENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIFT. 


2)  H.  A.  v.  G  u  e  r  a  r  d  -  Düsseldorf :  Sectio  caesarea  bei 

Eklampsie.  .... 

Verfasser  wurde  zu  einem  Anfall  schwerer  Eklampsie  bei  einer 
2.">  jährigen  I.  Para  gerufen,  die  seit  mehreren  Stunden  in  tiefem 
Koma  lag.  Da  das  Kollum  noch  5  cm  lang  war  und  völlig  ver¬ 
schlossen,  so  entschloss  sich  v.  G.  zur  Sectio  caesarea,  die  auch  in 
33  Minuten  beendet  wurde.  Das  Kind  kam  tot  zur  Welt,  die 
Mutter  starb  am  folgenden  Morgen. 

v.  G.  hält  in  sehr  schweren  Fällen  von  Eklainpsia  gravidarum 
den  Kaiserschnitt  nicht  nur  für  berechtigt,  sondern  für  notwendig, 
und  fordert  auf,  den  Entschluss  zur  Operation  möglichst  früh, 
event.  gleich  nach  Eintritt  des  Koma,  zu  fassen. 

3)  A.  C  li  r  i  s  t  i  a  n  i  -  Libau:  Zur  Geschichte  der  fötalen 
Theorie  über  die  Ursachen  der  Eklampsie  von  C.  Mouton. 

Ch.  nennt  neben  van  der  Hoeven  und  F  e  h  1  i  n  g  auch 
Kollmann  als  Begründer  der  fötalen  Theorie  über  den  Ur¬ 
sprung  der  Eklampsie.  K.  entwickelte  seine  Theorie  am  2.  Ok¬ 
tober  189b  in  einem  zu  Dorpat  gehaltenen  Vortrage,  abgedruckt  im 
Centralbl.  f.  Gynäkologie  3S97,  No.  13.  K.  nahm  an.  dass  bei 
Schwangeren  sich  konstant  eine  Erhöhung  des  Fibrinprozents, 
resp.  Vermehrung  der  kolloidalen  Globuline  im  Blute  findet. 
Hierin  ist  die  Ursache  der  Eklampsie  durch  Autointoxikation, 
welche  durch  Nephritis  oder  mechanische  Stauung  zu  stände 
kommt,  zu  suchen.  Die  Toxine  sollen  dabei  nicht  nur  den  mütter¬ 
lichen,  „sondern  auch  den  fötalen  Zellen-4  entstammen. 

4)  L.  Kleinwächter:  Randbemerkung  zu  K  r  ö  n  i  g  s 
Mitteilung:  „Die  doppelseitige  Unterbindung  der  Aa.  hypo- 
gastricae  etc.“ 

IC.  macht  darauf  aufmerksam,  dass  vor  IC  r  ö  n  i  g  schon 
W.  11.  Pryor,  Boyant,  Croly,  Dawson  u.  a.  die  Unter¬ 
bindung  der  Hypogastricae  bei  Karzinom  empfohlen  haben.  Pryor 
rät  sogar,  bei  jeder  Totalexstirpation  wegen  Karzinom  die  ge¬ 
nannten  Arterien  zu  ligieren,  teils  wegen  grösserer  Sicherheit  vor 
einem  Rezidiv,  teils  um  die  Operation  unblutiger  zu  machen. 

5)  E.  Odebrecht- Berlin:  Die  Formalinbehandlung  der 
chronischen  Endometritis  nach  Menge. 

O.  empfiehlt  das  Formalin  an  Stelle  von  Chlorzink  und  Jod¬ 
tinktur  zur  Behandlung  der  chronischen  Endometritis.  Er  benutzt 
öOproz.  Lösungen,  die  mittels  einer  mit  Watte  umwickelten 
Play  fair  sehen  Sonde  in  den  Uterus  gebracht  werden.  Ent¬ 
zündliche  Nachkrankheiten  (Exsudate,  Salpingitis)  hat  er  niemals 
dabei  beobachtet.  Geätzt  wird  durchschnittlich  1  mal  die  Woche, 
im  ganzen  8 — 10  mal.  Kontraindiziert  ist  die  Formalinbehandlung 
bei  decidualer  und  hämorrhagischer  Endometritis,  wo  die  Aus¬ 
kratzung  am  Platze  ist. 

Zum  Schluss  warnt  O.  vor  zu- grosser  Verallgemeinerung  der 
Behandlung  durch  den  praktischen  Arzt.  Zuerst  müsse  die  Dia¬ 
gnose  feststehen  und  andere  Grundkrankheiten  ausgeschlossen 
sein.  Jaffe-  Hamburg. 

Archiv  für  Hygiene.  45.  Bd.  4.  Heft.  1902. 

1)  Karl  Sch  reib  er- Berlin:  Ueber  den  Fettreichtum  der 
Abwässer  und  das  Verhalten  des  Fettes  im  Boden  der  Riesel¬ 
felder  Berlins. 

In  einer  längeren  Abhandlung  wird  der  Fett  re  ich  tum 
d  e  r  A  b  w  ä  s  s  e  r  und  die  B  e  s  t  i  m  m  u  n  g  des  Fett- 
g  e  halt  e  s,  die  Herkunft  des  Fettes  im  Kanal- 
w  asser,  der  Fettgehalt  des  Schlicks  und  des 
Bodens  auf  den  Rieselfeldern  Berlins  und  endlich 
die  Selbstreinigung  des  Bodens  von  Fett  einer 
eingehenden  Untersuchung  und  Besprechung  unterzogen,  wobei 
eine  grosse  Reihe  höchst  interessanter  Tatsachen  gefunden  wurden. 
Leider  kann  hier  auf  die  beachtenswerten  Einzelheiten  nicht  ein¬ 
gegangen  werden,  es  sei  nur  darauf  hingewiesen,  dass  die  Ar¬ 
beit  für  weitere  Untersuchungen  vielfache  Anregung  bietet  nicht 
nur  für  wissenschaftliche  Forschungen,  sondern  auch  dafür,  ob 
und  in  welcher  Weise  der  bei  dem  Rieselbetrieb  gewonnene 
Schlick  und  das  Fett  technisch  zu  verwerten  sind. 

2)  S.  E  p  s  t  e  i  n  -  Prag:  Untersuchung  über  die  Reifung  von 
Weichkäsen.  2.  Mitteilung. 

Nach  den  Untersuchungen  des  Verf.  verläuft  die  Reifung  der 
Weichkäse  nach  einem  einfachen  Schema.  Zuerst  muss  durch  die 
ganze  Masse  Milchsäure  gebildet  werden,  alsdann  muss  diese  Milch¬ 
säure  von  der  Oberfläche  her  neutralisiert  werden.  Drittens  muss 
an  der  neutralisierten  Oberfläche  die  Peptonisierung  unter  Auf¬ 
treten  alkalischer  Reaktion  vor  sich  gehen.  Die  meistbeteiligten 
Organismen  sind  Milchsäurebakterien,  S  c  li  i  m  me  1  - 
p  i  1  z  e  und  peptonisierende  Bakterien,  auch  Hefen 
und  O  i  d  i  u  m.  Unter  reinen  Verhältnissen  dürften  nur  2  bis  3 
verschiedene  Organismen  notwendig  sein,  alle  übrigen  sind  als 
sekundäre  und  für  die  Käsereifung  nicht  notwendige  Saprophyten 
zu  bezeichnen;  unter  Umständen  kann  man  aller  auch,  wenn 
man  für  die  peptonisierenden  Bakterien  von  vornherein  günstige 
Bedingungen  schafft,  mit  ihnen  und  den  Milchsäurebakterien  allein 
die  Reifung  herbeiführen. 

3)  E.  Engels -Marburg:  Bakteriologische  Prüfung  des¬ 
infizierter  Hände  mit  Hilfe  des  Paul-Sa  rwey  sehen  sterilen 
Kastens  nach  Desinfektion  mit  Quecksilbersulfat- Aethylen- 
diamin  (Sublamin). 

Suhl  am  in,  in  1,  2  und  3proz.  Konzentration  zu  er.  99proz. 
Alkohol  zugesetzt,  gibt  ausserordentlich  günstige  Desinfektions¬ 
flüssigkeiten,  weil  sie:  1.  sehr  starke  bakterizide  Eigenschaften 
haben  und  2.  im  stände  sind,  letztere  nicht  nur  auf  die  Oberflächen¬ 
keime,  sondern  auch  auf  die  in  der  Tiefe  der  Haut  gelegenen  Bak¬ 


terien  einwirken  zu  lassen.  Die  2  prom.  Lösung  ist  für  den  Ge¬ 
brauch  am  meisten  zu  empfehlen,  da  sie  die  besten  Erfolge,  wie 
auch  die  grösste  Tiefenwirkung  besitzt.  Die  Sublamin- Alkohol¬ 
lösungen  reizen  die  Haut  in  keiner  Weise,  lockern  das  Gewebe 
vielmehr  auf  und  machen  die  Haut  geschmeidig.  Sie  greifen  ver¬ 
nickelte  Instrumente  nicht  an.  Die  Sublaminpastillen  sind  in  Al 
kohol  nur  zum  Teil  löslich. 

4)  R  u  z  i  c  k  a  -  Prag:  Ein  Selbstversuch  über  Ausnutzung 
der  Nährstoffe  bei  verschiedenen  Quantitäten  des  mit  dem 


Mahle  eingeführten  Wassers. 

Es  sollte  entschieden  werden,  ob  grössere  eingeführte  V  asser- 
mengen  während  der  Einnahme  der  Nahrung  eine  Verschlechterung 
der  Ausnützung  brächten.  Der  Versuch  wurde  in  2  zweitägige 
Perioden  geteilt.  Einmal  genoss  Verf.  die  Wassermengen  ganz 
nach  Belieben  zu  jeder  Tageszeit,  das  andere  Mal  wurde  das 
Wasser  fast  alles  während  resp.  1—2  Stunden  nach  der  Mahlzeit 
eingenommen.  Die  Unterschiede  in  den  Resultaten  waren  ganz 
unbedeutend,  wenn  es  auch  schien,  als  ob  eine  etwas  bessere  Aus¬ 
nützung  der  Nährstoffe  in  der  2.  Periode  vorhanden  wäre.  Jeden¬ 
falls  darf  geschlossen  werden,  dass  eine  mässige  Wassereinnahme 
keinen  schädlichen  Einfluss  auf  die  Ausnützung  der  Nährstoffe 


o  ncii 


t?  n  xr  p  n  m 


ii  ii  -  TC ipl 


Centralblatt  für  Bakteriologie,  Parasitenkunde  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  32.  Bd.  1902.  No.  12. 


1)  Bonhof  f  -Marburg:  Zur  Aetiologie  der  Anginen, 
ln  20  Fällen  von  Angine  n,  die  im  letzten  Winter  in  Mar¬ 
burg  vom  Verfasser  genau  bakteriologisch  untersucht  wurden  und 
welche  alle  gutartig  verliefen,  fanden  sich  sehr  häufig  neben 
anderen  Bakterien  kleine  Bakterien  in  kleinen  Häufchen  liegen, 
welche  wahrscheinlich  in  den  Pfropfen  oder  Membranen  vor¬ 
handen  gewesen  waren.  Die  Stäbchen  sind  sehr  klein,  grössten¬ 
teils  in  Fäden  von  3 — 5  Gliedern  angeordnet,  ohne  Eigenbewegung, 
in  Peptonwasserkulturen  Streptokokken  nicht  unähnlich,  nach 
G  r  a  m  nicht  färbbar.  Sie  haben  keine  Sporen,  wachsen  nur  bei 
37°.  Die  Kolonien  auf  Agar  sind  Streptokokkenkolonien  ähnlich, 
doch  lassen  sie  nach  48  Stunden  eine  Faltenbild  u  n  g  ei  ■ 
kennen,  die  sehr  charakteristisch  sein  soll.  Für  Tiere  sind  die 
Organismen  wenig  virulent.  Mit  grösseren  Mengen  infektiösen 
Materials  oder  bei  Injektionen  in  die  Blutbahn  können  die  \  er¬ 
suchstiere  leichter  getötet  werden. 


2)  Dietrich  und  L  ieheriueister-  Tübingen*.  Sauei- 
stoffübertragende  Körnchen  in  Milzbrandbazillen. 

Die  von  verschiedenen  Seiten  bereits  gemachten  1 1  nter- 
suchungen  über  das  Wesen  der  Körnchen  in  den  Bakterien 
werden  einer  erneuten  Untersuchung  unterzogen.  Nach  der  An¬ 
sicht  des  Verfassers  liegen  in  den  Körnchen  weder  Reserve- 
Stoffe  noch  S  t  ä  r  k  e,  noch  stärkeähnliche  S  üb¬ 
st  a  n  z  e  n,  auch  Fett  dürfte  es  nicht  sein.  Dagegen  glauben 
sie,  dass  die  Körnchen  die  Rolle  eines  Sauerstoffübe r- 
t  r  ä  g  e  r  s  übernehmen. 

3)  J  a  e  g  er  -  Königsberg:  Erwiderung  auf  die  Bemerkungen 
S  li  i  g  a  s  über  meine  Amöbenbefunde  bei  der  in  Ostpreussen 
herrschenden  Ruhr. 

Jäger  bleibt  bei  seiner  Annahme,  dass  die  in  Ostpreussen 
bei  der  Ruhr  gefundenen  Organismen  mit  den  R  u  h  r  a  m  ö  b  e  n 
d  e  r  T  rope  n  identisch  sind. 

4)  Ho  llack- Königsberg:  Zur  Kenntnis  der  sexuellen 
Amphitypie  bei  Dicrocoeliinen. 

5)  Gold  Schmidt  -  Heidelberg:  Ueber  Bau  und  Embryonal¬ 
entwickelung  von  Zoogonus  mirus  Lss. 

0)  C  o  h  n  -  Greifswald:  Zwei  neue  Distomen. 

7)  v.  Lins  t  o  w  -  Göttingen :  Eine  neue  Cysticercusform, 
Cysticercus  Taeniae  Brauni  Setti. 

Cvsticerkus  bei  einer  ägyptischen  Springmaus. 

8)  Loos-Kairo:  Notizen  zur  Helminthologie  Aegyptens. 
V.  Eine  Revision  der  Fasciolidengattung  Heteropliyces  Cobb. 

9)  F.  S  a  n  f  e  1  i  c  e  -  Gagliari:  Die  Morphologie  der  Blasto- 
mveeten  im  Organismus  in  Bezug  auf  die  Antikörper  des  Blut¬ 


serums. 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

10)  Kraus  und  Sternber  g:  Ueber  Wirkungen  der  Hämo¬ 
lysine  im  Organismus. 

Während  die  Arbeiten  über  Hämolysine  (Immunhamolysme, 
Bakteriohämolysine)  die  Wirkung  dieser  Substanzen  auf  rote  Blut¬ 
körperchen  in  vitro  erkennen  Hessen,  sind  wenig  Angaben  darüber 
vorhanden,  wie  sich  diese  Substanzen  im  Organismus  verhalten. 
Aus  den  Untersuchungen  des  Verfassers  geht  nun  hervor,  dass  das 
Immunhämolysin,  intravenös  in  bestimmten  Mengen  Hunden  in¬ 
jiziert.  einen  akuten  Tod  bewirkt.  Die  Wirkung  ist  als  eine  rem 
toxische  aufzufassen  und  steht  mit  der  hämagglutinierenden  oder 
hämolytischen  Wirkung  in  keinem  Zusammenhänge.  Ein  hämo¬ 
lytisches  Serum  wirkt  innerhalb  des  Organismus  also  in  gleichei 
Weise,  wie  ausserhalb  desselben.  Gleichzeitig  mag  erwähnt 
werden,  dass  bei  dieser  Wirkung  stets  Ikterus  eintritt.  _ 

11)  Gongalves  C  r  u  z  -  Rio  de  Janeiro:  Le  vaccm  contie 


la  peste.  . 

Verfasser  schildert  die  mit  seinem  Pestserum  erzielten  Erfolge. 

12)  Stephen  de  M.  Gage  und  Earl  e  B.  Plielps- 
Lawrenee:  Untersuchungen  von  Nährböden  zur  quantitativen 
Schätzung  von  Bakterien  in  Wasser  und  in  Abwässern. 

Die  mit  den  verschiedenen  Nährböden  angestellten  Versuche 
zeigten,  dass  ein  Agar,  dem  1  Proz.  Nährstoff  Heyden  zu¬ 
gesetzt  war,  in  Bezug  auf  die  Quantiät  der  entwicklungsfähigen 
Keime  die  besten  Resultate  lieferte. 


16.  Dezember  1902. 


MTTENCI-IENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


von 


halten  des  Bacterium  pestis!  Beitra*  zum  tinktoriellen  Ver- 

Es  wird  mitgeteilt,  dass  die  bisher  nur  in  frischen  Prä 
uni  A  -a  r  kul  t  u  r°efn  bUUf?  aUCh  möglich  Sei  vou  Bouillon- 

uiiiL  xv.  ^  i  K  11  1  I  11  1  0  li  W PI lll  in n  .-i  i  u  v  i  i  . 

4  ni  1  i  ti  f  n  r  li  o  +  n  f  #  i  t  J  Hill  sic  ll  HllvOlloliscllGr 

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•  n-  O.  N  e  11  m  a  n  n  -  Kiel. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  49. 

OrganismusLe°'BOUU:  Z”  Ken“tnIs  FettumsaUes  im 

'l'p'nhin!»^  172E  der Mlinoli.  med.  Wochensclir.  wo» 
grundes.*  1  G  :  Zur  Photographie  des  Augenhinter- 

av  rPi  :iussert  sh"h  zunächst  polemisch  gegenüber  dem  von 
1  i-,  V' 11  6 111  No-  43  ,ler  Berl.  klin.  Wochensclir.  gebrachten 
}  Hikel  über  die  Photographie  des  Augenhiutergrundes  da  Th  die 
yorausliegenden  Arbeiten  von  I).  auf  diesem  Gebiete  gar  nicht  er 
aa  ahnt  hat,  trotzdem  diese  schon  mehrere  Jahre  zuriiekliegeu  und 
i  .  noch  im  Jahre  1901  von  ganz  wesentlichen  Verbesserungen  in 
dem  von  ihm  geübten  Verfahren  berichten  konnte.  Letzteres  er“ 
aubte  eine  derartige  Aufnahme,  dass  der  Durchmesser  des  ge- 
munnen  Bildes  <>  Papillendurchmessern  gleichkommt.  Der  ge- 

«eh?ieb!oi  U1'd .  s!“mf  Handhabung  werden  eingehend  be¬ 

ttln  leben.  Die  im  Original  reproduzierten  Bilder  beziehen  sich 
auch  auf  pathologische  Verhältnisse  und  sind  die  zu  sehenden  De- 
tads  sehr  weitgehend.  Bei  der  Herstellung  des  Bildes  wird  der 
eine  1  eil  der  Pupille  zur  Beleuchtung,  der  andere  zur  Bilderzeu 
gung  benutzt.  Das  \  erfahren  Avird  gegenwärtig  noch  vervo”- 
kommnet. 

3_>  1L  P  i;  a  t  -  ruinnnelsburg  b.  Berlin:  Ueber  die  Einwirkung 
Eiweisskorpern  auf  die  Blutgerinnung.  (Schluss  folgt.)  ° 

,.  ^  ®  s  s  e  '  Berlin :  Ueber  das  färberische  Verhalten  der 

tiei  ischen  Zelle  gegenüber  Farbgemischen. 

...  Verfasser  teilt  in  diesem  Artikel  einige  Resultate  seiner  seit 
längerer  Zeit  angestellten  Untersuchungen  über  die  Cliromatophilie 
der  tierischen  Zelle  mit,  Avelclie  in  einer  Reihe  von  Sätzen  ausge¬ 
sprochen  Averden,  die  sich  nicht  zu  weiterem  Referate  eignen, 
j  Dschlaff  -  Berlin:  Ein  Heilserum  zur  Bekämpfung 

der  Morphium  Vergiftung  und  ähnlicher  Intoxikationen.  (Schluss 
folgt.) 

v  •  A  A\  Bag  insky- Berlin:  Ueber  Antistreptokokkenserum 
bei  Scharlach. 

Vergl.  hierüber  den  Bericht  S.  1891  der  Münch,  med 
V  ochensclir.  1902. 

7)  M.  H  a  1  p  e  r  n  -  Warschau:  Zur  Frage  über  die  Hämo¬ 
lysine  im  menschlichen  Serum. 

^lu  9ci  Typhus  abdom.  und  Septikämie  wird  die  hämolytische 
Kraft  des  Serums  verändert,  beim  ersteren  ist  sie  scliAvächer,  beim 
zweiten  stärker  als  getvöhnlich.  Definitive  diagnostische  Schlüsse 
können  aus  den  bisherigen  Ergebnissen  der  Untersuchungen  noch 
nicht  gezogen  werden.  Die  zahlreichen  dem  Artikel  beig'egebenen 
Tabellen  über  die  Befundprotokolle  müssen  im  Original  eingesehen 
Averden.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1902.  sso.  49. 

1)  F.  K  r  a  u  s  -  Berlin:  Ueber  den  Wert  ,, funktioneller"  Dia¬ 
gnostik. 

Zur  Eröffnung  der  II.  medizinischen  Klinik  am  14.  Nov.  1902. 

2)  E.  L  e  v  y  und  F.  P  fe  r  s  d  o  r  f  f  -  Strassburg:  Ueber  die 
Gewinnung  der  schwer  zugänglichen,  in  der  Leibessubstanz  ent¬ 
haltenen  Stoffwechselprodukte  der  Bakterien. 

Mitteilung  über  bis  jetzt  noch  nicht  zum  Abschluss  gebrachte, 
nach  eigenen  zugleich  angegebenen  Prinzipien  für  mehrere  Mikro¬ 
organismenspezies  angeivandte  Versuche,  den  Prozess  der  Autolyse 
auch  bei  den  Bakterien  zu  verfolgen,  d.  h.  nachzusehen,  ob  nicht 
auf  diese  Weise  auch  die  kolloidalen  Bakterieneinschlüsse  zu¬ 
gänglich  werden. 

.  3)  G.  Feldmann- Stuttgart:  Ueber  71  Anfälle  von  akuter 
Geistesstörung  der  Trinker  (bei  50  Personen).  Nach  einem  auf 
der  33.  Versammlung  der  siidAvestdeutschen  Irrenärzte  in  Stuttgart 
gehaltenen  Vortrag. 

Auf  Grund  einer  statistischen  Zusammenstellung  der  dortigen 
Irrenabteilung  über  Delirium  tremens  entwickelt  Verfasser  unter 
Anführung  der  Gründe  die  Ansicht,  dass  das  Delirium  tremens 
zu  denjenigen  Krankheiten  gehört,  die  sich  ganz  besonders  zur  Be¬ 
handlung  in  den  Irrenasylen  eignen. 

4)  L.  II  u  i  s  m  a  n  s  -  Köln:  Gekreuzte  Adduktorenreflexe  bei 
Syringomyelie  und  Neuritis. 

Nach  einem  im  Allgemeinen  ärztlichen  Verein  zu  Köln  a.  Rh. 
am  28.  April  1902  gehaltenen  Vortrag.  Referat  hierüber  siehe  diese 
V  ochenschrift  1902,  No.  44,  pag.  18G7. 

•  >)  G.  K  u  1  i  s  c  li  -  Halle  a.  S. :  Kasuistischer  Beitrag  zur 
Genese  der  Gummata  syphilitica. 

Nach  einem  auf  der  73.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  in  Hamburg  gehaltenen  Vortrag. 

.  M •  Wagner- Meerane  (Sa.):  Ein  Fall  von  Erstickung 

i  mol  ge  Verlegung  des  Kehlkopfeinganges  durch  Spulwürmer. 
Kasuistische  Mitteilung. 


2097 


des 


1)  E.  II  o  c  h  e  1 1  -  Meran:  Beiträge  zur  Lungen- 


7)  V  o  1  p  e  r  t  -  Sorgau  (Schlesien) :  Drohende  Gangrän 
Berns  infolge  Abschnürung  durch  einen  Stahlring. 

_  8)  E .  Harnack:  Einige  Betrachtungen  über  Fleisch- 

praservesalze. 

9)  C.  Th.  M  ö  r  n  e  r  -  Upsala:  Nikolicin.  F.  Lacher. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  49. 

Chirurgie. 

Verfasser  stellt  die  Ergebnisse  operativer  Eingriffe  bei  Wun¬ 
den,  Neubildungen,  Tuberkulose,  Abszess,  Gangrän,  Bronclii- 
ektasien,  Fremdkörpern,  Aktinomykose  der  Lungen  nach  den  in 
iler  Literatur  vorliegenden  Zahlen  zusammen.  Trotz  des  Röntgen- 
a  eifahiens  ist  der  Sitz  der  Affektionen,  besonders  der  Kavernen, 
sein  ott  ungemein  schwer  festzustellen,  ebensowenig  sicher  ferner, 
ob  Verwachsungen  vorhanden  sind,  Avas  natürlich  für  die  Ent¬ 
stehung  eines  Pneumothorax  sehr  wichtig  ist.  It.  bespricht  die 
verschiedenen  Methoden,  Avelclie  der  Entstehung  eines  Pneumo¬ 
thorax,  soAvie  einer  Infektion  des  Pleuraraumes  Vorbeugen  sollen 
Zur  Eröffnung  dr  Lungenhöhle  sollte  wegen  der  Gefahr  schwerer 
Blutung  immer  der  rotglühende  Paquelin  verAvendet  werden  Für 
die  operative  Behandlung  grosser  tuberkulöser  Kavernen  kommt 
t!”.1  ,lie  Methode  einer  ausgedehnten  Rippenresektion,  ohne  Er- 
ofinung  der  Kaverne  selbst,  in  Betracht,  welche  bezweckt,  den 
iliorax  zu  mobilisieren.  Eine  Indikation  zu  operativem  Ein¬ 
greifen  sieht  Verfasser  auch  in  schweren,  sich  immer  Aviederholen- 
den  Blutungen  aus  Kavernen.  Die  erzielten  Resultate  sind  aller¬ 
dings  noch  Avenig  ermutigend. 

b-  ziilosen  ^  cdl  m  *  d  ^  ~  Wien:  Zur  Kenntnis  der  Paratyphus- 

ai*ei.dem  33jährigen  Kranken,  dessen  Krankheitsgeschichte 
Sektionsbefund  etc.  im  Original  mit  grosser  Ausführlichkeit  an- 
gegehen  ist,  bestand  eine  unter  dem  Bilde  der  Pyärnie  verlaufende 
Erkrankung,  ausgehend  von  einer  suppurativen  Cholecystitis.  Im 
Harn  m  den  endokarditischen  Auflagerungen  und  im  Gallenblasen- 
mhalt  konte  ein  Bazillus  aufgefunden  Averden,  der  morphologisch 
und  kulturell  mit  dem  Typhusbazillus  sich  als  ganz  identisch  er- 
wies,  dagegen  trat  einem  Serum  gegenüber,  das  Typhusbazillen 
agglutimerte,  keine  Agglutination  der  gefundenen  Bazillen  ein 
Daher  kann  von  einer  Paratyphusbazillose  gesprochen  werden.’ 

Kiankheitsbilder  können  klinisch  vorläufig  noch  nicht  genau 
differenziert  werden. 

3)  It.  Volk  und  II.  de  W  a  e  1  e  -  Gent  (Wien):  Ueber  Hem- 
mungserschemungen  bei  frischen  Immunseris. 

Eignet  sich  nicht  zu  kurzer  Inhaltsangabe. 

y.  „  K  "  n  g  s  f  e  1  d  e  r  -  M7ien:  Ueber  einen  angeborenen 

Defekt  des  Musculus  pectoralis. 

...  ..  Bei  eil2,em  42  jährigen  Schuhmacher,  bei  dem  wiederholte  An- 
lalle  von  I  leuntis  und  Pneumonie  zur  Schwartenbildung,  sowie 
Lungenschrumpfung  der  rechten  Seite  geführt  hatten,  fand  sich 
völliges  I  ehlen  der  Sternokostal,  und  Abdominalportion  des  M. 
pcf  t.  m.ijor,^  Avälirend  die  Kiavikularportion  hypertrophisch  AA’ar. 

I  eher  das  Verhalten  des  Pect,  minor  konnte  ein  sicherer  Befund 
nicht  gewonnen  Averden.  Der  Zustand  ist  offenbar  angeboren 
Es  ist  möglich,  dass  eine  durch  das  Fehlen  des  Muskels  veranlasste 
mangelhafte  Ventilation  der  rechten  Thoraxseite  die  häufigen  Er¬ 
krankungen  derselben  mit  verschuldet  hat. 

Grass  m  a  n  n  -  München. 


Wiener  medizinische  Wochenschrift. 


\o.  44  4i .  Zahradnicky  -  Deutschbrod:  Ueber  medul¬ 
läre  Anästhesie. 

V  erf.  stellt  die  bisher  bekannt  gewordenen  Erfahrungen  zu¬ 
sammen  und  berichtet  über  112  eigene  Fälle  und  ZAvar  in  einem 
•yu<  h  von  anderen  geäusserten  günstigen  Sinne.  Die  unangenehmen 
Begleiterscheinungen  (kollapsähnliche  Zustände,  Fieber  und  Kopf¬ 
schmerz)  hat  er  auch  entsprechend  oft  beobachtet.  Sehr  zweck- 
m a ss ig  erwies  sich  die  medulläre  Anästhesie  besonders  bei  Heraio- 
tomien  und  bei  Fällen,  die  AA^egen  Lungenkomplikationen,  Avie 
I  neumonie,  Pleuritis  u.  dgl.,  für  die  allgemeine  Narkose  sich 
wenig  eigneten. 

No.  46/47.  E.  Glas -Wien:  Zur  Pathologie  der  Nasen¬ 
rachentumoren. 

Nasenrachentumoren  sind  beim  weiblichen  Geschlecht  selten. 
Im  vorliegenden  Fall  bildete  sich  bei  einer  64  jährigen  Frau  ein 
mit  (  y steil  durchsetztes  gefdssreiclies  Fibrom  des  Nasenrachen¬ 
raumes,  welches  operativ  entfernt  wurde.  Dasselbe  enthielt  zentral 
eine  spangenförmige  Knochenmasse,  welche  Avie  eine  an  derselben 
Kranken  operierte  Knochenstruma  jedenfalls  als  eine  senile  meta- 
plastische  Erscheinung  anzusehen  ist. 

II.  I  r  e  u  n  d  -  Reichenberg:  Tetanie  und  Krampfneurosen. 

F.  beschreibt  mehrere  an  Soldaten  beobachtete  atypische 
Krankheitsbilder,  avo  es  sich  in  dem  Falle  um  den  Uebergang 
einer  typischen  Tetanie  in  Hysterie,  in  dem  anderen  umgekehrt 
um  das  Hinzutreten  der  Tetanie  zur  Hysterie,  in  einem  dritten 
um  die  gleichfalls  nicht  häufige  Kombination  von  Epilepsie  mit 
Tetanie  handelte. 

Ko.  4</48.  v.  N  i  e  s  s  e  n  -  Wiesbaden:  Diphtheriebazillen  im 
Blute  und  im  Behring  sehen  Heilserum. 

N.  hat  bei  einem  diphtheriekranken  19  jährigen  Manne  in  dem 
aus  der  Vena  mediana  entnommenen  Blute  den  Diphtheriebazillus 
in  Reinkultur  gewinnen  können.  Ferner  bekam  N.  einen  üjähr. 


2098 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


Jungen  in  Beobachtung,  bei  dem  nach  einer  sonst  wirksamen 
Injektion  von  Diphtherieheilserum  nach  einigen  Wochen  ein 
schwerer  allgemeiner  Krankheitszustand,  bei  dem  sich  auch  e 
pustulöse  Kopfhauteiterung  zeigte,  mit  nachfolgender  A  opeci 
sich  einstellte.  N.  deutet  eine  Parallele  zwischen  diesem  Zustand 
und  der  Syphilis  an,  wie  er  auch  den  Diphtlieriebazillus  den 

Svpliiliserreger  sehr  nahe  stellt.  . 

.Aus  2  Proben  des  Höchster  Heilserums  hat  nun  \  elf.  im  \  ei 
lauf  mehrerer  Wochen  Diphtheriebazillen  aufgezuchtet  un J  an 
Agar  in  Reinkultur  übertragen;  entweder  genügt  das  Tonü 
nicht  zur  Eliminierung  aller  lebensfähigen  Bazillen  nder  die  m 
chanischen  Manipulationen  vermögen  nicht  die  Regenei ationsD  1  g 
keit  der  kleinsten  Partikelchen  aufzuheben,  v.  N.  eihebt  danei 
Bedenken  gegen  die  Einverleibung  des  Serums  Oem  Menscnen. 
wodurch  mindestens  ein  Infektionszustand  oder  eine  D athese *  ge¬ 
schaffen  werden  kann.  Er  fordert  genaue  weitere  vei gleichende 
Beobachtung  des  Gesundheitszustandes  nach  der  T”l>llt 
und  ohne  Heilserumbehandlung  und  ferner  genaue  Blutunter 
Buchungen,  Krankengeschichten  und  Obduktionsbefunde  dei 
Serumgewinnung  verwendeten  Tiere.  o 

No  48  J  ak  1  i  n  -  Pilsen:  Strietura  vaginae  als  absolutes 

“Ät  Wehen tätigkeit  konnte  bei  der  28  Jährige,. 
Frau,  welche  eine  narbige  Stenose  der  \  agina  1 1  ^  t(y. J, . ^  1 r  q e n 
Inzisionen  mit  der  Zange  ein  lebendes  Kmd  gefoideit  werden 
Neuerliche  Atresie  und  Gravidität.  Im  4.  Monat  Bol  oi'i^t  ^1  ■ 
Crede,  die  Gravidität  blieb  erhalten,  spater  das  Kind  von  8  Mo 
naten  spontan  geboren,  in  der  Folgezeit  ein  weiteres  Kind  lebend 
geboren,  wobei  nur  einige  geringfügige  Einkerbungen  dei  Naibui 
nötig  waren. 

O.  P  e  1  z  1  -  Ofen-Pest:  Die  Pilokarpinbehandlung  der  krup- 

posen  Pneumome.  ne  llohe  Mortalität  der  Pneumonie  auch 

bei  jugendlichen  Personen  (Armee)  hm.  Er  hat  an  33  Soldate 
Versuche  mit  einer  Pilokarpinbehandlung  gemacht  wobei  ei  von 
wiederholten  kleinen  Einzeldosen  absah  und  dann  des  Jagsl 
e  i  n  e  Dosis  setzte,  welche  zur  Erzielung  reichlichen  Schweisses 
gross  genug  ist  (etwa  20-30  Tropfen  einer  Losung  von  0,1  zu 
10  0  Aq.  dest.).  Damit  wurde  nie  Schaden  angerichtet.  In  dei 
Reo-el  scheint  nur  1—2  mal  bei  je  einem  Kranken  eine  Darreichung 
des"  Mittels  erfolgt  zu  sein.  P.  rühmt  die  Abnahme  der  pleu- 
ritischen  Schmerzhaftigkeit,  die  Erleichterung  des  Hustens  und  der 
Expektoration,  den  milden  und  abgekürzten  Krankheitsverlaut 
und  die  beschleunigte  Rekonvaleszenz. 


Wiener  medizinische  Presse. 


No.  41/46.  O.  Hovoreka  v.  Z  d  e  r  a  s  -  Teslic:  Heber 
Impfung  gegen  Malaria  mit  dem  Kuhn  sehen  Serum  m 

Bosnien.  „  .  ,. 

H.  hat  mit  K  u  li  n  selbst  zusammen  an  4o  Kranken  die 
Impfungen  vorgenommen,  worüber  er  genaue  Krankengeschichten 
bringt.  Das  Serum  beeinflusst  die  verschiedenen  Formen  der 
Malaria  verschieden,  seine  Heilwirkung  versagt  bei  der  Quartana 
ganz,  bei  der  Tropica  und  den  Erstlingen  der  Tertiana  1  st  sie 
schwach.  Bei  den  übrigen  Formen  kommt  ihm  eine  günstige  W  ir- 
kung  zu,  die  aber  verschieden  von  der  des  Chinins  ist.  Nur  aus¬ 
nahmsweise  schwinden  die  Anfälle  rasch,  sondern  sie  klingen  nach 

einer  mehr  oder  minder  starken  Reaktion  allmählich  aus. 

Bergeat  -  München. 


Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Kiel.  Oktober  und  November 


1902. 


110.  Burdach  Albreclit:  Der  Nachweis  der  Typhusbazillen  am 

Menschen.  . 

111.  Hamei  Otto:  Ueber  Harnröhrenstrikturen. 

112!  Ohm  Walter:  Fremdkörper  in  der  Orbita. 

113.  König  August:  Zur  Kenntnis  der  Dauerresultate  nach  Haut¬ 
transplantation  (1901).  .  ..  „  .  ,  T 

114  Sehroeder  Hugo:  Ein  Fall  von  primärem  Krebs  der  Lunge, 
llö’  M  ey  e  r  Johann:  Zwei  Fälle  von  Gummabildung  in  der  Leber. 

116.  Bocken  da  hl  Ernst:  Zur  Differentialdiagnose  zwischen 
kleinem  submukösen  Uterusmyom  und  chronischer  Metiitis. 

117.  Trompke  Alexander:  Ueber  einen  Fall  von  Chromsaure- 
Vergiftung. 

11S.  G  reve  Heinrich:  Zur  Statistik  der  primären  und  sekundären 
Leberkrebse. 

Universität  Marburg.  Oktober  bis  November  1902. 

Alst  Heinrich:  Die  Geburten  der  Frauen  unter  140  cm  Grösse. 
Dann  er  Max:  Ueber  Fleischmast  beim  Menschen. 

Goss  r  a  u  Georg:  Beobachtungen  über  die  Dauer  der 

Schwangerschaft.  . 

Grau  Johannes  Eduard:  Beiträge  zur  IHstogenese  der 

Lungeninduration.  _  .  , 

II  a  e  d  i  c  k  e  Gustav:  Ueber  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose 

im  Distrikt  der  Marburger  Poliklinik. 

II  irscli  Henrv:  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Placenta  praevia. 
.Tat  ho  Max:  Ueber  universelles  Oedem  beim  Neugeborenen. 
Keller  Paul:  Ueber  die  Luxation  des  Talus. 

K  oppen  Alfred:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  pathologischen 
Anatomie  der  Retina  bei  chronischer  Nephritis  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Sternflgur  in  der  Macula  lutea. 


23. 

24*. 

25. 

26. 


28. 

2t). 

30. 

31. 


32.  Riehm  Wilhelm:  Operationen  am  Magen  (vom  1.  April  1894 
bis  13.  Juni  1902). 

33  Schicke  Richard:  Melaena  neonatorum  spuna. 

*34  S  i  e  v  e  r  s  Hugo  Ernst:  Ueber  3  Fälle  von  Durchbruch  tuber¬ 
kulöser  Bronchialdrüsen  in  die  Luftwege. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  3.  Dezember  1902. 

Demonstrationen: 

Herr  Guttmann  stellt  einen  34  Jahre  alten  Mann  mit 
einem  Gummiknoten  in  der  Netzhaut  vor  (Demonstration  mit  dem 
T  li  o  r  11  e  r  sehen  Demonstrationsaugenspiegel).  Abnahme  dei 
Sehkraft  seit  3 — 4  Monaten  bemerkt.  Es  bestellt  ein  para¬ 
zentrisches  Skotom,  in  der  Nähe  werden  nur  grosse  Buchstaben 
erkannt.  Dicht  an  der  Macula  eine  ovale  Geschwulst  von 
0,4: 0,5  cm  Durchmesser,  in  der  Umgebung  zahlreiche  Blutflecke. 
Der  Patient  weiss  nichts  von  einer  syphilitischen  Infektion,  doch 
bestehen  am  ganzen  Körper  indurierte  Drüsen.  Die  antisyp  u- 
litisclie  Kur  hat  schon  eine  Höhenabnahme  der  Geschwulst  und 
ein  teilweise»  Schwinden  der  Blutungen  gezeitigt..  Gummi- 
gescliwiilste  des  Augenliintergrundes  sollen  sehr  selten  sein. 

Herr  Rosenthal  zeigt  die  llarnorgane  eines  Mannes, 
welcher  bewusstlos  ins  Krankenhaus  eingeliefert  wurde,  nachdem 
schon  längere  Zeit  die  Urinentleerung  erschwert  war  Lr  stai  0, 
trotz  Anlegung  einer  Fistula  suprapubica.  Es  tand  sich  eine 
Hydroneplirose  infolge  Striktur  der  Harnröhre,  die  nur  für  eine 
Sonde  durchgängig  ist.  Ein  Loch  führt  in  das  periurethrale  Ge¬ 
webe.  Die  Harnblasenwand  ist  bis  1,5  cm  dick. 

Tagesordnung: 

Herr  Westen  hoeffer:  Kadaveröse  Eettembolie  der 
Lungenkapillaren. 

Die  Schaum organe,  die  schon  von  alters  her  das  Interesse 
der  Aerzte  erweckt  haben,  sind  eine  kadaveröse  Erscheinung, 
auch  die  mangelnde  Kernfärbung  in  solchen  Organen  ist  nicht 
als  Zeichen  einer  Nekrose  aufzufassen,  sondern  durch  Einwirkung 
des  Gases  auf  die  Gewebe  bedingt.  Auch  die  Gangrene  fou- 

droyante  entwickelt  sich  nur  auf  totem  Gewebe. 

Die  vorgezeigten  Organe  stammen  von  einer  Sepsis  nach  Abort. 
Die  Sektion  wurde  11  Stunden  nach  dem  Tode  gemacht,  Muskeln 
und  Gehirn  waren  emphysematos,  die  Gefässe  und  das  Herz  ent¬ 
hielten  Luft,  ein  solcher  Zustand  kann  natürlich  während  des 
Lebens  nicht  bestehen,  ln  der  Lunge  waren  Fettembolien,  ebenso 
fand  sich  an  der  Innenwand  des  Herzens  Fett.  Bei  der  Nacli- 
forschung  nach  der  Herkunft  des  Fetts  fand  man  in  beulen  Vy. 
femorales  und  in  der  V.  profunda  femoris  flüssiges  Fett.  Dies  ent¬ 
stammte  dem  Knochenmark  des  Femur,  das  durch  Luftblasen 
völlig  zerrissen  war.  Das  Mark  war  (durch  die  Gaseinwirkung) 
grün  gefärbt,  wurde  aber  an  der  Luft  wieder  rot.  Das  Mark  ent¬ 
hielt  eine  Reinkultur  des  F  r  a  e  n  k  e  1  sehen  Gasbazillus,  dieser 
muss  bei  der  Agone  in  den  Kreislauf  gelangt  sein,  der  durch  die 
Gasbildung  erhöhte  Druck  im  Knochenmark  trieb  das  Fett  in  die 
Venen,  die  Fettembolie  ist  also  kadaverös.  Alle  anderen  Ursachen 
für  eine  Fettembolie  konnten  ausgeschlossen  werden. 

Herr  Lipman  - Wulf:  Ueber  Harnrohrenfistel  und 

Krebs.  „  _ _ . 

Vortragender  zeigt  die  Moulage  eines  1  alles  von  Kankroia, 
das  von  einer  Harnröhrenfistel  ausgegangen  war.  Es  handelte  sich 
vi  m  einen  Herrn,  der  einige  Monate  nachdem  er  rittlings  auf  fciaen 
scharfen  Kistenrand  gefallen  war,  mit  Urinbeschwerden  erkrankte. 
Darauf  Uretlirotomie,  Entleerung  mehrerer  Abszesse.  Aus  der 
Fistel  entwickelte  sich  später  der  Krebs.  Eine  Operation  war  nicht 
mehr  möglich.  Krebse  der  Harnröhre  sind  selten,  sie  entwickeln 
sich  meist  an  der  Stelle  einer  Striktur,  manchmal  auch  ohne  diese 
Auf  die  Diagnose  der  seltenen  Affektion  leiten  Blutungen,  eventuell 
das  Endoskop.  Meist  sind  es  Plattenepithelkrebse,  selten  Zylinder- 
epithelkrebse.  aus  der  Harnröhrenschleimhaut  können  auch 
Plattenepithelkrebse  hervorgehen. 

Herr  T  r  e  i  t  e  1 :  Ueber  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen 
in  der  Taubstummenanstalt  in  Weissensee  und  über  den  Wert 

der  Hörübungen.  . 

Hörübungen  wurden  schon  im  Beginn  des  vorigen  Jahr¬ 
hunderts  mit  den  Taubstummen  angestellt,  es  ist  das  Verdienst 
von  U  rbantschitsch,  diese  Bemühungen  wieder  zum  Leben 
erweckt  und  in  ein  System  gebracht  zu  haben.  Er  stellte  Ver¬ 
suche  mit  einer  Mundharmonika  an  und  wollte  weniger  völlig 
Taube  gefunden  haben,  als  früher  angegeben  wurde.  Bezold 
nahm  anstatt  der  Mundharmonika  eine  kontinuierliche  Tonreihe, 
beginnend  mit  Tönen  der  Stimmgabel,  die  höheren  löne  werden 
durch  Pfeifen  hervorgebracht.  Bei  den  Untersuchten  finden 
sich  Defekte  am  oberen,  unteren  Ende  oder  in  der  Mitte  der 
Tonreihe.  Einige  taubstumme  Individuen  vernehmen  die  ganze 
Tonreihe,  aber  wahrscheinlich  mit  zu  geringer  Intensität,  wofür 
auch  der  Vortragende  einen  Beweis  erbracht  hat.  Unter  den 


16.  Dezember  1902. 


2699 


MÜENCIiENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


4o  Zöglingen  der  Taubstummenanstalt  waren  etwa  75  Proz.  an¬ 
geborener  Taubheit  vertreten,  eine  weit  höhere  Zahl,  als  man  sie 
gewöhnlich  findet;  es  hängt  dies  wohl  mit  der  israelitischen  Her¬ 
kunft  der  Zöglinge  zusammen;  unter  den  Juden  ist  die  Taub¬ 
stummheit,  und  zwar  gerade  die  angeborene  Form  häufiger. 
Auch  war  die  Zahl  der  idiotischen  Taubstummen  verhältnis¬ 
mässig  gross.  Erklärt  wird  dieser  Umstand  vielleicht  durch  die 
Häufigkeit  der  Verwandtenehen  bei  der  jüdischen  Bevölkerung. 
Unter  86  untersuchten  Gehörorganen  waren  44  nach  dem  Aus¬ 
fall  der  Hörprüfungen  als  total  taub  zu  bezeichnen,  45  Proz. 
hatten  \  okalgeliör.  Das  Gehör  war  meist  nicht  ausreichend  um 
V  orte  zu  hören,  während  Sätze  oft  ganz  gut  verstanden  wurden, 
die  Schwachsinnigen  hörten  natürlich  nur  ganz  alltägliche 
Redensarten.  Durch  die  Hörprüfung  findet  man  noch  Kinder 
heraus,  welche  die  ganze  Tonreihe  haben,  so  dass  man  sie  noch 
zum  Unterricht  verwenden  kann.  Ueber  den  Mutzen  der  Hör¬ 
übungen  ist  man  noch  verschiedener  Ansicht,  weil  die  Taub¬ 
stummen  doch  die  durch  Auge  und  Gefühl  zu  erlernende  Artiku¬ 
lationssprache  nicht  entbehren  können,  andererseits  ist  die 
Sprache  der  Kinder  mit  Vokalgehör  besser  als  die  der  ganz 
Tauben.  Alfred  J  a  p  h  a. 

Si  t  z  u  n  g  vom  10.  Dezember  1902. 

Herr  K  o  e  n  i  g :  Operation  ohne  direkte  Berührung  der 
Wunde. 

Vortragender  berührt  kurz  die  Entwickelung  der  Antiseptik 
zur  Aseptik,  die  aber  beim  Versuch,  auch  die  Hände  keimfrei 
zu  machen,  auf  unüberwindliche  Hindernisse  stösst;  darum  habe 
er  sich  bemüht,  die  Berührung  der  Wunde  mit  den  Händen,  wenn 
irgend  möglich,  zu  vermeiden.  Zuerst  habe  er  bei  den  der  In¬ 
fektion  so  leicht  zugänglichen  Gelenken,  dann  bei  Knochen¬ 
operationen  jede  direkte  Berührung  vermieden  und  statt  der 
Hände  lange  Instrumente  benützt;  bei  gutem  Willen  gehe  dies 
ganz  gut  und  selbst  die  in  dieser  Hinsicht  schwierige  Operation 
der  Entfernung  eines  Kniegelenkzwischenknorpels  nach  Derange¬ 
ment  des  Meniscus  lasse  sich  rein  instrumenteil  ausführen.  Wenn 
es  auch  Operationen  gebe,  bei  welchen  die  direkte  Berührung 
nicht  zu  umgehen  ist,  so  z.  B.  bei  Operationen  innerhalb  der 
Bauchhöhle,  so  lasse  sich  doch  das  rein  instrumenteile  Operieren 
auf  sehr  viele  Gebiete  ausdehnen  und  auch  in  der  Bauchhöhle 
lasse  sich  z.  B.  eine  Appendizitis  in  der  anfallsfreien  Zeit  auf 
diesem  Wege  operativ  behandeln. 

Der  Wert  dieses  Vorgehens  sei  für  Arzt  und  Patient  ein 
gleich  hoher;  ersterer  könne  viel  ruhiger  den  weiteren  Verlauf 
abwarten  und  letzterer  laufe  weniger  Gefahr.  Unter  seinen 
letzten  1000  Operationen  habe  er  über  600  auf  diese  Weise  aus¬ 
geführt,  darunter  100  Gelenk-  und  Knochenoperationen  und  in 
keinem  von  diesen  600  Fällen  auch  nur  die  geringste  Störung  zu 
verzeichnen  gehabt. 

Dieses  Verfahren  empfehle  sich  ganz  besonders  für  den 
Praktiker,  der  ja  hauptsächlich  an  den  Extremitäten  zu  operieren 
habe,  wo  sich  dieses  Verfahren  besonders  leicht  anwenden  lässt. 
(Demonstration  des  einfachen  Instrumentariums.) 

Herr  0.  Liebreich:  Ueber  die  Wirkung  des  Borax  und 
der  Borsäure. 

Vortragender  hatte  in  dieser  Gesellschaft  schon  wiederholt 
gegen  das  Verbot  des  Borax  und  der  Borsäure  gesprochen.  Auf 
Grund  neuerlicher  experimenteller  Prüfung  bezw.  Nachprüfung 
bestreitet  er  von  neuem,  dass  genannten  Mitteln  als  Fleisch¬ 
konservierungsmitteln,  d.  h.  also  in  massigen  Grenzen  genossen, 
irgend  welche  schädliche  Wirkung  zukomme. 

Die  dem  Bundesrat  von  dem  Reichsgesundheitsamt  (Rost) 
und  anderer  Seite  gelieferten  Unterlagen  seien  durchaus  un¬ 
zulänglich  und  hielten  einer  wissenschaftlichen  Kritik  nicht 
stand,  was  Vortragender  im  einzelnen  ausführt.  Das  gleiche 
gelte  vom  schwefligsauren  Natron. 

Diskussion:  Herr  v.  Bergmann  dankt  dem  Vortr. 
für  seine  interessanten  Ausführungen,  legt  aber  dagegen  Ver¬ 
wahrung  ein,  dass  die  beiden  Körperschaften,  welche  dem  Bundes¬ 
rat  das  Material  für  das  Verbot  geliefert  haben,  nämlich  das 
Reichsgesundheitsamt  und  die  preussische  wissenschaftliche  De¬ 
putation  für  Medizinalangelegenheiten,  ohne  genügende  Infor¬ 
mation  ihre  Ansichten  geäussert  hätten.  Sie  hätten  von  vielen 
Seiten  Gutachten  eingeholt,  welche  mitzuteilen  ihn  das  Amts¬ 
geheimnis  hindere,  aber  es  seien  jetzt  die  betr.  Autoren  damit  be¬ 
schäftigt,  ihre  Gutachten  zu  veröffentlichen. 


Herr  Liebreich:  Er  habe  nicht  daran  gedacht,  den  legis¬ 
latorischen  Körperschaften  Vorwürfe  zu  machen,  sondern  er  pro¬ 
testiere  dagegen,  dass  derartige  Gutachten  geheim  gehalten 
werden,  anstatt  dass  man  sie  durch  Veröffentlichung 
einer  wissenschaftlichen  Diskussion  zugänglich 
macht,  tvie  dies  in  England  geschehen,  und  dann  erst  nach  völliger 
wissenschaftlicher  Klärung  der  Frage  zur  Gesetzgebung  greift. 
Dass  jetzt  nachträglich  die  Gutachten  veröffentlicht  werden,  habe 
keine  Bedeutung  und  sei  auf  persönliche  Momente  zurückzu¬ 
führen.  (Fortsetzung  vertagt.) 

Herr  Lassar:  Demonstration  von  Abbildungen  der 
Memeler  Leprakranken.  Hans  K  o  li  n. 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  1.  Dezembe  r  1902. 

Herr  Weber  berichtet  über  Krankheit  und  Sektionsbefund 
bei  einem  2  jährigen  Kinde,  das  mehrere  Monate  intermittierend 
gefiebert  hatte.  Während  des  Lebens  waren  einmal  im  Blute  rund¬ 
liche  Gebilde  gefunden  worden,  Avelche  vielleicht  Blastomyceten 
waren.  Die  Sektion  ergab  in  mehreren  Organen  tuberkelähnliche 
Gebilde,  in  welchen  Blastomyceten  vorhanden  Avaren. 

Fortsetzung  der  Diskussion  über  den  Vortrag  des 

Herrn  Stadelmann:  Ueber  Späterkrankungen  des  Ge¬ 
hirns  nach  Schädeltraumen. 

Herr  Jastrowitz:  Lun  eine  Späterkrankung  annehmen 
zu  können,  müsse  das  Trauma  eine  geAvisse  Stärke  gehabt  haben 
und  zwischen  demselben  und  der  Erkrankung  eine  gewisse  Konti¬ 
nuität  vorhanden  sein.  Damit,  dass  Stadel  m  a  n  n  bei  Alkoholis¬ 
mus  und  Arteriosklerose  einen  Zusammenhäng  von  Unfall  und 
Erkrankung  nicht  zugeben  wolle,  könne  er  sich  nicht  einverstanden 
erklären,  denn  diese  Zustände  seien  prädisponierend  für  das  Zu¬ 
standekommen  einer  Späterkrankung. 

Herr  Davidsohn  berichtet  über  einen  Fall,  avo  sich  eitrige 
Infiltration  im  Bereiche  eines  Kleinhirnlappens  fand,  ausserdem 
Hydrocephalus  internus.  Entsprechend  der  Infiltrationsstelle  eine 
Knochen-  und  Weichteilnarbe,  welche  auf  eine  mehrere  Monate 
zuvor  erfolgte  Verletzung  zurückgeführt  werden  konnte. 

Herr  Crohn  beobachtete  folgenden  Fall:  31  jähriger  Mann, 
Verletzung  durch  herabfallendes  Pendel  am  Kopfe,  zunächst  nur 
Kopfschmerzen,  nach  3  Wochen  plötzliche  Ohnmacht,  Bewusst¬ 
losigkeit,  Hirndruckerscheinungen  und  Tod.  Sektion:  Knochen¬ 
narbe,  blutige  Infiltration  der  Arachnoidea  und  Blutungen  in  der 
Capsula  externa. 

Herr  Bernhard:  19 jähriger  junger  Mann;  überfahren,  mit 
der  Stirn  auf  den  Erdboden  auf  geschlagen;  bewusstlos.  Wegen 
Beinbruch  im  Krankenhaus  behandelt;  hier  nach  4  Wochen  links¬ 
seitige  Hemiplegie.  Er  erwähnt  ferner  Experimente  von  Güssen- 
baue r  und  Beobachtungen,  wonach  Traumen  sowohl  zu  Ver¬ 
kalkung  der  Ganglien,  wüe  zu  Tumoren  und  zu  Späteiterungen 
führen  können. 

Herr  M.  Roth  m  a  n  n  glaubt,  dass  die  traumatische  Hysterie 
Avie  früher  unterschätzt,  so  jetzt  häufig  überschätzt  werde,  und 
dass  ihr  häufig  eine  organische  Erkrankung  zu  Grunde  läge. 

Herr  R  e  m  a  k  berichtet  über  linksseitige  Hemiplegie  bei 
einem  Studenten,  12  Stunden  nachdem  er  auf  der  Mensur  einen 
Hieb  auf  das  linke  Stirnbein  erhalten  hatte,  Sektionsbefund: 
Grosser  Bluterguss  in  der  rechten  Stirnhälfte.  Ferner  bei  einem 
16  jährigen  Mädchen,  das  mit  dem  Scheitel  heftig  gegen  einen 
Pfosten  gestossen  Avar;  im  Anschluss  daran  Kopfschmerzen, 
Uebelkeit,  nach  Monaten  Blicklähmung,  nasale  Sprache  und  Hemi¬ 
parese,  Trismus,  also  Tumor. 

Herr  Stadelmann  eiwidert,  dass  er  bei  Alkoholismus  und 
Arteriosklerose  nur  zur  Vorsicht  in  der  Beurteilung  gemahnt  habe. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung-  vom  18.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Schmält  z. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Georg  Hesse 
einen  Fall  atoii  Torticollis  spasmodicus,  der  im  Oktober  1900  von 
ihm  operiert  worden  ist.  Es  bestand  damals  eine  Drehung  des  Ge¬ 
sichts  nach  links  und  starke  Neigung  des  Kopfes  auf  die  rechte 
Schulter.  Nachdem  die  alleinige  Durchschneidung  des  rechten 
Sternokleidomastoideus  sich  als  unzureichend  erwiesen  hatte, 
wurden  in  halber  Narkose  alle  die  Muskeln  der  rechten  Halsseite 
offen  durchtrennt,  welche  kontrahiert  waren:  Cucullaris,  Scaleni, 
Omohyoideus  und  Levator  scapulae.  Nach  Aveiterer  mehrmonat¬ 
licher  Uebungsgymnastik  blieben  die  Anfälle  bis  Mitte  August 
1901  Amllig  aus.  Seit  dieser  Zeit  entwickelt  sich  unter  Schwan¬ 
kungen  der  Stärke  der  Krämpfe  ein  Rezidiv,  bei  Avelchem  aber  nur 
Drehung  des  Gesichts  nach  links  zu  konstatieren  ist. 

Es  würd  sich  daher  eine  3.  Operation  nötig  machen,  welche 
auf  die  Drehmuskeln  der  linken  Seite  einzugehen  hat:  Obliquus 
infer.  und  splenius,  eArent.  Complexus  minor  und  Rectus  capitis 
poster.  rnaior. 


MUENCBENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


•:oö 

Als  ii i i<  »logische  Momente  sind  im  vorliegenden  Falle,  der 
einen  früher  gesunden,  nervös  nicht  belasteten  Studenten  von 
massiger  Lebensführung  betrifft,  für  die  erste  Erkrankung  ein 
grosser  Schreck  (Blitzstrahl),  für  das  Rezidiv  starke  körperliche 
Ueberanstrengung  und  Durchnüssung  auf  einer  Bergtour  zu  er¬ 
wähnen. 

Herr  Gustav  Zimmermann:  Beiträge  zur  Mechanik 
des  Hörens.  (Der  Vortrag  ist  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer 
abgedruckt.) 

Herr  Walter  Hesse:  Ein  neues  Verfahren  zur  Züchtung 
der  Tuberkelbazillen  im  menschlichen  Luftröhrenschleim, 
nebst  Bemerkungen  zur  Aetiologie  der  Lungenschwindsucht. 

(M  it  Demonstrationen.) 

H.  hat  Untersuchungen  darüber  angestellt,  welche  Rolle  der 
Luftröhrenschleim  Schwindsüchtiger  als  Nährboden  für  die  darin 
enthaltenen  Tuberkelbazillen  spielt. 

Er  schlug  der  Reihe  nach  folgende  Wege  ein: 

I.  Ausbreitung  von  Schleimllöckchen  auf  der  Oberfläche  von 
neutralem  W asser- Agar- Agar. 

2.  Verbringen  von  Schleimllöckchen  in  kleine  Glasapparate, 
die  dauerndes  Gesättigtsein  ihres  Luftinhaltes  mit  Wasserdampf 
und  die  Gegenwart  genügender  Sauerstoff  mengen  gewährleisten. 

3.  Ausbreiten  von  Schleimflöckchen  auf  der  Oberfläche  alka¬ 
lischen  Wasser- Agar-Agars. 

4.  Ausbreiten  von  Schleimflöckchen  auf  der  Oberfläche  alka¬ 
lischen  Glyzerin- Wasser- Agar- Agars  ')• 

Bei  Anwendung  der  Verfahren  1 — 3  war  zwar  in  der  über¬ 
wiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  Wachstum  der  Tuberkelbazillen 
nachweisbar  (kleine  Kolonien),  aber  nur  ausnahmsweise  das 
Heranwachsen  schöner,  grosser  Tuberkelbazillenkolonien  fest¬ 
zustellen. 

Die  Anwendung  des  Verfahrens  3  bewirkte  eine  derartige 
Hemmung  des  Wachstums  der  Begleitbakterien,  dass  dieselben 
entweder  gar  nicht  oder  höchstens  zu  isoliert  stehenden,  die 
Beobachtung  der  Blatten  nicht  störenden  Kolonien  heranwuchsen. 

Erst  das  Verfahren  4  brachte  einen  vollen  Erfolg: 

In  allen  Fällen  kam  es  zu  massenhafter  Vermehrung  der 
Tuberkelbazillen ;  die  Tuberkelbazillen  wuchsen  zwar  nicht  so 
schnell  wie  in  Ileyden-Agar- Agar,  doch  so,  dass  stets  bereits  nach 
1- — 3  Tagen  mittels  starker,  nach  1 — 2  Wochen  mittels  schwacher 
Vergrösserung,  und  nach  mehreren  Wochen  mit  dem  un- 
bewaffneten  Auge  das  Tuberkelbazillen  Wachstum  festgestellt 
werden  konnte. 

Störung  durch  Begleitbakterien  trat  auch  hierbei  nur  aus¬ 
nahmsweise  auf  und  beschränkte  sich  dann  ausschliesslich  auf 
Durchwucherung  der  Schleimflöckchen;  Wiederholung  des  Ver¬ 
suches  mit  später  von  demselben  Kranken  entnommenem  Aus¬ 
wurf  genügte,  um  die  Tuberkelbazillen  ungestört  zur  Entwick¬ 
lung  kommen  zu  lassen. 

Mit  dem  Verfahren  4  gelang  es,  in  jedem  tuberkelbazillen¬ 
haltigen  Auswurf  die  Tuberkelbazillen  zu  schönen  Kolonien 
heranzuzüchten,  und  zwar  im  allgemeinen  um  so  schneller  und 
besser,  je  näher  die  Alkaleszenz  des  Nährbodens  der  des  Aus¬ 
wurfes  stand. 

Bei  der  Nachprüfung  der  Versuche  Hess  es  empfiehlt  es 
sich,  Flöckchen  des  zu  untersuchenden  Auswurfs  in  mehreren 
Glasschalen  auf  Glyzerin- Agar- Agar  verschiedener  Alkaleszenz 
auszubreiten.  Am  besten  erwiesen  sich  Zusätze  von  0,1,  0,2, 
0,5,  1,  2  und  5  ccm  Y10  Normal-Soda-  oder  Pottaschelösung') 
zu  je  25  ccm  Nährboden  (1  Proz.  Agar-Agar,  3  Proz.  Glyzerin). 
Wegen  der  Veränderungen,  die  namentlich  alkalische  Nähr¬ 
böden  in  gewöhnlichen  Reagiergläsern  beim  Sterilisieren  er¬ 
leiden,  empfiehlt  sich  die  aussehliesliche  Verwendung  von  Reagier¬ 
gläsern  aus  Jenenser  Glas  und  Zugabe  des  Alkalis  zu  jedem 
Glase  erst  unmittelbar  vor  dem  Ausgiessen  der  Platte.  Der  Nähr¬ 
boden  muss  zuvor  in  den  Reagiergläsern  durch  wiederholtes  an¬ 
dauerndes  Erhitzen  im  Dampfstrom  oder  durch  einmaliges  an¬ 
haltendes  Erhitzen  im  Autoklaven  bei  2 — 3  Atm.  Ueberdruck 
sterilisiert  und  erweicht  werden.  Wegen  der  Länge  der  Züch- 


J)  1  nt  er  Benutzung  der  im  31.  Band  der  Zeitsohr.  f.  Hygiene 
u.  InCektionskrankli.  beschriebenen  Methode. 

t  Normalsodalösung  =  5,3  g  in  100  Wasser,  Normalpottasche¬ 
lösung  =  0,0  g  in  100  Wasser. 


lungsdauer  ist  es  ratsam,  nicht  weniger  als  25  ccm  Nährboden 
auf  eine  Platte  zu  verwenden. 

Hesse  kam  durch  seine  Untersuchungen  zu  folgenden 
Ergebnissen  und  Schlüssen : 

1.  Jeder  tuberkelbazillenhaltige  Luftröhrenschleim  ist  als 
Nährboden  für  den  Tuberkelbazillus  anzusehen. 

2.  Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  der  Schleim  innerhalb 
des  Körpers  dem  Tuberkelbazillus  bessere  Ernährungsbedin¬ 
gungen  bietet,  als  unsere  künstlichen  Nährböden. 

3.  Der  Wert  des  Schleimes  als  Nährboden  für  den  Tuberkel¬ 
bazillus  ist  sehr  verschieden.  Tuberkelbazillenreicher  und  schwach 
alkalischer  Auswurf  ist  im  allgemeinen  ein  vortrefflicher  Nähr¬ 
boden  für  den  Tuberkelbazillus;  dafür  spricht  schon  die  Masse 
der  Tuberkelbazillen,  die  nur  durch  Wachstum  der  Tuberkel¬ 
bazillen  innerhalb  des  Schleimes  zu  erklären  ist,  die  häufige  An- 
wesenheit  zahlreicher  kleiner  Kolonien  und  von  Haufen  von 
Tuberkelbazillen  und  der  Umstand,  dass  tuberkelbazillenreicher 
Auswurf  meist  schwach  alkalisch  ist. 

Wahrscheinlich  sind  die  Bazillen  solcher  Herkunft  besonders 
virulent.  Die  Virulenz  lässt  sich  teils  durch  die  Anpassung  der 
Bazillen  an  den  Schleim,  teils  durch  Mitübertragung  von 
Schleimteilchen,  die  den  Bazillen  anhaften,  auf  Gesunde  er¬ 
klären. 

4.  Die  Infektion  Gesunder  infolge  von  Einatmung  von  Luft¬ 
röhrenschleim  (Bläscheninfektion)  wird  u.  a.  dadurch  begünstigt, 
«.lass  die  Alkaleszenz  des  Luftröhrenschleimes  Gesunder  der  des 
eingeatmeten  gleich  oder  ähnlich  ist.  In  diesem  Falle  ist  ein 
der  Anpassung  der  eingeatmeten  Tuberkelbazillen,  der  Ansied¬ 
lung  der  Tuberkelbazillen  besonders  günstiger  Umstand  vor¬ 
handen.  Hieraus  erklärt  sich  zum  Teil  die  Disposition  zur  Er¬ 
krankung  an  Lungentuberkulose. 

5.  Die  Vermehrung  eingeatmeter  Tuberkelbazillen  wird  am 
besten  dann  von  statten  gehen,  wenn  virulente  Tuberkelbazillen 
sich  in  stagnierendem  Luftröhrenschleim  Gesunder  einnisten. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  mindestens  ein  Teil  der  von 
Birch-Hirschfeld  und  S  c  h  m  o  r  1  beschriebenen  pri¬ 
mären  Luftröhrentuberkulosen  überhaupt  dadurch  zu  stände 
kommt,  dass  sich  in  stagnierendem  Luftröhrenschleim  Tuberkel¬ 
bazillenkolonien  entwickeln,  die  auf  die  Luftröhrenschleimhaut 
übergreifen  und  erst,  sekundär  zur  Bronchialtuberkulose  führen. 
Die  Entwicklung  von  T uberkelbazi llenkolonien  im  Luftröhren¬ 
schleim  Gesunder  kann  rapid  von  statten  gehen,  da  Fälle  sicher 
beobachtet  sind,  in  denen  bereits  nach  2  Tagen  auf  alkalischem 
Glyzerin- Wasser*- Agar- Agar  in  Schleimflöckchen  Tuberkulöser 
massenhafte  Tuberkelkolonien  mit  schwacher  Vergrösserung 
deutlich  zu  erkennen  waren. 

6.  Die  von  Kranken  ausgehusteten  Tuberkelbazillen  sind  fast 
a usna hm  slos  vermeli  rungsf ä  h  ig. 

Diskussion:  Herr  G.  Schmorl  hält  das  geschilderte 
Vei'fahren  mittels  des  von  Herrn  Hesse  gefundenen  Nährbodens 
für  eine  wertvolle  Bereicherung  in  den  Methoden,  den  Tuberkel¬ 
bazillus  rein  zu  züchten.  Das  Wesentliche  bei  ciem  neuen  Nähr¬ 
boden  scheint  ihm  das  Weglassen  jedweden  Zusatzes  von  Eiweiss¬ 
körpern,  Peptonen  u.  dergl.  zu  sein. 

Der  frühere  Nährboden  hat  Herrn  Schmorl  bei  ausge¬ 
sprochener,  selbst  durch  Sektion  erwiesener  Tuberkulose  zum 
Auffinden  der  Bazillen  gerade  da  versagt,  wo  der  mikroskopische 
Nachweis,  auch  bei  Anwendung  der  Sedimentierung  (nach 
Biedert  oder  Kete  1),  nicht  gelang. 

Den  Herrn  Vortragenden  bittet,  er  um  Auskunft: 

1.  Hat  sich  der  Nährboden  zur  Züchtung  der  Bazillen  aus 
dem  Urin  beim  Vorhandensein  nur  sehr  wenig  zahlreicher  Bazillen 
bei  Urogenitaltuberkulose  bewährt?  Herr  Schmorl  hat,  in  Be¬ 
rücksichtigung  des  hohen  praktischen  Wertes  für  solche  Fälle. 
Untersuchungen  angestellt,  leider  stets  resultatlos,  auch  in  Fällen 
mit  positivem  Ausfall  des  Tierversuchs. 

2.  Bestehen  Unterschiede  des  Wachstums  für  Tuberkelbazillen 
und  tuberkelbazillenähnliche  Keime?  Das  Tierexperiment,  was  die 
Entscheidung  immer  um  Wochen  verzögert,  würde  dadurch  ent¬ 
behrlich.  Herrn  Schmorl  s  darauf  sich  beziehende  Versuche 
sind  noch  nicht  abgeschlossen. 

3.  Wie  wachsen  Tuberkelbazillenreinkulturen  auf  dem  neuen 
Nährboden? 

Herr  Schmorl  hat  auch  versucht,  die  Bazillen  direkt  im 
Schleim  zu  züchten  und  gefunden,  dass  derselbe  unter  bestimmten 
Bedingungen  zur  Anreicherung  genügt,  wie  Sedimentierung  der 
Bazillen  vor  und  nach  dem  Versuch  ergab.  Mit  Rücksicht  darauf 
hält  er  auch  Herrn  H  e  s  s  e  s  Ansicht  von  der  Bedeutung  des 
Schleims  für  die  Entstehung  der  Tuberkulose  für  sehr  beachtlich, 


16.  Dezember  1902. 


MÜENCHENEK  MEDIÖINISOHE  WOCHENSCHRIFT. 


2101 


günstigsten  Be- 
Broncliialwand- 
geschaffen. 


wesentlich  scheint  ihm  dabei  die  Annahme  einer  „Stagnation  des 
Schleimes  .  Diese  Stagnation  kommt  namentlich  bei  Bestehen 
einer  ronchialstenose,  auf  deren  Häufigkeit  er  hingewiesen,  zu 
stände.  Aut  diese  eise  sind  in  der  Tat  die 
dingungen  für  die  Entwicklung  einer  primären 
tuberkulöse  im  Sinne  B  i  r  c  li  -  II  i  r  s  c  h  f  e  1  d  s 

Herrn  Walter  Hesse  hat  sich  seine  Methode  doch  mitunter 
bewahrt,  wo  eine  allerdings  nur  flüchtige  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  versagte;  umgekehrtes  Verhalten  dagegen  fand  er  nie. 

Uebei  Uiogenitaltuberkulose  fehlen  ihm  Erfahrungen.  Unter¬ 
suchungen  nach  dieser  Richtung  sollten  nach  seiner  Ansicht  auf 
Nährboden  mit  veränderter,  event.  durch  Milchsäurezusatz  auch 
s.imei  Reaktion,  analog  der  Urinreaktion,  vorgenommen  werden 
Untersuchungen  über  den  differentialdiagnostischen  Wert  der 
Methode  bei  tuberkelbazillenähnlichen  Keimen  hat  er  nicht  an¬ 
gestellt.  Das  charakteristische  Aussehen  der  Tuberkelbazillen¬ 
kolonien  lässt  Zweifel  nicht  aufkommen. 

Tuberkelbazillenreinkulturen  passen  sich  viel  schlechter  dem 
Nährboden  an  und  wachsen  auf  ihm  viel  langsamer  als  auf  Nähr¬ 
boden  mit  tuberkelbazillenhaltigem  Schleim. 


Aerztlicher  Bezirksverein  zu  Erlangen. 

(gemeinsam  mit  der  physikalisch-medizinischen  Sozietät). 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  10.  November  1902. 

Prof.  A.  v.  Strümpell  stellt  einen  Kranken  vor.  Hei  dem 
infolge  einer  schweren  Stichverletzung  des  obersten  Halsrücken¬ 
markes  nach  Abheilung  der  übrigen  schweren  spinalen  Erschei¬ 
nungen  eine  totale  Anästhesie  der  rechten  Hand  des 
rechten  Vorderarmes  und  der  unteren  Hälfte  des  Oberarmes 
zurückgeblieben  ist.  Die  Anästhesie  betrifft  sowohl  die  Haut,  als 
auch  die  tieferen  Teile.  Da  die  Motilität  des  Armes  nicht  wesent¬ 
lich  gestört  ist,  so  war  hier  die  seltene  Gelegenheit  vorhanden, 
den  Einfluss  des  völligen  Verlustes  der  Sensibilität  auf  die  Aus¬ 
führung  der  Bewegungen  in  einem  Falle  von  organisch  bedingter 
vollständiger  Anästhesie  zu  studieren. 

Die  von  Str.  angestellten  und  demonstrierten  Versuche  zei¬ 
gen,  dass  folgende  Leistungen  unseres  Muskelsystems  ohne  die 
stetige  regulierende  Mithilfe  der  Sensibilität  nicht  möglich  sind: 

1.  Die  Abgrenzung  einer  bestimmten,  auch  noch  so  einfachen 
Bewegnng  auf  ein  bestimmtes  räumliches  M  a  s  s  (Beugung 
des  Armes  bis  zu  einem  bestimmten  Winkel  u.  dergl.). 

2.  Die  zeitlich  gleichmässige,  langsame  Be¬ 
wegung  eines  Gliedes. 

3.  Die  dauernde  Bescliränku  n  g  der  Bewegung 
auf  ein  bestimmtes  Muskelgebiet,  z.  B.  einen  einzelnen  Finger, 
unter  gleichzeitiger  Fixation  der  übrigen  benachbarten  Körper¬ 
teile. 

4.  Die  A  uswahl  der  verschiedenen  nötigen  Muskelgruppen 
zur  Ausführung  einer  Reihe  von  Bewegungen  inbestimmter 
Reihenfolge  (z.  B.  bestimmte  Fingerübungen). 

5.  Die  anhaltende  statische  Fixation  einer  bestimm¬ 
ten  Muskeltätigkeit  zur  festen  Einhaltung  der  bestimmten  Stel¬ 
lung  eines  Gliedes  (sog.  statische  Koordinatio  n). 

6.  Die  Ausführung  jeder  komplizierteren  Bewegung,  zu  der 
verschiedene  Muskelgruppen  in  richtiger  synergetischer  Tätigkeit 
nötig  sind  (Ataxie  der  gewollten  koordinierten  Bewegungen). 

Im  Anschluss  an  diese  Demonstration  spricht  Herr 
A.  v.  Strümpell  über  die  normale  Koordination  der  Be¬ 
wegungen  und  die  Entstehung  der  Ataxie. 

(Der  Vortrag  erscheint  demnächst  ausführlich  in  der 
Deutsch.  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.,  Bd.  XXIII,  II.  1.) 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  v  o  m  2.  D  e  z  e  m  b  e  r  1902. 


Dünndarmstück  in  den  oberen  Teil  der  Flexura  sigmoidea  implan¬ 
tiert  —  erst  hier  hatte  der  Dickdarm  wieder  die  ungefähre  Weite 
eines  kleinen  Fingers.  Während  die  Ernährung  und  Kräftigung 
des  Kindes  während  des  Bestehens  des  künstlichen  Dünndarm¬ 
afters  grosse  Schwierigkeit  gemacht  hatte,  erholte  sich  das  Kind 
nach  gelungener  Wiedervereinigung  der  Därme  verhältnismässig 
sc  linell  und  ist  jetzt  ein  kräftiges  Kind  mit  normal  funktionieren¬ 
dem  Darm  (regelmässige,  gut  verdaute,  zeitweise  breiige  zeitweise 
geformte  Stuhlgänge). 

Herr  Grisson  legt  das  operativ  gewonnene,  frische  Prä¬ 
parat  einer  primären  traumatischen  Pyonephrose  vor.  Der 
20  jährige  Mann  war  die  Treppe  heruntergestürzt.  5  Tage  lang 
anfangs  starke,  dann  mässige  Hämaturie.  Nach  14  Tagen  Er¬ 
scheinungen,  die  an  peritonitische  Reizung  denken  liessen.  in  deren 
weiteren  Verlauf  sich  dreifingerbreit  über  dem  Po  upart  sehen 
Bande  ein  Abszess  bildete,  der  inzidiert  wurde.  Ans  dieser  Wunde 
entstand  eine  Urinfistel.  Im  Laufe  der  nächsten  Wochen  ent¬ 
wickelte  sich  eine  ständig  wachsende  grosse  Geschwulst,  die 
offenbar  von  der  Nierengegend  ihren  Ursprung  nahm  und  schwap¬ 
pende  Fluktuation  aufwies.  Die  Pyonephrose,  deren  oberer  Pol 
nahe  dem  Zwerchfell,  deren  unterer  an  der  erwähnten  Fistel  lag, 
konnte  erst  nach  der  Punktion  von  2 yz  Liter  eitrigen  urinösen 
Inhalts  mit  grossen  Schwierigkeiten  in  toto  entfernt  werden, 
wobei  die  Ablösung  vom  Peritoneum  nur  mit  Mühe  gelang.  Hinter 
dem  Nierenbecken,  auf  dem  M.  Psoas,  fand  sich  eine  eitrige  Urin¬ 
infiltration,  in  die  die  Fistel  führte.  Wahrscheinlich  hat  es  sich  bei 
dem  Sturz  um  einen  Riss  im  Ureter  oder  im  Nierenbecken  ge¬ 
handelt 

II.  V  o  r  t  r  a  g  des  Herrn  Bertelsmann:  Weitere  Er¬ 
fahrungen  über  den  Beginn  der  Sepsis  (auf  Grund  bakterio¬ 
logischer  Blutuntersuchungen). 

Bertelsmann,  welcher  schon  auf  dem  letzten  Chi- 
rurgenkongress  und  in  Langenbecks  Archiv  über  diesen  Gegen¬ 
stand  berichtet  hat,  führt  eine  neue  Untersuchungsreihe  vor, 
welche  die  sämtlichen  pyogenen  Infektionen,  welche  innerhalb 
des  letzten  J ahres  im  St.  Georger  Krankenhause  auf  der  chi¬ 
rurgischen  Abteilung  behandelt  wurden,  umfasst. 

Von  den  220  Fällen  sind  154  als  wissenschaftlich  verwend¬ 
bar  ausgefallen.  Von  diesen  haben  48  Fälle  einen  positiven 
Bakterienbefund  im  lebenden  Blute,  was  B.  für  ziemlich  viel 
hält,  da  nicht  nur  die  der  Sepsis  verdächtigen  Fälle,  sondern 
eben  sämtliche  pyogenen  Infektionen  untersucht  wurden. 

Es  konnten  namentlich  bei  einer  Reihe  phlegmonöser  Pro¬ 
zesse  erhebliche  Streptokokkenmengen  im  Blute  nachgewiesen 
werden  (manchmal  viele  Hunderte  von  Kolonien),  von  denen 
sich  das  Blut,  nachdem  der  Eiterherd  durch  das  Messer  unschäd¬ 
lich  gemacht  worden  war,  wieder  befreien  konnte. 

V  on  48  Patienten  mit  positivem  Blutbefund  starben  20. 
Diese  geringe  Mortalität  führt  B.  darauf  zurück,  dass  er  haupt¬ 
sächlich  die  Anfangsstadien  der  Bakterieninvasion  untersuchte. 
Es  handelte  sich  offenbar  hierbei  um  etwas  anderes  als  um  den 
Zustand,  wenn  es  bereits  zu  der  Sepsis  im  klinischen  Sinne  ge¬ 
kommen  ist. 

Es  fanden  sich  im  Blute: 

Streptokokken  in  28  Fällen  mit  9  Todesfällen  —  32  Proz. 
Mortalität. 

Staphylokokken  in  13  Fällen  mit  9  Todesfällen  —  70  Proz. 
Mortalität. 

Staphylococcus  albus  in  2  Fällen  mit  2  Heilungen. 

Pneumokokken  in  einem  Fall,  welcher  tödlich  endigte. 

Baeterium  coli  in  einem  Fall,  welcher  geheilt  wurde. 

Milzbrandbazillen  in  einem  Fall,  welcher  geheilt  wurde. 

Mischinfektionen  bei  Urethralfieber  in  2  Fällen,  wovon  einer 
aceidentell,  der  andere  an  der  Infektion  starb. 

B.  schliesst  hieraus,  dass  seiner  Erfahrung  nach  die  Strepto¬ 
kokkeninfektionen  im  allgemeinen  eine  bessere  Prognose  bieten 
als  die  Staphylokokkeninfektionen.  Er  steht  hierin  in  Wider¬ 
spruch  mit  den  meisten  Untersuchern  mit  Ausnahme  von  Len- 
hart  z. 


Vorsitzender :  Herr  K  ii  m  m  eil. 

I.  Demonstrationen: 

Herr  Cordua:  Zur  Kasuistik  der  Behandlung’  der  bran¬ 
digen  Darminvag’ination  im  Kindesalter. 

Vortragender  stellt  ein  kleines  Mädchen  vor,  das  er  in  seinem 
4.  Lebensjahre  mit  einer  seit  8  Tagen  bestehenden,  brandigen 
Danninvagination  (1901)  in  Behandlung  nahm.  Wegen  Gangrän 
der  Scheide  und  des  Intussusceptum  musste  die  Totalresektion'  des 
ileocoekalen  Invaginationstumors  gemacht  werden  mit  nach¬ 
folgender  Einnähung  der  Darmenden  in  die  Bauchwand.  Nach 
mehrwöchentlichem  Bestehen  des  künstlichen  Afters  wurde  die 
Wiedervereinigung  der  Därme  ausgeführt  und  zwar,  da  das  ab¬ 
führende  Darmende  (Colon  ascendens)  mit  dem  übrigen  Dickdarm 
zu  einem  federkieldicken  Strang  zusammengeschrumpft  und  da 
wegen  der  dadurch  bedingten  hochgradigen  Inkongruenz  der  zu 
vereinigenden  Darmstücke  eine  unmittelbare  Verbindung  zwischen 
den  eingenähten  Darmenden  unmöglich  war,  das  zuführende 


In  dem  Umstande,  dass  nach  Eliminierung  des  primären 
Herdes  das  Blut  nach  seinen  Untersuchungen  sich  so  häufig-  der 
vorher  gefundenen  Bakterien  zu  entledigen  vermöge,  erblickt  B. 
eine  neue  Stütze  für  die  Anschauung,  dass  das  lebende  Blut  nicht 
als  ein  Nährboden  betrachtet  werden  darf,  sondern  bakterizide 
Kräfte  besitzt.  Erkennt  man  aber  die  bakterizide  Kraft  des 
Blutes  an,  so  wird  man  zu  der  Vermutung  hingedrängt,  dass 
jede  ausgebildete  Sepsis  (das  Wort  als  klinischer  Begriff  ge¬ 
braucht)  eine  Herderkrankung  ist,  da  die  Bakterien  ja  im  freien 
Blute  weder  sich  vermehren  noch  leben  können.  Die  Sache  be¬ 
dinge  aber  noch  des  pathologisch-anatomischen  Nachweises. 

Es  bestehe,  was  den  Blutbefund  anbetreffe,  kein  Unterschied 
zwischen  den  mit  nachweisbaren  Metastasen  (Pyämie)  und  den 
ohne  Metastasen  (Septikämie)  verlaufenden  Allgemeininfek¬ 
tionen. 


2102 


MUENCHENFR  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIFT. 


No.  50. 


Die  eigentliche  thrombo-embolische  Pyämie  sei  aber  im 
Zeitalter  der  Asepsis  viel  seltener  geworden. 

Während  bei  20  an  pyogenen  Infektionen  sterbenden  Men¬ 
schen  die  Keime  vor  dem  Tode  im  Blut  nachgewiesen  wurden, 
ist.  der  Nachweis  bei  14  Peritonitikern  vor  dem  Tode  (Peritonitis 
unbestimmten  Ursprungs)  nicht  geglückt,  auch  wenn  der  Krank- 
hoitsverlauf  ein  protrahierter  war. 

B.  schliesst  hieraus,  dass  diese  Kategorie  von  Fällen  in  erster 
Linie  der  Toxinämie  erliege. 

Vom  praktischen  Gesichtspunkte  aus  kann  B.  die  Unter¬ 
suchung  nach  dem  Verfahren  Sittmann-Lenhartz- 

Schottmüller  nur  empfehlen. 

Diskussion:  Herren  L  e  n  li  a  r  t  z,  F  raenlcel  und  der 
Vortragende.  ^  e  r  n  e  r. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Juli  1902. 

Vorsitzender :  Herr  Curschma  n  n. 

Schriftführer :  Herr  Braun. 

Herr  Ri  sei  spricht  über  Inhalationsmilzbrand  und  be¬ 
richtet  unter  Vorlegung  von  Präparaten  und  Abbildungen  über 
einen  derartigen  Fall  bei  einer  Arbeiterin  in  einer 
Drogenfabrik.  Fs  handelte  sich  um  eine  54 jährige  Frau, 
die  unter  schweren  Allgemeinerscheinungen  und  den  Symptomen 
einer  Lungenaffektion  nach  kurzem  Krankenhausaufenthalt  und 
kaum  3  tägiger  Krankheitsdauer  verstorben  war,  ohne  dass  intra 
vitam  Klarheit  über  das  Krankheitsbild  hatte  gewonnen  werden 
können.  Bei  der  Sektion  fand  sich  geringe  ödematose 
Schwellung  im  Jugulum  und  Mediastinum,  in 
beiden  Pleurahöhlen  ein  reichlicher  seröser 
Erguss.  Die  Lungen  waren,  abgesehen  von  ziemlich  starkem 
Oedem  und  Blutreichtum,  frei  von  Veränderungen,  ebenso  die 
oberen  Luftwege  bis  auf  einen  kleinen  hämorrhagischen 
Fleck  im  linken  Hauptbronchus  dicht  unterhalb  der 
TeilungssteUe  der  Trachea.  In  der  Umgebung  der  Bi¬ 
furkation  mehrere  Pakete  bis  haselnussgross  er, 
stark  geschwollener,  sukkulenter  u  n  d  von  Ha¬ 
rn  o  r  r  h  a  g  i  e  n  durchsetzter  Lymphdrüsen.  Milz 
etwas  geschwollen,  die  Pulpa  ausserordentlich  weich,  auseinander- 
fiiessend.  Uebrige  Organe  ohne  besondere  Veränderungen,  na¬ 
mentlich  am  Magendarmkanal  keine  Besonderheiten. 

Der  Sektionsbefund  liess  gleich  an  die  Möglichkeit  einer  Milz¬ 
brandinfektion  denken.  In  Abstrichpräparaten  vom  Safte  der 
Bronchialdrüsen  und  der  Milz  fanden  sich  zahlreiche  einzelne  und 
in  Fäden  zusammenhängende  Milzbrandbazillen.  Durch  Kultur 
und  Tierversuch  wurde  die  Annahme  einer  Milzbrandinfektion 
weiter  bestätigt.  Mikroskopisch  erwies  sich  der  kleine  hämor¬ 
rhagische  Herd  im  linken  Hauptbronchus  als  eine 
beginnende  Milzbrandpustel.  Die  Lungen  zeig¬ 
ten  sich  frei  von  pneumonischen  Herden,  dagegen  fanden  sich 
auch  hier  sehr  reichliche  Milzbrandbazillen,  z.  T. 
in  den  Alveolen  freiliegend  oder  in  Alveolarepithelzelleu  einge¬ 
schlossen.  In  der  Hauptsache  lagen  die  Bazillen 
innerhalb  der  Alveolarsepten  und  zwar  immer 
in  den  Lymphspalten  und  stets  zusammen  mit 
dem  Kohl'epigment;  in  den  feineren  Lymphspalten  nur  als 
einzelne  Stäbchen  oder  Fäden,  die  zu  grösseren  Zügen  zusammen¬ 
treten  und  häufig  kranzartig  die  kleineren  Gefässe  umgaben.  In 
den  weiteren  Lymphräumen  fanden  sich  die  Bazillen  als  Haufen 
von  dichtgedrängten  Fäden  zwischen  den  Pigmentmassen  liegend. 
In  dilatierten  Lymphgefässen  Lymphthrom- 
ben,  durchsetzt  von  sehr  dicht  durchflochtenen 
Milz  b  r  andfäd  e  n.  In  den  Blutgefässen  der  Lunge'  waren 
die  Bazillen  nur  sehr  spärlich  anzutreffen.  Sehr  reichliche 
Bazillen  waren  in  den  hämorrhagischen  Bron¬ 
chialdrüsen  vorhanden,  sowohl  in  den  Lymphbahnen  als 
innerhalb  der  Blutgefässe,  stellenweise  liess  sich  direkt  ein  Ein¬ 
wachsen  der  Bazilien  in  die  Blutgefässe  feststellen.  Auf  diesen 
Einbruch  der  Milzbrandbazillen  in  die  Blutbahn  innerhalb  der 
Bronchialdrüsen  war  neben  den  wenigen  innerhalb  der  Lunge 
direkt  in  die  Blutbalm  gelangten  Bazillen  die  Allgemeininfektion 
offenbar  in  der  Hauptsache  zurückzuführen,  in  den  übrigen  Or¬ 
ganen  (Milz,  Leber,  Nieren)  konnten  nur  sehr  vereinzelte  Milz- 
brandbazillen  nachgewiesen  werden,  im  Gehirn  misslang  der  Nach¬ 
weis  sogar  ganz. 

Die  Milzbrandinfektion  von  den  Lungen  aus  erfolgte  in 
diesem  Falle  also,  konform  den  Ergebnissen  der  Untersuchungen 
von  Pal  tauf,  Eppiuger,  Petriff,  durch  Eindringen  der 
in  die  Alveolen  gelangten  Milzbrandbazillen  in  die  Lymphbahnen 
der  Alveolarsepten  und  Weiterverbreitung  in  den  grösseren 
Lymphräumen  wie  in  die  Bronchialdrüsen. 

Hinsichtlich  der  Aetiologie  ist  noch  hervorzuheben,  dass  die 
Infektion  in  diesem  Falle  auf  die  Beschäf¬ 
tigung  der  Patientin  in  einer  Drogenfabrik  z  u  - 
rückzufii  li  r  e  n  w  a  r,  in  der  unter  anderen  auch  in  rohe 
Tierhäute  verpackte,  ausländische  Drogen  ver¬ 
arbeitet  werden.  Bei  dem  Zerkleinern  und  Reinigen  dieser  Drogen 
werden  kolossale  Mengen  von  Staub  aufgewirbelt.  Gleichzeitig 
mit  diesen  Staubmassen  sind  nun  offenbar  Milzbrandsporen,  die 


wohl  von  den  als  Packmaterial  verwendeten  Tierhäuten  her¬ 
rührten,  von  der  Pat.  eingeatmet  worden  und  haben  die  Infektion 
veranlasst. 

Herr  Perthes:  1.  Ueber  Fremdkörperpunktion. 

Um  kleine  Fremdkörper,  besonders  in  Hand  und  Vorderarm, 
noch  rascher  und  sicherer  finden  und  entfernen  zu  können,  als 
es  durch  die  Lokalisation  mit  Röntgendurchleuchtung  oder 
Röntgenphotographie  möglich  ist,  stösst  P.  während  der  Durch¬ 
leuchtung  mit  Röntgenstrahlen  unter  Leitung  des  Schattenbildes 
auf  dem  Fluoreszenzschirm  eine  feine  Nadel  auf  den  Fremdkörper 
ein,  so  dass  die  Nadel  den  Fremdkörper  berührt.  Die  Nadel 
bleibt  liegen  und  gibt  bei  der  nun  folgenden  Operation  einen 
sicheren  Wegweiser  zu  dem  Fremdkörper  ab.  Die  Einzelheiten 
des  Verfahrens  sind  im  Centralblatt  für  Chirurgie  1902,  No.  32 
mitgeteilt. 

2.  Ueber  gebrauchsfertige  aseptische  Verbandstoffe  für  die 
Kriegschirurgie  und  den  praktischen  Arzt.  (Die  Mitteilung 

wird  in  dieser  Wochenschrift  abgedruckt.) 

Herr  H  o  h  1  f  e  1  d  spricht  zur  Pathologie  der  Nieren  bei 
den  Magendarmerkrankungen  des  Säuglings. 

Er  schildert  in  eingehender  Weise  die  Resultate  methodischer 
Harnuntersuchungen  bei  40  magendarmkranken  Säuglingen, 
deren  Krankheitsbild  er  in  kurzen  Zügen  entwirft,  und  bespricht 
die  Symptome,  welche  in  diesem  Krankheitsbilde  auf  eine  Be¬ 
teiligung  der  Nieren  hin  weisen.  Der  Vortrag  wird  in  extenso 
im  Deutschen  Archiv  für  klinische  Medizin  erscheinen. 

Herr  Eigenbrodt  macht  Mitteilung  von  einem  Falle  von 
Tetanus  nach  Gelatineinjektion.  Es  handelte  sich  um  ein  junges 
Mädchen,  bei  dem  von  einem  Spezialisten  eine  intranasale  Ope¬ 
ration  und  dann  wegen  unstillbaren  Nasenblutens  eine  Injektion 
von  2  proz.  Gelatinelösung  subkutan  in  der  Brustgegend  vor¬ 
genommen  worden  war.  Der  Tetanus  brach  0  Tage  post  inj.  aus 
und  verlief  trotz  Einspritzung  von  B  e  h  r  i  n  g  s  Antitoxin  in 
ca.  IS  Stunden  tödlich.  E.  führt  andere  ähnliche  Beobachtungen 
aus  der  neuesten  Literatur  an  und  stellt  die  Forderung  auf,  dass 
nur  noch  Gelatine  bekannter  Herkunft  und  auch  diese  nur  nach 
fraktionierter  Sterilisation  zu  Injektionen  gebraucht  wird.  tDer 
Vortrag  ist  in  den  „Mitt.  aus  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Cliir.“  er¬ 
schienen.)  . 

Diskussion:  Herr  Gurschmann  weist  auf  seine  Mit¬ 
teilung  über  dieses  Thema  in  der  Sitzung  vom  10.  Juni  hin.  Er 
sah  bei  vielen  Hunderten  von  Gelatineinjektionen  niemals  eine 
üble  Nebenwirkung.  Das  Sterilisationsverfahren  Stichs  erfülle 
die  von  Herrn  Eigenbrodt  gestellten  Anforderungen.  In  der 
hiesigen  Löwenapotheke  werde  nach  Stichs  Verfahren  sterili¬ 
sierte  Gelatine  abgegeben. 

I 

Sitzung  vom  21.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  C  u  r  s  c  h  m  a  n  n. 

Schriftführer :  Herr  Brau  n. 

Herr  Marchand:  Zur  Erinnerung  anVirchow.  (Der 

Vortrag  wird  als  Broschüre  gedruckt.) 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  16.  Oktober  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Carl  Koch. 

Herr  Thorei  demonstriert  aus  dem  Krankenhause: 

1.  einen  Fall  von  Embolie  der  Arteria  mesenterica  superior 
bei  einer  an  Mitralstenose  verstorbenen  Frau;  klinisch  bestand 
kurz  vor  dem  Tode  ein  heftiger,  vorübergehender  Kollaps  mit 
schwerem  Erbrechen  und  sonstigen  peritonitischen  Reizerschei¬ 
nungen;  die  Sektion  ergab:  einen  etwas  älteren,  walnussgrossen 
und  das  Gefässlumen  vollkommen  obturierenden  Embolus  an  der 
Teilungsstelle  der  Aorta  abdominalis  mit  Verstopfung  der  beiden 
Iliacae,  sowie  der  Anfangsteile  der  Hypogastricae  und  beginnender, 
schon  klinischer  nachgewiesener  anämischer  Nekrose  der  beiden 
unteren  Extremitäten;  weiterhin  multiple  Embolien  der  Milz-  und 
Nierenarterien  mit  älteren  Infarktbildungen  in  diesen  Organen, 
einen  frischen,  doppelt  bohnengrossen  Embolus  in  der  Arteria 
coeliaca  ohne  weitere  Folgen  für  die  von  ihr  und  ihren  Zweigästen 
versorgten  Organe,  insbesondere  Magen,  Pankreas  und  Leber,  so¬ 
wie  eine  ausgedehnte  komplette  Embolie  der  Arteria  mesenterica 
superior,  nebst  Verlegung  ihrer  Aeste  und  konsekutiver  hämor¬ 
rhagischer  Infarzierung  des  gesamten  Dünndarms,  seines  Mesen- 
terialansatzes  und  Verblutungstod  in  das  Abdomen.  Im  Anschluss 
hieran  wird  das  Wichtigste  über  die  Folgeerscheinungen  des  em- 
bolischen  resp.  thrombotischen  Verschlusses  der  arteriellen  und 
venösen  Mesenterialgefässe  mitgeteilt. 

2.  einen  Fall  von  ausgesprochener  Schaumleber,  welche  m 
der  Leiche  einer  an  Peritonitis  infolge  einer  Darminkarzeration 
verstorbenen  Frau  neben  ausgesprochenem  Fäulnisemphysem  der 
übrigen  Körperorgane  angetroffen  wurde;  kulturell  liess  sich  Bac- 
terium  coli  züchten,  das  in  zuckerhaltigen  Nährböden  eine  un¬ 
gewöhnlich  starke  Gasentwicklung  entfaltete.  Histologisch  cm- 


16.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2103 


sprachen  die  Präparate  genau  den  Bildern,  wie  sie  S  a  n  d  n  e  r 
nn  Juhheft  des  Central!,!  f.  patliolog.  Anatomie  gezeichnet  hat 
<  lme  die  von  Ernst  betonte  Möglichkeit  einer  agonalen  Ent¬ 
stellung  der  Schaumorgane  völlig  leugnen  zu  wollen,  stellt  sich 
Mi.  doch  auf  Grund  des  hantigen  Vorkommens  der  Schaumorgane 
bei  septischen  Leichen  neben  frühzeitigen  ausgesprochenen  Fäul- 
msveranderungen  m  den  übrigen  Körperorganen  und  auf  Grund 
der  1  ra  enkel  scheu  Tierversuche  (Gasbildung  in  den  Organen 
\on  mh/ierten  Kaninchen  erst  postmortal  im  Brütofen)  auf  den 

llfiü11'«'  <11aSS  /;;lsblldlul-  Ms  solche,  also  die  Umwandlung 
dm  betreffenden  Organe  m  Schaumorgane,  einen  kadaverösen 
Vorgang  darstellt,  welcher  nicht  prinzipiell,  sondern  nur  graduell 
von  der  gewöhnlichen  Fäulnis  unterschieden  ist,  derart  dass  die 
gleichgültig  ob  m  der  Agone  oder  postmortal,  in  die  Leber  über- 
get  io  tonen  Bakterien  unter  noch  nicht  näher  aufgeklärten  Um¬ 
standen  eine  erhöhte  Fähigkeit  zur  Bildung  eines  unter  hoher 
Spannung  stehenden  Gases  besitzen.  Bemerkenswert  ist  ferner¬ 
hin,  dass  in  dem  vorliegenden  Falle  die  bis  erbsengrossen  Gas¬ 
blasen  in  der  Leber  von  grünen  Galleringen  umgeben  waren,  so 
dass  die  Wahrscheinlichkeit  besteht,  dass  die  gefundenen  Koli- 
bazillen  von  dem  Darm  aus  durch  die  Gallengänge  in  die  Leber 
eingedrungen  sind.  Die  auch  in  dem  vorliegenden  Falle  histo¬ 
logisch  konstatierte  Tatsache  der  vorwiegenden  Beschränkung  der 
Lebeizellenkernnekrosen  um  die  Bakterienansiedelungen  herum, 
die  für  die  agonale  Entstehung  dieser  Veränderungen  verwertet 
wurde,  lässt  sich  nach  Th.  auch  in  dem  Sinne  eines  rein 

deuten,  dass  die  schon  durch  ihre 
von  dem  gewöhnlichen  Verhalten 
dem  vorliegenden  Falle  vielleicht 
auch  noch  eine  besonders  intensive  Toxinwirkung  entfalteten, 
deren  Einfluss  sich  naturgemäss  an  dem  ihnen  zunächst  gelegenen 
Lebergewebe  auch  am  stärksten  geltend  machen  musste. 


kadaverösen  Vorganges  derart 
abnorm  hohe  Gasentwicklung 
abweichenden  Kolibazillen  in 


Herr  Carl  Koch  spricht  über  Appendizitis  und  Leber¬ 
abszess  unter  Mitteilung  folgenden  Falles: 

B.,  Telegraphenwerkführer  in  Nürnberg,  in  den  40  er  Jahren 
stehend,  hatte  im  April  1901  einen  Unfall  dadurch  erlitten,  dass 
ihm  ein  schwerer  Telegraphenständer  auf  den  Unterleib  fiel.  Vom 
behandelnden  Arzt  wurde  damals  als  unmittelbare  Folge  des  Un¬ 
falles  ausser  einem  Erguss  im  Kniegelenk  eine  Kontusion  des 
Unterleibes  in  der  Blinddarmgegend  mit  Blutunterlaufung  der 
Haut  konstatiert.  Mitte  August  1902  erkrankte  er  unter  den  Er¬ 
scheinungen  einer  Blinddarmentzündung.  Die  schon  einige  Tage 
bestehenden  Leibschmerzen  steigerten  sich  in  der  Nacht  vom 
15.  auf  16.  August  unter  Frost  und  Fieber  ins  unerträgliche. 
Vom  behandelnden  Arzte  wurde  massige  Auftreibung  des  Leibes, 
starke  Druckempfindlichkeit  der  Blinddarmgegend,  aber  keine 
Resistenz  und  Dämpfung  in  letzterer  konstatiert.  Temp.  37,9, 
Puls  80.  Die  Druckempfindlichkeit,  in  der  Blinddarmgegend  war 
schon  nach  2  Tagen  sehr  zurückgegangen,  Temperaturerhöhung 
und  Pulsbeschleunigung  fehlten.  Am  3.  Tage  Völle  und  Druck¬ 
schmerz  in  der  Magengegend.  In  der  Nacht  vom  22.  auf  23.  Aug. 
heftiger  Schüttelfrost  und  Brechreiz  und  starke  Schmerzen  in  der 
Magengegend.  Von  da  an  wiederholten  sich  die  Schüttelfröste 
alle  paar  Tage  einmal;  von  Anfang  September  an  wurden  sie 
aber  imer  heftiger,  traten  fast  täglich,  ja  täglich  mehrmals  auf 
und  waren  stets  begleitet  von  hohen  Temperaturen  (40,0 0  und 
mehr),  auf  welche  starke  Schweisse  und  Temperaturabfälle  bis  auf 
36,5,  37,0  folgten.  Zur  Schmerzhaftigkeit  in  der  Magengegend 
gesellte  sich  auch  noch  Schmerzhaftigkeit  in  der  Lebergegend 
unterhalb  des  rechten  Rippenbogens;  die  Leber  selbst  trat  immer 
mehr  unter  letzterem  hervor  und  liess  eine  wesentliche  Ver- 
grösserung  erkennen. 


Am  27.  September  wurde  Vortragender  zur  Behandlung  mit 
zugezogen.  Der  Kranke  bot  folgenden  Befund: 

Stark  abgemagerter,  schlecht  und  blass,  aber  n  i  c  h  t  ikteriscli 
aussehender  Mann.  Leib  nicht  aufgetrieben,  im  ganzen  weich. 
Blinddarmgegend  ohne  palpatorische  und  perkutorische  Erschei¬ 
nungen.  Leber  vergrössert,  unterer  Rand  abgerundet  und  verdickt, 
rechts  bis  nahe  zur  Nabelhöhe  herab.  Druck  auf  die  vergrösserte 
Leber  in  der  vorderen  Axillarlinie  ziemlich  schmerzhaft. 

Operation  am  1.  Oktober.  Chloroformnarkose.  Schnitt  am 
Rektusrand.  Die  vorliegende  Leber  ist  stark  vergrössert,  über¬ 
ragt  die  Gallenblase  um  etwa  dreifingerbreit.  Gallenblase  etwas 
vergrössert,  zeigt  keine  frischen  Entzündungserscheinungen,  ist 
jedoch  durch  verschiedene  alte  Stränge  mit  dem  Netz  verwachsen. 
Leber  blaurot  erscheinend,  fühlt  sich  verhältnismässig  weich  an; 
sie  zeigt  an  der  Oberfläche  des  rechten  Lappens  eine  etwa  fünf¬ 
markstückgrosse  Anschwellung,  in  deren  Mitte  ein  dellenartiger 
Eindruck  sich  findet.  Die  um  die  Delle  wallartig  hervortretende 
Schwellung  ist  an  einzelnen  linsen-  bis  erbsengrossen  Stellen  gelb¬ 
lich  verfärbt,  als  ob  Eiter  durchschimmere.  Um  diese  Stelle  zu¬ 
gänglich  zu  machen,  muss  noch  ein  zweiter,  ziemlich  weit  nach 
hinten  reichender,  dem  Rippenbogen  parallel  verlaufender  Quer¬ 
schnitt  angelegt  werden.  Darauf  wird  die  Gallenblase  nach  einer 
Probepunktion,  bei  welcher  sich  nur  normale  Galle  entleert,  im 
medialen  Teile  der  Wunde  eingenäht,  die  übrigen  Teile  der  Wunde 
aber  rings  mit  Jodoformgaze  so  austamponiert,  dass  die  gescliil 
derte  Schwellung  der  Leberoberfläche  frei  bleibt.  Hier  wird 
gleichfalls  punktiert,  es  kann  jedoch  Eiter  nicht  angesogen  werden. 
Es  scheint  demnach,  dass  es  sich  nicht  um  eine  grössere  Eiter¬ 
ansammlung,  sondern  um  Eiterbildung  in  kleinen  Eiterherden 
handelt;  die  Inzision  der  geschwollenen  Partie  soll  erst  nach 
einigen  Tagen  vorgenommen  werden.  Tamponade.  Verband. 

Nach  der  Operation  hat  sich  der  Kranke  wenig  mehr  erholt; 
es  traten  bald  Kollapserscheinungen  ein.  Die  Temperaturen  hielten 


nnh  “£ssipr  Hiihe  (Früh  38,5,  Abends  37, Si.  Puls  zwischen 
,»0  mul  100.  Am  3.  Oktober  starker  Kollaps,  aus  dem  der  Krankt» 
sich  nicht  mehr  erholt.  Mittags  Exitus. 

.  .  k  M  onsbe  Di  n  d:  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zeigt 
sich  dieselbe  ohne  freien  Flüssigkeitserguss.  Am  Coekum  ein 
haselnussgrosser,  nach  allen  Seiten  gut  abgekapselter,  jauche¬ 
haltiger  Abszess,  in  dessen  Wand  liegt  fest  eingebettet  der  Wurm¬ 
tortsatz.  Sein  Mittestück  ist  durch  Gangrän  zerstört.  Kein  Kot¬ 
stein.  Leber  auf  das  Doppelte  vergrössert;  ihre  ganze  Unterfläche 
fühlt  sich  weich  elastisch  an.  Der  bei  der  Operation  gefundene  Ab¬ 
szess  wölbt  sich  fünfmarkstückgross  vor.  Ein  senkrecht  durch  die 
Mitte  des  rechten  Lappens  geführter  Schnitt  eröffnet  einen  gänseei- 
grossen  Abszess.  Im  übrigen  sind  alle  Schnittflächen  des  rechten 
Leberlappens  übersät  mit  kleinen,  bis  liaseinussgrossen  Abszessen 
aus  denen  allen  gelber,  rahmiger  Eiter,  zum  Teil  mit  Gasblasen 
untermischt,  hervorquillt.  Die  Abszesse  befinden  sich  alle  um  die 
Pfortaderverzweigungen  herum.  Auch  der  linke  Lappen  zeigt  einen 
haselnussgrossen  Abszess.  Gallenblase  enthält  Galle  und  etwas 
Gries,  keine  Steine.  Nieren  normal,  Milz  um  die  Hälfte  ver¬ 
grössert,  keine  Metastasen. 

Herz  sehr  schlaff  und  welk.  Muskulatur  blass,  atrophisch 
Mitralklappen  zeigen  einige  alte  Auflagerungen.  An  den  Lungen 
alte  pleuritische  Verwachsungen,  beide  Spitzen  verkalkt;  einige 
Bronchialdrüsen  verkalkt. 

Vortragender  hebt  die  Geringfügigkeit  der  Erscheinungen 
der  Appendizitis  in  vorliegendem  Falle,  die  ganz  im  Gegensatz 
standen  zu  den  schweren  Symptomen  der  Leberinfektion,  be¬ 
sonders  hervor.  Die  Frage,  ob  die  Blinddarmentzündung  hier 
mit  dem  lVa  Jahre  vorausgegangenen  Trauma,  das  den  Unterleib 
geti  offen  hatte,  in  ursächlichen  Zusammenhang  gebracht  werden 
kann,  wird  offen  gelassen. 

Herr  Maass  berichtet  über  2  Fälle  von  Barlow  scher  ' 
Krankheit. 

Herr  Hubrich  demonstriert  stereoskopische  Photographien 
von  durchschnittenen  Bulbis  und  bespricht  kurz  die  Methode  der 
Herstellung  derartiger  Bilder. 

Von  pathologischen  Augen,  die  meist  mikroskopisch  ver¬ 
arbeitet  werden,  möchte  man  oft  gerne  auch  das  makroskopische 
Bild  erhalten,  dazu  eignet  sich  am  besten  die  stereoskopische 
Photographie,  da  keine  andere  Methode  ein  so  genaue  s  und 
dazu  plastisches  Bild  ergibt. 

Wenn  man  nun  ein  durchschnittenes  Auge,  so  wie  man  es 
aus  der  Fixierungsflüssigkeit  nimmt,  photographiert,  erhält  man 
infolge  der  Lichtspiegelung  auf  den  feuchten  Flächen  sehr  zahl¬ 
reiche  Reflexe,  welche  die  Deutlichkeit  häufig  wesentlich  beein¬ 
trächtigen. 

Um  diese  störende  Erscheinung  zu  vermeiden,  wurde  fol- 
gendermassen  vorgegangen : 

Die  je  nach  Bedarf  äquatorial  oder  sagittal  geteilten  Bulbi 
wurden  in  ein  flaches  Glasschälchen,  das  unten  mit  nasser  Watte 
ausgelegt  war,  gebracht;  unter  die  Präparate  wurde  ein  schwarzes 
Papier  gebreitet;  darauf  das  Glasschälchen,  sowie  die  Bulbus  - 
höhlen,  soweit  welche  vorhanden  waren,  mit  Fixierungsflüssigkeit 
(am  besten  eignet  sich  natürlich  Formalinlösung  oder  Alkohol) 
aufgefüllt,  dann  auf  das  Glasschälchen,  dessen  Rand  geschliffen 
sein  muss,  unter  Vermeidung  von  Luftblasen  eine  Glasplatte  ge¬ 
deckt,  die  mit  einer  Gummischnur  an  einem  unter  die  Glas- 
scliale  gelegten  Brettchen  befestigt  wurde.  So  sind  die 
Präparate  zur  Aufnahme  vorbereitet.  Die  Aufnahme  selbst 
wurde  bei  zerstreutem  Tageslicht  in  der  Nähe  des  Fensters 
gemacht,  und  zwar  bei  geteilter  —  quadratischer  (13X18)  — 
Kamera  durch  Verschieben  des  Objektivs  nach  rechts  und  links. 
Es  ist  von  Vorteil,  das  Objektiv  nicht  wie  bei  gewöhnlichen  Stereo¬ 
skopaufnahmen  um  68  mm,  sondern  nur  etwa  um  50  mm  zu  ver¬ 
schieben,  da  sonst  bei  der  starken  Annäherung  des  Objektivs  ans 
Objekt  eine  übertriebene  stereoskopische  Wirkung  erzielt  wird. 
Die  Expositionszeit  betrug  bei  engster  Blende  mit  einem  Steinheil- 
Orthostigmat  ca.  5  Minuten.  Die  Einstellung  erfolgte  so,  dass 
erst  auf  den  nächsten,  dann  auf  den  fernsten  Punkt  (also  etwa 
Skleralrand  und  Papille)  eingestellt  und  aus  beiden  das  Mittel 
gezogen  wurde.  Die  Kopien  wurden  hergestellt  Avie  andere  stereo¬ 
skopische  Photographien,  indem  man  auf  8x8  zuschneidet  und 
das  linke  Bild  nach  rechts  und  das  rechte  nach  links  auf  einen 
9Xl8-Karton  aufzieht.  Eine  gute  Wirkung  erzielt  man  noch  da¬ 
durch,  dass  man  auf  der  Kopie  die  Umgebung  der  Bulbusbilder 
mit  schwarzer  Tusche  u.  dgl.  abdeckt. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  v  o  m  6.  November  1902. 

Herr  Riegel  stellt  einen  22  jährigen  Schreiner  mit  einer 
seit  etwa  3  Monaten  bestehenden  fleckförmigen  Sklerodermie  am 
rechten  Arm  vor.  Die  Krankheit  ist  einseitig  und  entstand  in 
der  Gegend  des  rechten  Schlüsselbeins,  wo  jetzt  ein  etwa  hand¬ 
grosser  Fleck  zu  sehen  ist.  Von  da  ziehen  sich  immer  kleiner 
werdende  isolierte  Flecke  an  der  äusseren  Beugeseite  des  Armes 
bis  zum  Daumenrücken  herunter.  Der  Daumen  und  der  Vorder¬ 
arm  schwellen  nach  längerer  Arbeit  oft  an,  verfärben  sich  cya- 
notiscli  und  es  röten  sich  dann  die  pigmentlosen  Flecke  bis  oben 
hinauf.  Ueberliaupt  ist  die  ganze  rechte  Hand  etwas  voluminöser 
wie  die  linke,  der  Daumen  kann  nicht  vollkommen  gebeugt  werden 
und  es  besteht  Spannungsgefühl  im  Daumenrücken  bei  diesen 


tfo.  50. 


104 


MÜENCHENER  MEUICINISCHE 


Wochen  schriet. 


Bewegungen.  Die  Mittelhandknoclien  des  rechten  DiUimens  und 
Zeigefingers  sind  auf  Druck  etwas  schmerzhaft.  Der  blasse  hoch¬ 
aufgeschossene  Patient  klagt  öfter  über  Kopfschmerzen  und  hat 
beim  Radfahren  schon  beide  Vorderarme  und  das  linke  Schlüssel¬ 
bein  gebrochen.  ,  , 

Ferner  berichtet  Herr  Riegel  über  einen  Fall  von  basaler 
Hirnsyphilis,  die  sich  bei  einem  39  jährigen  Manne  schleichend 
nach  einem  Schsideltrauma  (heftiger  Stoss  mit  dei 
linken  Schläfe  gegen  einen  eisernen  Schrank)  entwickelt  hatte. 
Nach  dem  Trauma  beständige  buchte  Schmerzen  in  Surn  und 
Augen;  V4  Jahr  später  links  Stauungspapille  mit  temporaler  Hemi¬ 
anopsie,  rechts  Neuritis  optica,  heftige  Schmerzen  in  der  rechten 
Schläfe.  Zeitweise  Erblindung  des  linken  Auges,  Schmerzen  in 
beiden  Augäpfeln;  vehemente  Neuralgien  im  linken  1.  und  11.  in- 
geminusast,  partielle  motorische  Aphasie,  Neuralgie  nn  rechten 
III.  Trigeminusast,  Schiefsteheii  der  Zunge  —  (lies  alles  in  ween- 
lender  Intensität.  Heilung  nach  energischer  Sclimierkur  und  hohen 
Dosen  Jodkali.  Die  Sehschärfe  erreichte  beiderseits  wieder  fast 
die  Norm.  Jede  Infektion  war  hartnäckig  m  Abrede  gestellt 

'  Herr  Johann  Merkel  trägt  vor:  Johann  Friedrich 

Dieffenbach,  ein  Lebensbild. 

Die  Biographie  schildert  zuerst  den  äusseren  Lebensgang  des 
grossen  Berliner  Chirurgen  des  19.  Jahrhunderts.  I>.  1  (91  m 
Königsberg,  als  Sohn  eines  Magisters  der  Philosophie,  geboren, 
machte  als  Jüngling  die  Freiheitskriege  mR  studierte  dann  m 
Königsberg  und  widmete  sich  später  m  Bonn  untei  Philipp 
v  W  a  1 1  h  e  r  der  Chirurgie.  In  Berlin  liess  er  sich  nieder  und 
konnte  erst  nach  v.  Gräfes  sen.  Tode  eine  Professur  im  k.  Kli¬ 
nikum  1840  erhalten.  2  mal  war  er  im  Begriff,  wegen  wieder¬ 
holter  Zurücksetzung  in  der  Heimat  auszuwandern,  obwohl  e. 
durch  die  Operation  seiner  Blepharoplastik,  welche  er  m  Paris  1834 
im  Höpital  Pitie  vor  Lisfrank  und  anderen  Autoritäten  voll¬ 
zog,  die  Bewunderung  der  ärztlichen  Mitwelt  erregte.  D.s  grösste 
Leistung  war:  die  plastische  Chirurgie  zu  höchster  1  ollkommen- 
keit  erhoben  zu  haben.  Heute  noch  stehen  wir  auf  diesem  Ge¬ 
biete  auf  seinen  Schultern.  Er  sanktionierte  nicht  nur  die  in¬ 
dische  Rhinoplastik  (aus  der  Stirnhaut),  sondern  schuf  auch  in 
seiner  Blepharoplastik  (Rechteck  mit  seitlicher  Verschiebung)  eine 
Operationsbasis  für  die  Deckung  langer,  kurzer,  viereckiger  und 
winkliger,  ja  auch  unregelmässiger  Defekte  an  irgend  einer 
Körperstelle.  Die  Cheiloplastik  der  Oberlippe  nach  B  u  r  o  w  und 
die  Cheiloplastik  der  Unterlippe  nach  Jäsche  sind  nur  modi¬ 
fizierte  Rechteckbildungen  mit  Lappenverschiebung  und  stammen 
von  D.  Die  Schonung  und  Verwendung  der  Konjunktiva  bei  der 
Lidbildung,  sowie  die  Umsäumung  des  Ersatzlappens  mit  hoher 
diszidierter  Wangenschleimhaut  bei  der  Lippenbildung  bilden  wei¬ 
tere  Analogien  eines  einzig'en  genialen  Grundgedankens. 

Ferner  wird  die  operative  Chirurgie  D.s  besprochen,  welche 
in  Bezug  auf  Angiomoperationen  und  herniologische  Kasuistik 
noch  heute  wertvollen  Inhalt  für  den  Chirurgen  bietet. 

Nach  einer  stürmisch  verbrachten  Jugend,  nach  einem  durch 
geniale  und  riesige  Arbeitsleistung  verklärten  Mannesalter  starb 
I).  verhältnismässig  noch  in  den  besten  Jahren.  Am  11.  November 
1847  fiel  er  in  dem  Augenblick,  in  dem  er  eine  Operation  vor¬ 
nehmen  wollte,  mit  dem  Skalpell  in  der  Hand  tot  um,  53  Jahre  alt. 


Herr  Heinlein:  Demonstration  eines  seltenen  Falles 
syphilitischer  Knochenerkrankung. 

H.  teilt  die  Krankheitsgeschichte  einer  64jälirigen  Frau  mit, 
welche  im  Jahre  1870  sich  geschlechtlich  infiziert  hatte.  Sie  wollte 
in  der  Folge  weder  an  Hautleiden  noch  Drüsenschwellungen  er¬ 
krankt  gewesen  sein,  gleichwohl  stellten  sich  in  den  80  er  Jahren 
schwere  Knochenveränderungen  ein,  welche  zunächst  das  rechte 
Ellbogengelenk  betrafen,  dort  zu  wiederholten  kleineren  chi¬ 
rurgischen  Eingriffen  Veranlassung  gaben  und  späterhin  mit 
völliger  rechtwinkliger  Ankylose  des  Gelenkes  zu  definitiver  Hei¬ 
lung  gelangten.  Im  Jahre  189o  wurde  die  Pat.  dem  Bericht¬ 
erstatter  durch  Herrn  Hofrat  Emmeri  c  li  wieder  zugeführt 
wegen  sehr  schwerer  Veränderungen  der  linken  Oberextremität. 
Letztere  war  infolge  weit  fortgeschrittener,  bis  nahe  an  das 
Schultergelenk  hinaufreichender,  elephantiastisclrer  Verdickung 
und  Starrheit  der  Haut  und  ausgedehnter  mehr  oder  weniger  tief¬ 
greifender  gesell würiger  Zerstörung  der  oberflächlichen  und  tie¬ 
feren  Gewebsteile  zu  einem  schweren,  plumpen,  völlig  funktions¬ 
unbrauchbaren  Anhängsel  des  Rumpfes  der  körperlich  äusserst 
herabgekommenen  Pat.  geworden.  Da  die  durch  E.  mehrere 
Wochen  hindurch  methodisch  durchgeführte  spezifische  Behand¬ 
lung  lediglich  die  begleitenden,  geringgradigeren  ähnlichen  Ver¬ 
änderungen  an  den  Rippen,  dem  Brust-  und  Stirnbein  günstig  be¬ 
einflusste,  gegenüber  denjenigen  der  linken  Oberextremität  aber 
keinen  Erfolg  zeitigte,  so  wurde  die  letztere  im  Schultergelenk 
exartikuliert,  worauf  dort  innerhalb  weniger  Wochen  Heilung  ein¬ 
trat;  das  gleiche  war  an  den  anderen  erwähnten  Körperteilen 
unter  Fortsetzung  der  spezifischen  Behandlung  in  der  F  olge  der 
Fall.  Das  gewonnene  Präparat  wurde  wegen  seiner  seltenen  Be¬ 
sonderheiten  damals  dem  pathologisch-anatomischen  Institut  Er¬ 
langen  übergeben  und  wurden  dort  an  den  mazerierten  Vorder¬ 
armknochen  mehrere  offenbar  auf  vorausgegangene  Brüche  zurück¬ 
zuführende,  stumpfwinkelige,  nach  der  Ulnarseite  leicht  vor¬ 
springende,  offenbar  von  Brüchen  herrührende  Verdickungen  fest- 
gestellt,  welche  Berichterstatter  später  selbst  zu  besichtigen  Ge¬ 
legenheit  hatte. 

Im  heurigen  Juli  nun  erlag  Pat.  einem  umfänglichen  Magen¬ 
karzinom.  Die  dem  Berichterstatter  von  dem  behandelnden  Kol¬ 
legen  vor  der  Sektion  übergebene  Krankheitsgeschichte  enthielt 
‘die  Mitteilung,  dass  die  Verstorbene  in  den  Jahren  1897 — 99  4 mal 


eine  Fraktur  des  rechten  —  in  den  SO  er  Jahren  von  Ellbogen¬ 
gelenkleiden  befallenen  —  Oberarmknochens,  und  zwar  in  seiner 
Diapliyse,  erlitten  hatte,  tvelche  nach  —  zum  Teil  mehrwöchent¬ 
licher —  Behandlung  in  Heilung  ausgegangen  war.  lieber  Oert- 
lichkeit  der  Bruchstelle  und  Verlauf  der  Bruchlinien  konnte  nichts 
Sicheres  erfahren  werden.  Bei  der  Sektion  fand  sich  nun  neben 
der  schon  erwähnten  Steifigkeit  des  rechten  Ellbogengelenkes 
eim*  gewaltige  halbkreisförmige  Verbiegung  des  Oberarmknochens 
nach  vorn,  die  bedeckende  Haut  an  der  Innenseite  des  Ellbogen¬ 
gelenkes  z.  T.  mit  einigen  schmalen,  unregelmässig  verlaufenden, 
eingezogeuen  und  teilweise  mit  dem  unterliegenden  Knochen  ver¬ 
wachsenen  Narben.  Der  über  die  Knochenwölbung  sich  hinweg¬ 
spannende  Muskelbauch  des  Bizeps  platt,  trocken,  blassgraugelb, 
kaum  als  Muskel  zu  erkennen,  teilweise  ebenso  beschaffen  der 
M.  brachial,  int.  Die  bedeckende  Kuoclienhaut  war  etwas  ver¬ 
dickt,  dem  Knochen  innig  adhärent,  zeigte  jedoch  keine  Spur  mehr 
der  sonst  die  gummösen  Knochenerkrankungen  begleitenden,  den 
speckigen  Charakter  und  hochgradige  Verdickung  aufweisenden 
Beinhautentzündung.  Der  mazerierte  Oberarmknochen  zeigt  nun 
die  schon  erwähnte  hochgradige,  gleichmässig  kreisförmige  Ver¬ 
biegung  nach  vorn;  dieselbe  hat  regelmässigen  Verlauf,  eine  Dis- 
locatio  ad  longitudinem,  latis  oder  peripheriam  besteht  nicht, 
lediglich  ad  axin.  Der  unteren  Epiphyse  fehlt  der  Knorpelüberzug, 
auch  die  Wölbung;  sie  erscheint  mehr  kantig,  gefirstet,  im  ganzen 
schmächtiger,  die  Oberfläche  zeigt  mehrere  von  scharfem  Rand 
begrenzte,  mehr  oder  weniger  tiefe  Höhlen;  Knochenladenbildung 
wird  dort  vermisst,  es  finden  sich  lediglich  einige  kleine  drüsige 
Osteophyten  im  Bereich  der  synostotiscli  mit  der  Troclilea  ver¬ 
schmolzenen  Ulna.  Die  Mündungen  der  Foram.  nutr.  des  Schaftes 
erscheinen  stark  erweitert.  An  der  Oberfläche  des  letzteren  finden 
sich  einige  mehr  die  Längsrichtung  in  ihrem  Verlauf  einhaltende, 
niedrige,  firstartige  Leisten,  so  u.  a.  zwei  parallel  angeordnete, 
welche  offenbar  den  N.  radial,  und  die  A.  prof.  brach,  begrenzt 
hatten;  sie  dürfen  wohl  nur  als  Ausdruck  der  die  gummöse  Ostitis 
begleitenden,  durch  sich  anspannende,  dort  inserierende  Muskel; 
biindel  lokal  angeregten  Periostitis  ossif.  angesehen  werden.  End¬ 
lich  erkennt  man  erst  bei  genauem  Zusehen  4  leicht  eingesunkene, 
fadendünne,  den  Knochen  mehr  oder  weniger  völlig  rings  um¬ 
gebende,  annähernd  horizontal  verlaufende  Linien.  Dieselben 
entsprechen  wohl  sicher  den  dort  vor  3 — o  Jahren  statt  gefundenen 
Brüchen,  welche  in  Anbetracht  der  infolge  der  grossen  Sprödig¬ 
keit  des  Knochens  in  geringem  Grade  erforderlichen,  zum  Bruch 
führenden  Gewalteinwirkung  einerseits  und  der  früher  sicher 
vorhandenen  starken  Beinhautverdickung  andrerseits  lediglich 
eine  Dislocatio  ad  axin  begünstigte  und  keine  weitere  Verschie¬ 
bung  der  Bruchenden  in  anderer  Richtung  zur  Folge  hatte. 
H.  erinnert  an  die  mit  den  geschilderten  syphilitischen  Folge¬ 
zuständen  übereinstimmenden,  ursächlich  und  histologisch  'wenn 
auch  ganz  verschiedenen  Verhältnisse  der  Bruchformen  dei  Ex¬ 
tremitäten  bei  der  kindlichen  Rhachitis.  (Das  wohl  als  grosse 
Seltenheit  zu  erachtende  Knochenpräparat  wird  \oigelegt.) 


Verein  deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  November  1902. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Adler,  an  der 
sich  die  Herren  Münzer,  Hueppe,  Pribram,  Zupnilt, 
K  r  a  1  und  der  Vortragende  beteiligen. 

Herr  Leo  Schwarz  demonstriert  Blut  und  Harn  eines 
Falles  von  Vergiftung  durch  Kali  chloricum.  In  beiden  Flüssig¬ 
keiten  ist  spektroskopisch  Methämoglobin  nachweisbar.  Während 
der  Harn  des  ersten  Vergiftungstages  nur  das  Metliämoglobin- 
spektrum  zeigt,  sieht  man  im  Harn  des  zweiten  Tages  das  kom¬ 
binierte  Spektrum  des  Methämoglobins  und  Oxyhämoglobins.  Von 
den  sonstigen  klinischen  Symptomen  verdient  besonders  die  initiale 
Temperaturerhebung  bis  39  0  und  eine  von  Tag  zu  Tag  zunehmende 
Hyperleukocytose  (bis  50  000)  hervorgehoben  zu  werden.  O.  W. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitz  u  n  g  v  o  m  4.  N  o  v  e  m  b  e  r  1902. 

Die  Cholera  in  Aegypten. 

Gelegentlich  der  Choleraepidemie,  welche  gegenwärtig  in 
Aegypten  herrscht,  hat  Proust  die  verschiedenen,  im  ver¬ 
gangenen  Jahrhundert,  beobachteten  Ausbrüche  dieser  Krankheit 
studiert.  Um  von  Indien  nach  Europa  zu  gelangen,  ist  die  Cholera 
bald  dem  Land-,  bald  dem  Seeweg,  auf  welchem  sie  mehr  oder 
weniger  direkt  Aegypten  erreichte,  gefolgt.  Die  Pilgerwande¬ 
rungen  nach  Mekka  bildeten  eine  furchtbare  Gefahr  für  Europa, 
trotz  der  verbesserten  Quarantäne  in  Djebel-Tor.  Nachdem  Pr. 
die  gegenwärtige  Epidemie  mit  jenen  verglichen  hatte,  welche  m 
den  Jahren  18G5,  83  und  95  Aegypten  heimsuchten,  kommt  er  zu 
folgenden  Schlüssen.  Alle  diese  Epidemien  wurden  eingeschleppt, 
3  wahrscheinlich  von  Mekka,  die  zweite  direkt  von  Indien.  J>auK 
der  Seliutzmassregeln  blieb  Europa  im  Jahre  1883  und  1895  ver¬ 
schont,  die  gegenwärtige  Epidemie  bedroht  aber  das  Mittelmeei- 
gebiet  und  Europa  immer  noch.  Es  müssen  daher  die  Scliutz- 
m assregeln,  welche  dem  Sanitätsrate  von  Alexandria  obliegen, 
strenge  eiugelialten  werden  (strenge  Quarantäne  in  Djebel-loi, 
Verhütung  jeder  Kontrebande!).  Leider  scheint  diese  Behörde  nicht 


16.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


mehr  die  zur  Erfüllung  ihrer  Pflichten  notwendige  Unabhängigkeit 

Z' Bei/ler  Sefenwürtigen  politischen  Situation Mn-t 
di 1  .  clnitz  A eg jp teils  in  hohem  Masse  von  dem  guten  Willen  der 
engh.schen  Autoritai  ab  und  hier  muss  man  zwei  sich  gegenüber- 
stehende  Interessen  unterscheiden:  die  eine  repräsentiert  durch 
d.e  hdmleii,  englisch-ägyptischen  Interessen,  die  andere  durch  die 
id.rigen  Machte.  Dieser  internationale  Sanitätsrät  darf  nicht  durch 

!  ,fltSBteh,feVW!Ck  m,r  (lie  englisch-ägyptische  Hygiene 
hei ucksichtigt,  absorbiert  werden,  wozu  gegenwärtig  die  Tendenz 

vorhanden  ist.  P.  schlosst,  dass  Frankreich  alle  Anstrengungen 
machen  sollte,  um  seine  ausschliesslich  humanitäre  Rolle  in  den 
Sclmtzmassregeln  zu  spielen,  welche  einer  neuen  Cholerainvasion 
m  Europa  Vorbeugen  sollen. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  v  o  m  10.  N  o  v  e  m  b  e  r  1902. 

Arsenik  im  tierischen  Organismus. 

Gabriel  Bertrand  berichtet  über  seine  Untersuchungen 
welche  dartun,  dass  man  kleine  Mengen  Arsenik  im  Organismus 
von  Seetieren,  d.  h.  Lebewesen  findet,  welche  fern  von  allen  Ver¬ 
unreinigungsursachen,  die  aus  dein  Verkehr  mit  der  modernen 
Industrie  resultieren,  leben.  Diese  Untersuchungen  erstreckten 
sich  über  die  verschiedensten  Tiere,  von  den  obersten  Wirbel¬ 
tieren  bis  zu  den  Spongien,  und  zeigten,  dass  der  Arsenik  keines¬ 
wegs  für  gewisse  Gruppen  von  Lebewesen  charakteristisch  ist 
sondern  dass  er  in  der  ganzen  Tierreihe  sich  findet.  Dieses 
Metalloid  sei  ausserdem  in  allen  Geweben  vorhanden  und  bilde 
so  eines  der  Fundamentalelement.e  des  Protoplasmas. 

G  a  u  t  i  e  r  erinnert  daran,  dass  nach  seinen  eigenen  Unter¬ 
suchungen  an  den  Haustieren  der  Arsenik  sich  fast  ausschliesslich 
m  den  Organen  des  Ektoderms  lokalisiere. 

Ster  n. 


2105 


Auswärtige  Briefe. 

Breslauer  Brief. 

(Original-Korrespondenz.) 

Breslau,  Ende  November  1902. 
Kurpfuscherreklame.  —  Das  Gesetz  zur  Bekämpfung1  des 
unlauteren  Wettbewerbs.  —  Aerzte  und  Kurpfuscher. 

Wer  den  Annoncenteil  der  Breslauer  Tagesblätter  in  den 
letzten  Wochen  auch  nur  oberflächlich  überblickte,  muss  not¬ 
wendigerweise  zu  der  Ansicht  kommen,  dass  neben  der  selbst¬ 
verständlich  allgemeinen  Durchseuchung  mit  „geheimen  Leiden“, 
„Schwächezuständen“  und  „Bandwürmern“  plötzlich  eine 
„Stotterepidemie“  bei  uns  ausgebrochen  sei.  Die  einheimischen 
Zungengymnastiker  genügen  nicht  mehr,  —  ein  Professor  ( !)  aus 
Eisenach  war  erforderlich,  um  mittels  seines  „vielfach  staat¬ 
lich  ausgezeichneten  Heilverfahrens“  dem  LTebel  einen  Riegel 
vorzuschieben.  Ein  Kaplan  aus  Bogertsehütz  las  „z  u  f  ä  1 1  i  g“ 
die  Annonce  des  Professors,  der  auch  ihm  dereinst  die  Zunge  ge¬ 
läufig  gemacht;  so  konnte  er  nicht  umhin,  den  grossen  Wohltäter 
der  stotternden  Menschheit  noch  in  besonders  fetten  Lettern  in 
den  Anzeigeteil  der  Blätter  zu  bringen.  Dem  interessierten  Leser 
worden  übrigens  gewisse  textliche  Aenderungen  in  den  Ileil- 
offerten  ein  und  desselben  Künstlers  (nicht  etwa  des  Professors) 
aufgefallen  sein.  Die  prahlerischen  Versprechungen  der  ersten 
Anzeigen  wurden  in  den  folgenden  etwas  heruntergestimmt. 
I  reiwillig  ?  Oder  sollte  §  3  der  Polizeiverordnung  unseres  Re¬ 
gierungspräsidenten  mitgewirkt  haben ;  sie  ist  vom  23.  September 
datiert,  konnte  also  Anfang  Oktober  gerade  praktisch  wirksam 
geworden  sein  :  „Oeffentliehe  Anzeigen  von  nicht  approbierten 
Personen,  welche  die  Heilkunde  gewerbsmässig  ausüben,  sind  ver¬ 
boten,  sofern  sie  über  Vorbildung,  Befähigung  oder  Erfolge  dieser 
Personen  zu  täuschen  geeignet  sind,  oder  prahlerische  Versprech¬ 
ungen  enthalten.“  Oder  sollte  ein  gerichtliches  Zwischenspiel 
wegen  unlauteren  Wettbewerbs  sich  in  den  textlichen  Aende¬ 
rungen  spiegeln  ?  Aber  —  könnte  der  geehrte  Leser  meinen  — 
warum  so  Adel  Aufhebens  von  Kurpfuscherannoncen  ?  Freilich 
sind  es  an  sich  nur  geringe  Zeichen,  um  die  es  sieh  handelt,  aber 
sie  bedeuten  den  Anfang  von  Grossem.  Die  genannte  Polizei- 
A'Tordnung  für  den  Regierungsbezirk  Breslau  legi  den  Grund  zu 
dem  moralischen  Uebergewicht,  welches  der  approbierte  Arzt  über 
den  Kurpfuscher  auch  bei  der  grosen  M asse  endlich  gewinnen 
soll.  Diese  Polizeiverordung  ist  in  ihren  Konsequenzen  wichtiger 
als  es  manchem  Kollegen  scheinen  mag,  und  sie  verdient  es,  dass 
wir  von  ihrem  Inhalt  genauer  Kenntnis  nehmen:  Alle  Personen, 
welche  ohne  ärztliche  Approbation  die  Heilkunde  gewerbsmässig 
ausüben,  müssen  nach  dieser  Verordnung  vor  dem  Beginn  des 
Gewerbes  sich  demjenigen  Kreisärzte,  in  dessen  Amtsbezirke 


der  Ort  der  Niederlassung  liegt,  unter  Angabe  ihrer  Wohnung, 
in  e  1  d  e  n,  und  gleichzeitig  die  erforderlichen  Notizen  über  ihre 
Personalverhältnisse  angeben;  üben  sie  bereits  jetzt  die  Heilkunde 
aus,  so  müssen  sie  dies  ebenfalls  hinnen  14  Tagen  nach  dem  In¬ 
krafttreten  dieser  Polizeiverordnung  anzeigen.  Dem  zuständigen 
Kreisärzte  ist  auch  ein  Wohnungswechsel,  Avie  das  Aufgeben  der 
Heilkunde  und  der  Weggang  aus  dem  Bezirk  zu  melden.  Auch 
unterliegen  die  öffentlichen  Anzeigen  derartiger  Heilkünstler  (wie 
oben  bemerkt)  einer  Anzahl  von  Beschränkungen  zum  Schutze 
des  Publikums.  Zuwiderhandlungen,  soweit  in  den  bestehenden 
Gesetzen  nicht  eine  höhere  Strafe  vorgesehen,  werden  mit  Geld¬ 
strafe  bis  zu  60  M  a  r  k  oder  mit  entsprechender  Haft  be¬ 
straft.  —  Dass  diese  Verordnung  nicht  überall  den  Beifall  der 
Aerzte  gefunden,  ist  mir  wohl  bekannt;  man  hat  sogar  ein- 
gewandt,  dass  die  Pfuscher  aus  dem  Zwange  zur  kreisärztlichen 
Meldung,  dem  ja  auch  die  Kollegen,  nunmehr  auch  die  fremd¬ 
ländischen  unterliegen,  gewissermassen  eine  behördliche  Autori¬ 
sation  herleiten  Averden;  die  Praxis  dürfte  diesen  pessimistischen 
Anschauungen  jedoch  nicht  Recht  geben.  Die  Pfuscher  scheuen 
das  Licht,  zum  mindesten  die  Beleuchtung  ihres  Treibens  und 
meistens  besonders  ihres  Vortreibens.  Zudem  dürfen  wir  in 
diesem  polizeilichen  Vorgehen  nur  den  Anfang  erblicken;  es  wird 
Wirksameres  folgen. 

Was  die  Anwendung  des  Gesetzes  zur  Bekämpfung  des  un¬ 
lauteren  Wettbewerbs  vom  27.  Mai  1896  betrifft,  so  hat  Dr.  jur. 
Biberfeld  -  Hamburg  in  der  „Deutsch,  med.  Wochenschr.“ 
Ao.  38,  1902  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  dass  jeder  einzelne 
Arzt  und  jede  ärztliche  Vereinigung,  auch  wenn  sie  keine 
juristische  Persönlichkeit  vorstellt,  einen  Kurpfuscher  oder 
jemand,  der  mit  Geheimmitteln  handelt,  mit  der  Unt  er¬ 
lassungsklage  vor  den  Zivilrichter  ziehen,  und  wenn  die 
Anpreisungen  in  einer  Zeitung  erfolgt  sind,  sich  mit  dem  gleichen 
Ansprüche  auch  gegen  den  Zeitungsverleger  wenden 
kann.  Wir  haben  es  z  u  m  erstenmale  im  Mai  d.  Js.  erlebt, 
d  a  s  s  d  i  e  strafrechtliche  Verantwortlichkeit 
der  Tagespressefür  Veröffentlichung  schwin¬ 
delhafte  r  Kurpfusc  h  e  r  r  e  k  1  a  m  e  n  von  einem  höheren 
(jericht  proklamiert  Avorden.  Das  „Aerztl.  Korrespondenzbl.  für 
Niedersachsen“  No.  17,  1902  teilt  über  diesen  Fall  mit:  „Der 
Heilkundige  Max  Sonne  m  a  n  n,  welcher  in  zAvei  Berliner  Zei¬ 
tungen  inseriert  hatte,  dass  er  alle  Haut-,  Ham-,  Blasen-,  Nieren-, 
Unterleibs-  und  Frauenleiden  etc.  sicher  unter  Garantie  heile, 
war  auf  Grund  des  §4  (der  die  Kenntnis  der  Unwahrheit 
der  Angaben  zur  Voraussetzung  hat)  des  Gesetzes  zur  Be¬ 
kämpfung  des  unlauteren  Wettbewerbs  zu  50  M.  Geldstrafe  ver¬ 
urteilt  worden,  desgleichen  auch  die  beiden  Redakteure  der  be¬ 
treffenden  Zeitungen  zu  5  M.  Geldstrafe.  Die  Revision  Avurde 
vom  Kammergericht  zurückgewiesen.  Die  oben  von  uns  re¬ 
gistrierte  Polizeiverordnung  entspricht  einem  Erlass  des  preuss. 
Medizinalministers  vom  28.  Juni  1902.  Ohne  uns  gerade  über¬ 
triebenen  Hoffnungen  über  die  Wirksamkeit  dieses  Vorgehens 
hinzugeben  —  die  geringe  Geldstrafe  schreckt  nicht  und  an  den 
Klippen  der  schärferen  Vorschriften  kommt  ein  geriebener 
Pfuscher  listig-  vorbei  — ,  so  müssen  wir  doch  das  Vorgehen  an 
sich  freudig  begrüssen  und  unsererseits  alle  Mittel  ergreifen,  die 
uns  von  üben  her  geboten  werden,  um  aus  dem  vielen  Wenig  ein 
Avenig-  \  iel  zu  machen.  Mir  liegt  seitens  des  Kollegen  F  e  n  n  e  r, 
eines  angesehenen  beamteten  Arztes,  eine  gutachtliche  Aeusse- 
ruiig  vor,  die  den  Lesern  geAviss  von  Interesse  sein  dürfte  und 
wenigstens  auszugsweise  wiedergegeben  Averden  soll :  „In  unseren 
gepriesenen  Tagen  der  Aufklärung,  wo  man  mit  ebensoviel 
Menschenfreundlichkeit  als  Nachdruck  das  Glück  des  Staates  und 
das  Wohl  des  Staatsbürgers  zu  befördern  strebt,  und  avo  man  über¬ 
haupt  die  Rechte  und  den  Werth  der  Menschen  in  ihre  geltenden 
Verhältnisse  zu  sezen  bemüht  ist,  muss  es  allerdings  befremden, 
dass  die  Pfuscherei,  diese  mordgierige  Schwe¬ 
ster  der  Pest  und  des  Krieges,  noch  so  allgemein  und 
last  so  ungestört  ihre  furchtbare  Rolle  fortspielen  darf;  muss  es 
befremden:  dass  unsere  deutschen  höheren  Justiz-  und  Medizinai- 
Collegien,  denen  es  gewiss  nicht  an  Kraft  fehlt,  Gutes  zu  be¬ 
fördern,  noch  immer  so  wenige  und  nur  schwache  Maassregeln 
zur  Ausrottung  der  Pfuscherei  nehmen  und  genommen  haben. 

—  —  Die  Bestrafungen  sollten  namhafter,  fühlbarer  für  den 
Pfuscher,  warnender  für  andere  seines  Gleichen,  abschreckender, 
mehr  Verachtung  erweckend  seyn.  Dass  man  nach  in  die  Länge 


2106 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCil EE SCHRIET. 


No.  50. 


Und  Breite  gedehntem  Prozesse  zuletzt  den  Pfuscher  um  5  10, 

höchsten  15  Tlialer  straft  oder  die  dictirto  Gefängnissstrafe, 
leicht  erbittlich,  in  Geldstrafe  wieder  um  verwandelt,  ist  warlich 
gar  keine  Züchtung  zu  nennen.  Wie  bald  hat  der  Pfuscher  diese 
geringe  Summe  wieder  verdient,  welche  er,  wenn  ihn  nichts  em¬ 
pfindlicher  straft,  schier  als  eine  Abgabe  von  seinem  geduldeten 
Handwerke  sich  sehr  ruhig  gefallen  lässt.  —  Soll  die  Strafe 
würklich  Strafe  seyn,  —  und  will  man  einmal  gern  um  Geld 
strafen  —  so  strafe  man  denn  recht  oder  gar  nicht.  Besser 
wäre  es  indessen,  wenn  der  Pfuscher  nach  Maasgabe  seines 
Frevels  in  langem  oder  kürzern  gefänglichen  Verhaft  genommen, 
zu  öffentlichen  Arbeiten  verurtheilt,  oder  vor  einer  versammelten 
Menge  mit  derben  Stockschlägen  gezüchtigt  und  nachher  an  den 
Pranger  gestellt  würde,  mit  dem  Brustschilde:  ,,Pfu  scher 
„Quacksalber“.  Man  sage  nicht,  dass  diese,  besonders 
letzte  Art  der  Bestrafung,  in  den  meisten  Fällen  zu  hart  sey! 
Exemplarisch  ausgezeichnet,  Verachtung  und  Abscheu  erregend, 
recht  sehr  nachdrüklich  soll  und  muss  eben  die  Weise  seyn,  auf 
welche  der  unwissende  und  gewissenlose  Unmensch  sein  V  er¬ 
brechen  biisst.  Straft  man  ja  denjenigen,  der  ein  Bäumchen  im 
Walde  niederhieb,  oder  denjenigen,  der  seinem  Nachbarn  ein 
wenig  Gemüse  im  Felde  stahl  —  stellet  man  diesen  ja  mit  dem 
Brustschilde  „W  a  1  d  f  r  evler,  Holz-  G  e m  ü  s  e  -  I )  i  e b“ 
der  allgemeinen  Schaue  und  Verachtung  auf!  Warum  sollte  der 
Pfuscher,  der  Menschheitsfrevler,  nicht  eine  ähnliche?  nein,  noch 
eine  weit  schimpflichere  Züchtigung  verdienen?!  — “ 

Der  heilige  Zorn,  welcher  Kollegen  F  enner  übermannt 

hat,  ist  sicherlich  für  unsere  ärztliche  Generation  nicht  ohne 
Interesse,  und  wer  seine  ganze  Expektoration  kennen  lernen  will, 
der  verschaffe  sich  das  Büchlein  „Heber  die  Pfuscherei  in  der 
Medizin“  von  Dr.  Heinrich  Christoph  Matthias  F  enner,  Physi- 
kus  und  Brunnenarzt,  dem  Herrn  Geheimen  Käthe  Thilenius 
in  Wiesbaden  als  ein  Zeichen  seiner  unbegrenzten  Hochachtung 
zugeeignet.  Giessen,  1804,  in  Commission  bei  lasche  und  Müller. 
Es  war  also  vor  100  Jahren  fast  wie  heute  und  dürfte  vor  200, 
ja  2000  Jahren  auch  nicht  anders  gewesen  sein;  auch  in  Zeiten, 
wo  es  nach  unseren  Begriffen  n  u  r  Pfuscher  gegeben,  gab  es 
sicher  Unterpfuscher,  die  jenen  ein  Greuel  waren.  Vielleicht 
würde  die  Kalamität  ein  Ende  nehmen,  wenn  die  Aerzte  ver¬ 
staatlicht  würden;  in  Ungarn  soll  eine  derartige  Verstaatlichung 
geplant  sein.  Qui  vivra,  verra. 

Das  Traurigste  an  der  Sache  ist,  dass  auch  approbierte 
Aerzte  sich  in  den  Sumpf  locken  lassen  und  mit  Kurpfuschern 
nicht  nur  gemeinsame  Sache  machen,  nein,  sogar  ihre  dienenden 
Knechte  werden.  Wie  haben  wir  vor  Jahresfrist  uns  gesorgt  und 
gemüht,  um  den  früheren  Stabsarzt  M.  aus  dem  „Ocularium“ 
herauszueisen.  Hätten  wir  ihn  lieber  dort,  belassen!  In  seine 
Stelle  sind  eine  Reihe  anderer  approbierter,  und  nicht  approbierter 
medizinischer  Kräfte  getreten  und  er  selbst  ist  „Abteilungschef“ 
geworden  am  „Novozon-Heilinstitut  durch  Sauerstoff  nach  dem 
Verfahren  des  Dr.  med.  H  i  n  z“  (Inhaber:  Direktor  Men  zle r). 

Die  ehrengerichtliche  Bestrafung  kann  ziemlich  hart  aus- 
f allen  —  bis  zu  3000  M.  Der  Antrag  auf  strafrechtliche  Ver¬ 
folgung  des  Menzler  ist  von  der  Schlesischen  Aerztekammer 
längst  eingereicht.  Von  Terminen  hat  man  noch  nichts  gehört. 
Vertragsverhältnisse  von  Aerzten  mit  Kurpfuschern  können  in 
der  Tat  gar  nicht  scharf  genug  verurteilt  werden.  Und  so  müssen 
wir  es  hoch  auf  nehmen,  dass  das  sächsische  Ministerium  des 
Innern  das  Prinzip  der  ärztlichen  Standes  vereine  offiziell  an¬ 
erkannt  hat,  laut  welchem  es  Aerzten  untersagt  ist,  mit  nicht- 
a  pp  roh  i  erteil  Heilkünstlern  Verträge  zu  schliessen.  Die  Ver¬ 
anlassung  zu  dieser  Kundgabe  wurde  eine  Beschwerde  des  „be¬ 
rühmten“  Herrn  B  i  1  z  in  Dresden,  dessen  3  Aerzte  aufgefordert 
waren,  ihren  Kontrakt  mit  Bilz  zu  lösen.  Obwohl  nun  Bilz 
einwandte,  dass  ihm  die  Konzession  zum  Betriebe  seiner  Anstalt 
nur  unter  der  Bedingung  erteilt  wurde,  dass  er  approbierte 
Aerzte  zu  Hilfe  nehme,  sah  sich  das  Ministerium  dennoch  nicht 
in  der  Lage,  zu  Gunsten  von  Bilz  einzutreten;  es  blieb  vielmehr 
bei  den  Beschlüssen  des  Ehrengerichts. 

Ich  habe  die  Geduld  meiner  Leser  schon  zu  lange  in  An¬ 
spruch  g(  nommen,  um  heute  noch  aus  dem  reichhaltigen  Material, 
v  lches  die  Breslauer  Aerztewelt  beschäftigt,  mehr  hervorzu¬ 
heben.  Nur  möchte  ich  noch  eines  Pfuschereikuriosums  Er¬ 
wähnung  tun,  welches  unsere  Behörden  und  Gerichte  beschäf¬ 
tig!.  :  Seit  langer  Zeit  annoncierte  —  unbeanstandet  —  in  hie¬ 


sigen  Zeitungen  ein  Kaufmann  seinen  „Enzianschnaps“  als 
Mittel  „zur  Stärkung  der  Augen,  das  den  Gebrauch  von  Brillen 
entbehrlich“  mache.  Da  will  es  der  Druckfehlerteufel  eines 
schönen  Tages,  dass  der  „E  nzia  n“  schnaps  in  einen 
„E  nzai  n“  schnaps  sich  wandelte.  Was  auf  „i  n“  ausgeht,  ist 
verdächtig!  „Enzain“  fiel  der  Behörde  auf  und  brachte  sie  auf 
die  Vermutung,  dass  es  sich  um  ein  Geheimmittel  handle.  Der 
Kaufmann,  der  das  Gemisch  ankündigte,  der  Lieferant  (ein 
Parfümfabrikant  in  Braunschweig),  sowie  der  Insera tenredak- 
tcur  des  fraglichen  Blattes  erhielten  Strafbefehle.  Der  Redakteur 
bezahlte,  Kaufmann  und  Lieferant  erhoben  Einspruch,  so  dass 
die  Angelegenheit  das  Breslauer  Schöffengericht  beschäftigte. 
Hier  gab  der  ärztliche  Sachverständige  sein  Gutachten  dahin  ab, 
dass  das  beanstandete  Gemisch  sich  zwar  nicht  als  Geheimmittel, 


wohl  aber  als  Arzneimittel  charakterisiere,  dessen  öffentliche 
Ankündigung  oder  Anpreisung  verboten  sei,  weil  es  unter  die 
kaiserliche  Verordnung  vom  27.  Januar  1890  falle,  wonach  es 
nur  m  den  Apotheken  verkauft  werden  darf.  Das  Gericht  ei- 


.  • 


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K  \T  (  tplilst.rnfp. 


Briefe  aus  China. 

(Eigener  Bericht.) 

Welche  Bewegung  würde  in  unseren  heimischen  Aerzte- 
kreisen  entstehen,  wenn  es  plötzlich  liiesse,  Cholera  und  Pest, 
Pocken  und  Aussatz  haben  ihren  Einzug  in  Deutschland  ge¬ 
halten  und  raffen  die  Blüte  unseres  olkes  dahin  ?  V  ährend  die. 
beiden  ersteren  Krankheiten  im  letzten  Sommer  in  schweren  Epi¬ 
demien  über  Südchina  hingingen  und  die  Bevölkerung  dezi¬ 
mierten,  sind  die  letzteren  hier  seit  Jahrhunderten  endemisch 
und  prägen  ihren  charakteristischen  Stempel  auf  manches  einst 
so  blühende  Gesicht. 

Hinzu  kommen  dann  noch  die  verheerenden  Volksgedsseln 
der  in  den  Tropen  lebenden  Menschheit,  die  Malaria  an  der 
Spitze,  in  China  besonders  das  entnervende  Opiumrauchen 
grosser  Massen  der  Bevölkerung,  Ueberschwemmung  und  Dürre 
des  vergangenen  Jahres  mit  der  darauf  einsetzenden  Hungersnot, 
welche  noch  dazu  von  der  grossen  Denguefieberepidemie  einge¬ 
leitet  wurde.  Getreu  ihrer  Saison  setzte  diese  Infektionskrank¬ 
heit.  im  Juli  ein  und  befiel  99  Proz.  der  Bevölkerung.  Unser 
gesamtes  Hospitalpersonal,  fast  alle  Patienten  in  demselben, 
wir  selbst  und  unsere  Familien  wurden  ohne  Ausnahme  von  der 
Krankheit  ergriffen,  welche  durch  ein  englisches  Regiment  von 
Indien  nach  Hongkong  eingeschleppt  worden  war  und  sich  dann 
rapide,  dem  Wasserwege  folgend,  ins  Land  verbreitete.  In  Europa 
kennt  man  Dengue  wenig  und  überlässt  seine  Diagnose,  Prognose 
und  Therapie  dem  Tropenarzt.  Die  intensiven  Kopf-,  Knochen- 
und  Gelenkschmerzen,  das  hohe  Fieber  und  der  merkwürdige, 
vielgestaltige  Ausschlag’,  der  starke  Juckreiz  und  die  häufigen 
Rezidive  der  Gliederschmerzen  würden  manchen  Europäer  da¬ 
heim  ausser  Fassung  bringen.  Doch  ist  keine  Gefahr,  dass 
Deutschland  je  von  einer  derartigen  Epidemie  heimgesucht  wird. 
Wenigstens  hat  das  Fieber  bisher  die  Tropen  nur  bis  zum  41° 
nach  Norden  hin  überschritten  (Konstantinopel).  In  merkwürdi¬ 
gem  Gegensatz  zu  der  scheinbaren  Schwere  der  Erkrankung  steht 
die  geringe  Mortalität.  Ich  sah  in  der  nun  erloschenen  Epidemie 
keinen  einzigen  Todesfall.  Nächst  Kaltwasserbehandlung  oder 
warmen  Bädern  haben  sich  Salicyl  und  Antipyrin  vorzüglich  be¬ 
währt. 

Was  tut  die  chinesische  Regierung,  das  Volk,  seine  Aerzte 
zur  Bekämpfung  der  Epidemien?  Nichts,  wenigstens  nichts 
Rationelles.  Hier  in  Tungkun  werden  in  solchen  Zeiten  der  Not 
an  jedem  Abend  grosse  Prozessionen  mit  möglichst  viel  Lärm 
(der  durch  schrille  Klarinetten  und  Messinggongs  hervorgerufen 
wird)  veranstaltet,  wobei  alle  möglichen  Götzenbilder  und  Heili¬ 
genschreine,  durch  unzählige  Kerzen  und  Fackeln  erleuchtet, 
durch  die  Strassen  getragen  werden.  Das  Volk  ahnt  nicht,  dass 
cs  dadurch  nur  zur  Verbreitung  der  Krankheiten  beiträgt.  Man¬ 
cher,  der  abends  die  Prozession  mitmachte,  war  am  folgenden 
Morgen  eine  Leiche.  In  Zeiten  der  Dürre  verbietet  der  Mandarin 
den  Genuss  des  Schweinefleisches  für  3  Tage.  Jeder  Metzger, 
welcher  beim  Schlachten  und  Verkaufen  von  Fleisch  ausser 
Schweinefleisch  kann  man  hier  nur  noch  Geflügel  haben  er¬ 
tappt  wird,  erhält  unerbittlich  seine  bestimmte  Zahl  Ruten¬ 
schläge.  Tn  welcher  Weise  Schweinefleischkarenz  den  Regengott 


Io.  t)ezember  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


2107 


beeinflussen  soll,  konnte  ich  nicht  eruieren.  Vielleicht  soll  sein 
Mitleid  erweckt  und  durch  kräftige  Suggestion  auf  ihn  ein¬ 
gewirkt  werden.  Hilft  dieses  Universalmittel,  einige  Male  hinter¬ 
einander  angewandt,  nicht,  dann  holt  das  Volk  den  Mandarin, 
„den  Vater  des  \  olkes“,  aus  seinen  Gemächern,  damit  er  im  heili¬ 
gen  Stadttempel  seine  Opfer  darbringt  und  dreimal  vor  der  Gott¬ 
heit,  seinen  Kotau  macht.  Will  der  Kreisrichter  nicht  Folge 
leisten,  so  haben  die  Frauen  das  Recht,  ihn  an  seinen  Gewändern 
herauszuzerren,  ja  sogar  dieselben  mit  Räucherstäbchen  zu  ver¬ 
sengen.  Dieses  remedium  pluvium  wird  so  lange  wiederholt  bis 
der  ersehnte  Regen  fällt  und  das  verschmachtende  Landvolk 
seinen  Pflug  wieder  durch  die  Reisfelder  führen  kann. 


Die  Regierung  tut  sozusagen  nichts  in  Zeiten  der  Epidemien. 
Zum  energischen  Vorgehen  gehört  unter  anderem  auch  viel  Geld, 
und  das  lässt  jeder  bei  der  zerütterten  Beamtenwirtschaft  Chinas 
lieber  in  den  eigenen  Beutel  rollen.  Schlägt  man  dem  Mandarin 
eine  gründliche  Reinigung  und  Assanierung  der  Stadt,  den  Bau 
einer  Wasserleitung  u.  dergl.  vor,  so  weist  er  mit  einem  gewissen 
Scheine  des  Rechtes  aut  das  benachbarte  Hongkong,  in  welchem 
Pest  und  Cholera  ebenso  wüten,  wie  im  Lande,  trotzdem  die 
englische  Regierung  dort  mit  energischen  Zwangsmassregeln  vor¬ 
geht,  welche  im  Jahre  1894  und  1898  sogar  zu  den  bekannten 
Unruhen  im  Hongkonger  Hinterland  führten. 

Im  vergangenen  Sommer  wütete  die  Pest  in  geradezu  er¬ 
schreckendem  Umfang  in  unserer  Stadt  mit  ihren  200  000  Ein¬ 
wohnern.  Der  Kreismandarin  lebte  in  beständiger  Todesangst, 
da  in  seinen  weiten  Hallen  rasch  hintereinander  4  Personen,  unter 
ihnen  sein  eigener  Enkel,  dem  Würgengel  erlagen.  Er  liess  mich 
täglich  zweimal  zu  sich  bitten,  sandte  seine  Familie  sofort  an 
einen  pestsicheren  Ort.,  liess  das  Yamen  frisch  mit  Kalkwasser 
streichen,  alle  Zimmer  ausschwefeln,  kaufte  Karbolsäure  zum 
Reinigen  der  Rinnen  und  Fussbüden,  liess  auch  die  Gefangenen¬ 
viertel  vor  dem  Gerichtshof  ein  wenig  reinigen;  aber  durch¬ 
greifen  konnte  auch  er  nicht.  V  ie  weit  er  der  von  Europa  und 
Amerika  eindringenden  Aufklärung  schon  Raum  gegeben,  zeigte 
sich  darin,  dass  er  bei  den  militärischen  Examinas,  welche  auf 
dem  Rennfeld  vor  Tungkun  abgehalten  werden,  seine  Halle, 
sonst  Sterbehaus  aller  Obdachlosen,  aus  eigenem  Antrieb  mit 
Karbol  reinigen  liess,  bevor  er  sie  betrat. 


Gegen  die  Pocken  haben  die  Chinesen  schon  längst  vor 
J  enner  die  Impfung  mit  Lymphe  gekannt  und  geübt.  Trotz¬ 
dem  sieht  man  viel  pockennarbige  Gesichter,  welche  auch  unver¬ 
hohlen  daraufhin  angeredet  werden:  Mein  lieber  pockennarbiger 
Onkel  u.  s.  w.  Ueber  Lepra  der  Chinesen  und  die  neueren  Be¬ 
strebungen  des  Dr.  Razlag  aus  Wien,  welcher  in  Cantoii 
seine  Versuche  zur  Bekämpfung  derselben  mit  grosser  Auf¬ 
opferung  und  sichtlichem  Erfolg  macht,  gedenke  ich  im  nächsten 
Brief  ausführlichere  Mitteilungen  zu  machen. 

Dass  die  Chinesen  sich  auch  gegen  Malaria  prophylaktisch 
zu  schützen  wussten,  lange  bevor  der  Anopheles  als  Medium  der 
I  ebertragung  bekannt  war,  lehrten  mich  einige  moskitosichere 
Häuser  vornehmer  Chinesen  dieser  Stadt.  Sämtliche  Fenster 
waren  durch  Fliegenschrankgitter  abgesperrt.  Die  Glasfenster 
fehlten  meist  und  waren  durch  verschiebbare  Holzläden  zum 
Schutz  gegen  Staubwind  ersetzt.  Es  war  in  den  Zimmern  und 
Hallen,  welche  durch  kleine  vorgebaute  Glaspavillons  zum  Ein- 
und  Aussehleussen  geschützt  waren,  absolut  moskitosicher.  In 
den  zahlreichen  Wandelgängen  und  Wegen,  welche  um  die  be¬ 
liebten,  eingebauten  Lotosblumenteiche  führen,  hingen  unzählige 
mit  Glasmalereien  geschmückte  Lampions,  an  denen  kleine  Glas¬ 
dreiecke  durch  eine  Schnur  befestigt  waren.  Jeder  Windhauch 
lies«  dieselben  aneinanderschlagen  und  zauberte  ein  vielakkor- 
diges,  melodisches  Klingen  hervor,  so  dass  der  erstmalige  Be¬ 
sucher  versucht  ist,  in  die  Höhe  zu  blicken,  um  die  volltönenden 
Aeolsharfen  zu  entdecken.  Wahrscheinlich  sollen  diese  glocken¬ 
artigen  Gehänge  nicht  lediglich  das  Wohlbehagen  erhöhen,  son¬ 
dern  auch  die  bösen  und  unsauberen  Geister  verscheuchen. 


Trotzdem  die  durch  zahlreiche  Seuchen  hervorgerufene  grosse 
Mortalität  eine  enorme  Höhe  erreicht,  ist  die  Ziffer  der  Be¬ 
völkerung  Chinas  doch  stetig  im  Wachsen  begriffen.  Diese  Er¬ 
scheinung  hat  wohl  ihre  Hauptursache  darin,  dass  kein  mensch¬ 
liches  Wesen  im  Reiche  der  Mitte  unverheiratet  bleibt,  wenn  es 
nicht  durch  dringende  Armut  oder  besondere  Umstände  dazu  ge¬ 
zwungen  ist.  Die  Verlobung  wird  häufig  schon  im  2.  Lebensjahr 
von  den  Eltern  gefeiert,  denn  der  beneidenswerte  Bräutigam  wird 


hier  nicht  gefragt,  wen  er  sich  unter  den  Töchtern  Evas  aus- 
ei hoi cn  hat.  Ja,  in  den  meisten  Fällen  kennt  er  überhaupt  seine 
Biaut  bis  zum  Hochzeitstage  nicht.  Geheiratet  wird  in  frühem 
Alter.  Der  Jüngling  tritt  gewöhnlich  mit  20,  das  Mädchen  mit 
16  Jahren  in  die  Ehe,  so  dass  man  häufig  vier  Generationen 
lebend  antrifft.  Ist  eine  Jungfrau  mit  20  Jahren  noch  nicht 
unter  die  Haube  gekommen,  so  gilt  das  für  eine  grosse  Schande. 
Du,  Fi auenf rage  lautet  daher  nicht:  Was  soll  ich  werden?  Auch 
wird  sie  im  himmlischen  Reiche  nicht  vom  weiblichen,  sondern 
vom  männlichen  Geschlecht  gestellt  und  heisst:  Was  kostet  eine 
Frau  ?  Hier  zu  Lande  beträgt  der  Durchschnittspreis  100  Dollar 
(r=190  Mark).  Kinderreichtum,  besonders  der  Besitz  von 
Knaben,  nimmt  eine  Hauptstelle  ein  in  der  Reihe  der  5  Glücks¬ 
güter,  welche  der  Chinese  an  jedem  Neujahrstage  auf  rotem 
Papier  über  seine  Haustüre  schreibt.  Ein  biederer  Bauersmann, 
den  ich  an  Blasenstein  operiert  hatte,  fragte  nachher  sehr  ängst¬ 
lich,  ob  er  denn  noch  auf  Kindersegen  hoffen  dürfe.  M einer  be¬ 
jahenden  Antwort  schien  er  doch  einige  Zweifel  entgegen  zu 
bringen.  Gross  war  daher  sein  Glück,  als  seine  Frau  nach 
Jahresfrist  eines  Kindleins  und  zwar  eines  Knaben  genas.  Der 
glückliche  Vater  kam  zu  mir,  überreichte  seine  Geschenke  und 
bat  mich,  den  Namen  des  Buben  zu  bestimmen,  da  er  es  nicht 
wagte,  diesen  folgenschweren  Schritt  selbst  zu  tun. 

Der  moderne  Chirurg  erringt  sehr  bald  die  Achtung  des  chi¬ 
nesischen  Volkes  vor  seiner  Kunst.  Nicht  so  der  innere  Medi¬ 
ziner.  In  der  Behandlung  der  internen  Krankheiten  halten  sich 
die  Chinesen  für  unübertreffliche  Meister  und  den  Westländern 
weit,  überlegen.  Ihre  Verachtung  alles  Fremden  geht  darin  so 
weit,  weil  sie  unsere  physikalischen,  chemischen  und  technischen 
Untersuchungsmethoden  nicht  verstehen,  dass  sie  kalt  lächelnd 
den  Stab  über  sie  brechen.  Als  Exempel  dieser  Auffassung  möge 
jener  Biedermann  dienen,  welchem  unter  dem  Mikroskop  ein  ge¬ 
wöhnliches  Schmarotzertier  gezeigt  wurde.  Beim  Anblick  des 
Riesenleibes,  der  die  Grösse  eines  Krokodils  zu  haben  schien,  be¬ 
merkte  er  schlau  zu  seinem  Nachbar:  „So  gross  sind  die  fremden 
Läuse.“ 


Verschiedenes. 

Lord  L  i  s  t  e  r 

zu  seinem  50  j  ä  h  rigen  A'rztjubil  ä  u  m. 

Dein  Volk  nicht  nur  —  mit  hohem  Herzensschlage 
Grüsst  Dich  der  Völker  Kreis  in  allen  Weiten; 

Es  jauchzt  die  Menschheit  Deinem  Ehrentage, 

Und  schweigend  ruht  der  Völker  grollend  Streiten. 

Als  Du  in  Deiner  Brüder  Sclimerzenshöhle 
Mit  der  Erlösung  Leuchte  bist  geschritten, 

Da  ist  in  ihre  nachterfüllte  Seele 

Ein  sanfter  Strahl  des  Höffens  auch  geglitten: 


Dass  jedes  Erdenweh  ein  Rätsel  binde, 

Dass  uns  verlieh'n  der  Selbsterlösung  Gabe; 

Dass  einst  der  Geist  das  Rätselwort,  noch  finde 
\  or  dem  die  Sphinx  des  W  eltleids  sich  begrabe. 

Berlin,  den  5.  Dezember  1902.  Julius  Lohmeyer. 


Hypnotische  Schaustellungen. 

Im  Nachtrage  zu  dem  Berichte  in  der  vorigen  Nummer  dieser 
Wochenschrift  erhalten  wir  die  Mitteilung,  dass  gegen  den 
Suggestor  Julius  Winkelmann,  genannt  Weltmann,  am 
20.  November  ds.  Ja.  vor  der  Strafkammer  des  Landgerichtes 
Insterburg  eine  Verhandlung  stattfand  wegen  fahrlässiger  Körper¬ 
verletzung,  mit  dem  erschwerenden  Umstande,  dass  er  die  Auf¬ 
merksamkeit,  zu  welcher  er  vermöge  seines  Berufes  verpflichtet 
war,  ausser  Auge  liess;  es  war  ihm  zur  Last  gelegt,  dass  der  Pri¬ 
maner  L  a  u  infolge  einer  am  9.  Oktober  1901  von  ihm  ausgeführ¬ 
ten  Suggestion  geisteskrank  geworden  und  noch  nicht  geheilt  sei. 
Ueber  die  Verhandlung,  zu  der  Prof.  Dr.  M  e  s  c  li  e  d  e  -  Königs¬ 
berg,  Dr.  E  mpacher  -  Insterburg  und  Dr.  W  einb  a  u  in  - 
Ivüstrin  als  Sachverständige  zugezogen  waren,  bringen  die  Tilsiter 
Zeitung  und  die  Tilsiter  Allgemeine  Zeitung  ausführliche  Berichte. 
Nach  diesen  ist  der  Angeklagte,  Sohn  eines  Kaufmannes  in  Frank¬ 
furt  a/M.,  bereits  wegen  Betruges  vorbestraft.  Er  besuchte  die 
Schule  in  Görlitz  bis  zur  Sekunda,  kam  mit  15 y2  Jahren  zu  seinem 
Onkel,  der  eine  Bettfedernhandlung  betrieb,  in  die  Lehre,  verliess 
dieselbe  aber  bereits  nach  ly2  Jahren,  um  zum  Theater  zu  gehen. 
Er  fungierte  1  Jahr  lang  als  Eleve  am  Magdeburger  Stadttheater, 
war  dann  am  Sommertheater  und  in  Kottbus  engagiert  und  trat 
in  Oldenburg  und  Flensburg  während  je  einer  Saison  als  Charak¬ 
terspieler  auf.  Er  verliess  die  Bühne  1898  und  sah  im  darauf¬ 
folgenden  Jahre  die  Vorstellung  des  Suggestors  Albin  Krause 
in  Ratibor.  Mit  letzterem  ward  er  näher  bekannt  und  trat  als 


No.  50. 


2108 


MUENCHENER  MEDICINISCHE 


WOCHENSCHRIFT. 


Geschäftsführer  ein.  Er  blieb  1  %  Jahre  bei  Krause,  welcher 
ihm  verschiedene  Experimente  zeigte  und  ihn  auch  allein  arbeiten 
Hess.  Später  trat  er  selbständig  auf  unter  der  hochtrabenden  Be¬ 
zeichnung  „Suggestor  Weltmann,  langjähriger  Assistent  des 
Professors  Krause,  Inhaber  der  Medaille  für  Kunst  und  Wissen¬ 
schaft“.  Obwohl  er  von  dem  Wesen  der  Suggestion  keine  Kennt¬ 
nis  hatte,  erhielt  er  von  dem  zuständigen  Regierungspräsidenten 
die  Erlaubnis  zur  Ausführung  von  Experimenten;  gelegentlich 
einer  Rundreise  wurde  er  nach  einer  Aufführung  von  Dr.  AN  e  }  11 ' 
bäum  zur  Rede  gestellt,  welcher  es  als  unverzeihlich  bezeich- 
nete,  junge  Leute  zu  solchen  Aufführungen  zu  verwenden. 

Bei  seiner  Vernehmung  gab  Welt  m  a  n  n  an,  die  AN  i  r  - 
lv  u  n  g  der  Suggestion  auf  den  Körper  des  Ver¬ 
suchsobjektes  nicht  zu  kennen,  doch  meinte  er,  dass 
in  der  Art  und  AA'eise,  wie  er  Suggestion  treibe,  ein  Schaden 
nicht  hervorgerufen  werden  könne,  besonders  auch  nicht  bei  der 

sehr  empfänglichen  Jugend.  * 

Der  Tatbestand  der  Anklage  ist  folgender:  Am  9.  Oktober 
1901  gab  W  e  1 1  m  a  n  n  im  Gesellschaftshause  zu  Insterburg  eine 
Vorstellung,  in  welcher  er  den  Primaner  Lau,  neben  anderen 
Versuchsobjekten,  zu  seinen  Experimenten  sehr  stark  in  Anspruch 
nahm.  Er  veranlasste  denselben  in  der  Suggestion,  sich  in  einem 
Frisiergeschäft  als  Dr.  med.  rasieren  zu  lassen,  damy  musste  er 
gemeinschaftlich  mit  einem  anderen  Studiosus  den  Zuschauern 
Gegenstände  aus  den  Taschen  stehlen,  auf  das  Kommando  „Polizei 
kommt“  sich  niederlegen  und  auf  den  Zuruf  „Polizei  fort  wiedei 
aufstelien,  und  nachher  mit  zwei  Kameraden  Feuerwehrmänner 
darstellen  und  an  Stühlen  pumpen.  Darauf  wurde  er  in  die  Rolle 
einer  Amme  versetzt,  wobei  er  einen  anderen  Primaner  als  kleines 
Kind  auf  dem  Schosse  wiegte;  nach  einem  Zahlenexperiment,  das 
bei  der  AViederholung  missglückte,  sollte  Lau  endlich  ein  Glas 
Wasser,  das  er  in  seiner  Hand  hielt,  nicht  zum  Munde  führen 
können,  da  ihm  Weltmann  suggerierte,  dass  der  Arm  steif  sei. 

L  ft  u,  welcher  ohnehin  nervös  wnr,  henfthm  sich  beieits  bei 
Beginn  der  Vorstellung  sehr  aufgeregt  und  machte  während  der¬ 
selben  einen  ermatteten  Eindruck;  nach  Beendigung  der  Experi¬ 
mente  ward  ihm  sehr  heiss,  er  riss  den  Kragen  ab  und  rief  nach 
frischer  Luft;  er  verfiel  in  Tobsucht  und  musste  der  Irrenanstalt 
zugeführt  werden.  Sein  Zustand  besserte  sich  soweit,  dass  er  nach 
4  Monaten  aus  der  Anstalt  entlassen  werden  konnte,  jedoch  besteht 
bei  ihm  dauernde  Geisteskrankheit. 

Nach  dem  Gutachten  der  beiden  zuerst  genannten  Sachver¬ 
ständigen  kann  ein  wirklich  gesunder  Mensch  durch  die  vor- 
gescliilderten  Experimente  nicht  alteriert  werden;  Lau  habe  aber 
bereits  früher  Anlagen  zu  Geistesstörung  gezeigt  und  sei  schon 
lange  vor  dem  9.  Oktober  sehr  erregt,  vielleicht  aber  auch  über¬ 
arbeitet  gewesen;  es  müsse  zugegeben  werden,  dass  die  Experi¬ 
mente  Hie  bereits  vorhandene  Erregung  so  steigerten,  dass  sie  zu 
einer  dauernden  Geisteskrankheit  sich  gestaltete.  Der  Sachver¬ 
ständige  Dr.  AA'einbaum  bezeichnet  es  in  seinem  Gutachten  als 
ein  Verbrechen,  wenn  hypnotische  Experimente  mit  Personen  vor¬ 
genommen  würden,  welche  nicht  vorher  ärztlich  untersucht  worden 
sind,  und  wies  nach,  dass  schon  in  vielen  Fällen  Gesundheits- 
scliädigungen  stattgefunden  haben;  Lau  habe  zwar  Anlagen  zu 
Geistestörung  besessen,  aber  ohne  diese  schwere  Gelegenheits¬ 
ursache  wäre  er  nicht  in  AATihnsinn  verfallen. 

Die  Staatsanwaltschaft  vertrat  die  Meinung,  dass  der  An¬ 
geklagte  nicht  der  Ansicht  sein  könnte,  etwas  Unerlaubtes  zu  be¬ 
treiben,  da  er  sein  Gewerbe  unter  den  Augen  der  Behörden  und 
Aerzte  (!!)  ausübte,  und  beantragte,  mangels  nachzuweisender 
Fahrlässigkeit,  die  Freisprechung.  —  Der  Gerichtshof  stellte  fest, 
dass  die  Experimente  des  Angeklagten  die  Geisteskrankheit  des 
Lau  tatsächlich  hervorgerufen  hätten;  im  vorliegenden  Falle  sei 
dem  Angeklagten  trotz  seiner  mangelhaften  Vorbildung  von  kompe¬ 
tenten  Behörden  die  Erlaubnis  zu  diesen  Experimenten  erteilt 
worden.  Trotz  der  zweifellos  feststehenden  Gesundheitsschädigung 
des  L  a  u  konnte  sich  das  Gericht  von  einem  Verschulden  des  An¬ 
geklagten  nicht  überzeugen  und  sprach  ihn  kostenlos  frei. 

Vielleicht  veröffentlichen  die  zur  Verhandlung  zugezogenen 
Sachverständigen  in  einem  Fachblatte  einen  ausführlichen  Bericht, 
der  einen  näheren  Einblick  ermöglicht. 

Aus  der  allerdings  in  den  Zeitungen  nicht  genau  wieder¬ 
gegebenen  Urteilsbegründung  scheint  entnommen  werden  zu 
dürfen,  dass  die  Strafkammer  des  Landgerichtes  zu  Insterburg 
einen  Teil  des  Arersehuldens  wohl  den  Behörden,  die  die  Erlaubnis 
zu  diesen  Schaustellungen  erteilten,  und  den  Aerzten,  unter  deren 
Augen  und  ohne  deren  AViderspruch  die  öffentlichen  Vorstellungen 
vor  sich  gingen,  zumass.  Es  ist  dies  uns  ein  Beweis  dafür,  wie 
berechtigt  unsere  Stellungnahme  in  dem  früheren  Artikel  war, 
mul  wie  dringend  notwendig  es  ist,  alle  öffentlichen  hypnotischen 
Experimentalvorstellungen  unbedingt  zu  verhindern. 

Noch  ein  AVort  über  die  eigentümliche  Begründung  der  Frei¬ 
sprechung!  Obwohl  der  Angeklagte  selbst  seine  Unkenntnis  auf 
dem  Gebiete  der  Suggestion  zugab  und  das  Gericht  den  ursäch- 
lichen  Zusammenhang  zwischen  der  Geisteskrankheit  und  den 
hynotisehen  Experimenten  als  gegeben  annahm,  trotzdem  sprach 
es  den  Angeklagten  von  einem  Verschulden  frei,  weil  die  Behörden 
die  Schaustellungen  erlaubt  und  die  Aerzte  nicht  interveniert 
hätten.  AVenn  solche  Grundsätze  auch  bei  der  Beurteilung  von 
Kurpfuschern  massgebend  werden  könnten,  dann  würden  die 
gröbsten  Gesundlieits-  und  Lebensschädigungen  ungesühnt  bleiben 
müssen.  Denn  abgesehen  von  einzelnen  kleinen  Einschränkungen 
gewährt  das  Gesetz  Kurierfreiheit  jedermann.  Vermeidet  ein 
Pfuscher  diese  kleinen  Klippen,  kann  ihm  keine  Behörde  sein  Ge¬ 


werbe  untersagen  und  ein  Einspruchsrecht  der  Aerzte  entfällt 
damit  von  selbst. 


Therapeutische  Notizen. 

Bukol'zer- Königsberg  veröffentlicht  Untersuc  li  u  n  g  e  n 
über  die  Wirkung  von  Nebennierenextr a k  t 
(Adrenalin)  auf  die  Schleimhaut  der  o  b  e  r  e  n 
Luftwege  bei  äusserlicher  Anwendung,  über 
welche  in  No.  43  dieser  Wochenschr.  S.  1S12  berichtet  ist.  ln 
therapeutischer  Hinsicht  ist  jenem  Referat  noch  beizufügen,  dass 
die  direkte  Wirkung  des  Mittels  sich  nicht  weit  über  die  Appli¬ 
kationsstelle  hinaus  erstreckt.  Es  hat  bei  Operationen  einen 
blutungshemmenden  Einfluss  auf  zu  erwartende  kapilläre  Blu¬ 
tungen,  wirkt  gut  bei  mässig  starker,  aber  anhaltender  Epistaxis, 
ist  sehr  brauchbar  zur  momentanen,  bis  einige  Stunden  anhaltenden 
Beseitigung  einer  auf  akuter  Hyperämie  der  Kehlkopfschleimhaut 
beruhenden  Heiserkeit.  Auch  zur  Erweiterung  des  Lumens  der 
Nasenhöhle  bei  Untersuchungen  ist  es  zu  empfehlen.  Eine  an¬ 
ästhesierende  Wirkung  hat  es,  wenn  überhaupt,  nur  in  geringstem 


der  Schleimhaut  wirkt  es  nur  wenig  oder  gar  nicht. 
Nebenwirkungen  wurden  nicht  beobachtet.  (Arch.  f. 
13.  Bd.,  2.  II.) 


Schädliche 
Laryngol. 
R.  S. 


Zur  Rezeptur  des  Adrenalin  gibt  D  arie  r  folgende  Vor¬ 
schriften  (für  ophtha lmologische  Zwecke): 

1.  Gocadrenalin,  um  Anämie  und  Anästhesie  zu  erzeugen,  bei 
«Fremdkörperextraktion,  Kauterisation  und  anderen  Eingriffen. 

Rp.  Adrenalin,  hydroclilor.  (1,0:1000,0)  0,5  (X  gtt) 

Cocain,  hydroclilor.  0,1 
Aq.  sterilis.  10,0. 

2.  Als  starke  Lösung  zur  Erzeugung  von  Anämie: 

Rp.  Adrenalin,  hydroclilor.  (1,0:1000,0)  1,0 — 2,5  (XX — L  gtt) 
Hydrarg.  cyauat.  (1,0:2000,0)  10,0. 

Diese  Lösung,  6—8  mal  täglich  eingeträufelt,  wirkt  gut  bei 
Episkleritis  und  geradezu  als  Spezifikum  bei  Frühjahrskatarrh. 
3  Als  Adstringens  (bei  chronischer  Konjunktivitis): 

Rp.  Adrenalin,  hydroclilor.  (1,0:1000,0)  1,0  (XX  gtt) 
Cocain,  hydroclilor.  0,2 
Zinc.  sulf.  0,2 
Aq.  dest.  10,0. 

4.  Gegen  Glaukom,  wenn  Operation  nicht  angezeigt  ist: 

Rp.  Adrenalin,  hydroclilor.  (1,0:1000,0)  1,0 
Pilocarpin,  hydrochlor.  0,1 
Eserin,  salicyl.  0,02 
Aq.  dest.  sterilis.  10,0 

2— 8  mal  täglich  einzuträufeln.  lOplitlialmolog.  Klinik  1902,  No.  17.) 

R.  S. 


Die  intratrachealen  Injektionen  von  Queck¬ 
silber  empfiehlt  P.  Carnot  (Presse  medicale  1902,  No.  93) 
zur  Behandlung  der  Syphilis,  und  zwar  müsse  diese  Art  lu- 
halationsmethode,  zu  der  man  wieder  greifen  soll,  .  in  speziellen 
Anstalten  ausgeübt  werden.  Die  Methode  der  intratrachealen  In¬ 
jektionen  stellt  nur  eine  Modifikation  der  im  17.  Jahrhundert  so 
häufig  ausgeübten  Inhalationen  dar.  Die  dabei  anzuwendende 
Technik  ist  von  der  grössten  AVichtigkeit.  C.  bedient  sich  der 
Intrat rachealkanüle  von  W  e  i  1 1,  konstruiert  von  C  o  1 1  i  n,  welche 
eine  dünne  Hohlsonde  vorstellt,  die  an  ihrem  Ende  genügend  ge¬ 
bogen  ist,  um  in  die  Trachea  über  dem  Kehlkopf  einzudringen.  Die 
Sonde  fügt  sich  an  eine  beliebige  Spritze  von  5 — 10  cm  Inhalt  und 
wird  durch  2gebogeue  Verlängerungen  gehalten,  welche  die  Spritze 
umfassen  und  den  Fingern  bei  deren  Gebrauche  als  Stützpunkt 
dienen.  Die  Spritze  ist  völlig  sterilisierbar.  Die  Einführung  der 
Sonde  geschieht  unter  denselben  Vorsiclitsmassregeln  wie  bei  der 
Intubation.  Zur  Einspritzung  kann  man  alle  löslichen  Queck¬ 
silbersalze  anwenden,  welche  gegenwärtig  bei  der  Syphilisbehand¬ 
lung  in  Gebrauch  sind:  Sublimat  (1: 100  oder  1: 1000),  benzoe¬ 
saures  Hg,  Hermophenyl,  auch  Cyanquecksilber  u.a.  Die  Resultate, 
welche  in  den  30  Fällen  erzielt  wurden,  waren  sehr  günstige  und 
C.  erklärt  die  Methode  für  besonders  rasch  wirksam.  Sie  ist 
übrigens  kontraindiziert  bei  Kranken  mit  irgend  einer  Lungen¬ 
affektion,  bei  solchen,  welche  von  ihrem  Kehlkopf  leben  (Sängern), 
bei  Patienten  mit  Plaques  muqueuses  im  Halse,  überhaupt  in  den 
Fällen,  wo  die  Technik  der  Injektion  besonders  schwierig  oder 
unsicher  sich  zu  gestalten  scheint.  In  allen  anderen  Fällen  ist  sie 
anwendbar  und  C.  rühmt  als  ihre  Vorzüge,  dass  sie,  selbst  für 
die  Umgebung  des  Patienten,  einfach  in  der  Anwendung  ist,  dass 
sie  keinerlei  unmittelbare  oder  spätere  Nebenerscheinungen  hat, 
schmerzlos  ist.  den  Verdauungskanal  schont,  sehr  reinlich  ist  und 
auch  keinerlei  Entdeckung  von  Seite  Unberufener  befürchten  lässt. 
Jedenfalls  verdient  nach  Car  not  diese  Methode  ihren  Platz 
neben  den  anderen  gebräuchlichen  Arten  der  Quecksilbereinyer- 
leibung.  I 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  16.  Dezember  1902. 

—  Ein  Erkenntnis  des  Reichsgerichts  entscheidet  die  Frage, 
ob  die  Aerztekammern  in  Preussen  zur  Stellung  von  Strafanträgen 
aus  §§  4,  12  des  Gesetzes  gegen  den  unlauteren 
Wettbewerb  berechtigt  sind,  in  bejahendem  Sinne.  In  dem 


2109 


SS“4?18’  •Wf!rin  es  sich  um  eiuou  Rechtsstreit  der  Berliu- 
Bmnd^enburg^chen  Aerztekammer  handelt,  wird  ausgeftmrtfNach 

Wettbewerbes  sind  die  in  §  l^Abs!  l^ttaseff 

Ä^rjÄ  asrÄS 

solchen  \eibandes  will  die  Revision  der  Aerztekammer  der  Pro¬ 
vinz  Brandenburg  und  des  Stadtkreises  Berlin  deshalb  nicht1  zu 

e,l‘ekaU,mr  ■»  etoe  ÄC 

yeitretung  daistelle,  die  zur  Aufrechterhaltung  der  Ehre  und 

H  l?1,1!  Sw  Im  Aerziestande.  nicht  aber  zur  Förderung  der  gewerb¬ 
lichen  Interessen  der  Aerzte  berufen  sei.  Eine  derartige  Ei 
Schränkung  der  Aufgaben  der  Aerztekammern  findet  in  den  m ass- 
ge  lenden  gesetzlichen  Vorschriften  keinen  Anhalt.  Nach  8  2  Abs  1 

remetung  umfasst  der  Geschaftskreis  der  Aerztekammern  in 
I  ieussen  die  Erörterung  aller  Fragen  und  Angelegenheiten  welche 
vü!..!UT  e,U  Kenif  •  •  •  betreffen  oder  auf  die  Wahrnehmung  und 

TR  Dkeff^d  < r\  n l/‘! ’ iChe ' ‘  Standesiuteressen  gerichtet  sind."  Die 
Jati^keit  dei  Aerztekammern  beschränkt  sich  sonach  nicht  auf 

i!vvi  ne*blet  dfr  S?,f*  u,ealen  RReressen,  welchem  die  später  erfoDte 
L  lirlitung  der  Ehrengerichte  angehört,  sondern  sie  ergreift  auch 
s  Gebiet  der  materiellen  Interessen,  welche  sich  aus  der  Aus 
ubung  dei  Heilkunde  als  eines  Gewerbes  (vgl.  §  29  Abs.  1  und  3 
§  oOa  No.  1  §80  Abs.  2  Gcw.-O.)  ergeben  und,  ebenso  wie  jene  in 
den  Bereich  der  Standesinteressen  der  Aerzte  fallen.  DieJ  Legiti- 
Aeyztekaiumer  zur  Stellung  von  Strafanträgen  aus 's  4 
je. etzes  \ om  2t.  Mai  1896  ist  demnach  ebensowenig  zu  be 
anstanden  wie  diejenige  der  Handels-  und  Gewerbekammlrn 

—  im  preuss.  Ministerialblatt  für  Medizinalangelegenheiten 
vnrd  eine  \  erfugung  veröffentlicht,  welche  die  Minister  der  Me- 
dizinalangelegenheiten,  des  Innern  und  für  Handel  und  Gewerbe 
unter  dem  38  November  d.  .Ts.  zur  Bekämpfung  d  ei¬ 
lt  unk  sucht  an  die  Oberpräsidenten  erlassen  haben.  Diese 
vierden  veranlasst,  nach  Massgabe  eines  beigegebenen  Entwurfs 
den  alsbaldigen  Erlass  einer  Polizeiverordnung  für  die  Provinzen 
in  Angriff  zu  nehmen,  durch  welche  den  Gast-  und  Schankwirten 
sowie  den  Branntweinkleinhändlern  verboten  wird,  an  Personen 
unter  iG  Jahren,  an  Betrunkene  und  an  solche  Personen,  welche 
i  ou  der  I  olizeibehörde  als  Trunkenbolde  bezeichnet  sind,  geistige 
Getränke  zum  sofortigen  Genuss  zu  verabfolgen.  Zugleich  soll 
eine  Anweisung  (s.u.)  an  die  Polizeibehörden,  betreffend  Massregeln 
gegen  Trunkenbolde,  erlassen  werden.  Auch  werden  die  Obe“ 
Präsidenten  weiterhin  ersucht,  darauf  hinzuwirken,  dass  dort  wo 
dleVT  Cl-eU  °Jtlicllen  Verhältnissen  angezeigt,  aber  bisher  nicht 
f  •  ch eben  ist,  durch  Polizeiverordnung  der  Ausschank  und  Ver- 
kauf  von  Branntwein  in  den  frühen  Morgenstunden  verboten  wird 
wii  1  estsetzung  einer  Polizeistunde  für  die  Branntweinklein- 
handluug  und  Branntweinschänken  auf  etwa  8  Uhr  Morgens. 

i  6  0l3ei?  erwibnte  Anweisung  bestimmt  folgendes:  „I.  Dem 
imlpT-kwi»rgebene  „P®fSOüen  können  von  den  Ortspolizeibehörden 
HmW  auf  die  nach  den  nachstehenden  Vorschriften  eiu- 
verwarnt  werden.  II.  Nach  wiederholter 
1.  °?Sloser  ^ erwarnuug  ist  solchen  Personen  im  Wege  polizeilicher 
veifugung  zu  eröffnen,  dass  sie  als  Trunkenbold  bezeichnet 
v  urden,  und  ihnen  gleichzeitig  das  Betreten  v  o  n  L  o  k  a  1  e  n, 
ai  eiche  zum  Ausschank  für  geistige  Getränke  bestimmt  sind,  unter 
Androhung  einer  Zwangsstrafe  für  jeden  Fall  der  Zuwiderhandlung 
zu  untersagen.  III.  Die  Namen  der  als  Trunkenbold  bezeichneten 
Personen  sind  den  Gast-  und  Schankwirten  und  den  Branntwein- 
Meinliandlern  des  Ortspolizeibezirks  gleichzeitig  mit  dem  Erlass 
der  pohzediehen  Verfügung  oder  alsbald  nach '  Uebernahme  oder 
oitnung  des  betreffenden  Geschäftes  schriftlich  unter  ausdrück- 
hchem  Hinweis  auf  die  Polizeiverordnung  vom  ....  mitzuteilen, 
rie  Ortspohzeibehorden  haben  sich  in  geeigneter  Weise  von  der 
Aufbewahrung  dieser  Mitteilungen  zu  überzeugen.  IV.  Dem  Er¬ 
messen  der  Ortspolizeibehörden  bleibt  es  überlassen,  auch  den  be¬ 
nachbarten  Ortspolizeibehörden  die  Namen  der  als  Trunkenbold 
bezeichneten  Personen  mitzuteilen.  V.  Die  Ortspolizeibehörden 
haben  über  die  von  ihnen  als  Trunkenbold  erklärten  Personen  eine 
Liste  zu  führen.  Alljährlich  hat  eine  Nachprüfung  der  Liste 
stattzufinden.  Personen,  welche  während  des  letzt. vergangenen 
Jahres  Besserung  an  den  Tag  gelegt  haben,  können  von  der  Liste 
gestrichen  werden.  Von  der  Streichung  sind  die  betreffenden  Per- 
sonen  selbst,  die  Gast-  und  Schankwirte  und  Branntweinklein - 
Jiamuer  des  Ortspolizeibezirks,  sowie  nötigenfalls  die  benachbarten 
Ortspolizeibehörden  in  Kenntnis  zu  setzen.“ 

’  ~.Am  -’d-  v.  Mts.  fand  in  Berlin  eine  Sitzung  des  Ge¬ 
sell  a  1 1  s  a  u  s  s  c  li  u  s  s  e  s  des  Deutschen  Aerztever- 
e  i  n  s  b  u  n  des  statt,  in  welcher  über  die  A  b  ä  n  d  e  r  u  n  g  d  e  r 
,,a  1  z  11  n  S  e  n  des  Bundes  endgültiger  Beschluss  gefasst  wurde. 
Ein  von  den  Herren  W  a  1 1  i  c  h  s,  W  indels  und  Ileinze  unter 
Berücksichtigung  der  von  den  Vereinen  geäusserten  Wünsche  auf- 
gestellter  Entwurf  fand  Annahme.  In  diesem  ist  die  vielumstrittene 
Trage  der  Mitgliedschaft  (§  3)  so  gelöst,  dass  sowohl  ärztliche 
Vereine,  welche  die  Rechtsfähigkeit  besitzen,  als  auch  Aerzte, 
welche  zu  Delegierten  der  vom  Aerztevereinsbunde  anerkannten 
ärztlichen  Vereine  bestellt  worden  sind,  Mitglieder  sein  können. 

Es  soll  nunmehr  sofort  der  Antrag  auf  Eintragung  des  Deutschen 
Aerztevereinsbundes  in  das  Vereinsregister  gestellt  werden. 

— -  Die  Aerzteversamm lung,  die  am  7.  ds.  auf  Einladung  Nürn¬ 
berger  Kollegen  in  Nürnberg  stattfand,  um  eine  allgemeine  Aus¬ 
sprache  der  bayerischen  Aerzte  über  den  heipzige  r  V  e  r  - 
ha  n  d  herbeizuführen,  gestaltete  sich  zu  einer  bemerkenswerten 
Kundgebung  für  diesen.  Schon  der  zahlreiche  Besuch  der  Ver- 


meh r^nnrn,  nw8®11  2°°  A.erz^0  waren  anwesend  —  überraschte; 
rnfhi  “°ch  »bei  war  es  die  Qualität  der  Erschienenen,  die  dem 
Jag  seine  Bedeutung  verleiht:  Aus  allen  Kreisen  der  bayerischen 
Aerzte  waren  Vertreter,  darunter  viele  hochangesehene  Namen. 

M^be^nnd  SieDSte  ergra Ute  Männer,  wie  Gottlieb 

JLm1,  ”  May  er- Furth  traten  für  die  im  Leipziger  Ver¬ 
band  verkörperten  Bestrebungen  ein.  Folgende  von  Wille  vor¬ 
geschlagene  Resolution  fand  einstimmige  Annahme:  „Die  am 
V  Pe.?eu‘be1'  lbb2  111  Nürnberg  versammelten  bayerischen  Aerzte 
Amtsärzte  und  Universitätsprofessoren  erklären  es  für  ihre  sämt¬ 
lichen  bayerischen  Kollegen  als  dringend  und  unerlässlich,  zur 
Forderung  ihrer  wirtschaftlichen  Existenzbedingungen  durch  ihren 
vollzähligen  Beitritt  zum  Leipziger  Verband  tatkräftig  zusammen 
zuwirken.  Nach  dem  Verlaufe  der  Nürnberger  Versammlung  kann 
man  sagen  dass  der  Gedanke  des  Leipziger  Verbandes  in  Bayern 
gesiegt  hat;  wir  hoffen,  dass  dem  erzielten  moralischen  Erfolg 
nun  auch  der  praktische  in  Gestalt,  zahlreicher  Beitritte  folgen 
möge.  Ein  näherer  Bericht  über  die  Versammlung  folgt  in  nächster 
Nummer. 

Doo  erweiterte  Obermedizinalausschuss 

tutt  am  22.  Dezember  in  München  zu  seiner  diesjährigen  Ver¬ 
sammlung  zusammen.  Auf  der  Tagesordnung  steht  die  Be¬ 
kämpfung  der  Geschlechtskrankheiten,  worüber  Geheimer  Rat 
Dr.  v.  YV  in  ekel  das  Referat  übernommen  hat. 

—  In  Stockholm  fand  am  10.  ds.  in  Gegenwart  des  Königs  die 
feierliche  Verteilung  der  diesjährigen  Nobel-Preise  statt 
Den  Preis  für  Medizin  erhielt  Ronald  Ross  in  Liverpool,  der  Be¬ 
gründer  der  für  die  Bekämpfung  der  Malaria  so  bedeutungsvoll  ge¬ 
wordenen  modernen  Malariaätiologie;  den  Preis  für  Chemie  erhielt 
Emil  Fi  sch  er- Berlin,  der  Erforscher  der  Zuckersynthese;  den 
Rreis  für  Physik  erhielten  gemeinsam  A.  II.  Lorenz-  Leyden  und 
Z  e  e  m  a.  n  n  -  Amsterdam. 

—  Am  9.  ds.  waren  50  Jahre  verflossen,  seit  Lord  Li  st  er 
als  ordentliches  Mitglied  (Fellow)  in  das  Royal  College  of  Surgeons 
ot  England  aufgenommen  wurde.  Den  Glückwünschen,  die  dem 
verehrten  Manne  bei  dieser  Gelegenheit  von  seinen  Landsleuten 
dargebracht  werden,  schlossen  sich  die  deutschen  Aerzte  dank- 
eitiillt  an.  Alle  die  segensreichen  Entdeckungen,  an  denen  die 
Medizin  im  verflossenen  Jahrhundert  so  reich  war,  sie  werden  weit 
überragt  durch  die  eine  Grosstat  Listers,  die  dem  ärztlichen 
Handeln  eine  neue  Welt  erschlossen  hat.  Möge  Lord  Lister 
cer  reichen  Frucht,  die  die  von  ihm  gestreute  Saat  fort  und  fort 
tragt,  sich  noch  lange  erfreuen  können. 

.  *?as  Bl'd-  med.  Journal  feiert  den  50  jährigen  Gedenktag  des 
Eintritts  Listers  in  den  ärztlichen  Stand  durch  Herausgabe 
einei  ,,L  i  s  t  e  i  -  N  u  m  m  e  r“,  die  durch  Beiträge  hervorragender 
auch  nichtenglischer  Chirurgen  zu  einer  internationalen  Huldigung 
tlu‘  Riste  r  sich  gestaltet.  Die  Nummer  beginnt  mit  einer 
Arbeit  von  E.  v.  Bergmann  -über  Jodoformgaze-Tamponade 
Beiträge  von  Lucas-C  ha  mpionniöre,  Durante,  Bloch’ 
M  ikulicz,  Marsh,  O  g  s  t  o  n,  H  a  r  t.  u.  a.  folgen.  Dass  sämt¬ 
liche  ausländische  Beiträge  in  englischer  Sprache  erscheinen  ist 
da  es  sich  um  ein  englisches  Blatt  handelt,  wohl  selbstverständlich’, 
erinnert  uns  aber  daran,  dass,  als  im  vorigen  Jahre  deutsche 
Blätter  eine  ähnliche  Kundgebung  für  Vircho  w  bereiteten, 
daraus  in  den  betreffenden  Blättern  eine  wahrhaft  babylonische 
Sprachverwirrung  entstand,  da  jeder  Autor  seine  eigene  Sprache 
redete.  Das  ist  der  Unterschied  zwischen  deutschem  und  eng¬ 
lischem  Nationalgefühl. 

—  Cholera.  Nach  einem  fünften  amtlichen  Ausweise  über 
die  Cholera  in  Palästina  waren  daselbst  138  Todesfälle  an  der 
Cholera  zur  Anzeige  gelangt.  Die  Gesamtzahl  der  Todesfälle  in 
Palästina  wurde  darnach  am  25.  November  auf  2002  beziffert;  fast 
die  Hälfte  derselben  (987)  war  auf  Gaza  entfallen.  —  Aegypten. 

In  der  Woche  vom  18.  bis  25.  November  kamen  nach  dem  amt- 
lichen  Berichte  in  ganz  Aegypten  33  neue  Erkrankungen  und 
30  Todesfälle  an  der  Cholera  zur  Anzeige;  von  letzteren  hatten  24 
ausserhalb  eines  Krankenhauses  sich  ereignet.  Die  im  allgemeinen 
festgestellte  Abnahme  der  Erkrankungen  wurde  aber  in  Alexan¬ 
drien  nicht  beobachtet,  denn  hier  erkrankten  während  der  Beriehts- 
woche  7,  darunter  2  Europäer,  und  starben  18  Personen  an  der 
Cholera.  Vom  24.  bis  28.  November  kamen  in  ganz  Aegypten  noch 
!•>  (  holera fälle,  darunter  9  in  Alexandrien  zur  Anzeige. 

r  e  s  U  Britisch-Ostindien.  In  der  Stadt  Bombay  waren 
während  der  am  18.  November  endenden  Berichtswoche  von  ins¬ 
gesamt  686  Todesfällen  134  durch  die  Pest  herbeigeführt.  _  Bra- 

silien.  In  Rio  de  Janeiro  sind  vom  16.  bis  31.  Oktober  32  Pest¬ 
todesfälle  .testgestellt;  vorn  1.  bis  6.  November  kamen  beim  dortigen 
Gesundheitsamte  21  Pestfälle  zur  Anmeldung.  — .  Paraguay.  Ende 
Oktober  sind  in  Asuncion  12  Pesterkrankungen,  darunter  6  mit 
tödlichem  Verlaufe,  beobachtet  worden. 

—  In  der  48.  Jahreswoche,  vom  23. — 29.  November  1902.  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Borbeck  mit  32,5,  die  geringste  Ulm  mit  9.4  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestor¬ 
benen  starb  an  Masern  in  Duisburg,  Oberhausen;  an  Scharlach  in 
Altona,  Beuthen,  Kiel,  Königshütte;  an  Diphtherie  und  Krupp  in 
Bromberg,  Elberfeld.  y.  d.  K.  G.-A. 

—  Auf  unseren  sonst  so  einseitig  beschickten  Büchertisch  hat 
sich  als  seltene,  darum  aber  nicht  minder  willkommene  Erschei¬ 
nung  ein  Erzeugnis  der  Kunst  verirrt:  Das  deutsche 
Korpsleben  nach  Originalzeichnungen  von  0.  W.  Ariers. 
Mit  einleitendem  Text  von  Prof.  Dr.  M  o  1  d  e  n  h  a  u  e  r.  (Union 
Deutsche  Verlagsgosellsehaft  Stuttgart,  Berlin,  Leipzig.  Preis 
25  M.)  Eine  elegant  ausgestattete  Mappe  mit  60  Zeichnungen,  die 


2110 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


das  Leben  eines  deutschen  Korpsstudenten  in  allen  seinen  Phasen, 
von  der  Aufnahme  ins  Korps  bis  zum  Tag  des  Examens  humorvoll 
schildern.  Der  durch  seine  früheren  Werke  bestens  bekannte 
Künstler  hat  hier  mit  der  ihm  eigenen  scharfen  Beobachtungs¬ 
gabe  eine  Reihe  prächtiger  Typen  und  Szenen  geschaffen,  voll 
Lebens  Wahrheit  und  Humor,  dabei  nicht  ohne  eine  entsprechende 
Zutat  von  Satire.  Dadurch  wird  er  allen  Seiten  des  deutschen 
Korpslebens,  seinen  grossen  Vorzügen  und  seinen  kleinen 
Schwächen,  gerecht.  Jeder,  der  deutscher  akademischer  Bürger 
gewesen  ist,  vor  allem  natürlich  jeder,  der  selbst  das  dreifarbige 
Band  getragen  hat,  wird  sich  an  den  flotten  Zeichnungen,  die  ihn 
in  die  glückliche  Jugendzeit  zurückversetzen,  herzlich  erfreuen. 
Die  Mappe  wird  ein  passendes  und  willkommenes  Festgeschenk 


bilden. 

(H  o  c  h  s  c  h  11 1  n  a  c  h  r  i  c  h  t  e  n.) 

Berlin.  Sanitätsrat  Dr.  Arthur  Hart  mann,  Arzt  tui 
Ohrenkrankheiten,  ist  zum  Professor  ernannt  worden.  —  Wah¬ 
rend  die  Berliner  Universität  in  diesem  Wintersemester  eine 
höhere  Gesamtfrequenz  auf  weist  als  je  zuvor,  nämlich  70.11  Segen 
5678  im  vorigen  Sommersemester,  ist  in  der  medizinischen  Fakultiit 
ein  weiterer  Rückgang  eingetreten;  die  Frequenz  betragt  1-1-, 
davon  732  Preussen  und  unter  diesen  696  mit  Reifezeugnis  i  on 
Gymnasien,  36  von  Realgymnasien.  —  Die  Professoren  O  r  t  h  und 
Kraus  wurden  zu  ordentlichen  Mitgliedern  der  k.  wissenschaft¬ 
lichen  Deputation  für  das  Medizinalwesen  ernannt.  —  Die  Pnvat- 
dozenten  ini  der  medizinischen  Fakultät  der  hiesigen  Universität, 
Professoren  Dr.  Ernst  R  e  m  a  k  (Nervenheilkunde)  und  Dr.  Oskai 
Lassar  (Dermatologie)  wurden  zu  ausserordentlichen  Professoren 

daselbst  ernannt.  .  , 

B  r  e  s  1  a  u.  Der  Staatshaushaltsetat  für  1903  wird  an  ein¬ 
maligen  Bewilligungen  bringen:  für  das  li  y  g  i  e  n  i  s  c  h  e  I  n  - 
s  t  i  t  u  t  4000  M.  zur  Beschaffung  von  Apparaten,  Instrumenten 


und  Unterrichtsmitteln,  für  die 
zu  deren  Neuordnung  weitere 
logische  Sammlung  zur 
gabefonds  dauernd  500  M. 


zoologische  Sammlung 
10  000  M.,  für  die  p  aläonto- 
Verstärkung  des  sächlichen  Aus- 
_  Dagegen  konnten  vorläufig  in 


den  Etat  nicht  eingestellt  werden:  Mittel  zur  Errichtung  einei 
zweiten  Präparatorstelle  am  zoologischen  Museum,  zur  Remune- 
rierung  eines  zweiten  Assistenten  am  geologisch-paläontologischen 
Institut  zur  Verstärkung  des  laufenden  Fonds  des  hygienischen 
Instituts  und  zur  Ergänzung  der  Lehrmittelausstellung  des  patho¬ 
logischen  Instituts.  —  Habilitiert  für  innere  Medizin  Dr.  Wilhelm 
E  r  cklent  z.  Habilitationsschrift:  „Experimentelle  und  klinische 
Untersuchungen  über  die  Leistungen  der  Kochsalzinfusion.“ 

Greifswald.  Privatdozent  Dr.  med.  W.  M  ii  1 1  e  r,  Ober¬ 
arzt  am  Universitätskrankenhaus,  hat  in  Vertretung  für  Herrn 
Geheimrat  Kr  ab  ler,  der  durch  Krankheit  verhindert  ist.  den 
Lehrauftrag  für  Kinderheilkunde  für  das  Wintersemester  1902/03 

erhalten.  .  , 

Halle.  Die  Zahl  der  Studierenden  betragt  m  diesem  Munter¬ 
semester  1740.  darunter  188  Mediziner;  im  verflossenen  Winter¬ 
semester  waren  1744  Studenten,  darunter  192  Mediziner  immatii- 
.  ,.  .  i  vfis» 

kuliert.  „ 

Jen  a.  An  der  hiesigen  Universität  wurde  ein  Lehrstuhl  tur 
Pharmazie  und  Nahrungsmittelchemie  neu  errichtet  und  dem 
Privatdozenten  Dr.  Hermann  M  a  1 1  h  e  s  übertragen. 

Königsberg.  Die  Gesamtzahl  der  Studierenden  ist  auf 
976  angewachsen;  davon  gehören  203  der  medizinischen  Fakul¬ 
tät  an.  , 

Basel.  Die  heurige  Frequenz  der  Universität  Basel  betragt 
Immatrikulierte  560.  darunter  10  Damen.  Gesamtzahl  aller  Zu¬ 
hörer  738  (darunter  81  Damen).  Mediziner  sind  147  immatrikuliert 
(2 _ 3  Damen),  wozu  noch  78  Zuhörer  kommen  =  225.  —  Die  medi¬ 

zinische  Fakultät  zählt  14  ordentliche,  8  ausserordentliche  Pro¬ 
fessoren,  9  Privatdozenten  und  1  Lektor  (Zahnheilkunde). 


(Todesfälle.) 

Am  12.  Dezember  1902  starb  plötzlich  an  einem  Herzubel 
Dr.  med.  Rudolf  Massini-Meyenrock,  ordentlicher  Pro¬ 
fessor  der  Arzneimittellehre  an  der  Universität  Basel,  Direktor 
der  allgmeinen  staatlichen  Poliklinik.  Oberst-Armeearzt  (höchste 
militärärztliche  Stelle  in  der  Schweiz).  Die  Universität  Basel, 
wie  der  Kanton  Basel  erleiden  in  diesem  Mann,  der  durch  seine 
Wissenschaftlichkeit,  durch  seine  Menschenfreundlichkeit  und 
durch  eine  nie  versagende  Pflichttreue  ausgezeichnet  war,  einen 
grossen  Verlust. 

Sanitätsrat  Dr.  Otto  Schulz,  leitender  Arzt  des  Johanniter- 
Krankenhauses  in  Sonnenburg,  44  Jahre  alt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Verzogen:  Dr.  Xaver  Pittin  ge  r  von  Bissingen,  Bez.-Amts 
Dillingen,  nach  Schrobenhausen.  _ 

Befördert:  im  aktiven  Heere  der  Unterarzt  Richard  1>  e  s  t  e  1  - 
m  e  v  e  r  im  10.  Feld-Art.-Reg.  zum  Assistenzarzt. 

Gestorben:  Generalarzt  a.  I).  Joh.  Marschalk  Ritter 
v.  Schiitberg  in  München. 


Korrespondenz. 

Anzeigepflicht  für  Kindbettfieber. 

Zu  der  in  No.  46,  S.  1943  dieser  Wochenschrift  mitgeteilten 
Entscheidung  des  Berliner  Kammergerichts  sendet  uns  Herr  Dr. 


Sch.  zu  G.  nachstehende  Zuschrift,  um,  wie  er  sagt,  über  den 
Fall  nähere  Aufklärung  zu  geben  und  sein  Renommee  als  modem¬ 
prophylaktisch  denkender  Arzt  wiederherzustellen: 

Am  14.  März  1902  wurde  hier  eine  III.  Gebärende  von  einem 
hydrokephalisehen  Kinde  nach  kolossaler  Wehentätigkeit  ent¬ 
bunden,  ohne  dass  eine  Hebamme  oder  gar  ein  Arzt  zugezogen 
gewesen  wäre.  N  a  ch  mittags  3  Uhr.  Abends  8  U  h  r 
wurde  ich  geholt;  Pat.  hat  38,5",  90  Puls,  weich  und  voll,  Leib 
fast  nicht  aufgetrieben,  etwas  schmerzhaft  an  der  linken  Seite. 
Kein  Erbrechen,  keine  Facies  abdominalis,  keine  Blutung.  Am 
nächsten  T  a  g  e  Vormitt  a  g  s  11  Uhr  Exitus,  ohne  dass 
ich  Patientin  wiedergesehen  habe.  Ich  treffe  sie  in  letzter  Agone, 
massenhafte  F  ii  k  a  1  massen  erbrechend.  Da  ich  auf  Wiener  Klinik 
1890  einen  ähnlichen  Fall  gesehen  habe,  stelle  ich,  da  Autopsie 
nicht  möglich  ist,  die  Walirscheinlichkeitsdiagnose: 

1.  Ruptura  uteri  ex  capite  hydrocephalico. 

2.  Prolaps,  intestinalis  in  locum  rupturae. 

3.  Occlusio.  Miserere. 

Nach  keiner  Richtung  lag  nicht  einmal  der  Verdacht  von 
Kindbettfieber  vor,  daher  unterlasse  ich  die  Meldung.  Anzeige 
des  Herrn  Kreisarzt  bei  der  Polizei,  Strafmandat:  10  M.  Schöffen¬ 
gerichtliche  Entscheidung  hier  spricht  mich  frei.  Revision 
durch  den  Kreisarzt  beantragt.  Strafkammer  in  Glogau  ver¬ 
urteilt  mich,  weil  „bei  jedem  Fieber  im  'Wochenbette  Kindbett¬ 
fieberverdacht  vorliegen  müsse“;  meinerseits  Revision,  Frei¬ 
sprechung  wegen  Ungültigkeit  der  Polizeiverordnung.  —  Auf  eine 
irreführende  Darlegung  des  Sachverhalts  in  den  Blättern  erschien 
dann  folgendes  „Eingesandt“  meinerseits:  „Aus  den  in  der  Presse 
gemachten  Bemerkungen  könnte  der  Anschein  entstehen,  als  ob 
ich  die  Anzeigepflicht  bei  Kindbettfieber  als  solche  bekämpft  hätte. 
—  Ganz  abgesehen  davon,  dass  mein  Vater  dm-  Schöpfer  dieser 
wohltätigsten  sanitätspolizeilichen  Massnahme  gewesen  ist,  stehe 
ich  derselben  nicht  nur  sympathisch  gegenüber,  sondern  verlange 
sogar,  dass  jeder  Arzt  durch  Reichsgesetz  bei  Strafe  der 
Unterlassung  zur  Anzeige  verpflichtet  wird.  Ich  kämpfe  lediglich 
dafür,  dass  nur  der  behandelnde  Arzt  befähigt  ist,  Kind¬ 
bettfieber  zu  konstatieren,  und  bekämpfe  den  Versuch  der  Medi¬ 
zinalbehörde,  ohne  dass  sie  den  Fall  gesehen  oder  sich  überhaupt 
über  ihn  direkt  informiert  hätte,  ihre  Krankheitsanschauung  als 
die  richtige  hinzustellen  und  den  praktischen  Arzt  bevormunden 
zu  wollen.“ 

Nach  dieser  Darstellung  wird  wohl  jeder  die  Handlungsweise 
des  Kollegen  für  gerechtfertigt  halten. 


Amtlicher  Erlass. 

(Bayern.) 

No.  25230. 

Bekanntmachung. 
Bakteriologische  Untersuchungen  betr. 

K.  Staatsministerien  des  Innern  beider  Abteilungen 

und 

K.  Staatsministerium  der  Finanzen. 


Vom  Standpunkte  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  aus  ist 
es  Bedürfnis,  dass  den  zuständigen  Stellen  und  Behörden  Ge¬ 
legenheit  geboten  ist,  erforderlichen  Falles  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  vornehmen  zu  lassen,  und  wird  deshalb  nachstehendes 
verfügt: 

1.  Die  hygienischen  Institute  der  k.  Universitäten  München, 
Würzburg  und  Erlangen  nehmen  auf  amtliche  Veranlassung  der 
zuständigen  Stellen  und  Behörden  bakteriologische  Untersuch¬ 
ungen  vor. 

Solche  Untersuchungen  werden  insbesondere  veranlasst  sein: 

a)  zur  Feststellung  der  bakteriologischen  Diagnose  bei  zweifel¬ 
haften  Krankheits-  und  Todesfällen  von  Menschen  und  Tieren, 
vor  allem  bei  drohenden  oder  ausgebrochenen  Seuchen; 

b)  zur  Feststellung  der  Verunreinigung  von  Wasser.  Eis,  Erd¬ 
boden  bezw.  zur  Feststellung  des  Vorhandenseins  bestimmter 
Krankheitserreger  in  denselben; 

c)  zur  Feststellung'  des  Vorhandenseins  bestimmter  Krank¬ 
heitserreger,  giftbildender  Bakterien  oder  von  denselben  gebildeter 
Giftstoffe  in  Nalirungs-  und  Genussmitteln. 

2.  Die  Untersuchungen  sind  vorzunehmen: 

vom  hygienischen  Institute  der  k.  Universität  München  für 
die  Regierungsbezirke  Oberbayern,  Niederbayern,  Schwaben  und 
Neubure * 

vom  hygienischen  Institute  der  k.  Universität  Würzburg  für 
die  Regierungsbezirke  Pfalz,  Oberfranken,  Unterfranken  und 
Aschaffenburg;  _  *ä 

vom  hygienischen  Institute  der  k.  Universität  Erlangen  für  die 
Regierungsbezirke  Oberpfalz  und  von  Regensburg,  sowie  Mittel¬ 


franken. 

3.  Die  Ausführung  der  Untersuchungen  erfolgt  durch  die 
Vorstände  der  hygienischen  Institute  und  ihre  Assistenten. 

Dieselben  können  bei  Wasser,-  Boden-  und  Luftuntersuch¬ 
ungen  sich  erforderlichen  Falles  zur  Orientierung  über  die  lokalen 
Verhältnisse  an  Ort  und  Stelle  begeben. 

Im  übrigen  findet  Untersuchung  der  eingesendeten  Proben 
statt.  Bei  Entnahme,  Verpackung  und  Versendung  derselben  sind 
die  in  Anlage  I  enthaltenen  Bestimmungen  zu  beobachten. 

Die  Einsendung  von  Proben  kann  erfolgen,  wenn  es  sich 


handelt: 


16.  Dezember  1902. 


MlTENCTiENER  MEDICINiSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Material-11  Kl'ailkheitötlij,g,,osen  menschlichem  oder  tierischem 

b)  um  die  Untersuchung  verdächtiger  Nahrungsmittel  • 
bekannten  von  Waasevprofen  ans  schon 

Zusammenhänge  stehen,  ausserhalb  des  Amtss  i  t  /  e  s  ei  - 
lullten  die  Institutsvorstände  bezw.  ihre  Assistenten  und  Diener 
Tagegelder  und  Ersatz  der  Reisekosten  nach  Massgabe  der  fS 
die  Aufrechnung  von  Tagegeldern  und  Reisekosten  bef  auswärtigen 
I  )k  list^xscbcU ten  der  Beamten  und  Bediensteten  des 

(/i fl*1  S 1° S1  i?e 1 Vo^^hljif.t^n^  W(>bei  die  Institutsvorstände  unter 
/an.  1  lit.  b  dei  k.  Allerhöchsten  Verordnung  vom  13.  Juli  lSQo 
(Des.-  u.  A  erordn.-Bl.  S.  485),  die  Assistenten  unter  §  6  Abs.  1 
lit  d  der  k.  Allerhöchsten  Verordnung  vom  11.  Februar!  S75  (Ges  - 
u.  V  erordn.-Bl.  S.  105)  und  die  Diener  unter  8  0  Abs  1  lit  f  a  a  6 
einzureihen  sind!  ’  ' 

Sollte  in  einzelnen  Fällen  der  tatsächliche  Aufwand  die  ver¬ 
ordnungsmassigen  Sätze  zu  14  M.  bezw.  9  M.  und  0  M  über¬ 
steigen,  so  können  nach  Massgabe  des  §  9  der  k.  Allerhöchsten 
}  ei  Ordnung  vom  11.  Februar  1875  (Ges.-  u.  Verordn.-Bl.  S.  105)  die 
Baarauslagen  aufgerechnet  werden. 

5.  Entstehen  bei  Vornahme  von  Untersuchungen  oder  Orts- 
besichtigungen  am  Amtssitze  besondere  Auslagen,  wie  durch 
Benutzung  von  1  ulirwerk,  Dienstmännern  u.  dergl.,  so  werden  die¬ 
selben  besonders  vergütet. 

t  ,  A6'  •  frür  die  seiteus  der  hygienischen  Institute  vorgenommenen 
bakteriologischen  Untersuchungen  werden  Gebühren  nach  Mass- 
gahe  des  als  Anlage  II  folgenden  Gebührentarifes  erhoben 

IMe  Gebühren  tiiessen  in  die  Institutskassen  und  werden  je 
am  Jahresschlüsse  zu  Vergütungen  für  das  Institutspersonal  und 
zur  Deckung  des  für  die  Untersuchungen  erwachsenen  sachlichen 
Aufwandes  verwendet. 

7.  Ueber  die  aus  Anlass  der  bakteriologischen  Untersuch¬ 
ungen  anfallenden  Einnahmen  und  Ausgaben  der  hygienischen  In¬ 
stitute  ist  eigene  Kasse  und  Rechnung  zu  führen. 

Die  Buch-  und  Kassenführung,  sowie  die  Rechnungsablage 
wird  den  k.  Universitätshauptkassen  übertragen.  Die  Revision  der 
Rechnungen  besorgt  die  k.  Rechnungskammer. 

Für  die  Kassa-  und  Rechnungsführung,  sowie  die  Rechnungs- 
Stellung  ist  die  Erlassung  einer  besonderen  Instruktion  Vor¬ 
behalten. 

8;  Ueber  die  Tätigkeit  der  hygienischen  Institute  in  Beziehung 
aut  Vornahme  bakteriologischer  Untersuchungen  haben  die  In¬ 
stitutsvorstände  alljährlich  kurzen  Bericht  zu  erstatten  und  diesen 
bis  1.  1  ebruar  an  das  k.  Staatsministerium  des  Innern  vorzulegen. 

9.  Die  vorstehenden  Anordnungen  treten  vom  1.  Januar  1903 
ab  in  Kraft. 


2111 


Glasur 


fasse  sollten  womöglich  stets  sterilisiert  sein.  obli; 


i  .  ,  .  V  .  .  ....  '  ~ . l.cr  OLÜ1  IHMUI  I,  »t’III. 

torisch  ist  dies  iur  Vasserproben  und  Blutproben  vom  Lebenden 
a\  unscliensv  ert,  aber  nicht  absolut  obligatorisch  für  Organstück- 
—.2?’  ^ann inhalf,  Nahrungsmittel,  ln  diesen  letzteren 

Fallen  genügt  es,  Glaser  zu  verwenden,  die  peinliclist  mit  lieissem 
Wasser  und  eventuell  einer  neuen  Bürste  gereinigt  und  durch  Aus¬ 
rufen  trocken  geworden  sind.  Korke  werden  y4  Stunde  laim  ge¬ 
kocht  und  heiss  aufgesetzt,  es  dürfen  nur  neue,  gesunde  Exemplare 
verwendet  werden. 

Das  Sterilisieren  von  Glasgefässen  und  Glasstöpseln  kann  vor¬ 
genommen  werden: 

1'  A  omöglicli  in  Dampfsterilisierapparaten  bei  100°  in 

1  Stunde. 

.  1  rockenschränken  oder  Backöfen  bei  mindestens  130° 

m  1  Stunde  (Papier  bräunt  sich  dabei  ohne  zu  verkohlen)  Der 
Stöpsel  wird  dabei  am  besten  daneben  gelegt  und  aufgesetzt  so¬ 
bald  sich  der  Apparat  genügend  abgekühlt  hat. 

3.  Im  Notfall  durch  Auskochen  im  Wasser.  Dauer  des  Ver- 
weilens  im  Wasser  (ohne  Stöpsel  mit  Wasser  gefüllt,  liegend)  vom 
Begann  des  Siedens  14  Stunde.  Man  lässt  die  Objekte  im  Kocli- 
gelass  etwas  abkühlen,  hebt  erst  den  Stöpsel  mit  ausgeglühter 
Zange  heraus,  nimmt  den  Stöpsel  in  die  linke  Hand  hebt  das  Ge¬ 
lass  mit  Zange  und  rechter  Hand  heraus,  lässt  es  auslaufen  und 
setzt  den  Stöpsel  auf. 

Das  Sterilisieren  hat  womöglich  in  einem  Krankenhaus  oder 
einer  Apotheke  stattzufinden,  wo  gewöhnlich  die  nötigen  Apparate 
und  sachkundigen  Personen  zu  fiuden  sind.  Sterilisierte  Gefässe 
sollen  bald  nachher  benützt  worden. 

Auf  vorherige  Anfrage  liefern  die  Institute  sterile  zuge¬ 
schmolzene  luftleere  Gefässe  zur  Wasseruntersuchung,  nach  Be¬ 
darf  auch  sonstige  sterilisierte  Gefässe. 

Nie  m  a  1  s  dürfen  mit  Sublimat  oder  Karbol  gereinigte  Ge¬ 
fässe  verwendet  werden,  selbst  wenn  sie  nachher  mit  Wasser  aus¬ 
gespült  werden,  worauf  ganz  besonders  Wert  zu  legen  ist. 

I1  iii  die  Entnahme  von  Blutproben  vom  Lebenden  kommen 
dünnwandige,  ca.  1—2  mm  weite  Glasröhrchen  zur  Verwendung. 
Dieselben  können  von  den  Instituten  bezogen  werden. 

Für  die  Einsendung  von  diphtherieverdächtigem  Material  sind 
besonders  konstruierte  kleine  sterilisierte  Tupfapparate  von  den 
Instituten  zu  beziehen,  bestehend  aus  einer  Papphülse  einem 
stark wandigen  Reagensglas,  einem  Zinkdraht,  der  an  der  Spitze 
einen  Wattewischer  und  höher  oben  einen  Wattebausch  trägt 
welcher  den  Tupfer  fest  im  Reagensglas  hält.  Für  den  Apparat 
inklusive  Zusendung  werden  30  Pf.  berechnet. 

III.  Die  Entnahme  der  Proben. 

Die  Füllen  der  Gefässe  geschieht  in  folgender  Weise: 


M  ü  n  c  h  e  n,  den  19.  November  1902. 

Di.  Frhr.  v.  Riedel.  Dr.  Erhr.  v.  Feilitzsch.  Frhr.  v.  Podewils. 

Anlage  I. 

Vorschriften  für  die  Entnahme,  Verpackung  und  Versendung 
von  Proben  zur  bakteriologischen  Untersuchung*. 

I.  Vorbemerkungen. 

1-  Beabsichtigt  eine  Behörde  grössere  Untersuchungen  aus- 
f uhren  zu  lassen,  so  ist  vorherige  schriftliche  Verständigung 
nötig. 

2.  V  o  y  jeder  einzelnen  Einsendung  von  Untersuchungs- 
material  —  Notfälle  Vorbehalten  —  ist  das  hygienische  Institut 
r  echt  zeitig  zu  benachrichtigen  (schriftlich  oder  tele¬ 
graphisch),  dass  und  welche  Einsendung  zu  einem  bestimm¬ 
ten  Termin  erfolgen  wird,  um  alles  Erforderliche  zur  Untersuchung 
bereitstellen  und  Sorge  treffen  zu  können,  dass  ein  geschulter 
Untersucher  zur  Stelle  ist. 

3.  Bakteriologische  Untersuchungsobjekte  sollten  tunlichst 
sofort  nach  ihrer  Entnahme  untersucht  werden.  Ist  dies  nicht 
möglich,  so  können  sie  nur  bei  Temperaturen  zwischen  0  und 
+  5 0  1 — 2  Tage  ziemlich  unverändert  aufbewahrt  werden.  Die 
Aufsuchung  bestimmter  Bakterienarten  wird  durch  längeres  Auf¬ 
bewahren  entfernt  von  der  Eistemperatur  sehr  erschwert,  wenn 
nicht  unmöglich  gemacht. 

Zum  Zwecke  von  Bakterien  Zählungen  insbesondere  soll¬ 
ten.  wenn  irgend  möglich,  im  Anschluss  an  die  Inspektion  durch 
den  Sachverständigen  an  Ort  und  Stelle  Proben  zu  Zählplatten 
verarbeitet  werden.  Dagegen  haben  Bakterienzählungen  gar  keinen 
V  ert,  wenn  die  betr.  Proben  bei  Zimmertemperatur,  sei  es  im 
Sommer  oder  im  Winter,  aufbewahrt  worden  sind;  selbst  Ver¬ 
sendung  in  Eispackung  ist,  wenn  es  sich  um  Zählung  handelt,  nur 
ein  Notbehelf  (vergl.  V.). 

4.  Da  die  in  den  Instituten  einlaufenden  Proben  nach  dem 
Gesagten  meist  sofort  untersucht  werden  müssen,  so  ist  die  Ver¬ 
sendung  womöglich  mit  den  Nachtzügen  zu  bewirken  und  stets 
der  Vermerk  beizufügen:  „Durch  Eilboten  zu  bestellen!“ 

5.  Niemals  darf  eine  Einsendung  den  Namen  des  Instituts¬ 
vorstandes,  stets  nur  die  Adresse:  Hygienisches  Institut  und 
Dienstsache  tragen,  um  zu  vermeiden,  dass  Infektionsmaterial  in 
den  Wohnungen  abgegeben  wird. 

II.  Beschaffung  geeigneter  Gefässe. 

Alle  Objekte  sollen  in  Glasgefässe  mit  Glas-  oder  Korkver¬ 
schluss  verpackt  werden  —  nur  für  Blutpröbchen  zur  Serumprobe 
und  für  Diphtheriema-terial  sind  Ausnahmen  zulässig  (siehe  unten). 


1.  Organe  und  Gewebe. *) 

1.  Die  Entnahme  von  Blut  vom  lebenden  Menschen.  Der 
Arzt  macht  dem  Patienten  oder  Rekonvaleszenten  nach  vorheriger 
Reinigung  der  Haut  einen  feinen  Lanzettschnitt  ins  Ohrläppchen 
oder  seitlich  vom  Nagel  in  die  Fingerbeere,  so  dass  3—4  Bluttropfen 
tiiessen;  dieselben  werden  mit  dem  langen  Schenkel  des  Kapillar¬ 
rohrs  auf  genommen  und  letzteres  mit  etwas  Wachs  beiderseits 
verschlossen.  Die  Methode  ist  für  Typhus-  und  Choleraerkennung 
wichtig,  sie  liefert  meist  vom  14.  Tage  der  Erkrankung  bis  V.  Jahr 
nachher  gute  Resultate. 

2.  Die  Entnahme  von  Rachenbelag  bei  Diphtherieverdacht. 
Dei  Arzt  fährt,  nachdem  das  Kind  womöglich  den  Mund  aus- 
gespült  hat,  mit  dem  Tupfer  über  die  kranke  Stelle  und  steckt  den 
Stab  an  seinen  Platz  zurück. 

o.  Entnahme  von  Stuhlproben.  Der  Stuhl  wird  in  ein  reines 
Gefäss  entleert  und  ein  Löffel  voll  in  ein  Glas  gefüllt.  Einsendung 
von  Stuhl  lnnt  nur  bei  Cholera,  nicht  aber  bei  Typhus  Wert.  Bei 
Typhus  ist  die  Blutprobe  viel  wichtiger. 

4.  Entnahme  von  Leichenblut  (Milzbrand,  Typhus).  Aus  dem 
mit  sauberen  Instrumenten  geöffneten  Herzen  wird  ein  Esslöffel 
Blut  resp.  ein  entsprechendes  Gerinnsel  in  ein  Glas  gefüllt. 

5.  Entnahme  von  Organen  bei  Typhus,  Sepsis,  rätselhaften 
Fleischvergiftungen:  Etwa  20  ccm  Milz,  ebensoviel  Leber  und 
etwa  (bei  Typhus)  geschwollene  Mesenterialdrüsen  werden  in  3 
verschiedene  Gefässe  getan. 

6.  Entnahme  von  Organen  bei  zweifelhaftem  Todesfall  eines 
Tieres  an  Milzbrand,  malignem  Oedem,  Rauschbrand:  Etwa  1  Ess- 
löft'el  Blut,  1  Esslöffel  Galle  und  20 — 50  ccm  ödematös  durch- 
tränktes  Unterhautzellgewebe  und  20  g  Milz  werden  in  4  verschie¬ 
dene  Gefässe  gegeben. 

7.  Entnahme  von  Organen  bei  Schweine-  und  Rinderkrank¬ 
heiten  unbekannter  Natur:  1  Esslöffel  Blut,  20  g  Milz  und  Stücke 
von  etwa  besonders  charakteristisch  verändert  gefundenen  Or¬ 
ganen  werden  in  verschiedene  Gläser  gegeben. 

8.  Bei  Krankheiten  von  Geflügel,  Mäusen  und  anderen  kleinen 
Tieren  sind  einige  ganze  Exemplare  möglichst  frisch  tot  einzu¬ 
senden.  Tote  Fische  eignen  sich  nur  im  Winter  zur  Versendung; 
Lokalinspektion  ist  fast  nie  entbehrlich. 

2.  Wasser-  und  Bodenproben. 

In  den  Ausnahmefällen,  in  denen  solche  Proben  nicht  vom 
Sachverständigen  selbst  entnommen  werden  können,  ist  so  vorzu¬ 
gehen: 


9  Leichenorgane  sind  nach  möglichst  frühzeitiger  Sektion 
(und  möglichst  kühler  Aufbewahrung  der  Leiche)  mit  reinen 
Händen  zu  entnehmen. 


2112 


MÜEttC&ENER  MEHICINTSCITE  WOCHENSCHRIFT. 


1.  lt,is  Wasser  uns  Schöpfbrunnen  wird  mit  einem  reinen, 
iiia  besten  ausgekochten  Gefässe  aus  Metall  geschöpft  und  hieraus 
in  die  sterilisierten  Flaschen  gefüllt.*  2) 

2.  Aus  Pumpbrunnen  pumpt  man  zuerst  etwa  10  Minuten 
lang  ab  in  einen  grossen  Kübel,  wobei  Sorge  zu  tragen  ist,  dass 
nicht  das  gepumpte  Wasser  auf  die  oft  mangelhafte  Bedeckung 
dos  Brunnenschachtes  fliesst  und  wieder  in  die  Tiefe,  beladen  mit 
Oberflächenschmutz,  zuriiekfliesst.  Nach  10  Minuten  fängt  mau 
etwas  von  dem  Wasserstrahl  auf. 

3.  Aus  laufenden  Brunnen  füllt  man  die  sterilisierten  Fla¬ 
schen  ohne  Umstände,  ebenso  aus  Leitungshähnen,  nachdem  man 
das  Wasser  hat  5  Minuten  lang  kräftig  abHiessen  lassen.  Out  ist 
es,  wenn  man  den  Leitungshahn  vorher  mit  einer  Lötlampe  oder 
Gasflamme  abglülit. 

4.  Aus  Seen,  Flüssen,  Bächen  schöpft  man  Proben,  ohne  den 
Boden  aufzuwirbeln,  mit  sterilisierten  Flaschen. 

5.  Bodenproben  gewinnt  man  so:  Man  hebt  ein  frisches  Loch 
bis  in  die  Tiefe  aus,  die  man  bei  der  Untersuchung  noch  berück¬ 
sichtigen  will.  Von  den  Seiten  wänden  des  ausgehobenen  Schachts, 
sowie  derselbe  fertig  ist,  bohrt  man  mit  einem  jedesmal  frisch  ab- 
gegllihten  eisernen  Instrument  in  verschiedenen  (anzugebenden!) 
Tiefen  seitlich  in  die  Frde  und  füllt  die  Gefässe. 

IV.  Die  Verpackung  der  Proben. 

Man  verschliesst  die  Proben  sofort  genau  und  zwar: 

1.  Die  luftleer  gewesenen  Kugelgefässe  durch  Zuschmelzen 

des  abgebrochenen  und  getrockneten  Endes  in  einer  Spiritus¬ 
lampe.  ,  .  , 

2.  Fläschchen  durch  Aufsetzen  der  Glas-  oder  Korkstopsel, 
die  man  mit  Pergamentpapier  überbindet. 

3.  Blutproben  in  Haarröhrchen  mit  etwas  Wachs. 

4.  Diphtherieröhrchen,  so  wie  man  sie  erhalten  hat. 

Nun  trocknet,  und  wenn  nötig,  reinigt  man  peinlickst  die 
Aussenseite  des  Gefässes  und  bindet  um  den  Hals  des  Gefässes 
einen  Zettel  mit  Bezeichnung  oder  klebt  eine  genau  ausgefüllte 
Etikette  auf.  Am  besten  ist  es,  die  Proben  nur  mit  Nummern  zu 
bezeichnen  und  ein  ausführliches  Begleitschreiben  mitzusenden. 

Stets  gehört  die  Glasflasche  in  ein  solides  Holzkistchen  in 
Holzwoll  e,  reines  S  t  r  o  h,  aber  nicht  He  u,  bruchsicher  und 
fest  verpackt.  I'appkästen  sind  unbrauchbar. 

V.  V orsicktsmassregeln,  um  eine  Vermehrung  der  Bakterien  in 
den  versandten  Proben  zu  vermeiden. 

Bei  Temperaturen  über  5 0  ist  eine  rasche  Vermehrung  der 
Bakterien  in  den  eingesandten  Proben  zu  erwarten,  was  Zählungen 
wertlos  macht  und  die  Erkennung  bestimmter  Krankheitserreger 
erschwert.  Es  darf  deshalb  nur  in  der  kalten  Jahreszeit  Material 
zur  bakteriologischen  Untersuchung  ohne  Eispackung  versandt 
werden.  Vom  Februar  bis  Dezember  wird  dieselbe  selten  zu  ent¬ 
behren  sein;3)  sie  ist  immer  anzuwenden,  wenn  Zählungen  im 
Wasser  städtischer  Versorgungen  auszuführen  sind. 4 S) 

Unentbehrlich  ist  die  Eispackung  im  Sommer  für  Leichen¬ 
organe,  insbesondere  wenn  die  Sektion  nicht  sehr  bald  nach  dem 
Tode  gemacht  wurde,  ebenso  für  Nahrungsmittel,  die  oft  schon 
halb  verdorben  beschlagnahmt  und  eingesandt  werden. 

Die  grössere  Mühe  der  kühlen  Verpackung  lohnt  sich  im 
reichsten  Masse. 

Die  Eispackung  geschieht  so,  dass  man  die  festverschlossene 
Glasflasche  in  eine  Blechbüchse  mit  Eisstückchen  einlötet  und  die 
Blechbüchse  mit  Stroh  in  ein  Ivistchen  packt. 

Für  24— 3G  Stunden  wird  so  auch  in  der  wärmeren  Jahres¬ 
zeit  der  Kehngekalt  ziemlich  konstant  gehalten.  Es  tritt  eine 
mässige  Keimverminderung  ein,  jedenfalls  ist  eine  Iveimver- 
mehruug  ausgeschlossen. 

Unrichtig  verpackte  Proben  müssen  ununtersucht  bleiben,  so 
z.  B.  auf  gesundheitsschädliche  Bakterien  zu  prüfende  Würste,  die 
in  Alkohol  aufbewahrt  eingesendet  werden,  Typhusstuhl  in  Karbol 
oder  Sublimatlösung  u.  s.  f.  Ebenso  werden  Proben  grundsätzlich 
nicht  untersucht,  die  unzweifelhaft  beim  Transport  durch  Vernach¬ 
lässigung  elementarer  Vorsieh tsmassregeln  verdorben  sind. 


-)  Arbeitet  man  mit  luftleerem  sterilen,  aus  einem  Institut 
bezogenen  Gefässe,  so  bricht  man  die  Spitze  ab,  indem  man  die¬ 
selbe  unter  Wasser  hält. 

”)  Gefriert  das  Wasser  auf  dem  Transport,  so  ist  dadurch 
eine  Verminderung  der  Keimzahl  bedingt,  die  verschieden  gross 
sein  kann.  Die  überlebenden  Keime  entwickeln  sich  meist  sehr 

langsam. 

4)  Empfehlenswert  für  Städte,  die  öfters  Wasserproben  unter¬ 
suchen  lassen  wollen  und  die  immer  mit  den  Grundsätzen  der  ele¬ 
mentaren  Bakteriologie  vertraute  Beamte  besitzen,  ist  das  von 

S  c  li  u  m  b  u  r  g  empfohlene  V erfahren.  Die  Stadt  schafft  einen 
mit  Filz  ausgekleideten  Koffer  an,  in  dem  eine  Anzahl  platte 
Fläschchen  mit  festpassendem  Glasstöpsel  und  eine  Eisblase 
Platz  haben.  Der  Koffer  wird  im  Institut  auf  bewahrt.  Will  die 
Stadt  eine  Untersuchung  machen  lassen,  so  schickt  das  hygienische 
Institut  den  Koffer  mit  den  Glasfläschchen,  gefüllt  mit  steriler 
Gelatine,  ein.  Der  städtische  Beamte  schmilzt  die  Gelatine  bei  40° 
und  gibt  zu  derselben  1  ccm  Wasser  —  gemessen  mittels  einer 
innen  im  Stöpsel  angebrachten  Höhlung.  Dann  lässt  er  den  Fläsch¬ 
cheninhalt  in  horizontaler  Stellung  erstarren  und  sendet  die  so 
beimpften  Proben  im  Koffer  an  das  Institut,  wo  dann  die  Unter¬ 
suchung  und  Zählung  der  gewachsenen  Kolonien  vorgenommen 
wird. 


ffo.  56. 

A  nla  g  e  II. 

Gebührentarif 

für  bakteriologische  Untersuchungen. 

A. 

Die  nachstehend  festgesetzten  Gebühren  scliliessen  die  Ver¬ 
gütung  für  einen  kurzen  Bef  undberi  c  li  t  in  sich. 

Für  kürzere  G  u  t  a  c  h  t  e  n  kommt  eine  besondere  Gebühr  von 
io  -20  M..  für  längere  Gutachten  eine  solche  von  30 — 40  M.  —  je 
nach  der  Schwierigkeit  des  Falles  und  dem  Umfange  des  Akten¬ 
studiums  —  in  Ansatz. 

Ausserdem  kann  in  besonderen  Fällen  eine  Ueberschreitung 
des  Höchst  Betrages  von  40  M.  durch  die  einschlägigen  k.  Staats- 
ministerien  gewährt  werden. 

B. 

I.  Regelmässige  Untersuchungsgebühren. 

1.  Ermittelung  der  Keimzahl  (in  je  einer  Probe): 

a)  Trinkwasser  .10  M.,  b)  Schmutz-  und  Abwasser  15  M., 
c)  Erde,  Mehl,  Konserven  etc.  15  M. 

2.  Aufsuchung  einer  bestimmten  Bakterienart  in  Organen  oder 
Auswurt  stoffen  von  Menschen  und  Tieren: 

a)  Mikroskopische  Diagnose  (in  animalischen  Ausscheidungen) 
allein  (Tuberkulose,  Diphtherie,  Gonorrhöe  u.  ä.)  3 — 5  M. 

b)  Mikroskopische  Diagnose,  Kultur  und  nötigenfalls  Tier¬ 
versuch: 

aa)  Untersuchung  in  Organstücken  auf  Typhus,  auf  Diphtherie, 
auf  malignes  Oedem,  auf  Milzbrand,  Kauschbrand  und  sonstige 
Tierkrankheiten  10 — 30  M.  (Durchschnittstaxe  20  M.),  auf  Pest 
30  M.;  bb)  Untersuchung  von  Darmentleerungen  auf  Cholera  20  M„ 
auf  Typhus  30  M. 

3.  Aufsuchung  einer  bestimmten  Bakterienart  in  Luft, 
Wasser,  Erde,  Wüsche  etc.: 

Durchschnittstaxe  30  M.,  leichtere  Fälle  20  M.,  besonders 
schwierige  Verhältnisse  30 — 50  M. 

4.  Untersuchung  von  Nahrungsmitteln  auf  gesundheitsschäd¬ 
liche  Stoffe  und  pathogene  Bakterien: 

a)  Allgemeine  Prüfung  auf  das  Vorhandensein  von  Giften 
durch  Verfüttern  oder  Injizieren  von  Auszügen  etc.  an  Tiere  20  bis 
50  M.;  b)  Prüfung  auf  gesundheitsschädliche  Bakterien  bezw.  Iso¬ 
lierung  r  on  solchen  Bakterien,  event.  Anaerobien  20 — 50  M. 

5.  Serumdiagnose  im  Blute  von  Patienten  (Feststellung  von 
Typhus,  Cholera  etc.)  10 — 15  M. 

II.  Ermässigte  Untersuchungsgebühren. 

Die  unter  I  festgestellten  Gebühren  werden  ermässigt:  bei 
gleichzeitiger  Vornahme  der  gleichen  Untersuchungen  an  mehr 
als  3  Objekten  um  20  Proz.,  an  mehr  als  10  Objekten  um  30  Proz. 

Bei  sehr  zahlreichen  gleichzeitigen  Untersuchungen  oder  stän¬ 
diger  Kontrolle  bleibt  eine  weitere  Ermässigung  einem  besonderen 
Uebereinkommen  Vorbehalten. 

Die  unter  I  3  und  4  bezeichneten  Untersuchungen  werden  von 
der  Ermässigung  regelmässig  nicht  betroffen. 

III.  Dienergebühren. 

Für  jede  Untersuchung,  aus  welcher  sich  für  den  Instituts¬ 
diener  eine  besondere  Mühewaltung  ergibt,  gelangt  mit  den  all¬ 
gemeinen  Gebühren  (zu  I  und  II)  eine  eigene  „Dienergebühr“  zur 
Erhebung,  welche  auf  5  vom  100  der  allgemeinen  Gebühr  zu  be¬ 
messen  ist  und  die  Summe  von  5  M.  nicht  übersteigen  bezw.  unter 
den  Betrag  von  1  M.  nicht  herabgehen  soll. 

Für  die  Mitarbeit  bei  Pestdiagnosen  wird  eine  Dienergebühr 
von  10  M.  erhoben. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

in  der  48.  Jahreswoche  vom  23.  bis  24.  November  1902. 
Beteiligte  Aerzte  98.  —  Brechdurchfall  4  (8*),  Diphtherie  u. 
Krupp  5  (6),  Erysipelas  12  (5),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 

—  (— ).  Kindbettfieber  —  ( — ),  Meningitis  cerebrospin.  1  (— ), 
Morbilli  30  (27),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  3  (5),  Parotitis 
epidem.  1  (2),  Pneumonia  crouposa  17  (8),  Pyämie,  Septikämie 

—  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  10  (13),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 

Scarlatina  6  (4),  Tussis  convulsiva  20  (18),  Typhus  abdominalis  2 
(1),  Varicellen  15  (12),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  2  (4). 
Summa  126  (113).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  48.  Jahreswoche  vom  23.  bis  29.  November  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  4  (2*)  Scharlach  —  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  — ( — ),  Rotlauf  —  (2),  Kindbettfieber  —  (2),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  (4),  Brechdurchfall  1  (1),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  4  (3),  Kruppöse  Lungenentzündung  3  (2),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  26  (24),  b)  der  übrigen  Organe  6  (9),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
2  (2),  Unglücksfälle  3  (4),  Selbstmord  3  (— ),  Tod  durch  fremde 
Hand  1  (— ). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  202  (199),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  20,8  (20,4),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  12,9  (14,5). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München. 


Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Beilage  zu  No.  50  der^  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 

Die  Verhandlungen  der  bayerischen  Aerztekammern 

vom  Jahre  1902. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  von 

Oberbayern. 

München,  den  27.  Oktober  1902. 

Beginn  der  Sitzung  9  Uhr  Vormittags. 

Anwesend  sind:  Als  k.  Regierungskommissär  der  k.  Re¬ 
gierungs-  und  Kreismedizinalrat  Prof.  Dr.  Otto  Messerer,  als 
Delegierte  der  ärztlichen  Bezirksvereine:  Ai  c  h  a  c  li  -  F  r  i'e  d  - 
berg- Sehr  obenhausen:  Dr.  Johann  Limmer,  k.  Be- 
zirksarzt  in  Schrobenhausen;  Erding:  Dr.  Max  Sch’nabel- 
maier,  bezirksärztlicher  Stellertreter  und  Bahnarzt  in  Dorfen- 
Frei  sin  g-M  oos  bürg:  Dr.  Jakob  Oberpriele  r,  prakt.’ 
und  Krankenhausarzt  in  Freisiug;  Ingolstadt-Pfaffen¬ 
hofen:  Dr.  Karl  Vierling,  k.  Bezirksarzt  in  Ingolstadt; 
Mühldorf-Neuötting:  Dr.  Jofef  Schliessleder,  prakt. 
und  Krankenhausarzt  in  Ivraiburg;  München:  Dr.  Carl  Becker, 
prakt.  Arzt  und  Bahnarzt,  Dr.  Friedrich  C  r  ä  m  e  r,  k.  Hofrat 
und  prakt.  Arzt,  Dr.  Max  Grube  r,  k.  Bezirksarzt  und  Gefängnis¬ 
arzt,  Dr.  Albert  Krec  k  e,  prakt.  Arzt,  Dr.  Adolf  M  ü  1 1  e  r,  k’  Be¬ 
zirksarzt,  Dr.  Bernhard  Spatz,  k.  Hofrat  und  prakt.  Arzt,  Dr. 
Hugo  Sternfel  d,  prakt.  Arzt,  sämtliche  in  München;  Rosen- 
heim:  Dr.  Adolf  Burkart,  k.  Bezirksarzt  und  Krankenhaus¬ 
arzt  in  Rosenheim,  Dr.  Max  Di  r  r,  k.  Hofrat,  prakt.  und  Bahnarzt 
in  Rosenheim,  Dr.  Theobald  Weiss,  k.  Bezirksarzt  in  Miesbach; 
Traunstein-Reichenhall:  Dr.  Max  E  m  o  a  n,  bezirksärztlicher 
Stellvertreter  in  Trostberg,  Dr.  Adolf  Rapp,  k.  Hofrat  und  be¬ 
zirksärztlicher  Stellvertreter  in  Reichenhall,  Dr.  Max  Roth,  k.  Be¬ 
zirksarzt  in  Berchtesgaden;  W  eil  heim -  Landsberg:  Dr. 
Ernst  Angere  r,  k.  Bezirksarzt  und  Bahnarzt  in  Weilheim,  Dr. 
Ernst  v.  B  e  z  o  1  d,  k.  Hof  rat  und  Bahnarzt  in  Unterpeissenberg. 

Vor  Beginn  der  Verhandlungen  werden  die  Delegierten  wegen 
Abwesenheit  Sr.  Exzellenz  des  Herrn  Regierungspräsidenten 
v.  Schraut  von  Herrn  Regierungsdirektor  M  o  r  h  a  r  t  em¬ 
pfangen,  der  sich  über  einzelne  Beratungsgegenstände  mit  den 
Delegierten  unterhielt. 

Der  k.  Regierungskommissär,  Regierungs-  und  Kreismedizinal¬ 
rat  Prof.  Dr.  Messerer  begriisst  namens  der  oberbayerischen 
Kreisregierung  die  Delegierten  zur  diesjährigen  Aerztekammer 
und  wünscht  ihren  Verhandlungen  einen  guten  Erfolg.  Hierauf 
lässt  der  Alterspräsident  k.  Bezirksarzt  Dr.  Burka  r  t  die  Wahl 
de®  Bureaus  mittels  Stimmzetteln  vornehmen  und  beruft  als 
Schriftführer  ad  hoc  Dr.  Becker.  Das  Bureau  wird,  durch  ein¬ 
stimmige  Wahl,  gebildet,  wie  folgt: 

Vorsitzender:  Dr.  Max  Gruber  -  München. 

Stellvertreter  des  Vorsitzenden:  Dr.  Max  D  i  r  r  -  Rosenheim. 

Schriftführer:  Dr.  Carl  Becker-  München. 

Die  Gewählten  erklären  unter  dem  Ausdrucke  des  Dankes  für 
das  ausgesprochene  Vertrauen  die  Annahme  der  Wahl. 

Bezirksarzt  Dr.  Gruber  übernimmt  den  Vorsitz: 

„Meine  sehr  verehrten  Herren  Kollegen!  Durch  die  soeben 
stattgehabte  Wahl  überträgt  mir  Ihr  Vertrauen  zum  zweiten  Male 
den  Vorsitz  in  der  Sitzung  der  oberbayerischen  Aerztekammer. 
Wenn  ich  im  vorigen  Jahre  wohl  annehmen  musste,  dass  infolge 
der  Lage,  welche  durch  das  unmittelbar  vor  der  Tagung  der 
Kammer  erfolgte  Ableben  des  Vorsitzenden  Näher  eingetreten 
war,  Sie  deshalb  Ihre  Wahl  auf  mich  gelenkt  haben,  weil  ich  mit 
dem  Verstorbenen  die  Vorbereitungen  zur  Sitzung  durchgeführt 
batte,  so  glaube  ich  Ihre  heutige  Wiederwahl  dahin  deuten  zu 
dürfen,  dass  Sie  mit  meiner  Geschäftsführung  zufrieden  gewesen 
sind,  und  ich  danke  Ihnen  für  Ihre  Nachsicht  mit  meinen 
Leistungen  und  für  Ihr  mir  neuerdings  bewiesenes  kollegiales 
Vertrauen.  .  Indem  ich  Ihnen  die  Versicherung  gebe,  dass  ich  be¬ 
müht  sein  werde,  die  Geschäfte  der  Kammer  sowohl  bei  der 
heutigen  Sitzung,  als  während  des  ganzen  Jahres  nach  bestem  Ver¬ 
mögen  und  mit  vollster  Objektivität  zu  führen,  nehme  ich  hiemit 
die  Wahl  zum  Vorsitzenden  an  und  bitte  die  beiden  anderen  in 
den  Ausschuss  gewählten  Herren  Kollegen  ebenfalls  um  Annahme 
der  auf  sie  gefallenen  Wahl  und  um  ihre  förderliche  Unterstützung 
bei  der  Geschäftsleitung. 

Zunächst  obliegt  mir  die  angenehme  Pflicht,  den  k.  Re¬ 
gierungskommissär,  Herrn  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat  Dr. 
Messere  r,  namens  der  Aerztekammer  zu  begrüssen  und  ihn  um 
sein  wohlwollendes  Interesse  und  förderliche  Unterstützung  für 
unsere  Verhandlungen  zu  bitten.  —  Sodann  gilt  mein  Gruss  Ihnen 
allen,  Herren  Delegierte,  die  Sie  zum  grössten  Teile  zum  wieder¬ 
holten  Male  in  diesem  Saale  zu  den  Beratungen  der  oberbaye¬ 
rischen  Aerztekammer  sich  versammelt  haben.  Die  Zahl  der  Ver¬ 


treter  von  Bezirksvereinen  ist  die  gleiche  wie  im  Vorjahre  (20), 
dagegen  sind  von  den  im  Vorjahre  hier  anwesend  gewesenen  De¬ 
legierten  3  Kollegen  heuer  nicht  mehr  erschienen,  es  sind  dies 
die  Herren  Dr.  Wohlmuth  -  München,  Schöppner-  Reichen¬ 
hall  und  Z  e  n  e  1 1  i  -  Penzberg.  An  deren  Stelle  sind  als  Dele¬ 
gierte  für  den  ärztlichen  Bezirksverein  München  Herr  Hofrat  Dr. 
B.  Spatz,  für  Traunstein- Reichenhall  Herr  Dr.  Emoan  und 
für  Weilheim-Landsberg  Herr  Dr.  v.  Bezold  zum  ersten  Male 
hier  anwesend.  Indem  ich  diese  Herren  Kollegen  noch  ganz  be¬ 
sonders  begrüsse,  bitte  ich  Sie  um  ebenso  treue  Mitarbeit,  wie 
sie  von  den  ausgeschiedenen  Kollegen  geleistet  worden  ist.  Letz¬ 
teren  aber,  vorab  Wohlmuth,  der  8  Jahre  der  Kammer  an¬ 
gehörte,  wiederholt  als  Referent  tätig  war  und  zu  unserem  leb¬ 
haften  Bedauern  eine  Wiederwahl  ablehnte  —  die  beiden  anderen 
Kollegen  waren  ebenfalls  2  bezw.  4  Jahre  als  Delegierte  hier  — 
will  ich  für  die  der  Kammer  und  dem  ärztlichen  Stand  geleisteten 
Dienste  hiermit  den  Dank  der  oberbayerischen  Aerztekammer 
zum  Ausdruck  bringen. 

Meine  Herren  Kollegen!  Zum  31.  Male  treten  heute  die 
bayerischen  Aerztekammern  zur  Tagung  zusammen  seit  ihrer  Er¬ 
richtung.  Sie  Anden  auf  Ihren  Plätzen  eine  Zusammenstellung 
der  Namen  der  Männer,  -welche  in  diesen  30  Jahren  als  die  Ver 
trauensmänner  der  oberbayerischen  Aerzte  in  der  Aerztekammer 
gesessen  sind  *).  Ich  habe  diese  Zusammenstellung  gefertigt  in 
der  Absicht,  das  Andenken  an  diese  Männer,  von  denen  die  Mehr¬ 
zahl  eine  lange  Reihe  von  Jahren  ihre  Kräfte  der  Vertretung 
unserer  Standesinteressen  sowohl,  als  der  des  öffentlichen  Wohles 
gewidmet  haben  und  von  denen  ja  ein  gut  Teil  nicht  mehr  unter 
den  Lebenden  weilt,  der  Vergessenheit  nicht  anheim  fallen  zu 
lassen,  und  in  der  weiteren  Absicht,  dass  wir,  die  wir  jetzt  durch 
das  Vertrauen  unserer  Kollegen  hierher  geschickt  sind,  uns  sie 
zum  V orbilde  treuen  und  zähen  Ausharrens  und  nicht  ermüdender 
Arbeit  behalten  zu  wollen.  —  Bei  der  gegenwärtigen  Lage  un¬ 
seres  Standes  ist  ja  schon  eine  gute  Portion  Zähigkeit,  Opferwillig¬ 
keit  und  auch  Resignation  notwendig,  um  nicht  zu  erlahmen  in 
der  Arbeit  und  im  Kampfe  um  die  Förderung  der  ärztlichen 
Interessen  in  jeder  Hinsicht.  Misserfolge  unserer  Bestrebungen 
sollen  und  werden  uns  aber  nicht  abhalten,  unseren  übernom¬ 
menen  Verpflichtungen  in  vollstem  Masse  nachzukommen  und  all 
das,  was  wir  als  recht  und  für  das  öffentliche  Wohl  wie  für  das 
Wahl  unseres  Standes  als  förderlich  erachten,  laut  und  immer 
wieder  zum  Ausdrucke  zu  bringen. 

Der  Tod  hat  erfreulicherweise  im  abgelaufenen  Jahre  kein 
Opfer  aus  den  Reihen  der  oberbayerischen  Aerztekammer  ge¬ 
fordert.  Dagegen  kann  ich  nicht  umhin,  eines  Verstorbenen  zu 
gedenken,  der  zwar  nie  unserer  Kammer  angehört  hat,  der  aber, 
wie  ein  berühmter  Gelehrter  und  grosser  Arzt,  nicht  weniger  ein 
Kollege  im  vollsten  Sinne  des  Wortes  und  ein  warmer  und  kräf¬ 
tiger^  Förderer  aller  ärztlichen,  kollegialen  und  Standesinteressen 
in  V  ort  und  Tat  gewesen  ist,  ich  meine  den  im  Januar  1.  J.  ver¬ 
storbenen  Herrn  Geheimrat  Dr.  Hugo  v.  Ziemssen.  _ _ .  ich 

bitte  Sie,  geehrte  Herren  Kollegen,  sich  zum  Gedächtnisse  dieses 
Mannes  von  Ihren  Sitzen  zu  erheben.  (Geschieht.) 

1  nd  nun  wollen  wir  in  die  Verhandlungen  eintreten.“ 

Der  Vorsitzende  gibt  die  Tagesordnung  bekannt;  die  Kammer 
genehmigt  dieselbe  und  tritt  in  die  Beratung  der  einzelnen  Gegen¬ 
stände  ein. 

I.  Bericht  über  die  Tätigkeit  des'  ständigen  Ausschusses  für 

das  Jahr  1901/02. 

Das  Protokoll  der  vorjährigen  Sitzung  wurde  wie  bisher  in  der 
Münchener  medizinischen  Wochenschrift  und  im  Bayerischen  ärzt¬ 
lichen  Correspondenzblatte  veröffentlicht  und  an  die  Bezirks¬ 
vereine  wurden  Sonderabdrücke  in  einer  der  Mitgliedschaft  ent¬ 
sprechenden  Zahl,  ausserdem  das  Sammelprotokoll  der  8  Aerzte¬ 
kammern  an  die  Delegierten  und  an  die  interessierten  Behörden 
versandt.  Desgleichen  wurde  der  Ministerialbescheid  vom  4.  No¬ 
vember  1901  und  vom  3.  Dezember  1902  auf  die  Verhandlungen 
der  Aerztekammern  im  Jahre  1900  und  1901  an  die  Bezirksvereine 
übermittelt.  Hiebei  stelle  ich  die  Anfrage,  ob  jemand  zum  Pro¬ 
tokolle  der  vorjährigen  Sitzung  eine  Erinnerung  erheben  will. 
(Es  ist  dies  nicht  der  Fall.) 

Ausserhalb  des  Protokolls  und  unmittelbar  nach  der 
Kammersitzung  wurden  die  Beschlüsse  und  Anträge  der  Kammer, 
betreffend  die  Revision  der  amtsärztlichen  Gebührenordnung,  der 
k.  Kreisregierung  und  die  Resolution,  betreffend  die  ärztliche 


*)  Siehe  Beilage  zum  Protokolle. 


1 


2114 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


No.  50. 


Standes-  und  Ehrengerichtsordnung,  dem  k.  Staatsministerium 
des  Innern  in  Vorlage  gebracht.  —  Im  übrigen  wurden  die  ge¬ 
wöhnlichen  laufenden  Geschäfte,  Besorgung  des  anfallenden 
Schriftwechsels,  Vorbereitung  der  diesjährigen  Sitzung,  ordnungs¬ 
gemäss  erledigt.  Dem  Herrn  Regierungspräsidenten  Exzellenz 
v.  A  u  e  r  hat  der  ständige  Ausschuss  in  einem  Anschreiben  die 
Glückwünsche  der  Aerztekammer  zu  seinem  70.  Geburtsfeste  zum 
Ausdrucke  gebracht. 

Der  Vorsitzende  nahm  am  12.  d.  Mts.  an  einer  in  Nürnberg 
stattgehabten  Zusammenkunft  der  sämtlichen  Kammervorsitzen¬ 
den  behufs  Vorbesprechung  und  Vorberatung  der  heutigen  Sitzung 
teil,  deren  Ergebnis  in  den  heute  zur  Beratung  stehenden  An¬ 
trägen  zum  Ausdrucke  kommt. 

Nach  der  Sachlage  zur  Zeit  der  vorjährigen  Kammersitzung 
war  man  wohl  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  dem  Kammeraus¬ 
schuss  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  durch  das  Inslebentreten  der 
ärztlichen  Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  manche  Arbeit  er¬ 
wachsen  würde.  Diese  Erwartung  hat  sich,  wenigstens  in  der 
Richtung,  wie  sie  gedacht  war,  bekanntlich  nicht  erfüllt.  Gleich¬ 
wohl  war  der  ständige  Ausschuss  in  der  vorwürfigen  Frage  keines¬ 
wegs  untätig.  Der  Ausführung  des  Kammerbeschlusses  vom 
vorigen  Jahre,  die  Resolution,  welche  die  volle  Uebereinstimmung 
der  Kammer  mit  der  von  sämtlichen  Kammervorsitzenden  ein¬ 
gereichten  Denkschrift  ausspricht,  dem  k.  Staatsministerium  des 
Innern  möglichst  bald  zur  Kenntnis  zu  bringen,  habe  ich  bereits 
Erwähnung  getan. 

Als  dann  in  dem  vorberatenden  X  (besonderen)  Ausschüsse  der 
Kammer  der  Abgeordneten  von  seiten  des  Referenten  Abgeord¬ 
neten  v.  Landmann  das  Verlangen  gestellt  wurde,  die  wich¬ 
tigsten  Bestimmungen  der  Standesordnung  in  das  Gesetz  selbst 
aufzunehmen,  und  zunächst  beschlossen  wurde,  dass  der  Referent 
und  der  Korreferent  im  Benehmen  mit  dem  Ministerialreferenten 
Vorschläge  darüber  machen  sollten,  welche  Bestimmungen  der  be¬ 
reits  durchberatenen  Standesordnung  in  das  Gesetz  selbst  mit- 
aufgenommen  werden  sollten,  sind  am  10.  November  1901  der 
ständige  Ausschuss  der  oberbayerischen  Aerztekammer  und  der 
stellvertretende  Vorsitzende  des  ärztlichen  Bezirksvereines  Mün¬ 
chen  beim  k.  Staatsministerium  des  Innern  in  einer  gewährten 
Audienz  persönlich  vorstellig  geworden.  Sie  haben  hiebei  die 
Bitte  ausgesprochen,  dass  die  Standesordnung  nach  der  im  Gesetz¬ 
entwurf  vorgesehenen  Weise  durch  das  k.  Staatsministerium  des 
Innern  erlassen  werden  möge  und  dass,  wenn  überhaupt,  mög¬ 
lichst  wenig  Bestimmungen  aus  derselben  in  das  Gesetz  herüber- 
genommen  werden  mögen  und  zwar  nur  diejenigen,  welche  die 
allgemeine  Verpflichtung  des  Arztes  zu  gewissenhafter  Ausübung 
seines  Berufes  und  zu  standeswürdigem  Verhalten  in  und  ausser 
der  Berufstätigkeit,  sowie  die  Nichtunterstellung  der  politischen, 
religiösen  oder  wissenschaftlichen  Ansichten  oder  Handlungen 
unter  das  ehrengerichtliche  Verfahren  enthalten. 

Am  19.  Dezember  1901  wurde  der  Vorsitzende  zu  einer  Be¬ 
sprechung  mit  den  Herren  Ministerialreferenten  Obermedizinalrat 
Dr.  v.  Grashe  y  und  Ministerialrat  v.  H  örma  n  n  eingeladen 
bezüglich  der  Abschnitte  der  Standesordnung,  welche  die  Honorar¬ 
frage  und  den  Abschluss  von  Verträgen  mit  öffentlichen  oder  pri¬ 
vaten  Korporationen  betreffen.  Nachdem  die  Beschlüsse  des  X.  be¬ 
sonderen  Ausschusses  der  Abgeordnetenkammer  bekannt  ge¬ 
worden  waren,  die  unter  anderem  auch  verlangten,  dass  in  der 
Standesordnung  in  keiner  Weise  eine  Bestimmung  über  die  Fest¬ 
setzung  des  ärztlichen  Honorars  und  über  den  Abschluss  von  Ver¬ 
trägen  mit  öffentlichen  und  privaten  Korporationen  getroffen 
werden  dürfen,  und  dass  daher  jene  Handlungen  der  Aerzte, 
welche  unter  die  in  Abs.  5  und  6  aufgeführten  Punkte  fallen,  nicht 
Gegenstand  eines  ehrengerichtlichen  Verfahrens  bilden  können, 
sind  der  ständige  Ausschuss  der  oberbayerischen  und  der  Vor¬ 
sitzende  der  mittelfränkischen  Aerztekammer,  sowie  der  Vor¬ 
sitzende  des  ärztlichen  Bezirksvereines  München  bei  Sr.  Exzellenz 
dem  k.  Staatsminister  Dr.  Frlir.  v.  Feilitzsch  neuerdings  am 
12.  Januar  ds.  Js.  in  einer  Audienz  vorstellig  geworden  und  hatten 
hiebei  Gelegenheit,  im  Beisein  der  Herren  Ministerialreferenten 
Obermedizinalrat  Dr.  v.  Grashey  und  Ministerialrat  v.  Hör- 
m  a  n  n  eingehend  über  die  wichtigeren  Punkte  der  Ehrengerichts¬ 
und  Standesordnung  zu  sprechen. 

Auf  die  Frage  Sr.  Exzellenz,  wie  sich  die  Vertretung  der 
bayerischen  Aerztescliaft  dazu  stellen  würde,  wenn  die  Abgeord¬ 
netenkammer  nach  dem  Ausscliussantrage  beschliesse  und  die 
Aufnahme  einer  Bestimmung  bezüglich  des  Honorars  in  die 
Standesordnung  verbiete,  erklärten  die  vorgenannten  Vertreter, 
für  diesen  Fall  Se.  Exzellenz  bitten  zu  müssen,  den  Gesetzentwurf 
zurückziehen  zu  wollen.  Massgebend  für  diese  Erklärung  war  der 
Gedanke,  dass,  wenn  auch  dieses  Mal  der  Gesetzentwurf  nicht  zu 
stände  käme,  unter  dem  Druck  der  Verhältnisse  vielleicht  in  der 
nächsten  oder  übernächsten  Session  das  Gesetz  entsprechend  der 
Regierungsvorlage  bewilligt  werde,  dass  es  dagegen  unendlich 
schwer  falle  oder  geradezu  unfnöglich  sei,  ein  lückenhaftes  oder 
verstümmeltes  Gesetz  wieder  im  Sinne  der  Aerzte  abzuändern. 
(Vergl.  Gewerbeordnung.) 

I  )ie  in  der  Audienz  vorstellig  gewordenen  Kollegen  erklärten, 
dass  ihre  Ansicht  von  sämtlichen  Aerztekammervorsitzenden  ge¬ 
teilt  werde  und  sie  daher  zugleich  in  deren  Namen  sprechen 
könnten.  Um  jedoch  sich  dieses  Einverständnisses  ausdrücklich 
zu  versichern,  wurden  unterm  16.  Januar  1902  seitens  des  stän¬ 
digen  Ausschusses  der  oberbayerischen  Aerztekammer  die  Vor¬ 
sitzenden  sämtlicher  übrigen  bayerischen  Aerztekammern  hiervon 


verständigt  und  um  Mitteilung  ihrer  Zustimmung,  gegebenen 
Falles  ihrer  abweichenden  Meinung,  ersucht.  Es  sind  alsbald 
zustimmende  Zuschriften  von  allen  Seiten  eingetroffen,  so  dass 
wir  am  29.  Januar  in  der  Lage  waren,  das  k.  Staatsministerium 
des  Innern  von  dem  Einverständnisse  sämtlicher  Aerztekammer¬ 
vorsitzenden  in  Kenntnis  zu  setzen. 

Endlich  sind  Vorsitzender  und  Schriftführer  noch  bei  einer 
Reihe  von  Abgeordneten  persönlich  vorstellig  geworden.  Der 
weitere  Verlauf  ist  bekannt.  Der  Gesetzentwurf  kam  in  der 
Tagung  des  Landtags  nicht  mehr  zur  Beratung  und  sein  Schicksal 
ist  der  nächsten  Kammertagung  Vorbehalten.  In  der  Sehlussitzung 
der  Kammer  der  Reichsräte  ist  seiner  vom  Präsidenten  wenigstens 
insofern  gedacht  worden,  als  festgestellt  wurde,  dass  er  von  der 
Abgeordnetenkammer  nicht  dorthin  gelangt  sei;  im  Schlussberichte 
des  Präsidenten  der  Kammer  der  Abgeordneten  fand  der  Gesetz¬ 
entwurf  keine  Erwähnung  mehr.  Beim  Wiederzusammentritt  des 
Landtages  wird  er  ja  hoffentlich  seine  Entscheidung  finden. 
Auf  eine  günstige  im  Sinne  der  Aerzte  wage  ich  nicht  zu  hoffen; 
möge  er  dann  wenigstens  ein  vorläufiges  ehrenvolles  Begräbnis 
finden,  so  lang,  bis  in  einer  hoffentlich  nicht  allzu  fernen  Zeit 
den  berechtigten  und  ehrlichen  Bestrebungen  der  Aerzte  ein 
besseres  Verständnis  und  ein  grösseres  Wohlwollen  entgegen¬ 
gebracht  wird,  als  uns  bei  den  biherigen  Verhandlungen  in  dieser 
Angelegenheit  von  verschiedenen  Seiten  zu  teil  geworden  ist. 

Der  k.  Staatsregierung  gegenüber  aber  halte  ich  uns  für  ver¬ 
pflichtet,  und  ich  bin  damit  Ihres  Einverständnisses  sicher,  unseren 
gehorsamsten  Dank  für  die  bei  den  bisherigen  Verhandlungen  über 
die  Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  bewiesene  kräftige  und 
wohlwollende  Vertretung  unserer  Bestrebungen  zum  Ausdrucke  zu 
bringen. 

Dr.  Rapp:  Ich  glaube  in  Ihrer  aller  Sinne  zu  handeln,  wenn 
ich  dem  ständigen  Ausschüsse  für  seine  eifrige  Thätigkeit  und  sein 
zielbewusstes  Eintreten  für  die  ärztlichen  Standesinteressen  den 
Dank  der  oberbayerischen  Aerztekammer  ausspreche. 

II.  Kassenbericht. 

Die  Kassenführung  wurde  im  abgelaufenen  Geschäftsjahre 
dem  Beschlüsse  der  letzten  Kammersitzung  entsprechend,  von  dem 
Vorsitzenden  Dr.  .Max  Grub  er  besorgt,  und  stellte  sich  die 
Kassenrechnung  nach  dessen  Bericht  forgendermassen : 

Einn  a  h  m  e  n. 

Beiträge  der  ärztlichen  Bezirksvereine  pro  Mitglied  50  -j  laut  Be¬ 


schluss  vom  28.  X.  01  = .  358  Ji  bO  Jj 

Zinsen  des  Pfandbriefes  pro  1902  .  7  JC  —  -1 

Summe :  365  Jt  50  ^ 

Ausgaben. 

Laut  Rechnungsbelegen  .  .  336  JC  97  4 

Somit  aktiver  Kassabestand  am  27.  X.  02  •  .  .  .  .  28  <  £  53  J) 


Die  Auslagen  sind  erwachsen  durch  Abschrift  und  Druck¬ 
kosten  des  Protokolls  und  des  Ministerialbescheides,  durch  Pack- 
und  Schreibmaterialkosten,  durch  Diäten  und  Reiseentschädigung 
für  den  Delegierten  zum  Obermedizinalausschuss  und  für  den  Vor¬ 
sitzenden  gelegentlich  seiner  Teilnahme  an  der  Vorbesprechung  in 
Nürnberg,  und  durch  Bezahlung  verschiedener  sonstiger  kleinerer 
im  Geschäftsjahre  angefallener  Rechnungen  und  sind  sämtliche 
belegt. 

An  Vermögen  besitzt  die  Kammer  einen  Pfandbrief  der  baye¬ 
rischen  Hypotheken-  und  Wechselbank,  Serie  XXV,  No.  75  093 
—  RW.  M.  200. 3 yz  Proz. 

Nachdem  die  unter  Zustimmung  der  Kammer  von  dem  Vor¬ 
sitzenden  zu  Revisoren  bestimmten  DDr.  Schliessleder  und 
v.  B  e  z  o  1  d  Rechnung  und  Kasse  in  Ordnung  befunden  hatten, 
beantragte  der  Kassier  die  Gewährung  der  Entlastung,  welche  ein¬ 
stimmig  erteilt  wird.  Die  Führung  der  Kassengeschäfte  für  das 
Jahr  1902/03  wird  einstimmig  wieder  dem  Vorsitzenden  Dr.  Max 
Gruber  übertragen  und  auf  dessen  Vorschlag  der  Kammer¬ 
beitrag  pro  1902/03  wie  bisher  auf  50  Pf.  pro  Bezirksvereins¬ 
mitglied  einstimmig  festgesetzt. 

III.  Einlauf. 


Aus  diesem  werden,  soweit  es  sich  um  wichtigere,  nicht  auf 
der  Tagesordnung  stehende  Gegenstände  handelt,  mitgeteilt: 

1.  Ein  Nachtrag  zum  Ministerialbescheid  auf  die  Verhand¬ 
lungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1900  vom  4.  XI.  01,  betreffend 
den  Antrag  auf  Aenderung  des  Unterrichtsbeginns  in  den  Volks¬ 
schulen.  Dieser  Erlass  ist  den  Bezirks  vereinen  mit  den  vorjähri¬ 
gen  Sitzungsprotokollen  zugeleitet  worden. 

2.  Ministerialbescheid  auf  die  Verhandlungen  der  Aerzte¬ 
kammern  im  Jahre  1901  vom  3.  VIII  02  (den  Bezirksvereinen  im 
Abdruck  mitgeteilt),  und  ein  Nachtrag  hierzu:  Entschliessung  des 
k.  Staatsministeriums  des  k.  Hauses  und  des  Aeussern  vom 
26.  IX.  02,  betreffend  die  Postportofreiheit  für  die  Morbiditäts¬ 
statistik  der  Infektionskrankheiten. 

Da  eine  nochmalige  Verlesung  dieser  Ministerialent- 
schliessungen  nicht  gewünscht  wird,  teilt  der  Vorsitzende  mit,  dass 


in  den  14  Ziffern  des  Bescheides  auf  die  vorjährigen  Kammerver¬ 
handlungen  2  Anträge  als  in  Verhandlung  begriffen  bezeichnet 
werden,  3  der  Erhebung,  Erwägung  und  Würdigung  unterstehen. 
3  an  andere  Ministerien  abgegeben  wurden,  und  da  hiervon  der 
Antrag  bezüglich  Portofreiheit  für  die  Morbiditätsstatistik  unter¬ 
dessen  abgelehnt  wurde,  7  Anträge  abgelehnt  wurden. 


16.  Dezember  1902. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


2115 


3.  Dankschreiben  der  Frau  Hofrat  Nähe  r  für  die  Beileids¬ 
bezeugung  anlässlich  des  Ablebens  ihres  Gatten. 

4.  Dankschreiben  Sr.  Exzellenz  des  Herrn  Regierungspräsiden¬ 
ten  v.  A  u  e  r  für  die  Beglückwünschung  anlässlich  seines  70.  Ge¬ 
burtstages. 

5.  Gesetz-  und  Verordnungsblatt  No.  46,  enthaltend  die  Allerh. 
Verordnung  vom  17.  X.  01,  die  ärztlichen  Gebühren  betreffend. 

6.  Gesetz-  und  Verordnungsblatt  No.  41,  enthaltend  Eekannt- 
macliung  betreffend  Wahl  der  ärztlichen  Sachverständigen  bei  dem 
Schiedsgerichte  für  Arbeiterversicherung  der  k.  bayerischen  Staats¬ 
eisenbahn  Verwaltung.  (Siehe  auch  Funkt  XI  der  Tagesordnung.) 

7.  Anschreiben  des  Generalsekretärs  des  Deutschen  Aerzte- 
vereinsbundes,  betreffend  die  sofortige  Errichtung  von  Vertrags- 
kommissionen. 

Die  Kammer  stimmt  den  Ausführungen  des  Vorsitzenden  zu, 
das  dieses  Anschreiben  an  die  Bezirksvereine  zu  überweisen  sei, 
da  die  Vertragskommissionen  nicht  für  ganz  Oberbayern,  sondern 
nur  für  einzelne  grössere  Städte  oder  kleinere  Bezirke  zuständig 
sein  können,  da  ferner  die  stete  Fühlung  mit  den  Kassenärzten  und 
einzelnen  Krankenkassen,  sowie  die  Berücksichtigung  der  be¬ 
sonderen  lokalen  Verhältnisse  nur  von  den  damit  näher  vertrauten  - 
lokalen  Kommissionen  betätigt  werden  kann.  Die  Delegierten 
übernehmen  die  Verständigung  der  Bezirksvereine. 

8.  Anfrage  der  Auskunftstelle  des  Deutschen  Aerztevereins- 
bundes  für  die  Besetzung  ärztlicher  Stellen  im  Auslande  und  auf 
deutschen  Schiffen  in  Hamburg,  betreffend  die  Befähigung  von 
Kollegen  zur  Uebernahme  einer  solchen  Stelle. 

Erledigt  durch  Mitteilung,  dass  die  Aerztekammer  nach  ihrer 
Organisation  nicht  in  der  Lage  ist,  auf  derartige  Anfragen  Aus¬ 
kunft  zu  geben,  jedoch  die  Bezirksvereine. 

9.  Anfrage  der  Aerztekammer  für  die  Provinz  Brandenburg 
und  den  Stadtkreis  Berlin,  ob  2  in  Reichenhall  während  des 
Sommers  praktizierende  Aerzte  an  die  oberbayerische  Aerzte¬ 
kammer  Umlagen  entrichten. 

Hierauf  erfolgte  Mitteilung  über  die  einschlägigen  Verhält¬ 
nisse  bei  der  oberbayerischen  Aerztekammer. 

10.  Vom  Verein  von  Unfallversicherungsärzten  zu  Berlin  und 
Umgegend  Brochüre  „Zur  Abwehr“,  welche  sich  mit  dem  durch 
Aerztekammer-,  Gerichts-  und  Reichstagsverhandlungen  bekannten 
Fall  Blasius-Sprengel  beschäftigt. 

11.  Zirkular  einer  Buchhandlung,  betreffend  eine  Broschüre 
von  Hermine  Ludewig  in  Bunzlau:  „Wie  behandelt  man  seinen 
Arzt“. 

12.  Verschiedene,  bei  der  Tagesordnung  zur  Erledigung 
kommende  Anträge  von  Bezirksvereinen  und  Kammerausschüssen. 

13.  Vom  Pressausschuss  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Mün¬ 
chen  den  an  den  Deutschen  Aerztevereinsbund  erstatteten  Bericht 
zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei. 

14.  Anschreiben  der  Versicherungskasse  für  die  Aerzte 
Deutschlands  (früher  Zentralhilfskasse)  an  die  staatlich  anerkann¬ 
ten  Standesvertretungen  der  deutschen  Aerzte.  In  demselben  wird 
nach  vorausgegangener  Begründung  die  Bitte  um  Unterstützung 
in  folgende  Anträge  zusammengefasst:  „Die  Aerztekammer  wolle 
erwägen  und  beseliliessen: 

1.  nach  dem  Vorgänge  des  deutschen  Aerztetages  vom  10.  VI. 
1895  seinen  Vorstand  zu  ermächtigen,  in  Gemässheit  des  §  4  der 
Satzungen  der  V.-K.  die  stiftende  Mitgliedschaft  anzunehmen; 

2.  wie  jener,  und  zwar  etwa  mit  der  auf  der  Beilage  ange¬ 
gebenen  Bgründung,  den  Aerzten  des  Bezirks  den  Beitritt  zur 
V.-K.  zu  empfehlen; 

3.  bei  der  etwaigen  Gründung  einer  eigenen  Versicherungs¬ 
kasse  Anschluss  an  die  Versicherungskasse  zu  suchen; 

4.  regelmässige  jährliche  Berichte,  wie  der  deutsche  Aerztetag, 
über  den" Stand  der  V.-K.  entgegenzunehmen; 

5.  die  Drucksachen  der  V.-Iv.  ihren  Zusendungen  an  die  Mit¬ 
glieder  des  Kammerbezirks  unentgeltlich  beizulegen.“ 

Hierzu  beschliesst  die  oberbayerische  Aerztekammer: 

ad  1.  Die  stiftende  Mitgliedschaft  wird  erworben  durch 
Zahlung  von  jährlich  30  M.  oder  ein  für  allemal  mindestens 
300  M.  Nach  §  10  der  K.  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  1895,  die 
Bildung  von  Aerztekammern  und  ärztlichen  Bezirksvereinen  be¬ 
treffend,  kann  die  Aerztekammer  nur  die  auf  ihre  Geschäfts¬ 
führung  und  auf  die  Abordnung  eines  Delegierten  zum  Ober- 
medizinalausschusse  erlaufenden  Kosten  durch  Jahresbeiträge  er¬ 
heben.  Sie  ist  daher  zu  der  beantragten  Ausgabe  nicht  ermächtigt. 

ad  2.  Dr.  Spatz:  Die  V.-K.  beruht  auf  solider  versicherungs¬ 
technischer  Grundlage,  hat  ein  bedeutendes  Vermögen,  zum 
grossen  Teile  aus  Schenkungen  herrührend  und,  da  ehrenamtlich 
verwaltet,  geringe  Verwaltungskosten;  sie  ist  eine  segensreiche 
Einrichtung  und  entspricht  einem  Bedürfnisse.  An  genossen¬ 
schaftlichen  Versicherungen  besitzen  wir  in  Bayern  nur  den  Pen¬ 
sionsverein  für  Witwen  und  Waisen  und  den  Sterbekasseverein, 
jedoch  keine  genossenschaftliche  Kranken-,  Invaliden-  und  Alters¬ 
versorgungskasse.  Ich  empfehle  daher  den  Antrag  der  V.-K.  zur 
Annahme,  mit  der  ausdrücklichen  Hervorhebung,  dass  für  die 
Versicherung  auf  Witwen-  und  Waisenpensionen,  sowie  auf  den 
Sterbefall  unsere  bayerischen  Vereine  in  erster  Linie  in  Betracht 
zu  kommen  haben. 

Mit  dieser  Modifikation  wird  der  Antrag  einstimmig  ange¬ 
nommen. 

ad  3.  Der  Antrag  ist  gegenstandslos,  da  für  die  Gründung 
einer  eigenen  Versicherungskasse  durch  die  Aerztekammer  keine 

A  n ooi T  lvpofpht 

ad  4  und  5.  Die  Kammer  erklärt  sich  hierzu  bereit. 


IV.  Bericht  der  Delegierten  über  den  Stand  ihrer  Bezirksvereine. 

1 .  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  Aichach-Friedberg- 
Schrobenhausen. 

Dr.  Li  mm  er:  19  Mitglieder.  Vorsitzender  Bezirksarzt  Dr. 
L  i  m  m  e  r  -  Schrobenhausen,  Schriftführer  Dr.  G  rüber-  Aichach. 
Im  Jahre  1902  fanden  3  Versammlungen  statt,  in  denen  Vereins¬ 
und  Standesfragen  besprochen,  sowie  2  Vorträge  erstattet  wurden. 

2.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  E  r  d  i  n  g. 

Dr.  Schnabelmaier:  0  Mitglieder.  Vorsitzender  Dr. 
Schnabelmaier  -  Dorfen,  Schriftführer  und  Kassier  Dr. 
E  c  li  e  r  e  r  -  Wartenberg.  In  3  Versammlungen  wurden  Standes¬ 
fragen,  sowie  interessante  Fälle  aus  der  Praxis  etc.  besprochen. 

3.  Aerztl.  Bezirks  verein  Freising-Moosburg. 

Dr.  Oberpriele r:  13  Mitglieder.  Der  Verein  hat  seinen 
bisherigen  Vorsitzenden,  Bezirksarzt  Dr.  A  u  e  r  -  Freising,  durch 
den  Tod  verloren,  an  dessen  Stelle  wurde  als  Vorsitzender  Bezirks¬ 
arzt  Dr.  H  e  n  k  e  1  -  Freising  gewählt.  Schriftführer  Dr.  Buck- 
Freising.  Es  fanden  2  Vereinssitzungen  statt,  in  welchen  Standes¬ 
angelegenheiten  zur  Beratung  kamen  und  Berichte  über  inter¬ 
essante  Krankheitsfälle  unter  Vorzeigung  von  Präparaten  erstattet 
wurden. 

4.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  Ingolstadt-Pfaffenhofen. 

Dr.  Vierling:  18  Mitglieder.  Vorsitzender  Bezirksarzt 
Dr.  Vierling-  Ingolstadt,  Schriftführer  Dr.  Decrignis- 
Pfaffenliofen.  Der  Verein  hielt  2  Versammlungen  ab,  in  welchen 
Vereins-  und  Standesangelegenheiten,  sowie  medizinische  Fragen 
behandelt  wurden. 

5.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  Mühldorf-Neu  ötting. 

Dr.  Sch  liessleder:  23  Mitglieder.  Vorsitzender  und 
Schriftführer  Dr.  Sch  liessleder  -  Kraiburg,  Kassier  Dr. 
Bernhuber  -  Altötting.  Der  Verein  hielt  im  abgelaufenen  Jahre 
2  Sitzungen  ab,  in  welchen  Standes-  und  Vereinsangelegenheiten 
erörtert,  sowie  kasuistische  Fälle  mitgeteilt  wurden. 

6.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  München. 

Dr.  Becker:  527  Mitglieder,  Zunahme  seit  der  letzten  Aerzte- 
kammersitzung  31.  I.  Vorsitzender  Dr.  C.  Becker,  II.  Vor¬ 
sitzender  Dr.  Krec  k  e,  1.  Schriftführer  Dr.  Höflmayr, 
II.  Schriftführer  Dr.  B  e  r  g  e  a  t,  Schatzmeister  Bezirksarzt  Dr. 
Grube  r,  sämtliche  in  München.  Seit  der  vorjährigen  Aerzte- 
kammertagung  fanden  7  Vereinssitzungen  statt;  von  den  wich¬ 
tigeren  Verhandlungs-  und  Beratungsgegenständen  sind,  soweit  sie 
nicht  auch  auf  der  heutigen  Tagesordnung  stehen,  zu  nennen: 

Gedächtnisfeier  für  den  verstorbenen  Vorsitzenden  Hof  rat 
Dr.  Näher  (Dr.  Krec  k  e). 

Ueber  die  ärztlichen  Unterstützungs vereine  zur  Fürsorge  für 
die  Hinterbliebenen  des  ärztlichen  Standes  (Dr.  Daxenberger). 

Wie  kommen  die  Aerzte  aus  der  Gewerbeordnung?  (Dr. 
Krüc  li  e.) 

Die  Stellung  der  Aerzte  zu  den  Aufgaben  der  Wohnungs¬ 
reform  (Dr.  Singer  als  Gast). 

Ueber  die  Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutschlands, 
früher  Zentralhilfskasse  (Dr.  Kuntzen). 

Mitteilungen  über  den  Leipziger  Verband  (Dr.  K  recke). 

Entschädigung  für  Fahrrad-  und  Motorbenützung  durch  Aerzte 
(Dr.  Uhl). 

Freigabe  sämtlicher  Strassen  Münchens  für  radfahrende 
Aerzte  (Dr.  Sternfeld). 

Die  Aufgaben  der  Krankenhausärzte  gegnüber  den  Anforde¬ 
rungen  der  neuen  Prüfungsordnung  (Dr.  v.  Bauer). 

Ueber  ärztliches  Genossenschaftswesen  (Dr.  Käst  1). 

Zur  Revision  des  Krankenversicherungsgesetzes  (Dr.  Lukas). 

Ausserdem  wurde  eine  gemeinschaftliche  Sitzung  mit  dem 
ärztlichen  Verein  abgehalten,  in  welcher  Prof.  Dr.  Moritz 
einen  Nachruf  auf  das  verstorbene  Ehrenmitglied  beider  Vereine 
Geheimrat  Dr.  v.  Ziemssen  hielt. 

Der  Abteilung  für  freie  Arztwahl  (V orsitzender 
Dr.  Lukas)  gehören  287  Aerzte  und  8  Universitätsanstalten  an; 
sie  steht  gegenwärtig  mit  einer  grösseren  Ortskrankenkasse  (Orts¬ 
krankenkasse  III  für  das  kaufmännische  Personal)  und  2  kleineren 
Betriebskrankenkassen  (Lokalbahnaktiengesellschaft  und  Elek¬ 
trizitätsgesellschaft  vorm.  E.  Bub  eck)  im  Vertrags  Verhältnis. 

Mit  der  freien  Vereinig  un  g  M  li  n  c  h  e  n  e  r  u  n  d 
oberbayerischer  Krankenkassen  wurden  Verhand¬ 
lungen  gepflogen  und  von  einer  gemeinschaftlichen,  aus  je  10  Ver¬ 
tretern  beider  Teile  bestehenden  Kommission  ein  Entwurf  aus¬ 
gearbeitet,  der  eine  bessere  Stellung  der  Kassenärzte,  die  Bildung 
von  gemeinschaftlichen,  aus  Kassenvertretern  und  Aerzten  zu¬ 
sammengesetzten  Kommissionen  zur  Begutachtung  strittiger 
Fragen  und  zur  Kontrolle  des  gesamten  kassenärztlichen  Dienstes, 
eine  Erhöhung  und  zweckmässige  Verteilung  des  kassenärztlichen 
Honorares,  sowie  die  spätere  Ausarbeitung  einer  gemeinschaft¬ 
lichen  Instruktion  für  die  kassenärztliche  Tätigkeit  vorsieht.  So¬ 
wohl  im  Interesse  der  Kassenärzte  wie  in  dem  der  Krankenkassen 
wäre  zu  wünschen,  dass  die  bisherigen,  mühevollen  Verhand¬ 
lungen  zu  einem  gedeihlichen  Abschluss  führen. 

Dem  im  vorigen  Jahre  gegründeten  Pressausschuss 
(Vorsitzender  Dr.  B  e  r  g  e  a  t)  wurde  in  Anbetracht  der  grossen 
Bedeutung  der  Tagespresse  für  die  ärztlichen  Standes-  und  Wirt- 

1* 


2116 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


No.  50. 


Schaftsangelegenheiten  die  Aufgabe  zugewiesen,  in  der  Tages¬ 
presse,  gleichviel  welcher  Partei,  event.  auch  in  der  Fachpresse 
die  ärztlichen  Standes-  und  Wirtschaftsinteressen  zu  fördern. 
Nachdem  der  vorjährige  Aerztetag  in  Hildesheim  die  Bildung  von 
lokalen  Kommissionen  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  an¬ 
geregt  hatte,  wurde  dem  Pressausschuss  auch  diese  Arbeit  zu¬ 
geteilt.  Er  ist  mit  Eifer  und  Energie  darangegangen,  alle  Vor¬ 
gänge,  die  sein  Arbeitsgebiet  berühren,  zu  verfolgen  und  zu  be¬ 
arbeiten  und  für  grössere  Arbeiten  das  Material  zu  sammeln  und 
zu  sichten;  er  hat  mit  der  lokalen  öffentlichen  Presse  Beziehungen 
angeknüpft  und  ist  bei  mehreren  Gelegenheiten  mit  Erfolg  hervor¬ 
getreten. 

Die  Morbiditätsstatistik  für  Iuf  ektions- 
k  rankheiten  wurde  weiter  geführt,  die  Beteiligung  der  Aerzte 
war  geringer  als  in  früheren  Jahren.  Nachdem  das  k.  Staats¬ 
ministerium  des  Aeussern  den  Antrag  der  vorjährigen  Aerzte- 
kammer,  die  Gewährung  der  Portofreiheit  für  die  Morbiditäts¬ 
statistik  betr.,  abgelehnt  hat  und  eine  richtige  Durchführung  der 
letzteren  bei  Beteiligung  sämtlicher  Aerzte  unserem  Vereine  ausser¬ 
ordentliche  Kosten  verursachen  würde,  erscheint  die  Weiter¬ 
führung  der  Statistik  sehr  in  Frage  gestellt. 

7.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  Rosenheim. 

Dr.  D  i  r  r:  58  Mitglieder.  Vorsitzender  Bezirksarzt  Dr. 
Burkart-  Rosenheim,  Schriftführer  und  Kassier  Hofrat  Dr. 
D  irr-  Rosenheim.  Der  Verein  hielt  im  Jahre  1901/02  3  Versamm¬ 
lungen  in  Rosenheim  mit  folgender  Tagesordnung  ab: 

I.  Am  17.  Dezember  1901:  Bericht  über  die  Verhandlungen  der 
oberbayerischen  Aerztekammer  1901  (Dr.  Burkart);  Kassa¬ 
bericht,  erstattet  vom  Kassier,  Festsetzung  der  Vereinsbeiträge 
pro  1901/02;  Besprechung  von  Standesangelegenheiten:  Hauptsäch¬ 
lich:  Ueber  den  Zweck  und  die  Ziele  des  Verbandes  der  Aerzte 
Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen  (Dr. 
Dirr);  Neuaufnahme  von  Mitgliedern. 

II.  Am  17.  Juni  1902:  Bekanntgabe  der  Einläufe,  Wahl  der 
Delegierten  zur  Aerztekammer  1902,  Arzt  und  Alkohol  (Dr. 
Werne  r). 

III.  Am  22.  Oktober:  Bekanntgabe  der  Einläufe,  Besprechung 
der  Nürnberger  Anträge  zur  Aerztekammer  1902,  Kurpfuscherei 
und  Geheimmittel  betr.  (Dr.  Burkart);  über  die  Differential¬ 
diagnose  einiger  für  den  prakt.  Arzt  wichtiger  Augenerkrankungen 
(Dr.  Merz);  über  Verjährung  ärztlicher  Forderungen  und  das 
Mahnverfahren  bei  Gericht  (Dr.  Maul);  Neuaufnahme  von  Mit¬ 
gliedern. 

8.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  Traunstein-Reiclien  hall. 

Dr.  Rapp:  53  Mitglieder.  Vorsitzender  Hof  rat  Dr.  Rapp, 
Schriftführer  Dr.  Schöppner,  beide  in  Reichenhall;  die  Kassa- 
geschäfte  besorgt  Dr.  Hofhammer  in  Anger.  Die  Frühjahrs¬ 
sitzung  fand  in  Freilassing,  die  Herbstsitzung  in  Reichenhall  statt; 
in  der  ersteren  standen  namentlich  die  Beantwortung  der  Rund¬ 
schreiben  des  Generalsekretärs  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes, 
betr.  die  Revision  des  Krankenversicherungsgesetzes  und  die  Ein¬ 
setzung  einer  Kommission  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei 
innerhalb  der  Vereinsgebiete,  zur  Beratung,  ferner  die  Aufforde¬ 
rung  der  k.  Regierung  zu  gutachtlichen  Aeusserungen  über  die  Ent¬ 
schädigungsfrage  für  Fahrrad-  und  Motorbenützung  durch  Aerzte. 

In  der  Herbstversammlung  erstattete  Kollege  Drossbach- 
Laufen  über  die  Aenderung  der  Satzungen  des  Deutschen  Aerzte¬ 
vereinsbundes  ein  eingehendes  Referat,  dessen  Schlussätzen  zu¬ 
gestimmt  wurde,  sodann  wurden  die  Anträge  des  Aerztlichen  Be¬ 
zirksvereines  Nürnberg  und  verschiedene  weitere  Anträge  zur  dies¬ 
jährigen  Aerztekammer  einer  Diskussion  unterzogen,  wie  auch  der 
Beitritt  zu  dem  Leipziger  wirtschaftlichen  Verband.  Bezüglich  des 
letzten  Beratungspunktes  wurde  nach  Anhörung  der  Bericht¬ 
erstattungen  von  den  Kollegen  Schöppner  und  Gessel  e'  jun. 
im  Interesse  der  Allgemeinheit  der  Beitritt  als  höchst  wünschens¬ 
wert  erklärt  und  Kollege  Gessele  jun.-Traunstein  als  Vei*- 
trauensmann  in  dieser  Angelegenheit  gewählt. 

9.  Aerztl.  Be  z.  -  Verein  W  e  i  1  h  e  i  m  -  L  a  n  d  s  b  e  r  g. 

Di'.  Angerer:  32  Mitglieder.  Vorsitzender  Bezirksai-zt 
Dr.  Angere r,  Schi'iftführer  Dr.  Schnitzler,  beide  in  Weil- 
lieim.  Der  Verein  hielt  2  Versammlungen  ab,  im  Fiailijahr  in  Weil- 
lieim,  im  Hei'bste  in  Tutzing. 


Der  Vorsitzende  konstatiei’t,  dass  nach  den  Berichten  der  Dele- 
gieilen  in  der  Obeihayeiäschen  Aerztekammer  749  Aei'zte  vertreten 
sind  (gegen  717  im  Voi'jahre)  und  dankt  den  Aerztlichen  Bezirks¬ 
vereinen  für  ihre  fleissige  und  erspi'iessliche  Tätigkeit. 

V.  Anträge  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  Be¬ 
kämpfung  der  Kurpfuscherei  betreffend. 

Dr.  Burkart:  Der  Aerztliclie  Bezirksvei'ein  Nürnberg  hat 
zu  Anfang  dieses  Jahres  folgende  Anträge  an  die  Aerztekammern 
beschlossen: 

a)  Die  k.  Staatsregiei-ung  wolle  ersucht  werden,  zu  verfügen, 
dass  die  zuständigen  Oi'tspolizeibehöi'den  pei'iodisch  und  bei  Ge¬ 
legenheiten  Tatsachenmaterial  bekannt  geben,  welches  zur  Auf¬ 
klärung  und  Belehnxng  des  Publikums  über  die  Gefährlichkeit  der 
Kui'pfuscherei  und  des  Geheimmittelwesens  geeignet  ist. 

b)  Die  k.  Staatsregiei'ung  wolle  ei’sucht  werden,  den  Apo¬ 
thekern  den  Verkauf  solcher  Geheimmittel,  welche  auf  Grund  eines 
Gutachtens  einer  deutschen  Behörde  entweder  schädliche  oder  un¬ 
wirksame  Stoffe  enthalten  oder  durch  Preisüberforderung  das 


Publikum  ausbeuten,  zu  verbieten,  so  dass  die  Entscheidung  von 
Fall  zu  Fall  erfolgt  und  jeder  ärztliche  Bezirksverein  für  jeden  ein¬ 
zelnen  Fall  Antrag  an  das  k.  Staatsministerium  zu  stellen  berech¬ 
tigt  ist. 

c)  Die  k.  Staatsregierung  soll  ersucht  werden,  beim  Bundes¬ 
rat  dahin  zu  wirken,  dass  das  Kurpfuschereigewerbe  ähnlich  dem 
der  Rechtskonsulenten  einer  polizeilichen  Ueberwaclxung  unter¬ 
stellt  Avexde,  so  dass  insbesondei'e  wegen  festgestellter  Unzuver¬ 
lässigkeit  nachträglich  dieser  Gewerbebetrieb  untersagt  werden 
kann. 

Hiezu  haben  nach  dem  Vorgänge  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
München  die  Vorsitzenden  der  acht  bayerischen  Aei’ztekammern 
bei  ihrer  Vorbesprechung  in  Nürnberg  einstimmig  beschlossen,  die 
vorstehenden  Anträge  dahin  abzuändern:  Es  sei  an  die  k.  Staats¬ 
regierung  die  Bitte  zu  stellen,  im  Bundesrate  den  von  dem 
XXX.  Deutschen  Aei'ztetag  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei 
gemachten  Vorschlägen  ihre  Zustimmung  zu  erteilen,  eventuell, 
falls  die  reichsgesetzliche  Regelung  nicht  zur  Durchführung  ge¬ 
langt,  die  in  Frage  stehenden  Massnahmen,  welche  zum  Teile  in 
anderen  Bundesstaaten  schon  durchgeführt  sind,  auf  dem  Wege  der 
Landesgesetzgebung  in  Bayern  zur  Einfiihi-ung  zu  bringen. 

Diese  Anträge  lauten: 

„1.  Dass  die  Ausübung  der  Heilkunde  durch  nicht  appro¬ 
bierte  Personen  zu  untersagen  ist,  wenn  Tatsachen  voi’liegen, 
welche  die  Unzuvei'lässigkeit  des  Gewerbetreibenden  in  Bezug 
auf  diesen  Gewerbebetrieb  dartun,  und  dass  Personen,  welche 
dieses  Gewerbe  beginnen,  hievon  der  zuständigen  Behörde  An¬ 
zeige  zu  machen  haben.  (Siehe  §§  35,  148  Ziff.  4  der  Reichs- 
Gewei'beordnung.) 

2.  Dass  mit  Geltung  für  das  Reich  eine  Verordnung  erlassen 
werde,  welche  sich  an  die  vom  Staate  Hamburg  unterm  1.  Juni 
1900  erlassene  Verordnung  anscliliesst,  und  vor  allem  die 
prahlerischen  Ankündigungen  von  Geheimmitteln  und  Heil¬ 
methoden  unter  Strafe  stellt. 

3.  Dass  seitens  der  Behörden  öffentliche  Warnungen  gegen 
schwindelhafte  Heilmethoden,  Schwindelmittel  und  Kurpfuscher 
erlassen  werden. 

4.  Dass  Rezepte  von  Kurpfuschern  in  den  Apotheken  nicht 
angefertigt  werden  dürfen. 

Die  hier  vorgeschlagenen  Massnahmen  sind  selbstverständlich 
nur  als  interimistische  Hilfsmittel  zu  beti'achten,  bis  die  vom 
XXV.  Aerztetag  1897  festgelegte  Foi'derung  der  Wiedereinfühnmg 
des  Kurpfuschereiverbotes  erfüllt  sein  wird,  sollen  also  an  dieser 
Forderung  nicht  rütteln.“ 

M.  H.!  Ich  würde  es  nicht  für  angezeigt  halten,  über  die  An¬ 
träge  des  XXX.  Deutschen  Aerztetages,  die  nach  lebhaften  De¬ 
batten  dort  Aufnahme  fanden,  nochmals  eingehend  zu  diskutiei*eu, 
und  empfehle  Ihnen  ihre  Annahme  in  der  vorliegenden  Fassung. 
Nachdem  wir  bereits  im  vorigen  Jahre  Anträge  zur  Bekämpfung 
der  Kurpfuscherei  der  k.  Staatsregierung  unterbi'eitet  haben, 
möchte  ich  hei'voibeben,  dass  Ziff.  1  in  den  vorjähi'igen  Beschlüssen 
nicht  enthalten  war  und  die  Ziff.  2  und  3  sich  insofern  davon  unter¬ 
scheiden,  als  primär  die  bayei'ische  Staatsi’egierung  gebeten  wird, 
im  Bundes  rate  diesen  Anträgen  ihre  Zustimmung  zxx  ei'teilen 
und  sekundär,  wenn  eine  reichsgesetzliche  Regelxxng  nicht  erfolgen 
sollte,  auf  dem  Wege  der  Landes  -  G  e  s  et  z  g  e  b  u  n  g  die  vor- 
gesclilagenen  Massnahmen  zur  Einführung  zxx  bi'ingen. 

Der  Antrag  des  Refei'enten  wird  ohne  Diskussion  einstimmig 
angenommen. 

VI.  Anti’ag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  ärztliches 
Fortbildungswesen  betreffend. 

M.  H. !  Vom  Nürnberger  Bezirksverein  ist  ein  Antrag  ein¬ 
gebracht  worden,  der  die  freiwillige  Einrichtung  ärztlicher  Fort- 
bildungskux’se  iix  ganz  Bayern  zum  Gegenstand  hat.  Dieser  An¬ 
trag  wui’de  von  den  Vorsitzenden  der  Aerztekammeraussclxüsse 
bei  der  Vorbesprechung  in  Nürnberg  etwas  abgeiindert  und  lautet 
jetzt: 

„Die  freiwillige  Einrichtung  ärztlicher  Fortbilduugs- 
kurse  in  Bayern  wird  von  sämtlichen  Kammervorsitzenden 
als  notwendig  anerkannt  und  wird  empfohlen,  diese  Ein¬ 
richtung  je  nach  örtlichen  Verhältnissen  und  Bedürfnissen 
ins  Leben  zu  rufen.  Von  der  Errichtung  eines  Zentralkomitees 
sei  zunächst  abzusehen.“ 

Bevor  ich  zur  Besprechung  des  Antrages  selbst  übergehe,  ge¬ 
statten  Sie  mii\  m.  H.,  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  die 
Neueini-ichtung  von  ärztlichen  Fortbildungskui'sen  und  über  das 
bisherige  Fortbildungswesen,  wie  es  bis  jetzt  den  Aei'zten  zu¬ 
gänglich  war,  vorauszuscliieken. 

Vor  etwa  ly3  Jahren  hat  sich  hier  in  München  ein  kleines 
Komitee  gebildet,  das  sich  die  Einrichtung  von  ärztlichen  Fort¬ 
bildungskursen  zur  Aufgabe  gemacht  hat.  Nach  langen  Be¬ 
ratungen  und  Verhandlungen  konnten  wir  dann  daran  gehen,  diese 
Kui'se  ins  Leben  zu  rufen,  und  im  vergangenen  Sommersemester 
wxxrde  eiue  grössere  Anzahl  solcher  Kui'se  abgehalten,  deren  Fort¬ 
setzung  in  den  nächsten  Senxesterix  gesichert  erscheint.  Von  der 
Notwendigkeit,  dass  für  die  Fortbildung  der  pi*aktischen  Aerzte 
etwas  geschehen  muss,  waren  die  Kollegen,  soweit  ich  die  Stim¬ 
mung  kennen  geleimt  habe,  alle  überzeugt.  Diese  Notwendigkeit 
scheint  mir  in  zweifacher  Richtung  gegeben  zu  sein.  Erstlich 
wird  jeder  einsichtige  Arzt  selbst  fühlen,  dass  bei  dem  stetigen 
Fortschi’eiten  der  Wissenschaft  eine  Weiterbildung  absolut  er- 
fordei’lich  ist,  will  der  einzelne  auf  dem  laufenden  bleiben  und 
sein  Fach  soweit  als  möglich  belieiTSclien  können.  Zweitens  hat 


16.  Dezember  1902. 


Deilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


der  Staat  ein  eminentes  Interesse  daran,  für  die  Weiterbildung 
dei  Aeizte  Soige  zu  tragen,  damit,  sie  insbesondere  bei  drohenden 
Seuchen  der  Lage  gewachsen  sind  und  tatsächlich  mithelfen 
können  durch  rechtzeitige  Erkenntnis  der  verdächtigen  Krank¬ 
heitsfälle  ein  \Y  eiterumsichgreifen  der  betreffenden  Krankheit  zu 
verhüten.  Ausserdem  sollen  die  praktischen  Aerzte  die  Errungen¬ 
schaften  der  Hygiene,  die  ja  täglich  wachsen,  sich  zu  eigen  machen 
können,  um  dieser  so  unendlich  wichtigen  Disziplin  der  medizini¬ 
schen  Wissenschaft  auch  fachmännische  Verbreitung  und  Ein¬ 
bürgerung  zu  ermöglichen.  Dadurch  werden  die  Aerzte  dem  all¬ 
gemeinen  Wolde  irr  höchstem  Masse  dienen  und  dem  Staate  den 
grössten  Nutzen  bringen. 


Wenn  man  die  bisherigen  Einrichtungen,  die  für  die  Fort¬ 
bildung  der  Aerzte  zu  sorgen  haben,  übersieht,  so  hatten  wir  ausser 
den  militärischen  Operationskursen  etc.  und  solchen  für  Medizinal¬ 
beamte  für  die  praktischen  Aerzte  nur  die  Ferienkurse  Diese 
letzteren  haberr  gewiss  viel  Gutes  geschaffen,  allein  wie  wenigen 
war  es  möglich,  sich  an  solchen  Kursen  zu  beteiligen.  Die  Opfer 
welche  der  einzelne  zu  bringen  hat,  sind  unverhältnismässig  hoch’ 
ganz  abgesehen  von  den  zuweilen  hohen  Beträgen,  welche  für 
manche  Kurse  zu  zahlen  sind.  Für  3—4  Wochen  muss  der  Kol 
lege  seine  Praxis  aufgeben,  sich  einen  Vertreter  halten,  muss  eine 
Universitätsstadt  aufsuchen,  der  dortige  Aufenthalt  kostet  ihm 
grosse  Summen  und  nach  seiner  Rückkehr  kann  er  es  erleben,  dass 
seine  Praxis  durch  die  ungenügende  Vertretung  Schaden  gelitten 
hat.  Solche  Opfer  wird  ein  Arzt  einmal  oder  zweimal  im  Leben 
bringen  können,  aber  nicht  öfter,  und  dass  eine  so  seltene  Gelegen¬ 
heit,  die  Kenntnisse  aufzufrischen  und  neu  zu  erwerben,  nicht 
genügt,  liegt  auf  der  Hand.  Nun  sind  die  Verpflichtungen  des 
Arztes  der  Gesamtheit  gegenüber  im  Laufe  der  Jahre  noch  ge¬ 
wachsen,  dazu  kommt  der  schwere  Kampf  dem  Kurpfuschertum 
gegenüber,  der  alle  Kräfte  aufs  äusserste  anspannt,  um  schliess¬ 
lich  den  Sieg  davon  zu  tragen.  Und  gerade  der  letztere  Punkt  ist 
es,  der  uns  geradezu  zwingt,  alles  daran  zu  setzen,  damit  wir 
jederzeit  auf  der  Höhe  der  Situation  stehen,  und  dazu  gehört  ein 
möglichst  ausgedehntes  Wissen,  eine  möglichst  allseitige  Beherr¬ 
schung  unseres  Faches.  Nur  dann  werden  wir  zeigen  können,  dass 
wir  wirklich  über  den  Kurpfuschern  stehen,  dass  wir  einerseits  mit 
den  Grenzen,  die  der  ärztlichen  Tätigkeit  gesetzt  sind,  uns  wohl 
bekannt  gemacht  haben  und  nicht  wie  die  Kurpfuscher  behaupten, 
alles  und  noch  etwas  mehr  zu  verstehen  und  heilen  zu  können, 
dass  wir  aber  auch  andrerseits  im  stände  sind,  unseren  Kranken 
alles  das  zu  bieten,  was  man  von  einem  wirklich  wissenschaftlich 
gebildeten  Arzt  verdangen  kann  und  verlangen  muss.  Je  besser 
die  wissenschaftliche  Ausbildung  des  einzelnen,  desto  angesehener 
der  Stand;  die  beste  Waffe,  m.  H.,  gegen  die  Kurpfuscherei  sind 
gute  Aerzte. 

Die  Universitätsbildung  kann  nur  als  Vorschule  für  den  prak¬ 
tischen  Beruf  betrachtet  werden,  die  Praxis  selbst  ist  die  beste 
Lehrmeisterin,  aber  die  Fortschritte  der  Medizin,  die  Umwand¬ 
lungen,  welche  unsere  Anschauungen  durch  neue  Beobachtungen 
und  Entdeckungen  erfahren,  dürfen  uns  nicht  imbekannt  bleiben, 
aus  der  Literatur  allein  können  wir  uns  aber  ohne  Anschauungs¬ 
unterricht  nicht  weiterbilden. 


Diejenigen  Herren,  welche  vor  20  und  noch  mehr  Jahren  stu¬ 
diert  haben,  werden  am  besten  ermessen  können,  wie  gross  die 
Fortschritte  sind,  welche  im  Laufe  der  Zeit  gemacht  wurden. 
Ich  erinnere  Sie  nur  an  3  wichtige  Erkrankungen,  deren  Erfor¬ 
schung  und  genaue  Kenntnis  in  diese  Zeit  fällt:  die  Cholelitliiasis, 
Appendizitis  und  die  Atheromatose.  Was  hat  man  vor  20  Jahren 
von  Cholangitis,  Cholecystitis  etc.  etc.  gewusst  und  gelehrt,  wie  lag 
die  Frage  der  Appendizitis  im  argen,  wieviel  Störungen  hat  man 
jetzt  als  auf  Atheromatose  beruhend  erkannt!  Man  könnte  ent¬ 
gegnen,  dass  ja  jeder  Gelegenheit  hat,  durch  die  Literatur  sich 
weiter  zu  bilden.  Das  ist  aber  durchaus  ungenügend.  Nicht  jedem 
ist  es  möglich,  die  Spreu  von  dem  Weizen  zu  sondern,  aus  ein¬ 
zelnen  Artikeln  kann  man  nicht,  viel  lernen;  gute,  zusammen¬ 
fassende  Werke  zu  studieren,  ist  nicht  jedem  möglich.  Das  ge¬ 
sprochene  Wort  wirkt  unendlich  viel  mehr  als  das  geschriebene, 
besonders  dann,  wenn  mit  dem  Vortrag  ein  Anschauungsunterricht 
verbunden  ist,  wenn  ich  so  sagen  darf. 

In  Anerkennung  der  Unzulänglichlichkeit  der  bisherigen 
Einrichtungen  ist  man  im  vorigen  Jahre  in  Berlin  daran 
gegangen,  unter  staatlicher  Fürsorge  unentgeltliche  Fort¬ 
bildungskurse  für  Aerzte  zu  schaffen.  Dabei  sollen  3  Momente 
massgebend  sein:  1.  Unentgeltlichkeit  der  Kurse,  2.  sollten 
die  letzteren  im  Wohnort  der  Aerzte  oder  möglichst  nahe 
abgehalten  werden,  3.  ohne  Störung  der  Praxis  zu  einer  für  den 
Arzt  möglichst  bequemen  Zeit.  Die  gleichen  Momente  hatten  wir 
auch  in  München  bei  der  Einrichtung  der  Fortbildungskurse  zu 
Grunde  gelegt. 

Die  Nürnberger  Anträge,  zu  deren  Besprechung  ich  jetzt  über¬ 
gehe,  lauteten  ursprünglich: 

,,a)  Der  ärztliche  Bezirksverein  Nürnberg  hält  die  Bil¬ 
dung  unentgeltlicher  ärztlicher  Fortbildungskurse  in  Bayern 
unter  eventueller  Bildung  eines  bayerischen  Zentralkomitees 
für  notwendig. 

b)  Der  ärztliche  Bezirksverein  Nürnberg  hält  es  für  er¬ 
forderlich,  dass  sämtliche  bayerische  ärztliche  Bezirksvereine 
und  Aerztekammern  in  diesem  Jahre  mit  dieser  Frage  sich 
beschäftigen,  für  diese  Kui-se  eintreten  und  sich  einstimmig 
mit  der  Bitte  um  Einführung  an  die  bayerische  Regierung 

Auf  der  Konferenz  der  Vorsitzenden  der  Aerztekammeraus- 
schüsse  wurde  folgende  Fassung  angenommen,  mit  deren  Be¬ 
ratung  wir  uns  jetzt  zu  beschäftigen  haben: 


2117 


„Die  freiwillige  Einrichtung  ärztlicher  Fortbildungskurse 
in  Bayern  wird  von  sämtlichen  Kammervorsitzenden  als  not- 
■\\  endig  anerkannt  und  wird  empfohlen,  diese  Einrichtung 
je  nach  den  örtlichen  Verhältnissen  und  Bedürfnissen  ins 
Leben  zu  rufen.  Von  der  Errichtung  eines  Zentralkomitees 
sei  zunächst  abzusehen.“ 

Ls  dürfte  Sie  interessieren,  m.  IL,  zu  hören,  welche  Stellung 
der  ärztliche  Bezirksverein  München  bei  der  Beratung  der  ur¬ 
sprünglichen  Nürnberger  Anträge  eingenommen  hat.  Daraus 
können  Sie  am  besten  ersehen,  was  wir  für  notwendig  und  wün¬ 
schenswert  erachtet  haben. 

Bei  dem  grossen  öffentlichen  Interesse,  das  solche  Fortbil¬ 
dungskurse  haben,  glaubten  wir  in  erster  Linie  an  die  k.  Sta.ats- 
regierung  die  Bitte  um  eine  Art  Subvention  richten  zu  sollen, 
deren  Verwendung  nach  zweierlei  Richtungen  zu  geschehen  hätte 
Erstlich  nämlich  hätten  wir  an  die  k.  Staatsregierung  das  Er¬ 
suchen  gestellt,  sie  möge  uns  die  Benützung  der  Universitätsunter¬ 
richtsräume  gestatten,  die  Kosten  für  Heizung  und  Beleuchtung 
übernehmen  und  die  Lehrmittel  zur  Verfügung  stellen;  in  zweiter 
Linie  sollte  die  Subvention  für  auswärtige  Aerzte,  die  nur  mit 
grossen  Opfern  solche  Kurse  besuchen  können,  Verwendung 
linden,  so  dass  wie  bei  den  bakteriologischen  Kursen  der  einzelne 
eine  Art  Entschädigung  in  Form  einer  bestimmten  Geldsumme 
erhalten  würde.  Des  weiteren  hatten  wir  uns  für  zweierlei  Fort¬ 
bildungskurse  ausgesprochen,  fortlaufende  für  die  Aerzte  ir  den 
Städten,  in  welchen  Kurse  gehalten  werden,  und  solche  fü.  die 
Kollegen  auf  dem  Land,  die  dann  nach  Art  der  Ferienk  rsc 
3—4  Wochen  im  Semester  dauern  sollten. 

Leider  wurden  diese  Anregungen  in  der  Vorbesprechung  der 
Aerztekammervorsitzenden  nicht  zur  Annahme  vorgeschlagen 
und  so  liegt  jetzt  ein  Antrag  vor,  der  sich  gar  nicht  an  die 
k.  Staatsregierung  richtet,  sondern  nur  an  die  Aerzteseliaft  und 
somit  nach  meiner  Meinung  den  Zweck  nicht  erfüllt,  den  wir  beab- 
sichigt  hatten.  Ich  bedauere  daher  ganz  ausserordentlich,  dass 
wir  mit  unseren  Anschauungen  nicht  durchgedrungen  sind. 

Es  wird  nun  nichts  anderes  übrig  bleiben,  um  eine  möglichste 
Uebereinstimmung  der  Beschlüsse  zu  erzielen,  als  den  Nürnberger 
Antrag  in  der  vorliegenden  Form  anzunehmen  und  unsere  Modi¬ 
fikationen  dazu  im  nächsten  Jahr  als  Antrag  zu  bringen.  Die 
Stellung  der  k.  Staatsregierung  den  Fortbildungskursen  gegen¬ 
über  keunen  zu  lernen,  wäre  trotzdem  für  uns  sehr  erwünscht, 
wenn  auch  kein  Antrag  vorliegt.  Wir  würden  vielleicht  dann  auch 
eher  in  die  Lage  kommen,  alle  diejenigen  Mittel  und  Wege  kennen 
zu  lernen,  welche  erforderlich  sind,  um,  wenn  auch  erst  später, 
eine  werktätige  Teilnahme  der  k.  Staatsregierung  zu  erreichen. 
Ich  empfehle  Ihnen  die  Annahme  der  vorliegenden  Nürnberger 
Resolution. 

Nach  Eröffnung  der  Diskussion  bemerkt  Dr.  Grube  r, 
bei  der  Vorbesprechung  der  Aerztekammervorsitzenden  sei  die 
Auffassung  massgebend  gewesen,  dass  man  zunächst  gewisse  Er¬ 
fahrungen  sammeln  wolle,  um  auf  Grund  derselben  später  weiter¬ 
zubauen,  und  es  sei  auf  das  Prinzip  der  Freiwilligkeit  der  Fort- 
bildungskurse  und  auf  deren  Anpassung  an  die  örtlichen  Ver¬ 
hältnisse  und  Bedürfnisse  wesentliches  Gewicht  gelegt  worden; 
die  Resolution  wende  sich  nicht  ausschliesslich  an  die  Bezirks¬ 
vereine,  sondern  an  alle  ärztlichen  Korporationen,  welche  Fort¬ 
bildungskurse  einrichten  wollen. 

Bei  der  Abstimmung  wird  die  Resolution  in  der  vor¬ 
geschlagenen  Fassung  einstimmig  angenommen. 

VII.  Antrag’  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  be¬ 
treffend  Errichtung  von  Leichenhäusern  und  Einführung  des 
Leichenhauszwanges  auf  dem  Lande. 

Dr.  Roth:  Während  man  noch  vor  50  Jahren  den  Vorteil 
der  Leichenhäuser  hauptsächlich  in  der  Verhütung  des  Schein¬ 
todes  und  des  Lebendigbegrabenwerdens  erblicken  zu  müssen 
glaubte  *),  legt  die  neuere  Zeit  das  Schwergewicht  der  Gründe  auf 
die  Erleichterung  der  Durchführung  einer  regelmässigen  zwei¬ 
maligen  Leichenschau,  auf  die  Verhütung  der  Weiterverbreitung 
ansteckender  und  übertragbarer  epidemischer  Erkrankungen,  auf 
die  Erleichterung  der  Vornahme  von  Leichenöffnungen  zu  wissen¬ 
schaftlichen  und  gerichtlichen  Zwecken  und  auf  die  Vermeidung 
der  belästigenden,  ekelerregenden,  mitunter  sogar  gefährlichen 
TJebelstände,  welche  die  Aufbahrung  der  verwesenden  Leichen  in 
oftmals  beengten  und  mit  Menschen  überfüllten  Wohnungen 
naturgemäss  im  Gefolge  haben  muss,  um  damit  die  Notwendig¬ 
keit  der  Errichtung  von  Leichenhäusern  zu  begründen. 

Die  Einsicht,  dass  das  Leichenhaus  als  eine  unerlässliche  For¬ 
derung  eines  sanitätspolizeilich  wohl  geregelten  Leichenwesens  zu 
erachten  ist,  hat  in  Bayern  dank  der  förderlichen  Anregungen  der 
hohen  Staatsregierung  und  der  Verwaltungsbehörden  im  Ver¬ 
gleiche  zu  anderen  deutschen  Staaten  früh  breitere  Volksschichten 
durchdrungen.  Eine  grössere  Anzahl  der  bayerischen  Stadt¬ 
gemeinden  hatte  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahr¬ 
hunderts  allen  hygienischen  Anforderungen  entsprechende  Leichen¬ 
hallen  erbaut  und  neuerdings  finden  sich  nicht  allein  in  den 
Städten,  sondern  auch  vielfach  schon  in  kleineren  Marktgemeinden 
und  selbst  auf  Dörfern  Leichenhäuser  vor.  Dämmer  sagt  in 
seinem  Handbuche  der  Gesundheitspflege,  dass  das  Leichenhallen¬ 
wesen  am  einheitlichsten  in  den  Städten  Bayerns  ausgebildet  sei. 

Um  mir  aber  zur  Beurteilung  der  vorwürfigen  Frage  noch 
genauere  Unterlagen  zu  verschaffen,  habe  ich  die  bisher  in  dem 


*)  Vergl.  Bd.  I  der  Generalsanitätsberichte  für  das  König¬ 
reich  Bayern  für  das  Jahr  1857/59. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


No.  50. 


2118 


Zeitraum  von  i  857  bis  1900  erschienenen  31  Bünde  der  General¬ 
berichte  über  die  Sanitäts  Verwaltung  im  Königreiche  Bayern 


durchg 

;esehen  und  hiebei 

gef  linde 

n,  dass 

I.  in 

Oberbayern  .  .  . 

.  110  1 

V.  in 

der  Oberpfalz  . 

44 

II.  „ 

Unterfranken  .  . 

.  59 

vi.  „ 

Niederbayern  . 

39 

HI.  „ 

Mittelfranken  .  . 

.  49 

VIT.  „ 

Oberfranken  . 

37  und 

IV.  „ 

Schwaben  .  .  . 

.  49 

VIII.  „ 

der  Kheinpfalz 

10 

Leichenhäuser  bestehen. 


Im  ganzen  wurden  bis  zum  Jahre  1900  im  Königreiche 
Bayern  397  Leichenhallen  erbaut. 


Die  Verteilung  der  Leichenhäuser  auf  die  einzelnen  Re- 
gierungsbezirke  ist,  wie  die  vorstehenden  Zahlen  ersehen  lassen, 
eine  recht  ungleiehmässige  und  tritt  diese  Ungleichmässigkeit 
noch  schärfer  hervor,  wenn  man  die  Zahl  der  Einwohner,  auf 
welche  .je  1  Leichenhaus  entfällt,  in  Berechnung  zieht. 


I. 

II. 

III. 

IV. 
V. 

VI. 

VII. 

endlich  VIII. 


in 


Unterfranken 
Oberbayern 
der  Oberpfalz 
Schwaben 
Oberfranken 
Mittelfranken 
Niederbayern 
der  Rheinpfalz 


trifft  auf 


1 1  029 

12  039 
12  587 
14  969 
16  424 

16  646 

17  399  und 
83  153 


Einivohner  eine  Leichenhalle. 


Im  Mittel  entfällt  in  Bayern  auf  IG  000  Einwohner  ein 
Leichenhaus. 

Höchst  auffallend  ist  die  spärliche  Zahl  der  Leichenhäuser 
in  der  Rheinpfalz,  während  man  dort,  wie  in  keinem  anderen 
Kreise  Bayerns  schon  seit  den  G0  er  J  ahren  des  abgelaufenen 
Jahrhunderts  auf  das  eifrigste  bestrebt  war,  die  Kirchhöfe  ausser¬ 
halb  der  betreffenden  Orte  zu  verlegen  und  Friedhoferweiterungen 


vorzunehmen. 

Manche  Verwaltungsbezirke  entbehren  heute  noch  eines 
Leichenhauses,  so  z.  B.  Bogen  und  Viechtach.  In  anderen  findet 
sich  nur  1  Leichenhaus,  so  in  Landsberg,  Ebermannstadt,  in  Wolf¬ 
stein.  In  Wolfstein  wird,  wie  dem  Generalsanitätsberichte  pro 
1900  zu  entnehmen  ist,  auch  dieses  eine  Leichenhaus  nie  benützt. 


Im  Jahre  1889  traf  auf  dem  Lande  durchschnittlich  nur 
1  Leichenhaus  auf  34  Gemeinden.  Dieses  Verhältnis  dürfte  bis 
heute  keine  wesentliche  Veränderung  erfahren  haben  und  ist  also 
die  Zahl  der  auf  dem  Lande  vorhandenen  Leichenhäuser  im  all¬ 
gemeinen  gering. 

Manche  Verwaltungsbezirke  entbehren  heute  noch  eines 
Leielienhauses ;  in  Berchtesgaden  kam  die  seit  90  Jahren  geplante 
Erbauung  eines  solchen  erst  im  Jahre  98,  nachdem  in  amtsärzt¬ 
lichem  Gutachten  auf  das  dringlichste  auf  die  Notwendigkeit  hin¬ 
gewiesen  worden  war,  zu  stände. 

Die  Verhältnisse  bezüglich  der  Verteilung  der  Leichenhäuser 
sind  also  im  Königreiche  Bayern,  wie  schon  gesagt,  sehr  ungleick- 
mässige. 

Der  Mangel  an  Leichenhäusern  macht  sich  naturgemäss  weit 
mehr  bei  den  kleineren  Landorten  geltend  als  in  den  märktischen 
und  städtischen  Gemeinden  und  zielt  der  Antrag  des  ärztlichen 
Bezirksvereines  Nürnberg  wohl  in  der  Hauptsache  darauf  ab,  eine 
Vermehrung  der  Leichenhäuser  auf  dem  Lande  zunächst  herbei- 
zuführen. 

Auf  dem  Lande  spielen  Verhältnisse  herein,  die  nicht  uner¬ 
wähnt  bleiben  können. 

Während  in  der  Rheinpfalz  schon  im  Jahre  78  nur  wenige 
Friedhöfe  mehr  innerhalb  der  bebauten  Wohnplätze  gelegen  waren 
und  seitdem  wohl  ausnahmslos  hinaus  verlegt  wurden,  trifft  man 
in  Ober-  und  Niederbayern  und  vor  allem  in  Schwaben  mit  seinen 
vielen  kleinen  Pfarreien  häufig,  ja  fast  allenthalben  den  Kirch¬ 
hof,  wie  schon  der  Name  besagt,  um  die  Kirche  herum  angelegt. 
Im  Jahre  1879  befanden  sich  in  Mittelfranken  noch  41  Proz.  der 
Friedhöfe  innerhalb  der  Wohnorte.  84  Proz.  derselben  waren  in 
einer  Entfernung  von  weniger  als  50  Metern  von  Wohnungen  und 
Brunnen  gelegen.  In  der  Oberpfalz  ist  die  Lage  des  Friedhofes 
um  die  Dorfkirche  herum  heute  noch  die  gewöhnliche. 

Nicht  selten  sind  diese  Kirchhöfe  beengt  und  von  Gebäuden 
umgeben,  die  vielfach  sogar  an  die  Friedhofmauern  angebaut  sind 
(Pfarrhöfe,  Schulhäuser).  In  einem  Falle  habe  ich  das  echt  länd¬ 
liche  Idyll  gesehen,  dass  ein  Kuhstallfenster  fast  in  gleicher  Höhe 
mit  dem  Erdboden  unmittelbar  bei  einer  Grabstätte  in  der  Fried¬ 
hofmauer  nach  dem  Kirchhof  zu  mündete  (Gaissach). 


Die  historische  Tradition,  die  Macht  der  Gewohnheit,  Rück¬ 
sichten  der  Pietät,  finanzielle  Notlage  der  politischen,  der  Sepultur- 
gemeinden,  der  Kirchenstiftungen,  die  Rücksichten  auf  die  Be¬ 
quemlichkeit  der  Geistlichen,  Volksschullehrer,  Kantoren  und 
Messner,  die  Rücksichten  auf  die  Geschäftsinteressen  der  Gewerbe¬ 
treibenden.  insbesondere  der  Wirte  und  Krämer,  und  nicht  zum 
mindesten  das  so  häufig  mangelnde  Interesse  an  hygienisch  und 
sanitätspolizeilich  wichtigen  Fragen  seitens  der  Geistlichen,  der 
Lehrer,  der  Landbürgermeister  und  sonstiger  mit  Führung  öffent¬ 
licher  Angelegenheiten  betrauter  Persönlichkeiten  sind  gewöhnlich 
die  Hemmnisse,  welche  die  häufig  wünschenswerte  Verlegung  der 
Friedhöfe  ausserhalb  der  bewohnten  Orte  in  Altbayern,  Schwaben 
und  Franken  nicht  zu  stände  kommen  lassen. 

Und  mit  dieser  Frage  der  Neuanlage  eines  Friedhofes  fällt 
für  gewöhnlich  auf  dem  Lande  auch  die  Frage  der  Erbauung  eines 
Leichenhauses  zusammen. 

Ein  Beispiel  schwierig  gestalteter  Verhältnisse  bietet  Berchtes¬ 
gaden  dar.  Dortselbst  gehört  der  bis  zum  Jahre  180G  zwischen 


Plärr-  und  Stiftskirche  gelegene  und  dann  auf  den  sog.  Anger 
zum  Franziskanerkloster  verlegte  geräumige  Friedhof  7  politischen 
Gemeinden  als  Sepulturgemeinde.  Infolge  der  grossen  Verkehrs¬ 
steigerung  und  der  dadurch  geweckten  Bautätigkeit  hat  sich 
Berchtesgaden  so  sehr  ausgedehnt,  dass  der  Friedhof  heute  als 
mitten  im  Orte  gelegen  betrachtet  werden  kann.  Die  Frage  der 
Erbauung  eines  Leichenhauses  wurde  schon  bald  nach  dem  Jahre 
1800  von  dem  damaligen  Landgerichte  angeregt.  Obgleich  die 
Sepulturgemeinde  nicht  mittellos  war  und  die  sanitären  Verhält¬ 
nisse  auf  das  Aeusserste  drängten,  so  war  es  doch  noch  am  Ende 
des  abgelaufenen  Jahrhunderts  unmöglich,  die  Sepulturgemeinde 
zur  Erbauung  eines  Leichenhauses  auf  dem  übergrossen  Areal 
des  Friedhofes  zu  bewegen.  Die  Marktgemeinde  Berchtesgaden 
musste  ein  angrenzendes  Grundstück  ankaufen,  um  auf  diesem 
Platze,  der  nunmehr  durch  teilweise  Niederlegung  der  Friedhof- 
mauer  mit  dem  Friedhofe  verbunden  ist,  ein  Leichenhaus  zu  er¬ 
bauen.  Das  Leichenhaus  gehört  also  nicht  der  Sepulturgemeinde 
und  nicht  zum  Friedhofe,  sondern  es  ist  quasi  ein  Privatinstitut 
der  Marktgemeinde.  Die  Verlegung  des  Friedhofes  wurde  schon 
unter  meinem  Amtsvorgänger  im  Jahre  1891  energisch  betrieben; 
erfolglos.  Ohne  Aufteilung  der  Sepulturgemeinde  wird  die  wich¬ 
tige  Frage  eine  Lösung  nicht  finden  können,  und  ist  der  Zeitpunkt 
kaum  abzusehen,  wo  auf  ein  bereitwilliges  und  verständnisvolles 
Entgegenkommen  der  kirchlichen  Behörde  und  auf  Verleugnung 
kleinlicher  Geschäftsinteressen  seitens  der  Bürger  des  Marktes  zu 
rechnen  ist.  Bei  dem  hohen  Werte  eines  in  dem  verkehrsreichsten 
Teile  des  Ortes  gelegenen  Grundstückes  wird  auch  mit  finanziellen 
Schwierigkeiten  zu  rechnen  sein. 

Kaum  ein  anderer  Gegenstand  der  öffentlichen  Wohlfahrt 
bietet  dem  erfolgreichen  Eingreifen  der  Verwaltungsbehörde  und 
des  Medizinalbeamten  so  viele  Schwierigkeiten  dar,  als  das  Beerdi¬ 
gungswesen. 

Auf  Herkommen  und  örtlichen  Brauch  soll  geachtet,  Pietät 
und  religiöse  Gefühle  müssen  geschont  werden,  die  Gemeinden 
sollen  keine  neuen  Belastungen  mit  Schulden  erfahren,  und  so 
werden,  handelt  es  sich  einmal  um  eine  Friedhofverlegung  oder  um 
die  Erbauung  eines  Leichenhauses  auf  dem  Lande,  hunderterlei 
Bedenken  von  den  Gegnern  des  Projektes  geltend  gemacht,  die 
häufig  genug  zu  erbittertem  Meinungsaustausche  und  zu  Spal¬ 
tungen  führen. 

Wo  nun  aber  ein  Leichenhaus  vorhanden  ist,  da  sollte  man 
meinen,  Hesse  sich  der  obligatorische  Leichenhauszwang  ohne 
weiteres,  ohne  Schwierigkeiten  durchführen. 

In  dem  Verwaltungsbezirke  Berchtesgaden  ist  für  die  Orte 
Reichenhall,  Berchtesgaden  und  Schellenberg  die  obligatorische  Be 
nützung  des  Leichenhauses  durchgeführt,  und  ich  will  nicht  un¬ 
erwähnt  lassen,  dass  speziell  in  Berchtesgaden  die  Durchführung 
der  diesbezüglich  erlassenen  ortspolizeilichen  Vorschrift  vor 
2  Jahren  nicht  dem  leisesten  Widerspruche  der  Einwohner  des 
Marktes  begegnete. 

Die  Landgemeinden  wollen  aber  von  einer  obligatorischen  Be¬ 
nützung  des  Berchtesgadener  Leichenhauses  hauptsächlich  deshalb 
nichts  wissen,  weil  die  Kosten  der  Beerdngung  hierdurch  schein¬ 
bar  erhöht  würden.  Die  Kosten  des  Leichentrunkes  zieht  der 
Bauer  nicht  in  Rechnung.  Der  Magistrat  Berchtesgaden  anderer¬ 
seits  verwahrt  sich  gegen  die  obligatorische  Leiclienhausbeniitzung 
seitens  der  Landgemeinden.  Bei  der  zentralen  Lage  des  Leichen¬ 
hauses  möchte  es  vom  sanitätspolizeilichen  Standpunkte  aus  sogar 
fraglich  erscheinen,  ob  die  obligatorische  Benützung  des  Leichen¬ 
hauses  seitens  der  G  Landgemeinden  unter  allen  Umständen  wün¬ 
schenswert  wäre. 

Zu  verwundern  aber  ist  es,  dass  selbst  eine  Stadt  wie  Pir¬ 
masens  noch  im  Jahre  1899  die  obligatorische  Benützung  ihres 
Leichenhauses  ablehnte. 

Nach  der  Lage  unserer  Gesetzgebung  und  der  bestehenden 
Verordnungen  steht  es  nicht  in  der  Macht  der  Behörden,  in  diesen 
Fragen  zwangsweise  vorzugehen. 

Dass  Bayern  auf  dem  fraglichen  Gebiete  weit  vorgeschritten 
ist,  andererseits  aber  in  Bezug  auf  die  Lage  der  Friedhöfe,  Er¬ 
bauung  und  Benützung  von  Leichenhäusern  noch  viele  eigenartige 
und  vielgestaltige  Verhältnisse  darbietet,  habe  ich  in  vorstehenden 
Ausführungen  in  tunlichster  Kürze  dargelegt.  Die  Generalberichte 
über  die  Sanitätsverwaltung  des  Königreiches  lassen  ersehen,  dass 
vieles  zur  Besserung  der  einschlägigen  Verhältnisse  den  neuzeit¬ 
lichen  Forderungen  entsprechend  teils  geschehen  ist,  teils  noch 
im  Werke  steht. 

Ob  der  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  wel¬ 
cher  auf  zwangsweise  Errichtung  von  Leichenhäusern  und  all¬ 
gemeine  obligatorische  Benützung  der  Leichenhäuser  abzielt,  zu 
wesentlicher  Beschleunigung  der  Durchführung  des  angestrebten 
Zieles  führen  wird,  mag  wohl  zu  bezweifeln  sein. 

Immerhin  entspricht  der  Antrag  sowohl  den  Intentionen  der 
hohen  Staatsregierung  und  den  Interessen  der  öffentlichen,  im 
Punkte  des  Leichenwesens  noch  an  vielen  Orten  stark  vernach¬ 
lässigten  Interessen  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  und  in 
diesem  Sinne  erlaube  ich  mir,  die  Annahme  des  Antrages  der 
Aerztekammer  zu  empfehlen,  und  zwar  in  der  Fassung,  dass  die  all¬ 
gemeine  Errichtung  von  Leichenhäusern  und  die  tunlichst  allge¬ 
meine  Einführung  des  Leichenhauszwanges  auch  auf  dem  Lande 
als  wünschenswert  zu  erachten  ist. 

Der  Antrag  wird  ohne  Diskussion  einstimmig  a  n  g  e  - 
n  o  m  m  e  n. 


16.  Dezember  1902. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


2119 


d®s  ständigen  Ausschusses  der  oberbayerischen 
und  mittelfrankischen  Aerztekammer,  sowie  der  ärztlichen  Be¬ 
zirksvereine  München  und  Nürnberg,  betreffend  die  Errichtung 
eines  Lehrstuhles  für  Homöopathie. 


der 

Lehrauftrag  für 


Lr.Iv  recke:  Die  bayerische  Kammer  der  Abgeordneten 
liat  am  2i.  Mai  einem  Antrag  zugestimmt,  nach  welchem  eine  Pro¬ 
fessur  für  Homöopathie  in  Bayern  errichtet  werden  soll.  Die 
Kammer  der  Reichsräte  ist  diesem  Beschluss  beigetreten,  nachdem 
damalige  Kultusminister  sich  nicht  abgeneigt  zeigte,  einen 
Homöopathie  zu  erteilen. 

„  wissen,  m.  II.,  dass  von  seiten  der  medizinischen  Pakul¬ 

taten  sowohl,  wie  von  seiten  der  Medizinalverwaltung  gegen  den 
Plan  der  homöopathischen  Professur  energisch  Protest  eingelegt 
ist.  T  or  allen  Dingen  wird  Ihnen  das  ausgezeichnete  Referat  von 
Kunkel,  das  in  streng  sachlicher  TV  eise  das  Widersinnige  in 
den  homöopathischen  Lehren  nachweist,  bekannt  geworden  sein. 
Trotz  dieser  Proteste  ist  der  obige  Beschluss  gefasst,  und  damit 
die  Gefahr  einer  homöopathischen  Professur  uns  erheblich  näher 
gerückt.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  gewiss  an  der  Zeit,  dass 
auch  wir  Aerzte  in  unserer  staatlichen  Standesvertretung  energisch 
Protest  gegen  den  Beschluss  beider  Kammern  einlegen.  Wir  rich¬ 
ten  an  das  hohe  Staatsministerium  die  Bitte,  diesem  Anträge  der 
beiden  Körperschaften  nicht  zu  willfahren. 


Es  könnte  ja  leicht  jemand  uns  einwerfen,  dass  eine  Lehre, 
welche  die  völlige  Unwissenschaftlichkeit  auf  der  Stirne  ge¬ 
schrieben  trägt,  sich  an  unseren  Universitäten  nicht  halten  könnte, 
nnd  dass  sie  vor  dem  streng  wissenschaftlichen  Geist,  der  an 
unseren  Hochschulen  herrscht,  alsbald  in  der  Versenkung  ver¬ 
schwinden  aa  ürde.  Es  Avüre  somit  das  beste,  sich  gegen  eine 
solche  Professur  nicht  weiter  zu  sträuben  und  ihr  so  die  Möglich¬ 
keit  zu  geben,  sich  selbst  ihr  Grab  zu  graben.  Darauf  muss  man 
nun  doch  erwidern,  dass  in  der  kurzen  Zeit  des  Bestehens  eine 
solche  Professur  doch  manches  Unheil  anrichten,  und  dass  manches 
junge  Studentenhirn  von  dem  Wege  der  strengen  Avissenschaft- 
lichen  Forschung  abgelenkt  und  auf  die  Irrwege  der  spekulativen 
Phantastereien  getrieben  werden  könnte.  Darum  soll  ein  solcher 
Versuch  im  Keime  erstickt  werden. 


Die  Avissenscliaf fliehen  Vertreter  der  Homöopathie  selbst 
haben  gar  kein  Interesse  an  der  Errichtung  eines  solchen  Lehr¬ 
stuhles.  Einer  derselben,  Sperling  in  Berlin,  hat  sogar  ener¬ 
gisch  daAron  abgeraten.  Die  Bewegung  für  die  Professur  geht, 
wunderbarer  Weise  mehr  a*ou  den  Laien  aus,  und  das  wird  uns 
dadurch  verständlich,  dass  nach  den  Lehren  Hahne  m  anns 
jeder  Laie  im  stände  sein  soll,  homöopathisch  zu  kurieren.  Ge¬ 
rade  in  den  allerhöchsten  Kreisen  haben  diese  Lehren  viele  An¬ 
hänger  gezüchtet,  und  AAie  gross  deren  Machtsphäre  schon  ist,  das 
haben  Sie  ja  aus  den  Kammerverhandlungen  deutlich  ersehen 
können. 

Die  Gründe,  die  Avir  Aerzte  gegen  die  Professur  für  Homöo¬ 
pathie  anzuführen  haben,  sind  atou  unserem  Arerehrten  Kollegen 
Meyer  in  Fürth  in  ausgezeichneter  Weise  klargelegt  und  Ihnen 
allen  zugänglich  gemacht  Avorden.  Es  könnte  mir  daher  genügen, 
dass  ich  hier  einfach  auf  den  Aufsatz  Meyers  verweise.  Bei 
der  Wichtigkeit  der  Sache  möchte  ich  aber  doch  die  Hauptpunkte 
desselben  in  einigen  kurzen  Sätzen  zusammenstellen,  indem  ich 
gleichzeitig  auch  einiges  andere,  das  mir  noch  bemerkenswert 
erscheint,  hinzufüge. 

1.  Die  Grundsätze  der  homöopathischen  Lehre  widersprechen 
vollständig  den  Erfahrungen  der  exakten  naturwissenschaftlichen 
Forschung. 

Diese  Grundsätze  sind: 

„1.  Die  Krankheiten  sind  dynamische  Verstimmungen  der 
reinen  geistigen  Lebenskraft. 

2.  Die  Ursachen  der  Krankheit  sind  nicht  materiell,  ihr  Wesen 
ist  unerforschlich.  Erkennbar  sind  für  uns  nur  die  Symptome. 

3.  Eine  Heilung  der  Krankheit  durch  die  Lebenskraft  findet 
nicht  statt. 

4.  Die  Kraft  der  meisten  Arzneistoffe  kann,  wenn  sie  flüssig 
sind,  durch  Schütteln,  und  Avenn  es  trockene  Dinge  sind,  durch 
Reiben  in  ausserordentlicher  Weise  gesteigert  werden.  Die  Steige¬ 
rung  geht  so  Aveit,  dass  selbst  Substanzen,  in  denen  man  Jahr¬ 
hunderte  lang  keine  Arzneikraft  wahrnehmen  konnte,  auf  diese 
Weise  eine  erstaunliche  Kraft  auf  das  Befinden  des  Menschen  ent¬ 
falten.  In  vielen  Fällen  genügt  es  sogar,  an  den  A'erdünnten 
Mitteln  nur  zu  riechen,  selbst  Avenn  dieselben  gar  nicht  flüchtig 
sind  oder  keinen  Geruch  haben. 

;">.  Von  der  Anatomie  braucht  man  nur  das  notwendigste  zu 
wissen.  Pathologie,  Sektionsausführungen  sind  überflüssig.  Jeder 
Laie  kann  sich  an  der  Heilkunde  beteiligen.“ 

Auf  diesen  Grundlehren  beruhen  bekanntlich  die  Hauptsachen 
der  homöopathischen  Behandlung,  nämlich  das  Aehnlichkeit.s- 
gesetz,  die  Arzneiprüfung  an  Gesunden  und  die  homöopathische 
Dosenlehre. 

Eine  oberflächliche  Prüfung  der  homöopathischen  Lehre  muss 
schon  den  völligen  Widerspruch  derselben  gegen  alle  Gesetze  der 
Natur  erweisen.  Es  heisst  doch  einfach  alle  Ergebnisse  einer 
exakten  Beobachtung  beugen,  Avenn  man  sagt,  dass  das  Wesen  der 
Krankheit  nicht  materiell  sei,  dass  all  die  wunderbaren  segens¬ 
reichen  Entdeckungen  der  Pathologie  und  der  Hygiene  für  nichts 
zu  achten  seien,  dass  die  Krankheit  nur  an  den  Symptomen  er¬ 
kannt  werden  könnte,  dass  es  eine  Naturheiluug  nicht  gäbe,  dass 
durch  Schütteln  und  Reiben  die  Kraft  der  Arznei  gesteigert 
A\rerden  könnte,  dass  eine  dezillionstel  Verdünnung  noch  eine  Wir¬ 
kung  entfalten  könne,  dass  der  Niesreiz,  der  48  Tage  nach  der 


Einnahme  von  Bärlappsamen  auftritt,  noch  als  Wirkung  dieses 
Mittels  bezeichnet  Averden  könnte. 

Das  ist  ja  alles  so  absolut  uuAvissenscliaftlich,  dass  es  eine 
seltsame  Zumutung  darstellt,  überhaupt  noch  eine  Diskussion 
dieser  Fragen  zu  verlangen.  Zu  bewundern  ist  die  Geduld  der 
Männer,  die  sich  zu  einer  objekthreu  Widerlegung  dieser  Dinge  be¬ 
reit  gefunden  haben. 

II.  Die  angeblichen  Erfolge  der  Homöopathie  können  nicht  auf 
das  homöopathische  Heilverfahren  als  solches  zurückgeführt  wer- 
den.  sondern  ergeben  sich  dem  denkenden  Arzte  aus  denselben 
Gründen,  die  für  die  Erfolge  so  vieler  anderer  Heilmethoden  an¬ 
zuschuldigen  sind:  aus  der  Heilkraft  der  Natur  und  aus  der  Macht 
der  Suggestion. 

III.  Es  ist  völlig  ausgeschlossen,  dass  die  Homöopathie  in 
Bezug  auf  Heilung  der  Krankheit  beser  und  schnellere  Erfolge 
hätte  als  die  Avissenschaftliehe  Medizin.  Herr  Dr.  Becker  hat 
nachgewiesen,  dass  die  durchschnittliche  Behandlungsdauer  im 
homöopathischen  Spital  München  während  der  letzten  2  Jahre 
G5  Tage  beträgt  gegen  22  Tage  im  Krankenhaus  1/1.,  der  Prozent¬ 
satz  der  Todesfälle  6,6  Proz.  und  10,5  Proz.  gegen  5  Proz.  im 
Krankenhause  1/1. 

IV.  Es  ist  grundfalsch,  die  wissenschaftliche  Medizin  als 
Allopathie  zu  bezeichnen.  Die  Avissenschaftliehe  Medizin  gründet 
ihre  Behandlung  auschliesslich  auf  eine  sorgfältige  Beobachtung 
und  nimmt  alle  Methoden  an,  die  einer  genauen  Forschung  stand 
halten. 

V.  Es  zeigt  von  einer  vollkommenen  Verkennung  der  Tat¬ 
sachen,  wenn  die  Homöopathie  die  Serumbehandlung  und  die 
Schilddrüsenbehandlung  als  auf  homöopathischen  Grundlagen  be¬ 
ruhend  hinstellt.  Gesetzt  aber  auch,  diese  Methode  könnte  wirk¬ 
lich  als  homöopathische  bezeichnet  werden,  ein  Verdienst,  dieselbe 
entdeckt  zu  haben,  hat  die  Homöopathie  jedenfalls  nicht.  Wie 
überhaupt  die  Homöopathie  an  all  den  grossen  Fortschritten  der 
Medizin  im  letzten  Jahrhundert  A-öllig  unschuldig  ist! 

T  I.  Die  grossen  Erfolge  der  Homöopathie  bei  ihrer  Einführung 
sind  zurückzuführen  auf: 

1.  Den  mangelhaften  Zustand  der  damaligen  Heilwissenschaft, 
die  bei  allen  möglichen  spekulativen  Theorien  den  Menschen  und 
die  Krankheit  ganz  aus  den  Augen  -  verloren  hatte;  2.  auf  die 
grosse  suggestive  Wirkung;  3.  auf  das  dem  Laien  eingeräumte 
Hecht,  selbst  zu  behandeln  und  zu  kritisieren. 

VII.  Tn  schweren  Fällen  greifen  die  homöopathischen  Aerzte 
ganz  gerne  zu  den  verpönten  Dosen  der  Allopathen. 

VIII.  Die  sogen.  Verdünnungen  enthalten  oft  gar  nichts  von 
dem  Medikament,  sondern  sind  auschliesslich  Verdünnungen  atoh 
Spiritus. 

Die  Errichtung  einer  homöopathischen  Professur  würde 
in  den  Köpfen  der  jungen  Studenten  die  grösste  Verwirrung  an¬ 
richten,  da  in  den  Vorlesungen  der  Homöopathie  alle  Grundlehren 
der  Chemie  und  Physik  vollkommen  verdreht  werden. 

X.  Auch  für  die  approbierten  Aerzte  würde  die  Professur 
eine  grosse  Gefahr  bedeuten,  da  sie  sehr  leicht  von  dem  für  den 
Arzt  allein  gangbaren  Wege  der  gewissenhaften  Forschung  und  Be¬ 
obachtung  abgelenkt  Averden  könnten. 

M.  H.!  Der  frühere  Kultusminister  hat  während  der  Kammer- 
a  e i  ha n diu n ge n  ausgeführt,  dass  man  eine  Idee,  die  zweifellos  viel 
Anhänger  im  Volke  habe,  nicht  abAveisen  dürfe,  um  so  mehr,  als 
die  Sache  dem  Staate  nicht  viel  Mittel  kosten  würde.  Es  ist  schon 
Aron  verschiedenen  Seiten  dem  entgegengehalten  Avorden,  dass  man 
mit  demselben  Rechte  dann  auch  eine  Professur  für  Reibesitzbäder, 
liir  Lehmbehandlung,  für  A  s  t  sclies  Heilverfahren  einrichten 
müsse.  Was  würden  denn  die  Herren  Juristen  sagen.  Avenn  man 
eine  Professur  für  die  Veranstaltung  ATon  Haberfeldtreiben  er¬ 
richten  Avollte,  da  ja  doch  die  Idee  des  Haberfeldtreibens  Ariele  An¬ 
hänger  im  Volke  habe!  Die  Homöopathie  ist  ebenso  wenig  eine 
Wissenschaft,  wie  die  Methode  Aron  Ast,  Kühne  und  wie  die 
sonderbaren  Heiligen  alle  heissen.  Oder  kann  man  das  eine 
Wissenschaft  nennen,  die  zur  Begründung  des  Aehnliclikeitsge- 
setzes  folgende  Tatsachen  anführt?  „Feuer  heilt  das  Feuer:  die 
Indianer  schützen  sich  gegen  die  Prairiebrände  durch  Entfachen 
gleichen  Brandes;  den  Brennschmerz  der  Brandwunde  A-erniehtet 
das  Halten  der  Wundstelle  ans  Feuer.  Frost  heilt  den  Frost;  der 
Schnee  heilt  die  erfrorene  Nase,  die  Zitronensäure  das  erfrorene 
Ohr.  Der  die  Wunde  schlug,  Avird  die  Wunde  heilen,  als  Ausspruch 
des  delphischen  Orakels.“  (Bericht  des  homöopathischen  Spitals 
München  1901.) 

Es  ist  rnüssig  gegen  Solche  naive  Deutungen  zu  streiten. 
Wer  so  viel  Phantasie  und  mystische  Neigungen  besitzt,  dass  er 
mit  solchen  Dingen  sich  begnügt,  der  soll  damit  glücklich  sein. 
Von  unseren  Universitäten  aber,  die  auf  allen  Gebieten  die  Leuchte 
der  Wissenschaft  hell  und  rein  zu  erhalten  haben,  Avollen  Avir 
solche  Lehren  fernhalten.  Dort  soll  allein  gepflegt  werden,  AAras 
in  strenger,  ernster  Forschung  der  Natur  abgelauscht  werden 
kann.  Für  die  Wissenschaft  gibt  es  nur  ein  Kriterium:  die  Wahr¬ 
heit.  TVo  sie  untergeht,  da  ist  auch  bald  das  Ende  jeder  Kultur 
nicht  mehr  weit.  Unser  Goethe  hat  auch  hier  das  richtige  Wort 
gefunden,  indem  er  seinen  Mephisto  sagen  lässt: 

„Verachte  nur  Vernunft  und  Wissenschaft, 

Der  Menschen  allerhöchste  Kraft  — 

So  hab  ich  dich  schon  unbedingt! 

Ich  bitte  Sie,  den  vorliegenden  Antrag  anzunehmen,  der 
lautet: 

„A  n  die  k.  S  t  a  a  t  s  r  e  g  i  e  r  u  n  g  die  Bitte  zu 

richten,  dass  dem  Beschlüsse  de  r  A  b  geord¬ 
neten-  und  Reichs  ratska  in  m  e  r  f  ü  r  E  rric  h  - 


2120 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


No.  50. 


tung  eines  homöopathischen  Lehrstuhles 
(ine  Folge  nicht  g  e  g  e  b  e  n  w  e  r  d  e.“ 

I>r.  Becker  weist  darauf  hin,  dass  der  Urheber  des  Be¬ 
schlusses  der  Abgeordnetenkammer  selbst  Anhänger  der  Homöo¬ 
pathie  sei,  schon  bei  wiederholten  Gelegenheiten,  namentlich  zu¬ 
letzt  bei  der  ärztlichen  Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  sich 
als  ausgesprochener  Aerztegeguer  gezeigt  habe  und  es  daher  ver¬ 
ständlich  sei.  wenn  er  seinen  Antrag  auf  Errichtung  einer  homöo¬ 
pathischen  Professur  neuerdings  wiederholt  und  sich  mit  nichts¬ 
sagenden  Gründen  über  die  sachverständigen  Gutachten  der  medi¬ 
zinischen  Fakultäten  und  des  obersten  Medizinalreferenten  hin¬ 
wegsetzt.  Schwerer  schon  sei  es  verständlich,  dass  sich  in  den 
beiden  gesetzgebenden  Körperschaften,  trotz  einer  scharfen  Kritik, 
eine  Majorität  für  den  Antrag  v.  Landmann  gefunden  habe. 
Bedauerlich  jedoch  sei  die  Stellungnahme  des  Kultusministers 
gewesen.  Der  Glanz  und  das  Ansehen  unserer  höchsten  Bildungs¬ 
anstalten  würden  bald  vernichtet  seiu.  wenn  bei  der  Errichtung 
von  Univers  tiitsprofessuren  das  den  Ausschlag  gebe,  dass  die 
Idee  manche  Anhänger  im  Volke  habe  und  die  Durchführung  dem 
Staate  wenig  Mittel  koste. 

Bei  der  nunmehr  erfolgenden  Abstimmung  wird  der  A  n  - 
trag  einstimmig  angenommen. 

IX.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  oberbayerischen 
Aerztekammer,  Dienstanweisung  für  die  amtlichen  Aerzte  betr. 

Dr.  L  i  m  m  e  r:  Der  ständige  Ausschuss  hat  den  Antrag  an  die 
Aerztekammer  gestellt : 

„Es  sei  an  die  k.  Staatsregierung  die 
Bitte  um  Erlassung  einer  Dienstanweisung 
für  die  bayerischen  amtlichen  Aerzte  zu 
richte  n.“ 

Ich  kann  denselben  in  Kürze  folgendermassen  begründen:  Seit 
dem  organischen  Edikte  vom  S.  September  1S0S  wurde  in  Bayern 
keine  Dienstanweisung  für  die  Amtsärzte  erlassen.  Die  in  §  12 
dieses  Ediktes  in  Aussicht  gestellten  Instruktionen  über  die- 
Hechte,  Pflichten  und  Obliegenheiten  der  Amtsärzte  sind  nicht  zur 
Ausgabe  gelangt.  Die  hierauf  bezüglichen  Bestimmungen  finden 
sich  überall  zerstreut.  Nun- hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  die  Tätig¬ 
keit  der  Amtsärzte  ganz  bedeutend  erweitert  und  umgestaltet  in¬ 
folge  der  Schaffung  neuer  Gesetze,  der  ausserordentlichen  Aus¬ 
bildung  der  Hygiene  u.  dergl.,  während  andrerseits  wesentliche 
Teile  der  amtsärztlichen  Aufgaben  in  Wegfall  gekommen  sind,  wie 
das  Veterinärwesen  und  das  Aushebungsgeschäft. 

Es  dürfte  somit  das  Bedürfnis  zur  Erlassung  einer  Dienst¬ 
anweisung  begründet  und  die  Bitte  um  eine  solche,  welche  über 
die  Stellung,  Art  und  Umfang  der  Obliegenheiten  und  die  Ge¬ 
schäftsführung  der  Amtsärzte  und  ihres  Verhältnisses  zu  den  prak¬ 
tischen  Aerzten  Vorschriften  enthält,  gerechtfertigt  erscheinen,  wie 
ja  auch  Preussen  unterm  23.  März  1901  eine  allen  modernen  An¬ 
forderungen  Rechnung  tragende  Dienstanweisung  für  die  Kreis¬ 
ärzte  erlassen  hat. 

Dr.  Müller:  Ich  begrüsse  den  Antrag  mit  Freuden  ebenso, 
wie  es  meine  Kollegen  tun  werden.  Es  erschwert  den  amtsärzt¬ 
lichen  Dienst  ausserordentlich,  täglich  die  vielen  Gesetze,  Verord¬ 
nungen,  oberpolizeilichen  Vorschriften  und  Entschliessungen  nach¬ 
zusehen,  und  es  ist  oft  zeitraubend,  sie  aufzufinden,  da  sie  in  den 
verschiedenen  Amtsblättern  abgedruckt  und  vielfach  nur  auto- 
graphiert  sind.  Ich  hoffe  daher  auch,  dass  unserer  Anregung  Folge 
gegeben  wird.  Die  Schwierigkeiten  werden  nicht  allzu  gross  sein, 
da  ja  die  preussisclie  Dienstanweisung  als  Vorbild  dienen  kann. 

Bei  der  Abstimmung  wird  der  Antrag  einstimmig  äu¬ 
ge  n  o  m  m  e  n. 

X.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  oberbayerischen 
Aerztekammer,  die  Errichtung  von  gerichtlich-medizinischen 

Instituten  an  den  Landesuniversitäten  betreffend. 

Dr.  Becker:  M.  H.!  Sie  alle,  namentlich  diejenigen,  die  sich 
in  amtlicher  Stellung  befinden  und  öfters  bei  Gerichten,  Verwal¬ 
tungsbehörden  und  Schiedsgerichten  tätig  sind,  kennen  das  Gefühl 
der  Verantwortung,  das  den  Sachverständigen  nie  verlässt,  und 
bei  wichtigeren  Verhandlungen,  bei  denen  die  Stellung,  die  Frei¬ 
heit  oder  gar  das  Leben  eines  Mitmenschen  auf  dem  Spiele  stand, 
mag  sich  eine  gewisse  Unsicherheit  bemerkbar  gemacht  und  der 
Wunsch  sich  geregt  haben,  in  der  gerichtlichen  Medizin  eine  gründ¬ 
lichere  praktische  Ausbildung  zu  besitzen.  Hätten  die  praktischen 
Aerzte  Gelegenheit,  auch  durch  Unterricht  an  einem  besonderen 
Institute  sich  in  dieser  Sparte  genauere  Kenntnis  zu  verschaffen, 
sie  würden  es  mit  Freuden  begrüssen. 

Aber  auch  von  anderer  Seite  wurde  schon  der  Wunsch  nach 
einer  besonderen  Ausbildung  der  Aerzte  in  der  gerichtlichen  Me¬ 
dizin  geäussert;  ich  könnte  ihnen  mehrere  Fälle  anführen,  in 
denen  die  Gerichtsbehörden  dies  öffentlich  aussprachen  oder  be¬ 
dauerten.  dass  durch  die  zuerst  in  Tätigkeit  getretenen  Sachver¬ 
ständigen  der  Tatbestand  ungenau  oder  unrichtig  erhoben  und 
dadurch  die  weitere  Untersuchung  verzögert,  in  falsche  Bahnen 
gelenkt  oder  ganz  unmöglich  gemacht  wurde. 

Das  Bedürfnis  nach  einer  gerichtlich-medizinischen  Schulung 
der  Aerzte  wird,  abgesehen  von  der  Tragweite  für  die  Rechtspflege, 
dadurch  erhöht,  dass  in  einer  ausserordentlich  grossen  Zahl  von 
Fällen  solche  Kenntnisse  Voraussetzung  eines  richtigen  Gutachtens 
sind  und  dass  nach  der  Straf-  und  Zivilprozessordnung  zwar  in 
der  Regel  zunächst  der  öffentlich  bestellte  Sachverständige,  also 
hier  der  Amtsarzt,  beizuziehen  ist,  dass  jedoch  auch  jeder  Arzt 


zum  Sachverständigen  ernannt  werden  kann  und  dieser  Ernen¬ 
nung  Folge  leisten  muss.  Der  gleiche  Gesichtspunkt  gilt  für  die 
Schiedsgerichte  für  Arbeiterversicherung;  auch  diese  schaffen  sich 
zunächst  einen  Stamm  von  zuverlässigen  Sachverständigen,  die 
sie  bei  den  Verhandlungen  nach  Bedarf  zuziehen,  können  aber 
auch  jeden  beliebigen  Arzt  als  Gutachter  beiziehen  und  im  Falle 
der  Weigerung  Zwangsmittel  anwenden.  Ausserdem  schreibt  die 
Novelle  zum  Unfallversicherungsgesetz  vor,  dass  vorher  der  be¬ 
handelnde  Arzt  zu  hören  ist,  wenn  auf  Grund  eines  ärztlichen 
Gutachtens  eine  Unfallrente  abgelehnt  oder  nur  eine  Teilrente 
festgestellt  werden  soll. 

Nun  gebe  ich  gerne  zu,  dass  eine  gründliche  Ausbildung  in 
innerer  Medizin,  Chirurgie,  Geburtshilfe  und  Psychiatrie  den  Arzt 
befähigt,  eine  grosse  Reihe  gerichtsärztlicher  Fragen  richtig  zu 
beantworten.  Es  bleiben  aber  Fälle  genug  übrig,  in  denen  eine 
allgemeine  medizinische  Ausbildung  nicht  ausreicht  und  in  denen 
nur  derjenige  Arzt  die  richtige  Lösung  finden  wird,  der  durch 
praktische  Schulung  oder  langjährige  Erfahrung  gelernt  hat,  die 
einzelnen  Ergebnisse  der  medizinischen  Wissenschaft  auf  die 
Zwecke  der  gerichtsärztlichen  Praxis  anzuwenden. 

Diesem  Umstande  haben  die  deutschen  Bundesregierungen  bis¬ 
lang  in  der  Weise  Rechnung  getragen,  dasssie  von  denjenigen  Aerzten 
die  später  in  den  Staatsdienst  eintreten  wollen,  die  Ablegung  einer 
besonderen  Prüfung  verlangten,  und  ihn  hiebei  auch  einem  schrift¬ 
lichen.  praktischen  und  mündlichen  Examen  über  gerichtliche 
Medizin  unterstellten.  Die  neuen  Bestimmungen  über  die  ärzt¬ 
liche  Approbationsprüfung  verlangen  nun  für  die  Zulassung  den 
Nachweis,  dass  der  Kandidat  eine  Vorlesung  über  gerichtliche 
Medizin  gehört  hat;  eine  besondere  Prüfung  hierüber,  wie  dies  in 
Oesterreich  der  Fall  ist,  wurde  zwar  nicht  eingeführt,  dagegen 
ist  ausdrücklich  bestimmt,  dass  bei  den  einzelnen  Prüfungs¬ 
fächern  auch  ihre  Beziehungen  zur  gerichtlichen  Medizin,  soweit 
solche  vorhanden  sind,  nicht  unberücksichtigt  zu  lassen  sind. 

Diese  Prüfungsvorschriften  legen  der  bayerischen  Staats¬ 
regierung  die  Verpflichtung  auf,  für  eine  angemessene  Erteilung 
des  gerichtlich-medizinischen  Unterrichts  Sorge  zu  tragen.  Bisher 
lagen  bei  uns  die  Verhältnisse  so,  dass  an  der  Universität  Erlangen 
ein  Lehrstuhl  hiefiir  ganz  fehlt,  in  Wiirzburg  und  München  zwar 
kärglich  besoldete  ausserordentliche  Professuren  bestehen,  aber 
keine  Institute  vorhanden  sind.  Hier  in  München  ist  zwar  eine 
kleine  gerichtsärztliche  Sammlung  angelegt,  die  jedoch  für  die 
Bedürfnisse  des  Unterrichtes  keineswegs  ausreicht.  So  kann  es 
nicht  bleiben.  Was  für  alle  angewandten  Fächer  der  Medizin 
gilt,  trifft  auch  hier  zu,  dass  ein  rein  theoretischer  Unterricht 
durchaus  ungenügend  ist.  Man  mag  schwarz  auf  weiss  das  beste 
Skriptum  nach  Hause  tragen  und  auch  ein  gutes  Lehrbuch  stu¬ 
dieren,  ein  tüchtiger  Gerichtsarzt  wird  man  damit  noch  nicht.  Der 
Sachverständige  soll  den  Richtern  keine  theoretischen  Auseinander¬ 
setzungen  geben,  sondern  er  soll  ihnen  in  dem  besonderen  der 
Beurteilung  unterstehenden  Falle  genaue  zuverlässige  Auskunft 
über  seine  Wahrnehmungen  und  darauf  sich  bauend  ein  klares 
sachverständiges  Gutachten  geben.  Um  dies  zu  können,  muss  er 
über  eine  reichliche  praktische  Erfahrung  verfügen.  Dem¬ 
entsprechend  muss  auch  der  Unterricht  vorzugsweise  ein  prak¬ 
tischer,  ein  Anschauungsunterricht  sein.  Es  muss  dem  Studieren¬ 
den  reichliche  Gelegenheit  geboten  sein,  alle  die  Untersuchungen 
zu  beobachten,  die  er  später  selbst  vorzunehmen  hat,  insbesondere 
Leichenbesichtigungen  und  Sektionen,  Untersuchungen  mit  dem 
Mikroskop,  Spektroskop,  auch  chemische,  botanische  und  bak¬ 
teriologische;  als  weitere  Lehrmittel  müssen  Photographien,  Nach¬ 
bildungen,  Wandtafeln,  Moulagen  und  vor  allem  eine  reichhaltige 
Präparatensammlung  vorhanden  sein.  Die  Technik  muss  durch 
Vornahme  von  Sektionen  und  Einübung  der  Untersuchungs¬ 
methoden  ausgebildet  werden,  die  formelle  Behandlung  muss 
durch  selbstverfasste  Protokolle  und  Gutachten,  die  sachverstän¬ 
dige  Beurteilung  durch  Vorführung  praktischer  Beispiele  geübt 
werden.  Ein  solcher  Unterricht  kann  aber  nur  in  einem  zweck¬ 
mässig  eingerichteten  Institute  erteilt  werden.  Ein  Professor  für 
gerichtliche  Medizin,  dem  ein  solches  fehlt,  kommt  mir  vor  wie 
ein  Professor  der  Chirurgie  ohne  Klinik  oder  ein  Professor  der 
Chemie  ohne  Laboratorium. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  ein  gerichtlich-medizinisches  In¬ 
stitut  auch  für  die  Rechtspflege  von  ausserordentlichem  Werte  ist; 
doch  brauche  ich  dies  nicht  weiter  auszuführen.  Ich  will  auch 
darauf  nicht  näher  eingehen,  wie  ein  solches  Institut  einzurichten 
und  wie  das  nötige  Material  zu  beschaffen  wäre.  Wir  haben 
heute  nur  die  Bedürfnisfrage  zu  prüfen  und  die  können  wir  jeden¬ 
falls  bejahen.  Und  zwar  sollte  an  jeder,  bayerischen  Universität 
ein  solches  Institut  errichtet  werden.  Am  vordringlichsten  scheint 
jedoch  zunächst  ein  solches  für  München,  da  hier  die  Zahl  der 
Medizinstudierenden  am  grössten  ist  und  hier  die  Vorbereitungs¬ 
kurse  zur  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  abgehalten 
werden.  Dazu  kommt  noch,  dass  in  München  der  Neubau  einer 
Anatomie  projektiert  ist  und  bei  einer  Angliederung  des  gerichtlich¬ 
medizinischen  Institutes  die  Kosten  für  letzteres  sich  wesentlich 
verringern  lassen. 

Im  Aufträge  des  ständigen  Ausschusses  empfehle  ich  Ihnen 
daher  die  Annahme  des  Antrages: 

„Die  o  berbayeris  c  he  Aerztekammer  w  o  1 1  e 
an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte  richte  n, 
i  m  n  ä  chsten  E  tat  die  Mittel  für  Erricht  u  n  g 
v  o  n  gerichtlich-  m  e  d  i  z  i  n  i  s  c  li  e  n  Institut  e  n 
a  n  d  e  n  drei  L  a  n  d  e  s  u  n  i  v  e  i'  s  i  täte  n  b  e  r  e  i  t  z  u 
stelle  n.“ 


16.  Dezember  1902. 


Beilage  zur  Münchener  medicinisehen 


Wochenschrift. 


2121 


Der  Antrag  wird  ohne  Debatte  einstimmig  a  n  «  e  - 
n  o  m  men. 

Vorschläge  von  ärztlichen  Sachverständigen  zum  Schieds¬ 
gerichte  für  Arbeiterversicherung  in  Oberbayern  und  für  das 
Schiedsgericht  für  Arbeiterversicherung  der  k.  Staatseisenbahn¬ 
verwaltung. 

Der  Vorsitzende  Dr.  G  r  u  b  e  r  teilt  mit,  dass  Herr  Dr.  Albert 
lv  i  e  c  k  e  gebeten  hat,  nicht  mehr  in  Vorschlag  gebracht  zu 
werden,  dass  ferner  das  Schiedsgericht  für  Arbeiterversiclierun« 
der  k.  Staatseisenbahnverwaltuiig  die  Namen  der  gewählten  Sach¬ 
verständigen  durch  Uebersendung  der  betreffenden  Nummer  des 
Gesetz-  und  Verordnungsblattes  mitgeteilt  habe,  seitens  des 
Schiedsgerichtes  für  Arbeiterversicherung  in  Oberbayern  jedoch 
eine  Mitteilung  nicht  erfolgt  sei. 

Die  Aeiztekammer  beschliesst,  um  Mitteilung  der  gewählten 
Sachverständigen  zu  ersuchen.  Unter  Beobachtung  der  Ministerial- 
entschliessungen  vom  2ö.  Dezember  1900  und  22.  Januar  1901 
werden  die  gleichen  Sachverständigen  wie  im  Vorjahre  bezw.  an 
Stelle  von  Dr.  K  r  ecke  Dr.  Grass  m  a  n  n  durch  einstimmigen 
Zuruf  in  Vorschlag  gebracht,  nämlich: 

a)  beim  Schiedsgerichte  für  A  r  beiter  versieh  e- 

r  u  li  g  in  Oberb  a  y  e  r  n: 

1.  Dr.  Felix  Beetz,  k.  Hofrat,  prakt.  und  Bahnarzt, 

2.  Dr.  Carl  Grass  mann,  prakt.  Arzt, 

2.  Dr.  Rudolf  v.  Hösslin,  prakt.  Arzt,  dirig.  Arzt  der  Heil¬ 
anstalt  Neuwittelsbach, 

4.  Dr.  Franz  Paul  H  o  f  e  re  r,  prakt.  Arzt, 

•r».  Dr.  Leopold  Löwenfel  d,  prakt.  Arzt, 

0.  Dr.  Guido  Jochner,  prakt.  Arzt, 

7.  Dr.  Albert  Krön  ach  er,  prakt.  Arzt, 

5.  Dr.  Albert  Ritter  v.  Poschin  g  e  r,  prakt.  Arzt, 
sämtliche  in  München. 

b)  beim  Schiedsgerichte  für  Arbeiter  Versiche¬ 

rung  der  k.  Staatseiseuba  kn  v  e  r  waltung: 

1.  Dr.  Friedrich  Gräm  er,  k.  Hof  rat  und  prakt.  Arzt, 

2.  Dr.  Wilhelm  H  erzo  g,  k.  Universitätsprofessor,  Oberstabs¬ 
arzt.  ä  la  s.  des  Sanitätskorps, 

2.  Dr.  Carl  L  u  k  a  s,  prakt.  Arzt, 

4.  Dr.  Alfred  N  o  b  i  1  i  n  g,  k.  Hof  Stabsarzt, 
sämtliche  in  München. 

XII.  Bericht  des  Delegierten  zum  verstärkten  Obermedizinal- 
ausschusse,  Wahl  des  Delegierten,  sowie  dessen  Stellvertreters 

für  das  Jahr  1902/03. 

Der  im  Vorjahre  gewählte  Delegierte  zum  verstärkten  Ober- 
medizinalausscliuss  Hofrat  Dr.  It  a  p  p  hebt  bei  Beginn  seiner 
Berichterstattung  hervor,  dass  Se.  Exzellenz  der  k.  Staatsminister 
des  Innern  vor  Beginn  der  Verhandlungen  sich  in  warmen  be¬ 
stimmten  Worten  für  die  Förderung  der  ärztlichen  Standesinter¬ 
essen,  namentlich  für  die  ärztliche  Standes-  und  Ehrengerichts¬ 
ordnung  ausgesprochen  habe.  Sodann  bespricht  er  in  kurzen 
Zügen  den  Gang  der  Verhandlungen  über  die  Regierungsvorlage, 
Revision  der  amtsärztlichen  Gebührenordnung  und  das  von  Medi¬ 
zinalrat  Dr.  M  e  r  k  o  1  -  Nürnberg  erstattete  Referat,  und  gibt  auf 
Anfrage  weitere  Auskunft  hinsichtlich  der  Anträge  der  vorjährigen 
Aerztekammer. 

Bei  der  Diskussion  über  diesen  Bericht  wird  zunächst  be¬ 
merkt,  dass  man  daraus  die  Notwendigkeit  ersehen  könne,  die 
Protokolle  des  verstärkten  Obermedizinalausschusses  regelmässig 
zu  veröffentlichen,  und  dass  wenigstens  bei  den  letzten  Verhand¬ 
lungen  ein  Grund  zur  Geheimhaltung  nicht  vorliege;  es  wird  weiter 
darauf  hingewiesen,  dass  die  früheren  Veröffentlichungen  der 
Protokolle  ein  schätzenswertes  Material  darstellten,  manche  sani¬ 
tätspolizeiliche  Bestimmung  bei  näherer  Kenntnis  mehr  verständ¬ 
lich  werde  und  dass  es  die  Aerzte  im  vorigen  Jahre  peinlich  berührt 
habe,  dass  die  den  Standesvertretungen,  also  den  zunächst  Inter¬ 
essierten,  gegenüber  geheim  gehaltenen  Beschlüsse  des  verstärkten 
Obermedizinalausschusses  bezüglich  der  ärztlichen  Standesord¬ 
nung  nach  langer  Zeit  zuerst  durch  die  Tagespresse  bekannt  ge¬ 
worden  seien.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Diskussion,  an  der  sich 
DDr.  Gruber,  Spatz,  Oberpriele  r,  Vierling,  Becker 
und  Limme  r,  sowie  der  Berichterstatter  beteiligen,  wird  die 
Frage  erörtert,  ob  und  inwieweit  dieser  Bericht  des  Delegierten 
in  dem  Protokolle  der  Aerztekammer  veröffentlicht  werden  sollte 
und  ob  zutreffenden  Falles  der  Delegierte  nicht  bald  nach  der 
Sitzung  des  verstärkten  Obermedizinalausschusses  einen  Bericht 
in  der  Fachpresse  erstatten  könne,  damit  die  Bezirksvereine  früher 
von  dem  Schicksale  ihrer  Anträge  Kenntnis  bekämen.  Der  k.  Re¬ 
gierungskommissär,  Kreismedizinalrat  Dr.  Messerer,  hält  dies 
nicht  für  angängig,  da  der  Delegierte  zum  verstärkten  Ober¬ 
medizinalausschuss  zur  Wahrung  des  Dienstgeheimnisses  ver¬ 
pflichtet  sei  und  daher  einen  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmten 
Bericht  ohne  Genehmigung  nicht  erstatten  dürfe.  Andrerseits 
wird  hierzu  bemerkt,  dass  der  verstärkte  Obermedizinalausschuss 
auch  die  Obersteinstanz  der  ärztlichen  Standesvertretung  inBayern 
darstelle  und  daher  seine  Verhandlungen  für  die  bayerischen 
Aerzte  mindestens  gleich  wichtig  und  von  Interesse  wären,  wie  die 
Protokolle  der  Aerztekammern;  jedenfalls  solle  der  Delegierte  der 
ihn  entsendenden  Aerztekammer  Rede  und  Antwort  stehen,  bei 
Gegenständen  diskreter  Art  in  vertraulicher  Weise. 


Es  wird  für  dieses  Jahr  von  der  Stellung  eines  Antrages 
abgesehen  und  dem  Vorschläge  des  bisherigen  Delegierten  zuge¬ 
stimmt,  das  zunächst  bei  der  \  orbesprechung  der  Delegierten  zum 
Oberin edizinalausschusse  die  Veröffentlichung  der  Protokolle  und 
die  Berichterstattung  in  der  Aerztekammer  zu  Sprache  gebracht 
werden  soll,  um  gegebenenfalls  eine  gemeinsame  Anregung  im 
Obermedizinalauscliusse  zu  geben. 

Die  Wahl  findet  zufolge  einstimmigen  Beschlusses  durch  Akkla¬ 
mation  statt  und  werden  als  Delegierte  einstimmig  wieder  Hofrat 
Dr.  R  a p  p  -  Reichenhall,  als  Stellvertreter  Bezirksarzt  Dr.  Müller- 
München  gewählt,  welche  beide  unter  dem  Ausdrucke  des  Dankes 
die  Annahme  der  Wahl  erklären. 

XIII.  Wahl  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  ärztlichen 

Approbation. 

Gewählt  werden  durch  Akklamation:  Dr.  Anger  er,  Dr. 
B  u  r  k  a  r  t,  Dr.  Adolf  Mülle  r,  Dr.  Rot  li,  Dr.  Bernhard  S  p  a  t  z’ 
Dr.  V  i  e  r  1  i  n  g,  welche  sämtlich  die  Wahl  annehmen. 

XIV.  Wahl  der  Beschwerde-Kommission,  entsprechend  dem 
Schlussatz  des  §  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  1895. 

Gewählt  werden  durch  Akklamation:  Dr.  Becker,  Dr. 
Cr  ä  mer,  Dr.  Oberpriele  r,  Dr.  Rapp;  als  Stellvertreter: 
Dr.  Dirr  und  Dr.  Schliessleder,  welche  sämtlich  die  Wahl 
annehmen. 

XV.  Wahl  eines  Kreiskassiers  für  den  Verein  zur  Unterstützung 

invalider  und  hilfsbedürftiger  bayerischer  Aerzte. 

Der  Vorsitzende  Dr.  G  ruhe  r  spricht  dem  bisherigen  Kreis¬ 
kassier  für  Oberbayern,  Herrn  Dr.  Hugo  Schwertfeiner  in 
München,  für  seine  eifrige  und  mühevolle  Tätigkeit  den  Dank  der 
Aerztekammer  aus  und  beantragt  die  Wiederwahl  des  Genannten, 
die  ohne  Widerspruch  einstimmig  erfolgt. 

Ferner  ersucht  der  Vorsitzende  die  Delegierten,  in  ihren  Be¬ 
zirks  vereinen  die  Mitglieder,  namentlich  die  neu  eintretenden,  auf 
die  ärztlichen  Unterstützung^-  und  Wohltätigkeitsvereine  aufmerk¬ 
sam  zu  machen  und  zum  Beitritt  aufzumuntern. 

Ausserhalb  der  Tagesordnung  berichtet  der  Vorsitzende  übet 
das  nunmehr  fertiggestellte  Grabdenkmal  für  den  verstorbenen 
Aerztekammervorsitzenden  Medizinalrat  Dr.  A  u  b. 

Nachdem  von  keiner  Seite  mehr  ein  weiterer  Antrag  gestellt 
wird,  spricht  Dr.  Burkart  dem  Vorsitzenden  die  Anerkennung 
der  Aerztekammer  für  die  sorgfältige  Vorbereitung  und  die  ge¬ 
diegene  Leitung  der  Verhandlungen  aus  und  fordert  die  Delegierten 
auf,  ihren  Dank  durch  Erheben  von  den  Sitzen  zu  bekunden. 

Der  Y  orsitzende  dankt  für  diese  Ehrung  und  spricht  seiner¬ 
seits  dem  k.  Regierungskommissär,  Medizinalrat  Dr.  Messerer, 
1  ür  sein  YY  ohlwollen  und  seine  aufmerksame  Teilnahme  an  den 
Verhandlungen,  sowie  sämtlichen  Delegierten,  besonders  den  Re¬ 
ferenten,  für  ihre  eifrige  Mitarbeit  seinen  besten  Dank  aus.  Er 
hofft,  dass  die  Beschlüsse  der  diesjährigen  Aerztekammersitzung 
in  ihrer  vollen  Bedeutung  gewürdigt  würden  und  von  Erfolg  be¬ 
gleitet  seien,  da  sie  nicht  nur  die  Stellung  des  ärztlichen  Standes 
berühren,  sondern  zum  grösseren  Teile  auch  allgemeines  öffent¬ 
liches  Interesse  beanspruchen  können.  Hiemit  erklärt  er  die 
Sitzung  für  geschlossen. 

Konstatiert  wird  noch,  dass  Ziffer  VI  der  Tagesordnung 
(ärztliches  Fortbildungs wesen)  wegen  Unwohlsein  des  Referenten 
Dr.  Crämer  an  den  Anfang  der  Verhandlungen  gestellt  wurde 
und  letzterer  an  den  weiteren  Beratungen  nicht  mehr  teilnehmen 
konnte. 

Schluss  der  Sitzung  um  12 14  Uhr. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

Dr.  Max  Grube  r.  Dr.  Carl  Becker. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer 
für  Niederbayern. 

L  a  n  d  s  li  u  t,  27.  Oktober,  Vormittags  9  Uhr. 

I.  Anwesend  sind:  Herr  Kreismedizinalrat  Dr.  Hermann 
als  k.  Regierungskommissär.  Als  Delegierte  sind  erschienen:  Für 
Deggendorf:  der  k.  Bezirksarzt  in  Deggendorf  Dr.  Tischler; 
für  Dingolflng-Landau :  der  k.  Bezirksarzt  Dr.  E  r  1 1  in  Landau  a.  I. ; 
für  Landshut:  der  k.  Landgerichtsarzt  Dr.  Regler  in  Landshut; 
für  Passau:  der  k.  Bezirksarzt  in  Vilshofen  Dr.  A.  Schmid  und 
der  k.  Bezirksarzt  in  Passau  Dr.  M.  Schmid;  für  Pfarrkirchen- 
Eggenfelden:  der  k.  Bezirksarzt  in  Eggenfelden  Dr.  Zantl;  für 
Rottenburg-Kelheim :  der  k.  Bezirksarzt  Dr.  Grassier  in  Rotten- 
burg;  für  Vilsbiburg:  der  k.  Bezirksarzt  in  Vilsbiburg  Dr.  Greiner. 

II.  Der  Alterspräsident  Sch  m  i  d  -  Passau  leitet  die  Bureau- 
wald.  Es  gingen  aus  derselben  hervor:  als  Vorsitzender:  Schmid- 
Passau;  als  Stellvertreter  des  Vorsitzenden:  E  g  g  e  r  -  Straubing; 
als  Schriftführer:  Z  a  n  1 1  -  Eggenfelden;  als  Stellvertreter  des 
Schriftführers:  G  r  a  s  s  1  e  r  -  Rottenburg. 

Schmid-  Passau  übernimmt  den  Vorsitz,  nachdem  er  er¬ 
klärt  hatte,  die  YVahl  annehmen  zu  wollen.  Auch  die  übrigen  Ge¬ 
wählten  erklären,  die  Wahl  anzunehmen. 


2 


2122 


Beilage  zur 


Münchener  medicini sehen  Wochenschrift. 


No.  50. 


Der  Vorsitzende  richtet  begriissende  Worte  an  den  k.  Re- 
gierimgskommissär  im  Namen  der  Kammer  und  bittet  um  Förde¬ 
rung  der  Beratungen,  gibt  die  Veränderung  bekannt,  welche  in  der 
Zusammensetzung  der  Kammer  gegen  das  Vorjahr  eingetreten  ist. 
begriisst  besonders  das  neueingetretene  Kammermitglied  Di*. 
T  ischler-  Deggendorf. 

Ili.  Bericht  des  ständigen  Ausschusses. 

Es  wird  eine  k.  Regierungsentschliessung,  abschriftliche 
M  inisterialentscliliessung,  hetr.  die  Verhandlungen  der  Aerzte- 
kammern  1901,  vom  Vorsitzenden  verlesen,  welche  die  Kammer  zur 
Kenntnis  nimmt.  Eine  Debatte  an  dieselbe  knüpfte  sich  nicht  an. 

IV.  Bericht  des  Vorsitzenden  des  ständigen  Ausschusses. 

Der  Vorsitzende  erwähnt  des  Todes  des  früheren  Präsidenten 
v.  Meixne r,  bedauert  im  Namen  der  Kammer  dessen  frühes  Ab¬ 
leben  nach  schmerzhaftem  Leiden  und  versichert,  die  Kammer 
werde  dem  hohen  Verstorbenen  ein  ehrendes  Andenken  bewahren. 

Der  Vorsitzende  bringt  auch  Mitteilungen  und  macht  Aus¬ 
führungen  bezüglich  der  erstrebten  ärztlichen  Standesordnung,  be¬ 
dauert,  dass  dieselbe  bis  jetzt  nicht  zu  stände  kam  und  spricht  den 
Wunsch  aus,  die  Aerzte  mögen  in  Bälde  eine  ärztliche  Standesord¬ 
nung  im  Sinne  der  diesbezüglichen  Regierungsvorlage  erhalten. 
Es  wird  nun  erwähnt  die  Beschickung  des  erweiterten  Ober¬ 
medizinalausschusses  und  des  deutschen  Aerztetages  und  erfolgten 
Mitteilungen  aus  der  Besprechung  der  ständigen  Ausschüsse  der 
b.  Aerztekammern  zu  Nürnberg  am  12.  Oktober. 

V.  Einlauf. 

Ausser  der  Verbescheidung  der  Verhandlungen  der  Aerzte¬ 
kammern  für  1901  seitens  der  k.  Regierung  kam  noch  in  Einlauf 
ein  Schreiben  der  Versicherungsanstalt  für  Niederbayern,  hetr. 
(iebiihren  für  ärztliche  Zeugnisse  in  Rentensachen. 

Ferner  ein  gedruckter  Bericht  „Zur  Bekämpfung  der  Kur¬ 
pfuscherei“,  erstattet  an  den  deutschen  Aerztevereinsbund  vom 
Pressausschuss  des  ärztlichen  Bezirksvereins  München. 

Ferner  eine  gedruckte  Abhandlung  „Der  neue  Zolltarif  und  die 
Lebenshaltung  des  Arbeiters"  von  I)r.  H.  Kurelia,  zugesendet 
vom  Sekretariat  des  Handelsvertragsveredns  zu  Berlin. 

Ferner  eine  Broschüre  „Die  hohe  See  als  Luftkurort“  von  der 
Hamburg-Amerikalinie  in  Hamburg. 

VI.  Bericht  über  Finanzverhältnisse  und  Kassawesen 
von  Dr.  Egger-  Straubing. 

Die  während  des  Jahres  erwachsenen  Kosten  wurden  in  der 
Weise  beglichen,  (hiss  die  liquidierten  Kosten,  berechnet  auf  die 
Kopfzahl  der  Vereinsmitglieder,  erhoben  und  den  Liquidierenden 
eingehändigt  wurden. 

Im  abgelaufenen  Jahre  besorgte  die  Kassenführung  der  Stell¬ 
vertreter  des  Vorsitzenden  Dr.  Egger-  Straubing  und  wurde  der¬ 
selbe  zur  Besorgung  dieser  Geschäfte  auch  für  das  laufende  Jahr 
gewählt. 

VII.  Bericht  der  Vereinsdelegierten. 

Die  Erhebungen  des  Standes  der  einzelnen  Vereine  ergaben 
folgendes : 

1.  Deggendorf:  20  Mitglieder.  2  Versammlungen.  Vor¬ 
stand:  Bezirksarzt  Dr.  Tischler. 

2.  Dingolfing-Landau:  10  Mitglieder.  2  Versamm¬ 
lungen.  Vorstand:  Bezirksarzt  Dr.  E  rt  1. 

3.  Landshut:  14  Mitglieder.  3  Versammlungen.  Vor¬ 
stand:  Landgerichtsarzt  Dr.  Regler. 

4.  Pas  sau:  35  Mitglieder.  3  Versammlungen.  Vorstand: 
Dr.  Sch  m  i  d. 

5.  Pfarrkir  chen-Eggen  fei  den:  17  Mitglieder.  2  Ver¬ 
sammlungen.  Vorstand:  Bezirksarzt  Dr.  Zant  1. 

0.  Rottenbur g-Kelheim:  18  Mitglieder.  2  Versamm¬ 
lungen.  Vorstand:  Bezirksarzt  Dr.  Grassier. 

7.  Straubing:  20  Mitglieder.  2  Versammlungen.  Vor¬ 
stand:  Bezirksarzt  Dr.  Egger. 

8.  Vilsbiburg:  7  Mitglieder.  1  Versammlung.  Vorstand: 
Bezirksarzt  Dr.  G  reine  r. 

VIII.  Wahl  des  Delegierten  zum  Obermedizinalaussschuss. 

Als  Delegierter  wurde  per  Akklamation  Sclimid  -  Fassau 
und  als  dessen  Stellvertreter  E  g  g  e  r  -  Straubing  gewählt. 

IX.  Wahl  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation. 

Es  wurden  gewählt:  S  c  h  m  i  d  -  Passau,  E  g  g  e  r  -  Straubing, 
Regler-  Landshut,  T  ischler-  Deggendorf,  E  r  1  1  -  Landau a.  1. 

X.  Wahl  der  Kommission  für  Beschwerden. 

K.  Allerh.  Verordn,  vom  9.  III.  1895,  §12. 

Es  wurden  gewählt  die  nämlichen  Delegierten  wie  obenstehend 
hei  IX. 

XI.  Wahl  der  Sachverständigen  für  das  Schiedsgericht  für 

Arbeiterversicherung'. 

Es  wurden  gewählt:  Dr.  H  e  r  1 1,  Oberstabsarzt  a.  D.  in 
Landshut,  Dr.  Weber,  prakt.  Arzt  in  Landshut,  Dr.  Salz¬ 
berger,  prakt.  Arzt  in  Landshut.  Dr.  Regler,  k.  Landgerichts¬ 
arzt  in  Landshut. 

XII.  Wahl  des  Kreiskassiers  für  den  Invalidenverein. 

Es  wurde  gewählt:  Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen. 


XIII.  Beratung  der  in  der  Vorbesprechung  der  ständigen  Aus¬ 
schüsse  der  b.  Aerztekammern  in  Nürnberg  am  12.  Oktober 

vereinbarten  Anträge. 

N  ii  r  n  l>  e  r  g  e  r  A  n  trag  I. 

Referent  Dr.  S  c  li  m  i  d  -  Vilshofen. 

Zur  Beratung  kommen  nun  die  Anträge  des  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereins  Nürnberg,  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  betreffend. 

(Siehe  das  Protokoll  der  Aerztekammer  von  Oberbayern.) 

Referent  Dr.  S  e  li  m  i  d  -  Vilshofen  führt  hiezu  nachstehendes 

aus: 

ad  1.  Alle  Bemühungen  der  Aerzte  zur  Bekämpfung  der  Kur¬ 
pfuscherei  sind  erfolg-  und  aussichtslos,  wenn  nicht  durch  Ab¬ 
änderung  der  R.G.O.  Remedur  in  dem  Sinne  geschaffen  wird,  dass 
aus  Gründen  der  öffentlichen  Moral,  Sicherheit  und  Gesuiuhieit 
die  Anmeldepflicht  gesetzlich  festgelegt  wird  und  dass  zweifel¬ 
haften  und  anrüchigen  Persönlichkeiten,  welche  die  Heilkunde  ge¬ 
werbsmässig  betreiben,  der  Betrieb  untersagt  und  Gefängnis-  und 
Zuchthausstrafe  auferlegt  werden  kann. 

Damit,  dass  alle  nicht  approbierten  Heilpersonen  ihren  Be¬ 
trieb  anmelden  müssen,  ist  schon  viel  erreicht. 

Die  Befürchtung,  dass  die  Vorschrift  der  polizeilichen  An¬ 
meldung  von  den  Pfuschern  als  eine  Art  staatlicher  Konzession. 
Sanktion  ausgebeutet  werden  könnte,  hat  nicht  viel  zu  bedeuten. 

Von  grosser  Tragweite  erscheint  auch  die  Möglichkeit,  dass 
der  Betrieb  inhibiert  werden  kann. 

Auch  der  Umstand,  dass  künftighin  die  Polizei-  und  Verwal¬ 
tungsbehörden  zu  entscheiden  haben,  bedeutet  eine  zu  begriissende 
Wendung  zum  Besseren.  Denn  der  gerichtliche  Weg,  der  bisher 
allein  offen  gestanden  ist,  hat  ja  bekanntennassen  m  der  Regel 
versagt  und  nur  ausnahmsweise  zum  Ziele  geführt,  da  die  Richter 
den  Kurpfuschern,  wenn  nicht  ein  dolus  naeligewies.  u  werden 
kann,  die.  bona  fides  zuzubilligen  pflegen. 

ad  2.  In  der  preussischen  Provinz  Schleswig-Holstein  ist  die 
Verordnung  des  Senates  von  Hamburg,  dem  also  das  grosse  Ver¬ 
dienst  gebührt,  in  dieser  Beziehung  bahnbrechend  und  mit  gutem 
Beispiele  vorangegangen  zu  sein,  bereits  zur  Einführung  gebracht. 
Vivant  sequentes! 

Wie  grossartig  der  Geheimmittelschwindel  durch  die  Presse, 
selbst  durch  die  augeseheudsteu  Blätter,  die  es  wahrlich  nicht  not¬ 
wendig  hätten,  der  Geheimmittelschwindel  gefördert  und  verbreitet 
wird  —  das  non  ölet  spielt  natürlich  bei  diesem  Punkte  eine  sehr 
mächtige  Rolle,  — ,  und  wie  das  blindgläubige  und  gedankenlose 
Publikum  durch  solche  Geheimmittelinserate  marktschreierischer 
und  grob  betrügerischer  Natur  ausgebeutet  und  beschädigt  wird, 
sowohl  an  seiner  Gesundheit,  als  auch  an  seinem  Geldbeutel,  ist 
den  Aerzten  wohl  bekannt.  Es  kann  daher  nur  als  eine  sehr  zeit- 
gemässe  und  heilsame  M assregel  begriisst  werden,  wenn  der  ge¬ 
winnsüchtigen  und  ordinären  Geldspekulation  der  Geheimmittel- 
fabrikauten  und  der  Presse  ein  Riegel  vorgeschoben  und  dem 
Geheimmittelschwindel  nach  Kräften  der  Garaus  gemacht  wird. 

ad  3.  Auch  liier  gilt  das  Wort:  Videant  consules  ne  quid 
detrimenti  capiat  res  publica. 

Es  ist  schon  recht  merkwürdig  und  seltsam: 

Gegenüber  dem  Kurpfuscher  wird  der  Modus  des  laisser  faire, 
laisser  aller  beliebt,  der  staatlich  konzessionierte  Arzt  wird  von 
der  sorgsamen  Mutter  Polizei  strenge  am  Zügel  geführt,  damit 
er  ja  nicht  straucheln  oder  über  die  Stränge  schlagen  kann.  Das 
ist  doch  ein  innerer  Widerspruch,  wie  man  ihn  siel»  nicht  greller 
denken  kann.  Herr  Graf  Oeriudur!  erklärt  dies  Rätsel  der  Natur! 

ad  4.  ’  Die  unglückselige,  seit  dem  Jahre  18(59,  also  seit  der 
ebenso  unglückseligen  Einreihung  der  Aerzte  in  die  Gewerbeord¬ 
nung.  bestehende  Kurierfreiheit,  die  während  dieser  langen  Zeit 
den  nationalen  Wohlstand  und  die  Volksgesundheit  schwer  ge¬ 
schädigt  und  auch  —  last  not  least.  —  den  ärztlichen  Stand  herab¬ 
gewürdigt  und  heruntergebracht  hat,  muss  aufgehoben,  das  Kur- 
pfusehereiverbot  muss  wieder  eingeführt  werden.  Wer  die  offen 
zutage  liegenden  Nachteile  und  Schäden  der  Kurpfuscherei  nicht 
seiien  und  erkennen  will,  der  ist  mit  Blindheit  geschlagen,  dem 
helfen,  um  mit  Goethe  zu  sprechen,  weder  Moses  noch  die  Pro¬ 
pheten. 

Das  Kurpfuschertum  hat  in  Deutschland  seit  dem  Jahre  18(59 
ausserordentlich  zugenommen. 

Ausgezeichnet  organisiert  und  in  der  Agitation  vor  keinem 
Mittel  zurückscheuend,  nach  dem  Grundsätze:  „Frisch,  frech,  frei 
und  unverschämt“  ist  die  Kurpfuscherei  mit  allen  Kräften  be¬ 
strebt,  das  Volk  gegen  den  Stand  der  Aerzte  systematisch  zu  ver¬ 
hetzen  und  die  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Wort  und  Tat 
lierunterzureissen  und  zu  diskreditieren. 

Auch  vielen  hygienischen  Massnahmen  und  sozialpolitischen 
Wohlfahrtseinrichtungen  des  Staates  stellt  sie  sich  häutig  genug 
fei nd.se  1  ig  gegenüber. 

Um  so  dringender  ist  für  den  Staat,  wenn  er  anders  seinen 
Kulturaufgaben  gerecht  werden  will,  Veranlassung  gegeben,  die 
Folgen  dieses  verhängnisvollen  Experimentes  der  Kurierfreiheit, 
zu  dem  er  sich  hat  seinerzeit  von  kurzsichtigen,  verblendeten 
Leuten  drängen  lassen,  durch  Wiedereinführung  des  Kur¬ 
pfuschereiverbotes  in  tunlichster  Bälde  und  so  radikal  als  milg¬ 
lich  auszutilgen.  Das  kann  und  soll  geschehen  durch  weiteren 
Ausbau  und  schärfere  Handhabung  der  Reichsgesetze,  sowie  durch 
gemeinsames  Vorgehen  der  Bundesstaaten  auf  dem  Wege  der 
Landesgesetzgebung.  Die  Aerzte  werden  gewiss  nicht  verfehlen, 


16.  Dezember  1902. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


2123 


als  Sachverständige  dem  Staate  bei  der  Durchfiihniiu 
wichtigen  Reform  ihre  Kräfte  zu  leihen. 

I>ie  Kammer  stimmte  den  Anträgen  bei. 


dieser  liocli- 


N  ii  r  n  b  erger  Antrag  II. 

Referent:  I >r.  R egler-  Landshut. 

/u  No.  II  Antrag  des  ärztlichin  Bezirksvereines  Nürnberg, 
ärztliches  Fortbildungswesen  betreffend,  referiert  der  Genannte 
wie  folgt: 

Schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  werden  an  verschiedenen 
Universitäten  Deutschlands  ärztliche  Fortbildungskurse  sowohl 
während  der  Oster-  wie  während  der  Sommerferien  abgehalteu 
end  erfreuen  sich  dieselben  eines  regen  Zuspruches. 

Ks  ist  aber  vielen  Aerzten  nicht  möglich,  sich  auf  längere  Zeit 
von  ihren  Wohnsitzen  zu  entfernen  und  an  diesen  nur  an  Uni¬ 
versitäten  abgehaltenen  Fortbildungskursen  sich  zu  beteiligen.  Es 
dürfte  sich  daher  empfehlen,  solche  Kurse  auch  in  grösseren 
Städten,  in  welchen  gut  besuchte  Krankenhäuser  sich  befinden,  wie 
z.  R.  in  Nürnberg,  Augsburg  etc.,  einzurichten.  Der  Unterricht 
könnte  von  den  betreffenden  Krankenhausvorständen  oder  von 
Privatdozeuten,  welche  eigens  hiezu  gewonnen  werden  müssten, 
erteilt  werden. 

An  solchen  Kursen  könnten  sich  die  Aerzte  der  betreffenden 
Stadt  und  die  der  nächsten  Umgebung  beteiligen  ohne  besondere 
Opfer  an  Zeit,  und  Geld.  Ich  stelle  demnach  an  die  Mitglieder 
der  Aerztekammer  Niederbayerns  das  Ansuchen,  dem  Anträge  des 
ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  ärztliche  Fortbildungskurse 
betreffend,  die  Zustimmung  zu  erteilen. 

Die  Kammer  stimmt  bei. 


Antrag  IV. 

Referent:  I  )r.  E  g  g  e  r  -  Straubing. 

/nun  Anträge  des  Ausschusses  der  oberbayerischen  und  mittel- 
fränkischen  Aerztekammer  und  der  Bezirksvereine  München  und 
Nürnberg,  betreffend  Errichtung  eines  homöopathischen  Lehr¬ 
stuhles,  bemerkt  Referent  Dr.  E  g  g  e  r  -  Straubing. 

Zu  Beginn  des  1!).  Jahrhunderts  stand  die  gebildete  deutsche 
Welt  und  auch  die  deutsche  medizinische  Wissenschaft  im  Banne 
der  Naturphilosophie.  Die  führenden  Aerzte  jener  Epoche  waren 
der  Meinung,  dass  Spekulation  und  philosophisches  Denken  die 
Beobachtung  und  Empirie  ersetzen  könne.  Irrtiimer  und  Abwege 
waren  die  notwendigen  Folgen  derartiger  Anschauungen. 

Es  war  den  Aerzten  jener  Zeit  der  Sinn  für  Naturbeobachtung 
verloren  gegangen;  dafür  traten  Schwindeltheorien  auf,  die  zahl¬ 
reiche  Anhänger  fanden. 

Der  Mesmerismus  war  Modesache  geworden,  die  Gail  sehe 
Kranioskopie  mit  ihren  vorgefassten  Meinungen  verwirrte  die 
Köpfe  und  als  dritte  Lehre  erschien  im  Jahre  1810  das  patho¬ 
logisch-therapeutische  System  des  Samuel  Hahnemann,  die 
Homöopathie. 

Während  der  Mesmerismus  und  die  G  a  1 1  sehe  Phrenologie 
bald  wieder  in  Vergessenheit  kamen,  hat  die  Homöopathie  sich  bis 
zum  heutigen  Tage  erhalten. 

Es  kann  nicht  Aufgabe  eines  kurzen  Referates  sein,  das 
ganze  System  Hahnemaiins  ausführlich  zu  besprechen;  der 
wissenschaftliche  Wert  desselben  ergibt  sich  von  selbst,  wenn  man 
in  Erwägung  zieht,  dass  II  a  h  n  e  m  a  n  n  zu  dem  Schlüsse  kam. 
Medikamente  in  dezillionenfacher  Verdünnung  noch  als  wirksam 
zu  -empfehlen. 

Er  stellte  den  Satz  auf:  Je  stärker  die  Verdünnung,  desto 
grösser  die  potentielle  Kraft. 

Ausserdem  entwickelte  er  noch  andere  höchst  merkwürdige 
Ansichten:  Nach  ihm  beruht  jede  Krankheit  auf  einer  Verstim¬ 
mung  der  Lebenskraft;  die  akuten  Krankheiten  entstehen  entweder 
durch  äussere  Schädlichkeiten,  tellurische  Einflüsse,  Miasmen  und 
Kontagien  oder  durch  Fehler  der  Diät  und  Lebensweise,  Erkäl¬ 
tung.  Erhitzung,  Ermüdung  u.  s.  w. 

Chronische  Krankheiten  sind  entweder  Arzneikrankheiten  in¬ 
folge  allopathischen  Verfahrens  oder  Folgen  chronischer  Miasmen, 
welche,  wenn  nicht  homöopathische  Hilfe  eintritt,  im  menschlichen 
Organismus  sich  einnisten,  ihn  aufreiben.  Des  Arztes  einziger  Be¬ 
ruf  ist,  zu  heilen,  alles  theoretische  Müssen  ist  vergeblich.  Der 
Arzt  hat  nur  zu  wissen,  was  an  jedem  Krankheitsfall  zu  heilen  ist. 
und  die  Arzneikräfte  zu  kennen,  so  ist  er  ein  echter  Heilkünstler. 
Von  der  Krankheit  selbst  kann  er  nichts  wissen  als  die  Symptome. 
Die  Gesamtheit  der  Symptome  ist  das  einzige,  was  dem  Beobachter 
zugänglich  ist,  und  an  diese  hat  er  sich  also  allein  zu  halten. 


Schon  aus  der  Tatsache,  dass  die  II  a  h  n  e  m  a  n  n  sehe 
Homöopathie  von  der  Kenntnis  der  pathologischen  Anatomie  gänz¬ 
lich  absieht,  ergibt  sich  die  Unwissenschaftlichkeit  des  ganzen 
Systems. 

Trotzdem  fand  die  neue  Lehre  anfänglich  auch  unter  den 
Aerzten  zahlreiche  Anhänger  und  von  dem  grossen  Publikum 
wurde  dieselbe  enthusiastisch  begrünst. 

Heutzutage  gibt  es  in  Deutschland  nur  mehr  wenige  homöo¬ 
pathische  Aerzte,  dagegen  eine  Unzahl  gebildeter  und  ungebildeter 
Laien,  die  nach  homöopathischer  Methode  Pfuscherei  betreiben. 

Das  Bestreben,  in  Bayern  einen  Lehrstuhl  für  Homöopathie 
zu  errichten,  geht  ebenfalls  von  Laien  aus. 

Leber  den  wissenschaftlichen  Wert  medizinischer  Lehren  kann 
der  Laie  nicht  zu  Gericht  sitzen,  über  Medizin  haben  die  Aerzte 
das  beste  Urteil. 


Die  Medizin  der  neueren  Zeit  ist  aufgebaut  auf  den  Beob¬ 
achtungen  der  Natur  und  der  Benützung  der  gewaltigen  Errungen¬ 
schaften  der  Naturwissenschaften;  hiedurch  wurde  die  Basis  ge¬ 
wonnen  für  eine  wirklich  rationelle  Heilkunde,  für  zielbewusstes 
Handeln  am  Krankenbette. 

Eine  Lehre  wie  die  II  a  li  n  e  m  a  n  n  sehe,  aufgebaut  auf  will¬ 
kürlichen  Prämissen,  behaftet  mit  Fehlern  der  Logik  und  der  Be- 
obachtungsmethode.  ist  heutzutage  unhaltbar. 

Alle  Anstrengungen  und  \  ersuche,  der  homöopathischen  Lehre 
neuerdings  Ansehen  zu  verschaffen,  müssen  unbedingt  feld- 
sehlagen.  Das  Alte  stürzt,  es  ändert  sich  die  Zeit;  die  Homöopathie 
hat  keinen  Platz  an  der  Seite  der  exakten  Wissenschaften. 

Die  Errichtung  eines  Lehrstuhles  für  Homöopathie  an  einer 
bayerischen  Universität  würde  eine  Schädigung  des  Ansehens  der 
Hochschule  bedeuten.  Die  3  bayerischen  Landesuniversitäten, 
sowie  Herr  Obermedizinalrat  v.  Grashey  haben  sich  gegen  Er¬ 
richtung  eines  Lehrstuhles  für  Homöopathie  ausgesprochen  und 
haben  in  ihren  Gutachten  dargetan,  dass  die  Homöopathie  keine 
Wissenschaft  ist. 

Die  niederbayerische  Aerztekammer  sehliesst.  sich  diesen  gut¬ 
achtlichen  Aeusserungen  an  und  richtet  an  ein  hohes  k.  Staatsmini- 
sterium  die  Bitte,  dass  dem  Beschlüsse  der  Reichsrats-  und  Ab¬ 
geordnetenkammer,  betreffend  Errichtung  einer  homöopathischen 
Professur,  eine  Folge  nicht  gegeben  werde. 

Die  Kammer  stimmt  bei. 

A  n  t  r  a  g  V. 

Referent:  Dr.  R  e  g  1  e  r  -  Landshut. 

Zu  No.  V,  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  Aerzte¬ 
kammer  von  Oberbayern:  ..bis  sei  an  die  k.  Staatsregierung  die 
Bitte  zu  richten  um  Erlassung  einer  Dienstesanweisung  für  die 
bayerischen  amtlichen  Aerzte  und  dies  namentlich  auch  in  deren 
Verhältnis  zu  den  praktischen  Aerzten“,  führt  Referent  an:  Seit 
dem  organischen  Edikte  vom  8.  September  1808  wurde  in  Bayern 
keine  Dienstanweisung  für  Amtsärzte  erlassen.  Die  in  §  12  dieses 
Ediktes  in  Aussicht  gestellten  Instruktionen  über  die  Rechte. 
Pflichten,  Obliegenheiten  der  Amtsärzte  sind  nicht  zur  Ausgabe 
gelangt.  Die  hierauf  bezüglichen  Bestimmungen  Anden  sich  über¬ 
all  zerstreut. 

Nun  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  die  Tätigkeit  der  Amtsärzte 
ganz  bedeutend  erweitert  und  umgestaltet  infolge  der  Schaffung 
neuer  Gesetze,  der  ausserordentlichen  Ausbildung  der  Hygiene, 
während  andrerseits  wesentliche-  Teile  der  amtsärztlichen  Tätig¬ 
keit  in  Wegfall  gekommen  sind,  wie  das  Veterinärwesen  und  das 
Aushebnngsgeschäft.  Dieses  Edikt,  obwohl  also  in  seinen  Einzel¬ 
bestimmungen  veraltet,  bildet  zurzeit  noch  die  Grundlage  der  Or¬ 
ganisation  des  Medizinal wesens  in  Bayern,  welches  durch  spätere 
Bestimmungen,  wie  schon  angedeutet,  vielfach  weiter  ausgeführt, 
aber  auch  vielfach  abgeändert  worden  ist. 

Wiche  einschneidenden  Veränderungen  hat  z.  B.  die  Ein¬ 
führung  der  Gewerbeordnung  allein  auf  dem  Gebiete  des  Medizinal¬ 
wesens  gezeitigt.  Es  dürfte  daher  das  Bedürfnis  zur  Erlassung 
einer  Dienstanweisung  begründet  sein  und  die  Bitte  um  eine  solche, 
welche  über  Stellung,  Art  und  Umfang  der  Obliegenheiten  und  die 
Geschäftsführung  der  Amtsärzte  und  ihres  Verhältnisses  zu  den 
praktischen  Aerzten  Vorschriften  enthält,  gerechtfertigt  erscheinen, 
wie  ja  auch  Preussen  unterm  23.  März  1001  eine  allen  modernen 
Anforderungen  Rechnung  tragende  Dienstesanweisung  für  die 
Kreisärzte  erlassen  hat. 

Ich  stelle  daher  an  die  Mitglieder  der  Aerztekammer  Nieder¬ 
bayerns  das  Ansuchen,  dem  Anträge  des  ständigen  Ausschusses 
der  Aerztekammer  von  Oberbayern:  „Es  sei  an  die  k.  Staats¬ 
regierung  die  Bitte  um  Erlassung  einer  Dienstanweisung  für  die 
bayerischen  amtlichen  Aerzte  zu  richten“  die  Zustimmung  zu  er¬ 
teilen. 

Die  Kammer  stimmt  bei. 

Antrag  VI. 

Referent:  Dr.  R  e  g  1  e  r  -  Landshut. 

Zu  No.  VI,  Antrag  Oberbayern,  betreffend  Errichtung  von  ge¬ 
richtlich-medizinischen  Instituten  an  den  Landesuniversitäten, 
iiusserst  sich  Referent  wie  folgt: 

Schon  lange  wurde  seitens  der  Aerzte  Bayerns  schmerzlich 
empfunden,  dass  an  ihren  Landesuniversitäten  gerichtlich-medi¬ 
zinische  Institute,  an  welchen  durch  Professoren  der  gerichtlichen 
Medizin  Anleitung  zur  Ausführung  von  gerichtlichen  Leichenöff¬ 
nungen  und  zur  Abgabe  von  Leichenbefundberichten  erteilt  werden 
könnte,  fehlen.  Ich  stelle  daher  an  die  Mitglieder  der  Aerztekammer 
Niederbayerns  das  Ansuchen,  dem  Anträge  Oberbayerns,  betreffend 
Errichtung  von  gerichtlich-medizinischen  Instituten  an  den  Landes¬ 
universitäten  die  Zustimmung  zu  erteilen. 

Die  Kammer  stimmt  bei. 

Von  den  Nürnberger  Anträgen  wurden  III.  VII  und  VIII  in 
der  Vorbesprechung  zur  Aerztekammersitzung  erörtert,  in  der 
Kammer  selbst,  kamen  sie  nicht  zur  Beratung. 

XIV.  Antrag  des  k.  Bezirksarztes  Dr.  G  reiner  in  Vils- 
biburg.  Betreff:  An  Tuberkulose  erkrankte  Lehrer  und  Lehre¬ 
rinnen  bezw.  Ausschluss  derselben  vom  Schulunterricht. 

M  oti  v  e:  Es  ist  notorisch,  dass  die  Tuberkulose  zu  den 
schweren  Infektionskrankheiten  zu  rechnen  ist,  ebenso  notorisch 
ist  aber  auch,  dass  es  einzelne  Lehrer  gibt,  die  mit  einer  solchen 
chronischen  Tuberkulose  behaftet  manchmal  sogar  grössere 
Sch— :1er.  leiten. 


2124 


No.  59. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


Dadurch  ist  für  manche  Kinder,  welche  für  diese  Krankheit 
veranlagt  sind,  eine  grosse  Ansteckungsgefahr  gegeben. 

Zur  allgemeinen  Prophylaxe  wird  es  dringend  notwendig  sein. 
Lehrer,  welche  nach  bestimmten  ärztlichen  Gutachten  als  tuber¬ 
kulös  erklärt  werden,  sofort  von  der  Schule  auszuscldiessen  und 
deren  ständige  Pensionierung  zu  veranlassen.  —  Dass  leider  in 
den  meisten  Schulen  für  Desinfektion  tuberkulöser  Sputa  nicht 
gesorgt  ist,  sei  nur  nebenbei  erwähnt. 

Der  vom  Antragsteller  motivierte  Antrag  wird  von  der 
Kammer  einstimmig  angenommen. 

XV.  Unter  Führung  des  Herrn  Kreismedizinalrates  wurden 
die  Kammermitglieder  von  dem  k.  Regierungspräsidenten  von 
Niederbayern,  Frhrn.  v.  Andrian-Werburg,  in  freund¬ 
lichster  Weise  empfangen. 

XVI.  Es  folgt  die  Besprechung  eines  Schreibens  der  Ver¬ 
sicherungsanstalt  für  Niederbayern,  betr.  Gebühren  für  ärztliche 
Zeugnisse  in  Rentensachen. 

Der  Vorsitzende  spricht  dem  Herrn  Regierungskommissär  den 
Dank  für  Anregung  und  Förderung  der  heutigen  Beratung  aus. 

Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen  spricht  dem  Vorsitzenden  Dank  für 
umsichtige  Leitung  der  Geschäfte  aus,  worauf  dieser  den  Re¬ 
ferenten  und  Schriftführern  und  allen  Mitgliedern  der  Kammer 
den  Dank  für  ihre  Bemühungen  ausspricht. 

Dr.  M.  Sch  m  i  d.  Dr.  L.  Z  a  n  1 1. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Pfälzischen  Aerztekammer 

zu  Speyer. 

Speyer,  am  27.  Oktober  1902. 

Anwesend  sind:  der  k.  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat  Dr. 
K  a  r  s  c  h  als  Regierungskommissär. 

Als  Delegierte:  a)  für  den  Bezirksverein  Frankenthal:  Hof¬ 
rat  Dr.  Kaufmann,  k.  Bezirksarzt  a.  1).  in  Dürkheim,  Dr. 
Scherer,  prallt.  Arzt  in  Ludwigshafen,  Dr.  Schäfer,  prakt. 
Arzt  in  Neustadt,  Medizinalrat  Dr.  Demuth,  k.  Direktor  der 
Kreis-Kranken-  und  Pflegeanstalt  der  Pfalz  in  Fraukenthal; 

b)  für  den  Bezirksverein  Landau:  Dr.  Eduard  Pauli,  prakt. 
Arzt  in  Landau,  Medizinalrat  Dr.  K  a  r  r  e  r,  k.  Direktor  der  Kreis- 
Irrenanstalt  der  Pfalz  in  Klingenmünster,  Dr.  Schmitt,  prakt. 
Arzt  in  Herxheim; 

c)  für  den  Bezirksverein  Kaiserslautern:  Hofrat  Dr.  Jacob, 
prakt.  Arzt,  Dr.  Zahn,  k.  Landgerichtsarzt,  Dr.  Neumayer, 
prakt.  Arzt,  sämtliche  in  Kaiserslautern; 

d)  für  den  Bezirks  verein  Zweibrücken:  Medizinalrat  Dr.  Ull- 
mann,  k.  Landgerichtsarzt  in  Zweibrücken,  Dr.  B  r  e  i  t  h,  prakt. 
Arzt  in  Pirmasens,  Dr.  Gergens,  Augenarzt  in  Zweibrücken. 

Die  übliche  Aufwartung  bei  Sr.  Exzellenz  dem  Herrn  Re¬ 
gierungspräsidenten  Frhrn.  v.  W  e  1  s  e  r  konnte  nicht  stattfinden. 
Die  Aerztekammer  ersuchte  daher  den  Herrn  Regierungs¬ 
kommissär,  demselben  die  besten  Glückwünsche  und  ihren  Ab- 
schiedsgruss  zu  übermitteln,  und  zu  danken  für  das  der  Aerzte¬ 
kammer  stets  bewiesene  Wohlwollen. 

1.  Beim  Beginn  der  Sitzung  spricht  der  Vorsitzende,  Herr  Hof¬ 
rat  Dr.  Kaufmann  im  Namen  der  Kammer  dem  Herrn  Re¬ 
gierungskommissär  zur  Vollendung  seines  70.  Lebensjahres  am 
29.  Oktober  1902  die  herzlichsten  Glückwünsche  aus.  Seit  dem 
Jahre  1875  nahm  Herr  Kreismedizinalrat  Dr.  Kar  sch  als  Re¬ 
gierungskommissär  an  den  Verhandlungen  der  Aerztekammer  teil, 
ln  allen  wichtigen  Fragen  habe  er  seine  Erfahrung  und  seinen 
Rat  bereitwilligst  uns  zur  Verfügung  gestellt.  Nachdem  seine 
Verdienste  um  das  Medizinal  wesen  und  die  Aerzte  der  Pfalz  be¬ 
reits  vor  einigen  Tagen  bei  der  Generalversammlung  des  Vereins 
der  Pfälzischen  Aerzte,  der  wir  alle  beiwohnten,  in  gebührender 
Weise  gewürdigt  worden  seien,  wolle  er  nur  noch  besonders  die 
Verdienste  des  Jubilars  um  die  Kreis-Krankenanstalten  und  das 
Heilstättewesen  der  Pfalz  hervorheben.  Wir  alle  wünschten, 
dass  es  ihm  vergönnt  sei,  noch  recht  lange  in  der  bisherigen  Frische 
seines  Amtes  zu  walten.  Zum  Zeichen  des  Einverständnisses  er¬ 
hoben  sich  die  Kammermitglieder  von  ihren  Sitzen. 

Der  Herr  Kreismedizinalrat  dankt  für  die  ihm  auch  heute 
wieder  erwiesene  Aufmerksamkeit.  Die  Anerkennung  von  seiten 
der  Aerztekammer  werde  ihm  stets  in  dankbarer  Erinnerung 
bleiben.  Wenn  es  ihm  stets  eine  Freude  gewesen  sei,  auch  hier 
mitzuwirken,  so  sei  dies  wesentlich  ein  Verdienst  der  bewährten 
langjährigen  Führung  der  Aerztekammer.  Er  ersuche  die  An¬ 
wesenden  zur  Ehrung  des  Vorsitzenden,  der  vor  einigen  Tagen  sein 
50  jähriges  Doktorjubiläum  feiern  konnte,  von  den  Sitzen  sich  zu 
erheben.  (Geschieht.) 

Sodann  begrüsst  der  Vorsitzende  das  neu  eingetretene 
Kammermitglied.  Herrn  Dr.  Schäfer  von  Neustadt,  und  Herrn 
Dr.  Gergens  aus  Zweibrücken  als  Vertreter  des  am  Erscheinen 
verhinderten  Herrn  Dr.  Ehrhardt  in  St.  Ingbert. 

Es  wurden  dann  die  Wahlen  vorgenommen.  Diese  ergaben: 

1.  Vorsitzender:  Hofrat  Dr.  Kaufmann: 

2.  Stellvertretender  Vorsitzender:  Medizinalrat  Dr.  Ull- 
m  a  n  n; 

3.  Schriftführer:  Medizinalrat  Dr.  Demuth;  Stellvertreter 
des  Schriftführers:  Landgerichtsarzt  Dr.  Zahn; 

4.  Delegierter  zum  Obermedizinalaussehusse:  Medizinalrat 
Dr.  Demuth;  Stellvertreter  des  Delegierten:  Hof  rat  Dr.  Kauf- 
m  a  n  n; 


5.  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation:  K  a  u  f  - 
m  a  n  n,  U  1 1  m  a  n  n,  De  m  u  t  h,  Paul  i,  K  a  r  r  e  r; 

0.  Kreiskassier  für  den  Verein  zur  Unterstützung  hilfs¬ 
bedürftiger  invalider  Aerzte  in  Bayern:  Dr.  Ullmanu. 

Als  Sachverständige  bei  den  Verhandlungen  vor  dem  Schieds¬ 
gericht  für  Arbeiterversicherung  in  der  Pfalz  wurden  folgende  in 
Speyer  wohnhafte  Herren  in  Vorschlag  gebracht:  Kreismedizinal¬ 
rat  Dr.  Karsch,  Dr.  Ant  z,  Dr.  S  c  li  i  1  d,  Dr.  D  a  v  i  d. 

III.  Sodann  macht  der  Vorsitzende  Mitteilung  von  der  Be¬ 
scheidung  der  Verhandlungen  der  Aerztekammer  im  Jahre  1901. 

IV.  Der  Schriftführer  gibt  den  Mitgliederstand  der  Vereine 
bekannt:  Der  Verein  der  Pfälzischen  Aerzte  zählt  zur  Zeit 
269  Mitglieder;  hiervon  treffen  auf  den  Bezirksverein  Franken¬ 
thal  103,  Landau  57,  Kaiserslautern  56,  Zweibrücken  53. 

V.  Revision  der  Geschäftsordnung.  Zufolge  eines  Antrages 
von  Dr.  Scherer  in  der  vorjährigen  Kammersitzung,  wonach  die 
Beschwerden  im  Sinne  des  §  12  der  k.  Allerh.  Verordnung  vom 
9.  Juli  1895,  die  Bildung  von  Aerztekammern  und  Bezirksvereinen 
betreffend,  nicht  mehr  wie  in  der  Geschäftsordnung  bestimmt, 
von  einer  Kommission,  sondern  dem  Wortlaut  der  Verordnung  ent¬ 
sprechend  jedesmal  von  der  ganzen  Kammer  erledigt  werden  sollen, 
wurde  die  Revision  der  Geschäftsordnung  auf  die  Tagesordnung 
gesetzt.  Dr.  Scherer  wiederholt  seinen  Antrag  und  sucht  den¬ 
selben  zu  begründen.  Dr.  D  e  m  u  t  li  spricht  gegen  den  Antrag. 
Er  erkennt  an,  dass  bei  der  einschneidenden  Wichtigkeit  solche 
Beschwerden  recht  gründlich  zu  beraten  seien.  Dies  könne  auch 
von  der  gewählten  Kommission  geschehen;  man  könne  ja  diese 
verstärken  und  bestimmen,  dass  sie  ausser  dem  Vorsitzenden  stets 
aus  4  Mitgliedern  bestehen  müsse  und  dass  derselben  zur  Pflicht 
zu  machen  sei,  in  eingehender  Beratung  und  nicht  circulando  solche 
Beschwerden  zu  erledigen.  Die  Beratung  im  Plenum  der  Kammer 
erschwere  sehr  den  Geschäftsgang  und  sei  schon  aus  dem  Grunde 
schwer  durchzuführen,  weil  unter  Umständen  es  Vorkommen 
könnte,  dass  eigens  zu  dem  einen  Zwecke  das  Ersuchen  bei  k.  Re¬ 
gierung  zur  Abhaltung  einer  Kammersitzung  gestellt  werden 
müsste.  Auch  scheine  ihm  eine  Durchlöcherung  der  von  allen 
Kammern  des  Königreichs  gemeinsam  angenommenen  Geschäfts¬ 
ordnung  nicht  wohl  am  Platze.  Er  bitte  Dr.  Schere  r  seineu 
Antrag  zurückzuziehen.  Dr.  Jacob  spricht  ebenfalls  für  die  Ver¬ 
weisung  an  eine  Kommission  und  befürwortet,  dass  zu  den  Ver¬ 
handlungen  der  Kommission  unter  allen  Umständen  der  Appellant 
und  ein  Vertreter  des  betreffenden  Bezirksvereins  geladen  werden 
müssten. 

Dr.  Scherer  zieht  nun  seinen  Antrag  zurück  und  es  be- 
scliliesst  dann  die  Kammer  einstimmig,  dass  solche  Beschwerden 
wie  bisher  von  einer  Kommission  zu  erledigen  seien  mit  den  von 
Demuth  und  Jacob  befürworteten  Voraussetzungen. 

Die  Kommission  soll  nun  in  Zukunft  bestehen  ausser  dem 
Vorsitzenden  aus:  Demuth,  Pauli,  Jacob,  Ullmanu  als 
Beisitzende;  Karrer  und  Scherer  als  Stellvertreter. 

VI.  Den  Antrag  des  Bezirksvereins  Frankenthal,  an  die  Ver¬ 
sicherungsanstalt  für  die  Pfalz  das  Ersuchen  zu  stellen,  statt  des 
bisherigen  Honorars  von  3  M.  ein  solches  von  5  M.  für  Zeugnisse 
über  Invalidität  zu  gewähren,  kann  die  Kammer  für  jetzt  nicht 
befürworten. 

VII.  Dr.  Scherer  stellt  folgenden  Antrag: 

„Die  Aerztekammer  möge  sich  bei  der  k.  Staatsregierung 
dahin  verwenden,  dass  den  Lehreren  an  der  Hochschule 
nahezulegen  sei,  die  Studierenden  der  Medizin  speziell  auch 
in  der  ökonomischen  Verordnungsweise  von  Arzneimitteln  zu 
unterrichten  und  in  der  Handhabung  der  Apothekertaxord- 
nung  durch  praktische  Hebungen.  Zum  Bestehen  der  Staats¬ 
prüfung  soll  der  Nachweis  diesbezüglicher  ausreichender 
Kenntnisse  unbedingt  notwendig  sein.“ 

Die  heutigen  Verhältnisse  der  ärztlichen  Praxis,  insbesondere 
die  Kassen-  und  Armenpraxis,  ergäben  dringend  diese  Forderung. 
Es  sei  eine  allgemeine  Beobachtung,  dass  die  oft  horrenden 
Arzneikosten,  welche  die  Krankenkassen  bezahlen  müssten,  mit 
ein  Hemmnis  seien,  dass  die  Leistungen  der  Aerzte  nicht  ent¬ 
sprechend  bezahlt  werden  könnten.  Es  sei  bekannt,  dass  oft  aus 
Unkenntnis  viel  zu  teuer  ordiniert  werde.  So  sei  ihm  ein  Fall 
bekannt,  wo  3  Rezepte  48  M.  kosteten.  Wie  man  an  Arzneimitteln 
und  auch  in  der  Verordnungsweise  sparen  könnte,  sei  vielfach  den 
Aerzten  zu  wenig  bekannt.  Solche  Kenntnisse  müsste  man  aber 
von  der  Universität  schon  mitbringen. 

An  der  eingehenden  Debatte  beteiligten  sich  U  1 1  m  a  n  n, 
Pauli,  Schüfe  r,  D  emut  h,  K  a  u  f  f  m  a  n  n  und  der  Re¬ 
gierungskommissär. 

U  llmann  meint,  das  billige  Rezeptieren  könne  man  erst  all¬ 
mählich  in  der  Praxis  lernen. 

Pauli  verweist  auf  das  Verfahren,  wie  es  in  Landau  geübt 
werde,  wo  die  Kassenrezepte  einem  dazu  bestimmten  Arzte  über¬ 
sendet  werden,  der  dann  gegebenen  Falles  die  Ivollgen  aufmerk¬ 
sam  mache. 

Karsch  sagt,  er  glaube  nicht,  dass  die  Kassen  den  Aerzten 
sich  willfähriger  zeigen,  wenn  diese  billiger  ordinieren;  diese 
suchten  eben  überall  zu  sparen,  an  den  Arzneikosten  und  am 
Arzte.  Den  Weg,  sich  an  die  Universitäten  zu  wenden,  halte  er 
nicht  für  den  richtigen.  Belehrung  in  den  Vereinen  und  Vereins¬ 
disziplin  könne  hier  viel  mehr  nützen.  Im  übrigen  dürfte  es  Auf¬ 
gabe  speziell  der  Kassenärzte  sein,  sich  über  die  wechselnden 
Arzneipreise  stets  einigermassen  orientiert  zu  erhalten  und  auch 
an  Anleitungen  zu  ökonomischer  Verordnungsweise  fehle  es  in 
der  Literatur  zur  Zeit  nicht. 


16.  Dezember  1902. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


2125 


T  f  C-  h  1  zetirt  an  BeisPielen>  dass  nicht  immer  bloss  Um 
teuere”8  bl  '8ei'  VerordmmSs  weise  es  sei,  die  die  Rezepte  ver- 

K  auf  mann  meint,  dass  zur  Behebung  dieser  von  uns  allen 
anerkannten  Misstande  hauptsächlich  in  den  Vereinen  der  Hebel 
anzusetzen  sei. 

Dcinuth  weist  auf  das  Praktikantenjahr  hin,  das  in  der 
Einfühlung  begriften  sei;  da  sollten  die  jungen  Aerzte  von  den 
Leitern  der  Anstalten,  denen  sie  überwiesen  werden,  wie  auf  so 
manche  andere  Dinge  des  praktischen  Lebens,  auch  auf  die 
Oekonomie  der  Rezeptur  hingewiesen  werden;  die  Universitäts- 
lehrer  hätten  wohl  mehr  die  wissenschaftliche  Seite  zu  pflegen. 
Li  bc meike  feiner,  die  Debatten  über  vorliegenden  Antra0-  ins 
besondere  auch  das  von  Schäfer  Mitgeteilte,  hätten  gezeigt 
wie  sehr  das  voraussichtliche  Scheitern  der  gesetzlichen  Standes- 
oidnung  zu  beklagen  sei,  da  ohne  diese  die  mehrfach  betonte 
Einwirkung  von  Seiten  der  Vereine  doch  nur  eine  beschränkte 
sein  kann. 

Dei  An t lag  Scherer  wird  mit  allen  gegen  3  Stimmen  ab¬ 
gelehnt. 


Dagegen  wurde  angenommen  der  Antrag  Kaufmann: 

»Die  Bezirks-  und  Lokalvereine  sollen  es  sich  zur  Aufgabi' 
machen,  Misstande,  die  bei  der  Rezeptur  von  Armen-  und 
Krankenversicherungskassen  bestehen,  so  viel  sie  vermögen 
zu  beseitigen“ 

mit  einem  Zusatzantrag  von  D  e  m  u  t  li: 

..Die  Leiter  der  Krankenanstalten  sollen  es  sich 
angelegen  sein  lassen,  die  ihnen  überwiesenen  Prakti¬ 
kanten  in  der  P harmacopoea  oeconomica  praktisch  zu  unter¬ 
weisen.“ 


\  III.  Bezüglich  der  Anträge  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
Nürnberg,  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  betreffend,  wurde  in  der 
Vorbesprechung  der  ständigen  Ausschüsse  der  bayerischen  Aerzte- 
kammern  zu  Nürnberg  beschlossen,  „man  möge  an  die  k.  Staats¬ 
regierung  die  Bitte  stellen,  im  Bundesrate  den  von  dem 
XXX.  Deutschen  Aerztetag  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei 
gemachten  Vorschlägen  ihre  Zustimmung  zu  erteilen,  eventuell, 
falls  die  reichsgesetzliche  Regelung  nicht  zur  Durchführung  ge¬ 
langt,  die  in  Frage  stehenden  Massnahmen,  welche  zum  Teile  in 
anderen  Bundesstaaten  schon  durchgeführt  sind,  auf  dem  Wege 
der  Landesgesetzgebung  in  Bayern  zur  Einführung  zu  bringen.“ 

Bezüglich  des  Wortlauts  der  Anträge  siehe  das  oberbaverische 
Protokoll. 

Jacob  beantragt  unter  Ablehnung  aller  vorbezeichneten  An¬ 
träge  folgende  Resolution  anziulehmen:  „Die  pfälzische  Aerzte¬ 
kammer  erblickt  in  dem  Wiederverbot  der  Kurpfuscherei  das 
einzige  richtige  Mittel  gegen  die  Schäden  derselben“.  Es  sei  dies 
der  einzige  richtige  Standpunkt,  auf  den  wir  uns  stellen,  und  den 
wir  nicht  verlassen  dürften.  Die  Kurpfuscherei  sei  ein  Verstoss 
gegen  die  öffentliche  Moral,  und  es  müsse  daher  dieselbe  auch  im 
öffentlichen  Interesse  verboten  Averden.  Man  könne  nicht  A'on 
zweierlei  Kurpfuschern  sprechen;  jeder  Kurpfuscher  sei  unzuver¬ 
lässig.  Verlasse  man  diesen  Standpunkt,  so  erhielten  die  Uebrigen 
gleichsam  den  Schein  der  Berechtigung.  In  Konsequenz  des  in 
seinem  Antrag  ausgesprochenen  Standpunktes  dürften  A\rir  auch 
keine  anderen  Massregeln  gegen  die  Kurpfuscherei  vorschlagen, 
zumal  hierdurch  die  Erreichung  des  zu  erstrebenden  Zieles,  des 
Kurpfuscherei  Verbotes  in  weitere  Entfernung  gerückt  Aväre. 
Er  sei  daher  für  Ablehnung  sämtlicher  obiger  Anträge  und  em¬ 
pfehle  dafür  einzig  den  A’on  ihm  formulierten  Antrag. 

Demuth  bemerkt,  auch  in  Nürnberg  habe  man  den  Stand¬ 
punkt,  dass  an  der  Forderung  der  Wiedereinführung  des  Kur¬ 
pfuschereiverbotes  festgehalten  werden  müsse,  nicht  verlassen. 
Es  sei  dies  ja  auch  am  Schlüsse  oben  verzeichneter  Anträge  noch 
besonders  hervorgehoben  worden.  Gegen  den  Aron  Jacob  Ab¬ 
geschlagenen  Antrag  wäre  daher  auch  im  allgemeinen  nichts  ein- 
zuAvenden,  derselbe  formuliere  nur  ein  schon  so  oft  von  uns  auf¬ 
gestelltes  Petitum.  Aber  mit  theoretischen  Resolutionen  allein 
kommen  wir  nicht  Aveit.  Wir  müssten  uns  auf  den  Boden  der 
gegebenen  Verhältnisse  stellen.  Es  sei  nicht  zu  hoffen,  dass  in 
absehbarer  Zeit  atoii  Seiten  des  Reiches  ein  KurpfuseliereKerbot 
erlassen  werde,  und  da  gelte  es  an  der  Hand  der  Landesgesetz¬ 
gebung,  wie  dies  ja  auch  im  Staate  Hamburg  und  in  Preussen 
schon  gesehen,  zu  versuchen,  die  Schäden  der  Kurpfuscherei,  wie 
sie  sich  bemerkbar  gemacht  haben  unter  der  Herrschaft  der  ge¬ 
gen  Avärtigen  Gesetzgebung  und,  so  lange  diese  besteht,  durch  einst- 
Aveilige  polizeiliche  Massregeln  und  Verordnungen  einzudämmen. 
Darüber,  Avie  Aveit  man  darin  zu  gehen  habe,  könnte  man  ver¬ 
schiedener  Meinung  sein;  nach  seiner  Ansicht  sei  es  nicht  richtig, 
auf  das  Prinzip  sich  zu  versteifen,  ohne  den  Versuch  einer  einst- 
Aveiligen  Besserung  zu  machen;  daher  dürfe  man  wohl  wenigstens 
Absatz  2  der  Ziffer  1  und  die  Ziffern  2,  3  und  4  der  Nürnberger 
Anträge  annehmen. 

Karsch  gibt  Kenntnis  von  der  neuen  preussisclien  Verord¬ 
nung  vom  28.  Juni  d.  J.,  die  sich  ziemlich  an  die  vom  Staate 
Hamburg  unter  dem  1.  Juni  1900  erlassene  Verordnung  anschliesse. 

An  der  Debatte  beteiligten  sich  dann  noch  K  a  u  f  m  a  n  n,  der 
bemerkt,  dass  nach  unseren  Anschauungen  der  §  14S  Ziffer  4  der 
ReichsgeAverbeordnung  keine  AnAvendung  auf  die  Kurpfuscher 
haben  könne,  dann  G  e  r  g  e  n  s  und  Schüfe  r,  die  sich  für  Strei¬ 
chung  der  ganzen  Ziffer  1  aussprachen. 

Bei  der  Abstimmung  wurde  der  Antrag  Jacob  einstimmig 
unter  Streichung  der  Ziffer  1  angenommen;  dagegen  wurde  den 
Ziffern  2,  3  und  4  der  Nürnberger  Anträge  mit  allen  gegen 
1  Stimme  zugestimmt. 


Dem  Anträge  des  Ausschusses  der  oberbayerischen  und 
mittelfränkischen  Aerztekammer,  bei  der  k.  Regierung  vorstellig 
zu  werden,  dass  dem  Beschlüsse  der  Reichsrats-  und  Abgeordneten 
kammei,  betreffend  Errichtung  eines  homöopathischen  Lehrstuhls 
eine  Folge  nicht  gegeben  Averde,  scliliesst  sich  die  Aerztekammer  an. 

X.  Ebenso  scliliesst  sich  die  Aerztekammer  dem  Antrag  des 
ständigen  Ausschusses  der  Aerztekammer  von  Oberbayern  au: 

„Es  sei  an  die  k.  Regierung  die  Bitten  m  E  r  - 
1  a  s  s  u  n  g  einer  D  i  e  n  s  t  a  n  av  e  i  s  u  n  g  f  ii  r  d  i  e 
bayerischen  amtlichen  Aerzte  zu  richte  n“, 
und  spricht  dabei  die  Hoffnung  aus,  „d  a  s  s  d  a  mit  die 
Reorganisation  des  Medizinal  wese  ns  über- 
h  a  upt  a  n  g  ebahnt  w  e  r  d  e.“ 

XI.  Die  Aerztekammer  spricht  sich  weiterhin  für  die  Er¬ 
richtung  eines  gerichtlich-medizinischen  Instituts  aus. 

X_II.  Dem  Anträge  Mittelfranken,  von  jeder  Kammer  jähr¬ 
lich  L>  M.  Beitrag  zur  Geschäftsführung  der  Kammerausschüsse 
zu  erheben,  wird  zugestimmt. 

XIII.  Zu  dem  Antrag  der  Aerztekammer  Mittelfranken,  den 
Eintritt  zur  bayerischen  Witwen-Pcnsionskasse  für  alle  Aerzte, 
welche  eine  staatliche  oder  städtische  Anstellung  erlangen,  obliga¬ 
torisch  zu  machen,  spricht  sich  die  Aerztekammer  in  ablehnendem 
Sinne  aus,  da  ein  Zwang  zur  Zeit  nicht  angängig  erscheine. 

XIV.  Von  seiten  eines  Privaten  war  eine  Beschwerde  über 
drei  Aerzte  bei  dem  Vorsitzenden  eingereicht  worden. 

Dr.  Jacob  stellt  hierzu  den  Antrag: 

„Die  Aerztekammer  gibt  die  BeseliAverde  mit  dem  Be¬ 
merken  zurück,  dass  die  Angelegenheit  zunächst  vor  dem 
Scliieds-  und  Ehrengericht  des  zuständigen  Bezirksvereins 
verhandelt  werde.  Gegen  die  Entscheidung  desselben  würde 
dann  dem  Antragsteller  die  Berufung  zu  Aerztekammer  zu 
stehen.“ 

Dagegen  stellt  Dr.  Scherer  den  Antrag: 

„Die  Aerztekammer  geht  über  diese  Besclnverde,  als  zur 
Zeit  nicht  zu  ihrer  Kompetenz  gehörig,  zur  Tagesordung 
über.“ 

Die  Aerztekammer  scliliesst  sich  nach  kurzer  Beratung  dem 
Anträge  Scherer  an. 

XV.  Dr.  Zahn  berichtet  über  einen  Artikel  von  Dr.  Geiger 
in  Landstuhl  im  Vereinsblatt  für  Deutschland  über  §  57  a  des 
Krankenversicherungsgesetzes.  Es  handelt  sich  um  die  Bestim¬ 
mung,  dass  die  Krankenkassen  ausAvärtige  Mitglieder  an  die  Ver¬ 
sicherungsträger  ihrer  Heimatsgemeinde  gegen  Erstattung  des 
anderthalbfachen  Betrages  des  Krankengeldes  überweisen  können. 
Der  einfache  Betrag  des  Krankengeldes  kommt  den  Erkrankten  zu, 
mit  dem  halbfachen  sollen  die  Auslagen  für  Arzt  und  Apotheker 
bestritten  Averden.  Dr.  Geiger  sieht  in  diesem  Paragraphen  eine 
Vergewaltigung  der  Kleinen  durch  die  Grossen;  da  dieser  Betrag 
in  der  Regel  nicht  ausreiche,  komme  es  nur  zu  häufig  vor,  dass 
die  Aerzte  um  ihr  wohlverdientes  Honorar  gebracht  Averden.  Die 
Kassen,  AATelche  Pauschalsummen  bezahlen,  muten  dem  Kassen¬ 
arzte  die  Behandlung  der  auswärtigen  Kranken  ohne  alle  Ent¬ 
schädigung  zu;  viele  Kassen,  z.  B.  die  in  Landstuhl,  verlangen 
ebenfalls  a-ou  den  Aerzten  die  unentgeltliche  Behandlung  der  von 
auswärts  Ueberwiesenen.  Infolge  der  zahlreichen  Ueberweisungen 
erleiden  die  Aerzte  eine  beträchtliche  Einbusse.  Eine  Abänderung 
des  §  57  a  auf  gesetzlichem  Wege  wird  nicht  leicht  durchzusetzen 
sein.  Das  Amtsgericht  in  Leipzig  hat  entschieden,  dass  für  über- 
wiesene  auswärtige  Kassenmitglieder  die  Kassenärzte  die  vollen 
Mindestsätze  der  Taxe  liquidieren  dürfen,  weshalb  diese  sich 
irgendwelchen  Abzug  nicht  gefallen  zu  lassen  brauchen,  sondern 
ohne  Aveiteres  den  KlageAveg  betreten  können. 

In  der  sich  hieran  schliessenden  Debatte  Avird  heiworgehoben, 
dass  es  angezeigt  sei,  diese  Angelegenheit  in  den  Vereinen  zu  be¬ 
sprechen,  und  dass  die  Aerzte,  um  sich  gegen  Benachteiligung  in 
genannter  Richtung  zu  schützen,  A'or  allem  schon  bei  den  Ver¬ 
tragsabschlüssen  hierauf  Rücksicht  nehmen  sollten,  zumal  es 
ZAA’eifelliaft  sei.  ob  im  Klagefalle  die  verschiedenen  Gerichte  immer 
in  gleicher  Weise  entscheiden  würden,  und  ausserdem  die  Er¬ 
hebung  einer  Klage  für  den  Arzt  immer  eine  unangenehme 
Sache  sei. 

Dr.  K  a  u  f  m  a  n  n,  Dr.  D  e  m  u  t  li, 

Vorsitzender.  Schriftführer. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  der  Ober¬ 
pfalz  und  von  Regensburg. 

Ii  e  g  ens  b  u  r  g,  den  27.  Oktober  1902. 

Anwesend:  Der  k.  Regierungskommissär,  Regierungs-  und 
Kreismedizinalrat  Dr.  Dorffmeister.  Die  Delegierten:  Dr. 
Mayer,  k.  Landgerichtsarzt  in  Amberg,  für  den  ärztlichen  Be¬ 
zirksverein  Amberg;  Dr.  B  e  y  e  r,  k.  Bezirksarzt  in  Cham,  für  den 
ärztlichen  Bezirksverein  der  östlichen  Oberpfalz;  Dr.  Thenn, 
k.  Bezirksarzt  in  ISeilngries,  für  den  ärztlichen  Bezirksverein  der 
Avestlichen  Oberpfalz;  Dr.  Brunhuber,  Dr.  Hutter,  Dr. 
Lämmer  t,  praktische  Aerzte  in  Regensburg,  für  den  ärztlichen 
Bezirksverein  Regensburg  und  Umgebung;  Dr.  SchAvink,  prakt. 
Arzt  in  Erbendorf,  und  Dr.  Frhr.  v.  Thon-Dittme  r,  prakt. 
Arzt  in  Pressath,  für  den  ärztlichen  Bezirksverein  Weiden. 

Nach  Begrüssung  der  Delegierten  durch  den  k.  Regierungs¬ 
kommissär  hatten  dieselben  die  Ehre,  Sr.  Exzellenz  dem  Herrn 
I  Regierungspräsidenten  at.  Lutz  ihre  Aufwartung  zu  machen,  der 


2126 


No.  50. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


sieh  über  die  Beratungsgegeustiinde  Belicht  erstatten  liess. 

I  nter  dem  Vorsitz  des  Alterspräsidenten  wurden  hierauf  ge¬ 
mäss  der  Geschäftsordnung  schriftlich  gewählt:  zum  Vorsitzenden 
Dr.  Thenn,  zu  dessen  Stellvertreter  Pr.  Mayer,  zum  Schrift¬ 
führer  Pr.  Ln  m  mert,  zu  dessen  Stellvertreter  Pr.  Hutter. 
Sämtliche  nahmen  die  Wahl  dankend  an. 

Bezirksarzt  Pr.  Thenn  übernimmt  den  Vorsitz  und  erstattet 
den  Jahresbericht  des  ständigen  Ausschusses. 

1  »er  Ausschuss  hatte  sich  zu  befassen  mit  einer  Beschwerde 
des  Herrn  Pr.  (’larus  wegen  dessen  Niclitauf nähme  in  den  ärzt¬ 
lichen  Bezirksverein  Regensburg.  Pie  Schiedsrichter  Pr.  Tlienxi- 
Beilugries,  Pr.  S  c  h  m  e  1  c  li  e  r  -  Amberg  und  I )r.  B  r  e  d  a  u  e  r  - 
Neustadt  entschieden  unterm  27.  April  1902  dahin,  dass  die  Ab¬ 
lehnung  in  Widerspruch  steht*  mit  §  12  der  Allh.  Verordnung  vom 
51.  Juli  1895,  und  dass  demnach  dem  Aufnahmegesuch  des  Pr.  Cla¬ 
ras  stattgegeben  werden  müsse.  Dieser  Beschluss  mit  den  (blin¬ 
den  wurde  an  den  ärztlichen  Bezirksverein  Regensburg  geleitet. 

Ferner  wurde  über  eint*  vom  Anschüsse  im  Namen  der  Aerzte- 
kammer  abgegebene  Erklärung,  betreffend  die  Standes-  und  Ehren- 
geriehtsordnung.  Bericht  'erstattet  und  hiebei  der  gegenwärtige 
Stand  dieser  Angelegenheit  einer  eingehenden  Besprechung  unter¬ 
zogen. 

Per  Vorsitzende  gibt  alsdann  den  Einlauf  bekannt: 

1.  Pie  M inisterinlontschliessung  vom  4.  November  1901.  die 
Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1900  betreffend,  als 
Ergänzung  zu  Ziff.  (i  der  Ministerialentschliessung  vom  27.  Juli 
1901  gleichen  Betreffs. 

2.  Pie  Ministerialentschliessung  vom  3.  August  1902,  die  Ver¬ 
handlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1901  betreffend. 

3.  Eine  Zuschrift  des  Generalsekretärs  des  deutschen  Aerzt.e- 
vereinsbundes  vom  20.  Juli  1902,  in  welcher  um  tunlichst  be¬ 
schleunigte  Herbeiführung  der  vom  diesjährigen  deutschen  Aerzte- 
tage  in  Königsberg  beschlossenen  Errichtung  von  sogen.  Vertrags¬ 
kommissionen  im  diesseitigen  Kammerbezirke  ersucht  wird. 

Hierauf  legt  der  Vorsitzende  die  Abrechnung  über  die  Aus¬ 
lagen  für  die  Äerztekammer  itn  Jahre  1901/02  mit  den  entsprechen¬ 
den  Belegen  vor.  Dieselbe  wird  durch  Pr.  Sch  Wink  und 
Pr.  v.  Thon-Pitt  mer  geprüft  und  richtig  befunden. 

Es  hat  sich  ergeben,  dass  die  Kosten  durch  die  Beschickung 
der  Aerztetage  in  Ilildeslieim  1901  und  in  Königsberg  1902,  ferner 
durch  Ausgaben,  welche  aus  der  alljährlich  notwendigen  Vor¬ 
besprechung  in  Nürnberg  erwachsen,  beträchtlich  gestiegen  sind, 
und  zwar  auf  351  M.  58  Pf.  Dieser  noch  zu  begleichenden  Summe 
stehen  nur  94  M.  58  Pf.  Einnahmen  gegenüber;  es  verbleibt  sonach 
ein  Defizit,  von  257  M. 

Zur  Deckung  dieses  Betrages  beantragt  der  Vorsitzende  für 
das  kommende  Jahr  den  Beitrag  pro  Vereinsmitglied  auf  3  M.  zu 
normieren.  Pie  Kammer  genehmigte  diesen  Vorschlag. 

Auf  Einladung  des  Vorsitzenden  erstatten  die  Delegierten  Be¬ 
richt  über  ihre  Vereine. 

1.  Aevztl  icher  Bezirksverein  A  in  b  e  r  g.  Referent: 
Pr.  M  a  y  e  r.  Derselbe  zählt  21  Mitglieder.  Vorsitzender  ist  Land¬ 
gerichtsarzt  Pr.  Mayer.  Schriftführer  und  Kassier  Pr.  Niir- 
b  a  u  e  r.  Es  fanden  3  Sitzungen  statt. 

2.  A  e  r  z  1 1  i  c  h  e  r  B  e  z  i  r  k  s  v  e  r  e  in  de  r  östliche  n 
Ober  pfalz.  Referent:  Pr.  Beyer- Cham.  Derselbe  hat 
17  Mitglieder.  Vorsitzender:  Bezirksarzt  Pr.  M  u  1  z  e  r  -  Wald- 
münclien,  Kassier:  Dr.  K  e  1 1  er  1  -  Cham,  Schriftführer:  Pr. 
M  a  y  er-  Bodenwölir.  Von  den  3  Versammlungen  fand  eine  in 
Cham,  2  in  Bodenwölir  statt. 

3.  Aerztliche  r  B  e  z  i  r  k  s  v  erein  der  westlichen 
Ober  pfalz.  Referent:  Pr.  Thenn.  Per  Verein  zählt  IG  Mit¬ 
glieder.  Vorsitzender:  Bezirksarzt  Pr.  T  li  e  n  n  -  Beiingries, 
Schriftführer  und  Kassier:  Pr.  P  r  e  u  s  s  -  Fyrbaum.  Es  wurden 

3  Versammlungen  abgehalten.  In  der  Aprilversammlung  d.  J. 
hielt  Herr  k.  Bezirksarzt  Dr.  C4  r  u  n  d  1  er  -  Neumarkt  einen  mit 
allgemeinem  Beifalle  aufgenommenen  Vortrag  über  seine  Be¬ 
teiligung  an  der  Bäderstudienreise  im  vorigen  Jahre. 

4.  A  e  r  z  1 1  i  c  li  e  r  B  p  z  i  r  k  sverei  n  für  R  e  g  e  n  s  b  u  r  g 

und  Umgebung.  Derselbe  besteht  aus  58  Mitgliedern.  Vor¬ 
sitzender:  Pr.  Kollier,  Schriftführer:  Dr.  Herrich- 

Scliäffer  jr.,  Kassier:  Pr.  Stillkrautli.  Es  fanden 

4  Vereinsversammlungen  statt,  in  denen  Standesfragen  und  inter¬ 
essante  Fälle  aus  der  Praxis  besprochen  wurden.  Als  Delegierter 
zum  Deutschen  Aerztetag  in  Königsberg  wurde  Dr.  Köhler  ge¬ 
wählt.  Am  4.  September  fand  der  oberpfälzische  Aerztetag  in 
Regensburg  statt.  Vorträge  hielten  Pr.  Scliwink:  Feber  die 
Leistungsfähigkeit  der  natürlichen  Ventilation;  Pr.  Dörfler: 
Feber  Gelatineinjektion  und  ihre  Beziehung  zum  Tetanus;  Med.- 
Rat  Dr.  I)  o  r  f  f  in  e  i  s  t  e  r:  Krankheit,  objektive  Ililfsbedürftig- 
keit  und  Erwerbsunfähigkeit  -  namentlich  bei  venerischen  Krank¬ 
heiten  —  vom  verwaltungsrechtlichen  Standpunkte  aus.  Dr. 
Köhler  berichtete  über  den  XXX.  deutschen  Aerztetag  in 
Königsberg. 

5.  V  e  r  z  1 1  i  c  h  e  r  B  e  z  i  r  k  s  v  e  r  e  i  n  XV  e  i  d  e  n.  Mit¬ 
gliederzahl  30.  X'orsitzendor:  Pr.  W  aller-  XVeiden.  Schrift¬ 
führer  und  Kassier:  Pr.  R  e  b  i  t  z  e  r  -  Weiden.  Es  wurden 
3  Sitzungen  abgehalten. 

Vor  Eintritt  in  die  Beratung  der  vorliegenden  Anträge  geht 
die  Kammer  zu  den  üblichen  XX'alilen  über.  Zum  Abgeordneten  für 
den  erweiterten  Obermedizinalausschuss  wurden  gewählt:  Pr. 
Thenn,  zu  dessen  Stellvertreter:  Pr.  Mayer. 

Pie  Wahl  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation 
<k.  Allerli.  X'erordnung  vom  27.  NIL  1883)  ergab  die  Namen: 


I  >r.  B  e  y  o  >•.  I  >r.  B  r  u  n  liub  e  r,  1  >r.  Ilutte  r,  I  )r.  L  a  m  m  e  r  t. 

1  )r.  T  h  e  n  n. 

Als  Sachverständige  beim  Schiedsgericht  für  die  Arbeiterver¬ 
sicherung  der  Oberpfalz  wurden  gewählt:  Med. -Rat  Pr.  Dorff- 
m  ei  ster,  Bezirksarzl  Pr.  (Irasmann,  Pr.  Lammert. 
Pr.  St  i  1 1  k  r  a  u  t  li. 

Als  Mitglieder  der  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwer¬ 
den  im  Sinne  des  §  12  der  k.  Allerli.  Verordnung  vom  9.  Juli  1895 
wurden  bestimmt  ausser  dem  Vorsitzenden  Pr.  Thenn, 
Pr.  B  r  u  n  h  u  b  e  r  und  Pr.  M  a  y  e  r.  als  Ersatzmann  des  erstereu 
Pr.  Beyer,  des  letzteren  Pr.  Scliwink. 

Nach  Erledigung  der  geschäftlichen  Angelegenheiten  tritt  die 
Kammer  in  die  Beratung  der  Anträge  ein,  welche  aus  der  X'orbe- 
sprecliung  der  ständigen  Ausschüsse  der  bayerischen  Aerzte- 
kammern  liervorgegangen  sind.  Zunächst 

I.  Pie  Anträge  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg.  Be¬ 
kämpfung  der  Kurpfuscherei  betreffend. 

(Siehe  das  Protokoll  der  Kammer  von  Oberbayern.) 

Pie  Kammer  erklärt  zu  diesen  Anträgen  ihre  vollste  Zustim¬ 
mung;  zu  Abs.  4  spricht  Med.-Rat  Dr.  Dorffmeister  die  Er¬ 
wartung  aus,  dass  dieser  Antrag  bei  Neufassung  der  Apotheken¬ 
ordnung  Berücksichtigung  finden  möge. 

II.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  ärztliches 
Fortbildungswesen  betreffend. 

(Siehe  ebenda.) 

Pie  Kammer  erkennt  das  Bedürfnis  von  Fortbildungskursen 
an  und  scliliesst  sich  dem  Vorschläge  des  Nürnberger  Bezirks¬ 
vereins  an. 

III.  Hinsichtlich  des  Antrages  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
Nürnberg,  betreffend  die  Errichtung  von  Leichenhäusern  und  Ein¬ 
führung  des  obligatorischen  Leiclienliauszwanges,  erkennt  zwar 
die  Kammer  das  dringende  Bedürfnis  zur  Einführung  solcher  In¬ 
stitutionen  auch  in  ländlichen  Bezirken  vom  gesunmieitspolizei- 
liclien  Standpunkte  aus  rückhaltslos  an,  kann  sich  jedoch  trotzdem 
dem  Anträge  nicht  ansehliessen,  nachdem  vom  Vorsitzenden  unter 
Zustimmung  des  Herrn  Regierungskommissärs  darauf  hingewiesen 
worden  war,  dass  derselbe  im  XV i d er s p r uc he  mit  den  einschlägigen 
Bestimmungen  der  Gemeindeordnung  stehe,  nach  welchen  die  Er¬ 
richtung  von  Leichenhäusern  zu  den  fakultativen  Leistungen  der 
Gemeinden  gehören,  und  dass  unter  diesen  Xrerhältnissen  die 
k.  Staatsregierung  überhaupt  nicht  in  der  Lage  sei,  dem  gestell¬ 
ten  Anträge  zu  entsprechen. 

IV.  Bezüglich  des  Antrages  der  oberbayerischen  und  mittel- 
fränkischen  Äerztekammer  und  der  Bezirksvereine  München  und 
Nürnberg,  betreffend  Errichtung  eines  homöopathischen  Lehr¬ 
stuhles  stellt  sich  die  Äerztekammer  auf  den  Standpunkt  des  Gut¬ 
achtens  des  Obermedizinalrats  Pr.  Grashey  und  der  3  Landes¬ 
universitäten. 

XL  Dem  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  Äerztekammer 
von  Oberbayern,  ..es  sei  an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte  um 
Erlassung  einer  Dienstanweisung  für  die  bayerischen  amtlichen 
Aerzte  zu  richten“,  erteilt  die  Kammer  ihre  vollste  Zustimmung. 

Ebenso  den  Anträgen  VI  und  VII;  der  erstere  bezieht,  sich  auf 
die*  Errichtung  von  gerichtlich-medizinischen  Instituten  an  den 
Landesuniversitäten;  der  letztere  verlangt,  dass  von  jeder  Kammer 
jährlich  15  M.  zur  Geschäftsführung  der  Kammerausschüsse  ge¬ 
nehmigt  werden. 

XTII.  Pie  Anregung  der  Äerztekammer  Xiittelfranken,  den 
Beitritt  zur  bayerischen  XVitwenpensionskasse  für  alle  Aerzte, 
welche  eine  staatliche  oder  städtische  Anstellung  verlangen,  obli¬ 
gatorisch  zu  machen,  fand  keine  Annahme. 

IN.  Auf  Antrag  des  Herrn  Dr.  Scliwink  stellt  die  Kammer 
an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte,  das  k.  Staatsministerium  des 
Innern  wolle  zur  Ergänzung  des  §  G,  Abs.  2  der  Gebührenordnung 
für  Aerzte  und  Zahnärzte  von  1901  Bestimmungen  erlassen,  welche 
die  Entschädigungsansprüche  bei  Benützung  eines  eigenen  Fahr¬ 
rades  oder  Xlotors  feststellen. 

N.  Antrag  T  h  e  n  n  -  Beiingries: 

Die  Oberpfälzische  Äerztekammer  wolle  beschlossen,  es 
sei  an  die  k.  Staatsregierung  die  ehrerbietigste  Bitte  um  eine 
authentische  Erklärung  darüber  zu  richten,  ob  die  Besitzer 
von  Handapotheken  nach  den  derzeit  bestehenden  Verord¬ 
nungen  verpflichtet  sind,  gleich  den  Berufsapotliekern  den 
nach  §  8  der  allgemeinen  Bestimmungen  der  Arzneitaxord- 
nung  geforderten  10  proz.  Rabatt  an  öffentliche  Anstalten 
und  Kassen  zu  gewähren. 

Gründe:  Feber  die  Entscheidung  dieser  Frage  haben  sich 
schon  zum  öfteren  Zweifel  und  Anstände  ergeben,  welche  eine 
definitive  Lösung  derselben  als  sehr  wünschenswert  erscheinen 
lassen. 

Zwar  war  schon  in  §  26  Abs.  1  und  3  der  k.  Allerli.  Verord¬ 
nung  vom  25.  April  1877,  die  Zubereitung  und  Feilhaltung  der 
Arzneien  betreffend,  und  in  Uebereinstimmung  damit  auch  in  den 
späteren  k.  Allerli.  X'erordnungen  vom  8.  Dezember  1890  und 
19.  Mürz  1895  in  §  27  Ziff.  1  und  3  die  Bestimmung  enthalten,  dass 
auch  für  die  Handapotheken  bezüglich  der  Festsetzung  des  Preises 
für  jene  Arzneien,  welche  auf  schriftliche  Ordination  dispensiert 
werden,  die  verordnungsmässigeu  Bestimmungen  über  die  Arznei¬ 
taxe  massgebend  seien  und  konnte  nach  dem  Wortlaute  dieser  X’or- 
schrift  auch  von  den  Besitzern  von  Handapotheken  die  Gewährung 
eines  10  prozentigen  Abzuges  an  ihren  Medikainentenrechnungen 
für  öffentliche  Kassen  beansprucht  werden. 

Nichtsdestoweniger  wurde  auch  schon  damals  von  einzelnen 
Besitzern  von  Handapotheken  die  Berechtigung  zur  Forderung 


Iß.  Dezember  1902. 


2127 


Beilage  zur  Münchener  medicini sehen  Wochenschrift. 


eines  Rabattes  bestritten  unter  dem  Hinweise  darauf,  dass  sie  ihre 
Arzneimittel  nirbl  wie  die  Apotheker  in  grossen  Quantitäten  von 
den  Grosshandlungen  beziehen  dürften,  sondern  verpflichtet  seien 
dieselben  (zu  viel  höheren  Preisen)  aus  Apotheken  zu  beziehen 


§h-, 


Abs. 


vom  8.  I  >e- 


dc.  Allerh.  Verordn,  vom  25.  April  1877 

zember  18!)()  und  1!).  Mürz  1895  §  hi  und  vom  29.  Dezember  1900 
§32  Abs.  2),  wodurch  diesen  der  eigentliche  Gewinn  von  den  in 
den  Handapotheken  dispensierten  Arzneimitteln  zufalle  während 
sie  selbst  durch  den  Abzug  von  10  Proz.  benachteiligt  würden. 

Man  kann  diesem  Einwande  eine  gewisse  Berechtigung  nicht 
absprechen  und  tatsächlich  wurde  auch  in  einem  in  der  Amts¬ 
tätigkeit  des  Antragsteller s  vorgekommenen  Falle  von  höherer 
Stelle  in  diesem  Sinne  entschieden  und  der  bereits  von  Itevisions- 
wegen  vorgenommene  Abzug  von  10  Proz.  wieder  annulliert 
(Entselil.  der  k.  Regierung  von  Oberbayern  an  das  k  Forstamt 
Denkendorf  1893.) 

Nun  ist  aber  überdies  in  der  zur  Zeit  gültigen  k.  Allerh  Ver¬ 
ordnung  vom  29.  Dezember  1900  die  frühere  Bestimmung  des  8  27 
Abs.  1  und  3  in  Wegfall  gekommen  und  wird  von  einzelnen  Be¬ 
sitzern  von  Handapotheken  unter  Berufung  auf  diesen  Umstand 
die  Gewährung  des  Rabattes  verweigert,  während  von  seiten 
einzelner  öffentlicher  Kassen  derselbe  unter  Hinweis  auf  den  8  8 
der  Allgemeinen  Bestimmungen  der  Arzneitaxordnung,  welcher 
keinen  Unterschied  zwischen  Apotheken  und  Handapotheken 
mache,  Anspruch  darauf  erhoben  wird.  Unter  diesen  Umständen 
erscheint  die  definitive  Regelung  dieser  Angelegenheit  durch  eine 
Entscheidung  der  k.  Staatsregierung  ebenso  im  Interesse  einer 
einheitlichen  Handhabung  des  amtsärztlichen  Dienstes  als  im 
Interesse  der  beteiligten  Kreise  als  sehr  wünschenswert. 

Die  Kammer  tritt  diesem  Anträge  einstimmig  bei,  nachdem 
auch  von  seiten  des  Herrn  Regierungskommissärs  die  Regelung 
dieser  Angelegenheit  durch  den  Erlass  einer  allgemein  gültigen 
Bestimmung  als  sehr  wünschenswert  bezeichnet  wurde. 

Nachdem  weitere  Anträge  nicht  mehr  gestellt  werden,  spricht 
der  Vorsitzende  dem  Regierungskommissär  für  seine  rege  und  er- 
spriesslic-he  Anteilnahme  an  den  Verhandlungen  den  Dank  der 
Kammer  aus. 

Landgerichtsarzt  Dr.  IM  a  y  e  r  bringt  dem  Vorsitzenden  die 
Anerkennung  der  Kammer  für  seine  umsichtige  Geschäftsleitung 
zum  Ausdruck,  worauf  dieser  die  Sitzung  für  geschlossen  erklärt. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

Dr.  T  h  e  n  n.  Dr.  L  a  m  m  e  r  t. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Äerztekammer  für 

Oberfranken. 

B  a.  y  reut  h,  den  27.  Oktober  1902. 

Anwesend:  Als  Vertreter  der  k.  Kreisregierung:  k.  Kreismedi¬ 
zinalrat  Dr.  Pürckhauer.  Als  Delegierte  der  Bezirksvereine: 
für  Bamberg:  k.  Oberarzt  Dr.  .T  u  ngenge  1,  prakt.  Arzt  Dr. 
II  e  r  d,  beide  in  Bamberg,  und  Dr.  I5  ii  r  c  k  h  a  u  e  r,  prakt.  Arzt  in 
Forchheim;  für  Bayreuth:  Dr.  Würzburger  und  Dr.  Volk¬ 
hardt,  prakt.  Aerzte  in  Bayreuth;  für  Hof:  Dr.  S  c  h  e  i  d  i  n  g, 
prakt.  Arzt  in  Hof  und  k.  Bezirksarzt  Dr.  Iless  in  Wttnsiedel; 
für  Kronach:  Dr.  Westermeier,  prakt.  Arzt  in  Mitwitz;  für 
Lichtenfels-Staffelstein:  Dr.  B  u  1 1  i  n  g  e  r,  prakt.  Arzt  in  Burg- 
kuudstadt. 

Nach  Begrüssung  der  Kammer  durch  den  k.  Kreismedizinal¬ 
rat,  Herrn  Dr.  Pürckhauer,  übernimmt  als  Alterspräsident 
Herr  k.  Bezirksarzt  Dr.  Hess  den  Vorsitz.  Er  dankt  dem  Herrn 
Regierungsvertreter  für  sein  der  Kammer  stets  bewiesenes  Wohl- 
vollen  und  schreitet  sodann  zur  Wahl  des  Bureaus. 

Es  werden  folgende  Herren  gewählt:  Als  Vorsitzender:  Dr. 
Jungengel,  als  stellvertretender  Vorsitzender:  Dr.  Hess;  als 
Schriftführer:  Dr.  Pürckhauer,  als  stellvertretender  Schrift¬ 
führer:  Dr.  Herd. 

Hierauf  hat  die  Kammer  die  Ehre,  von  dem  k.  Regierungs¬ 
präsidenten  Exzellenz  Freiherrn  v.  Roman  begrüsst  zu  werden. 
Derselbe  nimmt  Gelegenheit,  die  Meinung  der  Kammer  darüber 
zu  hören,  ob  eine  Anregung  des  Zentralkomitees  des  roten  Kreuzes: 
„Die  Aerzte  möchten  angehalten  werden,  auf  dem  Lande  von  Zeit 
zu  Zeit  Vorträge  über  hygienische  Fragen  zu  halten“,  Aussicht 
auf  Erfolg  habe  oder  nicht.  Aus  der  sich  an  diese  Anregung  an¬ 
schliessenden  lebhaften  Debatte  geht  hervor,  dass  die  Kammer¬ 
mitglieder  derselben  im  Prinzip  sympathisch  gegenüberstehen,  dass 
sie  sich  aber  die  Schwierigkeiten  der  Durchführung  der  augereg¬ 
ten  Frage  nicht  verhehlen. 

Der  Vorsitzende  gibt  nun  bekannt,  dass  nach  dem  Schicksale, 
welches  der  Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  bisher  im  Land¬ 
tage  zu  teil  geworden  ist.  sich  der  ständige  Ausschuss  der  Kammer¬ 
vorsitzenden  veranlasst  gefühlt  hat,  die  k.  Staatsregierung  zu  er¬ 
suchen,  die  ganze  Vorlage  zurückzuziehen. 

Es  folgt  die  Bekanntgabe  der  Verbescheidung  der  Anträge  aus 
dem  Jahre  1901  durch  die  k.  Staatsregierung. 

Herr  Dr.  .1  ungengel  berichtet  über  den  Erfolg  seiner  Ver¬ 
handlungen  mit  dem  k.  Landgerichte  Bamberg,  betr.  die  Bezahlung 
von  Gutachten  und  Berichten,  welche  auf  Grund  Staatsanwalt¬ 
schaft!  iclier  Requisitionen  abgegeben  werden  (s.  Aerztl.  Korrespon- 
denzbl.  1902,  No.  18). 


Ferner  berichtet  er  über  das  Resultat  der  Verhandlungen  mit 
der  Versicherungsanstalt  für  Oberfranken  bezüglich  der  Hono¬ 
rierung  der  ärztlichen  Zeugnisse,  welche  Frage  nach  den  Wün¬ 
schen  der  Aerzte  erledigt  wurde. 

Hierauf  berichtet  Herr  Kreismedizinalrat  Dr.  Piirck- 
h  a  u  e  r  über  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  des  Kreises 
v  ä Inend  des  Jahres  1901.  Der  \orsitzende  spricht  demselben  für 
dessen  interessante  Ausführungen  den  Dank  der  Kammer  aus. 

Herr  Dr.  Herd  regt  den  Gedanken  an,  es  möchten  die  all¬ 
jährlichen  Vorbesprechungen  der  ständigen  Ausschüsse  in  Zu¬ 
kunft.  tunlichst  früher  als  bisher  stattfinden,  damit  die  Vereine  Ge¬ 
legenheit  haben,  vor  dem  Zusammentritt  der  Kammer  über  die  An¬ 
träge  zu  beraten. 

A.  Es  folgt  die  Besprechung  der  von  den  ständigen  Aus¬ 
schüssen  der  bayerischen  Aerztekammern  auf  die  Tagesordnung 
aller  Kammern  gesetzten  Anträge: 

I.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  Bekäm¬ 
pfung  der  Kurpfuscherei  betreffend: 

(Siehe  das  Protokoll  der  Kammer  für  Oberbayern.) 

Hiezu  liegt  ein  Beschluss  der  8  Vorsitzenden  der  bayerischen 
Aerztekammern  vor,  nach  welchen  die  k.  Staatsregierung  ersucht 
werden  soll,  im  Bundesrate  den  von  dem  XXV.  deutschen  Aerzte- 
tag  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  gemachten  Vorschlägen 
ihre  Zustimmung  zu  erteilen,  eventuell  auf  dem  Wege  der  Landes¬ 
gesetzgebung  in  Bayern  zur  Einführung  zu  bringen. 

lieber  den  Absatz  1  dieser  Anträge  findet  ein  lebhafter  Mei¬ 
nungsaustausch  statt,  insbesondere  wird  hervorgehoben,  dass  durch 
die  Annahme  dieses  Antrages  die  Kurpfuscherei  eigentlich  erst 
legitimiert  würde.  Herr  Dr.  Sc  hei  ding  stellt  den  Antrag,  den 
Absatz  1  ganz  zu  streichen.  Herr  Dr.  Westermeie r  beantragt 
den  zweiten,  Herr  Dr.  Hess  den  ersten  Teil  des  Absatzes  1  zu 
streichen.  Die  Herren  Dr.  Herd,  Dr.  Bullinger  und  Dr. 
I’  ü  r  c  k  li  a  u  e  r  sprechen  für  Beibehaltung  des  ganzen  Absatzes  1. 

Der  Antrag  Dr.  Sch  eiding  wird  mit  5  gegen  4  Stimmen 
angenommen,  hiemit  sind  die  beiden  anderen  Anträge  hinfällig  ge¬ 
worden. 

Herr  Dr.  Hess  beantragt:  Die  Oltspolizeibehörden  sind  ver¬ 
pflichtet,  diejenigen  Personen,  von  denen  ihnen  bekannt  wird,  dass 
sie  Kurpfuscherei  betreiben,  der  Distriktspolizeibehörde  zu  melden, 
welche  über  dieselben  ein  Verzeichnis  zu  führen  hat.  In  dasselbe 
soll  den  Aerzten  auf  Wunsch  jederzeit  Einsicht  gestattet  werden. 

Dieser  Antrag  wird  mit  allen  gegen  eine  Stimme  angenommen. 

Die  Absätze  2 — 4  werden  ohne  Debatte  einschliesslich 
des  Sclilussatzes  angenommen. 

II.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  ärzt¬ 
liches  F  o  r  t  b  i  l  d  ungs  w  esen  betreffend,  wird  debattelos 
angenommen. 

III.  An  Stelle  des  Antrages  des  Bezirksvereins  Nürnberg, 
betr.  Erri  c  li  t  u  n  g  von  Leiclieuh  ä  u  s  e  r  n  u  n  d  Ein- 
f  ii  h  r  u  n  g  des  obligatorische  n  L  e  i  c  h  e  n  h  a  u  s  - 
z  w  a  n  g  e  s  beantragt  Herr  Dr.  Scheidin  g  zu  setzen: 

„Es  soll  die  Errichtung  von  Leichenhäusern  möglichst  an¬ 
gestrebt  und  wo  solche  bestehen,  der  Leichenhauszwang  durch¬ 
geführt  werden.“ 

Wird  einstimmig  angenommen. 

IV.  Dem  Anträge  des  Ausschusses  der  oberbayerischen  und 
mittelfränkischen  Äerztekammer  und  der  Bezirksvereine  München 
und  Nürnberg,  betr.  Errichtung  eines  homöopatlii- 
s  e  h  e  n  L  o  h  r  s  t  u  li  1  s,  schliesst  sich  die  Kammer  debattelos  an. 

V-  Der  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  Äerztekammer 
von  Oberbayern,  betr.  Neuregelun  g  d  er  Dienst  a  n  w  e  i  - 
s  n  n  g  f  ü  r  die  b  a  yerische  n  amtlichen  Aerzt  e. 
findet  allgemeine  Zustimmung. 

VI.  Antrag  Oberbayern,  betr.  E  r  r  i  c  h  t  u  n  g  von  ge¬ 
richtlich-medizinischen  Instituten  a  n  d  e  n 
L  a  n  d  e  s  -  U  n  i  v  e  r  s  i  t  ä  t  e  n  findet  Zustimmung. 

NIL  Antrag  Mittelfranken,  von  jeder  Kammer  15  M. 
Beitrag  zur  G  e  s  c  h  ä  f  t  s  f  ii  li  r  u  n  g  d  e  r  K  a  m  m  e  r  - 
muss  e  h  ii  s  s  e  zu  erhebe  n,  wird  genehmigt. 

B.  Anträge  aus  der  Mitte  der  Kammer: 

Herr  Dr.  \  olkhardt  beantragt,  dass  die  Abgabe  jeglicher 
Karbollösung  im  Handverkauf  verboten  werden  möge  (wegen  der 
in  Bayreuth  und  Umgegend  häufig  zu  beobachtenden  Gefahr  der 
Ivarbolga  ngriin). 

Die  Herren  Dr.  .Jungengel  und  Dr.  Hess  scliliessen  sich 
den  Ausführungen  des  Herrn  Dr.  Volkhardt  an.  Der  Antrag 
wird  angenommen. 

Der  Vorsitzende  berichtet  hierauf  über  die  letzte  Sitzung  des 
erweiterten  Obermedizinalausschusses. 

Zum  Delegierten  für  den  erweiterten  Obermedizinalausschuss 
wird  Herr  Dr.  Jungengel  und  zu  dessen  Vertreter  Herr  Dr. 
Hess  gewählt. 

In  die  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation  werden 
die  Herren  Dr.  W  ü  r  z  b  u  r  g  e  r,  Dr.  Volk  li  a  r  d  t  und  Dr.  Hess, 
als  Stellvertreter  Dr.  .T  ungengel  und  Dr.  P  ii  r  c  k  haue  r 

und  in  die  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden  nach 
§  12  die  Herren  Dr.  Volk  har  dt,  Dr.  Hess  und  Dr.  Scliei- 
din  g  und  als  Ersatzmänner  Dr.  W  ii  r  z  b  u  r  g  e  r  und  Dr. 
Pürckh  a  u  e  r  gewählt. 

Als  ärztliche  Sachverständige  zum  Schiedsgericht  für  Arbeiter¬ 
versicherung  werden  die  Herren  Kreismedizinalrat  Dr.  Piirck- 
li  a  u  e  r,  Dr.  M  ii  1 1  e  r,  Dr.  Gossnu  n  n  und  I  )r.  Ii  a  n  d  g  r  a.  f 
vorgeschlagen. 


2128 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


Mo.  50. 


Es  folgt  der  Kassabericht: 

die  Einnahmen  betrugen  ....  218  M.  52  Pf., 

die  Ausgaben . 100  M.  00  Pf-,  _ 

somit  der  Kassastand  111  M.  02  Pf. 

Dem  Kassier  wird  Pocharge  erteilt,  und  beschlossen,  von  den 
ärztlichen  Bezirks  vereinen  pro  Kopf  1  M.  Beitrag  zu  erheben. 

Per  Stand  der  ärztlichen  Bezirksvereine  ist  folgender: 

B  e  z.  -  V  e  r  e  i  n  B  a  mbe  r  g:  57  Mitglieder,  4  Ab-,  5  Zugänge. 
Vorsitzender  Pr.  J  ungengol,  Schriftführer  Pr.  11  erd,  Kassier 
]>r.  Gussner.  Es  wurden  11  Sitzungen  abgehalten. 

B  e  z.  -  V  e  r  e  i  n  B  a  y  r  e  u  t  li:  42  Mitglieder,  3  Zugänge.  Vor¬ 
sitzender  Pr.  S  o  1  b  r  i  g,  Schriftführer  Pr.  V  o  1  k  h  a  r  d  t.  7  Ver¬ 
sammlungen. 

Be  z. -Verein  Hof:  49  Mitglieder,  5  ausgeschieden,  4  zu¬ 
gegangen.  Vorsitzender  Pr.  Scheidin  g,  Schriftführer  Pr. 
T  ii  e  i  1  e,  Rechnungsführer  Pr.  D  o  r  n;  der  Verein  Hielt  10  Monats- 
versammlungen  und  3  Generalversammlungen. 

B  e  z.  -  V  e  r  e  i  n  Kronach:  13  Mitglieder.  Vorsitzender 
und  Schriftführer  Bezirksarzt  Pr.  Sch  ö  p  p.  4  Sitzungen. 

Be  z.  -  Verein  Staffelstein  -  Lichte  nf  eis:  13  Mit- 
glieder.  Vorsitzender  Pr.  Hümmer  t,  Schriftführer  Pr.  Meix- 
n  e  r.  4  Sitzungen. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Herrn  Regierungsvertreter  für  das 
Interesse,  welches  derselbe  dem  ärztlichen  Stande,  sowie  den 
Arbeiten  der  Aerztekammer  stets  entgegengebracht  hat. 

Herr  Dr.  Sch  ei  ding  dankt  dem  Vorsitzenden  namens  der 
Kammer  für  die  umsichtige  Leitung  der  Verhandlungen. 

Schluss  der  Sitzung:  1%  Uhr. 

gez. :  Dr.  Pürckhauer.  Dr.  Jungengel.  Dr.  G.  Schei- 
d  i  n  g.  Dr.  Bullinger.  Dr.  W  e  s  t  e  r  in  a.  y  e  r.  Dr.  Volk- 
h  a  r  d  t.  Dr.  II  e  r  d.  Dr.  Hess.  Dr.  W  ü  r  z  b  u  r  g  e  r.  Dr. 

Pürckhauer. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer 
für  Mittelfranken. 

Ansbach,  den  27.  Oktober  1902. 

Beginn  9  Uhr. 

Anwesend:  Der  k.  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat  Pr. 
B  rugloche  r  als  Regierungskommissär.  Als  Delegierte  der 
Bezirksvereine:  1.  Ansbach:  Medizinalrat  Dr.  Rüde I,  Dr.  Maar; 

2.  Eichstätt:  Dr.  Dttrig;  3.  Erlangen:  Dr.  Fritsch,  Professor 
Pr.  Grase  r;  4.  Fürth:  Hof  rat  Dr.  M  a  y  e  r,  Dr.  Stark;  5.  Ilers- 
liruck:  Dr.  B  e  r  g  m  a  n  n  -  Eschenau;  6.  nordwestliches  Mittel- 
franken:  Bezirksarzt  Dr.  H  ag  e  n  -  Windsheim;  7.  Nürnberg:  Hol¬ 
rat  Dr.  Beckh,  Hof  rat  Dr.  Emmerich,  Medizinalrat  Dr. 
Merkel,  Oberarzt  Dr.  Schuh;  S.  Rothenburg:  Bezirksarzt  Dr. 
Blanalt;  9.  Südfranken:  Medizinalrat  Dr.  Lochne r,  Dr. 
D  ü  r  f  1  e  r  -  Weissenburg. 

Regierungskommissär  Dr.  Bruglocher  eröffnet  die  Kammer, 
begrüsst  die  Delegierten  und  erklärt,  dass  Herr  Regierungspräsi¬ 
dent  Dr.  v.  Schelling  sein  Bedauern  aussprechen  lässt,  dass 
er  krankheitshalber  das  Bureau  nicht  empfangen  kann;  weiterhin 
fordert  er  den  Alterspräsidenten  Dr.  R  ü  d  e  1  auf,  die  Wahl  des 
Bureaus  zu  leiten. 

Der  Genannte  nimmt  die  Legitimationen  der  Delegierten  ent¬ 
gegen,  stellt  die  Präsenzliste  fest,  ernennt  Dr.  Schn  li  zum 
Schriftführer  ad  hoc  und  leitet  die  Wahl. 

Gewählt  wurden:  I.  Vorsitzender:  Dr.  Mayer,  II.  Vor¬ 
sitzender:  Dr.  W.  Beckh,  I.  Schriftführer:  Dr.  S  c  h  u  h, 

II.  Schriftführer:  Dr.  Stark. 

Die  Gewählten  nehmen  die  Wahl  an. 

Dr.  Mayer  übernimmt  den  Vorsitz  und  gibt  die  Tagesord¬ 
nung  bekannt: 

1.  Jahresbericht  des  ständigen  Ausschusses. 

2.  Kassenbericht  für  1902. 

3.  Einlauf. 

4.  Anträge  des  Bezirksvereins  Nürnberg:  Bekämpfung  der 
Kurpfuscherei  betr. 

5.  Aerztliches  Fortbildungswesen  betr. 

G.  Errichtung  von  Leichenhäusern  und  Einführung  des  Leichen- 
liauszwanges  auf  dem  Lande. 

7.  Antrag  der  ständigen  Ausschüsse  von  Oberbayern  und 
Mittelfranken,  betr.  Errichtung  eines  homöopathischen  Lehr¬ 
stuhles. 

8.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von  Oberbayern:  Er- 
lassung  einer  Dienstanweisung  für  die  amtlichen  Aerzte  betr. 

9.  Antrag  desselben:  Errichtung  von  gerichtlich-medizinischen 
Instituten  an  den  Landesuniversitäten  betr. 

10.  Antrag  des  Bezirksvereines  Südfranken:  Zeugnisabgabe 
bei  Berufsgenossenschaften  betr. 

11.  Bericht  der  Bezirksvereine. 

12.  Wahlen  zum  Schiedsgericht  für  Arbeiterversicherung. 

13.  Wahl  des  Delegierten  zum  Obermedizinalausschuss  und 
zu  den  Kommissionen. 

14.  Mitteilungen. 

1.  Jahresbericht  des  ständigen  Ausschusses: 

Vorsitzender:  ,.Selir  verehrte  Kollegen!  Nach  alter  Sitte  er¬ 
öffnen  wir  die  jährliche  Kammersitzung  mit  einem  Rückblick  auf 


Ereignisse,  die  im  verflossenen  Jahre  auf  unsere  Tätigkeit  Bezug 
haben  sowie  auf  diese  Tätigkeit  selbst. 

Zuerst  sind  es  Aenderungen  in  den  Personen,  unter  denen 
und  mit  denen  wir  arbeiteten,  welche  erwähnt  werden  müssen. 
Das  letzte  Jahr  hat  uns  den  Verlust  mehrerer  der  besten  Vertreter 
des  ärztlichen  Standes  gebracht.  Vircliows  Name  darf  nicht 
unerwähnt  bleiben.  Wo  irgend  ärztliche  Vereinigungen  zusammen- 
trettn,  muss  dem  gewaltigen  Bahnbrecher  unserer  heutigen  wissen¬ 
schaftlichen  Anschauungen  ein  Gedenken  gewidmet  werden. 
Direkter  noch  empfindet  der  bayerische  Aerztestand  den  Verlust 
schw  er,  den  er  durch  den  Tod  Ziemssens  erlitten.  Hat  der¬ 
selbe  doch  neben  seiner  hohen  wissenschaftlichen  Bedeutung  auch 
ein  volles  Vertsändnis  stets  bewiesen  für  die  organisatorischen 
Bedürfnisse  unseres  Standes  und  war  in  allen  diesbezüglichen 
Fragen  ein  Heuer  Berater  und  Förderer.  Ich  ersuche  die  Kammer, 
das  Andenken  von  V  i  r  c  h  o  w  und  Ziemssen  durch  Erheben 
von  den  Sitzen  zu  ehren.  (Geschieht.) 

Schmerzlich  berührt  ist  speziell  unsere  mittelfränkische 
Kammer  durch  das  Scheiden  Se.  Exzellenz  des  seitherigen  Re¬ 
gierungspräsidenten  v.  Schelling.  Auch  er  hat  unserem  Stand 
und  den  Arbeiten  unserer  Kammer  stets  warme  Anteilnahme  ge¬ 
zeigt  und  es  uns  leicht  gemacht,  das  gute  Einvernehmen  mit  der 
Staatsregierung  zu  halten,  auf  das  wir  den  grössten  Wert  legen 
müssen  und  immer  gelegt  haben.  Wir  werden  Herrn  v.  S.chelling 
in  gutem  Andenken  behalten  und  wünschen  ihm  von  Herzen  eine 
Kräftigung  seiner  Gesundheit. 

Auch  in  der  Kammer  selbst  haben  wir  Verluste  zu  ver¬ 
zeichnen.  Seit  vielen  Jahren  war  Dr.  Pöschel  ein  treues  Mit¬ 
glied.  treu  im  Rat  und  treu  im  freundschaftlichen  Verkehr.  Zu 
jeder  von  ihm  verlangten  Mitarbeit  bereit  und  vieles  mit  regem 
Geist  selbständig  einbringend,  war  Dr.  Eidam.  Mancher  von 
uns  wird  seine  frische,  sanguinische  Art,  die  Liebenswürdigkeit 
seines  persönlichen  Umganges  schwer  vermissen. 

Dr.  Beck  ist  leider  durch  Krankheit  verhindert,  bei  uns 
zu  sein. 

Nicht  neu  ist  ein  Teil  der  für  die  Scheidenden  Eintretenden. 
Altmeister  Lochne  r  begrlissen  wir  mit  Freuden.  Er  gehört 
zum  Gesamtbild  unserer  Kammer  notwendig. 

Meinem  Wunsche  im  Vorjahre,  dass  ein  Mitglied  unserer  Uni¬ 
versität  wieder  bei  uns  Platz  nehmen  möge,  wurde  rasch  ent¬ 
sprochen.  Ein  Willkommen  Herrn  Professor  Graser.  Möge  er 
wie  seither  schon  auch  weiter  erfolgreich  die  Brücke  bilden  zwi¬ 
schen  Hochschule  und  Praxis,  deren  Erhaltung  für  uns  so  wich¬ 
tig  ist. 

Neu  erscheinen  unter  uns  Dr.  Hagen  und  Dr.  Dürig; 
wir  heissen  beide  herzlich  willkommen  und  hoffen  auf  ihre  rege 
Beteiligung  an  unseren  Arbeiten. 

Nun  zu  den  Ereignissen  des  Jahres.  Dieselben  gipfeln  und 
konzentrieren  sich  in  dem  Kampf  um  unsere  Ständesordnung.  Die 
Details  über  die  Verhandlungen  des  Ausschusses  im  Hause  der 
Abgeordneten  sind  Ihnen  allen  bekannt.  Die  Beratungen  waren 
ja  zur  Zeit  unserer  vorjährigen  Sitzung  in  vollem  Gange  und 
blieben  bis  zum  Schlüsse  so  jammervoll,  wie  sie  begonnen  hatten. 
Zur  Beratung  im  Plenum  fand  sich  natürlich  keine  Zeit  und  der 
letzte  Akt  des  Trauerspiels  ist  verschoben.  Trotz  allem  und  allem 
schien  es  immer  noch  möglich,  dass  ein  einigermassen  brauchbares 
Gesetz  zu  erreichen  wäre.  Ein  Punkt  nur  trennt  prinzipiell 
Freunde  und  Feinde  der  Vorlage,  der,  dass  in  Honorarfragen 
keinerlei  Eingreifen  einer  Disziplinargewalt  nach  der  Meinung  der 
Gegner  Platz  greifen  dürfe.  Diese  Forderung  ist  so  ungeheuerlich, 
dass  sämtliche  bayerische  Aerztekammern  an  die  k.  Staatsregie- 
rung  die  Bitte  gerichtet  haben,  lieber  die  ganze  Vorlage  fallen,  als 
Bestimmungen  darin  stehen  zu  lassen,  die  der  Unkollegialität 
und  dem  mangelnden  Anstand  geradezu  einen  Schutzbrief  aus¬ 
stellen  würden.  Wir  Aerzte  sind  vorerst  nicht  mehr  in  der  Lage, 
aktiv  in  die  späteren  Verhandlungen  einzugreifen,  wenn  nicht 
vielleicht  ein  anderes  parlamentarisches  Ereignis  uns  zu  neuen 
Vorstellungen  auch  betreffend  der  Standesordnung  veranlassen 
[  kann. 

Der  Beschluss  beider  Kammern  des  Landes,  einen  homöo¬ 
pathischen  Lehrstuhl  zu  verlangen,  wird  wohl  auch  seitens  der 
ärztlichen  staatlichen  Organisationen  einen  Protest  hervorrufen. 
Die  Tatsache,  dass  der  Steller  des  Antrages  auf  Errichtung  eines 
j  solchen  Lehrstuhles  identisch  ist  mit  dem  Referenten  über  unsere 
Standesordnung,  stellt  diesen  Herrn  in  eine  recht  eigentümliche 
Beleuchtung.  Ein  Homöopath  steht  von  vornherein  in  einem 
krassen  Gegensatz  zu  der  medizinischen  Wissenschaft  und  der  ge¬ 
waltigen  Majorität  der  Aerzte.  Kann  ein  Anhänger  der  Homöo 
!  pathie  wirklich  unparteiisch  die  Bedürfnisse  eines  Standes  prüfen 
und  beurteilen,  den  er  nach  seiner  Auffassung  auf  ganz  falschen 
Bahnen  vermutet?  Muss  er  nicht  alles,  was  die  ärztlichen  Or¬ 
ganisationen  petitionieren  und  anstreben,  in  einem  ganz  falschen 
Lichte  sehen?  Erklären  sich  so  vielleicht  die  ungeheuerlichen 
Auslegungen,  die  dieser  Referent  den  einzelnen  Sätzen  unserer 
Standesordnung  unterlegte,  und  den  immer  wieder  hervortretenden 
Versuch,  den  ärztlichen  Stand  zu  knebeln?  Hört  man  noch  dazu, 

I  dass  der  Referent  in  seinen  Mussestunden  selbst  ein  bischen 
arzten  soll  —  relato  refero  — ,  so  fragt  man  sich  wohl,  wie  ein 
solcher  von  Vorurteilen  und  falschen  Anschauungen  erfüllter  Herr 
sich  drängen  mochte  zu  einem  so  schwerwiegenden  Referat  oder 
doch  nicht  die  moralische  Verpflichtung  fühlte,  dasselbe  abzu- 
lehnen.  Ich  werde  der  Kammer  die  Frage  vorlegen,  ob  es  sich 
nicht  empfehlen  könnte,  der  Fraktion  der  Liberalen  in  der  Kammer 
der  Abgeordneten  die  Bitte  zu  untei'breiten,  doch  für  die  späteren 
Verhandlungen  einen  weniger  befangenen.  Referenten  zu  be- 


iß.  Dezember  1902. 


Beilage  zur  Münclietier  medicin  Ischen  Wochenschrift. 


2129 


stellen,  gestehe  aber  gerne  zu,  dass  mir  die  Opportunität  einer 
solchen  Bitte  selbst  zweifelhaft  erscheint.  w  emei 

Das  Schicksal  aller  Anträge  der  bayerischen  Aerztekammern 
vom  Vorjahre  ist  aus  dein  Ministerialbeselieid  pro  1901  ““er 
sehen.  Dieser  Bescheid  verdient  wohl  das  Epitheton  kurz  und 
bündig.  Leider  sind  die  kurzen  Entscheidungen  in  keinen  Falle 
im  Sinne  unserer  Anträge  ausgefallen.  aile 

Betreffend  unsere  Bitte,  vor  der  Beratung  der  Krankenver- 
sicherungsnovelle  noch  gehört  zu  werden  enver 

wesen,  wenn  ein 
gefallen  wäre. 

Bei  7  wäre  eine  beruhigende 


Wort  des  Sympathisierens  mit 


waren  wir  dankbar  ge- 
unserem  Antrag 


a  oq  t ,  ....  -  — Auslegung  der  neuen  Verordnung 
'  T>f ;  Dfeu,Ver  ^00  vielleicht  möglich  gewesen.  Die  Kürze 
des  Bestandes  einer  Verordnung  beweist  in  keiner  Weise  deren 


Güte. 

Bei 


Ko.  12 


für 


enommen  wurde 
die  diesjährige 


.....  ...  Veröffentlichung  der  Verhandlungen  des  ver¬ 

stärkten  Obermedizinalausschusses  betr.  —  glaubten  wir  bewiesen 
zu  haben  dass  auch  in  Fällen,  wo  keine  Bedenken  bestehen  konn 
ten  aut  Publizierung  seit  Jahren  kein  Bedacht  genommen  wurde 
u.  dergl.  mehr 

Vorlagen  seitens  der  Staatsregieru 
Sitzung  sind  uns  nicht  zugegangen. 

.  Die  von  unseren  Vereinen  ausgehenden  Anträge  sind  hygie¬ 
nischen  Verbesserungen  oder  der  weiteren  Fortbildung  der  Aerzte 
gewidinet.  Die  reinen  Standesinteressen  werden  durch  eine  Zu- 
scln  lft  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes  vertreten.  Unsere 
bayerischen  Zustände  werden  uns  wohl  zwingen,  die  Standesfragen 
nieder  mehr  m  den  Bereich  unserer  Arbeit  zu  ziehen  Wir 
müssen  nach  Wegen  suchen,  unsere  Organisation  zunächst  auch 
ohne  gesetzliche  Standesordnung  fester  zu  gestalten. 

Die  spezielle  Jahresarbeit  des  ständigen  Ausschusses  war 
ausser  den  Mühen,  die  uns  die  Standesordnung  verursachte  ge¬ 
ring.  Unter  anderem  war  der  Vorsitzende  von  Mittelfranken  zu¬ 
sammen  mit  dem  von  München  in  längerer  Audienz  bei  Sr.  Ex¬ 
zellenz  dem  Herrn  Staatsminister  des  Innern,  über  dessen  wohl¬ 
wollende  Stellung  dem  ärztlichen  Stande  gegenüber  die  Deputation 
sich  nur  hochbefriedigt  äussern  konnte. 

Das  Ehrengericht  hatte  einen  schon  im  Vorjahre  verhandelten 
ball  zum  zweiten  Male  abzuhandeln.  Es  wurde  ein  Arzt  aus  dem 
Bezirksverein  Nürnberg  konform  dem  Beschlüsse  dieses  Vereins 
ausgeschlossen  wegen  unrichtiger  Itechnungsstellung  bei 
Kasse. 

Die  übrigen  Arbeiten  des  Ausschusses 
liehen.** 

Auf  die  Anfrage  des  Vorsitzenden,  ob  es  zweckmässig  sei. 
einen  Protest  an  die  liberale  Fraktion  der  Kammer,  betreffend 
Behandlung  der  Standesordnung  durch  den  seitherigen  Referenten, 
zu  schicken,  sprechen  sich  die  Delegierten  ablehnend  aus 

Die  Kammer  schliesst  sich  inhaltlich  den  Ausführungen  des 
Vorsitzenden  vollständig  an.  hält  es  aber  für  unängänglich,  einer 
politischen  Fraktion  gegenüber  Petitionen  zu  stellen. 

2.  Kassabericht:  Dr.  Schuh. 


einer 


waren  die  gewölin- 


Einnahmen 

Saldo  von  1900/190! . 

Kammervorsitzen  den-Beiträge . 

dto  . 

Kammerbeiträge . 


JL 


1.77 
168. — 
120.  — 
185.— 


di  474.77 


Ausgaben: 

Delegation  zum  Oberraedizinalausschuss . Jl. 

Konferenzen  der  Kammervorsitzenden  samt  Drucksachen 

Druckprotokolle . 

Kopialien . 

Porti,  Papier,  Telefon . ” 

Ministei  ialblatt . 

Zählblättchen . 

Saalmiethe,  Diener . 

Audienz  beim  Minister  (Dr.  Mayer) . ’ 

Drucksachen  (Abstimmung  betr.  Standesordnung)  ...  ” 


44  60 
53  tu 
57.70 
20.— 
12.76 
12.40 
16.50 
12.— 
34  70 
15.— 


JL  278.76 


Abgleichung: 

Einnahmen . JL  474.77 

Ausgaben . .  278.76 


Der 
Ein 
f  iihrung 


JL  196.U1 

Rechnungslegung  wird  zugestimmt. 

Antrag,  15  M.  jährlich  einzusetzen  für  die  Gescliäfts- 
der  Kammerausschüsse,  wird  angenommen.  Für  1902/03 


m  ird  ein  Beitrag  von  50  Pf.  pro  Kopf  beschlossen. 

3.  Der  Vorsitzende  gibt  den  Einlauf  bekannt. 

Aus  demselben  kommen  zur  Verlesung: 

<'i)  Nachträglicher  Ministerialbescheid  pro 
0_  Äi‘t  Bezug  auf  Ziffer  (i  der  Ministerialentschliessung 
Juli  1-  Js.  No.  10849  ergeht  im  Einverständnisse  mit 

und  Sehulan 


1900. 

vom 

dem 


elegen- 


k.  Staatsministerium  des  Innern  für  Kirehen- 
heiten  Nachstehendes  zur  Entscliliessung: 

M  as  den  Antrag  betrifft,  es  möge  der  Beginn  des  Unterrichts 
'■/  den  beiden  untersten  Schulklassen,  soweit  möglich  im  ganzen 
Königreich,  im  Winter  auf  9  Uhr  gelegt  werden,  so  erscheint  es 
mit  Rücksicht  auf  die  Verschiedenartigkeit  der  örtlichen  Verhält¬ 
nisse  im  allgemeinen  und  an  den  Stadt-  und  Landschulen  im  be¬ 
sonderen  nicht  angezeigt,  in  dieser  Beziehung  eine  generelle  Vor- 


■''ilniil  Im  das  ganze  Königreich  zu  erlassen;  dagegen  bleibl  der 
'•  vi  gieiung,  Kammei  des  Innern,  die  Würdigung  der  gegebenen 
Anregung  in  eigener  Zuständigkeit  Vorbehalten. 

Hinsichtlich  der  Frage  einer  etwaigen  allgemeinen  Fest¬ 
setzung  des  Schuljahrbeginnes  an  den  Volksschulen  auf  das  Früh¬ 
jahr  w  iid  auf  die  an  sämtliche  Regierungen,  Kammern  des  Innern 
ergangene  Entscliliessung  des  k.  Staatsministeriums  des  Innern 
Schulangelegenheiten  vom  7.  September  1901 


für 

No. 


Kirchen-  und 
18977  verwiesen, 
b)  Der  Ministerialbes 
in  No.  34,  1902  der  Münch,  med. 
licht. 


c  li  e  i  d  pro  1901;  derselbe  ist 
W  ochensclir.  bereits  veröffent- 


desin 

Antra? 


Hiezu  Dr.  B  ec  k  li:  Wenn  ich  die  ministerielle  Verbesclieidi 
m  der.  Aerztekammer  Mittelfranken  im  Oktober  1900  bestell 
raees  über  die  Zuziehun"  — - • 


auf  den 
gestellten  glei- 
im  allgemeinen 


Beratung  der  Novelle 
eine  ausserordentliche 
zu  nehmen.  Ich  möchte 


einberufen 


Aerztevereins- 
[Skommis- 
r  e  s  p.  iirzt- 


jestellten 

, |  =  - -  Kommission  für  die 

•  9  veIle  Krankenversicherungsgesetz  vom  31.  .1  uli  1901  verMeiche 

mit  derjenigen,  die  uns  heuer  am  3.  August  1902  zugin»-  ° 
mimeln*  von  sämtlichen  bayerischen  Aerztekammern 
clicn  Antrag,  so  glaube  ich  doch,  wenn  ich  auch 
das  Bedauern  aussprechen  muss,  dass  unsere  Anträge  so  wenig 
Entgegenkommen  von  Seite  des  uns  im  übrigen  meist  so  wohl- 

SEt  ?18??11!  df  Inuern  Setunden  haben,  einen  kleinen 
tw  1  **  ®  „Na,Vertreten  an  unsere  Bitte  erblicken  zu  können 

Dei  ministerielle  Bescheid  vom  3.  August  1902  spricht  nämlich 
von  einer  etwaigen  weiteren  Einvernahme  der  ärztlichen  Standes- 
\eitretuug  über  die  angeregte  Frage.  Die  Staatsregierung  scheint 
demnach  zur  rechten  Zeit,  d.  li.  wenn  die 
im  Reichstag  allmählich  in  Sicht  kommt, 

Sitzung  der  Aerztekammern  in  Aussicht 

wünschen,  dass  diese  meine  optimistische  Ansicht  richtig  ist,  und 
(\  ,o  ie  ktaatsregierung  die  Aerztekammern  bald  zu  einer  Be¬ 
spiee  liung  dieser  überaus  wichtigen  Angelegenheit 
möge. 

o)  I  einer  kommt  zur  Verlesung: 

Ein  Anschreiben  vom  Generalsekretär  des 
bundes,  betreffend  Bildung  von  Vertra 
sionen  durch  die  Bezirks,  vereine 
1 1  c  he  n  Standesvertretungen. 

Referent  Dr.  Do  r  f  1  e  r:  Der  diesjährige  Aerztetag  hat  folgen¬ 
den  Antrag  von  Dr.  He  r  zau- Halle  mit  allen  gegen  3  Stimmen 
angenommen:  „Gleichzeitig  beauftragt  der  XXX.  Deutsche  Aerzte 
tag  den  geschäftsführenden  Ausschuss,  bei  den  gesetzlichen  Stan 
^Vertretungen  aller  Bundesstaaten,  und  wo  solche  nicht  ? 
den  sind,  bei  den  ärztlichen  Vereinen  die  sofortige 
von  A  ertragskommissionen  in  die  AVege  zu  leiten“ 

ca  ! +^iaVHerz^i  llllter  solchen  Vertragskommissionen  ver- 
Äpba‘7  am  12‘  März  1^2  in  der  Aerztekammersitzung  der 
oi  i  W  Sachsens  ausgesprochen.  An  jedem  Aerztekammersitz  soll 
eine  A  eitragskonunission  von  3  Mitgliedern  und  3  Stellvertretern 
zur  Regelung  der  zwischen  Aerzten  einerseits  und  Krankenkasse 
oder  anderen  Korporationen  andererseits  abgeschlossenen  oder  ab- 
zuschliessenden  Verträge  alljährlich  gewählt  werden  Diese  Ver¬ 
tragskommission  der  Aerztekammer  hat  eine  den  örtlichen  Bedürf¬ 
nissen  entsprechende  Anzahl  von  Vertrauenskommissionen  zu 
wählen.  Die  A  ertragskommission  hat  ihre  jeweilige  Entscheidung 
Zulässigkeit  eines  Vertrages  auf  Grund  vorheriger  ein- 
gehendei  Piufung  der  A  erhältnisse  seitens  der  zuständigen  Ver- 
?.™ue“skonimlssion  zu  füllen.  Jeder  seitens  eines  Arztes  mit  einer 
öffentlichen  oder  privaten  Korporation,  insbesondere  mit  A'ersiclie- 
rungsgesellschaften,  mit  Anstalten,  sowie  mit  Renten-.  Unfall-, 
Invalid itäts-  oder  sonstigen  Kassen  neu  abzuschliessenden  oder 
nach  Ablauf  der  kontraktlichen  Vertragsdauer  bezw.  nach  erfolgter 


rorlian- 
Errichtung 


Kassenärzte,  der  Kassenvorstäiidt 


g-  der 

eines"  ärztlichen  Vereines  oder, 
wenn  es  ihr  notwendig  erscheint,  aus  eigenem  Antriebe  schon  be¬ 
stehende  Vorträge  zu  prüfen. 

Nach  diesem  oben  angeführten  Beschlüsse  des  Deutschen 
Aerztetages  haben  diejenigen  Vereine  und  Vereins  Vertretungen 
welche  durch  ihre  Mitglieder  dem  deutschen  Aerzteverbande  an¬ 
geboren,  unzweifelhaft  die  Pflicht,  sich  um  die  Verwirklichung  der 
uns  gestellten  Aufgaben  zu  kümmern. 

Formell  bestehen  nun  in  Bayern  keine  gesetzlichen  ärztlichen 
Kammervertretungen,  sondern  die  ärztlichen  Vereine  wären  nach 
Her  zau  bei  lins  berufen,  die  sofortige  Errichtung  von  A"er- 
tiagskommissionen  in  die  AVege  zu  leiten.  AA’enn  nun  auch  die 
1  Giisclioii  A erzteka mrnern  nicht  durch  ein  förmliches  Gesetz 
begi  findet  sind,  so  sind  sie,  als  durch  Allerhöchste  Arerordnung  ge¬ 
schaffen,  immerhin  als  die  staatlichen  Standes  Vertretungen  der 
bayerischen  Aerzte  zu  betrachten,  und  als  solche  wohl  berufen 
sich  dieser  Materie  anzunehmeu.  Dass  die  Inangriffnahme  dieser 
Angelegenheit  durch  die  Aerztekammern  für  eine  wirksame  Durch¬ 
führung  der  den  Vertragskommissionen  zufallenden  Aufgabe  von 
der  allergrössten  Bedeutung  ist,  kann  bei  dem  innigen  Zusammen¬ 
hang  der  Aerztekammer  mit  dem  Bezirksvereinen  keinem  Zweifel 
unterliegn.  Die  brennende  Frage  ist  nur  die,  ob  die  Aerzte¬ 
kammer  bei  den  durch  Vereinsstatut  geregelten  verschiedenartigen 
Standesordnungen  der  einzelnen  Vereine,  die  nicht  einmal  alle 
Aerzte  eines  oder  mehrerer  Bezirke  umfassen,  ein  wirksames  Ein¬ 
greifen  der  Aerztekammern  und  ihrer  Organe,  der  Bezirksvereine, 
für  möglich  erachtet  oder  anders  ausgedrückt,  ob  die  bayerischen 
Standesvertretungen  ohne  eine  bayerische  amtliche  Ehrengerichts- 
ördnung  eine  wirksame  Durchführung  derartiger  Pläne  jetzt  schon 
für  möglich  halten. 


3 


No.  50. 


2100 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


l'cl)(>r  die  Zweckmässigkeit  einer  solclien  Hinrichtung  diirlte 
keine  grosse  Meinungsverschiedenheit  herrschen.  Denn  wenn  auch 
in  grösseren  Städten  durch  die  dort  bereits  bestellendem  Vertrags- 
konunissionen  in  den  einzelnen  Vereinen  die  Angelegenheit  meist 
zur  Zufriedenheit  der  Kassen  und  Kassenärzte  geregelt  ist.  so  ent¬ 
behren  doch  alle  ländlichen  Kassenärzte  und  ländlichen  ärztlichen 
Vereine  derartige  wirksame  Schutzvorrichtungen  für  ihre  Mit¬ 
glieder.  l’nd  gerade  diese  ländlichen  Vereine  sind  es.  welche  auf 
eine  Inangriffnahme  dieser  Sache  durch  ihre  Vertretung  grosses 
Gewicht  legen  und  eben  das  Verlegen  des  Schwergewichtes  einer 
solchen  Institution  in  die  Aerztekammer  von  Bedeutung  für  die 
"Wirksamkeit  einer  solchen  Massregel  halten.  Es  dürfte  darum  die 
Aerztekammer  recht  wohl  als  die  Stelle  betrachtet  werden,  wo 
solche  Wünsche  zum  Ansdrucke  gebracht  werden  sollen  und 


können. 

Eine  andere  Frage  ist  die  Durchführbarkeit  einer  solchen  Ein¬ 
richtung  ohne  gesetzliche  Aerzteordnung.  Nur  diese  I*  rage  allein 
kann  Gegenstand  der  Diskussion  sein.  Nun  kann  darüber  kein 
Zweifel  bestehen,  dass  ohne  gesetzliche  Exekution  ein  wirkungs¬ 
volles  Einschreiten  gegen  Zuwiderhandelnde  in  dem  Sinne  und 
in  dem  Umfange,  wie  das  im  Staate  mit  gesetzlich  festgestellt  ei 
Aerzteordnung  der  Fall  ist,  zurzeit  bei  uns  in  Bayern  noch  nicht 
durchführbar  ist.  Es  fragt  sich  nur.  ob  es  nicht  doch  von  be¬ 
deutender  Wirkung  wäre,  wenn  in  dem  derzeitigen  ,, gesetzlosen“ 
Zustande  die  Durchführung  etwaiger  Beschlüsse  der  Vertrags¬ 
kommission  angestrebt  würde  durch  Anwendung  der  Standes¬ 
ordnungsvorschriften  der  einzelnen  \  ereinsstatuten,  deren  Ein¬ 
haltung  ja  jedes  in  einen  Verein  eintretende  Mitglied  auch  jetzt 
schon  als  seine  Pflicht  mit  seinem  Eintritte  ausgesprochen  und 
zugesichert  hat.  Es  kann  für  mich  nicht  zweifelhaft  sein,  dass 
eine  energische  Anwendung  der  Statutenstrafen  auch  jetzt  schon 
Zuwiderhandelnden  Anlass  werden  würde,  den  Beschlüssen  einer 
solchen  Vertragskommission  sich  zu  fügen.  Da  von  den  baye¬ 
rischen  Aerzten  nahezu  90  Proz.  den  ärztlichen  Bezirksvereinen 
angehören,  könnte  eine  wirksame  Exekution  wohl  in  Aussicht 
genommen  werden. 


Eine  wirksame  Exekution  könnte  dann  um  so  leichter  garan¬ 
tiert  werden,  wenn  die  Mitglieder  der  einzelnen  Bezirksvereine 
sich,  wie  dies  im  ärztlichen  Bezirksverein  für  Südfranken  eben 
durchgeführt  wird,  in  einzelne  amtliche  Lokalvereine  zusammen- 
scliliessen,  die  eine  strengere  gegenseitige  Bindung  durch  Ehren¬ 
wort  oder  Konventionalstrafen  nach  Belieben  sich  statuieren 
können. 

Auf  jeden  Fall  sollte  die  Aerztekammer  zu  der  schwebenden 
Frage  Stellung  nehmen  und  dadurch,  dass  sie  die  Sache  vor¬ 
bereitend  selbst  in  die  Hand  nimmt  oder  den  einzelnen  Vereinen 
zuweist,  den  Bezirksvereinen  den  Weg  angeben,  den  sie  bei  der 
Schaffung  von  Vertragskommissionen  zu  gehen  haben. 

Diskussion:  Dr.  G.  M  erkel:  Es  ist  ausserordentlich 
dankenswert,  dass  Herr  Dr.  Dörfler  die  Anregungen,  welche 
er  bei  der  heurigen  Versammlung  des  Deutschen  Aerztevereins- 
bundes  erhalten  hat.  hier  für  unsere  bayerischen  Verhältnisse 
nutzbar  zu  machen  sucht.  Ich  persönlich  stimme  mit  ihm  voll 
kommen  darin  überein,  dass  die  schwierigen  Verhältnisse  der 
Aerzte  zu  den  Kassen  und  der  Kassenärzte  untereinander  sich 
am  leichtesten  lösen  lassen  durch  Kommissionen  innerhalb  der 
Vereine,  welchen  alle  Kassenabschlüsse  vorgelegt  werden  müssen, 
die  alsdann  bei  Verfehlungen  gegen  gemeinsame  Abmachungen 
und  Standesordnung  die  Angelegenheiten  an  die  bestehende  Appell¬ 
instanz  weitergeben. 

Wir  haben  in  unserem  Land  Beispiele  in  Städten  gerade  ge¬ 
nug,  welche  für  die  Wirksamkeit  solcher  Kommissionen  laut 
sprechen.  Aus  meinen  Aufzeichnungen  über  die  Verhandlungen 
des  erweiterten  Obermedizinalausschusses  —  ob  ein  Protokoll 
über  die  für  die  Aerzte  so  überaus  wichtigen  Verhandlungen  ge¬ 
fertigt  wurde,  ist  mir  unbekannt  geblieben,  da  dasselbe  weder 
abgedruckt,  noch  den  Mitgliedern  zur  Kenntnis  mitgeteilt  wurde  — 
über  Standesordnung  und  Gebührentaxe  geht  hervor,  dass  das 
k.  Staatsministerium  sich  für  die  Bildung  solcher  Kommissionen 
ganz  besonders  interessiert  und  deren  Aufstellung  für  notwendig 
hält. 

Trotzdem  scheint  es  mir  der  richtigere  Weg  zu  sein,  die  Sache 
von  unten  aus  aufzubauen.  Die  gewünschten  Instanzen  bilden 
dann  naturgemäss  das  Ehrengericht  der  Vereine  und  der  Aerzte¬ 
kammer,  die  freilich  immer  noch  daran  kranken,  dass  sie  nicht 
alle  Aerzte  vor  ihr  Forum  ziehen  können. 

Ich  möchte  deshalb  im  weiteren  Verfolge  des  Dörfler- 
sclien  Antrages  die  hier  anwesenden  Herren  Delegierten  bitten, 
uns  darüber  Mitteilung  zu  machen,  ob  solche  Kommissionen  in 
ihrem  Verein  bereits  bestehen  und  mit  welchem  Erfolg  sie  ar¬ 
beiten. 


Daran  schliesse  ich  den  weiteren  Antrag: 

,,Die  Aerztekammer  wolle  an  alle  mittelfränkischen  Be- 
zirksvereine  die  Aufforderung  ergehen  lassen,  Beschluss  da¬ 
rüber  zu  fassen,  dass  kein  Mitglied  des  Vereines  mit  irgend¬ 
welcher  Kasse  einen  Vertrag  absehliessen  darf  ohne  Ge¬ 
nehmigung  des  Vereins,  so  dass  Verfehlungen  in  diesen  wich¬ 
tigen  Fragen  dem  vorscliriftsmässigen  Ehrengerichtsverfahren 
unterliegen.  Da,  wo  der  Umfang  der  Vereine  zu  gross  ist, 
sollen  dieselben  eigene  Kommissionen  bilden,  welchen  diese 
Verträge  vor  Abschluss  derselben  voruzlegen  sind.“ 

Nur  so  wird  der  Aufbau  dieser  sicher  segensreichen  Einrich¬ 
tung  von  unten  auf  möglich  sein,  da  innerhalb  lokaler  Verhält¬ 
nisse.  welche  nur  in  den  Vereinen  selbst  richtig  beurteilt  und  ge¬ 
würdigt  werden  können,  den  Ausschlag  geben  müssen,  eine  Kennt¬ 
nis,  welche  zunächst  oberen  Instanzen  abgeht. 


I>r.  Dörfler  kann  sich  befriedigt  erklären  mit  den  Aus¬ 
führungen  Dr.  M  e  r  k  e  1  s. 

Der  Vorsitzende  hält  Umfrage,  inwieweit  solche  Verträge  mit 
Kassen  von  Bezirksvereinen  schon  kontrolliert  werden. 

Dr.  Beck  li:  Nürnberg  hat  seit  Jahren  einen  Vereinsbeschluss, 
dass  jeder  Vertrag  mit  einer  Kasse  der  Genehmigung  unterliegt, 
die  meisten  Verträge  werden  ja  direkt  vom  Bezirksverein  selbst 
abgeschlossen.  Kommissionen  bestehen  für  Kontrolle  von  Rech¬ 
nungen,  Arzneiverschreibung  etc.  etc.,  nicht  aber  eine  eigene  \  er- 
tragskommission,  statt  welcher  die  Vereinsleitung  fungiert. 

Dr.  Stark:  Ebenso  ist  es  in  Fürth.  Kein  Arzt  darf  in  der 
Stadt  eine  Kassenarztstelle  annehmen;  bei  allen,  ausser  der  Staats¬ 
bahnkasse,  bestellt  freie  Arztwahl.  Die  Verträge  werden  unter 
Kontrolle  des  Vereins  geschlossen.  Auch  die  Verträge  mit  Land¬ 
kassen  unterliegen  der  Vereinsgenehmigung.  Eigene  Vertrags¬ 
kommission  ist.  überflüssig. 

Dr.  Bergmann:  Im  Bezirksverein  Ilersbruck  besteht  schon 
seit  längerer  Zeit  ein  bindender  Beschluss,  dass  kein  Mitglied  mit 
einer  Kasse  einen  Vertrag  scliliessen  darf,  ohne  diesen  vorher  dem 
Verein  zur  Genehmigung  vorzulegen.  Mir  ist  gegenwärtig  nicht 
genau  erinnerlich,  ob  nicht  auch  schon  bestehende  Verträge  bei 
Schaffung  dieser  Einrichtung  vorgelegt  werden  mussten.  Jeden¬ 
falls  würde  sich  das  empfehlen,  um  dabei  zur  Kenntnis  gelangende 
Unzuträglichkeiten  bei  Gelegenheit  abstellen  zu  können.  Für 
unseren  kleinen  Verein  hat  sich  die  Einrichtung  einer  ständigen 
Vertragskommission  nicht  als  notwendig  erwiesen,  da  diese  An¬ 
gelegenheiten  in  den  regelmässigen,  von  den  Mitgliedern  gut  be¬ 
suchten  Vereinssitzungen  sehr  wohl  erledigt  werden  konnten.  In 
grösseren  Vereinen  wird  sich  allerdings  die  Schaffung  von  eigenen 
Vertragskommissionen  empfehlen. 

Der  Vorsitzende  konstatiert,  dass  demnach  in  8  Be¬ 
zirksvereinen  dem  Verlangen  nach  Kontrolle  der  Verträge  Rech¬ 
nung  getragen  ist,  dass  zweifellos  in  kleineren  .Vereinen  beson¬ 
dere  Kommissionen  ganz  überflüssig  sind,  aber  auch  ziemlich 
grosse  Vereine,  wie  Nürnberg,  ohne  solche  erfolgreich  arbeiten. 

Bei  der  Diskussion  bittet  Dr.  Dörfler  hervorzuheben,  tjass 
das  Ehrengericht  der  Aerztekammer  die  eventuelle  Berufungs¬ 
instanz  sei,  etwa  durch  Einfügung  des  Wortes  „bestehend“  vor 
den  Worten  der  Motivierung. 

1  )r.  VI  e  rkel  hält  es  nicht  für  nötig,  selbstverständliche  Tat¬ 
sachen  den  Kollegen  immer  wieder  einzupauken.  Im  übrigen  sei 
das  Einfügen  des  verlangten  Wortes  belanglos  und  er  habe  nichts 
dagegen. 

Mit  dieser  Zufügung  wird  der  Antrag  Dr.  M  e  rkel  einstimmig 
angenommen. 

4.  Anträge  des  Bezirksvereins  Nürnberg,  B  e  k  ä  m  p  f  u  n  g 
d  e  r  K  u  r  p  f  u  sehe  r  e  i  betreffend. 

Referent  Dr.  Beck  h:  In  Ausführung  eines  Beschlusses  des 
Aerztetages  vom  Juni  1901  wurden  vom  Generalsekretär  des  Aerzte- 
vereinsbundes  die  Bezirksvereine  zur  Einsetzung  von  Kommis¬ 
sionen  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  und  zur  Einsendung 
eines  Berichtes  an  den  Geschäftsausschuss  über  die  Ausführung 
dieses  Beschlusses  und  die  Tätigkeit  der  Kommission  aufgefordert. 
Der  ärztliche  Bezirksverein  Nürnberg,  der  schon  früher  einmal  eine 
solche  Kommission  niedergesetzt  hatte,  die  aber  bald  den  Kampf 
wieder  aufgeben  musste  wegen  der  damaligen  Ungunst  der  Ver¬ 
hältnisse,  betätigte  sofort  diese  Aufforderung  und  empfing  in  seiner 
Juniversammlung  einen  eingehenden  Bericht  seiner  Kommission 
aus  der  Feder  des  Geschäftsführers  derselben,  Dr.  Richard 
L  a  n  d  a  u,  der  Erfreuliches  berichten  konnte.  Es  stellte  sich 
jedoch  mehr  und  mehr  dabei  heraus,  dass  ohne  eine  energische 
Unterstützung  von  Seite  der  Staatsbehörden  dem  immer  mehr  sich 
breitmachenden  Uebel  der  unter  dem  Schutz  des  lizenzierten 
freien  Gewerbebetriebs  auf  tretenden  Kurpfuscherei  nicht  erfolg¬ 
reich  zu  Leibe  gegangen  werden  könnte.  Es  wurde  deshalb  im 
ärztlichen  Bezirksverein  Nürnberg  von  der  Kommission  der  An¬ 
trag  gestellt  und  von  der  Versammlung  einstimmig  angenommen, 
bei  dem  ständigen  Kammerausschuss  nachfolgende  3  Anträge  zur 
Annahme  durch  die  Aerztekammer  einzugeben: 

(Siehe  das  Protokoll  von  Oberbayern,  S.  2116,  Sp.  1.) 

Seit  der  Stellung  dieser  Anträge  sind  nun  die  vorzüglichen, 
allen  Mitgliedern  des  A  erztevereinsbundes  gedruckt  zugegangenen 
Berichte  des  Hamburger  Aerztevereins  und  des  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereins  München  zugegangen,  die  eingehenden  Verhandlungen  des 
Königsberger  Aerztetages  über  diese  wichtige  Materie  haben  statt¬ 
gefunden  und  haben  zur  Annahme  von  Resolutionen  geführt,  die 
grosse  öffentliche  Versammlung  des  deutschen  Vereins  für  öffent¬ 
liche  Gesundheitspflege  in  München  hat  die  ausgezeichneten  Aus¬ 
führungen  des  Kollegen  Dr.  Grass  m  a  n  n  entgegengenommen 
und  mit  grösstem  Beifall  begriisst;  es  ist  allmählich  doch  in  das 
Publikum  gedrungen,  dass  die  Aerzte  den  Kampf  gegen  die  Kur¬ 
pfuscherei  nicht  aus  Brotneid,  wie  ihnen  zuerst  vorgeworfen 
wurde,  aufgenommen  haben,  sondern  im  Interesse  des  Gemein¬ 
wohls  und  als  Pioniere  des  Fortschritts  im  Kampfe  gegen  gemeine 
Selbstsucht  einerseits  und  Dummheit  und  Aberglauben  andrerseits. 
Ich  glaube  deshalb,  mich  in  Ueberein Stimmung  mit  dem,  was  der 
Bezirksverein  Nürnberg  mit  seinen  Anträgen  gewollt  hat,  zu  be¬ 
finden,  wenn  ich  Ihnen  vorschlage,  statt  obiger  3  Sätze,  um  ein 
gleiches  Votum  der  sämtlichen  Kammern  des  Königreichs  zu  er¬ 
zielen,  folgender  Resolution  der  am  12.  Oktober  zu  Nürnberg  ver¬ 
sammelten  Kammervorsitzenden  zuzustimmen: 

Es  sei  an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte  zu  stellen,  im 
Bundesrate  den  von  dem  XXX.  Deutschen  Aerztetag  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Kurpfuscherei  gemachten  Vorschlägen  ihre  Zu¬ 
stimmung  zu  erteilen,  eventuell,  falls  die  reichsgesetzliche  Rege¬ 
lung  nicht  zur  Durchführung  gelangt,  die  in  Frage  stehenden  Mass- 
I  nahmen,  welche  zum  Teile  in  anderen  Bundesstaaten  schon  durch- 


16.  Dezember  1902, 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


2131 


ff/ükrt  siud-  auf  dem  Wege  der  Landesgesetzgebung  in  Bayern  zur 
Emfiilmmg  zu  bringen.  J 

Diese  Anträge  lauten: 

(Siehe  das  Protokoll  von  Oberbayern,  S.  2110,  Sp  2  ) 

Der  Antrag  findet  einsl  immige  Annahme. 

5.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  E  r  r  i  c  li  - 

!  U  i  X  °n  1  z  1 1 1  c  ll  e  11  E  o  r  t  b  i  1  d  u  n  g  s  k  u  r  s  e  n  be¬ 
treffend. 


Referent  Dr.  Schuh:  Die  medizinische  Wissenschaft  hat  in 
den  letzten  Jahrzehnten  einen  enormen  Aufschwung  genommen 
Aus  dem  stamme  der  allgemeinen  Medizin  zweigen  sich  immer¬ 
während  neue  Spezialgebiete  ab.  Den  Medizinstudierenden  bot 
^ch  aüpahhch  eme  solche  Fülle  von  Lernmaterial,  dass  zu  dessen 
Bewältigung  die  /eit  des  Studiums  auf  den  Universitäten  von 
Staatswegen  verlängert  werden  musste. 

Allein  der  Staat  weiss  wohl,  dass  es  bei  den  Medizinern  nicht 
abgetan  ist  mit  der  Vollendung  der  Studien  auf  der  Hochschule, 
er  weiss,  dass  nur  der  ein  tüchtiger  Arzt  sein  und  bleiben  kann’ 
der  Schritt  halt  mit  seiner  stetig  sich  verändernden  und  weiter 
si95}  entwickelnden  Wissenschaft.  Darum  hat  der  Staat  für  die 
Militärärzte  Fortbildungskurse  obligatorisch  gemacht  und  ähnliche 
Kurse  für  seine  Medizinalbeamten  zur  Einführung  gebracht  Die 
Zivilärzte,  soweit  sie  nicht  Sanitätsoffiziere  sind,  sind  aus¬ 
geschlossen  von  dieser  staatlichen  Fürsorge. 

Man  darf  nun  wohl  sicher  annehmen,  dass  das  Bedürfnis  zur 
w  eiteren  Fortbildung  fast  bei  allen  Aerzten  vorhanden  sein  wird. 
Schon  die  Liebe  zu  ihrer  Wissenschaft  und  das  Bestreben,  alles 
das  sich  zu  eigen  zu  machen,  was  ihre  Fortschritte  Tag  um  Tag 
uns  bringen,  das  Streben,  in  seinem  Fache  als  ein  ganzer  Mann 
dazustehen,  die  Freude  an  der  sich  so  herrlich  entwickelnden  ärzt¬ 
lichen  Kunst,  das  alles  wird  wohl  die  meisten  Aerzte  dazu  an¬ 
stacheln,  sich  in  ihrer  Kunst  immer  weiter  auszubilden. 

Wenn  es  nun  vor  allem  der  ideale  Standpunkt  des  deutschen 
Gelehrten  sein  wird,  der  diesen  Fortbildungstrieb  bei  den  Aerzten 
unterhält,  so  kommen  freilich  noch  andere  materielle  Rücksichten 
dazu,  welche  den  Arzt  anspornen  müssen,  auf  seine  weitere  Fort¬ 
bildung  immer  und  immer  wieder  Bedacht  zu  nehmen. 

Ls  ist  eine  unbestrittene  Tatsache,  dass  der  ausserordentliche 
Aufschwung,  welchen  die  medizinische  Wissenschaft  in  unserer 
Zeit  nahm,  aus  verschiedenen  Gründen  nicht  dazu  beitrug,  das 
Ansehen  und  die  soziale  Stellung  des  praktischen  Arztes,  und  von 
diesem  soll  hauptsächlich  die  Rede  sein,  zu  heben. 

Es  entwickelte  *  sich,  d.  h.  es  musste  sich  naturgemäss  das 
Spezialistentum  entwickeln,  welches  die  Tätigkeit  und  das 
Schaffensgebiet  des  gewöhnlichen  Arztes  einengte,  und  zweitens 
fiel  zusammen  mit  diesem  Aufschwung  der  medizinischen  Wissen¬ 
schaft  die  Krankenkassengesetzgebung  mit  ihrer  Rückwirkung  auf 
die  Bedeutung  und  Beschaffenheit  der  ärztlichen  Tätigkeit.  Die  soziale 
Gesetzgebung  sicherte  dem  wirtschaftlich  Schwachen  das  Recht 
aut  ärztliche  Hilfeleistung,  da,  wo  sonst  die  Humanität  des 
Arztes  nur  zu  oft  freiwillig  eingesetzt  hatte.  Zweifellos  verlor 
der  ärztliche  Stand  dadurch  an  dem  Mass  von  Würde,  welches  ihn 
sonst  vor  anderen  Ständen  ausgezeichnet  hatte,  und  andrerseits 
wurde  der  Arzt  gezwungen,  durch  extensive  Entfaltung  seiner 
Tätigkeit  deren  Intensität  mehr  oder  weniger  zu  opfern,  um  bei 
den  herabgesetzten  Honoraren  nur  Zeit  zu  gewinnen,  um  sich  das 
Nötige  zu  verdienen.  Man  kann  heute  von  Aerzten  den  Grund¬ 
satz  mancher  Kaufleute  aussprechen  hören,  die  Masse  muss  es 
bringen,  viel  Umsatz,  wenn  auch  kleiner  Nutzen. 

Die  Gefahr  liegt  nahe,  dass  sich  allmählich  bei  der  Behand¬ 
lung  ein  unwissenschaftlicher  Schematismus,  eine  bedenkliche 
Verflachung  ausblden  möchte. 

Ein  weiterer  Umstand  kommt  dazu,  welcher  noch  dazu  unter 
staatlicher  Duldung  der  ärztlichen  Tätigkeit  fortgesetzt  Schaden 
bringt,  ich  meine  die  bedenkliche  Entwicklung  des  Pfuschertums. 
So  kommt  es,  dass  es  unter  den  praktischen  Aerzten  nicht  wenige 
gibt,  welche  um  ihre  Existenz  hart  kämpfen  müssen,  dass  man  in 
gewissem  Sinne  von  einer  Misere  des  ärztlichen  Standes  sprechen 
kann. 

Dabei  schwebt  als  Damoklesschwert  über  dem  Haupte  des 
Arztes  das  Haftpflichtgesetz;  das  Publikum  hat  die  bedenkliche 
Dehnbarkeit  des  Begriffes  „Kunstfehler“  nur  zu  schnell  erfasst 
und  nützt  dieselbe  oft  aus  zum  schweren  Schaden  des  Arztes. 

Allen  diesen  Faktoren  gegenüber,  welche  die  Würde  des 
Arztes  und  seine  wissenschaftliche  Bedeutung  gemindert,  seine 
Stellung  gegenüber  den  Kurpfuschern  und  seine  schwierige  Situa¬ 
tion  in  Bezug  auf  das  Haftpflichtgesetz  geschaffen  haben,  gibt  es 
nur  eine  Abhilfe  —  eine  möglichst  gründliche  Ausbildung  und 
andrerseits  eine  möglichst  kontinuierliche  Fortbildung  in  der  iirzt- 
1  iclien  Wissensclia ft. 

Der  unwissenschaftliche  Schematismus  kann  sicher  nur  so 
gehoben  werden,  wenn  dem  Arzte  immer  und  immer  wieder  die 
Errungenschaften  des  modernen  Fortschrittes  auf  seinem  Gebiete, 
welche  auf  gewissenhafter  Individualisierung  beruhen,  vor  Augen 
geführt  werdeu;  der  Kampf  gegen  die  Pfuscherei  wird  um  so  eher 
gelingen,  wenn  die  praktischen  Aerzte  jederzeit  nachdrücklich 
und  rechtzeitig  von  berufener  Seite  auf  diejenigen  Heilfaktoren 
aufmerksam  gemacht  werden,  welche,  auch  wenn  sie  von  seiten 
der  Laien  kommen  sollten,  manchmal  als  eine  Bereicherung  unseres 
Heilverfahrens  anerkannt  werden  müssen. 

Aus  dem  Vorstehenden  dürfte  hervorgehen,  dass  auch  nach 
erledigtem  Approbationsexamen  für  die  praktischen  Aerzte  die 
weitere  Fortbildung  ein  dringendes  Bedürfnis  ist,  und  es  muss 
zugegeben  werden,  dass  bisher  wohl  auch  die  allermeisten  Aerzte 
bemüht  waren,  dem  raschen  Schritt  der  immer  fortschreitenden 
medizinischen  Forschung  zu  folgen. 


Eine  grossartig  entwickelte  medizinische  Literatur  steht  zu 
Gebote,  die  ärztlichen  Vereine  sind  bemüht,  ihre  Mitglieder  auf 
dem  laufenden  zu  erhalten,  und  es  gibt  ja  auch  seit  geraumer 
Zeit  Ferienfortbildungskurse  an  den  Universitäten. 

Allein  das  Studium  der  Literatur  ohne  klinische  Demon¬ 
stration,  ohne  Vorstellung  der  technischen  Fortschritte  kann  als 
vollgenügend  nicht  bezeichnet  werden,  in  den  Vereinen  hat  zweifel¬ 
los  das  Spezialistentum,  besonders  das  operative,  dominierende 
Herrschaft  sich  zu  erwerben  gewusst  und  die  U ni versitätsf erien- 
kurse  haben  sich  von  seifen  der  praktischen  Aerzte  nur  einer  recht 
geringen  Beliebtheit  zu  erfreuen  gehabt.  Diese  Kurse  verlangen 
zu  grosse  Opfer  von  den  Aerzten;  sie  sind  zu  teuer,  wenn  ich  auch 
den  Kostenpunkt  als  das  geringste  Opfer  hinstellen  möchte;  so 
kostet  in  Berlin  fast  jeder  Kurs  50  M. ;  dann  werden  diese  Kurse 
nur  in  den  Universitätsstädten  abgehalten,  so  dass,  um  sie  zu 
frequentieren,  die  Praxis  auf  längere  Zeit  aufgehoben  und  nam¬ 
hafter  Verlust  mit  in  Kauf  genommen  werden  muss  für  die,  welche 
nicht  so  glücklich  sind,  in  einer  Universitätsstadt  die  Praxis  aus¬ 
zuüben.  Dann  ist  die  Zeit,  avo  diese  Kurse  abgehalten  werden, 
um  Ostern,  eine  solche,  wo  es  gerade  in  der  Praxis  viel  zu  tun 
gibt,  oder  im  Sommer,  wo  der  Arzt  seinen  Erholungsurlaub  ab¬ 
zuhalten  pflegt.  Die  Zeit  ist  immer  ungünstig  für  die  Aerzte. 

Es  sind  also  3  Momente,  welche  dem  praktischen  Arzt  die  Be¬ 
nützung  der  Unversitätsferienkurse  verleiden,  das  hohe  Honorar, 
die  aufzuwendende  Zeit  mit  der  Praxisversäumnis  und  die  Jahres¬ 
zeit. 

Man  kann  demnach  wohl  behaupten,  dass  das  ärztliche  Fort¬ 
bildungswesen  in  seiner  bisherigen  Form  den  praktischen  Anforde¬ 
rungen  nicht  Genüge  geleistet  hat;  eine  Abänderung  ist  dringend 
geboten,  und  zwar  nach  3  Richtungen  hin: 

1.  Das  ärztliche  Fortbildungswesen  muss  unentgeltlich  sein. 

2.  Es  muss  im  Wohnort  des  Arztes  oder  möglichst  nahe  dem¬ 
selben  stattfinden. 

3.  Der  Arzt  muss  seine  Fortbildung  zu  einer  Zeit  finden 
können,  welche  ihm  möglichst  gelegen  ist. 

Das  Fortbildungswesen  soll  also  künftig  den  Arzt  aufsuchen, 
nicht  umgekehrt. 

Nicht  allein  die  Universitäten,  nein  alle  grösseren  Städte 
müssen  den  Mittelpunkt  abgeben,  von  welchem  aus  über  einen  ge¬ 
wissen  Umkreis  das  Fortbildungswesen  im  Sinne  einer  Lehrstätte 
M  irltung  gewinnen  kann  und  soll.  Das  schliesst  keineswegs  aus, 
dass  ein  inniger  und  dauernder  Kontakt  zwischen  Hochschul¬ 
lehrern  und  praktischen  Aerzten  angebahnt  und  dauernd  erhalten 
werde;  erstere  müssen  vor  allem  das  Fortbildungswesen  unter¬ 
stützen. 

Wenn  dann  einmal  derartige  Lehrzentren  in  unseren  grösseren 
Städten  geschaffen  sind,  so  hat  man  damit  grosse  Vorteile  erreicht; 
dann  kann  der  Lehrstoff  bequem  in  einem  Zeitraum  von  mehreren 
Monaten  behandelt  werden,  während  bei  den  Ferienkursen  in 
3 — 4  Wochen  eine  Disziplin  durchgearbeitet,  wenn  nicht  durch¬ 
gepeitscht  werden  musste;  so  wird  die  Sache  für  den  Vortragen¬ 
den  und  den  Hörer  angenehmer. 

Ein  weiterer,  sehr  bedeutender  Vorteil  dieses  Systems  ist  der, 
dass  das  Krankenmaterial  der  grossen  städtischen  Krankenhäuser 
und  eventuell  Privatkliniken  für  die  Zwecke  der  ärztlichen  Fort¬ 
bildung  zugänglich  gemacht  werden  kann.  In  kleineren  Städten 
möchte  sich  freilich  mehr  die  Form  der  klinischen  Vorträge  für 
die  Fortbildung  der  Aerzte  empfehlen. 

In  seiner  Broschüre  über  die  Weiterentwicklung  des  ärzt¬ 
lichen  Fortbildungswesens  in  Preussen  unterscheidet  Dr.  Robert 
Kutner,  dessen  vortreffliche  Darstellungen  uns  zum  Muster 
gedient  haben,  3  Arten  der  medizinischen  Fortbildung: 

1.  Fortbildungskurse,  das  sind  zusammenhängende  Darstel¬ 
lungen  einer  bestimmten  Gesamtdisziplin  mit  Kranlcendemonstra- 
tiouen,  welche  von  einem  einzelnen  gegeben  werden  und  sich  im 
ganzen  über  einen  gewissen  Zeitraum  von  2 — 3  Monaten  erstrecken. 

2.  Klinische  Vorträge,  bei  welchen  ebenfalls  Krankendemon¬ 
strationen  das  Wesentliche  sind,  aber  die  Vortragenden  resp.  die 
Vortragsgegenstände  wechseln,  und 

3.  Theoretische  Vorträge,  solche,  bei  denen  keine  Kranken¬ 
demonstrationen  stattfinden,  sondern  entweder  gar  keine  Demon¬ 
strationen  oder  nur  solche  von  Tafeln,  Präparaten  u.  s.  w.  dem 
Vortrage  hinzugefügt  werden. 

Die  Disziplinen  auf  welche  sich  die  Fortbildungskurse  er¬ 
strecken  sollen,  sind: 

L  Pathologische  Anatomie.  —  2.  Innere  Medizin  (inkl.  Ver¬ 
dauungskrankheiten).  —  3.  Chirurgie  (inkl.  Orthopädie).  — 

4.  Hygiene  und  Bakteriologie.  —  5.  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

-  G.  Nervenkrankheiten  und  Psychiatrie.  —  7.  Hals-,  Nasen-  und 
Ohrenkrankheiten.  —  S.  Augenkrankheiten.  —  9.  Kinderkrank¬ 
heiten.  —  10.  Dermatologie  und  Syphilis.  —  11.  Harnleiden. 

Es  ist  lehrreich  zu  beobachten,  wie  in  Preussen  das  ärztliche 
Fortbildungswesen  sich  entwickelt  hat.  Im  Dezember  1900  wurde 
unter  Prof.  v.  Bergmanns  Aegide  eine  „Vereinigung  zur  Ab¬ 
haltung  von  Fortbildungskursen  für  praktische  Aerzte“  gegründet. 
Aus  dieser  Vereinigung  entstand  auf  Anregung  des  k.  Ministeriums 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten  das 
Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  in  Preussen. 
Wenn  schon  vor  Entstehung  dieses  Zentralkomitees  in  9  Städten 
ärztliche  Fortbildungskurse  bestanden,  so  haben  sich  heute  durch 
die  Tätigkeit  dieses  Komitees  in  2-1  preussischen  Städten  lokale 
Vereinigungen  gebildet,  welche  das  ärztliche  Fortbildungswesen 
in  regster  Weise  betreiben.  Diese  Städte  sind  Aachen,  Altona. 
Barmen,  Berlin,  Beuthen,  Bielefeld,  Breslau,  Bromberg,  Bochum, 
Charlottenburg,  Danzig,  Düsseldorf,  Duisburg,  Essen,  Elberfeld, 

3* 


2132 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


No.  50. 


Frankfurt  a/M.,  Halle,  Kiel,  Köln,  Magdeburg.  Münster  i/W., 
Posen,  Stettin,  Wiesbaden. 

Dem  Zentralkomitee  gehören  in  Preussen  folgende  Personen 
an:  Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal¬ 
angelegenheiten,  ein  Mitglied  der  Unterrichtsabteilung  und  ein 
Mitglied  der  Medizinalabteilung  des  Ministeriums;  für  die  Stadt 
Berlin:  je  ein  Vertreter  von  der  Aerztekammer  der  Provinz  Bran¬ 
denburg  und  dem  Stadtkreis  Berlin,  dem  Geschäftsausschuss  der 
Berliner  ärztlichen  Standesvereine  und  der  medizinischen  Fakultät 
der  Universität  in  Berlin,  ausserdem  der  ärztliche  Direktor  der 
Charite  und  je  ein  Direktor  der  städtischen  und  nichtstädtischen 
Krankenanstalten  in  Berlin. 

Die  näheren  Aufgaben  des  Zentralkomitees  für  Preussen  sind 
folgende: 

1.  Enge  Beziehungen  herzustellen  zwischen  Aerzten  und 
Komitee,  um  über  die  Bedürfnisse  des  Aerztestandes  orientiert 
zu  sein. 

2.  Das  Zentralkomitee  soll  eine  Zwischenstelle  zwischen  Re¬ 
gierung  und  Aerzten  bilden,  welche  die  berechtigten  Wünsche  des 
Aerztestandes  der  Staatsregierung  zur  Verwirklichung  empfehlen; 
z.  B.  bei  fehlenden  Lehrkräften  für  bestimmte  Disziplinen  auf  der 
Universität. 

3.  Durch  Gründung  lokaler  Vereinigungen  die  weitere  Ent¬ 
wicklung  des  Fortbildungswesens  in  allen  grossen  Städten  zu  för¬ 
dern. 

4.  Mit  den  Ministerien  der  anderen  Bundesstaaten  ins  Be¬ 
nehmen  treten  und  anzuregen,  dort  ähnliche  Organisationen  einzu¬ 
leiten,  betreffend  das  ärztliche  Fortbildungswesen. 

5.  Als  Endziel:  Eine  über  ganz  Deutschland  sich  erstreckende 
und  von  einem  deutschen  Zentralkomitee  geleitete  einheitliche 
Organisation  des  ärztlichen  Fortbildungswesens  zu  gründen. 

6.  Schliesslich  hat  das  Zentralkomitee  die  Gründung  einer 
ärztlichen  Lehrmittelsammlung  beschlossen;  dieselbe  soll  be¬ 
stehen  aus: 

1.  Anatomischen  Tafeln  und  Atlanten.  —  2.  Skeletten  und 
Knochenpräparaten.  - — •  3.  Makro-mikroskopischen,  anatomischen 
und  pathologisch-anatomischen  Musterpräparaten.  — -  4.  Tafeln 
und  Demonstrationsobjekten  für  hygienischen  Unterricht.  — 
5.  Chirurgischen  Tafeln  und  Atlanten.  —  6.  Optischen  Präparaten 
(Projektion)  für  Demonstration.  —  7.  Phantomen.  - —  S.  Plastischen 
Nachbildungen.  - —  9.  Lehrbüchern. 

Ein  Kuratorium  soll  Aveiterhin: 

1.  Allmählich  durch  Kauf  der  genannten  Objekte  eine  Muster¬ 
sammlung  schaffen, 

2.  durch  Mietsverträge  mit  grossen  Firmen  sich  die  freie  Ver¬ 
fügung  über  kostspielige  Apparate  sichern, 

3.  den  Kurslehrern  der  lokalen  Vereinigungen  auf  Wunsch  die 
Lehrmittel  zur  Verfügung  stellen, 

4.  dahin  Avirken,  dass  die  lokalen  Vereinigungen  eigene  Lehr¬ 
mittel  erhalten. 

Die  Kosten  werden  vorläufig  bestritten: 

a)  Durch  die  Ein  schreibegebühren,  Avelche  2 — 5  M.  betragen, 

b)  durch  Staatszuschüsse. 

Das  preussiselie  Kultusministerium  hat  (>000  M.  für  diesen 
ZAveck  in  den  Staatshaushalt  eingesetzt.  Ob  freilich  diese  Mittel 
ausreichen  Averden,  möchte  ich  bezAveifeln. 

Nach  vorstehenden  Darlegungen  halte  ich  die  Bildung  unent¬ 
geltlicher  ärztlicher  Fortbildungskurse  auch  in  Bayern  für  not- 
Avendig,  ich  halte  sie  für  ausführbar  und  erstrebenswert.  Des 
Aveiteren  erachte  ich  die  Konstituierung  eines  Zentralkomitees  für 
diesen  Zweck  nach  preussischem  Muster  für  wünschenswert;  Avenu 
auch  zunächst  die  grösseren  Städte  Bayerns  selbständig  Vorgehen 
sollen;  und  endlich  möchte  ich  den  Antrag  an  die  Kammer  stellen, 
sich  an  die  k.  Staatsregierung  zu  wenden  mit  der  Bitte,  für  unsere 
Bestrebungen  einzutreten,  sich  au  die  Spitze  eines  Zentralkomitees 
zu  setzen  und  avo  möglich  in  den  Staatshaushalt  eine  Summe  zur 
Ausführung  des  ärztlichen  Fortbildungswesens  zu  setzen. 

Prof.  Graser  als  Korreferent:  ln  Bezug  auf  die  Notwendig¬ 
keit  ärztlicher  Fortbildungskurse  schliesse  ich  mich  vollkommen 
den  Ausführungen  des  Herrn  Referenten  an. 

So  viel  auch  für  die  Ausgestaltung  des  medizinischen  Studien¬ 
planes  und  für  die  Ergänzung  fehlender  Disziplinen  durch  staat¬ 
liche  Verordnungen  und  Prüfungen  geschehen  ist,  so  kann  doch 
für  jeden,  der  einen  Einblick  in  die  Sache  hat,  es  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  die  allergrösste  Anzahl  der  approbierten  Aerzte 
die  Universität  in  einem  Zustand  verlässt,  der  keinerlei  Gewähr  für 
eine  gründliche  Durchbildung  auch  nur  in  einem  Gebiete  gibt. 
Daran  Avird  nach  meiner  innersten  Ueberzeugung  auch  nichts 
Avesentliclies  geändert  durch  eine  Vermehrung  der  Studienzeit; 
auch  nicht  dadurch,  dass  man,  Avie  es  von  vielen  Seiten  Abge¬ 
schlagen  Avird,  die  praktische  Ausbildung  in  Kursen  und  besonderen 
Anleitungen  mehr  in  den  Vordergrund  stellt.  Eine  stärkere  Be¬ 
tonung  des  Technischen  der  ärztlichen  Kunst  würde  nach  meiner 
Ueberzeugung  auf  Abwege  führen.  Das  Beste,  Avas  der  Unterricht 
an  der  Hochschule  geben  kann,  ist  doch  nur  ein  Avarmes  Inter¬ 
esse  für  die  medizinische  Wissenschaft  und  eine  dem  Einzelnen 
nahegehende  Empfindung,  dass  es  seine  ernste  Pflicht  sei,  durch 
eigene  Arbeit  in  diese  Gebiete  einzudringen  und  sich  das,  was  im 
praktischen  Beruf  nötig  ist,  zu  eigen  zu  machen  und  immer  wieder 
zu  ergänzen. 

Wer  seinen  Werdensgang  beobachtet,  der  Avird  sich  darüber 
klar  geworden  sein,  dass  alle  noch  so  glänzenden  Vorträge  und  die 
besten  Bücher  erst  dann  einen  Wert  haben,  wenn  man  einmal  an- 
gefangen  hat,  die  einzelnen  Gebiete  mit  eigenen  Gedanken  zu 
durchsetzen.  Wer  eine  derartige  Empfindung  zur  rechten  Zeit  hat, 
dem  wird  der  Drang,  sein  Wissen  zu  ergänzen  auch  im  späteren 


Leben,  selbst  in  dem  angestrengtesten  Berufe,  treu  bleiben.  Diesem 
Bedürfnis  entgegenzukommen,  wird  nach  meiner  Ueberzeugung 
jeder  Kollege  mit  Freuden  bereit  sein,  der  etAvas  dazu  beitragen 
kann. 

Ich  stimme  auch  darin  mit  dem  Herrn  Referenten  überein, 
dass  die  bisher  in  dieser  Hinsicht  bestehenden  Einrichtungen  un¬ 
zureichend  Avaren.  Eigentliche  Fortbildungskurse,  welche  speziell 
den  Bedürfnissen  der  prakt.  Aerzte  angepasst  waren,  wurden  an 
den  bayerischen  Hochschulen  überhaupt  nicht  abgehalten.  Die 
Ferienkurse,  die  A’on  jüngeren  Dozenten  und  Assistenten  gegeben 
wurden,  waren  doch  in  erster  Linie  eine  Vorbereitung  für  das 
Staatsexamen;  die  an  manchen  auswärtigen  Hochschulen,  wie  z.  B. 
Jena,  Freiburg  abgehaltenen  Kurse  für  prakt.  Aerzte  fielen  in  der 
Regel  in  den  Beginn  der  Herbstferien  und  waren  mit  ziemlich 
hohen  Kosten  für  den  einzelnen  Arerbunden.  wenn  auch  der  Hono¬ 
rarsatz  von  50  M.  eine  Spezialität  der  Berliner  Kurse  ist.  Auch 
an  den  sehr  besuchten  vielseitigen  Kursen  in  Frankfurt  und  Ham¬ 
burg  konnten  die  Kollegen  nur  unter  grossen  Opfern  an  Zeit  und 
Geld  teilnehmen. 

Wir  kommen  also  zweifellos  einem  dringenden  Bedürfnis  ent¬ 
gegen.  wenn  wir  uns  bemühen,  für  die  prakt.  Aerzte  Gelegenheit  zu 
bieten,  ohne  diese  grossen  Opfer,  ihre  wissenschaftlichen  und  prak¬ 
tischen  Kenntnisse  aufzufrischen  und  zu  ergänzen.  Ich  meine  aber 
entschieden,  wir  sollten  den  Anfang  nicht  damit  machen,  dass 
Avir  die  ganze  Angelegenheit  in  die  Form  einer  geschlossenen  In¬ 
stitution  mit  staatlich  organisierter  Zentralleitung  bringen;  als  das 
Richtigste  erscheint  mir  zunächst,  einmal  einen  frischen  und  freu¬ 
digen  Versuch  zu  machen  und  den  Bedürfnissen,  AArie  und  wo  sie 
sich  regen  entgegenzukommen. 

Damit  aber  dieser  Anfang  wirklich  gemacht  und  die  Anregung 
dazu  nicht  zu  sehr  verzögert  werde,  dürfte  es  sich  empfehlen, 
von  seiten  der  Aerztekammer  eine  aus  wenigen  Mitgliedern  be¬ 
stehende  Kommission  einzusetzen,  welche  beauftragt  wird,  diesen 
Anfang  in  kürzester  Frist  in  Szene  zu  setzen. 

Haben  wir  dann  gesehen,  Avas  sich  praktisch  durchführbar 
und  nutzbringend  erwiesen,  dann  dürfte  es  an  der  Zeit  sein,  ge- 
meinsame  Normen  und  etAva  auch  eine  Unterstützung  von  seiten 
des  Staates  mit  einer  Zentralleitung  des  ganzen  Unternehmens  in 
Anregung  zu  bringen. 

Ueber  die  Städte,  in  denen  dies  geschehen  soll,  scheint  mir  an 
dieser  Stelle  eine  eingehende  Erörterung  nicht  am  Platze;  doch  will 
ich  es  nicht  unterlassen,  meine  Ansicht  auszusprechen,  wie  ich  mir 
eine  ZAveckentsprechende  Einrichtung  derartiger  Kurse  vorstelle; 
am  leichtesten  wird  es  immer  möglich  sein,  namentlich  in  grösseren 
Städten,  eine  Anzahl  von  Kollegen  in  den  Abendstunden  zu  einer 
Serie  von  zusammenhängenden  Vorträgen  zusammenzuführen.  Es 
dürfte  auch  nicht  schwierig  sein,  für  diesen  Zweck  eine  genügende 
Anzahl  von  geeigneten  Kräften  wenigstens  für  den  Anfang  zu  ge- 
Avinnen.  Ich  will  aber  das  Bedenken  nicht  unterdrücken,  dass  der¬ 
artige  Vorträge  für  den  selbst  in  Praxis  stehenden  Arzt  recht 
interessant,  aber  doch  nicht  in  dem  Masse  fruchtbringend  sind. 
Avie  man  es  vielleicht  vermuten  möchte.  Gerade  ein  recht  durch¬ 
gearbeiteter  und  gewandt  gesprochener  Vortrag  entbehrt  nur  zu 
leicht  des  nachhaltigen  Eindrucks.  Am  meisten  bleiben  doch  solche 
Dinge  im  Gedächtnis  haften,  die  im  Anschluss  an  irgend  einen 
konkreten  Fall  mit  Heranziehung  der  dazu  gehörigen  Grenzgebiete 
in  ihrer  praktischen  Nutzanwendung  erörtert  werden. 

Jeder  Zuhörer  denkt  dabei  an  bestimmte  Erlebnisse  aus  der 
eigenen  Tätigkeit  und  macht  sich  in  eigener  Mitarbeit  das,  was  auf 
seine  Erfahrung  und  eventuell  Misserfolge  Beziehung  hat,  mit 
einer  starken  Gefühlsbetonung  zum  geistigen  Eigentum. 

Ich  würde  also  das  grösste  Gewicht  auf  klinische  Demon¬ 
strationen  legen,  obwohl  ich  recht  gut  AAreiss,  dass  gerade  diese  mit 
viel  grösserer  Schwierigkeit  verbunden  sind,  als  eine  Serie  von 
Einzelvorträgen.  Am  leichtesten  lässt  sich  dies  doch  in  der  Weise 
durchführen,  dass  einigemale  im  Jahre  mehrere  Tage  im  Zu¬ 
sammenhänge  darauf  venvendet  werden,  wobei  allerdings  ein  sehr 
klar  durchdachter  Plan  den  Demonstrationen  zu  Grunde  gelegt 
werden  musste.  In  der  Schweiz  existiert  eine  ähnliche  Einrichtung 
seit  langen  Jahren  in  Gestalt  von  klinischen  Aerztetagen,  Avelche 
mehrmals  im  Jahre  in  verschiedenen  Mittelpunkten  ärztlicher 
Tätigktei  stattfinden,  wobei  die  Zuhörer  im  Laufe  des  Tages  in 
den  verschiedensten  Gebieten  über  die  wichtigsten  Neuerungen 
oder  besonders  brennende  Fragen  der  ärztlichen  Kunst  unterhalten 
werden.  Aber  es  lässt  sich  in  diesen  wenigen  Stunden  natürlich 
nichts  Zusammenhängendes  bieten.  Trotz  aller  Schwierigkeit 
fände  ich  es  am  meisten  nutzbringend,  wenn  etAA'a  2  mal  im  Jahre 
diejenigen  Kollegen,  die  ein  besonderes  Interesse  dafür  haben,  sich 
etwa  eine  Woche  im  Zusammenhang  dieser  Aufgabe  widmen;  dann 
können  wenigstens  einige  Gebiete  gründlich  klar  gelegt  werden; 
Avie  Avill  man  z.  B.  eine  methodische  Prüfung  der  Magenfunktionen, 
AAÜe  sie  heute  für  eine  exakte  Diagnose  für  notwendig  gehalten 
werden,  in  einer  Stunde  vollkommen  und  eindringlich  erörtern! 
Aehnliclie  Beispiele  Hessen  sich  aus  jedem  Gebiete  anführen.  Es 
liegt  mir  vollkommen  fern,  den  Wert  guter  Vortragsserien  herab¬ 
zusetzen.  aber  ich  habe  die  Ueberzeugung,  dass  richtig  geleitete 
klinische  Demonstrationen  den  dringendsten  Bedürfnissen  viel 
mehr  entgegenkommen.  Derartige  klinische  Demonstrationen 
können  natürlich  überall  da  stattfinden,  wo  Vertreter  verschiedener 
Disziplinen  sich  zu  diesem  Zwecke  vereinigen  können. 

Doch  genug  mit  derartigen  theoretischen  Auseinandersetz¬ 
ungen.  Die  beste  Aufklärung  wird  auch  in  dieser  Hinsicht  die 
praktische  Erfahrung  bringen.  Ich  glaube  aucli  berechtigt  zu  sein, 
für  alle  meine  Kollegen  an  der  Universität  die  Bereitwilligkeit,  in 


16.  Dezember  1902. 


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Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


dieser  Richtung  mitzuwirken,  aussprechen  zu  dürfen,  wenn  auch 
mit  Absicht  eine  besondere  Umfrage  in  dieser  Hinsicht  von  mir 
unterlassen  Avurde.  Jeder  einzelne  Avird  sich  freuen,  wenn  die  Be¬ 
ziehungen,  die  sich  während  der  Studienzeit  entwickelt  haben, 
auch  später  warm  erhalten  werden. 

Ich  fasse  also  meine  Darlegungen  dahin  zusammen,  dass  wir 
zunächst  einen  praktischen  Versuch  anstellen  und  erst,  Avenn  dieser 
etAA'as  brauchbares  geliefert  hat,  an  die  Fortsetzung  bestimmter 
Normen  herantreten. 

Disk  us  sion:  Vorsitzender  hält  für  nötig,  den  beiden 
Referenten  für  die  gediegene  Beleuchtung  der  Frage  zu  danken. 
Zur  \  ereinfachung  der  Diskussion  hebe  er  hervor,  Avie  die  Anträge 
Dr.  Schn  h  eine  Ausbildung  solcher  Kurse  von  oben  herab  mit 
Hilfe  des  Staates  bezwecken,  die  Anträge  Prof.  G  r  a  s  e  r  s  einen 
Aufbau  A'on  kleinen  Anfängen  herauf  und  aus  eigener  Initiative 
der  Aerzte. 

Dr.  E  m  m  erich  hat  anfängliche  Bedenken  überwunden  und 
möchte  Prof.  Graser  bitten,  speziell  in  Nürnberg  dieser  Sache 
näher  zu  treten. 

Dr.  M  e  r  k  e  1  hält  die  Errichtung  solcher  Kurse  für  zaa" eifel¬ 
los  wünschenswert,  auch  das  Bedürfnis  sei  sicher  vorhanden, 
schwierig  sei  die  Ausführung  für  das  Land,  leichter  in  den  Städten, 
und  doch  sei  gerade  der  Landarzt  der  eigentliche  Typus  eines 
Arztes  geAvorden,  von  dem  alles  verlangt  werde,  und  dem  es  so 
schwer  gemacht  sei,  auf  dem  Laufenden  zu  bleiben. 

Die  Einrichtung  von  oben  herunter  würde  Verschleppung  be¬ 
deuten,  Staatshilfe  dabei  sei  kaum  denkbar.  Grasers  Weg  er¬ 
scheine  gangbar. 

Der  Details,  die  beraten  werden  müssen  seien  so  viele,  dass 
die  Einsetzung  einer  besonderen  Kommission  das  Beste  sein  dürfte; 
Geld  sei  vielleicht  Aron  der  Aerztekammer  zu  bekommen. 

Dr.  Dörfler  hält  Kurse  auf  dem  Lande  für  unmöglich.  Die 
Errichtung  von  Kursen  in  möglichst  vielen  Städten  Averde  auch 
A’on  den  Landkollegen  mit  Freuden  begriisst  werden. 

Dr.  Berg  m  a  n  n  äussert  sich  ähnlich. 

Referent  Dr.  Schuh  ist  einverstanden  mit  den  Schlusssätzen 
Prof.  Grasers  und  lässt  die  seinigen  fallen. 

Die  Graser  sehen  Sätze  werden  einstimmig  angenommen, 
ebenso  der  Antrag  M  erke  1,  eine  besondere  Kommission  einzu¬ 
setzen. 

Nach  kurzer  Debatte,  dass  dieser  Kommission  auch  Kollegen 
Arom  Lande  angehören  sollen,  werden  gewählt:  DDr.  Bergma n n, 
Dörfler,  Graser,  Mayer,  M  erkel,  Sch  u  h. 

6.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg,  betreffend  Errich¬ 
tung  von  Leichenhäusern  und  Einführung  des 
Leichenhauszwanges. 

Referent  Dr.  G.  Merkel:  „Es  ist  allgemein  anerkannt,  dass 
der  beabsichtigte  Erfolg  der  Leichenschau  erst  durch  die  Errich¬ 
tung  von  Leichenhäusern  in  sämtlichen  Gemeinden  vollständig  ge¬ 
sichert  werden  kann,-*  so  beginnt  eine  vom  4.  Dezember  1891 
datierte,  „die  Leichenschau  betreffende“  Ministerialentscliliessung, 
in  welcher  sämtliche  Kreisregierungen  Bayerns  darauf  aufmerk¬ 
sam  gemacht  werden,  dass  es  ihre  vordringliche  Pflicht  sei,  durch 
alle  ihnen  zu  Gebote  stehenden  Mittel  die  Gemeinden  zur  Er¬ 
bauung  A'on  Leiclienhäusern  zu  veranlassen. 

Ein  gesetzliches  Mittel,  die  Gemeinden  zum  Bau  von  Leichen¬ 
häusern  zu  zAvingen.  gibt  es  meines  Wissens  nicht,  ebensowenig 
ein  Mittel,  in  jedem  Einzelfall  die  Verbringung  einer  Leiche  in 
ein  etwa  bestehendes  Leichenhaus  zu  fordern.  Wohl  aber  kann 
die  Verbringung  der  Leiche  ins  Leichenhaus  durch  Erlass  einer 
ober-  oder  distriktspolizeilichen  Verordnung  auf  Grund  des 
Artikel  Gl,  Abs.  1,  Ziff.  3  des  Polizeistrafgesetzbuches  vom  26.  De¬ 
zember  1875  zwangsweise  angeordnet  werden.  Solche  Verord¬ 
nungen  bestehen  in  vielen  grösseren  Städten  (München,  Nürnberg). 

Darnach  kann  dem  Nürnberger  Antrag  gegenüber  nichts 
anderes  geschehen,  „als  das  Ersuchen  an  die  k.  Staatsregieruug 
zu  stellen“,  gelegentlich  wieder  eine  gleiche  Mahnung  an  die  ein¬ 
zelnen  in  Betracht  kommenden  Behörden  (Bezirksamt.  Gemeinden) 
zu  erlassen,  wie  es  bereits  in  der  Ministerialentschliessung  vom 
4.  Dezember  1891  geschehen  ist. 

Die  Kammer  beschliesst  so. 

7.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  mittelfränkischen  und 
oberbayerischen  Aerztekammern,  betreffend  die  Errichtun  g 
eines  Lehrstuhles  für  Homöopathie. 

Bericht,  erstattet  A'on  Hofrat  Dr.  M  a  y  e  r  in  Fürth.  (Derselbe 
ist  in  No.  51.  1902  der  Münch,  med.  Wochensclir.  in  extenso  ab¬ 
gedruckt.) 

Dr.  Merkel  stellt  den  Antrag,  unter  Dankeserstattung  für 
die  Arbeit  des  Referenten,  die  Ausführungen  als  denen  der  Aerzte¬ 
kammer  entsprechend  zu  erklären  und  den  Antrag  anzunehmen. 

Wird  einstimmig  angenommen. 

8.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  Aerztekammer  von 
Oberbayern: 

„Es  sei  an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte  um  Er¬ 
lassung  einer  Dienstanweisung  für  die 

bayerischen  amtlichen  Aerzte  zu  richten.“ 

„Seit  dem  organischen  Edikte  vom  S.  September  1808  wurde 
in  Bayern  keine  Dienstanweisung  für  die  Amtsärzte  erlassen.  Die 
in  §  12  dieses  Ediktes  in  Aussicht  gestellten  Instruktionen  über  die 
Rechte,  Pflichten  und  Obliegenheiten  der  Amtsärzte  sind  nicht  zur 
Ausgabe  gelangt.  Die  hierauf  bezüglichen  Bestimmungen  finden 
sich  überall  zerstreut.  Nun  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  die  Tätig¬ 
keit  der  Amtsärzte  ganz  bedeutend  erweitert  und  umgestaltet  in 
Folge  der  Schaffung  neuer  Gesetze,  der  ausserordentlichen  Aus¬ 


bildung  der  Hygiene  u.  dergl.,  während  andererseits  wesentliche 
Teile  der  amtsärztlichen  Aufgaben  in  Wegfall  gekommen  sind,  wie 
das  Vetennärwesen  und  das  Aushebungsgeschäft. 

Es  dürfte  somit  das  Bedürfnis  zur  Erlassung  einer  Dienst¬ 
anweisung  begründet  und  die  Bitte  um  eine  solche,  welche  über 
die  Stellung  Art  und  Umfang  der  Obliegenheiten  und  die  Ge¬ 
schäftsführung  der  Amtsärzte  und  ihres  Verhältnisses  zu  den  prak¬ 
tischen  Aerzten  und  zu  ihren  Vereinen  Vorschriften  enthält,  ge¬ 
rechtfertigt  erscheinen.“ 

Dr.  Lochner  begründet  kurz  den  Antrag.  Einen  im  Antrag 
Oberbayern  enthaltenen  Schlussatz,  der  dartut,  dass  auch  in 
Preussen  eine  Dienstanweisung  neu  erlassen  wurde,  hat  er  ge¬ 
strichen,  da  dort  die  Verhältnisse  nicht  gleich  denen  in  Bayern 
liegen. 

Die  Kammer  nimmt  den  Antrag  einstimmig  an. 

9.  Antrag  Oberbayern:  Errichtung  von  gerichtlich - 
medizinischen  Instituten  an  den  Land  es  Uni¬ 
versitäten. 

Referent  Prof.  Graser:  Der  Antrag  Oberbayerns,  betreffs 
Errichtung  von  gerichtlich-medizinischen  Instituten  an  den  Landes¬ 
universitäten  verdient  unsere  vollste  Beachtung  und  Unter¬ 
stützung.  Es  ist  nicht  notwendig,  eingehend  auf  die  grosse  prak¬ 
tische  Bedeutung  hinzuweisen,  welche  die  gerichtliche  Medizin 
mehr  und  mehr  gewonnen  hat.  Wir  brauchen  auch  nur  anzu¬ 
deuten,  dass  es  in  dem  nicht  immer  leichten  Zusammenwirken 
zwischen  .Juristen  und  Medizinern  für  den  ärztlichen  Stand  von 
grösster  Bedeutung  ist,  wenn  seine  Vertreter  in  dem  gemeinsamen 
Gebiete  der  Betätigung  mit  den  möglichst  guten  Vorkenntnissen 
ausgerüstet  sind.  Vielfach  verbreitet  ist  die  Ansicht,  die  gericht¬ 
liche  Medizin  sei  nichts  anderes  als  angewandte  Medizin  und  jeder 
gut  ausgebildete  Mediziner  wäre  auch  in  der  Lage,  in  forensischen 
Dingen  in  jeder  Hinsicht  seinen  Mann  zu  stellen.  Wir  brauchen 
uns  mit  der  Bekämpfung  dieser  Meinung  nicht  eingehend  zu  be¬ 
fassen,  weiss  doch  jeder,  der  in  diesem  Gebiete  einige  Erfahrung 
hat,  dass  aus  der  eigenartigen,  durch  bestimmte  Rechtsfälle  ge¬ 
forderten  Anordnung  der  allgemeinen  medizinischen  Kenntnisse 
sich  Gesichtspunkte  und  spezifische  Aufgaben  ergeben,  die  mit  der 
sonstigen  Anwendung  und  Richtung  der  medizinischen  Kenntnisse 
wenig  gemein  haben. 

Wir  dürfen  nur  kurz  auf  die  Fragen  des  gewaltsamen  Todes 
und  der  gewaltsamen  Gesundheitsschädigung,  auf  die  grosse  An¬ 
zahl  der  Vergiftungen,  auf  das  ganze  Gebiet  der  gesetzwidrigen 
Befriedigung  des  Geschlechtstriebes,  auf  die  Wichtigkeit  ver¬ 
gleichender  Blutuntersuchungen  und  auf  die  notwendige  Er¬ 
gänzung  durch  spezifische  chemische  Untersuchungsmethoden  hin- 
weisen,  ganz  abgesehen  von  den  hochwichtigen  Fragen  der  foren¬ 
sischen  Psycho-Pathologie. 

Die  Wichtigkeit  eines  gesonderten  Unterrichtes  in  diesen 
Wissensgebieten  ist  auch  insofern  bereits  von  den  massgebenden 
Behörden  anerkannt,  als  zu  den  Vorbedingungen  der  ärztlichen 
Approbationsprüfung  nach  den  neuesten  Satzungen  die  Teilnahme 
an  einer  Vorlesung  über  gerichtliche  Medizin  gehört.  Noch  aber 
fehlen  an  unseren  Landesuniversitäten  entweder  die  Lehrkräfte 
oder  besondere  Institute.  Es  ist  hier  wohl  nicht  der  Ort,  eingehend 
darzulegen,  in  welcher  Weise  die  gewünschten  gerichtlich-medi¬ 
zinischen  Institute  eingerichtet  werden  sollen. 

An  einer  kleinen  Universität  kann  ich  mir  ein  gerichtlich-medi¬ 
zinisches  Institut  nicht  anders  vorstellen,  als  in  Anlehnung  an  das 
pathologisch-anatomische  Institut,  dem  ja,  um  nur  eines  hervor¬ 
zuheben,  das  gesamte  Material  von  Obduktionen  nicht  geschmälert 
werden  kann. 

Hingegen  ist  es  dringend  notwendig,  dass  in  einer  solchen 
Angliederung  ein  Lehrer  mit  voller  Selbständigkeit  und  mit  un¬ 
geteilter  Kraft  der  Erledigung  dieser  spezifischen  Aufgabe  obliege; 
im  Nebenamte  kann  es  nie  mit  der  erforderlichen  Betonung  und 
Gründlichkeit  verwaltet  werden. 

Selbständigen  Vertretern  dieses  Faches  müssen  auch  die 
nötigen  Räume  und  Einrichtungen  zur  Lehrtätigkeit  und  wissen¬ 
schaftlichen  Förderung  ihres  Faches  zur  Verfügung  stehen,  wofür 
z.  B.  bei  dem  in  Ausführung  begriffenen  Neubau  des  pathologisch¬ 
anatomischen  Instituts  in  Erlangen  Sorge  getragen  wurde. 

Von  höchster  Wichtigkeit  ist  es  ferner,  dass  in  diesen  In¬ 
stituten  eine  besondere  Sammlung  für  die  Zwecke  des  Unterrichts 
und  der  Belehrung  in  forensisch-medizinischen  Dingen  eingerichtet 
wird.  Ein  anregender  und  nutzbringender  Unterricht  in  einem 
derart  eminent  praktischen  Gebiete  muss  unbedingt  mit  einem 
intensiven  Anschauungsunterricht  verbunden  sein.  Wenn  auch 
viele  Dinge  nur  am  Lebenden  oder  bei  einer  Sektion  demonstriert 
werden  können,  so  bleibt  doch  ein  weites  Gebiet,  auf  welchem  der 
Unterricht  durch  Demonstration  von  Sammlungspräparaten  belebt 
und  vertieft  werden  kann. 

Eine  solche  Sammlung  würde  natürlich  auch  den  Gerichts¬ 
ärzten  und  Medizinalbehörden  bei  der  Beurteilung  schwieriger 
Fälle  ein  wertvolles  Vergleichsmaterial  darbieten,  dessen  Be¬ 
nützung  in  weitgehendster  Weise  freistehen  müsste. 

Ein  besonderer  Nachdruck  wäre  bei  einer  derartigen  Samm¬ 
lung  auf  solche  Dinge  zu  legen,  welche  der  täglichen  forensischen 
Praxis  entnommen  sind. 

Mit  der  Anlegung  einer  solchen  Sammlung  kann  aber  sofort 
begonnen  werden,  damit  bei  der  Errichtung  besonderer  Lehrstühle 
und  Institute  schon  ein  gewisser  Grundstock  von  wichtigem  De¬ 
monstrationsmaterial  vorhanden  ist. 

Die  in  dieser  Hinsicht  in  Betracht  kommenden  Objekte  sind 
hauptsächlich  folgende: 


2134 


No.  50. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


I.  Bei  gerichtlichen  Sektionen  gewonnene  anatomische  Prä¬ 
parate  in  Fällen  von  Notzucht,  künstlichen  Abortus,  Körperver¬ 
letzungen  lind  gewaltsamen  Tod  aus  verschiedenen  Ursachen,  ins¬ 
besondere  auch  durch  gewisse  mit  charakteristischen  Organver¬ 
änderungen  verbundenen  Vergiftungen. 

II.  Die  bei  Ausübung  von  verbrecherischen  Handlungen  be¬ 
nützten  Instrumente  und  sonstigen  Gegenstände. 

III.  Anderweitige  von  Personen,  an  welchen  ein  Verbrechen 
begangen  wurde,  oder  vom  Täter  selbst  stammende  Gegenstände 
(z.  B.  Wäsche,  Kleidungsstücke),  an  welchen  Zeichen  des  be¬ 
gangenen  Verbrechens  zu  erkennen  sind. 

Die  Begründung  einer  Sammlung  könnte  zunächst  dadurch  ge¬ 
fördert  werden,  dass  schon  die  Behörden  und  Gerichtsärzte  von 
seiten  der  Staatsregierung  angewiesen  werden,  alle  für  eine  gericht¬ 
lich-medizinische  Sammlung  interessanten  und  wichtigen  Gegegen- 
stände  der  besonders  zu  bezeichnenden  Universität  zur  Verfügung 
zu  stellen  unter  Mitteilung  des  Tatbestandes  eventuell  auch  des 
gefällten  Urteils. 

Selbstverständlich  erwächst  dem  Leiter  des  betreffenden  In¬ 
stitutes  auch  die  Verpflichtung,  dafür  Sorge  zu  tragen,,  dass  alle 
von  den  Behörden  überlassenen  Gegenstände  sorgfältig  unter  Ver¬ 
schluss  verwahrt  werden,  so  dass  sie  jederzeit  wieder  zurückver¬ 
langt  werden  können. 

Ich  fasse  mein  Referat  dahin  zusammen,  die  Äerztekammer 
möge  sich  dem  Antrag  auf  Errichtung  besonderer  gerichtlich-medi¬ 
zinischer  Lehrstühle,  Institute  und  Sammlungen  mit  Wärme  an- 
schliessen. 

Die  Kammer  stimmte  einstimmig  zu. 

10.  Antrag  Weissenburg,  betr.  Gutachten  bei  der 
land-  und  forstwirtschaftlichen  Berufsgenos¬ 
senschaft. 

Referent  Dr.  D  ö  r  f  1  e  r:  Der  ärztliche  Bezirksverein  für  Süd¬ 
franken  beantragt  bei  der  mittelfränkischen  Äerztekammer:  Die 
Äerztekammer  möge  sich  mit  der  land-  und  forstwirtschaftlichen 
Berufsgenossenschaft  für  Mittelfranken  ins  Benehmen  setzen  und 
dort  erwirken,  dass  der  Beschluss  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
für  Südfranken:  ..Jeder  Arzt  soll  an  den  laufenden  Untersuchungen 
der  land-  und  forstwirtschaftlichen  Rentenempfänger  beteiligt 
werden,  kein  Arzt  solle  um  sekundäre  Gutachten  für  seine  eigenen 
Patienten,  d.  h.  für  die  von  ihm  behandelten  Kranken  angegangen 
werden“,  für  ganz  Mittelfranken  durchgeführt  werde. 

Der  erste  Teil  des  südfränkischen  Vereinsbeschlusses  findet 
schon  zur  Zeit  seine  Erledigung  dadurch,  dass  die  Erstgutachten 
in  Mittelfranken  immer  von  dem  jeweiligen  behandelnden  Arzte 
eingeholt  werden.  Die  Beibehaltung  dieses  Gebrauchs  resultiert 
aus  der  Fassung  des  Unfallversicherungsgesetzes. 

Der  zweite  Teil  des  südfränkischen  Vereinsbeschlusses,  betr. 
die  Nachuntersuchungsgutachten,  ist  begründet  in  der  Erwägung, 
dass  das  Interesse  der  Berufsgenossenschaft  absolut  jedes  Ab¬ 
hängigkeitsverhältnis  zwischen  Gutachter  und  Rentenempfänger 
als  störend  verbietet,  und  in  der  Erfahrung  dass  bei  der  Möglich¬ 
keit  der  dauernden  Begutachtung  des  Rentners  durch  den  be¬ 
handelnden  Arzt  derselbe  in  der  Zuziehung  zur  Behandlung  von 
Unfallschäden  ein  nicht  zu  rechtfertigendes  Uebergewicht  vor  den 
anderen  ortsansässigen  oder  benachbarten  Aerzten  zu  erhalten  pflegt 
und  so  eine  schwere  materielle  Schädigung  der  anderen  Aerzte 
herbeigeführt  würde.  Diese  Erfahrung  erstreckt  sich  auch  auf  die 
sogen.  Vertrauensärzte,  als  welche  die  Berufsgenossenschaft  für 
Mittelfranken  die  k.  Bezirksärzte  und  bezirksärztlichen  Stellver¬ 
treter  ausschliesslich  für  ihre  Nachgutachten  gebraucht.  Die  Be¬ 
ruf  sgenossensclia  ft  sollte  es  demgemäss  sich  zur  Aufgabe  machen, 
auch  diesen  Vertrauensärzten  nur  solche  Fälle  zur  Nachbegutach¬ 
tung  zuzuweisen,  die  diese  selbst  nicht  behandelt  haben.  Dies  ist 
bisher  trotz  des  von  dem  südfränktischen  Bezirksverein  an  die 
mittelfränkische  Berufsgenossenschaft  gestellten  diesbezüglichen 
Ersuchens  nicht  geschehen. 

Der  Wunsch  des  ärztlichen  Bezirksvereins  für  Südfranken, 
dass  der  stidfränktische  Beschluss  „für  ganz  Mittelfranken“  zur 
Durchführung  komme,  resultiert  aus  der  Erfahrung,  dass  die  den 
Vereinsbeschluss  strikte  einhaltenden  Vereinsmitglieder,  welche 
durch  ihren  Wohnort  an  andere  Vereinsgebiete  angrenzen,  eine 
schwere  Schädigung  in  der  Ausübung  ihres  Berufes  dadurch  er¬ 
litten.  dass  die  dem  Vereinsgebiete  nicht  angehörender  grenznach- 
barlichen  Aerzte,  an  einen  solchen  Vereinsbeschluss  nicht  gebunden, 
nach  wie  vor  Nachuntersuchungsgutachten  ausstellten,  und  des¬ 
halb,  als  Nachgutachter  bald  bekannt  geworden,  den  in  den  Ver- 
einsgrenzen  praktizierenden  Vereinsmitgliedern  auch  die  ärztliche 
Behandlung  der  Unfallpatienten  abnahmen. 

Diese  schwere  Schädigung  gesinnungstüchtiger  Aerzte  könnte 
mit  einem  Schlage  aus  der  Welt  geschafft  werden,  wenn  die  von 
dem  südfränkischen  Vereine  angestrebte  Einrichtung  von  der  Be¬ 
ruf  sgenossensclia  ft  in  ganz  Mittelfranken  zur  Durchführung  ge¬ 
bracht  würde. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  für  Südfranken  ersucht  daher  die 
Kammer  um  Annahme  ihres  Antrages. 

Diskussion:  Dr.  Beck  li  ist  dafür,  den  Antrag  Dr.  I)  ö  r  f- 
1  e  r  s  den  Bezirksvereinen  erst  zur  Beratung  vorzulegen. 

Nachdem  sich  Dr.  Bergmann  und  Dr.  Blau  alt  und 
Dr.  Merkel  an  der  Diskussion  beteiligt  und  der  Regierungs¬ 
kommissär  namentlich  betont  hat,  dass  im  Notfall  die  Bezirksärzte 
gezwungen  werden  können,  die  Gutachten  auszustellen,  und  er¬ 
wähnt.  hat,  dass  die  gesetzlich  bestehenden  Vorschriften  und  die 
Haftpflicht  der  Aerzte  mit  dem  Antrag  in  Konflikt  stehen,  stimmt 
auch  Dr.  Dürfte  r  dem  Anträge  Dr.  Beckh  zu,  die  Sache  an  die 


Vereine  hinauszugeben  und  im  nächsten  Jirtire  zur  Entscheidung 
zu  bringen. 

Im  gleichen  Sinne  entscheidet  die  Kammer  einstimmig. 

11.  Bericht  der  Bezirksvereine: 

Dr.  Maar:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Ansbach  und  Um¬ 
gebung  zählt  zur  Zeit  27  Mitglieder.  Vorstand:  Medizinalrat  Dr. 
R  ti  d  e  1.  Schriftführer:  Dr.  M  a  a  r.  Kassier:  Dr.  Bau  m  a  n  n 
i  n  Lichtenau.  9 

Versammlungen  wurden  12  abgehalten,  in  denselben  wurden 
wissenschaftliche  Vorträge  und  Demonstrationen  abgehalten  und 
Standesangelegenheiten  besprochen.  Im  Juni  1.  Js.  feierte  der 
Verein  sein  30  jähriges  Jubiläum. 

Die  Protokolle  der  Sitzungen  wurden  im  Auszuge  im 
bayerischen  ärztlichen  Korrespondenzblatt  veröffentlicht.  Dieses 
Blatt  wird  offiziell  von  den  Mitgliedern  gehalten,  auf  diese  Weise, 
werden  die  Mitglieder,  welche  verhindert  sind,  den  Sitzungen  an¬ 
zuwohnen,  über  alle  Vorgänge  im  Vereine  auf  dem  Laufenden  ge¬ 
halten. 

Dr.  D  ii  r  i  g:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Eichstätt  zählt 
9  Mitglieder,  welche  sich  jährlich  zu  wenigstens  2  Hauptsitzungen 
zusammenfinden. 

Erledigt  werden  in  denselben  Fragen  der  Standesinteressen 
und  des  Vereinslebens,  ebenso  werden  vorliegende  Verordnungen, 
Einläufe  u.  a.  bekannt  gegeben. 

Vorsitzender:  Bezirksarzt  Dr.  Beck.  Schriftführer  und 
Kassier:  Landgerichtsarzt  Dr.  P  i  c  k  1. 

Dr.  Fritsch:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Erlangen  besteht 
zur  Zeit  aus  50  Mitgliedern  und  1  Ehrenmitglied.  I.  Vorsitzender: 
Professor  Dr.  Rosenthal.  Stellvertretender  Vorsitzender:  Dr. 
K.  H  e  t  z  e  1.  Schriftführer:  Dr.  Hertel.  Kassier:  Oberarzt 
Dr.  K  ö  b  e  r  1  i  n. 

Es  wurden  regelmässig  alle  4  Wochen  gutbesuchte  Sitzungen 
abgehalten. 

Dr.  Stark:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Fürth  zählt  zur  Zeit 
34  Mitglieder,  28  in  der  Stadt,  G  auf  dem  Land.  Vorsitzender:  Hof¬ 
rat  Dr.  M  a  y  e  r.  Schriftführer  und  Kassier:  Dr.  Star  k. 

Im  Wintersemester  alle  14  Tage  Sitzung;  nach  Erledigung  der 
Tagesordnung  meist  wissenschaftliche  Vorträge  oder  Demonstra¬ 
tionen  von  Präparaten. 

Dr.  Bergmann:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Hersbruck 
zählt  zur  Zeit  14  Mitglieder  und  1  Ehrenmitglied.  Vorsitzender: 
Hof  rat  Dr.  W  o  1 1  n  e  r  -  Hersbruck.  Stellvertretender  Vorsitzender, 
Schriftführer  und  Kassier:  Dr.  R ei  c h  o  1  d  -  Lauf. 

Regelmässige  Sitzungen  finden  alle  2  Monate  statt,  dazwischen 
bei  besonderen  Anlässen  ausserordentliche  Sitzungen. 

Dr.  Hagen:  Der  ärztliche  Bezirksverein  für  das  nordwest¬ 
liche  Mittelfranken  zählt  zur  Zeit  16  Mitglieder.  Zugegangen  sind 
während  des  laufenden  Jahres  1.  abgegangen  3,  darunter  am 
3.  Oktober  der  am  1.  September  auf  Ansuchen  in  den  Ruhestand 
versetzte  langjährige  Vorsitzende  Herr  Dr.  Gustav  P  ö  s  c  h  e  1. 

k.  Bezirksarzt  in  Neustadt  a.  A.  Eine  Neuwahl  des  I.  Vorsitzenden 
hat  bis  jetzt  noch  nicht  stattgefunden.  Schriftführer  und  Kassier: 
Dr.  Lauer. 

Am  9.  Oktober  ernannte  der  Verein  den  Herrn  Bezirksarzt 
Dr.  P  ö  s  c  h  e  1  in  Anerkennung  der  Verdienste,  welche  er  sich  um 
den  Verein  erworben,  zum  Ehrenmitglied. 

Die  Mitglieder  des  Vereines  beteiligen  sich  sämtlich  an  der 
Statistik  der  Infektionskrankheiten. 

Versammlungen  finden  jährlich  4 — 5  statt.  Bei  jeder  Ver¬ 
sammlung  wird  ein  grösserer  Vortrag  gehalten.  Die  Mitglieder 
haben  die  Verpflichtung,  der  Reihe  nach  diese  Vorträge  zu  über¬ 
nehmen. 

Dr.  Schuh:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Nürnberg  zählte  zu 
Anfang  dieses  Jahres  155  Mitglieder  und  2  Ehrenmitglieder. 

Während  des  Jahres  war  der  Zugang  17  Aerzte,  der  Abgang 
8  Aerzte,  so  dass  der  Stand  von  heute  16G  ausmacht. 

Der  Verein  hielt  vom  Oktober  bis  jetzt  6  allgemeine  und 
14  Vorstandssitzungen  ab.  Die  Beteiligung  an  den  Sitzungen  war 
fast  immer  eine  sehr  rege. 

Gegenstände  der  Verhandlungen  waren  die  Vorlagen  für  den 
deutschen  Aerztetag  und  die  Äerztekammer,  ausserdem  Kranken¬ 
kassenfragen  und  Standesinteressen  im  allgemeinen.  Noch  sei  er¬ 
wähnt,  dass  die  Kommission  zur  Kurpfuscherei  eine  rege  Tätig¬ 
keit  entfaltete  und  dass  sich  der  Verein  mit  dem  ärztlichen  Fort¬ 
bildungswesen  beschäftigte  und  der  Schaffung  eines  medico- 
historischen  Institutes  im  germanischen  Museum  Nürnberg  näher 
trat. 

Die  Vorstandschaft  besteht  aus  folgenden  Herren:  I.  Vorstand 
Hof  rat  Dr.  W.  Beckh.  II.  Vorstand:  Hof  rat  Dr.  Emmerich. 

l.  Schriftführer:  Oberarzt  Dr.  L.  Sch  u  h.  II.  Schriftführer: 
Dr.  II.  Koc  h.  Kassier:  Dr.  W  e  i  s  s.  Stell  vetreter:  Dr.  F  lata  u. 

Dr.  B  1  a.  n  a.  1 1:  Der  ärztliche  Bezirksverein  Rothenburg  o.  T. 
zählt  gegnwärtig  13  Mitglieder  in  den  Bezirken  Rothenburg  o.  T., 
Uffenheim  und  Feuchtwangen.  Ausgetreten  ist  Dr.  Wörlein 
von  Uffenheim.  Hauptversammlungen  wurden  statutengemäss  3 
gehalten,  in  denen  Vereinsangelegenheiten,  Standesinteressen  und 
Krankenkassenfragen  behandelt  wurden. 

Vorsitzender:  Dr.  B  1  a  n  a  1 1.  Schriftführer  und  Kassier:  Dr. 
M  e  y  e  r. 

Dr.  Dörfler:  Der  ärztliche  Bezirksverein  für  Südfranken 
zählt  45  Mitglieder  und  2  Ehrenmitglieder.  Vorsitzender:  Dr. 
D  ö  rf  ler  -  Weissenburg.  Schriftführer:  Dr.  Bise  hoff  -  Gunzen¬ 
hausen.  Kassier:  I  >r.  M  e  li  1  e  r  -  Georgensgemünd. 

Jährlich  wurden  12  Vereinssitzungen  abgehalten. 


ifi.  llezember  1902. 


Beilage  zur  Münchener  inedicinischeri  Wochenschrift. 


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I )(T  ärztliche  Rozirksvoroin  lial  behufs  wirkungsvoller  'He 
tätigung  der  Standesinteressen  für  Vereinsbezirk  S  Lokal¬ 

vereine  gegründet,  denen  S  Vertrauensmänner  verstehen.  Durch 
dieselben  ist  hinsichtlich  der  Stellung  der  Aerzte  zu  gesetzlichen 
Krankenkassen  bereits  recht  Erspriessliches  geleistet  worden. 
Ausgetreten  durch  Wegzug  sind:  Dr.  Raab  in  Roth,  nunmehr 
Beziiksaizt  in  Reliau,  Dr.  Günther  in  Treuchtlingen,  nunmehr 
Bezirksarzt  in  Höchstadt  a/Aisch,  Dr.  Oh  ly  in  Langenaltheim. 
nunmehr  in  Xebra  a/U.;  neu  eingetreten  sind  Dr.  Knöll  in 
V  eisstnburg.  Dr.  Molen  a  a  r  in  Langenaltheim,  Dr.  N  e  u  in  a  n  n 
in  Mühldorf,  Dr.  P  a  1  m  e  d  o  in  Roth  a/Sand. 

12.  Regierungsanschreiben:  "NVahl  zum  Schiedsgericht  für  die 
A  rbeiterversielierung. 

Herr  Medizinalrat  Dr.  R  ii  d  e  1  berichtet  über  diese  Angelegen- 
heit  und  schlägt  vor:  DDr.  Meyer,  Maar,  Burkhardt  (alle 
3  in  Ansbach),  Anstaltsarzt  Dr.  B  a  u  m  a  n  n  -  Lichtenau,  als  Clii- 
rufgen  Hofrat  Dr.  G  ö  s  c  h  e  1  und  Dr.  C.  Ivoc  li. 

Da  die  Vorschläge  der  Kammer  notorisch  keine  Beachtung 
finden  seit  Jahren,  beantragt  Dr.  G.  Merkel  wohlmotiviert  Ab¬ 
lehnung. 

Diskussion:  Brugloche  r,  Dörfler,  Beck  li, 

M  erke  1. 

Motivierte  Ablehnung  ohne  Verzicht  auf  unser  Recht  wird 
einstimmig  angenommen. 

13.  Vornahme  der  Wahlen: 

a)  A  or  der  AValil  des  Delegierten  zum  erweiterten  Ober¬ 
medizinalausschuss  erklärt  Dr.  Merkel,  eine  Wiederwahl  unter 
keinen  Umständen  annehmen  zu  können. 

Gewählt  werden:  Delegierter:  Dr.  Mayer,  Stellvertreter:  Dr. 
Beck  h. 

Dr.  M  ayer  nimmt  die  Wahl  an  und  dankt  im  Namen  der 
Kammer  Dr.  Merkel  für  sein  jahrelanges  erspriessliches  Wirken 
auf  diesem  Posten. 

b)  Mitglieder  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  Appro¬ 
bation. 

Gewählt  werden:  Dr.  Bergmann,  Dr.  Bl  analt,  Dr. 
D  Ö  r  f  1  e  r,  Professor  Graser,  Dr.  Schn  h. 

c)  Schiedsgericht  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne 
des  §  IG  der  Allerh.  Verordnung  d.  d.  9.  Juli  1S95. 

1.  Mitglieder:  Dr.  Beck  h,  Dr.  E  m  meric  h,  Dr.  R  ii  d  e  1, 
Dr.  Stark.  2.  Stellvertreter:  Dr.  Hagen,  Dr..  Fritsch. 

14.  Dr.  G.  Merkel  berichtet,  dass  das  Denkmal  für  A  u  b 
vollendet  ist  und  zu  Allerheiligen  aufgestellt  wird.  Eine  Kosten¬ 
überschreitung  hat  nicht  stattgefunden.  Für  Erhaltung  des  Grabes 
und  des  Denkmals  wird  der  Invaliden  verein  mit  der  Kirchhof  Ver¬ 
waltung  ins  Benehmen  treten  und  die  Kosten  tragen. 

15.  Dr.  G.  AI  e  r  k  e  1  bringt  die  Witwenkasse  für  unsere  Kol¬ 
legen  zur  Sprache;  er  erwähnt,  dass  Geschenke  reichlich  einliefen, 
so  dass  die  nötigen  Unterstützungen  bis  zu  200  AI.  bis  jetzt  ge¬ 
leistet  werden  konnten. 

Er  bittet,  weiterhin  dieser  Kasse  Zuwendungen  machen  und 
sich  ihrer  aufs  wärmste  annehmen  zu  wollen. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  k.  Regierungskommissär  für  seine 
Teilnahme  an  den  Verhandlungen  und  schliesst  die  Kammer  mit 
einem  Hoch  auf  Se.  K.  Hoheit  Prinzregent  Luitpold. 

Dr.  D  ii  r  i  g  dankt  dem  Vorsitzenden  für  die  Geschätfsleitung. 

Schluss  12  Uhr. 

Dr.  AI  a  y  e  r.  Dr.  Scliu  li. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  für 
Unterfranken. 

AY  ii  r  z  b  u  r  g,  27.  Oktober  1902. 

Beginn  der  Sitzung  10  Uhr  Vormittags. 

Anwesend:  Als  k.  Regierungskommissär  der  k.  Regierungs- 
und  Kreismedizinalrat  Dr.  G.  Schmitt.  Als  Delegierte  der  Be¬ 
zirksvereine:  Aschaffenbur  g:  Medizinalrat  Dr.  Rot  h, 
k.  Landgerichtsarzt  in  Aschaffenburg,  und  Dr.  II.  B  1  ii  m  m.  k.  Be¬ 
zirksarzt  in  Obernburg;  Gemünden-Loh  r:  Dr.  G.  Osch- 
mann,  praktischer  Arzt  in  Hammelburg;  Gerolzhofen- 
Volkacli:  Dr.  Kirc  li  n  e  r,  prakt.  Arzt  in  AViesentheid;  H  ass- 
furt-  Ebern:  Dr.  Albert,  k.  Bezirksarzt  in  Hassfurt; 
Kissingen:  Dr.  Scher  p  f ,  k.  Brunnenarzt,  und  Dr.  V  a  n  - 
s  e  1  o  w,  k.  Bezirksarzt,  beide  in  Kissingen;  Kitzingen:  Dr. 
Marz  eil,  k.  Bezirksarzt  in  Kitzingen;  Königshofen:  Dr. 
Schirmer,  k.  Bezirksarzt  in  Hofheim;  Neustadt  a/S.:  Dr. 
Th.  H  o  f  m  a  n  n,  prakt.  Arzt  in  Mellrichstadt;  Ochsenfurt: 
Dr.  Ueberschuss,  prakt.  Arzt  in  Ochsenfurt;  Schwei  n- 
furt:  Dr.  Jüngst,  prakt.  Arzt  in  Schweinfurt;  Würzburg: 
1  )r.  Dehler,  prakt.  Arzt,  Dr.  J.  R  i  e  d  i  n  g  e  r,  Privatdozent, 
beide  in  Würzburg,  und  Dr.  Borges,  prakt.  Arzt  in  Rimpar. 

Der  Alterspräsident,  lt.  Landgerichtsarzt  Medizinalrat  Dr. 
Roth,  begrüsst  die  anwesenden  Delegierten  in  einer  kurzen  An¬ 
sprache  und  veranlasst  die  AValil  des  Bureaus,  welche  nach 
schriftlicher  Abstimmung  ergibt:  Dr.  Dehler  als  Vorsitzenden, 
Dr.  Roth  als  Stellvertreter  des  Vorsitzenden,  Dr.  Riedinger 
als  Schriftführer. 

Der  k.  Regierungskommissär,  Kreismedizinalrat  Dr.  Schmitt, 
eröffnet  namen:.  der  k.  Regierung  die  Sitzung  und  erwähnt,  dass 
seitens  der  k.  Regierung  Anträge  oder  Beratungsgegenstände  in 
diesem  Jahre  nicht  vorliegen. 


Der  Vorsitzende,  Dr.  Dehler,  gibt  die  Tagesordnung  be¬ 
kannt,  und  leitet  die  Verhandlungen  ein. 

I.  Jahresbericht  und  Einlauf. 

Vorsitzender:  „AVenn  im  vorigen  Jahre  von  dieser  Stelle  aus 
der  Erwartung  Ausdruck  gegeben  werden  konnte,  dass  das 
Jahr  1902  den  bayerischen  Aerzten  die  längst  gewünschte  Standes¬ 
ordnung  bringen  würde,  so  muss  heute  das  vorläufige  Scheitern 
dieser  Hoffnung  konstatiert  werden.  Es  erübrigt  sich,  nochmals 
eine  Kritik  zu  üben  an  der  Behandlung,  welche  die  Mehrheit  des 
Ausschusses  der  Abgeordnetenkammer  einer  von  der  k.  Staats¬ 
regierung  zum  Besten  des  ärztlichen  Standes  gemachten  Gesetzes- 
vorlage  angedeihen  liess.  A  on  den  ärztlichen  Standesvertretungen 
wurde  nichts  versäumt,  was  der  Sache  von  Nutzen  sein  konnte. 
Wenn  auch  manches  vergebens  war,  so  darf  doch  mit  Befriedigung 
hervorgehoben  werden,  dass  die  k.  Staatsregierung  in  dieser  Sache 
vollständig  auf  Seite  der  Aerzte  steht  und  auch  künftighin,  wie 
sich  erwarten  lässt,  dem  ärztlichen  Stande  die  wohlwollendste 
Unterstützung  zuteil  werden  lässt.  Ausserdem  ist  es  von  nicht 
zu  unterschätzender  Bedeutung,  dass  das  Gefühl  der  Solidarität 
unter  den  Aerzten  im  Zunehmen  begriffen  ist.“  — 

Der  Vorsitzende  teilt  alsdann  einen  nachträglichen  Alinisterinl- 
bescheid  auf  die  Verhandlungen  vom  Jahre  1900,  sowie  den  Be¬ 
scheid  auf  die  Kammerbeschlüsse  des  vorigen  Jahres  mit. 

Die  Kommission  der  Kammer  zur  Erledigung  von  Be¬ 
schwerden  im  Sinne  des  §  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  ATI. 
1895  musste  in  einer  Streitsache  eines  Mitgliedes  eines  Bezirks- 
vereines  gegen  diesen  Bezirksverein  zusammentreten.  Die  Sache 
wurde  zu  Gunsten  des  betreffenden  Mitgliedes  erledigt. 

Zu  der  Sitzung  des  erweiterten  Obermedizinalausschusses  am 

16.  XII.  1901  war  der  Vorsitzende,  Dr.  D  e  li  1  e  r,  nach  München 
gereist.  Zur  Beratung  stand  die  Regelung  der  amtsärztlichen  Ge¬ 
bührenordnung.  Der  Erlass  dieser  Gebührenordnung  ist  noch 
nicht  veröffentlicht. 

Einem  Beschlüsse  vom  vorigen  Jahre  entsprechend,  wurde 
von  der  Beschickung  des  Deutschen  Aerztetages  in  Königs¬ 
berg  i.  Pr.  durch  einen  eigenen  Delegierten  wegen  der  weiten 
Entfernung  des  Tagungsortes  Abstand  genommen.  Die  unter¬ 
fränkischen  Vereine  hatten  ihre  Legitimationskarten  dem  erprobten 
Führer  der  bayerischen  Aerzte,  Herrn  Hofrat  Dr.  AI  a  yer  -  Fürth, 
übertragen.  Herrn  Hofrat  Dr.  Mayer  wurde  der  Dank  für  die 
ATertretung  Unterfrankens  beim  diesjährigen  Aerztetage  aus¬ 
gesprochen. 

Der  Vorsitzende  gibt  ferner  bekannt,  dass  er  sich  an  der  Vor¬ 
besprechung  der  Kammervorstände,  welche  am  12.  X.  1902  in  Nürn¬ 
berg  stattfand,  beteiligt  habe.  —  Er  schliesst  mit  folgenden  Worten: 
„Ein  Fest-  und  Ehrentag  für  die  unterfränkischen  Aerzte  über¬ 
haupt  und  speziell  für  die  Mitglieder  der  ärztlichen  Standesver¬ 
tretung  war  der  12.  März  dieses  Jahres.  An  diesem  Tage  beging 
der  verdiente  Chef  des  Kreismedizinalwesens,  Herr  k.  Regierungs¬ 
und  Kreismedizinalrat  Dr.  G.  Schmitt,  in  voller  Rüstigkeit 
seinen  70.  Geburtstag.  Der  ständige  Ausschuss  der  Kammer  hatte 
die  Ehre,  im  Beisein  von  Delegierten  sämtlicher  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereine  Unterfrankens  dem  hochgeehrten  Jubilar  den  herzlichsten 
Dank  auszusprechen  für  das  Wohlwollen  und  kollegiale  Verhalten, 
das  derselbe  während  der  Zeit  seiner  Amtsführung  den  unter¬ 
fränkischen  Aerzten  entgegenbrachte.  Eine  künstlerisch  aus¬ 
geführte  Adresse  bildete  das  äussere  Zeichen  dieses  Dankes.“ 


Stand  der  Bezirksvereine. 


Mit 

glieder ; 

Vorsitzender: 

Schriftführer: 

Asehaffenburg : 

40 

Dr.  Roth 

Dr.  Ammerschläger 

Gemünden-Lohr : 

22 

„  Rott 

„  G.  Oschmann 

Gerolzhofen-Volkach : 

9 

„  Zöllner 

„  Engert 

Hassfurt-Ebern : 

11 

„  Spät 

„  F.  Albert 

Kissingen : 

34 

„  Scherpf 

„  Gleissner 

Kitzingen : 

13 

„  Marzell 

„  Schuster 

Königshofen : 

9 

„  Hohn 

„  Jäger 

Neustadt  a.  d.  Saale  : 

10 

„  Löffler 

„  Baumgart 

Ochsenfurt : 

8 

„  Goy 

„  Ueberschuss 

Schweinfurt : 

23 

„  Jüngst 

„  Alantei 

AYürzburg : 

91 

„  Dehler 

Prof.  Dr.  Kirchner. 

11  Bezirksvereine  mit  270  Mitglieder. 


II.  Antrag,  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  betreffend. 

Zufolge  einer  Anregung  seitens  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
Nürnberg  lag  der  Antrag  vor,  an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte 
zu  stellen,  im  Bundesrate  den  von  dem  30.  Deutschen  Aerztetag 
zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  gemachten  Abschlägen  ihre 
Zustimmung  zu  erteilen,  eventuell,  falls  die  reichsgesetzliche  Re¬ 
gelung  nicht  zur  Durchführung  gelangt,  die  in  Frage  stehenden 
Massnahmen,  welche  zum  Teile  in  anderen  Bundesstaaten  schon 
durchgeführt  sind,  auf  dem  Wege  der  Landesgesetzgebung  in 
Bayern  zur  Einführung  zu  bringen. 

Diese  Anträge  des  Aerztetages  lauten: 

(Siehe  das  Protokoll  der  Aerztekammer  von  Oberbayern.) 

Der  Vorsitzende  empfiehlt  den  Antrag  zur  Annahme.  Alan 
müsse  sich  um  die  Sache  kümmern,  da  die  Kurpfuscher  einen 
vom  Staat,  wenigstens  vom  Finanzministerium  und  von  der 
Polizei,  anerkannten  Stand  bilden  und  als  solche  Steuer  bezahlen. 
AVenn  die  Thesen  des  Aerztetages  berücksichtigt  werden,  könne 
wenigstens  ein  Teil  der  anrüchigsten  Kurpfuscher  unschädlich 
gemacht  werden. 

Der  Antrag  wird  einstimmig  angenommen. 


2136 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


Mo.  50. 


III.  Antrag  des  Ausschusses  der  oberbayerischen  und  mittel¬ 
fränkischen  Aerztekammer  und  der  Bezirksvereine  München 
und  Nürnberg,  betreffend  Errichtung  eines  homöopathischen 

Lehrstuhles. 

Der  Antrag  lautet  dahin,  bei  der  k.  Regierung  vorstellig  zu 
werden,  dass  dem  Beschluss  der  Reiehsrats-  und  Abgeordneten¬ 
kammer,  betreffend  Errichtung  einer  homöopathischen  Professur, 
eine  Folge  nicht  gegeben  werde. 

Der  Vorsitzende  bemerkt  hiezu:  „Den  Herren  Delegierten  ist 
eine  Protestschrift  des  Herrn  Hofrat  Dr.  M  a  yer-  Fürth  zu¬ 
gegangen. 

Zu  den  Unbilden,  die  dem  ärztlichen  Stande  im  Laufe  des  ver¬ 
gangenen  Jahres  zugefügt  wurden,  gehört  auch  der  Beschluss  der 
Abgeordnetenkammer,  dass  in  Bayern  ein  Lehrstuhl  für  Homöo¬ 
pathie  errichtet  werden  soll.  Auch  die  Kammer  der  Reichsräte 
hat,  allerdings  nur  mit  1  Stimme  Mehrheit,  dem  Beschluss  zu¬ 
gestimmt.  Es  liegt  also  an  den  Aerzten,  an  den  Vertretern  der 
Wissenschaft  und  der  Praxis,  nochmals  energisch  Stellung  zu 
nehmen  gegen  dieses  Vorhaben. 

Herr  Prof.  Dr.  K  u  nkel  in  Würzburg  hat  in  einem  aus¬ 
führlichen  Gutachten,  das  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  (1901, 
No.  12)  veröffentlicht  wurde,  vom  Standpunkt  der  Wissenschaft 
aus  ein  vernichtendes  Urteil  über  die  Lehre  der  Homöopathie  ge¬ 
fällt.  Nicht  minder  scharf  sind  die  Ausführungen  unseres  ver¬ 
ehrten  Kollegen,  Hofrat  Dr.  M  a  y  e  r,  der  die  Sache  mehr  vom 
praktischen  Standpunkt  aus  bekämpft. 

Ich  glaube,  dass  wir  ohne  grössere  Debatte  zustimmen  und 
dem  Anträge  der  oberbayerischen  und  mittelfränkischen  Aerzte¬ 
kammer  beitreten  können.“ 

Letzterer  wird  einstimmig  angenommen. 


IV.  Antrag  Oberbayern,  betreffend  Errichtung  von  gerichtlich¬ 
medizinischen  Instituten  an  den  Landesuniversitäten. 

Der  Vorsitzende  erläutert,  dass  sich  an  den  Landesuniversi¬ 
täten  der  Mangel  solcher  Institute  geltend  mache.  Besonders 
kostspielig  sei  die  Einrichtung  nicht.  Wenn  die  Abgeordneten¬ 
kammer  einen  Lehrstuhl  für  Homöopathie  bewilligen  wolle,  dann 
könne  sie  auch  die  geringen  Mittel  für  diesen  Zweck  bewilligen, 
zumal  da,  wo  die  Professur  schon  vorhanden  ist  und  lediglich  die 
Bereitstellung  einiger  Räume  und  allmähliche  Beschaffung  einer 
Sammlung  in  Frage  kommt. 

Referent  Dr.  R  i  e  d  i  n  g  e  r:  „Es  handelt  sich  um  einen  Wunsch 
der  Aerzteschaft,  den  Studierenden  der  Medizin  das  Studium  der 
gerichtlichen  Medizin  zu  erleichtern  und  ihnen  ein  besseres  An¬ 
schauungsmaterial  zu  verschaffen.  Es  ist  auch  kein  Zweifel  dar¬ 
über  möglich,  dass  für  das  Studium  einer  medizinischen  Disziplin 
die  Gründung  einer  Unterrichtsanstalt,  eines  wissenschaftlich- 
praktischen  Instituts,  eine  erhebliche  Förderung  bedeutet. 
Die  gerichtliche  Medizin  hat  mehr  und  mehr  an  Umfang  und 
Bedeutung  gewonnen.  Welchen  Wert  man  ihr  beilegt,  geilt  aus 
den  Bestimmungen  der  neuen  Prüfungsordnung  hervor,  nach  wel¬ 
chen  jeder  Mediziner  eine  Vorlesung  über  gerichtliche  Medizin  zu 
hören  hat  und  auch  im  Examen  über  die  Beziehungen  der  ein¬ 
zelnen  Prüfungsfächer  zur  gerichtlichen  Medizin  Bescheid  wissen 
muss. 


In  Würzburg  wird  über  gerichtliche  Medizin  schon  seit 
mehreren  Jahrzehnten  doziert.  Es  ist  auch  schon  der  Anfang  ge¬ 
macht  zu  einer  Sammlung  von  Präparaten  aus  der  forensischen 
Kasuistik.  Aber  diese  Sammlung  spielt  zur  Zeit  noch  eine  recht 
bescheidene  Rolle  in  einem  in  der  Sammlung  des  anatomischen 
Instituts  untergebrachten  Schrank.  Es  fehlt  vor  allem  an  Räum¬ 
lichkeiten  für  den  praktischen  Unterricht  und  zur  Abhaltung  ge¬ 
richtlich-medizinischer  Kurse,  somit  an  den  ersten  Hilfsmitteln 
zum  Ausbau  einer  wirklichen  Unterrichtsanstalt,  in  der  auch 
selbständige  Arbeiten  ausgeführt  werden  können.  Mit  dem  Auf¬ 
wand  verhältnismässig  geringer  Kosten  könnte  eine  derartige 
Anstalt  geschaffen  werden. 

Da  somit  eine  Frage  von  allgemein-medizinischer  Bedeutung 
vorliegt,  so  glaube  ich,  den  Antrag  der  oberbayerischen  Aerzte¬ 
kammer  befürworten  zu  können,  und  bitte  um  ihre  Zustimmung.“ 
Die  Kammer  scliliesst  sich  einstimmig  dem  Antrag  an.  ° 

V.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  ärztliches 
Eortbildungswesen  betreffend. 


a)  Der  ärztliche  Bezirksverein  Nürnberg  hält  die  Bildun 
unentgeltlicher  ärztlicher  Fortbildungskurse  in  Bayern  unte 
eventueller  Bildung  eines  bayerischen  Zentralkomitees  fü 
notwendig. 

b)  Der  ärztliche  Bezirksverein  Nürnberg  hält  es  fü 
erforderlich,  dass  sämtliche  bayerischen  ärztlichen  Bezirks 
x  ei  eine  und  Aerztekammern  in  diesem  Jahre  mit  diese 
I*  läge  sich  beschäftigen,  für  diese  Kurse  eintreten  und  sic 
einstimmig  mit  der  Bitte  um  Einführung  an  die  bayerisch 
Regierung  wenden. 

Der  torsitzende  gibt  folgende  Erläuterungen: 

..In  I  reussen  hatten  früher  9  Städte  solche  Kurse.  Jetzt  b( 
s  cIk  i)  solche  in  24  Städten  Preussens.  Sie  waren  besonders  i 
Berlin  wo  Prof.  v.  Bergmann  vor  2  Jahren  an  die  Spitz 
eines  Komitees  trat,  gut  besucht. 

•  S0S(in.  h erienkurse  waren  zu  kurz  und  anstrengend,  we 

sie  fortlautenden  Besuch  beanspruchten.  Dafür  soll  in  den  Fori 
bildungskursen  während  der  Dauer  von  3—4  Monaten  wöchentlic 
J  -mal  zu  bestimmten  Stunden  den  Aerzten  Gelegenheit  m 
um  .i  n  werden,  sich  über  einzelne  abgeschlossene  Kapitel  de 
Mzm.  (Jnrurgie  etc.  zu  orientieren.  Solche  Kurse  sollen  nich 
1  aiversitats-,  sondern  auch  in  anderen  Städten  eingerichte 
v  -iden.  lortbildung  ist  für  den  Arzt  ja  zweifellos  wünscliens 


wert,  einmal  wegen  der  raschen  Fortschritte  der  Wissenschaft, 
dann  aber  auch  aus  praktischen  Gründen. 

Es  war  von  den  Antragstellern  auch  beabsichtigt,  vom  Mini¬ 
sterium,  resp.  vom  Landtag,  die  nötigen  Mittel  zu  erbitten.  Die 
Aussicht  auf  Gewährung  dieser  Bitte  dürfte  indes  gering  sein.“ 

Von  der  Kammer  wird  statt  eines  Beschlusses  über  die  An¬ 
träge  einstimmig  folgende  Resolution  gefasst: 

„Die  freiwillige  Einrichtung  ärztlicher  Fortbildungskurse 
in  Bayern  wird  von  der  Kammer  als  nützlich  und  not¬ 
wendig  anerkannt  und  es  wird  empfohlen,  diese  Einrichtung 
je  nach  Verhältnissen  und  Bedürfnissen  ins  Leben  zu  rufen.“ 

VI.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Schweinfurt. 

„Die  Aerztekammer  möge  sich  bei  der  unterfränkischen 
land-  und  forstwirtschaftlichen  Berufsgenossenschaft  dahin 
verwenden,  dass  für  die  ärztlichen  Gutachten,  speziell  für 
die  grossen,  ein  höheres  Honorar  als  bisher  bewilligt  werde.“ 

In  der  Diskussion  über  diesen  von  Herrn  J  ü  n  g  st  vertretenen 
Antrag  teilt  der  Vorsitzende  unter  Berufung  auf  den  Wortlaut 
früherer  Verhandlungen  mit  der  Berufsgenossenschaft  mit,  dass 
nur  kurze  Gutachten,  demnach  solche,  welche  lediglich  die  Dia¬ 
gnose  oder  die  Bestätigung  eines  früher  schon  erhobenen  Befundes 
enthalten,  mit  3  M„  ausführlichere  Gutachten  mit  eingehender 
Motivierung  oder  solche,  zu  deren  Abfassung  umständliche  Unter¬ 
suchungen  (Harnanalyse,  Elektrizität  oder  dergl.)  notwendig  seien, 
s  c  h  o  n  j  e  t  z  t  entsprechend  höher  honoriert  werden.  Die  Dele¬ 
gierten  mögen  dies  in  den  Bezirksvereinen  zur  Kenntnis  der  ein¬ 
zelnen  Kollegen  bringen. 

Hieran  schliesst  der  Vorsitzende  noch  folgende  Bemerkung: 
„Von  Gerichtsbehörden  wird  bekanntlich  öfters  für  einen  ein¬ 
geforderten  „kurzen  Krankenbericht“  nur  1  M.  honoriert.  Dies 
ist  d<  m  Sinn  der  neuen  Gebührenordnung  nicht  entsprechend.  Herr 
Dr.  J  u  n  g  e  n  g  e  1  -  Bamberg  hat  das  Verdienst,  in  klarer  Weise 
und  mit  Erfolg  darauf  hingewiesen  zu  haben,  dass  für  einen  der¬ 
artigen  Bericht  nicht  Zil'f.  0  lit.  a,  sondern. Ziff.  0  lit.  b  zutreffend 
ist.  wonach  ein  solcher  mit  3 — IG  M.  zu  honorieren  ist  (cf.  Aerztl. 
Correspondenzbl.  1902,  No.  IS,  p.  141).“ 

VII.  Kassabericht  (von  Dr.  R  iedinge  r). 

Die  Revision  der  Kasse  durch  Herrn  R  o  t  li  ergibt  deren 
Richtigkeit. 

Einnahmen  .  .  333.30  M. 

Ausgaben  .  .  .  202.3G  M. 

Aktivrest  130.94  M. 

Der  Bericht  wird  genehmigt.  Pro  .1903  soll  wieder  ein  Beitrag 
von  1  M.  pro  V ereinsmitglied  erhoben  werden. 

VIII.  Wahl  von  Sachverständigen  für  das  Schiedsgericht  der 

Arbeiterversicherung. 

Gegen  die  im  vorigen  Jahr  aufgestellte  Liste  besteht  keine 
Erinnerung.  Dieselbe  enthält  die  Namen:  Dr.  Bootz,  Dr. 
Kohlenberge  r,  Dr.  Körbe  r,  Dr.  Sattler. 

IX.  Wahlen. 

1.  Delegierter  zum  Obermedizinalausschuss:  Dr.  Dehler; 
Stellvertreter:  Dr.  Roth. 

2.  Delegierter  zum  Aerztetag:  Dr.  Dehler;  Stellvertreter: 
Dr.  R  i  e  d  i  n  g  e  r. 

3.  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation  (k.  Allerli. 
Verordnung  vom  27.  XII.  1883):  die  Herren  B  1  ii  m  m,  Dehler, 
Goy,  Marzell,  Osch  m  a  n  n. 

4.  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne  des 
§  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  VII.  1895:  die  Herren  Dehler, 
Goy,  Marzell,  Roth,  Scherpf;  als  Stellvertreter:  Osch- 
m  a  n  n,  R  i  e  d  i  n  g  e  r.  — 

Nach  einigen  Worten  des  Dankes  an  den  Herrn  Regierung¬ 
kommissär  seitens  des  4  orsitzenden  schliesst  die  Sitzung:  um 
12  Uhr.  ö 

Dem  Präsidium  spricht  Herr  Vanselow  den  Dank  der 
Kammer  aus. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

Dr.  D  e  li  1  e  r.  Dr.  R  iedinge  r. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  für 
Schwaben  und  Neuburg. 

A  u  g  s  b  u  r  g,  am  27.  Oktober  1902. 

Beginn  der  Sitzung:  Morgens  9  Uhr. 

Anwesende:  Der  k.  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat 
Dr.  II  oger  als  k.  Regierungskommissär.  Als  Delegierte  der  Be¬ 
zirksvereine:  B.-V.  Allgäu:  Dr.  Wille,  k.  Bezirksarzt  in  Markt- 
Oberdorf,  Dr.  Englhard  t,  prakt.  Arzt  in  Kaufbeuren  und  Dr. 
Ke  denbaclie  r,  prakt.  Arzt  in  Kempten;  B.-V.  Augsburg:  Dr. 
Ilagen,  Dr.  F.  W.  Müller,  prakt.  Aerzte,  und  Dr.  Mayr, 
Augenarzt  in  Augsburg;  B.-V.  Dillingen:  Dr.  Seil,  k.  Bezirksarzt 
m  DiUmgen;  B.-V.  Günzburg-Neuulm:  Dr.  Nothaass,  k.  Be- 
ziiksaizt  in  Günzburg  a/D.,  und  Dr.  Weikard,  k.  Bezirksarzt 
in  Neuuim;  B.-4 .  Lindau:  Dr.  Volk,  k.  Bezirksarzt  in  Lindau; 
B.-V.  Memmingen:  Dr.  Schwarz,  prakt.  Arzt  in  Memmingen; 
B.-v.  Nordschwaben:  Dr.  Rohm  er,  prakt.  Arzt  in  Nördlingen. 

Der  k.  Regierungskommissär  übermittelt  Griisse  Sr.  Exzellenz 
des  Herrn  k.  Regierungspräsidenten  Ritter  v.  Lermann  und 
dessen  Wünsche  zu  einem  gedeihlichen  Verlauf  der  Verhandlungen, 
denen  er  sich  selbst  anschliesst. 

Die  Wahl  des  neuen  Ausschusses,  welche  Dr.  Volk  als 
Alterspräsident  leitet,  ergibt  folgendes  Resultat; 


16.  Dezember  1902 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


2137 


Vorsitzender:  Dr.  Hagen,  Stellvertreter:  Dr.  Volk. 

Schriftführer:  Dr.  M  ü  1 1  e  r,  Stellvertreter  Dr.  It  olime  r. 

Alle  nehmen  die  Wahl  dankend  an. 

Dr.  Hagen  übernimmt  den  Vorsitz,  dankt  dem  Herrn  Re¬ 
gierungskommissär  und  gedenkt  in  einem  ehrenden  Nachrufe  des 
in  Kempten  verstorbenen  Hofrates  Dr.  Hertel,  eines  langjähri¬ 
gen  früheren  Mitgliedes  der  Kammer. 

Hierauf  beginnt  die  Beratung  der  Tagesordnung. 

I.  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  geschäftsführenden  Aus¬ 
schusses  pro  1901/1902. 

Derselbe  dient  zur  Kenntnis. 

Die  zustimmende  Antwort  des  Vorsitzenden  auf  das  Schreiben 
des  Ausschusses  der  oberbayerischen  Aerztekammer  vom 

10.  Januar  1902,  betr.  Standes-  und  Ehrengerichtsordnung,  findet 
die  Billigung  der  Kammer. 

II.  Kassabericht. 

Einnahmen:  Aktivrest . 221  M.  75  Jj 

Mitgliederbeiträge  .  .  148  JC  50  Jj 

Zins  aus  Pfandbriefen  21  JC  — 

391  JC  25  J 

Ausgaben:  .  263  JC  03  ^ 

Aktivrest  128  JC.  22  ^ 

Dazu  Vermögen:  600  M.  in  3ya  proz.  Pfandbriefen. 

III.  Bericht  des  Delegierten  zum  erweiterten  Oberniedizinal- 

ausschuss. 

Wurde  zur  Kenntnis  genommen. 

IV.  Berichte  der  Bezirksvereine. 

Bezirksverein  Allgäu:  Die  Mitgliederzahl  beträgt  51. 
Durch  den  Tod  wurden  dem  Vereine  drei  hochgeschätzte,  treue 
Mitglieder  entrissen:  das  Ehrenmitglied  Bezirksarzt  a.  D.  Dr.  Anton 
O  1 1,  früher  in  Kempten,  der  k.  Ilofrat  Dr.  Theodor  Hertel  und 
der  prakt.  Arzt  Dr.  Leonhard  Heiss,  beide  in  Kempten. 

Es  wurden  im  Laufe  des  Jahres  zwei  Vereinsversammlungen 
abgehalten,  in  denen  ausschliesslich  Standesfragen  besprochen 
wurden.  Auf  der  Herbstversammlung  wurden  bei  zahlreicher  Be 
teiligung  und  unter  lebhafter  Diskussion  neue  Vereinsstatuten,  um 
deren  Entwurf  sich  der  Vorsitzende,  Herr  k.  Bezirksarzt  Dr. 
W  i  1 1  e,  hochverdient  gemacht  hat,  beraten  und  angenommen. 

An  Stelle  des  von  seinem  Amt  als  Kassier  zurückgetretenen 
Herrn  Dr.  Iv  rafft-  Kempten  wurde  Herr  Dr.  IV  olf  er  -  Kemp¬ 
ten  gewählt. 

Vorsitzender  und  Schriftführer  wie  im  Vorjahre. 

Bezirksverein  Augsburg:  Der  Bezirksverein  Augs¬ 
burg  zählt  zur  Zeit  60  Mitglieder,  um  4  mehr  als  im  Vorjahre. 

Die  Ehrenämter  sind  wie  im  Vorjahre  besetzt:  Dr.  Hagen, 
Vorsitzender,  Dr.  Höbe  r,  Schriftführer  und  Dr.  W  iedeman  u, 
Kassier. 

Zum  heurigen  Aerztetage  wurden  2  Mitglieder  —  Dr.  Höbe  r 
und  Dr.  Mayr  —  delegiert.  Der  Schriftführer  des  Vereins, 
Dr.  Höbe  r,  wurde  in  die  Krankenkassenkommission  des 
deutschen  Aerzte Vereinsbundes  berufen. 

Aus  den  Verhandlungen  der  4  Sitzungen  und  2  zwanglosen  Ver¬ 
sammlungen  ist  hervorzuheben,  dass  nach  einem  Vortrage  des  als 
Gast  erschienenen  Herrn  Dr.  K  r  e  c  k  e  -  München  eine  Sektion 
des  Leipziger  Verbandes  gegründet  wurde. 

Als  V ertrauensmann  fungiert  Herr  Dr.  Mayr-  Augsburg,  als 
Obmänner  die  Herren  Dr.  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Augsburg,  Dr.  Lorenz- 
Obergünzburg  und  Dr.  Baumann  -  Lindau.  Gegenwärtig  zählt 
die  Sektion  Schwaben  66  Mitglieder. 

Bezirksverein  Di  Hingen:  Der  ärztliche  Bezirks¬ 
verein  Dillingen  besteht  aus  17  Mitgliedern,  darunter  3  aus  Wer¬ 
tingen.  Vorsitzender:  Dr.  Seil,  k.  Bezirksarzt  in  Dillingen, 
Kassier:  Dr.  Ortol'f,  prakt.  Arzt  in  Gundelüngen,  Schriftführer: 
Dr.  Wolf  f,  prakt  Arzt  und  Bahnarzt  in  Dillingen. 

Am  Anfänge  des  Jahres  bestand  der  Verein  aus  16  Mitgliedern, 
durch  Beitritt  des  prakt.  Arztes  in  Tapfheim  wurde  die  Zahl  17 
wieder  erreicht. 

Vereinssitzungen  wurden  im  Laufe  des  Jahres  3  abgehalten, 
und  zwar  im  Frühjahr,  Sommer  und  Herbst  je  eine. 

Dieselben  waren  ziemlich  gut  besucht  und  wurden  während 
derselben  Standesangelegenheiten  besprochen  und  Erlebnisse  aus 
der  täglichen  Praxis  gegenseitig  mitgeteilt. 

Bezirksverein  G  ü  n  z  b  urg  -  Neu-  U  1  m  -  K  r  u  m  - 
biich:  Der  Verein  zählt  30  Mitglieder.  Vorsitzender  und  Schrift¬ 
führer:  I)r.  Notliaass,  k.  Bezirksarzt  in  Giinzburg,  Kassier: 
1  >r.  INI  o  r  i  a  n  in  .Neuulm. 

Delegierte  zur  Aerztekammer:  Dr.  Nothaass  und  Dr. 
W  e  i  k  a  r  d,  k.  Bezirksarzt  in  Neuulm. 

In  den  3  Vereinsversammlungen  wurden  ausschliesslich  Stan¬ 
destragen  erörtert. 

Bezirksverein  Lindau:  Zahl  der  Mitglieder  23.  Vor¬ 
sitzender  Dr.  Volk,  k.  Bezirksarzt  in  Lindau,  Kassier  und  Schrift¬ 
führer:  Dr.  B  a  u  m  a  n  u,  prakt.  Arzt  in  Lindau. 

1  in  Laufe  des  Berichtsjahres  fanden  2  Hauptversammlungen 
statt:  die  eine  im  Frühjahre,  am  16.  April  zu  Lindau,  die  andere 
im  Herbste,  am  17.  September  zu  Oberstaufon.  Die  Frühjahrs¬ 
versammlung  war  gut  besucht,  die  Herbstversammlung  zeigte 
flaue  Teilnahme. 

In  ernsterer  wurde  beschlossen,  dem  Verbände  zu  Leipzig  zur 
Wahrung  wirtschaftlicher  Interessen  der  Aerzte  in  corpore  bei¬ 
zutreten  und  wurde  vorausgesetzt,  dass  die  abwesenden  Mitglieder 
als  konsentierend  angenommen  wurden. 

Bei  der  Herbstversammlung  zeigten  sich  seitens  der  letzteren 
allerdings  Meinungsverschiedenheiten,  doch  ist  zu  hoffen,  dass  die¬ 
selben  zu  besiegen  seien.  * 


Ausserdem  waren  Gegenstand  der  Beratungen:  Standes-  und 
Vereinsangelegenheiten,  Diskussion  und  Erledigung  der  Einläufe 
und  Vorlagen,  interessante  Fälle  aus  der  Privatpraxis  etc. 

Die  Kollegen  der  Stadt  und  nächster  Umgebung  vereinigten 
sich  ausserdem  jeden  ersten  Mittwoch  des  Monats  zu  zwanglosen 
Unterhaltungen  und  Besprechungen. 

Bezirks  verein  Memmingen:  Die  Zahl  der  Mit¬ 
glieder  ist  mit  23  die  gleiche  geblieben.  Die  3  jährlichen  Ver¬ 
sammlungen  haben  Ende  Januar,  Mai  und  September  stattge¬ 
funden  und  sich  vorwiegend  mit  Standesfragen  befasst,  unter 
denen  vor  allem  der  Leipziger  Verband  zu  benennen  ist,  wobei 
jedem  Vereinsmitgliede  der  Eintritt  in  denselben  nahe  gelegt 
wurde.  Die  Versammlungen  waren  durchschnittlich  von  ungefähr 
2/s  der  Mitglieder  besucht,  also  durchaus  nicht  in  wünschenswerter 
Weise,  eine  in  unserem  ärztlichen  Stande  ja  leider  nur  zu  oft  be¬ 
klagte  Erscheinung. 

In  die  Vorstandschaft  wurden  die  gleichen  Mitglieder,  nämlich 
Herr  Medizinalrat  Dr.  Holler  als  Vorstand  und  Herr  Dr.  Zorn 
als  Schriftführer,  als  Delegierter  zur  Aerztekammer  wieder  Dr. 
Schw  a  r  z  gewählt. 

Bezirksverein  Nordschwaben:  Mitgliederzahl  26. 
Vorsitzender:  Dr.  S  c  h  m  i  d,  prakt.  Arzt  in  Donauwörth,  Schrift¬ 
führer  und  Kassier  Dr.  Dorsch,  prakt.  Arzt  in  Donauwörth; 
Delegierter:  Dr.  It  o  h  m  e  r,  prakt.  Arzt  in  Nördlingen. 

In  den  beiden  Vereinsversammluugen  am  17.  Juli  und 
23.  Oktober  wurden  ärztliche  Standesangelegenheiten  verhandelt. 
Bei  der  Sommerversammlung  hielt  Dr.  Dorsch  einen  Vortrag 
über  ,, Lokale  Anästhesie“. 

Bezüglich  der  Errichtung  einer  Gedenktafel  am  Geburtshause 
Pettenkofers  hatte  sich  Herr  Medizinalrat  Dr.  Lauber 
bereit  erklärt,  die  vorbereitenden  Schritte  zu  tun.  Derselbe  legte 
am  23.  Oktober  verschiedene  Entwürfe  vor.  Die  Kosten  werden 
mindestens  500  M.  betragen. 

V.  Mitteilungen  des  Einlaufes. 

Die  Verbescheidungen  des  k.  Staatsministeriums  des  Innern, 
betr.  die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1901,  werden 
verlesen. 

Herrn  Bezirksarzt.  Dr.  Böhm  wird  der  Dank  der  Kammer 
für  die  freundliche  Zusendung  seiner  Morbiditätsstatistik  der  In¬ 
fektionskrankheiten  im  Regierungsbezirke  Schwaben  für  das  Jahr 
1901  ausgesprochen. 

Zu  erwähnen  ist  noch  das  Schreiben  des  Generalsekretärs 
des  Deutschen  Aerztevereinsbundes,  welches  den  Wunsch  des 
Deutschen  Aerztetages  1902  enthält:  Es  soll  bei  den  gesetzlichen 
Standesvertretungen  aller  deutschen  Bundesstaaten  auf  die  s  o  - 
f  o  r  t  i  g  e  Erricht  u  n  g  v  o  n  V  e  r  t.  r  agskommissione  n 
(zur  Regelung  der  Beziehungen  der  Krankenkassenärzte  zu  den 
Krankenkassen)  hingewirkt  werden. 

Die  Angelegenheit  wird,  da  die  Kammer  hieftir  nicht  zu¬ 
ständig  ist,  den  einzelnen  Bezirksvereinen  überwiesen. 

VI.  Vorschläge  von  Sachverständigen  zum  Schiedsgericht. 

Es  werden  gewählt  die  Herren:  k.  Regierungs-  und  Kreis¬ 
medizinalrat  Dr.  Roge  r,  die  Hofräte  Dr.  T  r  ö  1 1  s  c  h,  Dr. 
L  indem  a  n  n,  Dr.  M  i  e  li  r,  Dr.  Curtius  und  die  prakt.  Aerzte 
Dr.  H  a  g  e  n,  Dr.  W  i  e  d  e  m  a  n  n,  Dr.  Heinsen. 

VII.  Bildung  ärztlicher  Kollegien  zur  Erstattung  von  Ober¬ 
gutachten  in  Unfallversicherungsangelegenheiten. 

Es  werden  vorgeschlagen  die  Herren:  1.  k.  Regierungs-  und 
Kreismedizinalrat  Dr.  Roger  in  Augsburg;  2.  Medizinalrat  Dr. 
Huber,  k.  Landgerichtsarzt  in  Memmingen;  3.  Hofrath  Dr. 
Lindemann,  prakt.  Arzt  in  Augsburg;  4.  k.  Bezirksarzt  Dr. 
Brand  in  Füssen;  5.  Hof  rat  Dr.  Schreiber,  Oberarzt  der 
chirurgischen  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  in  Augsburg; 
6.  k.  Bezirksarzt  Dr.  Böhm  in  Augsburg;  7.  Dr.  Nie.  Kien- 
n  i  n  g  e  r  s,  prakt.  Arzt  und  Bahnarzt  in  Illereicheu;  8.  Dr.  Bever, 
prakt.  Arzt  in  Aeschach,  9.  Dr.  Carl  Leopolder  in  Günz- 
burg  a.  I).;  10.  k.  Bezirksarzt  Dr.  Wille  in  Markt-Oberdorf; 

12.  Dr.  Rohm  er,  prakt.  Arzt  in  Nördlingen. 

VIII.  Anträge. 

1.  Anträge  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürn¬ 
berg,  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  bet  r. 

(Siehe  das  Protokoll  der  Aerztekammer  von  Oberbayem.) 

Hiezu  beschliesst  die  Kammer,  an  die  k.  Staatsregierung  die 
Bitte  zu  stellen,  im  Bundesrate  den  von  dem  XXX.  Deutschen 
Aerztetag  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  gemachten  Vor¬ 
schlägen  ihre  Zustimmung  zu  erteilen,  event.  falls  die  reichsgesetz¬ 
liche  Regelung  nicht  zur  Durchführung  gelangt,  die  in  Frage 
stehenden  Massnahmen,  welche  zum  Teil  in  anderen  Bundes¬ 
staaten  schon  durchgeführt  sind,  auf  dem  Wege  der  Landesgesetz¬ 
gebung  in  Bayern  zur  Einführung  zu  bringen. 

Diese  Anträge  lauten: 

(Siehe  das  Protokoll  der  Aerztekammer  von  Oberbayern.) 

Es  wird  aber  hiezu  ausdrücklich  betont,  dass  die  hier 
v  o  rges  c  li  1  a  g  e  n  e  n  M  assnahmen  n  u  r  als  interi¬ 
mistische  Hilfsmittel  zu  betrachten  seien,  bis 
die  vom  XXV.  Aerztetag  1897  festgelegte  Forde- 
r  u  n  g  d  e  r  Wiederei  n  f  ii  h  r  u  n  g  des  Kurpfusche  re  i- 
Verbotes  erfüllt  s  e  in  wird,  an  dieser  Forderung 
also  nicht  rütteln  sollen. 

2.  Der  Anregung  des  ärztlichen  Bezirksver¬ 
eins  Nürnberg,  ärztliches  Fortbildungswesen 

betreffend 

steht,  die  Kammer  sympathisch  gegenüber.  Für  weitere  Schritte 
müssen  die  örtlichen  Verhältnisse  und  Bedürfnisse  massgebend 
sein. 


4 


2138 


No.  50. 


Beilage  zur  Münchener  medicinischen  Wochenschrift. 


3.  Antrag  des  ärztlichen  B  e  z  i  r  k  s  Vereins  N  ti  r  u  - 
l)  erg.  betreffend  Errichtung  von  Leichen- 
häuse  ru  und  Einführung  des  obligatorischen 

Leichenhausz  w  a  n  g  e  s. 

Wird  angenommen. 

Dr.  Wille  erwähnt  dazu,  dass  im  Jahre  1882  vom  ärztlichen 
Bezirksverein  Memmingen  über  „Errichtung  von  Leichenhäusern 
auf  dem  Lande“  ein  Antrag  an  die  schwäbische  Aerztekainmer 
eingereicht  und  von  letzterer  ihrem  Delegierten  zum  erweiterten 
Obermedizinalausschuss  zur  Vertretung  daselbst  empfohlen  wurde. 
Die  Entscheidung  erfolgte  im  Sinne  eines  ähnlichen  früheren  Er¬ 
lasses,  in  welchem  den  Regierungen  empfohlen  wurde,  die  Distrikts¬ 
polizeibehörden  zu  veranlassen,  die  Errichtung  von  Leichenhäusern 
in  grösseren  Gemeinden,  auch  auf  dem  Lande,  nach  Möglichkeit 
zu  fördern. 

4.  Antrag  des  Ausschusses  der  ober  bayerischen 
und  mittelfränkischen  Aerzte  lt  a  m  m  e  r  u  n  d  d  e  r 
B  ezirksvereine  München  u  n  d  Nürnberg,  bet  r. 
E  rrichtung  eines  homöopathi  s  c  li  e  u  Lehrstuh  1  s. 

Die  Aerztekammern  wollen  bei  der  k.  Regierung  vorstellig 
werden,  dass  dem  Beschluss  der  Reichrats-  und  Abgeordneten¬ 
kammer,  betreffend  Errichtung  einer  homöopathischen  Professur, 
eine  Folge  nicht  gegeben  werde. 

Wird  einstimmig  angenommen. 

5.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  Aerzte- 

k  a  m  mer  von  Oberbaye  r  n. 

„Es  sei  an  die  k.  Staatsregierung  die  Bitte  um  Er¬ 
lassung  einer  Dienstanweisung  für  die  bayerischen  amt¬ 
lichen  Aerzte  zu  richten.“ 

Seit  dem  organischen  Edikte  vom  8.  September  1808  wurde 
in  Bayern  keine  Dienstanweisung  für  die  Amtsärzte  erlassen.  Die 
in  §  12  dieses  Ediktes  in  Aussicht  gestellten  Instruktionen  über 
die  Rechte,  Pflichten  und  Obliegenheiten  der  Amtsärzte  sind  nicht 
zur  Ausgabe  gelangt.  Die  hierauf  bezüglichen  Bestimmungen 
finden  sich  überall  zerstreut. 

Nun  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  die  Tätigkeit  der  Amtsärzte 
ganz  bedeutend  erweitert  und  umgestaltet  infolge  der  Schaffung 
neuer  Gesetze,  der  ausserordentlichen  Ausbildung  der  Hygiene  und 
dcrgl.,  während  anderseits  wesentliche  Teile  der  amtsärztlichen 
Aufgaben  in  Wegfall  gekommen  sind,  wie  das  Veterinä rweseu  und 
das  Aushebungsgeschäft. 

Es  dürfte  somit  das  Bedürfnis  zur  Erlassung  einer  Dienst¬ 
anweisung  begründet  und  die  Bitte  um  eine  solche,  welche  über  die 
Stellung,  Art  und  Umfang  der  Obliegenheiten  und  die  Geschäfts¬ 
führung  der  Amtsärzte  und  ihres  Verhältnisses  zu  den 
p  taktischen  Aerzte  n  Vorschriften  enthält,  gerechtfertigt 
erscheinen,  wie  ja  auch  Preussen  unterm  23.  März  1901  eine  allen 
modernen  Anforderungen  Rechnung  tragende  Dienstanweisung  für 
die  Kreisärzte  erlassen  hat. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 

Dazu  schlägt  Dr.  Wille  vor: 

1.  Es  möge  in  Erwägung  gezogen  werden,  ob  nicht  vor  Er¬ 
lass  der  beregten  Dienstanweisung  die  k.  bayer.  Amtsärzte 
zur  Berichterstattung  über  ihre  Wahrnehmungen  und 
Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  amtsärztlicher  Tätigkeit  aufzufor¬ 
dern  wären,  um  diese  für  den  vorliegenden  Zweck  allenfalls  mit¬ 
verwerten  zu  können. 

2.  Bei  Abfassung  einer  neuen  Dienstesinstruktion  möge  da¬ 
rauf  Bedacht  z  u  n  e  li  m  e  n  sein,  ä  1 1  e  r  e,  noch  gel¬ 
tende,  aber  praktisch  kau  m  m  e  li  r  a  u  s  f  ii  li  r  b  a  r  e. 
sowie  für  die  dermaligen  Verhältnisse  obsolete  Bestim¬ 
mungen  auf  dem  Verordnungswege,  soweit  möglich,  ausser 
Kraft  zu  setzen,  bezw.  durch  für  die  Jetztzeit  zweckmüssigere  zu  er¬ 
setzen,  z.  B.  die  Verordnungen  über  unentgeltliche  Behandlung 
konskripierter  Armer  seitens  der  k.  b.  Amtsärzte,  Bestätigung  der 
Tatsächlichkeit  ärztlicher  und  amtsärztlicher  Dienstleistungen 
seitens  der  Gendarmen  gelegentlich  der  Behandlung  dieser,  sowie 
ihrer  Familien. 

3.  Es  wolle  auf  Grund  statistischen  Materials  und  national- 
ökonomischer  Wertbemessung  resp.  Vergleichung  die  materielle 
Rentabilität  einer  finanziellen  Besserstellung  und  einer  Kompetenz¬ 
erhöhung  der  k.  b.  Medizinalbeamten,  analog  den  Bestimmungen 
des  preuss.  Kreisarzt-Gesetzes  vom  Jahre  1902,  in  Betracht  gezogen 
werden. 

Die  Anregungen  Dr.  Wille  s  finden  Zustimmung. 

(i.  A  n  trag  O  b  e  r  b  a  y  e  r  n,  betreffend  firrichtu  n  g 
v  o  u  gerichtli  c  li  -  m  e  d  i  z  i  n  ischen  Instituten  a  n 
den  Landesuni  ver  sit  ä  t  e  n. 

Wird  angenommen  mit  dem  Zusätze  Dr.  Will  e  s,  dass  dann 
auch  in  Erlangen  eine  Professur  für  gerichtliche  .Medizin  errichtet 
werden  möge. 

7.  A  n  t  r  a  g  M  i  1 1  e  1  f  r  a  n  k  e  n. 

Von  jeder  Kammer  sollen  jährlich  15  M.  Beitrag  zur 
< leschäftsf iihrung  der  Kammerausschüsse  zur  Verfügung  ge¬ 
stellt  werden. 

Wird  angenommen. 

U  Die  A  n  r  e  g  u  n  g  d  e  r  A  e  r  z  t  e  k  a  m  mer  Mittel- 
l  r  a  n  k  e  n  s,  b  e  tr.  d  *•  n  B  e  i  t  r  i  1 1  zur  b  a  y  eris  c  li  e  n 
W  i  t  wen-  Pensi  o  askass  e  f  ii  r  alle  Aerzt  e,  w  eich  e 
e  i  n  e  s  t  a  n  1 1  i  c  li  e  o  d  e  r  g  e  m  e  i  n  d  1  i  e  h  e  A  n  s  t  e  1  1  u  n  g 
a  n  s  t  r  e  b  e  n.  o  b  1  i  g  atoris  e  h  z  u  m  a  c  h  e  n. 
wird  nicht  als  durchführbar  erachtet. 

Dagegen  wird  beschlossen,  an  die  Bezirksvereine  die  dringende 
Aufforderung  zu  stellen,  ihre  Mitglieder  immer  wieder  auf  die 
Notwendigkeit  des  Beitrittes  zu  dieser  Kasse  hinzu  weisen. 


9.  A  n  t  r  a  g  des  Dr.  W  e  i  k  a  r  d: 

Die  Aerztekainmer  wolle  bei  der  k.  Staatsregierung  dahin 
voistellig  werden: 

„Es  möchten  die  ärztlichen  Gutachten,  welche  von  den 
k.  Forstämtern  oder  der  k.  Regierung,  Kammer  der  Finanzen, 
in  Unfallangelegenheiten  von  im  staatlichen  Forstbetriebe 
beschäftigten  Personen  verlangt  werden,  nicht  unter  die 
Verordnungen  fallen,  welche  in  Anwendung  kommen,  wenn 
Kassen  des  Staates  die  Kosten  zu  tragen  haben, 
sondern  sie  möchten  wie  Gutachten  für  die  land-  und  forst¬ 
wirtschaftliche  Berufsgenossenschaft  berechnet  werden,  da 
die  Berufsgenossenschaften,  auch  wenn  sie  unter  staatlicher 
Leitung  stehen,  den  Charakter  als  Privatkassen  nicht  ver¬ 
lieren.“ 

Wird  angenommen. 

ln  dieser  Sache  ist  ein  Urteil  der  ersten  Zivilkammer  des 
Landgerichtes  zu  Bielefeld  vom  31.  Mai  1900  ergangen: 

„Die  forstwirtschaftliche  Berufsgeuossenscliaft  ist,  obwohl  sie 
von  der  k.  Regierung  betrieben  wird,  eine  nichtstaatliche  Person 
und  demnach  ein  selbständiges,  vom  Fiskus  vollständig  unab¬ 
hängiges  Subjekt  des  Privatrechtes. 

Ein  im  Auftrag  derselben  von  dem  Regierungs-  und  Medizinal¬ 
rat  vorgenommene  Untersuchung  eines  Unfallverletzten  charak¬ 
terisiert  sich  nicht  als  unentgeltliche  amtliche  Tätigkeit,  sondern 
ist  gebührenpflichtig.“ 

10.  Ein  Antrag  des  Bezirksvereins  A  1 1  g  ä  u,  b  e  - 
1  r  e  f  fend  Honori  e  rung  der  ä  r  z  1 1  i  e  hen  Gut  a  c  h  t  e  n 

in  Rentensa  c  li  e  n, 

ist  bereits  durch  das  Entgegenkommen  der  Versicherungsanstalt 
in  dankenswerter  Weise  erledigt. 

11.  Antrag  des  B  e  z  i  r  k  s  v  e  r  eins  A  1 1  g  ä  u : 

„Es  möchten  vom  k.  Staatsministerium  des  Innern 
gleichlautende  Formulare  ausgearbeitet  und  hergestellt 
werden,  welche  den  praktizierenden  Aerzten  zur  Ausübung 
ihrer  Anzeigepflicht  bei  ansteckenden  Krankheiten  nach  der 
k.  Verordnung  vom  22.  Juli  1891  zur  Verfügung  gestellt 
werden." 

Referent  Dr.  Redenbacher:  Die  Anzeigepflicht  bei  an¬ 
steckenden  Krankheiten  verursacht  dem  Arzte  gerade  in  Zeiten 
angestrengter  Tätigkeit  beim  Ausbruch  einer  Epidemie  nicht  un¬ 
beträchtliche  Schreiblast,  besonders  an  Orten,  an  welchen  die 
Distrikts-  und  Ortspolizei  nicht  zusammenfallen,  wodurch  für 
jeden  Krankheitsfall  eine  doppelte  Anzeige  nötig  wird. 

Die  Unterlassung  der  Anzeige  ist  mit  hohen  Geldstrafen  be¬ 
droht  und  sind  Fälle  von  Verurteilungen  aus  diesem  Grunde  schon 
wiederholt  bekannt  geworden. 

Die  Erleichterung  der  Anzeige  wird  gewiss  eine  raschere,  zu¬ 
verlässigen'  und  regelnlässigere  Anzeige  zur  Folge  haben,  was 
nicht  nur  im  allgemeinen  Interesse  gelegen  ist.,  sondern  auch  die 
unangenehmen  Folgen  für  die  beteiligten  Aerzte  bei  Unterlassung 
einer  Anzeige  zu  verhüten  geeignet  ist. 

Zur  Erreichung  dieses  Zieles  könnte  die  Herstellung  einer 
Postkarte,  wie  dieselben  in  anderen  Bundesstaaten  schon  länger 
im  Gebrauch  sind,  z.  B.  in  Baden,  empfohlen  werden. 

Dieselben  sind  frankiert  und  wird  die  betreffende  Krankheit 
nur  mit  den  Anfangsbuchstaben  oder  Zahlen  bezeichnet,  um  eine 
Kenntnisnahme  seitens  Unbeteiligter  hintauzuhalten. 

Nachdem  vor  kurzem  die  Gewährung  von  Portofreiheit  für 
die  Morbiditätsstatistik  vom  k.  Staatsministerium  des  Aeussern 
mit  der  Begründung  abgelehnt  worden  ist,  dass  die  Portofreiheit 
nicht  mehr  weiter  ausgedehnt  werden  könne,  dürfte  es  sich  em¬ 
pfehlen,  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Morbiditätsstatistik  sich  als 
ein  vollkommen  freiwilliges  Unternehmen  der  Aerzte  darstellt, 
für  welches  Portofreiheit  in  viel  geringerem  Grade  beansprucht 
werden  kann,  als  bei  der  gesetzlich  festgelegten  Anzeigepflicht  bei 
Infektionskrankheiten,  wobei  es  als  offene  Frage  bezeichnet  werden 
muss,  ob  der  Arzt  zur  Tragung  der  dadurch  erwachsenen  Kosten 
gezwungen  werden  kann. 

Jedenfalls  erfordert  die  mit  der  Verzögerung  derartiger  An 
zeigen  verbundene  Gefahr  (Wochenbettfieber  etc.  etc.)  eine  mög¬ 
lichste  Vereinfachung  des  Anzeigemodus. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 

IX.  Wahlen  nach  §  3,  Ziff.  2,  3,  4  und  6  der  Geschäftsordnung. 

ad  2.  Als  Delegierter  zum  erweiterten  Obermedizinalaus- 
schusse  wird  durch  Akklamation  wieder  Dr.  V  o  1  k,  als  Stellver¬ 
treter  Dr.  W  i  1  1  e  gewählt. 

ad  3.  In  die  Kommission  zur  Aberkennung  der  ärztlichen 
Approbation  werden  gewählt  die  DDr.  Volk,  Wille  und  Seil. 

ad  4.  ln  die  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden 
im  Sinne  des  §  12  der  k.  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  189.“. 
werden  ausser  dem  Vorsitzenden  als  Mitglieder  Dr.  W  i  1  1  e  und 
Dr.  Seil,  als  Stell  Vertreter  1  )r.  M  ii  1 1  e  r  und  Dr.  R  o  h  m  e  r 
gewählt. 

ad  6.  Zur  Führung  der  Kassengeschäfte  für  den  Verein  zur 
Unterstützung  invalider  und  hilfsbedürftiger  Aerzte  soll  Dr. 
Auernhammer  in  Augsburg  wieder  gebeten  werden. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Herrn  Regierungskommissiir  für 
seine  1  ordernde  Mitwirkung  an  den  Beratungen  und  schliesst  um 
10 Vs  Uhr  die  Sitzung. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

gez.  Dr.  II  a  g  e  n.  gez.  Dr.  M  ii  1  1  e  r. 


Dir  Mumm.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöohenti 
m  Nummern  von  durchschniulieh  ft_6  BV-on 
l'reis  in  Deutschland,  Oesterr.-Unsrarn  u.  Luxembun» 
vierteljahrl.  ,*  6.-,  in  allen  übrigen  Ländern 8 

Einzfilno  \Tn  hu  i 


MÜNCHENER 


-tnsenduncen  sind  yu  adressiren:  Km  die  Kedalctimi 
Arnulfstr.  2G.  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr  — 
Kur  Abonnement  an  J,  F.  Lehmann,  Heustr  20.  - 
Kur  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse, 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  Bollinger, 

München.  Freiburg  i.  B.  München. 

No.  51.  23.  Dezember  1902. 


Herausgegeben  von 

H.  Cui schmann,  W.  v.  Leube,  G.  Merkel,  J.  v,  Michel, 

Lmpzis.  Würzbure.  Nürnberg  Berlin 

Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

Ä  erlag:  J.  F.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


F.  Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F.  v.  Winckel, 

Erlangen.  München.  München 

49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  I  rauenabteilung-  des  Allerheiligenkospitales  zu  Breslau 
(Primärarzt:  Dr.  Robert  Asch). 

lieber  die  Exstirpation  des  puerperalseptischen  Uterus. 

\  on  Dr.  R.  Gra  d  e  n  w  i  t  z. 

Wenn  wir  die  heutigen  Krankheits-  und  Sterblichkeits¬ 
verhaltnisse  im  Wochenbett  mit  früheren  Zeiten  vergleichen,  so 
können  wir  mit  Genugtuung  ein  rapides  Sinken  des  Wochen¬ 
betthebers  bis  m  die  letzten  Jahre  konstatieren.  Durch  Befol¬ 
gung  der  peinlichsten  Asepsis  bezw.  Antisepsis  sind  ernstere 
Wochenbettserkrankungen  in  den  Gebäranstalten  äusserst  selten 
geworden,  und  die  immer  bessere  Ausbildung  der  Aerzte  und  Heb¬ 
ammen  m  den  Lehren  der  Hygiene  hat  zu  einer  wesentlichen 
Verringerung  der  Fiebersteigerungen  im  Wochenbett  auch  im 
rivathause  geführt.  Trotzdem  kommen  immer  noch  eine  ganze 
Reihe  schwerer  Erkrankungen  im  Wochenbett  vor,  die  ärztliches 
Eingreifen  erfordern,  und  zwar  erkranken  heutzutage  die  in 
Privatpflege  befindlichen  Wöchnerinnen  im  Gegensatz  zu  früher 
relativ  häufiger  als  die  in  Anstalten  untergebrachten,  wo  die 
Mortalität  seit  Ausbau  der  Lehren  von  Semmel  weis  von 
*uf  °’3~0’4  Rroz.  gesunken  ist.  Mit  der  Erkenntnis,  dass 
die  früher  so  ungeheuer  häufigen  Todesfälle  in  der  überwiegenden 
Mehrheit  durch  schmutzige  Hände  der  Geburtshelfer  und  Heb¬ 
ammen  bedingt  waren,  dass  Studenten,  die,  von  Sektionen 
kommend,  Leichengift  an  den  Fingern  hatten,  besonders  gefähr- 
hch  waren,  und  mit  der  Abstellung  dieser  Uebelstände  war  es 
leicht,  die  Hauptinfektionsquellen  aus  den  Gebärhäusern  aus¬ 
zuschalten  ; .  dass  die  Forderungen  der  Hygiene  sich  im  Privat¬ 
bause,  speziell  den  Wohnungen  Armer,  schwerer  durchführen 
assen,  dass  die  Ueberwachung  der  Hebammen  hier  grösseren 
Schwierigkeiten  begegnet,  liegt  auf  der  Hand.  So  weit  wir  nun 
aber  auch  in  der  Prophylaxe  gekommen  sein  mögen,  in  der 
Therapie  stehen  wir  trotz  zahlreicher,  aufs  wärmste  empfohlener 
Behandlungsmethoden  dem  Wochenbettfieber  oft  machtlos  gegen¬ 
über.  Gerade  die  grosse  Menge  der  therapeutischen  Massnahmen, 
zu  denen  sich  stets  noch  neue  gesellen,  beweist  ja  am  besten, 
dass  keine  der  bisherigen  Methoden  mehr  darstellt,  als  ein  unter 
Umständen  ^zweckmässiges  Hilfsmittel  für  den  Organismus 
in.  seinem  Kampfe  gegen  die  Infektion ;  ein  vollwertiges  Heil- 
mittel  besitzen  wir  nicht.  Während  die  einen  nur  allgemeine 
Behandlung  einleiten,  sind  die  anderen  für  lokale  Therapie. 
Innere  Darreichung  von  Alkohol  und  Verabfolgung  von  lauen 
Bädern  wird  gerühmt,  Medikation  mittels  Antipyreticis  und  zahl¬ 
reicher  anderer  Mittel,  Blutentziehungen,  Terpentingaben  inner¬ 
lich  und  subkutan,  Kreosotinjektionen,  Kochsalzinfusionen  und 
-klystiere,  Injektion  von  Streptokokkenserum,  Behandlung  mit 
Silberpräparaten  werden  von  einer  Seite  empfohlen,  von  anderer 
verworfen.  Der  Uterus  wird  mit  Karbol,  Lysol,  Kreolin,  Subli¬ 
mat,  Alkohol,  Borsäure,  sterilem  Wasser,  Kochsalz  etc.  ausgespült, 
sowie  vaporisiert.  Curettage  und  Tamponade  des  Uterus  finden 
eifrige  Verfechter  und  heftige  Gegner;  auch  energischeres  chi¬ 
rurgisches  Eingreifen  bis  zur  Entfernung  des  erkrankten  Organes 
wird  befürwortet. 

Dass  die  Therapie  stets  erst  dann  einsetzen  darf,  wenn  die 
Diagnose  —  auch  in  bakteriologischer  Hinsicht  —  möglichst  klar- 
gestellt  ist,  dürfte  wohl  keiner  Anfechtung  unterliegen;  damit 

No.  51. 


verbietet  sich  aber  eine  gleichmässige  und  einseitige  Behand¬ 
lung  aller  kranken  Wöchnerinnen  eigentlich  von  selbst.  Selbst¬ 
verständlich  wird  man  sich  zu  einer  lokalen  Therapie  ent- 
sehliessen,  wenn  der  Nachweis  von  zersetzten  Eihaut-  oder  Nach¬ 
geburtsresten  oder  einer  Lochiometra,  wenn  das  Vorhandensein 
infizierter  Risse  oder  Geschwüre  oder  Eiteransammlungen  in  den 
Parametrien  u.  dgl.  den  Angriffspunkt  für  geeignetes  Vorgehen 
klarlegen.  Ob  man  aber  sonst  die  Hände  ruhig  in  den  Schoss 
legen  und  abwarten  soll  oder  ob  man  in  Fällen,  die  einer  Spontan¬ 
heilung  nicht  zugänglich  zu  sein  scheinen,  lieber  sich  zu  einem 
aktiveren  Vorgehen  entschliessen  soll,  dürfte  zum  mindesten 
iraglich  erscheinen.  Die  grosse  Schwierigkeit,  die  sich  der  Frage 
nach  der  Berechtigung  eines  operativen  Vorgehens  entgegen¬ 
stellt,  hegt  in  der  Unmöglichkeit,  eine  sichere  Prognose  stellen 
zu  können.  Wir  wissen,  dass  mancher  hoffnungslos  aussehende 
lall  schliesslich  doch  zur  Heilung  gelangt,  und  werden  mithin 
demjenigen,  der  den  Fall  nicht  niitbeobaclitet  hat,  nie  beweisen 
können,  dass  die  Patientin  nicht  auch  ohne  Operation  am  Leben 
geblieben  wäre.  Ganz  besonders  fällt  letztere  Erwägung  ins  Ge¬ 
wicht,  wenn  die. Operation  so  eingreifend  ist,  dass  sie  selbst  Ge- 
tahren  mit  sich  bringt,  wie  dies  ja  bei  der  Exstirpation  des 
puerperalseptischen  Uterus  nicht  völlig  von  der  Hand  zu  weisen 
ist  Aber  diese  Gefahren  sind  gering  und  zu  diesem  äussersten 
Hilfsmittel  wird  doch  jeder  Operateur  nur  dann  greifen,  wenn 
er  andernfalls  die  Prognose  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  letäl 
zu  stellen  sich  genötigt  sieht. 


firne  Sammlung  der  diesbezüglichen  Ansichten  und  Er¬ 
fahrungen  bis  zum  Jahre  1S99  ist  von  Prochownick1 *)  und 

TZ,wr  en  !  volVenommen  worden.  Indem  ich  auf  diese 
Literatursammlung,  deren  ersten?  ja  allgemein  zugänglich  ist  ver 
weisen  zu  dürfen  glaube,  möchte  ich  nur  die  Autoren  zitieren 
welche  sich  m  neuester  Zeit  zur  Frage  der  Totalexstirpation  des 
puerperalseptischen  Uterus  geäussert  haben.  Prochownicks 
eigenen  Standpunkt  geben  wohl  am  besten  die  folgenden  Zeilen 
aus  seiner  Arbeit  wieder:  „Dass  bei  abwartender  Behandlung  eine 

UterIn  inflüerter  Frauen  uaeli  langem  Kranksein  mit 
ein  Leben  da\  onkommt,  ist  doch  nur  ein  sophistischer  Trost  mit 
,wü  u-ns  ube1’  <lie  Gestorbenen  und  über  unsere  eigene’  Un 
fahigkeit  hinwegsetzen.  Wenn  irgendwo,  so  müssen  wir  doch  hier 
cler  Erkenntnis  der  Giftstoffe,  der  Eingangspforten,  der 
Veibreitung  und  W  irkling  derselben  so  wesentlich  fortgeschritten 
vm-Ri  1iumer  w?eJer  deu  Versuch  machen,  selbst  den  Krankheits- 

ieilaut  zu  meistern. - Weder  Sentimentalität  betreffs 

spaterer  Invalidisierung,  noch  die  seltene  Möglichkeit,  dass  ein- 
mai  eme  Kranke  beim  Abwarten  leben  bleiben  kann,  noch  tech¬ 
nische  Schwierigkeiten  dürfen  in  so  kritisch  ernster  Lage  mass¬ 
gebend  sein,  wenn  wir  vorwärts  kommen  wollen.“  In  einer 

SR.hPvnn  AlJbei1v!  kommt  Prochownick,  die  Blutkultur  zur 
Sicherung  der  Prognose  und  Erleichterung  des  therapeutischen 
V  eges  empfehlend,  zu  folgendem  Resume:  „Wir  machen  die  Eut- 
scheKhmg  über  __  die  Ausschneidung  eines  puerperalseptischen 
Uteius  nicht  abhängig  von  den  aus  der  Scheide  bezw.  dem  Uterus 
gezüchteten  Mikroben,  sondern  von  der  ungestörten,  genauen  kli¬ 
nischen  Beobachtung  mit  Zuhilfenahme  der  Blutkultur.  ’  Ist 
yamie  nachweislich,  so  ist  bei  Komplikation  mit  Gesclnvülsten 
bei  verjauchten  Eiresten  und  bei  septischem  bezw.  kriminellem 


)  I  roch  o  wme  k:  Dm  Anzeigestellung  zur  chirurgischen 
Behandiung  des  puerperalkranken  Uterus.  Monatsschr.  f  Geburts¬ 
hilfe  u.  Gynakol.  1898,  Bd.  VII,  S.  310  ff. 

t  *  ?.}.e  n:  Eie  Totalexstirpation  des  septischen  Uterus 

Inaug.-Diss.,  Tübingen  1899. 

3)  Prochownick:  Die  Aussclineidung  der 
septischen  Gebärmutter.  Monatsschr.  f.  Gehurtsh  v 

Bd.  IX.  S.  75U  ff.  '  ' 


puei*peral- 
Gyn.  1899, 


1 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


2140 


Abort  die  Excisio  uteri  geboten,  ohne  die  für  das  mütterliche 
Leben  kostbare  Zeit  mit  anderen  Massnahmen  zu  vergeuden.  Be¬ 
stehen  diese  Komplikationen  nicht  oder  sind  sie  nicht  nachzu¬ 
weisen,  so  ist  bei  Pyämie  und  Beschränkung  der  Erkrankung  auf 
die  Gebärmutter  die  Operation  als  gerechtfertigt  anzusehen.“ 

Zipp  er  len  hat  bis  zum  Jahre  1899  74  operierte  Fälle  mit 
36  Heilungen  und  38  Todesfällen  gesammelt,  von  denen  nur  einer 
(No.  4)  nicht  hierher  gehört,  da  er  einen  septischen,  nicht  puer¬ 
peralen  Uterus  betrifft.  Zipperlen  spricht  sich  am  Schlüsse 
seiner  Arbeit  energisch  für  die  Operation  aus,  die  tunlichst  auf 
vaginalem  Wege  vorzunehmen  sei.  Döderlein* * * 4 *),  dessen  Klinik 
die  Arbeit  entstammt,  empfiehlt  auf  Grund  der  2  schon  dort  zitier¬ 
ten  Fälle  und  theoretischer  Erwägungen  die  Operation  aufs 
wärmste. 

Tuffier  und  Bonamy1)  berichten  über  33  derartig  ope¬ 
rierte  Kranke,  von  denen  20  genasen,  13  starben.  Sie  halten  die 
Operation  dann  für  angezeigt,  wenn  die  Infektion  die  Schleimhaut 
überschritten  und  sich  in  der  Muskulatur  verbreitet  hat  und  die 
Ausschabung  ohne  Erfolg  war.  Unter  19  abdominell  Hysterekto- 
mierten  starben  5,  unter  10  vaginal  Operierten  6.  Speziell  em¬ 
pfehlen  sie  die  Operation  bei  Plazentarretention,  wenn  die  Plazenta 
weder  mit  Finger  noch  Kürette  entfernt  werden  kann  und  sep¬ 
tische  Erscheinungen  auftreten,  ferner,  wenn  bei  Geburt  -|-  sep¬ 
tischer  Infektion  die  Sectio  caesarea  indiziert  ist  und  schliesslich, 
wenn  trotz  der  üblichen  Behandlung  der  Zustand  sich  verschlim¬ 
mert.  Sitzt  die  Infektionsquelle  nicht  im  Uterus,  liegt  allzu  grosse 
Schwäche  oder  Peritonitis  vor,  so  sei  die  Operation  zu  unterlassen. 
Mariani6 *)  operierte  46  Tage  post  partum.  Trotz  Ausspülungen 
und  Kürettage  wurden  die  Parametrien  in  Mitleidenschaft  ge¬ 
zogen;  im  Anschluss  an  eine,  wenig  Eiter  entleerende  Parametritis- 
inzision  kam  es  zu  akuter  Peritonitis.  Vaginale  Totalexstirpation 
des  Uterus  führte  zur  Heilung.  M  a  c  h  a  r  g  ‘)  spricht  sich  im 
Sinne  der  chirurgischen  Behandlung  für  die  Fälle  aus,  in  denen 
eine  septische  Erkrankung  der  Uterusvenen  vorhanden  ist. 
Abel8)  verhält  sich  der  Radikaloperation  gegenüber  ziemlich 
skeptisch;  er  will  sie  noch  am  ehesten  gelten  lassen,  wenn  den 
Forderungen  Prochownicks  (Blutuntersuchung)  Rechnung 
getragen  ist.  Knapp9)  kann  über  günstige  Erfolge  der  Uterus¬ 
exstirpation  nicht  berichten.  Picqug10)  operierte  6  Tage  post 
partum  wegen  puerperaler  Septikämie.  Der  weiche  und  schwam¬ 
mige  Uterus  enthielt  Eiterherde,  die  mit  einem  Abszess  im  linken 
Ligamentum  laturn  in  Verbindung  standen.  Drainage  per  abdomen 
et  per  vaginam.  Heilung.  Osterloh11)  hat  bei  einem  ziemlich 
grossen  Material  an  Wochenbettsfieber  eine  Uterusexstirpation  nie 
vorgenommen.  Hingegen  hat  Leopold12)  den  Uterus  in  2  Fällen 
exstirpiert,  beide  Male  mit  tödlichem  Ausgange;  er  hält  die  Ent¬ 
fernung  des  Uterus  nur  dann  für  erlaubt,  wenn  die  Sepsis  noch  auf 
den  Uterus  beschränkt  ist.  Auch  G  ö  d  e  k  e  13)  hat  2  mal  mit  un¬ 
glücklichem  Ausgange  operiert.  Terrier 14)  empfiehlt  die  abdomi¬ 
nelle  Totalexstirpation  mit  Drainage  durch  die  Bauchhöhle.  Er 
operierte  einen  Fall  von  septischem  Abort  11  Tage  nach  Beginn  der 
Erkrankung  auf  diese  Weise  und  erzielte  Heilung.  Rochard“) 
berichtet  über  5  Fälle  von  Totalexstirpation  bei  puerperaler  Sepsis 
mit  ungünstigem  Ausgange.  Trotzdem  spricht  er  sich  für  die 
Operation  aus,  die  nur  möglichst  zeitig  und  per  laparotomiam 
vorgenommen  werden  müsse.  Er  selbst  habe  bisher  zu  spät  ope¬ 
riert.  B  u  m  m  10 *)  hat  die  Totalexstirpation  5  mal  vorgenommen, 
hiervon  2  mal  mit  Ei’folg.  Er  erwartet  Nutzen  von  der  Operation 
nur  dann,  wenn  die  Infektion  durch  Verletzungen  anlässlich  der 
Einleitung  des  Abortes  oder  intra  partum  entstanden  ist,  oder  bei 
Fällen  von  tiefgreifender  Gangrän  des  Uterus.  Trotta17)  em¬ 
pfiehlt  auf  Grund  einer  Zusammenstellung  von  46  Fällen  mit 
45,6  Proz.  Mortalität  die  Operation,  wenn  trotz  aller  thera¬ 
peutischen  Mittel  der  Allgemeinzustand  sich  verschlimmert.  Auf 


4)  Döderlein:  Prophylaxe  und  Kausaltherapie  des  Puer¬ 

peralfiebers.  Therap.  Monatsh.,  Dezember  1900. 

6)  T.  Tuffier  und  R.  Bonamy:  Ueber  Hysterektomie  bei 

puerperaler  Infektion.  Revue  de  gyn.  et  de  chir.  abdom.,  No.  4, 

1899. 

6)  Mariani:  Schwere  puerperale  Infektion  des  Uterus,  ge¬ 
folgt  von  akuter  Peritonitis.  Vaginale  Hysterektomie.  Heilung. 
Arch.  di  ost.  e  gin.  No.  1  u.  2  1900. 

7)  Mach  arg:  Eine  Analyse  über  57  Puerperalfieberfälle. 
Brit.  med.  journ.  17.  II.  1900. 

8)  Abel:  Die  Behandlung  der  vom  Uterus  ausgehenden  sep¬ 
tischen  Infektion.  Berl.  klin.  Wochenschr.,  No.  48,  1900. 

9)  Knapp:  Ueber  puerperale  Infektionskrankheiten  und  ihre 
Behandlung.  Prager  med.  Wochenschr.  No.  2 — 27  1900. 

10)  P  i  c  q  u  6:  Ein  Fall  von  supravaginaler  abdomineller 
Hysterektomie  wegen  puerperaler  Infektion.  Gaz.  hebdom.  de  med. 
et  de  chir.,  No.  13,  1901. 

u)  Osterloh:  Ueber  Puerperalfieber.  Vortrag,  gehalten  in 
der  gynäkologischen  Gesellschaft  zu  Dresden  am  15.  XI.  1900. 

12)  Leopold:  Ibidem  in  der  Diskussion. 

13)  G  ö  d  e  k  e:  Ibidem  in  der  Diskussion. 

14)  Terrier:  Hysterectomia  totalis  per  laparotomiam  wegen 

puerperaler  Septikämie.  Bulletin  et  mein,  de  la  soc.  de  chir.  de 
Paris.  Seance  du  6.  III.  1901. 

15)  Rochard:  Ibidem.  Seance  du  27.  II.  1901. 

19)  Bumm:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  des  Kindbett¬ 

fiebers.  Gräfes  Samml.  zwangloser  Abhandl.  1901,  Bd.  IV,  H.  4. 

1T)  Trott  a:  L’isterectomia  nelle  inferiori  sub  partu  ed  in 
puerperio.  Arch.  di  ost.  e  ginecol.  VIII,  10 — 12,  1901. 


dem  letzten  Gynäkologenkongress  kommen  Leopold18)  und 
Fehling19)  in  ihren  Referaten  zu  den  Schlüssen,  dass  die 
Hysterektomie  bei  schwerer  puerperaler  Infektion  dann  angezeigt 
sei,  wenn  der  Uterus  allein  Sitz  und  fortwirkende  Quelle  der  In¬ 
fektion  sei  und  alle  anderen  Massnahmen  versagt  hätten.  Hat  die 
Infektion  den  Uterus  überschritten,  so  empfiehlt  Leopold  früh¬ 
zeitige  chirurgische  Behandlung  der  Eiterherde  (Adnexerkrankung, 
septische  Thrombose  etc.),  während  Fehling  besonders  einzelne 
Fälle  von  Metrophlebitis  puerperalis  für  geeignet  zur  Hysterekto¬ 
mie,  kombiniert  mit  Unterbindung  oder  Exstirpation  der  thrombo- 
sierten  Venen  erachtet.  In  der  Diskussion  wurde  die  Berechtigung 
zur  Operation  zwar  von  den  meisten  Rednern  anerkannt,  mit  Rück¬ 
sicht  auf  die  schwierige  Indikationsstellung  aber  nur  in  ganz  be¬ 
sonders  geeigneten  Fällen  Vornahme  des  Eingriffs  empfohlen. 

Zählen  wir  nun  die  obigen  50  Fälle  zusammen,  so  erhalten 
wir  bei  25  Heilungen  und  25  Todesfällen  ein  fast  gleiches  Re¬ 
sultat  wie  Zipperlen  und  Trotta,  nämlich  50  Proz.  Heilung. 
Es  ist  ja  zuzugeben,  dass  dieser  Erfolg  noch  nicht  befriedigend 
ist;  aber  immerhin  scheint  mir  hieraus  die  Berechtigung  zur  Ope¬ 
ration  zu  erhellen.  Dass  die  Auswahl  der  zu  Operierenden  gut 
getroffen  war,  wird  man  kaum  bezweifeln  dürfen;  freilich 
könnte  eine  oder  die  andere  Patientin  auch  ohne 
Operation  gesund  geworden  sein;  dass  aber  eine  Reihe 
von  Frauen  der  Operation  ihr  Leben  verdankt,  ist  doch 
mehr  als  wahrscheinlich.  Andrerseits  geht  aus  den  Kranken¬ 
geschichten  hervor,  dass  der  ungünstige  Ausgang  kaum  jemals 
in  Kausalzusammenhang  mit  der  Operation  zu  bringen  war,  dass 
vielmehr,  die  durch  Uterusexstirpation  nicht  mehr  zu  retten 
waren,  auch  sonst  verloren  gewesen  wären.  Ungünstiger  Ausgang 
wird  besonders  von  den  Fällen  berichtet,  die  schon  in  zu  schlech¬ 
tem  Allgemeinzustande  waren,  um  sich  nach  dem  Eingriff  von  der 
überstandenen  Infektion  erholen  zu  können.  Dass  zu  spätes 
Operieren  nutzlos  ist,  wird  ja  allgemein  zugegeben  und  entspricht 
auch  durchaus  den  theoretischen  Erwägungen  über  den  Sinn 
der  Operation.  Ziemlich  klar  liegen  die  Verhältnisse,  wenn  man 
die  Infektion  als  auf  die  tieferen  Schichten  des  Uterus  bezw. 
dessen  nächste  Umgebung  beschränkt  annimmt.  Hier  wird  die 
Exstirpation  des  erkrankten  Organes  ebenso  aufzufassen  sein 
wie  die  hin  und  wieder  unvermeidbare  Abtragung  einer  arg  in¬ 
fizierten,  nicht  zu  erhaltenden  Extremität,  ein  Vorgehen,  vor 
dem  unter  Umständen  kein  Chirurg  zurückschrecken  dürfte; 
dabei  liegen  die  Verhältnisse  der  offenen  Wundbehandlung  nach 
Inzisionen  doch  hier  recht  günstig  im  Vergleich  zu  dem  schwer 
zugänglichen  Gebiete  des  Gynäkologen.  Anders  ist  der  Gedanken¬ 
gang,  wenn  die  Infektion  den  Uterus  überschritten  und  zu  einer 
allgemeinen  Durchseuchung  des  Gefässystems  geführt  hat.  Hier 
soll  durch  die  Entfernung  der  Infektionsquelle  (des  septischen 
Uterus)  aus  dem  Körper  der  dauernde  Nachschub  von  Bakterien 
oder  Toxinen  ins  Blut  beendet  und  der  Organismus  so  eher  in 
die  Lage  gesetzt  werden,  mit  den  im  Blute  kreisenden  Giftstoffen 
fertig  zu  werden,  da  er  nicht  immer  neue  Angriffe  zu  gewärtigen 
hat.  Ist  der  Körper  aber  zu  schwach  oder  schon  zu  schwach,  um 
die  bereits  im  Blute  vorhandenen  Giftstoffe  besiegen  zu  können, 
d.  h.  wird  die  Operation  bei  allzu  schlechtem  Allgemeinbefinden 
vorgenommen,  dann  ist  sie  ganz  zwecklos.  Diese  Bestimmung 
des  richtigen  Zeitpunktes  für  die  Operation  bietet  naturgemäss 
grosse  Schwierigkeiten  und  wird  wohl  noch  lange  zur  Unent¬ 
schlossenheit  beim  einzelnen  und  zu  Kontroversen  bei  der  All¬ 
gemeinheit  führen,  da  sie  von  dem  subjektiven  Ermessen  des 
Arztes  abhängt.  Auch  die  Blutuntersuchung  nach  Prochownick 
dürfte  nicht  stets  ausschlaggebend  sein;  empfiehlt  doch  z.  B. 
Leopold  die  Uterusexstirpation  für  solche  Fälle,  bei  denen 
die  Infektion  auf  den  Uterus  beschränkt  ist,  also  das  Blut  noch 
keine  Bakterien  enthält,  während  Prochownick  erst  dann 
zur  Operation  rät,  wenn  sich  aus  dem  Blute  Bakterien  züchten 
lassen,  die  Infektion  also  den  Uterus  überschritten  hat. 

Auf  der  Frauenabteilung  des  Allerheiligenhospitales  kommen 
recht  viel  erkrankte  Wöchnerinnen  in  Behandlung,  da  es  das 
einzige  Institut  in  Breslau  ist,  welches  derartige  infektiöse  Fälle 
auf  nimmt.  Die  günstigen  Verhältnisse  eines  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  ermöglichen  —  insbesondere  im  Gegensatz  zu  einer  Gebär¬ 
anstalt  —  eine  völlige  Isolierung  dieser  Kranken  von  den  übrigen 

18)  Leopold:  Die  Hysterektomie  bei  der  Puerperalinfektion. 
Referat,  erstattet  für  den  internationalen  Kongress  Rom  1902. 
Monatsscfir.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  XVI,  Ergänzungsheft  Okt.  1902. 

19)  Fehling:  Die  Hysterektomie  in  der  Behandlung  der  puer¬ 
peralen  Infektion.  Referat  für  die  4.  Session  des  internationalen 
Kongresses  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  zu  Rom,  Sept.  1902. 
Ibidem. 


23.  Dezember  1902. 


2141 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Patientinnen.  Während  wir  für  die  entzündlichen  und  eitrigen 
Fälle  eine  besondere  septische  gynäkologische  Abteilung  besitzen, 
werden  die  eigentlich  septischen  Fälle  zwischen  die  Kranken 
einer  inneren  Abteilung  verlegt,  ohne  dass  uns  hierdurch  die 
weitere  Behandlung  bezw.  Beobachtung  entzogen  ist.  Unsere  Be¬ 
handlungsmethode,  auf  die  hier  nicht  näher  eingegangen  werden 
soll,  ist  meist  symptomatisch;  wir  haben  lokale  Therapie 
(Scheiden-  und  Gebärmutterspülungen,  Kürettage,  Inzision  von 
Exsudaten  etc.)  nur  dann  angewandt,  wenn  besondere  Verhält¬ 
nisse  (Nachgeburtsreste  etc.)  dies  erheischten.  Neben  der  Dar¬ 
reichung  ziemlich  hoher  Alkoholdosen  wurde  der  Allgemein¬ 
behandlung  behufs  Erhöhung  der  Widerstandsfähigkeit  des 
Körpers  stets  grösste  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Von  der  Ver¬ 
abfolgung  von  Antipyretieis  (angewandt  wurde  besonders  Chinin 
per  os  und  subkutan)  haben  wir  keinen  Nutzen  gesehen.  Ueber 
den  Wert  der  intravenösen  Collargolinjektionen  (lproz.  Argentum 
colloidale  Crede),  die  wir  bisher  in  6  Fällen  angewandt  haben, 
ist  unser  Urteil  noch  nicht  spruchreif;  bisher  haben  wir  noch 
nicht  viel  Erfolge  damit  erzielt. 

In  den  letzten  4  Jahren  (1.  X.  1898  bis  1.  X.  1902)  wurden 
uns  113  Fälle  von  Wochenbettfieber  zugeführt,  wobei  leichte, 
kurzdauernde  Temperaturanstiege  natürlich  nicht  mitgezählt 
sind.  Unter  diesen  113  Patientinnen  befanden  sich  26,  deren 
Fieber  sich  entweder  als  durch  innere  Erkrankung  bedingt 
herausstellte  (mit  3  Todesfällen)  oder  zwar  von  den  Genitalien 
ausging,  aber  nach  kurzer  symptomatischer  Behandlung  abfiel. 
Eine  zweite  Gruppe  stellen  23  Kranke  dar,  deren  Fieber  durch 
frische,  unmittelbar  post  partum  entstandene  peri-  oder  para- 
metritische  Abszesse,  Pyosalpinxsäcke  u.  dgl.  hervorgerufen  war 
und  nach  —  meist  konservativ-operativer  — -  Behandlung  zur 
Norm  sank  (kein  Todesfall).  Die  dritte  Gruppe  von  26  Patien¬ 
tinnen  wurde  mit  verjauchten  Nachgeburtsresten  eingebracht, 
deren  Ausräumung  in  25  Fällen  zur  Heilung  führte  (1  Todesfall). 
Nach  Abzug  dieser  75  Fälle  verbleiben  38  im  schlimmsten  Zu¬ 
stande  befindliche  Frauen,  die,  oft  schon  ausserhalb  ärztlich  be¬ 
handelt,  dem  Krankenhause  erst  zugeführt  wurden,  als  der  völlig 
hoffnungslose  Zustand  ihr  Verbleiben  in  der  eigenen  Wohnung 
unmöglich  und  dauernde  Pflege  unerlässlich  machte.  Von  diesen 
schweren  Wochenbettfieberfällen  sind  21  gestorben,  i.  e.  55,3  Proz. 
Bei  dieser  immerhin  hohen  Mortalitätsfrequenz  erscheint  es  wohl 
von  vornherein  gerechtfertigt,  dass  auch  wir  uns  veranlasst  ge¬ 
sehen  haben,  in  uns  geeignet  erscheinenden  Fällen  die  Exstir¬ 
pation  des  erkrankten  Organes  vorzunehmen,  um  auch  den 
äussersten  Rettungsversuch  nicht  zu  unterlassen.  Wir  haben 
auf  diese  Weise  vom  Mai  1901  bis  August  1902  7  Frauen  ope¬ 
riert,  von  denen  5  völlig  gesund  geworden  und  zurzeit  absolut 
beschwerdefrei  sind.  Die  einzelnen  Krankengeschichten  sind 
folgende : 

I.  Die  24  jährige  Buchhaltersfrau  Anna  II.  wurde  am  21.  V. 
1901  auf  genommen.  Familienanamnese  belanglos.  Pat.  war  früher 
stets  gesund,  wurde  mit  10  Jahren  menstruiert,  blutete  in  regel¬ 
mässigen  Intervallen  4  Tage  mässig  stark.  Am  5.  I.  00  erste 
spontane  Entbindung  mit  fieberfreiem  Wochenbett.  Am  2.  V.  01 
zweite  spontane  Entbindung,  bei  welcher  Pat.  innerlich  nicht  unter¬ 
sucht  wurde.  Die  Nachgeburt  soll  nach  20  Minuten  von  der  Heb¬ 
amme  ausgedrückt  worden  sein;  Blutung  bestand  in  der  Nach¬ 
geburtsperiode  und  auch  später  nicht.  In  der  Nacht  vom  7.  zum 
8.  V.  plötzliches  Auftreten  von  Fieber;  der  am  8.  geholte  Arzt 
fand  den  auf  Druck  schmerzhaften  Uterus  fingerbreit  über  Nabel¬ 
höhe;  aus  der  Scheide  entleerte  sich  stark  übelriechender  Ausfluss; 
Temp.  41  Es  wurde,  da  sich  das  Befinden  unter  Behandlung 
mit  Eisblase,  Opium  und  Secale  nicht  besserte,  am  11.  und  14.  je 
töne  intrauterine  Lysolspülung  vorgenommen;  doch  traten  stets  er¬ 
neute  Temperaturanstiege  auf,  bald  auch  heftige  Unterleibs¬ 
schmerzen.  Am  20.  V.  konstatierte  der  behandelnde  Arzt  ein 
taubeneigrosses,  linksseitiges  parametranes  Exsudat  und  rechts 
eine  parametrane  Schwarte,  die  zum  Typhlon  zieht. 

Status  am  21.  V.  02:  Mittelgrosse,  ziemlich  kräftig  gebaute 
Frau  in  leidlichem  Ernährungszustände,  von  blasser  Gesichtsfarbe, 
mit  eingefallenen  Wangen,  matt  und  schwach,  einen  schwer- 
kranken  Eindruck  erweckend.  Temp.  38 ",  Puls  112,  klein,  regel¬ 
mässig.  Brustorgane  o.  B.  Das  Abdomen  ist  beiderseits  oberhalb 
des  Lig.  Poupartii  druckempfindlich;  man  fühlt  hier,  besonders 
rechts,  eine  anscheinend  aus  dem  Becken  emporsteigende  Re¬ 
sistenz,  die  rechts  bis  nahe  an  die  Typhlongegend,  links  weniger 
hoch  hinaufreicht.  Die  vaginale  Untersuchung  ergibt  den  Uterus 
Avenig  vergrüssert,  etwas  nach  rechts  verlagert,  anteflektiert; 
Sondenlänge  7  cm.  Links  liegt  ein  etwa  hühnereigrosser,  vom 
Uterus  abgrenzbarer  Tumor,  ihm  aber  breitbasig  aufsitzend;  der 
harte  Tumor  entspricht  mit  Wahrscheinlichkeit  einem  hochsitzen¬ 
den  parametranen  Exsudate;  rechts  scheinen  nur  parametrane 
Schwarten  vorzuliegen;  Aron  den  Adnexen  ist  nichts  zu  fühlen. 
Eine  Punktion  des  linksseitigen  Tumors  gelingt  trotz  wiederholter 


Versuche  nicht.  Der  schwach  saure  Urin  enthält  y4  Prom. 
Albumen,  ist  frei  von  Zucker;  im  Sediment  sind  zahlreiche  Eiter¬ 
körperchen  und  Epithelien,  aber  keine  Zylinder  vorhanden.  Im 
Uterinsekret  sind  keine  Strepto-,  Staphylo-  oder  Gonokokken  nacli- 
Aveisbar,  nur  Fäulnisbakterien  und  Bacterium  coli.  Da  Pat. 
durch  das  Fieber  sehr  heruntergekommen  ist,  heftige  Beschwerden 
hat  und  immer  schwächer  und  elender  wird,  soll  der  Tumor  in 
Narkose  nochmals  zu  punktieren  versucht  event.  Radikaloperation 
angeschlossen  werden.  23.  V.  11  Uhr  Vorm.:  Operation  in  Aether- 
narkose  (Operateur:  Primärarzt  Dr.  A  s  c  h),  Dauer  3  Stunden. 
Die  Untersuchung  in  Narkose  ergibt  unveränderten  Befund,  die 
Punktion  des  Tumors  gelingt  wiederum  nicht.  Kürettage  des 
Uterus  ergibt  kleine  GeAvebsfetzen,  Avohl  Deziduareste.  Nach 
Aetzung  des  Uterskavums  mit  Jodtinktur  und  Jodoformgaze- 
tamponade  A'on  Uterus  und  Vagina  Avird  Pat.  in  Geradlage  ver¬ 
bracht  und  versucht,  dem  Tumor  von  oben  beizukommen.  An 
der  Stelle  der  deutlichsten  Vorwölbung  Avird  2  cm  oberhalb  des 
Lig.  Poupartii  parallel  zu  demselben  ein  ca.  5  cm  langer  Ein¬ 
schnitt  gemacht  und  stumpf  in  die  Tiefe  gegangen,  bis  man  auf 
dem  Tumor  zu  sein  glaubt.  Punktion  und  Inzision  bleiben  er¬ 
folglos;  es  wird  Jodoformgaze  in  die  Höhle  gelegt  und  eine  pro¬ 
visorische  Naht  angelegt.  Nunmehr  wird  ein  7  cm  langer  Laparo¬ 
tomieschnitt  in  der  Linea  alba  gesetzt,  die  Rektusscheide  und  das 
Peritoneum  durchtrennt  und  nach  Einlegen  einer  Bauchserviette 
folgendes  Bild  durch  Bauchspekula  freigelegt.  In  der  Wunde  prä¬ 
sentiert  sich  das  mit  zahlreichen  schwartigen  Auflagerungen  ver¬ 
sehene,  mit  Netz,  Därmen  und  Blase  innig  verwachsene,  ziemlich 
Aveiche,  au  sich  kaum  vergrösserte  Corpus  uteri,  Avelches  durch  die 
infiltrierten  Parametrien  vollends  unbeAveglicli  gemacht  und  durch 
die  sonstigen  Adhäsionen  nach  oben  A'erzogen  ist.  Nach  vor¬ 
sichtigem,  stumpfen  Durchtrennen  der  Netz-,  Darm-  und  Blasen¬ 
adhäsionen  zeigt  sich,  dass  die  Hinterwand  der  Blase  derb  in¬ 
filtriert,  die  Wand  aber  intakt  ist.  Beim  weiteren  Auslösen  des 
Uterus  platzen  mehrere  kleine  peri  -und  parametritische  Abszesse, 
deren  Eiterinhalt  sorgfältig  aufgetupft  wird,  Avobei  Netz  und 
Därme  durch  Bauchservietten  geschützt  werden.  Nach  Lösung  der 
linken  Adnexe  aus  den  sie  an  den  Beckenrand  heranziehenden 
Schwarten  und  stumpfem  Durchtrennen  einiger  Darmadhäsionen 
gelingt  es,  den  Spermatikalstiel  durch  Dechamps  (Seide)  abzu¬ 
binden  und  mittels  Paquelins  abzutragen.  Beim  weiteren  Aus¬ 
schälen  der  Adnexe  reissen  diese  stückweise  vom  Uterus  ab,  ohne 
dass  es  zu  einer  Blutung  kommt.  Bei  der  in  ähnlicher  Weise  er¬ 
folgenden  Entfernung  der  rechten  Adnexe  platzt  Aviederum  eiu 
perimetritischer  Abszess,  dessen  Eiter  sofort  aufgetupft  wird. 
Die  Lig.  rotunda  Averden  nun  unterbunden  und  mittels  Paquelins 
nahe  am  Uterus  abgebrannt.  Nachdem  die  hintere  Uteruswand 
von  zahlreichen  Verwachsungen  mit  dem  Rektum  bezw.  Douglas¬ 
peritoneum  befreit  und  der  Uterus  so  einigermassen  mobilisiert 
ist,  Avird  seine  völlige  Entfernung  per  vaginam  beschlossen,  da 
an  die  Parametrien  von  oben  nicht  heranzukommen  ist.  Zum 
Schutz  der  Därme  wird  eine  grosse  Serviette  an  die  Hinterwand 
des  Uterus  angenäht  und  nun  das  Peritoneum  durch  fortlaufende 
lvatgutnaht  geschlossen.  Die  Pat.,  welche  während  der  Laparo¬ 
tomie  in  Beckenhochlagerung  verbracht  war,  wird  gerade  gelegt, 
die  Faszie  durch  10  Silkwormnähte  und  die  Hautwunde  durch 
fortlaufende  Perkutannaht  mit  Zwirn  geschlossen.  Die  erst¬ 
angelegte  Inzision  wird  durch  Katgut  vernäht  und  zum  untersten 
Wundwinkel  herausdrainiert.  Nach  Anlegen  des  Verbandes  Um¬ 
lagerung  in  Steissrückenlage.  Einstelleu  und  Anhaken  der  Portio 
mit  Muzeux,  welche  beim  Versuche,  den  Uterus  herabzuziehen, 
ausreissen,  da  das  Gewebe  sehr  morsch  ist.  Nach  wiederholten, 
vergeblichen  Versuchen  gelingt  es,  die  Plica  vesicouterina,  grössten¬ 
teils  stumpf  vordringend,  zu  eröffnen  und  den  Uterus  mit  dem 
Finger  — -  Kletterhaken  reissen  sofort  aus  —  hervorzustülpen. 
Nach  Abbinden  und  Abtragen  beider  Parametrien  Avird  der  Uterus 
samt  angenähtem  Bauchtupfer  entfernt,  vorderer  und  hinterer 
8  c  li  ei  den  av  u  n  d  r  an  d  mit  Peritoneum  überkleidet  und  eine  .Todo 
formgazedrainage  der  Bauchhöhle  zur  Vagina  hinaus  beAverk- 
stelligt.  Katheterismus  ergibt  intakte  Blase. 

Als  Pat.  nach  der  technisch  äusserst  schwierigen,  daher  recht 
langdauernden  Operation  zu  Bett  gebracht  wird,  ist  der  Puls  trotz 
des  sehr  geringen  Blutverlustes  flatternd  und  nicht  zählbar.  Auf 
2  Spritzen  Ivampher  hin  bessert  er  sich  etwas;  Frequenz  150.  Von 
2 — y.A  Uhr  Nachm,  erhält  Pat.  viertelstündlich  1  Spritze  Kampher, 
beim  ErAvachen  um  3  Uhr  Eisstückchen  zu  schlucken.  Auf  ein- 
geflössten  Kaffee  sofortiges  Erbrechen.  In  den  nächsten  Stunden 
erhält  Pat.  halbstündlich,  dann  stündlich  Kampher,  Abends 
0,005  Morphium  subkutan.  In  der  Nacht  Aviederholtes  Erbrechen, 
2  stündl.  Kampher;  Puls  deutlich  fühlbar,  sehr  frequent.  Die  Tem¬ 
peraturen  am  nächsten  Tage  betragen  38,2° — 37,6" — 38,8° — 39,07 
der  schwache  Puls  weist  148  Schläge  in  der  Minute  auf.  Pat.  er¬ 
hält  Wein,  Milch,  Kaffee,  Thee,  Zitronenlimonade  in  kleinen 
Mengen  eiskalt.  Sie  kann  spontan  leicht  Urin  lassen,  hat  keine 
Schmerzen  im  Leib;  Nachm.  Abgang  von  Flatus.  Unter  geringen 
zeitAveiligen  Temperatursteigerungen  (bis  38,2  °),  welche  wohl  durch 
eine  oberflächliche  Bauchdeckeneiterung  bedingt  Avaren,  machte 
Pat.  eine  günstige  Rekonvaleszenz  durch  und  erholte  sich  bald 
zusehends.  Im  Ausstrichpräparat  von  dem  aus  den  Bauchdeckeu 
sich  entleerenden  Eiter  konnte  Aviederholt  Bacterium  coli  (ebenso 
wie  im  Uterinsekret  und  den  kleinen  perimetritisclien  Abszessen) 
nachgewiesen  Averden.  Vom  13.  Tage  post  operationem  an  blieb 
die  Temperatur  normal.  Am  20.  VII.  02  konnte  Pat.  bei  vor¬ 
züglichem  Allgemeinbefinden  als  geheilt  nach  Hause  entlassen 
werden.  Der  Entlassungsbefund  ergab  eine  feste  Lapai'otomie- 
narbe  und  eine  glatte,  reaktionslose  Scheidennarbe;  Schmei'zen 
Avaren  nirgends  vorhanden.  In  den  letzten  4  Wochen  des  Hospital- 

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2142 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


aufenthaltes  hatte  Pat.  9  Pfund  zugenommen,  nach  weiteren 
4  Monaten  ausserdem  fast  20  Pfund.  Wiederholte  Vorstellung 
der  Pat.  ergab  stets  völliges  Wohlbefinden;  eine  Hernie  ist  nicht 
auf  getreten;  Ausfallserscheinungen  fehlen  völlig.  Der  arg  zer¬ 
fetzte  Uterus  war  von  Abszessen  durchsetzt;  die  peri-  und  para- 
metritischen  Abszesse,  denen  sonst  nicht  beizukommen  war.  Hessen 
in  radikalem  Vorgehen  hier  die  einzige  Möglichkeit  der  Heilung 
übrig,  nachdem  abwartendes  Verhalten  vorher  nach  Aussage  des 
behandelnden  Arztes  die  Pat.  von  einer  blühenden  Person  in  ein 
hinsiechendes,  todkrankes  Weib  verwandelt  hatte. 

II.  Die  34  jähr.  Uhrmachersfrau  Martha  M.  wurde  am  19.  VII. 
1901  eingeliefert. 

Familienanamnese  belanglos;  Pat.  selbst  war  früher  stets 
gesund.  Die  regelmässig  auftretende  Periode  hielt  stets  3  Tage 
an  und  war  mit  leichten  Kopfschmerzen  verknüpft.  10  spontane 
Partus  in  den  Jahren  1887 — 1900  mit  fieberfreien  Wochenbetten: 
7  Kinder  leben.  Letzte  Periode  am  23.  III.  01  in  gewohnter  Stärke. 
In  der  Nacht  vom  G.  zum  7.  VII.  trat  ohne  äussere  Veranlassung, 
nachdem  vorher  wehenartige  Unterleibsschmerzen  bestanden 
hatten,  eine  starke  Blutung  auf;  ein  zugezogener  Arzt  räumte  die 
Gebärmutter  aus.  2  Tage  darauf  trat  hohes  Fieber  auf;  es  wurden 
zurückgebliebene  Nachgeburtsreste  entfernt;  die  abendlichen 
Temperatursteigerungen  auf  40 0  blieben  auch  nach  einer  am 
17.  VII.  vorgenommenen  Uterusausspülung  bestehen.  Bei  völliger 
Appetit-  und  Schlaflosigkeit  fühlt  sich  Pat.  sehr  elend;  Stuhlgang 
infolge  Opiums  angehalten,  Wasserlassen  ohne  Beschwerden. 

Status  am  19.  VII.  01;  Mittelgrosse,  ziemlich  kräftig  gebaute 
Person  in  massigem  Ernährungszustände,  mit  hektischen  Wangen 
und  blassen  Schleimhäuten,  einen  schweren  Krankheitseindruck 
hervorrufend.  Brustorgane  o.  B.  Abdomen  auf  Druck  nicht 
schmerzhaft.  Urin  sauer,  ohne  Eiweiss,  ohne  Zucker.  Blutung 
oder  Ausfluss  besteht  nicht;  kein  frischer  Dammriss,  Temperatur 
40  °,  Puls  128,  regelmässig.  Auf  Oeleinguss  hat  Pat.  viel  Stuhl¬ 
gang.  Es  wurde  nun  völlig  exspektatives  Vorgehen  beschlossen; 
Pat.  erhielt  flüssige  Kost,  viel  Milch,  täglich  1  Flasche  Ungarwein, 
3  mal  täglich  1  Theelüffel  Puro  in  Brühe;  eine  Eisblase  wurde  aufs 
Abdomen  gelegt  und  3  mal  täglich  eine  Opiumtablette  (zu  10  Tr. 
Tinct.  op.  simpl.)  verabfolgt.  Nach  3  Tagen  hat  sich  das  All¬ 
gemeinbefinden  sichtlich  verschlechtert;  Pat.  ist  nur  mit  Mühe 
dazu  zu  bringen,  etwas  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen;  die  Morgen- 
und  Abendtemperaturen  schwanken  zwischen  36,9  und  40,1  °,  der 
1‘uls  ist  zwar  leidlich  kräftig,  aber  frequent,  meist  um  120.  Die 
nunmehr  vorgenommene  innere  Untersuchung  ergibt  den  Uterus 
ziemlich  gut  zurückgebildet,  aber  noch  recht  weich,  auf  Druck 
wenig  schmerzhaft,  anteflektiertvertiert  liegend,  schlecht  beweg¬ 
lich;  grössere  Einrisse  bestehen  nicht.  Die  Adnexe  scheinen  nor¬ 
mal  zu  sein;  desgleichen  sind  keine  Veränderungen  im  linken  Para- 
metrium  nachweisbar.  Hingegen  fühlt  man  im  rechten  Para¬ 
metrium  kleinfingerdicke,  äusserst  druckempfindliche  Stränge  bis 
zum  Beckenrande  verlaufen,  die  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit 
als  geschwellte  Lymphbahnen  angesprochen  werden,  durch  welche 
die  Infektion  des  Uterus  sich  dem  Gesamtorganismus  mitteilt. 

Im  Uterinsekrete  gelingt  es  leicht,  Streptokokken  nach¬ 
zuweisen.  Wenn  es  nun  auch  wahrscheinlich  ist,  dass  die  Infektion 
nicht  mehr  auf  Uterus  und  r.  Parametrium  beschränkt  ist,  so  be- 
.  steht  doch  die  Hoffnung,  bei  Entfernung  der  Infektionsquelle  aus 
dem  Körper  diesen  leichter  in  den  Stand  zu  setzen,  der  Erkrankung 
Herr  zu  werden.  Es  wurde  daher  am  23.  VII.  in  Chloroform¬ 
narkose  von  Herrn  Primärarzt  Dr.  Asch  die  vaginale  Totalexstir- 
pation  des  Uterus  ausgeführt.  Nach  Unterbindung  des  unteren 
Teiles  des  linken  Lig.  cardinale  und  Abtragen  desselben  mit  dem 
Paquelin  wird  die  Pliea  vesico-uterina  nach  Emporschieben  der 
Blase  eröffnet  und  das  Peritoneum  aiu  Scheideijwundrand  fixiert. 
Nach  Hervorstülpen  des  Uterus,  was  wegen  dessen  Morschheit 
nicht  leicht  ist,  wird  das  linke  Lig.  rotundum  und  der  uterine  An¬ 
satz  der  Tube  abgebunden  und  mittels  Paquelins  abgetragen,  im 
Anschluss  daran  der  obere  Teil  des  linken  Lig.  cardinale  in  gleicher 
Weise  versorgt.  Nun  werden  die  rechten  Adnexe  und  das  rechte 
Lig.  rot.  hart  am  Uterus  abgebunden  und  mittels  Paquellins  ab¬ 
gebrannt,  worauf  das  rechte  Parametrium  hart  am  Beckenrande 
nach  Unterbindungen  reseziert  wird,  so  dass  es  mit  dem  Uterus  in 
Zusammenhang  bleibt.  Aus  den  getasteten  Strängen  floss  während 
der  Operation  massenhaft  Lymphe  ab.  Nach  völliger  Entfernung 
des  Uterus,  Ueberkleiden  der  hinteren  Scheidenwand  mit  Peri¬ 
toneum,  wird  .Jodoformgaze  in  die  Bauchhöhle  gelegt  zwecks  Drai¬ 
nage  zur  Scheide  heraus.  Katheterismus.  ‘  Patientin  überstellt  den 
einstündigen  Eingriff  sehr  gut,  klagt  nur  über  häufiges  Erbrechen, 
weswegen  nach  2  Tagen  eine  Magenausspülung  vorgenommen 
wird,  auf  welche  das  Erbrechen  sofort  aufhört.  Bei  ständig  gutem 
Pulse  blieb  die  Abendtemperatur  dauernd  erhöht;  bei  Morgen¬ 
remissionen  bis  auf  36,5°  traten  Abends  Anstiege  bis  über  39° 
nicht  selten  auf.  Trotzdem  war  ein  unverkennbarer  Wechsel  zum 
Besseren  im  Befinden  der  Patientin  auf  getreten;  sie  nahm  Nahrung 
zu  sich,  schlief  leidlich  und  fühlte  sich  weniger  matt. 

Am  1.  VIII.  wurde  die  Gaze  gekürzt,  am  2.  entfernt;  am  3. 
Gat.  plötzlich  Herzschwäche  ein  mit  zeitweiliger  Unregelmässigkeit 
des  Pulses;  Patientin  erhielt  Tinct.  Strophantin  -f  Digitalisinfus,  so¬ 
wie  Champagner.  In  den  nächsten  Tagen  besserte  sich  der  Zu¬ 
stand.  doch  hielt  das  septische  Fieber  an.  Einstellung  der  Scheiden- 
wumle  ergab  am  8.  VIII.  Abends,  dass  ein  kleines'  Stück  Netz  in 
die  Scheide  prolabiert  war;  am  9.  Früh  wurde  dasselbe  mit  leichter 
Muhe  angezogen,  mittels  Paquelins  reseziert  und  ein  spritzendes 
Gefäss  umstochen;  Jodoformgazetamponade  der  Scheide.  Am 
12.  III.  wurden  die  Temperaturschwankungen  wieder  erheblicher; 


Chiningaben  blieben  völlig  wirkungslos;  der  gute  Puls  liess  aber 
Befürchtungen  ernsterer  Art  nicht  aufkommen.  Am  17.  und  18. 
wurde  Antipyrin  (3  mal  0,5)  verabfolgt.  Vom  19.  an  war  Patientin 
fieberfrei.  Vaginale  Untersuchung  ergab  eine  glatte,  schmerzfreie 
Narbe.  Das  Befinden  besserte  sich  nun  zusehends;  am  25.  VIII. 
stand  Pat.  auf  und  konnte  am  4.  IX.  bei  völligem  subjektiven 
und  objektiven  Wohlbefinden  als  geheilt  entlassen  werden.  Wenn 
nun  auch  das  noch  längere  Zeit  nach  der  Operation  andauernde 
Fieber  zu  Meinungsverschiedenheiten  über  den  Einfluss  der  Ope¬ 
ration  Anlass  geben  kann,,  so  glauben  wir  doch  an  den  wohltätigen 
Erfolg  derselben.  Einerseits  trat  vom  Tage  nach  der  Operation 
an  eine  sinnfällige  Besserung  im  Allgemeinbefinden  der  Pat.  ein 
und  andrerseits  ist  zu  erwägen,  dass  mit  Ausschaltung  der  In¬ 
fektionsquelle  natürlich  der  Körper  noch  nicht  entgiftet  war.  son¬ 
dern  nur  mit  leichterer  Mühe  und  mit  grösserer  Aussicht  auf  Er¬ 
folg  den  Kampf  gegen  die  seine  Existenz  bedrohenden  Giftstoffe 
aufnehmen  konnte.  (Schluss  folgt.) 


Aus  der  k.  medizinischen  Poliklinik  in  München 
(Vorstand  :  Prof.  Er.  V  o  i  t). 

Ein  Fall  von  zerebraler  Kinderlähmung. 

Ein  Beitrag-  zur  Lehre  von  den  Hautreflexen. 

Von  Dr.  Rudolf  Goldmann,  Volontärassistent. 

Michael  G.,  12  Jahre  alt,  erkrankte  im  Anschluss  an  eine 
Gehirnerschütterung  vor  11  Jahren  plötzlich  unter  Fieber  und  all¬ 
gemeinen  Konvulsionen;  am  folgenden  Tage  bemerkte  die  Mutter, 
dass  er  auf  der  linken  Seite  gelähmt  sei.  Der  Knabe  litt  in  der 
Folgezeit  wiederholt  an  Krämpfen  im  linken  Arm.  wobei  die 
Finger  zur  Faust  geschlossen  waren,  die  nur  mit  Mühe  geöffnet 
werden  konnte.  Bisweilen  traten  auch  Zuckungen  im  linken  Bein 
und  in  der  linken  Gesichtshälfte  auf,  namentlich  des  Nachts.  In 
der  Nacht  vor  der  ersten  Konsultation  sei  er  im  Schlaf  mit  einem 
Schrei  in  die  erwähnten  Zuckungen  verfallen:  am  nächsten  Morgen 
klagte  er  über  Schmerzen  auf  der  rechten  Seite  des  Halses.  Ich 
konstatierte  einen  akuten  Muskelrheumatismus  im  Gebiete  des 
Kukullaris  und  Sternokleidomastoideus,  ferner  einen  linksseitigen 
Spitzenkatarrh.  Einige  Tage  später  wiederholte  sich  dieser  An¬ 
fall  —  die  Halsschmerzen  waren  bereits  verschwunden  — ,  am 
nächsten  Tag  klagte  er  über  Stechen  auf  der  linken  Brustseite, 
geringen  Auswurf,  Frösteln,  Appetitlosigkeit.  Ich  bezog  diese 
Beschwerden  auf  die  Lungenaffektion,  die  beiden  Anfälle  auf  die 
Reizung  des  Gehirns  resp.  der  in  Frage  kommenden  Nerven- 
zentren  durch  die  Intoxikation.  Vater  früh  verstorben,  wahr¬ 
scheinlich  an  Lungenschwindsucht;  Bruder  leidet  an  Lungen¬ 
spitzenkatarrh.  Die  Intelligenz  ist  auffallend  gut,  im  Gebiet  des 
linken  Fazialis  nichts  Abnormes. 

Die  Aufnahme  des  speziellen  Befundes  ergab  folgendes:  Der 
linke  Arm  zeigt  leichte  Verkürzung  und  Atrophie  der  Muskulatur; 
es  besteht  angedeutet  die  typische  Stellung:  Adduktion  des  Ober¬ 
armes,  Pronation  des  Unterarmes  und  der  Hand;  die  Finger  hängen 
in  normaler  Haltung  herab.  Es  besteht  in  der  Ruhe  keinerlei  Kon¬ 
traktur  in  den  Muskeln.  Die  passive  Beweglichkeit  ist  bis  auf 
eine  mässige  Herabsetzung  der  Dorsalflexion  im  Handgelenk  un¬ 
behindert.  In  den  Fingergelenken  besteht  Hypotonie,  eine  in 
letzter  Zeit  von  Koni  g  [1]  und  Bonhöffe  r  [2]  beobachtete 
Erscheinung:  Die  Finger  lassen  sich  mit  Leichtigkeit  überstrecken, 
wie  es  bei  kleinen  Kindern  die  Regel  ist.  Der  Muskeltonus  ist 
durch  eine  Störung  in  der  zentripetalen  Leitung  —  in  unserem  Fall 
ist  die  tiefe  Sensibilität  fast  vollständig  erloschen  —  herabgesetzt. 
Aktiv  sind  —  wenn  auch  mit  geringerer  Kraft  —  die  Bewegungen 
im  Schultergelenk,  ferner  die  Supination  des  Unterarmes  gut,  die 
Pronation  in  geringerem  Umfange  ausführbar.  Die  Dorsalflexion 
im  Handgelenk  entspricht  der  passiven  Beweglichkeit.  Der  Faust¬ 
schluss  gelingt  nur  mit  Anstrengung  und  mit  geringer  Kraft,  zum 
Teil  wegen  Herabsetzung  der  letztgenannten  synergistischen  Be¬ 
wegung.  Die  Oeffnung  der  Faust  geschieht  leichter  und  ebenso 
wie  die  synergistische  Karpalflexion  der  Hand  mit  grösserer  Kraft. 
Beide  erfolgen  am  promptesten  als  Mitbewegung  der  rechten 
Hand.  Die  Opposition,  die  Beugung  des  Daumens,  ferner  jede 
isolierte  Fingerbewegung  ist  unmöglich;  es  gehen  jedesmal  alle 
übrigen  Finger  in  derselben  Richtung  mit;  nur  die  Massen¬ 
bewegung  der  Faustöffnung  und  des  Faustschlusses  ist  gebahnt. 

Die  obei fiächliche  Sensibilität  ist  für  alle  3  Qualitäten  normal; 
auch  die  Lokalisation  der  Empfindung  ist  nirgends  gestört.  Hin¬ 
gegen  ist  der  stereognostische  Sinn  fast  vollständig  geschwunden: 
Patient  weiss  weder,  wie  die  einzelnen  Finger  zu  einander  liegen,  noch 
—  letzteres  nur  in  den  letzten  Gelenken  —  ob  der  einzelne  Finger 
gebeugt  oder  gestreckt  ist.  Lege  ich  z.  B.  seinen  Zeigefinger  auf 
den  Mittelfinger,  so  vermutet  er  vielleicht  den  Daumen  unter  dem 
Mittelfinger  oder  dergl.  Die  Tastempfindung,  die  jeder  einzelne 
Finger  von  dem  anderen  erhält,  genügt  merkwürdigerweise  nicht 
zur  Erkenntnis,  dass  sie  gegenseitig  aufeinander  einwirken.  Erst 
das  Bewusstsein  von  der  Lage  jedes  Fingers  im  Raume,  die  Em¬ 
pfindung  des  Widerstandes  in  den  Gelenken,  welche  sich  durch 
Berührung  des  anderen  Fingers  dem  ersten  mitteilt,  dies  zu¬ 
sammen  mit  der  Berührungsempfindung  geben  erst  die  richtige 
Vorstellung. 

Der  Bizepsreflex  ist  gesteigert,  weniger  deutlich  der  Trizeps¬ 
reflex.  Bei  Berührung  des  Handtellers  oder  der  Palmarseite  der 
J  inger  bis  in  die  Interdigitalfalten  ist  folgendes  Phänomen  zu 
beobachten:  Bei  ganz  schwachen  Reizen  tritt  Extension  und  Ab- 


23.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDIOINIßCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2143 


duktion  des  Daumens,  bei  etwas  stärkeren  auch  Streckung  des 
Zeigefingers  ein,  der  gewöhnlich  in  dergleichen  Weise  die  der  übrigen 
b  ingei  tolgt.  dabei  sind  sie  gespreizt  lind  in  einer  leichten  Un- 
ruhe,  wie  Avenn  zu  wenig  Kraft  da  wäre,  um  die  Extensionsstellunir 
zu  fixieren,  nach  ungefähr  2  bis  mehreren  Sekunden  sinken  die 
1  ingei  in  die  Ruhelage  zurück.  Das  ganze  Phänomen  erinnert 
sehr  an  die  athetotischen  Bewegungen.  Ich  konnte  den  Iietiex 
auch  auslosen,  Avenn  ich  den  Patienten  aufmerksam  auf  seine 
Hand  blicken  oder  ihm  eine  anstrengende  Kopfrechnung  oder  Be- 
Avegung  ausführen  liess.  ln  diesen  Fällen  wirkte  die  Erregungs- 
welle  von  der  Gehirnrinde  her  wahrscheinlich  wie  ein  Impuls  der 
“  cl01‘  S.telle  de®  .geringsten  Widerstandes,  wie  sie  durch  den 
Wegfall  der  motorischen  Bindenfunktion  für  dieses  Gebiet  ge¬ 
schalten  war,  seine  Wirkung  übte.  Vom  Dorsum  der  Hand,  ferner 
Aon  der  1  alrna  der  anderen  Seite  konnte  ich  ihn  nur  manchmal 
bei  sehr  starkem  Beize  erzielen. 

.  *]iu  -PIÜill?men  beobachtete  ich  bei  stärkerem  Beize 

des  Handtellers  der  gelähmten  Seite:  dabei  trat  gleichzeitig  Dorsal- 
üexmn  nn  Karpal-,  Beugung  im  Ellbogen-,  Beugung  und  Elevation 
im  Schulte! gelenk  auf.  Dasselbe  gelang  auch  bei  Stich  in  die 
rechte  Palma,  Avobei  aber  der  rechte  Arm  vollständig  ruhig  blieb. 
Es  liegt  nahe,  diese  beiden  Phänomene  als  Analoga  des  B  a  - 
,,, 1  ?  k  y  sehen  und  des  Fnssohlenreflexes  aufzufassen.  In  der 

,  - IRl  ®  Hw?,*88 km'zem  Böttger  [3]  den  „Handteller- 

e  ex  in  -  hallen  Irischer  zerebraler  Kinderlähmung  und  einem 
h  alle  von  Porenkeplialie  beschrieben  hat.  Als  den  normalen  Be¬ 
hex  beschreibt  er  die  Adduktion  und  Palmarbeugung  des  Daumens 
oder  sammtlicher  Finger.  Dass  er  verhältnismässig  so  selten  ist 
—  ca.  20  Proz.  —  ist  in  der  Tatsache  zu  verstehen,  dass  die  Be¬ 
hexe  umsomehr  in  den  Hintergrund  treten,  je  grösser  der  Einfluss 
der  Grosshirnrinde  der  psychomotorischen  Zentren  ist. 

,!  .  Interessant  war,  dass  bei  starkem  Stich  in  die  Palma  wieder¬ 
holt  blitzartig  ein  krampfhafter  Faustschluss  erfolgte,  der  erst 
jqaeh  einigen  Sekunden  mit  Mühe  gelöst  werden  konnte.  Dies 
soll  auch  in  der  letzten  Zeit  noch  öfters  spontan  aufgetreten  sein, 
lm  Laufe  der  Behandlung,  die  im  wesentlichen  auf  fieissigen  Ge¬ 
brauch  der  sonst  vernachlässigten  Hand  hinauslief,  konnte  ich 
ein  fast  Arollständiges  VerschAvinden  dieser  Erscheinung  Avahr- 
nehmen.  Ich  nehme  an,  dass  der  Einfluss  der  gesunden  Hemi- 
spliare  in  Form  der  MitbeAvegungen  hemmend  eimvirkte. 

j  Im  tiefen  Schlafe  konnte  ich  nur  den  Armreflex  auslösen 
hingegen  erschien  im  Halbschlaf  das  Fingerphänomen  prompt  ie- 
uoch  nicht  bei  Beizung  der  gesunden  Seite.  Die  geringen  Beize 
die  sonst  zum  Hervorrufen  des  Phänomens  genügen,  sind  nicht  im 
Stande,  den  wahrscheinlich  erhöhten  Leitungswiderstand  im  Be- 
hexbogen  zu  überwinden. 

Das  linke  Bein  zeigt  gegenüber  dem  rechten  Aveder  an  Länge 
Umfang,  noch  an  Kraft  einen  Unterschied.  Die  aktive  und  passive 
BeAveglichkeit  ist  nur  im  Sprunggelenk  im  Sinne  der  Dorsalflexion 
eingeschränkt.  Der  Patellarreflex  ist  lebhaft,  jedoch  nicht  ge¬ 
steigert;  Fussklonus  ist  nicht  vorhanden.  Das  Babinsky  sehe 
Phänomen  ist  positiv:  Dorsalflexion  der  grossen  Zehe,  Plantar¬ 
flexion  aller  übrigen.  Es  ist  jedesmal  vom  Beinreflex  begleitet 
der  sich  bis  in  die  untere  Bauchgegend  erstreckt.  Er  ist  bei  ge¬ 
nügend  starkem  Beize  von  jeder  Stelle  des  Körpers  auslösbar, 
am  leichtesten  von  der  Sohle  des  rechten  Fusses  und  vom  linken 
Handteller  aus.  Denselben  Effekt  hat  eine  anstrengende  Denk- 
tätigkeit,  eine  plötzliche  intendirte  Bewegung,  ein  erschreckender 
Sinneseindruck.  Auch  der  f  ersuch  einer  willkürlichen  Bewegung 
dei  Zehen  in  einer  Richtung  bringt  immer  nur  die  beschriebene 
Kombination  zum  Vorschein.  Das  gesunde  Bein  zeigt  dabei  durch¬ 
aus  normales  Verhalten. 

In  noch  höherem  Grade  als  die  Hautreflexe  am  Beine  ist  der 
Kremaster reflex  gesteigert.  Es  genügt  schon  leichtes  Anblasen  im 
Bereich  der  Oberschenkel,  um  ihn  linkerseits  auszulösen,  Avährend 
der  rechte  Hoden  ruhig  bleibt.  Auch  bei  Kitzeln  in  der  rechten 
Leistengegend  ist  der  gegenseitige  Reflex  viel  lebhafter  Den 
Zweifel,  ob  nicht  der  gesteigerte,  bis  auf  die  Bauchmuskeln  sich  er- 
sti eckende  Beinreflex  eine  Kontraktion  des  Kremaster  vortäusclie, 
konnte  ich  widerlegen,  als  mir  bei  Reizung  von  der  rechten  Leiste 
aus  der  isolierte  Kremasterreflex  beider  Leisten  gelang. 

Dieser  Fall  scheint  mir  deshalb  erwähnenswert,  weil  über 
die  Hautreflexe  bei  der  infantilen  zerebralen  Hemiplegie,  vom 
B  a  b  i  n  s  k  y  sehen.  Phänomen  abgesehen,  auch  in  den  neuesten 
Publikationen  so  gut  wie  gar  nichts  zu  finden  ist.  Die  im  all¬ 
gemeinen  richtige  Annahme,  dass  bei  der  zerebralen  Hemiplegie 
die  Sehnenreflexe  gesteigert,  die  Hautreflexe  herabgesetzt  sind, 
wurde  wohl  stillschweigend  auf  die  entsprechende  Kinderlähmung 
übertragen.  In  diesem  Sinne  schreibt  Strümpell  [4]:  „Von 
einer  Steigerung  der  Hautreflexe  bei  organischen  zerebralen  Er¬ 
krankungen  ist  mir  noch  niemals  etwas  bekannt  geworden.“ 

Ich  konnte  allerdings  in  der  Literatur,  sovveit  sie  mir  zu¬ 
gänglich  war,  nur  2  resp.  3  hierher  gehörige  Fälle  auffinden. 
Der  erste  von  S  e  e  1  i  g  m  ü  1 1  e  r  [5]  :  64  Jahre  alte  Frau  mit 
Tumor  der  linken  hinteren  Zentralwindung  zeigt  trotz  herab¬ 
gesetzter  Sensibilität  auf  Kitzeln  gesteigerte  Fussohlenreflexe. 
Fall  2  von  B  e  r  n  h  a  r  d  t  [6] :  Linksseitige  motorische  und  sen¬ 
sible  Lähmung,  Reflexbewegungen  gesteigert,  obwohl  die  sen¬ 
siblen  Reize  nicht  empfunden  werden. 

No.  51. 


An  dieser  Stelle  erwähne  ich  auch  Gerhardts  [7]  Fall 
von  Querdurchtrennung  in  der  unteren  Hälfte  des  Dorsalmarks : 
Während  die  anfangs  gesteigerten  Patellarreflexe  verschwanden, 
blieben  die  Hautrefiexe  abgesehen  vom  Kremaster-  und  Bauch¬ 
deckenreflex,  die  konstant  fehlten  —  gesteigert,  wenngleich  die 
Muskelkontraktionen  einen  trägen,  an  die  Entartungsreaktion 
erinnernden  Charakter  zeigten. 

An  poliklinischem  Material  konnte  ich  bei  erwachsenen 
Hemiplegikern  einigemal  lebhafte  Beinreflexe  auslösen,  hingegen 
gelang  es  mir  nicht  mit  den  Hoden-  und  Bauchreflexen.  Doch 
kann  ich  daraus  keinerlei  Schluss  ziehen. 

ler  M  e  u  1  e  n  [S]  ist  der  Ansicht,  dass  der  Kremaster¬ 
reflex  nach  dem  hemiplegischen  Anfall  herabgesetzt,  nach  einigen 
Wochen  gesteigert  sei,  um  später  Avieder  zur  Norm  zurückzu¬ 
kehren.  R  o  s  e  n  b  a  c  h  [9]  fand  ihn  aufgehoben  oder  abge- 

geschwächt.  Nur  bei  der  zerebralen  Kinderlähmung  —  2  Fälle _ 

war  er  normal. 

Es  scheint,  (dass  in  der  Entwickelung  der  Einfluss  der  Ge- 
himiinde  auf  die  Ilautreflexe  ein  anderer  ist  als  beim  Erwach¬ 
senen.  Ich  stelle  mir  die  Entwicklung  so  vor:  Die  Reflexe  nach 
S  trümpell  als  „rudimentäre  Funktionen“  aufgef asst,  sind 
ursprünglich  an  das  Rückenmark  und  die  nächsthöheren  mo¬ 
torischen  Zentren  gebunden.  Mit  der  Entwicklung  der  Gehirn¬ 
rinde  und  der  Uebernahme  der  motorischen  Funktionen  fallen 
auch  die  Reflexe  unter  ihre  Herrschaft,  wodurch  die  spinalen 
Zentren  ihre  Stellung  als  selbständige  Regulatoren  der  Be¬ 
wegungsmechanismen  verlieren.  Bei  einer  Leitungsunterbrechung 
innerhalb  der  f  yramidenbahn  können  sie  jedoch  ihre  ehemalige 
Bedeutung  wieder  erlangen,  wenn  sie  in  der  Zeit  vorher  nicht 
durch  mangelnde  Uebung  gelitten  haben.  Der  Kremaster-  und 
Bauchdeckenreflex  sind  in  dieser  Hinsicht  schlimmer  daran  als 
der  Patellar-  und  die  Fussohlenreflexe  (siehe  den  Gerhardt- 
scheu  I  all),  deren  Zentren  stets  in  Aktion  sind  und  ziemlich 
selbständig,  da  der  Willen  bei  der  Bewegung  der  Beine  nur  den 
Anstoss  zum  Ablauf  des  Gehmechanismus  gibt,  keineswegs  aber 
die  nuancierte  Beherrschung  aller  Muskeln  ausübt. 

Nach  Cattaneo  [10]  fehlt  der  Kremasterreflex  in  den 
eisten  Lebensmonaten;  er  muss  also  erst  gebahnt  werden,  zuerst 
als  Rückenmarksreflex,  der  als  vollendeter  Mechanismus  unter 
die  Herrschaft  der  Rinde  kommt  —  er  ist  also  von  Haus  aus  nicht 
so  gut  ausgestattet  Avie  die  Fussohlenreflexe. 

An  der  Hand  sind  die  Reflexe  durch  die  detallierte  Ein¬ 
flussnahme  des  W  illens  auf  jede  Bewegung,  vor  allem  die  der 
Finger,  überflüssig  geworden;  sie  würden  nur  stören.  Die  Mög¬ 
lichkeit,  sie  zu  erhalten,  gewinnen  wir,  indem  wir  die  Entwicke¬ 
lung  dei  1  y  rami  den  bahnen  verhindern.  Die  B  ö  1 1  g' e  r  sehen 
Falle,  vor  allem  die  Porenkephalie  —  bei  den  anderen  fehlt  die 
Angabe  des  Beginnes  der  Krankheit  —  und  der  meinige  genügen 
dieser  Bedingung. 

Ich  habe  versucht,  die  Reflexe  an  gesunden  Säuglingen  aus¬ 
zulösen,  und  es  gelang  mir  bei  einer  Anzahl.  Leider  steht  mir 
gegenwärtig  nicht  das  genügende  Material  zur  Verfügung,  um 
festzustellen,  ob  Avir  es  dabei  wirklich  mit  einem  Babinsky  an 
der  oberen  Extremität  zu  tun  haben. 

Nach  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Kenntnisse  müssen  wir 
ciie  Hautreflexe  in  2  Gruppen  einteilen.  Die  erste  umfasst  die¬ 
jenigen,  welche  durch  die  Schädigung  der  Pyramidenbahn  nicht 
oder  im  Sinne  der  Steigerung  betroffen  werden:  das  ist  der 
1  lantar-Beinreflex.  Die  zweite  —  Bauch-,  Kremaster-  und  der 
normale  Zehenreflex  geht  mit  der  Verletzung  der  genannten 
Bahn  verloren  oder  büsst  seine  normale  Stärke  ein. 

Noch  ein  Wort  zu  der  Auslösung  der  Phänomene  durch 
Reize  von  Stellen  der  Haut,  die  nicht  im  Bereiche  der  betreffen¬ 
den  Extremität  liegen.  Schon  W  e  s  t  p  h  a  1  [11]  beobachtete 
eine  Bewegung  der  gelähmten  Hand  bei  Stich  in  die  gesunde 
Handfläche.  Er  fasste  sie  irrtümlich  als  Mitbewegung  auf. 
Parhon  und  Goldstein  [12]  sahen  Aviederholt  bei  Reizung 
dei  gesunden  Planta  Flexionsbewegung  der  Zehen  am  gelähmten 
Fusse  (den  „kontralateralen  Reflex“).  In  vielen  Fällen  ist  der 
„gekreuzte  Reflex“  konstatiert  worden :  Bewegung  auf  der  ge¬ 
sunden  Seite  bei  Reizung  der  gelähmten,  wo  der  Reflex  auf¬ 
gehoben  oder  herabgesetzt  ist.  Alle  diese  Erscheinungen  haben 
gemeinsam,  dass  der  Reiz  an  der  Stelle  des  geringsten  Wider¬ 
stande,  nach  Goldscheider  [13]  der  niedrigsten  „Neuron¬ 
schwelle  ,  den  Effekt  auslöst.  In  unserem  Falle  befinden  sich 
die  spinalen  Zentren  der  linken  Seite  infolge  des  Ausfalls  der 


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2144 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Hemmung  von  der  Gehirnrinde  in  einem  Zustande  erhöhter  Er¬ 
regbarkeit.  Der  Stich,  der  an  der  gesunden  Hand  keinerlei  W  ir- 
kung  hervorbringt,  wird  als  Nervenerregung  auf  dem  Wege  der 
Ivollateralen  zu  dem  gegenseitigen  Zentrum  geleitet,  dessen  Reiz¬ 
schwelle  er  stark  genug  ist,  zu  überwinden.  Es  scheint  bei  einer 
gewissen  Tiefe  der  Neuronschwelle  gleichgültig,  was  für  einem 
Reize  die  Nervenerregung  entsprungen  ist:  Berührung,  Stich, 
Kälteeinwirkung,  ein  intensiver  Gehörseindruck,  ja  die  Nerven¬ 
erregung,  die  einer  willkürlichen  Bewegung  oder  Denkarbeit  zu 
Grunde  liegt,  vermögen  den  gleichen  Effekt  hervorzurufen,  den 
jederzeit  eingestellten  Mechanismus  zum  Ablauf  zu  bringen. 

Zum  Schlüsse  sage  ich  dem  geehrten  Herrn  Prof.  V  o  i  t 
für  die  Erlaubnis  der  Veröffentlichung  und  die  gefällige  Durch¬ 
sicht,  sowie  dem  Herrn  Dozenten  Dr.  H.  Neumay er  für  die 
Unterstützung  bei  der  Ausarbeitung  des  1  alles  meinen  auf¬ 
richtigsten  Dank. 


Literatur. 

1.  König:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.  1902. 

2.  B  o  n  11  ö  f  f  e  r:  Zur  Auffassung  der  postliemiplegischen  Be¬ 
wegungsstörungen.  Monatssehr.  f.  Psych.  u.  Neur.  1901,  H.  o.  - 

3.  Böttger:  Untersuchung  und  diagnostische  Verwertung  der 

Hautreflexe.  Mendels  Neur.  Centralbl.  1902,  No.  4.  4.  fe  t  r  ü  m  - 

pell:  Zur  Kenntnis  der  Haut-  und  Öehnenreflexe  bei  Nerven¬ 
kranken.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.,  Bd.  17,  1899. 

5.  Seeligmüller,  zit.  n.  Moeli:  Zum  Verhalten  der  Reflex- 
tätigkeit.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  XXII,  1878.  —  6.  Bern¬ 
hardt:  Beiträge  zur  Hirnpathologie.  Berl.  klin.  Wochenschr. 

1875,  No.  30.  _  7.  Gerhardt:  Ein  Fall  von  Querdurchtrennung 

des  ’  Rückenmarks.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.,  Bd.  6, 

g_  127. _ 8.  TerMeulen:  Zum  Verhalten  der  Reflexerregbarkeit 

und  der  Sehnenreflexe  der  paretischen  Seite  bei  zerebraler  Hemi¬ 
plegie.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1882,  V,  p.  89. -9.  Rosenbach: 
Ein  Beitrag  zur  Symptomatologie  zerebraler  Hemiplegien.  Arch. 
f.  Psych.  u.  Neur.,  VI.  —  10.  Cattaneo:  Ueber  einige  Reflexe 
im  Kindesalter.  Jahrb.  f.  Ivinderheilk.  1902.  —  11.  Westphal: 
Ueber  einige  Bewegungserscheinungen  an  gelähmten  Gliedern. 
Arch.  f.  Psych.  u.  Neur.,  IV,  1876.  —  12.  P  arho  n  und  Gold¬ 
stein:  Mendels  Neur.  Centralbl.  1899,  S.  984.  —  13.  Gold¬ 
scheider:  Die  Bedeutung  der  Reize  für  Pathologie  und  Tliera- 
pie.  Leipzig  1898. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  zu  W  ürzburg. 

Ueber  die  Septumperforation  der  Chromarbeiter. 

Von  Dr.  med.  J  s.  Baniber  ger  in  Bad  Kissingen. 

Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  dass  in  den  Chromfabriken 
die  Arbeiter,  wenn  sie  nicht  genügend  durch  Respiratoren  ge¬ 
schützt  sind  oder  wemi  die  sonstigen  fabrikhygienischen  Vor- 
sichtsmassregeln  nicht  beachtet  werden,  von  einem  eigentümlichen 
Leiden  befallen  werden,  das  in  einer  fast  schmerzlos  zu  Stande 
kommenden  Perforation  des  Septum  narium  besteht. 

„Das  Chrom  übt  einen  ganz  seltsamen  Reiz  auf  die  Nasen¬ 
schleimhaut  aus;  es  entsteht  nämlich  in  der  Nase  ein  heftiges 
Prickeln,  das  die  Leute  zum  häutigen  Niessen  reizt,  dann  tritt 
an  der  Nasenscheidewand  ein  kleines  Geschwür  auf  und  schmerz¬ 
los  erfolgt  die  Perforation  der  Nasenscheidewand.  Das  Loch  ver- 
grössert  sich  bis  das  Septum  zerstört  ist,  dann  hört  der  Prozess 
auf,  ohne  irgend  ein  anderes  Organ  in  Mitleidenschaft  zu  ziehen. 
Legt  der  Arbeiter  die  Arbeit  nieder,  so  tritt  Heilung  ein,  aber  mit 
Wiederaufnahme  der  Arbeit  beginnt  auch  wieder  das  Leiden.  In 
Russland  sollen  50  Proz.  der  Arbeiter  in  den  Chromfabriken,  be¬ 
sonders  in  denen,  welche  chromsaures  Kali  darstellen,  zerstörte 
Nasenhöhlen  besitzen.  Einige  Arbeiter  bekommen  das  Leiden 
kurze  Zeit  nach  dem  Eintritt  in  die  Fabrik,  andere  arbeiten  jahre¬ 
lang  in  derselben  Weise  und  erkranken  niemals.“  (Albrech  t.) 

„Zur  Inhalation  von  Chrom  ist  den  Arbeitern  reichlich  Ge¬ 
legenheit  in  den  Betrieben  gegeben.  Die  Schädlichkeiten  des  Be¬ 
triebes  beginnen  schon  mit  der  Zerkleinerung  des  Materials,  des 
Chromeisensteins.  In  nicht  gut  eingerichteten  Fabriken  sind  die 
Mahlräume  mit  mineralischem  Staub  angefüllt,  sodann  bildet  sich 
beim  Mischen  der  Materialien  ebenfalls  reichlicher  Staub,  welchem 
kohlensaures  Alkali  beigemischt  ist.  Beim  Bearbeiten  und  Hei*aus- 
ziehen  der  Schmelzen  aus  den  Oefen  entweicht  aus  den  Oeffnungen 
Chromatstaub,  welcher  in  den  Sekreten  der  Schleimhaut  löslich  ist. 
Beim  Uebergiessen  der  Schmelzen  mit  Wasser  zum  Zwecke  des 
Auslaugens  tritt  Dampf bildung  ein,  der  aufsteigende  Wasserdampf 
reisst  leicht  Chromate  in  feiner  Verteilung  mechanisch  mit  hoch 
und  verstäubt  sie  in  der  Nähe  der  Auslauggefässe.  Bei  den  weiteren 
Arbeiten,  dem  Umfüllen  und  Eindampfen  der  Laugen,  bei  der 
Herstellung  des  Bichromats,  beim  Ausbrechen  der  Krystalle  aus 
den  Kristallirgefässen  kommen  die  Arbeiter  mit  Chromatlösungen, 
beim  Umwenden  der  Kristalle  dagegen  in  den  Trockenräumen  und 
beim  Verpacken  des  Fabrikates  wiederum  mit  Chromatstaub  in 
Berührung.  Unter  den  Tabak  schnupfenden  Arbeitern  treten  die 
Erkrankungen  weniger  häufig  und  heftig  auf,  weil  die  reichliche 


Schleimabsonderung  der  Nase  zu  öfterem  Reinigen  der  Nase 
nötigt.“  (Weyl.) 

Es  ist  nun  im  höchsten  Grade  auffallend,  dass  immer  zuerst 
am  Septum  die  Perforation  auftritt,  bevor  es  zu  weiteren  Zer¬ 
störungen  in  der  Nasenhöhle  kommt. 

Man  sollte  viel  eher  erwarten,  dass  der  mit  der  Inspirations¬ 
luft  in  die  Nasenhöhle  eingezogene  Chromstaub  sich  überall  an 
den  Wänden  der  Nasenhöhle  niederschlägt  und  so  zu  gleicher 
Zeit  seine  zerstörende  Aetzwirkung  an  verschiedenen  Punkten 
entfaltet.  Aber  gerade  der  Umstand,  dass  dies  nicht  der  I  all 
ist,  liess  mich,  wie  ich  glaube,  die  richtige  Erklärung  für  das 
Zustandekommen  der  Septumperforation  geben.  Der  In¬ 
spirationsstrom  tritt,  nämlich  derart  in  die 
N  ase  ein,  dass  er  in  einem  aufwärts  gerichteten 
Bogen  von  der  Seitenwand  der  Nase  her  nach 
dem  Septum  herübergeführt  wird,  wo  er  an¬ 
prallend  dann  längs  des  Septums  weiter  nach 
den  Choanen  zieht.  Dies  trifft  wenigstens  für  einen 
grossen  Teil  der  Atmungsluft  zu.  Die  der  Luft  beigemischten 
Chrompartikelchen  gelangen  so  an  das  feuchte  Septum,  wo  sie 
hängen  bleiben,  und  so  durch  Aetzung  dieses  schliesslich  durch¬ 
bohren. 


Dass  diese  Erklärung  wohl  die  richtige  sein  dürfte,  geht 
namentlich  aus  den  Versuchen  Kaisers  hervor.  Kaiser 
liess  feine,  gebrannte  Magnesia  durch  die  Nase  einatmen  und 
suchte  sogleich  mittels  des  Rhinoskops  nach  den  Stellen,  an 
welchen  sich  die  weisse  Magnesia  niedergeschlagen  hatte.  Dabei 
ergab  sich,  dass  an  folgenden  Stellen  sich  das  weisse  Pulver 
niedergeschlagen  hatte:  1.  An  der  Nasenscheidewand  gegenüber 
der  unteren  Muschel  und  weiter  bogenförmig  nach  oben  und 
hinten;  2.  am  vorderen  Rand  der  mittleren  Muschel;  3.  am 
unteren  Rand  der  mittleren  Muschel  und  der  Seitenwand  des 
mittleren  Nasenganges,  ln  erster  Linie  also  werden  die  mit  der 
Inspirationsluft  in  die  Nasenhöhle  mit  eingeführten  Magnesia- 
resp.  —  in  unserer  Betrachtung  —  Chromatpartikelchen  nach 
dem  Septum  hingeführt,  wobei  vielleicht  für  die  Höhe  der  Per¬ 
forationsstelle  die  Grösse  der  Stäubchen  massgebend  ist;  denn 
es  ist  wohl  einleuchtend,  dass  feinere  Stäubchen  höher  au  das 
Septum  hinaufgeführt  werden  können,  während  gröbere  vermöge 
ihrer  Trägheit  an  tiefer  gelegeneren  Stellen  des  Septums  zur 
Ruhe  gelangen  werden.  Gelangt  überhaupt  nur  wenig  Chromat¬ 
staub  in  die  Nase  —  wie  dies  bei  hygienisch  gut  eingerichteten 
Eabriken  heutzutage  wohl  der  Eall  sein  wird  — ,  so  wird  sicli 
alles  Chromat  an  der  1.  Stelle  am  Septum  niedersclilagen  und 
nur  dieses  perforieren,  hingegen  dürften  wohl  auch  die  übrigen 
von  Kaiser  näher  bezeichneten  Stellen  der  Nasenhöhle  in 
Mitleidenschaft  gezogen  werden,  wenn  es  sich  um  grössere 
Chromatmengen  handelt;  es  kann  dann  eben  nicht  alles  Chrom 
an  der  einen  Stelle  des  Septums  hängen  bleiben.  Als  die  höchsten 
Punkte,  welche  die  Inspirationsluft  auf  ihrer  Bahn  berührt, 
nennt  Zwaardemaker  den  vorderen  und  unteren  Rand  der 
Siebbeinmuscheln  und  der  oberen  Muschel.  So  erklärt  sich  viel¬ 
leicht  auch  die  Angabe  Mackenzies,  dass  ausser  dem  Septum 
jede  Muschel  und  selbst  die  Schleimhaut  des  Pharynx  von  der 
Nekrose  befallen  werden  kann,  ebenso  auch  die  schon  früher  ge¬ 
machte  Angabe,  dass  in  russischen  Fabriken  50  Proz.  der  Chrom¬ 
arbeiter  zerstörte  Nasenhöhlen  besitzen.  Dass  schnupfende  Arbeiter 
weniger  von  der  Rhinonekrose  betroffen  werden,  mag  ja  zum  feil 
seinen  Grund  in  der  stärkeren  Sekretion  der  durch  den  Schnupf¬ 
tabak  ständig  gereizten  Schleimhaut  haben;  ich  glaube  aber,  dass 
das,  was  wir  soeben  für  die  Chrom-  und  Magnesiastäubchen 
entwickelt  haben,  ebenso  für  den  Schnupftabak  gilt,  der  sich  also 
an  denselben  Stellen  wie  das  Chrom  und  das  Magnesia  nieder¬ 
schlägt.  Es  kommt  daher  das  Chrom  nicht  direkt  mit  der 
Schleimhaut  in  Berührung,  sondern  kommt  auf  die  mit  Schnupf¬ 
tabak  bestreuten  Stellen  zu  liegen;  von  hier  aus  mag  es  dann 
durch  die  stärkere  Sekretion  der  Schleimhaut  weggeschwemmt 
und  aus  der  Nase  entfernt  werden. 


Bei  Durchsicht  der  deutschen  und  französischen  Lehr¬ 
bücher  der  Toxikologie  und  Eabrikhygiene  fand  ich  nirgends 
einen  Erklärungsversuch,  endlich  aber  bei  Poincare:  lraite 
d’Idvg.  industrielle,  dem  letzten  Buche,  das  ich  durchsah,  eine 
Erklärung,  die  sich  fast  ganz  mit  meiner  deckt,  die  aber  voll¬ 
ständig  unbeachtet  geblieben  zu  sein  scheint.  Ich  glaube  des¬ 
halb  meine  Betrachtungen  nicht  unterdrücken  zu  sollen,  lasse 
ihnen  aber  die  U ebersetzung  von  Poincares  Darstellung 


23.  Dezember  1902. 


MITEN CHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2145 


folgen,  dem  entschieden  das  Verdienst  gebührt,  die  Erage  auf¬ 
geklärt  zu  haben.  P  oincare  schreibt :  „Ohne  zur  Hypothese 
einer  allgemeinen  Vergiftung  Zuflucht  zu  nehmen,  wie  Mouet 
dies  tut,  ist  es  leicht  zu  erklären,  warum  diese  Perforation  fast 
verhängnisvoll  und  immer  an  dem  denselben  Punkte  zu  stände 
kommt.  Hie  schiefe  Richtung,  welche  der  Nasenflügel  dem 
Inspirationsstrom  gibt,  lenkt  diesen  in  gerader  Linie  auf  die 
Scheidewand  zu,  in  einem  wenig  verschiedenen  Punkte.  Hie 
gereizte  Schleimhaut  schwillt  immer  mehr  und  mehr  an  und 
fängt  an  dem  bezeichnten  Punkte  alle  Teilchen  des  Kaustikums. 
Dann  haben  diese  Zeit  genug,  ihr  Zerstörungswerk  zu  vollenden. 
Man  begreift  auch,  warum  nach  einmal  zu  stände  gekommener 
Perforation  die  Schmerzen  und  alle  Symptome  des  Schnupfens 
wie  mit  einem  Zauberschlage  verschwinden,  weil  eben  nur  noch 
ein  grosses  Loch  vorhanden  ist,  das  nicht  weiter  zerstört  werden 
und  das  Ivaustikum  zurückhalten  kann,  und  weil  auch  die 
Schleimhaut  sich  endlich  an  eine  Reizursache  gewöhnt,  die  nur 
vorübergehend  ist.  Man  versteht  endlich,  warum  die  Schnupfer 
weniger  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  da  die  hervorgerufene 
Sekretion  die  Schleimhaut  besser  bespült,  die  selbst  schon  ab¬ 
gehärtet  ist;  schliesslich  begreift  man  auch,  warum  junge  Leute 
früher  und  häufiger  befallen  werden,  da  ihre  Schleimhaut  zarter 
und  empfindlicher  ist,  man  begreift,  wie  ein  einziger  Besuch  in 
der  Fabrik  im  stände  ist.  bisweilen  dies  Resultat  herbeizuführen, 
weil  die  Stäubchen  sofort  festgehalten  werden  und  die  folgenden 
Tage  die  Durchätzung  vollenden  können;  erklärlich  ist  es  ferner, 
warum  sie  ihr  Geruchsvermögen  bewahren,  da  eben  der  Geruchs¬ 
nerv  nicht  bis  zu  jenem  Punkte  herabsteigt,  wo  die  Perforation 
zu  stände  kommt.“ 

Meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Dr.  Leh¬ 
mann  in  Würzburg,  der  mich  durch  sein  Kolleg  zum  Nach¬ 
denken  über  diese  Frage  anregte,  sage  ich  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  besten  Dank  für  das  freundliche  Entgegenkommen  bei 
Anfertigung  dieser  kleinen  Abhandlung. 

Literaturangabe. 

1.  H.  Al breclit:  Handbuch  der  prakt.  Gewerbehygiene. 
1890.  —  2.  Weyl:  Handbuch  der  Hygiene,  Bd.  VIII,  1897.  — 
ö.  Zwaardemaker:  Physiologie  des  Geruchssinnes.  — 
4.  E.  Pa  u  Isen:  Exper.  Untersuchungen  über  die  Strömung  der 
Luft  in  der  Nasenhöhle.  Sitzungsberichte  der  Wiener  k.  k.  Aka¬ 
demie  d.  Wissensch.,  III.  Abt.,  1882,  Bd.  85.  —  5.  E.  Kaiser: 
Zeitschr.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  XX,  1889;  zit.  nach  Zwaarde¬ 
maker.  —  6.  Leon  P  o  o  i  c  a  r  e  -  Nancy:  Traite  d’Hyg.  industr. 
Paris  1886.  —  7.  Kunkel:  Handbuch  der  Toxikologie.  — 
8.  L.  Lew  in:  Lehrbuch  der  Toxikologie.  — -  9.  Ivobert:  Lehr¬ 
buch  der  Intoxikationen.  —  10.  H  u  s  e  m  a  n  n:  Handbuch  der  Toxi¬ 
kologie,  1862.  —  11.  M.  v.  Hass  eit:  Die  Tiergifte  und  die 
Mineralgifte,  1862.  —  12.  Hermann:  Lehrbuch  der  experiment. 
Toxikologie,  1874.  —  13.  P  a  n  d  e  r:  Chromsäurevergiftung. 

Roberts  Arbeiten  Bd.  II.  —  14.  .T.  Mackenzie:  Annales  des 
maladies  de  roreillo  et  du  larynx,  Bd.  X;  zit.  nach  Pauder. 


Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Fürth  i.  B. 

(Oberarzt  Dr.  Degen). 

Agurin,  ein  neues  Diuretikum. 

Von  Dr.  A.  N  u  s  c  h,  Assistenzarzt. 

Die  Zahl  der  dem  Arzte  zur  Verfügung  stehenden  brauch¬ 
baren  Diuretika  ist  im  allgemeinen  keine  sehr  grosse.  Während 
man  in  früherer  Zeit  hauptsächlich  harntreibende  Mittel  aus 
dem  Pflanzenreich  in  Anwendung  zog  —  ich  erinnere  nur  an 
Eruct.  Juniperi,  Rad.  Petroselini,  Bulb.  Scillae  —  später  dann 
mit  Vorliebe  diuretisch  wirkenden  Salzen  wie  Kal.  acetic.,  Kal. 
nitric.,  Tartar,  boraxat.  etc.  zuneigte,  sind  es  in  neuerer  Zeit 
mehr  die  Herzdiuretika  (Digitalis,  Strophanthus),  einige  Xan¬ 
thinbasen  (Koffein, Theobromin),  sowieKalomel,  die  hauptsächlich 
Verwendung  finden.  Erstere  bringen  die  diuretische  Wirkung 
gewissiermassen  auf  indirektem  Wege  zu  stände,  indem  sie  den  in 
gewissen  pathologischen  Zuständen  erniedrigten  Aortendruck 
erhöhen  und  dadurch  die  ausgiebige  Funktion  der  Zirkulations- 
Verhältnisse  in  der  Niere  wieder  hersteilen,  doch  ist  deren  An¬ 
wendung  insofern  eine  gewisse  Grenze  gesetzt,  als  bei  längerem 
Gebrauche  nicht  selten  Nebenwirkungen,  wie  Erbrechen,  Uebel- 
keit  und  Durchfälle  auftreten.  Das  gleiche  gilt  von  Digitalin  [1] 
und  Digitoxin  [2].  Auch  bei  Kalomel  ist  grosse  Vorsicht 
augezeigt ,  da  Nebenwirkungen ,  wie  Salivation,  Stomatitis, 
Diarrhöe  und  Kolik  zu  befürchten  sind.  So  erwähnt  Rie¬ 
gel  [3]  einen  letal  verlaufenen  Fall. 


Von  den  Xanthinbasen  galt  als  verhältnismässig  unschäd¬ 
lichstes  Mittel  bislang  das  Theobromin,  welches  dem  Trimethyl- 
xanthin,  also  dem  Koffein  gegenüber  die  Vorzüge  besitzt,  dass 
es  weder  Erregung  der  vasomotorischen  Zentren,  noch  Intoxi¬ 
kationserscheinungen  hervorruft,  dagegen  eine  stärkere  und 
nachhaltendere  Diurese  zu  erzeugen  im  stände  ist. 

Das  auf  Veranlassung  von  Schröder  hergestellte  Diure- 
tin,  eine  Doppel  Verbindung  von  Theobrominnatrium  und  Natr. 
salicylat.,  besitzt  bei  seiner  sonst  prompten  diuretischen  Wirkung 
noch  den  Nachteil,  dass  sich  die  Salicylwirkung  zu  sehr  be¬ 
merkbar  macht.  Nach  mehrfachen  Erfahrungen  wirkt  die 
Salicylsäure  direkt  hemmend  auf  die  Diurese  und  verursacht 
auf  die  Dauer  einen  ungünstigen  Einfluss  auf  Respiration  und 
Zirkulation,  ganz  abgesehen  von  ihrer  Reizwirkung  auf  die 
Magenschleimhaut. 

Bei  dem  in  letzter  Zeit  sehr  beliebten  Aspirin  ist  eine 
Schädigung  des  Magens  durch  Salicylsäure  insofern  aus¬ 
geschlossen,  als  sich  die  Verbindung  erst  im  Darm  in  seine 
Komponenten  spaltet  und  dadurch  langsamer  als  Natr.  salicyl. 
im  Harn  ausgeschieden  wird. 

Das  von  Impens  [4]  dargestellte  neue  Diuretikum  Agurin, 
eine  Verbindung  von  Theobromin  Natr.  mit  dem  gleichfalls 
diuretisch  wirkenden  Natr.  aeet.  besitzt  weder  irritierende  noch 
toxische  Eigenschaften  und  infolge  seines  Mehrgehaltes  an  Thco- 
bromin  (60  Proz.  gegen  50  beim  Diuretin)  eine  erhöhte  diuretische 
Wirkung,  so  dass  schon  mit  erheblich  kleineren  Dosen  der  gleiche 
therapeutische  Effekt  erzielt  werden  kann. 

Nach  den  bisherigen  klinischen  Mitteilungen  von  De- 
stree  [5],  Litten  [6],  Michaelis  [7],  Holle  [8]  und 
Buch  w  a  1  d  [ 9]  war  die  Anwendung  von  Agurin  bei  hydro- 
pischen  Erscheinungen,  besonders  solchen  infolge  von  Herz¬ 
klappenfehlern  äusserst  erfolgreich,  während  bei  Nierenaffek¬ 
tionen  ein  Erfolg  allem  Anschein  nach  nur  dann  zu  erwarten 
steht,  wenn  das  Nierenepithel  noch  genügend  funktionsfähig  ist. 
Dass  Ausnahmen  möglich  sind,  beweist  ein  von  Reye  [10] 
aus  dem  Eppendorfer  Krankenhaus  u.  a.  ausführlich  mitgeteilter 
Fall  von  chronischer  interstitieller  Nephritis,  bei  welchem  das 
Agurin  eine  auffallend  günstige  Wirkung  entfaltete.  Eine  vor¬ 
her  wegen  hochgradiger  Stauung,  Oedemen  und  Aszites  be¬ 
gonnene  Kalomelkur  musste  schon  am  3.  Tage  wegen  schwerer 
Enteritis  und  Stomatitis  unterbrochen  werden.  Schon  nach  der 
ersten  Agurindarreiehung  (5  X  0-5  pro  die)  stieg  die  Diurese, 
die  sich  ein  Monat  lang  auf  der  Höhe  von  1000  ccm  und  darunter 
gehalten  hatte,  sofort  auf  3000  ccm  und  am  nächsten  Tage  noch 
darüber.  Gleichzeitig  verringerten  sich  die  Stauungserschei¬ 
nungen,  das  Allgemeinbefinden  wurde  ein  besseres.  Mit  Aus¬ 
setzen  der  Medikation  ging  die  Hrinmenge  auf  1800 — 400  ccm 
zurück,  um  bei  erneuter  Verabreichung  von  Agurin  jeweils  wieder 
in  die  Höhe  zu  gehen.  Oedeme  und  Aszites  nahmen  gleich¬ 
zeitig  rasch  ab.  Diuretin,  das  in  analoger  Dosierung  (5  X  0.5  g) 
vergleichshalber  gegeben  wurde,  hatte  nicht  den  gleichen  Erfolg, 
indem  die  Diurese  als  höchste  Grenze  nur  2200  ccm  erreichte, 
um  nach  Aussetzen  sofort  wieder  auf  800  ccm  zu  fallen,  während 
10  Tag-e  später  mit  Agurin  wieder  eine  Steigerung  der  Diurese 
von  4000  ccm  erzielt  werden  konnte. 

Hess  pi]  hatte  bei  seinen  30  mit  Agurin  behandelten 
Fällen  von  Stauung  und  Hydrops  mannigfaltigen  Ursprungs 
(Myokarditis,  Herzklappenfehlern,  akute  und  chronische  Nieren¬ 
entzündung,  Pleuraexsudat,  Aszites  etc.)  wechselnden  Erfolg  zu 
verzeichnen,  hält  das  Agurin  aber  gleichfalls  für  einen  wert¬ 
vollen  Ersatz  des  Diuretins,  besonders  in  solchen  Fällen,  bei  denen 
durch  Diuretin  Nebenerscheinungen  in  höherem  Masse  ausgelöst 
werden  wie  beim  Agurin,  bei  dessen  Anwendung  auch  manchmal 
über  den  schlechten  Geschmack,  sowie  leichte  Magenverstim¬ 
mung  geklagt  wurde.  Bei  Aszites  sowohl  infolge  von  Leber- 
cirrhose,  wie  tuberkulöser  Peritonitis  konnte  Hess  ebensowenig 
wie  B  u  c  h  w  a  1  d  einen  Erfolg  erzielen. 

W  ährend  sich  die  in  der  bisher  über  Agurin  vorliegenden 
Literatur  beschriebenen  Fälle  hauptsächlich  auf  Herzkranke  mit 
hydropischen  Erscheinungen  beschränken,  erstrecken  sich  meine 
eigenen  Beobachtungen  zum  grossen  Teil  auf  Fälle  von  Pleuritis 
exsudativa,  wie  mir  solche  am  hiesigen  Krankenhaus  in  den 
letzten  10  Monaten  ziemlich  häufig  zur  Verfügung  standen. 

Fall  I:  Anna  K..  23  Jahre,  Prostituierte.  Eintritt  6.  VI. 
1902;  Austritt  27.  VI.  1902. 


2* 


2146 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


No.  51. 


Früher  angeblich  3  mal  Gelenkrheumatismus  durchgemacht; 
iagnose:  Mitralinsuffizienz,  überaus  starke  Oedeme  der  ganzen 
unteren  Extremitäten,  Atembeschwerden,  2  prom.  Albuinen  im 
Urin  ohne  Formelemente. 


Datum 

Harn¬ 

menge 

Ordination 

Bemerkungen 

7.  VI. 

600 

8.  VI. 

800 

— 

9.  VI. 

1500 

2  X  0,2  g  pul  v.  Digital . 

Starke  Atembeschwerden/ 

10.  VI. 

1700 

2x0,2  „  „ 

zyanotisches  Aussehen 

11.  VI. 

2200 

A  gurin  3  X  1 ,0  g 

Atembeschwerden  lassen 

12.  VI. 

3300 

„  3  X  1,0  „ 

nach. 

13.  VI. 

3000 

„  3  X  1,0  „ 

14.  VI. 

1400 

„  ausgesetzt 

15.  VI. 

1400 

„  3  X  1,0  g 

Oedeme  schwellen  ab,  Agu- 

16.  VI. 

2000 

„  3  X  1,0  ,, 

rin  wird  guU  vertragen. 

17.  VI. 

1900 

„  •‘’xi.o,, 

18  VI. 

21C0 

„  3  X  1,0  „ 

Oedeme  verschwunden,  Pat. 

19.  VI 

1800 

fühlt  sich  wohler. 

20.  VI. 

1000 

— 

21.  VI. 

1100 

— 

22.  VI. 

1000 

— 

27.  VI.  Pat.  fühlt  sich  wohl,  es  bestehen  keine  Kompensations¬ 
störungen,  Urin  ohne  Eiweiss.  Auf  Wunsch  entlassen. 

Fall  II:  August  L.,  21  Jahre,  Kommis,  Eintritt  22.  X.  1901, 
Austritt  30.  XI.  1901. 

Diagnose:  Pleuritis  exsudativa  sin.,  das  Exsudat  reicht  LH 
bis  Mitte  der  Scapula 


Datum 

Harn¬ 

menge 

Ordination 

Bemerkungen 

23.  X. 

900 

24.  X. 

1200 

— 

25.  X. 

1000 

— 

26.  X. 

1100 

— 

27.  X. 

1500 

6  X  0,5  g  Aguiin 

28.  X. 

1400 

6  X  0,5  „  „ 

29.  X. 

1900 

6  X  0,5  „ 

Exsudat  etwas  ~  gestiegen, 

30.  X. 

1000 

6  X  0,5  n  ,, 

reicht  LH]  bis  zum  3.  Br  - 

31.  X. 

1400 

6  X  0,5  ,,  „ 

W.,  LV  bis  zur  3.  Rippe. 

1.  XI. 

1900 

6x0,5  „ 

2.  XI. 

2200 

6  X  0,5  „  „ 

3.  XI. 

1900 

6X0,5  „ 

Exsudat  geht  zurück. 

4  XI. 

1600 

6  X  0,5  , 

5.  XI. 

2000 

6  X  0,5  „ 

6.  XI. 

1800 

6x0,5  „ 

Agurin  wird  gut  vertragen, 

7.  XI 

1600 

6  X  0,5  ,,  „ 

keine  Magenbeschwerd. 

8.  XI. 

1600 

Agurin  ausgesetzt 

9.  XI 

2000 

— 

10.  XI. 

1600 

— 

11.  XI. 

? 

— 

12.  XI. 

1500 

— 

13.  XI. 

1800 

— 

Exsudat  gefallen,  reicht  nur 

14.  XI. 

1700 

— 

noch  bis  zum  Angul. 

15.  XI. 

2000 

— 

scapulae. 

16.  XI. 

1900 

—— 

Am  30.  XI.  gebessert  entlassen.  LHU  besteht  noch  3  quer- 
fingerbreite  Schallverkürzung  mit  leicht  abgeschwächtem  Atmen, 
LV  Schall  voll. 

Fall  III:  Konrad  L.,  18  Jahre,  Schreinergehilfe,  Eintritt 
11.  III.  1902,  Austritt  3.  IV.  1902. 

Diagnose:  Schusswunde  der  rechten  Thoraxseite  am  oberen 
Rand  der  V.  Rippe  (Tentamen  suiciclii),  Hämatothorax ;  RV  ab 
IV.  Rippe,  RHU  ab  Angul.  scapul.  Dämpfung,  Atembeschwerden. 


Datum 

Harn¬ 

menge 

Ordination 

Bemerkungen 

25.  HI. 

500 

_ 

Dämpfung  gestiegen,  reicht 

26.  III. 

550 

— 

bis  zur  Spina  scapul., 

27.  HI. 

950 

— 

RV  bis  zur  2.  Rippe. 

28.  m. 

1800 

3  X  1,0  g  Agurin 

29.  HI. 

2000 

3  X  1,0  „  „ 

30.  HI. 

2000 

3  X  1,0  „  „ 

31.  IH. 

1850 

3  X  1,0  „ 

Agurin  wird  gi.t  vertragen. 

1.  IV. 

2000 

Dampfung  geht  zurück  reicht 
RH  bis  zur  Mitte  der  Scapul., 
vorn  aufgehellter  Schall 

Am  3.  IV.  zur  weiteren  Behandlung  nach  Hause  entlassen. 
Fall  IV:  Carl  B.,  Kupferschmied,  25  Jahre,  Eintritt  16.  II. 
1902;  Austritt  5.  III.  1902. 

Diagnose:  Nephritis  chronica,  interstitialis,  Oedeme  der 

unteren  Extremitäten,  leichtes  Oedem  des  Gesichtes. 


Datum 

Harn¬ 

menge 

Ordination 

Bemerkungen 

18.11. 

m 

J  750 

E-Gehalt  4  Prom. 

19.  II. 

1100 

— 

20.  H. 

900 

— 

21.11. 

800 

— 

22.  n. 

1800 

3  X  1,0  g  Agurin 

23.11. 

W  2000 

3  X  1,0  ,,  „ 

24.  II. 

1850 

3X1,0  „ 

25.  II. 

1300 

3  X  1,0  „  „ 

Agurin  wird  gut  vertragen, 

26.11. 

1600 

Oedeme  verschwunden. 

27.11. 

1650 

— 

E-Gehalt  2  Prom. 

Am  5.  III.  gebessert  entlassen,  Befinden  ziemlich  gut.  keine 
Oedeme,  Eiweissgehalt  schwankend  zwischen  1  und  2  Prbru. 

Die  besten  Erfolge  mit.  Agurin  sind  jedenfalls  bei  inkompen¬ 
siertem  Herzfehler  zu  erzielen.  Ich  sali  liier  die  Oedeme  in  der 
Regel  schon  nach  wenigen  Tagen  verschwinden,  so  dass  sich  das 
Allgemeinbefinden  bedeutend  liob.  Die  hiebei  kaum  zu  um¬ 
gehende  Digitalis  trägt  zur  Unterstützung  der  Diurese  noch 
wesentlich  bei.  In  einem  Falle  von  Hämatothorax  übte  Agurin 
gleichfalls  eine  günstige  Wirkung  aus,  während  bei  einem  kacliek- 
tischen  Manne  mit  Carcinoma  ventriculi  und  bestehendem 
Aszites  auf  Agurin  kaum  eine  Besserung  eintrat,  so  dass  die 
Punktion  der  Flüssigkeit  notwendig  wurde.  Recht  gute  Erfolge 
sah  ich  bei  Pleuritis  exsudativa  von  Agurin.  Als  wesentliche 
Unterstützung  der  Diurese  hiebei  möchte  ich  die  Verabreichung 
von  täglich  1  Flasche  Brüclcenauer  Wasser  empfehlen.  Da 
Agurin  nur  auf  die  gesunden  Nierenepithelien  einwirkt,  bildet 
die  parenchymatöse  Nephritis  eine  Kontraindikation  für  Dar¬ 
reichung  des  Mittels;  immerhin  ist  bisweilen  bei  chronischer 
interstitieller  Nephritis,  wie  Fall  IV  zeigt,  mit  Agurin  noch  eine 
wesentliche  Steigerung  der  Diurese  zu  erreichen. 

Die  Bekömmlichkeit  des  Agurins  ist  im  allgemeinen  eine 
gute,  es  trat  nie  Uebelkeit  oder  Erbrechen  auf.  Die  Darreichung 
geschah  in  der  Regel  in  Oblaten. 

Im  Falle  II  wurden  nacheinander  33  g  verabreicht,  ohne  dass 
irgendwie  eine  Verdauungsstörung  oder  dergl.  auftrat.  Die  Ver¬ 
mehrung  der  Harnausscheidung  hält  selbst  nach  Aussetzen  der 
Medikation  noch  mehrere  Tage  an  und  zwar  konnte  ich  dieselbe 
4 — 12  Tage  lang  beobachten. 

3  g  Agurin  pro  die  sind  im  allgemeinen  ausreichend,  um 
eine  merkliche  prompte  Steigerung  der  Diurese  hervorzurufen, 
kleinere  Dosen  zu  verwenden,  halte  ich  nach  meinen  Erfahrungen 
für  nicht  angezeigt.  Dadurch,  dass  die  Tagesgabe  von  Agurin 
nur  etwa  halb  so  gross  ist  wie  bei  den  sonst  gebräuchlichen 
Theobrominderivaten,  kommt  der  höhere  Preis  von  Agurin  kaum 
in  Betracht. 

Auf  jeden  Fall  besitzt  das  Agurin  dem  Diuretin  gegenüber 
wesentliche  Vorzüge,  so  dass  es  verdient,  letzterem  vorgezogen  zu 
werden. 

Literatu  r: 

1.  Friedei  Pick:  Prag.  med.  Wochenschr.  1896,  No.  40.  — 
2.  Deutsch.  Arcb.  f.  klin.  Med.  57.  —  3.  Riegel:  Deutsch, 
med.  Wochenschr.  1898.  —  4.  E.  Impens:  Münch,  med.  Wochen¬ 
schr.  1901,  No.  32.  —  5.  Destrge:  Bulletin  Göneral  de  Thera- 
peutique  No.  24,  1901.  — 6.  Litten:  Verein  für  innere  Medizin, 
Sitzung  vom  4.  November  1901:  ref.  Deutsche  med.  Wochenschr. 
S.  300.  —  7.  L.  Michaelis:  Deutsch.  Aerzte-Zeitung  Heft  24. 
1901.  —  8.  Holle:  Klinische  Beobachtungen  über  das  Agurin. 
Dissert.  München  1902.  —  9.  Buchwald:  Schlesische  Aerzte- 
Korresp.  1902,  No.  9.  —  10.  Reye:  Heilkunde  1902,  6.  Heft.  — 
11.  Hess:  Therapie  der  Gegenwart.  Juni  1902. 


Aus  Dr.  Deckers  Privatheilanstalt  für  Magen-  u.  Darmkranke. 

Ueber  Cancroin  „Adamkiewicz“. 

Von  Dr.  J.  Decker  in  München. 

„Das  Cancroin  ist  das  wichtigste  unter  den  modernen  Heil¬ 
mitteln,  denn  es  richtet  sich  gegen  den  Krebs.  Der  Krebs  aber 
ist  die  furchtbarste  aller  Krankheiten  und  gilt  seit  Tausenden 
von  Jahren  als  medizinisch  unangreifbar.  Dem  Cancroin  hält 
der  Krebs  nicht  stand.  Das  Cancroin  tötet  seine  Zellen  und 
bringt  den  Krebs  zum  Schwund  durch  Aufsaugung  oder  Ab- 
stossung.  Zur  „Heilung“  des  Krebses  genügen  diese  Prozesse 
selbstverständlich  nicht,  wenigstens  nicht  immer.  Aber  die  durch 
sie  erzielten  Erfolge  sind  schon  jetzt  mehr  als  beachtenswert 


23.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2147 


und  stehen  hoch  über  dem,  was  die  Medizin  bisher  für  möglich 
gehalten  hat.  Sie  halten  in  jedem  Fall  den  tödlichen  Vormarsch 
fler  Krankheit  auf,  mildern  die  Qualen  und  Leiden  des  Kranken 
und  können  den  Krebs  unter  günstigen  Umständen  auch  heilen.“ 
ho  zu  lesen  in  dem  Zirkular,  in  dem  die  das  Caneroin  fabri¬ 
zierende  Finna  G.  &  R.  Fritz  in  Wien  unter  Beifügung  von 
22  ärztlichen  Gutachten  dieses  „Spezifikum“  gegen  Krebs  em¬ 
pfiehlt,  jedenfalls  nicht  ohne  Gutheissung  seitens  Adamkiewicz. 

Wer  diese  vielverheissenden  Worte  liest,  müsste  sich  die 
grössten  Vorwürfe  machen,  dass  er  die  gewiss  unermessliche 
Wohltat^ eines  „Spezifikums“  den  bedauernswerten  Krebskranken 
seiner  Klientel  bisher  vorenthalten,  wenn  ihm  nicht  die  scharfe 
Kritik  bekannt  wäre,  die  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in 
Wien  in  der  Sitzung  vom  13.  November  1891,  in  der  Adam¬ 
kiewicz  den  ersten  von  ihm  angeblich  geheilten  Fall  von  Epi¬ 
theliom  vorstellte,  von  verschiedenen  Autoritäten,  speziell  von 
B  i  1 1  r  o  t  li,  Kaposi  und  Albert,  an  diesem  angeblichen 
„Spezifikum“  geübt  worden. 

ln  Rio.  24  der  Berl.  klin.  Wochenschr.  d.  J.  erschien  nun 
eine  neue  Publikation  von  Adamkiewicz  über  „Neue  Er¬ 
folge  des  Caneroin  beim  Krebs  der  Zunge,  des  Kehlkopfes,  der 
Speiseröhre,  des  Magens  und  der  Brustdrüse“,  in  der  von  den 
schönsten  Triumphen  dieser  Behandlungsmethode  berichtet 
wurde.  Besonders  frappant  schien  die  Wirkung  in  Fall  3,  Krebs 
der  Speiseröhre,  bei  welchem  im  Laufe  von  nur  5  Tagen  der 
Cancroinbehandlung  die  seit  4  Monaten  bestehende  und  in  Zu¬ 
nahme  begriffene  krebsige  Verengerung  der  Speiseröhre  zur 
Rückbildung  gebracht  worden.  Wohl  zur  weiteren  Bestätigung 
dieses  therapeutischen  Erfolges  erwähnt  Adamkiewicz  ein 
„von  den  10  kleinen  Kindern  der  Rekonvaleszentin  unterzeich- 
netes,  in  tiefbewegten  und  bewegenden  Worten  verfasstes  Dank¬ 
schreiben  für  die  Rettung  ihrer  jungen  Mutter“  und  legt  diesen 
Dank  der  Wissenschaft  zu  Füssen ! 

Auf  Grund  dieser  letzten  Publikation  entschloss  ich  mich, 
das  Caneroin  an  geeigneten  Fällen  nachzuprüfen,  und  zwar  an 
2  Oesophaguskarzinomen,  an  einem  Karzinom  der  grossen  Kur¬ 
vatur  des  Magens  und  an  einem  Karzinom  des  Colon  descendens. 
Die  Krankengeschichte  dieser  4  Fälle  lasse  ich  kurz  hier  folgen: 

Fall  1.  Herr  S.,  63  Jahre  alt,  leidet  seit  4  Monaten  an 
Schluckbeschwerden.  Feste  Speisen  werden  gleich  nach  der  Auf¬ 
nahme  erbrochen,  flüssige  Speisen  dagegen  nicht,  wenn  sie  schluck¬ 
weise  genommen  werden.  In  letzter  Zeit  starke  Abmagerung. 
Die  Untersuchung  ergab  eine  Stenose  des  unteren  Drittels  der 
Speiseröhre  auf  karzinomatüser  Grundlage.  Während  8  Tagen  son¬ 
dierte  ich  den  Oesophagus  täglich,  kam  aber  nur  mit  vieler  Mühe 
mit  der  dünnsten  Sonde  durch  die  Stenose  hindurch.  Mit  Ein¬ 
willigung  des  Patienten  begann  ich  dann  mit  Cancroininjektionen, 
auf  deren  eventuellen  Nichterfolg  ich  denselben  vorher  aufmerk¬ 
sam  machte,  wie  ich  diese  Vorsicht  auch  in  den  3  übrigen  Fällen 
gebrauchte.  Im  Verlaufe  von  5  Wochen  machte  ich  24  Cancroin¬ 
injektionen  ä  1  g,  die  ohne  weitere  Beschwerden  ertragen  wurden; 
Fieber  trat  nicht  ein.  Auch  an  den  Injektionsstellen  zeigten  sich 
keine  nennenswerten  Schmerzen.  Der  Erfolg  dieser  24  Injektionen 
war  ein  vollständig  negativer.  Nach  wie  vor  konnte  flüssige 
Nahrung  die  Stenose  passieren,  feste  Nahrung  dagegen  wurde  er¬ 
brochen.  Unter  stetig  zunehmender  Entkräftung  trat  3  Monate 
später  der  Exitus  ein. 


F  a  1 1  2.  Frl.  P.,  66  Jahre  alt.  Seit  3  Monaten  kann  nur  mehr 
flüssige  Nahrung  genommen  werden.  Starke,  nach  dem  Rücken 
ausstrahlende  Schmerzen  unter  dem  Brustbein.  Starke  Abmage¬ 
rung.  Die  Untersuchung  ergibt  ein  Karzinom  des  Oesophagus 
oberhalb  der  Ivardia.  Mit  der  Schlundsonde  kann  man  die  steno- 
sierte  Stelle  nicht  passieren.  Am  7.  VII.  d.  J.  wurde  eine  Magen¬ 
fistel  angelegt  und  alsdann  mit  Cancroininjektionen  ä  lg  be¬ 
gonnen,  deren  15  appliziert  wurden.  Dieselben  wurden  nicht  so 
gut  vertragen  wie  in  Fall  1,  indem  sie  heftige,  in  Schulter,  Hals 
und  Unterkiefer  ausstrahlende  Schmerzen  verursachten  (die  In¬ 
jektionen  erfolgten  an  der  Brust)  einmal  sogar  zu  Kollapserschei¬ 
nungen  führten,  die  auf  Kampher  wieder  zurückgingen.  Der  Er¬ 
folg  war  auch  hier  ein  negativer.  Pat.  ist  augenblicklich  noch  in 
meiner  Behandlung,  die  Stenose  ist  nicht  einmal  für  Flüssigkeit 
durchgängig  und  Pat.  verdankt  ihr  augenblickliches  relatives 
Wohlbefinden  nur  der  Ernährung  durch  eine  angelegte  Magen¬ 
fistel. 

Fall  3.  Frau  N.,  53  Jahre  alt,  leidet  seit  einem  halben  Jahr 
an  Schmerzen  im  Magen,  Erbrechen  von  Schleim  und  Speisen. 
Starke  Abmagerung.  Die  Untersuchung  ergibt  ein  iiberfaust- 
grosses  Karzinom  der  grossen  Kurvatur  des  Magens.  Es  werden 
im  ganzen  18  Einspritzungen  von  Kankroin  ä  1  g  gemacht,  die  gut 
vertragen  wurden,  aber  ohne  jeden  Erfolg  waren,  indem  sowohl 
die  Schmerzen  nicht  gelindert  wurden,  als  auch  der  Tumor  sich 
in  keiner  Weise  veränderte. 


Fall  4.  Herr  H„  61  Jahre  alt.  Seit  3  Monaten  Schmerzen 
in  der  linken  Bauchseite  und  bei  der  Defäkation;  Stuhl,  sehr  retar- 
dirt,  geht  meistens  in  Bleistiftform  ab.  Blut  beim  Stuhl  nicht  be-  | 


merkt.  Häufiger  Drang  zum  Stuhl.  Ca.  50  Pfd.  seit  dieser  Zeit 
abgenommen.  Die  Untersuchung  ergibt  u.  a.  mässig  aufge- 
1 1  iebenes  Abdomen.  Oberhalb  der  linken  ltegio  inguinalis  ein 
zweifingerdicker,  harter,  auf  Druck  schmerzhafter  Tumor  zu 
l  uhlen,  der  auch  nach  reichlichem  Abführen  unverändert  bestehen 
bleibt.  Diagnose:  Kolonkarzinom.  Da  eine  Operation  abgelelmt 
wurde,  begann  ich,  abgesehen  von  der  üblichen  symptomatischen 
Behandlung,  mit  Cancroininjektionen,  wovon  im  ganzen  16  ä  1  g 
appliziert  wurden.  Sie  wurden  gut  vertragen.  Die  Schmerzen 
dessen  vorübergehend  nach,  so  dass  auch  einige  Tage  Stuhl  ohne 
Beschwerden  erfolgte;  allein  nach  kurzer  Zeit  stellten  sich  die¬ 
selben  wieder  ein  und  Pat.  kam  3  Monate  später  ad  exitum. 

Was  haben  nun  in  diesen  4  lallen  die  Cancroininjektionen 
genützt  ?  Haben  sie  den  tödlichen  Vormarsch  der  Krankheit 
auf  gehalten  oder  auch  nur  die  Qualen  und  Leiden  der  Kranken 
gemildert?  Mag  man  noch  so  objektiv  an  die  Nachprüfung 
dieser  r  rage  herantreten,  das  Urteil  muss  sich  der  ersten  ver¬ 
nichtenden  Kritik  von  Billrot  h,  Kaposi  u.  a.  anschliessen. 
Wie  diese  angeblichen  Erfolge  seitens  Adamkiewicz  und 
anderer  in  dem  Schreiben  der  interessierten  Firma  G.  &  R.  Fritz 
in  Wien  erwähnter  Beobachter  zu  erklären  sind,  lasse  ich  dahin¬ 
gestellt;  auch  würde  es  zu  weit  führen,  da  jeder  einzelne  an¬ 
geführte  I  all  in  erster  Linie  bezüglich  der  Diagnose  analysiert 
werden  müsste.  In  diesem  Sinne  sprechen  sich  auch  die  Er¬ 
widerungen  von  Nothnagel,  v.  Eiseisberg,  Pohen  und 
Schultz-Schultzenstein  in  No.  28  der  Berl.  klin. 
Wochenschr.  d.  J.  aus. 

Wer  ein  Spezifikum  gegen  diese  mörderische  Krankheit 
finden  wird,  darf  des  Dankes  nicht  bloss  seitens  der  bedauerns¬ 
werten  Kranken,  sondern  auch  der  gesamten  Aerztewelt  sicher 
sein.  Bevor  es  aber  als  Spezifikum  in  die  Welt  hinausgegeben 
wird,  soll  es  einwandfrei  erprobt  und  seine  Wirkung  durch  un¬ 
anfechtbare  Tatsachen  bewiesen  sein.  Dann  können  auch  in  der 
Beweiskette  „die  in  tiefbewegten  und  bewegenden  Worten  ver¬ 
fassten  Dankschreiben“  der  Patienten  resp.  ihrer  Angehörigen 
entbehrt  werden,  die  für  einen  nüchternen  Leser,  der  lediglich 
durch  bündige,  nackte  Tatsachen  überzeugt  sein  will,  einen  un¬ 
angenehmen  Beigeschmack  haben. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  mir  noch  eine  Bemerkung  ge¬ 
statten,  die  an  die  Adresse  der  Firma  G.  &  R.  Fritz  in  Wien 
gerichtet  ist.  Laut  Zirkular  sollen  die  Originalflacons  10  ccm 
Inhalt  haben,  also  für  10  Injektionen  a  1  g  reichen.  In  allen 
von  mir  benützten  Flacons  waren  jedoch  nur  6 — 7  Injektionen 
enthalten,  was  den  an  und  für  sich  schon  hohen  Preis  von  10  M. 
für  1  Flacon  bedeutend  erhöht. 


Zur  Behandlung  der  Gonorrhoe  mit  Protargolgelatine. 

Von  Dr.  B  enario  in  Frankfurt  a.  M. 

Die  Therapie  der  akuten  Gonorrhöe  wird  wohl  jetzt  von  den 
meisten  Aerzten  mit  Desinfizientien  aus  der  Reihe  der  Silber¬ 
salze  geübt.  Unter  diesen  nimmt  das  Protargol  einen  hervor¬ 
ragenden  Platz  ein  und  es  hat  sich  im  Laufe  der  5  Jahre,  seit 
es  durch  Neisser  und  mich  in  die  Therapie  eingeführt  worden 
ist,  einen  immer  grösseren  Kreis  von  Anhängern  erworben,  wie 
aus  einer  fast  nicht  übersehbaren  Literatur  hervorgeht,  auf  die 
ich  in  einer  späteren  Arbeit  zurückkommen  werde.  —  Seit  einiger 
Zeit  wird  unter  dem  Namen  „Viro“  ein  Präparat  zur  Prophylaxe 
gegen  Gonorrhöe  in  den  Handel  gebracht.  Dasselbe  besteht  aus 
kleinen  Zinntuben,  welche  15  proz.  Protargolgelatine  enthalten. 
Der  Gedanke,  die  Protargolgelatine  auch  zu  therapeutischen 
Zwecken  zu  verwenden,  führte  mich  zur  Zusammenstellung 
eines  kleinen  Apparates*  l),  der  im  Nachstehenden  beschrieben 
werden  soll. 

In  Glasröhrchen  ist  Protargolgelatine  eingefüllt,  die  durch  ein 
Korkplättchen  nach  oben  luftdicht  abgeschlossen  ist;  durch  Druck 
eines  graduierten  Holzstempels  auf  dieses  Plättchen  wird  durch  die 
auf  das  untere  Ende  des  Röhrchens  aufgesetzte  Gummiolive  oder 
durch  einen  kleinen  weichen  Katheter  die  Protargolgelatine  in  die 
Urethra  gebracht.  Der  Inhalt  eines  Röhrchens  ist  für  einen  Tag 
berechnet,  der  Stempel  für  4  Injektionen  pro  die  markiert.  Der 
Katheter  ist  ca.  8  cm  lang,  Filiere  No.  13  und  ist,  wenn  ausser 
<  tebrauch,  im  Innern  des  hohlgebohrten  Stempels  in  einer  antisep¬ 
tischen,  starren  Lösung  untergebracht.  Die  Vorteile  des  kleinen 
Apparates  „Urosanol“  gegenüber  den  früheren  Methoden  bestehen 
zunächst  in  seiner  handlichen  und  bequemen  Anwendungsweise,  da. 


9  Der  Apparat  wird  unter  dem  Namen  „Urosanol“  in  den 
Handel  gebracht.  Es  sind  in  einem  Karton  3  Röhrchen,  1  Holz¬ 
stempel  und  1  Gummiolive  enthalten.  Die  Protargolgelatine  ist 

1  proz.,  3proz.  oder  5proz.;  man  ordiniere  also:  Urosanol  c.  1  Proz. 
Protargol  xx. 


No.  51. 


3 


2143 


MUENCHENEK  MED1CINISCI1E  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


die  Arzueiflaschen,  Spritze  etc.  wegfallen,  und  da  der  Karton 
leicht  in  der  Tasche  mitgetragen  werden  kann.  Die  Injektion 
selbst  ist  sowohl  bei  Anwendung  der  Olive,  als  auch  des  Katheters 
leicht  auszuführen.  Die  Herstellung  der  Protargolgelatine  ge¬ 
schieht  lege  artis,  was  hei  den  aus  der  Apotheke  bezogenen  wäss¬ 
rigen  Protargollösungen  nicht  immer  der  Fall  ist;  die  schlechten 
Resultate  einzelner  Autoren  sind  vielfach  auf  irrationell  bereitete 
Lösungen  zuriiekzufüliren,  worauf  in  letzter  Zeit  besonders  G  o  1  d  - 
m  a  n  n  und  Jesionek  aufmerksam  gemacht  haben. 

Die  Gelatine  zum  Träger  des  Medikamentes  zu  machen,  ist 
nach  meiner  Ansicht  ein  weiterer  Vorteil.  Wenn  ich  von  ihrer, 
noch  nicht  genügend  gekannten  phannakodynamisclien  \\  irkung 
absehe,  so  liegt  in  ihren  physikalisch-chemischen  Eigenschaften 
mancher  Wert.  Es  ist  theoretisch  anzunehmen,  dass  die  Gelatine,  als 
ein  dem  menschlichen  Gewebe  adäcpiater  Stoff,  als  zellenhomogenes 
Material  leichter  resorbiert  und  dass  das  an  sie  gebundene  Pro- 
targol  dadurch  leichter  in  die  Tiefe  transportiert  wird,  besonders 
da  die  Lösung  der  Protargolgelatine  von  den  Körpersäften  selbst, 
z.  B.  dem  transsudierten  Eiterserum,  dem  Sekret  der  Uretliral- 
driisen,  besorgt  wird.  Ferner  ist  zu  berücksichtigen,  dass  bei  der 
Protargolgelatine  auch  diejenige  Konzentration  von  Protargol  zur 
Einwirkung  gelangt,  welche  injiziert  wird,  während  wässrige  Lo¬ 
sungen  in  dem  Augenblick  ihrer  Berührung  mit  der  Schleimhaut 
durch  den  Hinzutritt  von  Serum  und  Sekret  noch  diluiert  werden 
(Finger).  Die  Protargolgelatine  löst  sich  in  der  Urethra  in 
1-1  i/o  Minuten,  und  da  durch  das  allmähliche  Freiwerden  des 
Protargols  Schmerzempfindungen  so  gut  wie  ganz  vermieden 
werden,  kann  man  mit  höher  konzentrierten  Lösungen  in  die  Be¬ 
handlung  treten,  gewöhnlich  mit  1  Proz.,  um  dann  rasch  auf 
3  und  ö  Proz.  zu  steigen;  bei  subakuten  und  chronischen  Fällen 
kann  man  sofort  mit  5  proz.  Lösung  beginnen.  Die  Injektionen 
werden  anstandslos  bis  zu  10  und  lö  Minuten  ertragen.  Schon 
nach  fi  Minuten  steht  dii  verflüssigte  Gelatine  in  der  I  retlira  unter 
hohem  Druck,  genügend,  um  dieselbe  zu  entfalten.  Bei  Anwen¬ 
dung  des  kleinen  Katheters  wird  die  Urethra  ohnedies  entfaltet 
und  die  Schleimhaut  geglättet,  so  dass  die  Anfüllung  mit  der  Pro¬ 
targolgelatine  noch  leichter  von  statten  geht.  W  as  mich  aber 
ferner  hauptsächlich  zur  Anwendung  des  Katheters  bestimmt  hat, 
ist  die  Möglichkeit,  mit  ihm  vor  der  Injektion  das  in  jüngster 
Zeit  bekannt  gewordene,  die  Schleimhäute  anämisierende  Extr. 
s  u  p  r a  r e  n  a  1  e  ode  r  A  d  r en  a  1  i  n  einzuführen.  Ich  habe  dasselbe 
unter  die  oben  beschriebene  Lösung  zur  Aufbewahrung des  Katheters 
gemischt,  den  mit  der  Masse  bestrichenen  Katheter  ca.  3 — 4  Mi¬ 
nuten  liegen  lassen  und  darauf  eine  deutliche  Blässe  der  Schleim¬ 
haut  wahrnehmen  können;  einzelne  Patienten  haben  sogar  über 
ein  geringes  Kältegefühl  in  der  Urethra  berichtet.  Es  muss  noch 
weiteren  Beobachtungen  überlassen  bleiben,  welchen  Wert  das 
Adrenalin  auch  speziell  auf  den  gonorrhoischen  Prozess  selbst  hat. 
Selbstverständlich  kann  man  an  Stelle  des  kurzen  Katheters  auch 
einen  gewöhnlichen  auf  die  Gläschen  armieren,  z.  B.  zur  Behand¬ 
lung  der  Urethritis  posterior.  Ich  denke  zunächst  an  den  Ersatz  für 
die  Instillationen  und  glaube,  dass  das  Protargol,  auf  diese  V  eise 
appliziert,  auch  mehr  als  bisher  sich  für  die  Affektionen  der 
Posterior  nützlich  erweisen  wird,  da  man  im  Stande  sein  wird, 
die  Protargolgelatine  genau  am  Locus  affectionis  zu  deponieren. 
Eine  5  proz.  Lösung  wird  auch  hier  für  alle  Fälle  ausreichen,  wenn 
ich  die  Resultate  bakteriologischer  Untersuchung  auf  das  lebende 
Gewebe  übertragen  darf. 

Ich  habe  die  Einwirkung  der  Protargolgelatine  auf  Gono¬ 
kokken  einer  bakteriologischen  Prüfung  unterzogen  und  zwar 
nach  2  Methoden. 

Zunächst,  um  möglichst  schwere  Bedingungen  zu  setzen, 
habe  ich  24—48  stündige,  auf  schräg  erstarrtem  Aszitesagar  ge¬ 
wachsene  Gonokokkenkulturen  verschiedene  Zeit  mit  Protargol¬ 
gelatine  überschichtet,  die  Mischung  bei  37  im  Wasserbad  ge¬ 
halten,  die  Protargolgelatine  wieder  abgegossen,  reichlich  mit 
steriler  physiologischer  Na  Cl-Lösung  nachgespült  und  dann 
aus  den  verschiedenen  Partien  der  Kultur  3  Oesen  auf  frischen 
Aszitesagar  ausgestrichen ;  cs  ist  dies  ein  W  eg,  wie  ihn 
Löffler)  bei  seiner  Arbeit  „Zur  Therapie  der  Diphtherie*’ 
gewählt  hat. 

Bei  meinem  Verfahren  nun  hat  sich  herausgestellt,  dass  erst 
5  proz.  Protargolgelatine  im  stände  ist,  48  stündige  Kulturen  im 
Zeitraum  von  3 — 5  Minuten  vollständig  abzutöten,  während  z.  B. 
2  proz.  Lösungen  dazu  noch  nach  15  Minuten  nicht  im  stände 
waren;  wässerige  Lösungen  verhielten  sich  analog.  Wählte  ich 
aber  die  von  Schaffer  angegebene  und  nach  ihm  von  den 
meisten  Autoren  benutzte  Methode  der  Aufschwemmung  der 
Gonokokken  in  Serum  und  der  nachherigen  Zusetzung  des  Des- 
infiziens,  so  gelang  es  mit  1  proz.  Protargolgelatine  schon  nach 
1  Minute,  die  Suspension  abzutöten.  Jedenfalls  konnte  ich  er¬ 
sehen,  dass  die  gelatinösen  Protargollösungen  den  wässerigen 
gleichwertig  sind  und  an  bakterizider  Kraft  nicht  nachstehen. 
Meine  praktischen  Versuche,  die  an  einer  allerdings  kleinen 
Zahl  von  11  Pallen  akuter  Gonorrhöe  vorgenommen  worden  sind. 


haben  sehr  befriedigende  Resultate  gehabt;  das  \  erschwinden 
der  Gonokokken  erfolgte  in  3 — 5  Tagen  und  die  Erscheinungen 
waren  nach  3 — 4  Wochen  vollständig  beseitigt;  in  einem  Falle 
trat  eine  Gonorrh.  posterior  und  Epididymitis  auf,  doch  hatte 
sich  der  Patient  nach  14  Tagen  auf  5  Wochen  der  Behandlung 
entzogen.  Die  leitenden  Gesichtspunkte  bei  der  Anwendung  des 
Urosanol  sind  dieselben  wie  bei  der  Anwendung  wässeriger 
Lösungen. 

Die  Erfolge,  welche  andere  Kollegen  gehabt,  sind  gleich 
günstig  und  werden  anderweitig  publiziert  werden.  Sie  und, 
nach  ihren  Berichten,  ihre  Patienten  loben  gleichmässig  die 
praktische  Form  und  bequeme  Anwendungsweise.  Ich  möchte 
die  Herren  Kollegen  ersuchen,  den  kleinen  Apparat  ihren 
Patienten  in  die  Hand  zu  geben  und  mir  ihre  Erfahrungen  oder 
eventuelle  Misstände,  welche  sie  finden,  mitteilen  zu  wollen. 


Aus  dem  städtischen  Krankenhaus  Frankfurt  a/M.  Chirurgische 
Abteilung.  Oberarzt:  Herr  Prof.  L.  Eehn. 

Praktische  Erfahrungen  mit  dem  Röntgeninstrumen¬ 
tarium,  „System  Dessauer“,  Aschaffenburg. 

Von  Dr.  v.  Gose  n,  Assistenzarzt. 

Tn  No.  34  vorliegender  Wochenschrift  vom  17.  Juni  d.  J. 
wurde  von  Herrn  Dr.  Metzner  aus  Dessau  die  Beschreibung 
und  Anpreisung  eines  Röntgeninstrumentariums  „System 
I)  e  s  s  a  uer  -  Aschaffenburg“  veröffentlicht.  Da  ein  Referat  hier¬ 
über  meinen  Bericht  unnötig  verlängern  würde,  verweise  ich  auf 
den  Originalartikel,  der  ja.  jedem  Leser  leicht  zugänglich  sein 
dürfte.  Nur  einen  Punkt  aus  demselben  will  ich  besonders  be¬ 
tonen.  Herr  M.  sagt  nämlich,  dass  ein  kleines  Dessauer  sches 
Induktorium  bei  Anschluss  an  eine  gewöhnliche  Lichtleitung 
unter  Verwendung  eines  elektrolytischen  Unterbrechers  dasselbe 
leiste,  wie  einer  der  bisher  gebräuchlichen  Induktoren  von  40  cm 
Funkenlänge. 

Diese  Behauptung  bringt  das  Fundament  des  „Systems 
Dessauer“  zum  Ausdruck. 

Um  nun  einerseits  diesen  Satz  zu  berichtigen  und  anderer¬ 
seits  kauflustige  Kollegen  vor  Enttäuschungen  zu  bewahren, 
sollen  jetzt  unsere  praktischen  Erfahrungen  mit  diesem  System 
veröffentlicht  werden. 

Im  Februar  dieses  Jahres  machten  sich  einige  Verbesserungen 
an  dem  auf  der  chirurgischen  Abteilung  des  hiesigen  städtischen 
Krankenhauses  in  Benützung  befindlichen  Röntgeninstrumen¬ 
tarium  wünschenswert.  Zu  jener  Zeit  bestand  dieses  aus  einem 
Umformer,  der  den  von  der  Zentrale  gelieferten  Wechselstrom  in 
Gleichstrom  umformte,  einem  Quecksilberturbinenunterbrecher,  so¬ 
wie  einem  Induktorium  von  (10  cm  Funkenlänge. 

Den  Anstoss  zu  der  geplanten  Aenderung  gab  vor  allem  der 
Umstand,  dass  die  Güte  der  mit  diesem  Instrumentarium  geliefer¬ 
ten  Bilder  geringer  war,  als  man  nach  den  Fortschritten  auf  dem 
Gebiete  der  Röntgentechnik  erwarten  konnte.  Ein  zweiter  Grund 
war  die  Länge  der  Expositionszeiten,  die  z.  I».  bei  dem  Becken 
eines  Erwachsenen  4 — <>  Minuten  betrug. 

Um  die  Güte  und  Deutlichkeit  der  Bilder  zu  heben,  erwies  ( s 
sich  als  nötig,  den  zu  kleinen  Wechselstromumformer  durch  einen 
grösseren  zu  ersetzen,  während  die  Abkürzung  der  Expositions¬ 
zeiten  durch  Einführung  eines  elektrolytischen  Unterbrechers  her¬ 
beigeführt  werden  sollte. 

I  liier  den  Firmen,  die  bei  der  Durchführung  dieser  Aemle- 
rungen  in  'Wahl  kamen,  machte  nun  die  Firma  Des  sau  er. 
Aschaffenburg,  der  ausschlaggebenden  städtischen  Behörde  die  bei 
weitem  günstigsten  Angebote.  Das  System  Dessauer  unterscheidet 
sich  von  den  anderen  Röntgensystemen  dadurch  wesentlich,  dass 
ein  kleines,  nach  eigenen  Angaben  gebautes  Induktorium  (20  cui 
Funkenlänge)  die  sonst  gebräuchlichen  grossen  und  sehr  teueren 
Induktorieu  vollwertig  ersetzen  soll.  Ferner  verspricht  es  unter 
Benützung  der  schon  bekannten  Tatsache,  dass  man  auch  in  einen 
Wechselstrom  kreis  den  Welmeltunterbrecher  einschalten  kann, 
bei  direktem  Wechselstromanschluss  gute  Bilder  zu  liefern. 
Sein  elektrolytischer  Unterbrecher  unterscheidet  sich  nicht  von 
den  sonst  gebräuchlichen;  er  repräsentiert  den  bekannten  Wehnelt 
Unterbrecher. 

Ist  nun  der  Beweis  erbracht,  dass  die  Plastik  und  Schärfe 
i  der  Bilder  bei  Benützung  des  D  e  s  s  a  u  e  r  sehen  Apparates  nicht 
hinter  der  der  anderen  Systeme,  die  ein  grosses  Induktorium,  sowie 
Verwendung  des  Gleichstroms  unbedingt  fordern,  zurücksteht, 
dann  liegen  die  Vorteile  des  Systemes  Dessauer  klar  auf  der  Hand. 

Das  in  unserem  Falle  gemachte  Angebot  zeichnete  sich  vor 
allem  durch  den  bestechend  niedrigen  Preis  aus.  Natürlich  muss 
ja  ein  Röiitgeninstrumentarium  mit  kleinem  Induktorium  ohne 
Wechselstromumformer  relativ  billig  herzustellen  sein.  Ausserdem 
musste  die  Handhabung  eines  so  einfach  konstruierten  Apparates 
eine  sehr  leichte  sein. 


-)  Löffler:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891,  No.  10. 


23.  Dezember  1902. 


MUENCHENEK  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


l  uter  diesen  Umständen,  verbunden  mit  der  Versicherung, 
d;iss  die  Leistungen  in  jeder  Hinsicht  befriedigen  würden,  gelangte 
denn  hier  ein  Dessauerscher  Apparat  mit  20  cm-Induktorium 
und  direktem  Wechselstromanschluss  zur  Aufstellung. 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  praktischen  Erfolgen. 

In  den  nächsten  Wochen  wurden  ausschliesslich  alle  Auf¬ 
nahmen  mit  dem  neuen  Apparate  augefertigt.  Das  Ergebnis  war 
folgendes:  Die  Handhabung  des  Apparates  war  die  denkbar  ein¬ 
fachste.  Durch  Drehung  einer  Flügelschraube  wurde  der  Strom 
geschlossen  und  die  Lampe  in  Tätigkeit  gesetzt.  Eine  drehbare 
Kurbel  erlaubte  dann  die  W  iderstände  nach  Belieben  (‘in-  und  aus¬ 
zuschalten.  Durch  Wegfall  des  Wecliseltstromumformers  arbeitete 
der  Apparat  fast,  geräuschlos,  da  der  elektrolytische  Unterbrecher 
im  Keller  aufgestellt,  war.  Die  Expositionszeiten  waren  wesentlich 
gekürzt. 

In  Bezug  auf  die  bisher  geschilderten  Eigenschaften  hielt  der 
Apparat  also  das,  was  die  liefernde  Firma  versprochen  hatte. 
Wenn  nun  noch  die  Güte  der  Bilder  nichts  zu  wünschen  übrig  ge¬ 
lassen  hätte,  dann  hätte  man  sich  zu  dem  Neuerwerb  Glück 
wünschen  können.  Leider  bot  sich  aber  hiezu  keine  Veranlassung, 
die  Bilder  standen  nämlich  alle  weit  hinter  denen  unseres  früheren 
Apparates  zurück.  Am  besten  gelangen  noch  die  Extremitäten¬ 
aufnahmen,  doch  waren  wir  gewöhnt,  diese  plastischer  und  die 
Knochenstruktur  deutlicher  zu  sehen.  Die  Knochenumrisse  hoben 
sich  allerdings  leidlich  deutlich  von  den  Weichteilen  ab.  In  zweite 
Stelle  rangierten  an  Güte  die  Thoraxbilder,  während  es  durchaus 
nicht,  gelang,  ein  einigerinassen  befriedigendes  Beckenbild  eines 
mittelstarken  Erwachsenen  zu  erhalten.  Diese  Bilder  waren  so 
undeutlich,  dass  von  einer  klaren  Sichtbarkeit  des  Schenkelkopfes 
gar  keine  Itede  sein  konnte,  da  die  Grenzen  zwischen  Kopf  und 
Pfanne  kaum  sichtbar  waren.  Und  zwar  war  dies  das  Ergebnis 
einer  ganzen  Reihe  von  Versuchen,  die  sich  über  Wochen  aus¬ 
dehnten.  Auch  gerieten  nicht  einzelne  Bilder  schlecht,  während 
andere  gut  oder  wenigstens  besser  wurden,  sondern  alle  waren 
gleich  minderwertig  an  Güte  und  somit,  gleichmässig  unbrauchbar. 
An  Aufnahme  von  Blasen-,  Nieren-  und  Gallensteinen  war  gar 
nicht  zu  denken. 

In  den  ersten  Wochen  hielten  wir  trotzdem  an  dem  Glauben 
an  den  Apparat  fest  und  dachten,  der  Grund  für  die  mangelhaften 
Resultate  liege  vielleicht  darin,  dass  Arzt  und  Schwestern  noch 
nicht,  genügend  eingearbeitet  seien.  Als  jedoch  nach  2  Monaten 
trotz  häufiger  Versuche  mit  systematischer  Aenderuug  der  Ex- 
positionszeiten  etc.  keine  Besserung  eingetreten  war,  erhielt  Herr 
Dessauer  die  Aufforderung,  selbst  hier  zu  erscheinen  und  für 
die  Güte  seines  Apparates  selbst,  die  Beweise  zu  erbringen. 
Dieser  Einladung  wurde  denn  auch  Folge  geleistet  und  Herr 
Dessaue  r  erhielt  liier  in  meinem  Beisein  völlige  Bewegungs¬ 
freiheit.  Das  Resultat  seiner  Bemühungen  bestätigte  unsere 
früheren  Erfahrungen  in  vollem  Masse,  d.  h.  Herr  Dessauev 
war  nicht  im  stände,  Bilder  zu  liefern,  die  in  irgend  einem  Punkte 
besser  waren  als  die  von  uns  gefertigten. 

In  einem  Briefe  vom  2.  Juni  teilt  er  uns  denn  mit,  dass  er 
Koni  rollversuche  in  seinem  Laboratorium  gemacht  habe  und  hier¬ 
durch  zu  dem  Schlüsse  gekommen  sei,  der  Wechselstrom  beein¬ 
trächtige  die  Bildschärfe.  Bei  Gleichstrom  habe  er  sofort  Bilder 
von  guter  Bildschärfe  erhalten.  Herr  Dessauer  schrieb  wört¬ 
lich:  Es  ist  sonach  klar,  dass  Sie  zum  Gleichstrombetriebe  zurück¬ 
kehren  müssen.  Dem  Krankenhause  stellte  er  hierauf  einen 
Wechselstrom-Gleichstromumformer  zur  Verfügung.  Auch  un¬ 
serem  Drängen  nach  einem  grösseren  Induktorium  wurde  nach¬ 
gegeben,  so  dass  wir  von  Mitte  Juni  an  unsere  Versuche  mit 
Gleichstrom  und  24  cm-Induktorium  fortsetzen  konnten. 

Nach  dieser  Aenderuug  war  sofort  eint*  eklatante  Besserung 
der  Bilder  zu  konstatieren,  wenn  diese  auch  durchaus  noch  nicht 
auf  der  Höhe  waren.  Als  Hauptursache  dieses  Aufschwunges 
ist  die  Wiedereinführung  des  Gleichstromes  zu  betrachten.  Da 
uns  auch  von  auswärts  —  Herr  Dr.  Albers-Schönberg  war  so 
freundlich,  die  erbetene  Auskunft  zu  erteilen  —  unsere  Erfahrungen 
mit  Wechselstrom  sowohl  wie  mit  kleinen  Induktorien  bestätigt 
wurden,  beantragten  wir  die  Einstellung  eines  noch  grösseren  In- 
duktoriums.  Herr  Dessauer  lieferte  ein  solches  von  45  cm 
Funkenlänge.  Mit  diesem  werden  denn,  unter  Verwendung  des 
Gleichstromes,  seit  Ende  Juli  hier  alle  Aufnahmen  gefertigt,  so 
dass  von  dem  ursprünglich  gelieferten  Apparate  nur  mehr  der 
elektrolytische  Unterbrecher  in  Benützung  ist. 

Von  diesem  Zeitpunkt  an  sind  wir  im  grossen  und  ganzen  mit 
der  Güte  der  Bilder  zufrieden.  Die  Extremitätenbilder  zeigen 
jetzt  die  Knochenstruktur  in  vorzüglicher  Weise:  Muskelzüge, 
Sehnen,  Hautgrenzen,  event.  verkalkte  Arterien  sind  deutlich 
sichtbar.  Die  Thoraxbilder  geraten  fast  ebenso  zur  vollkommenen 
Zufriedenheit,  nur  wäre  eine  schärfere  Abgrenzung  der  Wirbel¬ 
körper  wünschenswert.  Die  Beckenbilder  entsprechen  zwar  jetzt 
immer  noch  nicht  ganz  den  Anforderungen,  die  wir  stellen  müssen. 
Die  Grenzen  zwischen  Kopf  und  Pfanne  sind  wohl  sichtbar,  jedoch 
noch  nicht  genügend  scharf  und  klar  gezeichnet.  Die  übrigen 
Beckenknochen  heben  sich  gut  von  den  Weich  teilen  ab,  so  dass 
man  Frakturen  und  Knochenherde  erkennen  kann.  Die  Ex¬ 
positionszeiten  weichen  nicht  von  denen  anderer  Institute  ab; 
z.  B.  Beckenexposition  2  Minuten,  Handgelenk  1.1  Sekunden. 

Wir  stehen  nun  also  am  Ende  einer  Versuchsreihe,  die  mit 
Wechselstrom  und  kleinem  Induktorium  anfing  und  mit  Gleich¬ 
strom  und  grossem  Induktor  endet.  Die  vorstehend  beschriebenen, 
etappenweise  eingeführten  verbessernden  Aenderungen  beweisen 
ganz  klar,  dass  ohne  Gleichstrom  und  ohne  grosses  Induktorium 


2149 


die  Anfertigung  guter  plastischer  Röntgenbilder  unmöglich  ist. 
Ich  will  damit  keine  neue  Entdeckung  proklamieren,  sondern  nur 
die’  hierfür  schon  gelieferten  Beweise  vermehren  zu  Nutz  und 
Frommen  der  Kollegen.  Als  Arzt  kann  man  sich  wohl  viel  besser 
in  einem  Falle,  wie  dem  unseren,  ein  Urteil  aus  praktischen  Er¬ 
fahrungen  bilden,  wie  aus  theoretischen  Erörterungen  und  Be¬ 
hauptungen. 

Nach  dem  bisher  Gesagten  ist  es  wohl  selbstverständlich,  dass 
der  zurzeit  hier  in  Benützung  befindliche  Apparat  eine  dauernde 
Verwendung  nicht  finden  wird.  Mein  verehrter  Chef,  dem  ich  die 
Veranlassung  und  Erlaubnis  zu  dieser  Veröffentlichung  verdanke, 
beabsichtigt,  die  Einstellung  eines  nach  Möglichkeit  grösseren 
Induktoriums  zu  bewirken. 

lassen  wir  unser  hier  in  w.ochenlangen  praktischen  Ver¬ 
suchen  gewonnenes  I  rteil  zum  Schlüsse  zusammen,  so  müssen 
wir  sagen: 

Die  Dessauer  sehen  Apparate  mit  kleinem  Induktorium, 
bei  Wechsel-  oder  Gleichstrombetrieb,  sind  wohl  dazu  geeignet 
Extremitätenbilder  und  leidlich  brauchbare  Thoraxbilder  zu 
liefern,  versagen  jedoch  bei  dem  Y  ersuche,  eine  Beckenaufnahme 
anzufertigen. 

Nochmals  betone  ich,  dass  dieses  Urteil  auf  praktischen  Er¬ 
fahrungen  basiert.  Auf  physikalische  Begründung  oder  Erörte¬ 
rung  können  wir  uns  nicht  einlassen;  sie  gehört  natürlich  in  das 
Gebiet  der  Physiker. 


Aus  dem  chemischen  Untersuchungsamte  der  Stadt  Breslau. 

Ueber  das  Nicolicin,  ein  angebliches  Heilmittel  des 
chronischen  Morphinismus. 

Yon  Prof.  Dr.  Bernhard  Eischer  und  Dr.  Benno  Wagner. 

Tm  Monat  Juli  d.  .T.  hat  der  Eine  von  uns  in  Gemeinschaft 
mit  Dr.  G.  Feil  dl  er  den  Nachweis  erbracht1),  dass  das  von 
Dr.  Fromme  in  Stellingen,  Bezirk  Hamburg,  inszenierte  und 
durch  die  Firma  N  o  r  i  s,  Z  a.  li  n  &  C  o.  in  Berlin  in  den  Handel 
gebrachte  ,,A  n  t  i  m  o  r  p  li  i  n“  von  welchem  00  ccm  nicht  weniger 
als  18  M.  (in  A  orten:  Achtzehn  Mark)  kosteten,  als  wesentlichen 
Bestandteil  M  o  r  p  li  i  u  enthält. 

Diese  Angabe  ist  von  Dr.  Fromme  sowohl,  wie  von  der 
I  irnia  N  o  r  i  s,  Z  a  li  n  &  C  o.  in  Berlin  als  wissenschaftlicher 
Irrtum  von  unserer  Seite  erklärt  worden-).  Indessen  ist  seitdem 
unser  Befund  von  verschiedenen,  unbeteiligten  Beobachtern,  so 
von  E.  M  e  r  c  k  -  Darmstadt,  Prof.  M  o  e  r  n  e  r  -  Upsala3),  Dr. 
P  e  t  e  r  s  e  n  -  Kopenhagen,  bestätigt  worden,  so  dass  ein  Zweifel 
über  den  Morphingehalt  des  Antimorphins  nicht  mehr  möglich  ist. 
Tatsächlich  hat  das  Antimorphin  seine  Rolle  in  der  Geffentliehkeit 
ausgespielt,  wenigstens  hat  die  Firma  Noris,  Zahn  &  Co  in 
Berlin  den  Vertrieb  dieses  Mittels  eingestellt. 

Mir  sind  heute  in  der  Lage,  über  ein  anderes  Heilmittel  des 
Morphinismus  zu  berichten,  welches  den  Namen  ,,N  i  c  o  1  i  c  i  n“ 
führt. 

Das  „N  i  c  o  1  i  c  i  n“  kommt  in  braunen,  rechteckigen  Flaschen 
\<>n  100  ccm  Inhalt  in  den  Handel.  Es  wird  nach  dem  auf¬ 
geklebten  Etikett  hergestellt  von  der  „Chemischen  Fabrik  Oscar 
Nicolai  in  Jüchen  und  Düsseldorf“  und  als  „Heilmittel  gegen 
chronische  Morphiumgewöhnung“  bezeichnet.  Der  Preis  einer 
Flasche  von  100  ccm  Inhalt  beträgt  12  M„  in  Worten:  „Zwölf 
Mark“. 

Als  Vorschrift  für  die  Zusammensetzung  enthält  jede  Flasche 
folgendes  Rezept: 


Astrag.  mollissim. 

8.0 

Swai'nson.  Greyan. 

5,0 

Ilasaek.  Purshian. 

7.0 

Sauguin.  Canadens. 

1.0 

Phytolacc,  Decandr. 

2,0 

Paraguay  roux 

2,0 

Tinct.  Colombo 

10,0 

Vin.  Mandragor. 

5,0 

Vin.  Chin. 

15,0 

Vin.  Xerens. 

25,0 

Vin.  Hispanic. 

25.0 

Aq.  dest. 

20,0 

D.  S.  Nicolicin. 

Die  Untersuchung  dieses  Nicolicins  hat  nun  folgendes  Er¬ 
gebnis  geliefert: 

Das  Nicolicin  stellt  eine  gelbbraune,  fast  klare  Flüssigkeit  von 
weinigem  Geruch  und  stark  bitterem  Gesclimacke  dar.  Das 
spez.  Gewicht  ist  bei  15°  C.  ~  1,0389.  Die  Flüssigkeit  hinterlässt 
beim  Verdampfen  ==  18,3  Proz.  Trockenrückstand,  beim  Ver¬ 
brennen  =  0,272  Proz.  Asche. 

Aus  100  ccm  Nicolicin  wurden  rund  3  g  einer  Base  erhalten, 
welche  folgende  Eigenschaften  besass: 

1.  Glashelle,  glänzende  Nadeln,  welche  unter  dem  Mikroskop 
prima  tische  Formen  zeigten. 

2.  Bei  etwa  225  11  trat  Schmelzen  unter  Zersetzung  ein. 


9  Chemikerztg.  1902,  No.  60. 

2)  Pharm. -Ztg.  1902,  No.  03,  65  u.  77. 

8)  Pharm. -Ztg.  1902.  No.  80.  Svensk  Färmaceutisk  Tidskrift 
1902,  No.  17. 


3* 


MUENCHENER  MEDICIKISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


?».  Sie  gab  mit  Salpetersäure  Rotfärbung. 

4.  In  Fröhdefi  Reagens  erzeugte  sie  violett-rote  Färbung. 

5.  Sie  reduzierte  Jodsäure. 

6.  Sit>  löste  sich  klar  in  Natronlauge  und  wurde  aus  dieser 
Lösung  durch  Ammoniumchlorid  wieder  in  Kristallen  abgeschieden. 

7.  In  einer  Mischung  von  Ferricyankalium-Ferrichlorid  er¬ 
zeugte  sie  sofort  Blaufärbung. 

8.  Die  Lösung  der  Base  in  konzentrierter  Schwefelsäure  redu¬ 
zierte  Wismutsubnitrat  unter  Schwarzfärbung. 

9.  Das  salzsaure  Salz  gab  mit  neutralem  Eisenchlorid  Blau¬ 
färbung. 

Sämtliche  Reaktionen  bezw.  Beobachtungen  wurden  mit 
reinem  Morphin  bezw.  Morphinsalz  kontrolliert,  Unterschiede 
Hessen  sich  nicht  erkennen. 

Die  E  1  e  m  e  n  t  a  r  a  nalyse  der  Base  führte  zu  folgenden 
W  erteil: 


Gefunden 

Mittel 

Berechnet  für 

C17  H19  NOs  +  H2O  (Morphin) 

C.  66,77  67,93 

67,35 

67,33 

H.  7,05  6,91 

6,98 

6,9 

N.  4,75 

4,75 

4,62 

Die  Bestimmung  der  spezifischen  Drehung  ergab  folgende 
'Werte:  Das  salzsaure  Salz  der  Base  ergab  bei  der  Konzentration 
}>  3,0693  im  Mittel  mehrerer  gut  stimmender  Beobachtungen.  Die 

Ablenkung  «  =  —  8,6  S.Y  (=  —  2.96°  Wild).  Hieraus  berechnet 
sich  die  spezifische  Drehung  nach  der  von  Hesse4)  angegebenen 

Formel  zu _ 96,46.  Die  H  e  s  s  e  sehe  Formel  verlangt  bei  der 

obigen  Konzentration  den  Werth  — 97,17. 

Nach  diesen  Ergebnissen  unserer  Analyse  kann  es  einem 
Zweifel  nicht  unterliegen,  dass  der  wesentliche  und  wirksame  Be¬ 
standteil  des  Nicolicins  Morphin  ist,  und  zwar  enthält  das 
Nicolicin  in  runder  Zahl  3  Proz.  (in  Worten:  Drei  Prozent) 
Morphin. 

Yon  diesem  Morphingehalt  kann  sich  jeder  ohne  weiteres 
überzeugen.  Man  braucht  nur  zu  etwa  10—20  ccm  Nicolicin  vor¬ 
sichtig  soviel  Ammoniakfiüssigkeit  zuzusetzen,  dass  die 
Mischung  äusserst  schwach  danach  riecht,  so  kristallisiert  nach 
kürzerer  oder  längerer  Zeit  die  freie  Morphinbase  in  schönen  Kri¬ 
stallen  aus. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig. 

Ueber  parenchymatöse  Nephritis  bei  Lues. 

Von  Dr.  med.  M  a  x  W  a  g  n  e  r,  früherem  Assistenten  der  Klinik, 
jetzigem  Assistenten  der  I.  med.  Abteilung  des  Allgem.  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf. 

(Schluss.) 

1’  a  1 1  IY  (Karvonen).  Nephritis  parenchyma¬ 
tös  a  acut  a,  Lues  secundaria.  Heil  u  n  g. 

21  jähriger  Mann,  bisher  gesund,  ln  1. — 2.  Woche  des  Ok- 
tober  1897  syphilitische  Infektion,  Anfang  November  primäres  Ge¬ 
schwür,  seit  3  Tagen  Drüsenschwellungen. 

Bei  der  Aufnahme  am  16.  XI.  1897  Ulcus  durum;  der  Harn 
ist  frei.  Behandlung  mit  Empl.  Hydrarg.  Am  22.  XI.  Geschwür 
geheilt;  Harn  frei.  Am  6.  XII.  Unwohlsein,  Roseola  und  Angina 
syphilitica;  im  Urin  Eiweiss  und  hyaline  Zylinder.  Beginn  mit 
Hg-Beliandlung.  17.  XII.  Roseola  fast  weg,  aber  noch  Eiweiss 
mit  hyalinen  und  feinkörnigen  Zylindern.  Am  21.  XII.  im  Harn 
noch  Spuren  von  Eiweiss  mit  spärlichen  Zylindern.  28.  XII.  sind 
alle  nepliritischen  und  syphilitischen  Symptome  verschwunden. 
Trotz  mehrerer  Luesrezidive  Bestand  der  Heilung  der  Nierenent¬ 
zündung  bis  Juni  1899. 

Fall  Y  (S  t  e  p  1  e  r).  Nephritis  parencli  y  matosa 
a  c  u  t  a.  Lues  sec  u  n  d  a  r  i  a.  Heil  u  n  g. 

20  jähriger  Mann,  früher  stets  gesund.  November  1899  Ge¬ 
schwür  an  der  Glans  penis.  Keine  spezifische  Behandlung.  Ende 
Dezember  Schwellung  des  Gesichts,  später  auch  der  Beine  und 
Verminderung  der  Harnmenge. 

Bei  der  Aufnahme  am  5.  I.  1900  ausgesprochene  syphilitische 
Roseola,  Lymphdrüsenschwellung,  Ulcus  durum  mit  indolenten 
Bubonen,  Kondylome  am  After  und  Skrotum.  Beiderseitiger 
Aszites  und  Hydrothorax.  Harn  vermindert,  rötlich,  trübe, 
12  Prom.  Eiweiss  mit  zahlreichen  roten  und  weissen  Blutkörper¬ 
chen  nnd  hyalinen,  granulierten  Blut-  und  Epithelzylindern.  Bis 
15.  I.  Rückgang  der  nephritisclien  Erscheinungen  unter  Milchdiät; 
im  Harn  noch  1  Prom.  Eiweiss  und  spärliche  Zylinder  wie  oben. 
Yon  da  ab  Schmierkur  mit  1.5  g  pro  die,  die  wegen  geringer  Tem¬ 
peratursteigerung  2  mal  für  wenige  Tage  unterbrochen  wurde. 
Am  21.  TT.  völlige  Heilung  der  Nephritis  und  der  Lues. 

Es  wird  auch  in  diesem  Falle  das  Fehlen  jeder  anderen  Ur¬ 
sache  als  der  Lues  ausdrücklich  hervorgehoben. 

F  a.  1 1  VI  (H  udelo).  Nephritis  p  a  reue  h  y  in  atos  a 
acuta.  Lues  secundaria.  E  x  i  t  u  s. 

30  jähriger  Mann:  seit  4—5  Monaten  papulo-squamöses  Haut¬ 
syphilid,  ohne  Behandlung!  Seit  mehreren  Wochen  Kopfschmerzen 
und  progressives  Oedem. 

Bei  der  Aufnahme  spärlicher,  trüber  Urin,  starker  Eiweiss- 
g  eh  alt.  mit  sehr  zahlreichen  verschiedenartigen  Zylindern.  In  der 
Folge  Urämie,  Lungenembolie  und  Tod. 


Sektion:  Nieren  leicht  vergrössert,  Kapsel  leicht  abzieh¬ 
bar,  blass,  weissgelb.  Rindensubstanz  wenig  verdickt,  trübe; 
Glomeruli  deutlich  sichtbar. 

Die  Nephritis  wurde  für  syphilitisch  gehalten  wegen  des 
Fehlens  jedes  anderen  ätiologischen  Momentes  und  des  Auftretens 
während  der  Sekundärsymptome.  Wegen  der  Schwere  der  In¬ 
fektion  wurde  von  einer  spezifischen  Therapie  abgesehen. 

F  a  1 1  VII  (B  urkman  n).  Akute  parench  y  m  a  t  ö  s  e 
Nephritis.  Urämie.  Sekundäre  Lues.  Heilun  g. 

.1.  M.,  23  Jahre.  Früher  gesund.  Mai  1866  Geschwür  am 
Penis,  im  August  Hautausschlag.  Keine  Behandlung.^  Ende 
November  ohne  bekannte  Ursache  Unwohlsein.  Frost,  1  ebelkeit 
mit  Erbrechen,  Anschwellung  der  Füsse.  Keine  Gonorrhoe  gehabt. 

Status:  Aufnahme  am  4.  XII.  1866.  Blasse  Hautfarbe, 
Oedeme  des  Gesichts  und  der  Extremitäten;  keine  Höhlenwasser¬ 
sucht.  Am  Rumpf  reichliches,  ausgesprochenes  syphilitisches 
Exanthem;  indnrierte  Narbe  am  Penis:  allgemeine  Drüsenschwel¬ 
lung.  Nierengegend  schmerzhaft.  Spärlicher,  bräunlicher,  reich¬ 
lich  eiweisshaltiger  Urin. 

Krankengeschichte:  Am  4.  und  5.  XII.  urämische 
Krampfanfälle,  Zunahme  der  Oedeme,  sehr  geringe  Harnmenge 
mit  viel  Eiweiss  und  Blut;  Beginn  der  Schmierkur  am  7.  XII. 
Abnahme  der  Oedeme  unter  starkem  Sch  woiss,  Zunahme  der  Harn¬ 
menge.  Hg  wird  gut  vertragen  und  ausserdem  noch  Jodkali  ge¬ 
geben.  Bis  Februar  1867  völlige  Heilung  der  Lues  und  Nephritis, 
die  noch  nach  12  Jahren  von  Bestand  ist. 

Fall  VIII  (Jaccoud).  Akute  parenchymatöse 
N  e  p  h  r  i  t  i  s.  Leichte  u  r  ä  m  ische  S  y  in  p  t  o  in  e.  S  e  - 
k  u  n  d  ä  r  e  Lue  s.  Heil  u  n  g. 

20  jähriger  Patient,  früher  gesund.  Am  I.  VI.  1893  Infektion 
mit  Syphilis,  Mitte  Juni  Primäraffekt;  seit  Mitte  Juli  Roseola: 
seit  August  Schmerzen  im  Kopf  und  der  Nierengegend.  Als 
einzig  mögliche  Ursache  wird  auf  genaues  Befragen  vom  Patienten 
nur  Trinken  von  kaltem  Getränk  im  August  angegeben. 

Bei  der  Aufnahme  waren  alle  Organe  ausser  den  Nieren  ge¬ 
sund.  Nierengegend  war  schmerzhaft,  Urin  an  Menge  vermindert, 
Harn  eiweiss-  und  bluthaltig.  Einige  Tage  nach  der  Aufnahme 
leichte  urämische  Symptome.  Nach  Einleitung  von  Milchdiät 
Zunahme  der  Ilarnmenge,  Verschwinden  der  urämischen  Sym¬ 
ptome,  Eiweissmenge  aber  dauernd  etwa  6  Prom.  Nach  wenigen 
Tagen  Ausbruch  einer  spezifischen  Hautaffektion.  Da  nun  die 
Nephritis  für  eine  syphilitische  angesehen  wurde,  wurde  eine  anti¬ 
luetische  Behandlung  eingeleitet,  die  rasche  Besserung  erzielte. 

F  a  1 1  IX  (Sc  h  w  i  m  in  e  r).  Nephritis  p  a  r  e  n  c  h  y  m  a  - 
tosa  mit  hochgradiger  Hämaturie.  Syphilitische 
Hautgesch  w  ü  r  e.  Heil  u  n  g. 

26  jährige  Patientin,  früher  gesund.  Mit  18  Jahren  Primär¬ 
affekt  an  der  Unterlippe.  Mit  20  Jahren  Verheiratung.  3  gesunde 
Kinder.  Wiederauftreten  syphilitischer  Hautgeschwüre  und  Be¬ 
handlung  mit  Jodkali  und  Empl.  hydrarg.;  darnach  Besserung. 
2  Wochen  später  unter  Frost,  Fieber,  Kopfschmerz,  Brechreiz 
Auftreten  von  starker  Hämaturie:  schwärzlich-brauner  Urin  mit 
zahlreichen  Blutkörperchen,  Fibrinzylindern,  wenig  Eiterzellen  und 
braunroten  Blutkoagulis.  Nach  Weglassen  des  Jodkalium  und 
Empl.  hydr.  zunächst  Besserung,  aber  in  der  Folgezeit  mit  8  bis 
14  tägiger  Pause  mehrmalige  Wiederholung  der  beschriebenen  Er¬ 
scheinungen.  Auf  Decoct.  Zittmannii  rasche  Besserung:  Häma¬ 
turie  verschwand.  Urin  wurde  klar,  Eiweiss  und  Zylinder  nicht 
mehr  nachweisbar.  Vernarbung  der  Geschwüre.  Heilung  dauert 
mehrere  Jahre  an. 

F  all  X  (E.  W  agne  r,  F  a  111).  Lues  sec  u  n  <1  a  r  i  a. 
Nephritis  p  a  r  e  n  c  li  ymatos  a  acut  a.  Heilun  g. 

19  jähriger  Kellner,  in  der  .Tugend  Masern,  Scharlach  und 
Pocken  gehabt.  Vor  6  Wochen  Infektion  mit  Syphilis,  vor 
4  Wochen  Schmerzen  und  Anschwellung  der  Leistendrüsen  mit 
Schwellung  und  Rötung  des  Penis.  Vor  einigen  Tagen  Schling¬ 
beschwerden,  seit  3  Tagen  Schwellung  des  Körpers. 

Status:  Aufnahme  am  9.  IV.  1880.  Starke  allgemeine 
Oedeme.  Induration  am  Frenulum.  Syphilitische  Roseola,  all¬ 
gemeine  Drüsenschwellung,  Geschwür  der  linken  Tonsille.  Ge¬ 
ringe  Bronchitis,  geringer  Hydrothorax.  Urin  an  Menge  ver¬ 
mindert,  1046  spezifisches  Gewicht,  5/c  Vol.  Eiweiss;  mikroskopisch 
rote  und  weisse  Blutkörperchen,  hyaline  Zylinder,  Epithelien. 

Krank  enges  chic  li  t  e:  Unter  Behandlung  mit  Kalomel, 
Pilokarpin  und  heissen  Bädern  Abnahme  der  Oedeme,  Abblassen 
der  Roseola.  Abnahme  des  Eiweissgehalts.  Vom  8.  Tage  ab  wegen 
Stomatitis  statt  Kalomel  Jodkali.  Am  5.  V.  Oedeme  verschwunden, 
Eiweiss  war  nur  noch  in  Spuren  vorhanden.  Tom  14.  V.  ab 
Schmierkur  und  Jodkali  und  darnach  weitere  Besserung.  Von 
Anfang  Juni  Verschwinden  aller  luetischen  Symptome  und  Heilung 
der  Nephritis. 

E.  Wagner  hält  diese  schwere  Nephritis  von  der  Lues  für 
abhängig  und  schuldigt  besonders  die  syphilitischen  Tonsillar- 
geschwüre  als  Ursache  an. 

In  diesen  7  aus  der  Literatur  zitierten  Fällen  sehen  wir  die 
Nephritis  stets  im  Sekundärstadium  der  Lues  auftreten,  5  mal 
unmittelbar  nach  dem  ersten  Ausbruch  der  Sekundärsymptome, 
1  mal  unmittelbar  nach  einem  Rezidiv,  1  mal  (Fall  VI)  4 — 5  Mo¬ 
nate  nach  dem  Auftreten  nicht  behandelter  Sekundärsymptome. 
Der  Verlauf  ist  in  allen  akut.  6  mal  wird  ausdrücklich  hervor¬ 
gehoben,  dass  sich  ausser  der  Lues  keine  Ursache  für  die  Nieren- 
erkrankung  hat  feststellen  lassen.  Hg-Kuren  mit  oder  ohne  Kom¬ 
bination  mit  Jodkali  sind  in  5  Fällen  verordnet  worden,  bei 


')  Liebigs  Annalen  der  Chemie  1875,  176,  91,  190. 


öS.  Dezember  1ÖÖÖ. 


MÜENCilENER  MEDIClNISOilE  WOCHENSCHRIFT. 


SiSi 


1  Falle  Decoct.  Zittmaunii;  in  allen  ist  die  Ne¬ 
phritis  unter  der  antiluetischen  Behand¬ 
lung,  ohne  dass  irgendwelche  Intoxikations¬ 
erscheinungen  auf  ge  treten  sind,  ab  geheilt. 

1  a  1 1  XI  (Qa  rpente  r).  Hereditäre  Syphilis 

I  a  re  n  c  hymatose  Nephritis.  Exitus. 

5  V  oelien  altes  Kind.  Neben  zweifellos  bestehender  Syphilis 
Nephritis:  Oedeme  der  Extremitäten,  im  Harn  Eiweiss  und  zahl- 
reicho  hyaline  und  epitheliale  Zylinder.  Nie  Scharlach  gehabt. 
l’m  ”ie.  Nephritis  ausser  der  Syphilis  keine  Ursache  zu  Anden. 

KT  .  I  <ler  Sektion  mikroskopisch  eine  schwache  katarrhalische 
Nephritis  nachweisbar. 

1'  a  1  1  Nil  (A.  udeo  u  d).  II  ereditäre  S  y  p  li  i  1  i  s. 

I  a  r  enchymatose  Nephritis.  E  x  i  t  u  s. 
r  •  A*°n,nte  ^ltes  .  Kind,  Vater  gesund,  Mutter  syphilitisch. 
Leichte  Coryza,  Psoriasis  plantaris.  Auftreten  einer  akuten  Ne¬ 
phritis  mit  Oedemen  der  Beine,  später  auch  des  ganzen  Körpers 
spa i  lieber  Urin  mit  Eiweiss  und  Zylindern,  Besserung  nach  Ein- 
i eilnmgskiu  mit  grauer  Salbe,  Unterbrechung*  derselben  wegen 
Hautentzündung.  Von  neuem  Verschlimmerung  und  abermalige 
Besserung  nach  Sclimierkur,  aber  kurz  darauf  Tod  infolge  Hinzu- 
tretens  einer  Pneumonie. 

Fall  XIII  (Hock).  Hereditäre  Lues.  Paren¬ 
chymatöse  Nephritis.  Besserun  g. 

Die  Mutter  acquirierte  während  der  ersten  Schwangerschaft 
Syphilis,  gebar  im  S.  Monat  ein  Kind,  das  bald  darnach  starb. 
Das  2.  Kind,  das  mit  einer  Coryza  geboren  wurde,  bekam 
S  W  oelien  darnach  ein  Erythem,  das  unter  Jodkaligebrauch  ver¬ 
schwand.  Nach  8  Tagen  Auftreten  von  Oedemen;  im  Harn  Ei¬ 
weiss  und  Zylinder  in  grosser  Menge,  auch  rote  und  weisse  Blut¬ 
körperchen.  Gleichzeitig  noch  andere  syphilitische  Symptome, 
die  rasch  wieder  nach  Jodkaligebrauch  verschwanden.  Bei  dem 
erneuten  Auftreten  derselben  gründliche  Merkurialkur  und  be¬ 
deutende  Besserung;  die  Harnmenge  stieg,  die  zelligen  Elemente 
und  Zylinder  verschwanden. 


Fall  X I V  (Bradle  y).  II  ereditäre  S  y  p  h  i  1  i  s. 
Parenchymatöse  Nephritis.  H  e  i  1  u  n  g. 

4  Monate  altes  Kind  mit  frischer  Psoriasis  syphilitica.  Keinen 
Scharlach  gehabt.  Oedeme  des  Gesichts,  der  Arme  und  Beine. 
Im  Urin  4/5  Vol.  Eiweiss,  mikroskopisch  viel  Epithelien.  Ver¬ 
ordnung  von  Hydrargyrum  cum  Creta  und  Einreibung  von  grauer 
Salbe.  Nach  8  Wochen  vollkommene  Heilung  des  Ausschlags  und 
der  Nierenentzündung,  auch  mikroskopisch  nichts  Abnormes  mehr 
nachweisbar. 


ln  den  letzten  Fällen  handelt  es  sich  um  das  Vorkommen 
von  Nephritis  bei  hereditärer  Lues  im  jugend¬ 
lichen  Alte  r.  Die  luetischen  Symptome  sind  deutlich  aus¬ 
gesprochen  und  die  Harn-  resp.  Sektionsbefunde  lassen  über  den 
parenchymatösen  Charakter  der  Nierenerkrankungen  keinen 
Zweifel.  Darmerkrankungen  oder  Scharlach  oder  sonstige  In¬ 
fektionskrankheiten  werden  in  allen'  mit  Sicherheit  verneint, 
andrerseits  schalten  sich  bei  dem  frühen  Lebensalter  die  übrigen 
Entstehungsursachen  der  Nephritis  von  selbst  aus,  so  dass  man 
die  Nephritiden  nicht  wohl  anders  als  für  syphilitische  ansehen 
kann.  In  gleicher  Weise  hat  schon  Bach  mehrere  Fälle  von 
Syphilis  hereditaria  tarda  beschrieben,  in  denen  er  die  luetische 
Natur  der  Nierenerkrankung  aus  dem  gleichzeitigen  Bestehen 
anderer  syphilitischer  Symptome  und  dem  Fehlen  jedes  anderen 
ätiologischen  Momentes,  sowie  ans  dem  Erfolge  der  Jodkalium¬ 
therapie  ableitet.  Bei  3  Fällen  (XII — XIV)  wurden 
Hg-Kuren,  zum  Teil  wiederholt,  vorgenommen 
und  sie  führten,  ohne  irgendwelche  Intoxi¬ 
kationserscheinungen  hervorzurufen,  in  allen 
Fällen  zur  Heilung  resp.  Besserung. 

Wir  konnten  also  hier  mit  den  Fällen  der  Leipziger  Klinik 
insgesamt  14  Fälle  zusammenstellen,  bei  denen  zweifellos  ein 
d  i  r  e  k  t  e  r  Zusammenhang  zwischen  der  syphi¬ 
litischen  Infektion  und  der  Nephritis  besteht. 
Die  ausführlichen  Krankengeschichten  lassen  erkennen,  dass  bei 
allen  nach  den  gewöhnlichen  Ursachen  der  Nephritis  geforscht 
worden  ist,  dass  sich  aber  ausser  der  Lues  keine  An¬ 
haltspunkte  für  die  Entstehung  haben  auffinden  lassen. 
Es  ist  zweifellos  oder  mindestens  sehr  wahrscheinlich,  dass  eine 
ganze  Anzahl  anderer  Fälle,  besonders  von  den  oben  erwähnten 
„wahrscheinlich  von  der  Syphilis  abhängigen  Nephritiden“ 
(Schmaltz,  Ponte)  hierher  gerechnet  werden  kann;  es  ist 
aber  davon  Abstand  genommen  worden,  weil  diese  nur  in  kurzen 
Referaten  Vorgelegen  haben  und  hier  als  luetische  nur  diejenigen 
aufgeführt  worden  sind,  bei  denen  in  den  Krankengeschichten 
alle  einschlägigen  Punkte  genau  verzeichnet  sind. 

Es  bietet  freilich  die  Diagnose  nicht  zu  verkennende 
Schwierigkeiten.  Zunächst  müssen  diejenigen  Ursachen,  die 
sonst  Nephritiden  bedingen  können  und  nur  zufällig  mit  der 
Lues  Zusammentreffen,  in  Betracht  gezogen  werden,  besonders 


auch  durchgemachte  frühere  Nierenerkrankungen,  die  vielleicht 
keine  augenfälligen  Symptome  mehr  gemacht  haben  und  wäh¬ 
rend  des  \  erlaufs  der  Lues  wieder  zur  Beobachtung  kommen 
oder  durch  zu  energische  Hg-Behandlung  wieder  exazerbieren ; 
weiter  muss  auf  etwa  gleichzeitig  mit  der  Syphilis  erworbene 
Gonorrhoe  und  deren  Folgezustände,  namentlich  auch  auf  deren 
innerliche  Behandlung  und  dadurch  entstandene  Nierenschädi¬ 
gungen  geachtet  werden  etc.  Selbstverständlich  muss  auch  auf 
die  Dauer  und  Intensität  einer  durchgeführten  Hg-Behandlung 
geachtet  werden. 

Sind  aber  alle  diese  Momente  mit  Sicher- 
heitauszuschliessen  —  und  das  trifft  in  jenen  14  Fällen 
allen  zu  —  so  ist  die  Diagnose  der  syphilitischen  Natur  der 
Nierenentzündung  wohl  berechtigt,  da  ja  auch  durchaus  keine 
theoretischen  Bedenken  gegen  die  Annahme  vorliegen,  dass  durch 
das  Gift  der  Lues  Nierenveränderungen,  aus  denen  eine  parenchy- 
matöse  Nephritis  entstehen  kann,  gesetzt  werden  können. 

Von  diesen  14  Fällen  ist  die  Nephritis  4  mal  bei  hereditärer 
Lues  aufgetreten  und  in  den  übrigen,  mit  alleiniger  Ausnahme 
des  Falles  IX,  im  Sekundärstadium  der  Syphilis,  7  mal  mit  deren 
erstem  Ausbruch  und  1  mal  im  Rezidiv,  lmal  mehrere  Monate 
nach  dem  Auftreten  nicht  behandelter  Sekundärsymptome,  aber 
in  12  F  alle  n  u  n  mittel  b  a  r  m  i  t  resp.  k  u  r  z  n  a  c  h 
dem  Ausbruch  der  luetischen  Erscheinungen.  Und  gerade 
das  zeitliche  Zusammentreffe  n  des  Ausbruchs  der 
Nephritis  mit  dem  Auftreten  der  Sekundärsymptome,  resp.  neuen 
Eruptionsperioden  der  Lues  ist  charakteristisch  für  die  syphi¬ 
litische  parenchymatöse  Nephritis  und  bestimmend  für  deren 
Diagnose,  wie  M  a  u  r  i  a  c  und  Engel-Rei  m  e  r  s  bereits  nach¬ 
drücklich  betont  haben,  während  das  Auftreten  der  Nierenerkran¬ 
kungen,  wie  aller  anderen  Komplikationen  der  Lues  in  deren 
Latenzperioden,  in  ihrer  syphilitischen  Aetiologie  sehr  schwan¬ 
kend  erscheinen  müssen. 

Was  die  Symptome  und  den  Verlauf  betrifft,  so 
bieten  die  luetischen  Nephritiden  nichts  wesentlich  abweichendes 
von  dem  gewöhnlichen  Bilde  der  akuten  und  chronischen  par¬ 
enchymatösen  Nephritis.  5  mal  ist  in  den  wiedergegebenen  Fällen 
der  Tod  eingetreten,  der  4  mal  der  Nephritis  selbst  oder  deren 
Folgezuständen  zuzuschreiben  ist  und  lmal  einer  interkurrenten 
Erkrankung.  8  mal  trat  völlige  Heilung  ein,  sowohl  der  Nephri¬ 
tis  als  auch  der  Lues,  deren  Bestand  teilweise  durch  mehrere 
Jahre  hindurch  verfolgt  werden  konnte.  Aber  auch  in  den  gün¬ 
stig  verlaufenden  Fällen  tritt  die  Nierenerkrankung  schwer  auf; 
so  ist  besonders  in  Fall  II,  IH  und  X  ausserordentlich  hoher  Ei¬ 
weissgehalt  und  sehr  beträchtliches  Anasarka  beobachtet.  Urä¬ 
mische  Zustände,  und  zwar  von  kurzer  Dauer,  haben  in  3  Fällen 
(I,  VI  und  VII)  bestanden. 

Daraus  ergibt  sich  für  die  Prognose,  dass  die  Nephri¬ 
tiden  meist  sehr  schwer  verlaufen  und  häufig  zum  Tode  führen, 
dass  aber  trotz  anscheinend  sehr  bedrohlicher  Symptome  Heilung, 
und  zwar  definitive,  erfolgen  kann. 

Von  den  5  Todesfällen  ist  lmal  die  Sektion  ver¬ 
weigert  worden,  im  Falle  XI  [  wird  über  dieselbe  nichts  berichtet, 

1  mal  (XI)  wird  von  dem  anatomischen  Nachweis  einer  leichten 
parenchymatösen  Nephritis  gesprochen;  das  genaue  Protokoll 
der  Fälle  I  und  VI  ist  bei  der  Beschreibung  derselben  wieder¬ 
gegeben,  so  dass  dorthin  verwiesen  werden  kann.  Alle  3  Fälle 
entsprechen  demnach  den  eingangs  angegebenen  Ansichten  der 
meisten  Autoren,  dass  pathologisch-anatomisch  nichts  für  Syphi¬ 
lis  Charakteristisches  bei  den  luetischen  parenchymatösen 
Nephritiden  gefunden  wird,  dass  sie  sich  also  genau  wie  di  e 
ii  b  r  i  g  e  n  F  o  r  m  e  n  verhalten. 

Was  nun  endlich  die  Therapie  anlangt,  so  sind  die  Mei¬ 
nungen  hierüber  bisher  sehr  wenig  übereinstimmend  gewesen. 
Dass  man  geeignete  hygienisch-diätetische  Massnahmen  trifft, 
wie  bei  den  gewöhnlichen  parenchymatösen  Nephritiden,  wird  von 
alLu  Autoren  empfohlen  und  ist  wohl  selbstverständlich.  Aber 
gerade  in  dem  wesentlichsten  Punkte,  d.  i.  die  Einleitung 
einer  spezifischen  antiluetischen  Behand¬ 
lung.  ist  noch  keine  Verständigung  erzielt  worden.  Fast  alle 
Svphilidologen  sprechen  sich  mit  mehr  oder  weniger  Bestimmt¬ 
heit  für  dieselbe  aus,  während  von  intern  klinischer  Seite  die  Ge¬ 
fahr  einer  solchen  in  den  Vordergrund  geschoben  wird.  So  em¬ 
pfehlen  Tommasoli  und  Grandmaison  des  Hg  besonders 
bei  den  Frühformen,  während  bei  den  Spätformen  Jodkali  mehr 


No.  51. 


4 


MÜENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


-152 

am  Platze  ist,  Andronico  und  besonders  Engel- 
K  e  i  in  e  r  s,  gestützt  auf  seine  ausserordentliche  Erfahrung,  ver¬ 
treten  die  Anwendung  der  Spezifika  am  energischsten;  sie  halten 
nur  bei  gründlicher  spezifischer  Behandlung  den  Ausgang  der 
Nephritis  für  günstig  und  empfehlen  gerade  Hg-Kuren  dringend. 
Die  Erfolglosigkeit  der  diätetischen  Behandlung  und  die  gute 
Wirkung  des  Hg  und  Jodkali  halten  in  gleichem  Sinne  P  a  uly 
und  Elsenberg  bei  der  Diagnosenstellung  für  entscheidend; 
ihnen  schliesst  sich  Pannetier  wenigstens  in  Bezug  auf  das 
Jodkali  an,  während  er  vor  Hg-Kuren  wegen  der  durch  die 
Nierenerkrankung  bedingten  unvollkommenen  Ausscheidung-  des¬ 
selben  eindringlich  warnt,  Boukkeieff,  Mauriac  und 
Welander  raten  wenigstens  zu  einem  Versuch  mit  Hg- 
Kuren,  da  sie  unzweifelhaft  günstige  Wirkungen  von  ihnen  ge¬ 
sehen  haben,  mahnen  aber  aus  den  gleichen  Gründen  wie  P  a  n  - 
n  e  t  i  e  r  zur  Vorsicht  und  zur  beständigen  Kontrolle  der  Nieren. 
Sehr  wenig  günstig  spricht  sich  in  neuester  Zeit  Senator  über 
die  Hg-Behandlung  aus,  weil  er  ebenso  häufig  Verschlimme¬ 
rungen  als  Besserungen  durch  dieselbe  beobachtet  hat;  er  hält 
nur  Jodkali  wegen  seiner  geringen  Schädlichkeit  für  die  Nieren 
für  zulässig. 

Sieht  man  jene  14  Fälle  auf  die  Art  der  Therapie  und  ihren 
E  r  f  o  1  g  hin  durch,  so  findet  man  sie  bei  einem  (XI)  nicht  ver¬ 
zeichnet.  In  3  Fällen  (I,  VI,  IX)  wurde  kein  Hg  verabreicht 
und  bei  2  von  diesen  (1  und  VI)  traten  urämische  Erscheinungen 
auf;  sie  endeten  beide  letal.  Im  Fall  IX  wurde  zunächst  Jodkali 
gegeben;  als  aber  die  Nephritis  sich  nicht  besserte,  wurde  Decoct. 
Zittmannii  gereicht;  es  trat  in  diesem  Falle  Heilung  ein.  Ein¬ 
mal  (VIII)  gingen  zwar  die  urämischen  Symptome  nach  Ge¬ 
brauch  einer  Milchkur  zurück,  der  Eiweissgehalt  blieb  aber  auf 
gleicher  Höhe;  erst  nach  antiluetischer  Behandlung  trat  rasche 
Besserung  aller  nephritischen  Erscheinungen  ein.  Alle  übri¬ 
gen  9  Fälle  (II — V,  VII,  X,  XII — XIV)  wurden  mit 
Hg-Kuren  in  Verbindung-  mit  Jodkali  behandelt,  und  nur 
einmal  (II)  zeigten  sich  schädliche  Wirkungen  des  Hg.  Hier 
wuiden  im  Beginn  der  Lues  und  bei  deren  Rezidiven  energische 
Schmierkuren  gebraucht,  ohne  dass  sich  ein  schädlicher  Einfluss 
auf  die  Nieren  gezeigt  hatte.  Als  aber  während  des  Bestehens 
der  Nephritis  Schmierkuren  versucht  wurden,  erfuhren  die 
nephritischen  Symptome  eine  Steigerung,  so  dass  wegen  der  be¬ 
ginnenden  Intoxikationserscheinungen  die  Kur  unterbrochen 
werden  musste.  In  den  8  anderen  Fällen  aber  wurden 
ausser  massiger  Stomatitis  (X)  und  einer  wahrscheinlich  mecha¬ 
nischen  Hautentzündung  (XII)  —  beidemale  aber  ohne  jede  Gift- 
wirkung  auf  die  Nieren !  —  keinerlei  Intoxikations¬ 
erscheinungen  beobachtet;  im  Gegenteil  heilte  die  Nephri¬ 
tis  rasch  und  völlig  ab  und  der  Fortbestand  der  Heilung  konnte 
mehrmals  durch  Jahre  hindurch  kontrolliert  werden.  Es  setzte 
allerdings  die  spezifische  Therapie  meist  nicht  unmittelbar  nach 
Ausbruch  der  Nephritis  ein,  sondern  es  wurde  zunächst  durch 
hygienisch-diätetische  Behandlung  das  Zurückgehen  der  ersten 
Erscheinungen  abgewartet,  ehe  Hg  und  Jodkali  zur  Anwendung 
kamen. 

Wir  sehen  also,  dass  von  14  Fällen  4mal 
keine  merkuriale  Behandlung  stattfand:  von 
ihnen  starben  3  und  1  genas;  dass  ferner  in 
10  Fällen  teilweise  wiederholte  Hg  -Kuren 
zur  Anwendung  kamen,  bei  denen  nur  1  m  a  1  ein 
toxischer  Einfluss  auf  die  Nieren  sich  gel¬ 
tend  machte:  von  ihnen  starben  2  und  alle  übri¬ 
gen  8  genäse  n. 

Aus  alledem  ergibt  sich  die  Berechtigung  zur  Ein¬ 
leitung  einer  spezifischen  Therapie  bei  der 
syphilitischen  parenchymatösen  Nephritis.  Es  erscheint  zweck¬ 
mässig,  mit  der  Anwendung  zu  warten,  ob  die  schweren  Erschei¬ 
nungen  derselben  durch  geeignete  diätetische  Behandlung  ge¬ 
bessert  werden  können;  denn  da  wir  wissen,  dass  das  Hg  zum 
grossen  Teil  durch  die  Nieren  ausgeschieden  wird,  so  können  bei 
schwerer  Erkrankung  derselben  durch  die  mangelhafte  Ausschei¬ 
dung  des  Hg  ernste  Intoxikationserscheinungen  auftreten.  Es 
wird  sich  empfehlen,  im  Anfang  der  Ilg-Kur  nur  kleine  Dosen 
anzuwenden  und  die  Kur  selbst  unter  den  peinlichsten 
Kautelen  einzuleiten  und  beständig  sorgfältig  zu  ii  b  e  r  - 
w  a  c  h  e  n,  um  bei  den  geringsten  schädlichen  Einflüssen  auf 
Niere,  Dann  oder  Mundschleimhaut  dieselbe  sofort  zu  unter¬ 


brechen.  Diese  Grundsätze  werden  auf  der  C  urschmann¬ 
sehen  Klinik  seit  J ahren  befolgt.  Auch  warnt  Curschmann 
dringend  vor  der  Anwendung  von  sogen.  Injektionskuren,  denn 
bei  der  schubweisen  Resorption  ist  die  Gefahr  einer  Intoxikation 
natürlich  gross.  Eine  vorsichtig  mit  kleinen  Dosen  eingeleitete 
Schmierkur  ist  speziell  bei  luetischen  Nierenaffektionen  die  allein 
zulässige  Methode.  Eine  prinzipielle  Ablehnung 
der  Hg  -  Behandlung  bei  syphilitischen  par¬ 
enchymatösen  Nephritiden  ist  aber  auch  nach 
den  Erfahrungen  der  Leipziger  Klinik  durch¬ 
aus  nicht  mehr  gerechtfertig  t. 

Zum  Schluss  erlaube  ich  mir,  meinem  hochverehrten  Lehrer 
und  früheren  Chef,  Herrn  Geh.  Rat  Curschmann,  für  die 
Ueberlasung  des  Materials  und  die  vielfache  Unterstützung  bei 
der  Arbeit  meinen  ergebensten  Dank  abzustatten. 

Literat  u  r. 

1.  Andronico:  Arcli.  f.  Dermat.  u.  Syph.  1S89,  pag.  G03. — 
2.  Audeoud:  Schmidts  Jahrb.  254,  pag.  150.  —  3.  Bach:  Arcli. 
f.  Dermat.  u.  Syph.  1804,  Bd.  28,  pag.  470.  —  4.  Blnhrn:  Deutsch. 
Arcli.  47,  pag.  212.  —  5.  Boukkeieff:  Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph. 
1S89,  pag.  SSO.  —  0.  Br  adle  y:  Virchow-Hirscli.  Jaliresber.  1871, 
II,  pag.  537.  —  7.  B  u  r  k  m  a  n  n:  Deutsche  med.  Wochensclir.  1880, 
VI,  4,  pag.  41.  —  8.  C  a  r  p  e  n  t  e  r:  Baginskys  Arch.  f.  Kinderheilk. 
XX,  pag.  271.  —  9.  C  o  li  ad  o  n:  Itevue  de  medecine  1S82,  pag.  040. 

—  10.  Delamare:  Vircliow-IIirscli,  Jaliresber.  1900,  II,  pag.  276. 

—  11.  Elsenberg:  Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph.  1894,  XXVIII, 
pag.  249  ff.  —  12.  En  gel  - Reimers:  Monatshefte  f.  prakt.  Der¬ 
mat.  u.  Syph.  1892,  XV,  10,  pag.  477  ff.  —  13.  Grandmaison: 
Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph.  1895,  XXXI,  pag.  153.  —  14.  Hock:  La 
semaine  medicale  1894,  pag.  475.  —  15.  Hudelo:  La  semaine 
medicale  1893,  pag.  115.  —  10.  Jaccoud:  Arch.  f.  Dermat.  u. 
Syph.  1895,  XXXi.  pag.  151.  —  17.  Kar  vollen:  Dermat.  Zeit¬ 
schrift  1900.  —  IS.  Lecorche  u.  Talamon:  Wiener  med. 
Wochensclir.  1891,  pag.  1020.  —  19.  Levi:  Virchow-Hirscli,  Jalires- 
ber.  1895,  II,  pag.  211.  —  20.  Lotze:  lieber  Nephritis  bei  Pneu¬ 
monie.  Inaug.-Diss.  Leipzig  1901.  —  21.  M  a  r  c  h  i  a  f  a  v  a:  Central¬ 
blatt  f.  klin.  Med.  1885,  pag.  044.  —  22.  Mauriac:  Schmidts 
Jahrb.  213,  pag.  153.  —  23.  Neu  mann:  Nothnagel,  Handbuch  f. 
spez.  Fath.  u.  Ther.  XXIII.  —  24.  Pannetier:  De  l’albuminurie 
cliez  les  sypliil.  These  de  Paris  1893.  - —  25.  Paulv:  Arch.  f. 
Dermat.  u.  Syph.  1891,  pag.  803.  —  2G.  Pitt  Newton:  Virchow- 
Hirscli.  Jaliresber.  1890,  I,  pag.  225.  —  27.  Ponte:  Arch.  f.  Der¬ 
mat.  u.  Syph.  1895,  XXXII,  pag.  459.  —  28.  Sclimaltz:  Schmidts 
Jahrb.  251,  pag.  133.  —  29.  Sc  li  av  i  m  mer:  Wiener  med.  Wochen¬ 
schrift  1871,  XXI.  No.  45 — 47.  —  30.  Senato  r:  Nothnagel.  Hand¬ 
buch  f.  spez.  Patli.  u.  Ther.  XIX,  1,  1.  —  31.  Spiess:  Virchow- 
Hirscli,  Jaliresber.  1877,  II,  pag.  539.  —  32.  S  t  e  p  1  e  r:  Wiener  klin. 
Wochensclir.  1900,  No.  43.  —  33.  Tommasoli:  Wiener  med. 
Wochensclir.  1890,  pag.  199.  —  34.  W  agner:  Deutsch.  Arch.  28, 
pag.  99  ff.  Ziemssens  Handbuch  9.  pag.  107  ff.  —  35.  W  e  1  a  n  d  e  r: 
Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph.  1890,  XXXVII. 


Aerztliche  Standesangeiegenheiten. 

Die  Errichtung  eines  Lehrstuhles  für  Homöopathie 

in  Bayern.*) 

Von  Hof  rat  Dr.  Mayer  in  Fürth. 

Die  bayerische  Kammer  der  Abgeordneten  hat  am  27.  V.  02 
einem  Antrag  zugestimmt,  nach  welchem  eine  Professur  für 
Homöopathie  in  Bayern  errichtet  werden  soll.  Diesem  Beschluss 
ist  nicht  nur  die  Kammer  der  Reichsräte  beigetreten,  sondern  es 
hat  auch  der  damalige  Kultusminister  unzweideutig  seine  Bereit¬ 
willigkeit  kundgegeben,  zum  mindesten  einen  Lehrauftrag  für 
Homöopathie  zu  erteilen. 

Die  praktischen  A  e  r  z  t  e  in  Bayern  halten  es,  an¬ 
gesichts  der  drohenden  Gefahr,  dass  eine  solche  Lehrstelle  wirklich 
errichtet  werden  könnte,  für  nötig,  auch  ihrerseits  Pro¬ 
test  dagegen  einzulegen,  und  richten  an  ein 
hohes  Staatsministerium  die  Bitte,  den  An- 
t  r  ä'g  e  n  der  beiden  Kammern  nicht  zu  willfahren. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Gutachten  der  drei  bayerischen 
Landesuniversitäten,  sowie  das  der  obersten  Medizinalbehörde  des 
Königreiches  sich  einmütig  gegen  die  Errichtung  eines  solchen 
Lehrstuhles  ausgesprochen  haben  und  zwar  aus  deiu  einfachen 
Grund,  weil  die  Homöopathie  in  keiner  Weise  eine  „Wissenschaft“ 
sei,  die  man  lehren  könne  und  dürfe.  Das  Gutachten  von  Würz¬ 
burg,  das  sich  in  Prof.  Kunkels  Aufsatz  in  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  1901,  No.  12  wiederspiegelt,  führt  in  sachlicher  Ruhe 
alle  homöopathischen  Lehrsätze  und  Beweisversuche  auf  ilir 
Nichts  zurück.  Wir  haben  daher  nicht  nötig,  auch  unsererseits 
die  streng  wissenschaftliche  Seite  der  Frage  noch  einmal  zu  be¬ 
leuchten.  Wir  müssen  nur  der  Verwunderung  Ausdruck  geben, 
wie  es  möglich  sein  konnte,  dass  die  Majoritäten  unserer  parla¬ 
mentarischen  Körperschaften  sich  gleichmütig  wegsetzten  über  die 

*)  Bericht  zu  dem  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der 
mittelfränkischen  und  oberbayerischen  Aerztekammem, 


23.  Dezember  1902. 


MITENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2153 


■streng  logischen  Deduktionen  der  berufenen  Kritiker  in  ärztlichen 
wissenschaftlichen  Fragen,  und  über  das  auf  diLen  KDtikeS 
fussende  Gutachten  der  Obermedizinalbehörde,  und  den  Aus 
tuhrungen  von  Rednern  folgen  konnten,  deren  Beweisführung  dem 
Entsprangen  U“d  Giner  absoluten  naturwissenschaftlichen  Ignoranz 

,  ,VnS  *ls  ob’  die  Frage  von  einigen  Gesichtspunkten  zu  be- 
ouchten,  die  dem  praktischen  Leben  entstammen.  Zuerst  soll 

nathie^m^oll'e  nDö  Tav.um  uud.  bis  zu  welchem  Grade  die  Homöo¬ 
pathie  im  Volke  noch  emo  gewisse  Rolle  spielt. 

...  sich  die  Ausübung  der  Homöopathie  seitens  der 

du  noch  anhangenden  Aerzte  heutzutage  gestaltet  hat. 

•  warum  die  Aerztekammern  Nachteile  von  der  Fr 

fürchten.  ^  hom5°J>a‘his<*“  Lehrstelle  für  Ihren  Stand  hl 

znm  ersten  Punkt  ist  zu  konstatieren,  dass  wohl  zu  allen 
Zeiten  in  der  Menschheit  ein  Bedürfnis  bestanden  hat  bei  Ge 
sundheitsstorungen  in  möglichster  Schnelligkeit  H  lfe  odei  doch 
Linderung  der  Beschwerden  zu  bekommen;  beim  Fehlen  von  whd 
lieh  Sachkundigen  wird  jeder  gutgemeinte  Rat  von  irgend  einer 

S/nge^men1.nnd-befols't  Das  Gefühl,  dass  etwas  Te¬ 
iche  hen  sei,  beiuhigt  Kranke  und  Angehörige  Dieses  Ftwa- 
braucht  nicht  wirklich  von  Nutzen  zu  sein,  Ss  kann  so^ar  de? 
Krankheit  als  solcher  schaden;  die  suggestive  Wirkung  der  Be- 
ruhigung  tntt  doch  ein.  Nimmt  das  Leiden  zu,  so  ist  es  noch  Zeit 
wirklich  kundige  Hilfe,  etwa  einen  Arzt,  herbeizuholenrwar  die 
Storung  gering,  so  hilft  die  reparierende  Kraft  der  menschlichen 
Aatur  allein,  resp.  es  hat  nach  dem  Glauben  der  Beteiligten  der 
erstgegebene  Rat  geholfen.  Bei  den  allermeisten  leichten  Gesund¬ 
heitsstörungen  braucht  es  bekanntlich  nichts,  als  das  Vermeiden 
vi  eiterer  Schädlichkeiten,  um  die  Genesung  zu  erlangen.  Und  weil 
es  daher  oft  eines  kundigen  ärztlichen  Rates  nicht  bedarf  so 
gewaltig  grosses  Feld  offen  für  die  Tausende  'von 
Volksmitteln,  die  von  alten  Damen,  Schmieden,  Schäfern  und 
Homöopathie  treibenden  Laien  gereicht  werden.  Speziell  die 
letzteren  hatten  bisher  noch  voraus,  dass  sie  ihre  Methode  für  eine 
wirkliche,  auch  ihnen  geläufige  Wissenschaft  hielten  und  ein  tat¬ 
sächliches  Arzneimittel  abgaben  oder  abzugeben  glaubten. 

•Tode  solche  Art  von  Volksmedizin  hat  ihre  unzweifelhafte 
Berechtigung,  solange  sie  sich  in  nicht  zu  weitem  Rahmen  be- 
wegt  und  ihre  Leistungsfähigkeit  nicht  für  grösser  hält,  als  sie 
wirklich  ist.  Das  Erlaubte  wird  überschritten,  wo  unterlassen 
wird,  rechtzeitig  sachverständige  Hilfe  zu  holen,  und  damit  viele 
Kranke  direkt  an  Leib  und  Leben  geschädigt  werden.  Dann  darf 
doch  me  ein  volkstümliches  Mittel  oder  eine  solche  Methode  als 
Universalmittel  bei  allen  Krankheiten  dargestellt  werden  und  es 
dürfen  etwa  dargereichte  Mittel  nicht  direkt  der  Logik  und  der 
v  ernunft  widersprechen. 

Alles  dies  tut  aber  die  volkstümliche  Homöopathie  in  reichem 
Masse. 

Ihre  Mittelchen,  mit  vernünftigen  diätetischen  Vorschriften 
zusammen  gegeben,  werden  die  suggestive  Beruhigungswirkung 
haben  wie  jedes  andere  Hausmittel;  ihre  Anwendung  allein 
ohne  ein  Verständnis  für  Krankheit  und  Krankheitssymptome 
muss  durch  Unterlassen  des  Richtigen  so  und  so  oft  Schaden 
stiften.  Dazu  aber  steht  die  Theorie  der  Wirkung  homöopathischer 
Mittel  in  ihrer  Dosierung  und  Indikation  so  vollständig  in  der 
Luft,  sie  widerspricht  so  völlig  nicht  nur  der  wissenschaftlichen 
Anschauung,  sondern  auch  dem  einfachen  Menschenverstand,  dass 
man  sich  doch  fragen  muss,  ob  die  ganze  Lehre  und  Disziplin 
der  Homöopathie  auch  nur  in  Laienhand  existenzberechtigt  ist. 
Es  braucht,  um  an  solche  Lehren  zu  glauben,  zuerst  den  Giauben 
an  geheimnisvolle  Kräfte,  die  nirgends  in  der  Natur  sonstwie  be¬ 
kannt  sind,  und  dazu  eine  tüchtige  Portion  Wunder-  und  Aber¬ 
glauben. 

Haben  wir  zugegeben,  dass  eine  Volksmedizin  berechtigt  ist, 
■so  geben  wir  doch  nicht  zu,  dass  die  Ausüber  einer  solchen  sich 
als  W  undertäter  gerieren  dürfen,  dass  harmlose  beruhigende 
Mittel  als  Allheilmittel  ausgegeben  werden,  und  wir  können  es 
nur  bedauern,  wenn  selbst  gebildete  Männer  eine  so  geringe 
Kritik  an  ihre  eigenen  Heilversuche  legen.  Sie  glauben  dem  Wolile 
der  Menschheit  zu  nützen  und  leisten  doch  nur  dem  Aberglauben 
der  Menge  Vorschub  und  verraten  ihr  absolutes  wissenschaftliches 
Nichtwissen.  Wie  viel  würdiger  und  erfolgreicher  könnte  der 
Tatendrang  von  geistlichen  Herren  auf  dem  Lande,  von  hilfs¬ 
bereiten  Bürgermeistern  etc.  sich  betätigen,  wTenn  dieselben  sich 
ein  Minimum  von  physiologisch-anatomischen,  vielleicht  auch 
pathologischen  Kenntnissen  verschaffen  würden  und  an  der  Hand 
dieser  ihren  ja  oft  nicht  abzuweisenden  Hilfesuchenden  einen 
wenigstens  nicht  unvernünftigen  ersten  Ratschlag  geben  könnten. 

In  der  Kammer  der  Abgeordneten  wurde  von  den  Erfolgen 
der  Homöopathen  gesprochen.  Wo  dieselben  über  die  oben  von 
uns  angeführten  Effekte  bei  kleinsten  Störungen  hinausgehen,  be¬ 
ruhen  sie  auf  Selbsttäuschung  oder  absichtlicher  Verschönerung 
seitens  der  Beobachter.  Ein  Arzt  in  dieser  Kammer  beleuchtete 
kritisch  den  blühenden  Gallimathias  der  homöopathischen  Lehren: 
Wenn  der  Antragsteller  erwiderte,  dieser  Arzt  habe  voraussichtlich 
die  Homöopathie  nicht  genügend  studiert,  so  fragen  wir  allen 
Ernstes,  ob  der  betreffende  Herr,  der  selbst  Homöopath  sein  soll, 
nicht  die  medizinische  Wisssenschaft  auch  etwas  näher  als  nur 
vom  Hörensagen  kennen  müsste,  ehe  er  über  ihren  Wert  oder 
Unwert  im  Vergleich  zur  Homöopathie  überhaupt  eine  eigene  An¬ 
sicht  haben  darf. 

Die  heutige  Stellungnahme  der  die  Homöopathie  ausübenden 
Aerzte  bedarf  ebenfalls  einer  eingehenderen  Beleuchtung. 


.  T'-,s  steht  dabei  nicht  zur  Frage,  wie  weit  die  Homöopathie 
hei  ihrem  ersten  Auftreten  einen  guten  Einfluss  übte  auf  die 
damals  in  wüste  Medikasterei  versunkene  Medizin,  auch  nicht,  ob 
der  selige  Hahnemann  ein  idealer  Phantast  oder  doch  etwas  we- 
ingei  vvai.  Ehe  sich  die  Medizin  auf  dem  Boden  der  Naturwissen¬ 
schaften  entwickelt  hatte,  konnte  die  Homöopathie  in  voller  Blüte 
wuchern  und  war  weit  mehr  als  jetzt  verbreitet.  Mit  dem  Fort¬ 
schreiten  der  modernen  Medizin  auf  genannter  Basis,  nicht  zum 
mindesten  auch  mit  der  sich  bessernden  Bildung  des  ganzen 
Volkes  auch  in  naturwissenschaftlicher  Hinsicht,  schwanden  die 
Anhänger  der  Homöopathie  zusammen.  Natürlich  auch,  wie 
konnten  Lehren,  dass  Krankheiten  nur  Verstimmungen  im  Körper 
ohne  sichtbare  oder  greifbare  Veränderungen  seien,  Bestand  haben 
vor  der  mächtigen  Entwicklung  der  physikalischen  Diagnostik 
und  der  Erkennung  der  krankhaften  Veränderungen  im  Körper. 
Das  Publikum  seihst  war  ja  mit  den  mystischen  Erklärungen  nicht 
mehr  zufrieden,  es  hatte  bald  gelernt,  sich  an  bestimmt  umrissene 
Krankheitsbilder  zu  halten. 

Die  neuen  Auswüchse  der  Krankenbehandlung,  die  Wasser¬ 
künstler,  Naturheilkundigen  etc.,  standen  in  ihrer  Krankheitsauf¬ 
fassung  wenigstens  auf  besserem  Boden. 

.  Der  Versuch,  eine  Homöopathie  auf  naturwissenschaftlicher 
Basis  zu  kreieren  und  die  alten  Dogmen  etwas  umzumodeln,  wurde 
freilich  gemacht,  aber  mit  sehr  bescheidenem  Erfolg.  Von  den 
alten  Halinemannschen  Thesen  hält  diese  Richtung  noch  3  auf¬ 
recht.  Unter  den  beiden  ersten,  der  Arzneiprüfung  am  Gesunden 
und  dem  Satze  „simila  similibus  curantur“,  könnte  man  sich 
wenigstens  nocli  etwas  vorstellen,  das  besprechbar  ist,  wenn  es 
in  irgend  einem  Punkt  bewiesen  würde.  Die  oben  angeführten  aka¬ 
demischen  Gutachten  haben  erschöpfend  ausgeführt,  dass  diese 
Lehrsätze  jeglicher  Begründung  und  Beweisführung  entbehren, 
dass  die  sie  stützenden  Angaben  unrichtigen  Beobachtungen, 
Selbsttäuschungen  und  sophistischen  Auslegungen  entsprungen 
sind.  Die  3.  These  aber,  die  Lehre  von  der  Dosierung  der  Arnzei- 
mittel  und  der  Potenzierung  der  Wirkung  derselben,  ist  ein  solch 
heller  Nonsens,  dass  eine  kritische  Beleuchtung  derselben  stets 
von  den  Homöopathen  als  Versuch  bezeichnet  wird,  die  Frage  ins 
Lächerliche  zu  ziehen.  Lächerlich  ist  aber  daran  nicht  die  Art 
der  Bekämpfung,  sondern  die  Lehrthese  selber.  Die  von  Aerzten 
ausgeübte  Homöopathie  heutzutage  ist  lediglich  ein  Eingehen  auf 
die  üblen  Gewohnheiten  eines  Teiles  des  Volkes,  der  diese  Abart 
einer  ärztlichen  Behandlung  nachkultiviert,  wie  seinerzeit  Tliee- 
kuren,  Blutreinigungen,  Schröpf-,  Aderlass-  und  andere  Kuren  im 
\olk  weitergeführt  wurden  und  werden,  nachdem  sie  von  der 
Wisssenschaft  längst  als  irrig  verlassen  worden  waren.  Natür¬ 
lich  wollen  wir  nicht  widersprechen,  dass  auch  ein  oder  der 
andere  homöopathische  Arzt  so  viel  Phantasie  und  Mystik  sich 
gewahrt  hat,  um  selbst  an  seine  Lehren  zu  glauben.  Den  anderen 
freilich  bleibt  nur  die  Wahl,  dass  sie  naturwissenschaftlich  nicht 
denken  können  oder  aber  ihre  Anhänger  bewusst  täuschen. 

In  Wirklichkeit  ist  aber  nun  das  Bild  des  homöopathischen 
Arztes  an  der  Arbeit  nicht  zu  schlimm.  Sie  stellen  ihre  Diagnose 
auf  unserer  Basis,  behandeln  nach  physikalischen  und  diätetischen 
Grundsätzen,  den  unseren  konform,  und  geben  als  Anhängsel  ihre 
unschuldigen,  weil  nichts  enthaltenden  Mittelcheu  solange,  als 
auch  ein  anderer  Arzt  keine  oder  nur  unschuldige  Trost-  und  Lin¬ 
derungsmittel  anwendet.  Fordert  die  Krankheit  ein  wirksames 
Medikament,  so  holen  sie  es  ruhig  von  der  angefeindeten  „Allo¬ 
pathie1'  herüber.  Ein  Schmerz  weicht  eben  einer  homöopathischen 
Morphiumdosis  nicht,  das  Herz  braucht  Digitalis  in  kräftiger 
Dosis  und  das  homöopathische  Abführmittel  ist  auch  noch  nicht 
erfunden.  Die  homöopathischen  Aerzte  haben  daher  nur  die  Vor¬ 
sicht  zu  befolgen,  den  Nihilismus,  den  sie  in  Wahrheit  üben,  nicht 
zu  übertreiben  und  rechtzeitig  eventuell  auch  gleich  die  Mittel 
der  wissenschaftlichen  Medizin  zu  nehmen  oder  den  Fall,  wenn 
er  schwer  oder  chirurgisch  wird,  an  andere  Aerzte  abzugeben. 
Man  kann  so  immerhin  ein  ganz  gutes  Geschäft  haben  und  sich 
dabei  noch  ein  Stückchen  „Wunderdoktor“  bewahren. 

Wenn  es  einmal  nötig  werden  sollte,  einiges  von  dem  Gesagten 
noch  bessser  beweisen  zu  müssen,  so  würden  wir  nicht  anstehen, 
homöopathische  Aerzte,  Apotheker  und  vor  allem  deren  Gehilfen 
auf  E  i  d  befragen  zu  lassen,  ob  und  inwieweit  die  homöo¬ 
pathischen  Arzneimittel  nach  Vorschrift  durch  „Schläge“  und 
„Verreibung“  hergestellt  resp.  wieweit  „Potenzen“  überhaupt  ab¬ 
gegeben  werden.  Wir  wissen  aus  früheren  Zeiten  durch  direkte 
Mitteilungen,  dass  da  und  dort  von  der  3.  Verdünnung  ab  nur 
reiner  Spiritus  abgegeben  wurde.  Als  in  einem  solchen  Falle  ein 
gewissenhafter  Gehilfe  wider  Auftrag  den  Laienhomöopathen  die 
Hausapotheken  richtig  einfüllte  und  eine  minimale  Trübung  die 
Anwesenheit  eines  Teiles  der  Stammtiuktur  verriet,  da  brachten 
die  „Heilmänner“,  meist  geistliche  Herren,  die  Mischungen  als  un¬ 
rein  und  unwirksam  zurück  und  waren  erst  zufrieden,  als  sie 
ihren  Spiritus  wieder  hatten.  Führten  wir  nicht  schon  aus  —  der 
Glaube  tuts,  nicht  das  Mittel. 

Anfeindungen  der  wissenschaftlichen  Medizin  haben  die  heu¬ 
tigen  homöopathischen  Aerzte  auf  gegeben;  sie  sind  meist  froh, 
wenn  man  sie  in  Ruhe  lässt,  und  halten  seit  langer  Zeit  Frieden. 

In  manchen  Orten  (Nürnberg)  sind  sie  sogar  Mitglieder  der  ärzt¬ 
lichen  Standesvereine  und  Averden  dort  als  harmlose,  fast  schon 
der  Geschichte  der  Medizin  angehörige  Inventarstücke  mitgeführt. 
Ihre  absurden,  Heiterkeit  erweckenden  Lehrsätze  sind  im  Ver¬ 
schwinden  vom  Markt  des  Lebens  und  abgelöst  von  neuen,  immer¬ 
hin  etwas  besser  fundierten  Sonderströmungen. 

Der  Versuch,  in  Bayern  eine  Lehrstelle  für  Homöopathie  zu 
schaffen,  ist  zAveifellos  nicht  von  Aerzten  ausgegangen;  diese 
Averden  vielleicht  im  Gegenteil  gar  nicht  zu  erbaut  davon  sein. 


54 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCIIRII T. 


No.  51. 


l»cr  neue  Vorstoss  wird  Erörterungen  in  der  Oeffentliclikeit  bringen 
und  luvt  sie  schon  gebracht,  wo  sie  genötigt  sein  werden,  ihre  alteis- 
u  gewordenen  Lehren  zu  verteidigen,  und  dies  können  sie  niu 
in  küinnierlicher  Weise.  Dazu  wird  die  notdürftig  gedeckte  Kluft 
zwischen  ihnen  und  den  übrigen  Aerzten  wieder  auffeeiissei 
Kino  ärztliche  Standesordnung,  vom  Staat  oder  von  den  Aeiztei 
srllist  gegeben,  braucht  eingeschlafene  Fehden  nicht  neu  au  - 
werken,  sie  konnte  bis  da  auch  den  Homöopathen  ein  geschütztes 
Plätzchen  lassen.  Wenn  aber  der  Ruf:  „Hie  wissenschaftliche 
Medizin,  hie  Homöopathie“  aufs  neue  erschallen  sollte,  dann  v*  ul 
für  die  Anhänger  der  letzteren  in  den  Vereinsorganisationen  de 

Aerzte  kein  Platz  mehr  sein.  „  .  ,  ,  . 

Dem  ärztlichen  Stand  aber  werden  durch  Errichten  einei 
homöopathischen  Lehrstelle  auch  nur  neue  Schädigungen  um 
Schwierigkeiten  erwachsen.  Man  hat  aus  unserem  Stande  ein 
Gewerbe“  gemacht,  man  öffnet  das  medizinische  Studium  auen 
solchen,  die  nicht  mehr  den  höchsten  Bildungsweg  gegangen  sind, 
die  Freigabe  aller  Pfuscherei  schädigt  unser  Ansehen  im  Volke, 
die  moderne  soziale  Gesetzgebung  zwingt  uns  Lohnkampte 
schlimmster  Art  auf.  .letzt  soll  noch  das  äusserste  kommen. 
Heilmethoden,  die  auf  Wahrheit  k  e  1  ne  n  A  n  - 
s  p  r  u  c  h  li  aben,  will  man  gleichberechtigt  n  e  b  e  n 
d  i*  r  s  t  rengen  Wissenschaft  1  e  h  r  e  n  und  1er  ne  n 
lassen.  Das  liiesse  doch  die  akademis  c  h  e  J  u  - 
g  o  n  d  absi  c  li  t  lieh  v  e  r  d  e  r  b  e  n  w  olle  n.  Es  ist  schwer, 
eine  Parallele  zu  finden,  welche  Lehrfächer  in  anderen  Fakultäten 
einer  solchen  homöopathischen  Professur  gleichzustellen  waren: 
etwa  nationalökonomische  Vorträge  durch  einen  Stocksozia  - 
demokraten.  Das  Argument  des  Herrn  Bürgermeisters  v  L  a  n  d - 
mann,  dass  die  Homöopathie  viele  Anhänger  im  Volke  habe 
denen  man  etwas  bieten  müsse,  träfe  für  unsere  Parallele  wohl 
auch  zu. 

Bis  jetzt  hat  zwar  die  Erfahrung  gelehrt,  dass  gerade  die 
studierende  Jugend  eine  idealere  Auffassung  des  ärztlichen  Be¬ 
rufes  zeigt,  und  von  selbst  paradoxen  Irrlehren  widerstrebt.  Dei 
jammervolle  Erfolg  einer  homöopathischen  Professur  in  lest  be¬ 
weist  dies.  Erst,  der  bittere  Ernst  des  Erwerbslebens,  die 
Schwierigkeiten,  heutzutage  ein  eigenes  Arbeitsfeld  sich  zu 
schaffen,  drängen  den  jungen  Mann  später  auf  Abwege.  Aber 
zu  viel  darf  man  dem  Idealismus  der  Jugend  doch  nicht  zumuten 
Die  Gefahr,  dass  einer  oder  der  andere  vom  rechten  Weg  abgelenkt 
wird,  ist.  vorhanden.  Und  a  uch  dem  älteren  Arzt  dar  t 
m  a  n  das  Ab  w  eichen  v  o  n  d  e  r  r  ei  n  Wissens  eh  a  1 t  - 
1  i  li  o  n  I  >  c  t  ii  t  i  g  u  11  g  s  c  i  11  (i  s  I>  o  r  u  i  c*  s  nicht  cl  a  d  u  1  c  n 
s  a  n  k  t  ioni  e  r  e  n,  d  a  s  s  ein  s  t  a  a  t  1  i  c  li  er  L  e  li  l*  st  u  li  1 
best  eh  t,  d  e  r  e  x  t  r  a  z  u  m  F  ii  h  r  e  n  auf  falsche  B  a  li  - 
ii  e  u  b  e  s  t.  i  m  ml  i  s  t.  Der  Wunsch  nach  einer  homöopathischen 
Lehrstelle  geht,  wir  wiederholen  es,  von  Laien  aus.  Dass  diese 
Laien  in  den  Kammern  der  Abgeordneten  und  der  Keiclisiöte  die 
Mehrheit  haben  konnten,  ist  begreiflich;  sicher  aber  ist,  dass  ein 
wirkliches  Verständnis  der  strittigen  Fragen  eben  diesen  Laien 
v erschlossen  ist.  Die  Vertretung  des  ärztlichen  Standes  m  der 
Kammer  selbst  muss  leider  als  eine  sehr  ungenügende  bezeichnet 
werden.  Dem  einen  sachlich  protestierenden  Arzt  standen  solche 
gegenüber,  denen  politische  Erwägungen  höher  stehen  als  wissen¬ 
schaftliche  Wahrheit.  Könnte  der  Beschluss  der  Kammern  ver¬ 
wirklicht:  werden,  so  würde,  wenn  auch  spät,  die  ganze  Frage 
wohl  noch  einmal  zur  Kritik  in  die  Oeffentlichkeit  kommen.  Die 
medizinischen  Fakultäten  brauchten  sicher  den  neuen  „Kollegen“ 
nicht  ungeprüft  unter  sich  aufzunehmen.  Die  Vertretung  der 
homöopathischen  Lehre  nicht  mehr  vor  dem  unwissenden  Volk, 
sondern  vor  in  Bildung  und  Gelehrsamkeit  mindestens  Gleich- 
stehenden  dürfte  interessant  werden.  Wäre  es  aber  denkbar,  dass 
die  medizinischen  Hochschulen  diesen  leichten  Kampf  nicht  auf¬ 
nehmen  wollten  oder  aber  dass  ihnen  versagt  werden  könnte,  den 
staatlich  angestellten  Lehrer  in  seinen  Darlegungen  zu  stören, 
wir  praktischen  Aerzte  würden  einem  solchen 
/  w  a  n  g  s  i  c  h  e  r  n  i  e  h  t:  u  n  (erliege  n.  Uns  müsste  der 
llerr  „Lehrer“  standhalten  und  wir  würden  es  wohl  auch  noch 
fertig  bringen,  ihm  sein  wissenschaftliches  Mäntelchen  abzu¬ 
nehmen. 

Aber  dazu  kann  es  nicht  kommen.  Wir  vertrauen  dem  Wohl¬ 
wollen  einer  k.  Staatsregierung,  dass  nicht  ein  Experiment  zu- 
gelassen  wird,  d  a.  s  gleicherweise  de  n  Hochschule  n 
u  n  d  d  e  m  ä  r  z  1 1  i  c  li  e  n  St  a  n  d  e  z  u  r  Unehre  gereiche  n 
würde.  Wir  Aerzte  sind  stolz  darauf,  dass  wir  bis  heute  die 
beste  Stütze  für  unsere  so  oft  mit  dem  Wohl  der  Allgemeinheit 
sich  deckenden  Interessen  bei  der  hohen  Staatsregierung  selbst 
gefunden  haben. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Dr.  Oscar  H  e  r  t  w  i  g',  o.  ö.  Professor.  Direktor  des  ana¬ 
tomisch-biologischen  Institutes  in  Berlin:  Handbuch  der  verglei¬ 
chenden  und  experimentellen  Entwicklungslehre  der  Wirbel¬ 
tiere.  Bearbeitet  von  Prof.  Dr.  B  a  r  f  u  r  t  li  -  Rostock,  Prof. 
Dr.  B  r  a  u  s  -  Heidelberg,  Dozent  Dr.  B  üh  ler- Zürich,  Prof. 
Dr.  Rud.  B  u  r  c  k  li  a  r  d  t  -  Basel,  Prof.  Dr.  F  e  1  i  x  -  Zürich, 
Prof.  Dr.  E  1  e  m  m  ing-  Kiel,  Prof.  Dr.  Eroriep  -  Tübingen, 
Prof.  Dr.  G  a  u  p  p  -  Freiburg  i.  Br.,  Prof.  Dr.  Goeppert- 
Ileidelberg,  Prof.  Dr.  Oscar  II  e  rt  w  i  g  -  Berlin,  Prof.  Dr. 
Richard  II  e  r  t  w  i  g  -  München,  Prof.  Dr.  II  o  c  h  s  t  etter- 


Innsbruck,  Prof.  Dr.  F.  K  e  i  b  e  1  -  Freiburg  i.  Br.,  Dozent  Dr. 
Rud.  Krause -Berlin,  Prof.  Dr.  Willi.  K  r  a  u  s  e  -  Berlin, 
Prof.  Dr.  v.  Kupffer  -  München,  Prof.  Dr.  M  a  u  r  e  r  -  Jena, 
Prof.  Dr.  Mollier  -  München,  Dozent  Dr.  P  eter  -  Breslau, 
Dr.  II.  Poll-  Berlin,  Prof.  Dr.  Rückert-  München,  Prof. 
Dr.  Scliauinsland  -  Bremen,  Prof.  Dr.  Strahl-  Giessen, 
Prof.  Dr.  Waldey  er -Berlin,  Prof.  Dr.  Z  i  e h  e  n -Utrecht. 
Jena,  Verlag  von  Gustav  Fische  r,  1902. 

Auch  auf  dem  Gebiete  der  Anatomie  sind  wir  in  das  Zeit¬ 
alter  der  Sammelwerke  eingetreten.  Die  letzten  30  Jahre  haben 
eine  ungeheure  Flut  anatomischer  Arbeiten  geliefert  und  der 
einzelne  sieht  voll  Verzweiflung  den  Strom  der  Literatur  ins 
Uferlose  schwellen.  Die  verschiedenen  Gebiete  der  Anatomie  in 
einigermassen  gleichmässiger  Weise  zu  umfassen  oder  gar  die 
Fortschritte  hier  und  dort  mit  einiger  Genauigkeit  zu  verfolgen, 
ist  selbst  für  den  Fachmann  nicht  mehr  möglich.  Wie  es  m 
Zukunft  mit  unserer  wissenschaftlichen  Entwicklung  werden 
soll,  bleibt  ein  Rätsel.  Bereits  erscheinen  jährlich  mehr  ana¬ 
tomische  Arbeiten,  als  ein  Kollegium  von  einigen  Leuten,  welches 
sich  mit  dem  Lesen,  Durcharbeiten  und  —  Verdauen  dieser 
Schriften  beschäftigen  würde,  in  der  Lage  wäre,  zu  bewältigen. 
Der  Grund  des  schnellen  Anwachsens  der  literarischen  Produk¬ 
tion  ist  in  dem  Umstande  enthalten,  dass  es  mit  LIilfe  dei 
modernen  Technik  leicht  ist,  neue  Beobachtungen  auf  den  wissen¬ 
schaftlichen  Markt  zu  bringen,  schwierig  indessen,  solche  Beob¬ 
achtungen  nach  jeder  Richtung  hin  zu  verarbeiten  und  mit  dem 
bereits  vorhandenen  Wissen  theoretisch  zu  einem  befriedigenden 
Bilde  zu  vereinigen.  Daher  sind  wir  auf  dem  Gebiete  der  Ana¬ 
tomie  in  der  Durcharbeitung  des  vorhandenen  liteiaii  sehen  Mn 
teriales  fortwährend  in  einem  traurigen  Rückstände  begriffen 
trotz  der  Anstrengungen,  welche  Bonnet  und  M  erkel  in  den 
„Ergebnissen“  machen,  um  alljährlich  über  einige  Kapitel  all¬ 
gemeine  Uebersiehten  zu  liefern.  Und  dieser  Zustand  wird  nicht 
aufhören,  ehe  nicht  in  weiten  Kreisen  die  Leberzeugung  sich 
Bahn  bricht,  dass  das  Sammeln  von  Beobachtungen  —  Ken  n  t  - 
nissen  —  zwar  eine  Vorbedingung  des  Fort¬ 
schritts  menschlicher  Erkenntnis,  nicht  a  b  c  i 
implicite  schon  dieser  Fortschritt  selbst  ist. 

In  diesem  Sinne  schon  ist  es  mit  grosser  Genugtuung  zu 
begriissen,  dass  unter  der  Aegide  Oscar  II  e  r  t  w  i  g  s  sich  eine 
Reihe  hervorragender  Forscher  zusammengefunden  haben,  um 
auf  dem  Gebiete  der  Entwicklung  der  Wirbeltiere  das  vor¬ 
handene  riesige  Material  zu  sammeln  und  zu  verarbeiten.  Dei 
Verlag  von  Gustav  1  i  s  c  h  e  r  in  Jena  gibt  das  V  erk  hei  aus  und 
stattet  dasselbe,  wie  die  5  bisher  erschienenen  Lieferungen  zeigen, 
in  vorzüglicher  Weise  aus. 

Die  erste  Lieferung  brachte  eine  von  Oscar  Hertwig 
mit  bekannter  Routine  geschriebene  historische  Einleitung  und 
darauf  den  Anfang  der  Abhandlung  W  aldeyers  über  die 
Geschlechtszellen.  Der  Autor  hatte  ein  schwieriges,  unan¬ 
genehmes,  in  sehr  spezialistischer  Weise  ausgebildetes  Arbeits¬ 
gebiet  vor  sich  und  entledigt  sich  seiner  Aufgabe  unter  Be¬ 
nützung  der  gesamten  bis  zu  den  jüngsten  Tagen  erschienenen 
Literatur  mit  bekannter  Objektivität  und  Gründlichkeit.  Es 
folgt  in  der  zweiten  und  im  Anfang  der  dritten  Lieferung  eine 
mit  sehr  vielen  und  guten  Abbildungen  ausgestaltete,  exzellente 
Arbeit  von  Keibcl  über  die  Entwicklung  der  äusseren  Körper¬ 
form.  Weiterhin  folgt  in  der  dritten  und  vierten  Lieferung  die 
Geschichte  und  Anatomie  der  Eihüllen  einschliesslich  der  Pla¬ 
zenta,  bearbeitet  von  Scliauinsland  (Reptilien  und  Vögel) 
und  Strahl  (Säuger  und  Mensch).  Begreiflicherweise  wird 
für  die  Leser  dieser  Wochenschrift  die  Abhandlung  von  Strahl 
ein  besonderes  Interesse  besitzen,  da  in  dieser  unter  anderem 
der  Streit  um  die  menschliche  Plazenta  zur  Verhandlung  kommt; 
der  Autor  besitzt  eine  ungemein  grosse  eigene  Erfahrung  und 
dürfte  auf  seinem  Gebiete  eine  der  ersten  Autoritäten  sein. 
Der  Rest  der  letzten  Doppellieferung  enthält  die  Arbeiten  von 
Peter  über  die  Entwicklung  des  Geruchsorgans,  von  R.  Krause 
über  die  Entwicklung  des  Gehörorgans,  von  Eiern  m  ing 
über  die  Entwicklung  der  Stützsubstanzen  und  von  Höch¬ 
st  e  1 1  e  r  den  Anfang  der  Abhandlung  über  die  Entwicklung 
des  Blutgefässystems.  Unter  diesen  zeichnen  sich  die  vorliegen¬ 
den  Arbeiten  von  Peter  und  R.  Krause  durch  gleichmässige 
Behandlung  des  Stoffes  und  viele  schöne  Abbildungen  aus. 

Der  Preis  der  Lieferung  beträgt  M.  4.50  und  ist  massig 
berechnet  im  Verhältnis  zu  der  sehr  grossen  Anzahl  der  Ab- 


23.  Dezember  1902. 


MHENCHENER  MEDICINISCITE  WOCHENSCHRIFT. 


bildungen;  der  Umfang  des  Werkes  wird  auf  20  Lieferungen 
(ca.  IGO  Rogen)  angegeben.  Martin  II  e  i  d  e  n  h  a  i  n. 


J.  W  i  d  m  a  r  k :  Mitteilungen  aus  der  Augenklinik  zu 
Stockholm.  Jena  1902.  G.  Fischer.  4.  Heft.  Preis  4  M. 

Als  willkommene  periodische  Erscheinung  bringt  das  neueste 
dieser  Hefte  folgende  hochinteressante  Abhandlungen: 

1.  Ein  Fall  von  intrakapsnlärer  Resorption  des  Altersstares 
Ton„  Lllu  ;1.llL  Als  Ursache  wird,  wie  es  schon  von 
,v-.IJ1Pp®1  Um.  geschah,  die  Einwirkung  des  Kammerwassers 
hei  fehlendem  Kapselepithel  angenommen.  Eigentümlich  ist  hei 
dem  durch  Extraktion  mittels  Kapselpinzette  entfernten  Starreste 
die  mikroskopisch  festgestellte  Bildung  eines  Kapselstars. 

T)  .Di®  Abhandlung:  „Einige  klinische  und  bakteriologische 
Beobachtungen  über  die  Influenzakonjunktivitis  bei  Siiuglingeu“ 
Aon  .T.  Jundell  erregt  allgemeines  Interesse.  Von  Wichtigkeit. 

der  Infektionserreger  der  Bindehautentzündung,  "  der 
1  teitter  sehe  Influenzabazillus,  welcher  nur  durch  Kultur¬ 
proben  auf  Blutagar  sicher  nachweisbar  ist,  mit  dem  K  o  c  li  - 
V\  ecks  sehen  Bazillus  identisch  erscheint.  Die  Affektion  der 
Bindehaut  kann  von  einem  leichten  Katarrh  bis  zum  ausgespro¬ 
chenen  Krankheitsbilde  schwerer  gonorrhoischer  Konjunktivitis 
variieren  und  hat  überhaupt  so  viel  Aehnlichkeit  mit  der  epi¬ 
demischen  Konjunktivitis,  dass  Verf.  es  auch  aus  diesem  Grunde 
lur  sehr  wahrscheinlich  hält,  dass  diese  in  den  meisten  Fällen 
aut  Influenzainfektion  zurückzuführen  ist. 

3.  lieber  Operation  von  Symblepharon  nach  M  a  y  von 
J.  Land  ström.  Nachdem  bei  ausgedehnten  Verwachsungen 
der  geringe  Erfolg  der  verschiedenen  bishe  r 
g  e  u  b  ten  Methoden  und  das  M  a  y  sehe  Verfahren  kurz  be¬ 
sprochen  worden,  weist  Verf.  an  4  operierten  Fällen  die  Vorteile 
desselben  nach  und  stellt  die  guten  Erfolge  mittels  genauer  photo¬ 
graphischer  Abbildungen  überzeugend  dar.  Das  Verfahren  besteht 
darin,  dass  die  dem  Arm  entnommenen  Thierse  h  sehen  Lappen 
direkt  vom  Rasiermesser  auf  Porzellanschalen,  wie  sie  die  Basis 
künstlicher  Augen  bilden,  mit  der  Epithelfläche  und  zwar  auf 
beide  Seiten  der  Schale  gelegt  werden  und  die  so  bedeckte  Schale 
m  den  neugebildeten  Bindehautsack  gelegt  wird.  Die  Lappen 
werden  auf  der  Unterlage  festgelialten,  indem  die  Lider  zu¬ 
sammengenäht  und  ein  fester  Verband  angelegt  wird. 

4.  Zwei  Fälle  von  Konkrement  im  Canalieulus  lacrymalis 
superior  von  A.  D  a  1  e  n,  bei  welchen  die  Untersuchung  der  Kon- 

ergab,  dass  es  sich  zwar,  wie  in  den  meisten  anderen 
Fällen,  um  Streptotricheen  gehandelt  hat,  dass  diesen  aber  die 
morphologischen  Eigenschaften  und  die  Pathogenität  der  Strahlen¬ 
pilze  (Aktinomyces)  im  engeren  Sinne  fehlen. 


5.  Zur  Aetiologie  der  Kurzsichtigkeit  von  J.  W  i  d  m  a  r  k. 
Da.  wie  Verf.  an  zahlreichen  eigenen  Beobachtungen  nachweist, 
die  Arbeitsmyopie,  wenn  die  Sehschärfe  des  einen  Auges  aus  irgend 
einer  Ursache  vor  dem  Schulalter  geschwächt  worden  war,  in 
der  Regel  ausschliesslich  auf  dem  anderen  sehkräftigen  Auge  sich 
entwickelt,  gleichviel  ob  sich  das  erstere  au  der  Fixation  beteiligt 

oder  in  Strabismus  convergens  oder  divergens  übergeht,  _  da 

ferner,  wenn  ein  Auge  enukleiert  oder  auf  andere  Weise  verloren 
ist,  sich  dennoch  eine  typische  Myopie  an  dem  erhaltenen  Auge 
entwickeln  kann,  so  könne  die  Konvergenz  ebensowenig  als  die 
Akkommodation  von  entscheidender  Bedeutung  für  die  Ent¬ 
stehung  der  Myopie  sein.  Verf.  nimmt  nun  an,  dass  die  Kurz¬ 
sichtigkeit  durch  Hyperämie  des  Augenbodens,  die  zur  Erweichung 
des  Gewebes  am  hinteren  Pole  führe,  entstehe,  indem  das  er¬ 
weichte  Gewebe  dem  intraokularen  Druck  nachgebe,  wenn  es  an 
und  für  sich  nachgiebig  ist,  wie  das  jugendliche,  oder  wenn,  wie 
vielleicht  hinzugefügt  werden  könnte,  dasselbe  aus  hereditärer 
Anlage  dazu  disponiert  ist.  Wenn  nun  Verf.  weiter  annimmt, 
dass  die  Perzeption  in  der  Macula  lutea  bezw.  die  Anstrengung, 
die  schnell  aufeinander  folgenden  Bilder,  z.  B.  der  Buchstaben  b  im 
Schreiben  und  Lesen,  zu  unterscheiden,  zur  Hyperämie  im  Augen- 
liintergrunde  führe,  so  fehlt  ihm  allerdings  hiefiir  noch  der  ana¬ 
tomische  und  ophthalmoskopische  Nachweis.  Zur  Rückkehr  zu 
der  v.  Graef  eschen  Begründung  der  Myopieentsteh  img  durch 
Sclerotico-chorioiditis  posterior  ist  nun  allerdings  nicht  mehr  weit. 

6.  Mitteilung:  Janson  empfiehlt  einen  Apparat  zu  m 
Na  c  h  w  e  i  s  in  den  Körper,  besonders  ins  Auge 
eingedrungener  Eisenstücke,  den  er  Sideropli  o  n 
nennt  und  der  nach  seiner  vollständigen  Montierung  einfacher 
als  das  sonst  vortreffliche  A  s  m  u  s  sehe  Sideroskop  zu  werden 
verspricht,  wenn  er  auch  nicht  die  hochgradige  Empfindlichkeit 
dieses  Instrumentes  erreicht. 

7.  Ein  Fall  von  Blepharochalasis  (Atrophie  und  Erschlaffung 
der  Lidhaut),  von  1)  a  1  e  n  klinisch  und  mikroskopisch  beschrieben. 

8.  Ueber  die  Bedeutung  der  venerischen*  Krankheiten  als 
Ursache  der  Erblindung  von  J.  Widmark.  Im  Anschlüsse  an 
seine  frühere  Arbeit:  „Ueber  das  Vorkommen  von  Blindheit  in 
den  skandinavischen  Ländern  und  Finnland“  (2.  Heft  dieser  Mit¬ 
teilungen)  berechnet  Verf.  den  Prozentsatz  der  infolge  von  Syphilis 
einschliesslich  Conjunctivitis  gonorrhoica  und  Blennorrhoea  neo¬ 
natorum  Erblindeten  auf  20  Proz.  in  Schweden,  trotzdem  in  diesem 
Lande  die  venerischen  Krankheiten  und  besonders  die  Ophthalmia 
neonatorum,  letztere  infolge  von  ausgedehnter  Anwendung  des 
C  r  e  d  e  sehen  Verfahrens,  sehr  erheblich  abgenommen  haben. 
Er  glaubt  daher  für  andere  Länder  den  Prozentsatz  noch  höher 
annehmen  zu  müssen  und  nimmt  daraus  Anlass,  die  Wichtigkeit 


2155 


zu  betonen,  dass  die  Kenntnis  der  Ausdehnung  der  venerischen 
Krankheiten  auch  ausserhalb  des  Kreises  der  Aerzte  sich  ver¬ 
breite.  S  e  g  g  e  1. 

!X.  Sellheim:  Das  Verhalten  der  Muskeln  des  weib¬ 
lichen  Beckens  im  Zustand  der  Ruhe  und  unter  der  Geburt. 

Wiesbaden  1902.  Verlag  von  J.  F.  Bergman  n.  Mit  9  Tafeln 
und  16  Abbildungen  im  Text. 

Die  Zeit,  in  welcher  für  die  Erklärung  des  Geburtsmecha¬ 
nismus  der  Bau  des  knöchernen  Beckens  für  massgebend  ge¬ 
halten  wurde,  ist  vorüber  und  die  Geburtshelfer  sind  heutigen 
Tages  bestrebt,  die  Bedeutung  der  Beckenmuskulatur  — 
„des  Muskelbeeke  n  s“  —  für  die  beim  Durchtritt  des 
Kindes  sich  abspielenden  Vorgänge  zu  studieren.  Ein  wesent¬ 
liches  Hinderniss  für  weitere  Fortschritte  in  dieser  Richtung 
bildete  die  mangelhafte  Kenntnis  und  Würdigung  des  anatomi¬ 
schen  Verhaltens  der  hier  in  Betracht  kommenden  Muskeln  und 
besonders  das  mangelhafte  Verständnis  ihrer  funktionellen  Be¬ 
deutung.  Schon  die  Bezeichnung  „Levator  ani“  für  die  Haupt¬ 
masse  der  Muskulatur  des  Beckenbodens  ist  ein  Beweis  für  dieses 
mangelhafte  Verständnis.  Es  ist  deshalb  besonders  zu  begrüssen, 
dass  sich  Geburtshelfer  mit  dem  Studium  des  anatomischen  und 
physiologischen  Verhaltens  der  Beckenmuskeln  beschäftigten, 
und  das  vorliegende  ausgezeichnete  Werk  Seil  heims  ist  in 
besonders  hervorragender  Weise  im  stände,  unsere  Kenntnisse  in 
der  genannten  Richtung  zu  fördern  und  zu  vertiefen  und  die 
Rolle  der  Beckenmuskulatur  während  der  Geburt  aufzuklären. 

Sellheim  benützte  zur  Darstellung  der  Beckenmuskula¬ 
tur  zunächst  2  Becken  von  Nulliparen,  an  denen  die  Muskeln 
nach  vorheriger  Fixierung  in  Formol  sowohl  von  oben  als  von 
unten  präpariert  wurden,  ferner  das  Becken  einer  8  Wochen 
nach  der  Entbindung  gestorbenen  Primipara,  von  welchem  er 
ebenfalls  nach  vollzogener  Härtung  den  Gipsausguss  des  Muskel¬ 
beckens  herstellte.  Endlich  wurde  das  Verhältniss  der  Muskeln 
zum  Beckenraume  durch  mehrfache  in  sagittaler,  horizontaler  und 
frontaler  Richtung  durchgelegte  Schnitte  untersucht.  Das  Re¬ 
sultat  dieser  Untersuchung  ist  zunächst,  dass  der  Ausguss  des 
Muskelbeckens  dieselbe  cylindrische  Form  bietet,  die  die  Lich¬ 
tung  des  knöchernen  Beckens  besitzt,  nur  dass  unten  und  vorne, 
durch  das  gegen  den  Schambogen  schräg  auf  steigende  Dia¬ 
phragma  pelvis  rectale,  diese  Zylinderform  abgeschrägt  erscheint. 

I:  erner  ergibt  sich,  dass  die  Muskulatur  des  Beckeneingangs  — 
Psoas,  Iliacus  —  den  knöchernen  Beckenraum  nicht  verändert, 
also  für  den  Geburtshergang  ohne  Bedeutung  ist.  Auch  dem 
Musculus  piriformis,  dessen  Einfluss  auf  den  herabtretenden 
Kopf  besonders  von  J.  Veit  betont  wurde,  muss  nach  seinem 
anatomischen  Verhalten  eine  Bedeutung  abgesprochen  werden, 
und  auch  der  M.  obturatorius  internus  kann  höchstens  einen 
mittelbaren  Einfluss  haben,  insoferne  er  die  Einwirkung  der 
starren  Beckenwandungen,  auf  welchen  er  als  eine  Art  Polster 
auf  liegt,  auf  den  andrängenden  Kindeskopf  zu  übertragen,  oder 
vielleicht  auch  etwas  zu  modifizieren  im  stände  ist.  Der  Kopf 
kann  daher  ungehindert  in  dem  zylindrischen  Raum,  den  der 
Ausguss  des  Muskelbeckens  darstellt,  in  der  Richtung  der  Becken¬ 
eingangsachse  herabrücken,  bis  er  den  Beckenboden  erreicht,  auf 
den  er  einen  stärkeren  Druck  ausübt,  und  wo  er  zugleich  die 
Stelle  —  die  exzentrisch  nach  vorne  gerückte  Oefi’nung  —  findet, 
nach  welcher  er  ausweichen  kann. 

Endlich  ergab  sich  der  ausserordentlich  günstige  Zufall,  dass 
Sellheim  die  Muskulatur  einer  8  Stunden  nach  der  Ent¬ 
bindung  verstorbenen  Sekundipara  nach  seiner  Methode  prä¬ 
parieren  und  den  ganzen  muskulösen  Geburtsweg  im  Zustande 
der  Dehnung,  welche  durch  Hindurchdrücken  eines  Kopfmodells 
leicht  wieder  hergestellt  wurde,  präparieren  und  fixieren 
konnte.  Die  einzelnen  Muskeln  des  Diaphragma  pelvis  rectale 
erfuhren  dabei  eine  sehr  starke  Verlängerung  und  Verbreiterung, 
und  zwar  wurde  der  Ileo-coccygeus  am  meisten  —  um  das  doppelte 
-  gedehnt,  demnächst  der  Bulbo-eavernosus,  der  Pubo-coccygeus 
und  Pubo-rectalis  und  am  meisten  der  Ischio-coccygcus.  Die 
stärkste  Dehnung  in  die  Breite  erfuhr  der  Bulbo-cavernosus.  Die 
Verbreiterung  der  Gesamtmuskulatur  wurde  dadurch  noch  erhöht, 
dass  zwischen  den  Rändern  der  im  Ruhezustände  sich  berühren¬ 
den  oder  sogar  sich  dachziegelartig  überdeckenden  Muskelzügen 
Lücken  entstanden,  besonders  zwischen  Pubo-  und  Ischio-coccy- 
geus,  durch  welche  links  ein  Segment  des  Mastdarms,  rechts 
pararektales  Fettgewebe  nach  aussen  gepresst  wurde.  Der  Mast- 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


2156 


dann  selbst  wird  bis  auf  eine  Entfernung  von  9 — 10  cm  vom 
After  stark  plattgedrückt.  Die  Untersuchung  ergibt  demnach, 
dass  alle  Mukeln,  so  verschiedenen  Systemen  sie  im  Ruhezustand 
auch  angehören,  so  verschiedene  Vorrichtungen  sie  ausserhalb  der 
Geburt  auch  besorgen  mögen,  bei  der  Geburt  diese  Funktionen 
vorübergehend  auf  gegeben  haben  und  nur  dem  einen  gemein¬ 
schaftlichen  Zweck  dienen,  einen  Geburtkanal  für  den  Durch¬ 
tritt  des  Kindes  zu  bilden. 

Es  erübrigt  noch,  zu  bemerken,  dass  zu  Lehr-  und  Demon¬ 
strationszwecken  von  dem  im  Zustand  der  Dehnung  präparierten 
Muskelbecken  Papiermachenachbildungen  hergestellt  worden 
sind,  die  von  der  bekannten  Firma  Benninghoven  &  So  m- 
m  e  r  in  Derlin  in  den  Handel  gebracht  werden  und  die  als  will¬ 
kommenes  Lehrmittel  für  den  geburtshilflichen  Unterricht  dienen 
dürften. 

Die  Ausstattung  des  S  e  1 1  h  e  i  m  sehen  Werkes  ist  eine  aus¬ 
gezeichnete,  namentlich  ist  die  Ausführung  der  9  grossen  Tafeln 
eine  ganz  hervorragende  Leistung  des  schon  rühmlichst  be¬ 
kannten  Bergmann  sehen  V erlages.  Stumpf. 

Teisi  Matzuschita:  Bakteriologische  Diagnostik,  zum 
Gebrauch  in  den  bakteriologischen  Laboratorien  und  zum 
Selbstunterrichte,  für  Aerzte,  Tierärzte  und  Botaniker.  Jena, 
Gustav  Fischer,  1902.  690  Seiten  und  17  Abbildungen. 

15  M„  geb.  17  M. 

Nachdem  Eisenbergs  Bakteriologische  Diagnostik  1891 
ihre  dritte  Auflage  erlebt  hatte,  in  welcher  376  Arten  in  tabel¬ 
larischer  Uebersicht  zusammengestellt  waren,  ist  die  Zahl  der 
gefundenen  und  beschriebenen  Bakterien  ausserordentlich  stark 
angewachsen,  so  dass  jenes  Werk  den  jetzigen  Anforderungen 
als  Nachschlagebuc-h  nicht  mehr  genügen  kann.  Man  wird  daher 
das  vorliegende  Buch,  welches  auf  denselben  Prinzipien  auf- 
gebaut,  ist,  wie  Eisenbergs  Diagnostik,  als  eine  Fortführung 
des  letzteren  ansehen  können.  Entsprechend  den  vielen  neuen 
Arten,  ist  der  Umfang  des  Buches  gegenüber  Eisenberg  er¬ 
heblich  vermehrt;  ausserdem  —  und  das  ist  die  sehr  beachtens¬ 
werte  Neuerung  des  Werkes  —  ist  ein  sehr  sorgfältiger  und 
ausführlicher  Schlüssel  zum  Bestimmen  der  be¬ 
schriebenen  Bakterien  beigegeben.  Die  ausserordentlich  fleissige 
Zusammenstellung  umfasst  1325  Bakterienarten,  von  denen 
Eigenbewegung,  Sporenbildung,  Luftbedürfnis,  Gramfärbung, 
Gelatineverflüssigung,  Milchkoagulation,  Gasbildung,  Schwefel¬ 
wasserstoffbildung,  Indolbildung,  Farbstoff  bildung,  Wachstum 
auf  den  Platten  und  sonstige  Bemerkungen  rubriziert  sind. 

Bei  der  Schwierigkeit,  den  Riesenstoff  nach  einer  allen 
Anforderungen  entsprechenden  Weise  anzuordnen,  hat  sich  Ver¬ 
fasser  so  geholfen,  dass  er  die  naheliegendsten  und  augenschein¬ 
lichsten  morphologischen  und  biologischen  Merkmale,  wie 
Gelatineverflüssigung,  Luftbedürfnis,  Eigen- 
bewegung,  Sporenbildung  und  Gramfärbung  zur 
Differenzierung  benutzte  und  danach  die  Arten  aufeinander- 
folgen  liess.  Die  Anzahl  und  Anordnung  der  Gei  sscln  als 
Unterscheidungsmerkmal  ist  glücklicherweise  vermieden  worden, 
da  dies,  wie  Migulas  System  beweist,  zu  ganz  unnatürlicher 
Klassifikation  führt.  Als  Verbesserung  gegenüber  Eisenberg 
kann  auch  gelten,  dass  davon  Abstand  genommen  wurde,  die  Bak¬ 
terien  in  erster  Linie  in  pathogene  und  niclitpatho- 
g'  e  n  e  einzuteilen. 

Dem  ersten  ausführlichen  tabellarischen  Teil  folgt  ganz  ähn¬ 
lich  wie  bei  Eisenberg  eine  Abteilung,  in  der  die  Bakterien  nach 
ihren  Fundorten  geordnet  sind  und  zwar  zuerst  die  nicht- 
pathogenen,  aldann  die  pathogenen.  Es  sind  spezialisiert  die 
Bakterien  des  W  a  s  s  e  r  s,  der  Luft,  der  Erde,  der  Fische, 
des  Käses,  der  M i  1  c h,  der  F  ä  z  e  s>,  des  Munds  ekrets, 
der  Nase,  des  Eiters  und  der  Haut. 

Das  Buch  schliesst  ab  mit  dem  obgenannten  Schlüssel  zum 
Bestimmen  der  Mikrokokken,  Stäbchen  und  Vibrio- 
n  e  n.  Wer  die  Mühe  kennt,  welche  die  Bearbeitung  von  Be¬ 
stimmungsschlüsseln  verursacht,  wird  der  Arbeit  des  Verf.  Dank 
wissen,  wenn  auch  wahrscheinlich  trotz  der  ausgedehnten  Ta¬ 
bellen  die  eine  oder  andere  Diagnose  nicht  zum  Ziele  führen 
wird.  Das  liegt  aber  nicht  an  den  Tabellen,  sondern  an  der 
bekannten  Variabilität  der  Arten,  welche  die  sehr  oft  wenig 
hervortretenden  Unterscheidungsmerkmale,  welche  zur  Identifizie¬ 
rung  von  zahlreichen  Arten  herangezogen  werden  mussten,  ver¬ 
wischt. 


Da  bei  der  ausserordentlich  grossen  Anzahl  der  Bakterien 
es  dem  Verf.  in  kurzer  Zeit  nicht  möglich  war,  alle  Arten  selbst 
zu  untersuchen,  so  sind  %  von  sämtlichen  im  Buch  enthaltenen 
Bakterien  nur  nach  den  Originalarbeiten  der  Autoren  referiert; 
es  fehlt  infolgedessen,  wie  es  ja  auch  bei  Eisenberg  und 
in  dem  II.  Band  der  Migu laschen  Systematik  der  Fall  ist, 
an  wünschenswerten  Hinweisen  und  kritischen  T  ingerzeigen 
über  ähnliche,  einander  verwandte,  wichtigere  oder  unwichtigere 
Arten,  ein  Bedürfnis,  welches  auch  in  einer  reinen  Diagnostik 
für  den  Hilfesuchenden  vorhanden  ist  und  dessen  Befriedigung 
den  Wert  des  Buches  noch  bedeutend  erhöhen  dürfte. 

Das  Buch  füllt  in  der  Tat  eine  Lücke  in  der  bakteriologischen 
Literatur  aus,  da  ausser  der  M  i  g  u  1  a  sehen  Systematik  kein 
Buch  alle  bekannten  oder  beschriebenen  Bakterien  übersichtlich 
enthält.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  es  sich  sehr  bald  in  den 
bakteriologischen  Laboratorien  als  Nachschlagewerk  einführen 
und  einen  dauernden  Platz  sichern  wird.  Wir  wünschen  ihm 
guten  Erfolg.  R.  0.  N  e  u  m  a  n  n  -  Kiel. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  47.  Band,  3.  u.  4.  Heft. 

7)  W.  Podwyssotzki-  Odessa:  Ueber  die  experimentelle 
Erzeugung  von  parasitären  Myxomycetengeschwülsten  ver¬ 
mittels  Impfung  von  Plasmodiophora  brassicae. 

Der  Verfasser  kommt  zu  folgenden  Ergebnissen  seiner  Unter¬ 
suchungen:  Es  gelingt  (vorläufig  beim  Kaninchen)  experimentell 
eine  parasitäre  MyxomycetengeseliAvulst  zu  erzeugen.  Dieselbe  ist 
mesoderma tischen  Ursprungs,  vorübergehend  und  am  meisten 
einem  peritlielialen,  infektiösen  Granulom  ähnlich.  Die  Sporen  von 
Plasmodiophora  brass,  werden  von  den  Makrophagen  sehr  gierig 
aufgenommen,  spornen  letztere'  zu  progressiver  Tätigkeit  an  und 
führen  zu  mitotischer  und  amitotischer  Teilung  des  Zellkerns.  Im 
Inneren  der  Zelle  können  die  Parasiten  so  vollkommen  mit  dem 
Protoplasma  der  Zelle  verschmelzen  bezw.  zusammenfliessen.  dass 
sie  kaum  bemerkbar  sind.  Die  Hauptmasse  der  durch  die  Makro¬ 
phagen  aufgefressenen  Sporen  gehen  im  Inneren  der  Zellen  zu 
Grunde,  indem  zuerst  ihr  Fett  assimiliert  wird.  Einzelne  Parasiten 
zeigen  Proliferationserscheinungen,  vielleicht  bringen  die  dadurch 
frei  gewordene  Parasiten  im  Stadium  des  Myxamöbes  eine  weitere 
Infektion  der  Zellen  der  lymphatischen  und  perivaskulären  Spalten 
hervor;  in  diesem  Falle  können  in  den  zuerst  infizierten  Zellen  leere 
Kapseln  bleiben.  Abgetötete  Myxomyceten  bezw.  Plasmodio¬ 
phora  brass,  sind  nicht  im  stände,  solche  Geschwülste  zu  erzeugen 
Avie  lebendiges  Material. 

8)  L.  Michaelis  und  C.  Gutmann:  Ueber  Einschlüsse 
in  Blasentumoren.  (Aus  dem  städtischen  Krankenhause  in  der 
Gitschinerstrasse  zu  Berlin;  Direktor  Litten.) 

Die  Verfasser  fanden  in  3  verschiedenen  Fällen  bei  Blasen¬ 
tumoren,  Avelehe  epithelialen  Usprungs  waren,,  teils  intrazelluläre, 
A’orwiegend  aber  extrazelluläre  Einschlüsse  in  dem  Gewebe  der 
Tumoren  in  Form  farbloser,  stark  lichtbrechender  Kugeln  von 

1 _ 10  //Durchmesser,  an  manchen  Stellen  in  ungezählten  Mengen. 

Die  Einschlüsse  ergaben  die  bekannte  Berliner  Blau-Eisenreaktiou, 
Avelehe  nicht  sofort,  sondern  allmählich  im  Laufe  mehrerer  Stun¬ 
den  eiutrat  und  fast  nur  bei  den  in  den  tiefsten  Schichten  des 
TumorgeAvebes  liegenden  Einschlüssen  sehr  ausgesprochen 
Avar.  Die  Einschlüsse  lassen  häufig  konzentrische  Schichten  er¬ 
kennen,  haben  oft  eine  geAvisse  Aehnliehkeit  mit  den  von  Ar.  Ley- 
d  e  n  beschriebenen  Vogelaugen  in  malignen  Tumoren.  Die  grossen, 
oft  konzentrisch  geschichteten  Kugeln  liegen  fast  stets  extra¬ 
zellulär.  die  kleineren  in  Gruppen  bis  zu  4  und  5  und  mehr  im 
Protoplasma  der  Tumorzellen.  Die  Einschlüsse  fanden  sich  auch 
oft  noch  im  GeAvebe  in  der  nächsten  Nachbarschaft  des  Tumors 
und  färbten  sich  schwach  mit  sauren  und  basischen  Farbstoffen. 
In  normaler  oder  in  entzündeter  Blasenschleimhaut  konnten  sie 
trotz  eifrigen  Suchens  ebensoAvenig  wie  in  anderen  Tumoren, 
Karzinomen  der  Blase  und  anderer  Organe  nachgewiesen  werden. 

9)  A.  Pap  pen  heim:  Neuere  Streitfragen  aus  dem  Gebiet 
der  Hämatologie. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

10)  H.  T.  Marshall  und  J.  M  orgenroth:  Ueber  Anti- 
komplemente  und  Antiamboceptoren  normaler  Sera  und  patho¬ 
logischer  Exsudate.  (Aus  dem  k.  Institut  für  experimentelle 
Therapie  in  Frankfurt  a.  M.;  Direktor  Ehrlich.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

11)  P.  Erben:  U eher  die  chemische  Zusammensetzung  des 
chlorotischen  Blutes.  (Aus  der  III.  med.  Klinik  v.  Schrötters 
in  Wien.) 

Die  sehr  eingehenden  Analysen  des  Blutes  von  3  schweren 
Chlorosen  ergaben  für  das  Serum  Verminderung  des  Eiweiss¬ 
gehaltes  um  1  Proz.,  das  Verhältnis  zwischen  Albumin  und 
Globulin  in  normalen  Grenzen,  auffallend  hohen  Fettgehalt,  etwas 
verminderten  Lecithingehalt  und  noch  mehr  Arerminderten  Gehalt 
an  Phosphorsäure  der  Asche,  ferner  eine  Vermehrung  des  CaO 
und  Mg  O  in  der  Asche.  Die  Erythrocyten  zeigen  hochgradige 
Verminderung  des  Hämoglobins,  der  Eisengehalt  entspricht  nicht 
ganz  genau  dem  Hämoglobingehalt,  so  dass  wahrscheinlich  das 
Eisen  nicht  nur  in  Form  von  Hämoglobin  in  den  roten  Blut¬ 
körperchen  enthalten  ist.  Fett  und  Lecithin  und  die  Asclien- 
bestandteile  erscheinen  vermehrt,  Cholestearin  und  die  Extraktiv- 


23.  Dezember  1902. 


MtJENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2157 


stoffe  vermindert;  der  Wassergehalt  ist  erhöht,  fast  proportional 
der  Hamoglobinvermmderung,  so  dass  das  Gewicht  eines  Erythro- 
cjteii  ungefähr  normal  ist,  während  es  bei  perniziöser  Anämie 
im  Durchschnitt  2-2y?  mal  so  gross  ist.  Die  wesentliche  Verände- 
mng  bei  dei  Chlorose  ist  die  Hämoglobinverminderung;  der  Fibrin¬ 
gehalt  war  m  einem  Falle  sicher  erhöht.  Für  das  Gesamtblut 
„Sjj  i  8  Verminderung  der  Eiweissubstanzen,  Erhöhung  des 
I  ettgehaltes,  Verminderung  des  Lecithins  und  des  Cholestearins, 
der  Phosphorsaure  der  Asche,  des  Kaliums  und  des  Eisens  Ver¬ 
mehrung  des  Kalziums  und  Magnesiums,  scheinbare  Vermehrung 
des  Chlornatnumgehaltes.  Die  Verminderung  des  Lecithins  und 
dei  I  hosphorsaure  im  Serum,  das  Fehlen  von  quantitativ  bestimm¬ 
baren  Eisenmengen  in  demselben,  die  Armut  der  Erytlirocyten- 
s  uns  tanz  an  Extraktivstoffen  sprechen  gegen  einen  erhöhten  Blut- 
korperchenzerfall.  Für  einen  solchen  könnte  höchstens  der  hohe 
Kaliumgehalt  des  Serums  und  der  hohe  Fettgehalt  der  Erytliro- 
cytensubstanz  herangezogen  werden;  es  lassen  sich  diese  beiden 
Befunde  aber  auch  auf  andere  Weise  erklären. 

12)  Benno  Lewy- Berlin:  Ein  Fall  von  Adams- 
Stokes  scher  Krankheit. 

Veifasser  teilt  die  ausführliche  Krankengeschichte  eines 
<o  jährigen  Rentiers  mit,  welcher  an  den  als  A  dams-Stokes- 
sclie  Krankheit  beschriebenen  Anfällen  litt  und  nach  ca  7  monat- 
hclier  Dauer  zu  Grunde  ging.  Der  physikalische  Untersuchungs¬ 
befund  ergab  ausser  leichter  Rigidität  der  Radialarterien  nichts 
abnormes.  Die  Sektion  wurde  leider  nicht  gemacht.  Die  Anfälle 
setzten  sich  aus  folgenden  Symptomen '  zusammen:  1.  Verla lm- 
samung  bezw.  zeitweiliges  Aussetzen  des  Herzschlages  Die  Fre¬ 
quenz  ging-  während  des  Anfalls  nicht  selten  bis  auf  12  Schäme 
in  der  Minute  herab,  totales  Aussetzen  der  Herzaktion  wurde 
eminal  sogar  70  Sekunden  lang  beobachtet.  2.  Schweissausbruch. 
•1.  Kalte  der  Haut.  4.  Verlust  des  Bewusstseins.  5.  Mydriasis 
Ö.  -yugenbewegungen.  7.  Tonische  und  klonische  Krämpfe  der 
willkürlichen  Muskeln  der  Extremitäten.  S.  Zähneknirschen. 
9.  Oheyne-Stokes  sches  Atmen.  10.  Aufschreien.  Die  ersten 
6  waren  stets  vorhanden,  die  letzten  4  nur  in  den  ganz  schweren 
Anfällen.  Bei  cpr  Pulsverlangsamung  handelte  es  sich  um  eine 
echte  Bradykardie,  nicht  um  eine  Ungleichmässigkeit  der  Herz¬ 
schläge,  welche  eine  solche  vortäusclien  könnte.  Die  Zahl  der 
Pulse  entsprach  stets  genau  der  Zahl  der  Herzschläge.  Während 
des  totalen  Verschwindens  der  Pulse  war  auch  auskultatorisch 
am  Herzen  nichts,  Avas  auf  eine  Kontraktion  der  Ventrikel  oder 
Vorhöfe  hingedeutet  hatte,  Avahrzunehmen;  es  konnte  sich  also  auch 
nicht  um  die  Aron  H  i  s  beschriebenen,  „an  der  Atriumventrikel¬ 
grenze  blockierten  Systolen“  handeln.  Da,  Avie  aus  dem  Gleich¬ 
bleiben  der  Herzdämpfung  während  des  Anfalles  zu  schliessen  ist, 
das  Schlagvolumen  des  Herzens  nicht  entsprechend  der  Verlang¬ 
samung  vergrössert  war,  so  bestätigt  dies  die  schon  früher  vom 
Verfasser  ausgesprochene  Ansicht,  dass  der  Organismus  bei  der 
Blutströmung  eine  ganz  erhebliche  Luxusarbeit  leistet,  dass  das 
Leben  mit  ganz  erheblich  niedrigeren  Werten  der  in  der  Zeiteinheit 
das  Gefässystem  durchströmenden  Blutmenge  noch  verträglich  ist. 
Die  langdauernde  Unterbrechung  des  Kreislaufes  Avährend  ein¬ 
zelner  Anfälle  zeigt,  dass  das  Gehirn  bis  zu  70  Sekunden  hindurch 
der  Zufuhr  frischen  Blutes  entbehren  kann,  ohne  dadurch  ausser 
stand  gesetzt  zu  werden,  bei  erneuter  Blutzufuhr  seine  Tätigkeit 
Aviedei  aufzunehmen.  Als  Ursache  der  PulSA'erlangsamung  ist 
eine  Reizung  des  Vaguszentrums  anzunehmen,  da  sich  dann  die 
profuse  ScIiaa  eissekretion  und  die  Hautkälte  als  Folge  der  Reizung 
des  benachbarten  Schweiss-  und  Vasokonstriktorenzentrums  un- 
gezAA  ungen  erklären  lassen.  Die  übrigen  schweren  Symptome 
sind  wohl  als  Folge  der  Zirkulationslähmung  aufzufassen.  Das 
Atropin,  das  in  Dosen  bis  zu  0,0015  in  einzelnen  Anfällen  gegeben 
wurde,  beAvirkte  prompt  nur  eine  Unterdrückung  der  Schwelss- 
sekretion;  auf  die  Pulsverlangsamung  Avar  es  in  den  späteren 
Anfällen  wirkungslos.  Vielleicht  lassen  höhere  Dosen  einen 
besseren  Erfolg  erreichen.  Lindemann  -  München. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie.  Red.  von  P.  v.  Bruns. 
Tübingen,  L  a  u  p  p.  Ia02.  35.  Bd.  3.  Heft. 

Aus  dem  städtischen  Krankenhaus  zu  Karlsruhe  berichtet 
E.  Bios  über  die  Schneiderlin  sehe  Scopolaminnarkose 
und  gibt  darin  eine  Prüfung  dieser  Narkose  an  105  Fällen 
(57  AAreiblich,  48  männliche  Pat.),  die  er  ohne  besondere  Individuali¬ 
sierung  anwandte  (welchem  Umstand  ein  Todesfall  zuzuschreiben), 
und  die  in  %  geradezu  ideale  Narkose  ohne  jede  Inhalation  er¬ 
zielte  und  nur  in  29  Fällen  versagte;  in  %  Aron  diesen  letzteren 
musste  mit  Aether  nachgeholfen  werden  und  ist  dieser  zu  einer 
Vertiefung  der  Narkose  förmlich  prädestiniert,  da  jede  Reizung  der 
drüsengelähmten  Schleimhäute  fortfällt;  Chloroform  ist  hier  nach 
B.  zu  verwerfen.  Es  zeigte  sich  bei  den  Versuchen,  dass  perioden¬ 
weise  die  Narkose  misslang  (meist  zusammentreffend  mit  dem 
Anbrechen  einer  anderen  Lösung).  Das  Scopolamin  ist  ein  ziem¬ 
lich  labiler  Körper  und  trotz  des  chemisch  reinen  Präparates 
(Merck)  in  der  physiologischen  Wirkung  nicht  konstant;  trotz 
Kristallform  und  Polarisationsergebnis  kann  bei  dem  bromwasser- 
stoffsauren  Salz  (M  erc  k)  von  einem  chemisch  reinen  Körper  nicht 
gesprochen  werden,  es  handelt  sich  vielmehr  um  ein  Gemisch  aus 
Isomeren,  die  alle  in  ihrer  physiologischen  Wirkung  qualitativ 
ähnlich,  quantitativ  u.  a.  grosse  Unterschiede  zeigen.  B.  bespricht 
die  Art  der  Anwendung,  kritisiert  die  K  orff  sehe  Methode  und 
schildert  die  hohen  narkotischen  Eigenschaften  des  Scopolamins; 
nur  bei  Hysterischen  und  Neurasthenikern  versagt  die  Wirkung 
und  reagieren  solche  Patienten  schon  auf  kleine  Dosen  mit  höchster 
Unruhe,  Herzklopfen,  Erbrechen  etc.  Die  Gefahr  der  Narkose  be- 


i uht  im  Atmungsstillstand  und  wurzelt  im  Morphium;  bei  guter 
Narkose  sind  die  Pupillen  stets  erweitert.  B.  empfiehlt  die  Dosis 
A  on  4  5  mg  Scopolamin  zu  2  cg  Morphium  und  sieht  eine  gewisse 
Sicherheit  in  der  vorhergehenden  Anwendung  einer  Probedosis. 
2y2  mg  Scopolamin  auf  iy2— 2  cg  Morphium  —  ein  Vorteil,  den  diese 
Narkose  vor  allen  anderen  Narkosen  voraus  hat.  Auch  die  Even¬ 
tualität  einer  intravenösen  Injektion  kommt  in  Frage.  Scopolamin 
soll  nicht  in  Glas  aufbewahrt  werden,  da  es  sich  darin  Avie  das 
Kokain  zersetzt,  sondern  in  Substanz  in  Charta  cerata.  Im  all¬ 
gemeinen  will  Bl.  aus  seinen  Versuchen  wegen  der  relativ  geringen 
Zahl  noch  keine  Schlüsse  ziehen. 

Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Frankfurt  a  M  be¬ 
richtet  Amberger  zur  Kasuistik  der  Schädel-  und  Gehirn- 
verletzungen  und  schildert  0  Fälle,  nämlich  5  erfolgreich  be¬ 
handelte  schwere  Schädel  Verletzungen  durch  Sturz  oder  Stoss 
(ü  an  der  Konvexität,  2  Schädelbasisfrakturen  mit  intrakraniellen 
operativ  entfernten  Hämatomen  an  der  Basis),  und  eine  Schuss- 
HI1'^21111®’  die  nach  6  Tagen  wegen  schwerer  epileptischer  An¬ 
tülle  (durch  Blutung  aus  dem  Sinus  cavernosus)  operiert  Avurde 
und  nach  operativer  Entfernung  des  Projektils  ebenfalls  zur  Hei¬ 
lung  kam,  obgleich  die  starke  Hirnquetschung  im  Schusskanal 
und  die  lange  fortgesetzten  Extraktionsversuche  eine  klinisch  voll¬ 
kommene  Restitutio  in  integr.  nicht  eiwvarten  liessen. 

Aus  der  Münchener  Chirurg.  Klinik  berichtet  M.  W  asser¬ 
mann  über  die  kosmetische  Behandlung  von  Sattelnasen  mit 
Vaselininjektionen  und  zeigt  die  schönen  Erfolge  der  Gers  u  n  y  - 
sehen  Methode  an  5  Fällen  teils  luetischer,  teils  traumatischer 
Sattelnase.  2—3  ccm  Ung.  paraffini  erwiesen  sich  als  durch¬ 
schnittlich  genügend  und  Avurden  in  der  Regel  von  mehreren  Ein¬ 
stichspunkten  aus  in  einer  Sitzung  injiziert  und  dann  vor  voll¬ 
ständigem  Erstarren  noch  durch  Fingerdruck  formiert;  die  Re¬ 
aktionserscheinungen  bildeten  sich  innerhalb  8  Tagen  völlig 
zurück.  In  einem  6.  Fall  kam  es  zu  Nekrose  eines  grossen  Teils 
der  Nasenrückenhaut,  so  dass  später  nach  T  hiersch  trans¬ 
plantiert  werden  musste  und  wegen  Ausstossung  des  grössten 
Teils  der  Paraffindepots  der  Effekt  nur  ein  teihveiser  war.  Dar¬ 
nach  emfiehlt  es  sich,  mit  der  Anlegung  von  Paraffindepots  sehr 
vorsichtig  vorzugehen,  wo  die  Haut  sich  auf  der  Unterlage  nur 
sehr  Ayenig  verschieblich  erAveist,  und  die  zur  Korrektion  nötige 
Injektionsmasse  lieber  auf  mehrere  Sitzungen  zu  verlegen,  ule 
durch  Lungenembolie  (Pfannenstiel),  Thrombose  der  Vena 
ophthalm.  (Le  i  s  er)  beobachteten  unglücklichen  Folgen  der 
Paraffininjektion  führt  W.  an  und  betont,  dass  zur  Prothesen¬ 
bildung  die  Verhältnisse  dadurch  günstiger  liegen,  dass  man  die 
Einspritzung  von  vollständig  liiissigem  Paraffin  vermeiden  kann- 
das  Aveiche  Paraffin  (von  35 — 40  0  Schmelzpunkt)  bietet  den  Vorzug,' 
dass  man  es  gerade  an  der  Grenze  der  Erstarrung  noch  leicht 
injizieren  kann  (G  e  r  s  u  n  y).  Nach  W.  hat  sich  das  Paraffin  einen 
Platz  unter  den  medizinischen  Behandlungsmethoden  errungen. 

Aus  der  Züricher  Klinik  schreibt  O.  v.  W  ai-tbur  g  über 
Spontangangrai1  der  Extremitäten  und  berichtet  darin  über 
02  halle  von  Spontangangrän,  die  18S1— 1901  in  der  Krönlein- 
schen  Klinik  zur  Beobachtung  kamen,  und  zwar  teilt  W.  seine 
h alle:  1.  in  solche  embolischer  Gangrän  (3  Fälle  von 
Embolie  der  Iliaca  bezAv.  Femoralis).  Die  verstopfenden  Emboli 
stammen  aus  dem  Herzen  (bei  Klappenerkrankungen)  oder  der 
Aorta  und  Gefässen  (Avie  in  einem  der  mitgeteilten  Fälle  aus  einem 
traumatischen  Aneurysma  der  Poplitea).  Die  Gangrän  hat  in  der 
Regel  dem  Sitz  des  Embolus  entsprechend  bestimmte  Ausdehnung, 
so  bei  Verschluss  der  Iliakalgefässe  bis  zum  Knie,  beim  Verschluss 
der  femoralis  im  oberen  Abschnitt  bis  zur  Mitte  und  oberen  Drittel 
Untei  Schenkels,  bei  Embolie  der  Poplitea  bis  zum  unteren 
Drittel  des  Unterschenkels  reichend;  häufig  ist  die  Herzschwäche 
das  in  den  Vordergrund  tretende  Symptom.  Diese  emboliselie 
Gangrän  ist  im  ganzen  selten  (unter  52  Fällen  3,  d.  h.  5,7  Proz 
beobachtet).  Die  Prognose  ist  fast  stets  letal,  im  allgemeinen 
soll  man  sich  mit  der  Amputation  nicht  beeilen,  Avenn  nicht 
drohende  Sepsis  solche  verlangt,  und  ist  stets  Rücksicht  auf  die 
schwere  Grundkrankheit  zu  nehmen.  —  Bei  der  zweiten  Form 
(der  sog.  Gangraena  angiosclerotica)  hat  das  Herz 
keinen  Anteü  an  dem  Prozess,  es  handelt  sich  nur  um  Erkrankungen 
der  Gefüsse,  Avie  solche  als  Endarteriitis  circumscripta  bei  In¬ 
fektionskrankheiten  —  Typhus,  Pneumonie,  Masern,  Scharlach 
(meist  erst  im  Rekonvaleszenzstadium)  —  zur  Thrombose  eines 
Gebisses  führen  und  als  bösartige  endarteriitische  lokale  Er¬ 
krankungen  anzusehen  sind,  betr.  Differentialdiagnose  sich  be¬ 
sonders  durch  die  einige  Zeit  der  Gangrän  schon  vorausgegangenen 
Schmerzen  in  der  betreffenden  Extremität  charakterisieren.  Die 
Ii  ogilose  ist  liier  auch  zumal  bei  Erwachsenen  ungünstig,  doch 
besser  als  bei  embolischer  Gangrän,  und  Absetzung  angezei°*t 
Avenn  die  Demarkation  eingetreten.  —  Ferner  gehören  hierher 
die  Fälle  von  Endarteriitis  obliteran  s,'  die  durch  eine 
Verstopfung  des  Gefässes  im  Anschluss  an  eine  auf  grössere 
Strecken  sich  ausdehnende  Gefässerkrankung  (deren  Wesen  und 
pathologische  Anatomie  W.  bespricht)  bedingt  ist  und  die  durch 
Fehlen  von  Erscheinungen  des  Herzens  oder  der  Aorta  sich  aus- 
zeiclinen,  bei  der  eine  Wucherung  der  Intima  das  Wesentlichste 
ist.  W.  beschreibt  u.  a.  einen  solchen  Fall  bei  37  jilhr.  Knecht 
und  berechnet  5,<  Proz.  Häufigkeit  dieser  Art.  Viel  häufiger  ist 
3.  die  durch  Endarteriitis  deformans  bedingte  Gangraena 
senilis,  von  der  er  32  Fälle  anführt,  bei  der  das  schmerzhafte 
Vorstadium  und  die  in  der  Regel  auch  bei  normaler  Temperatur 
relativ  hohe  (100—120)  Pulsfrequenz,  d.  li.  beschleunigter  und 
kleiner  Puls  charakteristisch  ist.  Die  Prognose  ist  ungünstig 
(63,75  Proz.  Mortalität).  4.  Die  Gangraena  di  ab  et.  im 
engeren  Sinne  unterscheidet  W.  A'on  der  häufigeren  gangränösen 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


2 1 58 


Phlegmone  bei  Diabetes;  ihr  Auftreten  ist  wie  bei  Greisenbrand  und 
wohl  der  bei  Diabetes  häufigeren  Arteriosklerose  zuzuselireiben. 
\y.  führt  8  Fälle  an  (nur  bei  Männern),  die  meisten  bei  Pat.  unter 
<il>  Jahren.  Die  Gangrän  ging  nie  über  den  Fass  hinauf.  W.  sieht 
die  Prognose  für  günstiger  an  als  bei  Gangraena  senilis  und  er¬ 
wähnt  mehrere  Heilungen  durch  Amputation  (Amp.  metatarsea, 
Pirogoff  amp.  cruris). 

E.  Jionnie  r  berichtet  aus  der  Züricher  chirurgischen  Klinik 
über  Fremdkörper  in  den  Luftwegen  und  Bedeutung  der  Broncho¬ 
skopie  bei  solchen  und  gibt  darin  u.  a.  die  Krankengeschichten 
von  9  Fällen,  von  denen  besonders  ein  Fall  von  Extraktion  eines 
künstlichen  Gebisses  mit  2  Zähnen  aus  dem  Bronchus  unter  Lei¬ 
tung  des  von  der  Tracheotomiewunde  aus  eingeführten  K  i  11  i  a  n  - 
sehen  Bronchoskops  die  Vorteile  dieses  "Verfahrens  und  die  Ge¬ 
fahren  der  Nachts  im  Munde  belassenen  künstlichen  Gebisse  gut 
illustriert,  und  ein  Fall,  in  dem  die  Diagnose  einer  in  den  Bronchus 
aspirierten  Knopfnadel  zwar  gut  gemacht  worden,  die  Extraktion 
der  Nadel  wegen  der  besonderen  Lage  derselben  jedoch  nicht  ge¬ 
lang,  die  oft  sehr  grossen  Schwierigkeiten  solcher  Fälle  bei  Ex¬ 
traktion  ohne  das  Bronchoskop  erkennen  lässt.  Grosses  Gewicht 
ist  auch  stets  auf  die  Anamnese  zu  legen,  wie  ein  Fall  zeigt,  in 
dem  ein  Kind  als  „diptheriekranlc“  zur  Tracheotomie  in  die  Klinik 
gebracht,  die  Ursache  der  Asphyxie  jedoch  nicht  erkannt  wurde 
und  erst  bei  der  Obduktion  als  ein  im  Oesophagus  steckender 
Ilemdknopf,  der  die  llingknorpelplatten  durchbrochen  hatte  und 
die  Schleimhaut  in  den  Larynx  vorwölbte,  sich  präsentierte  resp. 
die  anamnestischen  Momente  erst  zu  spät  erfahren  wurden. 
M.  stellt  148  Fälle  aus  der  Literatur  zusammen  mit  20  Proz.  Ge¬ 
samtmortalität.  v.  Hof  mann  findet  auf  139  Fälle  für  3o  lia- 
cheotomion  25  Proz.  Mortalität,  für  104  nicht  Tracheotomiei  te 
50  Proz.  Mortalität  und  betont  alle  die  Vorteile  der  operativen 
Therapie.  Die  Fremdkörper  sollen  so  bald  als  möglich  und  so 
schonend  als  möglich  entfernt  werden  und  bietet  liier  die  An¬ 
wendung  des  K  i  1 1  i  a  n  sehen  Bronchoskops  grosse  Vorteile,  zumal 
als  sog.  untere  Bronchoskopie.  —  M.  erwähnt  auch  die  Tracheo- 
tömia  intermediastinalis  und  die  Pneumotomie  und  illustriert  diese 
Eingriffe  durch  Fälle  aus  der  Literatur;  er  betont  die  Bedeutung 
der  Diagnose  speziell  durch  Röntgenstrahlen  und  zeigt,  wie  wichtig 
es  ist,  sich  nicht  durch  oft  scheinbar  leichte  Symptome  beruhigen 
zu  lassen. 

Aus  der  gleichen  Klinik  gibt  J.  Michalski  den  Schluss 
der  Arbeit  über  Hydronephrosis  intermittens. 


Aus  der  Tübinger  Klinik  bespricht  Prof.  H.  K  ü  1 1  n  e  r  das 
Operieren  im  Aetherrauscli  und  betont  neuerdings  gegenüber  an¬ 
deren  Autoren,  die  für  kleinere  chirurgische  Eingriffe  die  minimale 
Chloroformnarkose  empfehlen,  die  Vorzüge  des  Aetliers  und  dessen 
Vorzüge  für  kurze  Narkosen  sowohl,  als  in  der  Kombination  mit 
Morphiumrausch  für  längerdauernde  Operationen;  speziell  hebt  K. 
die  Bedeutung  dieser  Narkose  für  den  praktischen  Arzt  hervor. 

Prof.  F.  H  ofmeister  berichtet  aus  der  gleichen  Klinik 
über  Anwendung’  des  Elektromagneten  zur  Entfernung  eiserner 
Fremdkörper  aus  der  Harnblase  und  teilt  die  Entfernung  eines 
(5  mm  dicken,  5  cm  langen  Eisenstiftes  aus  der  Blase  mittels  be¬ 
sonderen  Ansetzverfahrens  des  II  i  r  s  c  h  b  e  r  g  sehen  Band¬ 
magneten  mit.  Sehr. 


Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  10.  I.d,  4.  Heft 
1902. 

19)  L.  Heus  n  e  r  -  Barmen:  Ueber  die  angeborene  Hüft- 
luxation. 

Nach  eingehender  Erörterung  der  verschiedenen  Hypothesen 
über  die  Entstehung  des  Leidens  fügt  H.  einen  eigenen  Er¬ 
klärungsversuch  hinzu,  analog  der  von  ihm  früher  mitgeteilten 
Vermutung  über  die  Aetiologie  des  Klumpfusses:  Hängenbleiben 
des  Fusses  oder  Knies  in  einer  Amnionfalte  etwa  um  die  6.  bis 
8.  Embryonalwoche. 

Eine  kleine  Kasuistik  von  Krankheitsbildern  schliesst 
sich  an,  sie  soll  u.  a.  auch  die  Lückenhaftigkeit  unseres  thera¬ 
peutischen  Könnens  zeigen.  Die  II. scheu  Anschauungen  über  den 
pathologisch-anatomischen  Befund  am  laxierten  Ge¬ 
lenk  weichen  in  mancher  Hinsicht,  namentlich  hinsichtlich  der 
Weichteile,  von  der  zumeist  geltenden  Anschauung  ab. 

Die  Darstellung  der  T  her  a  p  i  e  beginnt  mit  ihrer  Geschichte 
und  weist  die  Priorität  der  blutigen  Repositon  P  o  z  z  i,  des  un¬ 
blutigen  Verfahrens  Pravaz  und  Paci  zu,  zeigt  dann  die 
Wandlungen  in  den  Anschauungen  von  Lorenz  und  wendet  sich 
zur  Kritik  der  Resultate.  Es  ergibt  sich,  dass  die  anatomisch 
guten  Resultate  nur  in  etwa  5  Proz.  der  Fälle  erzielt  werden,  eine 
Feststellung,  für  die  wir  H.  dankbar  sein  müssen.  Da  die  sogen. 
Anteversiori  des  Schenkelhalses  am  Misslingen  der  reinen  Reposition 
die  Hauptschuld  trägt,  so  hat  neuerdings  namentlich  Schede 
durch  Osteotomie  dieselbe  zu  beseitigen  gesucht,  ein  Verfahren, 
das  H.  entschieden  billigt. 

II.  selbst  übt  die  manuelle  unblutige  Einrenkung,  legt  den 
Gipsverband  in  Innenrotation  des  Beines  an  und  fasst  das  Knie¬ 
gelenk  behufs  Sicherung  der  letzteren  mit.  Auf  frühzeitiges  Um¬ 
hergehen  verzichtet  er.  Der  feste  Verband  wird  später  durch  einer, 
entlast  enden  Schieneuliülsenapparat  ersetzt. 

Bei  Kindern  unter  2  Jahren  verwendet  H.  einen  Extensions- 
lageruugsapparat  mit  gutem  Erfolg. 

Die  ausserordentlich  interessante  und  wichtige  Arbeit  ent¬ 
hält  eine  Reihe  von  bedeutungsvollen  Einzelheiten,  die  das  Re¬ 
ferat  leider  nicht  berücksichtigen  kann. 

20)  Viktor  M  a  r  t  i  n  -  Prattelu:  Ueber  paralytische  Luxa¬ 
tionen. 


M.  fügt  der  spärlichen  Kasuistik  paralytischer  Ilüftluxationeu 
zwei  von  ilim  beobachtete  Fälle  von  Luxatio  infrapübica  hinzu. 
Der  eine 'wurde  erfolgreich  blutig  operiert,  der  andere  war  ein 
ein  ganz  frischer  Fall,  er  heilte  durch  das  Zurückgehen  der  Läh¬ 


mung  aus. 

Die  Arbeit  gibt  schliesslich  einen  Ueberblick  über  die  para¬ 
lytischen  Luxationen  der  unteren  und  auch  der  oberen  Extremität. 

21)  Karl  Nieny- Würzburg:  Ueber  den  Knickfuss  und  seine 


Messung 


N.  beschreibt  einen  ziemlich  einfachen  Apparat,  der  die  Stel 


lungsabweichung  bezw.  die  Umlegung  des  Calcaneus 
und  Plattfuss  abzulesen  gestattet.  Nicht 


su-r>iiniio-av<'riiinl«»rnrisroi)  d(>s  Fersenbeins  am 


unwichtig 

1  inl  n  ctafon 


bei  Knick¬ 
sind  die 

mul  illl. 


belasteten  Fass. 

22)  Oskar  Sclimid  t- Zwickau:  Ein  Fall  von  kongenitalem 
Defekt  der  Fibula  rechts,  kongenitaler  Talusluxation  links. 

Mehrjährige  Beobachtung  und  wiederholte  röntgenographische 
Aufnahmen  des  Patienten  ergaben,  dass  die  Skelettbildung  zu¬ 
nächst  rückständig  war,  allmählich  aber  doch  noch  nachträglich 
Fortschritte  machte. 

23)  Sigmund  L  o  e  b  e  1  -  Zürich:  Plattfuss  und  Skoliose. 

Aus  der  genauen  Analyse  von  124  Skoliosen  bezw.  runden 

Rücken  (10)  Ergab  sich,  dass  71,1  Proz.  Plattfuss  besassen, 
7,8  Proz.  Anlage  zu  einem  solchen.  Die  eingehende  Untersuchung 
der  Verhältnisse  führt  trotzdem  zu  dem  Schluss,  dass  nicht  etwa 
ein  ätiologischer  Zusammenhang  zwischen  Plattfuss  und  Skoliose 
besteht,  dass  vielmehr  der  Plattfuss  eine  Begleiterscheinung  der 
Skoliose  darstellt,  ohne  dass  seine  stärkere  Entwicklung  auch 
einer  stärkeren  Skoliose  entspräche. 

24)  Olgierd  Jalowiecki-  Zürich :  Wachstumsverände- 
rungen  an  den  "Wirbeln  nach  Spondylitis  tuberculosa. 

Gegenstand  der  Untersuchung  ist  die  spitzwinklige  Kyphose 
eines  30  jährigen  Menschen,  der  vor  20 — 25  Jahren  eine  schwere 
Spondylitis  durchmaclite.  Nicht  weniger  als  9  Wirbel  sind  in  einen 
Keil  verschmolzen,  dessen  Spitze  in  den  Wirbelkanal  schaut. 
Letzterer  zeigt  trotzdem  an  dieser  Stelle  eine  Erweiterung.  Als 
Anpassungserscheinung  an  die  vermehrte  Zugspannung  im  supra- 
gibbären  lordosierten  Wirbelsäulensegment  betrachtet  Z.  die  Ver¬ 
breiterung  der  Intervertebralscheiben  ln  ihrem  vorderen  Anteil. 

25)  M.  van  der  B  e  e  k  -  Amsterdam:  Ueber  die  Valgus- 
theorie  Ducken  n  e’s  de  Boulogne. 

Verteidigung  der  merkwürdigen  Anschauung  voirDuclienne, 
dass  sowohl  Lähmung  wie  Kontraktur  des  Peroneus  longus  die 
Entstehung  des  Flattfusses  verschulde. 

26)  'Wilhelm  Sclmltliess  -  Zürich:  Die  Prädilektionsstellen 
der  skolio tischen  Abbiegungen 

liegen  nach  Beobachtungen  an  1140  Skoliosen  an  4  Haupt¬ 
abt  liegungspunkten : 

1.  in  der  unteren  Brustwirbelsäule  nach  rechts, 

2.  Grenze  von  Brust-  und  Lendenwirbelsäule  nach  links, 

3.  obere  Brust-  und  untere  Halswirbelsäule  nach  links, 

4.  untere  Lendenwirbelsäule  nach  rechts. 

V  u  1  p  Ui  s  -  Heidelberg. 


Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  16.  Bd-> 

4.  Heft. 

1)  C.  J.  B  u  c  a  r  a  -  Wien:  Ueber  die  Bedeutung  des  Schüttel¬ 
frostes  im  Wochenbett  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Pyämie. 

28  758  Geburten  der  C  h  r  o  b  a  k  sehen  Klinik  folgte  in 
2541  Fällen  fieberhaftes  Wochenbett.  78  fiebernde  Fälle  waren 
von  Schüttelfrösten  begleitet.  Aus  den  Beobachtungen  dieser  Fälle 
schliesst  Verfasser,  dass  erst  mehr  als  5  Schüttelfröste  für 
Pyämie  sprechen,  weniger  Fröste  können  auch  bei  anderen  Puer¬ 
peralerkrankungen  auftreten.  Mit  der  Anzahl  der  Schüttelfröste 
nimmt  die  Mortalität  zu.  Bei  Sephthämie  treten  Fröste  ein.  meist 
aber  fehlen  sie;  ebenso  kann  Pyämie  mit  und  ohne  Fröste  ver¬ 
laufen,  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  aber  bestehen  Fröste.  Lymph- 
angitis  ist  nicht  absolut  charakteristisch  für  Sephthämie,  verein¬ 
zelt  kommt  bei  dieser  Erkrankung  auch  Metrotlirombophlebitis 
ohne  Lympbothrombose  vor.  Es  gibt  andererseits  sichere  Fälle 
von  puerperaler  Pyämie  mit  Lymphothrombose  ohne  Thrombo¬ 
phlebitis.  .  •*  9 

2)  A.  Sol  o  w  i  j  -  Lemberg:  Zur  Kenntnis  der  pathologischen 
Anatomie  der  Plazenta. 

Als  auffallendsten  Befund  bei  der  Placentitis  fibrosa  findet 
Verfasser  Gefässveränderungen  (Endo-,  Peri-  und  Mesovasculitis), 
sowie  eine  Bindegewebswucherung  und  Neubildung  von  Gefässeu. 
Histogenetiscli  handelt  es  sich  um  denselben  Prozess,  wie  beim 
weisseu  Infarkt  (Hyperplasie  resp.  Hypertrophie  des  Grund¬ 
stocks  der  Zotten)  und  bei  den  sogen,  gutartigen  Plazentartumoren. 
Alle  derartig  beschriebenen  Fälle  von  Plazentartumoren  sind  keine 
echten  Neoplasmen,  sondern  sind  höchst  wahrscheinlich  entzünd¬ 
licher  Natur. 

I  teil  meisten  Plazentarveränderungen  liegt  Syphilis  zu  Grunde. 

3)  L.  Pincus  -  Danzig:  Das  Verhältnis  der  Atmokausis  und 
Zestokausis  zur  Kürettage  und  ihre  Heilfaktoren. 

Die  Atmokausis  soll  weder  die  Kürettage  ersetzen,  noch  ein 
ergänzendes  Heilverfahren  darstellen.  Eine  kurz  dauernde,  richtig 
ausgefülirte  Atmokausis  und  Zestokausis  ist  ohne  Zweifel  ein 
milderer  intrauteriner  Eingriff  als  eine  richtig  ausgeführte  Küret¬ 
tage.  Richtige  Auswahl  der  Fälle  und  richtige  Handhabung  des 
Instrumentes  sichern  den  Erfolg  der  Atmokausis.  Die  Kürette 
an  sich  ist  kein  Heilmittel,  ihre  Anwendung  nur  Vorbedingung  für 
eine  erfolgreiche  Nachbehandlung,  während  die  Atmokausis  und 
Zestokausis  jede  für  sich  eine  typische  Heilmethode  darstellen. 


23.  Dezember  1902. 


MUENCIIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2159 


Im  gebarfahigen  Alter  der  Frau  ist  nur  ausnahmsweise  die 
Alu  asm  mucosae  mit  der  Atmokausis  zu  verbinden,  im  klimak- 
teriscben  Alter  bilde  die  Kombination  beider  Verfahren  die  Sei 
Es  ist  stets  wünschenswert  und  oft  notwendig,  die  beiden  Eingriffe 
z"  Vennen-  ,Im  Sebärfähigen  Alter  ist  die  Dampfwhkuü" 

Temueraturk?m«iU  l;,(’S(‘hl;,I.'k'‘11  -  kurzdauernde  Wirkung,  hohe 
Tempeiatui  (llo  )-— ,  Im  klimakterischen  Alter  sind  einige  Zeit 

der  Abrasio  niedrige  Temperaturen  auf  längere  Zeit  an¬ 
gewendet  am  Flatze.  Die  Nachblutungen  bei  der  Schorflösuii" 
kommen  häufiger  vor,  wenn  die  Atmokausis  der  Abrasio  unmittel 

n  V01iSaf  dle  AKürette'  *>  ist  die  Atmokausis  angSeht; 
dei holte  planlose  Auskratzungen  sind  zu  verwerfen-  diese 
können  der  klinischen  Wirksamkeit  der  Atmokausis  ontge4n- 
wirken. 

In  den  seltenen  Fällen,  in  denen  bei  polypösen  Bildungen  im 
lundus  oder  den  Tubenecken  der  Erfolg  der  Atmokausis  ausbleibt 
Hysterektomie  durch  Anwendung  der  Zestokausis  nach  sorg¬ 
fältiger  Bearbeitung  der  Tubenecken  mit  der  Kürette  zu  umgehen 
Die  Ausführungen  über  die  mittelbare  und  unmittelbare  Ein 

Dampfbehandlung  müssen  im  OH- 

p.«fitep'JJ?aar'Ba“1:  Bei,rag  2m'  P“«- 

tirmt ^■nnnio^o-  ®c^w®ren  allgemeinen  Sepsis  (Streptokokkeninfek- 
i  ;  .  v°arde  sicb  ^  erfasser  von  dem  günstigen  Einfluss  des  Collar- 
goi  L  rede  gegenüber  der  Streptokokkenseruminjektion  überzeugen 
Heide  Mittel  kamen  zur  Anwendung.  Während  nach  den  Injek¬ 
tionen  von  Streptokokkenserum  sich  der  Zustand  weiter  ver¬ 
schlimmerte,  trat  nach  der  Anwendung  von  Collargol  eine  auf- 
fallende  Besserung  (Entfieberung,  besseres  Allgemeinbefinden)  und 
endlich  vollkommene  Heilung  ein. 

,  ’•'**  . *  }]  1  ®  c  k  111  a  n  n  '  Giessen:  Bietet  der  quere  Fuudal- 

?ei-4er,  Se«H°  caesarea  (G.  Fritsc  h)  gegenüber  dem 
Längsschnitt  durch  die  Korpuswand  Vorteile?  (Schluss  im 
nächsten  Heft.) 

E  r  g  ä  nzungshef  t. 

Das  Heft  enthält  die  ausführlichen  Arbeiten  der  deutschen 
Autoren,  die  zu  den  4  Diskussionsthemen  des  IV.  internationalen 
Kongi esses  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  Referate  über¬ 
nommen  hatten;  ferner  bringt  es  eine  Uebersicht  über  die  Gesamt- 
der  Verhandlungen  dieses  Kongresses,  sowie  der  geburts¬ 
hilflich-gynäkologischen  Sektion  der  deutschen  Naturforscherver¬ 
sammlung. 

Referat  über  nachfolgende  Arbeiten  siehe  diese  Wochenschrift. 

,.  ,  ^  Hofmei  er- Würzburg:  Die  Indikationen  zur  künst¬ 
lichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  wegen  Nephritis. 

_l  Sc  ha  uta-  Wien:  Die  Einleitung  der  Geburt  wegen 
innerer  Erkrankungen. 

D  e  h  1  i  li  g  -  Strassburg :  Die  Hysterektomie  in  der  Be¬ 
handlung  der  puerperalen  Infektion. 

f)  De  0  P  0  1  d  -  Dresden;  Die  Hysterektomie  bei  der  Puer¬ 
peralinfektion. 

5)  Veit -Leiden:  Ueber  Tuberkulose  der  weiblichen  Sexual¬ 
organe  und  des  Peritoneum. 

6)  M  a  r  t  i  n  -  Greifswald :  Ueber  Genitaltuberkulose. 

Tr*  Wertheim-Wien:  Die  chirurgische  Behandlung  des 
Uteruskarzinoms.  & 

A  m  a  n  n  -  München:  Zur  Frage  der  weiblichen  Genital¬ 
tuberkulose. 

Wein  b  r  e  n  ner  -  Magdeburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  50. 

1)  Fr.  Kraus:  Ueber  wahres  Aneurysma  des  Sinus  Val- 
salvae  Aortae  dexter. 

V’ergl.  Referat  S.  2006  der  Münch,  med.  Wochensclir.  1902. 

2)  H.  Beek  m  a  n  n:  Die  akuten  Entzündungen  der  Rachen¬ 
mandel. 

Bereits  S.  940  der  Münch,  med.  Wochensclir  1902  besprochen 

3)  W.  Dosquet-Ma  nasse  -  Berlin:  Ueber  den  Miss 

brauch  der  Borsäure. 

Cfr.  Besprechung  S.  1277  der  Münch,  med.  Wochensclir  190° 

4)  II.  B  r  a  t  -  Rummelsburg  b/Berlin:  Ueber  die  Einwirkung 
von  Eiweisskörpern  auf  die  Blutgerinnung. 

Referiert  S.  1157  der  Münch,  med.  Wochensehr.  1902. 

-0  L.  II  i  r  s  c  h  1  a  f  f  -  Berlin:  Ein  Heilserum  zur  Bekäm¬ 
pfung  der  Morphiumvergiftung  und  ähnlicher  Intoxikationen. 
'er£l-  Referat  S.  1941  der  Münch,  med.  Wochensclir.  1902. 

G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1902.  No.  50. 

1)  E.  M  a  r  x  und  Anton  Sticker-  Frankfurt  a.  M.:  Unter¬ 
suchungen  über  das  Epithelioma  contagiosum  des  Geflügels. 

Die  Resultate  der  im  k.  Institut  für  experimentelle  Therapie 
m  Frankfurt  a/M.  angestellten  Untersuchungen  lassen  sich  in  fol¬ 
gende  Hauptpunkte  zusammenfassen: 

.L,  I)as  Virus  der  Geflügelpocke  gehört  in  die  Gruppe  der 
li  1  trierbaren  Krankheitserreger. 

2.  Keiner  der  bisher  als  Erreger  der  Geflügelpocken  be¬ 
schriebenen  Parasiten  kommt  demgemäss  in  Betracht. 

3.  Das  Virus  zeichnet  sich  gegen  viele  Eingriffe  durch  grosse 
Resistenz  aus.  Es  verträgt  völlige  Eintrocknung  und  melir- 
wochentliches  Aussetzen  dem  diffusen  Tages-  und  dem  Sonnen- 

..  t»  längere  Einwirkung  einer  Temperatur  von  _ 12°;  drei¬ 

stündiges  Erwärmen  auf  60°,  unter  gewissen  Voraussetzungen 


sogar  einstündige  Erwärmung  auf  100°;  endlich  mehrwöchentliches 
Aul  bewahren  in  Glyzerin.  Karbol  dagegen  in  2  proz.  Lösung  ver¬ 
nichtet  dasselbe. 

4.  Das  Virus  der  Taubenpocke  lässt  sich  auf  das  Huhn  an¬ 
standslos  übertragen,  erleidet  jedoch  schon  nach  einmaliger 
Passage  eine  derartige  Veränderung,  dass  es  nicht  mehr  auf  Tauben 
uberimpf  bar  ist. 

5.  Das  Ueberstelien  einer  einmaligen  ausgedehnten  Erkran¬ 
kung  verleiht  Immunität. 

2)  Karl  Herxheim  er  und  Iv  r  a  u  s  o  -  Frankfurt  a.  M.: 
Ueber  eine  bei  Syphilitischen  vorkommsnde  Quecksilber¬ 
reaktion. 

H*V  Au  toi  eil  beobachteten  bei  der  erstmaligen  Resorption  von 
Dg.  bei  Inunktiou  von  4  g  Unguentum  einereum  oder  Injektion 
von  0,1g  Hydra rgyrum  salieylicum  oder  Kalomel,  nicht  aller  bei 
interner  Verabreichung,  innerhalb  15—24  Stunden  eine  Verände¬ 
rung  üos  sekundären  syphilitischen  Exanthems,  Zunahme  der  Zahl 
der  Effloreszenzen.  Steigerung  der  Intensität  desselben,  manch¬ 
mal  sogar  unter  Fiebererscheinungeii.  Das  Exanthem  verlor  seine 
charakteristischen  Eigenschaften,  gleicht  mehr  einer  Urticaria  Je 
grosser  die  Reaktion,  desto  schneller  die  Heilung  der  Efflores¬ 
zenzen.  Dies  gilt  aber  nur  für  die  erste  Hg- Resorption.  Die 
Reaktion  konnte  auch  histologisch  nachgewiesen  werden.  In 
zweifelhaften  hallen  dürfte  der  Reaktion  auch  ein  praktischer 
Wert  zukommen  bei  der  Differentialdiagnose  eines  verdächtigen 
m ak u lösen  Exanthems. 

3)  Hans  V  ö  r  n  e  r  -  Leipzig:  Ueber  Blutplättchenbefunde  im 
Blute  von  Syphilitikern  und  ihre  Bedeutung. 

Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  spricht  V.  den  Blutplätt¬ 
chen  im  Blut  der  »Syphlitisclien  die  von  Losdorf  er-Wien  be¬ 
hauptete  charakteristische  Bedeutung  ab  und  erklärt  sie  lediglich 
als  eine  Folge  der  als  Begleiterscheinung  der  Lues  in  allen  Stadien 
ault retenden  A nä mie. 

4)  Max  J  o  s  e  p  h  und  P  i  o  r  k  owski:  Weitere  Beiträge  zur 
Lehre  von  den  Syphilisbazillen.  (Fortsetzung  folgt.) 

kack  einem  Vortrag  auf  der  74.  Versammlung  deutscher 
i\atm  forscher  und  Aerzte  in  Karlsbad  am  24.  September  1902. 

•  >)  L.  Bernhard  und  M.  Blumenthal:  Zur  Kenntnis 
der  kongenitalen  Elephantiasis. 

Kasuistische  Mitteilung  eines  durch  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  erhärteten  Falles  von  kongenitaler  Elephantiasis  (Lymph- 
angioma).  1 

O)  D.  L  i  v  a  s  -  Nicaragua:  Die  Malaria  in  der  Festung 
Barbariga  in  Istrien  im  Sommer  1902. 

i)  Le  vy- Dorn:  Zum  Prozess  Schür  maver  vor  der 
1:  erienstrafkammer  des  Landgerichtes  zu  Hannover. 

,  ll1  L  i  o  n  -  Samara:  Weiteres  über  die  Cerebrinotherapie 
der  Epilepsie  und 

A.  Eulen  bürg:  Cerebrin  bei  Epileptikern.  F.  L. 


Oesterreicliische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

.,  ^°2'F50’  ^  An  ton- Graz:  Wahre  Hypertrophie  des  Gehirns 

mit  Befunden  an  Thymusdrüse  und  Nebennieren. 

Bei  einem  23  jährigen  Epileptiker,  der  in  statu  epileptico  starb, 
r.uid  sich  eine  hochgradige,  anscheinend  gleichmässige  Vergrösse- 
nuig  des  Gehirns,  das  2055  g  wog,  mit  leichtem  Hydrokephalus, 
hochgradige  Verdünnung  des  Gehirnschädels,  ferner  Erhaltensein 
der  I  hymusdrüse,  endlich  hochgradiger  Schwund  und  Hohlraum¬ 
bildung  m  den  beiden  Nebennieren  im  Areale  der  Marksubstanz. 
Die  gröbere  und  feinere  Struktur  des  Gehirnes  war  nicht  auffällig 
verändert.  Ein  näherer  Zusammenhang  zwischen  diesen  Befunden 
ist  sehr  wahrscheinlich  vorhanden. 

2)  II.  Kienböck-Wien:  Zur  radiographischen  Diagnose 
der  Nierensteine.  & 

Dir  negativen  Beliinde  beim  Auf&uclien  von  Nierensteinen 
mittels  der  Röntgenstrahlen  glaubt  Verfasser  vielfach  auf  Rech¬ 
nung  der  unrichtigen  Technik  setzen  zu  müssen  und  beschreibt 
daher  aui  Grund  der  zahlreichen  von  ihm  gemachten  Erfahrungen 
me  Einzelheiten  der  von  ihm  geübten  Technik:  hauptsächlich 
Untersuchungen  mittels  einer  mittelevakuierten  Röhre,  die  man 
intensiv  leuchten  lassen  muss,  ferner  muss  das  Abdomen  hin¬ 
reichend  entleert  sein,  ein  Bleidiaphragma  verwendet  und  die 
Rohre  näher  den  Bauclidecken  angebracht  werden.  Verfasser 
berichtet  sodann  über  4  Fälle,  avo  der  Nachweis  der  Steine  gelang. 

V  on  den  Bildern  muss  vor  allem  auch  Arerlangt  Averden,  dass  der 
Skelettschatten  scharf  hervortritt. 

•  b  F.  C  o  m  i  s  s  o  -  Wien:  Ueber  osteoplastisches  Karzinom. 

\  erfasser  beschreibt  einen  Fall,  einen  43  jährigen  Bahn- 
arbeiter  betreffend,  avo  es  sich  um  einen  Zylinderzellenkrebs  der 
Nase  und  der  Nebenhöhlen  handelte,  welcher  unter  Bildung  von 
mächtigen  Knochentumoren  einen  grossen  Teil  der  Schädelbasis 
cigiiifen  hatte.  Der  histologische  Befund,  durch  mehrere  Zeich¬ 
nungen  illustriert,  ist  eingehend  angeführt. 

4)  F.  H  a  n  s  z  e  1  -  Wien:  Ein  kongenitaler  Rachenpolyp. 

Verfasser  skizziert  zunächst  den  gegemvärtigen  Stand  der 
1«  rage  nach  der  Genese  derartiger  Bildungen  und  beschreibt  dann 
einen  Fall,  wo  ein  2 >/2  cm  langer,  fingerkuppenförmiger  Tumor 
nn  Nasenrachenraum  unterhalb  des  Tuben  wnlstes  festgestellt 
und  exstirpirt  werden  konnte.  Der  Tumor  bestand  zum  grossen 
Teil  aus  Fettgewebe.  BemerkensAvert  ist  noch,  dass  in  diesem 
Falle  der  linke  hintere  Gaumenbogen  völlig  fehlte. 

Grassmann  -  München. 


2160 


M  XT ENCII E  N  EU  M  E  DT C I N I SCHE  WOCHEN  SCI  I R I  ET 


No.  51. 


Wiener  klinische  Rundschau. 

Xo.  4.”»  u.  40.  W.  Kopfstein-  .1  uugbunzlau:  Beitrag  zur 
operativen  Behandlung  der  vorderen  eitrigen  Mediastinitis. 

Vier  Fälle  aus  K.s  Praxis.  Zunächst  eine  Phlegmone  des 
Ilalscs  und  Mediastinitis  nach  Extraktion  eines  Zahnes,  trotz  aus¬ 
gedehnter  Inzisionen  und  Eröffnung  des  Abszesses  im  II.  Inter- 
kostalraum  Sepsis  und  Tod.  Hie  drei  übrigen  Kranken  wurden 
durch  chirurgische  Behandlung  erhalten:  Chronischer  Abszess  bei 
Carics  sterni.  Ferner:  Ein  mediastinaler  Abszess  im  Anschluss  an 
ein  stumpfes  Trauma.  Perforation  nach  aussen.  Schliesslich  neben 
anderen  zahlreichen  Metastasen  nach  Typhus  eine  rezidivierende 
Mediastinitis  mit  ausgedehnten  Phlegmonen  und  Empyem,  eine 
durch  1  Jahre  sich  hinziehende  Kette  von  Eiterungsprozossen. 

Xo.  47.  I‘.  A  sch-  Strassburg:  Das  Hydrargyrum  oxy- 

cyanatum  in  der  urologischen  Praxis. 

Das  Mittel  hat  sich  dem  Verfasser  bei  der  akuten  männlichen 
Gonorrhöe  im  Anfangsstadium  bei  völliger  Reizlosigkeit  so  brauch¬ 
bar  erwiesen,  als  die  geläuligen  Mittel  (0.0.> — 0,1:100  bei  gleich¬ 
zeitiger  innerer  Darreichung  von  Ol.  Santal.  3,0  pro  die).  Als  seht 
gut  bezeichnet  er  seine  Wirkung  in  der  Form  der  .Ta  netschon 
Ausspülungen  in  einer  Verdünnung  von  1:10  000  bis  2000  bei  den 
durch  Prostatitis  oder  Epididymitis  komplizierten  Fällen. 

Xo.  48.  J.  W  e  i  g  1  -  München:  Dionin,  ein  neues  Morphin¬ 
derivat.  , 

Verfasser  rühmt  die  sichere  analgetische  Wirkung  des  Mittels 
und  hat  zur  subkutanen  Injektion  das  Morphium  ganz  durch  das 
Diouiii  ersetzt,  ln  Tropfenform  wirkt  es  günstig  bei  den  im 
heftigem  Husten  und  Reizerscheinungen  verbundenen  Respirations¬ 
erkrankungen.  Namentlich  dient  es  zum  Ersatz  des^  Morphium 
und  Opium  in  der  Kinderpraxis  und  ist  zumal  beim  Keuchhusten 
sehr  schätzenswert  zur  Linderung  der  Anfälle  ohne  jede  unange¬ 
nehme  Nebenwirkung.  4V.  verordnet  da  etwa  so  viele  Zentigramm 
als  das  Kind  Jahre  zählt,  auf  100  g  verdünnten  Syrup  ruh.,  3  stünd¬ 
lich  1  Tlieelöffel.  Vom  5.  Lebensjahre  an  0,1:200,  2  stündlich  einen 
Kaffeelöffel  bis  Kiuderlöfifel. 

li.  E  c  k  s  t  e  i  n  -  Berlin:  lieber  Behandlung  von  Hernien  mit 
HartparafBninjektionen. 

E.  hat  bei  3  Fällen  von  Inguinalliernien  und  einem  solchen 
von  Xabelliernie  Hartparaffin  in  das  ('Jewebe  vor  der  Bruchpforte 
injiziert  und  durch  <1  ii*  scheibenförmig  formierte  Masse  einen  be¬ 
friedigenden  und  dauernden  Abschluss  erzielt.  Bei  der  einen 
Patientin  mit  Leistenbruch  bedurfte  es  allerdings  wegen  leichten 
Rezidives  einer  nochmaligen  Injektion. 

Xo.  48/49.  A.  B  r  a  1»  e  c  -  Prag:  lieber  eine  weniger  bekannte 
Erscheinungsform  der  Aktinomykose  heim  Menschen. 

Hofmeister  hat  seinerzeit  Fälle  von  Blinddarmaktiuo- 
mykose  veröffentlicht,  für  deren  Diagnose  die  herkömmlichen 
Hauptzeichen,  diffuse  Infiltration,  phlegmonöses  Aussehen  und 
Fistelbildung  nicht  ausreichten.  Einen  analogen  Fall  beschreibt 
und  erörtert  B.  auf  das  Eingehendste.  Bei  der  26  jährigen  Kranken 
bestand  ein  beweglicher,  nicht  empfindlicher,  int  ra  abdomineller 
Tumor,  der  nachweislich  nicht  von  den  Genitalien  ausgiug  und  bei 
der  Operation  sich  als  eine  mit  dem  Peritoneum  parietale  und  dem 
Kolon  transversum  verwachsene  Geschwulst  des  Omentum  majus 
erwies.  Sie  zeigte  auf  dem  Durchschnitt  mächtiges  Bindegewebe 
mit  zentralen,  'sehleimgefüllten  Kavernen.  Erst  die  genaueste 
mikroskopische  Untersuchung  bei  Färbung  nach  Gram  ergab 
später  Aktinomykose.  Der  Wurmfortsatz  war  stark  verdickt  und 
wurde  reseziert.  Heilung  nach  monatelangem  Bestand  einer 
Fistel.  Verfasser  wählt  für  diese  Geschwulst  form  der  Aktino¬ 
mykose.  deren  klinische  Pathologie  und  Diagnostik  noch  des  Aus¬ 
baues  bedarf.  Aktinomykom. 

Xo.  49.  F.  Klaus»  n  e  r  -  München:  Zwei  Fälle  von  Hernio- 
tornie  wegen  Inkarzeration  von  Coekum  und  Processus  veimi- 
formis  bei  kleinen  Kindern. 

Kl.  bereichert  die  noch  nicht  sehr  zahlreiche  Kasuistik,  von 
der  er  einen  r eberblick  gibt,  durch  2  von  ihm  beobachtete  und 
operierte  Fälle. 

Xo.  50.  R.  Porges-Wien:  Zur  Technik  der  hetero¬ 
plastischen  Deckung  von  Schädeldefekten. 

P.  hat  in  einem  operativ  behandelten  Fall  von  Karies  des 
Scheitelbeines  mit  fungösen  Auflagerungen  auf  der  Dura  zur 
Deckung  des  sehr  grossen  Knochendefektes  statt  einer  einzigen 
Zelluloidplatte  (Fraenkel)  2  schmale  Zelluloidstreifen  ange¬ 
wandt;  dieselben  wurden  in  Falze  eingepresst,  welche  in  die  Diploe 
eingemeisselt  wurden.  Die  Heilung  ging  nach  einer  vorübergehen¬ 
den  Sekretretention  unter  dem  Druckverhand  glatt  von  statten 
mit  einer  sehr  ausgiebigen  Knochenwuclierung. 

Mit  Rücksicht  auf  diese  sehr  erwünschte  Knochenbildung, 
welche  P.  als  einen  Vorzug  des  Verfahrens  ansieht  und  auf  die 
gute  Drainage  der  Wunde,  empfiehlt  er  diese  Methode  für  alle 
Fälle,  wo  eine  starke  Sekretion  zu  erwarten  steht  oder  die  Ein- 
lu  ilung  einer  einzigen  Platte  bereits  erfolglos  angestrebt  wurde. 

A.  B  u  r  a  c  z  y  uski  -  Wien:  Dermatitis  toxica,  hervorgerufen 
durch  Rlius  vernicifera. 

In  Xo.  39  der  Münch,  med.  Wocliensclir.  1902  hat  S  c  li  w  a  1  b  e 
auf  die  den  amerikanischen  Arten  der  Gattung  Rlius  zukommenden 
toxischen  Wirkungen  auf  die  Haut  hinge Aviesen.  Verfasser  war 
in  der  Lage  eine  analoge  Dermatitis  bei  einem  Gärtner  zu  sehen, 
welcher  im  Wiener  botanischen  Garten  mit  Pflanzen  der  japa¬ 
nischen  Art  Rlius  vernicifera  hantiert  hatte.  Es  Avalen  nur  die 
bei  der  Arbeit  entblössten  Hnutpartien  beteiligt. 


Prager  medizinische  Wochenschrift. 

Xo.  40.  W.  Bergmann-  Saaz:  lieber  einen  Fall  von 
kompletter  Uterusruptur  durch  Laparotomie  geheilt. 

Die  Frau  gelangte  erst  13  Stunden  nachdem  die  Ruptur  — 
bei  Gesichtslage  des  Kindes  —  erkannt  Avar.  in  Krankeuhaus- 
beliandlung.  Laparotomie.  Das  Kind  war  mit  der  I  lazenta  in  die 
Bauchhöhle  geboren.  Die  quere  12  cm  lange  Ruptur  reichte  beider¬ 
seits  bis  zu  den  grossen  Gelassen,  welche  dem  Weiterreissen  wider¬ 
standen  hatten.  Sorgfältige  Reinigung  der  Bauchhöhle,  Abtragung 
des  Uterus.  Heilung. 

Xo.  47.  Za  Ufa  1:  Zur  Frage  der  Einschränkung  der 
Indikationen  zur  Parazentese  des  Trommelfells. 

Z.  wiederholt  liier  den  auf  der  Aerzte-  und  Naturforscher- 
versammlung  in  Karlsbad  erhobenen  Einspruch  gegen  die  ge¬ 
bräuchliche  nach  seiner  Anschauung  allzuhäufige  Ausführung  der 
Parazentese.  Früher  selbst  ein  eifriger  Anhänger  derselben,  hat  er 
beobachtet,  dass  viele  der  Fälle  auch  spontan  ohne  Perforation 
und  ohne  die  lange  Otorrhöe  ausheilen.  Zunächst  erscheinen  ihm 
diu  genuinen  Mittelohrentzündungen  sonst  gesunder  Menschen 
und  diejenigen  bei  Kindern  mit  Pharynxtonsille  für  die  zuAvartende 
Behandlung  geeignet. 

Xo.  48.  H.  CerAV  Inka- Prag:  Ueber  Agurin,  ein  neues 
Theobrominpräparat. 

Auf  Grund  a  on  Versuchen,  welche  an  der  v.  J  a  k  s  c  li  scheu 
Klinik  angestellt  Avurden.  fasst  C.  sein  Urteil  über  das  Agurin 
dahin  zusammen,  dass  es  bei  gleicher  "Wirksamkeit  vor  dem  Diuit- 
tin,  das  es  ;in  Tlieobromingehalt  bedeutend  übertrifft,  durch  das 
Fehlen  von  unerwünschten  Nebemvirkungen  ausgezeichnet  ist.  Avie 
sie  dem  Diuretin  durch  seinen  Gehalt  an  Salicylsäure  anhaften. 

Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

James  Bur  net:  Die  medizinische  Behandlung  der  Appen¬ 
dizitis.  (Lancet,  4.  Oktober  1902.) 

Gegen  die  Schmerzen  haben  sich  am  besten  Terpentin- 
umschliige  bewährt,  doch  müssen  dieselben  heiss  aufgelegt  und 
sehr  häufig  gewechselt  Averden.  Vor  Eis  warnt  Verfasser,  da  es 
vom  Kranken  meist  ungern  geduldet  wird  und  bei  längerer  An- 
Avcndung  auch  die  Vitalität  der  tiefer  liegenden  Gewebe  lierab- 
zn setzen  vermag.  Xarkotica  Avill  Verfasser  ebenfalls  vermieden 
wissen  besonders  auch  deshalb.  Aveil  sie  bei  einer  etwa  nötig  wer¬ 
denden  Operation  die  Prognose  verschlechtern  (Darmlälimmig). 
Gegen  das  lästige  Erbrechen  verordnet  er  geeistes  SodaAvasser  und 
Extr.  fluid.  Cascar.  Sagr.,  6  stündlich  15 — 20  Tropfen,  bis  45  bis 
(50  Trojifen  genommen  sind.  In  diesen  kleinen  Mengen  Avirkt  Cas- 
cara  als  Stomacliikum  und  verhindert  die  Uebelkeit.  Gegen  den 
häutigen  störenden  UrinzAvaug  hat  sich  ihm  Tinct.  Hyoscyanu  m 
Mengen  von  30  Tropfen  bewährt.  Stets  muss  der  Kranke  mit  einer 
Schnabeltasse  gefüttert  Averden.  nie  darf  er  sich  auf  richten;  Verf. 
uilü  2  stündlich  1  Tlieelöffel  „Beeftea“  abwechselnd  mit  einem 
Tlieelöffel  Whisky;  ausserdem  Milch  und  Haferschleim.  Je  Aveni- 
gcr  Nahrung  der  Kranke  bekommt,  um  so  besser.  Einige  Kianken- 
geschichten  erläutern  das  Gesagte. 

T.  R.  BradshaAv:  Albumosuria  myelopathica.  (Ibid.) 

Verfasser  bespricht  zuerst  die  Knochenerweichungen  im  all¬ 
gemeinen  und  zeigt,  Avie  man  allmählich  gelernt  hat,  die  Fälle  von 
.  multiplen  Myelomen"  von  der  eigentlichen  Mollities  ossium,  der 
..Osteornalacie“  abzutrennen.  Man  fand  dann  weiter,  dass  nicht 
bei  allen  Fällen  multipler  Myelome  der  Benee  .1  o  n  e  s  sehe  Kör¬ 
per  im  Harn  gefunden  wurde.  Er  schlägt  deshalb  A7or,  die  Fälle, 
bei  denen  im  Urin  Albumosen  erscheinen  und  bei  denen  eine  Er¬ 
krankung  des  Knochenmarkes  nachgewiesen  Avird,  unter  dem 
Namen  ..Albumosuria  myelopathica“  zusammenzufassen.  Brad- 
s  li  a  av  glaubt,  dass  die  Entstehung  der  Albumose  mit  der  Ent¬ 
wicklung  der  Myelome  in  direktem  Zusammenhänge  stellt,  viel¬ 
leicht  durch  die '"Wirkung  eines  Fermentes.  Verfasser  gibt  dann 
eine  Beschreibung  der  Krankheit  und  ihrer  Symptome.  Im  ganzen 
wurden  20  Fälle  beschrieben,  3  sali  Verfasser  selbst,  von  2  weiteren 
analysierte  er  den  Urin. 

D’Arcy  Power:  3  Fälle  von  inoperablem  Mammakarzinom 
und  Kastration.  (Ibid.) 

Eine  52  jälirige  Frau  Avurde  1898  wegen  ulzcri erteil  Brust¬ 
krebses  und  Äszites  aufgenommen.  Zuerst  Avurde  die  Brust  (Drü¬ 
sen  konnten  wegen  zu  grosser  Ausdehnung  der  Erkrankung  nicht 
entfernt  Averden)  amputiert,  kurz  nachher  wurden  beide  Eierstöcke 
entfernt,  dabei  fand  sich  (las  Peritoneum  viscerale  von  kleinen 
Krebsknoten  übersät.  Die  Patientin  war  glücklich,  dass  man  sie 
operiert  hatte,  gewann  Avieder  Hoffnung,  der  Aszites  verschwand, 
doch  machte  der  Krebs  dem  Leben  bald  ein  Ende.  Eine  42  jälirige 
Frau  Avurde  iiu  April  1902  wegen  inoperablen  Mammakarzinoms 
aufgenominen.  3  Tage  später  wurden  beide  Ovarien  entfernt,  die 
Karzinommetastasen  enthielten.  Die  Schmerzen  in  der  Brust  ver¬ 
schwanden,  der  Tumor  Avurde  etwas  kleiner  und  das  Gewicht  der 
Kranken  stieg.  Tm  Laufe  der  nächsten  Monate  nahm  die  Besse¬ 
rung  zu.  die  vorher  fest  fixierte  Brust  wurde  gegen  die  Unterlage 
verschieblich,  ein  Teil  der  Hautmetastasen  verschAvanden,  die 
regionären  Drüsen  wurden  kleiner.  Das  Gewicht  blieb  stehen. 
Die  Kranke  ist  noch  unter  Beobachtung.  Eine  55  jährige  Frau 
kam  am  0.  August  1902  zur  Beobachtung.  Der  Brustkrebs  schien 
inoperabel,  deshalb  entfernte  Verfasser  nur  die  Ovarien,  die  im 
übrigen  normal  waren.  (Die  Periode  hatte  schon  8  Jahre  lriihci 
aufgehört.)  Es  trat  keinerlei  Besserung  auf. 


23.  Dezember  1902. 


MT  I  EN  CHEN  ER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2161 


11'.  Erb:  Die  spastische  und  syphilitische  Spinalparalyse. 
(Lancet,  11.  November  1902.) 

Ausarbeitung  eines  Vortrages,  den  unser  Landsmann  im  West 
London  Hospital  hielt,  und  der  eine  Zusammenfassung  alles  dessen 
gibt,  was  Erb  und  andere  über  die  spastische  und  syphilitische 
Spinalparalyse  gearbeitet  und  gefunden  haben. 

(1.  J.  Blackmore:  Ratten  und  Pest.  (Ibid.) 

1  erfasset’  sucht  in  dieser  ausführlichen  Arbeit  nachzuweisen 
dass  die  Verbreitung  der  Pest  durchaus  auf  die  Ratten  zurück' 
zufühl en  ist.  und  zwar  nimmt  er  an,  das  die  TJebertragung  durch 
flöhe  geschieht,  die  von  der  Ratte  auf  den  Menschen  übergehen. 
Diese  Flöhe  linden  sich  in  grosser  Menge  auf  dem  Fussboden  un¬ 
sauberer  l-Iiiuser,  die  Bisse  linden  sich  meist  an  den  Beinen,  und 
dies  erklärt  nach  Verfassers  Meinung  das  überwiegende  Vor¬ 
kommen  der  Bubonen  in  der  Leisten-  und  Schenkelgegend.  Es 
muss  demnach  unser  Bestreben  sein,  die  Ratten  in  Schiffen  und  auf 
dem  Lande  zu  töten,  ln  allen  Schiffen,  die  aus  pestverdächtigen 
Ländern  kommen,  sollte  dies  vor  Verlassen  des  Hafens  dadurch  "ge¬ 
schehen,  dass  man  schweflige  Säure  oder  Kohlendioxyd  in  den 
Schiffsraum  ausströmen  lässt,  trotzdem  werden  viele  Ratten  dem 
Tode  entgehen  und  entweder  ans  Land  schwimmen  oder  mit 
Frachtgütern  eingeschleppt  werden.  Rattenfallen.  Hunde,  Katzen 
und  Frettchen  haben  sich  dem  Verfasser  nicht  bewährt,  ebenso¬ 
wenig  die  Einführung  des  D  a  n  y  s  z  sehen  Bazillus.  Am  sicher¬ 
sten  wirkt  das  Legen  von  Gift,  und  zwar  benutzte  er  Arsenik  oder 
auch  Gips  und  Hafermehl  zu  gleichen  Teilen,  vermischt  mit  etwas 
Anisöl.  Ebenso  wichtig  ist  die  grösste  Sauberkeit  in  den  Häusern, 
und  empfiehlt,  es  sich,  gegen  die  Flöhe  die  Fussböden  mit  Karbol¬ 
säure  abzureiben.  Die  eigenen  Erfahrungen  des  Verfassers  in 
Port  Elizabeth  und  in  Indien  werden  ausführlich  mitgeteilt. 

A.  F.  Dimmock:  Ein  Fall  von  Puerperalfieber.  (Ibid.) 

Der  fall  kam  zur  Heilung,  das  vom  Verfasser  angewendeti* 
Antistreptokokkenserum  hatte  aber  keinen  sichtbaren  Einfluss  auf 
den  Verlauf. 

Robert.  Ivuox:  Kompression  des  Abdomens  zur  Heilung 
von  Aszites.  (Ibid.) 

Unter  Mitteilung  eines  Falles  von  tuberkulöser  Peritonitis  (V), 
der  allen  internen  Massnahmen  widerstand,  empfiehlt  Verfasser 
die  fortgesetzte  Kompression  des  Bauches  durch  fest  angelegte 
Pflasterstreifen.  \  erfassers  Fall  wurde  geheilt  (Ref.  hat  das  Ver¬ 
fahren  mehrfach  ohne  Nutzen  versucht),  nachdem  3  Wochen  lang 
komprimiert  worden  war. 

1).  Chalmers  Watson  und  .1.  A.  Douglas  Thompson: 
Die  Behandlung  der  Psoriasis  mit  Myelocen.  (Lanct,  18.  Ok¬ 
tober  1902.) 

Myelocen  ist  ein  Präparat,  das  nach  Angabe  der  Verfasser  aus 
Knochenmark  hergestellt  wird,  und  das  sie  zuerst  lokal  bei  Fällen 
von  chronischem  Mittelohrkatarrh  angewendet  haben.  Nachdem 
es  ihnen  hier  (siehe  auch  Brit,  med.  Journ.,  22.  März  1902)  hervor¬ 
ragende  Dienste  geleistet  hat,  haben  sie  neuerdings  bei  Psoriasis 
das  Mittel  in  Form  von  Einreibungen  über  die  befallenen  Stellen 
versucht.  Bei  sorgfältiger  Innehaltung  der  von  ihnen  gegebenen 
Regeln  soll  das  Mittel  einen  überraschend  guten  Erfolg  haben. 
Einige  Krankengeschichten  mit  Abbildungen  sind  beigefügt. 

Alexander  C  r  o  mbie  und  T.  .1.  Boke  n  h  a  m :  Die  Behand¬ 
lung  der  atonischen  Magenerweiterung  mit  Strömen  von  hoher 
Frequenz.  (Lancet,  18.  Oktober  1902.) 

Die  \  erfasser  geben  in  dieser  Arbeit  die  Beobachtungen,  die 
sie  bei  17  Fällen  von  atonischer  Magenerweiterung  machen 
konnten,  welche  sie  mit  Strömen  behandelten,  welche  bei  hohem 
Volt  rapid  oszillierten.  In  den  meisten  Fällen  konnten  sie  nacli- 
weisen.  dass  der  Magen  sich  durch  den  Einfluss  der  Elektrizität  so¬ 
fort  verkleinerte,  und  zwar  bei  einer  Sitzung  um  %  Zoll  in  jeder 
Richtung.  Nach  10  bis  20  Sitzungen  soll  der  Magen  seine  normale 
Ausdehnung  und  Lage  wiedererlangen.  Zugleich  wurde  bei  15 
unter  den  17  Fällen  die  Verdauung  wieder  eine  normale  und 
besserte  sich  die  meist  sekundär  entstandene  Neurasthenie.  Die 
Behandlung  soll  die  ungestreiften  Muskelfasern  des  Magens  durch 
den  Vagus  tonisieren;  gleichzeitig  bestehende  Anomalien  der 
Magensekretion  (Hypochlorhydria  etc.)  werden  durch  die  Behand¬ 
lung  nicht  beeinflusst;  nur  die  motorische  Kraft  des  Magens  wird 
gebessert,  er  entleert  sich  zu  normaler  Zeit,  und  die  Stauung  der 
Speisen,  mit  allen  sie  begleitenden  üblen  Folgen,  hört  auf.  Neben 
der  Behandlung  mit  diesen  Strömen  wurden  die  Kranken  auf  eine 
Trockendiät  gesetzt:  bei  den  Mahlzeiten  wurde  nie  getrunken,  die 
zum  Leben  nötige  Flüssigkeitsmenge  wurde  in  Form  von  heissem 
Wasser  wenigstens  %  Stunden  vor  den  Mahlzeiten  gegeben.  Ab¬ 
gemagerte  Kranke  nehmen  bei  dieser  Behandlung  an  Gewicht  zu, 
während  Dicke  abnehmen.  Nach  genauer  Beschreibung  der 
Technik  geben  die  Verfasser  noch  ausführlich  17  Kranken¬ 
geschichten  mit  Abbildungen  der  vergrösserten  und  wieder  normal 
gewordenen  Magen.  (Das  Ganze  erinnert  lebhaft  an  gewisse  Ab¬ 
bildungen  von  erweiterten  Herzen,  die  unter  der  Einwirkung  eines 
Bades  in  Nauheim  ihre  normale  Grösse  und  Lage  annehmen.  Ref.) 

Duucan  Turner:  Eine  neue  Methode  der  Behandlung  der 
Phthise.  (Ibid.) 

Diesmal  kommt  die  Kunde  von  der  neuen  „Kur“  der  Schwind¬ 
sucht  von  den  Antipoden,  wo  sie  Verfasser  in  einem  Sanatorium 
bei  Melbourne  seit  längerer  Zeit  durchgeführt  hat.  Dieses  neue 
Heilmittel  besteht  darin,  dass  der  Kranke  täglich  mit  einer 
Mischung  von  Kreosot  und  Lebertran  eingerieben  und  das  Lini¬ 
ment  dann  kräftig  in  den  ganzen  Körper  hineinmassiert  wird, 
ausserdem  wird  der  galvanischen  Behandlung  grosses  Gewicht  bei- 


g<  legi.  Auch  diese  Arbeit  enthält  verschiedene  Krankengeschich¬ 
ten  über  glänzende  Heilungen. 

Lawrie  M  c*  G  a  v  i  n:  Oophorektomie  bsi  Brustkrebs.  (Ibid.) 

In  \  erfassers  Falle  trat  das  Rezidiv  nach  Mammaamputation 
bald  auf;  da  dies  Rezidiv  bei  der  42  jährigen,  noch  menstruieren¬ 
den  Frau  nicht  mehr  zu  entfernen  war,  so  schlug  er  die  Kastration 
vor  und  führte  sie  aus,  zugleich  entfernte  er  soviel  vom  Rezidiv 
"  i(1  möglich.  Obwohl  die  Y\  unden  glatt  heilten  und  die  Menstrua¬ 
tion  sofort  aufhörte,  blieb  jeder  Erfolg  auf  das  Karzinom  der 
Narbe  ans;  nur  eine  Drüsenmasse  in  der  Achsel,  die  fest  mit  den 
(»('fassen  verwachsen  war  und  deshalb  zurückgelassen  wurde,  ver¬ 
schwand  völlig  und  mit  ihr  ein  beträchtliches  Oedem  des  Armes, 
das  vor  der  Kastration  sehr  lästig  gewesen  war.  Verfassei*  fühlt 
dies»'  scheinbar  günstige  Wirkung  jedoch  mehr  auf  die  lokale 
Operation  und  di»*  dadurch  bedingten  Veränderungen  in  der  Zirku¬ 
lation,  als  auf  die  Kastration  zurück. 

V  illiam  James  Ho  y  1  o  n:  Zur  Serumbehandlung  gegen 
Krebs.  (Brit.  Med.  Journ.,  25.  Oktober  1902.) 

Kurze  Mitteilung  über  2  Fälle  inoperablen  Brustkrebses,  die 
Verfasser  mit  einem  Serum  behandelte,  welches  er  selbst  durch  In¬ 
jektion  eines  Hundes  mit  frisch  ausgepresstem  Krebssaft  gewann. 
In  beiden  Fällen  hörten  die  vorher  sehr  heftigen  Schmerzen  nach 
»len  Einspritzungen  auf.  auch  verschwanden  die  grossen  Driisen- 
packete  in  den  Achselhöhlen,  der  Brustkrebs  selbst  wurde  nicht 
wesentlich  beeinflusst.  Verfasser  glaubt  trotzdem  die  Behand¬ 
lungsmethode  empfehlen  zu  dürfen,  da  sie  das  Leiden  lindert  und 
das  Leben  verlängert. 

W.  T.  Gairdner:  Die  behauptete  Zunahme  der  Krebs¬ 
krankheit.  (Brit.  Med.  Journ..  11.  Oktober  1902.) 

Der  bekannte  Kliniker  hat  einen  seiner  Schüler  veranlasst,  an 
»lern  Material  des  Irrenhauses  zu  Montrose  zu  studieren,  ob  die  Zu¬ 
nahme  der  Krebskrankheit  wirklich  besteht.  Ein  solches  Material 
scheint  sich  besonders  gut  dazu  zu  eignen,  da  alle  Kranken  den¬ 
selben  Bcvülkerungsklassen  entstammen,  und  da  Gairdners 
Schüler.  Dr.  Howden,  seit  30  Jahren  alle  in  dieser  Anstalt  ge¬ 
storbenen  Kranken  genau  seziert  hat.  Nachforschungen  haben 
nun  ergeben,  dass  die  Zahl  <l»*r  Krebsfälle,  »lie  durch  Sektion  nach¬ 
gewiesen  wurden,  in  den  ersten  15  Jahren  eher  etwas  grösser  war. 
als  in  den  letzten  15  Jahren  von  Dr.  Howilens  Tätigkeit.  Ver¬ 
fasser  möchte  durch  die  Bekanntmachung  dieser  Resultate  An¬ 
lass  zu  ähnlichen  Studien  geben. 

E-  W.  Anley  Walker:  Die  Steigerung  der  Virulenz  von 
Bakterien  durch  Passage  ausserhalb  des  Tierkörpers.  (Brit. 
Med.  Journ.,  18.  Oktober  1902.) 

Mitteilung  von  Versuchen,  die  ergeben  haben,  dass  man  die 
Virulenz  von  Bakterien  steigern  kann,  indem  man  sie  in  vitro  durch 
ein»'  bakteriol vtische  Flüssigkeit  passiert  (Kaninchenblut). 

Henry  H  a  r  p  e  r:  Reiner  Harnstoff  in  der  Behandlung  der 
Tuberkulose.  (Ibid.) 

Verfasser,  der  schon  mehrfach  in  der  Lancet  über  diese  Ver¬ 
suche  berichtet  hat,  nimmt  an,  dass  die  Gewebe  der  Gichtkranken 
der  Ansiedelung  von  Tuberkelbazillen  grossen  Widerstand  ent¬ 
gegensetzen.  Die  Gewebe  der  Gichtkranken  erhalten  zu  viel  mine¬ 
ralische.  die  der  Tuberkulösen  zu  wenig  mineralische  Bestandteile; 
es  sind  sozusagen  antagonistische  Nährböden.  Verfasser  will  nun' 
»lern  tuberkulösen  Organismus  mehr  Stickstoff  zuführen,  und  er 
erreicht  dies  durch  eine  eiweissreiche  Diät  und  durch  die  Ver¬ 
abreichung  von  reinem  Harnstoff.  Er  beginnt  mit  1,0,  3  mal  täg¬ 
lich  zwischen  den  Mahlzeiten  in  Pfeffermünz wasser  genommen 
bald  steigt  er  bis  zu  3,  5  und  7,0.  täglich  3  mal.  Nur  chemisch 
reiner  Harnstoff  wird  gut  vertragen,  der  im  Handel  käufliche  er¬ 
zeugt  Durchfall  und  Erbrechen.  Verfasser  gibt  eine  Tabelle  der 
auf  diese  Weise  geheilten  Kranken.  Die  Behandlung  ist  nützlich 
bei  Lungen-,  Knochen-,  Haut-  und  Intestinaltuberkulose. 

Charles  A.  Bailance:  Ligatur  der  A.  subclavia  dextra 
und  der  Carotis  bei  Aneurysma  der  Anonyma.  (Lancet,  1.  No¬ 
vember  1902.) 

Die  Arbeit  enthält  neben  genauer  Krankengeschichte  und  vor¬ 
trefflichen  Abbildungen  des  Falles  eine  kurze  Abhandlung  über  die 
1  uterbindung  der  Anonyma  im  allgemeinen.  Verfasser  hält  es  für 
überflüssig,  zur  Freilegung  der  A.  anonyma  das  Sternum  zu  re¬ 
stzieren  oder,  wie  M  i  lto  n  angegeben  hat,  zu  spalten.  (Er  selbst 
machte  eine  temporäre  Resektion  des  Manubriums.)  Da  die  Aneu¬ 
rysmen  der  Anonyma  nicht  selten  etwa  einen  Zoll  des  proximalen 
Abschnittes  der  Arterie  fgeilassen,  so  ist  in  vielen  Fällen  die  proxi¬ 
male  Ligatur  möglich.  Man  muss  das  Gefiiss  mit  einer  starken, 
langsam  resorbierbaren  Ligatur  uinschniiren,  er  selbst  verwendete 
eine  solche  aus  Ochsenperitoneum.  Er  knotete  einen  Doppelknoten 
mit  2  Fäden  und  sah  darauf,  dass  die  Arterienwand  nicht  ge¬ 
sprengt  wurde.  Er  unterband  dann  gleichzeitig  die  Carotis  com¬ 
munis,  fand  dieselbe  aber  schon  tliroinbosiert.  Der  Patient  starb 
am  folgenden  Tage  unter  den  Erscheinungen  einer  linksseitigen 
Hemiplegie.  Bei  der  Sektion  fand  man.  dass  der  Thrombus  von 
der  Karotis  sich  bis  in  die  A.  cerebral is  media  erstreckte.  Ver¬ 
fasser  fasst  diese  Thrombose  als  eine  marantische  auf.  entstanden 
durch  eine  \  a  1  s  a  1  v  a  sehe  Hungerkur,  di»*  der  Operation  vorauf¬ 
gegangen  war.  Er  empfiehlt  deshalb,  Kranke,  deren  Aneurysmen 
man  operieren  soll,  vor  »ler  Operation  kräftig  zu  nähren.  Ver¬ 
fasser  glaubt,  dass  die  Anonyma  bisher  33 mal  unterbunden  wurde 
(5  mal  wegen  Blutung).  Nur  (i  Fälle  genasen;  trotzdem  hält  Ver¬ 
fasser  die  von  ihm  beschriebene  Operation  für  gerechtfertigt,  da 
si»>  das  einzige  Mittel  ist,  einen  sonst  unheilbaren  Zustand  zu  be¬ 
seitigen.  In  einem  Falle  wurde  10  jährige  Heilung  beobachtet, 
dann  kehrte  das  Aneurysma  wieder  und  führte  zum  Tode. 


162 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


George  Dean  und  Charles  Todd:  Einige  Versuche  über 
Tuberkulose.  (Ibid.) 

Kurze,  vorläufige  Mitteilung  über  Tierversuche.  Es  gelang, 
bei  einem  Kalbe  durch  Impfung  mit  dem  Bazillus  der  menschlichen 
Tuberkulose  eine  ausgedehnte  Drüsentuberkulose  und  bei  einem 
Schweine  eine  rapid  verlaufene,  tödliche,  allgemeine  Tuberkulose 
zu  erzeugen. 

George  Stoker:  Chronische  Mittelohrtaubheit  und  Ozon. 
(Ibid.) 

Verfasser  veröffentlicht  4  Krankengeschichten  von  tauben 
Patienten,  (Sklerose),  bei  welchen  die  Taubheit  wesentlich  dadurch 
gebessert  wurde,  dass  man  Ozon  durch  einen  Katheter  in  die 
Eustachische  Tube  und  das  Mittelohr  pumpte.  Auch  der  lästige 
Tinnitus  verschwand. 

"SV.  Gifford  Nash:  Akute  Pankreatitis,  Cliolelithiasis  und 
Glykosurie.  Heilung  durch  Operation.  (Ibid.) 

Ein  60  jähriger  Mann  erkrankte  plötzlich  (27.  Oktober  1901) 
an  Leibschmerzen  und  Erbrechen.  Die  Vorgeschichte  ergab  mehr¬ 
fache  Anfälle,  die  auf  Gallensteine  schliessen  liessen,  am  29  jedoch 
besserte  sich  nach  hohen  Einläufen  der  Zustand.  Am  5.  Novembei 
wurde  Glykosurie  bemerkt.  Die  Besserung  war  eine  sehr  lang- 
same,  auch  blieb  eine  Resistenz  in  der  Pankreasgegend  zurück. 
Eine  Probelaparotomie  am  17.  November  ergab  beträchtliche  Ver- 
grösserung  des  Pankreas  und  ausgedehnte  Fettnekrosen  im  Mesen¬ 
terium  und  Omentum.  In  der  Gallenblase  lag  ein  grosser  Stein, 
die  Wand  der  Gallenblase  war  stark  entzündet.  Die  Gallenblase 
wurde  drainiert  und  es  erfolgte  Heilung;  auch  die  Glykosurie  ver¬ 
schwand.  Verfasser  glaubt,  dass  es  sich  um  eine  Pankreatitis 
Simplex  gehandelt  hat,  hervorgerufen  durch  einen  von  der  Gallen¬ 
blase  fortgeleiteten  Katarrh.  Die  durch  diese  Operation  sicher¬ 
gestellte  Heilung  einer  so  ausgedehnten  Fettnekrose  ist  jedenfalls 
sehr  selten. 

Edmund  Owen:  Zur  Klinik  der  Peritonealtuberkulose. 
(Lancet,  25.  Oktober  1902.) 

Die  Arbeit  bringt  eine  Anzahl  von  Krankengeschichten  und 
diagnostischen  Winken.  Wichtig  ist,  dass  Verfasser,  ein  besonders 
in  der  Kinderchirurgie  sehr  erfahrener  Arzt,  warm  für  die  Laparo¬ 
tomie  eintritt;  die  Operation  bringt  seiner  Meinung  nach  in  vielen 
Fällen  Hilfe,  die  sonst  verloren  wären,  es  genügt,  den  Bauch  zu 
öffnen  und  nach  Ablauf  der  etwa  vorhandenen  Flüssigkeit  wieder 
zu  schliessen.  Daneben  hält  er  gute  Luft  und  kräftige  Ernährung 
für  wesentliche  Heilfaktoren,  er  warnt  aber  vor  Leberschätzung 
der  jetzt  üblichen  Freiluftbehandlung,  die  durchaus  nicht  von  allen 
Kranken  vertragen  wird.  Viele  Kranke  sind  besser  im  Süden  auf¬ 
gehoben,  als  in  einem  nordischen  Sanatorium. 

J.  G.  Irvine:  Ausgewählte  Fälle  von  Schussverletzungen 
des  Schädels.  (Ibid.) 

Verfassers  Beobachtungen  stammen  aus  dem  Burenkriege.  Er 
spricht  zuerst  über  die  Schüsse  aus  nächster  Nähe.  Beim  Mauser¬ 
oder  ähnlichen  Gewehren  wird  eine  Explosivwirkung  nur  dann  be¬ 
obachtet,  wenn  das  Gewehr  so  nahe  am  Kopfe  abgefeuert  wurde, 
dass  eine  direkte  Explosivwirkung  des  Pulvers  in  Frage  kommt, 
also  eigentlich  nur  beim  Selbstmord;  werden  im  Gefecht  solche 
schwerste  Verletzungen  gesehen,  so  rühren  sie  von  Expansions¬ 
geschossen  her.  Schüsse  aus  der  Nähe  sind  übrigens  immer  töd¬ 
lich,  ferner  scheinen  alle  Schüsse  (Entfernung  einerlei)  tödlich  zu 
sein,  die  die  Basis  treffen  und  in  die  mittlere  oder  hintere  Schädel¬ 
grube  eindringen.  Verfasser  spricht  dann  weiter  über  die  Schüsse 
aus  mittleren  Entfernungen.  Die  sogen,  „gutterfractures“,  von 
denen  er  4  operierte,  genasen  alle;  die  oberflächlichen  Perforations¬ 
schüsse  (oberflächlich,  weil  Ein-  und  Ausschussöffnung  im  oberen 
Abschnitt  des  Schädels  liegen)  sind  im  allgemeinen  von  günstiger 
Prognose,  wenn  der  Kranke  den  ersten  Schock  übersteht,  Ver¬ 
fassers  Fälle  wurden  alle  trepaniert,  um  die  heftige  Blutung  durch 
Tamponade  zu  stillen.  Während  bei  diesen  oberflächlichen  Per¬ 
forationen  die  beiden  Schussöffnungen  gross  und  unregelmässig 
sind,  auch  ziemlich  bedeutende  Fissuren  davon  ausgehen,  findet 
man  bei  den  tiefen  Schüssen  meist  glatte,  kreisrunde  Schuss¬ 
öffnungen,  gerade  gross  genug,  um  das  Geschoss  durchzulassen; 
Fissuren  linden  sich  selten  und  dann  nur  von  geringer  Ausdehnung. 
Dabei  ist  der  Schusskanal  durch  das  Gehirn  recht  beträchtlich, 
das  Gehirn  in  grosser  Ausdehnung  zertrümmert;  klinisch  bestehen 
die  Symptome  der  Gehirnzerreissung,  es  besteht  die  sog.  „cerebral 
irritability“.  Von  9  Fällen  wurden  8  operiert.  .  Am  besten  ist  es, 
wenn  man  beide  Wunden  erweitert,  erlaubt  dies  der  Zustand  des 
Kranken  nicht,  so  trepaniere  man  (falls  nicht  bestimmte  Gründe 
auf  die  Ausschussöffnung  hinweisen)  über  der  Einschussöffnung; 
da  von  hier  aus  Splitter  in  das  Gehirn  getrieben  werden.  Die  Pro¬ 
gnose  dieser  tiefen  Schüsse  ist  besser  als  die  der  oberflächlichen, 
von  9  Fällen  genasen  7,  2  der  Operierten  starben  an  eitriger  En- 
kephalitis.  Die  schliesslichen  Erfolge  sind  am  besten  bei  den 
„gutterfractures“,  viele  dieser  Verletzten  erhalten  ein  un¬ 
geschwächtes  geistiges  Vermögen;  schlechter  ist  es  bei  den  per¬ 
forierenden  Schüssen,  kehrt  auch  die  Intelligenz  zurück,  SO'  dass 
die  Verletzten  z.  B.  mit  vollem  Verständnis  sprechen  und  lesen 
können,  so  ermüden  sie  doch  sehr  rasch  und  sind  zur  Arbeit  un¬ 
tauglich.  Die  Fälle,  in  denen  das  Geschoss  im  Schädelinneren 
stecken  bleibt,  sind  nicht  selten,  doch  enden  sie  meist  tödlich. 
Liegt  das  Geschoss  an  zugänglicher  Stelle,  so  muss  es  entfernt  wer¬ 
den.  Verfasser  beschreibt  dann  noch  einen  Fall  von  Schädelver¬ 
letzung  durch  ein  Expansionsgeschoss.  Dies  Geschoss  entfaltete 
aber  keine  Expansionskraft,  sondern  durchbohrte  den  Schädel, 
zerstörte  dann  einen  beträchtlichen  Teil  des  Gehirns,  blieb  im 


Schädelinneren  liegen  und  führte  durch  Hirnzerreissung  den  Tod 
herbei. 

Robert  Jones:  Geisteskrankheiten  durch  Alkoholmiss¬ 
brauch,  (Lancet,  25.  Oktober  1902.) 

Verfasser  führt  aus,  dass  der  Alkoholverbrauch  in  den  letzten 
“(i  Jahren  in  England  bedeutend  heraufgegangen  ist.  Er  beträgt 
jetzt  ungefähr  78  M.  pro  Kopf  im  Jahre.  Die  Sterblichkeit  durch 
Alkohol  ist  in  den  letzten  15  Jahren  bei  Männern  um  42,  bei  Frauen 
um  100  Proz.  gestiegen.  Sie  beträgt  jetzt  für  Männer  91  und  für 
Frauen  52  für  je  100  000  Personen  der  Bevölkerung.  Irrsinnige 
gibt  es  in  England  ungefähr  110  000  (d.  h.  solche,  die  in  Anstalten 
untergebracht  sind).  Von  ihnen  erkrankten  31,3  Proz.  (21,8  Männer) 
durch  Alkolmlmisbrauch.  In  Verfassers  Anstalt  zu  Claybury  wur¬ 
den  in  9  Jahren  8493  Kranke  aufgenommen,  darunter  33,8  Proz., 
die  ihre  Geistesstörung  dem  Alkoholismus  verdankten.  Besonders 
bemerkbar  ist  eine  Steigerung  des  geheimen  Trinkens  unter  Frauen 
der  besseren  Stände.  Verfasser  spricht  dann  weiter  über  den  Ein¬ 
fluss  der  Vererbung,  des  Geschlechtes  und  der  Lebensweise,  sowie 
des  Alters;  dann  geht  er  zur  Symptomatologie  und  Pathologie  des 
chronischen  Alkoholismus  über.  Die  Behandlung  hat  besonders 
in  der  Prophylaxe  zu  bestehen,  und  zwar  kommt  vor  allem  die 
völlige  Abstinenz  in  Frage.  Plötzliche  Entziehungen  müssen  stets 
ärztlich  überwacht  werden,  da  schwere  Kollapszustände  Vor¬ 
kommen.  Verfasser  ist  ferner  ein  Anhänger  der  gesetzgeberischen 
Beschränkung  des  Alkoholverkaufes;  er  glaubt,  dass  man  durch 
Beschränkung  der  Wirtshäuser  und  Schankzeit  viel  nutzen  kann. 
Chronische  Säufer  gehören  in  eine  Anstalt,  und  zwar  für  möglichst 
lange  Zeiten,  Kuren,  d.  h.  völlige  Heilungen  werden  allerdings  so 
gut  wie  niemals  erzielt. 

A.  Caddy:  Ueber  den  klimatischen  Bubo.  (Indian  Medical 
Gazette,  Juli  1902.) 

Verfasser,  der  in  Indien  12  Fälle  dieser  von  Schenke  als 
klimatischer  Bubo  bezeichneten  Krankheit  beobachtet  hat,  stellt 
fest,  dass  gleichartige  Krankheitsbilder  aus  China,  Sumatra, 
Madagaskar,  Ostafrika  und  Westindien  beschrieben  wurden.  Die 
Bubonen  entstehen  ohne  nachweisbare  Ursache,  zuweilen  ver¬ 
eitern  sie,  fast  immer  besteht  Fieber.  Vielfach  wurden  sie  auf 
Malaria  zurückgeführt,  doch  ist  Chinin  ohne  Erfolg;  auch  mit  Pest 
haben  sie  nichts  zu  tun.  C  a  d  d  y  führt  sie  zurück  auf  kleinste 
Verletzungen  der  Haut  bei  Leuten,  die  durch  schwere  Arbeit  in  den 
Tropen  geschwächt  und  anämisch  geworden  sind.  (Nicht  selten 
mögen  Insektenstiche  oder  der  als  „prickly  heat“  bekannte  Aus¬ 
schlag  als  Eingangspforte  dienen.)  In  2  Fällen,  die  er  bakterio¬ 
logisch  untersuchte,  fand  Verfasser  Staphylokokken.  Selbst  bei 
nicht  vereiterten  Fällen  ist  die  Exstirpation  meist  nötig,  da  die 
Bubonen  sich  fast  nie  zurückbilden  und  Genesung  erst  nach  der 
Entfernung  auf  tritt.  Wahrscheinlich  kommen  viele  Fälle  der  als 
..Pestis  rninor“  beschriebenen  Krankheit  wirklich  unter  die  Klasse 
der  klimatischen  Bubonen“,  die,  wie  gesagt,  fast  überall  in  den 
Tropen  Vorkommen. 

Z  a  m  mit:  Das  Mittelmeer(Malta)fieber.  (Malta  Arch.  and 

Seien t.  Soc.,  Mai  1902.) 

Das  Maltafieber  ergreift  in  Malta  etwa  700  Personen  jährlich, 
und  zwar  hauptsächlich  in  den  Monaten  zwischen  Mai  und  Sep¬ 
tember.  Die  Sterblichkeit  ist  zwar  gering,  doch  lässt  die  völlige 
Genesung  oft  sehr  lange  auf  sich  warten.  Verursacht  wird  die 
Krankheit  durch  den  von  Bruce  1880  entdeckten  Kokkus,  der 
stets  nach  dem  Tode  aus  der  Milz  gezüchtet  werden  kann.  Die 
Krankheit  hat  nichts  mit  schlechten  sanitären  Verhältnissen  zu 
tun,  wie  Verfasser  an  den  Beispielen  verschiedener  Städte  nach¬ 
weist.  Es  ist  experimentell  festgestellt,  dass  es  gelingt,  die  Krank¬ 
heit  zu  erzeugen,  wenn  man  die  betreffenden  Kokken  der  Haut  ein¬ 
verleibt.  Verfasser  glaubt  deshalb,  dass  auch  diese  Krankheit  wie 
die  Malaria  durch  Mücken,  und  zwar  durch  Culices  verbreitet  wird. 
Er  empfiehlt  die  Trockenlegung  der  als  Brutstätten  dienenden 
Tümpel,  resp.  die  Zerstörung  der  Larven  durch  Petroleum. 

Leonard  Williams:  Die  Chorea.  (Journal  of  Balneology 
and  Climatology,  Oktober  1902.) 

Nach  genauer  Besprechung  der  Aetiologie  und  Pathologie  der 
Erkrankung  geht  Verfasser  auf  die  Behandlung  über.  Er  möchte 
jedes  so  erkrankte  Kind  isolieren  und  im  Bette  halten.  Dann 
scheint  es  ihm  wichtig,  den  Kranken  dauernd  in  einem  Dämmer¬ 
zustände  zu  erhalten  und  er  erreicht  dies  durch  Trional;  daneben 
sucht  er  durch  warme  Bäder  oder  warme  Einpackungen  Schlaf  zu 
erzeugen.  Die  Trionalbehandlung  beruhigt  auch  das  Herz  und 
verhütet  sicherlich  in  vielen  Fällen  Ueberanstrengung  desselben. 
Nach  Beseitigung  der  akuten  Symptome  hält  er  das  Kind  noch 
lange  ruhig,  verbietet  Schule  und  alle  Spiele  und  gibt  eine  reine 
Pflanzenkost  mit  Milch.  In  der  Rekonvaleszenz  schickt  er  die  Kin¬ 
der  an  die  See,  das  Gebirge  hält  er  für  kontraindiziert.  Von 
Arsenik  hat  er  keinerlei  Nutzen  gesehen,  gibt  man  es  in  grossen 
Dosen,  so  führt  es  leicht  zu  peripherer  Neuritis. 

W.  A.  Campbell:  Ueber  Blutuntersuchung  im  Hoch¬ 
gebirge.  (Ibid.) 

Verfasser  hat  gefunden,  dass  die  Anzahl  der  roten  Blutkörper¬ 
chen  im  Gebirge  steigt,  und  zwar  um  50  000  im  Kubikmillimeter 
mit  jeden  1000  Fuss,  die  der  zu  Untersuchende  steigt.  Ebenso 
steigt  proportioneil  die  Pulsfrequenz;  die  Vermehrung  der  roten 
Blutkörperchen  ist  keine  absolute,  sondern  sie  ist  nur  bedingt  durch 
veränderte  vasomotorische  Bedingungen  in  den  Gefässen  der  Peri¬ 
pherie,  die  auf  der  Verminderung  des  barometrischen  Druckes  be¬ 
ruhen.  Dies  konnte  experimentell  auch  an  Kaninchen  nach¬ 
gewiesen  werden,  deren  Mesenterialgefässe  entsprechend  weniger 
rote  Körperchen  enthielten  als  die  peripheren  Gefässe.  Die  ge- 


23.  Dezember  1902.  MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  2163 


schilderten  Veränderungen  im  Blute  und  in  der  Pulsfrequenz  ver¬ 
schwinden  wieder,  sobald  der  Untersuchte  in  die  ursprüngliche 
Höhenlage  zurückkehrt.  Der  Hämoglobingehalt  steigert  sich 
naturgemäss  nicht.  Bleibt  die  Person  lange  Zeit  in  grösseren 
Höhen,  so  tritt  eine  wirkliche  Vermehrung  der  roten  Blutkörper¬ 
chen  und  des  Hämoglobingehaltes  auf. 

Francis  D.  Boyd:  lieber  die  Irrtümer  bei  der  Zuckerprobe 
mit  Kupfer.  (Scott.  Med.  and  Surgic.  Journ.,  Oktober  1902.) 

\  erfasser  bespricht  die  möglichen  Fehlerquellen  und  rät  dann, 
die  Fehling  sehe  Probe  so  zu  machen,  dass  Urin  und  Feliliug- 
sche  Lösung  in  verschiedenen  Gläsern  bis  zur  Siedehitze  gebracht 
werden,  nach  30  Sekunden  (d.  h.  wenn  die  Lösungen  etwas  unter¬ 
halb  des  Siedepunktes  sind)  mischt  man;  eine  jetzt  auftretende 
Reduktion  der  Kupferlösung  kann  nur  durch  Glukose  bedingt  sein, 
da  Kreatinin  etc.  nur  bei  Siedehitze  reduzieren. 

C.  Mansell  Moullin:  Der  heutige  Stand  der  Behandlung 
der  Prostatahypertrophie.  (Edinb.  Med.  .Tourn.,  Oktober  1902.) 

Verfasser,  der  seit  vielen  Jahren  sich  mit  der  Behandlung  der 
Prostataleiden  befasst  hat,  verwirft  das  sog.  Katheterleben  völlig. 
Wenn  auch  der  Katheter  anfänglich  die  unbequemen  Symptome 
mildert,  so  hat  seine  dauernde  Anwendung  doch  so  viele  Unan¬ 
nehmlichkeiten  und  Gefahren  im  Gefolge,  dass  man  stets  vei*- 
suchen  sollte,  die  Ursache  und  nicht  die  Symptome  zu  bekämpfen; 
ganz  besondei’s  da  mit  Zunahme  der  Vergrösserung,  mit  dem  zu¬ 
nehmenden  Verluste  der  muskulären  Kraft  der  Blase  und  mit  zu¬ 
nehmendem  Alter  des  Kranken  der  Katheterismus  stets  schwie¬ 
riger  wird,  daneben  drohen  natürlich  Cystitis  und  Blasenblutungen. 
Ist  die  Px-ostata  gross,  sind  die  Kräfte  des  Kranken  gut  und  seine 
Harnwege  in  leidlichem  Zustande,  so  entferne  nxan  das  Hindernis; 
hier  kaixn  man  von  einer  suprapubiseben  Cystotomie  Vordringen 
oder  vom  Damme  aus,  die  erstere  Methode  vei'dient  den  Vorzug 
in  allen  Fällen,  in  denen  es  sich  um  Auswüchse  oder  gar  gestielte 
Tumoren  der  Prostata  handelt.  Operiert  man  vom  -Damme  aus, 
so  erleichtert  man  sich  die  Operation,  wenn  maix  durch  eiixen  supra- 
p xibischen  Schnitt  einen  Finger  in  die  Blase  führt  und  die  Pro¬ 
stata  nach  abwärts  drängt.  Bei  kleiner,  harter  Prostata  und 
atonischer  Blase  oder  bei  septischer  Pyelonephritis  ist  die  Opera t  ion 
konti'aindiziert.  In  letzterem  Fall  gelingt  es  oft  durch  eiixe  tem- 
pox*äre  Blasendrainage  den  Zustand  soweit  zu  bessern,  dass  man 
später  zur  Pixxstatektomie  schreiten  kann.  Die  Mortalität  der 
supi'apxxbisehen  Prostatektomie  überschreitet  nicht  10  Proz.;  ope- 
riort  man  fiüihzeitig,  d.  h.  ehe  der  Allgemeinzustand  und  die  Ham- 
wege  durch  das  Katheterleben  geschädigt  sind,  so  sind  die  Erfolge 
noch  viel  besser.  War  die  Blasenmuskulatur  nur  durch  Inaktivität 
und  lxicht  durch  schwere  Entzündungen  geschädigt,  so  tritt  ein 
guter  Dauererfolg  ein,  d.  h.  der  Opei-iei’te  kann  deix  Urin  gut  halten 
und  entleeren.  Rezidive  hat  Verf.  bei  sehr  zahlreichen  Operationen 
nie  gesehen.  Die  Bottin  i-Freudenberg  sehe  Operation 
macht  VeiTasser  in  deix  Fällen  von  kleiner,  hai’ter  Prostata  und 
Atonie  der  Blase,  sowie  im  Anfangsstadium,  wenn  die  Beschwerden 
hauptsächlich  durch  entzündliche  Schwellung  der  Prostata  bedingt 
sixxd.  Bei  grosser,  gelappter  Prostata  und  bei  schwerer  Cystitis 
verwirft  er  die  Operation.  Die  Opei'ationen  an  den  Hoden  und 
Samenleitern  werden  ausgeführt,  um  die  Pi*ostata  zur  Atrophie 
zu  bringen,  um  Anfälle  von  Kongestion  und  um  Anfälle  von  akuter 
Epididymitis  zu  vermeiden.  Um  den  zxxletzt  genannten  Zweck  zxx 
erreichen,  genügt  es  völlig,  die  Vasa,  deferentia  zu  durchschneiden; 
der  gewünschte  Erfolg  tifitt  stets  ein.  Dxxrclxtrennt  man  die 
Samenleiter,  um  Blasenkongestionen  zxi  bessern,  so  tifitt  meist  sehr 
rasch  ein  gewisser  Ei'folg  ein,  die  Bessening  verschwindet  jedoch 
sehr  rasch  wiedei*.  Dxxrchschneidet  mau  den  ganzen  Samenstrang 
und  entfernt  ein  Stück  aus  demselben,  so  atx’ophiert  der  Hoden 
und  ist  diese  Operation  der  Kastration  gleichzustellen.  Vex’fasser 
hält  die  Kastration  für  eine  Bereichenxng  unseres  therapeutischen 
Könnens,  da  die  Prostata  häufig  schnxmpft  und  erhebliche 
Besserung  eintritt.  Verfasser  glaubt  nicht,  dass  die  Kastration 
i-esp.  die  Resektion  des  Samenstranges  zxx  geistigen  Störungen  An¬ 
lass  gibt.  In  allen  Fällen,  in  denen  die  Prostata  gleichförmig  ver- 
grössert,  rund,  glatt  und  elastisch  war,  brachte  die  Operation 
gx’ossen  und  dauernden  Nutzen.  In  Fällen  von  schwerer  Cystitis 
empfiehlt  Vei*fasser  die  Blasendrainage;  bessert  sich  der  Zxxstand, 
so  kann  man  später  die  Prostatektomie  anscliliessen. 

Hubert  E.  J.  B  i  s  s:  Bazillurie  und  Cystitis  bei  Typhus  und 
ihre  Behandlung  mit  Formalin.  (Ibid.) 

Verfasser  hat  311  Fälle  von  Typhus  genau  auf  den  Ux-in  unter¬ 
sucht  und  gefunden,  dass  39  von  ihnen  an  Harnretention  litten 
und  9  von  ihnen  später  an  Cystitis  oder  Bazillurie  erkrankten. 
Ausserdem  erkrankten  22  an  Bazillurie  ohne  Cystitis,  ohne  dass 
Urinretention  vorausgegangen  wäre.  Zum  Teil  waren  die  Ei-- 
ki’ankungen  spezifisch  typhöser  Natxxr,  zum  Teil  waren  sie  durch 
andere  Bakterien  hervorgerufen.  Thei’apeutisch  bewährte  sich 
das  Urotropin  vorzüglich,  nxxr  müssen  grosse  Dosen  gegeben 
werden  (am  besten  8  stündlich  0,75  bezw.  1,0),  auch  muss  das 
Mittel  noch  längere  Zeit  nach  dem  Verschwinden  der  Symptome 
gebraucht  werden. 

Grant  Andrew:  lieber  Cancerodermata.  (Glasgow  Medic. 
Journ.,  Oktober  1902.) 

Unter  Cancerodermata  verstehen  Brand  und  VexTasser  die 
verschiedenen  Angiome  etc.,  die  angeblich  häufig  in  der  Haut 
krebskranker  Personen  gefunden  werden  sollen.  Auf  Grund  seiner 
eigenen  Untei’suchungen  spricht  Verfasser  diesen  Geschwxilstchen 
jede  symptomatische  Bedeutung  ab,  da  sie  ebenso  häufig  bei  nicht 
an  Krebs  leidenden  Personen  Vorkommen.  Der  Name  Cancero¬ 
dermata  ist  deshalb  fallen  zu  lassen. 


A.  E.'  W  r  i  g  lx  t  und  F.  N.  Windsor:  Heber  den  bakteri¬ 
ziden  Einfluss  des  Menschenblutes  auf  gewisse  pathogene 
Mikroben.  (Journal  of  Hygiene,  Oktober  1902.) 

Die  Verfasser  haben  gefunden,  dass  Menschenblutserum  auf 
den  Typhusbazillus  eine  stark  bakterizide  Wirkxxng  ausübt,  ebenso 
auf  die  Choleravibrionen,  dass  es  aber  gegen  Staphylokokken, 
Streptokokken,  Pestbazillen,  Bac.  melitensis  und  gegen  Diphtherie¬ 
bazilleix  inert  ist.  Die  Verfasser  zeigen,  welche  Bedeutung  dieser 
Umstand  für  die  Lehre  von  der  Immunität  hat,  und  sie  suchen 
dadurch  den  Unterschied  zu  erklären,  der  in  der  zxxfälligen  In¬ 
okulation  mit  verschiedenen  Bazillen  besteht.  Während  es  z.  B. 
fast  ungefährlich  ist,  lebende  Choleravibrionen  oder  lebende 
Typhusbazillen  einem  Menschen  einzuimpfen,  sind  schon  die 
kleinsten  Mengen  voix  Bazilleix  der  Pest  oder  des  Maltafieber« 
überaus  gefährlich,  wenn  sie  durch  kleine  Abrasionen  oder  durch 
zufällige  Verletzungen  mit  infizierten  Nadeln  in  den  Körper  ge¬ 
langen.  Eine  Reihe  einschlägiger  Beobachtungen  werden  mit¬ 
geteilt.  J.  P.  zum  Busch-  London. 

Inaugural-Dissertationen. 

Universität  Greifswald.  November  1902. 

33.  Steller  Fritz:  üeber  die  tuberkulösen  Geschwüre  des 
Magens. 

34.  Wilde  Karl:  Ueber  tabische  Gelenkerkrankungen. 

Universität  Leipzig.  November  1902. 

140.  Eras  Gerhard:  Ueber  angeborene  Makroglossie. 

141.  M  ichalski  Ignaz:  Untersuchungen  über  Syphilis  placentae. 

142.  Schmidt  Paul:  Ueber  Elephantiasis  vulvae. 

143.  Rosen  b  e  r  g  e  r  Georg:  Die  Hypertrophie  der  lymphatischen 
Gebilde  des  Rachens  als  Symptome  der  Skropliulose. 

144.  Graf  Felix:  Die  Genitalfisteln  des  Weibes. 

145.  Kraus  se  Otto:  lieber  Halsrippen  des  Menschen. 

140.  Kritz  Georg:  Ueber  das  gleichzeitige  symmetrische  Auf¬ 
treten  von  Fibromen  am  Obei’-  und  Unterkiefer. 

147.  Tautz  Kurt:  Ueber  Gaumensegellähmung. 

148.  T  hie  mann  Johannes:  Beiträge  zur  Diagnostik  des  Lungen¬ 
abszesses  und  der  Lungengangrän. 

149.  Borchardt  Max:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Coekurn- 
exstirpation. 

150.  Czarnikau  David:  Ueber  die  Methoden  der  Behandlung 
der  benignen  Gastrektasien  nxit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Indikationen  für  die  operative  Thei’apie. 

151.  Horn  Georg:  Ueber  die  Operation  der  eitrigen  pleuritischen 
Exsudate. 

152.  Matusch  Johannes:  Uterusruptur  nach  Metreuryse. 


Vereins-  und  Konqressberichte. 

Gesellschaft  der  Charite-Aerzte  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  D  e  z  e  mb  e  r  1902. 

1.  Herr  K  xxhn:  Demonstration  von  Malariapräparaten. 

2.  Herr  Senator:  Demonsti’ation  eines  Falles  von  mus¬ 
kulärer  Rückenversteifung,  der  unter  dem  Bilde  der  ankylosiei'en- 
den  Spondylitis  verlaufen  ist.  Es  wii’d  eine  chx-onische  Myositis 
genommen.  Die  Wirbelgelenke  sind  in  der  Narkose  ziemlich  gut 
beweglich. 

3.  Herr  Strauss:  Ueber  den  osmotischen  Diuick  der 
menschlichen  Galle. 

In  2  Fällen  von  Gallenblasenfistel  beim  Menschen  wui’de  die 
Gefrierpunktserniediägung  der  Galle  bestimmt  auf  —  0,55 0  bis 
—  0.57  °.  also  gleich  wie  beim  Blut..  Der  Wert  wurde  durch  Wasser¬ 
zufuhr  nicht  verändert,  durch  10  g  Kochsalz  in  der  Nahrung  er¬ 
niedrigt,  ohne  dass  der  Kochsalzgehalt  der  Galle  dabei  ex’höht  war. 

Diskussion:  Herr  Krau  s. 

4.  Herr  Menzer:  a)  Beitrag  zur  Frage  der  Aetiologie  der 
chronischen  Nephritis. 

b)  Bericht  über  einen  Fall  von  Nephritis,  der  an  akuter 
eitriger  Bauchfellentzündung  stai-b,  als  deren  Ux’sache  eine  eitrige 
Bronchialdrüsenerkrankung  angenommen  wui*de.  Hier  wurden 
ebenso  wie  in  Milz  und  Nieren  Sti'eptokokken  gefunden.  Voi’- 
tragender  ist  der  Ansicht,  dass  die  auf  dem  Blutwege  in  die 
Nieren  gelangten  Streptokokken  als  die  Erreger  der 
Nierenerkrankung  anzusprechen  sind,  ebenso  wie  bei 
einem  Falle  von  chronischer  Nephritis  nach  Scharlach,  wo  er  in 
dem  Urin  Streptokokkenzylinder  beobachtet  hat. 

c)  Bericht  über  einen  Fall  von  Streptokokkenausscheidung 
durch  den  Urin  bei  einer  Schwangeren  mit  Oedemen  und  Al- 
bximinui'ie.  Der  Fötus  war  abgestorben.  Während  der  Geburt 
eklamptische  Anfälle.  Die  Streptokokken  vei’schwanden  mit  dem 
Eiweiss  aus  dem  Urin. 

Diskussion:  Herr  Michaelis,  Herr  Senator. 

5.  Herr  Richter  demonstriert  einen  Apparat  zur  Messung 
der  elekti’ischen  Leitfähigkeit  in  Blut  und  Harn. 

K.  Brandenburg-  Berlin. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


2164 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  25.  Oktober  1902. 

Vorsitzender :  Herr  G.  Sch  m  o  r  1. 

Der  Herr  Vorsitzende  macht  Mitteilung  von  dem  am  18.  Ok¬ 
tober  erfolgten  Tode  des  ordentlichen  Mitgliedes  Herrn  Johannes 
Grosse;  zu  Ehren  des  Verstorbenen  erheben  sich  die  An¬ 
wesenden  von  ihren  Plätzen. 

Herr  Fritz  Förster:  Heber  eine  Epidemie  von  Strepto¬ 
kokkenerkrankungen. 

Die  Epidemie  spielte  sich  ab  bei  7  von  9  einen  Haushalt 
teilenden  Personen  (Mutter.  Kindermädchen  und  5  Töchter  im 
Alter  von  5 — 11  Jahren,  während  Vater  und  Köchin  verschont 
blieben).  Sie  dauerte  14  Jahr,  doch  folgten  nach  3  und  6  Monaten 
je  ein  einzelner  Fall.  Im  ganzen  waren  es  18  Erkrankungen, 
und  zwar  10  Anginen,  1  schwere  Koryza,  3  Lymphangitiden  und 
4  sonstige  Ilautaffektionen.  Die  einzelnen  erkrankten  verschie¬ 
den  oft,  zeigten  demnach  eine  ungleiche  Disposition.  Stets  fan¬ 
den  sich  Streptokokken,  die  aber  für  weisse  Mäuse  nie  sich  als 
virulent  erwiesen.  Die  Epidemie  verlief  in  3  durch  kurze  Inter¬ 
valle  getrennten  Absätzen,  eingeleitet  stets  durch  eine  Haut¬ 
affektion,  der  Schleimhauterkrankungen  in  regelmässigen 
Zwischenräumen  folgten. 

E.  zieht  aus  seinen  Beobachtungen  folgende  Schlüsse: 

1.  Streptokokkeninfektionen  können  beim  Menschen  epi¬ 
demisch  gehäuft  auftreten. 

2.  Die  häufigste  Erkrankungsform  dabei  ist  die  Angina. 

3.  Unter  gewissen  Bedingungen  erlangt  der  Streptokokkus  die 
Fähigkeit,  direkt  von  Person  zu  Person  anzustecken. 

4.  Die  „spezifische  Virulenz“  erlangt  er  vermutlich  durch  ge¬ 
wisse  Passagen  durch  den  Menschen,  vor  allem  rasch  verlaufende 
Prozesse  in  der  Haut  und  den  Lymphbahnen. 

5.  Mit  der  Disposition  lassen  sich  diese  Epidemien  allein 
nicht  erklären.  Die  Virulenz  für  weisse  Mäuse  gibt  keinen 
Masstab  für  dieses  spezifische  Vermögen  des  Streptokokkus. 

6.  Die  Inkubationszeit  bei  derartigen  Infektionen  beträgt 
3 — 3Vz  Tage. 

7.  Der  hohen  Infektiosität  entspricht  durchaus  nicht  immer 
eine  besondere  Schwere  der  hervorgerufenen  Erkrankungen. 

Diskussion:  Herr  C  r  e  d  e  sali  in  diesem  Jahre  im  .Tohann- 
städter  Krankenhause  auffallend  viele  Erysipele  und  unter  den 
damit  Aufgenommenen  recht  viel  schwere  Fälle,  phlegmonöse 
Formen.  Er  konnte  ebenfalls  das  gleichzeitige  Vorkommen  von 
Angina  wiederholt  beobachten. 

Herr  Fiedle  r  sieht  die  geschilderten  Fälle  ebenfalls  für 
Streptokokkeninfektionen  an.  möchte  aber  daran  erinnern,  dass 
<‘s  auch  Fälle  von  Angina  rheumatiea  gibt,  die  —  gleicher  Aetio- 
logie  wie  der  akute  Gelenkrheumatismus  — -  gruppenweise  auf- 
troten.  Letzterer  werde  meist  durch  eine  Mandelentzündung  ein¬ 
geleitet.  Mitunter  aber  erschöpfe  sich  das  rheumatische  Virus 
schon  in  den  Tonsillen,  ebenso  könnten  ja  auch  die  Gelenke  ganz 
frei  bleiben  und  nur  Pleura.  Perikard  oder  die  Hirnhäute  reagieren. 

Herr  W  e  vthe  r  möchte  den  Herpes  zoster  und  das  inter- 
triginöse  Ekzem  nicht  als  Ausdruck  einer  Streptokokkeninfektion 
betrachtet  wissen. 

Herr  Förster  berichtigt  insofern  Herrn  Wert  her,  dass 
er  von  Hernes  zoster  gar  nicht  gesprochen  und  wohl  von  ihm 
in  diesem  Punkte  missverstanden  sei.  Bei  dem  von  ihm  ge¬ 
schilderten  Fall  von  stark  nässendem  Intertrigo  hinter  der  Ohr¬ 
muschel  mit  Ekzem  der  Umgebung  fanden  sich  in  dem  wässerigen 
Sekret  Streptokokken. 

In  der  Frage  der  Angina  rheumatiea  teilt  er  durchaus  die  An¬ 
sichten  von  Herrn  Fiedler,  in  den  Fällen  der  beschriebenen 
Epidemie  aber  fehlte  jedwedes  Argument,  die  Annahme  einer 
rheumatischen  Infektion  zu  rechtfertigen,  rheumatische  Erschei¬ 
nungen  an  Gelenken  oder  serösen  Häuten  stellten  sich  nie  ein. 

Herr  0.  Fischer:  Heber  Gärimg-sdyspepsie. 

An  der  Diskussion  beteiligen  sich  die  Herren  A.  Schmidt, 
O.  Fischer. 


Aerztlicher  Bezirksverein  zu  Erlangen. 

(gemeinsam  mit  der  physikalisch-medizinischen  Sozietät). 

Sitzung  vom  17.  November  1902. 

Herr  A.  v.  Strümpell  stellt  einen  Fall  von  schwerer  und 
sehr  ausgeprägter  Mycosis  fungoides  vor  und  bespricht  im  An¬ 
schluss  daran  die  wichtigsten  Punkte  aus  der  Pathologie  dieser 
seltenen  Krankheit. 

Der  Fall  betrifft  einen  38  jährigen  Mann.  Die  Krankheit  be¬ 
gann  ungefähr  im  Dezember  1900  mit  dem  Auftreten  von  kleinen 
schuppenden  Fleckchen  am  Rücken,  die  nach  Angabe  des  Patienten 
ausserordentlich  stark  gejuckt  haben.  Allmählich  dehnten  sich 


die  Flecken  zu  grösseren  Kreisen  aus,  die  mit  Schuppen  bedeckt 
waren,  zeitweise  aber  abheilten.  Das  Leiden  konnte  anfänglich 
nicht  sicher  gedeutet  werden.  Pat.  kam  im  März  d.  Js.  in  die 
medizinische  Klinik  und  da  stellte  sich  allmählich  immer  deut¬ 
licher  das  typische  Krankheitsbild  der  schweren  Mycosis 
fungoides  heraus. 

Gegenwärtig  kann  man  noch  an  den  Händen  einige  kleine 
schuppende  flache  Knötchen  sehen,  die  wohl  dem  Anfangsstadium 
des  Prozesses  entsprachen.  An  beiden  Hohlhänden  finden  sich 
kreisförmige,  schwach  infiltrierte  Partien  mit  grober  Epidermis- 
lösung,  wie  sie  etwa  bei  gewissen  Ekzemfonnen  oder  bei  einer 
Psoriasis  palmaris  auftreten  könnte.  Die  charakteristischen  Er¬ 
scheinungen  der  Mykosis  finden  sich  aber  zurzeit  in  stärkstem 
Masse  ausgeprägt  am  Kinn  und  im  behaarten  Gesicht,  am  Rumpf, 
in  der  Glutäalgegend  und  an  den  Beinen,  besonders  den  Ober¬ 
schenkeln.  Am  Kinn  findet  sich  eine  fast  faustgrosse  drüsige  und 
knollige,  rote  Neubildung,  an  mehreren  Stellen  oberflächlich  zer¬ 
fallen,  ulzeriert  und  mit  schmierigem  Belag  bedeckt.  Umfang¬ 
reiche,  über  handgrosse,  annähernd  kreisförmige  fungoide  Stellen, 
finden  sich  mehrfach  am  Rücken,  über  den  Glutäen  u.  a.  Der  Rand 
dieser  Stellen  ist  durch  die  fungöse  Neubildung  verdickt  (ca.  1  bis 
1  y2  cm  hoch).  Die  Neubildung  ist  z.  T.  zerfallen,  mit  gangränösen 
schmierigen  Gewebsfetzen  bedeckt.  An  anderen  Stellen  hat  sich 
aber  das  nekrotische  Gewebe  abgestossen  und  man  findet  reine 
Granulationen.  Wiederum  an  anderen  Stellen  ist  bereits  völlige 
Vernarbung  eingetreten.  So  kommt  es.  dass  am  Rücken  neben 
den  frischen  fungösen  Stellen  ausgedehnte  glatte,  z.  T.  reichlich 
vaskularisierte  Narben  vorhanden  sind.  Die  Haut  ist  an  vielen 
Stellen  dunkel  violett  pigmentiert.  Auch  in  der  behaarten  Kopf¬ 
haut  finden  sich  mehrere  zirka  thalergrosse  haarlose  narbige 
Stellen:  daneben  einige  kleinere,  frische  fungöse  Stellen.  Am 
r.  Vorderarm  sind  zurzeit  mehrere  flache,  tumorartige,  schwam¬ 
mige  Erhebungen  vorhanden,  die  z.  T.,  auch  ohne  zu  ulzerieren, 
wieder  zurückgehen. 

Einer  der  eigentümlichsten  Punkt©  in  der  Pathologie  der 
Mycosis  fungoides,  namentlich  auch  im  Gegensatz  zu  den 
Sarkome  n,  ist  die  Neigung  zu  spontaner  Rückbildung,  zum 
Zerfall  und  zur  Resorption  der  neugebildeten  fungösen  Ge¬ 
schwulstmassen.  Durch  Fortschreiten  der  Neubildung  am  Rande 
und  durch  zentrale  Vernarbung  entstehen  so  die  ausgedehnten; 
flach-kraterförmigen  Bildungen  auf  der  Haut.  Es  ist  wunderbar, 
wie  rasch  diese  Rückbildung  erfolgen  kann.  Relativ  grosse  Krater 
können  in  wenigen  Wochen  vollständig  verschwinden.  Zeit¬ 
weise  scheint  der  Prozess  zum  Stillstand  zu  kommen,  aber  dann 
treten  immer  wieder  von  neuem  andere  Knoten  in  der  Haut  auf. 
Sehr  oft  —  auch  bei  unserem  Patienten  —  kommt  es  zu  inter¬ 
kurrenten  Fiebersteigerungen,  die  sicher  abhängig  sind  von  der 
Resorption  der  septischen  Zerfallsprodukte.  Zeichen  einer  Er¬ 
krankung  der  inneren  Organe  sind  nicht  vorhanden.  Auch  die 
Lymphdrüsen  sind  auffallend  wenig  beteiligt. 

Die  Ther  a  p  i  e  ist  bei  der  Mycosis  fungoides  fast  machtlos. 
Arsen  wird  am  meisten  angewandt.  Einen  deutlichen  Nutzen  hat 
es  bei  unserem  Kranken  nicht  gehabt.  Grosse  Erleichterung 
schafft  das  kontinuierliche  Wasserbad.  Ausserdem  kommen  die 
verschiedensten  feuchten  Verbände,  Salben  in  Betracht.  Auch 
der  Lapisstift  hat  an  manchen  Stellen  die  Vernarbung  gefördert. 

Die  Diagnose  ist  im  ersten  Stadium  der  Krankheit,  so 
lange  die  charakteristischen  fungösen  Knoten  sich  noch  nicht  ent¬ 
wickelt  haben,  schwierig.  Man  denkt  zunächst  gewöhnlich  an 
Psoriasis,  Ekzem,  Lichen  u.  a.  Der  Vortragende  sah  vor  kurzem 
einen  anderen  Fall  von  Mycosis  fungoides,  der  von  verschiedenen 
Aerzten  als  tertiäre  Lues  aufgefasst  wurde  und  mit  stetig  wieder¬ 
holten  energischen  Schmierkuren  —  natürlich  ohne  allen  Erfolg 
—  behandelt  wurde.  Wer  die  seltene  Krankheit  aber  kennt,  wird 
sie  schliesslich  meist  bald  richtig  diagnostizieren. 

Diskussion:  Herr  Penzoldt. 

Herr  Jamin  berichtet  über  einen  Fall  von  akuter  Karbol¬ 
säurevergiftung.  Ein  gesundes  24  jähriges  Mädchen  hatte  in 
selbstmörderischer  Absicht  30  g  Acidum  carbolicum  liquefactum 
in  einer  Tasse  Wasser  verdünnt  getrunken  und  war  gleich  darauf 
bewusstlos  zusammengebrochen.  10  Minuten  später  Koma. 
Cyanose.  Cheyne-Stokessches  Atmen,  kaum  fühlbarer  fre¬ 
quenter  Puls,  in  den  Händen  und  Füssen  kleine  klonische  Muskel- 
zuekungen,  fehlende  Komealreflexe,  Pupillenreflex  erhalten.  Der 
Magen  wurde  wiederholt  mit  Wasser,  dann  mit  3  proz.  Lösung  von 
schwefelsaurem  Natron  ausgespült.  y2  Stunde  nach  der  Vergiftung 
kam  die  Kranke  wieder  zu  sich.  Dem  Erwachen  ging  ein  kurzes 
Exzitationsstadium  voran.  Der  daraufhin  entleerte  rauchgraue 
Urin  enthielt  Eiweiss  und  massenhaft  granulierte  Zylinder;  beides 
verschwand  schon  am  nächsten  Tage.  Die  Kranke  hatte  noch 
2  Tage  lang  Halsschmerzen,  die  Lungen  blieben  gesund.  Nach 
G  Tagen  liess  sich  normale  Salzsäurereaktion  des  Magens  nach- 
weisen  und  wurde  die  Kranke  geheilt  entlassen.  Vortragender 
demonstriert  gefärbte  mikroskopische  Präparate  von  dem  bei  der 
Magen  an  sspiilung  gewonnenen  flockigen  Sediment,  die  neben  Oeso- 
phagusepithelien  die  wohlerhaltenen  unter  der  Phenoleinwirkung 


23.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN SCHRIET. 


2165 


im  Zusammenhang  abgestossenen  Zylinderepithelkuppen  der  ober¬ 
flächlichen  Magenschleimhaut  zeigen.  Da  demnach  auch  die  Ver¬ 
schorfung  der  Magenschleimhaut  durch  konzentrierte  Karbollösau«- 
sehr  wenig  in  die  Tiefe  greift,  kann  für  ähnliche  Fälle  akuter 
Pi1<tI!C>h erS'^tun»  Oie  Magenausspülung  als  gefahrlos  em¬ 
pfohlen  werden.  Freilich  wird  diese  nur  dann  vor  der  Schädlich¬ 
keit  des  leicht  resorbierbaren  und  sehr  rasch  zur  Wirkung  kom¬ 
menden  Giftes  schützen  können,  wenn  sie,  wie  in  dem  vorliegenden 
1  alle,  sehr  bald  nach  dessen  Aufnahme  per  os  ausgeführt  werden 
kann. 

Diskussion:  Herren  Spuler,  Penzoldt,  Hauser, 
F  uchs,  G  e  s  s  n  er,  Rosenthal. 

Herr  Prof.  Hauser  demonstriert  das  Sektionspräparat  einer 
ausgeheilten  Dunndarminvagination  mit  dem  ausgestossenen 
Intussuszeptum.  Das  Individuum  war  im  Februar  an  akutem  Ileus 
erkrankt,  in  dessen  Verlauf  das  demonstrierte  25  cm  lange  Darm¬ 
stück  ausgestossen  wurde;  nach  der  Genesung  breitete  sich  die 
damals  schon  vorhandene  Phthise  der  Lungen  rapid  aus  und  ihr 
erlag  das  Individuum  nach  8  Monaten.  Das  bei  der  Sektion  ge¬ 
wonnene  Dünndarmstück  an  der  Stelle  der  damaligen  in- 
vagination  zeigt  eine  so  glatte  Heilung,  dass  nicht  einmal  stärkere 
peritonitisc-he  Verwachsungen  in  der  Umgebung  bestanden. 

Ferner  wird  demonstriert  eine  dem  pathologischen  Institut 
i  ou  auswärts  zugesandte  mannskopfgrosse  intraabdominelie 
Atheromcyste,  die  bei  dem  Patienten  den  grössten  Teil  der  linken 
Bauchseite  ausgefüllt  hatte  und  durch  Laparotomie  entfernt 
worden  war.  Die  Innenwand  der  Cyste  besteht  aus  normaler 
Haut  mit  Haaren;  an  einer  Stelle  der  Wand  findet  sich  eine 
rudimentäre  Darmanlage. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  November  1902. 

Vorsitzender:  Herr  Carl  Koch. 

Herr  Neuberger  stellt  einen  Fall  von  halbseitiger 
linearer  Sklerodermie  vor,  ferner  berichtet  er  a)  über  einen  Fall 
von  Dermatitis  nach  Berührung  von  Primula  obconica,  b)  über 
einen  Fall  von  Reinfectio  syphilitica. 

Herr  J.  Cnopf  spricht  über  Thrombophlebitis.  (Der  Vor¬ 
trag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  Alexander  demonstriert  ein  Melanosarkom  der 
Aderhaut,  welches  nach  vorn  durch  die  Lederhaut  und  nach  hinten 

auf  dem  Wege  des  Sehnerven  den  Augapfel  perforiert  hat.  _  jjie 

Operation  (Exenteratio  orbitae)  war  leicht  auszuführen,  da  es 
aus  den  von  Geschwulstmassen  erfüllten  Gefässen  (die  Arter. 
ophthalmica  ist  ganz  obturiert)  wenig  blutete. 

Das  Präparat  stammt  von  einem  50  jährigen  Mann,  der  vor 
12  Jahren  auf  dem  linken  Auge  plötzlich  erblindet  sein  will.  Vor 
2  Jahren  wäre  das  Auge  stark  entzündet  gewesen  und  wäre  ihm 
seinerzeit  die  Entfernung  des  Auges  zur  Erhaltung  des  gesunden 
angeraten  worden.  —  Eine  Geschwulst  wurde  damals  nicht  kon¬ 
statiert. 

Vortragender  geht  dann  näher  auf  das  klinische  Bild  des 
Aderhautsarkoms  ein  und  bespricht  an  der  Hand  interessanter 
Präparate  auch  die  pathologische  Anatomie  desselben.  —  In  Nürn¬ 
berg  ist  das  Sarkom  des  Uvealtraktus  eine  grosse  Seltenheit. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  Nove  m  b  e  r  1902. 

Herr  Johann  Merkel  stellt  2  Fälle  von  geheilter  Knie¬ 
gelenkstuberkulose  vor.  Ein  15  jähriger  und  ein  17  jähriger 
Knabe  wurden  nach  0 1 1  i  e  r  der  synovialen  Arthrektomie  unter¬ 
zogen  (Eröffnung  des  Gelenks  von  vorn  durch  eine  10  cm  lange 
Inzision,  Durchsägung  der  Patella,  nachdem  von  der  Spina  tibiae 
bis  über  den  Rezessus  der  Synovialkapsel  die  Weichteile  und  das 
Periost  durchtrennt  waren,  Auf  klappen  der  Bedeckungen  nach 
rechts  und  links  in  Flexion  des  Gelenks).  Das  Endresultat  dieser 
Fälle,  sowie  von  noch  4  weiteren  war  ausgezeichnet  in  Bezug  auf 
Ausheilung  und  Gelenkfunktion.  Man  erzielte  volle  Beweglichkeit 
durch  die  bei  dieser  Methode  gegebene  Schonung  des  Bandappa¬ 
rates,  welcher  nach  der  Naht  wie  ein  unversehrter  sich  verhielt. 
Von  den  7  Fällen,  die  M.  nach  Olli  er  operierte,  war  nur  1  mal 
die  Arthrectomia  ossea  nötig  beim  Antreffen  eines  käsigen  Herdes 
in  der  Patella  und  Cond.  ext.  femoris.  Bei  dun  übrigen  genügte 
die  Arthrectomia  synovialis,  um  vollständige  Dauerheilung  zu  er¬ 
zielen.  Diese  Methode  nach  Olli  er  kann  aufs  wärmste  für  das 
erste  und  zweite  Stadium  des  Kniefungus  empfohlen  werden. 

Herr  Frankenburger  demonstriert  eine  Patientin  mit 
spontaner  Hautgangrän. 

Die  jetzt  25  jährige  Frau  leidet  seit  9  Jahren  an  der  Affektion; 
in  Zwischenräumen  von  mehreren  Wochen  traten  an  den  sämt¬ 
lichen  Extremitäten  wie  am  Rumpf  Gangränbildungen  ein.  Be¬ 
fallen  werden  meist  handtellergrosse  Flächen.  In  wenigen  Stunden 
treten  unter  heftigen  Schmerzen  auf  den  betroffenen  Stellen  dunkle 
Blasen  auf,  welche  rasch  platzen  und  ein  gallertiges,  die  ganze 
Fläche  überziehendes  Exsudat  ausschwitzen,  nach  dessen  Ab¬ 
hebung  die  Haut  des  betreffenden  Bezirkes  mumifiziert  zu  Tage 
liegt.  Ohne  weitere  Schmerzen  vollzieht  sich  unter  feuchten  Ver¬ 
bänden  ziemlich  rasch  die  Demarkierung  und  Abstossung,  worauf 
Heilung  mit  keloider  Narbenbildung  erfolgt.  Die  Finger,  sowie 


j  die  Zehen  sind  nie  affiziert  gewesen.  Die  Gangrän  tritt  stets  ein- 
|  seitig,  nie  symmetrisch  auf.  Irgendwelche  weitere  Symptome  ner- 
j  vöser  Erkrankung,  insbesondere  von  Syringomyelie  sind  nicht  vor¬ 
handen.  Lues  ist  nicht  nachweisbar.  Für  artifizielle  Entstehung 
ist  keinerlei  Anhaltspunkt  gegeben;  hysterische  Symptome  und 
Stigmata  bestehen  nicht.  Die  Affektion  muss  als  reine  Tropho- 
neurose  aufgefasst  werden. 

Herr  Heinlein  teilt  Krankheitsgeschichten  und  Sektions¬ 
befund  zweier  Fälle  von  Aneurysmen,  der  Aorta  thoracica  mit. 

Der  erste  Fall  betraf  einen  34  jährigen  Lackierer.  Derselbe,  • 
ein  Trinker,  hatte  während  seiner  letzten  Lebensmonate  lediglich 
über  linksseitige  Interkostalsehmerzen,  nach  körperlicher  An¬ 
strengung  auftretend,  geklagt.  Ein  energischer  Druck  seiner 
linken  Hand  gegen  die  linke  seitliche  Brustwand  machte  die 
Schmerzen  jedesmal  erträglicher  und  Pat.  war,  in  der  Uebung 
dieser  Massregel  sich  kurzer  Arbeitsrast  hingebend,  oft  von  seinen 
Mitarbeitern  beobachtet  und,  da  sein  sonstiges  körperliches  Wohl¬ 
befinden  und  guter  Ernährungszustand  ihn  und  seine  Umgebung 
nicht  an  ein  ernsteres  Leiden  denken  liessen,  manchmal  verspottet 
worden,  bis  er  am  Todestag  nach  kurzem  Uebelbefinden  plötzlich 
umsank,  ohne  dass  ein  Blutaustritt  aus  den  Luftwegen  durch  den 
Mund  nach  aussen  erfolgt  wäre.  Bei  der  Sektion  fand  sich  ein 
über  walnussgrosses  Aneurysma  annähernd  in  der  Mitte  des  Ver¬ 
laufes  der  Brustaorta;  die  laterale  Hälfte  des  aneurysmatischen 
Sackes  war  von  dem  linken  unteren  Lungenlappen  umschlossen, 
die  Berstung  war  auf  dem  Grunde  des  Sackes  in  das  Lungen¬ 
gewebe  hinein  erfolgt,  letzteres  war  durch  den  Blutstrom  in  Avei 
terer  Ausdehnung  zertrümmert,  desgleichen  war  das  Bindegewebe 
umgebender  älterer  pleuritischer  Adhäsionen  weithin  vom  Blut¬ 
strom  unterwühlt  worden.  Die  ursächliche  Endarteriitis  def.  be¬ 
fand  sich  noch  in  ihren  Anfängen,  es  fanden  sich  lediglich  fettige, 
beetartige,  flache  Erhebungen  der  Intima. 

Bei  der  Demonstration  des  Präparates  erinnert  H.  bezüglich 
des  Verhaltens  des  aneurysmatischen  Sackes  zur  Lunge  an  ein 
ähnliches,  im  Mai  1889  an  gleicher  Stelle  vorgelegtes  Präparat, 
welches  in  No.  37  der  Internat,  klin.  Rundschau,  Jahrg.  1889,  be¬ 
schrieben  worden  ist. 

In  dem  zweiten  Fall  handelte  es  sich  um  eine  70jähr.  Witwe, 
welche  seit  über  10  Jahren  an  einer  schweren  Kompressions¬ 
myelitis  litt,  seitdem  völlig  arbeitsunfähig  und  während  der  letzten 
Lebensjahre  andauernd  bettlägerig  war.  4  Tage  vor  dem  töd¬ 
lichen  Ende  war  dieselbe  anderwärts  unter  der  Diagnose  Häma- 
temesis  behandelt  worden;  die  wiederholten,  manchmal  sehr 
abundanten  Blutungen  hatten  innerhalb  der  erwähnten  Zeit  zum 
Jod  geführt.  Bei  der  Sektion  fand  sich  neben  der  mit  winkeliger 
Knickung  der  Wirbelsäule  und  anderen  Folgezuständen  geheilten 
Tuberkulose  des  9.  Brustwirbelkörpers  ein  Aneurysma  der  Brust¬ 
aorta,  in  Ausdehnung  und  Oertlichkeit  dem  ersten  Fall  kongruent. 
Dagegen  kamen  hier  an  dem  aneurysmatischen  Sack  und  an  den 
Gefässwänden  des  Aortensystems  die  verschiedenen  Stadien  der 
Endart.  def.  zur  Anschauung:  neben  den  fettigen  Einlagerungen 
der  Intima  solche  von  Knorpelhärte,  Kalkplatten,  atheromatöse  Ge¬ 
schwüre.  Weiterhin  war  im  Gegensatz  zu  dem  zuerst  geschilderten 
Fall,  in  welchem  die  Sackwände  sich  frei  von  Niederschlägen  aus 
dem  Blut  darstellten,  der  aneurysmatische  Hohlraum  fast  völlig 
von  mehr  oder  weniger  festen  Thromben  ausgefüllt,  welches  Ver¬ 
halten  den  langsamen  Eintritt  des  Todes  nach  wiederholten  Blu¬ 
tungen  zur  Genüge  erklärt.  Von  der  unteren  Ausbuchtung  des 
Sackes  führen  2  für  eine  dünne  Sonde  leicht  durchgängige  Ka¬ 
näle  in  horizontal  geneigter  Richtung  in  die  Speiseröhre,  wo  sie  mit 
2  etwa 1  cm  voneinander  entfernt  stehenden  Mündungen  mit  un¬ 
regelmässigen  Rändern  und  blutig  unterlaufener  Umgebung  frei 
endigen. 

Das  Präparat  wird  ebenfalls  vorgelegt. 

Herr  F  1  a  t  a  u  berichtet  über  seine  Erfahrungen  mit  Thi- 
genol  Roche  in  der  kleinen  Gynäkologie. 

Der  Vortragende  hat  das  Präparat,  das  als  Ersatz  des  teuren 
und  stark  riechenden  Ichthyols  auf  den  Markt  gebracht  worden 
ist,  seit  ya  Jahre  angeAvendet.  Aus  der  Zahl  der  Beobachtungen 
hat  F.  60  Fälle  ausgewählt.  Diese  Avaren  mit  verschiedenen  chro¬ 
nischen  Erkrankungen  der  Genitalien  affiziert  und  Avurden  bis  zu 
ihrer  Entlassung  aus  der  Behandlung  genau  beobachtet. 

Die  Verwendung  des  Thigenol  geschah  ausschliesslich  in  Form 
v°n  10 — 20  proz.  Thigenol-Gly^erintampons,  die  selten  täglich, 
meistens  nach  48  Stunden  gewechselt  Avurden.  Die  schmerzstillende 
und  resorptionsbefördernde  Wirkung  des  Thigenols  liess  .sich  nir¬ 
gends  verkennen.  Chronische  Para-  und  Perimetritiden,  chronische 
Salpingoophorektiden,  mehrere  frische,  aber  fieberfreie  Exsudate, 
ein  frisches  Hämatom  Avurden  in  derselben  günstigen  Weise  be 
einflusst,  Avie  Attir  es  beim  Ichthyol  zu  sehen  gewohnt  Avaren.  Fast 
schien  sogar  die  schmerzstillende  Wirkung  noch  stärker  zu  sein. 
Bei  Analfissuren  geringeren  Grades  leistete  Thigenol,  rein  auf¬ 
gepinselt,  dieselben  Dienste  wie  das  Hamburger  Präparat.  Da 
das  Thigenol  ettvas  billiger  und  ganz  geruchlos  ist,  kann  der  Vor¬ 
tragende  seine  Verwendung  nur  empfehlen. 

Herr  Matthäus  berichtet  über  einen  Fall  von  Tetanus 
nach  Gelatineinjektion. 

Einem  19  jährigen  Mädchen  Avurden  Avegeu  anhaltender  star¬ 
ker  Lungenblutungen  20  g  einer  20  proz.  sterilisierten  Lösung  von 
Gelatine  in  Wasser  in  den  Oberschenkel  injiziert.  Die  Blutung 
stand  prompt.  Die  Injektion  selbst  war  nicht  schmerzhaft,  eine 
Wiederholung  am  nächsten  Tag  Avurde  jedoch  wegen  der  in- 
zAvischen  an  der  Injektionsstelle  aufgetretenen  Schmerzen  ver- 
weigert.  Dieselben  verloren  sich  im  Lauf  von  einigen  Tagen.  Am 


2166 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


0.  Tag  nach  der  Injektion  ohne  deutliche  Vorboten  Beginn  tetani- 
scher  Erscheinungen,  nach  30  Stunden  Exitus  letalis. 

Aus  den  bisher  mitgeteilten  Fällen  von  Tetanus  nach  Gelatine¬ 
injektion  ist  ersichtlich,  dass  die  Infektion  immer  eine  schwere 
war;  das  Inkubationsstadium  schwankte  zwischen  4  und  13  Tagen, 
immer  trat  der  Tod  ein,  spätestens  2  Tage  nach  Beginn  der  ersten 
Tetanussymptome. 

Bezüglich  der  weiteren  Anwendung  der  Gelatine  als  Hämo- 
statikum  ist,  solange  wir  keine  nach  jeder  Richtung  brauchbare 
Sterilisierungsmethode  kennen,  bei  allen  irgend  angängigen  Fällen 
die  Einverleibung  vom  Magendarmkanal  aus  zu  versuchen.  Ferner 
wären  weitere  Versuche  mit  dem  schon  von  Garnot  als  voll¬ 
wertiger  und  absolut  ungefährlicher  Ersatz  der  Gelatine  em¬ 
pfohlenen  Kalziumchlorid  (.Kalk  =  wirksames  Prinzip  der  Gela¬ 
tine  V)  dringend  zu  wünschen. 

Die  allgemeine  Verwendung  der  von  M  e  r  c  k  -  Darmstadt 
in  den  Handel  gebrachten  garantiert  tetanuskeimfreien  Gelatine 
scheitert  an  ihrem  hohen  Preis. 

Herr  Krouheimer  berichtet  über  eine  ausserordentlich 
starke  Azetonurie  von  2  tägiger  Dauer  als  Folge  einer  gering¬ 
fügigen  Magendarmstörung  bei  einer  öSjähr.,  korpulenten  Frau. 
Die  Pat.  hatte  auf  2  Kaffeelöffel  Karlsbader  Salz,  die  ihr  gegen 
eine  bestehende  Obstipation  verordnet  waren,  mit  mehreren  diar- 
rhoischen  Stühlen  und  Appetitlosigkeit  reagiert.  Gleichzeitig  hatte 
die  Frau  gegen  arthritische  Beschwerden  in  der  linken  unteren 
Extremität  innerhalb  2  Tagen  0  g  Aspirin  eingenommen.  Einen 
Einfluss  auf  die  Entstehung  der  Azetonurie  möchte  K.  dem  Aspirin 
nicht  vindizieren,  wenngleich  es  von  anderen  ähnlichen  Arznei¬ 
mitteln,  wie  z.  B.  dem  Antipyrin,  nachgewiesen  ist,  dass  es  allein 
eine  Azetonurie  zu  bewirken  im  stände  ist.  K.  nimmt  eher  an, 
dass  das  Aspirin  die  durch  die  Verdauungsstörung  hervorgerufene 
Azetonausscheidung  vermehrt  hat.  Damit  wäre  die  ungewöhnlich 
grosse  Menge  des  Azetons  in  diesem  Falle  hinreichend  erklärt  und 
man  müsste  nicht  allzuviel  auf  Rechnung  des  persönlichen  Faktors 
der  (individuellen)  Oxydationsenergie  setzen,  eines  Faktors,  der 
allerdings  bei  allen  Formen  yon  Azetonurie  eine  nicht  zu  unter¬ 
schätzende  Rolle  spielt. 

Im  Anschluss  an  diese  Beobachtung  referiert  K.  aus  der 
Literatur  die  neueren  und  neuesten  Ergebnisse  der  klinischen  For¬ 
schung  über  die  Azetonausscheidung:  Kliniker,  Chirurg  und  Ge¬ 
burtshelfer  haben  bei  den  verschiedenartigsten  pathologischen 
Verhältnissen  das  Azeton  angetroffen.  Eine  gemeinsame  Ursache 
aller  dieser  Arten  von  Azetonurie  wurde  in  der  fast  unumstöss- 
lichen  Anschauung  gefunden,  dass  als  die  Quelle  des  Azetons  das 
Körperfett  anzusehen  ist.  Der  Ort  der  Entstehung  des  Azetons 
im  Körper  sind  die  Gewebe,  für  den  Fettzerfall  im  Gewebe  sind 
die  Vorgänge  im  Verdauungstraktus  massgebend.  In  neuester 
Zeit  gelang  es,  Azetonurie  auf  alimentärem  Wege  zu  erzeugen  und 
die  Ungiftigkeit  des  Azetons  darzutun.  (Waldvogel:  Ueber 
das  AVesen  der  Azetonurie;  60.  Bd.  d.  klin.  Chirurgie.) 

Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  14.  und  21.  November  1902. 

Zur  Behandlung  der  Hämoptyse  mittels  Adrenalin. 

S  o  u  q  u  e  s  und  Morel  haben  das  salzsaure  Adrenalin  in 
subkutanen  Injektionen  gegen  die  Blutungen  der  Tuberkulösen 
und  zwar  in  der  Dosis  von  m&-  d.  Vz  ccm  einer  Lösung  von 
1: 1000,  angewandt.  Bei  4  Kranken,  welche  9  Lungenblutungeu 
hatten,  wurde  die  Stillung  derselben  in  relativ  kurzer  Zeit  erzielt. 
Bei  einer  Dosis  von  %— 1  mg  traten  schon  unangenehme  Neben¬ 
erscheinungen,  wie  Ohrensausen,  Schwindelgefühl,  Brustbeklem¬ 
mung,  Erbrechen  auf;  sie  ist  also  nur  mit  A'orsicht  bei  hoch¬ 
gradigem  Blutbrechen  anzuwenden.  Das  Adrenalin  scheint  durch 
Gefässzusammenziehung  zu  wirken,  während  es  durch  die  Lungen- 
gefässe  hindurch  geht.  Immerhin  lassen  Verfasser  die  Frage  offen, 
ob  es  nicht  auch  auf  die  Zentren  des  Sympathikus  im  verlängerten 
Mark  wirkt;  bei  den  zur  Beobachtung  gekommenen  Patienten 
hob  sich  der  arterielle  Druck  nach  der  Injektion  von  Adrenalin. 

Louis  lienon  und  Louste  haben  das  Adrenalin  (1:1000) 
per  os  in  der  Dosis  von  10,  15,  20,  25  Tropfen  angewandt,  damit 
aber  bei  Hämoptyse  weit  weniger  günstigen  Erfolg  gesehen,  wie 
bei  Magenblutung,  wovon  sie  über  einen  Fall  von  vollständiger  Hei¬ 
lung  berichten;  allerdings  wurde  hier  auch  strenge  Diät,  Injek¬ 
tion  künstlichen  Serums  und  Nährklystiere  verwendet.  Die  A  er- 
änderungen  des  arteriellen  Druckes  waren  sehr  interessante,  ein¬ 
mal  war  derselbe  erniedrigt,  einmal  erhöht,  in  einem  Falle  sogar 
unverändert. 

Societe  de  Therapeutique. 

Sitzung  vom  26.  November  1902. 

Die  Phototherapie  des  Scharlachs. 

S  c  h  o  u  1 1  -  Tunis  hatte  schon  früher  über  2  Fälle  von  Schar¬ 
lach  berichtet,  bei  welchen  Dank  der  Einwirkung  der  chemischen 
Strahlen  des  Sonnenspektrums  keine  Abschuppung  sich  eingestellt 
hat.  Seitdem  hatte  er  Gelegenheit,  diese  Therapie  in  4  weiteren 
Fällen  anzuwenden;  in  einem  derselben,  wo  der  Patient  (10  Jahre 
alt)  6  Tage  lang  im  roten  Zimmer  sich  aufhielt,  war  der  Erfolg 
ein  eklatanter:  es  trat  keine  Abschuppung  auf,  ebenso  in  einem 
2.  Falle,  wo  der  Aufenthalt  im  roten  Zimmer  5  Tage  währte, 
ln  dem  3.  Falle  währte  dieser  nur  2  Tage,  wodurch  eine  leichte 


Desquamation  nicht  verhindert  werden  konnte.  Der  4.  Patient 
wurde  erst  am  3.  Tage  einer  sehr  intensiven  Scharlacheruption 
in  das  rote  Zimmer  verbracht  und,  trotzdem  er  sich  4  Tage  darin 
aufhielt,  erfolgte  doch  eine  leichte  Abschuppung,  was  Sch.  der 
verspäteten  Anwendung  dieser  Therapie  zuschreibt.  Diese  Tat¬ 
sachen  sind  insofern  von  grosser  AVichtigkeit,  als  die  fehlende  Ab¬ 
schuppung,  Dauer,  Intensität  der  Erkrankung  und  besonders 
deren  Ansteckungsfähigkeit  in  hohem  Grade  vermieden  werde. 
Sch.  berichtet  sodann  über  einen  Fall,  welcher  von  neuem  die 
lange  Dauer  der  Ansteckungsfähigkeit  der  Scharlachschuppen  be¬ 
weist:  ein  Postpacket  wurde  aus  Tunis  von  einer  Familie,  wo 
13  Monate  vorher  2  Kinder  an  Scharlach  erkrankt  waren,  nach 
Tripolis,  welches  absolut  frei  von  Scharlach  war,  gesandt;  noch 
am  Abend  desselben  Tages,  wo  das  Packet  geöffnet  wurde,  er¬ 
krankte  das  Kind  der  betreffenden  Familie  und  hatte  in  der  Folge 
eine  schwere  Scharlacherkrankung  durchzumachen.  Stern. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Edinburgh  Medico-Chirurgical  Society. 

Sitzung  vom  5.  November  1902. 

Die  Verbreitung  des  Karzinoms  in  Schottland. 

AV.  A.  Robertson  hat  aus  den  Statistiken  resp.  durch  per¬ 
sönliche  Erkundigungen  das  Verhältnis  der  Todesfälle  an  Krebs 
in  ganz  Schottland  zu  eruieren  versucht.  Für  die  Verteilung  der 
Erkrankungen  sind  diese  Resultate  nicht  massgebend,  indem 
Städte  mit  grösseren.  Hospitälern,  wie  Edinburgh  und 
Glasgow,  durch  die  Aufnahme  von  zugereisten,  unheilbaren 
Kranken  eine  abnorm  ungünstige  Ziffer  erhalten.  So  hat  nach 
den  Aufzeichnungen  des  Standesamts  die  Stadt  Edinburgh  einen 
Prozentsatz  von  5,15  an  Krebsmortalität,  während  R.  durch  Ab¬ 
zug  der  zugereisten  Fälle  eine  Mortalität  von  4,13  Proz.  erhielt, 
was  dem  durchschnittlichen  Prozentsatz  für  das  ganze  Land  ent¬ 
spricht.  Einzelne  Grafschaften  (Nairnshire)  hatten  einen  Prozent¬ 
satz  bis  zu  9,73  und  im  allgemeinen  zeigen  die  Städte  entschieden 
günstigere  Verhältnisse  in  dieser  Hinsicht  als  das  platte  Land. 
Auch  die  Inseln  (Shetland,  Orkney)  zeigen  durchaus  nicht  so  gün¬ 
stige  A'erliältnisse,  wie  man  hätte  erwarten  können.  Im  ganzen 
konnte  II.  keinerlei  AArechselbeziehungen  zwischen  den  geologischen 
Verhältnissen  und  der  Häufigkeit  des  Krebses  nachweisen.  Er 
empfiehlt,  eine  Sammelforschung,  wie  dies  in  Deutschland  aus¬ 
geführt  wurde,  zu  inszenieren. 

D.  T  u  r  n  e  r  berichtet  über  die  Behandlung  des  Krebses 
mittels  Bestrahlungen  bei  IS  Fällen,  von  denen  9  die  Mamma  be¬ 
trafen  und  2  die  Zunge.  Bei  letzteren  hat  er  allerdings  wenig 
Erfolg  gesehen,  bei  den  anderen,  meistenteils  inoperablen  Fällen, 
war  subjektiv  und  objektiv  entschieden  ein  Nutzen  zu  verzeichnen. 

Royal  Medical  and  Chirurgical  Society. 

Sitzung  vom  11 .  November  1902. 

Cystotomia  suprapubica  bei  Blasentumoren. 

C.  B.  Lockwoo  d  bespricht  den  Gegenstand  auf  Grund 
seiner  eigenen  Erfahrungen  und  der  Aufzeichnungen  des  St.  Bar- 
thoiomews  Hospital  über  53  im  Laufe  der  Jahre  1391 — 1900  bei 
37  Patienten  ausgeführte  Operationen.  Bei  32  Kranken  wurde 
nur  eine  Operation  vorgenommen,  während  einer  der  Patienten 
9  Operationen  durchmachte,  ln  16  Fällen  war  der  Tumor  in¬ 
operabel  befunden  worden,  doch  gingen  nicht  mehr  als  7  dieser  Fälle 
während  der  Beobachtungszeit  zu  Grunde.  A’on  den  durch  Ent¬ 
fernung  des  Tumors  behandelten  (ebenfalls  16)  Fällen  starben 
immerhin  doch  3,  teils  an  Hämorrliagie  und  Schock,  teils  an  Sepsis, 
welche  aber  meist  durch  die  schon  vor  dem  chirurgischen  Eingriff 
bestehenden  Verhältnisse  bedingt  war.  Als  Grundbedingungen 
zur  Vornahme  des  hohen  Blasenschnittes  muss  man  fordern,  dass 
der  Tumor  mitsamt  einem  genügenden  Rande  von  gesundem  Ge¬ 
webe  exzidierbar  sei,  und  dass  der  Urin  sowohl  vor  wie  nach  der 
Operation  aseptisch  sei.  Dabei  ist  eine  rechtzeitige  endoskopische 
Untersuchung  unerlässlich.  Die  Inzisionsstellen  an  der  Blase  und 
in  der  Bauchwand  sollen  genau  verschlossen  werden. 

R.  Harris  on  betont  die  durch  die  ungenügende  Drai- 
nierungsniögliclikeit  stets  bestehende  grosse  Gefahr  der  Sepsis  bei 
Sectio  alta  an  Erwachsenen.  Bei  Kindern  ist  dies  ja  anders.  Ein 
sehr  zweckmässiges  Verfahren  sei  das  Anlegen  einer  Drainage- 
Öffnung  vom  Damm  her,  wie  Füller-  New-York  dies  empfohlen 
hat.  Die  Ausführung  dieser  Massregel  habe  Redner  nie  bereut, 
die  Unterlassung  öfters. 

E.  H.  F  e  n  w  i  c  k  hat  500  Blasentumoren  in  Behandlung  ge¬ 
habt  mit  153  Operationen  und  einer  Mortalität  von  11.  Die  von 
L.  verzeichnete  Sterblichkeit  könne  jedenfalls  durch  zweckmässige 
Auswahl  erheblich  herabgesetzt  werden.  Als  Regel  könne  gelten, 
keine  Tumoren  zu  operieren,  welche  vom  Rektum  aus  getastet 
werden  können,  da  dieselben  meist  maligne  seien;  ferner  solle  man 
sich  nicht  an  2  sich  berührenden  Tumoren  vergreifen,  da  dieselben 
stets  Verbindungen  unter  der  Mukosa  haben.  Einzeln  stehende 
zottige  Geschwülste  kann  man  entfernen,  aber  glatte  sind  ge¬ 
fährlich. 

Lockwood  ist  aus  theoretischen  Gründen  gegen  die  Drai¬ 
nage  vom  Perineum  aus,  weil  damit  eine  weitere  Infektionsmög¬ 
lichkeit  geschaffen  werde.  Philipp  i  -  Bad  Salzschlirf. 


23.  Dezember  1902. 


MtTENCI-IENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Versammlung-  von  bayerischen  Mitgliedern  des  Leipziger  Ver¬ 
bandes  zu  Nürnberg 

•am  7.  Dezember  1902. 

tage Azu  KSgsS“1'  ^rS'Vter*  tf 
ruugSdirtaye^r4nnMM  CdUSB  f W1**  *»r  *u” etaer  Ve mw 

se  Ä“te*sr“‘  sä™ 

Stell  seb!  zweckmissfo.  ,d“8  dle  agitatorische  Kleinarbeit 

werdet  könne  “  Blmdesstaate“  von  vorbildlicher  Bedeutung 
die  KlÄiTÄ'“  Hln“ick  anf  das  kongressreiche  Jahr 

S“  Ä  ^aiÄÄ  r'ÄÄS 
ÄÄSSTS  Ä^tÄSS; 

sich  m  jedei  Beziehung  bemerkenswert  gestaltete  ö 

Dank  der  rührigen  Tätigkeit  des  Kollegen'  Neuber<rP1. 

Elv1?'  ^‘«ä* 

band  besonders  viele  Anhänger  zählt  so  hatten  01,0  "  ,  • 

Kreise  Bayerns  zahlreiche  VertSer  entsandt  h  2  !bl',f 

so“  K Tnt  B'“dasstaatea  waren  Freunde  der  Sache  Sb“geem 
so  Konigshofer  und  Bauer-  stnfto-nvf  -tr  „  1  eiUt:iöeeiii, 

E  i  e  r  m  a  n  n  -  Frankfurt.  Hart  m  a  n  n  -  Leipzig,  de?  Unermüd? 

liehe,  wai  auch  zur  Stelle  und  von  Berlin  war  der  rührige  Förderer 

unserer  Interessen,  der  verdiente  Redakteur  der  MSlztaischen 

S:m>,Lenilfoff  erschienen.  Nach  einer  warmen  Be  "lü? 

t  “^  von  Neuberger  begannen  die  Verhandlungen  unter 
dei  sicheren  und  umsichtigen  Leitung  von  J  u  n  g  e  n  g  e  1  -  Bam 
berg  mit  einer  vortrefflichen  Ansprache  von  Wille  Oberdorf 
Nach  geistreichen  Ausführungen  über  die  schwierige  Lage  unseres 
Standes,  die  gebieterisch  nach  der  Selbsthilfe  ruft  betonte  W  vor 
nehmlicli  die  Notwendigkeit,  dass  alle  bayerischen  Amtsärzte 

aTTt  Ver?ande  keitreten.  Das  ethische  und  materiell! 

’  des  Amtsaiztes  ist  von  dem  der  praktischen  Aerzte  unzer 
S»  Amtsarzt  ist  auch  Kassenarzt  und  muss 

.-len  als  solchei  der  Organisation  seiner  Standessrenossen  m. 
schhessen.  Dadurch,  dass  die  Amtsärzte  sich  fast  überall  in  hoben 
^Vertrauensstellungen  befinden,  dass  %  derselben  Vorsitzende  in 
Bezirksvereinen  sind,  obwohl  sie  nur  7“  tomSheV ^  Aeizte  Ls 
machen,  dadurch  dass  sie  vielfach  zu  den  Aerztekammern  und 
sons  igen  Versammlungen  abgeordnet  werden,  erwächst  ihnen  auch 

Wrfffrf1ChtV  Th  b6i  jeder  Gelegenheit  der  tätigen  F?rde?u?g  der 
ärztlichen  Interessen  anzunehmen.  s 

• SPraCh-  }Uit  Naclidruck  für  einen  all- 
f  nen  Beitritt  dei  Universitätslehrer;  unter  3000  Mit- 
,.des  V  erbandes  befinden  sich  bis  jetzt  72  Professoren. 
W.,  s,t  dnngend  zu  wünschen,  dass  die  übrigen  800  auch  in  Bälde 
gj  ^rbandes  werden.  Es  gehört  mit  zu  den  sclönl ten 
Autgaben  der  Dozenten,  ihre  in  der  Praxis  stehenden  Kollegen 

nnteStützenlrtSChafthChen  Sorgen  llncl  FraSen  nach  Kräften  zu 


2167 


^  ,X!  Augsburg  wies  darauf  bin,  dass  dem  Leipziger 

e  and  gegenüber  ein  Unterschied  zwischen  praktischen  und 
vipil2  !  a  1  a  6  “  nicbt  bestehe-  Wenn  auch  in  der  Praxis  siel! 
dich  bPi  T^VpV  f  ^  we  herausgebildet  haben,  so  kommt: 
sönlioho  «tpiim  tL  -tietung  des  Standes  nach  aussen  hin  die  per- 
?z  wffl  f  T  cf  einzelnen  nicht  in  Betracht:  auch  der  Spezial- 
krfftiVon  RUn!  neine  UnTterstntzung  bei  den  Krankenkassen  einen 
LviHnri  am  Leipziger  Verband  finden.  Im  allgemeinen 

wb-komlPn  5?rieSr®  \St  es  ZU  wiins<*en,  dass  den  an  Anstalten 
2™®  Spezialarzten,  soweit  die  Anstalten  nicht  Lebrzwecken 
m  eine  Hononerung  seitens  der  Krankenkassen  zuteil  werde. 
St-iriflp«v^»ien  Aerzb3  wer<len  zu  eifrigerer  Beschäftigung  mit  den 
i  ai?geregt  werden’  wenn  sie  sehen,  dass  ihre  Chefs 

‘  n  h  lagen  ein  warmes  Interesse  entgegenbrinyen 

wfinSeT  „  allgemeinen  Beitritt  der  K  r  a  n  k  e  n  h  a  u  s  ä  r  z  t  e 
Sm  Prfff/rl  g  6-  n  f-t  ‘  Bamberg-  Die  Krankenhausärzte  müssen 
T11'  fuhlen  uns  m  jed0l‘  Weise  eins  mit  unseren  in 
dei  Piaxis  hart  um  ihre  Existenz  ringenden  Kollegen  Die  Ach- 
tung.  die  dem  Arzte  in  dem  Krankenhause  erzeugt  wird  stelff 

8tnnli  -m  XfrhaItU1SSe  211  dem  Ansehen,  dessen  sich  der  ärztliche 
Stand  im  allgemeinen  bei  der  grossen  Menge  erfreut 

Kohl  er-  Regensburg  möchte  die  Vorsitzenden  der 
r.ezirksvereme  angelegentlich  zum  Werben  für  den  Lein- 
;^°.r  Verband  unter  ihren  Vereinsmitgliedern  begeistern.  Wenn 
aucn  in  Bayern  unsere  bewährte  Organisation  sich  bisher  allen 
W-ihS®?  5e™tünnenden  Schwierigkeiten  gegenüber  aufs  beste 
in  »V  1  hvat’  -S0  lst  es  doch  gewiss  nur  vom  Vorteil,  wenn  wir 
immer  noch  ein  zweites  Eisen  im  Feuer  halten,  das  wir  jederzeit 
fcenmiedeu  können,  wenn  die  Notwendigkeit  an  uns  herantritt. 


Ki'epke  -  München  mahnte  zur  unablässigen  A  g  i  - 
tation  im  grossen  und  im  kleinen.  Wenn  man  siebt,  wie  die 

hin  Wn?zPlPZolfi^ Verbandes  in  vielen  Provinzen  noch  sehr  mangel- 
hait  Mu  zei  geschlagen  hat,  so  kann  uns  das  nur  zum  eifrigen 
Weihen  be:  jeder  Gelegenheit  anregen.  Auf  der  Trambahn  in 
V  ereinen,  bei  Festlichkeiten,  bei  Konzerten  müssen  die  noch  fern 
stehenden  Kollegen  gewonnen  werden.  Die  einzelnen  Ortsgruppen 
müssen  Wanderredner  entsenden  in  diejenigen  Bezirksvereine’ 
wo  noch  keine  oder  wenige  Anhänger  des  Leipziger  Verbandes 
vorhanden  sind.  Besonders  auf  dem  Lande,  wo  die  Kassenver 
haltmsse  oft  noch  jeder  Beschreibung  spotten,  müssen  die  Aerzte 
für  die  Ziele  des  Leipziger  Verbandes  warm  gemacht  und  aus  ihrer 
Resignation  aufgerüttelt  werden. 

....  Hart  m  ann-  Leipzig  berichtete  über  die  bisherige 

4ö0  MitJ^  deS,/«[!-andes.  Derselbe  zählt  zurzeit 
r  111  44  Sektionen.  G70  Mitglieder  entfallen  auf 
ein.  Eine  ganze  Reihe  von  \ereinen  sind  in  corpore  dem 

50  000  M  Nphpn  H  a  •  tv’"5  1  *  las  Vermögen  beträgt  zurzeit 

af:  Jseben  df,r  Werbung  neuer  Mitglieder  bat  die  Vorstand- 
senatt  eine  ganze  Summe  von  praktischer  Arbeit  geleistet.  Der 
grösste  Teil  der  Arbeit  kommt  zum  Ausdruck  in  den  Veröffent- 
chungen  einer  von  der  Vorstandscbaft  aufgemachten  Buchhand- 

i  1  g-Vln  dersel4ieu  sind  erschienen  neben  verschiedenen  Agitation«- 
scniii  ten:  > 

1.  eine  ökonomische  Verordnungsweise  für 
Kassenärzte,  sehr  brauchbar,  Preis  50  Pf. ; 

„  .,  eb\  Tasche  n  k  a  1  e  n  d  e  r,  sehr  handlich  und  bequem 
zum  Preisi  von  ^M.f^  A°rZte  wicbtigeu  Gesetzesparagraphen.' 

Ko  -  ?^Ue  J5  a  y  e  r  i  s  c  h  e  Gebühr  e  n  o  r  d  n  u  11  g,  die  den 
ba^enschen  Koffein  sehr  willkommen  sein  wird.  Dieselbe  ent¬ 
rind  kostetmnn5oVf.ebÜhl’en0rdQUng  fÜr  ärztliche  Amtsgeschäfte 

wiP  Ld  ",L.auf  zeigte  an  dem  Beispiel  seines  Bezirkes, 

lTcbPn  vpÄ  en  des  Leipziger  Verbandes  die  kassenärzt- 
!i  ö  )  erhaltmsse  ganz  ausserordentlich  gebessert  haben.  Wenn 
die  Erfolge  auch  erreicht  sind  durch  die  Tätigkeit  des  Bezirks- 
vei  eines,  so  hat  doch  der  Leipziger  Verband  vielfach  die  An¬ 
legung  und  vor  allen  Dingen  den  Rückhalt  gegeben 

BoitfirtJ^tfÜ  sprach  mit  Wärme  für  einen  allgemeinen 

versitätslehrer  müssen  sich  in  erster  Linie  aD^  Aerzte 'fühlen  Sehr 
:rSe.i8t  dIe  EinriChtUDg  -n  Vorlesungen  über  ^ 

n  ,  w  ÖkU  1  f  S  bf  f  e  r  ‘  stuttgart  betont,  dass  neben  der  Tätigkeit 
des  V  eibaudes  doch  die  Hauptarbeit  in  den  örtlichen  Ver 

./,n, 1  gu  n  fje  11  geleistet  werden  müsse.  In  Württemberg  sind 
jetzi  überall  gemeinsame  Kommissionen  der  Krankenkassen  und 
Aeazte  eingerichtet.  Die  Krankenkassen  können  nur  mit  der  ärzt¬ 
lichen  Organisation  Verträge  abscliliessen. 

••Vv  hoff-  Beilin  verbroitoto  sicli  in  intorcssanfpi*  Wpi\p 

über  die  kassenärztlichen  Verhält  n  i  s  s  e  Tn  b  e  r  1  i  n 
ju  Beilin  ist  bis  jetzt  nur  geringes  Interesse  für  den  Leipziger 
Verband  vorhanden,  da  die  Bestrebungen  eines  grossen  Teiles  der 
Bn  bonei  Aerzte  nicht  den  allgemeinen  Standesinteressen  dienen 

hältnK  eSem  gehen’  fÜ1'  8ich  mÖglicbst  günstigt'  Verl 

Die  häufig  vorkommenden  Reibungen  zwischen  Krani-P,, 
kassen  und  Aerzten  beruhen  vielfach  darauf,  dass  die  Aerzte  mR 
den  entspiechenden  Gesetzesvorschriften  und  satzun<-s"emässeii 
Bestimmungen  nicht  vertraut  sind.  Es  ist  unbedingte  PflfchTledes 

ElnricMaugö,,  vertÄut  z„ “machen 
uas  Bestieben  dei  Krankenkassen  gellt  darauf  hinaus  ihiv 
Aerzte  zu  verstaatlichen.  Damit  kämen  wir  zu  dem  Land 
mann  sehen  System,  bei  dem  die  Kassenärzte  ans“  hliessücli 

deTnSwPtfXnS  beG‘eibeu  drufen.  Die  grosse  Gefahr,  die  dadurch 
d  m  ärztlichen  Stande  erwächst,  muss  jedem  klar  sein-  es  wird 
dadurch  einer  grossen  Zahl  der  Aerzte  die  Möglichkeit  entzogen 
che  grossen  Massen  zu  behandeln.  Um  solche  Zustände  htnSm 
/.u  aalten,  muss  der  Leipziger  Verband  seine  ganze  Macht  einsetzen. 

a  g  e  n -Augsburg  betont  in  Uebereinstimmung  mit  Ivohler- 
Rt gensburg  die  Wichtigkeit  des  Beitritts  der  Bezirks- 

1  G  1’7  r  S  Z  6  n  d  e  U-  Erfreulicherweise  sei  schon  eiin- 
giosse  Zahl  derselben  eifrig  für  den  Leipziger  Verband  tätrt  Um 
jedoch  die  Propaganda  den  Bezirksvereinen  zu  erlSchtem  sei  e“ 
wohl  dringend  nötig,  dass  die  Leitung  des  Leipziger  Verbandes 


einer  E  r  n  i  e  cl  r  i  g  u  n  g  des  Beitrages 


näher  trete.  Vor 


es°maSieniChTSn  dS®  ^itglieder  gewinnen,  denn  die  MaVse  muss 
es  machen.  In  den  Vereinen  muss  auch  immer  betont  werden 
dass  eine  gesunde  kräftig-e  Entwicklung  des  Leipziger  Verbandes 
(ho  Aussicht  bietet  auf  eine  gedeihliche  Förderung  des 
a  1  Zir  ixrC  b  e  n  Unterstützungswesens  f  ü  r  W  i  t  vv  e  n 
n  n  d  W  a  i  s  e  n,  K  r  a  n  k  e  u  n  d  Invalid  e  11. 
r.  I  r  a  n  k  e  n  b  u  rg  e  r-  Nürnberg  empfahl  einen  engeren 
Zusammenschluss  zwischen  Bezirks  ver  e  f  n  e  n 
,  d  E_eiPzl.ger  Verband.  Er  möchte,  dass  in  jeder  ört- 
c  len  \  eremignng  ein  Mitglied  des  Bezirksvereines  als  offizieller 

KiHf; .  A“L  ala?e  W?1M  köDuteu  auch 


mehi  Mitglieder  für  den  Verband  gewonnen 


am  besten  noch 
werden. 

E  i  e  r  ma  11  n-  Frankfurt  a.  M.  machte  bemerkenswerte  Aus¬ 
führungen  über  die  guten  Erfolge,  die  die  Acrztebe  w  e  g  u  n  g 
in  b  lankfurt  a.  M.  gegenüber  den  Kassen  gezeitigt  bat  In 

kPb^Arrf  befGht  SCr?n  Seit  vielen  Jahreu  die  Verpflichtung,  'dass 
\n  vlZh  U1k  emei  Hasse  selbständige  Verträge  schliessen  darf 
Alle  Verhandlungen  gehen  durch  die  Hände  des  von  den  Aerzten 


2168 


MUENCJIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


W01Mnay  er-  Fürth  spricht  sich  mit  Wärme  für  das  Mit  -  und 

sk^SSs-Vä  ’is  äÄSss 

Deutschen  Aerztevereinshundes  erreicht  Abei  tiotzi c  - 

mol*  des  Leipziger  Vortag,  ein  W«P  «  St 

SSSäsä 

deut^h«1  Aerzte  zu^bef assen  hat.  ^  ^  Satzimgell  des  Leipsiger 

zset?«  r  :ä:t«  srtta  er  A'ai  z  « >  • 

“  '“J-Ät  nalez?  vVÄVen  Vorbandlungen  wurde 

^^seiUiess^— 

i?t\?  swP  ;  :  iv.i :  ?.A» e  e  p^%\?2  ö::.iNrft 

un eVl l  s  U f c* 1 ‘  l  u  r  6 F  8  r  d  e  r  u  n  g  lj>Ver  w  ifue  »  » 1 1  - 

ivc*v. ;  eEn  ‘iv.t ;  ?,v  ?in»g  r,f ; :  .j " ;  %•  .,Av»t  * .  * 

lc  r  ä  f  t  iS,  n  «  a n>  m *>  J  "  * 1  r  J.  e  n  u  „is  zum 

?Tä3t  Suis 

sitzenden  und  den  V  eia  Dank  der  Versammlung  aus. 

S  «  Ä».  dass  es 

welcher  Begeisterung  d*e  f I?? Jdesbewegungen  der  deutschen 

ss? 

Leipziger  Verband  berufen  sei,  diese  Stockung  siegreich  zu  uber- 

winden  -  Mahl  gewürzt  durch  herzliche  Ansprachen, 

hielt  den  ^rossten  Teil  der  Teilnehmer  noch  einige  Stunden  bei- 
hieit  den  ,  s  herrschte  der  Eindruck  vor,  dass  die  Vei- 

sä  «/sä  Mä? 

■  gute  Taten  nachfolgen! 

Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Wien,  20.  Dezember  1902. 

Alls-emeine  Aerzteversammlung  in  Wien.  —  Stellung¬ 
nahme  zum  Hilfskassengesetze.  —  Arf , 

richter.  —  Ergebnisse  der  Heilserumbehandlung  der  Diph¬ 
therie.  _  Hofrath  Nothnagel  Herrenhausmitglied. 

+  Professor  Bernatzik.  . 

Letzten  Samstag  fand  in  Wien  eine  allgemeine  Aerzte- 

versammlung  statt,  an  welcher  ca.  600  Aerzte  teilnahmen  uiu 
welche  zeitweise  einen  stürmischen  Verlauf  nahm.  Derlei  Ver¬ 
sammlungen  werden  vom  Präsidium  der  Aerztekammer  ein¬ 
berufen,  deren  Vorstand  auch  die  Tagesordnung  feststellt.  Dies¬ 
mal  sollte  in  erster  Linie  die  Stellungnahme  zum  Hilfskassen- 
gesetz  beraten  werden.  Referent  war  das  Aerztekammermitglied 

Dr.  Adolf  Klein.  T  ,  i 

Der  Referent  erörterte  zuerst  die  zahlreichen  Ursachen  des 
Niederganges  und  der  Verarmung  des  ärztlichen  Standes.  Emen 
grossen  Anteil  daran,  wenn  auch  nicht  die  alleinige  Schuld,  haben 
‘die  Krankenkassen  und  unter  diesen  speziell  jene  Kassen,  welche 
ohne  jedes  Bedürfnis  entstanden,  Wohlhabenden  Gelegenheit 
bieten,’  auf  Kosten  der  Aerzteschaft  sich  für  eine  geringe  Ent- 
olmung  behandeln  zu  lassen.  Zu  diesen  gehören  die  Meister- 


krankenkassen  und  die  seit  10  Jahren  gesetzlich  zugelassenen 
registrierten  Hilfskassen,  für  welche  weder  eine  Alters-  noch  eine 
Vermögensgrenze  fixiert  wurde,  so  dass  jedermann  an  den  „VYoh  - 
taten“  dieser  Institution  teilnehmen  könne.  Also  jeder,  er  möge 
Arbeiter  oder  Minister,  Bankier  oder  Schreiber  sein,  hat  das 
Recht,  in  die  Hilfskasse  einzutreten,  um  sich  dort  unentgeltliche 
ärztliche  Hilfe  zu  verschaffen.  Ende  1899  gab  es  schon  84  In  s 
kassen  mit  mehr  als  90  000  Mitgliedern,  und  Angehörige  dieser 
Mitglieder,  soweit  sie  nicht  schon  selbst  den  Kassen  angehörten, 
waren  ca.  20  000  inkorporiert.  Die  Behörden  fördern  diese  Hilfs¬ 


kassen  und  schützen  sie  gegen  Angriffe.  Darauf  ist  auch  die 
seinerzeitige  Sistierung  der  Beschlüsse  mehrerer  Aerztekammem 
in  Sachen  der  Meisterkrankenkassen  und  der  jüngste  Erfass ,dea 
niederösterreichischen  Statthalterei  an  die  Wiener  Aerztc- 
kammer  in  Sachen  der  Bankbeamtenkrankenkasse  zurück 
zuführen.  Aus  all’  diesen  und  anderen  Gründen  müsse  das 
Gesetz  eine  Abänderung  erfahren.  Diese  Hilfskassen  können 
ihren  Mitgliedern  Krankengeld,  Arzneien  und  andere  Heilmittel, 
Verpflegung  in  einem  Krankenhause  etc.  gewahren,  es  müsse  abei 
ganz  präzise  erklärt  werden,  dass  sie  unentgeltliche  ärztliche  Be¬ 
handlung  nicht  bieten  dürfen.  Der  Referent  schloss  nnt  o  - 
genden  Worten :  „Heute,  wo  die  schwarze  Flut  der  V  erarmung 
unsere  Existenz  bespült  und  bedroht,  steigt  ein  flammender  Pro¬ 
test  aus  diesem,  sonst  der  Wissenschaft  geweihten  Saale  auf 
und  dringt  hinaus  die  Kunde:  Das  stille  Ertragen  ist  vorüber, 
die  Aerzteschaft  kämpft  um  ihr  Brot  und  ihre  Existenz  .  Und 
Ihnen  rufe  ich  zu :  „Seien  wir  einig,  denn  nur  dann  liegt  unsere 

Kraft.“  „  -.  ,  •  ,  ,  , 

In  der  vom  Referenten  beantragten  Resolution  lautet  es. 

Es  ist  in  der  energischsten  Weise  dahin  zu  wirken,  dass  der  § 
des  Hilfskassengesetzes,  welcher  die  Möglichkeit  bietet,  unentgelt¬ 
liche  ärztliche  Hilfe  einzuführen,  aus  dem  Gesetze  verschwinde, 
es  soll  im  Gesetze  ausgesprochen  werden,  dass  eine  V  ersicherung 
n  u  r  auf  Krankengeld  gestattet  und  die  Behandlung  der  Mit¬ 
glieder  vollständig  frei  gegeben  sei.  Sollte  die  Wiener  Aerzte- 
kammer  in  ihrem  Vorgehen  gegen  das  Hilfskassengesetz  von 
seite  der  Behörden  auf  Widerstand  stossen,  so  erwartet  die 
Wiener  Aerzteschaft,  dass  sie  sofort  ihre  Funk¬ 
tionen  einstellt.  (Hier  wurde  auch  ein  Zusatz  acceptiert, 
dass  alle  österreichischen  Aerztekammern  aufzufordern  seien, 
in  einem  solchen  Falle  ihre  Mandate  niederzulegen.)  Endlich 
wird  die  Kammer  aufgefordert,  gegen  alle  den  Kaminer¬ 
beschlüssen  vom  Januar  und  Februar  1902  Zuwiderhandelnden 
sofort  ehrenrätlich  vorzugehen. 

Gegen  diese  Ausführungen  und  gegen  die  vorgeschlagene 
Resolution  kämpfte  in  schärfster  Weise  das  Kammermitglied 
Dr.  L.  S  t  r  i  o  k  e  r.  Er  will,  dass  der  Hebel  zur  Abhilfe  nicht 
hier,  sondern  in  der  Richtung  angelegt  werde,  dass  bei  allen 
Krankenkassen  gesetzlich  eine  Einkommens  g  r  e  n  z  e  iur 
die  unentgeltliche  ärztliche  Behandlung  fixiert  werde  z.  B. 
2000  Kronen.  Dadurch  wäre  erreicht,  dass  gesetzlich  alle  Unter¬ 
nehmer  (Meister  etc.),  sodann  alle  wohlhabenden  Arbeitsnehmer 
ausgeschlossen  sein  würden,  dass  die  unentgeltliche  ärztliche  ( 
handlung  a  u  c  h  in  den  Hilfskassen  auf  die  wirklich  Bedürftigen 
beschränkt  bliebe.  Es  besteht  die  Gefahr,  dass  bei  Behinderung 
oder  Auflösung  der  Hilfskassen  diese  ihren  Versicherungsstock 
in  die  obligatorischen  Kassen  werfen,  wodurch  deren  Aerzte  bloss 
stärker  belastet  wären,  während  die  Gesamtärzte  hievon  nichts 
profitieren  würden.  Den  jüngeren  Aerzten  sollten  diese  Hilis- 
kassenstellen  offen  gelassen  werden.  Endlich  wurden  die  prak¬ 
tischen  Aerzte  durch  den  Zuwachs  aller  bloss  auf  Basis  des 
Krankengeldes  Versicherten  einen  Aufschwung  ihrer  Praxis  er¬ 
fahren. 

Ein  fernerer  Redner  kritisierte  in  überaus  scharfer  Weise  die 
bisherige  Tätigkeit  der  Wiener  Aerztekammer,  welcher  er  und 
seine  Anhänger  kein  Vertrauen  entgegenbringen  können.  Es 
kam  hiebei  zu  stürmischen  Szenen,  indem  der  Unwille  über  die 
einzelnen  Ausdrücke  („die  Aerztekammer  wolle  die  Wiener  Aerzte 
um  den  Daumen  drehen!“)  in  elementarer  Weise  zum  Durch¬ 
bruch  gelangte.  Andere  Redner  verteidigten  die  Aerztekammer 
und  traten  für  die  Vorschläge  desRefcrenten  ein,  die  denn  aucli- 
nach  vorheriger  Ablehnung  der  Anträge  Dr.  Strickers  - 
genommen  wurden.  Die  Beschlussfassung  über  zwei  weiteie  .  n 
träge  (Abänderung  eines  Punktes  der  Geschäftsordnung  für  ie 
allgemeinen  Versammlungen  und  Aufforderung  an  die  Aerzte¬ 
kammer,  die  Mandate  bedingungslos  und  sofort 
niederzulegen)  konnte  nicht  eingeleitet  werden,  da  die  Versamm¬ 
lung  inzwischen  beschlussunfähig  geworden  war. 

Von  zahlreichen  Epilogen  zu  dieser  Protestversammlung  vom 
13.  Dezember  wollen  wir  bloss  zweier  kurz  Erwähnung  tun.  .  c 
„Oesterr.  ärztliche  Vereinszeitung“  bedauert  den  äusserlichen 
Verlauf  der  Versammlung,  die  Leidenschaftlichkeit  und  Er¬ 
regung  der  radikalen  Elemente,  erblickt  in  der  Resolution  ein 
U  ltimat  u  m  an  die  Regierung,  das  unter  würdigeren  Begleit¬ 
umständen  und  mit  grösserer  Einmütigkeit  hätte  angenommen 


23.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2169 


werden  sollen.  Sie  tröstet  sich  aber  damit»,  dass  alles  einig  war  in 
der  Abwehr  not  Wendigkeit,  wenn  auch  uneinig  in  den  Abwehr- 
m  i  1 1  e  1  n.  Die  Aerzte  müssen  auch  zur  Solidarität  der  Mittel 
erzogen  werden.  Hingegen  bezeichnet  das  Zentralorgan  der 
österr.  Sozialdemokraten,  die  „Arbeiterzeitung“,  die  Wünsche  der 
Aerzte  nach  Abänderung  des  Hilfskassengesetzes  für  „reaktio¬ 
när  ,  weil  die  Entwicklung  des  gesamten  Sanitätsdienstes  zur 
Verstaatlichung  des  ärztlichen  Standes  dränge.  Der  Arzt  wird 
und  muss  aufhören,  Einzelunternehmer  zu  sein  und  wird  immer 
mehr  Gesundheitsbeamter  werden.  Es  handelt  sich  um  einen 
bitteren,  aber  unvermeidlichen  Uebergang.  — -  Dass  wir  während 
dieses  „Ueberganges“  auch  verpflichtet  werden  sollen,  wohl¬ 
habende  Personen  um  Spottpreise  zu  behandeln,  davon 
sind  wir  auch  durch  diese  Auslassungen  nicht  zu  überzeugen. 

Viel  besprochen  wurde  in  der  Wiener  Fachpresse  ein  jüngst 
•  bekannt  gewordener  Erlass  des  Justizministeriums.  Derselbe  be¬ 
sagt  :  1.  Der  Untersuchungsrichter  ist  in  dringenden  Fällen  be¬ 
fugt,  auch  gegen  den  Widerspruch  des  Arztes  oder  des  Sachver¬ 
ständigen  vorzugehen,  wenn  seiner  Meinung  nach  die  angeregten 
Bedenken  nicht  gerechtfertigt  erscheinen.  2.  Inwieweit  die 
Sicherheitsbehörden  und  ihre  Organe  eine  Vernehmung  ohne  Be¬ 
fragung  oder  gegen  den  Widerspruch  des  behandelnden  Arztes 
durchzuführen  berechtigt  sind,  ist  nach  den  für  sie  zu  erlassenden 
\  orschriften  zu  beurteilen.  Punkt  1  wurde  von  der  niederöster¬ 
reichischen  Statthalterei  unverändert  den  Wiener  Kranken¬ 
anstalten  zur  genauen  Darnachachtung  mitgeteilt.  Punkt  2  lässt 
die  Statthalterei  noch  offen,  da  zwischen  dem  Ministerium  des 
Innern  und  dem  Landesverteidigungsministerium  noch  Verhand¬ 
lungen  schweben.  Am  schärfsten  kritisiert  diesen  jedenfalls  in¬ 
humanen  Erlass  die  „Aerztliche  Reformzeitung“,  indem  sie  u.  a. 
sagt:  „Dass  dieser  Erlass  einerseits  höchst  bedenklich  für  die 
Rechtspflege,  anderseits  im  höchsten  Grade  verhängnisvoll  für 
die  Gesundheit,  ja  das  Leben  der  Kranken  werden  kann,  sieht 
jeder  nur  mit  gesundem  Verstände  begabte  Mensch  mit  Aus¬ 
nahme  der  Juristen  vom  Konzepte  des  Justizministeriums  von 
vornherein  ein.  Der  Untersuchungsrichter  entscheidet,  ob  die 
Bedenken  des  Arztes  oder  der  Sachverständigen  gerechtfertigt 
seien  oder  nicht.  Noch  mehr,  er  kann  die  Verneinnung  vor¬ 
nehmen,  ohne  Arzt  und  Sachverständigen  überhaupt  nur  zu  be¬ 
fragen!  Vor  Herausgabe  solcher  Erlässe  sollte  man  doch  wenig¬ 
stens  den  Obersten  Sanitätsrat  um  ein  Gutachten  angehen,  damit 
die  Rechts-  und  Humanitätspflege  in  Oesterreich  keine  solche 
Blamage  erleide. 

Die  Ergebnisse  der  Heilserumbehandlung  bei  Diphtherie 
während  des  Jahres  1901  sind  folgende:  Im  Berichtjahre  wurden 
in  Oesterreich  28  373  Diphtheriekranke  zur  Anzeig'e  gebracht. 
17  413  wurden  mit  Heilserum  behandelt,  von  denselben  starben 
2417  oder  13,9  Proz.;  von  den  der  Serumbehandlung  nicht  unter¬ 
zogenen  10  960  Krankheitsfällen  nahmen  4111  oder  37,5  Proz. 
einen  letalen  Verlauf.  Die  durchschnittliche  Letalität  aller 
Diphtherieerkrankungen  betrug  23,0  Proz.  Kennzeichnend  und 
für  die  Beurteilung  des  Heilserums  von  besonderer  Bedeutung 
ist  es,  dass  die  Differenzen,  welche  sich  bezüglich  der  Letalität 
der  mit  Serum  behandelten  Fälle  in  den  einzelnen  Kronländern 
ergaben,  seit  Einführung  dieser  Behandlung-  immer  kleiner  ge¬ 
worden  sind.  Werden  die  Ergebnisse  der  Heilserumbehandlung 
im  Berichtjahre  mit  jenen  der  vorausgegangenen  Jahre  ver¬ 
glichen,  so  zeigt  sich,  dass  die  Sterblichkeit  der  Diphtherie¬ 
kranken  seit  Einführung  der  Heilserumbehandlung  andauernd 
abgenommen  hat,  und  dass  insbesondere  die  Sterblichkeit  der 
mit  Heilserum  behandelten  Kranken  eine  konstant  niedrige  war 
und  zwischen  16,1  und  13,9  Proz.  sich  bewegte,  während  die 
Letalität  jener  Fälle,  bei  welchen  Heilserum  nicht  angewandt 
wurde,  eine  dauernd  hohe  gewesen  ist  und  36  bis  41  Proz.  be¬ 
tragen  hat.  Das  Wiener  serotherapeutische  Institut  hat  auf 
Grund  eines  Erlasses  des  Ministeriums  des  Innern  ab  1.  Januar 
1903  die  Preise  aller  Sorten  Diphtherieheilserums  um  ca.  40  Proz. 
ermässigt. 

Hofrat  Professor  Dr.  Hermann  Nothnagel  wurde  zum 
Mitgliede  des  Herrenhauses  auf  Lebensdauer  ernannt.  Unser 
erster  Kliniker,  dessen  vornehmer  Charakter  und  dessen  humane 
Gesinnung  den  Studenten,  sodann  aller  Welt  als  leuchtendes  Bei¬ 
spiel  vorschwebt,  er  ist  der  Würdigste  für  den  verwaisten  Sitz, 
den  früher  Rokitansky,  Billroth  und  Widerhofe  r 
einnahmen.  Nothnagel  hat  ein  warmes  Herz  für  seine 


engeren  Kollegen  und  hat  es  oft  bekundet;  wir  sind  überzeugt, 
dass  er  gegebenenfalls  auch  im  Herrenhaus©  die  moralischen  und 
materiellen  Interessen  des  ärztlichen  Standes  schützen  und  för¬ 
dern  werde. 

Endlich  haben  wir  des  Ablebens  des  Regierungsrates  Pro¬ 
fessor  Dr.  Wenzel  Bernatzik  zu  gedenken.  Im  Jahre  1853 
zum  supplierenden  Professor  der  theoretischen  Medizin  an  der 
damals  neu  errichteten  militär ärztlichen  Hochschule  (Josephs- 
Akademie)  ernannt,  lehrte  er  daselbst  von  1856  an  als  ordent¬ 
licher  Professor  der  allgemeinen  Pathologie  und  Materia  medica 
und  ging  1878,  als  die  J osephs-Akademie  wieder  aufgelöst  wurde, 
in  den  Ruhestand.  Er  war  auch  Inspektor  der  k.  k.  Militär- 
Medikamentenregie  und  Mitglied  des  Militärsanitätskomitees. 
Er  veröffentlichte  zahlreiche  Studien  und  grössere  Werke,  so 
Kommentare  zur  österreichischen  Militärpharmakopöe,  ein  Hand¬ 
buch  der  allgemeinen  und  »speziellen  Arzneiverordnungslehre,  ge¬ 
meinschaftlich  mit  Prof.  \  o  g  1  ein  Lehrbuch  der  Arzneimittel¬ 
lehre,  war  Mitarbeiter  der  Realenzyklopädie  der  gesamten  Heil¬ 
kunde  von  Eulenburg,  schrieb  Abhandlungen  pharma¬ 
zeutischen  Inhaltes  in  „Büchners  Repetitorium“  (München), 
plädierte  auf  Kongressen  für  die  Ein f ii h r u n g  einer  internatio¬ 
nalen  Pharmakopoe,  welche  Idee  neuerlich  wieder  angeregt  und 
vielfach  diskutiert  wurde.  Prof.  Bernatzik  erreichte  ein 
Alter  von  81  Jahren. 


Verschiedenes. 

Injektionsspritze,  zerlegbar,  zum  sterilisieren. 

Die  Versuche,  eine  handliche  Injektionsspritze  herzustellen, 
welche  sich  mechanisch  gut  reinigen  und  sterilisieren  lässt,  haben 
zu  einem  sehr  erfreulichen  Resultat  geführt.  Es  ist  nicht  not¬ 
wendig,  die  Nachteile  der  alten  Instrumente  ausführlich  zu  be¬ 
leuchten. 

Das  Prinzip  des  Zieles  wird  immer  durchbrochen,  wenn  Stoffe 
zur  Herstellung  verwendet  werden,  die,  der  Hitze,  Feuchtigkeit 
oder  Trockenheit  ausgesetzt,  ihre  Beschaffenheit  ändern  Dem 
Dias  und  Metall  hängen  diese  Mängel  am  wenigsten  an,  und  darum 
sind  diese  Substanzen  in  erster  Linie  geeignet,  den  Anforderunsen 
zu  genügen.  ° 

Die  Konstruktion  selbst  darf  nicht  kompliziert  sein;  sie  muss 
gestatten,  jeden  einzelnen  Teil  für  die  Reinigung  genügend  zu¬ 
gänglich  zu  machen.  Die  einzelnen  Teile  müssen  sich  ergänzen 


B 


Lieber g’s  D.R.l*  119271 

.!?_  *■? 

iBMäiiil i 


Sind  auch  die  ersten  Anschaffüngskosten  für  ein  solches  In- 
strument  zunächst  etwas  hoch,  so  sind  sie  doch  durch  die  Dauer¬ 
haftigkeit  desselben  gerechtfertigt.  Subtile  Behandlung  macht 
eine  Neuanschaffung  fast  überflüssig. 

Die  Lu  ersehe  Spritze  besteht  aus  einem  Glaszylinder,  der 
an  einem  Ende  als  Ansatz  für  die  Kanüle  trichterförmig  zuläuft. 
Der  Stempel  ist  ebenfalls  ganz  aus  Glas  hergestellt  und  hold.  Der 
trichterförmige  Teil  lässt  sich  sehr  schwer  reinigen,  der  Stempel 
ist  zu  leicht  zerbrechlich. 

Di,e-  I7rma  J-  .&  H-  Lieberg,  Kassel,  verwendet  einen  dicken 
Glaszylinder  A,  in  welchen  ein  massiver  Glasstempel  B  passt. 
1  ur  die  Kanüle  dient  als  Ansatzstück  ein  kleineres,  starkes  Glas- 
röhrchen  G,  'welches  ebenfalls  in  den  Glaszylinder  passt  und  einen 
überall  gleich  weiten  Durchlasskanal  besitzt. 

Diese  Spritze  vermeidet  die  Mängel  der  L  u  e  r  sehen,  und 
durch  ihre  Zerlegbarkeit  lässt  sie  sich  bequem  und  gründlich  säu¬ 
bern.  der  Stempel  ist  weniger  zerbrechlich. 

I11  einem  Punkt  nur  war  eine  Verbesserung  geboten! 

Es  wird  nämlich  bei  Anwendung  von  öligen  Flüssigkeiten  die 
bei  der  Injektion  einen  viel  höheren  Druck  wie  wässrige  verlangen 
das  Einsatzstück  oft  herausgepresst,  eine  für  den  Arzt  und  Patien¬ 
ten  unangenehme  Unterbrechung. 

Um  diesen  Uebelstand  ganz  zu  beseitigen,  hat  die  Firma 
J.  &  H.  Lieb  erg  auf  meine  Veranlassung  eine  Armatur  auf 
alle  ihre  Spritzen  passend  hergestellt,  die  das  Heraustiiegen  des 
betreffenden  Ansatzstückes  unmöglich  macht  und  zugleich  durch 
ihre  praktische  Anordnung  eine  gute  Handhabe  für  den  Arzt 
bildet. 

Derartig  modifizierte  Spritzen  vereinigen  in  sich  alle  Vorzüge- 
sie  genügen  allen  Anforderungen,  und  werden  dieselben  von  der 
Firma  J.  &  H.  L  i  e  b  e  r  g,  Kassel,  in  jeder  Grösse  hergestellt. 

Dr.  med.  H  e  1  m  b  o  1  d.  Augenarzt.  Danzig. 


21 70 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  W OCHEN SCHRIFT. 


No.  51. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  n  c  h  e  n.  23.  Dezember  1902. 

_  Eine  A  k  ade.inie  für  praktische  Mediz  i  n  soll 

in  Frankfurt  a/M.  errichtet  werden.  Die  Akademie  ist  für 
Praktikanten  der  Medizin,  d.  h.  für  diejenigen  Mediziner,  welche 
die  Staatsprüfung  hinter  sich  haben,  nach  der  neuen  Prüfungsord¬ 
nung  aber  vor  der  Erlangung  der  Approbation  ein  praktisches  Jahr 
Krankenhausdienstes  ablegen  müssen,  und  für  praktische  Aerzte, 
denen  es  um  ihre  Fortbildung  zu  tun  ist,  bestimmt.  Ein  gemischter 
Ausschuss  hat  für  die  Behörden  der  Stadt  Frankfurt  einen  Plan 
ausgearbeitet,  wie  die  neue  Akademie  der  praktischen  Medizin 
eingerichtet  werden  soll.  Es  handelt  sich  im  wesentlichen  darum, 
die  in  Frankfurt  bestehenden  Einrichtungen  für  Krankenversor¬ 
gung  und  medizinische  Forschung  weiter  auszugestalten  und  zu 
ergänzen,  dann  die  gesamten  Anstalten  in  organische  Verbindung 
mit  einander  zu  bringen.  Es  kommen  von  den  derzeitigen  städti¬ 
schen  Anstalten  das  städtische  Krankenhaus,  das  Siechenhaus, 
die  Irrenanstalt,  die  Entbindungsanstalt  u.  a.  in  Betracht.  Aus 
Stiftungsmitteln  wird  das  Senckenberg  sehe  Institut  unter¬ 
halten,  an  dem  Prof.  Karl  W  e  i  g  e  r  t  als  pathologischer  Anatom 
wirkt.  Staatlichen  Charakter  trägt  das  von  Prof.  Paul  Ehrl  i  c  li 
geleitete  Institut  für  experimentelle  Therapie.  Erweitert  werden 
soll  das  städtische  Krankenhaus.  Neu  errichtet  werden  sollen 
Spezialkliniken,  eine  Hygiene-  und  eine  anatomische  Anstalt. 

—  Das  k.  Gesundheitsamt  hat  eine  Anleitung  herausgegeben 
zur  Verhütung  der  Uebertragung  von  Milzbran  d  durch  rohe 
Häute  und  Felle  überseeischer  Herkunft  auf  Menschen  und  Tiere. 

_  Der  kaiserl.  Regierungsrat  Dr.  Rudolf  Aderhold,  Mit¬ 
glied  des  Gesundheitsamtes,  ist  zum  Direktor  im  Gesundheitsamte 
unter  Beilegung  des  Charakters  als  Geheimer  Regierungsrat  er¬ 
nannt  worden.  .  . 

_  Zur  Bekä  m  p  f  u  n  g  d  e  r  T  uberkulose  wird  in 

Frankreich  eine  nationale  Subskription  veranstaltet.  In  dem  dar¬ 
auf  bezüglichen  Aufruf  wird  hervorgehoben,  dass  Deutschland 
04  Sanatorien  besitzt,  in  denen  23  000  Kranke  behandelt  werden 
können,  während  Frankreich  nur  2  solcher  Sanatorien  hat.  Ferner 
wird  an  die  Rede  des  Senators  G.o  1 1  e  r  o  n  erinnert,  der  ge¬ 
legentlich  einer  Interpellation  an  den  Kriegsminister  die  Mit¬ 
teilung  machte,  dass  in  der  deutschen  Armee  innerhalb  3  Jahren 
1300  Mann,  in  Frankreich  aber  im  gleichen  Zeitraum  10  000  an 
Tuberkulose  gestorben  seien.  An  der  Spitze  des  Subskriptionsaus¬ 
schusses  stellt  Brouardel.  Ein  anonymer  Spender  hat  bereits 
200  000  Fr.  gezeichnet. 

_  Als  Herausgeber  der  Virchowsehen  Jahres¬ 
berichte  über  die  Fortschritte  und  Leistungen 
der  gesamten  Medizin  werden  vom  nächsten  Jahre  an  die 
Professoren  Waldeyer  und  Posner  in  Berlin  zeichnen.  Für 
das  Virchowsche  Archiv  zeichnet  Professor  Orth  als 
Herausgeber,  Professor  O.  Israel  als  Redakteur. 

_  Im  Verlag  von  F.  Deuticke  in  Leipzig  und  Wien  be¬ 
ginnt  zu  erscheinen:  Monatsschrift  für  Kinderheil- 
k  u  n  d  e.  Redigiert  von  Dr.  Arthur  Kelle  r.  Das  neue  Blatt 
soll  ausser  kurzen  Originalartikeln  besonders  eine  möglichst  voll¬ 
ständige  Zusammenstellung  der  gesammten  pädiatrischen  Litera¬ 
tur  bringen.  Der  Preis  des  Bandes  beträgt  16  M. 

_  Pocken.  Grossbritannien.  Ende  November  wurden  aus 
den  westlichen  Bezirken  Englands  zahlreiche  Pockenfälle  ge¬ 
meldet.  Einem  Hospital  zu  Bradford,  in  welchem  sich  am 

26.  November  20  Pockenkranke  befanden,  gingen  am  26.  und 

27.  November  10  neue  Pockenfälle  zu,  an  denselben  beiden  Tagen 
wurden  8  neue  Erkrankungen  aus  Leeds  und  mehrere  aus  Black¬ 
burn  gemeldet.  In  einem  Arbeitshause  bei  Manchester  w uiden 
Ende  November  17  Personen  wegen  Pockenerkrankungen  ab¬ 
gesondert,  auch  kamen  daselbst  4  Pockentodesfälle  vor. 

—  Cholera.  Türkei.  Nach  einem  sechsten  amtlichen  Aus¬ 
weise  über  den  Stand  der  Cholera  in  Palästina  vom  2.  Dezember 
sind  vom  24.  bis  30.  November  innerhalb  des  Sandschacks  von 
Jerusalem  in  Jaffa  135  Erkrankungen  und  56  Todesfälle  an  der 
Cholera,  dagegen  in  Gaza  und  in  L  y  d  d  a  keine  weiteren  Fälle 
zur  Anzeige  gelangt.  Nach  Inhalt  der  sechs  bis  zum  2.  Dezember 
veröffentlichten  amtlichen  Ausweise  waren  in  Jaffa  192,  in 
Tiherias  188,  in  anderen  Ortschaften  Palästinas  1820  Personen  der 
Cholera  erlegen;  es  waren  also  insgesamt  2200  Choleratodesfälle 
seit  dem  Oktober  d.  J.  dort  zur  Anzeige  gelangt. 

—  In  der  49.  Jahreswoche,  vom  30.  November  bis  6.  Dezember 
1902  hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die 
grösste  Sterblichkeit  Heidelberg  mit  33,7.  die  geringste  Schöneberg 
mit  8,8  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Maseru  in  Aachen,  Duisburg; 
an  Scharlach  in  Beuthen;  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Königs¬ 
hütte,  Kottbus,  Mülheim  a.  d.  R.,  Potsdam.  (V.  d.  K.  G.-A.) 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  v.  Michel  ist  zum 
ordentlichen,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  P  a  s  s  o  w  zum  ausserordent¬ 
lichen  Mitgliede  der  wissenschaftlichen  Deputation 
für  das  Medizinalwesen  ernannt  worden. 

(T  o  d  e  s  f  ä  1 1  e.) 

Am  16.  ds.  starb  in  München  im  Alter  von  72  Jahren  der 
Anatom  Geheimrat  Professor  Dr.  Karl  v.  K  u  p  f  f  e  r.  Mit  ihm 
verliert  München  einen  Mann,  der  lange  Zeit  zu  den  glänzend¬ 
sten  Zierden  der  Universität  zählte.  In  den  letzten  Jahren  hatte 
er  viel  unter  Krankheit  zu  leiden;  noch  vor  wenigen  Wochen  erlitt 
er  eine  Apoplexie,  die  ihn  halbseitig  lähmte.  So  hat  ihn  der  Tod 
vor  schwerem  Siechtum  bewahrt.  Ein  Nekrolog  aus  berufener 
Feder  wird  folgen.  _ _ 


Der  Geh.  Ober-Reg.-Rat,  Generalarzt  ä  la  suite  des  Sanitäts¬ 
korps.  Dr.  Heinrich  Struck,  nach  vollendetem  77.  Lebensjahre. 

(B  ericlitiguu  g.)  In  meinem  Artikel  No.  43  d.  Jahrg., 
S.  1822,  Z.  27  v.  u.  lies:  „Durch  Missionare  und  Chinesen  mit 
Hilfe  meines  Dolmetschers  von  den  Yangtsestädteu  etc.“,  ebenso 
S.  1823,  Z.  44  v.  o.  lies:  „sind  mir  in  Hangtsliau  etc.  gezeigt 
worden,  von  Tsliungking  und  Tshengtu  ist  es  mir  erzählt.“  Durch 
Erkundigungen  habe  ich  mich  von  der  Richtigkeit  der  Angaben, 
speziell  derer  über  Tsliungking  zu  überzeugen  geglaubt. 

Dr.  M  a  y  e  r. 


Personalnachrichten. 

(Bayer  n.) 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  Bezirksarzt 
I.  Klasse  Dr.  Gustav  Schönbrod  in  Bruck  seinem  Ansuchen 
entsprechend  wegen  zurückgelegten  70.  Lebensjahres  unter  An¬ 
erkennung  seiner  langjährigen,  treuen  und  erspriesslichen  Dienst¬ 
leistung. 

Gestorben:  Dr.  Georg  Wörlein  in  Uffenlieim,  42  Jahre  all. 


Korrespondenz. 

„Nikotinfreie“  Zigarren. 

In  unserem  Wiener  Briefe  in  No.  47  war  auf  die  Gutachten, 
welche  die  Direktion  der  österreichischen  Tabaksregie  und  der 
k.  k.  Oberste  Sanitätsrat  über  Wendts  Patent-Zigarren 
abgegeben  hatten.  Bezug  genommen.  Es  hiess  dort,  die  Unter¬ 
suchung  habe  ergeben,  dass  die  Wendt  sehen  Zigarren  keines¬ 
wegs  nikotinfrei  seien,  sondern  einen  mittleren  Gehalt  von  0,9  Proz. 
an  gerbsaurem  Nikotin  besässen,  welches  im  Wasser  schwer  lös¬ 
lich  sei.  Daraus  folgernd  gab  der  Referent  Prof.  E.  Ludwi  g 
sein  Gutachten  dahin  ab,  dass  die  „nikotinfreien“  Patentzigarren 
nikotinhaltig  seien  und  deshalb  vom  hygienischen  Standpunkte 
keine  Verbesserung,  sondern  eine  Verschlechterung  für  den 
Raucher  bedeuten.  Hierzu  senden  uns  nun  Wendts  Zigarren¬ 
fabriken  eine  längere  Erklärung,  der  wir  folgendes  entnehmen: 
Wir  erklären,  dass  wir  noch  niemals  unsere  Fabrikate  als 
..nikotinfreie  Zigarren“  —  die  bekanntlich  überhaupt 
nicht  herzustellen  sind  —  ausgegeben  oder  angeboten 
haben.  Wir  sagen  vielmehr  in  unseren  Offerten  wörtlich:  „Nicht 
zu  verwechseln  mit  sogen,  nikotinfreien  Zigarren.“  Die  Chemiker 
der  österreichischen  Regie  haben  demnach  etwas  „entdeckt“,  was 
Prof.  Gerold  bereits  zur  Zeit  der  Erfindung  bekannt  gegeben 
hat.  Derselbe  sagt  ausdrücklich:  „Mit  der  Entfernung  des  Niko¬ 
tins  hört  der  Tabak  auf,  Genussmittel  zu  sein.“  Wenn  Sie  weiter 
unsere  bekannte,  hier  beiliegende  Preisliste  durchzusehen  sich  be¬ 
mühen  wollen,  so  werden  Sie  sich  davon  überzeugen,  dass  darin 
auf  den  vollen  Nikotingehalt  unserer  Fabrikate  wiederholt  hin¬ 
gewiesen  wird.  Nach  Geheimrath  Prof.  Dr.  med.  Gerold  wird 
das  Nikotin  im  Tabak  durch  Gerbsäure  gebunden  und  ist  beim 
Rauchgenuss  unter  dem  Einfluss  der  gleichzeitig  antidotisch  wir¬ 
kenden  beiden  Imprägnationsstoffe,  physiologisch  un¬ 
schädlich  für  den  Raucher.  Wir  selbst  haben,  um  sicher  zu 
gehen,  weder  Mühe  noch  Kosten  gescheut,  diese  Tatsache  durch 
berufene  Physiologen  und  besonders  durch  praktische  Aerzte  em¬ 
pirisch  nachprüfen  zu  lassen.  Dankbar  können  wir  darauf  hin- 
weisen,  dass  die  deutschen  Aerzte  uns  dabei  uneigennützig  ent¬ 
gegen  gekommen  sind. 

Die  Erklärung  verweist  des  weiteren  auf  zahlreiche  physio¬ 
logische  und  klinische  Versuche  mit  den  Wendt  sehen  Fabri¬ 
katen,  die  die  völlige  Unschädlichkeit  dieser  dartun. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  für  München 

ia  der  49.  Jahreswoche  vom  30.  November  bis  6.  Dezember  1902. 

Beteiligte  Aerzte  91.  —  Brechdurchfall  1  (4*),  Diphtherie  u. 
Krupp  4  (5),  Erysipelas  6  (12),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  (_).  Kindbettfieber  —  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  1  (1), 

Morbilli  37  (30),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  —  (3),  Parotitis 
epidem.  —  (1),  Pneumonia  crouposa  11  (17),  Pyämie,  Septikämie 
1  ( — ),  Rheumatismus  art.  ac.  10  (10),  Ruhr  (Dysenteria)  .  (  ), 

Scarlatina  1  (6),  Tussis  convulsiva  22  (20),  Typhus  abdominalis  1 
(2),  Varicellen  15  (15),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  1  (2) 
Summa  111  (126).  .  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  49.  Jahreswoche  vom  30.  Nov.  bis  6.  Dezember  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  3  (4*)  Scharlach  1  ( — )  Diphtherie 
u  Krupp  2  ( — ),  Rotlauf  —  ( — ),  Kindbettfieber  —  ( — ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  —  (1),  Brechdurchfall  3  (1),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  3  (4),  Kruppöse  Lungenentzündung  2  (3),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  23  (26),  b)  der  übrigen  Organe  8  (6),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
4  (2),  Unglücksfälle  1  (3),  Selbstmord  4  (3),  Tod  durch  fremde 
Hand  1  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  205  (202),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  21,1  (20,8),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  13,8  (12,9). 

*i  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  ln  München. 


—  Diuek  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


I)ie  Munch.  Med.  Wochenschr.  erscheint  wöchentl 
in  Nummern  von  durchschnittlich  5-6  Boeen 
>Telf  jn  Deutschland,  Oesterr  .-Unearn  u.  Luxemburg 

Vierteljahr!.  Ji  6. —  in  allen  übrigen  Ländern  JL  8 _ 

Einzelne  No.  8(1  -J,. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressiren:  für  die  Redaktion 
Arnulfstr.  26.  Sprechstunde  der  Red.  10—11  Uhr.  — 
Kur  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Heustr  20.  — 
Für  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse, 
Promenadeplatz  16. 


MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


(FRÜHER  ÄRZTLICHES  INTELLIGENZ -BLATTE 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Heraasgegeben  von 

0'.';„Ser’  “”leBr’  H'  Crctann’  W'''Leube'  G'Mel'  >■  '■ »«M.  F.Penzoldt,  H.  v.  Ranke,  F, »,  Winckel, 

-  _ ; _ eipztg.  Wurzburg.  Nürnberg  Berlin  Erlangen.  München.  München 


No.  52.  30.  Dezember  1902. 


Redaktion :  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
\ erlag:  J.  P.  Lehmann,  Heustrasse  20. 


49.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  k.  mediz.  Klinik  in  Breslau  (Geh.-Rat  Prof.  Dr.  K  a  s  t). 

Zur  Kritik  der  Beziehungen  der  Angina  tonsillaris 
zur  Entzündung  des  Wurmfortsatzes. 

Von  Di.  Hans  \\  eber,  Marinestabsarzt,  kommandiert  zur  Klinik 
Die  im  letzten  Jahrzehnt  über  die  Wurmfortsatzentzündung 
veröffentlichten  Arbeiten  haben  neben  der  Anbahnung  einer 
Klärung  in  den  Anschauungen  über  Wesen  und  Behandlung 
dieser  Krankheit  auch  für  die  ätiologische  Auffassung 
derselben  einen  neuen  Gesichtspunkt  gebracht. 

Zunäqhst  von  französischen  und  englischen  Autoren,  dann 
auch  von  anderer  Seite  wurde  auf  die  wiederholt  bemerkte  Tat¬ 
sache  der  Entwicklung  einer  Perityphilitis  während  oder  nach 
Ablauf  verschiedenartiger  akuter  Allgemeinerkrankungen  in¬ 
fektiöser  Art  aufmerksam  gemacht.  Die  Wiederkehr  solcher 
Beobachtungen  legte  den  Gedanken  nahe,  dass  es  sich  dabei 
nicht  um  ein  zufälliges  zeitliches  Zusammentreffen,  sondern  um 
eine  ursächliche  Beziehung  handeln  müsse.  Man  nahm  an,  dass 
in  diesen  1  ällen  das  der  betreffenden  Infektionskrankheit  eigen¬ 
tümliche  \  irus  zum  W  urmfortsatz  gelange  und  die  Entzündung 
auslöse.  Anatomischer  und  histologischer  Bau  der  Appendix  sind 
dabei  die  Ablagerung  von  Krankheitskeimen  begünstigende  Um¬ 
stände.  Gelegentlich  kann  durch  Kotsteine,  Fremdkörper  und 
Traumen  eine  erhöhte  örtliche  Disposition  geschaffen  werden. 

Noch  weiter  in  der  Betonung  des  infektiösen  Moments  in 
der  Aetiologie  der  Appendizitis  ging  Goluboff  [1],  welcher 
behauptete,  die  Wurmfortsatzentzündung  sei  in  der  Mehrzahl 
der  I  alle  eine  „Infektionskrankheit  sui  generis“,  „die  dem  Pro¬ 
cessus  vermiformis  in  demselben  Grade  eigentümlich  sei,  wie  die 
Angina  follicularis  den  Tonsillen,  die  Dysenterie  dem  Dick- 
darrn“.  Er  schloss  das  aus  einer  von  ihm  und  anderen  in  Moskau 
beobachteten  epidemieartigen  Häufung  von  Appendizitis¬ 
erkrankungen,  wie  solche  übrigens  auch  von  Sonnenburg  [2] 
u.  a.  erwähnt  wird. 

Die  Zahl  der  nach  den  Literaturangaben  in  der  erwähnten 
ätiologischen  Beziehung  zur  Appendizitis  stehenden  Krankheiten 
ist  eine  beträchtliche,  Polyarthritis  und  Influenza  nehmen  unter 
ihnen  die  wichtigste  Stelle  ein.  Ein  näheres  Eingehen  auf  alle 
dieselben  liegt  ausserhalb  des  Rahmens  der  hier  beabsichtigten 
kasuistischen  Mitteilung.  Zudem  findet  sich  in  C.  Adrians  [3] 
Arbeit:  „Die  Appendizitis  als  Folge  einer  Allgemeinerkrankung“ 
eine  diesbezügliche  Zusammenstellung,  welcher  von  späteren  Mit¬ 
teilungen  etwa  noch  diejenigen  Gagnieres  [4],  Simo- 
nins  [5],  Finney  und  Hamburger  [6],  hinzufügen 
wären.  Ich  beschränke  mich  darauf,  kurz  einige  derjenigen  Be¬ 
obachtungen  anzuführen,  welche  im  Sinne  meines  Themas  für 
die  Angina  tonsillaris  die  Annahme  eines  ursächlichen 
Zusammenhangs  mit  der  Appendizitis  nahelegen. 

Soviel  ich  sehe,  hat  Kelynack  [7]  den  ersten  Fall  dieser 
Art  mitgeteilt:  Bei  einem  21  jährigen  Studenten  entwickelte  sich 
ini  Anschluss  an  eine,  in  den  ersten  Tagen  diphtherieverdächtige 
Halsentzündung  eine  gangränöse  Appendizitis  mit  Perforation  und 
tödlichem  Ausgang. 

Weiter  wird  von  Brazil  [8]  das  Bestehen  einer  Tonsillitis 
in  einem  seiner  mit  Gelenkrheumatismus  vergesellschafteten 
Appendizitisfälle  erwähnt. 

Auch  Sutherland  [9]  weist  auf  den  Zusammenhang 
zwischen  Mandel-  und  Wurmfortsatzentzündung  hin. 

No.  52. 


Ferner  wird  von  französischen  Autoren  (Eoutier  [10], 
Simonin  [1.  c.]  u.  a.  der  Angina  in  dem  angedeuteten  Sinne 
Erwähnung  getan. 

Apolant  [11]  beobachtete  3  Fälle  von  Perityphlitis  im 
Anschluss  an  eine  Angina.  Er  nimmt  an,  dass  die  im  Rachen  ein- 
gcdruugenen  Entzündungserreger  sich  da  ansiedeln,  wo  ein  Reiz 
vorhanden  ist,  wie  solcher  im  Blinddarm  und  Wurmfortsatz  durch 
etwa  vorangegangene  Kotstauung  veranlasst  sein  könne. 

Adrian  (1.  c.)  sah  im  Fall  6  und  7  seiner  Mitteilung  das 
Zusammentreffen  von  Angina  und  Perityphlitis.  Im  letzteren 
Falle  lag  Influenzainfektion  vor. 

Er  erwähnt  ferner  einen  Fall  Sonnenburgs,  in  welchem 
sieh  an  eine  zu  allgemeiner  Peritonitis  führende  akute  Appendizitis 
an  eine  schwere  infektiöse  Angina  anschloss. 

Besonders  einleuchtend  ergibt  sich  der  kausale  Zusammen¬ 
hang  aus  den  beiden  von  Kretz  [12]  mitgeteilten  Sektions- 
Befunden:  Bei  einem  30  jährigen  Weibe  fand  sich,  ausgehend  von 
2  kleinen  Geschwürchen  um  Traubenkerne,  eine  alle  Wand¬ 
schichten  durchsetzende  Phlegmone  des  Processus  vermiformis, 
daneben  phlegmonöses  Oedem  der  Schleimhaut  des  Coekums  und 
diffuse  fibrinös-eitrige  Peritonitis.  Als  Infektionsquelle  wurde 
eine  klinisch  niclitbeobaclitete,  schon  halb  abgelaufene 
Angina  mit  Substanzverlusten  an  den  Tonsillen  festgestellt.  I  m 
T  o  n  s  i  1 1  a  r  e  i  t  e  r  w  i  e  im  Peritonealexsudat  reich- 
1  i  c  h  lange,  zierliche  Streptokokken. 

I  in  2.  1  alle  handelte  es  sich  um  eine  Rezidiverkrankung  bei 
einem  jungen  Manne,  dem  früher  die  Spitze  des  Wurmfortsatzes 
und  ein  Kotstein  operativ  entfernt  worden  waren.  Es  lag  eitrige 
Infiltration  aller  Wandschichten,  phlegmonöses  Oedem  der  Schleim¬ 
haut  des  Coekum  und  Colon  ascendens,  sowie  des  subserösen  Zell¬ 
gewebes,  davon  ausgehend  eitrige  Peritonitis  vor.  Wieder  fanden 
sich  als  Entzündungserreger  Streptokokken  und  als  Aus¬ 
gangspunkt  eine  klinisch  nicht  bemerkte  Angina.  Im 
Tonsillareiter  wurden  neben  Streptokokken  auch  Influenzabazillen 
nachgewiesen. 

Heber  einen  analogen,  jedoch  in  Heilung  ausgegangenen  Fall 
hat  Schnitzler  [13]  berichtet.  Eine  24jährige  Kranke  bekam 
im  Anschluss  an  eine  Streptokokkenangina  schwere 
Appendizitis.  Bei  der  Laparotomie  fand  sich  beträchtliche  Ver¬ 
dickung  und  eitrige  Einschmelzung  des  Froc.  vermiformis.’  Im 
Eiter  der  Bauchhöhle  Streptokokken. 

Neuerdings  ist  von  Rudolph  [14]  in  einer  Diskussions¬ 
bemerkung  in  der  Magdeburger  medizinischen  Gesellschaft  auf 
die  Beziehung  der  Perityphlitis  zur  Angina  hingewiesen,  unter  Bei¬ 
bringung  zweier  günstig  verlaufener  Fälle  der  Art. 

Diesen  Beobachtungen  schliesst  sich  die  nachstehende  aus 
der  Breslauer  medizinischen  Klinik  an : 

Ein  bis  dahin  angeblich  stets  gesundes  17  jähriges  Dienst¬ 
mädchen  erkrankte  am  5.  XI.  01  mit  Halsschmerzen  und  Schling¬ 
beschwerden.  Da  unter  Behandlung  mit  Gurgelungen  keine  Besse¬ 
rung  eintrat,  kam  sie  am  10.  XI.  ins  Krankenhaus,  wo  sie  neben 
den  genannten  Beschwerden  starke  Kopfschmerzen,  Appetitlosig¬ 
keit  und  Schmerzen  in  der  Gegend  der  Unterkieferdriisen  klagte. 

Befund  bei  der  Aufnahme:  Temp.  38,1,  Puls  112, 
ltespir.  24.  Grosses,  kräftiges,  gut  genährtes  Mädchen.  An  der 
Unterlippe  links  spärliche  Herpesbläschen.  Tonsillen  und  weicher 
Gaumen  stark  geschwollen  und  gerötet.  Linke  Seite  des  letzteren 
stärker  vorgewölbt  als  die  rechte.  Kein  deutliches  Fluktuations¬ 
gefühl.  Auf  den  stark  zerklüfteten  Mandeln  dickeitriger,  mecha¬ 
nisch  zum  grössten  Teil  leicht  zu  entfernender  Belag.  Beiderseits 
druckschmerzhafte  Schwellung  derUnterkieferlymphdrüsen.  Physi¬ 
kalischer  Lungenbefund  regelrecht.  Herzdämpfung  in  den  ge¬ 
wöhnlichen  Grenzen.  1.  Ton  an  der  Spitze  langgezogen  und  etwas 
dumpf.  Aktiva  regelmässig.  Abdomen  ohne  krankhaften  Befund. 
Milz  nicht  vergrössert.  Im  Urin  Eiweiss  in  grösserer  Menge.  Das 
Sediment  enthält  reichlich  hyaline  und  granulierte  Zylinder,  wenig 
Erythrocyten,  Nierenepithelien,  Leukocyten.  Im  Ausstrichprä¬ 
parat  des  Mandelbelages  neben  anderen  Bakterien  lange  dünne 
Streptokokken  ketten.  Diphtheriebazillen  wurden  auch  bei 
der  weiteren  kulturellen  Untersuchung  nicht  gefunden. 


2X72 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


Der  in  den  ersten  Tagen  schwerkrankhafte  Zustand  verlor  sich 
unter  Rückgang  der  entzündlichen  Erscheinungen  im  Rüchen  und 
Abfall  des  Fiebers  bis  zum  14.  XI.  Auch  die  Ausscheidung  \on 
Eiweiss  und  Nierenbestandteilen  im  Urin  ging  schnell  zurück. 
Vom  20.  XI.  ab  war  der  Harn  eiweissfrei.  Da  stellten  sich  am 

•>l  XI  Abends  unter  Anstieg  der  Körperwärme  auf  3 1 ,  i  Erbreciien 

und  ziehende  Schmerzen  im  Leibe  ein.  Ausser  lemhtem  Meteoris- 
mus  und  Druckempfindlichkeit  der  Magengegend  kem  kiankhaitei 
Befund.  Am  folgenden  Tage  wiederholte  sich  das  Eibrechen  u 
dazu  kamen  heftige  Schmerzen  in  der  Ileocoekalgege  c . 
leichter  Beklopfung  fand  sich  über  den  ausseren  1  eilen  des  L 
Pouparti  und  oberhalb  der  Spina  aut.  sup  eine  2 
Zone  gedämpft  tympanitischen  Schalles,  die  bei  jedei  Beiuhrung 
nngemdn  seVhüat't  war.  Keine  fühlbare  Uesl»  ««  Unter- 
suchung  per  rectum  und  per  vaginain  liess  nur  le^fte  Druck 
Schmerzhaftigkeit  der  rechten  Seite  erkennen  Im  l  im  Indika 
probe  schwach  positiv.  Am  23.  XI.  Leukocytose  von  io  200  test- 
bestellt.  Am  24.  XI.  Leukocytose  von  10  200,  wiederholtes  Ei - 
brechen  wie  am  Tage  zuvor,  deutliche  Resistenz  in  der  Blindaim- 
o-egend.  Am  25.  XI.  folgender  Befund:  Ziemlich  derbe,  ungemcii 
empfindliche  dem  Lig.  Pouparti  als  Basis  segmentartig  au 

sitzende  Dämpfung.  Ueber  die  palpable  Resif nach "ecMs 
peritonitischer  Schmerzhaftigkeit  hinaus,  welche  sieh  nach  rechts 
bis  zur  Linea  alba  erstreckt.  Durch  eine  weiterhin  nochmals  von 
gynäkologischer  Seite  vorgenommene  Untersuchung  v\ui de  d 
Vorliegen  einer  Uterus-  oder  Adnexerkrankung  mit  Sicherheit  au. 
geschSen  Vom  30.  XI.  ab  gingen  (unter  Behandlung  mit  Opium, 
Eis  weniger  flüssiger  Nahrung)  die  Beschwerden  stetig  zuruck. 
Am  2.  XII.  war  jeder  objektive  krankhafte  Befund  m  der  Ileo- 
coekalgegend  verschwunden.  Am  10.  XII.  stieg  nach  einem  D  a  - 
fehler  die  Temperatur  nochmals  auf  37,5  unter  zweimaligem  L 
brechen  dann  nahm  die  Rekonvaleszenz  ungestörten  Fortgang,  so 
äSs  dte  Patientin  am  17.  XII.  geheilt  entlassen  werden  konnte. 

Aus  Anlass  dieses  Falles  habe  ich  die  Krankenblatter  von 
144  seit  dem  Jahre  1893  in  der  Klinik  behandelten  lallen  von 
Perityphlitis  auf '  gleichzeitig  bestehende  oder  vorausgegangene 
Entzündung  der  ßachenorgane  hin  durchgesehen.  Dabei  finde 
ich  __  wenn  ich  von  4  Fällen,  in  denen  nur  ganz  leichte  ent¬ 
zündliche  Hütung  dieser  Teile  vermerkt  ist,  absehe  —  noch  2  wei¬ 
tere  vielleicht  für  unsere  Frage  verwertbare  Krankengeschichten : 

1  20  jähriges  Dienstmädchen,  seit  3  Jahren  regelmassig  im 

Frühjahr  und  Kerbst  „halsleidend“,  klagte  seit  der  Aufnahme 
(7  l  1808)  über  ‘  eit  einiger  Zeit  bestehende  Schlingbeschwerde  , 
Girier  mid  Kopisehmerten.  Es  fand  sich  heftiger  Katarrh  der 
Nasen-  Rachen-  und  Kehlkopfschleimhaut.  Am  Herzen  über  vei- 
schiedenen  Ostien  ein  systolisches  Geräusch.  Ueber  den  Lungen 
spärlicher  diffuser  Katarrh.  Am  25.  1.  stellten  f  1C£ ‘  ^ 
dauerndem  Katarrh  der  oberen  Luftwege  plotzhch  Riechen  An 
stieg  der  Temperatur  auf  38,5,  Schmerzen  im  Leibe,  Druckempnna 
lichkeit  und  leichte  Dämpfung  in  der  ileocoekaigpend  enn  ln 
lirhi  stark  positive  lndikanreaktion.  Am  2b.  1.  Lcukocjtost 

15  200.  Bis  zum  5.  II.  schwanden  unter  Absinken  der  Temperatur 
Beschwerden  und  objektiver  Befund  in  der  Ileocoekalgegenc .  .  i 

2S.  II.  ^I1^.  e2^stmädchen  wurde  am  10.  II.  98  aufgenommen 
nachdem  sie  seit  ca.  5  Tagen  mit  Schmerzen  m  der  rechten  Seite 

des  Leibes  und  Uebelkeit  erkrankt  war.  .  mpin- 

Die  Patientin  machte  einen  schwerkranken  Emdiuc  . 
neratur  38  2  Rechte  Tonsille  erheblich  geschwollen  an  zwu 
stellen  mit  schmutzig  gelbweissem  Belag  bedeckt.  Abdomen  im 
ganzen  leicht  aufgetrieben,  die  rechte  Uu^rbauchseite  oberhalb  des 
Pou  Dartsehen  Bandes  äusserst  empfindlich.  Daselbst  bei  uei 
Betas  tun0,  vermehrtes  Widerstandsgefühl.  Per  rectum  keine  \ oi- 
wölbung  “fühlbar,  aber  heftige  Schmerzhaftigkeit  der  i echten 
Seite.  Am  nächsten  Tage  Erbechen.  Metwnsmus  und  Resist 
in  der  Ueocoekalgegend  haben  zugenommen.  Die  Schmelzen  smu 
so  heftig,  dass  sie  subkutane  Morphiumgaben  notig  machen  \  om 
oo  Tr  ab  schwinden  unter  Abfall  der  Temperatur  zur  Norm  die 

st  äm« 

kuläre  Angina  überstanden  hatte. 

Bei  der  ersten  unserer  Kranken  trat  also  7  Tage  nac  a 
einer  Angina  während  noch  fortdauernder  klinischer  Beobach¬ 
tung.  bei  der  zweiten  bei  noch  bestehender  akuter  Entzündung 
der  oberen  Luftwege  die  Appendizitis  auf,  wahrend  der  3.  1  all 
beim  Eintritt  in  die  Klinik  gleichzeitig  Angina  und  Wurmfort- 

satz<mtzümluug^aufm^.^^ki^^  Zusammenhanges  zwischen 

den  beiden  räumlich  getrennten  Entzündungsherden  die^ic1;  ™ 
Beobachter  unwillkürlich  aufdrängt,  kann  durch  den  Nachweis 
der  gleichen  Erreger  —  Streptokokken  —  an  beiden  Orten  i 
den  Fällen  von  Kretz  (1.  ,)  und  Schnitzler  (1.  c.)  wohl 
als  sichergestellt  gelten.  Es  sei  auch  darauf  hingewiesen,  das 
in  dem  oben  angeführten  Falle  7  A  d  rian  s  (1.  c)  m  entsprechen¬ 
der  Weise  Influenzabazillen  als  bakterielle  l  rsache  im  Auswur 
wie  im  periappendikulären  Abszesseiter  gefunden  wurden,  ln 
unseren  Fällen  liess  sich,  da  sie  ohne  Operation  günstig  ablielen, 
ein  derartiger  Beweis  für  den  Kausalnexus  nicht  erbringen. 


Trotzdem  scheint  mir  aus  der  Analogie  mit  jenen  Veröffent¬ 
lichungen  die  Annahme  des  ursächlichen  Zusammenhangs  wohl 
berechtigt.  In  unserem  ersten  Falle  würden  dabei  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  die  im  Tonsillarabstrich  gefundenen 
Streptokokken  auch  als  Appendizitiserreger  anzusprechen  sem. 
Dass  der  Verlauf  der  Erkrankung  sich  je  nach  Art  und  Virulenz 
der  Erreger,  wie  auch  unter  dem  Einfluss  örtlicher  Verhältnisse 
verschieden  gestalten  wird,  erscheint  ohne  weiteres  einleuchtend. 

Von  Interesse  ist  nun  die  Frage  nach  dem  Wege,  auf  welchem 
die  Infektionskeime  vom  Rachen  zum  Proc.  vermif.  gelangen. 
Zwei  Anschauungen  sind  hier  vertreten,  nach  deren  einer  die 
Lympli-  bezw.  Blutbahn,  während  nach  der  anderen  der  Gastro- 
intestinalkaiial  (infolge  Verschluckens  infektiösen  Materials)  die 
Vermittlung  übernimmt.  Zur  Klarlegung  des  ersteren  Infek¬ 
tionsmodus  sind  verschiedentlich  Tierversuche  gemacht,  die 
A  d  r  i  an  in  seiner  erwähnten  Arbeit  zusammengestellt  und 
durch  eigene  bereichert  hat.  So  interessant  die  Ergebnisse, 
namentlich  der  Versuche  Adrians  selbst  sind,  welcher  nach 
Injektion  verschiedenartiger  pathogener  Bakterienaufschwem¬ 
mungen  in  die  Ohrvene  von  Kaninchen  eine  besondere  zeitliche 
und  örtliche  Bevorzugung  des  Proc.  vermiformis  für  Ablagerung 
von  Keimen  und  Auftreten  follikulärer  Entzündung  feststellen 
konnte,  ist  damit  für  diesen  Entstehungsmodus  bei  der  Appendi¬ 
zitis  des  Menschen  kein  ihn  über  die  blosse  Möglichkeit 
hinaushebender  Anhalt  geliefert. 

Einfacher  und  dem  Verständnis  näher  liegend  erscheint  die 
von  Kretz  (1.  c.)  angenommene  Uebertragungsweise  derart,  dass 
reichlich  verschlucktes  virulentes  Bakterienmaterial  zum  Teil  m 
den  Darm  gelangt  und  hier  unter  gewissen  Vorbedingungen  die 
Entzündung  auslösende  pathogene  Eitererreger  liefert.  Kretz 
führt  zur  Stütze  dieser  Auffassung  einen  Sektionsbefund  Ku  n  d  - 
r  a  t  s  an,  nach  welchem  bei  einer  Gastritis  phlegmonosa .  das 
infektiöse  Material  für  die  Magenschleimhaut  von  den  Tonsillen 
geliefert  worden  war.  Dass  die  Lage,  der  anatomische  Bau  deo 
Wurmfortsatzes,  sein  Reichtum  an  adenoidem  Gewebe  ihn  zur 
Ansiedlung  pathogener  Keime  besonders  disponieren,  ist  von 
vielen  Seiten  genügsam  betont  worden.  Ebenso  ist  verständlich, 
dass  durch  Kotsteine  und  Fremdkörper  bedingte,  vielleicht  hie 
und  da  auch  traumatische  Läsionen  in  einzelnen  I  allen  der  in¬ 
fektiösen  Noxe  die  Tür  öffnen  können.  Sehen  wir  doch  auch 
tuberkulöse  und  aktinomykotische  Herde,  deren  Erreger  doch 
wohl  nach  allgemeiner  Ansicht  auf  dem  Wege  des  Intestinal¬ 
schlauches  eindringen,  sich  mit  Vorliebe  in  der  Wumfortsatz- 
gegend  etablieren.  Uebrigens  erklärt  auch  M  o  s  s  e  [15]  bei  Er¬ 
wähnung  des  Zusammenhanges  von  Angina  und  Appendizitis 
den  Uebertragungsweg  durch  den  Digestionstraktus  für  den 
wahrscheinlicheren. 

Weitere  Beobachtungen  und  Versuche  werden  über  die  Art 
der  ursächlichen  Beziehungen  zwischen  Appendizitis  und  ge¬ 
wissen  Infektionskrankheiten  aufklären  müssen,  dafür  aber,  dass 
in  der  Tat  solche  bestehen,  scheinen  mir  bezüglich  der  Angina 
tonsillaris  auch  die  mitgeteilten  Fälle  als  Belege  dienen  zu 
können. 

Literatu  r: 

1.  Goluboff:  Die  Appendizitis  als  eine  epidemisch-infek¬ 
tiöse  Erkrankung.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1897,  No.  1.  —  2.  S  o  n  • 
nenburg:  Pathologie  und  Therapie  der  Perityphlitis.  4.  Aull. 
1900  S.  117;  zit.  nach  Adrian  s.  unter  3.  —  3.  Adrian:  Die 
Appendizitis  als  Folge  einer  Allgemeinerkrankung.  Mitteil.  a.  d. 
Grenzgeb.  d.  Medizin  u.  Chirurg.  VII.  Bd„  1891.  -  4.  Gagniere: 
Grippe  et  appendicite.  Gazette  des  höpitaux  1899,  No.  120.  — 
5.  S  i  m  o  n  i  n:  Societe  medicale  des  Höpitaux,  Dez.  1901;  zit.  nach 
Deutsch,  nied.  Wochenschr.  Vereinsbeil.  No.  4,  S.  31,  23.  Jan.  190-. 

_  0.  Finney  und  Hamburger:  The  relation  of  appendicite 

to  infectious  diseases.  Amer.  medicine  1901,  14.  Dez.;  cit.  nach 
Centralbl.  f.  hin.  Med.  No.  32,  1901,  S.  792.  —  7.  Kelynack. 
A  contribution  to  the  pathology  of  tlie  vermiform  appendix  Lon¬ 
don  1893.  S.  98.  —  8.  Brazil:  British  medical  Journal  18J.>, 
g  1795  _  9.  Sutherland:  Appendicitis  and  rheumatism. 

Lancet  1895.  24.  Aug.  —  10.  ßoutier:  Sociüte  de  Chirurgie. 

Seance  du  30.  Dec.  1896.  Ref.  Sem.  med.  1897,  S.  6.  —  11.  A  p  <> 
lant:  Ueber  das  gleichzeitige  Vorkommen  von  Angina  und  Pei  - 
tvphlitis.  Therap.  Monatshefte  1897,  S.  92.  —  12.  K  r  e  P z  :W£- 
klin.  Wochenschr.  1900,  S.  1137  ff.  _  13.  S  c  h  n  1 1  z  1  e  r:  Gesellsch. 
f.  inn.  Med.  in  Wien,  6.  Febr.  1902.  Ref.  im  Centralbl  t.  mn.  M  • 
1902.  No.  35,  S.  390.  _  14.  Rudolph:  Ref.  m  Munch,  me  • 
Wochenschr.  1902,  No.  26,  S.  1122.  —  15.  Messe:  Ueber  Angint 
als  Infektionskrankh.  Deutsche  Klinik  44.  Lielg., 


30.  Dezember  1902, 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2173 


Die  Innervation  der  Verdauung.1) 

Ein  Aufenthalt  im  Laboratorium  Pawlows  in  St.  Petersburg. 
Von  Otto  Cohnheim  in  Heidelberg. 


.  Tm  'Tallro  1895-  erschien  im  Archiv  für  Anatomie  und  Physio¬ 
logie  eine  Abhandlung  des  russischen  Physiologen  Iwan  Petro- 
v, ätsch  Pawlow,  die  geeignet  war,  unter  Physiologen  und 
Aerzten  grosses  Aufsehen  zu  erregen.  Sie  blieb  indessen  völlig 
unbeachtet.  Erst  als  3  Jahre  später  Pawlow  seine  Forschungen 
zusammenfasste  und  dieses  Euch  unter  dem  Titel  „Die  Arbeit 
oci  \  erdauungsdrüsen“  )  ins  Deutsche  übersetzt  wurde,  be¬ 
gannen  seine  Arbeiten  bekannter  zu  werden.  Dieses  Euch  ent¬ 
hält.  eine  derartige  Fülle  von  neuen  Methoden,  Tatsachen  und 
Anschauungen,  dass,  wer  es  in  die  Hand  nahm,  mit  Staunen  und 
Bewunderung  erfüllt  wurde.  Zeigte  es  uns  doch  mit  einem 
Schlage,  dass  Magen  und  Pankreas  unter  der  Herrschaft  kom¬ 
plizierter  nervöser  Mechanismen  stehen,  und  lehrte  es  uns  zum 
erstenmal  die  Bedeutung  des  Appetits  und  des  Wohlgeschmacks 
unserer  Nahrung  wissenschaftlich  zu  verstehen.  Methodisch  aber 
bedeuteten  P  a  w  1  o  w  s  Untersuchungen  gegenüber  der  bis¬ 
herigen  Arbeitsweise  der  Physiologen  den  grossen  Fortschritt, 
dass  die  Experimente  sozusagen  biologischer  geworden  waren, 
dass  sie  an  in  Freiheit  befindlichen  Tieren  unter  natürlichsten' 
Bedingungen  ausgeführt  wurden.  Freilich  fehlte  es  auch  nicht 
an  Widerspruch.  Die  Experimente  stimmten  so  ausgezeichnet 
in lt  dem,  was  man  theoretisch  erwarten  musste,  dass  unwillkür¬ 
lich  bei  vielen  Forschern  die  Frage  laut  wurde,  ob  da  nicht  doch 
Irrtumer  untergelaufen  sein  könnten.  Seitdem  erfuhr  man 
duich  Referate,  dass  in  P  a  w  1  o  w  s  Laboratorium  ununter¬ 
brochen  weiter  gearbeitet  wurde,  und  dass  wieder  eine  Fülle  von 
neuen  Entdeckungen  in  den  letzten  Jahren  zu  verzeichnen  waren. 
Aber  die  Referate  waren  ungenügend,  die  russischen  Originale 
unzugänglich  und  nachmachen  konnte  man  die  Experimente 
nicht,  ohne  P  a  w  1  ow  s  Methoden  gründlich  zu  beherrschen.  So 
entschloss  ich  mich  denn,  als  mir  in  diesem  Jahre  der  Umbau 
unseres  Instituts  längere  Ferien  ermöglichte,  im  September  und 
Oktober  nach  Petersburg  zu  gehen,  um  an  der  Quelle  zu  sehen 
und  zu  lernen. 


Libei  das,  was  ich  dort  erlebt  habe,  will  ich  Ihnen  heute  Be¬ 
licht  erstatten  und  ich  will  die  Gelegenheit  benutzen,  um  ini 
Zusammenhang©  die  letzten  Arbeiten  Pawlows  zu  referieren, 
die  seit  dem  Jahre  1898  erschienen  und  ausserhalb  Russlands  so* 
gut  wie  unbekannt  sind. 

Was  zunächst  das  Aeussere  anlangt,  so  ist  Pawlow  Pro¬ 
fessor  der  Physiologie  an  der  militär-medizinischen  Akademie 
in  St.  Petersburg,  die  die  Stelle  einer  medizinischen  Fakultät 
vertritt.  Er  hat  dort  aber  nur  ein  kleines,  nur  für  den  Unter¬ 
richt  bestimmtes  Laboratorium,  seine  eigentliche  Arbeitsstätte  ist 
das  kaiserliche  Institut  für  experimentelle  Medizin.  Dieses  ur¬ 
sprünglich  aus  Privatmitteln  von  dem  Grossfürsten  Alexander 
von  Oldenburg  gegründete  Institut,  das  seit  1891  sich  in  Staats¬ 
besitz  befindet,  liegt  ausserhalb  Petersburgs  in  einem  Park.  Es 
dient  ausschliesslich  der  wissenschaftlichen  Forschung  und  ist 
dafür  beneidenswert  schön  eingerichtet.  Es  besteht  aus  mehreren 
bakteriologischen  und  pathologischen  Abteilungen  und  enthält 
ausserdem  das  physiologische  Institut  von  Pawlow  und  das 
physiologisch-chemische,  das  N  e  n  c  k  i  eingerichtet  hat  und  das 
seit  seinem  frühen  Tode  Frau  Sieber  leitet. 


Pawlows  Laboratorium  ist  nicht  gross  und  nur  für  die 
Versuche  über  den  nervösen  Mechanismus  der  Verdauung  ein¬ 
gerichtet.  Die  Versuchstiere  sind  ausschliesslich  Hunde  und 
zwai  grosse  Tiere  von  25  bis  30  Kilo  und  mehr.  Was  mich  am 
meisten  interessierte,  war  natürlich  zunächst  der  „psychische 
Magensaft  .  Die  Hunde  sind  so  hergerichtet,  dass  sie  eine  grosse 
Magenfistel  haben,  und  dass  ihnen  ausserdem  die  Speiseröhre  am 
Halse  durchschnitten  ist.  Der  Grundversuch  ist  der  folgende: 
Man  versucht  bei  einem  derartigen  Hunde  durch  die  Magenfistel 
hindurch  die  Schleimhaut  des  Magens  mechanisch  zu  reizen,  ohne 
jeden  Erfolg.  Die  Schleimhaut  ist  bei  dem  nüchternen  Tiere 
mit  einer  dünnen  Schicht  alkalisch  reagierenden  Schleimes  be¬ 
deckt  und  dies  bleibt  so,  wenn  man  sie  auch  noch  so  sehr  mit 


*)  Nach  einem  im  Heidelberger  medizinischen  Verein  ge¬ 
haltenen  Vortrage. 

0  J.  P.  Pawlow:  Die  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen.  Deutsch 
von  A.  Walther.  Wiesbaden,  Bergmann,  1898. 


einem  Glasstabe,  einer  Federspule  oder  dem  Finger  reibt.  Dann 
bekommt  aber  der  Hund  zu  fressen,  wobei  das  Gefressene  ja  nicht 
in  den  Magen  gelangen  kann,  sondern  durch  das  Loch  in  der 
Speiseröhre  herausfällt,  und  514  Minuten  nach  Beginn  der  Füt¬ 
terung-  beginnt  jetzt  der  Magen  zu  sezernieren.  Aus  der  Fistel 
strömen  reichliche  Mengen  eines  stark  sauren  Magensaftes. 
Während  des  Versuchs  stehen  die  Hunde  auf  einem  Gestell.  Das 
gefressene  und  gekaute  Fleisch  fällt  in  eine  Schale,  aus  der  es  der 
Hund  stets  von  neuem  frisst,  und  der  Anblick  der  vier  grossen 
Tiere,  die  auf  diese  Art  erfolglos  immer  das  gleiche  fressen,  ist 
recht  komisch.  Die  meisten  Tiere  hören  nach  15 — 20  Minuten 
auf  zu  fressen,  doch  habe  ich  einen  der  Hunde,  der  seit  Jahren 
im  Instiut,  ist,  den  ganzen  Vormittag  fressen  sehen.  Es  ist  nun 
aber  nicht  nötig,  den  Tieren  das  Fleisch  wirklich  zu  reichen, 
es  genügt,  es  ihnen  vorzuhalten,  so  dass  es  ihnen  Geruchs-  oder 
Gesichtseindrücke  veranlasst,  um  mit  der  gleichen  Latenzzeit 
von  ziemlich  genau  514  Minuten  den  Magensaft  strömen  zu 
lassen.  Allerdings  sind  die  schon  längere  Zeit  zu  den  Versuchen 
benutzten  Tiere  allmählich  so  klug  geworden,  dass  sie  merken, 
wenn  ihnen  das  Futter  nur  gezeigt  und  nicht  gegeben  wird,  und 
das  genügt,  um  die  Sekretion  zu  hemmen.  Die  Kunst  des  er¬ 
folgreichen  „Neckens“  der  Tiere,  dadurch,  dass  man  ihnen  das 
Fleisch  am  Nebentische  klein  schneidet  oder  ähnliches,  ist  im 
Institut  hoch  ausgebildet, 

V  as  nun  die  Eigenschaften  des  Magensaftes  anlang't,  so  ist 
derselbe  wasserklar  und  enthält  0,5 — 0,6  Proz.  Salzsäure.  Es  ist 
dies  mehr,  als  wir  beim  Menschen  zu  treffen  gewöhnt  sind,  aber 
wir  dürfen  nicht  vergessen,  dass  wir  beim  Menschen  ja  bisher 
noch  niemals  reinen  Magensaft  untersucht  haben,  sondern  immer 
Magensaft,  vermengt  mit  der  genossenen  Nahrung,  wodurch  die 
Salzsäure  natürlich  entsprechend  verdünnt  wird.  Auch  der 
Hundemagensaft  ist  auf  diese  Verdünnung  eingerichtet,  denn 
das  Optimum  für  die  Wirksamkeit  seiner  Fermente  liegt  bei 

0,4  Proz.  Salzsäure.  Ausserdem  enthält  der  Saft  Pepsin 
und  Lab  und  ferner  einen  Eiweisskörper,  der  zu  den  Nukleo- 
proteiden  zu  gehören  scheint.  Er  ist  selbstverständlich  unver¬ 
gleichlich  viel  reiner  als  irgend  einer  der  bisher  mitersuchten 
Magenextrakte  und  Schumow,  Nenclu  und  Sieber2) 
haben  ihn  wiederholt  zur  chemischen  Untersuchung  der  Fer¬ 
mente  benutzt;  er  wird  in  Russland  an  Aerzte  und  Apotheken 
abgegeben  und  soll  in  solchen  Fällen,  bei  denen  man  Magen¬ 
kranlien  bisher  Salzsäure  zu  ordinieren  pflegte,  therapeutisch  mit 
gutem  Erfolg  angewendet  worden  sein.  Ein  grosser  Hund  se- 
zerniert  5  15  ccm  in  der  Minute,  die  4  „Fabrikhunde“  liefern 
6—8  Liter  am  \  ormittag.  Der  Harn  wird  infolge  der  starken 
Säureentziehung  kräftig  alkalisch  und  enthält  reichlich  kohlen¬ 
saures  Natron. 

Die  andere  Operation  am  Magen  der  Hunde  ist  die  An¬ 
legung  des  sog.  kleinen  Magens,  die  Pawlow  in  der  „Arbeit 
der  Verdauungsdrüsen“  eingehend  beschrieben  hat.  Sie  besteht ' 
in  der  Bildung  eines  Blindsackes  aus  dem  Fundusteil  des  Magens, 
der,  von  dem  übrigen  Magen  völlig  getrennt,  nur  noch  in  ner¬ 
vöser  V  erbindung  mit  ihm  steht,  und  dessen  Sekretion  der  des 
grossen  Magens  genau  parallel  läuft.  Er  dient  infolgedessen  zur 
Untersuchung  der  Tätigkeit  des  Magens  bei  den  verschiedenen 
I  ormen  der  Ernährung.  Als  solche  sind  bei  Pawlow  bisher 
hauptsächlich  Fütterung  mit  Milch,  Fleisch  und  Brot  angewendet 
worden  und  es  hat  sich  dabei  herausgestellt,  dass  bei  der  Fütte¬ 
rung  mit  diesen  3  Substanzen  Magensaft  von  verschiedener 
Menge  und  auch  von  verschiedenem  Fermentgehalt  abgesondert 
wird.  Aber  auch  schon  bei  der  Scheinfütterung,  bei  der  die 
Substanzen  also  gar  nicht  in  den  Magen  kommen,  finden  sich 
Differenzen  nach  Menge  und  Konzentration3),  so  dass  hier  ein 
sehr  komplizierter  Mechanismus  im  Spiel  sein  muss,  der  die 
höheren  Sinnesorgane  Auge  und  Nase  nervös  mit  dem  Magen 
verknüpft.  lieber  die  verschiedenen  Kombinationen  zwischen 
dem  psychischen  Magensaft  oder  Appetitsaft,  der  beim  Beginn 
des  I  ressens  ergossen  wird,  und  dem  chemischen  Magensaft, 
den  die  \  erdauungsprodukte  des  Eiweiss,  Fleischextrakt  und 


•)  Schumow-Simanowsky:  Schmiedebergs  Arch  33 
33t>,  1896  —  M.  Nencki  und  N.  Sieber:  Zeitschr.  f.  physiol’ 
Chemie  32,  291,  1901. 

s)  A.  Sokolow:  Versammlung  Nordischer  Naturforscher  und 
Aerzte  in  Helsingfors,  Juli  1902.  Sektion  für  Anatomie,  Physio¬ 
logie  und  med.  Chemie  S.  32. 

1* 


2174 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  W OCIIEN SCI  I  RI  FT. 


No.  52. 


anderes  im  Magen  erregen,  hat  sich  Pawhow  in  der  „Arbeit 
der  Verdauungsdrüsen“  eingehend  geäussert. 

Seitdem  ist  aber  noch  etwas  Weiteres  hinzugekommen,  näm- 
lich  Untersuchungen  über  die  Pathologie  der  Magensekretion  ). 
Es  wurde  den  Tieren  durch  chemische,  durch  Wärme-  oder  durch 
Kältereize  ein  akuter  Magenkatarrh  erzeugt:  dann  sezernierte 
die  Schleimhaut  alkalischen  Schleim  statt  des  sauren  Magen¬ 
saftes.  Interessanter  sind  die  Beobachtungen  nach  Ablauf  des. 
akuten  Magenkatarrhes.  Es  fand  sich  dann  gewöhnlich  ein  Zu¬ 
stand  von  Hypazidität,  auf  den  dann  vor  der  Rückkehr  zur  Norm 
eine  Periode  der  Hyperazidität  folgte.  In  einigen  Fallen  end¬ 
lich  wurde  ein  Zustand  von  „reizbarer  Schwache  beobachtet, 
bei  dem  die  Sekretion  schneller  anstieg  als  normal,  aber  auch 
sehr  viel  schneller  wieder  aufhörte,  so  dass  anfangs  zu  viel,  im 
ganzen  aber  zu  wenig  Magensaft  abgesondert  wurde.  Sehr  inter¬ 
essant  ist  die  Beobachtung,  dass  gelegentlich  die  psychische  Se¬ 
kretion  ganz  normal  sein  kann,  während  die  chemische  Sekretion 
stark  gestört  ist:  dann  müssen  also  die  sezernierenden  Drüsen 
normal  sein;  affiziert  sind  vielmehr  die  Rezeptionsorgane  des 
Magenepithels,  deren  Erregung  ja  die  chemische  Sekretion  be- 

''''^Soviel  über  den  Magen.  Fast  noch  wunderbarer  erschienen 
Pawlows  Angaben  über  die  Fermente  des  Pankreassaftes  bei 
verschiedener  Ernährung,  denn  darnach  wurden  Trypsin,  Ptyalin 
und  Steapsin  in  verschiedener  Menge  abgesondert  und  zwai 
immer  so,  wie  es  genau  der  Bedarf  erforderte.  Diese  Angaben 
haben  sich  auch  nicht  voll  bestätigt.  Aber  an  ihre  Stelle  ist 
etwas  noch  Ueberraschenderes  getreten,  die  Entdeckung  näm¬ 
lich  der  Aktivierung  des  Pankreassaftes  durch  Galle  und  Darm¬ 
saft,  die  P  a  w  1  o  w  in  einem  ins  Deutsche  übersetzten  Vor¬ 
trage  5)  beschrieben  hat,  die  aber  erst  durch  einige  seitdem  er¬ 
schienene  Dissertationen0)  genauer  aufgeklärt  worden  ist. 

Bekanntlich  enthält  der  Pankreassaft  das  Trypsin  nicht  als 
solches,  sondern  als  Zymogen.  Dieses  Zymogen  nun  wird  in  das 
fertige  Trypsin  verwandelt  durch  einen  im  Darmsaft  befind¬ 
lichen  Körper,  den  Pawlow  Enterokinase  genannt  hat.  Die 
Enterokinase  ist  nicht  immer  im  Darmsaft  vorhanden,  sondern 
auf  mechanische  Reize  wird  ein  kinasefreier  Darmsaft  abgeson¬ 
dert.  Kinase  wird  nur  dann  sezerniert,  wenn  Pankreassaft  in 
den  Darm  gelangt 7).  Das  Trypsinogen  erzeugt  sich  also  die 
Enterokinase,  die  es  braucht,  durch  einen  ganz  spezifischen 
Ohemoreflex.  Das  Ptyalin  scheint  stets  als  solches  im  Pankreas¬ 
saft  vorhanden  zu  sein,  dagegen  muss  auch  das  lett  spaltende 
Ferment  erst  aktiviert  werden  und  das  geschieht  durch  die 
Gail  e.  Diese  aktivierenden  Körper  sind  fermentartiger  Natur, 
da  sie  durch  Erhitzen  zerstört  werden.  Die  älteren  Angaben 
über  den  Fermentgehalt  des  Pankreassaftes  bedürfen  natürlich 
einer  Modifikation,  da  sie  vor  Entdeckung  der  Enterokinase  ge¬ 
macht  sind.  Weiterhin  hat  sich  noch  etwas  sehr  Auffallendes 
ergeben,  das  bisher  noch  der  Erklärung  harrt.  Der  I  ankreassaft 
enthält  zwar  Ptyalin  und  Steapsin  immer  in  gleicher  Form,  das 
Trypsin  dagegen  bei  Ernährung  der  Hunde  mit  Brot,  Milch  oder 
Kartoffeln  als  Zymogen,  bei  reiner  Fleischdiät  dagegen  als  fer¬ 
tiges  Ferment,  bei  gemischter  Kost  teils  als  Zymogen,  teils  als 
Ferment.  Der  Grund  und  der  Zusammenhang  dieser  Erschei¬ 
nung  ist  bisher  nicht  aufgeklärt  und  die  Angaben  des  Fran¬ 
zosen  Delezenne8),  dass  der  frisch  sezernierte  Saft  immer 
nur  Zymogen  enthalte,  haben  in  Pawlows  Eaboratorium  nicht 
bestätigt  werden  können. 

Ueber  die  Sekretion  des  Pankreassaftes  hat  Pawlow  schon 
in  seinem  Buche  eingehende  Angaben  gemacht:  der  normale  Reiz 
für  das  Pankreas  ist  die  Berührung  der  Darmschleimhaut,  ins¬ 
besondere  der  Duodenalschleimhaut,  mit  der  Salzsäure  des 
Magens.  Also  wieder  ein  Ohemoreflex  von  vollendeter  Zweek- 

*)  J.  Sawriew:  Dissert..  St.  Petersburg,  ref.  in  Malys 
J.-B.  für  Tierchemie  30,  404,  1900. 

•')  .T.  P.  Pawlow:  Das  Experiment  als  Methode  natur- 
wissonscliaftl.  Forschung.  Wiesbaden,  Bergmann,  1900. 

“)  J.  Lintwarew:  Dissert.,  St.  Petersburg,  1901.  Referat 
soll  demnächst  im  Centralbl.  f.  Physiol.  erscheinen.  —  D.  P.  Po- 
pielski:  Russki  Wratsch  I.  679,  1902.  Ref.  im  Journal  de 
Physiol.  et  de  Pat.hol.  genörale  4,  750. 

•)  w.  W.  Sa  witsch:  Russki  Wratsch  I.  200,  1902  (Journ. 
de  Physiol.  et  de  Patliol.  gen.  4,  751).  —  Derselbe:  Ilelsingfors 
Vers.  S.  39,  1902. 

*)  C.  Dßlezenne:  C.  r.  de  la  Soc.  de  Biologie  54,  091  u. 
693,  1902. 


mässigkeit :  denn  das  Ende  der  Magenverdauung  ist  danach  der 
Anstoss  für  die.  Absonderung  des  Pankreassaftes.  Gegen  die 
Auffassung  dieses  Vorganges  als  Reflex  ist  allerdings  von  Star- 
Jing  undB  ayliss8)  Widerspruch  erhoben  worden,  sie  geben 
vielmehr  an,  dass  die  Salzsäure  aus  der  Darmschleimhaut  einen 
Stoff  extrahiert,  das  Sekretin,  das  ins  Blut  gebracht,  das 
Pankreas  sezernieren  lässt,  so  dass  der  Zusammenhang  kein  ner¬ 
vöser  wäre,  sondern  ein  stofflicher,  wie  wir  ihn  bei  der  Schild¬ 
drüse  und  der  Nebenniere  kennen.  Gegen  die  Beweiskraft  der 
Versuche  von  S  t  a  r  1  i  n  g  und  B  a  y  1  i  s  s  sind  von  Pa  w  1  o  w  ’") 
Einwendungen  erhoben  worden,  doch  wird  die  Erscheinung  noch 
weiter  untersucht. 

Sehr  interessant  sind  auch  P  awlows  Versuche  übei  die 
Absonderung  der  Galle11).  Auch  hier  änderte  er  zuerst  die 
Technik,  indem  er  nicht  wie  bisher  eine  Gallenblasenfistel  an¬ 
legte,  sondern  die  Einmündung  des  Gallenganges  in  den  Darm 
auf  suchte,  sie  Umschnitt  und  sie,  von  einem  Stückchen  Darm 
umkleidet  in  die  Bauchwunde  einnähte.  Dadurch  erreichte  er, 
dass  im  Gegensatz  zu  den  früheren  Untersuchungen  der  reflek¬ 
torische  Zusammenhang  zwischen  Gallensystem  und  Darm  erhal¬ 
ten  blieb,  und  er  fand  nun,  dass  keine  psychische  Einwirkung 
auf  die  Gallensekretion  existiert,  dass  auch  die  Magensalzsäure 
und  alle  anderen  Stoffe  unwirksam  sind,  dass  es  vielmehr  nur 
2  Körper  gibt,  die  Galle  in  den  Darm  fliessen  lassen .  das  sind 
Pepton  und  Fett,  wenn  sie  ins  Duodenum  kommen. 

Was  die  Galle  für  die  Eiweissverdauung  bedeutet,  das  wissen 
wir  nicht;  ihre  grosse  Wichtigkeit  für  die  Fettverdauung  ist  da¬ 
gegen  ja  längst  bekannt  und  neuerdings  durch  Pflügei  auf¬ 
geklärt  worden.  Ihre  aktivierende  Wirkung  für  das  fettspaltende 
Ferment  des  Pankreas  aber  hat  Pawlow  selbst  festgestellt. 
Dass  der  Eintritt  von  Fetten  ins  Duodenum  der  normale  Erreger 
der  Gallensekretion  ist,  bedeutet  also  wieder  einen  höchst  zweck¬ 
mässigen  Mechanismus. 

Weiterhin  rühren  von  Pawjow  sehr  eigentümliche  Be¬ 
obachtungen  her  über  die  Hemmung  der  Magenverdauung  vom 
Duodenum  aus.  Die  älteren  Beobachtungen  stehen  schon  in 
seinem  Buche12);  sie  besagen,  dass  gleichzeitiger  Genuss  von  Fett 
mit  dem  Eiweiss  die  Magensaftsekretion  verlangsamt;  es  wird  da¬ 
durch  eine  Erklärung  für  die  bekannte  Tatsache  gegeben,  dass 
fette  Speisen,  insbesondere  Gemenge  von  Eiweiss  und  Fett  schwer 
verdaulich  sind.  Diese  klinisch  wichtige  Tatsache  haben  die 
neueren  Untersuchungen  bestätigt,  nur  ihr  Zustandekommen  ist 
ein  anderes,  denn  während  P  a  wl  o  w  anfangs  eine  direkte  Ein¬ 
wirkung  des  Fettes  auf  die  Magenschleimhaut  annahm,  hat  sich 
jetzt  ergehen,  dass  die  Berührung  der  Duodenalschleimhaut  mit 
Fett  reflektorisch  die  Magenverdauung  hemmt13). 

In  unmittelbarem  Zusammenhänge  hiermit  steht  vielleicht 
ein  weiterer  Reflex  von  der  Darmschleimhaut,  der  nicht  auf  die 
Drüsenzellen,  sondern  auf  dieMuskeln  des  Magenausganges  wirkt, 
v.  Mering  und  Moritz  haben  bekanntlich  gefunden,  dass 
der  Pylorus  sich  schliesst,  wenn  der  Dünndarm  gefüllt  ist  und 
sich  erst  nach  Entleerung  des  Dünndarms  wieder  öffnet.  Sie 
hatten  angenommen,  dass  der  Füllungszustand  des  Darmes  diesen 
Reflex  auslöst.  Die  P  a  w  1  o  w’ sehen  Beobachtungen,  die  in 
Dissertationen  von  Serdjukow 14)  und  Lintwarew  ) 
niedergelegt  sind,  zeigen  auch  hier  einen  Ohemoreflex  wirksam. 
Die  Beobachtungen  sind  an  Hunden  gemacht  worden,  die  erstens 
eine  Magen-  und  zweitens  eine  Duodenalfistel  hatten.  Wenn  man 
diesen  Tieren  Wasser,  Kochsalz-,  Zucker-  oder  Peptonlösung  in 
die  Duodenalöffnung  einlaufen  lässt  und  gleichzeitig  200  ccm 
Wasser  in  den  Magen  einführt,  so  ist  nach  15  Minuten  der  Magen 
leer.  Bringt  man  aber  Säure  oder  Fett  ins  Duodenum,  so 

°)  Journ.  of  Physiology  28,  1902.  - — -  Centralbl.  f.  Physiol.  Io. 
082,  1902. 

10)  P.  B  o  r  i  s  s  o  w  und  A.  W  alther:  Versamml.  Nordischer 
Naturforscher  und  Aerzte  in  Helsingfors,  Juli  1902.  Sektion  für 
Anatomie,  Physiologie  und  med.  Chemie.  S.  42.  —  L.  Popielski: 
Centralbl.  f.  Physiol.  16,  1902. 

”)  G.  G.  B  r  u  n  o:  Areh.  des  Sciences  biologiques  de  St.  Peters- 
bourg  7,  87,  1S99. 

12)  Ausserdem  K.  Atkimow-Peretz:  Dissert..  St.  Peters¬ 
burg.  M  a  1  y  s  J.-B.  f.  Tierchemie  27.  394,  1897. 

,s)  Wirsch'ubski:  Dissert.,  St.  Petersburg.  Malys  J.-B. 
1900,  S.  374. 

14)  A.  Ser  d  j  u  k  o  w:  Dissert.,  St.  Petersburg.  Malys  J.-B. 
1899.  S.  350. 

15)  S.  Lintwarew:  Dissert.,  St.  Petersburg  1901. 


i 


30.  Dezember  1902. 


M  UENCHENER  MED  IGLN ISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2175 


schliesst  sich  der  Pylorus  und  man  findet  bei  Einführung  von 
oO  ccm  Olivenöl  noch  nach  2  Stunden  den  Magen  gefüllt.  Bei 
Salzsäure  ist  die  Wirkung  kürzer.  Dass  v.  lering  diesen 
Chemoreflex  nicht  als  solchen  erkannt  hatte,  liegt  daran,  dass  er 
Milch  zu  seinen  Versuchen  benutzte,  die  aber  nicht  als  Flüssig¬ 
keit.  wirkte,  sondern  durch  ihren  Fettgehalt. 

V  ir  sehen  also,  wie  von  der  Darmschleimhaut  aus  eine  ganze 
Reihe  von  Reflexen  ausgelöst  werden,  von  denen  die  chemische 
und  mechanische  Koordination  der  Verdauung  abhängt.  Ganz 
spezifische  Rezeptionsorgane,  die  nur  auf  eine  bestimmte  Er¬ 
regung  eingestellt  sind,  müssen  also  in  der  Darmschleimhaut  vor¬ 
handen  sein,  und  ich  möchte  doch  darauf  hinweisen,  dass  diese 
aw  low  sehen  Beobachtungen  noch  für  ein  ganz  anderes  Ge- 
biet  der  Physiologie  von  grösster  Bedeutung  sind.  Bekanntlich 
ist.  m  der .  vergleichenden  Physiologie  immer  noch  gelegentlich 
von  psychischen  Empfindungen  der  Tiere  die  Rede  und  selbst 
\  ie  e  Forscher,  die  eingesehen  haben,  dass  es  unmöglich  ist,  hier¬ 
über  etwas  Exaktes  auszusagen,  argumentieren  doch  so  :  Von  uns 
Menschen  wissen  wir,  dass  die  Reflexe  von  unseren  Sinnesorganen 
mit  Empfindungen  verbunden  sind,  von  den  Tieren  können  wir 
das  zwar  nicht  wissen,  aber  der  Analogieschluss,  dass  es  wenig¬ 
stens  bei  den  höheren  Tieren  auch  so  sein  möge,  hat  doch  eine 
recht  giosse  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Dem  gegenüber  lehren 
uns  nun  die  Pawlow  sehen  Funde,  dass  in  der  Darmschleim¬ 
haut  Rezeptionsorgane  vorhanden  sind,  die  an  Feinheit  der  Aus¬ 
bildung  und  Schärfe  der  Einstellung  mit  den  Geschmacksorganen 
der  Zunge  völlig  auf  eine  Stufe  gestellt  werden  müssen,  und  von 
denen  wir  mit  voller  Bestimmtheit  aussagen  können,  dass  ihre  Er¬ 
regung  niemals  mit  einer  Empfindung  verbunden  ist.  Die  Fülle 
dieser  Rezeptionsorgane  ohne  Empfindung  beweist  wieder  einmal, 
wie  wenig  wir  bisher  von  unseren  Sinnesorganen  wissen,  und  dass 

Empfindungen  nur  an  einen  beschränkten  Teil  derselben  ge¬ 
knüpft  sind. 

Dass  man  trotzdem  an  Hunden  eine  wirklich  exakte,  experi¬ 
mentelle,  physiologische  Psychologie  erfolgreich  treiben  kann,  be¬ 
weisen  P  a  w  1  o  w  s  Beobachtungen  über  die  Innervation  der 
Speicheldrüsen  ).  Bekanntlich  besitzen  die  Speicheldrüsen 
zweierlei  Innervationen :  auf  Chordareizmag  sondern  sie  dünnen, 
auf  Sympathikusreizmag  dicken,  mucinhaltigen  Speichel  ab.  Wie 
Pawlow  beobachtet  hat,  besitzen  diese  zwei  Arten  auch  eine 
ganz  verschiedene  Funktion.  Den  mucinhaltigen  bezeichnet  er 
als  Schmier-  oder  Gleitspeichel,  dessen  Zweck  es  ist,  trockene 
Nahrung  schlüpfrig  zu  machen,  der  wässrige  ist  dagegen  Ver¬ 
dünnungsspeichel,  der  unangenehm,  schmeckende  oder  reizende 
Speisen  verdünnt.  An  Hunden  mit  einer  Speichelfistel  lassen 
sich  nun  die  schönsten  Beobachtungen  über  Gedächtnis  und  Asso¬ 
ziationen  der  Tiere  machen.  Wenn  man  einem  Hunde  Salzsäure 
ins  Maul  giesst,  so  sezerniert  er  massenhaft  Verdünnungsspeichel. 
Wenn  man  die  Salzsäure  mit  Tusche  schwai’z  färbt  und  einige 
Male  zum  Versuche  benutzt,  so  genügt  es  dann,  dem  Hunde  eine 
schwarze  Flüssigkeit  zu  zeigen,  um  den  reichlichen  Erguss  von 
Verdünnungsspeichel  hervorzurufen.  Andererseits  sezernieren 
die  Hunde  auf  frisches  Fleisch,  das  ihnen  ja  sehr  gut  schmeckt, 
aber  seines  Wassergehaltes  wegen  wenig  Einspeicheln  erfordert, 
auch  nur  wenig  Speichel,  auf  trockenes  Brot  hingegen  grosse 
Mengen  von  schleimhaltigem  Schmierspeichel,  wie  er  auch  durch 
noch  so  lebhafte  Erregung  des  Appetits  der  Tiere,  etwa  durch 
Füttern  eines  anderen  Hundes  neben  ihnen,  nicht  hervorgerufen 
werden  kann.  Es  genügt  auch  hier  wieder,  den  Tieren  das  Brod 
nicht  wirklich  zu  geben,  sondern  nur  zu  zeigen.  Wenn  man  das 
vorgehaltene  Brot  vorher  auf  Wurst  reibt,  so  dass  der  Hund  etwas 
Anderes  sieht  als  riecht,  kann  man  sehr  nette  Kombinationen  er¬ 
halten  und  so  die  Assoziationen  des  Hundes  prüfen.  Endlich 
entdeckte  Pawlow  eine  bisher  wohl  noch  ganz  unbekannte  Er¬ 
regung  der  Speicheldrüsen  beim  Hunde.  Die  Hunde  haben  ja 
die  Gewohnheit,  sich  an  Verwundungen  zu  lecken.  Wenn  man 
nun  einem  Hunde  irgend  wo  am  Körper  mit  einem  Paquelin  eine 
kleine  Verletzung  beibringt,  fliesst  sofort  Speichel  aus  dem  Paro- 
tisgang  und  auch  hier  genügt  es  bei  Hunden,  die  mehrmals  zu 
den  Versuchen  gedient  haben,  den  Paquelin  im  Zimmer  anzu¬ 
heizen,  um  die  Sekretion  hervorzurufen.  Die  einzige  Stelle  des 
Körpers,  deren  Verbrennung  keinen  Speichelfluss  macht,  ist  die 

s-  G-  Wulfson:  Disseit.,  St.  Petersburg.  Malys  J.-B 
-.t  301.  1899.  -  L.  Tolotschinoff:  Ilelsingforser  Natur- 

iorscherversainml.,  Sekt.  f.  Auat.  u.  Physiol.  S.  42,  1902 
No.  52. 


Oberseite  des  Kopfes,  auch  die  einzige,  die  der  Hund  mit  der 
Zunge  nicht  erreichen  kann.  Diese  zukunftsreichen  Beobach¬ 
tungen  werden  im  P  a  w  1  o  w  sehen  Laboratorium  fortgesetzt. 

M.  H. !  Sie  sehen,  das  Pawlow  sehe  Laboratorium  bietet 
eine  geradezu  wunderbare  Fülle  des  Neuen  und  Interessanten. 
Die  Entdeckungen  beruhen  in  erster  Linie  natürlich  auf  der  be¬ 
deutenden  Persönlichkeit  und  der  fruchtbar  schaffenden  Phan¬ 
tasie  Pawlow  s,  der  seinen  zahlreichen  Stab  von  Mitarbeitern 
nach  einheitlichem  Plane  lenkt  und  anregt.  Seine  Erfolge  be¬ 
ruhen  aber  auch  zum  grossen  Teile  auf  seiner  vortrefflich  aus¬ 
gebildeten  Technik.  Den  Chirurgen  wird  es  selbstverständlich 
erscheinen,  aber  für  viele  Physiologen,  zumal  der  älteren  Schule, 
ist  die  strenge  Anwendung  der  modernen  Antisepsis  neu,  und 
selbstverständlich  sind  eine  Reihe  der  schwierigen  Operationen 
ohne  sie  unmöglich,  so  die  Anlegung  des  kleinen  Magens,  so  vor 
allem  auch  die  Ausführung  der  Eck  sehen  Fistel.  Diese  schwere 
Venennaht,  die  eine  Anastomose  zwischen  Pfortader  und  Vena 
cava  schafft,  ist  ja  eingehend  beschrieben  worden  1T).  Ich  möchte 
aber  doch  darauf  hinweisen,  dass  sie  zwar  von  Eck  in  Angriff 
genommen  worden  ist,  dass  aber  das  Verdienst  sie  zuerst  glück¬ 
lich  ausgeführt  zu  haben,  Pawlow  gebührt.  Der  vierte  Teil 
des  Instituts  wird  denn  auch  von  der  Operationsabteilung  ein¬ 
genommen,  ^  dem  schönen,  hellen  Operationssaal  und  den  3  Vor¬ 
bereitungszimmern  für  die  Reinigung  und  Herrichtung  der  Ver¬ 
suchshunde.  Sodann  existieren  5  ldeine  Zimmer,  in  die  die 
Hunde  nach  der  Operation  gebracht  und  in  denen  sie  von  den 
geübten  Dienern  sorgfältig  gepflegt  werden.  Die  Nachbehand¬ 
lung  und  die  vortreffliche  Dressur  der  Hunde  gehört  ja  auch  zu 
den  unbedingten  V oraussetzungen  von  P  awlo  ws  grossen  Er¬ 
folgen.  Als  ich  Ende  Oktober  von  St.  Petersburg  abreiste,  be¬ 
fanden  sich  43  operierte  Hunde  mit  den  verschiedensten  Fisteln 
in  dem  Institut,  alle  im  besten  Wohlbefinden.  Und  endlich  sei 
noch  eines  Faktors  gedacht :  der  grossen  Mittel,  über  die  Paw¬ 
low  verfügt.  Hat  doch  das  kleine  Laboratorium,  das  gar  nichts 
für  den  Unterricht  ausgiebt,  und  Gas,  Wasser  und  Elektrizität 
umsonst  bezieht,  einen  Etat  von  7000  Rubeln,  das  sind  etwa 
15  000  M.,  wobei  noch  die  geringen  Preise  für  Brot,  Fleisch  etc. 
zum  Futter  für  die  Tiere  stark  ins  Gewicht  fallen. 

Zum  Schlüsse  will  ich  noch  die  ausserordentliche  Liebens- 
wüidigkeit  betonen,  mit  der  ich  von  P  awlo  w  und  den  übrigen 
Herren  des  Laboratoriums  aufgenommen  worden  bin.  Trotzdem 
meine  russischen  Kenntnisse  sehr  gering  waren,  konnte  ich  mich 
mit  Pawlow,  der  gut  deutsch  versteht  und  spricht,  und  auch 
den  meisten  der  anderen  Herren  vollständig  verständigen.  Ich 
habe  Dutzende  von  Operationen  und  Experimenten  teils  sehen 
können,  teils  selbst  mit  Hand  anlegen  dürfen  und  ich  habe  die 
wichtigsten  Operationen  selbst  mehrmals  gemacht.  Ich  möchte 
auch  an  dieser  Stelle  Prof.  Pawlow  und  seinen  beiden  Assisten¬ 
ten,  Dr.  Hannicke  und  Dr.  S  o  k  o  1  o  w,  meinen  herzlichsten 
Dank  ausprechen  und  dem  Wunsche  Ausdruck  geben,  dass  das 
Pawlow  sehe  Laboratorium  noch  recht  häufig  auch  von 
Deutschen  besucht  wird.  Wer  dort  hingeht,  wird  mit  reichster 
Anregung  zurückkehren. 


Ein  Fall  von  spindelförmiger  Erweiterung  der 

Speiseröhre. 

Von  Dr.  med.  Paul  Zinsser  in  Rochlitz  (Sa.). 

In  unserer  Wochenschrift  wurde  diese  Erkrankung  in 
letzter  Zeit  mehrfach  beschrieben.  Da  die  Ansichten  über  den 
Entstehungsmodus  der  diffusen  Oesophagusdilatation  und  noch 
Tiber  vieles  andere  bei  diesem  seltenen  Leiden  in  den  wesent¬ 
lichsten  Punkten  weit  auseinander  gehen,  so  verdient  jeder 
fernerhin  beobachtete  Fall  veröffentlicht  zu  werden.  Den  fol¬ 
genden  Fall,  der  auch  klinisch  merkwürdige  Erscheinungen  bietet, 
habe  ich  4  Jahre  in  meiner  Behandlung  gehabt. 

Es  handelt  sich  um  den  Wirtschaftsbesitzer  Karl  Emil  L  in 
Schwarzbach  b  Rochlitz,  der  das  Alter  von  39  Jahren  erreichte 
8eit  dem  12.  Jahre  wollte  er  magenleidend  gewesen  sein,  was  mir 
auch  von  seinen  Verwandten  bestätigt  wurde.  Eine  Ursache  für 
seine  Erkrankung,  an  der  er  27  Jahre  litt,  wusste  er  nicht  anzu- 


17)  Ha hn,  Maassen,  Nencki  und  Pawlow:  Arch  des 
&vC^GCe4  ^oI-  de  St.  Petersbourg  1.  401,  1892.  -  Schmiedebergs 
Aich.  3-,  161,  1893.  —  S.  Salaskm  und  .1.  Zaleski:  Zeitschr 
f.  physiol.  Chem.  29,  517,  1900. 


2 


MUENCHENER  MEDiClN ISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


76 


Seit  dem  12.  Jahre  fühlte  er  stets  nach  dem  Essen  in  der 
Magengegend  einen  eigentümlichen  Druck,  als  wenn  die  Speisen 
stecken  blieben.  Er  musste  dann  die  genossenen  Speisen  ohne  Aus¬ 
nahme  wieder  erbrechen,  wenn  er  nicht  schnell  und  in  einem  Zug 
eine  grössere  Menge  Flüssigkeit,  in  letzter  Zeit  genau  %  Liter, 
nachtrank.  Nach  diesem  Trunk  fühlte  und  hörte  er  deutlich  ein 
„Bollern“  im  Leib  und  auf  einmal  hatte  er  das  bestimmte  Gefühl, 
die  Speisen  sind  hindurch.  Trank  aber  Patient  nach  dem  Essen 
nicht  das  bestimmte  Mass,  also  zuletzt  genau  %  Liter,  so  würgte 
und  quälte  es  ihn  solange,  bis  er  erbrechen  musste.  Jederzeit 
konnte  er  aber  auch  eine  Mahlzeit,  die  er  nicht  hindurch  gespült 
hatte,  willkürlich  erbrechen.  Das  heisst,  er  brauchte  sich  nur  zu 
bücken,  um  die  Mahlzeit  aus  der  Speiseröhre  gleichsam  herauszu¬ 
schütten.  Kein  Stückchen  Semmel,  kein  Eckchen  Schokolade  ging 
hinunter,  ja  eine  kleine  Tasse  Kaffee,  ein  Schnitt  Bier,  sogar  ein 
kleiner  Schnaps  mussten  wieder  heraus,  wenn  nicht  %  Liter 
Flüssigkeit  nachgetrunken  wurde. 

In  letzter  Zeit  lebte  Patient  nach  folgendem  Verpflegungs¬ 
plan.  Zum  ersten  Frühstück  ass  er  mit  gutem  Appetit  eine  tüch¬ 
tige  Portion  Kartoffeln  mit  Quark.  Das  zweite  Frühstück  bestand 
in  %  Liter  Milch.  Mittags  ass  er  die  gewöhnliche  Kost  mit.  Nach¬ 
mittags  verzehrte  er  gern  und  viel  Kuchen  zum  Kaffee.  Das 
Abendessen  nahm  er  wieder  in  Gestalt  von  Kartoffeln  und  Quark 
zu  sich.  War  er  besonders  hungrig  und  ass  er  infolgedessen  mehr 
wie  sonst,  so  schob  er  schon  zwischen  die  Mahlzeit  das  Quantum 
von  %  Liter  Milch  ein,  um  für  weiteren  Genuss  von  Speisen  Platz 
zu  schaffen.  Bei  dieser  Lebensweise  fühlte  er  sich  leidlich  wohl 
und  brauchte  nicht  zu  erbrechen,  wenn  er,  wie  schon  erwähnt, 
nach  der  Mahlzeit  mit  seinem  bestimmten  Flüssigkeitsquantum 
die  Speisen  hindurchspülte. 

Von  der  objektiven  Untersuchung  und  der  Behandlung  möchte 
ich  nur  mitteilen,  dass  die  Sondierung  mit  dicken,  weichen  Sonden 
stets  leicht  gelang.  Magenausspülungen  sollten  mehrmals  dem 
Patienten  Besserung  gebracht  haben.  Später  aber  behaupteten 
Patient  und  seine  Angehörigen  das  Gegenteil.  Nur  um  den  un¬ 
angenehmen  Spülungen  aus  dem  Weg  zu  gehen,  hatte  Patient  die 
Besserung  geheuchelt.  Jedenfalls  konnte  ich  bald  nach  solchen 
therapeutischen  Eingriffen  selbst  feststellen,  dass  der  alte  Zu¬ 
stand  unverändert  bestand.  In  den  letzten  Jahi’en  litt  Patient 
noch  an  Plithisis  pulmonum.  Nur  dieser  Erkrankung  erlag  er, 
wie  der  folgende  Sektionsbefund  zeigte.  Bei  seinem  selbst  er¬ 
fundenen  Ernährungsmechanismus  hätte  er  voraussichtlich  sonst 
ein  längeres  Leben  vor  sich  gehabt. 

Die  von  mir  am  1.  Oktober  1901  ausgeführte  Sektion  ergab 
folgenden  Befund: 

Mittelgrosser,  sehr  abgemagerter  Manu. 

Brust  und  Bauchhöhle:  Die  Lunge  zeigt  bedeutende  tuber¬ 
kulöse  Zerstörungen.  Die  Speiseröhre  wird  freipräpariert.  Die 
ganze  Speiseröhre  besteht  aus  einem  dickwandigen  Sack  in  der 
Form  einer  Spindel  mit  dem  grössten  Breitendurchmesser  von 
10  cm.  Nach  unten  verläuft  sie  mehr  spitz  und  nach  dem  Bachen 
zu  breit.  Die  Ivardia  zeigt  sich  schon  von  aussen  weder  verengt 
noch  mit  der  Umgegend  verwachsen.  Der  Magen  ist  nicht  ver- 
grössert  und  enthält  eine  sauer  riechende,  braune  Flüssigkeit. 
Seine  Schleimhaut  ist  grau  verfärbt.  Vom  Magen  aus  kann  man 
bequem  den  Finger  durch  die  Kardia  stecken.  Die  Speiseröhre 
wird  nun  von  der  Kardia  aus  eröffnet.  Die  Schleimhaut  an  der 
Kardia  ist  glatt,  blassgelb,  ohne  Erosionen,  Geschwüre  oder  Ge¬ 
schwürsnarben.  Sonst  ist  die  Schleimhaut  der  Speiseröhre  leicht 
gewulstet.  Ein  klappenförmiger  Mechanismus1)  besteht  nicht  am 
unteren  Ende  des  Oesophagus.  Die  Muskulatur  und  Schleimhaut 
des  ganzen  Speiseröhrensackes  ist  sehr  verdickt. 

Nur  folgende  Bemerkungen  möchte  ich  mir  zu  unserem  Fall 
erlauben. 

27  Jahre  lang  bestand  nach  dem  Genuss  kleinster  Speise- 
teilchen  und  der  geringsten  Flüssigkeitsmenge  ein  totaler  Ver¬ 
schluss  des  unteren  Speiseröhrenabschnittes. 

Dass  bei  einer  Atonie  kleinste  Flüssigkeitsmengen  in  der 
Speiseröhre  zurückgehalten  werden  können,  ist  nicht  denkbar. 
Dazu  ergibt  ja  auch  der  Sektionsbefund  eine  Hypertrophie  der 
ganze  Speiseröhrenwandung,  doch  sicher  nicht  als  Folge  einer 
Atonie. 

Auch  ein  Klappenmechanismus,  wie  ihn  Beneke  be¬ 
schreibt,  fand  sich  nicht. 

Von  den  anderen  Ursachen,  die  bei  ähnlichen  Schling¬ 
beschwerden  schliesslich  eine  spindelförmige  Erweiterung  der 
Speiseröhre  herbeiführen  sollen,  kommt  in  unserem  Fall  nur  noch 
der  Kardiospasmus  in  Beti’acht.  Denn  einen  solchen  totalen 
Verschluss  des  unteren  Speiseröhrenabschnittes  auch  bei  ge¬ 
ringster  Flüssigkeitsaufnahme  kann  doch  bei  jeglichem  Fehlen 
einer  sonstigen  pathologischen  Veränderung  nur  der  krampf¬ 
artige  Verschluss  des  Kardiaabschnittes  herbeiführen. 

Wir  haben  also  in  obigem  Fall  wieder  einen  sicheren  Be¬ 
weis  dafür,  dass  der  Kardiospasmus  eine  Rolle  bei  der  spindel¬ 
förmigen  Erweiterung  der  Speiseröhre  spielt  und  wir  dürfen  ihn 


nicht,  wie  es  in  letzter  Zeit  versucht  wird,  als  belanglos  ausser 
Acht  lassen. 

Das  vergebliche  Bemühen  des  Oesophagus,  den  Widerstand 
zu  brechen,  bewirkte  allmählich  die  Hypertrophie  seiner  Wan¬ 
dungen,  das  Trinken  grösserer  Flüssigkeitsmengen,  bis  der 
Widerstand  des  Spasmus  gebrochen  wurde,  die  Dilatation. 

Nervosität  oder  Hysterie  haben  in  unserem  Fall  mit  dem 
Kardiospasmus  jedenfalls  nichts  zu  schaffen,  denn  nervenleidend 
ist  Patient  niemals  gewesen  und  durch  sein  schweres  Leiden 
nicht  geworden.  Hysterische  Stigmata  fehlten. 

Man  macht  in  obigem  Fall  wieder  einmal  dieselbe  Erfahrung 
wie  mit  dem  Vaginismus.  Hier  kann  man  mit  dem  Auge  die 
erkrankten  Teile  inspizieren  und  doch  gibt  es  so  manchen  hart¬ 
näckigen  Vaginismus,  für  den  man  nicht  die  geringste  sichtbare 
Ursache  entdecken  kann. 


lieber  die  Exstirpation  des  puerperalseptischen  Uterus. 

Von  Dr.  R.  Gradenwitz. 

(Schluss.) 

III.  Die  27  jähr.  Schuhmachersfrau  Bertha  P.  gelaugte  am 
2.  IX.  1901  zur  Aufnahme.  Familienanamnese  ohne  Belang;  Pat. 
selbst  war  bis  auf  eine  vor  0  Jahren  durcligemachte  Rippenfell¬ 
entzündung  stets  gesund.  Die  erste  Periode  trat  mit  17  Jahren 
ein,  war  stets  unregelmässig  und  blieb  bisweilen  2  Monate  aus, 
war  trotz  4 — 7  tägiger  Dauer  stets  äusserst  schwach;  meist  war  die 
Blutung  von  Schmerzen  im  Leib  begleitet.  2  spontane  Ent¬ 
bindungen  machte  Pat.  leicht  durch;  beide  Male  musste  ein  Damm¬ 
riss  genäht  werden.  Unmittelbar  nach  der  2.  Geburt  am  23.  VII.  01 
trat  eine  starke  Blutung  auf  mit  Abgang  von  Blutklumpen,  wes¬ 
wegen  der  behandelnde  Arzt  die  Nachgeburt  exprimierte.  Nach 
kurzer  Zeit  traten  Schmerzen  im  Leibe  auf,  deinetwegen  Pat.  mit 
Medikamenten  und  kalten  Umschlägen  behandelt  worden  zu  sein 
vorgibt.  Da  die  Beschwerden  Zunahmen,  überwies  sie  der  be¬ 
treffende  Arzt  unserer  Abteilung.  Appetit  ist  leidlich,  Stuhl  regel¬ 
mässig,  Schlaf  schlecht.  Kein  Ausfluss. 

Status  am  2.  IX.  02:  Mittelkräftige  Person  in  leidlichem 
Ernährungszustände.  Lungenbefund  normal.  Die  Herzdämpfung 
ist  nach  links  verbreitert,  der  1.  Ton  besonders  über  der  Mitralis 
von  einem  lauten  systolischen  Geräusche  begleitet,  der  2.  Pul¬ 
monalton  akzentuiert.  Der  regelmässige  Puls  weist  100  Schläge 
in  der  Minute  auf.  Der  saure  Urin  ist  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 
Temperatur  38—38,8°.  Bis  3  Querfinger  oberhalb  der  Symphyse 
ragt  eine  aus  dem  Becken  emporsteigende,  harte  Resistenz  empor, 
welche  oben  in  konvexem  Bogen  mit  scharfem  Rande  endigt.  Die 
Gegend  oberhalb  der  Lig.  Poupartii  ist  frei.  Per  vaginam  fühlt 
man  den  Uterus  sinistroponiert,  anteflektiert,  nicht  vergrössert, 
völlig  unbeweglich  durch  den,  seinem  Fundus  aufsitzenden,  harten 
Tumor  von  Faustgrösse,  welcher  mit  dem  von  oben  gefühlten  iden¬ 
tisch  ist.  Von  den  Adnexen  ist  nichts  mit  Sicherheit  zu  fühlen; 
nur  rechts  hinter  dem  Uterus  liegt  ein  kleiner  Körper,  wohl  das 
Ovarium.  Da  der  Tumor  als  perimetritisches  Exsudat  aufgefasst 
wird,  wird  sofort  eine  Probepunktion  vorgenommen,  welche 
Eiter  entleert;  unter  Anästhesie  durch  Aethylchlorid  wird  eine  4  cm 
lange  Inzision  angeschlossen,  welche  einen  Tassenkopf  stinkenden 
Eiters  zu  Tage  treten  lässt.  Die  Höhle  wird  austamponiert  und  täg¬ 
licher  Verbandwechsel  vorgenommen.  In  den  nächsten  Tagen 
erhielt  Pat.  dauernd  Digitalisinfus  mit  Tinct.  strophanti,  bei 
Schlechterwerden  des  Pulses  zeitweilig  auch  Kampher.  Am  12.  IX. 
ist  Pat.  desorientiert,  sowohl  autopsychisch  als  auch  allopsychisch; 
sie  leidet  an  Kleinheitswahn;  als  sie  wiederholt  Selbstmordgedan¬ 
ken  äussert,  erfolgt  ihre  Verlegung  nach  dem  städtischen  Irren¬ 
hause.  Ich  hatte  Gelegenheit  auch  dort  die  Pat.  zu  beobachten; 
ihr  körperliches  Befinden  wechselte,  wandte  sich  aber  im  ganzen 
zum  Schlechteren;  vielleicht  trug  hierzu  ein  Dekubitus  bei,  der 
durch  dauernde  Verunreinigung  trotz  sorgfältigster  Pflege  all¬ 
mählich  Handtellergrösse  erreicht  hatte,  als  Pat.  am  7.  X.  zu 
uns  zurückverlegt  wurde.  Die  Inzisionsstelle  war  bis  auf  eine 
kleine  Fistel  vernarbt;  aus  dieser  entleerte  sich  wenig  Sekret. 
Bei  der  Untersuchung  per  vaginam  fühlt  man  links  dicht  neben 
dem  Uterus  einen  apfelgrossen,  wenig  schmerzhaften  Tumor.  Am 
15.  X.  begannen  wiederum  Fieberanstiege,  die  in  den  nächsten 
10  Tagen  immer  höher  wurden  und  grössere  Remissionen  auf¬ 
wiesen  (Morgens  37°  —  Abends  38,8°);  eine  wegen  Wachsens  des 
Tumors  am  22.  vorgenommene  Punktion  von  den  Bauchdeckeu 
aus,  hatte  übelriechenden,  dünnflüssigen  Eiter  ergeben;  der  Ver¬ 
such  einer  Inzision  wurde  auf  gegeben;  da  hierbei  das  Peritoneum 
eröffnet  wurde.  Da  das  Fieber  stieg,  der  Puls  wieder  schlechter 
wurde  und  Pat.  selbst  der  aussichtslosen  konservativen  Therapie 
müde  wurde,  beschloss  man  operatives  Vorgehen.  Am  26.  X. 
wurde  in  Aethernarkose  die  Operation  von  Herrn  Primärarzt 
Dr.  Asch  vorgenommen.  Nach  Anhaken  des  Uterus,  Umschnei¬ 
den  der  Portio  und  Eröffnung  der  vorderen  sowie  hinteren  Peri¬ 
tonealtasche  wird  der  Uterus  beiderseits  durch  schrittweises  Ab¬ 
binden  der  Parametrien  bis  oben  hin  freipräpariert,  da  Versuche, 
ihn  zu  stülpen,  wegen  fester  Adhäsionen  bald  als  aussichtslos  auf¬ 
gegeben  werden  müssen.  Nach  Abbinden  der  Adnexe  wird  der 
Uterus  von  dem  ihm  eng  anliegenden  Tumor  nur  dadurch  völlig 
befreit,  dass  er  in  seinem  Gewebe  von  dem  Tumor  abgebundeu 


b  cf.  Beneke:  Deutsche  Aerzte-Ztg.,  No.  12.  16.  1901. 


30.  Dezember  1902. 


MUENCHENER  MEDiCiNESUHE  WOCHENSCHRIFT 


2177 


und  reseziert  wird.  Der  Tumor,  ein  mit  dem  ursprünglichen  Ex¬ 
sudate  nicht  m  Zusammenhang  stehender  perimetritischer  Abszess 
wird  nun  nach  Einlegen  von  Tupfern  zum  Schutze  der  Därme 
durch  T  mstechen  entleert,  wobei  fast  %  Liter  stinkender  Eiter  zu 
läge  t litt.  Der  eng  mit  dem  Tumor  verwachsene  Prozessus  vermi- 
tormis  wird  reseziert;  von  der  Wand  des  Abszesses  muss  ein 
Stück  zuruckgelassen  werden,  da  die  festen  Adhäsionen  sonst  eine 
\  erletzung  des  Darmes  befürchten  lassen  müssten;  die  rechten 
Adnexe  sind  mit  dem  Abszess  untrennbar  verwachsen  und  wer- 
(  en  mitexstirpiert,  während  die  linken  als  normal  zurückgelassen 
werden.  Der  Pest  der  schwartig  verdickten  Abszess  wand  wird 
in  die  Scheide  eingenäht  und  ebenso  wie  die  Scheide  mit  Jodoform¬ 
gaze  tamponiert.  Am  Nachmittage  des  Operationstages  erhielt 
Pat.  wegen  sehr  kleinen  Pulses  Kampher  und  800  ccm  Kochsalz- 
Iosung  subkutan,  Abends  Morphium  -)-  Kampher,  Nachts  ein 
Alkoholklystier;  am  nächsten  Tage  wird  Digitalis  und  Alkohol  im 
Klysma,  800  ccm  Kochsalzlösung  subkutan  verabfolgt,  desgleichen 
am  folgenden  Tage,  an  dem  auch  die  Nahrungsaufnahme  leichter 
vor  sich  geht.  Die  Temperatur  ist  vom  Operationstage  an  eine 
A\  oche  völlig  normal,  zeigt  in  der  2.  bis  3.  Woche  noch  zeit¬ 
weilige  massige  Anstiege,  um  dann  dauernd  zur  Norm  zurück¬ 
zukehren.  Der  Dekubitus  heilt  langsam  unter  10  proz.  Ichthyol¬ 
vaseline  und  Naphtalan  ab.  Pat.  erholt  sich  sehr  schnell  und 
steht  4  Wochen  post  operationem  auf;  da  der  Dekubitus  sehr  lang¬ 
sam  abheilt,  kann  sie  erst  am  4. 1.  02  als  völlig  geheilt  entlassen 
werden.  Die  Wunden  sind  sämtlich  vernarbt  und  nirgends  druck¬ 
empfindlich;  es  besteht  völliges  subjektives  und  objektives  Wohl¬ 
befinden.  Im  Mai  1902  stellt  sich  Pat.  in  blühendem  Zustande  vor. 
Im  vorliegenden  Falle  wäre  die  Entleerung  des  2.  Abszesses  viel¬ 
leicht.  zur  Heilung  ausreichend  gewesen;  die  derbe  Schwarten¬ 
bildung  sowie  die  festen  Darmadhäsionen  Hessen  aber  auf  andere 
Weise  als  durch  Entfernung  des  Uterus  einen  Zugang  zu  dem 
Abszesse  nicht  möglich  erscheinen;  der  Weg  vom  Abdomen  aus 
war  schon  vorher  ohne  Erfolg  betreten  worden.  Hierzu  kommt, 
dass  Pat.  2  lebende  Kinder  hatte  und  der  schwere  Herzfehler 
weitere  Schwangerschaften  unvorteilhaft  erscheinen  lassen  musste, 
so  dass  dem  Verluste  des  Uterus  eine  entscheidende  Bedeutung 
nicht  beizumessen  war. 


IV.  Das  22  jährige  Dienstmädchen  Hulda  S.  wurde  am 
28. 1 . 02  aufgenommen.  Familienanamnese  belanglos;  Pat.  selbst 
war  stets  gesund.  Die  seit  dem  15.  Lebensjahre  regelmässig  alle 

4  Wochen  wiederkehrende  Periode  war  stets  stark,  hielt  3 _ 4  Tage 

an  und  war  mit  Leibschmerzen  verknüpft.  Pat.  hat  vor  8  Wochen 
eine  spontane  Entbindung  durchgemacht  und  im  Wochenbett 
2  Tage  (3.  und  4.)  gefiebert.  Sie  stillte  bis  kurz  vor  der  Aufnahme. 
Seit  4  Wochen  bestehen  Schmerzen  im  Leib  und  Kreuz  sowie  beim 
Wasserlassen  und  Stuhlgang,  der  oft  erschwert  ist.  Kein  Schüttel¬ 
frost,  kein  Husten,  kein  Herzklopfen,  kein  Erbrechen;  Appetit  und 
Schlaf  schlecht. 

Status  am  29.1.02:  Mittelgrosse  Person  in  gutem  Er¬ 
nährungszustände.  Brustorgane  o.  B.;  die  strotzend  gefüllten, 
spannenden  Brüste  werden  mit  Tüchern,  die  mit  essigsaurer  Ton¬ 
erde  durchtränkt  sind,  bedeckt  und  hochgebunden.  Im  Leib  ge¬ 
ringe  Druckempfindlichkeit  in  beiden  Hypochondrien;  keine  Re¬ 
sistenz  oder  Dämpfung.  Leichte  Oedeme  beider  Unterschenkel. 
Urin  sauer,  frei  von  Eiweiss  und  Zucker.  Temp.  Abends  38°,  Puls 
um  100.  Im  Urethral-  und  Zervikalsekret  keine  Gonokokken,  in 
letzterem  nur  Fäulnisbakterien  und  zahlreiche  Diplokokken. 
Keine  wesentlichen  Einrisse  an  Damm,  Scheide  oder  Zervix; 
Muttermund  geschlossen;  kein  Fluor.  Uterus  antevertiertflektiert, 
etwa  faustgross,  von  mässig  weicher  Konsistenz,  nicht  sehr  druck¬ 
empfindlich.  Rechte  Adnexe  normal;  links  hinter  und  neben  dem 
Uterus  fühlt  man  einen  apfelgrossen,  schmerzhaften,  ziemlich 
weichen  Tumor;  die  Douglasschen  Falten  sind  infiltriert  und 
auf  leisen  Druck  äusserst  schmerzhaft.  Bei  Bettruhe  und  streng 
konservativer  Behandlung  besserten  sich  die  Beschwerden  ebenso¬ 
wenig  wie  der  lokale  Befund;  im  Gegenteil  schien  der  linksseitige 
Tumor  zu  wachsen;  dabei  war  Pat.  fast  gar  nicht  zur  Nahrungs¬ 
aufnahme  zu  bewegen  und  schlief  nur  auf  zeitweilig  verabfolgte 
hohe  Morphiumdosen  (0,015).  Fieber  bestand  ununterbrochen, 
Öfters  bis  39°  ansteigend;  der  ziemlich  kräftige  und  nicht  über¬ 
mässig  beschleunigte  (90)  Puls  liess  aber  Abwarten  erlaubt  er¬ 
scheinen.  Als  indessen  nach  3  Wochen  der  Zustand  der  Pat.  immer 
schlechter  geworden  war,  sie  elend  aussah,  das  Fieber  nicht  wich 
und  die  Beschwerden  nicht  nachliessen,  wurde  operatives  Vor¬ 
gehen  beschlossen  und  die  Operation  am  17.  II.  02  durch  Herrn 
Primärarzt  Dr.  Asch  in  Chloroformnarkose  ausgeführt.  Nach 
Einstellen  des  linken  Scheidengewölbes  wird  der  Tumor  zu  punk¬ 
tieren  versucht,  wobei  einmal  eine  Spur  einer  pyogenen  Membran 
aspiriert  wird.  Eiter  aber  trotz  sicheren  Einstechens  in  den  Tumor 
und  Gegendrückens  von  aussen  nicht  erhalten  wird.  Es  wird 
daher  eine  seitliche  Inzision  links  in  der  Scheide  vorgenommen 
und  nach  Auseinanderziehen  der  Wundränder  wiederum  zu  punk¬ 
tieren  versucht;  vergeblich;  die  Wundränder  werden  vernäht  und 
nach  Jodoformgazetamponade  der  Scheide  wird  Pat.  zur  Laparo¬ 
tomie  umgelagert.  8  cm  langer  Hautschnitt  in  der  Linea  alba; 
nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zeigt  es  sich,  dass  es  sich  um  eine 
adhäsive  Peritonitis  handelt,  indem  Uterus  und  Adnexe  mit  Där¬ 
men  und  Netz  überall  innig  verwachsen,  stark  verzeiTt  und  fast 
völlig  unbeweglich  sind.  Nach  meist  stumpfem  Abschieben  bezw. 
Lösen  der  adhärenten  Partien  gelangt  man  schliesslich  zuxxi  Ansatz 
der  linken  Adnexe  an  den  Uterus,  welche  mühevoll  freipräpariert, 
aixi  Spermaticalstiel  abgebunden  und  abgetragen  werden.  Nun 
zeigt  es  sich,  dass  der  Tumor  zum  grössten  Teile  dux-ch  das  stark 


verdickte  und  infiltrierte  linke  Paraxneti’ium  gebildet  wird,  mit  dem 
die  betreffenden  Adnexe  innig  verwachsen  waren;  auch  besteht 
ein  kleiner  pai’avesikaler  Abszess.  Nach  Auslösen  der  linken  An¬ 
nexe  axis  ihren  minder  festen  Verwachsungen,  sowie  Abbinden  und 
Abtragen  dei’selben  (Paquelin)  werden  die  Lig.  i*otunda  unter- 
bxmden  xind  am  Utei’us  dux’chtrennt.  Nach  Auspi’äpai’iei’en  eines 
Peiltoneallappens  aus  der  vordei’en  Uteruswand,  Abchieben  des¬ 
selben  mit  der  Blase  nach  unten  —  dieselbe  ist  stark  nach  links 
oben  verzeiTt,  wo  der  kleine  Abszess  entleert  wei’den  muss  — 
werden  die  beiden  Parametrien,  deren  rechtes  auch  etwas  in- 
filtriei't  ist,  möglichst  nahe  am  Beckeni’ande  schrittweise  unter¬ 
bunden  und  mittels  Paquelin  abgebi’annt,  ohne  dass  es  zu  einer 
nennenswerten  Blutung  kommt.  Nach  völligem  Auslösen  und 
Entfernen  von  Uterus  -f-  Adnexen  wird  die  Scheidenwunde  bis 
auf  ein  zentrales  Loch  geschlossen,  durch  welches  Jodoformgaze¬ 
drainage  der  Bauchhöhle  nach  der  Scheide  zu  bewerkstelligt  wird. 
Fortlaufende  Peritonealkatgutnaht;  Faszie  wird  mit  Silkworm. 
Haut  mit  pei’kutaner  Zwirnnaht  geschlossen.  Verband.  Ivatlie- 
tei’ismus.  Pat.  macht  eine  glatte  Rekonvaleszenz  durch  und  war 
völlig  fieberfrei;  nach  einiger  Zeit  traten  vorübergehend  geringe 
Temperatursteigerungen  auf.  Die  Laparotomienarbe  verheilte 
piimär,  die  Scheidennai’be  granulierte  nach  Entfernen  der  Gaze 
schnell  zu.  Nach  3  Wochen  stand  Pat.  auf  und  konnte  am 
15.  III.  02  bei  völligem  subjektiven  und  objektivem  Wohlbefinden 
als  geheilt  entlassen  werden.  Nach  6  Wochen  stellte  sie  sich  in 
blühendem  Zustande  vor;  sie  war  bereits  wieder  in  Stellung  ge¬ 
treten.  In  diesem  Falle  war  die  Opei’ation  recht  lange  vermieden 
worden;  die  unter  konsexwativer  Thex-apie  der  Besserung  völlig  un- 
zugänglichen  Prozesse  Hessen  aber  schliesslich  in  der  Operation 
das  letzte  Rettungsmittel  erblicken,  das  denn  auch  prompt  zur 
Heilung  gefühlt:  hat. 

V.  Die  44  jährige  Kaufmannswitwe  Amalie  W.  gelangte  am 
28.  I.  02  zur  Aufnahme.  Aus  der  Anamnese  ist  zu  ei’wähnen,  dass 
der  Vater  an  einem  Nervenleiden,  die  Mutter  an  Lungenentztin- 
dxxng  gestoi'ben  ist.  Die  alle  4  Wochen  regelmässig  eintretende 
Pex-iode  war  von  Schmerzen  nie  begleitet  xind  hielt  3  Tage  an. 
3  Partus,  1  Abort  1880 — 84;  das  1.  Wochenbett  war  dxirch  Gebär- 
mutter-  und  Untei’leibsentzündung  kompliziert  und  ei’heischte 
7  wöchentliche  Bettrxihe;  1  Kind  lebt,  2  jung  gestoi’ben.  Vor 
5  Jahren  wurden  bei  Pat.  die  runden  Muttei’bänder  nach  Ale¬ 
xander-Adams  von  andei’er  Seite  verküi’zt.  Letzte  Periode 
am  10.  XII.  01,  wesentlich  schwächer  als  sonst,  Vei’fallstag  un¬ 
gefähr  20.  November,  die  Schwangerschaft  wird  daher  auf  die 
vorangegangene  Periode  zu  beziehen  sein.  Am  18. 1.  02  schwache 
Blutung,  verbunden  mit  sehr  starken  Untei’leibsschmerzen,  die 
trotz  Leinsamenumschlägen  allmählich  so  stai*k  wurden,  dass  stän¬ 
dige  Bettruhe  erforderlich  wurde;  am  27.  I.  02  Abgang  einer  —  der 
Beschreibung  nach  ca.  8  cm  langen  —  Frucht,  bald  darauf 
Schüttelfrost;  Fieber  bestand  schon  seit  einigen  Tagen.  Kein  Er¬ 
blichen,  keine  Ohnmachtsanfälle,  kein  Ausfluss,  keine  Beschwer¬ 
den  beim  Urinlassen.  Appetit  und  Schlaf  schlecht. 

Status  am  28.  1.02:  Grosse,  kx’äftig  gebaute  Person  in  leid¬ 
lichem  Ernährungszustände.  In  den  Bimsten  frisches  Kolostimm; 
Brustorgane  normal.  In  beiden  Inguinalgegenden  sti’ahlige  Ale- 
x  a  n  d  e  r  -  A  d  a  m  s  -  Narben  (links  9,  rcchts  13  cm  lang!).  Des- 
census  vaginae  anter.  et  poster.,  Ruptura  pei’inei  vetus.  Uterus 
kindskopfgross,  antevertiertflektiert.  weich,  druckempfindlich; 
wenig  beweglich;  links  neben  ihm  ein  hühnereigrosser  Adnex¬ 
tumor,  der  mit  breiter  Basis  dem  Uterus  aufsitzt,  sich  nach  aussen 
vei-jüngt  und  sehr  druckempfindlich  ist;  rechte  Adnexe  anscheinend 
noi’mal.  Temp.  38,4  °,  Puls  112.  Im  Uterinsekret  nur  vei'einzelte 
Staphylokokken  und  Fäulnisbaktei’ien,  keine  Gono-  oder  Strepto¬ 
kokken,  kein  Bacterium  coli.  Da  der  Lebenswandel  der  übel  be¬ 
leumundeten  Patientin,  ihre  später  anders  lautenden  Angaben, 
sowie  der  Befund  einen  ki’iminellen  Abort  äussei’st  wahi’scheinlich 
ei’scheinen  lässt,  die  Vei’grössenmg  des  Utei’us  sowie  eine  mässige 
Blutung  an  zuitickgebliebene  Aboi’treste  denken  lässt,  wird  mit 
Rücksicht  axxf  das  Fieber  Austastxxng  bezw.  Ausi’äxxmxxng  des 
Uterus  beschlossen,  die  nach  .  entspi*echender  Voi’bei’eitung  am 
31. 1.  vorgenommen  wird.  Die  Kürettage  entleert  kleine  Schleim¬ 
hautfetzen,  in  denen  nur  Deziduazellen,  keine  Chorionzotten,  fer- 
lxer  vei’eiixzelte,  frisch  gebildete  Di’iisenqxxei’schnitte  gefxxnden  wer¬ 
den.  Die  Temperatur  blieb  dauernd  hoch,  stieg  zeitweise  auf  40  0 
an;  der  ziemlich  ki-äftige  Puls  wies  stets  100  Schläge  in  der  Minute 
'  axif.  Als  sich  das  Befinden  der  Pat.  im  Laufe  der  nächsten  Woche 
sichtlich  vei’schleclxteite,  das  Fieber  anhielt  und  gar  keine  Besse¬ 
rung  zu  ei’hoffen  war,  wui’de  operatives  Vorgehen,  xxnd  zwar,  mit 
Rücksicht  auf  die  Unbeweglichkeit  des  Uterus,  per  abdomen  be¬ 
schlossen.  Am  8.  II.  02  nahm  Flei-r  Primärai’zt  Dr.  Asch  die 
Operation  vor.  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  präsentiext  sich 
rechts  und  in  der  Mittellinie  der  die  Symphyse  etwa  um  3  Qixer- 
finger  übeiTagende  kindskopf grosse  Uterus;  links  davon  zieht  ein 
Pyosalpinx  bis  zum  Beckenx-ande  und  von  dort  im  Bogen  zur 
Flexui-a  sigmoidea,  an  dieser  sich  festsetzend.  Mit  ihm  untrenn¬ 
bar  verwachsen  Hegt,  im  Douglas  festgelötet,  ein  kleinfaustgi’osser 
Ovarialabszess,  auf  dem  sich  das  Fimbrienende  der  Tube  aufheftet. 
Die  rechte  Tube  ist  stai-k  geschwellt,  zieht  erst  nach  aussen,  schlägt 
sich  dann  um  xxnd  zieht  dann  in  den  Douglas  hinab,  wo  sie  durch 
feste  Adhäsionen  mit  dem  Rektum  verbunden  ist.  Nach  stumpfer 
Durchtrennxmg  lockerer  Netzadhäsionen  wei’den  die  Adnexe  aus 
ihren  Verwachsungen  ausgeschält  und  nach  entspi*echender  Ge- 
fässversorgung  erst  der  linke,  dann  der  rechte  Spermatikalstiel 
mittels  Paquelins  abgetragen,  sodann  die  Lig.  rotunda.  Beim  Ab¬ 
lösen  des  linken  Pyosalpinx  vom  Darm  entleert;  sich  aus  dessen 

2* 


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MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  52. 


4  imbrienende  ziemlich  viel  Eiter,  der  sofort  aufgetupft  wird,  ehe 
etwas  in  das  durch  Bauchservietten  völlig  geschützte  Abdomen 
hineinfliessen  kann.  Nach  Abpräparieren  eines Peritoneallappeus  aus 
der  vorderen  Uteruswand,  sowie  stumpfem  Abschieben  der  Blase  weit 
mich  abwärts,  werden  die  Parametrien  schrittweise  abgebunden, 
abgebrannt  und  schliesslich  der  Uterus  aus  der  Scheide  ausgelöst, 
welche  bis  auf  ein  zentrales  Lumen  vereinigt  wird;  durch  dieses 
wird  ein  Jodoformgazestreifen  zur  Scheide  herausgeleitet,  dessen 
oberes  Ende  die  parametranen  Stümpfe  bedeckt.  Die  Lig.  rotunda 
werden  mit  dem  die  Spermatikalstiele  bedeckenden  Peritoneum, 
der  aus  der  vorderen  Uteruswand  gebildete  Peritoneallappen  mit 
dem  Peritoneum  des  Rektums  vernäht  uud  die  Bauchhöhle  wie  ge¬ 
wöhnlich  völlig  geschlossen.  Peritoneum:  fortlaufende  Katgutnaht. 
Faszie:  Silkworm.  Haut:  perkutane  Zwimnaht.  Vom  2.  Tage 
post  Operationen!  au  war  die  Temperatur  normal,  Pat.  erholte  sich 
aber  nur  langsam,  obwohl  sie  alsbald  völlig  beschwerdefrei  Avar; 
(üne  Fadeneiterung  verzögerte  überdies  die  Heilung  und  die 
Wunden  begannen  erst  bessere  Tendenz  zur  Heilung  zu  zeigen, 
als  Pat.  schliesslich  eine  früher  stets  negierte  alte  Lues  zugab  und 
daraufhin  entsprechende  Behandlung  eingeleitet  werden  konnte. 
Am  2.  YI.  02  wurde  Pat.  als  völlig  geheilt  entlassen. 

Das  Präparat  zeigte  eine  hochgradige  Endometritis,  Metritis, 
Perimetritis,  beiderseitigen  Pyosalpinx,  linksseitigen  Ovarial- 
abszess,  rechtsseitige  Oophoritis  und  Perioophoritis,  wozu  sich  zahl¬ 
reiche  Adhäsionsstränge  gesellten.  Erst  die  radikale  Entfernung 
der  arg  infiltrierten  Genitalorgane  bot  hier  die  Möglichkeit  zur 
Genesung  der  Frau,  die  sonst  unserer  Ansicht  nach  schnell  hin¬ 
gesiecht  und  der  Infektion  erlegen  wäre.  Eine  durch  die  Operation 
akquirierte  Bauchhernie  wurde  am  1.  X.  02  operiert;  Pat.  erfreut 
sich  seither  besten  Wohlbefindens. 

VI.  Die  25jähr.  Schiffersfrau  Emilie  D.  Avurde  am  27.  VI.  02 
aufgenommen.  Familienanamnese  belanglos;  Pat.  war  stets  ge¬ 
sund.  wurde  im  10.  Lebensjahr  menstruiert;  Periode  seither  regel¬ 
mässig,  4  wöchentlich,  4— 5  tägig,  stark,  ohne  Schmerzen.  3  spon¬ 
tane  Entbindungen  in  den  Jahren  1S98,  1900,  1901  mit  fieberfreien 
Wochenbetten;  bei  den  letzten  beiden  musste  die  Nachgeburt 
manuell  gelöst  werden;  die  jüngsten  2  Kinder  leben.  Letzte  Periode 
am  9.  X.  01,  wesentlich  schwächer  als  sonst;  Kindsbewegungen  seit 
Februar  02.  Am  27.  IY.  Abends  trat  plötzlich,  ohne  äussere  Ver¬ 
anlassung,  eine  starke  Blutung  auf;  von  der  Hebamme  geholt,  kon¬ 
statierte  ich  riacenta  praevia;  da  zur  Zeit  Blutung  nicht  bestand, 
die  häuslichen  Verhältnisse  elende  waren  und  Pat.  fieberte,  liess 
ich  sie  nach  dem  Hospital  schaffen,  wo  Avir  Nachts  12  Uhr  folgen¬ 
den  Befund  erhoben.  Mittelgrosse,  grazil  gebaute  Person,  blass 
und  elend  aussehend.  Brustorgane  ohne  Befund.  Urin  sauer,  ohne 
Eiweiss,  ohne  Zucker.  Temperatur  38,2°,  (Puls  118.  Fundus  uteri 
steht  2  Querfinger  oberhalb  des  Nabels,  in  ihm  links  der  Kopf; 
Rücken  rechts,  Steiss  beweglich  über  dem  Beckeneingang,  Herz¬ 
töne  rechts  vom  Nabel,  140.  Aeussere  und  innere  Beckenmasse 
normal.  Scheideneingang  und  Scheide  mässig  weit,  in  der  Scheide 
Hlutkoagula:  Zervix  erhalten,  Muttermund  für  1  Finger  durch¬ 
gängig.  Blase  steht:  vorangehender  Teil  ist  der  Steiss;  rechts  und 
vorn  gelangt  man  überall  an  Plazentargewebe.  Es  wurde  sofort 
der  Hystereurynter  in  den  Uterus  unter  aseptischen  Kautelen  ein¬ 
geführt.  mit  500  ccm  dünner  Lysollösung  aufgefüllt  und  mit  1  kg 
belastet;  die  vorher  schwache  Blutung  steht  völlig.  Da  bis  zum 
nächsten  Vormittage  Wehen  nicht  aufgetreten  sind  und  der  Befund 
fast  unverändert  ist  (Muttermund  für  2  Finger  durchgängig),  Avird 
der  Hystereurynter  mit  2  kg  belastet.  Abends  traten  Wehen  ein, 
die  Nachts  stärker  wurden,  um  3 y2  Uhr  Morgens  zur  Ausstossung 
des  Hystereurynters  führten,  worauf  erneute  Blutung  begann. 
Herztöne  sind  nicht  mehr  zu  hören.  Da  der  Muttermund  hand¬ 
tellergross  und  die  schlaffen  Ränder  nachgiebig  waren,  wurde  bei 
stehender  Blase  in  den  Uterus  eingegangen,  nach  Sprengen  der 
Eiblase  beide  Füsse  herabgeholt  und  das  Kind  leicht  extrahiert;  es 
weist  nur  schwachen  Herzschlag  auf;  Wiederbelebungsversuche 
führen  nach  einer  Stunde  zum  Ziele;  das  1200  g  schwere,  39  cm 
lange  Kind  schreit  und  atmet  schliesslich  in  der  Couveuse  ganz 
gut;  bald  aber  wird  es  schlapp  und  trotz  eifrigster  Bemühungen 
tritt  nach  8  Stunden  Exitus  letalis  ein.  Der  Uterus  kontrahierte 
sich  zunächst  gut,  uach  15  Minuten  entsteht  trotz  vorsichtshalber 
verabfolgten  Cornutins  eine  starke  Blutung;  Crede  misslingt.  Der 
Uterus  kontrahiert  sich  bald  wieder  sehr  gut;  die  Blutung  hält  an; 
erneuter  Gredö  nach  Katheterismus  erfolglos.  Mit  Rücksicht  da¬ 
rauf.  dass  schon  zAveimal  manuelle  Plazentarlösungen  voran- 
gegangen  sind,  und  es  sich  um  Plaeenta  praevia  lateralis  mit  avoIiI 
partieller  Lösung  handelt,  wird  die  Plazenta  manuell  gelöst.  was  in 
den  oberen  Partien  nur  mühevoll  unter  Zerfetzen  gelingt;  da  Pat. 
immer  noch  etwas  blutet,  Avird  Uterus  und  Vagina  mit  Jodoform¬ 
gaze  austamponiert;  nun  steht  die  Blutung.  Unter  Kochsalz- 
infusion  (600  ccm)  und  Flüssigkeitszufuhr  per  os  et  rectum  hebt 
sich  der  Puls.  Pat.  erhält  Sekale  und  eine  Eisblase  auf  den  Leib. 
Die  Temperatur,  AATelehe  unmittelbar  post  partum  38,1 0  betrug, 
steigt  Nachmittags  bis  auf  38,7°,  der  Puls  ist  regelmässig,  100. 
Am  nächsten  Morgen  wurde  die  Gaze  entfernt;  der  Uterus  bleibt 
gut  kontrahiert;  Pat.  blutet  nicht.  Temperatur  steigt  Nachmittags 
bis  auf  39,0°  an,  Puls  128.  Da  Pat.  sich  subjektiv  wohl  befindet, 
wird  exspektativ  behandelt  und  nur  auf  allgemeine  Kräftigung 
<  )baelit  gegeben.  Als  aber  am  1.  V.  (2  Tage  post  partum)  die 
Temperatur  bis  auf  40,5  °,  der  Puls  auf  136  ansteigt,  wird  in  der 
Ansicht,  es  möchten  Plazentarstückchen  zurückgeblieben  sein,  eine 
Austastung  des  Uterus  vorgenommen;  teils  digital,  teils  mittels 
Kürette  werden  in  der  Tat  Plazentarreste  entfernt  und  nach  einer 
intrauterinen  1  proz.  Lysolspülung  von  9  Litern  der  leicht  blutende 


Uterus  mit  Jodoformgaze  austamponiert.  Pat.  erhält  Avngen 
schlechteren  Pulses  nunmehr  Digitalisinfus  -|-  Strophantus.  Am 
nächsten  Tage,  den  2.  V.  02,  hält  sich  die  Temperatur  dauernd 
zwischen  40  und  41°,  der  ziemlich  volle  Puls  A\reist  136  Schläge 
in  der  Minute  auf.  Im  Uterinsekret  Averden  Streptokokken  nacli- 
gewiesen;  Uterusausspülung  mit  1  Liter  50  proz.  Spiritus.  In  die 
linke  Vena  mediana,  aus  der  zwecks  Anlegen  von  Kulturen  Blut 
entnommen  ist,  werden  5  ccm  1  proz.  Argentum  colloidale  Crede 
~  Collargol  eingespritzt.  Pat.  erhält  viel  Wein,  Brühe  mit  Puro, 
Kaffee  und  Milch.  Da  Temperatur  und  Puls  am  nächsten  Tage 
unverändert  bleiben  (auf  die  Collargolinjektion  war  keinerlei  Re¬ 
aktion  eingetreten),  Avird  ein  lokal  septischer  Prozess  angenommen, 
zumal  die  angelegten  Blutkulturen  steril  geblieben  sind;  die  vagi¬ 
nale  Untersuchung  ergibt  den  Uterus  in  entsprechender  Grösse, 
ziemlich  Aveich,  nicht  druckempfindlich,  beAveglich,  in  normaler 
Lage;  Adnexe  und  Parametrien  anscheinend  frei.  Mit  Rücksicht 
auf  die  Schwere  der  Infektion  (hohe  Temperatur  40 — 41  °,  zeitAveilig 
unregelmässiger,  frequenter  Puls,  Nachweis  von  Streptokokken  im 
Uterinsekret)  wird  längeres  ZuAvarten  als  bedenklich  angesehen 
und  von  Herrn  Dr.  Asch  am  3.  V.  Vormittags  zur  Operation  ge¬ 
schritten.  Nach  Austamponieren  des  Uterus  Avird  das  kindskopf¬ 
grosse  Organ  in  typischer  Weise  vaginal  exstirpiert  unter  Zurück¬ 
lassung  der  Adnexe.  Bei  Eröffnung  des  Peritoneums  fliesst  eine 
ziemliche  Menge  ser'öser  Flüssigkeit  ab;  die  ödematös  geschwellten 
Farametrien  werden  mit  ihren  Stümpfen  in  die  ScheidenAVund- 
winkel  eingenäht,  dann  die  Bauchhöhle  zur  Vagina  hinaus  nach 
Ascli  drainiert.  Pat.  erhielt  noch  in  Narkose  eine  Kochsalz¬ 
infusion  von  500  ccm,  erwachte  alsbald  und  brach  nicht.  Das 
Fieber  liess  nicht  nach  und  der  zeitweilig  dikrote,  frequente  Puls 
besserte  sich  erst  wieder,  als  der  Patientin  per  os  und  per  klysina 
Digitalisinfus  -(-  Strophantus  zugeführt  wurden,  während  Kampher 
anscheinend  wirkungslos  blieb.  Das  subjektive  Befinden  blieb  vor¬ 
züglich,  wie  dies  auch  schon  vor  der  Operation  euphorisch  Avar; 
Pat.  trank  viel,  schlief  ruhig  und  lange  Zeit  ununterbrochen,  liess 
Urin  und  hatte  Stuhl  ohne  jegliche  BeschAverden. 

Am  6.  V.  (3  Tage  nach  der  Operation)  wurde  der  Puls  sehr 
schlecht;  häufige  Kampheriujektioneu  besserten  ihn  nur  wenig; 
die  Temperatur  stieg  Mittags  bis  auf  40,8°  und  bei  völliger  Be- 
Avusstlosigkeit  trat  Nachmittags  Exitus  letalis  ein.  Die  Sektion 
ergab  ausser  einer  mässigen  Milzvergrössernng  mehrere  kleine 
septische  Embolien  in  den  Lungen,  sonst  keine  Besonderheiten;  die 
Operationswunde  Avar  reaktionslos,  Zeichen  von  Peritonitis  be¬ 
standen  nicht.  Wir  müssen  hier  Avohl  annehmen,  dass  die  schon 
A'or  der  Entbindung  fiebernde,  also  infizierte,  schwächliche  Frau 
nicht  genügend  Aviderstandsfähig  Avar,  um  sich  der  Infektion  er¬ 
wehren  zu  können,  selbst  als  der  Körper  Aron  der  Hauptinfektions- 
quelle  befreit  war;  vielleicht  wären  bei  einige  Tage  früher  aus¬ 
geführter  Uterusexstirpation  die  Chancen  günstiger  gewesen;  doch 
erhofften  wir  zunächst  A’on  der  Entfernung  der  Plazentarreste 
eine  ausreichende  Entlastung  des  Körpers  von  infektiösem  Ma¬ 
teriale  und  entschlossen  uns  erst  zur  Operation,  als  dies  nicht 
glückte,  Collargol  versagte  und  der  Puls  auf  die  hochgradige 
Lebensgefahr  hinwies. 

VII.  Die  31  jährige  Schuhmachersfrau  Auguste  W.  gelangte 
am  15.  VIII.  1902  zur  Aufnahme.  Familienanamnese  belanglos. 
Pat.  Avar  früher  gesund,  hatte  normale  Menstruation sverhältnisse; 
sie  hat  in  den  letzten  7  Jahren  4  spontane  Entbindungen  und 
1  Abort  mit  fieberfreien  Wochenbetten  durchgemacht;  3  Kinder 
leben. 

Am  3.  VIII.  5.  spontaner  Partus  eines  lebenden  Kindes; 
Plazenta  kam  spontan;  am  8.  VIII.  stand  Pat.  auf;  am  11.  Auf¬ 
treten  Aron  Fieber  und  Schüttelfrösten,  die  seither  häufig  Avieder- 
kehren.  Keine  Leibschmerzen,  kein  Erbrechen,  kein  Husten, 
keine  Durchfälle;  Appetit-  und  Schlaflosigkeit. 

Status  am  15.  VIII.  02:  Sehr  elend  aussehende,  magere, 
blasse  Person  in  schlechtem  Allgeineinznstande.  Lungen  und 
Herz  o.  B.  Urin  sauer,  ohne  Ehveiss  und  ohne  Zucker.  Temp.  40,5°, 
Puls  108,  leidlich.  Da  Pat.  blutete,  wurde  eine  Araginale  Unter¬ 
suchung  —  nach  entsprechender  Vorbereitung  —  vorgenommen, 
wobei  sich  herausstellte,  dass  der  hinteren  Zervixwand  reichliche 
Plazentarfetzen  aufsassen,  frische  Risse  aber  nicht  bestanden. 
Nach  teils  digitaler,  teils  instrumenteller  Entfernung  der  Plazentar¬ 
reste  wurde  eine  Uterusausspülung  mittels  9  Litern  heisser  Lysol¬ 
lösung  vorgenommen  und  der  noch  scliAvachen  Blutung  wegen 
Jodoformgazetamponade  von  Uterus  und  Vagina  angeschlossen. 
Unmittelbar  darauf  Schüttelfrost  (40,8°,  Puls  136),  dem  ein  Tem¬ 
peraturabfall  auf  39,2°  folgte.  Da  die  Temperatur  am  nächsten 
Tage  nicht  unter  39.1 0  sank,  wurde  eine  Uterusirrigation  mit 
1  Liter  50  proz.  Spiritus  vorgenommen  und  Nachmittags  nach  Blut¬ 
entnahme  5  ccm  Collargol  in  die  linke  Vena  mediana  injiziert. 
Temperatur  und  Puls  blieben  dauernd  hoch  (um  40 u),  Patientin 
nahm  wenig  Nahrung  zu  sich;  sie  Avurde  trotz  Exzitantien,  Ver¬ 
abfolgung  von  Nährklystieren  und  bester  Pflege  immer  elender, 
so  dass  wir  schliesslich  nur  noch  in  der  Exstirpation  des  Uterus 
den  letzten  Rettungsversuch  vornehmen  zu  können  glaubten.  Die 
angelegten  Blutkulturen  waren  sämtlich  steril  geblieben.  Die 
Untersuchung  in  Narkose  unmittelbar  vor  der  Operation  bestätigte 
den  früheren  Befund,  dass  es  sich  um  einen  mässig  grossen,  wenig 
druckempfindlichen  Uterus  mit  anscheinend  normalen  Adnexen 
handelte.  Am  21.  VIII.  nahm  Herr  Primärarzt  Dr.  Asch  die 
Operation  vor.  ln  typischer  Weise  wurde  der  Uterus  per  vaginain 
exstirpiert  unter  Mitentfernung  der  beiderseitigen  Adnexe,  da  die 
Ovarien  sich  als  kleincystisch  degeneriert  erwiesen.  Die  Adnex- 
und  parametranen  Stümpfe  wurden  in  die  Scheidenwundwinkel 


30.  Dezember  1902. 


MüENCHENER  MEDICTNISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2179 


eingenäht  und  das  Abdomen  mittels  Jodoformgaze  zur  Scheide 
hinaus  draimert.  Die  Operation  bot  trotz  ziemlicher  Morschheit 
des  uterinen  Gewebes  keinerlei  Schwierigkeiten,  verlief  schnell 
und  glatt;  Pat.  erwachte  bald  aus  der  Narkose,  erhielt  Eisstiick- 

nSChlUCk“’  ,eiue  ®ubkutane  Kochsalzinfusion,  Abends 
0,01  Moipliium  subkutan.  Abgesehen  von  einem  Abfall  der  Tem¬ 
peratur  unmittelbar  nach  der  Operation  auf  38°  blieb  dieselbe 
dauernd  um  40°,  Puls  um  120.  Urinlassen  und  Stuhlgang  war 
dauernd  normal.  Trotz  verschiedenster  Exzitantien  und  Stär¬ 
kungsmittel  erholte  sich  Pat.  nicht  mehr  von  der  Infektion;  wenn 
das  Befinden  auch  zeitweise  sich  zu  bessern  schien,  so  trat  doch 
stets  bald  wieder  ein  Rückschlag  ein;  nach  2  Tagen  stellten  sich 
hin  und  v,  Jeder  Delirien  ein  und  7  Tage  post  Operationen!  erfolgte 
unter  den  Zeichen  von  Herzschwäche  Exitus  letalis.  Die  Sektion 
wurde  verboten. 


Hinsichtlich  seines  Verlaufes  ist  dieser  Fall  dem  vorigen  sehr 
ähnlich.  Auch  hier  erscheint  es  uns  leicht  möglich,  dass  schnel¬ 
leres  Eingreifen  —  zu  einer  Zeit  grösserer  Widerstandsfähigkeit 
dei  Ivi anken  und  noch  bestehender  Lokalisation  des  Prozesses  auf 
den  Uterus  —  besseren  Erfolg  gezeitigt  hätte.  Wir  liessen  von 
der  Aufnahme  bis  zur  Operation  6  Tage  verstreichen,  indem  wir 
von  der  Entfernung  der  Plazentarreste  die  Elimination  der  In¬ 
fektionsquelle  erwarteten  und,  als  dies  ausblieb,  auf  Spontan¬ 
heilung  hoffen  zu  dürfen  glaubten 


Ich  habe  die  Ixrankegeschichten  so  ausführlich  wieder¬ 
gegeben,  weil  ich  glaube,  dass  nur  die  genaue  Kenntnis  der 
anamnestischen  Daten  und  des  Verlaufes  die  Möglichkeit  ge¬ 
währt,  die  Schwere  des  Falles  richtig  zu  bewerten. 

Fassen  wir  nun  die  7  Fälle  zusammen,  so  stehen  5  Heil¬ 
erfolge  2  Todesfällen  gegenüber.  Unter  den  5  geheilten  Patien¬ 
tinnen  lagen  bei  4  ausgesprochen  lokale  Prozesse  vor  (1,  3,  4,  5), 
während  nur  Fall  2  die  lymphatische  Form  der  Pyämie,  die 
Septikämie,  repräsentiert.  Die  beiden  letztoperierten  Fälle  (6,  7) 
mit  ungünstigem  Ausgange  stellen  eine  schwere  Form  reiner 
Septikämie  ohne  das  Vorhandensein  eitriger  oder  infektiöser 
Lokalerkrankung,  ohne  Schwellung  der  Lymphbahnen  oder  Ver¬ 
eiterung’  von  Venensträngen  dar.  Wenn  wir  nun  auch  glauben, 
dass,  die  Operation  an  sich  in  diesen  2  Fällen  keinen  Schaden 
gestiftet  hat,  so  stehen  wir  doch  nicht  an,  sie  bei  derartigen 
Kranken  für  zwecklos  zu  erklären.  Wir  sind  der  Ansicht,  dass 
bei  einer  schweren  Infektion  verschiedenartige  Prozesse  Grund 
zur  Exstirpation  des  Uterus  abgeben  können,  und  zwar  in  der 
Hauptsache : 

1.  die  sicher  auf  den  Uterus  beschränkten,  schweren  In¬ 
fektionen, 

2.  eitrige  Prozesse  des  Uterus,  seiner  nächsten  Umgebung 
und  der  Adnexe, 

3.  entzündliche  Erkrankungen  der  Blut-  und  Lymphbahnen. 

Als  kaum  der  Heilung  zugänglich  möchten  wir  aber,  wie 

erwähnt,  die  Fälle  bezeichnen,  bei  welchen  die  Infektion  den 
Uterus  überschritten,  die  Blutbahnen  überschwemmt  hat  und  eine 
Lokalisation  derselben  nicht  nachweisbar  ist.  Mit  dieser  Ein¬ 
schränkung  werden  wir  in  Zukunft  schwere,  der  Spontanheilung 
nicht  zugänglich  erscheinende  Erkrankungen  an  Wochenbett¬ 
fieber  dem  an  sich  wenig  gefährlichen  Eingriffe  unterwerfen, 
wenn  andere  Behandlungsmethoden  versagen ;  der  einzuschlagende 
Weg  und  die  Art  der  Operation  müssen  von  Fall  zu  Fall  ent¬ 
schieden  werden.  Als  Vorbedingung  werden  wir  aber  auch  in 
Zukunft  halbwegs  ausreichende  Widerstandsfähigkeit  der  Pa¬ 
tientin  verlangen,  da  uns  diese  für  einen  glücklichen  Erfolg  der 
operativen  Therapie  äusserst  wichtig  zu  sein  scheint. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Schwanert:  Hilfsbuch  zur  Ausführung  chemischer 
Arbeiten  für  Chemiker,  Pharmazeuten  und  Mediziner.  Vierte, 
umgearbeite  Auflage.  F.  V  i  e  w  e  g  u.  Sohn,  Braunschweig 
1902.  412  S.  Preis  8  M. 

Das  insbesondere  bei  Medizinern  und  Pharmazeuten  beliebte 
Schwanert  sehe  „Hilfsbuch“  will  „den  Studierenden  eine 
kurze  Anleitung  zur  Ausführung  praktischer  chemischer  Arbeiten 
bieten,  ihnen  die  dabei  stattfindenden  chemischen  Prozesse  er¬ 
klären  und  sie  soweit  in  die  analytische,  synthetische,  foren¬ 
sische  Chemie,  in  die  Nahrungsmittelchemie  und  Zoochemie  ein¬ 
führen,  dass  sie  nach  sorgfältigem  Durcharbeiten  der  betreffenden 
Abschnitte  befähigt  sind,  andere  umfangreichere  praktische  Ar¬ 
beiten  auszuführen“.  Das  Buch  ist  also  in  erster  Linie  für  den 
Praktikanten  im  chemischen  Laboratorium  bestimmt;  es  enthält 
dementsprechend  den  Stoff  in  der  für  das  praktische  chemische 
Arbeiten  üblichen  Form  angeordnet.  Aber  auch  der  wissen¬ 


schaftlich  oder  praktisch  arbeitende  Mediziner  oder  Natur¬ 
wissenschaftler  wird  für  einfachere  chemische  Nachweise  und 
Analysen  sich  gern  aus  dem  Schwanert  sehen  Buch  Rat  und 
Hilfe  holen.  Heinz-  Erlangen. 


Zehn  Beispiele  aus  dem  Gebiete  des  Gefechtssanitäts¬ 
dienstes.  Kritisch  besprochen  im  Gelände  von  Stabsarzt  C  r  o  n. 
Ein  Supplement  zur  „Militärischen  Propädeutik  als  Einleitung 
in  das  Studium  des  Feldsanitätsdienstes“.  I.  Heft  (enthaltend 
5  Beispiele).  Wien  1902.  Verlag-  von  Josef  S  a  f  ä  r.  Preis 
M.  3.20. 

Neben  der  rein  ärztlichen  Fortbildung  der  Sanitätsoffiziere 
wird  nunmehr  auch  dem  Unterrichte  derselben  im  Feld  Sanitäts¬ 
dienste  immer  mehr  und  mehr  Rechnung  getragen.  Vorlesungen 
über  Taktik,  schriftliche  Aufgaben  über  Sanitätsdienst  im  Felde, 
taktische  Uebungen  im  Terrain  sind  in  den  meisten  Armeen  ein¬ 
geführt. 

In  dem  vorliegenden  ersten  Hefte  gibt  Stabsarzt  Oron 
5  Beispiele  aus  dem  Gebiete  des  Feldsanitätsdienstes  und  be¬ 
leuchtet  eingehend  und  mit  grosser  Sachkenntnis  die  sanitären 
Anordnungen  beim  Bezüge  einer  Nachhutstellung,  die  ärztlichen 
Dispositionen  während  eines  Infanteriegefechtes,  den  Sanitäts¬ 
dienst  beim  Angriffsgefecht  eines  Detachements  und  bei  einem 
Streifkommando  im  Gebirge. 

In  diesen  verschiedenen  Gefechtslagen  sind  die  Befehle  klar 
und  zielbewusst  gegeben  und  kann  jeder  Militärarzt  durch  die 
Lektüre  der  Abhandlung  seine  taktischen  Kenntnisse  bereichern. 

S  e  y  d  e  1. 


Dr.  Leopold  Feilchenfeld:  Leitfaden  der  ärztlichen 
Versicherungspraxis.  Kurzgefasste  Darstellung-  der  wichtigsten 
Fragen  aus  der  vertrauensärztlichen  Tätigkeit  bei  den  „Versiche¬ 
rungsgesellschaften  für  Leben  und  Unfall“.  Berlin  und  Wien 
1903,  Urban  &  Schwarzenberg.  131  S. 

Das  Büchlein  entspricht  sehr  gut  seinem  Zwecke,  dem  in  ver¬ 
trauensärztlichen  Untersuchungen  noch  Ungeübten  einige  prak¬ 
tische  Winke  zu  geben  und  ihm  die  besondere  Art  der  vertrauen, s- 
ärztlichen  Tätigkeit  und  ihre  Verschiedenheit  von  der  gewöhn¬ 
lichen  Tätigkeit  des  Arztes  vor  Augen  zu  führen,  um  ihm  so  zu 
eimöglichen,  ein  für  die  Beurteilung  der  Versicherungsfähigkeit 
ausreichendes  und  geeignetes  Bild  von  dem  Gesundheitszustände 
der  zu  untersuchenden  Person  zu  geben.  Für  die  Vertrauensärzte 
bei  privaten  Unfallversicherungsgesellschaften  ist  der  die  Unfall¬ 
versicherung  behandelnde  kurzgefasste  II.  Teil  recht  brauchbar. 

R.  S. 


Neueste  Journalliteratur. 

Archiv  für  Gynäkologie.  67.  Bd.  2.  Heft.  Berlin  1902. 

,  G2,  ,H  ei,n  riciDS:  Weber  Myomotomie  mit  retroperi- 

tonealer  Behandlung  des  Stieles  nach  Chrobak.  (Aus  der  ge¬ 
burtshilflich-gynäkologischen  Universitätsklinik  in  Helsingfors ) 

.  H-  operierte  seit  1S94  in  118  Fällen  nach  C  h  r  o  b  a.  k,  supra- 
vaginale  Amputation  des  Uterus  mit  Bildung  eines  vorderen  und 
hinteren  peritonealen  Lappens  und  retroperitoneale  Versenkung  des 
Stumpfes.  Den  Zervikalkanal  brannte  er  stets  mit  dem  Thermo¬ 
kauter  aus.  Nur  in  2  Fällen  trat  der  Tod  ein. 

2)  W.  P.  Zagor janski-Kissel.  Oberarzt  der  k.  russ 
Marine  zu  Sebastopol:  lieber  das  primäre  Chorioepitheliom  ausser¬ 
halb  des  Bereiches  der  Eiansiedelung.  (Aus  Prof.  L  a  n  d  a  u  s 
Frauenklinik  in  Berlin.) 

Ein  20  Jahre  altes  Mädchen  abortierte  im  3.  Schwangerschafts¬ 
monat.  Bald  darnach  traten  Blutungen  aus  der  Scheide,  Schiittel- 
fioste.und  Bluthusten  auf.  Am  Scheideneingang  fanden  sich  zwei 
oberflächlich  ulzerierte  Knötchen,  die  inneren  Genitalien .  erwiesen 
sich  als  frei  (Tastbefund.  Ausschabung).  Exzision  der  Tumoren 
und  Auslöffelung  des  Geschwulstbettes.  Die  entfernten  Ge¬ 
schwülste  ergaben  chorioepitheliomatöse  Wucherung,  z.  T.  von  der 
Oberfläche  verschleppter  Chorionzotten  ausgehend.  7  Monate  post 
operationem  abortierte  das  Mädchen  in  der  6.  Woche,  ly,  Jahre 
post  op.  war  sie  im  3.  Monat  schwanger.  Z.  betont  die  Unmög¬ 
lichkeit.  aus  dem  mikroskopischen  Befund  die  Diagnose  der 
Malignität  ebenso  bestimmt  wie  etwa  beim  Karzinom  zu  stellen- 
darüber  entscheidet  erst  der  klinische  Verlauf,  welcher  nach  der 
Anschauung  von  Z.  durch  die  jeweilige  Widerstandskraft  des  Or¬ 
ganismus  entschieden  wird.  —  In  der  Literatur  fand  er  noch  16  ein¬ 
schlägige  Fälle. 

3)  Krull:  Ueber  die  Wendung  mit  sich  anschliessender 
Extraktion  beim  engen  Becken  auf  Grund  von  320  Fällen.  (Aus 
der  k.  Frauenklinik  in  Dresden.) 

K.  vertritt  im'  allgemeinen  den  Standpufikt,  eine  Spontan¬ 
geburt  abzuwarten,  doch  ist  dieses  Verfahren  speziell  für  den 
praktischen  Arzt  nicht  immer  durchführbar  und  für  diese  Fälle 


2180 


MTJEN  CHENER  M  E  DI  CIN  I SCHE  WOCHEN  SCHRIET. 


No.  52. 


ergab  das  reiche  Material  von  320  Fällen  den  Satz:  Die  Wendung 
und  Extraktion  bei  engem  Becken  und  mittelgrossem  Kind  kann 
mit  Erfolg  für  Mutter  und  Kind  ausgeführt  werden  bei  einem 
platten  und  plattrhachitischen  Becken  und  beim  allgemein  ver¬ 
engten  plattrhachitischen  Becken  bis  zu  einer  Conj.  diag.  von 
0  cm,  beim  allgemein  vei'engten  Becken  bis  zu  einer  Conj.  diag. 
von  9 yg  cm. 

4)  Otto  S  i  1  b  e  r  b  er  g  -  Breslau:  Ein  Fall  von  Endothelioma 
uteri.  Kasuistische  Mitteilung.  (Aus  dem  städtischen  Kranken¬ 
hause  zu  Hirschberg  i.  Schl.  Sanitätsrat  Dr.  M  i  d  d  e  1  d  o  r  p  f.) 

Die  Diagnose  „Endotheliom“  wurde  aus  kürettiertem  Material 
und  einem  enteneigrossen  aus  dem  Uterus  entfernten  Tumor  ge¬ 
stellt.  Ueber  das  weitere  Schicksal  der  Patienten  ist  nichts  be¬ 
kannt. 

5)  Keller.  Stabsarzt  und  Assistent  der  Klinik:  Zur  Aetio- 
logie  angeborener  Klumpfüsse  und  Gelenkkontrakturen.  (Aus 
der  geburtshilflich-gynäkologischen  Klinik  der  k.  Charitß.) 

Bei  einem  45  cm  langen,  1730  g  schweren,  frischtoten  Neu¬ 
geborenen  waren  beide  Beine  am  Körper  emporgeschlagen  und 
fast,  sämtliche  grossen  Extremitätengelenke  mehr  oder  weniger 
ankylosiert.  Bei  dem  Versuch,  zu  wenden,  war  durch  Herabholen 
des  linken  Fusses  eine  grosse  Weichteilzerreissung  entstanden. 
Der  linke  Fuss  zeigte  auch  hochgradige  Klumpfusstellung. 
K.  nimmt  an,  dass  die  Veränderungen  durch  Druck  der  Uterus¬ 
wand  und  durch  Ruhigstellung  der  Extremitäten  (Immobilisation) 
entstanden  sind.  Da  sich  jedoch  seit  Anfang  des  6.  Monats 
Hydramniou  ausgebildet  hat,  muss  er  die  Entstehung  auf  die 
frühere  Schwangerschaftszeit  verlegen.  Am  rechten  Oberarm  und 
über  der  rechten  Spina  scapulae  bestanden  Druckmarken. 

Anton  H  e  n  g  g  e  -  Heidelberg. 

Centralblatt  für  Gynäkologie.  1902.  No.  50. 

1)  Wodarz-Jena:  Zur  Kenntnis  vom  Bau  der  Placenta 
circumvallata. 

W.  berichtet  kurz  über  die  mikroskopische  Untersuchung  von 
6  derartigen  Plazenten,  die  nach  Härtung  in  Formol  und  Alkohol 
nach  v.  G  i  e  s  o  n  und  Weigert  gefärbt  wurden.  Er  fand  bei 
Untersuchung  des  Fibrinringes,  dass  derselbe  nicht  aus  einheit¬ 
lichem  Fibrin  bestand,  sondern  aus  älteren,  organisierten  Schollen 
und  jüngerem,  in  Lamellen  angeordnetem  Fibrin.  W.  glaubt  aus 
seinen  Befunden  eine  andere  Entstehung  der  Napfform  bei  Pla¬ 
centa.  circumvallata  ableiten  zu  dürfen,  als  bisher  angenommen 
wurde. 

2)  AUS  i  p  p  e  1  -  Frankfurt  a/M.:  Die  operative  Behandlung 
der  puerperalen  Pyämie. 

Veranlasst  durch  den  glücklich  verlaufenen  Fall  von  Tren¬ 
del  e  n  b  u  r  g,  der  durch  Unterbindung  der  Vv.  hypogastricae  und 
spermaticae  eine  puerperale  Pyämie  heilte  (diese  Wochenschrift 
1902.  No.  33),  erinnert  S.  daran,  dass  er  schon  1894  einen  ähnlichen 
Vorschlag  machte.  Derselbe  bestand  darin,  bei  der  unter  dem 
Bilde  akuter  Pyämie  verlaufenden  Phlebitis  purulenta  den  Uterus 
zu  entfernen  und  gleichzeitig  die  Vv.  spermaticae  intemae  und 
uterinae  zu  resezieren.  Praktisch  hat  S.  seinen  Vorschlag  nicht 
ausgeführt.  Von  4  Fällen  puerperaler  Pyämie  heilten  2  spontan 
und  2  konnten  aus  äusseren  Gründen  nicht  operiert  werden;  letz¬ 
tere  gingen  zu  gründe.  Die  extraperitoneale  Methode,  welche 
Trendelenburs  vorschlägt,  lehnt  S.  ab.  Er  würde  nur  durch 
Laparotomie  Vorgehen.  Entschliesst  man  sich  aber  zu  letzterer,  so 
würde  S.  neben  den  Venen  auch  den  Uterus  entfernen.  Man  soll 
aber  nicht  eher  zum  Messer  greifen,  bis  Indicatio  vitalis  vorliegt, 
da  mancher  Fall  von  Pyämie  in  spontane  Genesung  übergeht. 

3)  Durlacher  -  Ettlingen:  Krampfhafte  Zusammen¬ 
ziehung  des  Muttermundes  als  relatives  Geburtshindernis. 

Das  Phänomen  besteht  darin,  dass  bei  jeder  Wehe  der  Mutter¬ 
mund  sich  krampfhaft  kontrahiert.  D.  beobachtete  dasselbe  bei 
einer  34  jährigen  III.  Para  mit  gleichmässig  schwach  verengtem 
Becken.  Es  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  Rigidität  der  Zervix,  die 
auch  in  der  Wehenpause  persistiert.  Es  handelt  sich  dabei  nicht 
um  eine  Anomalie  der  Wehe,  sondern  um  eine  lokale  abnorme  Er¬ 
scheinung  am  Muttermund  während  der  Wehe.-  Dies  Verhalten 
kann  eventuell  zur  Ruptur  des  unteren  Uterinsegmentes  führen. 
Die  narkotischen  krampfbildenden  Mittel  (Chloroformnarkose, 
Kokain)  sind  dagegen  machtlos.  D.  extrahierte  in  seinem  Fall  die 
Frucht  mit  der  Zange  in  der  Wehenpause. 

4)  H.  J.  K  r  put  zm  an  n-S.  Francisco:  Ist  die  Annähung 
der  Gebärmutter  an  die  vordere  Bauchwand  (Ventrofixation, 
Ventrofixur  des  Uterus)  eine  berechtigte  Operation? 

K.  verneint  obige  Frage  entschieden,  weil 

a)  die  Indikationen  zur  Operation  nur  relative  sind. 

b)  der  dadurch  hervorgerufene  Zustand  als  unphysiologisch 
zu  bezeichnen  ist, 

cldie  späteren  Folgen  für  Gesundheit  und  Leben  der  Operier¬ 
ten  verhängnisvoll  werden  können. 

d)  die  Operation  entbehrlich  ist. 

An  ihrer  Stelle  empfiehlt  K.  bei  beweglicher  Retroflexio  uteri 
die  vaginale  Fixation  oder  die  Al  e x  an  d  e r -  A  d  a  m  s  sehe 
Operation,  bei  fixierter  Retroflexion  diese  in  eine  bewegliche  zu 
verwandeln  und  später  eventuell  die  Verkürzung  der  runden 
Mutterbänder  vorzunehmen. 

5)  A.  Hink -Wien:  Auskochbare  Bougie  zur  Krause¬ 
schen  Methode. 

Die  Bougies  bestehen  aus  Durit,  das  als  Kern  eine  dicke, 
spiralige,  mit  Drahtkoni  ausgestattete  Klaviersaite  trägt.  Zu 
haben  bei  Löblich  &  D  o  h  n  a  1  in  Wien. 


6)  Stroynowski  -  Lemberg:  Ein  Apparat  zur  Applikation 
lokaler  Kälte  im  weiblichen  Genitaltrakte. 

Derselbe  besteht  aus  2  biegsamen  Bleiröhren,  die  in  einen 
holen  Metallknauf  endigen.  Abbildung  im  Original.  Zu  haben  bei 
Goorgeon  &  Comp,  in  Lemberg.  J  a  f  f  ö  -  Hamburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  1902.  No.  51. 

1)  L.  Bruns-  Hannover:  Ueber  Chorea  electrica. 

Referiert  in  den  Berichten  der  Münch,  med.  Wochenschr.  über 

die  vorjährige  Naturforscherversammlung  in  Hamburg. 

2)  L.  Pick -Berlin:  Zur  Kenntnis  der  Teratome:  blasen¬ 
molenartige  Wucherung  in  einer  „Dermoidcyste“  des  Eierstocks. 

Die  mitgeteilte  Beobachtung  erbringt  den  Nachweis,  dass  an 
Teratomen  des  Eierstocks  Derivate  von  Fruchthüllen  Vorkommen, 
wie  dies  auch  von  jenen  des  Hodens  nachgewiesen  ist.  Bei  der 
betreffenden  Kranken,  welche  wegen  heftiger  Blutungen  laparo- 
tomiert  wurde,  fand  sich  ein  cystisches  Teratom  des  Eierstocks, 
und  an  Stelle  ehorioepitheliomatöser  Neubildung  eine  blasenmolen¬ 
artige  Bildung  gutartigen  Charakters,  deren  histologische  Einzeln- 
heiten  genau  mitgeteilt  werden  (mit  Abbildung).  Die  blasenmolen¬ 
artige  Wucherung  erweist  sich  hiebei  als  ein  Teil  der  Dermoid¬ 
anlage  selbst.  Verfasser  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  der  Befund 
von  Bestandteilen  oder  Abkömmlingen  der  Fruchthüllen  in  tera- 
tomatösen  Tumoren  nichts  für  deren  Entstehung  aus  befruchteten 
Polkörperchen  und  ihr  Fehlen  nichts  für  die  Abstammung  aus 
verirrten  Elastomeren  beweisen  kann. 

3)  R.  Schorlemm  er-  Berlin:  Untersuchungen  über  die 
Grösse  der  eiweissverdauenden  Kraft  des  Mageninhaltes  Ge¬ 
sunder,  wie  Magen-  und  Darmkranker. 

Verfasser  geht  zunächst  auf  die  Methoden  zur  quantitativen 
Pepsinbestimmung  von  Hammerschlag  und  Mett  ein  und 
gibt  eine  Kritik  dieser  Verfahren.  Die  Verwendung  der  ersteren 
wird  als  bedenklich  erklärt,  während  die  Probe  nach  Mett  mehr 
zu  empfehlen  ist.  S.  gibt  einen  von  ihm  konstruierten  Apparat  an, 
um  ihre  Genauigkeit,  und  Handlichkeit  noch  zu  erhöhen.  Von  Ein¬ 
fluss  auf  die  Grösse  der  eiweissverdauenden  Kraft  ist  die  moto¬ 
rische  Tätigkeit  des  Magens,  z.  B.  ist  Schüttelbewegung  förderlich, 
ferner  die  freie  Salzsäure  und  der  Pepsingehalt.  Doch  besteht,  wie 
die  an  ca.  200  Personen  angestellten  Untersuchungen  ergeben,  kein 
Parallelismus  zwischen  HCl  und  Pepsinabsonderung.  Mehr  Pepsin 
wird  allein  bei  Personen  abgesondert,  welche  an  Hyperazidität 
leiden.  Die  Lab-  und  Pepsinabscheidung  geht  für  gewöhnlich  nicht 
parallel. 

4)  M.  Einhorn-  New-York:  Ueber  ein.  neues  Oesophago- 

skop.  ,  .  ,  _ 

Abbildung  und  Beschreibung  eines  neu  konstruierten  Instru¬ 
mentes,  bei  dem  sogen,  kalte  elektrische  Lampen  zur  Anwendung 
gebracht  sind.  Dadurch  ist  es  ermöglicht,  die  Beleuchtungsquelle 
an  dem  in  den  Magen  einzuführenden  Teil  des  Instrumentes  anzu¬ 
bringen.  Verfasser  beschreibt  die  von  ihm  geübte  Methode  der 

Anwendung.  . 

5)  K  n  a  u  t  -  Klaushagen:  2  Fälle  von  Strammomumvergit- 

tu.iig'. 

Verfasser  beobachtete  das  Bild  der  Stechapfelvergiftung  bei 
einem  5  jährigen  Mädchen,  welche,  wie  auch  deren  Schwester, 
beim  Spiel  Stechapfelkraut  und  Samen  aufgenommen  hatte.  Die 
Erscheinungen:  Krämpfe  und  tiefer  Sopor,  waren  höchst  bedroh¬ 
lich,  doch  gelang  die  Rettung  der  Kinder  durch  Anwendung  von 
Emeticis.  Dem  älteren  Mädchen  wurden  in  kurzer  Zeit  0,0175  Atro¬ 
pin  injiziert,  worauf  das  rettende  Erbrechen  eintrat. 

1  Grassmann  -  München. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Dezember  1902. 

Herr  Grawitz:  Demonstration  einer  Kranken  mit  eigen¬ 
tümlicher  Atrophie  und  Gefässektasie  am  ganzen  linken  Bein,  wo¬ 
für  eine  völlig  zutreffende  Analogie  unter  den  bekannten  Krank¬ 
heitsbildern  nicht  zu  finden. 

Herr  Gluck:  Mehrere  Patienten,  bei  welchen  er  zur  Beseiti¬ 
gung  einer  Gelenkssteifigkeit  nach  der  Resektion  Hautlappen 
zwischen  die  Knochenenden  mit  Erfolg  eingenäht  hatte. 

Herr  Krause:  30  jähriger  Mann,  der  im  16.  .Tahre  schwere 
Nephritis  mit  linksseitiger  Hemiplegie  durchgemacht  hatte. 
10  .Tahre  nach  der  Heilung  trat  der  erste  epileptische  Anfall  auf. 
mit  dem  Typus  der  Jackso n  sehen  Epilepsie,  und  zwar  aus¬ 
gehend  vom  linken  Arm.  Die  Anfälle  wurden  immer  häufiger, 
so  dass  schliesslich  3 — 4  pro  Tag  auftraten.  Operation.  Frei¬ 
legung  der  sensomotorischen  Zone  und  Bestimmung  der  betreffen¬ 
den  Zentren  durch  Reizung  mit  dem  galvanischen  Strom;  hieraut 
Punktion,  welche  in  3  cm  Tiefe  5  und  10  ccm  Flüssigkeit  ergab, 
was  zur  Annahme  einer  Cyste  nicht  als  hinreichend  erachte 
wurde.  Daher  entschloss  er  sich  nach  dem  Vorgänge  Berg¬ 
manns  und  Horsleys  die  betreffenden  Zentren  zu  exstu- 
pieren.  Es  folgte  zunächst  Ausfall  der  Beweglichkeit  u nt 
Sensibilität  im  Gebiete  des  Fazialis  und  linken  Armes  una 
Auftreten  von  Muskelrigidität.  Nach  und  nach  stellte  sich  ui 
Sensibilität  wieder  gänzlich,  die  Motilität  bis  auf  jenen  Rest  Rieder 
her,  der  als  Ausfall  infolge  der  früheren  Hemiplegie  bestanden 
hatte.  Die  epileptischen  Anfälle  blieben  Dis 


30.  Dezember  1903. 


MUENCHENER  MEDtOINlSCHE  WOCHENSCHRIFT. 


jetzt  aus,  doch  kann  von  Heilung  in  solchen  Fällen  nur  nach 
jalirehuger  Beobachtung  gesprochen  werden.  2  derartige  "eheilte 
Falle  erwähnt  Vortragender  bei  dieser  Gelegenheit.  U 

Herr  B  rose:  2  Patientinnen,  welchen  er  gutartige  Tumoren 
aus  der  Mamma  mit  gutem  kosmetischem  Effekt  exstirniert  hatte 
durch  Anlegen  des  Sehniges  in  der  Falte  JÄIÄ 

neues  OesophagÖstop  ™n  E 1  n  h  o  r  n  -  NewYorU  konstruiertes 

AIlgfm5neLrfa»kÜngUeber  l0k!Üe  Behaildhln8'  chirurgischer 

.  .  Er  unterscheidet  drei  Gruppen;  in  die  erste  rechnet  er  die¬ 

jenigen  bei  welchen  reine  Intoxikationen  von  der  Wunde 
aus  stattfinden,  z.  B.  Schlangenbisse.  Ausser  den  auch 
den  Laxen  bekannten  Mitteln  zur  Verhütung  der  Be¬ 
sorgt  1  o  n  (Aussaugen,  Ausbrennen,  Umschniiren)  konnnt  als 
wichtigstes.  Mittel  zur  Beförderung  des  Abflusses  nach  aussen 
die  ausgiebige  Inzision  in  Betracht.  Diese  sei  besser 
als  Einspritzung  chemischer  Mittel.  Zur  2.  Gruppe  gehören 
Bakterieninfektionen,  welche  zwar  zur  Allgemein- 
mfektion  fuhren  können,  aber  dies  nicht  unbedingt  müssen, 
z.  B.  Milzbrand,  einfacher  Furunkel.  Hier  sei  das  Wichtigste, 
das  Gewebe  zu  schonen  und  nicht  durch  Manipulationen  die  Bak¬ 
terien  m  die  Blutbahn  zu  drängen.  Bei  Milzbrandpustel  ins¬ 
besondere  sei  das  beste  ein  einfacher  Salbenlappen  zum  Schutze 
der  erkrankten  Stelle  und  Ruhigstellung  des  Gliedes.  Dies  sei 
besser  als  jeder  Eingriff.  Auch  die  Karbolinjektionen  seien  zu 
verwerfen.  Unter  dieser  Behandlung  sah  er  von  14  Fällen  alle 

genesen  bis  auf  einen,  der  an  einer  Pneumokokkenpneumonie 
starb. 

Wenn  Eiter  da.  ist,  vermeide  man  alles,  was  den  Abfluss, 
hindert;  man  inzidiere  daher  mit  dem  Messer,  aber  nicht  mit 
dem  Glüheisen,  das  durch  den  Brandschorf  den  Abfluss  des  Se¬ 
kretes  verhindert.  Darum  wende  man  auch  trockene  Tam¬ 
pons  an,  die  unter  der  raschen  Blutstillung  den  Abfluss  be¬ 
schleunigen.  Beim  Verbandwechsel  vermeide  man  dann  jedes 
rohe  Zerren,  um  die  Thromben  nicht  loszureissen.  Um  den 
Tampon  leicht  loszubekommen,  übergiesst  Vortragender  den¬ 
selben  vorher  mit  Wasserstoffsuperoxyd.  Um  Ab¬ 
fluss  zu  schaffen,,  vermeide  man  bei  Panaritien  die  feuchten  Ver¬ 
bände  und  inzidiere  baldigst. 

In  die  3.  Gruppe  gehören  die  Fälle,  welche  vielleicht  immer 
zur  Allgemeininfektion  führen,  z.  B.  Tetanus,  Lyssa,  Malleus. 
Der  erstere  ist  streng  genommen  eine  Intoxikation,  da  die  Bak¬ 
terien  hiebei  die  Wunde  nicht  verlassen;  bei  ihm  ist  daher  die 
Lokalbehandlung  besonders  vielversprechend;  man  entferne  einen 
eventuellen  Fremdkörper,  erweitere  tiefe  Wunden,  um  für  Ab¬ 
fluss  zu  sorgen;  exzidiere  kleine  verdächtige  Narben,  und  bei 
grossen,  .schmutzverunreinigten  Wunden  schreite  man  trotz 
gleichzeitiger  Serumbehandlung  zur  Amputation  (Vorstellung 
eines  solchen  Falles). 

Bei  der  Hundswut,  deren  Inkubation  längere  Zeit  dauert, 
könne  man  hoffen,  durch  Exzision  der  Wunde  das  Gift  zu  eli¬ 
minieren.  Die  Wunde  soll  dann,  wenn  möglich,  völlig  glatt  und 
offen  bleiben. 

Sehr,  ungünstig  seien  die  Aussichten  bei  Rotz;  hier  sei  in 
erster  Linie  jede  Schädigung  des  Gewebes  zu  vermeiden,  um 
die  Allgemeininfektion  hintanzuhalten.  Hans  Kolin. 


2181 


Verein  für  innere  Medizin  in  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  15.  Dezember  1902. 

Demonstrationen ; 

Herr  Gluck:  Kind,  das  ihm  asphyktisck  gebracht  worden 
war;  Tracheotomie,  darauf  Extraktion  eines  Fremdkörpers  (Art 
Broche)  aus  dem  Oesophagus. 

Knabe,  der  eine  mit  Wolle  umwickelte  grosse  Nadel  ver¬ 
schluckt  hatte;  Röntgendurchleuchtung  ergab,  dass  dieselbe  im 
linken  Bronchus  stak;  Aspirationspneumonie;  operative  Ent¬ 
fernung;  Heilung. 

Grosser  Fremdkörper  (ein  Quirl  mit  25  cm  langem  Stiel)  ope¬ 
rativ  aus  dem  Rektum  entfernt. 

Herr  H.  Neumann:  Knabe  mit  grossem  intrathoracischen 
Tumor,  dler  das  Mediastinum  einnimmt  und  den  linken  Oberlappen 
komprimiert.  Wegen  allmählichen  Wachstums,  gleichzeitig  ge¬ 
schwollener  Halslymphdrüsen,  hektischen  Fiebers,  Bronchialatmen 
im  Interscapularraum  und  Darmaffektion  Annahme  von 'grossen 
verkästen  Bronchialdrüsen.  Vater  des  Knaben  leidet 
an  ulzeröser  Lungentuberkulose.  Vortragender  wendet  sich  gegen 
die  Ansicht,  dass  Phthisiker  für  die  Kinder  ihrer  Umgebung  nicht 
so  gefährlich  seien.  Wenn  man  auch  auf  die  Skrophulotuber- 


kulose  der  Bronchialdrüsen  achte,  finde  sich  die  Uebertragung 
sehr  häufig.  ° 

Herr  Lassar:  1.  Fall  von  Tuberculosis  verrucosa  cutis 
ei  eine!T  fruker  ni  einer  Molkerei  beschäftigt  gewesenen  Manne. 

-  lal1  von  schwerer  Zungentuberkulose  mit  gleichzeitiger 
Erkrankung  der  Lunge  und  Haut  des  Nackens.  Schwerer  All- 
gemeinzustand,  heftige  Schmerzen  in  der  Zunge,  erschwerte 
Nahrungsaufnahme.  Linderung  dieser  Schmerzen  durch  Peru¬ 
balsam  und  wesentliche  Besserung  unter  Hetol- 
mjektionen. 

3.  Junge  Frau  mit  ausgedehntem  tuberkulösen  Geschwür  am 
Unterschenkel  (T.-B.).  Rasche  Heilung  unter  Tuberkulin¬ 
in  j  e  k  1 1  o  n. 

4.  Junges  Mädchen  mit  gleicher  Affektion,  das  vor  längeren 
Jahren  schon  daran  gelitten  hatte  und  ebenfalls  durch  Tuberkulin 
geheilt  worden  war. 

So  erfolglos  die  Tuberkulinbehandlung  sich 
beim  Lupus  erwiesen  habe,  obwohl  er  ja  auch 
tuberkulöser  Natur  sei,  so  erfolgreich  sei  sie 
bei  der  fungösen  Form  der  Hauttuberkulose. 

Herr  Bohne:  Fall  von  traumatischer  Spätapoplexie,  der 
allen  Anforderungen  Stadelmanns  genügte.  Pat.  wurde  von 
einem  5  m  hoch  herabfallenden  Arbeitsgenossen  zu  Boden  ge- 
worfen;  leichte  Ohnmacht;  Arbeit  fortgesetzt;  nach  8—14  Tagten 
leichter  Schwindelanfall;  nach  60  Tagen  starker  Schwindelanfall 
und  darauf  leichte  Hemiparese.  Nach  weiteren  7  Wochen  leichter 
apoplektischer  Insult  mit  erneuter  Hemiparese,  die  ebenfalls  bald 
(nach  -4  Stunden)  zurückging.  In  dieser  Weise  im  Laufe  eines 
Jahres  5  leichte  apoplektische  Anfälle,  die  allmählich  doch 
dauernde  Störungen  (auch  partielle  Optikusatrophie)  zurückliessen 
und  zu  zunehmender  Demenz  führten. 

_.  ^f.rr  T  1  i  e  h  n:  Fall  von  Lungenkarzinom  mit  metastatischer 
Pleuritis  exs.  hämorrhag. 

Herr  G  u  t  m  a  n  n  gibt  hiezu  einige  anatomische  Details 

Tagesordnung: 

Herr  P.  Manasse:  lieber  Darmausschaltung. 

.  Nach  einer  historischen  Einleitung  berichtet  Vortr.  über 
einen  Knaben,  der  wegen  eines  peritonealen  Abszesses  unsicherer 
Provenienz  operiert,  worden  war.  Nach  der  Entleerung  des 
Abszesses  nötigte  eine  Kotfistel  zur  Darmresektion,  die  unter 
Entfernung  von  c.a.  1,5  m  Dünndarm  und  Einpflanzung  des  Dünn¬ 
darms  in  den  Dickdarm  nach  Senn  zur  Heilung  führte. 

Hans  Kohn. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Ophthalmological  Society  of  the  United  Kingdom. 

Sitzung  vom  14.  November  1902. 

Ueber  die  Notwendigkeit,  beim  Prüfen  auf  Farbenblindheit  die 
Farben  mit  Namen  zu  nennen. 

.  Ldiidge-Green  führte  aus,  dass  diese  Notwendigkeit  in 
-T,at  fleste^e-  Nach  den  seit  einiger  Zeit  bestehenden  Vor¬ 
schriften  der  Behörden  (Board  of  trades)  ist  die  Benennung  der 
vorgelegten  H  o  1  m  g  r  e  n  sehen  Farben  beseitigt.  Die  Folg!  da¬ 
von  ist  nach  E.-G.  die,  dass  von  den  zurückgewiesenen  Appli- 
kanten  in  dem  einen  Jahre  38  Proz.,  in  dem  anderen  42  Proz.  in 
Wirklichkeit  gesundes  Sehvermögen  besassen.  Für  alle  prak¬ 
tischen  Zwecke  komme  es  darauf  an,  dass  der  Lokomotivführer 
oder  der  Matrose  am  Ausguck  ein  rotes  Licht  schon  in  der  zu 
fordernden  Entfernung  prompt  erkenne.  Die  Farbenblinden  sind 
in  2  Gruppen  zu  scheiden.  Zur  ersten  gehören  solche,  welche 
gewisse  Strahlen  des  Spektrums  nicht  zu  erkennen  vermögen,  für 
die  das  Spektrum  gegenüber  dem  Normalsichtigen  am  einen  oder 
an  beiden  Enden  verkürzt  ist.  Wenn  diese  Verkürzung  das  rote 
Ende  des  Spektrums  betrifft,  so  wird  der  Betreffende  bei  einiger 
Entfernung  ein  rotes  Licht  nicht  zu  erkennen  vermögen,  trotz¬ 
dem  er  bei  der  Wollprobe  die  grünen  Wollstränge  richtig  aus¬ 
sucht.  Redner  führt  einen  solchen  Patienten  vor.  Bei  Aus¬ 
fühl  ung  der  Prüfung  mit  der  von  E.-G.  eigens  konstruierten  La¬ 
terne  erklärt  derselbe,  bei  einer  gewissen  Entfernung  resp.  Be¬ 
leuchtung  der  Laterne  kein  Licht  zu  sehen,  während  für  das  nor¬ 
male  Auge  ein  rotes  Licht  deutlich  wahrzunehmen  war.  Die  an¬ 
dere  Gruppe  der  Farbenblinden  bilden  diejenigen,  welche  die 
Farben  objektiv  sehen,  aber  nicht  als  verschieden  perzipieren 
können.  Auf  dem  Gebiete  des  Gehörs  sind  hiermit  diejenigen 
analog,  welche  als  unmusikalisch  die  Töne  nicht  voneinander 
unterscheiden  können,  während  es  andrerseits  sehr  tiefe  und 
sehr  hohe  Töne  gibt,  welche  nur  von  wenigen  als  solche  erkannt 
werden.  Den  Unmusikalischen  entsprechen  diejenigen  Farben¬ 
blinden,  welche  statt  6  verschiedene  Farben  im  Spektrum  (die 
also  „hexachrom“  sind)  nur  5  oder  weniger  unterscheiden  (penta- 
chiom,  tetrachrom).  Diese  beiden  Arten  von  Anomalien  machen 
den  betreffenden  Applikanten  immerhin  nicht  dienstuntauglich  da 
nach  E.-G.s  Erfahrungen  dabei  die  Farben  rot,  gelb,  grün  und 
violett  niemals  verwechselt  werden.  Die  Dichromen  dagegen  und 
die  Trichromen  verwechseln  eine  ganze  Reihe  von  Farben. 

Marshall  und  S  p  i  c  e  r  äusserten  sich  gleichfalls  über  die 
Wichtigkeit,  Personen  mit  Verkürzung  des  Erkennungsvermögens 
des  Spektrums  von  verantwortungsvollen  Stellen  auszuschliessen 
In  dieser  Beziehung  ist  die  Holmgren  sehe  Probe  unzureichend, 
die  Edridge-Green  sehe  Laternenprobe  dagegen  unentbehr¬ 
lich. 


2182 


MÜENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


\V.  H.  B. 


Clinical  Society  of  London. 

Brook-  Lincoln  berichtete  über  die  klinischen 


Erscheinungen  einer  in  der  Stadt  Lincoln  stattgefundenen,  un¬ 
gewöhnlichen  Epidemie.  Dieselbe  trat  Anfang  Mai  des  Jahres 
plötzlich  hervor  mit  den  Erscheinungen  zunächst  einer  Rachen- 
entzündung,  Uedem  der  Fauces  und  Uvula  und  in  vielen  Fällen 
mit  einem  gräulichen  Belag  an  den  Tonsillen.  Bei  %  der  Fälle 
entwickelte  sich  am  2.  Tage  ein  dunkler,  masernartiger  Ausschlag, 
welcher  einige  Stunden  bis  zu  einer  Woche  anhielt  mit  Neigung 
zum  Bezidivieren  noch  in  der  0.  Woche.  Derselbe  zeigte  manch¬ 
mal  auch  einen  urtikariaartigen  Charakter.  Bei  etwa  Va  der  1  alle 
trat  während  des  Abblassens  auch  Abschuppung  ein.  Ausser  bei 
Komplikationen  war  das  Fieber  niemals  hoch  und  erreichte  selten 
39 0  C.  Die  Pulsfrequenz  war  dem  Fieber  nicht  entsprechend  er¬ 
höht.  Albuminurie  wurde  nur  2  mal  angetroffen.  Trotzdem  im 
Laufe  von  7  Tagen  75  Fälle  von  3  Kollegen  konstatiert  wurden, 
konnte  niemals  eine  direkte  Uebertragung  von  einem  Patienten 
auf  andere  nachgewiesen  werden.  Fast  immer  handelte  es  sich 
um  Erwachsene,  oft  sogar  um  ältliche  Personen.  Als  häutigste 
Komplikation  waren  Schwellung  und  Schmerzhaftigkeit  der  Hals¬ 
drüsen  zu  verzeichnen.  Dies  trat  in  der  liegel  etwa  am  4.  Krank¬ 
heitstage  ein,  aber  auch  noch  mitten  in  der  Rekonvaleszenz  und 
war  meist  mit  lebhaftem  Fieber  verbunden.  Vielleicht  waren 
Diätfehler,  namentlich  eine  zu  frühe  Rückkehr  zur  Fleisch¬ 
nahrung,  daran  schuld.  Oefters  kamen  auch  Affektionen  dei  Ge- 
lenke  und  Muskeln  hinzu  und  in  einem  Falle  tödlich  verlaufende 
septische  Phlebitis,  ln  ätiologischer  Hinsicht  ist  zu  bemeiken, 
dass  Milch  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  als  der  Infektionsträger 
bezeichnet  werden  kann.  Bei  vielen  Patienten  gelang  es  Dr.  Klein, 
aus  dem  Rachen  einen,  wie  es  scheint,  spezifischen  Mikroorganis¬ 
mus  zu  isolieren.  Die  Behandlung  bestand  in  Bettruhe,  Milchdiät, 
im  Anfang  lvalomei  und  einem  salinischen  Laxans,  später  Saiizyl 
und  Chinin.  Das  Pinseln  des  Rachens  mit  Arg.  nitr.  erwies  sich 
als  sehr  wohltuend,  wie  auch  das  Gurgeln  mit  einer  Lösung  von 
Karbolsäure  und  Borax. 

G  o  o  d  a  1 1  hat  vor  einigen  J  ahren  in  London  eine  ähnliche, 
gleichfalls  auf  Milchinfektion  zurückzuführende  Epidemie  beob¬ 
achtet.  Von  Scharlach  konnte  dabei  aus  verschiedenen  Gründen 

keine  Rede  sein.  .  _  . 

S  a  v  i  1 1  hat  1891  eine  ähnliche,  aber  viel  bösartigere  Epi¬ 
demie  mit  einer  Mortalität  von  12  Proz.  im  Norden  Londons  ge¬ 
sehen.  Auch  in  diesem  Falle  war  es  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  Krankheit  durch  die  Milch  verbreitet  wurde. 

Brook  teilte  auf  Anfrage  noch  mit,  dass  in  allen  Fällen  auf 
Koplik  sehe  Flecke  im  Munde  untersucht  worden  war,  aber 
stets  mit  negativem  Ergebnis.  Eiterung  trat  an  den  entzündlichen 
Zervikaldrüsen  nur  ein  einziges  Mal  auf.  Desgleichen  fand  sich 
nur  einmal  Otorrhöe,  und  zwar  bei  Vorhandensein  von  Erysipel¬ 
kokken.  Durch  Abkochen  der  Milch  konnte  die  Infektion  ver¬ 
hindert  werden.  Der  Rahm  war  aber  offenbar  dabei  gefährlicher 
als  die  übrige  Milch.  Injektionen  von  Antistreptokokkenserum 
erwiesen  sich  wirksamer  als  andere  Fiebermittel.  Sehr  auffallend 
war  namentlich  bei  einem  Fall  von  hohem  Fieber  die  Wirkung  der 
Injektion  von  2  ccm  Serum  (Parke,  Davis  &  Co.)  schon  binnen 
einer  halben  Stunde.  Scharlach  sei  mit  aller  Bestimmtheit  auszu- 
scliliessen.  Philippi-Bad  Salzschlirf. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztiicher  Bezirksverein  München. 

Sitzung  vom  20.  Dezember  1902. 

Karl  Becker  hat  in  der  gestrigen  Sitzung  das  Amt  des 
1.  Vorsitzenden  des  hiesigen  Bezirksvereins  niedergelegt;  seinem 
Beispiele  folgten  alle  übrigen  bei  der  Sitzung  anwesenden  Vor¬ 
standsmitglieder. 

Wir  sind  überzeugt,  dass  jeder,  der  die  Verhältnisse  kennt, 
die  Nachricht  von  dieser  akuten  Kabinettskrisis  für  ein  so  un¬ 
erwartetes  und  bedeutungsvolles  Ereignis  einschätzen  wird,  dass 
sie  verdient,  an  erster  Stelle  eines  Berichtes  zu  stehen,  der  sich  mit 
den  Vorgängen  dieser  5  stündigen  Sitzung  zu  beschäftigen  hat. 

Ohne  in  der  Lage  zu  sein,  den  Lesern  dieses  Blattes  die  Aetio- 
logie  und  den  Verlauf  der  Ereignisse  in  allen  Einzelheiten  darlegen 
zu  können,  wie  es  für  eine  Beurteilung  der  so  geschaffenen  Lage 
notwendig  wäre,  möchten  wir  doch  versuchen,  eine  Skizze  all¬ 
gemein  orientierender  Natur  mit  einigen  Randbemerkungen  des 
Berichterstatters  zu  geben. 

Die  Tagesordnung  der  Sitzung  wies  als  2.  Gegenstand  der  Be¬ 
ratungen  auf:  „Post-Krankenkasse“,  ein  Titel,  der  mit  dem 
trojanischen  Pferd  die  Eigenschaft  harmlosen  Aussehens  gemein 
hatte.  Aber  nur  für  den  uneingeweihten  Trojaner.  Auch  unsere 
Leser  werden  sich  an  den  Bericht  der  letzten  Sitzung  vom  19.  Nov. 
(No.  47)  erinnern,  der  erwähnte,  dass  die  Besprechung  des  nämlichen 
Punktes  schon  bei  der  letzten  Tagung  zu  einer  temperamentvollen 
Diskussion  geführt  hatte.  Ich  darf  hier  einschalten,  dass  die  auf 
Veranlassung  des  bayer.  Landtages  von  der  Generaldirektion  der 
k.  bayer.  Posten  und  Telegraphen  ins  Leben  zu  rufende  Kasse 
für  ihre  Angestellten,  die  ab  1.  Januar  1903  zu  organisieren  ist, 
von  der  genannten  Behörde  in  der  Weise  mit  Aerzten  versehen 
werden  soll,  dass  die  derzeitigen  Bahnärzte  zugleich  Postärzte 
werden  sollen.  Im  September  1.  J.  war,  wie  der  1.  Vorsitzende, 
der  selbst  die  Stellung  eines  Bahnarztes  bekleidet,  mitteilte,  eine 
diesbezügliche  Anfrage  an  die  Bahnärzte  von  Seite  der  General¬ 
direktion  der  k.  b.  Posten  und  Telegraphen  ergangen.  Die  Sitzung 


vom  19.  November  hatte  zu  dem  Ergebnis  geführt,  dass  an  die 

k.  Generaldirektion  eine  Vorstellung  zu  richten  sei,  dass  der  ärzt¬ 
liche  Bezirksverein  in  dem  oben  bezeiclineten  Modus  der  Auf¬ 
stellung  von  Postärzten  eine  Beeinträchtigung  der  hiesigen  Aerzte 
im  allgemeinen  erblicke,  indem  die  k.  Generaldirektion  bei  diesem 
Vorgehen  eine  freie  Konkurrenz  der  etwaigen  anderweitigen  Be¬ 
werber  von  vornherein  ausschliesse  und  die  Ausschaltung  einer 
grösseren  Zahl  von  Versicherten,  wie  sie  die  geplante  Kasse  mit 
sich  bringe,  den  berechtigten  Interessen  der  übrigen  hiesigen 
Aerztesehaft  entgegenlaufe;  zugleich  sollte  der  Wunsch  aus¬ 
gedrückt  werden,  dass  die  staatlich  neu  zu  organisierende  Kasse 
womöglich  auf  dem  allerwärts  angestrebten  Prinzip  der  freien  Arzt¬ 
wahl  basiert  werden  möge.  Wie  zu  erwarten,  hat  sich  die  k.  Ge¬ 
nera  ldirektion  diesem  die  Form  eines  Protestes  tragenden  Schrift¬ 
stück  gegenüber  auf  einen  ablehnenden  Standpunkt  gestellt. 
Andererseits  hatten  die  hiesigen  (22)  Bahnärzte  es  abgelehnt,  dem 
Bezirksverein  in  dieser  Frage  ein  Mandat  für  sich  zu  übertragen, 
hauptsächlich  auf  den  Satz  sich  stützend,  dass  sie  in  ihrer  Eigen¬ 
schaft  als  Bahnärzte  der  Anfrage  der  k.  Generaidirektion  gegen¬ 
über  sich  in  dem  Verhältnis  von  Medizinalbeamten  zu  einer  Vor¬ 
gesetzten  Behörde  befänden.  Eine  definitive  Antwort  auf  die  Au- 
rrage  der  k.  Generaldirektion  betr.  der  Uebernahme  der  Postarzi- 
funktion  war  von  Seite  der  Bahnärzte  zunächst  noch  zurück¬ 
gehalten  worden,  bis  die  für  gestern  anberaumte  Sitzung  des  Be¬ 
zirksvereins  sich  mit  der  ganzen  Frage  eingehend  befasst  haben 
würde  und  die  Rückantwort  der  k.  Generaidirektion  eingelaufen 
wäre. 

Die  Aktenstücke,  welche  sich  auf  diese  hier  nur  in  den  wesent¬ 
lichsten  Punkten  skizzierte  Vorgeschichte  bezogen  —  dieses  Blau¬ 
buch  reichte  bis  zum  19.  Dezember,  wo  der  ablehnende  Bescheid 
der  k.  Generaidirektion  einlief  —  wurden  zunächst  durch  den 

l.  Vorsitzenden  zur  Kenntnis  der  Versammlung  gebracht.  Die  von 
der  k.  Generaidirektion  den  aufzustellenden  Postärzten  gemachten 
Vertragsbedingungen  fanden  sofort  aus  der  Zuhörerschaft  leb¬ 
hafte  Kritik,  besonders  wurde  die  im  Verhältnis  zu  der  26  wöchigen 
Unterstützungsfrist  zu  dürftige  Bezahlung  (3  M.  für  den  Einzeln¬ 
versicherten,  9  M.  für  eine  Familie  pro  Jahr)  bemängelt  mul  von 
weiterer  Seite  betont,  dass  auch  die  Funktion  eines  Bafinarztes  un¬ 
zureichend  honoriert  werde  und  zudem  frühere  Vorkomm¬ 
nisse  den  Beweis  lieferten,  dass  man  als  Bahnarzt  sehr 
leicht  Veranlassung  habe,  mit  der  Vorgesetzten  Behörde  auf  den 
permanenten  Kriegszustand  zu  kommen.  Ein  anderer  Redner  er¬ 
blickte  in  der  Rückantwort  der  Generaidirektion,  resp.  in  der 
Motivierung  ihrer  ablehnenden  Stellungnahme  den  jeden  Tag 
wiederkehrenden  Beweis,  dass  die  Juristen  im  allgemeinen  ärzte¬ 
feindlich  sind.  Der  Beweis  vom  Gegenteil  wäre  schwer  zu  führen, 
wie  wohl  jeder  in  der  Standesgeschichte  emigermassen  bewanderte 

Arzt  weiss.  ....... 

Für  die  vorliegende  Frage  wurde  konstatiert,  dass  die  YY  ürtel 
freilich  bereits  wieder  zu  Ungunsten  der  prakt.  Aerzte  gefallen 
seien,  jetzt  gelte  es  aber,  den  prinzipiellen  Gesichtspunkt  zu 
wahren  und  nicht  ruhig  und  ohne  energischen  Protest  zuzusehen, 
wie  von  Seite  sogar  einer  staatlichen  Behörde  die  allgemeinen 
Interessen  der  hiesigen  Aerzte  beeinträchtigt  würden.  Denn,  wie 
hier  ein  Redner  ausiührte,  die  Zahl  der  für  die  Postkrankenkasse 
in  Betracht  kommenden  Versicherten  sei  tatsächlich  nicht  nur 

700 _ 800,  wie  die  k.  Generaidirektion  in  ihrer  Ablehnung  angibt, 

sondern  habe  z.  B.  im  Jahre  1901  über  3000  betragen,  wie  aus  den 
Listen  der  Ortskrankenkasse  X,  der  diese  Postangestellten  bisher 
zugehörten,  sich  nachweisen  lasse.  Im  Laufe  der  Zeit  würden 
übrigens  auch  besser  besoldete  Kategorien  von  Postangestellten, 
die  ihren  Privatarzt  gut  bezahlen  könnten,  zweifellos  der  neuen 
Kasse  eingereiht. 

Bis  zu  dieser  Phase  der  Versammlung  beschränkten  sich  die 
Ausführungen  der  Redner  auf  die  mehr  oder  minder  gerechtfertigte 
Kritik  des  Vorgehens  der  k.  Generaidirektion  und  die  Aufstellung 
prinzipieller,  mit  ziemlicher  Schärfe  formulierter  Gesichtspunkte, 
bis  das  Geschoss  von  Seite  eines  Redners  in  die  —  von  Herrn 
K  r  e  c  k  e  geleitete  —  Debatte  geworfen  wurde,  dass  nicht  nur  die 
Abteilung  für  freie  Arztwahl  sich  die  Gelegenheit  habe  entgehen 
lassen,  Propaganda  für  die  freie  Arztwahl  gerade  in  dieser  Sache 
zu  machen,  sondern  der  Bezirksverein,  bezw.  seine  Vorstandschaf l 
der  Angelegenheit  zu  spät  die  gebührende  Aufmerksamkeit  zu¬ 
gewendet  habe.  Hier  geschah  noch  kein  Schaden,  da  die  Debatte 
nochmals  auf  anderes,  weniger  vulkanisches  Terrain  zurückkehrte. 
Die  gegenwärtige  Situation  wurde  in  Parallele  gesetzt  zu  dem  vor¬ 
jährigen  Streit  mit  der  Ortskrankenkasse  IV,  ein  Vergleich,  den 
Becker  und  andere  Redner  in  allen  Punkten  zurückwieseu. 
Viel  zutreffender  war  dagegen  die  Anführung  des  Punktes,  dass 
ein  widerspruchloses  Zurückgehen  der  Aerzte  vor  der  k.  Generai¬ 
direktion  alle  künftigen  Verhandlungen  mit  den  hiesigen  Orts- 
kassen  entschieden  stark  gefährden  müsse  und  nicht  mit  zweierlei 
Mass  gemessen  werden  dürfe,  hier  gegenüber  dem  Staat  als  Kassen¬ 
vorstand,  dort  gegenüber  den  Ortskrankenkassen.  Die  Beschlüsse 
weniger  auswärtiger  Bezirksvereine,  gegenüber  staatlichen  Kassen 
darauf  verzichten  zu  wollen,  die  freie  Arztwahl  anzustreben, 
wurden  aus  den  Reihen  der  Versammlung  lebhaft  angefochten 
und  konstatiert,  dass  der  in  Aussicht  genommene  Modus  der  Auf¬ 
stellung  von  Postärzten  wieder  ein  Schritt  weiter  sei  zur  Y  er- 
staatlicliung  des  Aerztestandes. 

Unterdessen  —  die  Mitternacht  zog  näher  schon  —  kamen 
die  ersten  Anträge  aus  dem  Plenum,  welche  der  Kritik  ein  Ende 
und  den  Anfang  zu  positiven  Schritten  machen  sollten:  Memoran¬ 
dum  an  das  Ministerium,  wohlmotivierte  Denkschrift  zu  hauden 


30.  Dezember  1002. 


2183 


MUENCII ENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


der  Regierung  u.  a.  Immer  noch  hatte  die  Vorstandschaft  ihren 
"Vertreter  nicht  zum  Sprechen  vorgeschickt,  da!  jetzt  kam 
K  recke  mit  dem  V  orschläge,  alle  Aufklärungsversuche  gegen- 
ülu'r  den  Behörden  in  dieser  Frage  ruhen  zu  lassen,  sich  zu  fügen 
und  sich  besser  für  die  Zukunft  zu  rüsten.  Zugleich  sprach"  in 
diesem  Redner  der  Ileerrufer  des  Leipziger  Verbandes.  Aber  all¬ 
seitiger  Widerspruch  gegenüber  dieser  Friedensschalmei.  Ge'-'en 
die  immer  reger  werdenden  Geister  der  Kampfesstimmung  setzte 
C.  B  e  c  k  e  r  in  sachlichster  Weise  auseinander,  dass  von  einem 
verspäteten  Vorgehen  der  Vorstandschaft  keine  Rede  sein  könne, 
musste  aber  unmittelbar  darauf  durch  einen  Redner  den  näm¬ 
lichen  Vorwurf  in  schärferem  Tone  und  direkt  gegen  seine  Person 
und  Stellung  als  Bahnarzt  gerichteter  Spitze  hören  Da  der 
gegen  die  Geschäftsführung  des  1.  Vorsitzenden  erhobene  Vor- 
v  urf  i  on  dem  betreifenden  Redner  nicht  uneingeschränkt  zurück¬ 
genommen  wurde,  so  appellierte  C.  Recker  an  das  Votum  der 
V  ersammlung.  102  Mitglieder  des  Vereines  standen  auf  der 
Präsenzliste,  bei  der  Abstimmung  wurden  noch  89  gezählt.  Von 
04  gültigen  Stimmzetteln  erklärten  sich  19  gegen  Becker. 
Das  nächste  Resultat  dieser  Abstimmung  habe  ich  schon  an  der 
Spitze  des  Berichtes  verzeichnet.  —  Damit  könnte  der  Strich  unter 
die  Summe  des  Abends  gesetzt  werden.  Ich  unterlasse  es,  ein 
Bild  der  Stimmung  der  Versammlung  zu  geben  oder  der  Versuche 
zu  gedenken,  welche  unternommen  wurden,  diese  Konsequenzen 
rückgängig  zu  machen.  Ein  Abschluss  der  in  so 
hochdramatisch  gewordenen  Verhandlungen  des 
wurde  endlich  noch  in  dem  Beschlüsse  gefunden 


gleich  wieder 
jäher  Weise 
20.  Dezember 

dass  eine  Deputation  beim 

beim  Herrn  Minister  des  Innern  sich  möglichst 

machen  solle,  um  dort . ich  weiss  nicht 

Wünsche  und  Aufklärungen  anzubringen.  Eine 


bindende  Direktive  betr.  der  Uebernahme 
wurde  nicht  beschlussmässig  ausgesprochen. 
Generalversammlung  die  Neuwahlen  der 
nehmen. 


Obermedizinalausschuss  bezw.  (sic!) 

bald  vorstellig 
genau,  welche 
die  Bahnärzte 


der  Postarztstellen 
Demnächst  soll  eine 
Vorstandschaft  vor- 


Yeri.  persönlich  hat  die  ITeberzeugung,  dass  C.  Becker  in 

aller  Kürze  wieder  auf  den  Schild  gehoben  sein  wird  _  wenn 

er  will.  Geschieht  es  mit  glänzender  und  ganz  imposanter 
Majorität,  so  ist  das  keine  besondere  Tat  und  bedeutet  nichts,  als 
dass  das  Votum  der  „19“  kein  Plebiszit  war,  niemals  sein  konnte. 
Vr,  aller  Mitglieder  des  V  e  r  e  i  n  e  s,  der  zurzeit 
e  a.  530  Mitglieder  zählt,  haben  überhaupt  nicht 
votier  t.  Nichts  wäre  überflüssiger,  als  Aerzte,  welche  Standes¬ 
interesse  haben,  an  die  Tätigkeit  eines  G.  Becker  zu  erinnern, 
die  eine  Kette  von  Verdiensten  ist.  Sein  Sturz  durch  die  19  ist 
pathognomonisch.  Unser  ehemals  vornehmer  Stand  krankt  tief, 
leidet  schwer,  kämpft  hart.  Er  führt  zurzeit  Kriege,  a  her  e  r 
k  ämpft  nicht  seinen  Befrei  u  ngskam  p  f.  E  r 
w  ii  r d  e  sonst  seine  Schar  nhorste  me  li  r  ehren  u  n  d 
schätzen.  Es  fehlt  der  Geist  eines  Befreiungskrieges:  Hin¬ 
blick  auf  grosse  Ziele,  V  erzieht  auf  kleinliche  Nörgeleien,  un¬ 
bedingtes  freudiges  Zutrauen  zu  erprobten  und  mutigen  Führern. 
Die  Not  des  Standes  ist  gross,  noch  grösser  seine  Armut  an  un¬ 
erlässlichen  standespolitischen  Tugenden.  Seine  Politik  ist  wirk¬ 
lich  noch  nicht  geboren  —  das  beweist  aufs  neue  der  Fall 
Becker.  Grassmann  -  München. 


Aerztlicher  Bezirksverein  Nürnberg. 

In  der  zahlreich  besuchten  Sitzung  vom  19.  XII.  1902  wurde 
nach  Berichterstattung  über  die  Verhandlungen  der  Aerztekammer 
Stellung  genommen  zu  der  brennenden  Frage  der  freien  Arzt¬ 
wahl  bei  der  demnächst  ins  Leben  tretenden  Postkranken¬ 
kasse.  Der  Vorsitzende,  Herr  W.  Beckh,  teilt  mit,  dass  die 
Vorstandschaft  sogleich  nach  dem  Erscheinen  der  ersten  zuver¬ 
lässigen  Angaben  über  die  genannte  Kasse  in  der  Tagespresse, 
im  November  d.  .J.,  zusammen  mit  dem  Aerztlichen  Bezirksverein 
München  eine  wohlmotivierte  Eingabe  an  die  Generaldirektion  der 
Post  gemacht  habe  behufs  Einführung  der  freien  Arztwahl.  In 
den  letzten  Tagen  ist  hierauf  ein  ablehnender  Bescheid  ergangen: 
als  Grund  wurde  die  beabsichtigte  Angliederung  der  neuen  Kasse 
an  die  Eisenbahnkasse  angegeben.  Die  Vorstandschaft  schlägt 
indes  vor,  die  Sache  mit  dieser  Entscheidung  nicht  beruhen  zu 
lassen,  sondern  im  Interesse  des  Prinzipes  der  freien  Arztwahl 
weitere  Schritte  zu  tun,  was  von  der  Versammlung  ohne  Einspruch 
lebhaft  begrüsst  wird.  Herr  R  e  i  c  h  o  1  d  -  Lauf  teilt  mit,  dass 
der  Aerztliehe  Bezirksverein  Hersbruck  mit  15  Mitgliedern,  da¬ 
runter  7  Bahnärzte,  bereits  beschlossen  habe,  keinem  Mitglied  zu 
erlauben,  eine  Stelle  als  Kassenarzt  bei  der  Postkrankenkasse  an¬ 
zunehmen.  Auch  der  Bezirksverein  Nürnberg  beschliesst  ein¬ 
stimmig  und  im  Einvernehmen  mit  den  anwesenden  Bahn¬ 
ärzten  :  Keinem  Mitglied  des  Aerztlichen  Bezirks¬ 
vereins  Nürnberg  ist  es  gestattet,  eine  Stelle 
als  Kassenarzt  bei  der  Postkrankenkasse  a  n  - 
z  u  n  e  h  m  e  n.  Dieser  Beschluss  soll  baldigst  motiviert  und  mit 
nochmaligem  Ersuchen  um  Einführung  der  freien  Arztwahl  an 
die  Generaldirektion  gesandt  werden  und  soll  gleichzeitig  als  Ant¬ 
wort  gelten  auf  die  an  die  Bahnärzte  gestellte  Frage,  ob  sie  be¬ 
reit  wären,  bei  der  Postkasse  als  Kassenarzt  zu  fungieren.  Auch 
solle  unverzüglich  der  Bezirksverein  München,  mit  dem  man  bis¬ 
her  in  genannter  Frage  gemeinsam  vorgegangen  sei,  in  Kenntnis 
gesetzt  werden.  Sodann  wurde  unter  Hervorhebung  bereits  früher 
gefasster  Beschlüsse  betont,  dass  es  keinem  Mitgliede  des  Bezirks- 
\ereines  gestattet  würde,  eine  Stelle  als  Kassenarzt  bei  einer  der 


am  3.  Januar  eventuell  ins  Leben  tretenden  privaten  Betriebs¬ 
krankenkassen  anzunehmen,  vielmehr  sei  auch  hier  die  freie  Arzt¬ 
wahl  einzuführen.  N. 

Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  18.  Dezember  1902. 

Vermehrung’  der  Zahl  der  leitenden  Chirurgen  an  den 
städtischen  Krankenhäusern.  —  Organisation  des  Kranken¬ 
pflegenachweises.  —  Das  kleine  Journal  für  Hygiene. 

YVieder  einmal  waren  unsere  städtischen  Krankenhäuser 
Gegenstand  der  Diskussion  in  der  Stadtverordnetenversamm¬ 
lung;  aber  es  handelte  sich  dieses  Mal  nicht  um  Beschwerden 
über  wirkliche  oder  angebliche  Misstände,  auch  nicht  um  Vor¬ 
würfe  gegen  die  Verwaltung,  sondern  um  Verbesserungsvor¬ 
schläge  im  ärztlichen  Dienst,  welche  von  3  ärztlichen  Mitgliedern 
der  Versammlung  gemacht  worden.  Den  äusseren  Anlass  bot 
die  durch  den  Tod  des  Prof.  Hahn  eingetretene  Vakanz  in 
der  Leitung  der  chirurgischen  Abteilung  des  Krankenhauses  am 
Friedrichshain.  Der  Antrag  ging  dahin,  neben  dem  leitenden 
Direktor  des  Krankenhauses  für  die  chirurgische  Abteilung  einen 
in  ärztlicher  Beziehung  gleichgestellten  leitenden  Arzt  anzu¬ 
stellen  und  nach  Möglichkeit  diese  Einrichtung  auf  die  übrigen 
städtischen  Krankenhäuser  auszudehnen.  Der  Antrag  bezweckt 
nichts  anderes,  als  für  die  chirurgische  Station  dieselbe  Einrich¬ 
tung  zu  treffen,  die  für  die  innere  bereits  seit  8  Jahren  besteht. 
Bis  zum  Jahre  1894  hatten  die  städtischen  Krankenhäuser  je 
einen  Direktor  für  die  innere  und  einen  für  die  äussere  Ab¬ 
teilung.  Die  Arbeitslast,  die  dabei  auf  jeden  dieser  Aerzte  fiel, 
war  eine  ungeheure;  ganz  abgesehen  von  den  Arbeiten,  die  die 
Verwaltung  als  solche  verlangt,  unterstanden  jedem  mehrere 
hundert  Patienten.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  der  dirigierende 
Arzt  sich  nur  um  einen  kleinen  Bruchteil  der  Kranken,  kaum  um 
jeden  neu  aufgenommenen,  kümmern  konnte.  Als  im  Jahre  1894 
ein  dem  jetzigen  ungefähr  gleichlautender  Antrag  von  den  Stadt¬ 
verordneten  V  i  r  c  h  o  w,  Spinola  und  Neu  m  a  n  n  einge¬ 
bracht  wurde,  kam  es  zu  einer  Einigung  auf  halbem  Wege,  der 
Antrag  wurde  für  die  innere  Abteilung-  angenommen,  für  die 
chirurgische  blieb  alles  beim  alten.  Nun  haben  sich  aus  der 
Teilung  der  Arbeit  niemals  irgend  welche  Misstände  ergeben,  da¬ 
gegen  hat  die  Ueberbürdung  der  Chirurgen  eher  zu-  als  abge¬ 
nommen.  Wenn  wir  hören,  dass  im  vorigen  Jahre  im  Kranken¬ 
haus  Friedrichshain  1324  Operationen  ausgeführt  und  4127  Per¬ 
sonen  in  der  äusseren  Abteilung  behandelt  wurden,  so  beweisen 
diese  Zahlen  mehr  als  alle  theoretischen  Erwägungen,  dass  eine 
einzige  leitende  Kraft  zur  Bewältigung  dieser  Aufgabe  nicht  aus¬ 
reicht.  Es  ist  bei  einer  solchen  Arbeitsfülle  nicht  zu  vermeiden, 
dass  ein  grosser  Teil  der  Patienten,  insbesondere  während  der 
Nachbehandlung,  den  Assistenten  überlassen  bleibt.  Nun  soll  da¬ 
mit  keineswegs  gesagt  sein,  dass  sie  dabei  schlecht  aufgehoben 
sind ;  die  älteren  Assistenten  der  grossen  Krankenhäuser  sind 
fast  durchweg  zuverlässige  und  erfahrene  Aerzte,  aber  die  Ueber- 
weisung  wichtiger  und  verantwortungsvoller  Aufgaben  an  die 
Assistenten  liegt  trotzdem  weder  in  der*  Absicht  der  städtischen 
Behörden,  noch  im  Interesse  des  das  Hospital  aufsuchenden 
Publikums.  Eine  Vermehrung  der  Zahl  der  leitenden  _^räfte 
würde  auch  eine  intensivere  wissenschaftliche  Ausnutzung  des 
überreichen  Materials  und  eine  noch  gründlichere  Ausbildung 
der  ärztlichen  Hilfskräfte  im  Gefolge  haben.  Sächliche  Ein¬ 
wendungen  wurden  gegen  den  Antrag  so  gut  wie  gar  nicht  er¬ 
hoben.  Der  Umstand,  dass  Beschwerden  weder  von  Seiten  der 
Kranken,  noch  von  Seiten  der  dirigierenden  Aerzte  laut  ge¬ 
worden  sind,  beweist  nichts  gegen  die  geplante  Aenderung,  durch 
die  eben  den  chirurgischen  Abteilungen  der  für  die  inneren 
vor  8  Jahren  erzielte  Fortschritt  zu  gute  kommen  soll.  Der  An¬ 
trag  wurde  einem  Ausschüsse  überwiesen,  der  ihn,  wenn  man  aus 
der  in  der  Stadtverordnetenversammlung  herrschenden  Stim¬ 
mung  einen  Schluss  ziehen  darf,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
zur  Annahme  empfehlen  wird. 

Sowohl  in  der  Krankenhaus-  wie  in  der  Privatpraxis  haben 
sich  von  jeher  die  Misstände  und  Notstände,  welche  das  Kranken¬ 
pflegewesen  mit  sich  brachte,  als  eine  wahre’  Crux  erwiesen.  Es 
ist  noch  nicht  lange  her,  dass  in  Hamburg  und  in  Lichterfelde 


184 


No.  52. 


MUENCHENER  MEDICINISCHE  WOCHEN  SOHRI  FT. 


die  Anmassung  der  Schwestern  einen  offenen  Konflikt  herbei¬ 
geführt  hat,  und  es  ist  ein  offenes  Geheimnis,  dass  in 
manchen  Hospitälern  die  Ordensschwestern  beziehungweise 
die  Oberin  einen  Einfluss  besitzen,  der  weder  mit  der 
notwendigen  Wahrung  der  ärztlichen  Autorität  noch  mit 
der  Krankenfürsorge  in  Einklang  zu  bringen  ist.  Aber 
während  es  sich  im  allgemeinen  doch  nur  um  vereinzelte  Fälle 
handelt,  liegt  die  Privatkrankenpflege  noch  sehr  im  argen.  Nicht 
dass  es  an  Krankenschwestern  überhaupt  mangelt,  im  Gegenteil, 
cs  gibt  eine  Unzahl  solcher,  die  sich  so  nennen.  Schlägt  man 
das  Berliner  F ernspreoh Verzeichnis  auf,  so  findet  man  nicht 
weniger  als  54  telephonisch  angeschlossene  Schwesternheime;  da¬ 
zu  kommt  noch  die  grosse  Zahl  der  nicht  in  Verbänden  ver¬ 
einigten  Krankenpfleger  und  Krankenpflegerinnen.  Aber  gerade 
in  dieser  Ueberproduktion  liegt  die  Schwierigkeit  begründet, 
denn  es  ist  ungemein  schwer,  die  Spreu  vom  Weizen  zu  unter¬ 
scheiden.  Jedes  Dienstmädchen,  das  sich  eine  weisse  Haube  auf- 
setzt.  und  eine  Schürze  vorbindet  und  allenfalls  einen  4  wöchigen 
Krankenpflegekursus  besucht  hat,  kann  sich  „Schwester“  nennen. 
Aber  selbst  noch  minderwertigeres  Material  segelt  unter  dieser 
Flagge;  auf  das  Treiben  der  sogen.  Masseurinnen,  Manicuren  etc. 
werfen  von  Zeit  zu  Zeit  Gerichtsverhandlungen  grelle  Streif¬ 
lichter.  Kein  Wunder  also,  dass  einerseits  die  besseren  Elemente 
von  dem  anstrengenden  und  aufopferungsvollen  Beruf  zurück¬ 
geschreckt  werden  oder  ihn  baldmöglichst  aufzugeben  streben, 
und  dass  andererseits  das  Publikum  sich  scheut,  Personen  ins 
TTaus  zu  nehmen,  für  deren  berufliche  Tüchtigkeit  es  ebenso¬ 
wenig  Garantien  hat,  wie  für  ihre  moralische  Integrität.  Be¬ 
kanntlich  sind  auf  dem  letzten  Frauenkongress  weitgehende  Vor¬ 
schläge.  zur  Abhilfe  der  bestehenden  Misstände  gemacht  worden, 
Vorschläge,  die  ihrer  Tendenz  nach  sicherlich  auf  allgemeine 
Billigung  zu  rechnen  haben,  die  aber  Neueinrichtungen,  staat¬ 
liches  Eingreifen,  kurzum  einen  komplizierten  Apparat  zur 
Voraussetzung  haben  und  darum,  wenn  überhaupt,  so  doch  nur 
recht  langsam  ihrer  Verwirklichung  entgegen  gehen  können.  Es 
ist.  daher  von  Aerzten  und  Publikum  mit  grosser  Befriedigung 
aufgenommen  worden,  dass  die  Berliner  Rettungsgesellschaft  für 
Berlin  die  Regelung  und  Zentralisierung  des  Krankenpflegenach¬ 
weises  in  die  Hände  genommen  hat.  An  der  Spitze  des  Nach¬ 
weisbureaus  steht  ein  im  Krankenpflegewesen  erfahrener  Arzt; 
an  sämtliche  Berliner  Aerzte  ist  eine  Anfrage  ergangen,  welche 
Krankenpfleger  und  welche  Kranken-  und  Wochenpflegerinnen 
sie  empfehlen  können.  Diese  Empfehlungen  sind  jedenfalls  zu¬ 
verlässiger  als  die  meist  vorgezeigten  Atteste  über  Ausbildung, 
Prüfung  und  geleistete  Pflege.  Damit  wird  ein  Grundstock  von 
empfehlenswerten  Adressen  geschaffen,  die  Aerzten  und  Kranken 
jederzeit,  zur  Verfügung  stehen;  er  wird  sich  mit  Leichtigkeit 
im  Laufe  der  Zeit  vergrössern  lassen,  und  ebenso  wie  durch  die 
Vermittlung  der  Zentrale  der  Rettungsgesellschaft  jetzt  in  jedem 
Augenblick  in  Erfahrung  gebracht  werden  kann,  in  welchem 
Krankenhause  Betten  frei  sind,  so  wird  man  durch  eine  einzige 
telephonische  Anfrage  die  gewünschte  Krankenpflege  beschaffen 
können,  während  man  jetzt  oft  genug  ein  Schwestemheim  nach 
dem  anderen  telephonisch  anrufen,  von  einem  Krankenwärter 
zum  anderen  einen  Boten  schicken  muss.  Denn  alljährlich 
machen  wir  von  neuem  die  Erfahrung,  dass  trotz  des  starken 
Angebotes  an  Pflegepersonal  zu  Zeiten  starker  Morbidität  schwer 
eine  Pflegerin  zu  haben  ist,  und  selbstverständlich  sind  die 
brauchbaren  und  empfehlenswerten  immer  zuerst  vergriffen.  Es 
ist  ein  eigenes  Verhängnis,  dass  in  Berlin  auch  bei  rein  humani¬ 
tären  Bestrebungen  so  leicht  Gegensätze,  sei  es  persönlicher  oder 
sachlicher  Natur,  hervortreten,  die  der  Sache  selbst  nicht  zum 
Nutzen  gereichen.  So  ist  jetzt  bei  Gelegenheit  der  Organisation 
des  Krankenpflegenachweises  die  alte  Rivalität  zwischen  Ret¬ 
tungsgesellschaft  und  Unfallstationen  wieder  aufgeflackert ;  auch 
die  Unfallstationen  haben  unter  Leitung  eines  auf  diesem  Ge¬ 
biete  bekannter  Vrztes  einen  Krankenpflegenachweis  eingerichtet, 
auch  sie  wenden  sich  an  die  Aerzte  mit  der  Aufforderung,  von 
dieser  Einrichtung  ausgiebigen  Gebrauch  zu  machen.  Es  wäre 
erwünschter  gewesen,  wenn  wir  von  diesem  embarras  de  richesse 
verschont  geblieben  wären  und  nur  eine,  aber  eine  einheitliche 
Organisation  erhalten  hätten.  Wenn  jedoch  diese  Rivalität  eine 
stärkere  Anspannung  der  Kräfte  und  grössere  Leistungsfähigkeit 
im  Gefolge  haben  sollte,  so  können  wir  uns  die  Konkurrenz  ge¬ 
fallen  lassen  und  das  Gute  von  da  nehmen,  wo  wir  es  bekommen. 


Etwas  Gutes  glaubten  wir  seinerzeit  auch  in  der  Begründung 
des  „Kleinen  Journal  für  Hygiene“,  welche  vor  2  Jahren  erfolgt 
war,  begrüssen  zu  können.  Es  handelte  sich  um  ein  als  Beilage 
zu  einer  Tageszeitung  erscheinendes  Blatt,  das  unter  der  Re¬ 
daktion  eines  Arztes  stand,  die  Aufklärung  und  Unterweisung 
des  Publikums  in  hygienischen  Fragen  als  Hauptinhalt  seines 
Programmes  hinstellte  und  als  einen  seiner  Hauptzwecke  die 
Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  bezeichnete.  Das  Unternehmen 
fand  die  Sympathie  der  Aerzte,  und  hervorragende  Mediziner 
verschmähten  es  nicht,  das  Blatt  durch  literarische  Beiträge  zu 
unterstützen.  Aber  die  gehegten  Erwartungen  haben  sich  nicht 
erfüllt;  die  Zeitschrift  sank  von  Stufe  zu  Stufe,  und  statt  ein 
Kampfmittel  gegen  die  Kurpfuscherei  zu  sein,  ist  es  schliesslich 
ein  ausgesprochenes  Pfuscherorgan  geworden.  Die  Spalten,  in 
denen  einst  ein  Aufsatz  aus  der  Feder  des  Herrn  v.  Bergman  n 
glänzte,  stehen  jetzt  der  be — kannten  (d.  li.  der  Polizei  und  dem 
Gericht  bekannten)  M  inna  Ivubo  offen.  Sic  transit  gloria 
mundi.  M.  K. 


Römische  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

R  o  m,  20.  November  1902. 

(Unlieb  verspätet.) 

Der  Anfang  meiner  diesjährigen  italienischen  Berichte  be¬ 
reitet  mir  besonderes  Vergnügen,  da  es  mir  vergönnt  ist,  über  ein 
wissenschaftliches  Fest  zu  berichten,  das  kürzlich  zu  Ehren  des 
Prof.  G  o  1  g  i  in  P  a  v  i  a  stattgefunden  hat.  G  o  1  g  i  s  Name  ist 
nicht  nur  in  Italien,  sondern  auch  im  Auslande  wohl  bekannt; 
er  ist  einer  unserer  bescheidensten,  aber  verdienstvollsten  For¬ 
scher  und  besonders  in  der  feinen  Anatomie  des  Nervensystems 
hat  er  bedeutendes  geleistet.  Prof.  G  o  1  g  i  ist  der  wahre  Typus 
des  methodisch  vorgehenden  Gelehrten,  der  einer  strittigen  Frage 
unermüdlich  nachforscht,  und  sich  nicht  eher  zufrieden  gibt, 
bis  er  den  Schleier  gelüftet  und  alles  Dunkle  aufgehellt  hat.  Er 
ist  so  vorsichtig  und  gründlich,  dass  er,  soviel  ich  weiss,  in  seinen 
zahlreichen  Publikationen  nie  etwas  behauptet  hat,  das  nicht  ge¬ 
nau  bewiesen  wurde  und  auch  den  Prüfungen  durch  andere  Stand 
hielt.  Er  huldigt  dein  Grundsatz,  dass  Wissenschaft  Arbeit  be¬ 
deutet;  daher  das  Misstrauen  in  zu  flüchtige  Entscheidungen, 
und  seine  Geduld  und  Ausdauer,  Eigenschaften,  die  ihn  befähi¬ 
gen,  histologische  Fragen  am  besten  zu  lösen.  In  der  Rede,  die 
er  gelegentlich  des  Jubiläums  hielt,  gab  er  diesen  Grundsätzen 
I  Ausdruck,  indem  er  sagte:  „Zu  den  sichersten,  wissenschaftlichen 
I  Theorien  gelangt  man  nicht  auf  den  Flügeln  der  Phantasie,  die 
I  nur  den  Schein  der  Kultur  mit  sich  bringen  kann,  sondern  mit 
!  der  Kleinarbeit,  mit  dem  methodischen,  täglichen  Forschen,  wel- 
I  ches  zur  sicheren  Feststellung  der  einzelnen  Tatsache  verhilft 
!  und  damit  zur  Begründung  der  unanfechtbaren  Gesetze  des 
|  Lebens“.  In  Pavia,  wo  G  o  1  g  i  lehrt,  hatten  sich  zahlreiche 
i  Schüler  und  Verehrer  versammelt,  um  dem  Gelehrten  zu  huldigen. 
Die  deutsche  Wissenschaft  war  durch  Prof.  v.  Kölliker  ver¬ 
treten,  der  mit  G  o  1  g  i  persönlich  befreundet  ist  und  eigens  von 
Würzburg  nach  Pavia  eilte,  um  dem  Feste  beizuwohnen.  Dem 
Jubilar  wurden  bei  dieser  Gelegenheit  seine  gesammelten  Werke 
in  3  Prachtbänden  überreicht. 

Das  nur  in  beschränkter  Anzahl  herausgegebene  Pracht¬ 
werk1)  erschien  in  Dr.  Hoeplis  Verlag  in  Mailand  und  ver¬ 
dient  sowohl  wegen  seines  Inhalts,  als  auch  wegen  der  Ausstat¬ 
tung  ein  Musterwerk  genannt  zu  werden.  Mit  dem  Bildnis  des 
Verfassers  geschmückt,  enthält  es  das  ganze  Lebenswerk  des  Ge¬ 
lehrten.  Der  Leser  folgt  dem  ehemaligen  Gemeindearzt  von 
Abbiategrasso  auf  seinem  Weg  in  die  psychiatrische  Klinik 
Lombrosos,  von  da  zum  Laboratorium  Bizzozeros  und 
endlich  zu  dem  Lehrstuhl,  der  um  seines  Inhabers  willen,  wie 
wegen  der  prächtigen  Lokale,  die  ihm  zur  Verfügung  stehen, 
einer  der  besten,  wenn  nicht  der  erste  in  Italien  ist. 

Wenn  man  die  „Opera  omnia“  von  Golgi  liest,  wird  man 
nur  mit  Staunen  und  Bewunderung  sich  davon  überzeugen,-  mit 
welcher  Ausdauer  und  Zähigkeit,  man  möchte  fast  sagen  Eigen¬ 
sinn,  ein  Mann  an  einem  wissenschaftlichen  Argument  arbeiten 
kann.  Mir  kam  bei  der  Lektüre  der  Forscher  in  den  Sinn,  der 
klopft  und  gräbt,  überzeugt,  die  kostbare  Ader  zu  finden,  und 

l)  Camillo  Golgi:  Opera  omnia,  Val.  3.  Mit  21  Tafeln  und 
dem  Porträt  des  Verfassers.  Auflage  von  325  Exemplaren.  Preis 
90  fr.  Verlag  Ulrico  Hoepli  -  Mailand. 


30.  Dezember  1902. 


2185 


MUENCTIENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ich  sah  Kolumbus  vor  mir,  wie  er  die  Entmutigten  anfeuert 
und  durch  den  Nebel  das  ersehnte  Land  erspäht.  Dass  auch 
Cr  o  1  g  i  in  seiner  i  orscherlauf bahn  die  Momente  der  Entmut  i¬ 
gung  nicht  erspart  blieben,  geht  deutlich  hier  und  da  aus  seinen 
Schriften  hervor.  Aber  das  waren  nur  Augenblicke,  im  Grunde 
war  er  seiner  und  seiner  Sache  sicher,  denn  eine  Tatsache  bleibt 
immer  Tatsache,  und  er  ist  ein  viel  zu  genauer  und  gewissen¬ 
hafter  Beobachter,  um  auf  falschen  Weg  zu  geraten.  In  dem 
Kampf,  den  er  zur  Verteidigung  seines  Gesetzes  über  die  Patho- 
genesis  der  Tertiana  und  Quartana  führen  musste,  sieht  man 
z.  B.  sehr  gut,  mit  welchem  Vertrauen  der  Gelehrte  an 
gut  beobachteten  Tatsachen  festhält.  T  o  m  m  asi-Cr  u  d  e  1  i, 
Schiavuzzi  und  mit  ihnen  der  Deutsche  F.  Coli  n  ~)  stellten 
nicht  nur  die  Richtigkeit  der  von  G  o  lg  i  angenommenen  Gesetze 
in  Abrede,  sondern  überhaupt  die  Existenz  der  Amöben  der 
Malaria  und  der  durch  diese  hervorgerufenen  V eränderung  der 
roten  Blutkörperchen.  G  o  1  g  i  sagt  darüber :  ,,....  alle  diese 
\  eröffentlichungen  und  deren  Echo  riefen  in  mir  zwar  ein  ge¬ 
wisses  Gefühl  von  Traurigkeit  hervor,  aber  sie  genügten  nicht,  um 
den  leisesten  Schatten  von  Zweifel  an  meinen  IT ebarzeugungen 

aufkommen  zu  lassen - Ueberzeugungen,  die  gestützt  waren 

nicht  auf  doktrinäre  Voraussetzungen  oder  leichtfertig  ange¬ 
nommene  Schlussfolgerungen,  sondern  auf  hunderte,  mit  pein¬ 
licher  Sorgfalt  gesammelte  und  immer  wieder  kontrollierte  Be¬ 
obachtungen.  . . .“ 

Mit  logischer  Beweisführung  und  genauen  Experimenten  be¬ 
siegte  er  die  Gegner,  warf  ihren  Malariabazillus  über  den  Haufen, 
und  seit  20  Jahren  stehen  die  Gesetze  G  o  1  g  i  s  nun  fest  und  un¬ 
veränderlich  und  bilden  die  Basis  für  die  wirklich  grossen,  letz¬ 
ten  Entdeckungen  über  die  Aetiologie  der  Malaria,  hervorgerufen 
durch  die  Zanzaren;  Entdeckungen,  welche  besonders  bei  uns, 
wo  man  sie  zur  Bekämpfung  der  Krankheit  praktisch  verwertete, 
den  grössten  Nutzen  stifteten. 

Interessant  ist  auch  die  Lektüre  des  langen,  berichtenden 
Briefes,  den  G  o  1  gi  an  den  Leiter  der  medizinischen  Klinik  in 
Rom,  Prof.  Baccelli,  schrieb.  Dieser,  hatte  unter  anderem 
in  einer  seiner  Arbeiten  (Heber  einen  Fall  nicht  paroxysmaler 
Hämoglobinurie.  V  erhandl.  d.  XI.  Kongresses  f.  innere  Med.  in 
Leipzig  1892)  behauptet,  dass  schwere  Malariafieber  existieren, 
bei  denen  sich  im  Blutkreislauf  entweder  gar  keine  oder  doch  nur 
so  wenige  Malariaparasiten  finden,  dass  deren  Vorhandensein  die 
Intensität  des  Fiebers  nicht  rechtfertigt,  und  dass  Todesfälle 
durch  Malaria  Vorkommen,  ohne  dass  sich  im  Blutkreislauf 
Amöben  nachweisen  lassen.  Dies  widersprach  direkt  den  von 
Golgi  auf  gestellten  Gesetzen,  deren  eines  gerade  auf  das  enge 
Verhältnis  von  Ursache  und  Wirkung,  d.  li.  die  Sporulation  der 
Parasiten  und  die  Entstehung  des  Fieberanfalles  hinweist. 
Laboratorium  und  Klinik  waren  in  Konflikt  geraten,  und  da  die 
Verfechter  der  beiden  Sätze  zu  gute  und  erfahrene  Beobachter 
sind,  wollte  natürlich  keiner  nachgeben,  sicher,  die  Tatsache  rich¬ 
tig  erkannt  zu  haben.  Der  Konflikt  war  interessant,  aber  er 
musste  natürlich  auf  irgend  eine  Weise  beigelegt  werden.  „Die 
Frage  —  sagt  Golgi  —  war  zu  ernst  und  wichtig  für  die  Wissen¬ 
schaft  und  Praxis,  um  mich  nicht  aufs  nachhaltigste  zu  be¬ 
schäftigen.“  Bereitwillig  folgte  er  daher  der  Einladung  des 
römischen  Klinikers  und  hielt  sich  über  2  Monate  in  der  ewigen 
Stadt  auf.  Die  ersten  Versuche  brachten  ihm  schwere  Ent¬ 
täuschung.  „Es  war  für  mich  niederdrückend  und  kränkend, 
wie  meine  ersten  Untersuchungen  zur  Feststellung  der  Sporu¬ 
lation  verliefen.  Ganze  Tage  brachte  ich  ununterbrochen  mit 
diesen  Untersuchungen  zu;  ich  wollte  nicht  nachgeben!  „Und 
doch  bekam  der  Kliniker  Recht !  Aber  nach  zweimonatlicher 
Arbeit  kam  die  Wahrheit  zu  Tage  und  sie  gab  auch  dem  Histo- 
logen  Recht.  Die  römische  Malaria  unterschied  sich  eben  von 
der,  die  Golgi  studiert  hatte  und  der  Gelehrte  konnte  nun  für 
die  erstere  ein  neues  Gesetz  aufstellen,  nämlich :  „Dass  sich  der 
ganze  Prozess  nicht  im  Kreislauf  des  Blutes,  sondern  in  den 
inneren  Organen  vollzieht,  und  dass  gerade  in  den  inneren 
Organen  besondere  Parasitenformen  ihre  Entwicklungsstadien 
durchmachen“.  Der  Streit  war  gelöst,  und  Golgi  konnte,  nach¬ 
dem  er  der  Wissenschaft  einen  neuen  Dienst  geleistet  hatte, 
nach  Pavia  zurüekkehren. 

Die  von  Golgi  eingeführte  schwarze  Reaktion  bedeutet  eine 


'-)  Untersuchungen  über  die  Malaria  in  Pola.  Beiträge  zur 
Biologie* der  Pflanzen  von  Ferdinand  Cohn,  Breslau  1888. 


neue  Epoche  in  der  Histologie  des  Nervensystems.;  Golgi  hat 
mit  dieser-  Methode  die  feinsten  Photographien  gemacht,  und 
wenn  man  die  Tafeln  betrachtet,  die  seine  „Opera  omnia“ 
zieren,  muss  man  sich  nur  wundern,  wie  man  so  zierliche  Figuren 
erzielen  kann.  In  diesen  zarten  Zellen  bildet  sich  unser  Gedanke, 
diese  feinen  Fäden  leiten  unseren  Willen,  und  wenn  man  das 
ganze  Labyrinth  der  Verzweigungen  der  Nervenzellen  vor  sich 
sieht,  kann  man  begreifen,  dass  Gedanke  und  Willensäusserung  so 
flüchtig  sind,  und  dass  man  durch  Uebung  auch  diese  Zellen, 
wie  jene  jedes  anderen  Organes  kräftigen  und  vervollkommnen 
kann.  Durch  die  schwarze  Reaktion  hat  Golgi  auch  die  Patho¬ 
logie  des  Nervensystems  ganz  bedeutend  verändert. 

Dr.  Giov.  G  a  1 1  i. 


Verschiedenes. 

Kalender  für  das  Jahr  1903. 

Me'dizinal-Kalender  1903.  Herausgegeben  von 
Dr.  II.  Wehm  er,  Begier.-  und  Medizinalrat  in  Berlin.  Verlag 
von  August  Hirsch  wald.  1.  Abteilung:  Geschäftskalender, 
Heilapparat,  Verordnungslehre,  diagnostisches  N aehsehl agebucli . 
2.  Abteilung:  Verfügungen  und  Personalien  des  Zivil-  und  Militär- 
Medizinalwesens  im  Deutschen  Reich  mit  alphabetischem  Namens¬ 
und  Ortschaftsregister.  Dieser  Kalender  hat  sich  in  den  letzten 
Jahren  ausserordentlich  vervollkommnet  und  wird  in  seiner  jetzi 
gen  Gestalt  an  Brauchbarkeit  für  den  praktischen  Arzt  von  keinem 
seiner  Konkurrenten  übertroffen.  Die  Ausstattung  ist  solid  und 
elegant.  Dass  der  Arzt  nicht  gezwungen  ist,  mit  diesem  Taschen¬ 
buch  gleichzeitig  ein  dickes  Inseratenlieft  in  der  Tasche  mitzu¬ 
führen,  verdient  besondere  Anerkennung. 

Medizinal  -  Kalender  und  Rezepttas  c  li  e  n  - 
buch  1903.  Herausgegeben  von  Dr.  II.  Lohnstein.  Berlin, 
Oskar  Gobi  e  n  t  z.  Gut  ausgestattetes  Taschenbuch,  mit  reiche m 
wissenschaftlichen  Inhalt.  Die  Handlichkeit  wird  beeinträchtigt 
durch  ein  in  den  Kalender  hineingebundenes  Inseratenlieft  von 
über  100  Seiten. 

T  asc  he  n  - Kalender  für  die  Aerzte  des  D  eut- 
s  eh eii  Reiches.  Begründet  von  Stabsarzt  a.  D.  Lorenz, 
herausgegeben  von  Dr.  P.  R  o  s  e  u  b  e  rg  -  Berlin  W.,  Verlag  von 
S.  R  o  s  e  n  b  a  u  m.  Taschenbuch  mit  4  Quartalsheften.  Preis 
2  Mark. 

Aerztliches  Jahrbuc  h.  Herausgegeben  von  Dr. 
v.  G  r  o  1  m  a  n  -  Frankfurt  a.  M.  Verlag  von  Johannes  Alt. 
Preis  2  M.  Hervorzuheben  ist  das  eingehende  Verzeichnis  neuerer 
und  neuester  Heilmittel,  sowie  der  Heilanstalten. 

Medizinischer  Taschenkalender  für  das  Jahr 
1903.  Herausgegeben  von  Kionka-Jena,  P  a  r  t  s  c  h  -  Breslau, 
A.  L  e  p  p  m  a  n  n-  Berlin  und  F.  Leppman  n -Berlin.  XVI.  Jahr¬ 
gang.  Berlin,  Vogel  u.  Kreienbrink.  Taschenbuch  mit 
Nachschlageartikeln  und  Kalendarium  in  4  Quartalsheften. 

Aerztliches  Vademecum  und  Taschenkalen- 
de  r  für  das  Jahr  1903.  IX.  Jahrgang.  Zum  Gebrauch  für  Aerzte 
und  Studierende,  zusammengestellt  von  Dr.  A.  K  rüche  -  Mün¬ 
chen.  Verlag  der  Aerztliehen  Rundschau.  Taschenbuch  mit  reich¬ 
haltigem  Naclisehlagematerial  und  4  Quartalsheften. 

Aerztlicher  Taschenkalender  mit  Tages-Notiz- 
buch.  30.  Jahrgang.  Herausgegeben  von  Dr.  Steinschneider, 
Badearzt  in  Franzensbad.  Wien,  Verlag  von  M.  Perles.  Ent¬ 
hält  ti.  a.  den  Personalstand  der  medizinischen  Fakultäten  Europas 
und  der  Vereinigten  Staaten. 

Taschenkalender  f  li  r  Nerven-  u  n  d  Irren¬ 
ärzte.  Herausgegeben  von  Dr.  Hans  Kurelia  in  Breslau. 
Berlin,  V  o  g  e  1  &  Kreienbrin  k.  Enthält  therapeutische,  dia¬ 
gnostische  und  administrative  Notizen,  Verzeichnis  von  Kurorten 
und  Anstalten,  Färbeverfahren  etc.  Notizkalender  in  12  Monats¬ 
heften. 

Kalender  f  ii  r  Frauen-  und  Kinderärzte  von 
Dr.  Eich  holz  -  Bad  Kreuznach  und  Dr.  Sonnenbe  r  g  e  r  - 
Worms.  VII.  Jahrgang.  Bad  Kreuznach,  Verlag  von  F.  II  a  r - 
rach.  Im  Taschenbuch  zahlreiche  Nachschlageartikel  für  die 
Aerzte  des  Spezialfaches,  Kalendarium  in  4  Quartalsheften.  Bei¬ 
lage  mit  fachwissenschaftlichen  Abhandlungen.  Solide  und  ele¬ 
gante  Ausstattung. 


Tagesgeschichtliche  hlotizen. 

M  ii  nclie n,  24.  Dezember  1902. 

—  Das  scheidende  Jahr  hat  mit  der  Post  kranken  k'äss'e 
den  bayerischen  Aerzten  zu  guter  Letzt  noch  eine  schlimme  Be¬ 
scherung  gebracht.  Nach  den  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer 
veröffentlichten  Berichten  aus  den  Bezirksvereinen  München  und 
Nürnberg  scheint  diese  neu  gegründete  staatliche  Kasse  noch  zu 
gefährlichen  Zwisten  und  Kämpfen  im  ärztlichen  Lager  führen 
zu  sollen.  Unter  Hinweis  auf  diese  Berichte  können  wir  die  tat¬ 
sächlichen  Verhältnisse  als  bekannt  voraussetzen.  Darüber  wird 
unter  Aerzten  nur  eine  Meinung  sein,  dass  es  im  höchsten  Grade 
bedauerlich  ist,  dass  abermals  ein  Stück  ärztlicher  Praxis  dem 
freien  Wettbewerb  der  Aerzte  entzogen  werden  soll,  noch  dazu 


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MURNCHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


unter  Bedingungen,  die  nicht  einmal  den  von  den  Aerzten  als  i 
Mindestforderung  für  kassenärztliche  Leistungen  aufgestellten  j 
Sätzeu  ganz  entsprechen.  Verschiedener  Meinung  kann  man  da¬ 
gegen  sein  über  die  zur  Verhütung  des  Unheils  anzuwendenden 
Mittel.  Die  Vorstandschaft  des  ärztlichen  Bezirksvereins  München 
war  der  Meinung,  dass,  nachdem  die  Postbehörde  eine  motivierte. 
Eingabe,  in  der  um  Einführung  der  freien  Arztwahl  bei  der  Post¬ 
krankenkasse  ersucht  würde,  abschlägig  beschieden  hatte,  von 
weiteren  Schritten  abzusehen  sei;  sie  musste  zu  diesem  Standpunkt 
um  so  eher  kommen,  als  die  Münchener  Bahnärzte  es  abgelehnt 
hatten,  dem  Bezirksverein  ein  Mandat  zu  erteilen,  sich  also  freie 
Hand  wahren  wollten  *)>  ohne  die  Mitwirkung  der  Bahnärzte  aber 
jedes  weitere  Vorgehen  von  vornelierein  aussichtslos  wrar.  Anders 
die  Stellungnahme  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Nürnberg,  wo  die 
Bahnärzte  sich  mit  den  übrigen  Kollegen  solidarisch  erklärten  und 
beschlossen,  keine  Stelle  als  Kassenarzt  bei  der  Postkrankenkasse 
anzunehmen,  insolange  nicht  die  freie  Arztwahl  bei  derselben 
eingeführt  wird;  in  gleichem  Sinne  hat  der  Bezirksverein  Hers- 
bruek  beschlossen.  Hier  wird  also  eine  Stellung  eingenommen,  die 
leicht  zum  offenen  Kampfe  mit  dem  Staate,  der  in  diesem  Falle 
der  Kassenvorstand  ist,  führen  kann.  Nur  wenn  nicht  nur  die 
Nürnberger,  sondern  alle  bayerischen  Kollegen  sich  solidarisch 
verbunden  hätten,  würde  ein  so  ungleicher  Kampf  Aussicht  auf  Er¬ 
folg  haben  können.  Eine  Niederlage  aber  würde  auf  die  ärztliche 
Sache  in  Bayern  den  übelsten  Einfluss  haben.  Darum  erscheint  es 
fraglich,  ob  die  im  übrigen  durch  ihre  Entschlossenheit  im¬ 
ponierende  Haltung  Nürnbergs  opportun  gewesen  ist.  Der  Aus¬ 
gang  wird  es  lehren.  Eine  Mittellinie  zwischen  dieser  klaren,  wenn 
auch  gewagten  Stellungnahme  und  den  resignierten  Vorschlägen 
seiner  Vorstandschaft  nimmt  das  Plenum  des  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereins  München  ein.  Man  begnügte  sich,  Eingaben,  Proteste  und 
Deputationen  an  die  Behörden  zu  beschliessen,  Schritte,  deren  Er¬ 
folglosigkeit  von  vornelierein  sicher  ist.  Da  dieses  kümmerliche 
Resultat  überdies  nicht  erreicht  wurde,  ohne  schwere  Kränkungen 
für  den  verdientesten  Vorkämpfer,  den  der  ärztliche  Stand  zurzeit 
in  München  besitzt,  den  Vorsitzenden  des  Vereins,  Dr.  Karl 
Becke  r,  so  kommen  wir  zu  dem  Schluss,  dass  der  20.  Dezember 
1902  in  der  Geschichte  des  ärztlichen  Bezirksvereins  München 
keinen  Ruhmestag  bedeutet.  Der  weiteren  Entwicklung  der  Post¬ 
krankenkassenfrage  aber  darf  man  mit  Spannung  entgegensehen. 

—  Der  nächstjährige  Deutsche  Aerztetag  soll  Ende 
Juni  oder  Anfang  Juli  stattfinden.  Als  Ort  ist  Köln  in  Aussicht 
genommen.  Gegenstände  der  Tagesordnung  werden  u.  a.  bilden: 
Das  ärztliche  Unterstützungswesen  (Ref.  S  e  1  b  e  r  gj  und  genossen¬ 
schaftliche  Organisation  für  Haftpflicht  und  Unfallversicherung. 

—  Der  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Friedrich  Renk,  bisher 
Beirat  in  Medizinalangelegenheiten  im  sächsischen  Ministerium  des 
Innern,  wurde  zum  etatsmässigen  Rat  in  demselben  Ministerium 
ernannt. 

—  Auf  die  durch  den  Rücktritt  des  Herrn  Medizinalrat  Dr. 
Müller  erledigte  Stelle  eines  Oberarztes  im  städtischen  Kranken¬ 
hause  in  Augsburg  wurde  durch  Beschluss  der  städtischen  Kol¬ 
legien  der  Sohn  des  Vorgenannten,  Herr  Dr.  Rob.  Mülle  r,  Privat¬ 
dozent  an  der  Universität  Erlangen,  ein  Schüler  Strümpells, 
berufen. 

—  Am  17.  ds.  fand  in  München  eine  vorbereitende  Sitzung 
behufs  Errichtung  einer  Ortsgruppe  München  der  Deutschen 
Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Geschlechts¬ 
krankheiten  statt.  Als  Vorstände  wurden  gewählt  Universi¬ 
tätsprofessor  Dr.  K  o  p  p  und  Dr.  G.  Hirt  h.  Im  Ausssehusse 
sind  tätig  die  Herren  Dr.  Steinhäuser,  Privatdozent  Dr. 
Je  s  i  o  n  e  k  und  Privatdozent  Dr.  v.  Notthaft.  Die  genannten 
Herren  haben  es  übernommen,  in  Bälde  eine  grössere  allgemeine 
Versammlung  zu  veranstalten,  zu  der  alle,  bei  welchen  ein  Inter¬ 
esse  für  die  Bestrebungen  der  Gesellschaft  vorausgesehen  werden 
kann,  eingeladen  werden  sollen.  Anmeldungen  zur  Teilnahme  an 
der  Gesellschaft  (der  Mitgliederbeitrag  beträgt  3  M.)  werden  von 
Prof.  Dr.  Kopp  und  Dr.  med.  Steinhäuser  entgegen¬ 
genommen. 

—  Die  bosnisch-herzegowinische  Landesregierung  hat  das 
Fräul.  Dr.  med.  R.  Einhorn  zur  provisorischen  Amtsärztin  mit 
dem  Amtssitze  in  Travnik  ernannt.  In  den  okkupierten  Provinzen 
sind  nunmehr  5  Amtsärztinnen  tätig:  In  Banjaluka  wirkt  Frau 
Dr.  G.  K  u  h  n,  in  Mostar  Frau  Dr.  Keck,  in  Serajewo  Frau  Dr. 
Th.  Iv  rajewska  und  in  Dolnja-Tuzla  Frau  Dr.  H.  Ols- 
z  e  w  s  lc  a.  Das  Institut  der  Amtsärztinnen  in  Bosnien  und  der 
Herzegowina  ist  in  erster  Linie  deshalb  ins  Leben  gerufen  worden, 
weil  die  ärztliche  Behandlung  erkrankter  mohammedanischer 
Frauen  durch  männliche  Aerzte  begreiflicher  Weise  auf  grosse 
Schwierigkeiten  stiess. 

—  Cholera.  Türkei.  Nach  dem  Ausweis  vom  9.  Dezember 
sind  in  Palästina  noch  84  Personen  an  Cholera  gestorben.  — 
Aegypten.  Vom  25.  November  bis  8.  Dezember  kamen  in  ganz 
Aegypten  02  neue  Erkrankungen  und  52  Todesfälle  an  Cholei’a  vor. 

—  In  der  50.  Jahreswoche,  vom  7.. — 13.  Dezember  1902,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb¬ 
lichkeit  Borbeck  mit  36,0,  die  geringste  Schöneberg  mit  9,3  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  Mülheim  a.  d.  R. 

V.  d.  K.  G.-A. 


*)  Unterdessen  haben  die  Münchener  Bahnärzte  beschlossen, 
die  ihnen  angetragenen  Kassenarztstellen  bei  der  Postkranken¬ 
kasse  anzunehmen. 


(H  ochse  hulnachrichte  n.) 

Berlin.  Privatdoz.  Dr.  Erich  Lexer,  Assistent  der  Berg- 
m  a  n  n  sehen  Klinik,  wurde  zum  a.  o.  Professor  ernannt.  Habilit. :  Dr. 
Oscar  de  1  a.  C  a  m  p,  Oberarzt  an  derCharite  und  Assistent  der  2.  med. 
Klinik.  In  seiner  Antrittsrede  sprach  er  über  Entwickelung  und 
Stellung  der  Röntgendiagnostik  auf  dem  Gebiete  der  Herz-  und 
Gefässkrankheiten.  Der  Privatdozent  an  der  hiesigen  Universität, 
Dr.  Ludwig  K  atz,  Arzt  für  Ohren-  und  Nasenkrankheiten,  ist  zum 
Professor  ernannt  worden.  Der  bisherige  Privatdozent  für  Ge¬ 
schichte  der  Medizin  an  der  hiesigen  Universität  Prof.  Dr.  Julius 
1*  a  g  e  1  ist  zum  ausserordentlichen  Professor  befördert  worden. 
Dr.  Georg  Joachimsthal,  Privatdozent  für  orthopädische  Chi¬ 
rurgie,  ist  zum  Professor  ernannt  worden. 

B  r  e  s  1  a  u.  Die  Privatdozenten  für  Chirurgie  Tietze  und 
Kausch,  ferner  der  Privatdozent  für  Nervenheilkunde  Dr.  Karl 
Bouhoeff  er  haben  den  Professortitel  erhalten. 

F  reib  u  r  g  i.  B.  Dem  Privatdozenten  in  der  medizinischen 
Fakultät  der  hiesigen  Universität  Dr.  med.  Emil  Frhrn. 
v.  D  u  n  g  e  r  n  wurde  der  Charakter  als  ausserordentlicher  Pro¬ 
fessor  verliehen. 

Marburg.  An  der  hiesigen  Universität  habilitierte  sich 
der  Oberarzt  der  Landesirrenheilanstalt  und  psychiatrischen  • 
Klinik  Dr.  Max  Jahr  mär  leer  mit  einer  Antrittsvorlesung  über 
„krankhafte  Störung  der  Geistestätigkeit  und  Ausschluss  der  freien 
Willensbestimmung“. 

München.  Habilitiert:  Dr.  Rudolf  Seggel,  I.  Assistent 
der  chirurgischen  Klinik,  für  Chirurgie  am  10.  Dezember  mit  einer 
Probevorlesung:  „lieber  Diagnose  und  Therapie  der  Nierentuber¬ 
kulose".  Die  Habilitationsschrift  führt  den  Titel:  „Histologische 
Untersuchungen  über  die  Heilung  von  Sehnenwunden  und  Sehnen¬ 
defekten". 

Graz.  Der  Assistent  an  der  Nerven-  und  psychiatrischen 
Klinik  Dr.  med.  Fritz  Hart  mann  wurde  als  Privatdozent  für 
Neurologie  und  Psychiatrie  an  der  Grazer  Universität  bestätigt. 

(Todesfälle.) 

Der  Psychiater  Hofrat  Professor  Dr.  Richard  v.  K  r  a  f  f  t  - 
E  b  i  u  g  ist  in  Graz,  wohin  er  sich  krankheitshalber  zurückgezogen 
hatte,  am  22.  ds.  im  Alter  von  63  Jahren  gestorben.  Nekrolog  folgt. 

Dr.  Herrnheise  r,  Privatdozent  für  Augenheilkunde  und 
Redakteur  der  Prager  med.  Wochenschrift,  ist  einem  Herzschlag 
erlegen.  Die  Vereinigung  der  deutschen  medizinischen  Fachpresse 
verliert  mit  ihm  ein  hochgeschätztes  Mitglied. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Erledigt:  Die  Bezirksarztsstelle  I.  Klasse  in  Bruck.  Bewerber 
um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche  bei  der 
ihnen  Vorgesetzten  k.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis  zum 
0.  Januar  1903  einzureichen. 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Theodor  Baumgart  in  Neu¬ 
stadt  a.d.S.  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in  Königshofen  im  Grabfeld. 

Auszeichnung:  Dem  k.  Hofrate  Dr.  August  Popp,  prak¬ 
tischen  Arzte  in  Regensburg  wurde  die  Bewilligung  zur  Annahme 
und  zum  Tragen  des  ihm  verliehenen  Offiziers-Ehrenkreuzes  des 
fürstlich  Schaumburg-Lippischen  Hausordens  erteilt. 


Morbiditätsstatistik  d.  Infektionskrankheiten  fürMünchen 

in  der  50.  Jahreswoche  vom  7.  bis  13.  Dezember  1902. 
Beteiligte  Aerzte  20.  —  Brechdurchfall  3  (1*),  Diphtherie  u. 
Krupp  6  (4),  Erysipelas  8  (0),  Intermittens,  Neuralgia  interm. 
1  (l).  Kindbettfieber  1  (— ),  Meningitis  cerebrospin.  1  (1), 

Morbilli  30  (37),  Ophthalmo-Blennorrhoea  neonat.  4  ( — ),  Parotitis 
epidem.  —  ( — ),  Pneumonia  crouposa  11  (11),  Pyämie,  Septikämie 
—  (1),  Rheumatismus  art.  ac.  13  (10),  Ruhr  (Dysenteria)  —  ( — ), 
Scarlatina  2  (1),  Tussis  convulsiva  4  (22),  Typhus  abdominalis  1 
(1),  Varicellen  14  (15),  Variola,  Variolois  —  ( — ),  Influenza  7  (1) 
Summa  109  (126).  Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  v.  Dall’Armi. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  50.  Jahreswoche  vom  7.  bis  13.  Dezember  1902. 

Bevölkerungszahl :  499  932. 

Todesursachen:  Masern  2  (3*)  Scharlach  —  (1)  Diphtherie 
u.  Krupp  2  (2),  Rotlauf  1  ( — ),  Kindbettfieber  1  ( — ),  Blutvergiftung 
(Pyämie  u.  s.  w.)  1  ( — ),  Brechdurchfall — (3),  Unterleib-Typhus  — 
( — ),  Keuchhusten  4  (3),  Kruppöse  Lungenentzündung  4  (2),  Tuber¬ 
kulose  a)  der  Lunge  27  (23),  b)  der  übrigen  Organe  2  (8),  Akuter 
Gelenkrheumatismus  —  ( — ),  Andere  übertragbare  Krankheiten 
3  (4),  Unglücksfälle  1  (1),  Selbstmord  1  (4),  Tod  durch  fremde 
Hand  —  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  225  (205),  Verhältniszahl  auf 
das  Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  23,1  (21,1),  für  die 
über  dem  1.  Lebensjahr  stehende  Bevölkerung  14,9  (13,8). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  ln  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


I.  Originalartikel. 


Seite 


Abegg,  Professor  Dr.  Carl  von  Liebermeister  j  toi 

dlen«S®iü.?e  DarstelIung  von  „Energiticis“  durch  den 

570 
1351 


Organismus 

Aerztefeind,  ein  alter  .  '. . 

A  g  4  r  °^^^a^ostisch'therap®u tisch e  Bemerkungen  "zum  Mngen- 

Albrecht,  Ueber  physiologische  Funktionen  von  Tumoren  1256 

A  m a n^Die  abdominale  Totalexstirpation  bei  kompleter  Utelus-  1 184 

Angerer,  Unsere  Hebammen'  !  [  ]  . . 

Arno  1 Id  Ueber  Phagocytose,  Synthese  und  andere  intrazelluläre  “  '  1 
organge.  (Aus  dem  patholog.  Institut  zu  Heidelberg )  194b 
Arnsperger,  Zur  Lehre  von  der  Hyperkeratosis  lacunSs 

Amn  P^ryn§18-  (Aus  der  med-  Klinik  zu  Heidelberg.)  351 

Aron,  Eine  neue  Lungenprobe  .  '  ' 

nhZlm’  Hff«Se  B^tung  und  Anaemie,  verursacht  durch 

alten1  Kmlbe^^”  Mastdai™polypen  bei  einem  10  Jahre 

—  Zur  Darm  Wirkung  des  Atropins  . 

As  coli,  Ueber  den  Mechanismus  der  Albuminurie  durch  Eier- 

üTÄätUpavr)InSÜtUte  fttr.8periell,!  P“thoI»*ie  Oer 

-  Zur  Kenntnis  der  Präzipitinwirküng  'und  der  Eiweiss-  3?8 

Palholn'  B  futTsTerums‘.  (Aus  dem  Institute  für  spezielle 
Pathologie  der  Universität  Pavia.)  .  .  -.4™ 

Axenfeld,  Zu  dem  Aufsatz  von  Schanz  „Zu  Behring s 

npupator  _ ”  c  Ul  lllg  b 


neuester  Diphtherietheorie“ 


Die  Prophylaxe  der  septischen  Infektion  des  Auges' 
besonders  seiner  R— ’-^-Qgen.  Ein  Beitrag  zur 

(Aus  der  Univ.-Augen- 


580 


Exstirpation  des  Tränensackes. 

klinik  in  Freiburg.)  (Idustr.)  '.  .  _  -,98q 

Nachtrag  zu  meiner  Arbeit:  „Die  Prophylaxe’  der  sep¬ 
tischen  Infektion  des  Auges,  besonders  seiner  Berufs¬ 
verletzungen“  . 

Baas,  Ueber  das  Zentrum  der  reflektorischen  Pupillenver¬ 
engerung  und  über  den  Sitz  und  das  Wesen  der  reflek¬ 
torischen  Pupillenstarre.  (Ulustr.) .  40ß 

~  Paracelsus  und  seine  Reformation .  192^ 

Bade  Zur  Frühdiagnose  der  angeborenen  Sublux’atio  und 
Luxatio  coxae.  (Aus  der  orthopädischen  Anstalt  von 
Dr.  Peter  Bade  m  Hannover.)  .  mir 

Bai  dass  ari  und  Gardini,  Experimenteller  Beitrag  zur  Be-  ’ 
handlung  der  Perforationen  und  Zerreissungen  der 

Bnmn«  enb  arSe'TTA!1S  deJ“  ArcisP^ale  S.  Anna  in  Ferrara.)  2047 
Bamberg  er  J.,  Ueber  die  Septumperforation  der  Chrom¬ 
arbeiter  ...  .  21  .. 

Bamberg  er  S.,  Ein  Fall  von  Zervixkarzinom  als  Geburts- 

nmdernis  am  normalen  Schwangerschaftsende  1298 

Bandelier,  Spastische  Mydriasis  durch  Fremdkörper  im  Ohr" 

(Aus  der  Lungenheilstätte  Cottbus.) .  875 

Barth,  Ein  Fall  von  Meningitis  tuberculosa  bei  einem  Kinde 

mit  Ausgang  in  Heilung .  877 

Bätsch  Beitrag  zur  Diagnose  und  Therapie  der  Wanderniere  1045 

Bauer,  Purpura  haemorrhagica  bei  Tuberkulose  . 748 

Beck,  Medizinische  Streiflichter  aus  Amerika.  Eine  Ferien- 
rundfahrt  vom  Aerztekongress  in  Saratoga  über  die 
Adirondacks  nach  Canada,  den  weissen  Bergen  und 

Boston .  ...  1934  1981  20^3 

Becker,  Zum  Artikel  „Ueber  den  Intentionskrampf  der  Sprache’ 

R  APbtonüie“  in  No.  27  dieser  Wochenschrift  !  1265 

Be  da  11,  Vorschriften  zur  sparsamen  Verordnung  für  Kranken- 

kassen . . 


Seite 


1687 


357 


86 

2147 


516 


Beetz  Die  Rettungseinrichtungen  der  bayerischen  Eisen¬ 
bahnen  . 

Bender,  Zur  Kenntnis  des  erworbenen  Hoc'hstandes  der 
bkapula.  (Aus  der  Univ.Poliklinik  für  orthopädische 

Chirurgie  zu  Leipzig.)  (Tllustr.) . . 

Fm  Fall  von  einseitigem,  fast  vollständigem  Fehlen  des 
Musculus  cucuflaris.  (Aus  der  Univ.-Poliklinik  für  ortho¬ 
pädische  Chirurgie  zu  Leipzig.)  (Illustr.) . 412 

erger,  Weitere  therapeutische  Erfahrungen  über  Yohimbin 
Benario  Zur  Behandlung  der  Gonorrhoe  mit  Protargol- 
gelatme .  6 

Berndt  Zur  Lagerung  des  Patienten  bei’Operationen  an  den 
Gallengangen.  (Aus  der  Chirurg.  Abteilung  des  städt. 

Krankenhauses  in  Stralsund.)  .  - . 39p 

—  Ueber  Exstirpation  und  Regeneration  langer  Röhren¬ 
knochen  bei  Osteomyelitis  und  Tuberkulose.  (Aus  der 
Chirurg  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  in  Stralsund  ) 

Bertelsmann  und  Mau,'  Das  Eindringen' von  Bakterien' in 
che  Blutbahn  als  eine  Ursache  des  Urethralfiebers.  (Aus 
der  Chirurg.  Abteilung  des  Allgemeinen  Krankenhauses 

Hamburg-St.  Georg.  (Mit  1  Kurve.) .  521 

Bett  mann,  Ueber  rezidivierenden  Herpes  der  männlichen 

.Harnröhre .  gg9 

—  Ueber  die  Verwendung  kleiner  Gummiringe  zur  Dru'ek- 

entlastung  schmerzhafter  Punkte  am  Fuss . 1935 

1  >ei  e  c  Die  Behandlung  durch  einen  Heilmagnetiseur 

im  Lichte  der  Rechtsprechung  .  .  40Q 

Bier  bäum  Hypertrophie  der  Prostata  und  galvanokaustische 
Behandlung  nach  Bottini-Freudenberg 
Blumberg  Untersuchungen  über  die  Wirkung  des  Sublamins 
(Queoksilbersulfat  -  aethylendiamin)  als  Desinfektions- 

vf  i,  VSNdem  kg1,  hygienischen  Institut  der  Univer¬ 
sität  Berlin.) 

Boas,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Cholelithiasis.  (Illustr.) 
oehm  Zur  Beurteilung  der  Borsäure  und  des  Borax  als 

I  leischkonservierungsmittel .  2049 

lger,  Ueber  die  Sahlische  Methode  der  Funktio’ns- 
prufung  des  Magens._  (Aus  der  med.  Klinik  des  Herrn 
Geh. -Rat  Prof.  Dr.  Riegel  in  Giessen.)  .... 

Bottger,  Ein  Fall  von  primärem  Lungenkarzinom  !  ’ 

B  o  e  t z  eien,  Ueber  das  Jollessche  klinische  Ferrometer 

Bollmger,  Rudolf  Virchow  f 
Bradshaw,  Myelopathische  Albumosurie 
Brauer,  Ueber  Graviditäts-Haemoglobinurie 
Brauser,  Blutvergiftung  und  Amputation.  (Aus  der  Münchener 
chirurgischen  Klinik.) . 

Brecke,  Ueber  Anstalten  für  unbemittelte  Lungenkranke  ! 
reuer,  Zur  Therapie  und  Pathogenese  der  Stenokardie  und 
verwandter  Zustände.  (Aus  der  I.  med.  Univ  -Klinik  in 

wiGn.j .  1604  1 6  >4: 

Bvion  und  Kays  er,  Ueber  eine  Erkrankung  mit  dem  Befund 
eines  typhusähnlichen  Bakteriums  im  Blute  (Paratyphus) 

(Aus  der  medizinischen  Universitäts-Klinik  und  dem 
Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie  an  der  Universität 

Strassburg  1.  E.)  (.Mit  2  Kurven.) .  c-m 

Brüning  Ueber  die  Luxatio  tibiae  anterior.  *  (Aus  dem 

Kmnkenhause  Bergmannstrost  in  Halle  a.  S.)  (Illustr )  1573 

Bruno,  Ueber  Morbus  Addisonii .  '  iw 

Bruns  Ueber  Anwendung  von  Lauf  wagen  bei  Lähmungen 
der  unteren  Extremitäten.  (Aus  der  chirurgischen  Ab- 
„  ..  teilung  des  städt.  Krankenhauses  in  Barmen.)  (Illustr) 
Budmgen,  Der  Thoraxdruckmesser  und  die  neue  Lungen¬ 
probe.  (Illustr.) .  928 


Bönniger 


1963 


1534 

604 


1786 

272 

366 

1621 

191 

825 

’04 

839 


1706 


136 


24 


1* 


IV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1901 


Seite 

Bumlte,  Paraldehvd  und  Skopolamin  (Hyoscin)  als  Schlaf- 
und  Beruhigungsmittel  für  körperlich  und  geistig  Kranke. 

(Aus  der  psychiatrischen  Klinik  in  Freiburg  i.  B.)  .  .  .  K->o 

C allen,  Zur  chirurgischen  Behandlung  des  Kardiospasmus. 

(Aus  dem  israelitischen  Asyl  zu  Köln.)  .  .  .  •  •  •  •  •  444 

Cahn,  Ueber  Paranephritis  und  Pyonephrose  nach  Haut- 

furunkeln . * 

Cie  mm,  Nachtrag  zur  Arbeit:  „Ein  Führungsdraht  für  den 
Magenschlauch  mit  Vorrichtung  zur  Freihaltung  und 
Reinigung  der  Sondenfenster  von  verstopfenden  Nah- 

rungsmittein . •  •  ;  •  •  *  •  '  *  Hr 

Cloetta,  Ueber  den  Unterricht  in  der  Arzneimittellehre  .  .  2.) 

—  Zur  Kenntnis  der  Salzsäuresekretion.  (Aus  dem  pharma- 

kologischen  Institut  zu  Zürich.) . 

Cohnheim,  Die  Innervation  der  Verdauung  •  •  •  •  -  ■  •  ° 

C  o  s  t  e  Ueber  das  Verhalten  der  Leukocyten  bei  Appendizitis  2038 
Courvoisier,  Ueher  Stenose  bei  Amyloiddegeneration  im 

Kehlkopf.  (Aus  der  Baseler  chirurgischen  Klinik.)  .  .  1-oU 
Cramer,  Ueber  einen  eigentümlichen  Urinbefund  (Emulsions- 

Albuminurie)  bei  Eklampsie  und  Urämie . 

Gramer,  Zur  Diagnose  des  Dickdarmkarzinoms  .  .  •  •  •  yyd 

v.  Criegern,  Ueber  Pleurasynechie  und  verwandte  Zustande, 
vom  Gesichtspunkte  der  diaskopischen  Diagnostik.  (Aus 
der  mediz'n  Universitäts-Poliklinik  zu  Leipzig )  (Illustr.)  54 
Curschmann  jun.,  Ueber  traumatische  Nephritis.  (Aus  der 

Heidelberger  med.  Klinik.) . ■  •  -  •  ■  •  •  .  •  iöb‘ 

C  y  b  u  1  s  ki ,  Subkutane  Injektionen  von  Arsenik  bei  der  Therapie 
der  Phthise.  (Aus  der  Dr.  Brehmerschen  Heilanstalt 

zu  Görbersdorf  i.  Schl.) . 

—  Ueber  eine  eigentümliche  Komplikation  der  Lungen¬ 

blutung.  (Aus  der  Dr.  Brehmerschen  Heilanstalt  in 
Görbersdorf  i.  Schl.)  (Illustr.)  . •  •  1612 

_  Ein  Beitrag  zur  Diagnose  der  Lungenkavernen.  (Aus 

der  Dr.  Brehmerschen  Heilanstalt  zu  Görbersdorf  i.  Schl.)  1839 


Seite 


v.  D  e  c  a  s  t  e  1 1  o  und  S  turl  i,  Ueber  die  Isoagglutinine  im  Serum 
gesunder  und  kranker  Menschen.  (Aus  der  II.  med 

Klinik  in  Wien)  . . •  •  •  •  • 

Decker,  Zur  Diagnose  des  Sanduhrmagens.  (Aus  der  Dr 
Deckersclien  Privatheilanstalt  für  Magen-  und  Darm 

kranke  zu  München.) . 

—  Ueber  Cancroin  „Adamkiewicz“ . 

Die  hl,  Neurasthenische  Krisen 


Tier 


Di  ss  el  hör  st,  Histogenetisches  und  Vergleichendes  über  Ge 

schwülste . - . .  • 

—  Die  Frage  nach  der  Identität  der  Menschen-  und 

tuberkulöse . 

Düllner,  Zur  Therapie  der  Melaena  neonatorum  .  . 
Doepke,  Beitrag  zur  Kenntniss  des  Erregers  der  mensch 
liehen  Aktinomykose.  (Aus  dem  allgemeinen  Kranken 

hause  zu  Bamberg . 

Do  er  fl  er,  Amputation  und  Blutvergiftung  II  ...... 

Dörr,  Ein  experimenteller  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Sinus 
thrombose.  (Aus  dem  pathologischen  Institut  in  München. 

Dreyer,  Primula  obconica  als  Krankheitsursache . 

Drossbach,  Die  Anstellungsverhältnisse  der  k.  b.  Amtsärzte 

—  Zum  Entwurf  der  neuen  Satzung  für  den  deutschen  Aerzte- 

vereinsbund . 

v.  Düring,  Grundsätze  der  Syphilisbehandlung . 


Evelt  500  Chloroformnarkosen  in  der  gynäkologischen  Praxis  1998 
_  ,  ’  .  -i»  r _ T^_  1350 


Everbusch,  Professor  Dr.  Richard  Foerster 


1090 


1524 

2146 

363 

811 

1139 

875 


873 

106 

310 

574 

1542 

1660 

1530 


Eckardt,  Widalsche  Sernmreation  bei  Weilscher  Krankheit. 

(Aus  der  med.  Klinik  zu  Heidelberg.) . 

Edinger,  Zum  80.  Geburtstag  Adolf  Kussmauls  .  .  ...  281 

Edlefsen,  Nierenquetschung  oder  Nierenentzündung.  Ein 
Beitrae  zur  Lehre  von  den  subkutanen  Nierenver¬ 
letzungen  . .  •  •  235 

Ehrlich,  Ausspülungen  des  Magens  mit  Höllensteinlüsung 
—  ein  therapeutisch  und  diagnostisch  wirksames  Chola¬ 
gogum  . .  caa 

Ei clil er,  Aspirationstrachealkatheter . 

Einhorn,  Bericht  über  einen  neuen  Fall  von  syphilitischer 

Magengeschwulst . .  •  -005 

Emmerich,  Kann  in  Inhalatorien  bei  richtigem  Betrieb  eine 
urössere  Menge  der  zerstäubten  Flüssigkeit  in  die  Lunge 
gelangen?  (Aus  dem  hygien.  Institut  in  München.)  .  .  1610 
Enge  T,  Ueber  den  Einfluss  chronischer  Lungentuberkulose 

auf  Psyche  und  Nerven .  1383,  14'_.4 

Erdt,  Unfallverletzung  mit  Todesfolge . 1591 

Esser,  Chronische  Bronchialdrüsenschwellung  und  Lungen¬ 
spitzentuberkulose.  (Aus  der  med.  Lniv. -Klinik  zu  Bonn.) 

(Illustr.) . . .  .  •  3^8 

—  Ueber  Pleuraergüsse  bei  Herzkranken.  (Aus  der  medtzm. 

Klinik  zu  Bonn.) . 1830 


Fackenheim,  Ein  Spekulum  für  den  vorderen  Teil  der 

Harnröhre . .  3b 

Falck,  Ueber  das  Verhalten  einiger  Glukoside,  sowie  über 
die  Entstehung  gepaarter  Glukuronsäuren  im  Tierkörper. 

(Aus  dem  pharmakologischen  Institut  in  Kiel.)  ....  1489 
Feder  sc h m i d t ,  Ueber  einen  Fall  von  Perforationsperitonitis, 

geheilt  durch  Laparotomie . .  •  <4< 

Fels,  Ein  Fall  von  kongenitaler  Cystenniere  mit  pararenalem 

' Ilaematom  bei  einem  Luetiker.  (Illustr.)  ....  1743,  1<9.) 
dh  Fevfer  und  Kays  er,  Eine  Endemie  von  Paratyphus. 

(Aus  der  Privatpraxis  und  dem  Institut  für  Hygiene  und 
Bakteriologie  in  Strassburg  i.  E)  (Mit  Kurven.)  .  1692,  Hol 

Finger,  Moritz  Kaposi  f  •  '  •  ■  •  .*  ,  - 

Fischer,  B  ,  Ueber  den  Wert  der Elastinfärbung  für  die  histo¬ 
logische  Diagnostik.  (Aus  dem  pathol.  Institut  der 

Universität  Bonn.)  (Illustr.) . .  •  •  1785 

—  und  Wagner,  B.,  Ueber  das  Nicolicin,  ein  angebliches 

Heilmittel  des  chronischen  Morphinismus . 2149 

Fischer,  E,  Humor  in  der  Unfallversicherung  .  .  .  ..  .  •  1466 

Fischer,  H.,  Ist  Lungenemphysem  eine  Folge  des  Spielens 

von  Blasinstrumenten? . • .  •  •  * 

Fischer,  H.  W.,  Ueber  Urethritis  gonorrhoica  bei  Kindern 
männlichen  Geschlechts.  (Aus  der  Klinik  für  Derma- 

tologie  und  Syphilis  in  Leipzig.)  .  .  .  .  •  ■  •  •  •  l  < 

Fl  einer,  Die  Behandlung  des  Magengeschwüres  .  913,  960,  LUU8 
Fraenkel,  Peber  Knochenmark  und  Infektionskrankheiten. 
(Aus’dem  pathologisch-anatomischen  Institut  des  allge¬ 
meinen  Krankenhauses  Hamburg-Eppendorf.)  ....  561 

Franke nburger,  Vorschriften  zur  spars.  Aferordn.  f.  Kranken« 

kassen  . 

Frey  tag,  Ueber  Kehlkopftuberkulose  .  .  .  •••••*•  ‘  J?? 
F  rickhing  er,  Die  äussere  Untersuchung  am  Gebärbett  .  .  Ibl4 

Frucht  Soxhlets  Nährzucker.  —  Ein  neues  Kindernährmittel  57 
Fuhrmann,  Beitrag  zur  Gelatinebehandlung  der  Melaena 
neonatorum.  (Aus  dem  Alexandra-Stift  für  Frauen  zu 
St.  Petersburg.) . 4459 


Gal'ewsky  und  Hüben  er,  Zur  Behandlung  der  sogen. 

‘  , plastischen  Induration“  der  Corpora  cavernosa  pems  .  1332 

Galli,”  Ueber  die  Leistungsfähigkeit  des  Herzens.  (Aus  der 

med.  Klinik  in  Rom.) .  953,  1005,  1049 

—  Professor  Edoardo  Porro  t . ;  •  •  3 

G  e  b  e  1  e ,  Ueber  Angiome  und  ihren  Zusammenhang  mit  Kam- 

nomen.  (Aus  der  k.  chirurgischen  Klinik  zu  München.)  13.) 

—  Weitere  Bemerkungen  über  Atropin.  (Aus  der  Chirurg. 

Klinik  München) . 444b 

Gebhardt,  A.,  Ueber  Spirometrie  .  ...........  •  iyM 

v.  Gebhardt  und  v.  Torday,  Ueber  die  Serumdiagnose  der 
Tuberkulose.  (Aus  der  H.  internen  Klinik  der  Kömgl. 

ungarischen  Universität  zu  Ofen-Pest.) . 4474 

Gerl  ach,  Zur  akuten  Formalinvergiftung . •  1MÖ 

G  o  e  b  e  1 ,  W.,  Zur  Serumbehandlung  der  Basedowschen  Krank- 

heit . . 

Göbel,  W,  Schwangerschaft  kompliziert  mit  Portiokarzinom  2U08 

Göbel,  Handapotheken  und  öffentliche  Kassen . 1889 

Goldberg,  Cystoskopische  Erfahrungen  •  •  •  . . 41 

Goldmann,  Ein  Fall  von  zerebraler  Kinderlähmung  . .  .  .3142 
v.  Gosen,  Praktische  Erfahrungen  mit  dem  Röntgeninstru- 

mentarium  „System  Dessauer“,  Aschaffenburg  ....  -j48 
Gossner,  Purpura  haemorrhagica  bei  Genitaltuberkulose  .  4ol 

—  Landry’sche  Paralyse  in  akutester  lorni . .  8 

Gottlieb,  Ein  Vergleich  der  neuen  ärztlichen  Priifungsord- 

nungen  in  Deutschland  und  Oesterreich . 369 

Graden witz,  Ueber  die  Exstirpation  des  puerperalseptischen 

Uterus  .  2139,  zlib 

Graefe,  Zur  Frage  der  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft  1790 
Graeser,  Zur  unblutigen  Phimosen-Dehnung . .  •  lö4^ 

—  Ueber  Seemannsordnung  und  Geschlechtskrankheiten. 

(Aus  dem  deutschen  Krankenhaus  in  Neapel.)  ....  I960 

Gras'sberger  und  Schatten  froh,  Feber  den  Bazillus  des 
‘malignen  Oedems  (Vibrion  septique).  (Aus  dem  hygien. 

Institut  der  Univ.  Wien.) . 40  ( 

Grassl,  Invalidenversicherungsgesetz  und  Arzt.  Bemerkungen 

zu  dem  Artikel  von  Prof.  Fr.  Martins  in  Nr.  4  cF  W  .  2»l 

Grassmann,  Ueber  neuere  klinische  Gesichtspunkte  in  der 

Lehre  von  der  Arteriosklerose . ;  •  3 

—  Tödliche  Blutung  in  der  Bursa  omentalis,  unter  dem 
Bilde  des  akuten  Darm  Verschlusses  verlaufend.  (Illustr.)  13 

Groth,  Ueber  einen  Fall  von  eigenartiger  Stenosenbiildung  • 
im  Dünndarm . 


1902. 


INHALTS-VERZ  E IC  MN  I S. 


Y 


Grün  er  t,  Ueber  die  neuen  Angriffe  gegen  die  Parazentese 
des  Trommelfelles  bei  der  Therapie  der  akuten  Otitiden. 
(Aus  der  kgl.  Univ.-Ohrenklinik  zu  Halle  a.  S.)  .  . 


Guleke,  Zur  Aetiologie  der 


Seite 


1796 


Narkolepsie . 1621 


Hager,  Zur  spezifischen  Behandlung  der  Tuberkulose  .  1173,  1225 
Hahn  M.  und’Tr oms dorff,  Zur  hämolytischen  Wirkung  des 
normalen  Menschenserums.  (Aus  dem  hygienischen  In¬ 
stitut  der  Universität  München.)  . 1454 

II  a  h  n  F.,  Aneurysma  varicosum  eines  Saphenaastes  als  Schenkel- 

bruch  fehldiagnostiziert.  (Illustr.) . lf>38 

H  a  h  n  W.,  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Blasenerkrankungen 
und  Myomen  mit  Rücksicht  auf  die  Prognose  derselben. 

(Aus  der  lc.  Krankenanstalt  „Rudolfstiftung“  in  Wien.)  1645 
Halban  und  Landsteiner,  Ueber  Unterschiede  des  fötalen 
und  mütterlichen  Blutserums  und  über  eine  agglutina- 
tions-  und  fällungshemmende  Wirkung  des  Normal¬ 
serums.  (Aus  der  I.  Universitäts-Frauenklinik  und  dem 
pathologisch-anatomischen  Institute  in  Wien,)  ....  473 
Hamm,  Die  Behandlung  des  chronischen  trockenen  Mittel- 


durch 


Sitzungen 


in  der  pneumatischen 


186 


2003 

1943 

1883 

1352 


ohrkatarrhs 
Kammer  . 

Hammer,  Die  Heilstättenbehandlung  der  Tuberkulose.  (Aus 

der  medizinischen  Poliklinik  in  Heidelberg  ) . 1081 

Hand  wer  ck,  Ueber  die  Bestimmung  des  Herzumrisses  (nach 
Moritz)  und  deren  Bedeutung  für  den  praktischen  Arzt. 

(Illustr.) . 230 

Hartmann,  Zum  Abschluss  der  Neuorganisation  des  Deut¬ 
schen  Aerztevereinsbundes . 1427 

Hausmann,  Franz  v.  Tappeiner  f . 1657 

Heckei,  Nochmals  das  Versicherungswesen  der  deutschen 

Aerzte! . .  .  . .  29 

Hecker,  Die  sogenannte  Abhärtung  der  Kinder . 1908 

Hegar.  Operation  der  Fibromyome  des  Uterus . 1946 

Heiden liain,  Die  Anilinfarben  als  Eiweissfällungsmittel. 

(Aus  dem  anatomischen  Institut  der  Universität  Tü¬ 
bingen.)  . . 437 

Heinrich  E.,  Untersuchungen  über  den  Umfang  der  Eiweiss- 
verdauuug  im  Magen  des  Menschen,  auch  bei  gleich¬ 
zeitiger  Darreichung  von  Kohlehydraten.  (Aus  dem 
Laboratorium  des  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Johannes 

Müller  in  Würzburg.) . .  . 

Heinrich  S.,  Zur  Buchführung  des  praktischen  Arztes  .  .  . 
Heil,  Zur  Vermeidung  der  Hämatombildung  nach  Küstners 

suprasymphärem  Kreuzschnitt . 

Heissler,  Die  Anstellungsverhältnisse  der  k.  b.  Amtsärzte  . 
Heller,  Kleine  Beiträge  zur  Tuberkulose-Frage.  (Aus  dem 

pathologischen  Institute  zu  Kiel.)  (Illustr.) . 609 

Hennig,  Die  Myxome  der  Ovarien . 1223 

Hermann,  Ueber  das  Vorkommen  von  Fremdkörpern  im 

Uterus . 790 

Herz,  Der  Bau  des  Negerfusses.  (Illustr.) . 1416 

Hess,  Ueber  das  Wesen  des  Diabetes.  (Aus  der  medizinischen 

Klinik  zu  Marburg.)  .  . . 1449 

He  übel,  Zur  Aetiologie  des  Ekzems . 1302 

Hey  mann,  Das  ärztliche  Unterstützungswesen  und  das  Be¬ 
steuerungsverfahren  der  Aerztekammern  in  Preussen  . 

Hildebrandt,  Thomas-Pessar . 

Hirne,  Die  Auswüchse  des  Krankenkassenwesens  in  England 
Plirt,  Ueber  nervöse  Irridationen  im  Gebiete  der  Harnorgane 
Hoeflmayr,  Teilweise  und  veränderte  Arbeitsfähigkeit  .  . 
Hoenigsberger,  Bericht  über  das  Konzentrationslager 

Merebank  (Natal) . . . .  .  1507 

Hösslin  K.,  Ueber  ein  neues  Abführmittel  „Purgatin“. 

(Aus  der  I.  medizinischen  Abteilung  des  allgemeinen 

Krankenhauses  Nürnberg.) . 1337 

Plösslin  H.,  Das  Isodynamiegesetz . 795 

Ho  esslin  R.,  Varicellen  mit  abnormer  Entwicklung  des 

Exanthems.  •(Illustr.) . 704 

—  Aichung  ärztlicher  Messapparate . 1511 

—  Zum  Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und 

Unfallskranken.  (Illustr.) . 1521 

—  Ueber  Spirometrie.  (Illustr.) . 1952 

Hoffa,  Julius  Wolff  f . 532 

Hoffma  nn  A.,  Zur  Geschichte  der  Versammlungen  mittel¬ 
rheinischer  Aerzte . 1842 

Hoff  mann  F.  A.,  Ueber  hypophrenische  Schmerzen  und 

Neurose  des  Plexus  coeliacus . 265 

Hof  mann,  Zur  Frage  der  Blasennaht  nach  Sectio  alta  .  .  1794 
Hofmeier,  Zur  Verhütung  des  Kindbettfiebers.  VI.  Beitrag. 

(Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Würzburg.)  .  737,  793 

Hohlfeld,  Zur  tuberkulösen  Lungenphthise  im  Säuglingsalter. 

(Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  und  Poliklinik  in 

Leipzig.) . 1955 

Ho  11  Schmidt,  Die  subkutane  Gelatineinjektion  bei  Melaena 

neonatorum.  (Aus  der  k.  Frauenklinik  zu  Dresden.)  .  13 


1394 

1823 

1583 

1649 

1465 


v. 


V. 

V. 


Seite 

Hopf,  Ein  Beitrag  zur  Bekämpfung  der  sexuellen  Krankheiten: 

Das  belgische  Merkblatt  für  Geschlechtskrankheiten  .  1509 
Hoppe,  Ueber  Roborat  und  andere  Eiweisspräparate  in  ihrer 


Verwendung  bei  der  Krankenernährung.  (Aus  derLandes- 

Heil-  und  Pflegeanstalt  Uelitspringe.) . 479 

—  Die  Anwendung  des  Dormiols  bei  Epileptikern.  (Aus  der 

Landes-Heil-  und  Pfiegeanstalt  Uelitspringe  ,) . 701 

Hüls,  Zur  Frage  der  Uebertragung  der  Rindertuberkulose  auf 

den  Menschen . 1003 

Hueppe,  Hans  Büchner  f . 844 

In  memoriam  Rudolfi  Virchow . 1521 

Jacobitz,  Ueber  Stickstoff  sammelnde  Bakterien  und  ihre  Be¬ 
deutung  für  die  Landwirtschaft . 1504 

Jacobsohn,  Ein  Trichterreagensglas  . . 1205 


Jaquet,  Zur  Technik  der  graphischen  Pulsregistrirung.  (Aus 

der  medizinischen  Klinik  zu  Basel.)  (Illustr.)  ....  62 

Jesionek,  Die  baulichen  Veränderungen  auf  der  Abteilung 
für  geschleclitskranke  Frauen  im  städt.  Krankenhause 
München  1.  d.  I.  Ein  Beitrag  zum  Studium  der  Prosti¬ 


tutionsfrage.  (Aus  der  k.  dermatologischen  Klinik  des 
Plerrn  Prof.  Dr.  Posselt  zu  München.) .  828,  878 

—  Die  Modifikation  der  subkutanen  Arseniktherapie  nach 
Ziemssen-Speth,  (Aus  derk. dermatologischen  Klinik 

des  Herrn  Prof.  Dr.  Posselt  zu  München.) . 1254 

Jessen,  Zur  Kenntnis  der  Starkstromverletzungen.  (Aus  dem 

Vereinshospital  in  Plamburg.) . • . 182 

Jodlbauer,  Kann  man  eine  Jodwirkung  bei  Arteriosklerose 

pharmakologisch  begründen? . 653 

J o  1 1  es ,  Eine  einfache  Methode  zur  quantitativen  Bestimmung 
der  Eiweisskörper  im  Blute  für  klinische  Zwecke.  (Aus 
dem  chemisch-mikroskopischen  Laboratorium  von  Dr.  M. 

und  Dr.  Ad.  Jolles  in  Wien.)  (Illustr.) . 1575 

Jorns,  Akute  Herzinsuffizienz  als  Unfallfolge . 926 

Kaes,  Neue  Beobachtungen  bei  der  Weigertfärbung.  (Illustr.)  919 
Kafemann,  Ueber  rhino  -  pharyngologische  Unterrichts¬ 
methoden  . 1842 

Kamann,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Eklampsie.  (Aus  der 

k.  Universitäts-Frauenklinik  zu  München.) . 831 

Kaposi,  Ein  Fall  von  komplizierter  Schädel  Verletzung  mit 
Aphasie.  Deckung  des  Defektes  durch  Knochenplastik. 

(Aus  der  Heidelberger  Chirurg.  Klinik.)  (Illustr.)  .  .  .  316 

Karfunkel,  Ueber  orthodiagraphische  Untersuchungen  am 
Herzen.  (Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  des  Herrn 

Prof.  Moritz  in  No.  1  dieser  Wochenschrift.) . 193 

Katzenstein,  Erfahrungen  über  Hetolbehandlung  in  der 

allgemeinen  ärztlichen  Praxis . 1390 

—  Ein  Fall  von  Morphiumvergiftung  im  frühesten  Kindes¬ 
alter  . 1840 


Kehr,  Eine  seltene  Anomalie  der  Gallengänge.  (Illustr.)  .  .  229 

—  Ein  Rückblick  auf  720  Gallensteinlaparotomien,  unter 
besonderer  Berücksichtigung  von  90  Hepatikusdrainagen 

1689,  1749,  1800 

Keiler,  Perityphlitis  und  Gravidität . 748 

Kelling,  Ueber  Oesophagoskopie,  Gastroskopie  und  Kölio- 

skopie .  21 

Kerschen steiner,  Bericht  über  das  Ambulatorium  für 
innere  Krankheiten  des  medizinisch-klinischen  Institutes 

(Geh.  Rat  von  Ziemssen)  im  Jahre  1901 . 110 

Kill i an,  Akuter  Verschluss  der  Speiseröhre  bei  einem  5 jäh¬ 
rigen  Kinde . 1578 

Klaussner,  Bericht  über  die  k.  chirurgische  Universitäts- 

Poliklinik  zu  München  im  Jahre  190 1  192 

Klein,  Zur  Geschichte  der  Extraktion  und  Expression  des 

nachfolgenden  Kopfes.  (Illustr.) . 1307 

Kober,  Zur  Frage  der  Uterusruptur  in  frühen  Monaten  der 
Schwangerschaft.  (Aus  der  gynäkolog  Abteilung  des 
Krankenhauses  der  Elisabethinerinnen  in  Breslau.  (Illustr.)  1499 
Kobert,  Ueber  die  Schwierigkeiten  bei  der  Auswahl  der 
Kranken  für  die  Lungenheilstätten  und  über  den  Modus 


der  Aufnahme  in  dieselben . 1385 

Köbner  Adolf  Jarisch  f . 709 

Körner,  Soziale  Gesetzgebung  und  Ohrenheilkunde.  (Mit 

einer  Kurve.) . 1305 


Köster,  Eine  bisher  noch  nicht  beschriebene  Lokalisation 
der  Bleilähmung.  (Aus  der  medizinischen  Universitäts- 

Poliklinik  zu  Leipzig.  (Illustr.) .  601,  661 

Köster  G,  Ueber  die  ätiologischen  Beziehungen  der  Chorea 
minor  zu  den  Infektionskrankheiten,  insbesondere  zur 

rheumatischen  Infektion . 1338 

K ö v e s i  und  Rötli -  Schulz,  Bemerk ungen  zum  Arti ke  1 
„Untersuchungen  über  Physiologie  und  Pathologie  der 
Ureteren-  und  Nierenfunktion  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  verdünnenden  Nierentätigkeit  nach 
Flüssigkeitszufuhr“ . 1350 


VI 


1902. 


INH  A  LT  S-VERZ  EICHN  IS. 


Seite 


Seite 

Kohn,  Zum  70.  Geburtstag  Ernst  v.  Leydens . 063 

Kollmann,  Zur  Pathogenese  des  akuten  Gelenkrheumatismus  1098 
Korff,  Morphin-Scopolamin- Narkose.  (Aus  der  Klinik  des 
Geh.  Hofrats  Dr.  Schinzinger  im  St.  Josefs-Kranken- 

liause  zu  Freibur«;  i.  Br.) .  1133,  1408 

Kossmann,  Ueber  Indikation  und  Recht  zur  Tötung  des 

Fötus . 390 

—  Wann  lebte  Aretaeus  von  Cappadocien? . 1265 

Kraepelin,  Die  Diagnose  der  Neurasthenie  . 1641 

Kraft,  Friedrich  Leopold  Goltz  (Nekrolog.)  . 965 

Krause ,  Ueber  einen  Fall  von  Impftuberkulose  eines  Schlacht¬ 
hausarbeiters  durch  tuberkulöse  Organe  eines  Rindes. 

(Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Breslau) . 1035 

Kr  ecke,  Ueber  die  Ziele  des  Leipziger  Verbandes . 797 

Krönig,  Zur  Frage  der  Selbstinfektion  in  der  Geburtshilfe  .  1100 

—  Geburtsleitung  beim  engen  Becken  ........  1333 

Krukenberg,  Ueber  die  Behandlung  des  Erysipels  im  „roten 

Zimmer“.  (Aus  dem  städt.  Krankenhaus  zu  Liegnitz.)  .  528 

Kühn,  Zur  diagnostischen  Bedeutung  der  Leukocytenwerte 
bei  Typhus  abdominalis  und  bei  Chirurg.  Eiterungen. 

(Aus  der  med.  Univ.-Klinik  zu  Rostock.)  ....  2033,  2085 
Kuhn  F  ,  Die  pernasale Tubage.  (Aus  dem  Elisabeth-Kranken¬ 
haus  zu*  Kassel.)  .  .  • . 1456 

—  Zur  Extension.  (Aus  dem  Elisabeth-Krankenhaus  zu 

Kassel.)  (Ulustr.) .  . 1701 

K u h  n  Ph  ,  Ueber  einen  Zusammenhang  von  Diabet  -s  insipidus 
und  mellitus  (Aus  dem  Krankenhaus  der  jüdischen 

Gemeinde  in  Berlin.) . 103 

Kunkel,  Ueber  die  Stellung  der  Homöopathie  zur  heutigen 

Schulmedizin . 481 

K  nutzen,  Ueber  die  Versicherungskasse  für  die  Aerzte 

Deutschlands  (früher  Zentral-Hiifs-Kasse) . 1052 

Kurrer,  Selbsttätiger  Aetherflaschenverschluss  für  die  Nar¬ 
kose  (Ulustr.) .  2002 

Kustermann,  Ein  neues  Instrumentarium  für  Morphium- 

und  Kampher-Injektionen.  (Ulustr . 972 


Lacht  in,  Zur  Geschichte  der  Therapie  im  X  VH.  Jahrhundert 

in  Russland . 1659 

Länderer,  Die  operative  Behandlung  der  Lungentuberkulose  1948 
Lan  dgraf ,  Vorschlag  zum  bequemen  Aufblasen  der  Luftkissen  1417 
Landsteinor,  Ueber  Serumagglutinine.  (Aus  dem  pathol.- 

anatom.  Universitäts-Institut  in  Wien  ) . 1905 

Lange,  Weitere  Erfahrungen  über  seidene  Sehnen.  (Ulustr.)  10 

—  Ueber  ungenügende  Muskelspannung  und  ihre  operative 

Behandlung.  (Ulustr.)  . 525 

Langstein,  Die  Kohlehydrate"  der  Ei  weisskörper  des  Blut¬ 
serums  . 1876 

—  und  Neubauer,  Ueber  die  Autolyse  des  puerperalen 
Uterus.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Basel.)  .  .  1249 

Lanz,  Weg  mit  der  Taxis! . 177 

Lauen  stein,  Zur  Frage  der  Händedesinfektion . 1251 

Lee  hier,  Arzt  und  Krankenkasse .  882,  929,  963 

Lehmann,  Ueber  Adrenalin.  (Tierversuche.) . 2048 

Lehmann,  Erfahrungen  und  Gedanken  über  die  Anlage  von 

hygienischen  Sammlungen . 452  j 

Leusser,  Ueber  Wanderherz  . 1095 

L  e  vi ,  Lieber  Zehenreflexe.  (Aus  dem  Bürgerhospital  in  Stutt¬ 
gart.)  . 870 

Levy-Dorn,  Entgegnung  zu  dem  Aufsatz  des  Herrn 
Prof.  Moritz :  „Ueber  orthodiagraphische  Untersuchungen 

am  Herzen“ . 176 

Lichtwitz  jun.,  Ueber  einen  Fall  von  angeborenem  Diabetes 
insipidus  kompiniert  mit  nach  Insolation  hinzugetretener 

Epilepsie . 1887 

Linder,  Ueber  „nasale  Dysmenorrhoe“.  (Aus  der  k.  n.  gynä¬ 
kologischen  Klinik  zu  München.) . 922 

Loewenfeld,  Ueber  Narkolepsie . •  .  .  .  1Ö41 

Institute  für  elektro  magnetische  Therapie  .  .  .  1080,  1288 
Lommel,  Eine  Fehldiagnose  auf  Grund  der  Gruber-Widal- 
schen  Reaktion  (bei  Puperpuralfieber).  (Aus  der  med. 

Klinik  in  Jena.) . 314 

Lucae,  Zur  Vibrationsmassage  des  Gehörorgans  .....  483 
Lüth  je,  Zum  Schwinden  der  Patellarreflexe  bei  Pneumonie  1349 

—  Zur  Frage  der  Zuckerbildung  im  tierischen  Organismus. 

(Aus  der  med.  Klinik  zu  Greifswald.)  . 1601 


Magen  au,  Lungenödem  und  fibrinöse  Bronchitis  nach  Thora- 

kozentese.  (Aus  der  med.  Klink  in  Tübingen.)  ....  1697 
Magnus,  Der  operative  Ersatz  des  gelähmten  Quadriceps  fe- 
moris.  (Aus  der  orthopäd.  Heilanstalt  des  Dr.  A.  Schanz 

in  Dresden.) . 1704 

Mainzer,  Ueber  indirekte  Sehnenüberpflanzung  nebst  Bemer¬ 
kungen  über  die  physiologische  Grundlage  der  Sehnen¬ 
überpflanzungen  .  869  j 


Manasse,  Zwei  Fälle  von  isolierter  rheumatischer  Erkran¬ 
kung  der  Kiefergelenke  .  . 839 

Martin,  Statistische  Untersuchung  über  die  Folgen  infantiler 
Lues  (acquiriei'ter  und  hereditärer.)  (Aus  d.  med.  Klinik 

und  Poliklinik  zu  Jena.) . 1037 

Martins,  Invalidenversicherungsgesetz  und  Arzt . 144 

—  Erinnerungen  an  Karl  Gerhardt . 1581 

Marx,  Die  Bedeutung  des  Chinins  für  die  Wundbehandlung  660 
Matthe s,  Experimenteller  Beitrag  zur  Frage  der  Hämolyse. 

(Aus  der  med.  Poliklinik  zu  Jena.) . ..  .  8 

—  Statistische  Untersuchungen  über  die  Folgen  der  Lues. 

(Aus  der  med  Klinik  u.  Poliklinik  zu  Jena.)  (Mit  Kur¬ 
ven  ) .  220,  275 

—  Weitere  Beobachtungen  über  den  Austritt  des  Hämo¬ 

globins  aus  sublimatgehärteten  Blutkörperchen.  (Aus  der 
med.  Universitätsklinik  zu  Jena.)  (Ulustr.) . 698 

Mayer  G.,  Bilder  aus  China .  1734,  1782,  1822,  1869 

Mayer  DL,  Erfahrungen  über  d.  Anwendung  von  Terpentinöl 

und  verwandten  Mitteln  bei  Blinddarmentzündung  .  .  1342 
Mayer  W.,  Die  Errichtung  eines  Lehrstuhles  für  Homäopathie 


in  Bayern . 2152 

Meinel,  Ein  Fall  von  Karzinom  des  Magens  mit  starker  Ent¬ 
wickelung  des  elastischen  Gewebes  und  über  das  Vei-- 
halten  dieses  Gewebes  im  Magen  bei  verschiedenem 

Alter.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Genf.) . 359 

Meissen,  Zur  Heilstatten-Behandlung  der  Tuberkulose  .  .  1388 

Mendel,  Thymusdrüse  und  Rhachitis . 134 

Merkel  F.,  Ueber  Thigenol  in  der  Gynäkologie .  2030 

Merkel  S.,  Weitere  .Mitteilungen  über  das  Aspirin  ....  357 
Metzger,  Zur  Lehre  von  Nebennierendiabetes.  (Aus  d.  med. 

Laboratorium  des  Herrn  Dr.  F.  Blum  zu  Frankfurt  a.  M.)  478 

Melzner,  Transportables  Röntgen-Universalinstrumentarium 

für  den  Gebrauch  des  praktischen  Arztes.  (Ulustr.)  .  .  1004 

Meyer  A.,  Rückläufiger  Radialpuls . 660 

Meyer  E. ,  Glvkosurie  und  Tabes.  (Aus  dem  Allgemeinen 

Krankenhause  Hamburg-Eppendorf.) . 1537 

Michaelis,  Ueber  Mastzellen.  (Aus  dem  städtischen  Kranken¬ 
hause  Berlin.) . 225 

Miller,  Ueber  die  Mitwirkung  der  Aerzte  bei  Betätigung 

der  sozialen  Rechtspflege .  278 

Mir  coli,  Ueber  die  Sero- Antitoxicität  des  Alkohols  bei  der 
Tuberkulose  und  über  die  eventuelle  Anwendung  des 
Alkohols  in  der  Therapie  der  Tuberkulose.  (Aus  d.  med. 

Klinik  der  kgl.  Universität  in  Genua) . 353 

Model,  Medizinisch-botanische  Streifzüge.  III.  Menabea  vene- 

nata  (Baill.)  rediviva.  (Ulustr.)  .  .  .  . . 1303 

Morgenrotli,  Ueber  die  Erzeugung  hämolytischer  Ambocep- 
toren  durch  Seruminjektion.  (Aus  dem  kgl.  Institut  für 
exp.  Therapie  in  Frankfurt  a.  M.) . 1033 


Moos,  Ein  Fall  von  Lobärpneumonie  mit  konsekutivem  Pem¬ 
phigus  acutus  bei  einem  272  jährigen  Kinde.  (Mit  Kurve  )  1886 
Moritz,  Ueber  orthodiagraphische  Untersuchungen  am  Herzen. 

(Aus  d.  med.  Universitätspoliklinik  zu  München  )  (Ulustr )  1 

—  Bemerkung  zur  „Erwiderung“  des  Herrn  Dr.  Karfunkel 

hiezu  . 193 

—  Hugo  v.  Ziemssen  f . 238 

—  Bericht  über  die  medizinische  Poliklinik  in  München  im 

Jahre  1901  .  451 

—  Studium  und  Beruf  des  Arztes.  Ansprache  an  die  Studie¬ 

renden  bei  Uebernahme  der  medizinischen  Klinik  in 
Greifswald . 1147 

—  Ueber  den  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisskörper  in 

Exsudaten .  .  1748 

Moser,  Ueber  parenchymatöse  Magenblutungen.  (Aus  der 

Rostocker  Chirurg.  Klinik.)  . . 1832 

Müller  Tli.,  Vergleichende  Studien  über  die  Gerinnung  des 
Caseins  durch  Lab  und  Laktoserum,  (Aus  dem  hygien. 
Institut  der  Universität  Graz ) . .  .  272 

—  Ueber  d.  Erzeugung  hämolytischer  Amboceptoren  durch 

Seruminjektion.  (Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Uni¬ 
versität  Graz.) . 1330 

Müller  Fr.,  Die  Mitwirkung  der 7 Aerzte  bei  Betätigung  der 

sozialen  Rechtspflege .  748 

Müller  W.,  Arzt  und  Unfallgesetz . • . 1462 

Müller  L.  R  ,  Bericht  über  eine  Wiederkäuerfamilie.  (Aus  der 

med.  Klinik  in  Erlangen.)  (Ulustr) . 1293 

—  Nachschrift  zu  dem  „Bericht  über  die  Wiederkäuer¬ 
familie“  in  No  31  der  Wochenschrift . 1503 

Naab,  Reflexkrämpfe  bei  Ascaris  lumbricoides . 792 

Naumann,  Ueber  Kehlkopftuberkulose . 1146 

Nebelthau,  Experimenteller  Beitrag  zur  Lehre  von  d.  Zucker¬ 
bildung  im  diabetischen  Organismus.  (Aus  der  medizin. 

Poliklinik  zu  Halle  a.  S.) . 917 

Neuberger,  Aus  den  preussischen  Aerztekammern  ....  1267 
Neugebauer,  Rückeninarksanalgesie  und  die  Verteilung  der 

Sensibilität  nach  Marksegmenten.  (Ulustr.) . 741 


1902. 


INHALT  S-VERZEICH  NIS. 


VII 


Seite 


Niedner,  Zum  Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und 
Unfallskranken.  Bemerkungen  zu  dem  Artikel  von  Hof¬ 
rat  Hr  E  v.  Hoesslin  in  No.  37  der  Wochenschrift  .  1705 

~  Zum  Nachweis  der  Simulation  bei  Hysterischen  und 
Unfallskranken  . 


Nusch, 


1888 


Agurin,  ein  neues  Diuretikum .  2145 


1462 

1653 


Oberndorfer,  Pesterkrankungen  auf  einem  deutsch.  Dampfer  360 
Ochsn  er ,  Vermeidbare  Appendizitätskomplikationen  .  .  .  .  3ü6 

kipp,  Eiserner  Eing  über  den  Penis  geschoben . 1079 

Oppe,  Die  Pocken  in  London  und  die  englische  Impfgesetz¬ 
gebung  .  ...  1103 

Oilipski,  Beitrag  zur  unblutigen  Phimosenbehandlung 
PW  I'äll  von  habitueller  Urtikaria  gonorrhoica 
Oswald,  Zur  Gelatinebehandlung  bei  Melaena  neonatorum.’ 

(Aus  dem  Frauenspital  Basel-Stadt.) . I960 

Ostermaier,  Zur  Darmwirkung  des  Atropins  ....  1496  1888 
Ostmann,  Die  Bedeutung  der  tuberkulösen  Belastung  für  die 
Entstehung  von  Ohrenkrankheiten  b.  Kindern.  (Aus  der 
Universitäts-Poliklinik  für  Ohrenkranke  in  Marburg.)  .  1209 
Ueber  die  Beziehungen  von  Körperbewegungen,  Körper¬ 
wärme  und  Albumosurie  zu  einander  und  zum  Fieber 
im  Verlauf  der  Phthise .  1580 


Ott 


Pässler,  Ueber  einige  seltenere  Fälle  von  Migräne.  (Aus  der 

med.  Klinik  in  Leipzig)  . . .  1087 

und  Eolly,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
Natur  der  Kreislaufstörung  im  Kollaps  bei  akuten  In- 
fektionskran kheiten .  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Leipzig.)  1737 
Pal,  Zur  Erklärung  der  Darmwirkung  des  Atropins  mit  Rück¬ 
sicht  auf  dessen  Anwendung  beim  Ileus . 1954 

Pekelharing,  Barend  Joseph  Stokvis  f . ’  *  1920 

Perthes,  Erfahrungen  in  der  ärztlichen  Praxis  bei  Chinesen  1968 
P  e  r  u  t  z ,  Ein  Beitrag  zur  Behandlung  schwerer  Anämien  gastro¬ 
intestinalen  Ursprungs.  (Aus  dem  St.  .Toseplishaus  in 
Heidelberg.) .  94 

v.  Pessl,  Ueber  ausgedehnte  Verkalkung  der  Wandung  eines 
partiellen  Herzaneurysmas.  (Aus  dem  pathologischen  In¬ 
stitut  zu  München.) . yr,g 

Peters  A.,  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Unfall-  und 

Invalidenversicherung . 1187 

Peters  H.,  Die  Sammlung  für  Geschichte  der  Heilkunst  im 

Germanischen  Nationalmuseum . 970 

Pfaundler,  Ueber  das  Schwinden  des  Patellarselinen -Reflexes 
als  ein  noch  unbeachtetes  Krankheitszeichen  bei  genu¬ 
iner,  kruppöser  Pneumonie  im  Kindesalter.  (Aus  der 

Universitäts-Kinderklinik  in  Graz.) . 1211 

Pfeiffer  E.,  Ueber  eine  schnelle  Methode  zur  Prüfung  der 
Lichtstärke  auf  den  Arbeitsplätzen  in  Schulen,  Bureaux 

und  Werkstätten.  (Illustr.) . 926 

Pfeiffer  H.,  Ein  Eiesenlipom.  (Illustr.) . 1502 

Philippi,  Ein  Eall  von  kruppöser  Pneumonie  und  Sepsis, 
hervorgerufen  durch  den  Pneumobazillus  Friedländer. 

(Aus  dem  Allgem.  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf.)  1884 
Piffl,  Zur  Arbeit  Grunerts:  „Ueber  die  neuen  Angriffe  gegen 
die  Parazentese  des  Trommelfells  bei  der  Therapie  der 
akuten  Otitiden“  in  No.  43,  Jahrg.  49  dieser  Wochenschrift  2083 
Piltz,  Ein  Fall  von  doppelseitigem  paranephritischen  Abszess  1654 
Pie  sch,  Ueber  ein  verbessertes  Verfahren  der  Perkussion. 

(Illustr.) . 62o 

P 1  a  c  z  e  k ,  Eine  neue  Lungenprobe.  (Aus  der  Unterrichtsanstalt 

für  Staatsarzneikunde  zu  Berlin.)  (Illustr.)  ....  266,  392 
Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  hiezu  von  Dr.  E.  Aron 
(Berlin)  in  No.  13  der  Münchner  medizinischen  Wochen¬ 
schrift  . 663 

Bemerkung  zu  Dr.  Büdingen  :  ,,Der  Thoraxdruckmesser 

und  eine  neue  Lungenprobe“ . 1147 

Port,  Ueber  die  Ausgleichung  von  Knochendefoimitäten. 

(Illustr.)  .  .  .  .  2006 

Preu  ss.  Die  strafrechtliche  Verantwortlichkeit  des  Arztes  im 

Altertum  .  .  .  • . 489 

Pröscher,  Ueber  eiweisefreies  Diphtherie antitoxin  ....  1176 

Qurin,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Lungenphthise  im  Säuglings¬ 
alter  (mit  Kasuistik).  (Aus  der  k.  Universitätspoliklinik 
Tübingen.)  (ME  1  Kurve) . 223 

v.  Rad,  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  des  akuten  umschriebenen 
Oedems.  (Epileptische  Insulte  im  Verlaufe  des  Hydrops 

hypostrophus) . . . 318 

Raff,  Zur  Kenntnis  der  senilen  Angiome  („Kapillar- Varicen“) 

der  Haut . 747 

Rahn,  Eine  neue  Verwendung  des  Troikarts . I486 


Rank,  Ueber  einen  Fall  von  gallenfarbstoffhaltigem  nleuriti- 
schen  Exsudat  .  , 


R  i  e  g  n  e  r 


Ranke,  Der  Nahrungsbedarf  im  Ilochgebirgswinter 
v.  Ranke,  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Behandlung  des  noma¬ 
tosen  Brandes  durch  Exzision  des  erkrankten  Gewebes 
(Illustr.) . 

Rapp,  Die  Dauerhefepräparate  des  liandels.  (Aus  dem  Labo¬ 
ratorium  der  Krankenhausapotheke  München  r/I. ) 

Re  ach,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Stoffwechsels  bei  Gicht 
(Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Basel.)  . 

Reiche,  Die  Dauererfolge  der  Heilstättenbehandlung  Lungen¬ 
schwindsüchtiger.  (Aus  der  Heilfürsorge  der  Landesver¬ 
sicherungsanstalt  der  Eiansestädte.)  .  . 

Reiner,  Ueber  ein  Operationsverfahren  zur  Beseitigung  hoch¬ 
gradiger  Unterschenkelverkrümmungen.  (Aus  dem  Univ  - 
Ambulatorium  für  orthopädische  Chirurgie  in  Wien ) 
(Illustr.) . 

Reitzenstein,  Sind  die  im  relativ  frühen  Alter  und  in  ver¬ 
hältnismässig  grosser  Zahl  auflretenden  Angiome  der 
Haut  für  die  Diagnose  des  Karzinoms  zu  verwerten? 
Revenstorf,  Ueber  den  Wert  der  Kryoskopie  zur  Diagnose 
des  Todes  durch  Ertrinken.  (Aus  dem  anatom.  Inslitut 
des  Hafenkrankenhauses  in  Hamburg.) 

Ri  eck,  Zur  Behandlung  der  Extrauterinschwangerschaft. 
Rieder,  Nochmals  die  bakterientötende  Wirkung  der  Röntgen- 
strahlen.  (Aus  dem  Röntgenlaboratorium  des  Kranken¬ 
hauses  München  1.  d.  I.  (Illustr.) 

Riedinger,  Ueber  willkürliche  Verrenkung  des  Oberarmes' 
(Illustr.) . 

Ueber  eine  Haltungsanomalie  bei  Hysterie.  (Illustr.) 

1  er,  Einige  Bemerkungen  über  die  Behandlung  tuber¬ 
kulöser  Erkrankungen  mit  zimmtsaurem  Natron  nach 
Länderer.  (Aus  der  k.  med.  Poliklinik  der  Universität 
München.) . 

Rode  r,  Mesotan,  ein  üusserlictmanzuwendendes  Salizylpräparat 
toemisch,  1  urpura  haemorrhagica  bei  Lungentuberkulose 

—  Ueber  Erfolge  mit  Tuberkulinbehandlung,  nach  Goetsch- 

schem  V erfahren .  1913 

Rom  b erg ,  Weitere  Mitteilungen  zur  Serumdiagnose  der  Tuber- 
kulose.  (Aus  der  med.  Universitäts-Poliklinik  in  Marburg) 
Koos,  Klinische  Erfahrungen  mit  Jodothyrin.  (Aus  der  med. 
Poliklinik  in  Freiburg  i.  B.) 

Roscher,  Ueber  intraokuläre  Galvanokaustik.'  (Aus  der 
Breslauer  Klinik  des  schlesischen  Vereins  zur  Heiluno- 

armer  Augenkranker.) . 

R  osen  bach,  Leber  die  Auskultation  des  Respirationsapparates 
nebst  Bemerkungen  zur  Pathologie  der  Lungenphthise  . 
Du*  Bedeutung  kleinerer  Schwankungen  des  atmo- 
sphärischen  Druckes  für  den  menschlichen  Organismus 
Kose  n  b  a  11  m ,  Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  der  Angiome 
der  Haut.  (Aus  der  kgl.  medizinischen  Universitäts- 

Poliklinik  in  München.) . 

Rosenfeld,  Die  Biologie  des  Fettes 

R  os  t  o  ski,  Ueber  den  Wert  der  Präzipitine  als  Unterscheidungs¬ 
mittel  für  Eiweisskörper.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 
zu  Wüizburg.)  .  . 

Rubner,  Das  Isodynamiegesetz . 

-  Bemerkung  zur  Notiz  des  Herrn  v.  Hösslin :  Das 

Isodynamiegesetz“ . 

Rudolph,  Kombinierte  Behandlung  der  Lungentuberkulose 

mit  Kalk  und  Tuberkulin . 

Rti  hl  Ueber  steile  Becken-Tiefiagerung  bei  Operationen  an 

den  Gallengängen . 

Rul  1  mann,  Ueber  eine  aus  Sputum  isolierte  pathogene  Strepto- 
thrix.  (Aus  dem  Hygien.  Institut  der  Univ.  München  ) 
(Illustr.) . . 


Seite 

1620 

787 


1789 

1494 

1215 


1369 


2043 

413 


1880 

1296 


402 

410 

571 


1916 

‘2077 

66 

1970 

S9 

1607 

481 

131 

7C0 


658 

17 


740 

232 

797 

2008 

190 

925 


Sachs,  Ueber  den  Austritt  des  Hämoglobins  aus  sublimat¬ 
gehärteten  Blutkörperchen.  (Aus  dem  k.  Institut  für 

experimentelle  Therapie  in  Frankfurt  a.  M.) . 189 

Sack,  Ueber  das  Wesen  und  die  Fortschritte  der  Finsenschen 

Lichtbehandlung .  53  q  57^ 

Ueber  die  Natur  der  zur  Hi  ilung  führenden  regressiven 
und  produktiven  Gewebsveränderungen,  -welche  der 
Lupus,  das  Ulcus  rodens  und  der  Naevus  vasculosus 
planus  unter  dem  Einfluss  der  Finsenschen  Lichtbe¬ 
handlung  erleiden .  _  1141 

Santesson,  Axel  Key  f . .’  242 

v.  Scanzoni,  Entgegnung  auf  den  Aufsatz  des  Herrn  Prof! 

Elofmeier:  „Zur  Verhütung  des  Kindbettfiebers“  .  .  .’  1102 
Schanz,  Zu  Behrings  neuester  Diphtherietheorie  64 

Schanzen  bach,  Zur  Kenntnis  der  hämolytischen  Saponin¬ 
wirkung.  (Aus  dem  hygien.  Institute  in  München.)  .  1827 

Scheffer,  Ueber  eine  mikroskopische  Erscheinung  am  er¬ 
müdeten  Muskel.  (Illustr.) .  993 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


VIII 


Seite 

1542 


(Aus 
Luisenhospitals 


1569 


273 


1419 

1620 


269 


Scherenberg,  Fremdkörper  im  Mastdarm  ..... 

Schild,  Zur  Kasuistik  der  traumatischen  Pneumonie, 
der  inneren  Abteilung  des  städtischen 

zu  Dortmund.) . 

Schlagint  weit,  Zur  cystoskopischen  Technik  .  .  .  •  •  l£>iö 

Schlechtendahl,  Chloroformnarkose  ohne  Maske  mittels 

Kehlkopfkanüle .  ^ 

—  Lungengangrän  nach  Aspiration  einer  Kornähre.  (Aus 

der  Universitäts-Kinderklinik  in  Leipzig.) . 449 

Schlüter,  Ascaris  lumbricoides  in  der  Harnblase  .  ...  .  16»o 
Schmidt,  Ad.,  Beiträge  zur  Diätotherapie  bei  Magen-  und  Darm- 

krankheiten . .  *  * 

Schmidt,  M.  B.,  Ueber  die  Beziehung  der  Langerhansschen 
Inseln  des  Pankreas  zum  Diabetes  mellitus.  (Aus  dem 
pathologischen  Institut  zu  Strassburg.) . .  •  •  •  01 

—  Ueber  traumatische  Herzklappen-  und  Aorten-Zerreisso  ng. 

(Aus  dem  pathologischen  Institut  zu  Strassburg.)  .  .  .  Jobb 

Schmitt,  A.,  Zur  chirurgischen  Therapie  des  Sanduhrmagens  lo-b 
Schmorl,  Zur  Frage  der  Genese  der  Lungentuberkulose.  (Aus 
dem  pathologischen  Institut  des  Dresdener  Stadtkranken¬ 
hauses  Friedrichstadt) . ^  . 

Schneider,  Beiderseitige  Ophthalmoplegia  interna,  hervor 
gerufen  durch  Extractuin  Secalis  cornuti  ..... 
Schönwerth,  Ueber  einen  Fall  von  akuter  Wirbel-Osteo 

myelitis . . *  •  •  *  *  ' 

Schottelius,  Versuche  über  Fütterungs- Tuberkulose  bei 
Rindern  und  Kälbern.  (Aus  dem  hygien.  Institut  der 

Universität  Freiburg  i.  B.) . .  •  •  •  lblJ 

Schottmüller,  Zur  Pathogenese  des  Typhus  abdominalis. 

(Aus  der  I.  med.  Abteilung  des  Eppendorfer  Kranken- 

hauses  in  Hamburg.) . •  •  •  •  •  •  löbi 

Schreiber  E.,  Einfluss  des  Levico wassers  auf  den  Stoü- 

Wechsel.  (Aus  der  k.  med.  Univ.-Klinik  zu  Göttingen.)  1490 
Schreiber  L.,  Ueber  ein  bequemes  Objekt  zum  Studium  der 
Mastzellen  (Clasmatocyten).  (Aus  dem  pathol.-anat. 

Universitäts-Institut  zu  Königsberg) . -075 

Schröder  und  Brühl,  Ueber  die  Beziehungen  von  Körper¬ 
bewegungen,  Körperwärme  und  Albumosurie  zu  einandei 
und  zum  Fieber  im  Verlaufe  der  Phthise.  (Aus  der  neuen 
Heilanstalt  für  Lungenkranke  zu  Schömberg,  O.-.A.  Neuen- 
bürg.)  . . .  1373,  1417,  lobi 

Schroeder,  W.,  Zwei  Fälle  schwerer  Otitis  media  acuta  pu- 

rulenta  durch  „Schneeberger“ . .  •  -’-j 

Schubert,  Ein  Fall  von  gewohnheitsmässigem  Digitalismiss- 

brauch . .  •  •  •  ■  ^0 

Schultes,  Zur  Antithyreodinbehandlung  der  Basedowschen 
Krankheit.  (Aus  der  Heil-  und  Pflegeanstalt  Illenau.)  . 
Schulz,  Einige  Bemerkungen  über  Kieselsäure.  (Aus  dem 
pharmakologischen  Institut  der  Universität  Greifswald.) 
Schwalbe,  Die  giftigen  Arten  der  Familie  Rhus :  Rlius  diversi- 
loba,  Rhus  Toxicodendron  und  Rhus  venenata  .  ••  • 
Schwartz,  Die  ärztliche  Krankenbehandlung  in  der  Familie 
unter  Bezugnahme  auf  die  deutschen  Krankenversiche¬ 
rungsgesetze  . . ;  •  •  • 

Schwarz,  Erfahrungen  über  100  medulläre  Tropakokain- Anal- 

gesien . 

Seiffe'r,  Wilhelm  Griesinger.  Zu  seinem  Todestage  am 

26.  Oktober . .  •  •  -  ■  •  •  •  • 

Seitz,  Statistischer  Bericht  der  Kgl.  Universitäts-Poliklinik 
für  Kinderkrankheiten  im  Reisingerianum  pro  1901  .  . 
Sellheim,  Prinzipien  und  Gefahren  der  Abortbehandlung. 

(Aus  der  Frauenklinik  der  Universität  Freiburg  i.  B.) 

(Illustr.) . . 

S  e  n  gl  er,  Ein  Fall  von  Lufteintritt  in  die  Venen  des  puerperalen 
Uterus  mit  tödlichem  Ausgange.  (Aus  demAY  öcbnerinnen- 
aeyl  des  Ludwig  Wilhelm-Krankenheims  Karlsruhe.)  . 
Serafini,  Ueber  die  endovenösen  Injektionen  von  Aetz- 
sublimat.  Einige  Betrachtungen  und  einige  Experimente. 

(Aus  dem  hygien.  Institut  der  Kgl.  Universität  Padua.) 

Seubert,  Ein  Fall  von  Gangrän  nach  Scharlach . 

Siebe  r-Schumoff,  M.  v.  Nenckis  Untersuchungen  über  den 
Blutfarbstoff  und  dessen  Beziehungen  zum  Blattfarbstoff 
Siebert,  Ueber  Juckausschläge  im  Kindesalter.  (Aus  der 

Poliklinik  im  Reisingerianium  zu  München.) . 1137 

Siegert,  Die  moderne  Säuglingsheilstätte  und  ihre  Bedeutung 

für  die  Aerzte . •  •  •  • 

Siefert,  Ueber  die  multiple  Karzinomatose  des  Zentralnerven¬ 
systems.  (Aus  der  kgl.  psychiatrischen  und  Nervenklinik 

zu  Plalle.) . .  •  •  •  *  •  • 

Silberschmidt,  Ueber  ein  einfaches  Bakterienfilter  zur  Fil¬ 
tration  kleiner  Flüssigkeitsmengen.  (Aus  dem  Hygien. 

Institut  der  Universität  Zürich.)  (Illustr.) . 1461 

Spineanu,  Apparat  zur  Bestimmung  des  Gesamtsäuregehaltes  ; 

des  Magensaftes.  (Illustr.) . . 

Spie ss,  Anästhesin,  ein  neues  Lokalanästhetikum,  vom  Ge¬ 
sichtspunkte  der  Heilwirkung  der  Anästhetika 


Seite 

Stae helin,  Ueber  den  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweiss¬ 
körper  der  Exsudate  und  des  Urins.  (Aus  der  med.  Klinik 

zu  Basel.) . , . 

Stamm,  Zur  Prophylaxe  des  Keuchhustens . •  •  1619 

Starck,  Ueber  den  therapeutischen  Wert  der  Bismutose.  (Aus 

der  Heidelberger  medizinischen  Klinik.)  ......  •  1950 

S  t  e  g  m  ii  n  n ,  Ueber  Encephalitis  haemorrhagica  acuta  ....  12-1 

Steiner,  Die  spinalen  Reflexe  in  der  Hysterie  .....  .  1259 

S  t  e  i  n  e  r  t ,  Ueber  den  Intentionskrampf  der  Sprache,  die  sogen 

Aphthongie.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Leipzig.)  (Illustr.)  113'- 
—  Antwort  auf  Herrn  Dr.  Beckers  Kritik  meiner  Aus¬ 
führungen  in  No.  27  der  Wochenschrift.  (Aus  der  med. 

Klinik  zu  Leipzig.) . .  '  ^49 

Steinhaus,  Ein  Fall  von  luetischer  doppelseitiger  Postikus¬ 
lähmung  mit  Ausgang  in  Heilung.  (Aus  dem  Augusta- 


Hospitale  in  Köln.) 


1884 


Sticker,  Zur  Diagnose  der  angeborenen  Schwindsuchtsanlage. 

(Aus  der  medizinischen  Klinik  des  Herrn  Geheimrats 

Prof.  Dr.  Riegel  in  Giessen.)  (Illustr.) . 137 

Stich,  Eiweiss-  und  Zuckerreaktion  am  Krankenbette.  (Aus 
dem  analyt.  Laboratorium  des  städt,  Krankenhauses  zu 


Leipzig.)  (Illustr.)  .  .  . 

Zur  Toxikologie  des  Phosphors.  (Aus  dem  analytischen 
Laboratorium  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Leipzig.) 
(Illustr.) 


1100 


1347 


834 

440 

1616 


707 

129 

1758 

483 


393 


185 


649 

66 

1873 


576 


826 


Stöltzing,  Trommelschlegelfinger  und  Atrophie  der  End¬ 
phalangen.  (Illustr.) . 

Stömmer,  Ein  Fall  von  Menstruatio  praecox.  (Illustr.)  .  .  1541 
Sträter,  Ein  neues  Mittel  gegen  Dekubitus  .  .  .  •  •  •  •  •  -^ol 
Strasburger,  Beitrag  zur  Behandlung  der  Ruhr  mit  Radix 
Ipecacuanhae.  (Aus  der  med.  Klinik  und  Poliklinik 

zu  Bonn.) .  •  .  •  1493 

Straus,  Untersuchungen  über  Physiologie  und  Pathologie 
der  Ureteren-  und  Nierenfunktion  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  verdünnenden  Nierenthätigkeit  nach 

Flüssigkeitszufuhr . _ . ;  1217,  1408 

Strauss,  Das  Heroin  um  hydrochloricum  als  Anaphrodisiacum  14  J4 
S  t  r  u  b  e  1 1 ,  Ueber  refraktrometrische  Blutuntersuchungen.  (Aus 

der  H.  medizinischen  Klinik  der  Universität  Wien)  .  .  616 

—  Zum  65.  Geburtstage  des  Prof.  S.  v.  Basch  .  .  .  .  •  •  1506 

—  Ein  Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  der  syphiliti-  ^ 

sehen  Trachealstenosen . ;  :  :  '  ' 

Struppler,  Ueber  Pyopneumothorax  acutissimus  bei  inkar- 
zerierter  Zwerchfellhernie.  (Aus  der  II.  medizinischen 
Klinik  des  Herrn  Prof.  Dr.  v.  Bauer  in  München.) 

(Illustr.) . .  •  •  • 

—  Zur  Kenntnis  der  rhinogenen  purulenten  Meningitis 
und  Zerebrospinalmeningitis.  (Aus  der  L  med.  Klinik 

des  Herrn  Prof.  v.  Bauer  in  München.) . ;  1877 

Stursberg,  Ueber  das  Verhalten  des  Knochenreflexes  bei 
Hysterischen.  (Aus  der  medizinischen  Universitäts- 
Klinik  zu  Bonn.) . • 

—  Ueber  Aristochin,  ein  geschmackloses  Chininderivat. 

(Aus  dem  Kinderambulatorium  der  med.  Univ.-Klinik 


615 


zu  Bonn.) 


1879 


Stumpf,  Bericht  über  die  Ergebnisse  der  Schutzpockenimpfung 

im  Königreiche  Bayern  im  Jahre  1901  .  .  2009,  2050,  2087 
Sudhoff,  Eine  Feilenzwinge  über  den  Penis  geschoben  . 

lü 


273 


1646 

657 

60 

1264 

1755 


1611 


Taussig,  Ueber  die  post-operative  Harnverhaltung  und  deren 
Folgen.  (Aus  der  Bettinastiftung,  k  k.  Kaiserin-Elieabeth- 

Krankenhaus,  Wien  . . . 

Teschemacher,  Pankreaserkrankung  und  Diabetes  .... 
Tesdorpf,  Ueber  die  Wechselbeziehungen  der  körperlichen 
und  psychischen  Störungen  bei  Hysterie  .  .  .  -  .  •  • 
Theilhaber,  Zur  klinischen  Bedeutung  der  Retroflexio  uteri 

mobilis . . . ,  •  • 

—  Ursachen,  Symptome  und  Behandlung  der  Insuffizienz 
des  nicht  schwangeren  Uterus.  (Mit  1  Kurve.)  .  1698, 

Th i  eine,  Zur  Behandlung  der  Lungenblutungen  mit  subku¬ 
tanen  Gelatineinjektionen . •  1®4 

Thost,  Ueber  das  Fleufieber .  689,  74 J 

Thomasczewski,  Zur  Frage  des  Malum  perforans  pedis, 
mit  besonderer  Berücksichtigung  seiner  Aetiologie.  (Aus 
-  der  dermatologischen  Universitäts-Klinik  zu  Breslau.)  779, 
Tiegel,  Beitrag  zur  Kasuistik  tödlicher  Magenblutungen. .  (Ausj 
dem  Senckenbergschen  pathologisch  -  anatomischen 
Institut  zu  Frankfurt  a.  M.) 

Toff,  Einige  Bemerkungen  über 


840 


1960 


*  die  Anwendung  des  Un¬ 
guentum  argenti  colloidalis  (Credb) . 

—  Zwei  Fälle  von  Fremdkörpern  des  Uterus  .....  •  lö‘y 
Treupel,  Ueber  multiple  Sklerose  in  klinischer  Beziehung 

und  ihre  differentielle  Diagnose.  (Aus  der  medizinischen 
Klinik  zu  Freiburg  i.  B.)  (Illustr.) . .  86« 

—  Operative  Behandlung  gewisser  Lungenerkrankungen. 

(Mit  3  Kurven.)  . 


1902- 


I  INHALT  S  -  VERZEICHNIS. 


IX 


Seile 

Ireupel  u.  Edinger,  Untersuchungen  über  Ilhodan Verbin¬ 
dungen.  (Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu 
Freiburg  1.  B )  III.  Mitteilung  (Mit  2  Kurven  )  .  .  563 

Trendelenburg,  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  der 
puerperalen  Pyämie.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu 

Leipzig.) . 5i3 

Trommsdorff,  Zur  Frage  der  Wirksamkeit  des  Collargol. 

(Aus  der  k.  Chirurg.  Universitäts-Klinik  zu  München )  .  1300 
Trumpp,  Cbloroformnarkose  ohne  Maske  mittelst  Kehlkopf¬ 
kanüle  .  413 

Tubenthal,  Stichwunde  in  die  Niere . *  ’  ]  ’  ]  ’  iggg 

Umber,  Ueber  autolytische  Vorgänge  in  Exsudaten.  (Aus 

der  II.  medizinischen  Universitäts-Klinik  zu  Berlin)  .  .  1169 
Ungar,  Zur  Phosphorbehandlung  der  Rachitis . 999 

Vanselow,  die  neue  Erwärmungsart  der  kohlensauren  Sol¬ 
bäder  im  kgl.  Mineralbad  Kissingen .  2085 

v.  Vogl,  Ueber  wissenschaftliche  Hydrotherapie  und  „Wasser- 


v.  Voit  C,  Das  Isodynamiegesetz . 233 

— •  Bemerkung  zur  Erwiderung  des  Herrn  Dr.  H.  v.  Hösslin  797 
Voigt,  Ein  lall  von  Lungenembolie  bei  Placenta  praevia. 

(Aus  der  kgl.  Frauenklinik  zu  Dresden.)  . 743 

V ulpius,  Ein  neuer  Bewegungsapparat.  (Aus  der  Dr.  Vulpius- 
schen  orthopädisch-chirurgischen  Heilanstalt  in  Heidel¬ 
berg.)  (Illustr.) . 1460 


Wachb  olz,  Ueber  die  neue  Lungenprobe.  (Aus  dem  gerichts-  ’ 

ärztlichen  Institut  der  k.  k  Jag.-Universität  in  Krakau.)  1617 
Wagner  A.,  Entzündlicher  Bauchdeckentumor,  hervorgerufen 
durch  einen  aus  dem  Darm  durchgebrochenen  Fremd¬ 
körper  . . 1919 

Wagner  M.,-  Ueber  parenchymatöse  Nephritis  bei  Lues.  (Aus 

der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig.) .  2073,  2150 

Wagner  R  ,  Zur  Kenntnis  der  Knochenmetastasen  bei  Schild¬ 
drüsentumoren.  (Aus  dem  St.  Vincenz-Krankenhaus  zu 

Hanau.) . 1457 

Wagner  W.,  Beitrag  zur  ambulanten  Behandlung  der  tuber¬ 
kulösen  Gelenkerkrankungen  der  unteren  Extremitäten.  320 
Walz,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Nabelcysten . 959 

—  Ueber  die  Beeinflussung  der  Leber  durch  das  Zwerch¬ 
fell  und  über  Lebermassage . 785 

Walther,  Ueber  Subluxationen  bei  der  angeborenen  Hüft¬ 
verrenkung.  (Illustr.) . 566 

Wassermann,  Ueber  das  Verhalten  der  weissen  Blutkörper¬ 
chen  bei  einigen  chirurgischen  Erkrankungen,  insbeson¬ 
dere  bei  Appendizitis.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  der 

Universität  München  ) .  694,  751 

Weber,  Seltene  Ursachen  der  Bleivergiftung.  —  Behandlung 

der  Koliken  mit  Atropin . 704 

—  Zwei  Fälle  von  spontan  geheilter  Perforationsperitonitis  1619 
Web  er  H.,  Zur  Kritik  der  Beziehungen  der  Angina  tonsillaris 

zur  Entzündung  des  Wurmfortsatzes . 2171 


Seite 

Weigl,  Sterilisationsapparat  für  Verbandmaterialien  von  Dr. 

R-  Klein . 321 

Weichardt,  Ueber  Zellgifte  und  Schutzeinrichtungen  im 
menschlichen  Organismus.  (Aus  dem  staatl.  hygien.  In¬ 
stitute  zu  Hamburg.)  .  .  .  .  .  _  4325 

Weiss.  Vergleich  der  Methoden  von  Stas-Otto  und  Kippen¬ 
berger  zum  Nachweis  von  Alkaloiden.  (Aus  dem  physiol. 

Institut  zu  Basel.) . 367 

Weiss  wange,  Ueber  die  Heilungsvorgänge  bei  der  operativen 

Behandlung  der  Bauchfell-  und  Nierentuberkulose  .  .  .  1180 
Weinberg,  Farbe  Veränderung  der  Haare . .  .  575 


Wenzel,  Zur  Behandlung  der  Phimose.  (Aus  der  chirurgischen 

Abteilung  des  Friedlich  Wilhelm-Hospitals  in  Bonn.)  .  271 

Wetzel,  Ueber  Verletzungen  der  Brust,  speziell  des  Herzens  1260 
Wiesner,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Röntgendermatitis  .  .  .  1047 
Wiener  E.,  Ueber  den  Bazillus  Danysz.  (Aus  dem  bakterio¬ 
logischen  Laboratorium  der  k.  k.  landwirtschaftlich-bak¬ 
teriologischen  und  Pflanzenschutzstation  in  Wien.)  .  .  401 
Wiener  G.,  Beitrag  zur  Therapie  der  Uterusrupturen.  (Aus 

der  kgl.  Universitäts-Frauenklinik  München.) .  14 

—  Ein  eigentümlicher  Fall  von  Uteruseinklemmung  in 

ein  Pessar.  (Aus  der  kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu 
München )  (Illustr.) . 655 

—  Zwei  weitere  Fälle  von  Uterusruptur,  operativ  geheilt. 

(Aus  der  k.  Universitäts-Frauenklinik  München.)  .  .  .  1741 

Wilms,  Ueber  Spaltung  der  Niere  bei  akuter  Pyelonephritis 

mit  miliaren  Abszessen.  (Aus  der  Leipziger  Chirurg.  Klinik.)  476 

—  Operative  Behandlung  multipler,  durch  Cholangitis 
und  Cholecystitis  entstandener  Leberabszesse.  (Aus  der 
chirurgischen  Universitäts-Klinik  zu  Leipzig.)  ....  520 

Windscheid,  Die  Beziehungen  der  Arteriosklerose  zu  Er¬ 


krankungen  des  Gehirns  . 345 

Witzei,  Wie  sollen  wir  narkotisieren?  (Illustr.) . 1993 

Wolff  A,  Ueber  Mastzellen  in  Exsudaten.  (Aus  dem  städt. 

Krankenhause  Moabit  in  Berlin.) . 226 

Wolff  H.,  Kurze  Bemerkung  zu  „Blutvergiftung  u.  Amputation“  368 


Wormser,  Zur  klinischen  Bedeutung  der  Retroflexio  uteri 

mobilis.  (Aus  der  Univ.-Frauenklinik  in  Basel.)  .  1085,  1144 
Wülfing,  Der  Extensionsverband  nach  Heusner.  (Aus  der 

Chirurg.  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  zu  Barmen.)  1571 


Zahn,  Zusammenstellung  der  im  pathologischen  Institut  zu 
Genf  während  25  Jahren  zur  Sektion  gekommenen 
Tuberkulosefälle  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
primären  und  sekundären  Darmtuberkulose,  sowie  der 
Häufigkeit  der  ebendaselbst  beobachteten  Amyloid¬ 


entartung  . 2.  49 

Zimmermann,  Beiträge  zur  Mechanik  des  Hörens.  (Illustr)  2080 
Zinsser  P,  Ein  Fall  von  spindelförmiger  Erweiterung  der 

Speiseröhre .  2175 

zum  Busch,  Sir  William  Mac  Cormac . 149 

Zupnik,  Widal’sche  Serumreaktion  bei  Weil’scher  Krank¬ 
heit.  (Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  der  deutschen 
Universität  in  Prag.) . 1305 


II.  Namen -Register. 

(Die  fett  gedruckten  Ziffern  bedeuten  Originalartikel.) 


Seite 


A. 


Aaser  .  .  . 

....  1769 

Abbott  .  . 

.  .  975,1545 

Abbu  .  .  . 

....  555 

Abel-Berlin 

....  1681 

Abel  R.  .  . 

....  152 

Abramow  . 

....  13ü9 

Abuladse  . 

....  1063 

Ach  ...  . 

....  252 

Achard  .  . 

....  84 

Ackermann 

....  212 

Adam  .  .1070,1515,1865 
Adamkiewicz  711, 851,  1064 

Adamson . 205 

Adler  J . 1066 

Adler-Breslau  .  .  .  570 
Adler  E.-Berlin  .  .  .  1399 


Seite 

Adler  O.-Prag  31, 1818, 1941 


Adrian . 1400 

Ageron . 1256 

Ahlefelder .  2095 

Ahlfeld  801,  1151,  1398, 

1515,  1761 

Akutsu . 1399 

Albarel .  75 


Albeck  . . 325 

Albers-Schönberg  HO,  628, 
940,  1821 

Albert  ....  1432, 1433 

Alberta . 1065 

D'Alberto  Lucchi  .  .  987 
Albesheim  ....  980 
Albrecht  A.-Wienl062,1976 
Albrecht  E.-München  731, 
1135 


Seite 

Allbu  .  .  .946,2018,2(  60 


Alcock . .  1555 

Alexander-Nürnberg  82, 
1363,  2165 


Alexander  A.-Breslau  200, 
296 

Alexander  G.-Wien  1021, 
1470, 1809 

Alexander  W.-Berlin  495, 
536,  987,  2067 

v.  Alfthan  .  .  .  377,  1273 

Alivizatos . 673 

Allard . 1059 

Allbutt  .  .  .  1553,1592 

Allgeyer . 329 

Allingham . 1156 

Almkvist . 1587 


Seite 

Alsberg  A.-Hamburg  816, 
1317 

Alsberg  G.-Berlin  .  .  247 

Alsen .  38 

Alt . 1112,1358 

Altschul . 1074 

Alterthum . 374 

Altobelli . 460 

Amann  E.-Winterth.  1628 
Amann  J.  A.  jr.  München 
124,  433,  713,  803,  1813, 
1859, 1861,  2095 

Amat . 1205 

d’Amato . 1979 

Amberger  .  .  1272,  2157 

Amenta . 1810 

Amson . 200 


Seite 

D’Ancona . 251 

Andersch . 373 

Anderson . 170 

Andrew . 2163 

Andrewes . 170 

Andvord . 1856 

Angelo-Mailand  .  .  250 

Angerer .  2054 

Anglade . 1978 

Anjeszky . 1627 

Anschütz  .  116,  722,  1807 

Anton . 2159 

Antonescu . 1546 

Apelt  .  .153,1277,  1770 

Appelbaum  ....  74 

Arbuthnot  Lane  .  .  627 

Arclisäone . 1517 


2 


X 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902 


Arloing 
v.  Arlt  . 
Armaingaud 
Arndt  .  . 
Arnold  . 
Arnsperger 
A  ron  .  . 
Aronheim 
Aronsohn  E 
Nizza  .  .  . 
Aronson-Berlin 
1278 

A.  Arx  .... 
Asch  .... 


Seite 

....  212 
.  .  805,1029 
....  1856 
....  154 

.  1587,1945 
.  .  .  .  351 
....  560 
.  1184,1748 

H.  Ems- 
.  1848, 2018 

248,  986, 


Aschaffenburg 


1809 

2160 

1241, 


1285, 

390, 

1711 

Ascher . 1626 

Aschoff  A.-Berlin  .  .  416 

Aschoff  L.-Göttingen  1064, 
1193 

Ascoli  A  -Pavia  .  .  2095 
Ascoli  G.-Genua  70,  73, 
715, 1064, 1192, 1764 
Ascoli  M. -Pavia  398,  1409 
Aspinoli  . 
van  Assen 


Assfalg  . 
d’ Astros  . 
Audard  . 
Audibert 
Auerbach 
Aufrecht 
Augspurg 
Aujeszky 
Austerlitz 
Avellis 
Axenfeld 
1716,  206 
Ayres  . 


580, 

1 


980 
.  .  625 
.  .  31 

.  .  292 
.  .  1194 
.  .  169 
586,  1974 
.  .  1230 
.  .  202 
376,  1399 
.  .  1273 
.  .  1548 
1289,  1394, 


37 


B. 


Baas  H -Worms  .  1368 
Baas  K. -Freiburg  405,  1922 

Babes  A . 2019 

Babes  V.  Bukarest  .  290 
Babonneix  .  .  .  .1978 

Bacaloglu . 1 194 

Baccarani . 717 

Bach  H. -Leipzig  .  .  1237 
Bach  L.-Marburg  .  .  1852 
Bachmann-Prag  .  .  1633 
Bachmann  H.-Innsbr.  1433 

Baciolli . 716 

Backmann  ....  245 

Bade .  766,  1415 

Bäcker . 1663 

Bähr  . 246,  1192 

Baer  K. -Innsbruck  .  1629 

Bäumel . 1665 

Bäumler  .  491,  1012,  2063 

Bäumlin . 154 

Baginsky  A.-Berlin  .  173, 
247,  1730,  1899 
Baginsky  B. -Berlin  .  290 

Bail . 804 

Baisch . 1545 

Bakorsky . 295 

Balacesc-u  118,  887,  1546, 
2019 

Baldassari  ...  .  2047 

Bailance  1593,  1851,  2161 

Ballet . 820 

Balzer . 1669 

Bamberger  J.-Kissin- 

gen . 2144 

Bamberger  S.-Kronach  71, 
201,  326,  493,  848,  1014, 
1230,  1298,  1807 


Seite 

Barbellion  .  •  .  .  .  1076 

Barbiani . 1316 

Barbier . 1977 

Bard . 1474 

Bardach . 246 

Bardescu .  2020 

Bardswell . 761 

Bardwell . 204 


Barendrecht 


625 


Barium . 1779 


Barker 


1156,  1360 


Barker  A . 541 

Bark  er  A.-E.  .  .  555,  1850 

Barker  E . 978 

Barling . 555 

Barnard . 1630 

Barr . 1850 

Bartels  .  .  .  .910,  1762 

Barth-Winterthur  .  801 

Barth  K. -Baden-Baden  877 
Barthhlemv  .  .  .  1669 

Bartholdy  .  .  .  583,  2095 

Baruch . 1898 

Basch . 1863 

Basile  . 717 

Bataillon . 2016 

Bates  . . 542 

Bätsch .  .  1045 

Battle . 542 

Bauer  E.-Stettin  .  .  974 

Bauer  Ph. -Weiden  .  748 

Baum . 1431 

Baumei . 588 

Baumgart  ....  201 
v  Baumgarten  .  492, 1058, 
1848,  i854,  2057 
Baumgaertner  .  .  .  327 
Baumm  .  .  .  .313,  417 

Bayer .  458,  492 

Bayerthal . 939 

Eayet . 496 

Bayles . 979 

Baylies  ....  1020,  1361 

Bazy .  947,  1942 

Beatson . 906 

Beaver . 760 

Becco . 158 

Becher  ....  1236,  1856 
v.  Bechterew  .  .  .  1016 

Beck-Frankfurt  a.  M.  1894 
Beck-Mengen  .  .  .  1639 
Beck  C.-Heidelberg  .  418 
Beck  C. -Leipzig  .  .  1230 
Beck  C.-New-York  294,380, 
1067,  IS  34 

Beck  C.-Ofen-Pest  646, 1 107 

Becker . 934 

Becker  C. -München  46, 21 5, 

261,  262,  343,  389,  390, 
430,  558,  646,  8i0,li27, 
1236,  1321,  1397,  1406, 
1625 

Becker  E.-Charlotten- 

burg . 1193 

Becker Ph.-F.- Aachen  586, 
801 

Becker  W. -Bremen  .  1 265 
Beckh  .  .  533,  1550,  1900 
Beckmann  II.- Berlin  946 
Beckmann  P.-Suden- 

burg- . 1431 

Beckmann  R.-Lodz  .  1431 

Beco . 1669 

Bedall . 127,  1208 

Beddies . 289 

van  der  Beek  .  .  .2158 

Beetz . 1688 

Begouin . 1980 


Belli 


623 


Bändel  425,  944,  1014,  2061 

Belmondo  . 

717 

Bandelier  . 

808,  875,  937 

Benario  .  . 

2147 

Bandouin  . 

....  1475 

Benda  .  . 

Bang  .  .  . 

....  536 

Bender  .  . 

357,  412, 

1015 

Banks  .  .  . 

.  .  906,  1553 

Bendix  B.- Berlin  .  . 

1114 

v.  Baracz  . 

.  .  416,  1891 

Bendix  E. -Göttingen 

117, 

Baradat  .  . 

1018 

Barannikow 

....  539 

Benedicenti 

•  •  •  ♦ 

1273 

Barany  .  . 

.  .461,  1809 

Benedict 

759 

Barbary  .  . 

....  1319 

Benedikt  . 

672,816, 

1018 

Seite 

Benenati  .  .  1517,  1979 

Beniasch . 711 

Benjamins . 459 

Bennecke . 537 

Bensen . 2017 

Berard  .  ...  1075 

Berdach . 1587 

Berding . 1153 

Berenger . 1667 

Bergeat  35,  75,  118,  157, 
250,  328,  420,  461,  495, 
541,  672,  716,  759,  807, 
890,  938,  977, 1112, 1232, 
1238,  1276,  1359,  1434, 
1469,  1628,  1629,  1685, 
1717,  1810,  1849.  1926, 
1930,  2098,  2160 
Berger  G.-Jena  ...  211 

Berger  H.-Berlin  .  .  86 

Berger  H.-A.-PIannov.  1894 

Bergey . 1 545 

Bergholm  .  .  .  .1514 

v.Bergmann  E.  Berlin  456, 
671,  8 1 5,  1710,  1911 
BergmannW. -Marburg  375 
Bergmann  W.-Saaz  .  2160 

Berliner . 1662 

Bernard  ......  292 

Bernays  .....  18->9 

Berndl  .  .  32,  322,  516 

Bernert . 1313 

Bernhard  .  .  1473,  2159 
Bernhardt  .  ...  329 

Bernheim-Paris  .  6b9 
Bernheim  S.  -Nancy  819, 
1976 

Bernheim-Karrer  .  .  670 

Berry .  555,  1233 

Bertarehi . 1715 

Bertelsmann  209,521,720, 
2101 

Berthold . 1029 

Berthomier  ....  1980 

Bertillon . 1668 

Berirand  1364,  1766,  1978, 
2105 

Berzieri . 950 

Besredka .  76 

Bethe . 1313 

Bettmann  122, 123, 161,210, 
295,330,692,  1 272,  1545, 
1518, 1549,  1965 

Beuthner . 1927 

Beuttner . 1313 

Beutzen . 981 

Beyer . 331 

Bezan^on .  84 

Bezold . 983 

Bezy . 76,  18 1 3 

Bezzola . 2023 

Biagi .  250,1876 

Bial .  854,888 

Bialobscliesky  .  .  .  1477 
Biberfeld  .  .  .  430, 1628 

Bibergeil . 202 

Bichat . 1977 

Bickel  [117,853,1314, 1893 

Bidder . 937 

Bie . 811 

Bieber . 1666 

Biedl  .  .  .  252,254,949 
Bielefeldt  ....  73 

Bielschowsky  .  .  .  1892 

Bier . 546 

Bierbaum  .  .  .  .  .  1963 
Bierfreund  .  .  .  .1771 
Biernacki  .  .  .  201,1631 

Biggs . 1982 

Bikeless . 326 

Bilik .  33 

Billet . 1195 

Binder . 327 

Binet .  124,426 

Bing . 2017 

Bingel . 670 

Binswanger  ....  210 

Binz . 623 

Birt .  541,  978 

Bischoff-Erlangen  .  298 


Seite 

Bischoff  C.  W.-Bonn  .  2016 

Bishop . 1553 

Biss . 2163 

Blackmore  .....  2161 

Blad  . 73,  715 

Blaschko  .  .  .  732,1666 

Blassberg . 2019 

Blau  A.-Görlitz  .  .  .  1236 
Blau  A.-Heidelbcrg  .  1514 
Blau  L.  Berlin  .  .  .  1625 

Blaxalls . 1630 

Blecher . 1714 

Bleibtreu . 251 

Bleichröder  ....  1587 

Blencke . 1192 

Bleuler  31,  287,  755,  801, 
1191,  1228,  1270,  1585, 
1712,  1759 

Bloch  C -Berlin  .  .  .  714 
Bloch  E. -Freiburg  .  1024 
Bloch  J.-Berlin  .  314,755 

Bios .  457,  2157 

Bluhm . 247 

Blum  .  .  155, 854, 940 

Kl  umberg  .  .  .  .  .  1534 

Blume . 1638 

Blumenthal  .  .  .  .2159 
Blumenthal  A.-Berlin  815 
Bhunenthal  F. -Berlin  1545, 
1973 

Blumreich  .  .  .  417, 1431 


Blyth  .  . 

Boas  114,  460,  603, 
1108 

Bobrott’  .  . 
Bockenheimer 
Bockhart 
Boeg  . 


170 

1107, 


Boegehold 
Boeger  . 

Boehm 

Böhm  v.Böhmer 
Böhnlce  . 

Boehr  .  . 

Bönniger 
Boeri  .  , 

Boeters  . 

Böttger  . 

Böttiger  . 
Boetzelen 
Bogdanik 
Bohne 
Bohnstedt 
Boinet 
Bokenham 
Bolle  .  . 

Bollinger 
Bolognesi 
Boncoroni 
Bondi  J.-Wien  .  . 
Bondi  M.-Iglau  .  . 
Bonheim-Dresden 
Bonlieim-Hamburg 


Bonhöffer  . 
Bonhott:  .  . 
Bonnardiere 
Bonne  .  . 
Bonnet  .  . 
v.  Bonsdorff 
Borchard 
Bordet  .  . 


887 
325 
431 
1436 
330 
801 
2049 
sheim  952 
.  .  1244 
.  .  976 
1764,  1786 
.  .  1810 
.  .  723 
272 

206,  374,  894 
366 
1930 
2181 
756 
588 
2161 
1761 
175,641,1624 
1364, 1365 
1979 

2095 
759 
856 
385 

1312 

2096 
427 

.  816, 898 
.  422,1317 
.  .  .  1769 
33,  808, 1674 
.  •  .  1204 


.  199, 
1894, 


Borini . 1472 

Bormans  ......  251 

Bornhaupt . 1232 

Bornstein . 245 

Borsczeky  ...  .  .  116 

Borst .  975,  1972 

Borszicky . 810 

Bosse . 291 

Botescu . 1019 

Boufte . 426 

Boulay . 588 

Bouma  .  .  .  1664,  2060 

Bourquin . 1770 

Box .  203,  732 

Bovd . 2163 

Boye . 1398 

Braatz  .  801,  1513,  2014 
Brabec  .  .  .  1930.  2160 


Seite 

Bradshaw  191, 1233,  2160 

Brähmer . 1127 

v.  Braitenberg  .  .  .  328 
Braithwaite  ....  125 

v.  Bramann  ....  547 
Bramwell  554,  1235,  1630, 
1852 

Brand  . 1631 

Brandenburg  160,  249,  256, 
331,421,  893,  1058,  1067, 
1158,  1238,  1585,  2027, 
2067,  2163 

Brandweiner  ....  759 

Brasch . 154 

Brat . 813,  1157 

Brauer  161,  825,  982,  1072, 
1590,  1732 

Braun  LI-Göttingen  .  72 

Braun  H.-Leipzig  163,  1483, 
1514 

Braun  L.-Wien 


ld 


1511 
1514 
1118 
980 
104 
839 
15  4 
1514 
1897 
417 
1725 
937 
910 
1604,1764 
1543 


81, 
1078, 


v.  Braun-Fernw 
Braunschweig 
Braunstein 
Brauser  .  .  . 

Breeke  .  .  . 

Bregmann  .  . 

Breitenberg  . 

Brennan  .  . 

Brennecke  .  . 

Brenner  .  . 
van  Brero  .  . 

Bresgen  .  .  . 

Breuer  260, 1165, 

Breus  .  .  . 

van  Brevo . 375 

Breymann  .  •  .  .  .  804 

Brian  ....  1285,  1941 

Brieger-Breslau  .  .  1024 
Brieger  L.-Berlin  421,  467, 
586,  804,  1274 
van  der  Briele  1430,  1714 

Briggs . 205 

Brindel  ....  891,  1478 

Brion . 611 

Broca . 917,  1981 

Broden . 496 

Broeckaert  .  .  .  38,  1812 

Bröse . 2181 

Bronner  ......  1593 

Bronstein . 1715 

Brook . 2182 

Brosch . 328 

Brouardel  .  .  905,  2056 

Brower . 204 

Browicz . 1230 

Brown .  36 

Browne . 203 

Brownlee . 1156 

Bruandet  •  •  •  .  .  1474 
Bruce  .  3:0,  1361,  1850 

Brückner .  2058 

Brü  gelmann  ....  286 

Brühl  ...  1373,  1887 
Brüning-Halle  .  .  .  1573 
Brüning-Leipzigl481,  2015 
Bruhns  ....  256,  1238 
Bruining  .  .  1111,  1767 

de  Brun . 291 

Brunazzi . 1315 

Brunn . 1433 

Brunner . 201 

Brunner  C.-Münster- 
lingen  ....  116,  722 

Bruno . 1 36 

Bruns  C  -Barmen  .  .  24 

Bruns  H.- Stmssburg  377, 
1312 

v.  Bruns  P.-Tübingen  626, 
1710,  1807 

Brunton  .  758,  807, 1233, 
1285,  1555 
Brusco  .  . 

Bruusgaard 


Bryant  .  . 
Buch-Finland 
Buch  M. 
Buchanan  . 
Buchholz  . 


213, 

626,* 

943j 


1110 

1436 

1232 

289 

1810 

980 

1119 


1902. 


NIIALTS- VERZEICHNIS. 


XI 


Bucker  .  . 
Bucquoy  .  . 
Bucura  .  .  . 
Büdingen  .  . 
Biidinger  .  909, 


Seiie 

1430 

905 

2158 

1713 

1165 

1724 

1022 


1151, 

.  928, 

1111, 

v.  Büngner  .  982, 

Bürker  .  .  08,  620, 

Bü.sing . 1111 

Büttner . 373 

Bukot'zer  .  990,  1812,  2108 

Bulius . 153 

Bullocli . 541 

Bum  ....  1002.  1397 
Bumke  .  .  .  .  .  1958 

Bunge  P.  O. -Königs¬ 
berg  . 719 

v.  Bunge  G. -Basel  .  026 
Buonsanti  ...  .  1517 

Buraczynski  .  1434,  2160 
Burchhardt  ....  2067 
Burckhardt  ....  152 

Burdach . 1894 

Burgerstein  ....  1586 

Burgl . 1073 

v.  Burgner . 1926 

Burian  . 253 

Burlureaux  .  .  .  .1667 

Burnet . 2160 

Burney . 554 

Burns . 978 

Burton . 1850 

Burwinkel . 1112 

Burzvnski . 1891 

Busalla  .  .  .  1158,  1512 
zum  Busch  38,  150,  205, 
380,  543,  808,  978,  980, 
1156,  1233,  1361,  1553, 
1556,  1594,  1632,  2163 


Busclike  1624, 

1764,  2018 

Busquet  .  .  . 

.  .  .  1193 

Busse  546,  680 

1317, 1588, 

1624,  1973 

Bussiere  .  . 

.  .  .  1319 

Butlin  .  .  . 

.  170,  512 

Butta  .... 

.  .  .  157 

Butte  .... 

.  .  .  910 

Bu'  tenberg 

1072,  1120 

Buttermann  . 

.  .  .  1805 

Buttersack 

...  586 

Butza  .... 

.  .  .  1113 

Buys  .... 

.  .  ,  496 

Buzzard  .  .  . 

.  .  .  1553 

Bycliowsk  .  . 

.  .  .  156 

Bychowsky  . 

.  .  .  1974 

C. 

v.  Cackovic  . 

.  .  .  32 

Cadeac  .  .  . 

.  .  .  1364 

Caddy  .  .  . 

.  .  .  2162 

Caflero  .  .  . 

.  .  .  1316 

Cahanesku 

.  .  .  293 

Cahen  .  .  . 

.  444,  1867 

Calm-Mühlheim  .  .  2020 
Cal.n  A.-Strassburg491, 777 

Cahnheim . 331 

Calamida . 1812 

Calderini . 1897 

Callendar . 1234 

Calmette . 1854 

Calot . 1980 

Calov  ....  •  .  .1110 
Cambiasso  ....  1434 
Camererjun  -Stuttgart  1021 
Camerer  sen.-Stuttgart  2058 
Cameron  .  .  .  1556 

De  la  Camp  .  1156,  1157 


Campanella 
Campbell  . 
Canevazzi  . 
Cantacuzene 


.  .  .  1811 
1359,  2162 
457,  934 
.  .  .  1767 


Cantani . 1975 

Cantlie  170,  979,  1156,  1594 
Capogrossi  ...  .  461 
Cappelletti  .  .  462,  1065 
Caravassilis  ....  588 

Carini . 1065 

Carnot . 2108 


Seite 

Cavazzoni . 544 

Caro .  248,  1714 

C»rr . 732 

Carriere  ....  910,  1765 

Carswell  ......  37 

Carwardine  .  .979,  1361 

Cascela . 158 

Casciani  ....  1979 
Caspari  II. -Würzburg  539 
Caspari  W.-Berlin  .  291 

Casparie . 1059 

Cassirer  ....  495,  1762 
Castellani  ■  .  .  .  .  849 

Castex . 1662 

Cathcart . 1763 

Cathelin  . 1475 

Cattaneo . 935 

Catterina . 1152 

Cautley . 378 

Cavazza . 157 

Ceconi . 1517 

Cega  de  Celio  .  .  .  419 

Celli . 1663 

Censier . 1976 

Centanni . 906 

Cernezzi . 1316 

Cerwinka . 2160 

Chaleix-Vivie  .  .  .  1897 
Chalmers  ....  1630 
Championniere  427,  1319, 
1404 

Chantemesse  1318,  1404, 
1446 

Chapmann  ...  .  761 


Chaput 
Charles  .  . 
Charpentier 
Chassel  .  . 
Chauffard  . 
Chelmonski 
Chevalier  . 
Cheyne  .  . 
Chiadini 
Chiari  H.-Prag 
1112,  1404 
Chiari  O.-Wien 
Cliipault 
Chlumsky  . 
Ohocreaux 
Choronshitzky 
Chotzen  . 
Choussaud 
Christiani  . 
Christiansen 
Christie  .  . 
Chrobak 
Church  .  . 


De  Cigna 


)7, 


.  624 
.  588 
419,  1232 
.  1978 
.  1812 
.  1715 
.  1477 
.  2096 
.  1769 
.  1233 
.  1628 
.  1851 
.  543 
.  717 
.  906 
.  1894 
.  1812 
.  1114 
.  1065 


Cioffi 
Ciofone  . 

Cipollina 
Citelli  .  . 

Citron  .  . 

Civallerie 
Clairmont  155,  1776,  1929, 
2059,  2060 

Clarke . 1155 

Clarke  B . 125 

Clarke  M .  38 

Claude . 293 

Claudius . 1662 

Clemm  128,  853, 1247, 1629, 
2059,  2060. 

Le  Clerc-Dandoy  .  496 

Cloetta  25,  1012,  1329,  1348 

Clopatt . 1664 

Clouston . 543 

C'lubbe . 808 

Cochez . 1598 

Cocta  . . 555 

Codivilla . 767 

Coen . 889 

Coenen . 933 

Cohen  . 1353 

Cohn  Halle  .  .  .  1110 

Cohn  M.-Berlin  .  .  1431 
Cohn  Herm.-Breslau  291, 
1558 


1245,  1475 
1812 
1365 
1275 
169 
1194 
1204 
204 
1517 
946, 


eite 

Cohn  R.-Breslau  .  .  713 
Cohn  R.-Königsberg  1848, 
2059. 

Cohnheim-Berlin  893,  947 
Cohnheim  O.-Heidelberg 
625,  10:10,  2173 

Colamida . 1715 

Colbertaldo  ....  1811 
Colcott  Fox  ....  1630 

Coletti . 1517 

Colla . 1205 

Collina . 251 

Collins . 379 

Columbini . 295 

Colyer . 1631 

Comandini  ....  1811 
Comby  .  947,  1245,  1676 

Cominotti . 1065 

Comisso . 2159 

Conitzer . 1985 

Conradi  ....  290,  849 
Cooper  ....  37,  1233 

Copes . 1630 

Cordua . 2101 

Corner . 1155 

Cornish . 1155 

Corvini . 1434 

Cosma . 1113 

Cossmann  .....  2021 

Coste .  2038 

Courmont . 169 

Courvoisier  .  .  537,  1250 

Cousteau . 891 

Coutts . 1851 

Cowen . 807 

Cozzolino . 669 

Craandyk  .  .  .  938,  1929 
Crämer  .  993,  1203,  1363 
Gramer  A.-Göttingen  1063, 
1480,  1719 

Cramer  H.-Bonn  .  .  101 

Cremer  M. -München  944 
Crendiropoulo  .  .  .  1154 
v.Criegern  54, 336, 852, 1483 

Crile . 1 156 

Cristeanu . 118 

Crocker . 1555 

Croftan . 1626 

Crombiel70, 1233, 1632, 2161 

Cron . 2179 

Cronen . 1973 

Croner . 1761 

Cronheim . 1107 

Croom . 1361 

Cropper . 979 

Crouch . 1155 

Cruz .  2096 

Cukor . 1779 

Cullen  ....  1861,  1895 


Cullingworth 


1361 


Cuno . 1849 

Curatulo  .  935,  1555,  1889 

Curatulos . 1556 

Curschmann  H.-Leip- 
zig  .  .  758,  1362,  1444 
Curschmann  H.-jun.- 
Heidelberg  .  .  549,  638, 
1543,  1567 

Cushing  . 1062 

Cybulski  1393,  1613,  1839 

v.  Cyon . 1019 

Czaplewski  .  .  1201,  1627, 
1895 

Czermak  .  .  1404,  2068 

Czerny . 847 

Czerny  V.-Iieidelberg 
210,  856,  901 

Czerwenka  ....  1586 
Czyhlarz  E.-Wien  .  806 
v.  Czyhlarz  ....  1358 

». 

Palen  . 2155 

Damianos  .  .  .419,  1474 

Damrow . 1357 

Daniel . 668 

Danlos  ....  1364,  1942 
Dannemann  .  .  .  .1191 


Seite 

Daremberg  ....  1976 

Darger . 1514 

Darier  ....  497,  2108 
Davidsohn  ....  987 
Davidsohn -Berlin  .  1067 

Davidson . 541 

Davies . 301 

Dawson . 301 

Dalgetty . 1631 

Dalziel . 1553 

Dean . 2162 

Dearden . 1555 

Deaver . 1935 

Debrand . 1767 

Debove . 1195 

v.  Decastello  34,  252,  1090 
Decker  .  .  .  1524,  2150 

Deetz . 1356 

Deganello . 1356 

Deguy . 1310 

Dehu . 987 

Delamare  ......  588 

Pelauchaux  ....  390 

Delbanco  .  383,  385,  854, 
1025,  1119,  1318 

Delbet . 1897 

Delbrück .  31 

Delille . 292 

Dellie . 1478 

Delorme . 905 

Delsaux . 984 

Pemoch . 669 

Demoor . 1353 

Denecke  -  Braun¬ 
schweig  . 538 

Denecke -Hamburg  .  120 

Dennert . 980 

Le  Dentu  .  .  1319,  1942 

Derecq . 1856 

Berlin . 1714 

Desfosses  .  .  .  587,  1767 
Desnos  ....  169,  1029 
Dessauer  .  .  .  301,  554 

Destot . 1977 

Deutschländer  .  384,  897, 
1900 

D5vd . 1766 

Devic .  75 

Devoto . 1435 

Dian .  .  892 

Dickinson  .  .  .  732,  1632 

Diehl . 363 

Dienst . 373 

Dietel . 1016 

Dietrich  ....  377,  2096 

Dietz  E . 492 

Dietz-Stuttgart  .  .  .  2023 
Dietzer  .....  1430 
Dieudonn£  535, 1229,  1712 
1805 


Dieulafoy 
Dimitriades 
Dimmer  . 
Dimmock 
Dinard  . 
Dinkler  . 
Dionisi  . 
Dirmoser 


1404, 


1847, 


1405 

1666 

2097 

2161 

1942 

939 

1517 

2057 

1116, 


Disselhorst  161,  311, 

1139 

Diwald  ....  74,  203 

Dobbert . 756 

Dobbertin  .  .  .  331,  583 
Döderlein  .  .  1106,  1152 

Döllken . 490 

Döllinger . 2015 

Döllner . 875 

Dömeny . 1716 

Dönitz  .  .  .  1626, 1933 

Doepke . 873 

Dörfer  ...*..  220 
DoerflerH.-Regensburgl06 
Dörfler  H.-Weissbg.  .  1237 

Doering . 1229 

Dörr  .  310 

Dohrn . 246 

Döllinger  .  .  .  201, 1862 


De  Domenicis 


1811 


Seite 

Dombrowski  .  .  .  .1712 

Dona  J.  N . 2019 

DonaR.  .  .  119,673,1019 

Donalis . 1237 

Donath  .  .  .  1276,  1849 

Donati . 374 

Donner . 1270 

Dons  . 1435 

Donzello . 1435 

Dor . 497,851 

Pore  . 1234 

Dorendorf  .  .  1158, 1358 

Dorquet  .....  .  1278 

Dorst . 625 

Douglas  ....  543, 979 

Doutrelepont  .  .  .  295 

Downie . 1553 

Doyen  .  .  628, 676, 678 

Drago . 1823 

v.  Dräsche  .  .  1112,1629 

Dreesmann  .  1201, 1242 

Drehmann . 767 

Dreser . 1720 

Dresler . 1684 

Dressier .  2058 

Drew . 1233 

Dreyer . 1436 

Dreyer  A.-Köln  574,  683, 
730, 1242, 1314, 1769 
Dreyer  A. -München  .  200 

Dreyfuss . 1548 

Dreyzehner  ....  33 

Drigalski . 290 

Drossbach  .  .  1542,1661 

Dubois . 1111 

v.  Dubräv . 1855 

Duckworth  .  203,  715,  977 

Duden . 1013 

Dudgeon  .  .  .  542, 1360 
Dührssen  ....  33, 427 

Dürck . 550 

Dürig . 1021 

Dützmann  .  .  .  623,  1974 

Dutfek . 1315 

Dufour . 1365 

Dumont . 587 

Dumstrey . 246 

Dunbar . 1467 

Duncan  ....  170, 1594 
Dunlop  ....  554, 1233 

Dupascier . 124 

Duret . 905 

Durlacher . 2180 

Duval . 376 

Duval  E . 323 

Duval  M.-Paris  .  .  .  2013 
Dvorak .  73 

E» 

Ebeling . 1680 

Eberhart . 79,80 

Ebers  .  .  •  ...  .  939 
Ebstein  174,  1149,  1311, 
1627, 1664, 1764 

Eccles . 555 

Eckardt  .  .  .  .  .  .  1129 
Eckstein  H.-Berlin  467, 723, 
2160 

Eckstein-Prag  .  .  .  1445 

Edebols . 294 

Edel . 202 

Edgren . 1770 

Edinger  A.-Freiburg  .  563 
Edinger  L.-Frankfurt  281, 
374,  492,  940 

Edkins . 1593 

Edlefsen  .  .  .  179,  1407 
Edmondson  ....  1667 
Edridge-Green  .  .  .2181 

Edwardes . 1630 

Edwards  .  .  1361, 1631 

Egger . 1856 

Ehreke . 343 

Ehrendorfer  ....  802 

Ehret . 74,1312 

Ehrhardt . 1312 

Ehrhardt O.  Königsbg.  1807 
Ehrich  .  .  .  1445,  1926 


o* 


XII 


r—' 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

Ehrlich  Fr. -Stettin  .  568 
EhrlichP.-Frankfurt67 1,937 


Ehrmann 

.  .  1165, 1849 

Eichholz 

. 456 

Eiclxliorst 

759, 1639, 1807 

v.  Eicken  632,  1479,  1513, 

1547, 1846 

Eichler  . 

. 1639 

Eiermann 

. 2167 

Eigenbrodt 

....  2102 

Einhorn  . 

.  .  1355, 2095 

v.  Eiseisberg  151,  469,  719, 

1273, 1772, 1776 

Eisenberg 

.  459,888,1675 

Eisendraht 

....  380 

Ekgren  . 

.  .  .  419,1315 

Ellbogen 

. 1776 

Elliot  .  . 

Ellmann 

. 1237 

Elmiger  . 

. 374 

Eisberg  . 

Elschner 

.  .  .  .  1433 

Elschnig 

.  156,490,1516 

Elsner 

.  .  .  976,1315 

Elter 

. 1807 

Emanuel 

. 288 

Embden  . 

.  .  729,816 

Embley  . 

. 1154 

van  Emden 

....  625 

Emerson 

....  1229 

Emmerich  M.  -  Nürn- 

berg  . 

....  643 

Emmerich 

O. -Baden- 

Baden  . 

1400 

Emmerich  R-München201, 
672,  976,  1610,  1679,  2059 
Emmert  .  .  1066,  1628 

Endelmann  ....  1398 
Enderlen  .  .  .  .71, 246 
Engel  C  S  -Berlin  .  .  850 
Engel  H. -Davos  .  .  1383 
Engelhardt  .  .  .  1894 

Engelmann-Berlin459,l  193 
Engelmann-Boston  .  1814 
Engelmann-Hamburg  207, 
943 

Engelmann  G.-Wien  1276 
Engels  Hamburg  466,  723, 
897,  1068,  1119 
Engels  E.-Marburg  .  1017, 
lot)8,  1893,  2096 

Engström . 1437 

Erb  492,  680,939,1892,2161 


Erben  .  .  . 

1809,2156 

Ercklentz  .  . 

...  245 

Erdheim  .  . 

.  540,  1665 

Erdmann  .  . 

1848,  2013 

Erdt  .... 

.  .  .  1501 

Erlxardt  .  .  . 

...  719 

Erismann  .  . 

v.  Erlach  .  . 

.  .  .  1353 

Eppinger  .  . 

.  .  714 

Epstein  E. -Nürnberg  1163, 
1550,  2063 

Epstein  S.-I’rag  1109,  1731, 

2096 

Escat . 

.  .  1813 

Eschbacher  .  . 

.  .  422 

Eschenhagen 

.  .  1357 

Esch  er  .  .  .  . 

.  .  2058 

Eschle  .  .  .  . 

.  .  2023 

Eschweiler  .  . 

.  .  1024 

Esliner  .  .  .  . 

.  .  1982 

v.  Esmarch  .  . 

.  .  1894 

Essen-Möller  .  . 

.  .  1769 

Esser  .  .  356, 

669,  1830 

Etienne  .  .  .  . 

150,  1759 

Ettinger  .  .  .  . 

Ettlinger  .  .  . 

.  1513 

Eulenstein  .  . 

981,  1547 

Eve . 

.  .  906 

i'velt . 

.  1998 

Eversbusch  .  1351,  1636 

Ewald  119,  244, 

491,  673, 

937,  1277,  1716,  1856 

Exner . 1020 

v.  Eysselsteyn  ...  158 


803,  1025, 


1275, 

539, 

2023, 


F. 

Faber  ....  1107, 

Fabian . 

Fabozzi . 

Fabry .  295, 

Fackenheim  .... 

Falck . 

Falk 
Falta 

Faltin . 

F  argas . 

Farrar . 

Faulds . 

Faure . 

Fauser  . 

Faust-Strassburg  757, 

Favarger . 

Favre . 

Federn  . 

Federschmidt  .  .  . 

Feer  • . 

Fehling  .  300,  1061, 
Feilchenfeld 
Fein  461,  686, 
Feinberg  208 , 

1928 

Feldmann  .  . 

Felgner  .  .  . 

Felix  . 

v.  Fellenberg  .  .  . 

Fels . 

Fendt  . 

Fenger  . 

Fenton . 

Fenwick  37,  204,  760, 
2166 

Ferchland . 

FAre  .  850,  1765, 
Ferguson  .  .  .  760, 

Fermi .  670, 

Fernet . 

Ferra  i . 

F  erran . 

Ferrand . 

Ferrannini  801, 1713, 

Ferrio . 

Fessler . 

Fett . 

Feuerstein . 

de  Feyfer . 

Fiaux . 

Fibiger  . 

Fibich . 

Fick . 

Fiedler . 

Fielitz  . 

Figari  ....  1064, 

Filehne  . 

Finger  117,  460,  709, 
Fink  .  1665,  1725, 

Finkelnburg  .  1017, 
Finkeistein  .  .  32, 
Finotti  . 

Finsen  . 

Fiori  .  . 

Firth  .  . 

Fischei  . 

Fischenieh 
Fischer  . 
Fischer-Altona 
Fischer-New-York 
Fischer  B. -Bonn  1785, 
Fischer  B. -Breslau  . 
Fischer  B.-Kiel  .  .  . 
Fischer  E.-Magdeburg 
Fischer  Fr.-Strassburg 
Fischer  H. -München 
Fischer  H.-Karlsbad  . 
1779 

Fischer  H.-W.-Leipzig 
Fischer  O.-Dresden  . 
Fischer  O.-Prag  .  . 
F'ischl-Prag  .  .  ,  . 
Fischl  L.-Prag  .  .  . 
Fischl  E.-Prag  .  .  . 
Fischler  .  .  .  1780, 
Fiser  ....... 


1316, 

m, 


Seite 

1768 

32 
1065 

329 

1356 

1489 

2060 

1629 

1769 
1860 
1592 
1234 
1859 
2023 
1848 

34 

33 
1434 

747 

1927 
1816 
2179 
1477 
1064 

2097 

940 

890 

668 

1743 

296 

380 

979 

978, 

1313 

1976 

761 

1110 

124 

1020 

851 

169 

2057 

251 

932 

1432 

249 

1691 

1667 
1627 

203 

1511 

1626 

942 

1192 

1012 

1668 
1817 
1471 
1015 
1315 
1436 
1979 
1554 
1404 
1548 
1764 
1779 
1981 
2017 
2149 

494 

1466 

1710 

702 

33, 

1917 

2164 

1074 

1864 

1445 

1445 

1928 
117 


Seite 

Fittipaldi . 1811 

Flachs  ....  669,  1864 

Flamini . 1195 

Flatau  E.-Warschau  .  1974 
Flatau  G.-Berlin  .  .1358 
Flatau  S -Nürnberg  .  299, 
388,  903,  945, 1073,  2165 

Fleck . 1514 

Fleger . 1474 

Fleiner  490,  675,  913,  1589 

Fleming . 1851 

Flesch . 1276 

Floret . 1809 

Florio . 717 

Florschütz . 1890 

Flügge  ....  418, 1855 

Focke .  174, 1890 

Förster  F.--Dresden  .  2164 

Förster  0 . 1804 

Fokker . 804 

Ford . 1231 

Forel  ....  1544,1759 

Fornaca  .  .  .  1517,1979 

Forteleoni . 250 

Foster . 807 

Fournier  .  .  293, 1942 

Fraenkel  A.  Berlin  3-0, 492, 
1936 

Fraenkel  B.-Berlin  1477, 
1853,  2067 

Fraenkel  C.-Halle  39,  40, 
539,  942, 1400, 1719 
Fraenkel  E.-Hamburg  120, 
383,  385,  386,  561,  635, 
670,849,899,1070,  1119, 
1440, 1938,  2028 
Fraenkel  F.-Nürnberg  1026 
Fraenkel  J.  A. -Baden¬ 
weiler  . 814 

Fraenkel  M. -Berlin  .  1510 

Fran9illon . 1765 

Francis  ....  541,  1868 

Franck . 1668 

Francke . 583 

Frank-Berlin  .  .  127,  461 

Frank-Köln  ....  1162 
Frank-Münsterlingen  2023 
Frank  E -Berlin  .  .  461 
Frank  G. -Wiesbaden  1231 
Frank  O.- München  .  1020 
Franke  F.-Braunschweig 
719, 721 

Franke  M.-Lemberg  .  325 
v.  Frankenberg  .  .  1625 
Frankenburger  553,  906, 
946.1056,1207,1288,2165 
Frankl  156,818,  1407,  1849 
v.  Franqud  1151,  1860,2016 
Franz  K.-Halle  .  802,1480 
Franz  K.-Wien  .  .  .  302 

Franze . 1926 

Fraser .  979,1234 

Frattin . 1399 

Freeland . 205 

Frei . 259 

Frenkel . 1766 

Frentzel  . 626 

Freudenberg  .  .  .  1358 

Freudenthal  .  1397,1981 

Freund  H.-Reichenberg 
2097 

Freund  H.  W.-Strassburg 
83,  932,  1128.  1551 
Freund  L.-Wien  .  .  35 

Freund  W.  A.-Berlin  83, 
732,1433,1726,1855,1896 
Frey  A  -Baden-Baden  492 
Frey  H.-Wien  .  .1112 
v.  Frey  M.  Würzburg  1445 
Freyer  543,  759, 1361,1853, 
1631 

Freytag  O.-Leipzig  .  1443 
Frevtag  R.-Magdeburg  212, 

782 

Fricke . 1591 

Frickhinger  667, 1429, 1614 
Frieben  ....  593, 1820 


Seite 

Friedberger  74,  327,  1110 
Friedeberg  ....  1891 
Friedenthal  ....  1020 
Friedjung  ...  .  1819 

Friedländer  R. -Berlin  813 
FriedländerW.-Berlin  155 
Friedmann  ....  202 
Friedmann  F.  F.  .  .  850 

Friedrich-Altenberg  .  1403 
Friedrich  P.L -Leipzig  678, 
1403,  1404, 1725 
v.  Frisch  .  .  .  672, 1358 
Fritsch  H.-Bonn  151,  1719 
Fritsch  J.-Wien  .  .1112 

Fritsche . 757 

Fritschi .  2065 

Fritzsche .  72 

Fritzweiler . 757 

Froeliclx .  75,  767 

Frommer  .  587,  887, 1062 
Frommer  V.-Berlin  .  2016 

Frucht .  57 

Fry  W.  E . 1631 

Fuchs-Aachen  .  .  .  814 

Fuchs  Biebrich  .  .  1818 
Fuchs  A.-Wien  .  .  .  759 
Fuchs  C.-Wien  ...  977 
Fuchs  E.-Prag  .  .  .  328 
Fuchs  E.-Wien  .  .  .  1628 
Fuchs  J.-Wien  ...  291 

Fuchs  K.-Wien  .  .  .  419 
Fuchs  P.-Berlin  .  .  1976 
Fuchs  R.  F. -Erlangen  79 
Fuchsig  E.-Wien  890,1112 
Fürbringer  ....  1587 

Fürnrohr . 1892 

Fürstner  ....  83, 939 
Füth  .  .  802,1663,1778 

Fütterer . 1228 

Fuhrmann  .  .  .  .  1459 

Fuld . 465 

Funke . 801 

Funkenstein  .  .  .  .1662 

Furner . 760 

Fuyt . 624 

6. 

Gabrilowitch  .  .  .  1060 
Gabritschewsky  937,  1544 
Gärtner  A.-Jena  1635,  1662 
Gärtner  G  -Wien  126,  948, 
1193, 1275 

Gaetano  .  .  .  1435, 1811 


Gage  .  .  . 
Gailleton  . 
Gairdner  . 
Galabin  .  . 
Galatti  .  . 
Galeotti  .  . 
Galewsky  . 
Galezowsky 
Galippe  .  . 
Gallavardin 
Gallenga  . 
Gallerani  . 
Gallet .  . 


2096 
1666 
2161 

35,588,  1270 
458, 1017 
1332 

1980 
292 

75 
717 
906 

1981 


Galli  46,173,  342,471,599, 
735,951,953,  1166,  i486, 
1593,  201 3,  2135 

Galli-Valerio377, 1545,1894 
Gallois  .  .  .  1205, 1942 

Galloway . 905 

Gamal  eia . 1076 

v.  Ganghofer  .  .  .  1728 
Ganghof ner  ....  1152 
La  Garde  .  .  1066,  1935 

Gardini .  2047 

Garei . 891 

Garnault . 1125 

Garre .  458,  766 

Garrod  124,  204,  245,  977 

Gassmann . 977 

Gast . 289 

Gaucher84,  775,  987,  1666, 
1668 

Gaule . 1019 


Seite 

Gaupp  E.-Freiburg  .  2013 
Gaupp  R. -Heidelberg  800, 
856,  2023 

Gaus . 417 

Gauss . 327 

Gauthier  ...  .  1981 

Gautier  ....  905,  1076 

Gavala . 938 

Gayet . 1976 

Gebele  ....  139,  1746 
Gebhard-Lübeck  .  .  1857 
v.  Gebhard-München  1020 
Gebhardt  A.-Leipzig  1953 
v.  Gebhardt  Fr.-Ofen- 

Pest . 1171 

Gehle . 1512 

Geiger . 1930 

Geipke . 624 

Geiringer  ...  .  420 

Geirsvold  .  .  .  539,  1769 
Geisenberg  ....  494 

Geissler . 386 

Gelbke . 1897 

Gemelli . 288 

Le  Gendre  .  .  1364,  1942 

Gentile  . 1315 

Geraldini . 1810 

Gerber  ....  668,  1274 
Gerhardt  C.-Berlin  491,  535, 
1029 

Gerhardt  D.-St« assburg  83, 
757,  766,  940 

Gerlach  .  .  .  .  1503 

Gerlinger . 623 

Gerota  ....  672,  673 

Gerrard . 1851 

Gerson . 1849 

Gersuny  .  .  .  774,  1164 

Gertler . 495 

Gescheit . 623 

Gessner  A.-Erlangen  78, 
1310,  1353,  1397,  1467, 
1544,  1711 

Gessner  II.-Nürnberg  168, 
388,  553 

Gfeller . 1846 

Ghillini  ....  457,  934 
Ghon  32,  1193,  1356,  1976 

Gibbes . 978 

Giemsa  .  .  .  .671,  1545 
Gierke  ....  849,  1939 

Gieseler . 1626 

Gigli  ....  1897,  2058 
Gilbert  .  724,  1544,  2056 
Gildersleeve  ....  975 

Gillies . 808 

Gils  . 820 

Giordani . 1977 

Giulini  .  .  82,  553,  1900 
Glaessner  K.-Berlin  1274, 
1400 

Glas .  2097 

Glässner  K. -Strass¬ 
burg  .  .  •  .  .  .  252 

Glaser . 947 

Glauning  .  .  .  985,  1682 

Glinski . 936 

Glöckner  .  .  .  153,  1398 

Glogner . 1399 

Gluck  .  .  722,  2180,  2181 

Glück .  296,  460 

Glücksmann  ....  1231 

Gluzinski . 1311 

Glynn . 1850 

Gmelin . 1241 

Gocht .  371,  767 

Godlee . 1155 

Godwin . 1851 

Göbel-München  .  .  1889 
Göbel-Würzburg  .  .1313 
Goebel-Alexandrlen  262 
Goebel-Worms  .  .  .  2008 
Goebel  W.-Bielefeld  835, 
853 

Göbell  .  .  .  1431,  1662 

Goepfert . 1977 

Görges . 946 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XIII 


Seite 

Görl . 043,  2062 

Görtz .  809,  1770 

Göschei  .  114,  945,  1123 
Götz  ....  1236,  1558 

Goetzcke . 1240 

Götzl  ....  1355,  1445 
Gokieloff  ....  \  1470 
Goldberg  B.-Köln-Wil- 
dungen  582,  668,  775, 
1059,  1176 

Goldberg  O.-Warschau  713 
Goldner  .  .  .  1429,  1765 
Goldmann  -  Brenne- 

kerg . 1673 

Goldmann-Wien  .  .  774 

G  oldman  n  E.-Fi  eiburg 
115,  1438 

Goldmann  R. -München 

2142 

Goldscheider  .  .  .  622 

Goldschmidt  A.-Mün- 
chen  ...  .  1991 

Goldschmidt  D.-Strass- 
burg  .  ...  850 

GoldschmidtF.-Berlin  1764 
Goldschmidt  F.-Nürn- 

berg . 1551 

Goldschmidt  J.-Paris  1314 

Goldsmid . 380 

Goldspohn  ....  1983 
Goldstein  .  .  1546,  1714 
Goldzieher  ....  460 

Gollmer . 1890 

Goodall . 979 

Goodbody . 761 

Gording . 1436 

Gordon  M.  H.  .  .  .  977 

Gorodzoff . 761 

Gorovitz .  76 

v.  Gosen  .  .  .  2148 

Gossner  ....  451,  837 

Gottheil . 1936 

Gottlieb  .  369,  376,  1*48 

Gottschalk  417,  756,  815, 
1067,  1860,  1861,  1897 
Gottstein  .  .  .  126,  951 

Gould . 906 

de  Gouvea  ...  .  76 

Gowers  805,  1234,  1585, 
1629,  1631 

Gradenwitz  .  1586,  2139 
Graefe  ....  31,  847 
Graefe  M. -Halle  585,  888, 

1790 

Graeser  .  .  .  1842,  1965 

Graessner . 1663 

Graf  ....  -..  331- 

Graff . 1663 

Grant . 1593 

Graser  1150,  1775,  1861, 
1937,  2062. 

Grassberger  ....  1570 

Grassl  . 281 

Grassmann  34,  35,  69,  74, 


117, 

152,  156,  202 

,  £03, 

248, 

249,  288,  291 

,  323, 

328, 

347,  378,  419 

,  455, 

460, 

495,  539,  540 

,  582, 

586, 

587,  624,  668 

,  671, 

672, 

715,  716,  731 

,  755, 

758, 

759,  805,  806 

,  820, 

847, 

850,  886,  889 

,  932, 

937, 

938,  976,  977, 

1018, 

1064, 

1065, 

1106, 

1111, 

1112, 

1114, 

1154, 

1164, 

1203, 

1204, 

1270, 

1274, 

1275, 

1314, 

1315, 

1345, 

1357, 

1358, 

1400, 

1433, 

1434, 

1473, 

1474, 

1516, 

1517, 

1545, 

1855, 

1587, 

1632, 

1635, 

1664, 

1716, 

1717, 

1764, 

1765, 

1771, 

1809, 

1848, 

1849, 

1895, 

1925, 

1928, 

1930, 

1975, 

2018, 

2019, 

2060, 

2097, 

2159, 

2180, 

2183 

Graupner . 727 


Graupner . 727 

Gravagna . 1979 


Seite 


Grawitz  34,  207,  1068, 

1158, 

2056 

Gray  .  . 

37 

De  Grazia  .  . 

539 

Green  .  . 

Gregor  .  . 

1819 

Grekow  .  . 

1015 

Grimm  .  , 

539 

Grimsdale  .  , 

905 

Grinewitsch  , 

775 

Grisson  . 

2101 

Grixoni  .  .  . 

250 

Grober  ....  456, 

1806 

Gröber  .  , 

386 

Grön  .  .  . 

1436 

Grohe .  537, 

677 

Gromakowsky  1472, 

1515 

Grouven  .  . 

330 

Gross  O. 

668 

Gross- Jena  .  .  423, 

1775 

Gross  A.-Kiel  71,  635, 

1433, 

1975 

Grosz  J  -Ofen-Post 

1107 

Grosz  S  -Wien  . 

249 

Grote  .... 

671 

Groth . 

44S 

Grube  .... 

1820 

Grünbaum  O.  .  , 

1630 

Grünbaum-Liverpool 

1593 

Grünbaum  A. -London 

257, 

379 

Grünbaum  R.-Wien  .  200 
Grünberger  V.  .  .  .  672 

Grünblatt . 1715 

Grüneberg . 1779 

Grünwald  582,  755,  1812 

Grützner . 1 358 

Grober  .....  .  672 

Grumme . 313 

Grunert  .  .  .  980,  1796 

Grunmach . 1473 

Grunow  . . 154 

Grusdew  .  .  .  .1515 

Grube-Hamburg  .  1119 
Grube  K. -Reuenahr  1106, 
1761 

Guckel . 288 

Günther . 1764 

Gürber . 1685 

v.  Guerard  ....  2096 
Gudirin  ....  587,  1475 

Guillain .  75 

Guillon . 1029 

Guinard  L  -Friedrich- 
heim  .....  .  377 
Guinard-Paris  .  947,  1980 

Guleke . 1621 

Gulland . 1361 

Gumpel . 1156 

Gumprecht  .  712,  764 

Gunn . 1593 

Gunsett . 1941 

Gunson  .  •  .  .  .  .  761 

Gunzett . 330 

Gussenbauer  1 17,  260,  378, 
675,  1628 

Guth . 251 

Guthrie . 1233 

Gutierrez  .....  .  1860 
Gutmann  C. -Berlin  .  2156 
Gutmann  .  .  986,  1157 

Guttmann  W.  .  .  .  1354 
Guttmann-Berlin  .  .  2098 
Guttmann  H.-Berlin  314 
Gutzmann  .  .  813,  1898 

Guye  .  .  .  158,377,  631 

Guyon . 905 

Guyot . 1435 

H. 

Haab . 1 935 

Haag .  199,  809 

Haake . 538 

De  Haan . 1110 

Haasler  .  202,  633,  1714 

Haberda  . 1714  [ 

Haberer  1516,  1776,  1929 


ILaberern  .  , 

Seite 

315 

Habermann  .  .  . 

980 

Habershon  .  .  257, 

1234 

Habs . 

1202 

v.  Hacker  458,  584, 

1674 

Hadelich 

1551 

Habet  lin  .... 

117 

Haeckel  .... 

974 

Haegier . 

537 

ILaenel  Fr. -Dresden 

331 

Hänel  H. -Dresden 

326, 

463,  941,  2027 


Haffner . 385 

Hagen-Torn  .  1191,  1515 
Hagenberg  ....  1313 
Hagenbach  ....  537 
Hager  158,  251,  462,  544, 
555,  718,906,  1066,  1173, 
1205,  1316,  1435,  1518, 
1639,  1812,  1980 

Haglund . 1437 

Hahn  E . 116 

Hahn  F. -Nürnberg  1026, 

1123,  11 63, 3  1538,  1551, 
1780 

Plahn  Fr.-Wien  .  .  151 
Hahn  M. -München  595 

1454,  1763 

Hahn  S.-Berlin  .  .  1150 

Hahn  W.-Wien  .  .  1645 

Hajek  .  .  249,  302,  774 
Halban  '473,  1272, v  1715, 
2060 

Hall . 1361 

Halle . 1978 

Halle  M. -Berlin  758,  815 

Halley . 807 

Halpern  330,  1712,  2097 
Hamburg  .  ...  460 

Hamburger  H.  C.  .  1150 
Hamburger  C.  Berlin  986 
Plamburger  F.-Graz  .  249 
Hamburger  F.-Wien  1929 
Hamei  ....  805,  1644 
Hamm  .  .  .  .  .  .  186 

Hammer-Freiburg  115,  116 
Hammer  F.-Würzburg  756 
Hammer  K.-Heidelbg.  1081 
Hammerl  .....  976 
I lammerschlag  260,  808, 

981 

Hampeln . 1061 

Handwerck  ....  230 
v.  Hansemann  202,  1014, 
1106,  1319,  2066 
Hansen  E.-Halle  .  .  980 
Hansen  G.  A  -Bergen  1285 
Hansen  W. -Rostock  588 
Hanssen  .  .  .  1586,  2017 
Ilanszel  .  .  .  1812,  2159 

Häring . 1593 

Harmer  1111,  1112,  1516, 
1546,  1976 

Ilarmsen-Hamburg  .  899 

Harmsen-Kiel  .  .  1014 

Harnack . 1313 

de  la  Harpe  .  .  .  1079 
Ilarper  .  775,  2161 

Harrison  494,  1155,  1555, 
2166 

Hart .  1556,  1592 

Plartmann  A.-Prag  977, 1024 
Hartmann  E.-Graz  .  938 
Hartmann  H.-Leipzig 
1237,  1258,  1428,  2167 
Hartmann  O.-Kassel  .1714 
Hartung . 1152 


Hasebroek . 1900 

Hauck . 1513 

Hauser . 292 


Hauser  G. -Erlangen 
244,  344,  1057,  1228, 
1310,  1972,  2165 
Haushalter  150,  1475,  1759 
Hausmann  .  .  1231,  1657 
Hausmann  ....  1806 


Havas . 647 

Havelock  C . 205 


Seite 

Havelock  Ellis  .  .  .  324 
Hawkins-Ambler  .  .  36 
Hayashi  .  .  .  375.  757 

Heaton  .  .  1233,  1630 
Hecht  A.-Beuthen  .  1558 
Hecht  H. -München  .  39, 

756,  891,  1478,  1813 

Heckei .  30 

Hecker  G. -Dresden  .  422 
Hecker  R. -München  622, 
1676,  1903,  1940,  1975 

v.  Hecker .  2058 

Heddaeus . 1406 

Hedin  ....  .  626 

Hedinger  .  .  .  670,  1806 
Heermann  G.-Kiel  .  1591 
Heermann  J.-Essen  .  89 1 

Hegar  .  .  .  1398,  1946 
Hegener  .  .  1548,  1731 

Heidenhain  L.- 
Worms  .  .  .116,  722 
Heidenhain  M.  -  Tü¬ 
bingen  437,  622,  1019, 
1844,  1972,  2155 


Heiduschka  ....  669 

Heikel . 1437 

Heil . 1881 

Heile  .  584 

Pleim-Ofen-Pest  .  .  1110 
Heim  L. -Berlin  .  .  .  459 

Hei  mann . 247 

Heine . 2017 

Heineke  33,  326,  457,  538, 


584,  887,  934,  1062, 
1271,  1430,  1512,  1892 
Heinlein  .  299,  300,  732, 
1164,  1485,  2104,  2165, 
2167 

v.  Heinleth  ....  1363 
Heinrich  K. -Kassel  .  2003 
Heinrich  S.-Weyarn  .  1943 
Heinrich  Th.  -  Frey¬ 
stadt  . 1664 

Heinricius  .  .  1714,  2179 
Heinsius  288,  547,  974, 
1897,  1973 

Heinz  670,  973,  1013,  1269, 
1353,1399, 2013,2056,2179 


Heinze . 1196 

Heissler . 1352 

Beibing  ....  467,  7ü0 

Helbron  ......  248 

Helferich  1732,  1845,  1972 
Hellendall  ....  457 

Pleller- Berlin  .  .  .  545 

Heller- Leipzig  .  .  .  1443 


Heller  A.-Kiel  .  609,  1591, 
1664 

Heller  R. -Salzburg  .  1665 
Heller  Th. -Wien  .  .  250 


Hellesen . 1769 

Hel  ly . 1400 

Helman  .  ;  .  .  .  .  1891 

Hembold . 2169 

Hemmeter . 1108 


Henderson  ....  760 
Henneberg  ....  2027 
Hengge  374,  417,  803,  974, 
1317,  1432,  1470,  1514, 
1714,  2180 


Henkel  1150, 

1151, 

1190, 

1511 

Henle  .... 

767 

Henne  .  .  . 

33 

Henneberg 

1762 

Hennig  .  .  . 

1223 

Henrotay  .  . 

• 

1897 

Henschen  .  . 

289 

Plensen  .  .  . 

.  253, 

549 

Henssen  .  . 

1807 

Hepner  .  .  . 

75 

Herbert  .  .  . 

2017 

v.  Herczel  .  . 

1513 

Herescu  .  . 

1018, 

1546 

v.  Herff  .  .  . 

802 

Hering  E.-Leipzig  . 

253 

Hering  II.  E.-Prag  . 

889 

Hermann  A. -Fürth  .  799 


Seite 


Hermann  A.-Wien 
Hermann  E 
1232 


Prag 


.  419 
.  1470, 


I  lermann  M  -Lemberg  116 
Hermes  '  ...  72,  1398 


Heron  .  .  . 

.  .  .  1285 

Herrmann  .  . 

.  .  .  1633 

Herschell  .  . 

Hertel  .  .  . 

.  .  .  714 

Herter  .  .  . 

.  .  .  1847 

Hertle  .  .  . 

.  .  .  1846 

Ilertzberger  . 

...  624 

Hertwig  O. 

.  .  .  2154 

Hertzka  .  .  . 

.  .  .  £095 

Herxheimer  . 

2018,  2159 

Herz  .  . 

.  .  .  1925 

Herz  E. -Rzeszow  .  1112 
Herz  M.  -Wien  340,  767, 

1416 

Herz  P. -Magdeburg  .  143t 


v  Herzfeld-Wien  .  .  1276 
Herzog-Trifail  .  .  .  1587 
Herzog  M. -Chicago  .  1230 

Heschelin . 89  R 

Hess  A . 1193' 

Hess  C . 892 


Hess  E.-Stephansfeld  375 
Hess  O.-Marburg  .  .  1449 
Hess  0.  Würzburg  .  300 
Hesse  A.-Kissingen  .  1059 
PIesse  P.  R-Sebnitz.  1558 
Hesse  G. -Dresden  .  2099 
Hes«e  W. -Dresden  1808, 


2100 

Heubel . 1362 

Heubner  .  ...  1927 

Heusner  .  723,  767,  2158 

Heuss  ......  34 

PIeu«ser .  74 

Hevesi . 116 

Hewlett . 91 6 


Heymann  F. -Berlin  863, 
1396 


O.-Basel 


1434 

814 

154 

1357 

627 

537, 


Heymann  II. -Berlin 

Hezel . 

Higier . 

Pli  Iber  t . 

Hildebrand  . 

Plildebrand 
582,  721 
Hddebrandt-Hamburg  1 025 
Hildebrandt-Iviel  325,  457 
Hildebrandt-Lünebrg.  1823 
Hilgenreiner  1074,  1272, 
1776,  2068 

Hilger  ....  1284,  1714 
Hilgermann  ....  981 

Hiller . 1805 

Hilliard . 1361 

Hirne  .  .  ,  . 1583 

Himmel . 587 

Hind . 1631 

Hink . 2180 

II  insberg . 981 

Hintner . 643 

v.  Hippel-Heidelberg  122, 
162,  210,  1780 
v.  Hippel  E.-Kassel . 

Hirota . 

Hirsch  C.-Leipzig 

Hirsch  L . 

Hirsch  M.-Wien  .  . 
Hirschberg  H.-Posen 
Hirschberg  J.  Berlin 


1892 

494 

1230 

932 

2069 

1018 

671, 


888 

Hirschbruch  ....  809 

Hirschfeld-Berlin  .  765 
Hirschfeld  F.-Berlin  .  1628 
Ilirscbfeld  H.-Berlin  291, 


495,  1314 

Hirschfeld  R.-Leipzig  1237 
Hirschfelder  ....  32 

Hirschkron  ....  262 

Hirsclilafl: . 1941 

Hirt .  1649,  2014 

Hirtz .  588.  1599 

His  .  .  .  .  493,  631,  n50 
Plitsclimann  .  1432,  1726 


XIV 

Seite 

Hitzig  .  .  585,  1470,  1762 

Hlava . 1545 

Hoche  .  .  938,  1552,  1711 
Hochenegg  ...  .676 

Hochhaus  .  .  .  636,  1805 

Hochheim . 1626 

Hochsinger  ....  1863 
Hocke  ....  715,  1817 
Hoedlmoser  ....  1018 
Höflmayr  .  74,  468,  1465, 
1987 

Hoeftmann  766,  767,  1775 

Höhl .  256,  1024 

Hoehne . 1684 

Hölscher  .  74,  980,  1232 

Iloenck . 1900 

Hoenigsberg  ....  1470 
Hönigsberger  .  1205,  1505 
v.  Hösslin-Nürnberg  425, 
1073,  1337 

v.  Hösslin  H.  -  Bergzabern 

795 

v.  Hoesslin  R.  -  München 
704,  1521,  1952 

van  der  Hoeve  .  .  892 
Hofbauer  .  .  1112,  1765 
Hoffa  .  532,  766,  767,  937, 
1201,  1353,  1661,  1761 

Hoffer . 938 

Hoffmann  A.-Darmstadt 

1842 

Hoffmann  A.  Düsseldorf 
766,  1059 

Hoffmann  E.-Berlin  .  418, 
1233 

Hoffmann  E.-Greifsswald 
679,  1433 

Hoffmann  F.  A. -Leipzig  265 
Hoffmann  F.  Heidelberg 
326,  680,  901,  939 
Hoffmann  AV.-Heidelberg 
1939 

IIoffmannR. -Dresden  2067 

Hoff  n  er . 890 

Hofmann  J . 492 

Hofmann  C.-Köln-Kalk 

1794,  2014 

Hofmeier  737,  1364,  1814 
Hofmeister  F.-Strassburg 
1634,  1669,  1776 
Hofmeister  F.-Tübingen 
1862,  2158 

Hohlfeld  .  .  .  1863,  1955 
Holländer  205,  721,  722, 
801,  812,  815 

Hollborn . 758 

Holle . 775 

Hollmann . 295 

Holmboe . 2017 

Holmes . 541 

Holmström  ....  1769 

Holper . 731 

Holowko . 1313 

Hol  sch  r . 116 

Holst .  290,  539 

v.  Holstein  ....  214 

Holth  . 1436 

Holtschmidt  ....  13 

Holz . 1863 

Holzhäuser  ....  330 
Holzhäuser  ....  295 
Holzknecht  .  1629,  1810, 
1903 

Hondo . 460 

Honsell  247,  628,  723,  1272 

Hoor . 1546 

Hope . 1591 

Hopf  .  .  1428,  1509,  1665 
Hopmann  .  .  .  587,  974 
Hoppe  ....  497,  1109 
Hoppe-  Alt  -Scherbitz  375 
Hoppe  J.-Uchtspringe  479, 
701 

Hoppe-Seyler  .  814,  1780 

Ilorniker .  2097 

Hornung . 815 

Ilorrocks . 1554 


INIIALTS-VERZEICIINIS. 


1902. 


Seite 

Horsley . 1594 

Houston . 1359 

Ilovoreka  v.  Zderas  .  2098 

Howitz . 1436 

Hoyton . 2161 

Hrach  .  .  118,  1628,  1849 

Hubener . 1332 

Huber  ......  296 

Huber  A.-Ofen-Pest  .  1276 
Huber  A.-Zürich  419,  1400 


Huber  F  O. 
756,  1273 


Berlin  256, 


Huber  J.  Ch.-Mem- 

mingen  70,314, 324, 

372, 

711,886,1012,1311, 

1354, 

1625,  1890 
Hubrich  .  .  . 

2103 

Huchard  .  . 

•  •  • 

1319 

Hug  .... 

1015 

Huguenin  .  . 

.  34, 

936 

Hübscher  .  . 

934 

Hüffel  .  .  . 

492 

Hüfn  r  .  .  . 

1313 

Hügel  .... 

.  295, 

330 

Hühnerfautli 

•  •  • 

911 

Hüls  .... 

•  •  • 

1003 

Hünermann  . 

,  ,  , 

1472 

Hueppe  .  .  . 

.  257, 

844 

Huismans  .  . 

.  32, 

1867 

Hummelsheim 

.  .  • 

891 

Hutchinson 

1285, 

1851 

Hutton  .  .  . 

.  979, 

1594 

Hymans  van  denBerghl768 

J. 

Jacob .  160,  622 

Jacobi-Hamburg  .  .  466 
Jacobi  E.-Freiburg  .  34 

Jacobi  J. -Klausenburg  1229 
Jacobi  M. -Chemnitz.  941 
Jacobitz  .  1504,  1545 
Jacobsohn  .  .  .  .  .  1205 

Jacobson . 1625 

Jacobsthal  ....  1150 

Jacoby . 1628 

Jackschath  ....  1897 

Jadassohn . 1668 

Jäckh . 583 

Jäger-Mühlhausen  .  493 
Jäger-Königsberg  535,  975, 
2096 

Jaffö  C. -Hamburg  73,  117, 
154,  201,  247,  287,  289, 
323,  326,  374,  417,  458, 
494,  536,  585,  623,  668, 
713,  756,  802,  804,  848‘ 
888,  935,  973,  975, 1106, 
1151,  1152,  1190,  1398, 
1433,  1515,  1586, 
1760,  1762,  1847, 
2016,  2058,  2096, 


1432, 

1663, 

1927, 

2180 

Jaffe  M.-Posen 
1061,  1062 
Jahrmarker 
Jaklin  .  , 
Jakob  .  .  . 
Jakobj 
Jakobson 
Jakobsthal 
Jakoby 


722,  886, 


374 

2098 

1157 

1313 

546 

1928 

1429 


v.  Jaksch  371,  1312,1364, 
1723,  1818,  1867,  2095 
James  .  .  ....  1631 
Jamieson  ....  .  1360 
Jamin  375,  586, 1471,  1763, 
2164 

Janowski . 1712 

Janowsky . 200 

Jansen . 1024 

Janssen . 1270 

Japha .  946,  2099 

Jaquet  62,  70,  848,  986,  987 

Jardine . 1555 

.Tarislowsky  ....  1237 

Idelsohn . 1017 

Jeanselme . 1767 


Seite 

Jehle  .  .  .  419,889,  1472 
Jellinek  .  759,  806,  1928, 
1976 

Jemma . 250 

Jenckel  ....  72,  1430 
Jendrassik  .  .  291,  1587 
Jensen  .  .  .  1435,  1627 
Jesionek  858,  1254,  1511 
Jessen  182,  729,  1060,  1985 

Jessop . 378 

Illoway . 1108 

v.  Illyes  ....  246,  67 1 
Immerwohl  ....  33 

Infeld . 1018 

Inghilleri . 377 

Inouye . 1626 

Joachimsthal  628,  767,  815, 
933,  1278,  1760 

Joal . 1478 

Jochmann  712,1231,  1715 

Jocst . 671 

Jodlbauer  425,  642,  653, 
1467 

Johannessen  .  .  .  1152 
Johnston  .  .  1066,  1861 

Jolles .  35,  1575 

Jolly  .  .  1113, 1848,  2026 
Jones  .  .  978,  1592,2162 

Jonescu  D . 2019 

Jonescu  Th.  .  .  810,  1546 
Jonescu-Bukarest  .  1895 

Joos .  73,  1231 

Jordan-Moskau  .  86,  295 
Jordan  A. -München  289, 
710,  1108 

Jordan  M  -Heidelberg  123, 
162,  210,  982,  1513 
Jores  .  .  713,  975,  1192 

Jorns . 926 

Joseph-Rostock  .  .  168 

Joseph  E  -Heidelberg  1271 
Joseph  J.-Berlin  .  .  628 
Joseph  M. -Berlin  420,  587, 
757 

Josias . 1942 

Josipowici . 759 

de  Josselin  de  Jong  418, 625 
Jost  .  .  •  .  .  .  .  623 

Joukovski . 1587 

Irvine . 2162 

Ishiganni . 1110 

Isler .  540 

Dell’Isola . 717 

Israel . 1991 

Israel  C. -Herzfeld  .  2019 
Israel  O.-Berlin 
Issatschenko 

Ito . 

Judson  .  .  . 

Jünger  .  . 

Jürgens  .  255, 
v.  Jürgensen 
Juergensohn 
Julien  .  . 

Julliard  .  . 

.lundell.  .  . 

Jung  F.-Washington  1108 
Jung  J.-Greifswald  .  207, 
1068,  1777 
Jungkmann  .  . 
Juratscheff  .  . 

Jurowski  .  .  . 

J  ust . 

Justi  G.-Jdstein 
Justi  L.  K.-Marburg 


804, 


677 
201 
246 
934 
386 
981 
1585 
.  935 
.  1942 
.  1194 
.  2155 


467 

296 

247 

209 

540 

246 


Iwanoff 


.  296,  1626 


K. 

Kachmann  ....  1108 
Kaes  ....  386,  919 

Kafemann . 1842 

Kahane . 885 

Kahlbaum . 1898 

v.  Kahlden  .  .  458,  675 

Kahnert . 669 

Kaiser-Berlin  •  .  .  256 
Kaiser  G  -AVien  302,  429 


£4, 


330, 


Seite 

936 

1762 

849 

1764 

76 

2057 

374 

831 

763 

887 

1548 

1470 


Kaiser  O.  Alt -Scher¬ 
bitz  .  .  327,  375, 
Kaiser  O. -Dresden 
Kaiserling 
Kaliski  . 

Kallionzis 
Kallmorgen 
Kalmus  . 

Kamann 
Kammer  . 

Kämmerer 
Kan  .  . 

Kaplan  . 

Kaposi  .  210,  316,  1513 

Kappeier . 1431 

Karch  .  .  .  1192,  1276 

Karewski  1157,  1272,  1430 
Karfunkel ,  Breslau- 
Cudowa  .  .  .  193,  1545 

Karlinski . 976 

Karschulin  ....  1717 

Karup . 1890 

Kashiwamura  .  .  .  154 

Kasparek  494,  1545,  1627 
Kassel-Posen  ...  38 

Kassel  W.-Breslau  .  1807 
Kassowitz  1127, 1359, 1487, 
1819 

Käst .  493,  2093 

Kast-Prag . 1673 

Kastl . 1164 

Katsurada  .  .  .  714,  1763 
Kattenbracker  .  288,  415 
Katzenstein  A.-Mün- 
chen  .  .  1390,  1840 

Katzenstein  J.  .  .  .  1928 
Kaufmann  J.  ...  491 

Kaufmann-Frankfurt 

245,  431,  1079 
Kaufmann-Heidelbg.  1072 
Kaufmann  C. -Zürich  938 
Kaufmann  R.-AVien .  1165 
1895,  2069 

Ivaupe . -  538 

Kausch . 1725 

Ivayser-Freiburg  .  .  1068 
Kayser  H-Strassburg 

611,  671,  849,  1692 
Kayserling  .  418,  1586 

Katz  A.-Freiburg  .  .  1015 
Katz  L.-Berlin  ...  980 

Keay .  38 

Kedzcor  . 328 

Keetly . 554 

Kef  erstein . 1016 

Kehr  .  .  .  229,  722,  1689 

Kehrer .  73 

Keiler . 748 

Keller . 847 

Keller-Berlin  ....  2180 
Keller-AVien  ....  2059 
Keller  F.-Uehlingen  .  215 
Kelling  .  .  .  .  21,  1818 
Kellner-Hamburg  326, 1820 
Kellner  B.  O.-Bloem- 
fontein  .  .  .117 

Kelly  .  .  760,  1593,  1982 

Kenefick . 981 

Kerez . 1894 

Kerr . 1361 

Kersberger  ...  .  158 

Kerschensteiner  32,  110, 
245,  712 

Kesselbach  ....  1473 
Kessler  B  -Altona  .  934 

Kessler  L.-Dorpat  .  802 

v.  Ketiy . 1903 

Kettner . 756 

Keydel . 422 

de  Keyzer . 490 

v.  Khautz . 1974 

Khoury . 852 

Kien  .  .  .  83,  1272, £1285 
Kienböck  808,  1849,2159 

Kiessling . 943 

Kilian-Nürnberg  .  .  2061 
Killian  A.-AVorms  1 548, 1 578 


Seite 

Killian  G.-Freiburg  890, 
1023,  1477,  1545,  1547, 
1548,  1593,  1745,  1812 

Kind . 1934 

Kindborg . 1894 

Kionka  .  291,  1433,  1467, 
1627 

Kipp . 1936 

Kirchheim  .  .  .  .1512 
Kirchhoff  .  .  1470,  1715 
Kirchmayr  •  .  .  .  1849 
Kirchner  II. -Bamberg  1247 
Kirchner  M. -Berlin  .  1014 

Kirker . 1594 

Kirsch  .  .  .  1202,  1770 

Kirste .  732,  1444 

Kirstein . 155 

Kisch  .  .  328,  540,  904 
Kischensky  ...  .1763 

Kiesel .  32 

Kisskalt . 290 

Kister .  2058 

Kiwull . 1312 

Klapp  .  .  376,  1068,  1312 
Klaussner  .  .  192,2160 

Kl  aut  sch . 1286 

Klebs . 1982 

Klein  A.-Amsterdam  1893 
Klein  A.-AVien  .  716, 1275, 
2168 

Klein  E.-London  .  .  1975 
Klein  G.-München 30,  933, 
984,1307,1363,1448,1760, 
2094 

Klein  J.-AVien  .  495,  889 

Kleinertz . 1761 

Kleinhans  554,  974,  1779, 
1868 

Kleinwächter  .  802,  2096 
Klemperer  32,  391,  712,  764 

Klimowitz . 850 

Klinger . 1808 

Klingmüller  ....  1587 

Klopstock . 1473 

Kluge . 212 

Knabe . 220 

Knapp-New-York  .  .  1935 
Knapp  L.-Prag  585,  667, 
1511,1515,1665,1778 
Knapp  R. -AVien  .  .  245 
Knöpfelmaclier  .  .  469 

Knoop . 1733 

Knopf  .  .  418, 1060, 1982 

Knotz . 810, 1277 

Knox . 2161 

Kober . 1499 

Kobert-Hamburg  .  .  1985 
Kobert  R.  -  Rostock  324, 
1027,1385,1558,1624,1972 

Koblanck . 802 

Kobrak . 418 

Kocli-Aaclien  .  .  .  814 

Koch-Berlin  893,  933,  1067 
KochC.-Nürnberg  903,1363, 
1404,  2103 

Koch  H. -Nürnberg  1163, 
1551,1780,1900 
Koch  J.-Berlin  .  .  .  2015 
Koch  M. -Berlin  .  .  .  1762 
Kocher  323,  719, 1586, 1972 

Kock . 1769 

Kocks  .  .  .  1586, 1663 

v.  Kocziczkowsky .  .  1895 

Köbner . 709 

Köhler-Berlin  .  538,  1856 
Köhler  A.  -Berlin  535, 1585 
Köhler  Fr.-G  örbersdorf  416 

Kölbling . 1016 

Koelichen  .... 
v.  Kölliker  A.  .  . 
ICölliker  Th.-Leipzig 

Kölpin . 

König-Halle  .  .  . 

König  F.-Altona  160,  327, 
1158,1159,1820, 1864 
König  Fr. -Berlin  260,  330, 
805, 1433,  2099 


1974 

150 

723 

586 

287 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XV 


Koenig  W .-Dalldorf 
Koenigsberg 
Königshöfer 
Koenigstein 
Ivöppen  .  . 
Körmöczi  . 


Seite 

154 
1361 
1237 
1434 
766 
117,1109 


Körner  493,  983, 1305,  1404 
Körte  583,  677,  1724,  1848 
Köster  336,  601, 1229,  1338, 
1442, 1482 

Kötscher  ....  324 

Kötschau . 1202 

Koevesi  ....  671,1350 
Kolm  A  -  Prag  .  .  .  1232 
Kolm  H  -Berlin  84, 1 19, 120, 
159,  174,  206,  256,  260, 
298,  330,  382,  421,  463, 
467,  546,  663,  816,  882, 
893,  911,  947,  986, 1067, 
1114,  1157,  1201,  1278, 
1279,  1820,  1866,  1900, 
1937,  1941,  1985,  2066, 
2099,  2181 

Ivohnert . 207 

Kolmstamm  .  .  .  .1016 

Kokoris . 1064 

Ivokubo . 1473 

Kolb  K.-Münclien  152,  456, 
1058,  1471 

Kolb  R.-Prag  ....  495 

Kolisch . 977 

Kolischer . 458 

Kolisko . 1543 

Kollarits . 848 

Kolle  202, 1396, 1933,  2058 
Kollmann  637, 1098,  1481 

Koninski . 1894 

Konradi . 1928 

Konstantinowitsch  .  936 
Kopfstein  .  .  1629,  2160 
Kopp  314,  330,  372,  490 
Kopytowski  ....  328 

v  Koranyi . 806 

v.  Korczynski  805,  1112, 
1275 

Korff  .  .  .  .  1133,  1408 

Kormann . 1236 

Korn . 1108 

Kornfeld  .119,  937,  1277 

Korschun . 201 

Korteweg . 158 

Kose . 1930 

Koske . 714 

Koslenko  .  .  .  153,  801 

Kossel . 459 

Kossmann  174,  206,  260, 
391,  948,  988,  1265 
Koster  ....  892,1767 


Kotseher 
Kouindjy 
Kouwer  . 

Kovacs  . 

Kozlowski 
Krabler  . 

Krämer  . 

Kraepelin  940,  982, 
v.  KrafEt-Ebing  1228, 
Kraft  H.-Strassburg 


1387, 


324 

1106 

625 

715 

2015 

1107 

1934 

1641 

1664 

970 


KraftL  -Skandinavien  1435 


Seite 

119, 199, 


1471 

1035, 


Krause  F. -Berlin 
546,  1763,  2027 
Krause  F.  Posen  . 

Krause  P.  -  Breslau 
1109,  1274 

Ivrauss  A . 67'2 

Krauss-Rennenburg.  2023 
Krebs-Berlin  1 17,  421,  2067 
Krebs  J.-Breslau  .  .  2015 
Krecke  72,  246,  414,  415, 
535,  538,  582,  797,  801, 
820,  1015,  1062,  1151, 
1237,  1312,  1431,  1469, 
1484,  1663,  1847,  1903, 
20,5,  2093 

Kreibich  172,  295,  341, 909, 
1145, 1193 

Kreidl  . 1021 

Kreis .  74 

Kreissl .  2059 

Kretschmann  212,  984 
1024 

Kreutzmann 
Kriege 


Krieger  . 
Kristinus 
Kriwski  . 
Kroemer 


680, 


2180 

491 

1230 

2019 

803 

417 


Krönig  B.-Leipzig  153,  289, 
848,  1100,  1333,  1362, 
1443,  1661,  1710,  1762, 
1847,  2095 

Kroenig  G.-Berlin  .  260 

Krönlein . 676 

Krogius . 1469 

Krokiewicz  ...  .  291 
Kronenberg  ....  631 

Kronfeld . 328 

Kronheim . 1275 

Kronheimer903,  1074,  2166 
Krüger-J  »resden  .  .  421 
Krueger  F.-Kiel  .  .  635 
Krug-Kassel  ....  328 
Krug-Magdeburg  .  .  1243 
Krukenberg  .  .  528,  767 

Krull . 2179 

Kralle  . 1664 

Krumbein . 1231 

Krupski .  34 

v.  Kryger . 298 

Krzyszkowski  .  .  .  202 

Kucera . 672 

Ivuckein . 2018 

Kühn  A. -Rostock  70,  1397, 

2033 

Kühn  H  -Hoya  .  .  .  1316 
Kühnemann  Gg.  .  .  932 

Kühnlein . 981 

Külz . 1469 

Kümmel . 1024 

Kümmell  120,  (208,  384, 
720,  943,  1025 


.  .  .  723, 
153,  1310, 
247,  1807, 


Küster 
Kiistner 
Küttner 
2158 

Kugel  .... 

Kuhn-Hamburg 

Kuhn-Königsber 


982 

1760 

1927, 

1064 

1933 

1151 


Kramer  .  .  . 

583 

Kuhn  Fr.-Kassel  72, 

722, 

Kramm  .  .  . 

1663 

1456,  1673,  1701, 

1725 

Kramsztyk 

.  935, 

1152 

Kuhn  Ph. -Berlin  . 

103 

Krapf  .... 

1073 

Kuliabko  .... 

1020 

Kraske  .  .  . 

.  288, 

2065 

Kumpf . 

1673 

Krasmitski 

. 

1766 

Kun . 

1511 

Kratschmer  . 

622 

Kunkel . 

489 

Kratter  .  .  . 

810 

Kuntze . 

1808 

Kraus  .... 

2096 

Kuntzen . 

1052 

Kraus -Berlin  . 

1  •  • 

2066 

Kunz . 

1112 

Kraus  E.-Wien 

935, 

2015 

Kurka . 

1716 

Kraus  J.-Karlsbad 

1665 

v.  Ivurlow . 

1017 

Kraus  O.  Karlsbad  . 

850 

Kurpyuweit  .  .  .  . 

1271 

Kraus  R.  -  Wien  249, 

459, 

Kurrer  A.-Lorch  , 

2002 

1232,  2059 

Kurz . 

1230 

Krause  H.  .  . 

1808 

Kuschel  . 

1314 

Krause-Berlin 

2027, 

2180 

Kuss . 

1061 

Krause-Frankfurt  .  . 

2159 

Kustermann  . 

927 

Krause-Sassari 

•  •  • 

1231 

v.  Kusy . 

429 

Seite 

Kutner  .  416,  888,  1712 

Kuttner  ....  38,  711 

Kuzmitzky  ....  762 

Kworostansky  .  .  .  1192 
Kynsey . 1285 


Laban  d .  2094 

Labbe . 169 

Labhard . 1271 

Labhardt . 1929 

Laborde . 1319 

Lack  .  .  ....  .  1361 
Lacher  F.  34,  1518,  2097 
Lacher  M.  672,  938,  1064, 
1193,  1275,  1315,  1358, 
1*00,  1434,  1473,  1716, 
1764,  1849,  1929,  1976, 
2019,  2060 

Lachmann . 1060 

Lachner  . 4(50 

Lachs . 585 

Lachtin  .  .  .  .  1659 

Ladyschenski  .  .  .  977 

Lämmerhirt  .  1111,  1483 

Lafay . 1942 

Lamb  . 541 

Lameris . 624 

Lamm . 934 

Lancashire  .  1134,  1554 

Landau  A. -Warschau  1713 
Landau  H.-Warschau  1713 
Landau  R.-Nürnberg  907, 
985,  1551,  1931 
Landau  Th  -Berlin  .  815 

Länderer  1674,  1861,  1918 
Landesberg  ...  .  977 

Landgraf . 1 41 7 

Landmann  ....  1363 
Landouzy  .  .  1666,  1668 

Landow . 58  i 

Landsteiner473, 1110, 1715, 
1905 

Landström  .  ...  2155 

Lane  ....  1156,  1667 
Lang  A.  .....  .  198 

Lang  G  -St.Petersburg  2094 
Lange  B. -Strassburg  1552 
Lange  F.-München  10,  166, 
287,525,934,  1511,1543, 
1585,  1940 

Lange  J.-Leipzig  857,  1483, 
1729 

Lange  W. -Dresden  .  803 

de  Lange . 669 

Langemak  415,  721,  1926 
Langer  .  .  1152,  1730 

Langhoff . 2016 

Langsdorff . 1586 

Langstein-Graz  .  .  .  1927 
Langstein  L.-Basel  .  1249 
LangsteinL.-Strassburg417, 
1876 

Lanz  A .  296,  330 

Lanz-Bern . 1628 

Lanz  O. -Amsterdam  .  177 
De  Lapersonne  .  .  497 

Lapeyre . 1897 

Laquer  .  .  .  86,  1487 
Laqueur  A.  -Berlin  421, 1397 
LaqueurL. -Strassburg  377, 
493 

Lassar  215, 1278, 1667, 2181 
Lassar-Cohn  ....  1190 

Latham . 379 

Lattes . 543 

Latzko . 713 

Laubenburg  ...  .  975 

Lauber .  2068 

Laudenheimer  .  .  .  2023 
Lauder-Brunton  .  .  554 
Lauenstein  209,  809,  898, 
1251,  1281 

Läufer .  71 

Launois . 987 

Laure . 292 

Laurie .  37 


Seite 

1076, 


676, .  974, 


Laveran  213,  852, 

1446,  1912 

Lawroff . 762 

Lawson . 258 

Lazarus  256,  536,  812,  1107 

Lea .  1361,  1556 

Leiter .  209,  680 

Lecene . 851 

Lechler  ....  168,  882 
Ledderhose  .  .  723,  1941 
Ledermann  .  .  .  .1167 

v.  Leer . 1515 

Lefturih . 1234 

Legendre  .  .  .947,  986 
Lehmann-Strassburg  2048 
Lehmann  K.  B.-W  örz- 
burg  289,  340,  452,  1313, 
1386,  1396,  1397,  1467, 
1663,  1808,  1893 
Lehmann  O. -Charlot¬ 
tenburg  . 1400 

Leick . 1848 

Leiner  ....  935,  1849 
Leiser  ....  298,  1985 

Leitner . 935 

Lengemann  11 5, 

1062 

Lengsfelder  :  .  .  .  2097 
Lenhartz  120,  207,383, 1119 
Leniewitsch  ....  1476 
Lennander  .  .  801,  1312 
Lennhoff  .  .  .  854,  98s 
Lentz  ....  1941,  2059 
Lenzmann  715,  723,  2021 

Leo .  493,  1723 

Leonte . 2019 

Leopold  756,848, 1433, 18 : 6 

Lepa  . . 262 

Lepine  ....  202,  715 
Leppington  ....  1667 
Leppmann  ....  810 
Leredde  .  .  84,  818,  1942 
Lermoyez  .  .  .  909,  1593 
Leser  .  .  40,  1661,  1844 
Lesser-Berlin  .  256,  123ö 
Lesser  C. -Berlin  .  .  71 

Lesser  E.-Berlin  .  .  1017 
v.  Lesser  Leipzig  .  .  549 

Lessing . 1430 

v.  Leube  291,  847,  1721, 
1856 

Leubuscher  ....  1625 
Leusser  .  .  .  •  -  •  1095 

Le  vi  L . 329 

Levi  H.-Stuttgart  870,  2023 
Levi  L  -Paris  ....  84 

Levinger . 291 

Levinsohn  ...  .  732 

Levy  E.-Strassbg.  377,  1312, 
1928,  2097 

Levy-Dorn-Berlin  176,  '815 
Lewascboff  ....  761 

Lewers . 1361 

Lewin  A . 761 

Lewin  L  -Russland  .  980 
Lewinsohn-Dalldorf  .  154 
Lewinsohn  B.-Soden  982, 
1722 

Lewinson  M.  Berlin  2018 

Lewis . 380 

Lewisohn . 1025 

Lewkowitz . 935 

Lexer  .  .  456,  722,  2181 

Lewy . 2157 

v.  Leyden  159,  418,  493, 
546,  718,  986,  1014,  1545, 
1820,  1936,  1973,  2066 

v.  Li  ehern . 289 

Lichtenstein-Berlin  .  42  L 
Lichtenstein  A.-Mün- 
chen  33,  248,  1060,  1107, 
1515,  1715,  2016 
Lichtenstern-Berlin  .  1273 
Lichtenstern  Prag  .  1063 
Lichtwitz  .  .  1478,  1887 

Lickley . 979 

Liebe  73,  418,  670,  1061, 
1587,  1626,  2017 


Suite 

Liebermeister  ,  .  .  2096 
Lieblein  .  115,  426,  1015, 
2068 

Liebmann . 1768 

liebreich  .  .  1200,  2099 
Liebseber  889,  904,  1926 

Liek  . 933 

Liefmann . 1016 

Liepelt  1192,  1511,  1713 
Liepmann  893,  1200,  1848 

Lilienfeld . 538 

Lilienstein .  2023 

Lindahl . 2155 

Lindemann  1059,  1355, 

1713,  1891,  2094,  2157 

Lindenthal  H73,  1432,  1726 

Linder . 922 

Lindmann . 1236 

Li  ndn er- Dresden  .  .  592 
Lindner  E.-Wien  .  .  1929 

Lindt .  249,  1400 

Link  ....  940,  2016 
Linossier  ,  .  .  .  427 

Linser  .  .  .  713,  1926 

v.  Linstow  ....  1110 

Lion .  34 

Lipmann-Wulf  .  84,  716, 
2098 

Lipowski . 199 

Li  pp  er  t . 904 

Lippmann . 890 

Lipstein  .  .  .  758,  1975 

Lissau . 1445 

Lissauer . 1433 

Littauer . 585 

Litten .  462,  2060 

Littlejohn . 1156 

Littlewood . 1850 

Lobstein . 1514 

Lochbihler  ....  1398 
Lochmann  ....  670 

Lochte . 120 

Lockwood . 2166 

Lode .  539,  758 

Loeb .  253,  848 

Loebel . 2158 

Löbker . 1237 

Löffler . 680 

Löhlein . 1161 

Loennberg  ....  1974 

Loeser . 1771 

Loevy . 1846 

Löw . 201 

Löwe  Berlin  ....  1775 
Loewe  M. -Berlin  .  .  33 

Löwenbach  ....  71 

Löwenberg  ....  33 

Löwenfeld  1041, 1080, 1248, 
1288 

Löwenhardt  ....  721 
Loewenstein  .  .  .  247 

Loewenthal-Berlin  .  1397 
Loewenthal  V.- Char¬ 
lottenburg  ...  .  715 

Loewi . 375 

Lohmeyer . 2107 

Lohnstein  .  .  1358,  2169 

Lombard .  39 

Lommel  ....  314,  1229 

Lomonaco . 1066 

London . 1357 

Longo . 1517 

Longuet .  76 

Longworth  ....  1631 

Lop . 588 

Lorand . 1723 

Lore . 1361 

Lorenz  .  .  72,  767,  934 

Loret . 1976 

Lortat-Jacob  ....  292 

Lossen . 1926 

Lotheissen-Wien  .  .  1902 
Lotheissen  G.  -  Inns¬ 
bruck  ....  378,  584 

Lotz, . 1893 

Louste . 2166 

Love . 1593 

Lubarsch . 245 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


AVI 


Seite 

Lublinski .  34 

De  Luca  ......  432 

Lucae  .  .  483,  980,  1168 

Lucatella . 157 

Luce . 855,  898 

Lucy . 1234 

Lucksch . 1404 

Ludloti .  2094 

Ludwig . 1328 

Lübcke . 936 

Lüthje  1601,  1806,  1848, 
1974 

Luff . 554 

Lukacs . 374 

Lukas . H64 

Lumpe . o03 

Lundborg  .  .  1016,  1893 
Lundsgaard  .  .  .  .1768 

Lunz . 671 

Luther . 936 

Luzzatto  . 758 

Lydston . 1066 

Lyon . 170 

Ly  st  er . 213 

JI. 

Maar . 1436 

Maas .  382,  767 

Maassen  ....  459,  757 
Mc  Adam-Eecles  .  .  1553 

Mackay . 1360 

IV]  c  Bride . 1593 

Mc  Callum  .  .975,  1894 

Mc  Cann . 1558 

Mac  Conkey  ....  1850 
Mac  Donald  293,  1593, 1868 


Dougall 


1-200, 


1592 
.  .  1851 
.  .  2161 
888,  935 
.  1015 
1628 
542 
378 
1851 

1155 

1156 
1850 
1234 

330 
170 


1436 

1704 

162, 


Mac 

Macewan  . 

Mc  Gavin  . 

Machenhauer 
Machol  . 

Mackenrodt 
Mackey  .  .  203,  379, 

Macgregor . 

Mac  Kaig . 

Mac  Kean  Harrison  . 

Mc  Ilerron  .... 

M’  Laren . 

Macllwaine  .... 
Macpherson  .... 

Mc  Vail . 

Madden . 1631 

Madelung .  82 

Madsen . 1436 

Magen . 1237 

Magenau . 1697 

Mager . 1722 

Magnus  .  .  .  1313,  1429 
Magnus  -  Skandina¬ 
vien  . 

Magnus-Dresden  . 

Magnus  Heidelberg 

376,  757,  1848. 
v.  Magnus  -  Königs¬ 
berg  . 1433 

Magnus-Le vy  .  .  .  1061 

Magri . 1979 

Mahaiin  ....  496,  1759 

Mahr . 245 

Mahu . 292 

Maignon . 1 364 

Mailland .  76 

Mainzer  .  .  .  ...  869 

Makuna . 1155 

Malfatti . 157 

Malherbe . 1319 

Manasse  .  .  839,  2181 

Mancini . 1979 

Manders  . 906 

Manega . 1978 

Manicatide  .  .673,  1018 
Mann-Dresden  422,  767, 
981 

Mann  L-Breslau  .  .  536 
Mannaberg  .  .716,  2069 
Manninger  .  .  .  .1714 


Manolescu . 1113 


S(  ik.e 

Mansbach  .  .  .  553,  904 
Manson  .  204,  1285,  1593 
Maragliano  .  .  .  251,  543 

Marburg . 1358 

Marchand  802,  901,  903, 
1362,  1716,  2092 
Marcinowski  .  .  .  .2014 

Marcus . 1769 

Marcuse-Berlin  .  .  .  987 

Marcuse  J.  -  Mann¬ 
heim  . 1191 

Maresch .  2059 

Marfan  292,  851,  947,  1977 
Marina  ......  154 

Marinescu  758,  890,  1018 
Mariotti-Bianchi  .  .1979 

Markheim . 848 

Markiewicz  .  .  .  .1712 
Markl  .  .  155,  156,  459 

Markus . 40 

Marmorek  539,  623,  1195 

v.  Mars . 540 

v.  Marschalkö  296,  329,  671 

Marsden . 1632 

Marsh . 732 

Marshall  .  205,  976,  1156, 
1234 

Martens  .  33l,  538,  1229 

Martin  A.  J . 1630 

Martin  A.-Greifswald  623, 
679,  850,  1858,  1861 
Martin  A.-Jena  220,  1037 
Martin  A. -Zürich  .  1713 
Martin  V.-Pratteln  .  2158 
Martinet  .  .  .  990,  1767 
Martini  .  202,  1278,  1627, 
1929,  1933,  2059 
Martirano  ......  73 

Martius  144,  168,  169,  1581 
Marwedel  ...  .1513 

Marx  E.  1228,  1231,  2159 
Marx  H  -Lübbecke  201, 
660,  722 

Masi . 1518 

Masini . 1518 

Massacin . 1809 

Mastri  ....  462,  1810 
Matanowitsch  .  .  .  1513 

Matas . 1935 

Mathes  P.-Graz  33,974, 1063 

Matthäus . 2165 

MatthesM.-Jena8, 220,  693 
Mathis  .  .  .  1194,  1474 

Matignon . 426 

Matt . 323 

Matte . 980 

Matthiolius  ....  1846 

de  Mattos . 417 

Matusewicz  ...  .  714 

Matzenauer  [296,  329, 1716, 
1929 

v.  Matzner . 1407 

Matzuschita  290,1 399,  2156 
Mau  .  .  .  121,  521,  899 

Maude . 1359 

Maurer . 1975 

Maximor . 2017 

May  P . 1593 

May  B. -München  .  .  582 

Mayeda . 1809 

Mayer-Berlin  .  .  .1314 
Mayer  E.-Berlin  .  .  1356 
Mayer  E.-Köln  .  .  .  1715 
Mayer  Gg.-München  557, 
646,  1734,  1783,  1822, 
1869,  1990 

Mayer  M.-Simmern  .  1342 
Mayer  P.-Karlsbad  .  853 
Mayer  W.-Fürth  1198,  2152 

Maylard . 543 

Mayo . 1935 

Mayr . 1150 

Meier . 756 

Meinel . 359 

Meinert . 1279 

Meinertz  .  .  .  154,  1398 


Meissen 

Meissner 

Mellin 

Melun 

Memmi 

Memmo 


Seite 

.  1388 

.  1544 
,  1770 
.  890 
.  1979 
.  460 

Mendel  E.-Berlin  205,  2014 
Mendel  F.-Berlin  .  .  201 

Mendel  F.-Essen  134, 1247, 
266  ) 

Mendes  P.-Bahia  .  .  76 

Mendes  de  Leon-Am¬ 
sterdam  . 1897 

Menusier . 1598 

Menzer  256,  861,  893,  911, 
1395,  1805,  2094,  2163 

Menzi . 494 

Menzies . 1593 

Mercade . 851 

v.  Mering  .  .  .  322,  951 
Merk  A.-Heidelberg  .  1061 
Merk  L.-Graz  .  .  .1154 
Merkel  A. -Strassburg  756 
Merkel  Fr.-Nürnberg  552, 
985,  1163,  1404,  1780 
Merkel  H. -Erlangen  79, 155, 
459,  714,  819,  975,  1192, 
1510,  1763,  1937,  2018 
Merkel  J  -Nürnbg.  388, 1073, 
2104,  2165 

Merkel  S.-Nürnberg  82,  357 


Merlettd  . 
Mermann 
Mermingas 
Mertens-Chemnit 
Mertens  Leipzi 
Mery 


Messedaglia 
Mesnil  .  . 
du  Mesnil  . 
Metschnikotf 
Metzger  .  . 


1238, 


Metzner  .  . 
Meusburger 
Meyer-Berlin 
Meyer  A.-Berlin  660, 
Meyer  A.-Marburg  . 
Meyer  E. -Hamburg 


713 

1513 

1430 

1061 

72 

1245 

1517 

852 

1239 

587 

478 

1004 

1716 

2067 

909 

1110 

1537 


Meisenburg 


1625 


Meisling . 1768 


Meyer  E.-Kiel  1357, 1591, 
1605 

Meyer  E.-Tübingen  .  1974 
Meyer  F.-Berlin  1193,  1716, 
1809,  1890 

Meyer  G. -Berlin  416,  1014 
Meyer  H. -Basel  .  .  976 
Meyer  H.-Kopenliag.  1437, 
1770 

M ey er  FI . -Marb urg  419,1273 
Meyer  J.-Berlin  .  .  373 
Meyer  R.-Berlin  670,  975, 
1356,  1432 

Meyer  W.-New-York  415 

v.  Meyer . 1512 

Meyer-Wirz  ....  1546 

Meyerhof . 248 

Meyerhoffer  ....  1672 

Meyers . 1767 

Michaelis  225,  670,  711, 
888,  1764,  2056,  2156 
Michalski  1807,  1927,  2158 

Michel  i . 1979 

Michin . 1152 

Mignon  ....  947,  1478 

Migula . 1058 

v.  Mikulicz  .  .676,  1845 

Milbradt  . 328 

Milchner . 1278 

Millard  .  .  .  1155,  1591 

Miller . 809 

v.  Miller . 1774 

Miller  J.-Freiburg  .  .  714 

Miller  M.-Bayreutb278, 1990 

Milligan . 760 

Minciotti . 157 

Minet .  169,  1029 

Mink . 624 

Minkowski  .  .730,  1314 


Seite 


van  der  Minne  .  .  .  1398 

Minod  . 1668 

Minowici . 1064 


Mintz  415,  888,  1673,  1712 
Miodowski  ....  1587 
Mirabeau  82, 124,  388,  424, 
1269 

Mirinescu . 1113 

Mircoli  ....  353,  1516 

Mitscha . 938 

Mitulescu  1716,  1818, 1891, 
2018 

Miura  ....  1819,  1894 
Miwa  Y.-Ghiba  .  .  416 


Model . 1303 

Moebius . 1273 

Moeli . 889 

Möller . 329 


Möller-Altona  .  .  .  160 

Moeller-Berlin  .  255,  2016 
Möller  A  -Belzig  539,  1060, 
1275,  1586,  1716 
Mönckeberg-Dresden  594 
MönckebergJ  G.-Ham- 


burg  .  .  849,  1201,  1847 
Mönckemöller  .  .  .  1108 

Mörl . 1810 

Mohr H.-Bielef el d 809,  2018 
Mohr  L  -Frankfurt  .  248 

Moizard . 1245 

Molinie .  38 

Moll . 2ö7 

Moltrecht  817,  1440,  1900, 
2028 

Monakow . 940 

Moncusi . 1897 

Mond . 1900 

Mondinos  ...  .  544 

Mongeri . 326 

Monks . 542 

Monnier  ....  2158 

Monrad . 417 

Monti . 1819 

Montini . 1316 

de  M.ontyel  ....  1474 

Moos . 1886 

Moravcsik . 326 

Morel . 2166 

Moreschi . 1435 

Moresco  . 1810 

Moreul . 1193 

Morgan . 1108 

Morgenrotli  .  .  976,  1033 
Morgenstierne  .  .  .  1667 
Mori  .  1434,  1810,  1978 

Moriez . 1976 

Morison . 1553 


Moritz  1, 176,  193,238,  392, 
451,  1068,  1147,  1203, 
1548,  1748 

Moro  F.-Graz  .  .  .  249 

Moro-Prag . 935 

Moro-Wien  .  .  1863,  1927 
Morris  125,  555,  1232,  1553 
Morton  ....  38,  1360 

Mory . 1713 

Moser  E.-Zittau  .  .  1832 
Moser  T.-Wien  1730,  1765 

Moses .  631,  683 

v.  Mosetig-Moorhof  .  118, 
328 

Mosse  330,  893, 1238,  2097 
Mosse  .  .  212,  427,  1766 
Mott  .  .  257,  1554,  1592 
Motta-Coco  ....  1823 


Moty . 1981 

Mould . 1592 

Moulin . 2163 

Mounyerat  ....  947 

Moure . 891 

Moussous . 292 

Mouton . 1847 

Moynihan  378,  760,  870, 

1360,  1632,  1850 
Mragek  .  .  .  244,  1428 

Muck . 981 

Mühlen s  .  .  .  1318,  1473 


Seite- 

Müller  . 749 

Müller  G . 1467 

Müller  A.-Basel  .  .  537 
Mueller  A.-München  124, 
417.  1778,  2016 
Müller  E.-Berlin  1107,  1863 
Müller  E.-Freiburg  .  1016 
Müller  E.  J.-Zittau  .  1236 
Müller  F.-Basel  .  156 
Müller  Fr.-Godesberg  853 
Müller  Fr.-Münclien  .  764 

Müller  G.  J.-Berlin  .  889 
Müller  H.  Bamberg  .  373, 
1432 

Müller  J.-Wiesbaden  814 
Müller  J.- Würzburg  .  300, 
376,  757, 1075, 1313,1848 
Müller  L.  R.-Erlangen  154, 
326,  1017,  1293,  1429, 
1471,  1504,  1893,  1972, 
1975,  2063 

Müller  O.-Leipzig  640,  814 
Müller  P.  Th.-Graz272,  976, 
1330,  1808,  1928 
Müller  R.  F.-Berlin  723 
Müller  W.-Leipzig200, 1806 
Müller  W.-Nürnberg  .  907 

Müller  W.-Rostock  .  537, 
1462 

Müllerheim  .  1726,  1900 
Münchmeyer  .  .  .  941 

Mugdan  ....  987,  1397 

Muir . 1631 

Munch-Petersen  .  .  1974 

Munter .  84,  987 

Murit  . 492 

Mur  eil . 1359 

Murphy  .  .  .  185°,  1934 
Muscatello  ....  1430 
Musehold  .  .  .  459,  535 


Mutermilch  .  .  .  .1712 

Muzzarelli . 514 

Myles  . 1553 

N. 

Naab . 793 

Nadler . 624 

Näcke . 375 

Naegeli . 1928 

Näther .  78 

Nagano . 1627 

Nalbandoff  ....  154 

Nardi . 1316 

Nash . 2162 

Nassauer  373,  1322,  2093 

Nathan . 156 


Naumann  .  .  .  669,  1146 
Naunyn  ....  83,  1284 
Nauwerck  .  .  1024,  1470 

Nawratzki . 1715 

Nebelthau  .  .  .917,  1239 


Neek . 1470 

Neelow . 1109 

Negel . 1546 

Negretto . 462 


Nehrkorn  .  117,  162,  1513 
Neisser  A.-Breslau  .  1666, 
1669 

Neisser  C.-Lublinitz .  1762 
Neisser  E.-Stettin  416,  669, 


1716 

Nemai . 38 

Nemtschenkoff  .  .  .  1476 

Nenadovics  ....  1779 

Nerking .  251 

Netolitzky . 1586 

Netter . 427 

Neubauer  .  .  .  .  •  1249 


Neubeck  .  .  .  256,  1238 
Neuberger  388,  907,  1025, 
1267,  2165 

Neub  i  ireer-Grosslichter- 

felde . 1626 

Neuburger  M.-Wien  .  1898 
Neuburger  S.-Nürnberg  82, 
903,  1163 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XVli 


Seite 


Neudörffer . 1713 

Neugebauer  Fr.-Warschau 
326,  974,  1356,  1434 
Neugebauer  Fr.-Mähr.- 
Ostrau  35,  741, 1674, 1862 


Neumann . 1313 

Neumann-Karlsruhe .  2022 
Neumann-Berlin  .  .  2058 
Neumann  A.-Berlin  .  585, 

1127,  1431 


Neumann  B.-Darmstadt 
1397 

Neumann  F.-Baden-Baden 
493 

Neumann  F.-Prag  .  1232, 
1810,  1868 

Neumann  H.-Berlin  1114, 
1929,  2181 

Neumann  J.-E. -Königsberg 

2017 


Neumann  J.-Wien  296,' 420, 
1276,  1664,  1778 
Neumann  L.-Breslau  2016 
Neumann  B.  O.-Kiel  34, 
73,  155,  201,  248,  290, 
327,  376,  377,  459,  460, 
494,  539,  623,  671,  715, 
757,  758,  804,  849,  805, 
976,  1017,  1109,  1110, 
1153,  1231,  1232,  1314, 
1356,  1357,  1399,  1471, 
1472,  1473,  1545,  1590, 
1627,  1663,  1716,  1763, 
1764,  1808,  1893,  1894, 
1895,  1928,  1975,  2059, 
2096,  2097,  2156 
Neumann  S.-Berlin  .  1594 
Neumann  S.-Ofen-Pest  1063 

Neusser . 1628 

Neustätter . 641 

Newby . 378 

Newman . 1631 

Newsholme  .  .  1156,  1630 

Niblock . 1361 

Nicoloi . 1780 

Nichol . 1155 

Nicholson  .....  1556 
Nicoladoni  .  .  .  801,  1107 

Nicoll . 1360 

Nicolle . 198i 

Niedner  .  .  .  1705,  1888 

Nielsen . 131g 

Nieny . 2158 

Nieriker . 1861 

v.  Messen  249,  812,  2091 


v.  Niessl 
Nigrisoli 
Nikitin 
Nikolaier 
Nishiuch 
Nissl  . 

Nitsche 
Nizzoli 
Nobdcourt 
Nobis 
Nobl 
Noce 
Nocht-Dresden  .  . 
Nocht  B.-Hamburg 
1933 


1516 
.  .  .  1897 
.  .  .  890 
.  421,  1344 
.  .  .  1894 
.  940,  2023 
1108,  1431 
.  .  .  1979 
.  \  1978 
.  .  .  78 

.  .  .  372 
.  .  .  462 
594 
459, 


Nölker . 627 

Nösske  ....  676,  1469 

Nötel . 494 

Nonne  .  208,  816,  1471 

v.  Noorden  C.-Frank- 
furt  .  .  758,  1553,  1723 
v.NoordenW.-München  415 


Nordheim . 1515 

Nordmann  .....  934 


Norway . 1629 

Nothnagel-Berlin  .  .  733 
Nothnagel  H.-Wien  1273, 
1275 


v.  Notthafft  ....  731 
Nusch . 2145 


Seite 

O. 

Obermeier . 759 

Oberndörffer  ....  458 
Oberndorfer  L.-Genf  714 
Oberndorfer  S. -München 
360,  1058,  2057 


Obertüschen  ....  1853 

Oberst . 286 

Obersteiner  469,  800,  806 

Ochsner  . . 395 

O’Conor . 1632 

Odebrecht .  2096 

Odhner  ....  377,  976 

Oddo . 169 

v.  Oettingen  861, 1153, 1274 

Oestreich . 255 

Ogle . 1233 

Ogston  .  .  .  203,  1359 

Ohlemann . 1890 

Ohlmüller  .  .  .  714,  757 
Olshausen  116,  1467,  168!, 
1809 

Oliva . 1847 

Oloff . 1515 

Olpp  ....  1079,  1558 
Olschanetzky  .  .  .  1231 
Ombredanne  ...  1977 

Omi . .  .  246 

Onodi  ...  38,  806,  1593 

Onorato . 1110 

Oppe  .  .  463,  1103,  1114 
Oppenheim  H.  .  .  .  117 


Oppenheim  A.-Berlin  248, 
671,  1113,  1274 


Oppenheim  M.-Wien  71, 


1315 

■  *  y 

Oppenheimer 

.  205, 

1929 

Oppler  .  .  . 

671 

Orescu  .  .  . 

1547 

Orgler  .... 

849 

Orlipski  .  .  , 

1462, 

1653 

Orlow  .... 

246 

D’Ormea  .  . 

1065 

Orth  .  .  .  , 

1314, 

1473 

Orthmann  .  . 

,  . 

30 

Ortner  .  .  . 

1895, 

2013 

Osler  .... 

294 

Ossig  .... 

538 

Osswald  .  ,  . 

1715 

Osterloh  .  .  . 

.  894, 

1115 

Ostermaier  .  1496,  1888 
Ostertag-Berlin  ...  71 

Ostertag  W. -Barmen  803 
Ostmann  .  .  1023,' 1209 


Ostreil . 328 

Ostwald . 1847 

Oswald . 1961 

Ott  A, .  757,  1580 

v.  Ott . 1355 

Otto-Berlin  ....  2058 
Otto  M. -Hamburg  202,  634 

Overbeck . 459 

Overend . 541 

Owen . 2162 

P. 

Pässler  164, 1087, 1243, 1737 

Page . 1233 

Pagenstecher  .  415,  848 

Pagliani . 555 

Paine  ....  .  804 

Pal  .  .  74,  341,  429,  1954 

Palla . 155 

Palm . 1432 

Panas  . 905 

Pancini . 1517 

Panichi . 1066 

Panse  . 463 

Pansini . 717 

Pantschenko  ....  1558 

Panzer . 1628 

Papanicol  .  .  .  673,  1019 
Papasotiriu  ....  290 

Pape . 802 

Papi . 1435 


Seite 

Pappenheim817, 1847,2018 

Paravicini  . 

.  .  .  1473 

Parhon  .  . 

.  .  .  1546 

Pariser  .  . 

...  805 

Parnell  .  . 

.  ,  .  541 

Parnet  . 

.  .  .  1555 

Parodi  .  . 

.  .  .  1435 

Parsons  .  . 

...  36 

Paschen  .  . 

.  .  .  1069 

Paschkis 

.  .  .  1358 

Pascoletti  .  . 

.  .  .  1066 

Pasini  .  . 

...  544 

Pasquini  .  . 

.  1979 

Passini  .  .  . 

33,  74/1864 

Passow  .  .  . 

...  680 

Patella  .  .  . 

.  157,  758 

Paton  .  . 

...  978 

Pattin  .  .  . 

,  .  .  1359 

v.  Pauer  .  . 

.  .  .  1152 

Paul  G.  .  .  . 

Paul  L.-Breslau  .  .  1472 

Pauli  .  .  . 

.  .  .  1895 

Paulsen  . 

...  384 

Pausini  .  .  . 

...  461 

Payne  .  .  . 

.  906 

Payr  713,  719 

,  887,  1150. 

1511 

Peacocke  ,  . 

Pearcey  .  , 

.  .  .  3360 

Pearson  .  , 

Peham  .  .  . 

Peik  .  .  . 

Peipers  .  .  . 

Peiser  .  .  . 

.  1846 

Pekelharing  . 

1767,  1922 

Pel  .  .  . 

Pelnar  .  .  . 

-  541,  1930 

Pels-Leusden  119,  331,  537, 

721 

Pelzl  .  .  . 

.  .  .  2098 

Pendl  .... 

Penkert  1589, 

1662,  1847. 

1929 

Penzoldt  114,  244,  323,  491, 
710,1585, 1972,2014,  2056 
Perez  .  .  .  .1150,  1430 

Perlis . 974 

Perrin . 1767 

Perthes.  .  623,  801,  1062 
1431,  1846,  1968,  2102 

Perutz .  97 

Peserico . 1663 

v.  Pessl . 956 

Peters  . 1312 

Peters  E.  A.  .  .  .  978 

Peters  H.  .  .  .  669,  970 
Peters-Dresden  .  .  768 
Peters  A.-Rostock904,  1187 
Petersen-Hamburg  .  1939 
Petersen  W.-  Heidel¬ 
berg  42,  161,  584,  675, 
681,  1015,  1056,  1514, 
1549 

v.  Petersen-St.  Peters¬ 
burg  ....  715,  1668 

Peterson . 1545 

Pettersoon  .  .  .  .1109 
Pettersson  ....  1664 

Petrina . 1868 

Petrini  de  Galatz  .  1667 
Petruschky  ....  1818 
Pezzoli  329,  1193,  1400 

Pezzolini . 544 

Pfahler  ...  .  1066 

Pfalz  ...  1236,  1237, 
Pfannenstiel  ....  982 
Pfannmüller  ....  1720 
Pfaundler  .  69,  376,  1211, 
1349 

Pfeifer . 299 

Pfeiffer-Wien  ...  32 

Pfeiffer  B.-Hamburg  849 
Pfeiffer  E. -Hamburg  926 
PfeifferH.-Pasewalk  1502 
PfeifferR.-Königsberg  64 
1110 


Seite 

Pfeiffer  W.-Kiel  1684,  1807 


Pfister . 1928 

Pfister  M.-Heidelberg  153 

Pfisterer . 935 

Pflanz . 153 

Pflüger . 254 

v.  Pflug k . -854 

Pfuhl . 1472 

Pfulil-Berlin  ....  256 
Pfuhl  A. -Hannover  .  494 

Phelps .  2096 

Philibert .  84 

Philipowicz  ....  587 


Philippi  E.-Hamburg  299 

1884 

Philippi  F.  A.- Salz¬ 
schlirf  125,  170,  213,  258, 
301,  554,’ 555,  906,  1285, 
1556,  1868,  2166,  2183 


Philippson  A.- Ham¬ 
burg  ....  294,  330 

PhilippsonS.-Palermo  670 

Pichevin . 1860 

Pichler  . 712 

Pick-Berlin  ....  732 
Pick  A.-Prag  ;  585,  806 

Pick  E.  P.-Wien  .  .  759 

Pick  F.-Prag  426,  766,  806, 
946,  1816,  1868 
Pick  W. -Breslau  .  .  156 

Picot . 819 

Picque . 1766 

Pieniazek .  30 

Pieper . 1206 

Piffl .  984,  2083 

Pilcz  ....  1546,  1810 

Le  Pileur . 1666 

Pilgrim . 372 

Pilsky  ....  491,  1159 

Pütz . 1654 

Pinard . 1814 

Pincus  F.-Köln  .  .  .  1162 
PincusL. -Danzig  374,  975 
2158 

Pineies . 806 

Pini . 296 

Piorkowski  420,  757,  2059 

Pirone . 1717 

v.  Pirquet  1232,  1730,  1863 

Pirrone . 801 

Pischinger  34,  74, 156,  249, 


378,  540,  624,  938,  977, 
1111,  1400,  1473,  1546, 


16228,  1809 

Pitres . 818 

Pitt . 170 

Pizon . 893 

Placzek  266,  392,  663,  1147 

Plaut  .  .  .  208,  460,  593 

Plaveck . 1313 

Plehn  . 1628 

Plesch . $20 

Plettner  ....  331,  941 

Pliehn . 462 

Ploenies . 1819 

Pobiedin . 1715 

Podwyssozki  VV.  536,  2156 
v.  Poehl  .  .  .  1723,  2066 

Pohl . 1817 

Polacco . 288 

Polano . 1586 

Polenske . 1152 

Pollaczek  ....  1248 
Pollatschek  ....  2093 

Polyak . 890 

Poncet  ....  905,  1075 

Ponfick  ......  1817 

Pontoppidan  .  .  .  1666 

Popescul . 804 

Popielski  .  252, 1020,  2060 

Porge . 588 

Porges . 296 

Porges  E.-Wien  .  .  118 

Porosz . 540 

Port  .  .  903,  1163,  2006 
Poscharyski  ....  33 


Seite 


Poschi . 1434 

Posner  .  .  413,850,1776 

Pospelow . 329 

Potarca  ....  .  1475 
Poten  .  .  1230,  1273, 1514 
Pouchet  ....  427,  1942 

Poulain . 1766 

Powell . 1066 

Power  ....  906,  2160 
Poynton  .  ...  804 

Pozzi  ....  1860, 1896 

Präger . 256 

Prall . 757 

Pratt . 380 

Preindlsberger  1629,  1674 
Preisich  .  888,  1110,  2016 
Preisz . 377 


Preoprajensky  .  .  .  1897 

Prettner . 1109 

Preuss . 489 

v.  Preyss . 1356 

Pribram  ....  461,  904 

Prinzing  . 152 

Probst  374, 1470, 1587,  1762 
Proca  .  .  1113,1546,2020 

Prochnik . 249 

Procopiu . 1019 


Pröscher-Darmstadt  .  1176 
Pröscher  F.-Frankfurt  670 
Proust  .  .  .  1446,  2104 
Proskauer  .849,1472,1893 


Prusmann . 1733 

Prutz . 720 


Przewalski  .  .  .  668, 1192 

Przewoski . 936 

Pstrokonski  .  .  .  .1712 
Puchberger  ....  1673 
Pugh . 1154 


Pudor  .  .  . .  33 

Pulawski . 1712 

Pulvermacher  .  .  .  1897 

Purjesz . 806 

Purres . 979 

Pupovac . 1473 

Pye-Smith . 1852 


fit. 

Queissner . 1762 

Quensel  .  .  .  1470,  1472 

de  Quervain  32,  246,  323 
584,  722,  1276, 1400, 1586^ 


1770 

Queyrat . 1668 

Quill . 760 

Quiretti . 544 

Qurin  223 


R. 

Raab  .... 

Rabe  .  . 

.  .  1978 

Rabinowitsch  , 

.  .  1472 

v.  Rad.  .  .  318,388,1551 

Radsiewsky  .  . 

.  .  1061 

Radtke  .... 

809, 1317 

Raff  .  .  . 

•  •  745 

Raecke  .... 

586, 1715 

Rager  .... 

•  .  1436 

Rahn . 

418,  1487 

Raiser  .... 

.  .  123 

Rambousek  . 

.  .  1716 

Rammazzotti  .  . 

.  .  1667 

Ramon  y  Cajal  . 

.  .  758 

RamSden  .  .  . 

.  .  1593 

Rank-  Arnswalde 

.  ■  1620 

Rank  K.  E.-Arosa 

•  •  787 

v.  Ranke  .  . 

1789 

Ranschoff  .  .  . 

.  .  585 

Ransom  .... 

761,  807 

Ranzi . 

Raoult  .  .  . 

Rapp-München  . 

174,  1494 

Rapp-Reichenhal 

.  48 

Raquer  .... 

.  .  1850 

Rasumowsky 

325,  887 

vom  Rath  .  .  . 

431, 536 

INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


677, 


1360 
1725 
1846 
808 
323 
1897 
2095 
721 

327,  1243 
.  .  1229 
1369 
1985 
.  .  494 
.  .  805 
.  .  937 
289,  2159 
.  .  1232 


1060, 


XVIII _ 

Seite 

Raudnitz . 1868 

Ravasini . 1434 

Raw . 319 

Reach  252,  757,  1115,1664 

Recinelli . 555 

v.  Recklinghausen  .  1551 
Reckzeh  .  .  .  1238, 1314 

Redard . 934 

Redfern . 378 

Redlich  ....  260, 806 

Reerink  .  .  ...  720 

Rees  . 

Reger  . 

Regling 
Regnier 
R6gnier  L.  R 
Regnoli 
Rehm  . 

Rehn  . 

Reich  . 

Reichard  . 

Reichardt  . 

Reiche  .  . 

Reichel  .  . 

Reichenbach 
Reichert  .  . 

Reichmann 
Reidhaar  . 

Reimann  . 

Rein  .  .  1814,  1861,  1897 
Reiner  A.-Wien  767,  1717 
Reiner  G.-St.  Gallen  938 
Reiner  M.-Wien  .  .  2043 

Reinewald . 1547 

Reinhard . 672 

Reinhold . 200 

Reinke . 1844 

Reitter  .  .  .  1586,  2019 
Reitzenstein  413,  944,  2061 

Reko  . 1809 

Remlinger .  75 

Renault  .  .  .  1365,  1942 

Renner . 889 

R4non . 2166 

Renshaw . 1631 

De  Renzi  .  .  .  804,  1517 

Repetto . 670 

Rethaan-Macare  1666, 1669 

R6thi .  35 

Reuter  ....  209,  2059 
Revenstorf  .  .  385,  1880 

Rey . 1927 

Reynolds . 1592 

Rhein .  497,  1853 

Rheinbolt . 374 

Rheinwald  ....  247 
Rhodes  ....  379,  1592 

Ribierre . 169 

RibbertH.-Magdeburg  670 
Ribbert  H.- Marburg  805 
Richardson  ....  1934 

Richet . 1942 

Richter-Hamburg  593, 1864 
Richter  A.-Berlin  .  .  1314 
Richter  E, -Plauen  .  891 
Richter  P.-Berlin  1106, 
1899,  1932 

Ricketts  .....  1935 
Riechelmann  .  .  .  1399 
Rieck  120,  206,  1119,  1296 
Riecke  .  .  329,  638,  1243 
Riedel  536,  583,  719,  722, 
1192,  1357,  1724,  1725 
Rieder  402,  454,  623,  2057 
Riedinger  410,  571,  767, 
1074 

Riegel  F . 202 

Riegel  W.-Nürnberg  732, 
2103,  2104 

Riegler . 1111 

Riegner-Berlin  .  .  .  1315 
Riegner-Breslau  .  .  415 
Riegner  H. -München  1916 

Riehl . 164 

Rieländer . 802 

Riether . 1064 

Riethus . 550 


Seite 


Rieux . 1193 

Riff . 300 

Rille .  303,  759 

Rinehart . 204 

Rindfleisch  ....  1514 

Rinne . 1314 

Risch . .  1109 

Risel . 201,  2102 

Rissmann  1230,  1356,1515 

Rist . 852 

Ritter  C.- Greifswald  422, 
732,  975,  1431 
Ritter  F.-Oldenburg  .  291 
Ritter  v.  Rittershain  1152 

Rivalta . 1065 

Rivas .  2059 

Roberts-Manchester .  1594 
Roberts-Philadelphia  1935 
Robertson  W.  .  .  .  542 

Robertson  W.A.-Edin- 

burgh . 2166 

Robertson-Sheffield  .  1592 
Robin  .  .  124,  426,  427 
Robinson  H.  B.  .  .  1360 
Robinson  M.-Baden-B.  38 
Robson  389,  542, 1154, 1850 

Rocaz . 1195 

Rochaz . 1894 

Röchelt .  2097 

Rodari . 378 

Rode  ....  1629,  1765 
Rodella  ....  290,  2059 

Rodman . 1934 

Roeder  H.-Berlin  155,  247, 
1018 

Röder  H.-Elberfeld  .  2077 
Roemer  C.-Breslau  .  756 

Römer  P. -Würzburg  300, 
1853 

Roemisch  .  .  .  66,  1913 
Röpke  ....  537,  1023 

Rörig  H . 1358 

Rössle . 1806 

Roethlisberger  .  .  .  536 

Roger .  292,  293 

Rogers  .  .  .  1151,  1852 

Rogovin . 1890 

Rohde . 943 

Rohden . 852 

Rohrer . 1663 

Rolleston . 1852 

Rolly-Berlin  ...  .  376 
Rolly-Heidelberg  .  .  1471 
Rolly-Leipzig  .  .  .  1737 

Roloff . 713 

Romani . 1065 

Romberg .  89 

Romei . 544 

Romm .  72 

Rommel . 1431 

Röna . 1667 

Roncali . 1065 

Ronsohoff . 1934 

Roorda-Smit  .  .  .  .1767 

Roos .  632,  1607 

Roosen -Runge  1119,  1162, 
1355 

Roscher  .  .  .  .  ...  481 

Rose  W . 1235 

Rose  E.  Berlin  .  538,  671 

Rose  S. -Berlin  .  .  .  415 

Rose  U.-Strassburg  .  70 

Roselli . 117 

Rosemann . 252 

Rosen .  202,  1018 

Rosenbach  J.-Göttin- 

gen . 583 

Rosenbach  O.-Berlin  131, 
558,  700 

Rosenbaum  ....  658 

Rosenberg  174,  626,  891 
Rosenblath  .  .  200,  1975 

Rosenfeld . 1192 

Rosenfeld  E.  -  Nürn¬ 
berg  ....  985,  1363 
Rosenfeld  F.- Berlin  623, 
1397,  1723 


Rosenfeld  Gg.  -  Bres¬ 
lau  .  17,  373,  755, 
Rosenfeld  Leonh.- 


764 


Nürnberg 


903,  985 


Rosenfeld  M  -Strass¬ 
burg  1017,  1893,  2023 
Rosenheim-Berlin  .  382 

Rosenheim  O.-London  626 
Rosenthal  G.  .  .  .1765 
Rosenthal  W.  .  .  .  1510 
Rosenthal-Berlin  .  .  2098 
Rosenthal  J. -Erlangen  1025 
Rosenstein  .  .  935,  975 

Rosin  .  2094 

Ross . 760 

Rossa . 2016 

Rossi . 250 

Rost .  459,  714 

Rostoski  .  .  740,  1685 

Rostowzew  ....  1809 

Rotch . 1554 

Rotgans  .....  .1768 

Roth .  294,  934 

Roth  0 .  886 


Seite 


S. 


Roth-Lübeck  .  .  . 
Roth  E.-Ofen-Pest 
Roth  E.-Potsdam  . 
R6th-Schulz  .  .  . 
Rothberger  .  .  . 


260, 


720 

419 

1677 

1350 

253 

712 

762 

805, 


852 


Rothe 

Rotherosen  . 

Rothmann  31 , 

1020 

Rothschild  D. -Soden 
982 

Rothschild  O.-Breslau  1807 
Roubinowitsch  .  .  .1319 

Roux .  678,  1446 

Rovere . 461 

Rovsing  ...  •  .  .  1768 

Rowland . 626 

Rowlands . 1 360 

Rowntree . 1592 

Le  Roy . 426 

Ruault . 1812 

Rubin  stein  .  .  .  1520 

Rubner  .  .  232,  797,  1149 

Rubritius . 1312 

Rucqoy . '  .  1076 

Ruder . 1900 

Rudloff . 1024 

Rudneff . 887 

Rudolph  . 1108 

Rudolph-Magdeburg .  984 

2008 

Rudolph  J.-Heilhronn  804 

Rüder  . 1985 

Rühl . 190 

Rühle .  2023 

Rümke . 1767 

Ruff . 1672 

Ruffer  ....  1154,  2059 
Ruge-Hamburg  .  .  .  1286 
Rüge  H.-Berlin  .  .  1191 
Rüge  R.-Kiel  848, $1314, 
1894,  1933 

Rüge  S.-Greifswald  .  1068 
Ruhemann  .  .  .  .1314 

Ruitinga . 2017 

Rullmann  ....  925 
Rumpel  1731,  1821,  1892 
Rumpf  E. -Friedrichs¬ 
heim  ....  377, 
Rumpf  Th. -Bonn  154, 

1059,  1197 
Runeberg 

.  888, 


Runge] 

Rusch  .  . 
Rüssel  .  . 
Russovici  . 
Ruzicka  .  . 
Rydygier  . 
Rymowitsch 
van  Ryn  . 
v.  Rzetkowski 


418 


35, 


1437 
2095 
587 
379 
.  .  .  118 
1356,  2096 
.  .  .  1761 
.  .  .  1627 
.  .  .  1854 
.  .  .  1712 


Saalfeld  .  255,  624,  775 

Saatz . 988 

Sacconaghi  ....  1435 

Sacerdotti . 1399 

Sachs  E.-Breslau  .  .  806 

Sachs  E.-Dresden  .  1898 
Sachs  H.- Frankfurt  .  189, 
671,  937 

Sachs  O.-Breslau  .  759 

Sack  .  530,  1141,  1939 

Sadoveanu  .  .118,  119 

Saemisch  ....  31,  847 

Sänger . 371 

Saenger  A.-Hamburg  121 
721,  816,  898 
Saenger  M.  -  Magde¬ 
burg  .  .  .  .670,  938 
Sahli  738,  764,  1111,  1972 
Salaghi  ......  71 

Salant . 1891 

Salburg  .  ....  372 

Salge  ,  .  1067,  1543,  1729 

Salley  . •  1399 

Salomon  .  155,  765,  1928 

Salowij . 2158 

Salus .  426,  1355 

Salvioli . 544 

Salzer . 200 

Salzwedel  .  .  1067,  1200 

Samberger  .  .  .  495,  1359 

Samter . 723 

Sand . 496 

Sander . 1933 

Sandford . 1593 

Sanfelice  .  .  .  157,  1627 

Sangmann . 1858 

Saniter . 288 

Sano . 497 

Santesson . 243 

Santi . 717 

Santoliquido  .  1666,  1668 

Santon . 490 

Sarason . 938 

Sattler  .  •  .  .  .  .  156 

Satullo . 1811 

Sauerbeck . 327 

Sauter . 713 

Savage . 1850 

Savoires  . 1855 

Sawada  ....  155,  1626 
Saxer  857,  975,^1362,  1763 

Scagliosi . 586 

v.  Scanzoni  .  .  417,  1102 

Schächter . 118 

Schabad . 1515 

Schäfer . 936 

Schäffer  Berlin  .  .  .  298 

Schäffer  E.-Bingen810,1317 
Schaeffer  O.-Heidelberg 
535, 1063, 1776,  1847 

Schaer . 376 

Schaffer . 806 

Schanz  A.-Dresden  591, 767, 
934, 1191, 1809,  1862,2060 
Schanz  Fr. -Dresden  64,2067 
Schanzenbach  .  .  .  1827 
Schaper  ....  330, 1106 

Schaps . 2016 

Scharffenberg  .  .  .1769 
Schaternikoff  .  .  .  1020 
Schattenfroh  804,  1570, 
1763 

Schatz  ....  540, 1727 
Schaudinn  .  .  .  757,  1763 
Schauenstein  ...  153 
Schauta  .  934, 1432, 1814 

Schech  .  .  31,668,1662 

Schede . 766 

Scheel . 1769 

Scheffer . 998 

Scheftel . 1810 

Scheib  .  977, 1400, 1404 

Scheibe  ....  981, 1586 

Scheidl . 1111 

Scheier . 712 


Seite 

Schellmann  ....  1984 
Schenk  156,  553,  1778, 1868 

Schenke . 980 

Scherbatsclieff  ...  375 

Scherenberg  ....  1542 
Scherer  ....  735, 1152 

Scheuer . 327 

Scheyer . 977 

Schiassi  .  .  .  1810, 1978 

Schickele . 1626 

Schickiberger  •  .  .  201 
Schjerning  .  .  535, 973 

Schiefferdecker  .  .  262 

Schiff . 260 

Schiff  macher  ...  71 

Schild .  420,  1569 

Schiller . 1512 

Schilling-Togo  .  758, 1933 
Schilling  C.-Berlin  .  459 
Schilling  F.-Leipzig  .  1664 
Schirmer  O.-Greifswald207, 
1018 

Schirmer  O.-Heidelbg.  1853 

Schischa . 296 

Schittenhelm  539,  1273, 
1892 

Schlagenhaufer  889,  1018 
1063 

Schlagintweit  .  .  .  1348 

Schlayer . 1314 

Schlechtendahl  229,  449, 
864 

Schleich . 892 

Schleissner  ....  329 

Schlender . 1662 

Schlesinger  A  -Berlin  1847 
Schlesinger  E.- Strass¬ 
burg  ....  935,1715 

Schlesinger  H.-Frank- 

furt . 1229 

Schlesinger  H.-Wien  126, 
950 

Schlesinger  W.-Wien  1315, 
1761 

Schloffer  115,  457,  1074, 
1776,  1861,  2068 
Schlossmann  668,  669,  710, 
1675, 1676 

Schloth  .  .  158,  625, 1768 

Schlüter . 1685 

Schmauch . 1927 

Schmaus  .  243,  552, 1106 
Schmidt  ....  757,  1764 

Schmidt  G . 804 

Schmidt  G.  B.  .  .  .  1513 
Schmidt  A.-Bonn  217,765 
Schmidt  A.-Leipzig  .  549 
Schmidt  Fr. -Duisburg  544 
Schmidt  J.-Dänemark  1466 
Schmidt  K.-Kottbus  808, 
809, 1770 

Schmidt  M.  B.-Strass- 
burg  .  .51, 1552, 1565 
Schmidt  O. -Bremen  .  1847 
Schmidt  O. -Zwickau  .  2158 
Schmidt  P.  -Hamburg  1929 
Schmidt  R.-Wien  111 1, 2097 
Schmidt-Nielsen  .  .  539 
Schmidt-Rimpler  633, 1241 
Schmieden  72,  117,  315, 
1469 

Schmiedicke  ....  540 

Schmiedl . 759 

Schmilinsky  .  .  818,897 

Schmithuisen  .  .  .  590 
Schmitt  A.-München  1526 
Schmitt  J. -Nancy  .  .  1543 
Schmorl  E.  286,  331,  374, 
382, 1379 

Schnabel  .  .  .  202,595 

Schneider  K.-Erlangen  670, 
936,1231,1356,1399,1587, 
1626,1848 

Schneider  P. -Magde¬ 
burg  ....  165, 1620 

SchneiderR.-Münchenl940 

Schnitzler  .  .  .  540, 1902 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XIX 


Seite 

Schoeler . 1433 

Schoen . 935 

Schoen-Laduiewski  .  1515 
Schönborn  .  .  1017,  1018 


1230 
269, 1111 

158,  326 
.  .  853 
.  .  329 
158 


Schönemann 
Schönwerth 
Schölten .  . 

Scholz  .  . 

Schonheid  . 

Schoo  .  .  . 

Schottelius  538,  1191,  1610 
Schott  -  Nauheim  554,  814 
Schott  A.-Tübingen  .  1017 
Schottmüller  73,  1070, 1561 

Schou . 1435 

Schoug . 1437 

Schoull . 2166 

Schräder  .  .  1402, 1431 

Schramm . 1629 

Schrank . 1433 

Schreiber  A. -Augsburg  115, 
151,  974, 1012 
Schreiber  E.-Göttingen 
1490, 1760 

Schreiber  K. -Berlin  376, 
2096 

Schreiber  L.-Königs- 
berg-Heidelbergl806,2075 
Schreiber  P.  F.-Magde- 
burg  ....  165,892 

Schreyer.  .  .  .  161,942 

Schridde  .  .  1928, 2017 

Schroeder  E. -Altona  .  1779 
Schroeder  E.-Königs- 

berg . 1761 

Schröder  G. -Schöm¬ 
berg  .  .  .  1373, 1887 

Schröder  H.-Bonn  .  1727 
Schroeder  W.  -  Ham¬ 
burg  . 1963 

v.  Schrötter  H.-Wien  416, 
597,  764, 1276, 1930 
v.  Schrötter  L.  813,  1628, 
1723, 1925 

Schroth  ....  286,622 

Schubert . 1580 

Schubiger-Hartmann  1929 
Schuchardt  ....  375 
Schücking  .  .  1016,  1060 
Schüder  .  494,  1472,  1893 
Schüffner  ...  71,  1626 
Schüle  .  .  .  ,  939,  2066 
Schueller  A.-Wien  .  1587 
Schüller  C. -Heidelberg  116 
Schüller  M. -Berlin  416,  677, 
1715,  1894  . 

Schümann . 1635 

Schüssler . 1272 

Schütz  ....  295,  2016 
Schütz-Leipzig  .  .  .  1401 
Schütz  A.-Ofen-Pest  888 
Schütz  J.-Wien  .  .  2014 
Schütze  A. -Berlin  1274,1929 
Schüler- Appenzell  ,  377 
Schüler  H.-Tübingen  1016 
v.  Schüler  ...  .  1764 

v.  Schullern  .  .  .  200 

Schultes . 834 

Schulthess  767,  1192,  2158 

Schultz . 904 

Schultz-Schultzen  stei  n  1 273 

Schultze  F . 492 

Schultze  B.  S. -Jena  153, 
1063 

Schultze  E  -Boun  151,  199, 
490,  940.,  1711, 1760,  1805 
Schultze  Fr. -Bonn  .  1584 
Schultze  F.-Duisburg  1674 
Schultze  O. -Würzburg  1986 
Schultze  P.-Naumberg  581 
Schulz  Fr. -Rostock  .  1016 
Schulz  PI.-Greifswald  440, 
1019 

Schulze  H . 1928 

Schulze  W..Halle  .  .  980 
Schulze- Vellinghausen 
1230 

Schumburg  494, 1110,  1893 


Seite 

Schum  ....  154,  1864 

Schunda . 1H2 

Schupfer  .  .  .  544,  1315 

Schur . 253 

Schuster  .  .  .  295,  1817 
Schwab -Neuweissen- 

see . 1317 

Schwalbe  E.-Hdlbg.  1399 
Schwalbe  G. -Strass¬ 
burg  ....  492,  939 
Schwalbe  J.-Berlin314, 1544, 
1684,  1685,  2070 
Schwalbe  K.-Los  An- 
gelos  1616 

Schwanert . 2179 

Schwarz  K. -Agram  .  129 
Schwarz  L.-Prag  75,  904, 
1816,  1868,  2104 

Schwarze . 810 

Schwarzenbach  .  .  803 
Schwartz-Paris  .  .  .  169 
Schwartz  O  -Köln  .  .  707 
Schwechten  ....  1638 
Schweissinger  .  .  .  854 
Schweninger  ....  1077 

Schwenke . 1848 

Schwerdt . 582 

Schwerin . 982 

Schwiening  ....  1357 

Sclavo . 1472 

Scott  G .  37 

Scott  J.  W.  .  .  .  .  807 

Scott  S.  R . 379 

Scotti . 1811 

Sebileau  . 1478 

Sederl .  32 

Sedgwick . 1631 

Seeligmann  .  .  935,  1360 
Seeligmüller  ....  8b9 
Seemann  ....  977 
Seggel  K.  -  München  244, 
372,  423,  490,  848,  932, 
1429,  1468,  1890,  2155 
Seggel  R.- München  416, 
1014,  1662,  1973,  2094 
Seifert  .  .  .  1232,  1548 
Seiffer  .  1759,  1972,  2027 

Seige . 714 

Seiler-Interlaken  .  .  1400 
Seiler-Nürnberg  .  .  1364 
Seiler  F.-Bern  .  70,  1230 
Seitz  C.-München  .  .  483 
Seitz  L. -München  .  .  1398 

Selberg . 1237 

Selcke  ....  818,  905 

Seligmann . 466 

Seilei . 330 

Sellheim  153,  393,  1674, 
1726,  2155 

Semmelink  ...  .  153 
Senator  119, 158,  888,  893, 
986,  1805,  1936,  2165 
Sendler  ....  81,  1121 

Senft . 622 

Senger . 1433 

Sengler . 185 

Serafini  ....  649,  1979 

Sergent .  77 

Seroni . 544 

Seubert .  66 

Sevestre  .  .  .  1076,  1245 
Seydel -Königsberg  .  1315 
Seydel  C.-München  1311, 
1939,  2179 

Seydewitz . 1472 

Shaw . 380 

Sheild  379,  906,  977,  1154 
Sherrington  .  .  257,  379 
Shiga  .  .  .  .  1627,  1894 
Shufflebotliam  ...  36 

Shukowsky  .  .  .  .1515 

Sibbald . 1592 

Siberberg . 723 

Sieck . 1927 

Sidlauer . 1714 

Siebenmann  ....  1024 
Sieber-Schumoff  .  .  1873 
Siebert  .  .  .  .  152,  1137 


Seite 

Sieberth .  73 

Siedentopf  1120, 1244, 1281 

Siefert . 826 

Siegert  F.- Strassburg  69, 
300,  418,  572,  669,  711, 
847,935,1152,1516,  1675, 
1927,  2058 

Siegert  F.-Wien  .  .  417 

Sievers . 418 

Sieveking-Hamburg  1985 

Sievert . 809 

Silberberg . 2180 

Silbermark  ....  1663 
Silberschmidt938, 1 46 1 ,2059 

Silberstein . 431 

Silva . 157 

Silvestri . 1316 

Simnitzky . 1665 

Simon  L.  G.-Paris  .  .  1475 
Simon  M. -Nürnberg  .  985 
Simon  O. -Karlsbad  .  1817 
Simon  O. -Heidelberg  1514 
Simon  W. -Königsberg  1807 
Simmonds  208,  385,  634, 
899,1318,1441,1939,2017 
Simonin  .  .  84,  169,  1365 

Simpson . 1815 

Sinclair . 1630 

Sinell . 943 

Singer-Prag  .  1722,  1818 
Singer  G.-Wien  .  .  1723 

Sion . 1546 

Sippel . 2180 

Siredey  .  .  .  .169,  891 
Sittmann  ....  387 

Sklarek . 375 

Skormin  . 1515 

Skoszqüski  ....  2027 
Skutsch668, 769,  1396,1550 

Smith . .  .  1769 

Smith  J.  P . 205 

Smith  T . 555 

Smith  A. -Marbach  .  1270 
Smoler  .  257,  457,  1015 

Smyly . 1234 

Smyth . 1234 

Sneguireff  ...  33,  1271 

Snel  J . 849 

Snell  L .  542,  1593 

Sobernheim  976, 1160, 1439 
Sobotta  ....’.  .  1487 
Sobotta-Berlin  .  .  .  669 
Sobotta  J.-Würzburg  621 

Söldner . 1819 

Soetbeer  .  .  1230,  1515 

v.  Sohlern . 1664 

Soleri  . 1516 

Solger . 1548 

Solieri  ...  718,  975 

Solowieff  .....  1476 

Soltmann . 493 

Sommer  A.-Franzens- 

bad . 

Sommer  A.-Graz  . 

Sommer  G.-Würzburg  1364 
Sommer  M.-Jena  211,  1716 
Sommer  R. -Giessen  .  1191 
Sommerfeld-Prag  .  .  296 
Sommerfeld  P.-Berlin  247, 
248,  1018 

Sommerfeld  Th.-Ber- 


1665 

314 


lin . 

1128 

Sonnenburg  .  . 

678, 

1981 

Sonnenkalb  .  . 

#  B 

211 

Sonnenschein  . 

2015 

Sonntag  ,  .  .  . 

714 

Soupault  .  .  . 

775 

Souques  .  .  .  . 

169,  2166 

Sosnowska  .  . 

1897 

v.  Spee  .  .  .  . 

549, 

1684 

Spencer  .  .  . 

555, 

1555 

Spengler  .  .  . 

716 

Sperling  .  .  .  . 

1726 

Spicer ■  .  .  .  . 

1868 

Spiegel  .  .  85, 

248, 

587 

Spiegler  .... 

625 

Spielmeyer  .  . 

.  . 

1470 

Spiess  . 

315, 

1611 

Seite 

Spiethoff . 1511 

Spijarni . 2018 

Spillmann  .  .  .  150,  1759 

Spineanu  .  ...  877 

Spinelli  .  .  .  1860,  1897 

Spitzer . 1809 

Spitzka . 293 

Sprengel  .  .  .  678,  719 

Springer  461,  1107,  1404, 
1674,  1868 

Spuler . 1763 

Spuller . 328 

Squire . 1154 

Ssobolew . 1230 

Stadelmann-Berlin  .  1984, 
2099 

Stade lmann-Würzbg.  2022 

Stähler . 326 

Staehelin . 1413 

Staffel  F  -Wiesbaden  456 
Staffel  H.-Chemnitz  256, 
1985 

Staff  ord . 1975 

Staicovici . 113 

Stamm  C. -Hamburg  1619 
Stamm  H.-Hildesheim  585 
Stangenberg  ....  1436 

Stangl  . 1628 

Stanley . 760 

Stanley-Boyd  .  .  .  555 

Starck  1471,  1513,  1683, 
1956 

Stargardt . 1590 

Starling  ....  979,  1020 
Staude  1847,  1900,  1986 

Stauder . 1432 

Stauffer . 669 

Steckl . 1818 

Stecksbn  .  .  .  .  .1769 

Stefanescu  ....  1018 

Stefanile . 1065 

Steffen  ....  622,  1400 

Steffens . 586 

Stegmann  .  .  1221,  1439 
Stein-Kopenhagen  .  1436 
Stein  A.-Berlin  .  33,  628 

Stein  J.-Saaz  .  .  .  541 

Steinach . 251 

v.  Steinbüchel  .  .  .  2058 

Steindorff . 1852 

Steiner  .  .  .  .1159 

Steinert  1132,  1349,  1362 
Steinhardt  168,  1163,  1164 
Steinhaus  F. -Köln  1355, 
1884 

Steinhaus  J.-Warschaul356 
Steinthal  .  73,  1512,  1776 

Steinmetz . 1720 

v.  Stejskal  .  .  245,  1313 

v.  Stenitzer  ....  1434 

Stenzei . 677 

Stepanow . 1273 

Stern  B. -Reinerz  .  .  174 
Stern  C.-Düsseldorf  .  1849 
Stern  M. -München  77,  169, 
213,  293,  427,  852,  947, 
1076,  1195,  1205,  1446, 
1475,  1767,  1943,  1978, 
2105,  2166 

Sternberg .  2096 

Sternberg  J.-Wien  1725, 
1765 

SternbergK.-Wien  126, 1192 

Sternfeld . 820 

Steudel . 1514 

Stewart . 1554 

Steyrer . 853 

Sthamer .  72 

Stich-Nürnberg  1363,  1637 
Stich  K  -Leipzig  1100,  1 347, 
1818 

Sticker  A.-Frankfurt  457, 
2159 

Sticker  G.-Giessen  .  .  1355 

Stieda . 2014 

Stier .  770,  936 

Stiles . 1554 

Stilling . 492 


Seite 

Stimmei  . 211 

Stintzing . 1585 

Stock . 1067 

Stockmann  .  .  .  .1555 
Stoeckel ....  201,  1714 

Stöltzing . 656 

Stoeltzner . 1543 

Stölzner . 1240 

Stömmer . 1541 

Störring  ......  69 

Stojanoff .  76 

Stöcker . 2162 

Stokvis . 493 

Stolper  .  .  808,  809,  1273, 
1317,  1845 

Stolz  A.-Strassburg  74,  712, 
1312,  1724 

Stolz  M.-Graz  416,  1432, 

1727 

Stonham . 1631 

Stoos .  2058 

Storch . 1895 

Strada . 544 

v.  Stradonitz  ....  1470 

Sträter . 1461 

Sträussler . 156 

Stransky . 1989 

Strasburger  .  1493,  1890 
Strasser  .  .759,  806,  889 
Strassmann  545,  803,  1714 

Stratz .  886,  1432 

Straub . 1313 

Strauch  A . 672 

Strauch  C.  J-.Braun- 

schweig . 415 

Straus  750,  765,  1217,  1408, 
1861,  2165 

Strauss-Krefeld  .  .  1927 
Strauss  A. -Barmen  .  1494 
Strauss  H. -Berlin  32,  467, 
893,  1516,  1723 

Strebei . 303 

Strehl . 251 

Streit .  980,  1023 

Ströll  ....  1991,  1943 

Stroganoff . 1063 

Strohmayer  .  .211,  1471 
Strominger  ....  673 
Stroynowski'  ...  .2180 

Strube . 1064 

Strubeil  .  616,  814,  1064, 
1506,  1835 

v.  Strümpell  154,  493,  2101 
2164 

Struppler  618,  1877,  2093 
Stuart-Low  .  1155,  1852 
v.  Stubenrauch  .  .  985 

Stubbert . 294 

Stühmer . 212 

Stürz . 1277 

Stumme . 1807 

Stumpf  L .  2009 

Stumpf  M . 2156 

Sturli  . 1090 

Sturm . 981 

Sturmann  .....  1274 
Stursberg.  615,849,1277, 
1879 

Subbottin .  72 

Suckstorff .  70 

Sudeck  .  .  299,  384.  466, 
628,  668 

Sudhoff  273,  1368,1899, 
1931,  1933 

Suess  ....  2671,  1991 

Süsswein . 291 

Sulkowski . 418 

O’Sullivan-Beare  .  .  761 
Sultan-Göttingen  .  .  628 
Sultan  C. -Königsberg  458 
Sutherland  ....  1851 

Sutter . 1356 

Sutton . 541 

Swales  - . 977 

Swientochowsky  .  .  1713 

Syers . 1232 

SWirski . 1848 

Swoboda . 1864 


3* 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


aX 


Seite 

Sykow  W . 668 

Symanski . 117 

Symington  ....  1593 

Symonds . 1632 

Syms . 1156 

Szaböky . 127 

Szili  A . 116 

Szontagh  .  .  .1152 

v.  Szontagh  ....  1927 

Szuman . 648 


T. 

Taddei . 555 

Takahashi . 1817 

Takamine . 807 

Talke . 713,1192 

Tallqvist . 289 

Talma  .  .  248,  625, 1587 

Tanaka . 1975 

Tandler . 1272 

Tange . 625 

Tangl  ....  1058,2057 

Tansini  .  .  .  1271,  1978 
v.  Tappeiner  ....  973 

Taptas . 1478 

Tashiro . 539 

Tatham . 906 

Tauber  .  1476,  1665,  1868 

Tausch . 1473 

Tausig  .  .  .  1646 

Tavel  72,  538,  722,  1194, 
1231, 1474 

Taverni . 1110 

Taylor  .  .  554, 1233, 1631 

Teale . 1233 

Tedeschi  117,  1315,  1626, 
1810 

Teichmann  ....  934 

Teissier . 819 

Teleky  172,378,1275,2069 

Tendlau . 936 

Tenner . 1545 

Terni . 157 

Terre . 2016 

Teschemacher  .  .  657 

Tesdorpf .  60 

Teweles . 378 

Texier  . 1812 

Thalmann . 1109 


Thaussig . 1276 

Theilhaber  153,  423,  756, 
1264,  1514,  1662,  1698, 
1897 

Thellung . 1231 

Theohari  ...  .1113 

Thesen . 1273 

Thevenot . 1977 

Thiele .  941, 1546 

Thiem  .  .  .  721,808 

Thieme  ....  184 
Thiemich  .  .  1059,1974 

Thienhaus . 1983 

Thieny . 1980 

Thilo .  .  1276 

Thin .  170, 1285 

Thiriar . 496 

Thiry . 150 

Thöle . 973 

Thönnessen  ....  2059 

Thomalla . 1064 

Thomas  .  2065 

Thomas  G.  C.  .  ■  .  .  807 
Thomas  J.  Lynn  .  .  1850 
Thomas  Th.  .  .  .  1852 
Thomas  W.  Th..  .  .  204 

Thomass . 1151 

Thomes . 1926 

Thommen . 537 

Thompson . 2161 

Thomson  C.  .  .  36, 1630 

Thomson  R.  S.  .  .  .  1361 

Thomson  W . 1234 

Thomson  H.- Odessa .  73 

Thorei . 2102 

Thorn  .  .  .  494,858,1202 

Thorne . 1593 

Thorner . 1848 


Thost  .  .  . 
v.  Thümen  . 

Tjaden 
Thumm 
Tiburtius 
Tichy 
Tiegel 
Tietze  .  . 
v.  Tiling 
Tilley  . 

Tilmann 
Tinker 
Tirard  . 

Tiry  . 1759 

Tischer  ....  289, 1063 

Tizzoni . 251 

Tobeitz . 1515 

Tobias . 291 

Tod . 1593 

Todd . 2162 

Toepfer . 495 

v.  Töply . 1933 

Törnqvist . 1436 

Török . 296 

Toff  119,673, 705,890, 1019, 
1113, 1547,  1579 

Tollens . 1107 

Tomasczewski  .  779, 1845 
Tomaselli  .  .  .  544, 1316 

Tonkin . 1285 

Tonngren . 117 

Tonzig . 419 

Toogood . 732 

Topolanski  .  .  .  1849 

v.  Torday . 1171 

Toriyama . 626 

Toyama . 1472 

Tozzi . 157 

Trailescu . 118 

Trambusti  .  .  .  .  717 

Trautenroth  ....  1061 
Trautmann  ....  587 
Treitel  .  375,  1400,  2098 
Trendelenburg  .513,  549, 
550,  627,  638,  671 

Trenel . 1978 

Trenite . 1315 

Trespe . 1432 

Treub . 1816 

Treupel  563, 865, 1644, 1937 
Treves  .  .  1233,  1360 
Triepel  ....  160,  1971 

Tritschler .  32 

Troels-Lund  ...  .  711 

Troemner  298,  383,  816, 
1986 

Trötsch  . 1937 

Trois-Fontaines  .  .  1668 
Trommsdorff  1300,  1454, 
1715 

Trotter . 980 

Trumpp  413,  1270,  1311, 
1761 

Truzzi . 1861 

Trzebicky  .  .  328,  1717 

Trzebinski . 1713 

Tschermak  1118,  1518 

Tschlenoff  .  .  .  329,  1929 

Tschmarke  . 1202 

Tschuschner  ....  328 

Tsuzuki . 1110 

Tubenthal . 1886 

Türk . 735 

Tuerk . 1275 

Türkheim . 943 

Tunnicliffe  .  .  542,  626 
Turban  .  .  .  1487,  1858 

Turck . 35 

Turnballs  ....  1594 
Turner  ,  1850,  2161,  2166 
Turro .  377,  1357 


U. 

Uclte . 539 

Uffenheimer-Berlin  .  714 
Uffenheimer  -  Greifs¬ 
wald  . 680 


Seite 

Ugolotti . 250 

Uhlenhuth  .  .  416,  1548 

Ulbrich . 1404 

Ulesko-Stroganowa  .  1470 
Ullmann  V.  .  .  85 

Ullmann  E.-Wien  469,  495, 
2069 

UllmannK.-AVien  1112,1359 


Ullrich . 1312 

Ulrico . 250 

Umber  .  .  .  1158,  1169 

Ungar .  999,  1230 

Unger . 467 

Unna  .  817,  1119,  1865 


Unverricht  212,  640,  858, 
1120,  1244 

Urban  383,  729,  816,  943, 
1665,  1731 

Urechia  .  .  .  1018,  1112 

Urfey . 1481 

Uriarte . 293 


V. 

Vach  er . 891 

Vaerst . 623 

Vahlen  .  .  .  1273,  1313 

Vaillard . 987 

Valentino  .  .  .  851,  1474 

Vanzelow .  2085 

v.  Varady . 540 

Vargas . 1195 

Variot . 947 

Vas . 1063 

Vaschide  ....  1474 

Vassmer  .  .  .  756,  1714 

Vaubel . 1269 

Vaudin . 852 

Vedder . 376 

Vedeler . 756 

Veis  .  .  .  .  890,  1477 

Veit  .  .  326,  1017,  1859 

van  de  Velde.  1016,1586 

Velhagen  .  78,  941,  1985 


Venoco . 1435 

Veress . 1021 

Vergely . 1766 

Verhoogen  ....  495 

Vertun . 1313 

Verwom  .  .  .  67,  1019 

Viala . 1598 

Vicars . 978 

Videbeck .  73 

Vigenaud . 1364 

Vignard . 1195 

Vilandt . 1435 

Villa-Santa  .  .  .  458 

Villani . 1517 

Villinger  .  ...  894 

Vincenzi  .....  539 

Viola . 1066 

Viqueat . 976 

Vitner  .....  890 
Völcker  42,  124,  210,  712, 
1514 

Völckers  .  .  .  207,  2159 

Vörner . 1627 

Vogel  C.-Bonn  .  .  .  1015 

VogelG.-Würzburgl53,  803, 
1063,  1398,  1429 
Vogel  R. -Basel  .  .  1013 

Voges  290,  376,  377,  494, 
1017 

v.  Vogl  ....  94,  166 
Vogt  C.-Berlin  .  .  .  1544 


Vogt  H.-Strassburg  .  854 

Vogt  O  -Berlin  .  .  .  1544 
Voigt  S.-Dresden  743,  756, 
1514 

Voigt  L.-Hamburg  .  1715 

Voisin  . . 1978 

v.  Voit  C.-München  233, 
797,  1926 

Voit  F  .-München  1149, 1150 
Volhard  ....  814,  1433 

Volk . 459 

Vollbracht  ....  773 

Voller . 1670 


Seite 

Voss-Berlin  ...  .  973 

Voss-Riga  .  .  .  981,  2094 


v.  Voss-Petersburg  .  326 

Vrabie  . 119 

AYanialici . 673 


Vuillemin  ....  1627 

Vulliet . 1892 

Arulpius  196,  723,  767,  934, 
939,  974,1192,1353,1460, 
1468,  1511,  1845,  1892, 


1925,  2158 

Vurpas . 1474 

W. 

Wachholz  .....  1617 
Wadham . 807 


AVälsch  .  .  295,  296,  328 
Wagenmann  ....  681 

Wagner  -  Karlsruhe  1 469, 
2016 

AVagner  A  -  Stuttgart  1919 
AVagner  B.-Breslau  .  2149 
AVagner  G.  A.-Wien  .  889 
AVagner  M.-Hamburg  383, 
1025 

Wagner  M. -Leipzig  1357, 

2073 

AVagner  P. -Chemnitz  767 


Wagner  R. -Hanau  .  1457 
AVagner  AV  -Kreuznach  320, 
1770 

v.  Wagner  Wien  .  .  469 
Wagner  v.  Jauregg  1111, 
1895 

Waitz . 1820 

Wakemann  ....  1847 


Waldeyer  .  .  1157,  1628 
Waldstein  ...  .  460 

AValdvogel  583,  1400,  1431, 


1929 

AValger . 325 

Wallis . 1233 


AValker  .  1156,  1232,  2161 
Walko  1364,  1673,  1761, 


1926 


Wal  ko  witsch 

•  •  • 

1014 

AVallace  S.  . 

203 

AVallace  D.-Edinburgh  258, 

978 

AVallenberg  . 

374 

AVallerstein  . 

.  •  • 

624 

AVallgren  A.  . 

1847 

Wallis  .  .  . 

555 

v.  Wallmenich 

324, 

1992 

AValsh  .  .  . 

203 

Walsham  .  . 

761 

Walthard  .  . 

.  249, 

1151 

Walther-Paris 

.  .  . 

947 

Walther  H.- Giessen  152, 
1190 

Walther  W.-Hof  .  .  566 

Walz .  785,  959 

Walzberg- Minden  .  582 

Wandel  .  .  .  1684,  1685 

Wanklyn . 1630 

Warnecke .  38 

Warrington  ....  1554 
v.  Wartburg  ....  2157 
AVashbourn  ....  542 

Wassermann  A, -Berlin  377, 
1274,  1396,  1928 
AVassermann  M.-Berlin  71, 
536, 694,1107,1191,1397, 
1714,  1761,  1820,  2157 
AVaston  .  258,  1155,  1593 
Watanabe  .  .  .  .  714 


Watson . 2161 

AVeber . 1764 


Weber-Berlin  .  .  .  2099 
AVeber  A.- Alsfeld  291,  704, 
1619 

AVeber  F.-St.  Peters¬ 
burg  ...  1431,  2057 
Weber  F.  P.-England  1850 
Weber  H.-Breslau  .  2171 


Seite 

...  689 

.  .  168, 904 

....  714 
....  1467 
803 
1315 
1961 
1663 
154 

1154, 1593, 1868 
.  160,582,1068 
1935 
1555 


Seite 


AVeber  H.-St.  Johann  813, 
952 

AVeber  L.  AV.-Göttin- 
gen  374,  1480,  1805 
AVeber  M.  Amsterdam  1670 
AAreber  S. -Strassburg  375, 
376 

AFechsberg  .  .  587,  1275 

AATedding . 418 

AVedeles  .....  1849 
AAregner  ....  331,  584 
AA^egscheider  .  .  69,  1514 

AATehmer . 2169 

AATeichardt  293,  1516,  1825, 
1939 

AVeichselbaum  716,  1623, 
1715 

AA7eicker . 202 

AVeigel  .  .  .  945,  1445 

AVeigl  .  321,  1763,  2160 


AVeil  E . 292 

AVeil  H.-Prag  .  .  .  1849 
Weil-Stuttgart  .  .  .  2023 
AVeiler  K.-AVien  .  .  624 

AVeil  1  B . 1310 

AVeill-  Strassburg  .  .  300 


AVeinbergW. -Stuttgart  802, 
1269 


AATeinberg  AV.  G.-Dort- 
mund  .  .  ...  575 


AVeinberger  ....  323 
AVeinbrenner  713,  804,  935, 
974,  1063,  1273,  1470, 
1847,  1937,  1974,  2016, 


2095,  2159 

Weindler . 1159 

Weiner  . 323 

Weinland . 1204 

Weinsberg  ....  1629 

Weinstein . 249 

AVeis . 1466 

v.  AVeismayr  .  .  .  806 

AVeiss-Hamburg  .  .  898 

Weiss-Karlsbad  .  .  1673 
AVeiss -New- York  .  .  1936 
Weiss-H.-Wien  .  .  889 

AVeiss  J.-Basel  .  .  367 


AVeiss  O. -Königsberg  251, 
254 


AVeissbart . 974 

AVeissbarth  ....  426 
AAreissbein  .  .  .156,  1357 
AFeisswange  .  .  .  .1180 

Welander . 329 

AVeliamowitsch  .  .  1477 
AVelleminsky  .  .  .  904 

Wenckebach  ....  31 

AATendel . 1846 

AVendelstadt  ....  758 

Wendriner . 1397 

v.  AVendt . 1017 

AVengler . 1717 

AVenhart . 1399 

AVenkebach  .  .  .  625 
AATenzel  C.  -  Buenos- 

Aires . 291 

AVenzel  F.-Bonn  271,  887 
AA'eressajew  ....  1468 
AVerler  ....  175,  1286 
AA^erner  R.  .  .  .  1512 


AATerner  S. -Hamburg  121, 
207,  208,  299,  384,  467, 
769,  899,  943, 1230,  1313, 
1356,  1821,  1900,  1986, 
2102 


AVernitz  ....  289,  1016 

AVerther . 422 

AVertheim  417,  458,  1063, 


1896 

AVertheimber  .  .  .  903 
AVestenhoeffer  546,  1067, 
1157,  1356,  2098 
v.  AVestenryk  .  .  .  376 
AArestphal  A.-Berlin  .  416 
AArestphal  A.  -  Greifs¬ 
wald  .  .  160,  202,  249 
v.  AVestphalen  .  .  .  585 


1902 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXI 


Seite 

Seite 

Wette . 

583 

Willems  .  .  .  . 

Wettendorff  .  . 

,  , 

496 

Williams  E.  H. 

379 

v.  Wettstein  .  . 

• 

1773 

Williams  L.  .  . 

.  .  2162 

Wetzel  .  .  .  . 

1260 

Williams  W.  .  . 

.  .  379 

Wevgandt  .  69, 

150, 

287, 

van  der  Willigen  .  1767 

324,  327,  375, 

800, 

937, 

Willmann  .  . 

.  .  2023 

940,  1109,  1354, 

1715, 

Willmer  .  .  .  . 

2014 

Willoughby  .  . 

.  .  170 

Weyl . 

982 

Wilms  476,  520,  1272.  1442 

Wex . 

.  104 

Wilson  .  . 

.  .  1233 

Wheeler  .  .  .  . 

36 

v.  Winckel 

.  .  168 

White . 

732 

Winckler  . 

.  .  1848 

Whitehead  .  . 

980, 

1359 

Windscheid  212, 

345,  809 

Wichmann  .  . 

.  • 

940 

Windsor  .  . 

.  .  2163 

Wickel  .  .  .  . 

1928 

Winogradow  .  . 

.  .  253 

Wiczkowski  .  . 

249, 

807 

Winter-Finnland 

.  .  1271 

Widenmann  .  . 

. 

1358 

Winter  A.-Strassburg  585 

Widmark  .  .  . 

1593, 

2155 

Winter  G.  -  Königs- 

Wiebe  .  .  . 

336, 

382 

berg  .  .  .  , 

201,  935 

Wiedemann  .  . 

1473 

Winterberg 

.  .  254 

Wiedner  .  .  . 

1018 

Winternitz  1599, 

1675. 1777 

v.  Wieg  . 

540 

Winternitz- Halle  464,  1206 

Wiehura  .  .  . 

1515 

Winternitz  W.-Wien  156. 

Wielsch  .  .  . 

250 

716 

Wiener  E.-Wien 

401, 

1154 

Wirgin  .  .  .  . 

.  .  1231 

1231 

Wistinghausen  . 

.  .  1512 

Wiener  G. -München 

14, 

Wisshaupt  .  ,  . 

.  .  1674 

655,  1741,  2015 

Wittek  . 

767,  1062 

Wiesel  .  .  .  . 

949 

Wittgenstein  .  . 

.  .  244 

Wiesinger  71, 

246, 

249, 

Witzei  .  .  . 

.  1993 

729,  1162,  1900 

Wladimiroff  , 

.  .  761 

Wiesner  .  .  .  . 

1047 

Wlassow  .  .  . 

.  .  1626 

Wieting  .  .  72, 

584, 

1664 

Wodarz  .  .  . 

.  .  2180 

Wilbrand  .  .  . 

371 

Wölfler  .  . 

.  .  1364 

Wild . 

38 

Wörner  .... 

.  .  723 

Wildbolz  .  .  . 

376, 

716 

v.  Woerz  .  . 

.  .  1353 

Wilde-Greifswald  .  . 

2014 

Wohl  will  .  .  . 

.  .  1931 

Wilde  M.  -  München 

152, 

Wolf . 

.  .  1017 

1471 

Wolff  W.  .  . 

.  .  1973 

Wildermuth  .  . 

2022 

W  olff -Fran  kf  ur  t 

.  .  1548 

Wilkinson  .  .  . 

1359 

Wolff-Stralsund 

.  .  1719 

Wille  ...... 

468 

W  olff-Hamburg 

.  .  2058 

Seite 

Wolff  A.- Berlin  34,  226, 
248,  290,  670 

Wolff  A. -Königsberg  1545 
Wolff  B.-H  Berlin  .  373 
Wolff  G.-Basel  .  .  .  1626 
Wolff  H. -Berlin  368,  933 
Wolff  J.-Berlin  672,  889 
Wolff  K.  -  Strassburg  83, 
1285,  1551,  1552,  1668, 
1941 

Wolff  M.-Berlin  1278, 1855, 
1975 

Wolff  O.-Essen  .  .  1272 

Wolfring . 466 

Wolko witsch  ....  1662 


Wollenberg  .  . 

1711,  2023 
1109,  1314, 

Wolpert  376, 

1356,  1763 

Wolter  .  .  • 

.  .  .  1469 

Wolters  .  .  . 

...  296 

Wood  .... 

...  494 

Woodhead  .  . 

.  .  .  1554 

Woodwick  .  . 

.  .  .  1594 

Wormser  1085, 

1764,  1809 

Wray  .  . 

.  .  .  1593 

Wrede  .  .  . 

.  .  .  941 

Wreden  .  .  . 

.  ,  .  1476 

Wright  .  .  35,  1154,  1852, 

2163 

Wroblewski 

.  .  .  891 

Wülfing  .  .  . 

.  888,1571 

Würth  .  .  . 

.  936,1928 

Würth  v.  Wiirthenau  1514 

Wuhrmann 

.  1628 

Wulff  .  .  . 

.  .  .  1357 

W ullstein  .  .547,766,974 

Wutzdorff  .  . 

.  460,1014 

Wybauw  .  . 

.  496, 497 

Wychgel  .  . 

.  .  .  1151 

Wyeth  .  .  . 

.  .  .  1934 

Wyss  .... 

.  .  .  246 

Wyssokowicz 

.  .  .  200 

Seite 

X. 

Xanthropoulides  .  .  427 


1. 


Yarr . 1593 

Yonge . 203 

Young . 205 


Z. 

Zabel . 289 

Zabludowski ....  1776 
Zagorjanski-Kissel  .  2179 
Zahn  Th.  -  Würzburg  154, 


1471,1845 

Zahn  W.-Genf  ...  49 

Zahradnicky  ....  2097 

Zaky . 293 

Zalowiecki . 2158 

Zammit . 2162 

Zamfirescu  .  1019, 1546 

Zanaldi . 1517 

Zanardi . 158 

Zander . 623 


Zangemeister  1357,  1432, 
1512 


Zanoni  . 
Zardo  .  . 
Zarubin  . 
Zaudy 
Zaufal 
Zdekauer 
Zeehuisen 
Zeitlmann 
Zeller  .  . 
Zervos  . 


.  .  .  543,1065 

. 1017 

. 329 

. 1018 

. 2160 

. 461 

.  .  1059, 1398 

. 1637 

.  1516  I 

.  .  .  372, 1359 


Seite 

Zettnow . 1396 

Zeuner . 937 

v.  Zeynek . 1628 

Zickler . 461 

Ziegenhagen  ....  84 


Ziegenspeck  423, 1714,1897 
Ziegler  E.  -  Freiburg  1310, 
1479 

Ziegler  P.  •  München  323, 
1586,  1846  ' 

Zielleczky . 1975 

Ziemann  .  .  1715,1716 

v.  Ziemssen  H. -München 

68,  454 

Ziemssen  O. -Wiesbaden 
813, 1723 

Zimmermann  G.-Dres- 
den  .  .  .  .  1585,2080 
Zimmermann  V.-Greifs- 


wald . 1974 

Zingerle . 1762 


Zinn  246,  288,  315, 325, 330, 
373,456,582, 623,668,712, 
756,  801,  886,1060,  1107, 
1585,  1713,  1761,  1891, 
1926,  1973,  2014,  2057 


Zinno . 248 

Zinsser  .  .  •  -  -  .  2175 
Zippel  ......  299 

Zirolia . 1109 

Zoege  v.  Manteuffel  .  201 
Zöpffel  ...  .  .  .  1548 
Zollikofer  .  .  624, 1111 

Zorn . 1014 

Zuckerkandl  ....  949 
Zuntz . 417 


Zupnik  202, 946,  1305,1665, 
1817,  1818 

Zuppinger  33, 74, 1272, 1819 

Zusch . 491 

Zweifel  .  .  585,  802, 1663 
Zwickh . 1013 


III.  Sach-Register. 


(Die  fett  gedruckten  Ziffern  bedeuten  Originalartikel. 


Seite 


Seite 


A. 

Abbildung,  anatomische,  von  1491 — 1543, 

von  Klein . 984 

Abdominalcysten,  von  Hedinger  .  .  .  670 

Abdominaltyphus  s.  a.  Typhus. 
Abdominaltyphus,  Statistik,  Pathologie 
und  Therapie  des,  von  Kühn  und 
Suckstorff  70,  —  und  Schutzimpfung, 
von  Birt  541,  —  in  Südafrika,  von 
Elliot  undWashbourn  542,  Piorkowski- 
sche  bakteriologische  Diagnose  des 
— ,  von  Strada  und  Pasini  544, 
Ursache  und  Verhütung  des  —  in 
Südafrika,  von  Turner  760,  Diagnose 
des  — ,  von  Gibbes  978,  nervöse 
Erscheinungen  bei  — ,  von  Hoedl- 

moser . .  .  .  1018 

Abführmittel,  direkte  Injektion  von,  in 

den  Darm,  von  Sheild . 379 

Abgeordnetenhaus,  österreichisches  .  .  510 
Abhärtung,  sog.,  der  Kinder,  von  Hecker 

1676,  1908 

Abort,  Behandlung  des,  von  Flatau  299, 
pathologisch- anatomische  Beiträge  zur 


Lehre  vom  — ,  von  Hegar . 1398 

Abortbehandlung,  Prinzipien  und  Ge¬ 
fahren  der,  von  Seilheim . 393 


Abszess  s.  a.  Harnabszess,  Harnröhre, 
Lungenabszess, Leberabszess, Douglas¬ 
abszess, Kleinhirn, Nasenscheidewand, 
Nierenabszess,  Psoasabszess. 

Abszesse,  gallenlialtige  subphrenische, 
von  Weiler  624,  60  Operationen  sub¬ 


phrenischer  — ,  von  Körte  677,  sub¬ 
phrenischer  — ,  von  Reizenstein  944, 
doppelseitiger  paranephritischer  — , 

von  Piltz . 1654 

Abwässer  der  Stadt  Christiania,  von 
Holst,  Geirsvold  und  Schmidt-Nielsen 
539,  Fettreichtum  der — , von  Schreiber  2096 
Abwasserreinigungsfrage,  von  Dunbar 

und  Thumm . .  .  .  ,  1467 

Accouchement  forcd  s.  a.  Dilatatorium, 
Muttermund. 

Accouchement  forcä  mittels  Bossis  Dila¬ 
tator,  von  Knapp  1515,  —  durch 
instrumenteile  Aufschliessung  des 
Muttermundes,  von  Knapp  1778,  — 
mittels  Metalldilatatoren,  von  Knapp  2016 
Acetonreaktion,  Stocksche,  von  Zickler  461 
Acetonurie,  von  Waldvogel  583,  von 
Kronheimer  2166,  —  in  der  Schwan¬ 
gerschaft,  Geburt  und  im  Wochen¬ 


bette,  von  Stolz . 416 

Acetopyrin  bei  Gelenkrheumatismus,  von 

Spuller . 328 

Acetylengas,  Beleuchtung  durch,  in 

hygienischer  Beziehung,  von  Masi  .  1518 

Achondroplasie,  von  Cantlie . 979 

Achorion  Schönleinii,  von  Bakorsky  .  295 

Achylia  gastrica,  von  Kuttner  ...  .  711 


Acqua  acetosa,  —  santa,  Acque  albule  598 
Adam-Stokessche  Krankheit,  von  Lewy  2157 
Addisonsche  Krankheit,  von  Benno  136, 
von  Lange  1483,  von  Pancini  und 
Benenati  1517,  Behandlung  der  — 
mit  Nebennierenkapseln,  von  Hirtz  1599 


Seite 

Adduktorenreflexe, [gekreuzte,  von  Huis- 

mans  . 1867 

Adenin,  Umwandlung  des,  im  Organis¬ 
mus,  von  Nikolaier  421,  1354, und 
Guanin  im  tierischen  Organismus, 

von  Schittenhelm . 1273 

Adenoide  Vegetationen,  von  Orescu  1547, 

von  Freudenthal . 1981 

Adenoide  Wucherungen,  Operation  der, 

von  Fein . 1477 

Adenoma  sebaceum,  von  Pezzoli  329, 
sekundäres  — Jides ‘^Ovarium,  von 
Sauter  713,  —  malignum,  von  Her¬ 
mann  . 1470 

Adenomyom  mit  papillären  Auflagerun¬ 
gen,  von  Wiener . 2015 

Aderlass,  von  Desfosses  und  Martinet  .  1767 

Adiposität,  von  Wolfring . 406 

Adipositas  dolorosa,  von  Papi  ....  1435 

Adnexe,  Behandlung  eitriger  Affektionen 
der,  und  des  Beckenbindegewebes, 

von  Jung  .  .  .  . . 1777 

Adrenalin  s.  a.  Nebennierenextrakt. 
Adrenalin,  von  Takamine  ;  807 ,  von 
Schubiger-Hartmann  1929,  von  Leh¬ 
mann  2048,  ^ von  v.  Poehl  [2066, 
von  Darier  2108,  —  in  der  Oto- 
Rhino-Laryngologie,  von.Moure  und 
Brindel  891,  von  Rosenberg  891, 
von  Vacher  891,  von  Lermoyezj  909, 

—  in  der  Augenheilkunde,  von  Fer¬ 
dinands  978,  von  Kirchner  1247,  Be¬ 
richt  über  — ,  von  Merck  991,  Ver- 


XXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

suche  mit  — ,  von  Bukofzer  991,  — 
in  der  Augen-,  Nasen-  und  Ohren¬ 
praxis,  von  Green  1155,  —  in  der 
urologischen  Praxis,  von  Frisch  1358, 

—  in  der  Lichtbehandlung  des  Lupus, 
von  Jamieson  1360,  —  in  derRhino- 
Laryngologie,  von  Rode  1629,  Be¬ 
handlung  der  Hämoptyse  mit  — , 

von  Souqes  und  Morel . 2166 

Adrenalinglykosurie  und  verwandte 
experimentelle  Glykosurien ,  von 

Herter  und  Wakemann . 1847 

Adressbuch,  Breslauer .  43 

Aerzte  s.  a.  Approbation,  Arzt,  Augenärzte, 
Berufsgeheimnis,  F ortbiidungskurse, 
Fortbildungswesen,  Gutachten,  Hilfs¬ 
ärzte  ,  Invalidenversicherungsgesetz, 
Kassenärzte,  Krankenhausärzte,  Kreis¬ 
ärzte,  Postkrankenkasse,  Rigorosen- 
ordnung,  Schulärzte,  Standesordnung, 

V  ereinigung,  V  ersicherungskasse,  V  er- 
sicherungswesen ,  Vertrauensärzte , 
Wasserkuren. 

Aerzte,  Konflikt  zwischen  —  und  der 
Eisenbahn-Betriebs-Krankenkasse  in 
Cannstatt  86,  — ,  Wittwenkasse  des 
Vereins  zur  Unterstützung  hilfsbe¬ 
dürftiger  invalider  —  in  Bayern  87, 
Zulassung  von  —  in  Transvaal  87, 
die  — ,  von  v.  Schullern  200,  Ueber- 
zahl  der  —  in  Frankreich  213,  Mit¬ 
wirkung  der  —  bei  Betätigung  der 
sozialen  Rechtspflege,  von  Miller  278, 
Wohlfahrts  -  Aktion  der  österreichi¬ 
schen  —  302,  Sonntagsruhe  für  — 

422,  Streit  der  —  in  Cannstatt  431, 

—  und  Krankenkassen  in  Magde¬ 
burg  647,  Mitwirkung  der  —  bei  Be¬ 
tätigung  der  sozialen  Rechtspflege, 
von  Müller  748,  in  Italien  praktizie¬ 
rende  ausländische  —  823,  fremde  — 
in  der  Kapkolonie  823,  Versammlung 
der  mittelrheinischen  —  824,  Zulas¬ 
sung  ausländischer  —  in  Südafrika  824, 
Besteuerung  der  —  für  die  Standes¬ 
vertretung  907,  Vertreter  theoretischer 
Fächer  und  praktizierende  —  1076, 
Remunerationen  für  —  in  armen  Ge¬ 
genden  1520,  Kassen  und  —  1595, 
Stellung  der  —  in  der  deutschen  Ar¬ 
beiterversicherung,  von  v.  Franken¬ 
berg  1625,  —  als  sachverständige 
Zeugen  1821,  Geschichte  der  Ver¬ 
sammlungen  mittelrheinischer  — ,  von 
Hoffmann  1842,  Seelsorger  und  — 

1988,  —  und  Kurpfuscher . 2105 

Aerztefeind,  alter  .  .  .  ,  . 1351 

Aerztekammer  und  Krankenkassen  302,  ' 
Oberpräsident  und  —  907,  Erweite¬ 
rung  der  Disziplinarbefugnisse  der 
österreichischen  —  1077,  aus  den 
preussischen  — ,  von  Neuberger  1267, 
Verhandlungen  der  bayerischen  — im 
Jahre  1901  1448,  bayerische  —  1686, 
Vorlagen  zur  bayerischen  —  1781, 
Wiener  —  gegen  neue  Krankenkassen 
1821,  Verhandlungen  der  bayerischen 

—  im  Jahre  1902  .  2113 

Aerztekammergesetz,  neues  österreichi¬ 
sches  . 1595 

Aerztekammertag,  VII.  österreichischer  .  1595 
Aerztekammerwahl  in  Preussen  ....  1987 
Aerztetag,  mittelrheinischer  647,  Dele¬ 
gierte  zum —  736,  mittelfränkischer  — 

1079,  1781,  — in  Königsberg  344, 1667,  I 

deutscher  — . 2186 

Aerztevereinsbund,  Neuorganisation  des 
deutschen,  von  Hartmann  1427,  Ent¬ 
wurf  der  neuen  Satzung  für  den 
deutschen  —  1594,  1781,  1868,  1944, 

1987,  von  Drossbach  1660,  Satzungen 

des  — . 2109 

Aerzte  Versammlung,  allgemeine  .  1902,  2168 

Aerztewagen .  864,  1127,  1558 

Aerztezeitung,  Deutsche .  48 

Aerztinnen,  im  Auslande  approbierte  .  427 
Aerztliches  Einkommen,  Statistik  des,  in 

Frankreich . 213 

Aerztliche  Ethik,  von  Moll . 287 


Seite  | 

Aerztlicher  Stand  in  Frankreich  .  .  .  .1125 
Aerztliches  Taschenbuch,  von  Heermann  414 

Aerztlicher  Verein  Nürnberg . 431 

Aetherflaschenverschluss ,  selbsttätiger, 

von  Kurrer .  2602 

Aetherrausch,  Operieren  im,  von  Sudeck- 

668,  von  Ehrich  1445,  von  Küttner  2158 
Aethertropfnarkose,  von  Hofmann  .  .  .  2014 
Aethylalkohol,  Wirkung  des,  auf  Mikro¬ 
organismen,  von  Wirgin  1231,  bak¬ 
terizide  Wirkung  des  — ,  von  Weigl  1763 
Aethylchlorid  als  allgemeines  Anästhe- 

ticum,  von  Marshall . 205 

Aethyl chloridnarkose,  Maske  zur,  von 

Nieriker . 1861 

Aetios  von  Amida,  von  Wegscheider  .  1514 
Aetii  sermo  sextidecimus  et  ultimus, 

von  Zervos . 372 

Aetzsublimat,  endovenöse  Injektionen 

von,  von  Serafini . 649 

Agarboden,  Wachstum  der  zwischen  Bakt. 
typhi  und  coli  stehenden  Spaltpilze 
auf  dem  v.  Drigalski-Conrädischen, 

von  Kayser . 671 

Agglutination  s.  a.  Gruber-Widal’sche  Re¬ 
aktion,  Widal’sche  Reaktion,  Praezi- 
pitine,  Blut,  Haemagglutination. 
Agglutination,  von  Altobelli  und  Memmo 
460,  Bedeutung  anorganischer  Salze 
für  die  —  der  Bakterien,  von  Joos  73, 

—  der  Tuberkelbazillen,  von  Rumpf 
und  Guinard  377,  von  Thellung  1231, 

—  roter  Blutkörperchen,  von  Klein 

716,  —  des  Pneumokokkus,  von 
Huber  756,  -  bei  gemischter  Infek¬ 

tion,  von  Castellani  849,  Mechanismus 
der  -,  von  Joos  1231,  —  bei  Schar¬ 
lach,  von  Salge  1729,  —  von  Schar¬ 
lachstreptokokken  durch  mensch¬ 
liches  Serum,  von  Moser  u.  v.  Pir¬ 
quet  1730,  —  von  Streptokokken 

durch  Pferdesera,  von  Moser  und 
v.  Pirquet  1730,  —  der  Streptokokken, 
von  Meyer  1809,  Untersuchungen 
über  — ,  von  Nicolle  u.  Trenel  1978, 
Differenzierung  der  Staphylokokken 
mittels  der  — ,  von  Kolle  und  Otto 
2058,  Differenzierung  der  Ruhrbazillen 
durch  die  — ,  von  Martini  und  Lentz  2059 

Agglutinationskraft  in  Foeten  typhus¬ 
kranker  Mütter,  von  Jehle . 889 

Agglutinationsphänomen,  vonKöhler416, 

—  bei  Malariakranken,  von  Lomonaco 

und  Panichi . 1066 

Agglutinierende  Substanz  in  Bakterien¬ 
filtraten,  von  Kraus  und  v.  Pirquet  1232 
Agurin,  von  Holle  775,  von  Rüge  1286, 

— ,  ein  neues  Diuretikum,  von  Nusch 
2145,  — ,  ein  neues  Theobromin¬ 
präparat,  von  Cerwinka . 2160 

Akkommodation,  Verhalten  der,  beim 

stereoskopischen  Sehen,  von  Weiss  254 
Akne  und  der  seborrhoische  Zustand, 

von  Schütz . 295 

Akromegalie,  von  Peters  904,  von  Corvini 

1434,  von  v.  Rad . 1551 

Akroparästhesien  nach  Trauma,  von 

Sommer . 1716 

Aktinomyces  asterioides,  vonMacCallum  975 
Aktinomykose  s.  a.  Lungenakt.,  Perlsucht, 
Hautakt.,  Herz. 

Aktinomykose,  von  Merkel  552,  Erreger 
der  menschlichen  — ,  von  Doepke 
873,  —  in  Erankreich,  von  Poncet 
und  Berard  1075,  —  des  Knochens, 
von  Bollinger,  von  Seydel  1939,  —  des 
Mastdarms  mit  Anus,  von  Thevdnot 
1977,  weniger  bekannte  Erscheinungs¬ 
form  der  menschlichen  — ,  vonBrabec  2160 
Akustische  Untersuchungen  über  Mit¬ 
tönen,  von  Dennert . 980 

Alboferin,  von  Fuchs . 419 

Albuminurie  (Emulsions-)  s.  a.  Urin¬ 
befund. 

Albuminurie,  Mechanismus  der,  durch 
Eiereiweiss,  von  Ascoli  398,  —  in  der 
Schwangerschaft,  von  Veit  1017,  — 
bei  der  Geburt,  von  Zangemeister  1432, 
physiologische  — ,  von  Dreser  1720, 


Seite 

von  v.  Leube  1721,  Veränderungen 
der  Eiweissmenge  etc.  des  Urins  bei 
der  — ,  von  Daremberg  und  Moriez 
1976,  zyklische  — ,  von  Schaps  .  .  2016 
Albumosurie,  myelopathische,  von  Brads- 

haw  . 191,  2160 

Aleppobeule,  chirurgische  Behandlung 

der,  von  Walzberg . 582 

Alexie,  von  Mendel . 205 

Alexine  s.  a.  Milch,  Zellgift. 

Alexinfrage,  von  Fokker . 804 

Alexinwirkung,  Beeinflussung  der,  durch 

Absorption,  von  Wilde  ....  .  1471 

Alkalinurie,  von  Leo . 493 

Alkaloide,  Vergleich  der  Methoden  von 
Stas-Otto  u.  Kippenberger  zum  Nach¬ 
weis  von,  von  Weiss . 367 

Alkaptonurie,  von  Garrod  124,  204,  kon¬ 
genitale  — ,  von  Garrod . 245 

Alkohol  s.  a.  Aethylalkohol,  Oiliaten, 
Eiweissstoffwechsel. 

Alkohol,  Sero-Antitoxizität  des,  bei  der 
Tuberkulose  und  die  Anwendung  des 
—  in  der  Therapie  der  Tuberkulose, 
von  Mircoli  553,  Einfluss  des  —  auf 
den  Organismus,  von  Rosenfeld  755, 
Einfluss  des  —  auf  den  Eiweissstoff¬ 
wechsel  bei  Fiebernden,  von  Ott  757, 
Wirkung  des  —  auf  den  Körperhaus¬ 
halt,  von  Valentino  851,  —  zur  Des¬ 
infektion  d.  laryngoskopisch.  Spiegels, 
von  Heschelin  891,  Einwirkung  des  — 
auf  den  Stoffwechsel,  v.  Clopatt  1664, 
Einfluss  des  —  auf  die  Blutzirkulation, 

von  Swientochowsky . 1713 

Alkoholdämpfe,  desinfizierende  Wirkung 

der,  von  Seige . 714 

Alkoholismus  s.  a.  Geisteskrankheiten, 
Trinker,  Trunksucht. 

Alkoholismus,  von  Laborde  1319,  Hygiene 
des  — ,  von  Delbrück  31,  127,  die 
Schule  gegen  den  — ,  597,  Geistes¬ 
störungen  auf  dem  Boden  des  chro¬ 
nischen  — ,  von  Luther  936,  —  im 
Kindesalter,  von  Grösz  1107,  —  in 
Rumänien,  von  Urechia  1112,  Mass- 
regeln  gegen  den  — ,  1247,  —  in 

London,  von  Galli . 1485 

Alkoholmissbrauch,  Aufruf  gegen  den, 

303,  —  beim  niederen  Eisenbahn¬ 
personal  und  dessen  Verhütung,  von 
Raab  1638,  Geisteskrankheiten  durch 

— ,  von  Jones . 2162 

Allgemeinerkrankung,  lokale  Behandlung 

chirurgischer,  von  Lexer . 2181 

Alopecie,  experimentelle,  von  Bettmann 
123,  —  areata,  von  Squire  1154;  von 
Winternitz  1868,  Phosphor  bei  der 
Behandlung  der  —  areata,  von  Bia- 

lobschesky . 1477 

Alter,  biologische  Studien  über  das,  von 

Metschnikoff . 587 

Altersstar,  intrakapsuläre  Resorption  des, 

von  Lindahl . 2155 

Altona,  statistische  Mitteilungen  über 
Gesundheitsverhältnisse  von ,  von 

Schroeder . 1779 

Alvarenga-Preis . 1871 

Amblyopie,  marantische,  u.  Asthenopie, 

von  Klein . 889 

Ambozeptoren,  Erzeugung  hämolytischer, 
durch  Seruminjektion,  vonMorgenroth 
1033,  von  Müller  .  .  .  ......  1330 

Ambozeptorenwirkung, Mechanismus  der, 

von  Ehrlich  u.  Sachs . 937 

Amenorrhoe  phthisischer  Frauen,  von 
Neumann  1313,  essentielle  — ,  von 

Henrotay . 1897 

Ammoniak,  Aufnahme  von,  von  Lehmann 

u.  Gast  .  .  .  .  289 

Amoebenenteritis,  von  U cke  539,  von  Zorn  1014 
Amputation  s.  a.  Blutvergiftung,  Phlegmone. 
Amputationen,  Nachempfindungen  nach, 
von  Hilger  1284,  von  Hilger  u.  von 

der  Briele . *  .1714 

Amputationsstümpfe,  tragfähige,  von 
Eiseisberg  469,  von  Wilms  1272,  Trag¬ 
fähigkeit  der  — ,  von  Honseil  628, 

—  nach  Bier,  von  Friedrich  ....  1403 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXII 1 


Seite 

Amtsärzte,  Anstellungs Verhältnisse  der 
k.  bayer.,  von  Heissler  1352,  von 

Drosshach . 1542 

Amtsärztinnen  in  Bosnien . 2186 

Amyloform,  von  Lepa . 262 

Amyloid  und  Hyalininfiltration  am  Zirku- 
lations-  und  Digestionsapparat,  von 

Steinhaus . 1355 

Amyloidentartung,  Häufigkeit  der,  von 

Zahn . 43 

Anaemia  infantum  pseudoleucaemica 
Jaksch,  von  Kersberger  158,  —  Be¬ 
handlung  schwerer  —  gastrointesti¬ 
nalen  Ursprungs,  von  Perutz  97, 
rezidivierende  schwere  — ,  von  Breuer 
1165,  durch  Bluttransfusion  geheilte 
perniziöse  — ,  von  Ewald  1277,  Oedem 
bei  — ,  von  Houstonl359,  perniziöse  — , 
von  v.  Decastello  34,  von  Hamei  805, 
von  Reckzeh  1314,  Diagnose  der 
perniziösen  —  aus  dem  hämatolo- 
gischen  Bild,  von  Körmöczi  ]  17,  Stick¬ 
stoffumsatz  bei  perniziöser  — ,  von 
Bernert  und  v.  Stejskal  1313,  Be¬ 
ziehungen  zwischen  perniziöser  —  und 
Magendarmkanal,  von  Strauss  .  .  .  1516 
Anaeroben,  Züchtung  der,  von  Hammerl 
976,  Biologie  der  — ,  von  Koninski 
1894,  pathogene — ,  von  Silberschmidt  2059 

Anaerobenkultur  von  Turro  . 377 

Anaerobenzüchtung,  von  Rivas  ....  2059 
Anästhesie  s.  a.  Injektion,  Kokain, 
Rückenmark,  Rückenmarksanalgesie, 
Tropakokain  -  Analgesie,  Analgesie, 
Medullarnarkose,Spinalkokainisirung, 
Narkose. 

Anästhesie  mit  subarachnoidalen  Kokain¬ 
injektionen,  von  Kallionzis  76,  hypno¬ 
tische  — ,  von  Dona  1019,  Indikationen 
der  verschiedenen  Arten  von  — ,  von 
Chaput  1245,  allgemeine  —  mit 
Chloraethyl,  von  Malherbe  und  Roubi- 
nowitsch  1319,  spinale  — ,  von  Lea 
1361,  allgemeine  totale  — ,  von  Köster 
1442,  verschiedene  Arten  chirurgischer 
— ,  von  Chaput  1475,  —  mit  Chloräthyl, 
von  Le  Dentu  1942,  medulläre  — , 

von  Zahradnicky .  2097 

Anästhesin,  von  Spiess  1611,  —  von  Hart¬ 
mann  1783,  —  (para-Amidobenzoe- 
säure-Ester)  als  lokales  Anästhetikum, 
von  v.  Noorden  758,  —  in  der  Wund¬ 
behandlung,  von  Lengemann  .  .  .  974 
Anästhesirung  mit  •  alkohol.  Kokain¬ 
lösung  bei  Operationen  in  der 
Nase  etc.,  von  Wröblewski  ....  891 
Anästhetiha,  Heilwirkung  der,  von  Spiess  415 
Analfisteln,  Genese  der,  von  Tavel  538, 
angeborene  — •,  von  Bartholdy  .  .  .  583 
Analgesie,  Operationen  unter  spinaler, 

von  Littlewood . 1850 

Anatomie,  Lehrbuch  der  vergleichenden 
—  der  wirbellosen  Thiere,  von  Lang 
198,  Grundriss  der  pathologischen  — , 
von  Schmaus  243,  Archiv  und  Atlas 
der  normalen  und  pathologischen  — 
in  typischen  Röntgenbildern,  von 
Oberst  286,  973,  Atlas  der  mikro¬ 
skopischen  — ,  vonSobotta621,  patho¬ 
logische  —  des  kindlichen  Alters, 
von  Steffen  622,  spezielle  patholo¬ 
gische  — ,  von  Ziegler  1310,  Grund¬ 
züge  der  allgemeinen  — ,  von  Reinke 
1844,  Begründung  der  modernen  — 
durch  Leonardo  da  Vinci,  von  Jack- 
schath  1897,  Einführung  in  die  physi¬ 
kalische  — ,  von  Triepel  1971,  Duvals 
Grundriss  der  —  für  Künstler,  von 


Gaupp . •  .  2013 

Anchylostomiasis,  von  Goldmann  .  .  .  1673 

Anencephale,  von  Simmonds . 208 

Anencephalie,  von  Wiehura . 1515 


Aneurysma  s.  a.  Aorta,  Aortenaneur., 
Dilatationsaneur.,  Herzaneur. 

Aneurysma,  von  Denecke  120 ,  von 
Klemperer  506,  —  aortae  ascend., 
von  Ziegenhagen  84,  Durchbruch  eines 
—  der  Aorta  descendens,  von  Rhein- 


Seite 

hold  200,  —  der  Carotis,  von  Völker 
210,  —  der  Pulmonalarterie,  von  Krzys- 
zkowski  202,  von  Wiczkowski  249, 

—  der  Brustaorta,  von  v.  Criegern336, 

—  arterio-venosum  der  Fossa  poplitea 
von  Barendrecht  625,  —  dissecans  des 
Oesophagns,  von  Minkowski  730,  — 
der  Art.  anonyma,  von  Bonheim  856, 

—  aortae,  von  Unverricht  858,  von 
Harmsen  1014,  Behandlung  der  — 
durch  proximale  Ligatur,  von  Birt 
978,  —  varicosum  der  V.  saphena 
magna,  von  Hahn  1123,  Statistik  der 
operativ  behandelten  —von  Jacobsthal 
1150,  chhurgische  Behandlung  des 

—  arteriovenosum,  von  Treves  1233, 
Spontanheilung  von  —  von  Körner 
1404,  —  varicosum  eines  Saphena- 
astes  als  Schenkelbruch  fehldiagnosti¬ 
ziert,  von  Hahn  1538,  — -  der  Art. 
subclavia,  von  Stonham  1630,  —  der 
Art.  hepatica,  von  Sommer  1665,  Lehre 
von  den  — ,  von  Mager  1722,  Behand¬ 
lung  der  traumatischen  arteriell¬ 
venösen  — ,  von  v.  Bergmann  1941, 

—  des  rechten  Sinus  Valsalvae  aortae, 
von  Kraus  2066,  —  der  Aorta  thoraciea, 
von  Heinlein  2165,  —  der  Anonyma, 

von  Ballance . 2161 

Aneurysmensymptom,  von  Dorendorf  .  1358 
Angina,  erythematöse  Eruption  bei  der, 
und  Stomatitis,  von  Simonin  84,  — 
ulcero  membranacea,  von  Chauffard 
u.  Siredey  169,  von  Manicatide  und 
Yranialici  673,  —  diphtheroides,  von 
Graupner  727,  Methylenblau  bei  der 
Behandlung  der  Vincentschen  — , 
von  Siredey  891,  Aetiologie  der  — 
typhosa,  von  Bendix  1018,  —  Vin- 
centi  s.  diphtheroides,  von  Lämmer¬ 
hirt  1111,  —  chronica  lacunaris,  von 
Seifert  1548,  —  mit  Tetragonus,  von 
Carriere  1765,  Aetiologie  der  — , 
von  Bonhoff  2096,  Beziehungen  der 

—  tonsillaris  zur  Entzündung  des 
Wurmfortsatzes,  von  Weber  ....  2171 

Angina  pectoris  s.  a.  Stenokardie. 

Angina  pectoris  bei  Aortitis  syphilitica, 

von  Benenati . 1979 

Angioma,  intramuskuläres  kavernöses, 
von  Strauch  415,  —  placentae,  von 
Hoehl  1024,  —  art.  racemosum,  von 

Deetz . 1356 

Angiome  und  ihr  Zusammenhang  mit 
Karzinomen,  von  Gebele  139,  Al¬ 
koholinjektionen  bei  inoperablen  — , 
von  Honseil  247,  Verwertung  der  — 
für  die  Diagnose  des  Karzinoms,  von 
Reizenstein  413,  Entzündung  in  — , 

Chiari  624,  diagnostische  Behandlung 


der  —  der  Haut,  von  Rosenbaum  658, 
senile  —  der  Haut,  von  Raff  .  .  .  745 
Angiosklerose  der  Darmarterien,  von 

Ortner  • . 1895 

Anguillula  intestinalis,  —  von  Kurlow  .  1017 
Anilinfarben  als  Eiweissfällungsmittel, 

von  Heidenhain  .  .  .  . 437 

Ankylose  des  Knöchelgelenkes,  von 

Haffner . 385 

Ankylostoma  duodenale,  von  Jaksch  .  1867 
Annalen  der  städt.  allgemeinen  Kranken¬ 
häuser  zu  München,  von  v.  Ziemssen  68 

Annoncen . 1595 

Anopheles  s.  a.  Malariamücken. 

Anopheles,  ven  Dönitz  1626,  —  claviger, 
von  Martirano  73,  —  in  malariafreier 
Gegend,  von  Sergent  77,  —  und  Ma¬ 


laria  in  Palästina,  von  Cropper  979, 
Larven  von  —  und  Culex  im  Winter, 
von  Galli  Vallerio  und  Rochaz  .  .  1894 
Anstalt  zur  Aufnahme  u.  Pflege  schwer 


und  unheilbar  Kranker  ....  .  1686 

Anthrakase-Immunprote'idin,  von  Em¬ 
merich,  von  Thönnessen .  2059 

Anthrax  s.  a.  Milzbrand. 


Anthrax, nekrotischerZerfall  des  Skrotums 

und  Präputiums  infolge  — ,  von  Geiger  1930 


Seite 

Antiarin,  Wirkung  von,  auf  das  Herz, 


von  Rümke . 1767 

Antifermente,  von  Weinland . 1204 

Antihaemolysine,  natürliche ,  von  Bes- 

redka .  7  g 

Antikörperbildung,  von  Klein . 1275 

Antimorphin  2030,  von  Emmerich  .  .  1400 

Antispermotoxin,  von  Weichardt  .  .  .  293 

Antisputol,  von  Gertler  . 495 


Antistreptokokkenserum  s.  a.  Endokar¬ 
ditis,  Puerperalfieber,  Streptokokken. 
Antistreptokokkenserum,  Wirkung  des, 
von  Tavel  722,  —  bei  Puerperalfieber, 
von  Makuna  1155,  —  von  Godwin 
1851,  akute  Sepsis  und  — ,  von  Ger- 
rard  1851,  —  bei  Scharlach,  von 

Baginsky . 1399 

Antityphusextrakt  Jez’s,  von  Markl  .  .  156 

Antivenene  Calmette’s .  36 

Anus,  Behandlung  der  Fissur  des,  von 
Gussenbauer  117,  Behandlung  des 
Prolapsus  des  —  der  Kinder  mit 
Paraffininjektionen,  von  Karewski  .  1722 

Anzeigepflicht . 126 

Anziehungskraft,  magnetische,  von  Fdre  1976 
Aorta,  Stenose  der,  von  Revenstorf  385, 
Aneurysma  der  — ,  von  Hochhaus 
636,  angeborene  Enge  der  — ,  von 
Hochhaus  636,  enge  — ,  von  Bändel 
1014,  Hypoplasie  der  —  als  Ur¬ 
sache  von  Aneurysmen, von  Dickinson  1632 
Aortasklerose,  Pathogenese  der,  von 

v.  Korczynski . 1H2 

Aortenaffektionen ,  rhythmische  Kopf¬ 
bewegungen  bei,  von  Valentino  .  .  1474 
Aortenaneurysma,  von  Marchiafava  173, 
von  Pfeiffer  299,  von  Pick  426,  von 
Rohde  943,  von  Bändel  944,  — 
Diagnose  des  — ,  von  v.  Schrötter 
1628,  Behandlung  der  —  mit  Ge¬ 
latineinjektionen,  von  Halpern  .  .  1712 
Aortenerkrankungen,  von  Heller  .  .  .  1591 
Aortenklappe ,  Zerreissung  der ,  von 

Schmidt . 1552 

Aortitis  abdominalis,  von  Teissier  .  .  819 
Aphasie,  subkortikale  sensorische,  von 
Strohmayer  211,  1471,  —  mit  Agra- 
phie  und  Alexie,  von  Risch  1109, 
Rückbildung  motorischer  — ,  von 
Bonhoeffer  1312,  subkortikale  reine 
— ,  von  Nardi  1316,  —  und  andere 
Sprachstörungen,  von  Bastian  .  .  .  1845 
Aphthongie,  von  Steinert  1132,  1149,  von 

Becker . 1265 

Aponeurosis,  Retraktion  der,  palmaris  bei 
Geisteskranken,  von  Fdre  u.Francillon  1765 
Apoplexie,  meningeale,  von  Nothnagel  1275 
Apotheke  s.  a.  Krankenhausapotheke, 
Handapotheke. 

Apotheke,  Zulassung  von  Frauen  zur 

Lehre  in  eine, . 990 

Apothekenboykott, 11  Beilegung  des,  in 

Berlin  .  . . " . 1733 

Apothekenfrage . 389 

Apothekenkonzessionen . 1405 

Apotheker,  Schlag  für  die  —  Oester¬ 
reichs  .  2029 

Apparat  zur  Veranschaulichung  von  Laut¬ 
zeichen,  von  Sinell .  943 

Apparatbehandlung,  orthopädische,  von 

Wagner . 1025 

Appendix,  Perforation  einer,  in  einer 

Hernie,  von  Hall . 1361 

Appendizitis  s.  a.  Blinddarm,  Perityphli¬ 
tis,  Wurmfortsatz. 

Appendizitis,  von  Simonin  169,  —  von 
Dieulafoy  1404,  —  acuta,  von  Laurie 
37,  subphrenische  Abszesse  nach  — , 
von  Eisberg  380,  zweiseitige  Ope¬ 
ration  bei  — ,  von  Riedel  536,  sekun¬ 
däre  Entfernung  der  Appendix  nach 
— ,  von  Battle  542,  chirurgische  In¬ 
dikationsstellung  bei  — ,  von  Wette 
583,  —  tuberculosa,  von  de  Josselin  de 
Jong  625,  Lungenkomplikationen  bei 
— ,  von  Sonnenburg  678,  neue  Erfah¬ 
rungen  über  — ,  von  Sprengel  678, 


XXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 


800 


1555 

1900 


—  chronica,  von  Lenzmann  715,  — 
perforativa  in  einem  Schenkelbruch, 
von  Münch  716,  Gangraen  des  Coe- 
kums  'durch  — ,  von  Lenzmann  723, 

—  im' Bruchsack,  von  Fraenkel  1026, 
Prognose  und  Therapie  der  — ,  von 
Heaton  1235,  Fehlen  der  typischen 
Dämpfung  bei  — ,  von  Riedel  1357, 
diffuse  adhäsive  Peritonitis  infolge 
— ,  von  Karewski  1430,  Magenblutung 
bei  • — ,  von  Nitzsche  1430,  —  bei 
Linkslagerung  des  Coekum,  von  Da¬ 
mianos  1474,  Frühoperation  bei  — , 
von  Payr  1511,  Behandlung  der  — , 
von  O’Conor  1632,  —  und  Traumen, 
von  Erdheim  1665,  —  obliterans,  von 
Faber  1768,  —  mit  pleuritischen  Me¬ 
tastasen,  von  Guinard  1980,  chirur¬ 
gische  Behandlung  der  — ,  von  Broca, 
von  Sonnenburg,  von  Gallet  1981, 
Verhalten  der  Leukocyten  bei  — ,  von 
Coste  2038,  —  und  Leberabszess,  von 
Koch  2103,  medizinische  Behandlung 

der  — ,  von  Burnet . 2160 

Appendizitisfrage,  von  Deaver  ....  1935 
Appendizitiskomplikationen ,  vermeid¬ 
bare,  von  Ochsner  . 306 

Approbation,  Entziehung  der . 127 

Apraxie,  von  Liepmann  . . 1200 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserlichen  Gesund¬ 
heitsamt  459,  714,  757,  1152,  1763, 

—  aus  dem  neurologischen  Institut 

der  Wiener  Universität,  von  Ober¬ 
steiner  . 

Arbeiter,  systematische  Untersuchung 
von,  in  gefährlichen  Betrieben,  von 

Alcock . ‘ 

Arbeiterheilstätten,  neue,  in  Berlin  .  . 

Arbeiter- Wohlfahrtseinrichtungen ,  Mu¬ 
seum  für,  in  München . 1824 

Arbeitsfähigkeit,  teilweise  und  verän¬ 
derte,  von  Hoeflmayr . 1465 

Arbeitskurve,  von  Kraepelin  .  .  .  .  .  940 
Arbeitsmethoden  f.  organisch-chemische 
Laboratorien,  von  Lassar-Cohn  .  .  . 

Archipel,  der  malayische,  und  die  Ge¬ 
schichte  seiner  Tierwelt,  von  Weber 
Archiv,  Gründung  des  Deutschen,  für 
klinische  Medizin,  von  Hauser  344, 
von  Moritz  392,  deutsches  —  für 
klinische  Medizin  70,  200,  490,  848, 

1013,  1229,  1805,  —  für  klinische  Chi¬ 
rurgie  32,  325,  456,  537,  582,  886,  933, 

1062,  1270,  1429,  1511,  1891,  —  für 
Gynäkologie  373,  416,  756, 1431, 1514, 

2179,  Virchows  —  für  pathologische 
Anatomie  154,  670,  848,  936,  1230, 

1587, 1626, 1847,1927,  2017,2170  -  für 
Hygiene  289,  376,  538,  804, 1109, 1313, 

1471,  1663,  1763,  1808,  1893,  1928, 

2096,  —  für  Psychiatrie  und  Nerven¬ 
krankheiten  374,  585,  1470,  1762,  — 
für  Kinderheilkunde  33,  247,  668, 

1107,  1515,  2016,  —  für  Verdauungs¬ 
krankheiten  289,  1107,  —  für  expe¬ 
rimentelle  Pathologie  und  Pharma¬ 
kologie  ....  375,  756,  1273,  1313,  1848 
Aretaeus  von  Cappadocien,  von  Koss- 

mann . . 

Argentum  colloidale  Credö,  antiseptischer 

Wert  des,  von  Cohn . 

Aristochin,  ein  geschmackloses  Chinin¬ 
derivat,  von  Stursberg  . 

Arrbenal,  von  Gautier  905,  von  Cochez, 

von  Fontoynont  1598,  Behandlung 
der  Malaria  mit  — ,  von  Gautier  1076, 

—  bei  Tuberkulose . 1364 

Arsen  s.  a.  Ciliaten. 

Arsen,  biologische  Methode  Gosios  zum 

Nachweis  des,  von  Maassen  ....  757 

Arsenhämol,  von  Matzner . 1407 

Arsenik,  Gehalt  des  Organismus  an  — , 
von  Bertrand  1364,  therapeutischer 
Wrert  des  — ,  von  Stockmann  1555, 
Untersuchung  des  im  Organismus  vor¬ 
handenen  — ,  von  Bertrand  1978,  — 
im  tierischen  Organismus,  von  Ber¬ 
trand  . 2105 


Seite 

759 


Seite 


1190 

1670 


1770 


1265 

2059 

1879 


Arsenikdermatosen,  von  Rille 
Arsenikgebrauch,  Hautaffektionen  nach 

innerem,  von  Bettmann . 295 

Arsenikkrebs,  von  Hutchinson  ....  1851 

Arseniktherapie,  Modifikation  der  sub¬ 
kutanen,  nach  Ziemssen-Speth,  von 

Jesionek .  1254 

Arsenikvergiftungen  in  Manchester  .  .  1592 

Artemia  salina,  von  Hecker . 422 

Arteria  pulmonalis,  Sklerose  der,  von 

Marchiafava . 173 

Arterienspannung,  Kaliumnitrat  u.  -Nitrit 
bei  chronischer  Steigerung  der, 

von  Brunton  . . 758 

Arterienverletzung  bei  Verrenkung  des 

Oberarmes,  von  Körte . 583 

Arterienwand,  Knochenbildung  in  der, 

von  Münckeberg . 849 

Arteriosklerose,  von  Bollinger  641,  von 
Adler  1016,  von  Donner  1270,  Be¬ 
ziehungen  der  —  zu  Erkrankungen  des 
Gehirns,  von  Windscheid  212,  345, 
neuere  klinische  Gesichtspunkte  in 
der  Lehre  von  der  — ,  von  Grassmann 
347,  Behandlung  der  —  mit  Serum 
Trunecek  543,  Jodwirkung  bei  — , 
von  Jodlbauer  642,  653,  isolierte 
Verkalkung  der  Elastica  interna  bei 
— ,  von  Matusewicz  714,  Aetiologie 
und  pathologische  Anatomie  der  — , 
von  Albrecht  731 ,  gastrointestinale 
Störungen  bei  — ,  von  Neusser  1628, 

—  und  Commotio  cerebri,  von  Apelt 
Arthritis ,  durch  Pneumokokken  be¬ 
dingte,  von  Raw  379,  puerperale  — 
der  Beckengelenke,  von  Lop  588, 

—  gonorrhoica,  von  Markheim  848, 
eitrige  —  im  Verlauf  der  Broncho¬ 
pneumonie,  von  Bichat  und  Goepfert 

Arthropathien,  tabische,  von  Donath  . 
Arzneibücher,  gedruckte  deutsche,  von 

1500,  von  Sudhoff . 

Arzneien,  s.  a.  Rezepte. 

Arzneimittel,  Einführung  und  Begutach¬ 
tung  neuer,  durch  die  medizinische 
Fachpresse  127,  Verkehr  mit  —  1030, 
Nebenwirkungen  der  — ,  von  Brunton 
Arzneimittellehre,  Unterricht  in  der, 
von  Cloetta  25,  Atlas  der  — ,  von 
Tappeiner  973,  Lehrbuch  der  —  von 

Cloetta-Filehne . 1012 

Arzneitaxen . 600 

Arzneitaxordnung  990,  bayerische  —  .  175 

Arzneiverordnungen  in  der  Kinder¬ 
praxis,  von  Guttmann  . 414 

Arzt,  s.  a.  Aerzte,  Amtsärzte. 

Arzt  und  Krankenkasse,  von  Lechler  168, 

882,  welche  Aussichten  hat  heute 
der  junge  — ?  von  König  287,  straf¬ 
rechtliche  Verantwortlichkeit  des  — 
im  Altertum,  von  Preuss  489,  Ver¬ 
urteilung  eines  —  wegen  fahrlässiger 
Körperverletzung  durch  ein  Intra- 
uterin-Pessar,  von  Kef erstein  1016, 
Studium  u.  Beruf  des  — ,  von  Moritz 
1147,  —  und  Unfallgesetz,  von  Müller 
1462,  Bekenntnisse  eines  — ,  von 
Weressajew  1468,  Antwort  auf  die 


Bülausche ,  von 


1977 

1849 

1931 


1555 


462 

1065 


2161 

537 


1974 


Beichten  des  —  W.,  von  Kuby  1469, 

—  und  Apotheker  1594,  Buchführung 
des  praktischen — ,  von  Heinrich  1943, 

—  und  Untersuchungsrichter  .  .  .  2168 

Arztwagen .  864,  1127,  1558 

Arztwahl,  freie,  in  Rostock . 904 

Asbestgegenstände  für  die  Kranken¬ 
stube,  von  Kornfeld . 119 

Asepsis  u.  Antisepsis  in  der  operativen 
Geburtshilfe,  von  Eberhart  80,  —  der 
Hände  während  der  Operation,  von 

Hermann . 116 

Aseptische  Operationen ,  Verwendung 

von  Gazeschleiern  bei,  von  Wenzel  887 
Askarideneier  im  menschlichen  Kot,  von 

Miura  und  Mishiuchi . 1894 

Askaris,  Reflexkrampf  bei,  lumbricoides, 
von  Naab  792,  —  lumbricoides  in  der 

Harnblase,  von  Schlüter . 1685 

Aspergillussporen,  Absterbebedingungen 

der,  von  Lode . 539 


Aspirationsdrainage , 

Oloff  . .  •  •  151« 

Aspirationstrachealkatheter,  von  Eichler  1639 
Aspirin,  von  Merkel  357,  von  Görges 
946,  von  Lehmann  1400,  von  Suess 
1991,  Erfahrungen  über  — ,  von 
Wielscli  250,  Nebenwirkung  von  — , 

von  Hirschberg . 1018 

Asterol,  von  Baer . 1629 

Asthma,  sein  Wesen  und  seine  Behand¬ 
lung,  von  Brügelmann  286,  —  dys- 
pepticum,  von  Einhorn  1355,  subku¬ 
tane  Atropininjektionen  gegen  — ,  von 
Campanella  1811,  nasale  Behandlung 

des  — ,  von  Francis . 1868 

Asthmaanfall,  Theorie  der  Entstehung 

des,  von  De  Luca . 

Asystolia  hepatica,  von  Alberta  .... 
Aszites,  chirurgische  Behandlung  des, 
von  Ito  u.  Omi  246,  —  chylosus,  von 
Pagenstecher  415,  848,  Kompression 
des  Abdomens  bei  — ,  von  Knox 
Aszitesbehandlung,  operative,  von  Müller 
Ataxie  s.  a.  Friedreichsche  A. 

Ataxie,  hereditäre,  von  Stein  541,  Theorie 
und  Therapie  der  tabischen  — ,  von 
Haenel  941,  akute  zerebrale  und 
zerebrospinale  — ,  von  Lüthje  .  .  . 
Atheromcyste ,  intraabdominelle ,  von 

Hauser . .  2165 

Atlas  der  normalen  u.  patholog.  Anatomie 
in  Röntgenbildern,  von  Oberst  286, 

973,  —  der  Psychiatrie,  von  Weygandt 
287,  —  der  Radiographie  der  Brust¬ 
organe,  von  Weinberger  323,  stere 
oskop.-photographischer  —  der  patho¬ 
logischen  Anatomie  des  Auges,  von 
Elschnig  490,  —  der  gynäkologischen 
Operationslehre,  von  Schaeffer  535, 

—  u.  Grundriss  der  Histologie  und 
mikroskop.  Anatomie  von  Sobotta 
621,  —  der  Krankheiten  der  Nase, 
ihrer  Nebenhöhlen  und  des  Nasen¬ 
rachenraums,  von  Gerber  668,  —  u. 
Grundriss  der  Krankheiten  der  Mund¬ 
höhle,  des  Rachens  und  der  Nase, 
von  Grünwald  755,  —  der  Hautkrank¬ 
heiten  ,  von  Mracek  1428 ,  stereo¬ 
skopischer  medizinischer  — ,  von 
Neisser  1468,  —  der  Markreifung  des 
Kindergeh  irns,  von  Vogt  1544,  stereo¬ 
skopischer  medizinischer  —  der  Gynä¬ 
kologie,  von  Küstner  1760,  —  und 
Grundriss  der  Nervenkrankheiten, 

von  Seiffer . 1973 

Atmen,  sakkadiertes,  von  Henssen  .  .  1807 

Atmokausis,  von  Falk  803,  Verhältnis 
der  —  und  Zestokausis  zur  Kürrettage, 

von  Pincus  . 2158 

Atmung  und  Kreislauf,  mechanische 
Nebenwirkungen  von,  von  Buttersack 
586,  Beziehungen  zwischen  Bauch  — 
u.  Brust — ,  von  Gutzmann  813,  neue 
Methode  der  künstlichen  — ,  von 

Antonescu . 1546 

Atmungsanomalien  im  Kindesalter,  von 

Gregor  . 

Atmungsbahnen,  spinale,  von  Rothmann 
Atmungsgrösse,  Einfluss  des  Windes  auf 
die  —  des  Menschen,  von  Wolpert 
Atrabilin  in  der  Urologie,  von  Gold¬ 
schmidt  . 1764 

Atresia  ani  praeputialis,  von  Stieda  .  .  1518 

Atrioventrikularklappen ,  funktionelle 
muskuläre  Insufficienz  der,  von  Fuchs 
Atrophia  idiopath.  cutis  progress.,  von 
Riehl  164,  vonFendlau  936,  —  nervi 
optici  hereditaria,  von  Velhagen  941, 

—  des  M.  deltoideus,  von  Hasebroek 
Atropin  bei  Bleikolik,  von  Weber  704, 
Darmwirkung  des  — ,  von  Ostermaier, 

1496,  1888,  von  Aronheim  1748,  wei¬ 
tere  Bemerkungen  über  — ,  von  Gebele 
1746,  Erklärung  der  Darmwirkung 
des  —  mit  Rücksicht  auf  dessen  An 
Wendung  beim  Ileus,  von  Pal  . 
Atropininjektion,  von  Mansbach  . 

Atteste,  Honorirung  ärztlicher  .  . 
Aub-Denkmal . 


1819 

1020 

1109 


79 


1900 


1954 

904 

215 

1903 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXV 


Seite 


1516 


Augapfel,  Diagramm  der  Wirkungsweise 
der  Bewegungsmuskeln  des ,  von 
Elschnig  ...... 

Auge  s.  a.  Sehapparat. 

Auge,  Verrostung  des,  von  Neuburger  82 
von  Weill  300,  Aplasie  des  — ,  von 
Oppenheimer  205,  Beziehungen  des 
—  zur  Immunität,  von  Römer  300 
Neurologie  des  — ,  von  Wilbrand  n. 
Saenger  371, Atlas  der  pathol. Anatomie 
des  — ,  von  Elschnig  490,  Kalkver¬ 
letzungen  des  —  im  Baugewerbe, 
von  Hoppe  49.7,  Prophylaxe  dei- 
septischen  Infektion  des  — ,  besonders 
seiner  Berufsverletzungen,  von  Axen- 
l'eld  1289,  1394,  indirekte  Schussver¬ 
letzungen  des  — ,  von  Yarr  1593, 
Schutz-  und  Deckmittel  für  die  — ’ 
von  Emmert  1628,  Entfernung  von 
Fremdkörpern  aus  dem  — ,  von  Haab  1935 
Augenärzte,  freie  Vereinigung  Breslauer, 

.  43,  176, 

Augenärztliche  Unterrichtstafeln ,  von 

Magnus . 

Augenblennorrhoe,  Therapie  desRegen- 
bogenh autvorfalles  bei,  von  Falta  . 

Augenchirurgie,  von  Franke . 

Augenentzündung,  Verhütung  der,  der 
Neugeborenen  durch  Credöisierung, 
v.  Leopold  1433,  —  der  Neugeborenen 
und  der  Gonokokkus,  von  Schanz 
Augenheilkunde, Handbuch  der  gesamten, 

von  Graefe-Saemisch . 3l; 

Augenheilmittel,  die  neueren,  von  Ohle- 

mann . 1890 

Augenhintergrund ,  Photographie  des, 
von  Thorner  1848,  von  Dimmer  .  .  2097 
Augenhöhle,  Krankheiten  der,  von  Fiser  1 1 7 
Augenklinik,  Mitteilungen  aus  der,  zu 

Stockholm,  von  Widmark . 2155 

Augenlider,  gutartige  Gangraen  der,  von 

Roger  und  Weil  .  .  . . 292 

Augenmuskellähmungen  nach  Blutver¬ 
lusten,  von  Neuburger . 903 

Augentropfwasser,  Sterilisation  von,  von 

Dian . . 

Auskultation  s.  a.  Streichauskultation. 
Auskultation  des  Respirationsapparates 
nebst  Bemerkungen  zur  Pathologie 
der  Lungenphthise,  von  Rosenbach  131 
Auskunftsstelle  des  D.  Aerztevereins- 

bundes  in  Hamburg . 262 

Ausstellung  Prof.  Kleins . 1991 

Auszeichnung  v.  Bergmanns . 215 

Autolyse  der  Plazenta,  von  Mathes  33, 
Bedeutung  der  — ,  von  Müller  764, 

—  in  Punktionsflüssigkeiten,  von 
Schütz . 2014 


509 

1429  | 

1629 

501 


2067 

847 


Seite 


B. 

Babinskischer  Zehenreflex,  von  Bickel  1893 

Baccelli  und  seine  Gegner . 172 

Backhausmilch,  Zusammensetzung  der, 

von  Hartung . 1152 

Bäckergewerbe  vom  hygienischen  Stand¬ 
punkt,  von  Emmerich . 1679 

Bad  s.  a.  Bäder,  Dauerbad,  Solbäder, 
Kohlensäurebäder. 

Bad  Brückenau  775,  König  Otto -Bad 

Wiesau . 775 

Baden,  Schwefelthermen  von/von  Roeth- 

lisberger . 536 

Baden-Baden,  Beobachtungen  aus  dem 
Landesbad  in,  von  Neumann  .  .  .  493 

Badewanne,  von  Jacob . 160 

Badewasser,  Eindringen  von,  in  die 

Scheide,  von  Hertzka .  2095 

Bäder,  Einfluss  von,  und  Douchen  auf 
den  Blutdruck,  von  Müller  640,  814, 
Wirkung  verschiedener  — ,  von  Win¬ 
ternitz  1013,  —  als  Infektionsquelle, 
von  Winternitz  1599,  Zweckmässigkeit 
der  —  bei  Schwangeren  und  Ge¬ 
bärenden,  von  Hertzka .  2095 

Bakterien  s.  a.  Mikrokokkus,  Darmbak¬ 
terien, Krankheitserreger, Erkrankung, 


Keime,  Agarboden,  Typhusbaktei  •ien, 
Mikroorganismen,  An  aeroben. 

Bakterien,  von  Schmidt  und  Weis  1466, 

Bau  der  — ,  von  Ascoli  73,  säure¬ 
feste  — ,  von  Moeller  255,  von  Lich¬ 
tenstein  421,  Vorkommen  des  —  coli, 
von  Papasotiriu  290,  Babes-Ernstsche 
Körperchen  und  Virulenz  bei  — ,  von 
Gauss  327,  neues,  Eiterung  hervor¬ 
rufendes  — ,  von  Stefansky  327, 

—  phasianicida,  von  Klein  327,  Al¬ 
kali-  und  Säureproduktion  der  — ,  von 
Rolly  376,  Verhalten  des  —  coli 
commune,  von  Pfaundler  376,  Zersetz¬ 
ung  der  Nitrate  und  Nitrite  durch  — , 
von  Maassen  459,  Differentialdiagnose 
verschiedener  —  durchSerumreaktion, 
von  Voges  1017,  Fixation  von  —  an 
Deck-  oder  Objektgläser,  von  v.Wendt 
1017,  Infektionen  von  gasbildenden  — , 
von  Albrecht  1062,  Begeisselung  der  — , 
von  Meyer  1110,  Beziehungen  der 
Babes-Ernstschen  Körperchen  zur  Vi¬ 
rulenz  der  — ,  von  Schumburg  1110, 
Eindringen  der  —  der  Inspirations¬ 
luft  in  die  Lungen,  von  Paul  1472, 
Vorkommen  von  —  in  den  Lungen 
gesunder  Tiere,  von  Quensel  1472, 
Stickstoff  sammelnde  —  und  ihre  Be¬ 
deutung  für  die  Landwirtschaft,  von 
Jacobitz  1504,  Bedeutung  der  Kalzium¬ 
salze  für  — ,  von  Gabritschewsky  1544, 
anaerobe  —  des  Menschen ,  von 
Weichselbaum,  Gohn  und  Sachs  1715, 
reduzierende  Wirkungen  der  — ,  von 
Cathcart  und  Hahn  1763,  anaerobe  — 
und  ihr  Vorkommen  bei  fötiden  Eite¬ 
rungen,  von  Wallgren  1847,  —  Bris- 
tolense,  von  Klein  1975,  Abtötung 
pathogener  —  imWasser  mittels  Ozon, 
von  Schüder  und  Proskauer  1893, 
kleinste  —  und  das  Durchwachsen 
von  Filtern,  von  v.  Esmarch  1894, 
säureliebende  —  im  Stuhl  des  er¬ 
wachsenen  Menschen,  von  Cipollina 
1894,  Untersuchung  einiger  —  mittels 
Phenolphthaleinnährböden,  von  Ziel- 
leczky  1975,  tinktorielles  Verhalten 
des  ■ —  pestis,  von  Horniker  2097, 
Gewinnung  der  Stoffwechselprodukte 
der  — ,  von  Levy  und  Pfersdorff  2097, 
Steigerung  der  Virulenz  der  — ,  von 

Walker . 2161 

Bakterienart,  neue,  im  Sputum,  von 

Jehle . 1472 

Bakterienfilter,  einfaches,  von '  Silber¬ 
schmidt  . j46j 

Bakterienflora  des  Nasensinus  und  des 
Mittelohrs,  von  Colamida  u.  Bestarelli  1715 
Bakterienverdauung,  von  Turro  ....  1357 
Bakterienvirulenz, Wesen  der,  von  Pfeiffer 

und  Friedberger . lffO 

Bakteriohämoagglutinine  und  Antihämo- 

agglutinine,  von  Kraus . 249 

Bakteriologie  s.  a.  Centralblatt. 
Bakteriologische  Diagnostik,  von  Matzu- 

schita  . . 2156 

Bakteriologische  Untersuchungen,  Ein¬ 
richtungen  für,  von  Kasparek  1627, 

Erlass  über  —  in  Bayern . 2110 

Bakteriurie  bei  Kindern,  von  Poscharyski 
33,  —  von  Mellin  1770,  —  vesicalis 
postgonorrhoica,  von  Goldberg  .  .  .  582 
Balantidium  coli,  pathogenetische  Bedeu¬ 
tung  des,  von  Henschen  ....  289 

Balkenblutung,  von  Infeld . 1018 

Ballonbehandlung,  intrauterine,  in  der 

Geburtshilfe,  von  Zimmermann  .  .  1974 
Balneologen-Kongress,  23.,  47,  24.  .  .  1871 
Bandwurmmittel,  Wirksamkeit  verschie¬ 
dener,  von  Sobotta . 1487 

Bantische  Krankheit,  von  Pribram  461, 
von  Chiari  1112,  von  Barr  1850, 
Splenektomie  und  Talmasche  Ope¬ 
ration  bei  der  — ,  von  Tansini  1271, 

1978,  Chirurgie  und  Organtherapie  bei 
— ,  von  Shiassi . .  .  .  1810 


Symptomenkomplex,  von 


Seite 


Bantischer 

Hocke . 715 

Barlowsche  Krankheit,  von  Salg’e  10*67, 
von  Neumann  1114,  Therapie  der  — , 

von  Bolle . 1761 

Bartholinitis,  von  Hügel . .  .  295 

Basch,  zum  65.  Geburtstage  Prof,  v., 

von  Strubeil . 15Q6 

Basedowii  morbus  s.  a.  Struma. 

Basedowsche  Krankheit,  Antithyreoidin- 
behandlung  der,  von  Schultes  834, 
Serumbehandlung  der  — ,  von  Goebel 
835,  853,  Resektion  des  Sympathikus 
bei  — ,  von  Balalescu  887,  akute  auf¬ 
steigende  Lähmung  bei  — ,  von 
Rosenfeld  1017,  —  und  Trauma,  von 
Apelt  1277,  Behandlung  des  —  mit 
Sympathektomie,  von  Tomaselli  1316, 
Blutdruckmessungen  bei  — ,  von 
Spiethoff  1511,  —  mit  Veränderungen 
im  Knochensystem,  von  v.  Jaksch 
Basis  cranii,  Freilegung  der,  von  der 

Nase  aus,  von  Löwe . 

Bassini,  800  Radikaloperationen  nach, 
und  deren  Dauerresultate,  von  Gol  dner 
Bath,  Bäder  von,  von  Bayliss  .... 

Bauch  s.  a.  Oberbauchseite,  Unterbauch¬ 
seite. 

Bauch,  penetrierende  Stichwunden  des, 

von  Bernhard . 

Bauchdeckennarbe,  Festigkeit  der,  nach 
Laparotomien,  von  Pichler  ... 
Bauchdeckentumor,  entzündlicher,  durch 
einen  aus  dem  Darm  durchgebro¬ 
chenen  Fremdkörper,  von  Wagner  . 
Baucheingeweide,  Verletzung  der,  von 

Geipke . 624 

Bauchfell,  quere  Eröffnung  des,  von  Poten  1230 
Bauchfellentzündung,  Schmierseifenbe¬ 
handlung  bei,  von  Baginsky  .... 
Bauchfellresorption,  von  Klapp  .... 
Bauchfelltuberkulose,  von  Richardson 
1934,  —  und  Nierentuberkulose,  Hei¬ 
lungsvorgänge  bei  der  operativen 
Behandlung  der,vonWeisswange  1 180, 

von  Nassauer . 

Bauchhernie,  von  Friedrich . 1403 

Bauchhöhle,  Sensibilität  in  der,  von 
Lennander  1312,  Beleuchtung  der  — , 
von  v.  Ott  1355,  von  Preoprajensky 
1897,  solide  Tumoren  der  — ,  von 
Prüsmann  1733,  corpus  liberum  der  — , 

von  Elter . . . 1807 

Bauchkontusion  s.  a.  Darm,  Unterbauch¬ 
seite. 

Bauchkontusionen,  subkutane  Darm¬ 
rupturen  nach,  von  Neumann  1431, 
und  Peritonitis  nach  subkutanen 
Darmverletzungen,  von  Thommen  .  537 
Bauchmuskeln,  congenitaler  Defekt  der, 
von  Osler  294,  Riss  des  geraden  — , 

von  Schmidt .  _  1770 

Bauchraum,  Verkleinerung  des,  und  Ver¬ 
hinderung  von  Bauchbrüchen  durch 
Doppelung  der  Bauchdecken,  von 

Heidenhain . Uß 

Bauchschüsse,  Behandlung  der  penetrie¬ 
renden,  im  Felde,  von  Roberts  .  .  1594 
Bauchspeicheldrüse,  innere  Sekretion 

der,  von  Ssobolew . 1230 

Bauchspekulum,  sich  selbst  haltendes, 

von  Stoeckel  ...  201 

Bauchverletzungen,  penetrierende,  von 

Urban . 1731 

Bauchwandbrüche  nach  Ochsenstoss, 

von  Knotz . 810 

Bauchwunden,  penetrierende,  der  Mantel¬ 
geschosse,  von  Hildebrand  627,  Be¬ 
handlung  der  penetrierenden  — ,  von 

Würth  von  Würthenau . 1514 

Baumfest  in  Rom . 734 

Bazillus  s.  a,  Buttersäurebazillus, Tuberkel¬ 
bazillus,  Typhusbazillus,  Meningitis, 
Influenzabazillus,  Pestbazillus,  Ruhr¬ 
bazillus  etc. 

Bazillen,  experimentelle  Untersuchungen 
über  säurefeste,  von  Hölscher  74, 


1364 

1775 

1429 

1361 


1473 


712 


1919 


173 

1312 


1322 


4 


XXVt 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seiie 


Seite 


Eberthscher  —  im  Blute  Typhuskran¬ 
ker,  von  Courmont  169,  für  Ratten  pa¬ 
thogener  — ,  von  Issatschenko  201,  aus 
dem  Blute  eines  Syphilitikers  gezüch¬ 
teter  — ,  von  Paulsen  384,  —  Danysz, 
von  Wiener  401,  von  Grimm  539, 
Danyszscher  —  bei  der  Rattenver- 
tilgung,  von  Markl  459,  Pathogenität 
des  —  pyocyaneus,  von  Soltmann 
493,  Konstanz  der  Sporenkeimung 
bei  den  — ,  von  Caspari  639,  —  caseo- 
lyticus,  von  Lochmann  670,  Identität 
der  Ozaena-  und  Rhinosklerom- 
mit  Friedländerschen  — ,  von  Klem- 
perer  und  Scheier  712,  neuer  Gas 
erregender  — ,  von  Uffenheimer  714, 
Stoffwechselprodukte  des  —  pyo¬ 
cyaneus,  von  Breymann  804,  Zellsaft 
des  —  pyocyaneus,  von  Krause  1109, 
neuer  —  aus  der  Gruppe  des  Influenza¬ 
bazillus,  von  Frank  1231,  Physiologie 
der  Sporenbildung  der  — ,  von  Matzu- 
schita  1399,  pyogene  Eigenschaft  des 
Eberthschen  — ,  von  Donzello  1435, 

—  des  malignen  Oedems,  von  Grass¬ 
berger  und  Schattenfroh  1570,  —  des 
Smegma,  von  Weber  1764,  —  des 
Karpfens  und  —  der  Blindschleiche, 
von  Bataillon,  Moeller  und  Ferre  2016, 
säurefeste  —  im  Ozaenasekret,  von 

Meyer  . .  2067 

Becher  David,  der  Karlsbader  Hippo- 

krates,  von  Ruff . 1672 

Becken,  enge,  von  Bauer  974,  Geburts¬ 
leitung  beim  engen  — ,  von  Krönig 
1333,  1362,  —  Beweglichkeit  des!-—, 
von  Lichtenberg  1398,  —  Therapie 
beim  engen  — ,  von  Krönig  1710,  — 

Situs  der  Organe  im  weiblichen  — , 
von  Seilheim  1726,  —  gummöse  Zell¬ 
entzündung  im  — ,  von  Fournier  1942, 
Verhalten  der  Muskeln  des  weib¬ 
lichen  — ,  von  Seilheim  2155,  —  Wen¬ 
dung  bei  engem  — ,  von  Krull  .  .  2179 

Beckenbrüche,  von  Stolper . 1861 

Beckenexsudate,  Behandlung  chron., 

von  Kehrer  .  .  • .  73 

Beckenformen,  pathologische,  von  Breus 

und  Ivolisko  . . 1543 

Beckenluxationen,  von  Linser  ....  1926 
Becken-Tieflagerung,  steile,  bei  Opera¬ 
tionen  an  den  Gallengängen,  von  Rühl  190 

Beckenverengung,  Entbindung  bei,  von 

Drejer . 1769 

Beinschienengestell,  von  Lazarus  .  .  .  256 

Beiträge,  Bruns,  zur  klinischen  Chirurgie 
115,  246,  457,  584,  712,  1015,  1271, 

1512,  1H07,  1H26,  2157,  Hegars  —  zur 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie  152, 

802,  Zieglers  —  zur  pathologischen 
Anatomie  und  allgemeinen  Patho¬ 
logie  458,  713,  975,  1192,  1763,2017, 

—  zur  psychiatrischen  Klinik,  von 

Sommer . *  .  •  1191 

Belastung,  erbliche,  von  Wagner  von 

Jauregg . 1895 

Belastungsdeformität  s.  a.  Fuss  der 
Chinesin. 

Belastungsdeformitäten,  Bildungsgesetze 
der  statischen,  von  Schanz  767,  — 
Aetiologie  der  statischen  — ,  von 

Schanz . 934 

Belastungskolpeurynter,  von  Pincus  .  .  1586 

Benzolkörper ,  Blutveränderungen  bei 

Vergiftungen  mit,  von  Mohr  .  •  .  .  248 

Beobachtungsstation,  aus  der,  von  Neisser 

und  Kahnert . 669 

Bergsteigekuren  für  Nervenkranke,  von 

Keller . .  215 

Beri-Beri ,  von  Manson  1593 ,  Aetio¬ 
logie  der  — ,  von  Manson  204,  — 
Arsenik  im  Haare  von  Kranken, 
von  Ross  760,  Behandlung  der  — , 

von  Miura . 1819 

Bericht  über  das  Ambulatorium  für 
innere  Krankheiten  des  med.-klin. 
Institutes  1901,  von  Kerschensteiner 
110,  —  über  die  k.  chirnrg.  Univ.- 
Poliklinik  zu  München  1901,  von 


483 


85 

1321 

324 

172 


1763 

1944 

1276 

1460 

1407 

342 


1902. 


Seite 


Klaussner  191,  —  über  die  medizin. 
Poliklinik  in  München  1901,  von 
Moritz  451,  —  der  k.  Univ. -Poliklinik 
für  Kinderkrankheiten  im  Reisinge 
rianum  pro  1901,  von  Seitz  . 
Berufsgeheimnis,  ärztliches,  von  Aschaf 
fenburg  1241,  —  und  Krankenkassen 
84,  —  und  Anzeigepflicht  .... 
Berufsgenossenschaften,  von  den,  ge 
zahlte  Entschädigungsbeträge  . 
Berufspflege,  weibliche,  von  v.  Wall 

menich . •  - 

Berufung  Escherichs  nach  Wien  .  . 
Besonnung,  Einfluss  der,  auf  den  Gas 
Wechsel  des  Menschen,  von  Woiper 
Bevölkerungsbewegung  in  Frankreich 
Bewegungen,  passive,  von  Thilo  .  . 
Bewegungsapparat,  neuer,  von  Vulpius 

Bezirksämter,  neue . 

Bezirksarztstellen,  neue,  in  Bayern  . 
Bezirksvereine,  Gesetz  betr.  die  ärzt 
liehen  —  in  Sachsen  1870,  —  in 

Sachsen . 1943 

Bibliothek  von  Co!er  ....  535,  1228,  1805 
Bicepssehne,  Zerreissung  der,  von  Weiss  898 
Bilirubinstein  in  einer  Echinokokkus¬ 
cyste,  von  Krauss  . . 672 

Bilz,  Aerzte  bei . 1079 

Bindegewebe,  entzündliche  Neubildung 

von,  von  Maximow . 2017 

Bindege  websverknöcherung, Pathogenese 

der  abnormen,  von  Holzknecht  .  .  1810 
Bindehautschrumpfung,  essentielle,  von 

Holmströ  m . 1769 

Bismutose  bei  Diarrhöen  kleiner  Kinder, 
von  Lissauer  1433,  —  therapeutischer 

Wert  der,  von  Starck . 1957 

Blase  s.  a.  Harnblase,  Stotterblase,  Ectopia. 

Blase,  Fremdkörper  der,  von  Vrabie  119, 
Innervation  der  — ,  des  Mast¬ 

darms  und  des  Geschlechtsapparates, 
von  Müller  326 ,  traumatische 
Granulome  der  weiblichen  — ,  von 
Kolischer  458,  Teleangiektasien  der 

— ,  von  Berliner . 1662 

Blasendiviseur,  graduierter,  von  Cathelin  1475 
Blasenerkrankungen,  Beziehungen  zwi¬ 
schen,  und  Myomen,  von  Hahn  .  .  1645 
Blasenfistel,  Technik  der  Anlegung  der 

suprapubischen,  von  Görl . 643 

Blasengeschwülste,  operative  Behandlung 

der,  von  Lobstein . .  .  1514 

Blasengonorrhoe ,  eystoskop.  Diagnose 

der,  von  Asch .  1285,  1322 

Blasenhalsklappe,  muskulöse,  von  Hirt.  2014 
Blasenleiden,  gonorrhoische,  von  Kuttner  888 
Blasenmole,  von  Gessner  388,  von  Flatau 
945,  von  Fraenkel  2028,  —  bei  beider¬ 
seitigen  Ovarialkystomen,  von  Baum¬ 
gart  . _  201 

Blasennaht  nach  Sectio  alta,  von  Hofmann'  1794 
Blasenruptur,  geheilte  traumatische  intra¬ 
peritoneale,  von  Jenckel  72,  intra¬ 
peritoneale  — ,  von  Ledderhose  .  723 
Blasenstein,  von  Mirabeau  82,  von  Riff 
300,  von  Graefe  585,  Nachweis  von 
—  durch  das  Röntgenbild  von  Dohrn 
246,  —  bei  Frauen,  von  Freyer  .  .  1361 
Blasensteinoperationen,  400,  von  v.  Frisch 

672,  von  Kokoris  1064,  von  Stein  .  1513 
Blasenstörungen,  zerebrale,  von  v.  Czyh- 

larz  und  Marburg . 1358 

Blasentumoren,  von  Kollmann  637,  Ein¬ 
schlüsse  in  — ,  von  Michaelis  und 
Gutmann  2156,  Cystotomia  supra- 
pubica  bei  — ,  von  Lockwood  .  .  2166 
Blasentuberkulose,  von  Freyer  543,  von 

Roosen-Runge . 1162 

Blasenzerreissungen, intraperitoneale, von 

M’  Laren . 1850 

Blasinstrumente  s.  u.  Lungenemphysem. 

Blastomykose,  von  Buschke . 1624 

Blattern  s.  a.  Pocken,  Impfung,  Schutz¬ 
impfung,  Vaccine,  Variola. 

Blattern  in  Paris  1901,  von  Roger  293, 
Behandlung  der  — ,  von  Barbary 
1319,  Opfer  der  —  im  französischen 
Indochina,  von  Jeanselme  1767,  — 

.  vor  100  Jahren  in  Sachsen,  von  Sachs  1898 


Blausäure,  Einwirkung  gasförmiger,  auf 

Früchte,  von  Schmidt . 757 

Blei,  Einwirkung  des,  auf  die  Arbeiter 

in  Töpfereien,  von  Shufflebotham  .  36 

Bleianämie ,  hämatologischer  Befund 

bei,  von  AVolff . -  1545 

Bleiintoxikation,  chronische,  von  Seelig- 

müller . 889 

Bleikolik  s.  Atropin. 

Bleikolik,  experimentelle,  von  Mosse  .  330 

Bleilähmung,  atypische,  von  Köster  336, 
bisher  nicht  beschriebene  Lokalisation 
der  — ,  von  Köster  .  . 601 

Bleivergiftung  inAkkumulatorenfabriken, 

von  Labbe  und  Ferrand  169,  —  bei 
den  Blattstichwrebern  in  Appenzell, 
von  Schüler  377,  —  durch  Diachylon 
als  Abortivum,  von  Scott  807,  patho¬ 
logische  Anatomie  der  chronischen  — , 
von  Jores  713,  seltene  Ursachen 
der  — ,  von  Weber  704,  psychische 
Erkrankung  durch  — ,  von  Quensel .  1470 
Blendungsschmerz,  von  Römer  ....  1853 
Blennorrhoe,  Therapie  der,  mit  Acid.  nitr. 

von  Porosz . 540 

Blinddarm,  Therapie  der  Tuberkulose 

des,  von  Weinsberg . 1629 

Blinddarmentzündung,  von  Lindner499, 

593,  Anwendung  von  Terpentinöl  und 
verwandten  Mitteln  bei  — ,  von  Mayer  1342 

Blindenphysiologie  von  Kunz . 1112 

Blindheit,  Entstehung  und  Verhütung 
der,  von  Hirsch  932,  Operationen 
wegen  angeborener  — ,  von  Königs¬ 
berg  . 1361 

Blitzschlag,  Verletzungen  durch,  von 

v.  Leyden . 1936 

Blut  s.  a  Hämolyse,  Phthisiker,  Antihä¬ 
molysine  ,  Bakteriohämoagglutinine, 
Erkrankung,  Osteomyelitis,  Methämo¬ 
globinämie,  Präzipitine. 

Blut,  Einfluss  der  Antipyrese  auf  die 
Agglutinationskraft  des  —  beim 
Typhus,  von  Beniasch  711,  diffusibles 
Alkali  und  Alkalispannung  des  —  in 
Krankheiten,  von  Brandenberg  1058, 
Nachweis  von  —  und  Erweiss  auf 
biologischem  Wege,  von  Strube  1064, 
Unterscheidung  des  —  mittels  Serum, 
von  Minovici  1064,  agglutinierende 
Substanzen  im  — ,  von  Ruffer  und 
Crendiropoulo  1154,  innere  Reibung 
des  —  bei  Nierenkrankheiten,  von 
Hirsch  und  Beck  1230,  Leukocyten 
im  —  unter  dem  Einfluss  der  Massage, 
von  Ekgren  1315,  Leukocyten  im  — 
von  Schwangeren,  Gebärenden  und 
Wöchnerinnen,  von  Zangemeister  und 
Wagner  1357,  Wirkung  der  Zecken 
auf  tierisches  — ,  von  Grützner  1358, 
Nachweis  von  Jodalkalien  im  — ,  von 
Karfunkel  1545,  einfache  Methode 
zur  quantitativen  Bestimmung  der 
Eiweisskörper  im  — ,  von  Jolles  1575, 
serodiagnostisches  Verfahren  zur 
Unterscheidung  verschiedener  Arten 
von  — ,  Milch  u.  s.  w.,  von  Wolff  1719, 
Fettgehalt  des  — ,  von  Schwarz  1816, 
klinische  Pathologie  des  — ,  von  Gra- 
witz  2056 ,  chemische  Zusammen¬ 
setzung  des  chlorotischen  — ,  von 

Erben . 2156 

Blutagarmischkultur,  differential-diagno¬ 
stischer  Wert  der,  von  Schottmüller  1070 
Blutarten,  Unterscheidung  der  verschie¬ 
denen,  von  Uhlenhuth . 1548 

Blutbewegung  in  der  inneren  Hohlvene, 

von  Mann .  422,  981 

Blutbild,  Aenderung  des,  nach  Unter¬ 
brechung  des  Lymphzuflusses,  von 

Biedl  und  von  Decastello . 252 

Blutbildung  im  Luftballon,  von  Gaule  .  1019 
Blutdissolution,  subkutane  Injektion  phy¬ 
siologischen  Serums  bei  schwerer, 

von  Fornaca  und  Micheli . 1979 

Blutdruck,  Einfluss  von  Bädern  und 
Douchen  auf  den,  von  Müller  640, 

814,  Verhalten  des  —  bei  Kranken, 
von  Buttermann . 180a 


1902, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXVII 


Seite 

Blutdruckbestimmungen,  von  Huber.  .  1400 
Blutdruckmessung,  von  Federn  ....  1434 
Blutergelenke,  von  Mermingas  ....  1430 
Blutergüsse,  extraperitoneale,  infolge  Un¬ 
fall,  von  Hammersclilag . 808 

Blutfarbstoff,  Verteilung  des,  zwischen 
Kohlenoxyd  und  Sauerstoff,  von 
Hüfner  1313,  M.  v.  Nenckis  Unter¬ 
suchungen  über  den  —  und  dessen 
Beziehungen  zum  Blattfarbstoff,  von 


Sieber-Schumoff  ....  . 1873 

Blutfärbungen,  von  May  und  Grunwald  *  582 
Blutfärbung,  vitale,  von  Rosin  und  Biber¬ 
geil  . 202 

Blutflüssigkeit,  wirksame  Substanz  der 
hämolytischen,  von  Dömeny  ....  1716 
Blutgefässe  s.  a.  Lympligefässe. 

Blutgefässe  im  Gebiet  durchschnittener 
Nerven,  v.  Jores . 1192 


Blutgefässerkrankungen,  Magnesium  zur 

Behandlung  von,  von  Payr  ....  1150 
Blutgerinnung,  Einfluss  von  Ei  weiss¬ 
körpern  auf  die,  von  Brat  813,  1157, 
Beziehungen  dor  weissen  Blutkörper¬ 
chen  zur  — ,  von  Gürber  .....  .  1685 
Blutkörperchen  s.  a.  Erythro oyten,  Toluyl¬ 
endiamin  vergif  tun  g,  Magenkrebs. 
Blutkörperchen,  Austritt  des  Hämoglo¬ 
bins  aus  sublimatgehärteten,  von 
Sachs  189,  weisse  —  bei  eitrigen 
Prozessen  im  Genitalapparat  der  Frau, 
von  Laubenburg  975,  von  Dützmann 
623,  körnige  Degeneration  der  roten 
— ,  von  Loewentlial  715,  Verhalten 
der  roten  —  bei  höheren  Tempera¬ 
turen,  von  Wiener  1154,  Uebergang 
der  embryonalen  kernhaltigen  —  in 
kernlose  Erythrocyten,  von  Heinz 
1399,  basophile  Granulationen  in 
roten  — ,  von  Guyot  1435,  von  Schmidt 
1929,  Verhalten  der  weissen  bei 

Eiterungen,  von  Blassberg . 2019 

Blutkörperchengifte,  Uebergang  von,  auf 

Föten,  von  Heinz . 1399 

Blutkörperchenresistenz  in  isotonischen 
Lösungen  während  Schwangerschaft, 
Geburt  u.  Wochenbett,  von  Schaeffer  1776 
Blutkörperchenzählung  mit  der  neuen 
Friedländerschen  Methode,  von 

Memmi . 1979 

Blutkrankheiten,  spezielle  Pathologie  und 

Therapie  der,  von  Grawitz .  2056 

Blutplättchen,  Vitalfärbung  der,  von 

Puchberger . 1673 

Blutplasma,  hämolytisches,  von  Ascoli  .  1764 
Blutprüfungsverfahren ,  serodiagnosti¬ 
sches,  von  Kister  und  Wolff  .  .  2058 

Blutserum,  Unterschiede  des  fötalen  und 
mütterlichen,  von  Halban  und  Land¬ 
steiner  473,  hämolytische  und  hämo- 
agglutinierende  Wirkung  von  —  der 
Mutter,  des  Fötus  und  der  Amnios- 
flüssigkeit,  von  Recinelli  555,  bakte¬ 
rizide  Wirkung  von  —  und  Blut¬ 
plasma,  von  Pettersoon  1109,  Präzi¬ 
pitinwirkung  und  Eiweisskörper  des 
— ,  von  Ascoli  1409,  Antikörper  des 
— ,  von  Sanfelice  1627,  antifermen¬ 
tative  Eigenschaften  des  — ,  von 
Simnitzky  1665,  Alexingehalt  normaler 
und  pathologischer  menschlicher  — , 
von  Trommsdorff  1715,  Kohlehydrate 
der  Eiweisskörper  des  — ,  von  Lang¬ 
stein  .  1876 

Blutstillung  s.  a.  Gelatine,  Nebennieren¬ 
extrakt,  Kalzium. 

Blutstillungsverfahren  bei  Resektion  der 

Leber,  von  Taddei . 555 

Blutströmung,  sichtbare,  in  der  Augapfel¬ 
bindehaut,  von  Schleich . 892 

Blutstrom,  Einfluss  mechanischer  und 
thermischer  Einwirkungen  auf  den, 
und  Gefässtonus,  von  Pick  ....  766 

Blutung  s.  a.  Darmblutung,  Gelatine,  Ge¬ 
bärmutterblut.,  Magenblut.,  Nachblut., 
Verblut.,  Gehirnblut.,  Hirnblut. 


Seite 

Blutungen  nach  der  Geburt  und  ihre 
Behandlung,  von  Henkel  1151,  töd¬ 
liche  —  in  die  Bauchhöhle  unter  dem 
Bilde  des  akuten  Darmverschlusses, 
von  Grassmann  1203,  1345,  Technik 
der  subkutanen  und  innerlichen  Ge¬ 
latineanwendung  bei  — ,  von  Cursch- 
mann  1444,  Chinin  gegen  — ,  von 
Hecht  1558,  unstillbare  —  nach  der 
Geburt,  von  Knapp  1665,  Einfluss 
der  Nervosität  auf  die  Entstehung 

—  und  Ausfluss,  von  Theilhaber  ,  .  1897 
Blutuntersuchung,  bakteriologische,  von 

Bonheim  385,  von  Bertelsmann  720, 
refraktometrische  — ,  von  Strubell  616, 
diagnostischer  Wert  der  —  bei  Ty¬ 
phus  und  Malaria,  von  Rogers  1154, 
Methodik  der  — ,  von  Grawitz  2056, 

—  im  Hochgebirg,  von  Campbell  .  .  2162 
Blutveränderungen  bei  hydrotherapeu¬ 
tischen  Massnahmen,  von  Laquer  421, 
spezifische  —  nach  Harninjektionen, 

von  Schattenfroh . 1763 

Blutvergiftung  und  Amputation,  von 

Brauser  104,  von  Dörfler  106,  vonWolff  368 
Blutzellen,  Morphologie  der  farblosen, 

von  Meinertz . 1398 

Blutzusammensetzung ,  Beeinflussung 
der,  durch  hydrotherapeutische  Pro¬ 
zeduren,  von  Laqueur  und  Loewenthal  1397 

Bogenlichtbäder,  elektrische . 1447 

Bogenschnitt,  suprasymphysärer,  nach 
Küstner,  von  v.  Feilenberg  668,  supra¬ 
symphysärer  — ,  nach  Rapin-Küstner, 

von  Beuthner  . •  .  1313 

Borax,  s.  a.  Borsäure. 

Borax-  und  Borsäurewirkung  bei  Fäulnis¬ 
vorgängen,  von  Rolly  376,  Wirkung 
des  —  und  der  Borsäure,  von  Liebreich  2099 
Borolin,  Dauerwurstsalz,  von  Günther  .  1764 
Borsäure,  Vergiftung  mit,  von  Rinehart 
204,  Arbeiten  aus  dem  kais.  Gesund¬ 
heitsamt  über  —  und  Borax,  von 
Rost,  Rubner,  Neumann,  Heffter, 
Sonntag,  Weitzel,  Polenske  1152,  — 
und  Borax  als  Fleischkonservierungs¬ 
mittel,  von  Boehm  .......  •  2049 

Botalli,  Ductus  arteriosus,  Ruptur  des, 
von  Esser  669,  Persistenz  des  — ,  von 
Minkowski  730,  von  Ardissone  1517, 
von  Sidlauer  1714,  Diagnose  der  Persi¬ 
stenz  des  — ,  von  Dressier  1684,  2058, 
von  Pfeiffer  1684,  Offenbleiben  des 

— ,  von  Petrina . 1868 

Botriocephalus  latus,  von  Bendix  1114, 

—  bei  der  Katze,  von  Galli-Valerio  1545 
Bottinische  Operation  s.  a.  Prostata. 
Bottinische  Operation,  von  de  la  Harpe 

1079,  von  Jacoby  1628,  —  bei  Urin¬ 
verhaltung,  von  Freudenberg  1358, 
von  Rörig  1358,  —  von  der  Blase 

aus,  von  Bouffleur . 1849 

Bougie,  auskochbare,  von  Hink  ....  2180 
Brachydaktylie,  von  Sternberg  ....  1765 

Braehmer  f . 1408 

Brand,  Behandlung  des  nomatösen,  durch 
Exzision  des  erkrankten  Gewebes, 

von  v.  Ranke . 1789 

Brandschorfe  in  der  Bauchhöhle,  v.  Franz  802 
Brandwunden,  Chlorkalklösung  bei,  von 

Tichy . 1315 

Braunsche  Blase,  vaginale  Anwendung 

der,  in  der  Geburtshilfe,  von  Voigt  756 
Briefe,  Berliner,  170,  427,  643,  733,  907, 

1076, 1557, 1594, 1 733, 1900. 1987, 2183, 
Breslauer  —  43,  509,  988,  2105,  Ham¬ 
burger  —  685, 1869,  Londoner —  1485, 

1597,  Römische  —  45,  172,  469,  598, 

734, 1165,  2184,  Wiener  —  84, 125, 171, 

428,  468,  510,  597,  686,  733,  908, 

948,  1077,  1164,  1595,  1821,  1902, 

1988,  2029,  2068,  Pariser  —  213, 1125, 

—  aus  Ostasien  556,  644,  820,  — 
aus  Italien  950,  —  aus  China  1557, 

1734,  1782,  1822,  1869,  1990,  2106. 

Briefkasten  600,  648,  991,  1600,  1687,  2031 
Brightii,  morbus,  bei  Typhus,  von  Scheib  1404 


Seito 


Brom,  Nachweis  dss,  in  Harn  und 
Speichel,  von  Sticker  1355,  —  ohne 
Salz  bei  Epilepsie,  von  Hall4  und 
Babonneix . 1978 


Bromäthylen  und  Bromäthyl,  Wirkungen 
und  Nachwirkungen  des,  von  Scher- 

batscheff . 375 

Brombehandlung,  Kochsalzentziehung  bei 
der  —  Epileptischer,  von  Cappeletti 
und  D’Ormeä . 1065 


Bromeigone,  von  Silberstein . 431 

Bromhämol,  von  Matzner  . 1407 

Brommethylvergiftung,  von  Jaquet  .  .  70 

Bromodermafungoidesnodosum,von  Pini  296 
Bromokoll,  von  Reich  und  Ehreke  .  .  343 
Bromokoll-Resorbin,  von  Ledermann  .  1167 
Brot,  neues  cellulosereiches,  von  Barany 
461,  Azidität  des  — ,  von  Lehmann  1663 
Bronchialdrüsenschwellung,  chronische, 
und  Lungenspitzentuberkulose,  von 


Esser . 356 

Bronchiolitis  fibrosa  obliterans ,  von 

Fraenkel . 492 


Bronchitis  fibrinosa,  von  Marchiafava  173, 
Diplokokkus  pneumoniae  bei  chro¬ 
nischer  — ,  von  Gromakowsky  1472, 
Pathologie  der  —  fibrinosa,  von 

Hochhaus .  .  .  .  1805 

Bronchopneumonie,  kontinuierliche  pseu¬ 
dolobäre,  von  Rosenthal . 1765 

Bronchorrhoe,  fötide,  von  Vicars  .  .  .  978 

Bronchoskopie,  s.  a.  Fremdkörperfälle. 
Bronchoskopie,  Bedeutung  der,  von 

Monnier . 2158 


Bruch,  s.  a.  Hernie,  Fraktur,  Fettbruch. 
Brüche,  operative  Behandlung  der,  am 
Ellenbogen,  von  Lane  1156,  —  der 
Patella,  von  Krug  1243,  Tenotomie 
der  Achillessehne  bei  gewissen  — 

des  Beines,  von  Thomas . 1852 

Bruchbänder,  von  Steffen . 1400 

Bruchbandage,  von  Schanz . 591 

Brucheinklemmung  des  Proc.  vermifor¬ 
mis,  von  Barth . 801 

Bruchoperation,  Wundheilung  nach,  von 

Samter . 723 

Bruchsacktuberkulose,  von  Lewisohn  .  1025 
Brücke,  Erweiterung  im  dorsalen  Teil 

der,  von  Ranschoff . 585 

Brückengeschwülste,  von  Zahn  ....  154 

Brust,  Verletzungen  der,  speziell  des 

Herzens,  von  Wetzel . 1260 


Brustkrebs,  Oophorektomie  in  der  Be¬ 
handlung  des,  von  Butlin  542,  von 
Beaver  760,  von  Mc  Gavin  2161,  Erfolge 
von  60  Operationen  wegen  — ,  von 
Sheild  977,  mitKastration  behandelter 
inoperabler — ,  vonPaton  97 8,  Röntgen¬ 
bestrahlung  bei  rezidivierendem  — , 
von  Peters  978,  Nachbehandlung  der 
Brustamputation  wegen  — ,  von  Car¬ 
wadine  979,  operativ  behandelter  — , 
von  Bryant  1232,  Operation  des  — , 
von  Drew . 1233 


Brustdrüsensyphilis  im  Frühstadium, 

von  Matzenauer . 1716 

Brustkinder,  Nahrungsmengen  von,  von 

Feer  1927,  von  Beuthner . 1927 

Bubonen,  Injektionsbehandlung  der,  mit 
physiologischer  Kochsalzlösung,  von 
Wälsch  328,  klimatische  — ,  von  Caddy  2162 
Bubonenpest,  amLaPlata,  vonVoges  290, 

—  in  Asuncion  und  Rosario,  von 
IJriarte . 293 


Buchführung  des  Arztes,  von  Heinrich  .  1943 

Büchner  f,  von  Hueppe . 844 

Bufonin  und  Bufotalin,  von  Faust  .  .  757 

Bulbärparalyse ,  von  Hoffmann  680, 
gleichzeitige  Lähmung  des  Halssym¬ 
pathikus  bei  — ,  von  Hofmann  492, 
asthenische  — ,  von  Liefmann  1016, 
funktionelle  — ,  von  Grosz  ....  1107 
Burenkrieg ,  Artillerieverletzungen  im, 

von  Hildebrandt . 457 

Bursitis  proliferans,  von  Graser  ....  1861 
Butter  s.  u.  Marktbutter. 


4* 


XaVTTI 


INHALTS-VERZEICHNIS 


1902. 


Seite 

Buttermilch  als  Säuglingsnahrung,  von 

de  Mattos  417,  von  Caro . 1714 

Buttersäurebazillus ,  beweglicher,  von 

Grassberger,  von  Schattenfroh  .  .  .  804 

C. 


Unter  C  nicht  verzeichnete  Worte  sind 
unter  K,  bezw.  Z  aufzusuchen. 
Caissonkrankheit,  von  Heermann  .  .  .  1591 
Campagna  romana  und  Castelli  romani  469 

Cancerodermata,  von  Andrew . 2163 

Cancer  ä  deux,  von  Martin . 1630 

Cannabis  indica  bei  Chorea  und  Keuch¬ 
husten,  von  Burton . 1850 

Caput  obstipum,  eine  intrauterine  Be¬ 
lastungsdeformität,  von  Völker  .  .  712 

Carcinoma  s.  a.  Karzinom. 

Carcinoma  mammae,  Autoplastik  nach 
Radikaloperation  der,  von  Göbell  1431, 

—  urethrae,  von  Alsberg . 1317 

Carcino-Sarco-Endothelioma  tubae,  von 

Franquö . 1151 

Casein,  Gerinnung  des,  durch  Lab  und 

Laktoserum,  von  Müller . 272 

Castratio  mulieris  uterina,  von  Pincus  .  374 

Catarrhus  vernalis  conjunctivae,  von 

Pincus . 1162 

Centralblatt  für  innere  Medizin  fast  in 
jeder  Nummer,  —  für  Chirurgie 
ebenso,  —  für  Gynäkologie  ebenso, 
für  Bakteriologie  ebenso,  —  für  Kin¬ 
derheilhunde  1871,  biochemisches  — -  1914 
Cephalocele  congenita,  von  Staffel  .  1985 

Cephalohydrocele  traumatica,  von  Fried¬ 
rich  . 1403 

Cerebrinum,  von  Pantschenko  ....  1558 
Charcotsche  Krystalle,  Natur  der  sog., 


Chemie,  physikalische,  von  Cohen  1353, 
Lehrbuch  der  anorganischen  — ,  von 

Erdmann  .  . 2013 

Chemische  Arbeiten,  Hilfsbuch  für,  von 

Schwan  ert  . 2179 


Chielin,  von  Heymann . 1434 

China  s.  a.  Briefe,  Praxis,  Peking. 

China,  Erinnerungen  und  Eindrücke  aus, 
von  Ilaasler  633,  öffentliche  Gesund¬ 
heitspflege  in  — ,  von  Mayer  1822, 

2170,  kulturelle  Auswüchse  in  — ,  von 
Mayer  1869,  Medizin  in  — ,  von 
v.  Töply  1932,  Bilder  aus — ,  von  Mayer  1990 
Chinin  s.  a.  Ciliaten,  Aristocliin. 

Chinin,  von  Hecht  1558,  —  lygosinatum, 
ein  neues  Wundbehandlungsmittel, 
von  Heveei  116,  Bedeutung  des  — 
für  die  Wundbehandlung,  von  Marx 
660,  Wirkung  des  —  auf  tierische 
Gewebe,  von  Marx  722,  Stoffwechsel¬ 
produkte  des  — ,  von  Merkel  756, 
Nebenwirkungen  des  — ,  von  Martinet  990 
Chinolinwismuthrhodanat  Edinger  als 

Antigonorrhoikum,  von  Jacobi  ...  34 

Chirurgenkongress,  15.  französischer  .  .  1248 
Chirurgie  s.  a.  Kriegschirurgie,  Niere, 
Nierenchirurgie,  Augenchirurgie,  Ge¬ 
hirnchirurgie,  Magendarmchirurgie, 
Rückenmarkschirurgie ,  Uretheren- 
chirurgie,  Archiv,  Centralblatt,  Zeit¬ 
schrift,  Beiträge. 

Chirurgie,  Enzyklopädie  der  gesamten, 
von  Kocher  und  de  Quervain  323, 1586, 
operative  ,  von  Hildebrand  537, 
Lehrbuch  der  orthopädischen  — ,  von 
Hoffa  1353,  spezielle  —  in  60  Vor¬ 
lesungen,  von  Leser  1661,  Deutsche 

— ,  Lief.  16  2092 

Chirurgische  Eingriffe  vom  medizinischen 

Gesichtspunkt,  von  Fitz . 294 

Chlor,  Substitution  des,  durch  Brom, 

von  Ilondo  ...  460 

Chlorakne,  von  Fraenkel  39,  von  Wolff  83 

Chloräthyl  s.  a.  Anästhesie. 

Chloräthyl,  von  Le  Dentu . 1942 

Chloräthylnarkose,  von  Bossart  .  .  .  .1716 

Chloreton,  von  Cappeletti . 462 

Chlorkalium  bei  habituellem  Absterben 

des  Fötus,  von  Jardine . 1555 


Seite 

Chlorkalzium  gegen  Idaemophilie,  von 

I  Wallis . 1233 

Chloroform,  innerliche  Anwendung  des, 
von  Frank  461,  Ist  —  gefährlicher 
als  Aether?  von  Crouch  u.  Corner 
1155, — bei  Herzkranken,  von  Huchard  1319 
Chloroformgebrauch,  Statistisches  über, 

von  Lengemann . 115 

Chloroformnarkose  ohne  Maske  mittels 
Kehlkopfkanüle,  von  Schlechtendahl 
229,  von  Trumpp  413,  —  bei  Herz¬ 
kranken,  von  Huchard  507,  von  Guyon 
905,  917,  Ursache  des  Todes  während 
der  — ,  von  Embley  1154,  —  in  der 
gvnäkologischen  Praxis,  von  Evelt 

500, .  1998 

Chloroform  -  Sauerstoffnarkose ,  Chemie 

der  — ,  von  Falk .  2060 

Chloroformtod  durch  Herzlähmung,  von 

Laqueur . 377 

Chloroformwirkung ,  protrahierte,  von 

Cohn . 1431 

Chlorom,  von  Sternberg  126,  von  Risel 
201,  von  Schmorl  382,  von  Dunlop 
554,  1233,  von  Sutherland  1851,  — 
und  Leukämie,  von  Rosenblath  .  .  200 

Chlorose  s.  a.  Urobilinurie. 

Chlorose,  Beziehungen  zwischen,  und 
BasedowscherKrankheit,  vonWybauw 
496,  —  und  perniziöse  Anämie,  von 

Bramwell . 1852 

Cholecystitis  und  Cholangitis  autoinfekti¬ 
ösen  Ursprunges,  von  Ehret  u.  Stolz 
74,  —  tuberculosa  chronica,  von 


Kisch  328,  —  calculosa,  von  Dona  .  673 
Choledochus  s.  a.  Ductus  chol. 

Choledochus,  plastischer  Verschluss  von 

Defekten  des,  von  Kehr . 722 

Choledochussteine,  Entfernung  tief  sitz¬ 
ender,  von  Robinson  .  . 1360 


Cholelithiasis,  Beiträge  zur  Kenntnis  der, 
von  Boas  604,  Stauungsikterus  bei  — , 
von  Ehret  und  Stolz  1312,  Therapie 
der  — ,  von  Kraus  1665,  —  u.  Pankreas¬ 
erkrankungen,  von  Fuchs . 1975 

Cholera  1559,  1599,  1640,  1686,  1783, 

1824,  1871,  1904,  1944,  1991,  2031, 

2070,  2109,  2170  —  in  Aegypten 
2104,  Antikörper  gegen  die  bak- 
teriolytischen  Immunkörper  der  — , 
von  Pfeiffer  und  Friedberger  74,  —  in 
den  ostindischen  Besitzungen  Frank¬ 
reichs,  von  Bussiere  1319,  diagnosti¬ 
scher  und  prognostischer  Wert  der 
Leukocytenzählung  bei  asiatischer  — , 
von  Rogers  1852,  Fliegen  und  die 
Verbreitung  der  — ,  von  Mc  Kraig  .  1851 

Cholerafrage . 1487 

Cholesteatom,  von  Leiser  298,  von 
Hoffmann  2067,  —  der  Brustdrüse, 

von  Dor . 851 

Chondroitinschwefelsäure,  Fütterungs¬ 
versuche  mit,  von  Kettner  ....  756 

Chondroma  petrificans  retroperitoneale, 
von  Romm  72,  feinerer  Bau  der  — , 

von  Spuler . 1763 

Chorea  s.  a.  Cannabis. 

Chorea,  von  Comandini  1811,  von 
Williams  2162  —  chronica  prog¬ 
ressiva,  von  Westphal  160,  von 
Hoffmann  901,  Lumbalpunktion  bei 
—  Sydenhami,  von  Jemma  250,  — 
der  Degenerierten,  von  Moussous  292, 
tödlich  endende  — ,  von  Quiretti  544, 
Trional  bei  — ,  von  Ilenderson  760, 
pathologische  Anatomie  der  Hunting- 
tonschen  — ,  von  Stier  770,  patho¬ 
logische  Anatomie  der  —  minor,  von 
Reichardt  1229,  Behandlung  der  — , 
von  Comby  1245,  ätiologische  Be¬ 
ziehungen  der  —  minor  zu  den  In¬ 
fektionskrankheiten,  von  Köster  1338, 

1482,  —  electrica,  von  Gording  1436, 
chronische  — ,  von  Bäumler  ....  2063 
Chorioidea,  Solitärtuberkulose  der,  von 

Axenfeld . 1067 

Chorioidealsarkome,  Diagnose  der,  von 

Schmidt-Rimpler . 1241 


Seite 

Chorionepithelioma  malignum,  vonGraef  e 
888,  von  Schmidt  1847,  —  bei  intaktem 
Uterus,  von  Moltrecht  2028,  primäres 

— ,  von  Zagerjanski-Kissel . 2179 

Chorionfetzen,  handgrosser,  von  Eberhart  80 
Chorionzotten,  Verschleppung  der,  von 

Poten . 1514 

Chromaffine  Zellen  und  Organe,  von 

Kohn . 1232 

Chromarbeiter,  Septumperforation  der, 

von  Bamberger  .  .  .  .  . 2144 

Chromatinkorn, Färberisches  zurKenntnis 
des,  der  Protisten,  von  Pappenheim  2018 
Chromsäurevergiftung,  von  Kronheimer  903 

Chylurie,  von  Stuertz . 1158 

Chylus  s.  a.  fettige  Ergüsse. 

Chylus,  osmotische  und  chemische  Vor¬ 
gänge  am  menschlichen,  von  Strauss  893 
Chymosin,  Bildung  und  Ausscheidung 


von,  von  Winogradow . 253 

Ciliarganglion,  Pathologie  des,  von 

Marina . 154 

Ciliaten,  Wirkung  des  Arsens,  Chinins, 

Eisens  und  Alkohols  auf  die,  von  Sand  496 
Cirrhose,  tuberkulöse,  im  Kindesalter, 

von  Baudouin . 1475 


Cirrhosis  cardio-tuberculosa,  von  Jonescu  2019 
Clasmatocyten  s.  u.  Mastzellen. 

Claudieation  s.  a  Hinken. 

Claudication  intermittente,  von  Ehret  .  1941 
Cliniques  medicales  iconographiques,  von 
Haushalter,  Etienne,  Spillmann, 

Thiry .  150,  1759 

Coekumtuberkulose,  chronische,  von 

Gehle . 1512 

Colica  mucosa,  Pathogenese  der,  von 

Hertzberger . 624 

Colitis  membranacea,  von  Foster  .  .  .  807 

Collargol,  von  Trommsdorff . 1300 

Collessches  Gesetz,  von  Merkel  .  .  .  1Ö73 

Coma  dyspnoicum  bei  Urämie,  von  Pi- 

neles . 806 

Conjunctivitis  granulosa,  von  Manolescn  1113 

Conus  medullaris,  Läsion  des,  und  der 

Cauda  equina,  von  Rosenfeld  .  .  .  1893 
Copernicus  oder  Coppernicus?  von  Wohl¬ 
will  . 193 1 

Cortisches  Organ,  Epithelzellen  des,  von 

v.  Spee . 549 

Coxa  vara,  von  Schanz  591,  —  in  der 

Adolescenz,  von  Picquö . 1766 

Coxitis,  Enderfolge  der  operativen  The¬ 
rapie  bei  —  tuberculosa,  von  Man- 


ninger . 1714 

Credöisierung  Neugeborener,  von  Runge  888 
Crurin  s.  Chinolinwismuthrhodanat. 
Cyanquecksilber,  von  Renault  ....  1365 
Cystadenoma  pseudomucinosum ,  von 

Beckh . 1550 

Cyste,  gliomatöse,  von  Braun  163,  ab¬ 
dominale  — ,  von  Penkert . 1662 

Cystenleber  und  Cystennieren,  von  Boye  1398 
Cystenniere,  kongenitale, mit  pararenalem 
Hämatom  bei  einem  Luetiker,  von 

Fels  . 1743 

Cysticercosis  cerebri,  von  Hartmann  .  .  938 

Cysticerken  des  IV.  Ventrikels,  von 
v.  Stenitzer . 1434 


Cysticerkenmeningitis ,  von  Rosenblath  1975 
Cystitis  s..a.  Typhuscystitis. 

Cystitis  und  Pyelitis,  von  Rosenfeld  .  373 
Cystopyelitis,  Behandlung  der,  mit  Me¬ 
thylenblau,  von  Van  de  Velde  .  .  .1016 
Cystoskopie,  suprapubische,  von  Kraske 

288,  von  Fenwick . 978 

Cystoskopische  Diagnostik,  von  Halban  2060 
Cystoskopische  Erfahrungen,  von  Gold¬ 
berg  . 1176 

Cystoskopische  Technik,  von  Schlagint- 

weit  .....  . 1348 

Cystotomia  suprapubica  bei  Blasen¬ 
tumoren,  von  Lockwood  . 2166 

Cytodiagnose  der  Ex-  nnd  Transsudate,^ 
von  Patella  758,  —  der  Pleuraergüsse,  1 

von  Gulland . 1361 

Cytologie,  klinische  Verwendung  der, 

von  Julliard . 1194 

Cytolysine,  Lehre  von  den,  von  London  1357 


1902. 


INHALTS- VERZEICHNIS. 


xx  rx 


Ozolgos: 

and 

und 


Seite 


Dakryocystitis 
völkerung, 


i,  the  trial,  exccutiou,  autopsy 
nental  Status  of,  von  Mc  Donald 
ka  ... 


bei  der  arbeitenden  Be- 
von  Axenfeld .  2063 


Seite 


2014 


2181, 

41, 

Wie- 
Ope- 
•  mit 


1593 


887 


245 

720 


2100 

1893 


676 


Dampfdesinfektion  in  der  Chirurgie,  von 

Braatz . 

Darm  a.  a.  Bauchkontusion. 

Darm,  Antiperistaltik  des,  von  Hem- 
meter  1108,  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der  subkutanen  Kontusionsrup¬ 
turen  des  — ,  von  Törnqvist  1436, 
Sekretion  des  — ,  von  Edkins  .  .  . 
Darmausschaltung,  von  Manasse 
komplette  —  ,  von  Petersen 
Dauerresultate  bei  — ,  von 
singer  246,  —  als  präliminare 
ration,  von  Langemak  415,  — 
totaler  Okklusion,  von  Kämmerer 
Darmbakterien,  Einfluss  der,  auf  die  Aus¬ 
nützung  N  haltiger  Nahrung,  vonLaufer 
71,  granulosebildende  — ,  von  Passini 
74,  Bedeutung  der  —  für  die  Er¬ 
nährung,  von  Schottelius  538,  ana- 

I  erobe  -  ,  von  Passini . 1864 

Darmblutung,  von  Saxer  .....  .  1362 

Darmchirurgie,  Quetschmethoden  in  der, 

I  von  Payr . 1150 

Darmcysten,  angeborene,  von  Gfeller  .  1846 

Darmdivertikel,  von  Payr  . 719 

Darmdyspepsie,  von  Faber . 1107 

Darmfäulnis,  von  Albu  2018,  —  bei  ver¬ 
schiedenen  Diätformen,  von  Backman 
Darmgegenschaltung,  von  Prutz  .... 
Darminhalt  s.  u.  Zellen. 

Darminvagination,  von  Port  903,  von 
Hofmeister  1776,  von  Haasler  1892, 
Behandlung  der  brandigen  —  im 
Kindesalter,  von  Cordua 
Darmkanal,  physiologische  Bakteriologie 
des,  von  Klein 

Darmkarzinom,  von  Pliehn  462,  Behänd 
lung  der  -,  von  v.  Mikulicz  .  . 
Darmlumen,  Obstruktion  des,  von  Cour 

voisier . 

Darmokklusion  durch  fehlerhafte  Stel 
lung  des  Darmes,  .von  Froelich 
Darmparasiten,  pathologische  Bedeutung 

der,  von  Schiller  . . .  1512 

Darmresektionen,  ausgedehnte,  von  Payr 
887,  —  nach  forcierter  Taxis,  von 

Fraenkel . 

Darmsand,  von  Duckworth  u  Garrod  . 
Darmstenosen,  solitäre,  von  Regling 
Darmstrikturen,  multiple,  von  Schlesinger 
Darmtuberkulose,  primäre  u.  sekundäre, 
von  Zahn  49,  Radikalbehandlung  der 
chronischen  — ,  von  Robson  .  . 
Darmverschluss,  von  v.  Kryger  298,  — 
von  Reichel  1985,  akuter  duodeno- 
jejunaler  — ,  von  Walzberg  582,  er¬ 
folgreiche  Behandlung  von  akutem  — 
durch  Quecksilber,  von  McKeanHarri- 
son  1155,  —  durch  das  Meckelsche 
Divertikel,  von  Hilgenreiner  1272,  — 
infolge  Verlagerung,  von  Wandel  1685, 

—  bei  Cholelithiasis,  von  Bogdanik  1930 
Darmzerreissung  durch  Hufschlag,  von 

Riegner . 415 

Dauerbad,  von  Würth . !  .  1928 

Dauerhefe,  sterile,  und  ihre  vaginale 
Verwendung,  von  Albert  .  .  .  .  .  1433 
Dauerhefepräparate  des  Handels,  von 

RaPP  •  .  1494 

Deciduoma  malignum,  von  Austerlitzl273, 

von  Busse . 1588 

Deckverband,  neuer,  von  Springer  .  .  1107 
Defekt,  kongenitaler,  in  der  Herzkammer¬ 
scheidewand,  von  Geissler  386,  — 
des  M.  cucullaris,  von  Tilmann  1068, 
angeborener  —  der  beiden  Brust¬ 
muskel,  vou  Kopfstein  1629,  —  des 


2158 


1192 


1769 

1240 


75 


1026 
977 
1846 
19f  2 


1850 


Septum  ventriculorum,  von  Schwalbe 
1684,  plastische  Deckung  von  —  von 
293  Schloffer  2068,  angeborener  —  des 
M.  pectoralis,  von  Lengsfelder  2097, 
kongenitaler  —  der  Fibula,  von 

Schmidt . • 

Deformitäten,  Statistik  der,  von  Rosen¬ 
feld  . 

Degeneration,  sekundäre,  und  Verhalten 
der  Patellarreflexe,  von  Winter  585, 

—  in  den  hinteren  und  vorderen 
Wurzeln,  von  Becker  586,  —  im  Zu¬ 
sammenhang  mit  dem  Straf-  und 

Zivilrecht,  von  Cramer . 1480 

Degenationszeichen,  von  Wolff  1626, 
innere  somatische  —  bei  Paralytikern 

und  Normalen,  von  Näcke . 375 

Dekubitus,  neues  Mittel  gegen,  von 

Sträter  . . 

Delirium,  körperliche  Erscheinungen  des, 
tremens,  von  Dollken  490,  Prognose 
und  Therapie  des  —  tremens,  von  Pilcz  1810 
Dementia  s.  a.  Paralyse. 

Dementia  paralytica,  von  Goetzcke  1240, 
toxämische  Grundlage  der  —,  von 
Macpherson  380,  —  und  Betriebs-  - 
Unfall,  von  Stolper  809,  schnell  ver¬ 
laufende  Erkrankungen  an  — ,  von 
Buchholz  943,  Aetiologie  der  —  in 
Schweden,  von  Marcus  .... 

Dementia  praecox,  von  Götzcke  . 

Dermatitis  papillaris,  von  Porges  296, 

—  mercurialis,  von  Hoffmann  1238,’ 

—  toxica  durch  Rhüs  vernicifera,  von 

Buraczynski . 2160 

Dermatologie  u .  Syphilis,  Referat  über  294,  329 

Dermatomyasis,  von  Freund .  35 

Dermatomyositis,  von  Janowsky  und 

Wyssokowicz . 200 

Dermatosen,  diabetische  und  giclitisch- 
arthritische,  von  Ehrmann  .....  1849 

Dermographismus,  von  Fabry . 329 

Dermoidgeschwulst,  von  Velhagen  .  .  1985 
Dermoide  und  Teratome,  von  Saxer  .  .  975 
Desault,  ein  Chirurg  des  18.  Jahrhunderts, 

von  Merkel . 388 

Desinfektion  s.a.  Alkohol,  Alkoholdämpfe, 
Dampfdesinf .,  F  ormaldeliyd,Formalin- 
desinf,,  Luft,  Hände,  Sterilisation,  Ver¬ 
bandstoffe,  Wandanstrich,  Wasser- 
desinf. 

Desinfektion  bei  ansteckenden  Krank¬ 
heiten  128,  —  von  Tierhaaren  mittels 
Wasserdampf,  von  Proskauer  und  Con- 
radi  849,  —  der  Hände,  von  Grirns- 

dale . 905 

Desinfektionsmittel,  kombinierteWirkung 
chemischer,  u.  heisser  Wasserdämpfe, 
von  Kokubo  1473,  Prüfung  der  — , 

von  Pelnär .  ...  .  1930 

Desinfektionsverfahren  mittels  Waser- 

dampf,  von  Musehold . 459 

Dextrokardie,  von  Hintner  643,  von 

D’Alberto  Lucchi . 987 

Diabetes  s.  a.  Dermatosen,  Eiweissumsatz, 
Nebennierendiab.,  Pankreas,  Phlorid- 
zindiab  ,  Stoffwechsel,  Zucker,  Zucker¬ 
bildung,  Zuckerharnruhr. 

Diabetes,  von  Fittipaldi  1811,  von  De 
Renzi  1517,  —  insipidus,  von  Schwarz 
904,  von  du  Mesnil  1240,  von  Hocke 
1817,  Zusammenhang  zwischen  — 
insipidus  und  mellitus,  von  Kuhn 
.  103,  tierisches  Gummi  bei  —  insipidus, 

von  v.  Alfthan  377,  —  insipidus  nach 
Basisfraktur,  von  Borszicky  810,  — 
insip.  n.  Blasenlähmung,  von  Posner 
850,  angeborener  —  insipidus,  kom¬ 
biniert  mit  nach  Jnsolation  hinzuge¬ 
tretener  Epilepsie,  von  Lichtwitz  1887, 
allmähliche  Umwandlung  von  — 
insipidus  in  —  mellitus,  von  D  Amato 
1979,  —  mellitus,  von  Rumpf  1059, 
Kartoffelkur  bei  —  mellitus,  von  Mosse 
212,  427,  1766,  Hemichorea  u.  Paro- 
titisbei — ,  vonPeacock  543,  Therapie 
des  —  mellitus,  von  Strasser  759,  Ein- 


Seit 


537 


floss  des  Fettes  auf  die  Aceton-  und 
Säureausscheidung  bei  — ,  von  Grube 
1106,  Histo-Pathologie  des  Pankreas 
bei  —  mellitus,  von  Herzog  1230, 
Eukalyptus  in  der  Behandlung  des  — , 
von  Faulds  1234,  Wesen  des  — ,  von 
Hess  1449,  Wirkung  der  Karlsbader 
Wässer  auf  den  — ,  von  Lorand  1723, 
Pathologie  und  Therapie  des  — 
mellitus,  von  v.  Noorden  1723,  —  in 
der  Chirurgie,  von  Kausch  1725,  — 
mellitus  u.  gynäkolog.  Operationen, 

von  Füth . 177s 

Diabetesdiät,  Theorie  der,  von  Kolisch  !  977 
Diabetiker,  Nahrungsbedürfnis  der,  von 

Schlesinger . 176I 

Diabetische,  Operationen  an,  von  Stern- 

.  berg  . . 1725 

Diätotherapie  bei  Magen-  und  Darmkrank- 

heiten,  von  Schmidt . 217 

Diagnose,  spezielle,  der  inneren  Krank¬ 
heiten,  von  v.  Leube  . . 847 

Diagnostik  innerer  Krankheiten,  von 
v.  Jakscli  371,  praktische  —  der 
inneren  Krankheiten,  von  Kühne¬ 
mann  . 932 

Diagnostische  Schwierigkeiten  und  Jrr- 

tümer,  von  v.  Winckel . 168 

Diarrhoe,  Behandlung  der  chron.,  mit 

Salzsäure,  von  Soupault . 775 

Diastase  der  Mm.  recti  abdominis  in  der 
Pathologie  des  Kindes,  von  Friedjung  1819 
Diazoreaktion,  Auftreten  der,  bei  der 
Lungentuberkulose,  von  Blad  u.  Vide-  1 
beck  73,  Ehrlichsche  — ,  von  Hellendall 
457,  klinische  Brauchbarkeit  der  — , 
von  Syers  1234,  prognostischer  Wert 
der  Ehrlichschen  —  bei  Phthisikern, 
von  Gieseler  1626,  diagnostischer 

AVert  der  — ,  von  Nizzoli . 1979 

Dickdarm,  Rechtslagerung  des  ganzen, 
von  de  Quervain  32,  Anomalien  des 
— ,  von  Frommer  887,  — Lympho¬ 
sarkome,  von  Glinski  936,  physi¬ 
kalische  Zeichen  des  — -,  von  AVeiss 
1673,  multiple  Divertikelbildung  im  — , 

von  Schreiber . .  .  1806 

Dick-  und  Dünndarmresorption,  vonReach  252 
Dickdarmkarzinome,  von  Schloffer  1767, 
Behandlungsresultate  bei  — ,  von  i 
Hochenegg  676,  Diagnose  des — ,  von 

Crämer  .  993,  1203 

Dieffenbacli  Johann  Friedrich,  ein  I.,e- 

bensbild,  von  Merkel . 2104 

Digitalis,  Schwankungen  in  der  Stärke 
der  4  olia,  von  Flocke  174,  Wirkung 
der  —  auf  die  Gefässe,  von  Magnus  162 
Digitalis-  und  Stroplianthusdroge,  AVirk- 
samkeit  der,  von  Wolff  .....  1558 
Digitalisblätter,  jahreszeitliche  Schwank¬ 
ungen  in  der  Stärke  der,  von  Focke  1890 

Digitalisdialysat,  von  Görges . 946 

Digitalisgebrauch,  Leukocytose  nach,  bei 
Pneumonieinfektion,  von  Borini  .  .  1472 
Digitalisgruppe,  Gefässwirkung  der  Kör¬ 
per  der,  von  Gottlieb  u.  Magnus  376, 
Wirkung  der  Stoffe  der j'—  "bei  exo- 
kardialer  Applikation,  [von  Benedi- 

centi  . 1273 

Digitaliskörper,  kumulative  AVirkung  der, 
von  Fraenkel  814,  Einfluss  der  — , 
auf  die  Hirnzirkulation,  von  Gottlieb 

u.  Magnus . 1848 

Digitalismissbrauch,  gewohnheitsmässi- 

ger,  von  Schubert . .  158Q 

Dilatationsaneurysma  des  Ductus  art. 

Botalli,  von  Roeder . 155 

Dilatatorium  s.  a.  Acchouchement. 

Dilatatorium  von  Bossi,  von  Leopold  756, 
von  Langhoff  2016,  von  Wagner  2016, 
von  Bischoff  2016/ neues  geburtshilf¬ 
liches  — ,  von  Frommer . 2016 

Dionin,  von  Scherer  735,  von  Frankl  1407, 
von  ATeigl  2160,  . —  in  der  Augen¬ 
therapie,  von  Darier  ......  .  497 

Diphtherie  s.  a  Herztod,  Larynxstenose, 

Harn,  Hospitaldiphtherie. 


J  N 1 1 ALTS-VE  RZEICHNI  S. 


1902 


Seite 


Beiträge 


zur  Epidemiologie' 


2168 

1176 


Diphtherie, 

der,  von  Gottstein  126,  Behandlung 
der  schweren  — ,  von  Biernacki  204, 

—  nach  Scharlach,  Rhinorrhoe  und 
Otorrhoe,  von  Williams  379,  —  in 
den  Wiener  Kinderspitälern  1886  bis 
1900,  von  Siegert  417,  Tracheotomie 
und  Intubation  bei  — ,  von  Rahn  418, 
Formalin  bei  — ,  von  Zdekauer  461, 

—  der  Vögel,  von  Guerin  587,  Sero¬ 
therapie  der  — ,  von  Felix  890,  Sero¬ 
therapie  der  — ,  von  Mirinescu  1113, 
Serumerythem  bei  — ,  von  Legendre 
947,  Periodizität  der  — ,  von  Gottstein 
951,  Verhalten  des  Gehörorgans  bei 
genuiner  — ,  von  Lewin  980,  Anti- 
toxinbehandlung  der — ,von  Brownlee 
1156,  Behandlung  der — ,  von  Deguy 
und  Weill  1310,  —  und  Ohrenkrank¬ 
heiten,  von  Stangenberg  1436,  lokale 
und  allgemeine  Behandlung  der  — , 
von  Tirard  1555,  Aetiologie  der  — , 
von  Zupnik  1665,  sog.  skarlatiniforme 
Serumexantheme  bei  — ,  von  Leiner 
1849,  maligne  — ,  von  Marfan  1977, 
Todesursachen  bei  — ,  von  Barbier 
1977,  Ergebnisse  der  Iieilserumbe- 

*  handlung  der  — . 

Diphtherieantitoxin,  eiweissfreies,  von 

Prösclier . .  •  •  • 

Diphtheriebazillen,  virulente,  bei  Rhini¬ 
tis,  von  Neumann  248,  Schicksal  der 

—  im  Verdauungskanal,  von  Süss¬ 

wein  291,  Differenzierbarkeit  der  — 
und  Pseudodiphtheriebazillen,  von 
Bronstein  und  Grünblatt  1715,  —  im 
Blut  und  im  Behringschen  Heil¬ 
serum,  von  Niessen  .  2097 

Diphtheriebazillensepsis,  von  Roosen- 

Runge . .1119 

Diphtheriebehandlung,  Resultate  der,  im 

Mülhauser  Bürgerspital,  von  Jäger  .  493 

Diphtheriediagnose,  bakteriologische,  von 

Salus  . 426 

Diphtheriefälle  am  Spital  Bretonneau, 

von  Josias . 1942 

Diphthorieheils.erum,  von  Siegert  und 

Müller  1487, - Injektionen,  Tetanus 

nach,  von  Siegert  85,  Schutzimpfungen 
mit  — ,  von  Netter  427,  Hautausschläge 
durch  — ,  von  Stanley  760,  Präventiv¬ 
impfungen  mit  — ,  von  Sevestre  1076, 
Wirksamkeit  des  — ,  von  Chiadini  . 
Diphtherieserum,  Wirksamkeit,  des  von 
Rosenbach  558,  Erfolge  des  — ,  von 
Kassowitz  1126,  neue  Art  von  — ,  von 

Wassermann . 

Diphtherieserumflaschen,  Verpackung  u 

Kennzeichnung  der . 

Diphtherietheorie,  Behrings  neueste,  vor 
Schanz  64,  498,  von  Axenfeld 
Diphtherietoxin,  von  Wood  .  .  . 
Diphtherische  Larynxstenose ,  Indika 
tionsstellung  der  operativen  Be 
handlung  der,  von  Alsberg  und  Hei 

mann . 

Diphtheritis,  Heilserumtherapie  bei,  voi 
Mitscha 

Diplokokkämie,  von  Ceconi  u.  Fornaca 
Dipsomanie,  von  Gaupp 
Dispensaires  antituberculeux,  von  Cal 

mette . 

Disposition,  Prophylaxe  der,  von  Stein 

thal . 

Distanzgeräusch ,  diastolisches  musikah 

sches,  von  Gröber . 

Distomum  in  Anopheles  claviger,  von 
Martirano  73,  —  hepaticum,  von 

Duffek . 1315 

Divergenzlähmung,  von  v.  Hippel  .  .  .  122 

Diverticulitis,  rezidivierende,  von  Hilgen¬ 
reiner  .  2068 

Divertikel  s  a.  Meckelsches  Div. 

Divertikel,  falsche,  derFlexnra  sigmoides, 

von  Mertens . 1061 

Doktorfahrten,  Aerztliches  und  Mensch¬ 
liches,  von  Nassauer .  2093 


Doktorjubiläum,  60 jähriges  . 
Doktorenkollegium ,  Wiener 


Seite 

1594 


Seite 


1517 


1928 

911 

580 

494 


247 

938 

1517 

800 

1854 

73 

386 


sches,  und  seine  Wohlfahrtsinstitute  597 

Donath,  Fall . 823 

Doppelkatheter  zur  Verhütung  der  Cysti- 

tis,  von  Rosenstein . 975 

Doppelmeissel,  Modifikation  des  Schötz- 

schen,  von  Choronshitzky  ..  .  .  .  .  1812 
Dormiol,  Anwendung  des,  bei  Epilep¬ 
tikern,  von  Hoppe . 701 

Douglasabszess,  epityphlitischer,  von 

Pendl . .  .  •  495 

Dreigläserprobe,  von  Dreyer . 683 

Drillingsgeburten,  von  Saniter  288,  von 

Hartmann . 977 

Druck,  Bedeutung  kleinerer  Schwan¬ 
kungen  des  atmosphärischen,  für  den 
menschlichen  Organismus,  von  Ro¬ 
senbach  700,  intraabdominaler  — ,  von 
Meyer  975,  von  Hagen-Torn  1515, 
kardiovaskulärer  — ,  von  Boeri.  .  .  1810 
Ductus  choledochus,  cystisclie  Erweite¬ 
rung  des,  von  Rostowzew  .  .  .  .  1809 

Dünndarm,  eigenartige  Stenosenbildung 
im,  von  Groth  446,  angeborene  Miss¬ 
bildung  des  — ,  von  Lilienfeld  538, 
angeborener  Verschluss  des  — ,  von 

Braun . 1514 

Dünndarmanhang,  um  die  Achse  ge¬ 
drehter,  von  Riedel . 719 

Dünndarminkarzeration,  von  Hampeln  .  1061 
Dürndarminvagination,  ausgeheilte,  von 

Hauser . 2165 

Dünndarmresektion,  von  Bernays  .  .  .  1849 
Dünndarmstenose,  syphilitische,  von 

Rosenfeld . 623 

Dünndarmstrangulation ,  Todesursache 

bei,  von  Albeck  .  .  . 325 

Dünndarmvolvulus,  Aetiologie  des,  von 

Kirchmayr . 1849 

Duodenalgeschwür,  chirurgische  Behand¬ 
lung  des,  von  Moynihan  378,  perfo¬ 
riertes  geheiltes  — ,  von  Lucy  .  .  .  1234 

Duodenalstenosen,  von  Reach  .  .  .  H64 

Duodenum,  primäres  Karzinom  des,  von 

Fenwick .  37 

Dupuytrensche  Fingerkontraktur,  von 
Janssen  1270,  —  Strangkontraktur, 

von  Schaffer . 1317 

Durchleuchtungslampe,  aseptische,  von 

Warnecke .  38 

Dysenterie  s.  a.  Ruhr. 

Dysenterie,  von  Duncan  1594,  seltene 
Komplikationen  der  — ,  von  Rem- 
linger  75,  temporäre  Kolostomie  bei 
chronischer  — ,  von  Nehrkorn  117, 
Aetiologie  der  akuten  — ,  von  Vedder 
und  Duval  376,  Behandlung  der  — , 
von  Kuzmitzky  762,  pathogene  Ein¬ 
heit  der  --  ,  von  Moreul  und  Rieux 
1193,  Mikroorganismen  der  — ,  von 
Chantemesse  1446,  Mechanismus  der 
intestinalen  Infektion  bei  — ,  von 

Bertrand . 1*66 

Dysenteriebazillus,  von  Shiga . 1894 

Dysenterieepidemie  in  Süd  Steiermark, 
von  Müller  976,  —  in  Aaseral,  von 

Geirsvold  . 1769 

Dysmenorrhoe,  von  Thorn  858,  von  Her- 
inan  1232,  Wesen  der  — ,  von  Theil- 
haber  153,  nasale  — ,  von  Linder  922, 

—  und  Aspirin,  von  Lehmann  1400, 
Pathogenie  und  Behandlung  der  — , 

von  Mondez  de  Leon  .  . . 18117 

Dyspepsie,  Wesen  und  Diagnose  der 

sog.  nervösen,  von  Strümpell  .  .  .  493 

Dyspeptische  Beschwerden  bei  Erkran¬ 
kungen  des  weiblichen  Geschlechts¬ 
apparates,  von  Sommer  .....  .  414 
Dystrophia  muscularis  progressiva,  von 
Troemner  816,  Kontrakturen  bei  — 
muscularis  progressiva,  von  Hahn  .  154 


E. 

Echinokokkus  s.  a.  Leberechinokokkus. 


Echinokokkus  ,von  Springer  1868, Eosino- 
modizini-  philie  bei  — ,  von  Seeligmann  und 

Dudgeon . 1360 


1068 


170 


die 


500 

1559 

1870 


2070 


1895 


von 

des 

974, 

von 


1317 


Echinokokkusembolie,  von  Grawitz 
Eddyismus  s.  a.  Gesundbeten. 

Eddyismus  . 

Ehe,  Konsanguinität  in  der,  und 

Folgen  für  die  Deszendenz,  von 
Peipers  326,  —  und  venerische  Krank¬ 
heiten,  von  Lesser . 1017 

Ehescheidung  wegen  Geisteskrankheit, 

von  Köberlin . 

Ehrengerichte,  Praxis  der,  643,  —  für 

Sanitätsoffiziere .  1206, 

Ehrengerichtliche  Entscheidung  .... 
Ehrengerichtshof,  preussischer  862,  öster¬ 
reichischer—  1077,  Entscheidungen 

des  preussischen  — . 1987 

Khrengericlitsordnung,  sächsische  1686, 

1687,  abgeänderte  —  in  Sachsen  .  . 
Ehrlichsclie  Dimethylamidobenzaldeliyd- 
reaktion,  von  KocziczkowBky  .  .  . 

Ei,  Retention  des,  nach  dem  Fruchttod, 
von  Präger  256,  Einbettung  und 
Wachstum  des  —  im  Eierstock, 

Franz  802,  tubare  Einbettung 
menschlichen  — ,  von  Heinsius 
Implantation  des  —  im  Uterus, 

Hengge . 

Eier,  junge  menschliche,  von  March  and 

1362,  von  Franz . 1480 

Eiklar,  biologisch-chemische  Studie  über 

das,  von  Obermeier  und  Pick  .  .  .  759 

Eileiterschwangerschaft,  operative  Ent¬ 
fernung  der,  durch  die  Scheide,  von 

Strassmann . .  •  545 

Eierstock  s.  a.  Ovarium. 

Eierstock,  Dermoidcysten  des,  von  Nau- 

werck . 1024 

Eierstocksschwangerschaft,  von  Lumpe  803 
Eigenbeziehung,  krankhafte,  mit  Beach¬ 
tungswahn,  von  Cramer  . 1063 

Eingriffe,  Bedeutung  der  Einwilligung  der 

Patienten  zu  operativen,  von  Fritsch  1719 
Einträufelungen  mit  körperwarmen  Lö¬ 
sungen,  von  Axenfeld .  2063 

Eisen  s.  a.  Ciliaten. 

Eisen,  Verhalten  des,  im  Organismus, 

von  Landau . 1713 

Eisenbahnbedienstete,  Erkrankungs-,  In- 
validitäts-  und  Sterbliclikeitsverhält- 
niss  der  bayerischen,  von  Zeitlmann  1637 
Eisenbahnwagen,  Desinfektion  der,  von 

Hellmann . 1639 

Eisenmilch,  von  Giordani . •  1977 

Eisentropon  und  Eisenmangantropon  bei 

Rachitis,  von  Silva . 

Eisenwasser,  biologische  Untersuchungen 
von  natürlichem,  von  Adler  .... 
Eiterungen,  mikroskopische  Blutunter¬ 
suchungen  zur  Diagnostik  und  Indi¬ 
kation  sstellung  bei  intraabdominalen, 
von  Schnitzler  540,  chronische  —  des 
Sinus  frontalis,  von  Lack  ... 

Eiweiss,  Umwandlung  des,  durch  die 
Darmwand,  von  Cohnheim  1020,  Duo 
denalverdauung  des  — ,  von  Ferrai 
1020,  Unterscheidung  von  mensch¬ 
lichem  und  tierischem  —  mittels 
Präzipitine,  von  Wassermann  und 
Schütze  1274,  —  und  Zuckerreaktion 
am  Krankenbett,  von  Stich  .  . 
Eiweissansatz,  Einfluss  des  Lezithins  auf 

den,  von  Massacin . 1809 


157 

34 


1361 


1100 


Eiweisschemie,  von  Jolles  .....  . 
Eiweissfällungsmittel,  Anilinfarben  als, 

von  Heidenhain . 

Eiweissforschung,  gegenwärtiger  Stand 

der,  von  Villinger . 

Ei  weisskörper  s.  a.  Blut, 

Ei  weisskörper,  Abbau  der,  in  der  Leber, 
von  Toepfer  495,  Wert  der  Präzipitine 
als  Unterscheidungsmittel  für  — ,  von 
Rostoski  740,  864,  Chemie  und  Bio¬ 
logie  der  — ,  von  Umber  1158,  durch 
Essigsäure  fällbare  —  der  Exsudate 
und  des  Urins,  von  Staehelin  1413, 


35 

437 


893 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


XXXI 


Seite 

durch  Essigsäure  fällbare  —  in  Ex¬ 
sudaten,  von  Moritz . 1748 

Eiweissmolekül,  Bau  des,  von  Hofmeister  1669 
Eiweissprobe,  einfache  und  empfindliche, 

von  Bychowsk . 156 

Eiweissstoffwechsel,  Einfluss  des  Alko¬ 
hols  auf  den,  von  Rosemann  .  .  .  252 
Eiweissumsatz,  Einfluss  von  Fett  und 
Kohlehydrat  auf  den,  des  Menschen, 
von  Tallqvist  289,  künstliche  Ein¬ 
schränkung  des  — ,  von  Weber  875, 

—  und  Zuckerausscheidung  des  schwe¬ 
ren  Diabetikers,  von  Hesse . 1059 

Eiweissverdauung  im  menschlichen 
Magen,  von  Müller  1075,  Umfang  der 

—  im  Magen  des  Menschen,  von 

Heinrich .  2003 

Ektopiavesicae,vonHintner643,Ureteren- 
u.  Nierentätigkeit  bei  — ,  von  Straus  1861 
Eklampsie  s.  a.  Urinbefund. 

Eklampsie,  von  Braitenberg  328,  von 
Kamann  831,  Pathogenese  der  — , 
von  Dienst  373,  die  —  im  Gross¬ 
herzogtum  Mecklenburg  -  Schwerin, 
von  1881 — 1891,  von  Büttner  373, 

Lehre  von  der  — ,  von  Schmorl  374, 
Pathogenese  der  — ,  von  Blumreich 
und  Zuntz  417,  Kaiserschnitt  bei  — , 
von  Kötschau  503,  Behandlung  der 
puerperalen  — ,  von  Francis  541,  — 
und  Aderlass,  von  Thiele  941,  Ent¬ 
stehung  der  — ,  von  Müller  1432, 
von  Albert  1432 ,  experimentelle 
Studien  über  — ,  von  AVeichardt  .1516, 
Behandlung  der  —  mit  Thyreoidin, 
von  Nicholson  1556,  Geschichte  der 
fötalen  Theorie  über  die  Ursachen 
der  — ,  von  Mouton  1847,  zur  experi¬ 
mentellen  Pathogenese  der  — ,  von 
Ascoli  2095,  Sectio  caesarea  bei  — , 
von  v.  Guerard  2096,  Geschichte 
der  fötalen  Theorie  der  — ,  von 


Christiani .  2096 

Eklampsiefrage,  von  Schröder  ....  1727 
Ektodermcysten  bei  Fötus  und  Neu¬ 
geborenen,  von  Meyer . 1356 

Ekzem  s.  a.  Säuglingsekzem. 


Ekzem,  Aetiologie  des,  von  Heubel  1302, 
Behandlung  des  durch  Antiseptica 
entstandenen  akuten  — ,  von  Gokieloff  1476 
Elastinfärbung,  Wert  der,  für  die  histo¬ 


logische  Diagnostik,  von  Fischer  1785, 
Weigertsche  — ,  von  Fischer  .  .  .  2017 
Elastisches  Gewebe  des  Uterus,  von 
Iwanoff  1626,  —  der  Lunge,  von 
Sawada  1626,  —  bei  Magenkarzinom, 

von  Inouye . 1626 

Elastizitätslehre,  von  Triepel . 1971 

Elektrizität  s.  a.  Starkstromverletzungen. 
Elektrizität,  animalische  Effekte  der, 
von  Jellinek  759,  806,  durch  atmos¬ 
phärische  und  technische  —  verur¬ 
sachte  Gesundheitsstörungen,  von 

Jellinek . 1976 

Elektrolyse,  von  Kenefick  981,  —  im 
animalischen  Gewebe,  von  Schmit- 

huisen . 629 

Elektromotor,  Handgriff  für  die  Welle 

des,  von  Kretschmann . 1024 

Elektrotechnik,  die  Naturkräfte  im  Dienste 

der,  von  v.  Miller . 1774 

Elektrotherapie,  von  Jakoby . 1429 

ktotherapeutische  Reflexionen,  von 
Rodari . 378 


Elephantiasis,  von  v.  Bramann  547,  in 
Obersteiermark  beobachtete  auto- 
chthone  — ,  von  Favarger  34,  operative 
Behandlung  der  —  der  Geschlechts¬ 
organe,  von  Havelock  205,  sporadische 
— ,  von  Orlow  246,  —  der  Augenlider, 
von  Delbanco  854,  —  nach  Entfer¬ 
nung  der  Inguinaldrüsen,  von  zum 
Busch  978,  kongenitale  — ,  von  Bern¬ 
hard  und  Blumenthal . 2159 

Ellbogenluxationen,  operative  Behand¬ 
lung  veralteter,  von  Weber  ....  1431 
Embolie  und  Metastase  in  der  Haut, 
von  Philippson  294,  —  der  Art. 

mesenterica  sup.„  von  Sievers  418, 


Seite 

von  Aufrecht  1230,  —  der  A.  mesen¬ 
terica  sup.,  von  Thorei  . . 2102 

Embryotomie  beim  lebenden  Kinde, 
von  Zander  623 ,  Technik  der  — , 

von  Latzko . 713 

Embryotroplie,  von  Bonnet . 422 

Empyem,  von  Freytag  1443,  interlobäres 
— ,  von  Bändel  425,  Dekortikation  der 
Lunge  bei  chronischem  — ,  von 
Kurpjuweit  1271  ,  —  des  Sinus 

maxillaris  und  frontalis  1593,  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Israel  2019,  —  der 
hintersten  Siebbeinzellen,  von  Axen- 

feld .  2063 

Empyemfistel,  Thoraxresektionen  bei, 

von  Jordan . 1513 

Empyemoperation,  hinterer  Schnitt  bei 

der,  von  Moty . 1981 

Encephalomyelomeningitis  diffusa  haemor- 

rhagica,  von  Bartels . 1762 

Encephalopathia  infantilis  epileptica, 

von  Lukäcs . 374 

Enchondrom,  diffuses,  der  Gelenkkapsel, 

von  Müller . 537 

Endokarditis,  von  Litten  462,  Behand¬ 
lung  der  septischen  — ,  von  AVenke- 
bach  625,  AVidalsche  Reaktion  bei 
maligner  — ,  von  White  732,  —  dysen- 
terica,  von  Gils  820,  infektiöse  — 
und  Antistreptokokkenserum,  von 


Cooper  und  Ogle . 1233 

Endoskopie  s.  a.  Fremdkörper. 

Endoskop,  von  v.  Thümen . 169 

Endometritis,  bakteriotoxische,  vonWaft- 
hard  1151,  Behandlung  der  — ,  von 
Smyly  1234,  Formalinbehandlung  der 
chronischen  —  nach  Menge,  von 

Odebrecht .  2096 

Energetici,  Darstellung  von,  durch  den 

Organismus,  von  Adler . 570 

Enkephalitis,  von  Spielmeyer  1470,  akute 
hämorrhagische  — ,  von  Sträussler 

156,  von  Stegmann . 1221 

Enophthalmus  traumaticus,  von  Loeser  1771 

Entartungsreaktion,  chemische  Aende- 
rungen  der  Muskulatur  bei,  von 
Rumpf  und  Schümm  ......  .  154 

Entbindungen,  700,  in  der  Privatpraxis, 

von  Cowen . 807 

Entbindungslähmung  am  Arm ,  von 

Schueller . 1587 

Enterektomie  und  Kunstafter ,  von 
Barker . 1360 


Enteritis  s.  u.  Zellen. 

Enterophose,  von  Lea  1556,  Pathologie 

und  Therapie  der  — ,  von  Kumpf  .  1673 
Entfettungskuren ,  borsaures  Natrium 


bei,  von  Gerhardt . 1029 

Entmündigung,  Ablehnung  einer,  von 

Kornfeld . • . 937 

Entmündigungsverfahren ,  Sachverstän¬ 
dige  beim .  2023 

Entropium,  konservative  Behandlung  des, 

von  Oppenheimer . 1929 

Entwicklungslehre,  Handbuch  der  ver¬ 
gleichenden,  von  Hertwig . 2154 

Entzündung  seröser  Häute,  von  Heinz  670 
Enukleation,  Zusammennähen  der  Seh¬ 
nen  nach  der,  von  Snell . 1593 


Enuresis,  Behandlung  der  — ,  bei  weib¬ 
lichen  Individuen,  von  Parnell  541, 
Behandlung  der  — ,  von  Walko  .  .  1761 
Enzyme,  proteolytische,  im  Tierreich, 
von  Fermi  und  Repetto  670,  proteo¬ 
lytische  —  im  Tierkörper,  von  Hedin 

und  Rowland . 626 

Epicarin,  von  Szaböky . 127 

Epidemie,  ungewöhnliche,  von  Brook  .  2182 
Epidermolysis  bullosa  hereditaria,  von 

Bettmann . 330 

Epididymitis  gonorrhoica,  von  Le  Clerc- 

Dandoy . 496 

Epiglottis,  Entfernung  der  karzinoma- 
tösen,  von  Büdinger  1165,  Funktionen 

der  — ,  von  Renshaw . 1631 

Epilepsie  s.  a.  Brombehandlung. 

Epilepsie,  von  Gowers  1585,  neue  Be¬ 
handlungsmethode  der  genuinen  — , 
von  Lion  34,  —  und  Apoplexie, 


Seite 

von  Paessler  164,  —  hepatischen 

Ursprungs,  von  Ballet  820,  Trepa¬ 
nation  bei  kortikaler  — ,  von  Rasu- 
mowsky  887 ,  Differentialdiagnose 
zwischen  —  und  Hysterie,  von  Hoche 
938,  Jacksonsche  — ,  von  Kümmell 
943,  operative  Eingriffe  bei  —  cho- 
reica,  von  v.  Bechterew  1016,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  — ,  von  AVinter 
1271,  Cerebrinum  gegen  — ,  von 
Pantschenko  1558,  —  mit  Brom  ohne 
Salz  behandelt,  von  Hallö  und  Ba- 
bonneix  1978,  Jacksonsche  —  nach 
Nephritis,  von  Krause  ...  •  .  .  .  2180 
Epileptischer  Anfall,  Dissociation  der  Re¬ 
spirationsbewegungen  während  des, 
von  Belmondo,  717,  Behandlung  des 
—  durch  Bettruhe,  von  de  Montyel  1474 
Epiphysenosteomyelitis  und  deren  Be¬ 


handlung,  von  Becker . 801 

Epitheliom,  durch  Röntgenstrahlen  ge¬ 
heiltes,  von  Taylor  1233,  gutartige  — 
kongenitalen  Ursprungs,  von  Perthes 
1846,  —  contag.  des  Geflügels,  von 

Marx  und  Sticker . 2159 

Epithelmetaplasie,  von  Eichholz  .  .  .  456 
Epithelstudien ,  experimentelle ,  von 

Werner . 1512 

Erblindung,  venerische  Kranhheiten  als 

Ursache  der,  von  Widmark  ....  2155 
Ergotismusepidemie,  Frankenberger,  von 

Jahrmärker . 374 

Erholungsstätten,  von  Becher . 1856 


Erkrankung  mit  typhusähnlichem  Bak¬ 
terium  im  Blut,  von  Brion  und  Kayser  611 

Erlass,  amtlicher,  betr.  die  Desinfektion 
bei  ansteckend.  Krankheiten  (Polizei¬ 
verordnung  Berlin)  128,  —  betr.  Ver¬ 
richtungen  der  Kreisärzte  auf  dem 
Gebiete  der  Schulhygiene  (Preussen) 

392,  —  betr.  Verpackung  und  Kenn¬ 
zeichnung  d.  Diphtherieserumflaschen 
(Bayern)  911,  —  betr.  Vorschriften 
über  die  Prüfung  und  Beaufsichti¬ 
gung  der  Heilgehilfen,  Masseure, 
Krankenwärter  u.  s.  w.  (Preussen)  992, 

—  betr.  den  Verkehr  mit  Arzneimit¬ 
teln  (Deutsches  Reich)  1030,  —  betr. 
die  Prüfung  f.  den  ärztlichen  Staats¬ 
dienst  im  Jahre  1903  (Bayern)  1168, 

—  betr.  die  Abänderung  der  Standes¬ 
ordnung  und  der  Ehrengerichtsord¬ 
nung  für  die  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereine  (Sachsen)  1687,  —  betr.  die 
Verhandlungen  der  Aerztekammern 
im  Jahre  1901;  hier:  Postportofrei¬ 
heit  für  die  Morbiditätsstatistik  der 
Infektionskrankheiten  betr.  (Bayern) 

1784,  —  betr.  Gebühren  für  ärztliche 
Dienstleistungen  beiBehörden  (Bayern) 
2071,  —  betr.  bakteriologische  Un- 
tersuchungen(Bayern) . 2110 

Ernährung  s.  a.  Kind,  Nahrungsmenge, 
Säugling,  Nahrungsbedarf,  Nährstoffe, 

U  ebernährung. 

Ernährung,  des  Kindes,  Ernährungs¬ 
störungen  und  Ernährungstherapie, 
von  Czerny  und  Keller  847,  forzierte 
- —  abdominaltyphöser  Kranker,  von 
Ladyschenski  977,  —  im  Knaben¬ 
alter  mit  Berücksichtigung  der  Fett¬ 
sucht,  von  Rubner  1149,  Bedeutung 
der  Darmbakterien  für  die  — ,  von 
Schottelius  1191,  —  in  der  heissen 
Jahreszeit  und  im  heissen  Klima, 
von  Hirschfeld  1628,  Technik  und 
Bedeutung  kalorimetrischer  Bestim¬ 


mungen  bei  der  —  von  Kindern, 
von  Schlossmann  1675,  biologische 
Mehrarbeit  des  kindlichen  Organis¬ 
mus  bei  künstlicher  — ,  von  AVasser- 

mann . 1820 

Ersatz,  operativer,  des  gelähmten  Quadri- 

ceps  femoris,  von  Magnus  ....  1704 

Erstickung,  von  Zippel . 299 

Erstickungstod,  von  Lochte . 120 

Erwerbsfähigkeit,  ärztliche  Gutachten 
über  das  Maass  der,  343,  Abschätzung 
der  — ,  von  Radtke . 809 


xxxil 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Erwerbsunfähigkeit,  Feststellung  der 
Erysipel,  Behandlung  des,  im  „roten 
Zimmer“,  von  Krukenberg  528,  Bak¬ 
teriologie  des  — ,  von  Pfahler  1066, 
Behandlung  von  —  durch  Ausschlies¬ 
sung  der  chemischen  Strahlen  des 
Sonnenlichtes,  von  Finsen  1436,  — 
an  den  Beinen,  von  Koch  1900, 
Therapie  des  — ,  von  Ströll  .... 

Erysipeloid,  von  Tavel . 

Erythema  scarlatiniforme  desquamativum 
recidivans,  von  Kramsztyk  935,  — 
exsud.  multiforme,  von  Neuberger  . 
Erythrocyten,  punktierte,  von  Reitter  . 

Esmarch-Denkmal . 

Essigessenz,  Handel  mit . 

Etat  crible,  von  Gessner  ......  . 

Ethik,  ärztliche . 

Eukain  B,  von  Marcinowski . 

Eukalyptus  gegen  Diabetes,  von  Faulds 
Eustrongylus  gigas,  von  Stürz  .  .  . 
Eventratio  diaphragmatica,  von  Doering 
1229,  von  Fraenkel  1936,  von  Benda 
Exalginvergiftung,  von  Seifert  .... 
Exantheme,  merkurielle,  von  Grön  .  . 
Exartikulation,  gleichzeitige,  der  Hüfte 
und  Schulter,  von  Pearcey  .... 
Ex  libris  des  Aerztlichen  Vereines 

München . 

Exophthalmus  pulsans,  von  Schou  .  . 
Exostosen,  von  Jungkmann  467,  trau¬ 
matische  — ,  von  Schüler  1016,  —  der 
1.  Rippe,  von  Fraenkel  1026,  multiple 
kartilaginäre  — ,  von  Starck  .... 
Expektoration  u.  expektorierende  Mittel, 

von  Saenger  . 

Exsudate,  Diagnose  und  Therapie  grosser 
perikarditischer,  von  Lenhartz  769, 
autolytische  Vorgänge  in  — ,  von 
Umber  1169,  gallenfarbstoffhaltiges 
pleuritisch.es  — ,  von  Criegern  1483, 
von  Rank  ...........  . 

Extension,  von  Kuhn  1701,  vertikale  und 
horizontale  — ,  von  Wieting  .... 

Extensionsverband  nach  Heusner,  von 

Wülfing . .  .  . 

Extrauteringravidität  s.  a.  Eileiterschwan¬ 
gerschaft,  Eierstockschwangerschaft, 
Tubargravidität ,  Tubenschwanger¬ 
schaft,  Gravidität. 

Extrauteringravidität,  konservierende  Be¬ 
handlung  frühzeitig  unterbrochener, 
von  v.  Scanzoni  417,  Behandlung  der 
- — -,  von  Uhle  498,  wiederholte  — ,  von 
Philipowicz  587,  —  bei  lebender  Frucht, 
von  Moebius  1273,  Aetiologie,  Diag¬ 
nostik  und  Therapie  der  — ,  von 
v.  Braun-Fern wald  1514,  —  und  Hämo¬ 
globinurie,  von  Tauber  1665,  Therapie 
der  — ,  von  Schenk  1778,  ausgetragene 

— ,  von  Hoenck . 

Extrauterinschwangerschaft,  Behandlung 
der,  von  Ri  eck  1296,  Aetiologie,  Dia¬ 
gnose  und  Behandlung  der  — ,  von 

Harri  son . 

Extremitäten  -  Erkrankung  bei  jungen 
Rindern  in  Südamerika,  vonVoges  . 
Extremitätenkrebs,  Statistik  u.  Kasuistik 

des  primären,  von  Franze . 

Extremitätenlähmungen,  syphilitische, 
bei  Neugeborenen  und  Säuglingen, 
von  Lewin . 

F. 

Fachpresse,  freie  Vereinigung  der  Deut¬ 
schen  medizinischen,  127,  internat. 
Vereinigung  der  medizinischen  — 
559,  internat.  Konferenz  der  medi¬ 
zinischen  • —  775,  Generalversamm¬ 
lung  der  freien  Vereinigung  der  me¬ 
dizinischen  — . 

Fadenpilze,  Bedeutung  der,  für  die  patho¬ 
logischen  Veränderungen  des  Magens, 

von  Pettersson . .  . 

Fäkalien,  Einleitung  von  in  den  Rhein 


Seite 

1366 


1943 

72 


1025 

2019 

1824 

557 

168 

1594 

2014 

1234 

1277 


1984 

12b2 

1436 

1360 

558 

1435 


1513 


938 


1630 

584 

1571 


1900 


1555 


376 


1926 


761 


1686 


1664 

389 

[ 


Fälle,  einige  klinische,  von  Hind  .  .  . 
Färbemethode,  Romanowskysche,  von 

Feinberg . .  . 

Fäzes  s.  a.  Kot. 

Fäzes,  Bakterienmenge  in  den  mensch¬ 
lichen,  von  Strasburger . 

Fahrrad,  Vergütung  für  Benützung  des, 
in  der  ärztlichen  Praxis  ....  733, 
Fahrradsysteme,  Verwendung  älterer,  zu 
therapeutischen  Zwecken,  von  Martin 
Fangokur  und  ihre  Indikationen,  von 

Mory . 

Farbenblindheit,  Prüfung  der, von  Edridge 
Farbensinn,  praktische  Prüfung  des,  mit 
Signallichtern,  von  Eversbusch  .  .  . 
Farbstoffchemie,  Einfülirnng  in  die,  für 

Histologen,  von  Michaelis . 

Fasciolepsis  Buski,  von  Odhner  .  .  .  . 
Faszienquerschnitt ,  suprasymphysärer, 
nach  Pfannenstiel,  von  Daniel  .  .  . 
Faszienriss,  isolierter,  von  Mohr  .  .  . 
Favus  bei  Neugeborenen,  von  Schleissner 
329,  —  der  behaarten  Haut,  von 

Richter  . 

Favuskulturen,  von  Wandel . 

Fazialiskrampf,  tonischer,  von  Hoffmann 
Fazialislähmung,  kongenitale,  von  Mar¬ 
fan  und  Delille  292,  angeborene  dop¬ 
pelseitige  — ,  von  Köster  336,  — bei 
Mittelohreiterung,  von  Jacobi  466, 
Lehre  von  der  — ,  von  Köster  1229, 
traumatische  -  ,  von  Köster  1442, 
sog.  rheumatische  — ,  von  Alexander 
Femur,-  Verlängerung  des,  nach  Osteo¬ 
sarkom,  von  Przewalski . 

Femmexostose,  von  Marx . 

Ferienkurse  in  Erlangen  1168,  —  in 

München . 

Ferrometer,  Jollessches  klinisches,  von 

Boetzelen . 

Festschrift  zur  Eröffnung  des  chirurgi¬ 
schen  Krankenhauses  zu  Bamberg  973, 
—  zur  Feier  des  50jähr.  Bestehens 
des  ärztlichen  Vereines  Nürnberg 

1852—1902  . 

Fett,  Biologie  des,  von  Rosenfeld  117, 
Bedeutung  der  Seifen  für  die  Resorp¬ 
tion  der  — ,  von  Pflüger  254,  Einfluss 
der  Lymphdrüsen  auf  die  Absorption 
und  Resorption  des  — ,  von  Poulain 
1766,  Herkunft  des  —  bei  Fettmeta¬ 
morphose  des  Herzfleisches,  von  Leick 

und  Winckler . 

Fettbruch,  Torsion  eines,  von  Wendel  . 
Fettdegeneration,  von  Fischler  .  .  .  . 
Fetteiweissverbindungen,  von  Nerking  . 
Fettembolie,  kadaveröse,  der  Lungen¬ 
kapillaren,  von  Westenhoeffer  .  .  . 
Fettgehalt  normaler  und  in  regressiver 
Metamorphose  begriffener  Thymus¬ 
drüsen,  von  Orgler . 

Fettgewebsnekrose,  von  Wulff  1357,  dis- 
seminierte  —  bei  Cliolelithiasis,  von 
Simmonds  899,  das  Trauma  in  der 
Aetiologie  der  disseminierten  — ,  von 

Roosen-Runge . 

Fettige  Ergüsse,  chemische  und  morpho¬ 
logische  Eigenschaften  der,  von  Mu¬ 
termilch  . .  .  . 

Fettmast  und  respiratorischerÄQuotient, 

von  Bleibrieu . 

Fettnekrosen,  vonLeepmann  893,  Benda¬ 
sche  Reaktion  auf  — ,  von  Liepmann 
Fettresorption  im  Darmrohr  und  Trans¬ 
port  des  Fettes  in  andere  Organe, 

von  Kischensky . 

Fettsäureglyzeride  im  tierischen  Fett, 

von  Hansen . 

Fettstühle,  von  Salomon . 

Fettsucht,  von  Brunton . 

Fettumsatz  im  Organismus,  von  Leo  . 
Fettzersetzung  durch  Mikroorganismen, 

von  Schreiber . 

Feuerbestattungsgesetz,  englisches  .  .  . 

Fibrom  der  Mamma,  von  Fabian  .  .  . 


Seite  | 
1631 

1928 


1890 

736  I 

1713 

1713 

2181 

1636 

2056 

976 


668 

809 


593 

1684 

939 


1470 

1192 

201 

1206 

366 


1104 


1848 

1846 

1780 

251 

2098 


849 


1355 


1712 

251 

1848 


1763 

538 

765 

554 

1723 

376 

1559 

32 


Seite 

Fibroma  molluscum  mit  Steigerung  des 

Knochenwachstums,  von  Perthes  .  .  801 

Fibroide,  Behandlung  der,  von  Cameron  1556 
Fibromyoangiom  des  Muskels,  von  Hon- 

sell . 217 

Fibromyom,  von  Knoop  1733,  —  der 
Scheide,  von  Merkel  552,  —  ligamenti 
rotundi,  von  Amann . 713 


Fieber,  Wesen  des,  von  Aron  248,  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  Jendrassik  291, 
Aetiologie  des  —  unter  der  Geburt, 
von  Müller  373,  diagnostischer  Wert 
des  —  im  Kindesalter,  von  Rheiner  938 
Fieberkranke,  nahrhaftes  Getränk  für, 


von  Lefturih . 1234 

Fieberkurven,  von  Reger . 1725 

Filixsäure  gruppe,  Substanzen  der,  von 

Straub . 1313 

Filter,  neuer,  von  Urechia . 1018 

Filtrirapparat,  von  Preisz . 377 

Fingernagel  und  seine  Bedeutung  für 
die  Amputation  der  letzten  Phalanx, 

von  Lauenstein . 809 

Fingerphalangen,  seitliche  Deviation  der, 

von  Karch  . . 1192 

Finsen-Therapie,  heutiger  Stand  der,  von 

Huber . 1276 

Fisch  s.  u.  Giftfisch. 

Fistel  zwischen  Flexura  sigmoidea  und 

Blase,  von  Waldvogel . 1400 


Fistelbildung  zwischen  Gallenwegen  und 

Bronchus,  von  Eschenhagen  ....  1357 
Fistula  vestibulo-rectalis  sub  coitu  primae 

noctis,  von  Scheftel . 1810 

Fistulae  cervico-vaginales  laqueaticae, 

von  Dirmoser .  2057 

Fixatio  omenti,  von  v.  Eysselsteyn  .  .  158 

Flaschen,  keim-  u.  wasserdichter  Doppel¬ 
verschluss  für,  von  Schottmüller  .  .  73 

Fleisch,  Konservierung  des,  und  der 
Fleischpräparate,  von  Dorquet  Ma- 
nasse  1278,  Einlegen  von  —  in  ver¬ 
schiedene  Salze,  von  Kuschel  .  .  .  1314 
Fleischextrakt,  Nutzwert  des,  von  Frenzei 

u  Toriyama . 626 

Fleischkonservierungsmittel  s.  u.  Bor¬ 
säure. 

Fleischvergiftung,  A  etiologie  der  sog.,  von 
Fischer  494,  —  mit  Typhus,  von  Levy 

und  Jakobsthal . 1928 

Fleischnahrung ,  Einfluss  ausschliess-  ’ 
licher,  auf  die  Impftuberkulose  der 

Hühner,  von  Preisich . 1110 

Fliegen  und  die  Verbreitung  der  Cholera, 

von  Mc  Kaig . 1851 

Fliegenlarven  s.  a.  Myiasis. 

Fliegenlarven,  von  Ewald  . 119 

Flimmerskotom  u.  Migräne,  von  Jolly  .  1848 
Flora  von  Deutschland,  Oesterreich  und 

der  Schweiz,  von  Thome . 1926 

Flückiger-Medaille . 1640 

Flüsse,  Bedeutung  der  Flussufer  für  die 
Selbstreinigung  der,  von  Bonne  816, 

898,  Einleitung  von  Kaliindustrieab¬ 
wässern  in  die  — ,  von  Berger  .  .  .  1894 
Flughautbildung,  von  Wilms  .  ...  503 

Fluorsilber,  bakterizides  Vermögen  des, 

von  Iverez . 1894 

Förster,  Dr.  Richard  f,  von  Eversbusch  1350 
Fötus,  Indikation  und  Recht  zur  Tötung 
des,  von  Kossmann  174,  extrauterin 
entwickelter,  von  Simmonds  208,  — 
papyraceus,  von  v.  Eichern  289,  — 
compressus,  von  Loennberg  ....  1974 
Fötalkreislauf,  von  Ziegenspeck  .  .  .  1897 

Folia  Uvae  Ursi,  von  Meyers . 1767 

Folliclis,  Klinik  und  Histologie  der,  von 

Alexander . 200 

Folliculitis  exulcerans  serpigin.  nasi,  von 

Kaposi . 460 

Formaldehyd,  Einfluss  des,  auf  den  Stoff¬ 
wechsel,  von  Tunniclife  und  Rosen¬ 
heim  626,  Entwicklung  von  —  für 
Wohnungsdesinfektion ,  von  Mayer 
u.  Wolpert  1314,  Verstärkung  der 


1902. 


INHA  LTS-VERZEICIINI Ö. 


xxxm 


S,ite 

Desinfektionswirkung  des  —  durch 
künstlichen  Innenwind,  von  Mayer 
und  Wolpert  1356,  Einfluss  der  Luft¬ 
temperatur  auf  die  Desinfektions¬ 
wirkung  des  — ,  von  Mayer  u.  Wolpert  1350 
Formaldehydderivate  bei  der  Behand¬ 
lung  des  Intertrigo,  der  Hyperidrosis 
und  des  Ekzems,  von  Weliamowitsch  1477 
Formaldehydgas,  Anwendung  des,  zur 

Desinfektion,  von  Voges . 1545 

Formalin  bei  Diphtherie,  von  Zdekauer  4G1 
Formalindesinfektion  von  Eisenbahn¬ 
wagen,  von  Reichenbach . 494 


Formal  in  Vergiftung,  akute,  von  Gerlach 
1'  orman  bei  der  Behandlung  des  frischen 
Schnupfens,  von  Bresgen 

Suchannek  . 

Formular, 


910, 


von 


1503 


910 


1637 

374 


1559 


990 


416 

120 


einheitliches,  für  die  bahnärzt¬ 
liche  Untersuchung  des  Personals, 

von  Stich . 

Fornix  und  Corpus  mammillare,  von 

Edinger  und  Wallenberg . 

Fortbildungskurse  für  Aerzte  952,  in 
Greifswald  313,  1322.  in  Breslau  344, 
in  Dresden  391,  1447,  in  Rostock 
559,  in  München  864,  1363,  in  Nürn¬ 
berg  907,  in  Giessen . 

Fortbildungskurs  für  Medizinalbeamte  in 

Hessen . .  263, 

Fortbildungs wesen  s.  a.  Verhandlungen 
der  bayr.  Aerztekammern. 

Fori  bildungswesen,  ärztliches,  910,  —  in 
Schlesien  127,  —  in  Preussen  175, 
Fraenkel  E ,  von  Lenhartz  . 

Fraktur s.  a.  Brüche, Beckenbrüche, Hand’ 
Humerus,  Hüftgelenk,  Klavikular- 
frakt ,  Knochenfrakt.,  Rissfrakt.,  Ober¬ 
kiefer,  Schenkel  halsfrakt. 

Frakturen,  Behandlung  der,  mit  primärer 
Knochennaht,  von  Nölker  627,  von 
Arbuthnot  Lane  627,  Behandlungs¬ 
methoden  der  — ,  von  Walko witsch 
1014,  suprakondyläre  —  des  Ober¬ 
arms,  von  Hilgenreiner  1074,  —  colli 
femoris,  von  Heinlein  1164,  kombi¬ 
nierte  —  u.  Luxationen  der  Hand¬ 
wurzelknochen,  von  de  Quervain  1276, 
operative  Behandlung  komplizierter 
,  von  Lessing  1430,  Knochennaht 
bei  — ,  von  Völker  1514,  Aetiologie 
der  sog.  intrauterinen  —  des  Unter¬ 
schenkels,  von  Sperling  1726,  des 
unteren  Radiusendes,  von  Beck  19j5, 

—  des  hinteren  Teiles  der  Fuss- 
wurzel,  von  Destot  1977,  -  des  Astra¬ 
galus,  von  Ombredanne . 1977 

Framboesia,  von  Glogner . 1399 

brauen,  Krankheiten  der,  von  Fritsch 
151,  Zulassung  von  —  als  ausser¬ 
ordentliche  Hörerinnen . 686 

Frauenkleidung,  Kultur  des  weiblichen 
Körpers  als  Grundlage  der,  von 
Schultze  581,  hygienische  —  ...  864 

Frauenkrankheiten,  konservativeBehand- 

lung  der,  von  Eisenberg . 1675 

Frauenmilch,  Beurteilung  der  Qualität 
der,  nach  dem  mikroskopischen  Bild, 
von  Friedmann  202,  Storchsche  Re¬ 
aktion  der  — ,  von  Thiemich  .  .  1974 
Frauenschulen,  wirtschaftliche,  auf  dem 

Lande  .  .  .  , . 1903 

Frauenstudium .  261,  557 

Fremdkörper  s.  a.  Blase,  Oesophagoto- 
mie,  Lunge,  Kragenknopf,  Mydriasis, 
Mastdarm,  Uterus,  Bauchdecken¬ 
tumor,  Auge. 

Fremdkörper,  von  Gluck  2171,  Entfernung 
von  — ,  aus  demunteren  Teil  der  Speise¬ 
röhre.  von  v.  Hacker  458,  —  in  der 
Speiseröhre,  von  Dobbertin  583,  Lage¬ 
bestimmung  von  -  im  Gehirn  mittels 
Röntgenstrahlen,  von  Stamm  585,  Ent¬ 
fernung  von  —  aus  der  Speiseröhre, von 
Winternitz  716,  Volumetrie  und  Lage¬ 
bestimmung  von  —  mittels  Radio¬ 
skopie,  von  Ferrannini  und  Perrone 
801,  Schutz  des  Verdauungstraktus 
vor  Verletzungen  durch  spitze  — ,  von 


Seite 

Exner  1020,  verschluckte  — ,  von 
Unverricht  1120,  Pneumotomie  wegen 
— ,  von  Beckmann  1431,  —  der  Harn¬ 
blase,  von  Brunn  1433,  von  Ravasini 
1434,  —  im  Mastdarm,  von  Scheren¬ 
berg  1542,  —  im  Ductus  Stenonianus, 
von  Eulenstein  1547,  Erkennung  und 
Behandlung  von  —  in  den  oberen 
Luftwegen  und  der  Speiseröhre,  von 
Ktllian  1593,  —  in  den  Luftwegen, 
von^  Schlender  1662,  von  Monnier 
2158,  die  durch  direkte  Endoskopie 
erhaltenen  Resultate  bei  —  des 
Oesophagus  und  des  Respiration- 
straktus,  von  Killiani  1812,  Entfer¬ 
nung  eiserner  —  aus  der  Harnblase 
mittels  Elektromagneten,  von  Hof¬ 
meister  . 2158 

Fremdkörperfälle,  neue  bronchoskopi- 

sehe,  von  Wild .  38 

Fremdkörperpinzette  für  Nase  und  Ohr,' 

von  Damrow . 1357 

Fremdkörperpunktion,  von  Perthes  14*3lj  2102 
Frequenz  der  deutschen  med.  Fakultäten 
im  W.-S.  1901/1902  174,  im  S.-S.  1902 
1‘247,  —  der  Wiener  med.  Fakultät 
597,  —  der  österreichischen  med. 
Fakultäten  600,  —  der  schweizeri¬ 
schen  med.  Fakultäten  im  W  -S 

1901/02  343,  im  S.-S.  1902  .  1247 

Friedreichsche  Ataxie,  von  Schwarz  .  .  1868 

Frostsalbe . 215 

Frucht  s.  a.  Fötus. 

Frucht,  Tötung  der,  von  Kossmann  206, 

261,  298,  391,  Missbildungen  der  — , 
von  Popescul  .......  .  .  804 

Frühgeburt,  künstliche,  bei  Beckenenge, 
von  Pape  802,  künstliche  —  mittels 
^  elastischer  Metallbougie,  von  Scheib  1400 
b  rühsyphilis,  hereditäre,  ohne  Exanthem, 

von  Hochsinger . 1863 

Furunkel,  Behandlung  des,  mit  Sauer¬ 
stoffgas,  von  Thiriar  496,  abortive 
Behandlung  des  — ,  von  Bidder  .  .  937 

Fuss  s.  a.  Plattfuss,  Negerfuss,  Knickfuss. 

Fuss,  Exartikulation  des,  mit  Zirkel¬ 
schnitt,  von  Samter  723,  Hygiene 
der  — ,  von  Gorodzoff  761,  —  der  Chi¬ 
nesin,  von  Perthes  1062,  schmerzende 
— ,  von  Schanz  1809,  Gummiringe 
zur  Druckentlastung  schmerznalter 
Punkte  am  Fuss,  von  Bettmann  .  .  1965 
Fussgelenk,  seltene  Verletzung  des,  von 

Mertens .  72 

Fussgelenksresektion,  von  Koenig  .  .  .  1433 
Fussgeschwulst  der  Soldaten,  von  Meyer  976 
F ussohlenabdrücke,  Technik  der,  von 

Bettmann . 1272 

Fütterungs-Tuberkulose  bei  Rindern  und 

Kälbern,  von  Schottelius . IßlO 


Seite 


322 


Gallengänge,  seltene  Anomalie  der,  von 
Kehr  229,  Lagerung  der  Patienten  bei 
Operationen  an  den  —  ,  von  Berndt 
Gallengangskarzinom,  Pathologie  des 
primären  und  sekundären,  von  Mio- 

dowski .  1587 

Gallenkapillaren,  normale  und  patho¬ 
logische  Anatomie  der,  von  Eppinger  714 
Gallenoperationen,  s.  a.  Becken-Tief- 
lagerung. 

Gallenorgane,  Anatomie  und  Pathologie 

der,  und  des  Pankreas,  von  v.  Büngner  1724 
Gallenstein  s.  a.  Cholelithiasis. 

Gallenstein,  von  Gerhardt  83,  von  Riedel 

1725,  Pathologie  und  Chirurgie  der  — , 
von  Merk  1061,  Wachstum  der  — , 
von  Stolz  1724,  —  im  Ductus  chole- 

dochus,  von  Tinker . 1935 

Gallensteinerkrankung,  ölsaures  Natron 

bei,  von  Clemm . 1247 

Gallensteinileus,  von  van  Assen  .  .  .  625 

Gallensteinkolik,  von  Gerhardt  491, 
pathologisch  -  anatomischer  Befund 

bei  — ,  von  Riedel . 

Gallensteinkrankheit,  von  Binder  . 
Gallensteinlaparotomien,  Rückblick  auf 

720,  von  Kehr . 

Gallensteinoperationen,  Rezidive  nach, 
von  Habs  1202,  Ursachen  unvoll¬ 
ständiger  — ,  von  Fink  1665,  Erfah¬ 
rungen  über  — ,  von  Körte  .  . 
Gallensystem,  Inzision  zur  Freilegung 

des,  von  Morison  1653,  Operationen 
am  -—  und  der  Leber,  von  Fink 

Gallenwege,  primärer  Krebs  der,  von 
Devie  und  Gallavardin  75,  Chirurgie 
der  — ,  von  Scheuer  327,  von  Zeller  1016 
Galvanokaustik,  intraokuläre,  von 

Roscher . 4g  j 

Ganglion  Gasseri,  Operation  des,  von 
Lexer  456,  Tumor  des  — ,  von  Mar- 
chand  503,  mikroskopische  Befunde 
am  — ,  von  Coenen  933,  Exzision 

des  — ,  von  Rose . 1235 

Gangraen  s.  a.  Spontangangraen,  Haut- 


1724 

327 

1689 


1724 


1725 


G. 

Galerie  hervor;  agender  Aerzte  und  Natur¬ 
forscher  174,  215,  262,  303,  687,  735, 

990,  1598,  1686,  1183,  1943,  2030 
Galle,  Beziehungen  zwischen,  und  Ei- 
w-eissverdauung,  von  Rosenberg  626, 
Gefrierpunkt  der  — ,  von  Massedaglia 
und  Coletti  1517,  Einfluss  von  Mine¬ 
ralwässern  auf  die  Ausscheidung  von 
— ,  von  Casciani  1979,  osmotischer 
Druck  der  — ,  von  Strauss  .  .  .  2163 

Gallenblase,  Spontanperforation  der,  von 
v.  Mosetig-Moorhof  328,  Doppelkar¬ 
zinom  der  — ,  von  Mönekeberg  1201, 

1847,  experimenteller  Beitrag  zur  Be¬ 
handlung  der  Perforationen  und  Zer- 
reissungen  der  -  ,  von  Baldassari  u. 

Gardini .  .  2047 

Gallenblasen-Darmfistel,  von  Radsiewsky  1061 
Gallenblasenkarzinom,  von  Wörner  .  .  723  I 

Gallenblasenruptur  in  die  freie  Bauch¬ 
höhle,  von  v.  Arx . 1809 

Gallenergüsse,  innere,  infolge  Ruptur 
von  Hydatidencysten  der  Leber,  von 

Deve  . 1766 

Gallenfisteln,  innere,  von  Minkowski  .  730 


Gangrene  foudroyante,  Bakteriologisches 

über,  von  Silberschmidt .  2059 

Gasanalyse  und  Gasvolumetrie,  von  Neu¬ 
mann  . 1397 

Gase,  Absorption  von,  durch  Kleidungs¬ 
stoffe,  von  Kisskalt . 290 

Gasphlegmone  des  Menschen,  von  Stolz 
712,  über  — ,  Schaumorgane  und  deren 

Erzeuger,  von  Fraenkel . 

Gastralgie,  Wesen  und  anatomischer  Sitz 

der,  von  Buch . 

Gastritis  tuberculosa,  von  Przewoski  936, 
operative  Heilung  an  —  und  Laryn¬ 
gitis  phlegmonosa,  von  Simmonds 
1318,  —  membranacea,  von  Grün¬ 
baum  ....  . 

Gastroduodenostomie,  horizontale,  von 

Nicoladoni  . 

Gastroenterostomie,  von  Meyer  415,  von 
Steinthal  1512,  von  Dal  ziel  1553,  — 
an  der  Wölflerschen  Klinik,  von 
Schloffer  457,  —  ypsiliformis  ante- 
colica  anterior,  von  Rotgans  .  . 
Gastrokopie  s.  u.  Oesophagoskopie. 
Gastrostomie  bei  Karzinoma  oesophagi, 

von  Lameris . 624 

Gaumen,  hoher,  von  Bloch . 1024 

Gaumenmandeln,  Technik  der  operativen 
Verkleinerung  der,  von  Ruault  1812, 
Instrumente  hiezu,  von  Raoult  .  .  1812 
Gaumenspalte,  operative  Behandlung  der 

angeborenen,  von  Kassel . 1807 

Gebärmutter,  Entwicklungsgeschichte 
der,  von  Bayer  492,  operative  Behand¬ 
lung  der  myomatösen  schwangeren  — , 
von  Michin  1152,  —  Berechtigung  der 
Annäherung  der  —  an  die  vordere 
Bauchwand,  von  Kreutzmann  .  .  .  2180 
Gebärmutter  -  Scheidenkrebsfälle ,  von 

Mackenrodt . 1200 

Gebärmutterblutungen,  Oleum  terebin- 
thinae  bei,  von  Leniewitsch  ....  1476 


849 

289 


1630 

1107 


1768 


1 


5 


XXXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

Gebärmutterkrebs,  von  Pilsky  941,  kli¬ 
nische  und  anatomische  Untersuch¬ 
ungen  über  — ,  von  Kroemer  417, 
Operation  des  —  mittels  des  Schu- 
chardtschen  Paravaginal  Schnittes, von 
Schauta  931,  Endresultat  der  Uterus- 
extirpation  bei  — ,  von  Glöckner  1398, 
Bedeutung  der  Totalexstirpation  des 
Uterus  für  die  Radikalheilung  des  — , 
von  v.  Erlach  und  v.  Woerz  1353,  Erfah¬ 
rungen  über  die  abdominale  Radikal¬ 
operation  des  — ,  von  Kleinhans  .  .  1779  . 
Gebärmutterschleimhaut,  senile  hämor¬ 
rhagische  Hyperplasie  der,  von  Gott¬ 
schalk  . 756 

Gebärmutterzerreissung  während  der 

Geburt,  von  Krebs . 2014 

Gebührenordnung  für  ärztliche  Dienst¬ 
leistungen  bei  Behörden .  207 1 

Geburt  s.  a.  Mehrlingsgeburt,  Zwillings¬ 
geburt. 

Geburten,  Eheschliessungen  und  Sterbe¬ 
fälle  in  Bayern  i.  J.  1901  735,  sup- 
preßsio  urinae  nach  der  — ,  von 
Mc  Herron  1156,  Rektovaginalrup- 
turen  bei  normalen  - ,  von  Kien  1272, 
Mechanismus  der  — ,  von  Olshausen 
1 167,  Erweiterung  der  unteren  Becken- 
aperiuren  während  der  — ,  von  Neu¬ 
mann  1778,  Mechanismus  der  — ,  von 

Müller  .  .  •  .  .  • . 1778 

Geburtsbeschau,  Einführung  einer  ge¬ 
regelten,  von  Wedeies . 1849 

Geburtshilfe  s.  a.  Asepsis,  Bäder,  Kopf, 
Becken,  Operationslehre,  Unter¬ 
suchung;  Archiv,  Beiträge,  Central¬ 
blatt,  Monatsschrift,  Zeitschrift. 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie  bei  Aetius 
von  Amida,  von  Wegscheider  69, 
Asepsis  und  Antisepsis  in  der  — , 
von  Eberhardt  502,  Leitfaden  der—, 
von  Vogel  1429,  Verwendung  von 
Klemmen  und  Kugelzangen  in  der 

— ,  von  Queissner . 1762 

Geburtshilfliche  Diätetik  und  Therapie, 

von  Knapp . 661 

Geburtshilfliche  Fälle,  von  Ostreil  .  .  .  328 
Geburtshilflicher  Operationskurs,  Leit¬ 
faden  für  den,  von  Döderlein  .  .  .  1106 
Gedächtnisstörung  hei  organischer  Ge¬ 
hirnkrankheit,  von  Nitsche  ....  1108 


Gedenktafel . 1407 

Gefässe,  Erkrankungen  der,  von  v. 

Schroetter  . . 1925 

Gefässentartung,  diffuse,  von  Unverricht  858 
Gefässsystem,  syphilitische  Erkrankung 

des,  von  Abramow . 1399 

Gefechtssanitätsdienst,  10  Beispiele  aus 

dem,  von  Cron .  .  .  2179 

Gefrierpunktsbestimmung  s.  a.  Kryo- 
skopie,  Galle. 


Gefrierpunktsbestimmung  des  Blutes, 
von  Ogston  203,  heutiger  Stand  der 
— ,  von  Röder  1107,  praktische  An- 
■  wendung  der  —  bei  Nierenerkran¬ 
kungen,  von  Rumpel  1731,  1821,  Wert 
der  —  für  die  Diagnostik,  vonHymans 
van  den  Bergh  1768,  Wert  der  — , 
von  Hymans  van  den  Bergh  .  1768 

Geheimmittel,  öffentliche  Anpreisung  von  909 
Geheimmittel  wesen  261,  Kommission  für 

das  — .  ■  .  47 

Gehirn  s.  a.  Hirn  rinde, Kleinhirn, Brücken¬ 
geschwulst,  Brücke,  Thalamus,  Vogel¬ 
gehirn,  Pferdegehirn,  Längsbündel. 
Gehirn,  Untersuchungen  über  das,  von 
Hitzig  5^5,  Hydatidencyste  des  — 
und  deren  chirurgische  Behandlung, 
von  Jonescu  890,  tetanusgiftneutrali¬ 
sierende  Eigenschaft  des  ,  von  Marx 
1231,  alte  und  neue  Untersuchungen 
über  das  — ,  von  Hitzig  147<i,  1762, 
Störung  im  Oberflächenwach  stnm  des 
— ,  vonZingerle  1762,  Pigmentierung 
der  Kapillarendothelien  im  — ,  von 
Katsurada  1763,  epithel.  Geschwühte 
des  — ,  von  Saxer  1763,  metastatische 
Karzinome  des  — ,  von  Barany  1809, 


ph 


Seite 


Seite 


Späterkrankungen  des  —  nac 
Schädeltrauma,  von  Stadelmann  1984, 

2099,  Stichverletzung  des  — ,  von  Levi 
2023,  wahre  Hypertrophie  des  — , 

von  Anton . 2159 

Gehirnabszess,  von  v.  Kryger  298,  von  : 

Dreesmann  1243,  von  Cahen  .  .  .  1867  I 
Gehirnblutung  im  Verlauf  des  Keuch¬ 
hustens,  von  Loevy . 1846 

Gehirnchirurgie,  von  Krause  .  .  .  506,  546 

Gehirnfaserung,  Erforschung  der,  von 

Vogt . 1544 

Gehirngeschwülste,  Histologie  u.  Patho¬ 
logie  der,  von  Bielschowsky  ....  1892 
Gehirnhautentzündungen,  Aetiologie  der, 

von  Lewkowitz . 935 

Gehirnlokalisation  und  die  Funktion  der 

Stirnlappen,  von  Marinescu  ....  1018 
Gehirnlues,  von  Buraczynski  ...  1434 
Gehirnrinde,  Lokalisation  im  motorischen 
Teil  der,  von  Sherrington  u.  Grün¬ 
baum  257,  marklose  Fasern  in  der 

— ,  von  Boncoroni . 1979 

Gebirnsektion,  von  Wickel  .  .  .  .  .  1928 
Gehirntumoren,  von  Henneberg  2027, 
Symptomatologie  und  Diagnostik  der 

— ,  von  Finkelnburg . 1471 

Gehör  s.  a.  Hören. 

Gehör,  Störungen  des  musikalischen,  von 

Alt . 1358 

Gehörorgan  s.  a.  Vibrationsmassage. 
Gehörorgan,  Unfallverletzungen  des,  von 

Röpke . 1023 

Gehverband  s.  u.  Tumor  albus. 

Geissein,  Färbung  der,  von  lvuntze  .  .  1808 
Geisteskranke,  Regelung  der  Aufnahme 
von,  in  Irrenanstalten  261,  Neuroglia- 
befunde  in  Gehirnen  von  — ,  von 
Elmiger  374,  Unterbringung  von  — 
und  Blöden  863,  Behandlung  von  -— 
in  sog.  Villas,  von  Mould  1592,  Ver¬ 
pflegung  ärmerer  —  in  allgemeinen 
Krankenhäusern,  von  Sibbald  1592, 
Familienpflege  der  — ,  von  Nawralzki  1715 
Geisteskrankheit  s.  a.  Ehescheidung. 
Geisteskrankheiten,  akute,  der  Gewohn¬ 
heitstrinker,  von  Bonhöffer  199,  — 
u.  Geistesschwäche  nach  dem  B.  G.B., 
von  Kluge  212,  —  im  Heere,  von 
Stier  936,  experimentelle  Erzeugung 

von  — ,  von  Blum . 

Geistesstörungen, Beziehungen  zwischen, 
und  körperlichen  Erkrankungen,  von 
Weber  1805,  Sektierertum  und  — , 

von  Schulze . 

Geistlich,  von  Pilgrim . 

Gelatine  s.  a.  Blutung,  Hämophilie. 

Gelatine,  Gehalt  der  käuflichen,  an 
Tetanuskeimen,  von  Levy  u.  Bruns 
377,  —  als  Hämostatikum,  von  Miwa 
Ghiba  416,  Gefahr  der  Tetanus¬ 
infektion  bei  subkutaner  Anwendung 
der  — ,  von  Krause  1274,  therapeu¬ 
tische  Anwendung  der  —  bei  Ente- 
rorrhagien,  von  Geraldini  .  ...  1810 

Gelatinebehandlung  der  Melaena  neona¬ 
torum,  von  Fuhrmann .  .  1459 

Gelatineeinspritzungen  bei  experimeutell 
erzeugten  Nierenerkrankungen,  von 

Stursberg . 849 

Gelatineinjektion  s.  a  Lungenblutung, 
Melaena. 

Gelatineinjektion,  subkutane,  bei  Me¬ 
laena  neonatorum,  von  Holtschmidt 
13,  Tetanus  nach  subkutaner  — ,  von 
Lorenz  72,  Gasabszess  nach  — ,  von 
Damianos  u  Hermann  419,  Tetanus 
nach  — ,  von  Zupnik  946,  —  im  Kin¬ 
desalter,  von  Zuppinger . 1819 

Gelbfieber  s.  u.  Moskitos. 

Gelenk,  subkutane  Drainage  bei  Hydrops 

des  — ,  von  Teale  .  .  ....  1233 

Gelenkentzündung,  skarlatinöse ,  von 

Szontagh  .  ....  ...  1152 

G  elenkerkrankungen,  ambulant  e  Behand¬ 
lung  der  tuberkulösen,  der  unteren 
Extremitäten,  von  Wagner  3?,0,  ta- 
bische  — ,  von  Wilde . 2014 


940 


1928 

372 


2094 


1057 

2186 


Gelenkkrankheiten  s.  u.  Tumor  albus. 
Gelenkrheumatismus,  Bakterienbefunde 
bei,  von  Menzer  256,  Serumtherapie 
bei  — ,  von  Menzer  861,  893,  Patho¬ 
genese  des  akuten  — ,  von  Kollmann 
1098,  Venenthrombose  beim  akuten — , 
von  Hess  1193,  Entwicklungshem¬ 
mung  nach  — ,  von  Hoppe -Seyler 
>780,  Aetiologie  des  akuten  — ,  von 
Menzer  1805,  Bakteriologie  des  akuten 
— ,  von  Meyer  1890,  Arterienverän¬ 
derung  beim  akuten  — ,  von  Rabe 
1978,  Serumbehandlung  bei  akutem 
und  chronischem  — ,  von  Menzer 
Gelenksepsis,  moderne  Behandlung  der, 

von  Friedrich . 1403 

Gelenksteifigkeit,  von  Gluck . 2180 

Generalbericht  der  Sanitätsverwaltung 

im  Königreich  Bayern . 

Generalrapport  über  die  Kranken  der  k. 
bayer.  Armee  128,  263,  688,  911,  1031, 

1207,  1407,  1600,  1784,  1992, 

Genfer  Neutralitätszeichen . 342 

Genitalien,  Anomalien  der,  von  Rogen  1474 
Genitalkanal,  Bakteriologie  des,  von  Stolz  1727 
Genitalorgane,  elastisches  Gewebe  der 

weiblichen,  von  Schenk . 1778 

Genitalpräparat,  von  Müller . 124 

Genitaltuberkulose,  von  Aroung  205,  Dia¬ 
gnose  und  Behandlung  der  — ,  von 
Sellheim  1674,  —  des  Weibes,  von 

Ahlefelder .  2095 

Genossenschaftswesen,  ärztliches,  von 

Kastl . 1164 

Genu  valgum,  von  Morton  1360,  opera¬ 
tive  Behandlung  des  — ,  von  Hoeft- 
mann  767,  Schwerts  — ,  von  Krucken- 
berg  767,  Circumferenzosteotomie  bei 
— ,  von  Reiner  767,  —  duplex,  von 

Deutschländer . 1900 

Geradehalter,  von  Schanz  .....  .  591 

Gerhardt  als  Konsiliarius  1365,  Erinne¬ 
rungen  an  — ,  von  Martius 
Gerichtliche  Entscheidungen  46,  85, 

126,  215,  261,  430,  557,  863,  909,  990, 

1286,  1321,  1405,  1943, 

German  Hospital  . 

Germanisches  Museum,  Jubiläum  des  . 

Geschäftsdreiräder . 343 

Geschichte,  Grundriss  einer,  der  Natur¬ 
wissenschaften,  vonDannemann  1191, 
Lehrstuhl  für  —  der  Medizin  1365, 

1367,  1488,  1520,  —  der  Therapie  im 
XVI.  Jahrhundert,  von  Lachtin  1659, 
Geschäftssitzung  der  Gesellschaft  für 
—  der  Medizin  1932,  Anschauungs¬ 
unterricht  im  Lehrfach  der  — ,  von 

v.  Töply  . 

Geschlecht,  zweifelhaftes,  von  Neuge¬ 
bauer  . 1434 

Geschlechtsbildung,  Ursachen  männ- 


1581 


2030 
1597 
10  2  9 


1933 


lieber  und  weiblicher,  von  Schultze  1986 
Geschlechtskranke,  Heilstätte  für  .  .  .  733 

Geschlechtskrankheiten  s  a.  Erblindung. 
Geschlechtskrankheiten,  DeutscheGesell- 
schaft  zur  Bekämpfung  der,  1029,  1736, 

1824,  2186,  von  Wolff  i  552,  belgisches 
Merkblatt  für  — ,  von  Hopf  1509,  Be¬ 
kämpfung  der  Verbreitung  der  — , 

Epstein .  2063 

Geschlechtsorgane  s.  u.  Tuberkulose. 
Geschlechtstrieb  und  Schamgefühl,  von 

Havelock  Ellis  . 324 

Geschmack,  laugenlrafter  u.  metallischer, 

von  v.  Frey . 1445 

Geschmacksinn  und  Trigeminus,  von 

Gowers . 1630 

Geschosse,  Wirkungen  kleinkalibriger, 

im  Burenkriege,  von  Hildebrandt  .  325 
Geschwülste,  Histogenetisches  und  Ver¬ 
gleichendes  über,  von  Disselhorst 
161,  311,  cystische  — ,  von  Maas  382, 

—  der  Kreuz-Steissbeingegend,  von 
Bothezat672,mikroskopischeDiagnose 
der  bösartigen  — ,  von  v.  Hansemann 
1106,  maligne  — ,  von  Hahn  1163, 
retrorektale  teratoide  — ,  von  Graft 
1663,  retroperitoneale  — ,  von  Hart- 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXV 


Seite 

mann  1714,  Lehre  von  den  — ,  von 
Borst  1972,  Spontanheilung  von  — , 
von  Reichel .  .  1985 


Geschwulstbildung,  angeborene,  vonFüth  802 
Geschwulstgenese,  Wert  der  Theorie  der 
traumatischen,  von  Schmieden  .  .  117 

Geschwür,  Behandlung  des  venerischen, 

mit  Kälte,  von  Brandweiner  .  .  .  759 

Gesellschaft,  pommersche,  für  Geburts¬ 
hilfe  und  Gjmäkologie  304,  deutsche 

—  für  Volksbäder  391,  432,  687, 

—  für  orthopädische  Chirurgie  432, 
deutsche  orthopädische  —  600,  frän¬ 
kische  —  für  Geburtshilfe  u.  Frauen¬ 
heilkunde  1206,  1991,  deutsche  —  für 
Geschichte  der  Medizin  1639,  inter¬ 
nationale  —  für  Chirurgie  1639,  deut¬ 
sche  —  zur  Bekämpfung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  1029,  1552,1736, 

1824, 2186,  mitteldeutsche  —  für  Gynä¬ 
kologie  . 1991 

Gesetzgebung,  soziale,  und  Ohrenheil¬ 
kunde,  von  Körner . 1305 

Gesichtsfeldaufnahme  als  Kontrolle  in 
der  Behandlung  der  Hirn-  u.  Rücken¬ 
markslues,  von  Ziemssen . 1723 

Gesichtshöhleneiterung,  von  Hopmann  589 
Gesundbeten  s.  a.  Eddyiamus. 

Gesundbeten .  261,  303 

Gesundheit  und  Krankheit  in  der  An¬ 
schauungalter  Zeiten,  vonTroels-Lund  711 

Gesundheitsamt . 2170 

Gesundheitsgesetzgebung . 261 

Gesundheitskommissionen ,  städtische . 

im  Dienst  der  Hygiene,  von  Fraenkel  942 
Gesundheitspflege,  niederrliein.  Verein 

für  öffentliche,  1668,  Bibliothek  der  —  1686 
Gesundheitsrat,  internat.,  in  Alexandrien, 

von  Goebel . 262 

Getreide.  Bedeutung  der  Schälung  und 
Zermahlung  des,  für  die  Ausnützung, 

von  Lehmann  . 1893 

Gewebe ,  Eisengehalt  verkalkter,  von 
Gierke  849,  Pathologie  d.  elastischen 

— ,  von  Delbanco . 1071,  1119 

Gewebswucherung  und  Geschwulstbil¬ 
dung,  von  Marchand . 1716 

Gewerbekrankheiten  s.  u.  Blei,  Bleiver¬ 
giftung,  Chlorakne,  Tuberkulose, 
Milzbrandinfektion,  Seidenerzeugung, 
Manganarbeiter,  Arbeiter,  Chrom¬ 
arbeiter 

Gibbus ,  Dauei-erfolge  des  Calotschen 

Redressement  des  ,  von  Vulpius  .  .  767 

Gicht,  Pathologie  der,  von  Watsön  258, 
Anatomie  der  — ,  von  Benneke  537, 

Rolle  der  Harnsäure  in  der  Patho¬ 
logie  und  Therapie  der  — ,  von  Ilis 
631,  678,  Blutpräparate  von  —  mit 
Leukämie,  von  Paschen  1069,  Stoff¬ 
wechsel  bei  — ,  von  Reacli  1215, 

—  und  ihre  Behandlung  mit  China¬ 
säure,  von  Huber  und  Lichtenstein  1273 

Giftbildungen,  plasmotrope,  im  Organis¬ 
mus,  von  Grawitz  .  34 

Giftfische,  von  Takahashi  1 817,  —  und 

Fischgifte,  von  Kobert  .  ...  1624 

Giftspinnen,  Beiträge  zur  Kenntnis  der, 

von  Kobert  324 

De  Giovanni-Feier . 734 

Glandulae  parathvreoideae,  von  Benja¬ 
mins  459,  von  Petersen  1939,  —  des 

Menschen,  von  Civalleri . 1065 

Glasmacher,  Armmuskulatur  bei  den, 

von  Schmidt .  808,  809 

Glaukom,  das  sogen,  entzündliche,  eine 
Xeurose,  von  Laqueur  493,  Ursachen 
der  primären  — ,  von  Levinsohn  732, 
Sympathicusresektion  gegen  — ,  von 

Hoor, . 1546 

Glaukomanfall ,  Einfluss  klimatischer 
Faktoren  auf  den  Ausbruch  des  aku¬ 
ten  primären,  von  Steindorff  .  .  .  1852 
Glaukomoperation,  Prognose  der,  von 

Mendel  . 201 

Glia,  Beziehungen  zwischen,  und  dem 

Gefässapparat,  von  Nissl . 940 


Seite 

Gliafärbung,  von  Fischer . 1074 

Gliom  des  IV.  Ventrikels,  nach  Becker 
586,  —  der  linken  hinteren  Zentral¬ 
windung,  von  Unverricht . 640 

Glühlicht,  elektrisches,  und  innere  In¬ 
fektion,  von  Krebs . 117 

Glukoside,  Verhalten  einiger,  und  Ent¬ 
stehung  gepaarter  Glukuronsäuren  im 

Tierkörper,  von  Falck . 1489 

Glykogen  s  a  Leber,  Harn. 

Glykogen,  quantitative  Bestimmung  des, 


von  Nerking  251,  elementare  Zusam¬ 
mensetzung  des  — ,  von  Nerking  251, 
Vorkommen  des  —  unter  patho-logi- 
schen  Verhältnissen,  von  Katsurada  1763 
Glykokollbildung  aus  Leucin,  von  Cohn  1848 
Glykolyse,  von  Lepine  202,  Lehre  von 
der  — ,  von  Bendix  und  Bickel  .  117 

Glykose,  Produktion  von,  durch  die 

Muskeln,  von  Cadäac  und  Maignon  1364 
Glykosurie  s.  a.  Adrenalinglykosurie. 
Glykosurie  und  Irrsinn,  von  Dawson  301, 
Pathologie  der  vorübergehenden  — , 
von  Hoppe  -  Seyler  814,  alimentäre 
—  bei  Leberkranken,  von  Bruining 
111,  alimentäre  — ,  von  Schlesinger 
1315,  —  und  Tabes,  von  Meyer  1537, 


alimentäre  —  und  Lävulosurie  bei 
Erkrankungen  der  Leber,  von  Ferra- 
nini  1713,  alimentäre  —  und  Lävu¬ 
losurie  bei  Leberkrankheiten,  von 

Bruining . 1767 

Glykuronsäureausscheidung,  Modus  der, 

von  Bial . 854 

Glyzerolate,  von  Herxheimer . 2018 

Görbersdorf  . . 864 

Goethe  und  Berzelius  in  Karlsbad  1822, 

von  Kahlbaum . 1898 

Golgi-Feier  in  Pavia  . 2184 

Goltz  Friedrich  Leopold  f,  von  Kraft  .  965 

Gonokokkämie,  von  Barbiani  .  .  .  .  1316 


Gonokokken,  Lagerung  der,  im  Tripper- 
sekret,  von  Lanz  296,  Biologie  der  — , 
von  Wildbolz  376,  von  Thalmann  1109, 

—  in  den  tiefen  Schichten  der  Tuben¬ 
wand,  von  Kraus . 2015 

Gonorrhoe  s.  a.  Chinolin  wismuthrhodanat, 
Blennorrhoe,  Arthritis,  Blasenleiden, 
Blasengonorrhoe,  Urticaria,  Urethritis. 
Gonorrhoe,  Behandlung  der,  von  Jurat- 
scheff  296,  Heilung  der  — ,  von  Scholtz 
329,  Behandlung  der  chronischen  — , 
von  Saalfeld  6 '4,  —  der  Prostituierten, 
von  v.  Marsclialko  671.  Abortivbe- 
hand  ung  der  — ,  von  Blaschko  732, 
Conjunctivitis  duplex  rheumatica 
nach  — ,  von  Lesser  1238,  metasta¬ 
tische  Bindehautentzündung  bei  — , 
von  Kurka  1716,  Behandlung  der  — 
mit  Protargolgelatine  von  Benario  .  2147 
Gonorrhoische  Infektion  präputialer 

Gänge,  von  Lanz . 330 

Goundou  oder  Anakhrd,  von  Mendes  .  76 

Gravidität  s.  a.  Schwangerschaft. 

Gravidität,  interstitielle,  von  Muret  492, 

—  tubaria  ruptura  finita,  von  Burgl 
1073,  —  kompliziert  durch  Karzinom 
des  Uterus,  von  Wagner  1469,  gleich¬ 
zeitige  —  beider  Tuben,  v.  Kristinus  2019 

Graviditäts-Hämoglobinurie,  von  Brauer  825 
Griesinger  Wilhelm.  Zu  seinem  Todes¬ 


tag  am  26.  Oktober,  von  Seiffer  .  .  1758 

Griesinger-Büste . 647 

Gruber-Widslsche  Reaktion  s.  a.  Widal- 
sche  Reaktion. 

Gruber-Widalsche  Reaktion,  Fehldia¬ 
gnose  auf  Grund  der,  von  Lommel  .  314 

Guaco,  von  Butte  ...  ....  910 

Gua  jakholz  und  Guajakharz,  wirksame 

Stoffe  des,  von  Schaer  .  .  .376 

Guajakol,  kakodyl saures,  von  Menusier  1598 
Guakampliol  gegen  Nachtschweisse,  von 

v.  Kfitly . 1903 

Gutachten,  Honorierung  ärztlicher,  durch 

die  Militärbehörden . 86 

Gymnastik,  orthopädische,  gegen  Rück¬ 


gratsverkrümmungen  und  schlechte 


Seite 

Körperhaltung,  von  v.  Mikulicz  und 

Tomasczewski . 1845 

Gynäkologie  s.  a.  Nervenkrankheiten, 
Archiv,  Centralblatt,  Beiträge,  Monats¬ 
schrift,  Zeitschrift. 

Gynäkologie,  Vademecuin  für  histo- 
pathologische  Untersuchungen  in  der, 
von  Orthmann  30,  —  in  Irrenhäusern, 
von  Schultze  1063,  Lehrbuch  der  — , 


von  Küstner . 1310 

Gynatresien,  von  Frank . 1162 


H. 

Haarausfall,  Pathogenese  des,  von  Jaquet  986 
Haare,  Entfernung  überflüssiger,  von 
Walsh  203,  Farbe  Veränderung  der  — , 

von  Weinberg  . 575 

Hämagglutination  im  Kindesalter,  von 

Langer .  1730 

Hämagglutinine,  von  Ford . 1231 

Haemangioendothelioma  tuberosum  mul¬ 
tiplex,  von  Wolters . 297 

Iiämatangiome  und  Karzinom,  von  Wolff  1973 
Haematemesis  postoperativa,  von  Purres 

979,  —  nach  Operationen,  von  Croom  1361 
Hämatocelen,  Bildung  der,  von  Busse  .  1973 
Hämatolyse,  klinische  Verwendung  der, 

von  Julliard . 1191 

Hämatom,  retroperitoneales,  von  Wald¬ 
stein  460,  —  vulvae  während  der 
Geburt,  von  Kouwer  625,  subchoriale 

— ,  von  Endelmann  . . 1398 

Hämaturie  nach  Urotropingebrauch,  von 
Goldsmid  380,  pseudo-es?entielle  — , 
von  Dorst  625,  idiopathische  oder 
angeborene  und  vererbte  — ,  von 

Guthrie . 1233 

Hämoglobinometer,  neues,  von  Meisling 
1768,  —  und  Hämatophotograph,  von 

Schiil  e .  2066 

Hämolyse  s.  a.  Saponinwirkung. 

Hämolyse,  experimenteller  Beitrag  zur 
Frage  der,  von  Matth  es  8,  Hemmung 
der  —  durch  Salze,  von  Markl  155, 
klinische  Beiträge  zur  Frage  der  — , 

von  Hedinger  . 1806 

Hämolysine,  Wirkungen  der,  im  Orga- 
ganismus,  von  Kraus  und  Sternberg 
2096,  —  im  menschlichen  Serum, 

von  Halpern .  2097 

Hämometrie,  einfaches  Verfahren  der 

klinischen,  von  Sahli . 764 

Hämophilie  s.  a.  Blutergelenk. 

Hämophilie,  Nebennierenextrakt  bei,  von 
Milligan  760,  Castratio  uterina  atmo- 
caustica  bei  — ,  von  Pincus  975,  Be¬ 
handlung  der  —  mit  Chlorkalzium, 
von  Wallis  1233,  innerliche  Gelatine¬ 
behandlung  bei  — ,  von  Hesse  .  .  .  1558 
Hämophotograph,  Gärtnerscher,  von  Lan¬ 
desberg  977,  von  Tollens . 1107 

Hämoptoe,  tuberkulöse,  und  ihre  Be¬ 
handlung,  von  Weismayr  806,  Blut¬ 
stillung  bei  — ,  von  Wiedner  .  .  .  1018 
Haemorrhagia  cerebralis,  von  Zamfirescu  1019 
Hämorrhoiden,  Operation  der,  von  Rie¬ 
del  722,  neue  Operationsmethode  der 
— ,  von  Potarca  1475,  Ligaturbehand¬ 
lung  der  — ,  von  Ehrich . 1926 

Hämorrhoiden  Operation  Endresultate  der 

v.  Langenbeckschen,  von  Talke  .  .  713 

Hämosporidien  derAlpenvögel,  von  Galli- 

Valerio . 377 

Hände,  Alkoholdesinfektion  der,  von 

Schaffer  29S,  bakteriologische  Prüfung 
desinfizierter  —  mit  Hilfe  des  Paul- 
Sarweyschen  Kastens,  von  Engels 
1893,  2096 

Händedesinfektion,  von  Lauenstein  1251, 

1281,  von  Ftith . •  .  .  1663 

Händedesinfektionsmittel,  Alkohol  und 
Sublamin  als,  von  Danielsohn  und 

Hess,  von  Fürbringer . 1587 

Händesterilisation  und  Wochenbetts¬ 
mortalität,  von  Krönig . 889 


5* 


XXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

Halbseitenlähmung,  Brown-Sequardsche, 
von  Schittenhelm  1892,  von  Fürnrohr  1892 
Hallux  varus,  von  Teiehmann  ....  934 

Halluzinationen  und  verwandte  Phäno¬ 
mene,  von  Brunton  1235,  bei  Kindern 
untertags  vorkommende  — ,  von  Ver- 

gely . 1766 

Haloidsalze ,  mikrochemische  Bestim¬ 
mung,  von  Schücking . 1060 

Halsdrüsen,  neuere  Operationsverfahren 

zur  Entfernung  von,  von  Stegmann  1439 
Halsrippe,  von  Unger  .  ......  467 

Halsrückenmark,  Stichverletzung  des  — , 

von  v.  Strümpell . \  2100 

Halssympathikus,  Resektion  des,  bei 

Struma  exophthalmica,  von  Balacescu  118 
Hand,  Bruch  des  Schiff-  oder  Kahnbeines 

der,  von  Kaufmann . 938 

Handapotheken  und  öffentliche  Kassen, 

von  Göbel  ....  . 1889 

Handbüchlein,  ärztliches,  für  hygienisch- 
diätetische  etc.  Verordnungen,  von 

Schlesinger . 1229 

Handbuch  der  gesamten  Augenheilkunde, 
von  Grafe-Saemisch  31,  847,  —  der 
Hautkrankheiten,  von  Mracek  244, 

—  der  pathogenen  Mikroorganismen, 
von  Kolle  und  Wassermann  1396, 

—  der  Massage  und  Heilgymnastik, 
von  Bum  1397,  — der  Therapie  innerer 
Krankheiten,  von  Penzoldt  1585;  — 
der  Schulhygiene,  von  Burgerstein 
und  Netolitzky  1586,  —  der  gericht¬ 
lichen  Psychiatrie,  von  Hoche  1711, 

—  der  vergleichenden  Entwicklungs¬ 
lehre,  von  Hertwig . 2154 

Handgelenk,  Madelungsche  Subluxation 

des,  von  de  Keyzer . 496 

Handlampe,  therapeutische,  von  Bang  534 
Harn  s.  a.  Urin,  Eiweiss,  Eiweisskörper, 

Melliturie. 

Harn,  Stukowenkows  Methode  der  quan¬ 
titativen  Quecksilberbestimmung  im, 
von  Bardach  246,  Albumengehalt  des 

—  der  Nephritiker  bei  Massage,  von 
Ekgren  419,  Nitro  -  Propioltabletten 
zum  Nachweis  von  Zucker  im  — , 
von  Jodlbauer  425,  osmotische  Ana¬ 
lyse  des  — ,  von  Steyrer  853,  Eiweiss¬ 
befunde  im  —  diphtheriekranker  Kin¬ 
der,  von  Langer  1152,  Nachweis  von 
Pentosen  im  — ,  von  v.  Alfthan  1273, 
gerinnungsalterierende  Eiweisskörper 
im  —  bei  Pneumonie,  von  Lochbihler 

1398,  Ausscheidungskurve  gerinnungs- 
alterierender  Ei  Weisssubstanzen  im  — 
bei  Pneumonie,  von  Kun  1511,  das 
sogen.  Nukleoalbumin  des  — ,  von 
Rostoski  1685,  Beeinflussung  der 
Azidität  des  —  durch  Rhodanverbin¬ 
dungen,  von  Hausmann  1806,  Nach¬ 
weis  und  Vorkommen  von  Glykogen 
im  — ,  von  Simon  1817,  Verteilung 
der  stickstoffhaltigen  Substanzen  im 

—  des  kranken  Mensbhen,  von 


v.  Jaksch .  2094 

Harnantiseptika,  von  Sachs  . 759 

1  Iarnabszesse,  Behandlung  der,  von  Ile- 

rescu  und  Stefanescu . 1018 

Harnblase  s.  a.  Blase,  Ectopia. 


Harnblase,  neues  V erfahren  zur  Bildung 
der,  und  Harnröhre,  von  Subbotin  72, 
primäres  Karzinom  der  — ,  von  Mau 
120,  Tj  ndurchlässigkeit  der  Wand  der 
,  von  Cohnheim  625,  bulböses 
Oedem  der  — ,  von  Lindenthal  .  .  1273 
Harnblasenbrüche,  von  Lossen  .  .  .  1926 

Harninfektion,  urethrogene,  von  Gold- 

ber£  •  ■  ; . 1059 

Harnkrankheiten,  Diagnostik  der,  von 

Posner . 413 

TIarnniederschlag, Fixierung  und  Färbung 
des  organisierten,  von  Liebmann  .  .  1768 
Ilarnorgane,  nervöse  Irradiationen  im 

Gebiete  der,  von  Hirt . 1649 

Harnröhre,  s.  a.  Spekulum,  Urethra. 


Seite 

Harnröhre,  Behandlung  derZerreissungen 
undVerengerungen  der,  von  Neck  498, 
primäres  Sarkom  der  weiblichen  — , 
von  Flatau  1073,  Verletzungen  und 


Verengerungen  der  — ,  von  Martens 
1229,  Infiltrate  und  Abszesse  der  — 
beim  Weibe,  von  Matzenauer  .  .  .  1929 
Harnröhrenfistel  u.  Krebs,  von  Lipmann- 

Wulf . 2098 

Harnsäure,  Verhältnisse  der  Löslichkeit 

der  — ,  von  Klemperer . 764 

Harnsäurebestimmung,  von  Berding  1 1 53, 

von  Rechemann . 1314 


Harnsediment,  Färbung  des,  mit  alizarin- 
sulfonsaurem  Natron,  von  Knapp  245, 
mikroskopische  und  mikrochemische 
Untersuchung  der  — ,  von  Ivratschmer 
und  Senft  622,  Konservieren  und 


Färben  von  mikroskopischen  Präpa¬ 
raten  der  — ,  von  Koz'owski  ....  1587 
Harnverhaltung,  postoperative,  und  deren 

Folgen,  von  Taussig . 1646 

Harnzylinder  in  klinisch -diagnostischer 

Beziehung,  von  Runeberg . 1437 

Hartparaffininjektionen,  Spritze  zu,  von 

Karewski . 1272 


Hasenscharte,  Operationsresultate  bei, 
und  AVolfsrachen,  von  Springer  1674,  1784 
Hausepidemie,  durch  Trinkwasser  her¬ 
vorgerufene,  von  Sion  und  Negel  .  1546 
Haut  s  a.  Atrophie,  Wasserdampfabgabe. 

Haut,  Pigmenthypertrophien  und  -Atro¬ 
phien  der,  in  Verbindung  mit  per¬ 
niziöser  Anämie,  von  v.  Decastello 
34,  Verkalkung  der  — .vonRiehl  164, 
Sarkome  der  — ,  von  Fendt  und  Iwa- 
noff  29<>,  Angioneurosen  der  — ,  von 
Török  297,  regressive  Veränderungen 
der  elastischen  Fasern  der  — ,  von 
Katsurada  714,  tuberkulöse  Erkran¬ 
kungen  der  —  und  ihre  Beziehungen 
zu  inneren  Organen,  von  v.  Petersen 
715,  Sensibilitätsstörungen  der  —  bei 
chirurg.Erkrankungen  innerer  Organe, 
von  Müller  723,  Neurofibromatose  der 
— ,  von  Schüle  939,  —  und  Sehnen¬ 
reflexe  der  unteren  Körperhälfte,  von 

Schoenborn . 1017 

Hautaffektionen,  Lichtbehandlung  von, 

von  Lesser .  71 

Hautaktinomykosis,  von  Kucera  .  .  .  672 

Hautatrophie,  von  Huber  296,  idiopa¬ 
thische  — ,  von  Bruhns . 1238 

Hautdesinfektion,  von  Bonhoff  ....  1894 

Hautgangrän,  multiple  trophoneuro- 
tische,  von  Müller  814,  spontane  — , 

von  Frankenburger . 2165 

Hautkrankheiten,  Handbuch  der,  von 
Mraqek  244,  Prophylaxe  der  — ,  von 
Schnabel  595,  Atlas  der  — ,  von 
Mraqek  1428,  Behandlung  der  — 
durch  Licht  und  Elektrizität,  von 


Freund  . 1554 

Hautkrebs,  von  Kaiser . 256 


Hautreflexe,  Untersuchung  und  diagnos¬ 
tische  Verwertung  der,  von  Böttiger 
206,  —  am  Fuss,  von  Sano  497,  — 
und  ihre  Nervenbahnen,  von  Munch 

Petersen . 1974 

Hautsyphilide,  tertiäre,  von  Neubeck  .  1238 
Hauttuberkulide,  von  Zollikofer  ....  624 
Hebammen,  Fortbildung  der  1871,  unsere 

-,  von  Angerer .  2054 

Hebammenlehrbuch,  Ergänzungsblatt 
zum  preussischen,  von  Ahlfeld  .  .  1398 
Hebammenlehrer,Vereinigung  deutscher, 

von  Rissmann  .  .....  .  1356' 

Hebammenreform,  ein  Wort  zur,  von 

Runge .  2095 

Hebammenstand,  Zukunft  des,  von  Ahl¬ 
feld  . 1515 

Hebammenwesen,  deutsches,  von  Schatz 

540,  Reform  des  — ,  von  Vogel  .  .  1063 
Hebotomie,  von  van  de  Velde  ....  1586 
Hedonal,  von  Fritsch  1112,  —  als  Schlaf¬ 
mittel,  von  Hepner .  75 

Höfe  s.  a.  Dauerhefe. 


Seite 

Hefe,  Reduktionswirkungen  der,  und 
des  Hefepresssaftes,  von  Hahn  f  95, 
pathogene  — ,  von  Sternberg  1192, 

—  als  Arzneimittel,  von  Paschkis 
1358,  Trockenpräparat  von  — ,  von 

Stecksin . 1769 

Hefeart,  neue  tierpathogene,  von  Cohn  1110 
Heilanstalten,  Statistik  über  1287,  Ge¬ 
werbesteuerpflicht  der  —  für  Nerven- 

und  Geisteskranke . 1322 

Heilgehilfen,  Lehrbuch  für,  von  Göschei 
114,  127,  Vorschriften  über  Prüfung 
und  Beaufsichtigung  der  — ,  Masseure, 

Krankenwärter  etc . 992 

Heilgymnastik,  vereinfachtes  Gerät  für 
manuelle,  von  Salaghi  71,  Lehrbuch 

der  — ,  von  Herz . 1925 

Heilmagnetiseur,  Behandlung  durch 

einen,  von  Biberfeld  .  .  .  ...  430 
lleilmetho  !e,  metaphysische  258,  Kurse 
der  physikalisch-diätetischen  —  und 
der  Balneotherapie  in  Baden-Baden 
1520,  Anpreisungen  von  —  und  Heil¬ 
mitteln  ausländischer  Personen  in 

Tagesblättern . 1988 

Heilmittel,  Ankündigung  von,  und  Heil¬ 
methoden  ....  1079 

Heilpersonen,  Meldepflicht  der  nicht 

approbierten . 1206 

Heilquellen  s.  a.  Quellen,  Thermalwässer. 
Heilquellen,  physikalisch-chemische  Be¬ 
schaffenheit  der,  von  Meyerhoffer  .  1672 
Heilserum  s.a.Tetanus, Tuberkuloseheils., 
Arteriosklerose, Diphtherieserum, Milz¬ 
brandserum,  Typhus. 

Heilserum  zurBekämpfung  derMorphium- 

vergiftung,  von  Hirschlaff  .....  1941 
Heilstätte  s.  a.  Tuberkulose,  Sanatorium, 
Lungenheilstätte. 

Heilstätte,  deutsche,  in  Davos  ....  647 

Heilstättenbehandlung,  Auswahl  der 
Lungenkranken  für  die,  von  Bandelier 
808,  Dauererfolge  der  —  Lungen¬ 
kranker,  von  Reiche  1369,  1447,  — 
der  Tuberkulose,  von  Meissen  .  .  .  1388 
Heilstättenbewegung  in  Oesterreich  .  .  597 
Heilstättenwesen  s.  a.  Zeitschrift. 
Heissluftbehandlung  s.  a.  Krankheiten, 
Lupus. 

Heissluftschwitzkasten,  von  Freund  .  .  1551 
Heisslufttherapie  in  der  Gynäkologie, 

von  Polano . 1586 

Ileisswasser-Alkohol -Desinfektion,  von 
Rielander  802,  Eindringen  des  Al¬ 
kohols  in  die  Haut  bei  — ,  von  Fett  1432 
Hemianaesthesie,  das  psychischeElement 

bei  der  hysterischen,  von  Bernheim  1976 
Hemiathetose ,  pathologische  Anatomie 

der,  von  Hänel . 326 

Hemiatrophia  facialis,  von  Rothmann  .  260 

Hemicephalie  nebst  Prosoposchisis,  von 

Joukovski . 1587 

Hemiplegia  alternans  superior,  von 
v.  Rad  388,  infantile  — ,  von  Mari- 
nesco  758,  Problem  der  — ,  von  Roth¬ 
mann  805,  Bahnungstherapie  der  — , 
von  Lazarus  812,  Behandlung  der  — , 

von  Treupel . .  1937,  2071 

Herba,  Ges.  m.  b.  H . 824 

Heredosyphilis  bei  Neugeborenen,  von 

Mahu  . 292 

Hermaphroditismus  s.  a.  Scheinzwitter, 
Hypospadie. 

Hermaphroditismus,  von  Hengge  .  .  .  974 

Ilermophenyl,  von  AVolff . 1941 

Hernie  s.  a.  Harnblasenbruch,  Bruch, 

Taxis,  Pyo  pneumotborax,  Leisten¬ 
bruch,  Kruralbruch,  Skrotalhernie, 
Fettbruch,  Lendenhernie,  Lumbal¬ 
hernie. 

Hernie,  accidentell-  traumatische,  von 
Haegier  537,  —  der  vorderen  Bauch¬ 
wand,  von  Riedel  583,  —  retroperi- 
toneatis  duodenojejunalis,  von  Bingel 
670,  Statistik  der  inkarzerierten  — , 
von  Rothe  712,  —  diaphragmatica, 
von  Clubbe  und  Gillies  808,  —  cru- 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS.  XXXVII 


Seite 

ralis  externa,  von  Lauenstein  898, 
traumatische  — ,  von  Renner  889, 

—  obturatoria  mit  dem  Ovarium  als 
Inhalt,  von  Lickley  979,  —  ventralis 
lat.  congenita,  von  Steinhardt  1164, 
intraabdominale  — ,  von  Funkenstein 
1662,  —  inguinalis  superficialis,  von 
Göbell  1662,  —  traumatica  sacralis, 
von  Tietze  1668,  822  in  der  Prager 
Klinik  operierte  — ,  von  Hilgenreiner 
1776,  —  bursae  omentalis  non  epi- 
ploica  incarcerata,  von  Hilgenreiner 


2068,  Behandlung  von  —  mit  Ilart- 
paraffininjektion,  von  Eckstein  .  .  .  2160 
Herniotomie  bei  kleinen  Kindern,  von 

Klaussner . 2160 

Heroin,  von  Grinewitsch  775,  —  als 
Anaphrodisiacum,  von  Strauss  1494, 

—  soll  blutdruckerniedrigend  wirken, 
von  Zanaldi . 1517 


Herpes  laryngis  (menstrualis)  von  Bett¬ 
mann  1545,  1548,  rezidivierender  — 
der  männlichen  Harnröhre,  von  Bett¬ 
mann  692,  pathologische  Anatomie 
des  —  zoster,  von  Kopytowski  328, 
—  zoster  mit  Muskelatrophie,  von 


Magnus  1436,  Therapie  des  —  zoster, 
von  Ströll  1991,  Pathogenie  des  — 
.zoster,  von  Dona . 2019 


Herz  s.  a.  Atrioventrikularklappen,  Di¬ 
stanzgeräusch,  Defekt,  Mastfettherz, 
Säugetierherz,  Zuckergussherz,  Wan¬ 
derherz,  Brust,  Botalli  ductus.  Anti¬ 
arin. 

Herz,  von  Mosse  893,  angeborene  Miss¬ 
bildung  des  — ,  von  Meinertz  154, 
orthodiagraphische  Untersuchungen 
am  — ,  von  Moritz  1,  176,  193,  von 
Levy-Dorn  176,  von  Karfunkel  193, 
Stichverletzung  des  — ,  von  Hauser 
500,  Schussverletzung  des  — ,  von 
Riethus  550,  von  Trendelenburg  627, 
Aktinomykose  des  -  ,  von  v.  Sclrrötter 
764,  akute  Erweiterung  des  normalen 
— ,  von  Hoffmann  766,  Blutdruck  bei 
akuter  Ueberanstrengung  des  — ,  von 
Schott  814,  Blosslegung  des  verletzten 
— ,  von  Lorenz  934,  Leistungsfähig¬ 
keit  des  — ,  von  Galli  953,  —  und 
chronische  Lungenleiden,  in  ihren 
Wechselbeziehungen,  von  Burwinkel 
1112,  Semiotik  des  — ,  von  Villani 
1517,  abnorme  Sehnenfäden  des  — , 

von  Rössle . 1806 

Herzaneurysma,  ausgedehnteV  erkalkung 
der  Wandung  eines  partiellen,  von 
v.  Pessl  956,  basales  — ,  von  Comi- 

notti . .  .  1065 

Herzarhythmie,  von  Lommel  ....  1229 

Herzbeutel,  angeborener  Mangel  des,  von 

Saxer . 858 

Herzchirurgie,  von  Ricketts . 1935 

Herzdiagnostik,  funktionelle,  und  Herz¬ 
therapie,  von  Smith . 1270 

Herzerkrankungen,  traumatische,  von 
Ercklentz  245,  —  durch  tropische 

Einflüsse,  von  Schellmann . 1934 

Herzerweiterung,  akute,  durch  Ueberan¬ 
strengung,  von  Weigel  . 945 

Herzfehler,  familiäres  Vorkommen  von 
angeborenen,  von  De  la  Camp  1156, 

1157,  1287,  angeborene  — ,  von  Starck 
1683,  fötaler  — ,  von  IToehne  .  .  .  1684 
Herzfleisch  s.  u.  Fett. 

Herzgrenzen,  aktinoskopische  Methode 
zur  exakten  Bestimmung  der,  von 
Grunmach  und  Wiedemann  ....  1473 
Herzhemmende  Fasern,  von  Schaterni- 


koff  und  Friedenthal . 1020 

Herzhypertrophie  bei  Nierenkrankheiten, 

von  Senator . 1936 

Herzjagen,  akutes,  von  Singer  ....  1722 
Herzinsuffizienz,  akute,  als  Unfallfolge, 

von  Jorns  .  .  .  926 

Herzklappen-  und  Aorten-Zerreissung, 

traumatische,  von  Schmidt . 1565 

Herzklappenfehler,  gleichzeitiges  Vor¬ 
kommen  von,  und  Lungenschwind- 


Seite 

sucht,  von  Meisenburg  1625,  trauma¬ 
tische  Entstehung  eines  — ,  von  Jessen  1985 
Herzklappenverletzungen  durch  Ueber¬ 
anstrengung,  von  Bourquin  und  de 

Quervain . 1770 

Herzkranke,  Behandlung  von,  mit  Kreuz- 
nacher  Bädern,  von  Boehr  976,  Pleura¬ 


ergüsse  bei  — ,  von  Esser  ....  .  1830 
Herzkrankheiten,  Mechanotherapie  chro¬ 
nischer,  von  Lewinsohn . 1722 

Herzleidende,  Soden  als  Kurort  für,  von 

Rothschild . 982 

Herzmuskel.  Struktur  des  menschlichen, 

von  Heidenhain  . . 1019 

Herznaht,  von  Schwerin . 982 

Herzschwäche  bei  Mitralfehlern,  von 

Stein . 1436 

Herzthätigkeit,  durch  künstliche  Atmung 

unterhaltene,  von  Redfern  u.  Newby  378 
Herztod  infolge  von  Diphtherietoxin,  von 

v.  Stejskal . 245 

Herzumriss,  Bestimmung  des,  nach  Moritz, 

von  Handwerck . 230 

Herzventrikel,  Punktion  des  rechten,  von 

Begouin . 1980 

Heterochylie,  von  Korn . 1108 


Hetol  s.  a.  tuberkulöse  Erkrankungen. 

Hetol,  Behandlung  der  Lungen-  u.  Kehl¬ 
kopftuberkulose  mit,  von  Krause  .  1808 
Heilbehandlung  in  der  allgemeinen  ärzt¬ 


lichen  Praxis,  von  Katzenstein  .  .  1390 
Heufieber  in  Italien  342,  das  — ,  von 

Thost  .  . . 689 

Hildegardis  Stae  causae  et  curae,  von 

Richter . 1899 

Hilfe,  Kosten  der  ersten . 908 

Hilfloser,  Pflege . 909 


Hilfsärzte  der  Wiener  Krankenanstalten  1821 
Hilfskassengesetz,  Stellungnahme  zum  2168 
Hinken  s.  a.  Claudikation. 

Hinken,  intermittierendes,  von  Saenger  121 
Hinterseitenstrangerkrankung,  dissemi- 

nierte,  von  Bickeles . 326 

Hirn  s.  a.  Medulla,  Gehirn. 

Hirnblutungen,  Gefässveränderungen  bei 

miliaren,  von  Weber . 374 

Hirndruck,  Rückenmarksveränderungen 

bei,  von  Finkelnburg . 1017 

Plirnerschütterung,  von  Page  ....  1235 
Hirnhaut,  Veränderungen  der  weichen, 
bei  Infektionskrankheiten,  von  Sa- 
wada  155,  Krankheiten  der  - —  und 
die  Hydrokephalie,  von  Schultze  .  1584 
Hirnhöhlenhörner,  von  Sauerbeck  .  .  327 

Hirnkapillaren, Verkalkung  von,  vonHöhl  256 
Hirnkompression,  Einfluss  der,  auf  den 

intrakraniellen  Kreislauf,  von  Cushing  1062 
Hirnrinde,  Erregbarkeit  der  Extremitäten¬ 
region  der,  nach  Ausschaltung  cerebro¬ 
spinaler  Bahnen,  von  Rothmann  31, 
Lokalisation  in  der  motorischen  — , 
von  Sherrington  und  Grunbaum  379, 
Gliederung  der  — ,  von  Tschermak  .  1518 
Hirnsklerose  und  Herderscheinung,  von 

Gussenbauer . 1628 

Hirnsubstanz,  Heterotopie  grauer,  von 

Tedeschi . . 1626 

Hirnsyphilis,  basale,  von  Riegel  .  .  .  2104 
Hirntumoren,  von  Minkowrski  730,  von 
Alsberg  u.  Embden  816,  von  Bartels 
940,  operativ  geheilter — ,  vonVölcker 
42,  Stauungspapille  bei  — ,  von  Elsch- 
nig  156,  operative  — ,  von  v.  Berg¬ 
mann  456,  Stereogramme  von  — ,  von 
Sommer  982,  Operation  eines  — ,  von 

Krecke . 1484 

Hirnverletzungen  durch  stumpfe  Gewalt, 

von  Tilmann . 582 

Histogenese  des  arteriellen  Ganges,  von 

Roeder . 247 

Hitzschlag  auf  Märschen,  von  Hiller  .  1805 
Hoden  s.  a.  Orchidopexie,  Leistenhoden. 
Hoden,  extraseröse  Transposition  des, 
von  Longuet  76,  konservative  Opera¬ 
tion  am  — ,  von  Rasumowsky  325, 
tuberkulöser  — ,  von  Holper  731,  Wert 
des  retinierten  — ,  von  Mc  Adam 
Eccles  1553,  Therapie  der  Erkran¬ 
kungen  der  —  und  deren  Adnexe,  von 


Seite 

Zabludowski  1776,  Cyste  des  — ,  von 

Pye-Smith . 1852 

Hodenadenom,  von  Hüguenin  ....  936 

Hodenerkrankungen,  seltene,  von  Derlin  1714 
Hodentuberkulose,  konservative  Behand¬ 
lung  der,  von  Calot  . 1980 

Hören,  Mechanik  des,  und  ihre  Störungen, 

von  Zimmermann .  1585,  2080 

Hörprüfung  Aphasischer,  von  Treitel  .  375 
Hörprüfungsresultate  von  Ostmann  .  .  1023 
Hörübungen,  Wert  der,  von  Treitel  .  .  2098 
Hofbrückl,  Dr.  .  .46,47,86,87,127,216,  512 
Höhenkrankheit  und  Luftballon,  von  v. 

Schrötter  . 1276 

Hohenheim  s.  a.  Paracelsus 
Hohenheim,  Theophrast  von,  Syphilis¬ 
schriften,  von  Sudhoff . 1899 

Homöopathen,  Dispensierbefugnis  der  .  1407 
Homöopathie,  Stellung  der,  zur  heutigen 
Schulmedizin,  von  Kunkel  484,  Lehr¬ 
stuhl  für  —  in  Bayern  1127,  1319, 

1406,  von  Mayer . 2152 

Honorarfrage  für  Sachverständige  und 

Gutachten . 1124 

Honthin  als  Antidiarrhoicum,  von  Tischer 

und  Beddies  .  289 

Hornhautepithel,  Ablösung  des,  von 

Menzies . 1593 

Hornhautgeschwür,  hinteres,  von  Klein  495 
Hornhautkegel,  Operation  gegen,  von 

Hirschberg . 888 

Hospitalbrand, Aetiologie  des,  vonMatzen- 

auer . 329 

Hospitaldiphtherieepidemie,  Verlauf  u. 

Ursache  einer,  von  Cuno  ....  1849 
Hüfte,  spontane  Subluxation  der,  von 

Deutschländer  . 897 

Hüftgelenksentzündung  s.  a.  Coxitis. 

Hüft-  und  Kniegelenkserkrankungen,  Be¬ 
handlung  der  tuberkulösen,  von 

Blencke . 640 

Hüftgelenke,  Funktionsverbesserung  de¬ 
fekter,  von  Lorenz  767,  angeborene 
Verrenkungen  des  — ,  von  Joachimsthal 
815,  blutige  Reposition  bei  den  irreduk- 
tibeln  Luxationen  des  — ,  von  Gayet  1976 
Hüftgelenksluxation  s.  a.  Luxation. 
Hüftgelenksluxation,  angeborene  doppel¬ 
seitige,  von  Deutschländer  501,  Ein¬ 
renkung  der  angeborenen  — ,  von 
Riedinger  1074,  kongenitale  — ,  von 
Springer  2029,  Pathogenese  und  The¬ 
rapie  der  angeborenen  — ,  von  Ludloff  2094 
Hüftgelenkspfannenbrücbe,vonGraessnerl663 
Hüftluxation,  operativ  geheilte  kongeni¬ 
tale,  von  Jordan  210,  inkomplete  — , 
von  Engels  466,  Beckengürtel  zur 
Nachbehandlung  der  — ,  von  Schede 
766,  Dauerresultate  bei  der  Behand¬ 
lung  der  angeborenen  — ,  von  Dreh¬ 
mann  767,  unblutige  Behandlung  der 
angeborenen  — ,  von  Redard  934,  an- 
^geborene  — ,  von  Heusner  ....  2158 
Llüftverrenkung,  Subluxationen  bei  der 
angeborenen,  von  Walther  566,  Ein¬ 
richtung  der  hintern  — ,  von  Vilandt  1435 
Hühneraugen,  Behandlung  der,  von 

Freeland . 205 

Humanitas,  von  Salburg . 372 

Humerusfrakturen,  Papptriangelverband 

für,  von  Heller  . 1443 

Hundswut  s.  a.  Lyssa. 

Hundswut,  Nachweis  von  Schutzstoffen 

gegen,  von  Kraus  und  Kreissl  .  .  .  2059 
Hungerbrote,  russische,  von  Erismann  .  536 

Hutchinsonsche  Zähne,  von  Fischl  .  .  1445 
IPydramnion,  akutes,  bei  eineiigen 

Drillingen,  von  v.  Breitenberg  .  .  .  1514 
Hydrargyrum  ozycyanatum  in  der  uro- 

logischen  Praxis,  von  Asch  ,  .  .  /.  2160 
Hydrencephalocele  occipitalis,  von  Fried¬ 
rich  . 1403 

Hydroa  gestationis,  von  Holmes  und 

Bulloch  ....  541 

ITvdrocele,  Rezidiv  nach  Radikaloperation 
der,  von  Gückel  288,  —  bilocularis, 

von  Fuchs  ...  291 

Hydrocelenoperation,  Winkelmannsclie, 

von  Mintz . 888 


XXXVJI1 


INH  A  LT  S- VE  R  Z  E I CIINIS. 


1902. 


Hydrokephalie ,  postoperative ,  von 

Muscatello . 

Hydrokephalus,  Heilung  des,  von  Immer- 
wohl33,erworbener — ,vonKaravassilis 
Hydromelie,  symptomlose,  im  Kindes¬ 
alter,  von  Utchida . 

Hydronephrocystoneostomie,  von  Snegui- 

reff . 

Hydronephrose.  intermittierende,  von 
Hildebrand  721,  von  Michalski  1927, 

von  Rosenthal  . 

Hydrops  s.  a.  Oedem. 

Hydrops,  Technik  der  mechanischen  Be¬ 
handlung  des,  von  Citron  1114, 
operativeBehandlung  des  —  Anasarka, 

von  Trzebinski  . . 

Hydrorrhoea  gravidarum,  von  Müller  124, 
Aetiologie  der  —  gravidarum,  von 

Fleck . 

Hydrosalpinx,  experimentelle,  von  Fiori 
Hydrotherapie ,  wissenschaftliche,  und 
Wasserkuren,  von  v.  Vogl  94,  140, 
166,  praktische  — ,  von  Duval,  Weiner 

und  Matt . 

Hygiene  s.  a.  Schulhygiene,  Archiv  für 
Hygiene,  Zeitschrift  für  Hygiene. 
Hygiene,  was  ist  soziale  —  und  wie  soll 
sie  getrieben  werden  ?  von  Ascher 
1626,  wissenschaftliche  u.  praktische 
— ,  von  Frankel  ...  .... 

Hygienisches  Institut  in  Wien  .... 
Hygroma  colli  congenitum, vonSchmieden 
Hymencysten,  Entstehung  der,  von 

Ziegenspeck  . 

Hyoscin  s.  u.  Skopolamin. 

Hypaesthesia  acustica  hvsterica,  von 

Hammers  chlag . 

Ilypalgesie  bei  einem  Degenerierten,  von 

Stransky . .  . 

Hyperazidität,  von  Illoway . 

Hyperglobulie,  von  Colla . 

Ilyperidrosis,  allgemeine,  von  Amenta  . 
Hyperkeratosis  lacunaris  pharyngis,  von 

Arnsperger  . 

Hyperthermie,  nervöse,  von  Strasser 
Hypnopyrin,  vonBolognesi  u.  Charpentier 

Hypnose,  Heilwert  der . 

Hynotische  Schaustellungen  .  .  2064, 
Hypochondrie,  von  Räcke  1715,  von 

Troemner . 

ITypodermoklyse,  Apparat  für,  u.  endo- 
venöse  Injektionen,  von  Oliva  .  .  . 
Hypophysis,  Exstirpation  der,  cerebri, 

von  Friedmann . . 

Hyoscinium  bromhydricum  bei  Zitter¬ 
bewegungen,  von  Robin . 

Hypospadie,  Vererbung  von,  u.  Schein- 
zwittertum,  von  Neugebauer  .  .  .  . 
Hysterektomie,  von  Sutton  541,  —  bei 
Fibromen,  von  Spencer  1555,  —  in  der 
Behandlung  der  puerperalen  Infek¬ 
tion,  von  Fehling,  Leopold,  Treub, 
Tuffier  1816,  Rektovaginalfisteln  nach 
— ,  von  Delbet  1897,  600  Fälle  von 

— ,  von  Nigrisoli . .  .  .  . 

Hysterie  s.  a.  Stottern,  Tetanie,  Skoliose, 
Taubheit,  Rachenreflex,  Tympanitis, 
Epilepsie,  Simulation. 

Hysterie,  von  Sittmann  387,  423,  körper¬ 
liche  und  psychische  Störungen  bei 
— ,  von  Tesdorpf  60,  Beginn  der  — , 
im  höheren  Alter,  von  Acliard  84, 
Differentialdiagnose  der  —  und  Kata¬ 
tonie,  von  Kaiser  327,  936,  Haltungs¬ 
anomalie  bei  — ,  von  Riedinger  571, 

—  u.  Malaria,  von  Boinet  588,  spinale 
Reflexe  in  der  — ,  von  Steiner  1259, 

—  nach  unerheblichen  Verletzungen, 

von  Kornfeld  1277,  —  nach  Trauma, 
von  Meyer . 

Hysteroepilepsie,  Obduktionsbefund  bei, 

von  Steffen . 

llvsterokataphraxis,  von  Catterina  .  . 


Seite 

1430 

588 

975 

1271 

€098 


1713 


1514 

1316 


323 


1719 

172 

1469 

1714 


931 

1989 

1108 

1205 

1810 

351 

806 

1364 

864 

2108 

1986 

1847 

850 


974 


1357  | 

586 

1152 


Sk.:tC 

I. 

Jahr,  praktisches,  735,  —  Schluss  des 

scholastischen . 1165 

Jahre,  aus  den  letzten  40,  von  Erb  .  .  492 
Jahrbuch  für  Kinderheilkunde  417,  935, 

1152,  1515,  1927,  2058,  klinisches  — 

416,  1014,  1662,  1973,  —  der  prakti¬ 
schen  Medizin,  von  Schwalbe  .  .  1544 
Jahresbericht,  11.,  der  Kehr-Rohdin- 
schen  Privatklinik  in  Halberstadt  534, 

—  über  die  Chirurg.  Abteilung  u.  die 
Chirurg.  Poliklinik  zuBasel,  von  Hilde¬ 
brand  582,  32.  —  über  das  Medizinal¬ 
wesen  im  Königreich  Sachsen  1900 
455,  —  über  die  Fortschritte  in  der 
Lehre  von  den  pathogenen  Mikro¬ 
organismen,  von  v.  Baumgarten  und 


Tangl  1058,  2057,  —  der  Heilstätte 
Belzig,  von  Möller  1060,  Virchow- 

scher  — . 2170 

Jahresversammlung  der  Belgischen  Ge¬ 
sellschaft  für  Chirurgie . 1520 

.Tarisch  f,  von  Köhner . 709 

Ichthargan,  von  Saalfeld,  von  Goldberg  775 
Ichthyosis  congenita,  von  Riecke  .  .  .  329 

Idiosynkrasie  gegen  Folia  uv.  ursi,  von 

Meyers . 1767 

Idioten  mit  Missbildungen,  von  Kellner  1820 
Idiotie,  infantile,  von  Fürstner  83,  Tay- 
Sachssche  amaurotische  — ,  von 

Schaffer . 806 

Idiotische  Kinder,  Körperlänge  und 

Körpergewicht  bei,  von  Sklarek  .  .  375 

Jejunostomie,  von  v.  Cackovic  32,  — 

von  Moynihan . 1360 

Jejunum,  Fistel  im,  von  Church  .  .  .  1851 
Jequiritol,  von  De  Lapersonne  ....  497 
Jequiritoltherapie,  von  Hummelsheim  .  891 

Ikterus  s.  a.  Obstruktionsikterus. 

Ikterus,  Epidemie  von  katarrhalischem, 


von  Peik  379,  —  im  Säuglingsalter, 
von  Skormin  1515,  Frühdiagnose  des 
— ,  von  Hamei  1664,  von  Bourna  2060, 
Aetiologie  des  wiederkehrenden  — 

graviditatis,  von  Schaeffer . 1847 

Ileocökalklappe,  Insuffizienz  der,  von 
Herz  340,  Anatomie  der  — ,  von  Kraus 
850,  retrograde  Durchgängigkeit  der 

— ,  von  Chassel . 1275 

Ileum,  Kanalisationsstörung  des  unteren, 

von  Polla . 155 

Ileus  durch  Embolie  der  Art.  mesent. 
sup.,  von  Borsczeky  116,  —  u.  Me¬ 
teorismus  bei  Darmkarzimom ,  von 
Anschütz  722,  —  bedingt  durch  Vol- 
vulus,  von  Bucker  1430,  experimen¬ 
telle  Untersuchungen  über  — ,  von 

Clairmont  und  Ranzi . 1776 

Iliaca,  Unterbindung  der,  interna,  von 

Page . • . 1632 

Immunisierung  mit  Imraunsubstanzen, 
von  Kraus  u.  Eisenberg  459,  —  gegen 
Eiweiss,  von  Hamburger  1929,  —  mit 
Dixjhtheriebazillen,  von  Lipstein  .  .  1975 
Immunisierungsversuche  mit  dem  Kraus- 
schenBazillusderKaninclieninfluenza, 

von  Jacobitz . 1545 

Immunität  s.  a.  Nukleasen,  Zellgifte. 
Immunität  von  Salamandra  maculata 
gegen  Arsen,  von  Harnack  1313, 
Lehre  von  der  — ,  von  Sobernheim 
1439,  —  und  Ehrlichs  Theorie,  von 


Cahn .  2020 

Immunitätsforschung,  von  Silberschmidt  938 
Immunsera,  Wirkung  bakterizider,  von 

Wechsberg  587,  1275,  von  Gruber  .  672 
Tmpetigo  herpetiformis,  von  Gunzett  .  330 

Impfdebatte . 430 

Impfgesetzgebung,  englische,  von  Oppe  1103, 

1114 

Impfgranulome,  von  Näther .  78 

Impftechnik,  von  Flachs . 1864 

Impftuberkulose  s.  a.  Fleischnahrung. 
Impftuberkulose  eines  Schlachthaus¬ 
arbeiters,  von  Krause  .  .  .  ....  1035 


Seite 


Impfung  s.  a.  Vaccination,  Blattern, 
Pocken,  Schul  zpockenimpfung. 
Impfung,  ein  Jahrhundert  der,  von 
Edwardes  1630,  Komplikationen  der — 
von  Oolcott  Fox  1630,  —  in  England, 

von  Llope  .  .  .  . ' . 

Inauguraldissertationen  77,  119,  254,  297, 
380,  420,  462,  762,  810,  852,  1022, 
1067,  1235,  1437,  1478,  1518,  1546, 
1588,  1717,  1771,  1813,  1930,  1980, 

2060,  2098 . 

Index-Catalogue  of  the  Library  of  the 

Surgeon  Generals  Office . 

Indikanurie,  von  Prutz . 

Indoxylurie,  von  Rosenfeld . 

Infantilismus,  von  Müllerheim  .  .  . 
Infektion  und  Autoinfektion,  von  Was 
sermann  377,  —  vom  unverletzten 
Bindehautsack  aus,  von  Iiirota  494, 

—  durch  kutaneImpfung,vonFritsche 

757,  —  und  Glykogenreaktion  der 
Leukocyten,  von  Kammer . 

Infektionskrankheiten  s.  a.  Kollaps. 
Infektionskrankheiten,  Institut  für,  343, 
Therapie  der  - — ,  von  Gerhardt  535, 
Entstehung  der  — ,  von  Lydston  1066, 
experimentelle  Diagnostik,  Serum¬ 
therapie  und  Prophylaxe  der  — ,  von 
Marx  1228,  Diagnostik  und  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Schmitt  1543,  neue 

—  bei  Plaustieren,  von  Anjeszky 
Infektionsstoffe,  unbekannte,  von  Jocst 

Initiator,  von  Sclioemaker . 

Influenza  in  chirurgischer  Beziehung, 

von  Perez  1150,  1430,  Pathologie  und 
Therapie  der  — ,  von  Steckl  .... 
Influenzakonjunktivitis  bei  Säuglingen, 

von  .Tundell . 

Influenzabazillus,  Widerstand  des,  gegen 
physische  und  chemische  Mittel,  von 
Onorato  1110,  Biologie  der  — ,  von 
Ghon  und  Preyss  1356,  von  Cantani 
Infusion  durch  die  Nabelvene,  von 

Schücking . 

Infusorien  in  Magen  und  Darmkanal 
des  Alensehen,  von  Cohnheim  893, 
Inhalationsmilzbrand,  von  Risel  .  . 
Inhalationstherapie,  moderne,  von  Ro¬ 
binson  . 

Inhalatorien,  kann  in,  eine  grössere 
Menge  der  zerstäubten  Flüssigkeit  in 
die  Lunge  gelangen?  von  Emmerich 
Injektionen  s.  a.  Aetzsublimat. 
Injektionen,  Unschädlichkeit  der  epi¬ 
duralen  —  im  Kindesalter,  vonCathelin 
Injektionsspritze  2030,  selbstwirkende  — , 
von  Spiegel  587,  zerlegbare  —  zum 
stirilisieren,  von  Helmbold  .  .  .  . 
Inkarzerationen,  retrograde,  von  v.  Wis- 

tinghausen . 

Inselbad  . 

Insolationspsychosen,  akute,  von  Donath 
Institut,  patholog.-anat.,  in  Leipzig  263, 

—  für  Infektionskrankheiten  343,  — 

für  elektromagnetische  Therapie  1029, 
von  Löwenfeld  1080.  1248  . 

Institut  Pasteur . . 

Instrument  zum  Nähen  in  Hohlräumen, 

von  Frommer  ....  . 

Instrumentarium,  neues,  für  Morphium- 
und  Kampherinjektionen,  vonKuster- 

mann . 

Intentionskrampf  der  Sprache  (Aphthon- 
gie),  von  Steinertl  1 32,1 349,  von  Becker 

Intestinalsand,  von  Ransom . 

Intoxikationen,  Allantoinausscheidung 

bei,  von  Pohl . 

Intrauterinspritze  mit  Sprayvorrichtung, 

von  Fischer . 

Intubation,  perorale,  von  Kuhn  72,  — 
des  Larynx,  von  Goodall  979,  —  ohne 
dauernde  Ueberwachung  der  Patien¬ 
ten,  von  Bezy  und  Escat . 

Intubationsgeschwür  und  seine  Folgen, 

von  Galatti . 

Intubationstechnik,  von  Engelmann  .  . 


1591 


2163 

911 

720 

1723 

1726 


763 


1627 

671 

974 


1818 

2155 

1975 

1016 

947 

2102 

38 

1610 

1475 

2167 

1512 

304 

1276 


1288 

1406 

1154 


927 

1265 

807 

1817 

33 


1813 

1270 

1276 


1902 


INHALTS-VERZEICHNIS 


XXXIX 


Invagination,  von  v. 
Invalidenheime  für 
Gebhard  .  . 


Eiseisberg  .... 
Tuberkulöse,  von 


Invalidenversicherungsgesetz 


Seite 

1770 

1857 


und 


Arzt, 

.  144, 


109 


1932 

12U5 


404 

1273 


von  Martius . 

Jod  s.  a.  Tetramethyljodid. 

Jod,  Gefässwirkung  des,  von  Thaussig 
1276,  Geschichte  des  — ,  von  Richter 
Jodäthyl  bei  Keuchhusten,  von  Amat  . 
Jodalkalien  s.  a.  Blut. 

Jodipin,  von  Rille,  von  Lucibelli  303, 

—  bei  Aktinomykose,  von  Kreibich 
□rira,  Heilwert  des  — ,  von  Fischei  290, 

—  und  seine  diagnostische  Anwen- 
&  düng,  vonWinternitz  ...  .  . 
Jodkalium,  Zersetzung  des,  durch  Nitrite, 

von  Stepanow . 

Jodmilch,  von  Flamini . .  1195 

Jodoien,  von  Jordan  86,  von  Sommerfeld  296 
Jodothyrin,  klinische  Erfahrungen  mit, 

von  Roos . ’  10Q7 

Jodreaktion  in  Leukocyten,  von  Kammer  84 

Jodylin,  von  Israel . 1991 

Jodyloform  zur  Behandlung  des  vene¬ 
rischen  Geschwürs,  von  Müller  .  .  .  889 
Ionen,  antitoxische  Wirkung  der,  von 

Loeb . 253 

Journal,  kleines  für  Hygiene  ....  2183 
Ipecacuanhae  radix  und  ihre  Alkaloide, 
von  Kobert  1027,  —  bei  Ruhr,  von 

Strasburger . I493 

Iris-  und  Hornhauttuberkulose,  Behand¬ 
lung  der,  durch  Luftinjektionen,  von 

Koster . 892 

Iriskolobom,  von  Neuburger  .  .  .  .  1163 

Irrenärzte,  Jahresversammlung  der,  047, 

33.  Versammlung  des  Vereins  der 

süddeutschen  — . .  1559,  1824 

Irrenanstalten  558,  Bau  tropischer  — , 

von  van  Brero . 937 

Irrenbehandlung,  Geschichte  der,  im  18. 

Jahrhundert,  von  Mönkemöller  .  .  . 
Irrenpflege  während  der  Nacht,  von  Keay 
Irresein,  Ehescheidung  bei  induziertem, 
l^von  Kalmus  374,  zirkuläres  —  bei 
einem  Kinde,  von  van  Brevo  375, 
puerperales  -  ,  von  Jones  978,  post- 
f  operatives  — ,  von  Pilcz  1546,  Neu¬ 
rosen  und  — ,  von  Allbutt  1592,  Sy¬ 
philis  und  — ,  von  Mott  . 

Ischialgie,  Meralgie  und  Plattfass,  von  Pal 
Ischias,  von  Küster  982,  Behandlung 
der  — ,  von  Hölscher  110,  Vorschlag 
zur  operativen  Behandlung  der  — , 
von  v.  Baracz  410,  Hydrotherapie 
bei  — ,  von  Brieger  421,  chirurgische 
Behandlung  der  -  ,  von  Halley  80, 
Kernigsches  Symptom  bei  — ,  von 

Magri  . 

Ischiasbehandlung,  von  Brieger  .  . 
Isodynamiegesetz,  von  Rubner  232,  797, 
von  Voit  233,  797,  von  v.  Hoesslin 
Juckausschläge  im  Kindesalter,  von 

Siebert  . . 1137 

Juliusspital  in  Würzburg . 512,  040 

Juno  Lucina,  die  Kunst  der,  in  Rom, 

von  Curatulo . 1889 

Izal,  von  Tunniclife . 542 

Izalol  als  Darmantiseptikum,  von  Gordon  977 


llOö 

38 


1592 

74 


1979 

804 

795 


K 

Kälte,  Wirkung  der,  von  Zoege  v.  Man- 
teuffel  201,  Apparat  zur  Applikation 
lokaler  — ,  von  Strognowski  ...  .2180 
Kaffee  s.  a.  Thee. 

Kaffeeöl  und  die  physiologische  Wirkung 
des  darin  enthaltenen  Furfuralkohols, 

von  Erdmann . 1848 

Kasein,  Fällung  des,  durch  Lab  und 
Laktoserum,  von  Müller  .  .  .  1908,  1928 

Kaiserschnitt  s.  a.  Eklampsie,  Sectio 
caesarea. 

Kaiserschnitt,  von  Kerr  1361,  konserva¬ 
tiver  — ,  von  Jung  207,  —  bei 

Eklampsie,  von  Jahreiss  1515,  mo¬ 
derne  Indikation  zum  — ,  von  Galabin 


Seite 

1555,  —  in  Finnland,  von  Heinricius 
1 1 14,  vaginaler  —  bei  Portiokarzinom, 
von  Kallmorgen  2057,  von  Webe’-  .  2057 
Kakodylpräparate,  relative  Unwirksam¬ 
keit  der,  von  I  raser . .  .  1234 

Kakodylsaures  Natron,  von  Mendel  .  .  1247 

Kakodyl  Säurebehandlung . 1407 

Kakodylverbindungen,  therapeutische 
%  Anwendung  der,  besonders  bei 
Lungentuberkulose,  von  Kock  .  .  .  1769 
Kalender  s.  a.  Taschenkalender. 

Kalender,  ärztliche  86,  250,  für  das  Jahr 

1903  1685,  2185 

Kali  chloricum,  Vergiftung  mit,  von 

Schwarz . 2104 

Kalomel  in  der  Kinderheilkunde,  von 
Schoen-Laduiewski  .  .  .....  1515 

Kalomelinjektionen,  Veränderungen  im 
Muskel  nach,  von  Allgeyer  ....  329 
Kalzifikalion,  multiple  disseminierte,  von 

Liebscher  .  . . 889 

Kalzium,  blutstillende  Wirkung  des,  und 

der  Kalksalze,  von  Silvestri  .  .  .  .1316 

Kaninchenseuche,  von  Volk . 459 

Kankroid,  Pyoktaninbehandlung  eines, 

von  AVeill . 300 

Ivankroin  s.  a.  Krebsheilung. 

Kankroin,  Heilung  von  Oesophagus¬ 
karzinom  durch,  von  Adamkiewicz 
85 1,  Frfolge  des  —  von  Adamkiewicz 
1064,  —  Adamkiewicz,  von  Nothnagel, 
von  Eiseisberg,  Poten,  Schultz- 
Schultzenstein  1273,  von  Decker  .  .2147 


Kaposi  f,  von  Finger . 7(]8 

Kapselbakterien,  von  Claiimont  ....  155 

Karbolgangrän,  von  Zanardi . 158 

Karbollysoform,  von  Elsner . 1315 


Karbolsäure  in  der  Chirurgie,  von  Powell  1000 
Karbolsäure  Vergiftung,  akute,  von  Jamin  2164 
Kardiolysis,  Erfolge  der,  von  Brauer  .  1732 
Kardiospasmus,  chirurgische  Bel  andlung 


des,  von  Groth . 44g 

Karotiden,  temporäre  Abklemmung  der, 

von  Crile .  .  .1156 


Kartoffelkur  bei  Diabetes,  von  Mosse 

212,  427,  1766 

Karzinom  s.  a.  Angiom,  Cancer,  Duode¬ 
num,  Gallengang,  Gallenwege,  Gastro¬ 
stomie,  Harnblase,  Kankroin,  Klitoris, 
Krebs,  Leber,  Magen,  Oesophagus, 
Uterus,  Uteruskörper,  Brustkrebs, 
Darmkarz.,  Dickdarmkarz ,  Extremi¬ 
tätenkrebs,  Gebärmutterkrebs,  Haut¬ 
krebs,  Knochenkarz.,  Knochenmark¬ 
karzinom,  Korpuskarz ,  Lippenkrebs, 
Lungenkarz.,  Magenkrebs,  Mastdarm- 
karz.,  Ovarialkarz.,  Portiokarz.,  Ure- 
thralkarz ,  Vulvakarz.,  Zervixkarz. 

Karzinom,  von  Scbloffer  1074,  primäres 

—  der  Papilla  Yateri,  von  Schüller 
116,  Röntgenstrahlen  bei  — ,  von 
Lyster  213,  —  u.  Malaria,  von  Proch- 
nik  249,  von  Romei  und  Muzzarelli 
544,  —  und  Hautveränderungen,  von 
Holländer  801,  Infektionstheorie  des 
— ,  von  Ritter  975,  Beiträge  zur  Lehre 
vom  — ,  von  Petersen  lu56,  —  der 
Gallenblase,  von  Adam  1070,  Aetio- 
logie  des  — ,  von  Fütterer  1228,  Ein¬ 
fluss  des  —  auf  die  gastrischen  Ver¬ 
dauungsvorgänge,  von  Emerson  1229, 
melanotisches  —  der  Nebennieren, 
von  Reimann  1232,  Magenresektion 
wegen  — ,  von  Kappeier  1431,  Meta¬ 
stasen  eines  — ,  von  Fraenkel  1440, 

—  in  Uterus  und  Magen,  von  Krönig 
1444,  die  als  Parasiten  gedeuteten 
Zelleinschlüsse  im  — ,  von  Nösske 
1469,  Spätrezidiv  nach  — ,  von  Ha- 
berer  1516,  Heilungsvorgänge  beim  — , 
von  Petersen  1549,  —  der  Frauen, 
von  Sinclair  1630,  primäres  —  der 
Lebergallengänge,  von  Scheel  1769, 

—  des  Handrückens,  von  Frieben 
1820,  —  der  Kardia,  von  König  1864, 
Pathogenese  des  — ,  von  Cronen  1973, 
Therapie  des  —  uteri,  von  Heinsius 


Seite 

1973,  Verbreitung  des  —  in  Schott¬ 
land,  von  Robertson  2166,  —  der 
Flexura  sigmoidea,  von  Kraske  2065, 
osteoplastisches  — ,  von  Comisso  .  2159 
Karzinomatose,  multiple,  des  Zentral¬ 
nervensystems,  von  Siefert  ....  826 
Karzinomheilung,  von  Petersen  .  075,  081 

Karzinomrezidive,  von  v.  Kalilden  .  675 
Karzinomstatistik,  von  Schölten  158,  von 
Winter  935,  Prinzipien  der  — ,  von 


Winter  201,  von  Wertheim  ....  417 

rzinose,  ausgedehnte,  von  Guttmann 
505,  multiple  —  des  Gesichts,  von 

Calien . 1867 

ssenärzte,  Zentralausschuss  der,  in 
Berlin  170,  Memorandum  der  —  in 


Kassenärztliches . 4733 

Kastration  und  sekundäre  Geschlechts¬ 
charaktere,  von  Sellheim  153,  Fett- 
und  Eiweissstoffwechsel  nach  — ,  von 

Lüthje  .  1848 

Katalog  von  Reiniger,  Gebbert  u.  Schall  991 
Katalysatoren,  Rolle  der,  des  Organis¬ 
mus,  von  v.  Poehl  ...  .  2006 

Katarrh,  Therapie  des  venerischen,  von 

Kronfeld . .  .  328 

Katatonie,  von  Riegel  732,  —  mit  hyste¬ 
rischen  Krämpfen,  von  Kaiser  375, 

—  im  höheren  Lebensalter,  von 

Schröder  .  .  940 

Katheter  s.  a.  Doppelkatheter. 

Katheter,  Beimpf  ung  und  Abimpfung  von, 

von  Goldberg .  .  ggS 

Katgut,  Sterilisierung  und  Aufbewahrung 

von,  von  Claudius .  .  1662 

Katzenauge,  amaurotisches,  von  Hilde¬ 
brandt  . 1025 

Kavernom  s.  a.  Zunge. 

Kefir,  von  Podwissozki . 536 


Kehlkopf  s.  a  Larynx,  Membran. 

Kehlkopf,  Tuberkulose  des,  von  Freytag 
*M2,  Phlegmone  des  — ,  von  Otto  634° 
Chirurgie  des  — ,  von  Gluck  722, 
zentrale  Innervation  des  — ,  vonOnodi 
806,  Lymph-  und  Hämangiome  des 
— ,  von  Harmer  1111,  Stenose  bei 
Amploiddegeneration  im  — ,  von  Cour- 


voisier . 1250 

Kehlkopfentzündung,  fleckweise,  von 

Richter  . .891 

Kehlkopfexstirpation,  totale,  von  Urban  943 

Kehlkopflähmung,  Anatomie  der,  von 

Gerhardt  .  940 

Kehlkopfspiegel,  Verhütung  des  An¬ 
laufens  der,  von  Kassel .  38 

Kehlkopftuberkulose,  von  Freytag  782, 

von  Naumann . U47 

Keime,  Einfluss  niederster  Temperaturen 
auf  die  Virulenz  der  pathogenen,  von 

Belli . 623 

Keloid,  Pathogenese  und  Therapie  des, 

von  Goldmann  . 115 

Kephalokele,  von  Muscatello  .  .  .  .  1430 


Keratitis  neuroparalytica,  von  Czermak  1404 
Keratodermie,  hereditäre,  von  Nicolai  .  1780 
Keratokonus  s.  a.  Hornhautkegel. 

Keratoma  hereditarium  palmare  et  plan¬ 


tare,  von  Dreyer . 683 

Keratomykosis  aspergillina,  von  Kayser  1008 
Iveratosis  nigricans,  von  Grosz  .  .  \  .  249 

Kerne,  angebliche  Unterschiede  in  der 
Färbung  der,  von  Nocht  ......  594 


Keuchhusten  s.  a.  Cannabis. 

Keuchhusten,  Aetiologie  des,  vonVincenzi 
539,  Aetiologie  des  — ,  von  Jochmann 
und  Krause  1231,  —  und  Vaccination, 
vonPoschi  1434,  —  mit  nachfolgender 
Polyneuritis,  von  Koch  1551,  Pro¬ 
phylaxe  des  — ,  von  Stamm  1619, 


Hautemphysem  bei  — ,  von  Willems  1767 
Key,  Axel  f,  von  Santesson  .....  243 
Kiefer-  und  Zahnanomalien,  Heredität 

der,  von  Galippe . 292 

Kieferatrophie,  von  Neumann  .  .  .  .1810 
Kiefercysten,  von  Lindt . *  1400 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


XL 


Kiefergelenk,  Behandlung  der  Ankylose 
des,  von  Gluck  722,  isolierte  rheu¬ 
matische  Erkrankung  des  — ,  von 

Manasse .  • 

Kiefergelenkserkrankung  unter  dem  Bilde 

einer  Otalgia  nervosa,  von  Kretsch- 

mann  ...  . 

Kieferhöhle,  Radikaloperation  der,  von 
der  Nase  her,  von  Rbthi  35,  Instru¬ 
mente  zur  Radikaloperation  der  — , 
von  Lombard  39,  Radikaloperation 
bei  chron.  Empyem  der  — ,  vonHajek 
219,  chronische  Eiterung  der  von 

Tilley . .  •  • 

Kiefernböhlenempyeme,  Therapie  der 
chronischen, vonAlsen  38,  Operations¬ 
methode  der  chronischen  — ,  von 
Gerber  1274,  Verkäsung  einer  — , 
von  Fischenich .  -■ 

Kiemengangshautaus  wuchs, vonReichard 

Kieselsäure,  von  Schulz  440,  Bedeutung 
der  —  im  menschlichen  Organismus 

von  Rohden  . 

Kieselsäuregehalt  tierischer  und  mensch¬ 
licher  Gewebe,  von  Schulz  .  . 

Kind  s.  a.  Abhärtung,  Brustkind,  Er¬ 
nährung,  Säugling. 

Kinder,  Ausschluss  tuberkulöser,  aus 
den  Schulen  1079,  anormale  —  und 
ihre  erziehliche  Behandlung,  von 
Demoor  1353,  natürlich  genährtes  — , 
von  Nordheim  1515,  Fürsorge  für 
tuberkulöse  —  1856,  Erziehung  und 
Unterricht  nicht  vollsinniger  —  1903, 
Schulen  für  nervöse — ,vonStadelmann 
Kindbettfieber,  Verhütung  des,  von  Hof¬ 
meier  737,  —  von  v.  Scanzoni  1102, 
Anzeigepflicht  bei  —  ....  1943, 

Kinderheim,  vegetarisches . 

Kinderheilkunde  s.  a.  Pädiatrie,  Monats¬ 
schrift. 

Kinderkrankheiten,  Lehrbuch  der,  von 

Bagin  sky . 

Kinderlähmungen,  zerebrale,  von  Ivoenig 
154,  von  Goldmann  2142,  Muskel 
Überpflanzung  bei  spinaler  — ,  von 
Vulpius  939,  pseudobulbäre  Form 
der  zerebralen  von  Kaufmann 

1072,  orthopädische  Behandlung  der 
essentiellen  — ,  von  Hoffa  1201, 
orthopädisch  -  chirurgische  Behand¬ 
lung  schwerer  spinaler  — ,  von  Vul¬ 
pius  1513,  spinale  — ,  von  Hoche 
1552,  orthopädische  Behandlung  der 
spinalen  — ,  von  Hoffa  1761,  Sehnen¬ 
überpflanzung  bei  spinalen  — ,  von 

Vulpius . 

Kindernährmittel  s.  u.  Nährzucker. 
Kinderschädel,  konfigurable,  vonSellheim 
Kindersterblichkeit,  von  Rhodes  .... 

Kindertabes,  von  Köster . 

Kinderwage,  von  Steinhardt  .  .  .  .  . 
Kindesalter,  Lebercirrhose  im,  vonPassini 
33,  Prognose  der  Meningitis  cerebro¬ 
spinalis  epidemica  im  — ,  von  Zup- 
pinger  33,  Aetiologie  des  Pneumo¬ 
thorax  im  — ,  von  Zuppinger  74,  Be¬ 
handlung  des  Tumor  albus  im  — 
durch  Geh  verbände,  von  Froelich  75, 
Papilloma  laryngis  im  — ,  von  Lindt 
249,  Säuferleber  im  — ,  von  Beck  418, 
Reflexe  im  ersten  — ,  von  Cattaneo 
935,  Leberkarzinom  im  — ,  von  Schle¬ 
singer  935,  diagnostischer  Wert  des 
Fiebers  im  — ,  von  Rheiner  938,  Al¬ 
koholismus  im  — ,  von  Grosz  1107, 
Juckausschläge  im  — ,  von  Siebert 
1137,  Schwinden  des  Patellarreflexes 
bei  kruppöser  Pneumonie  im  — ,  von 
Pfaundler  1211,  epidurale  Injektionen 
im  — ,  von  Cathelin  1475,  tuberkulöse 
Cirrhose  im  — ,  von  Baudouin  1475, 
Chirurgie  des  Zentralnervensystems 
im  — ,  von  Stiles  1554,  Tuberkulose 
im  frühen  — ,  von  Schlossma-n  1676, 
Krankheiten  der  Verdauungsorgane 
im  — ,  von  Schreiber  1760,  plötzliche 


Seite 

839 

984 


1154 


1547 

1243 


852 

1019 


2022 


2110 

989 


776 


1892 

153 

1592 

336 

168 


Seite 

Todesfälle  im  — ,  von  v.  Ganghofner 
172 i,  von  Richter  1728,  Hämag¬ 
glutination  im  — ,  von  Langer  1730, 
Atmungsanomalien  im  — ,  von  Gregor 
1819,  Gelatineinjektionen  im—,  von 
Zuppinger  1819,  Morphium  Vergiftung 
im  — ,  von  Katzenstein  1840,  krup¬ 
pöse  Pneumonie  im  -- ,  von  Coutts 
1851,  Milchidiosynkrasie  im  — ,  von 
Fischer  1981,  Infektion  mit  Tuberku- 
lose  im  — ,  von  Preisicli  und  Schütz 
2016,  Tuberkulose  der  weiblichen  Ge¬ 
schlechtsorgane  im  — ,  von  Brüning 
2015,  Pneumokokkenperitonitis  im  — , 
von  Stoos  2058,  brandige  Darminva- 
gination  im  — ,  von  Cordua  .  .  2100 
Kinematographisclie  Darstellungen  grös¬ 
serer  Operationen,  von  Doyen  .  .  .  628 

Kissingen,  Soolbäder  in  512,  Kohlen¬ 
säurebäder  in  — ,  von  Vanselow  .  .  2085 
Klärschlamm,  Fettgehalt  des,  von 

Fraenkel .  40 

Klavikularfrakturen  Neugeborener  bei 

spontaner  Geburt,  von  Riether  .  1064 
Kleidungsstoffe,  lösliche  Antimonverbin¬ 
dungen  in,  von  Lehmann  und  Göbel  1313 
Kleinhirn,  Abszess  im,  von  Clarke  und 
Morton  38,  Solilärtuberkel  des  — , 
von  du  Mesnil  1239,  Ana'omie  und 
Physiologie  des  —  von  Probst  1470, 
okulare  Symptome  bei  Erkrankungen 
des  — ,  der  Vierhügel  und  der  Zirbel¬ 
drüse,  von  Bach .  .  1853 

Kleinhirnabszess,  chronischer,  von  Hoffer  938 
Kleinhirngeschwülste,  von  Bregmann  .  154 

Kleinhirntumor,  von  v.  Voss . 326 

Klinik  und  physikalische  Chemie,  von 
Richter  1106,  medizinische  —  Breslau, 

von  Käst  . .  .  .  2093 

Klitoris,  Karzinom  der,  von  Flatau  .  903 

Klumpfuss,  von  Schanz  591,  Operation 
des  — ,  von  Schanz  1191,  Behandlung 
des  angeborenen  — ,  von  v.  Oet- 
tingen  1274,  neues  Operationsprinzip 
bei  —  kleiner  Kinder,  vonOgston  1359, 
Redression  des  — ,  von  Wieting  1664, 
Aetiologie  angeborener  — ,  v.  Keller  2180 
Klumpfussbehandlung  im  ersten  Lebens¬ 
jahr,  von  v.  Oettingen . 861 

Knickfuss  und  seine  Messung,  von  Nieny  2158 
Kniegelenk  s.  a.  Quadricepssehne. 
Kniegelenk,  „internal  derangement“  des, 
von  Barker  541,  Zerreissung  der  Se¬ 
milunarknorpel  und  Operationen  im 
— ,  von  Robson  1154,  internal  de¬ 
rangement  des  — ,  von  Allingham  .  1156 
Kniegelenkseiterungen,  offene  Methode 

bei,  von  Whitehead  . 1359 

Kniegelenkskontraktur,  Dauererfolge  bei 
Streckung  der,  mit  Sehnenüberpflan¬ 
zung,  von  Heusner . 723 

Kniegelenksresektion,  zur  Frage  der,  von 

Sykow . 663 

Kniegelenkstuberkulose,  von  Merkel  .  .  2165 
Kniescheibe,  blutige  Lösung  der  anky- 
losierten,  von  Hübscher  34,  Röntgen- 
X>hotogramme  der  — ,  von  Joachims¬ 
thal  628,  Struktur,  Lage  und  Ano¬ 
malien  der  — ,  von  Joachims thal  933, 
kongenitale  Verrenkung  der  — ,  von 

Blencke . 1  i  92 

Knie  Verletzungen,  Diagnostik  der,  von 

Riedinger . 1075 

Knochen  s.  a.  Röhrenknochen. 

Knochen,  Entscheidung  zwischen  ent¬ 
zündlichen  Erkrankungen  und  Neu¬ 
bildungen  der,  durch  Röntgenstrahlen, 
von  Beck  380,  Einpflanzung  von  toten 
—  in  indifferente  AVeichteile,  v.  Sultan  628 
Knochenatrophie,  akute  trophoneuroti- 

sche,  von  Sudeck  ....  299,  384,  466 

Knochenbildung,  heteroplastische,  von 

Sacerdotti  und  Frattin . 1399 

Knochenbrüche,  Einwirkung  der,  auf 
Kreislauf  und  Temperatur  von  Fibich 
203,  Fortschlitte  in  der  Behandlung 


Seite 


2006 


2104 


1064 

331 

670 


383 

587 


1673 

1457 

677 

316 


der 


von  Bier 


Knochendeformitäten,  Ausgleichung  von, 

von  Port . •  .  .  . 

Knochenerkrankungen  im  Röntgenbild, 
von  Köhler  15s5,  syphilitische  - , 

von  Heinlein . 

Knochenfrakturen,  Behandlung  der,  von 
Rossi  250,  Lungenembolie  nach  — , 

Putermann .  .... 

Knochengeschwülste,  von  Pels-Leusden 
Knochenherd  in  der  Cervix  eines  fötalen 

Uterus,  von  Meyer . 

Knochenhöhlen,  Ausheilung  grosser, 
nach  Nekrotomien,  von  Heinlein  299, 
Verschluss  einer  ,  von  Busalla  1158, 
plastische  Deckung  von  - ,  vonBu-salla  1512 
Knochenkallus,  Entwicklung  des,  von 

Bum  .  .  .  . 1062 

Knochenkarzinom,  sekundäres,  von 

Fraenkel  . 

Knochenkohle  als  Ersatz  für  Jodoform, 

von  Frommer . 

Knochenmark  u.  Infektionskrankheiten, 

von  Fraenkel .  561,  635 

Knochenmarkkarzinoonatose ,  hämatolo- 
gische  Befunde  bei,  von  Käst  .  .  . 
Knochenmetastasen  bei  Schilddrüsen¬ 
tumoren,  von  Wagner . . 

Knochenneubildung,  histologische  Vor¬ 
gänge  bei  der,  von  Grohe . 

Knochenplastik,  von  Kaposi  ... 
Knochentumoren  mit  Schilddrüsenbau, 

von  Gierke . 1939 

Knochenwachstum,  Pathologie  des,  von 

Stoeltzner  und  Salge . 1543 

Knorpel,  Transplantation  von,  von  Bü- 

dinger . 909 

Knorpelrest,  kongenitaler,  am  Halse,  von 

Engelmann . 

Koagulationsnekrose  des  quergestreiften 
Muskelgewebes,  von  Oberndörffer  . 
Koccidienkarzinose,  von  Bruandet  .  . 

Kochsalzlösung,  Gefährlichkeit  der  Tavel- 
schen,  bei  subkutaner  Anwendung, 
von  Baisch  1545,  Ersatz  der  physio¬ 
logischen  —  durch  die  Tavelsclie 
Salzsodalösung,  von  Kuttner  .... 
Kochsalzsurrogat  der  Negerstämme  im 

Sudan,  von  v.  Bunge  .  . . 

Kölioskopie  s.  u.  Oesophagoskopie. 
Köliotomie,  vaginale,  von  Thienhaus 
Körpergewicht,  spezifisches,  am  leben¬ 
den  Menschen,  von  Wengler  . 
Körpertemperatur,  Einfluss  der  Kohlen¬ 
säureatmung  auf  die,  von  Westenryk 
Körperlich-Sehen  beim  Monokular-Sehen, 

von  Schmidt-Rimpler . 

Koffeininjektion,  subkutane,  als  Unter¬ 
stützungsmittel  des  Aderlasses,  von 

Le  Gendre . 1942 

Kohabitationsverletzung,  von  Mansbach  553 
Kohl,  Erreger  d.  krankhaften  Auswüchse 

des,  von  Feinberg . 202 

Kohlehydrate,  Resorption  von,  von  der 
Schleimhaut  des  Rektums,  vonReach 
757,  —  bei  der  Ausnützung  der  un¬ 
löslichen  Salze,  von  Vaudin  .... 
Kohlensäurebäder,  von  Schwalbe  .  .  . 
Kohlensäurenarkose,  von  Rothschild 
Kokain,  von  Fuchs  1628,  intra-arachnoi- 
deale  Einspritzungen  von  —  gegen 
schmerzhafte  Nervenkrankheiten,  von 

Marinescu . 

Kokaineinspritzung ,  intra  -  arachnoidale 
und  epidurale,  von  Verhoogen  495, 
Anästhesie  durch  —  in  den  Rücken¬ 
markskanal,  von  Procopiu . 1019 

Kokaininjektionen  s.  a.  Anästhesie,  An¬ 
algesie,  Spinalkokainisierung. 
Kokainisierung  des  Rückenmarks,  von 

Stumme . .  •  1607 

Kollaps,  Natur  der  Kreislaufstörung  im, 
bei  akuten  Infektionskrankheiten, 
von  Pässler  und  Rolly  .  . 

|  Kollege,  auch  ein !  von  Äschaffenburg 
Kolonien,  hygienische  Aufgaben  in  un 

seren,  von  Nocht . 

546  Kolostomie,  von  Nehrkorn . 


1192 

458 

1474 


1927 

626 

19S3 

1717 

376 

633 


852 

2070 

1807 


890 


1737 

389 

1933 

162 


1902. 


Kolpemynter  s.u.Belastungskolpeury  ater 
Komedonenbildung,  multiple,  von  Del- 
banco  . 


INHALTS- VERZEICHNIS. 


Seite 


1025 


758 

976 

891 

1406 


Komplementablenkung  bei  bakteriziden 
Reagensglasversuchen,  von  Lipstein 
Komplemente,  Differenzierung  von,  von 
Marschall  und  Morgenroth 
Kompressionshusten,  von  Garei 
Konfessionsstatistik  der  Universitätspro¬ 
fessoren  . 

Kongresse  s.  a.  Teil  IV. 

Kongress  für  innere  Medizin  215,  304 

—  im  Jahre  1904  1944,  —  der 'öster¬ 
reichischen  Baineologen  215,  internat. 
dermatologischer  —  304,  IV.  internat.' 

für  Geburtshilfe  u.  Gynäkologie  in 
Rom  344,  1287,  70.  —  der  British 
Med.  Association  600,  internat.  med.— 
in  Paris  636,  internat.  —  in  Madrid 
1903  910,  1244, 1447,  1487,  2.  internat. 

—  für  medizinische  Elektrologie  und 
Radiologie  990,  —  nordischer  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  in  Helsingfors 
991,  6.  —  vlämischer  Naturforscher 
und  Aerzte  in  Kortrijk  991,  —  in 
München  1599,  sozialärztlicher  —  .1821 

Konjunktiva,  Papillom  der,  von  Staico- 
vici  118,  Papillombildung  auf  der  — , 
von  Velhagen  1985,  Gonorrhoe  der 

— ,  von  Axenfeld  .  2063 

Konkrement  im  Canaliculus  lacrymalis, 

von  Dalen  . "...  2155 

Konsanguinität  s.  u.  Ehe. 

Konsonanz  und  Dissonanz,  von  Ivrueger  635 
Kontraktur,  Theorie  der  hemiplegischen, 
von  Lazarus  536,  Flexionspronations- 

—  des  Armes,  von  Alexander  ...  536 
Konvulsionen-,  postapoplektische,  von 

Pässler .  1243 

Konzentrationslager,  Bericht  über  das, 
Merebank  (Natal),  von  Hoenigsberger  1507 
Koordination,  Physiologie  und  Patho¬ 
logie  der,  von  Förster . 1804 

Koordinationsstörungen ,  akute ,  von 

Lenhartz . 207 

Kopf,  Extraktion  und  Expiession  des 
nachfolgenden  — ,  von  Klein  1307, 

1447,  1448,  Höhenmessung  des  — , 

von  Kirchhoff . 1715 

Kopfbewegungen,  rhythmische,  b.  Aorten¬ 
affektionen  u.  Gesunden,  von  Frenkel  1766 
Kopfhaare,  von  Winternitz  .  .  .  1868 

Kornea,  Beziehungen  zwischen  Endothel 

nnd  Epithel  der,  von  Hippel  .  .  .  1780 
Korpsleben,  das  deutsche,  von  Allers  .  2109 
Korpuskarzinom ,  zirkumskriptes ,  von 

Weinbrenner . 1937 

Korrespondenz  87,  127,  175,  304,  391, 

560,  864,  1079.  1128,  1168,  1207, 

1248,  1288,  1322,  1407,  1687,  1944, 

r  2031,  2110,  2170  2110 

Korsakoffsche  Psychose,  von  Gaupp  .  856 

Korsakoffscher  Symptomenkomplex,  von 

Meyer  •  .  . .  1591,  1685 

Korsika,  Assanierung  von,  von  Laveran 

213,  1942 

Koryza,  akute,  bei  einem  Neugeborenen, 

von  Laure . 292 

Kot,  Mikroorganismen  des  menschlichen, 

von  Matzuschita . 290 

Krätze  der  Haustiere,  von  Alexander  .  296 

Krafft  -  Ebing ,  Prof,  v.,  30  jähr.  Lehrer¬ 
jubiläum  .  . . 468 

Kragenknopf  im  linken  Hauptbronchus, 

von  v.  Eicken .  632,  1513,  1547 

ivrampf,  chronischer,  der  Nacken-  und 
Halsmuskulatur,  von  Ebers  ....  939 
Krankenbehandlung,  ärztliche,  in  der 
Familie  unter  Bezugnahme  auf  die 
deutschen  Kranken  vei’sicherungsge- 

setze,  von  Schwartz . .  707 

Krankenhaus  Lichterfelde,  Zustände  im, 

258,  303,  824,  Berliner  —  258,  261, 
Hamburger  —  431,  471,  3.  —  in 
München  1407  ,  Isolierabteilungen 
oder  Krankenhaussanatorien  in  all¬ 
gemeinen  öffentlichen  —  in  Oester¬ 
reich,  von  Dvorak  73,  bauliche  Ver¬ 


seile 


2183 


1123 

1818 


1206 


735 


äuderungen  auf  der  Abteilung  für 
geschlechtskranke  Frauen  im  städt.  — 
München,  von  Jesionek  828,  --  des 
Enfants  malades  zu  Paris,  von  Baca- 
loglu  1194,  Aufgaben  der  —  gegen¬ 
über  den  Anforderungen  der  neuen 
Prüfungsordnung,  von  Rumpf  1197, 
Londoner  —  u.  medizinische  Schulen 
1597,  Vermehrung  der  Chirurgie  an 

den  Berliner  —  . 

Krankenhausärzte,  Aufgaben  der,  gegen¬ 
über  den  Anforderungen  der  neuen 
Prüfungsordnung,  von  v.  Bauer  .  . 

Ki  ankenhausapotheken ,  heutige  Auf¬ 
gaben  der  deutschen,  von  Stich 
Krankenkasse  s.  a.  Arzt,  Vorschriften 

Krankenkassen  in  Breslau  43,  _  der 

Bankbeamten  in  Wien  171,’  die  Be- 
hörden  für  die  —  gegen  die  Aerzte  1902 
Krankenkassengesetz,  Neuordnung  des  1640 
Krankenkassenmitglieder,  zahnärztliche 

Behandlung  von . 559 

Krankenkassenwesen,  Auswüchse  des 

in  England,  von  Hirne  ....  ’  1583 

Krankenkost  u.  Küche  der  Charitee  von 

Sch  aper . ll06 

Krankenküche,  öffentliche,  in  Beilin  431 

von  v.  Rath .  ’  533 

Krankenpflege  s.  a.  Berufspflege'. 
Krankenpflege  im  Kriege,  von  Hutton 
1594,  die  Pflege  verbände  im  Vergleiche 
zur  freien  — ,  von  v.  Walmenich  .  1992 
Krankenpflegnachweis,  Organisation  des,  2183 
Ivi  cinlvGiitrcinsportwiigoiij  von  Scliroyor  .  1)42 
Krankenversicherung,  nichtgesetzliche  .' 
Krankenversicherungsgesetz ,  Revision 
des,  170,  —  von  Frankenburger  906, 
von  Lukas  1164,  von  Mayer  u.  Höber 
1198,  Reform  des  —  .  .  ,  . 

Krankheit,  Behandlung  gynäkologischer, 
mit  heisser  Luft,  von  Thomson  73, 
chirurgische  Behandlung  verschie¬ 
dener  ,  von  Jessop  378,  —  der 
Frauen  in  übersichtlicher  Darstellung 
für  Hebammen,  von  Walther  1190^ 

—  im  Feldzug  gegen  Russland  1812’ 
von  Ebstein  1311,  wechselseitige  Be¬ 
nachrichtigung  der  Militär-  u.  Polizei¬ 
behörden  über  das  Auftreten  übertrag¬ 
barer  —  1367,  Beziehungen  zwischen 
Armut  und  — ,  von  Mc  Dougall,  von 
Rowntree  1592,  vierte  — ,  von  Marsden  1632 

Krankheitserreger,  Dauer  der  Lebens¬ 
fähigkeit  von,  von  Kirstein  155, 
Zentralstelle  zur  Untersuchung  von  • — 
Krankheitsfälle,  portofreie  Meldung  von 
Krankheitsverhütungs-Vorschriften  für 
Arbeitsstätten,  von  Freund 
Kraniotomie  und  ihre  Technik  in  Hin¬ 
blick  auf  die  Privatpraxis,  von 

Frankl . . 

Kraurosis  vulvae,  von  Rosenstein  935, 
von  Trespe  1432,  von  Darger  1514, 

—  und  Ulcus  rodens  vulvae,  von 

Kreis  .  . .  74 

Krebs  s.  a.  Karzinom. 

Krebs,  heutige  Behandlung  des  inope¬ 
rablen,  von  Oooper  37,  ätiologisches 
Moment  bei  der  Entstehung  von  — , 
von  ‘Braithwaite  124,  Frequenz  des’ 

—  in  Holland  158,  parasitäre  Ent¬ 
stehung  von  —  mit  Sarkom,  von 
Schüller  416,  677,  —  der  Tiere,  von 
Sticker  457,  —  und  Malaria,  von 
Davidson  541,  Behandlung  von  inope¬ 
rablem  — ,  von  Eecles  555,  Histoge- 
nese  des  — ,  von  Gussenbauer  675, 
Mikrokokkus  neoformans  u.  die  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  Doyen  676, 
parasitärer — ,von  Schüller  6 7 7,  Parasi¬ 
tismus  des  — ,  von  v.  Leyden  718, 
rezidivierender — -mit  Röntgenstrahlen 
behandelt,  von  Ferguson  760,  Wesen, 
Ursprung  und  Behandlung  des  — , 
von  Galloway  905,  Malariabehandlung 
des  — ,  von  Löffler  1126,  Dauer¬ 
heilungen  des  — ,  von  Labhard  1271, 

—  in  Indien,  von  Niblock  1361,  Be- 


XLI 


Seite 


handjung  lin  —  durch  Erfrierung,  von 
Ilowitz  1436,  Behandlung  des  inope¬ 
rablen  ,  von  Morris  1552,  Aetiologie 
)  von  Brand  1631,  —  in  den 
Tropen,  von  Dalgetty,  von  Madden 
1631,  —  und  Röntgenstrahlen,  von 
Turner  1850,  Beurteilung  der  Diag¬ 
nose,  des  Sitzes  nnd  der  Prognose 
des  —  durch  Urinuntersuchung,  von 
Blumenthal  1973,  Parasiten  des  — , 
von  v.  Leyden  1973,  Serumbehand- 

lung  des  — ,  von  Hoyton . 2161 

Krebsätiologie,  Probleme  der,  von  Israel 
Krebsbehandlung,  von  Le  Roy 
Krebserkrankung,  scheinbar  primäre, 
von  Roemer  ..... 

Krebsforschung,  von  v.  Leyden  und 
Blumenthal  1545,  Komitee  für  — , 

1903,  Bericht  des  Komitee  für  — , 

1014,  Veröffentlichungen  des  Komi¬ 
tees  für  — ,  .  . 

Krebsgeschwülste,  Gewebe  und  Ursache 
der,  von  Feinberg  539,  Versuche  mit 

— ,  von  Jensen . 

Krebsheilung  nach  Injektion  von  Serum 
Adamkiewicz,  von  Kugel 
Krebskrankheit,  ein  die,  begleitendes 
Symptom,  von  Leser  40,  Verbreitung 
der  ,  im  Deutschen  Reiche,  von 
Wutzdorff  460,  Zunahme  der  — ,  von 
Gairdner .  2161 


677 

426 

756 


1973 


1435 

1064 


343 

1686 

1855 


1849 


2018 

1399 

557 

824 


250 


1883 


Krebsparasiten,  von  Nöske  676,  Schuel- 

1  ersehe  — ,  von  Mohr . 

Krebsstatistik,  von  Riechelmann 
Kreisärzte  43,  Dienststellung  der  —  . 
Kreiskrankenhaus  Gross  Lichterfelde 
Kreislaufstörungen  s.  u.  Venendruck¬ 
messungen. 

Kreislauf,  Einwirkung  von  Arzneimitteln 
auf  den  kleinen,  von  Gerhardt  766, 
Geschichte  der  Entdeckung  des  — , 
von  Landau  985,  Modell  des  fötalen 

— ,  von  Winternitz . 1675 

Kremaster-Reflex,  von  Tozzi  .  ’  157 

Kretin,  geistige  Entwicklung  eines  mit 
Thyreoidin  behandelten,  von  Heller 
Kretinismus,  von  Scholz  853,  sporadischer 
,  von  Schiffmacher  71,  Behandlung 
des  endemischen  — ,  von  Wagner 

v  Jauregg . up 

Kreuzschnitt,  Vermeidung  der  Hämatom¬ 
bildung  nach  Küsters  suprasymphy¬ 
särem,  von  Heil . 

Kriegschirurgie,  Grundriss  einer'  Ge¬ 
schichte  der,  von  Köhler  535,  Stand 

der  — ,  von  Matthiolus . 1846 

Kriegswissenschaft,  ärztliche,  vonKutner  1712 
Kritische  Tage  u.  kosmische  Wirkungen, 

von  Brunner  . 

Kropf,  Diagnose  und  Behandlung  der 
verschiedenen  Formen  des,  von 
Berry  1233,  Anstrengung  und  der  — , 
von  Fedrazzini  1435,  Chemie  und 
Physiologie  des  -,  von  Ostwald  .  . 

Krüppelheim,  von  Vulpius . 

Krupp,  Aspirationsverfahren  bei  deszen¬ 
dierendem,  von  Kesselbach  .... 
Kruralbrüche,  Radikaloperationen  beij 

von  v.  Borsdorff . ! 

Kryoskopie  s.  a  Galle ,  Gefrierpunkt¬ 
bestimmung, 

Kryoskopie  bei  chirurgischen  Nieren¬ 
affektionen  und  bei  Echinokokkus¬ 
cysten  der  Leber,  von  Florio  und 
Santi  717,  klinische  Verwendung  der 
,  von  J ulliard  1194,  Wert  der  — , 
zur  Diagnose  des  Todes  durch  Er¬ 
trinken,  von  Revenstorf . 

Kryoskopische  Urinuntersuchungen,  von 

Gaetano . .  qgj  ^ 

Kryptogamen-Flora,  von  Migula  ' 
Kryptorchismus,  von  Holper 
Kuhmilch,  Ernährung  gesunder  und 
kranker  Sänglinge  mit  gelabter,  von 
Langstein  .... 

Kultusministerium,  ärztliche  Berather  im 
preussischen  344,  Etat  des  preussi- 
schen  —  ... 


201 


1847 

1511 

1473 

1769 


1880 


1058 

731 


■M 

417 


39  L 


6 


1902. 


XLIt 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


340 


1020 


Kupfer,  Wirkung  von  metallischem,  auf 
die  Pflanzenwurzel,  von  Lehmann  . 
Kurare,  Beziehungen  zwischen,  u.  Phy¬ 
sostigmin,  von  Rotliberger  253,  Wir¬ 
kung  des  — ,  von  Frank  u  Gebhard 
Kurpfuscher,  Erlass  gegen  471,  Statistik 
der  —  in  Berlin  643,  Verurteilung 
eines  —  wegen  unlauteren  Wett¬ 
bewerbes  863,  Ankündigungen  von  —  . 
908,  Bestrafung  von  —  909,  Bezeich¬ 
nung  als  —  990,  bestrafte  —  1286, 

1406,  Zentralauskunftstelle  über  — , 

von  Steinmetz . 1720 

Kurpfuscherannoncen  in  derTagespresse  1286 
Kurpfuscherei  s  a.  Verhandlungen  der 
bayerischen  Aerztekammern. 
Kurpfuscherei.  261,  262,  strafgerichtliche 
Verfolgung  der  —  127,  Verurteilung 
eines  Arztes  wegen  —  259,  —  und 
ihre  Beseitigung  989,  Beaufsichtigung 
der  —  1206,  Kommission  zur  Be¬ 
kämpfung  der  —  1236,  Bekämpfung 
der  —  1558,  Einfluss  der  —  auf 
Leben  und  Gesundheit  der  Bevöl¬ 
kerung,  von  Grassmann . 1635 

Kurpfuschereibekämpfung . 136.) 

Kurpfuschereikommission . 907 

Kurpfuscherprozess  in  Darmstadt  .  .  .  558 

Kurpfuscherreklame . 2105 

Kurpfuscherunwesen . 43 

Kurse  für  physikalisch-diätetische  Heil¬ 
methoden  u.  Balneotherapie  in  Baden- 

Baden  . .  •  •  •  1248 

Kurzsichtigkeit,  zweckmässigste  Korrek¬ 
tion  der,  von  Schreiber  165,  892,  Aetio- 
logie  der  — ,  von  Widmark  .... 
Kussmaul,  zum  80.  Geburtstag,  von 
Edinger  281,  Nachruf  für  — ,  von 
Naunyn  1284,  —  Erinnerungen  an 
die  Dozentenzeit  und  die  Gründung 
des  naturhist.-med.  Vereines  zu  Heidel¬ 
berg,  von  Fleiner . 

Kyanolophie,  Erreger  der,  der  Hühner 

von  Lode . . 

Kyphose,  Behandlung  der  Pottschen 
durch  langsame  Geraderichtung,  von 
Alivizatos  673,  Resultate  der  Redu 
zierung  Pottscher  — ,  von  Melun 
Kystoskop,  von  v.  Thümen . 


Seite 


die 


2155 


1589 


758 


890 

169 


1206 


1068 

1820 

1764 

1407 


Lagerungs-  und  Streckschwebe  für 
untere  Extremität,  von  Klapp  . 
Lagerungsvorrichtung,  von  König  . 
Laktophenin,  von  v.  Schüler 
Landmann,  Kultusminister  v.,  1 167, 
Landrysche  Paralyse  in  akutester  Form, 

von  Gossner .  ...  837 

Laparotomie,  Schenkel  venenthrombose 
nach,  von  Riedel  583,  peritoneale 
Adhäsionen  nach  — ,  von  Vogel  1015, 
Schnittführung  und  Nahtmethode  bei 
— ,  von  Nehrkorn  1513,  —  hypogastrica 
extraperitonealis,  von  Mackenrodt 
1628,  — -  im  Kriege,  von  v.  Hippel  . 
Laryngitis  submucosa  infectiosa  acuta, 
von  Onodi  38,  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der  chronischen  — ,  von  Häring 
Laryngologeu- Versammlung,  IX.,  in  Hei¬ 
delberg  .  .  -  - 

Laryngologischer  Unterricht,  Hilfsmittel 

für  den,  von  Kdlian . 

Laryngo-Rhinologie,  Referat 


1892 


1593 


687 


1477 


über,  38, 

890,  1477,  1812 


L,. 

Labferment,  Untersuchungen  über  das, 

von  Fuld .  ....  465 

Laboratoriumsapparate,  von  Meyer  .  .  1273 
Labyrintheiterungen,  von  Hinsberg  .  .  981 

Labyrintherkrankungen ,  chirurgische 

Eingriffe  bei,  von  Passow  ....  680 

Lachgasnarkosen,  von  Hilliard  ....  1361 
Lähmungen,  Anwendung  von  Laufwagen 
bei,  der  unteren  Extremitäten,  von 
Bruns  24,  Rlumpkesche  — ,  von  Nau¬ 
nyn  83,  periodische  familiäre  — ,  von 
Oddo  und  Audibert  169,  psychische  — -, 
von  Hauser  und  Lortat- Jacob  292, 
geheilte  spondylitische  — ,  von  Schanz 
591,  einseitige  — ,  von  Schanz  591, 

—  des  M.  quadratus  menti,  von  Jaffe 
722,  sog.  ischämische  —  und  Kon¬ 
trakturen,  von  Riedinger  1074,  radi- 
kuläre  —  im  Bereich  der  Sakralwur¬ 
zeln,  von  Dubois  1111,  Aetiologie  der 
Zungen-,  Gaumen-,  Kehlkopf-  und 
Nackenmuskel — ,  von  Harmer  1112, 
toxische  —  karbunkulöser  Natur,  von 
Sclavo  1472,  Sehnenplastik  bei  — , 
von  Lange  1552,  Differenzialdiagnose 
zwischen  funktionellen  und  organi¬ 
schen  — ,  von  Buzzard  1553,  spas¬ 
tische  —  der  unteren  und  schlaffe  — 
der  oberen  Extremitäten,  von  Bäumler  2063 
Längsbündel,  anatomische  Untersuch¬ 
ungen  über  das  untere,  von  Schütz  1401 
Lävulosurie,  spontane,  und  Lävolusämie, 

von  Rosin  und  Laband .  2094 


Larynx  s.  a.  Kehlkopf. 

Larynx,  Neub-ldungen  des,  von  Moses 
683,  äussere  Operationen  am  — -,  von 
Sheild  1 154,  Entfernung  der  Papillome 

des  — . . 1593 

Larynxstenose  nach  Typhus,  von  Piek 
946,  Intubation  und  Tracheotomie  bei 
di phtheriti scher  -,  von  Ganghofner 
1152,  Behandlung  der  chronischen  — , 

von  Wol  ko  witsch . 1662 

Larynxtuberkulose  und  Schwangerschaft, 
von  Kuttner  38,  Verlauf  der  —  in 

der  Gravidität,  von  Veis . 1477 

Laufwagen  s.  u.  Lähmung. 

Leben  s.  a.  Milch. 

Lebensversicherung,  Syphilis  und  die, 

von  Weber .  -  1850 

Lebensversicherungsbank,  aus  der  Praxis 
der  Gothaer,  von  Kamp,  Gollmer  und 

Florschütz . 1890 

Leber  s.  a.  Cystenleber,  Stauungsleber, 
Glykosurie,  Glykogen. 

Leber,  kolossale,  von  Unverriclit  212, 
ammoniakentgiftende  Funktion  der — , 
von  Biedi  und  Winterberg  254,  — mit 
primärer  Tumorbildung,  von  Frieben 
593,  Schnürlappen  der  — ,  von  tl  off¬ 
mann  679,  Beeinflussung  der  —  durch 
das  Zwerchfell  und  Lebermassage, 
von  Walz  785,  Resektion  der  — -,  von 
Koslenko  801,  primäres  Karzinom  der 
— ,  von  Mau  899,  knotige  Hyperplasie 
der  — ,  von  Marchand  901,  Stich- 
Schnitt  Verletzungen  der  — ,  von  Gre- 
kow  1<  >15,  Ilydatidencyste  der  — , 
von  Botescu  1019,  glykogenlösendes 

Ferment  der  — ,  von  Pick . 1816 

Leberabszesse ,  operative  Behandlung- 
multipler,  von  Wilms  520,  tropische 
— ,  von  Perthes  801,  von  Godlee  1155, 
Bakterienbefunde  bei  — ,  von  David¬ 
sohn  1067,  —  nach  Pneumonie,  von 

Kirste . 1444 

Leberatrophie,  akute  gelbe,  von  v.  Wieg  540 

Lebercirrhose,  von  Curschmann  1362, 

—  im  Kindesalter,  von  Passini  33, 
Pathologie  der  — ,  von  Ascoli  70, 
operative  Behandlung  des  Aszites 
bei  — ,  von  Pal  428,  kardiale  — ,  von 
Lewaschoff  761,  chirurgische  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Murrell  1359,  operative 
Behandlung  der  — ,  von  Lanz  1628, 
Talmasche  Operation  bei  — ,  von 
Helferich  1732,  —  und  Diurese,  von 

Schuster . 1817 

Leberdämpfung,  Verschwinden  der,  bei 

Meteorismus,  von  Oppenheim  .  .  .  1274 
Leberechinokokkusblasen,  einzeitige 

Operation  von,  von  Mori . 1978 

Leberentzündung  nach  Ruhr,  von  Ivramm  1663 
Leberkarzinom  im  Kindesalter,  von 

Schlesinger . 935 


Seite 

Leberrupturen,  von  Finkelstein  ....  1016 
Leberverletzungen,  von  Fuchsig  890,  mit 
Beteiligung  grosser  Gallenwege,  von 
Hammer  1 15,  frühzeitige  Operation 

bei,  von  Mercadö . 851 

Leberwunden,  von  Erhardt . 719 

Leberzelle,  Bau  der,  von  Browicz  1230, 
Resorption  der  in  den  Organismus 
injizierten  — ,  von  Cantacuzene  .  .  1767 
Lecithin  bei  der  Tuberkulose,  von  Claude 

und  Zaky . 293 

Lehrbuch  für  Heilgehilfen,  von  Göschei 
114,  —  der  vergleichenden  Anatomie 
der  wirbellosen  Thiere,  von  Lang  198, 

—  der  inneren  Medizin,  von  v.  Mering 
322,  —  der  Arzneimittellehre  und 
Arznei  verordnungslehre,  von  v.  Tap¬ 
peiner  973,  —  der  Arzneimittel-  und 
Arzneiverordnungslehre,  von  Cloetta- 
Filehne  1012,  —  der  Gynäkologie, 
von  Küstner  1310,  —  der  allg.  u.  spez. 
path.  Anatomie,  von  Ziegler  1310, 

—  der  orthopädischen  Chirurgie,  von 

Hoffa  1353,  --  der  speziellen  Patho¬ 
logie  und  Therapie,  von  v.  Jürgensen 
1585,  —  der  Ohrenheilkunde,  von 
Jacobson  und  Blau  1625,  —  der 

Heilgymnastik,  von  Herz  1925,  —  der 
kl i nischen  U ntersuchu n gsmethoden , 
von  Sahli  1972,  —  der  anorganischen 
Chemie,  von  Erdmann . 2013 

Lehrmittel,  Ausstellung  ärztlicher  .  .  .  910 

Leibbinde,  neue,  von  Ostertag  .  ;  .  803 

Leichen,  Konservierung  von,  v.  Schieffer- 

decker  262,  Beförderung  von  .  .  .1127 
Leichenkonservierungsverfahren,  neues, 

von  Brosch  .  .  ^  . 32 H 

Leichenschau,  obligatorische  .  •  .  .  558 

Leipziger  Verband  s.  Verband. 

Leistenbruch  s.  a.  Bassinische  Operation. 
Leistenbrüche,  Dauerresultate  der  Bas¬ 
sinischen  Operation  bei,  von  Matano- 
witsch  1513,  Diagnostik  und  Häufig¬ 
keit  des  kongenitalen  — ,  von  Goldner 
1765,  Vorkommen  traumatischer  — , 

von  Gürtz  ...  .  1770 

Leistenhernie  nach  Kocher-Bassini  ope¬ 
riert,  von  Thomas . 1850 

Leisten hoden,  von  Plettner  331,  von 
Wiesinger  729,  blutige  Verlagerung 
des  —  in  das  Skrotum,  von  Wolff  .  672 
Leitfaden  für  den  geburtshilflichen 

Operationskurs,  von  Döderlein  .  .  1106 
Leitung,  zentrifugale,  im  sensiblen  End¬ 
neuron,  von  Kolinstamm . 1016 

Lendenhernien,  Durchtrittsstelle  der,  von 

v.  Baracz  und  Burzynski . 1891 

Lenigallolpaste,  von  Clemm  ....  .  1629 
Lentikonus  posterior  mit  Art.  hyaloidea 

persistens,  von  Alexander .  82 

Lepra,  von  Tonkin  1285,  zwei  Fälle  von  — , 
von  Bettmann  161,  —  des  männl. 
Geschlechtsapparates,  von  Glück  296, 

—  tubero-anaesthetica,  von  Uhlen- 
huth  und  Westphal  416,  Ueber- 
tragungsversuche  von  —  auf  Tiere, 
von  Tashiro  539,  —  kombiniert  mit 
Syringomyelie,  von  Gerber  ....  949 

Leprabehandlung  im  Kreise  Memel,  von 

Urbanowic.z  ....  416 

Leprose,  von  Santon . 490 

Lethargie,  afrikanische,  von  Warrington  1554 
Leuchtgas-  u.  Kohlengasvergiftung,  von 

Ferchland  u.  Fahlen . .1313 

Leuconostoc  hominis  und  seine  Rolle 
bei  den  akuten  exanthematischen 

Krankheiten,  von  Hlava . 1545 

Leukämie,  myelogene,  von  Hirschfeld 
und  Tobias  291,  akute  — ,  von  Hirsch¬ 
feld  und  Alexander  495,  Löwitsche 
Parasiten  der  lymphatischen  — ,  von 
Bloch  714,  traumatische  Entwicklung 
der  — ,  von  Görtz  809,  lymphatische 
— ,  von  Rudolph  984,  Komplikation 


bei 


von 


Heller  .......  1665 


1902 


I N  HAI  .TS-VERZEIC1I N I S. 


XLHI 


2038 


2033 

isr.o 

715 

431 

1490 

663 


1107 


Seite 

Leukämieartige  Erkrankung,  vonMichaelis  711 
Leukocyten,  jodopliile  Substanz  in,  von 
Kammer  330,  Verhalten  der  —  bei 

Appendizitis,  von  Coste . 

Leukocytenwerte,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  der,  bei  Typhus  abdominalis 
und  bei  chirurgischen  Eiterungen, 

von  Kühn . 

Leukocytenzählung,  von  Breuer  1764, 
Erleichterung  der  — ,  von  Savage 
Leukomai'ne,  diabetogene,  von  Lepine 
Leukoplakia  buccolingualis,  von  Bock 

hart  .  .  . 

Levicowasser,  Einfluss  des,  auf  den  Stoff 
Wechsel,  von  Schreiber 
v.  Leyden  512,  zum  70.  Geburtstag  Ernst 
v.  — s.  von  Kohn  . 

Leyden-Feier  .... 

Lichen,  Therapie  und  Aetiologie  des, 
chronicus,  von  Schütz  296,  —  ruber 
verrucosus,  von  Dreyer  73U,  —  scro- 
phulosorum,  von  Beck  und  Grosz  . 
Licht,  Einwirkung  des  blauen,  auf  Bak¬ 
terien,  von  Kaiser  3ü2,  blaues  und 
weisses  — ,  von  Holzknecht  428,  ultra¬ 
violettes  —  in  der  Dermatologie,  von 
Walsham  761,  therapeutischer  Effekt 
des  —  und  der  X-Strahlen,  von  Ed¬ 
wards  1361,  Einfluss  des  —  auf  Blat¬ 
ternvaccine,  von  Finsen  und  Dreyer 
1436,  Einfluss  des  — ,  von  Büdingen 
Lichtbehandlung  von  Hautaffektionen 
nach  der  Finsenschen  Methode,  von 
Lesser  71,  AVesen  und  Fortschritte 
der  Finsenschen  — ,  von  Sack  530, 
regressive  und  produktive  Gewebs¬ 
veränderungen  bei  Finsenscher  — , 

von  Sack  . 

Lichtquellen,  Einfluss  der  Farbe  künst¬ 
licher,  auf  die  Sehschärfe,  von  Rci- 

chenbach . 1894 

Lichtstärke,  schnelleMethode  zur  Prüfung 
der,  auf  Arbeitsplätzen,  von  Pfeiffer 
Lichttherapie  s.  a  Glühlicht,  Erysipel, 
Handlampe,  Finsen-Therapie,  Adre¬ 
nalin,  Bogenlichtbäder. 

Lichttherapie,  von  Bie  811,  gegenwär¬ 
tiger  Stand  der  — ,  von^Marcuse 


1713 


1141 


926 


1191 


Lichttherapeutische  Erfahrungen,  von 

Krebs . 421 

Liddefekte,  Ersatz  von,  von  Büdinger  .  1111 
Liebermeister  Carl  v.  t  194,  von  Müller  156 
Liegekur  in  der  Anstaltsbehandlung,  von 

Sobotta . 669 

Ligamentum  teres,  Abreissung  des,  vom 
Nabel,  von  Rosenbach  583,  Pathologie 
des  —  rotundum  uteri  und  des  Proc. 
vaginalis  peritonei, -von  Vassmer  .  .  1714 

Lipämie,  von  Stadelmann . 1984 

Lipochrome,  von  Neumann . 2017 

Lipom,  von  Hahn . 1551 

Lippenkrebs,  von  Janowsky .  32 

Liquor  cerebrospinalis,  von  Cavazzoni  .  514 
Lister,  zum  50jähr.  Arztjubiläum  2109, 

von  Lohmeyer . 2108 

Literatur,  amerikanische  293,  1066,  bel¬ 
gische  —  495,  englische  —  35,  203, 

378,  541,  7a9,  807,  977,  1154,  1232, 
1629,1849,2 160,  französische  —  75, 291, 

587,  850,  1193,  1474,  1765,  1976, 
holländische  —  158,  624,  1767,  ita¬ 
lienische  —  157,  250,  461,  543,  716, 

1065,  1315,  1434,  1517,  1«10,  1978, 
österreichische  —  fast  in  jeder  Num¬ 
mer,  rumänische  —  118,  672,  890, 

1018,  1113,  1546,  2018,  russische  -- 
761,  1476,  skandinavische* —  1435, 

1768,  psychiatrische  —  im  J.  1900, 

von  Schuchardt . 375 

Lithiasis  in  Bosnien, ^jvon  Preindlsberger  1674 
Litholapaxie  bei  Hunden,  von  Harrison  1155 
Lobärpneumonie  mit  konsekutivem  Pem¬ 
phigus  acutus,  von  Moos . 1886 

Lösungen,  Verdünnungsgrad  der,  von 

Stokvis  . .  .  493 


Seite 


Lokalanästhesie  bei  Extraktion  von  Ohr¬ 
polypen,  von  Frey  . 

Lokalisationslehre,  moderne,  von  Storch 
Lues,  Behandlung  der,  mit  doppeltchrom- 
saurem  Kali,  von  Russovici  1 18,  sta¬ 
tistische  Untersuchungen  über  die 
Folgen  der  — ,  von  Matthes  220,  Pa¬ 
thologie  der  — ,  von  Boegehold  330, 
—  cerebri,  von  Grünberger  672,  Kehl¬ 
kopfstenose  bei  tertiärer  — ,  von  Hajek 
774,  —  maligna,  von  Neuberger  1025, 
statistische  Untersuchung  über  die 
Folgen  infantiler  — ,  von  Martin  1037, 
Statistik  der  tertiären  — ,  von  Adler 
1399,  parenchymatöse  Nephritis  be 

— ,  von  Wagner  . 

Luft,  Einwirkung  flüssiger,  auf  die  infi 
zierte  Vaginal  und  Uterus-Schleim 
haut,  von  AVolff  und  Meyer  373,  Ver 
sclilechterung  der  —  durch  Kohlen 
säure,  von  AVedding  418,  Desinfek 
tionskraft  der  heissen  — ,  von  Schum 


1112 

1895 


bürg 


Lufteintritt  in  Venen,  Herzpunktioi 

nach,  von  Begouin . 

Luftembolie  s.  u  Uterus. 
Luftinsufflationen  bei  Chloroformschein¬ 
tod,  von  Thierry  .  . . 

Luftkissen,  bequemes  Aufblasen  von, 

von  Landgraf . 

Luftröhre,  Resektion  der,  von  v  Hacker 
Luftwege,  Verengungen  der,  von  Pienia- 

zek . . 

Lumbalanästhesie,  neues  Verfahren  bei, 

von  Kozlowski  . 

Lumbalhernien  und  seitliche  Baucli- 


2073 


1893 

1980 

1980 

1417 

584 

30 

2015 


hernien,  von  v.  Baracz . 1891 

Lumbalpunktion  s.  a.  Chorea. 
Lumbalpunktion,  von  Hartmann  938,  — 
zur  Differenzialdiagnose,  von  Frei 
259,  zu  therapeutischen  Zwecken, 

von  Cliipault . 588 

Lumbalpunktionsbehandlung  eitriger  me- 

ningealer  Exsudate,  von  Kroenig  .  260 
Lunge  s.  a.  Tuberkulose. 

Lunge,  Fremdkörper  in  der,  von  Ivorte- 
weg’158,  Tod  durch  Probepunktion 
der  — ,  von  Rusell  379,  Atrophie  und 
Hypertrophie  der  — ,  von  Busse  546, 
Undurchgängigkeit  der  —  für  Am¬ 
moniak,  von  Magnus  1313,  Mikro¬ 
organismen  in  der  gesunden  — ,  von 
Fraenkel  1400,  Zerstörung  und  Neu¬ 
bildung  des  elastischen  Gewebes  in 
der  — ,  von  Sawada  1626,  Fremd¬ 
körperextraktion  aus  der  — ,  von 
v.  Schrötter  1723,  Extraktion  eines 
Fremdkörpers  aus  der  —  mittels  di¬ 
rekter  Bronchoskopie,  von  v  Schrötter  1930 
Lungen-  und  AVirbelsäulenaktinomykose, 

von  Martens . 538 

Lungenatbmungin  der  Höhe,  von  Robin, 

Binet  und  Dupasquier  .......  124 

Lungenarterie,  Embolie  der,  von  Loth¬ 
eissen  ....  . 584 

Lungenblähung,  chronische,  von  Riegel  2ü2 
Lungenblutung,  Behandlung  der,  mit 
subkutanen  Gelatineinjektionen,  von 
Thieme  184,  eigentümliche  Kompli¬ 


kation  der  — ,  von  Cybulski  ....  1613 

Lungenbrand,  von  Lenhartz . 38  i 

Lungenbrand  kranke,  von  Lenhartz  .  .1119 
Lungenchirurgie,  von  Röchelt  ....  2097 


Lungenembolien  nach  chirurgischen 
Eingriffen,  von  Oppenheim  248,  ex¬ 
perimentelle  Studien  über  — ,  von 
Kose . 1930 


Lu  i  igenemphysem  eineF  <  »lge  des  Spielens 

von  Blasinstrumenten  ?  von  Fischer  702 
Lungenentzündung  als  Unfall  anerkannt, 

von  Bierfreund . 1771 

Lungenerkrankungen,  operative  Behand¬ 
lung  gewisser,  von  Treupel  .  .  .  1644 

Lungengangrän  nach  Aspiration  einer 

Kornähre,  von  Schlechtendahl  .  .  .  449 


Seite 


Lungenheilstätte, Schwierigkeiten  bei  der 
Auswahl  der  Kranken  und  Modus 
der  Aufnahme  in  die,  von  Kobert 
1385,  —  bei  Greifswald,  von  Moritz  1548 
Lungenkarzinom,  primäres,  von  Böttger  272 
Lungenkaverne,  Diagnose  der,  von 


Cybulski . 1839 

Lungenkranke,  Vierwochenkuren  für, 
von  Stern  174,  Anstalten  fürjMinder- 

bemittelte  — ,  von  Brecke . 839 

Lungenkrankheiten, J  Berliner  Poliklinik 

für,  von  AVolff  ....  1855 

Lungenoperationen,  von  Garre  u.  Sultan  450 
Lungenorgane,  ‘entzündliche  Erkran¬ 
kungen  der,  von  Hraeh . 1628 


Lungenphthise  s.  a.  Auskultation,  Tu¬ 
berkulose. 

Lungenphthise  im  Säuglingsalter,  von 
Gurin  223,  Prophylaxe  und  Therapie 
der  — ,  von  Robin  und  Binet  426, 
Behandlung  der  —  mit  Izal,  von 
Tunniclife  542,  Heilung  und  Heilbar¬ 
keit  der  —  von  v.  Hansemann  1399, 
Beziehung  geheilter  —  zur  Gelenk¬ 
bildung  am  ersten  Rippenknorpel, 
von  Freund  1433,  Aetiologie  der  — . 


von  Boeg  1436,  tuberkulöse  —  im 
Säuglingsalter,  von  Hohlfeld  ....  1955 
Lungenpräparat,  von  Killian . 1547 


Lungenprobe  sXa.  Thoraxdruckmesser, 
Lungenschwimmprobe. 

Lungenprobe,  neue,  von  Placzek  266, 
392,  663,  von  Aron  560,  von  Wach¬ 
holz  1617,  Beweiswert  der  — ,  von 


Haberda  . . 1714 

Lungenprozesse ,  chirurgische  Behand¬ 
lung  ulzeröser,  von  Riegner  ....  1315 
Lungenrotz,  pathologische  Anatomie  des, 

von  Mac  Callum .  .  975 


Lungenschwimmprobe ,  Verwertbarkeit 
der,  von  Ungar  1230,  von  Hitschmann 
und  Linde ntnal  1432,  Verwertbarkeit 
der  _  bei  Keimgehalt  der  Uterus¬ 
höhle,  von  Krönig  .  .....  2095 

Lungenschwindsucht  s.  a.  Herzklappen¬ 
fehler,  Tuberkulose. 

Lungenschwindsucht,  »folge  der  Frei¬ 
luftbehandlung  bei,  von  Engelmann 
459,  —  und  deren  Behandlung  mit 
Tuberculocidin  Klebs,  von  Jessen 
729,  Antagonismus  zwischen  Kohlen¬ 
säure  und  — ,  von  Weber  813,  952, 

—  und  deren  Behandlung,  von  Jessen 
1060,  Bluthusten  als  Initialsymptom 
der  — ,  von  Reiche  1060,  Aetiologie 

der  — ,  von  Hesse  . 2100 

Lungenspitzenaffektionen,  Lagerungsbe¬ 
handlung  einseitiger,  von  Link  .  2016 
Lungenspitzentuberkulose,  geheilte,  von 

Hauser . 500 

Lungentuberkulose,  Purpura  hämorrha¬ 
gica  bei,  von  Roemisch  68,  Be¬ 
kämpfung  der  —  als  Volkskrankheit 
auf  Grund  der  deutschen  Arbeiter¬ 
versicherung,  von  Bielefeklt  73,  Diazo- 
reaktion  bei  der  — ,  von  Blad  und 
Videbeck  73,  Hetolbehandlung  der 
— ,  von  Frank  127,  —  und  Hydro¬ 

therapie,  von  Winternitz  156,  Diät  bei 
— ,  von  Bardwell  204,  Frühdiagnose 
der  —  mittels  Röntgenstrahlen,  von 
Stubbert  294,  4.  Bericht  über  die 
Behandlung  der  —  im  Postgraduate 
Hospital, New- York  294,  Frühdiagnose 
der  — ,  von  Latham  379,  Serum¬ 
diagnose  bei  der  — ,  von  De  Grazia 
539,  Aetiologie  der  — ,  von  Saenger 
670,  epidermatische  Anwendung  des 
Guajakol  bei  — ,  von  Lawroff  762, 
Genese  der  - ,  von  Ribbert  805,  von 
Schmorl  1379,  organische  Arsenik- 
und  Phosphorpräparate  bei  der  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Mouneyrat  947, 
Ursache  und  Vorbeugungsmassregeln 
der  -  ,  von  Lachmann  1060,  Behand- 


6* 


XLLV 


I  Nil  A  LT  S- V  E  RZEICI  IN  I S. 


1902. 


Seite 

lang  der  —  mit  Durantescher  Jod¬ 
lösung,  von  Stefanile  und  Fabozzi 
1065,  Behandlung  der  —  mit  Tuber¬ 
kulin,  von  Wilkinson  1359,  Einfluss 
chronischer  —  auf  Psyche  und  Nerven, 
von  Engel  1383,  schnelle  Heilung, 
einer  —  durch  Serum  Maragliano, 
von  Cambiasso  1431,  Rolle  der 
Nasenhöhlen  in  der  Prophylaxe  und 
Behandlung  der  —  und  Kehlkopf¬ 
tuberkulose,  von  Mignon  1478,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  — ,  von  Länderer 
1674,  1948,  kombinierte  Behandlung 
der  —  mit  Kalk  und  Tuberkulin,  von 

Rudolph .  2008 

Lungentumor,  primärer,  von  Wagner  .  767 
Lupus  s.  a.  Adrenalin,  Röntgenstrahlen. 
Lupus  der  Nase,  von  Holländer  205,  — 
des  Gesichts,  von  Kreibich  341,  mit 
Harnstoff  und  X-Strahlen  erfolgreich 
behandelter  — ,  von  Swales  977,  — 
des  Fingers,  von  Hahn  1163,  Behand¬ 
lung  des  —  nach  Finsen  und  mit 
Röntgenstrahlen,  von  Morris  und 
Dore  1234,  von  Walker  1234,  Behand¬ 
lung  des  Ohren-  und  Nasen-  —  mit 
heisser  Luft,  von  Lichtwitz  1478,  — 
der  behaarten  Kopfhaut,  von  Hahn 
1551,  Beziehungen  des  —  erythe¬ 
matodes  zur  Tuberkulose,  von  Roth 
294,  —  erythematodes  mit  Karzinom¬ 
bildung,  .  von  Kreibich  295,  Histo¬ 
pathologie  des  —  erythematodes,  von 
Schonheid  329,  Heilung  des  — 
erythematodes,  von  Holländer  812, 
Behandlung  des  —  erythematodes, 
von  Holländer  815,  Aetiologie  des 

—  erythematosus,  von  Gunsett  1941, 

—  vulgaris,  von  Bernhardt  329, 
Salbenbehandlung  des  —  vulgaris, 
von  Ehrmann  1165,  —  vulgaris  (mi¬ 
liaris  disseminatus),  von  Bettmann  1549 

Lupusbehandlung,  Finsensche,  von 

Kattenbracker .  288,  415 

Luxation  s.  a.  Verrenkung,  Arterienver- 
letzung. 

Luxation  des  os  lunatum  carpi,  von 
v.Lesser  503,  549,  -  atloido-axoidea, 
von  Vitner  89ö,  manuelle  Reposition 
von  —  ohne  Narkose,  von  Roloff  713, 
zentrale  —  des  Schenkelkopfes,  von 
Katz  1015,  —  des  Radius,  von  Am¬ 
berger  1272,  —  coxae,  Frühdiagnose 
der  angeborenen,  von  Bade  1415,  - 
der  Handwurzel,  von  De  Gaetano 

1435,  —  coxae  congenita,  von  Rager 

1436,  —  tibiae  anterior,  von  Brüning 
1573,  —  des  Metacarpus  indicis,  von 
Berdach  und  Herzog  1587,  —  des 
Os  lunatum,  von  Cahen  1867,  —  sub 

talo  nach  innen,  von  Ivraske  .  .  .  2065 
Lycetol,  therapeutische  Anwendung  des, 

von  Basile . 717 

Lympbadenocele  indigene,  von  Gross  .  422 
Lymphadenoma  und  dessen  Verhältnis 
zu  Tuberkulose,  von  Butlin  ....  170 

Lymphangiektasis,  von  Whitehead  .  .  978 
Lymphangioma  cysticum  cutis,  von 
Walsch  295,  Bau  und  Wachstum  der 

— ,  von  Sick . 1927 

Lymphcysten,  mesenteriale,  von  Smoler  457 
Lymphgefässe,  Krankheiten  der,  Lyrnph- 
drüsen  und  Blutgefässe,  von  Fischer  1710 
Lymphgefässbildung  im  pleuritischen 

Schwarten,  von  Talke . 1192 

Lymphgefässerkrank  ungen,  (Pathologie 
der  blennorrhoischen  und  veneri¬ 
schen,  von  Nobl . 372 

Lymphocyten,  aktive  Beweglichkeit  der, 
von  Wolff  34,  Granula  in  — ,  von 
Michaelis  und  Wolff  670,  Emigrations¬ 
fähigkeit  der  — ,  von  Almkvist  .  .  .  1587 
Lymphocythämie,  akute,  von  Rocaz  .  .  1195 
Lymphom,  Fieber  bei  malignem,  von 
Shaw  380,  bösartige—,  von  Spijami  2018 
Lvmphorrhoe  und  Lymphektasie,  von 
Kreibich . 609 


Seite 

Lysoform  s.  a.  Karbollvsoform. 

Lysoform  in  der  Geburtshülfe,  von 
Hammer  756,  —  als  Antiseptikum, 
von  \  ertun  1313,  Untersuchungen 

über  — ,  von  Seydewitz  . 1472 

Lysol  Vergiftung,  von  Tausch . 1473 

Lyssa  s.  a.  Hundswut.  • 

Lyssa  humana,  von  Krokiewicz  ....  291 

Lyssavirus,  Verhalten  des,  im  Zentral¬ 
nervensystem,  von  Kraus,  Keller  und 
Clairmont  2059,  Bildung  von  Immun¬ 
substanzen  gegen  das  — ,  von  Kraus 
und  Maresch .  2059 


TI. 

Mac  Cormac,  Sir  William,  von  zum  Busch  149 
Mässigkeitsbewegung  in  Deutschland  .  1599 
Magen  s.  a.  Sanduhrmagen,  Verdauung, 
Fadenpilze,  Ulcus  ventriculi. 

Magen,  totale  Schrumpfung  des,  von  v. 
Cackovic  32,  Sanduhrform  des  — ,  von 
Becco  158,  Karzinom  des  —  mit  starker 
Entwicklung  des  elastischen  Gewebes, 
von  Meinel  359,  Ausspülungen  des  — 
mit  Höllenstein,  von  Ehrlich  568, 
Dauerresultare  bei  Transplantationen 
ttm  — ,  von  Reerink  720,  narbige 
Schrumpfung  des  — ,  von  Minkowski 
730,  Einfluss  der  Gewürze  auf  den  — , 
von  v.  Korczynski  805.  neue  Methode 
der  Untersuchung  der  Funktionen 
'des  —  nach  Sahli,  von  Seiler  1230, 
karzinomatöses  Ulcus  des  — ,  von 
Dreesmann  1243,  Leiomyome  des  — , 
von  Oernezzi  1316,  Pflanzenkeime  im 

—  und  deren  diagnostische  Bedeutung, 
von  Kühn  1397,  Exstirpation  des  kar- 
zinomatösen  — ,  von  v.  Herczel  1513, 
Sahli  sehe  Methode  der  Funktions¬ 
prüfung  des  — ,  von  Bönniger  1786, 
Myxom  des  — ,  von  Eichhorst  1807, 

—  mit  krebsiger  Striktur  der  Kardia 
und  des  Pylorus,  von  Simmonds  1939, 
Bestimmung  der  motorischen  Funk¬ 
tion  des  — ,  von  Schiile  2066,  ge¬ 
schrumpfter  karzinomatöser  — ,  von 
Schüle  2066,  Funktionen  des  kind¬ 
lichen  -  bei  Verdauungskrankheiten, 

von  v.  Hecker .  2058 

Magenadenom,  benignes,  von  Albu  .  .  2060 
Magenbewegungen,  Kenntnis  der,  von 

Glässner . 252 

Magenblutung  nach  Bauch  Operationen, 
von  Landow  583,  okkulte  — ,  von 
Boas  und  Ivachmann  1 108,  Gastroen¬ 
terostomie  bei  — ,  von  Schüssler  1272, 
parenchymatöse  — ,  von  Moser  1832, 

tödliche  — ,  von  Tiegel  . I960 

Magendarmbefunde,  Erblichkeit  von,  in 

Familien,  von  Jung . 1108 

Magendarmchirurgie,  von  Kölbling  .  .1016 
Magendarmerkrankungen,  Pathologie  der 
Nieren  bei,  der  Säuglinge,  von  Hohlfeld  2102 
Magen-  und  Darmperforationen,  von  Ed- 

gren . 1770 

Magen-  und  Darmstriktur,  syphilitische 

fibröse,  von  Gross  ...  ....  1775 

Magendilatation,  akute,  von  Box  und 

Wallace . 203 

Magenduodenumperforation,  Aetiologie 
und  chirurgische  Therapie  der,  von 

Brunner  . U6 

Magenerosionen,  hämorrhagische,  von 

Mintz . . . 1712 

Magenerweiterung,  akute,  von  Thomson 
36,  Ursachen,  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Allbutt  1553,  Be¬ 
handlung  der  —  durch  Gastroplika- 
tion,  von  Banks  1553,  Aetiologie  und 
Diagnose  der  akuten  — ,  von  Thomson 
1630,  Behandlung  der  atonischen  — , 
von  Crombie  u.  Bokenham  ....  2161 

Magenfistel,  schräge,  von  König  .  .  .  160 


Seite 

Magenfunktion,  neue  Methode  derUnter- 
suchung  der,  nach  Sahli,  von  Seiler 
70,  neues  Verfahren  zur  Untersuchung 

der  — ,  von  Sahli . \  753 

Magengeschwür  s.  a.  Ulcus  ventriculi, 
Magenulcus. 

Magengeschwür,  durch  Operation  gehe  lte 
Perforation  eines,  von  Wheeler  36, 
Entstehung  von  —  und  Leberinfarkten 
nach  Netzresektion,  von  Sthamer  72, 
operative  Behandlung  des  — ,  von 
Borges  118,  perforiertes  — ,  von  Smith 
205,  von  Adarason205,  Magensaftfluss 
und  Krampfzustände  bei  chronischem 
— ,  von  Kaufmann  491,  Diagnose  des 
— ,  von  Ewald  673,  718,  Behandlung 
des  — ,  von  Fleiner  675,  718,  913, 
Pathogenese  des  — ,  von  Schmidt 
765,  Beziehungen  zwischen  —  und 
Magenkrebs,  von  Hirschfeld  765, 
Magentumoren  nach  — ,  von  Albu 
946,  chirurgische  Behandlung  des  — , 
von  Sahli  11  H,  geheiltes  perforiertes 
— ,  von  Lucy  1234,  diagnostisch-thera¬ 
peutische  Bemerkungen  zum  — ,  von 
Agäron  1156,  operative  Behandlung 
des  kallösen  — ,  von  Brenner  1725, 
Bedeutung  des  sympathischen  Reiz¬ 
zustandes  für  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Kelling  18I8,  ko¬ 
lossales  chronisches  — ,  von  Merkel  1937 
Magengeschwülste,  topische  Diagnostik 

der,  von  Glässner  1274,  1400,  syphi¬ 
litische  — ,  von  Einhorn .  2005 

Mageninhalt,  eiweiss verdauende  Kraft 

des,  von  Schorlemmer . 2180 

Magenkarzinom,  von  Cossmann  2021, 

Verlauf  des  —  bei  interner  und  bei 
operativer  Behandlung,  von  Krönlein 
676,  Erkrankung  der  Lymphdrüsen 
bei  — ,  von  Lengemann  676,  Früh¬ 
diagnose  des  — ,  von  Gluzinski  1311, 
elastisches  Gewebejbei  — ,  von  Inouye  1626 
Magenkrankheiten  s.  a.  Diätotherapie, 
Gastralgie. 

Magenkrankheiten,  Diagnostik  u.  The¬ 
rapie  der,  von  Boas  114,  physikalisch- 
dii  te tische  Behandlung  der  —  in  der 
Praxis,  von  Wittgenstein  244,  chirur¬ 
gische  Hilfe  bei  — ,  von  Huber  419, 
Reflexfieber  bei  — ,  von  Strasser  889, 
Pathologie  und  Therapie  der  gut¬ 
artigen  - — ,  von  Petersen  u.  Machol .  1015 
Magenkrebs,  Parasiten  in  den  Zotten 
eines,  von  Zabel  289,  Resistenz  der 
roten  Blutkörperchen  gegen  hypoiso¬ 


tonische  NaCl-Lösungen  bei  — ,  von 

Lang  .  2094 

Magenleiden,  Operationen  wegen  gut¬ 
artiger,  von  Barker . 1850 

Magenperforation,  von  Wiesinger  249, 

von  Callendar . 1234 

Magensaft,  Apparat  zur  Bestimmung  des 


Gesamtsäuregehaltes  des  Magensaftes, 
von  Spineanu877,  neue  gasometrische 
Bestimmungder  Chlorwasserstoffsäure 
im  — ,  von  Ziegler  1111,  Einfluss  des 


Alkohols  auf  die  Abscheidung  des  — , 

von  Pekelharing . 1767 

Magenschlauch,  Führungsdraht  für  den, 

von  Clemm  . 128 

Magensonde,  Verbesserung  der,  von 

Bychowsk . 156 

Magensteifung,  von  Boas . 460 


Magenulcus,  operativ  behandelte  Per¬ 
foration  eines,  von  Heaton  ....  1630 
Magenverdauung,  Wirkung  der  Kohlen¬ 
säure  auf  die,  von  Penzoldt  491, 
des  Menschen,  von  Penzoldt  .  .  .  710 

Magenzellen,  Bau  der,  bei  Hypopepsie 

und  Ilyperchlorhydrie,  von  Theobari  1113 
Magerkeit,  Behandlung  der,  von  Strebei  303 

Makrodaktylie,  von  Sattler . 156 

Malaria  s.  a.  Anopheles, Sch warzwasser- 
fieber,  Hysterie,  Karzinom,  Aggluti¬ 
nationsphänomen,  Typhomalaria. 


1002. 


INHALTS- VERZEICHNIS. 


XLV 


2098 


1933 

1979 


Rüge 


Malaria,  von  Schoo  158,  von  Czaplewski 
1201,  von  Richter  18(54,  von  Lenz¬ 
mann  2021,  Wirkungsgrad  des  Chinins 
auf  die  Parasiten  der  -  ,  von  Capo- 
grossi  461,  Störung  der  Funktion  des 
Kleinhirns  durch  -,  von  Pausini 
4(51,  Spezifikum  gegen  — ,  von  Gautier 
507,  Polyneuritis  nach  — ,  von  Luzzatto 
758,  Behandlung  der  chronischen  — , 
von  Ferguson  761,  Anopheles  u.  — 
in  Palästina,  von  Cropper  979,  Mos- 
quitoes  und  — ,  von  Buchanon  980, 
Behandlung  der  —  mit  Arrhenal,  von 
Gautier  1076,  prophylaktische  Ver¬ 
suche  gegen  die  —  auf  den  sardi- 
nischen  Eisenbahnen,  von  Fermi  u. 
Brusco  1110,  —  u.  ihre  Plasmodien 
in  Algier,  von  Billet  1195,  —  u.  Kar¬ 
zinom,  von  Goldschmidt  1314,  von 
Gentile  1315,  bei  —  auf  tretende 
Störungen  des  Nervensystems,  von 
Schupfer  1315,  Verbreitung  der  — 
in  Nordwestdeutschland,  von  Mühlens 
1473,  Entstehung  der  Neuerkran¬ 
kungen  an  — ,  von  Martini  1627,  — 
in  Italien  19  Jl,  von  Celli  1663,  Ver¬ 
lauf  der  — -  ohne  Chinin,  von  Kuhn 
1933,  —  perniciosa,  von  Maurer  1975, 
Impfung  gegen  —  mit  dem  Kuhn- 
|  sehen  Serum,  von  Hovoreka  v.  Zderas 
Malariaausbruch,  Verhütung  eines,  in 
Wilhelmshaven,  von  Martini 
Malariablutbefunde,  seltene,  von  Mariotti- 

Biandri  . 

Malariaepidemie  im  Harlinger-  u.  Jever¬ 
lande,  von  Martini . 

Malariaforschung  in  Hokkoido ,  von 
Tzuzuki  1110,  Fragen  u.  Probleme 
der  modernen  — ,  von 
Malariafrage,  von  Purjesz 
Malariamücken  der  deutschen  Kolonien, 

von  Dönitz . 

Malariaparasiten,  1  ärbemethoden  für,  von 
Giemsa  1545,  Beziehungen  der  —  zu 
Mensch  und  Mücke,  v.  Schüffner  1626, 

-—  und  ihre  Ueberträger,  von  Martini 
Malariaplasmodienfärbung  mittels  A- 
Methylenblau-Eosin,  von  Reuter 
Malariapolyneuritis,  von  Matliis  .  1194, 
Malariarezidiv,  Lähmung  bei,  von  Forte¬ 
leoni  ..... 

Mal  de  Caderas,  von  Voges 

Maltafieber,  von  Zammit . 1 

Malum  perforans  pedis,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Aetiologie,  von 
Thomasczewski 

Malzextrakte,  trockene . .  !  1Ö03 

Mamma,  Bindegewebshyperplasie  im 
Fibrom  und  Fibroadenom  der,  von 
Fabian  32,  reflektorische  Beziehungen 
zwischen  —  mit  Genitalia  muliebria, 
von  Pfister  153,  Pubertätshypertrophie 
beider  — ,  von  Pflanz  153,  Riesen¬ 
wuchs  der  — ,  von  Wisshaupt  .  . 
Mammaexstirpation,  von  Bröse 
Mammahypertrophie,  doppelseitige  echte, 
von  Dietel  1016,  diffuse  wahre  — , 

von  Kirchheim . 1512 

Mammakarzinom,  verschleppte  Zellen  in 
Drüsengängen  bei,  von  Ritter 
422,  Kastration  bei  inoperablem  — , 

von  D’Arcy  Power . 2160 

Mammakarzinomoperationen,  Dauerheil¬ 
erfolge  bei,  der  letzten  10  Jahre,  von 

Stölzner . 1240 

Manganarbeiter,  nervöse  Erkrankung  bei, 

von  v.  Jaksch . 1364 

Mannosen,  Verhalten  der  drei  stereoiso¬ 
meren,  im  Tierkörper,  von  Mayer  .  853 

Marasmus  montanus,  von  Goldmann  .  774 

Marktbutter ,  Tuberkelbazillen  in  der, 

von  Aujeszky  . . 376 

Martinique,  Eruption  auf  . 1943 

Masern,  Pathologie  der,  von  Brückner  498,  2058 
Masernotitis, Bakteriologie  der,  von  Albes- 

heim . ggq 

Massage  s.  a.  Vibrationsmassage. 

Massage,  Handbuch  der,  und  Heil¬ 
gymnastik,  von  Bum . 1397 


Seite 


1929 


2059 

806 

1933 


1933 

2059 

1474 

250 

494 

2162 


779 


1674 

2181 


Massagebehandlung,  Grundzüge  der  gynä¬ 
kologischen,  von  Knapp 
Massageverfahren,  neues,  von  Hofmeister 
Mastdarm  s.  a.  Rektum. 

Mast  darm, Untersuchung  des,  vonSonnen- 
kalb  211,  Erkrankungen  des  —  durch 
Gonorrhoe  und  Syphilis,  von  Koenig 
805,  Fremdkörper  des  — ,  von  Preindls- 
berger  . 

Mastdarmexstirpation,  voll  komm  eneKon- 

tinenz  nach,  von  Wo'.ff 
Mastdarmkarzinome,  Behandlung  hoch¬ 
sitzender,  von  Wiesineer 
Mastdarmkarzinomoperation,  Erfolge  der, 

von  Kraske  . 

Mastdarmkrebs,  Indikation  u.  Prognose 
der  _  Operation  des,  von  Jaffö  886, 
Statistik  und  Technik  der  Radikal¬ 
operation  des  — ,  von  Lieblein  . 
Mastdarmpolyp,  durch  prolabirten,  verur¬ 
sachte  Blutung  und  Anämie,  von 

Aronheim . * 

Mastdarmprolapse,  operative  Behandlung 
grosser,  von  v.  Eiselfberg  .  ° 

Mastdarmstrikturen,  operative  Aus¬ 
schaltung  entzündlicher,  von  Scliloffer, 

115,  syphilitische  — ,  von  König  ! 
Mastdarmverengerungen,  retrograde  Bou¬ 
gierung  der  entzündlich.,  von  Lieblein 
Mastdarmvorfall,  Resektion  des,  von 
Henle  584,  Therapie  des  —  beim 
Infantilismus,  von  Sonnenschein  .  . 

Mastfettherz,  von  Kisch . 

Mastitis,  Prophylaxe  der  puerperalen, 
von  Alilfeld  1 151,  — purulenta,  hervor¬ 
gerufen  durch  den  Typhusbazillus, 

von  Mc  Conkay . 

Masturbation, Behandlung  der, vonHirsch- 

kron . 

Mastzellen,  von  Michaelis  225,  —  in 
Exsudaten,  von  Wolff  226,  bequemes 
Objekt  zum  Studium  der  — ,  von 

Schreiber  . 

Maul-  u.  Klauenseuche,  Immunisierungs¬ 
verfahren  gegen  431,  zentrales  Nerven¬ 
system  bei  —  der  Rinder,  von  Scagliosi 
Maul-  und  Klauenseuchenbehandlung 
nach  Baccelli,  von  Buonsanti  .  .  . 
Meckelsches  Divertikel,  von  Lentz  1941, 
Entzündung  des  — ,  von  Denecke  538, 
Pathologie  des  — ,  von  v.  Stubenrauch 
Mediastinitis,  Diagnose  und  Therapie  der 
akuten  eitrigen,  von  Lenhartz  501, 
operative  Behandlung  der  — ,  von 

Kopfsteiu . 

Mediastino-Perikarditis,  von  Brauer  982, 
chronische  adhäsive  —  und  deren 
Behandlung,  von  Brauer  .  .  .  . 

Mediastinum,  Chirurgie  des  hinteren, 

von  Enderlen .  74 

Medikamen  e,  diuretische,  von  Cosma  .  1113 
Medizin  s.  a.  Archiv,  Jahrbuch,  Zeit¬ 
schrift,  Zentralblatt 

Medizin,  Lehrbuch  der  innern,  von  v. 
Mering  322,  internationale  Beiträge 
zur  innern  —  776,  versicherungs¬ 
rechtliche  — ,  von  Stolper  808,  bio¬ 
mechanisches  Denken  in  der  — ,  von 
Benedikt  816,  Grundriss  der  innern 
— .  von  Ivahane  885,  Entwicklung  der 
—  einst  und  jetzt,  von  Bäumler  1012, 
bakteriologische  Diagnose  in  der  — , 
von  Woodhead  1554,  soziale  —  1783, 
Akademie  für  praktische  —  in  Frank¬ 
furt  a.  M.  • . 

Medizinalabteilung,  Lostrennung  der, 
vom  Kultusministerium  557,  Gleich¬ 
stellung  der  —  . 

Medizinalbeamtenverein,  19.  Hauptver¬ 
sammlung  des  preussischen  .... 
Med'zinalkollegium,  württembergisches 
Medizinalwesen,  wissenschaftliche  Depu¬ 
tation  für  das  . 

Mediziner,  Petition  der . 

Medizinische  Streiflichter  aus  Amerika, 

von  Beck  . 

Medulla  oblongata  und  Vierhügelgegend 
von  Ornithorhynchus  und  Echidna, 
von  v.  Kölliker . 150 


Seite 


1511 

1862 


Seite 

1862 


16*29 

1272 


2065 


1015 


1184 

719 


1158 


115 


2015 

540 


1850 

262 


2075 


586 


1517 


985 


2160 


1072 


1976 

1303 

623 

298 


2170 


C00 

1079 

687 

2170 

428 

1934 


Medullarnarkose,  von  Neugebauer  1674, 
Mehrlingsgeburten,  Physiologie  u.  Patho¬ 
logie  der,  von  Weinberg . 1269 

Melaena  s.  a.  Gelatinebehandlung. 

Melaena  neonatorum,  Gelatineinjektion 
bei,  von  Holtschmidt  13,  Therapie 
der  —  neonatorum,  von  Döllner  875, 
Gelatinebehandlung  der  —  neona¬ 
torum,  von  Oswald . I960 

Melancholie  und  die  toxämische  Theorie, 

von  Clouston . 543 

Melanine,  Kenntnis  der,  von  Helman  .  1891 
Melanosarkom  des  Ciliarkörpers,  von  v. 
Hippel  162,  —  der  Aderhaut,  von  Ale¬ 
xander  . 2165 

Meldepflicht,  Uebertretung  der  ....  1406 
Melliturien,  Aetiologie  der,  von  Rosin  .  1018 
Membran,  angeborene,  am  Kehlkopf, 

von  Harm  er  . • 

Menabea  venenata  rediviva,  von  Model 
Menieresche  Krankheit,  von  Gescheit  . 
Meningealblutung,  von  Trömner  .  .  . 
Meningitis  s.  a.  Zerebrospinalmeningitis. 
Meningitis,  Prognose  der,  cerebrospinalis 
epidemica  im  Kindesalter,  von  Zup- 
pinger  33,  —  mit  Pfeifferschem  Ba¬ 
zillus,  von  Trailescu  118,  Aetiologie 
und  Pathologie  der  tuberkulösen  — , 
von  Cautley  378,  AVidals  Reaktion 
bei  tuberkulöser  — ,  von  Mackev  542, 
geheilte  — ,  von  Gross  635,  —  serosa 
nach  Otitis,  von  Lecene  851,  —  tuber- 
culosa  mit  Ausgang  in  Heilung,  von 
Barth  877,  Heilung  einer  —  tuber- 
culosa,  von  Thomalla  1064,  —  bei 
Influenza,  von  Ghon  1193,  —  cere¬ 
brospinalis,  von  du  Mesnil  1239, 
Prognose  der  —  tuberculosa,  von 
Gross  1433,  Besserung  von  —  bei 
Maserneruption,  von  Mermann  1512, 
tuberkulöse  — ,  von  Schlesinger  1715, 
von  Nobficourt  und  Voisin  1978, 
rhinogene  purulente  —  mit  Zerebro¬ 
spinalmeningitis,  von  Struppler  .  .  1877 
Meningocele  spinalis  spuria  traumatica, 

von  Stolper . 808 

Meningokokkenseptikämie,  von  Salomon  1928 
Meningokokkus  intracellularis,  von  Heub- 
11er  1927,  von  Albrecht  und  Ghon  1976 
Meningomyelitis  bei  Lues,  vonTroemner  1986 
Menopause,  von  Klein  Wächter  ....  802 

Mensch,  chemische  Zusammenstellung 
des  neugeborenen,  von  Camerer  .  .  1021 
Menschenblut,  Untersuchung  des,  von 
Butzulll3,  bakterizider  Einfluss  des 
— ,  von  Wright  und  Windsor  \  .  2163 
Menschenmilch,  neue  Reaktion  der,  von 

Moro  und  Llamburger . 249 

Menschenserum,  hämolytische  Wirkung 
d.  normalen,  von  Hahn  u.  Trommsdorff  1454 
Menschentuberkulose,  Uebertragbarkeit 
der,  auf  Rinder  u.  Ziegen,  von  Moeller  1716 
Menschen-  u.  Haustiertuberkulose,  Kochs 
Mitteilungen  über  die,  von  Ostertag  71 
Menschen-  u.  Tiertuberkulose,  Identität 
der,  von  Disäelhorst  .  .  .  1116,  1139 

Menstruatio  praecox,  von  Stömmer  .  .1541 
Menstruation,  von  Brennecke  81,  Alter 
des  ersten  Auftretens  der  — .  von 
Engelmann  1814,  frühzeitige  — ,  von 

Kleinhans . 1868 

Menstruationsstörungen ,  Orchitininjek- 
tionen  bei,  von  Bouffd  ......  426 

Meralgia  traumatica,  von  Sievert  .  .  .  809 

Mercks  Index  .  .  .  . . 1904 


Merkurkolloid,  Collemplastrum  .  .  .  . 
Merkurkolloidpillen,  von  Werler  .  . 
Merkurkolloidpräparate,  von  Werler  .  . 
Mesaortitis  gummosa,  von  Heine  .  .  . 
Mesenterialgefässe,  Zirkulationsstörungen 
im  Gebiete  der,  von  Sprengel  .  .  . 
Mesenterialtumor,  tuberkulöser,  vonBaum 
Mesenterien,  Anomalien  der,  von  Graser 
Mesometrium,  Variationen  im  Bau  des, 
von  Theilhaber  und  Meier  .  . 
Mesotan,  ein  äusserlich  anzuwendendes 
Antirheumatikum,  von  Floret  1809, 
—  ein  äusserlich  anzuwendendes 
Salicylpräparat,  von  Röder  .  ... 


127 

175 

1286 

2017 

719 

1431 

1775 

756 


2077 


INHALTS- VERZEICHN  1 S. 


1002. 


XL  VI 


Seite 


2057 

1847 

671 

1587 


1897 

1113 

756 

1063 

375 


Seite 


Messapparat,  Aichung  ärztlicher,  von 
v.  Hoesslin  511,  -  zur  genauen  Be¬ 
stimmung  der  Exkursionsfähigkeit  der 
Gelenke,  von  Miller  .......  1990 

Meta-Arsensäureanilid,  von  Schild  .  .  .  420 

Metamerle,  sekundäre,  der  Gliedmassen, 

von  Ferrannini . 

Metaplasiefrage,  Beitrag  zur,  von  Möncke- 

berg .  .... 

Meteorismus,  Bekämpfung  des,  von 

Oppenheim  . . 

Methämoglobinämie,  intraglobuläre,  beim 
Menschen,  von  Talma  .... 

Methylenblau  s.a.  Nierenfunktion,  Magen. 
Methylenblau  in  der  Behandlung  der 
Metritis,  von  Chaleix-Vivie  .  . 

Methylum  salicylicum,  von  Cosma  .  . 
Metritis  hysterica,  von  Vedeler  .  .  . 

Metroglyzerin,  von  Tischer . 

Meyer,  Konrad  Ferdinand,  von  IIess_  . 
Migräne,  Haarseil  bei,  von  Fenton  979, 
von  Cornish  u.  Watson  1155,  einige 
seltenere  Fälle  von  -  ,  von  Pässler 
1087,  Behandlung  der  —  durch  die 
Sympathektomia  cervico  -  thoracica, 
von  Ettinger  1546,  Beziehungen  der  — 
zum  Ulcus  ventriculi,  von  Ploenies  1819 
Mikroben,  säurefeste,  von  Barannikow  539 
Mikrogyrie,  pathologische  Anatomie  und 
Entstehungsgesch  chte  der,  von 

Schütz . 504,  549 

Mikrokokkus  catarrhalis  als  Krankheits¬ 
erreger  ,  von  Ghon ,  Pfeiffer  und 

Sederl .  52 

Mikroorganismen,  Handbuch  der  patho¬ 
genen,  von  Kolb  und  Wassermann 
1396,  Einwirkung  von  —  auf  chemi¬ 
sche  Normallösungen,  von  Beck  .  .  1894 
Mikrosporon,  Kultivierung  des,  furfur  und 

des  m.  minutissimum,  von  Vörner  .  1627 
Milch  s.  a.  Frauenmilch,  Menschenmileh, 
Kuhmilch  ,  Buttermilch  ,  Säuglings¬ 
milch,  Muttermilch,  Backhausmilch, 
Jodmilch. 

Milch,  Pasteurisierung  der,  von  Bilik  33, 
rohe  —  bei  Atrophie  und  chronischem 
Magendarmkatarrh  der  Säuglinge,  von 
Monrad  417,  Vegetation  des  Bakt. 
coli  in  der  Kuh-,  Ziegen-,  Eselin-  und 
Frauen — ,  von  Cozzolino  669,  Fibrin¬ 
ferment  der  — ,  von  Bernheim-Karrer 
670,  Erhitzung  der  —  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Molkereien,  von 
Tjaden,  Koske,  Hertel  714,  Kochen 
der  -,  von  Ransom  761,  gegohrene 
(Leben)  — ,  von  Rist  und  Khoury 
852,  Alexine  der  —  und  des  kind¬ 
lichen  Blutserums,  von  Moro  935, 
Epidemie  von  Anginen  und  Scarla- 
tina  durch  infizierte  — ,  von  News¬ 
holme  1156,  bakterielles  Verhalten 
der  —  bei  Boraxzusatz,  von  Richter 
1314,  Veränderungen  der  —  in  der 
Säuglingsernährung,  von  Rotcli  1554, 
Fermente  der  — ,  von  Moro  .  1863,  1927 
Milchernährung,  Ausnützung  bei  reiner, 

von  Sommerfeld  und  Caro  ...  .  248 

Milchidiosynkrasie  im  Kindesalter,  von 

Fischer . 1891 

Milchproduktion ,  medikamentöse,  von 

Flamini  . 1195 

Milchsäure,  Nachweis  der,  im  Magensaft, 

von  Bönninger . 1764 

Milcliversorgung,  Ausstellung  für  hy¬ 
gienische  .  ...  1322 

Milchzucker,  quantitative  Zersetzung  des, 
von  Haake  538,  —  im  Urin  stillender 

Frauen,  von  Douglas .  979 

Miliartuberkulose,  Beziehunge  d.  akuten, 
zur  Operation  tuberkulöser  Lyrnpho- 
mata  colli,  von  Willmer  ...  .  1272 

Militärreklamanten,  ärztliche  Unter¬ 
suchung  von . 175 

Millionenspende . 1902 

Milz,  partielle  Resektion  der,  von  Sne-  ' 
guireff  33,  exstirpierte  —  ,  von  Eber¬ 
hart  79,  einfache  Hypertrophie  der  — , 
von  Sadoveanu  118,  Exstirpation  der 
Ruptur,  von  Wilms  503, 


der,  auf  das 


Funktion  der  — ,  von  Ciofoni  und 
Gallerani  906,  von  Heinz  1399,  mye- 
loide  Umwandlung  der  —  und  der 
Lymphdrüsen,  von  II  rschfeld  1314, 
Wechselbeziehungen  zwischen  Bau 
und  Funktion  der  — ,  von  Helly  1400, 
Splenektomie  bei  primärem  Sarkom 

der  — -,  von  Simon . 1807 

Milzbrand  s.  a.  Anthrax,  Inhalations¬ 
milzbrand. 

Milzbrand,  von  Moltrecht  817,  Immuni¬ 
sierung  gegen  — ,  von  Vaerst  623, 
Aetzungen  mit  Kali  causticum  bei  — , 
von.  Rotherosen  762,  Schutzimpfung 
gegen  — ,  von  Sobernheim  976,  1160, 
Pyocyanase  Emmerichs  undLöws  bei 
experimentellem  — ,  vonTaverni  1110, 
Schutzimpfung  gegen  —  durch  An- 
thrakase -Immunproteidin,  von  Em¬ 
merich  2059,  von  Thönnessen  2059, 
Anleitung  zur  Verhütung  des  —  .  . 
Milzbrandbazillen,  Untergang  der,  in  der 
Lunge,  von  Snell  849,  Sauerstoff  über¬ 
tragende  Körnchen  in — ,  von  Dietrich 

und  Liebermeister . 

Milzbrandheilserum,  Sclavosch.es  .  .  . 

Milzbrandinfektion  durch  Ziegenhaare, 

von  Heim . .  459 

Milzbrandserum,  Sclavosclies,  v.  Mancini 
Milzexstirpation,  Magenfunktion  nach, 

von  Gallenga  . 

Milzruptur,  von  Braun  1483,  subkutane 

—  ,  von  Schönwerth . 

Milztumor, Differentialdiagnose  zwischen, 
und  Tumor  der  retroperitonealen 
Lymphdrüsen,  von  Mastri  .  . 
Milzverletzung,  Laparotomie  behufs  Naht 

einer,  von  Madelung .  82 

Mineralquellen,  römische 
Mineralwässer,  Einfluss 

Blut,  von  Grube .  • 

Mischinfektionen  im  Sputum  Tuberku¬ 
löser,  von  De  Cigna  .....  . 
Missbildungen  s.  a.  Hemicephalie. 
Missbildungen,  von  Simmonds  208,  — 
des  männlichen  Genitalapparates,  von 
Merkel  1192,  —  des  Urogenitaltraktes, 

von  Hoenigsberg .  .  . 

Missgeburten,  von  Rüder  1985,  —  mit 
Erweiterung  der  fötalen  Harnblase, 
von  Wolff  ...  ... 

Missed  labour,  von  Machenhauer  .  .  . 

Mission,  ärztliche,  von  Kind . 1934 

Mitte  hingen  aus  den  Grenzgebieten  der 
Medizin  und  Chirurgie  .  .  1061, 

Mittelf  ussknochen,  Bruch  der,  von  Schanz 
Mittelohr,  Ruptur  der  Carotis  bei  Affek¬ 
tionen  des,  von  Jürgens  ... 
Mittelohreiterungen,  von  Felgner  940, 
operative  Behandlung  chronischer  — , 
von  Matte  980,  endokranielle  Kom¬ 
plikationen  akuter  und  chronischer 
— ,  von  Schenke  und  Streit  980,  Be¬ 
teiligung  des  Ganglion  Gasseri  bei 

— ,  von  Hilgermann  . 981 

Mittelohrentzündung,  Aetiologie  der,  von 
Kühnlein  981,  Behandlung  der  akuten 
— ,  von  Bezold  und  Körner  ....  983 

Mittelohrkaries,  Abszessenkung  bei,  von 

Raiser  . . -  •  123 

Mittelohrkatarrh,  Behandlung  des  chro¬ 
nischen,  in  der  pneumatischen  Kam¬ 
mer,  von  Hamm  186,  Knochen¬ 
erkrankung  bei  dem  trockenen  chro¬ 
nischen  — ,  von  Katz  980,  intranasale 
Eingriffe  bei  — ,  von  Mc  Bride  .  .  .  1593 
Mittelohrmuskulatur,  Entwicklung  der, 

von  Eschweiler . 1024 

Mittelohrtaubheit,  Behandlung  der,  durch 

Ozon,  von  Stoker . 2162 

Mitralklappe,  Funktionsprüfung  der,  bei 

der  Herzsektion,  von  Bleichröder  .  .  1587 
Mitralstenose,  von  Lenhartz  943,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  — -,  von  Brunton  807 
Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gy¬ 
näkologie  713,  803,  934,  974,  1063, 

1273,  1469,  1847,  1973,  2015,  2158, 

—  für  Kinderheilkunde . 2170 

Monoplegie,  von  Mott . 257 


2170 

2096 

555 

459 

1979 

717 

1111 

1810 

82 

593 

1761 

543 

1470 


373 

888 


1311 

591 

9-1 


Seite 

Morbiditäts-Statistik  der  Infektionskrank¬ 
heiten  in  Bayern  88,  264,  344,  472, 

560,  648,  912,  1208,  1560,  1688,  1872, 

2032,  2071,  Portofreiheit  für  die  —  in 

Bayern .  1783,  1784, 

Moritz,  Adresse  an  Prof . 

Morphin,  chemische  Konstitution  des, 

von  Vahlen  . . •  • 

Morphin-Skopolamin-Narkose,  von  Korff 

1133, 

Morphinismus  und  dessen  Behandlung, 
von  Müller  853,  Nicolicin  als  angeb¬ 
liches  Heilmittel  des  — ,  von  Fischer 

und  Wagner . '  * 

Morphinodipsie,  von  Krafft-Ebing  .  .  . 
Morphinomanie,  von  Debove  .  •  •  • 

Morphiumvergiftung  im  frühesten  Kin¬ 
dei-alter,  von  Katzenstein  1840,  Heil¬ 
serum  gegen  — ,  von  Hirschlaff  .  . 
Mortalität,  Vergleich  zwischen  französi¬ 
scher  und  englischer . 

Moskitos  s.  a.  Anopheles,  Pestbazillen. 
Moskitos  und  das  gelbe  Fieber,  von  de 

Gouvea .  . 

Mt  Sinai  Hospital  reports  II  ....  . 
Mucin,  topische  Anwendung  des,  bei 
Krankheiten  der  Nase,  des  Halses 
und  des  Ohres,  von  Stuart-Low  1155, 

—  und  maligne  Geschwülste,  von 

Stuart-Low  . 

Mumps,  von  Pick  .  . . 

Mundhöhle,  Sepsis  der,  von  Colyer  .  . 

Mundspeicheldrüsen,  Mischgeschwülste 

der,  von  Steinhaus . .  1356 

Mundwässer,  moderne,  von  Loewe  33, 
bakteriologische  Versuche  über  — , 

von  Pelnar . 

Murex  bradatns,  isolierter  pathogener 
Organismus  aus,  von  Galeotti  und 

Zardo  .  -.  • 

Murphyknopf,  von  Cahen  1867,  Verein¬ 
fachung  der  Naht  bei  Anwendung 

des  — ,  von  Rehm . 

Murri- Jubiläum  in  Bologna  ....  173, 
Muscheln,  paralytische  Form  von  Ver¬ 
giftung  durch,  von  Thesen  .... 
Muskel,  einseitiges  Fehlen  des,  cucullaris, 
von  Bender  412,  physiologische  und 
morphologische  Anpassung  der  , 
von  Regnier  808,  mikroskopische  Er¬ 
scheinung  am  ermüdeten  — ,  von 
Scheffer  998,  Ruptur  des  —  biceps 
brachii,  von  Stieda  .  .  • ,  -  • 

Muskel-  und  Sehnenzerreissung,  subku¬ 
tane,  von  Triepel . 

Muskelatrophie,  progressive,  undTrauma, 
von  Rose  70.  progressive  spinale  — , 
von  Kienböck  808,  progressive  neu¬ 
rale  — ,  von  Hoffmann  ....  901, 
Muskel  defekte,  Rückenmarksbefund  bei, 
von  Obersteiuer  806,  angeborene  , 

von  Bing  . 

Muskelfunktionen,  Ersetzung  gelähmter, 
durch  elastische  Züge,  von  Lazarus 
Muskelkontraktur  ,  ischämische  ,  von 
Dudgeon  542,  von  Henle  767,  syphi¬ 
litische  — ,  von  Gravagna . 

Muskelmassage,  Physiologisches  über, 

von  Rüge . •  •  •  -  ' 

Muskelrisse,  subkutane,  von  beb  aller  . 
Muskelkraft,  Untersuchungen  über,  von 

Vogel  . .  •  • 

Muskelspannung,  ungenügende,  und  ihre 
operative  Behandlung,  von  Lange  . 
Muskelverknöcherung,  Beteiligung  des 
Periosts  bei  der,  von  Berndt  .  .  .  • 
Mussetsches  Zeichen  s.  Kopfbeweg¬ 
ungen. 

Mutterband,  Pathologie  des  runden,  von 
Lichtenstern  und  Herrmann  .... 
Muttermilch,  chemischer  Befund  bei  Un¬ 
verträglichkeit  der,  von  Nordmann  . 
Muttermund  s.  a.  Bossis  Dilatator. 
Muttermund,  schnelle  Erweiterung  des, 
mittels  des  Bossischen  Dilatoriums, 
von  Leopold  848,  schnelle  Erweite¬ 
rung  des  — ,  nachBossi,  v.  Kaiser  1  <o2, 
krampfhafte  Zusammenziehung  des 
als  Geburtshindernis,  von  Durlacher 


1991 

1166 

1273 

1408 


2149 

1664 

1195 


1941 

1559 


76 

1012 


1852 

806 

1631 


541 


10E 


2095 

341 

1273 


2014 

160 

939 

2017 

536 

1979 

1191 

1317 

1013 

525 

32 

1063 

934 


2180 


1902. 


1 N 1 1 A LTS-VE RZE I  CH  NI  S. 


Seite 

Myasthenia  gravis  pseudoparalytica,  von 
Embden  729,  —  und  Ophthalmople¬ 
gie,  von  Gowers  805,  —  gravis,  von 
Link  940,  _  gravis  und  Ophthal¬ 
moplegie,  von  Gowers . 1234 

Myasthenisch  erSymptomenkomplex,  von 

Kollarits . 1.4g 

Mydriasis,  spastische,  durch  Fremdkörper 
im  Ohr,  von  Bandelier  .  .  .  875 

Myelin,  Auftreten  von,  in  Zellen,  von 

Kaiserling  und  Orgler  . 849 

Myelitis  im  Anschluss  an  Encephalo- 
myelitis  disseminata  acuta,  von  Huis- 
mans  32,  chronische  — ,  von  Pick  80(1, 

akute  — ,  von  Dinkler . 939 

Myelocen,  von  Watson  und  Thompson .  2101 

Myelom,  von  Bender . 1015 

Myiasis  intestinalis,  von  Gärtner  ...  1.0 

Mykosis  fungoides,  von  Sclrnilinsky  817, 

von  v.  Stümpell .  .  .  2104 

Myoclonia,  Beziehungen  der,  familiaris 
zur  Myotonia  congenita,  von  Lundborg  1893 
Myozen  oder  neurogen?  von  v.  Cyon  .  1019 
Myokarditis,  Beteiligung  der  querge¬ 
streiften  Muskelfasern  an  der  inter¬ 
stitiellen,  von  Busse . 081 


Myom,  s.  a.  Blasenerkrankung. 

Myome,  von  Seligmann  460,  von  Martin 
079,  von  Wiesinger  1102,  Wahl  der 
Operation  hei  — ,  von  Olshausen  110, 
vaginale  oder  abdominale  Operation 
der  — ,  von  Martin  623,  —  und  Herz, 
von  Kessler  802,  Nachgeschichte  von 
100  supravaginalen  Hysterektomien 
wegen  — ,  von  Thomas  807,  Modi¬ 
fikation  und  Spontanelimination  eines 


grossen  ,  von  Schmauch  .  .  .  .1927 
Myomfälle  der  Züricher  Frauenklinik, 

von  Schwarzenbach . 803 

Myomoperationen,  von  Skutsch  ....  1550 
Mymotomie  nach  Chrobak,  von  Heinricius  2179 
Myopathie  und  ihre  distale  Form,  von 

Gowers . 1G20 


Myopie,  Behandlung  der,  von  Ramsay 

807,  operierte  — ,  von  Bronner  .  '.  1593 
Myositis,  traumatische  ossifizierende, 
von  Graf  581,  von  Vulpius  723,  von 

Schulz  1016,  von  Wolter . 1469 

Myomotomien,  vaginale,  von  Thorn  .  .  494 

Myotonie,  partielle,  von  Schott  ....  1017 
Myotonia  congenita,  von  Köster  ....  1442 
Myxödem,  von  Kohnert  207,  von  Mörl 
1810,  Schilddrüsenbehandlung  beim 
infantilen  — ,  von  Bezy  und  Stojanoff 
76,  —  bei  Mutter  und  Kind,  von  Mc 
Ilwaine  1234,  infantiles  — ,  von  Kasso- 
witz  1359,  Stoffwechselstörungen 
bei  — ,  von  Haushalter  und  Guerin 
1475,  infantiles  — ,  Mongolismus  und 


Mikromelie,  von  Kassowitz  .  .  .  .1819 
Myxomycetengeschwülste, parasitäre, von 
Podwyssotzki . 2156 

W. 

Nabelcysten,  von  Walz  .  . . 959 

Nabelgefässe,  histologischer  Bau  und 
Rückbildung  der,  und  des  Ductus 
Botalli,  von  Pfeiffer  849,  Bau  der  — , 

von  Bondi .  2095 

Nabelschnur,  von  Mond . 1900 

Nabelschnurbruch,  geheilter,  von  Rothe  712 
Nabelschnurinsertion,  plazentare,  von 

Essen-Möller . 1769 

Nabelschnurrest,  Behandlung  des,  von 

Gigli . 1897 

Nabelschnurvorfall,  Reposition  des,  von 

Henne .  33 

Nabelstrangbruch,  von  Heinlein  ....  1164 

Nabeltumoren,  von  Mori  . 1810 

Nabelvene,  Ruptur  der,  von  v.  West- 

phalen . 585 

Nachblutungen,  von  Frommer  ....  1062 
Nagana-  oder  Tsetsefliegenkrankheit,  von 

Laveron  und  Mesnil  . 852 

Nagel,  chirurgische  Entfernung  des,  von 
Baumgaertner . 327 


Seite 

Nagelschmutz,  Infektiosität  des,  von 

Preisich  und  Schütz . 888 

Nähapparat,  einfacher,  von  Eisenberg 

8^8,  von  Kurz . 1230 

Nähinstrument  und  Seidenbehälter,  von 

Czerwenkalö86,  neues — ,  von  Kaiser  1762 
Nähmaterial,  Maschinengarn  als,  von 

Barker . 1156 

Nährböden  znr  quantitativen  Schätzung 
von  Bakterien  in  Wasser  und  in  Ab¬ 
wässern,  von  Gage  und  Phelps  .  2096 
Nährpräparate,  neuere,  von  Weisshein  .  156 

Nährstoffe,  Ausnützung  der,  bei  ver¬ 
schiedenen  Quantitäten  Wassers,  von 

Razicka . 20  6 

Nährwertsbestimmung  in  einer  Heilan¬ 
stalt,,  von  Pulawski . 1712 

Nährzucker,  Soxhlets,  von  Frucht  ...  57 

Naevus,  von  Weissbarth  426,  —  vascu- 
losus  des  Gesichtes,  von  Riecke  638, 

—  linearis,  von  Grüneberg  ....  1779 
Nahrungsbedarf  im  Hochgebirgswinter, 
von  Ranke  787,  täglicher  — ,  des 
Menschen,  von  Neumann  .  ...  1808 

Nahrungsmengen  künstlich  ernährter 

Kinder,  von  Adam . 1515 

Naht-  und  Unterbindungsfäden,  von 

Braun . 1483 

B-Naphthol,  schädliche  Einwirkung  des, 

auf  das  Auge,  von  van  der  Hoeve  !  892 
Narbe,  Pathologie  der,  von  Goldmann  .  115 

Narbenektropium,  von  v.  Llippel  .  .  .  210 
Narkolepsie,  von  Loewenfeld  1041,  Aetio- 
logie  der  — ,  von  Guleke  .  .  .1621 

Narkose  s.  a.  Aether,  Aethylchlorid, 
Chloroformnarkose,  Morphin  -  Skopo¬ 
lamin-Narkose,  Lachgasnarkose,  Me- 
dullarnarkose,  Chloräthylnarkose. 

Narkose,  Einschränkung  der  —  bei  gynä¬ 
kologischen  Operationen,  von  Klein 
554,  minimale  — ,  von  Riedel  1192, 
pulmonale  — ,  von  Kuhn  1673,  selbst¬ 
tätiger  Aetherflaschen Verschluss  für 

die  — ,  von  Kurrer . 2602 

Narkotisieren,  wie  sollen  wir?  von  Witzei  1993 
Nase  s.  a.  Sattelnase. 

Nase,  Prothese  der,  mit  Paraffin -Injek¬ 
tionen,  von  Broeckaert  38,  Fremd¬ 
körper  in  der  — ,  von  Schmithuisen 
590,  Atlas  der  Krankheiten  der  —  etc  , 
von  Gerber  668,  bakteriologische 
Untersuchungen  gesunder  u.  kranker 
— ,  von  Neumann  849,  1590,  Reflex¬ 
neurosen  der  — ,  von  Nikitin  890, 
Sondierung  des  Ductus  nasolacrymalis 
von  der  —  aus,  von  Polyäk  890, 
Bildung  einer  —  auf  Kosten  eines 
Fingers,  von  Wreden  1476,  Diagnose 
von  Erkrankungen  der  mittleren 
Partien  der  — ,  von  Texier  1812,  Er¬ 
satz  der  — ,  von  Waitz . 1820 

Nasenbluten,  familiäre  Form  des  rezi¬ 
divierenden,  von  Osler  ...  .  .  294 

Nasenflügel,  Deckung  von  Defekten  der, 

von  Koenig . 327 

Nasenkatarrh,  chronischer,  als  Ursache 

von  Nephritis,  von  Gallois  ....  1205 
Nasen-  und  Rachenkatarrh,  Behandlung 

des  chronischen,  von  Freudenthal  .  1397 
Nasenloch,  angeborene  vordere  Atresie 

des,  von  Fein . 461 

Nasenmuschel  s.  a.  Rhinitis. 

Nasenöffnung,  kongenitaler  Verschluss 

der  hinteren,  von  Boulay . 588 

Nasenpolypen,  rezidivierende,  von  Guye 
158,  Rezidivieren  der  — ,  von  Hajek 
302,  Ausräumung  der  Keilbeinhöhle 
bei  rezidivierenden  — ,  von  Guye  .  631 

Nasenrachenfibrome,  von  Schmithuisen  590 
Nasenrachentumoren,  Pathologie  der, 

von  Glas .  2097 

Nasenscheidewand,  Septotom  zur  Gerade¬ 
richtung  der  verbogenen, von  Cousteau 
891,  traumatische  Abszesse  der  — , 

von  Rode . 1765 

Nasenschleimhaut,  Epitheliome  der,  von 

Citelli  und  Calamida  .......  .  1812 

Natrium,  borsaures,  von  Gerhardt  .  .  .  1029 


XL  VII 

Seite 

Natriumsalzlösung  in  der  Chirurgie  von 

Tavel  .  . . 1474 

Natron,  Wirkung  des  schwefligsauren, 

von  Liebreich . 1200 

Natronlauge,  Vergiftung  mit,v.  Kramsztvk  1  1 52 
Naturforscher-Versammlung,  73.,  in  Ham¬ 
burg  .  864,  1079,  1639 

Neartbrosenbildung  bei  r  ankylosierten 

Gelenken,  von  Pupovac . 1473 

Nebennieren,  Physiologie  der,  von  Strehl 
und  Weiss  251,  kompensatorische 
Hypertrophie  der  — ,  von  Simmonds 
385,  Extrakt  der  — ,  von  Salvioli  und 
Pezzolini  541,  Tuberkulose  der  — , 
von  Gutmann,  von  Westenhöffer  ’.  1157 
Nebennierenbehandlung  s.  Rachitis. 
Nebennierenblutungen,  von  Simmonds  1440, 

,  2017 

Nebennierendiabetes,  von  Metzger  478, 

von  Blum . .  ’  854 

Nebennierenextrakt  s.  a.  Adrenalin,  Atra- 
bilin. 

Nebennierenextrakt  als  Haemostaticum, 
von  Thomas  204,  —  in  der  Augenheil¬ 
kunde,  von  Brower  204,  —  bei  Magen¬ 
blutungen,  von  Fenwick  204,  durch 
—  geheilte  Blutungen,  von  Rhodes 
und  Scott  379,  —  in  der  Rhino- 
Laryngologie,  von  Rosenberg  1153, 
wiederholte  Injektionen  von  — ,  von 
Samberger  1359,  —  bei  nasalen’ Ope¬ 
rationen,  von  Taptas  1478,  Wirkung 
des  —  auf  die  Schleimhaut  der  oberen 
Luftwege,  von  Bukofzer  1812,  2108, 
in  der  Therapie  der  Nasen-  und 
Halskrankheiten,  von  Goldschmidt  .  1991 
Nebennierenkapseln,  von  Hirtz  ....  1599 
Nebennierensatt,  Wirkung des,  von  Long- 

wortli . 1631 

Negerfuss,  Bau  des,  von  Herz  .  .  1416 

Nekrose  an  Stirne  und  Hinterhaupt,  von 

Springer . 1868 

Neo-Lamarckismus,  von  v.  Weltstein  .  1773  * 
Neoplasmen,  Fett  in  den  Zellen  von, 

von  Pirone . 1717 

Nephrektomie,  partielle,  von  Moynihan 

760,  Indikationen  der  — ,  von  Schloffer  2068 
Nephritis  s.  a.  Lues. 

Nephritis,  von  Menzer  2163,  —  interstit. 
autointoxicatoria ,  von  Blum  155, 
chirurgische  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  — ,  von  Edebols  294,  —  syphi¬ 
litica  praecox,  von  Hoffmann  und 
Salkowski  418,  Blutdruck  bei  chro¬ 
nischen  -  ,  von  Czylilarz  806, 
typhöse  — ,  von  Scheib  977,  chirur¬ 
gische  Eingriffe  bei  akuter  — ,  von 
Lennander  1312,  —  syphilitica  acuta 
praecox,  von  Zamfirescu  1546,  trau¬ 
matische  — ,  von  Curschmann  1567, 
Beziehungen  zwischen  Funktions¬ 
leistung  der  Niere  und  Albuminurie 
bei  akuter  — ,  von  Cloetta  1848,  — 
syphilitica  acuta,  von  Waldvogel  .  .  1929 
Nephrolithiasis  bei  Hufeisenniere,  von 

Rumpel . 1892 

Nephrolysine,  von  Ascoli  u.  Figari  1064,  1192 
Nephropexie,  neue  Methode  der,  von 

Beck  . 094 

Nephrotomie  und  ihre  Folgen,  von  Lange¬ 
mack  .  721,  1926 

Nerven,  Unermüdbarkeit  der,  von  Durig 
1021,  Regeneration  durchschnittener 

— ,  von  Steward  . . 1554 

Nervenbase,  sekundäre  akustische,  von 

Ramon  y  Cajal . 753 

Nervendegeneration,  Pathologie  der,  von 

Mott . 1554 

Nervenerkrankungen  u.  Schwangerschaft, 

von  Mongeri . 326 

Nervenfärbungen,  von  Kaplan  .  .  .  ,’  1470 
Nervenkrankheiten,  von  Schwarz  75,  Ex¬ 
tensionsmethode  und  ihre  An  Wendung 
Bei  — ,  von  Kouindjy  1106,  Bedeutung 
der  funktionellen  —  für  Diagnostik 
und  Therapie  in  der  Gynäkologie, 
von  Krönig  1661,  Atlas  u.  Grundriss 
der  — ,  von  Seiffer . 1973 


XLVI1T 


INH  ALTS-VERZE I C1IX  IS. 


1902 


Nerven  pfropfung,  von  Dumstrey  .  .  . 
Nervenregeneration ,  periphere  Theorie 

der,  von  Fleming . 

Nervensystem,  familiäre  Erkrankungen 

des,  von  Bäumlin  154,  pathologische 

Anatomie  der  Syphilis  des  zentralen 
— ,  von  Erb  1892,  Problem  der  Tro- 
phik  des  —  und  seine  geschichtliche 
Entwicklung,  von  Neuburger  1898, 
histologische  Veränderungen  im  — , 
als  Blitz-  u.  Starkstromwirkung,  von 
Jellinek . 

Netz,  Torsion  des,  von  Moresco  .... 
Netzhaut,  Gummiknoten  der,  von  Gütt¬ 
in  an  n  . 

Netzhautablösung  bei  Schwangerschafts¬ 
nephritis,  von  Helbron  248,  —  infolge 
Trauma,  von  Leitner  935,  neue  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Galezowski  .  . 
Netzplastik,  praktische  Verwendung  der, 

von  Hermes . 

Neubildungen,  Verbreitung  der  bös¬ 
artigen,  in  Süddeutschland,  von  Kolb 
Neugeborene,  Nahrungsausnutzung  der, 

von  Gaus . 

Neuenahrer  Sprudel,  von  Wendriner  . 
Neuralgien,  neurasthenische,  von  Jen- 

drassik  .  -  • 

Neurasthenie,  von  Kraepelin  982,  —  ga- 
strica  und  ihre  Behandlung,  von  Her¬ 
schell  543,  Psychopathologie  der  — , 
von  Pick  585,  Diagnose  der  — ,  von 
Kraepelin  1641,  periodische  — ,  von 

Pulawski . . 

Neurasthenische  Krisen,  von  Dielil  .  . 

Neuritis  s.  a.  Vergrösserung. 

Neuritis  der  Nn.  splanchnici,  von  Stil- 
ling  492,  periphere  —  als  Ursache 
tabischer  Kehlkopflähmungen ,  von 
Calin  491,  traumatische  — ,  von  Red¬ 
lich  806  —  arsenicalis,  von  Janowski 
1712,  —  als  Komplikation  des  Keuch¬ 
hustens,  von  Esliner . 

Neurofibromatosis ,  von  Adrian  1400, 
multiple  — ,  von  Alexander  1363, 
zentrale  — ,  von  Henneberg  u.  Koch 
Neurologische  Arbeiten,  von  Vogt  .  .  . 
Neurome,  Symptomatik  u.  Chirurgie  der, 

von  Schader  . 

Neuronenlehre,  heutiger  Stand  der,  von 

Hainei . 

Neurose,  vasomotorische,  von  Fürstner 
939,  traumatische  — ,  von  Knotz  1277, 
Beziehungen  zwischen  funktionellen 
—  und  Irresein,  von  Allbutt  .  .  . 

Neutralitätszeichen,  Genfer . 

Neutralrotmethode,  von  Wolff . 

Neu  wittelsbach, Unterstützungsverein  der 

Kuranstalt . 

Nickelstäbchen  zum  Gebrauch  keimfreier 

Watte,  von  Littauer . 

Nicolicin ,  ein  angebliches  Heilmittel 
des  chronischen  Morphinismus,  von 

Fischer  u.  Wagner . 

Niere  s.  a.  Wanderniere,  Cystenleber, 
Perinephritis ,  Cystenniere ,  Kryo- 
skopie,  Schrumpf niere. 

Niere,  von  Fraenkel  385,  kompensa¬ 
torische  Hypertrophie  der  — ,  von 
Galeotti  u.  Villa-Santa  458,  Spaltung 
der  —  bei  akuter  Pyelonephritis,  von 
Wilms  476»  Methoden  zur  Inzision, 
Absuchung  und  Naht  der  — ,  von 
Kelly  760,  Pathologie  der  — ,  von 
Rosenfeld  764,  Dystopie  der  — ,  von 
Mathes  974,  Karzinom  der  — ,  von 
Siedentopf  1121,  maligne  Geschwulst 
der  — ,  von  Sendler  1121,  kongeni¬ 
tale  Vergrösserung  einer  —  bei  De¬ 
fekt  der  anderen,  von  Palm  1432, 
bewegliche  — ,  von  Madsen  1436, 
von  Wuhrmann  1628,  papilläre  Ado- 
nome  in  —  und  Uterus,  von  Voigt 
1514,  Hypernephrome  der  — ,  von 
Croftan  1626,  Leistungsfähigkeit  der 
— ,  von  Landau  1713,  Verletzungen 
der  — ,  von  Goldstein  1714,  Patho¬ 
logie  der  — ,  bei  Magendarmerkran¬ 
kungen  der  Säuglinge,  von  Hohlfeld 


Seite 

246 

1851 


1928 

1810 

2098 


1980 

72 

1471 

417 

1397 

1587 


1712 

363 


1982 

1762 

1544 

1402 

2027 

1592 

557 

248 

1128 

585 

2147 


1863,  Stichwunde  in  die  — ,  von  Tu¬ 
benthal  1886,  Chirurgie  der  — ,  von 

Leonte . 

Nierenabszess,  Chirurgie  des  metasta¬ 
tischen,  von  .Taffe . 

Niere  lyausschaltung,  Einfluss  der,  auf  die 
elektrische  Leitfähigkeit  des  Blutes, 

von  Bickel . 

Nierenbecken,  Tumor  des,  von  Salzwedel 
Nierenchirurgie,  Erfolge  der,  von  Grohe 
537,  von  Pels-Leusden  721,  von  Wyss 
776,  von  Schmieden  415,  —  zwei 
Dezennien,  von  Wyss  246,  konserva¬ 
tive  von  Wilms . 


Seite 

2019 

1061 


853 

1067 


503 


Nierendiagnostik,  der  Verdünnungsver- 
such  in  der  funktionellen,  von  v.  Illyes 
und  Kövesi  671,  funktionelle  — ,  von 
Löwenhardt  721,  neuere  Gesichts¬ 
punkte  in  der  — ,  von  Böhnke  .  .  . 
Nierendystopie,  kongenitale,  von  Müller¬ 
heim  . 

Niereneiterung ,  operative 
der,  von  Johnston  .  . 


Behandlung 


Nierenentzündung  s.  u.  Brightii  morbus, 
Nephritis,  Stoffwechsel. 
Nierenepitlielien ,  Plasmosomen  und 

Granula  der,  von  Arnold . 

Nierenexstirpationen ,  von  Bornhaupt 
1232,  Grenzen  erfolgreicher  — ,  von 

Kümmell . 

Nierenfunktion ,  Methylenblau  zur 
Prüfung  der,  von  Assfalg  31,  Dia¬ 
gnostik  der  physiologischen  u.  patho¬ 
logischen  — ,  von  Straus  720,  Physio¬ 
logie  u.  Pathologie  der  — ,  von  Straus 
Nierengeschwülste,  Diagnose  der,  von 

Lubarsch . 

Nierengumma,  von  Erdheim . 

Niereninfarkt, Diagnostik  des, vonSchmidt 
1111,  Fettgehalt  von  — ,  von  Fischler 
Nierenkarzinom, Metastasen  des  primären, 

von  Sutter . 

Nierenkolik,  Nierenblutung  u.  Nephritis, 

von  Senator . 119, 

Nierenkranke,  lymphagoge  Stoffe  im  Blut¬ 
serum,  von  Käst  493,  Ernährung  u. 
Therapie  der  chronischen  — ,  von 

Wiczkowski . 

Nierenkrankheiten,  Diagnose  u.  Therapie 
der,  von  Kümmell  120,  208,  Diätetik 
der  — ,  von  Kaufmann  und  Mahr 
Nierenquetschung  oder  Nierenentzün 

düng?  von  Edlefsen . 

Nierensenkung,  traumatische,  von  Denn 

hoff . 

Nierensteine,  Apparat  zur  Röntgendar 
Stellung  der,  von  Albers-Schönberg 
628,  —  und  Uretersteine,  Diagnose 
von,  von  Kelly  1982,  radiographische 
Diagnose  der  — ,  von  Kienböck  .  . 
Nierentransplantation,  von  Ullmann  469, 
experimentelle  — ,  von  Ullmann  .  . 
Nierenverletzungen,  von  Waldvogel  1431, 
subkutane  intraperitoneale  — ,  von 

de  Quervain . 

Nierenzertrümmerung,  von  Schloffer  .  . 
Nitrobenzolvergiftung,  von  Monks  .  .  . 

Nobelpreis  . 

Noma  s.  a.  Brand. 

Noma,  Aetiologie  der,  vonTrambusti  717, 
bakteriologischer  Befund  bei  — ,  von 

Longo  . 

Nordseebäder,  die  bei  der  1.  Aerzte- 
studienreise  besuchten,  von  Gilbert, 

Meissner  und  Oliven . 

Nothnagels  Ernennung . 

Nukleasen  und  Nukleasen-Immunpro- 
teidine,  bakteriolytische  Wirkung  der, 
als  Ursache  der  Immunität,  von 
Emmerich,  Löw  und  Korschun  .  . 
Nystagmus,  von  Eschweiler  1024,  experi¬ 
menteller  — ,  von  Raudnitz  .  .  .  . 


1244 

1900 

1066 

1587 

720 

765 

245 

540 

1928 

1356 

158 

807 

245 

179 

854 

2159 

495 


246 

2068 

542 

2109 


Seite 


1517 


1544 

2168 


201 

1868 


O. 

Oberarmfraktur  durch  Muskelzug,  von 

Milbradt . .  328 

Oberbauchseite,  Verletzung  der  rechten, 

von  König . 1159 


Oberkiefer,  Statistik  und  Operation  der 
Geschwülste  des,  von  Stein  33,  Bruch 

des  — ,  von  Wiclimann . 

Oberkieferhöhle,  Untersuchung  der, 
mittels  Antroskop,  von  Reichert  .  . 
Oberkieferhöhleneiterungen, Behandlung 

der,  von  Sturmann . 

Oberschenkel,  Exstirpationsmethode  der 
Auslösung  des,  von  Rose  538,Knochen- 
sarkome  des  — ,  von  Jenckel  .  .  . 
Oberschenkel-  und  Oberarmfrakturen, 
Behandlung  der.  Neugeborener  und 
kleiner  Kinder,  von  Döllinger  .  .  . 
Oberschenkelosteomyelitis,  von  Hahn  . 
Oberschenkelprothese,  von  Engels  723, 
Obstipation,  operative  Behandlung  der 
chronischen,  von  Franc.ke  721,  — 
spastica,  von  v.  Sohlern  1664,  von 

Singer .  1723, 

Obstruktionsikterus,chirurgischeBehand- 
lung  des,  von  Mayo  Robson  .  389, 
Occipitallappen,  Cyste  im  1.,  von  Thiem 
Odda,  Ernährung  kranker  Kinder  mit, 

von  Brüning . 

Oedem,  malignes  s.  a.  Bazillus. 

Oedem,  akutes  umschriebenes,  von  v.  Rad 
318  ,von  Mendel  2060,angioneurotische 
— ,  von  Mondinos  544,  dauerndes 
hereditäres —  der  untern  Extremitäten, 
von  Rolleston  1852,  hartes  trauma¬ 
tisches  —  des  Hand-  u.  Fussrückens, 

von  Vulliet . 

Oelsaures  Natron  bei  Gallensteinerkran¬ 
kung,  von  Clemm . 

Oesophagoskop,  neues,  von  Einhorn 
Oesophagoskopie,  Gastroskopie  u.Kölios- 
kopie,  von  Kelling  21,  127,  Klinik 

der  — ■,  von  Harmer . 1516, 

Oesophagotomien  wegen  Fremdkörper, 

von  Pels-Leusden . 

Oesophagus  s.  a.  Speiseröhre. 
Oesophagus,  Resektion  einer  Narben- 
striktur  des,  von  Braun  72,  künst¬ 
licher  — ,  von  Spiegel  85,  248,  sack¬ 
förmige  Erweiterung  des  — ,  von 
Philippi  299,  Traktionsdivertikel  des 
— ,  von  Ribbert  670,  polypenförmige 
Mischgeschwülste  des  — ,  von  Glinski 
936 ,  Beseitigung  undurchgängiger 
Strikturen  des  —  durch  temporäre 
Gastrotomie,  von  Tauber  1476,  Sarkom 
des  — ,  von  v.  Eicken  1479,  bösartige 
Striktur  des  — ,  von  Symonds  .  .  . 
Oesophaguserweiterung,  Pathologie  und 
Therapie  der  sog.  idiopathischen,  von 
Strauss  32,  idiopathische  — ,  von 

Strauss  . 

Oesophaguskarzinom,  von  Kien  83,  von 
Oestreich  255,  von  König  1864,  von 

Kuckein . 

Oesophaguswand, Divertikel  der  vorderen, 

von  Hausmann . 

Ohr  s  a.  Mittelohr,  Otitis,  Labyrinth, 
Sinusthrombose,  Schläfenbein,  Trom¬ 
melfell,  Akustisch,  Hören,  Pyosepti- 
kämie. 

Ohr ,  Akkommodationsbewegung  im 
menschlichen,  von  Hensen  .  .  .  . 
Ohreneiterung,  Gehirnabszess  nach,  von 

Buys . 

Ohrgeräusch,  objektiv  wahrnehmbares, 

von  Moses . 

Ohrenheilkunde  s.  a.  Otiatrie. 
Ohrenheilkunde,  Mitteilungen  aus  den 
Grenzgebieten  der,  von  Körner  493, 
Lehrbuch  der  — ,  von  Jacobson  und 

Blau . 

Ohrenkrankheiten,  Bedeutung  der  tuber¬ 
kulösen  Belastung  für  die  Entstehung 
von,  bei  Kindern,  von  Ostmann  .  . 
Ohrenleiden  bei  Hysterischen,  von  Voss 
Ohrenunfallkranke,  Notwendigkeit  so¬ 
fortiger  Ueberweisung  von,  an  den 

Ohrenarzt,  von  Schmidt . 

Ohrerkrankungen  der  Kinder,  von 

Bagin  sky . 

Ohrmuschel ,  seröse  Cyste  der,  von 
v.  Noorden . 


940 

805 

1274 

1430 


2015 

1780 

897 


2030 

542 

721 

1481 


1892 

1247 

2180 


1546 

119 


1632 

467 

2018 

1231 


253 

496 

631 


1625 


1209 

981 


544 

290 

415 


1901 


INHALTS- VERZEICHNIS. 


XLIX 


Seite 

Okularium,  Breslauer . .  43 

Ukulomotoriusläbmung,  totale  einseitige, 

von  Lindner  . 1929 

Olekranon,  Knochennaht  des,  von  Hrach  1 18 
Ophthalmia  hepatica,  von  Vollbracht  .  773 


Ophthalmologie,  vonUhtholf  24  t,  Referat 
über  —  497,  891,  1852,  Neissers  ster. 
med.  Atlas  der  — ,  von  Uhthoff  .  .  1468 
Ophthalmologische  Mitteilungen  aus  der 

Praxis,  von  Bondi . 759 

Ophthalmologische  Gesellschaft  ....  1128 
Ophthalmoplegia,  von  Gessner  553,  — 
interna  durch  Extr.  Secalis  cornuti, 

von  [Schneider  1620 

Opium,  Intoxikation  mit  Tinct.  spl.,  von 

Feuerstein  . . 249 

Optikusatrophie,  von  Taylor . 1593 

Operationen,  Einwilligung  zu  427,  Nach¬ 
behandlungseptischer — ,  von  Küttner 
1807,  —  ohne  direkte  Berührung  der 

Wunde,  von  König  .  2099 

Operationshandschuhe,  Experimentelles 

über,  von  Heile . 584 

Operationslehre,  Atlas  u.  Grundriss  der 
gynäkologischen,  von  Schaeffer  535, 
geburtshilfliche  — ,  von  Skutsch  1396, 
chirurgische  — ,  von  Kocher  ....  1973 
Operationsvademecum  für  den  prakt. 

Arzt,  von  Leser . 1844 

Operative  Eingr.ffe  unterm  Röntgen¬ 
apparat,  von  Rosenfeld . 985 

Optikusatrophie, hereditäre  oder  familiäre, 

von  Lauber .  2068 

Orbitalsarkom,  von  Braunschweig  .  .  .1118 
■Orchidopexie,  Methode  der,  von  Hahn.  116 
Organ,  neues  menschliches,  von  Biedl  .  949 
Organische  Verbindungen,  physikalische 
und  chemische  Methoden  der  quan¬ 
titativen  Bestimmung,  von  Vaubel  .  1269 
Organismen,  Bau  der  einzellig,  tierischen, 


von  Feinberg  . 1064 

Organotherapie,  von  Zanoni  .  .  .  .  1065 

Orthodiagraphie,  Vorzüge  und  Fehler 
der,  u.  der  Friktionsmethode,  von 

Hornung  . 815 

Orthodiagraphische  Untersuchungen  am 
Herzen,  von  Moritz  1,  176,  von  Levy- 

Dorn  . 176 

Orthopädie,  deutsche,  im  J.  1901,  von 
Vulpius  196,  Kursus  der  — ,  von 
Müller . 1467 


Orthopädische  Technik,  von  Gocht  .  .  371 
Ortskrankenkasse  IV  468,  —  in  Posen 
1127,  9.  Jahresversammlung  des 

Zentralverbandes  der  —  im  Deutschen 

Reich . 1736 

Ortssinn  der  Haut,  von  v.  Frey  ....  1445 

Os  pubis,  Lateralschnitt  durch  das,  von 

Gigli  .  2058 

Os'eitis  deformans  und  verwandte  Er¬ 
krankungendes  Knochensystems,  von 

Goldmann . 1438 

Osteourtropathie  hypertrophiante  Maries, 

von  Schittenhelm . 539 

Osteogenesis  imperfecta,  Joachimsthal  .  1278 

Osteomalacie,  von  Schenk  20 .9, Phosphor¬ 
therapie  bei  — ,  von  His  493,  —  des 
Beckens,  von  Pribram  904,  Stoff¬ 
wechsel  bei  — ,  von  v.  Korczynski  .  1275 
Osteomalacische,  Ovarien  einer,  von 

Eberhart .  79 

Osteomyelitis  bei  Kindern  unter  3  Mo¬ 
naten,  von  d’Astros  292,  —  und  Phleg¬ 
mone  durih  den  Bac.  pneumoniae, 
von  Schlagenhaufer  327,  —  femoris, 
von  Hahn  1026,  Morphologie  des 
Blutes  bei  — ,  von  Joseph  1271, 
seröse  — ,  von  Schrank  1433,  —  acuta 

von  Wiesinger . 1900 

Ostitis  deformans  Paget,  von  Ulrico  und 

Angelo . 250 

Osmodiätetik,  von  Strauss . 1723 

Osmotischer  Druck  und  lonenlehre  in 
den  Medizinischen  Wissenschaften, 

von  Hamburger . 1150 

Othämatom,  traumatisches,  von  Sko- 
czynski .  2027 


Seite 

Otiatrie,  Referat  über . 980 

Otitis,  Bedeutung  der  Lumbalpunktion 
für  die  Diagnose  intrakranieller  Kom¬ 
plikationen  der  —  von  Braunstein 
980,  Angriffe  gegen  die  Parazentese 
des  Trommelfells  bei  der  Therapie 
der  akuten  — ,  von  Grunert  1796, 
von  Piff 1  2083,  —  media  acuta  pu- 
rulenta  durch  „Schneeberger“,  von 


Schroeder  .  . . 1963 

Otitische  intrakranielle  Erkrankungen, 
Augenhintergrund  bei,  von  Hansen  980 
Otolithenfunktlon  und  Labyrinthtonus, 

von  Ach . 252 

Oto-Stroboskop,  von  Lucae . 980 

Ovarialcvste,  von  Merkel  1780,  multi- 

loculäre  — ,  von  Haenel . 331 

Ovarialdermoid,  von  v  Ivhautz  ....  1974 
Ovarialkarzinom,  metastatisches,  von 

Schlagenhaufer  . 1063 


Ovarialkystom,  papilläres,  von  Mirabeau 
82,  Histogenese  der  dickgallertigen  — , 
von  Gottschalk  417,  multilokulares  — , 

von  Dreesmann . 1201 

Ovarialtumor,  von  Merkel  552,  Histo¬ 
genese  der  Krukenbergschen  — ,  von 
Wagner  889,  operative  Behandlung 

der  von  Blau  . 1514 

Ovarientumor,  von  Merkel . 1780 

Ovariotomie,  von  Siedentopf  1121,  doppel¬ 
seitige  —  bei  Schwangerschaft,  von 
Löwenberg  33,  —  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Graefe  1790,  vaginale  — , 

von  Heinsius . 1897 

Ovarium  s  a.  Eierstock. 

Ovarium,  Endotheliome  des  - ,  von  Apelt 
153,  Orthopädie  der  — ,  von  Rose  415, 
kleincystische  Degeneration  der  — , 
von  v.  Kahlden  458,  Struma  thyreoi- 
dea  aberrata  — ,  von  Pick  732,  Sarkom 
des  — ,  von  Fiatau  903,  Folliculoma 
malignum  des  — ,  von  Gottschalk  10h7, 
Myxome  der  — ,  von  Hennig  1223, 
Sarkom  des  — ,  von  Stauder  1432, 
Dermoidcysten  des  — ,  von  Neek  und 
Nauwerck  1470,  Melanosarkom  des  — , 
von  Amann  1861,  konservative  Chi¬ 
rurgie  des  — ,  von  Lapeyre  1897, 
Rundzellensarkom  des  — ,  von  Wein¬ 
brenner  . 1937 

Ovariumpräparate,  Einfluss  der,  auf  den 

Stoffwechsel,  von  Neumann  und  Vas  1063 
Ovum  inane,  von  Westenhöffer  ....  1067 
Oxalsäure  s.  a.  Urin. 

Oxalsäure  Vergiftung,  von  Kobert  .  .  .1973 
Oxydationsfermente,  Bildung  von,  durch 


Bakterien,  von  Lehmann . 340 

Oxydonor  Victory . 215 

Oxyuriden,  auf  dem  Peritoneum  ange¬ 
wachsene  von  Kolb . 495 


Ozaena,  Behandlung  der,  durch  Kupfer¬ 
elektrolyse,  von  Yonge  203,  Aetiologie 
der  — ,  von  Schönemann  1230,  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Wolff  1548, 
Ozaenafrage,  heutiger  Stand  der,  von 

Grünwald . 1812 

Ozon,  Behandlung  der  Taubheit  mit, 

von  Stoker . 2162 

Ozonverfahren  s.  a.  Bakterien. 


P. 

Pachymeningitis  häemorrhagica  interna, 
von  Riegel  732,  —  cervicalis  hyper¬ 
troph.  und  —  interna  haemorrhag., 

von  Probst  . 1762 

Pachydermie  u.  Karzinom,  von  Fraenkel  1477 
Pädiatrie,  Vertretung  der,  an  d.  deutschen 

Universitäten,  von  Krabler  ....  1107 
Pankreas,  Beziehung  der  Langerhans- 
schen  Inseln  des,  zum  Diabetes  mel¬ 
litus,  von  Schmidt  5 1,  Stichverletzung 
des  — ,  von  Küttner  247,  Nerven¬ 
zentrum  des  — ,  von  Popielski  252, 

1020,  Erkrankung  des  — ,  von  Hoch¬ 
haus  636,  periphere  Reflexsekretion 


Seite 

des  — ,  vonBayless  u.  Starling979,1020, 
akute  Erkrankung  des  — ,  von  König 
1159,  histologische  Untersuchungen 
des  —  bei  Diabetes  mellitus,  von 
Weichselbaum  und  Stangl  1628.  ent¬ 


zündliche  Prozesse  im  — ,  von  Mayo  1935 
Pankreasblutungen  und  plötzlicher  Tod, 

von  Kratter . 810 

Pankreasdiabetes  und  Ikterus  gravis, 
von  Teleky  1275,  Pankreaserkran¬ 
kung,  Organotherapie  der  Fettstühle 
bei  — ,  von  Salomon  155,  —  und  Dia¬ 
betes,  von  Teschemacher . 657 

Pankreaskrankheiten,  von  Schmiedl  .  .  759 

Pankreasnekrose,  von  Peiser  ....  1846 
Pankreassekret ,  chemische  Identifizie¬ 
rung  des,  von  Schümm . 1864 

Pankreassteine,  von  Moynihan  ....  1632 


Pankreatitis  acuta  gangraenosa,  von  Pe- 
tersen  42,  Kompressionsikterus  durch 
tumorbildende  chronische  — ,  von 
v.  Mosetig-Morhof  118,  akute  hämor¬ 
rhagische  — ,  von  Kraft  1435,  chro¬ 
nische  — ,  von  Moynihan  1850,  akute 

— ,  von  Nash . 2162 

Panophthalmia  bovina  carcinomatosa, 
von  Voges  377,  Pathogenese  der  — , 

von  Dor . 497 

Papillom  der  Konjunktiva,  von  Staicovici 
118,  neuropathisches  — ,  von  Staffel 
256,  — a  laryngis  im  Kindesalter,  von 
Lindt,  249,  Tracheotomie  zur  Behand¬ 


lung  der  krikotrachealen  — ,  von 

Sebileau . 1478 

Papillotomie,  Instrument  zur,  von  Nemai  38 


Pappenheimsche  Färbung,  Modifikation 

der,  auf  Granoplasma,  von  Unna  .  1865 
Paracelsus  s.  a.  Hohenheim. 

Paracelsus  u.  seine  Reformation,  von  Baas  1922 
Paraffin  s.  a.  Hartpafaffin. 
Paraffin-Injektionen,  von  Broeckart  38, 
von  Leiser  298,  von  Eckstein  467, 
von  Neumann  1232,  —  bei  Sattel- 
.  nasen,  von  Fein  686,  subkutane  — , 
von  Alt  981,  Pi’othese  mittels  — ,  von 
Choussaud  1477,  —  bei  Difformitäten 
und  Erkrankungen  der  Nase,  von 
Dellie  1478,  Behandlung  der  Ozaena 
mittels  interstitieller  — ,  von  Brindel 
1478,  —  auf  dem  Gebiete  der  Oto- 
Rhino-Laryngologie,  von  Broeckhaert  1812 
Paraffinprothesen,  von  Eckstein  723, 
subkutane  —  zur  Korrektur  von  Sat¬ 
telnasen,  von  Mann  . 767 

Paraldehyd  und  Skopolamin  als  Schlaf- 
und  Beruhigungsmittel  für  körperlich 
und  geistig  Kranke,  von  Bumke  .  .  1958 
Paralyse  s.  a.  Ciliarganglion,  Dementia, 
Landrysche  P. 

Paralyse,  gonorrhoische,  von  Glynn  1850, 
pathologische  Anatomie  der  Landry- 
schen  — ,  von  Schmaus  552,  myasthe¬ 
nische  — ,  von  Auerbach  586,  von 
Lange  1483,  Frühsymptome  der  pro¬ 
gressiven  — ,  von  Moravcsik  326, 
statistischer  Beitrag  zur  Kenntnis 
der  progressiven  — ,  von  Hoppe  375, 
Gefässveränderungen  bei  der  allge¬ 
meinen  — ,  von  Maheim  496,  stati¬ 
stischer  Beitrag  zur  progressiven  — 
von  Raecke  586,  Behandlung  der  apo- 
plektiformen  und  epileptiformen  An¬ 
fälle  bei  — ,  von  Schunda  1112, 
Stauungserscheinungen  der  Gesichts¬ 
venen  bei  progressiver  — ,  von  v. 
Niessl  1516,  neuere  anatomische  For¬ 
schungen  betr.  progressive  — ,  von 

Nissl . " .  2023 

Parametritis  posterior,  eine  Darmerkran¬ 
kung,  von  Mueller  417,  pathol.  Ana¬ 
tomie  der  —  chronica  atrophicans, 

von  Freund . 1726 

Paranephritis  und  Pyonephrose  nach 

Hautfurunkeln,  von  Cahn . 777 

Paranoia  chron.  querulatoria,  von  Pfister  1928 
Parasiten,  neue,  des  Menschen,  von 
v.  Linstow . 1110 


7 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

Parasitismus  von  Larven  der  Zweiflügler, 

von  Hutton . 979 

Parasyphilitische  Erkrankungen  u.  deren 

Behandlung,  von  Leredde . 818 

Paratyphus,  von  Brion  und  Kayser  611, 
Endemie,  von  — ,  von  de  Feyfer  und 

Kayser . 1692 

Paratyphusbazillosen,  von  Schmidt  .  .  2097 
Parlamente,  aus  den  46,  214,  261,  342, 

430,  557,  646,  1127,  1285,  1319,  1405 
Parotitisepidemie,  von  Rottmann  .  .  .  505 

Parovarialcyste,  von  Beckh . 1550 

Pasten  und  Salbenverbände,  von  Honsell  1272 
Patellarreflex  s.  a.  Pneumonie. 
Patellarfraktur,  von  Matas  und  Roberts  1935 
Pathologie,  Lehrbuch  der  speziellen,  uipl 
Therapie,  von  v.  Jürgensen  ....  1585 
Peking,  Wasserzentrale  in,  von  Mayer 
1734-  Untergrund  von  — ,  von  Mayer  1782 
Pellagra,  Zunahme  der,  in  Italien,  von 
Butta  157,  Beziehungen  zwischen  — 
und  Addisonscher  Krankheit,  von 

Finotti  und  Tedeschi . 1315 

Pellagrakranke,  Leberfunktion  bei,  von 

Lucatello  und  Malfatti  . 157 

Pemphigus,  Bakterien bef unde  bei,  vege¬ 
tans,  von  Wälsch  296,  —  chronicus, 
von  Gronven  330,  —  vegetans,  von 
Samberger  495,  Veränderungen  des 
Rückenmarkes  bei  — ,  von  v.Schrötter 
813,  —  neonatorum  non  syphiliticus, 
von  Selcke  818,  —  contagiosus  bei 
Masern,  von  Leiner  935,  angeborener 
syphilitischer  — ,  von  Shukowsky  1 5 1 5, 

—  der  Schleimhäute,  vonCharles  1812, 

—  benignus,  von  Gotthelf  .  .  .  1936 
Penis,  Feilenzwinge  über  dem,  von  Sud¬ 
hoff  273,  primäres  tuberkulöses  Haut¬ 
geschwür  am  —  ,  von  Tschlenoff  329, 
eiserner  Ring  über  dem  — ,  von  Olpp 
1679,  Behandlung  der  plastischen  In- 
dui’ation  der  Corpora  cavernosa  des 

— ,  von  Galewsky  und  Hübener  .  .  1332 
Pensionsverein  für  Witwen  und  Waisen 

bayerisch  er  Aerzte  343, 559,  1247,  1322,  2031 
Pentosurie,  von  Kaliski  1764,  Blumen- 

thalsche  Probe  bei  — ,  von  Bial  .  .  505 

Perdynamin,  von  Kronheim . 1275 

Perforation,  Technik  der,  von  Skutsch 

668,  von  Frankl . 848 

Perforationsperitonitis,  von  Hilbert  1357, 
Operation  der  — ,  von  Smoler  257, 
durch  Laparotomie  geheilte  — ,  von 
Federschmidt  747,  spotan  geheilte  — , 


von  Weber  .  .  .  .  . 1619 

Perforativperitonitis,  von  Fraenkel  .  .1119 
Periarthritis  humeroscapularis,vonKüster  723 
Perikarditis,  Behandlung  der  akuten,  von 

Bramwell  . 1852 


Per  karditische  Exsudate,  Diagnose  und 
Therapie  grosser  akuter,  vonLenhartz  501 

Perimysitis  crepitans,  von  Brauer  .  .  .  1590 
Perinephritis,  akute  nicht  eitrige,  von 

Newman . 1631 

Perisplenitis  und  Perihepatitis  nodosa, 

von  Grawitz . 1068 

Peritonealraum,  Behandlung  infektiös 

eitriger  Herde  im,  von  Rehn  .  .  .  677 

Peritonealtuberkulose,  Pathologie,  Sym¬ 
ptomatologie  mit  Diagnose  der,  von 
Eisendraht  380,  Behandlung  der  — , 
von  Fenger  380,  Klinik  der  — ,  von 

Owen . 2162 

Peritoneum,  Widerstand  des,  gegen  In¬ 
fektion,  von  Solieri  . . 975 

Peritonitis,  Diagnose  der  tuberkulösen, 
bei  Kindern,  von  Kissel  32,  Behand¬ 
lung  der  allgemeinen  — ,  von  Doyen 
678,  von  Friedrich  678, Darmverschluss 
und  Enterostomie  bei  — ,  von  Heiden¬ 
hain  722,  die  durch  Mageninhalt  be¬ 
wirkte  — ,  von  Brunner  722,  tuber¬ 
kulöse  — ,  von  Koppen  766,  akute  — , 
von  Lennander  801,  diffuse  adhäsive 
—  infolge  Appendizitis,  von  Karewski 
1157,  operative  Behandlung  der  dif¬ 
fusen  eitrigen  — ,  von  v.  Beck  1512, 


Seite 

Simulation  von  akuter  — ,  von  Bar- 
nard  1630,  interne  Behandlung  der 
tuberkulösen  — ,  von  Comby  1676, 
operativ  geheilte  — ,  von  Blecher  .  1714 
Perityphlitis,  von  Rubritius  1312,  von 
v.  Jakseh  13 12,  klinische  Erfahrungen 
über  — ,  von  Bäumler  491,  100  Fälle 
von  — ,  von  Müller  537,  —  mit  zir¬ 
kumskripter  Eiterung,  von  Barling 
555,  —  und  Gravidität,  von  Keiler  748, 
chronische  rezidivierende  — ,  von 
Koch  933,  Zeitpunkt  der  Operation 
bei  — ,  von  Sendler  1121,  operative 
Behandlung  der  —  von  Rinne  1314, 
Diagnose  und  Prognose  der  — ,  von 
Steinthal  1776,  Frühoperationen  bei 

—  von  Graser .  2062 

Perityphlitisfrage,  von  Roux . 678 

Perkussion,  verbessertes  Verfahren  der, 
von  Plesch  620,  auskultatorische  — , 
von  Ewald,  von  Reichmann  937,  topo¬ 
graphische  —  ,  von  Treupel  ....  1937 
Perlsucht  und  Aktinomykose  des  Rindes, 
von  Welleminsky  904,  —  und  mensch¬ 
liche  Tuberkulose,  von  Wolff  .  .  .  1975 
Persönlichkeit,  klinische  Wichtigkeit  der, 

bei  Krankheiten,  von  Duckworth  .  .  715 

Pes  calcaneus  traumaticus,  von  Wittek 
1662,  —  equino-varus  und  —  vulgus, 
von  Deutschländer  3K4,  —  varus, 
Behandlung  des,  von  Championniere  427 
Pest  s.  a.  Vogelpest,  Bubonenpest. 

Pest  47,  87,  127,  176,  216,  263,  304,  391, 

431,  471,  559,  600,  687,  736,  776,  823, 
911,952,991,  1029,  1079,  1127,  1167, 

1207,  1248,  1287,  1322,  1407,  1447, 

1487,  1559,  1599,  1640,  1687,  1736, 

1783,  1824,  187 1,  1904,  1944,  1991, 

2031, 2070,  2109,  von  Kolle  und  Martini 
202,  von  Farrar  1592,  Studien  über 
die  — ,  von  Terni  157,  Abwehr  und 
Kontrolle  der  — ,  von  Davies  301, 
Vorkommen  der  —  bei  Schiffsratten 
und  seine  epidemiologische  Bedeu¬ 
tung,  von  Kossel  und  Nocht  459, 
bakteriologischeUntersuchungenüber 
— von  Kossel  und  Overbeck  459, 

- —  u.  ihre  Bekämpfung,  von  Musehold 
535,  pathologisch  -  anatomische  Be¬ 
funde  bei  der  — ,  von  Dürck  550, 
Symptome,  Pathologie  und  Therapie 
der — ■,  von  Cantlie  1156,  —  in  Indien, 
von  Gumpel  1156,  neue  Behandlungs¬ 
methode  der  — ,  von  Walker  1156, 
Ratten  und  — ,  von  Blackmore  .  .  .  2161 
Pestartige  Krankheiten  im  Jahre  1891, 

von  Proust . 1446 

Pestbazillus  im  Säugrüssel  von  Moskitos, 
von  Bonnardiere  und  Xanthropou- 
lides  427,  —  im  Organismus  der  Flöhe, 
von  Zirolia  1109,  Agglutination  des 
— ,  von  Aujesky  und  Wenhart  1399, 
Widerstandsfähigkeit  der  — ,  von 
Toyama  1472,  Einfluss-  der  Tierpas¬ 
sagen  auf  die  Virulenz  der  — ,  von 

Otto .  2058 

Pestdiagnose,  Beschleunigung  und  Siche¬ 
rung  der,  von  Martini . 1627 

Pestepidemie  in  Neapel .  45 

Pesterkrankungen  auf  einem  deutschen 

Dampfer,  von  Oberndorfer  .  .  .  360 

Pestfälle  auf  dem  Dampfer  „Gundulic“, 

von  Strauch . 672 

Pestherd  in  Transbaikalien,  von  Favre  .  33 

Pestleichen,  Verbrennung  von  .  .  .  512 

Pestschutzmassregeln,  von  Tavel,  Krum¬ 
bein,  Glücksmann  .......  1231 

Pettenkofer,  zum  Gedächtnis  Max  v., 

von  v.  Voit . 1926 

Pettenkofer-FIaus . 1203 

Pfählungsverletzungen,  von  Ellbogen 

1776,  von  Lieblein .  2068 

Pfeilgifte,  von  Brieger  467,  —  aus  Deutsch- 

Ostafrika,  von  Brieger . 586 

Pferdefleisch,  Nachweis  von,  von  Notel  494 

Pferdegehirn,  einige  Edukte  des,  von 
Bcthe  . . 1313 


Seite 

Pferdeserum,  Reaktionen  des  normalen, 

von  Landsteiner  und  Calov  ....  1110 
Pflegepersonal  der  Krankenanstalten  .  1366 
Pfortaderstauung,  tödliche  Blutungen  bei 

chronischen,  von  Curschmannn  .  .  758 

Phagocytose,  Synthese  und  andere  intra¬ 
zelluläre  Vorgänge,  von  Arnold  .  .  1945 
Pharmakotherapie,  Kompendium  der, 

von  Gross . 668 

Pharyngitis,  Therapie  der,  granulosa  und 
lateralis,  von  Halle  758,  —  sicca  und 
Morbus  Brightii,  von  Joal  .  ...  1478 

Phimose,  Behandlung  der,  von  Wenzel  271 
Phimosenbehandlung,  unblutige,  von 

Orlipski . 1462 

Phimosen-Dehnung,  unblutige,  v.  Gräser  1842 

Phlebarteriektasie,  von  Braun . 163 

Phlebitis,  Pathogenese  der,  von  Censier  1976 
Phlegmone,  periherniöse,  von  Lotheissen 

378,  — und  Amputation,  vonTrzebicky  1717 
Phloridzindiabetes,  von  Loewi  375,  von 
de  Domenicis  1811,  — und  alimentäre 

Glykosurie,  von  Vogt . 854 

Phosphate,  Ablagerung  von,  und  Karbo¬ 
naten  unter  dem  Bilde  echter  Gicht, 
von  Wildbolz  ..........  716 

Phosphaturie,  von  Soetbcer  und  Krieger 

1230,  von  Soetbeer  ....  ...  1515 

Phosphor,  Bestimmung  des  freien,  im 
Phosphoröl,  von  Gerlinger  623,  von 
Binz  623,  Toxikologie  des  — ,  von  Stich  1347 
Phosphorleberthran ,  Untersuchungen 
über,  von  Heiduschka  669,  haltbarer 

— ,  von  Schweissinger . 854 

Phosphorsäure,  Ausscheidung  der,  von 

Bergmann . 375 

Phosphorvergiftung,  von  Plavec  1313, 
periphere  Gangrän  bei  — ,  von  Voll¬ 
bracht  34,  akute  — von  Gilbert  724, 
bakterizide  Wirkung  des  Blutserums 

bei  der  — ,  von  Schneider . 1940 

Photographien,  stereoskopische,  von 

durchschnittenen  Bulbis,von  Hubrich  2103 
Photometrie,  relative,  von  Ruzicka  .  .  1356 
Phthise  s.  a.  Thoraxanomalien,  Tuber¬ 
kulose. 

Phthise,  Temperatur  bei  — ,  von  Lawson 
257,  Behandlung  der  — -  in  Holland, 
von  de  Josselin  de  Jong  418,  Anstalts¬ 
behandlung  der  — von  Rumpf  418, 
direkte  intratracheale  Behandlung 
der  — •,  von  Campbell  1359,  Körper¬ 
bewegungen,  Körp  rwärme  und  Albu- 
mosurie  im  Verlauf  der  — ,  von 
Schröder  und  Brühl  1373,  1887,  von 
Ott  1580,  subkutane  Arsenikinjek¬ 
tionen  — ,  von  Cybulski  1393,  Arsenik¬ 
therapie  bei  — ,  von  Laquer  1487, 
Ursachen  und  Verhütung  der  — ,  von 
Bramwell  1630,  Massregeln  gegen  die 
Verbreitung  der  —  in  Arbeitssälen, 
Bureaux  etc.,  von  Flügge  1855,  neue 
Behandlung  der  — ,  von  Turner  .  .  2161 
Phthisiker,  Blutuntersuchungen  an,  von 
Appelbaum  74,  Zustand  des  Nerven¬ 
systems  bei  — ,  von  Chelmonski  .  .1194 
Physikatsprüfung  in  Preussen  ....  343 

Physiologie,  allgemeine,  von  Verworn  G7, 

Referat  über  — .  251,  625,  1019 

Pilokarpinbehandlung  der  Pneumonie, 

von  Pelzl .  2098 

Pityriasis  rubra,  von  Doutrelepont  295, 
von  Seilei  330,  Histopathologie  der 
—  rosea,  von  Hollmann  295,  — rubra 
pilaris,  von  Heller  545,  —  lichenoides 


chronica,  von  Kreibich . 1154 

Plätschergeräusch,  von  Elsner  ...  .  976 
Plantarreflex,  kontralateraler,  von  Parhon 

und  Goldstein . 1516 

Plasmazellen,  von  Unna  817,  Unnasche 
— ,  von  Enderlen  und  Justi  246,  — 
und  Lymphocyten,  von  Schlesinger.  1817 
Plasmazellenfrage,  gegenwärtiger  Stand 

der,  von  Pappenheim . 1847 

Plattfuss  s.  a.  Trauma. 

Plattfuss,  von  Pal  74,  Entstehung  und 
Behandlung  des  — ,  von  Engels  1069, 


1119,  —  und  Skoliose,  von  Loebel  .  2158 


1902. 


Seite 

riattfusseinlagen,  fabrikmässige  Herstel¬ 
lung  von,  von  Wagner . 1770 

Plattfusssohlen,  von  Schanz . 591 

IMattfusstherapie,  von  Nicoladoni  .  .  .  801 
Plazenta,  von  Flatau  9  3,  Durchgängig¬ 
keit  der  —  für  Methylenblau,  von 
Recinelli  555,  Lungenembolie  bei  — 
praevia,  von  Voigt  743,  —  praevia, 


von  Strassmann  1714,  Durchgängig¬ 
keit  der  —  für  Mikroorganismen,  von 
Neelow  1109,  —  marginata  und  cir- 


cumvallata,  von  Urfey  1481,  patho¬ 
logische  Anatomie  der  —  ,  von 
Solowij  2158,  Bau  der  —  circumvallata, 

„vonWodarz . 2180 

Plazentarcysten,  Aetiologie  der,  vonVass- 

mer . 756 

Plazentarhämatome  bei  der  Hündin,  von 

Bonnet . 1317 

Plazentarlösung,  Mechanismus  der,  von 

Holzapfel  . 1151 

Pleura,  Endotheli  al-Cancer  der,  von  F  errio 
undBormans  251,  tuberkulöses  Total¬ 
empyem  der  linken  — ,  von  Ringel  .  898 

Pleuraergüsse,  von  Wolff  290,  Druck  bei 

— ,  von  Bard . 1474 

Pleurasynechie  und  verwandte  Zustände 
vom  Gesichtspunkt  der  diaskopischen 
Diagnostik,  von  v.  Criegern  ....  54 

Pleuritis,  Statistik  der,  von  Grober  456, 
sehr  frühes  Symptom  der  —  exsuda¬ 
tiva,  von  Przewalski  668,  —  biliaris, 
von  Montini  1316,  produktive  tuber¬ 
kulöse  — ,  von  Erben  .......  1809 

Pleuritische  Ergüsse ,  Differentialdia¬ 
gnostik  der,  von  v.  Koranyi  ....  806 

Pleuritische  Exudate,  Tierversuch  zur  Er¬ 
kennung  der  tuberkulösen  Natur  der, 

von  Grober . 1806 

Plexusgeschwülste,  pulsierende,  von 

Schräder . 1431 


Pneumatische  Kammer  s.  a.  Mittelolir- 
katarrh. 

Pneumokokken ,  Degenerationsformen 
von,  in  pleuritische n  Exsudaten,  von 
Michaelis  888,  Züchtung  des  — ,  von 


Rymowitsch  1627,  die  Gelatine  ver¬ 
flüssigender  — ,  von  Kindborg  .  .  .  1894 
Pneumokokken-Gelenk-  und  Knochen¬ 
eiterungen,  von  Pfisterer  ....  935 
Pneumokokkenperitonitis,  Aetiologie  der, 
von  de  Quervain  1400,  —  im  Kindes¬ 
alter,  von  Stoos .  2058 

Pneumokokkenspondylitis,  von  Nonne  .  816 

Pneumonie  s.  a.  Pupillen,  Harn,  Lungen¬ 
entzündung. 


Pneumonie,  experimentelle  und  klinische 
Studien  über,  von  Müller  200,  tym- 
panitischer  Schall  bei  der  akuten  — , 
von  de  Brun  291,  Verhältnis  der  kä¬ 
sigen  —  zum  miliaren  Lungentuberkel, 
von  Baumgarten  492,  funktionelle 
Insuffizienz  der  Leber  bei  genuiner 
— ,von  Picot  819,  Zunahme  der  Häufig¬ 
keit  und  Mortalität  der  — ,  von  Fraser 
979,  latente  — ,  von  Littlejohn  1156, 
Schwinden  des  Patellarreflexes  bei 
genuiner  kruppöser  —  im  Kindelalter, 
von  Pfaundler  1211,  von  Lüthje  1349, 
traumatische  — ,  von  Schild  1569, 
Vorkommen  und  Verbreitungsweise 
der  Bakterien  bei  — ,  von  Müller  1806, 
abnorm  hohe  Temperaturen  bei  akuten 
— ,  von  Satullo  1811,  Vorkommen  und 
Behandlung  der  kruppösen  —  im 
Kindesalter,  von  Coutts  1851,  kruppöse 
—  und  Sepsis,  hervorgerufen  durch 
den  Pneumobazillus  Friedländer,  von 
Philippi  1884,  algide  — ,  von  Noica 
2020,  Pilokarpinbehandlung  der  — , 

von  Pelzl .  2098 

Pneumonomykosis  aspergillina ,  von 

Hochheim . 1626 

Pneumothorax,  von  Jochmann  712,  von 
Senator  893,  Aetiologie  des  —  im 
Kindesalter,  von  Zuppinger  74,  arte- 
fizieller  —  als  vorbereitende  Operation, 

von  Dollinger . 201 

Pocken  s.  a.  Blattern. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Pocken  431,  471,  559,  600,  687,  736.  823, 

911,  991,  1029,  1079,  1127,  1167,  1207, 

1248, 1 287, 1322, 1407,  1447, 1883, 2 1 70, 

—  in  London  und  die  englische  Impf¬ 
gesetzgebung,  von  Oppe  1103,  1114, 

Salol  bei  — ,  von  Thomson  und  Lore 
1361,  Epidemiologie  der  — ,  von 
Newsholme  1630,  Differentialdiagnose 
zwischen  —  und  Varicellen,  von 
Wanklyn  1630,  Kontagium  der  — , 

von  Dombrowski  . 1712 

Pockenepidemie  in  Glasgow,  von  Chal- 

mers . 1630 

Pockenerreger,  Untersuchung  des,  von 

Tanaka  . 1975 

Pockenkranke,  Salol  bei,  von  Biernacki 

und  Meier . 1631 

Pockenpräparate,  von  Busse . 1317 

Polikliniken,  Kampf  um  die,  in  Hamburg 
685,  1869,  Neubau  der  —  in  Nürn¬ 
berg  1823,  neue  —  für  innere  Krank¬ 
heiten  . 1900 

Poliklinikenfrage,  von  Schultz  ....  904 
Poliomyelitis  ant.  acuta,  von  Schwalbe 
1684,  Schweissanomalien  bei  — ,  an¬ 
terior  und  posterior,  von  Higier  .  .  154 

Polyarthritis  rheumatica  acuta,  Koinzi¬ 
denz  bei,  mit  Abdominaltyphus,  von 


Pel  .  • . 715 

Polyklonus,  von  Patella . 157 


Polymyositis,  akute  primäre,  von  Bacioli 
716,  progressive  ossifizierende  — , 
von  Rivalta  1065,  —  durch  Strepto¬ 
kokkeninfektion,  von  Körmöczi  .  .  1109 
Polyp,  deziduale  Umwandlung  eines,  von 

Stolper . 1273 

Porenkephalie,  von  Alsberg  247,  —  von 

Goetzcke . . 1240 

Porro,  Professor  Edoardo  f,  von  Galli  .  2012 
Portiokarzinom,  von  Siedentopf  1244, 

— ,  von  Weinbrenner  . 1937 

Postikuslähmung,  von  Kronenberg  631, 
doppelseitige  — ,  von  Dorendorf  1158, 
von  Fraenkel  2067,  luetische  doppel¬ 
seitige  — ,  von  Steinhaus  .  .  .  .  1884 

Pos'krankenkassen  ....  1987,  2182,  2185 
Präservesalz,  Giftwirkungen  des,  von 

Kionka . 291 

Präzipitine,  weitere  Anwendungen  der, 

von  Schütze . 1929 

Präzipitoide,  von  Kraus  und  v.  Pirquet  .  1 232 

Praktikanten,  ärztliche . 1322 

Praxis,  Erfahrungen  in  der  ärztlichen, 

bei  Chinesen,  von  Perthes  ....  1969 

Preisausschreiben .  1248,  1366 

Preisaufgabe,  Unnasche . 647 

Pressvereinigung,  internationale  medi¬ 
zinische  . 3 14 

Primäraffekt,  syphilitischer,  von  Saalfeld 
255,  Exzision  des  syphilitischen  — , 
von  Matzenauer  296,  ungewöhnlicher 
Sitz  des  — .  von  Neumann  420,  — 
der  Wange,  von  Dreyer  1242,  extra¬ 
genitaler  —  in  seiner  klinischen  und 


volkshygienischen  Bedeutung,  von 

Neumann  . .  .  1664 

Primula  obconica  als  Krankheitsursache, 
von  Dreyer  574,  683,  —  und  sinensis, 

von  Gassmann . 977 

Prinzregent  Luitpoldstiftung  .  ...  1944 

Processus  puerperalis,  von  Chiari  .  .  .  257 
Processus  vermiformis,  von  Dreesmann  1243 
Profetasches  Gesetz,  von  Glück  ....  460 

Professorenschub .  2029 

Projektile,  embolische  Verschleppung 

von,  von  Schloffer . 1861 

Projektionsbilder  und  Stereophoto¬ 
gramme,  von  Hegener . 1548 

Prolapsoperatione  n,  moderne,  von  Freund 
982,  1128,  —  nach  Westheim,  von 

Bucura . H5 1 

Prolapsrezidiv,  von  Beckh . 1551 


Promemoria  der  Wiener  philosophischen 

Fakultät  ...  .  .  •  .....  .  259 

Prostata  s.  a.  Bottinische  Operation. 

Prostata,  Totalexstirpation  der,  zur  Radi- 
kalheiiung  der  Vergrösserung  des 
Organs,  von  Freyer  759,  Behandlung 
und  Pathologie  der  vergrösserten  — , 


Seite 

von  Wallace  978,  Entfernung  der 
adenomatösen  —  nach  Freyer,  von 
Thomson,  von  Smyth  1234,  Exstir¬ 
pation  der  —  von  der  Blase  aus,  von 
Freyer  1553,  Totalexstirpation  der  — , 
von  Freyer  1631,  Hypertrophie  der 

—  und  galvanokaustische  Behand¬ 

lung  nach  Bottini-Freudenberg,  von 
Bierbaum  ....  . 1963 

Prostatagegend,  Steine  der,  von  Herescu  1546 
Prostatahypertrophie,  von  Götzl  1445, 
Radikaloperation  der  — ,  von  Roth 
419,  Radikalkur  der  Ischurie  bei  — , 
von  Negretto  462,  Katheterismus  bei 
— ,  von  v.Büngner  982,  intrakapsuläre 
Prostataresektion  bei  — ,  von  Rydygier 
1761,  Behandlung  der  — ,  von  Rovsing 

1768,  von  Moullin . 2163 

Prostatasekret,  Reaktion  des,  von  Pezzoli 

1193,  von  Lohnstein . 1358 

Prostatektomie,  von  Wallace  258,  —  von 

Czerny  856,  perineale  — ,  von  Syms  1156 
Prostitution  als  Quelle  tuberkulöser  An¬ 
steckung,  von  Bernheim . 819 

Prostitutionsfrage,  Beitrag  zum  Studium 

der,  von  Jesionek . 828 

Protagonhaltige  Körner  bei  Probepunk¬ 
tionen  des  Thorax,  von  Zollikofer  .  1111 

Protargol,  von  Ruppel . 1783 

Protargolgelatine,  von  Benario  ....  2147 
Prothesen  zur  Ausgleichung  von  Ver¬ 
kürzungen  der  Unterextremität,  von 

Wieting . 584 

Protozoen ,  krankheitserregende ,  von 

Schaudinn .  757,  1763 

Prüfungsordnung,  Vergleich  der  neuen 
ärztlichen,  in  Deutschland  u.  Oester¬ 
reich,  von  Gottlieb  369,  Aenderung 
der  neuen  —  in  Oesterreich  ....  597 

Prurigo  lymphatica,  von  Buschke  .  .  2018 

Pruritus,  Resektion  des  N.pudendus  int. 
bei  Vaginismus  und,  vulvae,  von 

Tavel  .  .  1194 

Pseudarthrose,  von  Plettner . 331 

Pseudoleberzirrhose,  perikarditische,  von 

Rovere .  461 

Pseudohermaphrodismus,  von  Franken¬ 
burger  553,  — fem.externus,  vonKoch  1067 
Pseudohypertrophie  der  Muskeln,  von 

Steinhardt . 1163 

Pseudoleukämie,  von  Jünger  386,  Tumor¬ 
bildung  bei  — ,  von  Röpke  ....  537 
Pseudomeningitis,  psychogene,  von  Stark  1471 

Pseudotuberkel,  von  Carini . 1065 

Pseudotuberkelbazillen,  von  Kayserling  418 
Psoasabszess,  Darmeinklemmung  bei, 

von  Justi . 540 

Psoriasis  und  Glykosurie,  von  Pick  156, 

—  nach  Impfung,  von  Weinstein  249, 

—  vulgaris,  von  v.  Notthafft  731,  Be¬ 

handlung  der  —  mit  Myelocen,  von 
Walson  u.  Thompson . 2161 

Psychiatrie,  Atlas  und  Grundriss  der, 
von  Weygandt  287,  Handbuch  der 
gerichtlichen  — ,  von  Hoche  1711, 
Leitfaden  der  — ,  von  Mendel  .  .  .  2014 
Psychiatrische  Erkenntnis,  Grenzen  der, 

von  Gaupp .  2023 

Psychopathia  sexualis,  Aetiologie  der, 

von  Bloch . 755 

Psychopathologie,  Vorlesungen  über,  von 

Störring . 69 

Psychose,  pol yneuri tische  Korsakowsche, 
von  Westphal  160,  249,  induzierte  — , 
von  Kölpin  586,  Bettbeb  andlung  bei 
chronischen  — ,  von  Würth  936,  — 
menstrualis,  von  v.  Krafft-Ebing  1228, 
akute  halluzinatorische  —  ,  von 
Pobiedin  1715,  polyne uritische  — , 
Chotzen  1715,  1928,  Aetiologie  der 
periodischen  — ,  von  Neisser  1762, 
Vererbung  von  — ,  von  Krauss  2023, 

—  der  Landstreicher,  von  Willmanns  2023 
Psychotherapie,  Wert  der,  von  Frank  .  2033 

Pterygium  colli,  von  Funke . 801 

Ptose,  rezidivierende  doppelseitige,  von 

Bychowski . 1974 

Puerperalfieber  s.  a.  Gruber-Widalsche 
Reaktion,  Pyämie. 


7* 


n 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 


Puerperalfieber  von  Dimmock  2161,  mit 
Ungt.  Credti  behandelt,  von  Geiringer 
420,  Komplikation  des — ,  von  Dietz492, 
Behandlung  des  —  mit  Silbersalbe,  von 
Hüffel  492,  —  und  Antistreptokokken 
serum,  von  Wilson,  von  Christie 
Puerperalinfektion,  endogene,  vonBurck 

hardt  . 

Pulpitis,  Aetiologie  der,  von  Sieberth 
Puls  s.  a.  Radialpuls. 

Puls,  Analyse  des  unregelmässigen,  von 
Wenckebach  31,  —  pseudoalternans, 
von  Hering  889,  Verhalten  des  — 
bei  willkürlicher  Aufhebung  der  Re¬ 
spiration,  von  Scotti . 

Pulsfrequenz,  Beziehungen  der  Muskel¬ 
arbeit  zur,  von  Grünbaum  u.  Amson 
Pulsregistrierung,  Technik  der  graphi¬ 
schen,  von  Jaquet  .  . 

Pulverbläser,  von  Panse  .  .  .  .  ,  . 

Pupillarreflexbogen  und  Pupillarreflex- 

zentrum,  von  Rugo . 

Pupillen,  pathologische,  von  Lewinsohn 
und  Arndt  154,  Lidschlussreaktion 
der  — ,  von  Meyerhof  248,  direkte 
motorische  Wirkung  des  Lichtes  auf 
den  Sphinkter  der  — ,  von  Steinach 
251,  Lichtstarre  der  —  bei  krupöser 

Pneunomie,  von  Schultze . 

Pupillenstarre,  Lokalisation  der  reflek¬ 
torischen,  von  Wolf  . . 

Pupillenverengerung,  Zentrum  der  reflek¬ 
torischen,  und  Sitz  und  Wesen  der 
reflektorischen  Pupillenstarre,  von 

Baas . 

Pupillenweite,  normale,  von  Tange  .  . 
Purgatin,  von  Ebstein  174,  von  v.  ITösslin 
1337,  Wirkung  des  — ,  von  Marschall 
Purinkörper,  von  Burian  und  Schur  .  . 
Purpura  haemorrhagica  bei  Lungentuber¬ 
kulose,  von  Roemisch  66,  von  Bauer 
748,  durch  Gelatineklysmata  geheilte 

—  haemorrhagica,  von  Seroni  544, 

—  haemorrhagica  bei  Genitaltuber¬ 
kulose,  von  Gossner . 

Pyämie,  chirurgische  Behandlung  der 
puerperalen,  von  Trendelenbnrg  513, 
549,  *>38,  otitische  — ,  von  Schulze  980, 
operative  Behandlung  der  puerperalen 

— ,  von  Sippel  . 

Pyelothrombose  u.  Trauma,  von  Ponfick 
Pylephlebitis,  atheromatöse,  von  Dionisi 
Pylorushypertropliie,  gutartige,  und  Skir- 
rhus  des  Magens,  von  Meinel  . 
Pylorusstenose  der  Säuglinge,  von  Trau- 

tenroth  ....  . 

Pyoscyanase  s.  a.  Milzbrand. 
Pyrogallolvergiftung,  von  Rusch  .  .  . 
Pyometra,  operativ  geheilte,  von  Senger 
Pyonephrose,  intermittierende,  von  Dob- 
bertin  331,  — primäre  traumatische — , 

von  Grisson . 

Pyopneumotliorax  acutissimus  bei  inkar- 
zerierter  Zwerchfellshernie ,  von 

Struppler . 

Pyosalpinx,  von  Beckh . 

Pyoseptikämie,  otitische,  von  Bailance 
Pyramidenbahnen  beim  Menschen,  von 

Ugolotti . 

Pyramidenfläche,  Freilegung  der  vor¬ 
deren,  von  Streit . 

Pyrogallussäure,  Instillationen  von,  bei 
Affektionen  der  Harnwege,  von 
Mi  net . . 


1233 

152 

73 


1811 

200 

62 

499 

1068 


492 

1017 


406 

625 

1234 

253 


451 


2180 

1817 

1517 

975 

1061 

35 

1433 

2100 

618 

1551 

1593 

250 

1023 

1029 


tt. 

Quadriceps,  Ersatz  des  gelähmten,  durch 
die  Flexoren  des  Unterschenkels, 

von  Krause  .  .  . 119 

Quadricepssehne,  Ruptur  der,  von  Diwald  74 
Quadricepstransplantation,  vonSchanz  591, 1862 
Quecksilber  s.  a.  Cyanquecksilber. 
Quecksilber,  benzoesaures,  zu  Injek¬ 
tionen,  von  Gaucher  84,  neutrales 
milchsaures  — ,  von  Gaucher  775, 


Seite 

intratracheale  — ,  Injektionen,  von 

Carnot . 2108 

Quecksilberanwendung,  beste  Methode 

der,  von  Ayres .  37 

Quecksilbereinreibungen,  Einfluss  der, 
auf  das  Blut  der  Syphilitiker,  von 

Bayet . • . 496 

Queck  siberoxycyaninvergif  tung ,  von 

Jaksch . 1364 

Quecksilberpräparate,  Lungenembolie  bei 

Injektion  unlöslicher,  von  Möller  .  329 

Quecksilberreaktion,  bei  Syphilitischen 
vorkommende,  von  Iierxheimer  u. 

Krause . 2159 

Quecksilbertherapie  s.  u.  Syphilis. 

Quellen  s.  a.  Heilquellen,  Mineralquellen. 
Quellen,  Gutachten,  betr.  die  Verun¬ 
reinigung  von,  im  Innerstethal,  von 
Ohlmüller  714,  —  und  ihre  Bezieh¬ 
ungen  zu  Grundwasser  und  Typhus, 
von  Gaertner  1662,  Wesen  der  heissen 

— ,  von  Suess  . 1671 

Querulanten  Wahnsinn,  von  Hoppe  .  .  1109 

R. 

Rabies,  von  Rees  u.  Rowlands  ....  1360 
Rachen,  Phlegmone  des,  von  Fraenkel  670 
Rachendiphtheroid,  chronisches,  von 

Neisser . 1716 

Rachenmandel,  akute  Entzündungen  der, 
von  Beckmann!  946,  Hyperplasie  der 

— ,  von  Rudloff . 1024 

Rachenpolyp,  kongenitaler,  von  Hanszel  2159 
Rachenreflex,  Verhalten  des,  bei  Hyste¬ 
rischen,  von  Stursberg . 614 

Rachentuberkulose,  Heilbarkeit  der,  von 

Veis  .  _ . 890 

Rachikokainisation,  allgemeine  Anästhe¬ 
sie  mittelst  — ,  von  Chaput  584, 
Todesfälle  infolge  — ,  von  Legueu, 
Technik  der  — ,  von  Desfosses  und 

Dumont  .  . 587 

Rachitis  s.  a.  Thymusdrüse,  Eisentropon. 
Rachitis,  von  Albarel  75,  —  tarda,  vonRoos 
632,  Behandlung  der  —  mit  Lecithin- 
leberthran,  von  Carriere  910,  —  und 
künstliche  Ernährung,  von  Variot  947, 
Phosphorbehandlung  der  — ,  von 
Ungar  999,  —  und  Osteomalacie,  von 
Ziegler  1479,  Nebennierenbehandlung 
der  — ,  von  Holz  1863,  angeborene 

— ,  von  Escher .  2058 

Radialpuls,  rückläufiger,  von  Meyer  .  .  660 
Radiogramme,  Verkleinerungen  von,  von 
Brian  1285,  Methoden  der  Deutung  und 
Reproduktion  von  — ,  von  Kienböck  1849 
Radiographie,  Altlas  der,  die  Brustorgane, 

von  Weinberger . 323 

Radiotherapie  und  Phototherapie ,  von 
Rögnier  323,  Dosierungsmethode  in 

der  — ,  von  Holzknecht . 1629 

Rassenschönheit  des  Weibes,  von  Stratz  886 
Rattenepizootien,  von  Wiener  ....  1231 
Rattentrypanosomen,  von  Jürgens  .  .  804 

Rausch,  normaler  und  pathologischer, 

von  Cramer . 1719 

Raynaudsche  Krankheit  von  Saenger  816, 

—  und  Trauma,  von  Schäffer  .  .  .  810 
Reaktion,  neue,  auf  einige  reduzierende 

Substanzen,  von  Gabritschewsky  .  .  937 

Realgymnasien . 263 

Realschulabiturienten,  Zulassung  der, 

zum  juristischen  Studium  ....  647 
Rechtschreibung,  deutsche,  von  Duden  1013 
Rechtsschutzvereine,  ärztliche  .  .  .  1124 

Redressionsapparate ,  scheerenförmige, 

von  Hübscher  .  . . 934 

Reflex  s.  a.  Kremaster,  Degeneration, 
Hysterie,  Plantarreflex,  Zehenivflex, 
Adduktorenreflexe,  Babinskischer  R. 
Hautreflexe 

Reflex,  okulopupillärer  sensibler,  von 
Varady  540,  Frontal-  oder  Supraorbital- 

— ,  von  Overend . 541 

Reflexwirkung,  von  Stimmei . 211 

Regeneration,  Einfluss  der  arteriellen 
Hyperämie  auf  die,  von  Lick  .  .  .  933 


Seite 

Reichsgesundheitsamt  . 687 

Reiniger,  Gebbert  &  Schall  .....  304 

Reisestipendien . 343 

Reisingerianum . H26 

Reitsitz  der  Damen,  von  Augspurg  .  .  202 

Reklameblüten . 1076 

Rekonvaleszentenblutserum ,  Therapie 
mit,  bei  akuten  Infektionskrank¬ 
heiten,  von  Walger . 325 

Rektum,  Heilung  des  Prolapsus-,  von 
Baumei  588,  Diagnose  der  Krank¬ 
heiten  des  — ,  von  Edwards  .  .  .  1631 

Rektum-Damm-Vaginalriss ,  Prophylaxe 

und  Naht  des,  von  Walthard  .  .  .  249 

Rektumkarzinom,  von  Koch . 903 

Rektummyom,  von  Lexer . 722 

Rektumstrikturen ,  Aetiologie  und  The¬ 
rapie  der  durch  Infektion  entstan¬ 
denen,  von  Wegner . 584 

Rekurrenslähmung,  von  Kronenberg  631, 

—  bei  Mitralstenose,  von  Hofbauer  1765 
Rekurrenstyphus,  Aetiologie  des,  von 

Karlinski . 976 

Renk,  Geh.  R . 2186 

Rentenfigur,  Haags . 199 

Resorption,  parenchymatöse,  von  Klapp  376 
Resorptionsmechanismus,  von  Hofbauer  1112 
Respiration  s.  u.  Thee. 

Retina,  Erblindung  der,  durch  Beobach¬ 
tung  einer  Sonnenfinsternis,  von  Snell  542 
Retrocollis  spasmodicus,  von  Mintz  .  .  4l5 
Retroflexio-  und  Prolapsbehandlung, 

Dauererfolge  der,  von  Andersch  .  .  373 
Retropharyngealabszess,  akuter,  der  Säug¬ 
linge,  von  Pearson  . 36 

Rettungswesen,  Organisation  des,  von 
Meyer  416,  Zentralkomitee  für  das 

—  in  Preussen . 643 

Rettungseinrichtungen  bei  den  verschie¬ 
denen  deutschen  Eisenbahnverwal¬ 
tungen,  von  Schwechten  1638,  von 
Blume  1638,  von  Beck  1639,  —  der 
bayerischen  Eisenbahnen,  von  Beetz  1687 

Rezeptblätter  mit  Vordruck  der  Apo¬ 
theken  . 1247 

Rezepte,  internationale  Konferenz  zur 
Unifizierung  der,  stark  wirkender  Arz¬ 
neien  . 1682 

Rezeptur,  Anleitung  zur  ökonomischen, 

von  Gutbrod,  Königshöfer  und  Seel  1736 

Rheumatin,  von  Pieper . 1206 

Rheumatismus,  tuberkulöser,  von  Mail¬ 
land  76,  von  Poncet  1405,  Patho¬ 
genese  des  akuten  — ,  von  Poynton 

und  Paine . 804 

Rhinitis,  Behandlung  der  geschwollenen 
unteren  Nasenmuskel  bei,  vasomo- 

toria,  von  Lublinski . 34 

Rhino-Laryngologie  u.  Sprachkeilkunde, 

von  Dreyfuss . 1548 

Rhinolaryngosklerom,  Involution  eines, 

von  Hanszel  .  .  .  .  .  .  .  1812 

Rhinophyma,  operative  Behandlung  des 

von  Rusch  . 587 

Rhinoplastik,  von  Dreesmann  1242,  par¬ 
tielle— , von  de  Quervain  584, Methodik 

der  — ,  von  Holländer . 721 

Rhinosklerom,  von  Marsclialkö  296,  Hi¬ 
stologie  des  — ,  von  Marschalkö  329, 
Entstehung  der  Hyalinkörperchen  bei 
— ,  von  Konstantinowitsch  ....  936 

Rhodanreaktion,  von  Muck . 981 

Rhodan  Verbindungen ,  Untersuchungen 

über,  von  Treupel  und  Edinger  .  .  563 

Rhus,  giftige  Arten  der  Familie,  von 
Schwalbe  1616,  Dermatitis  durch  — 
vernicifera,  von  Buraczynski  .  .  .  2160 
Rieselfelder,  Fett  im  Boden  der,  Berlins, 

von  Schreiber .  2096 

Riesenlipom,  von  Pfeiffer . 1502 

Riesenzellensarkom,  malignes  fasziales, 
mit  Knochenbildung,  von  Hammer 
116,  geheiltes  —  der  Tibia,  von 
Schmieden  117,  —  am  Knie,  von 
Kraske  2065,  myelogenes  — ,  von 

Weigel  . 1445 

Rigasche  Krankheit,  von  Andard  .  .  .  1194 
Rigorosenordnung,  neue,  in  Oesterreich  84 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


LTII 


Seite 

Rindenfelder,  Funktionsfähigkeit  der 
motorischen ,  beim  Säugling,  von 

Thiemich  . . 1059 

Rinder-  und  Pferdekrankheiten  in  Togo 

von  Schilling . i 1933 

Rindertuberkulose,  Uebertragbarkeit  der, 
auf  den  Menschen,  von  Hüls  1003, 

Dr.  Garnaults  Selbstimpfung  mit  — 
und  seine  Angriffe  auf  Koch  .  .  .  1125 
Rippe,  Funktion  der  ersten,  von  Roth¬ 
schild  . 852 

Rippennekrose  und  Empyema  necessi- 
tatis  nach  Quetschung  der  Brust,  von 

Bierfreund . 1771 

Rissfrakturen,  typische  des  Fersenbeins, 

von  Fuchsig . 1112 

Rizinus  und  seine  medizinische  Ver¬ 
wendung  im  alten  Aegypten,  von 

Loret  . . 1976 

Rizinusöl,  Darreichung  des,  von  Rosen¬ 
berg  174,  brausendes  — . 647 

Roborat  von  Flatau  1358,  von  Rosenfeld 
1397,  —  u.  andere  Eiweisspräparate 
bei  der  Krankenern  ährung,  von  Hoppe  479 
Röhrenkessel  -  Dampfsterilisator ,  von 

Braatz  . 801 

Röhrenknochen,  Exstirpation  und  Rege¬ 
neration  langer,  bei  Osteomyelitis  u. 
Tuberkulose,  von  Berndt  ...  516 
Röntgenapparate ,  Technik  der ,  von 

Dessauer . 554 

Röntgenbild  im  Dienst  der  Krankheiten 
des  Schädels  etc  ,  von  Benedikt  1018, 

— von  Chinesinnenfüssen,  vonPerthes 
628,  von  Knochen-  und  Gelenkent¬ 
zündungen,  vonSudeck  628,  Stereos¬ 
kopie  von  — ,  von  Bartholdy  •  .  .  2095 
Röntgendermatitis,  von  Wiesner  .  .  .  1047 
Röntgendiagnostik  in  der  innern  Medizin, 

von  Albers-Schönberg  . 1821 

Röntgeninstrumentarium  „System  Dess- 
auer“,  von  v  Gosen  .....  .  2148 

Röntgenographie  in  der  inneren  Medizin, 

von  v.  Ziemssen  u.  Rieder  .  .  454 

Röntgenotherapie,  einfache  Dosierungs¬ 
methode  der,  von  Holzknecht  .  .  .  1902 
Röntgenphotographien,  stereskopische, 
von  Boeters  723,  Kompressionsblende 

bei  — ,  von  Brian . 1941 

Röntgenstrahlen  s.  a.  Orthodiagraphie, 
Pleurasynechie,  Herz,  Herzumriss, Ure- 
therenkatheterismus ,  Blasensteine, 
Aneurysmen,  Lupus. 

Röntgenstrahlen,  bakterientötende  Wir¬ 
kung  der  — ,  von  Rieder  403,  Be¬ 
handlung  karzinomatöser  Ilautaffek- 
tionen  durch  — ,  von  Taylor  554,  — 
im  Dienste  der  Chirurgie,  von  Beck 
1190,  therapeutische  Verwertung  der 


— ,  von  Lancashire  1234,  diagnostische 
Bedeutung  und  Verwertung  der  — 
im  Gesamtgebiet  der  Medizin,  von 
Bändel  2011,  Reitzenstein  2061,  Flatau 

2062,  Görl .  2062 

Röntgenverfahren,  Entwicklung  des,  im 

J.  1901,  von  Albers-Schönberg  ...  110 

Röntgen-Eniversalinstrumentarium,  trag¬ 
bares,  von  Metzner  .  .  .  . 1004 

Röteln,  Scharlach  u.  die  „vierte  Krank¬ 
heit“,  von  Williams . 379 

Rosacea  gravidarum,  —  von  van  der  Wil¬ 
ligen  . 1767 

Rosshaarspinnereien,  Einrichtung  u.  Be¬ 
trieb  der,  Haar-  und  Borstenzu- 
richtereien  sowie  der  Bürsten-  und 

Pinselmachereien . 1903 

Rotzkrankheit,  Bekämpfung  der,  von 

Babes . 290 


Rousseau  als  Kinderarzt,  von  Pudor  .  33 

Rückenmark  s.  a.  Degeneration,  Kokaini- 
sirung,  Analgesie,  Halsrückenmark. 
Rückenmark,  mit  Marchifärbung  nach¬ 
weisbare  Veränderungen  im,  von 
v.  Tiling  154,  kombinierte  System¬ 
erkrankung  des  — ,  von  Rheinboldt 
374,  Veränderungen  des  —  bei 
Diphtherie,  von  Utchida  375,  Lokali- 


Seite 

sation  der  motorischen  Kerne  im  — , 
von  Bruce  380,  abnorme  Entwick¬ 
lungsvorgänge  am  kindlichen  — ,  von 
Rolly  1471,  Stich  Verletzung  des  — , 
von  Schittenhelm  1892,  von  Fiirnrohr  1892 
Rückenmarksanalgesie  mit  Tropakokain, 


von  Neugebauer  ...  ....  35 

Rückenmarkschirurgie,  von  Hahn  .  .  .1150 
Rückenmarkserkrankungen  auf  syphili¬ 
tischer  Grundlage,  von  Moeli  889, 

tuberkulöse  — ,  von  Jolly .  2026 

Rückenmarkshäute,  operativ  behandelte 

Geschwülste  der,  von  Schultze  .  .  940 
Rückenmarkskrankheiten,  vererbte,  von 

Zahn . 1471 

Rückenmarksschnitte,  von  Huber  .  .  .  256 


Rückenmarkstumor,  von  Oppenheim  117, 
von  Meyer  1974,  operirter  — ,  von 
Boettiger  374,  Symptomatologie  der 
— ,  von  Jaffe  1062,  operativ  behan¬ 
delter  — ,  von  Oppenheim  nnd  Jolly  1113 
Rückenversteifung,  muskuläre,  von 

Senator . 2163 

Rückenwirbel,  Elastizitätsverhältnisse  der 

menschlichen,  von  Lange . 934 

Rückgratverkrümmung, Stützapparate  bei, 
von  Judsön  934,  Kindersessel  zur  Ver¬ 
hütung  und  Behandlung  rachitischer 

— ,  von  Epstein .  .  .  1731 

Ruhr  s.  a.  Dysenterie,  Leberentzündung. 
Ruhr,  Folgeerkrankungen  der,  von 
Haasler  202,  geographische  Verbrei¬ 
tung  der  — ,  von  Pfuhl  256,  Aetiologie 
der  — ,  von  Löffler  6S0,  in  Ostpreussen 
heimische  — ,  von  Jäger  975,  von 
Shiga  1627,  Behandlung  der  —  mit 
Radix  Ipecacuanhae,  von  Strasburger  1493 
Ruhr,  Amöbenbefunde  bei — ,  von  Jäger  2096 
Ruhrbazillen  s  a.  Agglutination. 

Ruhrba/illen,  Aufenthaltsdauer  der,  im 
Darm,  von  Pfuhl  *  56,  Widerstands¬ 
fähigkeit  der  Shiga-Kruseschen  — - 
gegen  Winterfrost,  von  Schmidt  .  804 

Ruhr-  und  Typhusbazillen,  Haltbarkeit 


der,  von  Pfuhl . 1472 

Ruhrepidemie  in  Barmen  1899 — 1901, 

von  Kriege .  .491 

Rundzellensarkom,  von  Buttenberg  1072, 
periostales  — ,  von  Bender  .  .  .  1015 

Rundschau,  russische  medizinische  —  .  1783 


S. 

Saccharinfrage,  von  Bornstein  ....  245 
Sachverständige ,  ärztliche ,  vor  den 

Schiedsgerichten,  von  Miller  ....  809 

Säuferleber  im  Kindesalter,  von  Beck  .  418 
Säugetierherz,  Tätigkeit  des  überleben¬ 
den,  hei  Durchströmung  mit  Gasen, 
von  Magnus  757,  Beobachtungen  am 

jungen  — ,  von  Sommer . 1364 

Säuglinge  s.  a  Stoffwech seist örungen, 
Milch,  Neugeborene,  Brustkind. 

Säuglinge,  Häufigkeit  und  Ursachen  des 
Todes  hei  der  Anstaltshehandlnng 
kranker,  von  Schlossmann  und  Peters 
669,  Grösse  der  Einzelmahlzeiten  der 
— ,  von  Peters  669,  Anstaltspflege 
von  — ,  von  de  Lange  669,  Ernäh¬ 
rungstherapie  des  kranken  — ,  von 
Siegertl675,  Kalkstoffwechsel  des  — , 
von  Müller  1863,  Körpergewicht  des 
—  nach  sozialer  Gruppierung,  von 

Neumann .  2058 

Säuglingsalter,  Physiologie  des,  von  Ca- 

merer .  2058 

Säuglingsdarm,  Ursachen  schwerer  Funk¬ 
tionsstörungen  im,  von  Juergensohn 
935,  Elastingewebe  des  — ,  von  Fischl  1864 
Säuglingsekzem,  von  Strauss  1927,  von 

Rey . 1927 

Säuglingsernährung,  von  Flachs  669,  von 
Mering  951,  von  Rissmaen  und  Pritz- 
sche  1515,  —  und  Säuglingsspitäler, 
von  Cnopf  425,  künstliche  — ,  von 
v.  Szontagh . 1927 


Seite 

Säuglingsharn,  osmotische  Analyse  des, 
von  Sommerfeld  und  Roeder  1018, 
kryoskopische  Untersuchung  des  — , 
von  Roeder  und  Sommerfeld  .  .  .  1863 
Säuglingsheilstätte,  moderne,  und  ihre 

Bedeutung  für  die  Aerzte,  von  Siegert  576 
Säuglingsheim,  Arbeiten  aus  der  Kinder¬ 
poliklinik  mit,  zu  Dresden,  vonSchloss- 


mann . 710 

Säuglingskrankenanstalten ,  Errichtung 
und  Einrichtung  von,  von  Schloss¬ 
mann  . 668 

Säuglingsmilch,  Sterilisation  von,  von 

Kobrak . 418 

Säuglingsspital,  modernes,  von  Siegert  300 
Säuglingsstuhl,  anaerobe  Bakterien  im, 
von  Rodella  290,  Azidität  und  Zucker¬ 
gehalt  von  — ,  von  Langstein  1927, 
im  •—  vorkommende  Mikroorganis¬ 


men,  von  Rodella .  2059 

Sakralsympathikus,  Resektion  des,  von 

Jonnescu . 1546 

Sakraltumor,  von  Borst . 975 

Sakrokoccygealtumoren,  angeborene,  von 

Hagenbach . 537 

Saktosalpinx  mit  Stieltorsion,  vonAmann  124 
Salben-  und  Pflaster  verband,  antisepti¬ 
scher,  von  Honsell . 723 


Salicylpräparate,  Erkrankung  des  innern 
Ohres  nach  internem  Gebrauch  von 
— ,  von  Scheyer  977,  Wirkung  der  — 
auf  die  Harnwege,  von  Lüthje  .  .  .  1806 
Salol  bei  Pocken,  von  Thomson  und  Lore 
1361,  —  bei  Pockenkranken,  von 

Biernacki  und  Muir . 1631 

Salsomagg  ore,  seine  Wasser  und  deren 

Heilwirkungen,  von  Galli  ...  .  950 

Salzsäuresekretioh,  Kenntnis  der,  von 

Clovetta . 1328 

Samaritertag,  5  Deutscher  ....  .  991 

Samenblasen,  Anatomie  und  Pathologie 
der,  von  Oberndorfer  7 14,  Operationen 
an  den  — .  von  Kessler  934,  Histolo¬ 
gie  der  — ,  von  Akutsu  1399,  des 


Menschen,  von  Fraenkel . 1510 

Sammlungen,  Erfahrungen  und  Gedanken 
über  die  Anlage  von  hygienischen, 

von  Lehmann .  ....  452 

Sammlung  für  Geschichte  der  Heilkunst 
im  Germanischen  Nationalmuseum, 
von  Peters . 970 


Sanatorium  s.  a.  Verteilungssanatorium, 
Erholungsstätten,  Fürsorge,  Heilstät¬ 
ten.  Lungenheilstätten,  Lungenkran¬ 
ke,  Volksheilstätten,  Invalidenheime, 
Schwindsüchtige. 

Sanatorium  Wehrawald  991,  geschützte 
Lage  von  — ,  von  Sobotta  1060,  —  der 
Ortskrankenkasse  VIH  in  Kirchseeon 
1248,  —  an  der  Seeküste  1856,  Ein¬ 
weisungsverfahren  in  das  städtische 
—  in  Harlaching  1 903,  —  für  minder¬ 
bemittelte  Nerven-  und  Stoffwechsel¬ 
kranke  .  2071 

Sanduhrmagen,  von  Moynihan  1361, 
Diagnostik  des’  — ,  von  Ewald  491, 
Diagnose  des,  von  Decker  1524,  chi¬ 
rurgische  Therapie  des,  von  Schmitt  1526 


Sanitätsbericht  über  die  k.  bayr.  Armee 

1896-1897  . 1311 

Sanitätsgesetz,  französisches  ....  213 
Sanitätsoffiziere,  Nachweis  der  wissen¬ 
schaftlichen  Befähigung  der  ....  863 

Sanitätswesen,  Verbesserung  des  öffent¬ 
lichen  . 428 

Saponinwirkung  ,  hämolytische ,  von 

Schanzenbach  .  .  .  1827 

Parcine,  neue,  von  Nagano . 1627 


Sarkoptes-Invasion,  von  Tschuschner  .  328 
Sarkoma  idiopathicum  cutis  Kaposi,  von 
Pbilippson  670,  —  uteri,  von  Skutsch 
770,  —  cutis,  von  Gotthelf  1936, 

—  angioplastique,  von  Wlassow  .  .  1626 
Sarkomatose,  von  v.  Leyden  und  Wes- 
tenhoeffer  546,  künstliche  Malaria¬ 
infektion  bei  — ,  von  Wagner  3P3, 
diffuse  —  der  Pia  m ater,  von  Nonne  1471 


LIV 


INII  ALTS- VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

Sarkom  s.  a.  Riesenzellensark.,  Melano- 
sark.,  Rundzellensark. ,  Harnröhre, 
Oberschenkel,  Oesophagus. 

Sarkome,  chirurgische  Behandlung  der 
bösartigen,  langer  Röhrenknochen, 
von  Kramer  583,  —  des  Humerus, 
von  Gersuny  774,  Transplantationen 
eines  —  der  Thyreoidea,  von  Loeb 
848,  —  des  Becken  Zellgewebes,  von 
Engström  1437,  primäre  —  des  Sinus 
frontalis,  von  Krogius  ...  •  .  .  .  1469 
Sa'telnase  s.  u.  Paraffinprothese. 

Sattelnase,  kosmetische  Behandlung  der, 
mit  Vaselininjektionen,  von  Wasser¬ 
mann  . 2157 

Sauermilch,  gekochte . 1687 

Sauerstoffchloroformnarkose, Apparat  zur, 

von  Roth . 720 

Sauerstoff-Chloroform-Inhalationsapparat, 

von  Kümmell . 1025 

Sauerstoffinfusion ,  intravenöse ,  von 

Gärtner .  948,  1193,  1275 

Sauerstoffinhalationen,  Wirkung  von, 
von  Kovacs  715,  AVert  der  — ,  von 

Rogovin . 1890 

Sauerstoffwasser  als  epilatorisches  Mittel, 

von  Gallois . 1942 

Schädel,  Beziehungen  zwischen  Innen- 
und  Aussenform  des,  von  Schwalbe 
492,  Palliativoperation  des  —  bei 
inoperablen  Hirntumoren,  von  Sänger 
721,  AVindungsprotuberanzen  des  — , 

von  Schwalbe . 939 

Schädelbasisfraktur,  geheilte,  von  Til- 

mann  .  .  .  . . 160 

Schädeldach,  enorm  dickes,  von  Jürgens  255 
Schädeldefekte,  einfaches  \rerfahren  zur 
Schliessung  von,  von  H offmann  679, 

Ersatz  von  — ,  von  v.  Hacker  1674, 
heteroplastische  Deckung  von  — ,  von 


Porges . 2160 

Schädelhöhle,  Zirkulation  in  der,  von 

Ziegler  . 1846 

Schädelknochen ,  Reparationsprozesse 

der,  von  Biagi . 1846 


Schädellage,  Fussvorfall  bei,  von  Nadler  624 
Schädelpräparate,  von  Heinlein  ....  300 

Schädelschuss,  von  Rehn  721,  perforie¬ 
render  — ,  von  Diwald  203,  geheilte 


— ,  von  v.  Bergmann  . . 671 

Schädeltrepanation  ,  osteoplastische  , 
wegenliirngeschwülsten,  von  Gussen- 

bauer . 378 

Schädelverletzungen,  von  Scheidl  1111, 
komplizierte  — ,  von  Kaposi  210, 


komplizierte  —  mit  Aphasie,  von 
Kaposi  316,  Folgezustände  nach 
schweren  — ,  von  Borchard  1674,  — 
u.  Gehirnverletzungen,  von  Amberger  2157 
Schanker,  Immunität  der  Tiere  gegen 
den  weichen,  von  Himmel  .  .  •  .  587 
Schankergeschwüre, extragenitale  weiche, 

von  Ullmann . 1359 

Scharlach  s.  a.  Gelenkentzündung,  Milch, 
Skarlatina. 

Scharlach,  Gangrän  nach,  von  Seubert 
66,  Serumtherapie  des  — ,  von  v. 
Leyden  159,  Behandlung  des  —  mit 
Rekonvaleszentenserum,  von  v.  Ley¬ 
den  493,  traumatischer  —  von  Lipp- 
mann  890,  Erkrankungen  der  oberen 
Verdauungswege  hei  — ,  vonFraenkel 
899,  —  und  Tuberkulose,  von  Simonin 
1365,  Diphtherie  u.  Diphtheriebazillus 
bei  — ,  von  Schabad  1515,  Pathologie 
und  Therapie  des  — ,  von  Tobeitz 
1515,  „return  cases“  bei  —  und  ihre 
Verhütung,  von  Millard  1591,  Agglu¬ 
tination  bei  — ,  von  Salge  1729, 
Streptokokkenserum  bei  — ,  von 
Baginsky  1730,  von  Moser  1730,  Photo¬ 
therapie  des  — ,  von  Schoull  .  .  .  2166 
Scharlacherytheme  bei  Infektion -krank- 

heiten,  von  Pascoletti . 1066 

Scharlachpatienten,  Ansteckungsgefahr 

der  entlassenen,  von  Aaser  .  .  .  1769 

Scharlachrekonvaleszenten,  Ansteckungs¬ 
fähigkeit  der  Schuppen  bei,  von 
Millard . 1155 


Seite 

Schaumleber,  von  Thorei . 2102 

Schaumorgane,  Erreger  der,  von  Uffen- 
heimer  68ö,  —  und  Gangrene  fou- 
droyante,  von  AArestenhoeffer  ....  1356 
Scheide,  Chorionepitheliom  der,  von 
Peters  1312,  Verletzung  der  —  beim 
Koitus,  von  Hermes  1398,  spontane 
Ruptur  der  — ,  von  Rommel  .  .  .  1431 
Scheiden-  u.  Gebährmutiervorfall,  opera¬ 
tive  Behandlung  des,  von  Baumm  .  417 
Scheidendefekt,  von  Donati  ....  374 
Scheidengewölbe,  A^erletzungen  des,  sub 

coitu,  von  Bohnstedt . 756 

Scheinoperationen  bei  eingebildeten 

Krankheiten,  von  Schächter  ....  118 

Scheinzwitter,  von  Neugebauer  326, 

männlicher  — ,  von  AVeissbart  .  .  .  974 
Scheitelhirntumor,  von  Boettiger  .  .  .  894 
Schematismus  der  Zivil-  und  Militär¬ 
ärzte  im  Königreich  Bayern ,  von 


Zwickh  . . 1013 

Schenkelhalsfissur ,  kongenitale  ,  von 

Helbing . 715 

Schenkelhalsfraktur,  von  Trendelenburg 

550,  von  Pels-Leusden  537,  von  Dietzer  1430 
Schenkelhernie  mit  Harnblase  als  Inhalt, 

von  Manega . 1978 

Scherznummer .  2031 

Schiefhals,  muskulärer,  vou  Schanz  .  .  591 

Schieioperation,  von  Schoeler . 1433 


Schilddrüse,  von  Lübcke  936,  Krank¬ 
heiten  der  — ,  von  v.  Eiseisberg  151, 

—  bei  Infektionskrankheiten,  von 
Kashiwamura  154,  papilläres  Cyst- 
adenom  der  — ,  von  Smoler  1015, 
Resistenz  der  Kolloidsubstanz  der  — 
in  der  Leiche,  von  Masini  1518,  Be¬ 
deutung  der  —  für  den  Haushalt  der 
Natu?’,  von  v.  Eiseisberg  1772,  Wir¬ 
kung  der  Nervendurchschneidung  auf 
die  — ,  von  Katzenstein  1928,  Adeno¬ 
karzinom  der  — ,  von  Hirsch  .  .  .  2068 
Schilddrüsenexstirpation,  Organ  Verände¬ 
rungen  nach,  von  Bensen  .  .  .  .  2017 

Schilddrüsentätigkeit,  Nieren vei’änderun- 

gen  bei  Ausfall  der,  von  Blum  .  .  .  155 

Schimmelkrankheit,  bösartige,  des  Pfer¬ 
des,  von  de  Haan . 1110 

Schimmelpilze, Kultur  undAnreicherungs- 

methode  für,  von  Plaut . 208 

Schlachttiere,  Vorkommen  und  sanitäts¬ 
polizeiliche  Behandlung  tuberkulöser, 

in  Bayern . 1639 

Schlachtvieh-  und  Fleischbeschau  .  .  .  390 
Schläfenbein,  Plattenepithelkrebs  im,  von 

Sturm . 981 

Schläfenlappen,  operative  Entferuung 

des,  von  Edinger . 492 

Schlafkrankheit  s.  a.  Lethargie. 
Schlafkrankheit,  von  Broden  496,  —  der 

Neger,  von  Ziemann . 1715 

Schlaflosigkeit,  Narkotika  bei  der,  in  be¬ 
ginnenden  Psychosen,  von  Raquer  .  1850 
Schlafmittel  und  ihre  physiologische 

Wirkung,  von  Koch  und  Fuchs  .  .  814 
Schlangengift  s.  a  Antivenene. 

Schleimcyste,  re  trotracheale,vonHarmsen  899 
Schleimdrüsenkj^stome,  polypöse,  des 


Labium  minus,  von  Blüh  in  .  .  .  247 

Schlund,  Pulsionsdivertikel  des,  von 

Rosenthal . .  1510 

Schmerzen,  hypophrenische,  und  Neurose 

des  Plexus  coeliacus,  von  Hoffmann  265 
Schmerzlindernde  Mittel,  natürliche,  des 

Körpers,  von  Ritter . .  722 


Schmierseifenbehandlung,  von  Baginsky  173 

Schnürfurchen,  von  Springer .  2029 

Schnupfen,  Spezifikum  gegen,  vonLeper  262 
Schock,  Verhinderung  von,  und  Infektion 
bei  chirurgischen  Operationen,  von 
Turck  35,  —  bei  Abdominalopera¬ 
tionen,  von  Hawkins-Ambler  36,  Ver¬ 
hütung  des  — ,  von  Brown  36,  — 
bei  intranasaler  Behandlung ,  von 
Mink  624,  elektrischer  — ,  von  As- 


pinall,  von  Trotter . 978 

Schröpfen,  modifizierte  Methode  des,  von 
Rubinstein . 1520 


Seite 

Schröpfköpfe,  antike,  von  v.  Töply  .  .  1932 

Schrumpf magen,  von  Müller . 300 

Schrumpfniere,  genuine,  im  Kindesalter, 
von  Democh  669,  diätetische  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  v.  Noorden  ....  1553 
Schulärzte  1487,  staatliche  —  von  Leu- 

buscher . 1625 

Schularztfrage . 1987 

Schuleintritt,  körperliche  und  geistige 

Reife  beim . 1405 

Schulhygiene,  Verrichtungen  der  Kreis¬ 
ärzte  auf  dem  Gebiete  der  392,  Hand¬ 
buch  der  — ,  von  Burgerstein  und 
Netolitzkv  1586,  geschichtliche  Ent¬ 
wicklung  der  — ,  von  Landau  .  .  .  1931 

Schulkopfweh,  von  Holst  .  . . 290 

Schulter-,  Gaumen-  und  Kehlkopf¬ 
lähmung,  von  Fraenkel .  2067 

Schultergelenkserkrankung ,  syphili¬ 
tische,  von  Luce . 898 

Schulterluxation,  Nervenlähmung  nach, 

von  Urban . 383 

Schultermessung,  von  van  der  Minne 
und  Zeehuisen  1398,  diagnostischer 
Wert  der  — ,  von  Casparie  und 

Zeehuisen . 1059 

Schulterverrenkung  mit  Abrissen  der 
Art.  thorac.  longa,  von  v.  Noorden 
115  V  blutige  Reposition  veralteter 

— ,  von  Dollinger . 1862 

Schussläsion  durch  die  zentralen  op¬ 
tischen  Bahnen,  von  Christiansen  .  1769 
Schussverletzung  s  a.  Herz,  Auge,  Bauch-  . 
schüsse,  Projektil,  Schädelschüsse, 
Bauchwunden,  Burenkrieg, Geschosse. 
Schussverletzungen,  von  Perthes  801, 

— .  von  Schjerning,  Thöle  und  A^oss 
973,  — des  Dünndarmes,  von  Francke 
583,  die  in  Tübingen  1891 — 1901  be¬ 


obachteten  — ,  von  Linser  713,  — 
des  Kniegelenks,  von  La  Garde  1066, 
Statistik  über  — von  La  Garde  1935, 

des  Schädels,  von  Jrvine . 2162 

Schusswunden,  diagnostische  Irrtümer  : 

bei,  von  Rodman . 1934 

Schutzgebiete,  Mitteilungen  aus  den 

deutschen  . . 1764 


Schutzimpfung  s.  a.  Milzbrand,  Typhus. 
Schutzimpfung,  Erfolge  der,  gegen 

Typhus,  von  AVright . 1852 

Schutzpockenimpfung,  1901  erschienene 
Schriften  über  die,  von  Voigt  1715, 
Bericht  über  die  —  im  Königreich 
Bayern  i.  J.  1901,  von  Stumpf  .  .  .  2009 
Schwachsinn,  moralischer,  von  Trümner  383 
Schwangerschaft  s.  a.  Ovariotomie,  La- 
rynxtuberkulose,  Uterus,  Extrauterin¬ 
gravidität,  Gravidität,  Eileiter- 
schwangersch.,  Tubargravidität. 
Schwangerschaft,  Symptome  und  Zeichen 
der  beginnenden,  von  Schenk  156, 

—  in  der  Kindheit,  von  Robertson 
542,  AVert'gkeit  der  einzeinen  Zeichen 
der  beginnenden  — ,  von  Schenk  553, 
Berechtigung  und  Notwendigkeit  der 
Unterbrechung  der  —  bei  tuberku¬ 
lösen  Arbeiterfrauen,  von  Hamburger 
986,  gutartige  Tumoren  bei  — ,  von 
Emmet  1066,  Funktion  der  Leber  in 
der  — ,  von  Viola  1066,  interstitielle 
— ,  von  Buttenberg  1120,  Pigment 
der  Haut  und  Urin  während  der  — , 
von  AYyc.hgel  1151,  Komplikation  der 

—  durch  Mastdarmkrebs,  von  Endel¬ 

mann  1398,  extrauterine  interstitielle 
— ,  von  Ulesko-Stroganowa  1470, 
Dauer  der  menschlichen  — ,  von 
Füth  1663,  von  Zweifel  1663,  Indi¬ 
kationen  zur  künstlichen  Unter¬ 
brechung  der  — ,  von  Hofmeier, 
Pinard,  Rein,  Schauta  1814,  von  Simp¬ 
son  1815,  Blutung  im  Rückenmark 
während  der  — ,  von  Bruce  1850,  — 
kompliziert  mit  Portiokarzinom,  von 
Goebel  2008,  Komplikation  der  — 
und  Geburt  mit  Mastdarmkrebs,  von 
Rossa . 2016 

Schwangerschaftsikterus,  von  Benedict .  759 


1902. 


AXTS-VERZEiöHNlS. 


Seite 

Scliwangerschaftsmonate,  die  zehn,  von 

Schultze  153,  von  Lachs . 585 

Schwangerschaftszeichen ,  Hegar’sche , 

von  Seilheim  .  • . 153 

Schwarzwasserfieber,  von  Rüge  1933,  — 
bei  Quartana,  von  Otto  202,  —  und 
Chinin,  von  Cega  de  Celio  419,  von 
KemhardG72,  Mittel  der  Eingeborenen 
gegen  — ,  von  O’Sullivan-Beare  761, 
Aetiologie  des  — ,  von  Rüge  1314, 
Malaria  und  — ,  von  Scblayer  1314, 

—  und  Chininprophylaxe,  von  Plehn  1628 
Schwefelsäuredimethylester,  Giftigkeit 

der,  von  Weber . 376 

Schwefel  säure  Vergiftung,  von  Mansbach  904 

Schweissf  uss, Behandlung  des,  mit  Tanno- 

form,  von  Grumme  . 343 

Schwellungskatarrh,  durch  Koch-Weeks’- 
sche  Bazillen  hervorgerufene  Epide¬ 
mie  von,  von  Markus .  40 

Schweninger  s.  a.  Geschichte  der  Medizin. 
Schweninger  über  Moden  und  Me'hoden 
in  der  Medizin  1076,  Ernennung  — s 
zum  Professor  der  Geschichte  der 
Medizin,  von  Baas  und  Sudhoff 

1367,  1488,  1520 

Schweninger-Affaire . 643 

Schwermetalle,  Abgabe  von,  an  Essig¬ 
säure,  von  Lehmann  . 340 

Schwindelgefühl,  psychisches,  von  Va- 

sebid . 1474 

Schwindsüchtige,  individuelle  und  allge¬ 
meine  Hygiene,  mit  spezieller  Be¬ 
rücksichtigung  von  Sanatorien,  von 

Herbert . 2017 

Schwindsuchtsanlage,  angeborne,  von 

Sticker . 1375 

Schwindsuchtsbekämpfung,  Aufgaben  der 
Schule  bei  der,  von  Obertüschen  .  1853 
Sectio  caesarea,  von  Skutsch  769,  von 

Papanicol  . 1019 

Sedimente,  Konservierung  von,  für  die 
klinische  Mikroskopie,  von  Gumprecht  712 
Seekrankheit,  von  Schwerdt  582,  von 

Fischl . 1445 

Seemannsordnung  u  Geschlechtskrank¬ 
heiten,  von  Graeser . 1965 

Sehapparat,  Symmetrie  unseres,  als  eines 
paarigen  Organes,  von  Knapp  .  .  .  1935 
Sehen  s.  a.  Körperlich-Sehen. 

Sehen,  neue  Theorie  des,  von  Pizon  893, 
zweiäugiges  —  der  Wirbeltiere,  von 

Tschermak . 1118 

Sehfasern,  Verlauf  der  zentralen,  von 

Probst . 374 

Sehhügel,  mimisches  Zentrum  im,  von 
Kirchhoff  1470,  Bedeutung  des  — , 

von  Probst . 1587 

Sehsphären,  Entwicklung  der,  von  Mo¬ 
nakow  . 940 

Sehstörungen,  funktionelle,  von  Gunn  .  1593 
Sehnen,  seidene,  von  Lange  .....  10 

Sehnendefekte,  neue  Methode  zum  pla¬ 
stischen  Ersatz  von,  von  Hertle  .  .  1846 
Sehnengewebe,  Neubildung  von,  von 

Lange . 166 

Sehnenluxationen,  von  Haberern  .  .  .  415 
Sehnenplastik  s.  a.  Ersatz. 

Sehnenplastik,  von  Rosenfeld  903,  ostale 
— ,  von  Wolff  889,  —  bei  Lähmungen, 

von  Lange . 1552 

Sehnenscheiden,  Verfahren  zur  Heilung 
tuberkulöser,  und  Gelenke,  von  Hoeft- 

mann . 1775 

Sehnenüberpflanzung,  indirekte,  von 

Mainzer . 869 

Sehnen  Verpflanzung ,  Funktionsherstel¬ 
lung  durch,  von  Reichard . 327 

Seidenerzeugung,  Schäden  der  fabrilc- 

mässigen,  von  Venco . 1435 

Seife,  bakterizide  Wirkung  der,  von  Kon- 
rädi  1928,  desinfizierende  — ,  von 

Tonzig . 419 

Seifenspiritus  als  Desinfiziens  medizini¬ 
scher  Instrumente,  von  Gerson  .  .  1849 
Sektions-  und  Operationstisch  für  Labora¬ 
toriumsversuchstiere,  von  Czaplewski  1627 
Selbstbeschädigungsversuche,  von  Edel  202 


Seite 

Selbstinfektion  in  der  Geburtshilfe,  von 

Krönig .  . 1100 

Selbstmord,  versuchte  Täuschung  durch, 

von  Seydel . .  1316 

Selbstschutz  der  Organe  gegen  toxische 

Agentien,  von  Cafiero . 1316 

Selbstverstümmelungen,  von  Anschütz  .  116 

Sensibilitätsverhältnisso  des  Sympathi¬ 
kus  und  Vagus,  von  Buch  .  .  .  .  626 

Sepsis,  akute,  von  Häberlin  117,  Behand¬ 
lung  der  — ,*  von  Wernitz  289,  1016, 
puerperale  — ,  von  Mansbach  553, 
von  Fry  1631,  Behandlung  der  puer¬ 
peralen,  von  Osterloh  894,  von  Reid- 
haar  2159,  Beginn  der  — ,  von  Ber¬ 
telsmann  . 2100 


LV 


Seite 


Septumverbiegung,  Operation  gegen,  von 
Grant  .  .  . 


1593 


Septumperforation  der  Chromarbeiter, 

von  Bamberger . 2144 

Serum  s  a.  Rekonvaleszentenseium,  Heil¬ 
serum,  Blutserum,  Pferdeserum,  Im¬ 
munserum,  Menschenserum,  Anti¬ 
streptokokkenserum. 

Serum,  leukolytisches,  von  Franke  325, 
Vielheit  der  Komplemente  des  — , 
von  Ehrlich  und  Sachs  671,  Isoagglu- 
tinine  im  —  gesunder  und  kranker 
Menschen,  von  v.  Decastello  und 

0  Sturli  ,  . 1090 

erumagglutim  ne,  von  Lan  ’steiner  .  •  1905 
Serodiagnostische  Versuche,  vonKreibich  1193 
Serumexantheme,  von  Ritter  von  Ritters¬ 
hain  1152,  von  Monti  . . 1819 

Serumreaktion  s.  a.  Widalsche  Reaktion. 
Serumtherapie  per  rectum,  von  Coli  ins  379 
Seuche,  bei  Ratten  vorkommende,  von 

Schilling . 459 

Sexuelle  Erkrankungen,  von  Weiss  .  .  1936 
Sexuelle  Moral  und  sexuelle  Hygiene, 

von  Siebert  ..........  152 

Siderophon,  von  Jansen . 2155 

Siderosis  s.  a.  Auge. 

Siderods,  ektogene,  des  Bulbus,  von 

Stargardt . 1590 

Siebbein-  und  Keilbeinhöhlen,  Aetiologie, 
Diagnose  und  Behandlung  der  Eiter¬ 
ungen  der . 1593 

Silber,  Verhalten  des  löslichen,  im  Körper, 

von  Beyer . 331 

Silber.-albe  bei  puerperaler  Sepsis,  von 

Pulvermacher  .  .  1897 

Simulation,  Nachweis  der,  und  Ueber- 
treibung  bei  Unfallverletzten,  von 
Kirsch  1202,  1770,  Nachweis  der  — 
bei  Hysterischen  und  Unfallskranken, 
von  v.  Hösslin  1521, 1640,  von  Niedner 

1705,  1883 

Sinus,  subkutane  Zerreissungdes.longitu- 
dinalis  durae  matris,  von  Kiegner 
4 1 5,  akzessorischer — -  occipitalis,  von 
Hölscher  1232,  Eröffnung  des  — -  ca¬ 
vernosus  bei  Thrombose,  von  Vos  .  2094 
Sinusitis,  Pathologie  und  Therapie  der 
frontalen  und  ethmoidalen,  von  Axen- 

feld . 1716 

Sinusthrombose,  experimenteller  Beitrag 
zur  Aetiologie  der,  von  Dörr  310, 
operative  Behandlung  der  otogenen 
— ,  von  Crunert  980,  geheilte  otitische 

von  Alt . 1112 

Situs  transversus  s.  a.  Dickdarm 
Skabies  s.  a.  Thier-kabies,  Krätze. 

Skabies,  Anatomie  der,  von  Török  297, 

follikuläre  — ,  von  Babes . 2019 

Skapula,  erworbener  Hochstand  der,  von 
Bender  357,  von  Deutschländer  1900, 
kongenitaler  Hochstand  der,  von 
Froehlich  767,  Chondrosarkom  der — , 

von  Deganello . 1356 

Skarlatina,  bakteriologische  Untersuch¬ 
ungen  bei,  von  Baginsky  u.  Sommerfeld  247 
Sklerodermie,  von  Neubeck  256,  von 
Riegel  2103,  circumscripta  — ,  von 
Zarubin  329,  —  nach  Basedowscher 
Krankheit,  von  Krieger  680,  —  ohne 
Arteriitis,  von  Goldschmidt  850,  diffuse 


974 

1068 

766 

2060 


-  >  von  besser  1238,  ungewöhnliche 

— ,  von  Tedeschi . 1810 

Skierödem,  von  Buschke . 1764 

Sklerokeratitis,  Behandlung  der,  von 

Sandford . 1593 

Sklerom,  systematisches  Studium  des, 

von  v.  Schrötter . 416 

Sklerose,  multiple,  von  Hoffmann  326* 
von  Flatau  und  Koelichen  1974,  von 
Krause  2027,  —  nach  Trauma,  von 
Windscheid  809,  —  und  ihre  differen¬ 
tielle  Diagnose',  von  Treupel  865,  — 
nach  Trauma,  von  Stursberg  ....  1277 
Skoda,  Gesamtausgabe  der  Schriften  .  304 
Skoliose,  hysterische,  von  Binswanger 
210,  Entstehung  und  Behandlung  der 
■ — von  Wullstein  547,  neurogene  — , 
von  Hoffa  766,  —  bei  Halsrippen, 
von  Garre  766,  Behandlung  der  — 
mitW eir-Mitchelscher  Kur,  von  Hoeft- 
mann  766,  Gipsbehandlung  der  — , 
von  Wullstein  766,  Form  Verschieden¬ 
heiten  der  — ,  von  Schuh  hess  767, 
heilgymnastische  Behandlung  der  — , 
von  Becker  934,  angeborene  — ,  von 
Pendl  934,  portatives  Detorsions-  und 
Redressionskorsett  für  — ,  von  Roth 
934,  —  in  ihrer  Behandlung  und  Ent¬ 
stehung,  von  Wullstein . 

Skoliosenbehandlung,  von  Tilmann 
Skoliosenfrage,  Prinzipielles  in  der,  von 

Bade . 

Skoliosenredressement,  von  Schanz  . 
Skoliosentheorie,  Zuppingersche,  von 

Schulthess . 1192 

Skopolamin,  von  Bumke  1958,  —  Mor¬ 
phiuminjektionen  in  der  Geburtshilfe, 

von  v.  Steinbüchel .  .  2058 

Skopolaminnarkose ,  Schneiderlinsche, 

von  Bios . 2157 

Skorbut,  Aetiologie  und  Pathologie  desj 
von  Lamb  541,  Verhütung  des  — . 

von  Turnball . 1594 

Skrotalhernie,  Operation  der,  bei  Kin¬ 
dern,  von  Anschütz  . 1807 

Soden  als  Kurort  für  Herzleidende,  von 

Rothschild . 932 

Solanum  nigrum,  Vergiftung  mit,  von 

Türk . 735 

Solbäder,  neue  Erwärmungsart  der 
kohlensauren,  in  Kissingen,  von 

Vanselow . 

Sol  vosal  Lithium  .... 

Sonde  zum  Tamponieren  der  Hohlräume, 

von  Gerota . 

Soor,  Pathogenese  des,  von  Denecke 
538,  Behandlung  des  —  und  der  Sto- 
macace  gangraenosa,  von  Wladimiroff  761 
Soriano,  Dokumente  über,  von  Vargas  1195 
Soxlets  Nährzucker,  von  Klautsch  1286, 

von  Weissbein . 1357 

Soziale  Medizin . 1783 

Spätapoplexie,  traumatische,  von  Bohne  2181 

Spalthand,  von  Perthes . 801 

Spasmus  nutans,  von  Simon . 1475 

Speichel,  Rhodanreaktion  des,  bei  Ohr¬ 
erkrankungen,  von  Alexander  u.  Reko  1809 
Speichelstein  der  Submaxillardrüse,  von 

Gerota . 673 

Speichelsekretion ,  Zentrum  der,  von 

Kohnstamm . 813 

Speiseanstalt,  Kost  einer  Wiener,  von 

Hamburg . 46O 

Speisen,  Verdaulichkeit  der,,  von  Schilling  1664 
Speiseröhre  s.  a.  Oesophagus,  Fremd¬ 
körper. 

Speiseröhre,  spindelförmige  Erweiterung 
der,  von  Zu  sch  491,  von  Zinsser  2175, 
nekrotisierende  Entzündung  der  — 
bei  Scharlach,  von  Fraenkel670,  Krebs 
der  —  bei  einem  Tuberkulösen,  von 
Unverricht  858,  akuter  Verschluss  der 
— ,  von  Killiau  1548,  1578,  Sarkom 
der  — ,  von  v  Eicken  1846,  atonische 
Erweiterung  der  — ,  von  Lewinson  .  2018 
Speiseröhrenerweiterung,  idiopathische, 
von  Rosenheim . ’  382 


2085 

558 

672 


miALTS-VE-RZEICimiS. 


LVI 


1902. 


Seite 

Spekulum  für  den  vorderen  Teil  der 
Harnröhre,  von  Fackenheim  1366, 

neues  — ,  von  Theilhaber . 1514 

Spermin  u.  Befruchtung,  von  Waldeyer  1 1 57 

Spezialarzt,  Bezeichnung  als . 1029 

Spezialist  als  arztähnlicher  Titel  1321,  1559 

Sphygmologie,  von  Zerros . 1359 

Spielhäuser  in  Belgien . 910 

Spielmarke,  von  Urban  . 729 

Spina  bilida,  von  Bockenheimer  325,  — 
von  Nicoll  1360,  Diagnose  der  — , 
von  Muscatello  1430,  Radikalopera- 
tion  der  — ,  von  Schmidt  .  ...  1513 

Spinalgie  als  Frühsymptom  tuberkulöser 

Infektion,  von  Petruschky . 1818 

Spinalkokainisierung,  von  Schiassi  .  .  .  1978 
Spinalparalyse,  hereditäre  und  familiäre 
spastische,  von  Kühn  1892,  spastische 
und  syphilitische  — ,  von  Erb  .  .  2161 
Spirometrie,  von  v.  Hoesslin  1952,  von 

Gebhardt  . . 1953 

Spitzfues,  paralytischer,  von  Wegner  .  33  i 

Splenopneumonie  Gran  eher,  von  Mori  .  1434 

Smegmabazillus,  von  Möller . 539 

Spondylitis,  traumatische,  von  Krüger 
421,  von  Weigel  945,  Behandlung  der 
tuberkulösen  — ,  von  Wullstein  547, 
Wachstumsveränderungen  an  den 
Wirbeln  nach  —  tub.,  von  Zalowiecki  2158 
Spontangangrän  der  Extremitäten,  von 

v.  Wartburg . 2157 

Sprachstörungen,  Behandlung  der,  beim 

Wolfsrachen,  von  Coen . 889 

Sprechfähigkeit,  Erhaltung  der,  nach 
Zerstörung  der  zweiten  linken  fron¬ 
talen  Hirnwindung  bei  einem  Links¬ 
händigen,  von  Berthomier . 1980 

Sprengel  sehe  Deformität,  von  Kölliker  .  723 

Spritze  s.  u.  Intrauterinspritze,  Hart- 
parafin,  Subkutanspritze,  Thermophor- 
spritze,  Injektionsspritze. 

Sprit zentypus,  neuer,  von  Inghilleri  .  .  377 

Spucknäpfe,  verbrennbare,  für  Phthi¬ 
siker,  von  Flügge . 418 

Spülapparat,  von  Reinewald . 1547 

Spulwürmer,  Perforation  des  Darmes 

durch,  von  Solieri . 718 

Sputum,  Pseudotuberkelbazillen  in,  von 
Lichtenstein  11)60,  Diplokokkus  im  — , 
von  Gromakowsky  1545,  technische 
Hilfsmittel  zur  Aufnahme  tuberku¬ 
lösen  — ,  von  v.  Dubräv  1855,  Visko¬ 
sität  des  — ,  von  Neumann  ....  2016 
Staatsdienst,  Prüfung  für  den  ärztlichen, 

in  Bayern .  1168,  1322 

Stadt,  Wechselbeziehungen  zwischen, 
und  Land  in  gesundheitlicher  Be¬ 
ziehung,  von  Roth  . 1677 

Stäbchen,  neues  alkohol-  u.  säurefestes, 

von  Obscharetzky . 1231 

Standesordnung,  ärztliche  ....  46.  47 

Standes-  und  Ehrengerichtsordnung  .  .  558 

Staphylokokkeninfektion,  typhoide  Form 

allgemeiner,  von  Hirtz  u,  Delamare  588 
Staphylokokkenperitonitis,  von  Tiburtius  803 
Staphylokokkenpyämie,  puerperale,  von 

v.  Magnus . 1433 

Staphylokokkentoxämie,  von  Hug  .  .  .  1015 
Staphylokokkus,  Einwirkung  des  Trau¬ 
benzuckers  auf  den,  pyogenes,  von 
Kayser  849,  —  als  Ursache  benigner 
Knochenneubildung,  von  Bobroff  und 

Rudneff . 887 

Starkstromverletzungen,  von  Jessen  .  .  182 

Star  s.  a.  Altersstar. 

Staroperation ,  ungewöhnliche ,  von 

Hirschberg . 671 

Statik  und  Dynamik,  von  Hagen-Dorn  .  1191 
Statistik  s.  a.  Todesursachenstatistik. 
Stauungsleber,  idiopathische,  von 

Penkert .  1589,  1847 

Stecknadel,  verschluckte,  von  Engelmann  207 
Steinoperation,  von  Preindlsberger  .  .  .  1674 
Stenokardie,  Therapie  und  Pathogenese 

der,  und  verwandter  Zustände,  von 

Breuer .  1604 

Stenokardischer  Anfall,  Symptomatologie 

des,  von  Kaufmann  und  Pauli  .  .  1895 
Sterbekasseverein  der  Aerzte  Baverns  .  1781 


Seite 

Sterilisation,  von  Schwitze . 1674 

Sterilisationsapparat  für  Verbandmate¬ 
rialien,  von  Weigl . 321 

Sterilisationsbüchse  für  Jodoformgaze, 

von  Schickiberger . 201 

Sterilisationsfrage,  von  Kocks . 1586 

Sterilität,  künstliche,  phthitischer  Frauen, 
von  Neumann  585,  tubare  — ,  von 

Ehrendorfer . 802 

Stichkanaleiterungen,  von  Maylard  .  .  543 

Stichverletzung,  von  van  der  Briele  .  .  1430 
Stickstoff  Wechsel  der  an  Adipositas  ni- 

mia  leidenden  Kinder,  von  Hellesen  1769 
Stieldrehung,  Ursachen  der,  von  Payr  .  719 

Stieltorsion,  Bauchschnitte  bei,  von  Ova- 
rial-  und  Paraovarialtumoren,  von 

Goldberg . 713 

Stillen,  Abnahme  der  Fähigkeit  zu,  von 
Marfan  851,  ungewöhnlich  langes  — , 

von  Clarke  und  Nichol . 1155 

Stimmband,  Lymphaugioma  cavemosum 

eines,  von  Fein . 1275 

Stimme,  Krankheiten  der,  von  Castex  .  1662 
Stirnh'rn,  psychische  Störungen  bei  Ge¬ 
schwülsten  und  Verletzungen  des, 
von  Müller  1016,  Funktionen  des  — , 
von  Friedrich  1725,  Diagnostik  der 
Geschwülste  des  — ,  von  Auerbach  1974 
Stirnhirntumor,  von  Wollenberg  .  .  .  2023 
Stirnhöhleneiterung,  Operationsmethode 
der,  von  Killian  1023,  Ivilliansche 
Radikaloperation  chronischer  — ,  von 
Kraus  und  Killian  1477,  1547,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  — ,  von  Burchardt  2067 
Stirnhöhlenempyem,  durch  Killlansche 
Radikaloperation  geheiltes,  von  He- 

gmer  . .  .  .  1731 

Stirnhöhlenkatarrh,  akuter,  von  Engel¬ 
mann  .  .  .  943 

Stoffwechsel  s  a.  Darmbakterien,  Eiweiss, 
Ovarium,  Gicht,  Osteomalacie,  Levico- 
wasser,  Alkohol,  Kastration,  Säugling. 
Stoffwechsel,  Einfluss  des  Natronsal¬ 
peters  auf  den  —  des  Hundes,  von 
Rost  459,  —  bei  Wasserentziehung, 
von  Spiegler  625,  —  wachsender 
Hunde,  von  Rost  7 14,  respiratorischer 
— ,von  Rosenthal  1025,  Einfluss  d.  Mer- 
gentheimer  Karlsquelle  auf  den  — 
bei  Diabetes  und  Fettsucht,  von  Al- 
lard  1U59,  —  bei  Tuberkulösen,  von 
Mircoli  und  Soleri  1516,  —  bei  chro¬ 
nischer  Nierenentzündung, von  v.Rzet- 
kowski  1712,  Kenntnis  des  patholo¬ 
gischen  — ,  von  v.  Jaksch  1818,  —  von 
Tieren  in  der  Rekonvaleszenz,  von 

Schwenke . 1848 

Stoff-  und  Kraftwechsel  des  Säuglings, 

von  Cronheim  und  Müller . 1107 

Stoffwechselkrankheiten,  vererbbai’e  zel¬ 
luläre,  von  Ebstein . 1149 

Stoffwechselpathologie,  von  Freund  .  .  805 
Stoffwechselstörungen  bei  magendarm¬ 
kranken  Säuglingen,  von  Pfaundler  69 
Stokes-Adamssche  Krankheit,  von  Jaquet  848 
Stokvis,  Barend  Josef  f,  von  Pekelharing  1920 
Stotterblase,  Behandlung  der  schweren 

Formen  von  — ,  von  Fenwick  .  .  .  760 

Stottern,  hysterisches,  von  Guillain  .  .  75 

Strabismus,  Behandlung  des,  convergens, 
von  James  1630,  operative  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Koster . 1767 

Strafmündigkeit . 342 

Strammoni umvergiftung,  von  Knaut  .  .  2180 
Strangulationsverletzung,  von  Urban  .  816 

Strassenhygiene,  Verbesserungen  der, 
von  Weyl  382,  —  im  Altertum,  von 

Nielsen . 1313 

Streichauskultation  _]  und  Transsonanz, 

von  Blad . 715 

Streifzüge,  medizinisch-botanische,  von 

Model . 1303 

Streptokokken,  Arteinheit  der  patho¬ 
genen,  von  Marmorek  623,  Allgemein¬ 
infektion  durch  — ,  von  Wrede  941, 
Einheit  der  pathogenen  — ,  von  Mar¬ 
morek  1195,  Eintritt  der  — ,  von 

Meyer . 1716 

Streptokokkenepidemien,  von  Bernard  .  292 


Streptokokken  erkrankungen,  Epidemie 

von,  von  Förster . 

Streptokokkengift,  von  Marmorek  .  . 
Streptokokkenösophagitis,vonSimmonds 
Streptokokkenserum,  von  Piorkowski 
2059,  —  und  Antistreptokokkenserum 

von  Aronson  . 

Streptokokkentherapie,  von  Krupski  . 
Strepthotrix,  aus  Sputum  isolierte  patho 

gene,  von  Rullmann . 

Streptothrixpvämie,  von  Löhlein  .  . 
Struma,  Sympathikusresektion  bei,  ex 
ophthalmica,  von  Ba'acescu  118 

—  accessoria  baseos  linguae,  von 
Smith  1769,  Anatomie  und  Klinik 
der  —  maligna,  von  Ehrhardt  1807, 

—  tuberculosa,  von  Clairmont  .  .  . 
Strumektomien,  Folgen  fast  totaler, 

von  Lundborg . . 

Strumen,  intra  thorazische,  von  Simon  . 
Strychnin,  therapeutische  Verwendung 
des,  von  Fernet  124,  Wirkung  des 
salpetersauren  — ,  von  Grube  1820, 
Einfluss  des  Dickdarminhaltes  auf  — , 

von  Salani . 

Stypticin,  von  Kaufmann  .  .  .  431, 

Studienreisen,  ärztliche,  391,  776,  951, 

952,  1167,  1322, 
Stützapparate,  orthopädische,  von  Möller 
Stupor  und  Katatonie,  von  Jones  .  .  . 
Subkutanspritze,  tragbare  aseptische,  von 

Dreyer . 

Sublamin  s.  a.  Händedesinfektion. 
Sublamin,  von  Engels  2096,  AVirkung 
des  —  als  Desinfektionsmittel,  von 

Blumberg  . 

Sublaminpastillen  als  Händedesinfek¬ 
tionsmittel,  von  Krönig . 

Sublimat  s.  a.  Aetzsublimat. 
Sublimatinjektionen,  intravenöse,  von 

Serafini . . 

Sublimatpastillen,  graduierte . 

Südafrika,  neue  Regelung  der  ärztlichen 
Verhältnisse  in  — ,  von  Hönigsberger 
Südseeinseln,  Gesundheitszustand  auf 

den,  von  Krähier . 

Suggestivbehandlung,  sonderbare  .  .  . 
Sulfitvergiftung,  chronische,  von  Kionka 

und  Ebstein . 

Superazidität,  Behandlung  der,  von  AValko 
Superfötation,  wahre,  von  Mazzarotto  . 
Supraorbitalneuralgie  und  entzündlicher 
Steinhöhlenscbmerz,  von  Avellis 
Supraorbitalschmerz,  von  Czerny  .  .  . 

Surrakrankheit  der  Pferde  und  Rinder 

in  Togo,  von  Schilling  . 

Sycosis  parasitaria,  von  Neuberger  .  . 
Symblepharon,  Operation  von,  von  Land¬ 
ström  ....  . 

Sympathikus  s.  a.  Halssympath. 
Sympathikus,  Einfluss  von  Gemüts¬ 
bewegungen  auf  den,  von  Buch  .  . 
Symphyseotomie  s.  a.  Os  pubis 
Sympliiseotomie,  von  Zweifel  585,  802, 
von  Moncusi  1897,  Bemerkungen 

über  — ,  von  Cristeanu . 

Syndaktylie,  kongenitale,  von  Urban  . 
Syphilis  s.  a.  Angina  pectoris,  Bazillus, 
Becken,  ßrückengeschwuilst,  Brust¬ 
drüse,  Collessches  Gesetz,  Dünndarm¬ 
stenose,  Frühsyphilis,  Gefässsystem, 
Gehirnlues,  Gesicbtsfeldaufnahme, 
Ileredosyph.,  Keratitis,  Knochener¬ 
krankung,  Lues,  Mastdarmstriktqr, 
Magengeschwulst,  Nierengumma,  Mes- 
aortitis,  Nephritis,  Nervensystem,  Netz¬ 
haut,  Parasyph.,  Pemphigus,  Postikus¬ 
lähmung,  Primäraffekt,  Propheta¬ 
sches  Gesetz,  Muskelkontraktur, 
Quecksilber ,  Rückenmarkserkran¬ 
kung,  Schultergelenkserkrankung, 
Trachealstenose,  Ulcus  molle,  Ulze- 
rationen. 

Syphilis,  von  AVerner  und  Völckers  207, 
Behandlung  der  — ,  von  Heuss  34, 
von  Ayres  37,  Blutuntersuchungen  bei 
Constitution eller  —  unter  dem  Ein¬ 
fluss  der  Quecksilbertherapie,  von 
Oppenheim  u.  Löwenbach  71,  Ueber- 


Scite 

2164 

539 

634 


1278 

■34 

925 

1161 


2060 

1016 

1512 


1891 

1079 

1520 

160 

1592 

1314 


1534 

1443 


1979 

1736 

1205 

1934 

125 

1627 

1673 

1518 

1547 

901 

758 

1025 

2155 


1810 


118 

383 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


tragungsweise  der  — ,  von  Friedländer 
155,  interne  Behandlung  der  — ,  von 
Werfer  175,  tertiäre  -  des  Pharynx, 
von  Levinger  291,  Behandlung  der  — 
mit  Mercuriol,  von  Jordan  205,  mittels 
Quecksilbersäckchen  und  Mercolint, 
von  Schuster  295,  von  Welander  329^ 

—  der  Enkelin,  von  Pospelow  329, 
Indikationen  zur  Erneuerung  der  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Halpern  330, 
Ursprung  der  — .  von  Bloch  414, 

—  in  Peking,  von  Matignon  426, 

—  und  Alkoholismus  509,  Mercolint- 
schurz  bei  — ,  von  Beck  646,  Mercuro- 
Creme  bei  — ,  von  Havas  647,  akut¬ 
infektiöse  Erscheinungen  der  — ,  von 
Senator  888,  pathologische  Anatomie 
der  —  des  zentralen  Nervensystems, 
von  Erb  939,  Parrotsche  Pseudopara¬ 
lysen  bei  angeborener  — ,  von  Scherer 
1152,  —  d’emblde,  von  Marshall  1156, 
Behandlung  der  —  mit  Cyanqueck¬ 
silber,  von  Renault  1365,  periphere 
Phlebitis  bei  — ,  von  Bruusgaard 
1436,  —  und  Irresinn,  von  Mott 
1592,  Behandlung  der  —  mit  Asterol, 
von  Baer  1629,  —  und  Trauma,  ins¬ 
besondere  in  gerichtlich-  und  ver¬ 
sicherungsrechtlich  -  medizinischer 
Hinsicht,  von  Stolper  1845,  —  und 
die  Lebensversicherungen,  von  Weber 
1850,  —  und  Malaria,  von  Rüge  1894, 
eigenartige  Parasitenbefunde  bei  — , 
von  Schüller  1894,  tertiäre  — ,  von 
Beckh  1900,  Quecksilberinjektionen 
bei  der  Behandlung  der  — ,  von  Le- 
redde  1942,  von  Renault  1942,  Er¬ 
kennung  der  fötalen  — ,  von  Hecker  1975 

Syphilisbazillen,  von  Joseph  und  Pior- 
kowski  420,  757,  von  Messen  .  .  .  812 

Syphilisbehandlung,  Grundsätze  der,  von 

v.  Düring . 1530 

Syphiliskonferenz . 512 

Syphilisimpfungen  am  Tiere,  von  Hügel" 
und  Holzhäuser  ......  295,  330 

Syphilisrezidiv,  von  Neumann  ....  1276 

Syphilitiker,  Quecksilberreaktion  bei, 
von  Herxheimer  und  Krause  2159, 
Blutplättchenbefunde  bei  — ,  von 

Vörner . 2159 

Syphilitische  Geschwüre,  von  Werther  .  422 
Syphilom,  Abortivbehandlung  des,  von 

Levi . 329 

Syringokystom,  von  Neumann  ....  297 
Syringomyelie,  von  Lippert  904,  von 
Unverricht  1244,  von  Fleger  1474, 
Rückgratsverkrümmungen  bei  — ,  von 
Nalbandoff  154,  — ,  -  Gelenkerkran¬ 
kung,  —  Trauma,  von  Stolper  809, 

—  im  Lendenmark,  von  Kraske  .  . 


Seite 

1285 


511 

804 

1657 

1272 

33 


1167 

177 

209 


888 


2065 


T. 


Tabaksamblyopie  u.  Amaurose,  von  Noce  462 

Tabes  s.  a.  Ciliarganglion,  Kindertabes, 
Ataxie,  Glykosurie,  Gelenkserkran¬ 
kungen. 

Tabes,  Symptomatologie  der,  dorsalis, 
von  Gross  71,  Schwangerschaft  und 
Geburt  bei  vorgeschrittener  —  dor¬ 
salis,  von  Mirabeau  124,  Aetiologie 
der  — ,  von  Brasch  154,  von  Fournier 
293,  Knochen-  und  Gelenkverände- 
rungen  bei  — ,  von  Martens  331, 
Temperaturkrisen  bei  —  dorsalis,  von 
Oppler  671,  —  dorsalis  mit  Arthro¬ 
pathie  und  syringomy eliti sehen  Stö¬ 
rungen,  von  Strominger  673,  —  und 
Syphilis,  von  Erb  690,  Geburt  bei 
vorgeschrittener  —  dorsalis,  von  Cohn 
713,  —  durch  chronischen  Saturnis¬ 
mus,  von  Pansini  717,  akute  Ataxie 
bei  — ,  von  Josipowici  759,  infantile 
— ,  von  Idelsohn  1017,  von  Kauf¬ 
mann  1165,  —  dorsalis,  von  Bram¬ 
well  1235,  abnorme  Fälle  von  — 
dorsalis,  von  Taylor . .  .  1631 

Tachiol  s.  Fluorsilber. 


Tachykardie,  paroxysmale,  von  Kien  . 
Tageslicht,  Wingensche  Methode  der 
Prüfung  des,  in  Schulen,  von  Cohn  291 

Talgdrüsen,  freie,  von  Stieda . 1359 

Talmasche  Operation,  von  Bunge  719, 

.  Gefahr  derTalmaschen  — ,  von  Franke 
719,  Indikationen  der  — ,  von  Kretz 
Tamponadescheidenlialter,  von  Rudolph 
Tappeiner  Franz  v.  f,  von  Hausmann  . 
Tarsusverschiebungen,  traumatische,  von 

Zuppinger . 

Tasche ,  kompendiöse  geburtshilflich¬ 
gynäkologische,  von  Dührssen  .  . 
Taschenbesteck ,  ohrenärztliches  ,  von 

Rudloff . iQ24 

Taschenbuch  für  den  bakteriologischen 

Praktikanten,  von  Abel . 152 

Taschenkalender,  ärztlicher  für  1903  .  1903 
Taubheit,  hysterische,  von  Wiebe  336,  382 
Taubenepizootie  durch  Heterakis  per- 

spicillum,  von  Kasparek . 494 

Taubstumme,  Hörprüfungen  bei,  von 
Schubert  504,  Labyrinth  eines  — , 

von  Siebenmann . #  1024 

laubstummenanstalt,  Ergebnisse  der 
Untersuchungen  in  der,  in  Weissen- 

see,  von  Treitel .  2098 

Taubstummheit,  Pathologie  der,  von  " 
Habermann  980,  Beziehungen  der 
galvanischen  Reaktion  zur  — ,  von 

Alexander  und  Kreidl . 1021 

Taxe  s.  a.  Gebührenordnung. 

Taxe,  ermässigte,  für  Krankenkassen  . 

Taxis,  weg  mit  der!  von  Lanz  .... 
Teleangiektasie,  von  Leber  .....' 
Telegraphie  s.  a.  Wellentelegraphie. 
Tendovaginitis  cap.  longi  m,  bicip.brachii, 

von  Wülfing  . 

Tenosinitis  mit  Reiskörperchenbildung, 

von  Tornas  elli . ’  544 

Teratome,  chorionepitheliom-  u.  trauben¬ 
molenartige  Wucherungen  in,  von 
Schlagenhaufer  1018,  zur  Kenntnis 

der  — ,  von  Pick . 

Terminologie,  klinische,  von  Roth  886, 
medizinische  — ,  von  Guttmann  .  . 
lerpentinöl  bei  Blinddarmentzündung, 
von  Mayer  1342,  —  bei  Gebärmutter¬ 
blutungen,  von  Leniewitsch  .... 
Tetanie,  von  Nathan  156,  von  Steiner 
1362,  hysterische  —  im  Wochenbett, 
von  Cristeanu  118,  Verhalten  der 
Zunge  bei  — ,  von  Schwalbe  940, 

—  thyreopriva,  von  Ehrhardt  1312, 

—  und  Gastros ukkorrhoe,  von  Bru- 

nazzi  1315,  neues  Zeichen  von  — , 
von  Solowieff  1476,  Katarakt  bei  — , 
von  Czermak  2068,  —  und  Krampf¬ 
neurosen,  von  Freund . 

Tetanus  s.  a.  Gelatine. 

Tetanus,  von  Burns  979,  von  Schoug 
1437,  von  Kraske  2(F5,  spezifische 
Behandlung  des  — ,  von  Scott  37,  — 
nach  subkutaner  Gelatineinjektion, 
von  Lorenz  72,  —  infolge  Diphtherie¬ 
heilserum  Injektionen,  vonSiegert  85, 
durch  Antitoxin  geheilter  — ,  von 
Mackey  203,  von  Bates  542,  Heilung 
des  —  durch  Heilserum,  von  dAncona 
251,  Herpes  zoster  als  Komplikation 
des  — ,  von  Mastri  462,  —  cephali- 
cus,  von  Schupf  er  514,  Erfolg  der 
Baccellischen  Karbolsäureinjektionen 
bei  — ,  von  Cioffi  717,  traumatischer 
— ,  von  Wadham  807,  —  im  Wochen¬ 
bett,  von  Osterloh  1 116,  Antitoxin¬ 
behandlung  des  — ,  von  Ullrich  1312, 
Gelatine  und  —  ,  von  Levy  und  Bruns 
1312,  —  nach  Gelatineinjektion,  von 
Gradenwitz  1586,  von  Matthäus  2165, 
Serumbehandlung  bei  akutem  — ,  von 
Sedgwick  1631,  —  des  Neugeborenen, 
von  Perrin  1767,  —  nach  Gelatine¬ 
injektionen,  von  Eigenbrodt  .  .  . 
Tetanusgift,  von  Pasquini  1979,  Nachweis 
von  —  im  Blute  beerdigter  Leichen, 
von  Symanski  117,  Angriffspunkt  des 


LYII 


Seite 


939 


1663 

757 


2013 


2180 

1354 


1476 


2097 


2102 


,  von  Zupnik  202,  zentraler  Angriffs¬ 
punkt  des  — ,  von  Zupnik  ....  1817 
Tetanusreinkultur,  von  Debrand  .  .  .  1767 
Tetanustoxin,  von  Tizzoni  und  Collina 
251,  chemische  Natur  des  — ,  von 

Hayashi . 375 

Tetanusvergiftung,  Muskelstarre  bei,  von 

Meyer .  . 449 

letramethyl-  u.  Aethylammoniumjodide, 
Wirkung  der,  von  Jakobj  und  Hagen- 

berg . .  .  1313 

Texasfieber,  von  Kolle  . 1953 

Thalamus-  und  Stirnhirntumoren,  Dia¬ 
gnose  der,  von  Bayerthal . 

Thee,  Wirkung  der  flüchtigen  Bestand¬ 
teile  von,  und  Kaffee,  auf  die  Respira¬ 
tion  des  Menschen,  von  Lehmann  und 

Rohrer  ...  . . 

Iheobromkakao,  Oleodistearin  im  Fett 
der  Samen  von,  von  Fritzweiler 
Therapeutische  Leistungen  des  J.  1901, 

von  Pollatschek . .  209c 

Therapie,  Leitfaden  der,  der  inneren 
Krankheiten,  von  Lipowski  199,  Hand¬ 
buch  der  physikalischen  — ,  von  Gold¬ 
scheider  und  Jacob  622,  Institut  für 
physikalische — in  Rom  734, Dosierung 
in  der  physikalischen  — ,  von  Fried¬ 
länder  813,  pneumatische  — ,  von 
Zöpffel  1548,  Lehrbuch  der  speziellen 
Pathologie  und  — -,  von  v.  Jürgensen 
1585,  Handbuch  der  —  innerer  Krank¬ 
heiten, von  Penzoldt  1585,  Geschichte 
der  —  im  XVII.  Jahrhundert  in  Russ¬ 
land,  von  Lachtin  1659,  —  an  den 
Berliner  Universitätskliniken,  von 
Croner  1761,  amerikanische  Beiträge 
zur  Entwicklung  der  modernen  — , 
von  Baruch  1898,  Vorlesungen  über 
spezielle  —  innerer  Krankheiten,  von 

Ortnör . 

Thermalwässer,  Untersuchung  der,  in 
Karlsbad,  von  Ludwig,  Panzer  und 

v.  Zeynek . 1628 

Thermophorspritze  zur  Paraffininjektion, 

von  Ewald . 47g! 

Thermostat,  selbstregulierender  elektri¬ 
scher,  von  Tedeschi  und  Roselli  .  .  117 

Thigenol  in  der  Gynäkologie,  von  Merkel 
2030,  —  Roche,  von  Flatau  .  .  .2165 
Thiocol,  von  Winternitz  und  Vogt  1206, 

—  und  Sirolin,  von  Drago  und  Motta 
Coco  1823,  von  Fuchs  ....  977,  1823 
Thiosiuamin,  vonTeleky  172,  Injektionen 
von  —  bei  hartem  Tumor  und  Oeso- 
phagusstriktur,  von  Kaufmann  .  .  .  2068 
Thomas-Pessar,  von  Hildebrandt  .  .  .  1823 
Thompson  Yates  Laboratories  Reports, 
von  Boyce  und  Sherrington  ....  1080 
l'homsensche  Krankheit,  von  Grixoni 
250,  von  Embden  729,  von  Luce  855, 

von  v.  Rad . 455  t 

Thorakoplastik,  Schedesche,  von  Jordan  982 
Thorakozentese,  Lungenödem  und  fibri¬ 
nöse  Bronchitis  nach,  von  Magenau 
Thorax,  Quetschung  des,  von  Wegner 
331,  Resektion  des  — ,  von  Trzebicky 
Thoraxanomalien  bei  Phthise  und  Em¬ 
pyem  und  über  Disposition  zu  Phthise, 

von  Freund . 

Thorax druckmesser  und  die  neue  Lungen¬ 
probe,  von  Büdingen  928,  von  Placzek  1147 
Thromben,  Histologie  der  Fallopischen, 

von  Fiori . 4979 

Thrombosierung  des  gesamten  Pfortader¬ 
gebietes,  von  Saxer  .  .  , 

Thymusdrüse  mit  Rachitis,  von  Mendel 
134,  Ausschaltung  der  — ,  von  Basch 
1863,  Beziehungen  der  vergrösserten 
—  zum  plötzlichen  Tod,  von  Peukert  1929 
Thymushypertrophie,  von  Lange  .  .  .  1483 
Thymushyperplasie  u.  Thymustod,  von 

Lange. . 1729 

Thyreoidin,  von  Nicholson . 1556 

Thyreoiditis,  akute  nicht  eitrige,  von  de 

Quervain  .... 1 . 722 

Tibial  i sphän omen ,  von  v.  Strümpell  .  ]  154 


1697 

933 


83 


857 


8 


LV1H 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 


Tierskabies,  von  Neubeck . 25G 

Tinea  versicolor,  von  Pratt . 380 


Todesfälle:  Alcina  y  Rancö  1560,  Asch 
1904,  Balinski  647,  Beely  776,  Bergson 
1600,  Berliner  1079,  Bernatzik  2168, 

Blaise  86,  Bockendahl  1824,  Böhm 
von  Böhmersheim  952,  Borr  1447, 
Bouque  391,  512,  Bourlier  86,  Broes 
van  Doert  1488,  Browne  1992,  Bruck 
736,  Brunelle  1560,  Bruzelius  688, 
Büchner  600,  647,.  Burger  1992, 
Bürnett  391,  Byrne  1904,  Carmona 
y  Valle  2031,  Castro  1824,  Chede- 
vergne  304,  Clymer  864,  Crosti 
1992,  Curnow  1248,  1287,  Crouzat 
559,  Delacour  1686,  Deströe  48, 
Dheilly  1128,  Domblüth  1992,  East- 
mann  1248,  Eulenberg  1736,  Fazio 
216,  304,  Fenger  559,  Feuer  2071, 
Filatow  304,  Förster  1207,  Frie¬ 
derwald  1686,  Frusci  776,  Fuhr 
1904,  Garibaldi  176,  Geissler  263, 

Gemy  86,  Gerhardt  1287,  Gleason  1248, 

Goltz  824,  Gonzalez  del  Solar  1824, 
Guarino  991,  Gugenheim  86,  Habart 
776,  Hahn  1872,  Hasse  1640,  v.  Hebra 
688,  736,  Herrnheiser  2186,  Horns  y 
Pascuets  86,  Jarisch  512,  Jelks  1287, 
Inzani  647,  Johnston  647,  1248,  Kalin- 
ddro  824,  Kaposi  431,  v.  Közmärsky 
911,  Kiesselbach  1168,  Kijanowski 
1686,Koshewnikow  216,  v.Krafft-Ebing 
2186, Kramer  176,  Kremer  1287.  Kübler 
1248,  v.  Kupffer  2170,  Kussmaul  952, 

Lahs  391,  Landois  1992,  Lane  512,  La- 
zarewitsch  559,  Lefebvre  1407,  Lersch 
431,  Liegl  48,  Maizner  1248,  Marac- 
cino  1904,  Marvand  1992,  Masi  304, 
MassiniMeyenrock  2110,  Mavroydni 
Pascha  216,  May  1904,  Mehnert  1992, 
Metcalfe391,  Meyer  1736,  Middleton 
864,  Mircoli  512,  Monteiro  1904,  Mott 
Moore  647,  Munde  391,  Nawrotsky 
1128,  Nicoladoni  2071,  Meto  y  Serrano 
1287,  Nowatzky  1407,  Ord  911,  Paci 
1992,  Pasteratzki  1488,  Pernice  48, 
Phelps  1784,  Piza  600,  Ploss  1447, 

Porro  1287,  1322,  Rager  2031,  Reisz 
1287,  1322,  v.  Remmert  1447,  Robert 
688,  Römpler  776,  Schenk  1447, 
Schiller  1079,  Schöbl  736,  Schulz  2110, 
Schwendt  1784,  Secretan  911,  Sieg¬ 
mund  344,  Sigel  1686,  Skrzeczka  911, 
Stokvis  1686,  Strapart  1992,  Struck 
2170,  Sweetnam  86,  Switalski  1560, 
v.  Tappeiner  1447,  Taruffi  1287,  1407, 
Tichomirow  991,  v.  Török  991,  Toller 
512,  Trautmann  824,  Vertrees  2031, 
Virchow  1520,  Walther  1407,  Warner 
736,  Wilde  1992,  Wise  991,  Wolff  344, 
Wosskressenski  647,  v.  Ziemssen  .  .  176 

Todesfälle,  plötzliche,  im  Kindesalter, 

von  v.  Ganghofner  1728,  von  Richter  1728 
Todesursachenstatistik ,  Zuverlässigkeit 

der,  Württembergs,  von  Prinzing  .  152 

Töchterlein,  das,  sein  Leben,  seine 
Erziehung,  seine  Kleidung,  von 

Mayr . 1150 

Tollwut  s.  a.  Lyssa. 

Tollwut,  Ausbruch  der,  7  Monate  nach 
der  Pasteurschen  Schutzimpfung,  von 
Kasparek  u.  Teuner  1545,  Impfungen 
gegen  —  im  Institut  Pasteur  zu  Paris, 
von  Viala  1598,  Immunisierung  gegen 


die  — ,  von  Krasmitski . 1766 

Toluylendiaminvergiftung,  Veränderung, 
der  Blutkörperchen  bei,  von  Schwalbe 

und  Salley . 1399 

Tonsille,  Sarkom  der,  von  v.  Heinleth  .  1363 
Tonsillitis  s.  a.  Tubenmandel. 


Tonsillotomie,  tödlich  eNachblutung  nach, 
von  Damianos  und  Hermann  419, 
Blutstillung  nach  — ,  von  Heermann  891 

Torfstuhlverfahren .  2031 

Torticollis  spastica,  von  Hasebroek  1900, 

—  spasmodicus,  von  Hesse  ....  2099 
Toxikologie,  Grundriss  der,  von  Kionka  1467 


Seite 


Toxine,  Entstehung  der,  von  Zinno  248, 

—  und  Isomerie,  von  Viquerat  .  .  976 

Toxinämie  bei  Eiterung  im  Schläfenbein, 

von  Eulenstein . 981 

Trachea,  Nahtverschluss  der  Inzisions¬ 
wunden  der,  von  Moure . 891 

Trachealkanülenbrüche,  von  Galatti  .  .  35 

Trachealsarkom,  von  Killian . 890 

Trachealstenosen,  Pathologie  u. Therapie 


der  syphilitischen,  von  Strubeil  .  .  1835 
Tracheotomiekanülen,  Bruch  der,  von 

Galatti . 588 

Trachom,  Beiträge  zur  Therapie  des,  von 
Goldzicher  460,  chronisches  — ,  von 
Neustätter  641,  Behandlung  des  — 
durch  saturierte  Karbolsäurelösung, 

von  Nemtschenkoff . 1476 

Trachombehandlung  mit  Kuprocitrol , 
von  v.  Arlt  805,  —  mit  Kupfer-  und 

Silbernitraten,  von  v.  Arlt . 1629 

Tränenabsonderung  und  Tränenabfuhr 
nach  Exstirpation  der  Säcke ,  von 

Schirmer . 1853 

Tränendrüse  ,  Erkrankung  der ,  von 
Wagenmann  682,  Atrophie  der  — 
nach  Exstirpation  des  Tränensackes, 

von  Lundsgaard . 1768 

Tränendrüsenkarzinom,  von  Axenfeld  .  2063 
Tränenorgane,  Erkrankung  der,  von 

Wagenmann  . 681 

Tränensack,  Exstirpation  des,  von  Axen¬ 
feld  .  1289,  1394 

Tränensackektasie,  von  Yelhagen  .  .  .  1985 
Traitö  de  mödecine  et  de  thörapeutique, 

von  Brouardel  et  Gilbert .  2056 

Transformationsgesetz,  Wolffs,  u.  funk¬ 
tioneile  Orthopädie,  von  Haglund  .  1437 
Transplantation  nach  Wolfe-Krause,  von 

Gray  37,  —  ganzerHautlappen,vonBier  546 
Transsonanz  ,  Grenzbestimmung  der 


Organe  durch,  von  Pal . 341 

Transvaal,  unter  dem  roten  Kreuz  in, 

von  Fessler . 932 


Traubenzucker,  Entstehung  von,  aus 

Glycerin  und  Fett,  von  Cremer  ,  .  944 

Trauma  s.  a.  Basedow,  Sklerose,  Neurose, 
Fettgewebsnekrose,  Hysterie. 

Trauma ,  ätiologische  Bedeutung  des , 
von  Ritter  291,  —  und  Plattfuss, 
von  Karch  1276,  —  in  seiner  ätio¬ 
logischen  Bedeutung  im  allgemeinen 
und  für  den  Gelenkrheumatismus  im 
besonderen,  von  Kühn  1316,  — ,  Mye¬ 
litis,  Syringomyelie,  von  Huismans  .  1867 
Trepanosomenforschung,  von  Mühlens  1318 
Trichokephalus  dispar,  von  Becker  .  .  1193 
Trichophytiepilze ,  Züchtung  der,  von 
Plaut  460,  von  Hollborn  758,  Züchtung 
der  —  in  situ,  von  Czaplewski  .  .  1895 
Trichterreagensglas,  von  Jacobsohn  .  .  1205 
Trigeminusneuralgie ,  chirurgische  Be¬ 
handlung  der,  von  Biagi . 250 

Trinker,  von  Feldmann  2023,  akute 

Geistesstörung  bei  — ,  von  Feldmann  2097 
Trinkwasser,  Behandlung  des,  mit  Ozon, 
von  Ohlmüller  und  Prall  757,  Sterili¬ 
sation  von  —  auf  chemischem  Wege, 

von  Engels . 1808 

Trinkwasserbehandlung,  Schumhurgsche, 

mittels  Brom,  von  Engels . 1017 

Trinkwasserbereiter ,  fahrbarer,  von 

Schüder  und  Proskauer . 1472 

Trink wasser  Verunreinigungen ,  bakterio¬ 
logischer  Nachweis  von,  von  Meus- 

burger  und  Rambousek . 1716 

Trional  bei  Chorea,  von  Mackey  379, 

von  Henderson . 760 

Trionalismus,  von  Thomas .  2065 

Troikart,  neue  Verwendung  des,  von 

Rahn  . 1486 

Trommelfell,  Anheilung  des,  an  den 
Steigbügel,  von  Matte  980,  künstliches 
— ,  von  Beutzen  981,  Parazentese  des 

— ,  von  Zaufal . 2160 

Trommelschlegelfinger  und  Atrophie  der 

Endphalangen,  von  Stöltzing  .  .  .  656 
Tropakokain  s.  a.  Rückenmarksanalgesie. 


Seite 

Tropakokain-Analgesien ,  Erfahrungen 

über  100  medulläre,  von  Schwarz  .  129 

Tropenleben ,  körperliche  Tauglichkeit 
für  das,  von  Crombie  170,  Spätwir¬ 
kungen  des  —  bei  Europäern,  von 

Anderson  . 170 

Tropenmedizin,  Schule  für,  in  Liverpool  1168 
Tropenpathologie,  Laboratorium  für,  in 

Leopoldville  . 391 

Trunksucht,  Handhabung  des  Gesetzes 
gegen  die,  von  Carswell  37,  Be¬ 
kämpfung  der  — . 2108 

Tsetsefliege  s.  a.  Nagana. 

Tsetsekrankheit,  von  Martini  1278,  —  in 

Togo,  von  Ziemann'  ...  ...  .1716 

Tubage,  pernasale,  von  Kuhn  1456, 
perorale  — ,  von  Kuhn  722,  perorale 

—  nach  Kuhn,  von  Krug . 328 

Tubargravidität  s.  a,  Eileiterschwanger¬ 
schaft. 

Tubargravidität,  von  Heinsius  547,  von 
Ruder  1900,  Lehre  von  der  — ,  von 
Heinsius  288,  Hämoglobinurie  nach 

geplatzter  — ,  von  Tauber . 1868 

Tubarschwangerschaft,  von  Heikel  1437, 
geplatzte  — ,  von  Skutsch  770,  inter¬ 
ligamental  entwickelte  — ,  von  Skutsch  1 550 
Tube,  auffallend  lange,  von  Payer  713, 
Deciduabildung  in  der  — ,  von  Lange 
803,  tuberkulöse  —,  von  Rieck  1119, 
Gonokokken  in  der  — ,  von  Kraus 
2014,  Typhusbazillen  in  der  — ,  von 
Koch  2014,  Durchgängigkeit  der  — , 

von  Ahlfeld . 1761 

Tubenbauchdeckenfisteln,  von  Haeckel  974 
Tubenentwicklung,  anormale,  von  Freund  83 
Tubenkarzinom,  primäres,  von  Stolz  1432, 

von  Zangemeister . 1512 

Tubenmandel,  Hyperplasie  der,  von 

Hopmann . 589 

Tubenschwangerschaften,  von  Rieck  206, 
von  Siedentopf  1281,  60  früh  unter¬ 
brochene  — -,  von  Dobbert  756,  Mas¬ 
sagebehandlung  der  — . 262 

Tubensondierung,  von  Machenhauer  .  888 

Tuben winkeladenomyom,  von  Jung  .  .  1068 

Tuberkel,  Histogenese  des,  von  Pappen¬ 
heim  1847,  Histogenese  des  häma¬ 
togenen  — ,  von  Miller . 714 

Tuberkelbazillen  s.  a.  Marktbutter,  Ag¬ 
glutination. 

Tuberkelbazillen,  Fettsubstanz  der,  von 
Kresling  73,  Lebensdauer  des  —  in 
Käse,  von  Harrison  494,  Züchtung 
und  Biologie  des  — ,  von  Menzi  494, 
Wirkung  in  die  Trachea  eingeführter 

—  auf  die  Lunge,  von  Watanabe  714, 
spezifische  Färbung  der  — ,  von 
Aronson  986,  Anreicherung  der  — 
im  Sputum,  von  Königstein  1434, 
Nachweis  von  —  im  Sputum  nach 
Hesse,  von  Parodi  1435,  neues  Ver¬ 


fahren  zur  Züchtung  der  —  im  Luft¬ 
röhrenschleim,  von  Hesse . 2100 

Tuberculid,  von  Pliilippson . 330 


Tuberkulin,  Kochsches  TR.  und  Tuber¬ 
kelbazillensplitter,  von  Spengler  716, 
Abgabe  Kochschen  — ,  776,  diagno¬ 
stische  Bedeutung  des  alten  — ,  von 
Bandelier  937,  Reaktion  der  Pleuritis¬ 
rekonvaleszenten  auf  — ,  von  Romani 
1065,  —  in  der  Behandlung  des  Lupus 
vulgaris,  von  Parnet  u.  Croc.ker  1555, 
diagnostische  und  therapeutische  Ver¬ 
wendung  des  — ,  von  Moeller  und 
Kayserling  1586,  Einfluss  des  neuen 
—  auf  den  Stoffwechsel,  vonMitulescu 
1716,  altes  Kochsches  — ,  von  Adler 
1941,  —  bei  Hauttuberkulose,  von 

Lassar . 2181 

Tuberkulinbehandlung  nach  Goetsch- 

schem  Verfahren,  von  Roemisch  .  .  1913 
Tuberkulininjektionen ,  diagnostische, 

von  Franz . 302 

Tuberkulinreaktion,  von  Zupnik  1818, 

Wesen  der  — ,  von  Preisich  und  Heim  1110 
Tuberkulocidin  Klebs,  von  Jessen  .  .  1060 


1902 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LIX 


Seite 

Tuberkulöse,  Ernährung  der,  von  Bern¬ 
heim  669,  Ausschliessung  der  —  von 
der  Einwanderung  in  Amerika,  von 
Knopf  1060,  Stühle  der — ,von  Anglade 
und  Chocreaux  1978,  obligatorische 
Registrierung  aller  — ,  von  Biggs  .  .  1982 

Tuberkulöse  Erkrankungen,  administra¬ 
tive  Beaufsichtigung  der,  von  Pattin 
1359,  Behandlung  von  —  mit  zimt¬ 
saurem  Natron  nach  Länderer,  von 
Riegner . igjjg 

Tuberkulose  s.  a.  Peritonitis,  Larynxtub., 

Menschentub.,Lungentub.,Phthisikei 
Rheumatismus,  Auskultation, Lymph 
denom,  Genitaltub.,  Kehlkopf 
Lungenphtl.ise,  Alkohol,  Peritoneal 
tub.,  Appendizitis,  Vererbung,  Liege 
kur,  Rachentub ,  Schwangerschaft 
Rindertub.,  Impftub.,  Ohrenkrank 
lieiten,  Hetolbehandlung,  Heilstätte 
Lungenheilstätte,  Phthise,  Schwind 
sucht, Lungenschwindsucht,  Cirrhose 
Stoffwechsel,  Urogenitaltub ,  pleuri 
tische  •  Exsudate ,  Hetol,  Spinalgie 
Venenentzündung,  Bauchfelltub.  Zeit¬ 
schrift,  Zungentub. 

Tuberkulose  der  Lymphdrüsen,  von 
Finkeistein  32,  —  der  weiblichen 

Geschlechtsorgane,  von  Gorovitz  76, 
Serumdiagnose  der  — ,  von  Romberg 
89,  papilläre  —  der  Cervix  uteri,  von 
Glöckner  153,  Uebertragung  der  — 
durch  die  Kohabitation,  von  Glöckner 
153,  persönlicher  Faktor  in  der  — , 
von  Duckworth  203,  —der  Menschen 
und  Rinder,  vonArloing  213,  Neueres 
über —,  von  Hueppe  257,  Erforschung 
und  Bekämpfung  der  —  261,  Lecithin 
bei  — ,  von  Claude  und  Zaky  293, 

—  verrucosa  cutis  bei  Arbeitern  in 
Kohlenbergwerken,  von  Fabry  295, 

—  im  Kaltblüterorganismus ,  von 

Herzog  327,  —  der  glans  penis,  von 
Bernhardt  329,  Frühdiagnose  der  — 
bei  der  versicherungspflichtigen  Be¬ 
völkerung,  von  Neisser  416,  Pro¬ 
phylaxe  der  —  im  Kindesalter,  von 
Knopf  418,  —  eines  Bären,  von 

Geisenberg  494,  Anzeigepflicht  bei 
der  — ,  von  Fraenkel  539,  —  verrucosa 
cutis,  von  Joseph  und  Trautmann 
587,  von  Lassar  1278,  Entstehung 
und  Verhütung  der  — ,  von  Weichsel¬ 
baum  716,  Behandlung  der  —  mit 
Harnstoff,  von  Morin  775,  medika¬ 
mentöse  Behandlung  der  — ,  von  De 
Renzi  804,  Diagnose  der  —  der  weib¬ 
lichen  Blase,  vonKrönig  848,  Probe- 
Tuberkulininjektionen  zur  Abwehr 
dor  in  der  Armee,  von  Klimowitz 
850,  Behandlung  der  —  mit  Tuber¬ 
kulin,  von  Engel  850,  die  —  und 
ihr  Bazillus,  von  Ferran  851,  —  der 
Appendix,  von  Kraus  935,  Internate 
und — >  vonBaradat  1060,  Heilstätten¬ 
behandlung  der  — ,  von  Hammer 
1081,  von  Cozzolino  1128,  Wider¬ 
standsfähigkeit  der  Büffel  gegen  die 
experimentelle—,  von  Prettner  1109, 
Heredität  bei  — ,  von  v.  Dräsche  1112, 

—  der  Harnröhre,  von  König  1158, 

Serumdiagnose  der  — ,  von  v.  Geb¬ 
hardt  und  v.  Torday  1171,  spezifische 
Behandlung  der,  von  Hager  U73,  - 

der  Nieren,  Harnleiter  und  Blase, 
von  Dreesmann  1201,  Behandlung 
der  —  mit  Neutuberkulin  Koch,  von 
Thellung  1231,  Agglutinationsver- 
fahren  bei  — ,  von  Nebelthau  1241, 
Beziehungen  derPerlsucht  zur  mensch¬ 
lichen — ,  von  Wolff  1278,  Zeit-  und 
Streitfragen  aus  dem  Gebiete  der  — , 
von  Orth  1314,  1473,  Arrhenal  bei 

—  1364,  Behandlung  der  —  der 
Hoden,  Samenblasen,  Prostata  und 
Blase,  von  Myles  1553,  Kampf  gegen 
die  - ,  von  Ilanssen  1586,  Lohgerberei 
in  ihrer  Beziehung  zur  — ,  von  Reitter 
1586,  allgemeine  und  administrative 


.  Seite 

Massnahmen  zur  Verhütung  der  — 

1592,  Behandlung  der  —  mit  kakodyl- 
saurem  Guajakol,  von  Menueier  1598, 
Uebertragung  der  —  des  Menschen 
auf  das  Rind,  von  Fibiger  und  Jensen 
1627,  Genese  und  Verbreitung  der 
— ,  von  v.  Dräsche  1629,  Therapie  der 
—  des  Blinddarms,  von  Weinsberg 
1629,  Bedeutung  der  Zigarren  für 
die  Verbreitung  der  — ,  von  Peserico 
1663,  Vorschläge  zur  Bekämpfung 
der  — ,  von  Bäumel  1665,  —  im 
frühen  Kindesalter,  von  Schlossmann 
1676,  —  in  den  Irrenanstalten  und 
ihre  Bekämpfung,  von  Osswald  1715, 
Entwicklung  der  chronischen  — ,  vom 
Standpunkt  des  Zellstoffwechsels  be¬ 
trachtet,  von  Mitulescu  1818,  1891, 
Behandlung  der  chirurgischen  — , 
von  Macewan  1851,  Entwicklung  des 
Kampfes  gegen  die  —  als  Volks¬ 
krankheit,  von  Fraenkel  1853,  Kampf 
gegen  die  —  vom  Standpunkt  der 
pathologischen  Mykologie,  von  v. 
Baumgarten  1854,  Prinzipien  der 
Anzeigepflicht  bei  — ,  von  van  Ryn 

1854, - Bekämpfung  in  Frankreich, 

2170,  vonCalmette  1 854,  Notwendigkeit 
der  Frühdiagnose  und  Häufigkeit  der 
Uebertragung  inBureaux,  Werkstätten 
etc.,  von  Savoire  1855,  Beziehungen 
zwischen  Menschen-  und  Tier-  — , 
von  Köhler  1856,  von  Arloing  1857, 
Nomenklatur  und  Klassifikation  der 
— ,  von  Turban  1858,  —  der  weib¬ 
lichen  Genitalien,  von  Martin  1858, 
von  Faure  1859,  von  Amann  1859, 
von  Veit  1859,  —  der  männlichen  Ge¬ 
schlechtsorgane,  von  Burgner  1926, 
Ursachen  der  — ,  von  Klebs  1982, 

—  der  weiblichen  Geschlechtsorgane 
im  Kindesalter,  von  Brüning  2015, 
Infektion  mit  —  im  Kindesalter  und 
deren  Bekämpfung,  von  Preisich  und 
Schütz  2010,  Serumdiagnose  der  — , 
von  Ruitinga  2017,  —  und  die  Mittel, 
sie  zu  bekämpfen,  von  Holmboe  und 
Hanssen  2017,  Stoffwechsel  in  der 
chronischen  — ,  von  Mitulescu  2018, 

—  und  Krebs,  von  Aronsohn  2018, 

—  der  Schilddrüse,  von  Clairmont 
2060,  reiner  Harnstoff  in  der  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Harper  2161,  Ver¬ 
suche  über — ,  von  Dean  u.  Todd  2162, 

—  verrucosa  cutis,  von  Lassar  .  .  .  2181 
Tuberkulosebekämpfung,  Stand  der,  in 

Frankreich,  von  Neuburger  ....  jß26 
Tuberkuloseerreger,  Lebensbedingungen 

der,  in  der  Salzbutter,  von  Pettersson  1545 
Tuberkulosefälle,  im  path.  Instutut  zu 
Genf  während  25  Jahren  sezierte, 

von  Zahn .  ^g 

Tuberkulosefragen,  von  Benedikt  672, 

Beiträge  zur  — ,  von  Heller  ....  gQg 
Tuberkuloseheilserum,  von  Maragliano 

543,  Maragliano  — ,  von  Maragliano  251 
Tuberkuloseinfektion  durch  den  Ver¬ 
dauungskanal,  von  Heller . 1664 

Tuberkulosekonferenz,  Epilog  zur  inter¬ 


nationalen  1900,  Tageblatt  der  —  .  1904 

Tuberkulosekongress  in  London,  von 

v.  Leyden . 41g 

Tuberkuloseproblem  in  den  Vereinigten 

Staaten,  von  Knopf . I9g2 

Tuberkulosenherde  in  Bukarest,  von 

Proca . 1546 

Tuberkulose-Spitäler  und -Stationen,  von 


Tuberkuloseverbreitung  in  Baden,  von 

Hoffmann  ....  1939 

Tuberkulosiei’ung,  Protest  gegen  Kochs, 

von  v.  Messen . 249 

Tuch  im  Darm,  von  Grawitz . 207 


Tumoren,  von  Flatau  388,  Behandlung 
des  —  albus  im  Kindesalter  durch 
Geh  verbände,  vonFroelich  75,  pseudo¬ 
parasitäre  Zellformen  bei  malignen  — , 
von  Sanfelice  157,  Diagnose  der  prä- 
vesikalen  — ,  von  51  i not  169,  physio- 


Seite 

logische  Funktionen  von  — ,  von  Al- 
brecht  1135,  —  der  Cauda  equina, 
von  Volhard  1433,  —  lienis  leucae- 
micus,  von  Huismans  1867,  —  der 
hinteren  Schädelgrube,  von  Seiffer 
2027,  intrathoracischer  — ,  von  Neu¬ 
mann  . 2181 

Tussis,  Serotherapie  bei,  convulsiva,  von 

Manicatide . 1018 

Tympanitis,  von  Talma  248,  —  hysterica, 

von  Talma  . 625 

Typhomalaria,  pathologische  Anatomie 
und  Parasitologie  der,  von  Gavala  .  938 
Typhus  s.  a.  Angina,  Antityphusextrakt, 
Bazillus ,  Erkrankung ,  Rekurrens- 
typhus,  Abdominaltyphus,  Ernährung, 
Nephritis,  Quellen,  Paratyphus. 

Typhus,  Selbstmord  bei,  von  Souques 
und  Ribierre  169,  Verbreitung  des  — 
durch  die  Luft,  von  Quill  760,  Leber¬ 
abszess  bei  — ,  von  Perthes  801,  — 
ohne  Darmerscheinungen,  von  Blu¬ 
menthal  815,  Spätrezidiv  nach  — ,  von 
Hoffner  890,  Resultat  der  Inokula¬ 
tionen  gegen  —  in  Südafrika,  von 
Wright  1154,  Ulnarislähmung  nach 
— ,  von  Liepelt  1192,  Schutzimpfung 
gegen  —  in  Südafrika,  von  Crombie 
1233,  Heilserumbehandlung  des  — 
abdominalis,  von  du  Mesnil  1238, 
Gelatinediagnose  des  — ,  von  Chan- 
temesse  1318,  lokalisierte  Peritonitis 
bei  — ,  von  Mackay  1360,  operativ 
geheilte  Perforation  bei  — ,  von  Bruce 
1361,  Pathogenese  des  --  abdomin., 
von  Schottmüller  1561,  Behandlung 
des  —  abdominalis,  von  Norway  1629, 

Wert  der  Impfung  gegen  —  in  Süd¬ 
afrika,  von  Crombie  1632,  Behandlung 
des  —  abdom  mit  Laktophenin,  von 
v.  Schüler  1764,  Aphasie  bei  — ,  von 
Colbertaldo  1811,  Diagnose  des  — 
abdominalis,  von  Adler  1818,  Aphasie 
und  Hemiplegie  infolge  Embolie  der 
Art.  foss.  Sylv.  nach  —  abdominalis, 
von  Hrack  1849,  —  abdominalis  in 
Kleinbasel  1875—1900,  von  Lotz  1893, 
Leukocytenwerte  bei  — ,  von  Kühn 
2033,  Bazillurie  und  Cystitis  bei  — , 

von  Biss . 2163 

Typhus-Agglutinine  und  -Präzipitine,  von 

Bail . 804 

Typhusbakterien,spezifischwirkendeSub- 
stanz  aus,  von  Brieger,  von  Schutze  1274 
Typhusbakteriurie,  Urotropin  bei,  von 

Fuchs . 328 

Typhusbazillus ,  abnorme  Lokalisation 
des,  von  Bezan9on  und  Philibert  84, 
Nachweis  der  — ,  von  Drigalski  und 
Conradi  290,  Nachweis  der  —  im 
Sputum,  von  Jehle  419,  Bedeutung 
des  —  bei  Erkrankungen  des  Respi¬ 
rationsapparates  bei  Typhus ,  von 
Glaser  947,  Roseolenuntersuchung 
auf  — ,  von  Seemann  977,  —  im  Urin, 
von  Jacobi  1229,  — ,  Koli-,  Ruhr¬ 
bazillen,  Differenzierung  von,  von 
Klopstock  1473,  Lebensfähigkeit  von 
—  im  Boden  und  auf  Kleidungs¬ 
stücken,  vonFirth  und  Horrocks  1554, 
Schnelldiagnose  der  — ,  von  Joch¬ 
mann  1715,  Nachweis  von  —  am 
Menschen,  von  Burdach  1894,  —  in 
der  Tube,  von  Koch  2015,  Vitalität 

des  —  von  Proca .  2020 

Typhusbazillennachweis,  Drygalski-Con- 

radisches  Verfahren  des,  von  Klinger  1808 
Typhuscystitis,  von  Lövi  und  Lemieree  84 
Typhusdiagnose,  von  Altschul  1074,  früh¬ 
zeitige  — ,  von  Polacco  und  Gemelli 
288,  kulturelle  — ,  von  Krause  .  .  .  1471 
Typhusepidemie,  bakteriologischer  Be¬ 
fund  bei,  von  Hünermann . 1472 

Typhusschutzimpfungen,  Erfolge  der,  im 
Richmond-Irrenhaus  zu  Dublin,  von 

Wright  . .  35 

Typhuspneumonie,  von  Busquet  .  .  .  1193 
Tyrosin,  Pigmentbildung  aus,  von  Op¬ 
penheim  . 1315 

8* 


LX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

IT. 

Ueberernälirung,  Einfluss  der,  von  Bards- 
well,  Grodbody  und  Chapmann  .  .  7G1 

Ulcus  duodeni,  von  Moltrecht  ....  1440 
Ulcus  molle  am  Finger,  von  Ullmann  85, 

—  und  Syphilis,  von  Finger  .  .  .  117 

Ulcus  pepticum  jejuni  nach  Gastro- 

jejunostomie,  von  Kocher . 719 

Ulcus  perforans  pedis  und  dessen  Be¬ 
handlung  durch  Nervendehnung,  von 

Roncali . 1065 

Ulcus  rodens,  von  Besser  256,  Behand¬ 
lung  des,  mit  Röntgenstrahlen,  von 

Pugh . 1154 

Ulcus  serpens  corneae,  von  Kipp  1936, 
Frühdiagnose  des  —  corneae,  von 

Velhagen  .  78 

Ulcus  ventriculi  s.  a,  Magengeschwür. 

Ulcus  ventriculi,  Indikationen  zur  Opera¬ 
tion  bei,  von  Delachaux  390,  opera¬ 
tiver  Eingriff  bei  Magenblutung  in¬ 
folge  — ,  von  Ivaupe  538,  Behandlung 
des  — ,  von  Pariser  805,  Behandlung 
des  —  mit  Olivenöl,  von  Walko  .  1926 
Ulmarin,  ein  neues  Salicylpräparat,  von 

Bordet  und  Chevalier  . 1204 

Ulzerationen,  tertiärsyphilitische,  von 

Neubeck . .  .  .  256 

Unfallabteilung  am  k.  Charit^kranken- 

haus  zu  Berlin,  von  Köhler  ....  538 
Unfallentschädigungen,  von  Ammann  .  1628 
Unfallheilkunde,  Referat  über  808, 1277, 

1316,  1770 

Unfallkranke  s.  a.  Simulation. 
Unfallkrankenhaus  zu  Strassburg  i.  E.  1771 
Unfallrente,  Bemessung  der,  von  Radtke  1317 
Unfallverletzung  mitTodesfolge,  vonErdt  1501 
Unfallverletzter,  Kriminalität  des,  von 
Leppmann  810,  orthopädische  Be¬ 
handlung  von . 908 

Unfallversicherung  s.  a.  Rentenfigur. 

Unfall-  und  Invalidenversicherung  430, 
und  Invalidenversicherung,  Erfahr¬ 
ungen  auf  dem  Gebiete  der,  von 
Peters  1187,  Humor  in  der  — ,  von 


Fischer  .  .  .  .  . 1466 

Unfallversicherungsangelegenheiten, 
Kollegium  zur  Erstattung  von  Ober¬ 
gutachten  in . 687 

Unfallversicherungsgesetz,  Kommentar 
für  Aerzte  zum,  von  Mugdan  .  .  .  1397 
Unguentum  argenti  colloidalis  (Crede), 

von  Toff . 705 

Universal-Schreibplatte  ........  1558 

Universität  Breslau .  43 


Universitätsnachrichten:  Berlin  48,  216, 
263,  304,  431,  471,  688,  736,  911, 
991,  1029,  1128,  1207,  1248,  1287, 
1322,  1407,  1447,  1520,  1600,  1640, 
1736, 1872, 1904, 2110,2170, 2186, Bonn 
127,  824,  1904,  Breslau  86,  216,  431, 
512,  600,  647,  776,  824,  864,  911,  991, 
1029,  1079,  1207,  1218,  1287,  1904, 
1992,  2071,  2110,  2186,  Dresden  688, 
Erlangen  1488,  1559, 1686,  1784,  Frei¬ 
burg  216,  824,  911.  1126,  1248,  1407, 
2031,  2186,  Giessen  391,  431,  471,  647, 
Göttingen  391,  864,  952,  991,  1447, 
1784,  2071,  Greifswald  391,  600,  1287, 
1322,  1407,  1559,  1686,  2110,  Halle 
48,  86,  391,431,736,  1079,1872,2110, 
Heidelberg  48, 175,  263,  431,  736,  824, 
911,  991, 1207,  1407,  1904, 1992,  Jena 
391,  1559,  1992,  2110,  Kiel  647,  688, 
911,  1168,  1207,  1784,  1904,  2030, 
Königsberg  48,  263,  824,  1079,  1992, 
2110,  Leipzig  263, 911,  1322, 1640,  Mar¬ 
burg  48,  1248,  2186,  München  48,216, 
344,  431,  471,  647,  776,  952,  1079, 
1168,  1207,  1248,  1287,  1407,  1600, 
1736,  1824,  2071,  2186,  Rostock  304, 
911,  2031,  Strassburg  175,  304,  559, 
1128,  1824,  Stuttgart  431,  Tübingen 
48,  391,  431,  471,  600,  991,  1992, 
2071,  Würzburg  344,  776,  911,  991, 
1079,  1168,  1287,  1407,  2071. 


Seite 

Algier  1447,  Amiens  1992,  Amster¬ 
dam  216,  Angers  1447,  Athen  1904, 

2031 ,  Bahia  1287,  Barcelona  1 168, 1287, 

Basel  175,  600,  1029,  2110,  Baltimore 
1824, 1944,  Belfast  1824,  Bern  127,  304, 

688,  824,1904,  Boston  1188,  Bologna 
175,  1322,  1488,  1559,  1600,  Bordeaux 
1029,  1128,  Brüssel  216,  Brünn  688, 

Cadix  1686,  Caen  1992,  Cagliari  512, 

1322,  Caracas  1322,  Catania  647,  1686, 
Clermont  1992,  Dijon  1992,  Florenz 
216,  Gent  600,  Genua  216,  431,  1488, 

Graz  991,  1168,  1488,  1640,  1686, 

1736,  199  Grenada  116^,  Grenoble 
1992,  Innsbruck  471,  1600,  Kasan 
1824,  Kopenhagen  1322,  1447,  1559, 

1784,  1872,  2031,  Krakau  48,  216, 

736,  1488,  Lausanne  431,  1079,  1407, 

1488,  1559,  1600,  1824,  1904,  Lem¬ 
berg  617,  1029,  1944,  Lille  559,  Lon¬ 
don  216,  991,  1128,  Lund  1904,  Lyon 
559,  Madrid  1168,  Mailand  1488, 
Marseille  431,  1168,  Modena  512, 

559,  1488,  1600,  Montreal  1904,  Mos¬ 
kau  175,  216,  1422,  1488,  1686,  1944, 

2031,  Neapel  512,  559,  647,  688,  864, 

1322, 1559,  1600,  1686,1824,  New- York 
1407,  1904,  Ofen-Pest  344,  512,  647, 
Padua  48,  86,  14ü7, 2031,  Palermo  512, 

647,  Paris  1407,  2031,  Parma  1600, 

Pavia  647,  1559,  St.  Petersburg  1407, 

1600, 1904,  Philadelphia  512,  647,  736, 

991,  1824,  Pisa  216,  559,  647,  1600, 
Poitiers  559,  Prag  512,  559,  617,  1407, 

1520,  1559,  1736,  1784,  1992,  Rennes 
1407,  Rio  de-Janeiro  1417,  Rom  559, 

736,  1407,  1686,  1736,  Saint  Louis 
1559,  San  Franzisko  86,  Santiago 
1686,  Saragossa  1559,  Sassari  647, 
Sydney  216,  Tomsk  1824,  Tours  1447, 

Turin  559,  647,  736,  991,  1559,  1600, 

1824,  Valencia  86,  Warschau  1407, 

1559,  1904,  Wien  175,  304,  431,  510, 

512,  559,  647,  824,  911,  952,  991, 

1079,  1207,  1407,  1447,  1640,  1736, 

1824,  1904,  Zürich  48. 

Unterbauchseite,  Stoss  gegen  die,  von 

König . • . 1159 

Unterbindung  der  V.  jugularis  bei  den 
vom  Schläfenbein  ausgehenden  Eite¬ 
rungen,  von  Ballance  1851,  doppel¬ 
seitige  —  der  Aa.  hypogastricae,  von 

Kleinwächter . •  .  .  2096 

Unterkieferfrakturen,  Verband  für,  von 

Wieting .  72 

Unterkieferprothesen,  von  Fritzsche  .  .  72 

Unterleibsbruch,  von  Heinlein  .  .  .  1485 

Unterleibskrankheiten,  diagnostische  Be¬ 
merkungen  zu  einigen,  von  Mannaberg  7 1 6 
Unterrichtsmethoden,  rhino-pharyngolo- 

gische,  von  Kafemann . 1842 

Unterrichtsminister,  österreichischer  .  .  259 

Unterschenkelgeschwüre ,  Behandlung 
der,  von  Zeuner  937,  tertiärluetische 
— ,  von  Hahn,  1163,  Nervenoperation 
bei  chronischen  — ,  von  Bardescu  2020, 
Tuberkulinbehandlung  von  Lassar  .  2181 
Unterschenkelverkrümmungen ,  Opera¬ 
tionsverfahren  zur  Beseitigung  hoch¬ 


gradiger,  von  Reiner .  2043 

Unterstützungswesen,  ärztliches  907,  ärzt¬ 
liches  —  und  das  Besteuerungsver- 
faliren  der  Aerztekammern  in  Preus- 

sen,  von  Heymann . 1394 

Untersuchung,  äussere,  am  Gebärbett, 

von  Frickhinger  . 1614 

Untersuchungsanstalten,  Geschäfte  der 
öffentlichen,  für  Nahrungs-  und  Ge¬ 
nussmittel  1901  .  1321 


Untersuchungsmethoden,  pathologisch¬ 
histologische,  von  Schmorl  ....  286 

Urachuscyste,  von  v.  Recklinghausen  .  1551 
Urämie  s.  a.  Urinbefund. 

Urämie,  Ganglienzellenveränderung  bei, 
von  Sommer  211,  Venaesectio  bei  — , 
von  Springer  461,  elektrische  Leit¬ 
fähigkeit  des  menschlichen  Blut¬ 
serums  bei  — ,  von  Bickel  .  •  .  .  .  1314 


1902. 


Seite 

Ureter  duplex,  von  Knöpfelmacher  469, 
Topographie  des  weiblichen  — ,  von 
Tandler  und  Halban  1272,  Einmün¬ 
dung  des  —  in  eine  Uterovaginal- 
cyste,  von  Meyer  1432,  KatheterLmus 

der  — ,  von  Kollmann . 1481 

Ureterenchirurgie,  von  Perlis . 974 

Ureterfisteln  und  Ureterverletzungen, 

von  Stoeckel . 1714 

Ureteren-  und  Nierenfunktion,  Unter¬ 
suchungen  über  Physiologie  und  Pa¬ 
thologie  der,  von  Straus  1217,  1408, 
von  Kövesi  und  Röth-Schulz  .  .  .  1350 
Ureterenkatheterismus  u.  Radiographie, 

von  v.  Ulyes . 246 

Urethra  s.  a.  Harnröhre. 

Urethra,  angeborene  Stenose  der,  von 

Murphy  .  .  .  .  • . 1850 

Urethral-  und  Blasenbehandlung,  Janet- 

sche,  von  Spitzer . 1809 

Urethra! fieber,  von  Bertelsmann  209, 
Eindringen  von  Bakterien  in  die  Blut¬ 
bahn  als  eine  Ursache  des  — ,  von 
Bertelsmann  und  Mau  .  .  .  .521 

Urethralkarzinom,  primäres,  von  Butten¬ 
berg  .  .  1073 

Urethralspritze,  aseptische,  von  Dreyer  .  683 

Urethritis  gonorrhoica  bei  Kindern 
männlichen  Geschlechts,  von  Fischer  1917 
Urethroplastik  nach  Subbotin,  von  Grus- 

dew . 1515 

Urin  s.  a.  Bakteriurie ,  Alkaptonurie, 
Harn. 

Urin,  Herkunft  und  Löslichkeit  der  im, 
ausgeschiedenen  Oxalsäure ,  von 
Klemperer  und  Tritschler  32,  bakte¬ 
riologische  Untersuchung  des  — ,  von 
Lewis  380,  Verdauungsfermente  im 
—  von  Dell’Isola  7 17,  Zylinder  in 
eiweissfreiem  — ,  von  Craandyk  938, 
bisher  unbeschriebene Ivrystalle im—, 
von  Bradshaw  1233,  Vorrichtung  zum 
Auffangen  des  —  bei  Harnfisteln, 
von  Holowko  1313,  Streptokokken¬ 


ausscheidung  durch  den  — ,  von 

Menger  ....  . 2163 

Urinbefund,  eigentümlicher,  bei  Eklam¬ 
psie  und  Urämie,  von  Cramer  ...  101 


Urinschauer,  ärztlicher . 125 

Urinuntersuchung,  Taschenapparat  zur.  1598 
Urinverhaltung,  Einfluss  totaler,  auf  den 

Organismus,  von  Blumreich  ....  1431 
Urobilinurie  bei  Chlorose,  von  Cavazza 
157,  —  bei  Schwangeren,  von  Mer- 


letti . 713 

Urogenitalsystem,  Entwicklung  des 

menschlichen,  von  Hart . 1592 


Urogenitaltuberkulose,  von  Posner  .  .  1776 
Urologische  Praxis ,  Erfahrungen  aus 

einer  25jährigen,  von  Browne  .  .  .  203 
Urotropin,  Hämaturie  nach,  von  Gold- 
schmid  380,  Wirkung  des  — ,  von 


Götzl  und  Salus . .  .  1355 

Urticaria  pleuritica,  von  Minciotti  157, 

—  chronica  papulosa,  von  Schnabel 
595,  habituelle  —  gonorrhoica,  von 
Orlipski . 1653 


Uterus  s.  a  Gebärmutter. 

Uterus,  von  Gottschalk  815,  von  Münch¬ 
meyer  941,  Totalexstirpation  des  — , 
von  Gessner  78,  spontane  Ruptur  des 
schwangeren  — ,  von  Dona  119,  durch 
Totalexstirpation  gewonnene  —  ,  von 
Rieck  120,  blutige  Rein version  des 
- — ,  von  Küstner  153,  Achsendrehung 
des  — , von  Semmelink  153,  Schwanger¬ 
schaft  bei  —  bicornis  unicollis,  von 
Krönig  153,  Geburt  bei  —  bicornis 
duplex,  von  Koslenko  153,  mediane 
Spaltung  des  — ,  von  Krönig  153, 
Topographie  des  —  nach  d.  Alexander- 
Adamschen  Operation,  von  Bulius 
153,  Modell  eines  graviden  — ,  von 
Sellheim  153,  Lufteintritt  in  die 
Venen  des  puerperalen  — ,  Aron  Sengler 
185,  karzinomatöse — ,  von  Jung  207, 
operative  Behandlung  der  Retroflexio 


1902 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXI 


Seite 

—  mit  Berücksichtigung  der  Alexander- 
Adamschen  Operation,  von  Peters 
76  ■*,  Vorkommen  von  Fremdkörpern 
im  — ,  von  Hermann  790,  Behand¬ 
lung  der  Retroversio-flexio  — ,  von 
Koblanck  102,  Drüsenausräumung  bei 
Carcinoma  — ,  von  v.  Herff  802,  totale 
Inversion  des  — ,  von  Amann  803, 
Myoma  teleangiektodes  — ,  von 
Schlagenhaufer  889,  Fibromyome  des 

—  i  von  Chiari  946,  supravaginale 
Amputation  des  — ,  von  Kleinhans 
974,  —  didelpliys,  von  Falk  1025, 
Störung  des  Geburtsverlaufes  nach 
vaginaler  Fixation  des  — ,  von  Mathes 
1063, konservative  Operationsmethode 
bei  Fibromyomen  des  —  ,  von 
Abuladse  10ö3,  Karzinom  des  graviden 
— ,  von  Buttenberg  1072,  malignes 
Chorionepitheliom  des  — ,  von  Butten¬ 
berg  1072,  Hypertrophie  des  — ,  von 
Flatau  1073,  klinische  Bedeutung  der 
Retroflexio  —  mobilis,  von  Wormser 
1085,  rudimentäre  Entwicklung  des 

—  und  der  Vagina,  von  Herz  1112, 

—  myomatosus,  von  Grube  1119, 

—  bicornis  unicollis,  von  Siedentopf 
1120,  Inkarzeration  des  schwangeren 
— ,  von  Göschei  1123,  partielle  Kon¬ 
traktionen  des  schwangeren  — ,  von 
Ahlfeld  1 1 5 1 ,  —  duplex  separatus,  von 
v.  Tauer  1152,  abdominelle  Exstir¬ 
pation  des  karzinomatösen  —  nach 
Wertheim,  von  Döderlein  1152,  Chon¬ 
drofibrom  des  — ,  von  Kworostausky 
1192,  inslrumentelle  Perforation  des 
— ,  von  Schulze-Vellinghausen  1230, 
Autolyse  des  puerperalen  — ,  von 
Langstein  u.  Neubauer  1249,  Bedeu¬ 
tung  der  Retroflexio  —  mobilis,  von 
Theilhaber  1264,  Behandlung  inope¬ 
rabler  —  u.  Vaginalkarzinome,  von 
Meinert  1279,  Behandlung  der  — 
myome,  von  Meinert  1279,  Mutter¬ 
hals-Scheidenfisteln  des  — ,  von  Neu¬ 
gebauer  1356,  100  Fälle  von  Fibro- 
Myom  des  — ,  von  Cullingworth  1361, 
Prolaps  des  schwangeren  —  ,  von 
Seitz  1398 ,  Mehrschichtung  des 
Epithels  im  Corpus  — ,  von  Hengge 
1470,  Fremdkörper  im  — ,  von  Toff 
1579,  das  elastische  Gewebe  des  — 
während  der  Gravidität,  von  Iwanoff 
1626 ,  Tamponade  des  puerperalen 
— ,  von  Chrobak  1628,  Fibromyome 
des  — ,  kompliziert  mit  Schwanger¬ 
schaft,  von  Bäcker  1663,  Insuffizienz 
des  nicht  schwangeren  — ,  von  Theil¬ 
haber  1698,  Behandlungsmethoden 
der  Retroflexio  — ,  von  Winternitz 
1777,  Excochleatio  —  im  Wochen¬ 
bett,  von  Wormser  1809,  Totalexstir¬ 
pation  des  karzinomatösen  —  mittels 
Scheidenspaltung,  von  Staude  1847, 

1900,  Technik  der  abdominellen  Total¬ 
exstirpation  des  karzinomatösen  - — , 
von  Krönig  1847,  gleichzeitiges  Vor¬ 
kommen  von  —  und  Magenkarzinom, 
von  Krönig  1847,  Vaginae-  und  Ven- 
trofixation  des  — ,  von  Dirmoser  1847, 
supravaginale  Amputation  des  myo- 
matösen  — ,  von  Spinelli  1897,  Inver¬ 
sion  des  — ,  von  Brennan  1897,  Plexus 
fundamentalis  des  — ,  von  Rein  1897, 
karzinomatöser  — ,  von  Mond  1900, 
Operation  der  Fibromyome  des  — , 
von  Hegar  1946,  Verlassen  der  Ven- 
trofixation  des  — ,  von  Goldspohn 
1983,  vag.  Totalexstirpation  des  karz. 

— ,  von  Staude  1986,  Technik  der 
transperitonealen  Exstirpation  des 
karzinomatösen  — ,  von  Amann  2095, 
Exstirpation  des  puerperalseptischen 


— ,  von  Graden witz  . 2139 

Uterusdilatator,  von  Gottschalk  ....  1897 
Uteruseinklemmung  in  ein  Pessar,  von 
Wiener . .  .  .  . . 655 


Uterusexstirpation  durch  die  Scheide, 
von  v.  Mars  540,  Dauerresultate  der 


Seite 

vaginalen  — ,  von  Würth  v.  Würthenau 
15  4,  vaginale  — ,  von  Schroeder  .  1761 

Uterusinversion,  von  Urban . 729 

Uteruskarzinom,  Therapie  des  — ,  von 
Weindler  1159,  —  und  Schwanger¬ 
schaft,  von  Glöckner  1398,  palliative 
Behandlung  der  — ,  von  Krönig  .  .  1762 
Uteruskörper,  Drüsenkrebs  u  Hornkrebs 

im,  von  Emanuel . 288 

Uteruskrebs,  Dauerresultate  bei  vaginaler 
Exstirpation  des,  von  Briggs  205,  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  Lewers  1361, 
chirurgische  Behandlung  des  — ,  von 
Cullen,  Jonnescu  1895,  von  Pozzi, 
Freund,  Wertheim  1896, von  v.Franque  2016 
Uteruskrebsoperationen,  von  Wertheim  458 
Uterusmyom,  durch  Morcellement  be¬ 
wirkte  Exstirpation  eines  —  bei  Gra¬ 
vidität,  von  Seeligmann  935,  operative 
Behandlung  der  — ,  von  v.  Herzfeld  1276 
Uterusruptur,  von  Osterloh  1115,  Thera¬ 
pie  der  — ,  von  Wiener  14,  Laparo¬ 
tomie  wegen  spontaner  —  bei  der 
Entbindung,  von  Törngren  117,  — 
in  Narben,  von  Peham  201,  ab¬ 
dominale  Totalexstirpation  bei  kom- 
pleter  — ,  von  Amann  433,  —  während 
der  Geburt,  von  Papanicol  673,  von 
Dona  673,  wiederholte  — ,  vonKriwski 
803,  —  in  früheren  Monaten  der 

Schwangerschaft,  von  Kober  1499, 
zwei  weitere  operativ  geheilte  Fälle 
von  — ,  von  Wiener  1741,  spontane 
komplette  — ,  von  Kleinertz  1761, 
komplette  — ,  von  Bergmann  .  .  .  2160 
Uterusscheidenschnitt,  vorderer,  bei  einer 
Geburtskomplikation,  von  Stähler  .  326 
Uterussekret,  Bakteriologie  des  puerpe¬ 
ralen,  von  Schauenstein . 153 

Uterustorsion  bei  Myom,  von  Stratz  .  .  1432 
Uterus  Vorfall,  neue  Operation  zur  Hei¬ 
lung  des,  von  Parsons  36,  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Hart . 1556 


V. 

Vaccina  generalisata  vera,  von  Merk  .  1154 
Vaccination,  Spezialnummer  des  Brit. 
Medic.  Journal  über,  163°,  Immuni¬ 
tät  durch  die  — ,  von  Tanaka  .  .  .  1975 
Vaccine,  Aetiologie  und  Pathogenese  der 
generalisierten,  von  Paul  296,  — 

bezw.  Variola-Erreger,  Kultur  des, 

von  Ishigami . 1110 

Vagina,  doppelte,  von  Sadoveanu  119, 
bakterielle  Selbstreinigung  der  — , 
von  Cahanescu  293.  Atresie  der  — , 
von  Langsdorff  1586 ,  akquirierte 
Stenose  der  — ,  von  Schenk  1868, 
Strictur  der  —  als  Geburtshindernis, 

von  Jaklin . 2038 

Vaginalcysten,  Pathogenie  und  Behand¬ 
lung  der,  von  Balacescu  . 2019 

Vaginalhysterotherapie ,  Spekulum  für 

von  Curatulo . 935 

Vaginalmyom,  von  Machenhauer  .  .  .  935 

Vaginalsekret ,  Mikroorganismen  des, 

Schwangerer,  von  Bergholm  .  .  .  .1514 
Vaginaltuberkulose,  von  Springer  .  .  .  1404 
Vagitus  uterinus,  von  Reidhaar  ....  289 
Valgustheorie  Duchennes,  von  van  der 

Beek  . 2 1 58 

Valvula,  Insufficienz  der,  ileocoekalis, 

von  Weiss . 889 

Valyl,  von  Klemperer . 391 

Varikositäten  an  beiden  Beinen,  von 
Grawitz  1158,  operative  Behandlung 
der  —  und  Beingeschwüre,  von 

Länderer  . 1861 

Variola-Varizellenfrage,  von  Swoboda  .  1864 
Varix  der  Ven.  saphena  magna, vonBoeger  8’>1 
Varizellen  mit  abnormer  Entwicklung 


des  t'.xantbems,  von  v.  ILösslin  704, 
Komplikationen  bei  — ,  von  Koch  1780 
Varizen,  operative  Behandlung  der,  von 
Wenzel  291,  —  als  Unfallfolgen, 

von  Schwarze . 810 

Varizenbildung,  von  Lipmann-Wulff  .  .  84  ! 


Seite 

Vaselininjektionen  am  Auge,  von  Topo- 

lanski . 1849 

Vasomotoren  in  den  Lungengefässen, 

von  Strubell . 814 

Vegetationen  s.  Adenoid,  Rachenmandel. 
Venenpulse,  von  Gerhardt  7 37,  von  Vol- 
hard  814,  überzählige  — ,  von  Ascoli  715 
Venendruckmessungen,  Bedeutung  der, 

von  Frey  . . 492 

Venenentzündung  als  Frühsymptom  der 
Lungentuberkulose,  von  Singer  .  .  1818 
Venenthrombosen,  operative  Behandlung 
infektiöser  und  benigner,  von  Müller  537 

Ventilation,  von  Blyth . 170 

Verband,  Leipziger,  der  Aerzte  Deutsch¬ 
lands  zur  Wahrung  ihrer  wirtschaft¬ 
lichen  Interessen  175,  820,  904,  f  07, 

988,  1124,  1287,  1943,  1991,  2031, 

2109,  Ziele  des  — ,  von  Krecke  797. 


II.  Hauptversammlung  des  —  1237, 
Versammlung  bayr.  Mitglieder  des  —  2167 
Verband,  der  erste,  auf  dem  Schlacht¬ 
felde,  von  v.  Bruns . 626 

Verbandgaze,  von  Vignard . 1195 

Verbandmethode,  voe  Riedinger  .  .  .  1074 
Verbandstoffe,  Desinfektion  der,  von 

Borchard . 33 

Verbildungen,  angeborene,  der  Extremi¬ 
täten,  von  Joachimsthal . 1760 

Verblutung  im  Anschluss  an  die  Ge¬ 
burt,  von  Ahlfeld . 1151 

Verbrechen  und  konstitutionelle  Geistes- 

anormalien,  von  Forel  und  Mahaim  1759 
Verbrennungen,  Läsionen  innerer  Or¬ 
gane  durch,  von  Sacconaghi  .  .  .  1435 


Verdauung  s.  a.  Eiweissverdauung. 
Verdauung,  Bedeutung  der  Zerkleinerung 
und  des  Kochens  der  Speisen  für 
die,  von  Lehmann  1313,  Innervation 


der  — ,  von  Cohnheim  ......  2173 

Verdauungskrankheiten,  Klinik  der,  von 

Ewald . 244 


Verdauungsorgane,  Krankheiten  der,  im 

Kindesalter,  von  Schreiber  ....  1760 
Verdauungsstörungen ,  neuropathische 

Erscheinungen  bei,  von  Fere  .  .  .  850 
Vereine  s.  a.  IV.  Teil. 

Verein  zurUnterstützung  invalider  Aerzte 
in  Bayern  600,  —  bayerischer  Psy¬ 
chiater  . 1322 

Vereinigung  deutscher  Hebammenlehrer 
und  Wöchnerinnenasyldirektoren,  von 
Brennecke  417,  wirtschaftliche —  der 
Hals-, Nasen-  und  Ohrenärzte  Breslaus  989 
Vererbung  des  Locus  minoris  resistentiae 
und  Gesetz  von  der,  im  korrespon¬ 
dierenden  Lebensalter,  von  Naumann  669 
Vererbungsfragen  und  die  Degeneration 
der  spanischen  Habsburger,  von  Ke- 

kule  v.  Stradonitz . 1470 

Vergiftung  s.  a  Phosphorverg. ,  Pyro- 
gallolverg.,  Blei,  Borsäure,  Opium, 
Benzolkörper,  Ergotismus,  Nitroben- 
zolverg  ,  Tabes,  Solanum,  Chromsäure, 
Schwefelsäure,  Natronlauge,  Exalgin¬ 
vergiftung,  Muscheln,  Leuchtgasverg , 
Toluylendiaminverg  ,  Lysolverg.,  For- 
malinverg.,  Arsenikverg.,  Morphium¬ 
vergiftung,  Wurstverg ,  Fleischverg., 
Sulfitverg.,  Kali  chloricum,  Heilserum, 
Karbolsäurevergiftung,  Strammonium- 
vergiftung. 

Vergiftung,  gewerbliche,  bei  der  Rauch- 
waarenfärbung,  von  v.  Criegern  852, 
unklare  — ,  von  Moritz  1068,  —  durch 
die  Douglasfichte,  von  Neudörifer 
1713,  —  mit  Extr.  hydrastis  fluid., 
von  Friedeberg  1891,  —  durch  Petro¬ 
leum,  von  Friedeberg  1891,  —  mit 
Viperngift,  von  Brabec  1930,  —  durch 
ein  Hausmittel,  von  Sieveking  .  .  1985 
Vergrüsserung  der  Hände  und  Fiisse  auf 
neuri'iscber  Grundlage,  von  Hirsch¬ 
felder  .  32 

Verkalkung,  pathologische,  von  Liebscher 

904,  senile  -  ,  von  Wolff . 933 

Versammlungen  s.  a.  IV.  Teil. 

Verrenkung,  willkürliche,  des  Oberarmes, 
von  Riedinger  . 410 


LX II 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

Versammlung,  9.,  süddeutscher  Laryn- 
gologen  zu  Heidelberg  471,  VIII.  — 
mitteldeutscher  Psychiater  und  Neu¬ 


rologen  . 1783 

Versicherungsanstalten . 1595 


Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutsch¬ 
lands  s.  a.  Verhandlungen  der  bayer. 
Aerztekammern. 

Versicherungskasse  fürdieAerzteDeutsch- 
lands  468,  1598,  von  Kuntzen  .  .  .  1052 
Versicherungspraxis,  Leitfaden  der  ärzt¬ 
lichen,  von  Feilchenfeld . 2179 

Versicherungswesen  der  deutschen  Aerzte, 

von  Heckei .  29 

Verteilungssanatorien,  von  Kuss  .  .  .  1061 
Vertrauensärzte  u  Nachuntersuchungen 
170,  —  bei  den  Berufsgenossenschaften  557 
Verwundete,  Behandlung  der,  während 
eines  Seegefechtes,  von  Kirker  .  .  1594 
Vesikovaginalfisteln,  Behandlung  der, 

von  Balacescu . 1546 

Veterinärmediziner,  Streik  der  Wiener  .  2029 
Vibrationsmassage  des  Gehörorgans,  von 

Lucae  .  483 

Vioform,  klinische  Erfahrungen  über, 

von  Schmieden .  72 

Virchow,  Unfall  des  Geh.-R.  87,  -  s 
Befinden  263,  432,  559,  1487,  —  Bi¬ 
bliographie,  von  Schwalbe  414,  — 
Ehrung  1366,  in  memoriam  —  1521, 

—  f,  1556,  von  Bollinger  1621,  — 
Denkmal  1686,  1944,  Leichenfeier  für 

—  1733,  — s  Unfall  und  Krankheit, 
von  Koerte  1848,  Gedächtnisfeier 


für  — . 1866 

Vitafer  . 215 

Vivisektion . 1520 

Vogelgehirn,  von  Edinger . 940 

Vogelherz,  Versuche  am  isolierten,  von 

Kuliabko  . 1020 

Vogelkopfmensch,  von  v.  Hansemann  .  2066 

Vogelpest,  von  Cantane . 459 

Volbeding . 1903 

Volksbücher,  Schumannsche . 991 

Volksheilmittel,  von  Urban . 1665 

Volksheilstätten,  Ursachen  der  verspä¬ 
teten  Aufnahme  der  Lungenkranken 


in  den,  von  Stauffer  669,  für  Nerven¬ 
kranke,  von  Wildermuth  u.  Neumann  2022 
Volvulus  s.  Dünndarm volv. 

Volvulus,  Diagnose  des,  der  Flexura  sig- 


moidea,  von  Kiwull  1312,  —  coeci, 

von  Faltin . 1769 

Vorhof,  Tumor  des  linken,  von  Molt¬ 
recht  . 1900 


Vorschriften  zur  sparsamen  Verordnung 
für  Krankenkassen ,  von  Franken¬ 
burger  1055,  1288,  von  Bedall  1407, 


Uebertreibung  in  prophylaktischen  —  , 

von  Sangmann . 1858 

Vorträge,  populäre  medizinische  .  .  1733 


Vulva,  echtes  Fibrom  der,  von  Thomass  1151 
Vulvakarzinom,  von  Pfannenstiel  .  .  .  982 

W. 


V  achstumsalbuminnrie ,  Pathogenese 

der,  von  Porge . 588 

Wadenkrampf,  von  Hirschbruch  .  .  .  809 
Wärme,  klinisch-therapeutische  Verwert¬ 
barkeit  konstanter,  von  Ullmann  .  .  1112 
Wärmeapplikation,  lokale,  von  Gross  .  1975 
Wärmebildung,  Ort  der,  von  Aronsohn  1848 
Wärmeempfindlichkeit,  Topographie  der, 

von  Veress . 1021 

Wandanstriche ,  desinfizierende ,  von 
Rapp  174,  von  Rabino witsch  .  .  .  1472 
Wandbilder,  stereoskopische,  von  Hering  253 
Wanderherz,  von  Leusser  1095,  von 
Braun . 1511 


Wanderniere,  von  Habershon  257,  Sym¬ 
ptome  und  Behandlung  der  — ,  von 
Morris,  124,  —  als  Ursache  von  Magen¬ 
beschwerden,  von  Macgregor  378, 
Diagnose  und  Therapie  der  — ,  von 
Batscli  1045,  —  und  Leberstörungen, 
von  Habershon  1234,  Fixation  der  — 
mit  Karbolsäure,  von  Carwardine 
1361,  —  und  Gallenstein,  vonMarwedel  1513  j 


Seite 

Warzenfortsatz ,  Anwendung  des  Ther¬ 
mokauters  bei  der  Trepanation  des, 

von  Gauthier  . . 1981 

Wasser,  Bestimmung  der  Keimzahl  im, 
von  Prall  757,  —  von  Bragadiru,  von 

Proca . 1113 

Wasserdampf  als  Blutstillungsmittel,  von 

Sneguireff . 33 

Wasserdampf abgabe  durch  die  mensch¬ 
liche  Haut,  von  Wolpert . 376 

IVasserdesinfektion,  Hünermannsches 

Verfahren  der,  von  Schüder  ....  494 

Wasserkeime,  quantitative  Bestimmung 

der,  von  Hesse . 1808 

Wasserkur  s.  a.  Hydrotherapie. 

Wasserkuren  u.  Aerztestand,  von  Sarason  938 
Wasserläufe,  hygienische  Ueberwachung 
der,  von  Gärtner  und  Schümann  .  .  1634 
Wassermangel,  Wirkung  des,  auf  die 

Blutbeschaffenheit,  von  Wellendorf  496 
Wasserreinigung  s.  a.  Bakterien. 
Wasserreinigungsverfahren  mit  Brom, 
von  Schumburg,  von  Pfuhl  494,  von 

Schüder . 494 

Wasserstoffsuperoxyd,  Verwertung  der 
aufweichenden  Eigenschaft  des,  in 
der  Oto-Rhinologie,  von  Molinie  38, 

—  bei  Lupus  und  t  uberkulösen  Abszes¬ 
sen,  von  Gunson . 761 

Wasserverdunstung,  Einfluss  der  Luft¬ 
feuchtigkeit  auf  die,  durch  die  Haut, 

von  Wolpert  . 376 

Wasserzentrale  in  Peking,  von  Mayer  .  1734 
AVeichkäse, Reifung  von,  von  Epstein  1109,2096 
AVeigerifärbung,  neue  Beobachtungen 
bei,  von  Kaes  386,  .  .  .  .  .  .  .  919 

Weilsclie  Krankheit  s.  a.  Widalsclie 
Reaktion. 

Weilsche  Krankheit,  von  Eckardt  1129, 

von  Zupnik . 1305 

AVeinstatistik  für  1899,  von  Sonntag  .  .  714 

Wellentelegraphie,  Grundlagen  und 

Methoden  der,  von  Voller . 1670 

AVertheimber,  70  Geburtstag .  2031 

Wettbewerb,  unlauterer  126,  Gesetz  zur 

Bekämpfung  des  unlauteren  —  2105,  2108 
AVidalsche  Reaktion  s.  a.  Gruber-Widal- 
sehe  Reaktion. 

AVidalsche  Reaktion,  von  Pröscher  670, 

—  bei  Nierensteinen,  von  Maude  1359, 

—  bei  AVeilscher  Krankheit,  von 
Eckardt  1129,  von  Zupnik  ....  1305 

Wiederkäuen  beim  Menschen,  v.  Cascela  158 
Wiederkäuerfamilie,  von  Müller  1293,  1503 

Wiesbadener  Kochbrunnen . 647 

AVille,  wie  verrichtet  der,  mechanische 

Arbeit,  von  Adamkiewicz . 711 

Wirbelentzündung,  chronische  ankylo¬ 
sierende,  von  Kedzior . 328 

Wirbel-Osteomyelitis,  akute,  von  Schön¬ 
werth  . 269 

Wirbelsäule,  chronische  Steifheit  der, 
von  Brauer  161,  von  Borchard  808, 
von  Magnus  Levy  1061 ,  Rigidität  der 
— ,  von  Baccarani  717,  physiologische 
Torsion  der — ,  von  Schul thess  1192, 
chronische  ankylosierende  Entzün¬ 
dung  der  — ,  von  Markiewicz  .  .  .1712 
Wirbelsäulentumoreu,  von  Kümmell  .  384 
AVirbelsteifigkeit,  myogene,  von  Cassirer  495 
AVirbelvenen,  entoptische  AVahrnehmung 

der,  von  Hess . 892 

Wismuthwirkung,  Theorie  der,  von 

Fuchs . 1818,  1904 

AVochenbettsmorbidität ,  von  Zange¬ 
meister  . 1432 

Wochenbettsstatistik,  von  Baumm  .  .  373 
AVochenschrift,  Hauptversammlung  der 
Herausgeber  der  Münchener  med.  471, 
Berliner  klinische  — ,  fast  in  jeder 
Nummer,  Deutsche  medizinische  — 
ebenso,  Wiener  klinische  —  ebenso, 
AViener  medizinische  —  ebenso,  Prager 
medizinische  —  ebenso. 

AA7olmungen,  Fürsorge  für  bestehende 
und  Beschaffung  neuer  kleiner,  von 
Ebeling  1680,  feuchte  — ,  von  Abel 
und  Olshausen . 1681 


Seite 

AVochenhett,  Bedeutlung  des  Schüttel¬ 
frostes  im,  von  Bucura . 2158 

AVohnungsbeaufsichtigung,  Beteiligung 
der  Medizinalbeamten  an  der,  von 

Pfannmüller . 1720 

Wohnungsfrage  im  bayr.  Landtag  .  .  .  214 

AVohnungsfürsorge . 261 

AVohnungsnot . 559 

AAmhnungspflege  430,  Förderung  der  — 

in  Bayern . 1823 

AATohnungsverhältnisse,  Verbesserung  der, 

in  München,  von  Singer . 468 

AVolff  Julius  f,  von  Hoffa . 532 


Wolfsrachen  s.  Hasenscharte. 
AVundbehandlung  imKriege,  vonCheyne  204 
Wunddiphtherie,  echte,  von  Fraenkel  .  1070 
AV unden,  Karbolbehandlung  infizierter, 

von  Chlumsky . 419 

AVundheilung,  Prozess  der,  mit  Einschluss 

der  Transplantation,  von  Marchand  .  2092 
Wundsekret ,  chemische  Zusammen¬ 
setzung  des  aseptischen,  von  Lieb¬ 
lein  . 1926 

AVurrnf ortsatz,  von  Plettner  941,  Phleg¬ 
mone  des  —  nach  Angina,  von  Schnitz¬ 
ler  511,  Entzündungen  des  — ,  von 
Bios  457,  von  Treves  1360,  Brüche 
und  Einklemmungen  des  — ,  von 
Koch  903,  akute  Entzündung  des  — , 
von  v.  Meyer  1512,  Behandlung  der 
akuten  Entzündung  des  — ,  von 
Schramm  1629,  Angina  tonsillaris  und 
Entzündung  des  — ,  von  Weber  .  2171 
AVurmfortsatzentzündung,  Vorbedingun¬ 
gen  und  letzte  Ursachen  des  plötz¬ 
lichen  Anfalles  von,  von  Riedel  536, 
Untersuchung  auf  — ,  von  Rose  .  .  671 
Wurstvergiftung,  von  Schumburg  .  .  .  1893 


X. 

tumeur,  von  Unna  .  .  .  1119 
Xeroderma  pigmentosum,  von  Riecke  .  1243 


Xanthom 


1. 

Yohimbin,  von  Berger 


86 


*. 

Zahn  aus  der  Nase,  von  Leiser  ....  1985 

Zahngicht,  von  Piergili . 734 

Zahnheilkunde,  Doktoren  der . 910 

Zahnkanälchen,  mit  Goldchlorid  impräg¬ 
nierte,  von  Solger . 1548 

Zahnpulpa,  Induktionsströme  zum  Auf¬ 
suchen  gewisser  Krankheiten  der, 

von  Fuyt . 624 

Zahnwurzelcyste,  von  Neumaün  .  .  .  1868 
Zange,  Anwendung  der,  bei  der  vorderen 

Gesichts-  u.  Stirnlage,  von  Stroganoff  1063 

Zehenreflexe,  von  Levi . 870 

Zeitschrift  für  klin.  Medizin  31,  245,  711, 

1058, 1712,1890,2156,  —  für  diätetische 
und  physikalische  Therapie  71,  536, 

1106,  1191,  1713,  1761,  —  für  Tuber¬ 
kulose  und  Heilstättenwesen  73,  418, 

669,  1060,  1586,  1625,  2016,  deutsche 

—  für  Chirurgie  71,  246,  415,  538, 

1014,  1150,  1430,  1469,  1662,  17.4, 

1845,  2014,  —  für  orthopäd.  Chirurgie 
974,  1192,  2158,  —  für  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie  801,  1151,  1432,  — 
für  Nervenheilkunde  154,  327,  1016, 

1471,  1892,  1974,  allgemeine  —  für 
Psychiatrie  und  psych.-gerichtl.  Me¬ 
dizin  326,  375,  936,  1108,  1715,  1928, 

—  für  Hygiene  und  Infektionskrank¬ 
heiten  155,  290,  494,  849,  1231,  1471, 

1626,  1893,  2058,  österreichische  — 
für  Stomatologie  2071,  — für  Kranken¬ 
pflege  . 1447 

Zellen,  eosinophile,  im  Darminhalt,  von 
van  Embden  625,  färberisches  Ver¬ 
halten  der  — ,  von  Mosse .  2097 


i  «02. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 

Seite 


Zellgifte  und  Schutzeinrichtungen  im 
menschlichen  Organismus,  von  Wei- 

chardt  .  1825,  1939 

Zentralblatt  für  innere  Medizin,  fast  in 
jeder  Nummer, — für  Chirurgie  ebenso, 

—  für  Gynäkologie  ebenso,  —  für 
Bakteriologie  ebenso,  internationales 

—  für  Ohrenheilkunde . 1783 

Zentralimpfanstalt,  Neubau  der,  in 

München . 343 

Zentralnervensystem  s.  a.  Karzinomatose. 
Zentralnervensystem,  Leitung  der  Mo¬ 
tilität  im  — ,  von  Haenel  463,  Chirur¬ 
gie  des  —  im  Kindesalter,  von  Stiles 
1554,  metastatische  Abszesse  im  — , 
von  Cassirer  1762,  Geschwülste  des 

— ,  von  Saxer  ....  1763 

Zerebrospinalflüssigkeit  bei  Dementia 
paralytica  und  anderen  Formen  des 
Schwachsinns,  von  Schäfer  ....  936 
Zerebrospinalmeningitis  als  Heeres¬ 
seuche,  von  Jäger . 535 

Zervikalsegment  und  Contractio  praevia, 

von  Bayer . 458 

Zervikalspondylitis,  von  Schanz  ....  591 
Zerviko -Vaginalfistel  s.  a.  Fistula. 

Zerviko -Vaginalfisteln,  von  Wormser  .  2057 
Zervix  s.  a.  Muttermund. 

Zervix,  papilläres  Karzinom  der,  von 
Hengge  803,  schnelle  Erweiterung  der 


Seite 

—  mit  dem  Bossischen  Dilatatorium, 

von  Rissmann . 1230 

Zervixkarzinom  als  Geburtshindernis, 

von  Bamberger  .  .  .  .  . 1298 

Zervixtuberkulose, Pathologie  u.  Diagnose 

der,  von  Allerthum . 374 

Zichorienfabriken . 314 

Ziemssen,  Hugo  von  f,  von  Moritz  238, 

— s  Leichenbegängnis,  215,  — s  Biblio¬ 
thek  . . 512 

Zigarren  s.  a.  Tuberkulose. 

Zigarren,  nikotinfreie .  1988,  2170 

Zimmergymnastik,  Sandows  Apparat  für  2070 
Zinn,  hygienische  Bedeutung  des,  be¬ 
sonders  in  Konserven,  von  Lehmann  1808 
Zirkumferenz-Osteotomie,  von  Reiner  .  1717 
Zitterbewegungen, Hyoscin  bei,  von  Robin  427 
Zottendeportation,  von  Schölten  u.  Veit  326 
Zucker  s.  a.  Traubenzucker,  Milchzucker. 
Zucker,  Bildung  von,  aus  Fett,  von  Loewi 
375,  Bedeutung  verschiedener,  im 
Haushalt  des  Körpers,  von  Clemm 
853,  —  in  der  Diät  der  Dyspeptiker, 

von  Morgan . 1103 

Zuckerbestimmung  nach  dem  Zucker¬ 
steuergesetz,  von  Schmidt  .  .  .  .  *  1764 
Zuckerbildung  im  diabetischen  Organis¬ 
mus,  von  Nebelthau  917,  von  Lüthje  1601 
Zuckergussherz,  von  Eichhorst  ....  759 


Lxm 


Seite 

Zuckerharnruhr,  Behandlung  der,  von 

Eichhorst  . . 1639 

Zuckerinjektionen,  subkutane,  vonBarker  978 
Zuckerprobe  mitNitropropiol,  vonDouglas 
543,  Irrtümer  der  —  mit  Kupfer,  von 

Boyd  . 2163 

Zuckungen,  fibrilläre,  von  Meyer  .  .  .  2067 
Züchtung  gesunder  Menschen,  von  Iled- 

daeus . 1406 

Zündwaaren,  Untersuchung  der,  von 

Fischer . . .  .  1734 

Zunge,  Kavernom  der,  von  Gessner  388, 
Exstirpation  der  ganzen  —  und  des 
Zungengrundes,  von  Gersuny  1164, 
Fremdkörpertuberkulose  der  — ,  von 
Silbermark  1663,  Zusammenhang  von 
—  und  Sprache  in  der  Geschichte 
der  Medizin,  von  Gutzmann  ....  1898 
Zungenamputation  mit  dem  Kettenecra- 


seur,  von  Roorda-Smit . 1767 

Zungentuberkulose,  von  Lassar  .  .  .  .2181 
Zwangshandlung,  von  Rudolph  ....  1108 
Zweirad,  Hemiplegiker  auf  dem,  von 
Paravicini . 1473 


Zwillingsgeburt,  von  Giulini 553,  von  Dons  1435 
Zwitter  s.  a.  Scheinzwitter,  Hermaphro¬ 
ditismus,  Hypospadie. 

Zylinder,  Genese  der,  von  Lüthje  .  .  .  1806 
Zylindrurie  bei  Gallenstauung ,  von 

Wallerstein . 624 


IV.  Aus  Instituten,  Kliniken,  Krankenhäusern,  aus  Vereinen,  Versammlungen  etc. 


Seite 

Altona:  Aerztlicher  Verein  160,  206,  893,  940,  1158,  1238,  1779,  1864 

Bamberg:  Allgemeines  Krankenhaus . 873 

Barmen:  Chirurg.  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses*.  *24,  1571 
Berlin:  H.  medizinische  Universitäts-Klinik . 1169 

—  Hygienisches  Institut . 1534 

—  Unterrichtsanstalt  für  Staatsarzneikunde . 266 

—  Städtisches  Krankenhaus  Moabit . 226 

—  Städtisches  Krankenhaus  Gitschinerstrasse . 225 

—  Krankenhaus  der  jüdischen  Gemeinde . 103 

—  Medizinische  Gesellschaft  83,  119,  173,  205,  260,  298, 

382,  420,  467,  545,  732,  815,  861,  946,  986,  1067,  1113, 

1156,  1200,  1277,  1866,  1899,  1940,  2066,  2098,  2180 

—  Verein  für  innere  Medizin  84,  119,  158,  255,  330,  421, 

462,  506,  546,  815,  893, ‘  946,  986,  1114,  1157,  1201,  1278, 

1820,  1936,  1984.  2066,  2099,  2181 

—  Gesellschaft  der  CharitA  Aerzte  159,  256,  331,  421,  893, 

1067,  1157,  1238,  2026,  2067,  2163 

—  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  ....  984 

Bonn:  Medizinische  Klinik .  365,  615,  1830 

—  Medizinische  Klinik  und  Poliklinik . 1493 

—  Kinderambulatorium  der  med.  Universitätsklinik  .  .  .  1879 

—  Pathologisches  Institut . 1785 

—  Chirurg.  Abteilung  des  Friedrich-Wilhelm-Hospitals  .  .  271 

Breslau:  Medizinische  Klinik . 1035 

—  Dermatologische  Universitätsklinik . 779 

—  Gynäkolog.  Abt.  des  Elisabethinerinnen-Krankenhauses  1499 

—  Klinik  des  schles.  Vereins  zur  Heilung  armer  Augen¬ 
kranker  . 481 

—  Frauenabteilung  des  Allerheiligenhospitales  . 2139 

—  Chemische  Untersuchungsanstalt  der  Stadt  . 2149 

Chemnitz:  Medizin.  Gesellschaft  78,  256,498,  767,  941,  1024,  1985 

Cottbus:  Lungenheilstätte . 875 

Dresden:  Kgl.  Frauenklinik .  13,  743 

—  Stadtkrankenhaus  Friedrichstadt . 1379 

—  Heilanstalt  von  Dr.  Schanz  .  . . 1704 

—  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  331,  382,  421, 

463,  498,  591,  631,  678,  723,  767,  854,  894,  941,  1114, 

1159,  1240,  1279,  2027,  2067,  2099,  2164 

Dortmund:  Städtisches  Louisen -Hospital . 1569 

Erlangen:  Medizinische  Klinik . 1293 

—  Aerztlicher  Bezirksverein  78,  298,  500,  1025,  1937,  2101,  2164 
Frankfurt  a.  M. :  Institut  für  experimentelle  Therapie  189,  1033 

—  Senckenbergsches  pathologisch-anatomisches  Institut  .  .  1960 

—  Medizinisches  Laboratorium  des  Dr.  F.  Blum . 478 

—  Städt.  Krankenhaus,  Chirurg.  Abteilung  . 2148 


Seite 

Freiburg  i.  B. :  Medizinische  Univ. -Klinik .  563,  865 

—  Med.  Poliklinik . 1607 

—  Univ.-Frauenklinik . 393 

—  Univ.-Augenklinik  . 1289 

—  Psychiatrische  Klinik . 1953 

—  Hygienisches  Institut . ' . 1610 

—  St.  Josefs-Krankenhaus . 1133 

—  Verein  Freiburger  Aerzte  .  422,  632,  1067,  1438,  1479,  1937 

Fürth:  Städtisches  Krankenhaus . 2145 

Giessen:  Medizinische  Klinik .  1375,  1786 

Görbersdorf:  Dr.  Brehmersche  Heilanstalt  .  .  1393,1612,  1839 

Göttingen:  Medizinische  Univ.-Klinik . 1490 

—  Psychologisch-forensische  Vereinigung . 1480 

Greifswald:  Medizinische  Klinik . 1601 

—  Pharmakologisches  Institut . 440 

—  Medizinischer  Verein  .  .  160,  207,  422,  546,  679,  1068, 

1317,  1549,  1588 

Halle:  Medizinische  Poliklinik . 917 

—  Psychiatrische  und  Nervenklinik . 826 

—  Universitäts-Ohrenklinik . 1796 

—  Krankenhaus  Bergmannstrost . 1573 

—  Verein  der  Aerzte  .  .  39,  161,  464,  547,  638,  942,  1116, 

1160,  1241,  1400,  1439,  1480,  1518 

Hamburg:  Staatliches  hygienisches  Institut . 1825 

—  Allgemeines  Krankenhaus  Hamburg-Eppendorf  561,  1537, 

1561,  1884 

—  Allgemeines  Krankenhaus  St.  Georg . 521 

—  Anatomisches  Institut  des  Hafenkrankenhauses  ....  1880 

—  Vereinshospital . 182 

—  Heilfürsorge  der  Landesversichernngsanstalt  der  Hanse¬ 
städte  .  ,  .  1369 

—  Aerztlicher  Verein  120,  207,  298,  385,  466,  500,  729,  769, 

816,  943,  1025,  1069,  1119,  1721,  1820,  1900,  1985,  2101 

—  Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  121,  208, 

386,  593,  635,  817,  854,  899,  1069,  1119,  1162,  1201,  1281, 

1317,  1440,  1864,  1938,  2028 

Hanau:  St.  Vinzenz-Krankenhaus . 1457 

Heidelberg:  Medizinische  Klinik .  351,  1129,  1567,  1956 

—  Chirurgische  Klinik  . 316 

—  Medizinische  Poliklinik .  1081 

—  Pathologisches  Institut . 1945 

—  Dr.  Vulpiussche  orthopädisch-chirurgiScche  Heilanstalt  .  1460 

—  St.  Josephshaus .  94 

—  Naturhistorisch-medizinischer  Verein  41,  122,  161,  210, 

680,  856,  901,  1072,  1549,  1589,  1683,  1731,  1780,  1939 


1A1V 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902. 


Seite 

1 1 1  e  n  a  u :  Heil-  und  Pflegeanstalt . 834 

Jena:  Medizinische  Klinik  .  220,  314,  698,  1037 

—  Medizinische  Poliklinik .  8,  220,  103“ 

—  Medizinisch-naturwissenschaftliche  Gesellschaft  210,  423 

681,  769,  1550 

Karlsruhe,  Wöchnerinnen-Asyl  des  Ludwig-Wilhelm-Kranken- 

heims .  185 

Kas  s  el :  Elisabeth-Krankenhaus .  1456,  1701 

Kiel:  Pathologisches  Institut  . 609 

—  Pharmakologisches  Institut .  •  1489 

—  Physiologischer  Verein  .  .  549,  635,  1590,  1684,  1732,  17e0 

Köln:  Augus'a-Hospital . 1884 

—  Israelitisches  Asyl . 414 

—  Allgemeiner  ärztlicher  Verein  80,  502,  636,  683,  730, 

1162,  1201,  1242,  1867 

Königsberg  Pathologisch-anatomisches  Universitäts-Institut  2075 
Leipzig:  Medizinische  Klinik  .  1087,  1132,  1737,  2073 

—  Medizinische  Universitäts-Poliklinik .  54,  601 

—  Chirurgische  Klinik .  476,  513,  520 

—  Poliklinik  für  orthopädische  Chirurgie .  357,  412 

—  Klinik  für  Dermatologie  und  Syphilis . 1917 

—  Universitäts-Kinder  Klin'k .  449,  1995 

—  Analytisches  Laboratorium  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  .  •  HOO 

—  Medizinische  Gesellschaft  163,  212,  336,  386,  503,  549, 

637,  857,  901,  1243,  1101,  1412,  1181,  2102 

Liegnitz:  Städtisches  Krankenhaus  ....  • . 528 

Magdeburg:  Medizinische  Gesellschaft  81,  165,  212,  595,  640, 

853,  984,  1072,  1120,  1202,  1242,  1281 

Marburg:  Medizinische  Klinik . 1449 

—  Medizinische  Universitäts-Poliklinik .  89 

—  Universitäts-Poliklinik  für  Ohrenkranke . 1209 

München:  I.  medizinische  Klinik .  .  .  .  1877 

—  II.  medizinische  Klinik . 618 

—  Medizinische  Poliklinik  . .  1,  658,  1916,  2143 

—  Chirurgische  Klinik  .  104,  139,  694,  1300,  1746 

—  Universitäts  Frauenklinik .  14,  655,  831,  1741 

—  H.  gynäkologische  Klinik . 922 

—  Dermatologische  Klinik . 82^,  1254 

—  Poliklinik  für  Kinderkrankheiten  im  Reisingerianum  .  1137 

--  Pathologisches  Institut . 310,  956 

—  Hygienisches  Institut .  925,  1454,  1610,  1827 

—  Röntgenlaboratorium  des  Krankenhauses  1.  I . 402 

—  Laboratorium  der  Krankenhausapotheke . 1494 

—  Deckersche  Privatheilanstalt  für  Magen-  u.  Darmkranke 

1524,  2150 

—  Aerztlicher  Verein  .  .  .  166,  550,  641,  731,  1202,  1481,  1939 

—  Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physiologie  425,  55  ’, 

595,  944,  985,  1204,  1940 

—  Gynäkologische  Gesellschaft .  82,  124,  387,  423 

Nürnberg:  Aerztlicher  Verein  82,  38^,  425,  431,  505,  553,  903, 

944,985,10  5, 1073, 1123, 1161, 1404, 1550, 1780, 1900,  2103,  2165 

—  Medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik  168,  299,  388, 

553,  643,  731,  903,  945,  1073,  1163,  1444,  1485,  2103,  2165 

—  Verein  Nürnberger  Spezialärzte . 1123 

Rostock:  Medizinische  Klinik .  2033 

—  Chirurgische  Klinik .  lw32 

—  Aerzteverein . .  163,  818,  904,  1027,  1401,  1445 

Schömberg.  Heilanstalt  für  Lungenkranke .  1373,  1887 

Stralsund:  Städtisches  Krankenhaus .  322,  516 

Strassburg:  Medizinische  Klinik  .  .  . . 611 

—  Pathologisches  Institut  . 51,  1565 

—  Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie  ...  611,  1692 

—  Unterelsässischer  Aerzteverein  .  .  82,  300,  1284,  1 5C*1,  1941 

Stuttgart:  Bürgerhospital . 870 

Tübingen:  Medizinische  Klinik . : . 1697 

—  Universitäts-Poliklinik .  23 

—  Anatomisches  Institut . 437 

Uchtspringe:  Landes-Heil-  und  Pflegeanstalt  .  .  .  .479,  701 

Würzburg:  Medizinische  Klinik . 740 

—  Universitäts-Frauenklinik . 737 

—  Laboratorium  des  Privatdozenten  Dr.  J.  Müller  .  .  .  2003 

—  Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  300,  341,  554, 

1074,  1445,  1685,  1987 

74.  Naturforscherversammlung  zu  Karlsbad . 685 

Allgemeine  Sitzungen .  1632,  1669,  1771 

Gesamtsitzung  beider  Hauptgruppen . 1671 

Sitzung  der  medizinischen  Hauptgruppe . 1720 

Abteilung  für  innere  Medizin .  1673,  1722,  1816 

Abteilung  für  Chirurgie .  1673,  1724,  1775,  1861 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  1674,  1726,  1776 

Abteilung  für  Kinderheilkunde  .  .  .  1675,  1728,  1819,  1863 

Abteilung  für  Geschichte  der  Medizin  und  der  Natur¬ 
wissenschaften  .  1897,  1931 

20.  Kongress  für  innere  Medizin  zu  Wiesbaden  467,  673,  718, 

763,  811,  852 

31.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  in 

Berlin .  301,  626,  675,  719 


Seite 

I.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  orthopädische 

Chirurgie . 766 

27.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Ge¬ 
sundheitspflege  zu  München  .  341,  643,  1446,  1634, 

II.  Versammlung  der  Deutschen  otologischen  Gesellschaft  zu 

Trier  . 983, 

1  Hauptversammlung  des  Deutschen  Medizinalbeamten-Vereins 

zu  München .  1246, 

5.  Versammlung  des  Verbandes  deutscher  Bahnärzte  zu 

München . 1446, 

1.  Hauptversammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Ge¬ 
schichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften  zu 

Karlsbad .  . 

30.  Deutscher  Aerztetag  zu  Königsberg  • . 1195, 

1.  Deutscher  Kolonialkongress  zu  Berlin . 1933 

Verband  deutscher  ärztlicher  Heilanstaltsbesitzer  und  Leiter  509 
7.  wissenschaftliche  Wanderversammlung  der  Kreise  Duisburg 

a.  Rh.,  Mülheim  a.  d.  Ruhr  und  Ruhrort .  2020 

22.  oberrheinischer  Aerztetag  ...  967,  2063 

Mittelfränkischer  Aerztetag  zu  Nürnberg .  2061 

48.  Jahresversammlung  mittelrheinischer  Aerzte . 981 

Vereinigung  westdeutscher  Hals-  und  Ohrenärzte  .  .  544,  589,  629 
9.  Versammlung  des  Vereins  süddeutscher  Laryngologen  zu 


1677 

1023 


1718 


1636 


1677 

1236 


Heidelberg 


1547 


27.  Wanderversammlung  der  südw’estdeutschen  Neurologen  und 

Irrenärzte  zu  Baden  Baden . .  862,  938 

33  Versammlung  südwestdeutscher  Irrenärzte  zu  Stuttgart  .  .  2023 
29.  Hauptversammlung  des  Preussischen  Medizinalbeamten¬ 
vereins  zu  Kassel . 1246 

Leipziger  Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer 

wirtschaftlichen  Interessen .  907,  1237 

Sektion  Mittelfranken  des  Leipziger  Verbandes  ....  1123,  1286 
Versammlung  von  bayrischen  Mitgliedern  des  Leipziger  Ver¬ 
bandes  zu  Nürnberg  .  .  . . 2167 

Aerztekammern,  preussische  . 1267 

Aerztekammer  für  die  Provinz  Brandenburg  und  den  Stadtkreis 

Berlin  . .  507,  770,  947,  987 

Aerztekammern,  bayerische .  1448,  1686,  1781,  2113 

Aerztlicher  Bezirksverein  Aichach- Friedberg -Schrobenhausen  733 

„  „  Augsburg .  468,  1868 

„  „  Lohr-Gemünden . 341 

„  „  München  468,820,1123,1164,  1987,  2182 

„  „  Nürnberg  ....  907,  1076,  1781,  2183 


Oesterreich. 


Graz:  Hygienisches  Institut . .  .  272 

—  Universitäts-Kinderklinik . 1211 

Krakau:  Gerichtsärztliches  Institut  der  Universität  ....  1617 
Ofen-Pest:  11.  interne  Klinik  der  k.  ungar.  Universität  .  .  1171 
Prag:  I.  medizinische  Klinik  der  deutschen  Universität  .  .  1305 

—  Verein  deutscher  Aerzte  256,  426,  553,  904,  946,  1074, 

1404,  1445,  1821,  1867,  1941,  2' '29,  2068,  2104 
Wien:  I.  medizinische  Klinik . 1604 

—  II.  medizinische  Klinik . 616,  1090 

—  I.  Universitäts-Frauenklinik . 473 

—  Pathologisch-anatomisches  Institut .  473,  1905 

—  Hygienisches  Institut . 1570 


—  Bakteriologisches  Laboratorium  d.  k.  k.  landwirtschaftlich¬ 

bakteriologischen  und  Pflanzenschutzstation  ...  .  401 

—  Universitäts-Ambulatorium  für  orthopädische  Chirurgie  2043 

—  Chemisch-mikroskopisches  Laboratorium  von  Dr.  M.  und 


A.  Jolles . 1575 

--  k.  k.  Kaiserin  Elisabeth-Krankenhaus . 1646 

—  k.  k.  Krankenanstalt  Rudolfstiftung . 1645 

—  Gesellschaft  der  Aerzte  85,  172,  259,  302.  341,  429,  469, 

687,  774,  909,  1164,  1903,  2068 

—  Medizinischer  Klub  . 773 

—  Medizinisches  Doktorenkollegium  .......  302,  597 

—  Gesellschaft  für  innere  Medizin  126,  340,  511,  1165, 

1902,  2030,  2069 

—  Verein  für  Psychiatrie  und  Neurologie . 1989 

—  VII.  österreichischer  Aerztekammertag . 1595 


Schweiz. 

Basel:  Medizinische  Klinik .  62,  1215,  1249,  1413 

—  Chirurgische  Klinik . 1250 

—  Universitäts-Frauenklinik . 1085 

—  Physiologisches  Institut . 367 

—  Frauenspital  Basel  Stadt . 1960 

Genf:  Pathologisches  Institut . 359 

Zürich:  Hygienisches  Institut . 1461 

England. 

Chelsea:  Clinical  Society . 905 

E di n bürg:  Medico-Chirurgical  Society .  257,  554,  2166 


1902. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXV 


Seite 

Liverpool:  Medical  Institution .  554,  905 

Leeds  and  AVest  Riding:  Medico-Chirurgical  Society  .  .  125 
London:  Medical  Society  ....  .  .  125,  17u,  389,  554 

—  Royal  Medical  and  Chirurgical  Society  .  .  .  ’l25,  ’l285,’  2166 

—  Pathological  Society .  170  257 

—  Society  of  Medical  Officers  of  Health  ......  17o’  301 

—  South-AVest-London  Medical  Society . .  213,  554 

—  Clinical  Society . '  257,  554,  732,  1868,’  2182 

Manchester:  Clinical  Society .  .  4555 

Royal  Academy  of  Medicine  in  Ireland . 301 

70.  Jahresversammlung  der  British  Medical  Association  zu 

Manchester .  1552,  1591 

Ophthalmological  Society  of  the  United  Kingdom . 2181 

Italien. 


Ferrara:  Medizinisch-chirurgische  Akademie  .  555,  906 

—  Arcispedale  S.  Anna .  2047 

Genua:  Medizinische  Klinik . 353 

Modena:  Medizinisch-chirurgische  Gesellschaft . 987 

Neapel:  Deutsches  Krankenhaus . 1965 

Padua:  Hygienisches  Institut  . 649 

Pa  via:  Institut  für  spezielle  Pathologie  der  Universität  .  .  1409 

Rom:  Medizinische  Klinik . 953 

Turin:  Akademie  der  Medizin .  555,  906,  1205 


IA7.  internationaler  Gynäkologen-Kongress  zu  Rom  4’/7,  1286, 

1813,  1858,  1895 


Frankreich. 


Paris:  Acad^mie  de  nhidecine  124,  212,  426,  507,  91)5, 

1075,  1318,  1404,  1446,  1942,  2104 


Seite 

—  Academie  des  Sciences .  507,  947,  2104 

—  Socidte  mödicale  des  höpitaux  .  .  84,  169,  987,  1245,  2166 

—  Soci4te  medico-chirurgicale . 169,  1029 

—  SocRtö  de  Therapeutique .  426,  1204,  1942,  2166 

—  Soci^te  de  Paediatrie . 947 

—  Sociüt4  de  Chirurgie .  947,  1245,  1942 

Französischer  Kongress  für  innere  Medizin  zu  Toulouse  .  .  .  818 

Chirurgenkongress,  15.  französischer,  zu  Paris .  1248,  1980 


Belgien. 

Jahressitzung  der  belgischen  Gesellschaft  für  Chirurgie  .  .  .  1981 
II.  internationale  Konferenz  zur  Bekämpfung  der  Syphilis  und 

der  venerischen  Krankheiten  zu  Brüssel . 1665 

Internationale  Konferenz  zur  Unifizierung  der  Rezepte  der 

stark  wirkenden  Arzneien  zu  Brüssel  . 1682 


Spanien. 

XIV.  internationaler  medizinischer  Kongress  zu.  Madrid  1903 


(vorläufiges  Programm) . .  1245 

Russland. 

St.  Petersburg:  Alexandra-Stift  für  Frauen . 1459 


Amerika. 

Aerztekongress  in  Saratoga .  1934,  1981 


V.  Abbildungen  und  Curventafeln. 


Seite  | 

16  Abbildungen  zu  Moritz,  Ueber  orthodiagraphische  Unter¬ 
suchungen  am  LIerzen .  1 

6  Abbildungen  zu  Lange,  AVeitere  Erfahrungen  über  seidene 

Sehnen .  11  j 

5  Abbildungen  zu  Bruns,  Ueber  Anwendung  von  Laufwagen 

bei  Lähmungen  der  unteren  Extremitäten .  24 

1  Abbildung  zu  Petersen,  Ein  Pall  von  kompletter  Darmaus¬ 
schaltung  .  41 

1  Abbildung  zu  v.  Criegern,  Ueber  Pleurasynechie  und  ver¬ 

wandte  Zustände  vom  Gesichtspunkte  der  diaskopischen 
Diagnostik . 54 

2  Abbildungen  und  7  Kurven  zu  Jaquet,  Zur  Technik  der 

graphischen  Pulsregistrierung .  62 

2  Abbildungen  zu  Jordan,  Operativ  geheilte  kongenitale  Hüft- 

luxation .  210 

2  Kurventafeln  zu  Matthes,  Statistische  Untersuchung  über 

die  Folgen  der  Lues  . .  221 

1  Abbildung  zu  Kehr,  Eine  seltene  Anomalie  der  Gallengänge  229 

2  Abbildungen  zu  Handwerck,  Ueber  die  Bestimmung  des 

Herzumrisses  und  deren  Bedeutung  für  den  praktischen 

Arzt .  230 

1  Abbildung  zu  Placzek,  Eine  neue  Lungenprobe .  267 

1  Abbildung  zu  Kaposi,  Ein  Fall  von  komplizierter  Schädel¬ 

verletzung  mit  Aphasie. .  316 

2  Kurventafeln  zu  Beyer,  Das  Verhalten  des  löslichen  Silbers 

im  Körper .  331 

1  Abbildung  zu  Esser,  Chronische  Bronchialdrüsensch wellung 

mit  Lungenspitzentuberkulose  .  356 

3  Abbildungen  zu  Bender,  Zur  Kenntnis  des  erworbenen 

Hochstandes  der  Scapula .  357 

2  Abbildungen  zu  Seilheim,  Prinzipien  und  Gefahren  der 

Abortbehandlung .  393 

2  Abbildungen  zu  Rieder,  Nochmals  die  bakterientötende 

AVirkung  der  Röntgenstrahlen .  403 

1  Abbildung  zu  Baas,  Ueber  das  Zentrum  der  reflektorischen 
Pupillenverengerung  und  über  den  Sitz  und  das  AVesen 

der  reflektorischen  Pupillenstarre  .  406 

1  Abbildung  zu  Riedinger,  Ueber  willkürliche  Verrenkung 

des  Oberarms .  411 

1  Abbildung  zu  Bender,  Ein  Fall  von  einseitigem,  fast  voll¬ 
ständigem  Fehlen  des  M.  cucullaris .  413 


Seite 

1  Abbildung  zu  Panse,  Pulverbläser .  499 

7  Abbildungen  zuBerndt,  Ueber  Exstirpation  und  Regeneration 

langer  Röhrenknochen  bei  Osteomyelitis  und  Tuberkulose  516 
1  Kurventafel  zu  Bertelsmann  und  Mau,  Das  Eindringen  von 

Bakterien  in  die  Blutbahn  als  Ursache  des  Urethral fiebers  521 
6  Abbildungen  zu  Lange,  Ueber  ungenügende  Muskelspan¬ 


nung  und  ihre  operative  Behandlung .  525 

1  Abbildung:  Ein  Ex  Libris  des  Aerztliclien  Vereins  München  558 

2  Kurventafeln  zu  Treupel  und  Edinger,  Untersuchungen 

über  Rhodanverbindungen .  563 

17  Abbildungen  zu  AValther,  Ueber  Subluxationen  bei  der  an¬ 
geborenen  Hüftverrenkung .  566 

2  Abbildungen  zu  Riedinger,  Ueber  eine  Haltungsanomalie 

bei  Hysterie .  571 

4  Abbildungen  zu  Köster,  Eine  bisher  noch  nicht  beschrie¬ 
bene  Lokalisation  der  Bleilähmung .  601 

1  Abbildung  von  Boas,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Chole- 

lithiasis . : .  605 

2  Abbildungen  zu  Heller,  Kleine  Beiträge  zur  Tuberkulosefrage  609 
1  Abbildung  zu  Struppler,  Ueber  Pyopneumothorax  acutissi- 

mus  bei  inkarzerierter  Zwerchfellshernie .  618 

1  Abbildung  zu  Plesch,  Ueber  ein  verbessertes  Verfahren  der 

Perkussion .  620 

1  Abbildung  zu  AViener,  Ein  eigentümlicher  Fall  von  Uterus¬ 
einklemmung  in  ein  Pessar .  655 

1  Abbildung  zu  Stölzing,  Trommelschlegelfinger  mit  Atrophie 

der  Endphalangen .  656 

4  Abbildungen  zu  Matthes,  AVeitere  Beobachtungen  über  den 
Austritt  des  Hämoglobins  aus  sublimatgehärteten  Blut¬ 
körperchen  .  698 

2  Abbildungen  zu  v.  Hoesslin,  Varicellen  mit  abnormer  Ent¬ 

wicklung  des  Exanthems .  704 

2  Abbildungen  zu  Neugebauer,  Rückenmarksanalgesie  und  die 

Verteilung  der  Sensibilität  nach  Marksegmenten .  741 

2  Abbildungen  zu  Mann,  Ueber  subkutane  Paraffinprothesen 

zur  Korrektur  von  Sattelnasen .  767 

1  Abbildung  zu  Briefe  aus  Ostasien  VIII .  820 

1  Abbildung  zu  Treupel,  Ueber  multiple  Sklerose  in  klinischer 

Beziehung  und  ihre  differentielle  Diagnose .  865 

1  Abbildung  zu  Spineanu,  Apparat  zur  Bestimmung  des  Ge¬ 
samtsäuregehaltes  des  Magensaftes  .  877 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1902, 


xAYI 


— 

Seite 

4  Abbildungen  zu  Kaes,  Neue  Beobachtungen  bei  der  Weigert- 

färbung . .  919 

2  Abbildungen  zu  Rullmann,  Ueber  eine  aus  Sputum  isolierte 

pathogene  Streptothrix  .  925 

5  Abbildungen  zu  Pfeiffer,  Ueber  eine  schnelle  Methode  zur 

Prüfung  der  Lichtstärke  auf  den  Arbeitsplätzen  in  Schulen, 

Bureaux  und  Werkstätten . 926 

1  Abbildung  zu  Kustermann,  Ein  neues  Instrumentarium  für 

Morphium-  und  Kampherinjektionen .  927 

1  Abbildung  zu  Büdingen,  Der  Thoraxdruckmesser  und  die 

neue  Lungenprobe .  928 

7  Abbildungen  zu  Scheffer,  Ueber  eine  mikroskopische  Er¬ 
scheinung  am  ermüdeten  Muskel .  998 

3  Abbildungen  zu  v.  Stubenrauch,  Zur  Pathologie  des  Meckel- 

schen  Divertikels .  985 

2  Abbildungen  zu  Metzner,  Transportables  Röntgen-Universal- 

Instrumentarium  für  den  Gebrauch  des  praktischen  Arztes  1004 

1  Abbildung  zu  Hahn,  Osteomyelitis  femoris . 1026 

1  Abbildung  zu  Stich,  Eiweiss-  und  Zuckerreaktion  am  Kran¬ 
kenbett  . 1100 

4  Abbildungen  zu  Steinert,  Ueber  den  Intentionskrampf  der 

Sprache,  die  sog.  Aphthongie . 1132 

1  Abbildung  zu  Jacobsohn,  Ein  Trichterreagensglas . 1205 

5  Kurventafeln  zu  du  Mesnil,  Lieber  die  Heilserumbehand¬ 

lung  des  Typhus  abdominalis . 1238 

1  Abbildung  zu  Axenfeld,  Die  Prophylaxe  der  septischen 

Infektion  des  Auges,  besonders  seiner  Berufs  Verletzungen  1289 
1  Abbildung  zu  Müller,  Bericht  über  eine  Wiederkäuerfamilie  1293 
4  Abbildungen  zu  Model,  Medizinisch-botanische  Streifzüge  .  1303 


1  Kurventafel  zu  Körner,  Soziale  Gesetzgebung  und  Ohren¬ 


heilkunde  . 1305 

1  Abbildung  zu  Klein,  Zur  Geschichte  der  Extraktion  und 

Expression  des  nachfolgenden  Kopfes . 1307 

1  Abbildung  zu  Sticker,  Zur  Diagnose  der  angeborenen  Schwind¬ 
suchtsanlage  . 1375 

9  Abbildungen  zu  Herz,  Der  Bau  des  Negerfusses . 1416 

1  Abbildung  zu  Vulpius,  Ein  neuer  Bewegungsapparat . 1460 

3  Abbildungen  zu  Silberschmidt,  Ueber  ein  einfaches  Bak¬ 
terienfilter  zur  Filtration  kleiner  Flüssigkeitsmengen...  .  1461 

1  Abbildung  zu  Braun,  Naht-  und  Unterbindungsfäden . 1483 

1  Abbildung  zu  Kober,  Zur  Frage  der  Uterusruptur  in  frühen 

Monaten  der  Schwangerschaft . 1499 

1  Abbildung  zu  Pfeiffer,  Ein  Riesen  ipom . 1502 

3  Abbildungen  zu  v.  Hösslin,  Zum  Nachweis  der  Simulation 

bei  Hysterischen  und  Unfallskranken . 1521 


Seite 

1  Abbildung  zu  Hahn,  Aneurysma  varicosum  eines  Saphena- 

astes  als  Schenkelbruch  fehldiagnostiziert . 1538 

1  Abbildung  zu  Stömmer,  Ein  Fall  von  Menstruatio  praecox  1541 

1  Abbildung  der  Universal-Schreibplatte . 1558 

2  Abbildungen  zu  Brüning,  Ueber  die  Luxatio  tibiae  anterior  1573 

1  Abbildung  zu  Jolles,  Eine  einfache  Methode  zur  quantita¬ 

tiven  Bestimmung  der  Eiweisskörper  im  Blute  für  klinische 
Zwecke . 1575 

2  Abbildungen  zu  Cybulski,  Ueber  eine  eigentümliche  Kom¬ 

plikation  der  Lungenblutung  .  1613 

1  Abbildung  zu  Eichler,  Aspirationstrachealkatheter . 1639 

3  Kurven  zu  Treupel,  Operative  Behandlung  gewisser  Lungen¬ 

erkrankungen  . 1644 

5  Kurven  zu  de  Feyfer  und  Kayser,  Eine  Endemie  von  Para¬ 

typhus  . 1692 

1  Kurve  zu  Theilhaber,  Ursachen,  Symptome  und  Behandlung 

der  Insuffizienz  des  nicht  schwangeren  Uterus . 1698 

8  Abbildungen  zu  Kuhn,  Zur  Extension . 1701 

1  Abbildung  zu  Fels,  Ein  Fall  von  kongenitaler  Cystenniere 

mit  pararenalem  Hämatom  bei  einem  Luetiker . 1743 

1  Kartenskizze  zu  de  Feyfer  und  Kayser,  Eine  Endemie  von 

Paratyphus .  1752 

4  Abbildungen  zu  Fischer,  Ueber  den  Wert  der  Elastinfärbung 

für  die  histologische  Diagnostik .  1785 

2  Abbildungen  zu  v.  Ranke,  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Behand¬ 

lung  des  nomatösen  Brandes  durch  Exzision  des  erkrankten 

Gewebes .  1789 

1  Kurve  zu  Moos,  Ein  Fall  von  Lobärpneumonie  mit  konse¬ 
kutivem  Pemphigus  acutus  bei  einem  2’/2jährigen  Kinde  1886 

1  Abbildung  zu  Hoesslin,  Ueber  Spirometrie . 1952 

1  Abbildung  zu  Miller,  Ein  neuer  Messapparat  zur  genauen 

Bestimmung  der  Exkursionsfähigkeit  der  Gelenke .  1990 

1  Abbildung  zu  Witzei,  Wie  sollen  wir  narkotisieren? . 1993 

1  Abbildung  zu  Kurrer,  Selbsttätiger  Aetherflaschenverschluss 

für  die  Narkose  . 2002 

3  Abbildungen  zu  Port,  Ueber  die  Ausgleichung  von  Knochen¬ 

deformitäten  .  2007 

6  Abbildungen  zu  Reiner,  Ueber  ein  Operationsverfahren  zur 

Beseitigung  hochgradiger  Unterschenkel  Verkrümmungen  .  2043 
1  Abbildung  zu  Zimmermann,  Beiträge  zur  Mechanik  des 

Hörens .  2080 

1  Abbildung  zu  Helmbold,  Injektionsspritze,  zerlegbar,  zum 

sterilisieren  . 2169 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


SO.  Dezember  1-902. 


.MT JEN CITENER  MEDICIbJ  ISCIiE  WOCHENSCHRIFT. 


Preussen. 


Personalnachrichten. 


Niederlassungen:  Dr.  Frankel  in  Spandau;  Dr.  Gau  in 
Dr.  Lezius  m  Fnedrichshagen ;  Dr.  Mellin  in  Britz;  Dr.  Win  sch 
Dr.  heisch  in  Schlachtensee. 


Nowawes; 
in  Halensee; 


Verzogen:  Dr.  Bollert  von  Rummelsburg  nach  Steglitz;  Dr.  Kretsch- 
,“a  y  Wurzburg  nach  Britz;  Dr.  Hohefeld  von  Pirna  nach  Zehlendorf; 

r.  Luda  von  hriedland,  Dr.  Krause  von  Belgern  und  Dr.  Engel  von  Schöne¬ 
berg  nach  Dt.  Wilmersdorf;  Dr.  Schramm  von  Weinheim  nach  Friedenau • 
Dr.  Bahlmann  von  Fnedrichshagen  nach  Altona;  Dr.  Müller  von  Weissense 
nach  Hamburg;  Dr.  \  olkhart  von  Bamberg  nach  Potsdam;  Dr.  Röste  1  von 
Herrnhut  nach  Ketzm;  Dr.  Cirö  von  Fulda  nach  Dresden;  Dr.  Feige  von 

RprTn0nnrHUnd  ?  g  e  m  a  «  »  ™n  D^rsleben  nach  Eisleben;  Dr.  Lewin  von 
Berlin  und  Dr.  Lotzin  von  Elbing  nach  Halle  a.  S.;  Dr.  Berns  von  Algrineen 
nach  Herzberg;  Dr.  Lang-Heinrich  von  Mansfeld  nach  Siersleben;  Dr  Hart  i 


von  Lauchau  nach  Frankfurt  a.  M. ;  Utcrwedde  von  Halle  a.  S.  nach 
Dommitzch;  Dr.  Czecli  von  Herpf  h.  Meiningen  nach  Rothenburg  a.  Saale. 

Württemberg. 

Verzogen :  Dr.  Georg  Heimann,  Assistenzarzt  am  Krähenbad,  nach  Berlin ; 
Dr.  Lukas  herlikofer,  Ortsarzt  in  Lauterbach,  nach  München;  Dr.  Friedrich 
w  essel,  II.  Stadtarzt  in  Alpirsbach,  nach  Detmold. 

„  .  Niederlassungen:  Dr.  Matthäus  Bernhard  in  Lauterbach;  Dr.  Maximilian 
bncdrich  Karehnke  m  Alpirsbach;  Dr.  Matthäus  Hartmann  in  Uttenweiler, 
O.-A.  Riedlingen.  ’ 

Oldenburg. 

Niederlassung:  Dr.  Friedrich  Bohlen  in  Heppens. 

Bremen. 

Niederlassung:  Dr.  Curt  Paul  Arndt  in  Bremen. 


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30.  Dezember  1902. 


MUENCHENEE  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


7 


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Dülfeldorf  1902. 

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Goldene 

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Düffeldorf  1902. 

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für  Nerven-  und  Gemiithskranke. 


Aerztliches  Pädagogium  für  jugendliche  Kranke. 

Diese  seit  dem  Jahre  1856  bestehende,  mit  den  Fortschritten  der  Wissenschaft 
wie  den  Anforderungen  der  Zeit  stetig  weiterentwickelte  Anstalt  inmitten  grosser 
Gärten,  an  den  anmuthigen  Parkanlagen  der  Stadt  gelegen,  nimmt  kranke  Damen 
wie  Herren  auf  und  bietet  neben  dem  Comfort  der  gebildeten  Stände  alle  Hilfsmittel 
der  Behandlung  und  Pflege  von  Kranken.  Besondere  Sorgfalt  wird  auf  die  Tren¬ 
nung  der  leichten  resp.  Nervenkranken  von  schweren  Krankheitsformen,  sowie  auf 
die  Theilnahme  der  Patienten  am  Familienleben  und  an  regelmässiger  Beschäftigung 
gewendet.  Verschiedene  getrennte  Gebäude  und  einzelne  kleine  Villen  gestatten 
jede  mögliche  Rücksicht  auf  individuelle  Anforderungen,  und  werden  die  ärztlichen 
Bemühungen  durch  ein  zahlreiches  gebildetes  Beamtenpersonal  unterstützt.  —  Für 
die  in  neuerer  Zeit  sich  immer  mehr  häufenden  Fälle  von  Nerven -und 
Gemüthskranken  im  jugendlichen  und  kindlichen  Alter  ist  inner¬ 
halb  der  Anstalt  ein  methodisches  ärztliches  Pädagogium  eingerichtet, 
in  welchem  eigene  Lehrer  für  die  hauptsächlichsten  Lehrgegenstände  —  Gymnasial- 
und  Realschulfächer  —  und  ausserdem  Instruktoren  für  Handfertigkeiten,  mecha¬ 
nische,  artistische  und  körperliche  Uebungen  angestellt  sind,  um  regelmässigen 
Unterricht  zu  ertheilen  und  die  geistige  und  sittliche  Entwicklung  der  Zöglinge 
neben  den  Aerzten  zu  überwachen  und  zu  fördern.  —  Prospekte  über  die  Heil¬ 
anstalt  wie  das  Pädagogium  sind  zu  erhalten  von  Dr.  Kahlbaum. 


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zeichnen  sich  durch  ihre  schöne,  crystallähnliche  Form  aus 
und  sind  unbegrenzt  haltbar.  Der  Geschmack  ist  angenehmer 
als  der  des  dickflüssigen  Extractes.  Das  trockene  Extract  löst 
sich  sofort  im  Munde,  ebenso  in  jeder  anderen  Flüssigkeit 
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Aerztliche  Gutachten: 

Dt.  ernst  Tischer  (Strassburg) : 

Die  Wirkung  des  „Pertussins“  war  eine  überraschende;  wenn- 
gleich  1®“  mclit  gerade  sagen  kann,  dass  der  Keuchhusten  Bich  in 
einigen  lagen  in  einen  einfachen  Katarrh  verwandelte,  so  wurden 
aie  Anfälle  so  milde,  der  Schleim  so  locker,  dass  das  Erschreckende 
des  Keuchhustens,  das  Blauwerden  und  die  drohende  Erstickung,  voll¬ 
ständig  wegfielen. 

Dr.  KlOdel,  kgl.  Bezirksarzt  a.  D.  (Weissenbarg)  : 

....  I'.3’,011  dem  Gebrauch  des  Pertussln  war  es  mir  beim  Erwachen 
plötzlich,  als  athmete  ich  die  freie  herrliche  Luft  auf  einem  Alpen- 
Gipfel.  Di®8?  Leiohtathmigkeit  fiel  mir  besonders  auf,  der  ich  in- 
olge  langjähriger  Br  .nchialkatarrhe  an  merklichem  Emphysem  leide. 

Dr.  HUrcd  miillcr  (Neuhausen): 

Mein  Urtheil  geht  dahin,  dass  das  Pertussln  ein  Mittel  ist,  das 
in  kürzester  Zeit  den  mit  Recht  so  gefürchteten  Keuchhusten  in 
ei".?a  ungefährlichen  und  fast  unmerkbaren  Bronchialkatarrh  Uber- 
zutiihren  vermag.  Ich  kenne  zur  Zeit  kein  anderes  Mittel,  welches 
Bich  des  gleichen  Vorzuges  rühmen  dürfte. 

Dr.  Erich  R.  von  Itlatzncr  (Birkfeld,  Steierm.): 

,  i  Xe,  ^rei  Pertussin  behandelten  Bronchitiden,  davon  zwei 
bei  Kindern,  zählten  zu  den  schwersten  Formen  und  jedesmal  er¬ 
wies  sich  Ihr  Praparat  als  von  ausgezeichneter  Wirkung;  der  starke 
Hustenreiz  nahm  in  wenigen  Stunden  bereits  ab  und  die  Secretion 
begann  sich  t  a'd  zu  verringern,  die  Temperatur  fiel  ab. 

®r-  ?*®s.snCri’  1®it-  -Arzt  d.  lothring.  Sanatoriums  (Alberschweiler) : 

.  o  lF.r,,Pertussin  babe  lcb  in  3  Fällen  ange wendet  und  zwar  davon 
a1  J  n  en  miL  ae,ryor ragendem,  im  3.  mit  leidlichem  Erfolg.  Alle 
3  halle  waren  solche  der  schwersten  Schwindsucht.  Ich  nehme 
schon  jetzt  an,  dass  Pertussin  bei  uns  nicht  mehr  ausgehen  wird. 

Verkauf  nur  durck  die  Apotheken. 

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Kommandantenapotheke  E.  Taeschner 

Berlin  C.  19,  Seydelstrasse  16. 


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MUENOHENER  MEDICINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


9 


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Sofortiger,  absolut  gefahrloser  Ersatz  jeder  Dosis,  ohne  Rücksicht  auf 
Dauer  der  Gewöhnung.  Dauer  der  ganz  ohne  Beschwerden  verlaufenden 
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(Geisteskranke  ausgeschlossen.) 

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Siehe  wissenschaftliche  Abhandlungen  von: 

1.  Dr.  Jul.  Flesch,  Wien,  Abtheilung  des  Herrn  Prof.  Benedikt  an  der  Poli¬ 
klinik  („Wiener  Klin.  Rundschau“  Nr.  43  vom  Jahre  1900).  —  2.  Dr.  Siegel, 
Wien  („Wiener  Medic.  Blätter“  Nr.  4  vom  Jahre  1901).  —  3.  Dr.  Arnold 
Goldmann  („Medicin.-chirurg.  Centralblatt“  Nr.  23  vom  Jahre  1901).  —  4.  Dr. 
Wilh.  Meitner  („Reichs-Medicinal-Anzeiger“,  Leipzig,  Nr.  17  vom  Jahre  1902). 
—  6.  Herr  Professor  Dr.  Ortner  in  Wien  schreibt  in  der  III.  Auflage 
seines  Lehrbuches  der  spec.  Therapie  der  Neurosen  des 
Herzens,  Seite  133:  „Therapie  des  Herzklopfens“:  „In  neuerer 
Zeit  wende  ich  hiegegen  im  vorliegenden  Falle  wieüberhaupt 
bei  Neurasthenikern  mit  Herzbeschwerden  gerne,  und  ich 
glaube  nicht  ohne  Nutzen,  den  „Syrupus  Colae  compos.  Hell“, 
3  Kaffeelöffel  täglich  nach  den  Mahlzeiten,  an.“  —  6.  Samm¬ 
lung  von  200  ärztlichen  Gutachten. 


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Bestimmungen  des  Prospectes. 

Prospecte  sowie  nähere  Auskunft 
durch  den  Besitzer  und  dirigirenden 

Arzt  Dr.  C.  Fürer, 

vormals  Assistent  von  Herrn  Prof. 
Kräpelin  in  Heidelberg. 


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